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HANDBUCH
DER
Mittelalterlichen und
Neueren Geschichte.
HERAUSGEGEBEN VON
G. V. Below und f. Meinecke,
PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG i. b.
Abteilung iii:
VERFASSUNG, RECHT, WIRTSCHAFT.
Adolf Schaube
HANDELSGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER DES
MITTELMEERGEBIETS BIS ZUM ENDE DER KREUZZÜGE.
MÜNCHEN UND BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG.
1906.
Handelsgeschichte
DER
Romanischen Völker
DES
MITTELMEERGEBIETS BIS ZUM ENDE
DER KREUZZÜGE.
VON
PROF. ADOLF SC HAUBE,
KÖNIGLICHEM GYMNASIAL-OBERLEHRER IN BRIEG.
MÜNCHEN UND BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG.
1906.
Einleitung.
Mittelmeer mid atlantische Küsten Europas sind im Mittelalter lange
Zeit hindurch völlig getrennte Handelsgebiete gewesen^ derart, daß selbst
die Romanen des atlantischen Gebiets mit ihren Stammesverwandten im
Süden keinerlei direkte Handels Verbindung zur See unterhalten haben. Von
diesen beiden großen selbständigen Verkehrskreisen hat für das Mittelalter,
namentlich aber für dessen frühere Zeit, der südliche die weitaus größere
universale Bedeutung; seine Entwickelung geht nicht bloß zeitlich voran,
sondern ist vielfach für weite Gebiete und ferne Zeiten richtunggebend und
vorbildlich gewesen. Auf ihn beschränkt sich die vorliegende Darstellung;
das germanisch-nordromanische Handelsgebiet zieht sie im wesentlichen nur
soweit in ihren Kreis, als auch dieses zum Schauplatz der Handelstätigkeit
der Mittelmeer-Romanen geworden ist.
Zu ihrem Ausgangspunkte nimmt sie die Zeit der tiefsten Depression,
die der Handel des Mittelmeergebiets zwischen seinen beiden Höhepunkten
in der römischen Kaiserzeit und dem späteren Mittelalter erfahren hat.
Nicht die Zeiten schlimmsten Verfalls im römischen Reich, nicht die Stürme
der Völkerwanderung haben einen solchen Tiefstand des Handels in diesem
Gebiet herbeigeführt, als der gewaltige und langandauernde Rückschlag, der
den besseren Tagen Karls des Großen gefolgt ist. Damals wurde das West-
becken des Mittelmeers zu einer sarazenischen See ; mehr als einmal wurde
Rom selbst das Ziel der AngrifEe der Araber; Unter-Italien und Südfrank-
reich waren lange Zeit in Gefahr, ihnen zu erliegen; die für die Wege des
Handels besonders wichtigen Inseln Sicilien imd Kreta gingen wirklich an sie
verloren. Dazu gesellten sich Raubzüge der Normannen, die Piraterie der
slavischen Stämme an der Adria und für das Binnenland seit dem Ende
des 9. Jahrhunderts die furchtbaren bis nach Unter-Italien und Südfrank-
reich ausgedehnten Beutezüge der Magyaren. Je weniger dauernde Erobe-
VI Einleitung.
rung, mit der der Handel sich eher abzufinden weiß, sondern Raub und
Plünderung, das Ziel der meisten dieser Züge war, je mehr es den heimi-
schen Gewalten an Kraft zu entschiedener Abwehr fehlte, um so schwerer
mußte der Handel unter der Unsicherheit aller Verhältnisse leiden, um so
stärker sein Rückgang sein.
Von diesem Tiefpunkte aus soll der allmähliche Aufschwung des'^
Handels der Mittelmeer-Romanen dargestellt werden, indem zunächst bis
zum Beginn der Kreuzzugsbewegung die kommerzielle Entwickelung der
einzelnen Handelszentren, soweit es die oft nur recht dürftigen Quellen zu-
lassen, verfolgt wird, während für die Zeit der großen Kreuzzugs Unter-
nehmungen selbst, die den Handel auf das mächtigste förderte, die Dar-
stellung sich an die einzelnen Handelsgebiete anschließt, in denen der
kommerzielle Unternehmungsgeist der Mittelmeer-Romanen sich betätigt hat.
Als Endpunkt der Darstellung ist das Jahr 1250 gewählt, das man mit
Recht, soweit das bei einem bestimmten Jahre überhaupt möglich ist, als
Grenzjahr zwischen dem früheren und späteren Mittelalter anzusehen sich
gewöhnt hat. Die letzte große Kreuzzugsunternehmung fand damals mit
dem Rückzuge König Ludwigs IX. von Damiette ihr Ende ; die Herrschaft
der Mameluken-Sultane begann; der Untergang des auf einen kleinen Rest
zusammengeschrumpften lateinischen Kaiserreichs stand nahe bevor, während
die Kaiserherrschaft in Italien eben in diesem Jahre mit dem Tode Fried-
richs II. zu Ende ging. Und im selben Jahre machte der Staat des Comune,
unter dessen Herrschaft der Handel in den Städten Ober- und Mittel-Italiens
allmählich bis zu einer neuen Hochblüte emporgediehen war, zunächst in
Florenz dem neuen, aus den innerüch umgestalteten Verhältnissen heraus-
gewachsenen Staate des Popolo Platz.
So liegen jenseits der zeitlichen Grenzen dieser Darstellung die Eröff-
nung neuer Handelswege in der Levante, wie sie namentlich das Auftreten
der Mongolen zur Folge hatte, die Aufhebung der Trennung der beiden
großen Handelsgebiete Westeuropas durch die direkten Handelsfahrten der
Genuesen und Venezianer nach den englischen und niederländischen Ge-
wässern, das Emporkommen der großen, die ganze damalige Handelswelt
mit ihrer Tätigkeit umspannenden Bankhäuser der toskanischen Binnenstädte.
Von theoretischen Erörterungen hält sich die Darstellung, schon wegen
Raummangels, fern ; aus demselben Grunde sind abweichende Anschauungen
oder Angaben anderer Forscher oft nur angedeutet; ebenso ist auf Voll-
ständigkeit der Belege verzichtet. Dagegen ist erstrebt, durch die Auswahl
der Belege den Benutzer in den Stand zu setzen, zu vollständiger Beherr-
schung des in jedem Einzelfalle notwendigen Quellen- und Literaturmaterials
zu gelangen.
Indem der Verfasser sich durchaus bewußt ist, mit einer aus dem
Gesichtswinkel des Handels allein gegebenen Darstellung nur ein einseitiges
Einleitung. VII
Bild bieten zu können, hat er den Wunsch, dem Mißverständnis nicht aus-
gesetzt zu sein, daß er die pohtische Geschichte sowie die Geschichte der
übrigen wirtschafthchen Verhältnisse oder die der geistigen Strömungen der
Zeit in ihrer Bedeutung unterschätze, und gibt sich der Hoffnung hin, durch
streng wissenschaftliche, die Zeiten scharf sondernde Darstellung dieser einen
Seite des geschichtlichen Lebens auch der allgemeinen Erkenntnis der weit-
geschichthchen Entwickelung einen bescheidenen Dienst zu leisten.
Brieg, im Mai 1906.
Adolf Schaube.
Inhalt.
Einleitung g. V
Inhalt S. Vni
Erster Hauptteil.
Der Handel der Mitteltneer- Romanen von seinem Tiefstande
um den Anfang des 10. Jahrhunderts bis zum Beginn der
Kreuzzüge.
Kap. 1. Venedig S. 3
Zeit der Sarazenen- und Magyarennot § 1. Handelsstellung Venedigs an
der Adria : Beziehungen zum Regnum italicum im allgemeinen 2 — 4 ; zu
den einzelnen Gebieten 5 — 9; zu Dalmatien 10. Handelsbeziehungen zum
griechischen Eeiche 11—14, zu den Sarazenen 15, 16. Bedeutung des Han-
dels für Venedig und Venedigs Handelsstellung im allgemeinen 17.
Kap. 2. ünter-Italien S. 26
Der Osten, insbesondere Bari § 18, 19. Der Westen, insbesondere Amalfi.
Sarazenennot 20. Handelsbeziehungen zu : den Sarazenen des Westens 21,
Byzanz 22, Syrien und Ägypten 23, zum christlichen Abendlande 24. Un-
terschied in der Handelsbetätigung der campanischen Seestädte; Handels-
blüte Amalfis 25. Niedergang Amalfis. Die normannische Eroberung 26.
Kap. 3. Rom g. 43
Sarazenenzeit § 27. Außenhandel 28. Handelsverkehr in Rom selbst 29.
Geldhandel 30. Der sacco di Roma 31.
Kap. 4. Pisa S. 48
9. u. 10. Jahrhundert § 32. Beziehungen : zu den Sarazenen 33, 34, Unter-
Italien 35, Sardinien und Korsika 36, Ober- und Mittel-Italien 37. Empor-
steigen zu kommunaler Selbständigkeit 38. Spuren von Beziehungen zur
Levante 39.
Kap. 5. Toskanisches Binnenland S. 58
Luc ca. Verbindung mit der See §40. Via francisca 41. Industrielle Ent-
wickelung und Wohlstand 42. Florenz und kleinere Orte 43.
Kap. 6. Genua , S. 63
Aligemeines § 44. Handel mit Sardinien und Korsika 45, den übrigen
Teilen des westlichen Mittelmeers 46, der Levante 47. Fremde Händler
in Genua 48. Die Compagna 49.
Kap. 7. Das Binnenland zwischen Alpen und Apennin S. 67
Die Leidenszeit. Wiederaufschwung § 50.
Binnenschiffahrt auf dem Po 51, den Zuflüssen 52, Beteiligung der
Klöster 53. Stromregal in der Hand der Bischöfe 54.
Marktwesen. Ständiger Handel. Maßwesen 55. Wochen- und Jahr-
märkte 56. Wichtigere Märkte und Messen 57.
Inhalt. ix
Handelsabgaben im allgemeinen §58. Passierzölle und Verkaufsabga-
ben 59. Befreiungen 60. Hauptgegenstände der Warenbewegung.
Lebensmittelhandel 61. Rohstoffe und Fabrikate 62.
Geltung des Handelsstandes in sozialer Beziehung 63, in politischer 64.
Außenhandel. Aus Italien stammende AVaren jenseits der Alpen 65.
Anteil der Italiener am Handel mit Deutschland 66, mit Frankreich und
Burgund 67.
Kaufleute von jenseits derAlpen in Italien. Septimerverkehr 68.
Handelsverkehr in der Richtung auf Venedig 69. Sonstige Nachrichten
über transalpine Waren und Kaufleute in Italien 70. Pilger- und Her-
bergswesen 71.
Kap. 8. Südfrankreicli und spanische Mark S. 97
Leidenszeit. Sarazenische Invasion in Südfrankreich bis 973 ; § 72. Fort-
dauer der Sarazenengefahr; nur sehr allmähliche Erholung 73. Dürftig-
keit des Handels 74. Spanische Mark 75.
Zweiter Hauptteil.
Handel der Mittelmeer-Romanen im Zeitalter der großen
Kreuzzugsunternehmungen (ca. 1100 — 1250).
Kap. 9. Vorbemerkungen S. 107
Der Handelsgeschichte eigentümliche Quellen. Urkunden und Notularien
§ 76. Kaufmännische Aufzeichnungen verschiedener Art 77.
Die gebräuchlichsten Vertragsformen : im Seehandel 78, im Landhandel 79.
Zahlungsmittel : im 12. Jaln-hundert 80. Fortschritte seit dem 3. Kreuz-
zuge : die grossi 81, einheimische Goldmünzen 82, Nachprägungen aus-
ländischer Münzen, Buchverkehr, Wechsel 83.
Der normale Zinsfuß der Zeit 84.
A. Handel der Mittelmeer-Romanen mit anderen Völkern.
Abschnitt I:
Mit den Kreuzfalirerstaaten und den Sarazenen des Ostens.
Kap. 10. Begründung der Handelsniederlassungen und erste Handelsprivi-
legien der Mittelmeer-Komanen in den Kreuzfalirerstaaten . . . S. 122
Die Kreuzzugsbewegung und die romanischen Seestädte im allgemeinen § 85.
Unternehmungen privater Art zur Unterstützung des 1. Kreuzzugs, beson-
ders der Genuesen 86. Die großen Kreuzzugsflotten : der Pisaner 87, Ve-
nezianer 88, Genuesen 89. Weitere Eroberung der Küstenstädte Syriens ;
Anteil der Genuesen 90, Pisaner 91, Venezianer 92, Südfranzosen 93.
Kap. 11. Weiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen in
Syrien bis zur saladinischen Invasion S. 133
Genuesen 94, 95. Pisaner 96, 97. Venezianer 98, 99. Süd - Italiener 100.
Proven^alen 101. Bedeutung dieser Kolonien für den Handel der Mittel-
meer-Romanen im allgemeinen 102.
Kap. 12. Handelsbeziehungen der Mittelmeer-Romanen zu Ägypten bis zum
3. Kreuzzuge . . S. 145
Allgemeines. Kirchliche Verbote 103. Venedig, Ancona, Süd-Italien 104.
Genua 105. Pisa 106—108. .
X Inhalt.
Kap. 13. Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Xgrypten
bis zum 3. Kreuzzuge S. 152
Die Handelsfahrten selbst, Schiffskarawanen, Reisedauer usw. § 109.
Beteiligung der städtischen Aristokratie und des Kapitals an ihnen 110.
Tätigkeit der reisenden Kaufleute; Handelsreisen des Genuesen Soliman
von Salerno 111.
Warenhandel: Ausfuhr nach Syrien 112, nach Ägypten 113; Einfuhr aus
Syrien 114, aus Ägypten 115, 116.
Zwischenhandel der Mittelmeer-Romanen zwischen diesen Ländern und dem
griech. Reiche 117, den saraz. Ländern des Westens u. Südfrankreich 118.
Anfänge eines Geldhandels 119.
Kap. 14. Der Wiederaufbau nach der Katastrophe Yon 1187 S. 169
Folgen der Katastrophe für die Kolonien im allgemeinen. Anteil der Pi-
saner am Wiederaufbau 120, 121. Ihr Generalkonsulat 122. Anteil der
Genuesen 123, 124, der Venezianer 125, Amalfitaner 126 u. Proven9alen 127.
Kap. 15. Handel mit Ägypten nach dem 3. Kreuzzuge S. 178
a) bis zur ersten Räumung von Damiette (1221).
Wiederaufnahme des Handels durch die Venezianer 128, Pisaner 129, Ge-
nuesen 130. Neuer Kreuzzug ; Einnahme und Räumung von Damiette 131.
b) bis zur zweiten Räumung von Damiette (1250).
Verschlechterte Lage der Christen. Beschränkter Handel der Venezianer
bis zum Kreuzzuge des Kaisers 132. Vertrag Friedrichs IL mit El-Kamil;
sein Handel mit Ägypten 133. Die Proven^alen 134. Toskaner 135. Ver-
trag Venedigs von 1238; die »Kapitulationen« 136. Ragusa und Ancona 137.
Genua und der neue Kreuzzug. Sein Mißerfolg. Ende der Dvnastie der
Ejubiden 138.
Kap. 16. Weiterentwickelung des Handels der Mittelmeer-Romanen mit dem
Königreich Jerusalem S. 190
Große Bedeutung Accons 139.
Die Kolonien der drei großen ital. Seemächte : Kolonial-Konvention. Kon-
flikt von 1222: 140. Versuch der Ablenkung des Verkehrs nach Beirut 141.
Die kaiserliche Kreuzfahrt und die Pisaner 142. Überblick der Geschichte
der Kolonien bis zum Ausbruch des großen Kolonialkriegs 143. Stärke
und Art des Verkehrs, mit näheren Nachrichten für Genua 144. Die
Pilgertransporte Venedigs 145. Das venezianische Ladestatut von 1233 : 146.
Anteil der kleineren ital. Seemächte 147, des Binnenlandes 148.
Anteil Südfrankreichs. Die Kolonie von Marseille 149. Leitung des fran-
zösischen Kreuzfahrer- und Pilgerverkehrs über Marseille. Konflikt mit
den Ritterorden 150. Anteil an König Ludwigs Kreuzfahrt. Gesetzgebung
über Pilgertransporte 151. Starker Schiffsverkehr. Warenausfuhr nach
Syrien : Textilwaren 152, andere 153. Große Umsätze bei Aus- und Ein-
fuhr 154. Ausgedehnte Beteiligung Südfrankreichs am Verkehr über Mar-
seille 155. Anteil von Montpellier am Seeverkehr mit dem Königreich Jeru-
salem 156, von Arles, Aigues-mortes, Narbonne 157. Anteil Barcelonas 158,
Kap. 17. Handel der Mittelmeer-Romanen mit Nord -Syrien, Cypern und
Süd-Kleinasien S 210
Verlust von Laodicea. Antiochiaund Tripolis: Pisaner 159, Genuesen
und Venezianer 160, Proven9alen 161.
Aleppo. Venezianer 162, Pisaner und andere 163. Damaskus 164.
Cypern. Pisaner, Venezianer u. a. 165. Genuesen 166. Proven9alen 167.
Klein-Armenien. Krönung Leos H. i. A. Heinrichs VI. Genuesen 168.
Venezianer 169.
Sultanat Ikonium. Handel der Südküste während der griechischen
Zeit 170. Verkehr der Abendländer, besonders der Venezianer, mit dem
Sultanat 171. Auftreten der Mongolen.
Inhalt. XI
Abschnitt II:
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Ländern des griechischen
Reichs.
Kap. 18. Bis zum Tode Kjiiser Manuels Ö. 223
Das komniorziellc Verhältnis der it. Seestädte zu ßyzanz : der Venezianer
§ 172, Pisaner 173—175, Genuesen 176—178, kleineren Seemächte 179.
Ihre Handelstätigkeit im griechischen Reiche. Kommerzielle Bedeutung
Konstantinopels. Stärke der romanischen Handelskolonien 180. Grund-
züge ihrer Verwaltung 181. Handel der Romanen außerhalb der Haupt-
stadt: in den thracischen Nachbargebieten 182, am Schwarzen Meere 183,
an der Westküste Kleinasiens 184, in Macedonien 185, Almyro 186, Euboea,
Theben und Korinth 187, auf Kreta und an der Westküste Griechenlands
188. Venezianische Schitfskarawanen auch hier 189. Ilauptgegenstände
des Handels 190.
Ka^ntel 19. Von der Verfolgung- des Andronikos bis zur Eroberung: von Kon-
stantinopel durch die Lateiner S. 247
Die Verfolgung und ihre Wirkungen 191. Wiederherstellung der Bezie-
hungen mit Venedig 192, mit Genua und Pisa 193. Piraterien unter dem
schwachen Regiment Isaaks 194. Die Pisaner unter Alexios III. 195; Zu-
stand ihrer Kolonie in Konstantinopel bis zur Entführung des Prinzen
Alexios 196. Die Genuesen 197. Die Venezianer 198, ihr Vertrag von
1198 199. Die Katastrophe 200.
Kap. 20. In der Zeit des lateinischen Kaisertums . . . S. 260
Die Venezianer im Reiche und in Konstantinopel selbst 201 ; in den Nach-
bargebieten von Konstantinopel 202. Verhältnis zu Nicaea und Rhodus
203. Ihre Stellung auf Kreta und im Archipel 204, an der Westküste des
Ägäischen Meeres 205, im Peloponnes 206, an der Westküste des Rumpfes
der Balkanhalbinsel 207.
Die kleineren Seemächte der Adria 208. Lombarden 209. Pisaner und
Toskaner überhaupt 210. Die Genuesen. Versuche, Teile des Reichs an
sich zu bringen 211. Verhältnis zu Konstantinopel seit dem Frieden von
1218: 212. Stellung in Mittel-Griechenland, zu Nicaea und Rhodus 213. Die
Proven^alen 214.
Abschnitt III:
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen des Westens.
Kap. 21. Mit den Sarazenen Nord- Afrikas bis zum Ende der Herrschaft der
Almorayiden S. 275
Die Normannen Süditalions und ihre afrik. Eroberungen §215. PiHaner216.
Genuesen 217.
Kap. 22. Mit den Sarazenen ?iord- Afrikas zur Zeit der Almohaden (bis 1250) S. 280
Verträge Genuas von 1154 und 1161: 218. Fahrten nach Genta und
Saleh 219. Warenaustausch mit Marokko 220. Handel mit Bugia 221, mit
den östlicheren Plätzen 222. Lebhafter Verkehr, namentlich mit Genta
und Bugia, auch in der folgenden Zeit 223. Krisis in Genta 224. Weiter-
entwickelung des Handels mit Tunis ; erster Vertrag mit dem Hafsiden 225.
Pisanischer Vertrag von 1166. Besuchteste Handelsplätze; Ditte-
renzen 226. Vertrag von 1186; Piraterie 227. Vorgänge in Tunis (1200 f.)
228. Arabische Geschäftsbriefe 229. Enger Verkehr mit Tunis und Bugia ;
Fibonacci 230. Vertrag mit dem Hafsiden (1234) 231. Verwaltung der Ko-
lonie in Tunis; Differenzen zwischen Genuesen und Pisanern 232.
Kaufleute aus dem Binnen lande Toskanas 233.
Anknüpfung enger Beziehungen mit Tunis für das sizilische König-
reich durch Friedrich 11. Vertrag von 1231 : 234. Kaiserliches Konsulat
Xn Inhalt.
in Tunis § 235. Warenhandel (besonders Getreide) 236. Venezianischer
Handel 237. Vertrag mit Abu Zakaria (1231). Ragusa 238. Mächtiger
Aufschwung des südfranzösischen Handels. Marseiller Verträge und
Fundakatsordnung 239. Handel mit Tunis und Bugia 240, mit den west-
licheren Plätzen 241, mit Ceuta 242. Beteiligung des übrigen Südfrank-
reich 243. Der Warenexport: Wein, Lebensmittel, Metalle usw. 244, Roh-
stoffe und Fabrikate der Textilindustrie 245, Waren der Levante 246.
Wareneinfuhr aus Afrika 247.
Katalanischer Handel 248.
Kap. 23. Mit den Sarazenen Spaniens S. 317
Andalusien : Die Genuesen in Almeria und Sevilla 249. Pisaner 250.
Valencia und Murcia: Die Genuesen; äußere Beziehungen bis 1172: 251,
Warenhandel 252. Pisaner bis 1 172 : 253. Beide Handelsnationen bis zur
Eroberung Jaymes 254.
Balearen : Die Pisaner 255, Genuesen 256.
Handelsbeziehungen anderer Nationen zu den spanischen Sarazenen ;
der Süd-Italiener 257, der Südfranzosen und Katalanen 258.
Abschnitt IV:
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den übrigen Romanen.
Kap. 24. Mit den Romanen des atlantischen Küstengebiets S. 330
Italiener an der Westküste der Pyrenäischen Halbinsel. Privileg Alfons'
von Castilien und Leon für Genua 1146 : § 259. Wallfahrer nach Santjago
mit kommerziellen Nebenzwecken. Sancho von Navarra und Genua 260.
Verhältnis der Genuesen zu Ferdinand III. von Kastilien nach der Erobe-
rung Sevillas 261.
Genuesen an der Westküste Frankreichs 262. Die Aufhebung der Tren-
nung der beiden großen Seehandelsgebiete von Westeuropa bereitet sich
vor 263.
Kap. 25. Handel der Italiener mit dem mittleren und nördl. Frankreich S. 334
Haupthandelswege. Über den M. Cenis 264, den Großen S. Bernhard
265, die südfranzösische Küste 266.
Starke Zunahme diese's Handels erst seit der Zeit des 3. Kreuzzuges 267.
Anteil Ober-Italiens. Die Astesanen 268. Die kleineren Plätze der Nach-
barschaft 269. Genuesen 270. Piacenza 271. Die übrigen Plätze
der zentralen Lombardei 272. Die östliche Lombardei nicht beteiligt. Ve-
nedig 273. Bologna 274.
Anteil Mittel-Italiens. L u c c a 275. Vertrag von Siena und Florenz mit
Montferrat 276. Die Sienesen im allgemeinen und als Geldgeber an
französische Große und Barone 277, an geistliche Würdenträger 278. Te-
stamente sienesischer Geldgeber 279. Gunst und Ungunst des Papstes 280.
Geldgeschäfte nach 1239, auch im Orient 281. Wechsel verkehr mit den
Messen von Marseille aus 282. Warenhandel 283. Die Florentiner
bis ca. 1230 : 284. Ihr Geldhandel im 4. Jahrzehnt : 285, im fünften : 286.
Wechselverkehr und Warenhandel mit den Messen 287. Anteil der klei-
neren Kommunen Toskanas und der Pisaner 288. Die Römer. Abstel-
lung der Anleihen von Nichtfranzosen auf die Messen 289. Anleihen des
französischen Klerus 290. Anleihen weltlicher Großen; heftige Streitig-
keiten mit Thibaut 291. Warenhandel 292.
Kap. 26. Handel der Proven(jalen und Katalanen mit dem mittleren und
nördlichen Frankreich S. 369
Privilegien für die Kaufleute von Montpellier, ihr Konsul in Frank-
reich und auf den Messen 293. Wechsel- und Warenverkehr 294. Mar-
seille. Sehr reger Warenhandel mit den Messen 295. Wechselverkehr
296. Andere südfranzösische Orte und die Katalanen 297.
Inhalt. Xni
Kap. 27. Einrichtung und Art des Handels der Mittelmeer-Romanen mit den
Messen der Champag-ne S. 374
Bedeutung ihres Verkehrs für den Aufschwung der Messen § 298. Turnus
und innere Gliederung der Messen 299. Die weltlichen Autoritäten. Meß-
bann 300. Die geistlichen Autoritäten. Eingreifen der Päpste 301. Or-
gane der Kaufleute 302.
Meßkarawanen. Vecturarii. Frachtverträge 303. Transportdauer. Lie-
ferungs- und Risikoverträge 304.
Hauptgegenstände der "Wareneinfuhr 305, der Warenausfuhr 306.
Geldverkehr. Abstellung in der Ferne aufgenommener Anleihen auf die
Messen, insbesondere der kurialen Prälatenanleihen 307. Anleihebedin-
gungen und wirtschaftliche Bedeutung dieser Anleihen 308. Kaufmänni-
scher Wechselverkehr mit den Messen 309.
Abschnitt V:
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den germanischen Ländern
und den östlichen Nachbargebieten.
Kap. 28. Handel mit England S. 392
Älteste Nachrichten über Italiener in England. König Richard und die
ital. Handelswelt § 310. Kuriale Anleihen. Generalkreditbriefe der Krone
seit König Richard 311. Ihre Anwendung durch König Johann 312. Ita-
lienische Kaufleute, auch zum Zwecke des Warenhandels, nach England
313. Heinrich III. Der Kreuzzugszehnten von 1229. Die »Caursini« 314.
Anteil der einzelnen Handelsnationen am englischen Handel. Piacenza
315. Bologna 316. Rom 317. Siena 318. Florenz 319, 320. Andere Ita-
liener 321. Südfranzosen 322.
Ergebnisse. Ursachen des Auftretens der ital. Kaufleute in England.
Höhe ihres Geldhandels um 1250: 323, ihres Warenhandels 324.
Kap. 29. Handel mit Flandern und den Niederlanden S. 417
Älteste Nachrichten über diesen Verkehr 325. Einfluß des Aufschwungs "
der Champagner Messen 326. Niederlassung von Cahoursins 327. Flan-
drische Kaufleute und Waren in Italien und Südfrankreich 328.
Kap. 30. Handel mit West- und Norddeutschland S. 421
Im Vordergrunde die kurialen Anleihen 329.
Die römischen Kaufleute. Anleihen der Erzbischöfe von Köln 330.
Geldverkehr der Prokuratoren von S. Severin 331. Römische Kaufleute am
Rhein und unterwegs ; Anleihe von Magdeburg 332. Anleihen der mittel-
rheinischen Bistümer 333, der lothringischen 334.
Die Bolognesen 335. Die S i e n e s e n , Anleihen der Kölner Erz-
bischöfe 336, des Domkapitels und der Stadtgemeinde von Köln 337, an-
derer westdeutscher Bistümer und Klöster. Osnabrück 338.
Andere Italiener 339.
Kap. 31. Handel mit Oherdeutschland und den östlichen Nachhargehieten S. 433
Kuriale Anleihen der Klöster 340, Passaus 341, anderer Bistümer Ober-
deutschlands und Böhmens 342.
Sonstige Nachrichten über den Handel von Italienern in Oberdeutsch-
land. Die Italiener hier überwiegend passiv 343.
Die deutsche Gegenströmung. Das Grenzgebiet an der Etsch. Südtiroler
Märkte 344. Warenhandel der Oberdeutschen auf diesen Märkten 345.
Handel von Südtirolern untereinander und mit Italienern in diesem Ge-
biet 346. Die westlicheren Straßen nach Venedig. Deutsche in Verona
347. Die östlicheren Straßen. Privilegien deutscher Bistümer und Klöster
348. Vertrag von Cividale 1234. Maut von Chiusaforte. Vertrag Venedigs
mit dem Patriarchen von Aquileja 349. Deutscher Verkehr in Venedig
XIV Inhalt.
selbst. Der Fondaco de' Tedeschi § 350. Sonstige Nachrichten über diesen
Verkehr 351. Deutscher Handel von den Ostalpen her mit dem übrigen
Italien 352. Handel von den Schweizerpässen her. Handelsverkehr in
Como 353, in Mailand, Lodi, Genua und Südfrankreich 354.
Handel mit Ungarn. Vertrag mit Venedig von 1217. Venezianischer Handel
mit Ungarn 355. Gewalttat von 1223 u. ihre Folgen 356. Sienesen in Ungarn 357.
B. Handel der Mittelmeer-Romanen untereinander.
Abschnitt VI:
Die kommerziell überwiegend passiven Gebiete Italiens.
Kap. 32. Unter-Italien und Sizilien Ibis zum Ende der normann. Dynastie S. 456
Die Venezianer bis zum Tode Rogers II. (1154) § 358. Unter Wilhelm I.
und n. 359. Die Dalmatiner 360. Die P i s a n e r bis zum Frieden mit
Eoger (1137) 361 ; ihre Beziehungen zu Barbarossa 362. Friede von 1169.
Die von ihnen besuchten Handelsplätze 363. Die Genuesen bis zum
Bruch von 1162 : 364. Ihr Handel mit Unter-Italien 365, mit Sizilien. Waren-
einfuhr 366, Ausfuhr 367. Handelsabgaben und Zwischenhandel 368. Die
Konfiiktszeit. Herstellung des Friedens 369. Die Südfranzosen 370.
Interner Handel im Königreich. Die Seestädte Siziliens 371. Die Amal-
fitaner 372. Salerno und Neapel 373. Gaeta 374. Bari 375.
Kap. 33. Das sizilische König-reich zur Zeit der Wirren S. 478
Pisaner und Genuesen unter Heinrich VI. 376. Der Vertrag Genuas mit
Sizilien von 1200: 377. Der Kampf der Seemächte um Syrakus 378. Pi-
saner und Genuesen 1208—1218: 379.
Anteil des ital. Binnenlandes 380. Die Venezianer und Dalmatiner 381.
Die Marseiller 382. Handelsprivilegien für Städte und Klöster im König-
reich selbst 382.
Kap. 34. Das sizilisehe KönigTeich unter der Selbstregierang: Friedrichs II. S. 486
Stellung der Genuesen. Nichtanerkennung der Privilegien. Zurück-
gehen auf die Zeit Wilhelms IL 384. Konflikte und Krieg. Verhältnis zu
den Ghibellinen Genuas 385. Beteiligung des lombardischen Hinterlandes
am Handel mit Sizilien 386. Die P i s a n e r 387. Das toskanische Hinter-
land und die Römer 388. Die Venezianer. Ihr Getreidehandel 389.
Privileg von 1232. Krieg und Friedensschluß 390. Ravenna und Seestädte
Dalmatiens 391. Die Marseiller. Verhältnis zum Kaiser bis 1232: 392.
SchifEsverkehr mit Sizilien 393. Export 394. Handelsverkehr mit Neapel 395.
Stellung des Kaisers zu den Handelsprivilegien der Einheimischen
396. Getreidehandel des Königreichs. Ausfuhrverbot von 1224. Übergang
zum System der Licenzen 397. Verfügungen von 1239 u. 1240. Verkaufs-
abgabe. Getreidehandel der Krone 398. Nachrichten aus dem letzten
Jahrzehnt des Kaisers 399.
Handelsmonopole 400. Autonomer Zolltarif von 1231. Fundakatswesen.
Verwiegung und Vermessung 401. Marktabgaben und Binnenzölle. Geld-
wesen. Das Campsorengewerbe Regal. Ein kaiserlicher Campsor und Pon-
derator 402. Bei aller Fiskalität Verdienste des Kaisers um die kommer-
zielle Entwickelung. Marktwesen. Ordnung der Messen für Unter-Italien
403. Eröffnung neuer Häfen. Allgemeine Fürsorge des Kaisers für die
Landeswohlfahrt 404.
Kap. 35. Sardinien und Korsilia S. 517
a) Bis zum 3. Kreuzzuge (Friede von 1188).
Pisaner und Genuesen auf Korsika bis zum Frieden von 1133 : 405. Ihr
Handelsverkehr auf der Insel. Bonifacio 406. Pieaner und Genuesen bis
1133 in Cagliari und Gallura 407, in Torres und Arborea 408. Ihr Ilan-
Inhalt. • XV
delsverkehr in der Friedenszeit § 409. Übergewicht der Pisaner 410. Aus-
bruch des Krieges 1162. Der Barisohandel 411. Vorgänge in Cagliari und
Friede von 1175: 412. Bis zum Frieden von 1188: 413.
B) Seit dem 3. Kreuzzuge.
Verträge Genuas mit Arborea und ToiTes 414. Kämpfe um Bonifacio 415.
Castello di Castro als Kompensation für Pisa 416. Friede von 1217 : 417.
Kolonialbehörden. Die pisanischen Hafengilden und Hafenkonsuln für Sar-
dinien 418. Andere Italiener in Sardinien 419. Marseiller und Katalanen 420.
Abschnitt VII:
Das proven^alisch- katalanische Gebiet.
Kap. 36. Katalonien S\ 539
a) Bis zum 3. Kreuzzuge. Nur sehr allmähliche kommerzielle Fortschritte.
Stellung der Pisaner §421, der Genuesen. Unternehmung gegen Tor-
tosa 422. Abtretung an den Grafen. Differenzen 423. Wechselndes Ver-
hältnis des Grafen zu den Italienern bis zum 3. Kreuzzuge 424. Die Süd-
franzosen 425.
b) Nach dem 3. Kreuzzuge. Die Genuesen bis 1230 : 426. Vertrag
von Mallorka. Genuesisches Konsulat 427. Pisaner "und Lucchesen 428.
Marseiller; starker Anteil des jüdischen Elements 429. Montpellier
und Narbonne 430. Aufschwung Kataloniens; Eroberungen Jaymes, Pri-
vilegien der Mallorkaner 431. Entwickelung Barcelonas. Katalanische
Zolltarife. Die Katalanen treten den älteren italienischen Seemächten an
die Seite 432.
Kap. 37. Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhonestädten
bis zum 3. Kreuzzuge S. 552
Genuesen und Pisaner in Narbonne 433. Der Vertrag von 1166: 434.
Reibereien. Neuer Vertrag mit Genua 1182: 435.
Die drei Haupthandelsplätze des zentralen Teils der französischen Mittel-
meerküste: Montpellier, Saint-Gilles und Arles 436. Älteste Nach-
richten über den Verkehr der Italiener in diesem Gebiet 437. Einnahme von
Montpellier 1143 und Verträge 438. Genuesische Konventionen von 1150
und 1155: 439.
Nachrichten über den Handelsbetrieb der Italiener vor Ausbruch des
genuesisch -pisanischen Krieges 440, 441. Einfluß dieses Krieges auf Süd-
frankreich; Handelsinteressen in diesem Kriege. Der Feldzug von 1165:
442. Verständigung Genuas mit Alfons vor Albaron, Pisas mit Montpel-
lier 443. Unausgeführter Friedensvertrag von 1169. Genua mit dem Gra-
fen von Saint-Gilles gegen Montpellier ; Eintreten des Papstes 444. Genua
wendet sich gegen die Provence. Friedensschlüsse 1175/76 : 445. Pisanische
Verhandlungen in Südfrankreich. Vertrag mit Montpellier. Die Aus-
schließungspolitik Genuas unausführbar. Friede von 1188 : 446.
Kap. 38. Die Italiener im Handelsyerkelir mit der Provence bis zum 3. Kreuz-
zuge S. 571
Marseille. Genua als Schutzmacht der Provence 1138. Üble Gestaltung
seines Verhältnisses zu Marseille 447. Kriegsbund von 1174. Plan der
Zerstörung von Marseille. Die deveta Provinciae 448. Verhältnis der Pi-
saner zu Marseille. Verkehr in Toulon 449. Genuesen und Pisaner auf
den Messen von Fr^jus und Saint-Raphael 450. Genuesischer Vertrag von
1190. Meßvorstand, Tuchsorten, Getreidehandel 451. Grasse 452. Nizza.
Lärins 453. Salzexport der Genuesen aus der Provence 454.
Kiip. 39. Kommerzielle YerliUltnisse innerhalb des südfranzösischen Küsten-
gebietes selbst (Tor dem 3. Kreuzzuge) S. 581
Verträge Montpelliers mit Melgueil und Agde. Geleitsgeld und Straßen-
zölle 455. Zolltarife in Montpellier, Handelsabgaben in Arles 456. Rhone-
XVI
Inhalt.
Schiffahrt § 457. Einfluß der Juden. Wichtige Rolle bei der Abgabenerhe-
bung. Monopolisierung des Kermeshandels 458. Marktwesen. Die Messe
von Saint-Gilles. Wechslerstatut von 1178. Montpellier als Geldplatz 459.
Kap. 40. Handelsbeziehungen Südfrankreichs mit Ober- und Mittel - Italien
seit dem 3. Kreuzzuge S. 580
Narbonne 460, 461. Montpellier 462, 463. Saint-Gilles 464. Aigues-mortes
465. Die Rhönestädte, insbesondere Arles, im Verkehr mit Genua 466,
467. Arles-Pisa 468. Arles-Rom 469. Marseille. Aufschwung. der Stadt.
Verhältnis zu Pisa und Genua bis 1210 : 470. Vertrag von 1211 mit Ge-
nua 471. Neue Differenzen und Verträge 472. Neutralität in dem Kriege
seit 1241, reger Verkehr mit Genua 493. Placentiner und Piemontesen
in Marseille 474. Starker Schiffsverkehr mit Pisa 475. Sienesen und Flo-
rentiner in Marseille 476. Andere Toskaner, Römer und A^enezianer 477.
Verkehr besonders der Genuesen mit den kleineren Häfen der Provence.
Salz- und Lebensmittelhandel 478. Verhältnis Genuas zu Nizza 479.
Kap. 41. Handelsverkehr der sUdfranzösischen Plätze untereinander seit dem
3. Kreuzzuge S. 609
Narbonnes Verträge mit proven^alischen Plätzen. Verkehr mit Mar-
seille. Vertrag mit* dem Herrn von Salces 480. Verträge Mo ntp e liier s.
Verkehr mit Saint-Gilles und Arles 481. Enge Verbindung mit Marseille,
Interesse an Aigues-mortes, Verkehr von Marseille ebendahin 482. Mar-
se i 1 1 e s Verkehr mit den kleineren Häfen der Provence, besonders Nizza
483, mit den Rhönestädten 484. Handelsfahrten in riperia Rodani. Starker
Verkehr aus der Provence und ganz Südfrankreich in Marseille 485.
Abschnitt VIII:
Ober- und Mittel -Italien.
Kap. 42. Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste S. 616
Rom und die Marittima. Handelsbeziehungen mit Pisa und Genua
bis 1165: §486. Der Vertrag mit Genua 487. Rache der Pisaner. 1174
Friede mit Pisa 488. Verträge mit Corneto. Bedeutung des Friedens
zwischen Papst und Stadt 1188: 489. Fortsetzung des Handels, besonders
umfangreicher Getreideexport. Römer in Genua 490.
Handel zwischen dem pisani sehen und dem genuesischen
Gebiet. Die Friedenszeiten. Friede von 1133, enges Bündnis 1149 : 491.
Nachrichten über den Handel aus der Friedenszeit 492. Die Friedens-
schlüsse von 1175 und 1188: 493. Handelsbeziehungen zwischen 1210 und
1241: 494.
Handel innerhalb de s pisanischen und des genue sischen
Gebiets. Das pisanische Gebiet 495. Das genuesische. Pacta mit Sa-
vona und Albenga 496. Unabhängigkeitsbestrebungen. Erbauung der Grenz-
feste Monaco 497. Abfall von Savona und Albenga. 1251 Wiederunter-
werfung 498.
Kap. 43. HandelsTerkehr zwischen dem Binnenlande und den Seeplätzen des
Tyrrhenischen Meeres S. 632
Ganz überwiegend in den Händen der Binnenstädter 499. Genua und
die Hauptstraße über die Bocchetta. Verhältnis zu den Markgrafen von
Gavi, zu Tortona und Alessandria 500 ; seit dem Frieden mit Tortona (1202)
501. Die Vecturarii aus dem Polceveratal ; consules mulionum ; Handel mit
Novara, Vercelli, Pavia 502, mit Lodi, Mailand, Bergamo 503. Verkehr der
Astesanen nach der See 504; Genuesen in Asti, Vertrag mit Montferrat
505. Handel Place nzas mit Genua, die Handelsstraße und ihre Siche-
rung 506. Geld- und Warenhandel um die Mitte des 12. Jahrhunderts 507.
Fortdauernd enges kommerzielles Verhältnis. Konsulat in Genua. Vertrag
mit Pisa (1179) 508.
Inhalt. XVn
Pisas freie Verbindung mit dem Hinterlande, dafür scharfe Interessen-
gegensätze, besonders gegenüber Lucca §509. Vertragsentwurf von 1155:
510. Luccas Handelsverkehr mit Genua. Konvention über den Salzhandel.
Safranhandel 511. Neuer Krieg mit Pisa. Bündnis mit Genua 1166 : 512.
Enge Allianz mit Pisa 1181. Vierzigjähriger Friede 513. Neue Kämpfe.
Handel und Verträge mit Genua 514. Florenz und Pisa. Bund von
1171: 515. Trübungen. Abkommen von 1214. Bruch 1220; seitdem gegen-
seitiges Mißtrauen 516. Florentiner in Genua 517. Sienas Handel mit
Pisa und Genua 518. Die kleineren toskanischen Gemeinden im Verkehr mit
den Seestädten 519. Parma und Bologna am Handel mit Pisa beteiligt. Ge-
samtverband der toskanischen Vecturarii. Anteil Pisas am Landhandel 520.
Kap. 44. Tyrrhenisch-adriatischer Handelsverkehr S 661
Pisa und Venedig. Verträge Pisas mit Ragusa und Spalato 521. Vertrag
mit Venedig (1180), mit Zara (1188) 522. Pisa und Venedig nach dem
3. Kreuzzuge 523.
Genua-Venedig im 12. Jahrhundert 524. Verträge Genuas mit Ancona 525.
Genua-Venedig seit dem Frieden von 1218. Genuesischer Getreidehandel
in Venedig. Allianz von 1239 und Entfremdung seit 1245 : 526.
Kap. 45. Interner Seehandel in der Adria S. 667
Die Seeküste zwischen Po und Tronto. Bedeutung A n c o n a s.
Verhältnis zu Venedig im 12. Jahrhundert 527. Bund der Seestädte von
1198. Handel mit Venedig. Differenzen, Handelssperre (1225—1229) 528.
Weiterentwickelung der Beziehungen Venedigs zu Ancona; Recanati und
Fermo 529. Venedig und die Küstenplätze nördlich von Ancona 530 ; Cer-
via 531 ; Ravenna 532. Handel des Gebiets mit dem dalmatinischen Ge-
gengestade 533.
Dalmatien. Ragusa. Beziehungen zu Venedig 534. Die Pacta von
1232 und 1236: 535. Handelsbeziehungen zu seiner Nachbarschaft 536.
Venedigs Beziehungen zu Spalato, Trau und den Kacici 537 ; zu Zara 538.
Erhebung Zaras und Folgen. Die Inseln des Quarnero 539.
Die Seeküste von der Südspitze Istriens bis zur Pomün-
d u n g. Istrien und Venedig in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Pola 540.
Capodistria; Salzstapel; Getreide- und Kohlenhandel 541. Triest 542. Aqui-
leja. Der Vicedominus. Vielfache Differenzen 543. Vertrag mit Venedig
1248. Genaue Verkehrskontrolle durch die Signorie 544. Reglementierung
des Handels für das Küstengebiet von Grado bis Cavarzere 545.
Kap. 46. Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und den Seeplätzen der
Adria S. 692
Venedig und Friaul, Cadore, Treviso 546. Padua 547. Verona und Ve-
nedig im 12. Jahrhundert 548. Objekte dieses Handels 549. Trient 550.
Venedig-Ferrara bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts 551. Waren des
Schadenregisters. 1226 Vertrag von Loreo 552. Vertrag von 1230 : 553.
Einnahme Ferraras 1240. Der Zusatzvertrag 554. Ferrara - Ravenna 555.
Mantua 556. Brescia. Cremona 557. Mailand und Como 558. Andere
lombardische Städte. Rückgang des Verkehrs mit Ravenna 559. Modena
und Bologna 560. Toscana. Lucchesen. Toskanische Tuche. Vermeint-
licher Vertrag zwischen Florenz und Venedig. Sienesen 561.
Kap. 47. Märkte und Messen S. 712
Wochen- und Jahrmärkte. Beispiel von Alt-Lodi. Neuerrrichtung solcher
Märkte 562. Hohe Entwickelung des Meßwesens besonders in den Stapel-
plätzen des Ostens, gering im Westen und in Toskana. Die Messen von
Ferrara 563. Einrichtungen auf den Messen Ferraras 564. Bologna 565. .
Badia, Padua, Verona 566. Mantua. Turnus der östlichen Messen 567.
Brescia, Bergamo 568. Mailand, Como, Vercelli 569. Die Städte am mitt-
leren Po und in Toskana 570. Messen in den Seestädten 571.
XVIII Inhalt.
Kap. 48. Handelswege und Handelsalbgaben . . S. 724
Wasserstraßen. Das Stromregal in der Hand der Reichsgewalt § 572,
von Bischöfen und Klöstern 573. Wasserstraßenpolitik der Kommunen.
Verhältnisse am unteren Po. Ferrara und die Öffnung des Po 574. Pro-
jektierter Etschkanal Mantuas. Schiffsverkehr der Nachbarn mit Ferrara
575. Die Tagliata Cremonas. Vertrag von Massa 576. Handelsschiffahrt
auf dem Oberlauf des Po 577, auf den Nebenflüssen. Mailändische Schiff-
fahrtskanäle 578. Anteil von Bergamo und Brescia an der Schiffahrt.
Schiffahrt auf den Seen 579. Handelsschiffahrt auf der Etsch und den
Küstenflüssen 580.
Landstraßen. Fürsorge für ihre Unterhaltung 581. Verlegungen von
Straßen. Anlegung neuer Gebirgsstraßen 582. Flußttbergänge. Brücken
583. Fürsorge für die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Kaiserliche und
päpstliche Gewalt 584. Verträge der Kommunen ; Wirksamkeit der Städte-
bündnisse 585. Verträge mit edlen Herren. Geleitsrechte 586. Maßnahmen
der Stadtstaaten für ihr eigenes Gebiet. Lombardisches Gewohnheitsrecht.
Ersatzpflicht 587. Haupthindernis die territorialen Fehden. Korrektiv da-
gegen. Verkehrsumleitungen 588.
Ha ndelsabgaben. Ihre Mannigfaltigkeit. Überreste des königlichen
Zollregals 589. Zollpolitik der Kommunen. Autonome Tarife. Zollordnung
von Verona 590. Tarife von Lodi und Mailand 591. Zollordnung von Fer-
rara 592. Die Ausfuhrzölle von Bergamo und Bologna 593. Wegezölle.
Tarif von Pereto 594. Zölle an der Frankenstraße vom Po bis zum Arno 595.
Maßnahmen gegen die Erhöhung der ZolUasten. Der lombardische Bund.
Gegenseitige Zollermäßigungen der Kommunen, besonders im Nachbarschafts-
handel 596. Ansätze zu einem Vertragstarif 597. Florentinische Ver-
träge 598. Herabsetzung oder Aufhebung der Handelsabgaben für die
Bürger des eigenen Gebiets 599. Zollzuschläge an Stelle von Represalien
600.
Kap. 49. Kommerzielle (xebrUuclie und Yorschriften S. 753
Represalien. Gegenüber Vergewaltigungen. Regelung des Verfah-
rens 601. Gegenüber den Landsleuten von Schuldnern. Gegenströmung.
Das Privilegium scholasticum. Vertrag Bologna-Modena 1166. Beschluß
des lombardischen Bundes 602. Verträge Venedigs und der Binnenstädte
Ober-Italiens 603, der toskanischen Städte 604. Umfang der Anerkennung
des neuen Prinzips 605.
Herbergswesen. Vertrag Vercelli-Pavia 1 165 : 606. Herbergen offi-
ziellen Charakters. Protektorat 607. Rein privater Herbergsbetrieb. Kom-
munale Aufsicht. Kaufgeschäfte in den Herbergen 608. Maklerwesen.
Die censarii Genuas. Ältester Maklertarif 609. Sensale in Toskana 610.
Missetae in Venedig. Pferdemakler in den Binnenstädten 611.
Maß- und Gewichtswesen. Große Verschiedenheiten. Handhabung
durch die Kommunen 612. Amtliche Eichungen und llevisionen 613. Vor-
schriften gegen betrügerische ]\Ianipulationen. öffentliche Stadtwagen.
Schutz des Publikums gegen Münzbetrug und Fälschungen 614.
Beschränkungen des Handels im Interesse der Konsu-
menten, Vorschiiften gegen Auf- und Vorkauf. Beschränkungen beim
Getreidehandel. Häufigkeit von Getreideausfuhrverboten. Annonarpolitik
Mailands 615. Handelsbeschränkungen in bezug auf Industrieartikel 616.
Kap. 50. Konsulat der Kaufleute und kaufmännische Korporationen im
Staate des Comune S. 769
In Ober-Italien. Vorbild das Comune selber. Älteste Nachrichten
aus Piacenza 617. Mailand 618. Chronologische Folge der sonstigen Kon-
sulate. Potestates Mercatorum 619. Die Seestädte 620.
Inhalt. XIX
In Mittel-Italien. Pisa und die anderen Seestädte. Allgemeine Ver-
breitung der Institution in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts § 621.
Große Verschiedenheiten der Entwickelung. Nachweis für Siena und Flo-
renz. Das einheitliche Konsulat der Kaufleute in Siena 622. Die due
Mercanzie 623. Florenz. Die Konsuln der Kauf leute mit denen der Calle-
mala identisch ; ihre allgemeine Stellung 624. Erstes Auftreten der Rek-
toren des Zünfteverbandes und der Konsuln der Wechsler 625. Die mer-
catores von Por S. Maria 626. Die ars lanae 627. Entwickelung der
Callemala 628. Zusammenwirken der genannten Korporationen im poli-
tischen Leben seit 1224 : 629. Die Episode der capitanei mercatorum com-
munium. Begründung des Staates des Popolo 1250: 630.
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Werlce nnd Abliandlungen . . . . S. 785
Sachregister S. 797
Münz-, Gewichts- und Maßtahellen S. 812
Erster Hauptteil.
Der Handel der Mittelmeer -Romanen von seinem
Tiefstande um den Anfang des X. Jahrhunderts
bis zum Beginn der Kreuzztige.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter.
Erstes Kapitel.
Venedig.
1. Von allen Handelsplätzen Italiens hat Venedig, die Erbin
Aquilejas und Ravennas, durch seine Lidi und seine Lagunen nach
der See- und Landseite in gleicher Weise geschützt, die Zeiten
schwerster Bedrängnis im 9. und 10. Jahrhundert noch am besten
überstanden.
Unberührt von der Sarazenennot ist freilich auch die Repubhk
von San Marco nicht geblieben. Ihre Handelsbeziehungen mußten empfind-
lich gestört werden, wenn sich dieser gefährliche Feind auch am Ausgang
der Adria festsetzte. So unterstützten die Venezianer schon im eigenen
Interesse die Griechen bei ihrem freilich vergeblichen Kampfe um Sizilien ;
so versuchten sie 840 auf Bitten der Griechen, mit 60 Kriegsschiffen Tarent
den Ungläubigen zu entreißen, worauf diese einen Rachezug nach der Adria
unternahmen, Ossero (auf Cherso) und Ancona verbrannten und die aus
Sizilien und anderwärts heimkehrenden venezianischen Schiffe abfingen, i)
Jedenfalls haben sie auch bei dem großen Kampfe um Bari, den Ludwig IL,
auf der Seeseite von den Griechen unterstützt, gegen die Sarazenen führte
(867 — 871), zu dem schließlichen Erfolge mitgewirkt; denn wieder erschienen
nunmehr die Sarazenen in der nördlichen Adria, verwüsteten 872 Dalmatien
und namentlich Brazza in schrecklicher Weise, belagerten 875 sogar Grado und
plünderten, als eine venezianische Flotte sie von hier verscheuchte, Comacchio
völlig aus und verbrannten es. 2) Zu diesen Störungen in den eigenen Ge-
wässern, die durch die kroatischen Seeräuber noch wesentlich erhöht wurden,
kam die dauernde Festsetzung der Sarazenen auf den beiden großen Inseln,
die den Handelsweg der Venezianer nach dem östhchen wie nach dem west-
lichen Becken des Mittelmeers flankierten, auf Kreta und Sizilien — auf
lange Zeit hinaus wurden die Venezianer vom Handel im Gebiet des
Tyrrhenischen Meeres vöUig verdrängt. ^) Zu Lande litt der Handel Venedigs
*) Joh. diac. p. 114. Amari Musulm. I 357. Benussi 599. Manfroni 46 f.
«) Joh. diac. 1 19 ff. Dümmler II, 235, 264 ff. Gfrörer I, 179 ff. Über die
frühere Bedeutung von Comacchio s. Hartmann p. 75 ff.
') Über ihren Sklavenhandel an der Westküste Italiens im 8. Jahrhundert
Heyd I, 95 ; Manfroni 30. Ihre Vermittelung von Personen- und Warenverkehr
zwischen Afrika und Sizilien im Briefe Leos in. an Karl d. Gr. (11. Nov. 813), M.
G., Epist. V p. 97; Heyd I, 110, 113 f.
1*
4 Erstes Kapitel.
unter den schweren, Ober-Italien zerrüttenden Wirren, die sich an die
Kämpfe um die Kaiserkrone anschlössen, sowie unter den furchtbaren Ein-
fällen der Magyaren, die im Jahre 900 sogar, auf Flößen und Booten
aus Tierfellen übersetzend, die venezianischen Inseln verheerten und selbst
einen Angriff auf Rialto und Malamocco versuchten, i) So waren es Er-
eignisse, die der Entwickelung des venezianischen Handels wesentlich zu-
statten kamen, als dem deutschen Herrscher durch seinen Sieg auf dem
Lechfelde (955) die dauernde Unschädlichmachung der Magyaren gelang
und die Byzantiner der Herrschaft der Sarazenen auf Kreta ein Ende
machten (960).
2. Das kommerzielle und politische Verhältnis Venedigs zum
Regnum italicum, das nicht nur im Hinterlande, sondern auch
zur See zu beiden Seiten sein unmittelbarer Nachbar war, wurde seit
den Tagen König Liutprands, wenn wir von der kurzen Episode, in
der Venedig unter fränkischer Herrschaft stand ^) , absehen , durch
besondere Staatsverträge geregelt. Als Kaiser Otto der Große mit
dem Dogen Peter Candiano IV., der mit einer Nichte der Kaiserin
Adelheid, Waldrada, vermählt war, auf Bitten der venezianischen
Gesandten das Pactum am 2. Dezember 967 erneuerte, grif^ er, die
für Venedig in manchen Beziehungen günstigeren Verträge der
Schattenkönige der Zwisclienzeit ignorierend, im wesentlichen auf das
Pactum Lotharii von 840 zurück, das das mit Karl d. Gr. nach dem
Frieden von Aachen getroffene Übereinkommen in sich aufgenommen
hatte ^); der neue Vertrag sollte fortan dauernde Geltung haben.
Als Hauptzweck des Vertrages erscheint die Ordnung der unmittel-
baren nachbarlichen Beziehungen. So zählt der Vertrag als diejenigen Orte,
für die das Pactum bindend sei, zwar alle Orte der venezianischen Seelande,
die ja nur einen schmalen, von Grado bis zur Etschmündung reichenden
Küstenausschnitt aus dem Regnum bildeten, besonders auf, vom Regnum
selbst aber nennt er nur die für den direkten nachbarlichen Verkehr, sei es
zu Lande, sei es zur See, in Betracht kommenden (vicini . . ., ad quos huius
pacti ratio pertinet), und zwar im Osten : Istrien ; als Nachbarn zu Lande :
Friaul, Ceneda, Treviso, Vicenza, Monselice, Gavello (w. von Adria), 4) als
*) Joh. diac. p. 130, dazu die Bemerkungen Monticolos not 6. Dümmler III,
509. Bisoni G. Gli Ungheri in Italia, in : Scuola Cattolica, ser. 3, IX (Mailand 1900),
287 f.
*) Über diese Mühlbacher 215 ff. Ch. de La Eonciere : Charlemagne et la
civilisation maritime au IXe siecle, in : Le Moyen-Age X (1897), 212 f.
^) Const. et acta I p. 30 f. Das Pactum Loth. Leges sect. 2, Capitularia II,
1, 130 ff. Mühlbacher Eeg.« 1067. Chron. Altin. in SS. XIV, 52. Monticolo G. B. :
La cronaca del diac. Giovanni e la storia politica di Ven. sino al 1009 (Pistoja
1882) p. 103 ff, 112. Fanta: Die Verträge der Kaiser mit Venedig bis 983 in
MIÖG, Ergänzungsband I (1885) p. 51 ff., Lenel 1 ff., Simonsfeld in Hist. Z. 84
(1900) 432.
*) Der Vertrag nennt hier die Grafschaften ; daher fehlt z. B. Padua, das da-
mals noch zur Grafschaft Monselice gehörte. Gloria p. 58 TJrk von 950: terra . . .,
que posita est in comitatu Montesilikano et infra civ. Patavensis ; dazu p. XXIII.
Näheres (auch über Gavello) Breßlau I, 427 f. Für die im Vertrage genannten vene-
zianischen Orte s. Kretzschmayr : Die Beschreibung der venez. Inseln bei Konstan-
tin Porphyrogennetos, in: Byzant. Zeitschr. Xni. (1904), 482 ff.
Venedig. 5
Nachbarn für den Seeverkehr im Süden : Comacchio, Ravenna, Cesena, die
Städte der Pentapolis: Rimini, Pesaro, Fano, Sinigaglia, Ancona, und noch
weiter südhch Umana, Fermo und endhch als Endpunkt des Königreichs
noch jenseits des Tronto Penne, das damals an oder in der Nähe der Pescara-
mündung einen besonderen Hafen am Meere hatte.
Gegenseitig versprach man sich, für Schutz und Sicherheit der beider-
seitigen Untertanen und Einhaltung der bei Handelsgeschäften vereinbarten
Bedingungen zu sorgen; man regelte das Verfahren bei Streitigkeiten in
Kriminal- und Zivilsachen, besonders auch die Behandlung entlaufener
Höriger. Der gegenseitige Handelsverkehr sollte in keiner Weise behindert
werden dürfen; als ripaticumi) sollte beiderseits nur die herkömmliche
Quadragesima (also 2^/2% von der Ware oder ihrem Wert) zur Erhebung
gelangen. Als besondere Verpflichtung mußten die Venezianer übernehmen,
keine Christen des königlichen Gebiets als Sklaven zu kaufen oder zu ver-
kaufen oder irgendwie in Gefangenschaft zu bringen — ein Beweis, wie
stark die Neigung zum Sklavenhandel auf venezianischer Seite damals noch
gewesen sein muß. Endlich hatte Venedig jährlich im März eine Ehren-
abgabe, bestehend in 50 1. ven. und einem Seidenzeuge (pallium), an den
Kaiser zu leisten.
3. Die grausame Ermordung des Dogen (976), der in Venedig
eine monarchische Gewalt zu begründen versucht hatte, veranlaßte
den Kaiser Otto II., bald nach seiner Ankunft in Italien eine feind-
liche Haltung gegen Venedig einzunehmen; als er aber nach seiner
Niederlage bei Colonne den Reichstag zu Verona abhielt, gelang es
dem Geschick der Gesandten des Dogen Tribunus Menius, am
7. Juni 983 einen neuen Vertrag zustande zu bringen 2), der sogar in
manchen Punkten eine für die Handelsinteressen Venedigs günstigere
Fassung aufwies.
Die Reihe von Orten des Binnenlandes, für die der Vertrag zunächst
bindend sein sollte, wurde nicht unerheblich erweitert; außer Padua und
Ferrara, die auch das Pactum Karls III. von 880 und seiner Nachfolger
schon enthalten hatte S), begegnen nunmehr an der Etsch Verona, am Po
Cremona und Pavia, und außerdem Mailand, offenbar also diejenigen Orte
der Lombardei, mit denen Venedig auf dem Wasserwege in näheren Handels-
beziehungen stand. Darüber hinaus aber wurde das Pactum nunmehr für
das Gebiet des ganzen italienischen Königreichs für bindend erklärt. Die
Sicherheit des Handels suchte man durch Festsetzung schwerer Strafen
gegen diejenigen, die auf den gemeinsamen Märkten (in communibus
mercatibus) den Frieden stören würden, zu verstärken; den Venezianern
wurde die Bewegungsfreiheit im ganzen Regnum auch auf den Flüssen aus-
drücklich verbürgt und umgekehrt auch den königlichen Untertanen un-
behinderter Verkehr auch zur See mit Venedig garantiert, so daß eine Be-
schränkung ihres Seehandels von selten Venedigs ausgeschlossen wurde.
Endlich wurde auch die Ausübung des Strandrechts Venezianern gegenüber
mit der hohen Buße von 100 Pfund Gold belegt.
Zunächst freihch blieb das neue Pactum nur ganz kurze Zeit
in Kraft. Seit geraumer Zeit war Venedig damals von schweren
1) über dieses s. Hartmann ]->. 76.
^) Const. et acta I p. 40 If. Dipl. 0 II no. 298—300. Uhlirz 190 ff.
'■>') CapitulariaH 1, 138.
6 Erstes Kapitel.
Parteiungen zerrüttet; und nun bewirkte, das Haupt der dem Dogen
feindlichen Partei, Stefano Caloprini, durch seine Enthüllungen und
sein Anerbieten, den Kaiser zum Herrn Venedigs und seiner Seemacht
zu machen, einen vollständigen Umschlag in der Haltung des Kaisers;
er eröffnete die Feindseligkeiten von neuem und richtete nach dem
Rate Caloprinis eine scharfe Handelssperre gegen Venedig ein; in
dem nahen Mestre und in Padua wurden starke Trupps zur Verhinderung
allen Verkehrs, besonders der Zufuhr von Lebensmitteln^), aufgestellt,
die Mündungen von Etsch und Po den Venezianern gesperrt, alle
Venezianer im Königreich geächtet und allen Untertanen jeglicher
Verkehr mit ihnen verboten. Venedig mußte sich in seiner Bedrängnis
zur Zahlung eines Jahrestributs und zur Anerkennung der Ober-
hoheit des deutschen Königs verstehen^), unter der es auch nach
dem jähen Tode des tatkräftigen Kaisers im Dezember 983 verblieb.
Bald freilich lockerte sich das Abhängigkeitsverhältnis wieder. Die
von der Kaiserin Adelheid, die sich schon früher den Venezianern
freundlich gezeigt, und Erzbischof Willegis geleitete vormundschaft-
liche Regierung bestätigte dem neuen Dogen Peter Orseolo IL, dessen
Herrschaft eine Glanzperiode für Venedig bezeichnet (991 — 1109), am
19. Juli 992 das Pactum in der günstigen Fassung von 983; auf
Wunsch der Venezianer wurde hinzugefügt, daß niemand ohne
besonderen königlichen oder kaiserlichen Befehl es wagen dürfe,
ihnen den Besuch von Orten, an denen sie des Handels wegen zu
verkehren pflegten, zu untersagen oder sonst gegen ihren Handel
gerichtete Verbote zu erlassen. ^) Bekannt ist die Vorliebe, die Otto HL
selbst für Venedig faßte; schon auf seinem ersten Zuge nach Italien
(996) gewährte er den Venezianern mancherlei Vergünstigungen, und
1001 machte der Kaiser jenen geheimnisvollen Besuch beim Dogen;
kostbare Geschenke wurden getauscht und die jährliche Lieferung
des Pallium wie des Tributs den Venezianern erlassen. *) Wie zwei
gleichstehende Mächte verkehrten der Herr des abendländischen
Kaiserreichs und der Herr der kleinen Seelande, der gleichzeitig mit
Byzanz die besten Beziehungen unterhielt ; die Mittlerstellung Venedigs
zwischen den beiden Reichen, zu denen es gleichzeitig in nomineller
Abhängigkeit stand, trat damals am vollkommensten in die Er-
scheinung.
4. Während Heinrich IL gleich bei Beginn seiner Regierung den Ver-
trag mit Venedig bestätigte (16. November 1002) ö), erfuhren die Beziehungen
Venedigs zum Regnum unter dem ersten Salier eine starke Trübung, da
1) Joh. diac. p. 147: »loca quibus alimonia confluere ad Veneticorum solacia
noverant«. Uhlirz 197.
ä) Nachgewiesen durch B. Schmeidler : Venedig und das deutsche Reich von
983-1024 in: MlöG. XXV (1904) 545 ff.
') Const. et acta I, 45 f.
*) Joh. diac. p. 163 f. St. acta p. 38, nr. 31 ; reg. nr. 1295. Hirsch 1, 170.
Kohlschütter 49, 70.
') Const. et acta I p. 57.
Venedig. 7
sich Venedig nunmehr im Zusammenhang mit den inneren und äußeren
Streitigkeiten, die den Sturz der Orseoli begleiteten, der deutschen Ober-
hoheit völlig entziehen wollte, i) So ergriff Konrad II. in dem langdauernden
Streite Venedigs mit dem Patriarchen von Aquileja, der das selbständige
Patriarchat von Grado nicht anerkannte, lebhaft für Aquileja Partei luid hat
sogar (1034) den Venezianern ihr Gebiet zwischen Piave und Livenza ab-
gesprochen und dem Patriarchen verliehen. 2) Erst Heinrich III. hat den
Vertrag mit ihnen wieder erneuert und 1053 wurde der Patriarchenstreit
durch die römische Synode zu ihren Gunsten entschieden 2) und damit
Grado endgültig (wenn es auch noch später nicht ganz an Anfechtungen
fehlte)*), als selbständige kirchliche Metropole für Venedig und Istrien an-
erkannt.
Als gegen Ende des Jahrhunderts (1095) das Pactum durch Heinrich IV.,
dessen tatsächliche Herrschaft damals freilich auf ein kleines Gebiet im
Nordosten Italiens beschränkt war, erneuert wurde, verstanden es die Vene-
zianer, durch einen unscheinbaren Zusatz zu dem alten Wortlaut des Ver-
trages die ursprünglich den königlichen Untertanen im Verkehr mit Venedig
zustehende Bewegungsfreiheit wesentlich zu beschränken. 0) Der Handels-
verkehr nach Venedig zur See sollte ihnen zwar nach wie vor gestattet
sein, eine Fortsetzung der Handelsfahrt aber von Venedig nach einem
dritten Orte war ihnen untersagt. Danach stand also z. B. ravennatischen
Schiffen die Fahrt nach Venedig • jederzeit frei , doch durften sie von
Venedig aus nicht nach Aquileja, Istrien oder anderen Orten weiterfahren,
sondern mußten mit der in Venedig eingenommenen Ladung nach
Ravenna zurückkehren. Dagegen stand einer direkten Fahrt beispielsweise
von Ravenna nach Pola natürlich nichts im Wege.^) Jedenfalls ist diese
Praxis nicht erst durch das Pactum neu eingeführt worden ; vielmehr benutzten
die Venezianer wahrscheinlich nur die Gelegenheit, für einen schon aus-
gebildeten Grundsatz ihrer Handelspolitik die kaiserliche Sanktion zu er-
langen, so gering die Autorität des Herrschers gerade in diesem Zeitpunkt
auch war.
5. Die aus den Verträgen mit dem Regnum gewonnene Anschauung
von den kommerziellen Beziehungen Venedigs zu seinen Nachbargebieten
bedarf um so mehr der Ergänzung aus anderen Zeugnissen, als diese Nachbar-
gebiete bei dem Charakter der obersten Staatsgewalt in weitem Umfange in
der Lage waren, eine Handelspolitik auf eigene Faust zu treiben.
1) Schmeidler 1. c. p. 572 f.
") Über die Spaltung des Patriarchats Aquileja in das langobardische von
Aqu. und das byzantinische von Grado (607 entstanden) s. W. Meyer in : Abh. der
Ges. d. Wiss. zu Göttingen, N. F. II, 6. Über die Wechselfälle des Patriarchenstreits
Pabst bei Hirsch II, 432 (1014), Breßlau bei Hirsch HI, 142 ; dann besonders Breß-
lau I, 150 ff., II, 176 (1084), 236.
«) Breßlau U, 264. Steindorff H, 235.
*) Meyer v. Knonau I, 304 f. (1062).
*) Const. et acta I no. 72, p. 121: similiter et nostri per mare usque ad
vos et non amplius (die gesperrten Worte sind neu). Lenel p. 3 f. Meyer von
Knonau IV, 454.
") S. die Schenkung der Städte Pedena und Pisino in Istrien an Aquileja
durch Heinrich II. (30. April 1012) : et portum de Flaona, ut predicti homines in eo
naves habentes navigandi atque per nostras provincias in quamcumque partem
voluerint transfretandi liberam habeant potestatem. Dipl. H H no. 243 p. 279 £.
8 Erstes Kapitel.
Von den Seestädten Istriens unterhielt besonders der Haupta
Capodistria (Justinopolis) seit alter Zeit rege Handelsbeziehungen zu
Venedig. Am 14. Januar 932 verpflichteten sich die Bewohner der Stadt
in einem förmlichen Vertrage, unter Anerkennung des Wohlwollens und
des Schutzes, die sie stets bei Venedig gefunden, in dessen Gebiet sie immer
in voller Sicherheit ihren Handelsgeschäften hätten nachgehen können, auch
ihrerseits die Venezianer zu schützen und zu verteidigen; sie versprachen
ferner, die Forderungen venezianischer Gläubiger aus Darlehns- oder
Kreditgeschäften unverzüglich zu befriedigen mid erkannten die Schutz-
hoheit Venedigs insoweit an, als sie dem gegenwärtigen Dogen, solange er
lebte, jährlich zur Zeit der Weinernte eine Ehrengabe von 100 Amphoren
guten Weines darzubringen gelobten, i) Stärker trat das Abhängigkeitsver-
hältnis Capodistrias hervor, als der Vertrag nach voraufgegangenen Differenzen
am 12. Oktober 976 2) erneuert wurde. Jene Ehrengabe wurde nunmehr zu
einer dauernden Verpflichtung, zu deren Empfang Venedig in Capodistria
einen Bevollmächtigten zu bestellen hatte 3); Capodistria versprach ferner
ausdrücklich, mit Venedig Frieden und Freundschaft zu halten, selbst wenn
es mit allen anderen Orten Istriens in Streit geriete. Beide Städte sicherten
sich gegenseitig Zollfreiheit zu, wobei sich Capodistria verpflichtete, zu ver-
hindern, daß seine Bürger dies Privileg mißbräuchlich anderen zugute kommen
ließen.
Für das Verhältnis des übrigen Istrien zu Venedig hat der Friede von
Rialto vom Jahre 933 den Grund gelegt. 4) In der Zeit des ersten Vertrages
mit Capodistria hatte sich ein großer Teil der Bewohner von Istrien und
seiner Nachbarschaft unter Führung des Markgrafen Günter, Statthalters
König Hugos, zahlreiche Übergriffe erlaubt, die Besitzungen des Patriarchen
von Grado und anderer vornehmer Venezianer in Istrien ^) und besonders im
Gebiet um Pola verheert, die Rückzahlung der von den Venezianern ge-
währten Kredite verweigert, die von den Venezianern zu entrichtenden Ab-
gaben willkürlich erhöht und selbst venezianische Schiffe genommen und
ausgeplündert und Leute ihrer Besatzung getötet. Darauf griff Venedig zum
Mittel der Handelssperre und nötigte durch strenge Durchführung derselben
seine Gegner rasch genug, durch Vermittelung des Patriarchen von Grado
um Frieden nachzusuchen, der am 12. März 933 zu stände kam. Der Mark-
graf, der Bischof von Pola und die übrigen istrischen Bischöfe sowie die
Vertreter von Pola, Cittanuova (Emona), Pirano, Muggia, Triest und Caorle
(Caprulae, an der Mündung der Livenza) versprachen eidhch, in Zukunft
derartige Übeltaten zu unterlassen. Insbesondere verpflichteten sie sich, für
0 Tafel u. Thomas I p. 5 S. Kandier s. a. Gfrörer I, 232 S. Lenel 5. Benussi
606. Manfroni 71.
*) Von Tafel u. Thomas I p. 31 ff. und Kandier zu 977 gesetzt, während das
4. Jahr des Kaisers und ind. V gleichmäßig für 976 beweisen. Richtig Romanin I,
876 no. 10.
^) Benussi 626 sieht ihn als venezianischen Konsul an ; indessen ist in der
Urkunde von einem ständigen Vertreter nicht die Rede. Der Zensus wurde übrigens
später den Einkünften des Patriarchen von Grado zugewiesen. Kandier, Sept. 1074.
Benussi 298 f.
*) Tafel u. Thomas 1 p. 10 ff. (img als Pactum Justinop. bezeichnet). Kandier
8. a. Benussi 607, 609 ff. Gfrörer I, 237 f.
*) Über solchen Besitz, namentlich der Candiani, kaiserliche Schenkungen
usw. Köpke-Dümmler 846 A. 2, 479 A. 3, Uhlirz 86, Hirsch I, 171 A. 3, 176 A. 5,
Benussi 621, Dipl. Gin no. 293.
Venedig. 9
jährliche Begleichung der Schuldforderungen, die Venezianer gegenüber
Istrianern hätten, von Aufsichts wegen Sorge zu tragen, die Uferzölle und
sonstigen Abgaben (ripatica et tholonea) nur in der altherkömmlichen Höhe
zu erheben und ihre Schiffe mit den venezianischen gute Freundschaft
halten zu lassen. Sollte ein könighcher Befehl sie zu feindlichem Vorgehen
gegen Venedig auffordern, so würden sie die Venezianer so rasch wie mög-
Hch davon in Kenntnis setzen, so daß sie ohne Schädigung nach Venedig
zurückkehren könnten.
6. Für die kommerzielle Stellung Venedigs in Aquileja ist der nach
längerem Zwist vom Dogen Urso im Januar 880 mit dem Patriarchen Walpert
abgeschlossene Friedensvertrag besonders lehrreich. Dem Patriarchen wurde
darin für die Zeit seines Lebens die Aufhebung der von Venedig über den
Hafen von Aquileja, Pylus, verhängten Sperre zugesichert, indessen nur
unter der Voraussetzung, daß auch er die althergebrachten Rechte der
Venezianer respektierte, daß er sie insbesondere im Genuß aller Einkünfte,
die ihnen im Hafen des Patriarchen zuständen, sowie im Besitz der vier
Häuser (mansiones), die sie nach altem Herkommen im Hafen hätten,
schütze, daß er jede Belästigung von ihnen fernhalte und dafür Sorge
trage, daß sie nach alter Sitte sicher kaufen und verkaufen könnten und
sich dabei bei allen Handelsgeschäften, falls sie nicht etwa für Rechnung
von Nicht -Venezianern erfolgten, völliger Abgabenfreiheit erfreuten wie
bisher, i)
Häufig freihch kam es auch in der Folge zu schlimmen Streitigkeiten
zwischen den beiden Parteien; Grado, die Inselstadt vor den Lagunen
Aquilejas, war dem Patriarchen nicht bloß als Sitz des rivaüsierenden
Patriarchats, sondern schon wegen seiner sperrenden Lage ein Dorn im
Auge. Als ein besonders gefährlicher Gegner erwies sich der Patriarch Poppo,
der auch seine Stadt zu leidhcher Blüte gebracht zu haben scheint, da er
in der Lage war, am 13. Juli 1031 bei der Einweihung des neuen Doms
seinen Kanonikern zur Nutznießung auf dem Markte zu Aquileja 30 und
im Hafen Pilo 20 Verkaufsstände (stationes) zu überweisen. Noch kurz
vor seinem Tode eroberte er Grado und plünderte es schrecklich aus.'-^)
Schließlich aber erwies sich Venedigs Einfluß doch als der mächtigere, und
Grado behauptete sich in seiner Stellung.
7. Über die Handelsbeziehungen Venedigs zu seinem unmittelbaren
Hinterlande sind wir nur für die Zeit des großen Dogen Peter H. Orseolo,
für diese allerdings ungewöhnhch gut, unterrichtet. Als in einem Streit
Venedigs mit dem Bischof von Belluno um das Gebiet von Cittanuova
(Herachana, zwischen Piave und Livenza), das die vormundschaftliche
Regierung am 1. Mai 995 dem Dogen zuerkannt hatte ^), der Bischof die
Unterstützung seiner Nachbarn und besonders des Herzogs Heinrich von
Verona fand, verbot der Doge nach Erschöpfung aller anderen Mittel und
mit Zustimmung des königlichen Gesandten selber allen Venezianern jegliche
Art des Handelsverkehrs mit den Marken von Istrien und Verona. Dieses
Gegenstück der Handelssperre von 983 erwies sich als so wirksam, daß die
Feinde noch vor Jahresfrist um Frieden baten und den Anspruch Venedigs
') Ughelli V, 41 f.
») Ughelli V, 52 f. Breßlau II, 176.
«) Dipl. O III no. 165, p. 577. Nochmalige Bestätigung 7 Jan. 999 ib. p. 734
(vielleicht nur, weil man kaiserliche Bestätigung wünschte). Schmeidler I. c.
560.
10 Erstes Kapitel.
anerkannten. 1) Gleichzeitig erlangte Venedig weitere Vorteile von Otto III.
selbst, der gerade damals seinen ersten Römerzug unternahm. Von Ravenna
aus verlieh er dem Dogen in Ausübung des ihm als Lehnsherrn zustehenden
Marktregals auf die Bitte seiner Gesandten Peter Gradonigo und Johannes
diaconus (des späteren Biographen des Dogen) am 1. Mai 996 das Recht,
an drei Orten seines Gebiets, in San Michele del Quarto sowie an einer
beliebigen Stelle des Piave und Sile je einen Hafen mit Markt und aUen
ihm nützlich erscheinenden Einrichtungen anzulegen und alle Zölle und
sonstigen Gefälle daselbst im Namen Venedigs zu erheben; allen, die sich
dorthin begeben würden, wurde vom Kaiser volle Sicherheit auf dem Hin-
und Rückwege wie bei der Ausübung ihrer Handelsgeschäfte selbst verheißen.^)
Im folgenden Jahre gewann Venedig auch an der Livenza eine für
seinen Handel wichtige Stellung durch einen Vertrag mit Bischof Sicard
von Ceneda (März 997), der den Venezianern gegen einen Jahreszins von
65 Pfund Öl die Hälfte des Castrum und des Hafens von Settimo (an der
Grenze der Schiffbarkeit der Livenza, oberhalb Portobuffole) mit allem
Zubehör an Grundstücken und Rechten und allen Erträgnissen in LibeUar-
pacht auf 29 Jahre mit dem Recht, die Pacht nach Ablauf dieser Zeit zu
erneuern, überließ. 3) Nach Sicards Tode wurde dieser Vertrag mit dem
neuen Bischof, Grausa, im Juli 1001, abermals auf 29 Jahre erneuert und
nunmehr auf 1/3 der Zolleinkünfte des Hafens Villanova an der Livenza
ausgedehnt 4), während der Jahreszins auf 60 Pfund Öl herabgesetzt wurde.
Dabei wurde den Venezianern noch für jeden ihrer Verkaufsstände (statio)
in diesem Hafen für Salz bis zu einem Quantum von 20 modia Abgaben-
freiheit bewilligt. Außerdem verbürgte sich der Bischof für die Sicherheit
des Verkehrs der Venezianer mit dem Hafen und in seinem ganzen Gebiet ;
falls Venezianer in seinem Machtbereich geschädigt werden sollten, versprach
er binnen 30 Tagen für Restitution zu sorgen ; unterließe er das, so sollte er
außer zu Schadenersatz zu einer Buße von 5 Pfund Silber verpflichtet sein,
und der Doge sollte das Recht haben, bis zur Erfüllung dieser Verpflichtung
den Hafen in Besitz zu nehmen. Umgekehrt gestand der Doge dem Bischof,
falls bei Schädigungen der Leute des Bischofs durch Venezianer nicht binnen
30 Tagen Remedur erfolgte, das Recht zu, an allen nach dem Hafen kom-
menden Venezianern bis zur Höhe des erlittenen Schadens Represalien
zu üben.
Vermutüch sind die auffallend günstigen Bestimmungen des neuen
Vertrages eine Folge der Konkurrenz von Treviso, mit dem Venedig kurz
zuvor ö) einen ähnlichen Pachtvertrag auf die gleiche Zeitdauer abgeschlossen
*) Joh. diac. 151 ff. mit den Bemerkungen Monticolos. Hirsch I, 170 tf.
Kohlschütter 23 ff., 84, 87 ff. Lenel 6 f. Benussi 631.
2) Dipl. Olli no. 192, p. 600 f. Schmeidler 1. c. 5.^5, 567. Der Ort »Sanctus
Michaelis qui dicitur Quartus« (Kohlschütter p. 29) lag unweit von Altinum, auf der
anderen Seite des Flüßchens Zero (nordöstl. Mestre); s. die Carta idrografica bei
G. Veronese; La laguna di Venezia in Atti Ven. 63 (1904), 1 p. 137 ff.
s) Ughelh V, 177. Gfrörer I, 385 ff". Kohlschütter 30; 68. Breßlau T, 155.
*) Ughelli V, 179. Der mehrfach verderbte Text zeigt für den Namen des
Ortes die Form »Vilanoc, was ich für eine Verkürzung halte. Kohlschütter 31
Anm. 1 nimmt einen wahrscheinlich am Ausfluß der Livenza gelegenen Ort an.
6) Ughelli V, 507. Die Urkunde ist datiert anno imperii V und ind. XIV,
gehört also in die Zeit zwischen September 1000 und 19. Mai 1001 (20. Mai Krönungs-
tag Ottos). Kohlschütter 32. Biscaro G. : II comune di Treviso e i suoi piü antichi
statuti fino al 1218 im N. Arch. ven., n. s. UI (1902) p. 142.
Venedig, 1 1
hatte. In diesem überließ Bischof Rozzo dem Dogen gegen einen jährlichen
Pachtzins von 4 Goldbyzantien oder 2 1. ven. (nach Wahl des Bischofs)
Vs des seiner Kirche im Hafen von Treviso zustehenden Zolls, ferner drei
Häuser (mansiones) und so viel Land, als die Venezianer für die Tage des
gemeinsam abzuhaltenden Marktes zur Errichtung ihrer Verkaufsstände
(stationes) bedürfen würden; sie sollten gegenüber den trevisanischen auf-
gebaut werden und an Zahl 1/3 der gesamten Verkaufsstände erreichen dürfen.
Vom Vierzigsten, der vom Salz wie von allen anderen durch die Venezianer
importierten Waren (de omnibus esteris rebus) erhoben werden sollte, wurde
das von den Venezianern in ihren eigenen Salinen gewonnene Salz bis zum
Jahresbetrage von 300 modia befreit; vom Wein waren 4 den. für die
Amphora 1) zu entrichten. Auch hier verbürgte sich der Bischof für die
volle Sicherheit der Venezianer; besonders interessant aber ist es, daß den
Venezianern das Recht eingeräumt wurde, im Hafen von Treviso einen
Gastalden (gastaldionem) einzusetzen, der den auf Venedig entfallenden
Zollanteil einzuziehen hatte, dem aber auch die Aufsicht und wohl auch
die Rechtsprechung über die daselbst weilenden Venezianer oblag (qui
vestra exigere debet et vestros homines distringere). Venedig verpflichtete
sich seinerseits, den Besuch des Hafens von Treviso nicht zu untersagen,
es sei denn, daß eine allgemeine Handelssperre gegen alle Häfen der Mark
angeordnet werden müßte. 2)
Aus allem ergibt sich, wie wichtig die kleinen Küstenflüsse Venetiens
für den damaligen Handelsverkehr waren 3), zumal jeder direkte Verkehr
mit Venedig nur zu Schiffe möglich war. Zu den genannten Wasserläufen
trat noch der Lemene, der bis oberhalb Portogruaro schiffbar ist, und
namentlich die Brenta, die den Verkehr mit Padua vermittelte, hinzu; ein
Zeugnis für den Verkehr mit dem Paduanischen liegt in der Bitte vor, die
die Bewohner von Pieve di Sacco (so. Padua) dem Dogen gegen Ende
seiner Regierung vortrugen, er möge doch für sie, die sie gewohnt seien,
des Handels wegen die Orte des gesamten venezianischen Gebiets zu besuchen,
von der Erhebung besonderer Handelsabgaben (ripaticum und toloneum)
absehen, da sie bisher nirgends solche gezahlt hätten und nur zu einem
jährlichen Gesamttribut von 200 Pfund Flachs verpflichtet gewesen wären;
der Doge genehmigte ihre Bitte, nachdem die Richtigkeit ihrer Behauptung
durch zwölf Zeugen eidlich bekundet worden war. 4)
*) So ist sicher mit Kohlschütter 32 für angaria zu lesen, wie offenbar auch
das quadragesimum modicum durch medium zu ersetzen ist.
^) Breßlau I, 155 will in diesem Vertrage nur die Erneuerung eines alten
Vertrages sehen, weil schon Kaiser Berengar und seine Nachfolger und ebenso
später Heinrich II. (1014) den Bischöfen nur */, vom Zollertrage und Marktgelde
des Trevisaner Hafens bestätigt hätten, was in dem Umstand, daß den Venezianern
das dritte Drittel zustand, seine einfache Erklärung finde. Lenel 6 A. 2 stimmt
zu. Wäre das richtig, so würde die Urkunde jede Bedeutung für die Handelspolitik
des Dogen verlieren. Aber abgesehen davon, daß die Urkunde selbst keinerlei
Hindeutung auf eine bloße Erneuerung enthält, spricht dagegen das entscheidende
Bedenken, daß es sich um eine bloße Verpachtung handelte und daß der Kaiser
und der Bischof ein solches verpachtetes Drittel doch unmöglich als nicht mehr zum
rechtlichen Besitz der Kirche von Treviso gehörig ansehen konnten. Die Urkunde Be-
rengars (9. Januar 905) bei Schiaparelli no. 52, p. 149 ff.
3) Vgl. auch Marin U, 109.
■•) Gloria p. 114 no. 82, der die Urkunde zu 1005 setzt; Kohlschütter p. 56
und 71: zwischen 1007 und 1009.
12 Erstes Kapitel.
Südlich erstreckte sich das Gebiet Venedigs bis zur Etsch, deren
Mündung das Kastell Loreo (Lauretum) zu beherrschen bestimmt war, ein
Besitz, der den Venezianern freilich öfter, namentlich vom Bischof von
Adria, streitig gemacht wurde, i) Im Oktober 1094 entschloß sich der Doge
Vitale Falieri, das Kastell von Grund aus neu bauen und mit starken
Befestigungen versehen zu lassen, um den Verkehr wirksamer überwachen
und den Räubereien, die in dieser Gegend häufig vorfielen, kräftig entgegen-
treten zu können; die Venezianer, die mit dem Kastell und seinem Gebiet
belehnt wurden, übernahmen neben einem geringen Zins an Naturalien
die Bewachung des Kastells und die Befriedung des Weges; Pfarrer und
Gastalden versprach der Doge der neuen Gemeinde nur mit ihrer Zustimmung
zu setzen. 2)
8. Führte die Etsch den venezianischen Kaufmann nach Verona, wie
uns die Pacta seit 983 zeigen, so lehrt uns dieselbe Quelle, daß er für den
Weg nach der Lombardei nicht minder auch die mächtige Wasserstraße
des Po bis zum Tessin aufwärts zu benutzen pflegte; überall war ihm der
Wasserweg der natürhche Handelsweg. So erscheint der bei weitem größte
Teil des Pogebiets, zumal seitdem Comacchio zur Bedeutungslosigkeit herab-
gedrückt war, ebenfalls als Hinterland Venedigs, das ihm sein eigenes
Hauptprodukt, das Salz 3), und die aus dem Orient importierten Waren
abnahm und ihm dafür namentlich Lebensmittel jeder Art lieferte. Bischof
Liutprand von Cremona bezeugt ausdrücklich, daß der Eintausch der von
Konstantinopel her importierten Kostbarkeiten sich gegen die Lieferung von
Lebensmitteln an die Kaufleute Venedigs und Amalfis von selten der
Lombarden vollzog.*) Häufig begegnen wir venezianischen Fahrzeugen auf
dem Po und seinen Zuflüssen in den Privilegien der Herrscher. Unter den
Schiffen, die poaufwärts nach Cremona fuhren oder seinen Hafen passierten,
hebt ein auf Vorlagen des 9. Jahrhunderts zurückgehendes Privileg Ottos IH.
für den Bischof vom Jahre 996 die venezianischen besonders hervor 0); am
Anfang des 10. Jahrhunderts begegnen wir ihnen auf den kleinen Flußläufen
der Grafschaft Reggio, und aus einem Privileg Ottos I. für den Bischof von
Bergamo von 968 geht hervor, daß venezianische Fahrzeuge den Oglio
aufwärts bis Monasterolo fuhren, wo dem Bischof Hafen und Uferzoll ver-
liehen wurden. ^) Die bekannte, von Notker, dem Mönch von Sankt Gallen,
^) Kohlschütter p. 55 ff., 59. Gfrörer I, 427. Vertrag mit dem Bischof 1017;
Murat. Ant. I, 241.
*) Minotto m, 1, p. 2 f. Romanin I, 392 f., no. 19.
') Für die älteste Zeit hebt bekanntlich Cassiodorius stark hervor, daß den
Bewohnern der venezianischen Inseln »in salinis exercendis tota contentio esset et
inde eis fructus omnis enasceretur« 1. XU, ep. 24 (Auct. antiquiss. XII, 380). Mit
dem Aufblühen seines überseeischen Handels schwächte sich natürlich die an sich
immer sehr große Bedeutung des Salzhandels für Venedig relativ ab. Urkunden
über Schenkungen von Salinen an das Kloster S. Giorgio maggiore 1081 imd 1090
bei Cecchetti p. 43, 35. S. auch Hartmann : Die wirtschaftlichen Anfänge Vene-
digs, in der Viertel] ahrschr. f. Soz.- u. Wirtschaftsgesch. II (1904), 434 f.
*) »A Venetieis et Amalphitanis institoribus . . ., qui nostris ex victualibus,
haec (seil, pallia etc.) ferendo nobis, vitam nutriunt suam.< SS. HI, 337 (Legatio c. 55).
») Dipl. 0 ni no. 204, p. 614. Das Privileg Konrads H. von 1031 (Stumpf
Acta no. 291) läßt bezeichnenderweise die venezianischen Schiffe an der entsprechen-
den Stelle fort.
8) Schiaparelli no. 81 (für Nonantola") und 94 (für den fidelis Lupus) p. 219
und 249. Dipl. O I no. 364, p. 500. S. dazu besonders für das 9. Jahrhundert,
Hartmann : Zur Wirtschaftsgesch. p. 79 ff.
Venedig. 13
erzählte Anekdote von den Gefährten Karls d. Gr., die mit prunkvollen
Gewändern zum Kaiser kamen, die sie von Pavia mitgebracht, zeigt uns die
Venezianer als Importeure der Schätze des Orients nach der alten Haupt-
stadt der Langobarden 1) ; daß ein solcher Verkehr auch in unserer Zeit
noch fortbestand, wird dadurch bewiesen, daß der Doge Otto Orseolo
(1009 — 1026), aus welcher Veranlassung wissen wir nicht, einmal durch
Vernehmung von sachverständigen Zeugen amtlich feststellen ließ, daß es
verboten sei, die kostbaren Seidenzeuge (paUia) an anderen Orten des
itaUschen Königreichs zum Verkauf zu stellen als in Pavia und auf den
beiden Hauptmessen von Ferrara.^)
9. Für den Handelsverkehr der Venezianer endlich mit den zahlreichen
Küstenplätzen südlich der Pomündung, die die Pacta aufzählen,
besitzen wir im übrigen nur ein positives Zeugnis ; in der Mitte des 10. Jahr-
hunderts hören wir zufällig einmal von 7 venezianischen Schiffen, die mit
Waren beladen in der Pomündung (in porto qui vocatur Primarius) lagen,
im Begriff, nach Fano abzusegeln. 3) Der aus Venedig vertriebene gleich-
namige Sohn des Dogen Peter Candiano überfiel sie (959) mit 6 ravennati-
schen Schiffen und nahm sie weg; bald darauf aber starb sein Vater; er
wurde zurückberufen und zum Dogen erhoben. Der Vorgang enthüllt uns
die natürliche Handelseifersucht Ravennas auf Venedig; vorher schon
(um 940) hatten Ravenna und Comacchio durch Vergewaltigung veneziani-
scher Kaufleute das kriegerische Einschreiten Venedigs hervorgerufen, das
zur völligen Demütigung Comacchios führte ^) ; auch Ravenna war stark im
Sinken, seit die langobardische Eroberung den Verlust der Verbindung mit
Byzanz herbeigeführt hatte.
10. Aus der Zeit der Wirren ging Venedig den slavischen See-
räuberstämmen an der Ostseite der Adria gegenüber tribut-
pflichtig hervor.
Die vielgewundenen Buchten und langgestreckten Kanäle der Steilküste
Dalmatiens und der zahlreichen vorgelagerten Inseln boten den kroatischen
Piraten für ihre Raubfahrten die trefflichsten Ausgangspunkte und Schlupf-
winkel. Häufig genug endeten die Seezüge der Venezianer gegen sie mit
Mißerfolgen ; und die Venezianer verstanden sich schließlich (wohl noch im
9. Jahrhundert) dazu, durch die Zahlung eines jährlichen Tributs an den
mächtigsten und gefährlichsten der Seeräuberstämme, die Narentaner, die
ständige Gefährdung ihrer Handelsschiffahrt abzuwenden; waren diese See-
räuber doch auch die Hauptlieferanten für die Menschenware, mit der die
venezianischen Kaufleute trotz nicht selten wiederholter amtlicher Verbote
lange Zeit hindurch einen sehr gewinnbringenden Handel trieben. Auch
die unter Peter III. Candiano 948 unternommene, von der Sage zu einem
^) ... ad quam (seil. Paviam) nui)er Venetici de transmarinis partibus omnes
Orientalium divitias advectarant. SS. II, 760.
2) Job. diac. 178 f. SS. Vn, 38. Heyd I, 116. Lenel 52. Gfrörer I, 434 kon-
struierte daraus eine über Venedig verhängte Handelssperre ; aber auch Schulte
irrt, wenn er I, 76 A. 2 allgemein behauptet, Heinrich II. habe die Venezianer auf
die Messen von Pavia und Ferrara eingeschränkt. Die Beschränkung bezieht sich
nur auf pallia, und es ist nicht wahrscheinlich, daß sie erst von Heinrich H ver-
fügt worden ist. Der Irrtum jetzt auch bei Hartmann 82 A. 2.
3) Joh. diac. 137.
*) Ib. 133. Manfroni 72. Näheres über den Niedergang Comacchios bei Hart-
mann 89 f.
14 Erstes Kapitel.
großen Erfolge gestempelte Expedition hat an diesem Stande der Dinge
nichts geändert!), und das 960 neu eingeschärfte Verbot des Sklavenhandels
verbot den Schiffsführern den Transport von Sklaven wie von Venedig und
Istrien, so auch besonders von Dalmatien aus. 2)
Einen durchgreifenden Umschwung hat auch auf diesem Gebiete
erst die Regierung des großen Dogen Peter IL Orseolo herbeigeführt.
Er versagte den Narentanern ihren Tribut; ein venezianisches Ge-
schwader eroberte zunächst das von den größeren Inseln Dalmatiens
am weitesten in das Meer hinaustretende Lissa, und an der Spitze
des mächtigen Seezuges, der am Himmelfahrtstage (9. Mai) des Jahres
1000 Venedig verließ, konnte der Doge die Huldigung der Inseln
des Quarnero und der dalmatinischen Küstenstädte bis Ragusa, von
denen bisher nur Zara eine gemsse Oberhoheit Venedigs anerkannt
hatte, entgegennehmen; die Inseln Curzola und Lesina wurden
genommen und das gefährlichste Raubnest der Narentaner auf der
Insel Lagosta völlig zerstört. Die so gewonnene Vormachtstellung
Venedigs im Osten der Adria kam in dem neuen Titel eines »Herzogs
der Dalmatiner«, den der Doge seit dieser Zeit führt, zum Ausdruck;
jedenfalls stellt er eine Verleihung des Hofes von Byzanz dar, dessen
formelle Oberhoheit weder von Dalmatien noch von Venedig bestritten
wurde. ^)
Es ist begreifhch, daß so glänzende, in einem Zuge von zwei Monaten
errungene Erfolge nicht sämtlich auch gleich von dauerndem Bestände
waren. Zwar von den Inseln des Quarnero hören wir im Jahre 1018, daß
sie nach einem Seezuge des Dogen Otto Orseolo Tribut zahlten, Veglia
jährlich zu Weihnachten 30 Fuchsfelle, Cherso 40 Marderfelle, Arbe 10 Pfund
Seide"*) — aber nach dem Sturze der Orseoli trat ein entschiedener Rück-
gang ein, und selbst Zara mußte um die Mitte des 11. Jahrhunderts noch
einmal erobert werden, s) Indessen hielten die Venezianer doch an ihrem
Hoheitsanspruch mit Zähigkeit fest; als die Norraannengefahr zur See auf-
tauchte und die Pforte der Adria durch diesen neuen Feind gefährdet war,
verstanden sich die Städte Spalato, Trau, Zara und Belgrad (Zara vecchia)
im Februar 1076 dazu, »ihrem Herrn, dem Herzoge von Venetien und'
Dalmatien« , feierlich zu versprechen, jeden, der Normannen oder andere
I
I
1) Joh. diac. 112 ff., 118, 122, 128. Dümmler I, 346 f., HI, 25 f. Derselbe in
seiner Abb. über die älteste Gescb. der Slaven in Dalmatien : Sitz.-Ber. der Wiener
Ak. der Wiss., phil.-hist. Kl. XX, 403 ff. Huber, Gesch. Österreichs I (1885), 319 ff.
Benussi 597 ff., 620 ff. Manfroni 47, 69 f., 72 f. Hartmann : Die wirtsch. Anfänge
Venedigs 1. c. 441.
■'') Romanin I, 371. Ljubic I no. 1.
3) Joh. diac. 153, 155 ff. Gfrörer I Kap. 31. Hirsch I, 168 f. Kohlschütter.
36 ff. Lenelllf. Benussi 632 f. Manfroni 78 ff . Schlumberger H, 316 ff. (setzt,
den Zug ins Jahr 1001). Lazzarini : I titoh dei Dogi di V. im N. Arch. ven., n.
s. V (1903), 276 f. Der Titel dux Dalmatianorum findet sich zuerst im Vertrage mit<
dem Bischof von Treviso.
^) Ljubi6 I no. 2, 3. Racki no. 24 — 27. Vassilich G. : Dopo i »due tributi«.
I^e isole del Quarnero nell' XI secolo im Archeografo Triestino n. s., XIII (1887):
p. 287 ff. Benussi 638 f. Schmeidler, Dux u. comune Ven. p. 28 f.
6) Lenel 14 f. Manfroni 81 f.
Venedig. 15
Feinde ins Land brächte, als Hochverräter mit dem Tode und Vermögens-
konfiskation zu bestrafen.!) Das am weitesten entfernte Ragusa freilich
hatte sich der venezianischen Hoheit ganz (und für lange Zeit) entzogen;
ragusanische Schiffe standen zusammen mit Schiffen des abgefallenen Spalato
auf selten Robert Guiscards, als dieser 1081 den offenen Krieg gegen die
Griechen und ihre venezianischen Verbündeten begann. 2)
Nachdem die Normannengefahr durch den jähen Tod Roberts beseitigt
war, gelang es den Venezianern bald, ihre Autorität in Dalmatien in dem
bisherigen Umfange herzustellen; 1097 verpflichten sich Spalato und Trau
den venezianischen Abgeordneten gegenüber, einige Schiffe zur venezianischen
Flotte stoßen zu lassen, sobald sie nach diesen Orten käme. 3) Wenn sie
ihren Herrn hier zugleich Herzog von Dalmatien und Kroatien nennen, so bezieht
sich das darauf, daß der Doge nach dem Erlöschen des mit den regierenden
Geschlechtern in Zara verschwägerten kroatischen Königshauses letzteren
Titel angenommen hatte, mit dem freilich keinerlei Machtzuwachs verbunden
war; vielmehr begann gerade damals von selten des ungarischen Königtums,
mit dem Venedig früher, namentüch zur Zeit Stephans des HeiUgen, in
gutem Einvernehmen gestanden, eine Bedrohung der venezianischen Macht-
stellung an der dalmatischen Küste.*) Immerhin war für den Handel
Venedigs an dieser Küste alles geschehen, was erforderhch war; die früher
so bösartige Piraterie war in der Hauptsache unterdrückt, die Sicherheit
der Schiffahrt auf der Adria verbürgt und dem Handel Venedigs mit den
Seeplätzen Dalmatiens das Übergewicht gesichert ; denn Ragusa, obwohl von
Venedig unabhängig, aber wie dieses zum griechischen Reiche gehörig,
reichte an kommerzieller Bedeutung nicht entfernt an Venedig heran, so
rührig auch die hier wie in den anderen Seestädten Dalmatiens der romani-
schen Rasse angehörige Oberschicht der Bevölkerung sich unter den gegebenen
kleinen Verhältnissen dem Seewesen und Seehandel widmen mochte. 0)
11. Von größter Wichtigkeit für die Beteiligung Venedigs am
Welthandel der Zeit war die enge Verbindung, in der es seit den
Zeiten des großen Gotenkrieges mit Byzanz stand und auch während
der Zeit der Wirren fortdauernd verblieben war, wenn auch das Maß
des politischen Einflusses, den Konstantin opel in Venedig übte, nach
der Stärke oder Schwäche der Reichsgewalt, nach der Notwendigkeit
der Rücksichtnahme auf die Flotte, die Venedig zu stellen imstande
war, nach den Parteiverhältnissen in Venedig, dessen selbstgewählte
Dogen der Bestätigung von selten des Kaisers bedurften, recht ver-
») Tafel u. Thomas I, 41 ff. Ljubiö I no. 4. Lenel 17.
«) Gull. Apul. IV V. 134, 302 (SS. IX, 285). v. Heinemann 313.
') Spalato verspricht unam saginam vel duas gattas; die Urkunde von Trau
ist lückenhaft. Ljubi6 I no. 5 u. 6. Racki no. 138, 139.
*) Lenel 18 &., 101. Dazu Simonsfeld, Hist. Zeitschr. 84 (1900), 434, 440 f. Der
Titel: »Herzog von Kroatien« ist 1094 zuerst nachweisbar. Romanini, 392.
») Über Ragusas Lage und ältere Geschichte Jirecek 3 ff., Verhältnis zu den
Normannen 50 A. 26. Wenn J. den im 13. u. 14. Jahrhundert in Ragusa für die
Miete von Lasttieren gebräuchlichen Ausdruck naulum, naulizare als charakteristisch
für das höhere Alter des Seehandels ansieht (52 A. 34), so erscheint er mir viel-
mehr für das große Übergewicht des Seehandels in Ragusa beweisend. Bestimmte
Zeugnisse für den Seehandel Ragusas in unserer Periode hat auch die sorgsame
Forschung Jireceks nicht beibringen können.
16 Erstes Kapitel. j^^^^«
schieden war.^) Kräftige Kaiser konnten noch in der 2. Hälfte oe^^
10. Jahrhunderts ihren Willen auch in Sachen des Handels und Ver-
kehrs entschieden genug geltend machen. Im Juni desselben Jahres
960, in dem Kreta zum großen Vorteile auch des venezianischen
' Handels den Sarazenen von Nicephorus Phokas entrissen wurde ^),
untersagte der neue Doge Peter IV. Candiano allen Venezianern die
Übermittelung von Briefschaften aus der Lombardei, Deutschland
(Bayern und Sachsen werden speziell genannt) oder anderen Gebieten
nach Konstantinopel, ob sie nun für den Kaiser oder griechische
Staatsbeamte oder Privatpersonen bestimmt seien ^); ausgenommen von
diesem Verbot waren nur diejenigen, die in herkömmlicher Weise
von der venezianischen Regierung abgesandt wurden.
Danach scheint es, daß die Regierung diesen Brief verkehr insoweit
zulassen wollte, als sie sich amtlich von der Unverdächtigkeit des Inhalts
überzeugt hatte und an der Zuverlässigkeit der Überbringer nichts auszu-
setzen fand. 4) Besonders aber scheint die gleichzeitig erfolgende Erneuerung
des Verbots des Sklavenhandels einem Verlangen des griechischen Kaisers jH}
entsprochen zu haben ; nicht bloß wird bei dem Verbot des Sklaventransports ^*"
das griechische Gebiet besonders hervorgehoben, sondern es wird schon für
straffällig erklärt, wenn ein Venezianer einem Griechen Geld gab, damit
dieser den Ankauf von Sklaven besorgte, oder wenn er von einem Griechen,
Beneventaner oder sonst einer anderen Person im Zusammenhange mit dem
Sklavenhandel Geld oder Geldeswert annahm. Auch als der energische
Johannes Tzimiskes im Jahre 971 von Venedig durchgreifende Maßregeln
gegen die von seinen Untertanen geübte Zuführung von Kriegskontrebande
an seine sarazenischen Feinde verlangte, fügte sich Venedig ohne weiteres. 0)
Im übrigen bezeugt uns gerade jenes Verbot der Briefübermitte-
lung, in wie hohem Grade Venedig in dieser Zeit das Bindeglied
zwischen Ober-Italien und Deutschland einerseits und Konstantinopel
andererseits gewesen ist. Das beweist auch der rege Gesandtschafts-
verkehr zwischen den deutschen Königen und Byzanz, der ausschließ-
lich über Venedig und auf venezianischen Schiffen erfolgte; selbst
unter Konrad IL haben deutsche Gesandte ihren Weg nach Konstan-
tinopel über Venedig genommen.^) Otto d. Gr. hat sogar einmal
einen Venezianer als seinen Gesandten nach Byzanz geschickt, den
I
^) Lentz E. Das Verhältnis Venedigs zu Byzanz nach dem Fall des ExaichatS;
bis zum Ausgang des 9. Jahrhunderts Berlin 1891. Derselbe: Der allmähliche Über-
gang Venedigs von faktischer zu nomineller Abhängigkeit von Byzanz, in : Byzantin.
Zeitschr. III (1894), 64 fP.
*) Ausführlich darüber G. Schlumberger : Un empereur Byzantin au Xe siecle,
Mcöphore Phocas. Paris 1890, cap. 2, besonders p. 67 fE.
») Tafel u. Thomas I, 21 f. Romanin I, 370, no. 8. Kandier. Heyd I, 112.
*) Wenn Uhlirz 189 von dieser Maßregel als einer Monopolisierung des Post-
verkehrs mit Byzanz spricht, so scheint mir das doch allzusehr dem Mißverständnis
ausgesetzt. Der bezügliche Ausdruck lautet: ut nuUus V. epistolam . . . portare
presumat, non ad Imperatorem nee ad uUum alium Grecum hominem, nisi tantum
illas, que consuetudo est de nostro palacio.
6) Romanin I, 373, Nr. 9. Heyd I, 113.
«) Breßlau I, 236.
Venedig. 1 7
Dominiciis, der zuerst für den Sohn des Kaisers um die Hand der
Prinzessin Theophano geworben, im übrigen aber durch Überschreitung
seiner Vollmachten die Unzufriedenheit des Kaisers erregt hat.^)
Ein anderer kaiserlicher Gesandter ist es; der bekannte mit
griechischer Sprache und Sitte vertraute Bischof Liutprand von
Cremona^), dem wir wertvolle Mitteilungen über den Handelsverkehr
der Venezianer in Konstantinopel um die Mitte des 10. Jahrhunderts
verdanken. Schon als Gesandter König Berengars war er 949 (wie
schon sein Vater und Stiefvater) dort gewesen und hatte damals die See-
reise von Venedig bis Byzanz in 24 Tagen (25. August bis 17. Septem-
ber) zurückgelegt; im Dienste Ottos reiste er 968 als Brautwerber für
Otto II. über Korfu und Patras dahin, wo ihn bekanntlich am Hofe
des Nikephoros die bittersten Enttäuschungen erwarteten. Aus seinem
von Bosheit gegen die Griechen durchtränkten Bericht erfahren wir
doch auch von den venezianischen Söldnern im griechischen Heere,
den venezianischen Handelsschiffen im Hafen der Hauptstadt, der
Methode der Zollrevision durch griechische Beamte, der Musterung
und Markierung der zum Export durch Venezianer und Amalfitaner
bestimmten Stoffe, der Art und Weise, wie diese italienischen Kauf-
leute es verstanden, auch die kostbarsten Purpur- und Seidenzeuge
und Gewänder, deren Ausfuhr durch kaiserliches Gesetz streng
untersagt war, deni abendländischen Handel zugänglich zu machen. ^)
Die Weltstadt Byzanz war eben in dieser Zeit das große Zentrum
des Luxus jeder Art, der Kunst und des Kunstgewerbes, der kost-
baren Geräte und seidenen Stoffe, die die von Justinian begründete
kaiserliche Manufaktur herstellte, und Venedig einer der Hauptkanäle,
durch die es seinen Überfluß an das Abendland abgab; auch Venedig
selbst ließ Werke kirchlicher Kunst in Konstantinopel arbeiten und
umgekehrt fanden Erzeugnisse, namentlich der abendländischen Metall-
industrie, wie Glocken und Prunkschilde, ihren Weg nach Konstanti-
nopel.*) Deutlich erkennen wir auch, wie die Griechen damals schon
in wachsendem Maße die Vermittelung des Handelsverkehrs mit dem
Westen den Italienern und namentlich den Venezianern überließen.
12. Das Tempo dieser Entwicklung steigerte sich noch seit dem
Ende des 10. Jahrhunderts. Der Doge Peter IL Orseolo erwirkte bald
1) Liutpr. Leg. c. 31 (SS. IH, 354). Köpke-Dümmler 421, 430. Uhlirz 20.
*) über ihn und seine Werke Wattenbach I', 476 ff. Giesebrecht hat seinen
(iesandtschaftsbericht vollständig in sein Werk aufgenommen; I^, 523—546.
ä) Liutpr. Antap. SS. UI, 338 ; Leg. ib. 350, 357, 359. Liutprand beklagt sich
u. a., daß ihm, dem kaiserl. Gesandten, Veneticorum more pallia notentur (c 55),
was mit einer Vjulla plumbea geschah, c. 53. Heyd 1, 55, 112.
*) Job. diac. 143 von Peter I. Orseolo : in saneti Marci altare tabulam miro
opere ex argento et auro Constantinoi)olim peragere jussit; S. 126: Ursus dux . . .
eo tempore (ca. 880) 12 campanas Constantinopolim misit, quas Imperator (Basilius)
in ecclesia noviter ab eo constructa posuit ; et ex tempore illo Greci campanas habere
ceperunt. Schenkung des Prunkschildes (miro opere doauratum et fabricatum),
Liutpr. Leg. c. 65, SS. lU, 362. Köpke-Uümmler 437, A. 2. Vgl. Schlumberger II,
629. Molinier IV, 1, S. 65 ff.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 2
18 Erstes Kapitel.
im Anfang seines Regiments, im März 992, von den Kaisern Basillüs
und Constantinus ein Chrysobull^), das dem venezianischen Handel
mit Byzanz wesentliche Vorteile brachte.
Während die griechischen Zollbehörden (die commerciarii) bisher bei
der Erhebung der Schifiszölle recht willkürlich verfahren waren und oft
mehr als 30 Goldsolidi vom Schiff gefordert hatten, sollten fortan von jedem
venezianischen Schiff bei seiner Ankunft an der Zollstätte von Abydos,
ohne Unterschied ob es aus Venedig oder anderswoher kam, nur 2 und erst
bei Antritt der Heimreise 15 Goldsolidi erhoben werden. Die wesentliche
Ermäßigung sollte nur den Venezianern zugute kommen, daher wurde ihnen
bei Strafe der Konfiskation der Ladung untersagt, Waren von Amalfitanern,
Juden oder Langobarden von Bari oder für solche an Bord zu führen.
Altem Herkommen gemäß sollten die Venezianer auch ferner ihren beson-
deren Gerichtsstand haben und der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des
Logotheta tov dgö/nov^) in Konstantinopel unterliegen, dem auch allein das
Visitationsrecht ihrer Schiffe und das Recht der Zollerhebung von ihnen
(hier handelt es sich wohl um die herkömmlichen Warenzöhe) zustand
Für diese Zugeständnisse versprachen die Venezianer, das Reich
bei einem Zuge gegen die Langobarden Unteritaliens mit ihrer Flott
zu unterstützen. Seitdem bestanden die besten Beziehungeif zwischen
Venedig und der Süzeränen Macht. Bald nachdem Byzanz den Dogen
auch zum Herzog von Dalmatien ernannt hatte, bewährten die Venezi-
aner ihre Reichstreue durch die glückliche Entsetzung des von den
Sarazenen schwer bedrängten Bari (1002), an der sie freilich wegen
der Lage der Stadt am Tore der Adria und weil sie ein wichtiger
Stützpunkt für ihren Handel war, ein hervorragendes eigenes Interesse
hatten^). Lange Zeit hören wir dann nichts von den Beziehungen
Venedigs zu Konstantinopel ^); aber es kann kein Zweifel bestehen,
daß sich der Handel der Venezianer mit dem Ostreich in dieser Zeit
auf das günstigste weiter entwickelt hat; als griechische Staatsange-
hörige betrachtet, während ihre Abhängigkeit doch mehr und mehr
zum Schein wurde, und dabei zugleich mit besonderen Privilegien
1) Erhalten nur in einer in höchst barbarischem Latein abgefaßten Über-
setzung. Tafel u. Thomas I, 36 ff. und Romanin I, 381 f. mit dem irrigen Datum
991, das Uhlirz 191, A. 16 beibehält, weshalb er die Erwirkung dieses Privilegs mit
einer Sendung eines Sohnes des früheren Dogen nach Byzanz zusammenbringt
(Joh. diac. 148). Richtig bei Zachariae von Lingenthal, C. E. Jus Graeco-Roma-
num m (Leipzig 1857), 304 f. Vgl. noch Gfrörer I, 360 ff. Kohlschütter 12 f., G6 f.
Neumann, Quellen 367. Schlumberger 11, 312 ff. •
*) Diese Berichtigung des sinnlosen de diorno hat zuerst Zachariae v. Lingen-
thal 1. c. gegeben, während Tafel u. Thomas de domo lesen wollten. Auch Liut-
prand von Cremona wandte sich seinerzeit an den curopalates und logotheta tov
Soufiov mit der Bitte, an Bord des zur Abreise bereitliegenden venezianischen Handels-
schiffes gehen zu dürfen; SS. HI, 350. — Heyd I, 114 f. Goldschmidt 192, A. 167.
Manfroni 77. Neumann 367, A. 2.
«) Joh. diac. 165 f. Kohlschütter 52 f. Breßlau bei Hirsch III, 145. v. Heine-
mann I, 28 f. Manfroni 81. Schlumberger setzt den Entsatz II, 307 zu 1004 an,
schwankt aber sonst zwischen 1002, 1003, 1004: S. 308, A. 2, 320, 322, A. 1. Gay 368 f.
*) Eine Erklärung der Dürftigkeit der urkundlichen Überlieferung für Venedig
im 11. Jahrhundert gibt Lenel 9, A. 1.
Venedig. 19
ausgestattet, fanden sie für ihren rührigen Handelsgeist Bedingungen
vor, die sie nicht zögerten auszunutzen.
13. Es beweist die Fortdauer der alten Mittlerstellung Venedigs
zwischen Morgen- und Abendland, wenn Gregor VII. 1073 gerade den
Patriarchen von Grado, Dominicus, nach Konstantinopel abordnete,
als er der Kirche des Ostens in ihrer Bedrängnis durch die Seld-
schukken Hilfe zu bringen gedachte.^) Der sicherste Beweis aber für
die gewaltige Hebung der Stellung der Venezianer im griechischen
Reiche in der Zwischenzeit seit dem Chrysobull von 992 ist das
Privileg, das ihnen der tapfere Komnene Alexius I. verlieh, der im
Frühjahr 1081 den letzten der schwachen Kaiser aus dem Hause der
Dukas gestürzt und selber den Thron bestiegen hatte. Kein Feind
war seinem Reiche gefährlicher als Robert Guiscard und seine Nor-
mannen, die eben schon Durazzo erobert hatten; aber nicht minder
bedrohte das Vordringen der Normannen nach den jonischen Inseln
und der Westküste der Balkanhalbinsel die Venezianer selbst, die die
Sperrung der Adria für ihre Schiffe befürchten mußten. Wurden so
die Venezianer schon durch ihr eigenstes Lebensinteresse auf ener-
gische Unterstützung der Griechen hingewiesen, so verstanden sie es
doch als klug die Konjunktur ausnutzende Kaufleute, den Wert ihrer
Hilfe dem Kaiser möglichst hoch anzurechnen, der allerdings bei dem
schmählichen Verfall der griechischen Marine^) nur mit dieser sich
der AngriflEe der Normannen zu erwehren hoffen konnte. Dieser Situation
•entsprang das große Privileg des Kaisers für Venedig vom Mai 1082.^)
Der Doge erhielt für sich und seine Nachfolger die Würde eines
Protosebastos mit entsprechendem Jahresgehalt, die Kirchen Venedigs ein
jährliches Ehrengeschenk von 20 1. Ganz außerordentliche Vorteile aber
erhielt der venezianische Handel. Fortab sollten die Venezianer im ganzen
Reiche und für alle Zeiten von jeder Art von Handelsabgabe befreit sein;
damit waren sie vor den Griechen selbst weit bevorzugt; nur wenn sie für
Rechnung von Nichtvenezianern Handel trieben, galt diese Befreiung nicht.
In der Hauptstadt erhielten sie außer der Kirche des hl. Akindynos, die sie
schon besaßen, eine ganze Reihe von Läden (ergasteria) an der Stelle der
Überfahrt nach Galata (in embulo Peramatis), also in bester Verkehrslage
am Goldenen Hörn, dazu drei Landungstreppen (scalas maritimas) ; im
ganzen Reiche aber sollten sie unbehindert nach ihrem Ermessen jegliche
Art von Waren kaufen und verkaufen dürfen. Indem nun die Orte im
einzelnen aufgezählt werden, für die das Privileg Geltung haben soUte, er-
halten wir eine erwünschte Vorstellung davon, welche Handelsplätze im
griechischen Reiche damals von den Venezianern aufgesucht zu werden
) Meyer von Knonaii II, 274; näheres über die 1074 geplante Meerfahrt des
Papstes S. 340 tf., 441 f.
*) Hierüber C. Xeumann : Die byz. Marine. Ihre Verfassung und ihr Verfall.
Hist. Zeitschr. 81 (1898), S. 1 ff.
') Eingerückt in die späteren Privilegien, von denen die von 1147 und 1187
erhalten sind. Tafel u. Thomas I, 51 ff., 115 f., 180 f. Anna Comnena, Alexias VI,
c. 5 (ed. Jteifferscheid I, 197). Heyd I, 118 f., 2481 v. Heinemann 1, 331. Man-
froni 124 ff. Chalandon 82 f. Eine Urkunde über die von den Venezianern über-
nommene Gegen Verpflichtung fehlt; Neumann 378.
2*
20 Erstes Kapitel.
iste Sl
pflegten. Es waren in Nordsyrien: Laodicea und Antiochia, das allerdings
bald darauf (1084) an die Seldschukken verloren ging; an der Südküste
Kleinasiens in Cilicien: Mamistra, Adana, Tarsus; in Pamphylien: Satalia;
im Südwesten an der karischen Küste Strobilos ; an der Westküste : Ephesus
(= Theologos; Altoluogo), Chios und Phocäa. Besonders zahlreich sind
diese Plätze in der Nähe von Konstantinopel selbst ; außer Abydos am
Hellespont finden wir hier auf der europäischen Seite der Propontis:
Selymbria, Heraclea und Rodosto ; landeinwärts davon Apros (westlich von
Rodosto, das heutige Ainadschyk) und der Hauptort Thraciens : Adrianopel ;
dazu an der Südküste dieser Landschaft Peritheorion (an der nördlichsten
Einbuchtung des thracischen Meeres). Im alten Macedonien werden Chryso-
polis (in der Nähe des alten Amphipohs am Strymon) und das wichtige
Saloniki, in Thessalien Demetrias am Golf von Volo genannt. Im eigent-
lichen Griechenland treten uns Euripus (Negroponte) auf Euböa, Athen
und Theben, Korinth und Nauplia, sowie auf der messenischen Halbinsel
Koron und Modon entgegen ; auf der Westseite der Balkanhalbinsel endlich
außer der Insel Korfu: Bonditza (an der Südküste des Golfs von Arta),
Avlona und Durazzo, das sich freilich, ebenso wie Korfu, vorläufig in der
Gewalt des Feindes befand.
Tapfer kämpften nun die Venezianer auf selten der Griechen, haupt-
sächlich um den Besitz von Korfu; nach zwei glücklichen Seegefechten im
Jahre 1084 erlitten sie durch Robert Guiscard eine schwere Niederlage; da
machte der jähe Tod des Helden am 17. Juli 1085 alle seine Erfolge zu-
nichte. Ein plötzlicher und vollständiger Zusammenbruch der Normannen-
macht jenseits der Adria erfolgte und befreite Griechen und Venezianer
von der schwersten Gefahr, die ihnen gedroht hatte. i) Das umfassende,
Privileg aber, das der Kaiser in seiner Not Venedig gewährt hatte, blieb bestehen ;
der Weg zur Handelsherrschaft im griechischen Reiche war den Venezianern ^H
damit eröffnet. Wohl mochte die byzantinische Politik sich dessen trösten, '^■i
daß Handelsprivilegien, wie sie gegeben waren, auch wieder entzogen werden
konnten ; die Frage war nur, ob der Vasall nicht schon zu mächtig geworden
war, um solche Entziehung im gegebenen Fall noch ruhig hinzunehmen.
14. Wenn wir auch mit Sicherheit aus der Aufzählung jener zahlreichen
Orte des Privilegs von 1082 schließen dürfen, daß die Venezianer an denselben
Handelsinteressen besaßen, so ist es doch nicht ohne Wert, daß wir
wenigstens für einige derselben hierfür noch besondere Zeugnisse besitzen.
Zunächst gilt das für Durazzo, wo schon der Umstand, daß der Kaiser
ihnen eine Kirche schenkt (der einzige Fall dieser Art in seinem Privileg),
auf das Vorhandensein einer besonders starken venezianischen Kolonie
schließen läßt, wenn auch die Behauptung der Biographie des Kaisers,
Venezianer und Amalfitaner hätten die Mehrheit der Bevölkerung der Stadt
gebildet, als eine starke Übertreibung anzusehen ist. 2) Das Gleiche geht
i
II
i
I
1) Chalandon 93. Meyer v. Knonau UI, 564; IV, 69 und A. 109; IV, 72.
') Anna Comn. Alexias V, c. 1 (ed. Reifferscheid I, 223). Sie erzählt auch,
daß diese Kolonisten, um keine lange Belagerung aushalten zu müssen, die Stadt
den Normannen übergeben hätten. Auch die süditalischen Quellen führen die
Einnahme der Stadt auf venezianischen Verrat zurück. Gaufridus Malaterra (III,
c. 28; Murat. SS. V, 584) will sogar wissen, daß der Venezianer Dominicus, nobilis
genere, durch das Versprechen Robert Guiscards, ihm eine seiner Töchter zur Frau
zu geben, zur Übergabe des unter seinem Befehle stehenden Hauptturmes (major
turris) der Stadt bestimmt worden sei. v. Heinemann 1, 320. Chalandon 83.
I
Venedig. - 21
aus der Darstellung des am Ende des Jahrhunderts schreibenden Mönchs
vom Lido, der uns die Übertragung der Gebeine des hl. Nikolaus von Myra
nach Venedig und die damit zusammenhängenden Wunder schildert, deutlich
hervor 1) ; er redet auch für die Zeit des Dogen Vitale Falieri (1084 — 1096) von
einer an einsamem Ort, aber noch innerhalb der Stadtmauern von Durazzo
gelegenen Markuskirche, die von einem venezianischen Priester bedient
wurde; zugleich ergibt sich, daß Durazzo schon damals ein für die Ver-
proviantierung Venedigs wichtiger Platz war, von dem Getreide, Gemüse,
Käse und andere Lebensmittel nach Venedig exportiert wurden 2), und
daß venezianische Kaufleute von hier aus auch häufig den Landweg über
Saloniki nach Konstantinopel benutzten.
Über den Verkehr der Venezianer mit Theben, dem damals blühen-
den Hauptort Mittelgriechenlands, sind uns zwei Notariatsurkunden erhalten,
die uns venezianische Schiffe unter der Führung der nauclerii Leo'Aurifice
und Graminus de Molino in den Jahren 1071 und 1073 auf der Handels-
fahrt nach Stives (= ig Qtjßug), das man von der Nordseite des Golfs von
Korinth aus erreichte, zeigen. Für die zweite dieser Fahrten schloß Johannes
Lissado de Luprio, der die Reise mitmachte, mit Sevasto Aurifice einen
Gesellschaftsvertrag über ein Kapital von 300 1. ven., das in zwei Schiffs-
anteilen angelegt wurde. 3)
Für Konstantin opel selbst, wo die Zahl der Venezianer schon
damals sehr beträchtlich gewesen sein muß, erfahren wir, daß die venezia-
nische Regierung einige Jahre nach Erlangung des großen Privilegs das
Eigentumsrecht an wesentlichen Teilen des venezianischen Quartiers in der Haupt-
stadt an die Klöster S. Niccolö und S. Giorgio maggiore in Venedig übertragen
hat*), während sie sich über die Landungstreppen die freie Verfügung vorbehielt.
Für das Vorhandensein einer größeren venezianischen Kolonie in dem
Hauptort des griechischen Syrien, Antiochia, und den bedeutenden Ein-
fluß, den diese während der Dauer der griechischen Herrschaft daselbst
übte, spricht der Umstand, daß sie in der Lage war, um 1070 einen ser-
bischen Königssohn aus der Gefangenschaft der Griechen daselbst zu be-
freien, s)
15. Über die Handelsbeziehungen Venedigs zu den sarazenischen
Gebieten sind wir für unsere Periode nur sehr mangelhaft unter-
richtet. Am deutlichsten spricht für die Regelmäßigkeit solcher Be-
ziehungen, daß der große Doge Peter IL Orseolo bei seinem Regierungs-
antritt (991) Gesandtschaften an alle Fürsten der Sarazenen geschickt
hat, um diese den Venezianern freundlich zu stimmen.^) Und jeden-
falls über Venedig ist jene Gesandtschaft des fatimidischen Kalifen
>) Rec. Crois. Occid. V, 283 f.
*) Lenel 45, A. 3 hat die Stelle auf Cypern bezogen, da die von ihm benutzte
mangelhafte Ausgabe bei Corner Cipri portum statt des richtigen Epiri por-
tum liest.
*) ... et de isto habere habemus sortes duas in nave. Sacerdoti S. 20 f.
*) Die Schenkungsurkunde für das letztere, vom Juli 1090, ist erhalten. Tafel
u. Thomas I, S. 55 ff. Irrtümlich behauptet Broglio d'Ajano S. 7, daß diese Urkunde
venezianische Seidenfabriken in Konstantinopel erwähne.
*) Joh. Curopalates (ed. Bonn.) 718. Heyd I, 119, A. 1. Über die hohe Be-
deutung Antiochiens : Röhricht, Erster Kreuzzug 108 ; 242 f. : Exkurs IV : Beschrei-
bung A.'s nach Ibn Butlan.
•) Joh. diac. 149. Von Verträgen aber, wie Manfroni 78 will, redet er nicht.
22 - Erstes Kapitel.
aus Kairo gekommen, die Otto den Gr. kurz vor seinem Tode in
Merseburg aufgesucht hat^), während der Brief, den der Doge im
Jahre 932 an den deutschen König Heinrich über die Streitigkeiten
zwischen Christen und Juden in Jerusalem gerichtet hat, auf den
Verkehr der Venezianer im arabischen Syrien schheßen läßt. 2)
Lockend genug mußte es für die Venezianer sein, die Gewürze
und Drogen des Orients aus Ägypten, wo diese Waren das Mittel-
meergebiet am wenigsten verteuert erreichten, zu beziehen — inwie-
weit es mögUch war, hing in hohem Grade von den jeweiligen
politischen Verhältnissen ab. Das bedeutsamste positive Zeugnis für
den Export dieser Waren aus der Levante durch die Venezianer
liegt in dem Bericht des Merseburger Bischofs Thietmar vor , der
zum Jahre 1017 den Untergang von vier großen, mit verschiedenen
Spezereien (pigmentis) reich beladenen venezianischen Schiffen ver-
zeichnet hat^); ob diese nun gerade aus Ägypten oder nicht vielmehr
aus den griechischen Teilen des Orients kamen, muß freilich dahin-
gestellt bleiben.
Ein weiteres Lockmittel für den Handel bildeten die kostbaren
Erzeugnisse der orientalischen und nordafrikanischen Textilindustrie;
wenn der der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts angehörige Ibn Haukai
von dem lebhaften Handel des afrikanischen Tripoli mit den Ländern
der Rum redet, deren Schiffe Wolle, Gewänder von einem schönen
Blau und kostbare schwarze Stoffe ausführten^), so wird es um so mehr
erlaubt sein, darunter auch venezianische Schiffe zu verstehen, als
deren Verkehr an der Küste der Berberei für unsere Periode auch
anderweit bestimmt bezeugt ist.
Unter den Gegenwerten des venezianischen Handels hat zweifel-
los lange Zeit hindurch der Handel mit Menschenware eine wichtige
Rolle gespielt.
Wenn der eben erwähnte Ibn Haukai als einen wichtigen Handels-
artikel von Kairewan die Eunuchen aus dem Lande der Sklavonier hervor-
hebt 0), so werden wir den Venezianern um so weniger Unrecht tun, wenn
wir ihnen den Export derselben zuschreiben, als wir wissen, daß sie schon
um die Mitte des 8. Jahrhunderts mit griechischen Sklavenhändlern zu-
sammen sogar an den Küsten Italiens selbst an der Arbeit waren, ihre
Glaubensgenossen ohne Unterschied des Geschlechts aufzukaufen und an
die Sarazenen Afrikas zu verhandeln.*')
II
0 Widukind Corb. HI c. 76. Köpke-Dümmler 509.
*) Const. et acta I no. 4 p. 6. Für die frühere Zeit sei daran erinnert, daß
sich der Doge im 2. Dezennium des 9. Jahrhunderts der vom Kaiser Leo V. be-
fohlenen Verkehrssperre gegen Syrien und Ägypten anschloß, und daß venezia-
nische Handelsschiffe 827 oder 828 aus Alexandrien (angeblich durch widrige "Winde
dorthin verschlagen) als kostbarstes Gut den Leichnam des hl. Markus nach der
Lagunenstadt gebracht haben. Tafel u. Thomas I, 3. Marin II, 19. Heyd I, 110.
3) SS. m, 860 (1. Vn c. 54).
*) p. 166. Amari, Musulm. II, 362 A. 3.
6) p. 251.
^) Hierüber und über Maßregeln gegen sie Leo H. Gesch. der italienischen
Staaten I (1829) 224 f. Heyd I, 95 f. 110. Mühlbacher 106. Vgl. ihre wohl damit
I
I
Venedig. ' 23
Und in der kampferfüllten Zeit der Wirren konnte das Unwesen nur
zunehmen. Wohl erließ der Doge Urso Partecipacio I. um 880 ein Verbot
des Sklavenhandels; doch geriet es bald genug in Vergessenheit, wie das
schon erwähnte Dekret vom Juni 960 selbst hervorhebt, das in feierlicher
Form und mit verschärfter Strenge allen Venezianern den direkten oder in-
direkten Ankauf christlicher Sklaven 7Aim Zwecke des Weiterverkaufs unter-
sagte und alle Schiffsführer für die Beförderung derartiger Sklaven oder
Sklavenhändler verantwortlich machte, i) Das Verbot war gewiß ernst ge-
meint und sicher nicht ohne Wirkung; für die Gebiete des Regnum wird
schon die von den Venezianern übernommene vertragsmäßige Verpflichtung
den Sklavenhandel, zumal nach der Herstellung geordneterer Verhältnisse,
so ziemlich ausgerottet haben ; für die Ostküste aber war bei der Natur des
Landes, der Neigung der slavischen Bewohner selbst und der Schwierigkeit
der Kontrolle ein durchgreifender und dauernder Erfolg nicht so leicht zu
erzielen. Sehr bezeichnend hierfür ist, daß sich Gregor VII. noch im Jahre
1076 von Zwonimir (Demetrius) von Kroatien und Dalmatien bei seiner Er-
hebung zum Könige feierlich versprechen ließ, den Verkauf von Menschen
in seinem Gebiet zu untersagen 2) ; und die Aufkäufer solcher Ware können
in diesen Küstengebieten kaum andere als Venezianer, die Abnehmer kaum
andere als die Sarazenen gewesen sein.
16. Weitere wichtige Gegenwerte, die Venedig den Sarazenen
Ägyptens und der Berberei zu bieten hatte, waren Holz und Metalle,
die diesen Ländern in hohem Maße fehlten und ihnen doch unent-
behrlich waren.
Metalle und Waffen kamen den Venezianern aus der Lombardei und
den Alpen, Holz in Menge, von Istrien ganz abgesehen, auf den Küsten-
flüssen von den Bergen, die das venezianische Tiefland umsäumen. Wohl
lieferte man mit diesen Artikeln den Ungläubigen vielfach die Mittel zur
Bekämpfung der eignen Glaubensgenossen; aber welcher gewaltige Gewinn
war mit dem Verkauf gerade dieser W^aren an die Sarazenen und dem
gleichzeitigen Einkauf der kostbaren Artikel der Levante zu machen ! Und
was man selbst nicht tat, wurde sicher doch von anderer Seite getan! So
hat der in Aussicht stehende Handelsgewinn die Venezianer immer wieder,
auch in Kriegszeiten, zum Export jener Artikel getrieben. Welche Wichtig-
keit dieser Handel für Venedig gehabt haben muß, darüber gibt uns ein in
mehr als einer Beziehung höchst lehrreicher Vorgang aus dem Jahre 971
den besten Aufschluß. Damals sandte der Kaiser Johannes Tzimiskes, der
mit den Venezianern im Kriege lag (Antiochia war im Jahre zuvor von den
Fatimiden angegriffen worden), eine Spezialmission nach Venedig, die
eine strenge Untersuchung wegen des Transports von Waffen und Holz
durch venezianische Schiffe nach sarazenischen Ländern anstellen und von
Seiten des Kaisers die Drohung, im Betretungsfalle alle solche Schiffe mit
Mann und Maus verbrennen zu lassen, verkünden soUte. Um den Zorn des
zusammenhängende, auf Befehl Karls des Gr. erfolgende Austreibung aus ihren
>prae8idia et poHsessionesi im päpstlichen und ravennatischcn Gebiet. M. G. Epp. HL
622 (zwischen 787 und 791).
») Tafel u. Thomas I p. 19 S. Romanin I, 371. Racki 198 no. 151. Gfrörer I,
264 ff., 273 ff. Manfroni 69 ff, 74.
^) Muratori Antiqu. V 840 f. Langer O., Sklaverei in Europa während der
letzten Jahrhunderte des Mittelalters (Bautzen 1891 ; Gymn.-Progr.) 14.
24 Erstes Kapitel.
Kaisers zu besänftigen, erließ der Doge Peter Candiano IV. im Juli des
selben Jahres ein scharfes Edikt i), das den nach sarazenischen Ländern
fahrenden venezianischen Schiffen den Transport von Waffen jeglicher Art
imbedingt verbot ; nur die zur Verteidigung der Schiffsmannschaft dienenden
Waffen sollten mitgeführt werden dürfen. Bezüglich des Holztransports
konnte man sich zu einem solchen unbedingten Verbot nicht entschließen;
man untersagte zwar den Transport von Schiffsbestandteilen jeglicher Art
und von Holz, insoweit es zum Schiffsbau dienen konnte, gestattete aber
die Beförderung solcher Hölzer und Holz waren, bei denen ihrer Beschaffen-
heit nach die Verwendung zum Bau von Schiffen oder Schiffsbestandteilen
ausgeschlossen erschien, insbesondere von Brettern aus Eschen- oder Pappel-
holz, die höchstens 5 Fuß lang und 1/2 Fuß breit waren, sowie von Wannen,
Schüsseln und sonstigen hölzernen Gefäßen oder Geräten. Übertreter des
Verbots sollten mit einer Buße von 100 Pfund Gold, im Unvermögensfalle
mit dem Tode bestraft werden. Im übrigen suchten die Venezianer ihren
Holzhandel der Gesandtschaft gegenüber als harmlos und jedenfalls nicht
zu irgendwelcher Unterstützung des Kalifen bestimmt hinzustellen; man
hätte allerdings vor der Ankunft der Gesandtschaft drei Schiffen die Er-
laubnis zum Export von Hölzern gegeben, die zum Teil unter das nunmehr
erlassene weitgehende Verbot gefallen wären 2) ; aber zwei von diesen Schiffen
seien für Mehadia (die Hafenstadt von Kairewan) und eins für Tripoli be-
stimmt gewesen; nur aus Mitleid mit der Armut der Befrachter habe man
die Erlaubnis erteilt, und auch das werde in Zukunft unterbleiben.
Ein Niederschlag des auf diese Weise bezeugten venezianischen
Handelsverkehrs mit den damals noch blühenden Seeplätzen 3) der Berberei
liegt uns endlich noch in einer Urkunde vom Juli 1083 vor*), nach welcher
Ripaldus Florentius seinem Bruder Dominicus, der auf dem Schiffe des
Johannes Theonistos eine Handelsreise nach TripoH anzutreten im Begriff
war, für diese ein Kapital von 100 1. ven. anvertraut hat.
17. Am Anfang des 11. Jahrhunderts konnte Johannes diaconus
von Venedig rühmen, daß es unter der Regierung seines Dogeaj
Peter IL' Orseolo alle Nachbargebiete an Wohlstand und Ruhm bei
weitem übertroffen habe.^) Die Grundlage dieses Wohlstandes aber bil-
dete ausschließlich der Handel. An eigenem hatte dabei Venedig wenig
genug zum Austausch zu bieten, die Erträgnisse seiner Seefischerei
und, als wichtigstes Produkt, die seiner Salinen; sie mochten kaum
in der ältesten Zeit Venedigs ausreichen, die notwendige Zufuhr des
größten Teils der Lebensbedürfnisse zu decken. Das Fehlende sah
sich die Bevölkerung gezwungen, hauptsächlich durch Handelsgewinn
zu erwerben; von Entwicklung einer eigenen Exportindustrie hören
wir noch nichts. Die Verbindung mit dem griechischen Reiche wies
>) Tafel und Thomas I, 26 fE. Romanin I, 373 no. 9. Gfrörer I, 279 ff. Man
froni 75 f. Schlumberger I, 240 ff. (ib. 219, 223 über die Angriffe der Sarazenen
auf das byz. Syrien).
*) . . . licentiam portandi insublos et astas et conchas ac scutellas et caeteri
minutalia, also ohne Beschränkung des Bretterexports auf bestimmte Holzarten un
Maße. Tafel u. Thomas I, 28. — Manfroni 75.
3) Heyd, Afrika 622 f.
■») Sacerdoti p. 22.
») p. 149.
Venedig. 25
Venedig den Weg zur Handelsgröße. Allmählich wurde es die ein-
zige Seestadt an der ganzen nördlichen Adria, die in direkter Handels-
tätigkeit mit den Seeplätzen des Ostreichs und des gesamten Ost-
beckens des Mittelmeers verkehrte. Weder von Ravenna noch von
Ancona hören wir in unserer ganzen Periode das geringste von einer
solchen Tätigkeit^) und ein bloßer Irrtum ist es, wenn man meint,
daß das Chrysobull von 992 von Lombarden spreche.^) Der Zufluß,
der dem Strome des Welthandels, so schwach er in dieser Zeit noch
sein mochte, von der nördlichen Adria und ihrem Hinterlande im
weitesten Umfange her zukam, wurde ihm fast ausschließlich von den
Venezianern zugeleitet. Kommerzielle Vorherrschaft an der Adria
übte Venedig schon ohne ernstlichen Rivalen, als es in das Zeitalter
der Kreuzzüge eintrat.
Alle Schichten der Bevölkerung Venedigs waren am Handel, und natur-
gemäß ganz überwiegend am Seehandel, beteiligt oder interessiert. Der
Mönch vom Lido, der die Übertragung der Gebeine des hl. Nikolaus in
lebendiger Darstellung geschildert hat, läßt seine Landsleute sich als handel-
treibende, ständig in Seegefahr lebende Schiffer bezeichnen und ein ander-
mal legt er dem Schiffsgeistlichen, als den vom Sturm verschlagenen See-
fahrern ihr Patron leibhaftig erscheint, die Worte in den Mund : »Heiliger Vater,
Venezianer sind wir und des Handels wegen durchziehen wir, wie unsere
Väter, die verschiedensten Gebiete. « 3) Solche Schiffsgeistliche dienten den
Handelsschiffen, als die geborenen Vertrauenspersonen, zugleich als Schiffs-
schreiber (wie in Venedig überhaupt nur Kleriker als Notare fungierten);
ihr Entgelt pflegte in einem Anteil am Schiff (sors) zu bestehen. 4) Ganz
allgemein war die Anlegung von Kapitalien in Handelsunternehmungen zur
See. Beispielsweise verfügte der Doge Giustiniano Partecipazio um 829 über
ein in solcher Weise angelegtes Kapital von 1200 1., falls es unversehrt
heimkomme 5), und als Peter IL Orseolo im Jahre 1007 ein Kapital von
1250 1. ven. zu Wohltätigkeitszwecken stiftet, bestimmt er, daß jährlich hier-
für nur der von wackeren Leuten mit diesem Kapital erzielte Handels-
gewinn zu verwenden sei. ^)
Und mit der Entwicklung des Seehandels hielt die Entwicklung der
Seemacht gleichen Schritt, wie die Ruhmestaten Venedigs unter der Füh-
•) Bei Liutprands Verhandlung mit Kaiser Mcephorus ist davon die Rede,
daß ihn ein griechisches Kriegsschiff nach Ancona bringen soll; aber von anconi-
tanischen oder lombardischen Kaufleuten in Byzanz sagt L. kein Wort, während er doch
die amalfitanischen erwähnt. SS. III, 354 : Leg. c. 33, 35. Giesebrecht I <» p. 537 f.
«) Unten S. 28 A. 2.
') Rec. Crois. Occid. V 284 H : nautae negotiatores, in periculo maris assidue
conversantes ; 282 D : causa negotii sicut patres nostri regiones plurimas peragramus.
*) Ib. 282 B (auf die Zeit zwischen 1049 und 1065 bezüghch) ; Lenel 44. Eine
aufgefischte capsella wird zur Eröffnung dem presbyter de navi überreicht ; mirac.
no. V, ib. 286 C.
*) si salva de navigatione reversa fuerint. Gloria no. 7 p. 14.
«) Kohlschütter 93 f. Beil. no. 4 ; p. 56. Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit
auch die patriotische Handlung der reichen Brüder Tyso und Petrus Aureus, die
im Mai 1097 >pro congruo honore nostri mercati et totius nostrae patriae < ihren Be-
sitz an Läden (stationes) . . in mercato de Rivoalto dem Staat überweisen; ebenda
werden die Läden der Gradonigo erwähnt (in nostro Calle, uno suo latere firmante
in stationibus quae sunt de Gradonicis). Romanin I, 396 no. 20.
26 Zweites Kapitel.
rung des größten Dogen dieser Zeit und der Normannenkrieg beweisen
Wilhelm von Apulien rühmt das volkreiche Venedig, das reich an Schätzen
und reich an Männern sei ; kein Volk sei diesem in Seekämpfen und Schiff-
fahrt überlegen, i) Und schwerer noch wiegt es, daß die Grabschrift Robert
Guiscards im Dreifaltigkeitskloster zu. Venosa es als den höchsten Ruhm
des Verstorbenen bezeichnet, daß der Kaiser des Westens wie der des
Ostens vor ihm geflohen seien und die freien Bürger Venedigs sich auf der
See nicht mehr sicher vor ihm gefühlt hätten. 2) In der Tat war Venedig
damals die erste Seemacht Europas; die relative Bedeutung Venedigs in
der politischen wie in der Handelswelt ist vor dem Beginn der Kreuzzüge
noch größer gewesen als während derselben.
Zweites Kapitel.
Unter -Italien.
18. Apulien mit seinem an Wein und Öl überreichen Küsten-
gürtel und seiner dichten städtebewohnenden Bevölkerung^) ist zu-
sammen mit Calabrien häufiger und länger als jede andere Landschaft
Italiens den Angriffen der Sarazenen ausgesetzt gewesen.
Im Jahre 840 oder 841 schon von den Sarazenen genommen, konnte
ihnen Bari, der wichtigste Handelsplatz dieses Gebiets, erst nach 30 Jahren
und nach einer vierjährigen Anstrengung wieder entrissen werden.^) Aber
noch anderthalb Jahrhunderte setzten sich, wenn auch mit Unter-
brechungen, die mit furchtbaren Grausamkeiten verbundenen Invasionen der
Sarazenen fort; dazwischen hinein fielen Angriffe der dalmatinischen See-
räuber, die im Juli 927 sogar Siponto eroberten und (seit 922) Einfälle der
Magyaren, die um die Mitte des Jahrhunderts (947) selbst bis in den
äußersten Südosten, bis Otranto vordrangen. 0) 976 eroberte der gefürchtete
Abu-al-Qäsim Tarent ß), das schon ein Jahrhundert zuvor geraume Zeit unter
arabischer Herrschaft gestanden hatte, und 1002 wurde Bari nur durch das
kräftige und glückliche Eingreifen der Venezianer vor einem gleichen Schick-
sal bewahrt ; noch 1023 war es einem sarazenischen Angriff ausgesetzt. '')
Mit großer Zähigkeit klammerte sich das Griechentum an seinen Be-
sitz in diesem Lande, dessen Hauptstütze Bari, die Residenz der griechischen
Katepane, war; die Bevölkerung aber war mit dem tyrannischen, aus-
beutenden Regierungssystem der Griechen in hohem Grade unzufrieden;
1) IV V. 278, 284 f. (SS. IX 285).
«) Giesebrecht HI'*, 576.
^) Treffliche Schilderung von Th. Fischer in seinen »siedlungskundHchen
Studien über Apulien« bei Petermann, Mitteil. 48 (1902) 115 ff.
*) Dümniler I, 191 f. II, 264 ff. m, 23 ff. v. Heinemann 7. Mühlbacher Reg.
1213. (iay p. 89 ff. Poupardin : La lettre de Louis 11 ä Basile le Macedonien in :
Le Moyen Age, sör. 2, VH (1903) 185 ff. ; dagegen Kleinclausz (ebd. Vin, 45 ff.),
der den Brief für unecht hält.
') SS. V, 52 f. (ann. Barens.). Köpke-Dümmler 170. Bisoni in: Scuola catto
lica XX (1900), 555 ff.). Gay p. 206 ff.
») Näheres UhUrz 165 ff. Sein Tod in der Schlacht am C. Colonne ließ den
von ihrem Dränger befreiten Bewohnern Unter-Italiens die Niederlage des Kaisers
Otto IL wie einen Sieg erscheinen ; ib. 178, 180.
'') Breßlau bei Hirsch m, 145 f. Die ann. Barenses zeigen hier wie sonst
den calculus pisanus und haben deshalb 1003 (SS. V, 53). Für 1023 : Breßlau I, 172.
Unter-Italien. 27
nicht selten kam es zu Aufständen, unter denen hier nur der des Barensers
Melus, der einem alten langobardischen Geschlechte angehörte, hervorge-
hoben sei. 1) So schuf der Gegensatz gegen die Griechen auch den Nor-
mannen in den Küstenstädten eine Partei. 1064 verbanden sich die Barenser
mit Robert Guiscard durch einen Eid; aber noch einmal fiel Bari in die
Gewalt der Griechen und erst nach einer dreijährigen Belagerung (27. August
1068 bis Mitte April 1071) gelang den Normannen die endgültige Einnahme
der Stadt 2), womit zugleich die Unterwerfung Apuliens besiegelt war.
Die geographische Lage in Verbindung mit den politischen Ver-
hältnissen wies die Seestädte dieses Gebiets, Bari wie Trani, Brindisi
und Otranto wie Tarent, durchaus nach dem Osten.
Schon die Notwendigkeit der Sendung von Schiffen, Truppen und Be-
amten bedingte einen fortwährenden Verkehr mit Konstantinopel, das zu-
gleich das Ziel der einheimischen Streber, aber auch oft genug der Mißver-
gnügten und der Zufluchtsort der Vertriebenen war. s) Dazu kamen die
Pilgerfahrten nach den heihgen Stätten 4), die mit Vorliebe von den See-
städten Apuliens aus angetreten wurden, da so die Seereise am kürzesten
war; in ganzen Scharen haben die Normannen diesen Weg genommen. 5)
Naturgemäß folgte auch der Handel Apuliens überwiegend dem gleichen
Zuge. Doch haben wir etwas genauere Nachrichten über eine aktive Handels-
tätigkeit seiner Seeplätze nur für den unzweifelhaft bedeutendsten unter
ihnen, für Bari. '5)
i) Breßlau bei Hirsch III, 147, 149. v. Heinemann 30, 64, 82 f. Gay p. 399 ff
Höchst bezeichnend ist auch, daß die Barenser Annalen zu 1035 den im Januar
verstorbenen Erzbischof Byzantius rühmen als frömmsten Vater der Waisen, Hüter
und Verteidiger der Stadt, »atque terribilis et sine metu contra omnes Graecos.<
Breßlau U, 292 f.
2) Anonvm. Bar. bei Murat. SS. V 152 f. Meyer v. Knonau I 607, U 112.
V. Heinemann" I, 218 ff., 290 ff. Manfroni 115-117. Gay p. 535 ff.
3) Vgl. z. B. für Otranto: v. Heinemann 43, 130, 311; für Tarent: 332. Auch
Liutprand von Cremona traf 968 einen vornehmen Barenser, Bysantius, zu Tisch beim
Kaiser. Legatio c. 37 (SS. HI, 355).
*) Selbst zur Zeit der sarazenischen Herrschaft ging z. B. der fränkische
Mönch Bernhard zu Tarent in See, auf einem sarazenischen Schiff und mit einem
Geleitsbrief des Sultans von Bari an den Beherrscher Ägyptens ausgestattet. Heyd I, 97.
*) Dementsprechend auch viele Kreuzfahrer beim ersten Kreuzzuge. Hagen-
meyer in Rev. Or. latin VI (1898) 262, 276.
®) Sicher mit Unrecht bezeichnet Uhlirz 176 das damaUge Tarent als die
größte Stadt Unter-Italiens. Eine besondere Berühmtheit hat Trani durch sein
Seestatut erlangt, das, in einem Druck aus dem Anfang dos 16. .Jahrhunderts über-
liefert, das unmögliche Datum 1063 an der Stirn trägt. Daß es, in dieses Jahr gesetzt,
anstatt 3 oder 4 Jahrhunderte später, als ein einziger großer Anachronismus er-
scheint, darüber s. besonders meinen Aufsatz über die Anfänge des Konsulats des
Meeres in: Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswiss. IX (1893) 223 ff. und Gabotto: II
commercio e la dominazione dei Veneziani in Trani im Arch. napol. XXIII (1898)
111 ff., woselbst auch reiche Literatur. Auch Manfroni 109 verwirft das Jahr 1063.
Verteidigt wird es namentlich von F. Schupf er, dessen Abhandlung »Trani ed
Amalfi« in der Rivista ital. per le scienze giur. XIH (1892) 192 ff. besonders auch
Freunden einer >kräftigen« Polemik empfohlen sei; und neuerdings von F. Cara-
bellese : La Terra di Bari sotto l'aspetto storico, economico e naturale I (Trani 1900)
p. 12 ff. (p. 19 f. auch ein Wiederabdruck der Ordinamenti), der auch in seiner
späteren Schrift: Giacomo Rogadeo ravellcse di Bitonto nella vita civile e politica
del Regno di Puglia (Trani 1901), auf denselben Gegenstand zurückkommt.
I
28 Zweites Kapitel.
19. Wenn eine Geschichtsquelle des fernen Cambrai von der wunder
baren Rettung Kaiser Ottos II. zu berichten weiß, daß er sich auf dem
fremden Schiffe, das er schwimmend erreichte, für einen sehr reichen Kauf-
mann aus Bari ausgegeben, der an der Küste Schiffbruch gelitten habe, so
ist diese Erzählung zwar irrig, beweist uns aber zum mindesten, daß der
Ruf von Bari als einer reichen Handelsstadt weithin verbreitet war. i)
Für ihren Handel mit Konstantinopel legt das uns schon bekannte
ChrysobuU für Venedig vom Jahre 992 Zeugnis ab, das den Venezianern
die Mitnahme von Amalfitanern, Juden und Langobarden von Bari 2) auf
ihren Schiffen untersagte, damit der ermäßigte Schiffszoll nicht auch diesen
zugute käme. Zugleich aber enthüllt es uns die Mißgunst, die man in Byzanz
dem einheimischen Teil der Bevölkerung von Bari entgegenbrachte, denn
nur auf diesen, nicht auf die Griechen von Bari, bezieht sich das Ver-
bot. Daß eine solche differenzielle Behandlung Erbitterung wecken mußte,
liegt auf der Hand; sie mußte es um so mehr, je reger und vielseitiger die
Handelsverbindung mit der Hauptstadt des Ostreichs war. Gebrauchs-
gegenstände des täglichen Lebens fanden ebenso ihren Weg von Konstan-
tinopel nach Apulien (eine barenser Mitgifturkunde führt u. a. 2 facioh
greciski auf 3) wie die kostbarsten Erzeugnisse der griechischen Seiden-
industrie; das prächtige, reichgestickte, dem Bamberger Domschatz ange-
hörige Pallium, das Melus dem Kaiser Heinrich IL darbrachte, als er sich
im Interesse seiner Vaterstadt nach Deutschland begeben hatte, ist zweifellos
griechische Arbeit. ^) Als Abt Desiderius von Monte Cassino im Jahre 1058
die Reise nach Konstantinopel antreten wiU (zu der es dann wegen des
Todes des Papstes Stephan IX. nicht kam), begibt er sich von Siponto aus
zu diesem Zweck erst nach Bari, wo er sicher Schiffsgelegenheit nach
Konstantinopel zu finden erwarten konnte. 0)
Besonders wertvoll sind uns die Nachrichten einer anonymen Chronik
von Bari, die gleichzeitige kurze Aufzeichnungen über besonders schwere ^^_
Schiffsunfälle in sich aufgenommen hat, von denen in der Zeit von 1045 ''|HI
bis 1071 die Handelsflotte von Bari heimgesucht worden ist. ß) Da solche ^^■'
Unfälle doch nur einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz der Schiffe
betroffen haben können, so gestattet diese Unglückschronik einen Rück-
schluß auf die Lebhaftigkeit des Handelsverkehrs von Bari und zugleich
erhalten wir damit einen Hinweis auf die Hauptrichtungen, in denen sich
dieser Verkehr bewegte.
So hören wir, daß im Jahre 1064, als Bari das Bündnis mit Robert
Guiscard einging, griechische Kriegsschiffe (chelandiae) die von Calabrien
kommenden barensischen Küstenfahrer abfingen und verbrannten; fünf
Jahre später gingen 12 solche Schiffe mit den Lebensmitteln und allem
anderen Gut, das sie geladen hatten, in einem furchtbaren Sturme bei
Monopoli zugrunde. Den Verkehr mit dem Gegengestade der Adria
») SS. Vn 144. Uhlirz 268, 279.
») Tafel u. Thomas I, 38. Heyd I, 96. Wenn Kohlschütter 13, Manfroni 77,
Schlumberger II 314 hier von Langobarden und Barensern reden, so ist diese
Trennung gegenüber dem klaren Wortlaut der Urkunde, der zugleich einen sehr
guten Sinn ergibt, nicht haltbar.
') Cod. Bar. IV no. 42 p. 83. Gay p. 582.
*) Breßlau bei Hirsch, ni 160 u. 372. Melus starb 1020, bald nachdem ihm
der Kaiser die Würde eines »Herzogs von Apulien c verliehen hatte.
*) Meyer v. Knonau I 89 f.
«) Muratori SS. V, 151—153.
II
I
Unter-Italien. 29
bezeugt uns der Umstand, daß im März 1071 ein nach Durazzo fahrendes
barensisches Schiff (cattus) mit Mann und Maus unterging; so lag es offenbar
auch im Handelsinteresse der Stadt, wenn der griechische Katepan Bojoannes
an der Spitze der Barenser 1024 von Bari aus einen Zug nach der kroatischen
Küste unternommen hatte, wo ihm die Gemahlin und der Sohn eines Ober-
häuptlings in die Hände fielen, die er dann von Bari aus nach Konstantinopel
sandte, i)
Den Verkehr der Barenser in den griechischen Gewässern betrifft
die Wegnahme des Kriegsschiffes des Petrus de Gira durch Sarazenen bei
Malea 1067 ; ebenfalls bei Malea gingen 1062 drei barensische Handelsschiffe
(naves), die mit Ladung nach Konstantinopel fuhren, unter ; 1 1 Jahre vorher
war ein barensisches Schiff, das in Penna, jenem südlichsten Hafen des
Regnum Italicum, Öl geladen hatte und im Begriff war, nach Konstantinopel
zu gehen, noch im Hafen von Penna selbst in Flammen aufgegangen.
Endlich zeigt uns die Chronik die Schiffe Baris auch in den asiatischen
Gewässern des griechischen Reiches tätig ; das Schiff des Maraldus, das 1045
im Ägäischen Meere zugrunde ging, kam von Tarsus.
Und diesen Verkehr nach der Levante setzten die Barenser auch fort,
als ihre Stadt in die Gewalt der Normannen gefallen war. Schiffe aus Bari,
die mit Früchten und anderen Waren beladen nach dem Hafen des 1084
von den Seldschukken eroberten Antiochien gefahren waren, raubten auf
der Rückfahrt in Myra an der griechischen Südküste Kleinasiens im Jahre 1086
die Gebeine des hl. Nikolaus und brachten sie am 9. Mai 1087 nach ihrer
Heimatstadt, die ihnen eine prächtige Ruhestätte in einer neuerbauten
Kirche bereitete, die Papst Urban H. am 1. Oktober 1089 unter großen
Festhchkeiten in Person einweihte. 2)
Griechen und Venezianer freilich bestritten die Echtheit jener Gebeine,
so daß die Venezianer zur Zeit des ersten Kreuzzuges das Unternehmen der
Barenser wiederholten ; und gewiß konnten die Venezianer für ihren Glauben,
daß nunmehr ihre Heimat den wirklichen und rechten Patron der Seefahrer
berge, auf den Aufschwung ihrer eigenen Stadt und den Rückgang von
Bari hinweisen. Denn die normannische Herrschaft erwies sich für die
famosissima urbs, wie sie Gaufred Malaterra bei seiner Erzählung der
Belagerung der Stadt unter Hervorhebung des Reichtums ihrer Bürger
nennt 3), weit ungünstiger, als es die griechische mit all ihrem Druck
gewesen, zumal der Handelsverkehr mit den griechischen Gebieten nunmehr
auf die größten Schwierigkeiten stoßen mußte. Dazu kam, daß die Zwistig-
keiten unter den Normannen selbst die Stadt nicht zur Ruhe kommen
ließen; 1083 und 1084 hat Robert Guiscard der Stadt, die während seiner
Abwesenheit auf der Balkanhalbinsel abgefallen war, Kontributionen von
vielen tausend Goldstücken auferlegt."*)
So war es Bari nie beschieden, zu einer rechten Entfaltung seiner
kommerziellen Kraft in freier Bewegung zu gelangen ; trotz oft wiederholten
tapferen Ringens ist es fast immer unter fremdem Druck geblieben. In der
') Ib 149. Breßlau I 172. Schlumberger H, 599 f.
«) Heyd I, 96. Meyer v. Knonau IV, 272 f. Dagegen ist legendarisch, daß
Peter von Amiens von seiner Pilgerfahrt nach den heiUgen Stätten um 1094 auf
einem Handelsschiffe von Bari zurückgekehrt sei; er hat Jerusalem damals gar
nicht orreicht. Kugler 20 A. 1.
•' Muratori SS. V, 571.
*) Anonym. Bar. ib. 154. Lupus protospat. M. Germ. SS. V, 60. v. Heine-
mann I 290 ff., 318. 321. 329.
30 Zweites Kapitel.
Tat konnten sich auch die Griechen mit einer bloß nominellen Abhängigkeit
der Stadt nicht begnügen; dazu war Bari politisch zu wichtig als der
Brückenkopf, den Byzanz fest in der Hand halten mußte, wenn es überhaupt
noch eine Stellung in Unter-Italien behaupten wollte ; und schon die Rücksicht
auf die von Konstantinopel drohende Gefahr mußte später auch die Nor-
mannen veranlassen, die militärischen Rücksichten allen anderen voranzustellen.
20. Unmittelbarer noch und drohender als für den Osten erschien
die sarazenische Gefahr für den Westen Unter-Italiens, für die
blühenden Striche an den Golfen von Salerno. Neapel und Gaeta.
Wohl suchten sich die Seestädte anfangs ihrer durch Kampf zu
erwehren; schon 812 unterstützten Amalfi und Gaeta, während Neapel
freilich ablehnte, die Griechen Siziliens i) ; 846 zwang Caesarius, mit neapoli-
tanischen und amalfitanischen Schiffen das Meer beherrschend, die Sarazenen,
die Rom überfallen und seine Häfen besetzt hatten, zum Abzüge, bei dem
ein gewaltiger Sturm sie vernichtete; und als die Sarazenen 3 Jahre darauf
von neuem Porto bedrohten, wurden sie von den vereinigten Schiffen
Neapels, Amalfis, Gaetas und Roms geschlagen. 2) Ein Menschenalter später
aber erscheint das Verhalten der campanischen Seestädte von Grund aus
verändert. Sie suchen sich nunmehr mit der mittlerweile festbegründeten
sarazenischen Nachbarschaft in dem nahen Sizilien abzufinden und nehmen
flicht den geringsten Anstand mehr, sich politisch mit ihnen zu verbinden,
zumal wenn sie hoffen können, sarazenische Raubzüge vom eigenen Gestade
abzulenken oder mit ihrer Hilfe einem verhaßten Gegner empfindlich z
schaden. Unzweifelhaft hat die seit der Mitte des Jahrhunderts immer
weiter fortschreitende Zersplitterung des alten Herzogtums Benevent hierauf
auf das ungünstigste eingewirkt; nebeneinander bestanden am Ende des
Jahrhunderts schon in den langobardischen Gebieten Benevent, Capua und
Salerno, in den griechischen neben dem Rest des Dukats von Neapel, Amalfi und
Gaeta. '^) Um 870 kämpften neapolitanische Schiffe gemeinsam mit sarazeni-
schen gegen die Amalfitaner 4), die mit 20 Schiffen (saginis) unter ihrem
praefectus Marinus den von seinem Bruder eingekerkerten Bischof iVthanasius
von Neapel befreit hatten; 875/6 machten die leichten Fahrzeuge aller
campanischen Seestädte vereint mit ihren sarazenischen Bundesgenossen die
römische Küste unsicher s) ; so eng war die politische und kommerzielle
Verbindung mit den Ungläubigen geworden, daß Kaiser Ludwig H., der
Sieger von Bari, den die unteritalischen Kleinfürsten durch ihren Überfall
bei Benevent um den besten Teil seiner Erfolge brachten, nach Konstan-
tinopel schreiben konnte, Neapel sei ein zweites Palermo oder Afrika
(Mehadia) geworden. 6) Und in der Tat war damals die Gefahr, daß ganz
1) Brief Leos III. an Karl d. Gr., M. G., Epp. V. 96. Manfroni 39.
'') Johannis gesta episcoporum Neap. in M. G., SS. Rer. Langob. et. Ital. saec.
VI-IX p. 432 f. Dümmler I, 344. Eingehend Manfroni 44—52.
^) Überblick über diese Entwicklung bei IJhlirz 13 f. Näheres Schipa: II
ducato di Napoli im Arch. napol. XVH. (1892) 358 ff. ii. XVm. Chalandon : L'etat
politique de l'Italie meridionale ä l'arrivee des Xormands in : Melanges d'archeol.
et d'hist. XXI (1901) p. 411-452; besonders p. 417—426. Gay 4!>if.
*) Joh. gesta 1. c. 446. Manfroni 54
^) Erchempert in SS. Rer. Langob. et. Ital. p. 249. Dümmler II, 400.
8) Dümmler II, 235 ff., 265 if. Mühlbacher reg. no 1213. Chron. Sal. c. 107
(SS. III, 526). V. Heinemann 5. Gay 101 ff. Seit dieser Zeit mögen auch die zahl-
reichen arabischen Lehnworte in die italienische Volkssprache eingedrungen sein,
H. Goldschmidt p. 98, Anm. 11 und Ch. de la Ronciere im Moyen-Age X (1897), 209 f.
Unter-Italien. 31
Unteritalien sarazenisiert wurde, außerordentlich groß. Das beweist uns
namentlich auch das Verhalten der Amalfitaner. Vergebens bot Papst
Johann VIII. alles auf, um die Verbindung Amalfis mit den Sarazenen, die
Rom von neuem äußerst gefährlich geworden waren, zu sprengen, i) Ver-
gebens bot er ihnen (877) eine jährliche Zahlung von 10000 Mancusen
Silbers, wofür sie dem Papst beim Schutz der Küste von Civita-vecchia bis
Traetto (Minturnae) Beistand leisten sollten ; vergebens erhöhte er zwei Jahre
später sein Angebot, versprach den Kaufleuten Amalfis Abgabenfreiheit in
Rom und bedrohte sie nicht nur mit Exkommunikation, sondern auch mit
dem Erlaß eines allgemeinen Handelsverbots gegen sie 2) ; sie nahmen schließ-
lich das Geld, hielten aber den Vertrag nicht, beteiligten sich vielmehr an
den Raubzügen der Sarazenen und erstatteten auch das Geld nicht wieder.
Bald faßten nun die Sarazenen unter Beihilfe der Seestädte auch an
der Westküste selbst festen Fuß. Bischof Athanasius II. von Neapel machte
den Anfang und siedelte sie am Vesuv an ; dauernder aber als diese Nieder-
lassung, aus der sie nach einigen Jahren vertrieben wurden, war die am
Garigliano, wohin sie Docibilis von Gaeta gerufen; in der Burg Traetto
schufen sie sich hier einen festen Stützpunkt, von dem aus sie das Innere
bis tief in das Römische hinein mit seinen großen und reichen Klöstern
S. Vincenz am Volturno, Monte Cassino, Farfa, Subiaco auf das schonungs-
loseste ausplünderten; bis ans jenseitige Meer drangen sie vor, und be-
ständig führten sie ihren Raub auf den Schiffen, die sie in der Mündung
des Garigliano unterhielten, nach der Heimat über, ^) Erst nach 30 furcht-
baren Jahren gelang es dem von Papst Johann X. zusammengebrachten
Kriegsbündnis, an dem wohl der Fürst von Salerno, nicht aber die See-
städte teilnahmen, die Sarazenen aus dem Innern zu verdrängen und am
Garigliano völlig zu schlagen (915); da auch die Sarazenen von Agropoli
am Golf von Salerno, wo sie gegen 40 Jahre gehaust hatten, damals, nach-
dem sie noch Paestum verbrannt, nach Afrika zurückkehrten, so war damit
der Boden Italiens wieder von den Sarazenen gesäubert. *)
Hatten die Seestädte Amalfi, Neapel und Gaeta es in dieser schlimmsten
Zeit verstanden, durch ihre rücksichtslos egoistische Politik die sarazenischen
Raubzüge von sich fernzuhalten und auf andere abzulenken, so blieben sie
auch in dem folgenden Jahrhundert, während der Osten und namentlich
der Süden noch viel zu leiden hatten 0), im großen und ganzen von solchen
Angriffen verschont; Salerno allerdings hatte, als es den bisher den Sara-
») Jaffe-Ewald no. 3139. Camera 1, 107, 115 ff. Dümmler III, 72, 173 Mühl-
bacher 577, 592.
*)>... omnium terrarum aditus, in quibus negotiari soliti estis, vobis omni-
modo claudemua, ut illic nulla possiti-s exercere negotia.« Irrig setzt Camera I, 119
diesen Brief des Fairstes Johann VIII. vom 19 November 879 (ind. XIII) ins Jahr 880.
') Benedict! cliron. 8S. HI, 713, et facta est eorum habitatio. Ceperunt tota
Campania ferro igne vastare . . . , regnaverunt Aggareni in Romano agro anni tri-
ginta; redacta est terra in solitudine etc. Dümmler in, 189. Amari Musulm. I, 459.
Camera I, 114. Manfroni 58 f. Gay 126 ff.
*) Dümmler III, 604. Camera I, 125 ff ., 130. v. Heinemann 9. Cod. Cajet.
I, 248 no. 130 Die Schlacht am Garigliano pflegte man bisher zu 916 anzusetzen;
vgl. aber die eingehende Darstellung von Fedele : La battaglia del. (f 915 im Arch.
Rom. XXn (189!>) p. 181—222. Gay 161 f.
*) Bildeten doch noch in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts die Zehnten,
die man in den Seestädten Afrikas von den an den Küsten Italiens und Spaniens
aufgebrachten Schiffen erhob, eine ständige Einnahme der Kairewaner Regierung.
Ibn Haukai 249.
32 Zweites Kapitel.
zenen gezahlten Tribut verweigerte, eine gefährliche Belagerung zu bestehen,
von der es sich aber mit Hilfe einer eben von der Pilgerfahrt nach Jeru-
salem zurückgekehrten normannischen Ritterschar glücklich befreite, i)
Während sich die campanischen Seestädte inmitten der sara-
zenischen Gefahr durch ihre Nachgiebigkeit zu behaupten wußten,
haben sie es gleichzeitig für klug befunden, ihre alte politische Ver-
bindung mit Byzanz aufrechtzuerhalten, auch als sie nach dem Zerfall
des Dukats von Neapel ihre eigenen Stadthäupter (comites, praefecti oder
praefecturii) hatten, die dann in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts
ebenfalls den Herzogstitel annahmen. An eine strikte Herrschaft der
Byzantiner war hier, ganz anders wie an der Ostküste, nicht zu denken,
dagegen war die nominelle Zugehörigheit zum griechischen Reiche in
Verbindung mit ihrer Sarazenenfreundschaft kommerziell für diese See-
städte offenbar von größtem Vorteil und wohl geeignet, sie in erheb-
lichem Umfange zu Vermittlern des Güteraustausches zwischen dem Ost-
und Westbecken des Mittelmeeres zu machen.
21. Die Gunst dieser handelspolitischen Situation hat nur die
eine dieser Seestädte, Amalfi, voll auszunutzen verstanden, merk-
würdigerweise gerade diejenige unter ihnen, die sich am wenigsten
einer von Natur vorteilhaften Lage rühmen konnte. Zwischen Meer
und Fels eingeengt, nur durch beschwerliche Wege mit dem Hinter-
lande verbunden, war es freilich gerade dadurch ganz auf die See
hingewiesen, die eine sturmerprobte, verschlagene Bevölkerung groß-
zog. Durch die Not hervorgerufener Arbeitsdrang, die Gewohnheit,
in fremden Ländern zu suchen, was das heimische Gestade versagte,
und dadurch geweckter, beweglicher Unternehmungsgeist haben Amalfi
mit seinem kleinen Gebiete, das nur die dem Golfe von Salerno zu-
gewandte Hälfte der Halbinsel von Sorrent und die Insel Capri um-
faßte, eine Zeitlang zu einer relativ bedeutenden Höhe kommerzieller
Entwicklung erhoben, so daß es selbst mit dem von der Natur ungleich
begünstigteren Venedig in Wettbewerb zu treten vermochte.
Für den Handel Amalfis mit seinen sarazenischen Nachbarn
im Westbecken des Mittelmeeres haben wir, so intensiv er gewesen
sein muß, doch nur dürftige positive Nachrichten.
Was Sizilien anbetrifft, so sind wir geradezu auf den Rückschluß
angewiesen, daß die Handelsquartiere der Amalfitaner, die wir im 12. Jahr-
hundert an den Hauptorten Siziliens, speziell in Messina und Palermo als
gewohnte Einrichtung vorfinden, sicher schon in der sarazenischen Zeit der
Insel, die zugleich die Blütezeit Amalfis war, entstanden sind 2), und daß
das Vorhandensein solcher ,Amalfitanae' einen sehr lebhaften Handelsver-
kehr der Bewohner Amalfis mit Sizilien zur Voraussetzung hat.
Für das gegenüberliegende Afrika ist uns ihre Handelstätigkeit schon
aus früher Zeit bezeugt. Durch den Anonymus von Salerno 3) hören wir
von einem Amalfitaner Florus, der mit einer Anzahl von Landsleuten in
I
1) Amari Musulm. n 343. Breßlau bei Hirsch m 151, 323 f.
2) § 372.
") SS, ni, 528 c. 118 f. Camera I, 107. Heyd I, 99. Manfroni 57.
Unter-Italien. 33
Mehdia Handel trieb, gerade als der Aghlabide Mohammed Ibn Ahmed
einen Zug gegen die Christen vorbereitete (871); ein Araber, der Ursache
hatte, dem Herzoge Waifar von Salerno dankbar zu sein, vertraute dem
Amalfitaner an, daß Salerno das Ziel des Zuges sei und drängte ihn so
lange, bis er abreiste und den Herzog von der ihm drohenden Gefahr ver-
ständigte. Das nordafrikanische Küstenland stand damals und in den nächsten
beiden Jahrhunderten in hoher Blüte; der 1067 schreibende Bekri erzählt
uns mit Stolz, wie die Tuch- und Leinwandindustrie an Orten wie Kaire-
wan, Susa, Kaps gedieh, daß Gabes die Kultur des Maulbeerbaumes be-
sonders pflegte und viel Seide produzierte, daß der Hafen von Mehdia von
Handelsschiffen aus Sizilien und anderen Ländern viel besucht war. i) Wenn
wir nun Erzeugnissen dieser Industrien in Unteritalien begegnen, wenn Leo
von Ostia bei seiner Beschreibung der Kirche von Monte Cassino von den
arabischen Vorhängen spricht, die auf den Chor herabhängen 2) und Abt
Theobald vom Kloster des hl. Liberatus am Lenta (Grafschaft Chieti) in
seiner Denkschrift über seine Verwaltung vom Jahre 1019 auch zwei cerci-
toria serica Africana erwähnt 3), die zur Ausschmückung des Nordaltars des
Klosters dienten, so wird der Schluß nicht zu gewagt erscheinen, daß diese
Gegenstände durch den Handel Amalfis ihren Weg in die christhchen
Kirchen gefunden haben. Auch an dem Export von Öl, der nach dem ge-
nannten arabischen Schriftsteller besonders aus Sfaks nach Sizilien und
den Ländern der Rum erfolgte 4), werden wir uns die Amalfitaner besonders
beteihgt denken dürfen.
Auch für die Kenntnis des Handels der Amalfitaner mit den spani-
schen Mauren sind wir auf bloße Indizien beschränkt. Die Denkschrift
des Abtes Theobald führt auch zwei von Gläubigen in die Kirche gestiftete
spanische Seidenzeuge auf ; ebenso findet sich in dem Vermächtnis des Pres-
byters Johannes de Fontaneila von Amalfi^) vom Jahre 1007 für das von
ihm begründete Kloster ein pallium spaniscum. Der in Neapel wohnhafte
Amalfitaner Sergius, des Pardus Sohn, vermacht seiner Tochter 1021 u. a. auch
zum Schmuck zwei »flectas spaniscas« ^) ; und in einem Gaetaner Testament von
1028 wird ein kunstvoll gearbeiteter spanischer Schrein aufgeführt. '^) Wohl
könnten diese Gegenstände auch durch die spanischen Mauren nach Sizilien
oder direkt nach Amalfi importiert sein; aber der Umstand, daß wir den
amalfitanischen Händlern an der fernen Ostküste des Mittelmeers begegnen,
berechtigt uns, ihnen eine ähnliche Tätigkeit auch für den näher gelegenen
Westen in bezug auf die Erzeugnisse der damals hochstehenden maurischen
Kultur Spaniens zuzuschreiben. Wenn der Dichter Wilhelm von Apulien
uns für die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts berichtet, daß in Amalfi
Araber, Libyer, Sizilier und Afrikaner zu sehen seien 8) , so ist auch das als
ein Zeugnis für die Lebhaftigkeit des gegenseitigen Handelsverkehrs anzu-
') Xn, 488, 502 f., 462, 485.
*) >Cortina8 Arabicas quae pendent supra chorum< Leo Ost. III c. 57 (SS. VII,
744). Molinier IV, p. 134.
') Murat. Antiqu. IV, 768. Cercitoria sind Tücher oder Teppiche zur Ver-
zierung des >Umgang8< um den Altar.
*) El Bekri XII, 461. Vgl. Amari Musulm. I, 206 A. 2, II, 362 f.
») Mur. Ant. IV, 770 Camera I, 222.
®) Capasso IIi p. 252
') >Scrineum meum de Spania, qui est de ossum et olabatum (Elfenbein) ad
ramen (Kupfer) c. Cod Cajet. I, p. 300.
8) SS. IX, 275
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 3
34 Zweites Kapitel.
sehen, der zwischen den Amaliitanern und ihren sarazenischen Freunden
stattfand.
22. Für den Handel Amalfis mit dem griechischen Reiche
liegt das älteste direkte Zeugnis bei Liutprand von Cremona vor, der
als Exporteure der kostbaren Seidenzeuge aus Konstantinopel zugleich
mit den Venezianern die Amalfitaner, und nur diese, nennt. Wenn
das Chrysobull von 992 für Venedig die diesem gewährte Ermäßigung
des Schiffzolls nicht auch ohne weiteres den Amalfitanern zugute
kommen lassen will^), so ist das natürlich genug, zumal bei den
eigentümlichen Verhältnissen Amalfis auf eine Unterstützung der
Griechen gegen Sarazenen oder Langobarden durch die amalfitanische
Flotte doch nicht zu rechnen war.
Eine besonders wichtige Rolle spielte im dritten Viertel des 11. Jahr-
hunderts in Konstantinopel der den gräflichen Familien Amalfis angehörige
reiche Kaufmann Pantaleo »filius Mauri de Pantaleone de Mauro de Maurone
Comite«, wie er sich, mit Aufzählung seiner Vorfahren, nach heimischer Sitte
in einer Inschrift selbst nennt. 2) Mit klarem Blick sah er in den Nor-
mannen den Feind, der seiner Vaterstadt am gefährlichsten werden konnte
und suchte deshalb ein Zusammenwirken des griechischen Reichs mit der
Kurie und den deutschen Herrschern herbeizuführen. Auf die päpstliche
Mission von 1054 nach Konstantinopel, der Erzbischof Peter von Amalfi
angehörte, hat er sicher schon Einfluß geübt; Anfang 1062 trat er mit
Bischof Benzo von Alba in Verbindung, damit dieser die Räte des jungen
Königs Heinrich zu einem Zuge gegen die Normannen bestimme, während
er selbst nach Konstantinopel ging^), wohin sich zu gleichem Zweck, aber unter
dem Verwände einer Pilgerfahrt, auch Fürst Gisulf von Salerno begab, dem
Pantaleo in seinem Hause zu Konstantinopel die gastlichste Aufnahme ge-
währte. 4) Mit dem Angebot Constantins X., eine Flotte von 100 Schiffen
mit je 100 Ruderern in den Gewässern von Amalfi gegen die Normannen
zu unterhalten, falls Heinrich IV. mit 100000 Mann nach Unteritalien käme,
kehrte Pantaleo nach der Heimat zurück; weitere Verhandlungen mit
Cadalus in Rom (1063) blieben freilich ergebnislos. ^) Auf seine diplomatische
Tätigkeit ist es zurückzuführen, daß ihm der griechische Kaiser den Ehren-
titel eines vnutog (consul) verlieh, ß)
Wertvolle Erzeugnisse griechischer Kunstfertigkeit fanden durch diesen
reichen und freigebigen Amalfitaner ihren Weg nach Italien. Prächtige
Bronzetüren, die er in Konstantinopel gießen ließ, stiftete er für den bischöf-
lichen Palast seiner Vaterstadt und nach dem benachbarten Atrani, für die
») Oben §§11 u. 12.
») Bei Camera I, Iftö. Über Pantaleo: Heyd I, 100-103. E. Strehlke bei
V. Quast u. Otte : Zeitschr. f. christl. Archäol. u. Kunst II, 116 f.
3) Steindorff II, 257 f. Der Brief Pantaleos an den Bischof und die majores
Romae bei Benzo panegyr. SS. XI, 615. Näheres Meyer v. Knonau I, 249 f. v. Heine-
mann I, 235 f.
*) Aime 320. f. : il et toute sa gent a les despens de Pantaleon estoient en
sa maison et estoit son conseillier.
6) Meyer v. Knonau I, 260, 316. v. Heinemann I, 236, 239, 386.
*) Keineswegs aber bezeichnet der Titel die Stellung eines Vorstehers der
amalf. Kolonie in Konstantinopel , wie Camera I, 155 , 199 und Heyd 1 , 102 an-
nehmen.
Unter-Italien. 35
Basilika S. Paolo fuori di mura in Rom (1070) und für die Wallfahrtskirche
auf dem Monte Gargano (1076). Als Abt Desider von Monte Cassino bei
einem Besuche in Amalfi jene Türen sah, gefielen sie ihm so, daß er so-
gleich ähnliche Türen unter Angabe der Maße nach Konstantinopel in Be-
stellung gab. 1)
Auf der einseitig kirchlichen Natur unserer Quellen wird es auch
beruhen, daß uns überwiegend nur mit dem Kultus zusammenhängende
Gegenstände byzantinischer Herkunft begegnen, bei denen wir ihre Einfüh-
rung nach Italien durch Amalfitaner direkt erfahren oder anzunehmen haben.
So stoßen wir in der Nachbarschaft Amalfis in dem 993 aufgenommenen
Inventar der Kirche Santa Lucia in Reginnis minoris auf zwei Seiden-
gewänder von Konstantinopel 2), in dem kulturgeschichtlich besonders
interessanten Testamente des amalfitanischen Priesters Johannes de Fontaneila
(1007) unter zahlreichen anderen seidenen Gewändern auf acht ebendaher
stammende pallia und einen seidenen Mantel erster Qualität mit griechischem
Besatz 3), in der Denkschrift des Abtes Theobald (1019) auf eine ganze An-
zahl seidener Altardecken von byzantinischer Herkunft. 4) Abt Desider schickt
einmal 36 Pfund Gold nach Byzanz, um von einem dortigen Goldschmied
eine Altartafel herstellen zu lassen s). Auch der Reliquienhandel spielte dabei
eine nicht ganz geringe Rolle. ^)
Von weltlichen Gegenständen begegnen wir auch hier einmal wie in
Bari zwei »griechischen Tüchern« (facciolae griciscae), die der Amalfitaner
Sergius aus Neapel neben mancherlei Kleidern und Stoffen seiner Tochter
vermachte (1021). 7)
Für die Stärke der amalfitanischen Kolonie in Konstantinopel ist
außer dem, was wir von Pantaleo hören, besonders der Umstand beweisend,
daß sie eine eigene, dem hl. Andreas geweihte Kirche und zwei Klöster
besaß ; in S. Maria de Latin a fand einer der Begleiter Gisulfs, der Kardinal-
bischof Bernhard von Palestrina, der auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt
nach Jerusalem in Konstantinopel verstorben war, seine letzte Ruhestätte.
Auch auf dem Athos unterhielt der kirchliche Sinn der Amalfitaner ein
Kloster, wie es andererseits auch in Amalfi eine Kirche S. Niccolö de'
Greci gab.**)
An dem Verkehr mit Konstantinopel waren auch Gaetaner beteiligt.
Im Jahre 1064 starb daselbst der Gaetaner Johann, Sohn des Petrus de
D. Benedicto, der dem Bistum, den verschiedenen Kirchen seiner Vaterstadt
und seinen Angehörigen Legate im Gesamtwerte von 35 Hyperpern aus-
gesetzt hatte ; der Priester Hüarius teilte das von Byzanz aus dem Bischof
') Camera I, 155 H. W. Schulz: Denkmäler der Kunst des Mittelalters in
Unter-Italien (Dresden 1860) I, 224 ff., II, 228 ff. Heyd I, 102. Krause E F. : Über
einige Inschriften auf den Erztüren ^er Basilika usw. in ; Römische Quartalschr.
f. Christi. Altertumskunde XVI (1902), 41 ff.
*) Camera I, 151 : ijallia duo de caleri de Constantinopoli.
') >amictum unum Optimum de seta plumatu greciscu« ib. 222.
*) Murat. Antiqu. IV, IHl f. verschiedene coopertoria serica Copl., 1 Icna
serica Copl., cercitorium sericum Copl. Breßlau bei Hirsch lU, 207.
«*) Leo Ost. m, c. 32 (SS. VII, 722). Molinier IVj, p. 134 f.
8) Vgl Leo Ost. m c. 54 (p. 742). Camera I, 263.
'') Capasso II, no 402 p. 252.
8) Camera I,* 19it, 247. v. Heinemann I, 385. Zachariae v. Lingenthal: Jus
(iraeco-Romanum III (Leipzig 1857), Proleg. p. XIX.
3*
36 Zweites Kapitel.
mit und bat um Nachricht, wie und an wen die Zahlung
sollte. 1)
23. Wenn es vorzugsweise Erzeugnisse der vorgeschrittenen
byzantinischen Industrie und Kunst gewesen sind, die die Amalfi-
taner aus Konstantinopel einführten, so holten sie die mannigfachen
Produkte des Orients von den östlichsten Gestaden des Mittelmeeres,
aus Syrien und Ägypten.
Wilhelm von Apulien hebt in seinen Amalfi verherrlichenden Versen
besonders hervor, daß aus Alexanders und Antiochos' Stadt mancherlei
Waren hierhergebracht zu werden pflegten. ^) Daß die Amalfitaner in
Antiochien ein besonderes Handelsquartier besaßen, das auch beim
Übergange der Stadt an die Sarazenen (1084) in ihrem Besitz geblieben sein
muß, geht daraus hervor, daß ein im Jahre 1101 den Genuesen gewährtes
Privileg die »ruga Malphitanorum« als Grenze ihrer Konzession angibt 3);
und diese ruga muß längst bestanden haben, da Amalfi am ersten KJreuz-
zuge gar nicht beteiligt gewesen ist. Nicht minder läßt es auf einen
beträchtlichen Verkehr der Amalfitaner in Antiochien schließen, daß Maurus,
der Vater Pantaleos, hier ein Hospital begründet hat. 4)
Auch für den Handelsverkehr der Amalfitaner in Ägypten besitzen
wir außer der angeführten Dichterstelle nur ein einziges direktes Zeugnis:
in einem im August 978 zu Salerno abgeschlossenen Vertrage &) bestätigt der
Amalfitaner Leo, genannt Derini, Sohn des Sergius, nach seiner Rückkehr
von einer Handelsreise nach »Babilonia« (Kairo) einen während seiner
Abwesenheit in Ägypten von seinen bevollmächtigten Verwandten mit
Lupenus, dem Sohne des Grafen Mauronus, vorgenommenen Tausch von
Grundstücken. Und ein ägyptisches Erzeugnis haben wir in den candelae
optimae de Babylonia vor uns, die die schon erwähnte Denkschrift des Mönchs
Theobald aufführt. ") Im übrigen liegt ein indirektes Zeugnis für diesen
Verkehr in der freien Bewegung, deren sich die Amalfitaner, dank der
Gunst der Sultane, im arabischen Syrien und speziell in Jerusalem zu
erfreuen hatten. Zwischen 1063 und 1070 durften sie die einst von Karl
dem Großen gegründete, mit einem reich dotierten Hospiz für abendländische
Pilger ausgestattete, im Jahre 1009'^) aber auf Befehl des Kalifen Hakem
zerstörte Klirche Santa Maria de Latina wiederherstellen; seit alter Zeit
wurde in ihrer unmittelbaren Nähe jährlich am 14. September ein Markt
abgehalten, auf dem jeder gegen Zahlung von zwei Goldstücken seine Waren
auslegen durfte. Im Jahre 1080 fand Bischof Johann von Amalfi zwei
Hospize seiner Landsleute in Jerusalem vor ; und Amalfitaner waren es auch
I
^) Cod. Cajet. n no 219 p. 51. Das Testament eines Gaetaners ib. I, 302
von 1028 führt an einer lückenhaften Stelle auf; et una arcella ... stantinopoli.
Heyd I, 108. *
2) Huc et Alexandri diversa feruntur ab urbe Regis et Antiochi. SS IX, 275.
») Ughelli IV, 847. Röhricht Reg. no. 35. Heyd I, 103 n
*) Aimö p. 320
') Schon H. Leo bekannt: Gesch. der ital. Staaten I, 344 Anm. 3. Heyd I,
99; Camera I, 196. S. M. de Blasio: Series principum Sal., App. no. 71.
«) Murat Antiqu. IV, 769.
') So (für das bisher angenommene Jahr 1010) Ch. Kohler in Rev Or. VII,
1900, 590 f. im Anschluß an J. Lair: Etudes critiques sur divers textes du X. et
XI. siecle. Paris 1899. 2 Bde. Doch hält Röhricht, Erster Kreuzzug 9 an dem Datum
1010 fest.
I
Unter-Italien. 37
(nach Aimes Bericht der Vater Pantaleos, Maurus), die im allgemeinen
Interesse der aus dem Abendlande kommenden christlichen Pilger jenes
Hospiz für die Armen imd Ki-anken unter ihnen stifteten, an das sich die
Gründung des später so mächtigen Ordens der Hospitaliter (Johanniter)
anschließen sollte, i) Wenn es auch vielfach frommer Eifer gewesen sein
mag, der die Amalfitaner gerade nach Jerusalem führte, so haben sie bei
diesen Reisen doch sicher auch die Wahrnehmung ihrer Handelsinteressen
nicht vergessen; der Erzbischof Wilhelm von Tyrus schöpfte aus lebendiger
Tradition, wenn er die Amalfitaner die ersten nennt, die fremde, dem Orient
bis dahin unbekannte Waren um des Handelsgewinnes willen nach Syrien
eingeführt hätten. 2)
24. Für die kommerzielle Rührigkeit der Amalfitaner ist es be-
zeichnend, daß sie die W^aren der Levante nicht nur nach den
heimischen Gestaden, sondern auch nach der Küste der Adria
importierten, wo sie mit den Venezianern in unmittelbare Konkurrenz
traten.
Das bezeugt uns vor allem Bischof Liutprand von Cremona, der die
Lombardei im Auge hat, wo er von dem Austausch der kostbaren Stoffe
Konstantinopels gegen die Lebensmittel seiner Heimat durch Venezianer
und Amalfitaner spricht. Es waren also den Amalfitanern altvertraute Pfade,
wenn wir ihnen 1105 einmal begegnen, wie sie Wolle aus Sizilien nach
Ravenna importierten. 3) Darauf, daß sie für den Verkehr mit Konstantinopel
nicht selten den Landweg wählten, deutet es, daß in Durazzo eine starke
amalfitanische Kolonie bestand'*), und ich möchte die Vermutung wagen, daß die
Andreaskirche daselbst, deren Besitz Kaiser Alexius 1082 auf die Venezianer
übertrug, bis dahin den Amalfitanern gehört hatte, da der hl Andreas
der Schutzpatron der erzbischöflichen Kirche von Amalfi war. ö) Am
apulischen Gestade endlich erinnerte die Kirche S. Maria Amalfitana in
Monopoli an die wunderbare Rettung amalfitanischer Schiffbrüchiger aus
dem furchtbaren Sturme des Jahres 1069.^)
Auch im Innern ünterltaliens, das sie offenbar nicht selten
auch von Meer zu Meer durchzogen, waren die amalfitanischen Händler für
die Versorgung der Bevölkerung mit den von ihnen eingeführten Waren
tätig. Ist uns doch eine Urkunde erhalten, nach der 23 mit Namen genannte
Amalfitaner, aus dem hochgelegenen Ravello stammend, im Jahre 1044 in
Melfi, halbwegs zwischen Amalfi und Bari, ein Benediktinerkloster gegründet
haben '^), was mit Sicherheit auf eine weite Verbreitung der in dem wenig
») Heyd I, 104 f., 92 ; Mühlbacher 164. Ausführlich, mit Angabe der Beleg-
stellen: Delaville Le Roulx J. : De prima origine Hospitalariormn etc. Paris 1885.
Röhricht, Erster Kreuzzug 11; dazu jetzt: Delaville le Roulx: Les Hospitaliers en
Terra Sainte et ä Chypre, Paris 1904, p. 11 f., 20 f.
«) Rec. Crois. Occid. I. 822 f. Camera I, 199.
') § 11 und 372.
•«) Camera I, 199, 275. Anna Comnena, Alexias V, 1 (ed. ReifEerscheid p. 223) :
tTJtt Ol nXeiove nno Me'?.fTje xal Bsveri'ae ^aav anoixoi.
") § 13 Camera I, 299.
«) Camera I, 260 gibt hierfür zwar das Jahr 1059 an; aber es kann wohl
keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Sturm identisch ist mit jenem von der
Chronik von Bari erwähnten, dem 12 barensische Schiffe zum Opfer fielen. § 19.
') Camera U Doc. no. 31 p. XLIV mit dem Druckfehler 1040 im Datum,
während I, 206 das richtige steht. Für den Verkehr von der Küste ins Innere sei
38 Zweites Kapitel.
ergiebigen Gebiet von Amalfi heimischen Bevölkerung über Unter -Itahen
auch damals schon schließen läßt. Nicht wenige auch ließen sich in dem
nahen Neapel nieder und gelangten hier zu Wohlstand, wie jener Sergius,
des Pardus Sohn, der in seinem 1021 zu Neapel errichteten Testamente
seinen Söhnen außer seinem Grundbesitz in Amalfi und auf Capri auch
eine Reihe von Häusern in Neapel vermachen konnte, i)
Naturgemäß begegnen wir den Amalfitanern auch weiter nördlich, an
der Westküste Mittel- und Ober -Italiens; und an diesem Verkehr finden
wir auch die anderen campanischen Seestädte in höherem Grade beteiligt.
Die Handelsbeziehungen Amalfis zu Rom ergeben sich für die frühere Zeit
aus der Geschichte Papst Johanns VHI., für die spätere aus der Pantaleos ;
als er 1063 dem in der Engelsburg weilenden Cadalus die Botschaft des
griechischen Kaisers ausrichten wollte, begab er sich mit seinen Begleitern
unter dem unauffälligen Vorwande von Handelsgeschäften nach Rom. 2)
Neapolitanische Küstenfahrer holten Salz von der römischen Küste; das
Kloster der hl. Sergius und Bacchus schloß 1018 einen Vertrag mit dem
Inhaber des Hafens Vulpulo in Neapel, wonach die Klosterschiffe von jeder
Fahrt nach Rom (per omnem tassidium) bei der Rückkehr 1/2 Scheffel Salz
zu entrichten hatten, s) Und von der Mündung des Garigliano oder von
Gaeta aus wird das Klosterschiff von Monte Cassino seine Fahrten nach
Ostia angetreten haben, das Leo IX. 1053 während seines Aufenthaltes in
der Abtei für immer vom Hafenzoll befreite. 4)
Auf den Handelsverkehr der Amalfitaner in Pisa dürfen wir aus dem
1126 zwischen beiden Städten geschlossenen Vertrage schließen, der die
Läden der Amalfitaner in Pisa erwähnt, die sicher nicht erst in der Zeit
des Niedergangs von Amalfi und des immer mächtiger werdenden kom-
merziellen Aufschwunges von Pisa entstanden sind. ^) Auf freundschafthche
Beziehungen der beiden Städte läßt es auch schließen, daß der im Exil
lebende Pantaleo im Jahre 1087 mit einer Schar geworbener Krieger von
Rom aus die berühmte Expedition der Pisaner nach Nordafrika mitmachte ;
er ist der einzige Nicht-Pisaner, den der geistliche Dichter, der diesen Zug
geschildert hat, beim Namen nennt und verschwindet seitdem unseren
Blicken. 6) Auch einen Gaetaner Leo, des Petrus' Sohn, lernen wir in
Geschäftsbeziehungen mit Pisa kennen. Für eine Schuld hatte er einst die
Hälfte eines Hauses in Gaeta an den Pisaner Bonizzo verpfändet ; im Jahre
1040 aber gelang es ihm, durch Zahlung von zwei Pfund Silber an seinen
Gläubiger in Pisa selbst seinen Besitz von dieser Fessel zu befreien. 7) Wenn
das Kloster Monte Cassino nach einer Urkunde der Gräfin Mathilde wollene
Tücher in Pisa einkaufen ließ, so werden die damit beauftragten Mönche,
wenn nicht auf eigenem Klosterschiff, so wohl auf gaetanischen Schiffen
hier wenigstens hingewiesen auf den interessanten, einer früheren Zeit angehörigen
Vertrag, den Sicard von Benevent 836 mit dem Dukat von Neapel, zu dem Amalfi
damals noch gehörte, abschloß. M. G. Leges IV, 216 ff.
1) Capasso H ^ p. 251 no. 402.
*) »sub obtentu negocii.« Benzo paneg. SS. XI, 626 f. §§20, 22.
») Capasso U , no. 378 p. 236.
*) J.-L. no. 4298. Steindorff n, 241, 494. v. Heinemann 138.
8) Arch. it., ser. 3, Vm p 5.
«) Et refulsit inter istos cum parte exercitus Pantaleo malfitanus, inter Grae
cos sipantus (d. h. vnaros). E. Du Meril : Poösies populaires latines (Paris 1847)
p. 242.
■>) Cod. Cajet. I, 346 f.
Unter-Italien. 39
dahin gefahren sein, wie wir auch Avissen, daß es ein gaetanisches Schiff
war, das die von dem Abt für Sardinien bestimmten Mönche nach der
Insel überführen sollte. i) Daß amalfitanische Kaufleute auch in Genua
■verkehrten, beweist uns ein noch aus dem 11. Jahrhunderts stammender
genuesischer Abgabentarif; neben ihnen werden auch die Neapolitaner und
Salernitaner mit dem gleichen Satze von 18 alten pavesischen Denaren
aufgeführt, während die Gaetaner begünstigt waren und bei ihrer Ankunft
in Genua nur 12 den. pro Person zu entrichten hatten. 2)
Für einen etwaigen Handelsverkehr der campanischen Seestädte mit
Süd-Frankreich sind wir für diese ganze Zeit ohne bestimmte Nachrichten.
Doch sei wenigstens darauf aufmerksam gemacht, daß unter den zahlreichen
Gebrauchsgegenständen, die Johannes de Fontanella 1007 dem von ihm
begründeten Kloster der Benediktinerinnen zum Eigentum überwies, sich
auch vier Tuche, darunter zwei »de pannu plumatu francesce« befanden'^),
und daß im Jahre 1084 Gesandte Gregors VII. zu Schiff von Salerno nach
Saint-Gilles gegangen sind. 4)
25. Außerordentlich groß war nach alledem der Unterschied in
der Handelsbetätigung unter den verschiedenen campanischen See-
städten.
Die verhältnismäßig starke Bevölkerung Neapels mit seinem überaus
fruchtbaren und reichen Gebiet beschränkt sich auf die Küstenschiffahrt
im Tyrrhenischen Meere; Klöster sind hier die Schiffahrtsunternehmer, von
denen wir hören ; im Jahre 999 erhielt das Kloster der hl. Sergius und
Bacchus von dem consul et dux Johannes ein Privileg, wonach es alle
seine Schiffe, groß oder klein, nach beliebigen Zielen völlig abgabenfrei
sollte entsenden dürfen ^) ; im übrigen überließ man die Vermittelung des
Güteraustausches den die Stadt aufsuchenden Fremden. Und nicht anders
verhielt sich Salerno, das wegen des Weltrufes seiner Ärzte 6) auf einen
starken ^remdenzufluß zu rechnen hatte. Die Orangen, Mandeln, ein-
gemachten Nüsse, kostbaren Gewänder und reich mit Gold verzierten
Pferdegeschirre, die Herzog Waimar von Salerno seinen Gesandten nach der
Normandie mitgab^), sollten nicht dazu dienen, irgendwelche Handels-
beziehungen anzuknüpfen, sondern weitere normannische Scharen anzulocken
und in seine Dienste zu ziehen. Kommerziell regsamer zeigten sich die
Gaetaner, denen wir nicht nur im Gebiet des Tyrrhenischen Meeres,
sondern auch in Konstantinopel begegnet sind; und wenn ein Gaetaner
Testament vom Januar 1028 ^) unter mehreren seidenen Mänteln eine f ondata
serica bona gaytanisca aufführt, so beweist das, daß in Gaeta auch eine
0 Heyd I, 107 A. 2. Leo Ostiens. m, 21 (SS. VH. p. 713), 1074 schenkt
Bareso I. von Torres 2 Kirchen an M. Cassino ; E. Besta im Arch. ital., s. 5, XXVn
(1901), 67.
») Lib. Jur. I no. 23.
») Camera I, 222.
*) § 74.
*) Capasso 11, 2 p. 20. Daß die Abgabenfreiheit nur kurze Zeit respektiert
wurde, zeigt die oben zitierte Urkunde von 1018. Im Anschluß hieran sei erwähnt,
daß dem Kloster La Cava (nahe Salerno) im Jahre 1086 der Hafen Vietri (portus
Veteris) mit allen Einkünften aus demselben überwiesen wurde. Kehr p. 450
«) Flückiger p. 1055 f., 1084.
') Aime 1, I c. 19. Breßlau bei Hirsch III, 152. v. Heinemann I, 34.
«) Cod. Cajet. I no. 153 p. 298 f.
40 Zweites Kapitel.
einheimische Industrie bestand, die schon einen höheren Grad von Ent-
wicklung erreicht haben mußte, da sie selbständige Muster herstellte.
Indessen auch Gaeta wurde an Handelsbedeutung damals unzweifelhaft
weit von Amalfi übertrofTen, dessen Blüte etwa um die Mitte des 11. Jahr-
hunderts ihren Höhepunkt erreicht hat. Handelsreisen, namenthch zur See,
waren das eigentliche Element der Amalfitaner. Selbst die fast ausschließlich
den Immobiliarbesitz betreffenden erhaltenen Privaturkunden zeigen das
insofern, als Rechtsgeschäfte in Vertretung eines auf See Abwesenden (qui
est ad navigandum, lautet die stehende Formel) häufig sind, i) Und diese
Handelsreisen dauerten oft lange genug. So hören wir von Constantin,
einem Sohne des Pantaleo de Mauro Comite^), daß er im Jahre 990 von
Amalfi abfuhr und erst im Juh 994 wieder heimkehrte.
Die ungemeine Rührigkeit seiner Bevölkerung machte aus Amalfi
einen reichen, mit kostbaren Waren, die der Handel hier zusammen-
führte, wohlversehenen Platz. Aime nennt Amalfi reich an Gold und
an Tuchen^), und, als Abt Desider von Monte Cassino 1065 Ehren-
geschenke für den damals erwarteten jungen König Heinrich einkaufen
wollte, begab er sich nicht nach dem nahen Gaeta oder, woran wir
zunächst denken würden, nach Neapel, sondern nach dem für ihn
doch unbequem genug zu erreichenden Amalfi; hier kaufte er für jenen
Zweck 20 kostbare, dreifarbige seidene Tuche ^) und außerdem für sein
Kloster ein 7 Pfund schweres silbernes Weihwasserbecken, das für
die sonntäglichen Prozessionen bestimmt war. So schildert uns Wilhelm
von Apulien in seinem Heldengedicht auf Robert Guiscard Amalfi
als eine dichtbevölkerte Stadt, die in ihrem Reichtum an Gold, Silber
und Gewändern von keiner anderen übertroffen werde, deren Be-
wohner, mit der See und dem Himmel vertraut, die Meere beführen
und in großer Zahl an unzähligen Orten der Welt verweilten ; auf dem
ganzen Erdkreise fast sei dieses warenbringende und warenholende
Geschlecht berühmt^).
26. Allein die glänzende Handelsstellung Amalfis ruhte doch auf
zu schmaler Basis, um von Dauer sein zu können; es kam der Tag, wo
Cn^H
1) Camera I, 197 führt allein für die Zeit von 990-1039 acht solcher Ur-
kunden an ; zwei davon gibt er in extenso I, 224 und 11 p. XXIII (Doc. no 11).
Die Übergabe eines vom Bischof von Paestum 997 an die Leute von Atrani für
1000 Pfund Silbers verkauften umfangreichen Terrains in Lucanien erfolgt »a Om-
nibus Atrianensibus quanti hie estis vice vestra et vice de alios omnes Atrianen-
ses quanti ad navigandum sunt; 1, 172 f. Und zwar geschah das im November,
also außerhalb der gewöhnlichen Schiffahrtsperiode.
*) Ib. I, 197.
'"') »La cite de Amalfe, riebe de or et des dras< p. 58. Heyd I, 106 f.
*) >pannos sericos quos triblattos appellant.« Leo Ost. III, 18 (SS. VII, 711).
Vgl. Petri Damiani epp. IV, 7 : triblathon pallium vocatur, quod trium cernitur esse
colorum. Meyer v. Knonau I, 430. Da der König nicht kam, wurden die seidenen
Stoffe zu kirchlichen Gewändern (pluviales) verarbeitet. Als es sich um den Neu-
bau der Kirche in M. Cassino handelte, deren feierliche Einweihung dann unter
großem Zulauf am 1. Oktober 1071 erfolgt ist, wurden die erfahrensten amalfi-
tanischen und langobardischen (d. h. hier süditalischen) Künstler herangezogen
*) >Haec gens est totum fere nobilitata per orbem Et mercanda ferens et amans
mercata referre.« SS. IX, 275. Camera I, 197, 268. Heyd I, 106.
Unter-Italien. 41
auch das geschickteste Lavieren den Schiffer nicht mehr durch die
ihn bedrohenden Gefahren hindurchzubringen vermochte.
Zunächst schien Amalfis Unabhängigkeit von den auf seine Handels-
blüte und seinen Reichtum eifersüchtigen Fürsten des nahen Salerno be-
droht. Hatte Herzog Manso von Amalfi einmal (981) Salerno von sich
abhängig zu machen verstanden i) , so gelang es 1039 dem tüchtigen
Waimar IV. von Salerno, die Oberhoheit über das von inneren Wirren zer-
rissene Amalfi, das einen hohen Tribut entrichten mußte, zu gewinnen und
13 Jahre lang zu behaupten, bis ihn eine Verschwörung seiner Verwandten
in dem Augenblicke, als er den aufständisch gewordenen Amalfitanern ent-
gegenzog, aus dem Wege räumte. 2) Unter dem Sohne des Ermordeten,
Gisulf, erneuerte sich die Bedrängnis Amalfis; nach seiner Rückkehr von
Konstantinopel (1064) verfolgte er das Geschlecht des Maurus trotz der
Dienste, die ihm Pantaleo erwiesen, und störte den Handel Amalfis, wo er
irgend vermochte. 3) Schließhch belagerte er die Stadt, die sich endhch,
auch vom Papste verlassen, keinen Rat mehr wußte, als sich dem Mächtigeren,
Robert Guiscard, in die Arme zu werfen und ihm die Hoheit über die Stadt und
einen jährhchen Tribut anzubieten (November 1073). 4) In Calabrien be-
schäftigt, sandte Robert zunächst nur geringe Unterstützung; Gisulf konnte
die Belagerung Amalfis fortsetzen; Vermittelungsversuche zwischen den
beiden Fürsten scheiterten. Im Frühjahr 1076 endhch marschierte Robert
nach dem Golf und begann die Einschließung Salernos (6. Mai). Von
Gisulf war Amalfi befreit; sofort aber ergriff jetzt Robert vollständig von
der reichen Handelsstadt Besitz, die er sich durch Anlegung von Befesti-
gungen zu sichern wußte &); zugleich benutzte er die Schiffe Amalfis zum
Kampfe gegen Gisulf und sperrte den Hafen. So wurde auch Salerno am
13. Dezember 1076 genommen; auch die Burg, die Gisulf noch zu ver-
teidigen suchte, mußte sich bald ergeben und Gisulf selbst ins Exil gehen. 6)
Damit war auch die Westküste Unteritaliens von den Normannen ge-
nommen, da Gaeta schon seit 1063 unter ihrer Hoheit stand 7); es wollte
nicht viel besagen, daß Neapel seine formale Unabhängigkeit unter eigenen
Fürsten noch 60 Jahre hindurch behauptete.
Zur selben Zeit hatte die normannische Macht auch auf der Insel
Sizilien schon die größten Fortschritte gemacht. Im Mai 1061 war
Messina für die Dauer besetzt worden, am 10. Januar 1072 war die
Hauptstadt Palermo gefallen, im Jahre 1086 wurde Syrakus, 1087 auch
Girgenti von Roger erobert. Was dem romanischen Volkstum aus
*) Uhlirz 163, 172. Einen Notar (scriva) und Besitzungen der Amalfitaner in
Salerno weist nach N. Tamassia : Stranieri ed ebrei nell'Italia meridionale ; in Atti
Ven. 63 (1903 f.) p. 783.
») Breßlau II, 315 f. SteindorfE II, 176 f. v. Heinemann I, 81, 132. Schipa :
Storiadel principato Langobardo di Salerno. Arch. napol. XII (1887), 81 &. Gay 442 S.
3) Aime 321 f. v. Heinemann I, 259 f.
♦) V. Heinemann I, 268. Meyer v. Knonau II, 279, 688. Manfroni 119 f.
*) Gaufr. Malaterra HI, c. 3 (Murat. SS. V, 576) . . . urbem sibi'a civibus deli-
beratam suscipit, quatuor C'astella in ea fecit, militibus suis munit ; inde cum multis
Malfetanorum cojnis Salernum redit etc.
8) V. Heinemann I, 282 ft"., 392 A. 42. Meyer v. Knonau III, 84 ff.
'') V. Heinemann I, 241, 386 f. P. Fedele : II ducato di Gaeta all'inizio della
conquista normanna; in Arch. napol. 29 (1904), 96.
42 Zweites Kapitel. Unter-Italien.
eigener Kraft nicht gelungen war, was die Griechen wiederholt ver-
gebens versucht — die endgültige Verdrängung der sarazenischen
Herrschaft von Sizilien gelang diesen Eroberern germanischen Geblüts
aus der französischen Normandie zugleich mit der Beseitigung der
Griechen. So gewaltig der Vorteil der Vernichtung der arabischen
Macht an allen Gestaden des Tyrrhenischen Meeres für die unge-
hemmte Entwicklung des Handels der romanischen Welt im allge-
meinen gewesen ist, gerade der Handel der Nächstbeteiligten hat
keinen Nutzen davon gezogen, da auch sie der Herrschaft der stamm-
fremden Eroberer anheimfielen. Sicher haben die Normannen nicht
beabsichtigt, den Handel Amalfis zu zerstören; aber abgesehen von
der lähmenden Wirkung, die der Verlust der bisherigen Bewegungs-
freiheit auf die Handelstätigkeit der Bewohner üben mußte, die
Herrschaft gerade der Normannen über die Stadt konnte die Handels-
beziehungen der amalfitanischen Kaufleute nur auf das ungünstigste
beeinflussen. Wie hätten die neuen Untertanen des Herrschergeschlechts,
das die Mohammedaner mit Recht als den gefährlichsten Feind ihres
Glaubens ansahen, das ihnen die herrliche Insel im Zentrum des
Mittelmeeres bis auf den letzten Rest zu entreißen im Begriff war,
in den sarazenischen Ländern die alte Aufnahme finden können!
Und nicht minder verhängnisvoll mußte die normannische Eroberung
auf das Verhältnis Amalfis zum griechischen Reiche wirken, zumal
Robert Guiscard den offenen Krieg nach der Balkanhalbinsel selbst
hinübertrug. Wohl duldeten die Griechen auch jetzt noch die zum
Teil seit langer Zeit angesessenen amalfitanischen Händler in ihrem
Gebiete; für den eingetretenen Umschwung aber ist es bezeichnend,
daß Kaiser Alexius im Jahre 1082 jedem Geschäftslokal (ergasterium)
eines Amalfitaners in Konstantinopel einen an die Markuskirche von
Venedig zu entrichtenden Jahreszins von drei Goldstücken auferlegte^).
So war Amalfi der früheren Handelsrivalin gegenüber völlig gede-
mütigt.
Ganz rissen die alten festgewurzelten Beziehungen natürlich nicht
ab; im Jahre 1089 können wir wieder einen Amalfitaner Sergius, Sohn
des Lupinus Sirice, auf einer Handelsreise nach der Romania nach-
weisen. 2)
Noch einmal glaubte Amalfi seine Unabhängigkeit wieder erlangen zu
können. Im Jahre 1096 erhob es sich gegen die normannische Herrschaft
und hielt eine längere Belagerung durch Boemund von Tarent und Roger
von Sizilien tapfer aus. Der durch den Kreuzzug veranlaßte Abzug Boemunds
rettete es, und noch einmal sah Amalfi in der Person des Marinus Sebastes
einen eigenen Dogen an seiner Spitze. 3) Daß es sich, sehr zum Schaden
seines Handels, an dem ersten Kreuzzuge nicht beteiligen konnte, ist bei
*) Tafel u. Thomas I p. 52. Anna Comnena, Alexias VI, 5 (ed. Reifferscheid T,
197). Heyd I, 108.
«) Camera I, 197.
ä) Gaufr. Malaterra (Murat. SS. V, 599). Ann. Cavenses SS. III, 190. Lupus
protosp. SS. V, 162. Camera I, 2891 Meyer v. Knonau IV, 523.
Drittes Kapitel. Rom. 43
dieser Sachlage selbstverständlich; im Jahre llOOi) Avurde es von Herzog
Roger zurückerobert.
Gerade mit dem Beginn der Kreuzzüge ist Amalfis einst so
wichtige Vermittlerrolle zwischen Morgen- und Abendland der Haupt-
sache nach endgültig ausgespielt.
Drittes Kapitel.
llom.
27. Rom hat nach außenhin in unserer Periode nur wenig
Handelstätigkeit entwickelt, doch war es als der kirchliche Mittelpunkt
nicht nur der gesamten romanischen, sondern auch der germanischen
Welt und selbst eines Teiles der östlichen Völker Europas auch für
den Handel von Bedeutung.
Auch für Rom und sein Gebiet war die Sarazenenzeit eine sehr
schwere. Centumcellae, schon 813 von den Sarazenen ausgeplündert und
bald darauf zerstört, lag Jahrzehnte lang völlig wüst ; auch als die Bewohner
des von Leo IV. 854 zum Ersatz gegründeten Leopoli es 889 vorzogen, in
die »alte Stadt« zurückzukehren, blieb Civitavecchia ein recht unbedeutender
Platz, dessen Bewohner Fischfang und ein wenig Handel trieben. 2) Die
Häfen von Rom an der Tibermündung, Ostia und Porto, wurden im
August 846 von einer über 70 Schiffe starken Flotte afrikanischer Sara-
zenen eingenommen und das römische Gebiet bis an die alten Stadtmauern
heran, also einschließlich der in der ganzen Christenheit verehrten Peters-
kirche, einer furchtbaren Plünderung unterzogen s) ; und 30 Jahre später
schildert Papst Johann VHL, der sich sogar den Sarazenen gegenüber zu
einem Tribut von 25000 Mancusen Silbers verpflichten mußte (877), die
traurige Lage Roms in beweghchen Worten; nur noch die Einnahme und
Zerstörung der Stadt selbst fehle, um das Unheil zu vollenden. *) Die Fest-
setzung der Sarazenen am Garigliano brachte dann dem römischen Gebiet
neue furchtbare Verheerungen, Kloster Farfa z. B. blieb 48 Jahre ohne Be-
wohner ; von der anderen Seite drangen auch die Magyaren bis an die Tore
Roms vor. ^) Die Vertreibung der Sarazenen hauptsächlich durch das Ver-
dienst Papst Johanns X. (915) und das energische Regiment des Patriziers
') Möglich wären auch die ersten Tage des folgenden Jahres. Die Urkunde
bei Camera I, 297 vom 10. Januar 1102 ind. X datiert: temporibus D. Rogerii . .,
anno secundo post recuperationem ducatus illius Amalfi ; und genau entsprechend
die Urkunde bei Ficker IV, 140 vom 10. Januar 1103.
*) Ausführlich behandelt von C. Calisse : Storia di Civitavecchia. Florenz 1898.
Eine kleine Ergänzung dazu gibt Marucchi : L'iscrizione monumentale di Leopoli
presso Civitav., im Nuovo Bull di archeol. Christ. VI (Rom 1900). Schenkung der
Hälfte von Civitav., einschließlich des Hafens und seiner Einkünfte an Farfa, Juli
1072; da unausgeführt, 1084 erneut. Regesto di Farfa V p. 91 f.
^) Zusammenstellung aller Nachrichten hierüber bei Mühlbacher Reg.* 1126a
p. 462 f. Tomassetti: Della Campagna Romana im Arch. Rom. XXIII (1900), 156 f.
*) J. 2366. Mansi XVII, 78. Camera I, 114. Dümmler II, 74.
») Chron. Farf. II, 12. Giesebrecht 1» 354, 822. Jung 31 f.
44 Drittes Kapitel.
Alberich (932 — 954) i) führten dann für Rom bessere Zeiten herauf, wenn
es auch weiterhin an Wirren und inneren Kämpfen in der ewigen Stadt
keineswegs fehlte.
28. Von einem Außenhandel der Römer hören wir, offenbar seiner
geringen Bedeutung entsprechend, nur sehr wenig. Aus dem genuesischen
Abgabentarif vom Ende des 11. Jahrhunderts geht hervor, daß auch römische
Kaufleute in Genua verkehrten 2) und in der Zeit Gregors VII, begegnet
uns ein interessanter Versuch, Handelsbeziehungen mit Afrika anzuknüpfen.
Als der neugewählte Bischof von Bona Servandus 1076 zur Konsekration
nach Rom ging, teilte der christenfreundliche Herrscher El-Nacer in einem
Geleitschreiben dem Papste mit, daß er zahlreiche christliche Gefangene frei-
gelassen habe und noch weitere freizulassen beabsichtige. In einer wahrhaft
toleranten Antwort (qui unum Deum, licet diverso modo, credimus et con-
fitemur) würdigt der Papst die vortrefflichen Eigenschaften des arabischen
Fürsten und empfiehlt ihm zwei vornehme Römer, Albericus und Cencius,
seine Familiären, die er von Jugend auf kenne; sie hegten den dringenden
Wunsch, an seinen Hof zu kommen, um sich seiner Freundschaft zu er-
freuen und ihm mit dem zu dienen, was ihm an den Erzeugnissen ihrer
Heimat gefallen könnte 3) ; vorläufig schickten sie deshalb einige ihrer Leute
zu ihm, damit er sich von ihrer Bereitwilligkeit, ihm zu dienen, überzeuge.
Von einer weiteren Entwickelung dieser Beziehungen ist uns nichts bekannt.
29. Indessen, die kommerzielle Bedeutung Roms beruhte auf anderen
Grundlagen. Schon der Hofhalt der Kurie, die gesteigerten Bedürfnisse der
Kirche an ihrem Mittelpunkte hinsichtlich aller Dinge, die dem Kultus und
der Ausschmückung der zahlreichen. Kirchen und Kapellen dienten, die
reichen Schenkungen der Päpste, Fürsten, geistlichen und weltlichen Großen
an die Basiliken Roms, all das mußte, von dem Reliquienhandel ganz ab-
gesehen, einen nicht unbedeutenden Handelsverkehr zur Folge haben, der
sich namentlich auf kostbare Gewänder, Decken und Teppiche, Weihrauch
und sonstige Parfüms, Edelsteine, Perlen und kirchliche Kunstgerätschaften
jeder Art erstreckte. *)
Dazu kam ein zu allen Zeiten starker Fremdenverkehr, das Hin und
Her vornehmer Prälaten mit ihrem Gefolge, häufige Gesandtschaften fremder
Fürsten aus Abend- und Morgenland, das Zusammenströmen zahlloser
Pilger aus allen gesellschaftlichen Schichten an dem Sitze des verehrten
Oberhauptes der Christenheit, der den Wallfahrern zugleich in den Apostel-
gräbern eine heilige Stätte ersten Rangfes bot.
Angelsachsen, Friesen, Franken, Langobarden, Ungarn hatten in Rom
ihre besonderen Nationalkirchen mit eigenen Hospizen und Begräbnisplätzen ;
streng landsmannschaftHch hielten diese Fremden zusammen, zugleich in
Bruderschaften unter selbstgewählten Vorstehern vereinigt und bestrebt,
ihren Landsleuten gegenüber das ausschließliche Beherbergungs- und Be-
1) § 20. Köpke-Dümmler 247,
*) Lib. Jur. I no. 23. Sie hatten ebensoviel zu zahlen wie Kaufleute aus
Amalfi oder Neapel.
^) >, , . et de his quae in partibus nostris placuerit tibi libenter servire«,
Mas Latrie, Traites, doc. p. 7 f. Jafte Bibl. IT, 235 f. (der irrig Ippona mit Bugia
identifiziert). J— L. 4995/6.
*) Treffliche Auseinandersetzung hierüber bei Heyd I, 94 f. Dazu II, 694 und
Bock Fr,, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters I, 25 ff., 32.
Rom. 45
gräbnisrecht zu erlangen i) ; in der Leostadt gab es einen besonderen burgus
Saxonum (oder Anglorum) und burgus Frisonorum. 2)
Eine besondere Vorliebe hatten die Angelsachsen für die Pilgerfahrten
nach Rom 3) ; als gens Britonum Romam infatigabiliter expetens werden sie
einmal bezeichnet ; selbst die Festsetzung der Sarazenen in den Alpenpässen
vermochte diese Fahrten nur vorübergehend zu hemmen, zumal es die
Ungläubigen schließhch einträglicher fanden, von den Rompilgern (Romipe-
tae, Romei werden sie seit dem 10. Jahrhundert genannt) einen Tribut zu
erheben. 4) Aber auch im Bereiche Roms selbst fanden die Fremden nicht
immer die erhoffte Förderung. Eine englische Gesandtschaft wurde 1061
durch Graf Girard von Galera bei Sutri gänzlich ausgeplündert, so daß eins
ihrer Mitglieder sich äußerte, Rom könne nicht von fernen Völkern Furcht
vor seinem Bannspruch verlangen, wenn die Räuber in seiner Nachbar-
schaft ihn verlachten ; und längere Zeit erhob Cencius, des früheren Prä-
fekten Stephan Sohn, an der älischen Brücke, der Hauptverkehrsader
zwischen Rom und der Leostadt, an der er einen mächtigen Turm errichtet
hatte, von allen Passanten drückende Abgaben, bis endlich 1075 die Zer-
störung des Turms erzwungen wurde, s)
Naturgemäß brachten all diese Fremden viel Geld nach Rom; Ge-
schenke für die heimischen Kirchen, für Angehörige und Freunde, Reise-
erinnerungen wurden in Menge eingekauft. Und in den Spuren der
Frommen und der in kirchlichen Geschäften Rom aufsuchenden Fremden be-
wegten sich auch die Kaufleute; als der mächtige Herrscher des Nordens,
Kanut von England und Dänemark, der selbst als AVallfahrer nach Rom
gezogen war, 1027 mit Konrad H. und dem Könige von Burgund, in dessen
Besitz die wichtigsten Gebirgspässe waren, in Rom zusammentraf, bestimmte
er diese durch seine Bitte, den Befehl zu erlassen, Pilger und Kaufleute
aus seinen Reichen unter sicherem Geleit und abgabenfrei durch ihr Land
und über die Pässe ihres Weges ziehen zu lassen, damit sie nicht wie bis-
her an so vielen Zollstätten aufgehalten und mit ungerechten Abgaben be-
lästigt würden. 6) Daß dieser Befehl seinem Wortlaut gemäß jemals befolgt
worden sei, wird freilich billig bezweifelt werden dürfen.
*) Vgl. hierüber besonders die Urkunden Leos IX. von 1053 bei Schiaparelli :
Le carte antiche dell'Arch. Capitolare di S. Pietro in Vaticano im Arch. Rom. XXIV
(1901) p. 469 u. 476 (no. 16, 17); dazu p. 433 (no. 2 von 854). Benedict X bestätigt 1059
der Kirche S. Stefano minore das ausschUeßliche Recht, die nach Rom kommenden
Ungarn zu beherbergen. Kehr P., Papsturkunden in Rom ; Gott. Nachr. 1900 p. 146
no. 5. Jung 18, 20. Kirche und Pilgerhaus für die Ungarn hatte Stephan der
Heilige bald nach seiner Krönung (1001) begründet. Giesebrecht P, 740.
'') Schiaparelli 1. c. p 460 (1041) no. 12; 494 (1088) no. 28. Vgl. Jung 17.
Eine Geschichte der friesischen Kolonie in Rom gibt Blök P. J.: Verspreide Stu-
dien op het gebiet der geschiedenis. Groningen 1903.
') Belege, besonders für die ältere Zeit, bei Dümmler III, 5; ferner Köpke-
Dümmler 114 A. 1. Saxones ultramarini Romam i^ergentes, die bei Langres mit
Kaufleuten von Verdun zusammentreffen , die nach Spanien ziehen : Acta Sanct.,
Septemb., II p. 597 F. Pigeonneau I, 104. Jung 15 ff. ; Funde englischer Münzen
in Rom ib. 21 f. Für die Pilgerreisen aus dem westlichen Frankreich s. besonders
Mirac. s. Fidis p. 22, 114, 207 (omnis peregrinorum caterva).
*) Flodoard zu 951 (SS. m, 401). Jung 19.
6) Meyer v. Knonau I, 215 u. A. 29 ; U, 421, 479 ; vgl. 586 f.
*) Epistola Canuti Regis ad gentem Anglorum ; Mansi XIX, 499 f. Breßlau I,
146 f. Jung 25 ff.
46 Drittes Kapitel.
Wenn es vielfach auch fremde Kaufleute, besonders wohl Amalfitaner,
gewesen sein mögen, die von dem reichlichen Gewinn verheißenden römi-
schen Geschäfte Nutzen zogen, so hatten doch sicher die einheimischen
Kaufleute Roms an dem Vertriebe der Waren in der Stadt den größten
Anteil. Die neuerdings veröffentlichten alten Archivalien einzelner römischer
Kirchen und Klöster zeigen uns bei aller naturgemäßen Einseitigkeit ihres
Materials z. B. besondere Ölhändler (venditores olei), Kaufleute als Pächter
von Grundstücken i), besondere Warenniederlagen, die zugleich mit Häusern
durch Kauf oder Livellarpacht in den Besitz von Kaufleuten oder anderen
Personen übergehen. 2) Außerordentlich häufig begegnet die Schenkung von
Salinenanteilen an Kirchen und Klöster ^) ; das an der Küste des römischen
Gebiets in bedeutenden Quantitäten gewonnene Salz bildete offenbar einen
besonders wichtigen Gegenwert für die nach Rom eingeführten Waren.
Gelegentlich erfolgt auch bei Immobiliarkäufen die Bezahlung des Preises
in Waren. 4) Durch päpstliches und kaiserliches Privileg erfreute sich das
Kloster des hl. Bonifatius und Alexius auf dem Aventin für seine Schiffe
und seine Leute völliger Zoll- und Abgabenfreiheit, s) Auf die Entwickelung
einer einheimischen Industrie läßt die Erwähnung (von den allgemein vor-
kommenden Gewerben sehe ich ab) von Webern, Tuchwalkern, Kürschnern
schließen 6); wie die Fremden, die päpstlichen Subalternbeamten ver-
schiedenster Art, die cantores, die scriniarii, die Botsführer, sind auch diese
Gewerbe in Fortführung spätrömischer Einrichtungen in kleinere scholae
unter lebenslänglichen Prioren organisiert.'^)
I
*) Fedele : Carte del monastero dei SS. Cosma e Damiano in Mica aurea ;
Arcb. Rom. XXII (1899), 91 (1049), 387 (1066), 407 (1074).
*) Zwei ergasteria ad jireponenda negotia als Zubehör eines vom nego-
tiens Wilielmus 1041 gekauften Hauses ; im März 1043 gibt das Martinskloster dem
magnificus vir Petrus de Rapizzo in Livellarpacht u. a., »una quidem domora, qui
est conjuncta cum portico S. Petri cum argasteria in integrum intus pertico adsH
negotia repreponendum«. Scbiaparelli 1. c. XXIV, 460, 462. J^H
3) Fedele 1. c. p. 30 (1006), 32 (1011), 103 (1060). Regesto di Farfa III, 195
no. 488 (1011), 215 (1017) no. 505 ; IV, 50 no. 652, 52 no. 654 (1011). Außerdem .
Chron. Farfense I, 248. Besonders instruktiv Reg. Farf. III, 208 no. 500 (1015), wc
Guinisius vir magnificus negocians und Frau Saxa schenken filum saline unum ii
integrum cum gurga et fossatu sive anditu suo, et locum ad attipplum faciendum,
mit allem Zubehör und Nutzen, j^ositum in saline in pedica que vocatur Vetere,^
inter hos fines : ab uno latere filum Durantis etc.
") Reg. di Farfa IV, 368 (1069): pro qua mea venditione recepi in mercea
valentes libras XXX. Vgl. p. 231 no. 831 (1052).
*) Dipl. 0 in, 31. Mai 996 no. 209 p. 620 f.
8) Ein pelliciarius : Fedele 1. c. 427 (1079); ein tessitor Franco ; Fedele: Tabu^
larium S. Mariae Novae; Arch Rom XXIII, 190 (1017); ein Johannes qui de Con-
stantina vocatur scole fullonis im Reg. Sublac. 98 u. 154 (1037 u. 1034), angeführt
von P. Kehr, Hist Zeitschr. 71 (1893), 157 f. 4
'') Solmi A. Le associazioni in Italia (Modena 1898) p. 95 f. Hartmann L. M^
Urkunde einer römischen Gärtnergenossenschaft vom Jahre 1030. Freiburg 1892
(dazu Kehr 1. c). Derselbe in der Zeitschr. f Soz.- u. Wirtschaf tsgesch. III (1894),
124 ff. u. in seinem Buche : Zur Wirtschaftsgesch. p. 19, 36. Eine scola mansiona-
riorum mit ihrem prior, secundus und tertius und eine scola errariorum : Fedele,
Tabularium 1. c p. 187 (1011), 195 (102"^). Die scola sandalariorum, die außer ihrem
prior einen besonderen patronus hatte, ist zwar erst 1115 nachweisbar, bestand
aber natürlich schon in unserer Periode. Reg. di Farfa V, 206 no. 1215 Chron.
Farf. n, 274. Das Gleiche gilt von der 1118 mit Prior und Rektoren nachweisbaren.,
scola salinariorum ; Fedele 1. c. XXIV p. 167.
Rom. 47
30. Als natürliche Folge des starken Fremdenverkehrs blühte in Rom
das Geschäft der Geldwechsler, deren besonderer Standort in einer
Grundstückbeschreibung von 1052 erwähnt wird, i) Wenn, wie so häufig,
ausländische Geldsorten neben Edelmetall in Barren bei der Kurie einhefen
(man denke nur an den englischen Peterspfennig) 2), so war diese auf die
Dienste der Geldwechsler ebenso wie die Fremden angewiesen. Der Geld-
übermittelung an die Kurie allerdings standen sie, wie die Kaufleute über-
haupt, noch ganz fern; Gesandte oder besondere Boten besorgten die Geld-
beförderung mit Unterstützung der unterwegs befindlichen Abteien oder
sonstiger kirchlicher Institute, die als Aufbewahrungsstätten (ev. auch Sammel-
stätten) dienten, s)
Doch beschränkten sich die cambiatores keineswegs auf das Geschäft
des Handwechsels. Die Geldbedürfnisse von Kirchen und Klöstern boten
der Ausdehnung ihrer Geldgeschäfte ein weites Feld. Belehrend für das
übliche Verfahren ist der Fall des cambiator Paulus, der am 28. April 1083
der Verwaltung der Peterskirche ein Darlehen von 100 sol. den. gewährte;
dafür wurde ihm ein Grundstück verpfändet, dessen Ertrag ihm bis zur
Erstattung der Schuld zufließen sollte ; erfolgte die Erstattung schon in den
nächsten Monaten bis zum Januar, so blieb die Ernte dem Schuldner,
während der Gläubiger durch einen Monatszins von 20 Denar (also 20 %
pro anno) entschädigt werden sollte. 4)
Am wichtigsten und umfangreichsten war natürlich der Geldbedarf
der Kurie selbst. Bekannt ist die enge Verbindung, in die Hildebrand, der
spätere Papst Gregor VII., noch als Subdiakon zur Zeit Leos IX. mit dem
getauften Juden Leo, dem Sohne des Benedictus (Ahnherrn des Geschlechts
der Pierleoni, dem Papst Anaklet IL angehörte) trat, der auch nach dem Über-
tritt seine Geldgeschäfte weiterbetrieb. 5) Diese Verbindung hauptsächlich
setzte ihn in den Stand, durch Geldsendungen nach Rom (1059) den schließ-
lichen Erfolg des neugewählten Nikolaus' IL gegen Benedikt X. vorzubereiten
und später (1062) Söldner zum Kampfe für Alexander IL gegen Cadalus
anzuwerben. ^) Daß Gregor VII. die Macht des Geldes in vollem Umfange
zu würdigen und zu benutzen wußte, ist von seinen Gegnern weidlich aus-
gebeutet, ihm aber auch von manchem seiner Freunde zum Vorwurf ge-
macht worden. '^) Der Gegenpapst Cadalus kam natürlich in der Darstellung
der Gregorianer nicht besser weg; der temperamentvolle Petrus Damiani
schildert sein Heer als mehr mit Gold als mit Eisen bewaffnet ; nicht durch
den Schall der Trompete, sondern nur durch das Blinken des Metalls werde
^) Fedele, Tabellarium 1. c. p. 211, »tribium cambiatoris«:.
*) Jensen: the »denarius S. Petri« in Transactions of the R. Hist. Society,
n. 8. XV (1902), 171 ff
») J. 5341, 5494. Meyer v. Knonau IV 418 A. 2. Jung 19 f.
*) Schiaparelli 1. c. 492 f. no. 27. Aus der Urkunde geht hervor, daß er schon
eine Anzahl von Grundstücken der Kirche in Pfandbesitz hatte.
") Beno vita Gregorii 1. 11 (bei Goldast, Apologia Henrici IV p. 13) : et in
brevi loculos imple\dt (Hildebrandus) , et cui pecuniam illam (das er als einer der
custodes altaris b. Petri eingenommen) committeret, filium cuiusdam Judaei noviter
baptizatum sed mores nummulariorum adhuc retinentem familiärem sibi fecit. Benzo
von Alba, SS XI, 615 : Associavit se monetariis, volens placere D. Apostolico saltim
de monete negocio. Steindorff 11, 75. Giesebrecht III*, 16, 26, 77.
«) Ann. Romani, SS. V, 471 f. Meyer von Knonau I, 119, 219 A. 38, 255.
') Meyer v. Knonau I, 233; III, 478. Libelli de Ute I, 433: >Tentasti mun-
dum cogere cum pondere pecuniae.t
48 Viertes Kapitel.
es zum Kampfe gerufen; Cadalus selbst ist ihm nichts anderes als em
schändlicher Geldwechsler (trapezita nequissimus). i) Die Römer selber aber
standen allgemein im Gerüche der Geldgier. Landulf von Mailand nennt sie
magis diligentes aurum quam Apostolum Paulum ; Petrus Crassus von Ravenna
spricht von dem populus Romanus, suo more nummorum canones secutus^)
und im fernen Sachsen urteilte man von durchaus papstfreundlicher Seite,
daß das Hauptbestreben der apostolischen Legaten des Jahres 1079 gewesen
sei, pecuniam quantum poterant more Romano conquirere. ^) In dieser Zeit
ist das Spottwort von den heiligen Rufinus und Albinus (Goldmann und
Silbermann) entstanden *) ; die Macht des unter diesen Schutzheiligen stehen-
den Kapitalismus ist schon damals in diesem Zentrum der abendländischen
Welt nicht gering gewesen.
31. Gegen Ende unserer Periode brach über Rom durch die zur Be-
freiung Gregors VII. herbeiziehenden Normannen unter Robert Guiscard
eine furchtbare Katastrophe herein ; noch Jahre darnach schildert Erzbischof
Hildebert von Tours in beweghchen Versen das Elend, in dem Rom darnieder-
liege; die Entwickelung der Stadt, auch in kommerzieller Beziehung, ist
durch diesen sacco di Roma von 1084, der auch Gregor VII. ins Exil führte,
für geraume Zeit auf das empfindlichste gehemmt und beeinträchtig
worden. ^)
Viertes Kapitel.
Pisa.
32. Während bei den bisher behandelten Seehandelsplätzen (Rom
ist als solcher nicht zu betrachten) ihre kommerzielle und politische
Beziehung zu Byzanz besonders bedeutsam erscheint, fehlen solche
Beziehungen dem Gebiet, dem wir uns nunmehr zuwenden, in unserer
Periode gänzlich; sowohl Pisa ,wie Genua sind schon in der ersten
Hälfte des 7. Jahrhunderts der germanischen Eroberung anheimge-
fallen. Es mag damit zusammenhängen, daß ein Zug frischer Streit-
barkeit durch diese beiden Seestädte geht, der Amalfi gänzlich mangelt
und auch bei dem diplomatisch klug geleiteten Venedig nicht in!
gleichem Maße hervortritt; zudem treten beider Geschicke wesentlichj
später in ein helleres Licht, als es bei diesen der Fall ist.
1) Epist. I, 20 f., V, 14 (Petri D. Opera I, 237 if., 367 ff.). Meyer v. Knonau I,.
2511, 261, 441.
«) SS. Vin, 100. Libelli de Ute I, 442. Meyer v. Knonau III, 547, 271 A. 68.
3) Benno de hello Saxonico (SS. V, 377). Meyer v. K. III, 226.
■*) Martiris Albini seu martiris ossa Rufini Roma si quis habet vertere cuncta
valet. Wattenbach im Anz. f. Kunde der deutschen Vorzeit XX (1873) p. 101 ; vgl.
99 ff. Giftige Satire auf Urban IL, der beständig den Reliquien dieser Heiligen nach-
gestellt habe, bei Pflugk-Harttung, Iter p. 439 ff.
») Giesebrecht in», 561 f. Gregorovius F., Gesch. der Stadt Rom IV», 232 ff.
(Neue trefflich illustrierte ital. Ausgabe in 4 Bänden, Rom-Turin 1900 ff.) v. Heine-
mann I, 327. Meyer v. Knonau HI, 553 f.. 559.
Pisa. 49
Pisa, im Mittelalter ein Flußhafen wie Rom, wenn auch von der See
aus leichter erreichbar wie dieses, war zur Zeit Strabos nur 20 Stadien
(3 ^U km) vom Meere entfernt ; durch fortschreitende Verlandung an der
Arnomündung war die Entfernung bis zum 10. Jahrhundert auf 6 km, bis
zum Ende des Mittelalters auf 8 km angewachsen, während sie gegenwärtig
etwa 1 2 km beträgt, i) Auch im Mittelalter nur Schiffen von geringem
Tiefgange zugänglich, hatte die Stadt ihren besonderen Seehafen, den Porto
pisano, der etwa 2 km nördlich vom Porto vecchio des heutigen Livorno
entfernt lag. 2) Namentlich bei widrigen Winden war die Schiffsverbindung
zwischen dem Seehafen und der Stadt nicht leicht.
Während des ganzen 9. und 10. Jahrhunderts sind unsere Nachrichten
über Pisa höchst dürftiger Natur. Zur Zeit, als .sarazenische Piraten Civita-
vecchia nahmen (813), fiel auch das Pisa so nahe gelegene Korsika vorüber-
gehend in ihre Hände; im Jahre 820 wurden 8 von Sardinien nach der
italischen Küste heimkehrende Kaufmannsschiffe von ihnen in den Grund
gebohrt; 849 wurde Luni von spanischen Sarazenen völlig ausgeplündert,
während Pisa 860 von Normannen, die sich im Rhonedelta festgesetzt
hatten, das gleiche Schicksal erlitt. '^) Als König Hugo von Nieder-Burgund
926 als Prätendent nach Italien kam, landete er in Pisa, das der Zeitgenosse
Liutprand von Cremona bei dieser Gelegenheit als Hauptort von Tuscien
bezeichnet, und wurde hier von vielen Großen und den Gesandten
Johanns X. empfangen^); 970 erschien eine wohl zur Unterstützung der
süditahschen Pläne Ottos d. Gr. bestimmte pisanische Flotte in Kalabrien. ^)
33. Erst im 11. Jahrhundert fließen die Nachrichten, die für die
kommerzielle Entwickelung Pisas in Betracht kommen, allmählich
reichlicher. Im Vordergrand steht die wiederaufgelebte sarazenische
Gefahr; aber Pisa wehrt sich energisch; bald geht es zum Angriff
über und legt durch eine Reihe glänzender Erfolge über diesen
bisher gefährlichsten Feind den Grund zu seiner maritimen Größe.
Noch 1004 wurde es eine Beute sizilischer oder afrikanischer Sarazenen ;
aber schon im folgenden Jahre vergalt es den Überfall, indem es am
6. August eine sarazenische Flotte bei Reggio in der Straße von Messina
besiegte. Wohl erneuerte sich die Heimsuchung Pisas noch einmal; einem
Seezuge spanischer Sarazenen gelang sogar die Zerstörung der Stadt (101 1)^)
und unter Mogehid, dem Herrn Denias und der Balearen, setzten sie sich
1015 auf Sardinien fest. Da verbanden sich die in ihren Handelsinteressen
wie in ihrer Sicherheit in gleicher Weise gefährdeten Pisaner und Genuesen
zu gemeinsamem Zuge und vertrieben den Feind. Doch mit verdoppelter
Macht erneuerte der Emir im folgenden Jahre seinen Zug. Zunächst überfiel
') Reyer E , Änderungen der venez. u. toskanischen Alluvialgebiete in hist.
Zeit (Zeitschr. d. Ges. für Erdkunde zu Berlin 1882 p. 121 f.). Männel R., Verän-
derungen der Oberfläche Italiens in geschichtlicher Zeit. I : Das Gebiet des Arno.
Halle 1887, Progr. Nissen: ItaUsche Landeskunde U (1902), 2881 Fischer Th. in
Petermanns Geogr. Mitteil. 1903, Lit.-Ber. no. 626.
*) Konsulat d. M. p. 102. Vigo P. II porto pisano (Rivista internaz. di scienze
sociali e discipline ausiliarie, XVIII (Rom 1898) c. 1 (auch separat).
=>) Einhardi ann., SS. I 200, 207. Prudentius ib. 444, 454. Dümmler I, 344.
Jung : La cittä di Luna etc. in Atti Modenesi, s. 5, II (1903) 265 f. 275.
*) Liutpr. Antapod. III c. 16 (SS. III, 306). Poupardin 221.
6) Ann. pis. zu 971 (SS. XIX 238). Langer 3. Manfroni 64.
•) Ann. pis. 1. c. Breßlau bei Hksch in, 129 f., 146. Vgl. Gay p. 369.
Sc ha übe, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 4
50 Viertes Kapitel.
er das offene Luni am Golf von Spezzia und zerstörte es; dann kehrte er
nach Sardinien zurück, verhängte ein furchtbares Strafgericht über die
Bewohner und begann den Bau einer festen Stadt. Wieder aber vereinigten
sich die Seestädte, diesmal unter tätiger Mitwirkung des Papstes Benedikt VIII. ;
aus vernichtender Niederlage entkam nur Mogehid selbst mit wenigen
Schiffen, zunächst nach Afrika, während er seine Frau und einen seiner
Söhne mit großer Beute in den Händen der Sieger lassen mußte. Unter
diesen aber entbrannte bald darauf in Porto Torres ein Streit, in dem die
Pisaner die Oberhand behielten, so daß die Genuesen zunächst aus Sardinien
weichen mußten, i) Noch nicht 20 Jahre später wagten es die Pisaner schon,
die Araber in ihrem eigensten Machtbereich, an der Nordküste Afrikas,
anzugreifen ; im Jahre 1034, vollführten sie einen glücklichen Raubzug nach
dem der Südwestecke Sardiniens zunächst gelegenen Bona. '^) Ein Menschen-
alter darauf unternahmen sie einen Angriff auf die reiche Hauptstadt
Siziliens, wo die Interessen ihrer Kaufleute (wodurch, erfahren wir nicht)
schwer verletzt worden waren. Von einem Hafen des nordöstlichen Siziliens
(VaUis Deminae) aus forderte ihre Flotte den im Innern der Insel, bei
Traina, weilenden Grafen Roger zur Mitwirkung auf. Da dieser aber Auf-
schub verlangte, gingen sie aUein vor, sprengten im Triumph die den inneren
Hafen Palermos sperrende Kette ^) (18. August 1063) und erbeuteten sechs
reichbeladene Schiffe, von denen sie fünf verbrannten, während sie den
Erlös aus dem sechsten für den Bau ihres Mariendoms verwendeten. *)
34. Die berühmteste dieser Unternehmungen aber richtete sich 1087
gegen den Zeiriden Temlm 5), der in M e h d i a , der damals, nach der in der
Mitte des Jahrhunderts erfolgten Ausplünderung der »heiligen Stadt« Kairewan,
bedeutendsten Handelsstadt seines Reiches, residierte. Mit furchtbaren See-
räubereien hatte er die Küsten des gesamten Mittelmeers heimgesucht und
zahllose Christen zu Sklaven gemacht. Da stellte sich Pisa, durch Be-
drückungen seiner Kaufleute noch besonders gereizt und durch den Papst
Viktor III. angefeuert, an die Spitze eines großen Heereszuges gegen ihn;
der Vicecomes Hugo und mehrere Konsuln führten den Zug, während
Bischof Benedikt von Modena, wohl von der Gräfin Mathilde dazu aus^
ersehen, weil der bischöfliche Sitz von Pisa selbst vakant war, die geistliche
*) Näheres in der trefflichen Darstellung Breßlaus 1. c. 128 — 132. Von neuerer
Literatur s. Sforza G., Mugahid e le sue imprese contro la Sardegna e Luni (Giorn.
lig. XX, 1893 p. 134 ff.) Davidsohn 1, 130 f. Manfroni 92 ff. Die »Indagini e studi
Bulla storia economica della Sardegna< von L. Amat di San Filippo (Miscell. di stör,
ital., 8. 3, VIII, Turin 1903, p. 297 ff.) fördern die wissenschaftliche Erkenntnis nicht ;
nach ihm hätte z. B. die Insel das Joch des wilden Mugehid erst um die Mitte
des 11. Jahrhunderts abzuschütteln vermocht; p. 344.
*) Ann. pis 1. c. Amari Musulm. III, 15. Manfroni 96.
') . . . hoc sibi, more sue gentis, pro maximo reputantes. Gaufr. Malat. bei
Murat. SS. V 569.
*) Inschrift am Dom ann. pis. SS. XIX, 238. Vanni A. : Di alcune iscrizioni
alla primaziale pisana in : Studi storici IV (1895) 225 ff. Amari Musulm. III, 101 ff.
Giesebrecht IIP, 1124. Meyer v. Knonau I, 366. v. Heinemann I, 210 f.
*) Carmen in victoriam Pisanorum bei E. Du Meril : Poesies populaires latines.
Paris 1847 p. 239 f. Andere Drucke s. Heyd I, 122. SS. XIX 239; Petr. diac,
ib. Vn, 751. Gaufr. Malat. 1. c. 590 f. Al-Bayano'1-Moghrib : hist. de l'Afrique et
de l'Espagne, trad. par E. Fagnan; I (Algier 1901), 448 f. Ibn el Athir 44, 320 f.
Amari Musulm. III, 168 ff. Manfroni 99 ff. Giesebrecht IIP 596 f. u. 1177. David-
sohn I, 279 setzt den Zug ins Jahr 1088, ebenso Wattenbach IP, 216 und Volpe
p. 1 ; doch ist dieser Ansatz nicht zu halten.
Pisa. 51
Leitung übernahm. ^) Der pisanischen Flotte schloß sich eine genuesische
an, beide nach dem wohl übertreibenden Bericht arabischer Schriftsteller
3 — 400 Segel stark ; unterwegs stieß eine in Rom gesammelte nicht unbeträcht-
liche Streitmacht hinzu. Obwohl durch Brieftaubenbotschaften gewarnt, erlag
doch die hauptsächlich von Kaufleuten bewohnte Vorstadt Mehdias, Zuila (Zawi-
lah, Sibilia), mit ihrem Hafen, Werften und Türmen dem stürmischen Angriff
der Christen nach kurzer Zeit; auch Mehdia selbst wurde bis auf das feste
Schloß, in dem Temim weilte, genommen, wobei der pisanische Vicecomes
Hugo, »das Haupt der Stadt«, die »Krone der Jünglinge«, den Heldentod
fand. Temim suchte nun eine Verständigung mit den Siegern ; er beschwor,
sein räuberisches Handwerk gegen die Christen nicht mehr auszuüben, nahm
sein Land von Sankt Peter zu Lehen und gewährte den Pisanern und
Genuesen für ihren Handel Abgabenfreiheit in seinem Lande. Ein Angriff
der Beduinen auf die in der Hafenvorstadt bei den Schiffen Zurück-
gebliebenen wurde durch die Zurückkehrenden glücklich abgewehrt; neben
den zahlreichen befreiten Sklaven führten die Sieger gewaltige Beute mit
sich fort, die die Pisaner zum Teil zu weiterer prächtiger Ausstattung ihres
Doms und zur Gründung der Kirche des hl. Sixtus^), an dessen Gedenktage
(6. August) der Hauptsieg errungen war, verwandten.
Diese Expedition ist grundlegend geworden für die Machtstellung, die
der pisanische und genuesische Handel im mittleren Nordafrika in der
Folgezeit eingenommen haben; auf lange Zeit hinaus hatten sich diese
Seestädte damit bei den Sarazenen in Respekt gesetzt. So haben diese
Unternehmungen auch nicht lähmend, sondern wie heilsame Gewitter auf
die Entwicklung ihres Handels mit den Sarazenen gewirkt; gingen sie doch
auch wie diese verhältnismäßig rasch vorüber und ließen in den langen
Zwischenpausen der Pflege friedlicher Beziehungen Raum genug.
Auf solche Pflege weist schon die Grabschrift des 1001 verstorbenen
Markgrafen Hugo von Tuscien, die hervorhebt, daß er in besonders nahem
Verhältnis zu einem afrikanischen Herrscher gestanden und selbst in Afrika
geweilt habe. 3) Auch bei der Expedition gegen Palermo treten die kom-
merziellen Interessen Pisas stark hervor. Gewohnheitsmäßig mehr auf
Handelsgeschäfte wie auf kriegerische Unternehmungen bedacht, wie Gaufred
Malaterra sagt*), wollten sie auf den von Roger verlangten Aufschub nicht
eingehen, um der gewohnten Handelsgewinne nicht allzulange verlustig
gehen zu müssen. Und welche Bedeutung man der 1087 im Reiche Temims
gewonnenen Zollfreiheit beilegte, geht schon daraus hervor, daß der pisanische
Geistliche, der diesen Zug verherrlicht hat, diese Vertragsbestimmung &) in
sein zwar ungelenkes, aber sonst keineswegs nüchternes Gedicht aufgenommen
hat. Umgekehrt scheinen auch die Sarazenen in dieser Zeit Pisa des Handels
wegen aufgesucht zu haben; der allerdings erst am Anfang des 12. Jahr-
hunderts schreibende Mönch Donizo will den Pisanern das Grab der frommen
Markgräfin Beatrix (f 28. April 1076) nicht gönnen wegen der in ihrer Stadt
') Ich trage kein Bedenken, in diesem Vertrauten der Gräfin (vgl. Overmann
153, Meyer v. Knonau IV, 136), dessen facundia Rangerias von Lucca rühmt, den
praesul Benedictus des Dichters zu erkennen, den man bisher nicht zu identifizieren
vermochte (Rangerius p. 233),
^) Bei Du Meril p. 251, »sancto Christo«, offenbar irrtümUch für s. Xisto.
'') >Afrum me coluit regnum et qui rexerat illud.« Davidsohn Forsch. I, 31.
*) Murat. SS. V, 569. Volpe 38 A. 1.
*) >Et non tollet tulineum his utrisque populis.«
4*
52 Viertes Kapitel.
zu schauenden heidnischen Greuel und »monstra marina«, als welche er
mit ethnographisch nicht ernst zu nehmender Nomenklatur Libyer, Türken,
Parther und schmutzige Chaldäer bezeichnet, i) Merkwürdig ist auch, daß
die Pisaner einen Sohn Temims, den sie als Kind mit sich fortgeführt und
christlich auf erzogen hatten, später als Staatsherold verwendet haben, der
z. B. Verträge im Namen ihrer Stadt (in animam populi) zu beschwören
hatte. 2)
35. Den Handelsverkehr der Pisaner mit Unter-Italien bezeugt es,
daß im Jahre 1038 ein Johannes Pisanus, Sohn des Gregorius Pisanus, im
Besitz eines Grundstücks zu Neapel begegnet, während zur selben Zeit dem
Pisaner Bonizzo, Sohn des Termo, ein Hausanteil in Gaeta für eine Geld-
schuld verpfändet war. 3) ^^
Von besonderer Bedeutung wurde es, daß die Pisaner sich mit der^BI
neuen Macht, die in Unter - Italien allmählich zur Herrschaft gelangte, in
gutes Einvernehmen zu setzen verstanden. Zwar zum Jahre 1055 hören
wir noch, daß die Pisaner gegen 50 aus ihrer Heimat kommende normannische
Ritter, die das Tyrrhenische Meer kreuzen wollten, um nach Unter - Italien
zu gelangen, aufbrachten und dem damals in Toskana weilenden Kaiser
Heinrich III. als Gefangene überlieferten. '^) Aber schon im folgenden Jahre
schied mit Heinrichs Tode die Rücksicht auf die kaiserliche Gewalt vorläufig
aus und bei ihrem Zuge gegen Palermo luden die Pisaner den Grafen Roger
zur Mitwirkung ein; nach einer Nachricht hätte sie sogar Robert Guiscard
zu diesem Zuge veranlaßt. -5) Und wenn die Normannen den Pisanern als
natürhche Bundesgenossen gegen die Sarazenen erschienen, so war ihr
Vorgehen gegen die Seestädte Unter-Italiens ihren Handelsinteressen nicht .
minder förderlich, IHI
Das gilt zunächst von Salerno. Hier war Fürst Gisulf zum Schrecken
nicht nur der Amalfitaner, sondern auch aller anderen friedlichen Seefahrer
geworden; und besonders ein Vorgang war es, der in den Pisanern die
größte Erbitterung hervorrief. Ein pisanisches Handelsschiff war im Golf ^^
von Salerno von einem schweren Seesturm überrascht, aber glücklich j^Bj
gerettet worden. Die Mannschaft, die in der Not den hl. Matthäus von"^^
Salerno angerufen, wollte dem Heiligen ihren Dank bezeugen ; mit sicherem
Geleit des Fürsten besuchte sie die Kirche des Apostels, stiftete ihr ein
Pallium (paille) und gab ihrer Freude durch Ausschmückung und festliche
Beleuchtung der Kirche Ausdruck. Inzwischen aber hatte der Fürst Schiff
und Ladung fortnehmen lassen; die Mannschaft heß er gefangen setzen
und nur einige ließ er zur Beschaffung eines hohen Lösegeldes frei. ^) Kein
Wunder, daß die Pisaner, die sich 1074 zum Anschluß an die von Gregor VII.
und den Markgräfinnen gegen Robert Guiscard gestiftete Liga hatten
') SS. Xn, 379.
») So den Vertrag mit Amalfi von 1126 (Arch. it.. s. 3, VIII p. 5): »juratuna
in communi coUoquio tote populo Pisano acclamante per Timinum Timini Regia
Africae filium, piiblicuni preconem Pisane civitatis.«
») Capasso n 1 no. 469 p. 289 (vgl. no. 573, 657); Cod. Cajet. I p. 347. Oben
8. 39. Auch im Salernitanischen begegnet 1030 ein Pisaner Johannes fil. Petri mit Frau
und Tochter, der nach römischen Rechte lebt. Cod. Cavens. no. 831. Tamassia*;
im Arch. it., s. 5, XXXI (1903), 467.
*) Bertholdi ann., SS. V, 269. Steindorff II, 310. Davidsohn I, 201.
») Aime 228 (cap. 28) und 192 (Index zu cap. 25).
6) Aime VIII, 4 p. 323.
1
Pisa. 53
bestimmen lassen, ihre weitere Mitwirkung versagten, als sie bei ihrer
Vereinigung mit dem Heere der Liga am ciminischen Walde Gisulf als
militärischen Berater des Papstes vorfanden i); sicher hat es sie mit voller
Genugtuung erfüllt, als Robert 1076 Salerno eroberte. Und daß Amalfi
damals mit dem Verlust seiner Selbständigkeit einen großen Teil seiner
bisherigen kommerziellen Bedeutung verlor, bedeutete für das Emporblühen
ihres eigenen Handels einen noch größeren Gewinn. Nicht minder entsprach
es ihrem Handelsinteresse, wenn die Normannen die Sarazenen Siziliens
aus einer "Position nach der anderen verdrängten ; sie gewannen damit nicht
nur für ihren Handel mit den sizilischen Plätzen selbst einen festeren Boden,
auch nach den östlichen Gewässern war ihnen damit die Bahn durch die
Straße von Messina in ganz anderer Weise eröffnet als bisher.
So wurde das gute Verhältnis zwischen Normannen und Pisanern
durch gemeinsame Interessen nur um so fester geknüpft. Wenn Roger
1087 seine Mitwirkung an dem Zuge gegen Mehdia ablehnte, weil er sich
damals im Vertrags Verhältnis mit Temim befand, so war ihm sicher diese
Unternehmung trotzdem eine erwünschte Diversion, da er gerade in diesem
Jahre Girgenti eroberte; bezeichnend ist auch, daß Pisaner und Genuesen
ihm den Besitz des eroberten Hafens anboten 2), dessen dauernde Behaup-
tung weder in ihrer Absicht noch in ihrer Macht lag. Zum Ausdruck kam
das gute Verhältnis zwischen Pisa und Roger, als dieser 1095 sein Töchter-
lein mit einer großen Flotte nach Pisa schickte, um hier ihre Vermählung
mit König Konrad vollziehen zu lassen. 3) Dieses gute, auf den wichtigsten
kommerziellen Interessen der Seestädte beruhende Einvernehmen, das die
Pisaner und Genuesen mit den Normannen unterhielten, hat auch auf das
Verhalten der beiden Seemächte beim ersten Kreuzzuge bestimmend ein-
gewirkt.
36. Daß die Verjagung Mogehids im Jahre 1016 und die darauf-
folgende vorläufige Verdrängung der Genuesen von Sardinien in erster Linie
dem Handel der Pisaner zugute kam, ist ohne weiteres anzunehmen ; daran,
daß sie damals eine politische Herrschaft über die Insel erlangt hätten, ist
nicht zu denken. Wie sich im einzelnen ihr Verhältnis zu den vier selb-
ständigen Judikaten auf der Insel *), Caghari, Arborea, Torres und Gallura,
gestaltete, bleibt uns großenteils verborgen.
Wahrscheinlich ist, daß ihr Übergewicht in dem ihnen am bequemsten
gelegenen Judikat Torres am größten war; gerade hier hat ja auch jene
Verdrängung der Genuesen stattgefunden. Als ein Symptom hierfür kann
es auch angesehen werden, daß die Pisaner (1063) das gaetanische Schiff,
') Aimä Vn, 13 p. 282. Ihre Verwünschungen: More Gisolfe . . ., loquel
nous, ceauz de nostre cito, a condempnez a estre noiez en mer, et U autre estre
mis en prison, et nouz a privez de nostre bone marchandise. Giesebrecht XII", 254.
Da\ndsohn I, 348. Meyer v. Knonau II, 418. v. Heinemann I, 270 f.
») Gaufr. Malaterra IV c. 3 (Murat. SS. V, 590 f.).
=>) Davidsohn I, 277. Meyer v. Knonau IV, 450.
*) Außer Mannos wichtigem Werke vgl. von neueren Schriften : Santoro D. :
Le relazioni tra Pisa e la Sardegna dal 1015 al 1165, Rom 1896. Pinna P. : L'ori-
gine dei giudicati in Sardegna. Mailand 1900 (Estr. dal >Filangieri« XXIV (1900)
401 f., 580 f.). Über denselben Gegenstand (in cap. 1 der Einl.) : Bonazzi G. H Con-
daghe di San Pietro di Silki; teste logudorese ined. dei secoli XI — XIII. OagUari-
Sassari 1900. Dazu E. Besta: Nuovi studi su le origini etc. dei giudicati sardi im
Arch. it., s. 5, XXIX (1901) p. 24 — 96. Solmi A., Osservazione stör, sull'origine dei
giudicati sardi im Bull, bibliogr. Sardo IH (1904), 136 ff.
54 Viertes Kapitel.
das die von Bareso von Torres erbetenen Mönche von Monte Cassino über-
führen sollte, unterwegs auf Giglio überfielen und verbrannten. Offenbar
wollten sie nicht zulassen, daß fremder Einfluß sich hier gegen ihren Willen
einnistete. Der Streit, der hierüber zwischen ihnen und Abt Desider ent-
brannte, wurde von Herzog Gotfried 1067 geschlichtet, die Pisaner legten
den Mönchen weiter kein Hindernis mehr in den Weg. i) Am Anfang der
achtziger Jahre hat dann Mariano von Torres zu Ehren des Bischofs Ger-
hard (1080 — 1085), des Vicecomes Hugo und aller Konsuln von Pisa eine
Urkunde ausgestellt, in der er seinen Freunden, den Pisanern, volle Rechts-
sicherheit von Person und Eigentum, sowie Befreiung von Handelsabgaben
(dem toloneum) zusicherte, wogegen er ihre Unterstützung in seiner Herr- 1
Schaft erwartete. 2)
Auf das Bestehen reger Handelsbeziehungen zwischen Pisa und Kor-'
8 i k a können wir für unsere Periode nur aus der kirchlichen Suprematie, die
Pisa über die Insel erstrebte und schließlich auch errang, einen allerdings
durchaus sicheren Rückschluß ziehen. Gregor VII. verlieh 1077 dem neu-
gewählten Bischof Landulf von Pisa das Vikariat über die Insel und damit
das Recht der Weihe der korsischen Bischöfe. 3) Wahrscheinlich steht der
in dieser Zeit von Genua nach anfänglichen Erfolgen unglücklich geführte
Krieg gegen Pisa 4) mit der korsikanischen Frage in Zusammenhang. Als
Pisa zum Kaiser abfiel, wurde ihm das Vikariat zwar wieder abgesprochen,
doch erhielt es dasselbe zurück, als es sich von der in Italien aussichtslos
gewordenen Sache Heinrichs IV. abgewandt hatte. Am 28. Juni 1091 über-
trug Urban IL, der dem pisanischen Bischof Daibert eng befreundet war,
der pisanischen Kirche, so lange Pisa in der Treue gegen die römische
Kirche beharren und die Wahl seiner Bischöfe in kanonischer Weise vor
sich gehen würde, gegen einen Jahreszins von 50 1. lue. die Rechte des
päpstüchen Stuhles an der Insel; und am 21. April 1092 0) ernannte er, um
dies Verhältnis auch äußerlich mehr hervortreten zu lassen, auf eifrige Für-
sprache der Gräfin Mathilde den Bischof von Pisa zugleich zum Erzbischof
für Korsika. Damit hatte Pisa den genuesischen Rivalen auf der Insel
zunächst völlig überflügelt, ß)
II
») Leo Ost. ni, 21 f. (SS. VIT, 712 ff). Davidsohn I, 348 A. 4. Meyer v.
Knonau I, 552. Besta 1. c. 67.
^) In Bardischer Sprache abgefaßt, undatiert und am Schhiß verstümmelt, ist
die Urkunde herausgegeben von L. Tanfani im Arch. it., s. 3, XIII p. 357 f., mit
Übersetzung vom Grafen Baudi di Vesme p. 363. Die Bedenken von O. Schultz
(Zeitschr. für romanische Philol. XVin, 1894 p. 138 f.) gegen ihre Echtheit kann
ich nicht teilen ; vgl. auch Bonazzi 1. c. p. XIX. Besta 1. c. 54 A. 3 hat allerdings
immer noch Zweifel ; auch Solmi aber (la costituzione soc. e la proprietä f ondiaria
in Sardegna, im Arch. it., s. 5, t. XXXIV (1904), 315 erklärt sie mit guten Gründen
für echt.
*) Schreiben Gregors an die korsik. Bischöfe 1. u. 16. Sept. 1077 J-L. 5046,
5048 ; Bestätigung Landulfs und seiner Nachfolger im Vikariat 5093 (30. Nov. 1078)
Overmann 144. Davidsohn I, 259 f. Manfroni 96. Meyer v. Knonau III, 83.
*) Ann. pis. zu 1078 (SS. XIX 239).
6) Dal Borgo 1981, 270 f. (J-L. 5464). Langer 4. Davidsohn I, 280. Meyer
v. Knonau IV, 419. Colonna de Cesari-Rocca : Recherches sur la Corse au moyen äge.
Origine de la rivalitd des Pisans et des Gönois en Corse (1014—1174). Genua 1901
(belanglos).
*) Über Besitzungen von Pisanern auf Korsika schon seit alter Zeit vgl.
Volpe in Studi storici X (1901) 383. Otto HI. bestätigt 996 (Dipl. no. 219) dem
I
Pisa. 55
37. Den Handelsverkehr Pisas mit Genua bezeugt uns der genuesische
Abgabentarif vom Ende des 11. Jahrhunderts, der für die Pisaner und alle
Bewohner der Küstenstrecke von Luni bis Rom (ausschließlich) den Satz
von sechs alten pavesischen Hellern i) hat, nur 1/3 von dem, was die Amal-
fitaner und Römer zu zahlen hatten. Für den Schiffsverkehr mit Rom
liegt ein Zeugnis in der aus der Mitte des Jahrhunderts stammenden Denk-
schrift des Abtes Bonus vom pisanischen Michaelskloster vor, der Säulen,
die er für seine Klosterkirche in Rom eingekauft hatte, zu Schiff von Rom
nach Pisa bringen ließ; zu gleichem Zweck ließ er Säulen auch von der
Insel Elba und von der Ruinenstätte von Luni, zusammen mit Bauholz von
Kastanien, kommen. 2) Auch ließen sich die Pisaner in dem Privileg^), das
ihnen Kaiser Heinrich IV. im Sommer 1081 nach der Ächtung der Gräfin
Mathilde gewährte, Befreiung vom UferzoU (ripaticum) in Rom zusichern;
und in einem Anhang zu diesem Privileg gebot der Kaiser, daß keiner es
wagen sollte, falls auf der Küstenstrecke von Gaeta bis Luni ein
Schiff festgehalten würde, Hab und Gut von Pisanern auf demselben anzu-
tasten ; selbst auf Schiffen unter feindlicher Flagge also (es sind wohl solche
der Untertanen Rob. Guiscards gemeint) sollten Waren von Pisanern vor
Beschlagnahme durch die Leute oder Parteigänger des Kaisers sicher sein.
Aber auch sonst eröffnet uns dies Privileg manchen interessanten Einblick
in die Handelsverhältnisse der Seestadt. So bestätigte der Kaiser das im
Seeverkehr der Pisaner ausgebildete (noch ungeschriebene) Gewohnheits-
recht^); als einzelner Grundsatz daraus wurde hervorgehoben und aus-
drückliöh anerkannt, daß ein Pisaner, der sich zu einer Handelsreise über
See vorbereitet hatte, einer gegen ihn einlaufenden Klage wegen nicht von
der Reise zurückgehalten werden durfte 5); von der Beschuldigung, solche
Vorbereitungen dolos getroffen zu haben, konnte er sich durch einen
Reinigungseid befreien. Besonders aber erfuhr der Landhandel eine
Reihe von Vergünstigungen. Die Arnoschiffahrt der Pisaner sollte auf dem
ganzen Wege von der Mündung bis Ripalta und zurück gegen jede Be-
lästigung sichergestellt werden ; kein Kaufmann, der sich des Handels wegen
nach Pisa begab, sollte irgendwie behindert werden dürfen. Den pisanischen
Kaufleuten wurde Freiheit vom Uferzoll auf allen Märliten und an allen
Orten in dem Gebiet zwischen Rom und Pavia zugestanden, die sie nach-
weislich auch bisher schon des Handels wegen besucht hätten. Den auf
Konzentrierung des Marktverkehrs in der eigenen Stadt hinzielenden Ten-
denzen entsprach es endlich, wenn den Orten der Grafschaft Pisa die Ab-
haltung von Märkten nur insoweit gestattet wurde, als solche schon zur Zeit des
Markgrafen Hugo (f 1001) übhch gewesen. — Kurz vor Erteilung dieses Privilegs
treten uns auch als älteste bekannte, dem Handel dienende pisanische Be-
hörde die Aufseher des Ufermarkts, »ProcuratoresMercati Ripae« ent-
gegen, die den am rechten Arnoufer an und unterhalb der Hauptbrücke, die Pisa
Kloster Sesto bei Bientina seinen Besitz auf Korsika. Auch das pisanische Michaels-
kloster erhielt in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts einen Hof (curtem) auf
Korsika geschenkt. Murat. Antiqu. IV, 789 (vgl. auch V, 1009).
') Lib. Jur. I no. 23.
«) Murat. Ant. IV, 787, 789.
') St. 2836. Meyer v. Knonau IH, 398.
*) »consuetudines, quas habent de mari, sie eis observabimus, sicut illorum
est consuetudo.«
*) Vgl. im späteren Const. Usus, rub. 4: de indutiis propter tassedium. Bo-
naini II, 831.
56 Viertes Kapitel.
mit seiner Vorstadt Kinsica verband, stattfindenden Marktverkehr zu be^
aufsichtigen und dafür eine Marktabgabe (curaturae nomine) zu erheben
hatten, wie ihnen auch die Erhebung der Ein- und Ausfuhrzölle zustand.
Die Benediktiner von Monte Cassino waren mit ihnen in Differenzen ge-
raten, da die Entrichtung dieser Abgabe auch von den Wolltüchern, die sie
in Pisa für ihr Kloster gekauft hatten, verlangt wurde. Auf erhobene Be-
schwerde entschied die Gräfin Mathilde, daß den Leuten des Klosters der
abgabenfreie Einkauf aller zum eigenen Gebrauch der Kongregation be-
stimmten Gegenstände in Pisa, Lucca und ihrem ganzen Gebiet gestattet
und demnach weder Ausfuhrzoll (teloneum), noch eine Marktabgabe von
ihnen zu erheben sei. i) Von solcher Begünstigung der betriebsamen Mönche
wird der pisanische Handelsstand schwerUch erbaut gewesen sein; der bald
darauf .erfolgende Übertritt der Stadt zu Heinrich IV. machte dann auch
das Privileg des Klosters wirkungslos. Jedenfalls aber spricht es für die hohe
Bedeutung, die Pisa als Handelsplatz in dieser Zeit schon besaß, wenn die um-
sichtige Leitung des fernen Monte Cassino es für vorteilhaft hielt, ihren Be-
darf an Bekleidungsstoffen, wenn auch nur zum Teil, von hier zu beziehen.
38. In der Zeit des Investiturstreites hat sich auch das endgültige
Emporsteigen Pisas zu voller kommunaler Selbständigkeit vollzogen.
Die Übertragung der Bischofs wähl an das Domkapitel brachte natio-
nale Bischof e an die Spitze der Stadt; der erste derselben, Gerhard (1080 bis
1085) hat auch die erste eidliche Sicherheits- und Schutzverbindung unter
der Bürgerschaft veranlaßt '''), die in der unter Glockengeläute berufenen
Bürgerversammlung (coUoquium) ihr Organ hatte ; zuerst nur bei besonderen
Anlässen von Fall zu Fall, dann ständig auf die Dauer eines Jahres wählte
sie aus ihrer Mitte einen Ausschuß der angesehensten Bürger, die als con-
sules dem praesul zur Seite traten. Die markgräfliche Gewalt wurde durch
die kaiserliche Ächtung Mathildes und das der Stadt verliehene große
Privileg vom Sommer 1081 ausgeschaltet, der Stellung der Stadt damit
gleichzeitig die rechtliche Grundlage gegeben; jene sardische Urkunde zeigt
uns Bischof, Vicecomes und Konsuln nach außen hin in einträchtigem
Nebeneinander. Der Tod Bischof Gerhards rief Wirren in der Stadt her-
vor, die sich wieder der päpstlichen Partei zuzuwenden begann; die Ab-
lenkung nach außen durch die große Expedition von 1087 nach Afrika
brachte eine vorübergehende Versöhnung. Indessen der gerade auf diesem
Zuge erfolgende Tod des Vicecomes Hugo erneuerte und verschärfte den
Kampf, der sich nun auch gegen die von dem vizegräflichen Geschlecht als
solchem beanspruchte überragende Stellung richtete ; ein wilder Bürgerkrieg
brach aus. Endlich gelang die Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhles
mit einem Mitgliede eines der angesehensten einheimischen Geschlechter^^
(der Lanfranchi); der neue Bischof, Daibert, schloß sich auf das engste ^^aHl
den ebenfalls neugewählten Papst Urban IL (seit März 1088) an; zugleich
gewann er den größeren Teil der vizegräflichen Familie für sich und so
>) Murat. Antiqu. I, 957 f. (undatiert). Petr. diac. (SS. VIT, 745). Heyd I, 107.
Sander -. Der Kampf Heinrichs IV. und Gregors VII. März 1080— März 1084 (Berlin
1893) p. 94 setzt die Urkunde mit Recht zu 1080 (oder spätestens bis zum Sommer
1081) an; dgl. Overmann p. 148 Reg. no. 41.
') Breve Consulum 1162 (Bonaini I, 11): Securitates quas fieri fecit episcopua
Gherardus etc. Selbstverständlich würde die folgende Skizze einer eingehenden Aus-
führung und umfassenden Begründung bedürfen, die im Rahmen dieses Buches
nicht gegeben werden können.
Pisa. 57
gelang ihm die Wiederherstellung des inneren Friedens. Ein neuer Sicherheits-
eid mußte von allen beschworen i) werden ; wer sich dessen weigerte, wurde
von jeder Gemeinschaft mit den Mitgliedern des neubegründeten Comune
in der Kirche wie zu Schiffe ausgeschlossen ; die in Kleinhandel und Ge-
w^erbe tätige Bevölkerung wurde durch Abschaffung des buticaticum, einer
Gewerbesteuer, die bisher für den Vicecomes von jeder gewerblichen oder
kaufmännischen Verkaufsstätte (bottega, anod-rxt]) erhoben worden war,
gewonnen. Der nationale Bischof (seit 1092 Erzbischof) als geistliches Haupt
und Ehrenrepräsentant der Stadt, das Konsulkollegium, innerhalb dessen dem
Geschlecht der Vicecomites einige Stellen zugestanden wurden, das comune
colloquium (parlamentum) der Bürger, das sind die Hauptorgane der seit-
dem in allen wesentlichen Dingen ihre Geschicke selbst bestimmenden, zu
eigener Handelspolitik befähigten Stadt. 2)
Im Herbst 1094 weilte Urban H. selbst in Pisa; und im folgenden
Jahre hat Daibert den Papst auf seiner Reise nach Frankreich be-
gleitet und an der denkwürdigen großen Synode von Clermont teil-
genommen, die den Kreuzzug nach dem heiligen Lande beschloßt),
bei dem dem pisanischen Erzbischof eine wichtige Rolle zu spielen
bestimmt war. Innerlich geeint und gekräftigt, nach außen berühmt
durch jenen Seezug, trat Pisa in die neue Epoche ein, die ihre Signatur
durch die immer lebhafter werdenden Beziehungen zum Orient erhielt.
39. Naturgemäß erhebt sich hier die Frage, ob denn Pisa bisher
keinerlei direkte Handelsbeziehungen zur Levante hatte, ob denn die zahl-
reichen Schiffe, mit denen die Pisaner beim ersten Kreuzzug in den
griechischen Gewässern und an den Küsten Syriens erschienen, die ersten
ihrer Flagge gewesen sind. So wenig wahrscheinlich das ist, so müssen wir
doch gestehen, daß unsere positiven Kenntnisse sich auf nicht viel mehr
als bloße Spuren solcher Beziehungen beschränken. Als solche Spur er-
scheint es, wenn Markgraf Hugo von Tuscien und Gemahlin gegen Ende
des 10. Jahrhunderts der Kirche des hl. Grabes in Jerusalem zahlreiche Be-
sitzungen in den Grafschaften Orvieto, Soana und Aquapendente schenken,
damit ihre Erträge zum besten der Jerusalempilger verwendet werden sollten. 4)
Vielleicht kann man es auch als solche gelten lassen, wenn der Biograph
der Gräfin Mathilde den Markgrafen Bonifaz in dem Augenblicke eines
natürlichen Todes sterben läßt (in Wahrheit wurde er 1052 ermordet), als
er auf einem Schiff, das er sich selbst hatte erbauen lassen, eine Pilgerfahrt
nach dem hl. Lande antreten wollte, obwohl Donizo erst im 12. Jahr-
hundert schrieb. 5) Denn schon aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts
*) Bonaini I p. 16.
*) Zu der Entstehung des Comune in Pisa vgl. Hegel 11, 183 ff. A. Pawinski :
Zur Entstehungsgeschichte des Konsulats in den Kommunen Nord- und Mittel-
italiens. Berlin 1867, besonders p. 28 ff. Heyd I, 133. R. Davidsohn : Über die
Entstehung des Konsulats in Toscana (Hist. Viertel] ahrsschr, III, 1900 p. 20 f.).
Schupfer 119 f. Volpe's studi suUe istituzioni comunali und seine Abhandlung : una
nuova teoria suUe origini del Comune im Arch. it., ser. 5, 33 (1904) p. 370—390.
") Meyer v. Knonau IV, 422 A. 11.
*) Riant (Comte): La donation de Hugues, marquis de Toscane, au Saint-
Säpulcre et les Etablissements latins de Jerusalem, in : Mem. de l'acad. des inscr.
et belles-lettres XXXI (Paris 1884) p. 160 f. Urkunde vom 29. Okt. 993 (ind. VIH
stimmt nicht) mit Faksimile.
») SS. Xn, 373.
58 Fünftes Kapitel.
(c. 1006) wissen wir, daß ein vornehmer Ritter aus der Gegend von Toulouse,
Namens Raimund, der nach Jerusalem pilgern wollte, in Luni zu Schiffe
ging, um sein Ziel rascher zu erreichen, i) So wird es auch für die toska-
nischen Jerusalemfahrer, von denen wir hören 2), wahrscheinhch, daß sie in
Pisa in See gegangen sind. Und auf bloßen Pilgertransport ist solcher
Schiffsverkehr sicher nicht beschränkt gewesen. Für Handelsbeziehungen
mit Ägypten spricht es, daß seit dem 8. Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts
eine Familie ,de Babilonia' (= Kairo) in Pisa nachweisbar ist. 3) Endlich
erscheint der Schluß durchaus zulässig, daß, wenn Genua damals schon in
Handelsbeziehungen mit Syrien stand, das rivalisierende und zur Zeit noch
seemächtigere Pisa darin nicht zurückgeblieben sein wird."^)
Fünftes Kapitel.
Binnenländisches Toskana, insbesondere Lucca.
40. Nur zwei Meilen in der Luftlinie von Pisa entfernt, aber duri
die Monti Pisani von ihm getrennt, lag Lucca, seit der langobar-
dischen Eroberung die politische Hauptstadt Tusciens, bedeutender
zunächst als das in römischer Zeit wichtigere Florenz^), eifersüchtig
auf das durch Seemacht und Seehandel immer mächtiger empor-
blühende Pisa.
Mit seiner politischen Stellung hängt es zusammen, daß es die einzige
Münzstätte Toskanas war; die Denare von Lucca erlangten im 11. Jahr-
hundert ein zunehmendes Verbreitungsgebiet; gegen Ende desselben treten
sie auch in Rom neben den Denaren von Pavia als allgemein anerkanntes
Zahlungsmittel auf. ß)
Über die Handelsinteressen Luccas erhalten wir die wichtigsten Auf-
schlüsse durch das Privileg, das Kaiser Heinrich IV. vor Rom den Bürgern
von Lucca am 23, Juni 1081 verliehen haf^), zu einer Zeit, wo es wichtig
genug für ihn war, die erst am Ende des vergangenen Jahres zu ihm über-
getretene Stadt in der Treue zu erhalten. Deutlich tritt uns entgegen, wie
sich Luccas Handelsinteressen einerseits auf die Verbindung mit der See,
andererseits auf die nach Rom führende Hauptstraße konzentrierten.
1) Mirac. s. Fidis p. 93 f.
*) Um 1092 z. B zahlreiche Wallfahrer aus Arezzo : Murat. Antiqu. V, 219.
=•) Hugo, Sohn des Leo de B., 4. März 1074. Fiorentini F. M., Memorie della
gran contessa Matilda, ed. 2, cur. da Mansi. Lucca 1756, II p. 112. Overmann 132
reg. no. 20. Guido de Vabilonia und sein Bruder Leo als Freunde des Iudex Ma-
riano von Torres in der oben angeführten sardischen Urkunde. Gar zu unsicher
erscheint mir die Vermutung Heyds I, 124, daß jenes von Gisulf in Salerno fest-
genommene Schiff aus der Levante gekommen sei.
*) Die »pigmenta«, die Davidsohn I, 138 A 2 unter den in Val d'Elsa üb-
lichen Abgaben für den Anfang des 11. Jahrhunderts nachgewiesen hat, sind sicher
auch über Pisa in das Binnenland gekommen.
') Vgl. Jung p. Iff. über Lucca als Hauptstadt von Tuscien.
«) Arch. Rom. XXH (1899), 432 f. Über das Münzwesen Luccas im allg.
Massagli in den Memorie di L., XI, parte 2. Lucca 1870.
') Es ist also etwas älter als das pisanische Privileg. Ficker IV no. 81 p. 124
St. 2883. Overmann 149. Meyer v. Knonau III, 394,
Binnenländisches Toskana, insbesondere Lucca. 59
In ersterer Beziehung hatte es mit dem Bestreben Pisas zu kämpfen,
Lucca von jedem direkten Handelsverkehr mit dem Meere abzuschließen.
Inwiefern dieser Punkt, außer den üblichen Grenzstreitigkeiten, schon bei
den Kämpfen mitspielte, die Lucca in den Jahren 1003 und 1054, allerdings
nicht mit Glück, gegen Pisa ausgefochten hat^), können wir bei dem
Lakonismus der Quellen nicht sagen. Nun, da beide Städ^ kaiserlich waren,
kam Heinrich IV. den Wünschen der Lucchesen so viel wie möglich ent-
gegen; die Pisaner wurden dafür durch die weitgehendsten Zugeständnisse
auf and-eren Gebieten entschädigt. So erhielten die Lucchesen Freiheit vom
Uferzoll in Pisa und seiner Grafschaft zugesichert; außerdem aber ließen
sie sich vom Kaiser verbriefen, daß, wenn Kaufleute zu Schiff in den
Serchio oder das Flüßchen Motrone in der Absicht einliefen, mit ihnen
Handel zu treiben, weder diese selbst noch sie, die Lucchesen, auf See oder
in den genannten Flüssen irgendwie belästigt werden dürften Offenbar
richtete das seine Spitze gegen Pisa; mit dem kleinen Hafen Motrone an
der Mündung des gleichnamigen Flüßchens, dem einzigen, den Lucca
besaß, hat es auch später noch öfter selbständigen Anteil am Seehandel zu
gewinnen gesucht, während es bezüglich der Nutzbarmachung des ganz auf
pisanischem Gebiet fließenden unteren Serchio für seinen Handel von dem
guten WiUen Pisas abhängig blieb.
41. Noch wichtiger war für Lucca die Hauptpilger- und damit auch
Handelsstraße, die vom mittleren und oberen Pogebiet und weiter von
den Zentral- und Westalpen her über den La Cisa-Paß (Mons Bardonis) unter
dem Namen der via francisca oder regia nach Pontremoli, Luni und
Lucca führte und von hier, den Arno bei Fucecchio kreuzend, über Siena
nach Rom weiter ging. ''^) Es handelt sich um den Verkehr auf dieser
Straße, wenn das Privileg Heinrichs IV. den Lucchesen Befreiung von der
Marktabgabe (curatura) auf allen Märkten zwischen Pavia und Rom, ein-
schließlich dieser Orte selbst, zugestand. ^) Ausdrücklich wurde den Lucchesen
ferner, offenbar auf ihren besonderen Wunsch, die Erlaubnis zu Kauf und
Verkauf auf den Märkten von Borgo San Donnino und Coparmuli gewähr-
leistet, während die Florentiner, die auf der päpstlichen Seite standen,
ebenso ausdrücklich von diesen Märkten ausgeschlossen wurden. In Borgo
San Donnino trafen die lucchesischen Kaufleute die nach dem Süden
Ziehenden an der Stelle, wo sich die nach ihrer Heimat gehende La Cisa-
straße von der nach Südosten, nach Reggio, Modena, Bologna weiterführenden
alten via EmiUa trennte; in Coparmuli dagegen erreichten sie die wichtige
Wasserstraße des Po.^) Diese beiden Märkte haben also offenbar in dieser
») Ann. pis. zu 1004 und 1055 ; SS. XIX, 238. Davidsohn I, 198
*) Die Straße über den M. Bardone ist neuerdings eingehend von Schütte,
der südhche Teil der Frankenstraße von Lucca bis Rom im Anschluß an das Itinerar
des Erzb. Sigeric von Canterbury von Jung behandelt worden.
') Jung p. 9 schließt aus dem Ausdruck: »Perdonamus illis . . . et c ura iu-
ra m a Papia usque Romam«, daß Lucca durch das Privileg Heinrichs IV. die
Herrschaft über (Ue Straßen von Pavia nach Rom gewonnen habe.
■•) Davidsohn I, 266 A. 3 hat den unglücklichen Gedanken gehabt, die Existenz
von Coparmuli leugnen zu wollen; Meyer v. Knonau III, 394 A. 83 hat die >erwün8chte
Berichtigung« angenommen. Indessen war C. damals wirklich der Pohafen von
Parma, an der Mündung des gleichnamigen Flüßchens, wie schon der Name an-
gibt (Caput Parmuli wie Cotrebia an der Mündung der Trebbia). Noch 1285 werden
zwei Türme gebaut >in egressu fluminis Parmae apud (-olurnium sive Coparmulum«
(Salimbene Chron. in Mon. Hist. Parm. III, 342). S. auch Jung in der Besprechung
von Schütte, MJÖG XXHI, 310.
60 Fünftes Kapitel.
^1
älteren Zeit für den Handelsverkehr Luccas mit den Gebieten jenseits
Apennin besondere Bedeutung gehabt. Andererseits kam den Lucchesen sehr
viel darauf an, ihrer Stadt den gewinnbringenden Fremdenverkehr auf dieser
Hauptstraße zu erhalten. Daher bedrohte das Privileg mit strenger Buße
diejenigen, die es unternehmen würden, die Kaufleute, die auf der von
Luni kommenden Heerstraße nach Lucca wollten, irgendwie an diesem
Wege zu behindern, sie anderswohin zu geleiten oder sie zu zwingen, den
Weg zur Linken einzuschlagen (ad sinistrum eos retorqueat). Es sollte also
keinerlei Zwang auf die von Norden kommenden Fremden in der Richtung
ausgeübt werden dürfen, daß sie mit Vermeidung Luccas entweder den
direkten Weg auf Pisa verfolgten oder sich links durch die Garfagnana (das-j
obere Serchiotal) über Pistoja nach Florenz wendeten.
Im übrigen spricht es für die Bedeutung, die der Fremdenverkehr für^
Lucca hatte, daß man im Jahre 1070 in den neuerrichteten Baulichkeiten,
die den Immunitätsbezirk der von Bischof Anselm (dem älteren) neuerbauten
Martinskirche umgaben, ein Hospiz einrichten ließ ; der mittlerweile zum Papst
erhobene Anselm (Alexander IL) bedrohte jeden mit dem Bann, der es
wagen sollte, es seiner Bestimmung zu entfremden, i) In dem eingefriedeten
Raum hatten Wechsler und Spezereiwarenhändler ihre Stände; um die
ReelUtät des Geschäftsverkehrs zu sichern, nahm die kirchliche Behörde ^^
ihnen allen (qui ibi ad cambium aut ad species stare voluerint) einen feier-^^Hj
heben Eid ab, sich innerhalb des Freihofes wie der Fremdenherbergen ^^'
keinerlei Unredlichkeit zu schulden kommen zu lassen (quod ab illa hora
in antea nee furtum facient nee treccamentum nee falsitatem intra curtem
S. Martini nee in domibus Ulis in quibus homines hospitantur). Um dem
Publikum Vertrauen auf redliche Bedienung bei seinen Geldwechsel- und
Kaufgeschäften einzuflößen, brachte man zur Zeit des Bischofs Rangerius
im Jahre 1111 am Atrium der Kirche eine Inschrift an, die ihm von diesem
Eide, sowie davon, daß der Immunitätsbezirk unter gehöriger Bewachung
stehe und für gute Justiz gesorgt sei 2), Mitteilung machte. Von den Fremden
zogen Engländer und Nordländer besonders häufig diese Straße nach Rom;
wir hören, daß König Erich der Gute für freie Beherbergung und Bewirtung
armer nordischer Pilger in Lucca Sorge trug. 3)
Auch im Gebiet von Lucca war an dieser Straße für die Unterkunft
der Fremden gut gesorgt; so lag bei Porcari das Mathildenhospiz, und eben-
falls auf die Zeit der großen Gräfin geht das im folgenden Jahrhundert zu
besonderem Ansehen gelangte St. Jakobshospiz in Altopascio zurück. Eine
besondere Anziehungskraft für die Engländer erlangte Lucca dadurch, daß
Reliquien des hl. Edmund, die Abt Baldwin von S. Edmunds um 1071 von
1) Inschrift bei Bini I p. 91 : '
»Ipse domos sedes praesentes struxit et aedes
In quibus hospitium faciens terrena potestas
Ut Sit in aeternum statuens anathemate sanxit.«
Von Bini völlig mißverstanden. Schutzbrief Mathildes 1076 ; Overmann reg. no. 26.
Jung 81.
*) Sunt etiam insuper qui curtem istam custodiunt et qui quod male factum^
fuerit, emendare faciunt. Zum Schluß das Distichon :
Adveniens quisquam scripturam perlegat istam
De qua confidat et sibi nil timeat.
Bei Bini I, 90; mit kleinen Ungenauigkeiten auch bei Muratori Antiqu, II, 881 f.
») Werlauff p. 20. Riant 83, Schütte 32 f.
Binnenländisches Toskana, insbesondere Lucca. 61
Rom mitgebracht und der Martinskirche zur Aufbewahrung übergeben hatte i),
sich bald als wundertätig erwiesen.
42. Für den Handel Luccas mußte es von erheblicher Bedeutung sein,
daß sich hier ungewöhnlich früh eine stärkere industrielle Tätigkeit ent-
wickelt hat. Die Kunst, Gold und Silber zu feinen Blättchen und Fäden
zu verarbeiten, sowie die verschiedensten Arten von Vergoldung auszuführen,
scheint hier schon im 9. Jahrhundert geübt worden zu sein ; aus diesem
Jahrhundert stammt wenigstens das Manuskript einer au.sführlichen, auf die
Alexandriner zurückgehenden technischen Abhandlung über solche Arbeiten,
das in der Kirche San Frediano aufbewahrt wird; die Lucchesen sind ja
auch später die Lehrmeister der Herstellung des Goldbrokats geworden. 2)
So hat sich hier wohl eine spezielle Industrie vom Altertum her durch die
langobardische und fränkische Zeit hindurch in ununterbrochener technischer
Tradition bis in die späteren Zeiten des Mittelalters fortgepflanzt.
Aber auch die Tuchfabrikation wurde in Lucca ^) eifrig gepflegt. Wenn
wir für Pisa nicht mit voller Sicherheit sagen können, ob die wollenen
Tücher, die Monte Cassino hier einkaufte, auch i)isanisches Fabrikat waren
(so wahrscheinlich es auch ist), so werden in einer Urkunde des Bischofs
Teudigrim vom August 983 unter den Zehnten der Kirchen S. Gimignano
in Saltucchio und S. Maria in Sesto auch Tuche (drappi) aufgeführt^), bei
denen es sich dem Zusammenhange nach nur um eigene Fabrikate handeln
kann. 5) Allerdings wollte man sich in Lucca mit den aus der heimischen,
nicht gerade wertvollen Wolle hergestellten Erzeugnissen nicht begnügen;
am Ende unseres Zeitraums führt Rangerius, der Biograph des hl. Anselm,
unter den Zeichen der verderbUchen Zeitrichtung, die dieser habe bekämpfen
müssen, an, daß die Lucchesen im Luxus so weit gingen, die Moden der
Franzosen nachzuahmen und Stoffe aus fremder Wolle zu tragen. ^) Anderer-
seits ist bemerkenswert, daß im Ruodlieb, jenem um 1030 wahrscheinhch
im Kloster Tegemsee entstandenen Abenteuerroman, der uns die feinere
ritterhche Kultur der Zeit so lebhaft vor Augen stellt, auch feine Schenkel-
binden aus Lucca erwähnt werden, die also schon damals ihren Weg bis
nach Deutschland fanden. '^)
») Jung p. 78 u. 26.
*) Muratori Antiqu. 11, 365 — 388; ein kleiner Teil davon nach einer Copie
Girys bei Fagniez 1 no. 94 p. 53. Schulte I, 137.
'') Bini I, 16 sieht als Erzeugnisse der lucchesischen Textilindustrie auch die
zu kirchlichem Gebrauch bestimmten Luxusstoffe an, die Ghisulf, Simeons Sohn,
in einer Urkunde vom März 846 dem Bischof Ambrosius von Lucca jährlich zu
liefern versprach, so lange die Äbtissin Hildegund das Petrikloster innehabe (uno
vestito caprino testo in sirico et uno täppite et unum durgantin) Mem. di Lucca
IV, 2 p. 40 no. 30. Aber der an letzter Stelle genannte Stofif von Urgendsch beweist
deutlich genug, daß es sich um importierte Fabrikate handelt. Karabacek 44.
*) Mem. di Lucca V, 3 (1841) p. 441 no. 1557 ; fünf Jahre später unter Bischof
Isalfred wiederholt ; ebd. 512 no. 1631. Vgl. Bini I, 16.
') Die Behauptung von Doren p. 14, daß für Lucca Dokumente von 846 und
983 bewiesen, daß damals Seidenstoffe und mit Seide durchwirkte Wollenstofte dort
in größerer Menge gefertigt wurden, kann ich darnach nicht begründet finden.
^) At i)rimo cultus imitari Francigenarum — Gloria, et ignotae quaerens vellus
Ovis — Tonderi non arte sua, non denique gentis, — Unna aut ritus, aut prohibenda
sequi etc. p. 157. Davidsohn I, 344 f.
') Breßlau II, 340. Schulte I, 70.
62 Fünftes Kapitel. Binnenländisches Toskana, insbesondere Lucca.
Wenn Rangerius das damalige Lucca als in Luxus versunken (luxuriata)
anklagt, so ist das natürlich eine Auffassung, die nur aus der ganz von
mönchischem Geiste erfüllten Richtung des Verfassers verständlich wird;
um so mehr macht es aber den Eindruck der Echtheit, wenn er Lucca
wegen seines Wohlstands, seiner Fülle von Wein und Öl, seiner Lage und
seines Äußeren preist i) :
»Urbibus in Tuscis non est opulentia major
Non major vini copia, non olei.
Grata situ, specie mirabilis, ut paradiso
Si dici liceat, non nimis invideat.«
Nennt doch auch der französische Geschichtsschreiber, der mit den
ersten Kreuzfahrern seiner Nation auf dem Wege nach Rom hier durch-
gekommen ist, Lucca eine urbs nominatissima. 2) Auch zu freier kommunaler
Bewegung war Lucca, wie das benachbarte Pisa, damals schon gelangt; an
zwei Stellen seiner Biographie des hl. Anselm wird das Kollegium der
städtischen Konsuln Luccas von Rangerius erwähnt.^)
43. Florenz war im 11. Jahrhundert in allmählichem Aufschwung
begriffen; doch war seine Bedeutung für den Handel noch gering. Im
Jahre 1018 erfahren wir zuerst von der Existenz eines zweiten Marktplatzes,
des Mercato nuovo oder Mercato di Por Santa Maria, neben dem aus dem
altrömischen Forum entstandenen ; und wenig später richtete Bischof
Hildebrand einen Jahrmarkt in unmittelbarer Nähe der Stadt ein, dessen
Erträgnis er im April 1024 dem Kloster San Miniato überwies.*) Vom
auswärtigen Handel der Florentiner erfahren wir nur durch das Privileg
Heinrichs IV. für Lucca (1081) etwas; ihr dort stipulierter Ausschluß von
den Märkten von Coparmuli und San Donnino^), die sie wohl auf dem
Wege über Pistoja aufzusuchen pflegten, kann um so weniger von Dauer
gewesen sein, als des Kaisers Macht mit seinem Abzug aus Italien (1084)
allenthalben zusammenbrach ; die feste Haltung, die Florenz auf der Seite des
Papstes und der mächtigen Markgräfin Mathilde gezeigt hatte, ist sicher der
Entwickelung seines Handels in Toskana wie jenseits des Apennin wesentlich
förderlich gewesen.
Sonst können wir von toskanischen Orten in dieser Zeit nur mehrfach
das Vorhandensein von Märkten nachweisen, so in Privilegien für das
Bistum Luni in Luni selbst und in Ceperana, ferner einen Markt zu Arezzo,
der in missa s. Ilariani abgehalten wurde und den dortigen Kanonikern
verliehen war; die im 9. Jahrhundert nachweisbaren Jahrmärkte von Volterra
werden wohl auch in der folgenden Zeit noch fortbestanden haben, ß)
') Rangerius p. 152.
*) Fulcherius Carnot. I, 7 (Rec. Crois. Occid. III, 329).
8) Rangerius p. 180 ; SS. XXX v. 5326 u. 5344. Meyer von Knonau IV, 142
A. 58 setzt auseinander, daß diese Stellen sich entweder auf 1086 oder auf das
Jahr 1092 oder doch eines der nächsten Jahre beziehen. Im Jahre 1124 soll sich
dann Lucca nach gewöhnlicher Annahme des ungewöhnlichen Reichtums von
60 Konsuln erfreut haben; Chart. 11 no. 162, p. 204: Convenerunt itaque ad eccl. s
Alexandri sexaginta fere pred. civitatis consules etc. Indessen ist statt sexa-
ginta fere zu lesen sexta feria, wie aus der Parallelstelle p. 206: Sexta feria
igitur veniente pred. consules in pred. eccl s. Alexandri etc. hervorgeht.
*) Davidsohn I, 137.
») § 41.
*) Dipl. O I (Mai 963) no. 253 f. Hartmann 98. In Monte Amiata war, wie auch
sonst meistens, der Sonnabend der Tag des Wochenmarkts. Murat. Antiqu. 11, 869.
Sechstes Kapitel. Genua. 63
Sechstes Kapitel.
Genua.
44. Nahe dem nördHchsten Punkte, den das Westbecken des
Mittelmeers erreicht, und damit an der Stelle der größten Annäherung
desselben an das Innere von Mittel-Europa gelegen, von seinem näch-
sten Hinterlande, Piemont und der westlichen Lombardei, zwar durch
die den Ligurischen Golf einfassenden Bergketten geschieden, aber doch
nur so, daß mehrere verhältnismäßig bequeme Pässe ^), unter ihnen
namentlich die Bocchetta, den Verkehr desselben, soweit er dem Tyrr-
henischen Meere zustrebte, vorzugsweise auf diesen Platz hinlenkten,
dazu mit einem vortrefflichen Seehafen ausgestattet, besaß Genua alle
natürlichen Bedingungen für die Entwickelung einer lebhaften Handels-
tätigkeit.
Aber die langobardische Eroberung traf Genua besonders hart; als
König Rothari die ligurische Küste eroberte, ließ er die Mauern Genuas
schleifen und beraubte es seiner Eigenschaft als Stadt (641). 2) Sicherlich
kam es trotzdem, von der Gunst seiner Lage unterstützt, allmählich wieder
empor, aber die Sarazenenzeit hemmte die Entwickelung Genuas von neuem.
Schon im Jahre 806 fand Ademar, der fränkische Graf von Genua, im
Kampfe mit den Sarazenen seinen Tod 3); oft genug wurde seitdem auch
die ligurische Küste das Ziel ihrer Plünderungsfahrten, und auch Genua
selbst ist im Jahre 935 4) die Beute eines räuberischen Überfalls einer aus
Afrika gekommenen Flotte geworden; ein furchtbares Blutbad wurde unter
den Einwohnern angerichtet, Stadt und Kirchen ihrer Schätze beraubt.
Auch durch die Sarazenen, die sich in der benachbarten Provence festgesetzt
hatten 5), muß Genuas Handel damals schwer gelitten haben.
Doch erst im IL Jahrhundert tritt uns die Entwickelung Genuas
etwas deutlicher entgegen; noch spärlicher wie bei Pisa fließen hier
die Quellen. Fast immer erscheint es in dieser Zeit in Beziehungen,
sei es feindlichen oder freundlichen, zu Pisa, an dem es bei allen Äuße-
rungen seiner Handelstätigkeit, soweit sich diese nicht auf sein Hinter
land bezog, einen natürlichen Rivalen hatte, neben dem es zunächst
noch, aber doch allmählich stärker emporstrebend, in zweiter Linie
stand.
45. An den sardinischen Kämpfen der Pisaner gegen Mogehid
hatte Genua rühmlichen Anteil genommen (1015/16), indessen vor der
Übermacht der Pisaner zunächst von der Insel weichen müssen. ^) Natürlich
gab Genua deswegen sein Streben, an der kommerziellen Ausbeutung der
1) Schulte I, 18.
*) Sieveking I, 1. Manfroni 22.
') SS. I, 193. De la Ronciäro : Charlemagne et la civilisation maritime in Le
Moyen Age X (1897) 207.
*) Liutpr. Antapod., SS. DI, 316. Sigeb. cron., SS. VI, 347. Amari Musulm. H,
179 f. Manfroni 60 f.
•) § 72.
•) § 36.
64 Sechstes Kapitel.
Insel teilzunehmen, nicht dauernd auf; der vom Ende des Jahrhunderts
stammende genuesische Zolltarif zeigt uns, daß der Export von Salz aus
Sardinien etwas durchaus Gewöhnliches war; jedes genuesische Salzschiff,
das von Sardinien kam, hatte einen Malter (modium) Salz in natura
abzuliefern, i)
Nicht minder mußten die Handelsinteressen der Rivalen auf der ihnen
beiden vor der Tür gelegenen Insel Korsika einander gegenübertreten;
hierin liegt wohl die Hauptursache ihrer heftigen Kämpfe, von denen uns
im 7. und 8. Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts, allerdings nur in sehr frag-
mentarischer Weise, berichtet wird. 2)
46. Genuas Beziehungen zu Unter-Italien, zu den Normannen
und den Sarazenen waren den pisanischen durchaus analog. Ein Genuese
Bonomilus, des Abentius Sohn, erscheint 1059 in Atrani angesessen 3), und
die Gewalttaten Gisulfs von Salerno trafen die Genuesen nicht minder wie
die Pisaner, ja er behandelte sie, wie Aime sagt, noch schhmmer wie diese 4);
ein genuesisches Handelsschiff, das die Piraten Gisulfs eingebracht hatten,
erklärte dieser nicht nur für gute Prise, sondern zwang alle in seine Gewalt
geratenen Genuesen, ihre sämtlichen Häuser, Grundstücke und sonstige
Habe in Genua verkaufen zu lassen und ihm den Erlös als Preis für ihre
Freilassung auszuliefern. Das freundschaftliche Einvernehmen der Genuesen
mit den Normannen wird durch ihr Verhalten beim ersten Kreuzzuge am
besten bewiesen. Mit Gaeta muß Genua gegen Ende des Jahrhunderts
einen besonderen Vertrag gehabt haben, da die Gaetaner in Genua wenigerj
zu zahlen hatten als alle ihre Nachbarn, s)
Wenn die Genuesen trotz der sardinischen Erfahrung von 1016 im
Jahre 1087 mit den Pisanern gegen die Sarazenen von Mehdia gemeinsame
Sache machten ^), so sind sie sicher durch gewichtige Handelsinteressen dazu
bewogen worden ; die errungenen Handelsvorteile kamen ihnen in gleicher
Weise wie den Pisanern zugute. Einige Jahre darauf (1092 oder 1093)
unternahmen sie im Bunde mit den christlichen Fürsten Spaniens und, wie
es scheint, nunmehr ihrerseits von den Pisanern unterstützt, einen Seezug
gegen die spanischen Sarazenen, der indessen nach einem mißglückten
Versuch auf Tortosa ergebnislos verlief. '^)
47. Für den Handelsverkehr der Genuesen in der Levante besitzen
wir eine ebenso interessante wie wichtige Nachricht. Der großen, gegen
I
1) Lib. Jur. I. no. 23.
3) Ann. pis., SS. XIX 239.
8) Cod. Cav. Vni p. 117.
") Aime p. 324.
*) Lib. Jur I no. 23. Oben S. 89.
•*) Der pisanische Dichter (Du Meril p. 242) rühmt: »Convenerunt Genuenses
virtute mirabili, Et adjungunt se Pisanis amore amabili.« Oben § 24.
^) Kurze chronologische Notiz am Anfang der Annalen Caffaros (Ann. ge-
nov. I, 13): 1093. Primus exercitus Tortuose (also mit Beziehung auf die Expe-
dition des Jahres 1148). Genaueres aus arabischen Quellen bei Dozy R. : Recherches
sur l'histoire et la litterature de l'Espagne musulmane. Ausgabe von 1860, Bd. II,
150 und App. p. XXni, XXVII und LX, wo die Unternehmung ins Jahr 1092
gesetzt ist. Vgl. dazu Amari, Dipl. arabi p. XX, der die Notiz Caftaros aber merk-
würdigerweise trotz seiner Kenntnis der arabischen Quellen auf das syrische Tor-
tosa beziehen will , wie von den Neueren auch Hagenmeyer, Gesta p. 427 und
Röhricht, Jerusalem S. 33 Anm. 4 tun. Richtig dagegen Belgrano , ann. genov. I
p. LIV und Manfroni 103.
Genua. 65
7000 Teilnehmer zählenden Pilgerfahrt, die unter Führung des Erzbischofs
Siegfried von Mainz im November 1064 Deutschland verließ, hatten sich
auch etwas über 30 französische Normannen angeschlossen, unter ihnen
der am Hofe Herzog Wilhelms lebende Kleriker Ingulf, der 1076 Abt von
Croyland wurde und später eine Geschichte der Äbte dieses Klosters ver-
faßt hat, was ihm Gelegenheit gab, auch seine eigenen Geschicke in Kürze
zu behandeln. Während die Deutschen nun nach den schwersten Mühsalen
(nur 2000 waren noch übrig) wieder auf dem Landwege heimkehrten,
schlugen die Normannen den Seeweg ein. Als sie im Frühjahr 1065 in
Joppe weilten, erschien hier eine genuesische Handelsflottille, die die See-
plätze Syriens bereits der Reihe nach besucht und die mitgebrachten Waren
gegen die Waren der Levante eingetauscht hatte; nur die heiligen Stätten
wollten die Kaufleute vor ihrer Heimkehr noch - aufsuchen. Mit dieser
Flottille traten Ingulf und die Seinen von Joppe aus die Heimfahrt an,
ließen sich aber schon in Brindisi an Land setzen, um von hier aus die
Reise zunächst nach Rom fortzusetzen, i)
Dieser Bericht zeigt uns also die Genuesen in völlig geregelter Handels-
tätigkeit an der syrischen Küste, durchaus ungehindert ihren Geschäften
nachgehend. Gerade damals war aber auch die Zeit für einen derartigen
Handelsverkehr außerordentlich günstig; der Fatimidenkalif El-Mustansir
zeigte sich den Christen ungewöhnlich freundlich gesinnt, so daß er den
Christen Jerusalems im Jahre 1063 sogar ein eigenes Stadtviertel eingeräumt
hatte 2); auch den Amalfitanern hat er seine Gunst in besonderem Maße
bewiesen. Allzulange dauerte freilich diese für die Entwickelung des Handels
so vorteilhafte Periode nicht; vielmehr begann mit der Eroberung der
Seldschukken eine Zeit schlimmerer Christenfeindschaft als je vorher.
Wenn Papst Urban IL im Jahre 1096 noch von Frankreich aus die Bürger
Genuas bat, dem Heiligen Lande zu Hilfe zu kommen 3), so rief er sie
damit nicht auf völlig ungewohnte Pfade, vielmehr galt es für sie, außer
dem reUgiösen Interesse, auch Handelsvorteile wiederzugewinnen, die sie
schon besessen, und wenn möglich weitere zu gewinnen.
48. Über den Verkehr fremder Händler in Genua am Ende unserer
Periode gibt uns ein aus dieser Zeit stammender Abgabentarif 4) einigen
*) Hist. abbat. Croyland. in Rer. Anglicarum SS. ed. Savile, Frankfurt 1601
p. 904. Die Hauptstelle lautet: »Vere accidente stolus navium Januensium in i)ortu
Joppensi applicuit ; in quibus, cum sua mercimonia christiani mercatores per civitates
raaritimas commutassent et sancta loca similiter adorassent, ascendentes omnes mari
nos commisimus.« S. Heyd I, 124. Schilderung des Pilgerzuges bei Meyer von
Knonau I, 390 E., 445 ff. Die Darstellung Ingulfs ist mehr als 20 Jahre nach den
P^reignissen verfaßt (p. 908 wird das Jahr 1085 erwähnt) ; sie zeigt, worauf Meyer
p. 449 aufmerksam macht, insofern einen bedenklichen Irrtum, als nach ihr die
deutschen Bischöfe auf der Heimkehr bis Rom mitgekommen sein sollen, während
sie in Wirklichkeit wieder über Konstantinopel gegangen sind.
*) Röhricht, Erster Kreuzzug p. 11 f.
^) J. 5651. Bloße Legende ist die Erzählung von der einige Jahre vor dem
ersten Kreuzzuge unternommenen Pilgerreise, die Gottfried von Bouillon und den
Grafen von Flandern auf dem genuesischen Schiffe »Pomella« nach Alexandrien,
von da nach den heiligen Stätten und wieder nach Genua zurück geführt haben
soll. Cafari de Uberatione civitatum Orientis liber ; SS. XVIII, 40. Heyd I, 124.
*) Dieses >Breve recordationis de dacito quod debent dare forici homines qui
veniunt Januam pro mercato« (Lib. Jur. I no. 23) ist zwar erst 1128 aufgezeichnet;
daß seine Sätze aber auf das 11. Jahrhundert zurückgehen müssen, hat man mit
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 5
66 Sechstes Kapitel. Genua.
Aufschluß. Was den Seeverkehr anbetrifft, erscheint es als Prinzip des
Tarifs, daß von den Ankommenden eine Kopfsteuer erhoben wurde, die
zonenweise mit der Entfernung zunahm. So zahlten die Anwohner der
Riviera ostwärts bis zum Golf von Spezzia und westwärts bis Noli nur einen
alten pavesischen Denar, die Bewohner von Albenga und Ventimiglia 4 den.
pro Kopf, während die Nizzarden, jedenfalls auf Grund besonderen Ab-
kommens, privilegiert waren und nur 3 den, päp. zu zahlen hatten. Süd-
franzosen führt der Tarif überhaupt nicht auf; von Westen her erscheinen
nur noch die Barcelonesen auf dem Markt von Genua und auch diese nur
als Sklavenhändler ; sie hatten, um ihre Ware in Genua absetzen zu dürfen,
die hohe Abgabe von 60 den. pap. zu entrichten. Nach Osten hin endet
der Tarif mit Salerno; '^s verdient bemerkt zu werden, daß danach sara-
zenische Kaufleute nicht in Genua verkehrten. J||
Beim Landverkehr unterschied man nur zwischen Lombarden und»!
den jenseits der Alpen Wohnenden ; doch richtete sich hier die Abgabe nach
der Natur der importierten Ware, und zwar wurde sie nicht als Einfuhrzoll,
sondern als Verkaufsabgabe erhoben. Von jedem Roß, jedem Panzer oder
palliumi), die von Lombarden in Genua verkauft wurden, wurden 6 den. pap.
erhoben; bei Schwertern waren vom Hundert 3 in natura abzuliefern,
Häute und Felle zahlten 1 den. pro Stück. 2) In natura wurden ferner von
Süßwasserfischen 6 vom Hundert erhoben; offenbar galten sie als Luxus-
artikel; sonstige Lebensmittel, die doch sicher auch vom Binnenlande ein-
geführt wurden, werden nicht erwähnt, waren also jedenfalls mit Rücksicht
auf den in Genua dafür vorhandenen Bedarf abgabenfrei.
Für die Einfuhr von jenseits der Alpen her kamen nur . die Erzeug-
nisse der Textilindustrie in Betracht ; die homines de ultramontanis partibus
hatten beim Verkauf von Wollstoffen 6, von Garnstoffen 4 den. pap. ant.
pro Ballen zu entrichten. 3) Wir werden annehmen dürfen, daß diese
Importartikel schon damals für die Genuesen einen Gegenstand ihrer Ausfuhr
zur See gebildet haben.
49. Wie Pisa, so ist auch Genua in das Zeitalter der Kreuzzüge schon^
als eine Macht eingetreten, die das Selbstbestimmungsrecht in allen wich-
tigeren Äußerungen des staatlichen und kommerziellen Lebens errungen
hatte. Dem pisanischen Comune entsprach die genuesische Compagna
(auch wohl als communis compagna bezeichnet) in allen wesentlichen Be-
Recht daraus geschlossen, daß sie in alten pavesischen Denaren ausgedrückt sind,
einer Münze, die in Genua schon 1102 außer Kurs gesetzt wurde (Ann. genov. I, 13).
Sieveking I, 5. Schulte I, 106 f.
*) Die kostbaren Seidenzeuge (nach der Höhe der Abgabe kann es sich nu:
um solche handeln) , die Venedig aus Byzanz einführte, fanden also in dieser Zeit,
wo Genua noch keinen Verkehr mit Byzanz unterhielt, ihren Weg durch die Lom-
bardei hindurch bis Genua.
2) Für das bisher nicht erklärte »de coto«; lese ich »de coio« (corio ;= cuojo),-
so daß es sich also an dieser Stelle um die Einfuhr des wichtigsten Rohprodukts
für die Lederindustrie handelt.
*) Sowohl Schulte I, 107 wie Sieveking I, 5 deuten den torsellus lanicus um
den torsellus de canabatiis auf die Rohprodukte Wolle und Hanf. Indessen müßte
man dann doch die Formen torsellus lanae oder de lana, canabis oder de canabi
erwarten. Entscheidend ist aber, daß bei solcher Auffassung gerade der für den
Import von jenseits der Alpen fraglos wichtigste Artikel, die Tuche selbst, im Tarif
fehlen würden; daß sie etwa abgabenfrei geblieben wären, wird man wohl nicht
behaupten wollen. Die Einfuhr jener Rohprodukte von jenseits der Alpen nach
Genua muß für diese Zeit noch als durchaus ausgeschlossen gelten.
Siebentes Kapitel. Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 67
Ziehungen ; sie umfaßte alle wehrfähigen Elemente des Staats ; wer ihr nicht
angehörte, war vom Handel Genuas und jeder Beteiligung an demselben
ausgeschlossen, i) Sie konstituierte sich alle drei bis vier Jahre unter selbst-
gewählten Konsuln aufs neue; erst 1122 nahm man hier die in Pisa, wie
es scheint, von Anfang an übhche jährHche Periode an. Es liegt wohl nur
an der mangelhaften Überlieferung, wenn die für die errungene städtische
Freiheit bezeichnende Behörde der Stadtkonsuln in Genua erst für das Jahr
1098 nachweisbar ist. 2)
Siebentes Kapitel.
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen.
50. Während des 9. Jahrhunderts konnte das Binnenland von
Ober-Italien als ein begünstigtes Gebiet erscheinen, da es weder den
Angriffen der Sarazenen, noch -denen der Normannen ausgesetzt war.
Doch war der mit den schwersten inneren Wirren verbundene Ver-
fall der fränkischen Herrschaft, besonders seit dem Tode Ludwigs IL,
dem Gedeihen des friedlichen Handels sehr ungünstig; selbst die
Hauptstraßen des Landes gerieten in schlimme Verfassung und wur-
den unsicher ; gelegentlich machten sogar große Grundherren mit or-
ganisierten Räuberbanden gemeinsame Sache. ^)
Diese Dinge mußten sich erheblich verschlimmern, als mit dem
Ende des Jahrhunderts die furchtbaren Plünderungs- und Verwüstungs-
züge der Magyaren einsetzten.'')
Im August 899 erschienen sie zuerst sengend und raubend in Italien
und drangen bis Pavia vor; das Heer Berengars, das sie auf dem Abzüge
bedrängte, erlitt am 24. September 899 an der Brenta eine furchtbare Nieder-
läge ; die Sieger kehrten um und verwüsteten nun systematisch das reiche
Land nördlich und südlich vom Po. Klöster wie Nonantola, Städte wie
Bergamo, Reggio, Modena erlagen ihnen; nur die mit besonders starken
Mauern versehenen hielten stand. Erst im Juh 900 verließen die Horden
das grausam verheerte Land 5); doch schon 901 brach ein neuer Schwärm
in dies lockende Gebiet ß), das nun über ein halbes Jahrhundert hindurch,
') Leges Municip. I, 242 (Breve Cons. 1143, rub. 13) . . . personam eins q u i
de communi comi)agna non fuerit et pecuniam suam per rnare non portet.
») Urkunde vom 23. April 1098 bei Olivieri in Atti Lig. I, 67 f. Über das
vermeintlich schon früher nachweisbare Vorkommen genuesischer Konsuln Heyck
34 f., der indessen mit Unrecht auch die Konsuln von 1098 beanstandet. Über die
genuesische Comi>agna im allgemeinen Heyd I, 132. Heyck 9 ff. (mit Literatur)
Sieveking I, 1-21; besonders p. 14 f. Manfroni 85 ff.
») Düramler m, 8 f. Giesebrecht I», 351 f., 354.
■*) Eine besondere Behandlung haben dieselben in neuester Zeit erfahren
durch G. Bisoni : Gli Ungheri in Italia, in : La Scuola Cattolica e la scienza ital.,
ser. 3, XIX (Mailand 1900), 269 ff., XX (1900), 124 ff, 285 ff., 552 ff. Er erklärt
(XIX, 270) 11 Einfälle für sicher, ungerechnet die bloßen Durchzüge bei den Ein-
fällen nach Frankreich und ohne die Möglichkeit auszuschließen, daß ihre Zahl (wie
auch ich annehme) größer gewesen.
*) Dümmler m, 507—510. Bisoni § 1: prima irruzione (XIX, 270 ff.).
«) Dümmler III, 530 A. 3. Liutprand, Antapod. II c. 7 läßt die Magyaren
reden von den oi)es Italiae, quot toto in orbe nee vidimus nee videro speravimus.
5*
68 ' Siebentes Kapitel.
wenn auch mit Unterbrechungen, unter der furchtbaren Geißel dieser Ein-
fälle i) zu leiden hatte. Wohl suchte Berengar durch Tributzahlungen die
Feinde fernzuhalten, während das Land gleichzeitig durch Anlegung zahl-
reicher 2) Befestigungen gesichert werden sollte; andererseits scheute er sich
nicht, sich des Beistandes ihrer wilden Scharen gegen seine Gegner zu be-
dienen. Ihm selber zum Unheil; am 12. März 924 ging der glänzende
Königssitz der Langobarden, das feste Pavia, unter den Händen seiner
Bundesgenossen in Flammen auf und unterlag einer vollständigen Aus-
plünderung. 3) In den dreißiger Jahren wurden die Einfälle der Magyaren
in Italien noch häufiger ; 947 erkaufte Berengar von Ivrea von ihrem Könige
Taxis Schonung für sein Gebiet durch einen Tribut von zehn Scheffeln
Münzen; noch 954 nahmen sie, von Frankreich und Burgund kommend,
ihren Rückweg durch die Lombardei. 4)
Lange haftete der Name der furchtbaren Feinde an zahlreichen Ört-
lichkeiten. Ober-Italiens ; eine Ungarnstraße gab es im östHchen Friaul, wo
ihre Haupteinbruchspforte gewesen ß), eine ebensolche aber auch im Bolog-
nesischen^); ja im Gebiet des Tanaro hat sich die Bezeichnung »costa
Ungaresca« bis auf den heutigen Tag erhalten. 7)
Und wenn der hohe Gebirgsrand Ober- Italiens im Westen und Norden
naturgemäß von den Reiterscharen der Magyaren weniger zu leiden hatte,
so traten hier für die Strecke von den Meeralj^en bis nach den Bündner
Alpen hin die Sarazenen von Fraxinetum ergänzend ein, die nicht nur
jeden Handelsverkehr über die Alpen im höchsten Grade gefährdeten,
sondern auch das Vorland der Alpen übel heimsuchten. 8) Das im Tale
von Susa gelegene große und berühmte Kloster Novalese wurde am Anfang
des 10. Jahrhunderts von ihnen völlig zerstört und mußte, um Sicherheit
vor ihnen zu gewinnen, nach Breme östlich der Sesiamündung verlegt
werden ö); auch Acqui zerstörten sie und drangen auf ihren Plünderungs-
zügen selbst bis nach St. Gallen hin vor.
Wenn die Bevölkerung all diesen Leiden gegenüber doch eine zähe, |
freilich mehr passive als aktive Widerstandskraft bewährte, so liegt der
Hauptgrund dafür wohl darin, daß die ummauerten städtischen Ansiede-
lungen, die zum Teil gerade in dieser stürmischen Zeit vermehrt und ver-
II
^) Schon Bischof Salomon von Konstanz, der 904 Italien besuchte, sagt: In-
stant Italides spoliatae civibus urbes Ac desolati demptis cultoribus agri. Dümm-
1er E., Gesta Berengarii Imperatoris (Halle 1871) 51 A. 1. Liutp. Antap. II c. 4:
Neque erat qui eorum praesentiam nisi munitissimis forte praestolaretur in locis.
=') S. die Urkunden Berengars bei Schiaparelli no. 65, 84, 94, 102, 106, 112.
') Dümmler 1. c. 51 A. 4. Bisoni 1. c. XX, 287 f. Vgl. die Verse Liutprands
Antapod. HI c. 3 (SS. lH, 303 f.): Uritur infelix olim formosa Papia etc., Institor
heu faciem nullus deflectit ad aurum etc.
*) Bisoni 1. c. XX, 552 ff. Köpke-Dümmler 170, 235. Öhlmann in, 214, 218.
") Dipl. Ol no. 341, p. 467 (für Aquileja 967); Breßlau l, 485, 489 (Urkunde
Konrads n. von 1028); ein mons Ungarorum in der Valsugana: Hirsch I, 241. öhl-
mann IV, 248. Vgl. Bisoni 1. c. XIX, 272, 288 S.
«) Savioli I, 2, p. 118 f. (1074).
') Cipolla, Monum. Novalic. I, 138.
8) Liutpr. Antapod. V c. 9 (SS. III, 329) : montana quibus ab occidua seu sep-
tentrionali Italia cingitur parte, a Saracenis Fraxinetum inhabitantibus crudelissime
depopulantur. Dardanelli A. Invasioni arabe in Provenza, Savoia e Piemonte sul
finire del sec. IX e nel sec. X. Rom 1904. S. auch § 72.
9) Cipolla, Monum. Novalic. H, 260 f., 279, 245. Liutpr. Antap. H, 43 ; IV, 4.
Schulte I, 60 f. Poupardin 262, 265 f.
I
I
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 69
stärkt wurden 1), bei all den zahlreichen Überflutungen doch zum großen
Teile standhielten. So stark auch innerhalb dieser Mauern der Rückgang
des kommerziellen und industriellen Lebens sein mochte, die festen Punkte,
an die eine neu aufstrebende Entwickelung anknüpfen konnte, waren vor-
handen. Und bald nach der Mitte des 10. Jahrhunderts trat auch die ent-
scheidende Wendung zum Besseren ein. Der gewaltige Sieg Ottos des
Großen auf dem Lechfelde 955 setzte den Einfällen der Magyaren mit einem
Schlage und für immer ein Ziel; und wenn die Unsicherheit in den Alpen
auch noch eine Zeitlang (bis 973) fortdauerte 2), so gewährte die wenig
drückende Oberherrschaft der deutschen Könige dem Lande für mehr als
ein Jahrhundert eine verhältnismäßig nur selten unterbrochene Zeit des
äußeren und inneren Friedens, die dem Wiederaufblühen des Handels in
hohem Grade förderlich gewesen ist.
51. Dieses Wiederaufblühen zeigt sich namentlich in der Bele-
bung der Binnenschiffahrt auf der trefflichen Wasserstraße des
Po und seinen zahlreichen Nebenflüssen, die freilich der Schiffahrt
zum Teil größere Schwierigkeiten bereiteten, die Apenninzuflüsse durch
zeitweise Wasserarmut, die Alpenflüsse durch starkes Gefälle — aber
wo es immer anging, suchte man die Flußläufe bis in ihre äußersten
Verzweigungen hinein für den Warenverkehr nutzbar zu machen. Zu
diesen Wasserläufen traten hinzu die in ihrem unteren Laufe dem Po
stark angenäherte Etsch und die Küstenflüsse Venetiens.
Die Wichtigkeit der Hauptwasserstraße für den allgemeinen Verkehr
beweist schon der Umstand, daß die Ottonen stets diesen Weg eingeschlagen
haben, wenn sie von Pavia oder von Mantua aus nach Ravenna wollten ;
Liutprand von Cremona hat als Gesandter König Berengars die Fahrt von
Pavia nach Venedig zu Schiff in drei Tagen zurückgelegt. 3)
Für den Handelsverkehr im Mündungsgebiet des Po war Ferrara
seit dem Zurücktreten Comacchios*) der wichtigste Ort. Auf die über-
wiegende Bedeutung der Schiffahrt für diesen Platz gestattet es einen Rück-
schluß, daß wir den Markgrafen Bonifaz auf einem Poschiffe Gericht halten
sehen 5) und daß auf je zwölf Bürgern die Last ruhte, den Bischof wie die
Kanoniker ihrer Stadt in hergebrachten Grenzen kostenlos zu Schiffe zu be-
fördern, ö) Stromaufwärts verkehrten die Ferraresen mit ihren Waren bis
Pavia, stromab und von der Pomündung die Küste entlang bis Venedig;
hier wie dort hatten ihre Fahrzeuge nach der im Privileg Kaiser Heinrichs HL
von 1055 vorgenommenen Fixierung einen Uferzoll von 12 Denaren der an
diesen Orten kursierenden Münze zu entrichten, während das Ripaticum in
') Bisoni 1. c. XX, 129. Hartmann 121. Über die Leiden Italiens in dieser
Zeit vgl. die Schilderung bei Giesebrecht P, 352 ff., besonders 354.
») § 72.
3) Hartmann 74 A. 4. Liutpr., SS, HI, 337. Legat, c. 33 (p. 354) nennt er den
Eridanus den König der Flüsse Italiens.
■*) Comacchios Bedeutung gehört einer früheren Periode (bis etwa zum Ende
des 9. Jahrhunderts) an; s. hierüber Hartmann p. 74 — 90: Comacchio und der Po-
handel. Das Privileg Berengars für Nonantola (um 910) hebt als an der Binnen-
schiifahrt beteiligt die Bewohner von Pavia und Cremona, Ferrara und Comacchio
sowie die Venezianer besonders hervor. Schiaparelli no. 81.
») Ficker IV, no. 52 p. 75.
«) Dipl. OIU no. 275, p. 695 (998). Murat. Antiqu. VI, 223 (1055).
70 Siebentes Kapitel.
Ravenna für sie nur 2 den. ven. betrug. Für ihren Handel stromauf kamen
besonders Salz und Fische in Betracht (im Gebiet von Comacchio hatten
Bischof und Domkapitel von Ferrara auch Sahnen im eigenen Besitz i);
setzten die Ferraresen ihre Ware in Cremona ab, so hatten sie für das Faß
Fische 2 Mailänder Denare zu zahlen , während von der Salzbarke eine
Naturalabgabe von 2 oralia erhoben wurde. 2)
Als Pohafen fast kann das am Ausfluß des Gardasees, dem breiten
Mincio, gelegene Mantua angesehen werden, das in dem gleichen Jahre
wie Ferrara von Kaiser Heinrich HI. Privilegien erhielt. Während der
Bischof im Besitz der Uferrechte, des Uferzolls und der Pflockgebühr für
die Stadt und seinen Sprengel bestätigt wurde 3), befreite der Kaiser die
freien Bürger Mantuas und seines Gebiets von jeder Handelsabgabe in den
Plätzen am unteren Po, Ferrara, Argenta und Ravenna, sowie »in Summo
Lacu« am nördlichen Ende des Gardasees"*), eine Gunst, die dem Aufschwung
der Stadt sehr zustatten kam; »ex multis rebus dives satis ac speciebus«
wird sie von Donizo genannt. 5) ^11
Am mittleren Po war Cremona, das zugleich den Verkehr mit der-^"
unteren Adda vermittelte, für die Binnenschiffahrt von besonderer Wichtig-
keit. Mit dem Bischof, der auch hier das Stromregal besaß, lagen die
Bürger der emporstrebenden Stadt häufig in argem Streit. Von jedem
cremonesischen Schiffe beanspruchte der Bischof hier einen herkömmlichen
Jahreszins von 4 Metzen (orales) Salz, wie er von jeder Mühle einen
solchen von 5 Scheffeln Korn (granum modias 5) forderte — , ein sprechender
Beweis übrigens, wie überwiegend gerade die Bedeutung des Salzhandels im
Schiffsverkehr Cremonas gewesen sein muß. Außerdem stand ihm die Er-
hebung des Pflockgeldes mit 4 Denaren und des Uferzolls von allen in
Cremona anlegenden Schiffen zu. ß) Die Höhe des letzteren war wahr-
scheinlich nach der Herkunft der Schiffe verschieden bemessen (für Ferrara
lehrt sie uns das kaiserliche Privileg von 1055 kennen); in der Mitte des
9, Jahrhunderts war noch der volle Betrag des Zehnten erhoben worden 7),
so daß wir hier doch eine im Laufe der Zeit eingetretene sehr erhebliche
Ermäßigung wahrnehmen. Zum Teil ist sie gewiß auf die heftige Oppo-
*) Bischof Ingo von Ferrara schenkt seinem Domkapitel 1010 eine vollstän-
dige Saline daselbst mit allem Zubehör. Murat. Antiqu. V, 419.
2) Ib. 753. St. 2478. Steindorff II, 315.
ä) . . . omne toloneum, ripas et ripaticum et fixuras palorum ripae Mantuanae
civitatis et Porti et totam publicam functionem etc. Murat. Antiqu. VI, 415, 417.
(Urkunden von 1045 und 1055). So schon im Priv. Berengars von 894; Schiaparelli
no. 12. Vgl. Breßlau II, 199 A. 1.
*) Murat. Antiqu. IV, 15. St. 2483. Das in seinen Verleihungen erhebUch
weitergehende Dipl. Heinr. II. no. 278, p. 328 von 1014 (St. 1593) ist Fälschung und
entspricht in seinem Inhalt erst dem Privileg Friedrichs I, St. 3849.
6) V. 456 ; SS. XH, p. 389.
6) Dipl. 0 in no. 204 p. 614 (27. Mai 996) . . . cum uniuscuiusque navis solito,]
censu et palificture den. 4 seu cum persolutione omnium navium Cremonam ade-
untium tarn Veneticorum quam ceterorum navium (dieser Satz findet sich in der*?
Hauptvorlage Dipl. Ol, 429 noch nicht). Die Höhe des soUtus census ergibt sich
aus dem Placitum vom Jahre 998; Ficker IV, 56 (von Breßlau II, 195 A. 6 irrig als
Abgaben für gemahlenes Korn und für Salzschiife erklärt) und aus dem Privileg
Konrads n. von 1031; Stumpf, Acta Imp. no. 291, p. 412.
') Priv. Ludwigs H 29. Jan. 852 : et debere reddere per unamquamque navem
decimum modium salis et palisfictura denarios 4. Murat. Antiqu. 11, 25; Mühl-
bacher, Reg. (alt) 1149.
I
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 71
sition der in ilirem Handelsinteresse geschädigten Bürgerschaft zurückzu-
führen ; im dritten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts haben die Kaufleute von
Cremona einmal versucht, das Zollerhebungsrecht des Bischofs dadurch
illusorisch zu machen, daß sie sich einen besonderen Hafen anlegten i), und
unter Otto III. und seinen Nachfolgern erneuerte sich der Streit; die deut-
schen Könige traten mit ihren Privilegien zugunsten des Bischofs ein 2);
aber noch unter Konrad II. hören wir, daß die Bürger die Zahlung jenes
Mühlen- und Schiffszinses verweigerten ^), und im Jahre 1043 äußerte Adaiger,
der Missus Heinrichs III., in seinem an die Ritter, Valvassoren und alles
Volk in Bistum und Grafschaft sowie an die großen und kleinen Bürger
von Cremona gerichteten Friedensgebot, daß er in keinem Bistum so viel
Unzufriedenheit, die dem Bischof die Handhabung des Rechts unmöglich
mache, gefunden habe als gerade in diesem."*) Und vielleicht hängt es
auch mit den Beschwerden der Fremden über die Höhe des bischöflichen
ZoUs zusammen und ist als Represalie zu bezeichnen, wenn wir aus einem
der Privilegien Ottos III. ersehen, daß der Bischof von Cremona von
schlechten Menschen viel Widerwärtigkeit zu erfahren hatte, die u. a. die
cremonesischen Schiffe bei der Berg- und Talfahrt in ungerechter Weise be-
raubten, was der König für alle Zukunft auf das strengste untersagt. ^)
Für die Beteiligung Parmas an der Poschiffahrt vermögen wir für
unsere Zeit nur auf die Existenz seines Hafens Coparmuli hinzuweisen,
dessen Bedeutung dadurch erwiesen wird, daß Lucchesen wie Florentiner
denselben aufzusuchen pflegten '') ; und auch für einen so wichtigen Handels-
platz, wie es Piacenza damals war, kennen wir nur das den Leuten der
Kirche des hl. Antonin von Otto III. verliehene Privileg, das u. a. ihren
Schiffen Freiheit vom Uferzoll zusicherte.'^)
52. In dem Gebiet der rechten Nebenflüsse des Po kommunizierte
Bologna durch den Reno mit dem Hauptstrom; schon Berengar I. hatte
dem Bischof und der Kirche von Bologna die Anlegung eines Hafens am
Reno 8) und die Erhebung von Handels- und Schiffsabgaben daselbst ge-
stattet; jedermann sollte zu jeder Zeit mit Schiffen und Gütern unbelästigt
vom Po nach diesem Hafen sich begeben dürfen; es ist wohl derselbe
Hafen, der in dem Privileg Gregors VII. vom 23/3 1074 unter dem Namen
Galliana erscheint. 9)
Von den Modenesen wissen wir aus einer Urkunde Heinrichs III. von
1055, daß sie den Wasserweg der Scoltenna und des Po zum Transport
ihrer Waren bis Ravenna und weiterhin bis nach Venedig benutzten ; auch
•) Verbot König Rudolfs von 924; Cod. Longob. p. 874. Hartmann 104.
«) Dipl. Olli no. 222, ]>. 635 (3/8 996): Widerruf des von der Bürgerschaft er-
schlichenen Privilegs vom 22/5 996 (no. 198, p. 606) zugunsten des Bischofs und
Bestätigung vom 19/1 998 (no. 270, p. 698).
ä) Eingehend über diese Streitigkeiten Breßlau II, 204—209.
*) Murat. Antiqu. VI, 53 f. Steindorft" I, 243 f.
') Dipl. Om no.206, p. 616 f. (27/5 996): . . . Cremonenses naves sub aliqua
occasione per Padum ascendentes et descendentes iniuste depredantes.
«) Oben §41. Das Privileg 5 '4 989 für die bischöfliche Kirche von Parma
(Dipl. om no. 54, p. 458) ist Fälschung.
^) No. 268, p. 685 (19/1 998).
*) . . . portum ubi fuit catabulum navium in fluraine quod Renum dicitur
(905 oder 906). Schiaparelli no. 63.
9) Savioli I, 2, p. 118 f.
72 Siebentes Kapitel. ^^^^^Hl
hier stand der bischöflichen Kirche die Erhebung des Uferzolls und oe^^ '
Pflockgeldes (hier hgatura navium genannt) innerhalb ihres Sprengeis zu. i)
In Reggio erlangte das Domkapitel im Jahre 963 von Otto d. Gr. u. a.
die Bestätigung seines Besitzes am Hafen Fossato mit dem Zoll- und
Fischereirecht; da wir wissen, daß die bischöfliche Kirche von Reggio
Ländereien im Gebiet von Ferrara und Comacchio, darunter auch Salinen,
ferner Weingärten und Olivenhaine am Gardasee besaß, so ist als sicher
anzunehmen, daß die Erzeugnisse dieser Besitzungen wenigstens zum größeren
Teile auf dem Wasserwege nach Reggio gekommen sind 2) ; der Name Fossato ,^
deutet auf das Bestehen eines künstlichen Wasserweges hin.
Auf der linken Seite des Po war der Oglio ziemlich weit aufwärts
schiffbar. Im Jahre 968 verlieh Otto d. Gr. der bischöflichen Kirche von
Bergamo das Recht^), zu Monasterolo am rechten Ufer des Oglio, wo der
Bischof mit der Herstellung der einst von den Magyaren zerstörten Abtei
beschäftigt war, zugleich auch eine Schiffahrtsstation für alle aus Venedig
oder Comacchio, aus dem Ferraresischen oder aus anderen Gebieten
kommenden Fahrzeuge mit dem Recht der Erhebung des Uferzolls anzulegen.
Schwerlich ist Bergamo imstande gewesen, diesen weit in die Interessen-
sphäre von Brescia und Cremona vorgeschobenen Posten lange zu behaupten.
Wenigstens ist es nicht damit vereinbar, daß Konrad II. am 15. Juh 1037
dem Bischof von Brescia das Flußregal nicht nur an der das Brescianische
durchschneidenden Mella, sondern auch am Oglio selbst zusprach, derart,
daß niemand das Recht haben sollte, ohne besondere Erlaubnis des Bischofs
einen Hafen zum Zwecke des Handels mit Getreide, Wein und Salz zu
unterhalten oder neu anzulegen. 4) Aus einem aus der Mitte des 10. Jahr-
hunderts stammenden Güterverzeichnis des Nonnenklosters der hl. Julia zu
Brescia^) ergibt sich in interessanter Weise, wie sich der Handelsverkehr
mit Getreide und namentlich mit Salz zu Schiffe auch nach den kleinen
Orten des Gebiets verzweigte ; auf dem Hofe Bissariscu z. B. hatten sechs
zinspflichtige Schiffe dem Kloster jährlich 42 Scheffel (modia) Salz und
10 Solidi abzuliefern, während der portus daselbst (es handelt sich wohl
um eine Fähre) 30 Scheffel Getreide und 5 Solidi abwarf; auf dem Hofe
Rivaita brachten drei Schiffe jährlich 20 Scheffel Salz, 15 Scheffel Korn
und 1 Solidus, während von dem (jedenfalls größeren) Schiff der bischöf-
hchen Ritter (navis militorum in Insula) in Isola am Iseosee jährlich
48 Scheffel Salz und 22/3 Solidi einkamen. 6)
53. Überhaupt waren in dieser Zeit die zahlreichen Klöster des '
Landes an dem Schiffsverkehr stark beteiligt, um so mehr, als ihre
Besitzungen vielfach über das ganze Land zerstreut waren. So besaß auch
') Exzerpt der Urkunde von 1055 bei Steindorff II, 303 A. 3. Dipl. Ol no. 390,
p. 531 (21/3 970), entsprechend der Vorurkuude Berengars II. und Adalberts (Böhmer, j
Eeg. Kar. 1431).
») Dipl. Ol no.256, p. 365 (27/6 963); OH no. 231, p. 259 (14/10 980).
3) No. 364, p. 500. Breßlau II, 199 A. 1.
*) . . • portum habere nee noviter edificare ad navale negotium exercenduniJ|
in grano, vino et sale, nisi per licentiam et consensum episcopi St. 2096. Breß-|
lau II, 199 A. 2.
*) Cod. Langob. no. 419, p. 706 fP. Die Zeit ergibt sich aus p. 723: In curte
infra civ. Placentia est capella una communa cum Aragiso vasso Buathonis
episcopi; das kann nur der seit 941 begegnende Bischof Boso oder Bosio von
Piacenza sein, vgl. Campi I, 261 f.
8) Ib. p. 719 f., 722. Ähnlich wie in Rivaita auch in curte Alfiano p. 720.
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenuinen. 73
das ebengenannte Kloster eine Fähre (portus) in Pavia, die ihm jährlich
15 Pfund Silber brachte, eine andere im Placentinischen, die einen Zins
von 5 Pfund Silber abwarf, i) Prinzipiell sollten die Klosterschiffe überall
Freiheit von weltlichen Abgaben genießen, indessen wurde dieser allgemeine
Anspruch auf Immunität in der Praxis keineswegs immer anerkannt 2); und
so suchte man sie durch besondere Privilegien sicherzustellen, die uns z. T.
einen Einblick in die Ausdehnung dieser Schiffahrt ermöglichen. Besonders
reich an Gütern und Privilegien waren die auch von den deutschen Königen
hochbegünstigten Klöster der alten longobardischen Hauptstadt Pavia. So
war den Schiffen des Klosters der Gottesgebärerin, von welchem Hafen des
Tessin sie auch ausfuhren, volle Bewegungs- und Abgabenfreiheit seit alten
Zeiten zugesichert 3) ; ebenso genossen die Schiffe des berühmten Petersklosters
»Cielo d'oro« volle Freiheit von Abgaben in jeglichem Hafen am Tessin
und Po. 4) Bei dem Kloster Sancta Maria Senatoris erscheint diese Freiheit
auch auf den ganzen Comer- und Luganersee, an denen es umfangreiche
Besitzungen hatte, ausgedehnt; an jeder Uferstelle sollten seine Schiffe
Station machen und zu diesem Zwecke Pfähle einschlagen dürfen. 5) Das
Salvatorkloster wieder war besonders im Podelta reich begütert"); das
Marienkloster Pomposa war eine Filiale von ihm, und der Besitz von Salinen
innerhalb wie außerhalb von Comacchio ermöglichte ihm, den für den da-
maligen Handel wohl wichtigsten Artikel in billigster Weise direkt zu beziehen
und in Pavia mit sicher beträchtlichem Gewinn zu verwerten.
Auch für das weiter stromauf an der Sesiamündung gelegene Kloster
Breme (Novalese), dessen Insassen schon von Karl d. Gr. das Recht, abgaben-
frei in seinem Reiche Handel treiben zu dürfen, erhalten hatten, wird in
den Privilegien seit dem Ende des 10. Jahrhunderts der unbehinderte und
abgabenfreie Verkehr seiner Schiffe bis Ferrara, Comacchio und Ravenna
besonders hervorgehoben '^) ; und Bobbio, das alte Besitzungen am Gardasee,
am Mincio und in Comacchio hatte, erfreute sich freier Schiffahrt auf Po
und Tessin 8), die es von Piacenza aus ausübte. Kloster Leno im Bresciani-
schen verfügte über Besitzungen und Rechte in Pavia, Ferrara und Tuscien
und hatte eigene Salinen in Comacchio 9), so daß schön deshalb seine
1) Ib. 726, 725.
^) Et quia contra voluntatem Dei aliquanta monasteria a publica potestate
I)ropter navigium datio ad regiam utilitatem inquietantur, huic suprad. loco funditus
concedimus . . ., ut deinceps in antea de ipsis navibus et de omnibus publicis func-
tionibus quietus et securus permaneat. Dipl. O I no. 274, p. 390 (3/1 965 für S. Maria
Theotokos in Pavia), zurückgehend auf das Privileg der Könige Hugo und Lothar
vom 28/4 932 (Murat. Antiqu. 11, 58). während das Privileg Berengars vom 28/3 899
diese Stelle noch nicht hat (Schiaparelli no. 27).
^) Übereinstimmend in den drei eben zitierten Privilegien ; dazu Schiaparelli
no. 30 (11. März 900).
*) Dipl. O I no. 241 (9/4 962), 0 H no. 173 (11/4 978), O III no. 53 (5/4 989).
Salzeinkauf für das Kloster in Comacchio : Hartmann 75 A. 1.
6) Privileg Berengars H. und Adalberts (22/9 951), Cod. Longob. no. 595, p. 1019;
Heinrichs HI. (19/2 1054 ; wegen des Datums vgl. Steindortt" H, 262 A. 3). Murat.
Antiqu. V, 995. Vgl. auch das Privileg Alexanders II. von 1061 ib. 993.
0) Dipl. OII (30/9 982) no. 281, p. 327 f, O IH no. 375 (6/7 1000). Hartmann
75 A. 1.
') Monum. Xovalic. I, 39, 126, 152, 198, 268; Dipl. OKI no. 283, p. 707.
8) Dipl. O I no. 412, p. 561 ; zurückgehend auf Ludwig H. (7/10 860), Mühl-
bacher, Reg. 1183 (alt). Hartmann p. 45 f., 86.
») Cod. Longob. no. 626, p. 1073; Priv. Berengars H. und Adalberts 13/1 958.
74 Siebentes Kapitel.
Abgabenfreiheit auf den Wasserstraßen von erheblicher Bedeutung war,
und das veronesische Kloster S. Zeno genoß die gleiche Immunität nicht
nur auf der Etsch, sondern auch auf dem Po und allen anderen Flüssen
des Regnum.i) Auch [dem von Bischof Alberich von Como begründeten
kleineren Abundiuskloster wurde das Recht, für seine Zwecke abgabenfrei
ein eigenes Schiff zu halten, feierlich verbrieft. 2)
54. Gewiß werden die Kaufleute in den Städten die Begünstigung der
Klöster auf den Binnenschiffahrtsstraßen als eine unliebsame Konkurrenz
empfunden haben. Noch war der Zeit die Voranstellung der kirchlichen
Interessen, auch wo sie rein weltlicher Natur waren, eigentümlich. Mit den
anderen Regalien war seit dem 9. Jahrhundert in beständig wachsendem
Maße auch das Stromregal überwiegend an die Bischöfe gelangt; syste-
matisch hatten die Sachsenkönige diese Pohtik fortgesetzt; Flußbett und
Ufer, das Recht, Häfen und Überfahrtstellen einzurichten und die Strom-
abgaben (Schiffszins, Uferzoll, Pflockgeld) zu erheben, war bei den meisten
Wasserläufen Ober-Italiens im Besitz der Bischöfe. 3) Indessen scheinen die
Bischöfe im ganzen von ihren weitgehenden Rechten in maßvoller Weise
Gebrauch gemacht zu haben; der Fall von Cremona läßt keine Ver
aUgemeinerung zu. Der Entwickelung des Schiffahrtsverkehrs wurde dadurch
um so weniger ein Hindernis bereitet, als es im finanziellen Interesse der
Bischöfe selbst lag, dem Verkehr entgegenzukommen. Daß die Städte bei
dem gerade in diese Zeit fallenden Wachsen ihrer Bedeutung und ihres
Selbstgefühls danach strebten, auch diese Rechte und Einnahmequellen in
ihre Hand zu bekommen, ist andererseits natürhch genug ; der Vorteil, den
dies für die freie Entwickelung des Handelsverkehrs haben konnte, wurde
indessen weiterhin durch die eigensüchtige Ausschließungspolitik der Stadt
vielfach aufgewogen.
55. Auch das Marktwesen zeigt in dieser Zeit eine aufsteigend'
Entwickelung.
Nicht selten waren die Plätze, an denen die Schiffe anlegten, zugleich'
als Marktplätze eingerichtet. Ich erinnere an den Ufermarkt in Pisa; für
Bologna gestattete das Privileg Berengars der bischöflichen Kirche, in Ver-
bindung mit dem Hafen am Reno auf einem ihr gehörigen Waldterrain
einen Markt anzulegen ■*), und derselbe Herrscher verlieh der Kirche von
Treviso 2/3 der Hafeneinkünfte und des Hafenmarktes am SileS); in Cremona
wird dieser Markt am Ufer 998 als eine alte Einrichtung bezeichnet. 6)
Damit war also dem Bedürfnis zumal des Kleinhandels in der bequemsten
Weise entsprochen. Natürlich fehlte es auch sonst den größeren Plätzen
0 Dipl. H II no. 309, p. 388 (21/5 1014) auf ein Priv. Kaiser Lothars zurüct
gehend; s. Priv. Berengars von 893 (für zwei Schiffe); Schiaparelli no. 11.
«) Dipl. H n no. 275 (1013).
^) Eine Zusammenstellung mit zahlreichen Beispielen bei Breßlau II, 199 A. 1
Eine Verleihung des Uferzolls an weltliche Herren, die Söhne des Ribaldus de
Vico Valegari (im Placentinischen), die ihm bei dem Aufstande wertvolle Dienste
geleistet, hat Heinrich 11. 31/5 1004 vorgenommen »ut exemplum bonum demu,
Omnibus in regno Italico commorantibus«. Dipl. no. 72, p. 90.
*) § 87. Schiaparelli no. 63.
') . . . telonei et mercati de portu Tarvisiensi. Schiaparelli no. 52 (905). Wiede
holt Dipl. Olli no. 69 (991) u. 225 (996); HU no. 313a ^014).
*) Ficker IV, 56: Ripa juxta ipso fluvio non longe ad istam civitatom Crem.j
ubi in ipsa Ripa antiquo mercato esse videtur.
Das Binnenland zwischen AJpen und Apenninen. 75
nicht an ständigem Handelsverkehr. Sicher dienten diesem die festen Verkaufs-
stände (stationes) auf dem öffentlichen Markte zu Mailand, die auf ursprüng-
lich königlichem Areal standen, das Otto d. Gr. 952 dem Ambrosiuskloster
daselbst schenkte i); und von einer eigentümlichen Ausbildung des Systems
der festen Ladenpreise weiß ein arabischer Schriftsteller des 10. Jahrhunderts
aus Asti (Escht im Lande der Franken nennt er es) zu berichten, dem dieser
Brauch gegenüber dem bei den Orientalen üblichen Feilschen besonders
seltsam erschien. 2) Danach legten die Bewohner die Gegenstände, die
sie verkaufen wollten, in ihrem Laden zur Schau aus und schrieben den
Preis darauf; wer mit dem Preise einverstanden war, nahm ohne weiteres
den Gegenstand, den er kaufen wollte, an sich und ließ den Preis dafür
zurück; in den Läden waren Wächter angestellt, die Schadenersatz leisten
mußten, wenn ein Gegenstand abhanden kam. Inwieweit dieser Bericht auf
volle Zuverlässigkeit Anspruch hat, wird sich freihch nicht ausmachen lassen.
Auch war in den Städten zur Sicherung der Legalität des Handels-
verkehrs für das Vorhandensein von Normalmaßen Sorge getragen, die in
bestimmten Kirchen angebracht zu werden pflegten. Als Längenmaß und
Grundlage für das Flächenmaß galt noch vielfach der Fuß König Liutprands
(0,438 m) 3), als kleineres Hohlmaß diente der Sextarius (stajo). So wird in
einer Verpachtungsurkunde des Bischofs von Cremona vom Jahre 1069^)
bestimmt, daß die Lieferung eines bestimmten Quantums Getreide erfolgen
müsse »ad stario de eramo (= rame, Kupfer) qui nunc currit in civitate«,
und in einer analogen Urkunde des Domkapitels von Novara von 1094
heißt es, daß, wenn Streit über die Größe des Sextars entstände, auf das
an einem Pfeiler der Marienkirche angebrachte Normalmaß zurückgegriffen
werden sollte, s) In Mailand ließ man 1060 einen Normalsextar aus Bronze
öffentlich aufstellen, dem das Volk den Namen »patronus« gab; als sich im
Jahre 1369 die Stadtbehörde von Bergamo mit einer Anfrage nach Mailand
wandte, wieviel mailändische Scheffel insgemein auf einen venezianischen
Malter (modius) Salz gingen, stellte Mailand nach diesem Normalmaße fest,
daß er 563/4 mailändische Sextar faßte. 6) Von Normalgewichten erfahren
wir in unserer Periode noch nichts.
56. An Bedeutung wurde der ständige Handel in den Plätzen des
Binnenlandes von dem periodischen Handel übertroffen, der den Ver-
') No. 145, p. 226 (15/2 952), Es waren 5 areae terrae mit genau angegebenen
Grenzen im Gesamtumfange von 24 tabulae; bei einem der Grundstücke ist die
Rede von den stationibus inibi banculas ante se habentibus.
*) Jacob G. Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. Jahrhundert. BerUn^
1896 p. 169 ; dazu Karabacek in der Wiener Zeitschr. für Kunde des Morgenlandes
1899 p. 364 f.
*) Mazzi A. Nota metrologica. Un ragguaglio milanese del secolo IX fra lo
jugero romano ed il longobardo. Arch. lomb., s. 3, anno 28 (1901), p. 367. Cod.
Langob. no. 817, p. 1432 (983); Chart. I no. 248 u. 264 (1019 u. 1026). C. dell' Acqua:
Del i)iede Liutprando, in: Miscell. di storia it. 21 (1883) p. 1 ff. Leg. Munic. II. 964.
■•) Hortzschansky A. u. Perlbach M. Lombardische Urkunden des 11. Jahr-
hunderts aus der Sammlung MorVno. Halle 1890, no. 29, p. 62.
*) . . . ad mensuram pile que in eglesia S. Marie est decurrant et ad ipsam
mensuram fictum tribuant. Chart. I no. 426, p. 711 f. Ähnlich heißt es in Lucca
bezüglich der Pachtzinse: »ad sistario justo quartino currente venditorio quäle in
civ. L. venditorio percurrit.« G. degli Azzi-Vitelleschi, Kegesti del R. Archivio di
St. in Lucca I (Lucca 1903) no. 212 (1069) ; s. ferner no. 198, 201 f , 206 usw.
8) Mazzi 1. c. p. 34.
76 Siebentes Kapitel.
kehr für Käufer und Verkäufer nach Ort und Zeit konzentrierte. In üblicher
Weise stand neben dem Wochenmarkt, der in erster Linie der Versorgung
der Stadt oder des Fleckens mit Lebensmitteln diente i), der Jahrmarkt, der
in der Regel im Anschluß an ein Kirchenfest der herbeiströmenden Menge,
namentlich auch der vom Lande, außer allerhand Lustbarkeiten Gelegenheit
zur Versorgung mit den verschiedensten Waren und insbesondere den
gewerblichen Erzeugnissen der Stadt bot. Als ein Jahrmarkt größeren Stils
erscheint die Messe, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckte und
nicht bloß für den Marktort und seine nähere Umgebung Bedeutung hatte,
sondern Verkäufer und Käufer aus einem weiteren Umkreise an sich zog;
besondere Privilegien dienten dazu, ihre Bedeutung für den Handelsverkehr
noch zu erhöhen. Naturgemäß erscheint der Unterschied zwischen Jahrmarkt
und Messe danach unter Umständen als ein fließender.
An jedem etwas größeren Orte waren Wochen- und Jahrmärkte seit
alter Zeit herkömmlich 2); wir erfahren von ihnen in der Regel bei der
Verleihung neuer Marktrechte oder der Übertragung schon bestehender an
kirchliche Institute oder Organe. Einige Beispiele mögen hierfür genügen.
Im Jahre 913 verlieh König Berengar^) den Kanonikern von Vercelli zu
ihrem Unterhalt neben anderen Einkünften den an jedem Sonnabend bis
zum Sonnenuntergänge stattfindenden Wochenmarkt; in dem ganzen Land-
gebiet von Vercelli sollte nach einem Privileg Ottos III. nur die bischöfliche
Kirche der Stadt das Marktrecht haben. *) Am 17. November 919 gestattete
König Berengar dem Bischof von Novara^), in Gozzano ebenfalls einen
jeden Sonnabend abzuhaltenden Markt einzurichten und die Einkünfte von
demselben zu beziehen. Dazu sollte ein Jahrmarkt daselbst am Tage des
hl. JuHan (24. Oktober), der dort begraben liege, treten und ein weiterer
Jahrmarkt (annuales mercationes et nundinae) am 26. August an einem nicht
näher bezeichneten Oratorium des Bistums, also wohl bei Novara selbst.
Ein etwa ein Jahrhundert jüngeres Privileg Heinrichs IL zeigt uns, daß in
diesen Dingen doch auch manche Veränderungen vorkamen; Novara hat
seinen Wochenmarkt jetzt am Donnerstag^) ; in Gozzano wurde statt Wochen-
und Jahrmarkt nunmehr am 10. Tage jedes Monats Markt gehalten; Domo
d'Ossola an der Simplonstraße hat einen Sonntagswochenmarkt und einen
Jahrmarkt am Feste der Heihgen Protasius und Gervasius (19. Juni
bekommen.
^) Zum Wochenmarkt von Cremona kamen offenbar die elenden Lastesel de*
Bischofs von Brescia, über die sich sein Amtsbruder Liutprand lustig macht (A. po-
test non inferiores dare, ut commercia testantur quae fiunt Cremonae; Legat, c. 38.,
SS. m, 355).
*) Für die frühere Zeit s. Hartmann 92 ff.
') Mehrfach hat dieser Herrscher an neu zu begründende Kastelle (der Un^
garngefahr wegen) das Marktrecht verliehen ; ebd. 101 f. Schiaparelli no. 65, 102 ;
106: für das neuerbaute Kastell in villa Figaria wird dem Erbauer gestattet (um 912):
mercatum facere vel negotiatoribus aut quibusque hominibus . . . negotiationum com-
mercia tam infra idem castellum quam circa exhibere, ita quidem, ut quidquid ex
mercimoniis ... ad nostram regiam partem exigi debuit, ad partem suam . . . exigat.
*) Mandelli IH, 54 : mercatum ebdomadalem qui omni die sabbati perficitur,
donec dies est praeterita. Schiaparelli no. 87. Dipl. O III no. 383, p. 811 (1/11 1000):
in tota campagnia . . . nuUus mercata habeat publica nisi Vercellensis ecclesia
*) Schiaparelli no. 123.
«) No. 306, p. 383 (1014). So auch im 12. Jahrhundert in den kaiserlichen Priv,
von 1155 u. 1196: Chart. I no. 499 u. 701.
i
I
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 77
Der bischöflichen Kirche von Bergamo gewährte Otto d. Gr. 968 das
Recht, in S. Sisinio am Tage des Heiligen einen Jahrmarkt einzurichten
und die Einkünfte von demselben zu beziehen; und den Kanonikern von
S. Vinzenz, die Bischof Reginfred mit seinen Parteigängern schwer geschädigt
hatte, bestätigte Heinrich II. 1013 neben ihren sonstigen Einkünften zwei
Märkte, die Bischof Adalbert ihnen verliehen hatte i), unter ihnen den später
zu besonderer Bedeutung gelangten Alexandermarkt (am Tage des Haupt-
heiligen von Bergamo), der schon am Anfang des 10. Jahrhunderts bestand. 2)
Otto d. Gr. gewährte am 5. November 967 dem Bischof Ratherius von
Verona einen am Tage des hl. Zeno (12. April) oder am Palmsonntage
abzuhaltenden Jahrmarkt, wie ihn angeblich schon seine Vorgänger der
Veroneser Kirche zugestanden hätten. 3)
Auf Bitten des Bischofs Johannes bestätigte Otto III. am 1. Oktober
997 der Kirche von Mantua sämtliche Jahrmärkte in der ganzen Grafschaft *),
und das gleiche tat Heinrich IV. 1095 dem Domkapitel von Padua gegenüber
in bezug auf die vier Jahrmärkte, deren Einkünfte diesem zustanden. 5)
Häufig sind es auch Klöster, die das Recht der Abhaltung von Märkten
und der Erhebung von Marktabgaben haben. In seinem Privileg für die
von Bischof Siegfried von Piacenza gegründete Abtei von S. Sabino bestätigte
ihr Otto III. einen Jahrmarkt in Piacenza selbst, der am 1. August abgehalten
wurde, und drei Jahrmärkte in Kastell Arquato''); ähnliche Marktrechte
hatten z. B. die großen Klöster Bobbio, Breme und Leno ^) ; und als Konrad II.
auf Fürsprache seiner Gemahlin Gisela das Kloster des hl. Theonistus zu
Treviso, ein kleines Tochterkloster von San Zeno, in seinen Schutz nahm,
bewilligte er ihm einen bei der S. Lorenzokirche in Padua abzuhaltenden
Jahrmarkt mit seinen Einkünften, s)
57. Als wichtigere Märkte treten hervor: die Eusebiusmesse von
Vercelli, die sich schon am Anfang des 10. Jahrhunderts über 14 Tage
erstreckte (je eine Woche vor und nach dem 1. August) und von Berengar
913 dem Domkapitel verliehen wurde; 9) ferner die Messen von Pavia.
Schon seit König Alboins Ermordung (572) der politische Mittelpunkt der
Lombardei und die Hauptmünzstätte des Landes, deren Denare bis über
das 11. Jahrhundert hinaus das in Ober- und Mittel-Italien verbreitetste
•) Dipl. 0 I no. 364, p. 500 »cum omni teloneo et reddibitione ipsius mercati«.
H n no. 254, p. 293.
*) Schenkung des ihm von König Berengar überlassenen mercatum, quod b.
Alexandri dicitur eo quod eiusdem Martiris festivitate iuxta prefatam urbem an-
nualiter perüciatur; 21. Novemb. 911, Lupi 11, 81. S. Schiaparelli p. 407 u. p. 412.
Die von Muratori Antiqu. II, 866 angeführte Stelle stammt aus einem gefälschten
Privileg (bei Lupi I, 1029 ff.).
') No.-848 p. 474: Concedimus etiam, immo reddimus ei mercatum in festiv.
s. Zenonis vcl in ramis palmarum, sicut antecessores nostri eidem ecclesie con-
cessisse narrantur.
*) • • . cuncta annualia mercata ipsius comitatus. Dipl. O III no. 255, p. 671 f.,
wie schon im Priv. Berengars ; Schiaparelli no. 12 (894). Breßlau I, 437 A. 2.
») Gloria no. 311, p. 336.
•) No. 385, p. 815 (5/11 1000); auch H H no. 70, p. 87 (28/5 1004).
') Dipl. O in no. 101 (19/7 992) : . . . cum mercatis in Brimato vel in eadem
abbatia constructis vel construendis ; Cod. Langob. no. 626, p. 1073 Priv. Berengars 11.
und Adall)ertB für Leno (131 958). Für Bobbio s. Hartmann 98 f.
8) Murat. Ant. II p. 877.
») Mandelli III, 54, SchiapareUi no. 87,
78 Siebentes Kapitel.
Zahlungsmittel gewesen sind ^), war Pavia schon deshalb auch für den
Handel ein wichtiger Mittelpunkt; am Ticino unfern seiner Mündung in
den Po gelegen, war es der letzte bedeutendere Ort, bis zu dem Handels-
schiffe stromauf zu fahren vermochten; so erhöhte der hier vielfach er-
folgende Umschlag zwischen Land- und Wasserweg seine kommerzielle Be-
deutung. Am »forum clusum« von Pavia hatte die Abtei Nonantola
Besitzrechte ; im Jahre 901 hat sie einen ihr gehörigen Verkaufsstand (statio)
daselbst auf 29 Jahre an einen negociator verpachtet. 2) Auf der Messe
von Pavia haben nach der bekannten Erzählung Notkers die Gefährten
Karls d. Gr. ihre Prunkgewänder eingekauft^); und noch am Anfang des
11. Jahrhunderts war von allen Orten des italischen Königreichs nur hier
und in Ferrara die Feilhaltung der aus dem Osten eingeführten Seidenzeuge
(pallia) gestattet.*) Ja, diese Konzentrierung des Handels scheint sich ganz
allgemein auf seidene Waren und Seide überhaupt bezogen zu haben;
wenigstens bemerkt das aus der Mitte des 10. Jahrhunderts stammende
Güterverzeichnis des Klosters der hl. Julia zu Brescia bei einer von
13 Hörigen zu leistenden Abgabe von 10 Pfund Seide, daß diese Seide von
den Pflichtigen nach Pavia zu schaffen und dort zum Verkauf zu bringen
war; den zu erzielenden Preis stellt das Güterverzeichnis mit 50 Solidi ein. &)
Freilich bedeuteten die Zerstörung Pavias durch die Magyaren im Jahre 924
und der gelegentlich des Aufstandes gegen Heinrich II. 80 Jahre später er-
folgende furchtbare Brand ß) harte Schläge für die Stadt, die hauptsächlich
wohl deswegen in ihrer Entwickelung hinter Mailand und Piacenza zurück-
blieb; doch erscheint es schon 1026 wieder als ein wichtiger Handelsplatz,
dessen Trotz Konrad II. nur durch eine streng durchgeführte Unterbindung
seines Handels und Verkehrs zu brechen vermochte.'^) Für die Märkte in
dem wichtigen Piacenza sind wir auf Nachrichten aus dem 9. Jahrhundert
angewiesen. Nachdem schon Ludwig der Fromme in Bestätigung einer
Urkunde seines Vaters dem Bischof im Jahre 819 einen am 13. November
abzuhaltenden Jahrmarkt mit seinen Einkünften verliehen, fügte Ludwig IL
872 oder 873 drei weitere Jahrmärkte, die je acht Tage dauern sollten,
hinzu 8); im Jahre 896 aber gestattete Kaiser Arnulf dem Kloster des
hl. Sixtus auf Bitten seiner Stifterin, der Kaiserin Angilberga, alljährlich
bei der Fremdenherberge (xenodochium) des Klosters im Anschluß an das
Fest der hl. Martina eine große Messe abzuhalten, die sich über 17 Tage,
vom 21. Mai bis 5. Juni, erstrecken sollte; alle Markteinkünfte sowie die
Gerichtsbarkeit über Vergehen der Marktbesucher sollten den Organen des
^) Um nur ein Beispiel anzuführen, verweise ich auf die Urkunden des Klo-
sters San Cosma e Damiano in Rom ; Arch. Rom. XXII (1899), 82 ff.
«) Cod. Langob. p. 658. Hartmann 88 f., 103.
3) SS. II, 760 (hb. II, 17).
*) . . . quod in nullis partibus Italiae debuissent pallia portare nee venun
dare nisi a (im Sinne von ad) Papia etc. SS. VII, 38 Anm. Oben § 8.
") Cod, Langob. p. 726 : Et sunt in Chama manentes 13, qui reddunt de
rico 1. 10, et de ipsis in Papia ducitur, et ibi venundabitur ad solides 50.
ö) Quintavalle F., La sommossa e l'incendio di Pavia nell' a. 1004 im B
pavese I (1902). Hirsch I, 307 f.
') »Exitum et introitum rex prohibebat, navigium abstulit, mercimonia vi
tuit.t Wipo, Vita c. 12. Breßlau I, 126, 136.
8) Mühlbacher, Reg. 690 (neu), 1217 (alt). Campi I, 218
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 79
Klosters zustehen, i) Ob und inwieweit alle diese Märkte die folgenden
stürmischen Zeiten überstanden haben, steht freilich dahin.
Daß auch das für den Fremdenverkehr besonders wichtige Borgo
San Donnino seine vielbesuchten Märkte hatte, geht aus dem kaiserhchen
Privileg für Lucca von 1081, aber auch daraus hervor, daß in einer parme-
sanischen Urkunde von 1044 eine Geldzahlung auf den Termin des dem-
nächst am Feste seines SchutzheiUgen stattfindenden Marktes von Borgo
San Donnino abgestellt wird. 2)
Mailand, das im Laufe des 11. Jahrhunderts zur ersten Stadt Ober-
Itahens emporgestiegen ist 3), hatte seinen Hauptmarkt am Feste der HeiHgen
Protasius und Gervasius (19. Jani) und je drei Tage vor- und nachher;
seine Einrichtung wurde dem Erzbischof Anselm II. (f 896) zugeschrieben.
Hier zuerst erfahren wir, daß es, um die Handelsleute anzuziehen, verboten
war, während der Meßwoche von ihnen die sonst übhche Marktabgabe zu
erheben (curtadiam tollere). Am Ende unserer Periode, im Jahre 1098,
wurde die Dauer der Meßzeit und damit auch die Gültigkeit dieses Verbots
auf 14 Tage ausgedehnt und die Kunde von dieser Neuerung unter gleich-
zeitigem Versprechen sicheren Geleits für die Hin- und Rückreise allen
Meßbesuchern durch eine solenne Inschrift an der Kirche mitgeteilt.*)
Von anderen Messen Oberitaliens erfahren wir in unserer Zeit fast
nichts, selbst von den Messen Ferraras, deren hohe Bedeutung schon
daraus hervorgeht, daß man sie in den ersten Zeiten des 11. Jahrhunderts
in Venedig amtlich einfach als Martini- und Palmsonntagsmesse bezeichnete,
ohne eine Nennung des Ortes für nötig zu erachten s), und daß, außer in
Pavia, nur auf diesen beiden Messen der Verkauf von Seidenzeugen ge-
stattet war. ' Sonst hören wir nur, daß Bischof Ingo von Ferrara seinen
Kanonikern im Jahre 1010 die Hälfte der Einnahmen aus der Martinimesse
überwiesen hat. 9
58. Von den Handelsabgaben, die in Verbindung mit der
Binnenschiffahrt erhoben wurden, dem Uferzoll, der seine innere
Berechtigung davon herleitete, daß der Inhaber des Stromregals nicht
nur die Benutzung des Stromlaufes gestattete, sondern auch Auf-
wendungen im Interesse der Schiffahrt, für Instandhaltung der Häfen
und Hafenanlagen, Ausübung von Maßregeln der Strom- und Hafen-
polizei, soweit davon unter den meist sehr einfachen Verhältnissen
die Rede sein konnte, zu machen hatte, und von dem Pflockgelde,
das sich als Gebühr für die Erlaubnis zum Festmachen der Schiffe
an schon vorhandenen Pfählen oder zum Einrammen von solchen
zu gleichem Zweck charakterisiert, ist schon die Rede gewesen.
») Mühlbacher, Reg. 1863 (alt), vgl. 1865. Campi I, 476. Huvelin 172. A. 2.
Hartmann 99.
*) § 41. Affö n, 33 A. b: . . . termino de ic ad mercatum S. Donnini de Burgo
SS.'' proxime veniente.
3) Über seine Lage vgl. Schulte I, 22 ff., 103 A. 1.
*) Gaddi L., Per la storia della legislazione e delle istituzioni mercantili lom-
barde im Arch. lomb. s. 3, X (anno 20), 1893 p. 271 ; mit Faksimile der Inschrift.
Pertile A., Storia del diritto ital. II (Padua 1880 f.), 519 A. 371 ; dazu 522 A. 379.
*) Nachweis, daß das früher unerklärte >a Mercato S. Martini et Olivo« auf
die beiden Hauptmessen von Ferrara zu beziehen, zuerst bei Baer 109; vgl. Lenel
52. Oben § 8.
•) Muratori Ant. V, 419.
80 Siebentes Kapitel.
Die übrigen Handelsabgaben lassen sich auf zwei Hauptarten
zurückführen, Passierzölle und Abgaben, die vom Warenumsatz
erhoben wurden. Die ersteren waren als Entgelt für die Erlaubnis
zur Benutzung bestimmter Straßen sowie für die Instandhaltung der-
selben und sonstige der Sicherheit der Reisenden und ihrer Waren
dienende Vorkehrungen zu betrachten, die anderen sollten in ähnlicher
Weise den Marktherrn für die zur Einrichtung des Marktes, Hand-
habung der Marktpolizei u. dgl. erforderlichen Aufwendungen und für
die Erlaubnis zur Benutzung des Markts und seiner Einrichtungen
(soweit dafür nicht noch besondere Gebühren erhoben wurden) ent-
schädigen. Selbstverständlich griff fast überall das finanzielle Interesse
der Berechtigten über das Maß dessen, was als Gegenleistung hätte
gefordert werden können, sehr erheblich hinaus, um so mehr, als die
Leistung nicht selten auch hinter bescheidenen Anforderungen zurück
blieb oder wohl auch ganz in Vergessenheit geriet.
59. Passierzölle begegnen unter recht verschiedenen Namen. Wo das
Wort teloneum im engeren Sinne gebraucht wird, bezeichnet es einen
solchen Zoll; nicht selten aber fand es in weiterem Sinne auf Handels-
abgaben im allgemeinen Anwendung. So, wenn in den königlichen Privi-
legien der bischöflichen Kirche von Treviso verliehen wird das theloneum
eiusdem civitatis infra et extra prout hactenus nostrae pertinuit parti . . .,
tarn de christianis quamque et de judeis, qui ibidem negotia exercere
studuerint. i) Dagegen erscheint es in seiner besonderen Bedeutung beispiels-
weise in den Privilegien, die dem Bistum Modena »teloneum et curaturam
et redhibitionem (eiusdem) ripae et ligaturam navium« verliehen^), oder denen,
die der Kirche von Cremona gewähren »quicquid curaturae, telonei aut
portatici aliquo ingenio de . . Cremonensi civitate ad publicam functionem
pertinuit. « 3) In Verona verlieh ein Privileg Ottos d. Gr. dem Bischof
Batherius u. a. den Zoll, der an den beiden Stadttoren (von S. Zeno und
S. Firmus) von den einpassierenden Lastwagen erhoben wurde. 4) Besondere
Straßenzölle begegnen in der Emilia; dem Bischof von Reggio stand mit
den Grafenrechten auch die Erhebung des teloneum et stradaticum zu 5),
und der Kirche von Bologna bestätigte Papst Gregor VII. am 23. März 1074
neben ihren anderen Besitzungen und Rechten das S. Peterstor in Bologna
sowie die Salzstraße mit dem Straßenzoll 6) und allen Abgaben, die die auf
der gedachten Straße verkehrenden Personen von alters her zu leisten hätten.
Und um nichts anderes als einen solchen Straßenzoll handelt es sich sicher
auch in dem Privileg Heinrichs IL, das dem Kloster Leno u. a. auch 2/3 der
»strata« in Pontremoli bestätigt, '^) Als besonders geeignete Zollstätten boten,
») Schiaparelli no. 52 (9. Jan. 905). Dipl. 0 III no. 69 (18/4 991), no. 225 (5/J
996); HH no. 313 a (1014).
2) Berengar II u. Adalbert (950) bei Murat. Ant. VI, 40 (Böhmer, Keg. Kar,|
1431). Dipl. O I no. 390, p. 531 (22/3 970).
s) Dipl. 0 I no. 429, p. 582 (28/3 973).
<) No. 348, p, 474 (5/11 967) : cum theloneo de plaustris et omni nobis ex eis^
4em debito redditu.
6) Dipl. 0 I no. 242, p. 343 (20/4 962) ; 0 H no. 231, p. 259 (14/10 980). Breß-
lau I, 436.
^) . . . stratam que dicitur salaria cum stratico etc. Savioli I, 2 p. 118 f^
^) No. 300, p. 373 (12/5 1014).
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 81
sich in den Bergen natürliche Straßensperren dar; so wurde im Tale der
Stura ein Clusiaticum erhoben, das mit dem Tale selbst von Otto III. der
bischöflichen Kirche von Turin verliehen wurde^); und ebenso kamen bei
der Verleihung der Klausen und der Brücke von Chiavenna an die Kirche
von Como die dort erhobenen Zölle wesenthch mit in Betracht.^) Doch
nicht bloß geistliche Gewalten, wie es hiernach scheinen könnte, waren im
Besitz solcher Zölle. Als Otto II. am 7. Mai 983 gewissen Personen von
Lazise (am Südosten des Gardasees) eine wesentliche Verstärkung der Be-
festigungen des für den Verkehr von der Etschklause her wichtig gelegenen
Ortes gestattete, verlieh er ihnen das Recht, außer dem Uferzoll und Markt-
abgaben auch noch einen besonderen Durchgangszoll von allen hier pas-
sierenden Lombarden zu erheben; ausnahmsweise erfahren wir hier auch
einmal die Höhe dieses Zolls, die 2 den. imp. auf den Kopf betrug. 3)
Danach scheint auch die Nachricht, daß Otto d. Gr., als er im Jahre 964
Rom belagerte, in Borgo San Donnino zum Besten seines Hofes und Heeres
von allen nach Süden Durchpassierenden, Arme und Lahme ausgenommen,
einen Zoll von je einem pavesischen Denar pro Person und Lasttier habe
erheben lassen, nicht ohne einen positiven Anhalt zu sein; die an sich
verdächtige Quelle, die diese Notiz bringt, fügt hinzu, daß die Handelsleute
außerdem je nach der Art ihres Geschäfts einen Zins zahlen und schwören
mußten, ihre Ware nicht nach Rom zu bringen. *) Selbstverständlich er-
hoben auch die welthchen Großen Ober-Italiens, wie z. B. die Markgrafen
von Montferrat und die Malaspina, die Grafen von Biandrate und die von
San Bonifacio von den ihr Gebiet passierenden .Kaufleuten Zollabgaben ;
als Beispiel diene, daß dem Grafen von Treviso durch kaiserliche Verleihung
ein Brückenzoll und ein Transitzoll für sein Kastell bewilligt war. 0)
Der Charakter der schon mehrfach erwähnten curat ura^) (curadia,
curtadia, selbst curritura sind nur Nebenformen hiervon) nicht als eines
DurchgangszoUs oder auch Torzolls, sondern als einer Verkaufsabgabe, die
von allen zu Markt gebrachten und in voUer Höhe in der Regel nur von
den wirklich abgesetzten Waren erhoben wurde, wird in besonders klares
Licht gestellt durch das Privileg Konrads II. für den Bischof von Cremona
vom Jahre 1031 '^), wo sie näher bezeichnet wird als curatura omnium nego-
tiorum que fiunt in predicta ripa (dem Ufermarkt) tam ab incolis civitatis
') No. 302, p. 727 (998).
*) . . . clusas et pontem juris regni nostri de Clavenna cum omni redditu et
exibitione. Priv. Lothars Cod. Langob. no. 593, p. 1014 (31/5 950). Bestätigung
Dipl. Om no. 207, p. 618 (27/5 996), HH no. 75 (12/6 1004).
8) No. 291, p. 343. Uhlirz 199.
*) Gefälschte Bulle Leos VIII, Watterich I, 683. Köpke-Dümmler 363 (hieraus
Schütte 41, mit der irrigen Jahreszahl 962). v. Ottenthai bei Böhmer, Reg. Imp. U
(1893) no. 355 c, p. 171.
') Dipl. O ni no. 381, p. 808 ; Konrad 11 : Stumpf 2115, >transitum sui castelli
et teloneum de ponte licentiam ut habeat imp. auctoritate accipiendi jubemus«.
6) Oben S. 91, 97, 131.
') Stumpf, Acta no. 291, p. 412. In den von Hartmann 118 A. 3 angeführten
Privilegien Berengars ist Unter der curatura immer diese Marktabgabe und nicht eine
cura viarum zu verstehen. Ich weise noch hin auf das kaiserliche Privileg für
Graf Albert von Prato (10. Aug. 1164 ; Savioli I, 2 p. 275), das diesen, wie in allen
seinen Rechten, so auch in seinen pedagiis, theloneis, mercatis et mercatorum cu-
raticiis, pascuis usw. bestätigt. Besondere curatores mercati kennt noch der Lib.
Juris civ. von Verona rub. 176, p. 134.
Schaube, Handeisgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 6
I
82 Siebentes Kapitel.
quam ab aliis aliunde ad negotium venientibus ; es ist diese Abgabe, von
der die Meßbesucher in Mailand durch Privileg befreit waren. In bezug
auf die Art der Erhebung dieser Abgabe i) hatte die Praxis offenbar erheb-
liche Verschiedenheiten ausgebildet. Jedenfalls wurden in den Herbergen
abgeschlossene Kaufgeschäfte nicht minder herangezogen wie auf dem Markte
selbst abgeschlossene; Hinterziehungen wurden wohl durch eine genaue
Torkontrolle bei dem Eintritt wie Austritt verhütet. Sicher wurden neben
der allgemeinen curatura noch besondere Marktgebühren erhoben, wie
Standgelder und Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Maße; das
Privileg Ottos JI. für die Leute von Lazise führt neben dem Uferzoll und
dem Marktzoll auch eine besondere mensuratura auf 2), die sie von den
Durchpassierenden erheben durften.
Erwähnt sei endlich noch, obwohl nicht eigentlich zu den Handels-
abgaben gehörig, das Vorkommen besonderer Gewerbesteuern. Im Jahre 1075
verlieh Bischof Ogerius von Ivrea dem Stephanskloster der Stadt zur Ver-
stärkung der einst von König Heinrich bewilligten Dotierung u. a. den
Zehnten von allen Wirtshäusern, Fleischerläden und Warenhandlungen;
auch von seinen eigenen Markteinkünften fügte er den Zehnten hinzu. 3)
Auch an das buticaticum in Pisa, das gegen Ende des 11. Jahrhunderts^™!
aufgehoben wurde, sei erinnert. ^^■1
60. Wie die königliche Gewalt das Recht zu Zollerhebungen verlieh,
so machte sie auch von dem Recht zur Befreiung von Handels-
abgaben Gebrauch. Zunächst geschah das kirchlichen Instituten gegen-
über, wie wir das schon bei den Schiffahrtsabgaben gesehen haben; so
wurde z. B. von Otto III. allen Handelsleuten (negociatores) der Abtei
Nonantola im Jahre 997 gestattet, im ganzen Königreich unbehindert und
frei von allen Abgaben ihren Geschäften nachzugehen, und dieselbe Be-
fugnis erhielten im Jahre darauf auch die Leute der Kirche des hl. Antoninus
zu Piacenza.4) Die Bewohner des vom Dezzo, einem Nebenflusse des Ogho,
^) Unter den Begriff der curatura würde auch der Tarif von Aosta (um 960)
fallen, gegen dessen Echtheit indessen gerade von so kompetenten heimischen For- j
Sehern wie Gabotto und Patrucco derart gewichtige Gründe geltend gemacht wer-J
den, daß ich von seiner Verwertung Abstand nehme ; s. Patrucco C. E. : Aosta
dalle invasioni barbariche alla signoria Sabauda in : Miscell. Valdostana, Pinerolo
1903 p. LIX ff. Sonstige neuere Literatur über diesen Tarif : Schulte I, 68 f. La-
bruzzi F. : La Monarchia di Savoia dalle origini all'a. 1103. Rom 1900 p. 209, 358.
Tibaldi T. : La regione d'Aosta attraverso i secoli, 11 (Turin 1902) p. 101. |
^) No. 291, p. 343 (7/5 983) ... et etiam omnibus hominibus cum rebus indei
transeuntibus ripaticum, mensuraturam et curariam accipere. Daß auch die beiden
letzteren Abgaben bei bloßem Transit erhoben wurden, ist deswegen nicht anzu-
nehmen; dafür bestand ja schon der Passierzoll von 2 imp. pro Kopf. jj
^) Chart. I no. 386, p. 649 . . . cum undecimatione (= indecimatione) omnium*
tabernarum et omnium beccheriarum et omnium mercimoniarum que infra civitatem
fiunt . . , dazu nostri mercati indecimationem. Auf eine solche Steuer mag es sich
auch beziehen, wenn Dipl. 0 I no. 372, p. 510 f. (28/4 969) für die Kanoniker von
Bologna von portaticum, telloneum, ripaticum, p a r a t a (paraticum = Gewerbe, ars)
et obstaticum redet. Dipl. Arduini no. 6, p. 707 s. a. (St. 1847 zu 1003) für seinen
Kanzler, den Propst Cunibert von Vercelli, verleiht omne publ. destrictum, mercata,
telloneum atque s a g u m u m , curaturas omnemque publ. redibicionem. Ich finde
keine befriedigende Erklärung für sagumum.
*) No. 237, p. 655 (25/3 997) u. no. 268, p. 685 (19/1 998) : licentiam . . per totum
Italicum regnum nostri Imperii potestati subj actum eundi, redeundi, comparandi,
4
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 83
bewässerten Tales Scalve in den Bergamasker Alpen, in dem Eisenerze ge-
fördert und verhüttet wurden, erhielten von Heinrich III. 1. Mai 1047 das
Privileg , ihr Eisen oder was sie sonst wollten, völhg abgabenfrei durch das
ganze Reich vertreiben zu dürfen; nur an den Königshof in Darfo (an der
Mündung des Dezzo) hatten sie jährHch, wie altherkömmlich, ein Quantum
von 1000 Pfund Eisen abzuliefern, i) Daß den armen Fischern von Lazise
neben dem Fischerei- und Schiffahrtsrecht für den Gardasee von Heinrich IV.
1077 auf Fürsprache seines Getreuen Turrisendus auch Abgabenfreiheit im
ganzen Königreiche gewährt wurde, hatte offenbar nur geringe Bedeutung. 2)
Erheblich schwerer mußte es wiegen, daß Heinrich III. am 25. August 1055
dem gesamten Volke von Ferrara ein Privileg verlieh, wonach jedem Fer-
raresen der Besuch eines jeden italienischen Marktes in Sicherheit und, mit
bestimmten genau festgesetzten Ausnahmen, abgabenfrei zustehen sollte^);
wenige Monate später erteilte er den Mantuanern das gleiche Recht der
Handelsfreiheit mit dem ausdrücklichen Hinzufügen, daß sie allerwärts den
meistbegünstigten Städten des Reichs gleichstehen sollten. *) Schon aber
war kaiserliche Verbriefung nicht mehr hinreichend, die praktische Durch-
führung des Verbrieften zu garantieren ; weniger noch als geistliche und
weltliche Große waren die emporkommenden Kommunen geneigt, solche
Verbriefungen gelten zu lassen , wenn sie ihr finanzielles Interesse ver-
letzten.
61. In bezug auf die Warenbewegung erscheint als Haupt-
handelsartikel in der Handelsschiffahrt wie auf den Märkten am
häufigsten das Salz.
Im Binnenlande selbst gab es nur im Trebbia- und Tarogebiet nicht
allzu ergiebige Salinen ; die Abtei S. Sabino in Piacenza bezog aus dem Ort
Salse einen jährlichen Zins von 12 Malter einheimischen Salzes; zu dem
Hofe Sarmadas im Placentinischen, der eine Besitzung des Marienklosters
»Senator« in Pavia war, gehörte auch eine Salzquelle (putheus salsus), und
auch das Kloster Bobbio war im Besitz von Salinen, s) Die ganz über-
wiegende Masse dieses unentbehrlichen Lebensbedürfnisses wurde durch den
vendendi ipsi eorumve heredes . . ., ut in nuUo mercato tolonimn dent neque ripa-
ticum de sua navn, sed secure et large queque sua negocia exerceant. Schupf er 81.
^) Lupus n, 621 . . . facultatem et largitionem negociandi et eorum ferrum vel
quicquid voluerint per vastitudinem nostri Imperü vendendi etc. Steindorff I, 334.
*) CipoUa : Verzeichnis der Kaiserurkunden in den Archiven Veronas in :
MIÖG n (1881) no. 6, p. 109. Breßlau n, 196 A. 6 und Meyer von Knonau U, 766.
') . . . omnem mercatum Italicum absque qualibet exactione secure frequen-
tent. Muratori Ant. V, 753. St. 2478. Steindorft" U, 315. Die Ausnahmen s. oben
§51.
*") . . . eam consuetudinem bonam et justam habeant quam quelibet nostri
Impetii civitas obtinct. Muratori Ant. IV, 15. St. 2483. Steindorff 11, 314 f. Ähn-
lich Mathilde in ihrem 27/6 1090, als Mantua von Heinrich IV. hart bedrängt wurde,
ausgestellten Privileg; nur mit der Wendung: quam quelibet optima civitas Lon-
gobardie optinet. Overmann 156. Meyer von Knonau IV, 279 A. 11 ; während Hein-
rich IV. nach Einnahme der Stadt den alten Wortlaut bestätigt: Murat. Ant. IV,
17. St. 2910.
') Dii)l. Oin no. 385, p. 815 (5/111000): in villa que vocatur Salse, , de sale
annuatim modios 12. Cod. Langob. no. 595, p. 1019 (Priv. Berengars H. u. Adalb.
22/7 951): curtem Sarmadas cum semenia et putheo salso. Hartmann p. 43, 50, 53
und seine Bemerkungen zu den ältesten langob. Königsurkunden. N. Archiv XXV
(1899) 613. S. auch die Urkunde Berengars von 912, Schiaparelli no. 85, p. 228.
6»
1
84 Siebentes Kapitel.
Handel von der Flachküste der Adria her, wo es auf der langen Strecke
zwischen der Isonzomündung und Rimini in zahllosen Salinen gewonnen
wurde, dem Binnenlande, wo es irgend anging, auf dem Wasserwege zu-
geführt; nur wo die Wasserverbindung versagte oder zu fern war, also be-
sonders für den Südwesten, trat von der ligurischen Küste her eingeführtes
Salz an die Stelle, wie wir ja wissen, daß Genua Salz regelmäßig z. B. aus
Sardinien importierte.
Im übrigen deutet alles darauf hin, daß in dem überaus frucht-
baren Lande auch für den Handel zunächst noch die Produkte der
Landwirtschaft die wichtigste Rolle spielten, Getreide vor allem,
daneben der Wein.
Aus Liutprand geht hervor, daß der Überschuß der Lombardei an
Lebensmitteln zu seiner Zeit an die namentlich mit den kostbaren Stoffen
von Byzanz handelnden Kaufleute von Venedig und Amalfi abgegeben
wurde 1); die Hauptsache aber war sicher jederzeit der Austausch dieser
Produkte im Lande selbst. Vielfach herrschte noch durchaus die Natural-
wirtschaft ; das Güter Verzeichnis des Klosters der hl, Julia zeigt uns, wie der
Zins der Hörigen ganz überwiegend in Naturalien bestand, wobei neben den
verschiedenen Getreidearten Wein, Käse, Honig, Hühner und Eier, Hülsen-
früchte, Kastanien, Öl ihre Rolle spielten. '^) Auf dem Hofe Cervinica zählte
man 580 Ölbäume, von denen nach den Angaben des Inventars auf einen
jährlichen Ertrag von 1608 Pfund Öl zu rechnen war. 3) Auch die Ver-
pachtung von Grundstücken pflegte gegen Naturallieferungen an das Magazin
des Grundherrn zu erfolgen, wie wir das gelegentlich für das Getreide-
magazin (caneva) des Bischofs von Cremona nachweisen können. *)
Im Lebensmittelhandel spielten außer den agrarischen Produkten
die Fische eine wichtige Rolle ; wir haben gesehen, wie sie namentlich
von Ferrara aus stromauf geführt und faßweise verkauft wurden;
auch nach Genua wurden Süßwasserfische ausgeführt. ^)
62. Auch der Bedarf des Landes an Metallen konnte wenigstens^—^
z. T. durch eigene Produktion gedeckt werden. ^Hl
Die Alpenflüsse, wie der Po, die Sesia, Tessin und Ad da, führten
Gold; in seinem Privileg für die bischöfliche Kirche von Vercelli (1/11 1000)
überließ ihr Otto III. alles Gold, was innerhalb des Bistums und der Graf-
schaft Vercelli, der Grafschaft Santhiä, und den Besitzungen von S. Michael
in Lauceio (Lucedio am Po) gefunden und gewonnen wurde; an die Stelle
der königlichen Kammer , an die es bisher habe abgeführt werden müssen,
solle fortan die Kammer des hl. Eusebius treten. Und in dem Privileg
Heinrichs IL* von 1014, das dem Bistum Novara das Stromregal an einer
bestimmten Strecke des Ticino zusprach, sind neben der Mühlen- und
Fischereigerechtigkeit auch die Goldwäschereien aufgeführt (aurificia); nur
mit Erlaubnis des Bischofs durfte die Goldgewinnung vor sich gehen. 6)
1) Oben § 8.
*) Cod. Langob. p. 707 ff.
») Ebd. 713. Die Besitzung des Klosters Bobbio am Gardasee lieferte 2430 Pfund^|
Hartmann 52 f.
*) Hortzschansky u. Perlbach : Lombardiscbe Urkunden p. 69 (16/12 1069).
») §§ 51 u. 48.
«) Dipl. 0 m no. 384, p. 812 f. HH no. 306, p. 383.
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 85
Silber wurde namentlich in den Bergamasker Alpen gewonnen; aus den
siebziger Jahren des 11. Jahrhunderts kennen wir zwei Fälle, wo Leute aus
Martinengo ihre Anteile an den Silberbergwerken im Hochtale des Serio
oberhalb Ardesia an die bischöfliche Kirche von Bergamo für 50 und 20 1.
gute mailändische Silberdenare verkauft haben, i)
Für die Eisengewinnung war namenthch das Gebiet des Oglio wichtig ; '
das Tal Scalve mit seiner Eisenproduktion haben wir schon erwähnt; das
Kloster der hl. Julia von Brescia bezog von seinen Zinspfliöhtigen in Val
Camonica u. a. auch 60 Pfund und von Hörigen des Hofes »Casivico«
30 Pfund Eisen, dazu Pflugschare, Sicheln, Beile u. dgl. 2) Die Fabrikation
von Metallwaren und namenthch von Waffen, wie sie als lombardische
Einfuhrartikel in Genua 3) erscheinen, erfolgte sicher überwiegend im Lande
selbst, wenn auch in bezug auf besonders wertvolle Gegenstände dieser
Branche ein Laiport namentlich von Deutschland her unzweifelhaft ist.
Auch die heimische Bekleidungsindustrie scheint den Bedürf-
nissen der großen Masse der Bevölkerung genügt zu haben. Flachs
und Hanf wurden viel angebaut und Schafzucht in ausreichendem
Maße betrieben, wenn auch die gewonnene Wolle ein ziemlich minder-
wertiges Produkt w^ar.
Aus Val Camonica bezog das Kloster der hl. Julia von Brescia um die
Mitte des 10. Jahrhunderts von 83 servi unter anderen Zinsen auch einen
solchen von 75 Schafen (berbices), 1 Lamm, 67 Wollfließen (de lana vellos)
und 1 Hirtenmantel (sagellum ad opus pastoris). Bei einer Reihe von Höfen
finden sich Wollzinse ; vom Hofe Alpiano kamen jährlich 50 Pfund Wolle und
10 Gebund (fascii) Flachs ein.'*) Daß in einem Falle der Zins sogar in
Rohseide entrichtet wurde, ist schon erwähnt ; die Kultur des Maulbeerbaumes
muß also schon damals, wenn auch jedenfalls nur in geringem Umfange,
in der Lombardei betrieben worden sein, wie ja auch die Quarnero-Insel
Arbe ihren Jahrestribut an Venedig in Rohseide entrichtete, 0) Jedenfalls
vermochte dies heimische Produkt mit denen der Levante und Nord- Afrikas
noch lange keinen Vergleich auszuhalten. Danach werden aber doch von
der großen Zahl seidener Tücher und Decken, wie sie in dem Inventar des
brescianischen Klosters auch aus recht kleinen Kirchen und Kapellen
angeführt werden 6), nicht wenige Erzeugnisse des heimischen Gewerbefleißes
gewesen sein, wie es bei den leinenen wohl für die Mehrzahl der Fälle
anzunehmen ist. Wurde doch namentlich in den Nonnenklöstern mancherlei
Kunstfertigkeit, die sich hauptsächUch auf die Ausschmückung der heihgen
Gebäude richtete, seit langer Zeit gepflegt ; es sei in diesem Zusammenhange
nur eines von der Chronik von Farfa für die Mitte des 10. Jahrhunderts
erwähnten Hofes des hl. Benedikt in Silva Plana (Grafschaft Terni) ge-
dacht, »ubi fuit antiquitus congregatio ancillarum, quae opere plumario
1) Lupus p. 707 ff, (31/12 1077), 721 (23/12 1079): . , , de venis argenti que
sunt in montibus de valle Ardescie da ipsa villa A. insuper . . .
*) Cod. Langob. p. 716, 712. In ähnlicher Weise bezog auch das Kloster Bob-
bio Eisen, das von Zinspflichtigen des Klosters (ebenso wie öl und Getreide) fluß-
aufwärts nach Piacenza zu schaffen war. Hartmann 64 u. 86 ; dazu 66.
') § 48.
*) Cod, Langob. 716, 720, Hartmann 66.
*) §§ 57 u. 10,
«) Z. B, Cod, Langob. 707, 723 f.
86 Siebentes Kapitel.
ornamenta ecclesiae laborabant«.i) Und wenn wir hören, daß in Pavia ein
Hausbesitzer Petrus in den ersten Zeiten des 10. Jahrhunderts als aurifilarius
von gleichnamigen Personen unterschieden wurde 2), so dürfen wir schließen,
daß an diesem alten Königssitz, ähnlich wie in Lucca, gewisse Zweige des
Kunstgewerbes fortdauernd ihre Pflege gefunden haben.
Über den Handel mit den Erzeugnissen der heimischen Industrie
sind freilich unsere Quellen nur allzu stumm. Aber auch von der Art der
Vertreibung der aus der Levante importierten Spezereien und Gewürze,
deren Verbrauch in der Lombardei doch nach dem Zeugnis Ratherius' von
Verona in Ober -Italien ein sehr starker war^), durch den Handel gilt das
gleiche, und etwas mehr Nachrichten haben wir nur für die paUia, jene
hoch im Preise stehenden GcAvebe und Gewänder, beizubringen vermocht,
deren Einfuhr ziemlich umfangreich gewesen sein muß, auch wenn wir die
spöttische Bemerkung Liutprands den Griechen gegenüber, daß bei ihm
daheim selbst gemeine Weibsbilder und Gaukler solche Stoffe trügen 4), die
die Griechen als ein ihnen allein zukommendes Vorrecht bezeichneten, als
ihrem Zweck gemäß etwas übertrieben ansehen wollen.
63. Was die soziale Geltung des Handelsstandes und
der ihm Angehörigen in unserer Periode anbetrifft, so sind zunächst
Beispiele von angesehenen Kaufleuten nicht ganz selten.^)
Gewiß muß jener Kaufmann Baribert von Como, der von Otto IL ^)
ein an seinen Grundbesitz stoßendes Stück der Stadtmauer von Como in
der Nähe des Marktplatzes mit den darauf befindlichen Türmen zugewiesen
erhielt, eine besonders wohlhabende und einflußreiche Persönlichkeit gewesen
sein; im Grundstückverkehr begegnen wir Kaufleuten namentlich von
Mailand, aber auch von. Monza, Lodi, Cremona häufig^); so vertauschen z. B.
lodesanische Kaufleute ihr freies Eigen auf dem Lande gegen andere Grund-
stücke von der Abtei Nonantola und dem Erzbischof von Mailand, s) Wenn
sich der Missus Konrads II„ der Richter Arioald, von dem Mailänder Kauf-
mann Petrus, des Johannes Sohn, einen Raum in seinem Hause zur Abhaltung
seiner Gerichtssitzungen erbat ^), so spricht das gewiß für die hei\vorragende
gesellschaftliche Stellung dieses Kaufmanns; und auch sonst zeigen sich
Richter- und Kaufmannsstand in dieser Zeit schon öfter verbunden ; Arioald
selbst war der Sohn eines mailändischen Kaufmanns Burningus.io
Bezeichnend für die soziale Stellung des Handelsstandes in dieser
Zeit ist besonders die die Reform des Mailänder Klerus betreffende
Konstitution vom Jahre 1068.
4
1) Chron. Farf. I p. 323.
^) Cod. Langob. no. 461, p. 797 (26/7 915). Schiaparelli no. 99.
^) Dresdner 16. __
*) Liutpr. Leg. c. 55 (SS. III, 359) : obolariae mulieres et mandrogerontes.
') In sorgfältiger Durchmusterimg der auf Mailand bezüglichen Urkunden hat
H. Pabst : De Ariberto 39 A. 1 die in denselben begegnenden negotiatores, aurifices,
monetarii zusammengestellt und Breßlau II, 194 f. für andere lombardische Städt^
weitere Beispiele hinzugefügt. Ähnliches hat Gloria p. LXXVIII für Padua getai"
S. auch Schupfer 80.
«) No. 312, p. 368.
') Cod. Langob. no. 608, 689, 719, 732, 753, 809, 855, 880, 900, 926.
8) Cod. Land. I, 16, 38.
») Giulini II, 203. Schupfer 80.
»") Cod. Langob. p. 1707 (999).
Das Binnenland zwisclien Alpen und Apenninen. 37
Sie bedroht widerstrebende Kleriker oder Laien mit Geldstrafen, und
zwar mit 20 Pfund Heller diejenigen, die dem Stande (ordo) der Capitanei
angehörten, mit 10 die aus dem Stande der Vassi, mit 5 endlich die aus
dem Stande der Negotiatores , während andere Personen nach Lage der
Umstände gebüßt werden sollten, i) So sah man also den Stand der Kauf-
leute als den dem unteren Lehnsadel zunächst, wenn auch beträchtlich
hinter ihm zurückstehenden an, und hob ihn allein aus der Masse der
Niedrigerstehenden hervor.
64. Naturgemäß war es diese Oberschicht des Volkes, die bei
den inneren städtischen Kämpfen der Zeit, wenn nicht immer die
offene Führung, «o doch den Hauptanteil und den Hauptvorteil hatte.
Ihr Interesse vornehmlich war es, Einfluß in den öffentlichen Ange-
legenheiten zu gewinnen und die allmähliche Zurückdrängung der in
der großen Mehrzahl der Städte auch zur weltlichen Herrschaft ge-
langten geistlichen Gewalten zu erstreben.
Dies allmähliche, in häufigen revolutionären Zuckungen sich äußernde
Emporstreben der Bürgerschaft zu selbständiger Geltung gegenüber der
bischöflichen Stadtherrschaft läßt sich in Cremona am frühesten und besten
beobachten; hier zuerst ist ein königliches Privileg direkt an eine Bürger-
schaft verliehen worden ; alle freien Bürger Cremonas, reich und arm, nahm
Otto in. am 22. Mai 996 in seinen Schutz, verlieh ihnen weitgehende Besitz-
rechte und verhieß ihnen Sicherheit daheim wie außerhalb, wohin immer
sie sich auf ihren Geschäftsreisen zu Lande oder Wasser begeben würden.^)
Freilich erklärte nur wenige Monate später der Kaiser dies Dokument für
erschlichen 3) und rechtsunwirksam; die königliche Gewalt hielt an ihrer die
Bischöfe begünstigenden Politik fest. In Mailand Avieder, wo die Grafschafts-
rechte nicht in der Hand des Bischofs lagen, pflegte die Bürgerschaft Hand
in Hand mit dem Erzbischof gegen den Lehnsadel zu gehen; man denke
nur an den Kampf Erzbischof Ariberts gegen Konrad II. und die heftigen
Fehden zwischen Volk und Adel in Mailand im Jahre 1045.4)
Wie sehr die Bürgerschaft in den größeren Städten mehr und mehr
zu einem selbständigen Machtfaktor wurde, zeigt besonders der Umstand,
daß ein so mächtiger Herrscher wie Heinrich III. im Jahre 1055 den freien
Bürgern von Ferrara und Mantua in seinen Privilegien weitgehende Zu-
*) Arnulfi Gesta archiepiscoporum Mediol., SS. VIII, 23. Gaddi 1. c. 270. Das lan-
gobardiHclie Gesetz König Aistulfs, das die Handeltreibenden, auch wenn sie keinen
GrundVjesitz hatten, zum Kriegsdienst verpflichtete, und zwar nach drei Vermögens-
stufen entweder als Bogenschützen oder zu Roß oder endlich mit Roß und Panzer,
so daß also die oberste Klasse den freien langobardischen Grundbesitzern völlig
gleichgestellt war, wage ich bei den starken sozialen Verschiebungen, die in der
folgenden Zeit der Win-en zugleich mit einem starken Niedergange des Handels ein-
traten, hier nicht mit heranzuziehen. Aist. c.3; Hegel I, 431. Giesebrecht P,
348. Davidsohn I, 63.
*) . . . sive ad negotium ierint, absque molestatione omnium in terra et aqua
illos ubicunque voluerint consistere precipimus ; no 198, p. 606.
') Dipl. O III no. 222, p. 635 (3/8 996) : Cremoncnses cives nefanda deceptionis
fraude nos circumveniendo decipientes etc. Breßlau II, 196 A. 2; 204. Handloike:
Die lomb. Städte unter der Herrschaft der Bischöfe und die Entstehung der Kom-
munen (Leipzig 1883) p. 100.
♦) Breßlau II, 210, 234 ff. Steindorff I, 239 ff.
gg Siebentes Kapitel. ^i^^^^KM
geständnisse auf zollpolitischem Gebiete machte i); und wenige Jahre nach
dem Tode des Kaisers sehen wir dann die um den Vorrang im Zentrum
der Lombardei streitenden Städte Mailand und Pavia wie zwei selbständige
Mächte Krieg gegeneinander führen. 2)
Schon durch die kirchlich -demokratische Bewegung der Pataria
mächtig gefördert, hat dann die neue Entwickelung durch den Investitur-
streit mit seinen Nebenwirkungen und Folgen ihren entscheidenden
Sieg errungen. So verschieden die Wege im einzelnen waren, die sie
zum Ziele führten, am Ende des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts
stehen die meisten dieser Städte als eigene Kommunen da, die unter
selbstgewähltem Regiment in einer ßeihe der wichtigsten öffentlichen
Angelegenheiten das Recht der freien Selbstbestimmung beanspruchen.^)
So konnte sich schon im Jahre 1093, aus Mailand, Lodi, Cremona
und Piacenza bestehend, ein erster lombardischer Städtebund bilden^),
der gegen die damals freilich arg darniederliegende kaiserliche Macht
gerichtet war.
Von vornherein aber ist in allen diesen Städten des Binnenlandes
unter den tonangebenden Kreisen der demokratische Einschlag erheblich
stärker als in den Seestädten, die Beteiligung des kleineren Handels-
standes und der gewerbetreibenden Elemente nachdrücklicher und
gewichtiger ; in den zahlreichen Handelszentren dieses Gebiets ^) konnte
der Natur der Dinge nach der Stand der größeren Kaufleute nicht
so stark und bedeutend sein, als es in den Seestädten der Fall war,
während dafür in der Stille, der direkten Beobachtung des Forschers
fast ganz sich verbergend, in allmählichem Wachstum eine Industrie
emporkam, die das Hinterland der Seestädte immer äfUfnahmefähiger
machte und so die Entwickelung des Handels nicht niinder förderte,
als sie von ihr gefördert wurde.
65. Ein Außenhandel des Binnenlandes über die Grenzen^
von Ober- und Mittel - Italien hinaus fand in unserer Periode , soviel
wir sehen können, nur über die Alpen statt.
s
1) Oben § 60.
ä) 1059 fe. Meyer von Knonau I, 143, 246 f.
2) Das Konsulat ist für Mailand zuerst im Jahre 1097 nachweisbar. Schupfer 123
*) Anemüller, Gesch. der Verfassung Mailands 1075—1117. Halle 1881 (diss.)
p. 15 ff. Meyer von Knonau IV, 3941 Giesebrecht HI», 652. Die Nachricht von
einer schon 1037 zwischen Parma und Modena abgeschlossenen communitas et sO'
cietas ruht doch auf gar zu unsicherem Boden. Breßlau II, 275.
") Abseits von der allgemeinen Entwickelung begegnen wir in Ravenn
ähnlich wie in Rom zünftischen Korporationen, die sich aus spätrömischer Zeit er
halten haben, unter ihnen auch einer scola negotiatorum, an deren Spitze ein auf
Lebenszeit bestellter Capitularius stand, wie aus mehreren Urkunden aus dem
6. Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts hervorgeht. Näheres Hartmann p. 16 ff., insbes.
p. 27. Daß diese lokalen Erscheinungen des altrömischen Rechtsgebiets irgend-
welche Einwirkung auf die korporativen Neubildungen, denen wir im 12. Jahrhundert
im übrigen Ober- und Mittel-Italien begegnen, ausgeübt haben, finde ich nicht er-
weislich und nicht wahrscheinlich; wohl aber haben sie umgekehrt eine Umge-
staltung nach dem Muster dieser Neubildungen erfahren.
I
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 89
Das Bestehen eines Handelsverkehrs zwischen ItaUen und den Ländern
jenseits der Alpen wird zunächst schon durch die Tatsache erwiesen, daß
in diesen Ländern häufig genug Waren erwähnt werden, die ihrer Natur
nach nur importiert sein können, und daß für diesen Import kaum ein
anderer Weg denkbar erscheint als der von Italien her. Das gilt, um nur
einige Beispiele anzuführen i), von den kostbaren Purpurstoffen von Tyrus,
die Bischof Adalbero von Augsburg 908 dem Kloster St, Gallen schenkte,
ebenso wie von den Gewürzen, die man dem Wein zuzusetzen liebte, und
dem Pfeffer, den dasselbe Kloster nach dem Zeugnis Ekkehards (IV.) für
seinen Haushalt vom Bodensee her zu beziehen pflegte. Ein arabischer
Schriftsteller, der im 10. Jahrhundert Mainz besucht hatte, drückt sein
Erstaunen darüber aus, in dieser Stadt des Westens Spezereien wie Pfeffer,
Ingwer, Gewürznelken, Spikanarde, Costus und Galanga, die im fernen Osten
heimisch seien, in großer Menge angetroffen zu haben; und nicht minder
lehrreich ist in dieser Beziehung ein uns erhaltenes, wohl noch aus dem
gleichen Jahrhundert stammendes Verzeichnis von Waren, die die Kloster-
verwaltung von Corbie an der Somme für ihren Bedarf in der Stadt Cambrai
einkaufen zu lassen gedachte. Abgesehen von 600 Pfund Wachs befinden
sich darunter an Gewürzen: Pfeffer mit 120 Pfund, Ingwer mit 70, Zimt
mit 15, Gewürznelken mit 10, Kümmel mit 120 Pfund; an Räuchereien und
wohlriechenden Stoffen < Weihrauch und Mastix mit je 10 und Myrrhen
mit 3 Pfund; dazu zahlreiche Heilpflanzen wie Galanga- und Costuswurzel
mit je 10 Pfund, Salbeiblätter usw. 2)
An einen Bezug dieser Waren etwa vom Schwarzen Meere her und
donauaufwärts ist um so weniger zu denken, als dieser Weg durch das
wilde Volk der Magyaren lange Zeit gänzlich verschüttet war. Und da auch
die südfranzösischen Häfen in unserer Zeit noch nicht in Betracht kamen 3),
so bleibt nur der Import von Italien her übrig. Insbesondere wird Venedig
als derjenige Seehafen betrachtet werden müssen, der der Gunst der Ver-
hältnisse nach der wichtigste Ausgangspunkt für den Export insbesondere
der Waren der Levante nach den Ländern jenseits der Alpen gewesen ist.
66. Eine ganz andere Frage aber ist es, wer diesen Export
bewirkt hat.
Ohne Umschweife ist dabei vor allem festzustellen, daß es nicht möglich
ist, für diese ganze Periode eine Spur von der Anwesenheit der rührigsten
italienischen Kaufleute der Zeit, der Venezianer oder Amalfitaner, in den
Ländern jenseits der Alpen zu entdecken. Dabei fällt für die Venezianer,
an die ja in erster Linie zu denken wäre, ganz besonders schwer ins Gewicht,
daß uns die von ihnen mit den deutschen Herrschern geschlossenen Ver-
träge bekannt sind und daß diese Verträge sich ausschließlich mit dem
Regnum itali^um befassen; wenn Venedig irgendwelche Handelsinteressen
') Hierzu Heyd I, 79 f., 86, 90. Jacob G. Ein arabischer Berichterstatter aus
dem 10. Jahrhundert. Berlin » 1896 p. 15. Schulte I, 72 f. Der prächtige, feine, aus
der Zeit des Basilius und Constantinus (um 1000) datierte Seidenstoff im Gewerbe-
museum zu Düsseldorf ist seinerzeit wohl durch eine Gesandtschaft und nicht auf
dem Wege des Handels nach Deutschland gekommen. Näheres über diesen bei
Schlumberger H, 629 ; Abbildung ib. I, 293.
*) Istae sunt pigmentae quas ad Camaracum debemus comparare etc. Le
polyptyque de l'abbe Irminon M. Guörard, Paris 1844 : Statuta ant. abbatiae S. Petri
Corbeiensis II, 337. Heyd I, 93. Masson 132. Schulte I, 73 f.
') § 72 f.
90 Siebentes Kapitel.
seiner Untertanen in Deutschland zu vertreten gehabt hätte, so wäre das in
diesen Verträgen irgendwie zum Ausdruck gekommen, besonders in den
Verträgen mit Otto III. und Heinrich IV., die unter den für Venedig
günstigsten Bedingungen abgeschlossen worden sind, i) Und ähnliches läßt
sich auch von Ferrara und Mantua sagen, denen Heinrich III. im Jahre 1055
reichhaltige Privilegien verliehen hat. 2) So sind denn für Deutschland
die Spuren einer Tätigkeit italienischer Händler daselbst außerordentlich
dürftig. Wenn uns in Regensburg eine Walengasse (inter Latinos) begegnet,
so bleibt selbst zweifelhaft, ob dieser Name auf eigentliche Italiener, auf
die romanischen Walen der Schweizer und Tiroler Alpen oder auf Franzosen
zu beziehen ist (eine Urkunde hat in der Tat inter Gallicos statt inter
Latinos für die gleiche Straße) 3), und zweifelhaft bleibt auch, ob die ent-
sprechende Niederlassung in unserer Periode überhaupt noch fortbestanden
hat. Und wenn wir für diese Zeit nicht nur italienische Kleriker in größerer
Zahl in Deutschland nachweisen können, sondern auch italienische Lehrer,
Maler und Baumeister 4), so fällt die Tatsache, daß uns das gleiche für
italienische Kaufleute nicht möglich ist, nur um so schwerer ins Gewicht.
Daß italienische Händler im damaligen Deutschland vollständig gefehlt
hätten, soll damit angesichts der Beschaffenheit unserer Quellen noch nicht
behauptet werden. Eine Spur ist es immerhin, was Liutprand von Cremona
erzählt, daß der Schwabenherzog Burkhard (926) «eine Leute in Mailand
in dem Glauben, daß ihn niemand von den sonst Anwesenden verstehe,
öffentlich deutsch angesprochen habe, daß unter diesen aber ein Händler
mit Tuchen, der Deutsch verstand, gewesen sei, der den Inhalt seiner Worte
unverzüglich dem Erzbischof weiter berichtet habe.^) Das legt den Schluß
nahe, daß dieser Tuchhändler sich die Kenntnis der deutschen Sprache in
seiner Geschäftstätigkeit mit Deutschland, zunächst jedenfalls/ mit dem
oberen Deutschland, angeeignet habe. Nur meine ich, wird durch einen
solchen einzelnen Zug der Gesamteindruck durchaus nicht'^ufgehoben, da.
im großen und ganzen in unserer Zeit von einer Handelstätigkeit d
Italiener in Deutschland nicht gesprochen werden kann.
67. Etwas anders ist der Eindruck, wenn wir Frankreic
mit Burgund ins Auge fassen.
Im Jahre 1074 ließ König Philipp I. von Frankreich auf einer aus
vielen Ländern besuchten Messe seines Königreichs italienischen Kauf-
leuten bedeutende Werte (infinitam pecuniam) konfiszieren ; Papst Gregor VII.
aber trat in zwei an Erzbischof Manasse von Reims und die französischen
Bischöfe gerichteten Schreiben und einem dritten an Herzog Wilhelm von
Aquitanien lebhaft für die geschädigten Kaufleute ein *») ; seiner Habsucht
folgend und nicht mit irgend welchem Recht habe der König so gehandelt
') § 3 f.
') § 60.
ä) Hegel II, 383 f. Erdmannsdörft'er 11 f. Hirsch I, 30 A. 4. Heyd I;'
Goldschmidt 106 A. 37. Schulte I, 108.
■») Köpke-Dümmler 203. Breßlau II, 343 ; 398 A. 3. Derselbe bei Hirsch
217. Schulte I, 110.
') Liutpr. Antapod. III c. 14 (SS. III, 306): quidaua istic aderat, quamquam
pannosus despectus, eius tarnen loquelae scius, qui horum omnium Lamperto archi-
praesuli celer factus est nuncius.
6) Jaffe II, p. 115, 132, 146 (10/9, 13/11, 8/12 1074). J. 4878, 4891, 4905. Meye:
von Knonau II, 426, 435, 461.
Das Binnenland zwiedicn Alpen und Apenninen. 91
selbst die Fabel habe bisher von einem Könige so räuberische Tat noch
nicht gemeldet; allen ihren Einfluß sollten sie aufbieten, damit den Kauf-
leuten JErsatz ihres Schadens zuteil werde. Einen Erfolg haben diese
Bemühungen allerdings, besonders bei der wenig entgegenkommenden
Haltung des Erzbischofs von Reims, nicht gehabt. Für uns ist die Fest-
stellung die Hauptsache, daß italienische Kaufleute damals französische
Messen besucht haben. Und zwar ist es in hohem Grade wahrscheinlich,
daß unter dem forum quoddam in Francia, von dem der Papst redet,
die Messe Lendit zu verstehen ist, die an Stelle der älteren Messe von
S. Denis im Jahre 876 von Karl dem Kahlen begründet worden war und
alljährlich am zweiten Mittwoch des Monats Juni begann; auch das Datum
des ersten Briefes des Papstes (10. September) paßt gut zu einem Vorgang
auf dieser Messe; nach dem Zeugnis des Abtes Suger war in der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts gerade diese Messe bedeutend und altberühmt, i)
Die spezielle Heimat jener italienischen Kaufleute vermögen wir allerdings
nicht zu ermitteln. Nur läßt sich wohl sagen, daß, wenn es sich um Römer
oder Venezianer gehandelt hätte, der Papst sie auch als solche bezeichnet
haben würde. So liegt es am nächsten, an eine oder mehrere der lombardi-
schen Binnenstädte zu denken. Unter diesen können wir speziell für Asti
nachweisen, daß seine Bewohner schon in dieser Zeit den transalpinen
Handelsverkehr pflegten. Wenn Otto HI. in seinem Privileg vom 19. Juli 992
dem Bischof von Asti ganz allgemein zugestanden hatte, daß die Kaufleute
seiner Stadt befugt sein sollten, überall, wo immer sie wollten, unbelästigt
Handel zu treiben 2), so wurde in dem Privileg, das Kaiser Konrad H. auf
Fürsprache des designierten Bischofs Obert den Bürgern von Asti am
18. Juni 1037 erteilte, für diese Handelsfreiheit in erster Linie das Tal von
Susa namhaft gemacht und hinzugefügt, daß sie sich über alle Täler und
Pässe und in gleicher Weise über Wege in den Bergen wie in den Ebenen
seines Reiches erstrecken sollte 3); nur zur Zahlung der von Reichs wegen
bestehenden Zölle sollten sie dabei verpflichtet sein. Kein Zweifel, daß die
Änderung in der Fassung der beiden Privilegien auf den besonderen Wunsch
der Astesanen zurückzuführen ist und daß sie damit zusammenhängt, daß
Konrad H. auch Herr des benachbarten Burgund geworden war. Als
Haupthandelsweg der Astesanen aber ergibt sich danach der Weg an der
Dora Riparia aufwärts, der sie über den Mont Cenis nach dem mittleren
und nördlichen, über den Mont Genevre nach dem südlichen Frankreich
führte^); vielfach wird hierbei wohl Handel mit den burgundischen Grenz-
*) Nundinae indicti, in platea quae Indictum dicitur. Vgl. Huvelin 171, 266 f.
Pigeonneau I, 207 A. 3. Nebenbei bemerkt, halte ich das angebliche Auftreten lan-
gobardischer Kaufleute am Anfang des 7. Jahrhunderts auf der Messe zu S. Denis,
die ihretwegen eine Verlängerung auf 4 Wochen erfahren haben soll, für einen
Anachronismus und demgemäß die betreffende Stelle in der Urkunde König Dago-
berts von 629 für eine Interpolation.
*) Xo. 99, p. 510: ut negociatores sue civitatis ubicunque velint habeant licen-
tiam negociandi sine contradictione alicuius hominis.
') . . . per vallem Secusiensem et per omnes valles et per omnia montanea
et per vias asperas et planas . . . totius nostri regni, per quas ceteri mercatores
nostri imperii vitae praesentis solent conquirere subsidium . . . Chart. I p. 513.
St. 2093. Breßlau 11, 196 u. 474 f., wo die Echtheit der Urkunde gegen Stumpfs Be-
denken überzeugend dargetan ist.
*) AVie z. B. Urban II. von Asti 1095 über den /Cenis nach Valence und 1096
von Avignon über Forcalquier und den Genevre nach Asti gezogen ist. Meyer von
Knonau IV, 456, 469.
92 Siebentes Kapitel.
gebieten besonders in Frage gekommen sein. Außer für Asti können wir
nur für Lucca mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß seine Bewohner
den Handel mit Frankreich selbsttätig pflegten, wenn wir uns der Verse
des Rangerius erinnern, die seine Landsleute der Nachahmung französischer
Sitten beschuldigen und ihnen vorwerfen, daß sie es vorzögen, Stoffe von
der Wolle eines fremden Schafes zu tragen, i) Die Annahme wird nicht zu
kühn erscheinen, daß diese Stoffe wenigstens zum Teil von den Lucchesen
selbst importiert worden sind. Gab es doch auch sonst manchen Anlaß für
die Italiener, den Verkehr mit Frankreich zu pflegen; ein Kloster wie
Fruttuaria (1003 begründet) war mit Besitzungen auch im Burgundischen
ausgestattet^), und die berühmten Wallfahrtsstätten Frankreichs wie das Kloster
des hl. Martial zu Limoges und das des hl. Martin zu Tours übten auch
auf die sprachverwandten Italiener eine nicht geringe Anziehungskraft
aus 3), während wir ähnüches von deutschen Wallfahrtsstätten nicht hören.
68. Wenn wir zur Ergänzung dieser Feststellungen nunmehr
nach der Tätigkeit der jenseits der Alpen heimischen Kaufleute in
Italien fragen, so ergibt sich umgekehrt, daß wir für Deutschland
eine Reihe entsprechender Nachrichten haben, während sie für
Frankreich fast ganz fehlen.
Schon die aus der Zeit Karls d. Gr. stammende Empfehlung eines
fränkischen Kaufmanns, der Waren aus Italien zu importieren gedachte,
durch Alkuin bei dem Bischöfe von Chur*) weist uns darauf hin, daß für
den Verkehr mit Italien damals die Straße über den Septimer von hervor-
ragender Bedeutung war. Ekkehard von Sankt Gallen redet zum Jahre 917
von den aus Italien in ihre Heimat zurückkehrenden Kaufleuten 5) ; und
der Abt seines Klosters erwirkte am 12. Juni 947 bei Otto d. Gr. die Erlaubnis,
in dem zu seinem Gebiet gehörigen Rorschach am Bodensee mit Rücksicht
auf die nach Rom oder überhaupt nach Italien ziehenden Reisenden ß)
einen zugleich mit einer Münzstätte verbundenen Markt einzurichten; alles,
was der Markt an Zöllen, Prägegebühr oder sonstigen Einnahmen brachte,
soUte dem Kloster zufallen. Die Stärke des Handelsverkehrs auf dieser
Straße beweist es, wenn der bischöflichen Kirche von Chur laut kaiserlichem
Privileg aller Zoll verliehen wurde, der in altherkömmhcher Weise »von
allen Durchreisenden und von allen Seiten herbeiströmenden Käufern und
von jeglichem in Chur abgeschlossenen Handelsgeschäft« '^) zu erheben war ;
1) Oben §42.
2) Hirsch I, 242, 387 f.
') Der Mönch vom Lido, der die Translatio S. Nicolai verfaßt hat, kannte
Tours aus eigener Anschauung und erzählt von einer Frau aus dem Paduanischen,
die zum hl. Martin pilgern wollte. Rec. crois. occid. V, 288 f. S. Martin und S.
Denis hatten Besitzungen in Italien; Bestätigung derselben Dipl. 0 11 (15/10 980)
no. 232, 233. Hartmann 98. Anfang des 11. Jahrhunderts beschweren sich die Ka-
noniker von S. M. über verschiedene Markgrafen propter terras b. Martini in Italia.
quas injuste tenebant. Breßlau I, 72 A. 3.
*) JafEe VI, 709 no. 213. Heyd I, 89. Huvelin 151 (hunc nostrum negocia
torem, Italiae mercimonia ferentem).
») Ekkeh., SS. H, 88. ErdmannsdörfEer 8. Gfrörer I, 595.
«) . . . mercatum ibi haberi ad Italiam proficiscentibus vel Romam pergen-
tibus esse comodum. Dipl. 0 I no. 90, p. 172.
') Ib. no. 148, p. 229 (12/3 952): >omnem teloneum ab iterantibus et undique
confluentibus emptoribus atque de omni negotio in loco Curia peracto, de quo
Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen. 93
auch der Transitzoll für das schon zum Pogebiet gehörige Bergell wurde
in Chur gezahlt, wie wir aus dem Privileg von 960 erfahren, das dieses Tal
im Austausch gegen Besitzungen im Elsaß dem Bischof von Chur verlieh, i)
Wenn Otto II. in Beeinträchtigung der Ansprüche von Como am 5. Dezember
980 auch noch den von den Kaufleuten an der Mairabrücke bei Chiavenna
zu erhebenden ZoU hinzufügte 2) und dem Bischöfe auch den Wächter
dieser Brücke samt seinen Söhnen und den andern Hörigen des Königs in
Chiavenna überwies, so hat der Bischof diese Verleihung an dem für den
Verkehr mit Italien besonders wichtigen Orte freilich nicht lange zu
behaupten vermocht. 3) Nicht ohne Bedeu.tung für den deutsch-italienischen
Durchgangsverkehr war es ferner, daß Otto d. Gr. im Jahre 955 der bischöf-
lichen Kirche von Chur, um sie für die Verwüstungen durch die Sarazenen,
deren Folgen ihm bei seiner Rückkehr von Italien vor Augen getreten
waren, zu entschädigen, außer dem Königshofe Zizers auch das Recht
verlieh, ein Schiff auf dem Walensee zu halten"*); selbst der besonders von
den Juden betriebene Sklavenhandel spielte an dieser Hauptverkehrsstraße
eine Rolle; nach einer Aufzeichnung aus der Mitte des 11. Jahrhunderts
bezog der Bischof bei jedem Verkauf von Sklaven an der Zollstätte von
Walenstad 2 Denare pro Kopf. 5)
69. Hatte der Handelsverkehr über den Septimer zunächst das Herz
der Lombardei zum Ziel, so liegt für den Verkehr der deutschen Kaufleute
nach Venedig hin ein hervorragend wichtiges Zeugnis in dem Vertrage vor,
den der Doge im Jahre 1001 mit dem Bischof von Treviso abschloß. In
diesem Vertrage nämlich nahm der Bischof von der Verpachtung des Drittels
der Zolleinnahmen im Hafen von Treviso an Venedig den von den Deutschen
zu entrichtenden Uferzoll ausdrückhch aus. ß) Behielt der Bischof gerade
diese Einnahmequelle sich selbst vor, so kann sie offenbar nicht gering
gewesen sein ; der Verkehr der Deutschen mit Treviso , auf dessen Markt
die Venezianer eine Hauptrolle spielten, und wohl auch über Treviso mit
Venedig selbst muß danach am Anfang des 11. Jahrhunderts einen nicht
unbeträchtHchen Umfang gehabt haben. Kamen die deutschen Kaufleute
aber über Treviso, so müssen sie entweder von der Etsch und Trient her
den Weg durch Val Sugana genommen haben, oder sie kamen vom Pustertal
her das Piavegebiet abwärts; und so fällt auch auf das Interesse Venedigs
an dem Vertrage mit Ceneda'^) ein weiteres Licht, da letzterer Weg, den
großen Bogen des Piave in seinem mittleren Laufe abschneidend, über
Serravalle und Ceneda - Conegliano direkt südwärts führte. So wenig die
Venezianer selbst den transalpinen Handelsverkehr pflegten, so waren sie
danach doch darauf bedacht, den Zuzug ihrer deutschen Abnehmer zu
erleichtern; offenbar war Treviso damals einer der wichtigsten Orte, wo im
semper consuetudo fuerat teloneum exactandum. « Dazu das Privileg vom 16/1 958
no. 191, p. 273. Vgl. Köpke-Dümmler 199, 533. Schulte I, 63 f.
1) Ib. no. 209, p. 287.
*) . . . omne teloneum de ponte Clavenasco qui factus est super fluvium Mai-
ram nuncupatum, sicut regio et imperiali juri consuetudo fuit a negotiatoribus
hucusque dari etc. Dipl. 0 n no. 237, p. 265. Uhlirz 139.
») Oben § 59, p. 134.
*) No. 175, p. 257 (28. Dez.).
*) Hierzu und zu dem Vorhergehenden Schulte I, 57, 61 ff., 151.
^) . . . excepto solummodo ripatico de illo Theutonicorum. Ughelli V, 507.
Oben § 7.
^ Oben § 7.
94 Siebentes Kapitel.
Handelsverkehr mit den Deutschen der Umschlag vom Land- auf den
Wasserweg und umgekehrt erfolgte. Doch ist es als bloßer Zufall zu
betrachten, daß wir von dem Wege über Verona in dieser Zeit noch nichts
hören. Als Symptom für den Handelsverkehr an der Brennerstraße sei
erwähnt, daß Bischof Hartwig von Brixen am 24. April 1028 bei Kaiser
Konrad H. die Übertragung des Besitzrechtes an den Klausen bei Sähen
mit ihrer Maut und den sonstigen Einkünften an das unter seiner Verfügung
stehende Marienkloster bei Sähen erwirkte, i) Und wenn auch nicht als
Beweise, so immerhin als Indizien, die für einen Verkehr deutscher Kauf-
leute in Venedig sprechen, können wir es ansehen, daß Otto d. Gr. 949
einen reichen Kaufmann aus Mainz, Liutfred, dazu ausersah, den griechischen
Gesandten Salomon mit reichen Gegengeschenken an den Hof von Kon-
stantinopel zurückzubegleiten; in Venedig traf Liutprand, als Gesandter
Berengars von Pavia kommend, mit ihm zusammen 2) — ferner, daß Thietmar
von Merseburg die nach Sachsen gelangte Kunde von dem Untergange
jener vier großen, mit Spezereien beladenen venezianischen Schiffe in seine
Chronik aufgenommen hat 3); für eine frühere Zeit hat es Rudolf von Fulda
als ein unerhörtes Naturereignis verzeichnet, daß im Jahre 860 so starker
Frost eintrat, daß die Kaufleute ihre Waren auf Pferden und zu Wagen
nach Venedig zu bringen imstande waren. *) Auch das nicht seltene Vor-
kommen von Waren, als deren Ursprungsland mit Sicherheit Deutschland
anzusehen ist, kann hierher gerechnet werden. Das gilt ganz besonders von
den Metallen, deren Abbau seit alten Zeiten in den Alpenländern heimisch
war; wenn auch der italienische Teil derselben ebenfalls Metalle lieferte,
so war sein Reichtum an denselben doch nicht entfernt so groß wie in
den für Venedig günstig genug gelegenen deutschen Teilen der Ostalpen.
Wo in dieser Zeit Veranlassung zur Aufzählung des Vermögens vornehmer
Venezianer war, spielen Metalle ihre Rolle. So führt die Verzichturkunde
der Witwe des Dogen Pietro Candiano vom September 976 außer den
Immobilien auf: Gold und Silber, bearbeitet und unbearbeitet, Kupfer,
Eisen, Zinn, Blei, Betten, Waffen usw.^), und das gleiche ist in zwei
venezianischen Teilungsurkunden von 1038 und 1051 der Fall. *^)
70. Natürlich wurden Metalle und Wafien, wie nach Venedig, so auch
nach anderen Orten Italiens von Deutschland her eingeführt; auch ritter-
hche Gebrauchsgegenstände gehörten zu diesen importierten Artikeln, da wir
durch Ratherius von Verona wissen, daß germanische Zügel und sächsische
Sättel bei den Bischöfen der Lombardei, von denen ja auch nicht wenige
deutscher Herkunft waren, in Gebrauch waren. '^) Pelzwerk wie Hermelin,
Marder, Wiesel, Fuchs kam zwar zum Teil auf dem Seewege nach Italien,
wurde zum andern Teil aber aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf de
1) Hormayr no. 14, p. 44 f. Bestätigungen von Heinrich III. (1040) und Hei:
rieh IV. (1057) ib. no. 15 u. 17.
») Liutpr. Antapodosis 1. VI, c. 4, 6 (SS, III, 338). Köpke-Dümmler 172 f.
») 1. Vn c. 54 (SS. ni, 860).
*) SS. I, 373 ; vgl. Job. diac. 116.
6) Ficker IV no. 29.
^) Baracchi VI (1873) p. 313 u. 318. Auf eine nicht unbedeutende EntwiCKe-
lung des Gewerbes der ferrarii im damaligen Venedig läßt auch die Urkunde von
1032 schließen ; SS. VH, 37 not. Job. diac. 175 ; dazu Breßlau II, 261. Die Existenz
einer Zunft der fabri geht freilich daraus keineswegs hervor, wie Gaudenzi p. 11
mit Recht bemerkt.
T) Heyd I, 113. Schulte I, 74.
Das Binnenland zwischen Ali)en und Ajjenninen. 95
Landwege von Deutschland und Ungarn her importiert ; Rather eiferte
dagegen, daß GeistHche an Stelle des Priesterhutes pelzgefütterte ungarische
Mützen trügen, während Strohhüte nach sächsischer Art sie im Sommer
gegen die Sonne schützen müßten, i)
Aber auch Erzeugnisse der Textilindustrie wurden von jenseits der
Alpen von Nicht - Italienern importiert, wie uns der aus dem Ende des
11. Jahrhunderts stammende genuesische Abgabentarif gezeigt hat. 2) Für
einen Teil dieser WoU- und Garnstoffe werden wir Ober-Deutschland, wo
jedenfalls auch jener mailändische pannosus seine Stoffe einkaufte, als
Ursprungsland anzusehen haben 3), während ein anderer und wohl der
größere von den nordfranzösischen Städten her seinen Weg nach Genua
fand. Es ist die einzige Nachricht aus dieser Zeit, die uns mit einiger
Sicherheit auf die damalige Handelstätigkeit französischer Kaufleute in
Italien schließen läßt. 4) Daß König Kanut d. Gr. bemüht war, wie den
Pilgern, so auch den Kaufleuten aus England und seinem nordischen Reiche
Erleichterungen auf ihrem Wege nach Italien zu verschaffen, haben wir
schon erwähnt 5); wenn der mächtige Herrscher zunächst auch nur den
Weg nach Rom im Auge hatte , so wird für die Händler schwerlich Rom
das alleinige oder auch nur das Hauptziel ihrer geschäftlichen Tätigkeit
gewesen sein. Und wenn wir hören, daß Stephan der Heilige eine seiner
Schwestern nach Venedig vermählt hat 6), so läßt sich die Vermutung schwer
abweisen, daß zu gleicher Zeit auch Handelsbeziehungen zwischen Ungarn
und Venedig bestanden haben.
71. Im allgemeinen wird es nicht zweifelhaft erscheinen, daß der
über die Alpen gerichtete Handelsverkehr der Fremden mit Italien an dem
vielfachen Verkehr mit der Kurie, an den Römerzügen der deutschen
Herrscher, an den nicht seltenen Familienverbindungen zwischen deutschen
und italienischen Häusern, dem Vorhandensein kaiserlicher Klöster in
Italien, der großen Zahl deutscher Bischöfe auf italienischen Stühlen eine
starke Stütze fand und nicht wenig durch ihn befruchtet wurde. Ganz be-
sonders aber wirkten die Pilgerfahrten in dieser Richtung, sei es, daß sie
Rom und andere Wallfahrtsstätten Italiens selbst zum Ziele hatten oder von
italienischen Häfen aus nach dem Heiligen Lande weiter gingen. Sie waren es
auch, die dem Herbergswesen der Zeit zum Teil einen kirchlichen Charakter
aufprägten. Kein Kloster gab es, das nicht sein Hospiz, sein Xenodochium
gehabt hätte, das in erster Linie für bedürftige Pilger bestimmt war, sicher
aber auch anderen Reisenden Unterkunft gewährte. Von hoher Bedeutung
') Dresdner 363.
2) Oben §48.
^) Über die in Schwaben gefertigten roten und naturfarbenen Stoffe s. den
Conflictus Ovis et lini ed. Haupt (Zeitschr. f. deutsches Altertum XI, 1859, p. 215 ff.)
V. 195 ff. Als Heimat des Gedichtes hat Keutgen neuerdings Schwaben epwiesen ;
<lie Autorschaft des Mönchs Hermann von Reichenau (f 1054) ist danach sehr wohl
möglich. Vgl. die trefflichen Ausführungen Keutgens im p]xkurs B zu seinem Auf-
satz über den Großhandel im Mittelalter: Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1901
p. 1-34 ff.
*) Die Nachricht Flodoards von Reims zu 951 (SS. IH, 401): »Saraceni mea-
tum Alpium obsidentes a viatoribus Romam proficiscentibus tributum accipiunt
et sie eos transire permittunt,c läßt eine Beziehung auf Handelsverkehr nicht er-
kennen.
») Oben § 29.
«) Giesebrecht P. 740.
96 Siebentes Kapitel. Das Binnenland zwischen Alpen und Apenninen.
für den Handelsverkehr waren die an den Hauptübergängen über die Alpen
Tind Apenninen errichteten Klöster und Hospize, vor allem die am M. Cenis
und Großen S. Bernhard, am Septimer und M. Bardone (La Cisa- Straße) i)
— aber was für diese Durchgangspunkte gilt, die der Handel überwinden
mußte, gilt nicht für die Orte, die zugleich selbst Handelsplätze waren.
Den nationalen Hospizen in Rom 2) werden wir eine größere Bedeutung für
den Handel nicht zuschreiben dürfen, und das gleiche gilt von dem unga-
rischen Pilgerhause zu Ravenna, dem ausschließlich für nordische Pilger
bestimmten Erichhospiz bei Borgo San Donnino 3), dem Schottenhospiz von
Vercelli*) und dem Britenhospiz der hl. Maria in Pavia, das zusammen
mit dem Hospiz des hl. Benedikt in Montelongo (an der La Cisa-Straße) zu
den Besitzungen des Salvatorklosters von Brescia gehörte. 0) Sehr bemerkens-
wert ist -die Nachricht, daß in Venedig von Staatswegen für die Unterkunft
der Pilger (und damit zugleich wohl auch für ihre Überwachung) gesorgt
war. Als Abt Guarin vom Kloster S. Michael in Cusa (am Canigou) auf
der Rückreise von Rom nach Venedig kam, teilte man ihm mit, daß der
Doge Peter I. Orseolo verordnet habe, daß kein Privatmann in Venedig
ohne seine besondere Erlaubnis einen Pilger beherbergen dürfe; er selbst
betrachte sich als den Wirt alleT Pilger und habe sehr große Häuser zur
Aufnahme von arm und reich, dazu auch ein Hospital errichten lassen ; Be-
dürftige fänden da zugleich die für ihren Lebensunterhalt notwendige Unter-
stützung. 6) Auf fremde Kaufleute scheint sich die Einrichtung nicht bezogen
zu haben; als eine Art Vorläufer der späteren Fondachi erscheint sie
immerhin.
I An allen Orten mit etwas größerem Handels- und Fremdenverkehr
bildete unzweifelhaft die private Beherbergung die Regel '^). In den ersten
Zeiten des 11. Jahrhunderts sehen wir südfranzösische Pilger besserer Art
in solcher Weise sowohl in San Donnino wie in Luni unterkommen s) ; um
^) Genaueres hierüber namentlich in den Schriften vdn öhlmann, Schvilte (I,
80 ff.), Schütte, Jung ; die allgemeine Verkehrsgeschichte vermag in dieser Zeit mit
sehr viel reicherem Material zu arbeiten als die speziellere Handelsgeschichte. Er
wähnung der »hospitales qui per calles Alpium siti sunt pro peregrinorum sus-
ceptione« schon im Cod. CaroL, M. G. Epp. in, 623 (der Zusammenhang ergibt, daß
hier die Apenninen gemeint sind).
2) Oben § 29.
8) Giesebrecht P, 740. Riant 59. Schütte 32 f. Jung 26.
*) Mandelli H, 321 ff. Auvray 2448.
') . . . xenodochium S. Mariae in Papia situm quod dicitur S. Maria Brito-
num. Muratori Ant. VI, 344. Mühlbacher, Reg. 1206; Verleihung Ludwigs 11. an
seine Gemahlin Angilberga (28/4 868).
^) Vita b. Petri Urseoli Ducis Ven. bei Muratori Antiqu. III, 584 : Dux patriae
huius, qui susceptor est omnium Peregrinorum huc advenientium, constituit decre-
tum, ne ab aliquo nostrorum hospitetur quilibet Peregrinus, nisi ab ipso solo vel de
eins licentia. Aedificatas namque habet maximas domos hospitum, simulque xeno-
dochium, in quibus Diyites Pauperesque hospitantur, quibus etiam et necessarium
praebet victus Stipendium. Durch Guarin bestimmt, ist der fromme Doge bekannt-
lich seinem Amt im Jahre 978, zusammen mit dem Abt, entflohen, um in Cusa
Mönch zu werden. Uhlirz 193.
^) Gründungen wie die des hospitale s. Michaelis de burgo Cremonae,
im Oktober 1000 den Kanonikern der Stadt geschenkt wurde, waren sicher nur
Pilger, Bedürftige und Kranke bestimmt. Cod. Langob. no. 989, p. 1740.
8) Mirac. S. Fidis p. 94: Bevor er die Seereise antritt, vertraut RaimundusJ
genere divitiisque clarissimus, seinem hospes in Luni einen Teil seines Geldes an.
u.oa>
1
4
Achtes Kapitel. Süd-Frankreich und spanische Mark. 97
SO mehr haben wir das gleiche für fremde Kaufleute anzunehmen. Für
Florenz wu-d ein »oste« zuerst 1065 urkundlich erwähnt, i) Thietmar von
Merseburg freilich bricht anläßlich der Rückkehr Heinrichs II. aus Italien
im Jahre 1014 in bewegliche Klagen darüber aus, daß die deutsche Gast-
Hchkeit in Italien unbekannt sei, daß alles, was der Fremde begehre, ge-
kauft werden müsse, wobei er auch noch der Übervorteilung ausgesetzt sei,
ja daß nicht wenige tückischer Vergiftung zum Opfer fielen. 2) Abgesehen
von der Übertreibung in letzterer Bemerkung übersieht der sächsische
Bischof ganz, daß eine Gastlichkeit, wie sie das damals kommerziell noch
wenig entwickelte Mitteldeutschland üben konnte, bei dem weit stärkeren
Fremdenverkehr Italiens von vornherein eine Unmöglichkeit war.
Achtes Kapitel.
Süd -Frankreich und spanische Mark.
72. In der Handelsgeschichte der französischen Mittelmeerküste
prägt sich der im 9. und 10. Jahrhundert eingetretene Tiefstand der
Entwickelung noch schärfer aus als in der italienischen.
Schon am Ende der Regierung Karls d. Gr., der den Arabern die
spanische Mark entrissen hatte, begann die Sarazenennot. Wohl organi-
sierte der Kaiser den Widerstand des Reiches gegen die sarazenischen Raub-
schiffe auf der ganzen Küstenstrecke von der Ebro- bis zur Tibermündung;
dennoch gelang ihnen im selben Jahre 813, in dem Graf Ermanger von
Ampurias sie auf der Höhe von MaUorka schlug, schon die Einnahme und
Ausplünderung von Nizza. 3) Bewies die Angriffskraft der Sarazenen eine
solche Stärke, so ist es bei der Schwäche der Nachfolger Karls und den
inneren Wirren im Frankenreiche um so weniger zu verwundern, daß das
Unheil je länger je mehr einen geradezu furchtbaren Umfang annahm. Um
die Mitte des Jahrhunderts brandschatzten sie zu wiederholten Malen die
ganze Küste der Provence, überfielen 838 Marseille, drangen 842 und 850
bis Arles vor und nahmen 852 Barcelona ein *), während griechische Piraten
im Jahre 848 Marseille ungestraft verwüsten konnten und dänische Nor-
mannen, die Spanien umsegelt hatten, sich 859 in der Camargue an der
Rhonemündung festsetzten und von hier aus einige Jahre Plünderungszüge,
»ut mos est peregrinisc ; 206: Zwei französische Kitter übernachten in einem hos-
pitium in \dco S. Domnini ; da der mulus des einen verendet, kauft ihm der hospes
das Fell des Tieres für 8 argentei ab. Als das Tier schwer erkrankt war, hatte ihm
der Gefährte geraten, der hl. Fides ein Goldstück (bisantem) zu opfern ; das schien
nun vergebens; aber unter den Händen des Schinders schon erweckte die Heilige
das Tier wieder zum Leben, und die ganze Schar der Pilger brach in Lobgesänge
auf die Wundertäterin aus.
1) Davidsohn I, 770 A. 2.
') Lib. Vn c. 3 ; omne quod ibi hospites exigunt, venale est et hoc cum dolo ;
multique toxico hie pereunt adhibito.
') Einhardi ann. ad a. Vita Karoli M. c. 17, Ch. de La Ronciäre in Moyen
äge, sär. 2, 1. 1 (1897), 207 f. Pigeonneau I, 88 ff. Heyd I, 92.
*) Dümmler I, 193, 294, 344. Poupardin 248.
Schaute, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 7
98 Achtes Kapitel.
/
zur See bis Pisa, rhoneaufwärts bis Valence unternahmen, i) Im Jahre 870
wagte es der fränkische Mönch Bernhard auf seiner Pilgerreise schon nicht
mehr, in einem französischen Hafen in See zu gehen ; immerhin war Papst
Johann VIII. noch in der Lage, von Genua aus nach Arles zu fahren, wo
er am Pfingsttage 878 glücklich landete. 2) Und wenig später hat König
Boso von Nieder-Burgund (879 — 890) der Kirche von Arles u. a. den Hafen
dieser Stadt mit allen von den Griechen und anderen ankommenden Per-
sonen zu erhebenden Abgaben verliehen. 3)
Aber das Schlimmste stand noch bevor. Wahrscheinlich gegen Ende
der achtziger Jahre setzten sich spanische Sarazenen an der Küste zwischen
Hyeres und Frejus fest und schufen sich landeinwärts in dem Waldes-
dickicht des Mons Maurus (Chaine des Maures) eine feste Position (Fraxi-
netum, gewöhnhch mit La Garde-Freinet identifiziert), die sie zum Stütz-
punkt unaufhörlicher Streif- und Plünderungszüge machten, während sie
zugleich die See beherrschten und die Verbindung mit ihren Landsleuten
in Spanien beständig festhielten.*) Die Provence vor allem, aber auch ein
großer Teil des Dauphine unterlag seitdem einer beispiellosen Verheerung,
die den schHmmsten Rückgang der gesamten Kultur des Landes zur Folge
hatte; zeitweise sind auch die Magyaren an dieser Verwüstung beteiligt ge-
wesen, ö) Der Bischof von Marseille bat 923 den Erzbischof von Arles um
Land für sich und seine Kanoniker, da sie wegen der unausgesetzten Ein-
fälle der Sarazenen auf dem ihrigen nicht bleiben könnten; Erzbischof
Ulrich von Aix (928 — 947) floh vor ihnen nach Reims ^) ; Bischof und Dom-
kapitel von Maguelone verlegten ihren Sitz zwei Meilen landeinwärts'^) nach
Substantion, um vor den Überfällen der Feinde sicherer zu sein. Daß ein
solcher Zustand der Dinge die Vernichtung des südfranzösischen Seehandels
bedeutete, liegt auf der Hand; die Provence wurde zur See verteidigungs-
unfähig. Vergebens suchten die Griechen, die in früherer Zeit als die
wichtigsten Besucher des Hafens von Arles erscheinen und danach also
wichtige Handelsinteressen in der Provence zu vertreten hatten, Hilfe zu
bringen; wohl erlitten im Jahre 931 die Sarazenen von Fraxinetum einmal
von einer griechischen Flotte eine empfindhche Niederlage 8) und im Jahre
942 hätte ihnen die kombinierte Unternehmung der Seemacht der Griechen
mit dem Landangriff König Hugos, der mit dem griechischen Kaiser ein.
1) Prudentü ann. (SS. I, 443, 453 f.). Chron. Nemausense (SS. HI, 219). Mühl-
bacher 471. Devic et Vaissete in, 46. Masson 129 f. Poupardin 23 f.
2) Heyd I, 92. Masson 131. Dümmler HI, 79. Mühlbacher 578.
3) . . . portum etiam Arelatensem, tarn ex Graecis quam ex aliis advenientP
bus hominibus, necnon et teloneum, simul cum moneta etc. Erhalten in der rein
formalen Bestätigungsurkunde seines Sohnes Ludwig vom 1. Februar 921 ; Bouquet,
Recueil IX, 688, wo die Urkunde zu 920 gesetzt ist. Da Ludwig aber Mitte Fe-
bruar zum Kaiser gekrönt ist, so läßt die Angabe des 20. Jahres Lud. Augusti keine
Zweifel.
*) Liutprand Antapod. I c. 1 — 4. Dümmler III, 317. Oehlmann IH, 205 flE;
Breßlau n, 25 A. 2. Schulte I, 59. Poupardin 249 ff., 257 ff. Cipolla in Monum.
Novalic. n, 260 A. 2.
') Dussieux E., Essai bist, sur les invasions des Hongrois en Europe et parj
ticulierement en France. 2e M. Paris 1879. Eey E. : Les invasions des Sarrasins e:
Provence. Marseille 1878. Poupardin 214 ff., 262, 267 ; App. 370 ff.
«) Breßlau U, 25 A. 4, 26. Kiener 32 A. 56 ; 92 f. Masson 131.
') Fabrege I, 69.
8) Flodoard ad a. (SS. m, 379). Köpke-Dümmler 114. Poupardin 272.
Süd-Frankreich und spanische Mark. 99
enges Bündnis geschlossen hatte, den sicheren Untergang bereitet, wenn
nicht Hugo es schmähhcherweise vorgezogen hätte, mit den schon be-
siegten Sarazenen einen Vertrag zu schließen und sie als Hüter der Alpen-
pässe gegen seinen Feind Berengar anzuwerben, i) So vermochten die
Sarazenen von neuem zu erstarken. Otto d. Gr. hoffte eine Zeitlang, durch
den Kalifen von Cordova, Abderrahman, mit dem er in diplomatischen
Verkehr getreten war, auf die Sarazenen von Fraxinetum, die diesen als ihr
Oberhaupt anerkannten, einwirken zu können, damit sie von ihrem räube-
rischen Treiben abließen 2); seine spätere Absicht, sich durch ihre Vertrei-
bung mit Waffengewalt ein Verdienst um die Christenheit zu erwerben, ist
nicht zur Ausführung gekommen. ^) Es waren schließlich doch die lokalen
Gewalten, denen das Werk der Befreiung gelang. Bei der mächtigen Er-
regimg, die die Gefangennahme des über den Großen S. Bernhard heim-
kehrenden all verehrten Abtes Majolus von Cluny durch die Sarazenen im
Juli 973 hervorrief, gelang es dem Grafen Wilhelm von Arles, ein starkes
Heer zusammenzubringen ; die von ihrer Operationsbasis allzuweit entfernten
Sarazenen in den Alpen wurden geschlagen, Fraxinetum selbst eingenommen
und zerstört und die Übriggebliebenen völlig vernichtet.*)
73. Natürlich konnte sich das Land von dem unsäglichen Elend nur
sehr allmähhch erholen. Vielfach war eine völhge Neubesiedelung nötig;
die Gegend von Toulon lag unangebaut da; Frejus war gänzüch zerstört;
als der Bischof seine Herstellung in Angriff nahm, wurde ihm zum Lohn
die Hälfte der Stadt und ihres Gebiets sowie des Hafens imd aller Ein-
künfte aus demselben verliehen. &) Dabei waren die Küsten noch immer
stark gefährdet; noch beherrschten die Sarazenen hier das Meer; haben sie
doch in den ersten Dezennien des 11. Jahrhunderts auch Pisa und Sardinien
noch schwer heimgesucht. Die auf der Insel Saint-Honore de Lerins bei
Cannes, die Papst Benedikt VII. als wüstliegend im Jahre 978 dem Abt
Majolus von Cluny überwiesen hatte, begründete Abtei wurde 1021 von
spanischen Sarazenen ausgeplündert, ß) Etwa zur selben Zeit zogen die
Mauren Andalusiens mit einer starken Flotte gegen Narbonne"^), landeten
zur Nachtzeit und belagerten es; die Bewohner aber befreiten sich durch
einen glänzenden Ausfall, bei dem sie viele Gefangene machten; 20 durch
besondere Körpergröße hervorragende schenkten sie der Abtei S. Martial
von Limoges; der Abt behielt zwei derselben als Sklaven des Klosters,
während er die übrigen unter die vornehmsten der gerade aus verschiedenen
Ländern anwesenden Pilger verteilte. Als Bischof Arnaud in der Mitte des
11. Jahrhunderts wieder seinen Sitz in Maguelone nahm, hielt er es der
sarazenischen Gefahr wegen für notwendig, den nahe gelegenen »sarazeni-
1) Liutpr. Antapod. V c. 9, 14 fE. Flodoard zu 942. Köpke-Dümmler 1 15, 134.
Breßlau U, 26. öhlmann III, 215. Poxtpardin 256, 267, 272. Gay 210, 223 f.
') Giesebrecht P, 505 ; 506 ff. : die Gesandtschaft Johanns von Gorze. öhl-
mann III, 219.
") Brief Ottos über seine Absicht von 968 : Widukind LH c. 70, 75. Köpke-
Dümmler 279, 344, 348, 435, 485.
*) Acta SS., Mai, U p. 663; SS. IV, 651. Köpke-Dümmler 485. Breßlau H,
27. Ohlmann III, 222 fi". (setzt den Vorgang in das Jahr 972 , Poupardin 268 und
273, wohl durch einen bloßen Lapsus, in das Jahr 983).
6) Kiener 93, 141.
8) Devic et Vaissete lU, 250, 258. J-L. 3796.
') Ademar von Chabannes lU c. 52 (SS. IV, 139). Port 72.
7*
100 Achtes Kapitel.
sehen Hafen«, wie der den Strandsee (ifetang de Villeneuve) mit dem Meere
verbindende Kanal (gradus) schon seit dem 8. Jahrhundert hieß, für die
Schiffahrt unbrauchbar zu machen und ihr einen neuen Kanal weiter im
Osten zu eröffnen, während gleichzeitig die Insel, auf der Maguelone lag,
durch eine lange Brücke über den See mit dem Festlande verbunden
wurde, i)
Von einem Versuch maritimer Offensive gegen die Sarazenen finden
wir auch während des ganzen 11. Jahrhunderts in Süd-Frankreich keine Spur.
Wenn sich die Verhältnisse in dieser Zeit trotzdem erhebhch besserten, so
war das das Verdienst der italienischen Seestädte, der normannischen
Eroberer Unter- Italiens und der spanischen Christen. So vermochte Süd-
Frankreich, nach außen leidlich gesichert, wirtschaftüch einen bedeutenden
Aufschwung zu nehmen, der auch auf die Seestädte nicht ohne Rückwirkung
geblieben sein kann. Nur kann von kommerzieller Initiative in irgendwie
größerem Umfange noch nicht die Rede sein, und es wäre grundfalsch, sich
das damalige Marseille oder Narbonne als große Seestädte vorzustellen. 2)
Nicht ohne Grund ist das, was wir vom Seehandel Süd-Frankreichs in dieser
Zeit hören, so überaus dürftig.
74. Von Marseille wissen wir nichts weiter, als daß der berühmten
Abtei S. Victor im Jahre 1044 von dem Vizegrafen von Marseille ein Teü
der Hafeneinkünfte geschenkt worden ist.^) Die um 1020 verfaßten Mira-
cula S. Fidis (vom Kloster Conques in der Landschaft Rouergue) erwähnen
nicht ein einziges Mal eine Fahrt von oder nach einem südfranzösischen
Hafen, während sie doch südfranzösische Pilger in Italien am Golf von
Spezzia in See gehen lassen. 4) Danach läßt es auch keinen Rückschluß
auf einen in größerem Umfange betriebenen Seehandel zu, wenn wir im
Jahre 1079 den Grafen Peter von Melgueil mit seiner Gemahlin Almodis
zugunsten der Kirche von Maguelone auf alle Abgaben verzichten sehen,
auf die sie Anspruch hatten von Schiffen, die an der Küste ihres Terri-
toriums, an ihrem Hafen oder an der Insel Maguelone landeten. ^) Auf be-
») Fabrege 1, 110 f.
*) Wie es Pigeonneau I, 103 tut: Narb. et Mars. . . . ötaient restees de grandes
cites maritimes. Auch seine Ausführungen über den damaligen Seehandel dieser
Städte entbehren der Grundlage. Bei der Gelegenheit seien als völlig haltlose Fabeln
gekennzeichnet, daß Karl d. Gr. um 800 die ersten überseeischen Konsuln nach Pa-
lästina geschickt, daß seit 813 die Bürger von Marseille, Avignon und Lyon zwei-
mal jährlich Handelsfahrten nach Ägypten unternommen hätten, daß es zu Anfang
des 11. Jahrhunderts eine Kolonie venezianischer Kaufleute in Limoges und 1069
in Frankreich ein consulat sur mer gegeben hätte. Näheres über die ersten drei
Punkte : Heyd I, 91 Anm. 2 ; 92, Anm. 2 — 4 ; 93 Anm. 4. Die letztere Behauptung
noch 1890 bei Desjardins A. : Introduction historique ä l'ätude du droit commercial
maritime (Band IX des Traitö de droit etc. p. 29).
») Kiener 214 A. 260. Marchand stellt wiederholt (p. 4, 23, 36) die Behaup-
tung auf, daß der Handel von Marseille mit Syrien und der Levante überhaupt nie
aufgehört habe ; aber irgend einen Beleg dafür hat er für das ganze Vierteljahr-
tausend vor Beginn der Kreuzzüge nicht beigebracht. Ähnlich schon de Guignes in dem
für seine Zeit übrigens durchaus achtungs werten Memoire dans lequel on examine
quel fut l'ätat du commerce des Fran^ais dans le Levant . . . avant les Croisades
in : Mämoires ... de l'Acad. R. des inscr. et belles-lettres, XXXVH, Paris 1774,
p. 467—527 ; und Pardessus, Coli. I p. LXXVII.
*) Oben § 39.
') Germain, Commerce I, 44. Devic et Vaissete II, preuves 301, 313 f. Fa-
brege I, 173.
Süd-Frankreich und spanische Mark. 101
trächtliche Einnahmen läßt ein solcher bedingungsloser Verzicht sicher auch
nicht schließen.
Am interessantesten ist ein Vertrag, den um dieselbe Zeit die Ein-
wohner von Montpellier mit dem Erzbischof Peter von Narbonne und dem
Vicecomes der Grafschaft Narbonne, Aimeric, abgeschlossen haben, weil er
uns che primitiven Verhältnisse des südfranzösischen Seehandels der Zeit so
recht vor Augen führt. Die von Montpellier versprechen darin, wenn sie
zu Schiff in dem von Narbonne selbst nicht unbeträchthch entfernten See-
hafen (portus de Cabrela) einlaufen würden, an die Zollerheber (lesdalarios)
des Erzbischofs und des Vicecomes Meldung von ihrer Ankunft zu schicken
— in dem Hafen selbst war also kein ständiges Zollamt, ja nicht einmal
ein Organ desselben vorhanden. Den Zollerhebern sollten sie dann ihre
Warenballen (trosellos) und alle sonstigen etwa zollpflichtigen Waren auf
Verlangen vorweisen, worauf sie sich mit diesen über die Höhe der zu ent-
richtenden Zollgebühren zu verständigen hatten, Erzbischof und Vice-
comes verpflichten sich, die so erzielte Verständigung ihrerseits bedingungs-
los anzuerkennen, und versprechen denen von Montpellier, die den Zoll in
solcher Weise zahlten, sicheres Geleit in ihrem ganzen Gebiet und Macht-
bereich, 1) Nach alledem körinen wir über den Grund nicht mehr zweifel-
haft sein, weshalb in dem aus dem Ende des 11. Jahrhunderts stammenden
genuesischen Abgabentarif gerade die Südfranzosen gänzlich fehlen 2); noch
hatte sich ihr eigener Seehandel nicht so weit erholt, um außerhalb des
eigenen Gebiets mit änderen Handelsnationen in die Schranken treten zu
können.
Von der auf dem Rhonestrom betriebenen Handelsschiffahrt erhalten
wir Kunde aus einem Vertrage, den Graf Raimund von Toulouse um 1070
mit dem Erzbischof Aicard von Arles abschloß; der Graf versprach darin,
die Hälfte des gegenwärtig vom Grafen Bertrand usurpierten Zolls, der von
den zu Berg fahrenden Schiffen in Arles erhoben wurde, wenn es ihm
möglich sei, der Kirche von Arles wiederzuverschaffen. Und in einer
umfassenden Schenkungsurkunde für S. Victor bei Marseille vom Jahre 1094
wurden dem Kloster sämtliche Schiffahrtsabgaben bei Avignon von den
berechtigten Inhabern erlassen. 3)
In dieser Zeit müssen auch die Messen von Frejus und dem benach-
barten Saint-Raphael entstanden sein, die vom Bischof, um Fremde heran-
^) Germain, Commerce I, 179 (Pieces justif. no. 1). Liber Instrum. p. 281,
no. 149. Sonderbarerweise hat sich der Herausgeber über die Kontrahenten geirrt
und danach das undatierte Stück bezeichnet als >Accord de l'öveque de Mague-
lone Pierre de Melgueil et des habitants de Montpellier, au sujet de la leude
de Narbonne c. Damit hängt zusammen, daß er es auf den Anfang des 11. Jahr-
hunderts datiert, als Peter Bischof von Maguelone war. Der einzige Erzbischof von
Narbonne im 11. Jahrhundert, der Petrus hieß (daß er selbst sich in der Urkunde
nur als episcopus bezeichnet, darf nicht irreführen), war Petrus Berengarii zur Zeit
des Kirchenstreites, dessen Erhebung (1079) die Kirche als unkanonisch verwarf;
trotzdem hatte er, gestützt auf den Vicomte Aymeri I., der sein Neffe war, den Bi-
schofssitz tatsächlich bis 1086 inne. Vgl. Molinier bei Devic et Vaissete IV p. 248
und Meyer von Knonau III, 249, 363, Petrus episcopus nennt er sich auch Gallia
christiana VI, 39.
«) Lib. Jur. I no. 23. Oben § 48.
*) Devic et Vaissete V, 584. Cartulaire de l'abb. de Saint-Victor de Marseille
^d. Ciuerard etc. (Paris 1857) H no. 686, p. 25 ff. Kiener 174 f., 227.
102 Achtes Kapitel.
zuziehen, mit mancherlei Freiheiten ausgestattet waren, i) Besonders muß
aber die Messe von Saint -Gilles, die in dem Feste des Schutzheiligen am
1. September ihren Mittelpunkt hatte, schon damals um so größere Bedeutung
erlangt haben, als das Grab des Heiligen eine vielbesuchte Pilgerstätte war.
Hat sich doch Papst Urban H. auf seiner denkwürdigen Reise im Jahre 1095
von Le Puy aus erst zur Feier dieses Festes nach dem Kloster des
hl. Ägidius zurückbegeben, bevor er sich dann wiederum nach Clermont
wandte; und in Saint -Gilles sind die päpstlichen Legaten gelandet, die
Gregor VH. 1084 von Salerno aus nach Frankreich gesandt hat. 2) Nach
diesem Orte, seiner gewöhnlichen Residenz, nannte sich auch der mächtigste
und reichste Herr Süd- Frankreichs, Graf Raimund von Toulouse, der auf dem
Kreuzzuge eine so wichtige Rolle spielen sollte.
75. In den Anfängen war die Entwickelung einer eigenen Handels-
tätigkeit auch noch in der Grenzmark des romanischen Mittelmeer-
gebiets gegen Westen, in Katalonien, das sich unter seinem tüchtigen
Grafengeschlecht den sarazenischen Nachbarn gegenüber trotz viel-
facher Gefährdung mit Tapferkeit und Glück behauptete.
Die Usatici von Barcelona, jenes berühmte Gesetzbuch des Grafen
Raimund-Berengar I. von 1064 3), zeigen uns mit ihren Bestimmungen über
getaufte Sarazenen und Renegaten, über die strafrechtliche Stellung sara-
zenischer Sklaven und die für das Wiedereinfangen flüchtiger Sarazenen
ausgesetzten Belohnungen auf das deutlichste, welche große Rolle die
Beziehungen zu den Sarazenen in dem gesamten Leben der spanischen Mark
spielten.^) Naturgemäß bedrohten strenge Strafen denjenigen, der den
Sarazenen in Kriegszeiten Waffen oder Lebensmittel verkaufte oder ihnen
das Bevorstehen eines Kriegszuges gegen sie verriet ; umgekehrt aber wurde
den Untertanen des Grafen auch eingeschärft, jeden den Frieden im
allgemeinen oder sicheres Geleit zu Lande oder zur See betreffenden Vertrag
des Fürsten mit den Sarazenen streng zu beobachten. 0)
Zu Lande wie zur See sollte der friedliche Handel sich des Schutzes
der Staatsgewalt erfreuen. Strenge Strafandrohungen sollten den Frieden
der öffentlichen Straßen (camini et strate) jederzeit, bei Tage wie bei Nacht,
gewährleisten, derart, daß jedermann zu Roß oder zu Fuß, Kaufmann oder
Gewerbetreibender 6), sich in voller Sicherheit mit aller seiner Habe auf
ihnen sollte bewegen können; auch die Bestimmung sollte die Verkehrs-
sicherheit erhöhen, daß, wer mit einem anderen unter demselben Dach
Herberge gefunden, diesem innerhalb einer Woche nichts Übles antun
dürfe, '^) Beständige Freiheit des Handelsverkehrs hatte auch Graf Armengöl
von Urgel schon 1029 für seine kleine Bergstadt verkündet; gleichzeitig
hatte er 1/3 der bisher allein zu seinem Nutzen erhobenen Markteinkünfte
») Unten § 450.
») J. 5577. Meyer von Knonau IV, 457 ; III, 560 f.
3) Neue Ausgabe in den Cortes de Cataluila I, 10 if. ; die Rubrikenzählung
weicht z. T. von der älteren Ausgabe bei Giraud II, 466 ff. ab.
*) Cortes p. 15 rub. 21, 27 rub. 76 u. 78, 38 rub. 111.
"*) Ib. p. 39 rub. 118, p. 24 rub. 64 ; de pace et treuga tenenda Sarracenis jussu
principis.
6) . . . tarn mercerii quam negociatores. Cortes I, 23 rub. 63 (Giraud rub. 62).
') Ib. 41 rub. 126.
Süd-Frankreich und spanische jV^ark. 103
des Ortes dem Domkapitel überlassen, i) Auch ein Zug aus dem praktischen
Leben tritt uns einmal in dieser Zeit entgegen; ein Handelsmann aus
Cardona hatte gelobt, zum Grabe der hl. Fides in Conques zu wallfahrten,
hatte die Ausführung aber wegen der Härte des Winters verschoben und
die Zeit zu einer in Gemeinschaft mit verschiedenen Genossen angetretenen
Geschäftsreise nach Balaguer bei Lerida benutzt ; schon war er nach glücklich
erledigtem Geschäft auf der Heimreise, als er mit seinen Gefährten in die
Gefangenschaft der Ungläubigen geriet. 2)
Für den Seehandel kam natürlich Barcelona, die Hauptstadt des
Landes, in erster Linie in Betracht. Schon in der Mitte des 9. Jahrhunderts
einmal von den Sarazenen eingenommen und ausgeplündert, erlag es ihnen
zum zweiten Male im Jahre 985 , wo der siegreiche Almansor die Stadt
völlig zerstörte, während die Einwohner getötet oder in die Sklaverei
geschleppt wurden. 3) Doch scheint die wiederaufgebaute Stadt unter dem
Schutze der Grafen sich rasch genug erholt zu haben; in der zweiten Hälfte"
des 11. Jahrhunderts sehen wir die Stadt durch ein Hafenkastell und starke
Befestigungstürme geschirmt. *) Auf den Verkehr Barcelonas werden wir
es in erster Linie zu beziehen haben, wenn die Usatici die rasche Erledigung
aller Angelegenheiten, bei denen Fremde beteiligt waren, ausdrücklich vor-
schreiben 0); auch die Stiftung eines Hospitals durch einen reichen Kauf-
mann der Stadt im Jahre 1009 deutet darauf hin. 6) Sehr stark war in
Barcelona das jüdische Element vertreten'^), das wie überall so auch hier
besonders mit Handelsgeschäften befaßt gewesen sein wird. Auch dem
Seeverkehr suchte die Gesetzgebung Sicherheit zu gewährleisten ; alle Schiffe,
die nach Barcelona kamen oder Barcelona verließen, sollten auf der ganzen
Küstenstrecke von C. Creus bis zum Hafen von Salö, also im ganzen Macht-
bereich der Grafschaft, bei Tage wie bei Nacht unter dem besonderen
Schutze des Grafen stehen s); wer ihnen Übles zufügte, sollte gemäß der
durch den Grafen vorzunehmenden Feststellung doppelten Schadenersatz
zu leisten und den gleichen Betrag zur Strafe an den Grafen selbst zu
entrichten gehalten sein. Eigene Schiffe des Grafen waren in Barcelona
stationiert; der am 10. Dezember 1080 zwischen Raimund • Berengar und
seinem Bruder Berengar abgeschlossene Teilungsvertrag bestimmte, daß sie
gemeinsamer Besitz sein sollten, derart, daß alle erforderlich werdenden
Ausgaben und alle aus ihnen fließenden Einnahmen (hoc quod Deus ibi
dederit) zur Hälfte geteilt werden sollten; auch Neubau oder Ankauf von
Schiffen sollte in derselben Weise auf gemeinsame Rechnung erfolgen. 9)
Mochten diese Schiffe in erster Linie auch militärischen Zwecken dienen
^) Decerno et confirmo ut in ipsa sede (Seo d'Urgel) cunctis temporibus ad
negotiandum gentes occurrere non obmittant. Petr. de Marca p. 1047. Capmany
I, 2 p. 22,
2) Mi;-ac. S. Fidis, App. p. 242 f.
^) Oben § 72. Müller A., Der Islam im Morgen- und Abendlande. Bd. II
(Berlin 1887), 562.
*) Fidel Fita, Barcelona en 1079. Su castillo del puerto y su aljama hebrea;
im Boleti'n 43 (1903), 363 f., 547 ff.
») Cortes I, 46 rub. 150.
*) Capmany I, 2 p. 21.
') Fidel Fita 1. c. 364 f., 3&7 f.
8) Cortes I, 23 rub. 61 (Giraud rub. 60).
') Prosjjero de BofaruU y Mascarö: Los Condes de Barcelona vindicados
(Barcelona 1836) n, 114.
104 Achtes Kapitel. Süd-Frankreich und spanische Mark.
und namentlich zu Korsarenzügen auf Kosten der Sarazenen verwendet
werden, so ist es doch wahrscheinUch, daß sie von ihren Besitzern gelegenthcl^™
auch Handelsinteressen dienstbar gemacht worden sind. JHj
Von einer kommerziellen Betätigung Barcelonas im Ausland wissen
wir aus unserer Periode nur so viel, daß barcelonesische Sklavenhändler auf
dem Markt von Genua eine ständige Erscheinung waren, i) Ein besonders
reiches Angebot in der Menschenware war die natürliche Folge der fort-
währenden Kämpfe auf der iberischen Halbinsel; es genügt, für diese
Kämpfe an die Cid-Romanzen und an die Eroberung Toledos durch Alf ons VI.
von Kastilien im Jahre 1085 zu erinnern, während der am Ende unserer
Periode von Raimund-Berengar unternommene Versuch, mit Hilfe italienischer
Schiffe Tortosa zu gewinnen, zunächst noch scheiterte. 2)
1) Lib. Jur. I no. 23.
2) Oben § 46.
Zweiter Hauptteil.
Handel der Mittelmeer- Romanen im Zeitalter
der großen Krenzzugsunternehmungen.
n
^
IS'euntes Kapitel.
Vorbemerkungen.
76. Der Handelsgeschichte eigentümliche Quellen.
Notarielle Beurkundungen einzelner Handelsgeschäfte hegen
für das 1 1 . Jahrhundert nur ganz vereinzelt vor ; die ältesten bisher bekannten
sind zwei venezianische aus den Jahren 1072 und 1073.1) Mit dem 12. Jahr-
hundert wächst die Zahl dieser Urkunden erheblich; für Venedig haben
besonders Baracchi und Sacerdoti aus den kirchlichen Archiven der Stadt,
die noch weitere Ausbeute erwarten lassen, Einzelurkunden in größerer
Zahl veröffenthcht, während für Marseille die der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts angehörigen, von Blancard pubhzierten Handelsurkunden des Hauses
Manduel (de Mandolio) ein besonders wertvolles Material bieten. 2)
Wichtiger noch als diese einzelnen Urkunden sind die Notularien,
die die Vorurkunden oder Imbreviaturen der Notare über die von ihnen
zu beurkundenden Rechtsgeschäfte der Parteien enthalten. Das älteste und
zugleich am längsten bekannte dieser Notularien ist das des Genuesen Johannes,
des scriba communis, dessen der Geschichtschreiber Genuas, Caffaro, zum Jahre
1162 rühmend gedenkt, s) Es umfaßt für einen Zeitraum von fast zehn
Jahren (Januar 1155 bis 30. August 1164) mehr als 1200 Nummern, die sich
in der großen Mehrzahl auf Handelsgeschäfte beziehen. Seit 50 Jahren
gedruckt, ist es zwar für die Geschichte des Handelsrechts vielfach, für die
eigentliche Handelsgeschichte aber noch recht wenig ausgebeutet; selbst
Heyd hat nur einen sehr beschränkten Gebrauch von ihm gemacht. Die
Publikation dieser wichtigen Quelle ist sehr unübersichtlich und einer ein-
dringenderen Benutzung wenig förderlich; die einzelnen Nummern des
Notulariums sind nämlich zusammen mit sonstigem urkundlichem Material
für die Geschichte Genuas genau nach der Zeitfolge einem der Foliobände
der Monumenta Historiae Patriae einverleibt worden *), wo sie dann für
einige Jahre das andere Material allerdings völlig erdrücken. Für die Jahre
1158 und 1160 weist das Notularium 191 und 196 Nummern auf, für 1159
und 1162 (Jahre kriegerischer Verwickelungen oder Befürchtungen) 76 und
82 Nummern; nur im ersten Jahre 1155, in dem die Praxis des Notars noch
nicht recht eingebürgert sein mochte, beschränkt es sich auf 29 Nummern.
') Sacerdoti p. 20 f. Oben § 14.
") Blancard I p. 3—188 ; dazu p. XV ff.
') Ann. genov. I, 66.
*) Chartarum tom. II (Turin 1853).
108 Neuntes Kapitel.
Vom Ende des 12. Jahrhunderts an sind solche Notariatsakten für
Genua in wachsender Fülle erhalten, vielfach freilich schwer benutzbar,
da die Protokolle verschiedener Notare durcheinander geraten sind. Einzelne
interessante Stücke aus diesen Notularien sind hier und da veröffenthcht,
so von Doneaud, Ferretto und in größerem Umfange für die Geschichte
des ersten Kreuzzuges König Ludwigs IX. von Belgrano.i) Aus dem
massenhaft vorhandenen Material hat man früh im genuesischen Archiv
Auszüge in kurzen Regesten hergestellt, die natürlich nicht ohne Mängel
sind und vielfach gerade das nicht enthalten, worauf die Forschung Wert
legen muß, so brauchbar sie als Wegweiser sein mögen ; aus diesen Registern
hat besonders Canale häufig geschöpft, auch seinerseits nicht selten unter
Mißverständnissen, so daß seine Angaben aus dieser Quelle mit Vorsicht
aufzunehmen sind. In diesem reichen Material des genuesischen Staats-
archivs steht der Forschung noch ein weites, schwer zu bestellendes, aber^j
reiche Frucht verheißendes Feld offen. 2) 91
Für Marseille liegt aus unserem Zeitraum nur ein solches Notularium,
aber ein besonders wichtiges in dem des Notars Amalric (Giraudus Amalrici)
vor, das an Reichhaltigkeit den Akten des Johannes Scriba nur wenig
nachgibt (1031 Nummern), dabei sich aber nur über halb so viel Monate
erstreckt, als dieses Jahre umfaßt (13. März bis 29. Juli 1248). Blancard hat
auch dieses Material in bequemer Weise der Forschung zugänglich gemacht 3) ;
manchmal freilich stellt sich der Wunsch ein, statt der öfter gewählten
Regestenform den vollen Wortlaut zu besitzen. flj
Weder für Venedig noch für Pisa noch für die Binnenstädte Italiens ^'
ist bisher das Vorhandensein solcher Notularien aus der Zeit bis zur Mitte
des 13. Jahrhunderts bekannt geworden ; dagegen hat v. Voltelini in neuerer
Zeit zwei solcher Notularien aus Südtirol veröffentlicht *), das des Tridentiner
Notars Obert von Piacenza aus dem Jahre 1236, 587 Nummern umfassend,
mit ganz italienischem Charakter, und das des Bozener Notars Jakob Haas
aus dem folgenden Jahre mit 385 Nummern, das rein deutschrechtlichen
Charakter trägt, aber bei den engen Beziehungen Bozens zu dem italienischen
Sprachgebiet auch für die romanischen Handelsverhältnisse von Wichtig-
keit ist. iSj
Zu diesem Material treten noch die hauptsächlich den Geldbedarf der ™"
Kreuzfahrer betreffenden Stücke der sog. CoUection Courtois^), die dringend
einer vollständigen kritischen Herausgabe bedürfen. Einzelne Stücke hieraus
finden sich in dem von genealogischen Interessen bestimmten Werke von
Blancmesnil; anderes hat Papa d'Amico in den Anmerkungen und im
Anhang seines Buches ohne jede Spur von Ordnung und mit unglaublichen
Lesefehlern veröff enthebt , während Röhricht die auf den Kreuzzug von
Damiette bezüglichen Stücke, meist allerdings nur in Regestenform, heraus-
gegeben hat. 6) ^
^) S. meine Abh. über die Wechselbriefe König Ludwigs in: Jahrb. f. Nat.-'
ök. 70 p. 604 f.
^) Wertvolle Mitteilungen hierüber bei Caro II, 417 ff. Sieveking I p. X.i
P. Kehr: Papsturkunden in Ligurien in: Götting. Nachr. 1902 p. 171.
8) Blancard I p. 261 ff. = Amalric no. 1—372; II p. 1 E. = Amalric no. 373 ff.;;
dazu Blancard I p. XLV ff. Zeitschr. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. II (1894), 153.
*) Mit ausführlicher Einleitung (CCXLIII S.) über die Geschichte der Nota-
riats-Instrumente und Imbreviaturen überhaupt vom juristischen Standpunkte aus.j
») Ms. no. 17 803, fonds latin der Pariser National-Bibl.
8) Köhricht, Studien p. 57—70 ; dazu p. IV.
Vorbemerkungen. 109
77. Von Schriftstücken, die von der Hand von Kaufleuten selbst
herrühren, besitzen wir bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts nur dürftige
Beste. Das Vorhandensein einer kaufmännischen Korrespondenz
wird für den Anfang des Jahrhunderts u. a. von Boncompagno bezeugt i)
und für eine noch frühere Zeit durch den fingierten Briefwechsel in einem
Briefsteller 2) noch eindrucksvoller erwiesen; doch sind nur unwesentliche
Bruchstücke wirklich erhalten. ^) Dagegen besitzen wir eine Anzahl arabischer
Briefe aus Tunis, die aus Anlaß einer gewaltsamen Unterbrechung des
Verkehrs am Anfang des 13. Jahrhunderts an pisanische Geschäftsleute
gerichtet worden sind. 4)
Ein Überrest kaufmännischer Buchführung hat .sich in den
Fragmenten des Handlungsbuches einer florentinischen Wechslerfirma s)
vom Jahre 1211 erhalten; die Ausgaben, vom sprachlichen Interesse dieses
Denkmals, das zu den ältesten der italienischen Volkssprache gehört, aus-
gehend, haben dem Inhalt bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
An kaufmännischen Unterweisungen zu Nutz und Frommen
der Standesgenossen reichen bis in unsere Zeit nur kurze Belehrungen über
Zeit und Gliederung der Champagner Messen zurück. ^)
In gewissem Sinne kann man hierher ziehen den 1201 zuerst ver-
öffentlichten Liber Abaci des Leonardus Pisanus. In der Geschichte der
Mathematik hochberühmt, ist er auch für die Handelsgeschichte von
Wichtigkeit, da der vielgereiste Verfasser seine Beispiele und Aufgaben in
großer Zahl der kaufmännischen Praxis, und nicht bloß der seiner engeren
Heimat, entnommen hat. '^)
Kaufmännische Statuten, die aus der Zeit bis zur Mitte des
13. Jahrhunderts selbst herrühren, sind uns nur aus Bologna in den Statuten
der Viktualienhändler (1242) und der Wechsler (1245) erhalten §); andere
reichen mit mehr oder minder umfangreichen Partieen bis in diese Zeit
zurück; zuweilen stellen uns auch in jüngeren Statuten einzelne datierte
Bestimmungen auf festen Boden. 9)
NatürHch enthalten auch die städtischen Statuten und Gesetzbücher
nicht wenig auf kommerzielle Verhältnisse bezügliches Material, worauf hier
1) S. meine Abb. >Ein ital. Km-sberichtc in: Z. f. Soz. u. Wirtsch.-Gescb. V
(1897), 250 ff.
») Wattenbacb, Iter p. 79 if.
3) Z. B. Papa d'Amico p. 368 f., Röhricht, Studien p. 69, no. 43. Ein Hinweis
auf solche Korresjjondenz auch Chart. II no. 548 (von 1158): si mihi breve mi-
seris etc.
*) Bei Amari, Dipl. arabi.
') Frammenti etc. ed. Santini. Auch bei Monaci, E. : Crestomazia italiana dei
primi secoli, fasc. 1, Cittä di Castello 1889. Den Namen der Firma kennen wir
nicht, da die zahlreichen Angehörigen oder Angestellten derselben nur mit Vor-
namen bezeichnet sind.
6) Huvelin p. 598 ff. Fagniez I, 170 no. 177.
'') Cantor M., Vorlesungen über flie Geschichte der Mathematik 11' (Leipzig 1900)
p. 5 ff. Das Jahr 1202, das das Buch an der Stirn trägt, ist natürlich das pisanische
und umfaßt somit den Zeitraum vom 25. März 1201 bis 24. März 1202.
*) Stat. Soc. Bol. n ed. Gaudenzi.
*) Erst aus dem 3. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts rühren die Stat. antiqua
merc. von Piacenza her, die ihr Herausgeber Bonora (in den Mon. bist, ad prov.
Parm. et Plac. pertinentia) mit der noch immer irreführenden Jahrzahl 1200 ver-
sehen hat.
110 Neuntes Kapitel.
indessen so wenig wie auf alle anderen, auch der allgemeinen Geschichte
dienenden Quellen, wie z. B. die besonders wichtigen Handelsverträge, ein-
gegangen werden kann.
78. Die im Handelsverkehr der Zeit gebräuchlichsten
Vertragsf ormen. i) Auf dem Gebiete des Fernhandels kann die Unter-
nehmung einzelner Personen mit ausschließlich eigenem Kapital als seltene
Ausnahme angesehen werden; das Bedürfnis des in die Ferne ziehenden
Unternehmers, das eigene Anlagekapital zu vergrößern, seine Gewinnaus-
sichten zu erhöhen, sein Risiko zu verringern, und das Anlagebedürfnis des
in der Heimat verbleibenden Kapitalisten kamen sich entgegen und drängten
zur Assoziation. Die im Seehandel überwiegende Vertragsform war die
societas^), auch compagna, in Venedig collegantia genannt (zu coUega,
wie societas zu socius). In erster Linie handelt es sich bei dieser societas
maris um eine für eine bestimmte Handelsreise, mit mehr oder weniger
festen Reisezielen und mehr oder weniger genauer Bemessung der Zeitdauer
abgeschlossene GelegenheitsgeseUschaft, deren typische Grundform darin be-
stand, daß der nur Kapital einlegende Gesellschafter A (der socius stans) zu
dem Gesellschaftskapital 2/3^ sein auf die Handelsreise gehender 3) Geschäfts-
freund B (der socius tractans) Vs beitrug, während nach beendeter Handels-
reise der Gewinn zu gleichen Teilen geteilt, etwaiger Verlust aber pro rata
getragen wurde. Naturgemäß erfuhr diese feststehende Grundform bei der
Vielgestaltigkeit der Verhältnisse, die das Leben schafft, nicht selten im
Wege des Vertrags Abänderungen, und dadurch, daß sowohl der reisende
Kaufmann wie der Kapitalist derartige GeseUschaftsverträge oft mit ver-
schiedenen Personen eingingen, daß ferner der reisende Kaufmann sich
gleichzeitig auch nicht selten bei anderen Unternehmungen bloß mit Kapital
beteiligte, wurden oft recht verwickelte Gesellschaftsverhältnisse geschaffen.
Als eine bloße Abart dieser societas-coUegantia sah man es nun auch
an, wenn der socius A dem B eine Summe zu Handelszwecken ohne Rück-
sicht auf die Höhe des von diesem sonst mitgeführten Kapitals zu gleicher
kommerzieller Verwendung mit diesem anvertraute. Man konstruierte nun :
') Goldschmidt 90 ff., 254 ff., woselbst auch die ältere Literatur. Neues Ma-
terial ist beigebracht besonders durch Sacerdoti und Besta e Predelli. Neue Lit. :
Saleilles A., Etüde sur l'hist. des societas en commandite, in : Ann. de droit com-
merc. IXj (Paris 1895) p. 10 ff., 49 ff. Sacerdoti p. 1 ff. Arcangeli A. : La commenda
a Venezia, specialmente nel sec. XIV in : Riv. giur. XXXUI (1902), 107 ff. Besta E.,
H diritto e le leggi civili di Venezia fino al Dogado di Enr. Dandolo. Venedig 1900.
Bosco G., Partecipazione ed accomendita nella storia del diritto ital., in : Studi e
docum. di storia e diritto XX (1899) p. 205 ff. Für mich kann es sich an dieser
Stelle nur um eine übersichtliche Darstellung zum Zwecke des praktischen Ver-
ständnisses handeln.
^) Über die primitive Form der Colonna, die nur in kleinen Verhältnissen
vorkam, Goldschmidt 271. Der Ausdruck Collegantia wie in Venedig, auch in Bari
üblich ; s. E. Besta : II diritto consuetudinario di Bari e la sua genesi, in : Riv. giur.
XXXVI (1903), 104 ff.
') In tassedio, taxidio iens ; dieser dem Griechischen (ra^iSiop) entlehnte Aus-
druck häufig in Pisa, Süd-Italien und Venedig. Gleichen Ursprungs das pisanische
hentica (evd-T]xr], Einlage), z. B. Bonaini II, 839 (Const. Usus tit. 5) : socii eiusdem hen-
tice sive societatis maris, wonach die Gesellschafter auch henticales genannt werden.
Völlig irrig erklärt Amat di San Filippo L. Indagini e studi sulla storia econ. della
Sardegna, in Miscell. it. 39 (Turin 1903), 360 das Wort entica mit Magazin und will
es mit Chintica, dem Namen eines pisanischen Stadtteils, zusammenbringen.
Vorbemerkungen. Hl
A hat zu dem Gesellschaftskapital alles gegeben, B nichts i); hatte er bei
der Einlage von ^/s Anspruch auf die Hälfte des Gewinns, so hatte er,
wenn er nun auch das letzte Drittel des Kapitals hergab, folgerecht An-
spruch auf ein weiteres Viertel des Gewinns, während dem Traktator das
letzte Viertel des Gewinns verblieb, den er mit dem ihm anvertrauten
Kapital erzielt hatte. Diese Nebenform der societas ist es, die unter dem
Namen commenda allgemein bekannt ist, wobei bemerkt werden muß,
daß die venezianischen und pisanischen Quellen unter commendacio, acco-
mendatio, accomandisia u. dgl. nicht diese Vertragsform, sondern das
Depositum 2) verstehen, was ja bei dem zugrundeliegenden Begriff des »An-
vertrauens«, »Übergebens« sehr begreiflich ist. Beide Vertragsformen können
wir in venezianischen Urkunden direkt schon im 11. Jahrhundert nach-
weisen, so die Collegancia mit dem Einlageverhältnis von 2 : 1 und dem
Gewinn Verhältnis von 1 : 1 in Urkunden von 1072 und 1073 3) und die als
commenda bekannte Form in einer Urkunde von 1083, die dem Traktator aller-
dings nicht 1/4, sondern 1/3 des Gewinns zuspricht ; die Modifikation erklärt sich
daraus, daß der Vertrag zwischen zwei Brüdern geschlossen ist und daß sich
der Traktator im Falle des Vollverlustes doch zur Rückgabe von 1/3 des
Kapitals verpflichtet.*) Erwähnt wird die collegantia, die ja beide Ver-
tragsformen umfaßt, schon erhebüch früher; Waldrada, die Witwe des
Dogen Pietro Candiano, entsagt in ihrer Verzichturkunde vom September
976^) u. a. allen Ansprüchen »de omni collegantia, rogadia^), commen-
datione, prestito atque negotiis, et de omni ratione, altercatione etc.« und
diese Wendungen kehren in späteren Urkunden häufig formelhaft wieder. '^)
Soweit das uns zu Gebote stehende Material eine Beurteilung zuläßt,
herrscht die Form der societas mit beiderseitiger Kapitalbeteiligung bis tief
in das 12. Jahrhundert hinein durchaus vor. Allmähhch aber gewinnt die
commenda mehr und mehr an Ausdehnung, und das Marseiller Notularium
Amalric's zeigt uns die »comanda«, wie sie hier genannt wird, gegen Ende
unserer Periode in solchem Übergewicht, daß die societas maris im engeren
Sinne fast völlig verdrängt ist. Der Grund hierfür ist jedenfalls in der
Schwerfälligkeit der letzteren Form zu suchen, die dem Traktator in bezug
auf die Höhe des von ihm mitzuführenden oder von anderen zu über-
') Besonders bezeichnendes Beispiel bei- Sacerdoti p. '27 (Mai 1138) : accepi
ego ... in collegantia de te . . . 1000 1. den. nostre monete, et ego nichil jactavi ad-
versum te.
2) Besta e Predelli p. 222 (rub. 31), Sacerdoti p. 14. Const. Usus tit. 34 (bei
Bonaini II, 931 f.). Anders in Genua, wo für den Sprachgebrauch besonders die
Urkunden Chart. II no. 462 und 1370 belehrend sind, die im selben Vertrage eine
societas im engeren Sinne und eine commendacio enthalten.
') Sacerdoti p. 20 f. In der zweiten Urkunde liest S. p. 21 : Prode vero quöd
inde Deus dederit, perfectam medietatem internes dividere debeamus. Indes ist
zu lesen : per fictam medietatem, mit Bezug darauf, daß es sich um zwei Schiffs-
anteile (sortes de nave) handelt, im Gegensatz zu dem sonst gebrauchten »per ve-
ram medietatemc
*) Ebd. p. 22.
*) Ficker IV, 39 no. 29. Silberschmidt W., Die commenda in ihrer frühesten
Entwickelung bis zum 13. Jahrhundert (Würzburg 1884) p. 37 flf. Arcangeli 1. c.
p. 112 ff.
*) Übergabe von Geld oder Gut an einen auf die Handelsreise gehenden
Kaufmann zu bestimmtem Zweck »ad dampnum et utilitatem rogantis personae
... sine utilitate portantis«. Arcangeli p. 123 ff., 126.
^) Z. B. Baracchi VI (1873), 312, 318 (Urkunden von 1038 u. 1051).
112 Neuntes Kapitel. :^^^mi
nehmenden Kapitals lästige Beschränkungen auferlegte, während die Pweq
der commenda, wenn sie anfangs vielleicht auch die Mitführung eigenen
Kapitals durch den Traktator ausschloß, jedenfalls mit der Beseitigung dieser
Fessel dem Unternehmer die wünschenswerte Bewegungsfreiheit gewährte i),
ohne den socius stans einem größeren Risiko auszusetzen ; eine . Sache des
persönhchen Vertrauens blieb die Hingabe des Kapitals in beiden Fällen,
wobei zu berücksichtigen ist, daß die auf dem gleichen Schiff unternom-
menen Handelsfahrten vielfach ganz von selbst zu einer Art gegenseitiger
Kontrolle der Landsleute führen mußten.
Weit weniger häufig als diese Gesellschaftsverträge war das aus dem
Altertum überkommene Seedarlehn^), das nicht gegen einen Anteil am
Gewinn, sondern gegen eilten fest vereinbarten Zins gegeben wurde, wobei
der Geldgeber aber die Seegefahr trug. Für die Höhe der Seezinsen im
allgemeinen gibt es einen Anhalt, daß sie nach dem pisanischen Gesetzbuch
im 12. Jahrhundert für Handelsfahrten, die für Hin- und Rückreise, Vor-
bereitung und Abwickelung des Geschäftes etwa den Zeitraum eines Jahres
erforderten, wie es bei den Fahrten nach der Levante der Fall war, wenn
nichts Besonderes abgemacht war, 35 % betrugen s) ; der reisende Kaufmann
rechnete also bei einer Handelsfahrt dieser Art auf etwa 50% Gewinn.^
Übrigens macht sich ein Einfluß der Gesellschaftsverträge auch bei der Ge«
staltung des Seedarlehns insofern geltend, als man den Seezins nicht vöUig
starr in seiner Unabhängigkeit vom erzielten Gewinn beließ, sondern unter
Umständen eine Ermäßigung desselben vorsah. 4) In seinem Dekretale
»Naviganti vel ad nundinas eunti« verbot Gregor IX. das Seedarlehn als^
wucherisch, ohne es damit aus der Praxis verdrängen zu können; um dei
Verbote äußerlich zu genügen, stellten die Notare den Vertrag nunmehr vor-|
wiegend als Wechselgeschäft dar. 5)
Endlich kam es noch bei überseeischen Handelsunternehmungen vor,
daß ein Kapitalist eine in seinen Diensten stehende Person verwendete und
diese am Gewinn beteiligte oder ihr außer vollem Unterhalt einen festen
Lohn zusicherte. 6) hi
79. Alle diese Vertragsformen begegnen nun -auch im Handels J^j
verkehr zu Lande. Das foenus quasi nauticum findet sich nur ziem-
hch selten'^); die societas (compagna) de terra zeigt gegenüber der societas
maris einige Unterschiede. 8) Waren beide Parteien am Gesellschaftskapitallj
beteiligt, so legten sie im Verhältnis von 3 : 1 ein , während der Gewinn
auch hier halbiert wurde ; dementsprechend bezog, wenn commenda vorlag,
der Commendageber nicht 3/^, sondern nur 2/3 des Gewinns, während dem
Traktator hier 1/3 zufiel. In dieser veränderten Gewinnbeteiligung kam die
als^
3n«
il
1) Bei Amalric (1248) in den Comandaverträgen sehr häufig die Formel : me
recepisse x libras . . . implicatas in comunibus implicitis meis ; häufig auch wird diej
anvertraute Ware mit dem bei der Abrechnung zugrunde zu legenden Preise an-l
gegeben.
*) Goldschmidt p. 345 ff. Meine Abh, : Der Versicherungsgedanke in den Ver
trägen des Seeverkehrs usw., in; Zeitschr. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. II (1894)j|
165 ff.
3) Const. Usus tit. 25 (Bonaini n, 905).
*) Ebd. tit. 24, p. 900 f., 902 : ac si revera socius esset.
*) So immer im Notularium Amalric's. Das Verbot Decr. Greg. V, 19, 9.
8) Beispiele : Chart. 11 no. 302, 719, 1470 (Michael, qui stetit cum Stabili).
T) Unten § 304.
8) S. besonders Const. Usus tit. 23 u. 26 (Bonaini H, 897 ff., 906).
Vorbemerkungen. 113
Tatsache zum Ausdruck, daß das Risiko bei Handelsfahrten zu Lande für
den Kapitalisten geringer, die Mühewaltung des reisenden Kaufmanns in
mancher Beziehung größer war als bei maritimen Unternehmungen.
Die offene Handelsgesellschaft, durch die gemeinsame Arbeit ihrer Mit-
glieder im Dienste der Gesellschaft gekennzeichnet, begegnet zwar verhältnis-
mäßig früh gelegentlich auch im Seehandel i), hat aber ihre eigentliche
Ausbildung nicht im Zusammenhange mit diesem erfahren. Am häufigsten
findet sie sich ursprünglich als Hausgemeinschaft, wenn Vater und Söhne
und nicht selten auch weitere Familienmitglieder in Erwerbsgemeinschaft
verbleiben, sei es daß das Gesellschaftskapital ungeschieden bleibt oder sich
aus Anteilen der Mitglieder in verschiedener Höhe zusammensetzt. Bald
dehnte sich diese Gesellschaftsform auch auf weitere Kreise aus, wenn der
ursprüngliche Kern auch meist auf einem Verwandtschaftsverhältnis be-
ruhte. 2) Besonders in den Binnenstädten Toscanas begegnet etwa seit dem
Anfange des 13. Jahrhunderts die Bildung solcher aus oft sehr zahlreichen
Personen zusammengesetzten Handelsgesellschaften, die formell meist nur
auf kürzere Zeit geschlossen sind, nach deren Ablauf die Abrechnung unter
den mit verschiedenen Einlagen beteiligten Mitgliedern und damit zugleich
die formelle Neukonstituierung der Gesellschaft erfolgt. Die Tätigkeit zahl-
reicher Personen, von einem Chef zu gemeinsamem Zweck geleitet, wie
verschieden nach Ort und Art die einzelnen Unternehmungen auch sein
mochten, sicherte diesen Gesellschaften einen erheblichen geschäftlichen
Vorsprung ; die großen Handelshäuser von Siena und Florenz sind auf dem
Boden dieser Gesellschaftsform erwachsen.
80. Zahlungsmittel. Im 12. Jahrhundert zeigt das System der
Zahlungsmittel bei den Mittelmeer-Romanen nur eine sehr geringe Ent-
wickelung. Die einzige heimische Münze, die in Ober- und Mittel-Italien wie
in Süd-Frankreich zur Ausprägung gelangte, war der Denar und der halbe
Denar, obolus oder medaha genannt. Wie die Münze selbst, so ging auch
die übHche Münzrechnung auf die karolingische Zeit zurück; die libra
denariorum wurde zu 20 (ungeprägten) Solidi und 240 Denaren gerechnet.
Natürlich hatte dieses Münzrechnungspfund mit dem Gewichtspfund längst
nichts mehr zu tun; es bezeichnete überall nur das 240 fache des Denars.
Und diese Denare zeigten unter sich je nach den Münzstätten beträchtliche
Verschiedenheiten, da der Rückgang an Gewicht und Feingehalt, den sie
alle erlitten, ein sehr verschiedener war; nebeneinander standen in Ober-Italien
die Denare von Pavia, Mailand, Verona- Venedig, in Mittel-Italien die von
Lucca, in Süd-Frankreich die von Melgueil u. a. Im Laufe des Jahrhunderts
mehrte sich die Zahl der Münzstätten durch kaiserliche Verleihung des
Münzrechts an die Städte erheblich; so erhielten unter Konrad III. Genua,
Pisa, Asti und Piacenza das Münzrecht, unter seinem Nachfolger kamen
^) Ältestes Beispiel eine in Konstantinopel aufgenommene venez. Urkunde
vom Februar 1150 (Sacerdoti p. 27 f.) ; der eine legt 758, der andere 508 perperos
novos ein »cum quibus omnibus debebant negociari in omnibus partibus sicut eis
bonum videretur et in illorum comuni periculo, et quicquid Dominus eis daret, de-
beret dividi inter eos secundum bizantios«. Nur diese Form wurde in Venedig als
compagnia bezeichnet. Weitere Beispiele von 1160 und 1179 ebd. 31 u. 33 f.
*) Näheres Goldschmidt p. 271 ff. Const. Usus tit. 21 : de societate inter pa-
trem et filium et inter fratres facta ; tit. 22 : de societate inter extraneos facta (Bo-
naini n, 876 ff.). S. auch Schmoller : Die geschichtl. Entwickelung der Unterneh-
mung, in seinem Jahrb. XVI (1892) p. 92.
Schaube, Handelsgescbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 8
114 Neuntes Kapitel.
Cremona, Brescia, Siena, dem es allerdings 1186 noch einmal entzogen
wurde 1), unter Heinrich VI. 1191 Bologna hinzu. Um 1165 etwa war der
Metallwert der in Ober- und Mittel-Italien kursierenden heimischen Münzen
etwa folgender 2): bei den imperiales (in Mailand, zeitweise in Cremona 3)
geprägt, auch als mediolanenses veteres bezeichnet) 16 Pf., den Denaren von
Lucca (denen die von Pisa gleich waren) 11, von Genua 91/2, den medio-
lanenses novi wie denen von Cremona und Brescia 8 und den Denaren von
Pavia 6 Pf.'*), während die venezianischen und veronesischen nur wenig
später 5) einen Metallwert von kaum 2^/4 Pf. hatten. Zur rechten Beur-
teilung dieser Zahlen wird man sich gegenwärtig halten müssen, daß die
Kaufkraft des Geldes in damaliger Zeit eine völlig andere und sehr viel
höhere war als gegenwärtig, wo sie, selbst wenn wir nur ein halbes Jahr-
hundert zurückgehen, einen außerordentlichen Rückgang zeigt. Auffallend
ist, wie sehr es an geeigneten Münzen für den kleinsten Verkehr mangelte;
die kleinste Münze in Genua, der obolus, hatte einen Metallwert von fast
5, in Pisa von 51/2 Pf. Noch unbequemer war es natürlich für den größeren
Handelsverkehr, als größte Münze nur den Denar zur Verfügung zu haben.
Dazu kam die geringe Stabihtät der Münzen ; in finanziell bedrängten Zeiten
war es ein beliebtes Mittel, den Münzgewinn durch eine Verringerung des
Feingehalts mit oder ohne gleichzeitige Verringerung des Münzgewichts in
außerordentlicher Weise zu erhöhen.
Die Mittel, mit denen der Handel den bestehenden Übelständen be-
gegnete, waren verschiedener Art. Da einheimische Goldmünzen fehlten,
wurden nicht selten fremde verwendet, wie die Byzantien (perperi, Hyperpern)
der griechischen Herrscher und Ägyptens, die arabischen Goldmünzen nament-
lich der Almoraviden (morabotini) und Almohaden (massamutini). ß) Häufig
sehen wir auch Waren die Stelle von Zahlungsmitteln vertreten ; in Seestädten ^
wie Genua und Venedig wird die Mitgift nicht selten in Waren an Stelle von ^
Bargeld festgesetzt. '^) Endlich operierte man vielfach mit den Edelmetallen "
in ungemünztem Zustande, mit der libra auri tarinorum, des Goldes von
einem bestimmten Feingehalt, wie es im sizilischen Königreich zur Prägung
der tarini verwendet wurde, und dem Gewichtspfunde in Barrensilber s),
häufiger allerdings mit der Gewichtsmark. 9) Speziell die Kölnische Mark
(= 233,8 g) gelangte unter dem Einfluß der kaiserlichen Kammer zu weiter
Verbreitung; daneben die nur wenig schwerere Mark von Montpellier. An
I
1) Leg. sect. IV, 1 p. 440 f. Giesebrecht VI, 135 f.
2) S. die Tabelle am Schluß des Buches.
ä) Giesebrecht V, 70; VI, 337. Breßlau : I denari imp. di Federico I in: Atti
del Congresso internaz. di seiende storiche, VI (Rom 1904), 31 ff.
*) Dabei rechnete man bei Festsetzung von Mietzinsen, Pachtungen u. dgl.
noch vielfach mit dem den. papiensis antiquus des 11. Jahrhunderts, der etwa
= 30 Pf. gewesen war. Capobianchi V. II denaro pavese ed il suo corso in Italia
nel XII secolo in: Riv. Num. IX (1896), 21 ff.
6) Zur Zeit des Dogen Sebastiane Ziani (1172—78).
•) Häufig erscheinen diese Münzen auch als Zinsmünzen im Liber Censuum.
^) Vgl. das Sachregister unter > Pfeffer« und »Brasilholz*.
8) Leon. Pis. führt unter seinen Beispielen die pisanische libra argenti an,
die ungefähr 7 librae pisaninorum gleich gewesen sei.
8) L. Blancard : L'origine du Marc in : Annuaire de la Soc. fr. de numism. et
d'archöol., Paris 1888. Als Beispiel sei ein Mailänder Brief (etwa von 1145; Leg.
Munic. II, 957) angeführt : Duas marcas argenti in 4 frusta divisas per negotiatorem
B. de Zurla tibi transmitto ; die vier Stücke wogen 8Vj, 4, 2'/, und 1 Unze.
Vorbemerkungen. 115
t
der Wertfestsetzung in Edelmetallgewicht gewann man auch einen festen
Rückhalt gegenüber den häufigen Münzveränderungen ; so griff man in den
Urkunden der Zeit zur Sicherstellung der Höhe der Verbindlichkeit nicht
selten auf derartige Wertangaben zurück.
Eine Besonderheit zeigt die Entwickelung des Münzwesens in Rom. i)
Im 11. Jahrhundert hatte hier die Königsmünze des alten pavesischen
Denars fast allein Geltung und behielt sie auch noch eine Zeitlang, als die
Ausprägung desselben aufgehört hatte (1102). Dann drang bei dem natur-
gemäß eintretenden Münzmangel der Denar von Lucca ein und wurde als
maßgebende Münze rezipiert; 1156 aber läßt sich zuerst in Rom der Ge-
brauch einer ausländischen Silbermünze, des Denars von Provins (proviniensis,
provisinus u. ähnl.), der dem affortiatus^) im Werte gleichstand und diesen
bald überflügelte, nachweisen. Vielleicht hat Hadrian IV., der Engländer
auf dem Stuhl Petri, die Rezipierung dieser Münze in Rom veranlaßt, da
es für die Kurie vorteilhaft sein mußte, wenn sie die ihr aus dem nörd-
lichen Frankreich zukommenden Geldmittel zum Teil wenigstens direkt
umsetzen konnte ; auch die englischen Geldsendungen konnten sich weit
leichter dieser Münze bedienen. Etwas später begann man in Rom selbst
Münzen zu prägen (1184 zuerst nachweisbar); man schloß sich an diesen
Typus an und prägte nun provinienses senatus, die im Wert von 50 sol. auf
die Mark römischen Gewichts ausgebracht wurden.
Völlig abweichend war das Münzsystem Süd-Italiens, wo noch die
Goldwährung herrschte. Die oberste Einheit bildete hier die Goldunze,
die in 30 Tari (tarini, mit dem griechischen dgu/jn^j und arabischen dirhem
zusammenhängend) und 600 Gran Gewicht zerfiel. Für die Ausprägung der
Goldmünzen war ein altherkömmlicher Feingehalt vorgeschrieben; das
aurum tarinorum enthielt nur wenig über 2/3 Gold, I6I/3 Karat; die übrigen
72/g sollten zu 2/4 aus Silber, zu 1/4 aus Kupfer bestehen. 3) In dieser
Mischung wurden nun Goldstücke im ungefähren Gewicht von einem oder
mehreren Tari ausgeprägt; ein bestimmtes Gewicht war aber nicht vor-
geschrieben, da diese Goldstücke nicht darauf berechnet waren, im Handels-
verkehr zugezählt, sondern nur darauf, zugewogen zu werden. So hatte
zwar die uncia auri tarinorum einen feststehenden Wert (etwa 52 M. MetaU-
wert bei der Unze Messinas), nicht aber das einzelne Goldstück. Dabei gab
es auch in Unter-Italien verschiedene Unzen; die von Salerno und von Amalfi
wichen von der Messinas ab. In Amalfi hat man im 11. Jahrhundert Gold-
solidi von je 4 Tari Gewicht (im Werte also von etwa 7 M.) geprägt. Selbst-
verständlich gab es in Süd-Italien neben diesen Goldmünzen auch Scheide-
münzen für den kleinen Verkehr 4); da für den größeren Verkehr durch die
Goldmünzen gesorgt war, haben Willkür und Gewinnsucht auf diesem Ge-
biet gerade hier weit schlimmere Zustände als im übrigen Italien hervor-
gerufen.
^) Capobianchi V. : Appunti per servire all'ordinamento delle monete coniate
dal Senate Romano in: Arch. Rom. XVIII (1895), 417 fE.
*) Dem alten lucches. Denar, wegen seines höheren Wertes so genannt. Capo-
Vjianchi, denaro pavese 1. c. p. 31.
') Nagl A. , Die Goldwährung in Süd-Italien, in: Numism. Zeitschr. XXX
(1898), 269.
*) Für die 1222 eingeführten neuen Denare von Brindisi wurde vom Kaiser
unter Zwangskurs ein Umlaufswert von etwa 11 Pf. unseres Geldes vorgeschrieben.
Unten §402.
8*
116 Neuntes Kapitel.
81, Erst nach dem dritten Kreuzzuge kam es in Italien auf
dem Gebiete der Zahlungsmittel zu wesentlichen Fortschritten. In
Venedig, wo die Umlaufsmünze besonders stark entwertet war, begann man
unter dem Dogen Enrico Dandolo 1194 mit der Ausprägung eines silbernen
denarius grossus, auch Matapanus genannt, der einen Peingehalt von
0,964 hatte und im Werte von 26 denarii parvi ausgebracht wurde J), die
damals auf einen Metallwert von nur noch 2^/4 Pf. herabgegangen waren;
die neue Silbermünze hatte also einen Metallwert von 58^/2 Pf. Daß man
sie gerade im Wert von 26 kleinen Denaren ausprägte, wird nur durch die
Annahme erklärhch, daß sie an ein anderes schon vorhandenes Münz-
system angeschlossen werden sollte. Das kann nur das des griechischen
Reichs gewesen sein; ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, daß die
neue Münze als Denar zu dem byzantinischen Goldsolidus, dem Hyperper
(=zz etwa 7 M.), gedacht war. Auch auf den denarius grossus übertrug man
nunmehr die übhche Münzrechnung, so daß man von einem solidus den.
grossorum (= 7 M.) und einer hbra den. grossorum (= 140 M.) sprach. ^j
Lange genug hat es gedauert, ehe die Neuerung anderwärts in Italien
Nachahmung fand. Je mehr sich aber der Verkehr entwickelte, je größer
die Summen wurden, mit denen man vielfach zu operieren hatte, desto
übler mußte die Schwerfälligkeit des herrschenden Geldsystems empfunden
werden ; so wurden z. B., als Kardinal Ugolino von Ostia am 28. Oktober
1221 in der Sakristei der Kirche von Bologna 995 1. imp. deponierte, dazu
8 mit den Siegeln des Legaten und des Bischofs von Bologna verschlossene
Säcke (sacculi) gebraucht, die mit bolognesischen Denaren gefüllt waren 2),
und aus einer ähnlichen Urkunde aus Piacenza von 1227 erfahren wir, daß
zum Transport von 15 Sack mit je 200 1. imp. Inhalt 8 Saumtiere erforder-
lich waren. 3) Am frühesten noch scheint man eben hier dem Beispiel Vene-
digs gefolgt zu sein; im Jahre 1218 hören wir von Piacentini grossi, die
einen Wert von je 6 denarii minuti oder quarteroli hatten; .und wenn Ho-
norius III. 1221 von denarii januenses minores redet 4), so müssen auch hier
schon denarii majores vorhanden gewesen sein, von denen wir später er-
fahren, daß sie ebenfalls im Werte von 6 den. parvi ausgebracht waren. 0)
Wenn die Münze von Siena im Juli 1230 neben 12 librae venetorum gros-
sorum auch 50 solidi pisanorum grossorum (zum Zwecke der Umprägung in
sienesische Heller), also 600 Stück ankaufte ß), so läßt das immerhin darauf
schließen, daß die Ausprägung von grossi in Pisa schon seit einiger Zeit im
Gange war. Und wahrscheinlich hat man dabei hier zuerst den Fortschritt
gemacht, daß man, da auch der pisanische Denar stark von seinem früheren
Wert eingebüßt hatte, dem grossus den Wert von 12 kleinen Denaren gab,
also den solidus ausprägte.
1) Diese Nachricht beruht nicht, wie Nagl A., Numism. Zeitschr. 26 (1894),
111 annimmt, auf dem späten Dandolo, sondern auf der zeitgenössischen Hist
Ducum Ven., SS. XTV, 91; damit erweist sich auch die Vermutung (ebd. 112), daß
der grossus ursprünglich = 24 den. gewesen, als haltlos.
*) Levi p. 107. S. auch über effektive Geldtransporte im Jahre 1250 meine Abh,
über die Wechselbriefe König Ludwigs in: Jahrb. f. Nat.-Ök. 70, 604.
s) Zanetti III (1783) p. 8.
*) Codagnellus p. 67. Pressutti no. 3489.
') Wechselbriefe König Ludwigs in Jahrb. f. Nat.-Ök. 73 (1889), 163 f. Desi
moni in Atti Lig. XIX (1887), p. 179.
«) Lib. della Biccherna bei Zdekauer, Mercante 60 A. 1.
I
Vorbemerkungen. 117
Seit den dreißiger Jahren sehen wir die Binnenstädte Ober- und Mittel-
ItaUens mit der Ausprägung von grossi energisch vorgehen, i) In Parma, das
seit 1209 Denare prägte, die denen von Bologna und Ferrara gleichwertig waren
(=1/3 iniperialis), wurde un Jahre 1233 der Podestä, durch eine statutarische
Bestimmung angewiesen, den Großen Rat zu befragen »de moneta battenda
et facienda crossa vel minuta«^); Bologna begann mit der Ausprägung des
grossus im Jahre 1236 3), und auf eine vollständige Einbürgerung der neuen
Münze läßt es schließen, wenn am 7. Dezember 1239 an die kaiserliche
Kammer, die sich damals in Parma befand, 500 Mark Silber Wiener Gewichts
in »denarii grossi Cremonae« gezahlt werden. 4) Da 8 sol. 10 den. dieser
grossi auf die Mark entfielen, so ergibt sich daraus für den grossus von
Cremona ein Metall wert von 68 Pf.; er entsprach also einem Wert von
4 imperiales, was für den Münzbund Ferrara-Bologna-Parma, dem sich auch
Cremona angeschlossen zu haben scheint, die Ausprägung des Solidus be-
deutete. Dem entspricht es, daß auch der 1254 zwischen Brescia, Bergamo,
Piacenza, Pavia, Tortona, Parma und Cremona geschlossene Münzbund sich
darauf einigte, silberne grossi im Werte von 4 imp. zu schlagen. &)
Völlig analog vollzog sich die Entwickelung in Mittel-Italien. 6) Die
florini argentei, die wir zuerst in den Jahren 1237 und 1238 für Florenz
nachweisen können '^), können nur die grossi gewesen sein, von denen wir wenig
später erfahren, daß sie gleich 12 kleinen pisanischen Denaren waren. ^) Die
kleinen Denare prägte Florenz auch damals noch nicht; noch geraume Zeit
hat es nach pisanischen Hellern gerechnet. Auch in Lucca begegnet uns
im Jahre 1243 eine Zahlung »in dracmis grossis de argento« ^), und als
Kaiser Friedrich II. im Jahre 1240 der Stadt Viterbo das Münzrecht verlieh,
bestimmte er zugleich, daß die denarii parvae monetae im Werte der parvi
senenses, die grossi aber im Werte von 12 den. parvi ausgebracht und in
Zahlung genommen werden sollten, lo) In einer Urkunde vom I.März 1251
sehen wir dann den Ersvählten von Volterra den Empfang eines Darlehens
von 150 1. den. pis. »in denariis grossis de argento, seil, in Florentinis,
0 Wenn Friedrich 11. den Modenesen bei der Verleihung des Münzrechts 1226
erlaubt, monetam magnam vel parvam zu prägen (Murat. Antiqu. II, 705 f.), so ist
unter der moneta magna nicht etwa ein grossus, sondern der imperialis zu ver-
stehen mit Bezug darauf, daß den Nachbarstädten, wie Bologna, Ferrara usw. nicht
die Ausprägung des imp. selbst, sondern nur eines Teiles desselben (ihre Denare
waren = Vs imp.) gestattet worden war.
») Stat. Parm. p. 40.
') Salvioni p. 34.
*) Huillard-Bröholles V, 677.
») Zanetti IH (1783) p. 8.
*) Die sich auf Villani stützende Angabe Nagls (Numism. Zeitschr. 26, 1894
p. 32), daß in Florenz schon 1182 ein fiorino zu 12 den. in Umlauf gewesen, ist
ganz unhaltbar.
^) Davidsohn, Forsch, n no. 172, 206, 207.
«) Ebd. m, 7 no. 23 (Mai 1243): florini grossi argenti; p. 9 no. 26 (3. JuU 1245) :
Zahlung versprochen in florenis grossis, computatis 12 pisanis pro quolibet flori-
norum; p. 10 no. 30 (März 1246): in derselben Weise Valuta von 958V, 1- pis- emp-
fangen. Canale H, 562 (zu 1251).
^) Urkunde bei Muciaccia : J Cavalieri dell' Altopascio in : Studi storici VII
(1898), 224 A. 1.
'») Huillard-Breholles V, 1043. Savignoni im Arch. Rom. XVIII (1895), 281
no. 49.
118 Neuntes Kapitel.
I*isanis, Aretinis, Lucensibus et Senensibus« bescheinigen.!) Man sieht,
König Ludwig IX. von Frankreich hatte nur einem in Italien seit langem
gegebenen Beispiel zu folgen, als er zuerst im Jahre 1266 den berühmten
grossus turonensis im Werte von 12 turonenses parvi prägen ließ. 2)
82. Der Ausmünzung des solidus ist in Italien rasch genug auch die
Ausmünzung der libra, dieser natürlich in Gold, gefolgt. Seit der lango-
bardischen Zeit war in Ober- und Mittel-Italien keine eigene Goldmünze
mehr geprägt worden; wenn wir von dem Dogen Aureus Mastropetrus
(1178 — 1192) hören, daß er eine Goldmünze habe prägen lassen, die im
Hinblick auf seinen Namen als Aureolus bezeichnet worden sei 3), so scheint
schon daraus hervorzugehen, daß es sich nur um eine Art Denkmünze ge-
handelt hat; jedenfalls blieb diese Prägung ohne Nachfolge.
Von hoher Bedeutung war es dagegen, als Kaiser Friedrich II. etwa zur
selben Zeit, wo in der nördlichen Hälfte der Halbinsel die Ausprägung des
grossus in Fluß kam, für sein sizilisches Königreich die Ausprägung des
Augustahs anordnete (1231). Nach antikem Muster in schöner Ausführung
mit dem Bildnis des Kaisers geprägt, stellte der Augustalis (und der eben-
falls zur Ausprägung gelangende halbe Augustalis) zuerst eine Goldmünze
von wirklich feststehendem Werte dar, die auf den Verkehr von Hand zu
Hand berechnet war. Von erheblich größerem Feingehalt als die Tari-
münzen (20^/2 Karat), repräsentierte er 1/4 des Werts der uncia auri tari-
norum (71/2 Tari) mit einem Metallwert von etwa 13 M. ; nach Überwindung
der ersten Schwierigkeiten ist die neue Münze im Handelsverkehr bald zu
großer Beliebtheit gelangt. ^)
Es ist schwerlich ohne die Wirkung dieses Beispiels geschehen, daß
man 20 Jahre später sowohl in Genua wie in Florenz mit der Ausprägung
einer Goldmünze begann. Von Genua kennen wir nur die Tatsache S); es
muß bei einer bescheidenen Ausprägung geblieben sein, die keinerlei weitere
Folgen nach sich zog. Anders in Florenz. Die Ausprägung des florenus
auri (fiorino d'oro) aus feinstem Golde im Werte von 1 libra denariorum
pisanorum = 20 floreni argentei (etwa 9^/4 M.), wie sie im Jahre 1252 zuerst
erfolgte, leitet in der Tat in der Münzgeschichte eine neue Epoche ein, wenn
auch die Wertgleichung zwischen Goldfloren und der libra den. parvorum
nicht lange festzuhalten war. ß)
83. Geraume Zeit bevor es zu der wesentlichen Verbesserung de
baren Umlaufsmittel durch allgemeine Einführung der silbernen Grosche
gekommen ist, hat es der Handelsverkehr der Mittelmeer-Romanen ver-
standen, sein Bedürfnis nach Zahlungsmitteln auf andere Weise zu befrie-
II
j
1) Davidsohn, Forsch. XU, 10 no. 33.
2) Kursbericht in: Zeitschr. f. Soz.- u. Wirtsch.-Gesch. V (1897), 308.
') Hist. Ducum, SS. XIV, 90.
*) Winkelmann E. , Über die Goldprägungen Kaiser Friedrichs II. usw. in :
MIÖG. XV, 401 ff. Meine Abh. über den Wert des Augustalis ebd. XVI, 545 ff.
Nagl A., Goldwährung in Süd-Italien, in: Numism. Zeitschr. XXX (1898), 237 ff.
Ferner Winkelmann 11, 283 und allgemeiner Garufi C. A. , Monete e conii nella
storia del diritto siculo dagli Arabi ai Martini im Arch. sicil. XXIII (1898) p. 1 ff.,
insbesondere p. 104 ff.
6) Ann Jan. zu 1252 (SS. XVIII, 231) : Eodem anno nummus aureus .lanu
fabricatus.
«) Kursbericht 1. c. p. 298 f. Serrure R. , Le florin d'or de Flor, et ses imi
tations, in : Bull, numism. V (1898). Nagl in : Numism. Zeitschr. 26 p. 33 ff.
Vorbemerkungen. 119
digen. Eins der angewandten Mittel liegt noch auf dem Gebiete des Münz-
wesens. Für den Handelsverkehr mit den mohammedanischen Ländern
prägte man nämlich in Mittel- wie Ober-Italien und Süd-Frankreich in großem
Umfange die in jenen Gebieten kursierenden arabischen Münzen nach^),
um sie dann dorthin, mit erheblichem Nutzen natürlich, zu exportieren ; im
größten Maßstabe geschah es mit den Miliarenses Nordafrikas, silbernen
Münzen, die Vio des nordafrikanischen Byzantius (byz. de Garbo), der nur
Rechnungsmünze war, repräsentierten; im Abendlande selbst hatten diese
Münzen keinen Kurs.
Von größter Wichtigkeit aber war die Anwendung eines anderen
Mittels, die es überhaupt allein erklärlich macht, daß bei der vollständigen
Unzulänglichkeit der vorhandenen Umlaufsmittel ein hochentwickelter
Handelsverkehr hat bestehen können — das war die allgemeine Verbreitung,
die der Buch verkehr unter den Geschäftsleuten der Zeit gefunden hatte.
Die Fragmente des florentinischen Handlungsbuches vom Jahre 1211 zeigen
uns denselben schon in vollster Entwickelung, zeigen uns die Delegation in
allgemeinster Übung, Zahlungsanweisungen an Dritte und durch Dritte,
Übertragungen von Guthaben, Vermittelung von Zahlungen durch noch
weitere Personen u. dgl.2); kein Zweifel, daß diese Ausgleichung durch Gut-
schrift in weitestem Maße bestimmt war, bei der Knappheit und Mangel-
haftigkeit des Bargeldes die Barzahlung zu ersetzen. Aus dieser allgemeinen
Bedeutung des Buchverkehrs erklärt es sich auch, daß in Mailand am
13. Juli 1204 ein Statut erlassen werden konnte, Avonach jeder Gläubiger
befugt war, zu bestimmen, an wen sein Schuldner Zahlung zu leisten hätte;
der Schuldner, der sich nicht danach richten wollte, wurde von Gemeinde-
wegen mit einer Geldbuße bedroht. ^) Zu gleichem Zwecke war auf den großen
Messen das System, Barzahlungen in möglichst weitem Umfange durch
Kompensationen am Schlüsse der eigentlichen Meßzeit zu ersetzen, in Übung,
wie uns für die Messen der Champagne auch schon für den Anfang des
13. Jahrhunderts bezeugt ist. 4)
Eben in dieser Zeit nach dem dritten Kreuzzuge hat nun auch der
Wechsel in seiner ältesten Gestalt, der des notariell aufgenommenen domizi-
lierten Eigenwechsels, seine volle Ausbildung erfahren und allgemeine Ver-
breitung in der romanischen Handelswelt gefunden s); und auch die An-
fänge der Tratte reichen noch bis in diese Zeit zurück. 6)
84. Zinsfuß. Aus der Fülle des vorhandenen Materials seien hier
einige Hauptzeugnisse hervorgehoben, die dartun sollen, inwieweit in unserer
*) Nur um solche Nachprägungen kann es sich z. B. bei den Goldmünzen
handeln, die nach einer Urkunde von 1194 (Germain, Commerce I, 188 no. 6) in der
Münzstätte von Montpellier geprägt wurden.
2) Frammenti p. 166 ff. S. auch Sieveking H. , Aus venez, Handlungs-
büchern, in Schmollers Jahrb. XXV (1901), 1494 f.
') Quod quilibet debitor debeat suo creditori solvere pecuniam arbitrio suo credi-
toris, et paciatur ipse debitor cernere quem suus creditor voluerit etc. bei Sachsse : Ein
Mailänder Münzstatut, in: Juristische Festgaben für R. v. Ihering (Stuttgart 1892) p. 71.
*) Unten § 299.
*) Goldschmidt p. 403 ff. Meine Studien z. Gesch. u. Natur des ältesten Cam-
bium in : Jahrb. f. Nat.-Ök. 65 (1895), 153 ff., 511 ft". und über die Wechselbriefe
König Ludwig«, ebd. 70, 603 ff. u. 73, 145 ff. Dazu Desimoni im Giorn. hg. 1898,
p. 308—320. Freundt C. , Das Wechselrecht der Postglossatoren, Leipzig 1899.
Wieland C, Cambium und Wechselbrief in : Festgabe für Andr. Heusler, Basel 1904.
8) Meine Abb. darüber in : Z. f. Handelsr. 43 p. 1 ff.
120 Neuntes Kapitel.
Zeit von einem normalen Zinsfuß (\'on den höheren Seezinsen abgesehen)
gesprochen werden kann und in welcher ungefähren Höhe er sich bewegte.
Als Caffaro als offizieller Gesandter Genuas im Jahre 1120 in Rom
Gelder aufnahm, bekam er sie unter eidlicher Verpflichtung zur Rück-
erstattung von römischen Geldleuten zu 25 "/o (cum labore de quatuor
quinque) i) ; zu demselben Zinsfuße (de quatuor quinque ad racionem anni)
nahm Embronus am 15. August 1163 ein Darlehen von 140 1. jan. bei
seinen Landsleuten Amicus Grillus und Ogerius CoUus in Genua auf, das
bis zum Ende des laufenden Konsulats (1. Februar) zurückzuerstatten war. 2)
Für eine Anleihe von 300 1. pis., die Pisa am 28. Februar 1184 für eine
Gesandtschaft nach den Balearen aufnahm, verpflichtete es sich, 2 % Zinsen
pro Monat zu erstatten.^)
Wichtiger noch sind uns mehrere urkundliche Zeugnisse aus dem
12. Jahrhundert für Venedig darum, weil sie einen Zinssatz von 200/o direkt
als den in ihrer Heimat allgemein üblichen bezeichnen (ad racionem de
quinque sex per annum secundum usum patriae nostrae)*). Den-
selben Zinssatz führt Leonardo Pisano am Anfang des 13. Jahrhunderts als
den offenbar am meisten üblichen als Rechenbeispiel an^); und aus der
kaufmännischen Praxis zeigt uns das florentinische Handelsbuch von 1211
die Höhe der kaufmännischen Zinsen, die durchweg als Verzugszinsen dar-
gestellt sind, in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit 4 den. auf
libra und Monat, also 20% Jahreszinsen, berechnet. 6) Ja dieser Zinssatz
war in Florenz bis zum Ende unseres Zeitraums gesetzlich für alle die
Fälle festgelegt, in denen die Gerichte die Zahlung von Zinsen zuzu-
erkennen hatten ; in einer ganzen Reihe von Erkenntnissen '^) begegnen wir
der Formel: »et insuper currant usurae denariorum 4 pro quolibet mense
et Hbra secundum formam Constituti Florentini.«
Schon diese Tatsachen werden zum Beweise dafür genügen, daß es
völhg irrig ist, einen Kontrakt dieser Zeit als wucherisch aufzufassen, der
einen Zinssatz von 20% enthält; er ist das nicht mehr und nicht weniger
als ein heutzutage etwa zu 5% gegebenes Darlehen. Es ist auch hier
dringend erforderlich, Anschauungen, die aus den Verhältnissen unserer
Zeit erwachsen sind, nicht auf jene völlig anderen Verhältnisse zu über-
tragen; es ist unrichtig, sich die Kaufleute, die mit jenen Zinssätzen arbeiteten,
als Wucherer vorzustellen.
Daß jener Satz von 20*^/0 völlig allgemein galt, ist selbstverständlich
darum nicht anzunehmen; es finden sich örtlich und zeitlich erhebliche
Verschiedenheiten. In Bari z. B. findet sich schon seit 1125 in der Praxis
und auch in dem noch aus demselben Jahrhundert stammenden Gesetzbuch
^) Ann. genov. I, 20 A. 1. Imperiale not. 20 p. 387 f.
2) Chart, n no. 1284.
2) Deutsche Z. f. Gesch.-Wiss. IX, 237 f.
*) Sacerdoti p. 27 (Mai 1188); Baracchi VII (1874), 85 u. XX (1880) p. 79 (zu
1117 u. 1193); ebd. X, 342 zu 1185. Weitere Beispiele bei Cecchetti: Appunti sulle
finanze antiche della Rep. ven. im : Arch. ven. 35 (1888), 38.
*) Quidam prestavit 1. 100 ad usuras 4 d. per 1. in mense supra quandam do-
mum ; p. 267.
8) So auch die Schuldurkunde des Abts von Pasignano vom 29. Mai 1203;
Santini p. 372. Dazu die bis 1210 reichende Zinstabelle bei Davidsohn, Forsch. I,
158 f.
7) Santini p. 264 u. 266 (von 1236), 353 (von 1249). Zdekauer L. , Patto do-
tale in : Mise. fior. di erudizione e storia I (Fir. 1886), p. 105 f. (vom 6. April 1248).
II
Vorbemerkungen. 121
die »ratio de sex in Septem per annum«i), also 16V4%. Seit dem Anfang
des 13. Jahrhunderts sehen wir, daß die Gesetzgebung, wo sie nicht etwa
einfach das haltlose kirchüche Zinsverbot aufnahm, vielfach eine beträcht-
hche Ermäßigung des Zinsfußes vorschreibt. So hat Lodi durch Statut vom
28. November 1201 den gesetzlichen Zinsfuß bei Darlehen, die auf 1 Jahr
oder 1/2 Jahr gegeben wurden, sowie bei Kauf- und anderen Geschäften,
wo die Zahlung von Verzugszinsen stipuliert wurde, auf 107o) bei Darlehen,
die nur auf 1 oder 2 Monate gegeben wurden, auf 15 7o pro anno fest-
gesetzt. 2) Ähnliches findet sich in den Binnenstädten der Lombardei mehr-
fach s); auch die aus dem Jahre 1233 stammende Redaktion des pisanischen
Gesetzbuches enthält den Satz, daß »usurarum nomine« von selten der
Bürger nicht über 2 den. pro libra monatlich genommen werden dürften. 4)
Fraglich erscheint allerdings, inwieweit die Praxis sich diesen Vorschriften
angeschlossen hat; stipulierte Verzugszinsen z. B. fielen nicht unter den Be-
griif der usura, sondern den der poena. Auf ein allmähhches, wenn auch
unter vielfachen Schwankungen "sich vollziehendes Herabgehen des Zins-
fußes, wie es die kapitahstische Entwickelung und erleichterte Geldverhält-
nisse mit sich brachten, deutet es aber doch, wenn die Marseiller Statuten
um die Mitte des 13. Jahrhunderts die von den Gerichten gegebenenfalls
zuzuerkennerden Zinsen auf 15 % normieren.«^) Daß alles Zinsennehmen
mit der in der Kirche herrschenden Theorie völlig unvereinbar war, ist eine
Sache für sich ; ihre Wirkung auf die Praxis darf man sich um so weniger
besonders groß vorstellen, als die Päpste selbst infolge ihrer beständigen
Fühlung mit den harten Dingen dieser Welt weit entfernt davon waren,
jene weltfremde Theorie ihrerseits im Leben zu betätigen. Die im Verlauf
der Zeit schärfer werdende Betonung der Theorie hatte nur die zunehmende
Anwendung verhüllender Formen zur Folge.
1) Besta E. in : Riv. giur. 36 (1903), 103.
«) Cod. Land. HI, 548 : Stat. vetera rub. 39.
') Lattes, dir. consuet. p. 205. Como setzt 1203 allgemein 10 "/q pro anno
fest. (Leg. Munic. 11, 94 rub. 250). 1208 wird noch besonders bestimmt, daß auch
die Gemeinde einheimischen Gläubigern »pro usuris sive pro guiderdono< nicht
mehr geben darf (ebd. 95 rub. 252) ; 1233 werden Zinseszinsen verboten (rub. 253).
Verona ordnete 1228 an, daß gerichtliche Verfolgung nur bei einer Zinshöhe bis zu
121/j o/o zulässig sei. Lib. Jur. Civ. p. 23, rub. 26.
*) Const. Usus bei Bonaini II, 854 (durch die Revision von 1247 beseitigt),
dazu p. 987.
») M^ry et Guindon III p. IXC (lib. 2, 19).
A. Handel der Mittelmeer- Romanen mit
anderen Völkern.
Abschnitt I:
Mit den Kreuzfahrerstaaten und den Sarazenen
des Ostens.
Zehntes Kapitel.
Begründung der Handelsniederlassungen und erste Handels-
prmlegien der Mittelmeer- Romanen in den Kreuzfahrerstaaten.
85. So sicher es ist, daß unter den mannigfachen Beweggründen
die die große Kreuzzugsbewegung ins Leben gerufen haben, kommer
zielle Interessen keine Rolle spielten, so wichtig ist diese Bewegung
für die Entwickelung des Handels der Mittelmeer-Romanen geworden^
Nicht als ob der Handel im Fortgange der Kreuzzüge nur der
empfangende Teil gewesen wäre, so gut er es auch nach seiner Art
verstand, sich den gebotenen Verhältnissen anzuschmiegen und Vor
teil daraus zu ziehen; vielmehr wäre ohne ihn eine längere Behaup
tung der Errungenschaften der Lateiner völlig unmöglich gewesen.
Auf all den Anmarschlinien des ersten Kreuzzuges war eine sichere
und dauernde Verbindung der Eroberer mit der Heimat ganz undenkbar;
für eine solche bot sich allein die See dar. Wohl finden wir beim ersten
Kreuzzuge niederländische und englische Schiffe am Ostgestade des Mittelmeers
tätig, aber bei der Länge und Schwierigkeit der Meerfahrt um den ganzen
Westen Europas herum bot die Herstellung der Verbindung zwischen der
Kolonie der Franken im Orient und dem Abendlande durch die italienischen
Seestädte doch ganz andere Vorteile. Wenn der gewaltige Auszug des Abend-
landes nach den heiligen Stätten phantastisch, in seinen praktischen Zielen
t
I
Zehntes Kapitel. Begründung d. Handelsniederlassungen in d. Kreuzfahrerstaaten. 123
wenig klar imd aussichtsvoll erscheinen konnte , an diesen Handelsstädten ver-
mochte das Unternehmen noch seinen sichersten Rückhalt zu gewinnen. i)
86. Im allgemeinen sind die großen Seestädte Italiens vorsichtig
genug in die Bewegung eingetreten ; ihre offiziellen, mit großen Mitteln
ins Werk gesetzten Kreuzzugsfahrten haben erst ziemlich spät begonnen
und ihr Ziel erst geraume Zeit nach dem Falle Jerusalems erreicht.
Doch gingen diesen großen Seezügen kleinere Unternehmungen
privater Natur voraus, bei denen fast ausschließlich die Genuesen
hervortreten.
Auf Bitten der Genuesen selbst hatte Urban II. bei seiner Rückkehr
aus Frankreich von Asti aus im September 1096 die Bischöfe von Grenoble
und Orange, um das Kreuz zu predigen, nach Genua entsandt; am 15. Juü
des folgenden Jahres brachen die Kreuzfahrer in zwölf Galeeren und einem
Transportschiff für Pferde (sandanus) von Genua auf und landeten vier
Wochen nach dem Eintreffen des großen Kreuzheeres vor Antiochia in dem
dieser Stadt nächstgelegenen Hafen, dem S. Simeonshafen (Solinum, Sueidieh)
nahe der Orontesmündung (17. November 1097). Unter schweren und ver-
lustreichen Kämpfen wurde die Verbindung mit den Belagerern hergestellt
(Bohemund von Tarent selbst war im März 1098 bei den Genuesen im
Hafen erschienen) ; ihre Tätigkeit für die Verproviantierung des Kreuzheeres
wurde von besonderer Wichtigkeit, als nach der Einnahme der Stadt Kerboga
mit seinem großen Entsatzheere herannahte. 2) Als endlich nach der großen
Niederlage Kerbogas und dem Fall der Zitadelle der Besitz Antiochias für
die Christen völlig gesichert war (28. Juni 1098), suchten sich auch die
Genuesen ihren Lohn zu sichern ; als Vertreter ihrer Landsleute schlössen
am 14. Juli 1098 sieben vornehme Genuesen, an deren Spitze Anseimus
Rusacherius erscheint, mit Bohemund, der sich schon als den Herrn von
Antiochia betrachtete, einen Vertrag, in dem sie ihm versprachen, daß alle
Genuesen in Antiochia oder in erreichbarer Nähe ihn im Besitz von
Antiochia gegen jedermann verteidigen würden; den Grafen Raimund von
S. Gilles nahmen sie allerdings dabei, offenbar mit Rücksicht auf ihre
Handelsinteressen, ausdrücklich aus; sollte dieser die Stadt an sich zu
reißen streben, so wollten sie zur Herstellung der Eintracht so viel wie
möglich tätig sein, bei einem etwaigen Kampfe aber sich neutral verhalten.
Dafür überließ ihnen Bohemund die Johanniskirche mit 30 Häusern am
Kirchplatze, einem W^arenhause (fundicus, Fondako) und einem Brunnen zu
völlig lastenfreiem Eigentum und befreite sie für Gegenwart und Zukunft
von allen Abgaben (usus et consuetudines vel rectitudines) in Antiochia und
seinem Bezirk. '^) Die Errungenschaft der Genuesen — die erste in einem
^) Für die Spezialliteratur über den ersten Kreuzzug verweise ich außer auf
V. Sybel , Gesch. des 1. Kreuzzuges, Leipzig* 1899, Heyd I, 134 ff. und Röhricht
auf H. Hagenmeyer, Chronologie de la premiere croisade (1094 — 1100) in Rev. de
l'Or. lat. VI (1898/9), 214 f., 490 f , VII (1900) p. 277 f., 442 f., Vm, 318 ff., IX, 384 ff.
(auch als Buch erschienen ; Paris 1902), der in sehr übersichtlicher Weise alle Be-
legstellen und Ausgaben anführt.
2) Ann. genovesi (Caffari Liberatio) I, 102 f. Röhricht, Erster Kreuzzug 22,
112, 123. Manfroni 138 f. Hagenmeyer in Rev. Or. VI, 251, 499, .518.
*) Hagenmeyer, Epp. no. 13, 14, p. 155 f., 308 ff", (irrig, daß fundicus auch
Marktplatz bedeuten könnte). Röhricht, Reg. no. 16. Heyd I, 134. Caffaro 1. c.
hat die Namensform Anseimus Rascherius für den ersten der vornehmen Genuesen,
die an diesem Zuge teilnahmen.
124 Zehntes Kapitel.
Kreuzfahrerstaate überhaupt, von Privatleuten zunächst im eigenen Interesse,
zugleich aber auch in dem der Vaterstadt gewonnen — mußte gesichert
erscheinen, als sich Bohemund unter gewaltsamer Verdrängung der Leute
Raimunds im Januar 1099 in den Alleinbesitz Antiochias gesetzt hatte, i)
Bei dem weiteren Zuge der Kreuzfahrer werden gelegentlich auch
Venezianer als für die Verproviantierung der Christen tätig erwähnt; ins-
besondere hören wir, daß bei der durch Raimund veranlaß ten Belagerung
von Irkah venezianische und genuesische, griechische und englische Schiffe
von Laodicea und Tortosa aus für die Herbeischaffung von Lebensmitteln
aller Art, Getreide, Fleisch und Käse, Öl und Wein von Cypern und den
Inseln des Archipels her sorgten. 2) Aber wieder waren es nur genuesische
Schiffe, und auch diese nur in sehr geringer Anzahl, die bei der Fortsetzung
des Kreuzzuges nach Jerusalem mitwirkten. Im Juni 1099 kamen die beiden
Brüder Embriaci, Wilhelm und Primus, nach Joppe, mußten aber bald, da
die Sarazenen von Askalon das Meer beherrschten, ihre beiden Galeeren im
Stich lassen und sich damit begnügen, alles namentlich zur Errichtung von
Belagerungsmaschinen irgendwie brauchbare Material nach Jerusalem schaffen
zu lassen, wo sie Raimund bei Herstellung seines Belagerungsturms im
Süden der Stadt tapfer zur Seite standen ; mit reicher Beute aus der eroberten
Stadt sind sie später auf einem gekauften Schiffe von Laodicea aus heim-
gekehrt. ^)
87. Das auf die Eroberung Jerusalems folgende Jahr, das Jahr
1100, hat dann die mächtigen Kreuzzugsflotten (als solche schon
durch die ilmen beigegebene geistliche Leitung gekennzeichnet) der
drei großen Seestädte Italiens an der syrischen Küste gesehen, nicht
gleichzeitig zwar, sondern nacheinander; eine gewaltige Flotten-
demonstration des Abendlandes, die auf die Sarazenen von tiefster
Wirkung sein mußte; das deutlichste Zeichen zugleich, daß die See-
herrschaft und mit ihr der Seehandel hier am östlichsten Gestade
des Mittelmeers auf die seemächtigen Städte Italiens überzugehen im
Begriff war.
Als die erste erschien die Flotte der P i s a n e r , von deren Beteihgung
an den privaten Unternehmungen der früheren Jahre nichts berichtet wird*) ;
toskanische Kreuzfahrer, von denen wir wissen, speziell solche aus Lucca,
sind mit englischen Schiffen 1097 nach Syrien gefahren, s) Nach dem Tode
des Bischofs Adhemar von Puy (1. August 1098 in Antiochien) hatte Urban IL
den ihm eng befreundeten Erzbischof von Pisa, Daibert, zum päpsthchen
Legaten ernannt; unter seiner Führung war nach umfassender Rüstung im
zeitigen Frühjahr 1099 die 120 Schiffe starke pisanische Flotte »auf päpst-
hchen Befehl zum Zwecke der Befreiung Jerusalems« ausgelaufen, ß) Allzu
*) Hagenmeyer, Epp. p. 85 f.
*) Raimund von Aguilers 209, 276. Gesta Francorum ed. Hagenmeyer; Hei-
delberg 1890, p. 435.
') Caffari Liberatio : ann. genov. I, 110. Eöhricht, Erster Kreuzzug 187 f., 191.
Hagenmeyer in Rev. Gr. VII, 469.
*) Auf Gilo, der sie v. 222 (Rec. Crois. Occid. V, 744) mit Genuesen, Eng-
ländern und Venezianern zusammen in S. Simeonshafen nennt (qui sua vendebant
illic nostrisque favebant), ist kaum etwas zu geben.
6) Hagenmeyer, Epp. no. 17; dazu p. 101, 360. Rev. Or. lat. YII, 316.
8) Ann. pis., SS. XIX, 239. Hagenmeyer in Rev. Or. lat. VII, 494. Heyd I,
135. Manfroni 140.
Begründung der Handelsniederlassungen in den Kreuzfahrerstaaten. 125
eilig aber strebte sie ihrem Ziele nicht zu; mit den Griechen, besonders
den Bewohnern der jonischen Inseln, die den Weg nach Jerusalem unsicher
zu machen pflegten, bestand sie erst heftige Kämpfe, so daß sie erst
Anfang September, als Jerusalem schon erobert war, vor dem griechischen
Laodicea eintraf. Sogleich trat Bohemund mit den Pisanern, deren Griechen-
feindschaft ganz seiner eigenen Gesinnung entsprach, in Verbindung; von
den genuesischen Schiffen, die den Simeonshafen okkupiert hatten, unter-
stützt, begannen sie die Belagerung der wichtigen Seestadt. Schon war
man nach der Einnahme der beiden Hafentürme der Eroberung der Stadt
ganz nahe, da erschienen die nach dem großen Siege bei Askalon (August
1099) auf der Heimkehr begriffenen kreuzfahrenden Fürsten, Raimund an
der Spitze, und intervenierten zugunsten der Griechen. i) Noch einmal
ließen die Normannen die Beute fahren ; vermutlich kam es zu einer Kon-
vention, die den Pisanern und wohl auch den Genuesen erhebliche Handels-
vorteile in dem unter griechischer Herrschaft verbleibenden Laodicea
zusicherte. Daibert zog mit Bohemund und Balduin von Edessa nach
Jerusalem, dessen erster lateinischer Patriarch er wurde; die pisanische
Flotte legte sich im Hafen von Joppe vor Anker. Die Pisaner begannen
nun zusammen mit Gottfried von Bouillon Joppe wieder aufzubauen und
als wichtigsten Stützpunkt für die Herrschaft der Lateiner in Jerusalem zu
befestigen. 2) Schon zu Weihnachten hatte Gottfried dem Erzbischof den
Vasalleneid geleistet; am 2. Februar 1100 räumte er ihm ein Viertel von
Jaffa ein und zu Ostern fügte er die Verleihung der Oberhoheit über
Jerusalem und den Rest von Jaffa hinzu, so indessen, daß ihm selber bis
zur Einnahme von Kairo oder anderer Städte die Nutznießung verbleiben
sollte. 3) Solange Daibert hier gebot, mochte die Stellung der Pisaner im
Heüigen Lande sicher begründet, ihrem Handel der zuverlässigste Rückhalt
gewährt erscheinen. So schickte sich ihre Flotte mit enghschen Schiffen
zusammen, von zahlreichen Kreuzfahrern zur Heimfahrt benutzt, nach
Ostern 1100 zur Rückkehr an. 4)
88. Einige Monate nach der pisanischen Flotte, im Juli 1099, war
auch eine venezianische, gegen 200 Schiffe stark, unter der Führung
des Bischofs von Castello (Venedig), Enrico Contarini, und eines Sohnes
des Dogen, Giovanni Michael, aufgebrochen 0) ; nach längerem Aufenthalt
in Dalmatien traf sie Ende Oktober vor Rhodus ein, wo sie in bester be-
obachtender Stellung bis Ende Mai 1100 verblieb. Durch Gesandte verhandelten
ihre Führer mit den Häuptern der Kreuzfahrer, während auf der anderen
Seite Kaiser Alexius versuchte, sie von einer Unterstützung derselben
abzuhalten. Im April oder Mai hatten die Venezianer noch vor Rhodus
ein scharfes Rencontre mit der heimkehrenden ß) Flotte der Pisaner; dann
') Albert v. Achen 1. VI c. 55—59 (Rec. Crois. Occid. IV, 500 ff.). Hagen-
meyer in Rev. Gr. VII, 493 ff.
*) Hagenmeyer in Rev. Gr. VUI, 318. Röhricht, Erster Kreuzzug 219.
») Hagenmeyer 1. c. 320 f., 327.
*) Brief Daiberts bei Hagenmeyer, Epp. no. 21, p. 176.
*) Monachi Littorensis translatio S. Nicolai (Rec. Crois. Gccid. V, 253 ff.).
Röhricht, Erster Kreuzzug 212 f. Hagenmeyer in Rev. Gr. VTEI, 331 ff. Manfroni
141 ff. Die Anzahl der Schiffe gibt der gleichzeitige Mönch vom Lido an p. 269 D.
^) Das ist bisher verkannt worden ; aber sobald man das annimmt, fallen alle
chronologischen Schwierigkeiten. Nach dem Mönch vom Lido kam die Nachricht
von der Gnade, die Gott den Venezianern de sanctis et de Pisanis gewährt,
gleichzeitig nach Venedig und erregte hier die größte Freude ; c. 28, p. 270.
126 Zehntes Kapitel.
wandten sie sich nach Myra und setzten sich in Besitz der, wie sie meinten,
nun wirkhch echten Rehquien des Patrons der Seefahrer (29. Mai) ; im Juni
trafen sie in Jaffa ein, von Gottfried und Daibert um so freudiger begrüßt,
je schwächer sich diese seit der Abfahrt der Pisaner gefühlt hatten. Während
die Venezianer insgesamt in zwei Abteilungen nacheinander zu den heiligen
Stätten pilgerten, schlössen ihre Führer mit Gottfried einen wichtigen Vertrag,
der nach der Rückkehr von Jerusalem feierlich durch Eide bekräftigt wurde i) :
Die Venezianer verpflichteten sich, von Johanni bis Maria Himmelfahrt
(15. August) »in Dei servitio« zu dienen; dafür sollten sie in allen Städten
an der Küste wie im Innern, die die Franken erobert hatten oder noch
erobern würden, je eine Kirche mit einem zum Markt geeigneten Platz sowie
für alle Zeiten voUe Freiheit von Handelsabgaben erhalten. 2) Venezianischen
Schiffen gegenüber verzichteten die Franken auf jegliche Ausübung des
Strandrechts; nur sollte beim Schiffbruch der Schiffer seinen Helfern ein
Entgelt für ihre Mühe zu gewähren verpflichtet sein. Die Beute, die man
im bevorstehenden Feldzuge zu machen hoffte, sollte bei der Einnahme
einer Stadt zu 2/3 den Franken, zu 1/3 den Venezianern zufallen ; nur wenn
die Eroberung von Tripolis gelänge, sollte die Beute zu gleichen Teilen
verteilt werden; Tripolis selbst aber sollte ganz und ohne weitere Abgabe
als eine jährlich nach Jerusalem zu sendende Rekognitionsgebühr dem
hl. Markus zufallen — eine interessante Bestimmung, da man doch sicher
wußte, daß der Besitz von Tripolis der sehnhchste Wunsch des Grafen
Raimund war. Schon war der gemeinsame Zug gegen das wichtige Accon
geplant, da starb der schon seit längerer Zeit schwerkranke Gottfried von
Bouillon, und Tankred und die Venezianer begnügten sich mit der Ein-
nahme des etwas südlich davon gelegenen, ziemlich unbedeutenden Chaifa
(Mitte August 1100). Als Waffengenossen Tankreds erwirkten sie dann, als
dieser nach seines Oheims Bohemund Gefangennahme Regent von Antiochien
geworden, ein Privileg von ihm 3), das die Handelsabgaben im Fürstentum
zu ihren Gunsten herabsetzte und sie sicher auch in den Besitz eines
Fondaco und anderer Häuser in Antiochien brachte, wenn sie nicht noch
von den Zeiten der Griechenherrschaft her im Besitz solcher waren. Mit
den Reliquien des hl. Nikolaus hielten die Venezianer an seinem Festtage
(6. Dezember 1100) ihren feierlichen Einzug in die Vaterstadt. *)
89. Zuletzt erschien im Jahre 1100 auch die genuesische Flotte
auf ihrer »Caesareafahrt«, wie sie Caffaro, der selbst an ihr teilnahm und
seine Annalen von dieser Fahrt ihren Ausgang nehmen läßt^), an der
syrischen Küste. Die Genuesen mußten befürchten, von Pisanern und
Venezianern überflügelt zu werden ; so überwanden sie die schweren inneren
Zwistigkeiten, die die Stadt damals zerrütteten, und rüsteten eine Flotte von
26 Galeeren und mehreren Transportschiffen aus, die mit dem zum päpst-
lichen Legaten ernannten Bischof von Porto, Mauritius, an Bord, unter
großer Kreuzzugsbegeisterung Genua am 1. August 1100 verließ und gegen
1) Monach. Littor., 1. c, c. 33 f., p. 272.
^) . . . immunitatem ab omnibus quae mercatorum usus principibus terrae red'j
dere solet.
ä) Nicht erhalten; aber das Privileg von 1140 nimmt Bezug darauf. Tafel unc
Thomas I, 102.
*) Hagenmeyer in Rev. Or. Vm, 841 ff., 346.
<*) Ann. genovesi I p. 5 ff. Dazu die Liberatio ib. p. 111 ff. Vgl. Manfroni
146 ff. Hagenmeyer in Rev. Or. Vm, 349.
Begründung der Handelsniederlassungen in den Kreuzfahrerstaaten. 127
Ende September in Laodicea eintraf. Hier trugen die Genuesen zur Be-
geitigung der nach Gottfrieds Tode und Bohemunds Gefangennahme aus-
gebrochenen Wirren wesentUch bei und stellten sich dann dem neuen
Könige Balduin zur Eroberung zweier Städte zur Verfügung. Ende April 1101
wurde das kleine Arsuf- (nördhch von Jaffa), am 17. Mai das damals noch
volkreiche und durch Handel blühende Caesarea genommen, i) Nach
Erstürmung der Stadt baten gegen 1000 reiche Kaufleute, die sich in die
Moschee geflüchtet, den Patriarchen Daibert um Schonung, indes vergebens ;
die Stadt wurde vollständig ausgeplündert, und so reich war die Beute, daß
die Genuesen, als sie im Simeonshafen an ihre Verteilung gingen, nach
Abzug des für die Kirche bestimmten Zehnten und eines Fünftels zur
Deckung der Ausrüstungskosten der Galeeren 2), nach Abzug ferner reicher
Ehrengeschenke für die Konsuln, Schiffskapitäne und Vornehmen, noch je
48 Solidi von Poitou und zwei Pfund Pfeffer an jeden der 8000 Teilnehmer
verteilen konnten. Es war der richtige Raubzug, von der Art, wie sie die
italienischen Seestädte im Kampfe mit den Sarazenen des Westens gewohnt
waren ; Caesarea vermochte sich von diesem Schlage nie wieder zu erholen luid
ist seitdem ein neben Orten wie Accon und Tyrus geradezu bedeutungsloser
Platz geblieben.
Zu diesen Erfolgen gesellte sich ein Privileg Tankreds, des Verwesers
von Antiochien, der ihnen im Juli 1101 ^jz aller Einkünfte aus dem Land-
und Seeverkehr im Simeonshafen überließ und ihnen für den Fall, daß
Laodicea mit ihrer Hilfe erobert werden sollte, die Hälfte der Stadt versprach. 3)
Damit waren die großen Seezüge der italienischen Seemächte,
die in engstem Zusammenhange mit dem ersten Kreuzzuge stehen,
beendet; ein gewaltiger Umschwung in den maritimen Verhältnissen
des anatolisch-ägyptischen Beckens war eingetreten^), der für die Ent-
wickelung des Handels der Mittelmeer-Romanen von den wichtigsten
Folgen gewesen ist.
90. Noch aber war eine Reihe gerade der wichtigsten Seestädte
an der syrischen Küste in feindlichen Händen, eine stete Bedrohung
des allmählich sich entwickelnden Handels der italienischen See-
mächte ; ihr eigenstes Interesse wies sie darauf hin, die Bemühungen
der christlichen Beherrscher des Landes, sich in den Besitz der ge-
samten Küste zu setzen, energisch zu unterstützen. Wieder waren es
die Genuesen, die, durch die Erfolge ihrer Caesareaf ahrt ermutigt, diese
Aufgabe am lebhaftesten ergriffen und die wichtigsten Ergebnisse er-
zielten^)
Nachdem eine kleinere Expedition, die mit der von der Caesareafahrt
heimkehrenden Flotte bei Korfu zusammentraf, dem Grafen Raimund von
S. Gilles Tortosa hatte bezwingen helfen (1102), unternahmen sie zwei Jahre
') Hagenmeyer in Rev. Gr. IX, 423 ff., 427 ff.
») Hagenmeyer 1. c. 439. Röhricht, Jerusalem p. 22, irrtümlich Vis ^ür die
Schiffe.
') Lib. Jur. I p. 16 f. Imperiale, nota 18, p. 377. Hagenmeyer 1. c. 445.
*) Stark hervorgehoben, besonders bezüglich der Pilgerfahrten, von Fulc. Car-
notens. p. 383.
") Ann. genovesi I, 13 f., 118 f. Vgl. Manfroni 150 ff'.
128 Zehntes Kapitel.
darauf wiederum einen großen Seezug mit 40 Galeeren nach dem Heiligen
Lande und trugen das meiste dazu bei, daß das wichtige Accon mit seinem
trefflichen Hafen in den Besitz des Königreichs Jerusalem kam (26. Mai 1104).
Zum Danke verlieh ihnen König Balduin ein reichhaltiges Privileg, in dem
er der Kirche San Lorenzo, der Kathedralkirche Genuas, einen Platz in
Jerusalem, eine Straße in Jaffa und je ein Drittel von Arsuf und Caesarea
sowie von Accon, seinen Einkünften und seinem Landgebiet bis auf eine
Meile im Umkreis einräumte und die Genuesen von jeder Art von Handels--
abgaben in allen seinen Besitzungen, auch den erst zu erobernden, befreite, eine
Befreiung, die er auf die Bundesgenossen der Genuesen, die Bewohner von
Savona, Noli, Albenga und das Geschlecht des Pisaners Gandulf, ausdehnte.
Der Nachlaß verstorbener Genuesen sollte nach ihrer letztwilhgen Verfügung
behandelt und, wo solche fehlte, ihren Landsleuten übergeben werden. Für
das ihnen zustehende Drittel von Accon erhielten sie durch Verständigung
mit dem Könige eine Straße am Meer, die seitdem die ruga b. Laurentii
hieß, einen Fruchtgarten und eine jährhche Rente von 600 Byzantien aus
den Zolleinkünften; zur Verwaltung des Gewonnenen bestellten sie einen
vicecomes in der Person eines Geistlichen, des Kanonikers Sigbaldus von
der Lorenzokirche, die ja formell die Eigentümerin war — er ist der erste
Vorsteher einer abendländischen Kolonie in der Levante, den wir kennen.
Ein Verzeichnis ihrer Taten in Syrien aber und der Verleihungen Balduins
ließen sie mit Erlaubnis des Königs nach diesem glänzenden Erfolge zu
ewigem Gedächtnis mit goldenen Lettern an der Apsis der Kirche denl
hl. Grabes in Jerusalem anbringen, i) ■■
Aber auch ihren alten Freund Raimund vergaßen die Genuesen nicht;
mit derselben Flotte, die bei der Einnahme Accons so erfolgreich mitgewirkt,
nahmen sie noch im selben Jahre 1104 Gibellet (Dschubail = Byblos) ; das
ihnen nach nun schon feststehender Praxis zufallende Drittel übergaben sie
der Obhut eines ihrer Mitbürger, des Ansaldo Corso. 2) Noch aber widerstand
der Hauptort, Tripolis selbst; Raimund (f 1105) erreichte das Ziel seiner
Sehnsucht nicht und mußte sich mit dem Bau des eine Meile entfernten
starken Schlosses Monte Pellerino begnügen; erst dem Grafen Bertram,
seinem Sohne und Nachfolger, gelang die Einnahme des wichtigen Platzes
mit Hilfe der starken genuesischen Flotte von 60 Galeeren, die ihn über
Meer begleitet hatte. Noch während der Belagerung ließen sich die Genuesen
am 26. Juni 1109 zu Händen des Wilhelm Embriaco und anderer Vor-
nehmen von ihm ein Privileg ausstellen, wonach sie 1/3 der Stadt TripoHs
an der See, einschließlich des Hafens und der Inseln, sowie seinen Anteil
an Gibellet erhalten sollten; alle Genuesen sowie die unter genuesischer
Oberhoheit stehenden Bewohner des Gebiets zwischen Nizza und Porto
Venere und die mit Genuesen in Handelsgesellschaften verbundenen Lom-
barden sollten ferner von jeder Abgabe (tributum) in seinem Lande frei
sein, mit alleiniger Ausnahme etwaiger Pilgertransporte, die sie von seinem
Gebiete aus anderswohin überführen würden. ^) Als aber die Einnahme voi
*) Ein Faksimile dieser im Liber Jurium wiedergegebenen Inschrift bei Bei
grano (in halber Größe) in seiner Ausgabe der Liberatio Orientis (ann. genovesi
tav. VII ; vgl. p. 113 not. 2 und 121 mit not. 12).
*) Ib. p. 120: Et Gibelleto capto, comes tenuit Gibelletum pro se, et de disj
trictu Tripoli erat; et dedit Vs J^^iu^nsibus et % sibi tenuit et vicecomitem'
SU um ibi posuit; et Januenses in terciam partem Ansaldum Corsum pro guarda
posuerunt.
•) Lib. Jur. I no. 11, p. 18 f. Imperiale nota 19, p. 379.
Begründung der Handelsniederlassungen in den Kreuzfahrerstaaten. 129
Tripolis, der die rasche Übergabe von Gabulum (Gibellus major = Dschebeleh)
am 23. Juli folgte, gelungen war (12. Juli) und die Genuesen schon ihre
Machtboten über das der Stadt Genua verheißene Drittel gesetzt hatten
(legatos suos pro guardia partis eorum divisae posuerunt), vertrieb Graf
Bertram diese nach kurzer Zeiti); nur den Burgflecken Puy du Connetable
(castrum constabularii) [und die übrigen 2/3 von Gibellet räumte er ihnen
ein, so daß nimmehr der ganze, freilich nicht gerade bedeutende Ort Gibellet
im Besitze Genuas war. 2) Über die neuen 2/3 setzten die Genuesen den
Ugone Embriaco, der schließlich ganz Gibellet als erbliches Lehen gegen
einen jährlichen Zins von Genua erwarb.
Im folgenden Jahre (1110) wurde die Periode kriegerischer Unter-
nehmungen an der syrischen Küste für Genua durch die Eroberung des
in späteren Zeiten so wichtigen Beirut (Berytus) abgeschlossen, bei der eine
genuesische Flotte von 22 Galeeren den König Balduin unterstützte. Auch
hier hatte also Genua auf 1/3 der Stadt Anspruch. 3)
Somit hatte die ligurische Seestadt in einem Zeitraum von etwa 13 Jahren
unter wiederholter Aufbietung beträchtücher Seestreitkräfte an der ganzen
syrischen Küste von Jaffa bis zur Orontesmündung eine Reihe wichtiger
Stützpunkte für ihren Handel gewonnen; auch in Laodicea, das 1108 den
Griechen endgültig von den Normannen Antiochiens entrissen wurde, scheinen
die Genuesen bald nach der Eroberung Handelsvorteile erlangt zu haben,
wenigstens ersehen wir aus der Bestätigung ihrer Privilegien durch den
jungen Bohemund H. vom Dezember 1127, daß sie sich damals, abgesehen
von i/s d^r Stadt und der Hafeneinkünfte von Solinum, auch im tatsäch-
lichen Besitz einer Handelsstraße (ruga) und eines Fondaco in Laodicea
befanden. ^)
91. Neben der großen Rührigkeit der Genuesen im ersten Jahrzehnt
der Kreuzfahrerstaaten treten die Pisaner stark zurück. Die Wichtigkeit
des von ihnen auf ihrem ersten großen Seezuge Erreichten wurde sehr
erhebhch beeinträchtigt durch die Unsicherheit der Stellung Daiberts, der,
in kurzen Zwischenräumen dreimal als Patriarch abgesetzt, dabei immer
mit den Normannen Antiochiens in engster Verbindung, schließlich im
Herbst 1104 mit Bohemund nach Italien zurückkehrte, wo er zwar seine
Wiedereinsetzung erwirkte, auf der Rückreise aber 16. Juni 1107 in Messina
starb, ö) So können wir eine pisanische Handelsniederlassung für die
erste Zeit des Königreichs Jerusalem mit Sicherheit nur für Jaffa annehmen.
Eine begünstigte Stellung errangen die Pisaner dagegen in Nord -Syrien.
Mit den Normannen beständig in sorgfältig gepflegter Verbindung, mit den
Griechen noch immer verfeindet, leisteten sie im Jahre 1108 Tankred bei
der endlichen Bezwingung des vielumkämpften Laodicea mit ihrer Flotte
wirksame Hilfe. Zum Lohne erhielten sie ein Handelsquartier in der
^) Ann. genov. I p. 124 (inhoneste expulit).
*) Wohl nur durch ein augenblickliches Versehen bezieht Köhricht, Jerusalem
S. 82 (auch Kreuzzüge S. 66) das auf Gabulum (Dschebeleh ; südlich von Laodicea).
Eine Entschädigung für die Genuesen sollten wohl seine Versprechungen bezüglich
Saint-Gilles sein ; vgl. unten § 437.
*) Ann. genov. I, 15.
*) Lib. Jur. I no. 20, p. 30: >sicut modo tenent.«
') Literatur über Daibert bei Röhricht, Jerusalem p. 5. Dazu Hampel E., Un-
tersuchungen über das lat. Patriarchat bis zum Tode des Patr. Arnulf (1099 — 1119).
Erlangen 1899. Diss.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 9
130 Zehntes Kapitel. <i^^hh
Hauptstadt Antiochia (den vicus Sancti Salvatoris) wie in Laodicea selbst^
wo ihnen die vom Meere zur Nikolaikirche führende Arkaden straße, ein-
schließlich der genannten Kirche, zufiel, endlich volle Verkehrs- und Abgaben-
freiheit im ganzen Fürstentum, i)
Wahrscheinlich ist auch in dieser Zeit schon die Handelsniederlassung
der Pisaner in Tripolis begründet worden. Wenigstens hören wir, daß Graf
Bertrand, als er von Süd-Frankreich 1108 überfuhr, in Pisa landete, wo sich
die genuesischen Schiffe erst anschlössen, und daß Pisaner an der im nächsten
Jahre erfolgten Eroberung von Tripolis und Gabulum beteihgt gewesen sind.2)
Bald nach der Einnahme von Tyrus (1124) wurde auch in diesei Stadt
eine pisanische Handelsniederlassung begründet. Noch König Balduin II.
schenkte den Pisanern fünf Häuser in der Hafenstraße (in ruga juxta portum)
zu ewigem freien und abgabenlosen Besitz '^) ; er verlieh ihnen ferner für
ihre Schiffe und Waren bei Ankunft, Aufenthalt und Abfahrt völlige
Abgabenfreiheit in Tyrus, von der nur die mitgeführten Pilger und nicht-
pisanischen Waren ausgenommen wurden; endlich bestimmte er, daß der
Nachlaß von Pisanern, die in seinem Königreiche stürben, an ihre Angehörigen
oder Volksgenossen ausgeliefert werden müßte, s|
92. Lange Zeit begnügten sich die Venezianer mit den großen
Handelsvorteilen, die sie auf ihrem ersten Seezuge erlangt hatten, und
hielten sich von dem Kampfe um die Seestädte fern ; ja bei der Bedrängnis
von Tripolis, auf das sie einst selbst ein Auge geworfen, durch die Christen
halfen sie sogar der Stadt frischen Proviant zuführen. *) Diese Zurück-
haltung entsprang in erster Linie der Rücksicht auf ihre Beziehungen zu
Konstantinopel; sobald einmal in Zeiten des Konflikts diese Rücksicht
wegfiel, ist energische Unterstützung an ihre Stelle getreten, m\
So führte im Jahre 1110, als Pisa zu Byzanz in ein freundschaftliches
Verhältnis trat, der Doge Ordelafo Falier in Person eine venezianische
Expedition, die in Gemeinschaft mit König Balduin und nordischen Kreuz-
fahrern unter Sigurd I. von Norwegen im Dezember das starke, aber
kommerziell ziemlich unbedeutende Sidon eroberte ; Markuskirche und Doge
erhielten bei dieser Gelegenheit auf ihren Wunsch auch in dem weit
bedeutenderen, 1104 christlich gewordenen Accon eine Straße (ruga) zu-
gewiesen 5).
') Müller p. 3 u. 369. Röhricht, Reg. no. 53. Heyd I, 145.
^) Röhricht, Jerusalem 79, 81.
3) Eingerückt in das Privileg von 1156, Müller no. 5, p. 7. Da Balduin 11,
1131 gestorben ist, so muß das undatierte Privileg in die Zeit zwischen 1125 und
1131 fallen; wahrscheinlich aber gehört es in den Anfang dieser Zeit.
*) Ihn el Athir im Rec, Crois. Orient. I, 254. Errera C. : I crociati veneziani in
Terra Santa (dal concilio di Clermont alla morte di Ordelafo Falier) im Arch. ven.
38 (1890), 276.
*) Lenel 35, Anm. 2 bezweifelt die Beteiligung der Venezianer an der Erobe-
rung von Sidon; vgl. S. 91; aber die Angabe Dandolos wird durch das Pactum War-
mundi von 1123, wonach die Verleihungen in Accon >in Sidonis acquisicione < er-
folgt waren, auf das wirksamste unterstützt. Mit Recht hat schon Simonsfeld (Hist.
Z. 84, 1900, 439) darauf hingewiesen; die von ihm angezogene Stelle Alberts von
Achen aber (Rec. Crois. Occ. IV p. 652), wonach Balduin zur Belagerung der Stadt aus
allen Nationen Italiens, von den Pisanern, Genuesen, Venezianern, Amalfltanern
und herumschweifenden Korsaren, Streitkräfte zusammengezogen habe, bezieht sich
auf die erste, vergebliche Belagerung der Stadt im Jahre 1108,
II
i
Begründung der Handelsniederlassungen in den Kreuzfahrerstaaten. 131
Den größten Dienst indessen leisteten die Venezianer dem Heiligen
Lande durch ihre Mitwirkung bei der endlichen Einnahme des wichtigen
Tyrus, das sich immer noch in den Händen der Ungläubigen behauptete
und als Hafen für Damaskus dienen konnte. Schon im August 1122 hatten
120 Schiffe unter dem Dogen Domenico Michael Venedig verlassen, aber
zunächst im Winter das griechische Korfu belagert, waren dann über Modon
und Rhodus nach Cypern und von hier auf die Nachricht, daß eine ägyptische
Flotte Jaffa blockierte, nach Accon gefahren; durch einen glänzenden See-
sieg im Mai 1123, der ihnen reiche Beute einbrachte, vertrieben sie die
Feinde und schickten sich nunmehr an, Tyrus zu belagern. Vorher aber
ließen sie sich von den Vertretern König Balduins II., der am 18. April 1123
in Gefangenschaft geraten war, das als Pactum Warmundi (nach dem
Patriarchen von Jerusalem) bekannte reichhaltige Privileg i) ausstellen.
Von den Städten Tyrus und Askalon, die man zu erobern gedachte, sollte
den Venezianern ein volles Drittel zufallen; in der Hauptstadt Jerusalem
sollten sie auf dem Marktplatz so viel zu Eigentum erhalten, wie der König
selbst besaßt); in ihrer Niederlassung (vicus) zu Accon sollten sie Mühle,
Backofen, Bad abgabenfrei bezitzen und sich eigener Gewichte und Maße
bedienen dürfen; nur bei Einkäufen von Nicht-Venezianern blieb ihnen
der^ Gebrauch der staatlich eingeführten Maße und Gewichte vorgeschrieben.
Das zeigt uns deutlich, daß Accon damals der für den Handel Venedigs
mit dem Königreich wichtigste Platz geworden war; ist uns doch auch
schon aus dem Jahre 1119 eine Handelsgesellschaft mit 300 1. Kapital
bekannt, für die Giovanni Mauro auf dem vom nauclerus Dominicus
Bilongus geführten Schiffe nach Accon ging. 3) In allen anderen Städten
des Königreichs sollten sie ebenfalls, abgesehen von Kirche und Marktplatz,
wie sie ihnen schon im Jahre 1100 verheißen waren, eine ganze Straße
(rugam) sowie Bad und Backofen zu vollem, lastenfreiem Eigentum besitzen.
Von der völligen Freiheit von Handelsabgaben sollten nur Pilgerschiffe aus-
genommen sein. Und wie das Strandrecht, so wurde nun auch jedes Heimfalls-
recht bezüglich des Nachlasses von Venezianern, auch wenn sie ohne letzt-
wiUige Verfügung (sine lingua) verstorben waren, für abgeschafft erklärt. Für
Streitigkeiten ihrer Landsleute untereinander sollten die Venezianer ihren
eigenen Gerichtshof haben; über die in ihren Quartieren ansässigen Nicht-
Venezianer (burgenses) sollte ihnen dieselbe Gerichts- und Finanzhoheit
zustehen wie dem Könige gegenüber seinen Untertanen. Bei Streitigkeiten
zwischen Venezianern und Nicht- Venezianern sollte der königliche Gerichtshof
nur dann zuständig sein, wenn der Beklagte ein Nicht-Venezianer war.
Im Februar 1124 konnte die Belagerung von Tyrus beginnen. Nicht
bloß mit ihrer Flotte, auch mit reichen Geldmitteln unterstützten die
Venezianer ihre Bundesgenossen, indem sie dem Patriarchen und den
Fürsten ein Darlehen von 100 000 Byzantien (aureorum) gewährten ; es hängt
damit zusammen, daß ihnen eine zu Peter und Paul zahlbare Jahresrente von
300 sarazenischen Byzantien auf den königlichen Bazar in Tyrus angewiesen
wurde. ■*) Nach hartnäckiger Verteidigung kapitulierte die Stadt am 7. Juli ;
') Tafel und Thomas I, 85 f.
*) Das Haus des Petrus, Schwiegersohns des Venezianers Johannes, wird 1153
in Jerusalem erwähnt. Delaville le Roulx I p. 168, no. 219.
-) »in taxegio de Acres.« Sacerdoti p. 23.
*) Tafel und Thomas I, 86: >de funda Tyri ex debiti condicione*. Die Nach-
richt über das Darlehen in der Hist. Ducum Ven., SS. XIV, 74.
9*
132 Zehntes Kapitel. Begründung d. Handelsniederlassungen in d. Kreuzfahrerstaaten.
den Einwohnern wurde gestattet, gegen eine mäßige Kopfsteuer in der Stadt
zu bleiben, und ein großer Teil machte davon Gebrauch, so daß die Stadt
ihren Wohlstand und ihre Handelsblüte behauptete, i)
Als König Balduin seine Freiheit wiedererlangt hatte, bestätigte er
am 2. Mai 1125 die den Venezianern gemachten Zugeständnisse in vollem
Umfange; nur ließ er hinzufügen, daß sie ihm bei einer nötig werdenden
Verteidigung von Tyrus eine den Einkünften aus ihrem Stadtdrittel ent-
sprechende Anzahl von Verteidigern zur Verfügung zu stellen hätten. 2) Im
Juni 1125 kehrten die Venezianer heim; Tyrus war nun der Hauptpunkt
ihrer syrischen Besitzungen geworden, und bald erhob sich hier die unter
der heimischen Markuskirche stehende, dem gleichen Heihgen geweihte
Kathedralkirche 3), mit zahlreichen Privilegien ausgestattet, als Hauptkirche
der Venezianer in Syrien. fll
Weit weniger günstig war die Stellung der Venezianer im nördhchen
Syrien. Im Pactum Warmundi ließen sie sich von den Großen des Reichs
ihre guten Dienste zusichern, damit das Versprechen, das Balduin ihnen vor
seiner Gefangennahme gemacht, darauf hinzuwirken, daß sie in Antiochien
dieselben Privilegien wie in den anderen Städten des Reichs erhielten,
erfüllt würde. 4) Offenbar ist die kommerzielle Stellung Venedigs in diesem
Gebiet durch sein freundschaftliches Verhältnis zu dem den Normannen
feindlichen Byzanz lange Zeit ungünstig beeinflußt worden.
Dagegen erlangten sie in Tripolis schon im Februar 1117 durch
Schenkung des Grafen Poncius ein großes Haus in der Nähe des Hafens, das
den Namen Darus führte; die Provisores von San Marco sollten für ewige
Zeiten das vöUig freie Verfügungsrecht über alle seine Innenräume wie alle
zugehörigen äußeren Verkaufsstätten haben. ^)
93. So groß der Anteil gewesen ist, den die französische Nation an dem
ersten Kreuzzuge gehabt hat, so gering sind die direkten Vorteile, die sie
durch denselben für ihren Handel erlangt hat; denn das Entscheidende
fehlte ihr, die verknüpfende Seemacht. Sicher sind auch Bürger süd-
französischer Seestädte in nicht geringer Zahl den Fahnen Raimunds von
Toulouse gefolgt; aber dieser Zug ging auf dem Landwege vor sich, und
wir haben keinerlei zuverlässige Kunde, daß von einer der Seestädte Süd-
Frankreichs aus Geschwader oder auch nur einzelne Schiffe in dieser ersten
Periode ausgefahren sind, um sich an dem Kampfe um die Küstenstädte
zu beteiligen.6) Wenn Graf Raimund dem Kloster Sankt Viktor von Marseille
II
») Röhricht, Jerusalem 164 fE. Manfroni 159 fE. Heyd I, IM.
*) Tafel und Thomas I, 90—93. Einen an einigen Stellen gebesserten Text
gibt G. Gelcich : Breve appendice ai documenti etc. dei Signori Tafel e Thomas.
Ragusa 1892. Doc. no. 1, p. 12—15.
=) Ebd. II, 362: Denkschrift des Bailo von 1243 Marsilio Zorzi, wo in cap-
tione terre statt capitone zu lesen.
*) Ebd. I, 88.
») Ebd. 76 f. Röhricht, Reg. no. 84.
®) Dafür ließe sich anführen, was Albert von Achen von Winimer von Bou-
logne und seinen Leuten, die Laodicea zuerst genommen, erzählt 1. VI, c. 55 (Reo. _■
Crois. Occid. IV, 500): Hi collectione navium a diversis terris et regnis contractaÄl
videlicet ab Antverpia, Tila, Fresia, Flandria per mare, Provincialibus in terra
S. Aegidii de potestate comitis Raimundi associati, navigio in circuitu orbis terrae
usque ad ipsam urbem Laod. appulsi sunt. Allein ganz abgesehen davon, daß die
Autorität Alberts dafür nicht allzu hoch angeschlagen werden dürfte, scheint die
Stelle nur zu bedeuten, daß diese niederländische Flotte in S. Gilles proven9alische
Kreuzfahrer an Bord nahm. Vgl. 1. in, c. 14, p. 348 ; Röhricht, Jerusalem 98 u. 205.
II
Elftes Kapitel. Weiterentwickelung der romaniBclien Handelsniederlassungen. 133
die Hälfte von Gibeilet schenkte i), so fühlt man sich zwar zunächst ver-
sucht, an maritime Beziehungen zu Marseille und Handelsvorteile, die dieser
Stadt hieraus erwachsen sein müßten, zu glauben; indessen hat diese
Schenkung fünf Vierteljahre vor der wirkhchen Eroberung stattgefunden
und ist der abergläubischen Frömmigkeit des Grafen entsprungen, der sich
dadurch den Erfolg zu sichern gedachte; überdies ist, wie wir wissen, ganz
Gibeilet schon 1109 den Genuesen zugefallen. Auch ein angebliches Privileg,
das König Balduin den Marseillern im Jahre 1117 verliehen haben soll,
erweist sich, wenn man seiner habhaft werden will, als ein Truggebilde 2).
Elftes Kapitel.
Weiterentwickelimg der romanischen Handelsnieder-
lassungen in Syrien bis zur saladioischen Invasion.
94. Die genuesischen Handelsniederlassungen in Syrien ent-
wickelten sich nicht ganz ihrem glänzenden Anfange entsprechend.
Durch die spanischen Unternehmungen hervorgerufene Finanznöte
veranlaßten die Regierung im Januar 1154 3), ihre Rechte in Accon den
Embriaci (Hugo, seinem Bruder Nikolaus und ihren Erben) gegen einen
Jahreszins von 50 1. jan. auf 29 Jahre zu verpachten ; dabei Avurde eine von
den Pächtern sofort geleistete Zahlung von 100 1. a;ls Pachtzins für die
ersten vier Jahre angerechnet und die weitere Bestimmung getroffen, daß,
wenn die Pächter in den beiden ersten Jahren am Genuß der Einkünfte
von Accon gehindert werden sollten, diese Zahlung sogar für sechs Jahre gelten
sollte. Und die hier gesetzte Möglichkeit war keineswegs eine bloß theo-
retische. Im folgenden Jahre entsandte Genua einen Kanoniker von San
Lorenzo, Mainfred, an die Kurie nach Benevent, wo sich zahlreiche geist-
liche Würdenträger des lateinischen Orients unter Vorsitz des Papstes ver-
sammelt hatten; er führte lebhafte Klage über vielfache Verletzung der
Rechte Genuas durch die syrischen Landesfürsten und Wegnahme eines
Schiffes mit wertvoller Ladung durch Untertanen des Königs von Jerusalem.
Der Papst trat für die Genuesen ein ; schon 1144 hatte Lucius IL ihnen alle
ihre Rechte in Syrien bestätigt; jetzt sandte Hadrian IV. auf Grund der
Beschwerde und der von den Genuesen vorgelegten Dokumente an den
König das Gebot, das fragliche Schiff herauszugeben und die Genuesen in
Zukunft im friedlichen Besitz des Vizekomitats von Accon und ihrer anderen
Rechte zu belassen.'*) Im Jahre 1157 ging Jonathas Crispinus als Gesandter
Genuas nach Syrien, und 1161 erschien Ansaldo Spinola in Begleitung des päpst-
lichen Legaten daselbst »pro petenda justicia Januensium« ; im gleichen Jahre
verlieh Alexander III. dem genuesischen Erzbischof die überseeische Legation,
die ihm das Recht gewährte, alle acht Jahre in Gemeinschaft und gleicher
') Röhricht, Reg. p. 6 (16. Januar 1103). Marchand 94.
*) Am letzten Ende gehen die Angaben hierüber auf eine zieniUch konfuse
und jeder Beweiskraft entbehrende Stelle bei J-B. Guesnay: Provinciae Massilien-
sis . . . Annales sive Massilia Gentilis et Christiana libri tres (Lugduni 1657) p. 318
zurück.
») Lib. Jur. I, no. 198, p. 173 f. Imperiale p. 357.
*) Ann. genov. I, p. 32, 44. Röhricht, Reg. no. 312. Heyd I, 160.
134 Elftes Kapitel.
Autorität mit einem Abgesandten der Kurie die Kreuzfahrerstaaten zu visi-
tieren, i) Aber auch dies Eingreifen der Genua eng befreundeten Päpste
fruchtete nichts; offenbar erschien den Königen die von den Genuesen im
ersten Anlauf errungene Vorzugsstellung auf die Dauer für ihre Landes-
hoheit und ihre Finanzen gar zu abträglich ; König Amalrich ging in seiner
Abneigung gegen die Vorrechte der Genuesen sogar so weit, daß er jene den
Ruhm und die Privilegien der Genuesen verkündende Inschrift in der Grabes -
kirche zerstören ließ, und die wiederholten Mahnungen, die die Päpste deswegen
und wegen anderer Übergriffe vom Jahre 1169 an bis zur saladinischen In-
vasion an die Machthaber in Jerusalem richteten, blieben ohne Erfolg. 2) So
erwiesen sich gerade ihre großen Privilegien den Genuesen in mancher Be-
ziehung als nachteihg; die Mißgunst der Regierung mußte um so übler
wirken, als sie es mit tatkräftigen Rivalen zu tun hatten; aber wenn auch
vielfach in ihren Vorrechten verkürzt, behaupteten sie sich doch, namenthch
in Accon, wo wir für 1169 einen genuesischen »vicecomes in ruga S. Lau-
rencii«, Cacciabove, nachweisen können 3); das Notularium des Johannes
weist 47 Nummern auf, die sich auf Handelsfahrten der Genuesen nach
Syrien (ultra mare) beziehen. M\
95. Auch ihre Besitzungen im Fürstentum Antiochien, die Raimund I. ■'
dem Gesandten Guilelmus Buronus im Jahre 114.3 feierlich bestätigte 4),
übertrug die genuesische Regierung auf lange Pacht an das mächtige Ge-
schlecht der Embriaci, das schon ganz Gibeilet zu Lehen trug. Zuerst
scheint es 1134 auf 20 Jahre geschehen zu sein; mehrfach aber kam es zu
Streitigkeiten mit den Pächtern, und im Januar 1147 sprechen die Konsuln
sogar die Konfiskation der Güter des Guilelmus Embriacus und seiner Erben
aus, da sie den bezüghch der Städte Gibellet, Solinum, Laodicea und
Antiochia mit früheren Konsuln auf 20 Jahre abgeschlossenen Vertrag nicht
gehalten hätten 0); [doch nahmen sie diesen Spruch sogleich gegen eine
Zahlung von 300 1. Jan. an das Comune zurück. Die Erneuerung der Pacht
fand im Januar 1154 auf 29 Jahre statt 6); die Brüder Hugo und Nikolaus
und ihre Erben, dieselben also, die auch Accon pachteten, hatten für Antiochia
einen Jährlichen Pachtzins von 80 1. jan. zu zahlen, während Wilhelm für
die feierliche Belehnung mit ganz Gibellet und den genuesischen Besitz
in Laodicea jährlich 270 Byzantien an das Comune und ein Palhum im
Wert von 10 Byzantien an San Lorenzo abzuführen hatte; gegen eine
sofortige Zahlung von 100 1. jan. verzichtete das Comune auf weitere noch
rückständige Forderungen 7) an ihn. Aus dem Jahre 1162 wissen wir, daß
die Regierung den von Wilhelm für zwei Jahre geschuldeten Pachtzins von
540 Byzantien an ein Konsortium verkaufte. §) Auch gegen den Fürsten
1) Lib. Jur. I no. 320: 9/4 1179 Bestätigung der Bulle von 1161; Langer 81.
Ann. genov. I, 48, 62.
2) Röhricht, Eeg. no. 438, p. 114; Additam. no. 664a. Lib. Jur. I no. 254,
255, 322, 345-350. Heyd I, 149. Langer 156.
3) Belgrano im Arch. st. ital. serie 3, t. VIII, 2, p. 160. Heyd I, 158.
*) Lib. Jur. I no. 95, p. 98. Langer 18, Anm. 1.
») Lib. Jur. I no. 137, p. 133, vgl. p. 89 zu 1144. Röhricht, Reg. no. 247.
«) Lib. Jur. I no. 196/7, p. 172 f. Imperiale p. 355 f. (no. XI u. XII zu nota 13).
') totum illud quod ipse pro bisanciis pred. Gibeleti et aliorum locorum co-
muni Janue dare debebat. Vgl. damit die Stelle der Konsularstatuten von 1143: Et;
si de bisanciis de Gibello contentio orta fuerit, faciemus inde justitiam. Leg. Mu-
nieip. I p. 248. Heyd I, 163 bezieht die Stelle auf Gabulum.
8) Chart. II no. 1180.
Weitorentwickelung der romanischen Handeleniederlassungen in Syrien. 135
von Antiochien richteten sich die Beschwerden der Genuesen im Jahre
1155 wegen Verletzung ihrer Vorrechte; doch stellte sich unter dem Nach-
folger Raimunds, Bohemund III., im Gegensatz zu der schlechten Behand-
lung, die die Genuesen damals gerade im Königreich erfuhren, ein gutes
Verhältnis mit ihnen her. Der genuesische Gesandte Lanfranco Alberici
erwirkte zunächst von dem damaligen Herrn von Gibeilet, Hugo Embriaco i),
völlige Abgabenfreiheit für seine Landsleute, wofür sich dieser freilich nach
einiger Zeit durch Verweigerung seiner Lehnspflicht schadlos hielt 2), und
erlangte dann (1169) von Bohemund Bestätigung ihrer bisherigen Rechte und
Besitzungen, Zusage völliger Sicherheit für Personen und Waren, wo immer
in seinem ganzen Gebiet sie Handel trieben, und das Versprechen, Beschwerden
und Klagen der Genuesen binnen 40 Tagen zu erledigen; in den Motiven
betonte er seine Vorliebe für die Genuesen und seinen Wunsch, daß sie
sein Land mehr als bisher besuchen und in demselben verweilen möchten.
Dafür leistete ihm der Gesandte im Namen Genuas einen Eid, daß die
Genuesen nach Kräften ihn und sein Land unterstützen und verteidigen
würden. ^) Auch daß sein Nachfolger, Bohemund IV., in erster Ehe mit einer
Tochter des Hugo Embriaco, Placentia, vermählt war, konnte den Handels-
interessen Genuas im Fürstentum nur förderlich sein. Dagegen blieb das
Verhältnis zu Tripolis dauernd unfreundlich; noch 1186 gebot Urban III.
dem Grafen und dem Bischof, den Genuesen endlich das ihnen zustehende
Drittel der Stadt Tripolis zu übergeben.^)
96. Waren die Pisaner im Fürstentum Antiochien anfänglich be-
sonders begünstigt, so trat für sie, ähnlich wie für die Genuesen im König-
reich Jerusalem, in der folgenden Zeit ein Rückgang ein, über dessen
Phasen wir im einzelnen nicht unterrichtet sind. In dem Privileg, das ihr
Gesandter Rainerio Bottacci am 10. Mai 1154 für die Pisaner daheim wie
für ihre im Fürstentum ansässigen Volksgenossen 0) auswirkte, wurde ihnen
in Laodicea ein Grundstück zur Erbauung eines domus (doch wohl eines
Fondaco) am Meere geschenkt unter der Bedingung des Rückfalls an den
Fürsten, falls es ihnen gelänge, sich vor Gericht die Rückgabe des gegen-
wärtig von dem Genuesen Wilhelm Embriaco am Hafen innegehabten Ter-
rains zu erstreiten. Auch erschien nunmehr der Erlaß der Hälfte der Ge-
bühren, die sie »per consuetudinem« im ganzen Fürstentum bei Ein- und
Ausfuhr, Kauf und Verkauf zu entrichten hatten, als ein Zugeständnis,
während ihnen in dem Privileg von 1108 volle Abgabenfreiheit versprochen
war. Ausdrücklich wurde ihnen aber eigene Gerichtsbarkeit (in curia sua,
juxta statuta eorum) über ihre Volksgenossen in Antiochia wie Laodicea
gewährt; Streitigkeiten mit fürstlichen Untertanen waren allerdings vor den
Landesgerichten zu entscheiden; die Bestätigung dieses Privilegs von 1170
behielt Verbrechen gegen Leben und Eigentum sowie Hochverrat allgemein
^) Der jüdische Reisende Benjamin von Tudela erzählt uns (I p. 60), daß
D8chuV)ail von sieben Genuesen, an deren Spitze Julianus Embriaco stehe, regiert
werde. Die mißverständliche Namensform ist aus Ugolinus (frz. Uguelin) zu er-
klären und nicht (II p. 70) in Willelmus zu ändern.
*) Lib. Jur. I no. 256. Aufforderungen der Päpste, den schuldigen Lehnseid
und Zins zu leisten, ib. no. 321 und 351 (1179 und 1186).
") Ib. no. 276; Chartarum I no. 544, p. 857. Heyd I, 174.
*) Lib. Jur. I no. 355/6. Heyd I, 189.
') Müller no. 4, p. 6; »communi populo tam in Pisa provincia quam in nostra
manenti.<
136 Elftes Kapitel.
dem fürstlichen Gerichtshof vor und sprach die Verfügung über den Nachlaß
eines ohne Testament verstorbenen Pisaners den Landesbehörden zu.i)
Dagegen machten die Pisaner in Tripolis nicht unerhebliche Fort-
schritte. Im Jahre 1179 schenkte ihnen Graf Raimund ein Haus in Tripolis,
das den schon in ihrem Besitz befindhchen Häusern benachbart war; drei
Jahre später erweiterten sie diesen Besitz noch durch Ankauf der Häuser
einer Witwe Richelda für 188 saraz. Byzantien^); und etwa um dieselbe
Zeit wurde Plebanus, der Neffe eines sehr reichen Pisaners von Tripohs,
Herr und Gebieter des ein paar Stunden südlich davon am Meere gelegenen
Ortes Batrun, indem er Cäcilia, die Erbtochter des bisherigen Herren von
Batrun, nach Erlegung von 10000 Byzantien an den Grafen heiratete. 3)
97, Im Königreich Jerusalem waren die Pisaner in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts in raschem Emporsteigen,
Um die Mitte desselben bestanden zwischen ihnen und dem König-
reich arge Mißhelligkeiten, über deren Natur der am 2, November 1156 ab-
geschlossene Friedens- und Freundschaf tsvertrag 4), der diesen ein Ende
machte, wenigstens einigen Aufschluß gibt. Während man gegenseitig auf
alle Klagen wegen vorgekommener Schädigungen Verzicht leistete, behalten
sich die Pisaner ein gerichthches Vorgehen gegen den Patriarchen von
Jerusalem, das Kloster Santa Maria de Latina und den Klerus von Cäsarea
vor — offenbar handelt es sich dabei um Verletzung pisanischer Ansprüche,
die noch aus der Zeit Daiberts herrührten ; und während man andererseits sich
gegenseitigen Schutz zu Wasser und zu Lande zusicherte, nahm der König
diejenigen Pisaner aus, die Eisen, Holz, Pech oder Waffen nach Ägypten
transportierten — sicher also hatten sich die Pisaner solcher Zuführung von
Konterbande an den Landesfeind schuldig gemacht. Im übrigen fügte
König Balduin III. den früheren Verleihungen einen Backofen in Tyrus
und fünf Grundstücke in der Nähe der Stadt hinzu ; auch verlieh er ihnen
zu der schon bestehenden Zollfreiheit das Recht der eigenen Gerichtsbarkeit
in Tyrus (Vicecomitatum, qui in eorum propria Curia Pisanos justificare
debeat); nur die Blutgerichtsbarkeit wurde dem königlichen Gerichtshofe
vorbehalten. Zu diesen Verleihungen trat im folgenden Jahre (2. Juni)
eine weitere des Bruders des Königs, Amalrich, des Grafen des 1153
eroberten Askalon, hinzu s) ; er schenkte ihnen mit Zustimmung des Königs
in Jaffa, dem Orte ihrer ersten Niederlassung, einen zum Markt und zur
Erbauung von Häusern geeigneten Platz, den Grund und Boden zu einer
Kirche und erließ ihnen die Hälfte aller ihm zustehenden Zölle und
Handelsabgaben. Als er dann König geworden war und die Pisaner ihn
auf seinen Zügen gegen Ägypten unterstützten, entwickelte sich ein be-
sonders enges Verhältnis.
In höchst merkwürdiger Weise erscheinen die Pisaner in dem ersten
Privileg, das sie von diesem Herrscher am 13. März 1165 erwirkten, als
Vorkämpfer des Prinzips der offenen Tür. Allen Menschen der Welt,
welcher Sprache oder Nation sie auch angehörten, überließ der König darin
») Müller p. 15 f.
'-') Ib. p. 17, 24 ; Bonaini, Suppl. p. 85.
^) Ann. genov. I p. 138. Plebanus ist als dominus Botronis zuerst März
1181 nachweisbar, Delaville le Roulx I no. 596, p. 407; im Privileg von 1179 (Müller
p. 17) erscheint er als Zeuge, aber noch ohne diesen Zusatz.
*) Müller p. 6 f. no. 5. Heyd I, 160.
') Müller p. 8, no. 6. Heyd I, 151, 338.
Weiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen in Syrien. 137
einen Raum zwischen dem Hafenbecken mid den Häusern der Stadt zum
allgemeinen Gebrauch, derart, daß er fortab für immer von jeder Baulich-
keit freigehalten werden sollte; der Seneschall des Erzbischofs, der auf
dieserii Terrain ein Haus errichtet hatte, wurde von den Pisanern durch
Zahlung einer Geldsumme von 400 Byzantien veranlaßt, das Haus zu be-
seitigen und so das Terrain dauernd für den allgemeinen Gebrauch freizu-
machen, i) Natürlich verfolgten die Pisaner mit diesem Vorgehen ihre be-
sonderen Zwecke; sicher handelte es sich für sie darum, einen freieren
Zugang zum Hafen zu gewinnen ; möglich, daß jenes Haus an die Genuesen,
mit denen Pisa damals im Kriege lag, vermietet war; wahrscheinlich auch,
daß es den Pisanern bei ihrem Eintreten für das Interesse der Allgemein-
heit darum zu tun war, die Sympathien der kleineren Handelsnationen, be-
sonders der Südfranzosen, für sich zu gewinnen.
War so ihre Stellung in Tyrus wesentlich verbessert, so verlieh ihnen
der König am 18. Mai 1168 zur Belohnung für ihre bei der Belagerung von
Alexandria geleisteten Dienste auch für Accon ein wichtiges Privileg.^) Er
schenkte ihnen ein Grundstück zur Erbauung eines den Zwecken der
Handelskolonie dienenden Hauses und einer Kirche und verlieh ihnen
eigene Gerichtsbarkeit über ihre Landsleute ; doch blieben ihrem Forum die-
jenigen Pisaner, die zum König in ein Lehnsverhältnis getreten waren und
Grundbesitz, Wohnung oder Einkünfte im Gebiet des Königs hatten, und
materiell die Verbrechen gegen Leben und Eigentum sowie Hochverrat ent-
zogen. Balduin IV. schenkte dann im Jahre 1182 noch einen Platz am
Hafen von Accon hinzu. In dieser Zeit können wir auch den ersten
pisanischen Kolonial- Vorstand in Syrien mit Namen nachweisen, zugleich
den ersten von allen, der mit dem Konsultitel erscheint: es ist Pipindo,
consul Aconensis, der August 1179 die Schenkung des Grafen Raimund von
Tripolis als Zeuge beglaubigt 3) und damit schon als Vertreter seiner Vater-
stadt für ganz Syrien gekennzeichnet wird.
98. Für die Stellung der Venezianer im Fürstentum Antio-
chien wurde das Privileg von Wichtigkeit, das ihr Gesandter Gio-
vanni Boaudo im Mai 1140 von Raimund I. erlangte.*)
Es setzte das Strandrecht zu ihren Gunsten außer Kraft und sprach
den Grundsatz aus, daß unbeteiligte venezianische Kaufleute nicht wegen
etwaiger Piraterien ihrer Landsleute gebüßt werden dürften und Venezianer
in jedem Falle von venezianischen Richtern nach eigenem Recht zu richten
seien. Im Besitz ihres Fondaco, der dabei gelegenen Häuser und des Gartens
in Antiochia wurden sie bestätigt, die Abgaben auf die zur Zeit Tancreds
übliche Höhe festgesetzt und für die Zollberechnung im Simeonshafen das
Zugeständnis gemacht, daß zwei Maultierlasten einer Kamellast gleichgesetzt
werden sollten. Ein von Domenico Bono im Mai 1153 erwirktes Privileg
setzte dann den Ausfuhrzoll an den Toren Antiochiens für die KameUast
^) Dal Borgo p. 90. Müller no. 9, p. 11: universis mundi hominibus, cuius-
cunque sint lingue seu nationis, tarn modernis quam modernorum successoribus,
concedo et confirmo (das nun folgende Pisanis bei Müller ist irrige Einschiebung),
spatium illud terre etc. und weiterhin : et terram in qua domus fuerat, liberam com-
muni omnium hominum usui ... in sempiternum relinqueret.
») Müller p. 14. Heyd 1, 151.
8) Müller p. 23 und 18.
*) Tafel und Thomas I p. 102.
138 Elftes Kapitel.
von 21/2 Byzantien auf 2 Byzantien, für die Maultierlast (de summerio) von
1 byz. 8 d. auf 1 byz. herab und verminderte die Marktabgabe in Antiochien
von 7 auf 5 % (für Tuche von 5 auf 4 ^/q) ; außerdem sprach es den Grund-
satz aus, daß Venezianer nur vor ihrem eigenen, in ihrem Fondaco zu
Antiochia tagenden Gerichtshof recht zu geben gezwungen sein sollten, i)
Es ist wohl nicht zufällig, daß diese Exemtion der Venezianer von der fürst-
lichen Gerichtsbarkeit sich in dem 30 Jahre jüngeren Privileg Bohemunds III.
nicht mehr vorfindet. Dagegen hat sich die kommerzielle Stellung der
Venezianer im Fürstentum fortschreitend günstiger gestaltet; 1167 war
wieder Domenico Bono an den Hof von Antiochien gesandt worden und
hatte eine Herabsetzung der Handelsabgaben für die Venezianer auf die
Hälfte erwirkt, und Bohemund III. befreite sie von allen Abgaben, mit
alleiniger Ausnahme einer Verkaufsabgabe in Höhe von l^o-^)
99. Im Königreich Jerusalem wurde die Kirche San Marco in Tyrus
eine Zeitlang zum Mittelpunkte der venezianischen Kolonialverwaltung.
Eifrig waren ihre kirchlichen Vorsteher auf Mehrung ihres Besitzes und
Einflusses bedacht, allzu eifrig zuweilen, so daß im Jahre 1157 die Kolonial-
gemeinde von Tyrus einmal gegen das Verhalten des Plebanus Pietro
Morosini in einer Erbschaftssache zugunsten des in seinen Rechten Ge-
schädigten, der aus der Romania herbeigeeilt war, lebhaft und mit Erfolg
Partei ergriff. 3) Vor allem war es die finanzielle Kraft, die die Kirche
durch umsichtige Verwaltung zu gewinnen gewußt, die der Staat in Zeiten
des Bedürfnisses sich, wenn auch seinerseits unter Opfern, nutzbar zu
machen verstand. So ist es sicher nicht ohne Gegenleistung geschehen,
wenn die venezianische Regierung im August 1164 der Kirche San Marco
von Tyrus zu Händen ihres Prokurators Leonardo Fradello folgende
Schenkung macht ■*): 1. die neben dem Haupttor am Hafen von Tyrus be-
legene Straße, die den Venezianern zum Zweck der Beherbergung ihrer nach
Tyrus kommenden Landsleute zur Zeit der Eroberung überwiesen, dann
aber im Zusammenhange mit dem Bau der Markuskirche aufgegeben worden
war ; 2. die ursprünglich auf den königlichen Bazar in Tyrus, später auf die
Hafeneinnahmen von Accon angewiesene Jahresrente von 300 Byzantien,
deren Auszahlung durch König Fulco eingestellt und seitdem nicht wieder
aufgenommen worden war; 3. in Tripolis das darus genannte Haus und
einen Backofen ebendaselbst. Wie es scheint, handelt es sich dabei aus-
nahmslos um Besitzungen und Rechte, die dem Staate Venedig verloren
gegangen waren — es ist die einzige Erwähnung von Tripolis in venezia-
nischen Quellen, die sich in dieser Zeit findet — ; durch Schenkung an die
Kirche hoffte man sie zu gelegener Zeit vielleicht doch noch wiedererlangen
zu können, wie denn auch der Prokurator alle Vollmacht erhielt, die Aus-
zahlung jener Rente an die Verwaltung von San Marco bei der königlichen
Regierung zu betreiben.
*) Ib. 133 : tenere curiam suam s. Marei in f unditio suo in Ant., et facere ju-
dicia sua libere . . . nee alibi per totam terram, nisi in curia s. Marci sua respon-
dere cogantur.
*) Ib. 148, 175 f. Über Tripolis § 99.
2) Schriftliche Bekundung des Hergangs durch zwei Venezianer von Tyrus
April 1157 ; Baracchi Vn (1874), 362 f. Vgl. Schmeidler 35 f.
*) Tafel und Thomas I, 140 f. Sehr oberflächlich handelt L. Lucas, Geschichte
der Stadt Tyrus zur Zeit der Kreuzzüge, Berlin 1896, über diese Dinge ; er setzt so-
gar den Beginn der Erbauung der Markuskirche in Tyrus in die Zeit von 1164 bis
Mai 1165; p. 61 f.
Weiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen in Syrien. 139
Wenige Monate später aber, im Januar 11651), verpachteten Doge
und Volk von Venedig die Verwaltung des gesamten venezianischen Drittels
von Tyrus an die Markuskirche zu Händen des genannten Prokurators;
unter den Einkünften, deren Einziehung nun auf die kirchliche Verwaltung
überging, werden besonders aufgezählt die Einkünfte vom Hafen, von den
Toren, Plätzen, Bädern und Fondachi, Mühlen und Backöfen, von der öffent-
lichen Wage und den Maßen sowie die Abgaben der Glasindustrie (dationes de
vitro); ebenso stand ihr nunmehr die Vermietung aller Häuser, Läden und
Werkstätten zu. Als Leonardo im Mai desselben Jahres von Papst
Alexander III. ein Privileg für die Markuskirche in Tyrus erwirkte, vergaß
er nicht, ihr außer dem Eigenbesitz auch den Pachtbesitz ausdrücklich be-
stätigen zu lassen. 2) Der Prokurator von San Marco konnte die Verwaltung
durch einen von ihm ernannten Bevollmächtigten ausüben ; doch war diese
Ernennung an die Zustimmung des Dogen und seines Rates gebunden, die
andererseits den Bevollmächtigten nicht ohne Genehmigung des Prokurators
vor der Zeit abberufen durften. Im Juni 1175 wurde diese Pacht dem
zeitigen Prokurator der Verwaltung von San Marco in Tyrus, Stefano
Barocio, auf weitere 5 Jahre nach Ablauf der ersten Konzession (deren
genaue Dauer uns nicht bekannt ist, mindestens aber 10 Jahre betrug) ver-
längert, s) Diesmal kennen wir auch die Gegenleistung der Verwaltung;
sie hatte dem Staat für seine Bedürfnisse ein Darlehn von 600 1. ven. ge-
währt und außerdem zur Unterstützung der Venezianer, die 1171 vor den
Griechen aus Konstantinopel auf dem Schiffe des Romanus Mairanus nach
Accon geflüchtet waren, 1500 Byzantien aufgewandt. Als bevollmächtigten
Verwalter können wir Leo Faletro (Falieri) nachweisen, der 1171 als »prae-
latus tertiae divisionis Tyri« seinen Bruder Vitalis mit einem zum Drittel
von Tyrus gehörigen Casale belehnte ■*); 1178 befand er sich offenbar noch
in derselben Stellung, als er, im August in Venedig weilend, nach Tyrus
reisende Venezianer bevollmächtigt, in betreff aller Besitzungen (Warenhaus,
Häuser, Grund- und Mobiliarbesitz) des verstorbenen Vitalis Dondi de
Amianis dieselbe öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, wie es ihm selbst
bei seiner Anwesenheit in Tyrus obgelegen hätte. 0)
Auch in Accon standen der Verwaltung von San Marco von alter
Zeit her erhebliche Rechte zu. Auch hier gab es eine gleichnamige Filial-
kirche; in dem von dem Prokurator Leonardo Fradello erwirkten päpst-
lichen Privileg vom Mai 1165 wurde auch sie im Besitz ihrer Häuser, ihres
Marktplatzes und der von Balduin I. einst geschenkten ruga bestätigt.
Indessen hatte Venedig an diesem wichtigen Handelsplatz auch noch be-
sonderen staatlichen Besitz und staatliche Einkünfte, deren Verwaltung einem
vom Staat gesetzten Vicecomes übertragen war. Im Jahre 1170 bekleidete
Giovanni Bono als der erste venezianische Konsularbeamte, den wir mit
Namen nachweisen können, dieses Amt; der Prokurator Stefano Barocio
hatte ihm auch die Verwaltung jener Straße verpachtet, aber noch 1176
') Ib. p. 167 : 1164 (venezianischer Rechnung), mense Jan., ind. XIII. Bisher
allgemein als identisch mit der Schenkung vom August 1164 betrachtet.
*) Ib. p. 146 >tam praenominatae possessiones quam alia bona quae in prae-
sentiarum ad utilitatem eiusdem Operis rationabiliter possides . . . firma tibi per-
maneant.«
3) Ib. p. 167 f.
*) Ergibt sich aus einer Urkunde von 1206 ib. 11 p. 12.
6) Baracchi IX (1875) p. 109.
140 Elftes Kapitel.
war er mit einem beträchtlichen Teile des Pachtzinses im Rückstande
(100 1. veronenses, quas adhuc mihi debet de redditibus rüge Acaronis quam
illi concessi). i) Von seinen Nachfolgern ist uns Giovanni Dandolo im Jahre
11762) und Jacopo Gradenigo im Jahre 1183 bekannt ; letzterer erwirkte
bei Bohemund UI. die Ausstellung jenes venezianischen Privilegs für
Antiochien, so daß er schon — ganz analog wie bei den Pisanern — als
Vertreter der staathchen Interessen Venedigs nicht bloß in Accon, sondern
auch im übrigen Syrien erscheint. 3) Im Jahre 1184 erschien im Auftrage
des Dogen eine staatliche Kommission, von Manasse Badoer geführt, in
Syrien; in Gemeinschaft mit Jacopo Dandolo, dem Vertreter der Markus-
kirche von Tyrus (also wohl einem Nachfolger des Leo Falieri), begab sie
sich nach Accon und nahm hier die Rechnungslegung des Domenico Acotanto
bezüglich der der Markuskirche von Tyrus daselbst zustehenden Einkünfte
(quod habuit de facto s. Marci de Tyro) sowie aller seiner sonstigen Ein-
nahmen und Ausgaben entgegen 4); danach scheint es, daß auch er staat-
Hcher Vicecomes von Accon gewesen und daß ihm die Verwaltung der
Einkünfte von San Marco daselbst mit übertragen war. ^j
100. Amalfi, das durch seine heimischen Verhältnisse verhindert
gewesen war, am ersten Kreuzzuge und der Eroberung der syrischen See-
städte teilzunehmen, sehen wir erst im 7. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts
in den Kreuzfahrerstaaten wieder einige Rührigkeit entfalten. Im Fürstentum
Antiochia, in dessen Hauptstadt sie schon im 11. Jahrhundert ein Quartier
besaßen ö), erließ Bohemund III. im Jahre 1163 der Andreaskirche von Amalfi
und allen Amalfitanern die Hälfte der bisher von ihnen zu zahlenden
Abgaben, sicherte ihnen ungehinderten Handelsverkehr im Fürstentum zu
und überwies ihnen in der Hafenstadt Laodicea drei ans Meer grenzende,
zum Teil bebaute Grundstücke zu beliebiger Verwendung. Die Amalfitaner,
als deren erster Vertreter Landulf, der Sohn des Johannes Comitis Mauronis,
erscheint, hatten zur Erlangung dieses Privilegs 1300 sarazenische Byzantien
an den Fürsten zu zahlen. 6) Im selben Jahre erreichten sie unter der
gleichen Führung und mit Aufwendung von 1200 Byzantien auch in
Tripolis einen Erfolg. Hier hatten sie — wir wissen nicht zu welcher
Zeit — eine ganze Reihe von Häusern durch Kauf in ihren Besitz gebracht ;
einen Teil derselben aber hatte ein einheimischer Großer, Homodei Mimol,
unter Bestreitung ihres Besitzrechts okkupiert. Indessen nach Zahlung jener
Geldsumme, von der die Hälfte zur Entschädigung Homodeis verwandt
wurde, erkannte der Gerichtshof des Grafen das bessere Recht der Andreas-
kirche und der Amalfitaner an, und Raimund III. investierte sie von neuem
am 15. Juni 1163 mit diesem und ihrem früheren Besitz in Tripolis '');
Landulf, vier andere namentlich genannte und »alii quamplures prob|^
1) Ebd. 104. Schmeidler 34.
^) Baracchi ebd. Schmeidler p. 37 f.
8) Tafel und Thomas I, 176. Heyd I, 159.
*) Baracchi X (1875) p. 338.
^) Daß es fortbestand, beweisen die Erwähnungen ihrer ruga oder ihres vicuij
1101, 1149, 1163: UghellilV, 847, Delaville le Roulx I p. 144 u. 224.
8) Camera I, 202. Heyd I, 147.
') Camera I, 202 f. Heyd I, 148 (der Vicecomes, dessen Haus als angrenzend
erwähnt wird, ist indessen ein gräflicher und nicht ein amalfitaniscber). In Röh-
richts Reg. no. 380 hat sich hier der verwirrende Fehler >Laodiceae« für »Tripolis«
eingeschlichen.
Weiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen in Syrien. 141
homines Malfie« nahmen diese Investitur entgegen, so daß also in Tripolis
eine offenbar nicht ganz unbedeutende Handelsniederlassung von Amalfitanern
vorhanden war.
Beweisen uns indessen schon auf diesem Gebiete die jedesmal erforder-
lichen Geldzahlungen die gedrückte Lage der Amalütaner, so war ihre Rolle
im Königreich Jerusalem noch bescheidener. Die einzige Konzession, die
ihnen hier gewährt wurde, bestand in einem — Begräbnisplatz, den Bischof
Wilhelm von Accon 1166 den Brüdern Manso und Sergius, Söhnen des Leo
Curiahs, auf dem Nikolaikirchhof der Stadt zur Errichtung eines Beinhauses
für Amalfitaner, die in Accon starben, einräumte. Zwei Jahre später erlangten
-ie allerdings auch von König Amalrich ein Privileg; bezeichnenderweise
aber enthielt es nichts als die formelle Bestätigung jenes Häuserbesitzes,
den ihnen Graf Raimund in Tripolis zugestanden, i)
Auch das altberühmte Kloster La Cava ließ gelegentlich ein Schiff,
jedenfalls von dem benachbarten Salerno aus, nach dem Heiligen Lande
gehen; König Balduin IV. befreite am 8. November 1181 das Klosterschiff
von dem übhchen Ankergelde im Betrage von 1 Mark Silber und gewährte
den Mönchen Abgabenfreiheit bei der Einfuhr von Waren, die dem Kloster
gehörten, und der Ausfuhr solcher Dinge, die zum Gebrauch der Brüder
und des Klosters dienten. 2) Und die Schiffe, mit denen der in Apulien
besonders reich begüterte Johanniterorden die Verbindung mit Palästina
unterhielt, werden sicher z. T. auch Handelszwecken gedient haben 3); be-
willigte ihnen König Wilhelm H. doch im Jahre 1179 in Barletta, und wo
sie es sonst im Interesse ihrer Niederlassungen und des Heiligen Landes
wünschen würden, Magazine für ihre Waren. 4)
101. Auch die Rolle der Proven9alen in Syrien wird jetzt
von einiger Bedeutung.
Ihr Aufschwung datiert von der Regierung desselben Königs, der den
italienischen Seestädten so wenig freundlich gesinnt war, daß auch nicht
ein einziges Privileg für eine derselben aus seiner Zeit stammt, des Königs
Fulco, eines Franzosen von Geburt (Herzog von Anjou, Schwiegersohn
Balduins IL). Am 13. April 1136 verlieh er der Stadt Marseille, die ihn
finanziell unterstützt hatte, ein Privileg, durch das sie das Recht erhielt, in
Accon und in Jerusalem sowie auch in allen anderen Städten des König-
reichs eine Straße (ruam) und eine Kirche zu vollem, dauerndem Eigentum
zu erwerben; außerdem gewährte er den Marseillern Freiheit von Zollabgaben
(franchesiam) in Accon und eine Jahresrente von 400 Byzantien, die auf
den königüchen Bazar in Jaffa angewiesen wurde. 0) Sicher haben die
Marseiller von jenem Erwerbungsrecht zunächst nur für die namentlich
genannten Orte Gebrauch gemacht. Darauf deutet auch das Privileg, das
ihnen Fulcos Nachfolger, Balduin HL, am 23. September 1152 verlieh. Sie
hatten ihn mit einer Geldsumme von 3000 Byzantien bei seiner Unter-
») Camera I, 200, 203 f. Heyd I, 148. Röhricht, Reg. p. 98 und 118.
*) Guillaume P. Le navi cavensi nel Mediterraneo durante il medio evo. Cava
dei Tirreni 1876: Doc. no. 4, p. 42. Röhricht, Reg. no. 606.
') Carabellese: L'ordine dell' ospedale di S. Giovanni di Gerus. in Puglia sotto
i re normanni e svevi ; in Rassegna Pugliese XV (1898).
*) Delaville le Roulx I no. 562.
*) Papon n, Preuves no. 14. M^ry et Guindon I, 182. Massen 136. Heyd I,
147. Ohne Grund behauptet Marchand p. 99, daß Marseille seit Beginn der Regie-
rung Fulcos in Accon ein Konsulat hatte. .
142 Elftes Kapitel.
nehmung gegen Askalon (erst 1153 wurde es erobert) unterstützt, und der
König bestätigt nun Fulcos Privileg, schenkt ihnen alles, was sie in Accon
und Jerusalem besitzen, nämlich Straße, Kirche, Backofen, und verleiht
ihnen außerdem das castellum Rame (an der Abzweigung der Straße nach
Askalon von dem Hauptwege von Jaffa nach Jerusalem) und völlige Freiheit
von Handelsabgaben in seinem ganzen Gebiete, i) Im Jahre 1163 erweiterten
sie ihren Besitz in Accon dadurch, daß sie dem Bischof Radulf von
Bethlehem gegen Verpfändung seiner Häuser in Accon und des Casale
Romadet ein Darlehen von 1211 Byzantien gewährten; da man noch 1248
amtliche Abschrift von der Urkunde nahm, so ist der Pfandbesitz schwerlich
jemals eingelöst worden. 2)
Besondere Handelsniederlassungen anderer südfranzösischer Städte
können wir in dieser Zeit in Syrien nicht nachweisen, und es ist auch nicht
wahrscheinlich, daß sie vorhanden waren, so oft auch Südfranzosen zu
ihren Volksgenossen im Heiligen Lande kamen. ^) Systematisch wurde die
Entwickelung des überseeischen Handels dieser Städte von den Genuesen
niedergehalten. In der Mitte des 12. Jahrhunderts schloß Genua mit Mont-
pellier, Arles und Saint-Gilles Verträge, die den direkten Seeverkehr dieser
Städte mit der Levante auf die Aussendung von Pilgerschiffen beschränkten.'*)
Auch Narbonne durfte nach dem Vertrage von 1166 jährlich nur ein Püger-
schiff (abgesehen von den Hospitaliter- und Templerschiffen) nach dem
Heihgen Lande entsenden, und die Pilger sollten nur so viel an Waren mit
sich führen dürfen, als zur Bestreitung ihres Unterhalts während der Reise not-
wendig war. 5) Genuas Streben war eben in dieser Zeit darauf gerichtet, die
Vermittlung möglichst des gesamten Handels Süd-Frankreichs nach dem
Orient an sich zu ziehen, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
dieser Handelsverkehr in der Tat für geraume Zeit überwiegend in den
Händen der Genuesen und ihrer Rivalen, der Pisaner, gelegen hat. Wenn
südfranzösische Kaufleute selbst den Orient aufsuchen woUten, sahen sie
sich in erster Linie auf italienische Schiffe angewiesen ; die Handelseifersucht
und der nicht seltene Kampf zwischen Genuesen und* Pisanern waren es, die
*) Röhricht, Jerusalem 274, Anm. 4, will die Urkunde (trotz ind. XIV) 1153,
also nach der Eroberung Askalons (25. Januar bis 19. August belagert), ansetzen,
während er Reg. no. 276 noch kein Bedenken äußert. Papon II no. 18. Mery et
Guindon I, 183: et quod omnes de Marcellia habeant per totum regimen liberam
libertatem intrandi, exeundi, vendendi et emendi, ita quod nemo ex ipsis aliquid
det vel paget.
2) Bibl. de l'i^cole 34 (1873) p. 656 f. Heyd I, 155. Röhricht, Reg. p. 101
^) Auch Juden, die ja in Südfrankreich sehr zahlreich vertreten waren, spielten
dabei eine Rolle. Benjamin von Tudela (I p. 63) nennt unter den drei vornehm-
sten der 400 in Tyrus wohnenden Juden Meier von Carcassonne und hebt im An-
schluß daran hervor, daß die Juden von Tyrus — offenbar eine Ausnahme —
Schiffseigner und Glasfabrikanten seien.
*) Lib. Jur. I no. 83 und II no. 5. (Vgl. unten § 439.)
*) Devic et Vaissete VIII (1879) p. 263 f.: »exceptis i:)eregrinis quos possemus
portare in navi una per annum, quae tarnen non sit Hospitalis vel Templi.« Port
p. 24 versteht das so, als ob Narbonne bisher öfter zu diesem Zwecke Schiffe der
Hospitaliter oder der Templer geliehen hätte ; die Schiffe dieser Orden hätten aus-
geschlossen werden sollen, da sie zweifellos schon damals das Monopol des Pilger-
transportes erstrebt hätten, p. 97. In Wahrheit blieben aber gerade die Ordens-
schiffe von den Ausschließungsbestrebungen der Genuesen unberührt; ein von Nar-
bonne auslaufendes Ordensschiff sollte den Narbonnesen nicht angerechnet werden.
II
AVeiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen in Syrien. 143
ihnen allmählich größere Bewegungsfreiheit verschafft haben; immerhin be-
weisen jene Verträge, wie stark der Drang nach eigener direkter Handelsver-
bindimg mit der Levantejin den Seestädten Süd-Frankreichs geworden war.
102. Es ist eine der merkwürdigsten Wandlungen der Handels-
geschichte, daß dieselbe Küste, die einst der Ausgangspunkt zahl-
loser Handelsfahrten und Handelsniederlassungen des ersten see-
mächtigen Volkes, von dem wir wissen, gewesen ist, im Mittelalter
kommerziell völlig passiv wurde und sich nun selber mit Handels-
niederlassungen, die von dem Westbecken des Mittelmeers und der
Adria ausgingen , bedeckte. Und diese Handelsniederlassungen,
wenigstens die der bevorzugten unter den romanischen Seestädten,
gediehen in kurzer Zeit zu hoher Blüte. Waren doch auch die Be-
dingungen, die sie vorfanden und in noch höherem Grade sich zu
schaffen wußten, günstig genug. ^) An allen für den Seehandel
wichtigen Plätzen saßen sie, jede Handelsnation für sich, auf räumlich
zusammenhängendem Gebiet, in der für den Handel geeignetsten
Stadtgegend am Hafen, eine Gemeinschaft von Volksgenossen, die bei
jeder Ankunft von Schiffen aus der Heimat für längere Zeit eine
starke Vermehrung fand. Eine eigene Kirche , in der Regel dem
Schutzpatron der Vaterstadt geweiht, mit heimischen Priestern bildete
den Mittelpunkt jeder größeren Kolonie; Warenhaus, Backofen, Bad
waren gemeinsame Institute. Solcher Kolonialbesitz war ohne Auf-
sicht und Verwaltung nicht denkbar. Es dauerte eine Weile, ehe
sich eine feste Form hierfür herausbildete. Durch Belehnung, Ver-
pachtung auf kürzere oder längere Zeit, Übertragung der Verwaltung
an kirchliche Institute der Heimat, deren Organe an den Filialkirchen
im Orient ohnehin schon eine starke natürliche Autorität ausübten,
befriedigte man zunächst das Bedürfnis, bis die wachsende Bedeutung
dieser Niederlassungen für die heimischen Kommunen es angezeigt
erscheinen ließ, ihnen besondere Vorsteher, vicecomites, später auch
Konsuln genannt, zu setzen, die nun auch die natürlichen Organe
für die Ausübung der Rechtspflege waren. Denn unter sich lebten
die Volksgenossen auch vorher schon durchaus nach eigenen Ge-
wohnheiten und eigenem Recht; der Entscheidung von Streitigkeiten
diente die geistliche Autorität oder der Schiedspruch der angesehensten
Volksgenossen. So fanden die romanischen Handelsnationen hier in-
mitten des fernen Orients, wenn auch auf engem Raum, in fast allen
Beziehungen die Heimat wieder.
Dabei lebten sie hier in einem christlichen Staate, der seiner
Entstehung und seiner Grundlage nach in besonders engen Be-
ziehungen zu dem kirchlichen Oberhaupte stand, das allen gemeinsam
war, unter staatlichen Verhältnissen, die ihnen, auch was die offizielle
Sprache angeht, nahe genug standen. Der Staat, der dieser Kolonien
schon wegen seiner politischen und kommerziellen Verbindung mit
*) S. Heyd I, 150 ft"., 158 if., 1(33. Rey E. : Les colonies Franques de Syrie
uux Xne et Xnie siecles. Paris 1883.
144 Elftes Kapitel. Weiterentwickelung der romanischen Handelsniederlassungen.
dem Abendlande dringend bedurfte, gestattete ihnen ein weites Maß
von Bewegungsfreiheit für ihren Handel; fast nur durch die gebotene
Rücksicht auf den Kampf mit den Ungläubigen war ihre Handels-
freiheit beschränkt; Zollprivilegien, die vielfach bis zu völliger Be-
freiung von allen Handelsabgaben gingen, erleichterten den Ausfuhr-
wie Einfuhrhandel und trugen dazu bei, den Handelsgewinn wesent-
lich zu erhöhen.
Daß es über das Ausmaß der finanziellen Befreiungen und der
Gerichtshoheit dieser Handelsniederlassungen .nicht ganz selten zu
Zwistigkeiten mit der Landesregierung kam, deren finanzieller Kraft
und staatlichem Ansehen diese Privilegien natürlich abträglich waren,
daß die Landesherren diese Bevorzugungen gerade so herabzumindern
und zu beschränken strebten, wie die Städte sie bis zum äußersten
zu erweitern bemüht waren, liegt in der Natur der Dinge; im all-
gemeinen ist der Vorteil in diesem Kampfe weitaus auf selten der
Städte gewesen. Jl
Und diese Handelsniederlassungen belasteten das Budget der
Heimatstädte, falls nicht besondere Expeditionen notwendig wurden,
in keiner Weise; vielmehr bezogen sie, ganz abgesehen davon, daß
der durch sie bewirkte Aufschwung des Handels auch ihren Finanzen
zugute kam, noch direkte Einkünfte von ihnen, Einkünfte, die freilich,
bei der noch wenig geregelten, von der Hand in den Mund lebenden
Finanzwirtschaft dieser Kommunen, durch Verkäufe od er Verpachtungen
auf lange Zeit vorweggenommen zu werden pflegten.
Endlich waren diese Handelsniederlassungen an der syrischen
Küste von besonderer Bedeutung noch darum, weil sie zugleich auch
wichtige Stationen und Stützpunkte der romanischen Kaufleute für
den gesamten Levantehandel, namentlich auch für den Handel mit
Ägypten, darstellten. Insbesondere entwickelte sich Accon, haupt-
sächlich seines trefflichen Hafens wegen, schon in dieser Zeit zum
wichtigsten Handelsplatze der Romanen in Syrien; Benjamin von
Tudela nennt es den Hauptplatz für die Ausschiffung aller Pilger, die
Jerusalem besuchen wollten, und der deutsche Pilger Dietrich, der
etwa zur selben Zeit Accon besuchte, gibt die Zahl der Schiffe, die
gleichzeitig in seinem Hafen gelegen hätten, auf 80 an.^)
1) Asher I, 64. Theod. de locis sanctis, ed. Tobler, p. 91. Heyd I, 174. A. 6.
Zwölftes Kapitel. Handelsbeziehungen der Mittelmeer-Romanen zu Ägypten. 145
Zwölftes Kapitel.
Handelsbeziehungen der Mittelmeer- Romanen zu
Ägypten bis zum dritten Kreuzzuge.
103. Wie günstig auch die äußeren Bedingungen für den abend-
ländischen Handel mit Syrien sich gestaltet hatten, wie wichtig es
war, daß die Christen hier am Ostrande des Mittelmeers wieder ihre
eigenen Häfen besaßen — ein weit größerer Handelsgewinn winkte
ihnen doch in dem muhammedanischen Ägypten, das für den Welt-
handel der Zeit von der größten Bedeutung war. Hierher kamen die
begehrten Gewürze und Spezereien des fernen Ostens auf dem billigen
Seewege^); und so hoch die Abgaben waren, die die Sultane auf
diese Artikel legten, sie waren hier doch weit billiger zu erhalten als
in den Handelsplätzen Syriens.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß dieser Umstand, selbst wenn
man von den eigenen Bodenerzeugnissen und Industrieartikeln Ägyptens
absehen wollte, eine außerordentliche Anziehungskraft auf den immer mehr
erstarkenden Handel der Romanen des Mittelmeers ausüben mußte, trotz
mancher Unbequemlichkeiten, ja Gefahren, denen der christliche Kaufmann
in Ägypten ausgesetzt war. Bedenken, mit den Ungläubigen in Handels-
beziehungen zu treten, hatte man an sich nicht. Anstößig aber war, daß
für die Einfuhr in Ägypten besonders geeignet und gesucht solche Artikel
waren, die in den Händen der Ungläubigen Kampfmittel gegen die Christen
werden konnten und oft genug wurden: Holz, namentüch Schiffsbauholz,
sonstiges Schiffsbaumaterial und Metalle. Und wenn schon die Einfuhr dieser
Dinge, deren Ägypten fast ganz entbehrte, sich für den italienischen Kauf-
mann höchst gewinnbringend erweisen mußte , so wurde dieser Gewinn
durch die ganz besonders wertvolle Rückfracht, die sich ihm hier bot, noch
sehr wesentlich gesteigert; die Verlockung war also außerordentlich groß
und es leidet gar keinen Zweifel, daß die christlichen Seestädte ohne Aus-
nahme der Versuchung in weitestem Umfange erlegen sind. Wohl wandte
sich die Kirche gelegentlich dagegen, keineswegs zunächst mit einem all-
gemeinen Handelsverbot, sondern nur gegen die Auswüchse dieses Handels.
Das erste uns bekannte Verbot dieser Art hat Papst Alexander HI. bei seinem
Aufenthalt in Frankreich auf der S3mode zu Montpellier erlassen; gleich
den Seeräubern erklärte es alle diejenigen für exkommuniziert, die den Sa-
razenen Waffen und Materialien zum Bau oder zur Ausrüstung von Galeeren
oder anderen Schiffen liefern würden und drohte mit gleicher Strafe den
weltlichen Regierungen, die trotz kirchlicher Aufforderung nicht dagegen
einschreiten würden. 2) In gleicher Weise wandte sich das dritte Lateran-
konzil 1179 gegen alle, die in wilder Habgier den Ungläubigen die Mittel
zur Bekämpfung der Christen, Waffen, Eisen und Holz zum Bau von Kriegs-
*) Über die Hauptstraßen und die Vermittler dieses Verkehrs, besonders auch
über die kommerzielle Wichtigkeit von Aden s. die treffliche Darstellung bei Heyd I,
378 ff. Eine U^bersichtskarte über die Handels- und Seewege der Araber zur Zeit
der Abbasiden gibt Tomaschek: Die topographischen Kapitel des indischen See-
epiegels Mohlt. Wien 1897.
•) Erhalten nur dadurch, daß die Provinzialsynode von Montpellier vom De-
zember 1195 hierauf Bezug nimmt. Mansi XXII, 668 u. XXI, 1160.
Schaube, Handelsgeschicbte der roman. Völker im Mittelalter. 10
146 Zwölftes Kapitel.
schiffen lieferten; ja wir hören sogar, daß es christliche Seeleute gab, dia
sich nicht scheuten, auf sarazenischen Kriegs- und Korsarenschiffen die
Führung zu übernehmen. Fürsten und Städte wurden angehalten, die Schul-
digen mit Verlust ihrer persönhchen Freiheit und ihres Vermögens zu be-
strafen; oft und feierlich sollte in den Seestädten die Exkommunikation
solcher Übeltäter verkündet werden. i)
Allzuviel Erfolg werden wir dem kirchlichen Vorgehen nicht zuschreiben
dürfen. Lange konnte man sich bei dem Gedanken beruhigen, daß Ägypten
kein besonders zu fürchtender Gegner sei. Das änderte sich allerdings voll-
ständig, als es nach dem Aussterben der Fatimiden Saladin gelang, Ägypten
zur politischen Großmacht zu erheben und mit dem Hinterlande der Kreuz-
fahrerstaaten zu einem gewaltigen, die gesamte Stellung der Abendländer
im Orient schwer bedrohenden Staatswesen zu vereinigen. Aber auch dieser
mächtige Herrscher stellte sich den Christen zunächst keineswegs feindlich
gegenüber; hatte doch Ägypten, abgesehen von der Wichtigkeit, ja fast Un-
entbehrlichkeit der abendländischen Einfuhrartikel für das Land, ein sehr
erhebhches finanzielles Interesse daran, sich seine Vermittlerrolle für den
Welthandel zwischen dem Occident und dem fernen Orient zu erhalten.
So dauerte ein intensiver Handelsverkehr der romanischen Handelsnationen
mit dem Nillande bis zum dritten Kreuzzuge ungeschwächt fort, wenn der
auf beiden Seiten wachsende Glaubenseifer diese Beziehungen auch vielfach
mit scheelen Bhcken ansah. Von der Lebhaftigkeit dieses Verkehrs weiß
der jüdische Reisende Benjamin von Tudela^) nicht genug zu erzählen;
ganz Alexandrien, dessen Leuchtturm er als ein Wunderwerk anstaunt, sei
von Handelslärm erfüllt; Angehörige aller christlichen Nationen verkehrten
hier und hätten hier ihr besonderes Fondaco. Jedenfalls war Alexandrien
von abendländischen Einflüssen mehr berührt als irgend eine andere Stadt
des Islam; Wein und andere geistige Getränke wurden hier in einer großen
Zahl von Lokalen öffentlich verkauft und es rief die größte Aufregung her-
vor, als die Regierung dagegen einschritt. 3) Nächst diesem größten und
bevölkertsten ^) Seeplatze Ägyptens und der Hauptstadt Kairo, die in dieser
Zeit auch oft genug von christhchen Kaufleuten besucht wurde, kam noch
Damiette besonders in Betracht, das Saladin, bezeichnend genug, nach der
Seeseite hin stark befestigen ließ.^) Der Straßburger Vitztum Burkhard, der
im September 1175 im Auftrage Kaiser Friedrichs von Genua nach Ägypten
fuhr, erzählt in seinem Reisebericht von den Schiffen, die mit den Spezereien
Indiens beladen, auf dem Nil nach der Kaufmannsstadt von Kairo kamen
und von da nach Alexandrien gebracht wurden. Die Duane dieser großen
Hafenstadt allein, in der jedermann unbehindert seiner Religion leben
konnte, brachte nach ihm dem Sultan jährhch 50000 Goldstücke (gegen
570000 M.) ein.6) Auch Wilhelm von Tyrus weiß die reiche Beschickung
des Marktes von Alexandrien, das er forum publicum utrique orbi nennt,
nicht genug zu rühmen.'^)
104. An der Spitze der in Alexandria vertretenen christlichen
') Ib. XXII, 230 rnb. 24. Vgl. Heyd I, 386 f.
2) I, 155 S.
3) Im Jahre 568 der Hedschra; Makrizi VIII, 502; vgl. p. 540 zum Jahre 577.
*) Makrizi schreibt ihm ein Übermaß von Bevölkerung zu; p. 504.
») Ib 539, 541.
«) Bei Arnold von Lübeck ; SS. XXI, 235 ff. Giesebrecht VI, 186, 679.
^ Heyd I, 378, 384.
Handelsbeziehungen der Mittelmeer-Romanen zu Ägypten. 147
Handelsnationen hat Benjamin von Tudela die Venezianer genannt ^) ;
doch wissen wdr über ihren Verkehr mit Ägypten in dieser Zeit nur
sehr wenig Positives.
Eine privatrechtliche Urkunde vom Jahre 1119 zeigt uns ein Kauf-
fahrteischiff auf der Fahrt von Venedig über Bari nach Damiette; andere
Urkunden gleicher Art beziehen sich auf den Handel, den die Venezianer
von Konstantinopel und überhaupt vom griechischen Reiche aus nach
Ägypten trieben.^) Unter dem Dogen Sebastiane Ziani (1172 — 1178) wurde,
wohl bald im Anfange seiner Verwaltung, ein Handelsvertrag mit Saladin
abgeschlossen ; doch ist uns über seinen Inhalt nichts bekannt.'')
Von An CO na hören Avir, daß zur Zeit seiner Belagerung im Jahre 1173
zahlreiche Einwohner auf Handelsreisen abwesend gewesen ; als Ziel dieser
Reisen wird in erster Linie Alexandria genannt.^)
Was das normannische Königreich anbetrifft, so standen zunächst
noch, offenbar von der sarazenischen Zeit her, die Sizilianer in, wie es scheint,
ziemlich regem Verkehr mit Ägypten. In dem Privileg vom November
1137, mit dem König Roger die ihm von Salerno im Kampfe gegen Lothar
bewiesene Treue belohnte, versprach er der Stadt dafür einzutreten, daß
die von ihren Kaufleuten bisher in Alexandrien geleisteten Handelsabgaben
auf das von den Bewohnern Siziliens daselbst zu entrichtende Maß herabge-
setzt würden. ö) In der Tat hat Roger einige Jahre darauf (etwa 1143) einen
vorteilhaften, leider nicht erhaltenen Vertrag mit Ägypten geschlossen 6),
den ersten zwischen diesem Staate und einer christlichen Macht des Abend-
landes, von dem uns berichtet wird. In der folgenden Zeit hören wir von
allerlei feindseligen Akten des Königreichs gegen Ägypten, Plünderungs-
zügen in den Jahren 1153 — 1155, einem großen, freihch vergebhchen Angriff
auf Alexandrien 1174 und weiteren Feindseligkeiten in den folgenden
Jahren'^); mußte schon hierdurch der sizilisch-ägyptische Handel empfindlich
beeinträchtigt werden, so wurde er in noch höherem Grade dadurch ge-
schädigt, daß die kommerzielle Energie der drei großen Seestädte Nord-
Italiens die Süditaliener völlig überflügelte. Doch begegnen wir einmal
wenigstens einem' aus Ägypten zurückkehrenden Handelsschiffe, das Bürgern
von Palermo und Genuesen gemeinsam gehörte.^)
1) AVenigistens meine ich, daß das unmögliche, an der Spitze stehende Va-
lentia des schlecht überlieferten Textes (I, 157) durch Venetia, das sonst gar nicht
genannt wäre, zu ersetzen ist, während der Herausgeber (H, 129 f.) Florenz vor-
schlugt, das aber für die Zeit Benjamins nicht in Betracht kommt und außerdem
in dem an zweiter Stelle genannten Toscana enthalten wäre.
2) Monticolo G. Due docum. venez. del secolo dodicesimo in : N. Arch. ven.
19 (1900), 71 f. Unten § 117.
») Hist. Ducum Ven., SS. XIV, 81. Heyd I, 398.
■•) Boncompagnus de obsid. etc. im Bull. stör. no. 15 (1895), p. 169. Die uns
vorliegende Fassung gehört dem Anfang des 13. Jahrhunderts an (1201/2). Neues
Arch. 26 (1901), 760 f.
*) Ughelli VII, 399: Preterea decatias et alia jura mercatorum, quae Salerni-
tani in AI. prius persolvere soliti erant, ad morem et modum Siciliae negotiatorum
reduci faciemus etc. Heyd I, 391. Manfroni 218.
«) Romuald Sal, SS. XIX, 424.
') Amari Musulm. III, 507 ff. Makrizi 1. c. 513 ff. Heyd I, 391 f. Siragusa I,
45 ff. Manfroni 258 A. 3.
*) Eb wird Ende September 1165 von den Pisanern bei Elba gekapert. Bern.
Marago, SS. XIX, 252.
/ 10*
148 Zwölftes Kapitel.
105. So wenig wie für Venedig, ist auch für Genua ein ägyp-
tischer Handelsvertrag aus unserer Periode erhalten; nur von einem
Friedensvertrage wissen wir, den Genua 1177 durch seinen Gesandten
Rubeus de Volta mit Saladin schloß.^) Da wir eine im wesentlichen
gleichzeitige genuesische Annalistik und außerdem im Liber jurium
eine Quelle besitzen, in der die Staatsverträge Genuas sorgfältig ver-
zeichnet wurden, so ist auch nicht anzunehmen, daß weitere Verträge
existiert haben.
Den Grund dafür erbhcke ich in kirchlichen Rücksichten. Der Sultan
erwartete Gegenleistungen, die man zwar tatsächlich zu machen sich nicht
scheute, die man aber Bedenken trug, schriftlich zu fixieren. Denn nichts
wäre verfehlter, als aus dem Mangel solcher Verträge einen Schluß auf Ge-
ringfügigkeit des genuesischen Handels mit Ägypten zu ziehen; gerade für
diesen Verkehr liegen die Zeugnisse in einer für diese Zeit ungewöhnlichen
Fülle vor. Nur als Symptom sei erwähnt, daß sich die Genuesen schon
1104 von Balduin I. von Jerusalem 1/3 von Kairo mit drei guten Casalien
in der Umgebung versprechen ließen, falls es mit ihrer Hilfe erobert würde.2)
Ein im Binnenlande Ober-Italiens im 4. Jahrzehnt verfaßter Briefsteller hat
in einem fingierten Briefe eines Genuesen an seinen in der Levante weilen-
den Sozius einen lebhaften Verkehr der Genuesen in Ägypten zur Voraus-
setzung.3) Im Jahre 1131 hören wir von einem genuesischen Schiffe, das,
von Alexandrien kommend, an der Küste von Kalabrien Schiffbruch litt. 4)
In dem 1143 aufgezeichneten erzbischöflichen Zehntentarife werden auch
die von Alexandrien kommenden Schiffe mit dem Satze von 22^/2 sol. jan.
aufgeführt; nach einer Entscheidung zweier genuesischer Gerichtskonsuln
vom 31. Januar 1147 kam dieser Satz altem Herkommen entsprechend auch
dann zur Erhebung, wenn ein genuesisches Schiff in Alexandrien verkauft
wurde ^). Man braucht dabei nicht gerade notwendig an einen Verkauf an
die Ungläubigen zu denken; aber häufig genug ist ein solcher sicher vor-.jH
gekommen; sahen sich doch die genuesischen Konsuln 4 Jahre später, im
Mai 1151, veranlaßt, in einem Dekret allen genuesischen Untertanen die
Ausfuhr von Waffen, Schiffsbestandteilen und von Holz, das zum Bau von
Galeeren geeignet war, nach den Ländern der Sarazenen zu untersagen. 6)
Die beste Vorstellung aber von der Intensität des genuesischen Handels mit
Ägypten gewährt uns das Notularium des Johannes Scriba, das den Zeit-
raum von Anfang 1155 bis Ende August 1164 umfaßt. Nicht weniger als
86 Nummern beziehen sich auf diesen Verkehr; nur Sizilien begegnet in
diesen Akten noch häufiger als Ägypten. Häufig genug auch finden in den
Berichten der Annalen Genuas und Pisas über die Seekämpfe zwischen beiden «
Städten genuesische Schiffe, die aus Alexandria kamen oder dahin fuhren, "'
Erwähnung."^) Barbarossas Gesandter Burkhard machte 1175 seine Reise auf
einem genuesischen Schiffe und einige Jahre später bediente sich der Kaiser
sogar eines Genuesen, des Albericus, zu einer Gesandtschaft an Saladin.
Doch machten Äußerungen seiner genuesischen Begleiter über den Kaiser
*) Ann. genov. II, 11.
2) Lib. Jur. I, no. 8.
8) Wattenbach, Iter p. 79 f. Heyd I, 390 f.
*) Trinchera F. Syllabus graec. membran. ISTeapel 1865, p. 146. Heyd I, 391 A. 1.
') Atti Lig. II, parte 2, p. 9 und 404.
•) Lib. Jur. I no. 171.
7) Heyd I, 391.
Handelsbeziehungen der Mittelmeer-Romanen zu Ägypten. 149
den Sultan an dieser Mission irre, so daß er nun seinerseits den AbuTahir
Ismail an den Kaiser schickte und diesen bat, bei Ismails Rückkehr einen
neuen Gesandten mitzuschicken .i)
Daß die Genuesen vielfach auch den Handelsverkehr Südfrankreichs
mit Ägypten vermittelten, werden wir noch sehen ; von einem direkten An-
teil der Proven9alen an diesem Verkehr aber besitzen wir für diese Pe-
riode nicht ein einziges Zeugnis. 2)
106. Die älteste positive Nachricht über den pisanisch-ägyp-
tischen Handelsverkehr rührt merkwürdigerweise von einem isländi-
schen Reisenden, dem Abt Nikolas Saemundarson her, der auf seiner
Reise nach dem Heiligen Lande, die er 1151 antrat, auch durch Pisa
kam und unter den Kauffahrern, die er dort sah, auch solche aus
Ägyptenland erwähnt.^) Pisa ist es nun, in dessen Beziehungen zu
Ägypten wir durch Staatsverträge und andere offizielle Schriftstücke
einen höchst interessanten und nicht nur für diese Seestadt selbst
lehrreichen Einblick erhalten ; ich meine, das Vorhandensein dieser
Dokumente gerade nur für Pisa keineswegs als rein zufällig erachten,
sondern darin ein Sympton für die in dieser Zeit vielfach wenig
kirchliche Haltung Pisas erblicken zu müssen.
Das älteste dieser Schriftstücke ist der Handelsvertrag, der im Februar
1154 von dem Gesandten Rainerio Bottacci mit Abu'l Fadhl al-Abbas, dem
Vezier des Fatimiden Zafir, abgeschlossen worden ist. Ein beigefügtes gleich-
zeitiges Schreiben, wohl des Emirs von Alexandrien, hebt hervor, daß die
Pisaner und ihre Kaufleute mit ihren Waren und sonstigem Eigentum in
Ägypten immer respektiert worden seien, daß man ihre Religion niemals
angetastet habe, und daß sie seit langer Zeit großen Handelsgewinn aus
Ägypten zögen und in bezug auf Handelsabgaben besser gestellt seien als
die eigenen Glaubensgenossen der Ägypter und die Griechen. *) Diese Be-
ziehungen hatten aber im Jahre 1153 eine arge Störung erfahren durch eine
Freveltat, deren sich pisanische Bürger Sarazenen von Ägypten gegenüber,
die mit ihnen auf einem Schiffe fuhren, schuldig gemacht; sie hatten die
Männer ermordet und ihre gesamte Habe zugleich mit ihren Angehörigen
in ihre Gewalt gebracht. Darauf war man in Ägypten zur Gefangensetzung
aller im Lande weilenden pisanischen Kaufleute geschritten. Zur Wieder-
herstellung guter Beziehungen erschien nun auf einem Kriegsschiff eine
pisanische Gesandtschaft unter Rainerio Bottacci, versprach Bestrafung der
Schuldigen und daß die Pisaner weder allein noch im Bunde mit anderen
einen Angriff auf Ägypten machen würden und leistete darauf im Namen
des Erzbischofs, der Konsuln und des Comune von Pisa einen feierlichen
Eid, der in den Vertrag aufgenommen ist. Dafür machte die ägyptische
') Giesebrecht VI, 187. Röhricht Reg. no. 598. Derselbe im Neuen Arch.
XI (1886), 575 ff., wo der Brief Saladins in die Jahre 1180—1182 gesetzt ist.
ä) Pigeonneau allerdings behauptet sogar I, 149, daß Montpellier schon im
12. Jahrhundert in Ägypten ein Konsulat unterhalten habe. Unten § 118.
') . . . thangat hallda Kaupmen dromundum af Gricklandi ok Sikiley, Egipta-
landz menn, Syrlendskir ok Affrikarc bei Werlauif, p. 20 f. Riant, p. 33. Heyd I,
395 deutet die Stelle auf ägyptische Schiffe, die damals nach Pisa gekommen seien;
obwohl diese Deutung dem Wortlaut entspricht, scheint es mir doch, daß der Abt
nur die Herkunft, nicht die Nationalität dieser Kaufmannsschiffe habe angeben wollen.
*) Amari Dipl. no. 2, 3, p. 241 ff. Heyd I, 392 f. Langer 50 f.
/
150 Zwölftes Kapitel.
Regierung folgende Zugeständnisse: 1. Schutz der friedlichen Kaufleute.
Doch sollten Pisaner, die auf feindlichen Schiffen betroffen würden, als
Feinde behandelt werden dürfen. Falls Pisaner Gewalttätigkeiten gegen
ägyptische Untertanen verübten, sollten von den ägyptischen Behörden nicht
sogleich Represalien ergriffen werden, sondern erst nach einem Jahre, falls
Pisa nicht in der Zwischenzeit für Genugtuung gesorgt hätte. 2. In Ale-
xandrien wird ihnen ihr Fondaco zu ihrer Unterkunft wieder eingeräumt;
auch werden ihnen Zugeständnisse für die von ihnen eingeführten Edel-
metalle und Waren, besonders für Eisen, Holz und Pech gemacht. 3. In
Kairo wird ihnen ein neues Fondaco bewilligt ; der Zoll auf hier eingeführtes
Silber wird zu ihren Gunsten herabgesetzt. 4. Im ganzen Lande sollen sie
ihre Waren unbehindert verkaufen und falls ihnen dies nicht zu erwünschten
Preisen gelingt, wieder ausführen dürfen; doch sind Eisen, Holz und Pech
von der Wiederausfuhr ausgeschlossen, da die ägyptischen Zollbehörden
jederzeit zum Ankauf dieser Artikel bereit seien. 5. Der Nachlaß eines in
Ägypten verstorbenen Pisaners wird, falls ihn ein Verwandter begMtet, diesem
übergeben, andernfalls aber den angesehensten unter seinen Landsleuten
(quot scire poterimus majores et sapientiores) zur Bewahrung gegen Quittung
anvertraut. Deutlich genug geht daraus hervor, daß es einen eigentlichen Ko-
lonialvorstand der Pisaner in Ägypten noch nicht gab.^) Als der Gesandte
Bottacci Ägypten verließ, um nach Syrien zu gehen, erhielt er als Ehrengabe
eine Flasche des edelsten, von den Abendländern außerordentlich hoch ge-
schätzten Balsams; auch wurden 25 pisanische Gefangene jetzt schon in Frei-
heit gesetzt. Auf das offenste redet also dieser Vertrag von der Einfuhr sol-
cher Waren, die im Sinne des Glaubenskampfes als Kontrebande erscheinen
mußten, und sehr bemerkenswert ist auch die freie Bewegung, die den Pisanern
nicht bloß in den Hafenstädten, sondern in ganz Ägypten zugestanden wurde.
Trotz der schweren Wirren, die bald darauf in Ägypten ausbrachen,
dauerte das gute Einvernehmen mit Pisa noch eine Zeit lang fort ; im Feb-
ruar 1156 war eine neue pisanische Gesandtschaft unter Uclebrando in Ägyten,
der die Befreiung von 20 weiteren Pisanern, die noch in der Gefangenschaft «j
schmachteten, gelang. 2) fl
107. Schon 1157 aber trat, wahrscheinlich im Zusammenhange mit
dem Vertrage, den Pisa im November 1156 mit Balduin III. von Jerusalem
schloß, eine Wandlung ein : eine ägyptische Galeere überfiel ein pisanisches S
Schiff in den tunesischen Gewässern; die Gefangenen wurden zum Teil in ™*
Tunis als Sklaven verkauft.'^) Indessen neigte sich die Herrschaft der
schwachen Fatimiden dem Ende zu; unter schweren inneren Kämpfen löste
ein Großvezier den anderen ab; durch den vertriebenen Schawer zu Hilfe
gerufen, erstrebte Nureddin, der mächtige Beherrscher eines großen Teils
von Syrien und Mesopotamien, nunmehr die Verbindung Ägyptens mit seiner
Herrschaft. Gegen die drohende Umklammerung seines Reiches trat nun-
mehr der tapfere und tüchtige König Amalrich in die Schranken; fünf Feld-
züge hat er in den Jahren 1163 bis 1169 mit zum Teil glänzenden, immer
aber nur vorübergehenden Erfolgen nach Ägypten unternommen. 4) Es
*) Anders Martens F. Das Konsularwesen und die Konsularjurisdiktion im
Orient. Übers, von H. Skerst. Berlin 1874, S. 111.
*) In der Zwischenzeit waren noch acht Pisaner freigelassen worden. Amari
no. 4 und 5, p. 250 f. Heyd I, 394 f.
*) Mas Latrie, Traites. Doc. p. 25.
*) Genaue Darstellung derselben bei Röhricht, Jerusalem, Kap. 17 und 18,
p. 312 f. Giesebrecht V, 436 f., 626 ff., 655 ff., VI, 486.
Handelsbeziehungen der Mittelmeer-Romanen zu Ägypten. 151
mußte für die Pisaner ein in hohem Grade verlockender Gedanke sein, die
besonderen kommerziellen Vorteile, die Ägypten ihnen bot, mit der gleichen
freien Stellung und Bewegung vereinigen zu können, deren sie sich in Syrien
erfreuten. So unterstützten sie den König treulich und entsandten trotz
ihres damaligen Krieges mit Genua im Jahre 1167 eine Flotte von 10 Ga-
leeren unter dem Konsul Burgensis zur Belagerung des von Saladin, dem
Neffen Schirkuhs, des Oberfeldherrn Nureddins, verteidigten Alexandrien
imd taten sich bei derselben durch ihre Tapferkeit und die geschickte Her-
stellung von Belagerungsmaschinen besonders hervor; und wenn dem kleinen
Heere auch die Eroberung nicht gelang, so wurde doch ein Vergleich ge-
schlossen, der die 50000 wehrfähige Einwohner zählende Stadt dem Verbün-
deten Amalrichs, Schawer, wieder überlieferte. Hatte Schawer schon den
Pisanern einen großen Teil der bisher in Alexandrien und Kairo vpn ihnen
gezahlten Abgaben erlassen, so stellte ihnen Amalrich vor seinem fünften
Zuge, den er im Bunde mit Kaiser Manuel unternahm, am 17. September
1169 ein Privileg aus^), das ihnen Freiheit von Handelsabgaben in dem
ganzen vom Könige zu erobernden Gebiet, in Alt- und Neu-Kairo sowie in
Rosette Fondaco, Backofen, Mühle, Bäder und eigenes Gericht, dazu 1000
Byzantien jährlich aus den Einkünften des königlichen Bazars in Kairo so
lange zusicherte, bis sie auch in Alexandrien, Damiette und Tanis in den
Genuß der ihnen zugestandenen Handelsfreiheiten getreten wären. 2) Be-
kanntlich blieb das alles ein toter Buchstabe; auch dieser Zug scheiterte
kläglich an der fruchtlosen Belagerung von Damiette; und seit erst Saladin
nach dem Tode des letzten Fatimiden (1171) die feste Herrschaft über Ägyp-
ten gewonnen, waren weitere Invasionsversuche völlig aussichtslos.
108. Die Pisaner, die das sehr wohl erkannten, waren nun im Inter-
esse ihres Handels auf Aussöhnung mit dem neuen Machthaber bedacht;
noch vor dem Tode Amalrichs, der 1174 erst 38 jährig starb, gelang es ihrem
Stadtkonsul Ildebrando, dem Sohne des Sismondo Enrici, von Saladin ein
Privileg zu erwirken, das für ihre spätere Stellung in Ägypten grundlegend
geworden ist (25. September 1173.3) Es beschränkt sich bezeichnenderweise
auf Alexandrien ; hier erhielten die Pisaner ihr Fondaco zurück und zugleich
auf ihr Ansuchen das Recht, in demselben eine eigene Wage für Kauf und
Verkauf aufzustellen. Ein- und Ausfuhrzoll wurden von 12 auf 10% herab-
gesetzt ; Edelmetalle, gemünzt oder ungemünzt, wurden nur bei der Ausfuhr
verzollt; die Chikanen an der Duane (Überforderung, Nötigung zum Verkauf,
Verhinderung der Abreise) sollten abgestellt werden; die Aufhebung des Ge-
brauchs, daß die Christen Steuerruder und Segelstangen ihrer Fahrzeuge der
ägyptischen Behörde in Verwahrung geben mußten, wurde versprochen. Bei
Streitigkeiten zwischen Pisanern und Sarazenen wollte die Regierung für ge-
rechte Handhabung der Justiz sorgen. Auch ein Bad und eine Kirche (die
wohl schon vorher bestanden) wurden den Pisanern eingeräumt mit der
Zusicherung, daß von der Kirche alles ferngehalten werden sollte, was den
christUchen Kultus behindern könnte. Aus den nächsten Jahren besitzen
') Müller p. 15.
») Noch weit größere Verheißungen machte Am. damals den Johannitern.
Delaville le Roulx I, no. 402, 406 ; vgl. 496. Bulbesium ist aber nicht Pelusium,
sondern Belbeis.
') Amari Dipl. no. 7, p. 257 und Bonainis Anmerkung dazu p. 459. Heyd I,
397. Der Gesandte ist durchaus nicht pisanischer Konsul in Ägy])ten, wie Martens,
S. 112 das auffaßt, sondern Stadtkonsul in Pisa, der mit der Mission nach Ägypten
betraut wurde; er ist wohl mit dem Gesandten von 1156 identisch.
152 Dreizehntes Kapitel.
wir eine Reihe von Zeugnissen für einen regen offiziellen Verkehr zwischen
beiden Regierungen i) ; 1175 z. B. verwenden sich Saladin und sein Neffe
dutch einen besonderen Boten für einen von den Pisanern gefangenen Ge-
nuesen; 1177 fordert Saladin die Pisaner auf, die für sie so gewinnbringen-
den Artikel: Eisen, Holz und Pech fleißig einzuführen, was er für einen
großen, ihm erwiesenen Dienst ansehen werde, und 1180 erwirkte der Ge-
sandte Bulgarino die Befreiung von 18 Pisanern, die wegen ihrer Bekämpfung
der Sarazenen in ägyptischen Kerkern schmachteten. Weiterhin aber man-
gelt es uns für den Handel der Pisaner mit Ägypten an solchen Nachrichten ;
aber er dauerte ebenso fort wie der der anderen Handelsnationen. Und
wenn 1188 im zeitigen Frühjahr, als christhche Flüchtlinge aus dem er-
oberten Jerusalem unter sicherem Geleit der Sarazenen nach Alexandrien
kamen, in dessen Hafen 38 pisanische, genuesische und venezianische Schiffe
lagen, die dort überwintert hatten 2), so wird man diese Zahl als eine ver-
hältnismäßig hohe erachten müssen, wenn man erwägt, daß der zwischen
Saladin und den Bürgern dieser Städte in Syrien bestehende Kriegszustand
unzweifelhaft eine starke Verringerung dieses Verkehrs herbeigeführt haben
muß. Von Schiffern, die, den obwaltenden Umständen zum Trotz, den Hafen
von Alexandrien aufzusuchen wagten, kann es nicht weiter Wunder nehmen,
wenn- sie, mit ihrem Schiffsraum geizend, den Transport der Flüchtigen ver-
weigerten und erst durch die Drohung der ägyptischen Behörden, ihnen
Steuerruder und Segelstangen 3) vorzuenthalten, gefügig gemacht werden
mußten.
Dreizehntes Kapitel.
Handelstätigkeit der Mittelmeer -Romanen in Syrien
und Ägypten bis zum dritten Kreuzzuge.
109. Von Venedig und Genua aus pflegten die Kaufleute ihre
Handelsreisen nach Syrien und Ägypten mit den großen Schiffs-
karawanen anzutreten*), zu denen sich die Handelsschiffe der
größeren Sicherheit wegen zusammenschlössen, wenn es daneben auch
an Einzelfahrern keineswegs fehlte. Wenn das System für Pisa nicht
bezeugt ist, so scheint das mit der geringeren Bevormundung zu-
sammenzuhängen, die die Regierung hier dem Handel gegenüber übte.
In Kriegszeiten wurden diese Fahrten zuweilen ganz untersagt, wie
es z. B. für Genua in den Jahren 1159, 1162, 1163 geschehen ist; wenn die
Gefahr minder groß schien, ließ man die Kauffahrer aber auch in solchen
Fällen ihre Reisen unternehmen; nach Bedürfnis gab man den Karawanen
Kriegsschiffe wenigstens für einen Teil der Reise zur Bedeckung mit und
ließ sie bei ihrer Heimkehr unterwegs durch solche einholen, s) Die Genu-
») Amari Dipl. no. 8—12, p. 262 f. Heyd I, 397 f.
«) Heyd I, 399. Eöhricht, Jerusalem 462.
ä) Die gegen den pisanisch-ägyptischen Vertrag wieder verlangte Deponierung
derselben findet in den bestehenden kriegerischen Vensv-ickelungen ihre ausreichende
Erklärung und braucht noch keinen Bruch jenes Vertrages zu bedeuten.
*) Heyd I, 180 f.
») § 130, 144.
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 153
esen unternahmen alljährlich nur eine solche gemeinsame Fahrt nach
Syrien und Ägypten, und zwar im September ; im Juni pflegen die für
eine solche Fahrt vor den Notaren geschlossenen Kontrakte einzusetzen i).
Die Venezianer aber ließen außer der hier schon im August abfahrenden
Herbstkarawane auch im Frühjahr eine solche »mudua navium« abgehen 2),
die ihren Weg über die Jonischen Inseln und durch den Archipel über
Rhodus und Cypern nach der syrischen und ägyptischen Küste zu nehmen
pflegte. Genuesen und Pisaner kamen in denselben Weg hinein, nachdem
sie die Straße von Messina passiert hatten, die den nächsten Weg für sie
darstellte 3) ; doch schlugen sie gelegentlich auch einen andern Kurs ein. So
wissen wir von den Genuesen , daß sie, wohl durch den langdauernden
Kriegszustand mit dem sizihschen Königreiche (1162 — 1179) dazu veranlaßt,
ihre Schiflte zunächst an der Westseite von Korsika südwärts, dann zwischen
Korsika und Sardinien hindurch und an der Westküste Siziliens vorbei
über Pantelleria und Malta ostwärts die Nordküste von Afrika entlang fahren
ließen, bis sie den hohen steinernen Leuchtturm von Alexandria oder bei
Nacht sein Leuchtfeuer erblickten.'*) Und auch von den Marseiller Kauf-
fahrern, die nach Accon fuhren, hören wir, daß sie bei günstigem Winde
Sizilien und Kreta so weit links liegen ließen, daß sie diese Inseln gar nicht
zu Gesicht bekamen, während sie sich andererseits davor hüteten, zu weit
nach rechts an die Küste der Berberei mit ihren räuberischen Bewohnern he-
ranzukommen.5) Diese Handelsschiffe scheuten also die Fahrt auf offener See
auch für weite Strecken durchaus nicht und es ist irrig, sich die nauti-
schen Kenntnisse der Zeit so niedrig vorzustellen, daß man im wesentHchen
auf Küstenschiffahrt beschränkt gewesen sei; das gilt nur für die Kriegs-
schiffe, die gelegentlich ja auch zum Transport hochwertiger Waren benutzt
wurden ; diese Galeeren waren als Ruderschiffe allerdings für den Fall eines
ausbrechenden Sturmes gar zu sehr gefährdet und daher wesentlich auf die
Fahrt der Küste entlang (juxta terram) angewiesen, ß) Die Fahrtdauer war
natürlich recht verschieden; wir hören, daß man von Messina oder einem
der apulischen Häfen bis Accon durchschnittlich 14 Tage rechnete '^) ; natür-
lich ist damit nur die Dauer einer durch keinerlei widrige Umstände beein-
trächtigten Fahrt gemeint. Für Galeeren war eine etwas längere Zeit er-
forderlich; die 40 Galeeren Kaiser Friedrichs II. haben im Hochsommer 1228
für die Fahrt von Brindisi bis Limassol auf Cypern bei bestem Wetter
24 Tage gebraucht. 8) Benjamin von Tudela nimmt für die Fahrt von
') Die letzten im Hinblick auf die bevorstehende Levantefahrt vor dem Notar
Johannes Scriba abgeschlossenen Kontrakte sind im Jahre 1160 vom 26. August
(Chart, n no. 955, 956), 1156 vom 2. September (no. 359), 1157 vom 5. (no. 497) und
1161 vom 8. September (no. 1115). Als äußersten Termin, bis zu dem unter Um-
ständen die Abfahrt sich verzögern konnte, sah man Michaeli an (no. 828).
*) Ein Beispiel für die Mudua des Herbstes von 1167 bei Sacerdoti 30, für die
des Frühjahrs 1158 bei Baracchi VII (1874), 366. Erwähnung der mudua August!
z. B. in dem Seestatut vom Mai 1233; N. Arch. ven., n. s , IV (1902), 285.
') Odo Quarellus, der Günstling der Gemahlin Wilhelms II, benutzte das ein-
mal sehr zum Mißvergnügen der Messinesen, deren Handel darunter leiden mußte,
zu P>pres8ungen gegenüber den nach Syrien fahrenden Schiffen. Falcandus p. 147.
*) SS. XXI, 236 (Bericht Burkhards).
*) Gesta Regis Riccardi ed. W. Stubbs II, 198 f.
') Ibid. »nisi faciat serenum valde».
') Ludwig 172 f. Vgl. Götz 621 f. Werlauft" 31.
8) Winkelmann II, 20, 85.
154 Dreizehntes Kapitel.
Messina bis Ägypten 20 Tage an ; in etwas späterer Zeit machte Peter von
Albeney die Reise von Marseille bis Damiette in 22 Tagen ; dagegen brauchte
der Gesandte Barbarossas, Burkhard, der am 6. September Genua verließ
und auf jenem Wege über Pantelleria und Malta fuhr, mehr als das Dop-
pelte, 47 Tage, bis Alexandrien i) ; drei Tagereisen rechnete er von hier aus
zu Lande bis zur Kaufmannsstadt von Kairo, während die Fahrt nilaufwärts
bis dahin 7 Tage in Anspruch genommen habe.
Die Zeit, die die Schiifskarawanen an dem syrischen und ägyptischen
Gestade zuzubringen pflegten, war lang genug bemessen; die genuesische
Karawane, die in der Regel im Oktober ankam, blieb den ganzen Winter
über bis tief in das Frühjahr hinein; erst um Johanni pflegte man sie
zurückzuerwarten 2) und zuweilen zog sich die Rückkehr auch noch länger
hin; die venezianische Frühjahrskarawane traf im September, die Herbst-
karawane etwa im Mai wieder in Venedig ein. 3) So blieb den Kaufleuten
Zeit genug zur Erledigung ihrer Geschäfte, zum Besuch verschiedener Hafen-
plätze auf Küstenfahrten sowie zu Reisen in das Innere. Meist lassen die Gesell-
schaftsverträge dem reisenden Kaufmann für die Gestaltung seiner Geschäfts-
reise nach der Ankunft freie Hand (ultra mare et inde quo voluerit istM
die übliche Formel in Genua) ; oft ging man von Syrien weiter nach
Ägypten, was in einigen Fällen direkt vorgeschrieben wird 4); häufig auch
wird dem reisenden Gesellschafter die Wahl zwischen direkter Heimkehr
von Syrien aus oder Rückreise über Alexandrien gelassen. 0) Dagegen Avar
die Fortsetzung der Reise in umgekehrter Richtung, also von Ägypten aus
»ultra mare«, nicht üblich und wird einmal ausdrücklich untersagt, ß) Natürlich
waren die Kaufleute, wenn es ihre Kontrakte nicht vorschrieben, auch nicht
an die Rückkehr mit der gleichen Schiifskarawane gebunden. Die Geschäfts-
reisen wurden nicht selten auch länger ausgedehnt; so ist z. B. in einem
Gesellschaftsvertrage, den ein nach Syrien reisender Kaufmann abschloß,
die Dauer der Gesellschaft auf drei Jahre festgelegt, so daß ihm ein weiter
Spielraum zu Operationen mit dem 312 1. jan. betragenden Gesellschafts-
kapital verblieb. ^)
110. Die weitesten Kreise waren in den großen Seestädten aa|
diesen Handelsfahrten interessiert; auch die höchstgestellten Personen^
>) Ben]. I, 159; Rogerius de Wendower ed. Coxe IV, 75 (für das Jahr 1221);=
SS. XXI, 237. Prutz, Kulturgesch. 103, 521.
*) Direkt wird die Rückkehr für den nächster Sommer in Aussicht genomme
Chart, n no. 661, 926, 927. Am 30. Oktober 1157 wird Begleichung einer Schuld
in Waren, die von Ägypten her erwartet wurden, bis Johanni nächsten Jahres oder
eher, falls die Waren (res meae) früher ankommen sollten, versprochen. No. 524.
Das von Syrien kommende reichbeladene genuesische Schiff, das 8. Juli 1162 bei
Pianosa den Pisanern in die Hände fiel (Ann. pis., SS. XIX, 248), fuhr mit eine
von Konstantinopel kommenden Schiff" zusammen ; es waren also wohl Nachzügler.
') In einem Seedarlehnsvertrage vom Dez. 1158, der sich auf die Frühjahrs
fahrt von 1159 bezieht, wird Rückkehr oder Rücksendung bedungen »cum mudua
navium que venerit in V. de Constantinopoli aut de Alexandria in isto primo ven-|
turo Septembre«. Baracchi VII (1874), 366.
*) Chart. II no. 1102 u. 1110 (23. u. 27. August 1161).
") Ibid. no. 441 (21. Juli), 663 (20. August 1158), 1113 (7. September 1161);
vgl. auch 1108.
8) Ib. no. 428.
') Ib. no. 668 (22. Aug. 1158). Seedarlehn pflegten dagegen auf Hin- und
Rückfahrt mit demselben Schiff oder doch derselben Karawane gegeben zu werden ;
s. auch Zeitschr. f. Soz.- u. Wirtsch.-Gesch. 11 (1894), 169 ff.
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 155
Mitglieder der angesehensten Familien der städtischen Aristo-
kratie und Träger der obersten Staatsämter, sehen wir zum Teil
recht beträchtliche Kapitalien in Handelsunternehmungen anlegen,
die Syrien oder Ägypten zum Ziele hatten.
So hat Guilelmus Buronus, der in Genua 1137, 1148, 1156 und 1162
städtischer Konsul i) und 1143 als Gesandter in Antiochien tätig war, am
28. Juni 1157 dem Guilelmus de Razedo für die Geschäftsreise nach Syrien
263 1. 13 sol. Jan. (etwa GOOO M.) anvertraut. Mehrfach erscheint er für
den syrischen Handel mit Ido Mallonus assoziiert. An dem Gesellschafts-
kapital von 4871/2 1. Jan., das diesem 1158 für die Fahrt nach Syrien zur
Verfügung stand, war Buronus mit 364 1. beteiligt, während er für die
gleiche Fahrt auch dem Rogerius de Justa 208 1. mitgegeben hatte, so daß
er also ein Kapital von 572 1. (über 13000 M.) in dieser Handelsfahrt an-
gelegt hatte. Und für die Herbstfahrt von 1161 gab er zu dem gleichen
Zweck als Sozius des Mallonus 400 1. jan. her, während dieser als tractator
der Handelsgesellschaft 200 1. einlegte, außerdem aber noch mit einem
eigenen Kapital von 132 1. (im ganzen also 732 1., gegen 17000 M.) arbeitete. 2)
Häufiger noch tritt uns der einem der führenden Geschlechter Genuas
angehörige Ingo de Volta, der ebenfalls mehr als einmal Konsul gewesen s),
in ähnlicher Weise entgegen. Schon in höheren Jahren stehend, war er
wie Buronus nicht mehr persönlich auf Handelsreisen in Syrien tätig; daß
er es in früheren Zeiten getan, geht am sichersten daraus hervor, daß er
seine jüngeren Söhne in Handelsgeschäften dahin entsandte. Am häufigsten
erscheint der alte de Volta für das syrische Geschäft mit Ingo Nocentius
assoziiert. Ein schon längere Zeit zwischen ihnen bestehender Gesellschafts-
vertrag wurde am 28. Juni 1157 erneuert und ergänzt *); das ursprünglich
300 1. betragende Gesellschaftskapital war seit der Gründung so beträchtlich
angewachsen oder auch zum Teil durch neue Einlagen vergrößert worden,
daß Nocentius für die Handelsfahrt dieses Jahres 710 1. zur Verfügung
standen und weitere 100 1. für die gleiche Handelsreise an Alvernacius aus-
getan waren,' dem beide Gesellschafter auch im Jahre vorher schon ein
Kapital für die Handelsfahrt ultra mare anvertraut hatten. Außer dem
GeseUschaftskapital nahm Nocentius mit Erlaubnis seines Sozius noch 37 1.
von Obertus Spinola und 27 1. von Guilelmus Aradelli in Commenda ; auch
ermächtigte ihn Ingo de Volta, die Gelder, die er in Syrien zu empfangen
hatte ö), für ihn einzuziehen und weiter anzulegen; für etwaige Einbußen,
die er infolge von Gesellschaftsverträgen, die er früher mit seinen Söhnen
geschlossen, erlitten haben sollte, versprach er ihn schadlos zu halten.
Außerdem übergab Ingo de Volta am 3. Juli für dieselbe Handelsfahrt, aber
mit der ausdrücklichen Bestimmung nach Alexandrien, dem Ogerius
Nocentius 203 1. jan. (davon 56 1. als eigenthches Gesellschaftskapital, da
Ogerius seinerseits 28 1. einlegte ; die übrigen als commenda) ; in dem Ver-
^) Ann. genov. I ad. a.
«) Chart, n no. 426, 619, 668, 1115.
») Gerichtskonsul 1134, 1139, 1147; consul de comuni 1158, 1162.
*) Ib. no. 424 f.; 329 (2. September 1156).
•) No. 425: bisancios quos ultra mare accipere debeo; nur aus dieser Stelle
geht hervor, daß Nocentius nach Syrien ging, während der am gleichen Tage ge-
schlossene Gesellschaftsvertrag selbst das Reiseziel ganz seinem Ermessen tiberläßt
portat laboratum (juo voluerit).
II
156 Dreizehntes Kapitel.
trage wird bemerkt, daß Ogerius dazu noch 43 1. von der Handelsgesellschaft
des Aradellus und 30 1. von der des Petrus Capra mit sich führte, i)
Im Herbst 1160 ist dann Ingo Nocentius wieder als Sozius des Ingo
de Volta nach Syrien gegangen. Das Gesellschaftskapital, das er selbst an-
zulegen und zu verwerten übernahm, betrug nicht weniger als 820 1. (etwa
19 000 M.); andere Teile dieses Kapitals waren anderweitig untergebracht,
so wieder 100 1. bei Alvernacius und 100 byzantii de Assar (wohl = Sur,
Tyrus) bei Guidotus Torsellus ; außerdem vertraute Ingo seinem Sozius noch
80 1. in Commenda an. Für die gleiche Fahrt war Ingo de Volta aber
auch noch mit Opizo Amici Clerici assoziiert, wobei er 416^/2, dieser 208^/4 1.
einlegte; ihm gab er auch einen seiner Söhne mit einem kleinen Kapital
als lernenden Begleiter mit. Auch hatte Opizo die Erlaubnis, verschiedene
Kapitalien, die ihm in der Form von- Commendae anvertraut wurden, in
den Handelsgeschäften dieser Reise anzulegen. Interessant ist, daß die
beiden ultra mare gehenden Sozii Ingos ihr arbeitendes Kapital noch da-__
durch vergrößerten, daß sie von Bonus Johannes Malfuaster außer einer«!
Commenda im Werte von 30 1. noch ein Seedarlehn von 80 1. entgegen-
nahmen, das sie, falls das Schiff, auf dem sie reisten, behalten in Syrien
ankam, mit 3V4 Byzantien für das Pfund genuesisch zu erstatten ver-
sprachen.2) Auch den erwachsenen Sohn Ingos, Marchio de Volta, der wie_-
der Vater in den" Parteikämpfen Genuas eine wichtige Rolle spielte und a.1^1
ein Opfer derselben während seines Konsulats im September 1164 ermordet
worden ist, finden wir am Levantehandel beteiligt. 3) Am 18. August 1158
gewährte er dem »ultra mare« reisenden Ribaldus Drogo ein Seedarlehn,
das in erster Linie auf behaltene Hin- und Rückfahrt des navis des Ribaldus
Cevola, oder, falls dieses die Fahrt nicht mitmachen sollte, desjenigen Kauf-
fahrers gestellt war, auf dem er tatsächlich reisen würde. Sollte dieses ■■
Schiff in Syrien verkauft werden oder nicht direkt nach Genua zurück-J|
kehren, so sollte das Risiko auf dasjenige Schiff übergehen, auf dem der
größte Teil der Genuesen oder ihrer Waren zurückkäme. Doch es sei genug
an diesen Beispielen, die für die Beteiligung der Aristokratie Genuas an
dem Levantehandel, die Höhe der in demselben zur Anlage kommenden
Kapitalien und die vielfache Verschlingung der geschäfthchen Interessen in
Sozietätsverhältnissen verschiedener Art bezeichnend sind. Daß es in den
anderen großen Seestädten nicht anders war, ist von vornherein anzunehmen ;
immerhin ist es uns erwünscht zu erfahren, daß die Venezianerin Katholica,
Witwe des Domenico Giustiniano, ihrem Schwiegersohn Enrico Contarini
im Jahre 1138 den Betrag von 1000 1. ven. (etwa 7000 M.) für eine Handels-
fahrt nach Accon und weiter, deren Dauer auf drei Jahre berechnet war,
anvertraut hat, wobei sie das Risiko übernahm und sich nur die Hälfte
des Gewinns vorbehielt *); es handelt sich also auch hier um Mitglieder de:
in Venedig regierenden Geschlechter.
111. Wenn wir nun auch einem der reisenden Kaufleute au:
seinen Fahrten nach der Levante nachgehen wollen, soweit das unser
Quellen erlauben, um so von dem Charakter des damaligen Handels eine
konkrete Vorstellung zu erhalten, so erscheint das am besten möglich im
») No. 431.
«) Ib. no. 955, 958, 963 f., vom 26. u. 27. August.
3) No. 661.
*) Sacerdoti p. 27.
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 157
Anschluß an die Persönlichkeit des Soliman von Salerno. In Genua natu-
ralisiert, wo er auch ein Haus besaßt), unterhielt er doch auch mit seinen
früheren Landsleuten aus dem normannischen Königreich noch Verbindungen ;
Bevollmächtigte eines sizilischen Kaid wenden sich einmal an ihn, indem
sie ihn geradezu als fidelis König Wilhelms bezeichnen. 2) Solche Beziehungen
zu den Arabern Siziliens mochten ihm auch bei seinen Handelsunter-
nehmungen in Ägypten von Vorteil sein. Als er im Herbst 1156 mit der
in See gehenden genuesischen Handelskarawane eine Handelsreise nach
Alexandrien antrat, gab ihm Ogerius Ventus für seinen in Alexandrien
weilenden Sohn ein silbernes Zaumzeug (frenum cum loris) und 10 Pfund
weniger 2 Unzen Safran mit, dazu 15 1. jan. bar, die Soliman in Waren an-
legte und dem gedachten Sohne des Ogerius in Alexandrien mit 2^/4 voU-
mchtigen ägyptischen Byzantien pro 1. zu erstatten versprach. Für einen
Minderjährigen namens Elio wurden ihm zu gewinnbringender Anlage von
den Konsuln der Stadt 96 1., von Ribaldus Faxolius 5 1. jan. anvertraut. 3)
Waren wurden ihm von Bonusjohannes Malfuaster und Ogerius de Guidone
zur Beförderung und Verwertung übergeben *); dem ersteren versprach er,
ihm seine Waren in Alexandrien, wo er sie natürlich verkaufte, mit
110 Byzantien anzurechnen, diesen Betrag für seine weitere Reise nach Kairo
in Commenda zu nehmen, dort in Gummilack oder Brasilholz (brazile
silvaticum) anzulegen und auf Gefahr Malfuasters bei seiner Heimkehr nach
Genua zu bringen. Die Waren des zweiten, der seinen Sohn Guido die
Reise in der Begleitung Solimans mitmachen ließ, wollte er mit 280 Byzantien
in Alexandrien anrechnen und diesen Betrag dem Sohne übergeben, falls
dieser es unter Solimans Beirat für zweckdienlich erachtete, von Alexandrien
aus eine selbständige Geschäftsreise zu unternehmen. Blieb er indessen in
Solimans Gesellschaft, so hatte dieser das Kapital weiter arbeiten zu lassen
und dafür bei seiner Heimkehr, behaltene Ankunft des ihnen zur Rückfahrt
dienenden Schiffes vorausgesetzt, dem Vater Pfeffer und Brasilholz im Werte
von 140 1. jan. zu übergeben. Wohin Soliman durch seine Geschäftsreise
von Kairo aus noch geführt worden sein mag, wissen wir nicht; jedenfalls
steht fest, daß er im folgenden Jahre noch nicht nach Genua zurückkehrte ;
erst am 2. April 1158 ist er wieder in Genua nachweisbar. 0) Am 6. August
Avurde wegen der Commenda von 101 1. für den Minderjährigen abgerechnet;
es ergab sich als Erlös bereits in Genua verkaufter Waren ein Kapital von
1051/2 1., außerdem eine sporta und 1/2 Zentner Pfeffer^) und ein Pack
ifascis) Brasilholz, beides, mit dem Zeichen Elios signiert, vor kurzem aus
Alexandrien eingetroffen. Der Gewinn war also ein nicht unbeträchtlicher.
Die Absendung der genannten Waren aus Ägypten muß durch einen
Sozius Solimans erfolgt sein, wahrscheinlich durch Marchio Castanee, mit
dem sich Soliman am selben Tagie vor Notar und Zeugen auseinandersetzt. '^
Über die Abrechnung zwischen beiden erfahren wir leider nichts Genaueres;
1) Chart. II no. 1072 : Actum in curia ipsius Solime ; no. 645 : Act. in domum
Solimani; 5. August 1158 kauft er ein Grundstück für 1081. jan. no. 642.
*) Xo. 1183.
3) No 342 (20. August) und 646.
*) No. 337 und 339 (19. August). Übersehen darf man bei alledem nicht, daß
wir doch nur die Akten eines einzigen Notars vor uns haben.
') No. 591. In der Zwischenzeit begegnet einmal seine Frau Aliadar in Han-
delsgeschäften ; no. 446.
*•) No. 646. Für medium centenarium perperis ist piperis zu lesen.
7) No. 645.
158 Dreizehntes Kapitel.
sie erklären nur, daß alle Gesellschaftsverträge (societates) , die zwischen
ihnen bestanden hätten, nach erfolgter Abrechnung und Ausgleichung er-
ledigt seien; doch blieben 50 1. Jan. in bar, 6 Vs Zentner Pfeöer und
191/3 Zentner Brasilholz als Depot, von dem jedem die Hälfte zustand, in
Solimans Verwahrung. Da Marchio im Begriff war, vermutlich infolge eines
auf der Reise getanen Gelübdes, nach Santiago de Compostella zu wallfahr-
ten, so bevollmächtigte er seinen bisherigen Sozius zur Einziehung einiger
für sie beide noch außenstehenden Posten ; es befindet sich darunter ein
Fünftel von dem Erträgnis eines Viertels von dem Schiff, das er zusammen
mit Amico Vacca nach Alexandrien geführt hatte, und eine besonders kost-
bare Feder (penna varia orlata de neuro), die er dem Bonvicinus de Campo
zum Verkauf übergeben hatte.
An der im August 1158 bevorstehenden Handelsfahrt nach Ägypten
beteiligte sich Soliman nicht persönlich, doch können wir aus unseren Akten
nachweisen i) , daß er bei zwei Mitreisenden ein Kapital von im ganzen
451 V2 1- Jan. für diese Fahrt angelegt hat.
Im nächsten Jahre unterblieben auf Befehl der Regierung alle Handels-
fahrten nach der Levante; 1160 aber unternahm Soliman eine neue Reise
nach Alexandrien. Schon im Spätherbst 1159 hatte er zu diesem Zwecke
mit Guilelmus Otto Ceriolus und Mussus Boiachesius zusammen ein Schiff
gekauft, an dem diese mit je 1/4, er selbst mit der Hälfte beteiligt war. Am
4. November 1159 engagierten die drei Schiffspartner eine Gesellschaft von
drei Kalfaterern 2), die gegen Zahlung von 8 V2 1- Jan. das Kalfatern des Last-
schiffs (navis), der zugehörigen Barke und gedeckten Karavelle und der
Mastkörbe übernahmen und für weitere acht Byzantien pro Person die Fahrt
nach Alexandrien mitmachten, um dort, falls es nötig würde, das Kalfatern
des Schiffes zu erneuern oder, falls es verkauft und ein anderes dafür er-w|
standen würde, die gleiche Prozedur an diesem vorzunehmen. Was sie sonst«!
in Ausübung ihres Gewerbes in Alexandrien verdienen würden, hatten sie
mit den Schiffspartnern zu teilen. Die Ausreise des Schiffes fand keineswegs
schon im Frühjahre, sondern zur gewöhnlichen Zeit statt. Ein schon Mitte
Februar für diese Fahrt aufgenommener Seedarlehnsvertrag über 80 1. jan.
stipuliert Rückzahlung in Genua mit 90 1., falls das Schiff Solimans nicht
bis Michaeli abgegangen sei. 3) Für die Rückkehr des Schiffes war von
vornherein der nächste Sommer (also 1161) in Aussicht genommen; zwei
weitere Seedarlehnsverträge vom 3. August 1160*) setzen als Ziel für die
Rückerstattung 1 Monat nach behaltener Rückkehr des Schiffes Solimans
im nächsten Sommer; falls das Schiff in Alexandrien verkauft wurde oder
sein Reiseziel änderte, sollte das Risiko auf das Schiff übergehen, auf dem
Soliman im nächsten Sommer zurückkam, oder wenn er zu diesem Zeitpunkt
noch nicht zurückkehrte, auf dasjenige Schiff, mit dem die Mehrzahl der
jetzt die Ausreise mitmachenden Kaufleute die Rückfahrt anträte. Soliman ___
selbst hat für diese Reise Waren von Nasello übern ommen^), die er ihm beial
behaltener Ankunft in Alexandrien mit 275 sarazenischen Byzantien anzu-
rechnen verspricht; diesen Betrag will er zu 2/3 in Pfeffer, zu 1/3 in Alaun
anlegen und diese Wacen dann auf seinem Schiffe ohne Berechnung einer
») No. 655/6.
«) No. 795.
») No. 828.
*) No. 926/7.
») No. 877 (13. Mai).
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 159
besonderen Frachtgebühr nach Genua transportieren. Auch sein alter So-
zius Marchio Castanee machte die Reise wieder mit; schon vor einem Jahre
hatte er Sohman Waren übergeben (zu einer Zeit vermutUch, als man noch
annahm, daß die 1159 er Fahrt nach Ägypten stattfinden würde), für die
dieser bei behaltener Ankunft seines Schiffes in Alexandrien 320 Byzantien
zu zahlen versprach, i) Wie in Aussicht genommen, kehrte Soliman im
Sommer 1161 zurück; am 17. Juli finden wir ihn wieder in Genua.2) Wei-
tere Beziehungen von ihm zu Ägypten sind aus unseren Akten nicht mehr
nachweisbar: allerdings haben auch 1162 und 1163 die jährlichen Fahrten
nach Alexandrien nicht stattgefunden.
112. Bei der Warenausfuhr nach Syrien spielten die in Ober-
Italien und Toscana hergestellten Barch entstoffe (fustanei) eine besonders
■wichtige Rolle. Jene Commenda von 301. Jan. Wert, die Johannes Bonus
Malfuaster den beiden Sozii Ingos de Volta anvertraute, bestand in »fustaneis«
ebenso wie diejenige, die Nuvellonus für die Herbstfahrt 1164 von Elias mit
einem angerechneten Werte von 36 ^/s 1. erhielt. ^) Wissen wir doch auch, daß
die Johanniterprioren der Lombardei (Italiae), Pisas und Venedigs verpflichtet
waren, alljährlich je 2000 Ellen (brachia) solcher Stoffe in verschiedenen
Sorten für den Bedarf des Spitals nach Jerusalem zu senden, während die
Prioren von Paris und S. Gilles jährlich 100 baumwollene Tuche zu kaufen
und zusammen mit den von den Gläubigen zum Geschenk dargebrachten
zur Erneuerung der Decken der armen Kranken nach Jerusalem zu schicken
hatten. 4) Auch die Zelte des Beherrschers von Cypern, die König Richard
erbeutete, waren aus jenem leichten Stoffe, »de fustaine«.^) Um bilhge
Erzeugnisse der Textilindustrie, Leinenzeuge und dgl. handelt es sich auch
bei den 202 cannae »de baldinellis et vogiae« im Preise von 41 1. Jan., die
Blancardus dem Ribaldus Seraphie für die Herbstfahrt 1157 nach Syrien in
Commenda gab. ß) Für dieselbe Reise hatte Ribaldus aber auch ein eigenes
Kapital von 59 1. 3 sol. jan. in 23 Ellen grünen Tuches und 11 Ellen Scharlach-
tuch angelegt '^); wahrscheinlich stammten diese hochwertigen Tuche, von
denen die canna de viridi 28 sol. (etwa 32 ^), di canna de scarlata 49 sol.
(etwa 56 ^) kostete, aus Nordfrankreich. In Tuchen (panni ohne nähere
Bezeichnung) bestand auch ein mit 84 1. jan. bewerteter Teil der Einlage
des Guilelmus Filardus bei der Handelsgesellschaft, die er für dieselbe Fahrt
mit Ugo Mallonus einging. 8)
Halbfabrikaten begegnen wir in den 2950 hergerichteten Kaninchen-
fellen 9), die Anseimus Ime 1161 von Bonusvasallus de Castro zum Transport
nach Syrien und Verkauf daselbst übernahm; und nichts anderes ist wohl
auch unter den »coniatini« im Werte von 17 V2l- zu verstehen, die Laborante
für die Herbstfahrt 1157 von Guilelmus Filardus in Commenda empfing, i*')
1) No. 920 (22. Juli).
"O No. 1072.
') No. 1504. Dazu noch no. 907, wo »ultra bis. 4 inde quarti« statt queriti
7A\ lesen ist.
*) Statuten von 1182; Delaville le Roulx I, no. 627, p. 426 f.
») Ambroise v. 1826.
«) Chart. II no. 419.
■>) Ib. no. 414.
8) No. 457.
8) cuniculi affaitati ; no. 1110.
»") No. 472.
160 Dreizehntes Kapitel.
Bezüglich des Exports von Rohprodukten nach Syrien in dieser Zeit er-
halten wir Fingerzeige durch einen Kontrakt für die Herbstfahrt 1161, nach
welchem Manente de Amore 46^/3 Zentner Blei in Commenda nahm sowie
durch den Umstand, daß am Anfang der achtziger Jahre ein nach Accon
bestimmtes fränkisches Schiff mit einer Holzladung und 70 Mann Besatzung
der ägyptischen Flotte in die Hände fiel, i)
Endlich wissen wir auch, daß aus Apulien eine nicht unbedeutende
Lebensmittelausfuhr durch die Hospitaliter stattfand, auf die das Mutterhaus
in Jerusalem mit Sicherheit rechnete. 2)
113. Von den für den Export des Abendlandes nach Ägypten wich-
tigsten Waren, Eisen, Holz und Schiffsbaumaterialien der verschiedensten
Art ist oben schon die Rede gewesen 3) ; so umfangreich dieser Export offen-
bar war, in den offiziellen Akten des genuesischen Notars Johannes, die uns
sonst so viel Ausbeute liefern, können wir nichts darüber zu finden er-
warten. Auch von anderen Exportartikeln erfahren wir wenig genug. In
einem aus dem 4. Jahrzehnt stammenden Briefsteller bezeichnet der in der
Levante weilende Sozius eines Genuesen als Waren, deren Mitnahme nach
Alexandrien wie nach Byzanz sich besonders empfehle, die leichten Baum-
wollstoffe (pignolata) von Piacenza in verschiedenen Farben^); an edlen
Stoffen und Tuchen bot ja der Orient selbst Auswahl im Überfluß; Am
broise z. B. entwirft von den Schätzen dieser Art, die eine von Ägypten
nach Syrien ziehende Karawane mit sich führte, als sie König Richard in
die Hände fiel, ein-e ganz entzückte Schilderung. 0) Das silberne Zaumzeug,
das Soliman nach Ägypten mitgegeben wurde, haben wir schon erwähnt;
der Notar Johannes selbst hat einmal 100 »lintea coriorum« zur Verwertung _
nach Ägypten geschickt. ß) Sehr merkwürdig ist ein Fall, in dem Seide ■
von Genua nach Ägypten ging. Otto Judex de Castro hat 1161 dem Oge-
rius Berzus 39 Pfund 7 Unzen davon und außerdem 26 Marabotini weniger
4 Karruben nach Alexandrien in Commenda gegeben, wo der Erlös in Alaun,
oder falls dieser uicht zu billigem Preise zu haben, in derselben Weise wie
die anderen Kapitalien des Reisenden angelegt werden sollte."^) Daß diese
Seide in engster Gemeinschaft mit spanischen Goldmünzen auftritt, läßt da-
• rauf schließen, daß sie dem arabischen Spanien entstammte ; immerhin
werden wir schwerlich anzunehmen haben, daß sie in Ägypten höher im
Preise stand als auf dem Markt von Genua; ich vermute, daß diese Com-
menda nur deshalb in solcher Gestalt auftritt, weil Seide wie , Goldmünzen
eben erst aus Spanien eingetroffen waren, und daß besondere,- in den per-
sönhchen Verhältnissen des Commendagebers liegende Gründe den Anlaß
zu dieser Transaktion gegeben haben. Auch Safran ging von Genua nach
Ägypten. Soliman führte etwa 10 Pfund dieser von den arabischen Ärzten
besonders geschätzten Ware für den Sohn des Ogerius Ventus nach Ale-
1) No. 1105 ; Makrizi Vm, 551.
*) Delaville le Eoulx I no. 431. Die Abgaben, die früher am Davidstor in Je
rusalem bei der Einfuhr von Weizen, Gerste und Gemüse erhoben worden waren,
hatte Balduin II. 1120 abgeschafft. Röhricht Reg. no. 91.
«) §§ 103, 106.
*) Wattenbach, Iter p. 80.
'') V. 10515 if.
^) No. 1096. Eine ausreichende Deutung für diese Hntea weiß ich nicht, auch
nicht für die drei minos parrios, die SoUman 1158 nach Ägypten sandte; no. 656.
') No. 1098.
I
iren,
dl
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 161
xandrien miti); dieser aus Toskana stammende Safran mag billiger gewesen
sein als das orientalische Produkt. Endlich können wir einigemal die Ein-
fuhr von Gold nach Ägypten nachweisen. Nach dem ägyptisch-pisanischen
Vertrage von 1173 gingen Edelmetalle in Ägypten unverzollt ein; und
sie flössen sicher in dieser Zeit in nicht geringer Menge aus dem christlichen
Europa nach diesem Lande ab; hebt doch auch Burkhard von Straßburg
hervor, daß Ägypten , obwohl weder Gold noch Silber noch überhaupt
Metalle im ganzen Lande gefunden würden, an Gold Überfluß habe. 2) Der
uns bekannte Guilelmus Fihardus hat für die Fahrt von 1158 dem Wilhelm
von Tortona etwas über 19 1/2 Unzen Gold im Werte von 41^2 1- Jan.
übergeben, ein andermal begegnet uns eine Commenda von 161. jan. Wert
in Gold, das den Schreibern Johannes (das ist unser Notar) und Ogerius
gehörte.^) Im Jahre 1157 übersendet Guilelmus Ventus seinem Neffen
Ogerius 200 Stück alexandrinische Goldbyzantien *) ; 184 davon entsprachen
1741/4 vollwichtigen, während die übrigen 16 gleich 15^/4 vollwichtigen
angegeben werden ; sie waren zum Ankauf von Kolonialwaren bestimmt,
und wie' diese ägyptischen Goldmünzen nach Ägypten zurückflössen, so
nahmen, wie wir gesehen haben, von Genua aus auch spanische dahin ihren
Weg.
114. Was die Einfuhr aus diesen Ländern nach dem Abendlande an-
geht, so ist es merkwürdig genug, zu sehen, daß die Akten des Johannes
Scriba über den Import der Genuesen aus Syrien nicht den geringsten
Aufschluß enthalten. Doch ergibt sich aus dem um 1140 für die öffentliche
Wage in Genua aufgezeichneten Tarif, der bambacium de Antiochia als
besonderen Artikel aufführt ^), daß syrische Baumwolle in nicht unbedeuten-
der Menge nach dem Abendlande gegangen sein muß. Für Flachs, der
in Syrien eingekauft war, rechnet Leonardo Pisano mit einem Preise von
4 saraz. Byzantien für den Kantär^), und aus dem antiochenischen Privileg
für Venedig von 1153 wissen wir, daß die Venezianer leinene Stoffe und
seidene Tuche (panni serici) aus Antiochia exportierten. Saßen doch
auch in Tyrus »seit undenklicher Zeit«, wie die Denkschrift des MarsiHo
Zorzi von 1243 sagt, einheimische Weber (Suriani texarini), die mit der
Herstellung wertvoller Stoffe beschäftigt waren '^); der altberühmte Purpur
wird unter den Produkten von Tyrus auch in dieser Zeit erwähnt. ^) Auch
von den nicht minder berühmten Erzeugnissen der Glas- und Tonwaren-
Industrie von Tyrus werden wir mit Sicherheit anzunehmen haben, daß sie
in das Abendland eingeführt wurden, und das Gleiche gilt von den Glas-
waren Antiochiens. ö) Unter den eingeführten Artikeln kann endhch der
») No. 342.
») Bei Arnold von Lübeck, SS. XXI, 238. Makrizi läßt diesen Überfluß aller-
dings nur für den Palast des Sultans gelten ; VIII, 503 f. Von der sonstigen Be-
völkerung sagt er: wer ein Goldstück sah, dessen Augen glänzten vor Verlangen,
es zu besitzen.
=») Chart, n no. 654 und 1096. *) Xo. 473.
*) Lib. Jur. I no. 66. Verpflichtung des Bailli der Johanniter von Antioch.,
jährlich 2000 brachia bombacis nach Jerus. zu schicken : Delaville le Roulx I, p. 427.
«) Leon. Pis. 94.
') Tafel u. Thomas I, 133; II, 359. Röhricht, Jerusalem 166.
8) Guil. Tyr. XUI, c. 3.
") Abgaben von der Glasindustrie im venez. Drittel von Tyrus ob. § 99. Über
die Berühmtheit des syrischen Glases Benjamin von Tudela I, 63 ; II, 73 ; über die
jüdischen Glasfabrikanten von Antiochia I, 58.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. H
162 Dreizehntes Kapitel.
Zucker nicht gefehlt haben, an dem die Umgegend von Tripolis, aber auch
die von Tyrus besonders reich war. i)
Daß auch die Gewürze und Drogen des fernen Orients zum Teil aus
den syrischen Häfen zur Ausfuhr gelangten, dafür kennen wir aus unserer
Zeit wenigstens ein Beispiel: Venezianer haben im Jahre 1131 ein Quantum
Zimt von Tyrus aus exportiert. 2)
115. In ganz anderer Menge freilich strömten diese Waren zur selben
Zeit aus Ägypten nach dem Abendlande; das für den Import aus Syrien
so stumme Notularium des Johannes Scriba bietet dafür eine Fülle von
Beispielen. So soll der Überbringer jener 200 ägyptischen Goldbyzantien,
Ogerius de Nigrone, falls er den Empfänger nicht antrifft, selbst von diesem
Betrage den Ankauf einer »zurra« Zimt vornehmen und den Überschuß je
zur Hälfte in Pfeifer und Brasilholz anlegen. Und Guilelmus de Tortona,
dem Guilelmus Filiardus 19^/2 Unzen Gold für die Fahrt nach Ägypten
anvertraut hatte , sollte gegen ein empfangenes Entgelt von 2 1. jan. von
dem Erlöse 2 Körbe (sportae) Pfeffer kaufen und den Überschuß entweder
in Muskatnuß anlegen oder in barem Gelde nach Genua zurückbringen. 3)
Von größtem Interesse aber für den starken Import von Gewürzen und
Drogen des Orients aus Ägypten nach Genua ist folgender Fall: Am
21. August 1156 hatte der oben erwähnte Guilelmus Filiardus mit Johannes
Filiardus eine Handelsgesellschaft für die bevorstehende Fahrt nach Ale-
xandrien geschlossen, bei der jener als Kapitalist 1161. Jan., dieser als der
Traktator die Hälfte davon einlegte imd außerdem an eigenem Kapital
821. mitführte. Aus dem Vermögen seiner Neffen Ansaldinus und Guilel-
mus, die unter seiner Vormundschaft standen, vertraute ihm Guilelmus
Filiardus ferner 4241. 2 sol. 8 den.*) und 113 1. 12 s. 9 d. an, so daß Johannes
also für seine Geschäftsreise über das beträchtliche Kapital von 793 1. 15 s.
5 d. (über 18000 Ji) verfügte. Die Rückkehr sollte im nächsten Sommer
erfolgen, fand aber in Wirklichkeit erst im Jahre 1158 statt; wie Marchio
Castanee hatte auch Johannes Filiardus eine Wallfahrt nach Santjago gelobt,
was auf eine gemeinsam bestandene große Gefahr deutet, und am gleichen
Tage (6. August) und vor demselben Notar wie dieser, setzte er sich mit
seinem Sozius auseinander. Es wurde festgestellt, daß im Warengewölbe
W^ilhelms folgende von Johann mitgebrachte, mit besonderen Handels-
zeichen versehene Waren in der Verpackung wie sie eben aus Alexandrien
gekommen, lagerten :
1. Von der Commenda Ansaldinos angeschaffte Waren, Handels-
zeichen A:
1) Albert von Achen 1. V, c. 37 f. Fulc. Carnot. im Rec. Crois. Occid. III,
337 (mel silvestre id est chucrum). Jahresrenten in Zucker : Delaville le Roulx I,
no. 564 u. 625. Verpflichtung des Joh, priors von M. Pellerino bei Tripoli und des
Bailli von Tiberias-, jährUch zwei quintalia cucari pro conflciendis lectuariis, sirupis
etc. nach Jerusalem zu schicken: Statut von 1182 ib. p. 427. Privileg Balduins VII.
und des Grafen von TripoUs für den Seneschall Joscelin, den auf seinem Besitz
erzeugten Zucker abgabenfrei in Accon einzuführen und zu verkaufen, mit Ab-
gabenfreiheit auch für den Exporteur aus Accon. Cecchetti p. 54 f. Heyd 11,
680 ff.
2) Sacerdoti 24 f. : 1 Kantär weniger IV2 rotuU de cinamo canella ; es gmg
nach Konstantinopel.
3) Chart. II no. 473, 654.
*) 1. CCCCXXIII de XXXIl liest der Herausgeber. Das ^det ist als >den.«
= denarios zu fassen ; no. 346.
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 163
14 1) sportae Pfeffer, deren Nettogewicht Johann auf 65 Kantar 45 rotuh
(alexandr. Gewicht) angab,
6 Pack Brasilholz, im Nettogewicht von 47 Kantar,
10 Pfund Muskatnüsse,
eine zurra Zimt (canelle), 87 V2 niennae (Bündel) umfassend,
ein Gebund Gewürznelken (manna de gariofolis).
2. Der Commenda des jüngeren Wilhelm entstammend, Handels-
zeichen G:
3 Sack Pfeffer, im Gemcht von 17 Kantar 42 rot.,
1 Pack Brasilholz, Gewicht 7 Kantar 52 rot.,
2 1/2 Pfund Muskatnuß,
1 zurra Zimt im Gewicht von 187 genues. Pfund,
60 Pfund Narde (spiee).
3. Von dem Kapital der Handelsgesellschaft angeschafft, Zeichen JK :
3 sportae Pfeffer von 12 Kantar 65 rot. und 3 Sack Pfeffer von 17 Kantar
49 rot. Gewicht,
2 Pack Brasilholz, Gewicht 16 Kantar, 88 rot.
4 Bündel Galangawurzel (mennas galange).
Außerdem hatte Wilhelm aus dem Gesellschaftsvermögen schon er-
halten 1 sporta Gummilack 2), der bereits für 37 1. 1 s. 10 d. verkauft
worden war, und 3 Bund Gewürznelken.
Wilhelm erklärt endlich, falls er vor Johanns Rückkehr von der
Wallfahrt etwas von den genannten Waren veräußern würde, dies entweder
unter einfacher Anerkennung des von Johann aufgezeichneten Gewichts
der einzelnen Warenquanten zu tun, oder, falls Nachprüfung beliebt würde,
Gewicht, Quantum und Preis unter Zuziehung von Zeugen feststellen und
zu Protokoll geben zu lassen.
Das interessante Dokument gewährt eine Vorstellung auch von dem
ungefähren Verhältnis, in dem einzelne der Hauptartikel der aus dem fernen
Osten stammenden Waren von Ägypten aus zur Einfuhr nach dem Abend-
lande kamen. Daß Pfeffer, nicht bloß unter den Gewürzen, sondern unter
allen Waren, dabei an erster Stelle stand, ist eine bekannte Tatsache; sein
Verbrauch im Abendlande war ein außerordentlich starker. Bemerkenswert
ist, daß man in Alexandrien bei der Berechnung des Ladequantums der
Schiffe die sporta piperis, zu 100 rotuli gerechnet, als Maßstab zu gründe
legte, und die übrigen Waren nach fest vorgeschriebenen Sätzen auf diese
Einheit reduzierte.^)
So stark war die Einfuhr dieses Artikels nach Genua, daß die Be-
zahlung in Pfeffer sehr häufig, auch beim Kauf von Grundstücken, bei Mit-
gift und Morgengabe, bei Kommunalanleihen, an Stelle der Barzahlung
trat und dieser gleichgeachtet wurde; ein Beispiel sei hier angeführt, weil
') An erster Stelle steht im Text zwar die Zahl XIII, weiterhin aber, wo Jo-
hann das Gewicht angibt, ist quatuordecim in Buchstaben ausgeschrieben. No. 644
(6. August).
*) Der Herausgeber hat zwar lanae ; aber ich zweifle nicht, daß dafür laccae
zu lesen ist, schon wegen der angegebenen Veri)ackung (sporta = Korb).
=*) Leonard. Tis. 117: Naves que honerantur apud AI., honerantur ad spor-
tatas (so für asportatas zu lesen) ])iperis, que sporta ponitur similiter rotulos 100,
ad quam sportatam reducuntur merces etc.
11*
164 ' Dreizehntes Kapitel.
es sich zugleich auf andere aus Ägypten importierte Waren bezieht: am
30. Oktober 1157 versprach Ogerius de Guidone die Forderung, die seine
durch Simon Aurie vertretene Schwiegertochter nach dem Tode ihres Mannes
noch in Höhe von ISSVs 1- Jan. an ihn hatte, zu Vs in Pfeffer, 1/3 in Brasil-
holz (silvaticum et domesticum) und 1/3 in Alaun und Weihrauch i) zu be-
gleichen, wobei er sich vorbehielt, falls letztgenannte Waren mit der aus
Ägypten von ihm erwarteten Sendung nicht mitkommen sollten, die ganze
Schuld in Pfeffer und Brasilholz oder auch allein in Pfeffer zu tilgen.
Schon zur Zeit des Papstes Alexander III. (1159 — 1181) war der Termin-
handel mit solchen Waren, namentlich in Pfeffer und Zimt, in Genua eine
ganz gewöhnliche Erscheinung.2)
Aus dem bisherigen hat sich schon ergeben, daß unter den Export-
artikeln Ägyptens das Brasilholz (namentlich das silvaticum, daneben auch
das domesticum) nächst dem Pfeffer die wichtigste Rolle spielte. Zum Rot-
färben der Tücher war es in Italien außerordentlich begehrt, obwohl sein
Farbstoff dem Krapp gegenüber minderwertig war; aber auch nach den
Stätten der Tuchfabrikation in Nordfrankreich und Flandern fand es Ein-
gang. Im Preise stand es in Ägypten zum Pfeffer etwa im Verhältnis von
3:5; Leonardo Pisano rechnet mit einem Durchschnittspreise von 50 Byz.
für den Kantär Pfeffer, von 30 für das gleiche Gewicht Brasilholz, s)
In beträchtlichem Umfange wurde auch der Lack (Gummilack) im-
portiert , der nicht bloß in der Färberei, sondern auch zum Polieren und
in der Medizin Verwendung fand ; seinen Einkaufspreis in Alexandrien setzt
Leonardo Pisano zu rund 40 Byz. für den Kantär an.*) Selbstverständlich
ist anzunehmen, daß auch alle anderen Gewürze und Drogerien, die in
Alexandrien auf den Markt kamen 0), durch die Kaufleute Italiens ihren
Weg in das Abendland fanden.
116. Von den Landesprodukten Ägyptens, die durch den Handel der
Romanen nach dem Auslande kamen, vermögen wir nachzuweisen: 1. Baum-
wolle, die 1140 in dem Tarif der öffentlichen Wage zu Genua begegnet
(bambacium de Alexandria) ^), 2. Flachs, der als der beste galt ; Benjamin
von Tudela und Edrisi heben .die Kultur des Flachses und die Weberei
feiner Linnen durch die Einwohner von Sunbat, 1/2 Tagereise von Damiette,
besonders hervor.'^) Der Testamentsvollstrecker eines um 1185 in Alexan-
drien verstorbenen Venezianers, des Giorgio de la Rodea, ließ einem Gläu-
biger desselben aus dem in Alexandrien verfügbaren Nachlasse neben
*) . . . in alumine zucarino cum 4 centenos incensi. Chart. 11 no. 524. Über
alumen zuccarinum Heyd H, 569. S. ferner Chart. H no. 415, 812, 1190.
*) Decr. Greg. V, 19, 6. Auf eine Anfrage des Erzbischofs von Genua erklärte
der Papst, daß solche Verträge zwar nicht unter das Wucherverbot fielen, aber doch
bedenklich und im Interesse des Seelenheils besser zu unterlassen seien.
') Er nennt es berzi (gekürzt von bersile), woraus verzi, verzino wurde ; p. 180.
Heyd II, 587 ff.
*) Chart, n no. 487 ist für : remanent in Januam sportalace zu lesen : re- -^1
manet . . . sporta lace. Leon. Pis. 180. al
«*) Flückiger 470 und 363; im übrigen ist für die in Betracht kommenden
Handelsartikel Suppl. I bei Heyd 11, 554 ff. zu vergleichen. Für Muskatnuß : War-
burg 33 ff.
8) Lib. Jur. I no. 66. Wiesner 11, 261 irrt also, wenn er meint, daß die Baum-
wolle im Mittelalter nicht unter den Handelsprodukten Ägyptens erscheine.
'') Heyd H, 632. Benj. von Tud. I, 158; 11, 222. Auch in dem (allerdings
jüngeren) Tarif von Narbonne begegnet Flachs von Alexandrien. Mouynes p. 4.
i
I
Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen in Syrien und Ägypten. 165
2 Lasten Pfeffer 28 Kantär Flachs (de lino) übermitteln; und Leonardo
Pisano setzt den Einkaufspreis des Flachses auf dem Markt zu Alexandrien
mit rund 20 Byz. für den Kantär an. ^) 3. Alaun, den die abendländische
Textil- und Lederindustrie in Mengen verbrauchte, der aber auch bei Malern
und Vergoldern Verwendung fand. 2) Er wurde in Ober-Ägypten, nach
Burkhard 6 Tagereisen von der Kaufmannstadt von Kairo entfernt in den
Bergen der Wüste, und in Nubien gewonnen; Makrizi erzählt, daß Saladin
in Suez ein Fort habe erbauen lassen zur Sicherung der von Said (d. h.
der weiten Provinz, zu der Assuan, Kus usw. gehörten) herführenden Straße,
auf der der Alaun in das Land der Franken (das fränkische Syrien) trans-
portiert zu werden pflegte. Die Gewinnung des Alaun war Regal ^) ; ein
Neffe Saladins, Omar, hatte einen Genuesen Ruggerone mit der Vertreibung
von Alaun im Abendlande betraut, der 1175 von den mit Genua im Kriege
befindlichen Pisanern gefangen wurde; über die Herkunft der Ware unter-
richtet, nahmen sie den Alaun in gesonderte Verwahrung und haben jeden-
falls der an sie gerichteten Reklamation des Sultans und seines Neffen
stattgegeben. 4) Auch sonst haben wir den ägyptischen Alaun als Import-
artikel für Genua schon in zwei Fällen erwähnt; auch die 8 sportae Alaun,
die Rainaldus Strugnon vor Antritt seiner Handelsreise nach dem Gharb
zusammen mit 7 sportae und 2V3 Kantär Pfeffer in Genua zur Übergabe
an seinen Bevollmächtigten Angelerius deponierte, sind jedenfalls von ihm
kurz vorher aus Ägypten eingeführt worden. 0)
Wenn die genuesischen Notariatsakten des Johannes uns so zahlreiche
Nachrichten für die Einfuhr aus Ägypten und nur so dürftige Notizen für
die Ausfuhr dahin bieten, wenn sie ferner über die Einfuhr aus Syrien gar
nichts enthalten, während sie für die Ausfuhr dahin uns doch mancherlei
bringen, so ist das schwerlich zufällig; vielmehr scheint es, daß die Kauf-
leute der genuesischen Schiffskarawanen in dieser Zeit überwiegend Ex-
portartikel für Syrien mit sich geführt, diese in Syrien umgesetzt und sich
dann in Ägypten mit den begehrten Gewürzen, Spezereien und sonstigen
Waren des Orients versorgt haben.
117. Doch schon vermittelten die Kaufleute Italiens nicht nur
den Warenverkehr zwischen ihrer Heimat und der Levante ; vielmehr
führten sie die Waren namentlich des ägyptischen Marktes in leb-
haftem Zwischenhandel auch anderen Ländern zu und exportierten
dafür Waren aus diesen.
Für die Länder des griechischen Reiches waren namentlich die Vene-
zianer, die ja in Konstantinopel eine sehr starke Kolonie hatten, in dieser
Richtung tätig. Im Jahre 1131 übergab Colomannus Bembo in Tyrus zu-
^) Baracchi XX (1880), p. 54. (Urkunde aus Konstantinopel vom August 1188.)
Leon, Pis. 180 ; dazu 94.
*) Heyd 11, 567. Alumen Egiptii und Alexandrinum auch in der alten tech-
nischen Abhandlung des Ms. von Lucca ; Murat. Antiqu. II, 378, 881 und öfter.
') Burkhard von Straßburg bei Arnold von Lüb., SS. XXI, 238. Makrizi VEI,
539 f. (mit Unrecht bezweifelt der Übersetzer Blochet p. 540 A. 1, daß es sich um
Alaun handelt). Nach arabischen Quellen verkaufte die Regierung im Jahre 1192
rund 13000 Kantär Alaun (I74 Million kg.). Sauvaire H., Matäriaux im Journal
asiatique, ser. 8, vol. 4 (Paris 1884), p. 263 ; dazu 266.
*) Amari Dipl. no. 8 u. 9, p. 262 f. Röhricht Reg. no 508 (zu 1173). Heyd I, 399.
*) Chart, n no. 1321 (22/9 1163); dazu 1319 u. 1320.
\QQ Dreizehntes Kapitel.
sammen mit 30 guten sarazenischen Goidbyzantien dem Marinus Michael ein
Quantum Zimt, das er in Konstantinopel zu verkaufen hatte ; nach erfolgtem
Verkauf hatte Michael seinerseits die Hälfte der nunmehr in Geld festge-«!
stellten Einlage Bembos zuzulegen und das so formierte Gesellschaftskapital ■"
für den zweiten Teil seiner Geschäftsreise, die ihn von Konstantinopel oder
einem anderen Orte der Romania nach Jerusalem führen sollte, zu ver-
werten. In Jerusalem sollte der Gesellschaftsvertrag erlöschen ; Michael hatte
Kapital und Gewinnanteil Bembos ev. ein Jahr lang aufzubewahren, bis er
den Eigentümer- oder seinen Bevollmächtigten traf. In der Tat hat Bembo
einen Bevollmächtigten mit der Einziehung des Betrages in Syrien beauf-
tragt; doch kam Michael vor Ablauf der Zeit, im Juli 1132 nach Venedig,
traf Bembo hier und rechnete persönlich mit ihm ab.i)
Weit mehr Fälle dieser Art kennen wir für den Verkehr mit Ägypten.
Das Schiff, das der nauclerus Vitale Navigajoso 1119 nach Damiette führte,
sollte auf der Rückreise über Konstantinopel fahren. 2) In Konstantinopel
nahm Pietro Corner im Dezember 1158 bei dem späteren Dogen Sebastiano
Ziani- durch Vermittlung seines Bruders Stefano ein Seedarlehn von 100
alten vollwichtigen Goldhyperpern für eine beliebige Handelsfahrt auf, indem
er versprach, mit der im nächsten September fälligen Schiffskarawane von
Konstantinopel oder Alexandrien aus nach Venedig zurückzukehren und
das Darlehn mit 25 7o Seezins binnen 30 Tagen nach Ankunft jener Schiffs-
karawane zu erstatten, oder, falls er noch nicht zurückkehrte, mit dieser
Karawane entsprechende Sendung zu machen. ^) Ebenfalls in KonstantinopelÄ|
hat Romano Mairano im Juli 1167 ein Seedarlehn von 200 Goldhyperpern*
für eine Handelsfahrt über Kitro nach Alexandrien und direkt zurück (in
prima mudua) aufgenommen. Doch erstattete er das Darlehn unter ent-
sprechender Reduktion des Seezinses schon im November in Alexandrien
zurück, da er und sein Schiffspartner Domenico Jacobe übereingekommen
waren, das Reiseziel insofern zu verändern, als sie auf der Rückfahrt erst
in Almiro Station machen und dann erst (in illa prima mudua) nach Kon-
stantinopel gehen wollten. 4) Und in Konstantinopel ist auch im Mäi-z 1161
die Quittung des uns als Vicecomes von Accon bekannt gewordenen Gio-
vanni Bono für Filippo Daiboles von Malamocco ausgestellt, wonach dieser
in Begleitung eines Sohnes Giovannis dessen Waren und Kapitalien glück-
lich von Alexandrien nach Venedig geschafft und genaue Rechnung gelegt
hatte. 5)
Diese zufällig erhaltenen Einzelurkunden sind sprechende Beweise eines
sehr lebendigen Verkehrs; den von Venedig nach Alexandrien gehenden
Schiffskarawanen pflegten sich die aus Konstantinopel und anderen Häfen
des griechischen Reiches kommenden venezianischen Schiffe anzuschließen
und ebenso den ersten Teil der Rückreise gemeinsam mit ihnen zurück-
zulegen. 6) Auch in den genuesischen Kontrakten des Notulariums des Jo-
I
») Sacerdoti 24 f.
2) N. Arch. ven. 19 (1900), 71 f.
») Baracchi VII (1874), p. 366.
*) Die beiden darüber in Alexandrien von dem Presbyter und Notar Dome-
nico Grottulo aufgenommenen Urkunden bei Sacerdoti p. 29 f.
») Baracchi VIII (1874) p. 134. Zwei weitere venez. Urkunden aus Konstan-
tinopel über diesen Verkehr mit Ägypten (ib. XX [1880], p. 54 f., 57) beziehen sich
auf die Zeit unmittelbar vor dem Eingreifen Venedigs in den 3. Kreuzzug.
6) Sacerdoti 29 f.
Handelstätigkeit der .Mitteliiicer-Romauen in Syrien und Ägypten. 1(37
hannes wird mehrfach die Fortsetzung von Handelsreisen, die nach Kon-
stantinopel gerichtet waren, nach Alexandrien in Aussicht genommen i), und
der berühmte pisanische Mathematiker Leonardo, der seine Aufgaben dem
praktischen Leben entlehnt, läßt von zwei Personen, die in Konstantinopel
einen Sozietäts vertrag schlössen, die eine des Handels wegen nach Alexan-
drien gehen, dort 5 Jahre und 70 Tage verweilen und jährlich einen Gewinn
von 20 Prozent erzielen — darnach dürfen wir annehmen, daß auch die starke
Kolonie, die die Pisaner damals in Konstantinopel hatten, das ägyptische
Geschäft nicht vernachlässigte. Der Mastix, den derselbe Schriftsteller auf
dem Markt von Alexandrien erwähnt 2), gehört sicher zu den Waren, die
von diesen italienischen Kaufleuten aus dem griechischen Reiche eingeführt
wurden, da er so gut wie ausschließlich von Chios kam. Aus den griechischen
Häfen konnte man aber auch den Export verdächtiger Waren nach Ägypten
ungenierter betreiben als von den heimischen aus; die griechischen Behör-
den konfiszierten einmal ein genuesisches, mit Schiffsbauholz beladenes Fahr-
zeug (gattus), weil der Eigentümer desselben Jonathas de Campo einen Brief
des in Konstantinopel weilenden ägyptischen Gesandten nach Alexandrien
mitgenommen hatte 3), was die Griechen als Durchsteckerei betrachteten.
118. Sehr bemerkenswert für den Aufschwung des Handels der
Romanen im Mittelmeer ist auch, daß wir sie sogar für die Vermitte-
lung des Verkehrs zwischen der Levante und den sarazenischen Län-
dern des Westens tätig finden.
In einem für die Fahrt nach Syrien geschlossenen genuesischen Kon-
trakte wird dem Reisenden für die Rückkehr die Wahl zwischen direkter
Heimreise, Fahrt über Ägypten, Fahrt über Bugia oder endlich Fahrt über
Alexandrien und Bugia gelassen. 4) Ein andermal wird die Fortsetzung der
zunächst nach Ägypten gehenden Handelsfahrt nach Bugia oder dem ara-
bischen Spanien in Aussicht genommen, während ein drittes Mal außerdem
noch Ceuta oder ein anderer Ort des Gharb als zulässige Zielpunkte be-
zeichnet werden und in einem vierten Falle bestimmt wird, daß die Handels-
reise von Alexandrien aus westwärts nicht über Bugia und Barcelona hinaus
ausgedehnt werden dürfe. Auch in umgekehrter Richtung, und zwar von
Valencia aus, sehen wir einmal ein genuesisches Schiff die Handelsfahrt nach
Alexandrien fortsetzen. S)
Ganz besonders lebhaft aber war der Zwischenhandel, den die
Genuesen zwischen der Levante und der südfranzösischen Küste
trieben.
Mehrfach lassen die Kontrakte im Notularium des Johannes, wenn
sie sich überhaupt über die Rückreise aussprechen, die Wahl zwischen Ge-
nua und Südfrankreich. So wird in einem Gesellschaftsvertrage von 1161
gestattet, bei der Rückreise von Syrien oder Alexandrien aus zuerst nach
der Provence und dann erst nach Genua zu gehen ß) ; in anderen Fällen
>) Chart, n no. 888, 996, 1111.
2) Leon. Pis. 274 u. 119. Über diesen Artikel Heyd II, 633 ff.
^) Ersatzforderung in der Instruktion für den genues. Gesandten Grimaldi
1174 : Bertolotto p. 400 ff.
*) Chart. II no. 484.
») No. 969, 1487, 923; 302.
«) Ebd. 1113, 1108.
168 Dreizehntes Kapitel. Handelstätigkeit der Mittelmeer-Romanen.
wieder wird für die Rückkehr von Alexandrien aus die Wahl zwischen den
Zielen Genua und der Provence gelassen, i) Wenn zwei Galeeren, die die
Pisaner im Jahre 1174 nach der Provence schickten, ein von Alexandrien
zurückkehrendes genuesisches Kauffahrteischiff kaperten, so ist wenigstens
wahrscheinlich, daß auch dieses Schiff der Küste von Südfrankreich zu-
strebte, geradeso wie der Genuese Ruggerone, der mit seinem ägyptischen
Alaun im folgenden Jahre ebenfalls an der Küste der Provence den Pisanern
in die Hände fiel.^) Andere Verträge weisen auf den durch Genuesen aus
Südfrankreich betriebenen Export nach der Levante hin. Eine zwischen
Guilelmus Filardus und Ugo Mallonus im Winter 1159/60 abgeschlossene
Handelsgesellschaft entsendet den Sohn des letzteren, Ribaldus, mit einem
Gesellschaftskapital von 777 1. jan. (gegen 18000=^), zunächst nach Saint-
Gilles und ermächtigt ihn, die Geschäftsreise von hier nach Sizilien, Ägypten
oder Syrien unter beliebiger Kombination der einzelnen Reisen fortzusetzen ;
bis Johanni 1162 muß er zur endgültigen Abrechnung nach Genua zurück-
gekehrt sein.^) Ein in Genua naturalisierter Lucchese, Obertus, hat mit
Baldezon Ususmaris eine Handelsgesellschaft geschlossen, deren Kapital am
2. August 1164 auf 950,1. jan. (gegen 22 000=^) berechnet wird; mit Waren
im Gesamtwert von 710 1., die teils aus der Provence, teils aus Genua expor-
tiert wurden, tritt Obertus mit der bevorstehenden Herbstfahrt die Handels-
reise nach Syrien an.*) Daß auch die Pisaner an diesem Zwischenhandel
lebhaft beteiligt waren, geht schon daraus hervor, daß selbst der Pilger-
transport von Barcelona aus zum Teil in ihrer Hand lag.ß) Auf diesem Ge-
biete machten auch Johanniter und Templer den Genuesen eine- empfind-
liche Konkurrenz; mit Rücksicht auf die Kirche mußten sie hier auch den
ßüdfranzösischen Städten etwas freiere Hand lassen, als es ihrer sonstigen
Politik entsprach.
119. Von einem Geldhandel der Romanen in SjTien und Ägypten
hören wir in dieser Zeit noch wenig.
Daß das Wechslergeschäft, das schon während des ersten Kreuzzuges
selbst erwähnt wird, auch in den Kreuzfahrerstaaten seine Rolle spielte 6),
bedarf keiner besonderen Beweisführung; ein cambiator Lambertus, schon
1129 erwähnt, befindet sich 1163 sogar unter den Jurati von Jerusalem.'^)
In einem genuesischen Kontrakt vom Juli 1160 muß sich der Empfänger
einer Commenda für seine nach Alexandrien gerichtete und dann nach
eigenem Ermessen fortzusetzende Fahrt verpflichten, das ihm anvertraute
Geld nicht auf Zinsen (in usuris) auszuleihen s), und im folgenden Jahre
sehen wir einen nach Syrien reisenden Genuesen seinen Gesellschaftern
gegenüber die Verpflichtung übernehmen, mit dem Gesellschaftskapital nicht
Wucher zu treiben, es nicht auf Kriegs- (d. h. Kaper-)schiffe auszuleihen und
1) Ebd 431, 969, 1067, 1113; s. auch unten §368.
*) Ann. pis. SS. XIX, 266. Oben § 116.
») Chart, n no. 792 und 822 (2. November 1159 u. 18. Januar 1160).
*) Ib. no. 1473.
») Unten § 421.
') Anordnung Adhemars von Puy , des päpstlichen Legaten, während der Be-
lagerung von Antiochien (Albertus Aqu. 1. m, 57): ut nullus in pondere aut men-
sura, nee in auri vel argenti cambitione, nee in alicuius rei mutatione aut negotio
confratrem christianum circumveniret.
^) Delaville le Roulx I no. 84 u. 312, p. 225. Prutz, Kulturgesch. 556.
8) Chart. II no. 923.
Vierzehntes Kapitel. Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187. 169
sich mit den überseeischen Machthabern in keine Geldgeschäfte einzulassen i)
— ein Beweis gerade, daß solche häufig mit Verpfändung heimischen Be-
sitzes verbundene Anleihen bei italienischen Geldgebern im Heiligen Lande
schon damals keine Seltenheit gewesen sein können. So wissen wir auch
von dem griechischen Prinzen Alexius, dem nachmaligen Kaiser Alexius III.,
daß pisanische Kaufleute ihm eine größere Summe Geldes vorstreckten, als
ihn der Graf von Tripolis festhielt ; und auch Andronikos hat bei pisanischen
Kaufleuten in Jerusalem Geld entliehen. 2)
Vierzehntes Kapitel.
Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187.
120. Der Überfall einer ägyptischen Handelskarawane durch
Rainald von Chätillon, den Kastellan von Krak, brachte die schon
seit längerer Zeit zwischen Islam und Christenheit im Morgenlande
bestehende Spannung zur Entladung; doch hat der Sturm, der mit
der saladinischen Invasion und dem folgenden großen Kreuzzuge
über die Kreuzfahrerstaaten dahinbrauste, die Stellung der abend-
ländischen Handelsnationen in Syrien nur vorübergehend zu erschüttern
vermocht; ja gerade er hat dazu beigetragen, ihre Wichtigkeit für
die Erhaltung derselben nur noch deutlicher hervortreten zu lassen,
ihre Macht gegenüber den Landesregierungen zu steigern und einen
mächtigen Aufschwung gerade des syrischen Handels hervorzurufen,
während die Bedeutung des ägyptischen für die romanischen Handels-
nationen gegen früher etwas zurücktrat. ~Ganz besonders macht sich
dieser Aufschwung bei den Pisanern bemerkbar. Nicht zum
mindesten ihr Verdienst war es, daß von allen Städten des König-
reichs Jerusalem wenigstens Tyrus den Angriffen Saladins standhielt.
Hierher hatte sich Graf Raimund von TripoHs nach der unglücklichen
Schlacht bei Hattin geflüchtet und als Stellvertreter des in der Schlacht gefan-
genen Königs Guido den Pisanern, um sie zu tapferer Verteidigung zu spornen,
ein reichhaltiges Privileg für Tyrus ausgestellt. Als er dann auf die Kunde
von der Einnahme Beiruts durch Saladin die Stadt verlassen hatte und die
Leitung der Verteidigung mit der Ankunft des energischen Konrad von
Montferrat auf diesen übergegangen war, bestätigte dieser das Privileg Rai-
munds und fügte seinerseits (Oktober 1187) neue Verleihungen, auch für
Accon und Joppe, die er mit Hilfe der Pisaner zurückzuerobern hoffte,
hinzu. 3) Die Privilegien bezogen sich in allen drei Städten auf eine wesent-
liche Erweiterung ihres Besitzes an Häusern, die in der Nähe des Hafens
') Ebd. no. 1106; non facturus inde baratam usure cum aliqua potestatum
transmarinaram neque in galeis prestare; no. 1107; non fenerari neque facere ba-
ratam cum aliqua potestatum ultra maris nee in galeis mutuare.
*) Müller Doc. p. 40. Heyd 1, 230. Während der Belagerung Accons auf dem
3. Kreuzzuge hatten die >e8cambiatore.s« ihre Stände in der Nähe der Pisaner.
Radulf de Diceto; SS. XXVH, 279.
') Müller p. 26 ff. Röhricht, Reg. p. 177 f.
170 Vierzehntes Kapitel.
und ihres Fondaco lagen, an Badeöfen, Bädern und Casalien. Dazu er-
hielten sie für alle drei Seestädte die Erlaubnis, eigene Maße und Gewichte
zu führen, sowie das Recht, Landsleute am Hafenzoll (ad cathenam), an
den Stadttoren und im könighchen Bazar (funda) anzustellen, die darauf
zu sehen hatten, daß kein Beamter che Pisaner oder ihre Waren zur Ver-
zollung oder irgendwelchen Abgaben heranzog oder sich sonst Übergritfe
gegen sie erlaubte. Außer von Hafenabgaben sollten die in den pisanischen
Quartieren wohnenden Pisaner auch von jeder anderen Landessteuer befreit
bleiben, und die außerhalb des pisanischen Immunitätsbezirkes (extra hono-
rem Pisani Comunis) wohnenden Pisaner (burgenses) durften auch nur zu
einer im unmittelbaren Interesse der betreffenden Stadtgemeinde auferlegten
Abgabe (talia) herangezogen werden. Mit der selbständigen Leitung der
Kolonien und Ausübung der Jurisdiktion sollten sie Konsuln oder Vize-
comites betrauen dürfen i); ihre Gerichtsbarkeit über Pisaner und alle, die
sich zur pisanischen Nationalität bekannten, war nur insofern beschränkt,
als schwere Verbrechen gegen Nichtpisaner und Lehnrechtssachen vor das
Forum der königlichen Gerichte gehörten.
Es waren also in der Tat sehr wesentliche eigene Interessen, für die
die streitbaren Bürger Pisas mit rühmenswerter Entschlossenheit und Nach-
haltigkeit eintraten. Besondere Energie legte bei der Verteidigung der Stadt
eine Vereinigung an den Tag, die sich damals unter den Pisanern bildete,
die Kompagnie der Roten, societas Vermiliorum, wie sie sich offenbar mit
Beziehung auf das Purpurbanner ihrer Vaterstadt nannte. Konrad von
Montferrat rühmt die unablässigen Anstrengungen, die sie während der
Belagerung, zugleich unter Aufwendung großer Geldmittel, auf sich ge-
nommen, und aus anderer Quelle Avissen wir, daß die Pisaner damals schon
glückliche Streifzüge zur See nach Accon unternahmen und einmal auch
zwei reichbeladene feindliche Schiffe kaperten. 2) Am vorletzten Tage des
Jahres 1187 hob Saladin die Belagerung von Tyrus auf, im Mai des folgen-
den gewährte Konrad jener pisanischen Gesellschaft über die Privilegien
ihrer Vaterstadt hinaus eine Reihe besonderer Verleihungen. '^)
In Tyrus schenkte er ihr einen Backofen in der Johannesstraße mit
Zubehör und 11 Casalien im Gebiet der Stadt zu freiem Eigentum mit der
Erlaubnis, die Schenkung beliebig unter die Mitglieder der Gesellschaft
teilen zu dürfen, in Accon, dessen Belagerung durch König Guido von
Lusignan im August begann, während Konrad sich erst im folgenden Monat
zur Teilnahme an derselben bestimmen ließ, das ganze Terrain zwischen
dem königlichen Bazar und dem Tor des Joffredo Torto mit allen darauf
befindlichen Baulichkeiten einschließlich der Peterskirche, dazu Besitzungen
außerhalb der Stadt und eine Jahresrente von 2000 Byzantien, die auf die
Einkünfte des königlichen Seezollamtes und des Bazars in Accon angewiesen
wurden.
12 L An der Belagerung von Accon, die sich bekanntlich bis zum
Juli 1191 hinzog, hatten die Pisaner einen ganz hervorragenden Anteil. Am
6. April 1189 traf ihre Flotte, 52 Schiffe stark, von Erzbischof Ubald geführt,
den Papst Clemens III., nachdem ihm die Versöhnung der Pisaner und
*) . . . do et concedo eis consolaturu et vicecomitatum pro regenda curia et
eorum honore.
«) Röhricht, Jerusalem S. 468. Heyd I, 311.
3) Müller 33 f.
Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187. 171
Genuesen gelungen, zu seinem Legaten ernannt hatte, mit zahlreichen tos-
kanischen Kreuzfahrern in Tyrus eini); ihre Kriegsmaschinen und großen
Belagerungstürme waren wie die der Genuesen, ein Gegenstand des Staunens
für die Christen und des Schreckens für die Feinde, und Bewunderung
erregte ihr kühner, wenn auch zunächst noch erfolgloser Sturm auf den im
Meere stehenden, den Hafen beherrschenden Fliegenturm.2) Während der
langen Belagerung 3) entzweiten sie sich mit Konrad ; schon im November 1188
hatten sie sich die von Konrad ausgestellten Privilegien (mit völlig gleichem
Wortlaut), offenbar um sicher zu gehen, von König Guido erneuern lassen •*);
am 3. März 1191 wurden ihre Differenzen mit Konrad, der seit seiner Ver-
mählung mit Elisabeth, König Amalrichs Tochter, offen als Bewerber
um die Krone auftrat, durch einen Schiedspruch beigelegt s), demzufolge
Konrad im Schlosse zu Tyrus den Konsuln der Pisaner in Tyrus, Guelfus
und Mathensis, ihre Besitzungen daselbst wie alle seine früheren Schenkungen
bestätigte. Als die Könige von Frankreich (April 1191) und England (Juni)
angekommen waren und bald genug in Zwistigkeiten gerieten, hielten sie
es mit König Richard, den sie auch finanziell kräftig unterstützten 6) ; kein
Zweifel, daß nach dem Fall Accons im JuH die ihnen gemachten Ver-
sprechungen wenigstens zum größten Teile verwirklicht worden sind; im
Oktober erwirkten sie eine ausdrückliche Bestätigung ihrer Privilegien durch
den engHschen König, dem sie den Treueid geleistet hatten.^) Mit König
Guido standen sie damals in engster Verbindung; in einer seiner in Accon
ausgestellten Urkunden treten die drei Konsuln der Pisaner von Accon:
Bartholomäus de Tegrimo, Selletus und Petrus de Falconio, als Zeugen
auf (10. Februar 1192) 8), in einer Zeit, wo sie mit den Genuesen in Accon
einen blutigen Kampf bestanden und sogar einmal Accon selbst 3 Tage lang
gegen Konrad und seine Verbündeten zu verteidigen hatten, bis Richard
Löwenherz die Eintracht wieder herstellte. 9) So hätte die Ermordung
Konrads durch einen Assassinen (28. April 1192) als ein Vorteil für sie er-
scheinen können; doch führte sie gerade eine Verschlechterung ihrer Lage
1) Daß die Florentiner damals mit eigenem Geschwader nach dem Morgen-
lande gesegelt, wie Davidsohn •!, 588 für glaubwürdig hält, wird dadurch, daß sie
bei der Belagerung als eigenes Kontingent auftraten, nicht gestützt; wir können
nur annehmen, daß sie auf gemieteten pisanischen Schiffen mit pisanischer Be-
satzung hinübergefahren sind.
*) Vgl. hierüber besonders die Stellen bei Ambroise, einem Teilnehmer an
dem Kreuzzuge auf engüscher Seite; v. 2737 ff., 8771 ff., 5025 ff.
2) Daß pisanische und genuesische Unternehmer sich die Gelegenheit zunutze
machten, die von ihnen zugeführten Lebensmittel und Bekleidungsgegenstände an
die Belagerer für schweres Geld zu verkaufen (Itinerar. ßic, p. 114), sei nur neben-
bei erwähnt, ebenso die Baisse, die durch die unvermutete Ankunft eines Getreide-
schiffes hervorgerufen wurde. Besondere Befriedigung erregte es, als einem pisani-
schen Aufkäufer von Getreide seine Vorräte verbrannten. Ambroise v. 4475 f., 4501.
*) Müller p. 86 f. Für das weitere vgl. Eöhricht, Jerusalem 507 f., 523 f.,
548, 563.
») Müller 39 Dal Borgo p. 112. Heyd I, 333.
6) Urkunden bei Geraud H., Le Comte-Eveque in Bibl. de l'Ecole, s^rie I, t. V
(1843), p. 36. Blancmesnil p. 118 f., 252; dazu Papa d'Amico p 351, 361 usw. Unten
§310.
7) Müller p. 58 u. 94. Röhricht, Jerusalem 566. Gesta Ricardi, SS. XXVII, 127.
8) Röhricht Reg. no. 701. Einer derselben ist auch im Februar 1194 consul
Pisanorum Acconensium ib. no. 710 (mit der Namensform Silet).
^) Röhricht, Jerusalem 610. Schilderung bei Ambroise v. 8177 f., 8191 ff.
172 Vierzehntes Kapitel.
dadurch herbei, daß Richard sich dem von den Baronen zum neuen Ober-
haupt des Königreichs erkorenen Heinrich von Champagne, seinem Neffen,
ebenfalls zuwandte, während Guido mit der Insel Cypern abgefunden wurde.
Im Oktober 1192 fuhr Richard heim; am 3. März 1193 starb der große
Gegner der Christen, Saladin; so glaubte der neue König, als er im Mai 1193
auf Ersuchen der Pisaner ihre Privilegien bestätigte i), eine Reihe empfind-
hcher Beschränkungen eintreten lassen zu können. Zwar ihre vollständige
Befreiung vom Ein- und Ausgangszoll an der catena von Accon erkannte
auch er an, im übrigen aber griff er bezüglich ihrer Besitzungen und Rechte
auf die Privilegien Amalrichs und Balduins IV. zurück. Von denjenigen
Pisanern, die seine burgenses waren, verlangte er, daß sie entweder dies
Verhältnis lösten und ihren Grundbesitz dem König überlieferten, worauf
sie dann dieselben Freiheiten genießen sollten wie die übrigen Pisaner, oder
dieselben Leistungen wie seine anderen burgenses übernähmen. Sein Miß-
trauen aber bekundete er besonders durch die Bestimnmng, daß in Tyrus
ein Jahr hindurch höchstens 30 Pisaner zu gleicher Zeit verweilen dürften,
während für jeden Pisaner über diese Zahl hinaus eine besondere königliche
Erlaubnis erforderlich war. Endlich sollten die Pisaner, die nach dem
Heiligen Lande kamen, ihre Konsuln an der Spitze, einen Eid leisten, die
Person des Königs und sein Reich gegen jedermann zu verteidigen.
Bei dem trotzigen Selbstgefühl, das die Pisaner damals erfüllte, ist
es begreiflich, daß nicht wenige unter ihnen sich solchen Beschränkungen
nicht fügen wollten. Feindselige Akte pisanischer Schiffe, gegen die Heinrich
vergebens das Einschreiten der Pisaner von Accon gefordert, veranlaßten ihn
schließlich sogar (1195) zu dem Befehle, alle Pisaner aus Accon zu vertreiben.
Wie weit der Befehl zur Ausführung kam, wissen wir nicht; schwerlich
geschah es ganz freiwillig, daß er sich nach kurzer Zeit, spätes'tens im
Januar 1196, wieder mit den Pisanern versöhnte. 2) Es wirft ein Licht auf
die früheren Vorkommnisse, wenn Heinrich am 19. Oktober 1196 für alle
Pisaner und ihre Habe in seinem ganzen Gebiet einen Sicherheitsbrief aus-
stellte 3), von dieser Sicherheit aber die Pisaner von den Schiffen Aquila
und Imperialis, die im Angesicht des Königs . und allen Volks im Hafen
von Accon Pilger überfallen und mehrere verwundet und getötet hätten,
ausnahm; doch sollten um ihres Verbrechens oder überhaupt um etwaiger
Übeltaten anderer Pisaner willen ihre dem Handelsverkehr lebenden Lands-
leute weder an ihrer Person noch ihrem Eigentum verletzt werden dürfen.
Bezeichnend sind auch die Namen jener Schiffe; sie deuten darauf hin,
daß jene Pisaner sich als Vorkämpfer Kaiser Heinrichs VI. fühlten, der am
31. Mai 1195 in Bari das Kreuz genommen. Im selben Jahre wie den Kaiser
ereilte aber auch den Schützling seines Gegners Richard, Heinrich von
Champagne, ein jäher Tod; er hatte gerade mit den Pisanern wegen Aus-
1) Müller p. 60.
*) Vgl. Heyd I, 316, mit dessen Chronologie ich nicht ganz übereinstimme ;
Röhricht, Jerusalem p. 663. Ann. de Terre Sainte, ed. Röhricht in Arch. Or. lat. II
p. 434 zu 1195. Eine kurze Urkunde über Rückgabe von Backofen und Bad in
Accon an die Pisaner vom Januar 1196 (1195 nach der Zeitrechnung der königlichen
Kanzlei) ist erhalten ; Müller no. 40, p. 65 f.
*) Müller p. 73. Die Urkunde trägt pisanische Datierung. Röhricht, Jeru-
salem 663, Anm. 3, hält sie für unecht, was sicher nicht begründet ist; Heyd I, 316
setzt sie zu 1197, aber im Oktober dieses Jahres lebte Heinrich nicht mehr. Vgl.
jetzt Röhricht Reg. no. 735, Additam. p. 48.
Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187. 173
rüstung einer Flotte verhandelt, als er durch einen Fenstersturz verunglückte
(10. September 1197).i)
122. Nach Heinrichs Tode wurde Amalrich von Cypern, Guidos Sohn,
den Pisanern Avie sein Vater freundlich gesinnt, auch auf den Thron von
Jerusalem erhoben, ein Wechsel, der natürlich für die Pisaner nur günstig
war. Trotz aller Wirren hatte sich ihre Niederlassung in Accon, der neuen
Hauptstadt des Königreichs seit dem Verlust Jerusalems, zur wichtigsten
in Syrien entwickelt; der Konsul, den Pisa hierher entsandte, war zugleich
der oberste Repräsentant der pisanischen Macht für ganz Syrien. In solcher
Stellung erwirkte Simon Foglianelli, dem zwei Pisaner, ein Ritter und ein
Rechtsgelehrter, als socii zur Seite standen, am 20. März 1200 ein Privileg
für Pisa in Antiochien. Neben diesem pisanischen Generalkonsul hatten
aber die Pisaner von Accon, die sich, wohl im Zusammenhange mit jener
Bildung der societas Vermiliorum, zu einer Gemeinschaft, einem comune,
zusammengeschlossen hatten, ihre besonderen selbstgewählten Vorsteher,
die ebenfalls den Konsultitel führten und die besonderen Interessen dieser
Gemeinschaft wahrzunehmen hatten. Diesen Charakter haben wohl schon
jene 3 Konsuln von 1192; besonders klar aber wird dieses Verhältnis da-
durch, daß in demselben Jahre 1200, in dem jener Simon Foglianelli auf-
tritt, die 3 Konsuln der Pisaner von Accon, Guido Pagani, Enrico Magialis
und Ugo Leimattilde, am 12. Oktober einen Vertrag mit Tebald, dem Bischof*
von Accon, und seinem Kapitel abschließen, durch welchen der pisanischen
Peterskirche (einer Schenkung an die Vermilii!) besondere kirchliche Vor-
rechte eingeräumt werden, während die Konsuln sich für sich und ihre
Nachfolger verpflichten, für die Kirche eine Rekognitionsgebühr von jähr-
lich 4, und für das . Grundstück, auf dem sie ihren Turm erbaut hatten,
von jährlich 12 sarazenischen Byzantien an den Bischof zu zahlen. Zahl-
reiche Mitglieder der pisanischen Gemeinde in Accon, unter ihnen auch
zwei Ärzte und zwei Richter und Notare, unterzeichneten als Zeugen den
Vertrag. 2)
123. Neben den Pisanern erwarben sich die Genuesen in der
Zeit der größten Bedrängnis durch Saladin hervorragende Verdienste
um das Heilige Land.
Der Fall Accons im Sommer 1187 hatte auch viele Genuesen zur
Flucht nach Tyrus veranlaßt, die sich nun zur Verteidigung dieses letzten
Bollwerks des Königreichs anschickten ; um sie darin zu bestärken, verliehen
ihnen die im Palast des Erzbischofs unter Leitung des Grafen Raimund
versammelten Barone schon Ende Juli ein Privileg 3), das für sie und ihre
Waren beim Betreten und Verlassen von Tyrus zu Wasser und zu Lande
volle Abgabenfreiheit gewährte und ihnen mehrer^ Häuserkomplexe mit
Marktplatz und Fleischbank sowie freie Gerichtsbarkeit in Tyrus einräumte,
Verleihungen, die eine geschlossene, größere Niederlassung der Genuesen in
Tyrus erst begründeten. Mit ähnlichem Ruhm wie die Pisaner haben sie dann
an der Verteidigung der Stadt wie später an der Belagerung von Accon sich
beteiligt; im Jahre 1189 entsandten sie eine Flotte unter dem Konsul des
*) Röhricht, Jerusalem 671. Im Abendlande lief ein Gerücht um, die Pisaner
hätten ihn ermordet : Ann. Salisb. additam., M. G. SS. XrH, p. 240.
*) Abweichend Heyd I, 333. Die Urkunden bei Müller p. 80, 82.
3) Lib. Jur. I no. 363. Heyd I, 311.
174 Vierzehntes Kapitel.
Comune Guido Spinola nach dem Heiligen Lande, der im nächsten Jahre
eine zweite mit zahlreichen Pilgern und Rittern unter den Konsuln Simon
Ventus und Morinus, dem Sohne des Rodoanus de Platea longa, folgte, i)
Im Sommer dieses Jahres passierten auch der englische und der französische
König Genua, wo Philipp August vom 1. bis 24. August verweilte; schon
im Februar hatte er mit ihnen einen Passagevertrag schließen lassen, den
er nunmehr ratifizierte, wonach Genua sich verpflichtete, ihn mit seinen
650 Rittern, 1300 Schildknappen und ebensoviel Pferden mit Proviant auf 8,
Wein auf 4 Monate gegen Zahlung von 5850 Mark feinen Silbers (etwa
358000 M.) nach dem Heiligen Lande überzusetzen, während der König
ihnen Handelsfreiheiten in allen zu erobernden Gebieten zusicherte und
versprach, daß sie nur unter ihren eigenen vicecomites stehen und nur
vor diesen den Klägern anderer Nationalität Recht zu geben gehalten sein
sollten. 2)
Obwohl schon die Ausführung dieses Vertrages die Genuesen der
französischen Partei zuwies-'^) und sie es auch .mehr mit Philipp August und
Konrad hielten, hüteten sie sich doch vorsichtig und geschickt, es mit
Richard und Guido ganz zu verderben. Konrad von Montferrat, seit dem
Vertrage mit Guido vom Ende Februar 1190 als Herr von Tyrus, Sidon
und Beirut anerkannt, bestätigte am 11. April den Genuesen die Verleihungen
Raimunds für Tyrus und fügte noch Besitz an Häusern und Mühlen, 1/3 der
Hafeneinkünfte und Abgabenfreiheit für den Gebrauch der öffenthchen
Wagen und Maße in Tyrus hinzu. Wenig später, am 4. Mai, verlieh ihnen
Guido vor Accon ein Privileg für die zu erobernde Stadt ; hier konnte es sich
nur um Bestätigung ihres früheren reichen Besitzes handeln; ausdrücklich
und besonders sicherte der König ihnen auch volle Abgabenfreiheit in Accon
zu. 4) Da Guido dies Privileg auf Ersuchen König Richards, der damals die
Genuesen für einen Zug gegen Ägypten zu gewinnen hoffte, nach der Erobe-
rung der Stadt ausdrücklich erneuerte 0), so kann an ihrer Wiedereinweisung
in Accon kein Zweifel bestehen ; nach heftigem Kampfe freilich erst vertrugen
sie sich hier mit den Pisanern, mit denen vereint sie dann den englischen
König, so lange er noch in Palästina weilte (bis 9. Oktober 1192), eifrig
unterstützt haben. Dagegen konnte das Privileg, das sich die Genuesen von
Konrad im April 1192 ausstellen ließen ß), mit seinen reichen Verleihungen
für Accon, Joppe, Askalon und Jerusalem, also für lauter Orte, die er nicht
besaß, und der Erlaubnis, jene Inschrift an der Grabeskirche von Jerusalem
wiederherzustellen, um so weniger eine praktische Bedeutung gewinnen, als
Konrad noch im selben Monat ermordet wurde. Der von Richard zum
neuen Beherrscher des Königreichs Jerusalem bestimmte Heinrich von Cham-
pagne hat sich dann (auch noch im Jahre 1192) damit begnügt, den Genuesen
unter Anerkennung ihrer Tapferkeit im heiligen Kriege das Privileg Konrads
für Tyrus vom Jahre 1190 zu bestätigen'^); in einem Punkte aber beschränkte
^) Ann. genovesi II, p. 32 f., 36.
^) Lib. Jur. I no. 372, 384. Die entsprechenden Zusagen Genuas haben Bel-
grano und Imperiale neuerdings in ihrer Ausgabe des Ottobonus (ann. genovesi II,
p. 31, not. 1) verölfentücht. Manfroni 280.
*) Vielfach treten sie vor Accon als Geldgeber für französische Ritter auf :
Blancmesnil p. 137 f., 408. Papa d'Amico p. 201, 344 ff , 356, 361 f.
^) Lib. Jur. I no. 374/5.
*) Ib. no. 392 »in exercitu Joppe«, 26. Oktober 1191.
6) Ib. no. 401.
^) Ib. no. 405.
Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187. 175
er die abgabenfreie Ein- und Ausfuhr ihrer Waren in Tyrus: alle aus sara-
zenischen Ländern von Genuesen in Tyrus eingeführten Waren sollten beim
Verkauf daselbst die üblichen Gebühren tragen müssen. Dabei sollte es
keinerlei Unterschied machen, ob sie zur See von Ägypten und dem übrigen
Nord- Afrika her oder einem von den Sarazenen besetzten Gebiete des grie-
chischen Reiches oder endlich zu Lande nach Tyrus importiert wurden ; —
ein wichtiges Zeugnis für den ausgedehnten Zwischenhandel, den, wie wir
gesehen haben, die Genuesen damals trieben. Etwas freigebiger erwies sich
Heinrich dann während seines Streites mit den Pisanern, indem er im Sep-
tember 1195 zu Händen des genuesischen Admirals Gafforio den Genuesen
ein Privileg ausstellte i), das ihnen unter Bestätigung ihrer früheren Be-
sitzungen und Rechte die dauernde Immunität für ihre ruga s. Laurentii
in Accon zusicherte und ihnen die Erbauung eines festen Turmes daselbst
und die Vollendung der begonnenen Lorenzkirche in Tyrus erlaubte.
124. Auch Genua ist in dieser Zeit der Wiederherstellung dazu über-
gegangen, ein Generalkonsulat in Syrien zu errichten.
In den kritischen Tagen, als nur Tyrus sich behauptete, ist Guilelmus
Piperata als consul et vicecomes Januensium Tyri nachgewiesen (Ende Juli
1187). Für 1189 und 1190 haben wir gesehen, daß Genua mit seinen Flotten
heimische Konsuln, consules de comuni, deputierte 2), die natürlich in Syrien
für alle Genuesen die höchste Autorität darstellten und im Namen Genuas
handelten. Als besonderer überseeischer Konsul Genuas für Syrien aber
tritt uns zuerst im April 1192 Guilelmus Ricius^) mit dem Titel: »Januen-
sium consul in Syria« entgegen, zu dessen Händen Konrad von Montf errat,
Herr von Tyrus, den Genuesen ein Privileg verleiht. Jedenfalls kehrte er
mit der im Sommer fälligen Schiffskarawane nach Genua zurück; so be-
gegnen wir noch im selben Jahre in dem Privileg Heinrichs von Champagne
anderen und nunmehr zwei genuesischen Konsuln : Nicolaus Cartofigus und
Ugo Lercarius^); seitdem hat auf lange Zeit hinaus Genua das System be-
folgt, mit der Oberleitung seiner Handelsniederlassungen in Syrien zwei
Männer zu betrauen, die, wie es scheint, zunächst wenigstens in Tyrus ihren
Amtssitz hatten. Im Dezember 1203 haben Lambertus Fornarius und Bel-
mustus Lercarius in dieser Stellung ein Privileg für die Genuesen in Tri-
polis erwirkt; im Sommer 1204 sind sie auf der Rückreise nach Genua
nachzuweisen.^)
So gingen Pisaner und Genuesen aus dieser Zeit der Wirren in
ihrer Handels- und Machtstellung in Syrien befestigt und gestärkt
hervor. Sie hatten eine gewaltige Enerf^ie bewiesen, in dem klaren
Bewußtsein, daß für ihren Levantehandel geradezu alles auf dem
Spiele stand. Denn gerade damals war der Weltmarkt von Konstan-
») Ib. no. 410.
*) Irrtümlich sieht Heyd I, p. 332 den Morinus als überseeischen Konsul an,
.wahrscheinlich getäuscht durch das Schreiben König Richards vom 11. Oktober 1191
(Lil). Jur. I no. 381), der von ihm sagt: qui consul vester fuit.in partibus Surie,
während ihn Guido zutreffend als consul de comuni bezeichnet (ib. no. 392), Die
genuesischen Annalen entheben uns bezüglich seiner Stellung jedes Zweifels.
3) Ib. no. 401.
«) Ib. no. 405.
*) Röhricht in Mitt. des Ost. Inst. XH (1891), S. 489 ; ann. genov. U, 92, wo
sie durch einen Lapsus als Konsuln von Alexandria bezeichnet sind; s. Heyd I,
414 1
176 Vierzehntes Kapitel.
tinopel für sie verschlossen oder doch nur unter den ungünstigsten
Umständen zu benutzen^); nun waren sie in Gefahr gewesen, auch
die Stützpunkte ihres Handels in Syrien zu verlieren. Begreiflich,
daß sie sich dagegen mit äußerster Kraft wehrten.
125. Ganz anders war die Lage der Venezianer.
Sie hatten ihren Frieden mit Byzanz gemacht, waren mit ihrer Wieder-
einrichtung vollauf beschäftigt und zogen aus dem griechischen Handel, den
sie gerade damals fast ohne Wettbewerb betreiben konnten, den reichsten
Gewinn. Dazu kam noch, daß Byzanz damals mit Ägypten in bestem Ein-
vernehmen lebte. So ist es sehr begreiflich, daß sich die Venezianer in
dieser Zeit in Syrien sehr zurückhielten. 2) Im Jahre 1189 entsandten aller-
dings auch sie eine Flotte zur Belagerung von Accon; während derselben
erteilte Konrad von Montferrat ihren Gesandten Domenico Contarini und
Giovanni Morosini im Einverständnis mit König Philipp August am 7. Mai
1191 ein Privileg, dessen Inhalt sich indessen auf eine Bestätigung des Pri-
vilegium Warmundi und ihrer bisherigen Rechte beschränkte. 3) In der Tat
waren ja ihre alten Vorrechte auch groß genug. Zum Teil scheint ihre
Zurückhaltung auch mit dem kirchlichen Streit zusammenzuhängen, in den
sie damals an dem Hauptort ihrer Besitzungen verwickelt wurden. Dem
Erzbischof von Tyrus erschienen die kirchlichen Vorrechte ihrer Markus-
kirche als eine Beeinträchtigung seiner Prärogative; seinem entschiedenen
Vorgehen gegenüber appellierten die Venezianer an den Papst und erreichten
von Clemens III. (1189 — 1191) und seinem Nachfolger Cölestin III. wenig-
stens soviel, daß dem Erzbischof aufgetragen wurde, die Markuskirche zu-
nächst bis zur Wiedergewinnung von Jerusalem bei ihren Vorrechten zu
belassen. Der Kirchenstreit, auf dessen Einzelheiten hier nicht eingegangen
werden kann, wurde mit äußerster Hartnäckigkeit Jahrzehnte hindurch fort-
geführt; hier sei nur die Episode aus dem Jahre 1199 hervorgehoben, die
uns den venezianischen plebanus selber, Domenico Rambaldo, der anfäng-
lich seiner Pflicht, die Vorrechte seiner Kirche zu verteidigen, getreu nach-
gekommen war, als Überläufer zum Erzbischof zeigt, so daß der vom Dogen
zum vicecomes in terra Tyri bestellte Domenico Acotanto sich genötigt sah,
gegen ihn einzuschreiten. Bei diesem Vorhandensein eines besonderen staat-
hchen Vicecomes in Tyrus werden wir anzunehmen haben, daß die Ver-
pachtung des venezianischen Drittels in Tyrus an die Markuskirche nun
doch nicht mehr bestand. *) Um diese Zeit (Ende des 12. oder Anfang des
13. Jahrhunderts) ist auch Venedig dem Beispiele Pisas und Genuas gefolgt
und hat in der Hauptstadt des Königreichs, Accon, einen Generalkonsul für
ganz Syrien bestellt, dem es zum Unterschiede von den Vicecomites für die
einzelnen Orte den Titel Bailo beilegte. 0)
') Unten § 191 und 193.
*) Heyd I, 314.
') Tafel und Thomas I, 213 f
*) Bulle Innozenz' III. vom 5. April 1200 , auch für die früheren Vorgänge :
ib. p. 282. Bulle Cölestins vom 5. August 1196 bei von Pflugk-Hartung : Acta pon-
tif. ined. III, 400. Bericht Acotantos, nach seiner Rückkehr nach Venedig im Feb-
ruar 1200 notariell aufgenommen : Baracchi XXII (1881), p. 325 f. (Statt ind. Xm
ist m zu lesen.) Vgl. ferner Tafel u. Thomas I, 424, II, 26; Röhricht Reg. no. 881,
887, 893, 910, 916 f. Schmeidler 43 f.
») Geht aus der Denkschrift Zorzis hervor ; Tafel und Thomas II, 387 If . Vgl.
Heyd I, 331.
n
Der Wiederaufbau nach der Katastrophe von 1187. 177
126. Das unteritalische Königreich Avar dem hl. Landeinseiner
Bedrängnis mit einer starken Flotte unter Admiral Margarito zu Hilfe ge-
eilt 1) ; aber bei den Wirren, die der Tod Wilhelms II. hervorrief, zog nur
das kleine Amalfi kommerzielle Vorteile daraus, wie das Privileg zeigt, das
König Guido wegen der guten Dienste, die sie der Christenheit erwiesen,
den Amalfitanern am 10. April 1190 vor Accon ausstellen ließ. 2) Allen Ein-
wohnern des Gebietes von Amalfi, aus welchem Lande sie auch kämen, und
allen ihren Schiffen, großen wie kleinen und Küstenfahrzeugen, wird darin
volle Freiheit von jeglichen Handels-, Hafen- und Schiffahrtsabgaben in
Accon zugestanden; wie die Venezianer, Pisaner und Genuesen sollen sie
ihren eigenen Gerichtshof mit Vicecomes und Konsuln aus ihrer Nationalität
haben dürfen; nach Eroberung der Stadt soll ihnen zu diesem Zwecke ein
Haus zur Verfügung gestellt werden.
127. Die in Tyrus weilenden Südfranzosen treten uns in der Stunde
der Gefahr, als diese Stadt fast den einzigen Überrest des Königreichs Je-
rusalem bildete, zu korporativer Einheit zusammengeschlossen entgegen. Im
Einverständnis mit dem Erzbischof von Caesarea und den Rittern und Bür-
gern von Tyrus verlieh Konrad von Montf errat im Oktober 1187 den vier
Kommunen der freien Bürger von Marseille und Barcelona und der bur-
genses von Saint-Gilles und Montpellier und allen, die sich zu diesen Kom-
munen hielten, ein Privileg 2), das von ihren sechs namentlich genannten
Konsuln und ihrem gemeinsamen Vicecomes, Petrus de Mezoaco, entgegen-
genommen wurde. Sie erhielten darin Befreiung von allen Ein- und Aus-
gangszöllen, speziell von der terciaria (der Pilgerabgabe), für Tyrus und Ge-
biet, das Recht, sich eigener Maße und Gewichte zu. bedienen, Aufhebung
des Strandrechts zu ihren Gunsten, Selbstverwaltung und eigene Gerichts-
barkeit (mit Ausschluß der Verbrechen gegen Person und Eigentum) unter
selbstgewählten Vicecomites und Konsuln (concedo eis vicecomitatum et
consulatum in Tyro per regendam curiam et eorum honores); außerdem
wurde ihnen ein Grundstück in der Stadt, ein Backofen und ein Casale als
Geschenk überwiesen. Ich halte es für wahrscheinlich, daß dieser interes-
sante Zusammenschluß der proven9alischen4) Kommunen in Tyrus nicht aus
älterer Zeit herrührt, sondern eben erst in dieser Zeit der Bedrängnis, als
Flüchtlinge von aUen Seiten nach Tyrus strömten, erfolgt ist. Erst dadurch
wuchsen die Provengalen hier zu einer größeren Zahl an und erst durch
den Zusammenschluß bedeuteten sie etwas für die Verteidigung der Stadt
und vermochten, ähnhch wie Pisaner und Genuesen, die Umstände zur Er-
langung besonderer Vorteile auszunutzen. Als Organ der Gesamtheit als
solcher ist wohl nur der gemeinsame Vicecomes anzusehen, dem als sein
1) Röhricht, Jerusalem 477. Manfroni 278 f.
») Camera I, 201. Heyd I, 314.
') Möry et Guindon I, 190. Für »qui pred. communium nostram cen-,
senturc, was die Herausgeber zu einer ganz falschen Übersetzung veranlaßt hat;
ist natürlich nomine zu lesen. Röhricht Reg. p. 178 bezeichnet irrig alle 6 Kon-
suln als Konsuln von Saint-Gilles. Die Unterscheidung von cives (weiterhin auch
scapuli genannt) und burgenses beruht darauf, daß Marseille und Barcelona als
freie Städte galten, während die anderen unmittelbar unter fürstlicher Landeshoheit
standen. Für das Privileg selbst vgl. noch Heyd I, 320, 334 ; Marchand 99, 109 (wo
indessen irrtümlich die scapuli als Ritter betrachtet werden).
*) Entspricht dem damaligen Sprachgebrauch: >per omnes Provincialium par-
tes a Massilia usque Barchinoniam«. Germain, commerce I, 180.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 12
178 Fünfzehntes Kapitel.
Beirat die Konsuln als die besonderen Vorsteher der vier Sonderkommunen
zur Seite standen.
Ob die Samtgemeinde der Provengalen in Tyrus längere Zeit fortbe-
standen hat, entzieht sich unserer Kenntnis; Ausdehnung auf die in der
Folge zurückeroberten Seestädte hat diese Vereinigung jedenfalls nicht er-
langt. Für Accon erwirkten sich die Marseiller noch während der Belage-
rung der Stadt im Jahre 1190 von König Guido ein besonderes Privileg i),
in dem ihnen zum Dank für ihre Dienste Wiedereinsetzung in den früheren
Stand, vollständige Freiheit von Handels- und Schiffahrtsabgaben in Accon
und im ganzen Königreich, sowie eigene Gerichtsbarkeit mit Ausschluß der
Kriminal verbrechen verheißen wurde; Vicecomes und Konsuln sollten sie
sich aus ihrer eigenen Mitte wählen dürfen. Dabei ist es für die mindere
Wertschätzung der Marseiller und ihren geringeren Einfluß im Vergleich mit
den Italienern bezeichnend, daß der Vicecomes der Marseiller dem Könige
den Treueid zu schwören und vor ihm den Amtseid (quod secundum terrae
consuetudinem Curiae vestrae causas judicabit et discernet) abzulegen hatte.
Dagegen ließen sich die Marseiller vom Könige die Zusicherung geben, daß,
falls er den Bewohnern von Montpellier oder Saint-Gilles in irgendwelcher
Beziehung eine größere Freiheit oder ein größeres Recht zugestehen würde,
dieses Zugeständnis auch für sie Geltung haben sollte. Doch haben wir
von Privilegien, die diesen beiden Städten von Languedoc in dieser Periode
eingeräumt wären, keine Kenntnis; und nur von Marseille wissen wir, daß
Ouidos Nachfolger, König Amalrich von Jerusalem und Cypern, im Oktober
1198 seine Privilegien im Königreich Jerusalem bestätigt hat. 2)
Fünfzelmtes Kapitel.
Weiterentwickelung des Handels der Mittelmeer-
Komanen mit Ägypten.
128. Nur für kurze Zeit scheint der dritte Kreuzzug einen
völligen Abbruch der Handelsbeziehungen zwischen der abendländischen
Christenheit und Ägypten herbeigeführt zu haben. Der von König
Kichard am 2. Sept. 1192 mit Saladin auf drei Jahre abgeschlossene
Waffenstillstand, der u. a. dem Warenverkehr zu Lande Tributfreiheit
zusicherte^), mochte auch zur Wiederaufnahme des Seehandels mit
Ägypten ermutigen.
Noch während des Krieges hat im selben Jahre ein venezianisches
Schiff eine Gesandtschaft Saladins nach Konstantinopel überführen wollen;
doch wurde es in den rhodischen Gewässern von genuesischen und pisani-
ßchen Korsaren überfallen, die die ägyptischen und die mit ihnen zurück-
1) Möry et Guindon I, 194. Eöhricht Reg. p. 186. Datum 25. Oktober; bei
Papon II preuves no. 25: 24. April. Marchand p. 30 und 109. de Guignes in
M^m. de l'Acad. R. des Inscr. XXXVn (Paris 1774), p. 515.
i") Heyd I, 319 u. 364 hat den Irrtum von Mery et Guindon (I, 186), die dies
Privileg zu 1186 ansetzen wollten, schon richtig gestellt. Röhricht Reg. p. 199.
3) Ambroise v. 11790.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Komanen mit Ägypten. 179
kehrenden griechischen Gesandten töteten und sich die mitgeführten reichen
Geschenke als gute Beute aneigneten, i)
Die strenge kirchliche Auffassung freilich betrachtete die Christen-
heit als in dauerndem Kriegszustande gegen die Sarazenen befindlich;
ihr Ideal war das Aufhören jeder Handelsverbindung mit Ägypten.
Doch auch die Kurie überzeugte sich von der Unmöglichkeit, dies
Ideal in die Praxis umzusetzen ; auf die dringenden Vorstellungen der
venezianischen Gesandten, Andrea Donato und Benedetto Grilion,
gestattete Innozenz III. am 3. Dezember 1198 mit Rücksicht auf die
schwere Schädigung, die Venedig sonst erleiden würde, den Handel
mit Ägypten mit Ausnahme der schon vom 3. Laterankonzil ver-
botenen Waren, als welche nunmehr Eisen, Nägel, Waffen, Werg,
Pech, Taue, Galeeren sowie Schiffe überhaupt und jegliche Art von
Holz spezifiziert wurden, ^j
Der Umstand, daß die Venezianer an der Ablenkung des vierten
Kreuzzuges von Ägypten einen erheblichen Anteil hatten, mußte
ihrem Handel mit diesem Lande besonders förderlich sein.
Im Juni 1207 sehen wir den Venezianer Domenico Gradenigo Vor-
bereitungen zu einer Handelsreise auf dem Schiff Christiana nach Ägypten
treffen, von der er mit der nächsten Früh Jahrskarawane (ad muduam pasche)
zurückgekehrt ist 3); gerade zu dieser Zeit, März 1208, hat Sultan Adil I.
in einem Schreiben an Venedig seine Bereitwilligkeit ausgesprochen, den
Wünschen der Gesandten Marino Dandolo und Pietro Michael, die im Jahre
vorher zu ihm gekommen waren, bezüglich gewisser an der Duane erhobener
Gebühren"*) und der Einräumung eines zweiten Fondaco in Alexandrien zu
entsprechen ; auch eine Anzahl Gefangener ließ er frei und schenkte den Ge-
sandten ein Quantum des kostbaren Balsams. Streitigkeiten untereinander
sollten die Venezianer in eigener Kurie erledigen dürfen ; im übrigen wurde
ihnen gerechteste Behandlung durch den für sie zuständigen Gerichtshof,
das Seezollamt von Alexandrien, zugesichert. Um einen Hauptanlaß zu
Differenzen zu beseitigen, war den Kaufleuten von Alexandrien untersagt,
einem Venezianer etwas ohne Unterpfand zu borgen ; im übrigen wurde der
Grundsatz aufgestellt, daß immer nur der Schuldner selbst belangt werden
dürfe. °) Auch später fanden gelegentliche Beschwerden der Venezianer
über die Zollämter in Alexandrien und Kairo, die sie durch einen ihrer
Dolmetscher (turcimanus) als Bevollmächtigten des Dogen erheben ließen,
wohlwollende Berücksichtigung. 6)
129. Pisa scheint die früher so engen Beziehungen zu Ägypten
erst spät wieder angeknüpft zu haben.
Auf das Vorhandensein eines feindlichen Verhältnisses deutet es,
wenn die tunesische Regierung die Versicherung abgibt, daß die durch
») Bertolotto p. 452 f., 459 f., 462. Müller 66.
2) Tafel u. Thomas I, 234 f. Heyd I, 387. Manfroni 311.
3) Sacerdoti 39.
*) . . . de cuflfo et arso ; nach Amari Dipl. p. 468 für Verifikation und Be-
wachung der AVaren.
6) Tafel u. Thomas II, 185 f., 188 f. (Die Datierung von Heyd I, 402 ff. richtig
gestellt). Mas Latrie, Traites, Supi)l. p. 70 f.
8) Schreiben vom 17. März 1217 (?). Tafel u. Thomas II, 191 ff. Heyd I, 404.
12»
180 Fünfzehntes Kapitel.
einen pisanischen Überfall im August 1200 im Hafen von Tunis geschädigten
Sarazenen mit Ausnahme einer einzigen Person von geringem Besitz nicht
aus Ägypten gewesen seien, i) Erst zur Zeit, als Gherardo Cortevecchia
Podestä von Pisa war (1206/07), schickte Pisa den Marzuccus Teperti zum
Abschluß eines Friedensvertrages nach Ägypten; außer um Freilassung der
Gefangenen sollte er um Rückgabe der Nikolaikirche, des Fondaco, der \^^age
und des Bades, sowie überhaupt alles dessen, was die Pisaner seit alter Zeit
in Alexandrien besessen hätten, ersuchen ; auf ein vom Sultan etwa gefordertes
Versprechen aber, Holz, Eisen, Pech, Werg oder Waffen nach Ägypten zu
exportieren, sollte er sich unter keinen Umständen einlassen ; die pisanische
Regierung nahm also jetzt doch eine ganz andere Haltung ein als früher.
Immerhin erreichte der Gesandte soviel, daß der Sultan den pisanischen
Kaufleuten Sicherheit und Einsetzung in ihre alten Rechte und Gewohn-
heiten versprach. 2) Auch ein Mandat des Sultans betreffend Herstellung
ihres Fondaco gehört wohl in diese Zeit, in die auch die im pisanischen
Gesetzbuch enthaltene Verpflichtung des Podestä^) am besten zu passen
scheint, die designierten Verwalter der Fondachi (fundacarii) in den sara-
zenischen Ländern vor ihrer Abreise darauf zu vereiden, daß sie in den
Fondachi keine Bordelle oder Kneipen unterhalten und keinen Weinhandel
treiben würden. ■*) Gewalttaten, die in Alexandrien an Pisanern, selbst in
ihrer eigenen Kirche, verübt wurden, veranlaß ten die Pisaner im Frühjahr
1215, eine neue Gesandtschaft unter Führung des Stadtkonsuls Ranuccius
Benedicti de Vernaccio nach Ägypten zu schicken. 0) Das Privileg, das er
außer der Freilassung der Gefangenen erwirkte, enthielt von neuen Ver-
günstigungen die Außerkraftsetzung des Strandrechts zu ihren Gunsten, die
Erlaubnis, an der Duane einen eigenen Schreiber zu halten und das Recht,
in Fällen, wo sie sich von den Behörden ungerecht behandelt glaubten, an
den Statthalter in Alexandrien und in letzter Instanz an den Sultan selbst
zu appellieren. Die Zölle wurden auf 16% fixiert (wahrscheinlich hatten
sie vorher das quintum zahlen müssen, während das Privileg Saladins von
1173 nur 12% festgesetzt hatte); selbst Edelmetalle wurden jetzt mit 10%
verzollt und nur die zum eigenen Gebrauch eingeführten Lebens- mid Ge-
nußmittel durften zollfrei eingehen.
130. Für den genuesisch -ägyptischen Handelsverkehr haben
wir eine ziemlich große Anzahl einzelner Nachrichten, die seine rasche
I Wiederaufnahme und ungeschwächte Fortdauer beweisen.
^) Amari dipl., p. 44.
2) Ib. 280 1, 283. Die Stelle des Vertrages (p. 283): >consulibus Pisanorum
Pisis detur securitas etc.« scheint darauf hinzudeuten, daß es auch pisanische Kon-
suln in Ägypten gab ; die ägyptische Regierung würde dann ihre Bestellung als
Privatangelegenheit der Pisaner aufgefaßt haben. Wahrscheinlich wird es dadurch,
daß genuesische Konsuln in Alexandrien für diese Zeit bezeugt sind.
8) Ib. 290. Constit. Usus bei Bonaini H, 1001.
*) In diese Zeit gehört wohl auch die an denselben Herrscher (reg. 1200 bis
1218) gerichtete Bittschrift einiger pisanischer und venezianischer Kaufleute, sowie
je eines Kaufmanns aus Beirut und Kreta, die von Beirut mit einer Warenladung,
die sie in Cypern vervollständigt hatten, nach Alexandrien gekommen waren und
unter dem Vorwande, daß sie aus Cypern seien, über ein Jahr lang zurückgehalten
wurden, während ihr Schiff verfaulte und ihre Waren größtenteils verdarben. Amari
dipl. p. 70.
s) Sein Kreditiv vom 29. März 1215; Amari dipl. p. 81, 284 f. Heyd I, 413.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Komanen mit Ägypten. 181
Schon 1194 sehen wir wieder ein genuesisches Schiff in Betätigung
des uns schon bekannten Zwischenhandels von Ceuta nach Ägypten fahren, i)
Beim Regierungsantritt des Sultans Almelik Aladil (1200) schickten die
Genuesen eine Gesandtschaft unter Fulco de Castello mit Geschenken im
Wert von 500 1. jan. (gegen 11000 M.) nach Ägypten; der Sultan versprach
ihm die erbetene Rückgabe von Gefangenen, hielt sein Versprechen aber
schließlich nicht. Fünf Jahre später ging Gull. Spinola als Gesandter an
den Sultan und muß es verstanden haben, sich seine besondere Gunst zu
erwerben, denn als er 1208 Stadtkonsul war, erging an ihn die Aufforde-
rung des Sultans, an seinen Hof zu kommen, der er auf Beschluß seiner
Kollegen und der Ratsherren auch Folge leistete.'^) Von den Ergebnissen
seiner Reisen freilich erfahren wir nichts. Dagegen wissen wir, daß in
Alexandrien damals ein genuesisches Konsulat mit derselben Organisation
wie in Accon bestand; 1203 wurde es von dem jüngeren Belmustus Ler-
carius^) zusammen mit Ogerius de Insulis verwaltet; im Sommer 1204 sehen
wir sie auf derselben Flotte wie ihre in Syrien abgelösten Kollegen auf der
Heimfahrt nach Genua.^) Die Einrichtung der gemeinsamen Handelsfahrten
nach Syrien und Ägypten bestand also wie früher fort; 1209 und 1213
sandte man wegen des Kriegs mit Pisa den aus beiden Ländern zurück-
kehrenden Karawanen Kriegsschiffe zur Bedeckung entgegen.^) Aus dem
Jahre 1212 erfahren wir einmal zufällig von der Anwesenheit eines Negers
aus Alexandrien, namens Niger, in Genua; ein Beweis, daß dem Verkehr
der Romanen nach Ägypten hin der Gegenstrom doch nicht völlig fehlte. 6)
131. Lebhaft genug hatte sich also der Handelsverkehr der
Italiener mit Ägypten wieder gestaltet; auf 3000 wird die Zahl der
1215/16 in Alexandrien weilenden fränkischen Kaufleute angegeben.^)
Zehnmal im Jahre pflegte Sultan Almelik Aladil die Konsuln der
christlichen Handelsnationen zu empfangen und ihre Wünsche und
Klagen entgegenzunehmen.^) Aber die Gefahr, die Ägypten bei Be-
ginn dieser Regierung gedroht hatte, erneuerte sich am Ende der-
selben.
Niemals hatte Innozenz III. den Gedanken des Kreuzzugs gegen Ägypten
aufgegeben. Als er die Zeit für gekommen hielt, die Christenheit zu einem
neuen großen Kreuzzuge aufzurufen, erklärte er in einem Schreiben an alle
Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten vom 19. April 1213 einfach jede Art
der Handelsverbindung von Kommunen oder einzelnen Kaufleuten mit den
Sarazenen bei Strafe des Bannes für verboten. 9) Die gleichzeitig angekündigte
Bekanntmachung dieses allgemeinen Verbots in den Seestädten hat indessen
jedenfalls nicht stattgefunden; denn nach dem großen Laterankonzil von
*) Ann. genov. IL, 49.
») Ann. genov. II, 79, 97, 107. Hej'd I, 415.
») Am 21. September 1201 hat ihm Sibylle, die Gemahlin des älteren W. Em-
briaco, 100 1. jan. für eine Handelsreise nach Ägypten anvertraut. Doneaud 76,
not. 21.
*) Ann. genov. II, 92.
») Ib. 112, 126.
«) Ib. 123.
') Amari p. LV.
8) Rycc. de S. Germano, SS. XIX, 336. Heyd I, 411.
») Potth. no. 4706 ff. Röhricht, Studien 4.
182 Fünfzehntes Kapitel.
1215 begnügte sich der Papst damit, auf Grund seiner Beschlüsse jede Art
des Schiffsverkehrs mit Ägypten auf 4 Jahre zu untersagen und im übrigen
das für bestimmte Waren bestehende Handelsverbot einzuschärfen, i) Aber
auch das mußte natürlich wie eine Kriegserklärung wirken, zumal die Kreuz-
fahrer sich schon am 1. Juni 1216 in Brindisi und Messina sammeln sollten,
und es kann nicht weiter wundernehmen, daß der Sultan in dieser Zeit
einmal sämtliche fränkischen Kaufleute in Alexandrien gefangen setzen und
ihre Waren mit Beschlag belegen ließ. 2)
Doch erst unter Honorius III. konnte nach umfassenden Vor-
bereitungen der Kreuzzug selbst unternommen werden; im Mai 1218
begann die Belagerung der zweiten Seestadt Ägyptens, Damiette,
unter hervorragender Beteiligung der kriegerischen Bürger der italie-
nischen Seestädte, während viele ihrer Kaufleute, besonders die
Genuesen, gleichzeitig den französischen Kreuzfahrern gegenüber,
selbstverständlich unter Ausbedingung großer Vorteile, als die Helfer
in schweren finanziellen Nöten fungierten. ^) Endlich, am 5. November
1219, kam es zur Einnahme der Stadt.*) Gewaltige Beute fiel in die
Hand der Sieger^) und jedes Kontingent erhielt einen Anteil an der
eroberten Stadt; nicht nur die Seestädte, auch die italienischen
Binnenstädte ließen sich besondere Bezirke zuweisen, wie uns speziell
für die Lucchesen und Bolognesen, deren Anteil an das venezianische
Quartier anstieß, bekannt ist.^)
Sofort entwickelte sich in der neuen christlichen Besitzung ein
überaus lebhafter Handelsverkehr, den der Papst noch dadurch zu
fördern suchte, daß er die Bischöfe der Seestädte anwies, alle Fahrten
nach Alexandrien zu inhibieren. ') Welcher Vorteil, wenn man die
ägyptischen Waren nun an Ort und Stelle unter den gleichen
günstigen Bedingungen, wie sie bisher die syrischen Kolonien dem
Handel boten, eintauschen konnte! Die Kaufleute drängten sich
förmlich hierher ; mit Schrecken sah man im Heiligen Lande, wie die
Zolleinnahmen von Accon und Tyrus auf das bedenklichste zusammen-
schrumpften und selbst der Pilgerverkehr zurückging.^) Es schien
0 Mansi XXII, 1066. Potth. no. 5012. Röhricht, Studien 6.
2) Im Jahre der Hidschret 612 (1215/16). Amaii 1. c.
') Röhricht, Studien p. 61 no. 12 ff. Blancmesnil p. 17, 134. Papa d'Amico
p. 202, 349 ff. Es ist nur genuesisches Material, das vorliegt; die Gesellschaft des
Luchino Corsali und Jacopo Aspirani tritt besonders hervor, daneben Salvagio
Bioni.
^) Röhricht, Jerusalem 733 ff. Manfroni 367 ff. SS. XXXI: Joh. de Tulbia
p. 690 ; Liber Duelh p. 693. Makrizi IX (1902), 468 f., 480 f.
') Nach einem Bericht aus Bobbio > 500 000 besancios valentesc, also gegen
5 Mill. Mark ; Cipolla im Arch. lomb., ser. 4, I (1904), p. 14.
8) SavioU n, 2, 431 ff. Röhricht, Studien 70 ff. (no. 47—52). Röhricht, Jeru-
salem 739.
^) Pressutti 2693 (11. Sept. 1220).
8) Delaborde : Chartes de Terre Sainte p. 125 (Bibl. des äcoles fr. d'Ath. et de
Rome, fasc. 19; Paris 1880). Heyd I, 405 Anm. 3. Röhricht, Studien p. 49, no. 11.
Gaetaner, die nach Damiette wollten, werden durch widrigen Wind nach Alexan-
drien verschlagen ; Rodenberg I, p. 98 no. 135. Delaville le Roulx 11, no. 1682.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Ägypten. 183
eine Zeitlang, als ob diese neue christliche Handelskolonie am Nil die
alten syrischen gänzlich in den Schatten stellen würde. Aber dieser
Schein ging nur zu rasch vorüber.
Der verfehlte Zug der Kreuzfahrer unter Kardinal Pelagius im Hoch-
sommer 1221 ins Innere führte bald zu der Kapitulation vom 30. August,
in der man , ohne Kenntnis davon , daß eine kaiserliche Hilfsflotte von
40 Schiffen schon in den Nil eingelaufen war, um das Heer vor Vernichtung
zu retten, gegen Auslieferung aller christlichen Gefangenen in Ägypten und
Syrien in die Räumung von Damiette willigte, i) Alles Widerstreben der
schwer enttäuschten italienischen Kaufleute, unter ihnen besonders der
Venezianer, war vergebens 2); nachdem es fast 2 Jahre in den Händen der
Christen gewesen, wurde es den Sarazenen am 8. September 1221 wieder
überliefert; der ägyptische Geier hatte den kaiserlichen Adler vom weißen
Turme Damiettes wieder verjagt. 3)
132. Auch nach diesem schweren Mißerfolge hielten die Päpste an
den Kreuzzugsplänen fest, während der Sultan seine feindliche Gesinnung
durch harte Bedrückung der in Ägypten heimischen Christen zeigte. 4) Ein
fingierter Brief in dem zuerst im März 1225 zu Bologna zur öffentlichen
Verlesung gebrachten Briefsteller des Boncompagnus ^) beleuchtet die Si-
tuation: ein Kaufmann fordert seine Sozii auf, von Alexandrien heimzu-
kehren; schon lange sei er ohne jede Nachricht von ihnen, und sie wüßten
doch wohl, daß Pfeffer, Zimt und alle Arten von Spezereien überhaupt im
Abendlande außerordentlich teuer geworden seien. Die Antwort meldet den
Tod eines der Sozii nach fast einjähriger Krankheit in Alexandrien, wo er
auf dem Friedhofe von San Marco beigesetzt worden sei; zwei Jahre seien
es nun schon her, daß der Sultan wegen der Belagerung von Damiette
den Christen nicht gestatte, Alexandrien zu verlassen; erst jetzt eröffne
sich eine Aussicht dazu. Das würde also spätestens zum Jahre 1223 passen ;
1224 aber sehen wir den Handelsverkehr der Venezianer mit Ägypten schon
wieder in vollem Gange. Nur bemühte sich die venezianische Regierung
jetzt eifrig, die Ausfuhr verbotener Waren nach Ägypten zu verhindern;
die Schiffsführer, die mit solchen Waren an Bord aus einem venezianischen
Hafen auslaufen wollten, mußten schwören, keinen ägyptischen Hafen zu
berühren und eine Kaution von 1000 1. ven. stellen, ß) Als im Frühjahr 1224
Tomm^sino Centranigo auf seiner Rückkehr von Konstantinopel, wo er
Ratsherr gewesen, in Parenzo ein mit Holz beladenes Fahrzeug sah, schöpfte
er Verdacht, daß es nach Ägypten bestimmt sei und ließ den aus Chioggia
stammenden Schiffer mit 5 Mann der Besatzung vereiden, das Holz nicht
nach Ägypten zu führen''); gerade die Chioggioten, für die der Holztrans-
port eine besonders wichtige Einnahmequelle war, waren zu Übertretungen
') Winkelmann I, 152 ff. Makrizi 1. c. 491 ff.
*) Heyd I, 405. Röhricht, Jerusalem 754.
') Worte des Troubadours Peirol. Winkelmann I, 160.
*) Rodenberg I, 162 f. no. 233 : Brief des Patr. von Alex, vom Sommer 1223.
") Quellen und Erörterungen zur bayer. und deutschen Geschichte IX, 1
(München 1863, ed. Rockinger), p. 172 f. Sonderbar, daß der Herausgeber die Un-
möglichkeit des Datums 1215 nicht erkannt hat, zumal der »recitatio« in Bologna
die »dacio< in Padua am 31. März 1226 gefolgt ist.
8) Quelle für das Folgende ist der Liber plegiorum, der mit dem November
1223 beginnt; die betreffenden Bürgschaften setzen mit dem 1. März 1224, also dem
Beginn der Schiffahrtsperiode, ein. No. 68, 93, 95, 104.
') Lib. pleg. p. 49, na. 148.
184 Fünfzehntes Kapitel.
des Verbots besonders geneigt, i) Als der Kreuzzug Kaiser Friedrichs II.
unmittelbar bevorzustehen schien, erließ Venedig (spätestens im Dezember 1225)
ein verschärftes Edikt, das alle ägyptischen Provenienzen einer strengen Unter-
suchung durch eine besondere Kommission daraufhin unterwarf, ob sie nicht
etwa aus dem Erlöse verbotener Waren in Ägypten eingekauft seien 2); im
Februar 1226 wurden dem Domenico Calbo je 2 Körbe Pfeffer und Alaun
im Wert von 600 — ^^650 1. ven. konfisziert, da sich seine Behauptung, er hätte
sie in Venedig vor Erlaß des Edikts gekauft, als unwahr herausstellte;
und genau das Gleiche begegnete dem Michele von Zara, der überführt wurde,
auf dem Schiff Cavalera mit verbotener Ladung nach Ägypten gegangen
zu sein; einem anderen Angeklagten dagegen wurden die beschlagnahmten
2 Kantär 60 rotuli Pfeffer wieder ausgeliefert, da er nachweisen konnte, daß
sie ihm von Pietro, dem Schwiegersohn des venezianischen Fondacajo in
Alexandrien, in Begleichung einer Schuld zugesandt worden seien. 3) Nicht
bekannt ist uns der Ausgang der Untersuchung gegen eine Anzahl Venezianer,
die auf einem apulischen Schiffe '^) Waren aus Alexandrien eingeführt hatten ;
es werden unter diesen Waren aufgeführt 3 Posten Datteln zu 40, 14 und
10 Körben, 7 sehr große Elefantenzähne, 2 Pack Brasilholz, 9 Körbe Alaun,
1 Korb Gummi arabicum, 2 Sack Flachs und 11 Sack AVolle. Auch die
Strafbestimmungen gegen Schiffe, die sich der Ausfuhr verbotener Waren
nach Ägypten schuldig machten, verschärfte man damals wesentlich; die
Schiffe soUten verbrannt und die gesamte Habe auf denselben an diejenigen
verteilt werden, denen ihre Abfassung gelang; entkamen sie, so sollten sie
doch für immer aus dem Machtbereich Venedigs ausgeschlossen sein; im
März 1226 machte der Doge allen überseeischen Behörden von diesem Dekret
Mitteilung. ^) Auf etwas veränderter Grundlage schloß dann am 20. Juli 1226
die Signorie mit Giuliano Acotanto einen Vertrag, wonach er mit seinem
Schiffe S. Savina (36 Mann Besatzung) in der Adria diesseits von Zara
kreuzen sollte, um alle Schiffe zu kapern, die, mit Holz oder anderen ver-
botenen Waren beladen, versuchen sollten nach Ägypten zu fahren ; auch
leere Schiffe durfte er aufbringen, falls die begründete Vermutung bestand,
daß sie verbotene Waren für Alexandrien laden wollten, und so lange fest-
halten, bis die Wahrheit ermittelt war. Der Rumpf der konfiszierten Schiffe
sollte dem Staate zufallen; von der Ladung und Ausrüstung der Schiffe
erhielt er 1/3, Acotanto 2/3; Waffen, Kleider, Geräte, Lebensmittel fielen an
die Mannschaft der Savina. ^) Wir kennen einen Fall, wo Acotaifto das
von ihm aufgebrachte Schiff verbrennen ließ; im Juli 1227 ließ die Signorie
einen der hierdurch Geschädigten, Leonardo Sambo von Chioggia, einen
besonderen Sicherheitseid für Acotanto leisten, in dem er auch versprechen
mußte, andere von irgendwelchen Racheakten gegen Acotanto abzuhalten
oder, falls ihm das nicht möglich, derartige Pläne rechtzeitig zur Kenntnis
1) Ib. no. 284 (1. Juni 1225), 363 (Febr. 1226). Vorläufige Beschlagnahme ver-
dächtiger Schiffe nebst Holzladung, no. 294, 297, 298. Minotto IV, p. 37 (hier han-
delt es sich um eine Holzbarke von Verona).
*) Die Beschlagnahme von Waren ägyptischer Herkunft, weil sie »de calump-
niis« seien, findet sich im Lib pleg. zuerst am 11. Dez. 1225 (no. 338/9); ferner 345
(25. Dez.), 363, 366, 460. Ljubic III, 396 no. 26 (irrig zu 1224).
3) No. 362, 363, 354.
*) Lib. pleg no 469 ff., 491 : nave di Lombardi.
») Tafel und Thomas II, 261. Romanin II, 439.
6) Lib. i^leg. no. 405.
Woiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Ägypten. 185
des Dogen zu bringen, i) Gewiß sprechen alle diese Dinge auf das deutlichste
dafür, wie weitverbreitet und festgewurzelt gerade bei den Venezianern der
Vertrieb jener verbotenen Waren nach Ägypten gewesen sein muß. Ina
Jahre 1228, in dem der Kaiser seine Kreuzfahrt wirklich antrat, scheint
Venedig dann für einige Zeit den Schiffsverkehr mit Ägypten sistiert zu
haben; wenigstens wissen wir, daß am 11. August die Padroni des nach
Syrien gehenden Schiffes San Pietro zur Bürgschaftstellung veranlaßt wurden,
ihr Schiff bis zum nächsten Juli nicht nach Ägypten zu schicken und auch
«inen Verkauf desselben nur mit Genehmigung des dortigen Bailo vorzu-
nehmen 2); Venedig wollte wohl für den Fall von Verwickelungen seine
Kräfte in Syrien zusammenhalten.
133. Als die lange erstrebte Verständigung zwischen dem Kaiser
und dem Sultan El-Kamil gelungen und durch den Vertrag vom
18. Februar 1229 besiegelt war^), war für den Handel mit Ägypten,
obwohl der Vertrag selbst darauf nicht besonders Bezug nahm, eine
neue wertvolle Grundlage geschaffen; auch der Papst hielt, als er
im August des Jahres die Exkommunikation gegen Friedrich II. er-
neuerte, die gleiche Strafe nur gegen diejenigen aufrecht, die den
Ungläubigen Pferde, Waffen, Eisen oder Holz lieferten, mit denen sie
die Christen bekämpfen könnten.'*)
Fortab blieb der Kaiser nicht nur in freundschaftlichem diplo-
matischem Verkehr mit den Beherrschern Ägyptens, sondern be-
teiligte sich auch an dem Handel mit diesem Lande.
Matthäus Paris weiß sogar zu berichten, daß der Kaiser, gestützt auf
sein gutes Verhältnis zum Sultan, seine Handelsagenten bis in das Ursprungs-
land der kostbaren Spezereien, bis nach Indien geschickt habe — eine
Xachricht, die bezeichnend, wenn auch schwerlich annehmbar ist.^) Sicher
ist, daß der Kaiser die Erzeugnisse seines sizilischen Königreichs, nament-
hch Öl, Wein, Honig, Käse, auf eigenen Schiffen auch nach Ägypten zum
Austausch gegen die wertvollen Waren des Orients geschickt hat ; besonderes
Aufsehen erregte bei den Arabern durch ihre Größe »die halbe Welt«, die
mit 300 Mann Besatzung im Anfang der vierziger Jahre nach Ägypten
kam. 6) Von einer Beteiligung der unmittelbaren Untertanen des Kaisers
im sizihschen Königreich an diesem gewinnbringenden Handel hören wir
fast nichts ; nur 1 227 sehen wir einen Kaufmann aus Trani über Waren und
Geldmittel, mit denen er an einer Handelsfahrt nach Ägypten beteiügt war,
letzwillig verfügen. '^)
134. Jetzt zuerst treten uns auch die Südfranzosen in selb-
ständiger Betätigung am ägyptischen Handel entgegen.
*) Ib. no. 554 (zwischen 19. Juli und 3. August 1227). Schon 1225 hatte sich
dieser Sambo verdächtig gemacht; no. 297.
2) No. 637 p. 152. Auch no. 586 (31. Dez. 1227; ^ Minotto IV. p. 46) scheint
darauf hinzudeuten.
3) Winkelmann H, 110 ff. Const. et acta II no. 120 p. 160.
*) Rodenberg I no. 399, p. 320.
») Chron. maj. ed. Luard; Rerum Brit. SS. V, 217.
8) Aman Dipl. p. XXH. Heyd I, 408.
') Forges Davanzati: Diss. sulla seconda moglie del Re Manfredi (Neapel
1791), p. XCIV f. Heyd I, 419.
186 Fünfzehntes Kapitel.
Wenn Gregor IX. am 4. Januar 1228 dem Bischof von Maguelone ge-
stattet , die Leute von Montpellier , die sich wissentlich an verbotenem
Handelsverkehr beteiligt hätten, zu absolvieren, so könnte man noch zweifel-
haft sein, ob darunter auch Handel nach Ägypten zu verstehen sei; unzweifel-
haft wird es dadurch, daß König Jayme 1231 für Montpellier ein Verbot
erließ 1), keine Kontrebande nach Ägypten auszuführen.
In Marseille zahlten nach dem Statut vom 14. Januar 1229 fremde
Kaufleute, die aus Alexandrien kamen, von aller mitgeführten Habe einen
Zoll von 1 Denar von der libra reg. coron., der II/2 ägyptische Byzantien
gleichgerechnet wurden, an das Seezollamt (tabula maris), außerdem aber
an die Kommune von Marseille eine neunmal so hohe Abgabe (6 den. vom
Byzantius = 2^/2 ''/o) vom Werte aller Waren, die sie in Alexandrien ge-
kauft, oder von dem Gelde oder anderen Waren, die sie anderwärts dafür
eingetauscht hatten. 2) Bezieht sich das zunächst nur auf den Zwischen-
handel der Fremden, so wird doch ausdrücklich bemerkt, daß Einheimische
von diesen Abgaben befreit seien. Und in der Tat können wir nachweisen,
daß Marseille den ägyptischen Handel schon seit einiger Zeit pflegte. Darauf
deutet, daß von Marseille aus bei Gelegenheit des Kinderkreuzzuges von
1212 ein großer Teil der unglücklichen Geschöpfe auf den Sklavenmarkt
von Alexandrien verschleppt worden ist^); und im Vertrage vom 24. Juü
1219, den Marseille mit dem Grafen von Ampurias schloß, wird für das
eine Handelsschiff, das der Graf in Marseille stationieren durfte, außer dem
Heiligen Lande ohne Rücksicht auf den damaligen Kreuzzug an erster Stelle
Alexandrien als erlaubtes Reiseziel genannt; indem hinzugefügt wird, daß
die Annahme von Waren usw. genau in derselben Weise wie bei Marseiller
Schiffen erfolgen sollte, wird es völlig unzweifelhaft, daß Marseille selbst
damals in regelmäßigem Schiffsverkehr mit Ägypten stand. 4) Ist doch auch
der Befehl des Papstes vom 11. September 1220, die christlichen Schiffe
vom Besuche Alexandriens abzuhalten, ebenso .an den Bischof von Marseille,
wie an die geistlichen Oberhäupter der Seestädte Italiens gerichtet. »)
Im Frühjahr 1227 ging das MarseiUer Schiff S. Johannes nach Damiette;
wir besitzen einen Kontrakt aus dem April dieses Jahres über den Ankauf
von Wein, der auf diesem Schiffe transportiert werden sollte ; und im selben
Monat sehen wir einen Sarazenen von Alexandrien, Alfaquin, in Marseille
Waren einkaufen, die er nach Ceuta zu exportieren beabsichtigte. ^) Am
6. April 1235 gab Bernardus de Mandolio für eine Handelsreise auf dem
»Falconus« nach Alexandrien 18 ägyptische Goldbyzantien in Commenda ■^),
ein geringer Betrag, wie überhaupt die Handelsbeziehungen der Marseiller
Familie Manduel zu Ägypten weit geringere waren als zu den anderen
sarazenischen Ländern oder zu Syrien. In den Akten des Marseiller Notars
Amalric von 1248 können wir des damaligen Kreuzzugs wegen keine auf
Handelsreisen nach Ägypten bezüglichen Kontrakte zu finden erwarten ; um
*) Germain, commerce I, pieces justif. no. 8 p. 190 ; commune II, 39.
2) Möry et Guindon I, 329 und 333.
*) Röhricht, Kreuzzüge 192.
*) Fagniez I no. 144, p. 126.
5) Pressutti no. 2693.
*) Manduel no. 15 u. 14 bei Blancard I, 18 ff. Die drei anderen Beispiele, die
Marchand 36 A. 2 für einen solchen Verkehr sarazenischer Kaufleute in Marseille
anführt, treffen nicht zu.
') Ib. no. 59, p. 84.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Ägypten. 187
SO bemerkenswerter ist, daß zwei derselben auf den ägyptischen Handel der
letztvergangenen Zeit Bezug nehmen ; am 16. März bescheinigen die Brüder
eines während einer Handelsfahrt nach Ägypten verstorbenen Marseillers
dem \V. de Conchis den Empfang von 10 1. misc, die von einer Commenda
stammten, die der Verstorbene auf der Reise dem Guil. de Aquerio anver-
traut hatte 1), und am 18. März übergibt W. Melgoires dem Hugo Sardus
als dem Vertreter seines Vetters Bertrandus, der ihm seinerzeit für die Handels-
reise nach Ägypten 200 alte Byzantien von Alexandrien anvertraut hatte,
die diesem dafür zustehenden Waren : 44 Stück Sandelholz im Gewicht von
beinahe 21 Ztr. und 36 Unzen Moschus mit den Behältern. 2)
Darnach wird es durchaus zulässig erscheinen, die Existenz eines Mar-
seiller Konsulats in Alexandrien, das die aus der Mitte der 50 er Jahre
stammenden Marseiller Statuten erwähnen 3), auch schon für die Zeit vor
dem Kreuzzuge Ludwigs des Heiügen anzunehmen.
Daß auch die K a t a 1 a n e n in dieser Zeit schon am ägyptischen Handel
beteiligt waren, geht aus der Verordnung König Jaymes vom 12. Oktober
1227 hervor, die jedem seiner Untertanen für sich oder seine Waren die
Benutzung fremder Schiffe für den Verkehr nach oder von Syrien, Ägypten
und Ceuta untersagte, wenn ein bareelonesisches Schiff für seinen Zweck
verfügbar war. *)
1.35. Bei dem besonders guten Verhältnis, in dem die Pisaner
zum Kaiser standen, und ihren alten Beziehungen zu Ägypten ist es
natürhch, daß sie nach wie vor dort gern gesehene Gäste waren.
Häufig brachten sie auf ihren Schiffen auch Kaufleute aus den Binnen-
städten Toscanas mit, die dann ebenfalls als Pisaner galten.
Händler von San Gimignano z. B. vertrieben hier das wertvollste
Produkt ihrer Heimat, den Safran. Einer derselben erklärt im Jahre 1245
daheim vor Gericht, in Alexandrien für die decina Safran zu 25 Pfund
24 schwere Goldbyzantien gelöst zu haben; seine Angabe, daß er an der
Duane 16 ^ Zoll habe zahlen müssen, wird durch einen Kaufmann von
Poggibonzi aus eigener Erfahrung mit der Bemerkung bestätigt, daß alle
Kaufleute, die in Alexandrien unter dem pisanischen Namen Handel trieben 5),
diesen Satz zu zahlen hätten. In der Tat ist das die durch den Vertrag von
1215 festgesetzte Abgabe.
136. Daß Venedig nach kurzer Unterbrechung zur Zeit des
kaiserlichen Kreuzzugs seinen Handel mit Ägypten wieder aufnahm,
geht schon daraus hervor, daß sein Seestatut vom 1. Juni 1229 Lade-
vorschriften für die nach Alexandrien bestimmten Schiffe enthält.^)
*) Amalric no. 15 bei Blancard I, 268.
^) 44 ligna sandali et 36 oncias de musco incameratas cum ampollis. Ib.
no. 48 p. 283,
») M6ry et Guindon n, 205. Fagniez I, p. 177.
• *) Capmany 11 p. 11. Mas Latrie, Traitös p. 279. Heyd I, 326.
*■)... omnes homines qui pro Pisanis negociantur Alexandrie et Pisanos se
vocant et faciunt vocare. Davidsohn, Forsch. 11 p. 295, no. 2305. In einem Ver-
trage zweier Kaufleute von San Gimignano vom Juli 1244 (ib. 298 no. 2308) wird
unter den ev. zu wählenden Reisezielen auch Alexandria genannt. Sienesische und
florent. Geldgeber vor Damiette unten § 281 u. 286.^
8) Stat. marittimi ed. PredelU im N. Arch. ven., n. s., IV (1902), p. 275 rub. 27,
188 Fünfzehntes Kapitel.'
Im Jahre 1232 war eine venezianische Gesandtschaft bei El-Kamil^);
und als dieser 1238 starb , schlössen die venezianischen Gesandten
Romeo Quirini und Jacopo Barocio mit dem neuen Herrscher Adil II.
im November, zur selben Zeit als Venedig durch sein Bündnis mit
Genua entschieden vom Kaiser abrückte, einen wichtigen Vertrag.^)
Er zuerst ist in die Form einzelner Capitula gekleidet, die die von
den Venezianern aufgestellten Wünsche und die Zustimmung des
Sultans zu denselben, zuweilen mit Ergänzungen oder Beschränkun-
gen, enthalten; insofern liegt in ihm die älteste der sog. Kapitula-
tionen vor.
Zum erstenmal wird hier direkt vom venezianischen Konsul gesprochen,
dem die Justiz nicht bloß bei Streitigkeiten unter Venezianern, sondern
auch bei solchen zwischen Venezianern und anderen Christen zustehen
sollte, während für ihre Streitigkeiten mit Sarazenen die Landesgerichte zu-
ständig blieben. Beschwerden über erlittenes Unrecht durfte jeder Venezianer
dem Sultan persönlich vortragen. In Nachlaßsachen war der letztwilligen
Verfügung gemäß zu verfahren; fehlte eine solche, so sollten der Konsul,
oder wo ein solcher nicht vorhanden, die ortsanwesenden Venezianer den
Nachlaß zur Zustellung an die Hinterbliebenen in Verwahrung nehmen.
Für Übeltaten venezianischer Korsaren an Sarazenen sollte kein anderer
Venezianer belangt werden dürfen ; doch versprach der Doge, das Auslaufen
von Korsarenschiffen gegen die Sarazenen von Ägypten aufs strengste zu
untersagen. Auch das Strandrecht durfte gegen Venezianer nicht ange-
wandt werden.
Die Verwalter der beiden Fondachi waren von der Kopfsteuer be-
freit; sie durften die Fondachi ganz nach eigenem Ermessen öffnen und
schließen (doch war ihr Schluß während des Freitagsgebets Bedingung) und
überhaupt innerhalb derselben nach ihrem Belieben schalten; auch durften
die Kaufleute in üblicher Weise im Fondaco ihren Wein haben. Notwen-
dige Reparaturen an den Gebäuden fielen, wie herkömmlich, dem Sultan
zur Last. An der Duane war den Venezianern ein Schreiber (scribanus)
zur Aufsicht über ihre Waren bewilligt. Von Käufen, bei denen die Vene-
zianer ein Angeld (aras super merces) gegeben, durfte der Verkäufer nicht
mehr zurücktreten; Streitigkeiten darüber gehörten vor die Landesgerichte.
Kirche und Bad, die den Venezianern eingeräumt waren, durften auch nur
von ihnen, nicht von anderen Christen benutzt werden. Auf Ansuchen
der Gesandten Leonardo Gradonigo und Giovanni Premarini wurde dies
grundlegende Privileg im März 1244 von dem Nachfolger AdilsII. vollinhaltlich
bestätigt. ^)
137. Auch die kleinen Seeplätze der Adria nahmen am Handels-
verkehr mit Ägypten teil. Das geht schon daraus hervor, daß im Jahre
1224 mehrere Ragusaner vor dem Dogen in Venedig schwören mußten,
mit ihrem Fahrzeug (panzono), das offenbar im Venezianischen Holz ge-
laden hatte oder laden sollte, Ägypten nicht zu berühren 4); und . in
den Verträgen Ragusas mit Venedig von 1232 und 1236 wurde der Zoll,
'■) Röhricht, Jerusalem 796.
«) Tafel und Thomas II, 336 ff. Mas Latrie, Traites, Suppl. p. 72 f. •
8) Ib. 416 f. und 76 f.
") Lib. pleg. no. 160.
AVeiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Ägypten. 189
den die Ragusaner beim Import von Waren aus Ägypten nach Venedig zu
zahlen hatten, auf 20% festgesetzt, i)
Daß die Anco n itaner den Handel mit Ägypten wie früher schon
pflegten, wird uns durch das lebhafte Eintreten Gregors IX. bei El-Kamil
im Jahre 1231 zugunsten der Kaufleute von Ancona, die der Sultan in
Alexandria aller Habe hatte berauben und einkerkern lassen, bekannt ; doch
sind wir weder über die Ursache seines Vorgehens noch über den weiteren
Verlauf der Angelegenheit unterrichtet. 2) Auch am Export verbotener
Waren nach Ägypten beteiligten sie sich; im Jahre 1243 wurde der Bischof
von Arezzo als Rektor der Mark Ancona ermächtigt, Leute aus diesem Ge-
biet, die sich eines solchen Vergehens schuldig gemacht, unter der Bedin-
gung zu absolvieren, daß sie das Doppelte ihres Gewinns zum besten des
Heiligen Landes hergaben, s)
138. Für den Verkehr Genuas mit Ägypten kennen wir nur
die Gesandtschaft des Henricus de Molazano de Volta und Paganus
Rodulfi , die zum Abschluß eines Friedens - und Handelsvertrages
im Herbst 1231 von Genua abging; durch Unwetter zur Überwinte-
rung in Bonifacio genötigt, kehrte sie erst im Jahre 1233 — mit
welchen Ergebnissen ist uns nicht bekannt — nach Genua zurück.^)
Im Jahre 1245 aber sehen wir Genua Ägypten feindlich gegenüber-
treten; Guilelmus de Mari, der ein Schiff »gegen die Feinde Genuas«
ausgerüstet hatte, kaperte damit ein reich mit kostbarem Gut be-
ladenes Schiff der Sarazenen von Alexandria. ^) Schon trug sich die
Kirche mit neuen Kreuzzugsgedanken; das große Konzil von Lyon
schärfte die Handelsverbote gegen die Sarazenen von neuem ein.^)
Im folgenden Jahre schon unterhandelte Ludwig IX. mit Genua
wegen seines Kreuzzuges, und 1248 trat er mit Schiffen, die in
Genua und Marseille gemietet waren und unter genuesischer Führung
standen, seine Fahrt an, die noch einmal die Hoffnung des Abend-
landes auf die Gewinnung Ägyptens und damit auch Palästinas er-
weckte. Wie im Jahre 1219, spielen auch diesmal italienische Geld-
geber im Lager der Kreuzfahrer vor Damiette eine wichtige Rolle;
neben den Genuesen sehen wir jetzt aber auch die Toskaner, in erster
Linie die Sienesen, unter denen Rossus Consilii namentlich hervor-
tritt, in zweiter die Florentiner beteiligt. ^) Wirklich kam Damiette
noch einmal in die Gewalt der Christen (1249). Der König gründete
hier ein Erzbistum und stattete es reich aus, u. a. mit dem Zehnten
von allen Handelsabgaben. ^) Der Ausgang aber war derselbe wie
30 Jahre zuvor; um sein Heer zu retten, mußte der König Damiette
>) Tafel und Thomas U, 311, 332. Ljubic I no. 75. Heyd I, 418 f.
«) Rodenberg I, 362 no. 449. Auvray no. 699. Heyd I, 419.
»^ Berger no. 73 (26. Aug. 1243).
*) Ann. Jan., SS. XVin, 177, 181.
6) Ib. 218.
«) Mansi XXin, 631.
') Wechselbriefe König Ludwigs in: Jahrb. f Nat.-Ök. 70, 619 f., 733 1 Blanc-
mesnil 135 f., 141, 213, 453. Papa d'Amico 347 ff.
8) Baluzius Miscell. 1. IV, 491 ff.
190 Sechzehntes Kapitel.
übergeben und sich nach Syrien zurückziehen (1250). Damit war
auch das letzte große Unternehmen der Christen gegen Ägypten ge-
scheitert; zu gleicher Zeit ging unter Wirren die Dynastie der Eju-
biden, die sich im ganzen den Christen noch wohlgesinnt genug ge-
zeigt hatte, zu Ende, und die Herrschaft der Mameluken-Sultane
begann.
Sechzehntes Kapitel.
Weiterentwickelung des Handels der Mittelmeer-
ßomanen mit dem Königreicli Jerusalem.
139. Der mit gewaltigen Mitteln unternommene dritte Kreuzzug
hatte das Königreich Jerusalem doch nur in sehr bescheidenem Um-
fange wiederherzustellen vermocht. Auf einen schmalen Küstensaum
beschränkt, war Accon seine Hauptstadt geworden und blieb auch,
als Jerusalem noch einmal vorübergehend (1229 — 1244) in die Hand
der Christen gelangte, Residenz des Königs oder seines Statthalters
sowie der Großmeister der geistlichen Ritterorden. Mit einem vor-
trefflichen Hafen ausgestattet, Mittelpunkt des gesamten ausgedehnten
Pilgerverkehrs, von einer buntgemischten Bevölkerung bewohnt, an
der die zweifelhaften Elemente, wie so oft in Kolonien, einen be-
trächtlichen Anteil hatten, strebte die Stadt im Widerspruch selbst
mit Kaiser und Papst nach kommunaler Selbständigkeit^); die führende
Oberschicht der Bürgerschaft, größtenteils von französischen Kolo-
nisten abstammend und aus diesen sich ergänzend^), gelangte durch
ihre Beteiligung am Handel zu hohem Wohlstande.
Denn auf dem Handel beruhte doch vor allem die Bedeutung
dieser romanischen Stadt im Orient; alle anderen Seeplätze über-
flügelnd, war sie auch die kommerzielle Hauptstadt von Syrien. ^) Je
mehr Schwierigkeiten dem Handel der Romanen mit Ägypten er-
wuchsen, desto mehr wurde Accon der Platz, an dem sich das Abend-
land auch zu einem großen Teile mit den Waren des fernen Orients
') Über Accon: Eey E. G. Etüde sur la topogr. de la ville d'Acre au XTTTe
siecle in : M6m. de la Soc. des antiquaires de France, s. 4, t. 9 (Paris 1878). v. Löher :
Kaiser Friedrichs Kampf um Cypern (Abh. der bayer. Akad. d. Wiss., Kl. 3, XIV2;
München 1878), 41 ff. Heyd I, 317 f. Winkelmann H, 134 A. 2, 387, 389. Am 21. Fe-
bruar 1236 macht Gregor IX. den Vermittelungsvorschlag, daß die Bürger Accons
ihre »communiam« auflösen, die seit Entstehung des Streits eingesetzten consules
et capitaneos absetzen und die zur Einberufung der Bürgerversammlungen dienende
campana beseitigen sollten. Rodenberg I p. 571. Auvray 2968 ff.
*) Unter den 7 Jurati curie Acconensis, die dem königl. vicecomes zur Seite
standen, waren im April 1232 zwei de Conchis, Bernard und Kaimund, und Andr.
de Vienna. Delaville le Roulx II, 435 no. 2015. Brief Honorius' in. an die Ge-
mahlin Ludwigs VIII. von Frankreich (Rayn., ann. eccl. I, 536 vom 20. Mai 1224) :
ibi no\äter quasi nova Francia est creata.
3) Heydl, 168 ff. Prutz, Kulturgesch. 360, 559.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 191
versorgte.^) Demgemäß hatten auch die Generalkonsulate der drei
großen italienischen Handelsnationen hier ihren Sitz erhalten; ihr
bloßes Bestehen kennzeichnete den gewaltigen Einfluß, den die see-
mächtigen Städte, die sie vertraten, durch ihren Handel, ihre Nieder-
lassungen, ihre Flotte an der syrischen Küste übten. Je umstrittener
die Zentralgewalt des kleinen Staates war, je schwächer sie sich geist-
lichen und weltlichen Großen gegenüber bewies, um so bedeutender
mußte die Machtstellung der in ihren Quartieren einer fast voll-
ständigen Selbstverwaltung sich erfreuenden und der Finanz- und
Gerichtshoheit des Staates gegenüber die größten Vorrechte genießen-
den Genuesen, Pisaner und Venezianer erscheinen. Sie wäre noch
weit bedeutender gewesen, wenn sie nicht Handelseifersucht und
Neid untereinander oft genug verfeindet hätte, wenn sie nicht in die
Konflikte, die aus den innerhalb des Landes bestehenden Gegensätzen
und den großen Gegensätzen der Zeit entsprangen, hineingezogen
Avorden wären.
140. Nur einige Hauptmomente aus der Geschichte dieser Handels-
kolonien in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts können hier hervor-
gehoben werden. Gleich zu Anfang drohte sich der heiße Kampf, der in
der Heimat zwischen Genua und Pisa entbrannt war und sich mit Unter-
brechungen bis zum Jahre 1217 hinzog, nach Syrien zu verpflanzen; doch
gelang es den eifrigen Bemühungen des päpstlichen Gesandten, des Kardinal-
legaten Peter von S. Marcello, im Jahre 1203 unter den Kolonisten Frieden
zu stiften. 2) Ja, die Kolonien der drei großen Seemächte in Accon trafen
sogar eine von -jedem Kolonialvorstand bei Antritt seines Amts zu be-
schwörende Vereinbarung 3) , wonach jede Differenz, die zwischen zweien
unter ihnen entstand, binnen 8 Tagen durch Schiedsspruch des Vorstandes
der dritten zu schlichten war; die Entscheidung sollte für die streitenden
Parteien unbedingt bindend sein. Im Jahre 1212 wurde ein über das Rechts-
verhältnis einer Pisanerin, die seit langer Zeit ein Haus im genuesischen
Quartier gemietet hatte, entstandener Streit auf solche Weise, unter Zu-
ziehung des Patriarchen und des Bischofs von Accon, glücklich beigelegt 4);
10 Jahre später aber versagte die Konvention. Im Frühjahr 1222 kam es
im Zusammenhang mit den festen Türmen, die beide Kolonialgemeinden
in Accon besaßen, zu einem blutigen Zusammenstoße zwischen Pisanern
und Genuesen. Die Pisaner waren nach dem uns allein vorliegenden Bericht
des genuesischen Annalisten zuerst im Nachteil ^) ; da legten sie Feuer an,
so daß ein beträchtlicher Teil der Stadt und der prächtige, hohe Turm der
Genuesen verbrannte, und überfielen, vom Könige unterstützt, die mit den
Rettungsarbeiten beschäftigten Genuesen, die große Verluste erlitten. Nun ver-
*) Über die hier wie in Tripolis übliche Prägung von Gold- und Silbermünzen
mit arabischen Umschriften s. Schlumberger G. : Numismatique de l'Orient latin
(Paris 1878), p. 131 ff. Goldschmidt 98, A. 12.
2) Heyd I, 343.
*) Ob auch diese aus den Urkunden von 1222 zu erschließende Vereinbarung
noch auf die Tätigkeit des Kardinallegaten zurückgeht, ist freilich nicht sicher; doch
scheint mir (üe Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen.
*) Müller p. 439.
») Ann. genov. U, 182 ff. Heyd I, 343.
192 Sechzehntes Kapitel.
mitteile der damals in Accon anwesende Kardinal Pelagius i), um Schlimmeres,
womöglich die Zerstörung von ganz Accon zu verhüten; er ließ sich die
Türme überliefern, je 100 der angesehensten Pisaner und Genuesen einen
Sicherheitseid leisten und brachte den anfänglich stark widerstrebenden
Bailo der Venezianer, Filippo Cornaro, schließlich dahin, jener Konvention
gemäß das Schiedsrichteramt zu übernehmen (10. Juni). Die Einwendungen
der Pisaner, die Konvention sei mit dem Ausbruch des oifenen Kampfes
erloschen, der genuesische Konsul Ugo Cancellarius habe bei Antritt seines
Amts den durch die Konvention geforderten Eid nicht geleistet und der
Bailo der Venezianer entbehre der bei einer so schwierigen Sache notwendigen
juristischen Vorbildung, wies der Legat im Einverständnis mit dem Patri-
archen und den Bischöfen zurück und gebot dem Bailo (13. Juni) , zur
Fällung des Spruchs zu schreiten. Dieser erbat sich wiederholentlich Auf-
schub; am 17. Dezember endlich ist die Pubükation des Spruchs, dessen
Inhalt uns nicht bekannt ist, erfolgt.
141. Mittlerweile hatte Genua schon sich selbst zu helfen gesucht.
Als die im Sommer 1222 heimkehrende Schiifskarawane die Kunde von
den Vorgängen in Accon nach Genua brachte, beschloß man, wohl wegen
der Parteinahme des Königs und weil man sich doch nicht stark genug
fühlte, daß die nächste Karawane nicht Accon, sondern Beirut anlaufen
und dort überwintern sollte, falls nicht Ersatz für die den Genuesen zuge-
fügten Schäden geleistet und von jeder Beschränkung in bezug auf die
Höhe ihres neu zu erbauenden Turmes abgesehen würde. Schon im
November 1221 hatte der Herr von Beirut, Johann von Ibelin, den Genuesen
seine Stadt dadurch zu empfehlen gesucht, daß er ihnen das Recht, einen
Konsul daselbst zu halten und eigenes Gericht verlieh, ihnen mehrere Häuser
schenkte und ihnen erlaubte, jeden Donnerstag das Bad vor seinem Schlosse
zu benutzen. Nun fügte er noch Abgabenfreiheit hinzu, nahm die Karawane
auf das beste auf und bestätigte ihr vor ihrer Wiederabfahrt im Mai 1223
nochmals alle Verleihungen. 2) Gewiß fügten die Genuesen durch dies Ver-
halten dem Handel Accons Schaden zu; aber auch sie selbst müssen bald
empfunden haben, daß es nicht so leicht sei, einem blühenden Handel mit
einem Mal andere Bahnen vorzuschreiben, und so kam ihnen die Vermittelung
Friedrichs H. offenbar ganz erwünscht. In einem Schreiben vom 28. März 1224
empfahl der Kaiser der Bevölkerung von Accon, die Kaufleute von Genua,
die auf seine Veranlassung den Handelsverkehr nach Accon wieder auf-
nehmen wollten, gut zu behandeln und gegen Belästigungen und Anfein-
dungen zu schützen 3); ihre Abwesenheit von Accon hat also nur 2 Schiff-
fahrtsperioden gedauert. Vielleicht steht es mit diesen Vorgängen in einem ge-
wissen Zusammenhange, wenn am 24. Februar 1225 in Genua vor ver-
sammeltem Volke den Kolonialvorstehern in Syrien vom Podestä in feier-
licher Form auf das strengste untersagt wurde, irgend etwas von den
Besitzungen oder Rechten Genuas in Accon und Tyrus, unter welcher Form
auch immer, zu veräußern. 4)
Auch die Venezianer hatte der Herr von Beirut nach seiner Stadt zu
ziehen versucht, ihnen im Dezember 1221 die gleiche Stellung wie dei
') Bigoni G. : Quattro documenti genovesi im Arch. it., s. 5, XXIV (1899), 58|
Röhricht Reg. p. 253 f,
«) Lib. Jur, I no. 569 u. 585, p. 665 f., 687 f.
3) Winkelmann Acta I, 241,
*) Lib. Jur, I no, 617.
Weiterent^-ickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 193
Genuesen eingeräumt und dies Privileg im Juni 1222 bestätigt. Doch blieben
die Venezianer mit ihrem Bailo in Accon, wenn sie auch dem Verkehr mit
Beirut erhöhte Aufmerksamkeit widmeten. Im August 1224 fuhren drei
venezianische Schiffe nach Tripolis und Beirut; sie hatten auch die Kon-
suln für diese Orte an Bord^); es ist interessant, daß wir erfahren, daß
das Gehalt dieser Konsuln mit je 30 saraz. Byz. bis zur Ankunft der
nächsten Flottille (muda) von den Reedern und Kaufleuten dieser Schiffe zu
bestreiten war. Die Venezianer hatten also einen regelmäßigen Schiffs-
verkehr nach diesen Orten eingerichtet, der allerdings nur dem Bedürfnis
entsprechend von einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Schiffen unter-
halten wurde.
142. Die Kreuzfahrt des Kaisers zeigte die Venezianer zweideutig, die
Genuesen lau und nur die Pisaner als entschiedene Anhänger des Kaisers,
Zwar hatte sein im JuH 1227 nach Syrien vorausgesandter Statthalter Thomas
von Acerra den Versuch gemacht, die Freiheiten der Pisaner dadurch zu
beschränken, daß er sie vor den Spezialgerichtshof des Zollamts in Accon
(curia catenae) zog; aber der Kaiser desavouierte dies Vorgehen und ge-
währte nach seiner Rückkehr von Jerusalem im April 1229 den drei Konsuln
der pisanischen Kolonie von Accon eine Reihe besonderer Zugeständnisse.
Ihre Abgabenfreiheit von Accon sollte sich auch (was die Statthalter offen-
bar bestritten) auf die Ein- und Ausfuhr von Pferden 2) und anderen Reit-
tieren erstrecken; sein Statthalter sollte nicht berechtigt sein, den Pisanern
gegenüber irgend ein Sonderverbot zu erlassen ; in Tyrus und Joppe sollten
seine Vertreter (bajuli) ihre Besitzungen und Rechte auf das nachdrück-
lichste zu schützen verpflichtet sein. Für das neugewonnene Jerusalem aber
erhielten sie eigenes Gericht und vollständige Befreiung von allen Handels-
abgaben. 3) In den nächsten Jahren können wir auch einmal einen Pisaner
Petrus in Jerusalem nachweisen; seine Frau, die Tochter eines reichen
Leinenkaufmanns (linarii) daselbst, schenkte im Jahre 1235 den Hospita-
litern einige Grundstücke. 4)
143. Zwischen den Genuesen und der kaiserlichen Gewalt kam es
bald nach dem Kreuzzuge zum offenen Konflikt. Im Februar 1231 wollte
der kaiserliche Statthalter Baliam, einem Befehl des Kaisers gemäß, ihre
Befreiung vom Hafenzoll in Accon (drictus catenae seil, decenum) nicht
länger anerkennen, vermochte aber ihrem entschiedenen Widerstände gegen-
über seinen Willen nicht durchzusetzen. 0) Im folgenden Jahre schickten
die Genuesen dann auf das Gerücht hin, daß der Kaiser die Gefangen-
setzung aller ihrer Landsleute auch in Syrien (wie es für das sizilische
Königreich tatsächlich geschehen war), befohlen habe, eine starke Flotte
nach Accon, mit der sie das Meer um so leichter beherrschten, als Accon
sich gegen den Kaiser erhoben und der Marschall nach seinem Siege über
Johann von Ibelin bei Casal Imbert (3. Mai 1232) nur sechs Wochen später
1) Tafel und Thomas II, 231 ff. Lib. pleg. no. 169 (Dekret des Dogen mit
großem und kleinem Rat vom 31. Juli 1224).
^) Auch von den Venezianern forderte schon König Johann Abgaben bei der
Einfuhr von Pferden und Sklaven in Accon. Denkschrift Zorzis von 1244 bei Tafel
und Thomas n, 398.
3) Müller 96, 97 f., 95. Röhricht Reg. no. 1005 ff. Vgl. Heyd I, 340. Völlig
mißverstanden ist die Bedeutung cüeser Privilegien von Chone 43.
*) Delaville le Roulx II, 494 no. 2127.
») Ann. Jan., SS. XVm, 176. Winkelmann U, 383 f.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 13
X94 Sechzehntes Kapitel.
(15. Juni) eine völlige Niederlage bei Agridi auf Cypern erlitten hatte, i)
Am 24. Oktober 1233 schlössen die Genuesen mit Johann von Ibelin und
den kaiserfeindlichen Baronen ein förmliches Bündnis; sie ließen sich von
ihnen versprechen, in den nächsten fünf Jahren ohne Einwilligung Genuas
keinen Bund mit den Pisanern einzugehen und erlangten Bestätigung ihrer
Privilegien für Beirut und etwas später Ausdehnung derselben auch auf Chaifa. 2)
Im November 1238 gesellte sich auch Venedig, das sich mit Genua
verbündet hatte, den ofienen Feinden des Kaisers zu. Im Jahre 1240 hatte
der kaiserliche Admiral den Plan, von den sizilischen Gewässern aus die
von Syrien her erwarteten Schiffskarawanen der beiden Seestädte abzufangen,
und die Venezianer verbrannten ein aus Syrien kommendes kaiserliches
Schiff, das an der apulischen Küste in ihre Hände fiel. ^) Ihrer Mitwirkung
vor allem hatten es Philipp von Montfort und die anderen Barone zu ver-
danken, daß Tyrus, wo der kaiserliche Statthalter seinen Sitz genommen
hatte, das letzte Bollwerk der Kaiserlichen in Syrien, im Jahre 1243 erobert
werden konnte. 4) Der venezianische Bailo, Marsilio Zorzi, hatte selbst An-
teil daran; noch unter dem Eindruck des Sieges verzeichnete er zu Nutz
und Frommen seiner Nachfolger im Oktober 1243 in einer besonderen
Denkschrift alle Besitzungen und Rechte, die den Venezianern in Tyrus
zustanden 0), wobei er nicht vergaß, auch der mancherlei Beeinträchtigungen
zu gedenken, die den Venezianern im Laufe der Zeit widerfahren waren 6);
auch die Barone waren keineswegs geneigt, alle Wünsche und Forderungen
der Venezianer zu befriedigen. Im Jahre 1244 fügte er ein analoges Ver-
zeichnis für Accon hinzu. '^)
Allen Gegnern zum Trotz haben die Pisaner, auf ihre starke Kolonie
gestützt, ihre Machtstellung in Accon in vollem Umfange zu behaupten ge-
wußt; der pisanische Generalkonsul übte seine Funktionen auch in den
Jahren 1244 und 1245 genau so wie sonst. ^) Allerdings mußten sie es über
sich ergehen lassen, daß Innozenz IV. ihrer Peterskirche im Jahre 1247
ihre Vorrechte nahm und sie zur Kapelle degradierte; wie wenig sie sich
beugten, zeigt das erbitterte Schreiben des Papstes aus dem folgenden Jahre,
daß die Pisaner immer noch im Hafen von Accon und selbst in den Kirchen
das kaiserliche Banner zu entfalten wagten. 9) Gerade damals hatte, viel-
leicht im Hinblick auf die bevorstehende Kreuzfahrt Ludwigs IX., ihr
Generalkonsul Guido de S. Cassiano die noch erhaltenen, den Pisanern in
Syrien im Laufe der Zeit verliehenen Privilegien sammeln und authentische
Abschrift von ihnen nehmen lassen; es waren 32 von 1156 — 1233 reichende
Dokumente lO). ,
1) Ann. Jan. 180. Winkelmann II, 389, 391, 393 ff. Röhricht, Jerusalem 813 ff.
2) Heyd I, 341. Lib. Jur. I p. 941 Priv. für Chaifa vom Januar 1234.
=) Huillard-Breholles V, 686 Baer 109. Unten S. 198 Anm. 2.
*) Heyd I, 342.
**) Tafel und Thomas II, 354-389.
®) So hatte König Johann v. Brienne die Surianen seines Anteils von Tyrus
vom Hafenzoll befreit, um dadurch die Surianen des venezianischen Drittels fort-
zulocken ; ib. 384.
") Ib. 389—398; u. a. zählt er 11 Häuser auf, die »incantantur, cum est ga-
ravana in Accon.«
8) Akten von San Gimignano bei Davidsohn, Forsch. 11 no. 2307.
9) Rodenberg II p. 285 u. 400 Heyd I, 342. Röhricht, Jerusalem 873.
1") Gedruckt bei Dal Borgo und Müller.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 195
Als König Ludwig schon auf Cypern weilte, am Anfang des Jahres
1249, kam es in Accon selbst zu einem heftigen Kampfe zwischen den
Genuesen und den Pisanern, die von den Einwohnern Accons unterstützt
wurden, der 32 Tage dauerte und nicht zum Vorteil der Genuesen ausfiel;
einer ihrer Konsuln fand dabei seinen Tod. Mit Mühe brachte Johann von
Ibelin einen dreijährigen Waffenstillstand, der für Syrien einschließlich der
ägyptischen und armenischen Gewässer gelten sollte, zustande, so daß wenig-
stens der Kreuzzug dadurch nicht weiter behindert wurde, i) Einer Vor-
schrift der Heimatstadt gehorchend, haben damals auch die genuesischen
Generalkonsuhl für Syrien ein genaues Inventar aller Besitzungen und
Rechte, die den Genuesen in Accon und Tyrus zustanden, aufgenommen. 2)
Diese schriftlichen Fixierungen sind bezeichnend für die Wachsamkeit, mit
der die drei maßgebenden Kolonialmächte Syriens ihren Besitzstand hüteten,
bezeichnend freilich auch für ihre Rivalität, die wenige Jahre später zum
Ausbruch des großen Kolonialkrieges führen sollte.
144. Über die Stärke des Handelsverkehrs der großen italienischen
Seestädte mit den Häfen des Königreichs Jerusalems in dieser Zeit fehlt
es uns nur zu sehr an positiven Angaben. 3) Am meisten Anhalt gewährt
noch, was wir gelegentlich über genuesische Schiffskarawanen erfahren. Die
Karawane, die im Herbst 1216 nach Syrien abging und am 20. Juni 1217
glücklich wieder in Genua eintraf, bestand aus 22 Schiffen verschiedener
Art (naves, galeae und taridae), wobei zu berücksichtigen ist, daß der offi-
zielle Verkehr mit Ägypten damals schon unterbrochen war. Von der
10 Jahre zuvor im Juni heimkehrenden Handelsflotte erfahren wir, daß
sie aus sieben großen Kauffahrern (naves), ebensoviel Galeeren, von denen
jede einen Kauffahrer begleitete, einem Salandrus und einer Reihe kleinerer
Fahrzeuge (ligna subtilia) bestand; nahe der Heimat wurde sie von einem
furchtbaren Sturm überrascht; das Schiff Carrocius und zwei Barken der
Schiffe Papagaxius und Domina scheiterten, während die Galeere der Domina
verschlagen wurde, aber wohlbehalten blieb.*) Die Abfahrtszeit der Kara-
wanen hat sich in dieser Zeit in den Oktober verschoben. Der am 31. Juü
1216 in Perugia zum Bischof von Accon geweihte Jakob von Vitry betrat
erst im Oktober das genuesische Schiff, das ihn mit jener großen Flotte nach
Accon bringen sollte; er betont geradezu s), daß die Genuesen mit ihren
zahlreichen und starken Schiffen gewohnt seien, zur Winterszeit (tempore
yemali) überzufahren, weil Lebensmittel und Wasser in dieser Jahreszeit
nicht so leicht verdürben, auch nicht leicht Windstille eintrete. Demgemäß
verzögerte sich auch die Rückkehr nicht selten bis in den Juli ; so geschah
*) Ann de Terre Sainte in Arcli. Gr. lat. 11, 442. D'Achery, Spicilegium III,
627 f. Heyd I, 344. Röhricht, Jerusalem 873.
») Arch. Or. lat. n p. 215—221 für Accon (14. Juli 1249); 222—4 für Tyrus
12 Dezember 1249) ; 224 Nachtrag für Accon (3. Mai 1250).
^) Die Angabe Belgrano's: L'interesse del denaro etc. im Arch. it., s. 3, t. III
1866) p. 117, der Genuese Filippo Mangiavacca habe für eine Handelsfahrt nach
Syrien in mehreren Kontrakten am 20. und 22. September 1227 die Summe von
25352. 1. 2 sol. 10 d. Jan. empfangen, ist nicht auf die Notariatsakten selVjst, sondern
nur auf das Foliatium Not. (vol. I c. 81 — 83) gestützt; bis zum Beweise des Gegenteils
kann ich nur annehmen, daß in der Zahl (übernommen auch von Goldschmidt
p. 264 A. 100) ein Fehler steckt.
*) Ann. genov. H, 144, 106 f.
*) Ausgabe seines Briefes von P. Sabatier im Boll. della Soc. Umbra di st.
1). I (1895), p 112. Prutz, Kulturgesch. 102.
' 13*
196 Sechzehntes Kapitel.
es 1241, so auch 12451), wo am 10. Juli erst zwei Segelschiffe und vier Ga-
leeren 2) zur Einholung der Karawane von Genua aufbrachen; an der sizüi-
schen Küste trafen sie sie und geleiteten sie bis Bonifacio.
Indessen beschränkte sich der Schiffsverkehr der Genuesen nach Syrien
keineswegs auf diese Karawanen; so traf Graf Heinrich von Malta im
Dezember 1205 im Hafen von Messina zwei aus Syrien heimkehrende genue-
sische Schiffe, die Lüna und den Papagasius, und im Dezember 1216
scheiterte die auf der Rückfahrt de ultra mare begriffene genuesische »Co-
ronata« in der Nähe von Porto Pisano.^)
Genuesische Schiffe standen bei Pilgern und Kreuzfahrern in gutem
Ruf; Jakob von Vitry äußerte sich 1216 sehr befriedigt über seine Unter-
kunft 4), und auch die Unterhändler französischer Kreuzfahrer, zu denen auch
der Bischof von Soissons gehörte, sprachen sich dem Papst gegenüber im
Jahre 1206 sehr günstig über die ihnen von den Genuesen gebotenen Be-
quemhchkeiten aus; der Papst bestätigte ihnen, daß sie kaum eine bessere
und sicherere Überfahrt finden könnten, wenn sie direkt reisen wollten ; zögen
sie es dagegen vor, erst Rom aufzusuchen, so verpflichtete er sich, für sicheres
Geleit bis Brindisi Sorge zu tragen. &) Genuesische Schiffe beteihgten sich
am Pilgertransport auch von Ancona und Südfrankreich aus^); und es ist
bekannt, daß Ludwig IX. für seinen ersten Kreuzzug genuesische Schiffe in
großer Zahl gechartert hat, die im Sommer 1248 die Ausreise von Aigues-
Mortes angetreten haben. '^) Waren doch auch die Genuesen Hugo Lercari
und Jacobus de Levanto seine Admirale auf diesem Zuge; und die Kauf-
leute Genuas sind es gewesen, die dem französischen Könige und zum
großen Teil auch seinen Baronen die erforderlichen bedeutenden Geldmittel
während ihrer AbAvesenheit von der Heimat beschafft und die Vermittelung
zwischen Frankreich und der Levante hergestellt haben. 8)
145. Einen besonders großen Anteil an den Pilgertransporten' hatten
die Venezianer, deren Schiffe außer von Venedig selbst von den verschie-
densten Häfen der Adria aus die Überfahrt besorgten; nicht wenige von
diesen Schiffen scheinen für ein wenig zahlungskräftiges Pubhkum berechnet
gewesen zu sein. Man unterschied zwei regelmäßige Überfahrtszeiten im
1) SS. XVin, 198, 218.
*) Ebensoviel Schiffe fuhren 1213 der de ultra mare et Alexandria heim-
kehrenden Karawane zu ihrem Schutze entgegen ; ann. genov. n, 126.
») Ib. 97 u. 141.
*) Boll. Umbr. 1. c. Er hatte für sich und die Seinen 5 loca, die V4 des ca-
stellum superius einnahmen, gemietet, wo er am Tage, außer bei Sturm, verweilen,
studieren und speisen konnte, ferner eine Kammer, die zugleich als Küche diente,
für seinen Diener, einen Eaum für seine Pferde und »in sentina navis« einen Platz
für seinen Wein, Zwieback, Fleisch und alles sonst zum Lebensunterhalt für fast
3 Monate Nötige.
») Innoc. ni. Epp., 1. IX ep. 199.
») Vertrag mit Ancona 1220, mit S. Gilles 1232: Lib. Jur. I no. 559, 694.
">) Mietsvertrag vom 10. Oktober 1246 über 16 Schiffe : Arch. de l'Orient lat. n,
Doc. p. 232. Mietsverträge von 1248 über einzelne Schiffe bei Belgrano no. 15, 16,
17, 19, 30.
^) Meine Abh. über die Wechselbriefe K. Ludwigs in : Jahrb. f. Nat.-Ök. 70,
p. 603 ff., 614, 732, insbes. p. 734 ff., 748. Die Placentiner waren nicht, wie Heyd I,
319 annimmt, als Geldgeber im Orient beteiligt; sie haben nur einen beträchtlichen
Teil der Königsbriefe auf dem Geldmarkte in Genua zur Verwertung in Frankreich
angekauft; ebd. 73 (1899), 152 ff.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 197
Jahre, die März- oder Osterfahrt und die Augustfahrt; in Jahren starken
Verkehrs kam noch eine dritte, die Johannis- oder Peter-Paulsfahrt hinzu.
Interessant sind die Vorschriften, die die, Signorie für diesen Verkehr in
dem Kreuzzugsjahre 1228 erlassen hat. Der Pilgertransport im Frühjahrspassa-
gium wurde für alle venezianischen Schiffe auf Venedig selbst und die
kleineren Häfen bis zum Quarnero und Ancona (exkl.) konzentriert ; für das
zweite Passagium Ende Juni war die Ausreise nur von den südlich vom
Quarnero und Rimini, für das dritte nur von den jenseits Zara und Ancona ge-
legenen Häfen gestattet. Die am zweiten und dritten Passagium beteiligten
Schiffer hatten 1/3 und 1/4 des Passagegeldes vor ihrer Abfahrt nach Venedig ab-
zuführen ; alle dafür in Betracht kommenden Schiffer wurden vor ihrem Aus-
laufen aus Venedig auf die Beachtung dieser Bestimmungen eidlich verpflichtet. i)
Auch die Rückreise der Pilger aus Syrien erfolgte in zwei Hauptr
terminen, nach Ostern und im Herbst; als späteste Termine bestimmte die
Signorie im Mai 12332) für die mudua pascae den 8. Mai, für die mudua
yberni^) den 8. Oktober, falls nicht etwa Ungunst des Wetters die Abfahrt
verzögerte. Vor der Abfahrt hatte sich der Padrone beim Bailo von Accon
einzufinden und zu schwören, die Pilger an den vereinbarten Ort zu bringen
und sie und ihre Sachen zu beschützen. Wollten ^/^ der Pilger unterwegs
an einem Ort der Romania das Schiff verlassen, so hatte der Padrone doch
die übrigen Pilger nach dem Bestimmungsorte zu fahren ; nur wenn weniger
als 1/4 zurückblieb, wurde er dieser Verpflichtung durch Rückzahlung ihres
gesamten Passagegeldes ledig. ^)
146. Noch im selben Jahre erließ die Signorie ein anderes Seestatut,
das für uns hauptsächlich wegen der Aufzählung der Waren, die in Syrien
zum Export gelangten s), von Interesse ist. Sie setzte zunächst ein nach
der offiziell festgestellten Tragfähigkeit der Schiffe abgestuftes Maximum der
in Syrien einzunehmenden Ladung fest, das sich für die Schiffe von 1000
bis 200 Milliarien Tragfähigkeit zwischen den Grenzen von 1050 und
120 Kantär bewegte, und teilte dann die Waren nach ihrem Verhältnis von
Gewicht und erforderUchem Raum in drei Ladeklassen ein.
Der ersten Klasse gehörten an: Baumwolle, Baumwollgarn, Mützen-
wolle (lana de berretis), Süßholz, Zuckerrohr, Spik (spigum).
Der zweiten: Pfeffer, piper longum, Melegete^), Ingwer, Muskatnüsse,
Gewürznelken, Kubeben, Reis, Zucker in Hüten, Staubzucker in Säcken;
Gummilack, Gummi arabicum, Myrrhen, Aloe, Weihrauch, Kardamomen,
Zitwerwurzel, Kampfer, Sandelholz, Myrobalanen, Galangawurzel, Simonia-
1) Lib. pleg. no 586, 612, 630, 638 ff. Ljubic UI, 400. Minotto IVi p. 47, 53.
*) Stat. maritt. im N. Arch. ven., n. s., IV p. 289 rub. 5.
^) Anderweit tragen diese Rückfahrten auch die Bezeichnungen passagium
Maji (Briefe von Damiette von 1219 bei Röhricht, Studien p. 47) und passadium
S. Crucis (vom 14. September; Davidsohn, Forsch. II no. 2308, für Rückfahrt nach
Pisa). Vgl. Prutz, Kulturgesch. 100, 104 fE., 520 ff.
*) Das Capitulare navium vom 12. März 1227 (Romanin n, 443; Lib. pleg.
no. 511) gestattet den Padroni der Pilgerschiffe (als solche wurden diejenigen Schiffe
betrachtet, bei denen die Pilger mindestens '^/g des Frachtgeldes aufbrachten), in
ihren Schiffen >camerellas« einzurichten, was bei Handelsschiffen nicht erlaubt war.
*) Stat. maritt. 1. c. p. 285 ff. S. dazu den reichhaltigen und lehrreichen Zoll-
tarif von Accon bei Beugnot: Assises de Jerusalem (Rec. Crois., Lois EL), 11 (Paris
1843), p. 173 ff. Heyd I, 174 ff. Prutz, Kulturgesch. 349, 558. Tafel u. Thomas II, 233.
*) Nach dem Glossar des Herausgebers (ebd. V, 348 ff.) auch eine Art Pfeffer ;
ob identisch mit dem helileth des Zolltarifs von Accon? Beugnot 1. c. 176.
198 Sechzehntes Kapitel.
cum (?), Auripigment und Ammoniak; ferner Wachs; Indigo und Alaun;
Glas, Vitriol und Schmirgel; Rohseide und Seidenwaren (opera sete), end-
lich Bucharazeuge (boccarani), von denen 300 auf einen Ladungskantär
gerechnet wurden. Zur dritten* Klasse gehörten : Brasilholz ; Flachs ; Zimt,
Kümmel, Muskatblüte (maci) und Anis; Kamelotstoffe (zambelloti).
147. Neben den großen Seemächten war auch das übrige Italien
am syrischen Handel mehr oder minder beteiligt. Für das sizilische
Königreich wirkte schon die enge politische Verbindung, in die es
durch Friedrich II. mit dem Königreich Jerusalem kam, darauf hin.
In erster Linie zog der Kaiser selbst Nutzen daraus ; wie nach Ägypten,
sandte er seine Handelsschiffe auch nach Syrien.
So ging im Jahre 1239 die »Aquila« mit Lebensmitteln und Wein nach
Accon ; den größten Teil des Erlöses brachte der Handelsbevollmächtigte des
Kaisers, Gualterius de Fiscinolo, in bar nach Messina zurück, während er
für den Rest in Accon Stoffe verschiedener Art, wollene Tuche, Buchara-
zeuge, Kamelot und Taft einkaufte; der Kaiser befahl von Sarzana aus^),
ihm die Sachen mit genauer Angabe der Preise zu schicken. Und im
folgenden Jahre geriet ein mit reicher Ladung von Syrien zurückkehrendes
kaiserliches Handelsschiff an der apulischen Küste bei Brindisi mit den
Venezianern in Kampf und wurde von ihnen verbrannt. 2) Sicher drängte
dieser fiskalische Handel den Verkehr der Johanniter-Niederlassungen des
Königreichs mit Syrien zurück. Während Heinrich VI. ihnen 1194 Ab-
gabenfreiheit für die Ausfuhr nach dem Heiligen Lande nur insoweit gewährt
hatte, als es sich um von ihnen selbst erzeugte Waren handelte, hatte bald
nach seinem Tode Constanze diese Beschränkung aufgehoben und ihren
Schiffen auch für die Pilgertransporte von Häfen des Königreichs Abgaben-
freiheit bewilligt 3); im Jahre 1201 klagte der Großmeister des Ordens bitter
darüber, daß er infolge der Wirren im sizilischen Königreiche schon seit
einem Jahre der gewohnten Lebensmittelsendungen entbehren müsse. Frie-
drich IL griff dann wieder auf die früheren Beschränkungen zurück ^) ; und
da sich ihm der Orden in Syrien feindlich gegenüberstellte, hatte er um so
weniger Grund, auf ihn Rücksicht zu nehmen. Neben dem Handel der
Regierung hat sich aber auch der private Handel einigermaßen entwickelt.
Darauf weist der Befehl des Kaisers, daß alle seine Untertanen, die Waren
aus dem Königreich nach Syrien exportierten, auf jeder Fahrt pro Schiffs-
ladung 3 Armbrüste auf eigene Kosten zu kaufen und bei der Heimkehr
an die könighche Kammer abzuliefern hätten; obwohl die Portulani be-
richteten, daß das bei vielen Unzufriedenheit errege (quamvis plures exinde
murmurent), wurde das Gebot um 1248 von neuem eingeschärft.öj Die Ein-
fuhr aus Syrien erstreckte sich naturgemäß auch auf die gleichen A\^aren,
wie sie aus Ägypten kamen; als besonderer Artikel wird syrische Wolle ß),
1) Huillard-Breholles V p. 587 (16. Dez. 1239). Heyd I, 342.
2) Rycc. de S. Germano bei Gaudenzi Chron. p. 153. Chone 100. Im Früh-
jahr hatte der Kaiser ein Schiff mit Getreide nach Tyrus gesandt. Huill.-Br. V, 739.
3) Delaville le Roulx I no. 969 u. 1001. Winkehnann, Acta I p. 66.
*) Delaville le Roulx II no. 1131 ; 1335 u. 1798 aus den Jahren 1207 u. 1224.
S. auch die Mahnung Honorius' III. an die Barone Siziliens und Calabriens bei
Paolucci in den Atti di Palermo VI (1901), p. 42 no. 7.
») Huillard-Breholles V, p. 720 f. u. 804 ; vgl. 587. Winkelmann acta I, no. 925.
8) Lana Syriae bei Rycc. de S. G., SS. XIX, 369; lana Jerosohmitana und
Ultramarina bei Winkelmann acta I, no. 790 u. 797.
Weitereutwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 199
jedenfalls mit der Mützenwolle des venezianischen Ladestatuts identisch, mehr-
fach erwähnt; von der Zuckereinfuhr suchte der Kaiser sein Land dadurch
unabhängig zu machen, daß er in der Zuckerbereitung erfahrene Leute aus
Syrien nach Palermo kommen ließ.i) Mit Namen bekannt ist uns ein Reeder
von Trani, Girardus Girardini, der sich im November 1237 rüstete, im nächsten
Frühjahr mit seinem Schiff Vulcascia nach Accon zu gehen 2) ; und die Kauf-
leute von Messina müssen schon zu Friedrichs IL Zeiten einen nicht geringen
Verkehr mit Accon unterhalten haben, da sie von seinem Nachfolger im
Februar 1252 das Privileg erbaten und erhielten, in Accon die gleiche Freiheit
von Seezöllen genießen zu dürfen, wie sie die Pisaner besaßen. 3)
Praktische Bedeutung freilich werden wir diesem Privileg so wenig
beimessen dürfen, wie dem analogen vom Juli 1245, das Innozenz IV. der
Stadt Anco na auf ihre Bitte gewährte; ihre Kaufleute sollten darnach
Handelsfreiheit in Accon und dem Königreich Jerusalem, sowie Abgaben-
freiheit bei der Ausfuhr erhalten ; gleichzeitig wies der Papst den Patriarchen
von Jerusalem und den Bischof von Accon an, die Kaufleute von Ancona
gegen Belästigungen in Schutz zu nehmen,^) Sonst wissen wir von dem
Verkehr Anconas mit Syrien nur, daß es an den Pilgertransporten nicht
unerheblich beteiligt war; Ancona erhob von jedem Pilgerschiff statuten-
mäßig den Fünften von dem Überfahrtsgelde der Pilger, von Schiffen fremder
NationaHtät sogar 1/4.0)
Für den Verkehr des Ancona gegenüberliegenden Ragusa mit Syrien
haben wir Kenntnis nur aus seinen Verträgen mit Venedig von 1232 und 1236,
wonach die Ragusaner bei der Einfuhr von Waren syrischer Herkunft nach Ve-
nedig einen Zoll von 20% in natura oder vom Wert zu entrichten hatten.^)
148. Zu einer nicht unbedeutenden Entwickelung ist in dieser Zeit
auch der Handelsverkehr des toskanischen Binnenlandes mit dem
Königreich Jerusalem gelangt. Wie nach Ägypten, kamen seine Kaufleute
auf den Handelsschiffen der Pisaner, die in dieser Beziehung weniger eng-
herzig verfuhren als es im allgemeinen die Genuesen und Venezianer taten,
auch nach Accon und gingen hier ihren Geschäften nach oder unternahmen
von hier aus auch weitere Handelsreisen, wie uns das für das Jahr 1224 von
Bewohnern der kleinen Stadt San Gimignano bezeugt ist. '^) Aussagen in
einem 1245 in dieser Stadt verhandelten Prozeß verstatten uns einen treff-
lichen Einbhck in das Verhältnis dieser Binnenstädter zu den Pisanern. ^)
Durch eine Erklärung vor dem pisanischen Konsul in Accon pflegten sie
sich als Pisaner zu bekennen, womit sie natürlich die Hoheit des Konsuls
anerkannten und alle Pflichten der Pisaner übernahmen, zugleich aber auch
in alle ihre Rechte eintraten, und, worauf es ihnen natürlich in erster Linie
') Huillard-Br^holles V, 574.
*) Blancard in Rev. des soci^t^s savantes, ser. 7, V (Paris 1882), p. 436.
*) Hartwig 0. Eine Konstitution König Konrads IV. ; in Forsch, zur deutsch.
Gesch. XVI, p. 636 rub. 16.
*) Rodenborg U, p. 94 no. 125. Heyd I, 318. Berger 245. Röhricht Reg
no. 1025 von 1224 hat irrig Ancona für Accon.
») Lib. pleg. no. 56 für das Jahr 1218. Lib. Jur. I no. 559 (1220).
«) Ljubic I no. 75 u. 80. Tafel und Thomas H, 307, 328.
^) Davidsohn, Forsch. H p. 294, no. 2303. Aufnahme eines Darlehns in Accon
durch Parente di Vallecchia bei dem Pisaner Salvi 1. Mai 1220: Volpe 399 A. 3.
Heyd I, 318.
8) Davidsohn ib. no. 2307.
k
200 Sechzehntes Kapitel.
ankam, die Zollfreiheit der Pisaner mitgenossen, i) Irgend ein Zwang zur
Abgabe einer solchen Erklärung wurde von selten der Pisaner nicht geübt.
Ausdrücklich wird von den pisanischen Konsuln in Accon bemerkt, daß
unter ihrer Autorität stünden alle geborenen und naturalisierten Pisaner,
sowie alle, die unter dem pisanischen Namen begriffen würden wie die
Florentiner, Pistojesen und Sienesen, sowie die Leute aus San Gimignano
und dem übrigen Tuscien, die sich sämtlich selber als Pisaner bezeichneten
und als solche bezeichnet wurden. 2) Demgemäß wurde der seit alter Zeit
bestehende Brauch, daß von dem Nachlaß eines jeden in Syrien oder in
einem der angrenzenden Länder verstorbenen Pisaners 1/3 des zu Handels-
zwecken von dem Verstorbenen mitgeführten Kapitals durch den Konsul
von Accon zugunsten Pisas eingezogen wurde, auch gegenüber diesen pi-
sanischen Schutzbefohlenen in Anwendung gebracht. Gewiß hängt die
auffallende Stärke, die die pisanische Kolonie in Accon bewies, zum Teil
damit zusammen, daß sie nicht wenige dieser Schutzbefohlenen aus dem
Hinterlande in sich schloß. Auch von Marseille aus sehen wir im Jahre 1248
einmal den Vertreter einer sienesischen Handelsgesellschaft im syrischen
Handel tätig, indem er einem Marseiller für die Fahrt nach Accon einen
größeren Posten Safran anvertraut. 3)
Von den lombardischen Städten erfahren wir ähnliches nicht. Wohl
wissen wir, daß Bischof Sicard von Cremona zur Zeit des 3. Kreuzzuges
für die Überfahrt der Teilnehmer in Cremona selbst eine Büse erbauen ließ,
die nach dem Heiligen Lande abging *) ; aber diese Tatsache erscheint als ein
außergewöhnliches Ereignis, und wir haben keinerlei Anhalt dafür, daß die
Postädte etwa Handelsschiffe nach Syrien entsandt hätten.
149. Direkte Handelsbeziehungen von großem Umfange haben
sich in der Zeit nach dem dritten Kreuzzuge zwischen Südfrank-
reich und Syrien entwickelt; von der früheren kommerziellen Bevor-
mundung Südfrankreichs, besonders durch die Genuesen, ist nun keine
Rede mehr. Eine provenpalische Gesamtgemeinde besteht nicht mehr,
nur ein loser Zusammenhang; wohl gab es in Accon ein Quartier der
Proven^alen (vicus oder ruga Provincialium), aber ohne gemeinsame
Verwaltung^); und nur ganz ausnahmsweise ist es einmal zu gemein-
samem Vorgehen zum Zwecke der Erlangung gemeinsamer Handels-
vorteile gekommen.^)
') . . . quia homines de Tuscia qui sunt in partibus ultramarinis, 1 i b e n -
t e r confitentur se Pisanos et gerunt se pro Pisanis, quia sunt franchi ad catenam.
Ein anderer sagt: non coguntur, nisi velint se confiteri Pisanos; ib. p. 298.
*) . . . presunt omnibus Pisanis et facticiis et Omnibus qui Pisano nomine
censentur sicut sunt Florentini etc., ib. p. 297.
2) Amalric no. 230.
■*) Ann. Cremon., SS. XXXI, 7 zu 1188 : et in eodem anno f uit incepta buza,
quae in sequenti anno fuit completa et ivit ultra mare ; p. 8 : et buza completa f uit
in Cr. et galea apud Casale majus 1189. Offenbar hat diese in Casalmaggiore er-
baute Galeere die Büse begleitet. Vgl. auch Sicardi cron., ib. 169. Die Gesta
Eicardi erwähnen zum August 1189 die Ankunft von über 500 naves et buscie, un-
gerechnet die Galeeren. SS. XXVII, 113. Daß jene Büse ein gewaltiges Fahrzeug
gewesen (Röhricht, Jerusalem 511), geht aus den Quellen nicht hervor.
') Mas Latrie, Chypre IH, 636. Heyd I, 319, 334.
8) 1236 in bezug auf Cypern ; unten § 167.
"Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 201
Die erste Rolle unter diesen Proven9alen spielte in jeder Be-
ziehung Marseille.
Ein eigenes Quartier in dem Sinne wie die großen italienischen See-
mächte hatte es auch in Accon nicht; immerhin hatte es hier eigenen Be-
sitz, der innerhalb des Quartiers der Provengalen bei der Demetriuskirche
lag, den König Johann am 20. Januar 1212 bestätigte i), und ein Fondaco
mit eigener Verwaltung. In seinem Bestreben, den Handelsverkehr Accons
nach Beirut zu ziehen, gewährte der Herr dieser Stadt am 22. September
1223 allen Marseillern, die mit eigenen oder fremden Schiffen aus dem
Abendlande oder der Romania nach Beirut kämen, volle Freiheit von
Handelsabgaben bei Einfuhr und Verkauf wie beim Einkauf im Bazar (in
fundo) und bei der Ausfuhr; ihre Konsuln sollten auch zuständig sein, wenn
ein Angehöriger einer anderen Commune gegen einen Marseiller klagte.^)
Wenn dies Privileg das Vorhandensein von Konsuln als selbstverständlich
voraussetzt, so folgt daraus mit Sicherheit, daß auch in Accon ein Mar-
seiller Konsulat vorhanden war, wie das ja auch nach dem Privileg König
Guidos von 1190 anzunehmen ist (der Titel Vicecomes ist weggefallen);
der erste mit Namen nachzuweisende Träger dieses Amts ist Johannes de
S. Hilario im Jahre 1233.3) Nach den etwas nach der Mitte des Jahr-
hunderts redigierten Marseiller Statuten stand der Fundegarius oder Na-
betinus, wie der Verwalter des Fondaco hier auch genannt wurde, unter
Aufsicht des Konsuls; niemand sollte Konsul werden dürfen, der für seine
Person größere Privilegien genoß als die übrigen Marseiller. 4) Solche Be-
vorzugung einzelner muß speziell auf dem Gebiete der Handelsabgaben vor-
gekommen sein. Denn volle Befreiung von solchen, wie sie König Guido
1190 zugesagt und Amalrich 1198 bestätigt hatte, besaßen die Marseiller
längst nicht mehr, wenn sie überhaupt jemals etwas anderes als ein toter
Buchstabe gewesen ist. In dem Privileg König Johanns von 1212 ist mit
keinem Wort davon die Rede, und der Eventualvertrag, den sie am 8. No-
vember 1226, als sie sich in der Acht des Reiches befanden, mit dem kaiser-
lichen Vikar in der Lombardei, dem Grafen von Savoyen bezüglich eines
Privilegs schlössen 5), das er ihnen vom Kaiser zugleich mit der Lösung vom
Bann erwirken sollte, zeigt uns, daß ihr Streben darauf gerichtet war, eine
solche Befreiung nach dem Muster der Pisaner und Genuesen erst zu er-
langen. Immerhin genossen sie doch auch in Accon eine Ermäßigung des
Hafenzolls ö), und ihr Handelsverkehr daselbst ist jedenfalls durch diesen Zoll
nicht nennenswert beeinträchtigt worden. Es mußte auch ihren Handel
fördern, daß das provengahsche Element in der handeltreibenden Bevölke-
rung Accons stark vertreten war; es deutet auf die bestehenden engen Be-
*) Mery et Guindon I, 226 f. (nur Regest). Marchand 6.
«) Mary et Guindon I. 287 f. Marchand 35. Seiner Behauptung aber (p. 100),
daß sich der Name von Beirut häufig (saepius) in den Handelsurkunden der Man-
duel und im Notularium Amalrics finde, muß ich die andere gegenüberstellen, daß
das auch nicht ein einziges Mal der Fall ist. Größere praktische Bedeutung scheint
also das Privileg für Beirut nicht erlangt zu haben.
») Delaville le Roulx II no. 2067. Heyd I, 334.
*) Möry et Guindon II, 205 f., 208 f. Fagniez I p. 177, 179.
**) Huillard-Bräholles H, 688. Bei M^ry et Guindon I, 319 mit den bösen Lese-
fehlern : franchesiam in toto regno Italie et spec. in Anchone für Surie und
Accone.
*) Sie hatten zu zahlen das »jus contingens eos in rebus et mercimoniis suis
in cathena Acconist. Winkelmann, Acta I no. 302 p. 272 (April 1229).
202 Sechzehntes Kapitel.
Ziehungen, wenn wir 1248 einem Wilhelm von Accon, Johann von Accon,
einem Juden Moses von Accon unter den im Handel tätigen Bürgern von
Marseille begegnen ; auch ein Guiotinus von Accon und Matthäus von Accon
begegnen gleichzeitig in Marseille, ohne daß Avir sagen könnten, ob auch
sie zu den Bürgern der Stadt gehörten, i)
150. Ersichtüch zeigt das seit dem dritten Kreuzzuge in mächtigem Auf-
schwünge begriffene Marseille das durch seinen trefflichen Seehafen wesent-
hch unterstützte Bestreben, den starken syrisch-französischen Verkehr von
Kreuzfahrern und Pilgern möghchst über die eigene Stadt zu leiten. Diesem
Bestreben entsprang der Vertrag mit Hugo von Ampurias am 24. Juli 1219 2);
der Graf durfte ein Schiff, das ihm selbst oder seinen Untertanen gehörte
(aber nur eins), im Hafen von Marseille halten, das in jeder Beziehung den
gleichen Vorschriften wie die Marseiller Schiffe selbst unterworfen war; es
sollte in erster Linie dem Pilgertransport nach dem Heiligen Lande dienen,
aber auch sonst zu Handelszwecken benutzt werden dürfen.
Dieses Bestreben brachte es aber auch in Konflikt mit den geistlichen
Ritterorden. Im Jahre 1216 war den Johannitern wie den Templern das
unbeschränkte Recht verbrieft worden s), in Marseille und seinem Gebiet
nach Belieben Schiffe bauen und halten zu dürfen, um mit diesen in Ver-
teidigung der Sache der Christenheit nach dem Orient oder auch nach Spanien
zu fahren ; nicht bloß Kreuzfahrer und Pilger, auch Kaufleute und ihre Waren
sollten sie auf diesen Schiffen befördern dürfen. Da die Orden außerdem
noch Abgabenfreiheit besaßen, so wurde ihre Konkurrenz den Marseillern
allmählich sehr empfindlich; schließlich setzten sie sich über dies Privileg
hinweg und zogen die Ordensschiffe zu allerlei Abgaben und Lasten heran,
wie ja auch die Abgabenfreiheit ursprünglich nur für Personen und Waren
gemeint war, die den Orden selbst zugehörten. Beide Orden erhoben nun
in Syrien vor dem Gericht des Konnetable Otto v. Montbeliard Klage gegen
Marseille, in der sie die Höhe des ihnen zugefügten Schadens auf 2000 M.
Silber schätzten und vorläufige Beschlagnahme der Schiffe und Waren der
Marseiller in Accon verlangten. Der Konsul von Marseille lehnte es ab,
auf die Klage einzugehen ; ihm fehle dazu der Auftrag des Grafen Raimund
von Toulouse (des damaligen Stadtherrn) und der Stadt; auch seien die in
Accon anwesenden Marseiller einfache Kaufleute, die für das Geschehene
nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Schließlich schickten der
Graf und die Stadt zwei Spezialgesandte nach Accon, und unter Vermitte-
lung des Herrn von Beirut kam es am 3. Oktober 1233 zu folgendem Ver-
gleich : Beide Orden dürfen alljährlich an jedem der beiden Passagien von
Marseille aus je ein eigenes Schiff (im ganzen also vier) unter beliebiger
Ausnutzung des Schiffsraums nach dem Heiligen Lande senden, doch so,
daß die Zahl der Pilger auf einem Schiffe 1500 nicht übersteigen dürfe;
Pilger und Kaufleute auf diesen Schiffen sind denselben Abgaben unter-
^) Belege im Register bei Blancard II, 537.
2) Layettes I, p. 482 f. Fagniez I, p. 126 f.
*) Urkunde des Hugo von Baux vom März 1216 für die Johanniter und Be-
stätigung durch den Papst (20. Dez. 1216), Delaville le Roulx n no. 1464, 1519. Be-
stätigung des völlig analogen Privilegs für die Templer durch den Kaiser im Sept.
1216. Winkelmann, Acta I no. 139. Schon 1178 hatten die Herren von Marseille
im Beisein des Bischofs und der sechs Konsuln der Stadt den Hospitalitern für
ihre Schiffe und eigenen Waren volle Abgabenfreiheit in Marseille und Gebiet ge-
währt. Delaville le Roulx I no. 542.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 203
werfen, als wenn sie auf Marseiller Schiffen befördert würden. Für den
Transport von Dingen, die den Orden selbst gehörten, sind sie berechtigt,
auch noch weitere Schiffe zu benutzen; doch dürfen auf diesen Schiffen
dann weder Pilger noch Kaufleute oder ihre Waren befördert werden.
Beide Orden versprechen, an der ganzen Küste Süd f rankreich s, von Monaco
bis Collioure, keinerlei Schiffe zu halten, zu laden und zu löschen, außer
den genannten im Hafen von Marseille. Am 17. April 1234 ratifizierte
Marseille im Beisein der Komture der Hospitaliter- und Templerschiffe
diesen Vertrag mit der Erklärung, daß als »naves« im Sinne des Vertrages
auch salandri, taridae, kurz alle für die überseeische Fahrt geeigneten Schiffe
anzusehen seien, i) Damit war das Einvernehmen zwischen der Stadt und
den Orden Aviederhergestellt ; unter den zehn Fällen, in denen wir in den
Handelsurkunden der Familie Manduel die Benutzung nach Syrien fahrender
Schiffe nachweisen können, begegnen wir Marseiller Schiffen, Templerschiffen
und Hospitaliterschiffen (sie hießen Falco und Grifona) je dreimal; im
zehnten Falle ist es ein pisanisches, der Paradisus.^) Als der Großmeister
des Spitals in den vierziger Jahren einmal in Zeiten der Not Lebensmittel
in größeren Mengen nach dem Heiligen Lande importieren wollte, wandte er
sich erst an einen ihm vertrauten Ritter Brito in Marseille, damit den
Agenten des Spitals bei der Beschaffung von Getreide und seiner Verladung
in eigenen oder fremden Schiffen im Hafen von Marseille keine Schwierig-
keiten bereitet würden. ^)
151. Gelegentlich scheute Marseille auch Opfer nicht, wenn es hoffen
konnte, seinem Hafen Kreuzfahrer- und Pilgertransporte, die einen immer
größeren Umfang angenommen hatten, zuzuwenden ; so nahm es im Oktober
1237 eine Anleihe von 150 1. reg. cor. auf, um die französischen Barone
durch eine besondere Gesandtschaft zu bestimmen, mit den anderen Kreuz-
fahrern zusammen ihre Überfahrt von Marseille aus anzutreten, und in der
Tat hat Thibaut von Champagne, König von Navarra, im August 1239 diesen
Weg genommen. 4) Zahlreich waren die Schiffe, die Marseille zum Kreuzzuge
König Ludwigs gestellt hat; in dem Vertrage vom 19. August 1246 versprach
Marseille, für den König mietweise 20 wohlausgerüstete Schiffe (naves) von
Johanni 1247 ab in Aigues-mortes bereit zu halten und zu ihrer Begleitung
bei der Überfahrt selbst zehn Galeeren mitzuschicken 5) ; und im Jahre 1248
selbst sehen wür eine ganze Reihe von französischen Großen Verträge wegen
der Charterung von Marseiller Schiffen für die Überfahrt von Marseille nach
Cypern abschließen. 6) Die mächtige Entwickelung von Marseille springt
lebhaft in die Augen, wenn man diese Tatsachen mit der Lage der Dinge
noch beim dritten Kreuzzuge vergleicht.
1) Delaville le Roulx H no. 2067 u. 2079, p. 462 f., 469. Röhricht, Reg. no. 1046,
1052. B.-F.-W. 13058 gehört also zu 1233 und nicht 1230, wonach auch Winkel-
mann II, 293 A. 2 zu berichtigen.
0 Manduel no. 22, 51, 68, 80, 87, 94, 95, 98, 101, 110.
3) Delaville le Roulx n no. 2322, p. 615 f. (zwischen 1244 und 1249). Auf das
Recht der Templer quod habent in onerandis navibus in portu Massil. nimmt In-
nozenz IV. 1247 Bezug ; Berger 2417.
*) Ch. Kohler in : Rev. Or. lat. VII (1900), 15 f. no. 8. Rycc. de San Germ,
bei Gaudenzi, Chron. p. 151.
*) Layettes III no. 3537. Jal, Archäologie navale II, 383 f.
«) Amalric no. 393, 549, 777, 878, 968. Beteiligt sind u. a. Graf Guido von
Forez, Johann von Dreux, Erzbischof Gottfried von Tours.
204 Sechzehntes Kapitel.
♦
Dem PilgertransportM^esen wandte auch die Marseiller Gesetzgebung
ihre Aufmerksamkeit zu. Fremden Pilgerschiffen war, wie aus den Statuten
von 1229 hervorgeht, die hohe Abgabe von Vs des gesamten Passagegeldes
auferlegt!) (soweit nicht besondere Verträge bestanden); alle Marseiller
Schiffe, die sich zum Pilgertransport meldeten, wurden in ein Register ein-
getragen und über die Reihenfolge, in der sie zum Transport darankamen,
entschied nun das Los. Für jeden Pilger war ursprünglich von den Schiffen
eine Abgabe von 1 sol. reg. cor. an die Comune zu entrichten, doch be-
schloß man 1229, von der Erhebung dieser Abgabe nach Erschöpfung des
augenbhcklich schwebenden Losverfahrens abzusehen. 2) Die etwas jüngeren
Statuten 3) haben dann namentlich im Interesse der Pilger sehr genaue Vor-
schriften getroffen ; für jedes passagium wurden drei sachverständige In-
spektoren ernannt, die eine Gebühr bezogen, die nach dem Maßstabe von
10 sol. sterl. auf das Pilgerschiff von 1000 Personen berechnet wurde. Sie
hatten für jedes Schiff genau festzustellen, Avie viel es an Pilgern oder Pferden
bequem fassen konnte (ein Mindestmaß des Raums war vorgeschrieben),
hatten die Lebensmittel zu prüfen, die von den einzelnen Unternehmern (car-
gatores) an Bord gebracht wurden, und in jeder Beziehung die Pilger vor
Übervorteilung durch Kapitäne oder Unternehmer zu schützen ; eine weitere
Kontrolle zum Schutze der Pilger wurde durch die Schiffsschreiber geübt.*)
152. Reichhaltig sind auch die Nachrichten, die wir über den Mar-
seiller Warenhandel mit Syrien haben und um so wichtiger, als sie uns
auch über den Export nach Syrien die besten Aufschlüsse gewähren. Im
April und Mai 1248 haben nacheinander (das System der Schiffskarawanen
begegnet in Marseille so wenig wie in Pisa) die Ausreise nach Syrien an-
getreten das Kauffahrteischiff S. Spiritus (Kapitän Raimundus Sifredi), die
Schiffe (naves) SicardaS. Spiritus, S. Vincentius und Roseta de S. Dionisio,
die Busen S. Michael, S. Antonius des Petrus Isnardus Fulcolini und die
gleichnamige des Bernardus de Nerbona. 0) Von diesen kennen wir für die
Sicarda 22, für den S. Spiritus sogar 144 Kontrakte, die sich auf 58 mit-
reisende Kaufleute und 90 an Land verbleibende Personen verteilen.
Unter den Waren, die auf diesen Schiffen zum Export gelangten,
stehen nun die Erzeugnisse der Textilindustrie durchaus im Vorder-
grunde. Häufig ist nur bemerkt, daß das arbeitende Kapital »in draparia«
oder »in pannis« angelegt ist, häufig sind die Tuche aber auch ihrer Her-
kunft und zum Teil auch ihrer Art nach besonders bezeichnet.
Besonders oft, unter den Kontrakten für den S. Spiritus allein nicht
weniger als 15 mal, begegnen die Tuche von Chälons, darunter viermal die
^) Mery et Guindon I p. 331 : de terciaria peregrinorum.
») Ebd. 334.
^) Sie liegen uns in der Revision von 1253 — 1255 vor, doch ist der Text ganz
überwiegend älter.
*) M^ry et Guindon 11, 279 ff., TV, 118 ff. (das cap. de scriptoribus naviuni
auch bei Fagniez I, 191 f.). Heyd I, 186. Marchand p. 52 ff. Ein Erkenntnis des
Gerichts von Messina vom 80. Juli 1250 in einem Streit zwischen auf der Über-
fahrt begriffenen Pilgern und Kreuzfahrern und den Reedern des Marseiller Schiffs
S. Victor: Layettes III no. 3883; es wird auf Fortsetzung der Fahrt nach Accon
erkannt.
') Anstatt den Nachweis im einzelnen zu führen, verweise ich auf die Re-
gister hei Blancard II. Der S. Spiritus ist auch im Herbst 1249 nach Accon ge-
gangen; Manduel no. 110, 111.
Weiterent^ickelung des Handele d. Mittelmeer-Eomanen mit Jerusalem. 205
grünen, je einmal die blauen und weißen; auch auf dem S. Vincentius gingen
drei Tuchballen, enthaltend 18 Stück Tuche von Chälons und drei barracani
(diese leichteren und geringeren Barchentstoffe wurden, wie es scheint, zum
Einschlagen der Ballen benutzt), nach Accon. i) Es begegnen ferner die Tuche
von Arras viermal (darunter zweimal Stamfords, staminae f ortes), die von Cam-
brai dreimal (einmal die grünen) 2), die mit Kermes gefärbten roten Tuche
von Ypern zweimal, einmal zusammen mit den gleichartigen Tuchen von
Licanusa (?) ^), weiter von nordfranzösischen und flandrisclien Tuchen die von
Chartres, die von S. Quentin, Louviers und Rouen^), die von Lille und die
braunen (bruneti) von Douai. ^) Dazu treten die Mäntel (capae) von Provins
und die biffae von Paris (zweimal); die schwarzen englischen Stamfords
sind nur mit einem Stück vertreten. Auch die einmal vorkommenden
21 Harnische von Poitiers seien im Anschluß hieran erwähnt. 6) Von süd-
französischen Stoffen begegnen die von Narbonne und Tarascon, die bunten
von Avignon und die von S. Pons (bei Nizza). '^) Mehrfach ist auch nur
von kermesgefärbten, grünen, weißen Tuchen, von Sarsch (panni saye),
Vingtains und barracans (Barchent) die Rede. ^) Die höchsten in diesem
Tuchhandel angelegten Beträge liegen in folgenden Fällen vor: Stefanus
Bedocius hat am 17. und 27. März von Petrus de Molinis zwei Commendae
im Gesamtbetrage von 1405 1. misc, in Tuchen angelegt, für die Handelsfahrt
nach Accon erhalten; interessant ist, daß sein Gewinn, gewohnheitsmäßig
sonst auf ^/^ fixiert, hier auf einen Anteil von 600 1. beschränkt ist. 9) Am
31. März hat der Bankier Bernardus Gontardus zwei Commendae im Be-
trage von 492 1. reg. cor. und 447 1. misc. an je zwei Tractatores vergeben,
die insgesamt in 31 Stück roter (mit Kermes gefärbter) Tuche von Ypern u. a.
angelegt sind. 1°) Und in einem Schiffsmietvertrage vom 4. April, in dem sich
ein Konsortium von sechs Personen dem Schiffer gegenüber verpflichtet,
binnen acht Tagen 400 Zentner an Tuchen und Leinwand und 50 Zentner
Mandeln zum Transport nach Accon bereitzustellen, hat Guido von Tripoli
allein die Anlieferung von 200 »quintahapannorum et telarum« übernommen.^)
Leinwandstoffe begegnen außer in diesem Falle unter der Ladung der
genannten Schiffe achtmal, je zur Hälfte aus der Champagne und aus
Deutschland; genauer ist die Herkunft bezeichnet zweimal für Reims, je
einmal für Epinal und Basel. i2) Einmal erscheint große breite Leinwand,
je einmal auch rohe und gebleichte Hanfgespinste. Dazu tritt in zwei Fällen
Garn, einmal mit der Bezeichnung als burgundisches. i^)
') Amalric no. 644 ; sonst no. 33, 37, 174 f. usw.
«) No. 176, 221, 227, 247 ; 43, 118, 275.
3) No. 308, 522.
*) No. 247, 179, 51, 90.
6) No. 487, 83.
«) No. 22; 118, 275; 207; 714.
') No. 33, 40, 76.
8) No. 284, 311; 76; 161; 43; 42; barracani: 88, 161, 175, 179, 227. Einmal
auch veteres marini : 487.
») No 29, 187.
'0) No. 308, 311.
'1) No. 374.
'2) Tele de Campanea: 42, 45, 112, 228 (de Spinaudo); de Alemania: 126, 260,
271, 326 (de Basle).
") No. 186 ; 2, 207 (canabacii crudi u. candidi). Da/Ai 2 balae canabassiorum
in einer Commenda von 1238 auf dem Hospitaliterschiff Falconus, Manduel no. 80.
Filum: Amalric no. 320; filum Borgondie no. 130.
206 Sechzehntes Kapitel.
Als ein Exportartikel von erheblicher Bedeutung erscheinen die Gold-
fäden (aurum filatum), wie man sie besonders in Italien seit alter Zeit her-
zustellen verstand. Sie begegnen in 12 Fällen, davon viermal ohne unterschei-
denden Beisatz, während sie in sechs Fällen als Goldfäden von Genua^),
in je einem als solche von Lucca und Montpellier bezeichnet sind. 2) Um
das beträchtlichste Quantum handelt es sich hierbei bei einer aus »40 peciae
bifarum Janue et 600 canones auri filati Janue« bestehenden Commenda
im abgeschätzten Werte von 386 1. Jan., die der Bankier Bernardus Gascus
dem Trenquerius Gombaudi für die Fahrt mit der Sicarda anvertraut hat. ^)
Von Artikeln des Kürschnergewerbes sehen wir auf diesen Schiffen
4 Ballen Rauchwaren (pelliparia) , 1 Ballen Filzhüte (capellorum feutri),
1 Ballen mit 38 Dutzend Mützen Inhalt und 15 Dutzend Fuchsfelle zur
Ausfuhr nach Accon gelangen. *)
Unter den Metallen ragt das Zinn, das jedenfalls englischen Ur-
sprungs war, hervor; in den 4 Fällen, die wir vom S. Spiritus kennen,
bewegt sich das ausgeführte Quantum zwischen 44 und 67 Zentnern; ein-
mal ist es als stagnum gitatum bezeichnet; 50 Zentner (davon 35 in cloca,
15 in virgis) werden mit 126 1. misc. bewertet. 5) Auf der Sicarda erscheint
es einmal als Commenda mit Schüsseln (conchis) zusammen; ein andermal
ist der hohe Betrag von 700 1. melg. in Zinn, Kupfer und Tuchen angelegt, ß)
Auch das aus Spanien stammende Quecksilber begegnet in 3 Fällen, einmal
mit einem Quantum von 7 ^/2 Ztr. '^)
Korallen, die jedenfalls an der provengalischen Küste selbst gefischt
waren, treffen wir in sechs Fällen imter den Artikeln der Ausfuhr an; ein-
mal sind 57 ^/g 1. misc. in einer capsa de corallo von 5 Ztr. 57 Pfd. Gewicht
angelegt ; als größtes Quantum erscheinen 20 Ztr. s)
In beträchtlicher Menge gingen auch die heimischen Mandeln nach
Syrien ; außer dem schon erwähnten Beispiel (von 50 Ztr.) begegnet uns ihre
Ausfuhr noch in sechs anderen Fällen. 9) Dagegen war der wertvolle Safran,
den wir in neun Fällen auf diesen Schiffen exportieren sehen, wohl erst
aus Toscana eingeführt, wie denn in einem Falle der Commendageber auch
Sienese ist 1°) ; es handelt sich hierbei zugleich um das bedeutendste Quantum,
um 171 Pfd., die mit einem Commendawert von 162 1. 9 sol. misc. angesetzt
sind, in Accon also jedenfalls noch weit teurer verkauft wurden. Annähernd
erscheint auch in den anderen Verträgen das Pfd. Safran mit einem Preise von
1 1. misc.
1) No. 77, 173, 523, 532, 543, 646.
2) No. 190: 28 1. misc. angelegt in 398 scarpis auri filati in fllo de Luca;
100 canones auri filati de Montepess. no. 288.
3) No. 543.
*) No. 146, 31, 435 (statt berrecarum lese ich berretarum ; bari-acans, wie Blan-
card im Regest hat, sind es jedenfalls nicht), 171.
6) No. 207, 226, 194, 209.
6) No. 485, 531.
') No. 228, 438, 534. Im Herbst 1234 können wir die Ausfuhr von 400 Ztr.
Blei C^^usammen mit 60 Ztr. Salzfleisch, 8 Stück Stamfords von Arras und 4 Stück
Tuchen von Douai), die Bern, de Mandolio in Commenda vergeben, auf einem pisa-
nischen Schiffe von Marseille nach Accon nachweisen. Manduel no. 51.
«) Amalric no. 399, 226.
^) No. 528 werden 18 quintalia incamerata amigdalarum, Säcke und Fracht
inbegriffen, auf 41 ^1- 1. misc. bewertet.
'») No. 230; ferner 35, 108, 273, 291, 320, 327, 380, 388.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Ronianen mit Jerusalem. 207
Unter den auf dem S. Spiritus mitreisenden Kaufleuten ragt einer,
Petrus de Bella Aqua, durch die Zahl der ihm anvertrauten Commendae
(13) hervor, die einen Wert von beinahe 1400 1. misc. repräsentieren. Davon
sind 285 1. in Marseiller Münze zu beliebiger Anlage gegeben, etwa 330 1.
bestanden in 848 saraz. Goldbyzantien von Accon (wohl nachgeprägten),
ca. 113 1. in Zinn, das Übrige in Tuchen. Außerdem hat er an vier Mit-
reisende Seedarlehn im Gesamtbetrage von 340 1. misc. vergeben, die binnen
14 Tagen nach behaltener Ankunft des S. Spiritus mit 862 saraz. Gold-
byzantien fällig waren, so daß sich damit das ihm zur Verfügung stehende
Handelskapital noch weiter erhöhte.^)
Bezüglich der Einfuhr aus Syrien begnüge ich mich, einen Kaufvertrag
anzuführen, weil er lehrreich ist für die Quantitäten, die im Marseiller
Handel mit diesen Waren umgesetzt wurden. Am 6. Juli 1248 hat der
Marseiller Kaufmann Marinus de Sala von dem Placentiner Kaufmann
Jordanus de Chilena , von dem wir leider nicht mit Bestimmtheit sagen
können, ob er direkter Importeur gewesen ist, folgende Waren für 3102 1. melg.,
Ende August in Montpellier zahlbar, erstanden 2) :
1. 40 Sack Alaun von Aleppo , . . = 30 Last (caricae) Preis 150 1. melg.
2. 162 > Staubzucker = 108 > » » 1620 > >
3. 43 coflni Mastix = 50 Mars. Zentner > 350 » »
4. 12 Ballen Brasilholz = 8 Last » 320 » »
5. 4 capsae de mazaro (Myrrhe) . . = 3 Ztr. » 75 » j^
6. 5 utrei Gewürznelken = 4 » » 115 » »
7. 6 > Muskatnüsse ^ 5 » > 125 » »
8. 6 Ballen Ingwer = 4 Last . » 100 » »
9. 3 » Barchent (fustanorum) . = 120 Stück (peciae) » 132 > »
Mit Ausnahme des Barchent, den der Placentiner wohl aus seiner
Heimat eingeführt hatte und des aus der Romania stammenden Mastix
sind die Waren sicher sämtlich aus Syrien importiert s), da ein Import aus
Ägypten damals der Kreuzzugsbewegung wegen nicht in Frage kommen konnte.
155. Und an diesem Marseiller Verkehr mit Syrien sind außer
den Kaufleuten von Marseille selbst auch die eines großen Teiles von
Süd-Frankreich überhaupt beteiligt. Auf den genannten Schiffen be-
gegnen wir mitfahrenden Kaufleuten aus Figeac*) und Orlac, Nar-
bonne und Carcassonne, Toulouse, Cahors^) und Limoges, Alais,
0 No. 118 f., 140—144, 174 f., 194 f., 217, 275 ; 109, 155, 166, 185.
*) No. 946. Die Aufrechnung ergibt XV 1. melg. weniger ; an der Gesamt-
summe liegt der Fehler jedenfalls nicht. Er würde geheilt sein, wenn in den
Posten 5 — 7 statt der V am Ende X zu lesen wäre.
') Hingewiesen sei noch auf no. 987, wo dem Marseiller Campsor Martinus
Gascus in Pfand gegeben werden 5 caricae cotoni mapuis de ultra mare (in 4 Säcken)
und 207j Pfd. de serico torto de ultra mare, tincto diversis coloribus. Ferner auf
das Warenverzeichnis im Marseiller Zolltarif bei Mery et Guindon 1, 342 und 346,
in dem auch Indigo von Bagdad (de Bagualdel) erscheint, p. 347. Indigo begegnet
auch im Tarif von Saint-Gilles (Bondurand p. 284 ruh. 28), wo »de laca de l'Indi«
in die zwei Positionen : Lack und Indigo zu trennen ist.
*) In einer Vollmachtsurkunde vom 30. März 1248 (no. 251) wird ein Bevoll-
mächtigter für seine Handlungen in Accon an den Rat des Wil. Faber von Figeae
gewiesen, von dem wir wissen, daß er mit Tuchen auf dem S. Spiritus nach Accon
reiste; no 37, 213.
'') Aus no. 406 geht hervor, daß die Leute von Cahors außer Warenhandel
4 Körbe Ingwer und 15 Pack Bockfelle (boquinae) werden hier genannt) im Heiligen
208 Sechzehntes Kapitel.
Montauban und S. Gilles, während unter denen, die sich nur mit
Kapital an diesen Fahrten beteiligten, außer Figeac, S. Gilles, Car-
cassonne und Limoges auch le Puy, Aix, Nimes und Avignon ver-
treten sind. Dabei sind solche Personen nicht gerechnet, die ihren
Namen von fremden Orten tragen, aber, soweit zu erkennen, in
Marseille ansässig geworden waren. Jedenfalls erscheint Marseille in
der Mitte des 13. Jahrhunderts und einige Jahrzehnte zuvor als der
wichtigste Vermittler des Warenhandels zwischen ganz Südfrankreich
und Syrien.
156. Nächst Marseille aber war unter allen südfranzösischen
Städten Montpellier am meisten am syrischen Handel beteiligt,
allerdings zunächst nicht mit eigenen Schiffen.
Bezeichnend hierfür ist das Privileg, das Kaiser Friedrich IL kurz vor
seiner Rückkehr aus dem Heiligen Lande, im April 1229, den in Accon weilen-
den Bürgern von Montpellier mit Bezug darauf, daß sich Marseille schon seit
geraumer Zeit im Banne des Reichs befand, gewährt hat : die Zollermäßigung,
die sie bisher, wo sie mit Marseiller Schiffen überzufahren pflegten, gleich
den Marseillern selbst in Accon genossen hatten, sollte ihnen auch jetzt,
wo sie sich anderer Schiffe bedienten, in gleichem Umfange zu teil werden, i)
Unter den anderen Schiffen werden wir in erster Linie an pisanische und
genuesische zu denken haben. Doch zog es die Comune von Montpellier vor,
sich noch im selben Jahre mit Marseille zu verständigen; am 6. Dezember
schlössen beide Städte einen Vertrag auf 5 Jahre, nach dem die Marseiller sich
zum Schutze und zur Verteidigung aller Bewohner von Montpellier, die auf
Marseiller Schiffen fuhren, feierhch verpflichteten; immer wieder ist dieser
Vertrag erneuert worden. 2) Über die Stärke der Beteiligung Montpelliers an
dem Marseiller Handel nach Syrien können wir aus dem Notularium Amalrics
vom Frühjahr 1248 eine ungefähre Vorstellung gewinnen. Darnach können
wir unter 58 auf dem S. Spiritus nach Accon reisenden Kaufleuten 10 aus
Montpellier nachweisen; außerdem haben 7 Bürger dieser Stadt Handels-
kapitalien in der gleichen Fahrt angelegt. Und auch an der Fahrt der
Sicarda sind unter den 22 uns vorliegenden Kontrakten in fünf Fällen
Kaufleute von Montpellier beteiligt. 2) Im selben Jahre kam es übrigens
noch zu einem heftigen Konflikt zwischen den Bürgern beider Städte in
Accon, der indessen im Mai 1249 auf der Grundlage gegenseitigen Vergessens
glücklich beigelegt wurde. 4) Um diese Zeit erwarb ein Bürger von Mont-
pellier, Petrus de Terico, ein Recht auf Zollerhebung von seinen Lands-
leuten im Hafen von Accon wie in dem von Tripolis; am 19. August 1251
verständigten sich der Statthalter und die Konsuln von Montpellier mit
Lande auch Geldhandel trieben ; der Hochmeister des Spitals hat Johann Faber
und seinen Sozii von Gabors einen Wechselbrief über 700 1. melg. ausgestellt. S.
auch Wechselbriefe König Ludwigs, Jahrb. f. Nat.-Ök. 73 (1899), 183 f.
0 Winkelmann, Acta I no. 302, p. 272.
2) Germain, commune II no. 31 p. 459; no. 35 p. 477 ff.
3) Amalric no. 469, 485, 511, 522, 541. Auf dem S. Vincentius fuhr der Kauf-
mann von Montpellier, Johannes de Salmoze, nach Accon ; am 22. April 1248 nahm
er für diese Reise von W. de Conchis, dem Bevollmächtigten der Frau Ermessenda
Imberta von Montpellier, einen Ballen Tuche im Werte von 54 1. melg. in Com-
menda; ib. no. 561.
*) Germain, commune 11 no. 33, p. 465 ff.
Weiterentwickelung des Handels d. Mittelmeer-Romanen mit Jerusalem. 209
ihm über eine Ermäßigung der von ihm geforderten Abgaben für die Dauer
der Zollpacht. Zum erstenmal wird bei dieser Gelegenheit ein eigenes Schiff
von Montpellier, das nach Accon gekommen war, die Baninhaira, genannt;
mindestens seit 1243, wo es einen Vertrag mit Tripolis schloß, expedierte
Montpellier auch eigene Schiffe nach Syrien, i)
157. Unter den Rhönestädten hören wir von Arles, daß es eigene
Pilgerschiffe nach Syrien entsandte. Seine wohl aus dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts stammenden Statuten bestimmten 2), daß, wenn Bürger von Arles
Schiffe zum Pilgertransport bereit hielten, diese erst gefüllt sein müßten, ehe
fremde Schiffe in Arles oder seinem Gebiet Pilger aufnehmen dürften.
Dabei war den Reedern (domini navis) und ihren Bevollmächtigten die Er-
richtung von Annahme-Bureaus (teuere tabulam) in Arles und Gebiet bis
zum Seehafen von Bouc verboten ; sie hatten den Konsuln von Arles Bürg-
schaft dafür zu stellen, daß die mit den Pilgern getroffenen Vereinbarungen
auch gehalten, die Pilger selbst loyal behandelt und ihre Habe gut bewacht
würde. Die Annahme von Pilgern lag, wie in Marseille, in der Hand be-
sonderer cargatores, denen es indes in Arles verboten war, Pilger in eigene
Kost zu nehmen. Jedes Pilgerschiff hatte bei der Rückkehr aus Syrien an
das Comune eine gute Armbrust (balista cornu optima de tornu) abzuliefern ;
kehrte es nicht zurück, was häufig vorkam (ut consuetum est — die Schiffe
müssen also häufig in Syrien verkauft worden sein, wohl weil sie für die
Einnahme wertvoller Rückfracht wenig geeignet waren), so wurde die Arm-
brust aus der Kaution oder von den Bürgen des Reeders beschafft.
Gegen Ende unserer Periode gewann auch Aigues-mortes für den
Verkehr mit Syrien Bedeutung. Der Vertrag zwischen Genua und Saint-
Gilles von 1232 zeigt uns, daß genuesische Pilgerschiffe schon damals in
Aigues-Mortes in See gingen 3); und für den Hochsommer 1233 können wir
nachweisen, daß das Schiff de Paradiso von hier aus eine Handelsreise nach
Syrien angetreten hat. Am 11. Mai 1233 hat der Genuese Andrea de
Bulgaro unter Bürgschaft mehrerer Landsleute in Marseille von Bernardus
de Mandolio einen Posten Leinwand gekauft und den Kaufpreis mit 225 1. melg.
in Montpellier nach Eintreffen des genannten Schiffes in Aigues-mortes am
1. August oder zu einem früheren Termin, falls nämlich das Schiff seine
Ausreise früher antreten sollte, zu erlegen versprochen."^) Die verkaufte
Ware, die wohl aus der Champagne oder dem oberen Deutschland einge-
führt war, lagerte also in Montpellier und sollte von hier aus in dem nahen
Aigues-mortes auf dem de Paradiso, der wohl von Marseille dahin kam, zum
Export nach Syrien gelangen. Als König Ludwig IX. sein Augenmerk auf
Aigues-mortes gerichtet hatte und es zum Emporium seines Königreichs an
der Mittelmeerküste zu erheben suchte, waren unter den Vorschlägen, die
') Germain, commerce I no. 21, p. 214 ff. Unten § 161.
2) Giraud U, 232 f. rub. 140. Fagniez I, 76. Für die Zeitbestimmung gewährt
es einen Anhalt, daß das Statut nur von Konsuln redet und Podestäs noch nicht
kennt; vor 1220 aber hat es keinen Podestä in Arles gegeben. Anibert II, 270;
ni, 246. Jedenfalls ist der Ansatz zu 1150 unrichtig; Giraud setzt es in den Zeit-
raum zwischen 1162 und 1202. Pigeonneau l, 139 ff.
3) Unten § 464.
*) Manduel no. 36, p. 47 und der darauf bezügliche Rechtsstreit von 1238/39
no. 86, p. 130 ff , aus dem die genuesische Nationalität der Bürgen und die Tatsache,
daß das Schiff wirklich nach Syrien gefahren ist, hervorgeht.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 14
210 Siebzehntes Kapitel.
ihm die Bewohner machten, um ihren Ort zur Blüte zu bringen i), auch die,
daß er ihnen ein Quartier in Accon und volle Befreiung vom Hafenzoll
daselbst, wie sie die Venezianer, Genuesen und Pisaner besäßen, erwirken
und ihnen das Recht einräumen möge, in Accon einen Konsul, der zugleich
als königlicher Bailo fungieren sollte, auf je 3 Jahre auf ihre eigenen Kosten
zu bestellen, der in jeder Beziehung dieselbe Stellung einnehmen sollte wie
der Konsul von Pisa. Es ist vielleicht eine Antwort auf diesen Vorschlag,
wenn der König im Jahre 1246 genehmigt, daß die Konsuln von Aigues-
mortes für jede Seereise einen ihrer Mitbürger präsentieren sollten, dem die
Jurisdiktion über alle Kaufleute und Mannschaften aus dem Königreich,
die diese Seereise von Aigues-mortes aus mitmachten, übertragen werden
könnte ; seine Bestätigung wurde der königüchen Kurie vorbehalten. 2) Für
die Kreuzfahrt des französischen Königs ist Aigues-mortes bekanntlich der
Hauptausgangspunkt gewesen; hierher sandte Genua seine Schiffe zur Auf-
nahme des Transports; wir kennen eine Reihe von Seedarlehn auf den
S. Vincentius, den Paradisus novus, die Damiceila, alle vom Juli 1248, die
darauf Bezug nehmen. ^) Es war ein wichtiger Seehafen geworden ; ein See-
handelsplatz aber, der eigene Seeschiffe nach Syrien entsandt hätte, war es
nicht. Auch für Narbonne können wir einen eigenen Schiffsverkehr mit
Syrien in dieser Periode nicht nachweisen. ■*)
158. Für Barcelonas Handelsverkehr mit Syrien ist in erster Linie
auf die schon erwähnte Verordnung König Ja3'mes I. von Aragon von 1227
zum Schutz der nationalen Schiffahrt hinzuweisen. Ebenso geht aus einer
Verordnung vom 19. August 1243, die einen über die im Hafen von Tamarit
zu erhebenden Seezölle zwischen Barcelona und der Herrin des Hafens
schwebenden Streit schlichtete &), hervor, daß Schiffe von Barcelona nach
Syrien fuhren und bei der Heimkehr verschiedene katalanische Häfen,
speziell auch den von Salou (bei Tarragona) anzulaufen pflegten. Aus der
Levante stammende Gewürze und Drogen führt ein katalanischer Zolltarif
vom Jahre 12216) [y^ verhältnismäßig großer Zahl auf; daß sie alle oder
auch nur überwiegend damals schon durch nationale Schiffe importiert
wurden, ist damit natürlich nicht bewiesen und auch schwerlich anzunehmen.
Siebzelmtes Kapitel.
Handel der Mittelmeer -Romanen mit Nord-Syrien,
Cypern nnd Süd-Kleinasien (bis 1350).
159. Im nördlichen Syrien hatte sich die Stadt Tripolis ebenso
wie Antiochien mit dem Simeonshafen zur Zeit der saladinischen
1) Menard I, preuves no. 55 p. 78 (undatiert).
2) Pardessus IV, 233.
3) Canale U, 626. Belgrano p. 55 f.
*) Für das Bestehen eines solchen spricht es auch nicht, wenn wir einen
Narbonnesen im Frühjahr 1248 mit einer Commenda von Quecksilber auf dem Mar-
seiller Schiff Sicarda in See gehen sehen, Amalric no. 534; auch nicht, daß wir
nicht wenigen Marseillern begegnen, die nach ihrem narbonnesischen Ursprung
benannt sind; s. das Eegister bei Blancard II, 583.
6) Oben S. 187 und Capmany II no. 7, p. 15,
6) Ebd. no. 3 p. 3 ff. Heyd I, 326. •
Handel der Mittelmeer - Romanen mit Nord-Syrien, Cypern u. SüdKleinasien. 211
Invasion glücklich behauptet; Laodicea aber war verloren gegangen,
so daß die beiden kleinen Staaten, die in dieser Periode überwiegend
durch Personal-Union verbunden waren, nunmehr räumlich von ein-
ander getrennt wurden, während das Sultanat Aleppo durch den Be-
sitz dieses Seehafens jetzt in unmittelbare Verbindung mit den Mittel-
meer-Romanen trat.
Für Tripolis hatte Graf Raimund unmittelbar nach seiner Rückkehr
von Tyrus seinen Freunden, den Pisanern, ein Privileg ausgestellt (August
1187)1), in dem er ihnen fast uneingeschränkte eigene Gerichtsbarkeit und
Freiheit von allen Handelsabgaben zugestand, offenbar um sich ihre Mit-
wirkung bei der Verteidigung der Stadt zu sichern. Als dann die Zeit der
Gefahr vorüber war, wurde die Exemption der Pisaner vom Bischof, dem 1/3
des Warenzolls zustand, angegriffen. Nun versprach zwar Boemund III.
22. Januar 1194 dem pisanischen Vicecomes in Tripolis, Matteo Minchet,
den drei Abgesandte der an dem Handel mit Tripolis offenbar wesentlich
interessierten Gemeinde der Pisaner in Accon in seinen Forderungen unter-
stützten, ihre Handelsfreiheiten in TripoHs gegen den Bischof der Stadt zu
schützen; sein Sohn Boemund IV. aber trat, offenbar auch im eigenen fis-
kalischen Interesse, auf die Seite des Bischofs, was zur Folge hatte, daß es zu
argen Wirren und gewaltsamem Vorgehen der Pisaner kam. Am 26. August
1199 söhnten sich die streitenden Parteien aus; die Pisaner erhielten ihre
Häuser, ihre Gerichtsbarkeit und ihre sonstigen Freiheiten in 'vollem Um-
fange zurück, mußten aber den angerichteten Schaden durch Erlegung von
12000 Byzantien ersetzen, wovon 8000 sofort zahlbar waren, während der
Rest durch Erhebung einer Abgabe von den Waren der Pisaner aufzubringen
war. Auch wurde dem Grafen das Recht eingeräumt, bei einem etwaigen
Angriff, den Pisaner, die außerhalb von Tripolis wohnten, gegen sein Gebiet
richteten, alle Pisaner unter Gewährung einer dreimonatlichen Frist zur
Räumung seines Gebietes zu zwingen. 2)
In Batrun war der reiche Pisaner Plebanus durch den Kriegszug Sala-
dins nur wenige Jahre seiner Herrschaft beraubt worden. Im März 1202 3)
befreite er mit seiner Gemahlin Cäcilia die Pisaner mit Ausnahme derjenigen,
die seine Untertanen geworden waren und solcher im Gebiet von Tripolis
ansässiger Personen, die erst in Zukunft die pisanische Nationalität annehmen
würden, von allen Zollabgaben in seinem Gebiet; nur von pisanischen Ge-
treideschiffen, die ihre Ladung in seinem Gebiet verkauften, sollte ein
mäßiges Quantum Getreide 4) in natura als Abgabe erhoben werden. Da
Plebanus keine männlichen Erben . hinterließ , fiel Batrun nach seinem
Tode an ein Mitglied des Fürstengeschlechts von Antiochia; bis zum Sep-
tember 1209 ist er noch mehrfach als Zeuge unter den Urkunden Boe-
munds IV. nachweisbar. 0)
In Antiochia blieb die kommerzielle Stellung der Pisaner im wesent-
lichen, wie sie früher gewesen; in dem Privileg Boemunds IV. (März 1200),
der, wie schon sein Vater, die Grafschaft Tripolis beherrschte, werden die
9
1) Müller p. 25.
2) Müller p. 65 und 79. Heyd I, 323.
») Müller 83, Heyd I, 321 f.
*) »unius marcipani«; ein Maß: 1243 Erlaubnis, wöchentlich in einer Mühle
100 marcibana frumenti libere zu mahlen. Röhricht, Reg. no. 1113.
») Röhricht, Reg. p. 224.
14*
212 Siebzehntes Kapitel.
Abgaben, von denen sie wie vorher die Hälfte zu zahlen hatten, etwas ge-
nauer auf gezählt 1) : die Hälfte vom Durchgangszoll (passagium) wie von
jeder anderen Abgabe, die die Lateiner zu zahlen hatten, von der tertia-
naria (der Pilgerabgabe) im Simeonshafen (Sueidieh), wie von dem Zoll, der
an der Orontesbrücke pro Kopf erhoben wurde. In der Bestätigung der
Privilegien, die der Vicecomes der Pisaner in Antiochien, Nikolaus, am
7. April 1216 von dem neuen Fürsten Rupinus erlangte, bedang sich dieser
aus, daß eine Ausdehnung dieser Privilegien auf seine Untertanen nicht
etwa dadurch erfolgen dürfe, daß solche von den Pisanern als Schutzver-
wandte aufgenommen würden. 2) Im März 1234 hat dann Boemund V. die
pisanischen Privilegien sowohl für Antiochien wie für TripoHs bestätigt. 3)
160. Genua erlangte im April 1189 von dem in Tyrus weilenden
Boemund III. den Verzicht auf das Strandrecht und das Recht eigener Ge-
richtsbarkeit (curiam) in Antiochia*), wobei der Fürst allerdings seine in
Antiochia, Laodicea oder Gabulum wohnenden burgenses genuesischer Na-
tionalität ausnahm und auch die Verbrechen gegen Leben und Eigentum
sowie Hochverrat seiner eigenen Gerichtsbarkeit vorbehielt ; daß er dasselbe
•Zugeständnis und Abgabenfreiheit außerdem auch für Laodicea gewährte,
blieb bei dem Verlust dieses wichtigen Hafenplatzes an die Sarazenen ohne
Bedeutung. Dagegen befreite der Fürst durch besonderes Privileg am
1. September die genuesischen Waren von allen Abgaben in seinem Gebiet,
die in seinem Namen erhoben wurden. °)
Die Personal- Union zwischen Tripolis und Antiochien übte nun
auch eine günstige Rückwirkung auf die Beziehungen Genuas zu der Graf-
schaft aus, insofern Boemund IV. den Genuesen am 3. Dezember 1203
eigene Gerichtsbarkeit in Tripolis mit den üblichen Beschränkungen sowie
vollständige Freiheit von Handelsabgaben in der Grafschaft zugestand, wo-
bei wieder die genuesischen burgenses aller Kreuzfahrerstaaten ausgenommen
wurden. Auch gestattete er ihnen den Ankauf gewisser Häuser in Tripolis,
verlangte aber von jedem in sein Land kommenden Genuesen einen Eid,
daß er zur Verteidigung desselben auf Kosten des Grafen beitragen werde, ß)
Und als ihm der Graf Heinrich von Malta nach anfänglichen Zwistigkeiten
mit zwei Galeeren, 1300 Gepanzerten und 3000 Byzantien zur Eroberung von
Nefin (zwischen Tripolis und Gibeleth) geholfen hatte, bestätigte er ihm
(Juli 1205), als dem Vertreter Genuas, alle Rechte und Privilegien der Ge-
nuesen in Grafschaft und Fürstentum für ewige Zeiten. ') Dagegen ließ
Fürst Rupinus, als er im Februar 1216 das genuesische Privileg für An-
tiochia bestätigte, eine wesentliche Beschränkung der Abgabenfreiheit der
Genuesen im Simeonshafen eintreten. 8)
Von den Venezianern im Fürstentum Antiochien hören wir in
dieser Zeit gar nichts; dagegen hatten sie jetzt in Tripolis festen Fuß ge-
faßt. Wir haben gesehen, daß die Venezianer im Sommer 1224, wie nach
1) Müller p. 80. Heyd I, 177.
«) Ib. 90 f. und 339.
* ') März 1233; principatus et comitatus anno I. Müller 99 f.
♦) Röhricht : Amalrich I. von Jerusalem in : MIÖG. XII (1891), 488. Lib. Jur. I
no. 424 (mit dem irrigen Datum 1199).
») Lib. Jur. I no. 379.
6) Röhricht 1. c. 489. Ann. genov. n, 101 A. 1. Heyd I, 322.
') Lib. Jur. I no. 477. Ann. genov. n, 99 fE. Röhricht, Reg. no. 807.
8) Lib. Jur. I no. 516. Heyd I, 339.
Handel der Mittelmeer -Romanen mit Nord-Sj'rien, Cypern u. Süd-Kleinasien. 213
Beirut, so auch nach Tripolis einen regelmäßigen Schiffahrtsdienst einrich-
teten und seitdem einen Konsul dahin entsandten i) ; auf solche Beziehungen
deutet es auch, wenn der Bischof von Tripolis bei seiner Anwesenheit im
Abendlande sich von Innozenz IV. die Erlaubnis geben läßt, bei einem vene-
zianischen Kaufmann, Giovanni Stamiario, die hohe Summe von 230 1. ven.
gross, aufzunehmen und dafür die Güter seiner Kirche zu verpfänden 2), um
so mehr, als wir Venezianern in solchen Geldgeschäften nur selten begegnen.
161. Auch der Verkehr der Südfranzosen erscheint auf TripoHs
beschränkt; und zwar sehen wir hier Montpellier im Vordergrunde stehen.
Seine Gesandten Raimund Conte und Guil. Berenger erwirkten im Februar
1243 bei Boemund V. ein Privileg 3), das die von ihnen bei Kauf und Ver-
kauf, Ein- und Ausfuhr zur See bisher gezahlten Abgaben auf 1/3 ermäßigte.
Die Ermäßigung sollte auch für Waren gelten, die sie zur See aus sarazeni-
schem Gebiet 4) kommen und erst in Tripolis auf große Schiffe verladen
ließen. Bei Streitigkeiten um Mobilien oder Geld untereinander oder mit
Genuesen und Pisanern sollten die Leute aus Montpellier nur vor ihrem
eigenen Konsul Recht zu geben verpflichtet sein, ausgenommen in Sachen,
für die das gräfliche Handelsgericht (la funde de Triple) zuständig war.
Der Konsul mußte schwören, nicht zu dulden, daß die Privilegien anderen
als Bürgern von Montpellier zugute kämen; bei der Ankunft hatte jeder-
mann einen Eid zu leisten, während der Dauer seiner Anwesenheit den
Fürsten und seine Herrschaft zu beschützen. Zu ihrer Unterkunft und zum
Betriebe ihres Handels wurde ihnen gegen Miete eine Straße zugewiesen;
ihr Konsul erhielt ein Haus mietfrei. Dafür verpflichtete sich Montpellier,
jährlich ein Schiff mit mindestens 40 Mann Besatzung nach Tripolis zu
expedieren und mindestens 800 Zt. Waren (Kintaus daveir) daselbst
einnehmen zu lassen. Das Privileg sollte zehn Jahre vorn Tage der Ankunft
des ersten Schiffes an gelten und hinfällig werden, sobald Montpellier die
Sendung des Schiffes einmal unterließe.
Einige Zeit darauf ging Petrus de Terico als Gesandter König Jaymes,
der zugleich Oberherr von Montpellier war, an den Fürsten und führte seine
Mission, von der wir leider nichts Näheres erfahren, mit Erfolg durch ; wie
für Accon, hat er auch für Tripolis ein Recht auf Zollerhebung von seinen
Landsleuten erworben.^)
Auf Handelsverkehr von Marseille mit Tripolis deutet es, wenn wir in den
Akten Amalrics von 1248 einen Posten Taft (cendati de Triplo), der nach dem
Innern Frankreichs weitergeht, antreffen ; Guido de Tripoli gehört der Han-
delsgesellschaft an, die am 4. April für den Transport von Tuchen, Leinwand
und Mandeln nach Accon auf der Sicarda einen Frachtvertrag abschließt. 0)
162. Für den Handelsverkehr mit Aleppo hatten die Vene-
zianer durchaus die Initiative ; nur von ihnen kennen wir aus unserer
Periode Handelsverträge mit dem Sultanat.
^) § 141.
») Berger 2516.
') Germain, commune 11 no. 43, p. 513. Heyd I, 324 f.
*) »de payennie<; gemeint ist jedenfalls hauptsächlich Laodicea.
'') Oben § 156. Seine Verständigung mit Montpellier 19. Aug. 1251 : Germain,
commerce I, 214 ff. Anerkenntnis einer Schuld des Königs von 150 1. melg. ihm
gegenüber, wobei seiner Gesandtschaft lobend gedacht wird ; ib. no. 24 p. 220 f.
(26. Jan. 1253).
•») Amalric no. 629, 374.
214 Siebzehntes Kapitel.
Den ersten derselben schloß ihr Gesandter P. Marignoni im Jahre
1207 oder 1208; der Sultan gewährleistete ihnen Sicherheit von Person und
Habe und räumte ihnen ein Fondaco sowie Kirche und Bad in Aleppo ein.
Als Tommasino Foscarini am 12. September 1225 die Bestätigung dieses
Privilegs erwirkte, verzichtete der Sultan Almelik Alaziz außerdem auf das
Strandrecht; doch ließ er sich von dem aus Seenot geborgenen Gut eine
Abgabe von 15% zugestehen. Auch erkannte er den Grundsatz an, daß in
Fällen von Seeraub oder sonstigen Übeltaten, die Venezianer an seinen
Untertanen begingen, den unbeteiligten Kaufleuten daraus keinerlei Nachteil
erwachsen sollte. Auf die Bitte des Gesandten, ihm auch für Laodicea den
Besitz von Fondaco und Kirche zu privilegieren, wies ihn der Sultan an
den Admiral, der an seiner Statt in Laodicea regierte; von diesem wie von
dem Herrn von Sahjün, einem starken Kastell, das die Handelsstraße zwi-
schen Laodicea und Aleppo beherrschte, erlangte der Gesandte in der Tat
im folgenden Monat ebenfalls die entsprechenden Zugeständnisse, i)
Weitere Fortschritte machten die Venezianer 4 Jahre später, als Jo-
hannes Succugullus als Gesandter des Dogen nach dem Sultanat ging. Von
dem Herrn von Sahjün erwirkte er zunächst im November 1229, daß die
Saumtierlast Pfeffer und Baumwolle nur einen Zollsatz von 6^/4 und
22/g Dirhems tragen sollte, während für die Kamellast allerdings die alten
Sätze von 8 und 4 Dirhems bestehen blieben. Der Sultan selbst versprach
im folgenden Monat, für die Venezianer ein drittes Fondaco an der Orontes-
brücke auf dem Wege nach Aleppo zu ihrer Unterkunft errichten zu lassen ;
ihr Bailo, den sie in Aleppo und in Laodicea haben dürften, sollte, soweit
nur Venezianer in Betracht kamen, völlig unbeschränkte Jurisdiktion besitzen;
außerdem sollte ein hoher Beamter (admiralius) des Sultans an jedem Montag
etwaige Beschwerden der Venezianer über ihre Behandlung am Zoll (in
duana) entgegennehmen und für ihre Abstellung sorgen. Von einer Ab-
gabe bei Schiffbruch ist nun nicht mehr die Rede; andererseits fehlt die
Erwähnung der Kirche in Aleppo, schwerlich zufällig, da sie bei Laodicea
erwähnt wird; so scheint es zur Erbauung einer venezianischen Kirche in
Aleppo nicht gekommen zu sein. 2)
163. Aus dem Umstände, daß die Orontesbrücke, an der die Pisaner
nach ihren Verträgen mit Antiochia einen Kopfzoll entrichten mußten,
einige Meilen östlich von Antiochia lag, hatte Heyd schon geschlossen 3),
daß auch die Pisaner unmittelbaren Handelsverkehr mit Aleppo unterhalten
haben müssen. Wie Recht er damit hatte, zeigen nunmehr die Akten von
San Gimignano, dessen Bewohner sich unter den Fittichen Pisas am Levante-
handel zu beteiligen pflegten. Im Jahre 1244 starb in Aleppo, wo er sich
des Handels wegen aufhielt , Cambius von San Gimignano , nachdem er
seinem Landsmann Guido q. Actaviani, der zu gleichem Zwecke in Aleppo
weilte, u. a. zwei Lasten (salmas) Baumwolle im Gewicht von 2V2 Kantär
(ad cantare catenae de Accon), eine baumwollene Matratze (matarassa) im
Gewicht von 18 rotuli und einen Korb Zimt, der 145 V4 »mennae« faßte,
übergeben hatte. Und im selben Jahre wurde von demselben kleinen Ort
Toskanas aus eine Handelsreise mit 50 syrischen Goldbyzantien in bar und
') Tafel und Thomas H, 62 fe, 256 ff. Näheres Heyd I, 374 f.
«) Tafel und Thomas U, 272 ff. Heyd I, 376 f.
3) I, 377.
Handel der Mittelmeer- Romanen mit Nord-Syrien, Cypern u. Süd-Kleinasien. 215.
22 Pfd. Safran (boni et puri croci in floribus) nach der Levante angetreten,
als deren Ziel in erster Linie Aleppo genannt wird; die Vertragschließenden
müssen also für ihren Artikel gerade an diesem Handelsplatze besonderen
Gewinn erwartet haben, i)
Genuesen und Provengalen können wir im Handelsverkehr mit
Aleppo nicht direkt nachweisen. Doch begegnet Alaun von Aleppo häufig,
auch in bedeutenden Quantitäten, auf dem Markt von Marseille und auf
dem Transport von da nach den Messen der Champagne 2), wobei freilich
dahingestellt bleiben muß, auf welchen Wegen dieser Handelsartikel nach
^Marseille gelangt ist. Im übrigen weist uns der Umstand, daß Pfeffer und
Zimt unter den Hauptausfuhrartikeln Aleppos erscheinen, darauf hin, daß
Aleppo diese Waren Indiens auf einem selbständigen Wege bezog, der vom
persischen Meerbusen her den Euphrat aufwärts und von diesem in wenigen
Tagereisen ohne jede Schwierigkeit nach Aleppo führte. Schon als Kon-
kurrenzweg gegen Ägypten war dieser Handelsweg von hoher Bedeutung,
was namentlich die Venezianer wohl zu würdigen verstanden.
164. Vom Handel der Romanen mit Damaskus erfahren wir für
unsere Zeit direkt nur insofern, als die Behörden Accons nach Zorzi's Be-
richt (1244) die Abgabenfreiheit der Venezianer für ihren Landhandel zwischen
Damaskus und Accon nicht gelten lassen wollten. Für den Verkehr Genuas
mit Damaskus spricht es, daß Heinrich III. von England im Januar 1225
den Genuesen Ansaldus Mallonus beauftragte, für 100 M. Sterl. Scharlach-
tuch und andere Kostbarkeiten auf seine Rechnung einzukaufen und dem
Sultan in seinem Namen als Geschenke zu überbringen ; 1227 kehrte er mit
Gegengeschenken des Sultans zurück, für die der König in einem Briefe vom
20. Februar 1228 seinen Dank abstattete, indem er den Sultan gleichzeitig um
die Freilassung aller etwa von ihm gefangen gehaltenen Christen bat. ^)
165. Wenn dem dritten Kreuzzuge die W^iederherstellung des
Königreichs Jerusalem nur in sehr beschränktem Umfange gelang,
so führte er dafür zur Begründung eines neuen lateinischen Staates
auf Cypern.
Als Guido von Lusignan nach der kurzen Episode der Templerherrschaft
das neubegründete Königreich von Richard Löwenherz gegen den Verzicht
auf Jerusalem erhielt, schienen sich besonders für den Handel seiner
pisanischen Freunde, die ihn auch nach der Insel übergesetzt hatten,
günstige Aussichten zu eröffnen ; doch ist weder von ihm noch von seinem
Nachfolger Amalrich (1194 — 1205), mit dem die Pisaner ebenfalls eng ver-
bunden blieben, ein Privileg für Pisa erhalten. 4) Nur einzelne Spuren
geben von der Handelstätigkeit der Pisaner auf der Insel Kunde. Einem
bekannten pisanischen Geschlecht gehört wahrscheinlich Girardus de Masca
an, den wir 1210 im Besitz eines Hauses zu Limassol sehen, wo die Pisaner
') Davidsohn II no. 2307 und 2308 (p. 298).
•") Manduel no. 47 (1234); Amalric no. 614 (617, Ztr., Preis 173 1. misc.), 681,
946. Auch in der Zollordnung von 1229 alun dalap: Mery et Guindon I, 346.
«) Tafel u. Thomas II, 397 f. Heyd I, 373. Rotnli claus. II, 13. Close Rolls
p. 94. Unten § 321. Vgl. Röhricht, Reg. no. 969, 985.
*) Heyd I, 359 f. Röhricht, Jerusalem 619 A. 2, 663. Mas Latrie, Chypre I,
41 ff. Über den damaligen wirtschaftlichen Niedergang Cyperns, der mit der Herr-
schaft der Lateiner wachsender Blüte Platz machte, s. Oberhummer E. : Die Insel
Cypern. Eine Landeskunde auf bist. Grundlage (München 1903), p 271 ; p, 40^ ff.
arabische Literatur über Cypern.
216 Siebzehntes Kapitel.
auch später ihre wichtigste Niederlassung auf Cypern hatten; und 1208
hören wir von pisanischen und venezianischen Kaufleviten, die, von Syrien
kommend, ihre Ladung auf Cypern vervollständigten, ehe sie nach Ägypten
weiter fuhren, i)
Auch von den Venezianern wissen wir im übrigen nur, daß die
Gesandten Pietro Dandolo und Luca Barbani während der Minderjährigkeit
König Heinrichs I. (1218 — 1233) ein Privileg für ihre Vaterstadt erwirkt
haben 2) ; zur griechischen Zeit hatte ihnen schon ein Dekret Kaiser Manuels
vom Oktober 1147 die Insel geöffnet. 3)
In bezug auf die kleineren italienischen Handelsnationen ist zu be-
merken, daß 1232 von Häusern in Famagusta die Rede ist, die einst dem
Anconitaner Rainaldus gehört hätten'^); und als der Erzbischof von
Trani zusammen mit seinem Amtsbruder von Brindisi im Auftrage Heinrichs VI.
die königlichen Insignien für Amalrich überbrachte (Mai 1196), benutzte
er die Gelegenheit, den Bewohnern von Trani Zollfreiheit auf der Insel
zu erwirken. ^) Darnach ist anzunehmen, daß schon vorher zwischen Apulien
und Cypern Handelsverkehr bestand; in der Tat hören wir auch 1192 von
einem nhnnv Xoyyoßu^dixop mit dem Bischof von Paphos an Bord, das auf
der Fahrt nach Cypern von pisanischen und genuesischen Korsaren gekapert
wurde. Und als ein Symptom für bestehende Handelsbeziehungen ist es
vielleicht auch anzusehen, daß der 1225 nach Salerno transferierte Bischof
Caesarius von Famagusta ein Amalfitaner war. ^)
166. Etwas reichlichere Nachrichten haben wir von den Genuesen.
Für ihren frühen Verkehr auf der Insel zeugt die Bewilligung einer auf die
Handelseinkünfte von Nicosia angewiesenen Jahresrente von 200 Byz. für
das bei Genua gelegene Kloster b. Mariae de Jubino durch König Guido
(15. August 1194)'^), sowie der Umstand, daß schon 1203 von genuesischen
burgenses Cypri die Rede ist. s) Unter der Regentschaft wurde ihre Stellung
dann besonders günstig. Im Juli 1218 erwirkte ihr Gesandter Petrus Gon-
tardi ein Privileg 9), das ihnen Befreiung von allen Handelsabgaben zu-
sicherte, ihnen zum Bau von Häusern je ein Grundstück in Nicosia und
Famagusta anwies und ihnen das Recht einräumte, ihre Konsuln oder Vice-
comites auf Cypern zu haben, von deren Jurisdiktion allein Mord, Hochver-
rat und Entführung ausgenommen sein sollten. Als die genuesischen General-
konsuln für Syrien im Jahre 1232 den 15jährigen König mit einem Ge-
schwader, der kaiserlichen Partei zum Trotz, nach Cypern geleiteten, erfuhr
dies Privileg noch eine Erweiterung.^o) Wenn nunmehr die bei Benutzung
») Delaville le Roulx II no. 1354. Amari dipl. p. 70.
») Mas Latrie in Bibl. de l'Ecole 34 (1873), 54 f. Heyd I, 368.
3) Tafel und Thomas I, 118, 124.
*) Lib. Jur. I no. 693, p. 900.
«) Toeche 392. Heyd I, 361. Röhricht, Reg. no. 729.
«) Bertolotto p. 449. Ughelli VII, 579. Über die Bezeichnung Longobardi für
die Angehörigen des ehemaligen byz. Themas »Longobardia« s. auch Bertaux :
Les FranQais d'outre mer en Apulie etc. in : Rev. historique 85 (1904), 228.
^) Ferretto : Contributi alle relazioni tra Genova e l'Oriente im Giorn. ligust.
21 (1896), 44.
8) Röhricht in MIÖG XII (1891), 489.
9) Lib. Jur. I no. 544, p, 625. Mas Latrie, Chypre I, 198 ; H, 39. Heyd I, 362.
">) Lib. Jur. I no. 693, p. 899. Winkelmann U, 396. A. 1. Mas Latrie, Chypre I,
284; II, 51.
Handel der Mittelmeer-Romanen mit Nord-Syrien, Cypern u. Süd-Kleinasien. 217
der öffentlichen Maße und Gewichte von den Genuesen zu zahlende Gebühr
auf 1 Denar für jeden Kantär oder je 10 Scheffel (modia) oder jedes Wein-
quantum im Wert von 10 ßyzantien festgesetzt wurde, so ist darin wahr-
scheinlich eine Herabsetzung der bestehenden Gebühr, keinesfalls aber eine
Minderung der Abgabenfreiheit zu erblicken. Ihr Grundbesitz wurde an
den beiden genannten Orten erweitert und durch Schenkungen für Limisso
und Baffo (Paphos) vermehrt; an allen vier Orten sollten sie auch eigene
Backöfen haben dürfen. Die Jurisdiktion der an eben diesen Orten zuge-
lassenen genuesischen Konsuln oder Vizegrafen erfuhr insofern noch eine
Ausdehnung, als auch bei den drei reservierten Straftaten fortan erst der
Überführte dem königlichen Gerichtshof zur Bestrafung zu übergeben war.
So waren offenbar jetzt die Genuesen die Meistbegünstigten auf der Insel;
im Januar 1233 reiste die Königin- Witwe Alix, die sich in Genua aufge-
halten hatte , mit einem genuesischen Geschwader nach Cypern i) ; am
2. Dezember 1233 schlössen die genuesischen Generalkonsuln für Syrien mit
König Heinrich, dem Herrn von Beirut und zahlreichen Großen ein enges
Schutz- und Trutzbündnis auf fünf Jahre ab. 2) So sehen wir diese General-
konsuln auch für Cypern die höchste Autorität im Orient bilden und man-
cherlei Rechte auf der Insel ausüben ; demgemäß wurden das der Commune
Genua in der Hauptstadt Nicosia gehörige Bad und ein Haus in Famagusta
jährlich von Accon aus verpachtet; 1249 warfen sie 241 und 57 Byzantien
ab. 3) Erzeugnisse der nordfranzösischen Textilindustrie sehen wir genue-
sische Kaufleute damals auch von Marseille aus nach Cypern exportieren ;
der Träger eines berühmten Namens, Guüelmus de Pessagno, ist im Früh-
jahr 1248 mit solchen Waren nach Cypern gegangen.^)
167. Eine nicht geringe Handelstätigkeit haben auch die Proven-
9alen auf Cypern entwickelt. Schon im Oktober 1198 erlangte Marseille
von König Amalrich gegen eine Beihilfe von 2800 Byzantien zu seinen
Unternehmungen Handelsfreiheit für Cypern und Überweisung von Grund-
besitz (des casale Flaciae).^) Im März 1236 erschien der Konsul von Mar-
seille in Accon, Geraut Oliver, in Gemeinschaft mit Reymond de Conches,
der wohl die Interessen der übrigen Provengalen vertrat, vor König Hein-
rich in Nicosia, der den Marseillern und den Provengalen überhaupt eine
Reihe von Abgabenerleichterungen bewilligte, während sie schwören mußten,
ihn, seine Erben und sein Land zu verteidigen, so lange sie auf Cypern
verweilten. Darnach sollten sie bei Einkäufen allerdings nach wie vor die
landesüblichen Abgaben entrichten müssen ; beim Verkauf aber sollten
Waren, die sie aus Syrien oder Klein-Asien importierten, nur 1 % vom
Werte zahlen, und wenn sie unverkauft blieben, unverzollt wieder ausge-
führt werden dürfen. Bei Waren, die Cypern nur passierten, hatten sie an
Zoll zu entrichten für den Zentner Alaun und das Hundert feine Schaf-
leder (boquines) je 1 Byz., für den Zentner Wolle 2 Byz., für jeden rotulus
Seide 1/2^72.) für seidene Tücher und alle anderen Waren 1% vom Wert;
dieser Zoll war im ganzen Königreich nur einmal zu entrichten und zwar
') Ann. Jan. (SS. XVIII) zu 1232.
») Mas Latrie, Chypre n, 56. Röhricht, Reg. no. 1049. Heyd I, 363.
'->) Arch. Or. lat. n, 2 p. 219.
"*) Amalric no. 434. Er führte als Commenda einen Ballen im Werte von
80 1. misc. mit sich, der 28 Mäntel von Bailleul (cape de Baiola) und V2 Stück Tuch
von Chartres enthielt.
') Heyd I, 367. Mas Latrie, Chypre U, 24 ff.
218 Siebzehntes Kapitel.
dort, wo sie zuerst einen Teil der Ladung löschten, i) 1250 wurde dies
Privileg von Innozenz IV. bestätigt. 2)
Für das Frühjahr 1248 können wir aus dem Notularium Amalrics
einen ziemlich lebhaften Handelsverkehr von Marseille nach Cypern nach-
weisen; er mag gerade damals gesteigert sein dadurch, daß schon bekannt
war, daß König Ludwig auf seiner Kreuzfahrt zunächst bis nach Cypern
gehen würde.^) So liefen die meisten damals nach Accon bestimmten
Schiffe auch Cypern an; der große S. Spiritus allerdings nicht; bei der
Sicarda aber nennt ein Kontrakt Cypern oder Accon als Reiseziel ^) ; für
den S. Vincentius liegen uns zwei Kontrakte für Accon und einer für Cypern,
für den S. Michael unter vier Kontrakten einer für Cypern allein und einer
für Cypern oder Accon vor. s) Ein Marseiller Schiff aber, der »Schwan«,
der im Jahre vorher nach Syrien gegangen war^), hat diesmal nur Cypern
zu seinem Ziel ; die Akten Amalrics weisen neun auf seine Fahrt bezügliche
Kontrakte in der Zeit vom 4. bis 14. April 1248 auf. Die Einfuhrartikel
sind gleicher Art, wie wir sie für Syrien kennen gelernt haben; nur bezüg-
lich der Ausfuhr bleibt einiges zu bemerken. Als von der Insel selbst stam-
mende Artikel erscheinen feine Bockfelle (becunae de Cipro), von denen
am 18. Mai 1248 in Marseille 850 Stück zum Preise von 20 1. misc. das
Hundert verkauft wurden, und Indigo (indium de Cipro), von dem kurz
zuvor 2V4 Ztr. von Marseille nach Bugia ausgeführt wurden. Wenn
ein anderer Marseiller Kontrakt die Anlage von Commendageld bei der
Heimreise von Cypern in Pfeffer oder Zucker oder Hutwolle (lana capel-
lorum) vorschreibt, so bleibt es allerdings zweifelhaft, ob Zucker und Wolle
von der Insel selbst stammten; der Pfeffer kam jedenfalls von Aleppo her.
Noch in einem anderen Falle wird dem Marseiller Tractator die unmittel-
bare Rückreise von Cypern und zugleich die Anlage in Pfeffer vorge-
schrieben. '^)
168. Ziemlich gleichzeitig mit Cypern ist auch das dem Nordost-
horn dieser Insel gegenüberliegende Klein-Armenien mit den
Romanen in nähere Handelsbeziehungen getreten.
Es geschah unter dem tüchtigen Rubeniden Leo IL (1187 — 1219), der
schon im Hinblick auf die Sarazenengefahr Anschluß an das Abendland
suchte, sein Land von Kaiser Heinrich VI. zu Lehen nahm und in dessen
Auftrage am 6. Januar 1198 (also erst nach des Kaisers Tode) zu Tarsus
vom Erzbischof von Mainz zum Könige gekrönt wurde. 8) Dieser politischen
Verbindung entspricht die kommerzielle mit Genua und Venedig. Im
März 1201 erwirkte der genuesische Gesandte Ogerius de Pallo vom
1) Mery et Guindon I, 419. Röhricht, Reg. no. 1071. Port 116. Mas Latrie,
Chypre I, 314.
*) 18. März. Möry et Guindon I, 422 (die die Bestätigung, auch im Index,,
ebenfalls zu 1236 ansetzen).
3) Amalric no. 393, 549, 777, 878 : Kontrakte über die Miete von Schiffen zur
"Überfahrt nach Cypern oder wohin der König sonst gehen würde.
*) No. 465.
*) No. 565; 410, 446.
6) No. 309.
') No. 727 f. ; 605 ; 426 ; 410. Über den Anbau von Zuckerrohr auf der Insel
Oberhummer 1. c. 282.
8) Toeche 477. Heyd I, 365 ff., woselbst auch weitere Literatur.
Handel der Mittelmeer-Romanen mit Nord-Syrien, Cypern u. Süd-Kleinasien. 219
Könige ein umfassendes Privileg, in dem den Genuesen Handelsfreiheit und
Befreiung von Abgaben jeder Art im ganzen Reiche sowie eigene Gerichts-
barkeit über ihre Landsleute zugestanden wurden. Nur bei Klagen einea
Genuesen gegen einen Nicht-Genuesen sollten die königlichen Gerichte zu-
ständig sein. Zur Errichtung vollständiger Handelsniederlassungen einschließ-
hch Fondaco und Amtshaus (curia) wurden ihnen Bauplätze in der land-
einwärts gelegenen Residenz Sis, sowie in den mit dem Meere kommuni-
zierenden Städten Mamistra und Tarsus zur Verfügung gestellt, an letzteren
Orten auch fertige Kirchen, während in Sis das Terrain zu einer solchen
geschenkt wurde. Auch auf das Strandrecht verzichtete der König gegen-
über den Genuesen. Das ganze Privileg i) macht den Eindruck, daß die
Genuesen sich in diesem Gebiet schon recht heimisch fühlten; wissen wir
doch auch, daß die armenische Gesandtschaft, die Leo zum Zwecke der
Erlangung der Königswürde nach dem Abendlande entsandte, besonders
bei ihnen die beste Aufnahme und Unterstützung gefunden hatte.
Gegen Ende seiner Regierung (1215) erteilte Leo dem ersten genuesischen
Vicecomes für Klein-Armenien, den wir kennen, dem Ugo Ferrarius, ein
neues Privileg; in Tarsus, wo sich die genuesische Niederlassung (vicus) be-
sonders entwickelt zu haben scheint, schenkte er ihnen ein Terrain zur
Anlegung von Backofen, Bad und Fruchtgarten ; im übrigen aber minderte
er jetzt ihre Rechte ein wenig; Kapitalverbrechen und Diebstahl wurden
vor die Landesgerichte gezogen und auf die Befreiung von den Durchgangs-
zöllen, die die vier größten Vasallen des Königs im Innern und speziell im
Norden des Königreichs erhoben 2), mußten die Genuesen angesichts des
Widerstandes dieser mächtigen Herreh, die die Befreiung offenbar niemals
respektiert hatten, jetzt formell verzichten und sich mit dem Versprechen
des Königs begnügen, ihre Abgabenfreiheit bei einem Heimfall dieser Lehen
auch in bezug auf diese Gebiete zur Durchführung zu bringen. Jedenfalls
ergibt sich daraus die Tatsache, daß die Genuesen damals schon ihre
Handelsreisen auch in das Innere und wohl auch schon über die Grenzen
des Königreichs hinaus ausgedehnt haben.
169. Nur neun Monate später als die Genuesen erhielten auch die
Venezianer, die in diesen einst griechischen Gebieten ja schon nach dem
Chrysobull von 1082 Handel trieben, ihr erstes Privileg für Klein-Armenien ;
wahrscheinlich hat sie das Beispiel Genuas zur Sendung des Jacopo Badoer
veranlaßt, dem das Privileg im Dezember 1201 ausgefertigt worden ist. 3)
In einigen Punkten geht es nicht ganz so weit wie das genuesische. Nur
in Mamistra gewährte es ihnen ein Fondaco zur Unterbringung ihrer Waren,
einen Bauplatz zur Errichtung eines Hauses und eine Kirche. Von eigenen
Kolonialvorstehern ist noch nicht die Rede; doch sollte bei Streitigkeiten
von Venezianern untereinander die schiedsrichterliche Entscheidung den
») Lib. Jur. I no. 441.
*) lib. Jur. I no. 514. Aufzählung dieser terrae bei Heyd I, 370. Einen der
Herren, Constantin von Nimrun, nimmt Gregor IX. 1237 unter seinen besonderen
Schutz. Auvray 3448—3454.
») Tafel und Thomas I, 381 f. L'Armeno-Veneto. Venedig 1893 no. 1, p. 1.
Heyd I, 371. Schmeidler 42. Die Hist. Ducum Venet. (SS. XIV, 91) berichtet mitten
unter Ereignissen des Jahres 1194 von den pulcherrima privilegia, die Jac. Badoer
in honorem et commodum Veneticorum obtinuit ; indessen bleibt wohl kaum etwas
anderes übrig, als einen der nicht ganz seltenen chronologischen Irrtümer dieser
Quelle anzunehmen.
220 Siebzehntes Kapitel.
anwesenden Landsleuten der Streitenden, und nur falls solche fehlten, dem
Erzbischof von Sis zustehen. Den Venezianern wurde ferner die Nichtanwen-
dung des Strandrechts und die günstigste Behandhing in Nachlaßsachen
zugesichert; auch versprach der König, daß er die Rechte venezianischer
Gläubiger seinen Untertanen gegenüber wie seine eigenen wahren würde,
was deutlich darauf hinweist, daß venezianische Händler und wahrschein-
lich in nicht ganz geringer Zahl schon seit geraumer Zeit im Königreiche
tätig waren.
Vor aUem aber erhielten die Venezianer die unbeschränkte Erlaubnis,
in ganz Klein-Armenien Handel treiben imd Waren aus dem Königreich
exportieren zu dürfen, verbunden mit vollständiger Abgabenfreiheit, die nur
zwei Ausnahmen erlitt: wer Gold und Silber einführte, um sie in Klein-
Armenien zu Münzen auszuprägen, sollte dieselbe Abgabe zahlen, die im
gleichen Fall im Königreich Jerusalem üblich war; und die in der Levante
ansässigen Venezianer (habitantes semper in cismarinis partibus) sollten beim
Passieren der Portella (des zwischen Klein-Armenien und Antiochien oft
streitigen Passes, der die Haupteingangspforte nach Syrien bildet) dem dort
üblichen Zoll unterworfen sein — eine Bestimmung, die den Schluß zu
erlauben scheint, daß die Venezianer von Konstantinopel aus nicht selten
zu Lande nach Syrien zogen und umgekehrt. Ausdrücklich wurde auch
allen venezianischen Kaufleuten mit ihren Waren das Durchzugsrecht durch
Klein-Armenien, sei es nach einem christlichen oder sarazenischen Lande,
gestattet, wenn Klein-Armenien mit diesem in Frieden lebte ; sollte ein vene-
zianischer Händler (viator) bei solcher Reise eine Schädigung erfahren, so
versprach der König, zur Wiedererlangung der entfremdeten Habe die
gleiche Bemühung aufzuwenden, als wenn es sich um sein persönliches
Eigentum handelte.
Dies Privileg blieb für lange Zeit die rechtliche Grundlage der Stel-
lung der Venezianer im Königreich; im März 1245 wurde es dem Gesandten
Pietro Dandolo durch König Haiton erneuert, i)
170. So lange die Südküste von Klein-Asien noch griechisch
war, stand sie den Venezianern schon auf Grund des Privilegs von 1082
ohne weiteres offen ; der Bericht des Mönchs vom Lido über die Erhebung
der Gebeine des hl. Nikolaus (1100) zeigt deutlich, daß ihnen der Besuch
z. B. von Myra eine ganz geläufige Sache war; auch die Anwesenheit von
Barensern daselbst wird von derselben Quelle erwähnt. 2) Haupthafen an
der Südküste aber war das auch im Privileg von 1082 besonders hervor-
gehobene Satalia, von wo aus auch König Ludwig VII. von Frankreich im
Jahre 1148 zu SchifE über Cypern nach dem Simeonshafeii gefahren ist. s)
Für Sataha können wir auch die Handeistätigkeit der Genuesen im 12. Jahr-
hundert nachweisen; hierher ging im Jahre 1156 mit einem Gesellschafts-
kapital von 96 1. Jan. der Genuese Matheus de Bonifanti ; für weitere Handels-
unternehmungen von hier aus war er angewiesen, sich dem unter den
Zeugen genannten Jordan de Treia anzuschließen oder doch seinem Rate
') Tafel und Thomas II, 426 f. L'Armeno-Veneto no. 2 p. 4 f. Über das Da-
tum: Langlois, Tresor des chartes d'Armönie, introd., p. 145.
") Reo. Crois. Oceid. V, 267.
») Die Attalioten verlangten für die Überfahrt den hohen Preis von 4 Mark
Silber pro Kopf, so daß die Ärmeren den Landweg wählen mußten, zumal auch die
Schiffe nicht ausreichten. Bernhardi, Konrad III, p. 658.
Handel der Mittelmeer-Romanen mit Nord-Syrien, Cypern u. Süd-Kleinasien. 221
zu folgen. 1) Und für die relative Lebhaftigkeit dieses Verkehrs spricht es
auch, daß sich unter den Entschädigungsforderungen, die der Gesandte
Grimaldi im Dezember 1174 in Konstantinopel zu erheben beauftragt wurde,
drei Posten befinden, die sich auf Verluste der Genuesen in SataHa beziehen ;
so wurden für Ido Mallonus und Genossen 400 Hyp. verlangt, die der grie-
chische Dux von Satalia ihnen ungerechterweise abgenommen haben sollte,
und ähnliche Forderungen wurden wegen der Übergriffe anderer Beamten
Satalias für Facius Docibilis sowie für Rodoanus de Mauro und seine auf
demselben Schiffe reisenden Gefährten gestellt. 2)
Wahrscheinlich in der Zeit nach der Verfolgung des Andronikos
setzten sich pisanische Korsaren in der Nähe des C. Chelidonia, das den
Golf von Sataha im Südwesten begrenzt, an der Mündung des Flusses
Phineka fest, um, auf diesen Schlupfwinkel gestützt, zunächst an den Griechen
Rache zu nehmen; bald freilich übten sie von diesem »portus Pisanorum«
aus ihr Seeräuberhandwerk unterschiedslos gegen jedermann; auf seiner Rück-
kehr aus dem Heiligen Lande kaperte König Philipp August 4 Galeeren dieser
Piraten, während sie selbst in die Berge entkamen. 3) Als dann der vierte
Kreuzzug das griechische Reich zerstörte, bemächtigte sich ein Aldobrandini,
also dem Namen nach zu schließen, ein Toskaner, Satalia's; wenig später
aber, 1207, gelang dem Sultan von Ikonium die Eroberung der Stadt*),
die nunmehr neben dem schon früher eroberten Candelor für die Türken
den Hauptzugang zum Meere bildete, während die Handelsstraße zu Lande
über den Tauruspaß Gölek Boghaz nach Adana und Mamistra ging.
171. Wahrscheinlich bald nach der Eroberung Satalias sind die
Venezianer mit Ikonium in ein Vertragsverhältnis getreten; Ghiatheddin
Kaikhosru I. (1203 — 1211) machte ihnen das Zugeständnis, daß ihre Waren
höchstens mit 2 % vom Werte verzollt werden sollten. Der älteste erhaltene
Vertrag ist der mit Alaeddin Kaikobad (1220 — 1237) geschlossene, dessen
Ratifikation bald nach dem Regierungsantritt des Sultans im März 1220
besondere Gesandte dem venezianischen Podestä in Konstantinopel über-
brachten. 5) In Bestätigung der Privilegien seiner beiden Vorgänger ver-
sprach der Sultan den Venezianern Sicherheit der Person und des Eigentums,
auch bei Schiffbruch und wenn sie auf fremden Schiffen führen; dazu
Sicherheit des Nachlasses von Venezianern, die in seinem Machtbereich ver-
starben; die Venezianer machten in bezug auf die Untertanen des Sultans
die gleichen Zusicherungen. Für Getreide, Edelmetalle (auch gemünzt),
Edelsteine und Perlen erhielten sie nunmehr Zollfreiheit. Auch die Ge-
richtsbarkeit über ihre Landsleute überließ der Sultan den Venezianern
in vollem Umfange ; ihre bevorzugte Stellung im Sultanat aber spricht sich
besonders darin aus, daß der Sultan auch die Entscheidung aller zwischen
den Venezianern und anderen Lateinern vorfallenden Differenzen den von
den Venezianern damit betrauten Personen zuwies ß) und seinen Gerichten
nur den Blutbann und die Verbrechen gegen das Eigentum vorbehielt.
>) Chart. II no 351 (24. August). Heyd I, 303.
«) Bertolotto p. 396, 400, 401.
') Gesta Regis Riccardi ed. Stubbs U, 195.
*) Heyd I, 303 f
•) Tafel und Thomas II. 221 ff. Heyd I, 302 f.
*) . . . debet judicari (für indicari zu lesen) per electos Ven. ydoneos viros.
222 Siebzehntes Kapitel. Handel der Mittelmeer-Romanen mit Nord-Syrien etc.
Unter jenen anderen Lateinern hebt der Vertrag die Pisaner be-
sonders hervor, die darnach also, wenn auch erheblich hinter den Venezianern
zurückstehend, die zweite Rolle im Handel mit dem Sultanat gespielt haben
müssen. Und einige positive Kenntnisse haben wir auch von diesem Handel ;
ein Kaufmann von San Gimignano, Ristorus, starb um 1240 während einer
Geschäftsreise in diesem Lande (in Turchia), worauf sein Nachlaß dem
pisanischen Generalkonsul in Accon, Guil. Gobbetti, zugestellt wurde; und
in dem schon erwähnten Kontrakt von San Gimignano vom Juli 1244 er-
scheint neben Aleppo auch Ikonium unter den Reisezielen, i)
Wohl nur ein Zufall ist es, wenn wir den Verkehr der Genuesen,
die in Cypern eine so wichtige Stellung errangen, mit dem Sultanat für
unsere Periode nicht besonders nachzuweisen vermögen ; für die P r o v e n -
•galen ergibt sich aus ihrem cyprischen Privileg von 1236, daß sie an der
Ausfuhr von Alaun, feinem Leder, Wolle und Seide aus dem Sultanat
(Chome) nach der Insel beteiligt waren. 2)
Gegen Ende unserer Periode erschien in den Mongolen ein
neuer Faktor auf dem Plan; ein Venezianer, Bonifacius de Molinis,
stand 1242/43 als Söldnerführer im Dienste des Sultans gegen sie^);
im Jahre 1244 aber wurden die Seldschukken bei Erzengan ent-
scheidend geschlagen, so daß ihr Reich in Abhängigkeit von den
Mongolen geriet, deren Auftreten es vorbehalten war, gewaltige Um-
gestaltungen in dem Levantehandel der Mittelmeer-Romanen herbei-
zuführen.
») Davidsohn Forsch. II, 298 no. 2307 u. 2308. Oben § 163.
2) Mery et Guindon I, 419 f.
8) Heyd I, 302.
Abschnitt II:
Handel der Mittelmeer-ßomanen mit den Ländern des
griechischen Eeichs.
Achtzehntes Kapitel.
Bis zum Tode Kaiser Manuels.
172. Für Venedigs Handelsstellung im griechischen Reiche
kam es wesentlich nur darauf an, die durch das Chrysobull von 1082
gewonnene Überlegenheit zu behaupten und voll auszunutzen ; die er-
klärliche Mißgunst der Kaiser konnte den Venezianern um so eher ge-
fähriich werden, als die Möghchkeit vorlag, daß sie an den andern neu
in den Wettbewerb eingetretenen Handelsnationen einen Rückhalt fand.
Zwar so lange Alexius lebte (f 1118), wurde das gute Verhältnis nicht
getrübt, und der Kaiser fand an ihnen gegen den Angriffskrieg Boemunds
von Antiochien eine treffliche Stütze. Sein Nachfolger Johannes IL (Kalo-
johannes) aber verweigerte die Bestätigung des alexianischen Privilegs und
behandelte sie mit zunehmender Härte; erst ein längerer Seekrieg der
Venezianer, während dessen sie Rhodos, Kos, Samos und Chios einnahmen i),
veranlaßte ihn zur Nachgiebigkeit; gegen das Versprechen militärischen
Beistandes verbriefte er im August 1126 die Erneuerung des Privilegs und
hob auch auf ihren Wunsch den eingerissenen Brauch, bei Kaufgeschäften
der Venezianer im Reiche die Handelsabgabe (commercium) von den Ver-
käufern dann zu fordern, falls diese nicht auch venezianischer Nationalität
waren, auf. 2) So war die kommerzielle Bevorzugung der Venezianer vor
allen andern von neuem gesichert. Auch Kaiser Manuel (1143 — 1180)
zögerte anfänglich, die Vorrechte der Venezianer anzuerkennen ; als er aber
der Hilfe ihrer Flotte gegenüber dem Angriffskriege des Normannenkönigs
Roger, der den zweiten Kreuzzug in seiner Weise auszunutzen gedachte,
') Vgl. besonders die zeitgenössische Translatio m. Isidori des Cerbanus Cer-
bani im Rec. Crois. occid. V p. 323 f.
*) Heyd I, 192, 194 f. Tafel und Thomas I p. 97. Naumann 370. ,
224 Achtzehntes Kapitel.
dringend bedurfte, bestätigte er im Oktober 1147 nicht nur ihr Privileg,
sondern dehnte es auch einer Zusage seines Vaters gemäß, die indessen
unausgeführt geblieben war, auf die Inseln Kreta und Cypern aus ; ja im März
des folgenden Jahres gewährte er ihnen, da sie sich bei ihrer beständig
wachsenden Zahl in ihrem Quartier allzu beengt fühlten, eine beträchtliche
Erweitermig desselben und fügte auch eine vierte Landungsstätte hinzu, i)
Doch während der Belagerung von Korfu, dessen Einnahme den
Normannen geglückt war, kam es zu einem Zwist unter den Belagerern
selbst ; es kam soweit, daß das Schiff des Kaisers von den Venezianern ge-
nommen wurde und Manuel selbst sich ohnmächtig ihren Beschimpfungen
ausgesetzt sah. Wohl zwang die Not bald darauf zur Verständigung, und
Korfu wurde zurückerobert (1149); seitdem aber nährte Manuel einen inneren
Groll gegen die immer übermütiger werdenden, auf ihre Seemacht pochen-
den Bundesgenossen. Dazu kam, daß ihre Freiheit von Handelsabgaben
einen schweren finanziellen Verlust für den Kaiser bedeutete. Ein erster
Schlag, den er gegen sie führte, war die Absonderung der außerhalb des
venezianischen Quartiers in beträchtlicher Zahl ansässigen venezianischen
Kolonisten, die er fortab als seine burgenses zu den gleichen Pflichten wie
seine übrigen Untertanen heranzog 2). Den entscheidenden aber glaubte er
im Jahre 1171 führen zu können; den Umstand, daß sie den Reichsfrieden
durch den Überfall des genuesischen Quartiers gebrochen, benützend, er-
ließ er den geheimen Befehl, am 12. März alle Venezianer im ganzen Reiche
zu verhaften und ihr Hab und Gut mit Beschlag zu belegen. Nicht wenige
entgingen der Gefangennahme durch Flucht auf die Schiffe, die sie nach
Syrien oder Venedig in Sicherheit brachten; Venedig aber begann sofort
unter allgemeiner Begeisterung den Rachekrieg, s) Doch wurde er, zamal
als die Pest auf der Flotte ausbrach, so wenig glücklich geführt, daß der
Doge im Mai 1172 der Wut des Volkes zum Opfer fiel. Der neue Doge,
Sebastiano Ziani, knüpfte Verhandlungen an, die spätestens 1175 zur Wieder-
herstellung des Friedenszustandes geführt haben müssen, denn im Herbst
dieses Jahres sehen wir schon wieder venezianische Galeeren im Dienste
des Kaisers. Gerade damals aber schloß Venedig seinen Vertrag mit Sizilien,
nach dem es in Zukunft von jeder Unterstützung des Kaisers absehen _
wollte 4); offenbar wurde ihm von Manuel jede Entschädigung vorenthalten. iB
Gegenseitiges Mißtrauen hat seitdem die Beziehungen Venedigs zu Konstanti-
nopel beherrscht, bis es bald nach Manuels Tode zu einer neuen schweren
Umwälzung kam.
I
II
^) Tafel und Thomas I, 113 f., 109 f. Die Herausgeber haben die Bestätigung
in den Oktober 1148 gesetzt und nicht beachtet, daß das griechische Jahr 6656 mit
dem 1. September 1147 beginnt, und daß auch die Indiktion nicht zu ihrem Ansatz
paßt. Selbst Heyd I, 198 f. hat sich durch ihre (auch in sich selbst unwahrschein-
liche) Anordnung der beiden Urkunden täuschen lassen. Das venezianische Gegen-
versprechen ist auch hier nicht erhalten. Neumann 378.
«) Kinnamos ed. Meineke (Bonn 1836), p. 282. Heyd I, 199 f.
») Heyd% 216 fE. Erschöpfend behandelt von E. Besta : La cattura dei Ve-
neziani in Oriente per ordine dell' imp. Em. Comneno e le sue conseguenze nella
politica interna ed estera del comune di Venezia. Feltre 1900 (Estr. dall'Antologia
veneta I). Romanos Mairanos brachte auf seinem Schiffe zahlreiche Flüchtlinge
nach Accon ; oben § 99.
*) Tafel und Thomas I, 173 f. Unten § 359. Vgl. Schmeidler p. 89 ff.
fl
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 225
173. Die Pisaner eröffneten ihre große Kreuzfahrt im Jahre
1099 mit einer Reihe feindseUger Handlungen gegen das griechische
Reich.
Sie brandschatzten die Jonischen Inseln, eroberten das feste Maida
und reichten Boemund zur Belagerung Laodiceas willig die Hand, i) Wenn
sie sich, als die Stadt dem Falle schon ganz nahe war, durch die von der
Eroberung Jerusalems zurückkehrenden Fürsten zur Aufhebung der Belage-
rung bestimmen ließen, so ist das sicher nicht geschehen, ohne daß ihnen
von griechischer Seite Zugeständnisse gemacht wurden ; es ist anzunehmen,
daß es zwischen ihnen und dem griechischen Kommandanten unter der
Vermittelung Raimunds, der es mit seinem dem Kaiser geleisteten Treueide
ernst nahm, zu einem Abkommen mit speziell handelspolitischen Vorteilen
für sie kam, das natürlich noch der Ratifikation von selten des Kaisers
bedurfte. Durch ein solches Abkommen würde es sich erklären, daß die
Pisaner, als sie auf ihrer Heimfahrt im Jahre 1100 mit der noch bei Rhodus
liegenden venezianischen Flotte zusammenstießen , die kaiserliche Flagge
führten 2) ; ein solches Abkommen erklärt aber auch die Art des Vorgehens
der Venezianer, die für ihr kommerzielles Monopol im griechischen Reiche
fürchteten. Es mag sein, daß auch das trotzige Selbstgefühl der Pisaner
Anlaß zum Kampfe gab — wir haben nur eine einseitige Darstellung der
Venezianer — bezeichnend ist jedenfalls, wie die Venezianer ihren Erfolg
ausnutzten. Eine große Zahl von Schiffen und fast 4000 Mann brachten
sie in ihre Gewalt, gaben sie aber bald gegen die feierliche Verpflichtung
der Pisaner, das griechische Reich des Handels wegen niemals betreten s),
seine christlichen Bewohner nicht bekämpfen und die griechischen Gewässer
überhaupt nur noch auf dem Wege nach dem Hl. Lande passieren zu wollen,
wieder frei; auch die wenigen Geiseln, die sie zurückbehalten hatten, ließen
sie bald nach der Erhebung der Gebeine des hl. Nikolaus in Myra los. So
waren die Pisaner zunächst behindert, im griechischen Reiche den Wett-
bewerb mit den Venezianern aufzunehmen und erst nach einem Dezennium
kam es zwischen ihnen und den Griechen zu einer Verständigung. Ihre
Gefährlichkeit hatten sie den Griechen von neuem durch die eifrige Unter-
stützung Tancreds bewiesen, der ihnen 1108 endgültig Laodicea entriß ; es war
durchaus gegen das Interesse des Kaisers, sie infolge ihres Ausschlusses von
dem Handel mit seinem Reiche dauernd zu Feinden zu haben. Auf die
Bedingung, gleich den Venezianern seine Lehnshoheit anzuerkennen, gingen
die Pisaner ein; in feierlichem Akte leisteten sie am 18. April 1110 in
Gegenwart der Bevollmächtigten des Kaisers in Pisa selbst den Huldigungs-
eid und versprachen, das kaiserliche Gebiet, auch das in Zukunft von Kroatien
und Dalmatien an bis nach Alexandrien hin zu erwerbende, zu beschützen.
Doch noch einmal verzögerte sich der Abschluß, wohl im Zusammenhange
*) Oben §87. Bei der »urbs fortissima Maida« der pisanischen Quellen (Gesta
triumph. in Rec. Crois. Occid. V, 368) ist wohl an Maina auf der in das C. Matapan
auslaufenden Halbinsel zu denken ; vgl. Gesta Rice. ed. Stubbs II, 199 : super gulfum
illum est castellum bonum et forte quod dicitur Maine et gens mala ibi est.
In Syrien ist der Ort jedenfalls nicht zu suchen, wie Hagenmeyer Epp. p. 427 für
möglich hält. Vgl. noch Chalandon 215 f.
*) »Imperialia signa usurpantes, . , . Imperii fasces mentientes« nennt sie
der Mönch vom Lido. Rec. Crois. Occid. V, 258.
') . . . se nunquam scilicet deinceps Romaniam causa mercimonii intraturoa,
etc. ; ib. 258 f. Heyd I, 194.
Scbaube, Handelsgescbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 15
226 Achtzehntes Kapitel.
mit der Anwesenheit Kaiser Heinrichs V. in Itahen; und erst nach
einem allerdings ziemlich erfolglosen Angriff einer pisanischen Flotte auf
die griechischen Küsten kam es im Oktober 1111 zu einem endgültigen
Ergebnis, indem Kaiser Alexius der zahlreichen pisanischen. Gesandtschaft,
die vor ihm erschienen war (auch ein Konsul von Pisa, Alferius, gehörte
ihr an), nunmehr das für die Stellung der Pisaner im griechischen Reiche
für diese ganze Periode grundlegend gewordene Privileg verlieh, i) In
Konstantinopel wurde den Pisanern ein Quartier mit Magazinen und aus-
reichenden Wohnungen sowie eine besondere Landungsstätte (scala) ange-
wiesen; auch sonst sollte an Orten, wo sie Handel zu treiben pflegten, für
ihre Unterbringung entsprechend Sorge getragen werden. Im ganzen Reiche
wurde ihnen der Schutz des Kaisers verheißen ; in Fällen von Vergewaltigung
sollte für rasche Bestrafung der Schuldigen und Schadenersatz Sorge ge-
tragen werden ; überall sollten sie unbehindert Waren einführen und ver-
kaufen dürfen. Edelmetalle waren bei der Einfuhr frei ; alle übrigen Waren
zahlten 4% ad valorem, wenn sie aus pisanischem Gebiet importiert waren,
für Waren anderer Herkunft aber sollten die Pisaner den gleichen Zoll wie
die Griechen entrichten. Der Dom zu Pisa erhielt vom Kaiser ein jähr-
liches Ehrengeschenk (solemne) von 2 pallia und eine Jahresrente von
400 Hyperpern, die später auf 500 stieg, während der Erzbischof jährlich
ein Pallium und 60 Hyperpern erhielt. Endlich wurden den Pisanern auch
besondere Plätze in der Hagia Sophia sowie für den Tag der Wettrennen
im Hippodrom angewiesen.
174. Für fast 50 Jahre sind dann unsere Nachrichten über die pi-
sanische Handelsniederlassung in Konstantinopel sehr fragmentarischer Art;
immerhin erkennen wir, daß die Pisaner sich in dieser Zeit vollständig in
Konstantinopel einlebten. Wir wissen, daß die Disputation, die der ge-J|j
lehrte Bischof Anselm von Havelberg, den Kaiser Lothar an Kalojohannes ™l
gesandt, am 10. April 1136 in Konstantinopel hatte, im pisanischen Quartier
(in vico qui dicitur Pisanorum juxta ecclesiam Agie Irene) stattfand 2); unter
den zahlreichen anwesenden Lateinern wird der berühmte, beider Sprachen
mächtige pisanische Rechtsgelehrte Burgundio besonders genannt. Das
Quartier lag in bester Stadtgegend am Goldenen Hörn, wo es sich vom
Gartentor (Bagdsche-Kapussi), dem alten Arsenaltor (porta Neorii), westwärts
in der Richtung auf das Fischmarkttor (Balik-Basar-Kapussi) erstreckte ^) ; in
ihm erhob sich die dem Patron der Seefahrer geweihte pisanische Nikolaikirche,
in deren Nähe am 30. April 1141 durch einen pisanischen Notar Guilicio
eine Urkunde aufgenommen wird 4), mid vielleicht auch schon die Peters-
kirche, die seit 1160 bezeugt ist. Im übrigen haben wir einige Nachrichten
I
I
II
II
1) Müller p. 43 und 52 f. Im Datum des Lehneids : 1111, 18. April, ind. XIU
glaube ich ind. III (Heyd I, 193 : IV ; Chalandon schließt sich hier ganz an Heyd
an, p. 258) lesen und pisanische Jahreszählung annehmen zu müssen. Die Leistung
des Eides im Jahre 1111 ist wegen der damaligen Anwesenheit Heinrichs V. in
Italien, der im Winter selbst in Pisa gewesen, höchst unwahrscheinlich, während der
Wiederausbruch der Feindseligkeiten daraus sehr wohl erklärlich wird. Da der
Lehnseid in Pisa geleistet wurde, so kann man eigentlich auch gar nicht anders
als pisanische Datierung annehmen. 'jll
2) Ausführlich über Anselms beide Gesandtschaftsreisen J. Dräseke in Zeit- *■
Schrift für Kirchengeschichte XXI, Heft 2; vgl. Müller p. 423. Bernhardi, Lothar 599.
») Heyd I, 252.
•*) Müller p. 4; Bonaini Suppl. p. 13.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 227
über den beiderseitigen Gesandtschaftsverkehr; 1136 kam eine griechische
Gesandtschaft mit reichen Geschenken nach Pisa^), veranlaßt wohl durch
die Taten Pisas im Kriege gegen Roger; 1141 war ein pisanischer Gesandter,
Ugone Duodi, in KonstantinopeP) und unterzeichnete als erster Zeuge die
Schenkungsurkunde eines hierselbst lebenden pisanischen Ehepaares an die
Dombauverwaltung; und am Ende des Jahrzehnts veranlaßte Kaiser Kon-
rad III., wie er selbst in einem späteren Schreiben an die Pisaner hervor-
hebt, eine griechische Gesandtschaft nach Pisa zu gehen, 3) Wie festbegründet
die Stellung der Pisaner im griechischen Reiche geworden war, erhellt aber
am besten daraus, daß die Genuesen im Jahre 1155 keine größere Forderung
an den Kaiser zu stellen hatten, als die, Gleichstellung mit den Pisanern in
allen wesentlichen Punkten zu erlangen.
Am 18. März 1160 faßten Konsuln und Senat in Pisa in Überein-
stimmung mit den Wünschen des früheren und jetzigen Erzbischofs von
Pisa (Balduin 1137 — 1145 und Villano) und zum Zwecke der Förderung
des Dombaus in Pisa den Beschluß, den pisanischen Kolonialbesitz in Kon-
stantinopel der Dombau Verwaltung (operi S. Marie) zu übertragen; keine
geistliche oder weltliche Autorität in Pisa noch auch die Organe Pisas in
der Kolonie (neque missatici nee vicecomes neque embularii) sollten fortab
eine Verpfändung oder Veräußerung desselben im ganzen oder in Teilen
vornehmen dürfen. ■*) Im April 1162 wurde dieser Beschluß von den Ge-
sandten Bottaccio und Cocco Griffi, die im Oktober 1161 auf 2 Kriegs-
schiffen an Kaiser Manuel geschickt waren, in Konstantinopel selbst zur
Durchführung gebracht.
Die Beziehungen der Pisaner zu Manuel waren in dieser Zeit wegen
ihres engen Verhältnisses zum deutschen Kaiser gespannt; schon seit 1155
wurden ihnen die vertragsmäßigen Ehrengeschenke vorenthalten. Vergebens
suchte Manuel den Bund Pisas mit Barbarossa zu sprengen ; nach der Rück-
kehr Bottaccios (29. Juni 1162) setzte der andere Gesandte, Cocco, die Ver-
handlungen mit ihm noch eine Zeitlang fort; doch führten auch sie zu
keinem Resultat und Cocco traf am 22. Juni 1163 wieder in Pisa ein.^)
175. Wenn die Pisaner bei der Übertragung ihres Kolonialbesitzes an
die Dombauverwaltung davon einen besseren Schutz desselben gegen Über-
griffe des Kaisers erwartet haben sollten, so erwies sich diese Hoffnung bald
als trügerisch. Im Zusammenhange mit anderen gegen die Lateiner ge-
richteten Maßregeln nahm er ihnen (wahrscheinlich im Jahre 1167) ihr
Quartier 6) und verwies sie in das Gebiet jenseits des Goldenen Hornes.
Pisa schickte nun eine solenne Gesandtschaft, aus dem Konsul Alberto Bulsi,
dem Rechtsgelehrten Burgundio und dem Grafen Marcus bestehend, nach
Konstantinopel, die Pisa am 6. November 1168 verließ, im folgenden Jahre
') Ann. pis. des Marago (SS. XIX, 240). Die Angabe von CC pallia, die die
Gesandtschaft mitgeführt, ist mit Recht auf Widerspruch gestoßen ; Heyd I, 197
will n, Langer p. 9 f., 203 f. will LI lesen. Ich schlage XX vor ; diese würden
unter Hinzurechnung des einen besonders kostbaren (unum de auro textum mira-
bile; das solemne für 7 Jahre repräsentieren.
^) Unbegründet ist es, daß Müller p. 527 ihn als pisanischen Vicecomes in
Konstantinopel für 1137 — 114ö anführt.
») M. G. Legum II, 87. Bernhardi, Konrad III., p. 753 A. 7.
*) Müller p. 8 ö".
"») Ann. pis. zu 1163 (SS. XIX, 246).
8) Langer S. 152 ; Davidsohn, Forschungen I, S. 100.
15 *
228 Achtzehntes Kapitel.
mit Ragusa und Spalato einen Vertrag schloß und im Juli 1170 zu einer
Verständigung mit Manuel gelangte. Der Stern Barbarossas war mittlerweile
erblichen und die Pisaner erneuerten nun nicht nur den Huldigungseid für
den griechischen Kaiser, sondern erklärten auch, etwaige Versprechungen,
die sie diesem Eide zuwider einem Gekrönten oder Ungekrönten gemacht
hätten, als hinfällig zu betrachten. Darauf erwies sich Manuel sehr gnädig
und verfügte die Rückgabe ihres Quartiers und ihrer Landungsstätten (die
sich also seit IUI vermehrt hatten), sowie Nachleistung der Ehrengeschenke
für die verflossenen 15 Jahre mit 8400 Byzantien und 45 Pallien, i) Noch
über ein Jahr blieben die Gesandten in Konstantinopel, offenbar mit der
Wiedereinrichtung des Quartiers beschäftigt; ihre Anwesenheit mußte für
die Pisaner um so wichtiger sein, als im März 1171 die gewaltsame Aus-
treibung der Venezianer aus dem griechischen Reiche erfolgte. Erst am
9. November des Jahres trafen sie in Pisa wieder ein, von 3 griechischen
Gesandten begleitet, vor denen der geschlossene Friede am 13. Dezember
in feierhcher Volksversammlung beschworen wurde.
Bald nach der Rückkehr der Gesandten leistete der neu ernannte
Vertreter der Dombauverwaltung für Konstantinopel, der Priester Petrus,
genannt Plebanus, der Opera und dem zeitigen Operarius Torscello den
Treueid (ammodo in antea, dum bailius vixero Cop.^i pro opere s. Marie) ;^
er erneuerte ihn, zugleich als Prior der beiden pisanischen Kirchen, an«
13. April 1180, als Torscellos Nachfolger, Benedictus, selbst nach Kon-
stantinopel gekommen war. 2) Reiche Geldmittel zog Pisa in dieser Zeit
aus seiner Kolonie s), die sich mächtig entwickelt hatte und dabei in engster
Handelsverbindung mit der Mutterstadt verblieb. Selbst zwischen Venedig
und der Romania verkehrten pisanische Schiffe, wie umgekehrt auch vene-
zianische zwischen der Romania und Pisa; der pisanisch- venezianische Ver-
trag vom Herbst 1180 bestimmte, daß im Falle des Krieges zwischen Venedig
und dem Kaiser die Pisaner nur mit Genehmigung der venezianischen
Regierung von Venedig nach der Romania verkehren dürften und umge
kehrt. Gemeinsam auch wollten Venezianer und Pisaner in der Romania
gegen das Seeräuberunwesen vorgehen ; ein von der einen Partei an den Hof
gerichtetes Gesuch um Entsendung von Galeeren gegen die Korsaren ver-
sprach die andere Partei kräftig zu unterstützen und sich an der Bekämpfung
der Korsaren mrksam zu beteiligen. Auch wollten beide Teile sich eifrig
bemühen, jeden von Konstantinopel oder einem anderen Hafen des Reiches
oder auch von Syrien ausgehenden Freibeuterzug zu verhindern.'^) Als
Pisa und Venedig diese Abmachungen trafen, stand man schon am Vor
abende des Ereignisses, das dem Piratentum eine bis dahin unerhörte Aus
dehnung verschaffen und es in vieler Augen geradezu legitimieren sollte
176. Erheblich später als die Pisaner sind die Genuesen in
ein festes Vertragsverhältnis zum griechischen Reiche getreten.
Als die Genuesen von der Cäsareafahrt zurückkehrten, gerieten ihre
Schiffe auf der Höhe von Ithaka im Herbst 1101 mit einer griechischen
Flotte zusammen; Verhandlungen, die griechischerseits auf der Insel Korfu
11
») Das Dokument eingerückt in das Privileg von 1192; Müller p. 54. Ann.|
pis. SS. XIX, 262. Langer 168, Anm. 2 ; 180. Heyd I, 213 f.
2) Müller p. 18 f. Bonaini Suppl. 68.
3) Vgl. die Urkunden von 1174 und 1177 bei Müller p. 16 f. und 469.
*) Bonaini Suppl. 76 f., 79 f.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 229
eingeleitet wurden, wurden von den Abgesandten der genuesischen Flotte, Ray-
naldus de Rodulfo und Lambertus Ghetus, in Konstantinopel fortgesetzt, ohne
indes zu einem positiven Ergebnis zu führen, i) Erst 40 Jahre später hören
wir von der Anknüpfung neuer Verhandlungen. Oberto Torre und Guilelmo
Barca waren 1142 mit einem Kriegsschiff an den Kaiser Johannes gesandt
worden und so nahe glaubte man in Genua den Abschluß eines Vertrages,
daß man in den Konsularstatuten für das Amtsjahr 1143 die neuen Konsuln
verpflichtete, sich an Bestimmungen dieses Vertrages, die ihnen etwa von
den noch amtierenden Konsuln schriftlich formuliert überreicht werden
würden, gebunden zu erachten. 2) Diesmal aber trat der Tod des Kaisers
dazwischen, der am 8. April 1143 auf dem Rückzuge von Antiochia, das er
hatte erobern wollen, erfolgte; erst 1155 nahm der neue Kaiser Manuel die
Verhandlungen wieder auf.
Nun wäre es ein irriger Schluß, wenn man annehmen wollte, daß
die Genuesen in der vertragslosen Zeit keinerlei Handelsbeziehungen zum
griechischen Reiche unterhalten hätten. Der 1143 aufgezeichnete erzbischöf-
Hche Zehntentarif fixiert wie für die aus Ägypten und Syrien, so auch für
die »de Romania et de illis partibus« kommenden Schiffe den Zehnten auf
2272S0I., und ein etwas früher abgefaßter Briefsteller setzt in einem aller-
dings fingierten Briefwechsel ebenfalls den Verkehr von Genuesen in Kon-
stantinopel voraus. 3) Freilich arbeiteten die Genuesen hier, indem sie den
allgemeinen Wertzoll von 10% zahlen mußten, unter weit ungünstigeren
Bedingungen als die Pisaner und besonders die Venezianer. Dafür traten
sie auch nicht selten an den griechischen Küsten als Freibeuter auf; im
Jahre 1145 versuchte Bonifacio de Ramfredo der Zahlung des Zehntens für
seine Galeere, die mit Ladung von Sizilien zurückkehrte, mit der Begründung
auszuweichen, daß sie nach der Romania nur als Kaperschiff (in cursu) ge-
gangen sei. 4)
177. Seine italienische Politik, besonders sein feindliches Verhältnis
zu den Normannen, ließen es dem Kaiser Manuel erwünscht erscheinen,
auch die Genuesen für sich zu gewinnen. Nachdem Michael Palaeologus,
einer seiner tüchtigsten Staatsmänner und Feldherrn, der eben mit Barba-
rossa und dem Papste wegen eines Angriffs auf Wilhelm von Sizilien ver-
handelt hatte, in Genua den Boden vorbereitet, brachte die nächste griechische
Gesandtschaft unter Demetrios Makrembolites am 12. Oktober 1155 den
Vertrag zustande 5), der die Genuesen im griechischen Reiche in jeglicher
Beziehung den Pisanern gleichstellte ; ein kaiserliches Chrysobull sollte später
all diese Verleihungen, unter denen eine Straße, ein Fondaco und eine
Kirche von dem genuesischen Annalisten Caffaro besonders hervorgehoben
werden 6), in feierlicher Form bekräftigen und den Vertrag erst perfekt
^) Liberatio in SS. XVin p. 46 ; ann. genovesi I, 118. Ansaldo in den Atti
Lig. I, 1, 70. Heyd I, 192. Manfroni, relazioni p. 587 fe.
«) Leges Munic. I p. 257 u. 292. Heyd I, 198. Langer 18.
») Atti Lig. n, 2 p. 9. Wattenbach, Iter p. 79 f.
*) Kegistrum Curiae Archiep. in Atti Lig. II, 2 p. 118.
*) Lib. Jur. I no. 213. Imperiale p. 411. Bertolotto no. 1, p. 343. Manfroni,
Relazioni 597 f. Heyd I, 202 f. Langer 59 f. Die Verpflichtung des Volkes auf
den Vertrag im Breve Compagnae von 1157: Atti Lig. I, 192; Giorn. Lig., N. S. I
1896), p. 72; Mon. Hist. Patr. XVIII (1901), p. 13.
*) Die Ausgabe Belgranos (ann. genovesi I, p. 42) hat zuerst die richtige Les-
art: ruam et fundicum statt unum fundicum, wie Pertz las. Ein Mißverständnis
230 Achtzehntes Kapitel.
machen. Besonders erwünscht war es der genuesischen Regierung, daß ihr
das jährüche Ehrengeschenk sogleich für 14 Jahre im voraus mit 7000 Hy-
perpern ausgezahlt wurde. Dafür versprachen die Konsuln eidlich im Namen
der Stadt, nichts Feindliches gegen den Kaiser zu unternehmen, außer wenn
er ihre syrischen Besitzungen antastete; bei einem feindlichen Angriffe auf
sein Reich sollten die daselbst verweilenden Genuesen zur Verteidigung
desselben mithelfen.
Nicht wenigen Genuesen erschien es nun besonders verlockend, in die
Dienste des freigebigen Kaisers zu treten. Das Notularium des Johannes
zeigt uns im Sommer 1156 die Galeeren dreier Brüder aus dem Geschlechte
de Curia im Begriff, zu diesem Zwecke nach der Romania zu fahren i) ;
und wie kriegerische und kommerzielle Unternehmungen in dieser Zeit
häufig auf das engste mit einander verflochten sind, so wurde für die Fahrt
mit diesen Galeeren auch eine Handelsgesellschaft zwischen dem uns schon be-
kannten Guilelmus Buronus und Ido Mallonus mit einem Gesamtkapital
von 402 1. Jan. abgeschlossen. ^) Nächster Zielpunkt der Fahrt sollte der
Ort sein, wo die Soldzahlung im Auftrage des Kaisers stattfinden würde;
in allen weiteren Unternehmungen sollte Ido freie Hand haben. Jeglicher
Gewinn wurde geteilt, mit alleiniger Ausnahme des etwaigen Handgeldes,
das Ido erhalten würde, falls er sich als Lehnsmann des Kaisers verpflichtete.
Auch hatte Ido sich von seinem Sozius die Erlaubnis geben lassen, die von
seinem Vater und von Filippo Lamberti in diesen Galeeren angelegten
Kapitalien bei ihrer Rückerstattung durch den Kaiser zu gleichen Bedingungen
in das Gesellschaftskapital aufnehmen zu dürfen. Solche offenbare Unter-
stützung des Feindes schien dem Normannenkönig gefährlich genug ; durch
Verleihung wichtiger Privilegien im November 1156 wußte er die Genuesen
günstig zu stimmen und im Januar 1157 setzte eine sizilische Gesandtschaft
den eidhch bekräftigten Erlaß eines Verbots s) in Genua durch, »ut nuUus
hominum Janue ... eat ad serviendum contra D. Regem Willelmum
efheredes suos Imperatori Constantinopolitano.« Es war ja das Jahr,
in dem Wilhelm seinen großen Plünderungszug gegen das griechische Reich
unternahm.
So beschränkten sich die Genuesen in diesem und dem folgenden
Jahre auf friedliche Handelsfahrten nach der Romania •*); und es kann bei
der Sachlage nicht weiter wundernehmen, daß Amico de Murta, der im
Herbst 1157 als ihr Gesandter auf dem Schiffe des Rufinus nach Konstanti-
nopel kam 5), um die Anweisung der versprochenen Landungsstätten und
des Quartiers zu fordern, nichts erreichte. Mit ganz anderen Aussichten
übernahm Enrico Guercio, der Bruder Balduins, 3 Jahre später dieselbe
Mission. 6) Im Jahre 1158 war es zum Abschluß eines 30 jährigen Waffen-
stillstandes zwischen Byzanz und Sizihen gekommen; und zudem hatten
sich die Beziehungen Genuas zu Friedrich Barbarossa, den Manuel jetzt als
II
ist die Behauptung Manfronis (relazioni p. 599), daß die Genuesen bei der Waren-
ausfuhr dasselbe hätten zahlen müssen wie die Griechen.
») Chartarum H no. 316. Goldschmidt S. 421.
«) No. 329 (11. Juli).
») Olivieri in Atti Lig. I, 293. Vgl. Langer 65. Unten § 364.
*) Beispiele u. a. Chart. II no. 465, 469, 475, 657, 687.
*) Ann. genovesi I p. 48 (1157) : pro exigendis scaUs et embolo promissis.]
Chart, n no. 440.
«)Heyd 1,204. Langer 81.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 231
seinen Hauptfeind betrachtete, höchst ungünstig gestaltet, so ungünstig, daß
die Regierung in Befürchtung des offenen Krieges für das Jahr 1159 alle
Handelsfahrten untersagt hatte. So konnte dem Gesandten von 1160 der
Erfolg nicht fehlen. Die Fahrt machten sein Bruder Bisaccia und dessen
Sohn Bisaccino mit 3 Galeeren mit, um in Konstantinopel in die Dienste
des Kaisers zu treten. Auch jetzt wurden diese Schiffe dem Handel dienst-
bar gemacht; Bisaccia nahm bei Marchio de Volta und Adalardus de Curia
für diese Fahrt Seedarlehn von 100 und 200 1. jan. auf ; auch der Gesandte
selbst tat das Gleiche, allerdings nur für den bescheideneren Betrag von
23 1. 1) Bemerkenswert ist, daß Bisaccia in seinen Verträgen den Fall setzte,
daß er sich unterwegs mit dem Könige von Sizilien dahin verständigen
sollte, bei ihm Dienste zu nehmen.
Auch im nächsten Jahre traten nicht wenige Genuesen wieder in den
Sold des Kaisers; u. a. der eben großjährig gewordene Sohn des uns be-
kannten Bonus Johannes Malfuaster und Ansaldo de Caffaro, ein Enkel
des berühmten Geschichtsschreibers. 2) Der durch die Einräumung eines
Quartiers gefestigte Handel der Genuesen mit Konstantinopel war in bestem
Fortgange ^), als ihre Rivalen, die Pisaner, in der Stärke von 1000 Mann im
Frühjahr 1162 aus Handelseifersucht die benachbarte Niederlassung, in der
beinahe 300 genuesische Kaufleute weilten , überfielen, ihr Fondaco aus-
plünderten und dabei einen Sohn des Nobile Otto Rufus töteten ; den ihnen
von den Pisanern zugefügten Schaden berechneten die Genuesen auf 27000 Hy-
perpem.'i) Die Folge war die sofortige Kriegserklärung Genuas (19. Juni);
am 8. Juli kaperte eine pisanische Flotte bei Pianosa zwei große und reich
beladene Schiffe der Genuesen, die aus der Levante (eins aus Konstantinopel,
eins aus Syrien) zurückkehrten ; mit einem dritten von Sizihen kommenden,
das am 14. Juli erbeutet wurde, repräsentierten sie einen Wert von mehr
als 200001. pis. 5) Kaiser Friedrich, mit dem die Genuesen infolge seines
Kriegsglückes wieder ein gutes Vernehmen gesucht hatten, setzte zwar noch
im selben Jahre die vorläufige Einstellung der Feindseligkeiten, die ihm
wegen seiner Absichten auf Sizilien sehr ungelegen kamen, durch; aber die
Verhältnisse waren doch so unsicher, daß die Genuesen für dieses wie für
das folgende Jahr ein Verbot aller Handelsfahrten nach der Levante er-
gehen ließen.
178. Im Jahre 1164 forderte Kaiser Manuel selbst die Genuesen zur
Rückkehr auf, da er den Vertrag 'von 1155 in vollem Umfange erfüllen
woUe. In der Tat wurden auch die Handelsreisen der Genuesen nach
Konstantinopel wieder aufgenommen; ihre Gesandten unter Führung des
Konsuls Corsus Sigismmidi richteten indessen nichts aus. 6) Erst 1168
versuchten sie ihr Heil von neuem, indem sie den Amicus de Murta an
') Chart. II no. 833 (9. März), 885 (26. Mai) ; 895 (8. Juni).
«) Ergibt sich aus Nr. 1208/09, 1227—1229.
») Handelskontrakte vom Jahre 1161: no. 1056, 1111, 1114.
*) Hej'd I, 204 und Langer 91 geben 29443 an; doch siehe die Emendationes :
Bertolotto p. 346; Lib. Jur. I no. 213 »perditam nominatim que est 27 000 perperorum
instanter petas« ; die höhere Summe erscheint erst in der Instruktion des Gri-
maldi von 1174: Bertolotto p. 397.
») Ann. pis. des Bern. Marago ad 1163, SS. XIX, 248. Ann. genov. I p. 70 (1162).
•) Ann. genovesi I p. 167 f. Außer dem Führer waren es Ansaldus Mallonus
und Nicolaus de Rodulfo. Die Handelsreisen s. Chart. H no. 1468, 1469, 1506
(31. Juli und 21. August); das Notularium reicht nur bis Ende August.
232 Achtzehntes Kapitel.
den Kaiser sandten; die Vereinbarung aber, die er im Oktober 1169 zu-
stande brachte 1), stieß in Genua auf den entschiedensten Widerstand, teils
wegen der weitgehenden Forderungen des Kaisers in bezug auf militärische
Hilfeleistung, die sich besonders auch gegen den deutschen Kaiser richteten,
teils weil der Kaiser im Zusammenhange mit seiner damaligen allgemeinen
Politik gegen die lateinischen Kolonisten auch den Genuesen nur ein Quartier
in Pera (an einem Orcu genannten Orte) zugestehen wollte. Der Kaiser
schickte nun seinerseits eine Gesandtschaft nach Italien, die zunächst zu
Alexander III. ging, dann aber auf ihren Wunsch auf genuesischen Galeeren
von Terracina abgeholt wurde und (im Juni 1170) nach Genua kam, wo sie
reiche Geldmittel für die Ratifikation des Vertrages anbot und noch reichere
Versprechungen machte. Die Genuesen aber wollten erst die Rückkehr
ihres Gesandten abwarten, den sie angewiesen hatten, auf den Vertrag von
1155 unter gewissen Modifikationen, die er zugestehen konnte oder fordern
sollte 2), zurückzugreifen. Der Kaiser hatte mittlerweile seine Absicht, die
Lateiner aus Konstantinopel selbst zu verdrängen, fallen lassen; im April 1170
ließ er in der Region Koparion am Goldenen Hörn ein neues Quartier (in
der Nähe des pisanischen in der Richtung auf die Serailspitze zu), für die
Genuesen abgrenzen und vollzog im Mai ihre formelle Einweisung unter
der Voraussetzung, daß Genua im übrigen die Abmachungen von 1169 an-
nehmen und eidlich zu halten versprechen würde. 3) Den Genuesen aber
genügte dies Zugeständnis, das Amico zurückbrachte, nicht 4), zumal die
Versprechungen der Gesandten weit darüber hinausgegangen waren; sie
lehnten die Annahme des Geldes ab, verweigerten die Ratifikation wiederum
und schickten den darüber nicht gerade erfreuten Gesandten (fere invitum)
zu neuen Verhandlungen an den Hof Manuels zurück. Nun endhch kam
es, wohl unter dem Druck des im Juli zwischen dem Kaiser und den
Pisanern geschlossenen Friedens, frühestens im August 1170, zur Einigung ^) :
Die Genuesen behielten ihr neues Quartier mit Landungstreppe und Kirche
in Konstantinopel selbst, bekamen das solemne für 10 Jahre ausbezahlt ß) Ä
und durften im ganzen Reiche mit Ausschluß der Gewässer des Asowschen ^
Meeres und der Straße von Kertsch Handel treiben; in Konstantinopel
sollten sie wie bisher 4%, im übrigen Reiche ebensoviel wie die anderen
zu Abgaben verpflichteten Lateiner zahlen. Ihre Gerichtshoheit erstreckte
sich nur auf Streitigkeiten unter den Genuesen selbst; bei Klagen gegen
einen Nicht-Genuesen und bei Gesetzesverletzungen der Genuesen bheben
die kaiserlichen Gerichte zuständig. Falls den Genuesen gegenüber irgendwo
^) Ann. genov. I, 213 u. 235. Bertolotto no. 3, p. 352 ff. (in drei Versionen
erhalten). Vgl. Heyd I, 205. Langer 161 f. 170. Manfroni, relazioni p. 610 ff.
^) Dies sind die sog. Emendationes , die dem erhaltenen Exemplar des Ver-
trages von 1155 angefügt sind. Bertolotto p. 345 f. (ohne Klarstellung des Sach-
verhalts). Lib. Jur. I no. 213, p. 184 f. Vgl. Neumann 376.
') Bertolotto no. 4, p. 364 f. Desimoni : Memoria sui quartieri dei Genovesi
in Constantinopoh ; im Giorn. lig. I (1874^ 137—180; insbes. 178 f. Heydl, 210,254.
■•) Empfindlich mochte es auch den Genuesen sein, daß der Kaiser nun nicht
mehr das solemne für 26 Jahre, wie er im Oktober 1169 sich bereit erklärt, sondern
nur noch für 10 Jahre zahlen wollte.
6) Bertolotto no. 2 p. 349 f.; mit der falschen Datierung 1169, ja sogar mit
dem ausdrücklichen Beisatz: >non 1170 come si legge nella coperta della carta
originale«. Einrückung im Diplom von 1192, p. 431 f. Miklosich u. Müller III, 33 f.
8) Daß Amico die 5000 Hyp. und 20 pallia wirklich erhielt, ergibt sich aus
dem Posten bei Bertolotto 403.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 233
im Reiche das Strandrecht in Anwendung gebracht werden sollte, so ver-
sprach die kaiserliche Regierung, für Bestrafung der Schuldigen und Rück-
gabe des Geraubten oder Schadenersatz Sorge zu tragen. Die schon im
Vertrage von 1155 enthaltene Verpflichtung der Genuesen zur Verteidigung
des Reiches wurde nunmehr genauer gefaßt; falls eine Flotte von 100 oder
mehr Schiffen (triremes) das griechische Gebiet bedrohte, so mußten die im
Reiche anwesenden Genuesen gegen den für die Lateiner üblichen Sold auf
Verlangen die kaiserlichen Schifie besteigen, mit Ausnahme von je 20 Mann,
die zur Bewachung der eigenen Schiffe der Genuesen zurückbleiben durften.
Doch es war, als ob die Genuesen in Konstantinopel nicht zur Ruhe
kommen sollten ; noch im selben Jahr wurde ihr Quartier, diesmal von den
Venezianern, überfallen i) und teilweise geplündert, so daß sie einen Verlust
von etwa 6000 Hyperpern erhtten. 2) Der Kaiser benutzte das dazu, um im
März 1171 seinen Gewaltstreich gegen die Venezianer zu führen, während
er den Genuesen, deren Gesandter noch in der Hauptstadt weilte, das Recht
auf vollen Schadenersatz zusprechen ließ, ohne freilich ihre Ansprüche tat-
sächlich zu befriedigen. Als die Rache der Venezianer drohte, erstrebte er
den Abschluß einer engen Allianz (maxima conventio) mit Genua; mit
30 Galeeren sollte es bei seinen Feldzügen in den kaiserlichen Sold treten.
Die Genuesen aber erhoben gewaltige Ansprüche; von finanziellen Forde-
rungen abgesehen, verlangten sie in jeder Beziehung in die Stelle eingesetzt
zu werden, die die Venezianer bisher im Reiche eingenommen hatten.-^)
An diesem Bedingung mußten die Verhandlungen scheitern, um so mehr,
als die venezianische Gefahr sich als nicht so bedrohlich erwies.
Noch eine Gesandtschaft der Genuesen an Kaiser Manuel kennen wir,
die des Grimaldi vom Jahre 1175; sein Gesandteneid vom 24. Dezember 1174
und seine sehr ausführliche im selben Monat verfaßte Instruktion sind uns
erhalten. 4) Er sollte eine möglichst große Erweiterung des Quartiers, die
Überweisung einer angrenzenden Kirche und eine zweite Landungstreppe
erbitten, ganz besonders aber auf Ersatz aller den Genuesen seit der Kon-
vention von 1155 zugefügten mannigfachen Schädigungen dringen, unter
denen die Überfälle ihres Quartiers in den Jahren 1162 und 1170 sowie
die Beraubung genuesischer Schiffe (zum Teil gestrandeter) in verschiedenen
*) Die Stelle der Instruktion für Grimaldi: »occasione eius rapinae curia om-
nem pecuniam Venetorum cepit cum non culpabiles essent et sceleris eiusdem
rei«, auf Grund deren man bisher annehmen zu können glaubte, daß Manuel selbst
die Venezianer angestiftet habe, hat sich als durch Sauli verlesen herausgestellt;
an Stelle des non steht in der Urkunde: inde. Bertolotto p. 371. Manfroni,
relazioni 618, Anm. 3. Vgl. Heyd I, 211 f. Langer 170 f.
*) Die ratio perditarum emboli de Coparia dati de novo Januensibus in der
Instruktion Grimaldis von 1174 beläuft sich auf 5674 V2 Hyp., außerdem waren Ent-
schädigungsforderungen bei dem genues. Vicecomes in Const. eingereicht. Haupt-
leidtragender war Oliverius Guaraccus mit 1125 Hyp., die ratio weist 78 Posten auf.
Bertolotto j). 383 ff. Das Pisanorum auf p. 383 kann im Zusammenhalt mit p. 371
nur ein Lapsus sein für Venetorum.
") Gesandtschafts-Instruktion bei Bertolotto 347 f., mit der irrigen Aufschrift :
Istruzioni ad Amico de Murta; vgl. Manfroni relazioni 613 ff. Sie gehört der Zeit
nach der Austreibung der Venezianer an (sicut Veneti soliti erant. . . ., quos Ve-
neti habebant u. ähnl., verglichen mit : quot Pisani habent) und wahrscheinlich doch
der Zeit vor dem Scheitern der ersten großen venezianischen Expedition.
■•) Bertolotto no. 5 p. 368 ff. Irrig hat er in der Aufschrift den 8. Dezember
und p. 369 ist MCLXXV. falsch für MCLXXIV.
234 Achtzehntes Kapitel.
Teilen des Reiches die Hauptrolle spielen; die genaue Spezifizierung macht
diese Forderungen für die Verhältnisse des damaligen Handels sehr lehr-
reich. Die Gesamtforderung der Genuesen belief sich auf 84 340 Hyperperni) ;
daß sie bereit waren, ihre Forderung bei wirklicher Bezahlung ganz be-
trächtlich herabzustimmen, geht aus der Instruktion selbst hervor. Was
der Gesandte erreicht hat, wissen wir nicht 2); viel kann es nicht gewesen
sein, da gerade in dieser Zeit die Verständigung Manuels mit Venedig zu-
stande kam. Doch bestand fortdauernd ein gutes Verhältnis zwischen Genua
und dem Kaiser; im Jahre 1179 geleitete Balduinus Guercius, der alte
Lehnsmann des griechischen Kaisers, mit seinen Verwandten die Tochter
des französischen Königs von Genua aus zu ihrem Gatten Alexius, Manuels
Sohn, und eine traurige Nachricht nennen es die Annalen, als Guilelmus
Arnaldus, der mit einem Schiffe von Pera kam, den Tod des Kaisers
(23. September 1180) meldete. 3)
179. Über die Handelsbeziehungen der kleineren Seestädte zum
griechischen Reiche ist uns aus dieser Zeit nicht viel bekannt. Ragusa
stand unter der Oberhoheit der Griechen, die hier in einem festen Turm
eine Besatzung unterhielten'*); nach dem Gewaltstreich Manuels von 1171
bemächtigte sich Venedig auf kurze Zeit der Stadt. Sicher standen Ragusa
und das in gleicher Lage befindliche Spalato in mancherlei Handelsbeziehungen
zu den benachbarten Gebieten des griechischen Reiches und zu Konstantin-
opel selbst; nur unter dieser Voraussetzung hat es einen rechten Sinn, daß
der 1169 zwischen Pisa und Ragusa geschlossene Vertrag alljährlich von dem
pisanischen Vicecomes in Konstantinopel neu beschworen werden mußte. 5)
Die Bestrebungen Manuels, auf italienischem Boden festen Fuß zu
fassen und zunächst womöglich das griechische Exarchat wiederherzustellen,
hatten bei dem von Venedigs maritimer Übermacht niedergehaltenen An-_.
c o n a den meisten Erfolg, so daß seine, offenbar freilich nicht sehr bedeutend«!
Handelsmarine der besten Aufnahme im griechischen Reiche sicher sein
konnte. 6) Der Verfasser des Berichts über die hartnäckige Verteidigung
Anconas gegen die Angriffe Christians von Mainz und der Venezianer (1173)
erzählt uns, daß nicht wenige der Einwohner der Stadt auf Handelsreisen .
in Konstantinopel und der Romania abwesend gewesen ; so wird gewiß unteijB j
Begünstigung des Kaisers eine Handelsniederlassung der Anconitaner in
Konstantinopel bestanden haben, die wohl auch schon eine Kirche besaß,
da sich am Ende des Jahrhunderts ein anconitanischer Prior daselbst nach-
weisen läßt. '^)
») Bertolotto p. 404.
*) Aus dem finanziellen Ertrage der Gesandtschaft konnte den Gläubiger
einer vorher aufgenommenen Staatsanleihe eine Abschlagszahlung von 180 Hyp
auf 100 1. Jan. geleistet werden, während sie auf 400 Hyp. für je 100 1. Anspruch
hatten. Bertolotto p 377 cod. A: Solvit Janue legatus ad rat. perperorum 180 pro^
centum,
») Ann. genov. II, 13 ö. Heyd I, 222 A. 3 läßt das Schilf irrtümhch von Pis:
kommen.
*) Hist. Ducum Yen., SS. XIV, 79. Jirecek p. 48 f.
») Müller p. 417.
«) Heyd I, 215, 262. Über die Bestrebungen Manuels in Italien : Bernhardi,
Konrad HI., 882. Davidsohn I, 541. Norden 103 A. 2. Giesebrecht V, 147 ff. 497 ;
VI, 361, 463.
').Gaudenzi: Un secondo testo dell' >a8sedio d'Ancona« di Buoncompagna
im Bull. stör. jio. 15 (1895), p. 169, 176, 190. Dazu Eberhard W. : Über das Hand-
11
i
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 235
Der Entwicklung des Handels zwischen den Seestädten Unter-
Italiens und Konstantinopel Avar dagegen die traditionelle Feindschaft
zwischen Normannen und Griechen in hohem Grade hinderlich, so daß ein
entschiedener Rückgang desselben gegen früher anzunehmen ist. Wenn
der Erzbischof Maurus von Amalfi und ein Judex der Stadt, Muscus, im
April 1110 der Leistung des Homagialeides durch die Pisaner für Kaiser
Alexius als Zeugen, offenbar im kaiserlichen Auftrage, in Pisa beiwohnen,
und derselbe Erzbischof bald darauf als Gesandter des Papstes an den Kaiser
fungiert 1), so erscheint das wie ein Nachhall aus früherer glänzender Zeit;
im übrigen kennen wir eben nur die Tatsache, daß eine kleine Nieder-
lassung der Amalfitaner mit Landungsstätte, neben der pisanischen in der
Nähe des Fischmarkttors gelegen, fortbestand 2), und daß auch die Zahlung
der 1082 eingeführten Abgabe an San Marco von Venedig fortdauerte 3).
Daß auch Bari bestrebt war, seine alten Handelsbeziehungen zu Konstantin-
opel aufrecht zu erhalten, beweist jener Briefsteller aus dem 4. Jahrzehnt
des 12. Jahrhunderts, der einen Genuesen seinem in Konstantinopel weilenden
Sozius brieflich seine für den nächsten Herbst auf einem Schiffe der Barenser
zu erwartende Ankunft in Aussicht stellen läßt.^) Bald aber wurde es ein
Opfer der Restitutionspolitik Manuels. Sein Feldherr Michael Palaeologus
eroberte im Winter 1155/56 noch einmal die apuhsche Küste von Viesti bis
Brindisi und hatte durch Verlockungen auch Bari auf seine Seite gebracht,
wo er starb; schon am 28. Mai 1156 aber errang König Wilhelm bei Brindisi
einen glänzenden Sieg und nahm im Juni an Bari durch völlige Zerstörung
der Stadt furchtbare Rache. Im folgenden Jahre eroberte die sizilische
Flotte sogar Negroponte; 1158 aber beendete ein Friede mit Kaiser Manuel
diesen dreijährigen Krieg, ö) Wenn in der Instruktion Grimaldis von 1174
von einem bei Chios gestrandeten Schiffe der Venezianer und Longobarden
die Rede ist, auf dem auch Genuesen zu Schaden gekommen seien ß), so
ist jedenfalls an die mit den Venezianern vielfach in engem Verkehr stehenden
Langobarden Apuliens zu denken.
180. Benjamin von Tudela, der Konstantinopel zur Zeit
Manuels besuchte, ist ganz voll von der Größe, dem Reichtum und
der Pracht dieser Weltstadt, die nur mit Bagdad, der Hauptstadt der
Mohammedaner, zu vergleichen sei ; der Tribut, der jährlich aus allen
Teilen des Reiches in Gold sovile seidenen und purpurnen Gewändern
nach Konstantinopel fließe , fülle viele Türme , und die Einnahmen,
die der kaiserliche Schatz allein aus den Abgaben der zur See und zu
Lande in Konstantinopel ankommenden Kaufleute und den Markt-
und Herbergsgeldern daselbst beziehe, schätze man auf täglich
20000 Hyperpern. Und ein Mailänder Berichterstatter der Zeit nennt
Schriftenverhältnis des Liber de obsidione etc. im Neuen Arch. 26 (1901), 760 f.,
wonach rlie uns vorliegende Redaktion 1201 oder Anfang 1202 erfolgt ist, als Ugo-
linus Gosia Podestä von Ancona war.
1) Mülles p. 52 J.-L. 6334 (Nov. 1112).
*) Heyd I, 252, 262.
*) Ausdrücklich (nicht etwa bloß in formelhaft fortgeführter Wendung) er-
neuert 1126. Tafel und Thomas I, 97; vgl. p. 117 (zu 1148).
*) Wattenbach, Iter p. 79.
») Siragusa I, 49 f., 53, 64 f., 71 ff.
•) Bertolotto p. 399.
236 Achtzehntes Kapitel.
Konstantinopel : in deliciis affluens, pollens in edificiis , in sericis
vernans. ^) Aber eins war der Bevölkerung dieser großen Stadt mehr
und mehr abhanden gekommen : die Betätigung in kriegerischen und
kommerziellen Unternehmungen; die Handelstätigkeit im großen war
in immer wachsendem Umfange an die rührigen Kaufleute der italie-
nischen Seeplätze übergegangen, die damit zugleich auch ein Faktor
von nicht selten entscheidender politischer Bedeutung geworden
waren.
Von der Stärke dieses romanischen Elementes in der Hauptstadt
können wir uns wenigstens eine ungefähre Vorstellung machen. Als das
eben eingerichtete genuesische Quartier 1162 überfallen wurde, waren
300 Genuesen zur Verteidigung desselben anwesend; da der genuesische
Annalist hervorhebt, daß sie einer großen Übermacht erlegen seien, so hat er
sicher dabei nicht übertrieben. Und wenn die Genuesen ihren damaligen
Schaden auf 27 000 Hyperpern, den bei der Verfolgung des Andronikos er-
littenen aber achtmal so hoch angaben, so läßt das einen ungefähren Rück-
schluß auf die starke Vermehrung zu, die das genuesische Element, namentlich
im letzten Jahrzehnt der Regierung Kaiser Manuels, erfahren haben wird.^i
Erheblich stärker war sicher das pisanische Element, das weit früher in Kon-B
stantinopel feste Wurzeln geschlagen hatte — auf etwa 1000 gibt Caffaro
die Zahl der an jenem Überfall von 1162 beteiligten Pisaner an — und am
stärksten das venezianische, für das zur Zeit der Gewalttat Manuels im
Jahre 1171 die runde Zahl 10000, die ja freihch ziemlich stark nach oben
abgerundet erscheint, angegeben wird. 2)
181. Da diesen Lateinern besondere Quartiere zugewiesen waren,!
wenn auch nicht wenige auch als burgenses außerhalb derselben wohn-
ten, so machte schon dieser Umstand das Vorhandensein einer Leitung
derselben erforderlich. Venedig ließ die höchste Autorität in dieser i
seiner stärksten auswärtigen Kolonie durch Legaten ausüben.
Eine Urkunde vom März 1150 zeigt uns einen solchen Legaten, i
Sebastiane Ziani, wie er in einer Handelssache (eine offene Handelsgesell- 1
Schaft, compagnia, soll nach dem Tode des einen Sozius auf Antrag deri
überlebenden Partei aufgelöst werden) in Konstantinopel unter dem Beirat 1
rechtsgelehrter Judices zu Gericht sitzt. ^) Damit ist der Beweis geliefert,
daß wir in diesem Legaten den eigentlichen, die Staatshoheit Venedigs re-
präsentierenden Kolonialvorstand zu erblicken haben, der die Jurisdiktion)
übte, soweit sie den Venezianern zustand und die Kolonie nach außen ver-i
trat 4), während die regelmäßige innere Verwaltung der Kolonie bei den;
Bevollmächtigten des Patriarchats lag.
Im September 1107 hatte der Doge Ordelaffo Falieri dem Patriarchen
von Grado, Johann Gradenico, in Ablösung einer Schuld des Staates an'
*) Benj. Tudel. I, 50 ff. Savioh IIj p. 58 (aus der Zeit der Schlacht bei Leg-
nano). Wertvoller Plan des mittelalterlichen C. bei Mordtmann J. «Esquisse topo-
graphique de Const., Lille 1892.
ä) Hist. Ducum. Ven., SS. XIV, 78.
3) Sacerdoti p. 27 f.
■•) Weitere Beweise für diese Stellung des Legaten ergeben sich aus den Sta-
tuten Venedigs; s. Besta e Predelli I (1901), 228 rub. 40; dazu die Einleitung p. 23
A. 1.
Biß zum Tode Kaiser Manuels. 237
das Patriarchat das Eigentumsrecht an der Akindanoskirche sowie an allen
venezianischen Läden und Herbergen und alle Einkünfte aus Maß und
GeAvicht in der Kolonie zu Konstantinopel übertragen; dabei hatte er aber
die Ehrenrechte und Bezüge, auf die die Gesandten des Staats (nostri
communes legati) an Kirche und Hospizen Anspruch hätten, ausdrücklich
vorbehalten, i)
Pisa 2) wurde in Konstantinopel durch einen jährhch wechselnden Vice-
comes repräsentiert; 1160 tritt uns sein Amt als ein durchaus eingebürgertes
entgegen; der erste mit Namen bekannte ist Marcius^), 1169. Neben dem
Vicecomes erscheinen als besondere Vorsteher der ansässigen Kolonisten
die embularii, während ein Operarius die wichtigen Interessen der Dom-
bauverwaltung vertrat*); mit ihm zusammen konnte im Bedürfnisfalle ein
Rat von 12 angesehenen Männern der Kolonie über die Verwendung von
Mitteln der »Opera« im allgemeinen Interesse beschließen.
Auch für Genua vertrat ein Vicecomes die Interessen seiner Kolonie
in Konstantinopel. Unter den Entschädigungsforderungen in der Instruk-
tion für Grimaldi bezieht sich ein Posten auf ein Darlehn, das der Vicecomes
Lombardus seinerzeit zu Herstellungsarbeiten im genuesischen Quartier (also
wohl 1170 oder 1171) aufgenommen hatte^); und im Jahre 1174 bekleidete
Guido diese Stellung; wir hören, daß sich amtliche Verzeichnisse der bei
der Wegnahme eines genuesischen Schiffes durch Venezianer bei Negro-
ponte und bei dem Überfall des Quartiers Koparia geschädigten Genuesen
in seinen Händen befanden. 6)
182. So überragend wichtig für den Handel der Lateiner die
Hauptstadt der Romania war, so vernachlässigten sie darum doch
auch die kleineren Handelszentren des Reiches nicht und manche
derselben frequentierten sie so stark, daß sie vollständige Handels-
niederlassungen in denselben hatten. Am meisten gilt das natürlich
von den Venezianern, denen das ganze Reich seit langer Zeit geöffnet
war, und die mit keinem Gebiet einen so lebhaften Handel trieben
als mit diesem'^); für die Stärke dieses Verkehrs gibt es einen An-
halt, wenn wir hören, daß im Jahre 1170, nachdem Manuel allerdings
die Venezianer durch eine Gesandtschaft noch besonders zu fleißigem
Besuche seines Reiches eingeladen hatte, gegen 20000 Venezianer^)
nach der Romania gegangen sind.
1) Tafel und Thomas I, 67 f. Vgl. Heyd I, 256 f., 260. Schmeidler 49.
«) Müller p. 8 ff. ; vgl. Heyd I, 260.
^) Ljubic I, 10 hat die richtige Namensform; bei Müller p. 417 Marcus (der
Gesandte Graf Marcus ist eine andere Person).
*) Oben § 174.
*) Bertolotto p. 400. Unter den Darlehnsgebern »pro embolo reflciendo« war
der spätere genuesische Stadtsekretär Caliga Pallii, Verfasser der Instruktion für
Grimaldi; vgl. p. 371 u. 372.
') Ib. 386, 387 : sicut continetur in scripto quod habet curia (seil, imperialis)
et Guido vicecomes noster in quo continentur nomina perdentium et quantitates etc.
') Hist. Ducum. Ven., SS. XIV, 78 : Cum . . . Veneti negociaciones suas ubique,
maxime in terram Manuelis . . . qua semper usi fuerant, exercerent etc.
*) Breysig K., Kulturgeschichte der Neuzeit 11, 1157 A. 1, nennt diese Zahl
eine ganz unmögliche. Aber er bezieht sie auf Ein wand er er in das griechische
lleich, während es sich ganz überwiegend nur um Leute handelt, die vorüber-
238 Achtzehntes Kapitel.
Was zunächst die thracischen Nachbargebiete von Konstantin-
opel anbetrifft, so besaßen im Binnenlande sowohl Adrianopel wie
Philippopel besondere Quartiere der Abendländer, die außerhalb der
Stadtmauern lagen; ein Zeugnis für ihren Handel ist die Beschwerde eines
Genuesen über den Zolldirektor (comerzarius) von Adrianopel, der ihm wider-
rechtlich 72 Hyperpern abgenommen habe, obwohl er schon in Konstantin-
opel gezahlt hätte, i) Besonders wichtig aber für den Handel der Romanen
war R o d o s t o am Marmara-Meer, wo die Venezianer in der ruga der Franken
zwei Kirchen und ein Fondaco hatten. Im Jahre 1145 wurde die Ver-
waltung der offiziellen Maße und Gewichte, deren sich die Venezianer daselbst
bei Kauf und Verkauf größerer Quantitäten zu bedienen hatten, von der
venezianischen Regierung dem Prior der Georgskirche daselbst, Domenico
Babilonio, als dem dortigen Vertreter der Mutterkirche, San Giorgio maggiore
in Venedig, übertragen ; da sich viele nicht danach richteten, wurde 2 Jahre
darauf ein Schiedspruch der Legaten des Dogen in Konstantinopel, Domenico
Morosini und Andrea Zeno, zwischen dem Prior und den Venezianern von
Rodosto notwendig 2), der das Recht des Priors prinzipiell anerkannte, den
abgabenfreien Gebrauch eigener Gewichte und Maße bis zum Höchstbetrage
von 50 Pfd. zuließ, für höhere Beträge aber die Anwendung der kirchlichen
Normalmaße und -Gewichte, unter Festsetzung einer Gebühr von 2 stamines
auf 1000 Pfd. für die Venezianer, des Doppelten für die Griechen, vor-
schrieb. Getreide und Öl, Hauptprodukte des fruchtbaren Thracien, waren
für die Ausfuhr von Rodosto von besonderer Bedeutung. San Giorgio
maggiore hatte außerdem noch Besitz auf der Insel Lemnos, wo ihm der
Erzbischof 1136 das Oratorium S. Blasii gegen eine jährliche Abgabe von
2 Metra reinen Öls überlassen hatte. ^) fl
Und wie in Rodosto, so nahmen die' Romanen auch an der Südküste
Thraciens die Produkte des fruchtbaren Landes ein. Das Schiff des Genuesen
Lanfrancus Grancius lag im Hafen von P a s c h i a (C. Paxi nahe der Mündung
der Maritza), um Getreide und Wein zu laden, als es von pisanischen bur-
genses von Konstantinopel und anderen Pisanern überfallen wurde; den
besonderen kaiserlichen Geleitsbrief respektierten die mit den Genuesen im
Kriege befindlichen Pisaner so wenig, daß sie den Vorzeiger desselben auf
den Tod verwundeten, die Urkunde raubten und mit Schiff und Ladung ent
flohen. 4)
183. Auch die Küstenländer des Schwarzen Meeres standen,
soweit sie griechisch waren, dem Handel der Romanen offen. Nur für die
Genuesen, die zuletzt im griechischen Reiche festen Fuß faßten, ist in dem
Privileg von 1170 in dieser Beziehung eine Beschränkung ausgesprochen;
Matracha auf der Halbinsel Taman am taurischen Bosporus und Russia
im Innern des Asowschen Meeres an der Mündung des Don sollten sie in
jedem einzelnen Falle nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Kaisers be
I
gehend des Erwerbes wegen als Seeleute, Handeltreibende, Söldner, die RomaniaJ
aufsuchten. Hist. Ducum Yen., SS. XIV, 78. Dazu die Schilderung des Niketaa
Akominatos ed. Bekker p. 25.
1) Heyd I, 243 f. Odo von Deuil (SS. XXVI, 63 f.)- Instruktion für Grimaldi;j
Bertolotto p. 401.
2) Tafel und Thomas I, 103 f. Heyd l. c. und 256.
8) Ebd 98. Heyd I, 247.
♦) Instruktion Grimaldis von 1174; Bertolotto p. 371, 397.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 239
suchen dürfen i) ; als wenig später der Plan einer engen Allianz zwischen
Genua und dem Kaiser auftauchte, sollte der genuesische Gesandte auch
die uneingeschränkte Erlaubnis zum Besuch von Matracha fordern. 2) Für
die Venezianer und Pisaner bestand also eine solche Beschränkung nicht;
und in den übrigen Teilen des Schwarzen Meeres verkehrten auch die
Genuesen; für das Schiff des Villanus Gauxonis, das bei Kidrillis an der
Donaumündung Schiffbruch gelitten hatte und von der dem Kaiser Unter-
tanen Bevölkerung völlig ausgeraubt worden war, hatte schon Amico de
Murta Entschädigung zugesagt erhalten und forderte Grimaldi 1175 vom
Kaiser 23 216 H3'perpern oder 77121. jan.^)
184. An der Westküste Klein-Asiens befand sich in Abydos
am Hellespont eine stärkere Handelsniederlassung der Venezianer, da hier
sogar eine venezianische Nicolaikirche nachweisbar ist ; auch in dem östlich
davon gelegenen Pegae (Bighas, Spigast) am Granikos wohnten viele Abend-
länder. 4) Das alte Adramyttion (Edremid) tritt uns 1157 als Ziel einer
Handelsreise des Genuesen Ugo Botinus und seiner Frau Florimons entgegen,
für die sie bei Bonus Johannes Malfuaster ein mit 33 1/3 % Seezins rückzahl-
bares Darlehn aufgenommen hatten 0); ein anderer Genuese, Nicolaus Boia-
mundi, reklamierte etwas später 450 Hyperpern, die ihm bei einem Besuche
des Ortes mit seinem Schiffe von dem dortigen Duca abgenommen worden
waren.^) Im Binnenlahde erscheint Philadelphia, schon im Grenzgebiet
gegen die Seldschukken gelegen, als Wohnsitz von Venezianern;'^)
Eine besondere Anziehungskraft mußte das gesegnete C h i o s , nament-
lich als einziges Produktionsgebiet des vielbegehrten Mastix ^), auf den Handel
der Abendländer ausüben. Daß die venezianischen Kaufleute hier seit langem
heimisch waren, geht aus der zeitgenössischen Beschreibung der Erhebung
der Gebeine des Märtyrers Isidor im Jahre 1125 mit voller Deutlichkeit
hervor; als die frommen Räuber die Kiste mit dem Leichnam zu Schiffe
brachten und derselben ein lieblicher Geruch entströmte, gaben sie vor,
daß sie mit Rosinen (uvis passis) gefüllt sei. 9) Aber auch die Pisaner und
Genuesen verkehrten hier. Im Einverständnis mit den Venezianern und
Pisanern des Ortes ließ der Duca von Chios einmal ein kleines genuesisches
Schiff mit Beschlag belegen und mit der Ladung nach Konstantinopel bringen,
woher es wohl auch gekommen war; einer der Geschädigten hatte 150 Hy-
perpern an Tuchen (15 demitis und 10 cendatis), die er wohl im Zwischen-
^) . . . TiQayjuazevad'ai iv Ttäaais rals hnovBrjnoTe y^wqan TJJs ßaaiXeias fiov, avev
ifis ' Pcoaias xal rcöv Mar^axcov. Bertolotto p. 422, 432, 351. Bestimmung der Lage
cMeser Orte durch Heyd I, 206 ff.
») Bertolotto p. 348.
') Eb., 370: quum infra sinum Imperii per homines suos apud Citrillum
dum scopulis adhaesisset, exhonorata fuit et pecunia tota contra jus et pium dispersa.
*) Baracchi XX (1880), 54 (Urkunde von 1189). Heyd I, 242. Giesebrecht VI,
258 und 711.
') Chart. II no. 445 (30. Juli). Für Adalmico ist jedenfalls Adalmito zu lesen.
*) Instr. für Grimaldi 1174, Bertolotto p. 400. Die Namensform ist hier: ad
Andelmitam.
') Vertrag von 1187 ; Heyd I, 242.
8) Benj. Tudel. I, 57. Gesta Regis Rice ed. Stubbs II (Lond. 1867), 198: in-
sula Iski, in qua crescit copia speciei quae dicitur Mastix. Flückiger 117 ff. Wiesner
I, 242.
®) Cerbanus Cerbani : Translatio m. Isidori im Rec. Crois. Occid. V, 327 : >dum
alii quique suis negotiis et capiendis hospitiis occuparentur« ; 329.
240 Achtzetintes Kapitel.
handel in Chios zu vertreiben gedachte, eingebüßt; im ganzen hatte der
Gesandte hierfür eine Entschädigung von 2390 Hyperpern (den Kaufpreis der
navicula mit 400 Hyperpern inbegriffen) zu fordern, i) Außerdem hatte der
Gesandte 900 Hyperpern im Interesse seines Landsmanns W. Picamilium zu
verlangen. Als dessen Sozius Johannes Nanfus auf einem venezianischen
Schiffe bei Chios Schiffbruch gelitten hatte, belegte der Herr von Chios
die aus Tuchen (demitis, xamitis et cendatis) bestehenden Waren des Genuesen
mit Beschlag und trotz eines Mandats des Kaisers und eines Schreibens
seiner Schwester an den Herrn von Chios war es bisher bei bloßen Ver-
sprechungen verblieben. 2)
Rh od US war schon als Station für die Weiterfahrt nach dem Osten
wichtig; haben doch die Venezianer auf ihrer ersten Kreuzfahrt hier lange
Zeit hindurch ihr Standquartier gehabt. ^) Die Genuesen hatten auch hier
über Ausübung des Strandrechts zu klagen; Amico de Murta machte 1170
Entschädigungsforderungen in bezug auf das an der Küste von Rhodus ge-
scheiterte Schiff des Genuesen Lavorante geltend, indessen, obwohl der
Kaiser sich durchaus willig zeigte, doch nur mit teilweisem Erfolg *) ; in der __
Instruktion Grimaldis erscheinen die Restforderungen mit 5200 Hyperpern, wo-mI
von 1500 auf die Brüder Amicus und Lambertus GriUus entfielen ; außer ihnen
war Gervasius, der Sozius der Witwe des Bigotus, besonders schlecht weg-
gekommen, weil die Griechen behaupteten, daß er Untertan des Königs von
Sizilien sei.
185. Auf der europäischen Seite des Ägäischen Meeres tritt uns zunächst
die zweite Seestadt des Reichs, das Emporium Macedoniens, Saloniki,
als ein auch von den Abendländern vielbesuchter Platz entgegen. Im
Timarion, einer Nachahmung der Totengespräche Lukians, die in der Mitte
des Jahrhunderts entstanden ist, wird bei der interessanten Schilderung des
Oktober] ahrmarkts, der sich an das zu Ehren des Schutzheiligen der Stadt,
Demetrios Myroblytes, gefeierte Volksfest anschloß, und seiner großen Buden-
stadt mit ihrer langen Hauptstraße und zahllosen kleinen Seitengassen, auch
der Schiffe und Meßbesucher lateinischer Nationalität gedacht, und der Erz-
bischof von Saloniki, Eustathios, bezeugt uns in seiner Erzählung von der
Eroberung der Stadt durch die Normannen (1185) die Existenz eines be-
sonderen, an der Innenseite der Mauer belegenen lateinischen Quartiers. ''')
Auf der Handelsstraße, die von Saloniki nach Konstantinopel führte,—
können wir einmal Angehörige der drei großen italienischen HandelsnationenjBI
nebeneinander nachweisen ; .in Chrysopoli (in der Nähe des alten Amphi-
pohs) hatte im Jahre 1173 der Genuese Ansaldus Baraterii bei Venezianern
und Pisanern Herberge unter dem Versprechen der Sicherheit gefunden 6),
trotzdem aber wurde er von ihnen eines Pferdes und verschiedener Aus-
rüstungsgegenstände im Werte von 30 Hyperpern beraubt. Unter der »Kaiser-
straße«, auf der die Venezianer dem Genuesen Otto Gontardus 33 Hyperpern]
abgenommen hatten, ist wohl derselbe Handelsweg zu verstehen. '')
II
1) Bertolotto p. 371, 386.
2) Ebd. 399.
3) Oben § 88.
■*) Ein solcher ist wegen des niedrigen TJmrechnungssatzes (für je 1 1. Jan."
werden nur 2 V2 Hyp. gefordert) anzunehmen. Bertolotto p. 346 f., 398 f.
6) Heyd I, 244 f. Krumbacher p. 467 f., 536 f.
*) Bertolotto p. 401 : . . . apud quos hospitatus erat et qui eum in fide sus-|
ceperant. ^) Ebd. 402.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 241
An der Westseite des Golfes von Saloniki warKitro (das alte Pydna)
ein nicht unbedeutender Handelsplatz; wir wissen von einer Handelsfahrt,
die das von Bartholomäus Julianus geführte venezianische Schiff, auf dem
sich der bekannte Kaufmann Romanus Mairano befand, im Sommer 1167'
von Konstantinopel nach Kitro und von hier weiter nach Ägypten unter-
nommen hat. 1)
186. Von besonderer Wichtigkeit aber war während des 12. Jahrhun-
derts für den Handel der italienischen Seestädte die am Golf von Volo ge-
legene Hafenstadt Thessaliens, Almyro, die das ältere, noch im alexiani-
schen Privileg für Venedig allein genannte Demetrias völlig in den Schatten
gestellt hatte. Hier landete im Jahre 1109 die den Grafen Bertram zum
Kampfe um Tripolis geleitende genuesische Flotte und ergänzte durch ge-
waltsame Requisitionen ihre Vorräte. 2) Benjamin von Tudela nennt es eine
große Handelsstadt, die von Venezianern, Pisanern und Genuesen und von
vielen anderen Kaufleuten besucht werde. 3)
Die pisanische Kolonie hier war so bedeutend, daß sie in der Mitte
des Jahrhunderts über zwei Kirchen, die Jakobikirche, deren Rektor im
Jahre 1153 Riccius war, und eine dem hl. Nikolaus geweihte Sukkursale ver-
fügte; als König Wilhelm 1157 seinen Plünderungszug unternahm, wurde
bei der Verbrennung von Almyro auch die Jakobikirche und der Turm der
Pisaner von dem Zerstörungswerke mit betroffen*); da der König indessen
schon im folgenden Jahre einen dreißigjährigen Waffenstillstand mit dem
Kaiser schloß, wurde das Zerstörte sicher bald wiederhergestellt. Auch die
Venezianer besaßen mehrere Kirchen hier. Schon für 1150 ist die Existenz
ihrer Georgskirche daselbst bezeugt; im März 1156 schenkte ihr Natalis Be-
tani die gedeckte Steinmetzwerkstätte (fabrica petrinea cooperta), die er
auf dem Grundstück des Griechen Elias Pillari errichtet hatte. 0) Im No-
vember 1167 entschlossen sich verschiedene venezianische Kaufleute in Ale-
xandrien, zunächst nach Almyro zu fahren und erst von da aus nach Kon-
stantinopel zurückzukehren. 6) Wie beträchtlich die Zahl der Venezianer
hier war, ergibt sich am besten daraus, daß bei der Verfolgung -Manuels im
Jahre 1171 die Venezianer von Almyro mit nicht weniger als 20 Schiffen
nach Venedig flüchteten.'^) Als sie in dem nun folgenden Rachekriege die
Stadt angriffen, war gerade ein genuesisches Handelsschiff anwesend. Die
Venezianer versprachen den Genuesen volle Sicherheit, wenn sie mit ilirem
Schiff und aller Habe abziehen wollten; die Genuesen aber zogen es vor,
das Schiff im Stich zu lassen und bei der Verteidigung der Stadt mitzuhelfen,
worauf die Venezianer das Schiff verbrannten; die Genuesen stellten dem
Kaiser das in seinem Dienste geopferte Schiff mit 1856 Hyp. in Rechnung.^)
In dem venezianisch - pisanischen Vertrage von 1180 wird der beider-
seitigen Niederlassung in Almyro des längeren gedacht 9) ; oft genug muß es
') Sacerdoti p. 29.
«) Albert von Achen XI c. 3 (Reo. Crois. Occid. IV, 664). .
») I, 49. Heyd I, 245 f.
*) Müller p. 5 (Bulle Anastasius' IV. für die Jakobikirche von 1153). Ann.
pis. zu 1158 (Stil, pis.), SS. XIX, 243. Vgl. Heyd I, 246.
») Tafel und Thomas I, 125 ff. (3 Urkunden vom Dez. 1150 und Jan. 1151);
p. 136 (März 1156).
«) Sacerdoti p. 29.
^ Hist Ducum Ven., SS. XIV, 79.
8) Bertolotto p. 371 und 388 f. Heyd I, 246.
») Müller p. 20 f. Bonaini Suppl. p. 74 f.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 16
11
242 Achtzehntes Kapitel.
hier zu argen Fehden zwischen beiden Handelsnationen gekommen sein,
denn die Kontrahenten versprechen sich gegenseitig, ihre Niederlassung nicht
zu befestigen, ihre Häuser platt und Kirchen und Türme in gleicher Höhe
zu halten, auch bei Differenzen über den beiderseitigen Besitzstand nicht
zur Selbsthilfe zu greifen, sondern richterliche Entscheidung anzurufen.
Jedenfalls standen die Genuesen, wie in Konstantinopel selbst, so auch in
Almyro gegen die beiden anderen Handelsnationen zurück.
187. Negroponte, der Hauptort Euboeas, trat im 12. Jahrhundert
noch nicht so hervor, wenn es auch nach dem Zeugnis Benjamins von Tu-
dela schon vielfach von Kaufleuten besucht wurde. Ein genuesisches Schiff,
das vor dem Vertrage von 1170, aber mit kaiserlichem Schutzbrief versehen,
hier weilte, wurde von den Venezianern hier gekapert, so daß die Genuesen
einen Verlust von 5533 Hyp. erlitten, für den Amico de Murta vom Kaiser
Ersatz verlangte, ohne indessen mehr als Versprechungen zu erzielen.^)
Das Handelszentrum Mittelgriechenlands aber war Theben. Es hatte
eine jüdische Gemeinde von gegen 2000 Seelen, die nach dem Zeugnis Ben-
jamins die hervorragendsten Verfertiger seidener und purpurner Gewänder
in ganz Griechenland waren. 2) Offenbar im Anschluß an die seit alters an
dieser Stätte betriebene berühmte Seidenfabrikation und kunstvolle Weberei;
hatte sich hier eine starke venezianische Kolonie gebildet, die die Erzeug
nisse der thebanischen Industrie weithin vertrieb. Schon für das 11. Jahr-
hundert haben wir venezianische Handelsreisen nach Theben kennen gelernt.^)
Für das folgende wissen wir von einer Handelsfahrt des Venezianers Petrus
de Molino, der im November 1170 in Theben eine Handelsgesellschaft ein-
gegangen war und auf einem venezianischen Schiffe nach Konstantinopel
fuhr, wo er durch den Gewaltstreich Manuels das gesamte Gesellschafts-
vermögen (82 1/2 alte vollwichtige Goldhyperpern) einbüßte. *) Früher noch,
wohl in den sechziger Jahren, hatten sich die Venezianer Dominicus Sisinulo
und sein Neffe Vitalis Voltani solidarisch zu einer offenen Handelsgesellschaft
derart verbunden, daß jeder von ihnen ein Grundkapital von 7 Pfund ^|
(= 500 Stück) Goldhyperpern einlegte und sich verpflichtete, sonstiges Ver-|||
mögen in derselben Gesellschaft zu einem festen monatlichen Zinssatze von
1 Goldhyperper auf das Pfund (etwa I6V2 Prozent pro anno) in derselben
arbeiten zu lassen. Dominicus nahm seinen Wohnsitz in Konstantinopel,
Vitalis in Theben ; beide hatten sich Waren gegenseitig auf dem Land- oder __
Seewege (per terram et per ipsos culfos et passaios, d. h. über die«!
Buchten und Meeresstraßen) zuzuschicken und hatten zugleich Vollmacht,
die Waren der Gesellschaft zum Absatz über Land beliebig in Kommission
zu geben. Die Gesellschaft war zunächst auf ein Jahr geschlossen, sollte
aber nach Ablauf desselben fortbestehen, so lange unter den Gesellschaftern ..-
Übereinstimmung bestand. Wir besitzen nun eine in Venedig im Augustll
1179 aufgenommene Urkunde, in der Dominicus sich bereit erklärt, seinem
Neffen binnen einem Monat nach ergangener Aufforderung Rechnung zu
legen über alles, was von dem Vermögen der Gesellschaft seinerzeit in der
Romania beschlagnahmt worden sei (bezieht sich also auch auf jenen Ge
') Bertolotto p. 370 und 387.
«) Benj. Tudel. I, 47.
=•) § 14.
*) Eingerückt in Urkunden von 1190 und 1193. die den Schadenersatz be
treffen ; Sacerdoti p. 36 f. Die ripa de Sicres ist wohl das von Benjamin Tudel. I, |
46 erwähnte Crissa.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 243
waltstreich), was er anderen anvertraut und was er selbst in seinem Besitz be-
halten habe.') Es war wohl die Einleitung zur Auflösung der Gesellschaft; Vita-
lis Voltani aber betrieb sein Geschäft, von dessen Natur wir leider nichts Be-
stimmtes erfahren, selbst in der Zeit nach der Verfolgung des Andronikos in
Theben weiter. Anfang 1185 vertraute er seinem Verwandten Petrus Morosini
eine Commenda im Werte von 250 Hyp. an; Morosini hatte die Waren von
Theben zu Lande nach Durazzo und von da zur See nach Venedig zu schaffen,
hier bestmöglich zu verkaufen und den Erlös für eine weitere Handelsreise an-
zulegen. Für diesen zweiten Teil seiner Reise war ihm ein größerer Spielraum
gelassen ; er konnte zur See nach Korinth fahren und von da nach Theben
zurückkehren oder auch, falls es mittlerweile zum Abschluß des Friedens
zwischen Venedig und dem Reiche gekommen, nach Konstantinopel gehen
und zwar entweder direkt von Venedig aus auf dem Seewege oder von Du-
razzo aus auf dem Landwege. Die Abrechnung sollte in Theben oder Kon-
stantinopel, falls die Rückreise dorthin gewählt war, binnen 14 Tagen nach
seiner Ankunft erfolgen — ein Beweis übrigens, daß Vitalis auch jetzt noch
in Konstantinopel einen Sozius besaß oder doch für den Fall des Friedens-
schlusses die Hinsendung eines solchen in Aussicht genommen hatte. Kam
es nicht zum Frieden, dann sollte die Commenda bis Ostern 1186 in den
Händen des Empfängers bleiben, der sie dann nach bestem Ermessen beliebig
zu Lande oder zur See anzulegen und nach Ablauf der Zeit in Venedig
Rechenschaft zu legen hatte. 2) Jedenfalls zeigt uns diese Urkunde recht
deutlich , wie festbegründet die kommerzielle Position der Venezianer in
Theben gewesen sein muß. Um welche Ware es sich dabei hauptsächlich
handelte, wird auf das hellste durch die Tatsache beleuchtet, daß unter den
Forderungen, die die Genuesen als Preis für eine Allianz mit dem Kaiser
stellten, sich auch die Zulassung zum unbeschränkten Handel mit Seiden-
zeugen in Theben, wie ihn die Venezianer bisher ausgeübt hätten, befindet.^)
Mit Korinth stand Venedig durch seine Schiffskarawanen in regel-
mäßigem Verkehr'*); Niketas Akominatos hebt hervor, daß auf der einen
Seite des Isthmos die von Italien, auf der andern die von Asien kommenden
Schiffe anzulegen pflegten 0). Sicher kamen auch die Erzeugnisse des Kunst-
fleißes der geschickten Weber des Peloponnes und der Insel Andros viel-
fach hierher auf den Markt. In dem Briefsteller aus dem 4. Jahrzehnt des
12. Jahrhunderts erscheinen die Samte und Tafte (xamita und zendata) von
Andros als im Abendlande begehrte Artikel, und in der Tat begegnet uns
einmal unter den Gegenständen einer Mitgift in Gaeta »bottarellum unum
de zendatum de Andre. « ^)
188. Ziemlich häufig muß auch Kreta, schon seiner Lage wegen, von
den italienischen Kaufleuten aufgesucht worden sein. Im Jahre 1160 wird
*) Sacerdoti p. 33 f. Die Zeit der Begründung der Gesellschaft ist nur an-
gedeutet durch die Erwähnung der Beschlagnahme (1171); die Kontrahenten selbst
sagen, daß sie erfolgt sei >quondam retro tempore«, und daß sie sich nicht mehr
erinnern, ob die ursprüngliche Einzahlung in 7 Pfund Goldhyperpern oder 500 Stück
geschehen sei.
2) Ebd. p. 35.
') Bertolotto p. 348 : . . . liberam et commodam facultatem . . . etiam exer-
cendi negociationem pannorum setae apud Stivam sicut Veneti soliti erant.
Heyd I, 247.
*) Sacerdoti p. 35.
") ed. Im. ßekker (Bonn 1835) p. 100.
8) Wattenbach, Iter, p. 79 f. Cod. Caiet. II no. 275, p. 164.
16*
II
244 Achtzehntes Kapitel.
einmal in einem genuesischen Handelskontrakt dem Unternehmer die Wahl
gelassen, entweder direkt von Konstantinopel aus nach Alexandrien zu
gehen oder unterwegs zu Geschäftszwecken in Kreta Station zu machen i),
und in der Instruktion für Grimaldi von 1174 bezieht sich eine ganze Reihe
von Forderungen auf den Handelsverkehr von Genuesen mit der Insel. Da
verlangte Martinus Priarinus 95 Hyp. als Ersatz für einen Raub, den die
Mannschaft einer kaiserlichen Galeere im Hafen von Kandia an den Aus-
rüstungsgegenständen und der Ladung seines Schiös begangen, Solgarisius
den Ersatz von 250 Hyp., um die ihn der Zolldirektor von Kreta geschädigt
hätte, obwohl er seine Abgaben schon entrichtet hatte, Nicola Boiamundi
300 Hyp., die ihm der Duka von Kreta abgenommen, und Jonathas de Campo
berechnete den Schaden, der ihm durch Konfiskation von Bargeld, Waffen,
Ausrüstungsgegenständen sowie von 60 Ztr. Käse, 40 Ztr. Honig und des
Getreides, das er für 60 Hyp. in Konstantinopel eingekauft hatte, durch die
kretischen Behörden zugefügt war, auf 970 Hyp. 2)
Im Westen Griechenlands war Arta am gleichnamigen Golf ein Ziel
venezianischer Handelsfahrten; im August 1131 nahm Vivianus de Molino
für die Fahrt dorthin ein Seedarlehn von 200 1. ven. auf, das er binnen
30 Tagen nach Ankunft der nächstfälligen Frühjahrskarawane in Venedig
mit 25 Proz. Seezins entweder persönlich, oder falls er selbst nicht mit zu-
rückreiste, durch einen zuverlässigen Bevollmächtigten zu erstatten versprach-^»
Avlona begegnet in der Instruktion Grimaldis von 1174, der den^
Auftrag hatte, im Interesse des genuesischen Stadtsekretärs Ottobonus den
Ersatz von 400 Hyp. zu verlangen, die der Duka des Orts vor geraumer
Zeit, aber nach dem Vertrage von 1155, einem Sozius des Ottobonus mit
Gewalt abgenommen hatte. 4)
Der für den Handel mit Italien wichtigste griechische Platz an der
Westküste aber war und blieb Durazzo, das von den italienischen Ge
Schäftsleuten häufig auch als Ausgangspunkt von Überlandreisen nach Sa-
loniki und Konstantinopel, Almyro und Theben benutzt wurde, wie u. a
jene Urkunde von 1185 dartut; nach einem andern Kontrakt vom Jahre 1161
hatte sich Philippus de Ayboles von Malamocco mit einer Commenda von
200 Hyp. zu Lande von Konstantinopel nach Durazzo und von hier aus
zur See nach Venedig zu begeben. 5) ^1
189. Auch für seinen starken Verkehr mit der Romania hatte"
Venedig das System der SchifEskarawanen mit annähernd feststehenden
Abgangs- und Rückfahrzeiten ausgebildet; gemeinsam brachen die
Handelsflotten von Venedig auf, ließen an einzelnen Hauptstationen --
unterwegs die nur für diese bestimmten Schiffe zurück, die dann in^|
kleinerem Umkreis unter Umständen noch weitere Fahrten unter-
nahmen, während die Mehrzahl nach Konstantinopel weiterfuhr,
von wo aus ebenfalls noch weitere Fahrten angetreten werden konnten.
Nach einer Reihe von Monaten erfolgte dann die Heimkehr der
Hauptflotte von Konstantinopel aus, die nun auf den einzelnen
Stationen die daselbst schon ihrer harrenden Schiffe wieder aufnahm.
1) Chart, n no. 969.
2) Bertolotto p. 399 ff.
») Sacerdoti p. 24.
*) Bertolotto p. 368.
6) Baracchi Vlll (1874), 135.
Bis zum Tode Kaiser Manuels. 245
Die erste dieser großen Karawanen ging im Frühjahr von Venedig ab
und traf im September in Venedig wieder ein, also gleichzeitig mit der von
Ägypten heimkehrenden Handelsflotte, so daß die Möglichkeit ihrer Ver-
einigung etwa auf der Höhe von Kreta bestand i); die zweite verließ Vene-
dig Ende Juni (mudua S. Petri) oder im Juli und kehrte im Spätherbst
zurück; die dritte, die mudua de Augusto, war um die Osterzeit wieder in
Venedig zu erwarten. Die Urkunde von 1131 über das Seedarlehn nach
Arta ist die älteste bis jetzt bekannte, die von diesen Schiffskarawanen
spricht 2) ; auch aus dem Briefe, den Magister Moses von Bergamo im Som-
mer 1130 von Konstantinopel aus heimwärts sandte, ergeben sich für Ab-
fahrt aus Venedig und Heimkehr dementsprechende, bestimmte Zeiten. 3)
Natürlich werden nach den einzelnen Plätzen der Romania in noch höherem
Grade wie nach Ägypten und Syrien auch einzelne Handelsschiffe verkehrt
haben, soweit es nicht die venezianische Regierung geboten fand, je nach
den Zeitumständen im Interesse der Sicherheit des Verkehrs beschränkende
Vorschriften zu erlassen.
190. Unter den Gegenständen des Handels, den die Lateiner in der
Romania betrieben, spielen zunächst die Lebensmittel eine nicht geringe
Rolle, wie wir das besonders für die an Öl, Wein und Getreide reichen Ge-
biete Thraciens schon gesehen haben. Getreide wurde von hier aus nach
.Genua und Venedig importiert; ein Getreideschiff von Pera war es, das die
Nachricht vom Tode Kaiser Manuels zuerst nach Genua brachte. 4) Die
vom Dogen Sebastiano Ziani im November 1173 für den Handel mit Lebens-
mitteln in Venedig erlassenen Bestimmungen verbieten den Verkauf von
Getreide, das für den Transport nach Venedig schon verladen war, vor seiner
Ankunft in Venedig; sie setzen einen Maximalpreis für aus der Romania
importiertes Pökelfleisch fest, der niedriger war wie für lombardisches Pökel-
fleisch, während sie von den für den Weinhandel en gros und en detail
geltenden Preisen den wertvolleren griechischen Wein (vinum de Romania)
ausnehmen und der freien Preisbildung überlassen. 0)
Oft haben auch schon die Erzeugnisse der griechischen Textilindustrie
Erwähnung gefunden, die einen besonders umfangreichen und wertvollen
Teil der Ausfuhr durch die italienischen Kaufleute bildeten, die Samte,
^) Baracchi VII (1874), 366, Kontrakt vom Dezember 1158 : Verpflichtung zur
Heimkehr oder zur Heimsendung der Waren >cum mudua navium quae venerit in
Venetiam de Constantinopoli aut de Alexandria in isto primo venturo Septembre.c
*) Sacerdoti p. 24. In diesem im August aufgenommenen Seedarlehns-
vertrage wird Heimkehr oder Heimsendung verheißen cum illa mudua de navibus
que a primo tempore in Venecia venire debet. Ein Kontrakt vom August
1154 für die Handelsfahrt nach Konstantinopel setzt den Fall, daß der Reisende
ad illud primum pasca de ea mudua navium de Romania redisset in Ve-
netiam ; Baracchi IX (1875), 107. Die mudua S. Petri und mudua de mense Augusti
in einer Urk. von 1185 bei Sacerdoti p. 35 ; vgl. auch Lib. pleg. no. 274.
^) Lupus II, 949 ff. Er wünscht Sendung eines wohlunterrichteten 10- bis 12-
jährigen Knaben ; man möge ihn nach Venedig zum Richter Dominicus Bassedelli
schicken: ille cum navi que semper huc venit in Augusto, mittet
eum mihi cum suis expendiis. Er selbst hatte schon vergangene Ostern
daheim sein wollen und erhofft es nun mit Sicherheit für die kommenden Ostern.
*) Oben § 178.
») Cecchetti p. 49. Derselbe in Atti Ven., ser. 4, HI (1873/4), p. 1471. Vgl.
auch Leonardo Pis., der von Einkäufen von öl und A'erschiedenen Arten von Ge-
treide und Hülsenfrüchten auf dem Markt von Konst. spricht; p. 94, 161, 281.
246 Achtzehntes Kapitel. Bis zum Tode Kaiser Manuels.
Tafte und Seidenzeuge besonders, die z. T. die kostbarsten Produkte alt-
vererbter Kunstfertigkeit darstellten. Den Wert solcher unter dem Namen
pallia oder blatia bekannten seidenen Tuche durchschnittlicher Qualität
taxierte man auf 1/3 hundert Hyp. für das Stück i) ; ein Posten dieser panni
serici, die für den Import nach dem Abendlande eingekauft waren, ging bei
dem Überfall von 1162 dem in Konstantinopel tätigen Sozius des genuesi-
schen Tuchkaufmanns Blancardus und seines Bruders Raimund verloren.^)
Die zu kaiserlichen Geschenken verwandten Stoffe waren natürlich besonders
wertvoller Art; als Beispiel sei das >^examitum megalogramon diplarion album«
angeführt, das Manuel im März 1151 dem Abt Wibald von Stablo über-
sandte.^) Auch Filze müssen unter der Ausfuhr aus Konstantinopel eine
nicht geringe Rolle gespielt haben, da wir hören, daß der Prior der Hospi-
taliter zu, Konstantinopel verpflichtet war, jährlich einen Posten von 200 »fibro-
rum« nach Jerusalem zu serujen *) ; und auch Baumwolle wurde aus der Ro-
mania nach Venedig ausgeführt. ^) Ferner haben wir Genuesen gelegentlich
im Zwischenhandel bei der Ausfuhr von Holz aus der Romania nach Ägypten
kennen gelernt. Natürlich war eine Weltstadt wie Konstantinopel zugleich
Markt für die mannigfaltigsten Industrieartikel und die Produkte, die hier
aus den verschiedensten Ländern zusammenströmten ; nach wie vor gingen
namentlich auch kirchliche Kunst- und Schmuckgegenstände und die Werke^
griechischer Gelehrsamkeit von hier nach dem Abendlande. 6)
Es erhebt sich die Frage, was umgekehrt die italienischen Kaufleute^
dem griechischen Markte zu bieten hatten. Wir erkennen, daß unter den
Exportartikeln Ober-Italiens nach der Romania sich namentlich die billigen
Erzeugnisse seiner Textilindustrie befanden. So gingen die Pignolatostoffe
Piacenzas auch nach Konstantinopel, und ein genuesischer Kontrakt vom
Jahre 1161 zeigt uns die Ausfuhr von »baldinelle« von Genua ebendahin'^;
solche »panni baldinelle« gingen auch dem Sozius des Blancardus, Raimund
von Saint - Gilles, bei dem Überfall von 1162 in Konstantinopel verloren.^«
Auch die bei derselben Gelegenheit genuesischen Händlern außer einemal
Quantum Leinwand im Wert von 41/2 Hyp. geraubten zwei Stück bunter
Tuche im Werte von 30 Hyp., ein Stück grünen Tuches und zwei Stück
Sarsche (sagiarum) im Werte von 36 Hyp. waren jedenfalls zum Absatz in
Konstantinopel bestimmt, wenn sie auch wahrscheinlich nicht italienischer,
sondern nordfranzösischer Herkunft waren 8); auch unter den sonstigen
Schadenersatzforderungen von 1174 finden sich einmal »peciae saiarum«J
:l
1) Bertolotto p. 369 ; vgl. p. 470.
2) Ebd. p. 381.
=•) Ep. Wib. no. 325, p. 454 (Brief des Kaisers vom März 1151).
*) Delaville le Roulx I no. 627 p. 427.
s) Stat. maritt. im N. Arch. ven., n. s., V (1903), 210 rub. 54.
^) Magister Moses von Bergamo schreibt im Sommer 1130 von Konstantinopell
aus an seinen Landsmann, den Propst Alexander, >in quos ornatus ecclesiasticosc|
er eine bestimmte Summe verwendet wünsche. Lupus 11, 951 f. Ein kostbares
Marienbild in hölzernem Schrein, das von Konst. nach Bologna gekommen : Sa-
violi I, 2 no. 173 p. 262 (8. Mai 1160). Die griechischen Bücher, die Moses mit vieler
Mühe für 3 Pfund Gold gekauft hatte, gingen bei einem großen Brande im vene-
zianischen Quartier in Flammen auf (1. c); griechische Bücher brachte Willermus
Medicus im Jahre 1167 von Konst. nach Saint-Denis: Delisle L. Manuscrits du
College de la Trinite de Cambridge im Journ. des Savants 1900, p. 727 f.
') Wattenbach, Iter p. 80. Chart, n no. 1114. Unten § 503.
8) Bertolotto p. 390—392.
Neunzehntes Kapitel. Bis zur Eroberung von Konstantin opel. 247
die einem Genuesen von einem »comerzarius« in Konstantinopel konfisziert
worden waren, i)
Und so waren auch sonst die Waren, die die Romanen im griechischen
Reich zum Eintausch brachten, vielfach fremder Provenienz. Sicher aus
Spanien stammte das Quecksilber, das der Genuese Calliga Pallii dem Reeder
Villanus Gauxoni im Werte von 83 Hyp. für seine Fahrt nach der Romania
anvertraut hatte, von da wahrscheinlich auch der sarazenische Sklave, der
in Genua zum Verkauf in Konstantinopel bestimmt wurde. 2) Und wir
haben schon gesehen, wie ausgedehnt der Zwischenhandel war, den die ita-
lienischen Kaufleute zwischen der Romania einerseits und Ägypten und
Syrien andererseits betrieben, so daß die Produkte dieser Länder und die
Erzeugnisse des fernen Ostens zu einem sehr großen Teile ihren Weg nach
dem griechischen Reiche durch die Vermittelung italienischer Kaufleute fan-
den 3); wohl in keinem anderen Umstände bekundet sich die energische
Handelstätigkeit der Italiener dieser Zeit deutlicher als in der Art, wie sie
sich des größten Teils des Außenhandels der Romania bemächtigt hatten*);
ja selbst die kommerzielle Verbindung der einzelnen Teile des griechischen
Reiches untereinander, wie von Theben, Saloniki, Durazzo, Chios mit der
Hauptstadt, wurde hauptsächlich durch italienische Schiffe und italienische
Kaufleute unterhalten.
Neunzehntes Kapitel.
Von der Verfolgung des Andronikos bis zur Eroberung
von Konstantinopel durch die Lateiner.
191. In beständig wachsendem Maße hatte sich im Laufe des
12. Jahrhunderts die Beteiligung der Lateiner an dem kommerziellen
Leben des griechischen Reiches verstärkt; in alle Teile des Reiches
waren sie eingedrungen und hatten die Einheimischen zurückgedrängt;
nach der Angabe eines Zeitgenossen, des Erzbischofs Eustathios von
Saloniki, belief sich ihre Zahl am Ende der Regierung Kaiser
Manuels in Konstantinopel allein auf über 60 000. ^)
Da führten die Wirren, die dem Tode des Kaisers folgten, zur
Entfesselung der lange angesammelten Erbitterung der Einheimischen
gegen die Bevorzugung und das Vordringen der Fremden; die »Ver-
folgung des Andronikos«, den die schroff nationale Partei auf den
Schild erhoben, vertrieb im Frühjahr 1182 unter furchtbaren Szenen
von Brand, Mord und Plünderung die Abendländer aus ihren Quar-
tieren am Goldenen Hörn.
') Ebd. 399.
2) Ebd. 372. Chart. II no. 761 (28. Juli 1159).
') § 117. Die dabei umgesetzten Waren werden nur selten genannt; aus
Ägypten stammte jedenfalls auch der Posten Gummilack im Werte von 97 Hyp.,
der einem Genuesen bei dem Überfall von 1162 in Konst. verloren ging. Berto-
lotto p. 392.
■•) Bezeichnend z. B., daß zwei venezianische Sozii, von denen der eine die
Handelsfahrt von Venedig nach Accon mitgemacht hatte, sich im Januar 1120 in
Konstantinopel treffen und hier Abrechnung miteinander halten. Sacerdoti p. 22 f.
») Heyd I, 221 ; Manfroni, relazioni p. 624.
248 Neunzehntes Kapitel.
Die Genuesen, die doch in Konstantinopel damals weniger zahlreich
waren als die Pisaner und besonders die Venezianer, berechneten den damals
erlittenen Schaden auf 228 000 Hyperpern. ^) Die in den Fremdenquartieren
Wohnenden vermochten sich offenbar zum größten Teil auf die an den
Landungstreppen liegenden Schiffe zu retten ; und fast mit dem Abzug selbst
begannen die Schiffe der Abendländer das Werk der Rache, indem sie die
blühenden Orte und fruchtbaren Gefilde an den Küsten des Bosporus, der
Propontis und des Thracischen Meeres einer schrecklichen Plünderung unter-
zogen. Namentlich von selten Pisas und Genuas begann man nun an die
Stelle der bisherigen friedlichen Handelsfahrten nach der Romania gesell-
schaftlich organisierte Unternehmungen von Korsaren treten zu lassen, die
mit ihren Raubfahrten bei größerem Risiko wie jene doch auch einen weit
größeren Gewinn versprachen. Jahrelang setzten diese Korsaren ihr Hand-
werk in den griechischen Gewässern gegen das in maritimer Beziehung nur
zn ohnmächtige Reich der Byzantiner fort ; viele der kleineren Inseln des Ar-
chipels wurden in dieser Zeit von den verzweifelten Einwohnern verlassen.'^)
192. Am wenigsten beteiligten sich die Venezianer an diesem Ver-
geltungswerk. Für sie standen die größten materiellen Interessen auf dem
Spiele ; sie waren am engsten mit dem griechischen Reiche verwachsen, Kon-
stantinopel war geradezu die zweite Heimat der Venezianer geworden — das ^
geht aus den zahlreichen Handelskontrakten, die von Venezianern in Kon- fl
stantinopel geschlossen wurden, und nicht minder aus den vom Ende des
12. Jahrhunderts herrührenden, 1204 zusammengestellten Statuten Venedigs
hervor, in denen die Romania als das in jeder Beziehung wichtigste Ver-
kehrsgebiet der Venezianer erscheint. 3) So hielt sich die venezianische Po-
litik klug zurück; sie vergaß nicht, aber sie duldete und strebte zunächst
nur nach möglichst rascher Wiederanknüpfung der gewaltsam zerrissenen
Fäden.
Schon Andronikos hat, wir wissen nicht unter welchen Bedingungen,
ihre Anwesenheit in Konstantinopel wieder gestattet, so daß sie die Häuser
ihres alten Quartiers wieder bezogen; wir besitzen einen in Konstantinopel
selbst geschlossenen Vertrag, in dem ein Venezianer von Johannes Dandolo,
dem Bevollmächtigten des späteren Dogen Heinrich Dandolo, einen an der
Landungstreppe »Cacegalla« belegenen Laden vom 1. März 1184 ab auf ein
Jahr für 1 2 alte Goldhyperpern pachtet ; bezeichnend die Wendung des Ver-
träges, die ihn nach Ablauf der Pachtzeit zu unversehrter Rückgabe ver-«
pflichtet, abgesehen von Schäden, die durch Brand oder Gewalttat des Kaisers"
entstünden. 4) Im Februar 1185 glaubte man, den Abschluß des formellen
Friedens zwischen Venedig und Andronikos mit Sicherheit erwarten zu
können 5); da kam im Sommer der große Heereszug der Normannen, der in
') Ersatzforderung der Gesandten von 1192; Bertolotto p. 425.
2') Gesta Regis Rice. ed. Stubbs II, 198: Sed in multis insularum istarum;
nemo habitat propter metum piratarum.
') Besta 6 Predelli I (1901), p. 236 rub. 60, 248 rub. 10 und besonders 228
rub. 41, wonach Sendung zur Begleichung einer Schuld vom Auslande aus, wenn
kein Schiff nach Venedig ging, nach Konstantinopel zu machen war.
*) Tafel und Thomas I p. 177 mit der unrichtigen Jahreszahl 1183 in der Über
Schrift. Ein anderer Venezianer machte im November 1184 in Konstantinopel vo:
dem Presbyter und Notar Johannes Signolus sein Testament, in dem er u. a. der^
venezianischen Johanneshospital in Konstantinopel ein Legat überwies. Baracchi ~~
(1875), p. 340.
^) Sacerdoti p. 33 f.
i
Von der Verfolgung des Andronikos bis zur Eroberung Konstantinopels. 249
der Eroberung von Saloniki gipfelte und in seinen Folgen zum Sturz und
der grausamen Hinrichtung des tyrannischen Andronikos und zur Erhebung
des von ihm mit dem Tode bedrohten Isaak Angelos (September 1185) führte.
Der Normannenzug scheiterte schließHch, auch Durazzo wurde im nächsten
Jahre wieder aufgegeben und nur die Inseln Zante und Kefallenia blieben
den Griechen dauernd verloren; aber die Unterstützung einer venezianischen
Flotte hatte den Griechen diesmal doch gar sehr gefehlt, zumal der Verfall
ihrer Marine immer kläghcher wurde, i) Im Februar 1187 gelangten die
Verhandlungen Venedigs mit dem neuen Kaiser zum Abschluß 2); aUe ihre
früheren Besitzungen und Privilegien erhielten sie zurück ; dafür übernahmen
sie unter bis ins einzelne geregelten Bedingungen (so sollte jede Galeere
140 Mann Besatzung haben müssen) die Verpflichtung, das Reich gegen
jedermann verteidigen zu helfen, den deutschen König allein ausgenommen,
so lange der Vertrag mit diesem noch bestehe. Zur Abwehr eines feind-
lichen Angriffs sollte der Kaiser außer den Venezianern der Hauptstadt auch
die außerhalb derselben Wohnenden bis zur Linie Adrianopel-Abydos-Phila-
delphia, einschließlich dieser Orte selbst, aufbieten dürfen. Dafür sollte
fortan der Befehlshaber der griechischen Reichsflotte aus den Venezianern
genommen werden müssen. Die Entschädigungspflicht des Kaisers wegen
der Beraubung von 1171 wurde anerkannt; im Juni 1189 wurde ein beson-
derer Entschädigungsvertrag abgeschlossen 3) , in dem der Kaiser den Vene-
zianern die seinerzeit (wahrscheinlich zur Zeit des zweiten Kreuzzuges) den
Deutschen und Franzosen durch Chrysobull überlassenen Quartiere mit
ihren Landungstreppen, die jährlich 50 Pfund Hyperpern abwarfen, zu-
sprach, da das Reich von dem Dienste der wenigen hierher verschlagenen
und unter ihren Nationen einflußlosen Personen, die einen unverhältnis-
mäßig hohen Gewinn aus ihrem Besitze zögen, nur sehr geringen Nutzen
hätte. Die Geldentschädigung wurde auf 1600 Pfund Hyperpern (das sind
etwa 115000 Hyp.) im ganzen bemessen, von denen 350 sogleich bezahlt
wurden, während der Rest von 1250 in Raten bis zum Ablauf von 6 Jahren
zu tilgen war; wir besitzen zwei in den Jahren 1190 und 1193 ausgestellte
Quittungen über den Empfang von Teilzahlungen an eine in Theben im No-
vember 1170 geschlossene Handelsgesellschaft, die ihr Kapital durch die Ge-
walttat Manuels verloren und ihre Entschädigungsforderung in das amtlicher-
seits in Venedig aufgestellte Register (in catastico comunis) hatte eintragen
lassen. 4) Die Zahlungen wurden in Jahresraten von 250 Pfund Hyperpern
durch die Legaten nach Venedig übermittelt.
193. Erheblich später als die Venezianer, erst nach 10 Jahren, gewannen
die Genuesen und Pisaner ihre frühere Stellung am Goldenen Hörn
zurück, wobei übrigens zu bemerken ist, daß ihre Kaufleute auch in der
vertragslosen Zeit Konstantinopel keineswegs ganz mieden.") Zwar schickten
die Genuesen schon 1186 eine Gesandtschaft an den neuen Kaiser (Nicola
Mallonus und Lanfrancus Piper); aber erst nach vielfachen diplomatischen
1) Heyd I, 285. Neumann in Hist. Zeitschr. 81, S. 22 f.
2) Tafel und Thomas I no. 70—72 p. 178 f. Heyd I, 225.
") Tafel und Thomas I, 2U6 ff.
■*) Sacerdoti p. 36 f.
*) Unter den von Pisa und Genua ursprünglich gestellten Ersatzforderungen
befand sich auch die Erstattung der in der Zwischenzeit zu viel erhobenen Zölle.
Müller p. 40 f. Bertolotto p. 425.
250 Neunzehutes Kapitel.
Wechselfällen 1) brachten es die Gesandten Wilhelm Tornellus und Guido
Spinola im April 1192 zu einer Verständigung mit Isaak: Genua ließ seine
Schadenersatzforderung gegenüber der gewaltigen Gegenrechnung, die der
Kaiser aufstellen konnte, fallen und erhielt dafür eine Erhöhung des so-»;
lemne, Erweiterung seines Quartiers und eine neue Landungsstätte am Gol-^!
denen Hörn ; am 2. August nahmen griechische Gesandte den neuen Treu-
eid der Genuesen entgegen. 2) Die Pisaner hatten länger in offener Feind-
schaft beharrt ; mit Freuden hatten sie die Aufforderung, die Kaiser Friedrich
während seines Winteraufenthaltes in Adrianopel durch seinen Sohn Heinrich
an sie richtete, mit ihrer Flotte mitzuwirken, um Konstantinopel den treu-
losen Griechen zu entreißen, aufgegriffen; im März 1190 erschienen sie in
Gallipoli bei ihm mit dem Angebot zahlreicher Kriegs- und Transport-
schiffe und empfanden es schmerzlich genug, daß der Kaiser mittlerweile,
die Augen auf das große Ziel gerichtet, seine Absicht geändert hatte und
seine Truppen im Einvernehmen mit Isaak nach Asien übersetzen ließ. 3)
Im Herbst 1191 entschlossen auch sie sich zu einer Gesandtschaft nach Kon-
stantinopel und im Februar 1192 brachten Rainerius Gaetani und der Richter
Sigerius den Frieden zustande. Auch sie mußten auf Schadenersatz ver-
zichten; das solemne für den Dom wurde um 100, das für den Erzbischof
um 40 Hyperpern erhöht, ihr Häuserbesitz erweitert, der Wertzoll von 4 Pro-
zent nunmehr unterschiedslos von den Waren jeglicher Provenienz erhoben"*)
— ihre Stellung war also die gleiche, wie sie den Genuesen fast zu der-
selben Zeit zuteil wurde.
194. So mühevoll die Verhandlungen gewesen, als noch schwieriger
stellte es sich nun heraus, die allgemeine Beobachtung des Friedens durch
die Pisaner und Genuesen herbeizuführen. Zu lange hatte der halbe Kriegs-
zustand gedauert, hatte man die Unternehmungen der Kapergesellschaften
wenn nicht begünstigt, so doch geduldet; nun kam dazu, daß zahlreiche
kriegerische Kräfte durch die endlich gelungene Zurückeroberung Accons
frei geworden waren. Ein genuesisches Schiff unter Guilelmus Grassus und
ein pisanisches unter Gerard us Rotus») suchten zunächst die Küste von
Rhodus mit Mord und Plünderung heim, überfielen dann veneziaiüsche
Handelsschiffe, die aus Palästina und Ägypten kamen und aus Ägypten
zurückkehrende griechische Gesandte sowie Gesandte Saladins an Bord hatten,
töteten diese sowie alle Kaufleute auf denselben mit einziger Ausnahme
der an Bord befindlichen Genuesen und Pisaner und raubten die Ladung;
endlich kaperten sie auch ein apulisches Schiff 6) , das nach Cypern fuhr
1) Das Nähere bei Heyd I, 228 f. und Manfroni, relazioni p. 628 ff. Berto-
lotto p. 406 ff. no. 6—9.
*) Bertolotto no. 9—11 p. 413 ff. In dem Schreiben des kaiserlichen Kanz-
lers p. 434 hat Manfroni, relazioni p. 633 die Lesart mense maio in m. martio be-
richtigt.
') Giesebrecht VI, 242, 257, 710. Heyd I, 264 f.
") Müller p. 40 f. Heyd I, 230 f.
») Bertolotto no. 12 p. 448 ff., 460. Müller p. 66.
*) >Navigium longobardicura.« Manfroni, relazioni p. 638, denkt speziell an
Salerno. Vgl. Heyd I, 233. Wenn wir im Oktober 1189 von öinem Handelsschiffe,
dessen nauclerus ein gewisser »Samarici Longobardosc war, hören, daß es von Kon-
stantinopel nach Apulien und ev. bis Ancona fahren sollte, so deutet auch das
darauf hin, daß wir an Bewohner von Bari, Barletta, Trani usf. zu denken haben.
Baracchi XX (1880), 76.
Von der Verfolgung des Andronikos bis zur Eroberung Konstantinopels. 251
und ebenfalls kcaiserliche Gesandte, unter ihnen den Bischof von Paphos,
an Bord hatte; einen im kaiserlichen Dienst stehenden pisanischen Ritter,
Namens Pipin, ließen sie frei, den Bischof hielten sie fest, die Longobarden
auf dem Schiff aber (offenbar Untertanen König Tankreds) töteten sie eben-
falls. Isaak reklamierte wegen dieser Freveltaten im November 1192 durch
Gesandte in Genua und Pisa, indem er zugleich einen Teil der Waren der
Genuesen und Pisaner mit Beschlag belegen ließ ; die Städte aber beteuerten
ihre Unschuld, da es sich um längst verbannte Korsaren handle, verhießen
Bestrafung der Übeltäter, sobald man ihrer habhaft würde und schickten
ihrerseits Gesandte, die die Aufhebung der Beschlagnahme und Herstellung'
der suspendierten Privilegien erwirkten, i) Aber noch während die pisanischen
Gesandten Albizzo Albizzi und Enrico de Pariascio, die Pisa Mitte Juli 1193
verlassen hatten, in Konstantinopel weilten, setzten sich fünf pisanische
Piratenschiffe unter dem Vorwande, die Venezianer bekriegen zu wollen,
bei Abydos fest und plünderten von hier aus die Küstenlandschaften schreck-
hch aus, ohne sich an die Vorstellungen der pisanischen Autoritäten in
Konstantinopel im geringsten zu kehren; ja im Jahre 1194 unternahmen
andere pisanische Schiffe sogar einen Beutezug bis Konstantinopel selbst,
brandschatzten die Griechen und nahmen griechische Schiffe fort. Kläglich
genug war dem gegenüber die Haltung des Kaisers. Im September 1194
schickte er den interpres literarum latinarum, Jacob, einen geborenen Pisaner,
nach Pisa ab, um die allgemeine Abstellung des eingerissenen Unwesens zu
fordern. Jacob wurde in Pisa auf das ehrenvollste aufgenommen; die 1195
amtierenden Konsuln suchten ihm entgegenzukommen und versprachen ihm,
die pisanischen Vicecomites, Konsuln und Bürger in Konstantinopel eidlich
verpflichten zu wollen, die Korsaren aus der Romania zu verjagen und dem
Kaiser bei ihrer Verjagung wirksame Hilfe zu leisten; auch machten sie
ihm ein Geschenk in der ansehnlichen Höhe von 100 1. pis., die gegen
Verpfändung einer ihrer Landungstreppen in Konstantinopel beim Operarius
des Doms aufgenommen wurden. 2) Aber noch vor seiner Rückkehr hatte
den schwachen Kaiser sein Geschick ereilt ; sein eigener Bruder, Alexios HI.,
stürzte ihn (10. April 1195) und ließ ihn einkerkern und blenden.
195. Pisa hielt sich anfänglich dem neuen Kaiser gegenüber zurück,
wohl schon mit Rücksicht auf Heinrich VI. ; im übrigen hatte es am Hofe
in Konstantinopel an Jacob, der in seiner Stellung verblieb, einen guten
Fürsprecher; als dieser später seine Tochter verheiratete, verehrte ihm die
pisanische Kolonie ein Douceur von 20 Hyp. Vielleicht hatte der Kaiser
auch noch in guter Erinnerung, daß pisanische Kaufleute ihm auf seinen
Irrfahrten einmal in Tripoli mit einem Darlehn beigesprungen waren. 3) Im
Sommer 1197 aber beschloß man in Pisa die Absendung einer offiziellen
Gesandtschaft; Uguiccione Lamberti Bononi und Pietro Modane wurden für
diese Mission ausersehen und ihre Instruktion am 6. September festgestellt.*)
An neuen Forderungen sollten sie besonders Gewährung einer vierten Lan-
dimgstreppe und völlige Abgabenfreiheit verlangen; dabei nahm man das
im Jahre 1195 gemachte Zugeständnis bezüglich der Verpflichtung der pisa-
*) Neues Diplom für die genuesischen Gesandten Balduino Guercio und Guido
Spinola vom Oktober 1193: Bertolotto no. 13 p. 454 ff. Manfroni, relazioni p. 638.
») Müller p. 66 ff., 69, 72. Heyd I, 232 ff. Über Jacob von Pisa noch Giese-
brechtVI, 280, 246, 250; 698.
») § 119.
*) Müller p. 77, 68 ff.
252 Neunzehntes Kapitel.
nischen Kolonie in Konstantinopel nunmehr offen zurück; die Zustimmung
des consilium civitatis zu dem Versprechen der Konsuln sei nicht zu er-
langen gewesen, da den Pisanern in Konstantinopel durch die früheren
kaiserlichen Privilegien stete libertas zugesichert sei ; auch sei es nicht mehr
von praktischer Bedeutung, da jetzt von pisanischen Korsarenschiffen nicht
mehr die Rede sein könne; pisanische Schiffe seien vielmehr jetzt im In-
teresse des Kaisers tätig, um womöglich den Genuesen Gafforio und die
anderen Feinde des Reiches in ihre Gewalt zu bringen. Für Saloniki sollten
sie die Überweisung der Häuser und des Fondaco, die die Pisaner mit ihren
Waren zu benutzen pflegten, an die Commune Pisa und zugleich die Erlaubnis,
daselbst einen Vicecomes taxfrei bestellen zu dürfen, erbitten. Die .Absen-
dung der Gesandtschaft verzögerte sich, vielleicht im Zusammenhange mit
dem am Ende des Monats erfolgenden Tode Kaiser Heinrichs VI ; erst nach
dem 18. Juli 1198 ist sie erfolgt. Wir wissen, daß sie die Ausfertigung
eines Chrysobulls zugunsten Pisas erwirkt hat, in dem die Verleihung einer
vierten scala und von Vergünstigungen für Saloniki und Almyro enthalten
war. 1) Im Juni 1199 wurde ihnen ein kaiserlicher Geleitsbrief für ihre Rück-
kehr ausgestellt 2) ; vor derselben nahmen sie indessen noch am 30. Juni die
Rechnungslegung des zeitigen Vicecomes, Sigerius Cinnanni, und des Gherardo
Arcossi, der in besonderer finanzieller Mission nach Konstantinopel geschickt
worden war, entgegen.
196. Beide Dokumente bieten zusammen mit der am 8. April von dem
Vicecomes aufgenommenen »Investigatio« über die der Republik in Kon-
stantinopel zustehenden Einkünfte-^) für das Leben in der Kolonie
und ihre Verwaltung manches interessante Detail. Als die »Imperialis«,
uns von Syrien her bekannt, auch im Ägäischen Meere erschien, sandte die
Kolonie einen Boten an das Schiff nach Chios und ließ demselben als Ehren-
geschenk eine seidene Flagge überreichen. Wir begegnen ferner einem
Trupp pisanischer scutigeri in Konstantinopel , deren Unterhalt von der
Kolonie bestritten wurde ; bei ihrer Rückkehr nach Pisa erhielten die Führer
desselben eine Ehrengabe von 20 Hyp. Offenbar war also damals auch eine
größere Zahl pisanischer Ritter zu militärischen Zwecken anwesend. Auf
einhelligen Beschluß der Kolonie und auf Befehl des Kaisers wurde das
pisanische Schiff »Grandeorgoglio« gegen die (offenbar genuesischen) See-
räuber in Dienst gestellt, dem es auch gelang, das feindliche Schiff »Car-
rossa« zu kapern; die beiden Überbringer der Freudenbotschaft erhielten
ein Trinkgeld von 6 Hyp. Gemeinsame Feindschaft gegen die Genuesen
hatte in dieser Zeit das beste Verhältnis zwischen dem Kaiser und den Pi-
sanern hergestellt.
Die Einnahmen, die Pisa aus seiner Kolonie zog, waren nicht ganz
unbeträchtlich. Wir wissen schon, daß das kaiserliche Ehrengeschenk jähr-
lich 600 Hyp. betrug, wozu noch 100 für den Erzbischof kamen. Von den
vier Scalae befand sich eine seit dem 1. März 1193 für 12 Jahre im Pacht-
besitz des scalarius Ildebrandus gegen eine Jahrespacht von 100 Hyp. ; eben-
') In der Rechnungslegung des pisanischen Vicecomes in Konst. vona 30. VI.
1199 ist von einer besonderen, den Pisanern aus der kaiserlichen Kanzlei zuge-
stellten Urkunde für Saloniki die Rede ; auch ergibt sich hieraus die Sendung eines
Mitglieds der pis. Kolonie in Konst., des Alberto Barbelonge, nach Saloniki. Ebd.
71 f., 78. Heyd I, 245.
2) Müller 78 f.
3) Ebd. 74 ff.
Von der Verfolgung des Andronikos bis zAir Eroberung Konstantinopels. 253
soviel brachte die unter Alexios erst neu hinzugekommene, die auf 25 Jahre
an Buonaccurso Guallacce vergeben war, während die beiden anderen für
60 und 55 Hyperpern vermietet waren. Die 18 dem Staat gehörigen Häuser
brachten insgesamt 205 Hyperpern Mietsertrag, während 24 ihm gehörige
Grundstücke jährlich 350 Hyp. Pacht eintrugen. Außerdem hatten jeden-
falls die beiden pisanischen Kirchen eigenen Besitz an vermietbaren Häu-
sern, Läden und Grundstücken; der kirchlichen Verwaltung war ferner
die Erhebung der Verwiegungs- und Vermessungsgebühren bei größeren
Kaufgeschäften verblieben i), während die Abgaben von den Wechslerbänken
(banci) , sowie der Nachlaß unbeerbt sterbender Personen zu den staat-
lichen Einnahmen gehörten. 2) Die im Jahre 1162 vorgenommene Konzen-
trierung der gesamten Kolonial Verwaltung in den Händen des »Operarius«
hatte also aufgehört; der Dom war vollendet; die formelle Übertragung des
Eigentums an ein kirchliches Institut hatte gegenüber dem Fanatismus der
Griechen auch keinen größeren Schutz gewährt, und so war man nach der
Wiederaufnahme des offiziellen Verkehrs zum staatlichen Verwaltungssystem
zurückgekehrt. Dabei diente die Opera auch jetzt noch häufig zum be-
quemen Rückhalt bei finanziellen Operationen, die die Kolonie betrafen;
oft hatte sie Vorschüsse auf die kolonialen Einkünfte zu leisten und wurden
ihr Einnahmequellen der Kolonie für mehr oder minder lange Zeit in Pfand-
besitz gegeben. Als allgemeiner Grundsatz wurde festgehalten, daß alle im
Interesse der Kolonie und im Zusammenhange mit ihr erforderlichen Staats-
ausgaben, wozu in erster Linie die offiziellen Gesandtschaften gehörten, aus
den Einkünften der Kolonie selbst ihre Deckung finden mußten. Wenn
die regelmäßigen Einnahmequellen hierfür nicht ausreichten, so brachte
man den Rest durch Umlagen auf die Mitglieder der Kolonie auf. 3) Auch
diese hatten bei der Verwaltung der Kolonie ein gewichtiges Wort mitzu-
sprechen ; bei wichtigeren Angelegenheiten zog der Vicecomes die Gesamt-
heit der angesehenen Männer zur Beratung und Mitwirkung heran. Ab-
gesehen von dem aus Pisa entsandten Kolonialvorstand, dem Vicecomes 4),
dem die Jurisdiktion, die Wahrnehmung der finanziellen Interessen der
Mutterstadt in Konstantinopel und ihre Vertretung nach außen oblag, hatte
die Kolonie auch noch ihre eigenen selbstgewählten Vorsteher, ihre Kon-
suln, eine Tatsache, die bisher ganz unbeachtet geblieben ist, obwohl uns
einmal sogar die Namen dieser drei Konsuln mitgeteilt werden: als jene
pisanischen Seeräuber sich bei Abydos festgesetzt hatten, suchten alle damals
in Konstantinopel anwesenden pisanischen Autoritäten zu intervenieren;
die beiden Gesandten und die drei Konsuln Gerardus, Antonius und Blan-
cardus durch briefliche Vorstellungen 5), der pisanische Vicecomes Gerardus
und Graf Rainer (aus dem Geschlechte Gherardesca), letzterer nur auf Grund
') Der Prior schwört im Jahre 1197, abzuliefern die introitus ecclesiarum, at-
que metrium et staterarum seu pesarum vel mensurarum que ad easdem ecclesias
et operam s. Marie pertinent; ib. 70.
*) Ib. 72.
*) Ib. 62. Im Jahre 1197 wurden die Gesandten ermächtigt, ev. von jedem
Pisaner in Konstantinopel eine Auflage von ^/^ Prozent seines Kapitals (V4 unius
byzantii pro 100) zu erheben ; p. 72.
'') Im Jahre 1200 nennt sich Sigerius in einem offiziellen Schriftstück: Pisa-
norum scampolorum de Constantinoj)oli vicecomes; eb. 82. Den Gegensatz zu
den scampoli bilden die burgenses.
') Im Schreiben Kaiser Isaaks vom September 1194, ib. 67. Daß Müller für
Gerardi Antoni lesen will : G. Arcossi, ist haltlos. Auf diese Konsuln in Konstan-
254 Neunzehntes Kapitel. ,
ßeiner persönlichen Autorität, indem sie an Ort und Stelle auf die Unbot-
mäßigen einzuwirken suchten. Die Vorgänger dieser Konsuln erblicke ich
in den embularii, den Quartiervorstehern der Urkunde von 1160.
Eine wichtige Stellung in der Kolonie behauptete ferner ihr kirchliches
Oberhaupt, der Prior der Peters- und der Nikolaikirche und gleichzeitiger
Bevollmächtigter der pisanischen Dombauverwaltung. Seit 1197 begegnet
uns Benenatus in dieser Stellung; am 28. Juli hatte er in Pisa dem Opera-
rius Bernardus Aghentine den Treueid geleistet. Bald sah er sich in seinen
kirchlichen Privilegien durch den Vorstoß, den Papst Innozenz III. gegen
-die mannigfachen besonderen Vorrechte der Kolonialkirchen im Orient
richtete, bedroht; durch eidhche Zeugenaussagen (die ersten derselben datiert
vom Februar 1199) ließ er gegenüber dem päpstlichen Legaten, dem mag.
Leo, feststellen, daß es sich um seit alter Zeit geübte Rechte handle i) und
begab sich im Sommer 1200 zur Wahrnehmung des Interesses seiner Kirche
und zugleich mit Aufträgen des Kaisers für die pisanische Regierung ver-
sehen, nach Italien. In der Vaterstadt fand er schwere innere Wirren vor;
über ein Jahr lang fehlte es an einer anerkannten Regierung. 2) Als dann
-die Stadt in Gherardo Visconti einen neuen Podestä erhalten hatte und er
sich seiner Aufträge entledigen konnte, traf die überraschende Nachricht
ein, daß zwei der angesehensten Mitglieder der pisanischen Kolonie in Kon-
stantinopel, der erwähnte Graf 3) Rainer de Segalari und der Rechtsgelehrte
Ildebrando Famigliati, im Sommer 1201 den Prinzen Alexios, den Sohn des
entthronten Kaisers Isaak, auf einem pisanischen Schiffe entführt hatten;
«r floh zuerst nach Italien, dann zum deutschen Könige, Philipp von Schwa-
ben, der mit seiner Schwester Irene vermählt war. Es war ein Akt direkter
Feindseligkeit gegen den regierenden Kaiser, der die Stellung der pisanischen
Kolonie in Konstantinopel empfindlich berühren mußte; vermutlich hängt
er mit der damals gerade veränderten Stellung des Kaisers zu den alten
Feinden der Pisaner, den Genuesen, zusammen. Erst kurz vor der Ankunft
der Kreuzfahrer vor Konstantinopel traf der Prior Benenatus daselbst
wieder ein.
197. Der anfänglichen Begünstigung der Pisaner durch Alexios III,
entsprach die Zurücksetzung der mit ihnen im Kriege befindlichen Ge-
nuesen; die Zahlung der vertragsmäßigen Ehrengeschenke unterließ er.
Da griff der Genuese Gafforio, den wir 1194 als genuesischen Admiral in
Syrien kennen gelernt haben, durch hohe griechische Beamte in seinen
persönlichen Interessen verletzt, zur Selbsthilfe, sammelte viele seiner un-
zufriedenen Landsleute um sich und führte mit seiner rasch wachsenden
tinopel bezieht sich auch die Stelle der Gesandtschafts-Instruktion von 1197 p. 72 :
ut vicecomites nostri et consules et cives pacramento tenerentur, ut cursales de
Homania ejicerent etc.
1) Ib. 70, 81 f.
*) Seine beeidete Aussage vom 16. Januar 1223 bei Bonaini I p. 267.
") Graf Riant hat ihn für einen Vorstand der pisanischen Kolonie gehalten,
der die Amtsbezeichnung Comes geführt hätte. Heyd I, 265 hat das mit Recht
bezweifelt. Er heißt in Wahrheit Graf von Segalari nach einem Ort im pisanischen
Gebiet, der zu den Besitzungen der bekannten j)isani sehen Grafen Gherardesca
gehörte. Das castello di Segalari urkundlich erwähnt z. B. bei Roncioni p. 247 ;
Graf Tedisius de Sygalario Zeuge in einer Urkunde von 1194 bei Murat. Ant. n
p. 503.
Von der Verfolgung des Andronikos bis ziar Eroberung Konstantinopels. 255
Piratenflotte im Jahre llUT^) in der Propontis und den nördlichen Teilen
des Ägäischen Meeres einen wilden Verheerungskrieg. Der Kaiser ließ durch
die Genuesen in seiner Hauptstadt Verhandlungen mit ihm anknüpfen und
ihn durch große Versprechungen sicher machen; im Jahre 1198 aber über-
fiel eine griechisch-pisanische Flotte unter Führung des Vizeadmirals Stirione,
eines geborenen Kalabresen, die Schiffe des Freibeuters bei Sestos und ver-
nichtete sie bis auf vier. Gafforio wurde getötet, und auch über die Genuesen
in Konstantinopel erging ein Strafgericht; Balduino Guercio z. B. wurde
seines Lehns für verlustig erklärt'-^), der genuesischen Kolonie der Palast des
Kalamanos, den Kaiser Isaak 1192 geschenkt, mit allem Zubehör wieder
entzogen, und die Genuesen von allem Handel mit der »Königin der Städte«
ausgeschlossen. Nun suchten die Genuesen doch wieder anzuknüpfen; sie
sandten den Arzt Nicolaus mit einem entschuldigenden Schreiben an den
Kaiser, und obwohl genuesische Schiffe fortfuhren, ihre Fehden mit den
Pisanern in den griechischen Gewässern auszufechten und die Griechen
selbst dabei zu schädigen, forderte der Kaiser im März 1199 in dem Briefe,
den er dem Arzte mitgab, die Stadt auf, eine solenne Gesandtschaft zu
w^eiteren Verhandlungen an ihn abzuschicken. 3) Doch erst im Jahre 1201
kam es zu einem neuen Vertrage, Als im Frühjahr dieses Jahres genuesi-
sche Piratenschiffe im Begriff waren, die griechischen Küsten von den sizi-
hschen Gewässern aus anzugreifen, sandte der Kaiser im April den Genuesen
Guilelmus Cavalarius^), dem er sein kaiserliches Siegel übergab, mit abso-
luter Vollmacht an sie, um sie, wo er sie finde, gegen den für die Lateiner
üblichen Sold in seine Dienste zu ziehen. Offenbar hatte sich eine ent-
schiedene Wendung der kaiserlichen Politik zugunsten der Genuesen voll-
zogen. Der genuesische Gesandte Ottobonus de Cruce, der nach seiner
Instruktion vom Mai 1201°) außer völliger Restitution und der Überweisung
der seit 7 Jahren rückständigen Ehrengeschenke auch eine Herabsetzung
des Wertzolls auf 2 oder doch wenigstens S^/o zu fordern hatte, fand die
beste Aufnahme; ein erhaltenes Übergabeprotokoll vom 13. Oktober 12016)
beweist uns, daß in dieser Zeit, unmittelbar vor dem Ende der Griechen--
herrschaft, noch eine Erweiterung des genuesischen Quartiers eingetreten ist.
198. Vened-ig behauptete in Ruhe die durch den Vertrag von 1187
gewonnene Stellung, wenn ihm auch der neue Kaiser wenig günstig gesinnt
war. Wahrscheinlich im zeitigen Frühjahr 1196 sandte der Doge Heinrich
Dandolo den Heinrich Navigajoso und Andrea Donati als Legaten nach
') Geht aus der pisaniscben Gesandtschafts-Instruktion vom 6. September
hervor, Müller p. 72. Im übrigen s. Heyd I, 238 ff., Hertzberg 347.
*) Über seine wechselnden Schicksale s. besonders die Instruktion von 1201 ;
Bertolotto p. 471.
^) Bertolotto no. 14 p. 464 ^. Manfroni, relazioni p. 640.
*) Miklosich et Müller IIl no. 10 p. 48. Bertolotto no. 15 p. 467 mit Faksimile.
Des Letzteren Bedenken gegen den chronologischen Ansatz (s. auch seinen Auf-
satz: un Genovese a Bisanzio im Giorn. ligust. XXII (1897), 347 f.) kann ich nicht
teilen ; vgl. Manfroni relazioni p. 640 Anm. 3. Daß Cavalarius Name und nicht
Standesbezeichnung ist, geht schon aus der Instruktion Grimaldis hervor, wo mehr-
fach Rubaldus Cavalarius begegnet ; Bertolotto p. 379 ff.
6) Bertolotto no. 16 p. 469 ff. Heyd I, 240 f.
*) Miklosich et Müller III, 49 f. Bertolotto no. 17 p. 475 ff", (mit irrigem An-
satz zu 1202, der durch ind. V widerlegt wird). Über die irrigen Datierungen im
Lib. jur. I no. 457 und Chart. II no. 1716 s. Heyd I, 241.
256 Neunzehntes Kapitel.
Konstantinopel ; sie waren angewiesen, den Kaiser zu seiner Thronbesteigung
zu beglückwünschen und wenn angängig, die Bestätigung der Privilegien
zu erwirken ; in eine vom Kaiser verlangte Änderung der den deutschen
Kaiser und das sizilische Königreich betreffenden Bestimmungen in dem
Sinne, daß sie sich ausdrücklich zur Unterstützung der Griechen gegen diese
Mächte verpflichteten, sollten sie indessen keinesfalls willigen, während sie
auf die für zwei Jahre geforderte Geldzahlung von 400 Pfd. Hyp. unter
Umständen verzichten durften. Wegen des feindlichen Verhältnisses zu den
Pisanern wurden sie ermächtigt unter Zuziehung eines besonders zu ver-
eidenden Beirates aus den angesehensten Männern der Kolonie in Konstan-
tinopel die erforderlichen Ausgaben anzuordnen oder auch, falls Geneigtheit
dazu vorhanden, in Gemeinschaft mit diesem Friedensverhandlungen mit
den Pisanern zu eröffnen ; nur sollten sie, falls sie die venezianische Flotte
noch in jenen Gewässern anträfen, auch ihre Führer (capitaneos stoli) zu
den Verhandlungen zuziehen, i) Diese Flotte muß im Herbst 1195 von Ve-
nedig abgegangen sein; Anfang 1196, als die Gesandtschaft noch unterwegs
war, hatte sie ihr Standquartier in der so überaus günstig gelegenen Wasser-
straße des Hellespont, wo vorher pisanische Korsaren und später der Ge-
nuese Gafforio ihren Stützpunkt hatten; hier beschlossen im März 1196 ihre
Admirale Rogerio Premarini und Jacopo Quirini im Einverständnis mit den
beiden Richtern, den vier Ratsherrn und dem Kämmerer, die sie an Bord
hatten, sowie allen Schiffskapitänen und der Mannschaft der Flotte, bei
Abydos zu bleiben; die erforderlichen Geldmittel sollten durch eine Anleihe
bei den Teilnehmern des Seezuges selbst aufgebracht werden; 178 Personen
zeichneten sofort 8287 Hyperpern 2), darunter der Admiral Quirini 62 Hyp.,
die Opera S. Marci allein 915 Hyp. Man faßte diesen Beschluß im Ver-
trauen auf die Güte des Dogen Enrico Dandolo — offenbar näherte sich
die Zeit, für die die Flotte in Dienst gestellt war, ihrem Ende — und ver«j
sprach den Anteilzeichnern spätere Erstattung ihres Darlehens in Venedig mit"
2 1. ven. pro Hyperper, so daß die Kapitalsanlage bei dieser Unternehmung
.als eine recht günstige gelten konnte. Das Vorgehen der Flotte richtete
sich wohl zunächst gegen die Pisaner, mit denen die Venezianer seit 1194
in Fehde lagen 3); doch liegt die Vermutung nicht ganz ferne, daß es schließ-
lich auch gegen Konstantinopel selbst gemünzt war.
I
^) Die Instruktion steht bei J. Armingaud: Venise et le Bas-Empire in: Ar;j
chives des missions scientifiques et ütt., ser. 2, IV (Paris 1867), 426 A. 1 ; vgl
Lenel 48 A. 3. Armingaud hat die undatierte Instr. zu 1198 angesetzt p. 424 (akzep*
tiert von Heyd I, 238, 257) ; Neumann aber dies Datum für unrichtig erklärt p. 374
A 1. In der Tat widerspricht diesem Ansatz schon die Bezugnahme auf den deut-
schen Kaiser, der ja schon im September 1197 gestorben war; und die Wendung
vom Regierungsantritt des AI. (facto sermonis exordio de introitu eius^ nötigt ge-
radezu, sie möglichst zeitig anzusetzen und als die erste Gesandtschaft zu betrachten,
die an den Kaiser ging. Nur empfiehlt sich das Jahr 1195 selbst aus dem Grunde
nicht, weil man in Venedig im ungewissen war, ob die Gesandten die im Herbst
1195 abgesandte Flotte noch antreffen würden ; doch ist es möglich, daß die In-
struktion Ende 1195 abgefaßt ist, während die Gesandtschaft selbst erst 1196 abging.
^) Tafel und Thomas I, 217 f. Romanin 11, 415 f. Die Gesamtsumme habe
ich dadurch gewonnen, daß ich drei Personen, bei denen die Zahlenangaben fehlen,^
mit dem ungefähren Durchschnitt von 46.Hyp. angesetzt habe. HJ
**) Nahe bei Konstantinopel brachte im Jahre 1195 eine venezianische Flotte^'
zwei pisanische Schiffe auf (bei Natura, dem alten Athyra, über dessen Lage s. Ann.
Herbipol., SS. XVI, 4. Das castellum de Natura auch bei Alb. von Achen VIII, 2 ;j
Reo. Crois. Occ. IV. 560. Unten § 523).
Von der Verfolgung des Andronikos bis zur Eroberung Konstantin opels. 257
Mit Pisa wurde im Herbst des Jahres (1. September 1196) unter Ver-
mittelung des deutschen Kaisers der Friede zu Rialto geschlossen i) ; indessen
war man sich auf Seiten der beiden Regierungen nicht ganz sicher, daß
ihre Kolonisten am Bosporus in ihrer Eifersucht den Friedenszustand immer
respektieren würden ; deshalb erteilte die pisanische Regierung in der In-
struktion für ihre Gesandten vom 6. September 1197 diesen von vornherein
ihr Placet, falls sie mit den venezianischen Autoritäten in Konstantinopel
eine Vereinbarung dahin treffen sollten, den geschlossenen Frieden durch
die beiderseitigen Kolonisten daselbst noch besonders beschwören zu lassen
(de pace facienda firmari). 2) Ob es zu einer solchen Vereinbarung kam,
ist zweifelhaft; die Gesandten sind ja auch erst in der zweiten Hälfte 1198
in Konstantinopel eingetroffen. Jedenfalls dauerten die Reibungen unter
den Kolonisten fort; im Frühjahr 1199 (zwischen 1. März und Ende Juni)
kam es einmal zu einem argen Tumult zwischen den Angehörigen der beiden
Handelsnationen, der eine Nacht hindurch eine verschärfte Bewachung des
pisanischen Quartiers notwendig machte. 3) Auch der griechische Ge-
schichtsschreiber Niketas weiß von Kämpfen zwischen ihnen in der Stadt
wie zur See zu berichten ; er fügt, und das erscheint durchaus nicht un-
glaubwürdig, hinzu, daß der Kaiser selbst sie gegeneinander gehetzt habe. 4)
199. Inzwischen hatte Alexius allerdings mit den venezianischen Ge-
sandten Petrus Michael und Oktavianus Quirini, da Venedig nunmehr nach
Heinrichs VI. Tode bereit war, seine Hilfe auch für den Fall eines Angriffes
des deutschen Königs zu versprechen, einen Vertrag geschlossen (27. Sep-
tember 1198) und ihnen im November ein großes Chrysobull über ihre
Privilegien ausgefertigt. 5) Die vollständige Abgabenfreiheit der Venezianer
nicht nur persönlich, sondern auch aller Handelsgeschäfte, die mit einem
Venezianer abgeschlossen wurden, wurde von neuem festgestellt; sorgfältig
zählte man alle Teile des Reiches, wo sie Geltung haben sollte, auch sehr kleine
und entlegene Orte, auf — ein neuer Beweis, wie sehr der venezianische Handel
alle Gebiete des Reiches durchdrangen hatte ; auch auf den Transitverkehr,
auf alle Saumtiere und Lastwagen der Venezianer, sowie auf die Führer
dieser Wagen und Tiere sollte sich diese Exemption erstrecken. Der Nach-
laß eines im Reiche verstorbenen Venezianers sollte von keiner kaiser-
lichen Behörde oder einem griechischen Untertanen auch nur im geringsten
angetastet werden dürfen. Die selbständige Jurisdiktion der Venezianer in
Konstantinopel sollte gegen alle Belästigungen und Übergriffe geschützt
werden ; insbesondere sollte im Zivilprozeß bei Streitigkeiten zwischen Griechen
und Venezianern der Grundsatz zu allgemeiner Durchführung gelangen,
daß der Kläger sich an das Forum des Beklagten zu wenden hatte.
Deutlich erkennen wir, daß auch jetzt, wie wir das schon für das
Jahr 1150 haben feststellen können, die Gerichtsbarkeit in der Hand von
Legaten lag, die Venedig ständig in Konstantin opel unterhielt, von Legaten,
die gleichzeitig bei Hofe beglaubigt waren und wahrscheinlich ziemlich
häufig (hauptsächlich wohl, wie es das Bedürfnis diplomatischer Verhand-
lungen wünschenswert erscheinen ließ), wenn nicht jährHch, wechselten;
0 Heyd I, 238. Unten § 523.
') Heyd I, 236 deutet das durch ein Versehen auf einen erst abzuschließenden
Frieden. Müller p. 72.
^) Rechnungslegung des pisanischen Vicecomes Sigerius; Müller p. 78.
*) Niketas Akominatos ed. Bekker (Bonn 1835), p. 713.
») Tafel und Thomas I, 246 f. Heyd I, 227 f. Manfroni 305 f.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 17
258 Neunzehntes Kapitel.
ausnahmslos scheinen es in dieser Zeit zwei gewesen zu sein. Für technisch-
juristische Fragen stand ihnen die Mitwirkung rechtsgelehrter Richter (judices)
zur Seite. Auch die Oberleitung der Finanzverwaltung der Kolonie im
Interesse der Mutterstadt stand ihnen zu ; wir wissen z. B., daß die Ablieferung
der im Vertrage von 1189 festgesetzten Entschädigungsraten durch ihre
Hand ging, i) Im übrigen stand ihnen auf diesem Gebiet ein procurator
super redditibus Communis Venetiae in Constantinopoli zur Seite; im
November 1195 zieht Johann Barastro als solcher die Pacht für ein Grund-
stück in Konstantinopel mit 6 Hyperpern für das Jahr vom März 1195 bis
Ende Februar 1196 ein. 2) Die Stellung des (oder der) venezianischen Legaten
entspricht also der des pisanischen Vicecomes, nur mit dem Unterschiede,
daß die Gesandten, die Venedig schickte, jederzeit sofort die ständige Legation
übernahmen, während die pisanischen Gesandten über dem Vicecomes standen
und in ihren Funktionen z. T. mit den seinen konkurrierten.
200. Trotz seines großen Privilegs fuhr Alexius III. fort, sich
die Venezianer durch eine Politik der Nadelstiche zu entfremden.
Gerade in ihnen aber schuf er sich Gegner, die seit den unver-
gessenen Vorgängen von 1171 und 1182 und bei der notorischen
UnZuverlässigkeit und Unfähigkeit der byzantinischen Regierung auf
alles gefaßt, aber unter ihrem Dogen Enrico Dandolo zugleich auch
entschlossen waren, alles daran zu setzen, die erste Stelle auf dem
Welthandelsplatze an der Schwelle nach Asien zu behaupten. Und
nun geriet der Kaiser auch mit seinen bisherigen Freunden, den
Pisanern, die jetzt mit Venedig wieder im Einvernehmen waren, in
Differenzen — er suchte jetzt an den mit Pisa im Kriege befindlichenÄi
Genuesen eine Stütze — ob das die Folge oder eine Ursache dieser
Differenzen war, vermögen wir freilich nicht zu entscheiden. Jeden-
falls mußte es ihn recht empfindlich treffen, als der ThronprätendentjHl
Alexios im Sommer 1201 auf einem pisanischen Schiffe entführt
wurde. ^) Mittlerweile hatte das zähe und energische Drängen Inno-
zenz' III. eine neue große Kreuzzugsbewegung hervorgerufen ; nach
der Absicht des Papstes war ihr Ägypten als nächstes Ziel gesetzt.
Da gelang es der ebenso kühnen wie klugen Politik des greisen
Dandolo, die militärische Kraft der Kreuzfahrer den besonderen*
Interessen Venedigs , die in erster Linie Handelsinteressen waren,
dienstbar zu machen.'*) So wußte er die Absichten des Papstes auf
II
1) Sacerdoti p. 36 »de perperis auri, quos . . . Imperator mandavit in Vene-
tiam per nostros legatos« in der Quittung vom April 1190 und ganz analog in der
Quittung vom Juli 1193 ib. 37. Heyd I, 258 hält die Anwendung des Wortes Ae-
gatus« in dem Diplom von 1190 (recte 1198) für einen Irrtum, was ganz ausge-
schlossen ist ; er rechnet in seinen Ausführungen p. 257 f. gar nicht mit der Mög-
lichkeit, daß das Institut der legati trotz häufigen AVechsels der Personen ein stän-
diges sein konnte.
*) Tafel und Thomas I p. 215 mit dem falschen Datum 1194; Indiktion und
Inhalt Taeweisen gleichmäßig für 1195. Schmeidler 51.
s) Bonaini I, 267. Heyd I, 265.
*) Zum folgenden: L. Streit: Venedig und die Wendung des vierten Kreuz
zugs gegen Konstantinopel. Anklam 1877 (Gymn.-Progr.). Riant (Comte) : Le chan-
Von der Verfolgung des Andonikos bis zur Eroberung Konstantinopels. 259
Ägypten geschickt zu durchkreuzen, da er von einem solchen Unter-
nehmen eine verhängnisvolle Störung des gewinnbringenden venezia-
nischen Handels mit diesem Lande befürchtete. Die finanzielle Not
der Kreuzfahrer benutzte er zum Zuge gegen Zara, das schon im
November 1202 niedergeworfen wurde; und im folgenden Frühjahr
wurde das Heer, unter dem der flüchtige Prinz Alexios mit großen
Versprechungen erschienen war, für den Zug gegen die verhaßten
Griechen gewonnen. Als kein Zweifel mehr über die wahren Ab-
sichten des Kreuzheeres bestehen konnte, brach ein Tumult in Kon-
stantinopel aus, der sich in erster Linie natürlich gegen die Vene-
zianer richtete; aber der Haß der in ihren materiellen Interessen
vielfach geschädigten griechischen Bevölkerung, die von dem reichen
Strande des Goldenen Horns immer mehr ab- und in das Innere der
Stadt zurückgedrängt worden war und Handel und Industrie immer
mehr in die Hände der Fremden übergehen sah, wandte sich schon
jetzt vielfach gegen die Abendländer überhaupt, so daß auch die
Pisaner und selbst die fast gräzisierten Amalfitaner vielfach geschädigt
wurden. Trotzdem leisteten die Pisaner bei der Verteidigung des
Hafenturms von Galata, der die Einfahrt in das Goldene Hörn sperrte,
gegen die Venezianer gute Dienste, ohne indessen die Einnahme der
Stadt hindern zu können (Mitte Juli 1203). Der unfähige Kaiser war
rechtzeitig geflohen, und der befreite Isaak bestieg nun noch einmal,
zugleich mit seinem jugendlichen Sohne Alexios, den Thron. Auf
seine Vermittelung hin versöhnten sich nunmehr die bisherigen Ri-
valen, Pisaner und Venezianer; doch blieb das auch sein einziger
Erfolg. Die gewaltigen finanziellen Anforderungen der beiden Kaiser
an das griechische Volk, zu denen sie sich durch ihre Versprechun-
gen gegenüber den Kreuzfahrern genötigt sahen, der Fremdenhaß,
die fortdauernde Unfähigkeit der eigenen Regierung, die Zuchtlosig-
keit vieler fränkischer Scharen, — alles vereinigte sich, die glänzende
Hauptstadt des Rhomäerreiches einer furchtbaren Katastrophe ent-
gegenzuführen. Eine Feuersbrunst, von plündernden Horden ange-
legt, nahm einen entsetzlichen Umfang an und zerstörte die reichen
Kaufmannsstraßen ; 1 5 000 Lateiner verließen die Stadt und suchten
bei dem Kreuzheere, das jenseits des Goldenen Horns bei Pera lagerte,
eine Zuflucht. In der Stadt aber vollendete sich das Unheil; der
Doge brach mit den unfähigen Herrschern und der Krieg entbrannte
von neuem; eine Revolution fegte die Kaiser hinweg und bereitete
ihnen ein jämmerliches Ende. Ein Usurpator, der wilde Alexios V.
Ducas Murtzuphlus, riß die Herrschaft in der Stadt an sich und trieb
den Rest der Fremden gewaltsam aus, bis dann endlich unter dem
gement de direction de la 4. croisade. Paris 1878. Heyd I, 266 f. Hertzberg 349 f.
W. Norden : Der 4. Kreuzzug im Rahmen der Beziehungen des Abendlands zu By-
zanz. Berlin 1898 ; dazu besonders K Neumann in Byz. Zeitschr. IX (1900), 546 ff.
Manfroni 308, 319—359. Norden, Papsttum und Byzanz 152 f., 156 tt". Gerland in
Neue Jahrb. f. d. Klass. Alt., 1. Abt., XIII (1904), 505 tf.
17*
260 Zwanzigstes Kapitel.
schonungslosen Wüten der stürmenden Abendländer Reich und Stadt
in Trümmer sank (13. April 1204). Die kommerzielle Herrschaft, die
die Romanen an dieser für den Weltverkehr so wichtigen Stätte er-
rungen, hatte nun auch die politische Herrschaft nach sich gezogen.
Zwanzigstes Kapitel.
Zeit des lateinischen Kaisertums.
201. Venezianer und Kreuzfahrer verfügten nun über das ge-
wonnene Reich; je sechs Wahlherren aus beiden Parteien erkoren
Balduin von Flandern zum ersten Herrscher des lateinischen Kaiser-
reichs.^) Wie der Traktator einer großen Handelsgesellschaft erhielt
er ^/4 des Gewinns; die übrigen ^j^ teilten die beiden anderen Sozii
je zur Hälfte; so wurde der Doge zum »dominator quartae partis et
dimidiae totius imperii Romaniae«. Der Venedig zufallende Anteil^)
wurde seinen Handelsinteressen gemäß ausgewählt ; die ganze West-
küste der Balkanhalbinsel einschließlich der Jonischen Inseln, der
Peloponnes, der Archipel, dazu reiche Besitzungen in Thracien soll-
ten ihm zufallen. Kreta, auf das Bonifaz von Montferrat schon vor
der zweiten Eroberung Konstantinopels von Alexius eine Anwartschaft
erhalten hatte, wurde ihm gegen die geheime Garantie Macedoniens
mit Saloniki durch besonderen Vertrag von diesem überlassen^) — in
der Tat ein gewaltiges Kolonialgebiet, das zweckmäßig zu beherrschen
und auf die Dauer zu behaupten auch für die klugen Staatsmänner
an der Adria eine Aufgabe von außerordentlicher Schwierigkeit sein
mußte; jedenfalls kam es auch den Venezianern von vornherein
weniger auf die unmittelbare politische Herrschaft in allen diesen Ge-
bieten, als auf die Sicherung ihrer unbedingten Handelsvorherrschaft
in denselben an.
Von Konstantinopel selbst sollten ihnen ebenfalls 3 Achtel zufallen^),
und in der Tat wurde ihr Besitz am Goldenen Hörn und nach dem Stadt-
innern zu beträchtlich erweitert; zur Sicherung desselben erhob sich bald
ein festes Kastell und unter dem Podestä Jacopo Tiepolo begann man (1220)
mit dem Bau eines neuen geräumigen Fondaco. Wichtig war auch, daß
die Venezianer durchgesetzt hatten, daß zum ersten lateinischen Patriarchen
von Konstantinopel ein Venezianer, Thomas Morosini, erkoren wurde;
Venezianer waren auch die Kanoniker der Hagia Sophia. 0) Das venezi-
1) Gerland p. 1 ff., 19.
«) Ebd. 30. Heyd I, 269 f.
») Vertrag von Adrianopel (12. Aug. 1204): Chart. I no. 795 p. 1112. Tafel u.
Thomas U, 512. Heyd I, 270, 275. Gerland 25 f.
*) Gerland 31. Vgl. Heyd I, 285 ff.
») Gerland p. 10 — 16. Über die Wichtigkeit dieser kirchlichen Verhältnisse]
8. auch das Schreiben des Podesta Jac. Tiepolo vom 10. XH. 1219 nach Morosinis Tode
an den Dogen, Tafel und Thomas 11, 219 f. Norden 239 f. Auvray no. 944 f.,
1184, 1893.
1
Zeit des lateinischen Kaisertums. 261
anische Konstantinopel erhielt eine Verfassung, die derjenigen der Mutter-
stadt durchaus nachgebildet war. Die erste Entwickelung der Kolonie leitete
der greise Doge Dandolo selbst; als er am 1. Juni 1205 an der Stätte seiner
Triumphe starb, wählten die Venezianer in Konstantinopel aus eigener Macht-
vollkommenheit zu ihrem »Podestä« den Marino Zeno i) — ein selbständiges
Vorgehen, das daheim anfangs verstimmte; doch gab man sich schließlich
damit zufrieden , daß in Zukunft jedesmal die heimische Regierung den
Podestä zu entsenden habe. 2) Ein kleiner und ein großer Rat, 2 Kämmerer
und ein Syndikus standen ihm zur Seite. Sechs Judices dienten der Rechts-
pflege; ein besonderer Vertrag, den Marino Zeno mit dem neuen Kaiser
Heinrich schloß (Balduin war schon im Jahre 1205 in der Schlacht bei
Adrianopel gefangen, nach Trnovo gebracht und dort getötet worden), regelte
das Verfahren in den Fällen, wo die Parteien nicht bloß dem venezianischen
oder kaiserlichen Anteil angehörten. 3) Da die alte Abgabenfreiheit der
Venezianer selbstverständlich fortdauerte, so waren für den venezianischen
Handel in Konstantinopel die denkbar günstigsten Verhältnisse geschaffen ;
hing doch selbst die Zulassung anderer Handelsnationen wesentlich von dem
Verhältnis ab, in dem sie zu den Venezianern standen ; vertragsmäßig waren
die Kaiser verjjflichtet, Angehörige solcher Nationen, die sich mit Venedig
im Kriege befanden, vom Handel mit der Romania ebenso auszuschließen,
als wenn sie mit dem Reiche selbst Krieg führten. 4)
Dennoch wird man nicht annehmen dürfen, daß der Handel Venedigs
mit Konstantinopel selbst in dieser Zeit einen größeren Umfang angenommen
hat, als es schon im 12. Jahrhundert der Fall gewesen. Die Verwüstung
von 1204 war doch zu gewaltig, als daß ihre Folgen so bald hätten über-
wunden werden können. Dazu war an Stelle des prachtliebenden Hofes
der Komnenen mit seiner großen Schar von hohen und niederen Beamten,
der dem Handel die mannigfachsten Impulse gab, ein recht bescheidener
Hofhalt getreten, der fast fortwährend mit sehr empfindlichen Geldnöten zu
kämpfen hatte. Endüch hatte Konstantinopel für weite Kreise aufgehört,
der politische Mittelpunkt zu sein — alles Momente, die den Handel der
Großstadt schädigen mußten, wenn sie auch die Bedeutung ihrer so über-
aus günstigen kommerziellen Lage nicht aufhoben.
202. Dafür entwickelte sich der Handel Venedigs mit den kleineren
Handelszentren des ehemaligen griechischen Reiches vielfach um so lebhafter.
Besonders wichtig war für Venedig auch jetzt der Besitz von Rodosto.
Wenn Venedig in den zwanziger Jahren eine Prämie von 2 sol. für den
Scheffel (stajo) auf die Einfuhr von Getreide aus den Gegenden jenseits
des C. Malea setzte s), so wird man in erster Linie an diesen Hafen zu
denken haben. Die starke, auch militärisch sehr bedeutsame Kolonie strebte
nach kommunaler Selbständigkeit; die Milites der einzelnen Stadtteile (sex-
tariorum) hatten sich zu einer Kommune zusammengeschlossen und die Ein-
nahmen aus Landungstreppen, Handelsabgaben und sonstigen Einkünften
^) >Venetorum in Romania Potestas eiusdemque Imperii super quartam par-
tem et dimidiam dominator« : Tafel und Thomas I, 559 (mit dem irrigen Datum
2. Juni statt 29. Juni 1205).
*) Ebd. 567 f. (wieder irrtümlich 2. September statt 29. September 1205).
3) Die Forma Justitiae vom März 1207 ebd. 11, 49 f.
♦) Tafel und Thomas I, 448, 573 ; II, 229. Heyd I, 289. Manfroni, relazioni
[,. 648.
») Minotto IV, 1, 32.
262 Zwanzigstes Kapitel.
der Stadt an sich gezogen, bis auf Befehl des Dogen im Jahre 1219 der
Podestä von Konstantinopel, Jacopo Tiepolo, eingriff, die Milites zum Ver-
zicht auf diese Einnahmen nötigte und eine Neuwahl der an der Spitze der
Stadt stehenden Capitanei und ihrer Ratsherren sowie der Kastellane vor-
nehmen und diese den von dem Dogen vorgeschriebenen Amtseid leisten
ließ.i) Weiterhin wurden dann die Capitanei der Stadt in Venedig selbst
ernannt und zwar durch dieselben Wähler, denen auch die Wahl des Podestä,
von Konstantinopel oblag. 2)
Dieselben Anordnungen wurden gleichzeitig auch für die Capitanei
von Gallipoli getroffen; die beiden ursprünglichen Okkupanten, Marco
Dandolo und Giacomo Viaro, hatten die Stadt doch nicht behaupten können
und auf ihre Lehen zugunsten der Republik resigniert.
Im thracischen Binnenlande hatte Venedig zuerst versucht, Adrian -
opel unter eigener Herrschaft zu behalten; schon 1206 aber begnügte es
sich damit, den ihm befreundeten Griechen Theodor Branas als erblichen
Herrn daselbst einzusetzen , der für sich und seine Nachfolger mit dem
ganzen Volke von Adrianopel gelobte, die Venezianer gegen jedermann zu
verteidigen und an den Dogen als Anerkennung seiner Hoheit jährlich
25 Pfund Hyp. (Manuelaten) zu entrichten. ^)
Auf der asiatischen Seite war der Besitz von Lampsakos für die
Venezianer von hoher Wichtigkeit; mit Gallipoli zusammen sperrte es den
Hellespont und machte so die Beherrschung der Meerengen durch die
Venezianer vollständig. Im Jahre 1219 hat Jacopo Tiepolo, von dem über-
haupt eine energische Initiative im Sinne einer strafferen Anziehung der
Zügel gegenüber den venezianischen Kolonien ausging, auch hier eingegriffen ;
die drei venezianischen Edlen, die den Ort innehatten, G. und Jac. Querini
sowie J. Succugullo, wurden verpflichtet, fortan in Höhe der von ihnen aus
Lampsakos gezogenen Reineinnahmen, die auf jährlich 1670 Hyp. (ein-
schließlich der Einnahmen aus Landungstreppen und Markt) ermittelt
wurden, zu den Zwangsanleihen Venedigs beizutragen und veranlaßt, sogleich
einen Anteil von 1000 Hyp. von der zuletzt aufgelegten Anleihe zu über-
nehmen.^)
203. Mit dem angrenzenden Reste der Griechenherrschaft, dem Kaiser-
reich Nicaea^), standen die Venezianer naturgemäß in sehr gespanntem
Verhältnis. Doch führte die Heirat des tüchtigen Theodor Laskaris mit
Kaiser Heinrichs Schwester Maria eine Besserung herbei; einem längeren
Waffenstillstand folgte im August 1219 ein Friede auf 5 Jahre, in dem die
Venezianer volle Handelsfreiheit und Freiheit von Abgaben im Reiche zu-__
gesichert erhielten; die seit dem Beginn der eben abgelaufenen TreugaÄ|
geschädigten Kaufleute sollten Ersatz erhalten; auch wollte man sich beider-
seits der Nachprägung der Münzen des anderen Teils enthalten. Kriegs-
und Kaperschiffe durfte der Kaiser nur mit besonderer Erlaubnis des Podestä,
Konstantinopel passieren lassen (seit 1215 reichte sein Gebiet bis an das^
Schwarze Meer), und nur mit der gleichen Erlaubnis Söldner avis dem vene|
') Tafel und Thomas II, 218 f.
2) Lib. pleg. no. 159 von 1224.
») Tafel und Thomas II, 17 f. Heyd I, 285.
*) Tafel und Thomas II, 208 ff. (für propriis und propriorum p. 210 ist pei
peris und perperorum zu lesen). Heyd I, 301.
') Eine eingehende Geschichte desselben bietet MijXia^äxrjs '^. ' laxoQia rotT
ßaadeiov rrje Nixniag xai rov SeanoTtirov rrjs ^ Hnti^ov (1204 — 1261). Athen u. Leipzig 1898.
A
Zeit des lateinischen Kaisertums. 263
zianischen Gebiet anwerben, i) Theodors Nachfolger , Johannes Vatatzes
(1222 — 1255), war den Venezianern wieder sehr wenig freundUch gesinnt;
er untersagte seinen Untertanen zum Schaden des abendländischen Handels
den Gebrauch von Stoffen, die außer Landes erzeugt waren ; es war ein
Vorspiel des Kommenden, daß er im Jahre 1235/36 im Bunde mit den Bul-
garen sogar Konstantinopel angreifen konnte, wie er denn in der Regel mit
den Feinden Venedigs auf bestem Fuße stand. 2)
Sein kräftiges Umsichgreifen hatte auch den Herrn von Rhodos und
Karpathos, Leo Gabalas, bedroht, so daß dieser 1234 in einem mit dem Ge-
sandten des nunmehrigen Dogen Jacopo Tiepolo, Marsiglio Zorzi, geschlos-
senen Vertrage sein Gebiet vom Dogen zu Lehen nahm und den Venezianern
an günstig gelegenem Platze Kirche, Fondaco und Amtshaus einräumte und
ihnen vollständige Abgabenfreiheit und den Gebrauch eigener Maße und
Gewichte gewährte. Auch versprach er gute Freundschaft mit dem Duka
von Kreta zu halten und ihn gegen Vatatzes zu unterstützen. Seinen Unter-
tanen wurde dafür Abgabenfreiheit beim Handel mit Kreta zugestanden.
Schon Gabalas' (f 1246) Nachfolger aber zog es vor, sich Vatatzes zu unter-
werfen. 3)
204. Eine dauernde Erwerbung von höchster Bedeutung machte Ve-
nedig in der »am Kreuzwege zwischen drei Erdteilen « gelegenen, das Ägäisehe
Meer wie ein Querriegel abschließenden Insel Kreta.^) Erst nach beträchtlichen
Anstrengungen gelang es den Venezianern, sich den Besitz der ihnen von
Bonifaz von Montferrat zedierten Insel zu sichern. Graf Heinrich von Malta,
uns von seiner Unternehmung nach Tripolis schon bekannt, hatte sein Auge
auf Kreta geworfen und setzte sich 1206 hier fest. Bei der Expedition, die
die Venezianer im selben Jahre unter Rainerio Dandolo (dem Sohne des
verstorbenen Dogen) und Ruggerio Premarini gegen ihn unternahmen, fand
ersterer seinen Tod; aber die Venezianer ließen nicht nach; auch die Unter-
stützung, die der Graf 1210 bei den Genuesen nachsuchte und erhielt,
vermochte die Unzulänghchkeit seiner Mittel nicht aufzuheben; Venedig
konnte 1211 mit der systematischen Aufteilung der Insel in Lehen gegen die
Verpflichtung zum Heeresdienst zu Roß und zu Fuß beginnen und so den
größten Teil der Insel als Militärkolonie organisieren. ^) Trotz aller äußeren
und inneren Schwierigkeiten gelang es, die Herrschaft Venedigs an diesem
für seinen Handel so wichtigen Stützpunkt völhg zu festigen und dauernd
zu behaupten.
») Tafel und Thomas H, 205 ff. Heyd I, 304 f. Manfroni 385 f.
*) Hopf > Griechenland« (bei Ersch u. Gruber) 253. Dringende Schreiben
Gregors IX. um Hilfe nach Ungarn und Frankreich vom 16. Dezember 1235 (Auvray
no. 2872—2879) ; vom 16. Jan. 1236 (Auvray no. 2909 : cum Dux Venetorum Omni-
bus gratis dare passagium esset paratus ; 2910/11). Interessanter Brief des Johannes
Vatatzes an Gregor IX. 1237 bei MrjLa^äxrig 1. c. 276 ff.
») Tafel und Thomas II, 319 f. Heyd I. 307.
*) Ausführiiche Darstellung bei Heyd I, 275 ff. S. Manfroni, relazioni 650 f.
Gerland 26.
») Tafel und Thomas II, 129 (Sept. 1211), 145 (1212: Sexteriorum Cretensium
in militias divisio, zur Zeit, als Jac. Tiepolo Duka von Kreta war). Ein Eid auf
das Capitulare der milites von Candia im Lib. pleg. no. 177 (12. VIII 1224). Eine aug-
mentatio militiarum (der Ritteriehen) 1222 Tafel und Thomas II, 235 ff. Jeger-
lehner J., Beiträge zur Verwaltungsgesch. Kandias im 14. Jahrb., in ßvzant. Z. XHI
(1904), 436 f.
264 Zwanzigstes Kapitel.
Für den an der Spitze der Verwaltung stehenden Beamten behielt
Venedig den griechischen Titel des Duka bei, nur daß dies Amt jetzt in
kurzen Perioden seinen Träger wechselte ; zwei Consiharii, wie er selbst von
Venedig entsandt, standen ihm zur Seite; wir wissen, daß jeder von ihnen
350 Goldhyp. und 50 1. Reisekosten erhielt und sich zwei Pferde und drei
Diener halten mußte, i) Der Duka residierte in der Stadt Kandia, deren
unmittelbaren Besitz mit Umgebung Venedig sich vorbehalten hatte ; nächst
dem Podestä von Konstantinopel war er der angesehenste unter den Kolo-
nialbeamten Venedigs ; ein weiterer Rat, der aus den in Kandia angesessenen
Venezianern hervorging, stand ihm zur Seite.
Nachrichten über den Handel selbst besitzen wir nur in sehr geringem
Umfange. Die staatlichen Schiffe, die zur Beförderung der Beamten nach
Kreta, zur Übermittelung von Botschaften u. dgl. erforderlich waren, wurden
zugleich auch dem privaten Handelsverkehr dienstbar gemacht; so können
wir einmal die Einfuhr von über 200 Ztr. Wolle aus Kreta nach Venedig
auf einem solchen Schiffe nachweisen. 2) Jedenfalls spielte im Handel
Kretas auch damals schon der Wein eine wichtige Rolle. Aber auch mit
der Ausfuhr verbotener Waren nach dem so nahe gelegenen sarazenischen
Afrika beschäftigten sich die Venezianer von Kreta; im Jahre 1232 wurde
der Erzbischof von Kreta bei dem Papste u. a. angeklagt, daß er die in
dieser Beziehung schuldig Gewordenen ohne Schwierigkeit absolviere. ^) Im
Mai 1225 hielt man in Venedig für notwendig, die Aufbruchszeit für die im
Becken der Adria weilenden Schiffe, die an der mudua S. Petri teilnehmen
wollten, genau zu regeln ; es ergibt sich, daß die äußersten Zielpunkte dieser
regelmäßig verkehrenden Schiffskarawane einerseits Kreta, andererseits Euboea
waren. 4)
Von den kleinen Inseln des Archipels ergriff Venedig nicht direkt
Besitz, vielmehr überließ es seinen Edlen die Okkupation. Im Jahre 1207
ging von Konstantinopel aus eine Expedition unter Marco Sanudo nach dem
Archipel; er selbst nahm die mittleren der Cycladen und wurde Duka von
Naxos, Andros kam an Marino Dandolo, Tenos und Mykonos an die Ghisi,
Kythera an Marco Venier, Lemnos im Norden an Filocaro Navigajoso Me-
gaduca u. s. f. Natürlich mußten sie sämtlich ihren Besitz von der Sig-
norie zu Lehen nehmen ; der gesamte Archipel ward so eine venezianische
See.5)
1) Dekret vom 26. 11. 1224 Lib. pleg. no. 59. Der Amtswechsel erfolgte zu
Michaeli.
») »Corabiopublico«. Lib. pleg. no. 341, 343, 346 — 9 (Dez. 1225). Aus den-
Akten des verst. Notars Pietro Greco schien sich zu ergeben, daß die sechs be-
teiligten Venezianer die Fracht (3 Hyp. pro migliajo) schuldig geblieben waren;
sie erboten sich indessen zur Beibringung eines Zeugnisses des Duka oder des
Sohnes des verst. Notars und zum eigenen Eide, daß sie die Fracht schon in Kan-
dia erlegt hätten ; offenbar hatte also der Notar unterlassen, einen entsprechenden
Vermerk zu machen. Ein »asiro publico«, das nach Kreta geht, ib. no. 543 (Mai 1227).
") Auvray no. 1013.
*) Lib. pleg. no. 274. Im allgemeinen noch zu vergleichen : Gerland E. Kreta
als venezianische Kolonie (Hist. Jahrbuch XX, 1899, p. 6 ff.). Derselbe : Das Archiv
des Herzogs von Kandia im Kgl. Staatsarchiv zu Venedig. Straßburg 1899. Mehr
populär : Gerola G., Candia all'epoca Veneziana ; in : La Kassegna Internaz., anno
II, vol. VII, fasc. 3 u. 4. Florenz 1901.
») Heyd I, 273 f.
Zeit des lateinischen Kaisertums. 265
205. Die bisher wichtigsten Handelsniederlassungen der Venezianer
im Westen des Ägäischen Meeres, in Almyro sowohl wie in Saloniki^),
bestanden natürlich fort; doch trat namentlich die erstere allmählich an
Bedeutung weit zurück hinter dem neuen Mittelpunkte, den Venedig sich
für seine politische und kommerzielle Herrschaft an der Ostküste Griechen-
lands und im ganzen Archipel an Negroponte schuf, dem alten Chalkis,
an der schmälsten, leicht zu überbrückenden Stelle des Sundes, der die Insel
Euboea von Mittelgriechenland trennt. 2) Ein edles Geschlecht von Verona,
dem Dogen Heinrich Dandolo nahestehend, die dalle Carceri, hatten in der
ersten Zeit des lateinischen Kaiserreichs sich auf der Insel festgesetzt. Ra-
vanus de Carceribus nahm im März 1209 seinen Besitz förmlich von Venedig
zu Lehen, ließ seine Untertanen dem Dogen Treue schwören und verpflich-
tete sich, an Venedig jährlich 2100 Goldhyp. und ein Geschenk in seidenen
Stoffen abzuliefern. Die Venezianer sollten Fondaco imd Kirche in Negro-
ponte selbst und an allen Orten der Insel, wo sie es wünschen würden,
erhalten , unter ihren eigenen Richtern stehen und volle Handelsfreiheit
zugleich mit Freiheit von Handelsabgaben genießen. 3) Wenig später beschloß
Venedig, mit der Wahrnehmung seiner Interessen und Rechte auf der Insel
und in ihrer Nachbarschaft einen bajulus, dem zwei Ratsherren an die Seite
gestellt wurden, zu betrauen; der erste, den wir mit Namen kennen, ist
Petrus Barbo; die Insel war mittlerweile unter Mitglieder des herrschenden
Geschlechts in drei Teile verteilt worden; er belehnte im Jahre 1216 im
Auftrage des Dogen die »Dreiherren« feierlich mit ihrem Gebiete und nahm
ihre Huldigung und ihre den Abmachungen von 1209 analogen Verspre-
chungen entgegen. 4) Ein Dekret der Signorie vom 26. Febr. 1224 setzte die
Kompetenzen des Bailo auf 450 Goldhyp. jährlich und 100 1. Reisekosten
fest; dafür mußte er einen venezianischen Notar, vier servitori und drei
Pferde halten. Handelsgeschäfte zu treiben war ihm im allgemeinen unter-
sagt, doch durfte er Gelder und ungemünzte Edelmetalle in beliebiger Menge
nach Euboea mit sich führen und diese daselbst in Seidenwaren, Edelsteinen
oder Perlen anlegen. 5)
Von den Handelsbeziehungen Venedigs zu dem gegenüberliegenden
Festlande, wo burgundische Barone aus dem Hause de la Roche herrsch-
ten, haben wir für diese Zeit keine Kunde; der politische Gegensatz, der
zwischen diesen und den Dreiherrn von Euboea und somit auch Venedig
bestand, ist hier sicher hinderlich gewesen, wenn auch die alte venezianische
Kolonie in Theben fortbestanden haben wird.
1) In Saloniki schließen im Oktober 1206 Filocarus Navigajoso megaduca de
Oonstantinop. und Gilius de Foligno habitator de Const. mit zusammen 1000 Gold-
hyp. Einlage eine collegantia mit Fuscari Raguseo, der 500 Hyp. einlegt. Sacer-
doti p. 40. Bestätigung des Besitzes von S. Giorgio in Armiro Juli 1206; Tafel und
Thomas II, 15 f. Heyd I, 284, 290, 307 f.
«) Heyd I, 281 S.
*) Tafel und Thomas II, 89 ff. Von den panni ad aurum, qui solent dari . . .
a dominatoribus Nigroponti, erhielten der Doge und die Markuskirche je die Hälfte;
vgl. die Promissio des Dogen Jac. Tiepolo von 1229. Ljubic I no. 73.
*) Tafel und Thomas II, 175 u. 180.
^) Lib. pleg. no. 58. Von dem Bailo des Jahres 1223, Benedetto Falier, er-
fahren wir, daß er den Guglielmo Porco zur Herausgabe eines Segels und zweier
Taue zwang, die er als Korsar dem Schiffe S. Donato abgenommen hatte. Ebd.
no. 143.
266 Zwanzigstes Kapitel.
.206. Obwohl der Teilungsvertrag den Venezianern den ganzen Pelo-
ponnes zusprach, begnügten sie sich doch damit, durch die Expedition, die
1206 nach Kreta ging, M o d o n und K o r o n erobern zu lassen, während
Gottfried von Villehardouin in Gemeinschaft mit Wilhelm von Champlitte
das Herzogtum Achaia gründete, i) Beide Plätze, zu starken Festungen aus-
gestaltet, flankierten den Peloponnes im Südwesten in ähnlicher Weise, wie
es gerade gegenüber Negroponte in bezug auf Mittelgriechenland tat; für
alle Schiffe, die sich vom Jonischen Meere aus ostwärts wandten, bildeten
sie hervorragend wichtige Stützpunkte und beherrschten eine der wichtig-
sten Passagen des Mittelmeers; durch den gleichzeitigen Besitz von Kreta
wurde die Stärke dieser Position noch wesentlich erhöht. Modon und Koron
wurden der Obhut zweier jährlich wechselnder Kastellane anvertraut, deren
Salär je 250 Hyp. pro Jahr betrug. 2) Auch für den Handel erlangten die
beiden Orte und besonders Modon, der wichtigere unter ihnen, rasch
Bedeutung, wozu neben der allgemeinen Gunst der Lage auch die hohe
Fruchtbarkeit des besonders an Oliven reichen messenischen Landes 3) bei-
trug; in einem Falle wenigstens ist uns für diese Zeit der Einkauf von
Seidenzeugen und zahlreichen andern Kostbarkeiten, Ringen, Reliquiarien.
u. dgl. in Modon bezeugt. 4)
Im selben Jahre wie Ravano dalle Carceri nahm auch Gotfried von
Villehardouin (Juni 1209) sein Fürstentum vom Dogen unter den gleichen
Zusicherungen für den venezianischen Handel zu Lehen '''); immerhin ist bei
seiner größeren Macht die Stellung dieses Fürstentums doch eine freiere
und selbständigere geblieben als die jener Insel, und Venedig hatte nicht
selten Grund, die Haltung der Fürsten mißtrauisch zu überwachen. 6) Natur-
gemäß war der Seehandel mit dem Fürstentum vorwiegend in veneziani-
schen Händen; aus dem Jahre 1218 erfahren wir einmal zufällig von einem
Venezianer Pietro Abramo, dessen Fahrzeug (platus) mit zwei französischen
Streitrossen und einer Ladung von Eisen und Tuchen vom Hafen von An-
cona aus nach Morea in See ging. 7) In dieser Zeit gelangte auch schon
der Hafen von Andreville (Andravida) in Elis, das spätere Chiarenza, als
dem Westen zunächst gelegen, zu einiger Bedeutung; wenigstens können
wir seinen Besuch durch Venezianer zu Handelszwecken nachweisen. 8)
207. Im Westen des Rumpfes der Balkanhalbinsel gelang es einem
Mitgliede des entthronten Kaiserhauses, dem Komnenen Michael, ein eigenes-
Despotat Arta oder Epirus zu gründen. 9) Im Jahre 1210 sicherte er^
unter teilweiser Anerkennung der venezianischen Lehnshoheit, den Vene-
zianern in seinem ganzen Gebiet an allen Orten, wo sie es wünschen wür-
den, Fondaco, Kirche und eigenes Amtshaus mit allen Ehrep und Rechten,,
wie sie sie zur Zeit Kaiser Manuels genossen hätten, zu; insbesondere ver-
1) Heydl, 271 1 Gerland 31.
2) Lib. pleg. no. 379.
*) Gesta Regis Rice. ed. Stubbs II, 199.
*) Lib. pleg. no. 29 (etwa Dezember 1223).
6) Tafel und Thomas II, 96 S,
6) Nie. Calbani wird 1227 beschuldigt, eine Galeere an Gottfried contra ho-
norem Venecie verkauft zu haben. Lib. pleg. no. 525 f.
') Minotto IV, 1 p. 26 f. Lib. pleg. no. 56.
^) Lib. pleg. no. 616.
®) Eingehend behandelt in dem schon angeführten Werke von Mr,XiaQaxr,5^
p. 48 ff.
Zeit des lateinischen Kaisertums. 267
sprach er, ihre Getreideausfuhr in keiner Weise behindern zu wollen, i) Das
wichtige Durazzo hatten die Venezianer schon 1205 besetzt, die bedeutendste
miter den Jonischen Inseln, Korfu, hatten sie im Jahre darauf durch die
kretensische Expedition einnehmen lassen und 1207 an zehn einheimische
Edle vergeben; indessen wurden diese beiden wichtigen Positionen den Ve-
nezianern schon im Jahre 1215 durch Michaels Nachfolger, Theodor, ent-
rissen, mid der Versuch, den der von Honorius III. zum Kaiser gekrönte
Peter von Courtenay im Dienste der Venezianer machte, Durazzo zurück-
zuerobern (1217), mißlang völlig. 2) So fanden sidi die Venezianer mit der
Tatsache ab und verkehrten an den Handelsplätzen des Despotats, das auch
das Königreich Thessalonich eroberte 3), wieder in der alten Weise. Im
Jahre 1224 hören wir von einer Sendung des Marino Tiepolo, »in Sachen
der Schiffe« nach Durazzo; er hatte von der venezianischen Kolonie da-
selbst eine Auflage einzuziehen, deren Betrag er zu ^/^ den Geschädigten,
zu V4 dem Staat zu überweisen hatte — nur diese Andeutungen sind uns
bekannt. Als verschiedene Venezianer im Herbst 1227 ein staatliches Fahr-
zeug für die Fahrt nach Durazzo mieteten, wurde ihnen die Verpflichtung
auferlegt, in Durazzo für Rechnung des Staats so viel Weizen zu einem
Preise von höchstens 25 sol. ven. für den stajo einzukaufen, daß damit die
Hälfte der Schiffsladung gedeckt war. Ein andermal hören wir, daß 20 Ztr.
Wachs in 8 »Broden« auf einem Fahrzeuge (banzone) des Michele de Sal-
maza von Durazzo nach Venedig importiert wurden. 4) Vorübergehend kam
es dann im Jahre 1228 noch einmal zum Abbruch der Handelsbeziehungen,
als sich der Duka von Korfu einer besonders schnöden Beraubung schiff-
brüchiger Venezianer schuldig gemacht hatte. Als die Kunde davon nach
Venedig kam, war eben das Schiff Rana im Begriff, mit einem Transport
von Pferden an die Küste des Despotats abzugehen ; der Doge inhibierte
sofort den Transport und ließ sich am 9. August eine Kaution in Höhe
von 2000 1. ven. dafür stellen, daß das Schiff bis zur nächsten Mudua von
S. Peter nicht nach der Küste des Despotats gehen werde, ß) Zehn Tage
darauf verhängte die Signorie die allgemeine Handelssperre über das Gebiet
des Fürsten ; nur mit besonderer Erlaubnis und unter genauester Beachtung
der von ihr zu erteilenden Weisungen sollten in einzelnen Fällen Ausnahmen
von dieser Sperre- gemacht werden dürfen. Die Maßregel hat denn auch
ihre Wirkung auf den Fürsten nicht verfehlt, ß)
Gerade im Westen des mittleren und südlichen Teiles der Balkan-
halbinsel entbehrte somit die allerdings übermächtige Handelsstellung
Venedigs nach wie vor der territorialen Stützpunkte, die Venedig
hier zu erringen gehofft hatte. In Macedonien wie in der Nachbar-
1) Tafel und Thomas H, 120 ff. Heyd I, 270 ff. Eine in Brindisi im No-
vember 1211 vor der kaiserlichen Kurie verhandelte Klage des Bevollmächtigten
des Komnenen gegen den Venezianer Nie. de Aybolo, der mit seinem Schiff" den
Transport von 40 Rittern usw. von Ancona aus nach dem Despotat übernommen
hatte, bei Minotto IVi p. 21 f.
*) Norden 269. Manfroni 384.
») Winkelmann I, 228.
*) Lib. pleg. no. 564 (24. Sept. 1227; vgl. 566); no. 461 (2. Dez. 1226).
») Ebd. no. 616.
«) Ebd. no. 635 f., 642. Vgl. Norden 268. Gregor IX. erneuert im August
1229 den Bann gegen ihn, seine Helfer und alle, die ihm Pferde, Waffen, Eisen
oder Holz zuführen >quibus impugnat Latinos«. Rodenberg I, 320 no. 399.
268 Zwanzigstes Kapitel.
Schaft Konstantinopels machte sich ein die Stellung der Venezianer
allmählich immer stärker bedrohendes Vordringen des griechischen
Elements bemerkbar, dem das lateinische Kaiserreich aus eigener
Kraft die Stirn zu bieten nicht mehr imstande war. Dagegen hatte
Venedig in Messenien, Negroponte und Kreta Stellungen von solcher
Stärke gewonnen, daß sie auf Jahrhunderte hinaus durchaus gesicherte
Stützpunkte des venezianischen Seehandels geblieben sind.
208. Von den kleineren Seemächten der Adria stand natürlich Ra-
gusa mit den angrenzenden Gebieten des ehemaligen griechischen Reiches,
also namentlich mit dem Despotat Epirus, in vielfachen Handelsbeziehungen;
für Korfu können wir es einmal zum Jahre 1231 direkt nachweisen, i) Mit
dem Komnenen Michael schloß es schon 1206 einen Vertrag, der 1234 und
1237 erneuert worden ist^) ; mit den Korfioten tauschte es um 1239 Zu-
sicherungen engster Freundschaft und völlig unbehinderten Handelsver-
kehrs. 3) Aber auch die ersten lateinischen Kaiser bestätigten den Ragusanern
die ihnen einst von Kaiser Manuel verliehenen Privilegien ; nach ihren Ver-
trägen mit Venedig hatten sie für die Einfuhr von Waren der Romania
nach Venedig den mäßigen Zollsatz von 5 Prozent zu entrichten. *)
Den entsprechenden Verkehr Anconas haben wir in mehreren Fäl-
len durch venezianische Schiffe vermittelt gesehen; natürlich waren die An-
conitaner an diesem Verkehr auch direkt beteiligt; es spricht für eine ziem-
lich enge Verbindung, wenn sich der Komnene Manuel 1232 des Priors von
S. Maria del Porto von Ancona als Gesandten an die Kurie bedient. 6) Auch
ihre Kolonie in der Hauptstadt muß sich leidlich entwickelt haben, da wir
hören, daß sich die Anconitaner von Konstantinopel im Jahre 1215 zusam-
men mit den Venezianern und Pisanern an der Ausrüstung von Kaper-
schiffen gegen die die Sicherheit des Handels gefährdenden Genuesen be-
teiligt haben. 6)
Auch für A p u 1 i e n wurde ein beträchtlicher Teil des Handels mit
der Balkanhalbinsel durch die Venezianer vermittelt.'^) Doch fehlte auch
der direkte Handel keineswegs. Im Frühjahr 1228 sehen wir z. B., wie das
Schiff des Uberto Rosso und Genossen aus Brindisi mit Pilgern sowie Kauf-
leuten aus Brindisi und einigen Venezianern an Bord von Andre ville aus
die Heimreise antrat, auf der es in der Nähe von Korfu Schiffbruch litt. «)
') Ljubic I no. 74.
2) Mr,hnoäxTjs 1. c. 55 f., 322. Miklosich et Müller III, 58 u. 66 f.
3) j)as merkwürdige, an D. Nie. Tonisto, den venez. Comes von Ragusa (Juli
1238 bis Sept. 1240) sowie Richter, Ratsherrn und Volk von Ragusa gerichtete
Schreiben bei Jirecek : Eine Urkunde zur Geschichte von Korfü ; in Byz. Zeitschr. I
(1892), 336 f. Ein Privileg Isaaks von 1192: Lib. Stat. Rag. p. LXII f.
*) Ljubi6 I no. 75 (p. 48). 80. Tafel und Thomas H, 307, 328. Heyd I, 309 f.
6) Auvray no. 786. Im Juni 1247 weist Innozenz IV. den Bischof von Arezzo,
Rektor der Mark Ancona, an, den Anconitanern die Fahrt nach Durazzo zum Zweck
des Ankaufs von Lebensmitteln zu gestatten. Berger 2861.
^) Ann. genov. II, 136.
') Ein interessantes Beispiel hierfür bietet ein in Konstant, im September
1207 für die Fahrt des Schilfes Urso von Konstant, nach Venedig aufgenommener
Kontrakt;' die Rückreise nach Konstant, mrd freigestellt von Venedig aus oder
>de Ancona sive de partibus Apuliae«. Sacerdoti p. 40.
«) Lib. Pleg. no. 616. Rundschreiben Honorius' III. vom 11. Dez. 1220 an
zahlreiche Bischöfe, den ad portum Brundusii Kommenden zu verbieten, mit dem
Zeit des lateinischen KaisertumB. 269
Und aus Apulien stammten zweifellos die »Longobardi« in den dem latei-
nischen Patriarchen von Konstantinopel unterworfenen Farochien, von
denen in einer den Kirchenzehnten betreffenden Bulle Innozenz' III. vom
8. März 1208 zugleich mit den Amalfitanern, deren kleine Kolonie in Kon-
stantinopel also auch noch fortbestand, die Rede ist. *)
208. Wenn dieselbe Bulle außer diesen und neben den Pisanern auch
noch die »Lombardi« aufführt, so ist das ein lehrreiches Zeugnis nicht
nur für den Sprachgebrauch der Zeit, sondern auch dafür, daß die Bewohner
des Binnenlandes von Ober-Italien ebenfalls ihren Anteil an diesem Ver-
kehr hatten. Darauf deutet ja schon die Festsetzung jener Edlen von Ve-
rona auf Euboea und des Bonifaz von Montferrat in Saloniki; ein Beispiel
für die kommerzielle Betätigung dieser Elemente ist es, daß wir den Gilius
'Von Foligno, Einwohner von Konstantinopel, in den Jahren 1206 — 1210 in
Gemeinschaft mit einem Venezianer mehrfach in Handelsgeschäften daselbst
tätig finden. 2)
210. Auch zur Zeit des lateinischen Kaiserreiches nahmen unter
den abendländischen Handelsnationen in Konstantinopel die Pisaner
den zweiten Rang ein, freilich jetzt in bei weitem größerem Abstände
von den Venezianern als früher.
Bald nach der Eroberung erhielten sie eine Erweiterung ihres Quar-
tiers durch die Überweisung der anstoßenden Erlöserkirche mit allem Zu-
behör (Sept. 1205), da ihre beiden Kirchen bei dem Brande der Stadt stark
gelitten hatten; auch jenseits des Bosporus, in den Diözesen von Chalkedon
und Nikomedien, hatte diese Kirche Besitzungen. ^) Der kirchliche Apparat
scheint über das Bedürfnis der Kolonie hinausgegangen zu sein; wenigstens
erklärte der Prior Benenatus im Jahre 1223, daß die Einnahmen der Kirchen
einschließlich der ihnen zugewiesenen Maß- und Gewichtsgefälle zur Unter-
haltung der Kirchen und ihres Inventars sowie des zugehörigen Personals
nicht ausreichten; seit der Eroberung habe er dafür aus eigenen Mitteln
300 Hyp. zuschießen müssen.^) Im übrigen blieben die pisanischen Kirchen
in Konstantinopel , trotz gelegentlicher Versuche des Patriarchen, in einer
eximierten Stellung. 5) Mit den Venezianern dauerte das vor der zweiten
Eroberung der Hauptstadt hergestellte gute Einvernehmen zunächst fort;
1206 entstand sogar der Plan eines engen Kriegsbündnisses und 1214 wurden
die alten Verträge von 1180 und 1196 unter einfacher Herübernahme der
auf die Romania bezüglichen Abschnitte auf 10 Jahre erneuert. 0) Im Jahre
darauf unternahmen die in erster Linie von den venezianischen und pisa-
Lande Theodors von Epirus zu verkehren. Pressutti 2858. Die politische Verbin-
dung Friedrichs U. mit dem Komnenen in der Zeit seiner Feindschaft mit Venedig
begünstigte unzweifelhaft diesen Nachbarschaftsverkehr. Huillard-Bröholles V, 586,
630. Winkelmann II, 155 A. 2.
>) Tafel und Thomas H, 68.
2) Sacerdoti 39 f.
3) Müller 84 f., 86 f. Heyd I, 287 ff.
*) Bonaini I, 267.
*) Versuche Morosinis, sie von sich abhängig zu machen : Tafel u. Thomas 11,
22, 68, 73. Bestätigung der kirchlichen Vorrechte 28. V. 1230 durch Gregor IX. >Cai-
tano, priori ecclesie Campi Pisanorum apud Const. constituto«, Auvray no. 461.
Müller p. 98.
») Müller p. 88 ff.
270 Zwanzigstes Kapitel.
nischen Kolonisten Konstantinopels ausgerüsteten vier Kaperschiffe (zwei
naves und zwei galeae) einen erfolgreichen Beutezug gegen die Genuesen;
in Genua glaubte man im nächsten Jahre ein gleiches Vorgehen der beiden
Kolonien befürchten zu müssen, i) Auch mit den Kaisern selbst standen
die Pisaner, soviel wir sehen können, in gutem Verhältnis. Auf ein Schreiben
Pisas dankte der zweite Kaiser Heinrich in einem Briefe, den er dem pisa-
nischen Vicecomes Rainerius Federici in die Heimat mitgab 2), den Pisanern
für die ihm bisher geleisteten Dienste und versprach Aufrechterhaltung aller
ihrer Freiheiten und Rechte; wenn sie ihm den gleichen Eid wie seinen
Vorgängern leisten wollten, werde er einen geeigneten Bevollmächtigten
senden ; im übrigen möchten sie seinen mündlichen Aufträgen an den Vice-
comes Glauben schenken. Und aus der kritischen Zeit nach dem Tode
Kaiser Roberts ist uns ein Dankschreiben seiner Schwester Maria, der Kai-
serin-Witwe von Nicaea, die für kurze Zeit die Regentschaft in Konstantin-
opel führte, erhalten (1228)3), [^i dem sie sich in den anerkennendsten Aus-
drücken über die Dienste ausspricht, die der pisanische Vicecomes Jacobus
Scarlate ihrem Bruder und ihr selbst erwiesen habe und die Bitte hinzu-
fügt, ihn durch ein Anerkennungsschreiben in seiner Haltung zu bestärken,
»cum nullus utilior aut necessarior nobis et Imperio esse possit.« Die ganze
Fassung des Schreibens deutet darauf hin, daß das Amt des pisanischen
Vicecomes in Konstantinopel in dieser Zeit nicht mehr ein jährlich wech-
selndes, sondern ein ständiges gewesen ist.
Wie anderwärts begegnen wir auch in Konstantinopel neben den Pi-
sanern selbst den Toskanern des Binnenlandes. Kaiserin Maria, die Ge-
mahlin des letzten lateinischen Kaisers, hat in der finanziellen Bedrängnis,
in der sich das Reich fast beständig befand"*), bei den Toskanern Scotto
und Buondelmonte, Bürgern von Konstantinopel, die beide wohl aus Florenz
stammten, in Konstantinopel Darlehn aufgenommen, zu deren Begleichung
sie Ende Januar 1249 in Negroponte Tratten in Höhe von 550 und 680 1.
tur. auf Bianca, die Mutter des französischen Königs, gezogen hat; im Mai
des Jahres haben die Gläubiger persönlich ihr Guthaben in Paris abgehoben.^)
Auch im Kaiserreich Nicaea waren die Pisaner und die Toskaner über-
haupt kommerziell tätig. Aus Anlaß der in der Heimat erfolgenden Be-
kundung des Todes des Gregorius von San Gimignano erfahren wir, daß er
um 1240 in Adramyttion (Lendermite), umgeben von seinen Söhnen und
andern Verwandten, verstorben war und in der dortigen Jakobikirche seine
letzte Ruhestätte gefunden hatte; verschiedene Pisaner, Ranuccius Bonac-
cursi und Castello, der Sohn des Franciscus Guidonis Grassi, werden als
bei seinem Begräbnis gegenwärtig erwähnt. ")
>) Ann. genov. II, 136, 139.
2) Undatiert ; Müller 86 f. Der Herausgeber setzt ihn p. 437 zu 1207, in der
Tabelle der überseeischen Konsuln zu 1211 ; beides ohne Gründe. Der Lanfrancus
Vicecomes judex Furisterorum, der im März 1210 als Zeuge in einer Urkunde auf-
tritt (Sacerdoti p. 40), nach dem Namen zu schließen ein Pisaner, fungierte als
Fremdenrichter wohl im kaiserlichen Dienste.
*) Vgl. meine Abhandlung : Eine bisher unbekannte Regentin des lat. Kaise:
reichs; MIÖG. VIIJ (1887), p. 587 ff.
*) Für die Rückzahlung eines Darlehns, das die Prokuratoren des Kaisers a
der Kurie bei dem römischen Kaufmann Nie. Deutesalve aufgenommen hatten,'
sorgt am 17. Sept. 1243 der Papst. Berger no. 122 f.
6) S. »Anfänge der Tratte« in Z. f. Handelsr. 43, p. 43 u. 48.
*) Aussagen vom 27. April 1245 in Pisa. Davidsohn, Forsch. H no. 2306
]
Zeit des lateinischen Kaisertums. 271
211. Für die Genuesen war das Ereignis von 1204 nach den
Erfolgen ihrer letzten Gesandtschaft nach Konstantinopel ein beson-
ders empfindlicher Schlag; und es ist begreiflich, daß sie wenigstens
das eine oder andere Stück der wertvollen Beute an sich zu bringen
suchten, zumal sie ihre feindselige Haltung gegen Venedig von Kon-
stantinopel selbst zunächst völlig ausschloß.
So traten sie sogleich bei der Gründung des Königreichs Thessalonich
mit Bonifaz von Montferrat in Verbindung ; einer Galeere von Porto Venere,
die sich im Hafen von Saloniki befand, vertraute Bonifaz 1205 den in seine
Gewalt geratenen ehemaligen Kaiser Alexios an, damit ihn Henricus de
Carmadino über Genua auf seine Besitzungen brächte, und im folgenden
Jahre rüstete Genua vier Galeeren für Bonifaz' Tochter aus, die mit dem
Kaiser von Konstantinopel vermählt werden sollte, i) Genuesische Korsaren
hatten schon im Sommer 1204 im Hafen von Modon die Geschenke, die
Kaiser Balduin auf einem venezianischen Schiffe an den Papst geschickt
hatte, geraubt. 2) Ein anderer Genuese, Leo Vetrano, setzte sich auf eigene
Hand auf Korfu fest und suchte die Insel in Gemeinschaft mit den grie-
chischen Einwohnern zu behaupten; im Kampfe mit der großen veneziani-
schen Expedition von 1206 aber unterlag er und wurde von den Siegern
als Pirat hingerichtet. ^) Am meisten aber schädigte der Freund und Bundes-
genosse der Genuesen, Graf Heinrich von Malta, von dem Grafen von
Syrakus unterstützt, die Venezianer. Im Jahre 1205 kaperte er zwei reich-
beladene venezianische Schiffe, die Rosa und den Falco, die nach Konstan-
tinopel wollten; mehr als 200 Ballen Tuche (scarlatarum videlicet et aliorum
pannorum et fustaneorum) erbeuteten die Genuesen von dem kleineren
Schiffe allein. 4)
Im folgenden Jahr warf sich der Graf mit seinem Geschwader auf die
Insel Kreta und behauptete sich als »Dominus Cretae« nicht ohne Glück
auf der Insel gegen die Venezianer, die sie ihm mit Übermacht zu entreißen
suchten, mehrere Jahre hindurch. 5) Genua sandte ihm 1208 eine erste
Hilfe, und als er 1210, da er zu erliegen drohte, selbst nach Genua kam,
wurde mit einem Kostenaufwande von 20000 1. jan. eine Hilfsexpedition
von acht Galeeren und drei Transportschiffen (naves) für ihn ausgerüstet. ^)
Im Vertrage vom 25. Juli'') versprach er den Genuesen volle Freiheit von
Handelsabgaben, einen Jahrestribut von 1000 Hyp., in jeder Stadt Kretas
ein vollständig ausgestattetes Quartier, dazu an den vier Hauptorten der
Insel Konsulate mit eigenen Amtshäusern; falls er ohne männliche Erben
stürbe, sollte sein Besitz auf Genua übergehen. Die Anleihe von 18000 1.
') Ann. genov. IT, 95, 104. Über die Geschichte des schwachen Königreichs
vgl. L. Usseglio: II regno di Tessaglia (1204 — 1227). Alessandria 1898 (auch in:
Riv di storia e archeol. della prov. d'Aless. XII, 1898, fasc. 22).
2) Heydl, 291. Gerland 12.
8) Heyd I, 272. Manfroni, relazioni 649.
*) Ann. genov. LI, 99.
') Heyd I, 275 ff. Manfroni, relaz. 650 f. Vgl. Gerola G., La dominazione
genovese in Greta. Rovereto 1902. (Aus: Atti dell' J. R. Acc. etc. degli Agiati in
Rovereto, ser. 3, VIII, 1902, p. 134 ff.)
*) Ann. genov. II, 110, 114 f. Eine Schuldurkunde des comes Malte et Do-
minus Creti über 2000 Hyp. vom 22. Mai 1210 gegenüber Guil. Embriacus gibt
Gerola im Anhang.
^) Lib. Jur. I no. 500 p. 554 ff. "
272 Zwanzigstes Kapitel.
Jan., die er bei Bürgern Genuas aufnahm, versprach er in Raten zu tilgen
und verpfändete dafür die Einkünfte seiner Insel Gozzo. Genua suchte nun
zunächst mit Venedig zu einer Verständigung zu kommen; als dies nicht
gelang, unterstützte es den Grafen zwar, aber, da es gleichzeitig auch mit
Pisa und Marseille in Kampf verwickelt war, sehr wenig energisch. Im
Juli 1212 schlössen seine Gesandten Nicolaus de Mari und Simon Bufferius
einen dreijährigen Waffenstillstand mit Venedig, dem auch die Grafen von
Malta und Syrakus beitreten mußten, i) Wohl erneuerten sich dann die
Feindseligkeiten noch einmal, und 1217 benutzte Graf Alamannus von Syra-
kus die auf Kreta ausgebrochenen Unruhen, um noch einmal auf der Insel
zu erscheinen. Bald aber wurde er gefangen und blieb bis zum Frieden,
der im Mai 1218 auf 10 Jahre abgeschlossen wurde, in Gefangenschaft. 2)
212. Mit diesem Frieden 3) gaben die Genuesen ihre Anschläge auf
Teile des ehemaligen griechischen Reiches auf; sie wurden nunmehr zum
Handel mit der Romania wieder zugelassen unter genau denselben Bedin-
gungen, unter denen sie zur Zeit Kaiser Alexius' IIL mit Konstantinopel
Handel getrieben; nur der Ehrengeschenke gingen die verlustig. Auch die
Erben des Balduino Guercio sollten in die Lehen, die dieser außerhalb Kon-
stantinopels zur Zeit Manuels besessen, soweit sie im venezianischen Anteil
lagen, wieder eingesetzt oder doch entschädigt werden. Nach Ablauf der
10 Jahre wurde der Vertrag erneuert'^); und daß die Genuesen den Handel
mit Konstantinopel wieder aufgenommen haben, geht schon daraus hervor,
daß sie sich 1236 an der Verteidigung der Hauptstadt beteiligt haben; 1238
ist es dann sogar aus Gründen der allgemeinen Politik zu einer Allianz
zwischen Genua und Venedig gekommen. Sehr umfangreich wird der Han-
del der Genuesen mit Konstantinopel allerdings schwerlich geworden sein;
wo eine andere Macht derart dominierte, fühlten sie sich nicht in ihrem
Element. Immerhin ergibt sich aus der Fassung der Erneuerung des ge-
nuesisch-venezianischen Vertrages von 1251, daß es auch wieder besondere
Vorsteher der genuesischen Kolonialgemeinde in Konstantinopel gab (con-
sules et vicecomites atque rectores^); auch macht Innozenz IV., als er sich
1246 darüber beschwert, daß christliche Griechen, Bulgaren, Ruthenen und
Walachen aus dem griechischen Reiche ausgeführt und als Sklaven auch
an die Sarazenen verkauft würden, zwischen den genuesischen, pisanischen
und venezianischen Kaufleuten keinen Unterschied. ^)
213. Außerhalb Konstantinopels haben die Genuesen in dieser Zeit,
wie es schon früher ihr Bestreben gewesen, besonders in Theben festen Fuß
gefaßt ; die ßoeotien und Attika umfassende Baronie der Herren de la Roche
hatte offenbar an ihnen ein willkommenes Gegengewicht gegenüber den
Venezianern gefunden. In Theben unterhielten sie für ihre Landsleute
1) Ann. genov. H, 116, 125 f. Gerola 1. c. im Anhang.
=') Ebd. 144 f. Manfroni 365.
8) Lib. Jur. I no. 535 p. 609 fE.
*) Ebd. I no. 656 p. 815 f. (Tafel und Thomas II, 197 f. mit unrichtiger Da-
tierung).
») Ebd. p. 1093. Heyd I, 292. Zwei Seedarlehn auf die Fahrt der Damiceila,
die Kitter mit ihrer Ausrüstung nach der Romania transportierte, vom 20. Juli und
29. August 1251 bei Canale n, 626.
^) Berger 2122 (1. Oktober; an den Patriarchen von Jerusalem und die Bi-
schöfe des Königreichs).
I
Zeit des lateinischen Kaisertums. 273
in der Baronie ein Konsulat, das im Jahre 1240 von Riccius de S. Donato
verwaltet wurde; nur die schwersten Kriminalverbrechen waren von seiner
Gerichtshoheit ausgenommen, und nur, wenn ein Nicht-Genuese einen Ge-
nuesen vor dem Konsul belangte, war Berufung an die Landesgerichte zu-
lässig. Zu Weihnachten 1240 bestätigte Guido de la Roche diese Rechte
der Genuesen in einem Privileg; außer in Theben sollten sie fortan auch
in Athen ein Quartier (campum) und ein eigenes Amtshaus haben, das
er ihnen anweisen werde; in bezug auf ihren Handel sollten sie völlig ab-
gabenfrei sein und sich der gleichen Immunität wie in Accon oder an an-
deren Orten, wo sie besonders privilegiert seien, erfreuen; nur von den sei-
denen Tüchern (pannis sericis), die von Genuesen oder für sie im Gebiet
der Baronie verfertigt würden, sollten die herkömmlichen Abgaben ebenso
wie von allen anderen, auch von ihnen entrichtet werden müssen — inter-
essant jedenfalls, daß danach auch Genuesen selbst an dieser alten Stätte der
Seidenfabrikation zu eigener Ausübung der Industrie sich niedergelassen
haben ; damit war die Verpflanzung dieser Industrie auch nach der Heimat
von selbst gegeben, i)
Verhältnismäßig spät erst haben die Genuesen, soviel wir wissen, mit
dem Kaiserreich Nicäa angeknüpft. 1231 schickten sie eine Gesandt-
schaft nach derRomania an Johannes Vatatzes, und 1239 bemerken wir ein
Hin- und -Her diplomatischer Missionen, ohne daß wir Bestimmteres über sie
erfahren 2); offenbar suchte Genua den Kaiser von seiner Verbindung mit
Friedrich II. abzuziehen, was aber nicht gelang. Als die Genuesen nach dem
Tode des Herrn von Rhodus, Leo Gabalas, einen Versuch machten, sich
dieser wichtigen Insel zu bemächtigen (1248), trat ihnen Vatatzes kräftig
entgegen und verleibte die Insel 1250 seinen Besitzungen ein. 3)
214. Erst in der Zeit des lateinischen Kaiserreichs hören wir
von einem besonderen proven^alischen Quartier (campus) in Kon-
stantinopel; nicht nur alle Südfranzosen, sondern auch die Katalanen
hatten Anteil an demselben.
Im Jahre 1223 schlössen die Venezianer mit Kaiser Robert eine Kon-
vention bezüglich der Ausübung der Hoheitsrechte gegenüber den in Kon-
stantinopel bestehenden Quartieren der Lateiner ab*); in Ausführung der-
selben vmrden am 20. Februar 1224 ^/g des pro ven galischen Quartiers der
venezianischen Oberhoheit, speziell in richterlicher und finanzieller Bezie-
hung, zugewiesen. An der Ausrüstung jener vier gegen die Genuesen be-
stimmten Kaperschiffe von 1215 sehen wir neben Venezianern, Pisanern und
Anconitanern auch die Provengalen von Konstantinopel beteiligt, und auch
die Verträge, die Genua 1225 und 1232 mit Montpellier und S. Gilles ge-
schlossen hat, setzen den Verkehr von Kaufleuten dieser Städte mit den
*) Lib. Jur. no. 757. Heyd I, 293. Gregorovius F., Geschichte der Stadt Athen
im Mittelalter I, 382 f. Broglio d'Ajano p. 7.
*) Ann. Jan. zu 1231 und 1239. Heyd I, 306. MrjhaQAxrjs 1. c. 284. Manfroni
relazioni 654, 657.
*) Heyd I, 307. Die Gesandtschaft, die 1231 an Vatatzes ging, hatte auch
mit dem Komnenen Michael, dem Despoten von Epirus, in Verbindung zu treten.
Ann. Jan., SS. XVIII, 177.
*) »de facto omnium camporum gentium Latinarum Cop. lis<; Tafel und Tho-
ma.s II, 253, 255. Venezianischer Podestä in Konstantinopel war damals Jacopo
Tiepolo.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 18
274 Zwanzigstes Kapitel. Zeit des lateinischen Kaisertums.
Gebieten der Romania voraus, i) Sehr erheblich kann dieser Verkehr in-
dessen schwerhch gewesen sein, da die uns in so großer Fülle vorliegenden
Handelskontrakte von Marseille aus dieser Zeit auch nicht eine auf solchen
Verkehr bezügliche Nummer enthalten. Wir hören im Frühjahr 1248 zwar
von Beraubungen, die Giraudus Boquerius und andere Marseiller Kaufleute
durch den Genuesen Johannes de Nigra im Meer von Kreta erlitten haben^);
aber es ist wahrscheinHcher, daß sich diese Kaufleute auf dem Wege von
oder nach Syrien befanden, als daß etwa Kreta selbst oder Konstantinopel
als Ziel ihrer Handelsreise anzunehmen wäre. Und wenn wir Mastix ein-
mal auf dem Marseiller Markt in dem beträchtlichen Quantum von 50 Ztr.
den Besitzer wechseln sehen 3), so würde, auch wenn der Verkäufer Mar-
seiller wäre, damit auch noch kein Beweis für den direkten Import dieser
Ware aus Chios oder der Romania überhaupt durch Marseiller Kaufleute
geliefert sein ; im vorliegenden Falle ist der Verkäufer zudem ein Kaufmann
von Piacenza, Jordanus de Chilena.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts konnte die Unmöglichkeit
des Fortbestandes des in sich haltlosen Lateinerreichs am Bosporus
schon entschieden erscheinen ; dem Vertrage von Nymphäum zwischen
Genua und Michael Paläologus (13. März 1261) folgte rasch die Rück-
kehr Konstantinopels unter die Griechenherrschaft.*) Die Handels-
stellung der Lateiner am Goldenen Hern aber war damit keineswegs
erschüttert; ja, mittlerweile hatten sich im Zusammenhange mit der
Ausbreitung des Mongolenreiches für den Handel der Romanen mit
den Küstenländern des Schwarzen Meeres und darüber hinaus mit
Inner- und Ostasien ganz neue Wege und Aussichten eröffnet.^)
1) Heyd I, 295 f. Lib. Jur. I no. 624 u. 694.
*) Amalric no. 23.
8) Ebd. no. 946.
*) Caro I, 105 ff. Heyd I, 428 ff.
») Heyd H, 64 ff., 156 ff., 215 ff.
Abschnitt III:
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den
Sarazenen des Westens.
EinTindzwanzigstes Kapitel.
Handel mit den Sarazenen IN^ord-Afrikas bis zum Ende
der Herrscliaft der Almoraviden.
215. Wenn sich von jedem Seeplatz Italiens aus die mittleren
Teile Nord-Afrikas erreichen ließen, ohne daß der Schiffer irgendwo
das Land völlig aus dem Gesichtskreise zu verlieren brauchte, so lag
doch kein von Romanen bewohntes Gebiet den Sarazenen Nord-Afrikas
näher als der italienische Normann en st aat, der zudem noch durch
seine speziell auf Sizilien in nicht geringer Stärke zurückgebliebene
arabische Bevölkerung auf Handelsbeziehungen mit dem afrikanischen
Gegengestade hingewiesen war. Aber auch die Christen Unter-Italiens
lehnten diesen Verkehr, den einst Amalfi besonders eifrig gepflegt
hatte, keineswegs ab, so oft er auch durch Feindseligkeiten, die bald
von der einen, bald von der anderen Seite kamen, gehemmt und
unterbrochen wurde.
So machte 1105 eine sizilische Flotte einen vergeblichen Angriff auf
El-Mehdia, das die Pisaner 18 Jahre zuvor vorübergehend eingenommen
hatten, 1113 plünderten die Sarazenen Lncanieni), 1118 erschien ein Ge-
sandter Rogers bei dem Emir Ali, um Waren und Gelder zu reklamieren, die
in El-Mehdia beschlagnahmt worden waren — ein deutlicher Beweis für die
bestehenden kommerziellen Beziehungen ; das brüske Auftreten des Gesandten
rief unter den Sarazenen von El-Mehdia eine sehr gereizte Stimmung her-
vor. Die Erneuerung des Friedensvertrages zwischen Roger und dem Be-
herrscher von Kairwan, die 1121 zustande kam, hielt nur für kurze Zeit
*) Hist. de l'Afrique et de l'Espagne, intitul^e Al-Bayano'1-Moghrib, trad. par
E. Fagnan I (Algier 1901), p. 452. Ann. Cavenses, SS. IH, 191.
18*
276 Einundzwanzigstes Kapitel.
vor; denn schon im folgenden Jahre unternahm Abu Abdallah ben Mei-
mün im Dienste des Almoraviden - Herrschers eine Expedition gegen den
Normannenstaat, auf der er Nicotera eroberte und zahlreiche christliche
Sklaven fortführte; ein Rachezug, den Roger 1123, nachdem er jeglichen
Handelsverkehr nach Afrika hin gesperrt, unter Gregor von Antiochien gegen
El-Mehdia richten ließ, scheiterte, i) Aber auch in diesen stürmischen Zeit-
läuften ruhte der Handel nicht. So können wir gerade damals Bürger von
Gaeta und Salerno im Handelsverkehr mit Tunis nachweisen; Petrus Sfa-
gilla von Salerno hatte hier 53 Häute (coria) und 7 Kantär Wachs einge-
kauft und sie dem Petrus diaconus, einem Einwohner von Gaeta, zum Trans-
port nach dieser Stadt übergeben, wo sie aber wegen der damals zwischen
Salerno und Gaeta bestehenden Zwietracht von den Konsuln der Stadt
beschlagnahmt wurden ; nach erfolgter Versöhnung wurde die Beschlagnahme
indes im Jahre 1125 aufgehoben. 2) Zur selben Zeit pflegte das Klosterschiff
von La Cava die afrikanische Küste, speziell El-Mehdia, zum Zweck des
Wareneinkaufs zu besuchen, wie wir aus der von einem Zeitgenossen ver-
faßten Biographie des hl. Constabilis, der 1118 — 1124 Abt des Klosters ge-
wesen, ersehen; der Mönch Johannes, später selbst Abt des Klosters, der
das Schiff auf einer solchen Fahrt nach dem Tode des Constabilis führte,
schrieb die Rettung desselben aus einem furchtbaren Sturm zwischen Sizi-
lien und Afrika und die ungewohnte Milde, mit der der Herrscher von El-
Mehdia die Abfahrt gerade dieses Schiffes gestattet hatte, während er alle
anderen Christen auf das Gerücht von einem neuen gegen ihn bevorstehen-
den Seezuge zurückhielt, der wunderbaren Intervention dieses Heiligen zu. 3)
Mehrfach hören wir auch von einem lebhaften Getreideaustausch, der je
nach der Konjunktur und dem Ausfall der Ernte in beiden Ländern zwischen
Sizilien und Afrika stattfand.*)
Besonders günstige Aussichten schienen sich für den romanischen
Handel zu eröffnen, als es der mächtig um sich greifenden Energie König
Rogers H. gelang, einen erheblichen Teil der Nordküste Afrikas unter seine
Botmäßigkeit zu bringen. Zunächst wurden die an der Küste der Kleinen
Syrte gelegenen Inseln Dscherba (um 1135) und die Gruppe Karkenah er-
obert; im Jahre 1143/44 fiel Sfax, 1146 Tripoli, 2 Jahre später endlich das
schon oft angegriffene El-Mehdia mit Gabes und Susa; alle Seestädte von
den Syrten an bis Bona, das sich um 1152 ergab, gehorchten in der letzten
Zeit Rogers IL, mit alleiniger Ausnahme von Tunis selbst, seinem kraftvollen
Regimente, das zugleich mit Toleranz und weiser Mäßigung vorging, die ge-
wonnenen Orte durch einheimische Gouverneure verwalten ließ und sich
mit einem Tribut begnügte, s) Von Tripoli hebt ein arabisch er Schriftsteller
1) Al-Bayano 1. c. 460 — 462. Ibn el-Athir XLIV, 381. Amari, Musulm. HI,
380 ff., 386. Mas Latrie, Introd. p. 33. Manfroni 183. Caspar 43 ff.
2) Cod. Caiet. n no. 308, p. 227 f., Juli 1195 ; Bescheinigung des Salernitaners
über die Rückgabe. Federici G. B., Degli antichi duchi e consoli o ipati della
cittä di Gaeta. Neapel 1791, p. 488 f., meinte, daß die Stadtkonsuln Gaetas, von
denen in dieser Urkunde die Rede ist, Konsuln der Kaufleute gewesen sein müßten,
und daraus hat man dann wieder gaetanische Konsuln in der Berberei gemacht;
Pardessus in p. LXIII.
») Acta SS , Februar III, p. 45. Mas Latrie, Introd. 34 bezieht den Vorgang
irrtümlich auf Tunis.
") Amari Musulm. III, 188 f , 332, 403, 783. Ibn el-Athir XLV p. 74.
») Al-Bayano 1. c. 469 — 471. Ibn el-Athir XLV p. 71, 74—79, 114. Amari
Musulm, m, 399 ff., 406 ff., 413 ff., 422, 425. Falcandus p. 5. Mas Latrie,
I
4
Handel m. d. Sarazenen Xord-Afrikas bis z. Ende d. Herrschaft d. Almoraviden. 277
selbst hervor, daß es unter Roger von sizilischen und christlichen Schiffen über-
haupt viel besucht wurde und rasch zu neuer Blüte gedieh.^) Wie eng Rogers
Verbindung mit den Sarazenen war, zeigt am besten der Aufenthalt des be-
rühmten Geographen Idrisi am Hofe von Palermo, der um 1100 in Spanien
oder Ceuta geboren war; im Auftrage des Königs schuf er die bekannte
Erdkarte und schrieb zu ihrer Erklärung 1154 sein Werk: »Die Freude des
Reisenden«, das unter den arabischen Gelehrten unter dem Titel : »Das Buch
Rogers« bekannt war und als die bedeutendste Leistung der arabischen Lite-
ratur auf geographischem Gebiete anzusehen ist. 2)
Aber freilich, allzu fest waren die Grundlagen der Normannenherrschaft
in Afrika nicht. Wenn ihr die Erhebung der Almohaden gegen die Almo-
raviden anfänglich wesentlich zustatten gekommen war, so machte gerade
dieselbe neue Macht auch dieser Herrschaft rasch ein Ende, zumal Roger
in Wilhelm I. keinen ebenbürtigen Nachfolger fand. Noch im Todesjahre
Rogers (f Februar 1154) wagten es wieder sarazenische Kriegsschiffe in der
Nähe von Salerno und Neapel zu plündern s); 1156 begann der Aufstand
mit der Erhebung von Sfax, und am Ende des Jahrzehnts fegte der Er-
oberer Abd-el-Mumen in raschem Siegeszuge die sizilische Herrschaft vom
afrikanischen Boden wieder hinweg; nur El-Mehdia hatte einen längeren
Widersta,nd geleistet, mußte aber auch im Januar 1160 gegen freien Abzug
der Besatzung nach Sizilien kapitulieren. *) Ganz Nord-Afrika bis zum Pla-
teau von Barka war in der Hand des siegreichen Almohaden ; vereinzelte
glückliche Unternehmungen der Normannen vermochten an diesem Ergebnis
nichts mehr zu ändern. 0)
216. Von den Beziehungen Pisas zu dem Herrschergeschlecht
der Almoraviden haben wir nur eine, allerdings sehr bedeutsame
Nachricht, die uns beweist, wie groß das Ansehen der Arnostadt bei
den Sarazenen des Westens war: im Sommer 1133 erschienen auf
zwei Kriegsschiffen die Gesandten des Sultans von Marokko, Jahya,
des Sohnes des El-Aziz, und seiner Vasallen, des »Königs« von Tlemsen
und des Kaid Maimun (Mohammed-ibn-Meimün) von Alrneria, in Pisa
und schlössen am 2. Juli mit der Seestadt einen Friedens- und Freund-
schaf tsvertrag auf zehn Jahre ab.^)
Besonders eifrig aber pflegten die Pisaner in dieser Zeit schon
den Handel mit Tunis.
Introd. 42 f. Manfroni 198 f. Caspar 415 ff. In Urkunden von 1157 und 1158 nennt
sich Eoger sogar König von Sizilien, Italien und Afrika; Gregorio I, 232; prove
p. 84.
») Ihn el-Athir XLV, 78.
») Amari 1. c. 452, 454 ff., 662 ff. Flückiger 1062. Brockelmann, Geschichte
der arabischen Literatur I, 477. Caspar 449 ff.
^) Aussage des Medica Coffus bei Camera II, 545. Siragusa I, 47.
*) Al-Bayano p. 476 f. Ibn el-Athir XLV p. 116 ff, 122 ff. Amari Musulm.
in, 468, 471 ff. Siragusa I, 56 f., 81 ff., 91. Manfroni 223 f. ; 225 über den Bericht
des Falcandus p. 24 ff. Romuald Sal., SS. XIX, 429. Mas Latrie, Introd. 45 f.
*) Plünderung von Susa 1163; Einnahme von El-Mehdia im Jahre 573
(29. Juni 1177 beginnend) der Hidschret, das aber sogleich wieder verloren ging.
Al-Bayano 1. c. 477.
*) Ann. pis. des Bern. Marago zu 1134 (calc. pis.); Heyd, Afrika p. 622 irrig:
1134. Mas Latrie, Introd. p. 36 identifiziert den Kaid unrichtig, indem er an den
Emir der Balearen denkt. Manfroni 194.
278 Einundzwanzigstes Kapitel.
Diesem Verkehr entstammt auch das älteste erhaltene Privileg (10. Juli
1157), das ein sarazenischer Staat in Nord- Afrika (von Ägypten abgesehen)
einer christhchen Stadt verliehen hat. i) Es hat die Form eines Briefes des
Herrschers aus dem Hause der in Tunis damals noch regierenden Beni-
Khorasan, des Abu- Abdallah Ibn-Abd-el-Aziz, der zunächst die Freundschaft,
die beide Staaten seit alter Zeit verband, hervorhebt und den Freunden mit-
teilt, daß Gott ihn und sein Land glücklich aus den Händen der Almo-
haden errettet habe. Den besonderen Anlaß hatte der Umstand gegeben,
daß ein ägyptisches Kriegsschiff, das in den tunesischen Häfen Aufnahme
gefunden, in den Gewässern von Tunis ein pisanisches Handelsschiff über-
fallen und beraubt und einen Teil der auf demselben vorgefundenen Pisaner
in tunesischem Gebiet als Sklaven verkauft hatte. Dem pisanischen Ge-
sandten Moimo2) gegenüber brachte der König allerlei Entschuldigungen
vor; schließlich versprach er, in Zukunft kein fremdes Kriegsschiff mehr
aufzunehmen, das nicht volle Sicherheit dafür gebe, keinen Pisaner zu schä-
digen; ferner wollte er, wo immer in seinem Gebiet ein Pisaner oder wer
sich zu den Pisanern rechne 3), als Gefangener gehalten werde, sofort nach
Benachrichtigung durch ein amtHches Schreiben der pisanischen Regierung
oder auf den mündlichen Vortrag angesehener Pisaner (per bonos homines
civitatis pisane) für die Befreiung desselben, nötigenfalls durch Loskauf,
und seine Beförderung nach Pisa Sorge tragen. Das gleiche versprachen
übrigens auch die Pisaner bezüglich gefangener Tunesen in ihrem Gebiete.
Ln Anschluß daran gewährte der König eine teilweise Erleichterung der
Handelsabgaben : importierte Waren, die unverkauft wieder zur Ausfuhr ge-
langten, wurden von dem Wertzoll von 10% befreit; die an den Zollstätten
pro Sack Getreide übliche Naturalabgabe, wonach der Zollbeamte sich
soviel aneignen durfte, als er 5 mal mit beiden Händen fassen konnte (per
singulos saccos hiomellas 5), wurde auf 4 Handvoll (quod pugno quater po-
terit comprehendi) herabgesetzt; vor allem aber wurde die Ausfuhr des
für die hochentwickelte pisanische Lederindustrie wichtigen Alaun, von
dem bisher 38 Vs miliarenses pro Kantär zu entrichten waren, für zollfrei
erklärt. Endlich versprach der König noch, daß die pisanischen Kaufleute
einschließhch ihrer Angehörigen und ihres Personals, die sich in dem Ge-
biet zwischen der Stadtmauer und den Häusern von Tunis aufhielten, mit
aller Rücksicht behandelt werden sollten — es bestand also damals schop
eine ständige Handelsniederlassung von Pisanern in Tunis.
Ob dies pisanische Privileg in vollem Umfange lange in Wirksamkeit
blieb, steht dahin; schon nach 2 Jahren mußte Ali, Abdallahs Neffe und
Nachfolger, dem siegreichen Almohaden die Tore von Tunis öffnen.
217. Die älteste Kunde, die wir von den Beziehungen der Ge-
nuesen zu den Sarazenen Nord-Afrikas in dieser Zeit besitzen, be-
trifft einen Seezug, den sie 1136 mit 12 Galeeren gegen Bugia unter-
nahmen; ein großes, reichbeladenes Schiff, das sie als willkommene
Prise nach Genua führten, brachte jeder Galeere einen Beuteanteil
*) Amari p. 1 und 255. Mas Latrie, Doc. p. 23 und Introd. p. 37. Bonaini,
Suppl. p. 34.
*) Die arabische Ausfertigung nennt ihn Abu-Tamim Meimün, Wilhelms Sohn ;
wahrscheinlich war er also sarazenischer Abkunft und sicher beider Sprachen mächtig.
') >qui se Pisanum esse proflteatur.«
Handel m. d. Sarazenen Nord-Afrikas bis z. Ende d. Herrschaft d. Almoraviden. 279
von 700 1. Jan. ein.^) Zwei Jahre darauf enthüllt sich uns Genua als
Schutzmacht der Seestädte der Provence gegenüber den Sarazenen,
unter denen sie einst so furchtbar zu leiden gehabt hatten.
In den Friedensvertrag, den Genua damals mit dem Almoraviden-
herrscher auf zehn Jahre schloß, ließ es auch die Bewohner der provengali-
schen Seestädte Marseille, Fos, Hyeres, Frejus sowie den Herrn von Antibes
und seine Leute einbeziehen und sicherte ihnen seinen Schutz gegen einen
etwaigen Friedensbruch zu. Dafür ließ es sich seinerseits im Juli 1138 von
den genannten Seeplätzen einen Friedens- und Sicherheitseid leisten 2), in
dem sie u. a. versprachen, den Frieden mit Marokko zehn Jahre lang sorg-
fältig zu halten und die Sicherheit von Person und Eigentum der Unter-
tanen Marokkos zu Wasser und zu Lande zu respektieren, auch, falls in
ihrem Gebiet ein Korsarenschiif gegen die Sarazenen ausgerüstet werden
sollte, die Bemannung vor dem Auslaufen schwören zu lassen, die Unter-
tanen des Königs von Marokko keinenfalls zu schädigen. FaUs Genua er-
wirkte, daß Marokko ihnen auch nach Ablauf der zehn Jahre den Frieden
hielt, oder wenn Genua ihre Verteidigung gegen Marokko auch weiterhin
übernahm, so blieben die genannten Gemeinden so lange zu den von ihnen
übernommenen Leistungen verpflichtet, als Genua seiner Schutzpflicht nach-
kam. 3) Es ist also ein vollständiges Protektorat, das Genua über die See-
städte der Provence ausübt, von deren Beziehungen zu Nord-Afrika wir in
dieser Zeit sonst keinerlei Kunde haben, — ein Protektorat, das uns zugleich
auf die engen Beziehungen hinweist, in denen Genua zu dem Sultan von
Marokko damals gestanden haben muß. Die Herrschaft der Almoraviden
freilich ging ihrer Auflösung mit raschen Schritten entgegen ; ihr letzter Sul-
tan, aus Marokko vertrieben, kam bei der Verteidigung von Orän 1147 um;
der Almohade Abd-el-Mumen unterwarf Tlemsen und Algier, machte schon
1152 auch der selbständigen Herrschaft, die vor mehr als 140 Jahren Ham-
mad in Bugia begründet hatte, ein Ende und wurde bis zum Ende des Jahr-
zehnts Herr von ganz Nord-Afrika.
^) Ann. genovesi I p. 28.
*) Der Eid von Marseille Chart. II no. 182, danach bei Mas Latrie, Docum.
p. 88 (unrichtig bemerkt er Introduction p. 37, daß Genua den Marseillern seine
Hilfe versprochen hätte, >ä nögocier un traitö direct avec le roi de Maroe«); am
besten, hier auch mit dem sonst fehlenden Monatsdatum Lib. Jur. I no. 45. An
dieser Stelle auch die übrigen von Mas Latrie übersehenen Eide no. 41 — 44 (die
Langer S. 17 irrig zu 1137 ansetzt und ohne jeden Zusammenhang mit dem Ver-
trage mit Marseille erwähnt).
*•) Si vero ultra 10 annos a Saracenis Regis Murochi pacem nobis teuere fe-
cerint vel nos defendere dicent, quae supra diximus, observabimus.
280 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Handel der Mittelmeer-ßomanen mit den Sarazenen
Nord-AMkas zur Zeit der Almoliaden
bis zur Mitte des 13. Jalirliunderts.
218. Obwohl dem Stamme der Almoliaden der Ruf besonderer
Wildheit voraufging, gelang es den italienischen Seestädten doch
ziemlich leicht, auch mit ihrem Reiche in gute Handelsbeziehungen
zu treten. Zuerst taten es die Genuesen, veranlaßt, wie es scheint,
dadurch, daß 1152 das für den abendländischen Handel damals be-
sonders wichtige Bugia erobert worden war.
Ihre Annalen wissen zu berichten, daß es schon 1154 zum Abschluß
eines Vertrages mit der barbara gens quae vocabatur Mussemutorum (von
Masmuda) gekommen sei, der freilich noch im selben Jahre in Frage ge-
stellt wurde. 1) Ein großer von Ägypten kommender genuesischer Kauffahrer
wurde bei Sardinien von neun almohadischen Galeeren angesprochen, wo
er beheimatet wäre. Die Genuesen empfanden das als Insolenz, griffen
kühn die Galeeren an und töteten viele Sarazenen ; schließlich aber erlagen
sie der Übermacht und wurden fast sämtlich getötet. Zu spät erkannten
die Sieger, mit wem sie es zu tun gehabt; von Reue erfaßt, schickten sie
das Schiff mit seiner ganzen Ladung durch Vermittelung des Judex von
Cagliari den Genuesen zurück.
Als Abd-el-Mumen am Ende des Jahres 1160' als nunmehriger alleiniger
Beherrscher ganz Nord- Afrikas vom Atlantischen Ozean bis zur Großen Syrte
nach Marokko zurückgekehrt war, beschloß man in Genua eine solenne Ge-
sandtschaft an den mächtigen Herrscher zu senden, die im Frühjahr oder
Sommer 1161 unter Führung des in Genua hochangesehenen, in Handels-
sachen wohl erfahrenen Ottobonus de Albericis Genua verließ. 2) In allen
Ländern der Almohaden, die er berührte, mit großen Ehren aufgenommen,
erwirkte er in Marokko in dem auf 15 Jahre geschlossenen Vertrage die
Zusicherung voller Sicherheit aller Genuesen mit ihren Waren im gesamten
Machtbereich Abd-el-Mumens zu Wasser und zu Lande sowie die allgemeine
Herabsetzung des von ihnen zu entrichtenden Wertzolls von 10 auf 8%;
^) Ann. genov. I, 39 f. Mas Latrie, Introd. p. 41 f.
*) Ann. genov. I, 62 zu 1161. Caifaro nennt ihn hier Otto Bonus Nuvoloni
frater, nobilis et sapiens vir. Die Geschlechtszugehörigkeit ergibt sich besonders
deutlich aus Chart. 11 no. 621 (28. Juni 1158), wo Ottobonus de Albericis ein Sce-
darlehn nach Sizilien gibt und Nuvolonus de Albericis als erster Zeuge fungiert.
Mas Latrie rechnet ihn zu der edlen Familie de Camilla; in Wahrheit aber war
ein Angehöriger dieser Familie, Angelerius de Camilla, Schwiegersohn des Nuvolo-
nus. Die Zeit der Gesandtschaft wird etwas näher dadurch bestimmt, daß beide
Brüder, die häufig in enger Gemeinschaft miteinander auftreten, am 23. Februar
1161 noch nebeneinander in Genua nachweisbar sind (Chart. II no 1021), während
Nuvolonus am 12. August als Bevollmächtigter seines Bruders handelt (no. 1091).
Mas Latrie (Doc. p. 108) setzt die Gesandtschaft irrig in das Jahr 1160; auch hat
er nach der schlechten Ausgabe Caffaros bei Muratori den Namen Nicolini statt
Nuvoloni und (bezüglich Bugias) quartam statt quintum, was um so wunderbarer
ist, als er die richtigen Lesarten nach dem Pariser Cod. kennt.
Handel mit den Sarazenen Nord- Afrikas zur Zeit der Alraohaden. 281
nur in Bugia, wo bisher schon 1/5 des Zehntens an die Gemeinde Genua
zurückgefallen war, sollte es beim alten bleiben, da ja die Duane hier tat-
sächlich schon nur 8% bezog und Genua offenbar auf die ihm hier zu-
stehende Einnahme nicht verzichten wollte. Zwei Jahre nach Gewährung
dieses Privilegs, im Mai oder Juni 1163, ist Abd-el-Mumen in seiner Haupt-
stadt Saleh an der Westküste Marokkos gestorben.
219. Es ist diese interessante Zeit des mächtigen Aufschwunges der
Almohaden, für die wir durch das Notularium des Johannes Scriba einen
wertvollen Einblick in die Handelstätigkeit der Genuesen in dem
weiten Gebiete Nord-Afrikas vom Ozean bis zu den Syrten erhalten
Das Stammland der Almohaden, Marokko, erscheint als Ziel genuesi- ,
scher Handelsfahrten in diesen Akten nicht weniger als 31 mal. Dabei be-
ziehen sich alle diese Urkunden nur auf die Zeit von 1160 bis 1164. Als
wichtigster, schon wegen seiner Lage von den Abendländern bevorzugter
Handelsplatz erscheint Genta (Septa, Seta)i), das in unseren Akten 21 mal
begegnet, darunter mit vier Fällen gleich im ersten Jahre. Den ersten dieser
Verträge schließt Obertus Spinola am 11. Juli 1160 mit Wilhelm Fischaug
(Oculus Piscis) ab^); dieser verspricht mit dem Gesellschaftskapital von 501.
Jan. »laboratum apudSetam« zu gehen; die Rückreise soll nach Genua oder
der Provence erfolgen oder Avohin sonst das Schiff nach Mehrheitsbeschluß
der Mitreisenden fahren würde. Falls Bonusvassallus de Mastaro , der
ebenfalls mitreist, seine Zustimmung dazu gibt, darf er unterwegs mit dem
Gesellschaftskapital noch weitere Sozietätsverträge eingehen; im übrigen
soll er für Handelsgeschäfte bezüglich seiner Rückreise an briefliche Wei-
sungen, soweit ihn solche erreichten, gebunden sein. Die anderen drei
Kontrakte dieses ersten Jahres rühren aus dem September her^), und es
ist bemerkenswert, daß wir in einem derselben dem Nuvolonus, dem Bruder
des Gesandten von 1161, begegnen, der demThebald von Savona für die Fahrt
nach Genta »et quo major pars sociorum concordaverit« 80 1. jan. anver-
traut, die seinem Schwiegersohn Angelerius gehörten. Im folgenden Jahre,
dem Jahre der Gesandtschaftsreise des Ottobonus, ist eine ganze Reihe von
Verträgen für die gleiche Fahrt ebenfalls im September abgeschlossen
worden ; wir lernen aus ihnen die Schiffe des Tantus und Nicola Aguxinus
als an der Fahrt beteiligt kennen und erfahren, daß ihre Rückkehr für
den folgenden Sommer in Aussicht genommen war. ■*) Ich hebe unter diesen
Verträgen nur den hervor, den Bonus Johannes Malfuaster am 21. Sept.
1161 mit Ribaldus de Costa abschloß ; während dieser als tractator wie üb-
lich die Hälfte beitrug, legte er 62 1. 2 sol. ein und vertraute seinen Sohn
mit einem Kapital von 33 1., das besonders zu verwalten war, der Fürsorge
und dem Rate des Ribaldus an. Auch sei erwähnt, daß Guilelmus Buronus
und Ido Mallonus gelegentlich einer anderen Abmachung erklären, bei Gui-
lelmus Ehe in Genta 6 1. jan. stehen zu habend), was auf dauernde An-
wesenheit von genuesischen Geschäftsleuten an diesem Platze schließen läßt.
*) Über Ceuta vgl. L'Afrique septentr. au Xlle siecle de notre ere d'apres le
Kitab-el-Istibqar, trad. par E. Fagnan. Constantine 1900 (Reo. des Notices et möm.
de la Sog. archöol. du döp. de Constantine; annee 1899) p. 47 f.
=*) Chart. II no. 911.
3) No. 980 (für a presetam ist aput setam zu lesen), 984, 988.
*) No. 1103. Im übrigen vgl. no. 1117—1119.
») No. 1127, 1115.
282 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Ceuta war indessen nicht immer der Endpunkt dieser Handelsfahrten ;
die Genuesen fuhren auch über die Straße von Gibraltar hinaus nach der
Westküste Marokkos. Saleh ^), die blühende Residenz des Sultans, einst die
südwesthchste Stadt des römischen Kaiserreichs, rechts von der Mündung
des Bu Regreg gelegen, in den die Handelsschiffe mit der Flut einzufahren
pflegten, erscheint in einer ganzen Reihe von Fällen als das Hauptziel ge-
nuesischer Geschäftsspekulationen ; von hier aus war Fez in vier Tagereisen
zu erreichen. Es ist sicher nicht ganz zufällig, daß der erste der Gesell-
schaftsverträge, der Saleh ausdrücklich als Ziel nennt, von dem Gesandten
des Jahres 1161 abgeschlossen ist; am 13. Juni 1162 hat Ottobonus dem
Lanfrancus Pes Caballi Waren im Wert von 50 1. jan. für die Fahrt nach
Saleh und weiter, wohin es ihn gut dünken würde, übergeben, während er
für eine andere Commenda von 40 arabischen Goldstücken (messemutini)
und Waren im Werte von 18 1. 8I/3 sol., die er am 22. Juli dem Bonus
Johannes Bucius anvertraute, als Reiseroute Ceuta und zurück vorschrieb. 2)
Während diese Fahrt wohl Ende Juli oder Anfang August angetreten wurde,
ging ein anderes Schiff noch im Oktober dieses Jahres nach Ceuta ab. 3)
Im Jahre 1163 erscheint Saleh in unseren Akten als das Hauptziel
der Marokkofahrt, auf das sich zehn in dem kurzen Zeitraum vom 15. bis
26. September aufgenommene Verträge beziehen. Selbstverständlich wurde
Ceuta unterwegs angelaufen, und auch an der Westküste Marokkos wird
Saleh schwerlich der einzige Platz geblieben sein, der von den Genuesen
auf dieser Reise besucht wurde. Darauf deutet bei der Bezeichnung des
Reiseziels einmal der mehrfach sich findende Beisatz : »Säle aut quo iverit«,
zweitens der Umstand, daß das spezielle »Säle« öfter mit dem allgemeinen
»Gharb« (= Marokko) wechselt, und zwar ohne daß etwa an ein anderes Reise-
ziel gedacht werden könnte, da beide Bezeichnungen für die Fahrt mit ein
und demselben Schiffe gebraucht werden. 4) Zwei Schiffe können wir für
die Marokkofahrt dieses Herbstes nachweisen, das des Marchio Englesii,
auf das sich indessen nur ein Vertrag in unseren Akten bezieht 5), und das
des Rufinus. An der Fahrt des letzteren finden wir u. a. wiederum Otto-
bonus und seine Sippe interessiert; als sein Bevollmächtigter übergab Nuvo-
lonus diesmal seinem Sozius vom vorhergehenden Jahre, Lanfrancus, den
doppelten Betrag (100 1. jan.) in Commenda, und Rainaldus Strugno erhielt
von Angelerius de Camilla 105 1. 17 sol. in Waren und 47 Goldstücke (ma-
rabutinos) anvertraut, während dieser zusammen mit seinem Schwiegervater
^) Über seine Lage und die des phönizischen Sala sowie über die heutige
Doppelstadt Saleh-Rabat vgl. Fischer Th., Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise
im Atlas- Vorlande von Marokko (1899). Erg.-Heft no. 133 der Petermannschen Mit-
teilungen. Gotha 1900, S. 38 f., 44, 48 f. und Tafel 4 ; dazu Edrisi, Afrique et Esp.
p. 83, 86. Kitab-el-Istib9ar 1. c. 52 f.
'^) No. 1165, 1171. Vgl. no. 1172 u. 1174 (wo für sextam zu lesen ist septam).
3) No. 1192/93 (3. Oktober).
*) No. 1319: >quas in navi Rufini portat in Garbo«, und no. 1338: »in navi
Rufini . . . apud Säle vel quo ierit.« Damit ist auch die Bedeutung, die man spe-
ziell in Genua damals mit dem Begriff »Garbum« verband, festgestellt. An sich
bezeichnet der Ausdruck ja nur das lAbendland* des Islam; in den Landschafts-
namen El Gharb (nordwestlich von Fez) und Algarve (Südprovinz von Portugal) hat
er sich lokalisiert bis heute erhalten. Daß die von den Italienern eingeführte Wolle
aus Algarve kam, wie Schulte I, 129 annahm, hat er mittlerweile selbst berichtigt
(Garbo und Florenz in Z. f. Staatsw. 58, 1902 p. 39—47).
6) No. 1314.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 283
versprach, die Waren, die Rainald in Genua zurückließ oder noch zu
erwarten hatte, in Verwahrung zu nehmen und bestens für ihn zu ver-
werten. 1)
Auch für das folgende Jahr 1164 enthalten unsere Akten, obwohl sie
den September nicht mehr mit umfassen, noch einige Daten für die Ma-
rokkofahrt. So führt Martinus de Mari nach einem Vertrage vom 4. August
ein Kapital von 120 l.jan. für die bevorstehende Geschäftsreise »apud Sep-
tam et quo maluerit« mit sich; am 8. August wird ein Seedarlehn für die
Fahrt nach Tunis oder dem Gharb und zurück aufgenommen, und ein Ver-
trag vom 10. August über eine Handelsfahrt nach Alexandrien läßt für die
Rückreise die Wahl zwischen den Zielen : Bugia, Ceuta, dem Gharb und
Spanien offen. 2) Zur Ergänzung dieser Nachrichten kann es dienen, daß
noch im selben Jahre ein von Ceuta kommendes genuesisches Schiff bei
Asinaria (nordwestlich von Sardinien) Schiffbruch litt und von den Pisanern
aufgebracht wurde, während in den beiden folgenden Jahren drei »de Garbo«
kommende genuesische Schiffe einzeln eine Beute der Pisaner wurden ;
zwei davon wurden an der Küste von Süd-Frankreich abgefangen, das dritte
wurde super caput Albi gekapert 3) ; mit einem fast gleichzeitig erbeuteten
Schiff, das die Genuesen mit Waren nach Sardinien gesandt, repräsentierte
es einen Wert von über 8000 1. pis. Genua befand sich ja seit 1162 im
Kriegszustand mit Pisa, und es verdient bemerkt zu werden, daß der Handel
mit den Sarazenen des Westens trotzdem seinen Fortgang nahm, ja gerade
in dieser Zeit erst recht aufblühte, während der Levantehandel in den beiden
ersten Kriegsjahren den Genuesen von ihrer Regierung verboten wurde.
220. So wertvoll uns die Akten des Johannes Scriba für die Kenntnis
der genuesischen Marokkofahrten dieser Zeit sind, über die Waren, die den
Gegenstand dieses Handels bildeten, erhalten wir nur unzureichenden Auf-
schluß. Nach Ceuta (und ev. weiter) gehen im Sommer 1162 zehn Zentner
Kupfer, deren Wert einschließlich der Fracht auf 16 V2 1- ja^n. taxiert wird;
ebendahin zur selben Zeit als Commenda des Ottobonus 28 1/2 Scheffel (minae)
fegie*) (?). Im Herbst 1160 führt Botarolius neben anderen Waren vier
Teppiche von Bagdad (panni deBagadello) in Commenda mit sich
nach Ceuta, während im folgenden Jahre der Reeder Tantus dem Mitrei-
senden Ugo Lupi für ein Seedarlehn, das er ihm in Ceuta mit 300 bizantii
messemutini zu erstatten hatte, 10 Pfund S a f r a n , II/2 Unzen Moschus und
ein Quantum Perlen als Pfand bestellte. Die mit 100 1. jan. bewertete
Commenda, die Guilelmus Licius im Herbst 1163 neben eigenen Waren von
Wilelmus Filardi zum Transport nach Saleh übernahm, bestand außer aus
Safran noch aus Gummilack, Salmiak (nixadra) und Auripigment.^)
Unter den abendländischen Exportartikeln begegnen wir also auch hier
neben Metallen dem hochbewerteten und leicht zu transportierenden Safran ;
daneben aber sehen wir die Waren der Levante bei diesem Handel der Ge-
nuesen eine sehr bemerkenswerte Rolle spielen.
Über die aus Marokko zur Ausfuhr gelangenden W^aren gibt uns das
Notularium nur eine einzige Notiz; am 15. August 1164 wird erwähnt, daß
») No. 1331, 1319—1321, 1333. Außerdem no. 1329, 1334, 1338, 1312.
2) No. 1475, 1485, 1487.
') Ann. genov. I, 170 ; ann. pis., SS. XIX, 253 f. Capalbi lag im NW. Sardiniens.
*) Chart. U no. 1172, 1171. ») Ib. no. 980, 1124, 1312. Nixadra ist jedenfalls
das arabische nüchädar, das huxader in Serapions Lib. de simplici medicina ; Journ.
asiat., 8. 10, V (1905), 539.
284 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
bei Ansaldo Ite 2V2 Zentner Indigo vonCeuta lagerten i); aber ist unsere
Quelle hier auch stumm, so dürfen wir doch mit Sicherheit annehmen, daß
die Produkte der Viehzucht, Häute, FeUe und Wolle, den Hauptteil dieser
Ausfuhr gebildet haben werden.
221. Häufiger noch als Ceuta erscheint im Notularium des Johannes
der Handelsplatz Bugia, dessen damalige Bedeutung 2) der des heutigen
Algier, von dem es etwa 25 Meilen östlich liegt, entsprach; von En-Nacer
1067 gegründet, war es 1090 zur Hauptstadt der Hammaditen erhoben worden.
Nur 120 Meilen in direkter Linie über See von Genua entfernt, war kein
nennenswerter Hafen Nord-Afrikas von hier aus rascher und leichter zu erreichen
als dieser, zumal während eines langen Teiles der Fahrt die Inseln Korsika
imd Sardinien in geringer Entfernung blieben. Von den 36 Nummern, die
sich über die Jahre 1156 — 1164 verteilen, hebe ich hauptsächlich diejenigen
heraus, die bestimmtere Angaben über den Warenaustausch enthalten.
Unter den Artikeln, die die Genuesen nach Bugia exportierten, wird
am häufigsten Baumwolle erwähnt, die jedenfalls überwiegend aus Sizilien
kam. Im Herbst 1158 führt Lambertus de Balneo 53^/4 1. jan. seines Sozius
Wilelmus de Rufino mit sich, die »in bombacis« angelegt sind, und zur selben
Zeit schließt Raimund von Nervi für seine Handelsreise nach Bugia mit
Ismael und Surleon eine Handelsgesellschaft, bei der diese 13, er selbst
7 Sack Baumwolle einlegen. s) Flachs exportierte im Sommer 1161 An-
fossus Nata nach Bugia^); außer seinem eigenen Anteil führte er 40 seinem
Verwandten Blancardus gehörige »chilmas lini« mit sich; den Erlös aus seinem
eignen Flachse hatte er mit dem doppelten Betrage aus dem Erlöse des
Blancardschen Flachses zu einem Gesellschaftskapital zu vereinigen und sich
beim Wareneinkauf an den Beirat des Bonus Johannes, der Sozius Blancards
in Bugia war, zu halten. Den Überschuß aus dem Erlöse der Ware Blan-
cards hatte er abgesondert anzulegen.
Außer diesen Rohstoffen finden wir im Jahre 1164 einen Betrag von
44 1. in Garnstoffen (in c a n a p i c i i s), die nach Bugia gingen, angelegt ; und
am 16. April 1161 übergibt Wilelmus Mallonus dem Bonus Johannes Ler-
carius zum Verkaufe in Bugia 10 Stück spanischer Leinwand (detelalspa-
n i e) in Länge von 43 Ellen sowie 94 Pfund Seide, die zusammen auf 32 1.
jan. Wert geschätzt wurden. 0) Als im Sommer 1164 Bonus Johannes als
Zollschreiber nach Bugia ging, legte er 21 1, 8 sol. jan. in silbernen Gefäßen
(in enapis argenteis) an, die er daselbst zu verwerten gedachte; gleich-
zeitig nahm er von Wilelmus Ventus 6 Zentner 85 Pfund Pfeffer zum Ver-
kaufe in Bugia mit; als Entgelt für seine Mühe durfte er sich von dem Er-
löse des Pfeffers die gleichen Gewinnprozente zurückbehalten, wie er sie
von seiner eigenen Anlage erzielen würde. Außerdem hatte er 15^/2 By-
zantien abzusondern und zum Nutzen des Johannes Scriba (also unseres No-
tars selbst) anzulegen. ^) Pfeffer begegnet noch ein zweites Mal in einer Com-
menda für Bugia von 25 1. 11 V2 sol., die außerdem noch in Azurblau (azurio),
Röhrenkassie (caxia fistula) und Muskatnüssen angelegt war.'^)
1) Nr. 1497.
2) Edrlsi, Afrique p. 104 f. Kitab-eMstib9ar 1. c. p. 35 f.
3) Chart, n no. 778 und 779 (13. Oktober); weiteres Beispiel 826.
*) No. 1065 (10. Juli).
») No. 1443 (30. Juni) ; 1031.
*) >pro alfanetis (?) eins quas habuit ipse W.« ; no. 1436 (23. Juni).
') No. 778.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 285
So begegnen wir also auch hier nicht selten Waren, die aus der Le-
vante oder dem arabischen Spanien kamen und den Umweg über Genua
machten, um nach Bugia zu gelangen ; andererseits vermittelten genuesische
Kaufleute in großem Umfange den Handelsverkehr zwischen Bugia und dem
nahen Sizilien.
Unter den Artikeln, die von Bugia aus in Genua eingeführt wurden,
treten uns Alaun, Kalb- und Schafleder, Wachs und Gold entgegen. Der
Erlös jener aus spanischer Leinwand und Seide bestehenden Commenda
sollte, je nachdem am meisten Gewinn zu erzielen war, in Wachs, Alaun
oder Gold angelegt werden i); und als der neuernannte Zollschreiber von
Bugia im Sommer 1164 Genua verließ, lagerten daselbst als Eigentum der
Handelsgesellschaft, die er mit Blancard hatte, noch 107 2/3 Kantar Alaun
sowie feines Kalbs- und Schafleder (de becunis) im Werte von 19 1. 8 sol.
1 den. Blancard schoß auf diese Waren 148 1. 13 sol. vor; dieser Betrag,
auf 200 1. ergänzt, bildete nun das neue Kapital der Gesellschaft, das der
Zollschreiber ganz nach seinem Ermessen in Bugia zu Handelszwecken zu
verwerten hatte. 2)
Dieser »scriba Buzee« Bonus Johannes ist der erste abendländische Funk-
tionär, den wir in einem sarazenischen Lande mit Namen nachweisen können.
Aus späterer Zeit wissen wir, daß die Sarazenen an den Duanen größerer
Handelsplätze Sekretäre der christlichen Handelsnationen zuließen, deren
Aufgabe es war, den Geschäftsverkehr am Zoll zu überwachen und ihre
Landsleute vor Übervorteilungen zu schützen ; in Bugia war das Vorhanden-
sein eines solchen Beamten schon deshalb erforderlich, weil hier 1/5 des von
den Genuesen zu entrichtenden Wertzolls für die Kommune Genua erhoben
wurde. Kein Zweifel, daß die scribania Buzee mit ihren besonderen Ein-
künften und diesem Anteil am Zollertrage verpachtet war ; die Stelle mochte
um so begehrenswerter erscheinen, als der Zollschreiber, wie wir gesehen
haben, seinen eigenen Handelsgeschäften 3) dabei nachgehen durfte, bei denen
ihm seine amtliche Stellung wesentlich zustatten kommen mußte.
Daß Bugia auch von Alexandrien und Syrien her direkt von genuesi-
schen Schiffen besucht wurde, wissen wir schon ; wenn es sich lohnte, Pfeffer
von Genua aus nach Bugia zu importieren, so mußte der direkte Import
sich noch weit gewinnbringender gestalten. Nach der Natur der Akten, aus
denen wir unsere Kenntnis schöpfen, können wir von diesem Zwischenhandel
nur zufälhg und gelegentlich eine Kunde erwarten. Auch von westlich
gelegenen Plätzen aus kamen genuesische Schiffe nach Bugia; ein Fall dieser
Art ist uns für die Insel Iviza bezeugt.^)
222. Erheblich seltener als Bugia begegnet Tunis in unseren Akten,
nur mit 19 Nummern, von denen 7 auf die letzte Zeit der Beni - Khorasan
entfallen, die im Jahre 1159 dem Eroberer Abd-el-Mumen weichen mußten.
Von diesen 7 betreffen 4 die Aufbringung eines Lösegeldes von etwa 80 By-
zantien, das für die Genuesen Drudo und Bonus Johannes Sagonis verlangt
wurde, die in Tunis, wir wissen nicht aus welchem Grunde, gefangen gehalten
>) No. 1031.
2) No. 1440 (28. Juni).
') Auch der scriba Ogerius iiatte ihm in Genua eine Commenda von 10 1.
Jan. übergeben und es ganz seinem Ermessen überlassen, ihm aus dem Ertrage
derselben von Bugia aus Waren zu übersenden oder sie zu weiterer Verwertung
bis zu seiner Rückkehr zu behalten. No. 1433 (19. Juni 1164).
*) No. 1487, 484 ; 1296.
286 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
wurden; verschiedene Personen verbürgen sich im Mai 1156 dafür, dem
Bonifacius de Segnorando, wenn er die Auslösung in Tunis bewirkte, be-
stimmte Anteile der Entschädigungssumme nach seiner Rückkehr mit 10 sol.
Jan. auf den Byzantius zu ersetzen. Derselbe Bonifacius ist auch im fol-
genden Jahre mit einem Gesellschaftskapitale von 224 1. jan. nach Tunis
gegangen, i)
Die Umwälzung scheint dann eine fast vollständige Stockung des ohne-
hin damals nicht sehr belangreichen Verkehrs der Genuesen mit Tunis her-
beigeführt zu haben; aus den drei Jahren 1159 — 1161 bezieht sich nur ein
Vertrag auf diesen Verkehr. 2) Erst infolge der glücklichen Mission des
Ottobonus trat hierin ein Wandel ein, so daß für die Jahre 1162 — 1164 noch
elf den Handel mit Tunis betreffende Verträge zu verzeichnen sind. Be-
merkenswert ist unter ihnen besonders eine Commenda von Indigo im
Werte von 35 1., die Obertus von Lucca aus dem Kapital der Gesellschaft,
die er mit Bartolomeus Ususmaris hatte, dem Reeder Bonifacius CoUo im
Herbst 1162 für die Fahrt nach Tunis anvertraute, und eine andere im Werte
von 41 1. 6 sol. jan. vom Oktober 1163, die in Seide und Papyrus (in seta et
papiris) bestand, in Artikeln also, die wohl beide aus Spanien kamen.^)
Für die östlich von Tunis gelegenen Handelsplätze weisen unsere Akten
im ganzen noch neun Nummern auf. In zwei derselben ist die Berberei
im allgemeinen (Barbaria) als Ziel der Handelsfahrt, die in dem einen
Falle zuerst nach Sardinien geht, bezeichnet *); in drei anderen ist Gab es
an der Kleinen Syrte, dessen Hauptindustrie damals in der Herrichtung von
Häuten für die Ausfuhr bestand s), während es früher besonders kostbare
Seide und schöne Seidenstoffe produzierte, das nächste Ziel. Vier Verträge end-
lich beziehen sich auf T r ip o li. ß) Auch hier gehört einer noch der Zeit der sizi-
lischen Herrschaft an ; von besonderem Interesse aber ist der letzte derselben,
weil er uns einmal — bei der Art dieser Kontrakte natürlich eine große Selten-
heit — einen sarazenischen Kaufmann in seinen geschäftlichen Beziehungen
zu einem Genuesen zeigt. Xecha Bohahia (Abu Jahya) von Tripoli hatte
dem Genuesen Amico Zostro einen Geldbetrag (40 bisantii roxaldini und
10 tripulati) anvertraut, den dieser dem Bruder oder Sohne Xechas, die sich
des Handels wegen in Sizilien aufhielten, übergeben sollte. Amico hatte
den Betrag wohl einer dritten Person übergeben; jedenfalls erklärte Xecha,
daß die Ablieferung nicht erfolgt sei, und verlangte die Summe von Amico
zurück. Um ihn zu befriedigen, schickte Amico am 22. Juli 1164 6 Kaiitär
Kupfer (rame) nach Tripoli, aus deren Erlös Baldezonus Grassus, dem die
Beförderung übergeben war, Zahlung zu leisten hatte, falls Xecha bei Allah
schwor (si sub lege sua promiserit), weder mündhch noch schriftlich von
der Ablieferung jener Summe in Sizilien in Kenntnis gesetzt zu sein und
nach erfolgter Begleichung den Amico und seine Landsleute wegen dieser
Schuld nicht weiter behelligen zu wollen. Sollte Xecha indessen anerkennen,
daß die Summe mittlerweile abgeliefert sei, so hatte Baldezonus den Erlös in
Waren anzulegen und diese auf Amicos Gefahr nach Genua zu schaffen.
1) No. 310— 312; 434.
^) No. 981 (9. September 1160).
3) No. 1189 und 1345. Über die Papierfabrikation in Spanien s. Blanchet-
47 f.
*) No. 1026 (9. März 1161); 1198 (6. Oktober 1162).
0) Edrist, Afr. et Esp. p. 124. Kitab-el-Istib9ar 1. c. p. 7.
8) No. 410 (6. Juni 1157), 987, 1450, 1457.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 287
223. Die lebhafte Handelstätigkeit der Genuesen im Reiche der
Almohaden, von der uns die Akten des Notars Johannes ein für
diese Zeit ungewöhnlich deutliches Bild geben, dauerte auch in der
folgenden Zeit ohne erkennbare Unterbrechung fort.
Was der besondere Zweck der Gesandtschaften des Grimaldus und
des Otto de Caffaro, die 1169 und 1170 aus Marokko zurückkehrten i), ge-
wesen sein mag, wissen wir freilich nicht; vermutlich hingen sie mit dem
damaligen genuesisch-pisanischen Kriege zusammen, der die Gegner ver-
anlaßte, sich auch an den Küsten des Almohadenreiches aufzusuchen. 2) Im
Jahre 1176 ist der Vertrag von 1161 wahrscheinhch auf weitere 15 Jahre
gerade so erneuert worden, wie es nach abermals 15 Jahren im Jahre 1191
geschah, als Genua den Wilelmus Zerbinus und Obertus de Nigro nach
Marokko sandte. 3) Der Gesandtschaft des Nicolaus Mallonus und Enricus
Detesalve, von denen der erstere in Marokko starb, gelang das gleiche im
Jahre 1208 nur für einen Zeitraum von zwei Jahren, nach deren Ablauf
Lanfranchus de Turcha die Mission übernahm. 4) Die damals bestehende
Spannung äußerte sich auch darin, daß der Kaid von Oran kurz zuvor eine
Galeere von einem an der spanischen Küste gegen Pisaner und Marseiller
kreuzenden genuesischen Geschwader, die ein Sturm an Land zu gehen ge-
nötigt hatte, festhielt 5); doch hatte Lanfranchus schließlich Erfolg, und noch
1223 wurde der bestehende Vertrag der Gesandtschaft des Henricus Mola-
zanus und Nicolaus Embronus erneuert. 6)
Wie früher, so blieb auch jetzt der Handelsverkehr der Genuesen in
besonderer Stärke den westhchen Teilen des Almohadenreiches, insbesondere
Ceuta, zugewandt ; es ist bezeichnend, daß auch die Damen der genuesischen
Aristokratie sich an den Handelsspekulationen, die diesen Platz betrafen,
beteiligten: Adele, die Gemahlin des Oberto Spinola, und die Gemahlin des
Guglielmo de Fontana Morosa haben gegen Ende des Jahrhunderts dem
Obertus de Monegio 10 und 25 1. jan. für die Fahrt nach Ceuta in Com-
menda gegeben. '^) Am 30. Dezember 1206 erlitten vier genuesische Schiffe,
die nach Ceuta fuhren, unter großem Verlust an Menschenleben und Waren
in der Gegend von Gibraltar Schiffbruch ^) ; und nicht minder ist es ein
Beweis für die Intensität dieses Verkehrs, wenn es im Jahre 1215 den von
den lateinischen Kolonisten in Konstantinopel ausgerüsteten Kaperschiffen
gelang, in den spanischen Gewässern ebenfalls vier genuesische Schiffe, die
von Ceuta heimkehren wollten, abzufangen. ^) Auch von sarazenischer Seite
^) Ann. genov. I p. 228, 237 ; von Grimaldus hebt der Annalist Obert be-
sonders hervor : »sospes rediitc, was zu denken gibt.
2) Seezüge der feindlichen Seemächte nach dem Gharb 1167; ann. genov. I,
202 ; ann. pis. zu 1168. Fortnahme genuesischer Handelsschiffe, die aus Ceuta oder
Bugia kamen, ib. zu 1172 und 1175 (ein erbeutetes von Ceuta kommendes Schiff
wird auf mehr als 3000 1. pis. bewertet). Ann. genov. I, 255 (1172).
'^) Ann. genov. n, 41.
") Ebd. 110, 116.
") Ebd. 115. Der Herausgeber hat mit dem caitus Garant nichts anzufangen
gewußt.
«) Ebd. 192.
') Doneaud 76 Anm. 21. Quittungen vom 2. Januar 1198 über Rückempfang
des Kapitals mit Gewinn.
^) Ann. genov. II, 104.
») Ebd. 136.
288 Zweiundzwanzigötes Kapitel.
engagierte man sich mit beträchtlichen KapitaUen an diesen Handelsfahrten
der Genuesen, die die Einheimischen immer mehr aus dem Seeverkehr
großen Stils verdrängten; als am 11. Oktober 1204 ein furchtbarer Sturm
im Hafen von Genua wütete, fiel ihm auch das Schiff Falco, das im Begriff
war, nach Ceuta zu gehen, »cum magna pecunia Saracenorum« zum Opfer.i)
Nach wie vor vermittelten die Genuesen auch den Verkehr zwischen diesem
westlichsten Punkt des Mittelmeers und dem äußersten Osten; 1194 bemäch-
tigten sich die Pisaner eines genuesischen Schiffes, das von Ceuta direkt
nach Alexandrien segelte, und im Jahre 1209 stieß ein pisanisches Geschwader
bei der Insel Galita auf mehrere genuesische Schiffe, die von Syrien nach
Ceuta fuhren, und nahm eins derselben, die Stelleta. 2)
Als Genua im Jahre 1214 die Verpachtung staatlicher Einkünfte auf
länger als ein Jahr gesetzlich untersagte, ließ es doch für die besonders
wichtigen Zollschreiberstellen an den Duanen von Ceuta und Bugia (scri-
bania Septe et Buzee) die Verpachtung auf zwei Jahre zu. ^) Auch der christ-
lichen Mission diente die genuesische Kolonie in Ceuta als Stützpunkt; die
Franziskanermönche, die in Marokko ihren Märtyrertod gefunden, wurden
1220 im Vicus der Genuesen zu Ceuta beigesetzt; Fez hatte einen christ-
lichen Bischof, und christhche Söldner standen in beträchtlicher Zahl im
Dienste des Sultans. ■*)
224. Schon aber war das Reich der Almohaden in vollem Zer-
fall begriffen, und diese Zeit führte auch für die genuesische Kolonie
in Ceuta zu einer schweren Krisis.
Als im Jahre 1231 die Genuesen von den spanischen Sarazenen, spe-
ziell von dem Beherrscher von Murcia, geschädigt wurden, hatte Genua eine
Flotte von 10 Galeeren und 5 Transportschiffen (barchetae) unter Carbonus
Malocellus und Nicolinus Spinola abgesandt, die in Ceuta um so besser auf-
genommen wurde, als dieses selbst von dem Herrn von Murcia bedroht
wurde. 5) Als zwei Jahre darauf Jacobus de Marino, wahrscheinlich wegen
des inzwischen im Hause der Almohaden eingetretenen Regierungswechsels
(El-Raschid 1232 — 1242 Nachfolger El-Mamuns), nach Ceuta kam, hatte sich
hier schon ein eigener »Sultan« der Herrschaft der Stadt bemächtigt, der
nicht mehr den Almohaden, sondern den König von Murcia als sein Ober-
haupt anerkannte. 6) Im Jahre 1234 erschienen plündernde Kreuzfahrer-
schiffe (wohl Basken, Niederländer, Engländer) vor der Stadt. 7) Da sie schon
vor Cadix und in der Meerenge sich gegen die Genuesen feindlich gezeigt
hatten, rüsteten diese zehn ihrer besten Schiffe in Ceuta kriegsmäßig aus,
die sich auch am Kampfe gegen die Kreuzfahrer beteiligten, schließlich aber
nach Malaga entweichen mußten. In seiner Bedrängnis wandte sich der
^) Ebd. 92. Nicht ohne Interesse ist auch, daß die einzigen Juden, die Ben-
jamin von Tudela in Genua erwähnt, zwei Juden aus Ceuta sind; I p. 37.
^) Ann. genov. n, 49, 112.
8) Ebd 132.
") Heyd, Afrika 655. Mas Latrie, Doc. p. 10. Im August 1237 nahm der
Bischof für Marokko, D. Vilascus de ordine fratrum minorum, an einer kirchlichen
Einweihungsfeier in Genua teil ; Chart. I no. 893 p. 1335.
6) Ann. Jan. SS. XVIII p. 177. Heyd, Afrika 655.
*) Ann. Jan. p. 181.
') Für das Folgende: Ann. jan. des Barthol. Scriba 183 f., 185. Canale II,
348. Amari: Nuovi ricordi arabici in Atti Hg. V, 570 ff. Heyd, Afrika 655 ff. Mas
Latrie, Introd. 82. Manfroni 382 f. Sieveking I, 43 f.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 289
Siiltan nunmehr nach Genua selbst um Hilfe, indem er sich erbot, mindestens
die Hälfte der Kriegskosten zu tragen ; und in der Tat schickte Genua sofort
eine Flotte von 18 Galeeren ab. i) Unterdessen hatten die nach Malaga Ent-
wichenen in der Nähe von Ceuta Mannschaften gelandet und so die Ver-
teidiger der Stadt gestärkt ; die Flotte der Kreuzfahrer aber war, ohne weiteres
Unheil anzurichten, abgezogen. Als nun die 18 Galeeren die versprochene
Zahlung verlangten, weigerte sich der Sultan ; es kam schließlich zum offenen
Kampfe und die Leute des Sultans verbrannten und plünderten in ihrer
Wut die Häuser und Magazine des genuesischen Quartiers. Daraufhin er-
klärte Genua im Jahre 1235 den Krieg. Da der Staat aber ohne ausreichende
Mittel war, so übernahm es eine Gesellschaft von Interessenten, durch Zeich-
nung von Anteilen die für die Ausrüstung und Bemannung der Schiffe
sowie für die Führung des Krieges überhaupt erforderhchen Mittel auf-
zubringen, wogegen ihr aller Gewinn, der nach Ersatz der Schäden von der
Unternehmung übrig blieb, zufallen sollte. Dies ist die Maona von Ceuta ^),
das Vorbild mancher späteren Bildung ähnlicher Art, ein Beweis, wie sehr
man auch den Seekrieg oft als Handelsunternehmung großen Stils auffaßte.
Zum Führer wurde Carbonus Malocellus erkoren ; es gibt uns eine Vorstellung
von der Bedeutung der Handelsinteressen, die hier auf dem Spiele standen,
wenn wir hören, daß er die Stadt mit 20 Galeeren, 70 großen kriegsmäßig
armierten Handelsschiffen und 30 kleinen Schiffen, abgesehen von den
kleineren Fahrzeugen, blokierte. Als nun Hugo Lercari noch Belagerungs-
türme auf zusammengekoppelten Schiffen errichtete und von ihnen aus
Steine gegen die Mauern und in die Stadt schleudern ließ, so verstand sich
der Sultan zu einem Vertrage,- der den Genuesen vollen Ersatz der erlittenen
Schäden und aller aufgewandten Kosten gewährte ; zum definitiven Abschluß
des Friedens sandte Genua 1236 den Surleonus Piper nach Ceuta. Den
Genuesen wurden die Zollerträge Ceutas in bestimmter Höhe zur Erhebung
durch besondere Einnehmer, die sie selbst zu bestellen hatten, überwiesen;
die Beträge, auf die die geschädigten Genuesen und die Mitglieder der Maona
Anspruch hatten, waren genau registriert. 3) Sicher hat die Abzahlung der
Entschädigungssumme, die in einer allerdings späteren Quelle auf 400000 Gold-
stücke (Dinars) angegeben wird, Jahre in Anspruch genommen.
Genua hatte so für einen längeren Zeitraum die vollständige
Kontrolle über den Schiffs- und Handelsverkehr in Ceuta; es blieb
in diesen westlichen Gewässern in jeder Beziehung die herrschende
*) Am 21. September war das Geschwader noch in Genua; s. den Kontrakt
bei Ferretto I, 224 A. 2.
') Von dem arabischen ma'-ünah = Beihilfe ; dann = Gesellschaft zu gemein-
samen Unternehmungen. Amari p. XXV.
•■') Zwei Savonesen, deren Schiff apud Septam per Calculinos (das sind doch
wohl Leute im Dienste des Sultans) verbrannt worden war, zedieren ihren Gläu-
bigern in Genua alle Rechte, die sie haben versus regem Septae et Saracenos et
universitatem Septae et versus collectores qui constituti sunt et pro
tempore erun t ad coUigendum bisancios pro res tauratione dampni
... illati Januensibus apud Septam. Mas Latrie Doc. p. 115 aus den Pan-
dette Richer., vom 26. Febr. 1-236 oder 1237. Eine ähnliche Zession von 58 byz.
aus derselben Quelle bei Sieveking I, 44 (1236). Ottobono della Croce bestellt am
16. Mai 1236 einen Bevollmächtigten, um vom Sultan 1516 byz. für Getreide zu
verlangen, das er occasione rixe facte inter Christ, et Saracenos apud Septam ge-
liefert ; Ferretto I, 24 A. 1.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 19
290 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Seemacht. Zur ständigen Wahrnehmung seiner Interessen bestellte
es auch in diesen Hauptseeplätzen des Westens Konsuln , die für
Ceuta in den Jahren 1237 und 1239 positiv nachweisbar sind^); für
Bugia kennen wir die beiden genuesischen Konsuln des Jahres 1233,'
Obertus Mazarus und Johannes de Carmadino, mit Namen.^). Die
nach Bugia gehenden Schiffe pflegten, namentlich in kriegerischen
Zeitläuften, mit den nach Ceuta bestimmten zusammenzufahren und
ebenso mit ihnen zusammen heimzukehren; im Jahre 1242 wurde
eine solche heimkehrende Schiffskarawane von dem kaiserlichen Ad-
miral und den Pisanern schwer bedroht, indessen durch eine rasch
ausgerüstete Flotte von 32 Galeeren glücklich heimgeleitet.^)
225. Weniger dominierend war die Handelsstellung der Genuesen in
Tunis, wo der Wettbewerb der Pisaner ein besonders starker war. Im Jahre
1200 wurde das große genuesische Schiff Boccanera, das des Handels wegen
vor Tunis lag, von Pisanern angegriffen ; zur selben Zeit stellten die tunesischen
Behörden das energische Vorgehen der Genuesen heimischen Seeräubern
gegenüber den Pisanern als Muster vor Augen. 4) Für die Handelsbeziehungen
Genuas zu Tunis ist namentlich ein Vorgang aus dem Jahre 1223 lehrreich.
Der Genuese Rainaldus Archantus hatte in Tunis Waren von Christen und
Sarazenen für Spanien geladen; der Gouverneur von Tunis selbst, Abu-l'Ola,
hatte ihm für diese Handelsfahrt eine beträchtliche Summe Geldes anvertraut.
Da das Schiff unterwegs leck wurde, wandte sich Rainald zunächst nach
Marseille. Hier aber erwachte, nach dem genuesischen Annalisten durch
die Marseiller hervorgerufen, bei den mitfahrenden Sarazenen der Verdacht,
Rainald wolle sie töten und sich ihrer Habe bemächtigen ; sie klagten beim
Podestä, der den Rainald gefangen setzen ließ und einen Gesandten mit
der Meldung von dem Geschehenen an Abu-TOla schickte. Die Genuesen
aber stachelten die Bewohner von Vintimiglia, die mit Marseille noch in
Feindschaft lebten, dazu an, sich mit ihren zwei Galeeren im Hafen von
Tunis des Schiffes des Marseiller Gesandten zu bemächtigen. Diese Vor-
gänge veranlaßten den Gouverneur, die Genuesen in Tunis übel zu behandeln;
doch gelang es der Mission des Gesandten Simon de Bulgaro und des Stadt-
sekretärs Marchesius ^), die Erneuerung des Friedensvertrages und die Rück-
gabe von Fondaco, Backofen und Bad an die genuesische Kolonie in Tunis
zu erwirken. Schon 1227 begegnen wir dann wieder zwei tunesischen Sara-
zenen, die ihr Recht suchend nach Genua gingen, ß)
Auch als sich im Jahre 1228 der Hafside Abu Zakaria in Tunis selb-
ständig machte, trat dadurch eine Änderung in den Beziehungen Genuas
zu Tunis nicht ein. Bald sehen wir einen Genuesen, Oddo Adelardi, in den
Diensten des Hafsiden stehen ; durch ihn und seinen Landsmann Simon Mele
hat Gregor IX. im Jahre 1235 mit dem Beherrscher von Tunis verhandelt. '')
') Notiz aus dem Index foliat. bei Mas Latrie, Doc. p. 115 Anm. 2.
2) Manduel no. 45 (Blancard I, 60) : consules constituti apud Bogiam a Pote-
state seu comuni vel consilio Janue.
3) Ann. Jan. p. 207.
*) Unten § 228.
*) Des Annalisten, der uns diese Dinge erzählt; ann. genov. II, 189 — 192
Heyd, Afrika 629.
«) Unten § 230.
'') Mas Latrie, Doc. p. 11.
Handel mit den Sarazenen Nord- Afrikas zur Zeit der Almohaden. 291
Zum Abschluß eines besonderen Vertrages mit dem Vertreter des neuen
Herrschergeschlechts kamen die Genuesen erst zwei Jahre nach den Pisanern;
am 10. Jmii 1236 gelang dem Gesandten Conradus de Castro der Abschluß
eines solchen auf zehn Jahre, nachdem im Herbst zuvor der Gesandte
Guilelmus de Nigrono wegen Unwetters unterwegs umgekehrt war.i) Der
Vertrag scheint im wesentlichen eine Wiederholung des nicht erhaltenen,
durch die Vorgänge von 1223 veranlaß ten Vertrags zu sein, da sich in
manchen seiner Bestimmungen ein kaum verhülltes Mißtrauen gegen die
Genuesen ausspricht. Zunächst wurde ihr Handelsverkehr auf diejenigen
Orte beschränkt, an denen sie bisher zum Zwecke des Handels zu verkehren
gewohnt gewesen (leider werden sie nicht genannt) ; an diesen wurde ihnen
je ein allein für sie bestimmtes Fondaco zugesichert; an allen anderen Orten
aber sollten sie nur in Fällen dringender Not landen, nicht aber Handel
treiben dürfen. Ausdrücklich wurde ihnen verboten, in einem Hafen oder
an der Küste des Reiches Angehörige eines Staates, der mit Tunis in Frieden
lebte, zu schädigen oder mit Korsarenschiffen an der Küste zu erscheinen ;
Sarazenen sollten sie auf ihren Schiffen nicht transportieren dürfen. Feind-
lich gegen Tunis auftretende Genuesen sollten von Genua gefangen gesetzt
und ihr Vermögen zur Deckung des angerichteten Schadens ausgeliefert
werden; dagegen sollten Unschuldige wegen solcher Taten nicht haftbar
gemacht werden dürfen. Auch bezüglich der Handelsabgaben hatten die
Genuesen einen Rückgang zu verzeichnen; der frühere Nachlaß von 2%
bestand nicht mehr; sie sollten das Gleiche zu bezahlen haben wie die
Pisaner. Die an die Dragomane zu entrichtende Gebühr wurde auf ^/a^/o
fixiert; alle »turcimani dogane« bildeten eine Korporation, derart, daß die
von Kauf und Verkauf zu entrichtenden Gebühren in eine gemeinsame
Kasse flössen und dann erst zur gleichmäßigen Verteilung gelangten. Für
die Bezahlung aller genuesischen Waren, die an der Duane zur Versteige-
rung kamen oder durch Vermittlung der von der Duane bestellten Drago-
mane verkauft wurden, war die Duane verantwortlich.
Auffällig ist, daß Konsuln der Genuesen in dem Vertrage nicht
erwähnt werden; dagegen wird jedem einzelnen Genuesen das persönliche
Beschwerderecht bei Hofe zugesprochen. Von den Schiffen der Genuesen
hatte der Herrscher das Recht, gegen Zahlung der Schiffsmiete den dritten
Teil für seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Eine besondere Vergünsti-
gung für die Genuesen war es endlich, daß sie, wenn Teuerung in Genua
herrschte, fünf Schiffsladungen mit Lebensmitteln unverzollt, aber gegen
Kaution, daß sie wirklich nur nach Genua gebracht wurden, ausführen
durften ; Voraussetzung war dabei , daß der Preis des Getreides in Afrika
nicht 31/2 byz. »pro caffexeto« überstieg, also in Tunis nicht selbst Mangel
herrschte. 2)
Wohl zur Bekräftigung des Friedens kam im Jahre darauf eine solenne
Gesandtschaft des Königs auf einer mit Sarazenen bemannten Galeere
nach Genua.
Wie umfangreich die Interessen der Genuesen in Tunis geworden
waren, ergibt sich daraus, daß sie im Jahre 1232 ein Geschwader von fünf
Galeeren nach den tunesischen Gewässern (ad partes Tunesi) schickten, um
») Ebd. 116 f. Ann. jan. 185.
') Im Winter 1239 zu 1240 haben genuesische Kaufleute im Auftrage des
Königs von Tunis große Mengen sizilischen Getreides angekauft. Huillard-Br6-
holles V, 793.
19»
292 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
ihre dort weilenden Landsleute mit ihren Schiffen gegen die sizilische Flotte
zu schützen; 12 Jahre später kreuzte der Admiral des Kaisers, Ansaldus
de Mari, mit 20 Galeeren in den Gewässern von Tmiis und Bugia gegen
diejenigen Genuesen, die sich nicht der kaiserlichen Partei zuwenden wollten.^)
Im Jahre 1245 verletzten die Genuesen die Neutralität des tunesischen
Gebiets auf das gröblichste, indem sie, von Rachedurst getrieben, ihre
pisanischen Gegner im Hafen von Bugia selbst überfielen 2); es scheint, daß
dieser Vorgang die rechtzeitige Erneuerung des bestehenden Vertrages ver-
hindert hat. Erst mit dem Nachfolger Abu Zakarias, Abu Abdallah el
Mostanser, wurde am 18. Oktober 1250 der Vertrag durch den Gesandten
Guilelmus Cibo erneuert; bemerkenswert ist nur die Modifikation, daß der
Transport von Sarazenen auf genuesischen Schiffen nur dann untersagt blieb,
wenn diese in Gemeinschaft mit Korsarenschiffen fuhren. Beim Abschluß
des Vertrages wirkte auch der genuesische Konsul von Tunis, Rubaldus Macia,
mit, der erste, den wir hier mit Namen nachweisen können; der Sekretär
(scriba) des Konsulats, Michael, hat die lateinische Ausfertigung des Ver-
trages aufgenommen.^)
226. Mit der neuen Dynastie der Almohaden haben es die
Pisaner, wie es scheint, erst 1166 zu einem förmlichen Vertrage
gebracht.
Doch waren sie darum von dem Handel mit ihrem Reiche nicht aus-
geschlossen, wie schon daraus hervorgeht, daß im Spätherbst 1165 ein von
Bugia kommendes pisanisches Schiff mit einer Ladung im Werte von
1400 1. Jan. den bei Marseille lauernden genuesischen Kriegsschiffen in die
Hände fiel.'*) Als bald darauf eine an der Küste Südfrankreichs kreuzende
pisanische Flotte von 31 Galeeren von einem furchtbaren Unwetter (29. Oktober)
heimgesucht wurde, wurde eines der Schiffe nach Nordafrika verschlagen 0)
und ging bei Dschidschelli (östHch von Bugia) vor Anker. Die Eingeborenen
aber hielten die Pisaner für Seeräuber und brachten die Mannschaft nach
Bugia, wo alle bis auf 20 Erwachsene und 4 Kinder getötet wurden. In
der Hoffnung, daß sich vielleicht eine größere Anzahl von Schiffen nach
Nordafrika gerettet haben könnte, sandten die Pisaner am 6. Mai 1166
ihren besten Mann, Cocco Grifft, auf einem Kriegsschiff an Abu-Jakub-Jusuf,
den Nachfolger Abd-el-Mumens. Zu seinem Schmerze konnte er nur die
Befreiung der 24 Überlebenden erwirken; im übrigen aber benutzte er die
Gelegenheit, mit dem Herrscher einen günstigen Friedens- und Freundschafts-
vertrag zu schließen, der für dessen Lebenszeit Geltung haben sollte. Vo]h|
seinem Inhalt hebt der pisanische Annalist nur hervor ß), daß es dei^
Pisanern gestattet wurde, »in Subilia« ein Fondaco zu haben; im übrigen
wissen wir, daß er den Pisanern Handelsfreiheit im ganzen Reiche der
1) Ann. Jan. 186, 179, 213. Einzelbelege für den Handel : Albertus Lercarius
empfängt 1237 von Bovarello Grimaldi 50 1. jan. in Commenda nach Tunis, die er
in »frustaneis, bombaciis et porporis« anlegt. Doneaud p. 73 A. 16. Ein Fracht-
vertrag vom selben Jahre bei Jal in den Ann. marit. et colon., annee 27, 3e s^rie,
partie non officielle. T. I (Paris 1842), 759 A. 1. Ein Seedarlehn vom 18. Februar
1243 auf den Cignus: Canale II, 342.
») Ann. jan. 217 f. Unten § 232.
8) Mas Latrie, doc. p. 118 ff.
*) Ann. genov. I, 186.
") Ann. pis., SS. XIX, 254.
8) Ebd. 255. Wegen Subilia s. unten § 250.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 293
Almohaden gegen Erlegung eines Wertzolles von 10% auf von ihnen ge-
kaufte Waren zugesichert hat^), so daß die Pisaner also etwas ungünstiger
gestellt waren als die Genuesen. Am 11. November traf Cocco mit reichen
Geschenken in Pisa wieder ein.
Ist uns dieser Vertrag auch nicht erhalten, so zeigt uns wenigstens
die ungefähr aus dieser Zeit stammende pisanische Seezinstabelle, welche
Orte des weiten Almohadenreiches die Pisaner des Handels wegen vorzugs-
weise aufzusuchen pflegten. Im Gebiet der Syrten waren es Tripoli, Gabes
(Kapsi) und das ölreiche Sfaks (Soaxi)^) mit einem usuellen Seezins für
Hin- und Rückfahrt von 30%; dann mit nur 25% Seezins (demselben
Satze, der auch für Sizilien galt) El-Mehdia (Afrika), Tunis, Bugia sowie
überhaupt das Gebiet des Gharb ; endlich mit 35 %, dem für Levantefahrten
gültigen Satze, Ceuta (Septi).^)
Gegen Ende der Regierung Jusufs kam es zu mannigfachen Differenzen
zwischen beiden Staaten. Ein pisanisches Schiff hatte im Jahre 1180 in
Sizilien Getreide für Tripoh geladen, war aber durch einen Sturm zum
Hafen »Makri« verschlagen worden und hatte dort Trinkwasser eingenommen,
was der eingeborene Berberstamm indes erst gestattete, nachdem ihm Ge-
treide verkauft worden war.
Damit hatten die Pisaner einem Verbot zuwidergehandelt, das offenbar
im Interesse der Zollerhebung erlassen worden war ; ein in Tripoli armiertes
Kriegsschiff schritt ein und nahm das pisanische Schiff nächtlicherweile fort,
während die Mannschaft, die es für ein Piratenschiff gehalten, auf einer
Barke nach Tripoh floh, wo sie ins Gefängnis geworfen und auf das übelste
behandelt wurde. Die pisanische Regierung reklamierte in einem Schreiben
an den Sultan vom 23. April 1181 4); sie betonte, daß die Pisaner jenes
Getreide nur gezwungen verkauft hätten und verlangte Rückgabe des
Schiffes sowie Befreiung der zehn namentlich aufgeführten Gefangenen,
unter denen wir drei Faktoren angesehener Männer (z. B. Bosus qui stetit
cum Alberto de Bulso) bemerken. Das Schreiben konnte noch keine Wir-
kung getan haben, als Pisa sich (nur vier Wochen später) zu einer zweiten
Beschwerde veranlaßt sah (19. Mai), weil man den Pisanern den Einkauf
von Häuten und feinem Leder (coria vel beccunae) im Königreich Bugia
untersagt und Pisaner, die das Land verlassen wollten, mehrfach wider
ihren Willen zurückgehalten hatte; ja noch eine dritte Beschwerde mußte
Pisa nach weiteren sechs Wochen (1. Juli) an den Sultan richten, weil die
Abfertigungsbeamten an der Duane in Bugia plötzlich auf höheren Befehl
erklärt hatten, nur diejenigen Pisaner zum Handel zulassen zu können, die
über ein Kapital von mindestens 500 dinär verfügten, die als Kaution für
die loyale Betreibung ihrer Geschäfte dienen müßten. 0) Welchen Erfolg
die Pisaner mit diesen Beschwerden über Verletzung der ihnen Vertrags-'
mäßig zustehenden Handelsfreiheit bei Sultan Jusuf erzielten, wissen wir
*) Geht aus den Reklamationen der Pisaner im Jahre 1181 hervor; Amari
p. 7 und 269 ; 12.
*) Edrisi, Afrique et Esp. p. 125, der hinzufügt, daß es seit der Eroberung
durch Roger nicht mehr so blühend sei wie zuvor.
') Bonaini II, 905. Der pisanische Begriff des Gharb deckte sich also damals
nicht mit dem genuesischen ; er bezeichnete in Pisa das mohammedanische Abend-
land ganz im allgemeinen, während gerade Marokko, wie der weit höhere Seezins
für Ceuta beweist, von den Pisanern nicht ohne weiteres mit dazu gerechnet wurde.
*) Amari p. 7 und 269; Bonaini Suppl. p. 81.
') Amari p. 10, 12. Mas Latrie Doc. p. 27, Introd. p. 49.
294 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
nicht; jedenfalls kam es nicht zum offenen Bruch. Jusuf starb am 28. Juli 1184
bei der Belagerung von Santarem; sein Sohn Jakub fand bald Anlaß, sich
seinerseits über die Pisaner zu beschweren. »1
227. Der Pisaner Magiulinus hatte das Schiff eines sarazenischen
Kaufmanns, des Abu Omar von Gabes, bei Malta überfallen, die Sarazenen
auf dem Schiffe beraubt und ins Meer geworfen und das Schiff selbst
schließlich an den pisanischen Edlen Albertus Bulsi (es ist der Konsul von
1168 und Gesandte nach Constantinopel) verkauft. Abu Omar begab sich,
von einem amtlichen Schreiben Abdeloas, Abdallahs Sohn, des Rektors*)
von Tunis, unterstützt, selbst nach Pisa und erzielte auch Rückgabe des
Schiffes und der gesamten Ausrüstung, wahrscheinlich auch Schadenersatz
und Bestrafung der Frevler; wir haben von dem ganzen Vorgang nur
Kunde durch ein Erkenntnis der Konsuln Pisas vom 9. Februar 11852),
die den Albertus Bulsi, der das Schiff hatte herausgeben müssen, in den
Besitz des wegen seiner Schandtat offenbar verbannten Magiulinus bis zur
Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises (200 1. pis.) einweisen. Hatte
sich Pisa somit willfährig gezeigt, so kam doch die Erneuerung des Friedens-
und Freundschafts Vertrags mit dem neuen Herrscher erst am 15. November 1186
zustande 3); die Dauer desselben wurde diesmal nicht auf seine Lebenszeit,
sondern auf den festen Zeitraum von 25 Jahren bemessen. Es hängt sicher
mit den voraufgegangenen Mißhelligkeiten zusammen, daß die Pisaner nun-
mehr in eine Beschränkung ihres Handels auf die vier Hauptorte Tunis,
Bugia, Oran und Genta willigen mußten; an allen anderen Orten sollten
sie nur bei Unwetter landen und keinerlei kommerziellen Verkehr suchen
dürfen, widrigenfalls sie mit Leben und Gut dem Ermessen der Regierung
des Sultans preisgegeben sein sollten. In den vier Vertragshäfen hatten sie
den gewohnten Zehnten bei jedem Warenumsatz zu entrichten ; nur Aus-
tausch von Waren oder Verkauf von Schiffen unter den Pisanern selbst
war abgabenfrei. Seeraub oder sonstige Akte der Feindseligkeit von Pisanern
gegen Untertanen des Sultans sollten von der pisanischen Regierung nach
den bestehenden Gesetzen ohne jede Nachsicht verfolgt werden; träfen
pisanische Schiffe ein Geschwader des Sultans auf See, so sollten sie es
nicht hindern oder gar angreifen; endlich sollten die Pisaner auf ihren
Schiffen keine Sarazenen transportieren dürfen ; auch das eine Bestimmung,
die in erster Linie den Raub von Sarazenen durch die Pisaner zu ver-
hindern bezweckte.
In der Tat war die gerade damals unter den Pisanern immer mehr
überhandnehmende Piraterie die schwerste Gefahr, die die Handels-
beziehungen der beiden Staaten bedrohte. Im Jahre 1189 richtete sich ein
scharfes Dekret der pisanischen Regierung gegen diejenigen Pisaner »in navi
Angeli vel Leopardi«, die ohne Rücksicht auf- Frieden und Verträge und
die Gefahren, die sie über ihre Vaterstadt heraufbeschworen, in schimpf-
licher Weise Seeraub getrieben und gegen Christen und mit Pisa verbündete
^) Wahrscheinlich bekleidete er das Amt eines rector omnium Christianorum
in Afrika, das uns im Jahre 1200 in Tunis entgegentritt ; s. unten § 228.
*) Nicht 1184, wie Amari p. 271 irrig in der Überschrift hat (nach ihm Heyd,
Afrika S. 627 und Mas Latrie, Introd. p. 50).
3) Amari p. 17 f., Mas Latrie,' Doc. p. 28 f. Das nur in arabischer Sprache
erhaltene Dokument nennt den pisanischen Gesandten nach Amaris Umschrift
At.r , . wann, figlio di Tedesco ; vielleicht ist es Albertus Walandi (Gualandi), der
1187/88 in Pisa Konsul war.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 295
Sarazenen abscheulichsten Frevel (nefandissimum scelus) verübt hätten. Der
Podestä Graf Tedicio von Donoratico (1190 — 1192 im Amt) ließ allen Besitz
der Schuldigen , die entflohen waren , konfiszieren und verkaufen ; es ist
bezeichnend für vorhandene Gegenströmungen, daß man nach einigen Jahren
die Aufnahme einer besonderen Bestimmung in das pisanische Gesetzbuch
für notwendig hielt, daß die vorgenommenen Verkäufe der Güter »eorum
qui fuerunt in navi Angeli vel Leopardi« ebenso wie ähnliche Straf maßregeln
unabänderlich in Geltung verbleiben sollten.i)
228. Mit welchem Übermut und welcher Nichtachtung des Völker-
rechts diese christlichen Seefahrer in den sarazenischen Gewässern auftraten,
zeigen die Vorgänge des Jahres 1200 im Hafen von Tunis, die freiüch auch
die Schwäche des sarazenischen Regiments offenbaren. Zunächst griffen
drei armierte pisanische Schiffe, die Castellana, die Diana und der »Pfau«
das große genuesische Schiff Boccanera an, offenbar besonders gereizt da-
durch, daß dieses Schiff erst im Jahre vorher den Pisanern abgenommen
worden war; der im neutralen Hafen erfolgende Angriff bekam ihnen frei-
lich recht übel; sie wurden genommen und mit ihrer Ladung nach Genua
geführt. 2)
Daraufhin überfielen im August zwei große, von je einer Galeere
begleitete pisanische Schiffe, die Orgogliosa und Incoronata, drei in der
Goletta liegende tunesische Schiffe, plünderten sie vollständig aus und
richteten die Bemannung übel zu.^) Aus Furcht vor Rache ergriffen die
Pisaner in der Stadt eiligst die Flucht; der Gouverneur von Tunis aber
begnügte sich damit, zur Deckung des Schadens das zum Export bestimmte
Getreide der Pisaner und Lucchesen zu verkaufen und ihre sonstigen Waren
mit Beschlag zu belegen. Gleichzeitig verlangte Abd-er-Rahman, der Zoll-
direktor von Tunis und »rector omnium Christianorum qui veniunt in tota
provincia de Affrica« in einem Schreiben strengstes Einschreiten der pisani-
schen Regierung gegen die Schuldigen, zumal diese vor ihrem Auslaufen
aus Pisa hätten schwören müssen, keinen der Untertanen des Sultans zu
schädigen; Pisa sollte sich ein Beispiel an Genua nehmen, das gegen der-
artige Übeltäter mit Zerstörung ihrer Häuser, Weinberge und sonstigen
Besitzungen und, falls sie ergriffen würden, auch schweren persönlichen
Strafen vorginge. Einen Bruch aber wünschte man in Tunis selbst durchaus
zu vermeiden; schon am 9. September 1200 stellte der Gouverneur einen
Sicherheitsbrief aus, den er »der Gemeinschaft der christlichen Kaufleute
Pisas« mit der Aufforderung, den friedlichen Handelsverkehr mit Tunis
unbesorgt wieder aufzunehmen, übersandte. Ihren offiziellen Abschluß fand
die Angelegenheit nach längeren Verhandlungen dadurch, daß Pisa in der
Person des Gerardus Bottaibus (Abu-Taib nennt ihn ein arabisches Dokument)
einen Gesandten nach Tunis schickte *), der u. a. Mitteilung von den Ge-
setzen machen sollte, die man in Pisa aus diesem Anlaß erlassen hatte; in
dem vom 23. März 1202 datierten Antwortschreiben, das der Gouverneur
Abu-Zeid dem Gesandten für den Podestä Gherardo Visconti mitgab, nahm
') Constitutum Usus bei Bonaini U, 988 und 997.
*) Ann. genov. 11 p. 79.
») Näheres Konsulat d. M. 4 ff. Amari no. VI— XIH p. 23 f., 276 f. Heyd,
Afrika 627 f.
*) Einer auf Befehl des Almohadenherrschers durch den Gouverneur von
Ceuta an sie gerichteten Aufforderung vom 11. Februar 1201, die ihnen Ang. Spi-
nola (doch wohl ein Genuese im Dienste des Gouverneurs) mit mündlichen Auf-
296 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
er Kenntnis davon und forderte die Pisaner unter den beruhigendsten Zu-
sicherungen erneut zu eifrigem Besuch der Länder des Sultans auf; nur
verlangte er, daß sie sich des Besuchs von El-Mehdia enthielten, wo seit
einiger Zeit ein Usurpator, Ibn-Abd-el-Kerim, herrschte i), und daß sie ernst-
liche Mahnungen an den Iudex von Torres, Comita II, richteten, von dem
es heiße, daß er neuerdings Piraten schi^e ausgerüstet habe; er droht mit
Bestrafung durch die (offenbar sehr wenig furchtbare) sarazenische Flotte
und hebt das lobenswerte Verhalten seines Nachbarn, des Markgrafen
Wilhelm von Massa, Iudex von Cagliari und Arborea, gegenüber den Sara-
zenen hervor.2)
229. Wenn selbst Vorgänge der geschilderten Art die kommer-
ziellen Bande nur ganz vorübergehend zu lösen vermochten, so ist
das gewiß ein Zeichen, wie festgeknüpft und vielverzweigt diese waren,
so daß trotz allen Seekriegs zwischen den großen italienischen See-
städten und trotz aller Piraterie der gewinnbringende friedliche Han-
delsverkehr seinen Fortgang nahm. Einen besonderen Beleg dafür
haben wir gerade für diese Zeit an einer Anzahl von Privatbriefen,
die bald nach jenem Ereignis an geflüchtete pisanische Kaufleute von
ihren arabischen Geschäftsfreunden in Tunis gerichtet worden sind.^)
Sie alle geben dem dringenden Verlangen nach baldiger Rückkehr
der Pisaner, die bei ihrer eiligen Flucht natürlich auch ihre Verbindlich-
keiten nicht hatten regeln können, Ausdruck; sie könnten ganz unbesorgt
kommen; dem Gouverneur seien die Vorkommnisse im höchsten Grade leid;
ihre mit Beschlag belegten Waren seien völlig sicher beim Kaid in Ver-
wahrung, keiner dürfe sie auf Befehl der Regierung irgendwie antasten;
bei ihrem Erscheinen würden sie ihnen unverzüglich ausgeliefert werden.
Die Mehrzahl dieser sieben Briefe ist an den pisanischen Kaufmann Pace,
Sohn des Corso, gerichtet; deutlich geht sein großes persönliches Ansehen
und der hohe kaufmännische Ruf, dessen er sich bei der tunesischen
Handelswelt erfreute, aus diesen Briefen hervor. 4) Der spezielle Inhalt
dieser Briefe betrifft natürlich die noch nicht abgewickelten Geschäfte; es
ergibt sich, daß Pace namentlich den Export von Häuten und Fellen jeder
Art aus Tunis im großen betrieb. So erfahren wir z. B. , daß Menäd ihm
1324 Felle (zu 13 Dinar das Hundert) durch Vermittelung des Kürschners
Tamim, der als Sozius Pace's bezeichnet wird, und dreier Dragomane, des-
gleichen Ibrahim in zwei Fällen 800 und 750 Felle verkauft hat, und daß
er dem Mohriz Kabesi noch für 909 Felle 73V2 Dinar schuldet. Die Preise
trägen des Gouverneurs zu überbringen hatte, so schleunig wie möglich einen Ge-
sandten an ihn zu schicken, haben die Pisaner offenbar keine Folge geleistet, zu-
mal es ihnen in diesem Jahre an einer anerkannten Regierung fehlte. Amari
no. X p. 86.
• 1) Heyd, Afrika 628 ; Amari no. XXIV.
2) Amari no. XXI p. 65.
2) Amari no. XIV— XX p. 48 f. Eine Analyse der Briefe gibt auch Mas Latrie
ntrod. p. 58 f.
*) In dem Briefe des Dragoman Othman ist die Rede davon, daß der neue
Vorsteher der Duane in Tunis, Abu-Heggiag, außer an die pisanischen Kaufleute
im allgemeinen an ihn noch ein besonderes Schreiben gerichtet habe (no. XVI
p. 54); es ist nicht erhalten, wohl aber eins des alten Vorstehers Jusüf-ibn-Moham-
med an Pace (no. VIII p. 31).
Handel mit den Sarazenen Nord -Afrikas zur Zeit der Almohaden. 297
für die Felle bewegen sich je nach ihrer Art zwischen 7 und 16 Dinar auf
das Hundert. Auch hatte er für einen Landsmann Bürgschaft übernommen,
der 1600 Lammfelle von Mohriz für 210 Dinar gekauft, davon aber erst 10
angezahlt hatte. Geradezu als arabischer Sozius Pace's in Tunis erscheint
Ibn-Kasüm, von dessen Verhalten die Briefschreiber allerdings nicht sehr
erbaut sind; Mohriz teilt ihm mit, daß dieser behaupte, Face habe bei ihm
nur noch 6 Dinar gut, und der Lederhändler Ibrahim schreibt, er erzähle
öffentlich, daß Face nichts mehr auf der Duane stehen habe ; er zahle nicht,
was er schulde, schreibt ein Dritter, verlange aber selbst Begleichung der
Außenstände; der Refrain ist immer: Face möge nur so rasch wie möghch
selbst kommen. Wenn die Bedürfnisse der pisanischen Lederindustrie bei
diesen Briefen durchaus im Vordergrunde stehen, so erscheint doch unter
den Ausfuhrartikeln auch ein Fosten Wolle, wovon Face 9 Zentner für
291/2 Dinar ebenfalls von Mohriz erstanden hatte. Als Einfuhrartikel begegnet
mehrfach Kupfer^); er möge sich mit seiner Herkunft beeilen, meint der
eine Brief Schreiber, da Othman von El-Mehdia, der ihm noch den Freis
des gelieferten Kupfers schulde, vorhabe nach Alexandrien abzureisen.
Aber auch die Einfuhr direkt verbotener Waren unterließ man «nicht; in
dem einen der Briefe an Face ist von Sabi und Genossen die Rede, die
heimlich Stahl eingeführt hätten.^) Offenbar um nicht Denunziationen
ausgesetzt zu sein, hatte Face den von ihm importierten Stahl nicht direkt
an die Duane gebracht, sondern sich dazu der genannten Mittelspersonen
bedient, die den Stahl heimlich an Land schafften und unter eigenem
Namen an der Duane zur Versteigerung brachten. Der Verfasser des Briefes
hat an der Duane 9 Zentner davon zum Freise von 7 Dinar den Zentner
gekauft, hat aber noch ein Guthaben bei Sabi, der mittlerweile verschollen
ist; er gibt sich der Hoffnung hin, daß er möglicherweise vor seinem Tode
seinen Geschäftsfreund Face mit der Begleichung beauftragt haben könnte.
Einmal endlich wird auch die Einfuhr von Mastix, dem gesuchten Fro-
dukt der Insel Chios, erwähnt; bei einem Einkauf von 125 Fellen zum
Freise von 16 Dinar 6 Dirhem, bei dem Sabi von Gabes als Vermittler
(turcimanno) fungierte, hat der Fisaner Fanevino 6 Dirhem angezahlt und
sich bezüglich der Hauptsumme vorbehalten, seinen Gläubiger Abdallah
durch Lieferung von Mastix zu befriedigen. 3)
Zur Ergänzung dieser Nachrichten können einige Stellen des Liber
Abaci Leonardos dienen, dessen erste Redaktion genau derselben Zeit ent-
stammt wie diese Briefe. Besonders sind seine Angaben über die beim
Beladen der Schiffe im Gharb übliche Raumberechnung wegen der dadurch
veranlaßten Aufzählung der Hauptexportartikel sehr lehrreich. Von dem
häufigsten Ausfuhrartikel, den Häuten (coria), ging man aus ; einem Kantär
an Häuten rechnete man gleich 2/jj Kantär Kalbs- oder Lammfelle (de
beccunis, quia sunt leviores coriis), 1/2 Kantär Kaninchenfelle oder Zucker-
rohr (de coniliis vel de succaro), und 2 Kantär Alaun, der im Schiffe zu
Unterst zu laden war.'*) Und wo er an anderer Stelle Beispiele für die
*) p. 51 und p. 58 (wo nach der Verbesserung auf S. 407 für piombo zu lesen
ist rame).
') No. 15 p. 51. Ob er mit Sabi von Gabes, der in einem anderen Briefe
(no. XX p. 63) als Dragoman erscheint, identisch ist, bleibt fraglich.
') No. 20 p. 64. Die Auflösung des Namens Ban Fin in Panevino halte ich
für wahrscheinlicher als die von Amari vorgeschlagene Benvieni, Bentivegna.
*) Leon. Pis, I p. 117. Dazu p. 118 : de becunarum redutione ad cantaria
carici in Garbo.
298 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Rechnung mit den Münzen des Gharb (Byzantien zu 10 miliarenses) anführt,
redet er außer von beccunae von pannelli, deren Wert er mit 34^/2 byz. für
10 Stück ansetzt, also Erzeugnissen der nordafrikanischen Textilindustrie,
ferner von Muskatnüssen, so daß also auch, wie von vornherein anzunehmen,
die Pisaner ebenso wie die Genuesen Waren der Levante nach dem moham-
medanischen Abendlande brachten, endlich von Safran, der sicher aus
Toscana selbst stammte.^) Merkwürdig ist, daß auch Öl aus dem Nord-
westen Toscanas, der Versilia, durch die Pisaner nach Afrika ausgeführt
wurde. 2) Sehr häufig auch brachten die Pisaner, geradeso wie die Genuesen,
nicht Waren zum Umtausch mit, sondern Miliarenses; in Mengen wurde
dies Silbergeld in Pisa und sonst in Toscana sowie in Genua nachgeprägt,
exportiert und mit erheblichem Vorteil gegen die Produkte Afrikas ein-
getauscht.3)
230. Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts gelang es in Pisa doch,
das Unwesen der Piraterie mehr und mehr einzudämmen; in einem Schreiben
an den Podestä Gotfried Visconti vom 9. September 1211 4) spricht der
Gouverneur von Tunis seine Befriedigung über die Mitteilung des pisani-
schen Gesandten Gerhard aus, daß jedem Pisaner vor seiner Ausreise zur
strengsten Pflicht gemacht werde, die Sarazenen und ihre Habe zu respek-
tieren ; er konstatiert , daß das Verhalten der Pisaner dem in der Tat ent-
spreche und versichert im Namen seines Herrn die pisanischen Kaufleute
der besten Aufnahme.
Wie eng sich die Beziehungen zwischen Pisa und Tunis in dieser Zeit
gestaltet haben, zeigen uns zwei Briefe, die im Jahre 1227 von tunesischen
Sarazenen an den Podestä Ubaldo Visconti gerichtet worden sind.^) In dem
einen machen zwei Sarazenen, Bec und Bei, »homines magni regis Tunesi«,
von Genua aus, wohin sie sich aus Anlaß eines Rechtsstreits begeben, dem
Podestä der Pisaner, deren Freundschaft für ihren König sie kennten, Mit-
teilung von den Schritten, die sie bisher in Genua unternommen und bitten
ihn, die beigegebenen Briefe demnächst an ihren Herrn zu befördern; zum
Schluß verwenden sie sich für einen tunesischen Juden, der sein Recht
suchend nach Pisa gekommen sei. Das zweite Schriftstück ist ein diesem
Juden mitgegebener Empfehlungsbrief eines angesehenen Arabers von Tunis ;
es ergibt sich , daß der Jude gegen einen Glaubensgenossen in Pisa und
dessen zum Christentum übergetretenen Schwiegersohn urkundlich be-
gründete Geldforderungen hatte.
War Tunis offenbar der Handelsplatz, an dem die Pisaner, wie in
Ceuta die Genuesen, die erste Rolle spielten, so scheint in Bugia mehr ein
Gleichgewicht der beiden Handelsnationen bestanden zu haben. Hier be-
») Ebd. 93.
"0 Hartwig n, 121.
'') Winkelmann, Acta 11 no. 37 p. 41. Im genuesischen Vertrage von 1236
heißt es (Mas Latrie, Doc. 116 1): de eo quod deferent in milliarensibus et
argento, in auro de paiola et virgis aureis solvant vinctenum ut consueverunt;
also auch ungemünzte Edelmetalle wurden vielfach eingeführt und oft, wie der
Vertrag von 1250 zeigt (p. 118 f.), an die Münzstätten in Tunis oder Bugia verkauft
(de auro vendito in ceccha Tunesis et Bucee non solvatur drictum, nisi sicut
consuetum est).
*) Konsulat d. M. p. 12, 83. Amari p. 78 f. no. 26. Heyd, Afrika 629.
*) Mas Latrie, Doc. p. 30 (mit dem unrichtigen Datum 1237). Amari p. 8|
(no. 28).
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 299
kleidete etwa um 1175 Bonacci, der Vater Leonardos, das Amt eines pisani-
schen Sekretärs an der Duane; er ließ seinen Sohn, der damals noch ein
Knabe war, zu sich kommen und ihn hier, »in der Erkenntnis des Nutzens
und der Bequemlichkeit der Sache«, eine Zeitlang im Studium des Abacus,
d. h. des arabischen Zifferrechnens, unterweisen, i) So können wir hier ein-
mal nachweisen, wie die Wissenschaft durch den lebhaften Handel der
Christen mit den Sarazenen eine direkte Förderung erfahren hat. Hing die
Bestellung dieser Zollschreiber naturgemäß ganz von den Pisanern ab 2), so
durfte nach altem Herkommen auch als Dragoman oder Sensal für die
Pisaner nur fungieren, wer ihnen genehm war; das ergibt sich aus der
Begründung der Bitte, die Ahmed-ibn-Tamim von Bugia im November 1207
an den einflußreichen Pisaner Lamberto del Vernaccio richtete, damit dieser
die pisanischen Behörden bestimmte, ihn für die Pisaner zum Dragoman
(turcimanno) an der Duane und Sensal für die öffentlichen Versteigerungen
zu ernennen und dem Kaid davon Mitteilung zu machen.^)
231. Als sich im Jahre 1228 der bisherige Gouverneur von Tunis,
Abu Zakaria Jahya, selbständig machte und die Dynastie der Haf-
siden begründete, die bald auch die Herrschaft über Tripolitanien
und den östlichen Teil Algeriens gewann, änderte das nichts an der
bevorzugten Stellung der Pisaner ; vielmehr erhielt sie eine neue feste
Basis durch den Vertrag, der Ende August 1234 zwischen dem Haf-
siden und dem Gesandten Tedicio, dem Sohne des Uguccione Lam-
berti, auf 30 Jahre abgeschlossen worden ist."*)
Hier zum erstenmal treten uns die pisanischen Konsuln (der
Vertrag redet stets in der Mehrzahl von ihnen) entgegen. Als Ver-
treter ihrer Landsleute haben die pisanischen Konsuln in Tunis das
Recht, einmal in jedem Monat vor dem Könige zu erscheinen; das
gleiche Recht haben die Konsuln, soweit solche an anderen Orten
vorhanden waren, gegenüber dem obersten Beamten des betreffenden
Bezirks (dominus terrae). Bei Differenzen der Pisaner untereinander
waren allein die Konsuln zuständig ; bei Streitigkeiten zwischen Christen
und Sarazenen sollte die Autorität der Dragomane eintreten. ^) Gegen
Korsaren, die die Küste des Reichs beunruhigten, versprachen die
pisanischen Behörden nach der ganzen Strenge des Gesetzes vorzu-
') Leon. Pis. I, 1 (Vorrede): >Cum genitor mens a patria publicus scriba in
duana Bugee pro Pisanis mercatoribus ad eam confluentibus constitutus preesset etc.«
Heyd, Afrika 649 f. Giesing J., Leben und Schriften Leonardos von Pisa. Döbeln 1866
Progr.) p. 7. Cantor M., Vorlesungen über die Gesch. der Math. II*, p. 5 ff.
*) In Tunis kennen wir 1200/01 den Pisaner Cino {= Saracino) in dieser
Stellung. Amari p. 41 no. 11.
3) Ebd. 75 no. 25.
■•) Mas Latrie, Doc. p. 31 fi. Der Herausgeber läßt es zweifelhaft, ob der
Vertrag zu 1229 oder 1234 anzusetzen; indessen wird jeder Zweifel dadurch be-
hoben, daß im Vertrage der pisanische Podestä von 1234, Torello de Strada, ge-
nannt ist. Chone p. 34 folgt noch der falschen Datierung zu 1230 bei Tafel und
Thomas n, 299 f. Heyd, Afrika 630.
') >turcimanni debent ponderare eos« , doch wird in ernsteren Fällen die
eigentliche richterliche Entscheidung wohl der Landesbehörde zugestanden haben,
obwohl der Vertrag darüber nichts enthält.
300 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
gehen. Das Fondaco der Pisaner in Tunis sollte vergrößert und durch
eine Scheidemauer von dem genuesischen getrennt, das in Bugia re-
pariert werden; weitere Fondachi sollten sie in Bona, El-Mehdia,
Sfaks, Gabes und Tripoli erhalten, wobei zu jedem Fondaco auch
Kirche, Friedhof und eigener Backofen gehören sollte; außerdem war
ihnen in jeder Stadt wöchentlich einmal die Benutzung des öffent-
hchen Bades gestattet. Die starken Beschränkungen ihres Handels-
verkehrs, die der Vertrag von 1186 ausgesprochen hatte, sind also
völlig in Wegfall gekommen.
An Zöllen sollten sie wie bisher 107o> von Gold und Silber nur 5%
entrichten; Fremde, die auf ihren Schiffen mitkamen, sollten keinesfalls
weniger zahlen dürfen. Frachtgelder waren abgabenfrei, ebenso der Ver-
kauf von Schiffen; doch durfte er nur an solche erfolgen, die mit der
tunesischen Regierung in Frieden lebten. Die an die Beamten und Be-
diensteten der Duane sowie an die Dragomane zu zahlenden Gebühren
sollten nicht über das herkömmliche Maß erhöht werden dürfen. Um un-
gebührliche Verzögerung des Aufenthalts der pisanischen Kaufleute zu ver-
meiden, wurde bestimmt, daß die übliche öffentliche Versteigerung (halka,
caliga) der Waren nicht verhindert werden dürfte; auch sollte die Abrech-
nung an der Duane auf ihr Verlangen unverzüglich vorgenommen werden.
Hatten sie ihre Ware einmal verzollt, so konnten sie diese im ganzen Lande,
wo immer sie wollten, also auch landeinwärts, vertreiben; ebenso sollten
sie überall uneingeschränkte Freiheit des Kaufs genießen ; es ist interessant,
daß die Pisaner sich zusichern ließen, daß sie diese Freiheit auch gegenüber
genuesischen Verkäufern haben sollten. Dem Könige wurde endlich noch
das Recht eingeräumt, 1/3 der in den Häfen seines Reichs liegenden pisani-
schen Schiffe gegen Frachtzahlung zum Transport eigener Waren (res maga-
zeni) in Anspruch nehmen zu dürfen ; doch stand die Auswahl dieser Schiffe
den pisanischen Konsuln zu.
Auf lange Zeit hinaus ist dieser Vertrag die rechtliche Grund-
lage der Beziehungen zwischen Pisa und Tunis geblieben.
232. Die pisanische Regierung pflegte ihre Fondachi zu verpachten ; im
Jahre 1240 geriet die Handelsgesellschaft (Rubertinus de Curte, Bernardus
Guitti, Nie. Rubeus und Sozii), die das Fondaco von Tunis gepachtet hatte,
mit dem Priester der pisanischen Marienkirche in Tunis wegen seines Ge-
lasses (apotheca) in Streit, da sie auf Grund ihres Privilegs die Zugehörig-
keit desselben zum Fondaco behauptete.i) Da sich die pisanischen consules
mercatorum de Tunithi für unzuständig erklärten, wurde die Sache auf ihren
Bericht hin schließlich durch einen Schiedsspruch am 8. Mai 1240 dahin
geregelt, daß dem Priester nicht nur das volle persönHche Recht auf eine
Wohnung im Fondaco, wie sie die Kaufleute innehatten, sondern auch das
Recht, die Gelder, die er durch etwaige Vermietung derselben erzielte, nach
eigenem Ermessen zu verwenden zustehen sollte. Der Titel, den die Konsuln
in dieser Urkunde tragen, deutet ebenso wie ihr Verhalten darauf hin, daß
sie nicht von der pisanischen Regierung direkt bestellt, sondern von den
in Tunis verkehrenden pisanischen Kaufleuten erwählt waren. In diese
Zeit gehören die Anfänge einer tunesischen Hafengilde in Pisa, d. h. der
') . . . ex forma privilegii de jamdicta venditione eis a comuni Pis. concessi.
Latrie, doc. p. 35 f.
i
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 301
korporativen Zusammenfassung aller derjenigen Elemente, die den Handels-
verkehr mit Tunis vorzugsweise pflegten.^)
Der 1241 zwischen Pisa und Genua neu ausbrechende Krieg zog auch
ihre afrikanischen Handelsniederlassungen in Mitleidenschaft, obwohl eine
Sonderkonvention zwischen den beiderseitigen Kolonien in Tunis bestand,
von deren Inhalt wir freilich nichts Näheres wissen. Aber der Umstand,
daß im Jahre 1245 ein von Spanien nach Tunis fahrendes genuesisches
Schiff unterwegs durch eine in Cagliari armierte pisanische Galeere auf-
gebracht wurde, versetzte die Genuesen in solche Wut, daß sie in Bugia
ein pisanisches Schiff, die Sponsaella, mit seiner Ladung fortnahmen und
mehrere andere pisanische Fahrzeuge im Hafen von Bugia verbrannten.
Die Pisaner erklärten darauf die Konvention für gebrochen und schickten
1246 eine Protestgesandtschaft an den Beherrscher von Tunis 2); näheres
über ihren Erfolg wissen wir nicht; doch hängt es wohl damit zusammen,
daß der 1246 abgelaufene genuesisch -tunesische Vertrag erst 1250 erneuert
worden ist.
233. Bei dem regen Verkehr der Pisaner mit Tunis kann es nicht
wundernehmen, daß auch Angehörige des toskanischen Binnenlandes
sich im Anschluß an die Pisaner an diesem Handel beteiligten. Als der
Gouverneur Abu-Zeid im Jahre 1200 das für die Pisaner in den Magazinen
lagernde Getreide represalienhalber verkaufen ließ, tat er das Gleiche mit
dem Eigentum der lucchesischen Kaufleute, die er also in jeder Beziehung
als Pisaner ansah und behandelte.^) Aus einem 1221 in San Gimignano
verhandelten Zivilprozeß erfahren wir, daß Ildebrandinus , der mit seinem
Landsmann Andreas und verschiedenen Pisanern in Sozietät stand, in Tunis
feines Kalb- und Schafleder im Werte von 120 1. pis. eingekauft hatte, das
er dann in Pisa für einen Preis von 13 1. zu Korduan verarbeiten ließ.*)
Auch wissen wir, daß Ugolino Burnetti von San Gimignano, der eine Handels-
fahrt nach Syrien unternommen hatte, auf der Rückreise erst von Messina
aus nach Tunis gegangen und von da aus zur Fastenzeit 1246 nach Pisa
zurückgekehrt ist, von wo er zehn Tage vor Ostern in seinem Heimatorte
wieder eintraf. 0)
Aber auch von Genua aus pflegten die Toskaner des Binnenlandes
diesen Handel. Aus den Jahren 1225 und 1233 wissen wir von Kontrakten,
die Florentiner und Lucchesen in Genua für Handelsreisen nach Tunis
geschlossen haben, und schon im Jahre 1216 nahmen zwei Kaufleute von
San Gimignano, Recordato und Buonsignore, von ihrem Landsmann Ber-
nardino Pancono 39 1. jan. für eine Handelsreise nach Ceuta und Bugia
in Genua in Commenda.ß)
234. Das sizilische Königreich kam erst geraume Zeit nach
dem Verlust seiner afrikanischen Besitzungen wieder in bessere Be-
ziehungen zu seinem südlichen Nachbarn.
1) Vgl. mein Konsulat d. M. 199.
«) Ann. jan. 217 f. Roncioni p. 519. Heyd, Afrika 631.
') Oben § 228.
*) . . . pro aptandis illis beccuniis in cordovano. Davidsohn, Forsch. 11 no. 2302
p. 294.
») Ebd. no. 2308 p. 299,
8) Ferretto I p, 5 A. 3. Am 21. Sept. 1234 verspricht ein Florentiner einem
Lucchesen, der auf einer der nach Ceuta gehenden genuesischen Galeeren Dienste
genommen, an seiner statt an Bord zu gehen. Ebd. 224 A. 2.
302 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Als König Wilhelm II. die Tochter des Almohadenherrschers , die
ihrem Verlobten über Meer zugesandt werden sollte und einer sizilischen
Flotte in die Hände gefallen war, ungekränkt zu ihrem Vater entließ, kam
es im August 1181 zu Palermo zu einem zehnjährigen Frieden. i) Und das
Privileg Tancreds für Gaeta vom Jahre 1191 setzt Handelsfahrten der Gaetaner
nach »Barbaria« als etwas ganz Gewöhnhches voraus.^)
Besonders intensiv Aber gestalteten sich die Beziehungen des
sizilischen Königreichs zu Tunis unter Kaiser Friedrich II.
Anfangs freilich, als Friedrich mit dem Aufstande der Sarazenen auf
Sizilien zu kämpfen hatte, war das Verhältnis ein gespanntes und der Kaiser
hat sogar im Jahre 1223 eine Expedition gegen die Küsten von Tunis aus-
gesandt, die die fruchtbare Insel Dscherba ausplünderte und ihre Einwohner
nach Sizihen überführte ; die Juden von Dscherba bildeten in Palermo eine
besondere Gemeinde, der der Kaiser im Jahre 1239 auf ihre Bitte einen
Vorsteher aus ihrer Mitte und die Anlage eines Hains von Dattelpalmen
bei Palermo zugestand ; sie sollten angehalten werden, verschiedene auf ihrer
heimatlichen Insel kultivierte Pflanzen , wie Henna und Indigo , an ihrem
neuen Wohnsitze einzubürgern. 3) Bald nach seinem Vertrage mit dem
Sultan von Ägypten aber trat er auch mit dem Hafsiden in ein freund-
schaftliches Verhältnis; der erste Vertrag, den der neue Herr von Tunis
mit einer abendländischen Macht eingegangen ist, ist der Gegenseitigkeits-
vertrag, den der Abgesandte des Kaisers, Wibald, am 20. April 1231 mit
Abu Zakaria auf zehn Jahre abgeschlossen hat.^) Zunächst sicherte man
sich gegenseitig Freilassung aller in Friedenszeiten in Gefangenschaft ge-
ratenen und an ihrem Glauben festhaltenden Christen und Mohammedaner zu.
Der Kaiser erklärte, sich die Sicherung der Küsten Afrikas zur besonderen
Aufgabe gemacht zu haben; bisher von christlichen Piraten Geraubtes
werde er zurückerstatten lassen, wobei indessen die Genuesen, Pisaner,
Marseiller und Venezianer ausgenommen seien, da deren Beziehungen zu
Tunis durch besondere Verträge geregelt wären. Die Insel Pantellaria,
zwischen beiden Mächten streitig, sollte bei Sizilien verbleiben; doch hatte
Friedrich für die mohammedanischen Einwohner der Insel einen Präfekten
ihres Glaubens zu bestellen und die Hälfte des herkömmlichen Tributs der
Insel an den Beherrscher von Tunis abführen zu lassen. Vor allem aber
sollten die gegenseitigen Vexationen der von Sizilien, Kalabrien, dem Prin-
zipat und Apulien nach Afrika und umgekehrt segelnden Kaufleute völlig
aufhören und kein sarazenischer Kaufmann, der des Handels wegen nach
dem sizilischen Königreich käme, irgendwie behindert werden; an Zoll-
abgaben sei beiderseits der Zehnte zu entrichten.
Die so angebahnten freundlichen Beziehungen wurden auch dadurch
nicht gestört, daß sich ein Neffe des Herrschers von Tunis in das sizilische
Königreich flüchtete ; der Kaiser sorgte für seine Bedürfnisse, hielt ihn aber
1) Mas Latrie, Introd. p. 52. Abd el-Wähid Merräkechi: Hist. des Almohades,
trad. p. E. Fagnan (Alger 1893) p. 218. Amari Musulm. III, 516 f. Manfroni 267.
2) Cod. Caiet. II p. 314.
«) Winkelmann I, 207. Huillard-Breholles V, 571 f.: ... debent in eis Semi-
nare alchanam et indicum et alia diversa semina que creseunt in Garbo (womit
hier nur die Insel Dscherba gemeint ist) nee sunt in partibus Sicilie adhue visa
crescere.
*) Const. et acta 11 no. 153 p. 187 f. Mas Latrie Doc. p. 153 ff. Huillard-
Bräholles HI, 276. Amari Musulm. m, 623 ff. Winkelmann II, 278. Manfroni 386.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 303
unter Bewachung und lehnte die Mahnung des Papstes, den Prinzen an
die Kurie gehen zu lassen, ab.i)
235. Dem Beispiele der Seestädte folgend, ist der Kaiser in dieser
Zeit auch zur Ernennung besonderer Konsuln für Tunis geschritten — es
sind die ersten von einer monarchischen Macht ernannten überseeischen
Konsuln , von denen wir wissen. Indessen weilten sie keineswegs immer
auf ihrem Posten; danach hatten sie offenbar die Befugnis, mit der Wahr-
nehmung der Konsulargeschäfte in Tunis und der Erhebung der ihnen in
dieser Stellung zufließenden Einnahmen besondere Stellvertreter zu betrauen.
Das gilt namentlich von dem ersten dieser Konsuln, Henricus Abbas von
Trapani, den wir in den Jahren 1239 und 1240 mit diesem Titel nach-
weisen können. Eifrig ist er während seines Konsulats im Dienste des
Kaisers tätig gewesen; im Winter 1239 zu 1240 finden wir ihn im Auftrage
des Kaisers in Pisa und im Königreich mit der Beschaffung der für den
Unterhalt der Truppen erforderlichen Geldmittel beschäftigt.^) Erst aus
besonderer Veranlassung ging er dann auch nach Tunis. Der Kaiser erblickte
eine Verletzung seines Vertrags mit Tunis darin, daß die Genuesen und
Venezianer, mit denen er seit 1239 im Kriege lebte, in Tunis nach wie vor
Aufnahme und Vergünstigungen fanden; in einem Schreiben an seinen
Admiral Nicolinus Spinola vom 23. Januar 1240 äußerte er deshalb die
Absicht, deswegen eine Spezialmission nach Tunis zu schicken.^) Mit dieser
Mission betraute er nun am 6. Februar 1240 von Foligno aus den Konsul,
indem er ihm als Notar den Magister Johann von Palermo beigab und ihn
bezüglich des Näheren auf die Mitteilungen des Überbringers, Alberius von
Pontremoli, verwies; gleichzeitig erhielt der Magister Theodor, der »Philo-
soph«, den Auftrag, ein Geleitschreiben für Heinrich in arabischer Sprache
zu verfassen. 4) Zum Haupte der Gesandtschaft muß dann nachträglich
Obertus Fallamonachus bestimmt worden sein , wie aus einer dem Kaiser
eingereichten Liquidation hervorgeht; Anfang Mai 1240 war die Gesandt-
schaft schon wieder zurück,^) Von ihren Ergebnissen wissen wir nichts
Positives; es wäre wohl möglich, daß der Vertrag von 1231 damals erneuert
und in manchen Beziehungen schärfer gefaßt worden ist. Nachfolger des
.Henricus Abbas im Konsulat von Tunis wurde Petrus Capuanus aus Amalfi,
des Johannes Capuanus Sohn; für die Verleihung dieses Amtes hatte er
100 Goldunzen (über 5000 M.) pro anno zu zahlen und Bürgschaft dafür
zu stellen, daß er diese Summe pünktlich in drei Jahresraten an den Fiskus
abführen würde. ß) Im Jahre 1244 kreuzte die kaiserliche Flotte in den
. ') Mahnung des Papstes 24. Juni 1236: Huillard-Bräholles IV, 872; kaiser-
liches Mandat an den Justitiar der Capitanata Weihnacht 1289 ; ib. V, 626. Amari
Musulm. III, 628 f.
2) Huillard-Bröholles V, 548, 567, 636 (Dezember 1239).
«) Ebd. 686. Mas Latrie, Doc. p. 155.
♦) Huillard-Bröholles V, 726 f., 745 f. (Ein servus camerae Abdolla, qui mit-
titur ad discendum legere et scribere litteras Saracenicas ib. 603 ; 24. Dez. 1239).
Amari, Musulm. III, 629.
") Huillard - Breholles V, 966; 3. Mai 1240 betr. Anspruch des Ob. F. auf
43^/4 Goldunzen, die er ausgegeben pro persona sua, H. Abbatis consulis T., seu-
teriis et equitaturis suis et pro camelis nostris, quos duxerat ad nos veniendo de
Tunisi ad presentiam nostram.
*) Winkelmann Acta I no. 878 p. 669 (undatiert; aber jedenfalls vor Septem-
ber 1242 und frühestens 1241 verfaßt).
304 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
tunesischen Gewässern gegen die Genuesen; es ist ein Beweis des fort-
dauernden Einvernehmens der beiden Herrscher, daß der kaiserUche Admiral
Andriolus de Mari im folgenden Jahre mit einer Flotte von zehn Galeeren
einen tunesischen Gesandten nach Spanien überführte.i)
236. Bei dem Austausch der Produkte der beiden Länder spielte wie
schon früher das Getreide eine besonders wichtige Rolle. Als der Kaiser
im Spätherbst 1239 Lebensmittel hauptsächlich zur Verproviantierung der
Befestigungen aus Sizilien nach Malta schicken ließ, wies er den Statthalter
der Insel an, einen etwaigen Überschuß zum Verkauf nach der Berberei zu
senden, und zu Weihnachten desselben Jahres genehmigte er von Pisa aus
den Vorschlag seines Hafenmeisters für das östliche Sizilien, die zur Ver-
fügung der Krone stehenden Lebensmittel seines Bezirks nach der Berberei
oder nach Spanien zu schicken, je nachdem sie da oder dort mit größerem
Nutzen verkauft werden könnten. 2)
Wenig später berichtete derselbe Hafenmeister, Angelus Frisarius, daß
in der Berberei Teuerung herrsche, und daß die rührigen Genuesen Lebens-
mittel in Sizilien mit Geldern des Königs von Tunis aufkauften und unter
großem Gewinn nach Afrika transportierten, während es richtiger scheine,
diesen Gewinn dem Fiskus zuzuwenden; aus demselben Grunde schlug der
Admiral Spinola vor, in Schiffen der Krone von den verschiedenen siziH-
schen Häfen aus im ganzen 50000 Last (salmae) Lebensmittel zum Preise
von 40000 Goldunzen (über 2 Mill. M.) nach Tunis zu transportieren. Gern
genehmigte der Kaiser am 29. Februar 1240 von Viterbo aus diesen Vor-
schlag, der dem Fiskus reichen Gewinn verhieß.^)
Bei dem offenbaren Bestreben der Krone, für ihre vielfachen Bedürf-
nisse möglichst viel Barmittel in die Hand zu bekommen, ist es begreiflich,
daß sie auf den Import von Tunis her weniger Gewicht legte. Doch sehen
wir, daß der Kaiser auf die Einfuhr von Pferden der edlen Berberrasse
bedacht war"*); auch Kamele ließ er häufig von Afrika herüberkommen^
wobei er auch die Absicht verfolgte, sie in seinem Königreich zu akklimati-
sieren 0); in Luceria unterhielt er einen besonderen Leopardenzwinger, der
nicht bloß durch Geschenke afrikanischer Fürsten, sondern auch durch An-
kauf ergänzt wurde ^) und der Kaiser liebte es, auf seinen Zügen, abgesehen
von zahlreichen Geiern und Falken, eine förmliche Menagerie besonders
von Kamelen, Dromedaren und Leoparden, deren Hauptschaustück ein
Elefant bildete, mit sich zu führen.'')
») Ann. Jan. 213 f., 218.
«) Huillard-Bröholles V, 525 (Lodi 21. Nov. 1239); 633 (Pisa 25. Dez. 1239.)
3) Ebd. 782, 793. Vgl. Naude 160 f. Winkelmann II, 279. Chone 96. Unten § 398.
*) Auftrag an Paulinus von Malta, ev. für ihn zu kaufen >pullo8 equinos de
Barcha bene alliniatos« ; Huillard-Breholles V, 525 (1239). Weisung an den Mar-
schall von Sizilien betr. zweier >equi nostri de Barbaria< ; ebd. 858 (1240).
*) Paulinus von Malta hat 8 Kamele »ad opus curie nostre« an den Justi-
tiar der Capitanata gesandt und zwei männliche und ein weibliches in Malta zur
Zucht zurückbehalten (1. c.) ; die Gesandtschaft von 1240 bringt Kamele von Tunis
zurück (ebd. 966).
*) Derselbe hat zwei Leoparden leoparderiis nostris Lucerie morantibus über-
wiesen und wird beauftragt, von dem Erlöse des ev. in der Berberei zu verkaufen-
den Getreides auch Leoparden anzukaufen (1. c).
') SchefEer-Boichorst p. 282. In privaten Handelsgeschäften vermögen wir int
Jahre 1248 Mathaeus Bocamosca von Neapel und Angelus Judex von Ravello in.
Bugia nachzuweisen. Amalric no. 926.
Handel mit den Sarazenen Nord- Afrikas zur Zeit der Almohaden. 305
237. Auch Venedig nahm seit der Zeit der Almohaden in
wachsendem Maße an dem Handelsverkehr mit Nord-Afrika teil.
Wir wissen, daß der Doge Sebastiano Ziani (1172 — 1178), wie mit
Ägypten, so auch mit dem Almohadenherrscher bald im Anfang seines
Regiments einen Friedens- und Freundschaftsvertrag (pacem firmissimam)
abgeschlossen hat.i) Eine verwitwete Venezianerin, die in Palermo wohnte,
gedenkt im Jahre 1165 in ihrem Testament der Söhne ihres Bruders, die
auf der Insel Dscherba weilten 2); ein sicheres Zeichen, daß der schon in
weit früheren Zeiten nachweisbare Handelsverkehr der Venezianer im Gebiet
der Syrten fortdauerte. Das wird um so unzweifelhafter, als auch die
Venezianer ihre Handelsfahrten gelegentlich bis in den äußersten Westen
des Mittelmeeres ausdehnten. Der uns schon mehrfach bekannt gewordene
unternehmende venezianische Seemann und Reeder Romanus Mairanus
nimmt am 9. Juni 1177 von Petrus Barbani für sein auf dem Rialto eben
neu erbautes Schiff, als dessen Nauclerus Johannes Daponte mit der nächsten
Schiffskarawane nach Ceuta (Sitam) oder nach Bugia fahren soll, ein See-
darlehn in Waren auf ^) , indem er verspricht , dem Gläubiger oder seinem
Bevollmächtigten binnen zwei Monaten nach behaltener Ankunft an jenem
der beiden Plätze, an dem man zuerst des Handels wegen vor Anker gehen
würde, 1333 vollwichtige almohadische Goldstücke zu erstatten. Zu seiner
Sicherheit bestellt er ihm dafür 1/5 seines Schiffs mit Ausrüstung als Spezial-
pfand. Es sind bisher für diese Zeit ganz unbekannte Handelsbeziehungen,
die uns diese eine Urkunde enthüllt.
Wie regelmäßig diese venezianischen Handelsfahrten selbst bis zum
äußersten Westen des Mittelmeers stattfanden, zeigt besonders die Ver-
ordnung der Signorie vom Mai 1225^), die den Schiffsverkehr nach dem
Regnum, nach Tunis, Bugia 5) und Ceuta allen Venezianern in der Weise
freigab, daß die Fahrt dahin von Venedig selbst aus von S. Peter (29. Juni)
an, von einem der Häfen zwischen Venedig und Brindisi von Mitte Juli an,
von Brindisi oder einem noch jenseits gelegenen Hafen aber erst vom
1. August an angetreten werden durfte , so daß also die näher am Ziel
liegenden Schiffe die anderen aufzunehmen hatten; offenbar sollte damit
auch für die aus Venedig selbst aufbrechenden Schiffe der mit einer späteren
Ankunft verbundene Handelsnachteil vermieden werden. Das Seestatut vom
1. Juni 1229 enthält besondere Ladevorschriften für die venezianischen
Schiffe, die an der afrikanischen Küste auf der ganzen Strecke vom Plateau
von Barka an bis Ceuta Ladung einnahmen ß) und bestimmt das auf der
1) Hist. Ducum Ven., SS. XIV, 81. Streit L , Venedig und die Wendung des
4r. Kreuzzuges, hat unter dem Dominus Massamutorum den Khalifen von Bagdad
verstehen wollen; p. 41.
*) Mortillaro, V. Opere I p. 382, »in partibus insularum Gerbarum«. Die Be-
wohner der an Fruchtbäumen reichen Insel zeichneten sich durch eifrigen Betrieb
der Wollenweberei aus; vgl. Bertholon L., Exploration anthropologique de l'ile de
Gerba. Paris 1897.
3) Sacerdoti p. 32 f.
*) Lib pleg. no. 274.
') Den Verkehr venezianischer Kaufleute in Bugia berührt auch der erwähnte
arabische Brief eines Dragomans (von 1207) an den Pisaner Lamberto del Vernac-
cio ; Amari p. 76 no. 25.
") N. Arch. ven., n. s., IV p. 276 rub. 28 : naves que caricabuntur a Montibus
de Barchis in antea usque Setam; wiederholt in den Stat. navium von 1255 ib. V
(1903), 219 rub. 71.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 20
306 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Reise »per totam Barbariam« für jede Person auf dem SchifJe mitzuführende
Quantum von Wasser und Wein i) ; als besonders wichtiger Handelsartikel
tritt uns die Wolle aus Tunis und der Berberei entgegen.^) In den tunesi-
schen Gewässern war es, wo Graf Alamanno von Syrakus einmal vene-
zianische Kaufleute überfiel und ausplünderte; im Mai 1228, als Genua und
der Graf des Friedens wegen mit Venedig unterhandelten, gab Marco Con-
tarini vor der Signorie die von ihm und seinen Genossen dabei erlittenen
Verluste auf 2650 byz. an.^) Im Jahre zuvor war Andrea Michiel als Ge-
sandter Venedigs nach Tunis gegangen ; wir wissen von seiner Mission nur,
daß die Signorie am 13. April 1227 versprach, falls die ihm mitgegebenen
Gelder nicht genügen sollten, für ein von ihm aufzunehmendes Darlehn
aufzukommen."^)
238. Kurz darauf machte sich Abu Zakaria in Tunis selbständig ;
Venedig hat als die erste unter den Seestädten einen besonderen Ver-
trag mit ihm geschlossen, den der Gesandte Petrus Delphini am
5. Oktober 1231 auf 40 Jahre zustande brachte.^)
Den Venezianern wurde das Recht eingeräumt, Konsuln in Tunis zu haben,
die in ihrem Fondaco wohnten; außer den Streitigkeiten der Venezianer
untereinander gehörten vor ihr Forum auch ihre Streitigkeiten mit andern
Christen, wenn der Beklagte ein Venezianer war, während im anderen Fall
der Konsul des Beklagten zuständig war. Die Eigentumsrechte der Vene-
zianer sollten auch in Nachlaßsachen und bei Schiffbruch nicht verletzt wer-
den dürfen ; schädigte ein sarazenischer oder ein christlicher Kaufmann, der
einer der mit Tunis in Frieden lebenden Handelsnationen angehörte, einen
Venezianer in einem der Häfen des Reiches, so war die Duane des betref-
fenden Ortes zum Einschreiten und zur Rückgabe des Wiedererlangten ver-
pflichtet. Lag Schädigung durch einen Venezianer vor, so sollte nur gegen
den Schädiger selbst oder dessen Bürgen vorgegangen werden dürfen ; falls
ein Venezianer mit Waren oder sonstiger Habe eines Sarazenen flüchtig
würde, so versprach der Doge mit allen Rechtsmitteln gegen den Schuldigen
einzuschreiten. Im Fondaco der Venezianer durfte niemand ohne ihre Er-
laubnis Wohnung nehmen; auch einen eigenen Backofen (clibanum) hatten
sie, und das öffentliche Bad sollte ihnen jedesmal, wenn sie dessen bedürften,
vermietet werden.
An der Duane durften sie sich einen christlichen Schreiber bestellen ;
Zölle und Vermittelungsgebühren hatten sie in gleicher Höhe wie die Pisaner
zu entrichten. Zum Zwecke des Handels war ihnen der Besuch eines jeden
Ortes gestattet, an dem sich eine Zollstätte (doana) befand; auch sollten
ihnen keine Schwierigkeiten gemacht werden, wenn sie zum Löschen ihrer
Waren Träger oder anderes Personal nötig hatten. Endlich wurde ihnen
unter den gleichen Bedingungen wie 5 Jahre später den Genuesen die zoll-
freie Ausfuhr von Getreide und zwar, von 8 Schiffsladungen gestattet. Dieser
1) rub. 33 1. c. p. 277.
2) Stat. navium 1255 1. c. 210 rub. 54.
^) Lib. pleg. no. 613. Ob die no. 614 angeführte Beraubung von Venezianern
auf dem Schiffe Paradisus durch Alamannus ebenda erfolgt ist, ist nicht ersichtlich.
Vgl. auch no. 633.
*) Ebd. no. 527.
6) Mas Latrie, Doc. p. 196 f. Tafel und Thomas II, 303 f. Chone p. 68 läü
diesen Vertrag durch Genua und Venedig gemeinsam abgeschlossen werden!
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 307
für die Beziehungen Venedigs zu Tunis grundlegende Vertrag wurde im
Jahre 1251 mit geringen Abänderungen erneuert; wiederum sollte er 40 Jahre
in Kraft bleiben, i)
Daß endlich auch die Rag usaner an dem Handelsverkehr mit Nord-
Afrika beteiligt waren, geht aus ihrem Vertrage mit Venedig von 1232 her-
vor, nach dem sie für Waren, die sie aus dem Tunesischen oder aus der
Berberei nach Venedig importierten, einen Zollsatz von 20 Prozent zu ent-
richten hatten. 2)
239. Erst seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts treten die Han-
delsbeziehungen Südfrankreichs zu Nord -Afrika allmählich ans
Licht; der früher so lebhafte Zwischenhandel der Italiener zwischen
diesen Gebieten tritt mehr und mehr zurück^), während der Handel
insbesondere von Marseille mit den Sarazenen des Westens bis zur
Mitte des Jahrhunderts einen überraschend großen Umfang annimmt.
Handelsverträge von Marseille mit den sarazenischen Herrschern dieses
Gebiets sind freilich nicht erhalten; daß sie aber vorhanden waren, geht
nicht bloß aus dem Vertrage Kaiser Friedrichs H. mit Abu Zakaria von
1231 hervor, sondern namentlich aus dem Abkommen zwischen Marseille
und Genua vom Jahre 1211: falls der Beherrscher der Sarazenen (also der
Almohade) oder ein Statthalter desselben dem Friedensvertrage mit den
Marseillern zuwiderhandelte (contra pacem Marsiliensium) und ihre Be-
schwerden nicht abstellte, so daß Marseille zum Erlaß eines Handelsverbots
schreiten müßte, sollte Genua auf ergehende Aufforderung zum Erlaß einer
gleichen Sperre verpflichtet sein mid diese nicht eher aufheben dürfen als
Marseille selbst — die gleiche Verpflichtung übernahm natürlich auch Mar-
seille für den umgekehrten Fall.*)
Besonders lehrreich für den Umfang und die Bedeutung des Marseiller
Handelsverkehrs mit dem Gharb ist die in dem Statut vom 14. Januar 1229
enthaltene Fondacatsordnung^), die in ihrer Überschrift Ceuta und Bugia,
im Text außerdem noch Tunis und Gran besonders namhaft macht und
damit zugleich die Bedeutung der Hauptplätze Nord-Afrikas für den Mar-
seiller Handel scharf kennzeichnet. In dem für die Unterkunft der Kauf-
leute und ihrer Waren bestimmten Fondaco stand dem von Marseille be-
stellten Fundacarius wie seinem Sekretär (scriptor) je ein Gelaß als Wohnung
zur Verfügung; von den verfügbaren Räumen durfte er je einen Laden an
einen Schneider und Schuster, zwei an Kürschner (pelliparii), aber immer
nur auf ein Jahr, vermieten, außerdem mußte sich in jedem Fondaco ein
Backofen befinden. Unzüchtige Frauenspersonen durfte er im Fondaco nicht
dulden, auch das Halten von Schweinen, als den Sarazenen anstößig, nicht
gestatten. Jeder Fundacarius hat zum Verwiegen der zur Löschung oder
zur Verladung kommenden Waren die notwendigen amtlichen Gewichte
bereit zu halten; für die Hergabe derselben darf er vom Schiff nicht mehr
') Tafel und Thomas II, 450.
2) Ebd. 307 f. Ljubic I p. 48.
') Im Jahre 1205 fiel ein genuesisches Schiff, die Viola, die von der Provence
nach Bugia wollte, den Pisanern in die Hände. Ann. genov. 11, 96.
*) Lib. Jur. I no 491 p. 853, 856 (erneuert 1229).
') Mery et Guindon I, 350 ff., daraus bei Mas Latrie, Doc. p. 89 f. Damit be-
rühren sich die späteren Statuten lib. I, 18 bei Möry et Guindon U, 205 f. Fag-
niez I, 177.
20*
308 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
als 1 Byz. erheben, während sein Sekretär die übhche Schreibgebühr (scriva-
niam) für die Ausstellung der Verwiegungsscheine zu fordern hatte. Be-
sonders ausführlich wird der Weinhandel geregelt, der allein den Marseiller
Bürgern vorbehalten war und sich nur auf den von diesen selbst ausgeführten
Marseiller Wein erstrecken durfte ; auch durfte er nicht mit den zum Trans-
port benutzten Gebinden verkauft, sondern mußte zuvor mit den vom Fun-
dacarius geführten amtlichen Maßen abgemessen werden, i) Im Fondaco
selbst durfte zum Zwecke des Weinverkaufs en detail oder en gros nur ein
Laden verpachtet sein; hier durfte nur an Christen verkauft werden. Im
übrigen waren die Marseiller Händler bezüglich des Weinverkaufs auf be-
sondere herkömmlicherweise diesem Zweck dienende Lokale angewiesen'-^),
in denen die Fundacarii sich einen Raum (magazenum) zum Weinverkauf
an die Sarazenen reservieren durften ; die Zahl der Gläubigen, die das Wein-
verbot des Koran auf ihre Weise auslegten, scheint danach nicht gering
gewesen zu sein. Dieselben Statuten legten allen Fremden, die zur See aus
dem Gharb nach Marseille kamen, von aller mitgeführten Habe einen be-
sonderen Wertzoll von 1 Denar pro libra (etwa 1/4 Prozent) auf, wobei 3^/2 By-
zantien des Gharb einer libra reg. coron. gleichgerechnet werden sollten, 3)
240. Außer diesen Statuten allgemeineren Inhalts sind es namentlich die
aus der Handelstätigkeit selbst hervorgegangenen Urkunden der Familie Man-
duel und die Akten des Notars Amalric von 1248, die uns über den Handels-
verkehr von Marseille mit Nord-Afrika die wichtigsten Aufschlüsse gewähren ;
von den 114 aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhaltenen Handels-
urkunden der Familie Manduel beziehen sich nicht weniger als 52 auf dieses
Gebiet. Wenn nur 5 davon, den Jahren 1230 — 1249 angehörig, den Handel
mit Tunis betreffen, so scheint in der Tat der Handel von Marseille nach
diesem Platze nicht besonders erheblich gewesen zu sein ; im übrigen kennen
wir schon den Fall, wo die Marseiller im Jahre 1223 durch einen beson-
deren Gesandten das von dem Genuesen Rain. Archantus vermeintlich auf
die mit ihm reisenden Sarazenen geplante Attentat dem Statthalter von Tunis
melden ließen. *)
Sehr viel lebhafter war mizweifelhaft der Handel von Marseille mit
Bugia, dem afrikanischen Seeplatz, der ihm mit seiner noch nicht IfiO Meilen
betragenden Entfernung von allen am nächsten lag. Aus dem Jahre 1210
haben wir die ersten Nachrichten von dem Schiffsverkehr von Marseille nach
Bugia; ein dahin bestimmtes Schiff fiel bald nach seiner Ausreise vier ge-
nuesischen Galeeren unter Guil. Embriaco in die Hände ; im gleichen Jahre
erschienen zwei »de Barbaria« zurückkehrende Marseiller Galeeren vor dem
Hafen von Genua; und auch die älteste der 24 auf Bugia bezüglichen Handels-
urkunden der Familie Manduel, ein Commendavertrag auf das Schiff Estella,
gehört diesem Jahre an.^) Aus Amalrics Notularium können wir für das
Frühjahr 1248 die Ausreise zweier Busen (bucius navis), S. Franciscus (Eigen-
tümer Bertrandus Davini^) und S. Egidius'^) (Eig. Raimundus de Mossono),
') cum mellairolis et quartinis communis Massiliae.
*) in parvis funditis, in quibus consuetum est in dictis terris vinum vendi.
«) Mary et Guindon I, 329.
*) Manduel no. 25, 48, 69, 82, 107. Ann. genov. II, 191. Oben § 225.
*) Ann. genov. 11, 116. Manduel no. 4.
*) Das Schiff ging auch im folgenden Jahre nach Bugia; Manduel no. 108.
'') In einigen Nummern des Notulariums S. Nicolaus genannt; an der Iden-
tität ist nicht zu zweifeln, da die gleichen Personen hier wie dort als Mitreisende
A
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 309
nach Bugia nachweisen, für die uns je 26 Kontrakte vorliegen. Bemerkens-
wert erscheint dabei die starke Beteiligung der Juden; an den Kontrakten
für die Reise des S. Franciscus ist nur in 7 Fällen kein Jude beteiligt,
während in den meisten beide Kontrahenten Juden sind; am häufigsten
begegnet Josef, des verstorbenen Moses aus Palermo Sohn, daneben ein
Moses von Alexandrien und Moses von Accon, der sich als Bürger von Mar-
seille bezeichnet.!) In Bugia unterhielt Marseille auch ein Konsulat; im
Jahre 1233 hat Guillelmus Charuel dieses Amt bekleidet 2) ; die etwa 20 Jahre
später redigierten Statuten heben außer Bugia auch Ceuta als Sitz eines
Marseiller Konsuls hervor. 3)
241. Für Marseille gerade haben wir auch Nachrichten über seinen
Handelsverkehr mit manchen kleineren Seeplätzen, wie sie uns für alle
anderen Handelsnationen in dieser Zeit noch fehlen. So hören wir im
Sommer 1248 von dem Fahrzeug (lignum) des Dominicus de Fönte, das
über Mallorka nach Algier oder Tenes gehen wollte; verschiedene Com-
menden werden für diese Fahrt von Marseiller Bürgern dem Juden Bonusi-
saac Ferrusol anvertraut. *)
Mit Oran und seiner weiteren Umgebung standen besonders die Man-
duel in Geschäftsverbindung. Schon am 2. April 1211 hat Stephanus de
Mandoho einem Geschäftsfreunde, dem Bernardus de Gardia, für seine
Handelsreise nach Oran, die er nach Ermessen weiter ausdehnen durfte,
einen Betrag von nachgeprägten Miliarenses (25 Byz.) zur Verwertung über-
geben 0); 1227 tat er das Gleiche gegenüber Stephanus de Fönte und dem
Juden Bonus Judas, die auf dem Schiffe S. Michael nach Unen und von
da weiter nach Tlemsen, das von je ein wichtiger Handelsmittelpunkt
war, gingen. 6) Am Anfang der dreißiger Jahre hat dann sein Sohn Bern-
hard auf dem neuen Schiffe S. Salvator eine Handelsreise nach Oran und
Tlemsen angetreten."^) In Oran hat er bei Lanfrancus Botar und Sylus
de Sylo ein Darlehn aufgenommen, das er später (am 27. Januar 1232) dem
Bevollmächtigten der Gläubiger, Bedonus Cigala, m Marseille mit 50 Byz.
mihar. erstattet hat; den Namen nach zu urteilen, scheinen die Geldgeber
und ihr Vertreter Genuesen zu sein. Ein Mißgeschick traf ihn in Oran in-
sofern, als ihm hier ein Teil seiner Waren durch Carrocinus, einen natür-
lichen Sohn des Grafen Alamannus, der sich wie sein verstorbener Vater
auf den Seeraub geworfen hatte ^), abgenommen wurde ; darunter befand sich
auch ein Pack Häute, die ihm der Barcelonese Johannes Ruffus übergeben
genannt werden. Vgl. Amalric no. 451, 464 mit 535, 536, 567 ; 466 und 474 mit 618 ;
477 mit 605 und 606. Es scheint, daß der S. Mcolaus am 14. oder 15. April in
S. Egidius umgetauft worden ist.
1) Amalric no. 657, 577.
*) Manduel no. 45 »consul tunc in Bogia pro comuni Massiliae.* In den
Jahren 1211 — 1228 ist er mehrfach als publicus notarius in Marseille nachweisbar;
ebd. no. 5, 7, 16 u. 18; 1226 reiste er in Handelsgeschäften nach Bugia; ebd. no 12.
5) Mery et Guindon II, 205. Fagniez I, 177.
*) Amalric no. 807, 810, 814, 815.
') Manduel no. 5.
") Ebd. no. 17: in hoc viagio de Unen et inde apud Tremesinum. Zeugnisse
für die kommerzielle Bedeutung Tlemsens bei Heyd, Afrika 653.
^) Manduel no. 28, 30, 32 (am 20. Juli 1230 war Bernhard noch in Marseille ;
no. 26).
^) Ann. Jan. zu 1229 p. 172 f. : »more patris volens pyraticam exercere . . .,
qui . . . plurima mala fecit.<
310 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
hatte ; um ihn in etwas zu entschädigen, Heh ihm Bernhard am 28. Februar
1232 in Marseille den Betrag von 3 1. reg. cor, , zu deren Rückgabe der
Schuldner bis zum 4. August verpflichtet bleiben sollte, falls er seine Habe
wiedererlangte.
242. Sehr beträchtlich war der Handel von Marseille mit Ceuta; nur
hinter dem mit Bugia stand er wohl an Intensität etwas zurück. Auch für
diesen Verkehr liegt uns die älteste Nachricht aus dem Jahre 1211 vor, in
dem zwei von Ceuta kommende Marseüler Schiffe, die Barra und Guasta-
vinum, mit reicher Ladung bei C. Palo von zwei genuesischen Kaperschiffen
des Grafen von Syrakus und des Admirals Porcus aufgebracht und nach
Sizilien geschafft wurden, i) Von den Handelsurkunden der Manduel be-
ziehen sich 16, den Zeitraum von 1212 — 1240 umfassend, auf diesen Ver-
kehr; eine derselben ist in Ceuta selbst im dortigen Fondaco der Marseiller
vom Notar Mattheus Wilelmi in recht barbarischer Sprache aufgenommen. 2)
Es lassen sich aus denselben 15 weitere Marseiller Schiffe, die nach Ceuta
verkehrten, mit Namen nachweisen 3) ; auch erscheint bemerkenswert, daß
in diesen Kontrakten für den reisenden Kaufmann mehrfach ein längerer
Aufenthalt in Ceuta in Aussicht genommen ist *), der dann zu weiteren Ge-
schäftsreisen benutzt werden konnte. Im Notularium Amalrics beziehen sich
22 Kontrakte auf den Verkehr mit Ceuta, davon 17 auf die Fahrt der Bona-
ventura, Eig. Arnaudus Gascus, die im April 1248 Marseille verließ.
243. Marseiller Schiffe vermittelten gelegentlich auch den Verkehr
anderer südfranzösischer Häfen mit Nord- Afrika ; so ging das Schiff Angelus
1229 zuerst von Marseille nach den Hyerischen Inseln und von da erst
nach Bugia, und das nach Ceuta bestimmte Schiff der Garnerii lief 1233
den Hafen von Narbonne an, um hier seine Ladung zu vervollständigen.^)
Aber auch sonst waren südfranzösische Städte an dem Handelsverkehr
mit Nord- Afrika beteiligt. Für A r 1 e s deutet ein etwa aus dem Anfang des
13. Jahrhunderts stammendes Statut darauf hin, wonach Miliarenses im Ge-
biet von Arles von Arelatensern oder Fremden nur mit Erlaubnis des Erz-
bischofs und der Konsuln von Arles geprägt werden durften. *') Bürger von
Saint-Gilles finden wir in den Marseiller Akten Amalrics zweimal im
Handel mit Bugia vertreten. '^) R. Parator empfängt am 23. April 1248 eine
Commenda dorthin von einem Bürger von Alais, Petrus de Ripa, und
W. Manent vertraut im selben Monat dem Juden Crescas Ferrusol eine
solche für die gleiche Handelsreise an. Wenn wir sonst in den Marseiller
Dokumenten Personen aus Millau, Agde, Beaucaire, Figeac, Car-
cassonne an diesem Handel beteiligt finden, so handelt es sich nach den
Umständen, unter denen sie erwähnt werden, um Leute, die sich in Mar-
seille ansässig gemacht hatten; immerhin auch das bezeichnend für den
1) Ann. genov. 11, 118 f.
«) Manduel no. 73 (1. Nov. 1236).
2) Mit Ausnahme von 3 bucii naves sämtlich als naves bezeichnet.
*) Ebd. no. 26: ... tibi transmittere, si viagium mutabo vel in terra illa mo-
ram fecero ; vgl. no. 18 ; ... si vero illic remanerem, no. 54 vgl. no. 70. Bernardus
Gascus de Condomio erhält 1248 von seinem in Ceuta weilenden Sohne Geld durch
einen Geschäftsfreund übersandt; Amalric no. 1026.
**) Manduel no. 19 und 40.
*) Giraud II, 198 rub. 30 (doch ist sicher nicht recii)iatur, sondern fiat oder
cudatur zu ergänzen).
') Amalric no. 579, 466.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohaden. 311
Anteil, den weite Kreise Süd-Frankreichs an diesem Handel nahmen. Wie
auf anderen Handelsgebieten, so sehen wir endlich auch auf diesem nächst
Marseille die Kaufleute von Montpellier am meisten vertreten. Einen
nicht seltenen Verkehr derselben in sarazenischen Ländern setzt schon das
Statut vom 1. August 1223 voraus, das für den Fall des Todes eines Lands-
manns in einem sarazenischen Gebiet vorschreibt, daß der Nachlaß nach
genauer Inventaraufnahme auf der Duane so lange zu deponieren sei, bis
besondere Verfügung über denselben ergehe, i) Im Jahre 1230 ist Petrus
Silvester von Montpellier mit einer Commenda von Stephanus de Mandolio
von Marseille aus auf die Handelsreise zunächst nach Genua und von da
weiter nach Tunis gegangen. 2) Nach Bugia gingen 1248 auf dem S. Fran-
ciscus ein Kaufmann von Montpellier und einer von A 1 b i , die als Sozii die
Commenda eines Marseillers mitführten. 3) Im selben Jahre fuhr Johannes
de Villaforti von Montpellier auf der Bonaventura von Marseille nach Ceuta;
wir kennen fünf Fälle, in denen ihm von speziellen Landsleuten Commendae
für diese Reise anvertraut wurden; der an diesen Geschäften hauptsächlich
beteiligte W. Rocadu von Montpellier hat für die gleiche Reise noch eine
weitere in Drogen bestehende Commenda vergeben, von der die Hälfte
seinem Landsmann Bernardus Ruffus gehörte.*)
244. Verhältnismäßig gut sind wir endlich gerade für Süd-Frank-
reich über die Gegenstände seines afrikanischen Handels, namentlich
seiner Ausfuhr unterrichtet.
Von den statutarischen Bestimmungen über den W e i n h a n d e 1 ist schon
die Rede gewesen ; zur Ergänzung können einige Belege aus der Praxis des
Bernardus de Mandolio dienen. Zu einer Commenda, die er im November
1235 dem Andreas Johannes für die Fahrt nach Ceuta anvertraute, gehörten
auch 50 Faß (millarolae) Wein; für ein Seedarlehn von 35 1. reg., das er
dem Johannes Gandulphus im März 1236 mit der Verpflichtung zur Rück-
erstattung von 182 Byz. mil. binnen 14 Tagen nach behaltener Ankunft in
Ceuta gewährte, bestellte ihm dieser 100 Faß Wein als Spezialhypothek ;
Bernhard selbst, der die Reise auf dem Schiffe des Falconus Janoynus mit-
machte, verkaufte in Ceuta an W^il. Arnaudus ein Quantum Wein für 240 byz.
mil., von denen dieser 100 byz. anzahlte, während er den Rest je zur Hälfte
Ende November und Weihnachten 1236 zu begleichen versprach. &) Es ist
also ein Weinexport im großen, den das Haus Manduel von Marseille aus
nach Ceuta betrieb.
Was den Lebensmittelhandel anbetrifft, so begegnen wir dreimal dem
Export von Kastanien von Marseille nach Bugia ß), während Bernardus
de Mandolio im Jahre 1233 einmal 20 Roussilloner Scheffel Bohnen in
Narbonne zur Ausfuhr nach Ceuta verladen ließ. '^) Häufig ging Seh me er
von Marseille namentlich nach Bugia; 1248 kennen wir fünf Fälle, wo die
') Germain, commune I, 333. Fagniez I, 186.
*) Manduel no. 25.
») Amalric no. 672.
*) Ebd. no. 6, 13, 24, 32, 38, 39, 257.
») Manduel no. 70, 72, 73.
«) Amalric no. 354, 601, 657 (40 Sack als Spezialhypothek für ein Seedarlehn
von 12 1. misc).
'') Von einem Narbonneser Notar aufgenommener Kontrakt vom 31. August
1233 bei Manduel no. 40: 13 1. melg. . . . esmerciatas in 10000 boixiis (Holzscheite?)
et in 20 eminiis favarum ad mensuram Eossilionis.
312 Zweiundzwanzigstes KapiteL
Empfänger einer in diesem Artikel bestehenden Commenda Juden sind;
nach Ceuta gingen im Jahre 1235 einmal 27^/3 Ztr. davon, i)
Der hochwertige Safran erscheint 1248 unter den Gegenständen der
Ausfuhr zweimal auf der Bonaventura für Ceuta, siebenmal auf dem S. Fran-
ciscus nach Bugia, im Maximum mit einem Quantum von 35 Pfund ; der
Preis pro Pfund stellte sich etwas niedriger als 1 1. misc. '^)
Ein sehr beträchthcher Teil der Ausfuhr entfiel auf Edelmetalle,
namentlich in gemünztem Zustande. Von einer Commenda nach Bugia im
Jahre 1227 heißt es einfach, daß sie in Gold und Silber bestand, bei einer
anderen handelt es sich um Silberbarren im Gewicht von 7 Mark 2 Sterling
bei einem Werte von 20 1. reg. cor. ^) Um arabische Goldmünzen, die durch
den Handel nach Marseille gekommen, handelt es sich wohl bei den 50 Gold-
dublonen, die 1248 nach Bugia und den 63, die 1230 nach Tunis in Com-
menda gegeben wurden. 4) Am häufigsten aber begegnet die Ausfuhr der
eigens zu diesem Zwecke nachgeprägten Silber-Miliarenses, die in der Zeit
von 1210 — 1247 durchschnittlich zu einem Kurse von 4 — 6 Byzantien (zu
10 miliarenses) auf die libra reg. cor. angerechnet zu werden pflegten^), während
1248 dieser Kurs mit ungefähr 31/3 Byz. auf ein Pfund des damaligen '^ar-
seiller Kurants (moneta miscua) berechnet wurde. ^)
Von unedlen MetaUen begegnet nur Kupfer einmal im Jahre 1248
mit einem Quantum von 56 Ztr., in dem eine Commenda von etwas über
100 1. melg. von Marseille nach Bugia angelegt wurde. '^)
Auch die Korallen der provenyalischen Küste gingen nach Nord-
Afrika, auffallend genug, da die reichen Korallenbänke an der afrikanischen
Küste, speziell bei der Insel Tabarka und Mersa'l Kharez schon seit alter
Zeit viel ausgebeutet und nach Idrisi zum Zwecke der Ausfuhr von Kauf-
leuten aus aller Welt viel besucht wurden. ^) Aber wir vermögen in zwei
Fällen die Ausfuhr von je 2 Ztr. Korallen von Marseille nach Bugia und
Ceuta, in einem dritten von 4 Ctr. 37 Pfd. im Werte von 25 1. reg. cor. nach
Tunis nachzuweisen.^) Ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht, daß diese Ko-
rallen in bearbeitetem Zustande die Heimat als echt afrikanische Korallen
wiedersahen.
245. Einen beträchtlichen Teil der Ausfuhr nach Afrika bildeten die
Rohprodukte und Fabrikate der Textilindustrie. Flachs können wir
in zwei Fällen in Mengen von 135 und 550 Pfund als Ausfuhrgegenstand
nach Bugia nachweisen; eine Last bürg undi sehen Garns im Wert von
12 1. reg. exportierte Bernardus de Mandolio im Jahre 1230 nach Ceuta. i")
Häufiger gelangte Leinwand zur Ausfuhr. Von einem Ballen Leinwand,
1) Manduel no. 64 (20 Ztr. nach Bugia), 70; Amalric no. 125, 341, 474, 500, 581.
^) Viermal sind sowohl Commenda- Geber wie Empfänger Juden: Amalric
no. 572, 586, 594, 618. Außerdem no. 552, 621, 676; für Ceuta no. 49, 50.
») Manduel no. 16, 8.
*) Amalric no. 595 (in 50 duplis drictis auri recti ponderis, angerechnet zu
46^/3 1. mon. misc). Manduel no. 25.
ö) Zu 5 byz. z. B. Manduel no. 18—21, 33, 37 (nach Bugia wie Ceuta).
6) Z. B. Amalric no. 577, 678.
') Ebd. 579.
«) Heyd, Afrika 644. Kitab-el-Istib9ar p. 28 f.
») Amalric no, 591 (auch in no. 660, wo ein Korallenhändler 8 1. 16 sol. misc.
in Commenda nach Bugia gibt, angelegt >in communibus implicitis«, wird es sich
wohl um diesen Artikel handeln). Manduel no 14, 69.
»") Manduel no. 50, 64, 26.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas znr Zeit der Almohaden. 313
der 66 Fäden (cordae) im Gesamtwerte von 42.18 1. misc. umfaßte und am
18. Mai 1248 in Marseille in Verwahrung gegeben wurde, heißt es, daß ihn
der Depositär in Commenda mitzunehmen habe, falls er bis Ende August
eine Handelsreise nach Ceuta, Bugia oder Syrien antrete ; füt die Fahrt nach
Algier oder Tenes ist auch Leinwand unter den Exportartikeln i) , während
sie uns in fünf weiteren Fällen als Ausfuhrgegenstand nach Bugia begegnet;
in einem dieser Fälle sind 50 1. reg. cor. »in teils« angelegt. 2)
»Vintenae« begegnen uns in zwei Fällen (einmal zu 30 Stück, das
andere Mal zu 30 Fäden) unter der Ausfuhr nach Ceuta; ebendahin gehen
einmal 100 Stück leichter Baumwollstoffe im Werte von 43 1. misc, die ihren
Namen nach Buchara trugen (boqueranni), aber längst schon auch im Abend-
lande hergestellt wurden. 3) Unter der Ausfuhr nach Bugia erscheinen zwei-
mal die Stamfords von Arras (in dem einen Falle vier mit 34 1. reg. cor. be-
wertete Stück) , ein drittes Mal ein Stück Tuch von Chalons zusammen mit
9 Stück jener leichten Baumwollstoffe (baccarani) jedenfalls der gleichen
Provenienz. 4)
Baumwolle wurde aber auch als Rohprodukt von Marseille nach
den nordafrikanischen Häfen ausgeführt, wahrscheinlich auf dem Umwege
von Sicilien her. Nach Ceuta gab im Jahre 1218 Stephanus de Mandoho
32^/4 1. reg. in Commenda, die »in cotone« angelegt waren, und solcher
Fälle kennen wir aus dem Notularium Amalrics noch drei.^) Auf seiner
Reise nach Oran und Tlemsen nahm dessen Sohn Bernhard u. a. 6 Last
Baumwolle im Wert von 60 1. reg. in Commenda mit 6), während er im
Frühjahr 1233 dem Jacobus Raterius für die Handelsfahrt auf der Roseta
nach Bugia 23 Last in Commenda gab und gleichzeitig den Führern des-
selben Schiffs 19 Sack Baumwolle zum Transport anvertraute, die in Bugia
an ihn selbst oder seine Order abzuliefern waren. Wegen dieser Sendung
kam er mit den Genuesen in Differenzen; trotz der Reklamation des Mar-
seiller Konsuls ließen die genuesischen Konsuln in Bugia diese 19 Sack für
1980 byz. mil. verkaufen und den Erlös nach Genua schicken.'^)
Derselbe Bernardus de Mandolio sandte im Mai 1233 auch zwei Posten
Baumwollgarn (cotonum filatum), in dem einen Fall IV2 Last, auf dem
Schiff S. Nikolaus nach Bugia. 8) Ln Anschluß daran sei erwähnt, daß
ebendahin auch einmal 10 Stück Wollvliesse (boudronorum) in Commenda
gegeben wurden und in drei Fällen »pelonum«; das eine Mal handelt es
sich dabei um ein Quantum von 105 Ztr. 60 Pfd., das mit 103.14.6 1. misc.
bewertet wurde. 9)
Endlich gelangten auch Seide und Seidenwaren von Marseille
zur Ausfuhr nach Afrika. Nach Bugia wurden im Jahre 1248 einmal 10 Pfd.
Rohseide in Commenda gegeben und zu der Commenda im Werte von
1) Amalric no. 731, 810.
*) Manduel no. 42, 31, 34. Amalric no. 671, 451 (ein Ballen Leinwand von
60 Fäden und 9 Ellen im Werte von 40 1. misc.).
3) Amalric no. 3, 257, 36.
*) Manduel no. 88, 64. Amalric 354.
») Manduel no. 10. Amalric no. 1, 50, 270.
«) Manduel no. 30.
') Ebd. no. 31, 45. Der Rechtsstreit, der sich darüber entspann, zog sich
lange hin ; vgl. no. 49 u. 76.
8) Ebd. no. 34, 35.
•) Amalric no. 474; 500, 603, 631. Pelonum scheint Pelzwerk zu bedeuten,
oder ist es = ital. pelone, derbes Tuch ?
314 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
300 1. reg., die Bernardus de Mandolio im Frühjahr 1233 dem Jacobus Ra-
terius zur Verwertung in Bugia anvertraute, gehörten außer 23 Last Baum-
wolle und 1 Ballen Leinwand auch II/2 Dutzend Seidentücher (opere serice).i)
Unter den Commendae, die Johannes de Villaforti von Montpellier im Früh-
jahr 1248 von seinen Landsleuten für seine Handelsfahrt von Marseille nach
Ceuta anvertraut erhielt, bestanden drei in Seidenwaren (opera setae) im
Gesamtwerte von 76 1. melg.2), und im Frühjahr 1234 gab Bernardus de
Mandolio 35 1. melg, seinem Landsmann Wilhelm von Clermont für eine
Handelsreise nach Tunis in Commenda, die »in opere serico Savenarum«
angelegt waren ^) ; wenn dieser Ausdruck mit dem Herausgeber auf die Ce-
vennen zu beziehen ist, so würde nicht bloß Montpellier selbst, sondern
auch seine weitere Umgebung schon für die damalige Zeit als ein für die
Seidenindustrie besonders wichtiges Gebiet anzusehen sein.
246. Häufig genug sehen wir endlich auch Waren der Levante
ihren Weg von Marseille aus nach den Seeplätzen des Gharb nehmen. Das
ist der Fall mit Pfeffer, der nach Ceuta geht, V-j^ Last Ingwer im Wert von
40 1. 12 sol, misc, der nach Bugia bestimmt ist, Muskatnüssen, die nach
Algier oder Tenes zusammen mit Gewürznelken in Commenda gegeben
werden. 4) Ein Posten von 60 Pfd. Gewürznelken geht ferner 1248 nach
Ceuta, vier weitere desselben Artikels zur gleichen Zeit nach Bugia. ^) Auch
Zimt sehen wir je zweimal nach Bugia und Ceuta gehen; die Sendung
nach Ceuta erreicht in dem einen Falle ein Quantum von IOV3 Ztr. im
Wert von 52 1. misc. 6) Ebendahin gab Johannes de Mandolio im Jahre
1240 zusammen mit Pfeffer und Brasilholz auch 40 pondera farinae (Staub-
zucker) in Commenda. '^)
Und neben den Gewürzen stehen die Farbhölzer und Drogen. Brasil-
holz befindet sich unter den Artikeln, die für die eine uns bekannte Reise
über Mallorka nach Algier oder Tenes in Commenda gegeben werden; ein
Posten von 4 Ztr. 63 Pfd. (dolillarum bresilli) im Wert von 30 1. 13 sol. misc.
geht 1248 nach Bugia, ein anderer von II/4 Ztr. (de mondiliis brezili) im
Jahre 1240 nach Ceuta. s) Nach Bugia gehen im Frühjahr 1248 2 Ztr. 24 Pfd.
cyprischen Indigos im Werte von 22 1. misc. 9)
Von Drogen, die im Frühjahr 1248 von Marseille nach Bugia gingen,
können wir nachweisen in zwei Fällen Weinstein, einmal Kampfer,
einmal 18 Pfd. 1 Unze Skammonium im Wert von 14^/4 1. misc. und
2 Ztr. 13 Pfd. Weihrauch. 10) Reichhaltiger ist die Liste solcher Artikel,
die nach Ceuta gingen. Da begegnen wir einer Commenda von 20 1. melg.,
die in Kampfer und Myrobalanen, je einer von 61 und 33^/2 1- misc,
die in Gummi lack und Galläpfeln angelegt waren. In 2 Fällen bildet
Spikanarde den Bestandteil einer Commenda. ii) Im Jahre 1227 kauft
1) Ebd. 598. Manduel no. 31.
2) Amalric no. 6, 13, 38.
s) Manduel no. 48.
^) Manduel no. 90. Amalric no. 517, 807, 815.
6) Amalric no. 50; 341, 568, 597, 613.
«) Ebd. 535, 569 ; 32, 272.
">) Manduel no. 90.
8) Amalric no. S15, 690 ; Manduel no. 90.
*) Amalric no. 605.
10) Ebd. 645, 674, 466, 637.
") Ebd. 24; 400, 49; 50, 270.
Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas zur Zeit der Almohadeu. 315
ein Sarazene von Alexandrien, Alfaquim, von Bernardus de Mandolio in
Marseille neben 2 Ztr. Korallen 2 Ztr. Aloe (de aloe cicotrino) und 180 Pfd.
Röhrenkassie (de cassalina) zum Zwecke des Exports nach Ceuta für
einen dort zu erlegenden Gesamtpreis von 135 alten byz. miliar, i) Im Früh-
jahr 1248 sehen wir ferner 1 Ztr. Galanga würze In im Werte von 35 und
3 Ztr. Mastix im Werte von 54 1. misc. von Marseille nach Ceuta gehen ;
dazu tritt endlich noch »lissadra« (Salmiak) im Werte von 8^/4 1. melg.2)
247. Der Mannigfaltigkeit des Exports gegenüber beschränkt sich das,
was wir von der Einfuhr aus dem Gharb nach Marseille erfahren, auf
wenige Hauptartikel: Häute und Felle, Wolle, Wachs und Mandeln. So
wird in zwei für die Handelsreise nach Bugia geschlossenen Commenda-
verträgen von 1229 und 1242 die Rückanlage in Wachs, in einem dritten
Vertrage dieser Art vom Jahre 1234 in Mandeln vorgesehen. S) Von dem
Pack Häute, das der Pirat Carrocinus dem Bernardus de Mandolio in 0 r a n
abnahm, ist schon die Rede gewesen. Ein beträchtlicher Posten solcher
Häute sowie von feinen Kalb- und Schaffellen (beccunae) und von Wachs,
den Bernardus Gombaudi im Jahre 1247 von Ceuta nach Marseille zu im-
portieren im Begriff war, wurde von dem damaligen Herrn von Ceuta,
Benkalas, der mit zwei anderen Marseillern in Differenzen geraten war, be-
schlagnahmt, so daß er bei seiner Heimkehr im Mai 1248 seinen Commenda-
gebern nur einen Teil des anvertrauten Geldes zu erstatten vermochte und
sie im übrigen auf den Fall der Wiedererlangung jener Waren vertrösten
mußte. '^) In Wachs versprach Arnaudus Gascus, der Reeder der Bonaven-
tura, die im Frühjahr 1248 nach Ceuta ging, den Erlös der ihm von einem
Marseiller Juden in Commenda gegebenen Baumwolle im Werte von 120 1.
misc. anzulegen, während Jacobus Guilelmi, der im Herbst 1234 von Ber-
nardus de Mandolio 160 Byz. miliar, im Werte von 33 1. reg. für die gleiche
Reise in Commenda nahm, den Betrag in Mandeln anzulegen und mit dem
ersten nach Marseille fahrenden Schiffe mitzusenden hatte, falls er selbst es
vorzog in Ceuta zu bleiben oder ein anderes Reiseziel zu wählen. 5) Aus
einem der nordafrikanisQhen Seeplätze stammten sicher auch die 31 Pack
Schafleder (fasces beccunarum), wegen deren Bernhardus de Mandolio mit
Martinus Castanea, dem Padrone des Falconetus, in einen Rechtsstreit über
die Fracht geriet, ferner die 400 beccunae, die Johannes de Mandolio 1238
in Marseille für 108^/2 1. reg. verkaufte, sowie ein anderer Posten des gleichen
Artikels, den Jacob von Avignon im Juni 1233 für 23 1. reg. von dem ge-
nannten Bernhard in Marseille erstand. ^) Daß endlich Wolle ein nicht un-
wichtiger Einfuhrartikel aus Nord-Afrika nach Marseille war, geht daraus
hervor, daß in dem den Statuten von 1229 angehängten Tarif über die von
Fremden zu zahlenden Zollsätze an zwei Stellen die Berberwolle (lana de
Barbaria) begegnet. '')
248, Wie die Südfranzosen, standen auch ihre westlichen Nachbarn,
die Catalanen, mit Nord- Afrika im Handelsverkehr. Das beweist schon
1) Manduel no. 14.
«) Amalric no. 441, 425, 39.
') Manduel no. 20, 93, 50.
*) Amalric no. 673, 729, 732.
») Ebd. No. 1. Manduel no. 54.
») Manduel no. 23 (18. Febr 1230 Schiedspruch zugunsten Bernhards), 79, 39.
') Mary et Guindon I, 343 u. 347.
316 Zweiundzwanzigstes Kapitel. Handel mit den Sarazenen Nord-Afrikas.
die erwähnte im Interesse der nationalen Schiffahrt erlassene Verordnung
König Jaymes von 1227, wonach im Verkehr zwischen Barcelona und Ceuta
nur barcelonesische Schiffe benutzt werden durften, wenn solche zur Ver-
fügung standen; ebenso setzt der Schiedspruch vom August 1243 bezüglich
der im Hafen Tamarite zu zahlenden Abgaben den gewohnheitsmäßigen Ver-
kehr gedeckter und ungedeckter Schiffe Barcelonas mit der »Barbaria« voraus. i)
Seeräuber von Mallorka kaperten im Jahre 1227 ein Kaufmannsschiff, das
von Barcelona nach Ceuta und ein zweites, besonders reich beladenes, das
von Bugia nach Barcelona fuhr. '^) Ein Kaufmann von Barcelona, Johannes
Ruffus, der im Häutehandel tätig war und mit dem Marseiller Bernardus de
Mandolio in Geschäftsverbindung stand, kam 1231 in Oran durch den ge-
nuesischen Piraten Carrocino zu Schaden. 3) Als die Balearen von Jayme
erobert waren, setzten die Bewohner naturgemäß den Handel mit Nord-Afrika
fort ; es bezieht sich sicher mit in erster Linie auf diesen Handel, wenn die
Päpste Gregor IX. und Innozenz IV. den Bürgern von Mallorka den Handel
mit den Sarazenen, ausgenommen Pferde, Maulesel, Waffen, Eisen und Holz,
in Friedenszeiten formell gestatteten, wobei in erster Linie auf den Lebens-
mittelhandel Bezug genommen wird. 4) Die Sendung des Grafen von Am-
purias an den Beherrscher von Tunis durch den König von Aragon im
Jahre 1246 ist mit Sicherheit auch auf Handelsbeziehungen der beiden Länder
zu deuten ; der Graf ließ damals den in Lyon weilenden Papst durch seinen
Gesandten, den Genuesen Nicolaus Cigala, bitten, dem Hafsiden Sicherheit
dafür leisten zu dürfen, daß der bevorstehende Kreuzzug sich nicht gegen
ihn richten werde, worauf der Papst jedoch nicht einging, ö) Ebenso erklärt
es sich aus den zwischen Aragon und Marokko bestehenden Handelsbezie-
hungen, daß Jayme am 11, Juni 1247 die Übersiedelung eines Juden von
Sigilmessa (Sujulmesa, Cigilmensa im Königreich Fez) mit seiner ganzen
Familie nach Catalonien gestattete und ihm einen besonderen Schutz- und
Sicherheitsbrief ausstellte. 6) Zu welchen weitschweifenden Hoffnungen die
Zeit des Zusammenbruchs der Almohadenherrschaft bei den Christen Spaniens
Anlaß gab, zeigt z. B, die Bulle Innozenz' IV. vom 24. September 1245, die
die Genehmigung dazu erteilte, daß der »König« von Saleh, Seid Aazon, der
sich taufen lassen wolle, dem Ritterorden von San Jago sein Reich über-
lasse, von dem aus die benachbarten Länder der Sarazenen mit leichter
Mühe unterworfen werden könnten.'^)
1) Capmany II, 11 u. 16.
'^) Ebd. I, 2 p. 80. Die Seereise zwischen Bugia und Bare, pflegte in 4 Tagen
zurückgelegt zu werden ; Edrisi, Afr. et Esp. p. 266.
8) Manduel no. 28.
*) Berger no. 3731.
6) Ebd. 2011 f. Berger, S. Louis et Inn. IV, p. 180.
«) Boleti'n 36 (1900), p. 19.
') Mas Latrie, doc. p. 12. Berger no. 1511.
Dreiundzwanzigstes Kapitel. Handel mit den Sarazenen Spaniens. 317
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Handel der Mittelmeer-ßomaneii mit den Sarazenen
Spaniens.
249. Ähüliche Bedingungen wie in Nord- Afrika fanden die Mittel-
meer-Romanen für ihren Handel in dem gegenüberliegenden sarazeni-
schen Spanien vor, das mit Afrika in vielfacher politischer und kom-
merzieller Verbindung stand.
In dem Afrika zunächst gelegenen Teile Spaniens, dem blühenden
Andalusien, übte Almeria in der älteren Zeit eine besonders große
Anziehungskraft auf die romanischen Seefahrer und Kaufleute aus.
Idrisi hebt die Lebhaftigkeit seines Handels und den Reichtum seiner
Einwohner stark hervor ; neben der Fabrikation von kupfernen und eisernen
Geräten genoß die Seidenweberei Almerias einen ganz besonders hohen Ruf.i)
Seine hohe Wichtigkeit für den genuesischen Handel ergibt sich schon da-
raus, daß es der einzige spanische Platz ist, den der 1143 aufgezeichnete
Zehntentarif Genuas mit Namen hervorhebt 2), und bezeichnend ist auch eine
Erzählung des Mönchs Petrus Guillelmus von Saint-Gilles, die aus einem
der ersten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts stammt; danach ließen sich ge-
nuesische Kaufleute, die zur See nach Almeria gekommen waren und dort
ihre Waren mit Nutzen umgesetzt hatten, bestimmen, einen gefangenen süd-
französischen Ritter heimlich mit fortzuführen, indem sie ihn im untersten
Schiffsraum unter der Ladung verbargen ; und wirklich sei es gelungen, die
Wachsamkeit der custodes portus, die nach ihrer Gewohnheit das Schiff
genau durchsuchten, zu täuschen. 3) Indessen auch an kriegerischen Ver-
wickelungen fehlte es nicht. Gegen Mohammed-ibn-Maimün, den Kaid von
Almeria, der sich unter den Almoraviden großer Selbständigkeit erfreute,
unternahmen die Genuesen ein Jahr nach ihrer Expedition gegen Bugia
einen Seezug mit 22 Galeeren (1137), dessen Ergebnis freilich nur in der
Wegnahme einiger sarazenischer Kauffahrer bestand.^) Neun Jahre später
aber veranlaßten sie die vielfachen Piratenzüge, die von hier ausgingen, zu
ihrer großen Unternehmung gegen Almeria. ß) Mit 32 Schiffen überraschten
sie im Jahre 1146 den Hafen, wo sie sich der Waren auf den vielen be-
ladenen Schiffen bemächtigten; gegen das Versprechen, 113000 Maravedi
(marabotinos) zu zahlen, suchte der »König« von Almeria einen Waffen-
stillstand nach. Doch waren erst 25000 gezalilt, als er mit seinen großen
Schätzen auf zwei Galeeren entfloh; der an seiner Statt gewählte Herrscher
verschleppte die Zahlung, so daß die Genuesen den Kampf erneuerten ; bald
aber nötigte sie das Herannahen des Winters zur Aufhebung der Belagerung.
Doch war damit das Unternehmen keineswegs aufgegeben; im September
1146 schon hatten sie ein Bündnis zum Zweck der Eroberung der Stadt mit
1) Edrlsi, Afr. et Esp. p. 239 f. Dazu Schirrmacher p. 139.
") Reg. Curiae Arch. in Atti Lig. 11, 2 p. 9.
») Mirac. b. Egidii ; SS. XII, 321.
*) Ann. genov. I, 28 f. Amari Musulm. HI, 379.
^) Sonderbericht Caffaros über diese Expedition : Ann. genov. I, 79 ff. Ibn-
el-Athir XLV p. 81. Vgl. Schirrmacher p. 143 ff. Langer 24 f. Manfroni 207 f.
Codera, Decadencia 135.
318 Dreiundzwauzigstes Kapitel.
dem »Kaiser« Spaniens, Alfons von Castilien und Leon, geschlossen i) ; 2/3
der Stadt sollten Alfons, 1/3 ihnen zufallen; für die von ihnen zu verwen-
denden Belagerungsmaschinen sollten sie von Alfons mit 20000 Maravedi
entschädigt werden. Mit dem Grafen von Barcelona verständigten sie sich
dahin, daß sie ihm nach erfolgter Bezwingung Almerias ihre Hilfe gegen
Tortosa versprachen. Nach großen Rüstungen und der Beilegung innerer Zwi-
stigkeiten ging im Sommer 1147 eine mächtige Flotte von 63 Galeeren und
vielen kleinen Fahrzeugen unter Führung von vier Konsuln des Comune
und zwei Gerichtskonsuln von Genua in See. Weit weniger Anstrengungen
machten die Verbündeten; hauptsächlich der Initiative der Genuesen, die
schließlich mit 12 Sturmkolonnen in Stärke von je 1000 Mann vorrückten,
war die Einnahme der Stadt am 17. Oktober zu danken. Ein furchtbares
Blutbad richteten die Sieger in der eroberten Stadt an, die großenteils zer-
stört wurde ; die Zahl der gefangen nach Genua fortgeführten Weiber und
Kinder gibt Caffaro auf 10000 an. Auch gewaltige Beute brachte die Plün-
derung. Für das Comune behielt man von derselben soviel zurück (60000
Maravedi an Wert), um davon die für die Expedition aufgenommene An-
leihe mit 17 000 1. Jan. tilgen zu können; das übrige, einschließlich der
30000 Maravedi, die die Besatzung der Burg vier Tage nach Eroberung der
Stadt zahlte, um ihr Leben zu retten, wurde nach den Schiffen verteilt.^)
Das genuesische Drittel der Stadt wurde der Obhut des Otto Bonivillani,
der nach der Ankunft der Flotte als Gesandter zu Alfons nach Baeza ge-
gangen war, um ihn herbeizuholen, anvertraut; am 5. November wurde er
feierlich auf 30 Jahre damit belehnt, wofür er jährlich zwei Pallien an den
Dom zu liefern hatte; erst nach 15 Jahren sollte er die Hälfte der Zoll-
einnahmen an Genua abzuführen haben. Alle Genuesen sollten für immer
in Almeria zollfrei sein. ^)
So glänzend aber diese Ruhmestat von Almeria*) war, und so wertvoll
die Züchtigung der Sarazenen für die Machtentfaltung Genuas zur See er-
scheinen mochte, ihre Stellung in Almeria selbst ist den Genuesen nicht
allzulange verblieben. Nur 10 Jahre 0) vermochten es die Christen zu be-
haupten, dann ging es wieder an die Sarazenen, und zwar nunmehr an die
Almohaden Afrikas, verloren. 6) Im Notularium des Johannes Scriba (1155
bis 1164) begegnet Almeria nicht ein einziges Mal; der Haß der Einwohner
gegen die Zerstörer ihrer Stadt nötigte die Genuesen wohl auch nach dem
von Ottobonus mit den Almohaden geschlossenen Vertrage, den Platz zu meiden.
Dafür vermögen wir sie seitdem im Verkehr mit Sevilla nachzuweisen, das
1) Lib. Jur. I no. 125, 126. Imperiale, not. 26 p. 398 f.
*) Ann. genovesi I p. 84. SS. XVIII p. 36 f. Schirrmacher 150 fE. Langer 30 f.
Das von Belgrano (Atti lig. XIX p. 395 ff.) veröffentlichte Gedicht über die Erobe-
rung Almerias verherrlicht allein die spanische Beteiligung.
») Lib. Jur. I no. 135 und 136 ; Imperiale, nota 29 p. 408.
*) Vgl. den Bericht Ottos von Freising über die Gesandtschaft der Genuesen
an Barbarossa auf seinem ersten Römerzug (SS. XX, 398) : qui . . . captis in His-
pania inclytis civitatibus et in sericorum pannorum opificio praenobilissimis Almaria
et Ulyxibona, Saracenorum spoliis onusti redierant, leones, struthiones, psitacos cum
ceteris preciosis muneribus principi presentantes.
6) In dieser Zeit schrieb Edrisi: Die Annehm hchkeiten Almerias sind ver-
schwunden, die Einwohner in die Sklaverei geführt, Wohnungen und öffentUche
Gebäude zerstört. Afr. et Esp. 241.
6) Roberti de Monte Cronica zu 1157. (SS. VI p. 506.) Ibn-el-Athir XLV
p. 120 f. Langer 33. Codera Decad. 137, 314 ff. Schirrmacher 163.
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen Spaniens. 319
schon seit 1147 ebenfalls zum Reiche der Almohaden gehörte und besonders
mit Saleh in lebhaftem Schiffsverkehr stand, i) Am 2. August 1161 schloß
Gandulfus de Bulgaro, der schon mit Oliverius Nivecelle assoziiert war, einen
Gesellschaftsvertrag mit Wilelmus Ventus, der etwas über 100 1. Kapital
einlegte, für eine Handelsreise, die ihn nach Sevilla oder Ceuta oder sonst
nach dem Westen und zurück nach Genua oder der Provence führen sollte.
Und im Sommer 1164 nahmen Fulco und Vassallus Raviol außer einem
eigenen kleineren Kapital von etwa 18 1. jan. verschiedene Commendae
(80 1. von Ansaldus Aurie und Blancardus, 35 1/2 von Oionus, 25 2/3 von Ansal-
dus Balbi) für ihre bevorstehende Geschäftsreise mit, die nach Sevilla gehen*
sollte und nach ihrem Ermessen auch anderweit, außer nach verbotenen Ge-
bieten, fortgesetzt werden durfte. 2) Namentlich der große Reichtum des
Landes an Öl war es, der die Genuesen auch in der sarazenischen Zeit nach
Sevilla zog, wie die genuesischen Annalen um die Mitte des 13. Jahrhunderts
ausdrücklich hervorheben. 3)
250. Daß auch die Pisaner zu gleicher Zeit wie die Genuesen in Handels-
beziehungen zu Andalusien standen, wird besonders durch den Umstand
bewiesen, daß sich jener Gesandtschaft des Almoraviden-Sultans, die 1133
nach Pisa kam, auch besondere Abgesandte des Kaid von Almeria, Maimün,
angeschlossen hatten.^) Nach der Eroberung Almerias behielt sich die ge-
nuesische Regierung bei der Belehnung Bonovillanos ausdrücklich vor, die
von den Pisanern in Almeria zu erhebenden Abgaben nach ihrem Ermessen
zu regeln ö) — ein Beweis, daß der Handel Pisas mit dieser Seestadt nicht
unbedeutend gewesen sein kann. Auch die pisanische Seezinstabelle führt
Almeria, und zwar mit einem usuellen Satze von 30% ^^^'^ ™it demselben
Satze erscheint in ihr auch Malaga, der andere bedeutende Hafen Gra-
nadas, der besonders viel Feigen exportierte und hier zum erstenmal in der
romanischen Handelsgeschichte begegnet. ^) Auch die Pisaner sind damals
schon über die Säulen des Herkules hinausgelangt ; ich trage kein Bedenken,
unter dem Ort Subilia, an dem der Almohaden-Sultan den Pisanern in dem
Vertrage von 1166 ein Fondaco einräumte, Sevilla zu verstehen; nur so er-
scheint es als eine bedeutsame Konzession, deren alleinige Hervorhebung
unter aUen Bestimmungen des Vertrages durch den Annalisten verständlich
wird. "^ Der Rückschlag, der in den Beziehungen der Pisaner zu den Almo-
haden im vorletzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts eintrat, übte dann seine
Wirkung auch in ihren spanischen Besitzungen; der Vertrag von 1186 ge-
stattete den Pisanern auf der spanischen Seite nur die Benutzung von
Almeria und zwar als bloße Schiffahrtsstation ; nur Lebensmittel durften sie
hier kaufen, Wasser einnehmen und wenn notwendig ihre Schiffe aus-
») EdrM 1. c. 215 u. 83.
») Chart. II no. 1085, 1480 (7. August).
') Ann. jan. (zu 1249) p. 226. Über genues. Schiffsverkehr in den Gewässern
des sarazen. Spaniens s. noch p. 208 u. 216 f. (zu 1242 u. 1246).
*) § 216.
6) Lib. Jur. I no. 136.
*) A Malica et Almaria sol. 6 ; Const. Usus rub. 25 bei Bonaini 11, 905. Edrtsi,
Afr. et Esp. p. 244.
') Oben § 226. Heyd, Afrika S. 626 und Mas Latrie, Introd. p. 49 beziehen
es auf die Vorstadt von El-Mehdia ; Langer S. 125 f. will darunter die Unterstadt von
Bugia verstanden vdssen (durch ein Versehen spricht er hier von Genua und den Ge-
nuesen, während er Pisa und die Pisaner meint).
320 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
bessern, i) Doch wird ihr Ausschluß von der Südküste Spaniens bei der rasch
sinkenden Macht der Almohaden schwerhch von Dauer gewesen und ihr^
Konkurrenz den Genuesen schwerlich erspart geblieben sein. jH
251. Wenn man unter »Hispania« im 12. Jahrhundert im all-
gemeinen auch den ganzen mohammedanischen Teil der Pyrenäen-
Halbinsel verstand, so bezog man nach genuesischem Sprachgebrauch
diesen Namen doch in erster Linie auf die mohammedanische Ostküste,
das Königreich Valencia und Murcia. Im Vertrage mit dem Grafen
von Barcelona vom November 1127 werden genuesische Handels-
schiffe, die an dem Küstengebiet des Grafen vorbei nach »Spanien«
fuhren^), zuerst erwähnt; das fruchtbare, hochkultivierte Valencia übte
auf den Handel naturgemäß eine große Anziehungskraft aus.
Als die Genuesen in den Jahren 1147 und 1148 im Süden und im
Norden des Königreichs die Positionen von Almeria und Tortosa gewannen,
schien das für Mohammed-ibn-Sa'ad-ibn-Mardenisch, der sich gerade damals
(1147) zum selbständigen Herrscher von Valencia aufgeschwungen hatte,
eine bedenkliche Lage; um so bereitwilliger zeigte er sich, sich mit ihnen,
wenn auch unter beträchtlichen Opfern, zu verständigen. Der Friedens- und
Freundschaf tsvertrag, den er im Juni 1149 auf 10 Jahre mit dem genuesischen
Gesandten Wilelmus Lusius abschloßt), gewährte den Genuesen in den Städten
Valencia und Denia für ihre Unterkunft und die Zwecke ihres Handels Je
ein Fondaco zu ihrer ausschließlichen Benutzung und, in einem sarazenischen
Gebiete für diese Zeit ein ganz ungewöhnliches Zugeständnis, vollständige
Abgabenfreiheit im ganzen Gebiete des Herrschers. Außerdem versprach er
ihnen, was den Genuesen bei der Erschöpfung ihrer Finanzen sehr will-
kommen war, 10000 Marabotini in zwei Jahren zu zahlen; 2000 davon
konnte der Gesandte sogleich mitnehmen ; der Rest der ersten Rate war mit
3000 Mar. binnen zwei Monaten an den von ihm zurückgelassenen Bevoll-
mächtigten abzutragen. Dafür verpflichteten sich die Genuesen, sich während
der Dauer des Vertrages jedes Angriffs und jeder Schädigung des Herrschers
von Valencia und seiner Untertanen zu Wasser und zu Lande zu enthalten ;
ausdrücklich wurde bestimmt, daß diese Verpflichtung auch für ihre Lands-
leute in Almeria und Tortosa gelten sollte.
Die gewonnene günstige Position verstanden die Genuesen für ihren
Handel wohl auszunutzen; im Notularium des Johannes geben 15 Kontrakte,
die »Ispania«, einige auch bestimmter Valencia und Denia als Ziel nennen'*),
seit dem April 1156 davon Kunde. Mit dem April des Jahres 1160 aber
hören diese Verträge plötzlich auf; damals muß die Kunde nach Genua
gelangt sein, daß Mardenisch nicht gewillt sei, den bisherigen Vertrag zu
erneuern, und daß er sein Land für den Handel der Genuesen gesperrt habe.
Hatte sich mittlerweile doch auch die Lage völlig geändert; die Bedrohung
seines Königreichs durch die doppelte Flankenstellung der Genuesen in
1) Mas Latrie, Doc. p. 29,
2) Capmany IV p. 3.
8) Lib. Jur. I no. 167; Mas Latrie, Introd. p. 35. Langer S. 41. Der Ansatz
des Herausgebers zu 1150 ist mit der Datierung der Urkunde »mediante mense Safar
544« nicht vereinbar, so gut er zu dem Abbruch der Beziehungen im Jahre 1160
passen würde. Codera, Decadencia p. 122 f.
*) Valencia: no. 302, 368, 511; Denia: no. 706; seitdem Ispania: no. 718 bis
720, 760, 766, 819, 835, 842, 844/45, 850 (17. April 1160).
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen Spaniens. 321
Almeria und Tortosa hatte aufgehört. Vier Galeeren von Denia kaperten
einen großen genuesischen Ägyptenfahrer, der ihnen allerdings von einem
pisanischen Geschwader wieder abgejagt und den Genuesen zurückgegeben
wurde (Juli 1160).^) Die Genuesen schickten nunmehr eine Gesandt-
schaft unter Obertus Spinola an den König »Lupus von Spanien«, wie ihn
die Annalen nennen 2) ; sicher war die galea comunis, von deren bevorstehender
Abfahrt nach Spanien ein Kontrakt vom 13. Juli redet, für ihn bestimmt.^)
Da er indessen nichts ausrichtete, ließen die Genuesen im folgenden Jahre
denselben Spinola, der inzwischen auch zum Stadtkonsul erwählt war, mit
5 Galeeren zum Schutze ihrer Handelsschiffe in den Gewässern von Corsica
und Sardinien bis Denia hin kreuzen. Als er mit seinem Geschwader drohend
an der spanischen Küste erschien, eröffnete Mardenisch selbst, der seiner-
seits keine Galeeren auszurüsten wagte, neue Verhandlungen ; nachdem Spi-
nola sich mit den beiden Gerichtskonsuln, die ihn begleiteten, und den
Schiffskapitänen beraten hatte, gelangte man zu einem vorläufigen Ein-
verständnis darüber, daß der König wieder 10000 marab. zahlen und den
Genuesen die Handelsabgaben in seinem ganzen Königreiche erlassen sollte
(comercium totius regni sui Januensium mercatoribus dimittei'e). Auf seinen
brieflich ausgedrückten Wunsch schickte Genua darauf einen Sohn Ingos de
Volta, Wilelmus Caxicus, als solennen Gesandten an ihn*); doch die beidersei-
tige Ratifikation des Vertrages muß sich bis tief in das Jahr 1162 verzögert
haben; noch am 9. Juni 1162 versprachen die Genuesen dem Kaiser Bar-
barossa, ihn bei einem etwaigen Kriegszuge gegen die Herrscher von Valencia
und Mallorka mit ihrer gesamten Macht zu unterstützen, wobei sie nur be-
züglich Mallorkas die Zeit bis zum Ablauf ihres Vertrages ausnahmen — ein
Beweis, daß bezüglich Valencias damals noch kein sie bindender Vertrag
vorlag, ö) In der Tat sehen wir auch aus unseren Notariats- Akten, daß die
Wiederaufnahme des genuesischen Handelsverkehrs mit »Ispania« erst im
Herbst 1162 erfolgt ist. 6) Wie lebhaft sich dieser Verkehr von neuem ge-
staltete, trotz des Seekrieges mit Pisa, bcAveist uns auch die Nachricht der
pisanischen Annalen, daß es im Juli 1165 drei pisanischen Kriegsschiffen,
die an der Küste der Provence kreuzten, glückte, den Genuesen ein großes
beladenes Schiff, viele kleinere Fahrzeuge und 7 buthetti, die alle aus Spanien
kamen, wegzunehmen.'^)
Im Jahre 1172 erlag das Königreich, nachdem Mardenisch bis zu seinem
Tode (1171) energischen Widerstand geleistet, dem großen Reiche der Almo-
haden^); die in diesem für den Handel der Genuesen geltenden Bedingungen
traten auch für das neu erworbene Gebiet in Kraft.
1) Ann. pis., so. XIX, 245.
*) Ann. genov. I, 60 (1160). Spinola war selbst geschäftlich interessiert ; am
16. Januar 1160 hatte er mit einem nach der Provence gehenden Sozius vereinbart,
daß dieser die Reise usque Ispaniam, unter Umständen auch weiter ausdehnen
dürfe. Chart. II no. 819. Der Name Lupus für Mardenisch rührt von seinem von
den Spaniern oft gebrauchten Beinamen Abenlob her ; Langer S. 41, Anm. 1.
8) Chart, n no. 912.
*) Ann. genovesi I p. 61 f. (1161).
") Const. et acta I p. 296. Mit Unrecht beschuldigt also Langer S. 90, Anm. 7
die Genuesen des Vertragsbruchs.
«) Erster Vertrag wieder vom 8. September 1162. Chart. 11 no. 1181.
^) Ann. pis., SS. XIX, 253.
*) Mas Latrie, Introd. p. 48.
Schau be, Handelsgeschlcbte der roman. Völker im Mittelalter. 21
322 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
252. Was wir aus den im Notularium des Johannes erhaltenen Kon-
trakten über den genuesischen Warenhandel mit Valencia entnehmen
können, ist ziemlich dürftig. Für den Einfuhrhandel nach Genua ergibt
sich nur eine einzige Notiz: als Soliman von Salerno seinen Faktor Oliver
von Pavia mit Waren im Werte von 103 1. jan, nach Spanien entsendet,
gestattet er ihm, die 6 Byzantien, die er von dem Erlöse als sein Entgelt
für sich behalten dürfe, in Waren anzulegen, ausgenommen »in restibus«.i)
Sicher kam aber auch castilischer Alaun über Valencia 2), und daß seidene
Tücher ein begehrter Exportartikel waren, beweist schon der Umstand, daß
der Gesandte Lusius den Betrag von 2000 marab. in Gold und »panni de
seta« erhielt. 3) Jedenfalls hat auch das Papier von Xativa (San Felipe bei
Valencia), das nach dem Zeugnis Idrisis seinesgleichen in der Welt nicht
hatte und nach Ost und West ausgeführt wurde, zu den Gegenständen des
italienischen Handels gehört; von hier stammte wohl das Papier, das ge-
nuesische Kaufleute im Herbst 1163 in Tunis eingeführt haben. 4) Für die
Ausfuhr Genuas nach dem Königreich ist ein Gesellschaftsvertrag besonders
interessant, den Jordanus de Michaele mit dem auf die Handelsfahrt nach
Spanien gehenden Albertus Judex im April 1160 abgeschlossen hat; Albert
hat seinen Anteil am Gesellschaftskapital mit 39 1. jan. und 7 1. eigenes
Kapital in Pfeffer angelegt, und hofft, für jedes so angelegte Pfund ge-
nuesisch 3 Byzantien zu lösen, während von Jordans Anteil 59 1. jan. teils
in panni de bagadellis, teils in calabratiles angelegt sind.s) Um
sehr feine, kostbare Seide handelt es sich in dem Vertrage, den Enricus
Nivecella am 14. Dezember 1162 mit dem Juden Josef abgeschlossen hat.
Dieser hat ihm gegen Erlegung von 12 1. jan. »libram unam sevete« zum
Verkauf in Valencia übergeben ; erzielt er mehr als 36 Byzantien, so hat er den
Überschuß zum besten Josefs anzulegen und ihm zuzustellen, erzielt er weniger,
so wird ihm der Minderbetrag binnen einem Monat nach seiner Rückkehr
mit 1/2 1. jan. pro Byzantius ersetzt. Das Risiko des Transports trug der
Transporteur, das des Verkaufs der anfängliche Verkäufer, ß) Mit der Er-
scheinung, daß es hauptsächlich Waren der Levante waren, die die Genuesen
hierher brachten, stimmt es wohl überein, daß uns in diesen Urkunden auch
der Zwischenhandel, den die Genuesen von und nach Valencia trieben, häufig
entgegentritt. So nimmt der Commendavertrag vom 26. April 1156 die Fahrt
von Valencia nach Alexandrien in Aussicht, wenn es die Mehrheit der auf
dem gleichen Schiffe wie der Commendaempfänger mitreisenden Kaufleute
so beschließt, und umgekehrt wird bezüglich einer Handelsfahrt von Genua
nach Ägypten unter den weiteren Reisezielen Ispania genannt."^) Wenn
einmal im Sommer 1160 ausdrücklich untersagt wird 8), von Alexandria aus
nach Hispanien zu fahren, sei es auf dem Wege über Barcelona oder über
1) Chart, n no. 719 (26. Sept. 1158) ; ital. resta ■= Schnur von Zwiebeln.
*) Im Nachlaß des W. Scarsaria fanden sich 3 Kantär 14 rot. aluminis de Ca-
stilia, der von den Nachlaßpflegern mit 46 sol. jan. pro Kantär berechnet wurde;
selbst die Auszahlung einer Mitgift in Genua wurde teilweise in castilischem Alaun
versprochen. Chart. II no. 415 (1157), 1427 (1164). Unten § 261.
8) Lib. Jur. I no. 167.
♦) Chart, n no. 1345. Edrisi 1. c. 233. Blanchet p. 47 f. Oben S. 286.
6) Chart. U no. 845.
«) No. 1224 >ad meum resecum portare, sed ad tuum (so für tuam zu lesen)
vendere promitto», sagt Nivecella.
») No. 302, 1487.
8) No. 923 (28. Juli).
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen Spaniens. 323
Bugia hinaus, so hat das natürlich in dem damals ausgebrochenen Konflikt
mit König Lupus seinen Grund, und beweist gerade, daß genuesische Schiffe
häufig genug den direkten Import der Waren des Orients von Ägypten nach
dem Königreich Valencia vermittelten. Mehrfach wird die Fortsetzung ge-
nuesischer Handelsfahrten von hier nach Sizilien in Aussicht genommen i);
und wie Genuesen von der Küste Süd-Frankreichs aus nach Valencia gingen 2),
so geschah es auch umgekehrt; einmal wird bei einer Handelsfahrt nach
Valencia dem Reisenden die Wahl gelassen, direkt nach Genua zurückzu-
kehren, oder vorher Süd-Frankreich oder Sizilien oder auch beide Gebiete
aufzusuchen, oder endlich von Sizilien aus noch eine Geschäftsreise nach
der Romania anzuschließen. 3)
253. Ungefähr zur selben Zeit wie die Genuesen traten auch die
Pisaner mit Mardenisch in ein festes Vertragsverhältnis.
Sarazenische Galeeren aus dem Hafen Murcias, Cartagena, hatten
Feindseligkeiten gegen die Pisaner verübt und eine Anzahl Gefangener ge-
macht; der pisanische Gesandte, Uberto de Botacia, der im Jahre 1149 in
Begleitung einer ganzen Reihe angesehener Pisaner mit einem Schreiben
seiner Regierung vor dem Herrscher erschien, erwirkte die Freilassung der
13 Gefangenen und schloß mit dem Herrscher am 16. Januar 1150 einen
Friedens- und Freundschaf tsvertrag auf 10 Jahre.*) Gegenseitig versprach
man sich Sicherheit der Person und des Eigentums zur See und zu Lande
in den beiderseitigen Gebieten ; auf gerechtfertigte Beschwerden sollte binnen
40 Tagen Remedur eintreten. Von jeder Abgabe, insbesondere von dem
Fünften, der bisher zu entrichten gewesen, wurden die Pisaner für die Einfuhr
wie die Ausfuhr befreit; auch Sklaven, die sie loskauften, durften frei aus-
geführt werden, und das Strandrecht wurde zu ihren Gunsten außer Kraft
gesetzt. Kamen Fremde mit den Schiffen der Pisaner ins Land, so galt
zwar für diese auch die versprochene Sicherheit, doch blieben sie dem
»drictus quinte« unterworfen. Endlich erhielten die Pisaner in Valencia wie
in Denia je ein Fondaco; sie erfreuten sich also in dem Königreich genau
der gleichen bevorzugten Stellung wie die Genuesen und besuchten es offen-
bar nicht minder häufig wie diese; die Seezinstabelle führt beide Orte, Va-
lencia wie Denia, mit dem usuellen Satze von 25% auf. ^)
Nach Verlauf der 10 Jahre erneuerte Mardenisch auch mit den Pisanern
den Vertrag nicht; auch mit ihnen trat Kriegszustand ein; aus diesem er-
klärt es sich, daß die Pisaner im Sommer 1160 einem von Denia ausgesandten
sarazenischen Geschwader ihre Beute, ein genuesisches Schiff, wieder abjagten.
Und während die Genuesen im Jahre 1162 zu einem neuen Vertrage mit
Mardenisch gelangten, scheint das ihren Rivalen, die in diesem Jahre wieder
in einen lange Zeit dauernden Krieg mit Genua gerieten, nicht mehr ge-
lungen zu sein; wenigstens sahen sich die Pisaner im August 1166 genötigt,
gegen 7 sarazenische Galeeren von Denia, die die pisanischen Gewässer
1) No. 706, 719.
2) No. 819, 820.
3) No. 720 ; vgl. 1085.
'') Amari p. 239 f. (ser. 11 no. 1); das hier angegebene Jahr 1149 hat er p. 451
richtig in 1150 korrigiert. Langer S. 42 hat irrig den 27. Januar. Codera, Deca-
dencia p. 122 behält das Jahr 1149 bei und verschiebt damit die Folge der Verträge
mit Genua und Pisa.
") Bonaini U, 905.
21»
324 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
beunruhigten, einen Streifzug zu unternehmen i); sie jagten ihnen bis in römi-
sches Gebiet nach , ohne sie indessen noch anzutreffen. Ihr feindseüges
Verhältnis zu Mardenisch konnte ihnen in den Augen des Almohaden-
herrschers, mit dem sie in demselben Jahre einen Vertrag schlössen, nur
nützen, da er selbst nach dem Besitze Valencias strebte, den er im Jahre
1172 auch errang.
254. Aus der folgenden Zeit sind die Nachrichten, die sich auf den
Handelsverkehr der Genuesen und Pisaner mit diesem sarazenischen Gebiet
beziehen, nur sehr dürftiger Natur.
Aus dem Jahre 1191 kennen wir einen Kontrakt, nach dem der Ge-
nuese Lanfrancus Ricerius eine ihm gehörige Galeere gegen die Hälfte des
Reingewinns zu Kaperzügen an der spanischen Küste an Guilelmus von Lodi
vermietete. 2) Während ihres Krieges mit Pisa und Marseille sandten die
Genuesen im Jahre 1210 zwei armierte Handelsschiffe mit zwei Galeeren »in
Ispaniam«; eine der Galeeren mußte wegen Unwetters in dem gegenüber-
liegenden Oran an Land gehen, wo sie zunächst festgehalten wurde. 3) Schädi-
gungen, die sie im Jahre 1231 im arabischen Spanien erlitten, veranlaßten
die Genuesen eine Expedition von 10 Galeeren mit 5 Begleitschiffen (bar-
chettae) dorthin zu entsenden, die sich ihrer Aufgabe mit Glück entledigte *);
die folgende Krisis in Ceuta brachte sie auch mit dem Herrn von Murcia,
der vorübergehend die Oberhoheit in Ceuta erlangte, in Differenzen. Ihr
trotz aller gelegentlichen Mißhelligkeiten und Kämpfe fortdauernder Handels-
verkehr mit den Sarazenen war einem Teil der Minoriten ein Dorn im Auge,
so daß sie Gregor IX. gegen [ihren Fanatismus in Schutz nahm; auf eine
Beschwerde Genuas untersagte ihnen der Papst am 10. Juli 1233 die Ex-
kommunikation solcher Genuesen, die mit erlaubten Wären nach dem ara-
bischen Spanien ö) gingen, da in Friedenszeiten nur die Lieferung von Waffen,
Eisen, Holz und ähnlichen Dingen, die zur Bekämpfung der Christen dienen
könnten, an die Sarazenen verboten sei. Nur kurze Zeit aber noch, und Va-
lencia wurde durch Jayme den Eroberer den Arabern entrissen und trat so
dem eigenen Gebiete der Mittelmeer-Romanen hinzu.
255. Nach den Balearen, wo noch die Nachkommen des
100 Jahre zuvor von Sardinien vertriebenen Mogehid herrschten, rich-
tete sich die berühmte Expedition der Pisaner im Jahre 1113, die
als eine direkte Fortsetzung ihrer Seezüge gegen die Sarazenen im
11. Jahrhundert erscheint.^)
Von zahlreichen Toskanern des Binnenlandes auf die ergangene Kreuz-
predigt hin unterstützt, denen es unentgeltlich die Schiffe stellte, ließ Pisa
am 6. August 1113 eine Flotte von 300 Fahrzeugen in See gehen, die in-
dessen im ersten Jahre ihr Ziel noch gar nicht errreichte, sondern in Cata-
lonien überwintern mußte. Während nicht wenige Toskaner, und unter
1) Ann. pis., SS. XIX, 245. 255.
«) Cais de Pierlas in Ann. Alpes-Marit. XII (1890), 11 f.
') Ann. genov. II, 115.
*) Ann. Jan. p. 177.
^) ... ad partes Ispanie et ineule que Garbum dicitur (Lib. Jur. I no. 711).
Mit der sog. insula kann hier schwerlich etwas anderes als Marokko gemeint sein.
«) Ann. pis., SS. XIX, 240. Liber Maiolich. ed. Calisse. Darstellung bei
Amari praef. XXIIf.; ausführlich auch Davidsohn I, S. 373— 378; dazu dessen For-
schungen I, S. 82 f. Manfroni 169 ff.
Handel der Mittelmeer-Eomanen mit den Sarazenen Spaniens. 325
ihnen besonders die Lucchesen, das Unternehmen aufgaben und zu Lande
zurückkehrten, schloß sich jetzt der Graf von Barcelona an, und es gelang
am 10. August 1114 zuerst die Insel Iviza mit ihrem festen Hauptort, und
nach einer sechsmonatlichen Belagerung, bei der beide Teile ihre Kriegs-
kunst wie ihren Heldenmut bewährten, auch die feste Hauptstadt von Mal-
lorka einzunehmen (Februar 1115, die Burg mit dem Königspalast erst am
3. April). Wohl war die Beute der Sieger, die zu nicht geringem Teile von
den räuberischen Seezügen der Inselbewohner herstammte, sehr reich; groß
aber waren auch die Verluste der Pisaner gewesen. An eine dauernde Be-
hauptung der Inselgruppe, die zunächst in den Besitz der Almoraviden über-
ging und bald von neuem selbständig wurde, war nicht zu denken ; den hier
heimischen Seeräubern war allerdings das Handwerk zunächst gründlich ge-
legt und ein dauernder Gewinn für den Handel der Pisaner war es auch,
daß sie seitdem auf den Balearen immer in besonderem Ansehen standen.
Noch lange leitete Pisa aus diesem Zuge, der ihm hohen Ruhm in
der Welt eintrugt), Ansprüche auf eine Art Schutzrecht über diese Inseln
her; vor allem wollte es nicht dulden, daß die für seinen Verkehr mit
Spanien und Marokko so günstig gelegene Inselgruppe einer fremden Macht
anheimfiel. Als die Genuesen auf ihrem Zuge gegen Almeria (1146) zunächst
Menorka angriffen, ließen die Pisaner, die eine dauernde Festsetzung ihrer
Rivalen auf der Inselgruppe befürchteten, durch amtliche Schreiben und
Gesandte die Genuesen wissen, daß solches Vorgehen von ihnen als Kriegs-
fall betrachtet werden würde und wandten sich gleichzeitig mit Vorstellungen
an den Grafen von Barcelona, daß er, dessen Vater einst mit ihnen zu-
sammen Mallorka erobert, das, obwohl von Sarazenen bewohnt, seitdem
unter seinem und ihrem Schutze verblieben sei, unmöglich zugeben könne,
daß die Unabhängigkeit der Balearen jetzt angetastet werde. 2) Natürlich
wußten sie sehr wohl, daß diese Unabhängigkeit von niemandem mehr be-'
droht war als von Raimund Berengar. Einige Jahre darauf machte dieser
den Versuch, sein Ziel mit Hilfe der Pisaner zu erreichen, indem er durch
den Judex von Arborea, ihren eigenen Erzbischof und den Papst Eugen III.
(einen Pisaner) auf sie einzuwirken suchte^); indessen mochte schon das Bei-
spiel, das die Pisaner an der Behandlung der Genuesen in Tortosa vor Augen
hatten, genügen, sie gegen solche Lockungen zu feien. So sicher es ist,
daß sie mit den Herrn der Balearen, den Ibn-Ghania, die ihre Selbständig-
keit auch gegenüber den Almohaden behaupteten, in einem Vertragsverhält-
nis standen, so stammt doch der erste erhaltene Vertrag erst aus dem vor-
letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts ; aus der vorhergehenden Zeit hören wir
nur von einer Gesandtschaft der Pisaner, die im Mai 1161 unter Ardecasa
auf einer Galeere nach Mallorka ging, und wissen, daß der Gesandte Teperto
Dodone, der Pisa am 10. Juli 1173 verließ und schon am 16. August wieder
in Pisa eintraf, nachdem er unterwegs mit seiner Galeere den Genuesen
manchen Schaden zugefügt, mit dem Herrscher der Balearen einen für die
Pisaner günstigen Vertrag abgeschlossen hat. *) Am 28. Februar 1184 nahm
*) S. den Eingang des Privilegs Barbarossas vom August 1155 bei SchefEer-
Boichorst p. 404 f.
*) Coleccion IV p. 371 ; undatiert, aber nach dem Inhalt sicher ins Jahr 1146
zu setzen.
^) Ib. no. 128; vgl. Langer S. 44 Anm. 3, der diesen Brief Barisos in den
Sommer 1151 setzt; die Bulle Eugens vom 24. Juni 1152 ib. no. 151 p. 365 f.
*) Ann. pis., SS. XIX, 246 u. 265.
326 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
die pisanische Regierung eine Anleihe von 300 1. für die Kosten einer neuen
Gesandtschaft auf i), deren Führung man dem Sigerius Gualandi anvertraute;
der erneuerte Friedensvertrag, den er am 1. Juni mit Abu-Ibrahim-Isaak,
dem Herrn der vier Inseln Mallorka, Menorka, Iviza und Formentera im
Namen Pisas und Luccas, das damals den Pisanern eng verbündet war, auf
den Zeitraum von 10 Jahren und 6 Monaten nach dem Mondzyklus zustande
brachte, beschränkte sich darauf, die volle Sicherheit der beiderseitigen Unter-
tanen in den Gebieten der Kontrahenten gegenseitig zu gewährleisten ; auch
bei Schiffbruch versprach man sich, unter Verzicht auf das Strandrecht,
gegenseitige Hilfe; nur wer auf feindlichem Schiffe betroffen wurde, mußte
sich gefallen lassen, auch als Feind behandelt zu werden. 2) Bis zum Unter-
gange der Sarazenenherrschaft hat sich an der günstigen Stellung der Pisaner
auf den Balearen nichts geändert.
256. Von dem pisanischen Kreuzzuge gegen die Balearen hatten sich
die Genuesen ganz ferngehalten 3); als sie 1146 ihren Zug gegen Almeria
unternahmen, landeten sie unterwegs unter Caffaros Führung auf Menorka,
unternahmen einen viertägigen Verwüstungszug durch die Insel und zer-
störten Ciudadela an der Westseite derselben. 4) In dem Präliminar vertrage,
den sie, um sich den Rücken zu decken, im Herbst dieses Jahres mit dem
Grafen von Barcelona schlössen, war außer der Bezwingung Tortosas auch
die gemeinsame Eroberung Mallorkas in Aussicht genommen; der entschie-
dene Einspruch der Pisaner war es wohl, der die Kontrahenten veranlaßte,
diesen Plan fallen zu lassen, so daß der Vertrag selbst nichts mehr davon
enthält, ö) Als die Genuesen im nächsten Jahre ihren Zug gegen Almeria
erneuerten, haben sie eine Zeitlang den trefflichen Hafen Mahon (Portus
magnus) an der Ostseite Menorkas als Stützpunkt für ihre mächtige Flotte
benutzt ; vielleicht ist es in dieser Zeit schon, wo die Genuesen auf ihre Ab-
•weisung der Eroberungsgelüste des Grafen hinweisen konnten, zum Abschluß
eines Vertrages mit dem Herrn der Balearen gekommen. Positiv wissen wir
nur, daß im Sommer 1162 ein Vertragsverhältnis zwischen beiden Mächten
bestand, das damals noch 8 Jahre lief.*') Das älteste erhaltene Privileg
stammt auch hier erst aus den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts. Der
Vertrag, den Rodoanus de Mauro im Juni 1181 auf 10 Jahre bei Abu-Ibra-
him-Isaak erwirkte, ist dem pisanischen von 1184 völlig analog; reichhaltiger
dagegen ist das Privileg, das dessen Nachfolger Abu-Mohammed- Abdallah im
August 1 188 der Gesandtschaft Niccolös, des Sohnes Filippos de Lamberto,
auf 20 Jahre gewährte. Den Genuesen wurde ein Fondaco, wo es ihnen
^) Bonaini, Suppl. p. 87 mit dem irrigen Datum 29. April 1185; vgl. hierüber
Deutsche Z. f. G IX (1893), 237 Anm. 4.
**) Amari p. 230 und 274 (freundschaftliches Schreiben des Herrschers an Pisa
vom folgenden Tage); Mas Latrie, Suppl., Doc. p. 367 und 373; Bonaini Suppl. p. 91.
Deutsche Z. f. G 1. c. 243 f. Codera, Decad. 178.
') Das Chron. breve von Barcelona beschuldigt sogar die Genuesen, daß Mal-
lorka durch ihren Verrat wieder an die Sarazenen verloren gegangen sei; David-
sohn I, 380; dessen Forschungen I, 83.
■*) Ann. genovesi I p. 33 f. (1146); Langer S. 24.
») Coleccion IV no. 141 und 144 p. 337 f., Lib. Jur. I no. 127 not. 1, Langer
S. 28 Anm. 2.
^) § 251. Im Notularium des Johannes beziehen sich je 3 Verträge auf Mal-
lorka (Chart, n no. 366, 709, 714; im Herbst 1158 ist Soliman von Salerno beteiligt;
die Commenda von 1156 besteht z. T. in Flachs) und Iviza (1296, 1299 f. Das Schiff
des Timonerius ging von hier weiter nach Bugia).
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen Spaniens. 327
beliehen würde, eine Kirche, ein Backofen und der wöchentlich einmalige
Gebrauch des Bades, alles ohne irgendwelche Abgabe, zugestanden ; vor allem
aber erhielten sie Zollfreiheit, gleichgültig, ob sie von Osten her oder von
Spanien oder Marokko nach Mallorka kämen, i) Im Jahre 1191 ging der
Gerichtskonsul Angelotus Vicecomes als Gesandter nach Mallorka, aus welchem
Grunde wissen wir nicht. 2)
Für die letzten 40 Jahre der sarazenischen Herrschaft auf den Balearen
fehlt es uns durchaus an Nachrichten über die Handelstätigkeit der Genuesen
auf den Inseln ; indessen hat sie zweifellos auch in dieser Zeit fortbestanden.
257. Wenn bisher nur von den Handelsbeziehungen der Genu-
esen und Pisaner zu den spanischen Sarazenen die Rede gewesen ist,
so entspricht das der Tatsache, daß von den anderen italieni-
schen Handelsnationen die Venezianer auf diesem Gebiete für
unsere Zeit gar nicht und auch die Süd-Italiener nur in geringem
Umfange nachweisbar sind.
Wenn sich Genua nach der Eroberung Almerias Otto de Bonovillano
gegenüber die Festsetzung der von den homines Regis Sicilie hier zu er-
hebenden Abgaben (wie bei den Pisanern) selbst vorbehielt 3), so ist das ein
Beweis, daß doch ein nicht unbedeutender Handelsverkehr von Sizilien und
vielleicht auch von Amalfi und Gaeta aus hierher bestanden haben muß;
wahrscheinlich hatte das arabische Element Siziliens daran einen nicht ge-
ringen Anteil. Im übrigen hören wir nur mehrfach von Seezügen der nor-
mannischen Flotte, die in feindlicher Absicht gegen die Sarazenen Spaniens
unternommen wurden 4) ; ein freundliches Verhältnis dagegen bestand zur Zeit
Heinrichs VI., dem AI Mansur reiche Geschenke schickte 0), und Friedrichs II.,
der sogar einmal einen tunesischen Gesandten mit seiner Flotte nach dem
arabischen Spanien überführen ließ und gelegentlich auch dieses Gebiet
mit dem Überschuß der Getreideproduktion seines Königreichs versorgte,
wenn die Konjunktur den Absatz dahin lohnend erscheinen ließ*'); im Sep-
tember 1244 urkundet der Sekretus Siziliens, Obertus Fallamonaca, nach
seiner Rückkehr aus Spanien, wohin er als Gesandter des Kaisers an den
»Beherrscher der Gläubigen« gegangen war.'')
>) Mas Latrie, Doc. p. 110 f., Atti Lig. V, 593 f. Der Gesandte Nicolaus wird
im Vertrage nur mit seinem Beinamen Leccans nuptias (= Leccanozze) genannt;
sein oben gegebener wirklicher Name stammt aus den Ann. Jan. zu 1188 (ann. ge-
novesi II, 26).
«) Ann. genov. II, 38.
') Lib. Jur. I no 136.
*) Als 1160E1-Mehdia von Abd-el-Mumen belagert wurde, ließ König Wilhelm
schleunig »stolium suum quod in Ispaniam miserat« zurückrufen. Romuald von Sa-
lerno, SS. XIX, 429; Falcandus p. 24 f. 1170 tritt der gegen Spanien entsandte
stolus Regis Sicilie feindlich gegen die Genuesen auf; ,und 1181 überwintert
eine starke zur Eroberung Mallorkas bestimmte sizilische Flotte an der genuesischen
Riviera (apud Vadim) Ann genov. ad a. Amari Musulm. III, 518 f. Wenn in
einem sizilischen Kircheninventar des 12. Jahrhunderts einmal ein kostbares Ge-
wand spanischer Arbeit aufgeführt wird (Siragusa in seiner Ausgabe Falcandos
p. 179 A. 1 : una est casubla cum listis et est operis Hispanie), so beweist das noch
nicht, daß die Einfuhr solcher Artikel durch die Sizilier selbst erfolgt ist.
») Toeche 367.
8) Oben § 236. Huillard-Bräholles V, 633.
') Winkelmann, acta I, 561 u. 707. Die Ann. Sic. (SS. XIX, 447) reden von
seiner Reise ad Maroccum.
328 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
258. Auch für den Handelsverkehr der Südfranzosen mit dem
arabischen Spanien hegen nicht gerade viel Nachrichten vor.
Wir wissen, daß im Jahre 1127 in Barcelona ein besonderer, vom Grafen
festgesetzter Zolltarif bestand, der auf die Bewohner von Montpellier An-
wendung fand, wenn sie mit ihren Schiffen an der katalanischen Küste
entlang oder an ihr vorbei nach dem mohammedanischen Spanien fuhren. i)
Und der Handel Montpelliers nach diesem Gebiet gerade muß ein beson-
ders festgewurzelter gewesen sein; denn als die Bewohner Montpelliers sich
in der Mitte des Jahrhunderts den Genuesen gegenüber verpflichten mußten,
keine Schiffahrt auf hoher See zu treiben, wurde ihnen doch ausdrücklich
zugestanden, daß dies Verbot für die Schiffahrt »in Hispaniam« keine Gel-
tung haben sollte; vielmehr versprachen die Genuesen, alles zu tun, was in
ihrer Macht stehe, um die Sicherheit derer von Montpellier und ihrer Waren
auf diesem Wege zu gewährleisten. 2) Das gleiche Zugeständnis wie Mont-
pellier machten die Genuesen auch den Bewohnern von Arles^) und Saint-
Gilles, so daß auch von diesen Städten aus ein lebhafter Seehandel mit
Spanien bestanden haben muß. Noch im Jahre 1231 ließ sich Montpellier
von König Jayme ein Privileg ausstellen, wonach seine Kaufleute, selbst
wenn sich der König mit einem sarazenischen Gebiete in Krieg befinde, das
Recht haben sollten, sich zu Handelszwecken von diesen Sarazenen Sicher-
heitsbriefe zu erwirken, vorausgesetzt, daß sich ihr Handel nicht auf ver-
botene Waren erstreckte,"^) Die Provence, die von spanischen Sarazenen
einst so furchtbar zu leiden gehabt hatte, ist ein letztes Mal noch im Jahre
1178 von ihnen heimgesucht worden, wo der Beherrscher der Balearen auf
einem kühnen Streifzuge Toulon einnahm und viele Vornehme, unter ihnen
Ugo Gaufredus, Vicecomes von Marseille, gefangen nach Mallorka abführte.^)
Daß sie auch in friedlichem Handelsverkehr mit dem arabischen Spanien
stand, wird durch einen Marseiller Kontrakt aus dem Jahre 1235 bewiesen,
in dem Petrus de Causaco 500 Byz. miliar, von Bernardus de Mandolio für
eine Handelsfahrt in Commenda nahm, die erst nach Sizilien und dann »in
Garbum vel in Ispaniam« gehen sollte, ß)
Naturgemäß standen auch die Katalanen trotz häufiger Kämpfe
ihrer kriegslustigen Herrscher mit den Sarazenen in den doch auch nicht
fehlenden Friedenszeiten mit dem arabischen Spanien in Handelsbeziehungen.
Aus dem Jahre 1227 hören wir von einem reichbeladenen katalanischen
Schiffe, das von Sevilla kam; es fiel mallorkanischen Seeräubern in die
Hände. '^) Und aus der Entscheidung König Jaymes in dem Zollstreit zwischen
Barcelona und der Herrin des Hafens von Tamarite vom Jahre 1243 geht
^) Capmany IV p. 4.
«) Lib. Jur.I no. 83 (1150) und 211 (1155); unten § 439. Langer S. 68 deutet
die Bestimmung irrtümlich dahin, daß sie nur bis Barcelona hätten fahren dürfen.
^) Lib. Jur. n no. 5.
*) . . . possint habere et percipere securitatem a Sarracenis causa mercimonii
exercendi, licet nos cum Sarracenis illis guerram habuerimus. Aus dem Grand
Thalamus bei Fabrege II, 283 A. 3. In dem Zolltarif Montpelliers, etwa aus dem
Anfang des 13. Jahrhunderts, ist die libra de seda Ispanie mit 1 den., die heimische
mit Vs den. verzeichnet. Lib. Instrum. p. 438.
0) Codera, Decadencia p. 177, 331. Ann. S. Victoris, SS. XXIII, 3. Schenkungs-
urkunde eines Gefangenen in Mallorka an die Kirche von Toulon bei Lambert G.,
Leg seigneurs de Toulon im Bull, de l'Acad. du Var., n. s., XX (Toulon 1897) p. 83.
*) Manduel no. 67.
') Capmany I, 2 p. 87.
Handel der Mittelmeer-Romanen mit den Sarazenen Spaniens. 329
hervor, daß die Schiffe Barcelonas häufig das arabische Spanien zum Ziel-
punkt ihrer Fahrten wählten: Barcelona behauptete, zur Zahlung des See-
zoUs in Tamarite nur für solche Waren verpflichtet zu sein, die »in lignis
planis« bis Murcia gingen und nicht für solche, die nach Andalusien be-
stimmt waren ; der König aber entschied, daß Ruderschiffe, die nach Anda-
lusien gingen oder von da zurückkehrten, zur Zahlung von Zöllen nach
Maßgabe des beigefügten Tarifs verpflichtet, Segelschiffe aber davon frei-
zulassen wären. 1)
^) Ebd. n p. 15 f. Über den Handelsverkehr zwischen spanischen Christen
und Sarazenen s. auch Auvray 2290 (7. Nov. 1234) u. 3491 (5. Febr. 1237). Für die
Zeit nach der Eroberung dieser Gebiete durch die Christen s. Kap. 36.
n
Abschnitt IV:
Handel der Mittelmeer-ßomanen mit den
übrigen Romanen.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Mit den ßomaneii des atlantischen Küstengebiets.
259. Jenseits der Säulen des Herkules erscheinen auf damals sarai
zenischem Boden Saleh und Sevilla als die äußersten Punkte, bis zu denen'
der italienische Handel schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts vordrang.
Früh auch hören wir von einer Beteiligung von Italienern an den Unab-
hängigkeitskämpfen der spanischen Christen an der Westküste der iberischen
Halbinsel; ein erfahrener genuesischer Schiffsbaumeister namens Angerius
erbaute 1120 im Auftrage und auf Kosten des tüchtigen Bischofs Diego
Gelmirez, der gerade damals zum Erzbischof von Santiago erhoben wurde,
im Hafen von Santiago, dem alten Iria (Padrone an der Mündung des Ulla)^j
zwei Galeeren, mit denen es unter Führung des Angerius gelang, die räu™'
berischen Sarazenen zurückzuschlagen; schon einige Jahre zuvor hatten
sich die Bewohner von Iria in ihrer Bedrängnis außer an Genua auch an
Pisa und Arles gewandt, um des Schiffsbaus kundige Personen in ihre Dienste
zu ziehen. 1) Auch bei der Belagerung von Lissabon wirkte ein pisanischer
Ingenieur (vir magnae industriae) in hervorragender Weise mit 2); er erbaute^,
den hölzernen Belagerungsturm von wunderbarer Höhe, den die EngländedB
und die Leute des Königs von Portugal am 19. Oktober 1147 in Bewegun^^
setzten und am 21. Oktober so nahe an die Mauer heranbrachten, daß die
Mohammedaner Verhandlungen einleiteten, die drei Tage darauf zur Kapi-
tulation von Lissabon führten. Es war eine Zeit energischen Vordringens
der Christen, an dem auch die italienischen Handelsnationen ihren Anteil
hatten; der Vertrag, den Genua im September 1146 mit dem Beherrscher
von Castilien und Leon, dem »Kaiser« Alfons zunächst in bezug auf Almeria
*) Hist. Compostellana 1. I c. 103, II c. 20 (Flores, Espaöa Sagrada t. XX).
«) Ann. Magdeb., SS. XVI, 189. Bernhardi, Konrad III p. 585 f. Langer 5{
Anm. 1. • Volpe p. 291 A. 2.
Vierundzwanzigstes Kapitel. Handel m. d. Romanen des Atlant. Küstengebiets. 331
schloß, faßte auch die gemeinsame Eroberung anderer mohammedanischer
Orte ins Auge, die in derselben Weise wie Almeria unter die beiden Ver-
bündeten geteilt werden sollten, und verlieh den Genuesen noch darüber
hinaus Rechte, die für Alfons und seine Erben allezeit bindend sein sollten:
auch an allen Orten, die er allein erobern würde, sollten sie eine Kirche
mit den nötigen Einkünften, ein gutes Fondaco (alfondegam de melioribus),
Backofen, Bad und Garten erhalten. Die Hauptsache aber war, daß den
Genuesen volle Freiheit und Sicherheit des Handels in beiden Königreichen
und vollständige Befreiung von Handelsabgaben zu Lande wie zur See zu-
gesichert wurde 1) (nulluni enim portaticum neque pedaticum neque ribati-
cum dabitis in tota mea terra vel mari). Inwieweit die Genuesen hiervon
Gebrauch gemacht haben, vermögen wir freilich nicht festzustellen.
260. Eine weitere Veranlassung für die Italiener, mit dem atlantischen
Küstengebiet Spaniens vertraut zu werden, boten die im ganzen christlichen
Abendlande überaus hoch geschätzten Wallfahrten zum Grabe des Apostels
Jacobus in Santiago de Compostella. 2) War auch der fromme Zweck bei
diesen Wallfahrten die Hauptsache, so verfolgten doch manche Pilger neben-
her auch Handelszwecke und unzweifelhaft ist durch die Bewegung und
Völkormischung, die diese Wallfahrten hervorbrachten, auch der Handel
gefördert worden. Konzilsbeschlüsse der Kirchenprovinz Santjago aus dem
2. Jahrzehnt des 12, Jahrhunderts nennen Kaufleute und Pilger, als unter
dem besonderen Schutz der Kirche stehend, in einem Atem^) und schreiben,
um die Legalität des Handels zu sichern, bei Kauf und Verkauf den Ge-
brauch der amtlichen Normalmaße vor. 4) Als der Genuese Johannes Fili-
ardus nach seiner Rückkehr von einer Handelsfahrt nach dem Orient im
Sommer 1158, offenbar in Erfüllung eines auf dieser Fahrt getanen Gelübdes,
sich anschickte, nach Santjago zu pilgern, nahm er von seinem bisherigen
Sozius Willelmus Filiardus eine Commenda von ungefähr 5 Pfund Gewürz
nelken auf die Wallfahrt mit. ^) Solche Vereinigung einer materiellen Neben-
absicht mit dem frommen Hauptzweck war gewiß keine Seltenheit, wenn
sie auch nur ausnahmsweise einmal nachweisbar ist ; auch die beiden anderen
genuesischen Kaufleute, die nach Ausweis des Notulariums des Johannes in
dieser Zeit nach Santjago gepilgert sind, Marchio Castaneae, der schon er-
wähnte Sozius Solimans von Salerno (ebenfalls im Sommer 1158), und Bonus
Johannes Guaracus im Jahre 1163, der in den sizilischen Gewässern Schiff-
bruch erlitten hatte 6), sind schwerlich mit leeren Händen dahin gegangen.
1) Lib. Jur. I no. 126 p. 123 Schirrmacber 143 ff.
*) S. besonders Ferreiro A. L., Historia de la santa a. m. Iglesia de Santjago
de C. 3 Bde. Santjago 1898 — 1900. Haristoy P., Pelerinage de Saint-Jacqiies de
C. Pau 1900 (aucb in: Etudes bist, et r^lig. du diocese de Bayonne; annee 1899
und 1900). Häbler K., Das Wallfabrtsbucb des Hermannus König von Vacb. Straß-
burg 1899. (Drucke u. Holzscbnitte des 15. u. 16. Jahrhunderts in getreuer Nachbildung
no. 1) mit trefflicher allgemeiner Einleitung über diese Wallfahrten.
^) Ferreiro 1. c. III App. no. 30 p. 91 f Concilio Compostelano 1112 (era 1150)
rub. 23: Mercatores, romarii et peregrini non pignorentur; et qui aliter egerit, du-
plet quae tulerit et sit excommunicatus et solidos 60 persolvat Domino illius honoris ;
vgl. damit no. 31 p. 93 (1114).
*) Ebd. p. 92 rub. 25 de mensuris. Kauf und Verkauf nur ad mensuram illius
petrae quae stat in campo Compostellae.
») Chart. II no. 644.
«) Ebd. no. 1342. Oben § 111. Ferretto I, 120 A. 1 führt Testamente von
1213 und 1233 von Genuesen an, die im Begriff" waren, nach Santjago zu pilgern.
332 Vierundzwanzigstes Kapitel.
Selbstverständlich haben die aus Italien oder Südfrankreich kommen-
den Pilger durchweg den Landweg nach Santjago benutzt, der in bezug
auf Beschwerlichkeit den Erfordernissen einer rechten Wallfahrt gewiß durch-
aus Genüge tat. Auf solchen Pilgerverkehr ist wohl in erster Linie das
Schreiben zu beziehen, das König Sancho von Navarra im Jahre 1166 den
Genuesen durch den Ritter Bernardus de Orta übersandte. In demselben
bot er ihnen seine Freundschaft an und sicherte den Genuesen ungehin-
derten Durchzug durch sein Land und ungestörten Aufenthalt in demselben
zui), falls sie das Gleiche seinen Untertanen gegenüber versprächen. Zu-
gleich verhieß er, sich bei seinem Neffen Alfons III. von Castilien und seinem
Schwager Fernando IL von Leon (seit 1157 waren die Königreiche getrennt)
für die Genuesen wie für die eigenen Untertanen verwenden zu wollen,
falls ihnen in diesen Reichen irgend ein Hindernis bereitet werden sollte
— es ist deutlich genug, daß es sich bei diesem Anerbieten hauptsächlich
um den Weg nach Santjago handelte. Sancho wünschte endlich auch,
zwischen ihnen und seinem eben zur Regierung gekommenen Neffen, Wil-
helm IL von Sizilien, zu vermitteln; durch seine Gesandten habe er sich«,
schon für sie verwendet und sei bei entgegenkommender Antwort gern zimI
weiteren Botschaften geneigt. Wenn dieser Vermittel ungs versuch auch ohne
Ergebnis blieb, so ist uns dies Schreiben doch ein interessantes Zeugnis für
den frühen Verkehr der Genuesen auch in den entlegeneren Teilen der«!
Pyrenäen-Halbinsel. * "■
261. Als in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Sarazenen Spa-
niens immer weiter zurückgedrängt wurden , als nicht bloß Cordova fiel,
sondern auch Sevilla den Angriffen König Ferdinands III. von Castilien und
Leon erlag, mußte den Genuesen um so mehr daranliegen, mit den neuen
Machthabern in ein gutes Verhältnis zu kommen, als sie speziell mit Sevilla
von der sarazenischen Zeit her schon altgewohnte Handelsbeziehungen hatten ;
das Öl Andalusiens, das Quecksilber Almadens 2), der Alaun Castiliens^)
stellten für ihren Handel höchst wertvolle Produkte dar. Da außerdem für .
sie noch ein besonderer Anlaß dadurch eintrat, daß Rodrigo Garcia, de^fll
Königs Vasall, mit seinen Komplicen an einem genuesischen Schiffe See- '
raub verübte, so schickten sie im Jahre 1249 die Edlen Guglielmo BoUeto
und den Richter Ugone de'Fieschi an König Ferdinand, der sie zwar gut
aufnahm, an ihren Hauptforderungen aber: Gewährung des freien Konsulats ^^
und Herabsetzung der Zollsätze auf die Hälfte, doch Anstoß nahm, so daßjfll
die Gesandten, ohne abzuschließen, heimkehrten; erst 1251 ist der auf lange
hinaus grundlegende Vertrag zustande gekommen, der den Genuesen einen
weitgehenden Einfluß sicherte *); sind sie doch in der Folgezeit vornehmlich
die Lehrmeister der atlantischen Nationen der Halbinsel, der Castilianer 0)
imd der Portugiesen, auf maritimem Gebiet geworden.
') Lib. Jur. I no. 250 . . . quod si forte vestri homines per terram nostram
transitum fecerint vel ibi aliquantulum morari voluerint.
*) Über den ölreichtum Sevillas s. oben § 249. Am 16. Febr. 1249 vergab
der König an den Ritterorden von Calatrava >medietatem illius minere mee argenti
vivi en Chilon, que vocatur vulgariter Almadenc. F. R. de Uhagon im Boletin 35
(1899) p. 17 no. 73. Quecksilber im Export der Genuesen nach der Romania oben § 190.
*) Oben § 252. Der castilische Alaun erscheint ferner im Tarif von Narbonnej
(Mouynes p. 4) und 1229 im Tarif von Marseille. Möry et Guindon I, 343, 346.
*) Ann. Jan. p. 226 f.
*) Duro Ces.-F., La Marina de Castilla (Madrid 1894 in der Hist. general de|
Espaöa der R. Acad. de la Historia).
Handel mit den Romanen des atlantischen Küstengebiets. 333
262. Aber auch an der atlantischen Küste Frankreichs vermögen wir,
wenigstens in einem Falle, italienischen Seehandel schon in der ersten Hälfte
des 13. Jahrhunderts nachzuweisen; wir würden auch von diesem Fall nichts
wissen, wenn nicht besondere widrige Umstände das Eingreifen geistlicher
und weltlicher Autoritäten veranlaßt hätten. Der Genuese Gerardus de Pes-
sagno und sein Bruder befanden sich im Jahre 1232 mit ihrem Schiffe, zu
dessen Ladung u. a. neun Ballen Tuch gehörten, an der Westküste Frank-
reichs auf dem Wege nach Spanien, als schwere See sie veranlaßte, den
Hafen von La Rochelle aufzusuchen, den das Schilf, wenn auch mit Mühe,
so doch im ganzen unversehrt, erreichte. Der Seneschall des englischen
Königs aber, sein Sohn und die Leute von der Insel Oleron behaupteten,
das SchifE habe Schiffbruch gehtten und, sich auf das Strandrecht stützend,
zwangen sie die Genuesen, sich mit einer beträchtlichen Summe Geldes und
einem Teil ihrer Waren loszukaufen. Doch die Genuesen wollten solche
Vergewaltigung nicht ruhig hinnehmen. Sie fanden auch die Unterstützung
der Bürger von La Rochelle (das den Engländern von den Franzosen 1224
entrissen worden war), die durch Augenzeugen beschwören ließen, daß kein
Schiffbruch erfolgt sei und am 24. August 1232 einen Brief an Genua rich-
teten, in dem sie das Geschehene wahrheitsgetreu schilderten und Genua
aufforderten, Gegenmaßregeln zu ergreifen. Die Sache kam schließlich vor
den Papst; wir besitzen das Schreiben Gregors IX. vom 15. Dezember 1233
an den Archipresbyter von La Rochelle, er möge, wenn sich die Sache wie
geschildert verhalten, den Seneschall und seine Mitschuldigen, wenn nötig
durch kirchhche Zensuren, zur Restitution veranlassen, da es unwürdig sei,
daß diejenigen, die die Hand des Erlösers vor dem Untergange bewahrt
habe, deswegen unter den ungerechten Bedrückungen der Menschen leiden
sollten. 1) Welchen Erfolg die päpstliche Intervention gehabt hat, wissen
wir nicht. Von besonderem Interesse aber ist es, daß wir in diesem ver-
einzelt aus voUem Dunkel ans Licht tretenden Fall vom Jahre 1232 gerade
Mitgliedern jener genuesischen Familie im Atlantischen Ozean begegnen,
die später in Spanien sowohl wie in England zu besonders hohen Ehren
emporgestiegen ist. 2)
Daß auch der eine bequeme Verbindung zwischen dem Atlantischen
Ozean und der südfranzösischen Küste bildende Handelsweg von der Gi-
ronde her damals schon gelegentlich von den Mittelmeer-Romanen benutzt
wurde und auch dem Transport englischer Waren diente, darauf deutet die
im Jahre 1248 für Marseille nachweisbare Einfuhr von Zinn und Kupfer
von Toulouse her; am 25. Mai 1248 hat der Marseiller R. de Narbona in
Marseille 158 V2 Ztr. Zinn »in clocha« von dem Tolosaner Poncius Boquerius
und gleichzeitig ein Quantum Kupfer von dessen Landsmann Bernardus
Armanus, Ende August zahlbar, erstanden.^)
263. Im Dienste des englischen Königs befand sich im Jahre 1242
ein Genuese Bonifacius, Sohn des mag. Nicolaus, in Bordeaux; am 7. Juli
^) Canale 11 p. 530 auf Grund des Briefes von La Roch eile im Lib. Instrum.,
an. 1232. Das Schreiben des Papstes bei Auvray I, 901 no. 1635 (im Regest des-
selben im Calendar of Papal Registers, Papal Letters I, London 1893, p. 137 steht
gänzlich irreführend Devon an Stelle von Ol^ron). Canale stellt den Vorgang so
dar, als wenn das Schiff von La Rochelle, wo es seine Ladung eingenommen, ab-
gefahren und durch das Unwetter nach Ol^ron geworfen worden sei. Seine Quelle
liegt uns nicht vor; aber das päpstliche Schreiben widerspricht dem entschieden.
*) Über die Handelsreise des Guill. de Pess. 1248 nach Oypern ob. § 166.
») Amalric no. 779, 780.
334 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
befahl der König von Saintes aus dem Seneschall von Gascogne, das große
Zelt (magnum pampilionem nostrum), das sich noch auf dem Schiffe
im Hafen von Bordeaux befinde, ausladen und im Kastell von Bordeaux
aufstellen zu lassen; alles was der Genuese mit seinen Gefährten, denen
die Obhut über dasselbe obliege, für erforderlich erklären werde, solle er
auf des Königs Kosten besorgen. Handelt es sich auch hier wie sonst i)
um Heranziehung von Genuesen aus militärischen Gründen, so sind damit
doch bedeutsame Anknüpfungen erfolgt, die schließlich die Veranlassung
wurden, daß Kriegsschiffe der Seemächte des Mittelmeers in die Dienste der
atlantischen Seemächte traten. Dann aber ließ sich auch die Trennung des
mittelländischen Seehandelsgebiets von dem atlantischen nicht länger auf-
recht erhalten. Denn daß diese so lange gedauert hat, war keineswegs in
irgendwelchem nautischen Unvermögen begründet, sondern allein darin, daß
man die Konkurrenz der Handelsnationen eines fremden Meeres im Fest-
halten an eingewurzelter Tradition und aus Handelseifersucht nicht zuließ.^)
Auch jene niederdeutschen und englischen Schiffe, die zu wiederholten Malen
während der Kreuzzüge nach dem Mittelmeer gekommen sind, hätte man
in den italienischen Häfen einen Handelsbetrieb einfach nicht ausüben
lassen. Der Seekrieg in fremdem Solde ist in diesem Falle bahnbrechend
auch für den Handel gewesen; Gründe der Handelspolitik traten hinzu.
Die Genuesen, von denen in diesem Abschnitt fast allein, und
keineswegs zufällig, die Rede gewesen ist, sind auch die Pioniere des
direkten Seehandels der Italiener nach England und den Niederlanden
geworden, der im 14. Jahrhundert für den Welthandel eine so große
Bedeutung erlangen sollte. Zunächst aber fand die Handelsverbin-
dung zwischen Italien und allen jenseits der Alpen gelegenen Gebieten
so gut wie ausschließlich auf dem Landwege statt.
i
Fünfundz wanzigstes Kapitel.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen
Frankreich. f |
264. Das große Verkehrshindernis der Alpen wurde von den
italienischen Kaufleuten, die nach dem mittleren und nördlichen
Frankreich wollten, ganz überwiegend auf zwei Haupthandels-
wegen überwunden, der Straße über den Mont Cenis und der über
den großen St. Bernhard.
Der Simplon konnte trotz seiner verhältnismäßig geringen Höhe
(2009 m) wegen der außerordentlichen Schwierigkeiten, die Auf- und Abstieg
boten, auf den Handel eine größere Anziehungskraft noch nicht üben 3), und—«
') Roles gascons I p. 6 no. 29. Unten § 321. •H
^) Beazley C. Raym. : The Dawn of modern Geography 11 (history of explo-
ration etc. 900—1260) London 1901, p. 425 A. 1 irrt sich um ein Jahrhundert, wenn
er aus archivalischen Notizen die Nachweisbarkeit eines genuesischen Schiffskapitäni
in Sluys zum Jahre 1224 behauptet.
*) Schulte I, 5 f. Im 13. Jahrhundert wnrde die Straße wesenthch verbessert,
gewann aber erst nach der Mitte desselben für den Handel nachweisbare Bedeu
tung ; seit 1235 begegnet ein Johanniterhospiz auf dem Simplon. Ebd. 212 ff
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 335
der Weg über den M. Genevre, der das Tal der Dora Riparia mit dem der Du-
rance verbindet, kam in der Hauptsache für den Verkehr Ober-Italiens mit
Süd-Frankreich in Betracht; über ihn führte der »Iliansweg« der Nordländer
von Saint-Gilles nach Piacenza^); er ist der mons Januae, den Innozenz II.
1132 auf dem Wege von diesem berühmten südfranzösischen Wallfahrtsort
nach Asti überschritten hat. 2) Nur wenn der Mont Cenis gesperrt war, ge-
wann er als Hilfsweg auch für den Verkehr mit den nördlicheren Gebieten
Bedeutung. So geschah es z. B., als am 13. Juli 1228 Turin, Pinerolo, Te-
stona (Moncalieri) und einige kleinere Orte mit dem Dauphin Andreas von
Vienne eine hauptsächlich gegen die Annexionsgelüste des Grafen Thomas
von Savoyen gerichtete Allianz eingingen. Susa war in der Hand des
Grafen ; der dem Erzbischof von Turin bisher bei dem castrum Montexulum
zustellende Zoll wurde nach Testona verlegt, und die Straße ging nun über
Pinerolo am Chisone aufwärts zum M. Genevre und dann durch das Gebiet
des Dauphins, der seinerseits versprach, allen Feinden Turins und allen, die
nicht den Weg über Turin — Testona — Pinerolo nehmen würden, den Durch-
zug zu versagen, so lange die durch die bestehenden Zwistigkeiten in der
Lombardei veranlaßte Veränderung in den Straßenzügen andauerte.^)
Dagegen ist sicher die Mont Cenisstraße zu verstehen unter der »pub-
lica strata, quae de ultramontanis partibus per burgum S. Ambrosii Romam
tendit«4), deren Besitz mit den von den vorüberziehenden Pilgern und Kauf-
leuten zu erhebenden Abgaben (Justitiam transeuntium peregrinorum ac ne-
gociatorum) Kaiser Heinrich V. am 23. März 1111 den Turinern bestätigte,
während Kaiser Lothar 1136 noch hinzufügte, daß die Straße ihnen für
immer verbleiben und niemand sich unterfangen sollte, sie zu ihrem Schaden
anderswohin zu verlegen, s) Wenn in diesen Privilegien nur allgemein, ohne
Unterscheidung der Nationalität, von den passierenden Kaufleuten die Rede
ist, so nimmt dagegen das Statut, das Markgraf Thomas von Savoyen seiner
Stadt Susa im Februar 1198 verlieh ß), auf den Durchgangsverkehr der Ita-
liener ausdrücklich Bezug. Da seine Untertanen, so erklärt er, in ganz
Italien bis zum Calabrischen Meere Immunität genössen, so hätten auch die
Italiker, die über Susa kämen, auf der Hinreise daselbst keinen Durchgangs-
zoll und auf der Rückreise nur die Hälfte desselben zu zahlen.'^) Kein
1) Ebd. 100.
«) Watterich 11, 17G. Bernhardi, Lothar 446.
') . . . hoc addito ... in eodem pres. capitulo strate prohibende, quod strata
incedens per Pinairolum eat (so für est zu lesen) postea per terram D. comitis Dal-
fini, dum discordia fuerit in Lombardia, donec strate Lombardie redigan-
tur in pristinam formam. Chart. I no. 872 p. 1296 ff. Winkelmann II, 26.
Das pedagium castri Montoxoli wurde 1239 im Jahresdurchschnitt auf einen Wert
von 24 1. segus. veranschlagt. Chart. I no. 900 p. 1345.. Hellmann p. 120 f.
*) Chart. I no. 444 p. 737. Das Ambrosiuskloster lag halbwegs zwischen Turin
und Susa.
') Chart. I no. 475 p. 776. Im Vertrage von 1239 versprachen die Herren von
Piossasco, die Straße dem Willen von Turin gemäß zu bewachen und zu verhüten
>ne mercatores seu troselli vel alie negociaciones, ex quibus consuetum est capi
pedagium in T., illinc debeant pertransire« ; ebd. no. 898 p. 1340 ff.
*) Leges Munic. I p. 5 ff. Datiert anno 1197, ind. XV, post mortem Hen-
rici Imperatoris 5 Kai. Marcii, also trotz der Indiktion vom 25. Februar 1198
und nicht 26. Febr. 1197, wie der Herausgeber ansetzt.
') liiberalitas nostra est quousque ad mare Calabricum nullum transitum vel
usum reddere debemus. (In der Erneuerung des Privilegs von 1233 heißt es ib.
336 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Lombarde sollte, vom Mont Cenis an gerechnet, in dem Gebiete von Susa
oder in der Bergwildnis Schafe oder Schaffelle kaufen dürfen, widrigenfalls
Konfiskation erfolgte und ihm der Schutz der Privilegien entzogen würde i) ;
das Verbot hatte wohl den Sinn, daß die Untertanen des Grafen sich nicht
verlocken lassen sollten, sich vorzeitig ihres bescheidenen Reichtums an Vieh
zu entäußern, vielmehr sollten sie den lombardischen Händlern nur das
Produkt ihrer Viehzucht, die Wolle, verkaufen, was für sie unzweifelhaft
vorteühafter war. Im übrigen bezog die Stadt Susa von jedem Fremden
eine Herbergsgebühr von 2 Denaren. 2) Endlich wurde in diesem Statut den
fremden Wechslern, unter denen dem Zusammenhange nach nur durch-
reisende italienische Wechsler verstanden werden können, untersagt, Geld-
wechselgeschäfte mit anderen Personen als den heimischen Wechslern zu
machen. 3)
In Susa verließ man das Tal der Dora Riparia und stieg in nordwest-
licher Richtung, an den Ruinen von Novalese vorbei, zur Paßhöhe (2118 m)
empor, unterhalb deren das vielbesuchte und reichbegüterte, einst von Ludwig
dem Frommen gegründete Berghospiz Unterkunft bot, das auch in Susa
selbst eine Filiale hatte. *) Der Abstieg vollzog sich nach Lanslebourg und
folgte dann dem Bogen des Are durch das Tal Maurienne bis zur Isere, an
der in Chambery der erste bedeutendere Ort erreicht wurde. Von dem ihm
in Chambery zustehenden Zoll befreite Graf Amadeus IV. von Savoyen durch
Privileg vom 22. April 1241 die Bewohner von Susa; das dem Ortsherrn zu-
stehende pedagium in Höhe von 3 den. fortes mußten allerdings auch sie
entrichten.^) Von Chambery aus ging der Weg entweder im allgemeinen
in westlicher Richtung südlich von der Rhone nach Lyon ; unter Umständen
wurde auch teilweise die Rhone benutzt, wie es Innozenz IV. 1244 tat, der
von Varazze am Golf von Genua über Asti und Susa gekommen war. 6)
Oder man zog in nordwestlicher Richtung weiter, überschritt die Rhone
südlich von Belley, kreuzte den südlichen Teil des Jura und erreichte die
Saöne und damit den von Lyon her kommenden Weg bei Mäcon ; bei Dijon
vereinigte sich dann der Weg mit der vom Großen S. Bernhard her fühai
renden Straße. '^) xl
265. Diese zweite große Alpenstraße wurde trotz der fast um 400 m
größeren Paßhöhe (2491 m) und der erheblich größeren Schwierigkeiten »)
p. 12 : Liberias Secusiensium usque ad mare Cal. est et nuUum transitum vel usum
reddere debent). Hac de causa fuit omnibus Italicis datum, ut nuUum transitum
huc veniendo reddant, in redeundo dimidium transitus.
*) Ebd. p. 7: Nulli Lombardia Monte Cenisio in ultra per terram meam ne
eciam per desertum oves vel pellatas nullo modo emere presumant etc.
*) Pro hospitalitate. Im Privileg von 1233 sind es 3 den. secusienses.
5) Cambitores extranei cambisionem non accipiant nisi ab indigenis cambi-
toribus; ebd. p. 8.
*) Näheres über die Mont-Cenisstraße und ihre Geschichte bei öhlmann in,
186 S. Eine Urkunde über Verpfändung von Grundstücken an die domus M. Ci-
nisii wird 1192 aufgenommen apud Secusiam in domo M. Cenisii. Chart. I no. 655.
^) Leges Municip. I p. 13. Chart. II no. 1848; dazu no. 1863 v. 25. Mai 1245.
8) Berger E., Saint Louis et In. IV. Paris 1893 p. 30.
') Vgl. die treffliche Wegekarte bei Schulte, Bd. 11.
*) Schilderung der Schrecken des Gebirgsübergangs im Winter in den Kloster-
geschichten von S. Trond bei Ltittich (1128) : SS. X, 306 f. (öhlmann IH, 254.
Schulte I, 98) und durch den Mönch von Canterbury, Joh. von Bremble (1188): Car
tellieri in den Neuen Heidelb. Jahrb. XI, 1902, 177 f.
a
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 337
auch von den Kaufleuten kaum weniger begangen als die Straße über den
M. Cenis. Graf Humbert von Savoyen verlieh dem Ursuskloster in Aosta
die Einkünfte von dieser Straße, und Papst Anastasius (1153/54) bestätigte
diese Schenkung, i) Ein anderes Privileg, das sein Nachfolger Markgraf
Thomas von Savoyen der Stadt Aosta verlieh 2), traf Bestimmungen, um zu
verhindern, daß auf die fremden Kaufleute und sonstigen durchreisenden
\\'anderer, ob sie nun aus der Lombardei durch das Ursustor, oder vom
Jupitersberge her durch das Stephanstor kamen, in bezug auf die Wahl
ihrer Herberge in Stadt oder Vorstadt irgendein Zwang ausgeübt würde.
Oben auf der Paßhöhe, die mit Hilfe besonderer Bergführer, der marrones,
erreicht wurde 3), winkte den Kaufleuten das Hospiz, das urkundlich zuerst
im Jahre 1125 bezeugt und wahrscheinlich von einem Erzdiakon Bernhard
von Aosta begründet ist. *) Von Päpsten und Kaisern privilegiert, von welt-
lichen und geistlichen Großen reich beschenkt, gewann es schon im 12. Jahr-
hundert Besitzungen, die sich vom Süden Italiens bis nach England er-
streckten und es in den Stand setzten, den Wanderern auch jenseits der
Alpen in zahlreichen Filialen Unterkunft zu bieten, s) Über Martigny am
Rhöneknie führte den Kaufmann seine Straße zum Genfersee ; von Lausanne
stieg er zum Jurazuge empor, dessen Wasserscheide er bei Jougne (in der
Nähe die Ortschaften Hopitaux!) überschritt, um dann durch die Klause
von Pontarlier diesen Ort und damit das Ende der eigentlichen Gebirgs-
wanderung zu erreichen. Von hier ging die Straße westwärts nach Salins;
bei S. Jean de Losne oder Auxonne wurde die Saöne und damit die Grenze
des französischen Königreichs überschritten und bald langte man in Dijon
an. Vorteilhaft war es, daß von Pontarlier aus auch ein zweiter Weg, der
nordwestlich über Besan§on nach Langres führte, zur Verfügung stand. Der
weitere Weg nach der Champagne bot keine Schwierigkeiten mehr, und je
nach den Umständen konnte der italienische Kaufmann seine Schritte von
hier aus nach Paris, Nordfrankreich, England, Flandern oder den Rhein-
landen lenken. Das besondere Interesse aber, das man in der Champagne
an der Straße über den Großen S. Bernhard nahm, geht schon daraus her-
vor, daß Graf und Bischof von Troyes das Hospiz dieser Stadt, das den
Namen »Haus Gottes« führte, mit allem Zubehör dem Paßhospiz übertrugen,
eine Schenkung, die Papst Hadrian IV. am 7. März 1159 feierlich bestätigte
und Graf Heinrich etwas später noch dadurch erweiterte, daß er ihm die
1) Chart. I no. 498 p. 804.
*) Eingerückt in das Privileg vom 24. August 1253 : Leges Municip. I p. 33 f.
Vom Herausgeber Cihrario p. 32 (dem Schulte I, 98 folgt) ins Jahr 1188 gesetzt.
Der neueste Herausgeber Tibaldi T., La regione d'Aosta attraverso i secoli, t. II
(Turin 1902), p. 525 ff. nimmt 1191 an. Ich sehe keinen Anhalt für ein bestimmtes
Jahr.
') Vgl. über diese Dösormaux : Marrons et marrons, in Revue Savoisienne,
anö^e 43 (1902), p. 9—14. öhlmann III, 255.
*) Hierüber und zum Folgenden s. öhlmann IH, 231 ff. Schulte I, 80 ff., 96
bis 100. Hoppeler R., Das Unterwallis und dessen Beziehungen zum Hochstift
Sitten während des 13. Jahrhunderts (Zürich 1897) p. 283 ff. Dazu jetzt Pivano S.,
Le carte delle case del grande e del piccolo S. Bernardo esistenti nell'archivio dell'
ordine Mauriziano in : Miscellanea Valdostana (Pinerolo 1903), wo aber die Urkunde
vom 2. Mai 1087 (p. 82 no. 2) über den Verkauf eines Grundstückes an die domus
S. Bemardi M. Jovis vielmehr ins 13. Jahrhundert zu setzen ist, trotz der Ausfüh-
rungen von J. A. Duo: S. Bernard de Menthon et une charte de 1087.
») Schulte I, 82.
Schau be, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 22
338 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Hälfte der Abgabe anwies, die in Provins von der daselbst zum Verkauf ge-^,|
langenden Leinwand erhoben wurde. ^)
266. Neben den Alpenstraßen aber stand der Riviera sowie dem mitt-'^
leren und südlichen Italien noch der Seeweg nach der südfranzösischen
Küste zu Gebote, von der aus der Landweg nordwärts an Rhone und Saone
entlang keine Schwierigkeiten bot. In Zeiten kriegerischer Verwickelungen
in der Lombardei gewann dieser Weg besonders an Bedeutung; im" Jahre
1248 sehen wir z. B. zahlreiche Toskaner von Pisa aus zur See nach Mar-
seille und von da über Arles nach dem Norden gehen. 2) Für Binnenstädte
wie Siena und Florenz schloß dieser Weg freilich einen Nachteil in der Not-
wendigkeit mehrfachen Wechseins der Transportart in sich, womit natur-.|
gemäß auch eine erhebliche Verteuerung des Transports verbunden war.
267. Wenn der Besuch französischer Märkte durch italienische^
Kaufleute auch schon für die Zeit Gregors VII. bezeugt ist^), so hat
dieser Handelsverkehr doch erst etw^a seit der Zeit des dritten Kreuz-
zuges mit wachsender Schnelligkeit an Stärke zugenommen. Es ist
das erste deutliche Zeichen, daß dieser Handel in seiner Bedeutung
auch von französischer Seite gewürdigt wurde, daß König' Philipp II.
August im Dezember 1209 in dem offenen Briefe, in dem er allen
Kaufleuten, die sich zu den Messen seiner Getreuen, der Gräfin Blanche
von Champagne, begeben würden, auf dem Hin- wie Rückwege Schutz
und Geleit wie den Kaufleuten seines eigenen Landes zusicherte, ge-
rade die Kaufleute Italiens besonders hervorhob.^) Nur die herge-
brachten Abgaben sollten sie entrichten müssen ; auch für den Fall, daß
ihnen dieser Schutz gekündigt würde, sollte ihnen mit ihren Waren
eine Abzugsfrist von 3 Monaten gewährt sein. Und bis zur Mitte
des 13. Jahrhunderts hat dann der italienische Handelsverkehr in
Frankreich und besonders auf den Messen der Champagne einen
hohen Grad von Lebhaftigkeit erreicht. fl|
Ganz überwiegend war dieser Landhandel die Domäne der"'
Binnenstädte Ober- und Mittel-Italiens.
268. Unter den lombardischen Städten tritt uns Asti auch jetzt am
frühesten entgegen. Am 25. Juli 1098 schlössen die Konsuln von Asti zu-
gleich mit ihren Vasallen »zum gemeinen Nutzen und zum Vorteil ihrer
Marienkirche« auf ewige Zeiten ein Bündnis mit dem »großen Herzog«,
Grafen Humbert von Maurienne (Savoyen). Er versprach, die Straße für
immer auf Asti zu leiten (stratam ad eos dirigere in sempiterna secula),
wonach also für die über die Westalpen Kommenden der Weg nördlich vom
Po über Vercelli ausgeschlossen sein sollte; vor allem aber erließ er den
1) Chart. II no. 741 p. 570. Gremaud J., Documents relatifs ä l'hist. du Val-
lais in : Mem. et doc. publ. par la soc. d'hist. de la Suisse romande ; XXIX, 93 f.,
512. Schulte I, 161.
2) In Vienne wurde von den zu Lande oder zu Wasser passierenden Kauf-
leuten ein Durchgangszoll von 12 den. für die Last (pro singulis chargiis) für den
Erzbischof erhoben. Priv. Friedrichs IL (23. Nov. 1214): Huillard-ßräh. I, 328. ^1
3). §67. '■!
*) ». . . tarn de Italia quam de aliis terris venientes ad nundinas.« Höhl-
baum K., Hansisches Urkundenbuch III (Halle 1882 f.) p. 457 A. DeUsle L., Cata- ,
logue des actes de Phil. Aug. p. 272 no. 1181. Bourquelot I, 174.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 339
Astesanen alle Zoll-, Markt- und Durchgangsabgaben in seinem ganzen jetzigen
wie zukünftigen Gebiet diesseits wie jenseits der Alpen i), wobei er zugleich
allen Astesanen und ihren Waren seinen besonderen Schutz verhieß. Wenn
die Kaufleute von Asti bei diesem Transitverkehr naturgemäß vorzugsweise
den M. Cenis benutzten, so deutet doch der Umstand, daß der Astesane
Albertus de S. Martino 1170 dem hospitale de M. Jovis ein Legat aussetzte,
darauf hin, daß ihnen auch der Weg über den Großen S, Bernhard nicht
fremd war; gelegentlich waren sie allein auf diesen angewiesen, so 1228, wo
ihnen das Bündnis von Turin, Testona und Pinerolo mit dem Dauphin von
Vienne den Weg über die Westalpen völlig sperrte. 2) Von größter Wichtig-
keit für die Erkenntnis des transalpinen Handelsverkehrs der Astesanen ist
das Privileg, das Herzog Hugo von Burgund am 15. Februar 1190 bei seiner
durch den Kreuzzug veranlaßten Anwesenheit in Genua den Genuesen ver-
lieh, wonach er diesen die gleiche Zollbehandlung in seinem Lande zu-
sicherte, wie sie den Astesanen zu teil wurde und zugleich versprach, jede
weitere Begünstigung der Astesanen in seinem Lande auch den Genuesen
einzuräumen. ^) Die Handelsstellung der Astesanen in Burgund erscheint
also als vorbildlich und bevorzugt; auch das ein Beweis, daß sie mit diesem
Lande in längst eingebürgertem Verkehr standen. Von Wichtigkeit ist,
daß wir auch die Zollsätze erfahren, die für die Astesanen in Burgund Gül-
tigkeit hatten und nunmehr auch auf die Genuesen Anwendung finden
sollten. Sie betrugen an den beiden Grenzstationen im Süden und im Nor-
den, in Chalon an der Saone und dem an der Grenze der Champagne ge-
legenen Chätillon an der Seine auf der Hin- w^e auf der Rückreise je 6 Denar
von Dijon für die Last, in der Hauptstadt Dijon je 10 den., in Chagny
(nw. von Chalon) je 2, in Beaune 8 den. auf der Hinreise, während auf
der Rückreise hier kein Zoll erhoben wurde. Die Astesanen also, die über
den Mont Cenis gekommen waren und das Herzogtum auf dem Wege nach
der Champagne oder weiter in der Richtung von Süden nach Norden durch-
zogen, zahlten in Burgund im ganzen 32 den., und wenn sie auf demselben
Wege zurückkehrten, 24 den. für die Last. Wählten sie den an sich für
sie erheblich unbequemeren Weg über den Großen S. Bernhard, so hatten
sie von den burgundischen Zollstätten nur Dijon und Chätillon zu passieren
und 16 den. zu zahlen. Wenn in Beaune auf der Rückreise kein Zoll er-
hoben wurde, so hatte das vielleicht die Bedeutung eines kleinen Lock-
mittels, das die Astesanen veranlassen konnte, von Dijon aus ihren Weg
durch das Gebiet des Herzogtums fortzusetzen und über Chalon zu ziehen.
Jedenfalls hatte also der Handel mit Frankreich für Asti schon vor
dem 3. Kreuzzuge eine hohe Bedeutung und nahm seitdem weiter zu. Am
28. Juni 1193 sehen wir den Astesanen R. Tortello in Genua ein Darlehn
in genuesischer Münze vergeben, das auf der Johannismesse von Troyes mit
') . . . pedaggium et clusagium atque curadiam et quicquid datur
pro transitu itineris omnem per terram quam habet et habiturus est ultra
montes et ex hac parte montium. San Quintino, Osservazioni 11 no. 48 p. 33 f.
Cod. Ast. II no. 707 p. 747 ; I p. 216.
*) Chart. I no. 550 u. 872. Die von Humbert von Maurienne gefangenen Aste-
sanen, für deren Freilassung Wilhelm von Montferrat in seinem Frieden mit Asti
(1173 oder 1174) zu wirken verspricht, sind jedenfalls auch im Handelsverkehr mit
Frankreich tätige Kaufleute gewesen. Cod. Ast. UI p. 638. Hellmann p. 59 f. Ebd.
99 ft". näheres über das vielfach durch seine transalpinen Handelsinteressen be-
dingte Verhältnis Astis zu seinen Nachbarn.
») Lib. Jur. 1 no. 371.
22*
340 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
28 1. prov. zu erstatten war^), und unter jenen durchreisenden Wechslern,«B
von denen im Statut für Susa von 1198 die Rede ist, standen sicher die
Astesanen in erster Reihe. 2) Im Jahre 1211 vertraute Gandolfo Saracco von
Asti einem Geschäftsfreunde in Genua 2 Ballen Korduan für seine Handels-
reise zur Maimesse von Provins an ^) ; 10 Jahre später wirft ein Bürger von
S. Gimignano in einem Prozeß seinem früheren Sozius vor, daß er auf seiner
Handelsreise in Frankreich einem Astesanen 27 1. geliehen habe. 4) Wenn
schon dieser Astesane darnach vornehmlich das Geldgeschäft betrieben zu
haben scheint, so ist es sicher der Fall bei Petrus Galterus, Lumbarclus von
Asti, dem Graf Thibaut im Jahre 1235 gegen Zahlung eines jährlichen Schutz-
geldes von 54 sol. tur. für 10 Jahre das Aufenthaltsrecht in Provins oder
einem andern Orte seines Gebiets verlieh. 5) Seine Absicht war sicher »ca-
sanam facere«, Geld auf Pfänder zu leihen, was mit Aussicht auf Erfolg
nur bei längerem Aufenthalt möglich war ; bemerkenswert ist auch, daß ihm
Darlehn auf Wochenzins nicht verboten sind. Er ist der erste der uns be-
kannten »Kawertschen« von Asti, die später in so großer Zahl nachweisbar
sind. ^) Lange aber spielte der Warenhandel auch bei den Astesanen noch
eine große Rolle. In der Zeit der Wirren in der Lombardei wußten sie
ihren Handel mit Frankreich und der Champagne auf dem Umwege über
Marseille aufrechtzuerhalten. Am 24. März 1248 übergab Willelminus Gar-
cetus ') von Asti 5 Lasten Ingwer und 1 Ballen Kamelot einem Frachtfuhr-
mann in Marseille zum Transport zur Messe von Bar, und am 18. April
sandte sein Landsmann Obertus Macalufus auf dieselbe Weise 71/2 Lasten
Wachs zur Maimesse nach Provins ; auch die Frachtfuhrleute , denen er
diese Ware anvertraute, Petrus de Ainela von Alba und Othacius von Casale,
waren Piemontesen.^) Am 11. Mai nahm Johannes de Monterubeo von Asti
für die gleiche Handelsreise Geld auf; den schuldigen Betrag (82 1. prov.)
versprach er auf derselben Messe in Tuchen oder anderen Waren anzulegen
und dem Gläubiger nach Marseille zuzuschicken. 9)
Wenn Angehörige der Familie de Castagnola von Asti im Jahre 1253
einen im HeiUgen Lande ausgestellten Wechselbrief König Ludwigs über 925 1.
tur. in Genua ankauften, so hat auch das natürlich in ihrem Handelsverkehr
mit Frankreich, insbesondere mit Paris, seinen Grund ; ein anderer Astesane,
Guilelmus de Platea, erscheint zu gleicher Zeit unter den Personen, die eine
genuesische Bankfirma zur Erhebung der Valuta eines solchen Königsbriefs
in Paris bevollmächtigt, i^) Es ist der beste Beweis für die Stärke des
französischen Verkehrs der Astesanen auch schon in früherer Zeit, daß
Ludwig IX. im Jahre 1256, um Vergeltung für die Gefangenhaltung des
Grafen Thomas von Savoyen durch Asti zu üben, alle in den Ländern der
französischen Krone weilenden Bürger von Asti festnehmen und ihre Habe
mit Beschlag belegen ließ; an etwa 150 Personen, denen gegen 300001. ab-
1) Ferretto I, 100 A. 1.
. «) § 264.
«) Davidsohn Forsch, n no. 2302 u. 2321.
*) Ferretto 1. c.
6) Koch p. 9.
6) Quintino Sella im Cod. Ast. II, 228 ff. Schulte I, 308 f., 311. Koch 11 ff.«j
') Koch p. 50 u. 13 nimmt an, daß er der Familie Garetti angehörte. Hj
8) Amalric no. 133, 550 f.; vgl. no. 151.
8) Ebd. no. 685. Ein Astesane, Ubertus de Mercato, fungiert im Jahre 1239
in Troyes als öffentUcher Notar. Urk.-Buch von S. Gallen III (1882), 94 no. 879.
'0) Belgrano no. 187. Conrads Jahrbücher 70, 607 ; 73, 150 u. 155.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 341
genommen wurden, wurde der Befehl ausgeführt; die meisten derselben weil-
ten in Paris und in der Champagne, besonders in Troyes.i)
269. Unter den kleineren Nachbarorten Astis sehen wir Alba ver-
hältnismäßig früh im Handelsverkehr mit Frankreich. Im Sommer 1181
wurde eine Karawane von 15 albensischen Kaufleuten, Henri cus Cunraengus
mit 4 Söhnen, Anselm von Bra mit Bruder und 2 Söhnen und 5 einzelne
Personen, die mit ihren Lasttieren und Waren von jenseits der Alpen kamen,
als sie nur noch wenige Meilen von der Heimat entfernt waren, in Racconigi
das Opfer einer Gewalttat, indem der Markgraf Manfred von Saluzzo den
gesamten Warenzug mit Beschlag belegen und nach Saluzzo abführen ließ. 2)
Die kirchliche Behörde belegte ihn dafür auf die Klage der Konsuln von
Alba und der Kaufleute, die ihr Hab und Gut verloren sahen, mit Bann
und Interdikt, und der Markgraf, dem es wohl von vornherein nur um die
Erpressung eines möglichst hohen Lösegeldes zu tun gewesen, lenkte ein.
Er erklärte den Albensern, daß er ihre Waren ja nur vor den Nachstellungen
der ihnen feindlich gesinnten Astesanen habe in Sicherheit bringen wollen,
so daß sie allen Grund hätten, ihm dankbar zu sein ; als Lohn für seine Mühe-
waltung beanspruche er eine Summe von 315 1. astensischer Denare. In
dem darüber in Alba aufgenommenen Vertrage suchte er sich diesen Lohn
gegen etwaige zukünftige Anfechtung auf alle Weise zu sichern. Er ließ
die Summe als ein freiwilliges Angebot der Albenser dafür, daß er ihre
Waren behütet und vor den Leuten von Asti gerettet, hinstellen, ließ die
Konsuln von Alba und die Geschädigten schwören, das Geld unter keinen
Umständen zurückzufordern oder ihn sonst deswegen belästigen, vielmehr
beim Erzbischof darauf hinwirken zu wollen, daß er ihn von den kirchlichen
Zensuren befreie. Sollte Asti wegen dieses Handels einen der Kontrahenten
mit Krieg überziehen, so sollten beide zu gegenseitiger Unterstützung ver-
bunden sein. Leider erfahren wir weder über die Art der Waren noch über
die Herkunft dieser Karawane etwas Näheres. Die Lage von Racconigi aller-
dings scheint darauf hinzuweisen, daß sie über den Mont Genevre gezogen
war; möglich also, daß sie von einem der südfranzösischen Märkte kam,
möglich aber auch, daß sie die Messen der Champagne besucht hatte. Mit
größerer Sicherheit können wir annehmen, daß die auf dem Rücken der
Lasttiere transportierten Waren überwiegend aus wertvollen Tuchballen be-
standen haben werden, die schließlich auch den hohen Aufschlag noch ver-
trugen, den ihr »Beschützer« sich ausbedungen.
Für Chieri geht die Teilnahme am transalpinen Handelsverkehr aus
der Sperre hervor, die in dem 1228 von Turin und Pinerolo mit dem Dau-
phin von Vienne geschlossenen Bündnis, wie über die Bewohner von Genua
und Asti, so auch über die von Chieri verhängt wird 3); für Turin und
Cuneo ergibt sich das Gleiche daraus, daß ihre Kaufleute von der 1256 von
der französischen Krone gegen die Astesanen beschlossenen Maßregel mit-
betroffen worden sind 4); sicher waren sie also auch schon früher in Gemein-
schaft mit den Astesanen im Handel mit Frankreich und der Champagne
tätig.
1) Schulte I, 312 f. Vgl. den Vertragsentwurf Chart. K no. 1931 p. 1550 fE.
«) Chart, n no. 1587 p. 1090.
«) Chart. I no. 872. S. auch § 327.
*) Geht aus dem Vertragsentwurf vom November 1256 hervor: Chart. 11
no. 1931 p. 1553.
342 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
270. Für den Handelsverkehr der Genuesen nach den Gebieten jen-
seits der Alpen liegen die ersten Zeugnisse gerade aus der Zeit des 3. Kreuz-
zuges vor. Am 15. Februar 1190 gewährte Herzog Hugo von Burgund, der
als Unterhändler des französischen Königs tags darauf den Vertrag wegen
der Überfahrt nach Syrien abschloß, den Genuesen jenes Privileg, in dem
er ihnen völlig unbehinderten Handelsverkehr in seinem ganzen Gebiete zu-
sicherte und gegen etwaige Übeltäter, die sich an ihnen oder ihren Waren
vergreifen sollten, wirksam einzuschreiten versprach und sie im übrigen den
Astesanen völlig gleichstellte, i) Daß es sich hierbei in erster Linie um einen
Durchgangsverkehr handelte, geht aus einem anderen wichtigen, fast gleich-
zeitigen Zeugnisse hervor. '^) Während der Überfahrt nach dem Heiligen Lande
nahm eine ganze Gruppe von kreuzfahrenden Rittern aus der Champagne
unter Bürgschaft des Grafen von Bar in Messina im Dezember 1190 bei den
Genuesen Conradus Ususmaris, Quilicus de Goarco, Lazarinus de Niela und
ihren Sozii, sowie mehreren Bürgern von Messina 3) Darlehn auf, die mit ins-
gesamt 1000 Mark Silber (zu 50 sol. tur.) und 600 Unzen Goldes im Jahre
1191 auf der Ostermesse von Bar an die Gläubiger oder ihre Order zurück-
zuerstatten waren. *) Und wenn die Genuesen zum Zwecke des Inkassos auf
der Messe erschienen, so haben sie sicher auch wenigstens einen Teil des
Geldes zum Warenexport von der Messe benutzt; schon für den September
1191 wird uns der Abschluß von Kontrakten in Genua auf die S. Aigulfs-
messe und die Messe von Lagny bezeugt. ^) Mehrfach kennen wir auch aus
der folgenden Zeit genuesische Wechsel auf Messen der Champagne^); und
nicht ohne Bedeutung ist es auch, daß der erwähnte Vertrag von 1228 an
erster Stelle die Genuesen als diejenigen nennt, gegen die die Verkehrssperre
des Dauphins von Vienne sich richten sollte. Auch über Marseille standen
die Genuesen gelegentlich mit den Champagner Messen in Verbindung. An-
saldino Mangiavacca, Bevollmächtigter seines Landsmanns Andrea de Orto,
erscheint am 25. Mai 1248 in Marseille als Valutageber in einem Wechsel
auf die Maimesse von Provins, der mit 300 1. prov. an einen der Genannten
oder anderweite Order Andreas zahlbar war. '^) In dieser Zeit hatten sich
die Beziehungen Genuas zu Frankreich im Zusammenhange mit dem Kreuz-
zuge König Ludwigs ganz besonders eng gestaltet. Auf Jahre hinaus sind
die Genuesen damals fast die einzigen Vermittler zwischen den französischen
Kreuzfahrern und ihrer Heimat gewesen, diejenigen, mit deren Hilfe ganz
überwiegend der König und seine Barone die reichen Mittel der Heimat zur
Verwendung im Orient flüssig gemacht haben. Die hohen Summen, die der
1) Lib. Jur. I no. 371 (no. 372 der Passagevertrag).
*) Papa d'Amico p. 343 f.
^) Ihre Namen : Cathaneus de Ponsola, Peregrinus Pancia, Antonius de Bozolo
lassen vermuten, daß es sich bei diesen cives Messinenses um in Messina ansässig
gewordene Genuesen handelt. Nur die vom Grafen ausgestellte Bürgschaftsurkunde
ist erhalten.
*) Auch der vom Bischof von Paris, Maurice de SuUy, 1191 zugunsten seiner
Ritter, die den Kreuzzug mitmachten, ausgestellte Kreditbrief, der Rückerstattung
in Paris verhieß, ist nach einem Dorsal vermerk von einem genuesischen Gläubiger,!
Corsaiis, zur Einlösung präsentiert worden. Papa d'Amico p. 69 not. 1. Anleihen j
französischer Ritter auf dem Kreuzzuge bei Genuesen ebd. 344 ft". Oben § 123.
6) Ferretto I, 98 A. 1.
8) Canale registriert solche von 1193, 1227, 1241: II p. 527 u. 554; s. auch]
Ferretto 1. c. (zu 1 198 u. 1227).
') Amalric no. 782. Conrads Jahrb. 65 (1895), 512.,
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 343
König in der Ferne bei genuesischen Geldgebern gegen Ausfertigung von
Wechselbriefen, die auf das königliche Schatzamt im Temple zu Paris aus-
gestellt wurden, aufnahm, mußten ihre befruchtende Wirkung auch auf den
Handel Genuas mit Frankreich ausüben, wenn die genuesischen Geldgeber
auch die Einlösung dieser Königsbriefe an Ort und Stelle nur zum Teil selbst
oder durch Bevollmächtigte bewirkten und nicht selten eine Veräußerung
derselben schon in Genua an andere Frankreich besuchende Kaufleute vor-
zogen, i) Mehrfach aber wird die Anlegung der zu erhebenden Summen in
Waren, die nach Genua heimzusenden waren, geradezu vorgeschrieben, und
besonders das Geschlecht der Lercari, dem auch der eine der genuesischen
Admirale des Königs angehörte, hat damals in den engsten und vielseitigsten
Beziehungen zu den Mittelpunkten des französischen Handels- und Geld-
verkehrs gestanden. '■^) Unter den Seemächten Italiens sind die Genuesen die
einzigen gewesen, die schon in dieser Zeit auch den Landhandel mit Frank-
reich und den Messen der Champagne kräftig und erfolgreich gepflegt haben.
271. Unter den Binnenstädten der Lombardei aber finden wir keine
in so regem Verkehr mit Frankreich und den Messen der Champagne als
Piacenza. Schon im Jahre 1169, als in Piacenza eine neue Messe ein-
gerichtet wurde, legte die Stadt, um ihren Besuch zu fördern, den Konsuln
der Kaufleute die Verpflichtung auf, diese Neuerung auf den Messen jenseits
der Alpen bekanntmachen zu lassen. 3) Und als Ende 1197 der aus den
slavischen Landen zurückkehrende Kardinal-Legat Peter von S. Maria in via
lata von einem Markgrafen Pallavicini überfallen und beraubt wurde und
Innozenz III. in dieser ersten weltlichen Sache, die an ' ihn gelangte, mit
größter Entschiedenheit vorging, suchte er Piacenza und Parma, denen er
die Schuld an diesem Vorgange beimaß, schließlich dadurch gefügig zu
machen, daß er dem Grafen von Savoyen, dem Herzoge von Burgund, dem
Grafen von Champagne und den Königen von Frankreich und England be-
fahl, die Waren aller Kaufleute aus diesen Städten mit Beschlag zu belegen.
Ihr Handel nach diesen Gebieten kann also nicht mehr ganz unbedeutend
gewesen sein, wenn sich der Papst von einer solchen Maßregel Erfolg ver-
sprach. In der Tat hat Parma schließlich die geraubte Summe zurück-
erstattet, wahrscheinlich weil sich herausstellte, daß der Raub auf seinem
Gebiete erfolgt war. ■^) Mit Savoyen hatte Piacenza in bezug auf seinen
Transitverkehr einen günstigen Vertrag, von dessen Abschluß wir freilich
nichts Näheres wissen; wir wissen nur, daß er im Jahre 1215 vorhanden
,war.5)
') Eingehend habe ich diese Verhältnisse in meiner Abhandlung über die
Wechselbriefe König Ludwigs von seinem ersten Kreuzzuge und ihre Rolle auf
dem Geldmarkte von Genua besprochen : Conrads Jahrb. 70 p. 603 ff. , 730 ff". ;
73 p. 145 ff.
*) Ebd. 70 j). 746, 748. Agenten genuesischer Bankfirmen in Paris: 73 p. 154 f.
^) Et consulibus negociatorum ad expensas eorum comunis per ultramon-
tanas ferias istam feriam denunciare faciam ad comunem istius ferie hutilitatem.
Statut von 1169 bei Boselli I, 329.
*) BFW. 5623 (an Piacenza aus dem Anfang des Pontifikats; am 8. Jan. 1198
ist In. geweiht worden); 5637 (Mitteilung der getroffenen Maßregeln 21. April 1198).
Winkelmann, Philipp 346.
») Mandelli II, 125. Die zu 1211, ind. decima datierte Stelle der Stat. antiqu.
Merc. Plac. ed. Bonora p. 21 (Zusatz zu rub. 66), die von mercatores, qui utuntur
ultra montes, redet, ist der Indiktion wegen wahrscheinlich auf 1311 zu beziehen,
wie ja diese Statuten erst dem Jahre 1321 angehören.
344 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Aber erst gegen Ende unserer Periode häufen sich die Zeugnisse für
diesen Verkehr und stellen seine ungewöhnliche Stärke außer Zweifel. Nicht
zum wenigsten geschieht das durch Vorgänge, die sich an eine diesen Ver-
kehr bedrohende Störung knüpften, i) Im Sommer 1242 waren toskanische
Kaufleute, die zur Septembermesse von Provins wollten, im Gebiet von
Piacenza beraubt worden ; im Oktober hatte Graf Thibaut IV. von Cham-
pagne, König von Navarra, deswegen die ersten Vorstellungen an Piacenza
gejichtet. Er erneuerte dieselben im Februar 1243, indem er zugleich darauf
hinwies, daß auf seine Fürsprache die mit Beschlag belegten Waren placen-
tinischer Kaufleute in Lyon freigegeben seien. Doch hatten beide Schreiben
so wenig Erfolg wie ein drittes, das Johann, der Kastellan von Nogent, im
Namen des Königs an sie richtete. Im Juni 1243 drohte der Kastellan nun
in einem schärferen Schreiben an Podestä und Volk von Piacenza, das er
durch einen besonderen königlichen Boten mit dem Ersuchen, diesem die
Antwort mitzugeben, überreichen ließ, mit dem Ausschluß der Placentiner
von den Messen, der auf der nächsten Septembermesse verkündet werden
würde, falls Piacenza nicht bis dahin nachgegeben hätte. Indessen Piacenza
verstand die Sache auch jetzt noch hinzuziehen; man sieht deuthch, daß
der Kastellan nicht recht wagte, gegen die einflußreichen Placentiner ener-
gisch vorzugehen; das Drängen der Toskaner, die ihm vorhielten, daß er
mit Unrecht nicht zur Gefangensetzung der Placentiner schritte, bewirkte
schließlich nur, daß er im Dezember ihre Klage mit dem gesamten Material —g
an den König selbst zur Entscheidung abgab. ■1
Wie diese ausfiel, wissen wir nicht; zu einer Aussperrung der Placen-
tiner von den Messen ist es sicher nicht gekommen. Im Januar 1246 sehen
wir mehr als 30 angesehene Kaufleute von Piacenza auf der Messe von
Lagny vor dem Abt des dortigen Petriklosters feierlich versammelt; im
Namen aller ihrer in Champagne und Brie verkehrenden Landsleute bestellen
sie drei Bevollmächtigte aus ihrer Mitte, Christianus Angasola (Angossola),
Guilelmus Senengus und Bernardus Scotus, die mit dem Könige von Na-
varra in Verhandlungen treten sollten 2) — leider sind wir auch hier überij
Zweck und Ergebnis dieser Verhandlungen nicht unterrichtet.
Dafür aber lernen wir in dieser Zeit eine große Zahl placentinischer|
Kaufleute in ihren Handelsbeziehungen zu den Messen selbst kennen; von
Marseille und von Genua aus sehen wir sie mit den Messen und mit Paris
in lebhaftester Verbindung. Das liegt sicher zum Teil an unserem Quellen-
material, das uns für Piacenza selbst nichts Ähnliches wie für die genannten
beiden Städte bietet ; indessen ist auch an die innere Zerrüttung in Piacenza
zu denken, die seit geraumer Zeit eine besondere Außenpartei geschaffen
und offenbar nicht wenige Kaufleute veranlaßt hatte, sich für ihre Handels-
tätigkeit außerhalb einen Boden zu suchen; dazu kamen in den letzten
Zeiten Kaiser Friedrichs die Kämpfe in der Lombardei, die die Benutzung^
der bisher gewohnten Handelsstraßen mindestens sehr erschwerten. fl|
Als der Kastellan Johann die Placentiner im Sommer 1243 mit Aus-
sperrung von den Messen bedrohte, wies er auch darauf hin, daß die gleiche
Maßregel vor kurzem (nuper) auf ihr Verlangen den Marseillern gegenüber
in Anwendung gebracht worden sei ; es müssen also damals Placentiner auf
dem Wege nach oder von den Messen in Marseille Schädigungen erfahren
I
41
') Davidsohn Forsch. III no. 24 p. 7 f. Analysiert schon von Bourquelot I,
178 f.
2) Bourquelot I, 164 f., 182 A. 1.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 345
haben. Jedenfalls aber hat die damals entstandene Irrung die Placentiner
nicht lange gehindert, ihre Handelstätigkeit über Marseille wieder aufzunehmen.
Das Marseiller Notularium Amalrics vom Frühjahr und Sommer 1248 zeigt
uns Angehörige der angesehensten Geschlechter Piacenzas in dieser Tätigkeit;
abgesehen von Otto Angossola, der sich wie noch mancher Landsmann von
ihm in Marseille fest niedergelassen hatte, treten besonders Oberto Bagaroti,
Oberto und Pietro Speroni, Giovanni Negroboni, ferner Rainerio ViUani,
Rainaldo Bracciaforte, Ruffino de Stravillano, Rainerio Malano hervor. Wir
sehen sie Waren von Marseille aus nach den Messen vertreiben und darüber
mit den Frachtfuhrleuten abschließen, sehen sie \\'aren von den Messen emp-
fangen und im Zusammenhange mit diesem Warenhandel in lebhaftestem
Wechselverkehr mit den Messen stehen. In der Champagne hatten sie zur
Erledigung ihrer Handels- und Geldgeschäfte ihre Sozii oder Agenten und
begaben sich auch öfter selbst dahin; auch untereinander standen sie be-
züghch dieses Handels mit den Messen in vielverzweigter Geschäftsverbin-
dung.^)
In Genua können wir schon im Jahre 1227 einen Placentiner, Airoldo
di Lantelmo, nachweisen, der mit einem genuesischen Bankier zusammen
am 27. Juni für eingezahlte Valuta einen Wechsel über 426 1. prov. auf die
Johannismesse von Troyes in Empfang nimmt; und am 23. Mai 1248 weist
ein genuesischer Reeder seinen Vertreter in Paris an, an den Placentiner
Mussus Calderarius, der uns aus den Marseiller Akten als Sozius des Rai-
naldus Bracciaforte bekannt ist, zur Zahlzeit der Maimesse von Provins
600 Mark Silbers zu zahlen. 2) In besonders zahlreichen Fällen und mit sehr
beträchtlichen Summen sehen wir dann im Jahre 1253 placentinische Kauf-
leute in Genua als Käufer der Wechselbriefe König Ludwigs auftreten, die
ihnen zur Geldübermittelung nach Frankreich für ihre Handelsgeschäfte
äußerst bequem waren. Besonders der in Genua etablierte Bankier Guilel-
mus Leccacorvus und Johannes Paganus, neben ihnen Jacobus Nigrobonus
und Albertus Speronus treten unter diesen Käufern hervor. Aus den von
ihnen zum Zwecke der Abhebung im Pariser Temple ausgestellten Voll-
machten lernen wir eine ganze Reihe von damals in Frankreich tätigen
placentinischen Kaufleuten kennen: Ruffus Lavandarius, Guil. Quatuorocu-
los, Albertus Dianus, Rogerius de Rogeriis u. a. s) Aber auch den Verkehr
über die Alpen hatten die Placentiner in dieser Zeit, wenn sie ihn je ganz
unterbrochen hatten, wieder aufgenommen; im Jahre 1251 schlössen sie mit
Peter, dem Herrn von Waadt, Bruder des Grafen von Savoyen, einen Ver-
trag, in dem sie ihm zur Entschädigung für mancherlei ihm zugefügte Unbill
das Recht einräumten, von jedem transitierenden Warenballen, jeder Last
und jedem Pferde außer den bisher üblichen Abgaben einen Zuschlagszoll
von 12 den. zu erheben, während er versprach, die Placentiner und ihre
Waren auf ihrem Zuge über seine Straße (per chaminum nostrum) nach
Kräften zu beschützen. Auch die florentinische Gesellschaft des Clarus de
*) Ich verweise auf den Index bei Blancard II und meine »Studien zur Ge-
schichte und Natur des ältesten Cambium< in Conrads Jahrb. 65 (1895), 166 f.
(Tabelle 172 ff.), 513 f.
«) Ferretto I, 98 A. 1. Canale 11 p. 527. Belgrano no. 18. Conrads Jahrb. 73
p. 155 f.
') Näheres in meinen »Wechselbriefen König Ludwigs etc.«, Conrads Jahr-
bücher 73 (1889), p. 150, 152 f. (Tabelle 174 ff.), 155 ff.
II
346 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Perazolo sollte ihre Ansprüche wegen etwaiger Schädigungen durch die Pla-
centiner nur außerhalb seines Gebiets verfolgen dürfen, i)
272. Von dem transalpinen Handel Parmas, den uns jenes Vorgehen
des Papstes bezeugt, wissen wir sonst nur noch, daß seine Kaufleute einmal
durch Gewalttat schwere Verluste erlitten, so daß der Podestä Torello de
Strada, der 1221 und 1227 dieses Amt bekleidete, den Geschädigten die Er-
laubnis zu Represalien gewährte ; indessen war der Verlust noch 1243 nicht
ersetzt, so daß die Statuten in diesem Jahre dem Podestä vorschrieben, auf
Verlangen der Kaufleute Gesandte an den Grafen von Chalon, den König
von Frankreich und den Grafen der Champagne zu schicken, um Schaden-
ersatz zu erlangen. 2) Wenig bedeutend scheint der transalpine Handel C r e -
monas gewesen zu sein. Anseimus Silvaticus von Cremona wurde im Februar
1223 vom Grafen Thibaud mit verschiedenen Einnahmequellen in Provins, so
mit der öffentlichen Wage und allerlei Einkünften von dem Martinsmarkt da-
selbst (der nicht zu den großen Messen gehörte) , belehnt 3) ; jedenfalls sind
dieser Belehnung beträchthche Geldleistungen an den Grafen vorausgegangen.
Und dauernd in der Champagne ansässig gemacht hat sich in dieser Zeit Gui-
chardus von Cremona; er hatte sich mit einer Eingeborenen verheiratet und
erscheint im Besitz von fünf Lehen in der Kastellanei Villemaur (Dep. Aube.*)
Von Pavia wissen wir nur so viel, daß zwei Brüder, Leonardo und Ro-
landino Alberuzzi, in Gemeinschaft mit lucchesischen Kaufleuten zur Zeit
Honorius' HL dem Bischof von le Puy eine beträchtliche Geldsumme vor-
gestreckt haben; eine Forderung, die sie schließlich einem römischen Kauf-
mann, der ebenfalls mit ihnen assoziiert gewesen, zedierten. ^) Mt
Erheblich stärker war der transalpine Verkehr Vercellis. Am 21. No-**
vember 1215 schloß es mit Thomas von Savoyen und seinem Sohne Amadeus
einen Vertrag, in dem diese zusagten, keine höheren Zölle von den Ver-
cellesen zu fordern, als die Bolognesen, Placentiner oder andere bevorzugte
Lombarden zahlten; jeder diesen gewährte Nachlaß sollte ohne weiteres auch
ihnen zugute kommen ; in den Jahren 1219 und 1224 ist dieser Meistbegünstigungs-
vertrag erneuert worden. '^) Aus der Praxis des Handels hervorgegangen ist
sicher auch der Brief in dem 1226 veröffentlichten Formelbuch des Bon-
compagnus, der sich auf einen Kontrakt bezieht, den R. Monaldi wegen
eines von ihm übernommenen Transports von Warenballen (torselli) von
Provins nach Vercelli abgeschlossen hatte''), und schon aus dem Jahre 1198
1) Schulte 11 no. 250 p. 149. Aus Roles gascons I, 241 no. 1870 geht hervor,
daß genannte Gesellschaft eine flor. war.
2) Stat. Parm. 56 f.
*) Bourquelot I, 103; II, 91. In einer Streitsache über das hospitale Mormenti
(Diöz. Langres) erscheint er als Prokurator einer der Parteien bei der Kurie : Auvray
161 (16. Sept. 1227); Entscheidung derselben ebd. 402 (1230).
*) Longnon I, 152 no. 3943. Sicher ist er mit Guich. de Placentia, lombardus
(no. 3838), identisch, da dessen Lehen (eine Mühle und Wiese) unter den 5 Lehen
von 3943 wiederkehrt. Beide Nummern stehen in Teil 6 der Feoda Campaniae, der
der Zeit zwischen 1222 und 1243 angehört. S. noch Role des fiefs du comte de
Champ. sous le regne du Thibaiid le Chansonnier (1249—1252); Paris 1877 no. 87
und 1093.
*) Pressutti no. 5979 und Auvray no. 2492 mit den vorhergehenden und nach-
folgenden Nummern.
6) Mandelli n, 125 f.
'') Tit. 6 de testibus; Quellen und Erört. zur bayer. u. deutschen Gesch. IXj^
(München 1863), 171.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 347
kennen wir einen Kontrakt, in dem einem Vercellesen in Genua für seine
Reise zur Messe von Bar ein Posten Gewürznelken anvertraut wird.i)
Am meisten haben wir die Ungunst der Überlieferung bezüglich Mai-
lands zu beklagen, für dessen transalpinen Handel uns nur in dem eid-
lichen Versprechen des Markgrafen von Montf errat, als er am 27. Mai 1193
der Allianz gegen Mailand beitrat, ein sicheres Zeugnis vorliegt. 2) Der Mark-
graf versprach damals, alle durch sein Gebiet führenden Straßen den Mai-
länder Kaufleuten und allen Waren , die von Genua, Savona oder einem
anderen Seeplatz aus nach Mailand oder in umgekehrter Richtung trans-
portiert werden sollten, völlig zu sperren. Er versprach ferner, allen Kauf-
leuten ohne Unterschied der Nationalität, die sein Gebiet zum Zwecke einer
Handelsreise über die Alpen durchziehen würden 3) , einen Eid abzunehmen,
daß an den von ihnen mitgeführten Waren Mailänder in keiner Weise be-
teiligt seien. Nach der Lage von Montferrat muß es sich dabei in erster
Linie um die Straßen über den Mont Cenis und den Großen S. Bernhard
gehandelt haben ; und wenn man für notwendig hielt, in solcher Form einer
Handelsbeteiligung der Mailänder entgegenzutreten, so folgt daraus mit Sicher-
heit, daß in gewöhnlichen Zeiten die Mailänder selbst den Handel mit den
Gebieten jenseits der Berge in nicht geringem Umfange gepflegt haben.
273. Sehr bemerkenswert ist nun, daß alle Binnenstädte der
östlichen Lombardei und Venetiens an diesem Handel mit Frankreich
und den Messen der Champagne keinerlei Anteil genommen haben,
selbst Brescia, Mantua, Verona und Ferrara nicht. Nur Venedig
selbst macht eine Ausnahme, wie wir wenigstens an einem Fall nach-
weisen können.
Als der des Kreuzzugs wegen in Venedig weilende Graf Balduin von
Flandern bei den venezianischen Edlen Marchesino Soranzo, Pietro Zulian,
Marino Gradonigo und Luca Ardit Anfang Oktober 1202 ein Darlehn auf-
nahm, verpflichtete er sich, dasselbe mit 118 M. 3 Unzen Sterl. an die
Gläubiger oder ihre Bevollmächtigten auf der nächsten Messe von Lagny
erstatten zu lassen 4) ; hätten venezianische Geschäftsleute nicht damals schon
gelegentüch auch die Champagner Messen besucht, so hätte es näher ge-
legen, die Heimat des Grafen als Erfüllungsort zu bestimmen.
1) Ferretto I, 98 A. 1.
*) Der Nachricht des Chronisten Galvano Fiamma, daß Petrus de la Blava
und Jordan US de la Fiamma die ersten Mailänder gewesen seien, die jenseits der
Alpen feine Wolle und Tuche eingekauft hätten (Chron. majus ed. Ceruti in Mise,
it. Vn (1869), 716. Schulte I, 108 u. 1.31), vermag ich kein Gewicht beizumessen.
Die im Zusammenhange mit einer auf das Jahr 1172 bezüglichen Darstellung nach
der Erzählung eines Karmeliterpriors de Blava gegebene Notiz ist in sich unwahr-
scheinlich, und schon der Umstand, daß sie gerade Angehörigen der Familie des
Chronisten und des Erzählers einen besonderen Ruhm vindizieren will, würde sie
verdächtig machen. Dazu schreibt der Chronist etwa IV2 Jahrhunderte später. Über
die oft sehr fragwürdige Natur seiner Quellen vgl. L. A. Ferrai: Le cronache dl
G. Fiamma im Bull. stör. it. no. 10 p. 93 ff. und Simonsfeld : Einige kunst- und
lit.-ge8ch. Funde in : Sitz.-B. d. philos. Kl. d. bayer. Ak. d. Wiss. ; 1902 p. 527.
") . . . >ultramoni;anos negotiatores et alios cum eunt ultra montes.« Cod.
Laud, II, 198 no. 175. Schulte I, 106 meint die Stelle vorzugsweise auf deutsche
Kaufleute beziehen zu müssen.
*) S. Cognetti de Martiis : un obbligazione cambiaria per la 4. crociata in: Atti
Torin. 29 (1893/4), 778, 783 f. Der Abdruck bei Tafel u. Thomas I, 385 (darnach Gold-
schmidt 422, der irrig annimmt, daß an zwei Stellen etwas fehle) ist mangelhaft.
348 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
274. Dagegen pflegte der Hauptort der Emilia, Bologna, diesen
Verkehr mit Eifer, wie schon aus dem erwähnten Vertrage Vercellis
mit Savoyen vom Jahre 1215 hervorgeht.
Die älteste Kunde hiervon finde ich in seinem Handelsvertrage mit
Ferrara von 1193, der u. a. Abgaben für die auf dem Po aus der Lombardei
oder von jenseits der Alpen nach Ferrara kommenden Bolognesen fest-
setzt i); natürlich kann das nur so verstanden werden, daß die von Frank-
reich kommenden Waren der Bolognesen unterwegs (frühestens in Pavia)
auf den Wasserweg überzugehen pflegten. Eine ganze Reihe von Nach-
richten beweist uns ferner den regelmäßigen Verkehr der Bolognesen auf
den Champagner Messen. Als Bischof Girald von Mynyw (Wales) im Jahre
1202 seine dritte Reise nach Rom machte, suchte er den Gefahren eines
längeren Geldtransports dadurch zu entgehen, daß er auf der Messe von
Troyes bei dort verkehrenden Bolognesen einen Wechsel über 20 Mark Gold
(ca. 10000 M.), in Massamutini (den Goldstücken der Almohaden) zahlbar,
erstand. 2) Natürlich hängt das Zustandekommen dieses Geldgeschäfts wesent-
hch damit zusammen, daß Bologna an einer der Hauptverkehrsstraßen nach
dem Sitz der Kurie lag. Daraus erklärt es sich auch, daß päpstliche Gelder,
die in Paris deponiert waren, bolognesischen Kaufleuten zur Übermittelung
anvertraut wurden; Honorius IH. drückt einmal im Jahre 1220 sein Miß-
vergnügen darüber aus, daß es ohne seinen besonderen Auftrag geschehen. 3)
Am Sitz der Kurie selbst ist im Jahre 1209 für den Erzbischof von Mainz
ein Darlehn aufgenommen worden, das mit 150 M. Silber auf der nächsten
Messe von Bar zu erstatten war; einer der beiden Gläubiger war der bolog-
nesische Kaufmann Jacobus de Drudal. *) Andere Geldgeschäfte der Bolog-
nesen beruhen auf dem Vorhandensein der berühmten, stark frequentierten
Hochschule in ihrer Stadt. In die Mitte des 13. Jahrhunderts gehört der
auf 100 1. tur., zahlbar auf der nächsten Messe von Provins, lautende Wech-
sel, den zwei in Bologna studierende Scholaren, aus Bordeaux und der Diözese
Gerona stammend, zwei Kaufleuten von Bologna und ihren Sozii ausgestellt
haben; als Muster für solche offenbar recht häufig vorkommende Urkunden
hat ihn Rolandinus in seine Summa artis notariae aufgenommen. 0) Ein
11
*) . . . sive veniat navis de sursum, scilicet de Lombardia et ultra monte.
Murat. Antiqu. IV, 449. Der Abdruck bei Savioli II, 2 p. 172 läßt diese Stelle will-
kürlich ganz fort. Sicher ist auch in der Zollordnung von Ferrara von 1228 (Murat.
Ant. II, 31) statt: »si veniunt de ultra mare aut de Lomb., solvant de somal
imp. 8« zu lesen: de ultra monte, zumal die Sätze einander genau entsprechen]
(8 den. imp. = 2 sol. ferr. vel bon. des Vertrags von 1193).
*) Giraldi Cambrensis, De jure et statu Menevensis ecclesiae ; Auszug SS. XXVII,
417. Die an den Band gesetzten Zahlen des Herausgebers 1199 u. 1200 stehen in
Widerspruch mit seinen eigenen Angaben in der Vorrede p. 396 f., aus denen sich
ergibt, daß nicht die erste, sondern die dritte Reise Giralds gemeint ist, auf der er
am 23. Dezember 1202 in Faenza, am 5. Januar 1203 in Rom ankam. Statt des
sinnlosen: 20 marcatas auri, quod in obolis Mutinis a civibus Bon. in nun-
dinis Trecensibus emerat, ist obolis massamutinis zu lesen; vgl. z. B, die
Stelle im Briefe Honorius' IH. (Rodenberg I, 90) : 754 obolos maximutinos.
3) Pressutti no. 2710 (22. Sept. 1220).
*) Schunk III, 102 f. Schulte I, 244. Jac. Drudoh Ursolinus ist 1204 unter|
den kaufmännischen Konsuln Bolognas. Stat. Soc. Bol. H, 485.
») Goldschmidt 427 mit Anm. 100 ; nur scheint mir zweifellos, daß es ein tat-
sächlicher und kein fingierter Wechsel gewesen ist, den Rol. als Formular be-J
nutzt hat.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 349
solcher studierender Kleriker war wohl auch G. Jordani von Chartres, der,
wie wir im Jahre 1226 hören, unter Bürgschaft eines Kanonikus von Chartres
bei bolognesischen Kaufleuten ein Darlehn aufgenommen hatte, i)
Am Anfang der vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts begegnete es den
Bolognesen einmal, auf Antrag der Florentiner und Sienesen von den Messen
ausgeschlossen zu werden 2); doch wurde die Differenz jedenfalls rasch bei-
gelegt. Denn aus den Jahren 1243 und 1246 kennen wir zwei kaufmännische
Wechsel über 700 und 400 1. prov., in Bologna auf die Johannismesse von
Troyes und die Messe von Bar ausgestellt, in denen Bologneser Kaufleute
als Wechselgeber (Valutanehmer) gegenüber florentinischen Kaufleuten er-
scheinen ; in beiden Fällen ist der einem durch seinen Reichtum berühmten
bologneser Geschlecht angehörige Albergittus de Peppolis beteiligt. 3) Auf
die Johannismesse von Troyes des Jahres 1221 sehen wir endlich auch die
Darlehnsschuld abgestellt, die für Erzbischof Engelbert von Köln in Rom
bei einer Gesellschaft von Kaufleuten aus Bologna kontrahiert worden war;
auch als es zur Prolongation der auf 258 Mark Kölnischer Münze festgesetzten
Schuld und ihrer Umwandlung in 35 Mark Barrengold Kölnischen Gewichts
kam, wurde für die Erfüllung wiederum eine der Champagner Messen, dies-
mal die Septembermesse von Provins des Jahres 1222, bestimmt. 4) So wurden
diese Messen für den Geldverkehr der Italiener ein Mittelpunkt von immer
zunehmender Wichtigkeit. Daß die Bolognesen daneben nach wie vor auch
den Warenhandel mit Frankreich pflegten, geht schon daraus hervor, daß
in den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts von einer besonderen Einung
der bolognesischen mercatores drapariae Franciae die Rede ist. ^)
275. Neben der Westliälfte Ober-Italiens und Bologna sehen wir
auch Toskana und Rom lebhaft an dem Handel mit Frankreich und
den Messen der Champagne beteiligt. Zeitlich stehen an erster Stelle
hier die Luc che sen, die wahrscheinlich schon vor dem 1. Kreuz-
zuge im französischen Handel tätig waren. ^) Am 10. Juli 1153 schloß
Lucca mit Genua eine für die Handelsgeschichte höchst interessante
für 10 Jahre gültige Konvention ab''), die den lucchesischen Transit-
verkehr nach und von den Messen jenseits der Alpen (feriae ultra-
montanae) durch das Gebiet Genuas betraf.
Genua gestattete den Lucchesen^), durch sein Gebiet nach diesen
1) Pressutti no. 6040.
^) Bezugnahme darauf in der Klage der Toskaner gegen Piacenza vom Sept.
oder Oktober 1242 ; Davidsohn Forsch. IH, p. 8.
«) Ebd. no. 23 u. 30, p. 7 u. 10.
*) Ficker, Engelbert p. 339 f. no. 26. Ennen u. Eckertz : Quellen z. Gesch.
der Stadt Köln, n (1863) no. 73.
») Stat. Camps, rub. 81 (Stat. Soc. Bol. U).
«) Oben § 67.
') Lib. Jur. I no. 188 p. 167. Davidsohn I p. 449 setzt den "Vertrag in das
Jahr 1152, vielleicht durch die indictio XV dazu veranlaßt. Aber die genuesische
Ind. XV paßt gerade zum Jahre 1153, das überdies durch die Nennung der ge-
nuesischen Konsuln (vgl. ann. jan. zu 1153) außer allen Zweifel gestellt wird. Der
Irrtum ist auch für Davidsohns Darstellung des Zusammenhangs der Ereignisse
nicht ohne Folgen geblieben.
^) Für promittemus adducere und reducere ist permittemus etc. zu lesen.
Mit einem Transportversprechen der Genuesen ist schon der Anfang der Konvention :
salvabimus Lucenses et res ipsorum a Vultabio et a Sagona etc. unvereinbar.
350 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Messen alle Waren zu führen mit Ausnahme derjenigen, die mit den von
Genua selbst ausgeführten in direkte Konkurrenz traten (quae sint contrariae
nostris mercibus) ; für den Rückweg von den Messen erlaubte es die Durch-
fuhr von weißen, blauen und pfirsichfarbenen Tuchen, auf die es den Luc-
chesen offenbar hauptsächlich ankam, verlangte aber den auf Erfordern
durch einen Eid zu führenden Nachweis, daß die Tuche Lucchesen gehörten i),
diese also nicht als Kommissionäre handelten und so die Vorteile der Kon-
vention anderen zuwendeten. Auch der Weg, den dieser Transitverkehr
nahm, geht aus dem Vertrage deutlich hervor. Die von der Messe Zurück-
kehrenden erreichten das genuesische Gebiet entweder in Savona oder in
Voltaggi; in letzterem Falle hatte sie ihr Weg aus Frankreich über den
Großen S. Bernhard oder über den Mont Cenis, in ersterem über einen der
südlicheren Pässe, möglicherweise aber ebenfalls über den Mont Cenis ge-
führt. Von Savona oder Voltaggi aus setzten sie nun entweder ihren Weg
zu Lande über Genua, das sie in jedem Falle berühren mußten, fort; dann
begleitete sie der Schutz des genuesischen Staates bis Sestri (Levante); oder
sie schlugen von Savona aus den Seeweg, ebenfalls über Genua ein; dann
verließ sie der genuesische Schutz erst bei C. Corvo, am Golf von Spezzia,
der Grenze der maritimen Machtsphäre Pisas. Auch die Kombination von
See- und Landweg war möglich, wenn die Umstände sie den Lucchesen
vorteilhaft erscheinen ließen; von Savona auf dem Seewege kommend,
konnten sie in Genua auf den Landweg, und umgekehrt von Voltaggi
kommend, in Genua auf den Seeweg übergehen; in jedem Falle aber lehnten
die Genuesen die Übernahme irgendwelcher Schutzpflicht über die ange-
gebenen Grenzpunkte hinaus ab; schon die Rücksicht auf das ihnen damals
verbündete Pisa mußte ihnen das unmöglich machen. Eine besondere
Transitgebühr hatten die Lucchesen nur für die gedachten Tuche zu ent-
richten; sie betrug 5 sol. jan. für den Ballen (pro torsello). Für Lucca be-
stand die Bedeutung der Konvention offenbar hauptsächlich darin, daß sie
seinem Handel einen neuen Weg nach Frankreich hin öffnete, den es neben
dem anderen über den Paß La Cisa und durch die Lombardei, unter Um-
ständen auch ganz an Stelle desselben benutzen konnte, so daß es dadurch
größere Unabhängigkeit und freiere Bewegung für seine Handelstätigkeit
erlangte. Daß dieser Verkehr über den Mont Cenis ging, ist von vornherein
sehr wahrscheinlich ; bezeichnend hierfür ist auch, daß in einem lucchesisch-
pisanischen Vertragsentwurf von 1155 als maßgebender Ort für die Unter-
^) Der sonst sehr sorgfältig arbeitende Davidsohn hat diesen Vertrag völlig
mißverstanden (S. 449), wenn er meint, die Genuesen hätten sich verpflichtet, gegen
eine vereinbarte Abgabe die feinen Luccheser Tuche zu den ausländischen Messen
zu transportieren. Nicht um Luccheser Tuche, sondern um panni ultramontani
handelt es sich ; nicht die Genuesen waren die Transporteure, sondern die Lucchesen
selbst, die sich natürlich, soweit der Transport auf dem Seewege vor sich ging,
genuesischer Schiffe bedienen mußten; nicht die Höhe der Frachtkosten erfahren
wir, sondern nur die Höhe der Transitgebühr. Auch das ist ein Irrtum, daß in
dieser •Konvention zuerst der Begriff eines Ursprungszeugnisses oder Affidavit
hervortrete (Anm. 3) ; die Lucchesen hatten gar nicht zu beschwören, daß die zu
transportierenden Waren aus ihrer Stadt stammten, sondern daß die durch sie von
den Messen her eingeführten Waren ihnen gehörten (pannos . . . quos cognos
cerimus suos esse per sacramentum illorum). Damit entfallen dann auch die
weiterhin von Davidsohn (S. 792 und Anm. 4) gezogenen Folgerungen über die Aus-
fuhr toskanischer Tuche nach französischen Märkten. Schulte I, 136 hat den Irrtum^
Davidsohns übernommen.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 351
Scheidung der diesseits und jenseits der Alpen Wohnenden Susa benutzt
isti), das den Kontrahenten also als nördlicher Grenzpunkt Italiens galt.
Die Konvention ist uns ein höchst wertvolles Zeugnis dafür, daß die Italiener
des Binnenlandes schon verhältnismäßig früh jene nordfranzösischen und
flandrischen Tuche, die im Handel der Zeit eine so große Rolle spielten,
von den französischen Messen her direkt und selbsttätig importiert haben.
Mehr als ein halbes Jahrhundert hören wir dann von diesem Handelsbetrieb
der Lucchesen nichts. Aus dem Jahre 1222 aber kennen wir ein Privileg
des Grafen Thibaut von Champagne, in dem er die Kaufleute von Lucca
in seinen besonderen Schutz nahm, sie von allen militärischen Verpflich-
tungen eximierte (das deutet darauf hin, daß ein Teil von ihnen längere
Zeit in seinem Lande zu verweilen gewohnt war) und ihnen gestattete,
Geldgeschäfte jeder Art, mit alleiniger Ausnahme von Darlehnsgeschäften
auf Wochenfrist, zu betreiben. Als Gegenleistung hatten sie dem Grafen
jährlich ein silbernes Gefäß von einer Mark Troyes-Gewicht (1/4 kg) abzu-
liefern. 2)
Auch von ihrer Handelspraxis in dieser Zeit erhalten wir im Zusammen-
hange mit Schwierigkeiten, auf die dieselbe stieß, in einigen Fällen Kenntnis.
Buonincontro Federici und seine Sozii hatten einst zur Zeit des Papstes
Honorius' III. mehreren Bürgern von Lagny eine größere Geldsumme an-
vertraut, die sie dann nicht wiederzuerlangen vermochten. Daraufhin er-
wirkten sie Verfügungen des Papstes an den Dekan und den Archidiakon
von Paris, die die Exkommunikation über die Schuldigen verhängten,
während Graf Thibaut sie mit ihren Bürgen aus seinem Lande vertrieb.
Doch nun begaben sich diese einfach in das Gebiet des Klosters von Lagny,
und obwohl der Papst dem Abte auftrug, sie zur Zahlung zu zwingen und
den Dekan von S. Stephan in Troyes mit der Überwachung der Ausführung
betraute, verstand es der Abt doch, die Sache hinzuziehen, bis endlich
Gregor IX. am 9. August 1230, nachdem mittlerweile die Lucchesen als An-
hänger des Kaisers mit der Kirche völlig zerfallen waren, dahin entschied,
daß die Lucchesen nicht eher befriedigt werden dürften, als bis sie zum
Gehorsam gegen die Kirche zurückgekehrt seien. Nun nahm Buonincontro
(vielleicht nur zum Schein) das Kreuz ; er, Turkius und ihre Sozii verkauften
ihre Forderung an zwei römische Bürger, denen es sphließlich auch gelang,
ein neues Mandat des Papstes an den Abt (vom 1. Februar 1234) zu er-
wirken, wonach er die Schuldigen oder ihre Bürgen zur Zahlung zwingen
sollte.3) Mit jener Haltung des Papstes hängt es jedenfalls auch zusammen,
daß auch Guidarellus Vulpelü und Fredericus Gangii die Forderung, die
sie in Gemeinschaft mit Pavesen an den Bischof von le Puy hatten, an
einen römischen Bürger zediert haben.^)
Für die fortgesetzte Beteiligung der Lucchesen am Warenhandel mit
den Messen haben wir endlich ein Zeugnis daran, daß sich unter den Tos-
kanern, die im Jahre 1242 auf ihrem Wege nach der Aigulf -Messe von Pro-
vins von den Placentinern überfallen wurden, auch Kaufleute aus Lucca
befanden. 6)
') >. . . Lombardi omnes ex hac parte Seusae<. Bonaini Suppl. 28 £.
«) Bourquelot I, 175.
») Auvray 484, 1750.
*) Ebd. 2492 ff. Pressutti 5979.
') Davidsohn Forsch. III p. 7.
352 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
276. Außer der Konvention Luccas mit Genua von 1153 besitzen
wir für den Handel der Toskaner nach Frankreich nur noch ein be-
stimmtes Zeugnis aus dem 12. Jahrhundert. Als Florenz und Siena,
die 1176 ein enges Bündnis geschlossen hatten, sich am 6. Mai 1178
von Markgraf Wilhelm von Montferrat und seinem Sohne Konrad
ihre kurz zuvor auf Poggibonzi erworbenen Rechte gegen eine Zah-
lung von 4000 1. abtreten ließen, wußten sie das zugleich im Interesse
ihres transalpinen Handels auszunutzen.
Markgraf Wilhelm gewährte nämlich dem Unterhändler des Vertrages,
dem Sienesen Thomas, seinem abwesenden Sozius Bragalis und allen seinen
sonstigen Sozii, wie endlich auch allen Bewohnern von Siena und Florenz
überhaupt, falls einer von ihnen, den sein Weg durch das Gebiet des Mark-
grafen führte, auf dem Hin- oder Rückwege, diesseits oder jenseits der Alpen
oder im Gebirge selbst, beraubt oder sonst um einen Teil seiner Habe ge-
bracht würde, das Recht, sich in Chivasso oder sonst an einem beliebigen
Orte des markgräflichen Gebiets an dem Übeltäter oder seinen Landsleuten
in Höhe des erlittenen Verlustes durch Represalien, die sie in seinem Namen
vornehmen könnten, schadlos zu halten, i) Wenn die Toskaner in erster
Linie in Chivasso Gelegenheit zu Represalien zu finden hofften, so rechneten
sie dabei einmal auf den nördlichen, über Vercelli führenden Weg Susa-
Piacenza (bzw. Mailand), zum anderen auf die vom Großen S. Bernhard her-
kommende Straße Ivrea — Asti — Genua. Die Persönlichkeit des Unterhändlers
und die Form der in erster Linie ihm und seinen Sozii erteilten Konzession
weist darauf hin, daß die Sienesen in erster Linie interessiert waren, während
die ganze Abmachung ein Zeugnis dafür ist, daß Siena und Florenz mit den
französischen Gebieten schon recht erhebliche Handelsbeziehungen unter-
hielten, deren Schädigung durch Gewalttaten sie ernstlich zu fürchten hatten
und deren Schutz ihnen wichtig genug erschien, um sich in einem fremden
Territorium Ober-Italiens ein so außergewöhnliches Recht, dem übrigens eine
große praktische Bedeutung sicher nicht zuzuerkennen ist, einräumen zu
lassen.
277. Längere Zeit hören wir nun auch von einem Verkehr der
Sienesen in Frankreich nichts; erst 1216 setzt eine Reihe fortlau-
fender Nachrichten über diesen Verkehr ein, die allmählich zu einer
wahren Fülle von Zeugnissen anschwillt, so daß die Sienesen seit dem
3. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts als diejenige italienische Handels-
nation erscheinen, die an dem Handelsverkehr mit Frankreich und
den Messen von allen am stärksten beteiligt war.
Im selben Jahre wie die Lucchesen (1222) erlangten auch sie vom
Grafen Thibaut ein völlig gleichartiges Privileg; nur sollte das jährlich von
ihnen darzubringende Silbergefäß doppelt so schwer sein wie bei jenen. 2)
Eine besonders umfassende Tätigkeit haben die Sienesen in Frankreich und
auf den Messen als Geldleiher entwickelt; häufig sehen wir französische
Große und Barone in ihrer Schuld. So im Juni 1216 Gauthier d'Ardillieres,
im Januar 1219 Anseau de Garlande, der seine Schuld in drei Jahresrate
^1
1) Ficker IV no. 151 p. 192. CJiesebrecht VI, 554. Davidsohn I, 551. Schulte
I, 136.
2) Bourquelot I, 175.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 353
auf den Messen von Lagny zu erstatten hatte i), im November 1221 Graf
Heinrich von Bar-le-Duc und im April 1222 Herzogin Ahx von Burgund,
für die der Graf von Champagne die Bürgschaft übernahm. 2) Aber auch
Graf Thibaut selbst nahm bei ihnen solche Anleihen auf; am 6. Dezember
1231 hat er 1446 1. prov. zur Zahlung an sienesische Bürger am nächsten
Remigiusfeste angewiesen. 3) Nicht immer wickelten sich diese Geldgeschäfte
glatt ab. So lag Ugolino Bonaparte mit der Gräfin von Vienne wegen eines
Darlehns an ihren verstorbenen Gemahl im Streit; als er von Sens zurück-
kehrte, wo der Prozeß vor Richtern, die die Kurie delegiert hatte, verhan-
delt worden war, wurde er von Leuten aus den Diözesen Sens, Troyes und
Langres überfallen und zur Zahlung eines Lösegeldes gezwungen ; am 5. Ok-
tober 1232 beauftragte der Papst den Dechanten von Troyes, die Schuldigen
zur Rückgabe zu zwingen. *)
Auch auf ihren Kreuzfahrten begleitete die französischen Großen die
finanzielle Hilfe der sienesischen Bankiers. So hat Savaricus de Maloleone
»in ultramarino peregrinationis itinere constitutus« 1219 bei vier Kaufleuten
von Siena, Boncompagno Tornampollensi, Raynuccio Curtabrane, Aldebran-
dino und SpicinelKo, und einem römischen Bankier eine Schuld von 1200 M.
Silbers (Troyes - Gewicht ; gegen 70000 M.) unter eifriger Verwendung des
Papstes Honorius aufgenommen. Offenbar um dem Verlangen der Gläubiger
. nach möglichster Sicherstellung zu entsprechen, befahl der Papst dem Bischof
von Poitou, dafür zu sorgen, daß der dem Schuldner auf 3 Jahre bewilligte
Zwanzigste und seine sonstigen Einkünfte daheim in erster Linie zur Er-
stattung dieses Darlehns verwandt würden; mit der Überwachung betraute
er den Dekan von S. Stephan zu Troyes, indem er ihn gleichzeitig ermäch-
tigte, gegebenenfalls gegen den Schuldner mit kirchlichen Strafen vorzu-
gehen. 5)
278. Aber auch die kirchlichen Würdenträger Frankreichs fanden an
den Sienesen häufig, wenn auch keineswegs uneigennützige, Helfer in der
Not; die Natur unserer Quellen bringt es mit sich, daß wir fast nur die
schlechten Zahler unter ihnen kennen lernen. So mußte der Bischof von
Viviers, dessen Prokuratoren an der Kurie bei einem Konsortium von sienesi-
schen und römischen Kaufleuten in einwandfreier Form ein Darlehn auf-
genommen hatten, erst im Auftrage des Papstes (1217) durch den Abt von
S. Lupus in Troyes zur Zahlung gezwungen werden; fast gleichzeitig erhielt
derselbe Abt den gleichen Auftrag gegenüber dem Bischof von le Puy, falls
dieser die Rückgabe der geliehenen Summe an die Kaufleute von Sienä
verabsäumen sollte, ß) Bald geriet dies Bistum immer tiefer in Schulden,
so daß Honorius IH. am 5. Juni 1226 eine besondere Kommission zur Sa-
nierung seiner finanziellen Verhältnisse ernannte; unter den italienischen
Gläubigern des Bistums, die bei dieser Gelegenheit genannt werden, erscheint
auch der Sienese Ranuccio Spicinelli mit seinen Sozii. '^) Die Kirche von
») Ebd. I, 189; n, 125.
*) Ebd. II, 121 (Rückzahlung cum costamentis inde provenientibus versprochen);
I, 189 A. 4. Petit, E., Hist. des Ducs de Bourgogne (Dijon 1894) IV p. 201.
') Longnon I, 177 no. 5130
*) Auvray 886.
») Reo. des Hist. des Gaules XIX, 689 (6. Juli 1219). Potthast 6095. Pres-
sutti 2133, 2158.
«) Pressutti 939 (23. Dez. 1217), 935 (20. Dez.).
"<) Pressutti 5979.
Sc ha übe, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 23
354 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Valence hatte im Jahre 1239 bei sienesischen Kaufleuten Schulden im Be-
trage von 8000 1. tur., zu deren Begleichung der Papst, da sie für Valence
allein in absehbarer Zeit nicht möglich war, eine ganze Reihe von Nachbar-
diözesen mit heranzog. ^) Mit dem Bischof von Chalons s./M. gerieten zwei
Handelsgesellschaften von Siena, Bonincontrus Rogerii und Mateguerra Jo-
hannis und Genossen sowie Bonaventura und Guido Encontri und Genossen
in finanzielle Streitigkeiten ; nach mancherlei Weiterungen übertrug der Papst
im Frühjahr 1231 die Entscheidung einem von ihm ernannten kirchlichen
Gerichtshof von drei Mitgliedern in Paris. 2) Dem Bischof von Beauvais
hatten die sienesischen Kaufleute Caponero, Montanino, Rainerio Rolandi,
Contadino Aldobrandini mit ihren Sozii an der Kurie ein Darlehn gewährt,
das er auf der Messe von Lagny mit 580 M. Sterl. zu erstatten versprochen;
am 31. Juli 1232 beauftragt der Papst einen Kanonikus von Troyes, den
Bischof zur Befolgung des apostolischen Mandats, das ihm die Zahlung be-
fohlen, zu zwingen. Später nahm sich der Papst des von zahlreichen Gläu-
bigern schwer bedrängten Bischofs, gegen den auch der König einschritt,
möglichst an; als eine Gesellschaft von sienesischen Kaufleuten bei dem
Bischof von Chalons einen Zahlungsbefehl gegen ihn erwirkte, beauftragte
der Papst 1. August 1234 den Dechanten und zwei Archidiakone von Soissons,
ihn zu schützen, da er sich dem von ihm getroffenen Arrangement gefügt
habe. 3)
Von französischen Klöstern erfahren wir, daß die Äbtissin von Fonte-
vrault sienesischen Kaufleuten im Oktober 1225 das entliehene Kapital, zu-
züglich 2 Mark Silbers »pro penis et expensis« zurückerstattet hat*); dagegen
fand das Kloster Columba (Diözese Chartres), das infolge von Streitigkeiten
bei der Abtwahl genötigt gewesen, bei den sienesischen Kaufleuten Angel erius,
Massarius, Jacobus Petri, Guido Cacciaconti, Fredericus, Rolandus und ihren
Sozii ein Darlehn aufzunehmen, die Rückzahlung schwierig; der Papst be-
auftragte am 30. Juli 1235 den in Paris weilenden Kantor der Kirche von
Pisa, Magister Hugo, für die Befriedigung der Gläubiger Sorge zu tragen,
wenn nötig dadurch, daß er die Einnahmen des Klosters in Höhe der Schuld
mit Beschlag belegte.^)
Die Bedeutung, die insbesondere die Champagner Messen für den
Geldhandel der Sienesen hatten, wurde noch dadurch erhöht, daß vielfach
auch Schulden, die von Nichtfranzosen bei ihnen kontrahiert wurden, auf
diese Messen abgestellt wurden ; insbesondere sind deutsche Bistümer, Klöster
und Städte in dieser Weise seit dem dritten Dezennium des 13. Jahrhunderts
Schuldner sienesischer Kaufleute geworden. ^)
279. Auf die Ausdehnung, die die Geldgeschäfte der Sienesen in
Frankreich schon damals erreicht hatten, werfen auch einige erhaltene
Testamente sienesischer Kaufleute aus dieser Zeit ein helles Licht. So
regelt das des Aringhieri Magiscolo vom Frühjahr 1232 die Begleichung
seiner Schulden für den Fall, daß sie nicht aus seinen Außenständen in
1) BernouUi J.: Acta Pontificum Helvetica I (Basel 1892), p. 138 no. 205 f.,
dazu p. 125 no. 186 vom 21. Aug. 1236.
2) Auvray 549, 592.
3) Ebd. 844 (am 9. Juli 1232 ist die Rede von 3000 1. paris., die dieser Bischol(
in vier Jahresraten abzutragen hatte ; no. 827, vgl. 884) ; 2039.
-•) Bourquelot n, 121.
«>) Auvray 2727.
«) Unten § 336 ff.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 355
Frankreich getilgt werden könnten i); offenbar bewegten sich die Sienesen
mit ihren Leihgeschäften vielfach auch in weniger hochstehenden Kreisen,
als wir es bisher kennen gelernt haben. Aus dem Testament des Ugolino
Quintavalle vom 24. Februar 12272) ergibt sich, daß er bei einer Handels-
gesellschaft, deren Haupt Federico Rimpretti war, 1500 1. stehen hatte.
Über dieses Guthaben entbrannte zwischen dem zum Testamentsvollstrecker
bestimmten Federico und der "Witwe Ugolinos ein Rechtsstreit; Federico
hob die große Schwierigkeit hervor, die es machte, die vielen Schulden, die
»Kleriker wie Laien in verschiedenen und entfernten Ländern« gegenüber
Ugolino hätten 3), einzuziehen, zumal manche die Schuld leugneten und die
Rückgabe verweigerten ; ein Schiedspruch vom 10. Januar 1229 setzte ihm
daraufhin eine Frist von 3 Jahren, um die 1500 1. »a debitoribus undecum-
que« beizutreiben.
Besonders interessant aber ist das Testament, das eben dieser Federico
Rimpretti am 27. August 1238 während einer schweren Erkrankung gemacht
hat, als er auf einer Geschäftsreise in Cremona unterwegs war. 4) Er ver-
fügte darin die Rückgabe aller wucherisch und zu Unrecht erworbenen
Gelder, die er selbst in seinen Besitz gebracht oder von Vater und Brüdern
ererbt hatte. 0) Unter den von ihm aufgezählten Bewucherten erscheinen
mit Ausnahme eines Landsmanns nur geistüche und weltliche Große und
Kommunen, und zwar der Graf von Champagne mit rund 500 1. prov., die
Kommunen der Meßplätze Provins, Bar und Lagny mit rund 100, 25 und
50 1. prov., der Abt von Lagny mit 100, der von Flavigny^) mit rund 200 1.,
endlich der Bischof von Toul mit 50 1. prov., so daß im ganzen etwas über
1000 1. prov. (gegen 25000 M.) wiederzugeben waren. Der genauere Betrag
sollte in jedem Falle von den mit der Ausführung dieses Teiles des Testa-
ments betrauten Personen, dem Rektor des Marienhospitals in Siena, Caccia-
conte, und dem Archidiakon Hugo ebendaselbst auf Grund des von Ugolino
Gentile Grimaldi, seinem Sozius, geführten Geschäftsbuches der Handels-
gesellschaft festgestellt werden. Daß Privatpersonen unter den Bewucherten
gar nicht erwähnt werden, glaube ich so erklären zu müssen, daß der Graf
von Champagne und die Meßkommunen vielfach nur formell als Darlehns-
nehmer figurierten, während sie in Wahrheit nur durch Verpfändungen ge-
sicherte Garanten für die eigentlichen Darlehnsnehmer waren.
280. Für den Betrieb ihrer Geldgeschäfte, namentlich mit der Geist-
lichkeit, war für die Sienesen die Gunst des Papstes von höchster Wichtig-
1) ». . . si solvi non possent ex denariis mihi debitis in Francia.« Zdekauer,
Mercante 33 A. 1.
^) Sanesi G., H testamento di un prestatore Senese nella Champagne im
Bull, senese TV (1897) p, 116 f. S. auch den Vortrag von Ces. Paoli : Siena alle
fiere di Sciampagna (Conferenze della Commissione sen. di storia patria nella R.
Acc. dei Rozzi IV, 1898, p 53 ff.), der sich allerdings ganz überwiegend auf die
Zeit nach 1250 bezieht.
*) »tarn clerici quam laici, in diversis et longinquis partibus et provinciis
commorantes.t Sanesi 1. c. 117 f.
♦) Sanesi 1. c. 123. Paoli 1. c. 69.
•) Aller >u8ure et male ablata omnibus modis et in omni parte que haberet
per se vel per fratres vel per patrem eius.«
8) Flavayni, das Sanesi nicht erklären konnte (p. 120 A. 3), ist zweifellos dieses
Kloster im Bistum Autun, westl. Dijon. Auf die besonders groß gewordene Schulden-
last desselben bezieht sich das Dekret Gregors IX. vom 8. Juni 1241. Rodenberg I,
719 no. 819.
23*
356 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
keit; eine ganze Reihe von Fällen haben wir schon kennen gelernt, in denen
Honorius III. und Gregor IX. zugunsten der sienesischen Gläubiger einge-
schritten sind. Umgekehrt leisteten diese Kaufleute auch der Kurie ihre
Dienste; von Angelerius Solafiche, der mehrfach (vor 1233 und 1235) Bankier
des Papstes war, wissen wir z. B. bestimmt, daß er mit seinen Sozii auch
in Frankreich in Geldgeschäften der Kurie tätig gewesen ist.i) So tat
Gregor IX. am 26. November 1235 auf die Bitten sienesischer Kaufleute
einen weiteren Schritt zu ihren Gunsten; er befahl dem Erzbischof von Sens
und den Bischöfen von Troyes, Langres, Chalons, Meaux und Paris, also
des ganzen oberen und mittleren Seinegebiets, in dem die Sienesen offenbar
ihre Haupttätigkeit entfalteten, in allen Fällen, in denen Kaufleute von
Siena bereit seien, ihren Parochianen vor ihnen Recht zu geben, auch tat-
sächlich das Richteramt zu übernehmen, falls nicht besondere Gründe für
eine Verlegung des Forums vorhanden seien. Die Sienesen beschwerten
sich nämlich darüber, daß sie aus Schikane oft an entfernte und weit aus-
einanderliegende Orte vor Gericht gezogen würden ; vor unbekannten Richtern
wären sie hier schon von vornherein im Nachteil und sähen sich oft schon
aus Überdruß veranlaßt, auf für sie schädliche Bedingungen einzugehen; ja
es käme sogar vor, daß sie auf dem Wege nach solchen Orten gefangen,
beraubt und mißhandelt würden. 2) Und am if. Juli 1236 verlieh der Papst
aus den gleichen Gründen den sienesischen Kaufleuten Montanino, seinem
»devotus«, Spinello Cavalca, Caponero, Rainerio Rolandi, Crescentio Bonac-
cursi, Thomasino Ancontan und ihren Sozii auf 5 Jahre das besondere
Privileg, daß sie bei ihrem Aufenthalt im französischen Königreich auf
Grund päpstlicher Schreiben außerhalb der Städte Paris und Beauvais nur
dann belangt werden dürften, wenn in diesen Schreiben dies Privileg für
den einzelnen Fall ausdrücklich außer Kraft gesetzt würde. 3)
Nach wenigen Jahren aber trat ein völliger Umschwung ein; am
28. April 1239 untersagte Gregor IX. wegen der ghibellinischen Haltung der
Sienesen, dieser »Söhne der Verwünschung«, wie er sie nunmehr nennt,
allen Erzbischöfen, Bischöfen, Prälaten, edlen Herren usw. in ganz Frank-
reich, Deutschland mid England, an sienesische Kaufleute auf ihre Geld-
forderungen ohne seine besondere Erlaubnis irgend etwas zu zahlen, damit
sie aus Erfahrung lernten, daß, so viel Gutes ihnen aus ihrer früheren Er-
gebenheit gegen die Kirche erwachsen sei, ihre Undankbarkeit gegen sie
ebensoviel Übles für sie im Gefolge habe.'^) Naturgemäß bedeutete ein
solches päpstliches Gebot, das der allgemeinen Befolgung sicher war, für
die Sienesen einen schweren Schlag. Von Darlehnsgeschäften mit Geistlichen ll
haben sie sich seitdem lange ferngehalten; erst aus dem Jahre 1253 kenne
ich wieder ein zugunsten der sienesischen Gläubiger eines französischen
Bischofs an den Abt von Troyes ergangenes päpstliches Schreiben, s)
1) Murat. Antiqu. I, 889. Mengozzi I, 13 A. 5.
2) Auvray 2842, 2843. Gottlob, Prälatenanleihen p. 358 f.
^) Auvray 3242.
*) Rodenberg I, 642 no. 744.
») Berger 6264 (11. Jan. 1253); Schuldner ist der ep. Morinensis, Gläubiger
sind Bonifacio und Rolando Bonsignori und Genossen, die Vertreter der später so
berühmten großen Handelsgesellschaft, die im selben Jahre noch in ähnlicher Weise
als Gläubiger des Klosters S. Germain von Auxerre erscheinen; ebd. 6386. Die
ersten mir bekannten Erwähnungen dieser Gesellschaft sind vom Jahre 1250 ; unten
§ 518 und Berger 4815 (2. September).
11
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 357
281. Auf die weltlichen Großen war da doch eher zu bauen. Wir be-
sitzen die vor dem Abt der Peterskirche von Lagny auf den Messen von
1241 und 1243 aufgenommenen Anerkenntnisse des Roberto Oltremonte,
seines Bruders Piccolomini und ihrer Sozii über die in zwei Raten von je
1150 1. prov. erfolgte Tilgung der Schuld, die Graf Guido von Nevers und
Forez und seine Gemahlin Mathilde an sie hatten, i) Letztere hat außerdem
eine eigene Schuld von 170 1. prov. an den sienesischen Kaufmann Hugue-
linus Johannis, die auf der Maimesse 1242 fällig war, im Juli mit 100 1.
vor dem Dekan von Provins und mit dem Rest von 70 1. im August 1242
vor dem Dekan von Troyes abgetragen. 2) Als Graf Raimund VII. von
Toulouse im Jahre 1243 bei sienesischen Bankiers ein Darlehn von 1600 M.
Sterl. (gegen 100000 M.) aufnahm, lieh der neue Papst Innocenz IV. dazu
seine Unterstützung insoweit, als er zur Sicherung der Gläubiger den Kantor
der Kathedrale von Troyes mit der Sorge für die vertragsmäßige Rück-
erstattung des Darlehns betraute und ihn zur eventuellen Anwendung kirch-
Hcher Zensuren ermächtigte s); unter den Gläubigern begegnen uns u. a.
Montaninus Deutesalve, Bartholomaeus Comitis und Ugolinus Gentilis, der
einstige Sozius Rimprettis. So eng war die finanzielle Verbindung zwischen
den französischen Großen und der Finanzwelt Sienas schon geworden, daß
Sienesen nun auch das Kreuzheer König Ludwigs nach dem Orient be-
gleiteten; im Mai 1249 haben vor Limassol die Ritter Raoul de Couci und
Erard de Chassenay unter Bürgschaft des Königs die Rückerstattung der
ihnen von sienesischen Kaufleuten gewährten Darlehn mit 3500 und 10001.
tur. auf den Messen von Lagny und Bar des folgenden Jahres versprochen;
ebenso sind dann im Lager vor Damiette zahlreiche Darlehn bei den Sie-
nesen Rossus Consilii, Bossulus Albertini, Bonaventura de Marcy und ihren
Sozü unter Garantie des Königs oder seines Bruders Alfons von Poitiers
aufgenommen worden ; in einigen Fällen, so für Graf Guido V. von Forez und
Gaucher von Chätillon, wies der König selbst sein Schatzamt im Temple
zur Erstattung der Schuldsummen (von 1000 und 3750 1. tur.) an. Graf
Guido ist dann seinerseits wieder als Garant für geringere Beträge, die seine
Vasallen bei denselben Kaufleuten aufnahmen, eingetreten. *)
282. Einen interessanten Einblick in ihre geschäftlichen Beziehungen
zu den Messen gewährt uns endlich noch das Notularium Amalrics, das uns
eine Anzahl sienesischer Kaufleute im Frühjahr und Sommer 1248 in Mar-
seille, damals ihrer wichtigsten Zwischenstation zwischen der toskanischen
Heimat und ihrem Hauptarbeitsfelde in Frankreich, tätig zeigt, s) Zwei
Handelsgesellschaften treten uns dabei besonders entgegen; ständiger Ver-
treter der einen in Marseille ist Guidalotto Guidi, dem zuerst Dietaviva
Alberto, dann Bartolommeo Aldobrandini zur Seite stehen, während als ihr
Vertreter auf den Messen Dono de Piloso erscheint; die zweite gruppiert
sich um Rainerio Rolandi, neben dem besonders Brunetto Turpini und
') Layettes 11 no. 2886, 2952.
«) Ebd. 2979, 2991.
«) Berger no. 347 (24. Dez. 1248). Derselbe: Saint Louis etc. p. 19.
*) Näheres : Wechselbriefe König Ludwigs in : Conrads Jahrb. 70 p. 619 f. u.
733 f.
*) Studien z. Gesch. u. Natur des ältesten Cambium ; ebd 65 p. 167 f., 172 f.,
516 ff. Einen am 26. .Januar 1241 in Genua von Guido von Siena gegen empfan-
gene Valuta von 200 M. Sterling auf die Messe von Bar ausgestellten Wechsel
über 540 1. prov. registriert Canale 11, 554.
358 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
später Rainerio Colradi tätig sind, während wir als einen ihrer Sozii in
Paris gelegentlich Raimacho de Balci kennen lernen. Diese Sienesen sehen
wir nun von Marseille aus im regsten Wechselverkehr mit den Champagner
Messen stehen, untereinander, mit anderen Toskanern, mit Kaufleuten aus
Piacenza oder aus Südfrankreich selbst ; öfter erscheint dabei Marseille auch
nur als Durchgangsplatz in dem Wechselverkehr zwischen Pisa oder Siena
selbst und den Messen der Champagne ; einer dieser Wechsel, für den Valuta
in Pisa gegeben ist, ist nicht auf der Messe, sondern in Paris fällig.
283. Wenn es nach diesen zahlreichen Marseiller Kontrakten und den
sonst angeführten Tatsachen den Anschein gewinnen könnte, als ob die
sienesischen Kaufleute im Verkehr mit Frankreich fast ausschließlich das
Geldgeschäft gepflegt hätten, so müßte eine solche Auffassung doch als irr-
tümlich bezeichnet werden. Hinter diesem Wechselverkehr, ihn unterhaltend
und belebend, steht der Warenhandel. Den besten Beweis dafür liefert es,
daß die beiden genannten sienesischen Gesellschaften im März 1248 zusammen
mit einem weiteren Teilhaber (Salvano Salvani) drei Marseiller Galeeeren
zum Transport ihrer Waren nach Pisa gemietet habend), daß ferner Guida-
lotto Guidi am 20. Juli im Namen seiner Gesellschaft zusammen mit zwei
anderen toskanischen Gesellschaften wiederum zwei armierte Marseiller Ga-
leeren gechartert hat, die nach Arles zu gehen und von da die Waren dieser __
Gesellschaften über Marseille nach Pisa zu transportieren bestimmt waren.^)'«!
Wenn damals der Verkehr über die Alpen für die Sienesen unterbrochen
war, so geht ihre Beteiligung an demselben für eine etwas frühere Zeit doch
schon daraus hervor, daß unter den Kaufleuten der toskanischen Handels-
karawane, die auf ihrem Zuge zur Aigulf messe von Provins im Jahre 1242
von Placentinern überfallen wurde, die Sienesen an zweiter Stelle genannt
werden. 3) Auch ist es nicht bedeutungslos, daß Gregor IX. in dem oben
erwähnten Mandat an die sechs mittelfranzösischen Bischöfe vom November
1235 ausdrücklich von den Sienesen redet, die mit ihren Waren nach Frank-
reich kämen und dort eine Zeitlang verweilten. 4) Aus etwas späterer Zeit,
dem 7. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, geben dann einige erhaltene siene-
sische Geschäftsbriefe auch über den Warenhandel dieser Kaufleute auf den
Champagner Messen den erwünschtesten Aufschluß. 5)
Die gewaltige Bedeutung, die der Handel mit den französischen Ge-
bieten in dieser Zeit für Siena hatte, spricht sich auch in der Bestimmung
seiner Statuten aus, daß die Stadt verpflichtet sein sollte, auf ihre Kosten Ge-
sandtschaften an den Papst, den Kaiser oder den König von Frankreich zu
entsenden, wenn die beiden Kaufmannschaften Sienas oder auch nur eine
derselben es im Interesse der Förderung des Handels oder zum Zwecke der
I
') Amalric no. 360. Wir kennen nur den Mietvertrag (vom 3. April) über
eine der Barken, die den drei Galeeren zu dienen bestimmt war. Die Miete der
Galeeren selbst fällt also entweder in die Zeit vor Beginn des erhaltenen Xotu-
lariums (13. März) oder ist vor einem anderen Notar erfolgt.
*) Ebd. no 1000 u. 1001. Wenn Kontrakte über den Warenhandel der Sie-
nesen in Marseille selbst fehlen, so beweisen diese Mietkontrakte nur um so mehr,
daß sie dem Transithandel zwischen den Messen und Pisa-Siena dienen sollten.
^) Davidsohn, Forsch. III p. 7.
*) Auvray 2842 : cum eos contingat cum suis mercimoniis ad partes Gallicanas
accedere et aliquamdiu ibi commorari.
*) Näheres in meiner Abhandlung: Ein ital. Kursbericht von der Messe von
Troyes in : Zeitschr. f. Social- u. Wirtschaf tsgesch. V (1897), 248 ff.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 359
Wiedererlangung von Waren oder Geld, die in Frankreich oder* sonst einem
Gebiet jenseits der Alpen zurückgehalten würden, für erforderlich erachteten.^)
284. Geraume Zeit haben die transalpinen Handelsbeziehungen
von Florenz hinter denen von Siena zurückgestanden. Daß solche
bestanden, hat uns jener Vertrag mit Wilhelm von Montf errat vom
Jahre 1178 gezeigt; auf solchen wird es auch zum Teil beruhen, daß
Florenz zur selben Zeit einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit
Piacenza hatte, an dessen Aufrechterhaltung ihm viel gelegen war.
Als im Jahre 1181 placentinische Kaufleute auf dem Gebiet von
Florenz durch den Markgrafen von Ancona, Konrad von Lützelhard (La-
tinerius), ausgeplündert wurden, schickte Florenz sogleich den Oberto Ber-
gognone als Gesandten nach Piacenza, der auch am 12. Dezember die erneute
Zusicherung sicheren Geleites für alle Florentiner und ihre Waren im Ge-
biet von Piacenza erlangte, wogegen er dem Ersatz des Schadens durch Er-
hebung eines Zuschlagszolls von den Florentinern in Höhe von 1 sol. imp.
von jeder Tasche und des Doppelten von jedem Warenballen 2) zustimmte;
im übrigen sollte der bestehende Vertrag in Kraft bleiben. Über 50 Jahre
hindurch bleiben aber in der Folgezeit die Nachrichten über solche Handels-
beziehungen der Florentiner noch sehr spärlich. Im Jahre 1217 hören wir
von einem Zoll, der an der La Futastraße bei Pietramala von Warenballen
und Lasten erhoben wurde, die von jenseits der Alpen (de ultramonte)
kommend in der Richtung auf Florenz passierten s) ; zu gleicher Zeit etwa
sehen wir florentinische Kaufleute bei einer Anleihe beteiligt, die der Bischof
Walther von Chartres an der Kurie vorwiegend bei römischen Kaufleuten
aufgenommen hatte. *)
• 285. Seit dem 4. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts aber fließen die Quellen
reichlich. Es deutet auf den Verkehr der Florentiner auch mit der Cham-
pagne, wenn sie 1232 mit römischen und sienesischen Kaufleuten zusammen
als Gläubiger des Bischofs des benachbarten Verdun erscheinen. &) Wenig
später führten über die unredliche Geschäftsgebahrung eines Florentiners,
des Tiniosus, vornehme römische Bürger, die sich mit ihm in eine Handels-
gesellschaft eingelassen hatten, lebhafte Klage; in Frankreich und England
habe er Schulden kontrahiert, die sie hätten bezahlen müssen; er selbst
entziehe sich der Rechenschaftslegung und jeder Zahlung durch allerlei Aus-
flüchte — so habe er seine Güter zum Schein verschenkt und zum Schein
das Kreuz genommen. Im Interesse der Geschädigten wandte sich der Papst
schließlich im Februar 1234 an den Bischof von Troyes, den französischen
König und den Grafen der Champagne, damit diese endlich den betrüge-
') »pro providendis negociis mercantiae et eorum suppositorum et avere vel
pecunia ipsorum recuperanda vel rehabenda in Francia vel ultra montes detenta«.
Zdekauer, Constituto I rub. 486 p. 174. Die uns vorliegende Redaktion der Statuten
ist zwar erst von 1262; da aber in dieser Rubrik vom Imperator die Rede ist, so
rührt sie aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Zeit Friedrichs IL her.
*)»... de unaqua({ue tascha (in erster Linie diente sie der Mitführung von
Barmitteln, war also das Hauptgepäck der Geldwechsler) und de unoquoque torsello*.
Poggiali IV, 337. Bezugnahme auf den Vertrag im Statut von Piacenza ca. 1182
bei Boselli I, 333. Davidsohn I, 565.
«) Schiedspruch vom 3. Mai 1217; Davidsohn Forsch. III, 2 no. 4.
*) Am 16. Januar 1219 bezeugt der Papst die Ernennung eines Prokurators
des Bischofs für seinen Prozeß mit den Gläubigern. Pressutti 1802. Davidsohn I, 798.
») Auvray 998.
360 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
rischen Florentiner zur Befriedigung zwängen, i) Von anderen florentinischen
Kaufleuten hören wir, daß sie damals in Frankreich in den Ruf der Ketzerei
geraten waren. 2) Doch das waren einzelne Vorkommnisse, die nicht hin-
derten, daß die Kurie gerade in dieser Zeit den Florentinern ihre ganz be-
sondere Gunst zuwandte und sie bei der Verfolgung ihrer Handelsinter-
essen in Frankreich in jeder Beziehung zu fördern suchte. Im Jahre 1235
brachten sie bei Gregor IX. ähnliche Beschwerden vor wie die Sienesen;
außerdem aber klagten sie namenthch darüber, daß die Kreuzzugsprediger
allen denen, die das Kreuzzugsgelübde ablegten, eine vierjährige Stundung
aller ihrer Schulden gewährten. Der Papst willfahrte ihren Bitten; er be-
lehrte am 11. September die Kreuzzugsprediger, daß diese Stundung nur
gegenüber jüdischen Gläubigern zulässig sei. 3) Dabei war es freilich sehr
übel, daß der Papst erst im April desselben Jahres an den König und den
Grafen, alle französischen Barone, die Gräfin von Flandern und den Edlen
von Montfort Schreiben gerichtet hatte, wonach sie nicht zulassen sollten,
daß die crucesignati zur Bezahlung ihrer Schulden von den Gläubigern
binnen einer Frist, die erst 3 Jahre nach dem Beginn des von der Kirche
festzusetzenden generale passagium ablaufen sollte, gezwungen würden *);
daß er ferner allen Erzbischöfen und Bischöfen befohlen hatte, kirchliche
Zensuren anzuwenden, damit die crucesignati von einem etwaigen eidlichen
Versprechen, Zinsen zu zahlen, gelöst würden und Zinsen, die sie schon
gezahlt hätten, zurückerhielten. 5) In seinem Bestreben, den Florentinern
zu nützen, empfahl sie der Papst ferner in einem besonderen Schreiben vom
13. September an den Abt von S. Genovefa in Paris, das allen französischen
Bischöfen und Prälaten mitgeteilt wurde, seinem Schutze, indem er zugleich
verbot, sie auf Grund päpstlicher Briefe außerhalb der Diözesen Paris, Meaux,
Chalons und Langres vor Gericht zu ziehen, falls nicht besondere Gründe
dafür vorlagen. 6) Und als die Sienesen jenes ihren Gerichtsstand betreffende
Dekret an die mittelfranzösischen Bischöfe vom 26. November desselben
Jahres erwirkt hatten, wurde nur einen Tag später ein entsprechendes De-
kret auch zugunsten der Florentiner an den Erzbischof von Reims und
die Bischöfe von Paris und Arras gerichtet '^) , woraus hervorgeht, daß der
florentinische Handel damals auch schon in den nördlicheren Gegenden
Frankreichs von Bedeutung war. Aber bald erneuten sich die Klagen der«,
florentinischen Kaufleute ; vielfach vermöchten sie von ihren Schuldnern imBI
französischen Königreich, obwohl die Zahlungsfrist längst verstrichen sei,
keinerlei Befriedigung zu erlangen ; um zu ihrem Gelde zu kommen, müßten
viele von ihnen soviel Mühe und Kosten aufwenden, daß sie völliger Ver-
armung anheimfielen. Auf diese Klagen, die Florenz amtlich durch besonderOj
Briefe und Boten bei Gregor IX. vorbrachte, verfügte der Papst am 28. Fe|^
bruar 1237 an seinen Sekretär Benedictus de Guarcino, den er hauptsächlicl
• ^) . . . ne Jura subveniant decipientibus, sed deceptis. Ebd. 1760 — 1762
2) Ebd. 2216 (20. Nov. 1234 betr. die flor. Kauft. Feriabante u. Capsus), 2221
(23. Nov. betr. Accurri Aldebrandini, der sich aufs ängstlichste bedacht zeigt, jede
Verdacht ketzerischen Verkehrs von sich abzuweisen ; vgl. 3006.)
s) Ebd. 2765. Davidsohn Forsch. III p. 5.
*) Auvray 2512—2517 ; vgl. noch 2745. Von den Juden war dabei mit keine
Wort die Rede.
6) Ebd. 2511. Hier heißt es am Schlüsse, daß die Juden gezwungen werde
sollten, den Erlös von Pfändern auf das Schuldkapital anzurechnen.
«) Ebd. 2764, 2766. Gottlob, Prälatenanleihen p. 358 f.
') Auvray 2857.
1
1
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 361
wegen dieser Angelegenheit nach. Frankreich geschickt hatte, daß er alle der
geistlichen Jurisdiktion unterstehenden Schuldner zu unverzüglicher Zahlung
an die Florentiner oder zur Entsendung besonderer Prokuratoren zu ihrer
Rechtfertigung an die Kurie zu veranlassen habe; gleichzeitig schrieb er an
den König von Frankreich und den Grafen der Champagne, dafür zu
sorgen, daß ihre Untertanen mit der Bezahlung dieser Schulden weiter keine
Schwierigkeiten machten ; auch an die Statthalter (balivi) des Königs rich-
tete er entsprechende Schreiben, i) Ein halbes Jahr darauf empfahl der
Papst nochmals die florentinischen Kaufleute dem besonderen Schutze des
Grafen Thibaut, da sie mancher Unbill von selten seiner Untertanen aus-
gesetzt seien und sich nicht voller Sicherheit in seinem Gebiete zu erfreuen
hätten. 2) Aber alles schien vergeblich; insbesondere hielten die »cruce-
signati«, die also gerade bei florentinischen Geldleihern besonders häufig
Vorschüsse erhalten haben müssen, an ihrem vermeintlichen Anrecht auf
längere Stundung fest. Am 23. März 1238 wandte sich der Papst wiederum
mit lebhaften Vorstellungen an den Grafen von Champagne, den französi-
schen König und verschiedene Bischöfe; schon hätten die Florentiner, um
ihr Geld wieder zu erlangen, soviel Mühe und Kosten ohne jeden Nutzen
aufgewandt, daß sie in ihrer Verzweiflung über die Erfolglosigkeit jedes
Rechtsmittels sich schon berechtigt glaubten, nun auch jedes unrechte Mittel
anzuwenden, um zu ihrem Gelde zu kommen. 3) König und Graf sollten
nunmehr endlich für Zahlung durch die Schuldner, soweit sie Laien seien,
sorgen; er habe dem Nachfolger Benedikts, dem schon in Paris weilenden
Kanonikus von Treviso, Warnacius, befohlen, nunmehr die kirchlichen Vor-
gesetzten der mit der Zahlung noch rückständigen crucesignati , falls sie die
Schuldner nicht binnen 4 Monaten nach ergangener Mahnung zur Zahlung
veranlaßt oder die Sache beim Papst anhängig gemacht hätten, selber zur
Zahlung der betreffenden Summen zu zwingen. 4)
Das scheint nun doch einigermaßen gefruchtet zu haben. Am 12. April
schreibt der Papst an den Archidiakon von Rouen, Magister Hugo von Pisa,
er möge dafür sorgen, daß gewisse Vereinbarungen, die nunmehr zwischen
Gläubigern und Schuldnern zustande gekommen seien , auch beobachtet
würden; und es erscheint wie ein Nachklang jener allgemeinen Rekla-
mationen, wenn der Papst am 1. April des folgenden Jahres den Grafen
Thibaut auffordert, die Zahlung einer bestimmten Summe an florentinische
Kaufleute zu veranlassen.^)
286. Gerade damals hatten die Sienesen den Zorn des Papstes zu emp-
finden; es mußte dem Fortbetrieb des florentinischen Geldgeschäftes in
Frankreich wesentlich förderlich sein, daß die Florentiner ihrer politischen
Haltung wegen fortdauernd in der Gunst des Papstes blieben, zumal als
Innocenz IV. selber seine Residenz wegen des Kirchenstreites nach Lyon
verlegte. Zeugnisse dieser Tätigkeit sind, daß der florentinische Kaufmann
Benchius GualduchiF, Sozius des D. Johannes Gualfredi von Florenz, als
') Ebd. 3534 — 3537 ; am 10. Februar hatte er den französischen Bischöfen be-
fohlen, wegen verschiedener Schandtaten der crucesignati einzuschreiten. 3502.
') DavidHohn, Forsch. III, 5 no. 16 (27. August). Auch von Bourquelot I, 183
schon erwähnt, aber zum September 1237.
") >. . . affecti taedio et quasi de juris auxilio desperati fas reputant, quod-
cunque nefas adhibeant ad inveniendum super hoc sibi remedium opportunum.c
*) Davidsohn Forsch. III, 6 no. 19. Jubainville V, 360 no. 2448. Potth. 10547.
*) Davidsohn 1. c. und Bourquelot I, 184.
362 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Bevollmächtigter des Kardinals Rainerius Im Dezember 1244 zu Troyes dem
Bevollmächtigten des Königs von Navarra (Grafen Thibaut) über den Emp-
fang einer Summe von 200 1. prov. quittiert; daß der Papst im Jahre 1248
für Manettus Alberti, der bezüglich seiner Geldforderung an den Rektor der
Kirche der hl. Radegunde (Poitiers) ein obsiegendes Urteil an der Kurie er-
stritten hatte, an den Bischof von Poitiers das Gebot ergehen ließ, das Urteil
auszuführen 1) ; daß er am 17. Februar 1249 den Abt von S. Jacob zu Pro-
vins zum Einschreiten gegen den Bischof von Palencia aufforderte, der im
Jahre zuvor in Lyon bei den Florentinern Folcarinus Jacobi , Jacobus
Scambii und ihren Sozii ein auf der Aigulfs-Messe von Provins fälliges Dar-
lehn aufgenommen hatte, seiner Verpflichtung aber nicht nachgekommen war.2)
Darlehn der Florentiner an weltliche Große Frankreichs kennen wir
aus dieser Zeit nicht; doch begleiteten auch florentinische Geldleute das
Kreuzheer König Ludwigs und fünf von ihnen streckten im Lager vor Da-
miette im November 1249 dem Ritter Guillaume de Chauvigny eine Summe
vor, die nach Anweisung des Königs das Schatzamt im Temple zu Paris
zur Zeit der nächsten Johannismesse von Troyes mit 400 1. tur. zu erstatten
hatte, f') Auch die Tratten der lateinischen Kaiserin Maria, die im Mai 1249
durch zwei Florentiner, die Bürger von Konstantinopel geworden waren,
präsentiert wurden, haben hier ihre Einlösung gefunden. 4)
287. Abgesehen von diesen Geldleihgeschäften besitzen wir auch für
den rein kaufmännischen Geldverkehr der Florentiner auf und mit den
Messen der Champagne aus dieser Zeit eine Reihe von Belegen. Dem Flo-
rentiner Dietaiuti Ranieri Ambrosii und seinen sieben genannten Sozii wird
am 19. Juni 1235 auf der Messe zu Provins von der Handelsgesellschaft des
Francesco Galitiani von Pistoja auf Grund eines Darlehns ein Wechsel über
153^4 1- prov. auf die nächste der Champagner Messen ausgestellt; fünf
andere Florentiner sind als Zeugen zugegen. Li Bologna kaufte am 27. Mai
1243 der Florentiner Clarissimus Jacobi de Aloco von Bolognesen einen
Wechsel über 700 1. prov. auf die nächste Johannismesse von Troyes, zahl-
bar an ihn selbst oder seinen Sozius Clarissimus Falconerii oder Order ; und
am 8. März 1246 war derselbe Clarissimus wiederum in Bologna für den Be-
trag von 400 1. prov. Wechselnehmer auf die Messe von Bar. 0)
Sicher stehen diese Wechselgeschäfte der Florentiner mit ihrem Waren-
handel nach und von den Messen in engstem Zusammenhang. Es ermög-
licht einen Rückschluß auf den relativen Umfang desselben, daß unter den
Teilnehmern an jener toskanischen Karawane, die im Sommer 1242 auf
ihrem Wege nach der Champagne von Placentinern überfallen wurde, die
Florentiner an erster Stelle genannt werden ; sie waren es auch, die in erster
Linie die Sache der Geschädigten vor dem Grafen und seinem Vertreter
führten. 6)
1) Davidsohn, Forsch. III, 8 no. 25. Berger 3921 (Lyon 14. Febr.).
^) Berger 4642. Derselbe : Saint-Louis etc. p. 112. Rodenberg II p. 544, A. 2.
Bourquelot I, 185 (mit dem Irrtum Palestrina für Palencia). Die licentia mutuandi
für den electus Fal. vom 7. Mai 1247 : Berger 2728 ; dazu 2775. Ein weiteres Bei-
spiel von 1250, wo Arengus Abadingi und Comp. Gläubiger sind, ebd. 5364.
^) Layettes no. 3821, 3823. Wechselbriefe König Ludwigs in Conrads Jahrb.
73 p. 620.
') Oben S. 270.
*) Davidsohn Forsch, ni, p. 3 ff., no. 11, 23, 30.
8) Ebd. p. 7 f. no. 24.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 363
Wenig später sehen wir auch die Florentiner für diesen Handel den
Weg über Marseille wählen, i) Am 20. März 1248 gewähren Riccurus Oli-
varii und Tenchenerius Garnerii, die auf dem Wege nach der Messe von
Bar begriffen sind, dem Aretiner Azatus Rainerii ein auf dieser Messe rück-
zahlbares Darlehn von 20 1. tur., während dieser ihnen für die Reise ein
Reitpferd borgt, für das die Florentiner, falls es unterwegs eingehen sollte,
nach seinem auf 12 1. tur. abgeschätzten Werte Ersatz zu leisten versprachen.
Und am 28. Juli 1248 übernahm Riccus Boneguide Bardi , ein Angehöriger
des späteren Welthauses, in Marseille Bürgschaft für die Innehaltung der
Abmachungen, die mehrere Kaufleute aus kleineren Orten Toskanas für die
kommende September-Messe von Provins und kalte Messe von Troyes un-
tereinander getroffen hatten. 2)
Auf einen umfangreichen Warenverkehr von den Messen her aber
deutet es, daß der Florentiner Enguelmerius Mainerii für seine Gesellschaft
im Juli 1248 mit Sienesen und Pistojesen an der Miete jener zwei armierten
Galeeren für die Fahrt Arles — Marseille — Pisa beteiligt ist, während sein
Landsmann Jacobus Riccomanni zugleich im Namen seines Sozius Jacobus
Pretorssi schon im Frühjahr (19. März) die armierte Galeere Boreata für die
gleiche Fahrt gechartert hatte, s)
288. Unter den kleineren Kommunen Toskanas war Pistoja
verhältnismäßig stark am französischen Handel beteiligt.
Am 29. Mai 1248 sind in Marseille drei Doppelwechsel ausgestellt
worden, durch die sich Anseimus Clarenti und Albertus Donosdei von Pistoja,
die auf der Handelsreise von Pisa her nach der Champagne begriffen waren,
den Bezug einer Wechselsumme von 800 1. prov. von drei sienesischen
Handelsgesellschaften auf der Maimesse von Provins gesichert haben. 4) An
der Miete der erwähnten beiden Marseiller Galeeren zum Warentransport
von Arles nach Pisa im Sommer 1248 war Olrigo Delchantor von Pistoja
zu einem Drittel beteiligt s); ebenso hatten Pistojesen auch an jener großen
Meßkarawane Anteil, die im Sommer 1242 von Placentinern überfallen
wurde.
Um kleine Leute, wie sie offenbar auch vielfach von Italien nach
Frankreich gingen, um dort ihr Glück zu versuchen, handelt es sich endlich
in dem Marseiller Kontrakt vom 28, Juli 1248, nach dem die Pistojesen
Olricus Dulcisamor und Rainaldus Enguilberti von Guecho Ugolino von
Prato und seinem Sozius Azatus von Arezzo je einen Wechsel über 16
und 10 1. tur., auf die Zahlzeit der nächsten S. Aigulf-Messe lautend, kaufen
und sich gleichzeitig verbürgen lassen, daß ihnen die Wechselgeber auf
dieser Messe je ein Darlehn in gleicher Höhe bis zur nächstfolgenden Messe,
der Wintermesse von Troyes, gewähren wollen. Unter den Zeugen ist ein
weiterer Kaufmann aus Pistoja: Foresius Bondia und einer aus Prato:
Deodat Rustichello. ß)
') Am 21. Januar 1246 schreibt Innocenz IV. aus Lyon, er hätte gern Ge-
sandte an sie geschickt ; es sei aber nicht möglich gewesen »quod viae non solum
dubiae, sed horrendis etiam sint periculis impeditae.« Santini p. 492.
«) Amalric no. 74, 75 ; 1028, 1029.
8) Ebd. no. 1000, 1001 ; 57.
*) No. 816 f., 821 f., 825 f. Den Meßwechsel der Gesellschaft Galitiani von
1235 8. § 287.
6) Ebd. 1000 f.
«) Ebd. 1028 f., vgl. 926.
364 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Auch San Gimignano stellte zum Handelsverkehr mit Frankreich
sein Kontingent. Aus einem Zivilprozeß, in den zwei frühere Sozii aus
diesem Ort, Andrea und Ildebrandino, 1221 miteinander gerieten, ergibt
sich, daß Andrea im Jahre 1219 mit Waren der Handelsgesellschaft über
Pisa nach Frankreich gegangen war, daß insbesondere die »feriae de Landi«
sein Reiseziel gewesen i), . und daß er mit wertvollen Tuchen nach Pisa und
San Gimignano zurückgekehrt ist.
So wichtig danach Pisa als häufiger Ausgangspunkt toskanischer Han-
delsreisen nach dem Innern Frankreichs und den Messen erscheint — die
Pisaner selber waren an diesem Landhandel nur in geringem Maße be-
teiligt. Zwar weist der Umstand, daß der Pisaner Waleranus de Casanova 1191
vor Accon mehreren französischen Rittern Darlehn im Betrage von 350 Mark
Silbers gewährte, für deren Rückerstattung Bischof Philipp von Beauvais
Bürgschaft übernahm 2), auf den frühen Verkehr von Pisanern in Frankreich
hin; später aber treten sie ganz zurück; nur an jener 1242 von Placentinern
Überfallenen Meßkarawane werden auch Pisaner als beteiligt genannt, aber,
und das ist sicher nicht zufällig, neben Florentinern, Sienesen, Pistojesen,
Lucchesen auch nur an letzter Stelle. 3)
289. Wenn es bei Lombarden und Tüskanern unzweifelhaft ist,
daß sie zunächst der Warenhandel nach Frankreich geführt hat, so
gilt das nicht von den Römern, die erst im 13. Jahrhundert auf
dem Schauplatz des französischen Handels nachzuweisen sind.^) Für
den Außenhandel ursprünglich von sehr geringer Initiative, sind sie
durch die kurialen Prälatenanleihen, die naturgemäß zuerst bei den
Geldleuten von Rom selbst aufgenommen wurden, auch in die Ferne
geführt worden, besonders als es mehr und mehr üblich wurde, diese
Darlehnsschulden auf eine der Messen der Champagne abzustellen.
Dieser Brauch hat sich sehr früh auch auf die benachbarten deutschen
Gebiete ausgedehnt; der Zufall will, daß gerade Fälle dieser Art die ältesten
bisher nachweisbaren sind: der Bevollmächtigte des Erzbischofs von Mainz,
Siegfried von Eppenstein, hat im Jahre 1209 bei dem römischen Kaufmann
Gerhardus Johannis de Nicoiao und einem Bolognesen auf einen Kreditbrief
des Erzbischofs ^ hin eine Summe aufgenommen, die auf der nächsten Messe
von Bar, 14 Tage vor Ostern, mit 150 M. Silber Kölnisch erstattet werden
sollte, und ähnliche auf eine der Messen abgestellte Schuldurkunden für
römische Bürger finden sich bei dem Erzstift Köln im 2. und 3. Jahrzehnt
des 13. Jahrhunderts in beträchtlicher Zahl.^) So machte schon das bloße
Einkassieren der Schuldsummen den häufigen Besuch der Champagner Messen
durch römische Kaufleute erforderlich; es kam hinzu, daß dies Geschäft
sich häufig nicht glatt abwickelte, daß Prolongationen notwendig wurden,
die in der Regel auch auf eine spätere Messe erfolgten, daß Teilzahlungen
auf eine Reihe von Messen verabredet wurden, daß Streitigkeiten entstanden,
') Davidsohn Forsch. II, 294 und 304, no. 2802 u. 2321. Es ist mir zweifel-
haft, ob die Messe von Lagny oder die Lenditmesse von Paris gemeint ist. ^H
2) Bibl. de FEcole des Charles V (1843 f.), 35 f. Blancmesnil p. 118. ^
'') Davidsohn Forsch. III p. 7.
*) Doch erwirkte schon 1173 oder 1174 ein Bürger von Anagni, Alagrinus,
ein päpstl. Mandat an den Erzbischof von Reims gegen 2 Bürger von Reims und
ihren geistlichen Bürgen, um eine kuriale Schuld von 16 1. prov. von ihnen ein-
treiben zu können. Migne 200, 946. J.-L. 12283.
>) Seh unk ni, 102 f. no. 4. S. §§ 274 und 329.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 365
die zunächst oder auch auf päpsÜiche Anweisung vor den geisthchen Autori-
täten an den Meßplätzen selbst auszutragen waren. Auch direkte Geld-
aufnahme auf den Messen selbst kam vor; im Jahre 1222 bat Erzbischof
Engelbert von Köln den Abt von S. Lupus in Troyes um seine Vermittelung
behufs Aufnahme einer neuen Anleihe bei einer römischen Gesellschaft;
alle Abmachungen, die er mit dieser, auch bezüglich ihrer älteren Guthaben,
treffen würde, werde er ohne weiteres anerkennen, i) Danach müssen wir
annehmen, daß die hervorragenden unter den römischen Geldleuten in
dieser Zeit schon ständig ihre Vertreter auf den Messen der Champagne
gehabt haben.
290. Aber auch der französische Klerus fehlte in der Schuldnerliste
der römischen Kaufleute nicht. Der Bischof von Viviers, der bei einem
Konsortium, das aus den Römern Gregorius Alexii, Petrus de Centio, Petrus
de Bove und Matthaeus Johannis Darie und einer Anzahl Sienesen bestand,
Geld auf eine der Messen aufgenommen hatte, sollte laut Mandat des Papstes
an den Abt von S. Lupus in Troyes vom 23. Dezember 12172) gemäß der
Entscheidung einer päpstlichen Kommission eventuell durch kirchhche Zen-
suren zur Zahlung gezwungen werden, während wir den Bischof von Chartres
im Januar 1219 noch im Streit mit den römischen Kaufleuten Angelus
Johannis Judei, Jacobus Scarsus und ihren Sozii über ihre Geldforderungen
sehen. 3) Am 10. August 1218 hat der Abt von S. Remi in Reims ein Meß-
darlehn bei römischen Kaufleuten aufgenommen; und auch das Kloster
S. Riquier stand bei solchen in Schuld; wenigstens behauptete Johannes
Alexii, daß ein von dem römischen Abt Oliverius de Monte dem Vorgänger
des gegenwärtigen Abts von S. Riquier gewährtes Darlehn an ihn zu erstatten
sei; der Papst schrieb allerdings am 8. August 1219 nach S. Riquier, daß
Zahlung erst nach Empfang eines besonderen päpstlichen Mandats in dieser
Sache zu leisten sei. 4) Unter den Gläubigern, die den Bischof von le Puy
hart bedrängten, befanden sich auch die Römer Johannes Girardi und
Matthias Guidonis Marronis^), letzterer mit Pavesen und Lucchesen assoziiert,
die ihm später ihre Gläubigerrechte abtraten. Selbst der Bischof der Geld-
stadt Gabors, Wilhelm, stand mit seinem Domkapitel in der Schuld einer
römischen Gesellschaft, Juvenalis Manetti u. Comp.; um sie zu tilgen, hat
er am 27. März 1230 ein Darlehn von 200 Mark Silbers aufgenommen, ß)
Sehr wichtig war es natürlich für die römischen Geldleute, daß sie im
allgemeinen bei ihren Geldgeschäften mit der fremden Geistlichkeit, die oft
zugleich im finanziellen Interesse der Kurie lagen, der Unterstützung des
Papstes sicher sein konnten. Aber die Päpste waren auch sonst bereit, die
römischen Finanziers bei ihren Geschäften zu fördern. Das zeigt der Fall
des Savaricus de Malo Leone vom Jahre 1219, der in Rom bei dem Römer
Philippus Falconus und vier Sienesen ein für seine Kreuzfahrt bestimmtes
Darlehn aufnahm, das zeigt auch noch die Art und Weise, wie Gregor IX
») Ficker, Engelbert 341 no. 27. Vgl. Schulte I, 238. Unten § 330.
») Pressutti 939.
») Ebd. 1802. Davidsohn T, 798.
*) Bourquelot II, 125. Pressutti 2173.
») Pressutti 5979 f. Oben § 278.
*) Bourquelot II, 153; debitum quo tenebamur Lumbardis, seil. Juvenali
et eins societati etc. Bei der Seltenheit des Namens kann keine andere als die ge-
nannte römische Handelsgesellschaft gemeint sein, die uns ib. II, 57 und Auvray
998 u. 3149 entgegentritt.
366 Ftinfundzwanzigstes Kapitel.
im Februar 1234 sich darum bemühte, daß dem Florentiner Tiniosus sein
betrügerisches Handwerk gelegt wurde, durch das er mächtige römische Vor-
nehme, den Ritter Otto Manetti und seinen Bruder Stephan, schwer ge-
schädigt hatte. 1) Bald darauf aber änderte sich die Sachlage; ein voll-
ständiger Bruch zwischen dem Papste und der Stadt Rom trat ein. Dem-
gemäß ließ der Papst am 1. Juli 1234 von Rieti aus an sämtliche Erzbischöfe,
Bischöfe und Prälaten im Königreich Frankreich das Mandat ergehen, alle
vor ihnen zugunsten eines Klerikers oder Laien der Stadt Rom schwebenden
Sachen sofort zu sistieren ; bis auf weitere Order sollte keine Forderung eines
Römers beglichen werden dürfen ; die Berechnung von Kosten und Schaden-
ersatz und Konventionalstrafen käme für die Dauer dieser Sistierung in
Wegfall. 2) Am 5. Dezember wandte sich der Papst an alle französischen
und spanischen Bischöfe mit der Bitte, gegen die rebellischen Römer, die
die kirchliche Freiheit umstürzen wollten, kriegerische Hilfe zu schicken. 3)
Zwar kam im April 1235 der Friede zwischen dem Papst und der Stadt
zustande ^) ; aber es scheint doch, daß es zu einer Wiederaufnahme der früher
so engen finanziellen Beziehungen zwischen dem französischen Klerus und
den römischen Bankiers in größerem Umfange nicht mehr gekommen ist 0) ;
auch die Verlegung des Sitzes der Kurie nach Lyon durch Innocenz IV.
mußte hierauf sehr nachteilig wirken; in die Lücke traten in erster Linie
die Florentiner ein.
291. Das Geldgeschäft mit den weltlichen Großen Frankreichs scheinen
die römischen Kaufleute von vornherein weniger gepflegt zu haben; doch
wissen wir, daß an dem Darlehn Anseaus de Garlande im Januar 1219
römische Gläubiger beteiligt waren 6), und daß Graf Walther von Brienne
von dem Römer Paulus Johannis Mocerii eine Summe erhalten hatte, deren
Erstattung Gräfin Bianca von Champagne an seiner Statt übernommen ; am
23. Juli 1222 ist ein Mandat Honorius' III. an seine Organe in Paris ergangen,
die Gräfin durch kirchliche Zensuren zur Zahlung zu zwingen.'') In sehr
ärgerliche und langdauernde Differenzen aber gerieten römische Kaufleute
mit dem mündig gewordenen Grafen Thibaut. Ein römisches Konsortium,
dem u. a. Paulus Johannis Parentii, G. Alexii, die Brüder Angelus und Jo-
hannes Judaei und zwei Brüder Alperini, Petrus Johannis und Angelus, an-
gehörten, hatte eine größere Forderung an den Grafen (super quadam summa
pecuniae ac rebus aliis). Differenzen über dieselbe wurden durch Vergleich
1) Eec. des Hist. des Gaules XIX, 689. Auvray 1760 f. Oben § 285.
*) Auvray 1991.
'') Ebd. 2344—2364. Mit dem Bruch hängt auch zusammen, daß der Papst
am 12. Oktober 1234 die Beschlagnahme von Einkünften eines Kanonikers von
Noyon, die Honorius III. und er selbst einst wegen seiner Geldschuld an den mitt-
lerweile verstorbenen Römer Robertus dictus Male in Capite verfügt hatten, auf-
hob; ebd. 2117.
*) Ebd. 3018 ff. Rodenberg I p. 520 ff.
^) Es ist vielleicht auch eine Nachwirkung jener Krisis, wenn die Brüder
Alexius und Andreas, Söhne des Petrus Cencii de Lavinia, in Gemeinschaft mit
ihrem Neffen Petrus am 23. Juni 1236 einen Generalbevollmächtigten in der Person
ihres Landsmanns Barth. Simont zur Führung aller ihrer Geschäfte, insbesondere
zur Einziehung aller ihrer Außenstände jenseits der Alpen, in Frankreich, Deutsch-
land und England, bestellen. Schunk III, 114 f. no. 8. Abschrift davon beglaubigte
ein Jahr darauf der Abt von S. Genovefa in Paris.
8) Bourquelot U, 125. Oben § 277.
7) Pressutti 4097.
Handel der Italiener mit dem mittleren und nördlichen Frankreich. 367
beigelegt, den der Graf aber nicht hielt. Das Konsortium erwirkt Mandate
des Papstes Honorius und nach dessen Tode Gregors IX. an den Abt von
S. Genovefa in Paris, den Grafen zur Zahlung zu zwingen. Doch gegen
das Vorgehen des Abts erhebt der Abt von S. Johann in Soissons mit
seinen Kollegen Einspruch; er stützt sich auf andere früher vom Grafen
erwirkte päpstliche Briefe, die gegen das wucherische Treiben gewisser Kauf-
leute gerichtet waren, die dem Grafen eine Menge Zinsen und einen Eid,
diese niemals zurückzufordern, abgepreßt hätten. Der Papst aber verwarf
den Einspruch und gebot den Protesterhebern vielmehr, den Grafen durch
Exkommunikation und Interdikt zur Zahlung zu zwingen; Abt und Prior
von S. Genovefa in Paris wurden am 22. Juni 1231 mit der Überwachung
der Ausführung beauftragt, i) Der Graf muß nun eingelenkt und irgend-
welche Versprechungen gemacht haben, so daß die Sache in der Schwebe blieb ;
am 27. August 1233 bat der Papst den Grafen ganz freundschaftlich, den
römischen Bürger Jacobus Scarsus, der in Frankreich Handel treiben wolle,
in seinen besonderen Schutz zu nehmen. 2) Aber bald lief beim Papst eine
neue Beschwerde ein. Ein dritter Bruder der Alperini, der in der Cham-
pagne tätig war, hatte einem vermeintlichen Prokurator des Bischofs von
Laon auf Grund gefälschter Schriftstücke ein Darlehn gegeben ; Bevollmäch-
tigte des Bischofs hatten ihn dann vor dem gräflichen Gericht auf Heraus-
gabe aller diese Sache betreffenden Dokumente verklagt. Da er sich wei-
gerte, das ohne irgendwelchen Ersatz zu tun, zwangen ihn die gräflichen
Beamten, vor dem Grafen zu erscheinen ; und dieser, der Rache nehmen
wollte dafür, daß die Brüder Alperini bisher ihr Recht so hartnäckig gegen
ihn verfochten, ließ ihn mit eisernen Ketten fesseln und gefangen setzen
und erpreßte durch die Drohung, ihn hängen zu lassen, 1000 1. prov. für
sich und 200 1. für seinen Staatsrat von ihm, indem er ihn außerdem zwang,
Kaution dafür zu stellen, daß er das Geld nicht zurückfordern würde. Der
Papst griff die Sache energisch an; am 20. Dezember 1233 gebot er dem
Grafen, das erpreßte Geld unverzüglich zurückzugeben und Schaden und
Kosten zu ersetzen; gehorche er nicht, so sei der Bischof von Beauvais, an
den gleichzeitig ein entsprechendes Mandat erging, autorisiert, ihn zu ex-
kommunizieren und seinen Aufenthaltsort mit dem Interdikt zu belegen.
Am selben Tage noch bat der Papst den König und die Königin von Frank-
reich unter Hinweis darauf, daß die Geschädigten zu den Mächtigsten in
der Stadt gehörten und daß viele Franzosen nach Rom kämen, ihren Ein-
fluß in dieser Sache beim Grafen geltend zu machen; ebenso wurden die
Erzbischöfe von Reims und Sens und viele weltliche Großen Frankreichs
aufgefordert, im Sinne des Papstes tätig zu sein. 3) Am 13. Januar 1234
erneuerte der Papst auch die Forderung an den Grafen, seine alte Schuld
an das römische Konsortium endlich zu tilgen. '^) Indessen hatte der Bischof
von Beauvais das Verfahren gegen den Grafen eingeleitet und schließlich,
da der Graf hartnäckig blieb, die angedrohten kirchlichen Strafen über ihn
verhängt. 5) Nun aber kam im Sommer 1234 der Bruch des Papstes mit
Rom, und die verhängten kirchlichen Strafen wurden unter nichtigen Vor-
») Auvray 675 ; dazu 3222.
«) Potthast 9282. Jubainville, Comtes de Champ. V, 329 no. 2277. Bour-
quelotl, 183.
3) Auvray 1639—1644. Jubainville V, 331 no. 2289.
*) Bourquelot I, 184.
*) Ergibt sich aus Auvray 3222 f.
368 Fünfundzwanzigstes Kapitel. Handel der Italiener mit Frankreich.
wänden widerrufen. Nach Herstellung des Friedens im April 1235 indessen
drangen die Brüder von neuem in den Papst, ihnen zu ihrem Rechte zu
verhelfen und verlangten vor allem Aufhebung jenes Widerrufs. Der Papst
fühlte sich in um so mißlicherer I^age, als Graf Thibaut mittlerweile das
Kreuz genommen hatte. Wie um einem etwaigen energischen Vorgehen
gegen den Grafen von vornherein die Spitze abzubrechen, gewährte ihm der
Papst am 10. Oktober 1235, daß niemand Exkommunikation oder Interdikt
über ihn oder sein Land ohne besonderen päpstlichen Auftrag verhängen
dürfe, bis sichere Kunde von seiner Rückkehr oder seinem Tode eingetroffen
sei, vorausgesetzt, daß er bereit sei, bei Klagen gegen ihn durch geeignete
Vertreter vor den Bischöfen von Langres und Paris Recht zu geben; am
14. Juli 1236 wurde diese Indulgenz, unter Ersetzung der Bischöfe durch
die Äbte von S. Denis und Clairvaux, erneuert, i) Das geschah am selben
Tage, an dem er den Propst von S. Omer mit dem weiteren Vorgehen gegen
den Grafen, falls er sich noch immer halsstarrig erweisen sollte, beauftragte ;
die von ihm über die Guthaben der Römer verhängte Sperre habe keine
Geltung mehr 2) ; insbesondere solle er, wenn nötig, zur Verhängung des Inter-
dikts über Provins und Bar schreiten. Und gleichzeitig wandte sich der
Papst persönlich an seinen in Frankreich weilenden Subdiakon Gregorius
de Montelongo in einem fast demütig klingenden Schreiben; er möge doch
den Grafen zu endlicher Zahlung bewegen, der Graf werde sich ihn dadurch
in hohem Grade verpflichten; es sei für ihn unmöglich, den Römern noch
länger ihr Recht vorzuenthalten (justitiam denegare). 3) Leider ist es uns
nicht möglich, die Entwickelung der Sache weiter zu verfolgen; am 9. De-
zember 1237 mußte der Papst seine Zahlungsaufforderung an Thibaut er-
neuern'*); nach einer Nachricht wäre das angedrohte Interdikt am 8. Sep-
tember 1238 durch den Official von Beauvais wirklich verhängt worden s);
im August 1239 trat der Graf seinen Kreuzzwg an.
Gegen Ende des folgenden Jahrzehnts verfiel der Graf wegen einer
Verletzung der Handelsinteressen der Römer noch einmal der Exkommuni-
kation. Nach längeren Streitigkeiten zwischen römischen Kaufleuten und
zwei assoziierten Bürgern und Wechslern von Provins war es im April 1247
vor den custodes nundinarum zu einem Vergleich gekommen, wonach die
Wechsler anerkannten, den Römern 370 1. prov. reinen Kapitals zu schulden
und sich verpflichteten, diese Summe in elf Raten mit je einem Drittel von
100 1. prov. an den Zahlungsterminen der nächsten aufeinanderfolgenden
elf Messen und einem Zuschlag von 1 1. auf 100 1. pro Messe (also 6 % ^ufs
Jahr) »pro expensis« zurückzuerstatten. 6) Der Graf wurde beschuldigt, nicht
für die Ausführung dieses Abkommens gesorgt zu haben; im Januar 1249
aber wurde die Exkommunikation von Innocenz IV. annulliert. '^)
1) Ebd. 2805 f., 3236 f.
*) >prohibitio a nobis edita super debitis Romanorum«. Ebd. 3222.
») Ebd. 8223.
*) Jubainville V, 359 no. 2443. Potth. 10487.
^) So Bourquelotl, 184, der freilich irrig das Interdikt am 1. JuU 1236 ver-
hängt und am 14. Juli 1237 suspendiert werden läßt.
8) Bourquelot 11, 126 u. I, 187 A. 1. Irrig ist II, 58, wo dieselbe Urkunde
behandelt ist, der 7. April 1240 angegeben.
') Ebd. I, 184. Im August 1251 schrieb der Papst von neuem an den Grafen
wegen eines Vergleichs in dieser Sache und bat ihn, das getroffene Abkommen
mit seinem Siegel zu bekräftigen ; ebd. 183.
Sechsundzwanzigstes Kapitel. Handel d. Provencjalen u. Katalanen etc. 369
292. Daß sich die römischen Kaufleute indessen bei ihrem regen Ver-
kehr auf den Messen doch keineswegs ausschheßhch mit dem Geldhandel
beschäftigten, dafür haben wir wenigstens ein und zwar ein besonders lehr-
reiches Zeugnis. Als Andreolus de Mari, der in den letzten Jahren Kaiser
Friedrichs II. sein Admiral war, ein aus der Provence kommendes Schiff
kaperte, fielen auf ihm fünf römische Kaufleute, die mit Tuchen von Frank-
reich zurückkehrten, in seine Hände; es waren Petrus Neri, Bonagura de
Mercato, Nicolaus Signorilis, Bartholomaeus Moscompagno und Andreas In-
ghilbardi. Er konfiszierte ihnen im ganzen 300 Unzen Goldes und 34 V2 Ballen
(torsellos) französischer Tuche, die er dann besonders an Sienesen ver-
kaufen ließ.i)
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Handel der Proven^jalen und Katalanen mit dem
mittleren und nördlichen Frankreich.
293. Als Graf Thibaut IV. im September 1245 allen Kaufleuten,
die die S. Aigulfmesse von Provins besuchten und in seinem für die-
selbe neu erbauten Fondaco (in domo nostra de Valle Pruvinensi)
in der Unterstadt Aufenthalt nehmen würden, in einem offenen Pri-
vileg seinen Schutz und besondere Vorrechte, speziell bezüglich der
öffentlichen Wage, die in diesem Hause aufgestellt war, versprach,
machte er unter diesen Besuchern die Römer, Toskaner und Lom-
barden, neben ihnen aber auch die Proveii9alen besonders namhaft.^)
Unter diesen sind die Kaufleute von Montpellier zuerst im
französischen Handel nachweisbar. König Philipp H. August stellte
im April 1214 die Leute von Montpellier und ihre Waren auf fünf
Jahre in seinen Schutz und unter sein Geleit; sie sollten in dieser
Beziehung seinen eigenen Untertanen völlig gleichstehen.^) Das Gleiche
tat Ludwig VIII. im Juni 1226, als er Avignon belagerte, für sein
ganzes Reich unter der Voraussetzung, daß sie die gewohnten Ab-
gaben und Zölle zahlten^) , und 1248 verlieh ihnen Ludwig IX. ein
Privileg, das unter der gleichen Voraussetzung ihre Kaufleute vor
jeder Belästigung um fremder Schuld willen sicherstellte und die un-
behinderte Ausfuhr von Lebensmitteln aus dem Königreiche nach
Montpellier, Fälle großer Teuerung und dringender Not ausgenommen,
0 Docum. dei secoli XIII e XIV riguardanti il comane di Roma (A. u. d.
T. : Siena— Roma. Omaggio al VI Congresso stör, ital., Siena 1895) in: Mise. stör,
senese HI (1895), 146 ff. no. 23—27. Im Jahre 1256 gewährte Siena den Geschä-
digten, denen Represalien gegen die Stadt und die anderen terras Imperii bewilligt
worden waren, auf ihre Forderungen die verhältnismäßig bescheidene Summe von
100 1. prov., womit sie sich auch, was Siena betraf, zufriedengestellt erklärten.
*) Layettes II no. 3386. Pigeonneau I, 253 A. 3. Bourquelot 11, 89. Gold-
Bchmidt 195.
') . . . in nostro conductu et protectione . . . sicut alü burgenses nostri. Ger-
main, commune II p. 3 A. 1.
*) Germain, commerce I, 189 no. 7.
Scbaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 24
370 SechBundzwanzigstes Kapitel.
zusagte.^) Wie lebhaft der Handel Montpelliers nach Frankreich und
den Messen sich gestaltete, ergibt sich besonders daraus, daß gegen
Ende unseres Zeitraums eine feste Organisation der diesen Handel
pflegenden Kaufleute, eine »societas et communitas mercatorum in
Francia utentium« vorhanden war, an deren Spitze ein im Einver-
nehmen zwischen dieser Organisation, dem Könige von Aragon als
Landesherrn und den Stadtkonsuln von Montpellier ernannter Vor-
steher stand.
Für die Ernennung eines dieser Vorsteher sind uns die Hauptvorgänge
bekannt. König Jayme fertigte am 17. Juni 1246 zu Barcelona ein Dekret
aus, durch das er den Stephan Loubet, der damals einer der Stadtkonsuln
von Montpellier war, für die Zeit bis zum 1. März und von da auf weitere
3 Jahre, also bis zum 1. März 1250, zum Konsul von Montpellier in Frank-
reich 2) mit allen den Rechten ernannte, wie sie irgend einer der bisher be-
stellten Konsuln besessen habe. Offenbar hatte Montpellier durch eine Ge-
sandtschaft diese Ernennung erbeten und für dieselbe entsprechend bezahlt;
es betrachtete den königlichen Akt zunächst nur als eine Designation (das
Amt war wohl noch anderweit besetzt) und schritt seinerseits erst am Ende
des Jahres 1246 zur definitiven Ernennung Loubets. Am 27. Dezember er-
wählen die Konsuln von Montpellier, dem Verlangen jener Societas ent-
sprechend, ihren Mitbürger und Kollegen zum »capitaneus consul de Francia
et mercatorum in Francia utentium quocumque modo causa negociationis«
mit der Vollmacht, alles zu tun, was er dem Nutzen der Kaufleute und der
Societas für dienlich erachten werde; zugleich befehlen sie allen Kaufleuten
von Montpellier und allen, die sonst zur Societas gehörten (also den ange-
stellten, abhängigen Personen), ihm als ihrem Konsul zu gehorchen und ver-
eiden ihn auf sein neues Amt. Endlich bringen sie in einem offenen Briefe
zur allgemeinen Kenntnis, daß sie ihren Mitbürger Loubet zum capitaneus
et consul in nundinis Campaniae et Franciae erwählt haben und fügen die
Bitte hinzu, ihn gut aufzunehmen und ihm in seiner Stellung Gehorsam zu
verschaffen^); es ist dieser Passus, der den Beweis liefert, daß bei dem
Handelsverkehr Montpelliers mit Frankreich doch die Messen der Champagne
die Hauptrolle spielten.*)
294. Auch aus der Praxis haben wir dafür einige Belege. Am 16. Mai
1248 hat Raimundus Lambertus von Montpellier dem Otto Angossola in
Marseille ein angeblich zinsfreies Darlehn von 300 1. tur. gewährt, das dieser
dem Gläubiger in bar auf der Maimesse in Provins vor dem Zahltage (ante .
pagamentum) zu erstatten versprach; wenige Tage vorher hatte Guilelmus
Petrus Salvi von Montpellier sich von der sienesischen Handelsgesellschaft
des Rainerius Rollandi in Marseille für Valuta im Betrage von 1012 1. melg.,
die er und sein Bruder Stephan in Montpellier gezahlt hatten, einen zur
Zahlzeit auf derselben Messe an ihn, seinen Bruder oder an Order zahlbaren
Wechsel über 1000 1. prov., also einen sehr bedeutenden Betrag, ausstellen
i) Devic et Vaiss. VIII p. 213; dazu V. der Königin Bianca von 1250, ^eifli
main, commerce I, 213 no. 20. VI
ä) ... in consulem Francie pro villa Montispessulani ; ebd. 201 no. 14.
') . . . eidem tamquam capitaneo et consuli obedire curetis; ib. 202 no. 15^,
(auch bei Fagniez I, 155 no. 168) und 203 no. 16. Ml
*) Den Charakter einer proven^alischen Gemeinschaft, den Goldschmid^"'
p. 194 ihr beilegt (1296 ist Druckfehler für 1246), hatte jene Societas also damals-
noch keineswegs.
4
Handel d. Proven^alen u. Katalanen m. d. mitt.1. u. nördl. Frankreich. 371
lassen. 1) Auch wissen wir, daß ein Kaufmann von Montpellier, Johannes
Aymal, ein Jahr später vor Limassol auf Cypern einem französischen Kreuz-
fahrer ein Darlehn gewährt hat, das mit 650 I. tur. auf der nächsten Messe
von Lagny zurückzuerstatten war. 2)
Sehr bemerkenswert ist endlich, daß Montpellier gelegentUch auch den
Warenverkehr zwischen dem nördhchen Frankreich und Genua vermittelte.
Als der Kaufmann Bernardus de Casa von Montpellier mit 6 Genossen am
25. August 1236 in Genua beantragte, den Einnehmern des Zolls von Gavi und
Voltaggi (des Grenzzolls zu Lande) die Zollerhebung von Waren, die sie auf
dem Seewege nach Genua importierten oder von da exportierten, zu unter-
sagen, erging am 17. Dezember eine richterliche Entscheidung dahin, daß
die Freilassung von diesem Zoll nur dann zu erfolgen habe, wenn Importeur
oder Exporteur beeiden könnten, daß ihre Waren nicht aus dem Inneren
. Frankreichs (de ultra montibus) kämen oder dahin bestimmt seien ; andern-
falls sei in der Wahl des Seeweges über Montpellier an Stelle des Landwegs
eine Umgehung jener Zollstätten zu erblicken und die Zollerhebung somit
gerechtfertigt. Die Berufungsinstanz, an die sich die Kaufleute von Mont-
pellier noch wandten, bestätigte lediglich diese Entscheidung. 3)
295. Gegen Ende unseres Zeitraums vermögen wir auch die Kauf-
leute von Marseille in sehr regem Verkehr mit den Champagner
Messen nachzuweisen.
Am 23. Dezember 1233 nahm Guilelmus Blancardus von den Brüdern
Bernhardus und Johannes de Mandolio 14 kleine Last Alaun und einen
Posten Korduan im Werte von zusammen 1120 1. reg. cor. gegen den üb-
lichen Gewinnanteil von 1/4 für die bevorstehende Messe von Lagny in
Gommenda; den Erlös hatte er anzulegen und damit nach Marseille zurück-
zukehren. 4) Das geschah so rechtzeitig, daß er zur nächsten Messe, der
von Bar, schon wieder von Marseille aufbrechen konnte; am 11. April 1234
hat er für diese ^) von dem einen der Brüder, Bernhard, neben einem Bar-
betrag von 40 1. tur. 6 Zentner Alaun von Aleppo und 17 Ballen Korduan
in Gommenda erhalten; dazu traten noch 5 Last Alaun derselben Art, die
erst zur Verwertung auf der Maimesse von Provins bestimmt waren; alles
in allem erreichte das ihm anvertraute Gut diesmal einen Wert von 985 1.
reg. cor. Auch aus dem folgenden Jahre wissen wir, daß er mit einer Gom-
menda Bernhards, zu der 19 Zentner 20 Pfund Alaun gehörten, auf der
Maimesse gewesen ist.^) Der Export in Korduan und Alaun von Marseille
nach den Messen durch das Haus Manduel war also sehr bedeutend. Kurz
vor 1242 wurden die Marseiller einmal auf Antrag der Placentiner von den
Messen ausgesperrt, doch jedenfalls nur für kurze Zeif); im Jahre 1244
sehen wir Johannes de Mandolio dem Jacobus de Benedictus für die Handels-
>) Amalric no. 721, 691 (11. Mai),
*) Layettes n no. 3770. Wechselbriefe König Ludwigs in Conrads Jahr-
buch. 70, 619.
') Germain, commerce I, 196 f. no. 13. Vgl. Sieveking I, 27. Ein Beispiel
dieses Verkehrs unten § 463.
*) Manduel no. 43. Mit den nundinae de Landico kann die Lenditmesse (wie
der Herausgeber will) deshalb nicht gemeint sein, weil sie im Juni stattfand; vgl.
Fagniez I, 171 A. 1.
") . . . in hoc viagio Franciae ad nundinas Barri proximas. Manduel no. 47.
•) Ebd. no. 65 p. 97. Am 22. Juni war er noch nicht zurück.
^ Davidsohn Forsch. III p. 7.
24*
372 Sechsundwanzigstes Kapitel.
reise zur Maimesse wieder 5 Pack Korduan im Taxwert von 220 1. reg.
cor. anvertrauen; nach seiner Kückkehr reiste er mit einer neuen, in Tuchen
und sarazenischen Byzantien von Accon bestehenden Commenda Johanns
auf dem Hospitahterschiö Grifona nach Accon, um auch hier wieder neue
Waren einzukaufen und nach Marseille zu transportieren.!)
Im Jahre 1248 können wir den Marseiller Petrus de Falguiers bei
seinen geschäftlichen Vorbereitungen für seine Handelsreise zur Maimesse
von Provins beobachten. Am 31. März schon übergab er zwei Frachtfuhr-
leuten 2 Lasten Brasilholz zum Transport, die bei Beginn der Messe abzu-
liefern waren; wegen des Haupttransportes aber, der in 15 Ballen Korduan,
2 Last Staubzucker und je einer Last Lack, Baumwollstoffe und Lammfelle
bestand, schloß er erst am 26. Mai mit zwei anderen Frachtfuhrleuten ab;
die Fracht erlegte er mit 80 1. vian. im voraus. 2) Am 4. April stellte er in
Gemeinschaft mit Stephanus Civate einen Meßwechsel über 200 1. prov., am
13. Mai allein einen zweiten über 80 1. paris. (=: 100 1. prov.) aus, der drei
Tage vor der Tuchmesse fällig war, und am 26. Mai nahm er bei dem Weiß-
gerber (blanquerius) Hugo Beaumont ein Darlehn auf, das er mit 100 1. prov.
auf der Messe zurückzugeben versprach. 3) Er hatte also, wenn wir an-
nehmen, daß er am ersten Wechsel mit der Hälfte beteiligt war, im ganzen
300 1. prov. auf der Messe zu decken. In Commenda nahm er auf die Reise
mit: 16 Stück tripolitanischen Tafts im Werte von 34 1. misc, die ihm
Guilelmus von Jerusalem, des Marchesius von Jerusalem Sohn, am 29. April
anvertraute, ferner 25 1. misc. in Wechselgeld, das ihm der campsor Petrus
Martinus am 26. Mai übergab, und 140 1. misc, die ihm am 27. Mai, also
wohl kurz vor dem Aufbruch, Guilelmus Saonesius zur Anlage nach eigenem
Ermessen überließ. *)
Wir können ferner eine Reihe von Transporten nachweisen, die gleich-
zeitig mit denen des Petrus de Falguiers zur Maimesse von Provins abge-
gangen sind. Dieselben Frachtführer, die Piemontesen Petrus de Ainela
von Alba und Ostachius von Casale, denen er am 31. März 2 Lasten Brasil-
holz übergab, übernahmen am 24. April von Falco von Accon und Johannes
de Confortancia von Accon 38^/2 große Lasten zum Transport, davon 12
Brasilholz, I7V2 Ingwer und 9 Pfeffer; der Transport sollte von Toulon
aus erfolgen; die Fracht betrug 4V4 1- vian. für die große Last; in der Vor-
woche der Messe (ad intratam) waren die Waren abzuliefern. Noch am
2. Mai übernahm Bonaviade Comago^) zum Transport für denselben Termin
von dem Marseiller Bernardus de Casellis 5 Lasten Pfeffer, 4 Ingwer und
1 Lack zum Preise von 4V2 1- vian. die Last, ß) Zusammen mit dem Haupt-
transport, den Petrus de Falguiers zur Maimesse schickte, gingen, wie wir
aus vier verschiedenen Frachtverträgen"^) nachweisen können, noch 27 Ballen
Korduan (in Posten zu 9, 7, 6 und 5 Ballen) ab, die zur Korduanmesse
(ad oder infra mmdinas cordoani) abzuliefern waren ; unter den Eigentümern
1) Manduel no. 100, 101.
ä) Amalric no. 316, 791.
») Ebd. 377, 707, 798.
*) Ebd. 629, 797, 805.
^) Ebd. 376 irrig Bonavia de Oomo genannt.
«) Ebd. 585, 642. Ostern war in diesem Jahre sehr spät, erst am 19. April;
demgemäß fiel die intrata der Maimesse erst auf den 26. Mai, das Ende der Tuch-
messe auf den 11 Juni, das Ende der Zahlzeit auf den 25. Juni. Unten § 299.
7) Ebd. 788, 796, 801 (vgl. 800), 803-805.
Handel d. Proven^alen u. Katalanen m. d. mittl. u. nördl. Frankreich. 373
sind Josep Quatuoroculos und Olricus Cassete, naturalisierte Placentiner,
mit 5 Ballen und der Bürger von Marseille, Guilelmus de Accone, mit
6 Ballen vertreten, während unter den Frachtführern Jacobus Pascalis von
Brian9on erscheint. Wenn W. Saonesius endlich am 27. Mai dem Stephan
Civate 7 Zentner 7 Pfund Kermes zur Verwertung auf derselben Messe in
Commenda gab, so wird auch diese Ware sicher mit demselben großen
Transport, der sich bald darauf in Marseille in Bewegung gesetzt haben
muß, abgegangen sein.i)
Leider besitzen wir für die Transporte, die von den Messen zurück
erfolgten, kein entsprechendes Material; gelegentlich verspricht einmal ein
Schuldner in Marseille, seine Schuld von 82 1. prov. auf der Maimesse im
Interesse des Gläubigers in Tuchen oder auch in anderen Waren anzulegen
und die Waren dem Gläubiger nach Marseille zu schicken. 2)
296. Naturgemäß ging neben dem Warenhandel auch ein reger
Wechselverkehr der Marseiller mit den Messen her. Überwiegend treten
dabei die Marseiller Kaufleute als Valutanehmer (Wechselgeber) auf; sie
brauchten Geld zum Einkauf ihrer Waren oder doch zur Vervollständigung
der Waren, mit denen sie die Messe beziehen wollten; vom Erlöse fand
dann zur Zahlzeit der Messe die Rückzahlung statt. In der Regel erscheinen
in diesen Fällen Italiener (Sienesen und Placentiner), die ihre Vertretung
auf der Messe hatten, als Wechselnehmer 3) ; doch erscheinen auch Mar-
seiller in dieser Rolle, wie uns zwei Beispiele in dem Falle des Petrus de
Falguiers gezeigt haben. So läßt sich auch der draperius Petrus Guilelmus
am 27. Mai von Stephanus Civate für 480 1. misc, die er diesem gegeben,
einen Wechsel über 300 1. tur. auf die Zahlzeit der Maimesse ausstellen;
für die Ostermesse von Bar hatte er in gleicher Weise von seinem Berufs-
genossen Hugo Champonus einen Wechsel über 35 1. prov. (für 59 V2 1-
misc. Valuta) erhalten, der an ihn selbst oder Bernardus Raimundus Ra-
bastenc, der als sein Vertreter zur Messe zu gehen im Begriff war, zahlbar
war. 4) Für dieselbe Messe hatte der draperius Hugo Champonus übrigens
schon zwei in Marseille naturalisierten Italienern, Otto Angossola und Gi-
rardus Amicus, einen Wechsel über 200 1. prov. ausgestellt. 0)
297. Von dem Anteil anderer südfranzösischer Orte an dem
Handel mit den Messen wissen wir wenig.
Wir haben T o u 1 o n als Ausgangspunkt eines beträchtlichen Waren-
transports nach der Champagne kennen gelernt und können das Gleiche
auch für Saint-Gilles nachweisen. Am 11. Mai 1248 hat der vecturarius
Surleo de Celano dem Bonaventura Bibeaquam von Accon zu Marseille
>) Ebd. 811.
*) . . . implicare tibi in p a n n i s vel in alüs mercibus et implicatas tibi mit-
tere apud Massiliam; ebd. 685. Marseiller Galeeren transportierten 1247 nordfran-
zösische Tuche für Genuesen und Placentiner von Marseille nach Genua; unten
§473.
») Einige Beispiele : 14, 92, 159, 351, 375 usw.
*) Ebd. 806, 100. Am 24. März übergab er zwei Frachtfuhrleuten 4 Ballen
Korduan, 4 große I.ast Pfeffer und einen dem Barthol. de Rabastenc gehörigen Posten
Pfeffer von 3 Vj Zentnern, die per 8 dies infra rectum pagamentum an ihn selbst
oder den (damals in Marseille noch anwesenden) B. R. Rabastenc abzuliefern waren ;
«bd. 149 vgl. 148.
») Ebd. 101.
374 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
kontraktlich zugesichert, für ihn von S. Gilles aus 70 — 80 Lasten Alaun von
Aleppo und Ingwer je zur Hälfte zur Johannismesse von Troyes und zur
Aigulfsmesse von Provins, oder, falls der Eigentümer das vorziehen sollte,
den ganzen Transport zur Vorwoche der letzteren Messe für einen Preis
von 3 1. vian. für die Last zu transportieren, i) Es scheint sich hier wirklich
um einen burgensis von Accon zu handeln, der die Ankimft seiner Waren
aus Syrien in S. Gilles erwartete und schon beizeiten für den Weitertrans-
port derselben zu den Messen Vorsorge traf.
Von einem Kaufmann aus Nim es, Chautardus de Ponte, wissen wir,
daß er 1248 auf der Messe von Bar tätig war. Von dem Marseiller Tuch-
händler W. Bernardus und seinem Sozius, Petrus Bartolomei von Nimes,
hat er am 23. März für seine Handelsreise zu dieser Messe 300 1. prov. in
Commenda erhalten und zwar derart, daß ihm je 1/3 dieses Betrages erst
auf der Messe selbst von Bartolomeus Pisanus, W. Canianus und der siene-
sischen Handelsgesellschaft des Rainerius RoUandi ausgezahlt werden sollte ;
ein Pferd für die Reise, das auf 18 V2 1- prov. Wert abgeschätzt war, kam
zu dieser Commenda hinzu. 2)
Auch für den Verkehr der Katalanen mit den Messen sind die
Nachrichten bis 1250 nur spärlich. Doch begegnet ein Haus der Spanier
(domus illorum de Hispania) schon 1224 in Provins; auch einzelne Spanier
erscheinen im Besitz von Häusern, und in den Jahren 1229 und 1230 er-
halten Arnaudus Bernardi von Pamplona und Petrus de Ispania vom Grafen
die dauernde Aufenthaltserlaubnis für sein Gebiet, wobei sie sich verpflichten,
sich des Wuchers zu enthalten und jährlich ein Gefäß von vergoldetem
Silber im Gewicht von einer Mark von Troyes an den Grafen abzuliefern. ^)
Eine Verordnung König Jaymes*) vom 1. September 1259 gestattet den
Rückschluß, daß auch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts schon Korduan
in beträchtlichem Umfange von den Kaufleuten Barcelonas, Leridas und
Valencias auf den Messen der Champagne zu Markt gebracht worden ist.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Einrichtung und Art des Handels der Mittelmeer-
Eomanen mit den Messen der Cliampagne.
298. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Messen der
Champagne ihre allgemeine Bedeutung erst durch ihre wachsende Be-
nutzung durch die Mittelmeer-Romanen erlangt haben. Wohl teilte
der Schauplatz dieser Messen die Gunst der Weltlage von Paris; für
^) Ebd. 681. Ausfuhr wahrscheinlich nordfranzösischer Tuche aus S. Gilles
nach Genua (1174) unten § 441.
*) Ebd. 98. Wenn die genannte sienesische Gesellschaft dem Chautardus
am 20. März einen zur Zahlzeit der Messe fälligen Wechsel über 100 1. prov. aus-
gestellt hat, für den sie angeblich von ihm Valuta mit 170 1. misc. empfangen
hatte, so scheint es sich nur um eine formelle, die Abhebung erleichternde Aus-
stellung auf seinen Namen und nicht um ein anderes Geschäft zu handeln. Ebd. 79
(nur Regest; Text in der Bibl. de l'Ecole des Chartes, ann^e 1878 p. 126 no. 10).
') Bourquelot I, 196 f. Erwähnt sei, daß wir auch die Kirche von Pamplona
einmal bei römischen Kaufleuten verschuldet finden. Pressutti 6006.
*) Capmany IV, 5.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 375
Italiener und Deutsche lagen sie sogar etwas näher als dieses und
für die Italiener zugleich auf dem Wege nach Flandern und England;
und die politische Unabhängigkeit der Champagne von Frankreich,
die andererseits doch sehr enge Beziehungen zu dem Königreich zu-
ließ , kam dem Interesse der Landesherren für die Entwickelung dieser
Messen unzweifelhaft wesentlich zu gute.^) Daß diese Momente wirk-
sam werden konnten, ist aber doch vor allem dem Unternehmungs-
geiste der italienischen Kaufleute, in diesem Falle zunächst der west-
lombardischen und toskanischen Binnenstädte, zuzuschreiben. Für
die Zeit des 3. Kreuzzuges (1188) redet der Mönch Robert schon von
den mannigfachen Schätzen, die auf den Messen von Troyes durch
die. aus den verschiedenen Ländern herbeiströmenden Kaufleute zu-
sammengebracht würden. ^) Aber erst seit dem zweiten Jahrzehnt des
13. Jahrhunderts sehen wir den Verkehr der Italiener und nun auch
der Südfranzosen auf den Messen jenen Grad von Lebhaftigkeit an-
nehmen, den wir für die einzelnen Handelsnationen nachzuweisen
uns bemüht haben; erst seit dieser Zeit zugleich beginnen die Cham-
pagner Messen der Mittelpunkt eines wirklich internationalen Geld-
verkehrs zu werden.
299. Etwa um diese Zeit muß auch jener für die Champagner
Messen charakteristische feste Turnus von sechs Hauptmärkten, die
im Kreis des Jahres aufeinanderfolgten und das Jahr so ziemlich aus-
füllten, geschaffen worden sein.^)
Am Tage nach Neujahr begann die Messe des in geringer Entfernung
von Paris an der Marne gelegenen Lagny.*) Der Zeit nach beweglich, weil
vom Osterfest abhängig, waren die beiden nächsten Messen; am Dienstag
vor Mittfasten wurde die Messe von Bar s./A. eröffnet, so daß ihr Beginn
zwischen dem 24. Februar und 30. März schwankte, am Dienstag vor Christi
Himmelfahrt die in der Oberstadt von Provins stattfindende Maimesse, deren
Anfang also zwischen den 28. April und 1. Juni fallen konnte. In gerin-
gerem Grade, nur innerhalb des Spielraums einer Woche beweglich war die
nun folgende sog. Johannismesse, die in Troyes abgehalten wurde und am
dritten Dienstag nach dem Johannistage, also zwischen dem 9. und 15. Juli,
begann. Die beiden noch folgenden Messen hatten wieder feste Termine;
0 Schulte I, lf)6 f.
*) Über die ältere Geschichte der Messen s. Bourquelot I, 72 ff. Englischer
Verkehr auf den Messen 1188: Epist. Cantuar. no. 275 p. 257 f.
') Die älteste erhaltene Aufzeichnung über die Meßanfänge liegt in einem
MS. von Douai vom Mai 1248 vor. Fagniez I, 170 no. 177. Inhaltlich stimmen
damit die sonst erhaltenen MSS. überein ; s. Bourquelot I, 80 f. Goldschmidt, Ge-
schäftsoperationen p. 4 f. Huvelin 247 ff., 600. Pierre, Notes sur les foires de
Champ. et de Brie in: Congres archeol. de France. 69e Session. Söances gen.
tenues ä Troyes et Provins en 1902 (Caen 1903), p. 423 ff.
*) Am 9. August 1230 bestätigt Papst Gregor IX. nach dem Beispiel seines
Vorgängers Hadrian dem Abt und Kloster von Lagny die »nundinas apud Latiniacum
in festivitate Innocentum institutasc für alle Zeiten. Auvray 483. Es ist mir zweifel-
haft, ob damit ein von der Hauptmesse unabhängiger Markt am 28. Dezember ge-
meint ist, oder ob der Beginn der Hauptmesse ursprünglich an diesem Tage statt-
fand und später nur verlegt wurde.
376. Siebenundzwanzigstes Kapitel.
die S, Aigulfsmesse von Provins begann am 14. September, dem Tage von
Elreuzerhöhung, die S. Remigiusmesse von Troyes, auch kalte Messe ge-
nannt, am Totentage, dem 2. November. Fanden diese beiden Messen also
an denselben Orten wie die dritte und vierte statt, so war doch ihr Schau-
platz nicht genau derselbe; die Aigulfsmesse wurde in der Unterstadt von
Provins, die kalte Messe in einer Vorstadt von Troyes i) abgehalten. Schon
die Namen der Messen von Troyes und Provins weisen z. T. darauf hin,
daß eine Verlegung ihrer ursprünglichen Termine stattgefunden haben muß ;
die Johannismesse, die Aigulfs- und die Remigiusmesse haben sicher ursprüng-
lich an die Feste ihrer Heiligen (24. Juni, 3. September und 1. Oktober)
unmittelbar angeknüpft; aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Verlegung
vom Landesherrn im beiderseitigen Interesse von Provins und Troyes und
mit Rücksicht auf die fremden Kaufleute vorgenommen worden, um Kolli-
sionen ihrer allmählich zu allgemeinerer Bedeutung emporgestiegenen Jahr-
märkte zu verhindern; die alten Namen behielf man trotz der Verlegung
bei. 2) Die neue feste Organisation drückte natürlich die sonst an diesen
Meßplätzen oder an anderen 'Orten der Champagne noch bestehenden Jahr-
märkte 3) zu rein lokalen Einrichtungen herab.
Auch die Gliederung jeder der sechs Messen zeigt in unserer Zeit eine
feste Ordnung, die in ihrer Gleichmäßigkeit ebenfalls nur aus dem Ein-
greifen des Gesetzgebers, in diesem Falle also des Landesherrn, erklärlich
ist. Alle sechs Messen begannen mit einer Vorwoche, während welcher die
Waren unverzollt ein- und ausgehen konnten (intrata, huit jors dentree).*)
Es folgte die 10 Tage^) umfassende Tuchmesse, deren Ende einen Mark-
stein in der Messe bildete und durch amtliche Ausrufer mit dem solennen
Gerüft: »hare, hare« verkündet wurde (bare de dras, ara pannorum). 6) Zwei
Wochen später war das Ende der Zahlzeit (droit paiement, rectum paga-
mentum); es war Sitte, daß die Kaufleute sich gegenseitig alle aus Kauf-
oder anderen Geschäften auf der Messe entstandenen Geldverbindlichkeiten
bis zu diesem Termine stundeten ; an ihm fand die allgemeine Begleichung
statt, die natürlich vielfach durch Kompensation und gegenseitige Über-
tragung von Forderungen erfolgen konnte. 7) Bestimmte Tage waren außer
für den Tuchhandel auch für den Korduanhandel vorgeschrieben ; die Kor-
duanmesse (nundinae cordoani) begann 11 Tage nach dem Ende der Tuch-
^) Troieces im MS. von Douai, Tresetto in den späteren italienisclien Quellen.
*) Eine andere Erklärung versucht Oppermann in seiner Besprechung von
Schultes Werk : Westdeutsche Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst XX (1901), 249.
=•) Martinimesse von Provins: Bourquelot I, 102 f. Oben § 272. Andere
Messen: Huvelin, 246.
*) Goldschmidt, Geschäftsoperationen p. 10. Auch der Ausdruck marca kommt
für intrata oder introitus vor. Amalric no. 316.
') Bei der S. Aigulfsmesse nur 9 Tage. Devisions des foires bei Huvelin 603.
«) Über dieses Goldschmidt 1. c. 17. Huvelin 515 f. A. Del Vecchio : sul
significato del grido, »hare 1 hare!« im Arch. it., s. V, 24 (1899), 337 fE.
') Poenitentiale des Robert von Flamesbury, Kanonikus von Paris, zwischen
1207 und 1215 verfaßt : In nundinis mercatorum consuetudo est, ut sibi ad invicem
credant debita sua usque ad generalem solutionem, quae est in fine nundinarum
et gallice dicitur pagiement. Schulte J. F. v., Gesch. d. Quellen u. Lit. des Ka-
nonischen Rechts I (Stuttg. 1875), 209 A. 5. Goldschmidt, Geschäftsop. 30. Huvelin
560. Dietterle : Die Summae confessorum, in Zeitschr. f. Kirchengesch. 24 (1903),
357, 363 £E.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 377
messe 1) und umfaßte die 3 Tage bis zum Schlüsse der Zahlzeit, während
der Handel mit Gewichtswaren (avoir de pois) und allen anderen Waren
an derartige zeitliche Beschränkungen nicht gebunden war und erst mit
dem Ende der Zahlzeit aufhörte. 2) Noch 2 Wochen länger dauerten die Ge-
schäfte der Wechsler, die erst 4 Wochen nach hare de dras ihre Stände ab-
schlugen 3) ; erst 4 Tage nach Beendigung des Wechslergeschäfts konnte man
die Ausstellung von Meßbriefen gegen säumige Schuldner durch die Meß-
behörde verlangen. Rechnet man diese Tage mit, so erstreckte sich jede
Messe über einen Zeitraum von genau 50, sonst 46 Tagen. "*)
Neben den sechs Champagner Messen war die noch im 12. Jahrhundert
bedeutende Lenditmesse von Paris in entschiedenem Rückgange begriffen;
in der Mitte des 13. Jahrhunderts zeigten die Tucher von Paris schon keine
Neigung mehr, diese Messe zu beschicken, sondern zogen es vor, in ihren
Geschäftslokalen in Paris selbst zu bleiben 0), das ja an kommerzieller Be-
deutung mehr und mehr zunahm und als ständiger Meßplatz, auf dem alle
Bedürfnisse leicht zu befriedigen waren, angesehen werden konnte.
300. Mit der Oberaufsicht über die Messen der Champagne waren vom
Landesherrn die custodes nundinarum, gardes des foires, betraut, ß) Im
Jahre 1174 ist ihr Amt zuerst nachweisbar, wo Graf Heinrich (le Liberal)
»seinen Ministerialen und Hütern seiner Messen« befiehlt, bei Beginn der
Messen ein gräfliches Edikt durch öffentlichen Ausruf zur Kenntnis der
Meßbesucher zubringen; weitere urkundliche Erwähnungen von 1190, 1213,
1225 schließen sich an. In der Regel ernannte der Graf zwei Custodes, die ein
*) Die Worte der MSS. >XI jors apres hare de dras vent on cordoan« glaubte
ich in meinem »Coiirsbericht« [Zeitschr. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. V (1897) 255
A. 18] auf die Dauer der Ledermesse beziehen zu müssen. Daß das irrig ist, er-
gibt sich aus folgendem : Am 24. März 1248 wird in Marseille Ablieferung eines Postens
Korduan infra nundinas cordoani in vigilia Pasche Resurr, versprochen (Amalric
no. 129), also für den 18. April. Nach meiner ursprünglichen Auffassung hätte die
Ivedermesse am Tage nach hare de dras begonnen und also vom 11. bis 21. April
gedauert. Die letzten 3 Tage wären dann die Osterf eiertage gewesen ; daß man dann
Lieferung für den Vorabend derselben abgemacht haben sollte, ist sehr unwahr-
Bcheinlich. Anders, wenn die Ledermesse erst am 21. April begann ; dann war
Lieferung am Sonnabend vor Ostern ganz natürlich.
*) Coursbericht 1. c. 255.
^) . . . un mois apres hare de dras, sagen die MSS. der devisions allerdings
und ich habe das bisher auch wörtlich verstehen zu müssen geglaubt. Indessen
habe ich mich überzeugt, daß Huvelin p. 515 recht hat, wenn er unter diesem
Monat nicht den Kalendermonat, sondern einen Zeitraum von 4 Wochen versteht.
*) Die Extenta Comitatus Campanie (1276 — 1278 bei Longnon II, 69) rechnen
diese 4 Tage nicht ein, wenn sie die Dauer der Maimesse mit 46 Tagen angeben,
rechnen sie aber bei der S. Aigulfsmesse mit, die nach ihnen vom 14. Sept. bis
1. Nov. dauerte (49 Tage), also einen Tag weniger, da hier die Tuchmesse statt 10
nur 9 Tage hatte ; offenbar auch das eine vom Gesetzgeber seinerzeit getroffene
Einrichtung, die auf den Beginn der kalten Messe am 2. November Rücksicht nahm.
Übrigens folgten nur diese beiden Messen unmittelbar aufeinander. Wenn Salim-
bene, der 1247 in Troyes war, die Dauer der Messen auf 2 Monate angibt (p. 88),
so hat er ziemlich stark nach oben abgerundet. Schulte I, 160. Den Ausdruck »in
termino nundinarum, si . . . nundinae vaoarent« hat Huvelin p. 535 mißverstanden ;
er bedeutet nur, daß im Fall eines Ausfallens der Messe Zahlung genau zur selben
Zeit zu leisten war, als wenn die Messe wirklich stattgefunden hätte.
») Fagniez I, 171 no. 178.
«) Bourquelot U, 211, 225 ff. Huvelin 390 ff.
378 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Jahr im Amt blieben; gelegentlich aber ließ er auch früher einen Wechsel
eintreten oder verlängerte die Amtsperiode. Die Aufrechterhaltung der Ord-
nung und Sicherheit bei den Messen war ihre Hauptaufgabe; demgemäß
hatten sie die oberste polizeiliche und eine mit ihr verbundene strafrichter-
liche Gewalt^), die ihre natürhche Schranke an der Gerichtshoheit des Grafen
fand. Gelegentlich ließen sie auch ihre vermittelnde Tätigkeit eintreten;
sie waren es, die im Jahre 1247 den Vergleich zwischen den römischen Kauf-
leuten und den Wechslern von Provins zustande brachten. 2) Der Landes-
herr betrachtete sich als den Schützer des Meßfriedens nicht nur während
der Dauer der Messen und an den Meßplätzen selbst, sondern auch für
alle diejenigen, die auf der Reise zu oder von einer der Messen begriffen waren. ^)
Ein wirksames Mittel, die Beobachtung dieses Meßfriedens auch in fernen
Gegenden zu erzwingen, bot sich den Grafen, nachdem erst einmal die
Messen zu größerer und allgemeinerer Bedeutung gelangt waren, in der Ver-
hängung der Meßsperre, die entweder einzelne schuldige Personen oder em
bestimmtes Gebiet traf, innerhalb dessen oder durch dessen Angehörige der
Meßfrieden verletzt war. Früh hat sich in dieser Beziehung ein festes Ge-
wohnheitsrecht gebildet, auf das sich die im Sommer 1242 trotz des ihnen
von den Königen von Frankreich und Navarra gewährten Geleits von den
Placentinern Überfallenen Toskaner in ihrer bei dem Grafen angebrachten
Klage, in der sie den Ausschluß der Placentiner von der Messe verlangten,
berufen.'') Daß man mit diesem Ausschluß nicht leicht bei der Hand war,
namentUch wenn eine ganze angesehene Handelsnation in Betracht kam,
zeigen die langwierigen Verhandlungen gerade in dieser Sache ß), von der
wir nicht einmal wissen, ob es zur Aussperrung oder zu einem Nachgeben
der Placentiner gekommen ist oder nicht. Wohl aber erfahren wir bei dieser
Gelegenheit von Präcedenzfällen, die in letzter Zeit vorgekommen waren, von
der Verhängung des Meßbanns über bestimmte Kaufleute von Toulouse und
Metz auf Antrag der Wechsler von Lyon sowie von der Aussperrung der
Marseiller auf Antrag der Placentiner, der der Bolognesen auf Antrag von
Siena und Florenz. Je größer die Bedeutung der Messen für den Handel
wurde, um so empfindlicher mußte ein solcher Ausschluß von den Messen
werden; Kommunen und Korporationen hatten allen Anlaß, ihren Ange-
hörigen gegenüber scharfe Disziplin zu üben, damit diese nicht gegen Meß-
recht und Meßfrieden verstießen und unter Umständen die Gesamtheit in
Mitleidenschaft zogen, ß)
*) Eine Urkunde vom Dezember 1210 redet von den stalla (Buden, Läden)
Sita in foro Trecensi, coram logia placitoria que sedet in nundinis. Bour-
quelot n, 10.
«) Oben § 291.
^) Die Einnahmen des Grafen aus den Messen wurden im 7. Jahrzehnt amt-
lich bei der kalten Messe auf 700, der Maimesse auf 800 und bei der Johannis-
und S. Aigulfmesse auf je 1000 1. prov. jährlich geschätzt. Extenta Comit. Camp,
bei Longnon 11, 10 u. 69.
*) • . . jus et usagium nundinarum Campanie tale est, daß, wenn ein Kauf-
mann >de robaria vel vi sibi facta corporis vel rerum in Camino veniendo ad dictas
nundinas seu redeundo« klage, der Graf malefactorem, requirere und wenn die Re-
quisition ohne Erfolg, von der Champagne und ihren Messen ausschließen müsse^
Davidsohn, Forsch. III no. 24 p. 8.
») Oben § 271.
•) Über die hohe rechtsgeschichtlicbe Bedeutung der Institution s. besonders]
Goldschmidt 234.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 379
301. Neben dem Landesherrn und seinen Organen spielten aber auch
die geistlichen Autoritäten auf den Messen eine wichtige Rolle. Nicht nur,
daß ein Teil der Meßabgaben und Gebühren in geisthchen Händen war,
es waren in der Regel geistliche Behörden, die Dechanten von Troyes oder
Provins, die Äbte von S. Peter in Lagny, S. Jacob in Provins, S. Lupus in
Troyes, vor denen man Schuld- oder Rückzahlungs- Anerkenntnisse abgab
und ihre urkundliche Ausfertigung begehrte, i) Bei großen Darlehn suchte
man die Sicherheit des Gläubigers dadurch zu erhöhen, daß man durch den
Papst einen dieser Geistlichen mit der Überwachung der vertragsmäßigen
Erfüllung der vom Schuldner übernommenen Verpflichtungen betraute. 2)
Im Zusammenhange damit stand ihnen in solchen und ähnlichen Dingen
die Gerichtsbarkeit zu 3); oft wurde sie ihnen vom Papst in bestimmten
Fällen übertragen, oft auch erhielten sie in klarliegenden Sachen den Auf-
trag, mit kirchlichen Zensuren gegen die säumigen oder böswilligen Schuldner
vorzugehen. *)
So übte der Papst vermöge einer weiten Ausdehnung der geistlichen
Gerichtsbarkeit gerade in finanziellen Dingen auf den Messen der Cham-
pagne einen bedeutenden Einfluß aus. Dazu kam, daß der Papst, wie er
das Recht für sich in Anspruch nahm, allgemeine Handelssperren gegen
bestimmte Städte oder Länder zu verhängen , so nun auch gegen wider-
spenstige, besonders den Geldhandel pflegende Nationen das weit einfachere
und viel wirksamere Mittel in Anwendung brachte, die Bezahlung von
Schulden an Angehörige dieser Nationen zu verbieten, wie es 1230 in be-
schränktem Umfange den Lucchesen, dann allgemein 1234 den Römern,
5 Jahre später den Sienesen gegenüber geschehen ist. ß) Wie der Ausschluß
von den Messen die ultima ratio des Grafen, so war ein solches Schulden-
zahlungsverbot die des Papstes; und es bestand nur der Unterschied, daß
jener im Interesse des Handels und der Gesamtheit der Handeltreibenden
zur Anwendung kam, während dieses kommerzielle Gründe überhaupt nicht
hatte und nur geeignet war, die Handelsinteressen auf das schwerste und
auf lange Zeit hinaus zu schädigen, da es zu einer Untergrabung des Ver-
trauens und des Rechtsbewußtseins und einer Zerstörung jeglichen Gefühls
der Sicherheit führen mußte.
302. An eigenen Organen der fremden Meßbesucher können wir mit
Sicherheit für die Zeit bis 1250 nur die Konsuln von Montpellier nach-
weisen ß), und wenigstens sehr wahrscheinlich ist es auch, daß die eigenen
Konsuln, die die Einung der mercatores drapariae Franciae von Bologna
im Jahre 1245 besaß, ihre Haupttätigkeit auf den Messen der Champagne
entfaltet haben werden.') Darnach liegt die Annahme nahe, daß auch an-
dere italienische Handelsnationen schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts
ihre besonderen Meßkonsuln bestellt haben mögen, obwohl gewisse Er-
*) Einige Beispiele: Layettes II, 2886, 2952, 2979 (vor Haymericus, decanus
christianitatis Pruvinensis), 2991 ; Schulte 11, 286 no. 425.
») Beispiele oben § 277 ff.
') Einleitung eines Prozesses auf Klage eines Sienesen 1238 bei dem De-
chanten und dem Kapitel von Troyes : Schulte II no 426.
*) Oben § 278 ff., besonders häufig wurde auch der Abt von S, Genovefa in
Paris mit solchen Aufträgen bedacht ; Schulte II, no. 424.
») Oben § 275, 290, 280.
«) Oben § 293.
^) Stat. Camps. (1245) rub. 81 (Stat. Soc. Bol. U).
380 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
seheinungen zur Vorsicht mahnen ; bei Gelegenheiten, wo man mit Sicher-
heit das Auftreten von Konsuln erwarten müßte, wenn solche vorhanden
gewesen wären, fehlen dieselben, i) Jedenfalls aber hat ein allgemeiner Ver-
band der italienischen Kaufleute auf den Messen unter einem besonderen
Capitaneus damals noch nicht bestanden 2); diese Organisation gehört erst
einer etwas späteren Zeit an.
303. Der periodische Handel, wie er in den Messen der Cham-
pagne gipfelte, erleichterte mit seiner Konzentrierung nach Ort und
Zeit die Bildung von Handelskarawanen, die gemeinsam demselben
Ziele zustrebten.
Fehlte es auch keineswegs an einzeln reisenden Kaufleuten, die in-
dessen auch, wenn es anging, Anschluß z. B. an das Gefolge reisender
Großen suchten, so bot doch ein solcher mehr oder minder große Handels-
zug eine verhältnismäßig hohe Sicherheit — daß uns doch Ausnahmen davon
bekannt sind, liegt in der Natur der Dinge und darf nicht täuschen — ;
Verträge mit den Beherrschern der Territorien, die man zu durchziehen
hatte oder besondere Geleitsbriefe dienten dazu, diese Sicherheit noch zu
erhöhen. ^) Natürlich stellten solche Handelskarawanen sehr erhebüche Werte
dar; in ihrer Klage von 1242 gaben die beraubten Toskaner an, daß fünf
von ihnen mit der ihnen selbst und anderen gehörigen Habe in die Gewalt
der Placentiner geraten seien, und daß der Wert des in bar sowie an Pferden
und Waren Geraubten sich auf 140001. tur. belaufen habe; der Graf selbst
spricht in seinem Schreiben an Piacenza vom Oktober 1242 allerdings nur
von 12000 1. tur. und mehr (also gegen 300000 M.)*)
Als Transportmittel dienten von Italien aus, soweit nicht der Weg
über Südfrankreich gewählt wurde, schon des Übergangs über die Alpen
wegen ausschließlich Lasttiere; auch von der südfranzösischen Küste aus
war die Benutzung von Wagen zum Warentransport nach den Messen, offen-
bar wegen der mangelhaften Beschaffenheit der Wege trotz der nicht erheb-
lichen Terrainschwierigkeiten, der weit seltenere Fall; ohnehin handelte es
sich nur um zweiräderige Karren. Nur bei Alaun und Wachs finde ich,
daß die Frachtverträge den Karrentransport nicht ausschließen. 0)
Zu jeder Karawane vereinigte sich eine größere Zahl von Transport-
unternehmern, vecturarii, jeder Eigentümer einer ganzen Anzahl von Last-
tieren; häufig waren sie paarweise und solidarisch zur gemeinsamen Durch-
führung ihrer Unternehmungen verbunden. Kaufleute auf ihren Reitpferden,
Bargeld und besonders wertvolle Waren mit sich führend, mit einem oder
zwei Dienern zur Seite, begleiteten den Zug.
Besondere Kontrakte regelten das Verhältnis des Kaufmanns zu den
Frachtfuhrleuten. Der Vecturarius versprach, die nach Art und Quantum
^) Vgl. besonders die Zusammenkunft der Placentiner 1246 zu Lagny zur Be-
stellung besonderer Bevollmächtigter zum Zwecke von Verhandlungen mit dem Gra-
fen; oben §271.
') Anders Schulte I, 160. Aber die Urkunde von 1245 hat keinen anderen
Inhalt als den oben § 293 angegebenen.
*) Verträge von Städten mit Savoyen, Burgund, Champagne: oben § 272, 268,
275, 277. Die toskanische Karawane von 1242 reiste >cum conducta« des französi-
schen Königs und des Grafen.
*) Davidsohn, Forsch. III p. 8.
') Amalric no. 132, 376, 551. Der Ausschluß erfolgt mit der Formel: cum
bestiis, absque carretis.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 381
genau bezeichneten offenbar auf ihrer Verpackung das Handelszeichen des
Kaufmanns tragenden Waren zu einem bestimmten Meßtermin getreulich
abzuliefern, sie unterwegs zu bewachen und alles zu erfüllen, wozu die
Frachtfuhrleute herkömmlich den Kaufleuten gegenüber verpflichtet wären.
Alle unterwegs erwachsenden Spesen, einschließlich der Zölle, trug der Vec-
turariusi), der den Frachtpreis im voraus zu erhalten pflegte; im Jahre 1248
wurden für den Transport von Marseille nach Bar s./A. oder Provins durch-
schnittlich 4 1. vian. (im Minimum 3 1/2 , im Maximum 4 1/2) ^) für die Last
(carica) oder den Ballen (trosellus) gezahlt.
304. Die Dauer eines solchen Transports, mit der man in den Fracht-
verträgen zu rechnen gewohnt war, vermögen wir wenigstens für die Relation
Marseille-Provins zu bestimmen, während uns für den Landweg von Italien
nach den Messen entsprechende Quellen fehlen. Der letzte Frachtvertrag
im Notularium Amalrics, der Lieferung »ad intratam« der Maimesse vor-
sieht 3), ist vom Sonnabend, den 2. Mai; da der vecturarius jedenfalls erst
am Montag aufgebrochen ist und die Vorwoche der Maimesse des Jahres
1248 am 26. Mai begann, so standen, den Tag der Eröffnung der Messe
nicht eingerechnet, dem vecturarius 22 Tage zur Verfügung. Zu dem gleichen
Resultat gelangen wir bezüglich der zweiten zu derselben Messe abgegan-
genen Karawane. Lieferung »infra nundinas cordoani« ist zuletzt in einem
Vortrage vom 27. Mai ausgemacht 4); am 11. Juni war ara pannorum und
11 Tage darauf begann die Korduanmesse ; am Tage vorher also, am 21. Juni,
mußte die Ware spätestens zur Stelle sein. Somit blieben, wenn man den
Tag des Vertragsschlusses und den Lieferungstag nicht einrechnet, 24 Trans-
porttage übrig. Indessen sind noch am 29. Mai in Marseille die letzten
Wechsel auf die Zeit vor dem Zahltage der Maimesse ausgestellt worden 0),
und es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß sie nicht besonders, sondern
schon der Sicherheit wegen zugleich mit der großen Karawane befördert
worden sind. Damit schränkt sich auch hier die zur Verfügung stehende
Zeit auf 22 Tage ein.
In einem Falle (bei Karrentransport) wird das Interesse der recht-
zeitigen Lieferung durch Festsetzung einer besonderen Buße von 2 1. vian.
gewahrt; in anderen Fällen verspricht der Vecturarius ausdrücklich Ersatz
von Schäden und Kosten, die dem Kaufmann aus verspäteter Lieferung er-
wachsen könnten ^), und es scheint, daß diese Verpflichtung, auch wenn nicht
besonders ausgesprochen, dem Frachtfuhrmann allgemein oblag, falls ihn
nicht höhere Gewalt an der Erfüllung des Vertrages verhinderte.
Hier und da begegnet auch eine Abwälzung des Transport-Risikos von
dem Eigentümer. Genau wie beim Seedarlehn nahm er eine Geldsumme
*) Er versprach die Waren : reddere . . . mundas (oder immunes) de omnibus
dacitis (oder de pedagiis et dacitis) et avariis et omnia tibi attendere et complere,
que vecturarii tenentur mercatoribus attendere et complere. Ebd. 585, 642, 682 etc.
*) Ebd. 983 u. 642. Beim Abgang des Transports von Toulon aus (585) sind
A^|^ 1. vian., von S. Gilles aus nur 3 1. berechnet (681). Eine Besonderheit ist es,
wenn Oberto Bagaroto von Piacenza am 17. Juli einem Frachtfuhrmann ein Pferd
überläßt und dieser ihm dafür kostenfreien Transport von 6 Ballen Ware in der
Zeit bis Weihnachten von Marseille nach Troyes verspricht (992).
') Amalric no. 642.
*) Ebd. 803.
») Ebd. 817, 819, 822, 828; alle »infra rectum pagamentum.c
«) Ebd. 551 ; 316, 376.
382 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
auf, für deren Sicherheit er dem Darlehnsgeber bestimmte, einem Vecturarius
übergebene Waren als Spezialpfand bestellte; damit ging das Transport-
Risiko bis zur Höhe des gewährten Darlehns an ihn über. Dieses von dem
bekannten Dekretale Gregors IX. »Naviganti sive ad nundinas eunti« mit-
verurteilte Quasi-Seedarlehn begegnet im Notularium Amalrics in drei Fällen,
wobei die verpfändete Ware jedesmal in Korduan besteht, i)
In anderen Fällen scheinen Kauf- oder Lieferungsgeschäfte die Ver-
anlassung zu besonderen Abmachungen über das Transport-Risiko gegeben
zu haben. So hat der Kaufmann Stephanus Gaschetus von le Puy^) am
24. März 1248 von seinem Landsmann Petrus Cambafort den Transport von
35 Last (ä 41/4 Ztr.) Alaun (aluminis glasse) je zur Hälfte zur Maimesse und
zur Johannismesse auf sein Risiko (ad meum resegum et f ortunam) über-
nommen ; die Ablieferung hatte vor Beginn der Messen (ante introitum) an
den Eigentümer oder Order zu geschehen, während die Zahlung der Fracht
mit je 2 1. prov. und 2 1. vian. für die Last erst auf der Messe selbst zu er-
folgen hatte. Ich vermute, daß es sich um einen Verkäufer handelt, der
die Lieferung bis an den Erfüllungsort besorgt und dementsprechend auch
die Gefahr der Lieferung auf sich genommen hat. Ähnlich wird es in dem
Falle gelegen haben, den Boncompagnus in sein Formelbuch übernommen
hat, wo zwei Kontrahenten mit einem dritten auf der Messe von Provins
abmachen, daß dieser den Transport einer Anzahl Warenballen von Provins
nach Vercelli unter voller Übernahme jegHchen Risikos 3) zu besorgen habe.
Der den Frachtfuhrleuten übergebene Transport wurde keineswegs
immer von dem Kaufmann oder einem Sozius oder Angestellten desselben
begleitet, wenn sich das in der Regel auch noch aus den Verhältnissen er-
gab. Petrus de Falguiers hat den Haupttransport zum Korduanmarkt der
Maimesse von Provins selbst begleitet, aber schon mehrere Wochen vorher
hat er Waren abgesandt, die bei Beginn der Maimesse eintreffen sollten.*)
Die Abnahme der unbegleiteten Ware am Bestimmungsorte erfolgte eben
nicht selten durch einen daselbst weilenden Sozius oder Geschäftsfreund der
absendenden Firma; so haben am 17. Juli 1248 zwei Placentiner 2 Lasten
Pfeffer von Marseille abgeschickt, die der Vecturarius spätestens am 6. Tage
nach dem Ende der Tuchmesse an sie oder den auf der Messe weilenden
Musso Caldairac oder ihre Sozii in Troyes abzuliefern versprach. 0) Und am
23. März verpflichtete sich Bernardus Gascus von Condom dem Aicardus de
Barrio gegenüber, auf des letzteren Risiko 2 Ballen Korduan im Werte von
33 1. 16 sol. misc. zur Messe von Bar an Ebrardus Sarracenus von Reims zu
schicken, damit dieser sie dort umsetze. Am folgenden Tage wird von den
beiden Kontrahenten ein entsprechender Frachtvertrag mit zwei Vecturarii
über den Transport von 4 Ballen Korduan (zu denen also jene zwei offenbar
mitgehörten) geschlossen, die diese vor Beginn der Ledermesse an sie selbst
oder an Elzardus Sarracenus an ihrer Statt abzuliefern haben. 6) Dieser
») Ebd. 14, 800—804. Studien z. Gesch. u. Natur des ältesten Cambium in
Conrads Jahrb. 65 (1895), 511 ; vgl. 514, 172.
«) Amalric no. 132. Daß er kein Vecturarius ist, geht aus no. 212 und 251
unzweifelhaft hervor.
') . . . sub omni periculo et eventu fortunae. Quell, u. Erört. z. bayr. Gesch. IX
(1863), 171.
*) Oben § 295.
6) Amalric 983; oben § 271.
«) Ebd. 117, 129.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 383
Elzardus muß ein naher Verwandter des Ebrardus gewesen sein, der selbst
in Marseille weilte und noch am 4. April mit einem Frachtführer über den
Transport einer Sendung kastilischen Alauns akkordierte. i)
Eine Probe umfangreicher kaufmännischer Korrespondenz zwischen
Siena und den Champagner Messen, die von den auf den Messen weilenden
Sozii mit der heimischen Firma gepflogen und sicher auch schon vor der
Mitte des 13. Jahrhunderts geübt wurde, ist uns aus den sechziger Jahren
des 13. Jahrhunderts erhalten. 2) Fraglich dagegen erscheint es, ob der or-
ganisierte Kurierdienst, der zwischen Siena und den Messen ebenfalls in den
sechziger Jahren nachweisbar ist 3), auch in unserer Zeit schon bestanden hat.
305. Unter den Gegenständen der Einfuhr durch die Mittelmeer-
Romanen spielten die Gewürze des Orients naturgemäß eine wichtige
Rolle, besonders die beiden damals massenhaft konsumierten Hauptwaren
Pfeffer und Ingwer. In einem Frachtvertrage von 1248 begegnen ein-
mal 17^/2 große Last Ingwer und 9 Last Pfeffer nebeneinander, die von
Toulon zur Maimesse gehen sollen ; 4 Ztr. 37 V2 Pfd. Ingwer Commendagut
wurden zur selben Zeit in Marseille auf 53 1/3 1. reg. cor. Wert einschließlich
der Fracht und sonstigen Spesen bis zur Messe geschätzt. 4) Aus der Levante
(Syrien) stammten sicher auch die beiden Lasten Staubzucker, die einen
Teil eines Transports zur Maimesse büdeten.s)
Neben diesen Gewichtswaren war die Einfuhr von Korduan von
hervorragender Bedeutung; war doch ein besonderer Meßabschnitt dem
Handel mit diesem Artikel gewidmet. Der Name verbürgte längst nicht
mehr die spanisch-arabische Herkunft ; in großen Mengen wurde er nament-
lich auch von der hochentwickelten pisanischen Lederindustrie hergestellt
xmd dem Exporthandel zugeführt. Wir kennen schon die Handelsgesellschaft
von San Gimignano, die feines Schafsleder (beccunas) im Werte von 1201.
pis. von Tunis nach Pisa bringen und hier mit 13 1. Kosten zu Korduan
herrichten ließ; ein Mitglied der Gesellschaft begab sich dann 1219 nach
Frankreich, um diesen Korduan auf der Messe zu verwerten, ß) Von Mar-
seille aus können wir in elf Fällen den Transport von Korduan nach den
Messen nachweisen, unter denen sich Posten von 17 und 15 Ballen (troseUi)
befinden ; da ein Ballen im Jahre 1244 einen Wert von 44 1. reg. cor. hatte,
so repräsentierten diese Transporte Werte von etwa 16000 und 14000 M.
') Ebd. 376.
») Coursbericht in : Zeitschr. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. V (1897), 251 ff.
') Vgl. hierüber meine Abhandlung: Der Kurierdienst zwischen Italien und
-den Messen der Champagne, im Archiv für Post und Telegr. 1896 p. 542 ff. Dazu
den zwei Jahre später in den Ann. de Droit commercial frangais, ötranger et inter-
national erschienenen Aufsatz Huvelins: Les courriers des foires de Champagne,
der zu den gleichen Ergebnissen wie meine Abhandlung gekommen ist, ohne sie
zu kennen.
*) Amalric no. 585, 162. Einmal begegnet piper longum, no. 225. Ein pipe-
rarius in Dijon schon 1170: Delaville le Roulx I, 287 no. 413.
') Amalric 791. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts hat sich Albert v. Beham
in Lyon Notizen über den Preis einiger Spezereien gemacht (Höfler p. XXIII) ; dar-
nach galt die Unze Muskatnuß 3, grana paradisi 7, Gewürznelken 20 den. vien.,
während für das Pfund feinsten Ingwers 32 den. und das Pfund Kubeben 20 sol.
vien. gezahlt worden seien. Bei der Preisangabe von 22 den. für das Pfund Safran
liegt ein offenbarer Fehler vor und ist jedenfalls 22 sol. zu lesen.
«) Davidsohn, Forsch. H, 294 no. 2302.
384 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Da die Absender in diesen elf Fällen sämtlich Südfranzosen sind, so ist es
wahrscheinlich, daß wenigstens ein Teü der Ware in Südfrankreich selbst,
in Städten wie Marseille und Montpellier, hergestellt wurde.
Sehr beträchtlich war auch die Einfuhr des den Bedürfnissen der
Leder- wie der Textilindustrie dienenden Alauns. Die beste Sorte war der
Eisalaun (alumen glassae = glaciale, mit alumen roccae identisch), von dem
1248 in einem Transport 35 Last (= 148 8/4 Ztr.) zu der Mai- und Johannis-Ä
messe gingen, i) Sicher stammte er aus dem Orient ebenso wie der Alaun ^'
von Aleppo, von dem Bernhardus de Mandolio 1234 gegen 27 Ztr. zu den
Messen in Commenda gab; und von den 70 bis 80 Last Alaun von Aleppo
und Ingwer, die ein Vecturarius im Mai 1248 zum Transport von Saint-
Gilles aus zu den Messen übernahm, wird wohl der größere Teil auf den
Alaun zu rechnen sein. 2) Kastilischer Alaun begegnet im selben Jahr mit
einem Transport von 18 Ballen (balae) zu den Messen, während bei zwei
weiteren Transporten, die wir kennen (von 14 kleinen Last im Jahre 1233'
und 191/5 Ztr. im Jahre 1235) die Sorte des Alauns nicht bezeichnet ist. 3)
Der Marseiller Tarif von 1229 unterscheidet: aluns cequerin (= it. zuccarino,
der durch dickes Einkochen des Alauns mit Eiweiß und Rosenwasser ent-
stand), alun de Castilha, alun blanc und alun Dalap (d' Aleppo) ; an anderer
Stelle ist noch alun de bolcan genannt, von der liparischen Insel Volcano,
die indes nur eine geringe Sorte lieferte. *)
Dem Bedürfnis besonders der Textilindustrie nach Farbstoffen diente
ferner die Einfuhr von Gummilack, die zweimal mit einem Posten von
je einer Last begegnet 5), und die von Brasilholz, das also auch bei der
Tuchfabrikation der nördlichen Länder Verwendung fand; wir kennen zwei
Transporte von 2 Last und 12 großen Last (über 50 Ztr.), die im Jahre 1248
zur Maimesse von Provins gingen. ^) Stammten diese Farbstoffe aus dem
Orient, so handelte es sich um ein wertvolles südfranzösisches Landesprodukt
bei dem ein prächtiges Rot liefernden K e r m e s , der in einem Quantum von
7 Ztr. 7 Pfd. in Marseille zur selben Messe in Commenda gegeben wurde. '^
Auch die Einfuhr von Rohstoffen für die Textil- und Lederindustrie
kommt gelegentlich vor, wenn auch in geringem Umfange; zur Maimesse
von 1248 gingen von Marseille aus auch eine Last Lammfelle, ferner
8 Sack Baumwolle, die Otto Angossola am 12. Mai in Marseille kaufte
und mit 126 1. prov. auf der Messe zu bezahlen versprach. 8) Ja, Andrea von
San Gimignano hat sogar einmal einen Ballen Wolle im Werte von 13 Vs 1-
pis. von Toskana aus nach den Messen importiert. ^)
Aber auch Fabrikate der Textilindustrie wurden von den Mittelmeer-
Romanen auf den Messen abgesetzt. Als Vertreter der Gewebe der Levante
erscheinen 16 Stück Taft (cendati) aus Tripolis, die 1248 von Marseille aus
zu den Messen gingen ; von dem Ballen Kamelot (de camelotis) Und der
Last von Baumwollstoffen (boucarans), die zur gleichen Zeit den gleichen
») Amalric no. 132; dazu Heyd II, 568 f.
*) Manduel no. 47; Amalric 681.
3) Amalric 376; Manduel no. 43 u. 65 p. 97.
*) Möry et Guindon I, 346 f. u. 343. Dazu Heyd H, 569 u. 565.
») Amalric no. 642, 791.
«) Ebd. 316, 585.
') Ebd. 811.
8) Ebd. 791 ; 698 (vgl. 685).
«) Davidsohn Forscb. n, 304 no. 2321. Vgl. unten bei Safran.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 385
Weg gingen, muß es zweifelhaft erscheinen, ob sie nicht im Abendlande
hergestellte Imitationen waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach in Süd-Frank-
reich selbst hergestellt waren die 100 Stück Barchent (baracans) im Werte
von 42 1/2 1. misc, die Alasacia, die Witwe des Bernhard von Carcassonne,
am 1. April 1248 dem Petrus Peguelerius zur Verwertung auf der Messe von
Bar oder der folgenden Maimesse in Commenda gab. i)
Von sonstigen Einfuhrartikeln begegnen noch Wachs, von dem ein
Quantum von 7^/2 Last 1248 von Marseille aus, wohin es wahrscheinhch von
Nord- Afrika gekommen war, zur Maimesse ging 2), und Safran. Andrea
von S. Gimignano hat auf seine Handelsreise zu den Messen (1217 oder
1218) Safran im Werte von 298 1. pis. mitgenommen; in einen Beutel ge-
packt, wurde das kostbare Produkt in dem Ballen Wolle geborgen, den er
wohl hauptsächlich zu diesem Zwecke mit nach Frankreich geführt hat.
Sicher ist Safran schon der Leichtigkeit des Transports wegen namentlich
von toskanischen Kaufleuten als wertvollstes Produkt ihrer Heimat sehr
häufig zu den Messen mitgenommen worden.^)
306. Im Export der Mittelmeer-Romanen von den Messen her stellten
die Erzeugnisse der Textil-Industrie alle anderen Artikel völhg in den Schatten ;
das treffliche Rohmaterial der Heimat und namentlich des benachbarten
England hatte dieser Industrie in den mittleren und nordöstlichen Teilen
von Frankreich und dem benachbarten Flandern einen großen Vorsprung
vor Italien und Südfrankreich verschafft*), so daß ihre Produkte fast aus-
schließlich den Gegenwert im Handel mit diesen Ländern bildeten. Das
geht schon aus dem Vertrage Luccas mit Genua von 1153 hervor, der nur
auf den Transit solcher von den feriae ultramontanae her exportierten Tuche
durch genuesisches Gebiet Bezug nimmt 0); von Genua aus werden schon
1160 Tuche von Saint-Riquier nach Sizilien, 1163 Tuche von Saint-Quentin
nach Pisa exportiert, und 1164 begegnet in Genua ein »torseUus Parisinorum«,
der bei einer Länge von 60 Ellen einen Preis von 16 1. jan. hatte. ^)
Für die aus Toskana mitgeführten Waren, Safran und Korduan, tauschte
Andrea von S. Gimignano auf den Messen wertvolle Tuche ein; nach der
Rückkehr (1219) verkaufte er mit seinem Sozius zusammen in Pisa Stam-
fords, die in Cambrai verfertigt waren; ein besonders kostbares Stück roten
Tuches erstand in S. Gimignano der comes de Certaldo von ihnen. '^) Mit
Vorliebe trugen die bemittelteren Klassen Toskanas*) und Italiens über-
haupt diese französischen und flandrischen Stoffe; diese Vorliebe ging so
weit, daß man sogar Kleider in Frankreich selbst arbeiten ließ ; der sienesische
Kaufmann Aringhieri di Magiscolo, der mit Frankreich in Geschäftsbeziehungen
stand, vermachte in seinem Testament vom Frühjahr 1232 seiner Frau u. a.
1) AmaMc 629, 133, 791, 349.
») Ebd. 551. Vgl. Coursbericht in Z. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. V (1897), 281.
') Davidsohn, Forsch. 11 no. 2321 ; wichtig die Stelle : dixit quod crocum juvit
mitti in tasca cum ipsa lana. Vgl. Coursbericht 1. c. 280.
*) Doren p. 18.
») Oben § 275.
•) Chart. II no. 859, 1285, 1427.
") »astanfortes facti Chameraci« u. »petiam panni sanguineam<. Davidsohn,
Forsch, n, 304 no. 2321.
*) Die Auffassung Dorens (S. 21), der es für wahrscheinlicher hält, daß der
florentinische Tuchhandel von Anfang an vor allem ein Durchgangshandel gewesen,
der die Länder des Orients . . . versorg'te, vermag ich nicht zu teilen.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 25
386 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
ein Kleid aus Scharlachtuch, das er von Siena aus in Frankreich für sie
bestellt hatte und in Kürze erwartete; für den Fall, daß es nicht geliefert
werden sollte, bestimmte er als Ersatz für seine Frau eine Summe von 25 I.
sen. (über 250 M.)^)
Einige weitere Beispiele mögen zeigen, wie verbreitet diese Tuche auch
sonst in Ober- und Mittel-Italien waren. Der Brückenzolltarif von Lodi von
1210 oder 1211 führt neben den lombardischen und toskanischen die fran-
zösischen Ballen farbiger Tuche (torselli francisci de colore) als besonderen
Posten auf ; die Statuten von Brescia reden neben den mailändischen Tuchen
von denen aus Frankreich, in der Adria raubten gegen Ende des 12. Jahr-
hunderts Seeräuber von Cervia von einem venezianischen Fahrzeug ein Stück
roten Tuches von S, Quentin, und um 1247 fielen auf dem Tyrrhenischen
Meere dem Admiral Kaiser Friedrichs u, a. 34 V2 Ballen französischer Tuche in
die Hände, die römische Kaufleute in ihre Heimat zu führen im Begriff waren.2)
In seinen Verträgen mit Arles und Siena von 1237 und 1241 behielt
Genua die Ausfuhr französischer Tuchwaren sowie Reimser und Champagner
Leinwand den eigenen Kaufleuten vor 3); ein Beweis, in wie beträchtlicher
Menge diese Waren nach Genua kamen und wie wichtig und gewinnbringend
ihre Weiterausfuhr für die Genuesen gewesen sein muß. Auch der Vertrag
Genuas mit Asti von 1251 ist für diesen Handel lehrreich; er setzt für den
Fall von Streitigkeiten fest, daß auf den torsellus zu rechnen seien bei den
Tuchen von Montreuil (pannorum mosteriolorum) 8 Stück (peciae), bei Stam-
fords 11, bei Tuchen von Cambrai 12, bei denen von Chalons 13, den un-
gestreiften (non vergati) von Provins 14, den gestreiften 16 Stück, und daß
bei anderen Stoffen die Berechnung auf Grundlage des Gewichts nach diesem
Maßstabe zu erfolgen habe. 4)
Etwas mehr Detail bieten uns auch hier die Marseiller Quellen. Wenn
wir Placentiner oder Marseiller, von denen wir wissen, daß sie mit den
Champagner Messen in Handelsverbindung standen, in Marseille als Verkäufer
von Stamfords und anderen Tuchen von Arras oder von grünen Tuchen von
Chalons finden ß), wenn in einem anderen Falle graues Tuch von Provins in
Marseille als Spezialpfand bestellt wird, wenn wir in einem Schiedspruch
zwischen zwei bisherigen Geschäftsfreunden vom Jahre 1235 neben 10 Stam-
fords von Arras 4 Tuchen von Metz, 2 Mänteln (capae) und 3 Tuchen von
Douai und 7 Stück Tuchen von Ypern begegnen 6), so wird man schwerlich
bezweifeln wollen, daß alle diese Artikel von den Champagner Messen nach
Marseille exportiert worden sind. Von besonderem Interesse ist hierfür auch
der Abschnitt des Marseiller Zolltarifs von 1229, der die von Käufern und
Verkäufern zu entrichtenden Abgaben für die von Fremden in Marseille
eingeführten Tuche enthält') und demnach sicher diejenigen Tuche aufführt,
die am häufigsten zur Einfuhr gelangten. Nach dem allgemeinen Satze für
Tuche, die mit Kermes oder einfach gefärbt waren (draps de grana und de
*) Zdekauer, Mercante 33 A. 1.
*) Cod. Laud. HI, 556 ff. (Stat. vet. Land., 1. III rub. 54). Leges Munic. II,
1584 (109). Minotto HI 1 p. 11. Oben S. 869.
^) Chart. II, 1399 no. 1835 : tele de Campania et draparia Francie. Ferretto I, 158,
*) Lib. Jur. I no. 812.
») Amalric no. 741, 911, 768.
«) Ebd. 692. Manduel no. 65 p. 96.
') Mary et Guindon I, 345: de leusdis pannorum. Im Tarif von Saint- Gilles
begegnen Tuche von Beauvais, Arras und Chäteau-Landon. Bondurand p. 280 f.
I
4
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 387
color) mit 2 und 1 sou begegnen uns Stamf ords von Saint-Omer i) mit 1 sou,
solche von Arras und grüne Tuche von Arras mit der Hälfte, Tuche von
Louviers (Loiers) mit 1/3 dieses Satzes ; die Stoffe (Cordat) von ifitampes und
Chartres mit 2/3 sou; die Barchentstoffe (barracans) von Rohan mit 1/3, die
saillas und barracans von Beauvais mit 1/2 sou das Stück.
Endlich sei an die Fälle erinnert, in denen uns diese französischen
und flandrischen Tuche im Export von Genua oder Marseille aus namentlich
nach der Levante begegnet sind. 2) Kümmerlich erscheint demgegenüber,
was wir von sonstiger Ausfuhr von den Messen her durch die Mittelmeer-
Romanen für unsere Periode wissen. Außer Tuchen führten jene von dem
Admiral Kaiser Friedrichs II. gefangenen Römer auch Barrengold aus Frank-
reich mit sich ; und unter den Waren, die nach einer Feststellung von 1224
einem Venezianer bei Codigoro (Pomündung) geraubt worden waren, be-
fanden sich auch 12 Gürtel (centae) von Paris s), ein vereinzeltes Zeugnis,
das aber den Schluß erlaubt, daß schon damals gar manche Artikel der ge-
werbfleißigen französischen Hauptstadt im Handelswege nach dem Mittel-
meergebiet gewandert sind.
307. Es beweist die allgemeine Bedeutung, die die Messen der
Champagne schon erlangt hatten und ist seinerseits wieder von größter
Wichtigkeit für die Entwickelung dieser Messen gewesen, daß es üblich
wurde, auch für die in der Ferne bei italienischen Gläubigern kon-
trahierten Anleihen Rückzahlung auf einer der Messen der Champagne
zu vereinbaren.
Bei dem ersten bekannten Fall dieser Art, den zu Messina unter Bürg-
schaft des Grafen Heinrich von Bar s./S. im Jahre 1190 aufgenommenen
Darlehn 4), waren die Darlehnsnehmer noch sämtlich Kreuzfahrer aus der
Champagne selbst, so daß die Abstellung auf die Messe von Bar als etwas
durchaus Natürliches erscheint. Als ein wesentlicher Fortschritt aber ist es
zu betrachten, wenn 12 Jahre später auch Graf Balduin von Flandern bei
dem Darlehn, das er in Venedig aufnahm, das gleiche Verfahren einschlug. ^)
Und bald adoptierten die im Interesse ihrer Person oder ihres Sprengeis an
der Kurie weilenden auswärtigen Bischöfe und sonstigen Prälaten oder ihre
Prokuratoren, die zu sofortiger Geldbeschaffung genötigt waren, diesen Brauch,
der bei den rheinischen Bischöfen, dem Erzbischof von Mainz (1209) und
dem von Köln zuerst nachweisbar ist^), und rasch eine außerordentliche
Verbreitung erlangte. Nahm doch die Zahl der vor die Entscheidung der
Kurie gehörigen Sachen, wie man schon am Ende des 12. Jahrhunderts
klagte'), beständig zu, und mit leeren Händen war in Rom nichts auszu-
*) »Estan forz (pro stamine forti) de sant tomer.«
») Oben § 112, 152.
-) Oben § 292. Lib. pleg. I p. 176 (13. Januar 1224). In dem etwa aus dem
Anfang des 13. Jahrhunderts stammenden Zolltarif von Montpellier (Lib. Instrum.
no. 275 p. 438) begegnen Schwerter aus Poitou (espaza de Peitous).
*) § 270.
») § 273.
•) § 289 u. 330.
») Burkhard Ursperg., SS. XXin p. 367 zu 1198 : Vix enim remansit aliquis
episcopus et dignitas ecclesiastica vel etiam parochialis ecclesia quae non fieret
litigiosa et Romam deduceretur ipsa causa, sed non manu vacua; mit der ironischen
Hinzufügung: Gaude, mater nostra Roma, quoniam aperiuntur kataraktae thesau-
rorum in terra, ut ad te confluant rivi et aggeres nummorum in magna copia.
25*
388 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
richten. Natürlich führte man Geld und Geldeswert, soweit angängig, mit
sich; mid einmal haben wir auch den Fall kennen gelernt, daß ein Bischof
von Wales, um sich Mühen und Risiko des Geldtransports wenigstens zum
Teil zu ersparen, einen großen Teil seiner Barmittel bei Bologneser Kauf-
leuten auf der Messe von Troyes (1202) einzahlte, um sich dafür einen
Wechsel ausstellen zu lassen; aber wir hören auch, daß er nur mit Mühe
an Ort und Stelle zu seinem Gelde kami), und es scheint nicht, daß diese
Methode der Geldübermittelung damals schon irgendwie zu allgemeinerer
Anwendung gelangt wäre. Abgesehen von wirkUchem Mangel an Geldmitteln
— man vermied jedes Risiko, wenn man sich den noch dazu auch erst an
Ort und Stelle recht zu übersehenden Geldbedarf erst an der Kurie selbst
durch Anleihen beschaffte. In erster Linie boten sich hierfür natürlich die
römischen Geldleute 2) dar, auch die Bolognesen empfahlen sich schon wegen
des vielseitigen Verkehrs, den ihre Hochschule mit sich brachte und des
Geldverkehrs, den sie mit Rom unterhielten. Bei dem wachsenden Bedarf
mochte das Kapital der Römer nicht mehr ausreichen; es kam dazu, daß
die Kurie gelegentlich Differenzen mit Rom hatte und deshalb oder aus
anderen Gründen außerhalb Roms, namentlich in Viterbo, weilte. Das ver-
anlaß te die Sienesen, sich ebenfalls diesem Anleihegeschäft zuzuwenden,
teils mit Römern assoziiert, teils allein ; schon im dritten Dezennium nimmt
auch ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet einen großen Umfang an^), während
die Bolognesen wohl wegen der größeren Entfernung von der Kurie mehr
und mehr zurücktraten. Dagegen verstanden es die Florentiner, seit dem
vierten Dezennium einen rasch wachsenden Anteil an diesem Anleihegeschäft
zu gewinnen 4), wobei ihnen die Gunst der Päpste sehr zustatten kam, die
1234 mit Rom, 1239 mit Siena in schwere Zerwürfnisse gerieten. In dieser
Zeit fanden die kurialen Prälatenanleihen, die auf die Champagner Messen
abgestellt wurden, schon bis nach Schottland und Spanien hin Anwendung.^)
308. Wie es bei den Geld- und Zinsverhältnissen der Zeit nicht anders
zu erwarten ist, waren die Bedingungen, die die italienischen Gläubiger bei
') Giraldus Cambrensis, SS. XXVII, 417: vix et cum difficultate (in Faenza)
recuperavit. Oben § 274.
*) Der älteste sicher bekannte Fall einer kurialen Anleihe von Franzosen bei
Italienern zeigt folgendes Verfahren: Paganus und Rainaldus, Bürger von Reims,
nehmen unter Bürgschaft des Presbyters Galterus von Epernay bei Alagrinus von
Anagni ein Darlehn von 16 1. prov. auf ; vor einem Kardinal beschwören alle drei,
die Kurie vor erfolgter Rückerstattung nicht zu verlassen. Da sie den Eid nicht
hielten, schritt Papst Alexander III. zugunsten des Gläubigers ein; dem Bevoll-
mächtigten, den dieser nach Reims schickte, gab er ein Schreiben (vom 18. Mai 1173
oder 1174) an den Erzbischof von Reims mit, der die Schuldner zur Zahlung (auch
der Reisekosten) binnen 14 Tagen zu zwingen hatte; die von ihnen erwirkten päpst-
lichen Briefe wurden so lange für kraftlos erklärt, bis die Begleichung erfolgt war,
Migne 200 p. 946. J.-L. 12283. Im übrigen s. Gottlob, Prälatenanleihen p. 361;
bei der ältesten von ihm angeführten Anleihe dieser Art (Hadrian IV. beauftragt
den Bischof von Beauvais 12 Juni 1155, zwei Schuldner qui in curia tua consistant
zur Zahlung ihrer Schuld von 41 Mark Silber zu zwingen; Migne 188, 1430) bleibt
es zweifelhaft, ob der Gläubiger Italiener war; in einem zweiten Falle von 1173
oder 1174 sind die Gläubiger des Abts von Dervum zwei flandrische Kaufleute.
J.-L. 12 272.
3) § 278.
*) § 285 f.
6) § 319 n. 286.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 389
der Aufnahme solcher Anleihen stellten, nicht leicht. Zunächst suchten sie
sich die pünktliche Rückzahlung des Darlehns zum vereinbarten Meßtermin
durch Festsetzung hoher Bußen möglichst zu sichern; blieb der Schuldner
im Verzuge, so verpflichtete er sich, von Messe zu Messe 10% der Schuld-
summe als Schadenersatz zu zahlen ^) ; wohnte er in größerer Entfernung
von der Champagne, so daß Verhandlungen mit ihm erhebliche Umstände
machten, so wurde er außerdem verpflichtet, bis zur Zahlung die vollen
Reise- und Unterhaltungskosten für einen Kaufmann mit Pferd und Diener,
nicht selten sogar für zwei Kaufleute mit Pferden und Dienern zu tragen. 2)
Ließ der Schuldner also über den Zahlungstermin ein Jahr hingehen, so
hatte er volle 60% Zinsen und jene auch nicht ganz geringen persönlichen
Kosten zu der Schuldsumme zuzuschlagen. In wenig Jahren konnte ein
etwas leichtsinniger Schuldenmacher und schlechter Zahler auf diese Weise
zu einer wahrhaft ungeheuren Schuldenlast kommen.
Indessen muß betont werden, daß es sich hierbei in der Tat um Kon-
ventionalstrafen handelt, die abzuschrecken bestimmt waren und kaum
jemals in solcher Höhe wirklich zur Einziehung gelangt sind. Der Gläubiger
wollte nicht etwa, daß der Schuldner den Zahlungstermin verstreichen und
die Schuld sich rasch vergrößern ließ ; vielmehr kam ihm alles auf die pünkt-
liche Zahlung der festgesetzten Schuldsumme an. Der Vorteil, auf den er
rechnete, lag nicht in jenen exorbitant hohen Verzugszinsen, sondern darin,
daß die Rückzahlung einer höheren Summe als der wirklich gezahlten ver-
einbart war. Die wirklich zur Auszahlung gelangte Darlehnssumme wird
ausnahmslos verschwiegen. Wendungen in den Schuldurkunden deuten
wohl auf diese Tatsache hin 3), aber nur einmal erfahren wir die volle Wahr-
heit durch die eidlichen Aussagen zweier römischer Gläubiger in einem
Prozeß, den sie an der Kurie 1238 wegen einer Anleihe führten, die Erz-
bischof Dietrich von Köln vor mehr als 20 Jahren bei ihnen aufgenommen
hatte*); sie geben zu, daß die »principalis et vera sors« einer über 1150 M.
Sterl., zahlbar auf der S. Aigulfsmesse von Provins 4 Tage vor dem Ende
der Tuchmesse, ausgestellten Schuldurkunde nur 983 M. Sterl. betragen habe.
Sie haben also 162/3% Zinsen dem Kapital von vornherein zugeschlagen.
Leider können wir nicht sagen, wann die Anleihe aufgenommen worden
ist, wie lange also die Schuld lief. Nach diesem Falle aber haben wir die
Anleihen dieser Art allgemein zu beurteilen.
Interessant ist jener Prozeß auch darum, weil die Gläubiger die von
ihnen für die Wiedererlangung ihres Kapitals aufgewandten Kosten eidlich
auf 280 M. Sterl., und sonstige Schäden, die sie erlitten hätten, auf mindestens
37 M. Sterl. berechnen. In dieser Höhe wird auch von dem erkennenden
') . . . de singulis nundinis in nundinas pro singulis 100 libris 10 libras pro
recompensatione damnorum et expensarum. So in der Schuldurkunde des Anseau
de Garlande von 1219, der 900 1. in drei Jahresraten auf der Messe zu Lagny zu
zahlen hatte. Bourquelot II, 125.
*) Ebd. 126. Schuldurkunde des Erzbischofs von Ronen: pro dampnorum et
Interesse recompensatione de singulis nundinis in nundinas pro singulis 1. 10 pre-
dictis 1 1. tur., et expensas unius mercatoris cum equo et serviente ubicunque
fuerit, usque ad rectum pagamentum pecunie predicte. Mit den Kosten für zwei
Kaufleute: Urk. des Erzb. von Köln 1213: Ennen u. Eckertz 11, 45 no. 40; des Erzb.
von Mainz 1233 : Schunk m p. 106.
') So in der ersten Urk. für Mainz: Schunk HI, 101.
*) Rodenberg I no. 723 p. 621 f. Vgl. Schulte 1, 236 f.
390 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Kardinal ein Zuschlag zu dem ursprünglichen Schuldkapital für berechtigt
erklärt und demgemäß der Rechtsnachfolger des Erzbischofs zur Zahlung
von 1300 M. Sterl. verurteilt. Wenn die Klage der Gläubiger, den formellen
Verpflichtungen des Schuldners entsprechend, auf 1150 M. Sterl. Kapital und
12000 M. Sterl. Verzugszinsen lautete, so werden sie vermutlich noch sehr
vergnügt gewesen sein, wenn sie in diesem Falle wirklich dem Spruche des
Kardinals gemäß Kapital und eigene Auslagen gerettet haben sollten. Aber
man sieht, was in der Praxis aus den hohen Verzugszinsen wurde. Und
auch sonst fehlt es nicht an Beispielen dafür, daß, wo sich infolge von be-
sonderen Verhältnissen Schwierigkeiten ergaben und die Bezahlung rück-
ständig blieb, die italienischen Gläubiger zu neuen Vereinbarungen unter
verhältnismäßig maßvollen Bedingungen bereit waren, i)
In wirtschaftlicher Beziehung mußten diese auf die Messen ab-
gestellten Anleihen, die sich in ihrer großen Mehrzahl natürlich glatt
abwickelten, während wir vorzugsweise von den Ausnahmen Kenntnis
haben, auf den Handel der Italiener mit den Messen, insbesondere
auf ihren Export von denselben, außerordentlich belebend einwirken.
Daß es den Gläubigern darauf ankam, die erstattete Schuldsumme
wenn möglich noch auf derselben Messe zur Anlegung in Waren be-
nutzen zu können, ergibt sich schon daraus, daß als Zahlungstermin
häufig nicht die »rechte Zahlzeit« , sondern ein früherer Zeitpunkt,
insbesondere der vierte Tag vor dem Ende der Tuchmesse»
vereinbart worden ist.
Daß auch die im Temple zu Paris zahlbaren Wechselbriefe, die
König Ludwig auf seinem Kreuzzuge im Orient seinen genuesischen
Gläubigern ausstellte ^), eine ähnlich befruchtende Wirkung auf den
Handel üben mußten, sei hier nur kurz erwähnt.
309. Es bleibt uns ein Wort zu sagen über den kaufmännischen
Geldverkehr auf und mit den Messen. Von einer Messe selbst rührt
nur die Schuldurkunde her, die eine pistojesische Handelsgesellschaft
am 19. Juni 1235 zu Provins einer fiorentinischen über 153% 1. prov.,
zahlbar 8 Tage vor dem Zahltage der nächsten Johannismesse, aus-
gestellt hat. Bei Nichteinhaltung des Termins sollte Zahlung des
Doppelten und Kostenersatz verwirkt sein. ^)
In beträchtlicher Zahl dagegen sind uns außerhalb ausgestellte
»Meßwechsel« erhalten. Der älteste, freilich bis jetzt nur im Regest
vorliegende^), ist am 28. Juni 1193 in Genua ausgestellt.
Arduino von Comago erklärt darin, von Rod. Tortello von Asti einen
Geldbetrag in genuesischer Münze erhalten zu haben, für den er ihm auf
der Johannismesse von Troyes 28 1. prov. zu erstatten verspricht. Die ältesten
») Schulte I, 236. Oben § 274.
•) Näheres in meiner Abhandlung über diese: Conrads Jahrb. f. Nat.-Ök. 70
p. 603 ff. ; 73, 145 ff.
3) Davidsohn, Forsch. HI, 3 f. no. 11. Oben § 287. fll
*) Ferretto 1, 98 A. 1. Andere, jüngere bei Canale 11 527; vgl. meine Studien«!
z. Gesch. d. Cambium, Conrads Jahrb. 65, 161. Es wäre wichtig, diese und andere
von Ferretto und Canale (1. c. und 554) im Regest gegebenen Stücke im Original zu
veröffentlichen.
Einrichtung und Art des Handels mit den Messen der Champagne. 391
bis jetzt im Wortlaut bekannten sind jene Bologneser Wechsel von 1243
und 1246 über 700 und 400 1. prov., bei denen Florentiner Kaufleute die
Wechselnehmer sind; der erste ist vier Tage nach ara pannorum auf der
Johannismesse von Troyes, der zweite acht Tage nach demselben Termin
auf der Messe von Bar fällig, i) An diese schließen sich dann die Meßwechsel
in den Marseiller Akten des Notars Amalric von 1248, die in ihrer beträcht-
lichen Zahl die Möglichkeit zu genauerer Untersuchung geben. 2) Fast sämt-
lich sind sie auf die »rechte Zahlzeit« gestellt, nur einer, den Petrus de Fal-
guiers ausgestellt hat, ist 3 Tage vor der Tuchmesse fällig. Der höchste
Betrag, auf den ein solcher Wechsel lautet, sind 1000 1. prov. (24000 M.) 3)
Ihrem inneren Charakter nach erscheinen diese Wechsel noch als
Wechseldarlehn ; noch hat, wer die Valuta in Marseille hergibt, Anspruch
auf Zins. Frachtfuhrleute, Kaufleute, die die Vecturarii wie üblich im voraus
entlohnen wollen oder solche, die Waren zum Transport nach der Messe
einkaufen wollen, decken in solcher Form ihren Geldbedarf. So zahlte, wer
das Bedürfnis zu remittieren hatte, nicht Provision für den Wechsel, der
ihm ausgestellt wurde, vielmehr erhielt er auf der Messe außer dem ein-
gezahlten Kapital noch einen Zins. Auf die Höhe dieses kaufmännischen
Zinses allerdings wirkte das mehr oder minder stark hervortretende Remit-
tierungsbedürfnis des Valutagebers ein, wie natürhch auch die Stärke des
Geldbedürfnisses des Valutanehmers darauf nicht ohne Wirkung war; mir
ist kein Fall eines »Meß wechseis« aus unserer Zeit bekannt, in dem das
ims geläufige Verhältnis schon vorkäme und der Zins in eine Provision um-
geschlagen wäre. In mehreren Doppelwechseln *) begegnen wir dem Fall,
daß toskanische Kaufleute in Marseille untereinander wechselseitig als Valuta-
geber und -Empfänger für die Champagner Messen einerseits, für Pisa (in
einem Falle Siena) andererseits erscheinen ; beide Parteien sind Remittenten,
die eine nach der Champagne, die andere nach Toscana; beide zugleich aber
auch Wechselgeber für die umgekehrte Relation. Offenbar ist hier ein Gleich-
gewicht der Bedürfnisse hergestellt, so daß in diesen Fällen weder von Zins
noch von Provision die Rede sein kann.
>) Davidsohn, Forsch. UI no. 23 u. 30. Oben § 274 u. 287.
*) Vgl. die oben zitierten Studien p. 153 ff. u. 511 ff., insbesondere die Tabelle
1721
») Amalric no. 691 (11. Mai 1248).
*) Studien 1. c. 517 f.
Abschnitt V:
Handel der Mittelmeer-Eomaneii mit den germanischen
Ländern nnd den östlichen Nachbargebieten.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Handel mit England.
310. Erst seit der Zeit des 3, Kreuzzuges etwa können wir die
Italiener auch im Handel mit England nachweisen.
Die Nachricht, daß das Geschlecht der Fitzgerald auf einen Florentiner
Otto de'Gherardini zurückgehe, der sich Ende des 11. Jahrhunderts in Eng-
land niedergelassen 1), ist nichts als eine Familienlegende. Und wenn nam-
hafte englische Forscher von zwei führenden Londoner Famüien zur Zeit
König Stephans, den Buchuinte und den Bukerei, italienische Abkunft be
haupten^), so geben, wie sich die Sache auch sonst verhalten möge, die
Quellen jedenfalls keinerlei Anhalt dafür, daß es Handelsinteressen gewesen
sind, die die Ahnherren dieser Familien zur Übersiedelung nach England
veranlaßt haben. Auch war es kaum für den Handel von größerer Bedeu-
tung, daß gelegentlich auch italienische Pilger nach England kamen ; Wilhelm
von Canterbury, der 17 Monate nach der allerwärts das größte Aufsehen
hervorrufenden Ermordung des Erzbischofs Thomas (29. Dezember 1170) mit
*) Schanz I, 112 aus: The Marquis of Kildare, the earls of K. and their
ancestors 1858 p. 2. Goldschmidt 186. Doren 16 (nach dem Otto um 1100 sogar
päpstlicher Kollektor in England gewesen sein soll). Dagegen Davidsohn I, 799 A. 2. ^.
J. H. Eound : The origin of the Fitzgeralds in : The Ancestor I (Lond. 1902). fll
*) Stubbs W., Constitutional History I, 631. J. H. Round : The Commune of ^'
London and other Studies. Westminster 1899 p. 101, 110 f, 120 1 Um nur eins
hei vorzuheben, die Etymologie Buchuinte = Bucca-uncta scheint mir durchaus nicht
zwingend und die Herleitung des Namens aus dem Germanischen keineswegs un-
möglich; jedenfalls darf man aus der Latinisierung der Namen besondere Schlüsse
nicht ziehen. W. Cunningham: Die Einwanderung von Ausländern nach England
im 12 Jahrh. (Z. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. HI (1895), 177 ff.), handelt von Italienern
überhaupt nicht, sondern hauptsächlich von den Flamländern, die besonders die
Weberei nach England gebracht und sich in Gilden konstituiert hätten.
Achtundzwanzigstes Kapitel. Handel mit England. 393
der Aufzeichnung der Wunder begann, die am Grabe des jetzt schon als
heilig geltenden Märtyrers geschahen, erzählt unsi) von einem genuesischen
Jüngling Petrus, der dem Heihgen ein silbernes Bild im Gewicht von 13 So-
lid! darbrachte und von einem Kaufmann Francus aus Brindisi, der nach
•Canterbury gepilgert sei und im Auftrage eines Lucchesen dem Heihgen
■ein paar silberne Augen als Weihgeschenk überbracht habe.
Der 3. Kreuzzug brachte die englische Krone zum erstenmal mit
•der italienischen Handelswelt in Verbindung.
Im Heiligen Lande sah sich König Richard genötigt, bei seinen nächsten
politischen Freunden, den Pisanern, aber auch bei anderen Italienern, wie
den Bolognesen, Anleihen aufzunehmen; auch für die pünktliche Rück-
zahlung von Darlehn, die manche seiner Ritter damals bei pisanischen Geld-
gebern wie Andriolo Conte und Jacobo de Jhota kontrahierten, übernahm
er mehrfach die Garantie. 2) Vor allem aber ist der Kreditbrief bemerkens-
wert, den der König am 3. August 1191 zugunsten von vier seiner Getreuen,
die er mit Rücksicht auf die gleichzeitige Abreise des französischen Königs
damals nach dem Abendlande zurücksandte, ausgestellt hat. Darin bevoll-
mächtigte er den Pisaner Jacobus de Jhota, den vier Genannten Darlehn
bis zur Höhe von 500, 600, 700 und 1000 M., insgesamt also von 2800 M.
Sterl. zu beschaffen und verpflichtete sich, alle Abmachungen, die Jacobus
und seine Getreuen bezüglich der Rückerstattung dieser Darlehn treffen
würden, getreulich zu erfüllen.^) So mußte die Notwendigkeit, die Schuld-
summen beim königlichen Schatzamt in England zu erheben, die italienischen
Gläubiger oder ihre Bevollmächtigten über den Kanal nach dem Inselreiche
führen. Freilich war die auf der Heimkehr erfolgende Gefangennahme des
Königs der Erledigung ihrer Ansprüche sicher nicht günstig. Bei der Be-
schaffung des hohen Lösegeldes für den König "i) sind Italiener schwerlich
beteihgt gewesen ; es lag weit näher, sich hierfür, soweit Fremde in Betracht
kamen, flandrischer und rheinischer Geldleute zu bedienen. Aber König
Richard hat doch selbst noch wieder mit Italienern, diesmal Kaufleuten von
Piacenza, angeknüpft, und die finanziellen Beziehungen der Krone zu ihnen
haben seitdem, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, Jahrhunderte hin-
durch fortgedauert.
311. Der Hauptgrund hierfür lag in den Beziehungen des Landes zur
Kurie. Die Reisen englischer Prälaten zur Kurie und ihr Verweilen daselbst
machten schon früh die gelegentliche Aufnahme von Darlehn erforderlich.
Von seinem Gegner Roger, dem erwählten Abt des Augustiner-Klosters von
Canterbury, erzählt Peter von Blois (1176) sogar, daß er nach seiner Ankunft
in Rom bei römischen Kaufleuten eine unendliche Menge Goldes entliehen
habe. 5) Zur selben Zeit hatten Mönche von Malmesbury bei Kaufleuten,
») SS. XXVn p. 39 c. 51 u. 44.
') Beispiele vom Mai und Juni 1191 : Papa d'Amico p. 351, 355, 358, 362, auch
Blancmesnil 243 f., 446. Der König wird durch Landverpfändung gesichert.
8) Blancmesnil p. 119 u. 252. G^raud H., Le Comte-Eveque in: Bibl. de l'Ec.
des Chartes V (1843/4) p. 36.
*) Hierüber, insbesondere über die Heranziehung der Wolle der Cisterzienser-
klöster, Whitwell R. J., English Monasteries and the Wool Trade in the 13* Cen-
tury, in : Vierteljahrsschr. f. Soz. u. Wirtsch -Gesch. H (1904), p. 1 fE.
*) Migne 207 p. 453 no. 158 : exhaustis itaque Flandriae mercatoribus in ar-
gento, a Romanis tandem infinitam multitudinem auri mutuavit. Whitwell, It. Ban-
kers p. 321.
394 Achtundzwanzigstes Kapitel.
die die Kurie frequentierten, Gelder aufgenommen; Abt und Konvent be-
stritten aber, daß es mit ihrer Ermächtigung geschehen sei, so daß Ale-
xander III. den Bischöfen von London und Worcester am 25. Februar 1177
auftrug, die Sache zu untersuchen und, falls sich die Behauptung des Abts
bewahrheite, eine Belästigung des Klosters nicht zu dulden, i) Während des
Lateranischen Konzils (1179) nahm Peter als Kanzler des Erzbischofs von
Canterbury unter Bürgschaft des Magisters Stephan bei Kaufleuten aus Bo-
logna ein mit 15 M. Sterling rückzahlbares Darlehn auf; da er nicht zahlte,
wuchs die Schuld fortwährend an, so daß sich der von den Gläubigern hart
bedrängte Magister an den Papst Lucius IIL wandte. Dieser befahl dem
Erzbischof 2), die Sache zu erledigen; da es für den Bürgen schwierig sein
würde, seine Zeugen zur Vernehmung nach England zu schicken, solle er
sich die beglaubigten Zeugenaussagen von bolognesischen Richtern über-
senden lassen. Aus einer Bulle desselben Papstes vom 9. Dezember 1181
ergibt sich, daß zwei Londoner Kleriker ebenfalls bei Kaufleuten von Bo-
logna Geld geborgt hatten ; der Prokurator eines anderen englischen Klerikers
hatte für sie gebürgt und schließlich für sie bezahlt; der Papst beauftragt
nun den Bischof von Ely und den Archidiakon von Norwich, die Schuldner
zur Erstattung des Geldes an den Prokurator zu veranlassen; der Bischof
von Bologna werde beglaubigte Abschrift von den Schuldurkunden, die bei
den Gläubigern beruhten, übersenden.^)
So war die durch die Bürgschaft von kurialen Klerikern und schließ-
lich durch die Autorität des Papstes gesicherte Rückerstattung die Vor-
bedingung, unter der die Geldleute an der Kurie noch am ehesten zur Ge-
währung von Darlehn bereit waren ; auf Einziehung der Schulden in der
Fremde ließen sie sich für gewöhnlich nicht ein. Im Jahre 1188 klagen
die Mönche von Canterbury bitter über das Mißtrauen der römischen Kauf-
leute, die nur bei Bürgschaft von Römern selbst zu Darlehn bereit seien, *)
Etwas anderes war es, wenn die höchste Autorität des Landes,
der König selbst, sich für die Rückerstattung solcher Darlehen ver-
bürgte. Die besonders engen Beziehungen gerade der englischen Krone
zur Kurie hatten die häufige Entsendung königlicher Gesandten und
Prokuratoren nach Rom zur Folge. Seit dem Ende der Regierung
König Richards können wir nun nachweisen, daß, wie es wohl auch
schon vorher vorgekommen, den Gesandten und Prokuratoren des
Königs die Beschaffung der an der Kurie erforderlichen Geldmittel
durch Mitgabe von Generalkreditbriefen ermöglicht wurde. ^) jl|
Auf eine bestimmte Summe lautend, waren sie entweder allgemein
an alle Kaufleute oder, und dies ist die Regel, an alle römischen und ita-
lienischen Kaufleute gerichtet und sprachen die Verpflichtung des Königs
aus, den Darlehnsgebem, die sich durch Vorweis des Generalkreditbriefs
selbst und einer über die erfolgte Hergabe des Darlehns aufgenommenen
Urkunde (gelegentlich wurde das Zeugnis des Papstes oder doch eines der
») J.-L. 12 787. Whitwell 1. c.
>) Zwischen 1181 u. 1184; J.-L. 14963; c. 3 X de fidejuss. (3, 22). Ganz unbe-
fangen redet der Papst von dem antiquum debitum plurimum augmentatum.
s) J.-L. 14532; c. 2 X de fidej. (3, 22) und c. 5 X de juram. cal. (2, 7). Whit- ^
well p. 223. M
*) Epp. Cantuar. p. 212 no. 230. "■
*) Geht aus den Rotuli claus. König Johanns (I p. 81) hervor. Unten § 315.
Handel mit England. 395
Kardinäle dafür erfordert) legitimieren würden, die gedachte Summe zu dem
iwischen dem Kreditnehmer und Kreditgeber vereinbarten Termin zurück-
«uerstatten. Selbstverständlich hat der "wirklich zur Auszahlung gelangte Be-
trag des Darlehns die Höhe der im Kreditbrief angegebenen Summe niemals
erreicht; in dieser Differenz lag der Vorteil des Gläubigers.
312. Solche Generalkreditbriefe sind uns von König Johann seit dem
Jahre 1200^) in größerer Zahl erhalten; offenbar zur Erleichterung der Geld-
aufnahme waren sie häufig in kleineren Abschnitten zu je 100 und 50 Mark
Silbers ausgestellt. 2) Einen ungewöhnlich hohen Betrag erreichten sie im
Jahre 1206, wo der König am 26. Mai 3) seinen Gesandten, die die Bestätigung
der kirchlichen Gerechtsame des Königs erwirken sollten, Kreditbriefe an
alle römischen und italienischen Kaufleute über 3000 M. Silber im ganzen
mitgab.
Mit solchen Kreditbriefen trat der König aber auch für die Großen
seines Landes ein, die an der Kurie Geschäfte zu erledigen hatten und auf
die Erlangung eigenen Kredits im fremden Lande nicht rechnen konnten;
durch die Verpfändung ihrer Besitzungen völlig gesichert, trat der König
auch in solchen Fällen den italienischen Gläubigern gegenüber als Selbst-
ßchuldner auf. Das ist der Sachverhalt, der dem Kreditbrief des Königs
über 500 M. Silber vom 6. Januar 1202 zugrunde liegt; in Wahrheit ist er
für des Königs Getreuen, Radulf Vicec. S. Susannae ausgestellt, für den
dessen Bruder Wilhelm de Rupibus außerdem dem Könige gegenüber die
Bürgschaft übernahm; das Gleiche ist der Fall bei vier Kreditbriefen des
Königs vom 17. April desselben Jahres über im ganzen 300 M. Silber, die
dem im Interesse seines Sohnes an die Kurie gehenden Radulfus Le Abbe
die Geldaufnahme zu ermöglichen bestimmt waren. 4)
Umgekehrt wirkte der König auch dem Kredit ihm feindlicher Per-
sonen entgegen. In einem solchen offenen »Antikreditbriefe« vom 30. März
1202 warnt er von Ronen aus alle italienischen Kaufleute, dem Prior von
Seez (nördl. Alengon), der gegen ihn arbeite, auf den Kreditbrief seines Ka-
pitels hin etwas zu borgen ; auf irgendwelche Zahlung von selten des könig-
lichen Schatzamts habe ein etwaiger Darlehnsgeber in keinem Falle zu rechnen,^)
Immerhin ersehen wir daraus, daß kirchHche Würdenträger in dieser Zeit,
wo sich der Generalkreditbrief schon eingebürgert hatte, auch schon hoffen
konnten, auf dieselbe Art und Weise an der Kurie Gelder flüssig zu machen,
zumal dann, wenn die Kurie mit ihrer Fürsprache für sie eintrat, die dann
freihch auch den kirchlichen Zahlungszwang in sich schloß. Ja, auch ohne
einen solchen Kreditbrief erachtete man es später für ausreichend ^) , wenn
ein Prälat oder auch ein bloßer Prokurator im Falle des Geldbedürfnisses die
Ermächtigung von selten des Papstes erhielt, ein Darlehn für die Bedürf-
») Rotuli Chart, p. 98 (15. Okt. 1200), 99 (28. Nov. 1200). Whitwell p. 189.
«) Rotuli pat. p. 5 (21. Jan. 1202 über 50 M. Silber), p. 10 (16. Mai 1202 fünf
Kreditbriefe über je 100 M. Sterl. und einer zu 60 M. ad expensas faciendas), p. 26
(26. Febr. 1203 drei Briefe desgl. und einer zu 40 M. ad expensas).
') Ebd. 65. Zu den vier Kreditbriefen über je 500 M. vom 20. Febr. 1207 s.
R. Pauli, Gesch. von England lU, 327.
*) Rot. pat. p. 4 (vgl. Goldschmidt 399), drei Urkunden ; p. 9 (zwei Kreditbriefe
zu 100, zwei zu 50 M. Silber): et ista 4 paria litterarum liberata sunt Rad. Le Abbe
pro negotio filii sui.
») Ebd. p 8. Vgl. Davidsohn I, 798.
*) Vgl. Berger, Saint-Louis etc. p. 110.
396 Achtundzwanzigstes Kapitel.
nisse seiner Kirche oder seines Klosters gegen Verpfändung ihrer Besitzungen
bis zu einer bestimmten Höhe aufzunehmen, da die Anwendung kirchhcher
Zwangsmittel für die Rückerstattung genügende Bürgschaft zu bieten schien.
Immerhin war es auch in solchen Fällen sehr erwünscht, wenn auch der
König seine Autorität einsetzte; so gab in einem offenen Brief an alle Kauf-
leute König Johann am 7. Dezember 1204 seine Genehmigung dazu, daß
Anleihen, die die an die Kurie gehenden Boten der Kirche von Gladstone
im Interesse ihrer Kirche bis zur Höhe von 700 Mark aufnehmen würden,
aus den Mitteln des Priors und Konvents von Gladstone gedeckt würden;
gleichzeitig sicherte er den Kaufleuten oder ihren Bevollmächtigten, die zur
Empfangnahme des Geldes nach England kommen würden, sicheres Geleit
für Hin- und Rückreise zu. i)
313. Auf diese Weise kamen also italienische Kaufleute in nicht
ganz geringer Zahl nach England, und zwar Leute von finanzieller
Leistungsfähigkeit, für die beträchtliche Kapitalien in England selbst
flüssig wurden. Nichts scheint natürlicher, als daß sie diese Kapi-
talien in Waren anlegten ; es wird dem Wunsche der Krone und des
Landes selbst entsprochen haben, wenn sie nicht das bare Geld aus
England mit sich fortführten.
In einem Falle, wo der König für ein vom Bischof von London in
Köln aufzunehmendes Darlehn gutsagte, fügte er für den Darlehnsgeber aus-
drücklich die Erlaubnis hinzu, das Geld in England zum Ankauf von Waren
unter Befreiung von der Zahlung des sonst in England übUchen Fünfzehnten
verwenden zu dürfen.'-^) Auch wenn solche Befreiungen für italienische
Kaufleute nicht statthatten, wird sich der Warenexport für sie gewinnbringend
genug gestaltet haben ; dabei ist noch nicht gesagt, daß sie diese Waren den
langen Weg bis in ihre Heimat führten ; schon in Flandern bot sich ihnen
namentlich für den Absatz der englischen Wolle die günstigste Gelegenheit.
Sicher haben die Kaufleute, die zum Zwecke des Inkassos nach England
reisten, sehr früh und sobald erst einmal feste Anknüpfungspunkte gegeben
waren, auch mit dem Import von Waren nach England begonnen, um auf
solche Weise ihren Gewinn zu steigern. Einige Spuren wenigstens von
solcher Tätigkeit haben sich in unseren Quellen schon für diese Zeit er-
halten. Der Pfarrer Lambert von Ardre (südl. Calais), dessen historia comi-
tum Ghisnensium, die er als Zeitgenosse geschrieben, bis 1203 reicht, spricht
bei der Namenserklärung seines Pfarrortes ganz beiläufig von Italienern, die
den Ort passiert hätten, um in England dem Handel nachzugehen. 3) Und
wir wissen schon, daß sich Innocenz IH. 1198, als er wegen jenes Überfalls
durch einen Pallavicini die Placentiner und Parmesanen strafen wollte, auch
an den König von England mit der Aufforderung wandte, die Waren ihrer
Kaufleute mit Beschlag zu belegen. 4) Es ist mindestens ein Zeichen des
gesteigerten Verkehrs fremder Kaufleute in England, wenn König Johann
am 5. April 1200 als seinen Willen kundtat, daß alle Kaufleute, von welchem
Lande auch immer sie wären, ungefährdet mit ihren Waren nach England
') Rotuli pat. p. 56.
2) Ebd. 39.
•) SS. XXIV, 609 : transitum per eundem locum f acientes quidam Italici, ut
in Angliam suam facerent negociationem.
«) Innoc. III Epp. I, 121 ff. (zuerst 21. April 1198). Winkelmann, Philipp 346.
Oben § 271.
I
4
Handel mit England. 397
kommen und das Land wieder verlassen dürften; sie sollten in England
denselben Frieden genießen, den die Engländer in der Heimat der betreffenden
Kauflaute genössen und nicht mehr als die herkömmlichen Abgaben zahlen.^)
Daß dabei auch an italienische Kaufleute gedacht ist, ist nach Lage der
Sache gar nicht abzuweisen. Eine Unterbrechung erlitten die italienischen
Handelsbeziehungen zu England, als König Johanns Sendung nach Rom
(1207) sich erfolglos erwies und es zu einem Bruche zwischen England und
der Kurie kam; der Tätigkeit der italienischen Kaufleute war damit der
Boden großenteils entzogen; nicht wenige wurden ausgeplündert; was noch
außen stand, schien verloren. Nach etwa 6 Jahren aber trat eine völlige
Wendung ein, da König Johann sich am 13. Mai 1213 genötigt sah, sich
als tributpflichtigen Vasallen des Papstes zu bekennen. 2)
Damit gewannen auch die italienischen Kaufleute wieder freie Hand ;
die rückständigen Forderungen, namentlich der römischen Kaufleute, wurden
nunmehr auf die dringende Fürsprache des Papstes befriedigt. Zu der Auf-
nahme neuer Anleihen boten die Verhältnisse reichHch Anlaß ; die Prälaten,
die am Ende des vierten Lateran- Konzils (1215) Rom verließen, wurden zu
beträchtlichen Spenden, die sie durch Anleihen bei den Kaufleuten, die mit
der Kurie in Verbindung standen, beschaffen mußten, förmlich gezwungen.^)
Daß die Bewegungsfreiheit der italienischen Kaufleute in England fort-
bestand, ergibt sich daraus, daß König Johann in der Magna Charta von
1215 die schon in dem Erlasse von 1200 ausgesprochenen Grundsätze er-
neuerte, gerade so wie es wenig später von seiten seines Sohnes Heinrich HI.
geschah. *)
314. Heinrich IH. zeigte sich während seiner Regierung den
Fremden durchaus freundlich gesinnt; namentlich seit 1224 erlauben
uns zahlreiche königliche Licenzbriefe, ein häufiges Gehen und Kommen
der italienischen Kaufleute in England zu beobachten.
Einen starken Impuls erhielt speziell der italienische Geldhandel
in England durch die von Gregor IX. in seinen finanziellen Nöten
wegen seines Kampfes mit dem Kaiser 1228 beschlossene und 1229
ins Werk gesetzte Besteuerung des Klerus.
Der Zehnte, der damals der Geistlichkeit des gesamten Abendlands
auferlegt wurde, hätte in England allein, wie Matthaeus Paris gelegentlich
angibt, über 200000 1. sterl. jährlich einbringen müssen.^) Im Jahre 1229
erschien der Kapellan des Papstes, Magister Stephan, mit einem Gefolge
von italienischen Kaufleuten zur Eintreibung des Zehnten in England — es
*) Rotuli Chart, p. 60. Kunze K., Hanseakten aus England (Halle 1891), p. V
polemisiert gegen Schanz (I, 381 f.), daß er in diesem Erlaß einen Umschwung gegen
früher sehe ; dazu sei der Inhalt zu dürftig, die praktische Durchführung sehr frag-
lich. Für die italienischen Kaufleute indessen ist sie sicher nicht fraglich und ein
Symptom für die allmählich eingetretene Veränderung in den kommerziellen Ver-
hältnissen ist der Erlaß jedenfalls.
«) PauU m, 374 ff.
') Papa . . . a singulis auxilium in pecunia postulavit, quam recessuri cum
viaticis cogebantur a mercatoribus curie Romane duris conditionibus mutuare. Matth.
Paris. Histor. minor ed. Madden TL, 174. Chron. maj. ed. Luard II, 635.
*) Schanz I, 381 f. Huvelin 376. Heinrichs Charta libertatum et consuet.
(12/XI. 1216) : Layettes I, 436 no. 1194.
*) Chron. maj. ed. Luard V p. 282. Berger, Saint-Louis 199 A. 1.
398 Achtundzwanzigstes Kapitel.
war das erstemal, daß die Kurie in solcher Form die Erhebung der in den
einzelnen Diözesen gesammelten Gelder und ihre Überführung nach Rom
vornehmen ließ, während früher besondere Boten oder die Ritterorden zur
Übermittelung der in den einzelnen Diözesen aufgebrachten Summen gedient
hatten, i) Diese Kauf leute zeigten sich nun nur zu sehr bereit, wo Barmittel
fehlten, die erforderlichen Vorschüsse, natürlich unter sehr erheblichen Vor-
teilen für sich, selber zu leisten. Matthaeus Paris bezeichnet sie geradezu
als nichtswürdige Wucherer, die ihr wahres Gewerbe mit dem Scheine des
Handels bemäntelt hätten ; auf diese Zeit führt er den Aufenthalt jener sich
selbst fälschlich als Kaufleute gebärdenden Wucherer von jenseits der Berge
im englischen Königreiche zurück, die darauf lauerten, namentlich diejenigen,
die die Kurie mit ihren Geldansprüchen bedränge, in ihre Netze zu ver-
stricken. 2) Diese Kawertschen (Caursini), wie er sie mit einem dem Volke
geläufigen Gattungsbegriff nennt 3), die sich selbst zuerst als Geldkaufleute,
nachher sogar als Kaufleute oder Wechsler des Papstes bezeichnet hätten,
hätten bald das ganze Land verpestet ; auch der König schuldete ihnen un-
geheure Summen; schlimmer als die Juden, zwängen diese päpstlichen
Wucherer die Leute, sich höherer Summen schuldig zu bekennen, als sie in
Wahrheit erhalten, beispielsweise für 100 Mark Sterl. 100 Pfund Sterl. (50 %
mehr) zu schreiben; wolle einer vor Ablauf des Jahres zahlen, so verlange
der Kawertsche doch die ganze in der Urkunde angegebene Summe, während
der Jude den Zins nur nach der verstrichenen Zeit berechne*)
Es ist kein Zweifel, daß diese Geldleute und ihre Helfer sich in kurzer
Zeit den Haß des englischen Klerus und Volkes zuzogen, dem weitere Nah-
^) Quellen bei Winkelmann 11, 41 A. 2. Gottlob, Kreuzzugssteuern p. 248. Im
Jahre 1189 z. B. Auftrag des Papstes an seinen Legaten, den englischen Peters-
pfennig zunächst nach Paris in das S. Viktorkloster zu schaffen. Epist. Cantuar.
p. 321 no. 333.
2) Chron. maj. ed. Luard HI, 188 f. (auch SS. XXVUI, 126). Patteta 314. Darnach
kann man nicht mit Schanz I, 551 sagen, daß M. Paris ihren Einzug erst auf 1235
datiere; seine eigene Darstellung (Chr. maj. ni, 332) würde dem entschieden wider-
sprechen. Hist. Angl. (1235) SS. XXVIU, 408; Hist. minor ed. Madden IH, 272;
Ohron. maj. ni, 328 f. Patetta 321.
2) Chron. maj. V, 245: usurarii transalpini, quos Caursinos appellamus. Außer
dieser Hauptstelle noch andere bei Patetta 314 A. 1. Einen interessanten Beleg
für die Tätigkeit der eigentlichen Cahorsiner besitzen wir aus dem Jahr 1216. Die
Kaufleute Hubert und Reginaldus Willelmi von Cahors hatten dem Erzbischof von
Dublin Geld geliehen und dieser hatte mit dem Verkauf von 51 Sack Wolle an sie
gezahlt. König Johann gewährt ihnen nun am 30. Juli sicheres Geleit durch sein
Gebiet für ihre Person und diese Wolle. Rotuli pat. p. 191. Der an zweiter Stelle
Genannte erhielt am 30. Juli 1224 eine bis nächste Ostern geltende königl. Licenz,
mit seinen Waren nach England zu kommen, wozu am 24. Sei)t. die bis Martini
gültige Erlaubnis trat, sich zur S. Aigulfsmesse nach Provins zu begeben und von
da nach England zurückzukehren. Patent Rolls I, p. 457, 472 ; dazu 11, 2, 144, 336.
Der amtliche Sprachgebrauch verstand unter mercatores Caurcini durchaus nur die
Kaufleute aus Cahors selbst; s. Close Rolls p. 458 und 576 (zu 1230 und 1231).
*) Chron. maj. ed. Luard V, 404. Gottlob, Kreuzzugssteuern 249. Die »forma
Caursinorum obligandi debitores« (Chr. maj. IH, 329) zeigt rein italienischen Cha-
rakter ; Goldschmidt 391 A. 30 a. Das Darlehn erschien für eine gewisse Zeit ganz
in der uns schon bekannten Weise als zinslos (in dem von M. Paris angeführten
Falle vom 24. April bis 1. August); dann wurden für je zwei Monate 10 Proz. Ver-
zugszinsen berechnet. Cunningham : The growth of english industry and commerce
(Cambridge 1890) p. 194; Ashley W. J., Engl. Wirtschaftsgesch., übers, v. R. Oppen-
heim I (Leipzig 1896), p. 203 f. Patetta 328. Oben § 308.
Handel mit England. 399
rung auch dadurch zugeführt wurde, daß seit geraumer Zeit schon eine
große Menge von enghschen Pfründen an itaUenische Kleriker vergeben
wurde. Schon 1232 fand Gregor IX. Grund zu bitterer Klage darüber, daß
seine Kuriere sowohl wie italienische Geistliche selbst von den Vasallen und
Hausgenossen des Königs auf das schwerste mißhandelt worden seien i),
ohne daß sich die Krone oder die hohe Geistlichkeit zum Einschreiten ver-
anlaßt gesehen hätte. Aber statt einer Abhilfe zu begegnen, vermehrte sich
das Übel fortwährend; 1235 fühlten sich jene Geldleute schon so mächtig,
daß sie die Mahnungen des Bischofs von London verlachten ; als er zur Ex-
kommunikation schritt, mußte er gegenüber der offenen Protektion, die ihnen
die Kurie zu teil werden ließ, zurückweichen ; ja er selbst wurde außerhalb des
Königreichs vor Richter, die den Caorsini günstig gesinnt waren, zitiert, um
sich wegen des den Kaufleuten des Papstes zugefügten Unrechts zu verant-
worten. 2)
Ist nach alledem eine starke finanzielle Ausbeutung, speziell des
englischen Klerus, durch jene italienischen Geldleute nicht zu be-
zweifeln, so gewann doch auch der legitime Handel der Italiener mit
England in dieser Zeit eine wachsende Ausdehnung. Es wird unsere
Erkenntnis nach mehr als einer Richtung fördern, wenn wir nunmehr
den Anteil der einzelnen Handelsplätze am englischen Handel bis
zur Mitte des 13. Jahrhunderts festzustellen suchen.
315. Kaufleute von Piacenza, Bologna und Rom sind es, die
wir am frühesten in kommerziellen Beziehungen zu England positiv
nachweisen können.
Piacenza war eine Hauptstation der Briten auf dem so häufig von
ihnen eingeschlagenen Wege nach Rom; Johann von Salisbury, der von sich
erzählt, daß er zehnmal die Alpen überschritten, weiß uns mancherlei von
seinem edelgebornen Gastfreunde in Piacenza zu berichten. ^) Gerade in der
Zeit, als Innocenz III. auch den König Richard Löwenherz zur Beschlag-
nahme aher Waren der Placentiner in seinem Königreiche auf forderte *),
lernen wir die Placentiner zuerst auch in engen finanziellen Beziehungen
zur englischen Krone kennen. Aus Anlaß des deutschen Thronstreits hatte
noch König Richard die Bischöfe Wilhelm von Angers und Robert von
Bangor sowie den Deutschen Stephan Riedel an die Kurie entsandt, um
dort für seinen Neffen Otto IV. zu wirken ; auf Kreditbriefe, die er ihnen
mitgegeben, hatten diese Gesandten bei einem Konsortium von Kaufleuten
aus Piacenza, das aus Speronus, Bagarotus, Isanbertus Salvagii und Gerardus
Spandorii^) und ihren Sozii bestand, ein Darlehn aufgenommen, das mit
2125 Mark Sterling rückzahlbar war. Darüber starb der König. Richards
Nachfolger Johann aber wies in einem aus Rouen vom 25. August 1199
datierten, an das Konsortium gerichteten Schreiben zunächst 625 Mark zur
Zahlung am nächsten Michaelistermin durch das könighche Schatzamt in
England an und versprach in gleicher Weise nächste Ostern und von da
») Auvray 806—808 (7. Juni 1232); Haller, Hist. Zeitschr. 91, 208.
«) Chron. maj. IH, 382. Patetta 317.
8) Metalogicum' 1. 3 (Ende 1159 oder Anfang 1160 geschrieben), SS. XXVII, 51
und Policraticuin 1. 4, ebd. 46.
*) Oben § 271.
*) Namensschreibung der Urkunden Salvag und Spandof. Letzterer Name
scheint verderbt; ich möchte an den sonst in Piac. vorkommenden Sperandio denken.
400 Achtundzwanzigstes Kapitel.
ab halbjährlich je 500 Mark zur Zahlung an die Gesellschaft anzuweisen^
was tatsächlich auch geschehen ist. i) So sind also Vertreter dieses Kon-
sortiums von placentinischen Geldleuten unzweifelhaft am Ende des 12. Jahr-
hunderts auf englischem Boden tätig gewesen ; es war ein Kapital von etwa.
130000 M., das damals, wenn auch in einzelnen Raten, an sie zur Aus-
zahlung gelangte und sicher nicht unverwertet geblieben ist. Das Interesse,,
das König Johann an seinem Neffen nahm, ließ seine Beziehungen zu den
placentinischen Kaufleuten auch in der Folge fortbestehen; am 3. Juli 1203
wies er den Schatzmeister zu sofortiger Zahlung von 300 Mark Silbers aua
den bereiten Mitteln oder doch den ersten Eingängen des Schatzamts an
placentinische Kaufleute an, die König Otto ein Darlehn gewährt hatten
auf die feierliche Zusage des Erzbischofs von Canterbury hin, daß der eng-
Hsche König die Rückzahlung übernehmen werde. 2) Durch diese Beziehungen
wurden gerade die Kaufleute von Piacenza auch während des Bruchs zwischen
England und der Kurie nach England geführt, zumal in der Zeit, wo König
Otto in Italien weilte und seine Kaiserkrönung erlangt hatte. Anfang 1210
waren Paganus Plangburni, Guidotto Pastorelli, Gerhard und noch ein vierter
Kaufmann aus Piacenza in England, um die Rückerstattung eines Darlehns
zu erwirken, das sie dem Kaiser auf den Namen und die Gutsage des eng-
lischen Königs hin, jedenfalls in Italien, gegeben hatten. 3) Offenbar sind
es nur einzelne Trümmer, die uns die Kenntnis der durch die Placentiner
vermittelten finanziellen Beziehungen zwischen Johann und Otto IV. erhalten
haben. Aus späterer Zeit haben wir für den Handel der Placentiner in
England nur noch einen, aber bemerkenswerten Beleg; ein mit den Waren
der placentinischen Kaufleute Isembardus, Johannes, Willelmus und Bere-
gundus befrachtetes Schiff erhält am 24. September 1224 die königliche Licenz
zur Überfahrt über den Kanal. 4)
316. Die Anknüpfung von Handelsbeziehungen mit England wurde den
Bolognesen schon dadurch nahegelegt, daß zahlreiche englische Scholaren
in Bologna ihre Studien machten ; früh auch haben englische Kleriker an der
Kurie gerade bei bolognesischen Kaufleuten Darlehn aufgenommen. ^) Damit
') Schreiben Johanns vom 25. August 1199 bei Rymer, Foedera I p. 78 (Record
Edition) und Rotuli Claus. I p. 31. Außerdem besitzen wir die Anweisung des König»
an das Schatzamt selbst auf Zahlung der dritten Rate binnen 14 Tagen nach Michaeli
1200, datiert Falaise 5. Juni 1200; Rotuli Chart, p. 96. Whitwell 194. Gegen Ab-
lieferung dieser Anweisung war beim Schatzamt schon die Anweisung auf Zahlung
der letzten Rate zu entnehmen. Doch scheint das Schatzamt am Michaelistermin
nicht zahlungsfähig gewesen zu sein, da der König seine Anweisung am HO. Okt.
in Gloucester erneuerte ; Rotuli de Liberate p. 8. Jedenfalls aber irrt Winkelmann,
Philipp 160, mit der Annahme, daß König Johann diese Schuld Richards nicht ge-
tilgt habe.
«) Rotuli Lib. p. 46.
') Ebd. 148. Der König weist am 5. Februar 20 M. Sterl. als Geschenk für
sie an. Im Jahre vorher findet sich (p. 143) eine Anweisung auf 38 7j Solidi >in
expensis mercatorum de Plac. per 6 dies preteritos« ; es handelt sich wohl um an-
dere Kaufleute, aber um dieselben Beziehungen. Winkelmann Philipp 160 A. 3 hat
die Natur derselben durchaus verkannt, wenn er die Anwesenheit der plac. Kauf-
leute von 1210 mit der Schuld von 1203 (die er irrig mit 3000 M. Sterl. angibt) in
Verbindung bringt. Noch im Jahre 1214 verwendet Otto neben Heinrich von Köln
und einem Magister Jacobus den Placentiner Presbyter zu einer Mission nach Eng-
land ; Rotuli Claus. I, 177. Winkelmann, Otto 383 A. 4.
*) Patent Rolls I, 472.
6) Oben § 311.
Handel mit England. 401
mag auch zusammenhängen, daß König Richard während seines Kreuzzuges
über See auch bei einem Konsortium von Kaufleuten aus Bologna eine An-
leihe kontrahiert hat, von der wir allerdings nur durch eine Forderung
Kenntnis haben, die fast 30 Jahre später erhoben wurdet) Im Jahre 1220
präsentierte Petrus Guibertini als Bevollmächtigter dieses Konsortiums dem
Könige Heinrich III. Urkunden, aus denen sich eine von jenem Anlaß her-
rührende Schuld der Krone von 300 M. Sterl. imd 100 1. tur. ergab. Der
König hegte erhebliche Bedenken an der Richtigkeit dieser alten Forderung ;
auf Fürsprache des apostolischen Legaten aber erklärte er sich schließlich
am 20. November gegen Auslieferung sämtlicher die Forderung betreffenden
Urkunden zur Zahlung einer Summe von 150 M. Sterl. bereit, womit sich
die Gläubiger auch zufrieden gaben. Der Bevollmächtigte erhielt seinen
Anteil von 25 M. sogleich ausbezahlt; die übrigen 125 M. wurden einem andern
Bolognesen, Gerardus Adalardi, übergeben, damit er sie am nächsten 1. Mai
beim Bischof von Bologna so lange deponiere, bis jeder der Gläubiger seine
Urkunden ausgeliefert und sich eidlich für völlig abgefunden erklärt hätte;
zu seinem Bevollmächtigten in dieser Angelegenheit ernannte der König den
in Bologna weilenden Archidiakon von Winchester.
Wir dürfen annehmen, daß diese Geldangelegenheit die Bolognesen
schon zur Zeit König Richards nach England geführt hat. Während der
Regierung König Johanns erscheinen sie in Gemeinschaft mit römischen
Kaufleuten im Jahre 1205 als Gläubiger des Erwählten von Winchester; der
König ordnet am 29. August die Verpfändung der verfügbaren Einkünfte
des Bistums für das laufende Jahr zum Zwecke ihrer Befriedigung an. Daß
sie auch mit dem Könige selbst in finanziellen Beziehungen standen, geht
daraus hervor, daß Johann nach seiner Aussöhnung mit der Kurie am
25. Juli 1213 zur endgültigen Abfindung einer bolognesischen Handelsgesell-
schaft 240 M. Sterl. zur Zahkmg an ihren bevollmächtigten Sozius anwies. 2)
Zur Zeit König Heinrichs III. gerieten die Bologneser Kaufleute Albergitto
und Pigalotto mit dem Bischof von Winchester in Differenzen ; er bean-
spruchte 400 M. Sterl. von ihnen, die sie nach seiner Behauptung für ihn
an den Bischof von Norwich zu zahlen schuldig gewesen wären. Der Bischof
erwirkte am 26. Juni 1222 einen für die Messe von Hoyland gültigen könig-
lichen Befehl zu Represalien gegenüber allen Bolognesen in Höhe von
400 M. ; die Bolognesen vermieden wohl einfach die Messe, denn am 17. Juli
1224 wurde ein gleicher Befehl, nunmehr mit Gültigkeit für London, Bristol,
Oxford, Lyon und Stamford erlassen. Auch jetzt fanden die Bolognesen
Mittel und Wege, die Ausführung zu verhindern ; denn nach 1 1/2 Jahren
(30. Dez. 1225) erging ein neuer, milderer Befehl an die Behörden von Ijon-
don und Stamford, alle Waren und alle Habe bolognesischer Kaufleute in
ihrem Bezirk so lange mit Beschlag zu belegen, bis sie ausreichende Kaution
dafür gestellt, daß sie Albergitto und Pigalotto zur rechtlichen Verantwortung
gegenüber dem Bischof wegen der 400 M. Sterl. nach England kommen
lassen würden 3); und am 13. September 1226 bat der König den Podestä.
von Bologna dringend, Befriedigung des Bischofs zu veranlassen, damit er
•) Patent Rolls I 260. Whitwell 193.
*) Rotuli Claus. I, 48 u. 146. Der Bevollmächtigte, Petrus homo Joliannis, war
ein Römer, wie das unmittelbar vorhergehende Mandat zeigt.
') Ebd. I, 501, 611; n, 91. Die Formen der Namen schwanken: Pichelotus,
Pagalettus; Albergetto gehört jedenfalls der bekannten Familie Pepoli an.
Schaube, Handelsgescbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 26
402 Achtundzwanzigstes Kapitel.
nicht genötigt sei, gegen die bolognesischen Kaufleute und ihre Waren in
England Gewalt anzuwenden, i)
Geht schon aus diesen königlichen Befehlen hervor, daß die Bolog-
nesen in England auch einen lebhaften Warenhandel trieben, so besitzen
wir dafür auch eine Reihe unmittelbarer Zeugnisse. Am 9. September 1208,
in der Zeit also; die den italienischen Kaufleuten in England sonst nicht
günstig war, gestattete König Johann den Kaufleuten Eleasar, Bonromanus
und Victorinus von Bologna, die 820 M. Sterl., die ihnen sein Getreuer
Robert, Rogers Sohn, für ein Darlehn zurückerstattete, zum Einkauf von
Tuchen von Stamford zu verwenden 2) und diese Tuche unbehindert zu
exportieren ; bis zum 30. November wurde ihnen zu diesem Zwecke sicheres
Geleit gewährt. Und für diesen Tuchexport schon zu König Johanns Zeit
aus England haben wir noch einen zweiten Beleg; der Hafenmeister von
Dover erhält im Jahre 1214 einmal von König Johann den Befehl, den
Kaufmann Johann von Bologna mit einem Ballen Tuche (cum uno tursello
pannorum) übersetzen zu lassen. 3)
Am 15. September 1220 wurden den Bologneser Kaufleuten Armeninus,
des Julius Sohn, und Hugolinus königliche Schutzbriefe auf die Dauer von
2 Jahren, von Michaeli an gerechnet, für das ganze Königreich für ihre
Person und ihre Waren ausgestellt. Hugolinus war noch über diese Zeit
hinaus in England tätig; im Jahre 1224 gehörte er mit seinen Landsleuten
Pelerinus, Bonamicus und Henricus de Clarissimis einer Handelsgesellschaft
an, die am 24. September für das mit ihren Waren befrachtete Schiff die
Überfahrtserlaubnis erhielt*) (also trotz der damaligen Differenzen der Bolog-
nesen mit dem Bischof von Winchester) ; und im Jahre 1226 erhielt er mit
seinem Landsmann Roaldus und mehreren florentinischen Kaufleuten zu-
sammen die Licenz, im Hafen von Sorham 10 Ballen (truscellos) zu ver-
laden und gegen Leistung der üblichen Sicherheit^) über den Kanal zu
führen. Eine ähnliche Licenz erhielten am 26. September 1229 auch die
Kaufleute Petrus Salo und Aldobrandino, die ebenfalls mit zwei Florentinern
assoziiert waren, für ihre Habe und ihre Waren (res et mercandisas suas);
doch durfte die Überfahrt nur auf einem Schiffe erfolgen, das höchstens
15 Pferde zu transportieren vermochte ; die Hafenbehörde von Sorham wurde
angewiesen, ihnen die Benutzung eines solchen Schiffes zu gestatten, ß) Solche
Tatsachen machen es begreiflich, daß die bolognesischen mercatores drapariae
Anghae um 1245 eine eigene unter besonderen Konsuln stehende Korpo-
ration büdeten. 7)
») Patent Rolls U, 85.
*) . . . implacare possint in haubergerio de Stamford emendo 820 m., quas . .
Rob. eis reddidit de prestito quod ei fecerunt, et illud haubergerium libere et sine
impedimento educere de terra nostra Anglie. Rotuli pat. p. 86. Haubergerium offen-
bar = haubergetti, haberjects ; vgl. Magna Charta rub. 35 : una latitudo (sit) per
totum regnum pannorum tinctorum et rusettorum et halbergettorum seil. 2 ulnaei
infra listas.
2) Rotuli Claus. I, 213.
*) Patent Rolls I, 248 u. 472.
*) . . . accepta ab eis debita et consueta securitate, et non obstante mandato
D. Regis, quod D. Rex eis fecit de navibus in portu suo arestandis. Rotuli claus. II,
137. Diese Maßregeln hängen wohl mit den kriegerischen Verwicklungen in Frank
reich zusammen.
«) Close Rolls p. 212.
">) Stat. Camps, rub. 81 in : Stat. Soc. Bol. II.
II
Handel mit England. 403
317. Mehrfach sind die Generalkreditbriefe König Johanns in
erster Linie an die römischen Kaufleute gerichtet^); lag es doch
auch am nächsten, sich an der Kurie an diese zu wenden.
So hatte Abt Roger von S. Edmund 1201 oder 1202 bei acht römi-
schen Kaufleuten mit päpstlicher Genehmigung eine Anleihe zu Kreuzzugs-
zwecken gemacht; nach seinem Tode trat Innocenz III. auf das entschie-
denste dafür ein (Januar 1203 und 2. Mai 1204), daß seine als Pfand be-
stellten Pfründen zunächst zur vollen Befriedigung der Gläubiger Verwendung
zu finden hätten. 2) Während eines Prozesses an der Kurie hatte ferner der
Prokurator der Abtei Evesham bei römischen Kaufleuten eine Schuld von
500 M. Sterl. kontrahiert; als er nun nach glücklicher Erledigung seiner
Sache im Jahre 1206 Rom verlassen wollte, erhoben die nicht befriedigten
Gläubiger Einspruch und belegten mit Erlaubnis des Papstes die von ihm
erwirkten Dokumente mit Beschlag. Mit diesen Dokumenten reisten sie
selbst nach England, um sie dort gegen Erstattung der Schuldsumme ein-
zutauschen; doch nun brach der Konflikt zwischen dem Könige und dem
Papste aus; bei der Ausplünderung der italienischen Kaufleute gingen auch
sie ihrer Dokumente verlustig und wurden aus dem Lande getrieben. Nach
der Wiederaussöhnung Johanns mit der Kirche im Jahre 1213 nahm sich
der Papst ihrer an ; Kardinal Pandulf sollte den Abt zur Zahlung der 500 M.
Sterl. zwingen. Als der Abt, offenbar weil die Gläubiger keine Beweisstücke
hatten, die Schuld nicht anerkennen wollte, wurde er schließlich abgesetzt;
sein Nachfolger hat dann im Jahre 1214 die Schuld getilgt. 3)
Auch diejenigen römischen Kaufleute, die vor Ausbruch des Konflikts
auf königliche Kreditbriefe Darlehn gewährt hatten, wurden jetzt befriedigt;
im Juh 1213 wies der König 3025 M. Sterl. (185000 M.) zur Zahlung an
Romanus Nicolai, Lucas Scarsus, Petrus Bobonis, Joeclenc Petri, Petrus homo
Johannis, Baldwinus und ihre Sozii an. Dazu traten für Romanus Nicolai
weitere 325 M. zur Tilgung der Schuld, die die letzte Gesandtschaft des
Königs an die Kurie bei ihm kontrahiert hatte. 4)
Um diese Zeit war ein vornehmer Römer, Petrus Sarracenus de An-
dreottis, in die Dienste der enghschen Krone getreten, in denen er lange
Zeit verblieb. Der König bewilhgte ihm eine erbliche Jahresrente von 20 M.
Sterl. und stattete seinen Sohn Johann mit einer reichen Pfründe aus^);
des Königs Kanzler Richard, Bischof von Durham, fügte im Jahre 1218 für
treu geleistete Dienste eine erbliche Rente von 40 1. Sterl. hinzu, die später
in Grundbesitz umgewandelt werden soUte. ß) Im selben Jahre schickte
König Heinrich III. ihn zusammen mit dem Bischof von Chichester und
zwei anderen Gesandten an die Kurie ; der Generalkreditbrief, den er ihnen
*) Z. B. Rotuli pat. p. 65 ; auch der Antikreditbrief Rot. claus. I, 8.
^) Potth. 2419. Migne 215 p. 223, 298. Luchaire A. : Innocent HL. et le peuple
romain in Revue Hiat. 81 (1903), 253. Über Schulden des Erwählten von Winchester
bei römischen und bolognes. Kaufleuten oben S. 401. Rot. claus. I, 48.
') Chron. abbatiae de Evesham (in Rer. Brit. SS.) p. 198, 225, 256. Luchaire 1. c.
*) Rotuli Claus. I, 146.
*) Erste Bewilligung der Rente 13. August 1212, Rot. chart. 187 ; dazu p. 202,
212, 216 u. Rotuli pat. 126, 135, 193. Auch die Römer Petrus Aniballi und Octa-
vianus erscheinen 1213/14 im königlichen Dienst. Rot. pat. 108, 117. Rot. claus. I,
140, 180.
•) Auvray 1351 (4. Nov. 1218). Bestätigung durch Honorius IH. (13. II. 1219),
Pressutti 1876; durch Gregor IX. (1. VI. 1233), Auvray 1350.
26*
404 Achtundzwanzigstes Kapitel.
mitgab, ermöglichte ihnen die Aufnahme von Darlehn bis zum Betrage von
6000 M. Sterl. 1) Die ständige Anwesenheit des bei Hofe einflußreichen
Mannes kam natürlich seinen Landsleuten wesentlich zustatten; in den
ersten beiden Jahrzehnten der Regierung Heinrichs IH. sehen wir sie noch
häufig in Geldgeschäften in England tätig.
Am 27. April 1221 trug Honorius HI. dem Legaten Pandulf, Erwähltem
von Norwich, auf, von den 250 M. Sterl., die der König bei ihm deponiert
habe, 150 M. für den römischen Bürger Jacobus Siccaficorus anzuweisen.
Drei Jahre später, am 15. Juni 1224, sandte der König durch einen ergebenen
Londoner Bürger 3300 M. Sterl. über den Kanal, um damit römischen Kauf-
leuten ein Darlehn zurückzuerstatten, das sie dem Könige zur Förderung
seiner Angelegenheiten an der Kurie gewährt hatten 2); die Erstattung sollte
wohl auf der Maimesse von Provins erfolgen. Auch ein Darlehn, das Bischof
Richard von Durham bei den Römern Juvenalis Manetti und Angelus Mai-
lardi aufgenommen hatte, war auf eine der Champagner Messen abgestellt;
da der Nachfolger Richards dem vom Papst mit dem Einschreiten beauf-
tragten Abt von S. Genovefa in Paris gegenüber eingewandt hatte, daß ein
päpstliches Privileg alle Engländer von der Verpflichtung, in Geldsachen
diesseits des Meeres Recht zu geben, entbunden habe, wies der Papst am
23. Januar 1231 darauf hin, daß das für diejenigen, die Zahlung an einem
außerenglischen Orte versprochen, nicht Geltung habe; am 20. Juli mahnte
er den König noch besonders, seine Großen und Barone darauf aufmerksam
zu machen. ^) In der Tat findet sich die Abstellung von Zahlungen auf die
Messen der Champagne von England aus nur verhältnismäßig selten. Am
1. Juni 1225 wies Heinrich lU. den Vorsteher des Wechsleramts in London
an, den römischen Kaufleuten, die ihm diese Anweisung überbrächten, aus
den Einkünften des Wechsels 1100 M. Sterl. zu zahlen; auch diese Summe
war zur Förderung seiner Geschäfte an der Kurie bestimmt.'*)
Bis nach Irland haben sich die Geldgeschäfte der römischen
Kaufleute in dieser Zeit ausgedehnt. Als Gregorius Alexii, Carazon,
Leo des Petrus Bobonis Sohn, Radulfus Alexii und Johannes Millarus
und ihre Sozii am 12. Mai 1229 die bis Ostern 1230 gültige königliche
Licenz erhielten, zum Zwecke der Einziehung der ihnen geschuldeten
Gelder nach England zu kommen, erhielten zwei von ihnen, Radulfus
Alexii und Carauzon, für sich und ihre Sozii dieselbe Licenz zugleich
auch für Irland^) — der einzige Fall, in dem wir bis 1250 italienische
Kaufleute in geschäftlichen Beziehungen zu der grünen Insel nach-
weisen können.
Als Gregor IX., um die auf ständigen Römer zu strafen, jenes
Schuldentilgungsverbot ^) erließ, hat das sicher auf die Stellung der
römischen Geldleute in England ungünstig gewirkt. Einige Jahre
darauf verloren sie auch die Stütze, die sie an Petrus Sarracenus ge-
») Patent Rolls I, 181. Brief des Königs an Hon. IH., 6. Nov. 1217; Shirley I, sMu
«) Pressutti 3293. Patent Rolls I, 535 f. ^"
') Auvray 538, 690 f. Über Angelus Magalottus, Generalbevollmächtigten des
Leonardus, Kanonikers von York, für England und Frankreich s. ebd. 1398 (3. Juni 1233).
*) Rotuli Claus. II, 42.
») Pat. Rolls II, 248.
«) Oben § 290.
Handel mit England. 405
habt. In den Jahren 1232 bis 1237 sehen wir ihn noch mehrfach als
Gesandten des Königs an der Kurie tätig, zugleich in der üblichen
Weise die erforderlichen Geldmittel beschaffend^); bald darauf aber
fiel er in die Gewalt des Kaisers, der in ihm einen gefährlichen Gegner
seiner Politik erblickte; vergebens forderte Gregor IX. im Jahre 1238
wiederholt seine Freilassung; in den Beschwerden des Papstes über
den Kaiser vom 7. April 1239 wird die Gefangenhaltung dieses Petrus
Sarracenus und seines Sohnes besonders betont.^)
Jedenfalls treten seit dieser Zeit die römischen Kaufleute im
englischen Geldverkehr mit Italien stark in den Hintergrund; es be-
zeichnet in der Tat eine veränderte Sachlage, wenn der König in
einem Antikreditbrief von 1242 zuerst die Florentiner, dann die Sie-
nesen und erst an dritter Stelle die römischen Kaufleute nennt.')
318. Wenn der Antikreditbrief König Johanns von 1202 als in
Betracht kommende Geldgeber neben den römischen und italienischen
Kaufleuten auch die toskanischen namhaft macht, so ist dabei in
erster Linie an die Sienesen zu denken. Das geht schon daraus
hervor, daß der König bei der Herstellung des Friedens mit der Kurie
auch die Kaufleute Sienas wegen ihrer älteren Forderungen abgefunden
hat; am 25. Juli 1213 hat er 325 M. Sterl, zu diesem Zweck zur Zah-
lung an den Römer Petrus Bobonis, den Bevollmächtigten der siene-
sischen Kaufleute, angewiesen.*)
Unter Heinrich III. treten uns die Sienesen zuerst im Waren-
handel mit England entgegen. Ranuchius Spinelli und Restorus
Gregorii erhalten am 9. Juli 1224 zusammen mit zwei Florentinern
einen bis Weihnachten gültigen Schutzbrief, der sie ermächtigt, mit
ihren Waren gegen Leistung der herkömmhchen Abgaben zum Zwecke
des Handels nach England zu kommen, während ein dritter Sienese,
Edmund, am 24. September zusammen mit Bolognesen für das von
ihnen gemeinsam befrachtete Schiff die königliche Licenz zur Über-
fahrt über den Kanal erhält.^)
Im Jahre 1227 sehen wir den Sienesen Gregor Palmerio im
Pfandbesitze der Ländereien und Einkünfte des Robert Passelewe, der
während eines Aufenthalts an der Kurie beträchtliche Summen von
ihm entliehen hatte; im JuH des Jahres hat ihm der König besondere
Schutzbriefe für diesen Pfandbesitz ausgestellt.^) Es entspricht das
der wichtigen Rolle, die die Sienesen damals in den finanziellen An-
gelegenheiten der Krone zu spielen begonnen hatten.
Am 22. März 1226 weist der König im Interesse seines in der Gas-
cogne tätigen Bruders Richard den Bischof von Salisbury zur Zahlung von
») Pat. Rolls n, 471 (8. auch 200, 452, 462). Bond 261 f. no. 5 und 7. Shirley
II, 12 f. Auch zum Könige von Aragon trat er 1236 in enge Beziehungen ; Auyray 3299.
«) Rodenberg I, 629 u. 638 (no. 730 u. 741.)
") Röles gascons I, 161 no. 1207.
*) Rotuli Claus. I, 146.
») Patent Rolls I, 448, 472.
•) Ebd. n, 135 ff.
406 Achtundzwanzigstes Kapitel.
1680 M. Sterl. aus den Erträgen des Fünfzehnten an die sienesischen Kauf-
leute Jacopo Pieri, Bartolommeo Cirioli und Baroncino Alamanni an^) und
aus den nächsten Jahren liegt uns eine ganze Reihe von Zahlungsanweisungen
des Königs an sienesische Handelsgesellschaften vor^), die seinen Bevoll-
mächtigten an der Kurie auf Kreditbriefe Gelder vorgestreckt hatten; unter
ihren Mitgliedern begegnen wir den bekannten Namen der Rainerio Rolandi,
Ugolino Gentile, Restoro di Jacopo, Piccolomini Ultramonte, Turchio Clar-
montesi u. a. Der König selbst nahm im März 1232 bei zwei sienesischen
Konsortien in London Anleihen von 360 und 860 M. Sterl. auf; den An-
gehörigen derselben sowie dem Einzelkaufmann Contadino stellte er gleich-
zeitig 3) bis Weihnachten gültige Licenzen aus, mit ihren Waren in England
unbehindert Handel treiben zu dürfen. Daß die Sienesen sich in dieser Zeit
gerade in solcher Zahl mit dem englischen Geldgeschäft befaßten, macht
es sehr wahrscheinlich, daß sich auch im Gefolge des Magisters Stephan,
der im April 1229 auf dem Reichstage zu Westminster erschien und die Er-
hebung des päpstlichen Zehnten vom englischen Klerus durchsetzte, vorzugs-
weise sienesische Kaufleute befunden haben werden. ^) Ist doch der Sienese
Angelerius Solaficus als Bankier des Papstes am Anfang der dreißiger Jahre
auch in England tätig gewesen^); auch später setzte er seine finanziellen
Beziehungen zu England fort, indem er mit seinen Sozii dem Prokurator
des Königs an der Kurie, Robert de Sumercot, in der üblichen Weise Geld
lieh, das ihm auf Anweisung des Königs vom 8. November 1237 mit 400 M.
Sterl. erstattet wurde, ß) Noch mehrere solche Anweisungen für sienesische
Kaufleute besitzen wir aus dieser Zeit (1237 und Anfang 1239)'^) und selbst
als der Zorn des Papstes sich über den Sienesen wegen ihrer ghibellinischen
Haltung entlud und sein Zahlungsverbot auch an alle geistlichen Würden-
träger und edlen Herren im englischen Königreiche ergingt), scheint das
ihre Stellung in England kaum vorübergehend erschüttert zu haben. Zwar
verbot der König nach dem Bericht des Matthaeus Paris Anfang 1240 den
Caursini, insbesondere den Sienesen, wegen ihres wucherischen Treibens das
Land, aber er fügt sogleich hinzu, daß sie, um so guter Weide nicht ver-
lustig zu gehen, durch Geldzahlungen erreicht hätten, ihren Aufenthalt in
England heimlich fortsetzen zu dürfen y), und bald genug muß auch jede
^) Ebd. 24. Vier Monate zuvor hatte der König seinem Bruder alle Einnahmen
aus der Zinnproduktion von Cornwall übertragen (ebd 3); ea» liegt nahe anzunehmen,
daß sich auch die Sienesen an der Zinnausfuhr beteiligt haben.
ä) Bond 261 f. no. 1—4. Whitwell 190, 208 und die Tabelle 226 ff.
s) Pat. EoUs 11, 515, 466. Whitwell 194. Im selben Jahr begegnen Rainer
und Sozii von Siena als Geldleiher in England. Calendar of Charter Rolls I, 169.
*) Oben § 314.
') Mengozzi I, 13 A. 5.
«) Bond 262 no. 6.
") Ebd. no. 7 — 9. In Anweisung no. 7 heißt es zwar : Vermeyo Laurencii et
Reynero Orlandi, mercatoribus Romanis; der an zweiter Stelle Genannte ist aber
unzweifelhaft der uns bekannte Sienese Rain. Rolandi. Die juristische Seite dieser
Anweisungen ist behandelt von H. Brunner: Die fränkisch-romanische Urkunde
als Wertpapier in : Forsch, z. Gesch. des deutschen u. französ. Rechts (Stuttgart 1894)j
p. 543 A. 1.
8) Oben § 280.
») Chron. maj. ed. Luard IV, 8. Patetta 311. Patetta kennt das Dekret dei
Papstes gegen die Sienesen nicht ; daher will er das Verbot mit der Verabschiedung
des päpstlichen Legaten durch den König (Chr. maj. IV, 5) zusammenbringen, p. 329 f.
Handel mit England. 407
Heimlichkeit wieder geschwunden sein; für Ranuccio Barbotti und seinen
Sozius Hugo mag. Pagani werden schon am 26. Dezember 1240 wieder 50 M.
und 100 sol. zur Erstattung eines Vorschusses angewiesen, den sie zur För-
derung der Geschäfte des Königs an der Kurie zweien seiner Prokuratoren
gewährt hatten, i) Ranuccio Barbotti erscheint überhaupt in dieser Zeit als
eine Art Bankier des Königs; schon 1238 hatte er dem Alexander le Setuler,
der längere Zeit als englischer Prokurator an der Kurie gewirkt hat, ein
Darlehn gegeben 2), und 1242 gab er 200 Mark Vorschuß zum Ankauf- von
Perlen und anderen Gegenständen zu Lasten der königlichen Garderobe.
1244 sehen wir ihn zusammen mit Hugo Pagani und zwei florentinischen
Kaufleuten wieder mit der Geldübermittelung an den Prokurator Alexander
und seinen Kollegen Heinrich von Susa befaßt; der König hat zu diesem
Zweck 1300 M. Sterl. angewiesen. ^) Auch von dem englischen Jahrestribut
an den Papst vom Jahre 1248 wissen wir, daß er in Höhe von 1000 M. Sterl.
je zur Hälfte durch eine sienesische und eine florentinische Gesellschaft an
die Kurie gezahlt worden ist. 4)
Bringt es die Natur der bis jetzt bekannten Quellen mit sich, daß wir
hauptsächlich von den finanziellen Beziehungen der Sienesen zur englischen
Krone erfahren, so kann ims ein Beispiel anderer Art lehren, daß auch so manche
Kirche und manches Kloster in finanzielle Abhängigkeit von ihnen geraten
sein wird. Im Jahre 1250 nahm ein Kloster der Diözese Lincoln bei Jacopo
Uguccione und Godefredo Reynerii als den Vertretern ihrer Handelsgesell-
schaften ein Darlehn auf, das im nächsten Jahre in zwei Raten mit 188 M.
Sterl. im »Neuen Tempel« zu London zu erstatten war; im Nichtzahlungs-
falle traten die uns bekannten Bußen ein: je 10% der Schuldsumme für
jeden Zeitraum von 2 Monaten (also entsprechend dem von Messe zu Messe
laufenden Termin in der Champagne) und Erstattung der vollen Auslagen
für einen Kaufmann (mit Pferd und Diener), dem die Beitreibung der Schuld
aufgetragen war.^)
319. Später als die bisher genannten Handelsnationen treten die
Florentiner auf dem englischen Schauplatz auf; dennoch sind sie
schon am Ende unserer Periode im Begriff, alle anderen, auch die
Sienesen, zu überflügeln.
Zur Zeit König Johanns waren sie an den kurialen Anleihen Englands
noch nicht beteiligt; die einzige mir bekannte Beziehung von Florenz zu
England aus dieser Zeit besteht darin, daß Compaignus, dessen sich König
Otto im Jahre 1209 zur Ausrichtung einer Botschaft an den englischen König
bediente, ein Florentiner war. ß)
Nicht eher als 1224 können wir die Beteihgung von Florentinern an
einer der bekannten englischen Anleihen in Rom nachweisen; sie ist für
uns noch darum von besonderem Interesse, weil wir in diesem Fall sogleich
auch den engen Zusammenhang dieser Darlehn mit dem Warenhandel genau
erkennen. In Verfolgung der Geschäfte des Königs an der Kurie hatten
1) Bond 263 no. 10.
') Am 10. Januar 1239 zur Rückerstattung angewiesen; ebd. no. 9. •
») Ebd. no. 12—14.
*) Ebd. 265 no. 21. Anweisung zur Rückerstattung vom 9. Mai 1249.
») Patetta 322 ff.
*) König Johann läßt ihm ein Geschenk von 20 sol. anweisen. Rotuli lib.
p. 133.
408 Achtundzwanzigstes Kapitel.
Stephanus de Lucy und Godefredus de Crawecombe bei der Gesellschaft
des florentinischen Kaufmanns Johannes Galfredi und dem Römer Gerhardus
Johannis Nicolai ein Darlehn aufgenommen, das mit 500 M. Sterl. zurück-
zuerstatten war. Die florentinische Gesellschaft schickte ihre Sozii Guido
della Spata und Simonettus Paganelli zum Inkasso nach England ; am 9. Juli
1224 wurde für sie, ihren Landsmann Donatus und verschiedene sienesische
Kaufleute ein bis Weihnachten gültiger königlicher Geleitsbrief ausgestellt,
der ihnen gestattete, mit ihren Waren nach England zu kommen. Die Ver-
zögerung, die in der Rückzahlung eintrat, nutzten die beiden Sozii zu Handels-
zwecken aus ; am 24. September erhielten sie mit ihren Landsleuten Michael,
Cambio und Marinello für ein von ihnen befrachtetes Schiff die Licenz, von
einem englischen Hafen aus den Kanal zu kreuzen. Am 22. Oktober wurden
dann die 500 M. Sterl. zur Zahlung angewiesen ; der König gewährte ihnen
zur Deckung der Unkosten wegen der Verzögerung am 25. Oktober noch
4 M. Sterl. (etwa 250 M.) außerdem, und gestattete ihnen gleichzeitig, mit
ihrer Habe und ihren Waren nach der Normandie überzufahren, i)
Aus dem Jahre 1226 kennen wir zwei königliche Anweisungen vom
8. Juli und 8. Oktober in Höhe von 30 und 60 M. Sterl. für die florentini-
schen Kaufleute Manerius Dedy Guascone, Manuellus und Cambius, die dem
Magister Philipp von Hatham an der Kurie Geld vorgestreckt hatten 2) ; am
9. Oktober erhält Cumpaignus, der Faktor (homo) Cambios, die Erlaubnis,
auf einem kleinen Schiffe (innavicula quadam) von Sorham aus mit den
Waren Cambios überzusetzen. ^) Die gleiche Licenz hatten im Juli Donatus
de Saffre, Lazarus fil. Radulfi, Manuellus Bonaccorsi erhalten und am 14. Sep-
tember begegnen wir dem Donatus und Eleazar (= Lazarus) wiederum, wie
ihnen mit drei anderen italienischen Kaufleuten gestattet wird, von Sorham
aus 10 Ballen über den Kanal zu führen. Zwei anderen Florentinern mit
ihren beiden Dienern (gar§ones) ist endlich im selben Jahre eine solche
Überfahrtserlaubnis für den Hafen von Dover erteilt worden-*), und am
12. Juh des nächsten Jahres haben Abbate Stoldi und Simonetto Paganelli
die Erlaubnis erhalten, bis MichaeU 1228 mit ihren Waren in England Handel
zu treiben. 5)
Im Jahre 1229 kam es in London zu einer Ausschreitung, indem ein
Angestellter eines florentinischen Kaufmanns einen Mann des Bernhard von
Grimsby schwer verwundete, worauf Major und Vicecomites von London
den Stephanus Manotti, Sillate, Jacobus, Tancredus und andere florentinische
Kaufleute mit ihrem Personal gefangensetzen und ihre Habe mit Beschlag
belegen ließen. Doch befahl der König am 31. August die Aufhebung dieser
Maßregeln, sobald sie ausreichende Bürgschaft dafür leisteten, sich dem Ge-
richt des Königs auf Erfordern prompt zu stellen. Das geschah, indem
die Gefangenen, jedenfalls mit beträchtlichen Summen, am 3. September
gegenseitig für sich die Bürgschaft übernahmen und zur größeren Sicherheit
noch vier andere Florentiner (Guido, Aumerus, Vaillandus und Bonzelacus
') Eotuli Claus I, 627, 652; 628, 654. Patent Rolls I, 448, 472.
• 2) Rotuli Claus. H, 128, 141.
') Ebd. 141.
*) Ebd. 128, 137 (decem truscellos suos in una navi ducendos usque in partes
transmarinas). In diesen Fällen von 1226 sind uns nicht die Licenzen selbst, sondern
die an die baillivi der betreffenden Häfen gerichteten Mandate erhalten.
») Patent Rolls 11, 133.
Handel mit England. 409
werden sie genannt) für die Wirksamkeit dieser Bürgschaft garantierten, i)
Mehrere der Genannten haben noch im September, Jacobus am 18., Aimerus
und Spilatus (offenbar identisch mit Sillate) am 26. die Erlaubnis erhalten,
mit ihren Waren und denen ihrer Sozii von Sorham aus auf kleinen Schiffen,
die den Transport von höchstens 15 Pferden gestatteten, über den Kanal zu
setzen. 2) Im Jahre 1231 schritt der König auf eine Beschwerde des Kar-
dinals Thomas von S. Sabina gegen den florentinischen Kaufmann Deute-
salve ein, der 44 M. Sterl., die ihm von dem Prokurator des Kardinals in
England zur Übermittelung von England nach Rom anvertraut waren, nicht
abgeliefert hatte; Major und Vicecomites von London sollten einen ent-
sprechenden Teil seiner Habe beschlagnahmen und, wenn nötig, versteigern
lassen, um den Kardinal zu befriedigen. Einen anderen ungetreuen Flo-
rentiner aus dieser Zeit, Tignosus, den Sozius zweier vornehmer Römer, der
auch in England Schulden machte, haben wir bei anderer Gelegenheit schon
erwähnt. 2) Umgekehrt ließ sich ein florentinisches Konsortium, Ubertus,
Willelmus Clarissimi u. a. durch das betrügerische Vorgehen eines Klerikers
von Glasgow verleiten, auf einen schon einmal benutzten Kreditbrief des
Bischofs und Kapitels von Glasgow hin ein Darlehn von mehr als 1000 M.
Sterl. zu gewähren. 4)
320. Die ziemlich zahlreichen Nachrichten, die wir sonst aus dieser
und der nächsten Zeit über die florentinischen Kaufleute in England haben,
betreffen sämtlich ihre finanziellen Beziehungen zur Krone. Im März 1232 5)
nahm Heinrich HI. bei einem florentinischen Konsortium ein Darlehn von
1200 M. Sterl. auf, und im folgenden Jahre wies er für den uns schon be-
kannten Compaignus und seine Sozii 600 1. St, an, die dieser (wie es scheint,
ohne Kreditbrief), an der Kurie dem Petrus Sarracenus und seinem Mit-
gesandten vorgestreckt hatte; eine weitere Zahlung von 50 Pfund Sterl. als
»Geschenk« sollte als Ersatz für Schäden und Kosten dienen. 6) Im Jahre
1242 erregte die Gesellschaft des Franchettus den Zorn des Königs dadurch,
daß sie dem Mönch Richard von Winchester und seinen Komplicen, die dem
Könige an der Kurie entgegenarbeiteten, ein Darlehn gewährt hatte; er be-
fahl dem Erzbischof von York, den Prior und seine Kirche vor jeder Be-
lästigung von dieser Seite zu schützen und alle Habe der Gesellschaft bis
auf weiteres mit Beschlag zu belegen. '')
Dagegen war damals ein anderer Florentiner, Clarius (oder Claras)
Hugolini, mit seiner Gesellschaft "vielfach als Bankier des Königs tätig. Vor
dem päpstlichen Legaten gewährt er am 13. August 1240 zusammen mit
seinen Landsleuten Felinus Guilelmi und Renuchitius Bonaccursi dem
Könige ein Darlehn von 600 M. Sterl., das 15 Tage nach Michaeli im Neuen
Tempel zu London zu erstatten war; und im Oktober des Jahres erhält er
ein Geschenk des Königs wegen der Mühewaltung, die er bei der Beschaf-
*) Close Rolls 202, 205. Die Florentiner werden hier auch als >mercatores de
Ivumbardiac bezeichnet.
«) Ebd 209, 212.
») Ebd. 528. Oben § 285.
*) Auviay 2325. Da Gregor IX. in dieser Sache an die Äbte von S. Denis und
S. Genovefa und den Kanzler in Paris schreibt (22. Dez. 1234), so war jedenfalls
eine der Champagner Messen oder Paris selbst als Erfüllungsort bestimmt.
») Patent Rolls n, 514. Whitwell 194.
«) Bond 261 no. 5. Whitwell 228 f. Shhley I, 403 f.
») Röles gascons I, 115 no. 865 (Bordeaux 22. H. 1242).
410 Achtundzwanzigstes Kapitel.
fung von Geldmitteln für die Prokuratoren des Königs an der Kurie ge-
habt, i) Den Gesandten, die der König 1241 an Kaiser Friedrich IL nach
Italien schickte, hatte er nach ihrer Ankunft 300 M. Sterl. auszahlen zu lassen ^),
und mehrere kleinere Beträge sollte er im folgenden Jahre von einer Summe,
die der König von Bordeaux aus auf das Schatzamt für ihn anwies, ver-
schiedenen an der Kurie weilenden Engländern übermitteln. ^) Das Ersuchen
des Königs vom 5. Juli, dem Abt von Hautecombe und dem Mag. Bernardus
de Romaunz, die er an die Kurie sende, ein Darlehn von 1000 M. Sterl. zu
geben, muß Clarus allerdings wohl abgelehnt haben, da der König für die
Genannten am 12. August einen Generalkreditbrief in gleicher Höhe aus-
gestellt hat 4); dagegen hat er im Jahre 1244 wieder mit seinem Landsmann
Felinus Guillelmi und der sienesischen Gesellschaft des Ranuccio Barbotti
die Übermittelung von 1300 M. Sterl. an die königlichen Prokuratoren an
der Kurie besorgt 0) und in den Jahren 1246 und 1247 ist die Auszahlung
der Jahresrente von 500 M. Sterl., die der König dem Grafen Thomas von
Savoyen ausgesetzt hatte, durch seine Vermittelung vor sich gegangen. 6)
Dem erwähnten Felinus Guillelmi begegnen wir auch sonst noch mehr-
fach als Bankier des Königs; in den Jahren 1247 und 1248 gab er Vor-
schüsse zur Bezahlung der Söldner und für den Hüter der königlichen Gar-
derobe, wie wir aus Anweisungen über 500 Mark und 350 Pfund Sterl., die
auf seinen Namen lauten, erfahren.'^) In dieser Stellung am Hofe des
Königs ist er gestorben; für seinen Bruder Deutajuti wies der König am
27. April 1250 eine Summe von 100 Pfund Sterl. an, die er dem Verstor-
benen aus verschiedenen Teilbeträgen noch schuldete. 8) Wenige Monate
später sehen wir den Florentiner Tolosanus die Stelle des Felinus einnehmen ;
er streckt für den Grafen von Leicester, Simon von Montfort, zu mihtäri-
schen Zwecken in der Gascogne, aber auch für die Verwaltung der Gar-
derobe der Königin beträchtliche Summen vor, die der König später durch
Anweisungen auf das Schatzamt deckt. 9)
Auch noch anderer florentinischer Gesellschaften hat sich der König
gelegentlich bedient; so sind an der Zahlung des englischen Jahrestributs
von 1248 an den Papst zusammen mit fünf Sienesen die Florentiner Mai-
netto Spinetti, Benvenuto GuiUelmi, Hugo Gilberti, Hugo Simonetti und
Gherardo Riccobaldi, jeder wahrscheinlich mit 100 M. Sterl., beteiligt ge-
wesen. 10) Im ganzen ergibt sich, daß in der Mitte des 13. Jahrhunderts die
• i
») Whitwell p. 230 u. 197. »■
*) Bond 263 no. 11. Über Weiterungen betr. ein Darlehn, das ein englischer
Gesandter beim Kaiser, Barthol. Pesce, im Jahre 1243 in Höhe von 20 M. Sterl. bei
florentiner Kaufleuten aufnahm (er hatte die Zahlungsfrist nicht innegehalten, wes-
halb sie >expensae< für einen Kaufmann fordern, die schließlich auch mit 2 M. Sterl.
gewährt werden): Röles gascons no. 1477 u. 1870.
*) Röles gascons no. 882 (966 zurückgenommen), 969, 1118.
*) Ebd. 1057, 1116.
*) Bond no. 13, 14.
8) Ebd. p. 264 no. 16, 17.
') Ebd. no. 18, 19.
*) Ebd. 265 no. 20. Der auch sonst oft verstümmelte Name Deutajuti (Gott-
helfedir) lautet hier : Dentaduitus. nl
«) Ebd. no. 22. Shirley II, 382. ^1
^°) Bond no. 21. Für ein Darlehn, das Spilettus und seine Sozii einem Magi-
ster an der Kurie in Lyon gewährt hatten, weist der König am 13. Juni 1245 100 Pfd.
Sterl. zur Zahlung an Aymericus Cosse und Mainettus Robertini an ; ebd. no. 15.
4
Handel mit England. 411
florentmischen Bankiers am englischen Hofe den sienesischen schon den
Rang abgelaufen hatten; auf ihre ganze Stellung im Lande und auch ihren
Warenhandel konnte das nur günstig zurückwirken. Wenn ein Kloster im
Bezirk Winchester im Jahre 1259 an florentinische Kaufleute 400 Sack
Wolle für 1414 M. Sterl. verkauft hat^), so ist mit Sicherheit anzunehmen,
daß ähnUche Geschäfte auch schon vor der Mitte des Jahrhunderts gemacht
worden sind, zumal einer der beiden Käufer, Hugo Simonetti genannt »Mace«
(Mazzi), uns schon bei der Übermittelung des englischen Jahrestributs an
den Papst begegnet ist. Man« zahlte an der Kurie und legte das in Eng-
land flüssig werdende Kapital in weiteren Handelsgeschäften an. Als ein
bescheidenes, aber darum doch lehrreiches Zeugnis für solche Wareneinfuhr
aus England werden wir auch die »gonella de stanforte de Inghil terra de
Ron tone« im Werte von 44 sol. pis. anzusehen haben, die im Jahre 1248 als
Begräbnisgewand in San Gimignano begegnet. 2)
321. Von Handelsbeziehungen anderer Städte Ober- und Mittel-
Italiens zu England hören wir nur sehr wenig.
Die beiden Gesandten Mailands aus dem Ritterstande, denen Hein-
rich HI. im Juli 1221 bei ihrer Rückreise als Geschenk 40 M. Sterl. über-
weisen ließ, sind sicher aus politischen Gründen nach England gekommen ;
auch der Mailänder, dem der König im November 1223 bei seiner Heim-
kehr 10 M. Sterl. schenkte, wird ein Bote seiner Vaterstadt gewesen sein. 3)
Dagegen sehen wir im Jahre 1214 zwei Brüder aus Parma, Jakominus und
Albertus, dem Könige Johann wertvolle Pferde verkaufen ; auch einen Remo-
votto von Lucca finden wir im Jahre 1243 in England im Pferdehandel
tätig*); wichtiger aber ist, daß in dieser Zeit (1244 und 1246) die ersten
Vertreter der großen lucchesischen Gesellschaft der Ricciardi als Händler
mit seidenen und kirchlichen Gewändern nachgewiesen sind, s)
Auch die Seestädte Italiens hatten in unserer Zeit noch keine
näheren Handelsbeziehungen zu England.
Die Verbindung, die sich zur Zeit des 3. Kreuzzuges zwischen Pisa
und England durch seine finanziellen Beziehungen zu König Richard an-
gesponnen hatte 6), hat weiteren Fortgang nicht gefunden, zumal die Pisaner
den Geldhandel nur in geringem Maße pflegten. Genuesen treffen wir
am Anfang des 13. Jahrhunderts zwar mehrfach in England (in den Jahren
1204 — 1210), aber die Waren, die sie nach England brachten, bestanden aus-
schließlich in Armbrüsten, die sie an den König Johann verkauften.') Im
Jahre 1224 trat der genuesische Kaufmann Anseimus (Ansaldus) de Mallono
in die Dienste Heinrichs III. ; der König wies ihm nach seiner Ankunft am
7. Dezember 5 M. Sterl. Reisekosten an und verlieh ihm am 26. Januar 1225
*) Genehmigung des Papstes, Anagni 21. August 1259. Calendar of Papal Re-
gisters. Papal Letters I (London 1893) p. 366.
*) Davidsohn Forsch. 11 no. 2446.
») Rotuli Claus. I, 465, 574. Dazu Shirley 1, 215, 274 f.
*) Rot. Claus. I, 180. Röles gascons no. 2057.
») Durch Whitwell (Viertel jahrschr. f. Soz. u. Wirtsch.-Gesch. n, 1904 p. 26),
aus den ungedruckten Liberate Rolls (Chane.) 28 H. III m. 7, 30 H. in m. 8,
«) Oben §310.
') Rotuli lib. p. 78 von 1207: Johannes balisterius de Genua; p. 100: RufEus
archerius von Genua (noch 1210 im Dienste des Königs, p. 229). Rotuli claus. I,
39 (1205), 76 (Zahlung von 160 M. Sterl. an den mag. Benedictus von Genua pro
balistis quas ab eo emimus und von 40 M. Sterl. als Geschenk).
412 Achtundzwanzigstes Kapitel.
eine erbliche Jahresrente von 30 M. Sterl., die in mindestens gleichwertigen
Grundbesitz umgewandelt werden sollte i); wir wissen, daß sich der König
seiner zu einer Gesandtschaft an den Sultan von Damaskus bedient hat. 2)
Dagegen finden wir einen Kaufmann Raimund von Venedig wirk-
lich im englischen Handel tätig; er hatte sich vier Kaufleuten aus Piacenza
angeschlossen und erhielt mit ihnen zusammen am 24. September 1224 eine
Licenz für die Überfahrt des mit ihren Waren befrachteten Schiffes nach
dem Festlande. ^) Wahrscheinlich ist er mit dem in Venedig naturalisierten
Engländer gleichen Namens identisch 4), dessen Sohn Gilius (Aegidius) mit
der Tochter einer in Venedig lebenden Marseillerin Agnes verlobt war. Eine
ganz besondere Bewandtnis hat es mit dem Johannes fil. Leonardi SucuhuU
de Venecia, der in den Rotuli von 1201 als reich mit Grundbesitz ausgestat-
teter Lehnsmann der englischen Krone erscheint 5) und deshalb als erster
in England nachweisbarer in hochangesehener Stellimg befindlicher Vene-
zianer betrachtet wird.^) Seinen Beinamen »de Venetia« trägt er aber gar
nicht von Venedig, sondern seinem in der Grafschaft Norfolk belegenen
Stammgute Venuz (auch die Formen Venoz, Venuiz, Venoit u. a. kommen
vor.)'^) Sehr merkwürdig ist es nun, daß wir diesen Engländer später wirk-
lich in Venedig eine große Rolle spielen sehen, wo er in der Tat mit seiner
angeblich venezianischen Herkunft Eindruck gemacht zu haben scheint;
1219 erscheint er als Mitbesitzer von Lampsakus und hat 1229 als Gesandter
von den Beherrschern von Aleppo und Sahjan Privilegien für Venedig er-
langt. 8)
Von einer kommerziellen Initiative Venedigs, die sich nach Eng-
land gerichtet hätte, kann also in unserer Zeit noch nicht die Rede sein.
322. Wohl aber ist eine solche bei den südfranzösischen Handels-
plätzen, die für den Verkehr mit England ja auch weit günstiger
lagen, bemerkbar.
Ein Marseiller Achardus verkauft 1223 eine Anzahl Balisten an den
englischen König und 1243 nahm Bartholomaeus Peche, der Gesandte des
Königs an den Kaiser, auf seiner Durchreise durch Marseille bei einem Mar-
seiller Kaufmann ein Darlehn von 10^/2 M. Sterl. auf. ^) Die Hauptsache
aber ist, daß wir das Marseiller Handelshaus Manduel in dieser Zeit Waren
(und zwar auf dem Landwege) nach England exportieren sehen. Für die
Handelsreise nach England (in viagium Angliae) hatte Johannes de Mandolio
dem Petrus Peguarerius (= Peguelerius) 13 große Lasten Alaun und 3 kleine
1) Eotuli Claus. H, 9. Patent Rolls I, 502. Erneuert 13. März 1228 (er führt
hier den Beinamen Soldanus), Cal. of Charter Rolls I, 70 ; vgl. Pat. Rolls II, 180.
«) Oben § 164.
3) Patent Rolls I, 472.
*) Raimondus qui fuit Anglie et est habitator Veneciarum. Faksimile no. 1
bei Rawdon Brown, Calendar of State papers preserved in the Archives of Venice I
(London 1864) ; Dokument vom September 1224.
6) Rotuli Chart, p. 84, 100.
^) Haziitt W. C. The history of the origine and rise of the republic of Ve-
nice (London 1858 ff) IV, 240. Schanz I, 117 f.
T) Z. B. Patent Rolls I, 121, 262, 305 usw.
8) Oben § 202 u. 162. Er blieb seitdem in Venedig ; im Vertrage Venedigs
mit Ravenna von 1234 werden Romeo Quirini und Johannes Sucugullus mit ihrer
Societas als im Ravennatischen geschädigt genannt. Minotto IV, 1 p. 58.
^) Rotuli Claus. I, 558. Röles gascons p. 242 no. 1871.
1
Handel mit England. 413
Last Zucker in Commenda gegeben, nach seiner Rückkehr aber entstanden
DifEerenzen zwischen den beiden Sozii über die Höhe der Frachtkosten und
sonstigen Ausgaben des Petrus und über das Verhältnis der Marseiller Lasten
zum englischen Gewicht, deren Erledigung durch freundschaftliches Über-
einkommen zwei Schiedsrichtern übertragen wurde. Nach Zuziehmig sach-
verständiger Kaufleute entschieden diese am 29. April 1244 dahin, daß Petrus
für die Last pro vettura et expensis 56 sol. melg. zu fordern habe, und
daß die Marseiller Last Alaun 2^/2 enghschen Zentnern, die Last Zucker
2 Zentnern 40 Pfd. englisch entspreche, i)
Was die übrigen südfranzösischen Handelsplätze betrifft, so kennen
wir aus dem Jahre 1224 eine Licenz, die drei Kaufleute »de terra co-
mitis S. Egidii« zusammen mit Petrus Cuku von Cahors für ein Schiff
mit Ladung zur Abfahrt von England erlangt haben. 2) Näheres über che
Heimat dieser drei erfahren wir nicht ; es liegt am nächsten, an Saint-Gilles
selbst oder Toulouse zu denken. Jedenfalls ging ihre Fahrt nach der Gi-
ronde; die politische Verbindung des Südwestens von Frankreich mit Eng-
land ist es sicher gewesen, die die Kaufleute von Cahors in großer Zahl
nach England geführt hat. Aber auch Montpellier war an dem eng-
lischen Handel beteiligt. Am 20. Mai 1226 erhielten die Kaufleute Petrus
Boneface und Wilelmus Audiberd die bis Michaeli 1227 gültige Licenz, mit
ihren Waren nach England zu kommen und hier Handel zu treiben, wobei
sie sich ebenso wie verschiedene Kaufleute von Cahors verpflichten mußten,
keinerlei Handelsverkehr mit La Rochelle und Poitou überhaupt zu unter-
halten.3) Am 13. Oktober 1227 wurde die Licenz um ein Jahr verlängert
und ähnliche Licenzen hat Petrus Boneface auch 1229 und 1230, diesmal
zusammen mit Ernaldus Giroldi von Montpellier, erhalten. *) Im Jahre 1232
beauftragte der König den Gailardus Cola, in Montpellier für ihn 20 seidene
und 4 Scharlach tuche, sowie 3 »curdas de gyngibraco« (Ingwerbrod) ein-
zukaufen; auch erscheint im Jahre 1243 ein Kaufmann Robert von Mont-
pellier als »speciarius« des Königs. 0)
323. Nach den beigebrachten Zeugnissen erscheint die Auffassung,
daß »die Italiener den ersten Eingang auf der nordischen Insel in-
folge der kirchlichen Schätzungen gefunden hätten«, ebenso irrig wie
ihr Gegenspiel, >daß die Wolle die Italiener bis England gebracht
und daß sie aus ihnen die Bankiers gemacht habe«.^) Vielmehr war
es das Bedürfnis der englischen Krone, Geldmittel im Auslande, ins-
besondere an der Kurie, flüssig zu machen, das die italienischen Kauf-
leute, die dieses Bedürfnis befriedigten, seit dem letzten Jahrzehnt des
12. Jahrhunderts in größerer Zahl auf englischen Boden geführt hat.
Daraus, daß infolge der von ihnen im Auslande gewährten Darlehen
beträchtliche Kapitalien in England für sie verfügbar wurden, ergab
') Manduel no. 99. Sehr mit Unrecht hat Marchand p. 89 aus diesem Do-
kument geschlossen, daß Marseiller Schiffe damals selbst bis nach England ge-
fahren sind
*) Patent Rolls I, 473.
») Ebd. n, 35 f.
*) Ebd. 147, 258, 336. Im Mai 1248 fährt die Galeere eines Petrus Bonifacü
von Marseille nach Montpellier (Amalric no. 650).
») Germain, commerce II, 18 A. 1. Röles gascons no. 1670 u. 1902.
•) Schanz I, 111. Schulte I, 126.
414 Achtundzwanzigstes Kapitel.
sich für diese Kaufleute die Beteiligung am englischen Warenhandel
ohne weiteres; einmal in Fluß gekommen, hat sich dieser Waren-
handel dann, auch ohne im einzelnen Fall die Stütze jener Anleihen
zu besitzen, weiter entfaltet. Es ist eine zweite Stufe der Entwicke-
lung, daß die Italiener anfingen, sich in wachsendem Maße dem Geld-
handel im Lande selbst zu widmen. Diese Wendung ist auf das dritte
Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts zurückzuführen; durch die päpstliche
Besteuerung des englischen Klerus hat dieser Geldhandel unzweifel-
haft eine sehr wesentliche Förderung erfahren. Die Realisierung der
erzielten Gewinne ist sicher auch hier häufig auf dem Wege des
Warenexports erfolgt. Auf dieser zweiten Stufe der Entwickelung des
italienischen Handels in England haben die Toskaner, Sienesen und
Florentiner, das entschiedene Übergewicht erlangt, während in den
ersten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts Placentiner, Bolog-
nesen und besonders Römer im Vordergrunde standen; das dritte
Jahrzehnt erscheint bezüglich der Art des Handels wie der Beteiligung
der einzelnen Handelsnationen als ein Jahrzehnt des Überganges.
Wie rasch der Geldhandel der Italiener in England um sich griff,
haben wir der Darstellung des Matthaeus Paris schon entnehmen können ;
einige weitere Zeugnisse mögen folgen, um die Höhe der Entwickelung
zu veranschaulichen, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts erreicht worden
ist. Schon im Jahre 1245 hielt es der König für notwendig, seinen Unter-
tanen zu verbieten, von fremden Kaufleuten Geld zu leihen i); daß das
Verbot irgendwelche dauernde Wirkung gehabt, ist nicht anzunehmen.
Selbst das reiche Erzbistum Canterbury seufzte unter schwerer Schuldenlast. '-ä)
So fest saßen diese »Caorsiner« insbesondere in London, daß sie von diesem
Mittelpunkte aus selbst mit fernen Ländern in finanzielle Beziehungen traten ;
Matthaeus Paris erzählt unter dem Jahre 1248, daß das norwegische Kloster
Nidarholm bei den Caorsini von London eine Geldschuld hatte. 3) Und zu
1251 berichtet er, daß Zahl und Reichtum der italienischen Wucherer, die
man Caorsini nenne, so gewachsen gewesen sei, daß sie sich in London
vornehme Paläste gekauft und wie die einheimischen Bürger hier ihren stän-
digen Wohnsitz genommen hätten. Die Geistlichkeit hätte nichts gegen
sie tun können, weil sie sich darauf beriefen, Kaufleute des Papstes zu
sein; die Bürgerschaft nichts, weil sie von einigen Vornehmen, die ihre
Kapitalien bei ihnen auf hohen Gewinn angelegt hätten, in Schutz genom-
men würden. 4)
324. Der Mönch von S. Alban faßt bei seiner Darstellung einseitig nur
den Geldhandel der italienischen Kaufleute und seine Auswüchse ins Auge ;
um so mehr bedürfen seine Ausführungen einer Ergänzung. Das englische
Gewohnheitsrecht unterwarf den Handel der Fremden mancher empfind-
') Schanz I, 551 (Rot. Pari. 29 H. m m. 6).
») Berger 3369—3371 (23. Oktober 1247); vgl. die licentia mutuandi von 1243,
ebd. no 142.
«) Chron. maj. ed. Luard V, 43 (SS. XXVIH, 302). Unter demselben Jahre
beschuldigt er sie gleich den Juden und gewissen flandrischen Kaufleuten des Be-
schneidens der englischen Münzen ; ebd. 16 (SS. XXVHI, 298). Patetta 330.
*) . . . quorum ut dicebatur pecuniam ad multiplicandum seminabant. Chron.
maj. V, 245.
Handel mit England. 415
liehen Beschränkung; in London war den fremden Kaufleuten der eigent-
liche Kleinhandel untersagt; Tuche, ob aus Seide, Wolle oder Leinen,
sollten sie nur im ganzen Stück, Pfeffer, Ingwer und Kümmel, Alaun, Brasil-
holz und Gummilack, Weihrauch und Wachs nur in Mengen von mindestens
25 Pfund (1 Quarter), Barchentzeuge (fustayn) und Korduan nur im Dutzend
auf einmal verkaufen dürfen u. dgl. Für den Verkauf leinener und wollener
Tuche waren sie außerdem auf die Tage von Montag bis Mittwoch beschränkt;
die übrige Zeit mußten sie ihre Tuchballen verpackt halten. Herbergen
durften sie in der Stadt, wo sie wollten; doch durften sie sich nicht über
3 Meilen aus der Stadt zum Zwecke des Besuchs eines Marktes oder einer
Messe entfernen. Endlich war ihnen untersagt, ihren Aufenthalt in London
über 40 Tage auszudehnen, außer in Krankheitsfällen oder wenn sie nach-
weisen konnten, daß sie trotz Anrufung der zuständigen Behörden von einem
Londoner Bürger noch Geld zu fordern hatten, i)
Es ist anzunehmen, daß die italienischen Kaufleute, die der Natur der
Sache nach bei ihrer Einfuhr mehr auf Absatz im großen rechneten, die
auf das Quantum der zu verkaufenden Waren gerichteten Beschränkungen
kaum als solche empfunden haben werden; sie richteten sich auch sicher
zimächst an die Adresse der Kaufleute vom Rhein, aus Flandern und der
Gascogne, die ja lange Zeit auf dem englischen Markt eine weit größere
Rolle gespielt haben als die Italiener. Dem Detaillisten Konkurrenz zu be-
reiten, lag diesen im allgemeinen sicher fern. Im übrigen verstanden sie
es allmählich volle Bewegungsfreiheit zu gewinnen, zumal die Einschrän-
kung der Aufenthaltsdauer sich verhältnismäßig leicht umgehen ließ.
Eine mit Matthaeus Paris ungefähr gleichzeitige Londoner Chronik
gibt von der Entwickelung des Einfuhrhandels der Fremden eine an-
schauliche Darstellung. ^)
Ursprünglich hätten alle fremden Kaufleute, die nach London kamen,
mit ihren Waren in den Herbergen der Bürger Unterkunft gesucht ; beim
Verkauf seien gewohnheitsmäßig nach Zentnern gehandelte Waren wie
Wachs und Alaun, mit der Wage des Königs, pfundweise gehandelte Waren
wie Pfeffer, Ingwer, Brasilholz, Kermes mit den Wagen der Herbergswirte
selbst gewogen worden. Als dann Kaufleute aus Italien, Gabors und der
Provence, wenn auch anfangs nur in geringer Anzahl, mit ihren Waren
nach London gekommen seien, hätten sie sich zuerst ebenso verhalten 3)
im Laufe der Zeit aber, als zahlreiche sehr reiche Kaufleute aus diesen Ge-
bieten Waren in sehr großer Menge in London einführten, hätten sie, um
*) Customs o£ London (wohl noch aus dem 12. Jahrhundert) rub. 11—15 bei
Cunningham W., The growth of english industry and commerce during the early
and middle ages ; (Cambridge 1890) p. 541 f. Dazu die etwas jüngeren Aufzeich-
nungen über die Londoner Vorschriften für den Verkehr der fiemden Kaufleute
bei Höhlbaum, Hans. Urk.-Buch III, 382 no. 600 und die wohl noch aus der Mitte
des 12. Jahrhunderts stammende Verordnung über Aufenthalt und Handel der Loth-
ringer usw. in England ; ebd. no. 602 p. 392.
') De antiquis legibus liber. Cronica Majorum et Vicecomitum Londoniarum
(1178—1274) ed. Th. Stapleton (London 1846), p. 118 f. Schanz I, 386.
') Postea Itallici, Kaurcini et mercatores de Provincia, imprimis vero perpauci,
venientes in Civitatem cum mercimoniis suis, eodem modo se gerebant. Am 30. Sep-
tember 1229 eriieß Heinrich m. dem Pächter des kgl. Wechselamts von London und
Canterbury, Richard Renger (Bruder von Math. Bukerei), von der fälligen Halb-
jahrspacht in Höhe von 350 M. Steri. die Summe von 100 1. Sterl. >quia idem R.
416 AchtundzwanzigBtes Kapitel. Handel mit England.
den Bürgern die Massenhaftigkeit dieser Einfuhr verheimlichen zu können,
nicht länger bei diesen Herberge nehmen wollen, sondern hätten sich eigene«!
Häuser in der Stadt gebaut, die nur für sie selbst und ihre Waren bestimmt Jl
gewesen seien ; auch hätten sie sich nur noch eigener Wagen, auch für die
zentnerweise gehandelten Waren, bedient. Auch mit den Hauptartikeln der
Einfuhr macht uns diese Darstellung bekannt; es sind dieselben, die auch
nach den Messen der Champagne gingen, und es ist von besonderem In-
teresse, daß sich auch die für die Textilindustrie wichtigen Farbstoffe, wie
Brasilholz und Kermes, darunter befinden ; für die Einfuhr von Alaun haben
wir auch ein Beispiel aus der Praxis beibringen können, i)
Mit keinem Wort gedenkt die Darstellung der Ausfuhr. Um sa
wichtiger ist es, daß wir in zwei Fällen die Ausfuhr zum Teil recht
beträchtlicher Mengen von Tuchen durch bolognesische Kaufleute
schon in den Jahren 1208 und 1214 haben nachweisen können. 2) Die
Auffassung, daß England in dieser Zeit noch nicht für den Export
gearbeitet habe, ist damit beseitigt.^) Daß diese Tuche wegen der
noch auf einer primitiven Stufe stehenden Technik verhältnismäßig
geringwertig waren, ist eine andere Sache ; da sie bei der Beschaffen-
heit der englischen Wolle von trefflichem Rohmaterial waren, so war
ihre Veredelung um so lohnender. Im übrigen bot die englische
Wolle selbst das nächstliegende Ausfuhrprodukt; es ist ohne weiteres
anzunehmen, daß sie den Hauptbestandteil der »Waren«, deren Aus-
fuhr die uns seit 1224 erhaltenen Licenzen gestatten, gebildet haben
wird.*) Nicht selten wird diese Ausfuhr über den Kanal nur nach
Flandern und zu den Messen gegangen sein, zumal die italienischen
Kaufleute durch ihre Geschäfte in England oft längere Zeit festgehalten
wurden; sicher wurde das Rohprodukt oder das minderwertige eng-
lische Fabrikat hier häufig gegen die wertvollen Tuche der flandrischen
und nordfranzösischen Industrieplätze umgesetzt. Aber von Bolog-
nesen, Sienesen und Florentinern dürfen wir mit voller Sicherheit
annehmen, daß sie seit dem dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts
in predicto cambio negotiari non potest ut consuevit propter impedimentum mer-
catorum qui de partibus transmarinis venire solent in Angliam cum mercandisis
suis ad negociandum in eodem cambio.c Cloae Rolls p. 214 (vgl. 185). Darnach
scheint der König einen Teil der für das Wechselgeschäft bestimmten Räume den
fremden Kaufleuten überlassen zu haben.
^) Auch die drei Paar seidener Gürtel mit eingelegtem Silber und die sechs
bursulae de serico de opere Saracenorum, die 1224 erwähnt werden (Patent
Rolls I, 449), werden wir der Einfuhr durch Italiener zurechnen dürfen. Im Jahre
1235 hat Kaiser Friedrich II. dem Könige durch Petrus de Vineis ein »pannum ad
aurum cum aquilis« als Geschenk überreichen lassen. C. Johnson in: Engl. Hist^
Rev. XIX (1904), p. 506.
») Oben § 316.
') Schulte I, 126 : England selbst stellte keine Tuche für die Ausfuhr her.
♦) Über die Wollausfuhr aus England durch englische Klöster selbst und
durch fremde Kaufleute im allgemeinen, wobei in erster Linie an solche aus Flan-;
dem und dem nordöstlichen Frankreich zu denken ist, s. Whitwell in : Viertele
jahrschr. f. Soz. u. Wirtsch. -Gesch. II (1904), p. 17 f.
Neunundzwanzigstes Kapitel. Handel mit Flandern u. d. Niederlanden. 417
die edle englische Wolle gelegentlich auch bis in ihre Heimat trans-
portiert haben. ^)
Eine erste Reaktion gegen die Machtstellung der italienischen
Kaufleute trat, anknüpfend an ihre ungesetzhche Benutzung eigener
Wagen, die auch das finanzielle Interesse des Königs und der Bürger
schädigte, die man aber trotzdem eine Reihe von Jahren hatte hin-
gehen lassen, gerade am Ende des von uns behandelten Zeitabschnitts,
im Jahre 1251 ein^); wie manche spätere Reaktion hatte auch sie nur
vorübergehend Erfolg.
Neunundz-wanzigstes Kapitel.
Handel mit Flandern und den Mederlanden.
325. Italienischen Kaufleuten (ex Langobardorum regno) begegnen
wir schon im Jahre 1127 auf der großen Messe von Ypern, die sich
an das Fest von Petri Stuhlfeier (22. Februar) anschloß ; der bald
darauf (2. März) noch während dieser Messe in Brügge ermordete
Graf Karl der Gute hatte diesen Lombarden eine silberne mit wunder-
barer Kunst gearbeitete Vexierkanne für den Preis von 21 Mark Silber
abgekauft. ^)
Darnach ergibt sich die Möglichkeit, unter den »feriae ultra-
montanae« des lucchesischen Vertrages mit Genua von 1153 und des
Statuts von Piacenza von 1169*) auch die flandrischen Messen, die
in Thourout, Ypern, Messines, Lille und Brügge abgehalten wurden^),
nütz u verstehen. Wenn wir am Ende des Jahrhunderts italienische
Kaufleute mit ihren Waren nach England hinübergehen sehen ^), so
würde auch das für ihren Verkehr mit dem ihnen fast auf dem Wege
gelegenen Flandern sprechen. Auf den Boden der Tatsachen stellt
es uns, daß eine Schuld, die Bischof Dietrich von Utrecht in dieser
Zeit (wahrscheinlich im Jahre 1197) bei italienischen Kaufleuten an der
Kurie kontrahiert hat, auf Ypern abgestellt gewesen ist.
Es waren 1250 Mark Silber, zu deren Erstattung sich der Bischof
gegenüber einem Konsortium von vier römischen (Parentius, Jac. de Tosto,
J. Petrinius und Belushomo) und zwei sienesischen (Alexius Vincecastri und
Gamelottus) Kaufleuten gegenüber verpflichtet hatte. Als Papst Innocenz III.
1) Vgl. Doren 74.
») De antiqu. legibus über, 1. c. p. 119. Whitwell, Ital. Bankers p. 209.
») Passio Karoli Comitis auctore Galberto (SS. XII p. 569 f.). Galbert de Bruges :
Histoire du meurtre de Charles le Bon, comte de Flandre (1127 — 1128) äd. H. Pi-
renne (Paris 1891) p. 28 f.: >argenteam kannam . . ., quae miro opere fabricata suis
spectatoribus potum quam in se continebat furabatur.«
*) Oben § 275 u. 271.
') Über diese Pirenne, Gesch. Belgiens I, 300. Stein W., Über die ältesten
Privilegien der deutschen Hansa in Flandern, in : Hansische Geschichtsblätter 1902
p. 107.
•) Oben § 313.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 27
418 Neunundzwanzigstes Kapitel.
nach langen Weiterungen dem Nachfolger des 1199 verstorbenen Bischofs
im Jahre 1204 durch den Bischof von Lüttich unter Androhung schwerer
kirchlicher Strafen gebieten ließ , die Schuld nun endlich binnen Jahres-
frist zu tilgen, wurde wiederum Ypern als Erfüllungsort bestimmt i), sicher
ein Beweis, daß dieser wichtige, starkbevölkerte Meßplatz 2) von italienischen
Kaufleuten aufgesucht zu werden pflegte. Der uns gerade aus dieser Zeit
(1202) erhaltene Zolltarif von Bapaume^), damals dem südöstlichsten Grenz-
orte der Grafschaft Flandern, erwähnt die Italiener freilich nicht besonders^);
er zeigt uns nur, wie die Gewürze, Spezereien und Drogen der Levante,
wie Seide und Goldfäden, ferner Alaun, Brasilholz und Kernaesbeeren für
die Bedürfnisse der flandrischen Textilindustrie die Zollstätte von Süden
her passierten, während die Tuche von Brügge und Gent, von Ypern und
Lille und der anderen flandrischen Tuchorte in umgekehrter Richtung das
Land verließen. 0) Aber bei der großen Anleihe der Gräfin Johanna von
Flandern und Hennegau im Jahre 1221, mit deren Hilfe sie den Loskauf
ihres nun schon 7 Jahre im Kerker zu Paris schmachtenden Gemahls Fer-
rand zu bewirken hoffte, finden wir wieder auch Italiener beteiligt. Von
den 35 610 1. tur., die sie dem französischen Könige geboten hatte, sollten
29 194 1. auf dem Wege des Darlehns aufgebracht und mit 34 626 1. (also
fast 20% Zinsen) zurückerstattet werden. Davon haben Cortabragne und
Comp, über ein Drittel (11040 1., mit 13040 rückzahlbar) übernommen 6),
unzweifelhaft die sienesische Gesellschaft des Raynucius Curtabrane, den
wir im Jahre 1219 schon als Geldgeber einem französischen Großen gegen-
über kennen gelernt haben. '^)
326. Als die Messen der Champagne sich, wie es in dieser Zeit
geschah, zu einem Markt von universaler Bedeutung für ganz Nord-
west-Europa erhoben hatten^), als sich für den Verkehr mit diesen
1) Epist. Innoc. III, lib. VI ep. 215. Br^quigny, Diplomata II 1 p. 413. Ficker,
Engelbert, p. 223. Schulte I, 247 f. Auf eine Anfrage des Bischofs von Cambrai,
ob er für Schulden, die seine Vorgänger ohne Genehmigung des Kaisers und des
Domkapitels bei gewissen Kaufleuten gemacht haben, aufkommen müsse, gab der
kaiserliche Hoftag zu Mailand 1 184 eine verneinende Antwort. M. G. Leg. sect. IV, 1
p. 425. Giesebr. VI, 88. jfll
2) Innocenz IV. gibt die Bevölkerung Yperns im Jahre 1247, offenbar gestützt"
auf einen Bericht der Schöffen der Stadt selbst, die eine Vermehrung der Zahl der
Parochialkirchen (bis dahin nur 4) wünschten, auf fast 200000 Menschen an.
Berger 2712.
») TailUar no. 6 p. 13—28 ; vgl. besonders p. 20 ff.
*) Wohl aber die Proven9alen ; p. 24 heißt es : Chil de Franche u. de Bo
goigne u de Provenche ou de la de bos et autre poroec quil ne soient de
Flandres (die vorher behandelt sind), doivent de chascun dras en carete ou en car
1 d. et del Kentil 1 d.
*) Über die wichtige flandrische Tuchindustrie Schulte I, 117 ff., 124 ff. Die
Maklerrolle für Flandern von 1252 führt unter den Importartikeln auch Cottoen garne
und CottoenwoUe sowie Brizilien (Brasilholz) auf. Hans. Urkundenbuch I no. 436
p. 158.
«) Martene et Durand, Thesaurus Anecdot. I, 886. Bourquelot II, 126.
7) Oben § 277.
*) Ein Ypern betreffendes Beispiel : König Johann von England erneuert am
14. April 1216 sein Verlangen an die Stadt, eine von ihr geschuldete Summe auf
der bevorstehenden Messe von Provins an den Bischof von Winchester zu zahlen,^
Eotuli pat. p. 177.
I
r
3
3
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Handel mit Flandern und den Niederlanden. 419
Messen die flandrische »Hansa der 17 Städte« bildete^), die besonders
den Tuchhandel nach diesen Messen organisierte, da konnte es nicht
ausbleiben, daß auch ein sehr bedeutender Teil des Waren- und Geld-
verkehrs zwischen Italien einerseits und Flandern und den Nieder-
landen andererseits der Vermittelung durch die Messen der Cham-
pagne anheimfiel.
Besonders bezeichnend für diese Veränderung ist es, daß dasselbe Bis-
tum Utrecht, das am Ende des 12. Jahrhunderts für seine Anleihe bei ita-
lienischen Kaufleuten Ypern als Erfüllungsort gewählt hatte, wenige Jahr-
zehnte später sich zu gleichem Zweck der Messen der Champagne bediente.
Die Urkunde über die bei den Sienesen Angelerius Solaficus, dem Bankier
des Papstes, Jacobus Petri, Gaufridus Ahfonsi, Fredericus Rolandi und ihren
Sozii aufgenommene Schuld des Bischofs besitzen wir allerdings selbst nicht ;
daß sie aber auf eine der Messen abgestellt war, geht mit Sicherheit daraus
hervor, daß die Gläubiger gegen den säumigen Schuldner einen päpstlichen
Brief an den Abt von S. Lupus in Troyes erwirkt haben. 2) Der Bischof
erwies sich als ein besonders hartnäckiger Nichtzahler; weder Suspension
noch Exkommunikation, die der Abt über ihn verhängte, fruchteten. Da-
rüber starb der Abt; sein Nachfolger sprach nun das Interdikt über das
Land des Bischofs aus. Endhch erschien in Troyes als Bevollmächtigter
des Bischofs ein Bürger von Köln, und es kam ein Abkommen zwischen
Schuldner und Gläubigern zustande. Aber der Bischof hielt auch dies Ab-
kommen nicht. Da befahl Gregor IX. dem Dechanten von Troyes, den
Bischof zu zwingen, entweder in drei Monaten zu zahlen oder persönlich
zur Verantwortung vor der Kurie zu erscheinen. Darüber starb auch der
Bischof, und der Papst beauftragte nun am 16. Januar 1235 den Abt von
S. Lucian in Beauvais, den Elektus von Utrecht zur Befriedigung der Gläu-
biger zu veranlassen, die nun wohl auch erfolgt sein wird.
Auch das Darlehn, das eine andere sienesische Gesellschaft, von der
uns Bonencontrus Rogerii, Scotus Bonidomini, Bonventura und Boncompan-
nus genannt werden, dem Grafen von Namur gewährt hatte, sollte auf einer
der Messen zurückerstattet werden; da er starb und seine Schwester und
Erbin nicht zahlte, wurde sie von den Sienesen auf Grund päpstlicher Briefe
vor dem Dechanten von Troyes verklagt; von der weiteren Entwickelung
des Rechtsstreites wissen wir nur, daß der Papst die Sache am 22. April 1231
an drei Geistliche von Provins zur Entscheidung verwiesen hat. ^) Ein solches
Meßdarlehn war es endlich auch, das für das Marienkloster von Middelborg
(Diözese Utrecht) an der Kurie bei den Florentinern Mainetto Alberti und
Tinioso Acconcii aufgenommen war; als gemäß dem von den Gläubigern
erwirkten päpstlichen Schreiben die Schuldner vor das geistliche Gericht in
Troyes zitiert wurden, wurde der Bote geschlagen und das päpstliche Schrei-
ben ihm mit Gewalt entrissen, so daß Papst Innocenz IV. am 29. Januar
*) Über diese Hansa, von der die flandrische Hansa für London, wie schon
Höhlbaum bemerkt hat, wohl zu unterscheiden ist, s. z. B. Pirenne, Hist. Zeitschr.
84 (1899), 173 f. Aufzählung der 22 Mitglieder, die sie in der Mitte des 13. Jahr-
hunderts zählte (außer flandrischen auch nordfranzösische), bei Fagniez I, no. 190
p. 205 f.
*) Auvray 2391.
») Ebd. 626.
27»
420 Neunundzwanzigstes Kapitel. Handel mit Flandern und den Niederlanden.
1246 dem Offizial von Troyes befahl, Abt und Kloster zu bestrafen und zur
Bezahlung der Schuldsumme an die Florentiner zu zwingen, i)
327. Aber wenn es auch üblich wurde, die Tilgung größerer An-
leihen, insbesondere der kurialen Anleihen von Bischöfen und Klöstern
bei italienischen Kaufleuten, auf den Messen der Champagne zu ver-
einbaren, so haben sich doch gerade in dieser Zeit italienische Geld-
leiher auch im Lande selbst festgesetzt.
Am 30. Januar 1230 richtete Gregor IX. ein scharfes Schreiben an
den Bischof von Tournai, damit er die Beschlüsse des vierten Laterankonzils
gegen verschiedene Leute von Cahors und andere in Ypern wohnende Fremde
in Anwendung brächte, die sich herausnähmen, in Ypern öffentlich Wucher
zu treiben 2), während es den Einheimischen verboten sei. Daß unter den
anderen Fremden Italiener zu verstehen sind, ist freilich nicht sicher, zumal
auch die Leute von Arras ihrer Wuchergeschäfte wegen bekannt waren 3);
aber es wird doch ziemlich wahrscheinlich durch das, was wir etwas später
aus Douai hören. Am 1. August 1247 wurden Othes Boule (Otto Bolla) von
Asti und Eubers Porcelet von Chieri in das Bürgerrecht von Douai aufge-
nommen, und Mitte Oktober desselben Jahres geschah das Gleiche mit Qui-
tremius dem Kawertschen von Asti und Jean del Solier, der sicher eben-
falls aus Asti war. 4) Alle diese »Cahoursins«, wie sie in dem offiziellen
darüber aufgenommenen Aktenstück genannt werden, hatten vor den Schöffen
der Stadt einen Eid zu leisten, die Gewohnheiten der Stadt zu beobachten
und von allem ihren Besitz, auch von den ihnen nur anvertrauten Geldern,
alle Abgaben gleich den übrigen Bürgern zu entrichten. Speziell wurden
sie verpflichtet, bei ihren Geldleihgeschäften an Zinsen oder auf einem an-
deren Wege unter keinen Umständen mehr zu nehmen als der Wert des
ihnen übergebenen Pfandes betrug. 5) In denselben Akten ist am Anfang
des folgenden Jahres^) von einer Anzeige Notiz genommen, wonach der
Diener des Sohnes des Kastellans von Douai bei den Kawertschen Geld auf
Tuche entliehen hatte, die er unrechtmäßigerweise in seinen Besitz gebracht
hatte.
So sind also die Astesanen mit ihren Nachbarn von Chieri in der
Mitte des 13. Jahrhunderts in ihrer Tätigkeit als für längere Zeit seßhafte
^) Berger 1698. Vgl. Schulte I, 259. Für Tmeosus ist Tineosus zu lesen.
Einige Jahre zuvor hatte Martinus monachus monasterii Altimontis (Diöz. Cambrai)
mit Ermächtigung seines Abts, jedenfalls an der Kurie, ein Meßdarlehn bei den.
Florentinern Franchettus, Bentevegna, Castro, Valfrido und ihren Sozii aufgenom-
men ; am 29. Dez. 1243 beauftragt der Papst den Abt von S. Genovefa in Paris, das
Kloster zur Zahlung zu veranlassen. Berger 387.
*) . . . quod nonnulli Caturcenses et quidam alii alienigenae villam Iprensem
inhabitantes in eadem presumant publice fenerari ; Auvray 392.
3) Auvray 2011 (11. Juli 1234), 2317. Vgl. Berger 3918.
*) Tailliar p. 143 no. 82. Koch p. 9. Die Solari waren später das führende
guelfische Geschlecht in Asti. Schulte I, 313; schon Mitte des 12. Jahrhunderts«!
sind sie im genues. Handel tätig. Unten § 504. fll
*) Tailliar p. 144 no. 83 : Et si eurent en covent li cahoursin sor lor fiance,
ke 11 ne presteroient nient a usures ne demanderoient nul denier de usure ne en
autre maniere por cose ke il prestaissent plus ke lor catel. (>Catel< = catallum,
bewegliche Habe, hier das verpfändete Gut).
•) En lan 47 devant le candeler (also 1. Februar 1248 unseren Stils) ; ebenda
149 f. no. 89.
4
Dreißigstes Kapitel. Handel mit West- und Norddeutschland. 421
Geldleiher auch schon jenseits der Grenzen des eigentlichen Frankreichs
nachzuweisen. ^)
328. Aber auch an der Gegenströmung, der Tätigkeit flandrischer Kauf-
leute in Italien, fehlte es nicht. Ein im Jahre 1226 zur Förderung der städti-
schen Messen in Parma erlassenes Statut verpflichtet den Podestä, dahin zu
wirken, daß Flamländer und Nordfranzosen (Flamenghi und Francigenae)
nach Parma kämen, um hier ihre Tuche en gros oder en detail, wie es ihnen
beliebte, zu verkaufen. 2) Wenige Jahre zuvor waren zwei Kaufleute aus
Lille auf der Straße am M. Surdo im Bistum Como beraubt -worden; ihre
Frachtfuhrleute hatten dabei einen Posten Tuche, bestehend aus 6 camelini
von Lille, 7 blaveti von Ypern, 2 vergati von Beauvais und 12 Paar Zeug-
stiefeln (caügarum sagye) von Brügge in den Händen der Räuber lassen
müssen. In einem Vergleich mit den Kaufleuten erkannte Como seine
Ersatzpflicht am 10. März 1222 an und zahlte gegen Abtretung der Ansprüche
auf die geraubten Waren 96 1. 11 sol. imp. Entschädigung. 3) Das Faktum
sowohl wie die Bereitwilligkeit der Behörden zum Schadenersatz lassen auf
einen nicht geringen Verkehr der Flamländer über den Septimer schließen.
Als ein besonders wichtiger Ausfuhrartikel der Niederlande sei noch die
Lütticher Leinwand erwähnt; im genuesischen Maklertarif von 1204 erscheint
sie neben der deutschen (telae Allamanie et de Leges) und auch im Ver-
trage Genuas mit Siena (1241) erscheint sie unter den Leinwandsorten, deren
Ausfuhr aus Genua den Genuesen vorbehalten wird. 4) Daneben waren die
roten Tuche von Lüttich beliebt, denen wir neben der Sarsche von Tournai
um 1225 in dem Inventar eines Tuchladens vom Rialto begegnen, s) Die
Tuche von Brügge erscheinen im Zolltarif von Saint- Gilles ; die von Douai
werden im Frühjahr 1248 von einem Kaufmann der Stadt, Rodulfo lo Peire,
in Marseille zum Verkauf gebracht ß); am häufigsten aber von den flandri-
schen Tuchen sind wir im Handel der Italiener wie der Südfranzosen den
Stoffen von Ypern begegnet.
Dreißigstes Kapitel.
Handel mit West- und Norddeutschland.
329. Die geschäftlichen Beziehungen italienischer Kaufleute zu
diesen Gebieten hängen auf das engste mit den kurialen Anleihen
zusammen. Aber diese Anleihen wurden nicht nur im Auslande auf-
genommen, auch ihre Tilgung sollte nach der Absicht der Parteien
im Auslande, und zwar in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf
den Messen der Champagne erfolgen. Indem sie das deutsche Geld
') S. über diese : Quintino Sella im Cod. Ast. II, 228 fif. Schulte I, 308 f., 311.
») Stat. Parm. p. 61.
«) Schulte U, 105 no. 188 ; I, 108.
*) Lib. Jur. I no. 475. Ferretto I, 158 A. 2.
») Lib. pleg. no. 352: 2 pezze di sanguigno >de drapis de lezec und 4 braccia
di sanguigno >de leze« ; 1 >calosum* grande de >saga de torneo«.
«) Bondurand p. 281: draps de Burges. Amalric no. 136, 137, Auch 1235 be-
gegnen Tuche von Douai zusammen mit denen von Ypern in Marseille. Oben
§306.
422 Dreißigstes Kapitel.
auf dem Umwege über die Champagne nach Italien abströmen ließen,
hatten sie also die Wirkung, in erster Linie den italienischen, zum
Teil auch den deutschen Handelsverkehr mit den Messen der Cham-
pagne zu befruchten, während sie den direkten Handelsverkehr zwischen
Italien und Deutschland zunächst unberührt ließen.
Indessen wurden auf diese Weise doch eine Menge Beziehungen
zwischen italienischen Kaufleuten und den hohen geistlichen Würden-
trägern und anderen einflußreichen Persönlichkeiten in Deutschland
geschaffen, die gegebenenfalls auch zur Anknüpfung kommerzieller
Verbindungen Veranlassung geben konnten, zumal auch die Abwicke-
lung der Geldgeschäfte keineswegs immer glatt verlief und die Ver-
folgung seiner Ansprüche doch auch manchen italienischen Kaufmann,
sei es von der Heimat, sei es von der Champagne her, nach dem
Rheine geführt hat. Wenn aber für irgend eine Stadt des westlichen
und nördlichen Deutschlands Aussicht für den Nachweis des Handels
italienischer Kaufleute mit oder in ihr besteht, so muß das bei Köln
der Fall sein, das damals die erste und größte Stadt Deutschlands
war, das sich zudem einer reich entwickelten Textilindustrie erfreute^),
während uns andererseits eine Fülle von Urkunden, wie sie für keinen
anderen Bischofssitz auch nur annähernd vorliegt, gerade für Köln
über seine bei den Geldleuten Italiens aufgenommenen Anleihen Auf-
schluß gibt. ^1
330. Besonders zahlreich waren diese Anleihen bei römischen Kauf-
leuten in der Zeit des Kölner Schismas, das erst durch die Wahl Erzbischof
Engelberts (29. Februar 1216) beseitigt worden ist ; die meisten derselben
knüpfen sich an den Namen des Erzbischofs Dietrich von Hengebach
(Elektus 1208—1212, Erzbischof bis 1216), der seine durch den Erzbischof
Siegfried von Mainz ausgesprochene Absetzung in Rom rückgängig zu machen
suchte. 2) Folgende sind uns bekannt: 1. bei Matthaeus Guidonis Marronis,
Angelus Johannis Judaei, Jacobus Scarsus und ihren Sozii eine ältere An-
leihe Dietrichs von 260 Mark, die im Februar 1214 mit einer neuen Anleihe
bei denselben Kaufleuten verschmolzen wurde, so daß nunmehr 500 Mark
Sterl. auf der nächsten Aigulfsmesse von Provins zu erstatten waren. ^) 2. Bei
Petrus Sarracenus, Petrus de Paulo und seinem Sohne Angelus und Johannes
Pantaleonis 850 M. Sterl. ; da Petrus Sarracenus seit Ende 1212 in englischen
Diensten am Hofe Johanns nachweisbar ist, muß diese Anleihe spätestens
1212 aufgenommen sein. 4) 3. Bei Petrus de Centio de Lavinia, Johannes
Romani Deuteguardae, Johannes Cencii, Petrus de Johanne Romani 625 Mfll
Sterl.; zu diesem im Mai 1213 aufgenommenen Darlehen kam ein weiteres""
mit 700 M, Sterl. rückzahlbares hinzu; da er auch dieses nicht bezahlen
konnte, stellte Dietrich schließlich eine Schuldurkunde über 2000 M. Sterl.
') Vgl. z. B. die Bestimmungen des Erzb. Heinrich II. für das Wollenamt von
Deutz gemäß der Ordinatio, die die Kölner >exercentes officium lanei operis diutius
observaverunt. * Ennen u. Eckertz 11 no. 117. Schulte I, 123 ff.
*) Winkelmann, Otto 432 ff.
8) Lacomblet Th. J., Urkundenbuch für die Gesch. des Niederrheins 11 (Dussel
dorf 1846), p. 24 no. 47. Schulte I, 236.
*) Ennen u. Eckertz U no. 58. Ficker, Engelbert p. 324 no. 13. Oben § 3171
Handel mit West- und Norddeutschland. 423
aus. 1) 4. Bei Johannes Bobonis 160 M. Silber. 2) 5. Bei Lucas Scarsus und
Petrus Judaei 550 M. Sterl.^) • 6. Bei den Brüdern Huguicio und Leo Jo-
hannis Icte 1150 M. Sterl.^) 7. Eine kleinere Schuld von 17 M. Sterl., bei
der auch Frauen beteiligt waren; außer Guilelmus de S. Antonio nämlich
die Mutter des Johannes Zacha, Beneincasa, und Martina, die Witwe Scar-
lattos. 5)
Selbstverständlich ist die Anzahl der wirklich in dieser Zeit aufge-
nommenen Anleihen mit diesen einen Gesamtbetrag von mehr als 3300 M.
Sterl. erreichenden, deren Kenntnis auf uns gekommen ist, nicht erschöpft ;
es kann wohl der Wahrheit nahekommen, wenn Caesarius von Heisterbach
die Summe der zur Zeit des Schismas von den Erzbisch Öfen Adolf, Bruno
und Dietrich an der Kurie kontrahierten Schulden, die Engelbert zahlen
sollte, auf mehr als 16000 Mark Kölnisch angibt. 6) Denn nicht eher wollte
Papst Honorius IIL ihm das Pallium geben, als bis er die römischen Gläu-
biger befriedigt hätte. Von Johannes Bobonis wissen wir auch, daß er am
8. April 1217 befriedigt worden isf^) und mit den anderen oben genannten
Gläubigern (mit Ausnahme von Nr. 6) kam es im Mai 1218, zur selben Zeit,
als Engelbert das Pallium wirklich erhielt, zu gütlichen Vergleichen 8), in
denen sich die Gläubiger allerdings zu teilweise sehr erheblicher Ermäßigung
ihrer Forderungen genötigt sahen. So mußten sich Petrus de Centio und
Genossen an Stelle der beanspruchten 2000 M. Sterl. mit 1200 zufrieden
geben, die ihnen in drei gleichen Raten auf der Aigulfsmesse von 1218, der
Messe zu Bar und der Johannismesse von Troyes des folgenden Jahres ge-
zahlt werden sollten. 9) Der Dechant von Troyes, in anderen Fällen der
Abt von S. Genovefa in Paris, wurden vom Papst mit der Überwachung der
Durchführung dieser Vergleiche betraut, die, wie sich denken läßt, auch nicht
ohne Schwierigkeiten vor sich ging. Merkwürdig ist, daß wir von der For-
derung der Söhne des Johannes Icta erst durch einen Prozeß im Jahre 1238
erfahren 10); wir müssen wohl annehmen, daß sie zur Zeit jener Vergleiche
mit der Kurie zerfallen waren und so des notwendigen Rückhalts entbehrten.
Denn im allgemeinen müssen die römischen Gläubiger doch mit dem, was
sie schließHch erhielten, zufrieden gewesen sein, sonst hätten sie und ihre
Landsleute sich sicher nicht wieder mit Köln in ähnliche Geschäfte ein-
gelassen.
Denn im Okt. 1221 hören wir wieder von einem Abkommen, das zwi-
schen Matthaeus Guidonis Marronis, Johannes Judaei und Lucas Marqui-
sanus (also offenbar der unter no.l genannten Gesellschaft) und dem Be-
*) Korths Regesten in den Mitteil. a. d. Stadtarch. von Köln, Heft 3, p. 14,
no. 59/60 (Köln 1883). Ennen u. Eckertz II p. 45 u. 70. Vgl. Schulte I, 235.
») Schulte II no. 422.
«) Ficker, Engelbert no. 17 p. 329.
*) Rodenberg I, 621 f.
') Ficker, Engelbert no. 16. Ennen u. Eckertz H no. 63.
«) Vita 8. Engelberti 1. I c. 4 (Böhmer, Fontes H p. 299).
'') Schulte II, 285 n-o. 422 ; Quittung Honorius' HI. Dennoch glaubt Schulte I,
236 die Schuld erst 1221 zurückgezahlt; es ist ihm entgangen, daß Ficker, Engel-
bert no. 18 mit der von ihm selbst beigebrachten Urkunde identisch ist. Schon
Ficker hatte in seiner V^orlage einen Fehler im Pontifikatsjahr vermutet, Was nun
durch Schuttes Veröffentlichung klar wird (quinto statt primo).
8) Ficker Engelbert, no. 13, 16. Schulte H no. 423.
») Ennen u. Eckertz II no. 67. Ficker 1. c. no. 12. Schulte I, 236.
1») Rodenberg I, 621 f. Oben § 308.
424 Dreißigstes Kapitel.
Vollmacht] gten Engelberts, Gerhard, getroffen worden isti); im Auftrage;
Gerhards hatten sie an einen anderen Gläubiger des Erzbischofs, den römi-
mischen Bürger Bartholomaeus Mallalardus, 92 M. Sterl. gezahlt und da auch
von der alten Schuld noch ein Restbetrag verblieben war, ,so wurde die vom
Erzbischof auf der nächsten Messe von Bar an sie noch abzutragende Summe
auf 235 M. Sterl. festgesetzt. Im folgenden Jahre hat dann Engelbert den-
selben Gerhard zur Aigulfsmesse nach Provins geschickt, um zur Erstattung
der Vorschüsse, die ihm Kölner Bürger zur Entrichtung des Zwanzigsten
an die Boten des Papstes gewährt hatten, bei derselben römischen Gesell-
schaft ein neues Darlehn bis zur Höhe von 300 M. Sterl. aufzunehmen. 2)
Wir wissen ferner von einem Schuldkapital von 100 M. Silber, das Johan-
nes de Maroza von Engelbert beanspruchte 3) und einer weiteren uns in
ihrer Höhe nicht bekannten Anleihe, die er bei dem römischen Bürger Ju- jB
venal Manetti kontrahiert hatte, 4) Die Bezahlung dieser Schuld mußte er*"
allerdings seinem Nachfolger Heinrich überlassen, da er im November 1225
ermordet wurde; im April 1236 hatte dieser die Schuld noch nicht getilgt,
80 daß der Papst dem Erzbischof von Mainz einzugreifen befahl.») Ein
wie übler Zahler er war, geht am besten daraus hervor, daß Gregor IX. am
30. März 1233 den Erzbischof von Trier beauftragte, auf allen Messen und
an allen Orten, wo er es für zweckmäßig erachten würde, bekanntmachen
zu lassen, daß dem Erzbischof von Köln die Aufnahme jeglichen Darlehns
bei Strafe der Suspension verboten sei. ^) Auch bei einer Anleihe von
350 M. Sterl., die der Domdechant Gozwinus als Prokurator des Kölner
Domkapitels im Jahre 1234 an der Kurie aufnahm, waren neben 4 Sienesen
3 römische Kaufleute: der damalige Bankier des Papstes Bobo, des Johan-
nes Bpbonis Sohn, Paulus Johannis und Bartholomaeus Anazulus beteiligt.'^)
331. Um wesentlich geringere Summen handelt es sich bei den An-
leihen, die die Prokuratoren des Kölner Stifts S. Severin bei der Kurie auf-
nahmen; sie führen uns in interessanter Weise die regelmäßige Art des
Geldbezugs dieser Prokuratoren vor Augen. Bei den römischen Kaufleuten
Saxo Johannis Alberici, Johannes Alberici und Petrus de Romanis nimmt
der Kanoniker Albert als Prokurator des Stifts am 4. Juni 1224 ein mit
20 M. Sterl. am 22. Juli auf der Johannismesse von Troyes rückzahlbares
Darlehn auf; die Zahlung sollte an einen der Genannten oder einen Bevoll-
mächtigten, der die Schuldurkunde selbst, den Kreditbrief des Domkapitels
und das Zeugnis eines Kardinals über die erfolgte Hergabe des Darlehns
beizubringen hatte, erfolgen; bei Nichtzahlung sollten die üblichen Bußen
(10% für je 2 Monate und die Kosten für die Unterhaltung eines Kauf-
manns mit Pferd und Diener bis zur vollen Zahlung) eintreten. ^) Unzweif el-
») Ennen u. Eckertz II no. 70. Ficker 1. c. no. 19 p. 331. Vgl. Schulte I, 237 f.
2) Ficker 1. c. no. 27 p. ,341 (11. Sept. 1222). Oben § 289. Lucas Marquisanus
wird hier Lucas Scarsus genannt.
») Schulte II no. 424 (irrig zu 1223; richtig zu 1222 im Text I, 238).
*) Ergibt sich aus dem Schreiben des Papstes an Erzbischof Heinrich vom
18. Januar 1227 ; Pressutti 6185.
') Auvray 3149. Potth. 10146.
*) Auvray 1214.
») Schulte n no. 426.
8) Hess J. Die Urkunden des Pfarrarchivs von St. Severin in Köln (Köln
1901) no. 14 p. 26. Für Duas pretaxatas 20 m. ist Quas zu lesen. Wenn bei
Nichtzahlung hier 10 °/o per singulos menses festgesetzt scheinen, so fehlt hier nur
das duos; vgl. no. 15: de singulis videlicet duobus mensibus.
■
Handel mit West- und Norddeutschland. 425
liaft ist die Zahlung ebenso rechtzeitig erfolgt, wie wir es für den folgenden
Fall bestimmt wissen. Am 25. Juli nahm der Prokurator nämlich ein wei-
teres Darlehn im rückzahlbaren Betrage von 9 M. Sterl. bei dem Gewürz-
händler (speciarius) Bonagura auf, diesmal kein Meßdarlehn ; vielmehr sollte
die Rückzahlung bis zum 2. Februar in Rom oder wo sonst die Kurie ihren
Sitz haben würde, erfolgen ; bei Nichtzahlung wurde außer den Verzugs-
zinsen Zwangsaufenthalt des Schuldners an der Kurie vorgeschrieben,^) In-
dessen zahlte der mittlerweile eintreffende Nachfolger Alberts, der Proku-
rator Markmann, schon 6 Wochen vor Fälligkeit, am 18. Dezember 1224,
um dann seinerseits wieder am 5. Januar 1225 bei Saxo Johannis Alberici,
Anglerus Johannis Alberici und Johannes Romani Deuteguarde ein 2 Tage
vor Pfingsten mit 24 M. Sterl. auf der Maimesse von Provins rückzahlbares
Darlehn aufzunehmen, 2) Es sind ersichtlich ganz regulär sich abwickelnde,
sich häufig wiederholende Kreditgeschäfte, von denen wir hier einmal einen
Ausschnitt vor uns haben.
332. Wenn diese Geschäfte dem römischen Kaufmann für gewöhnlich
keinerlei Veranlassung boten, Deutschland aufzusuchen, so war das doch
anders, wenn eine Stockung in den Zahlungen eintrat, besonders wenn es
eich um hohe Summen handelte. Auch auf den Messen waren Vertreter
der Schuldner nicht immer zu erlangen. Dann trat die Notwendigkeit der
Verhandlung an Ort und Stelle an die Gläubiger heran; für den Fall der
Nichtzahlung waren ja auch Unterhaltungskosten für mindestens einen Kauf-
mann mit Pferd und Diener vorgesehen und diese Kosten wurden auch
von den geistUchen Gerichtshöfen immer anerkannt. Bei den großen Schwie-
rigkeiten, die die Bezahlung der vielfachen Schulden namentlich des Erz-
stifts machte, sind darnach sicher römische Kauf leute nicht selten auch nach
Köln selbst gekommen. Das wird ganz unzweifelhaft in einem Falle wie
dem des Juvenal Manetti, von dem Gregor IX. am 26. April 1236 sagt, daß
er lange Zeit sich um die Wiedererlangung des Darlehns, das er dem Erz-
bischof vor mehr als 10 Jahren gegeben, bemüht habe 3) ; auch wenn nun
seine allmähliche Befriedigung aus den Einkünften der erzbischöflichen Mensa
angeordnet wird, macht das die gelegentliche Anwesenheit von Vertretern
des Gläubigers in Köln wahrscheinlich. Zur weiteren Bestätigung kann es
dienen, wenn wir sehen, daß am 23. Juli desselben Jahres die Söhne des
Petrus Centius de Lavinia, Alexius und Andreas, und ihr Neffe Petrus einen
Bevollmächtigten ernennen, der die Außenstände der Gesellschaft nicht nur
in Frankreich und England, sondern auch in Deutschland einziehen sollte.*)
Wenn wir nun fragen, ob denn der Verkehr römischer Kaufleute in
Köln nicht auch aus anderen Quellen nachweisbar ist, so können wir freiUch
nicht gerade viel Positives bieten. Das Vorkommen von Personen mit dem
Beinamen Romanus in den Kölnischen Gilde- und Bürgerlisten schon des
12. Jahrhunderts ö) beweist nur, daß der und jener gute Kölner Bürger aus
') Ebd. no. 15. Unter den Zeugen befinden sieb der Prokurator des Bischofs
von Hildesheim, der von Paderborn und zwei der Äbtissin von Quedlinburg.
») Ebd. no. 16, 17 p. 29 f.
') Auvray 3149 : pro cuius recuperatione diu laboraverat. Für die Geschichte
der Anläufe, die im fünften Jahrzehnt zur Deckung der Schulden des Kölner Erz-
stifts gemacht wurden, s. Schulte I, 241.
*) Schunk m, 114. Schulte I, 245.
*) H. v. Lösch: Die Kölner Kaufmannsgilde im 12. Jahrh. (Westd. Zeitschr.
f. Gesch, und Kunst, Erg,-H, 12, Trier 1904) p, 53 (Alart Romanus, zwischen 1130
426 Dreißigstes Kapitel.
irgendwelcher Veranlassung diesen Beinamen erhalten hat, keineswegs aber
die Aufnahme von Römern unter die Kölnische Bürgerschaft. Von großer
Wichtigkeit dagegen ist, daß die 1209 verfaßte Aufzeichnung über den zu
Koblenz für das Trierer Simeonsstift erhobenen Rheinzoll, der sich wie der
genuesische Tarif vom Ende des 12. Jahrhunderts nach der Herkunft der
Händler richtet, die Römer besonders aufführt, während die Italiener in der
analogen Aufzeichnung von 1104 noch ganz fehlen; wenn die Römer be-
sonders begünstigt sind, insofern sie nur Vs des von den Zürichern und
allen andern südwärts bis Rom wohnenden Kaufleuten zu zahlenden Zolls
zu entrichten haben i), so ist hierin sicher eine Wirkung des Einflusses, den
gerade die römischen Geldleute in dieser Zeit zu üben in der Lage waren,
zu erblicken. Bemerkt sei noch, daß eine jüngere, aber noch demselben
Jahrhundert entstammende, etwas wortreichere Redaktion desselben Tarifs
ausdrücklich von den mit ihren Waren zu Schiffe ankommenden Römern
redet. 2) Als ein indirektes Zeugnis endlich kann es angesehen werden, daß
wir Petrus, einen Sohn, des uns vom Jahre 1213 als Gläubiger des Erzstifts
bekannten Johannes de Romano Deuteguarda, auf der deutschen Seite der
Alpen nachweisen können ; auf seinem Wege durch die Diözese Chur wurde
er überfallen und obwohl er dem Beamten des Bischofs seinen Zoll ent-
richtet hatte, beraubt, so daß er den Bischof Rudolf beim Papst auf Schaden-
ersatz in Höhe von 140 1. prov. sen. verklagte; am 30. Oktober 1226 be-
zeugte Honorius III. in einem Schreiben an Petrus, daß sich der mittler-
weile (18. Sept.) in Rom verstorbene Bischof zur Zahlung für den Fall, daß
der Kaiser nicht inzwischen für Schadenersatz gesorgt hätte, bereit erklärt
habe. ^) Daß Köln zu seinen Reisezielen gehört habe, werden wir allerdings
nicht ohne weiteres anzunehmen haben, da Petrus offenbar über den Sep-
timer gegangen ist ; die römischen Kaufleute hatten eben noch an manchei^i
anderen Orten Deutschlands ihre Interessen wahrzunehmen. ^j
Hat doch selbst der Propst von Lebus (Lubicensis) als Proku-
rator der Stadt Magdeburg ein Meßdarlehen bei den Römern
Bonagura, Jacobus und Paulus Subectarii aufgenommen, dessen pünkt-
liche Rückzahlung mit 350 M. Sterl. laut Auftrag Gregors IX. vom
1. März 1239 von dem Abt von S. Genovefa in Paris zu überwachen war.*)
333. Im übrigen waren es besonders die Bistümer vom Mittel-
rhein und von Lothringen, die sich bei ihren kurialen Anleihen der
römischen Kaufleute bedienten. ^i
und 1140 u. Hugo K.), p. 60 (Gozwin E,., ca. 1180). Auch bei Höniger: Kölner
Schreinsurkunden U. Vgl. Schulte I, 303.
') Mittelrhein. XJrkundenb. II no. 242. Der Tarif setzt für die usque Eomam
Wohnenden fest XTE den. librales vel VI den. Colonienses und fährt dann fort:
Romani vero IV den. vel VI den. Colon., was bei dem angegebenen Wertverhältnis
unmöglich ist. Auch die von Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben II, 336 vor-
geschlagene Umstellung der Ziffern IV und VI entspricht diesem Verhältnis nicht ;
wenn die Verderbnis, wie anzunehmen, sich nur auf eine Ziffer erstreckt, so kann
sie nur dadurch geheilt werden, daß IV den. vel II den. Col. gelesen wird. D:
ältere Zollrolle steht Hans. XJrkundenb. I p. 3.
*) Baer M., Urkunden und Akten z. Gesch. der Verf. u. Verw. der StadI
Koblenz (Bonn 1898), p. 154. Schulte I, 109.
3) BernouUi J., Acta pontificum Helvetica I (Basel 1891) no. 138, p. 98. Pre
sutti 6036. Vgl. Schulte I, 248.
*) Rodenberg I, 636 no. 740. Vgl. Schulte I, 249 f.
Handel mit West- und Norddeutschland. 427
Für Mainz wissen wir, daß Erzbischof Siegfried außer jenem ältesten
Darlehn vom Jahre 1209 bei Gerhardus Johannis de Nicoiao auch bei drei
anderen römischen Kaufleuten, den Brüdern Gerhard, Andreas und Nicolaus,
Meßschulden kontrahiert hat, deren Höhe am 29. Mai 1220 im Verfahren
vor einem vom Papst bestellten geistlichen Gericht in Troyes auf 490 M.
Silber (kölnisch) festgesetzt wurde. Davon waren 334 M. auf der Maimesse
schon bezahlt, wie der Bevollmächtigte der Gläubiger, Johannes, Gerhards
Sohn, selbst bezeugt : der Rest sollte in 5 Wochen getilgt werden, widrigen-
faUs das Gericht die bei ihm deponierten Schuldurkunden den Gläubigern
zu weiterem Vorgehen wieder herausgeben wollte. Daß auch in Mainz später
finanzielle Mißstände eingetreten sind, geht am sichersten daraus hervor,
daß das Diözesankonzil vom Juni 1233 dem Erzbischof Siegfried III. den
Zwanzigsten auf alle Pfründen des Sprengeis erst bewilligte, als er geschworen
hatte, fortan Schulden in Italien nur noch mit besonderer Zustimmung des
Domkapitels zu machen. Im folgenden Monat kam dann auch ein Ver-
gleich zwischen dem Erzbischof und der römischen Gesellschaft Albrizzi zu-
stande, der die Schuld des Erzbischofs auf 1000 M. Sterl., zahlbar auf der
Messe von Lagny im Jahre 1234, ermäßigte. Aber noch 1237 wurde an der
Kurie zwischen ihm und seinen römischen Gläubigern prozessiert, i)
Für die Wormser Kirche erscheinen Matthaeus Guidonis Marronis und
seine Sozii als die Hauptgläubiger. Da Worms nicht zahlte, befahl Hono-
rius III. dem Erzbischof von Mainz, alle Einkünfte der Wormser Kirche
zu sammeln und zur Befriedigung der genannten Gläubiger nach Troyes
schicken zu lassen. Indessen war bei der Dürftigkeit der Einkünfte des
Bistums den Gläubigern damit wenig gedient. Deshalb beauftragte der Papst
am 8. Juli 12252) den Mainzer, diese Einkünfte zu verpfänden und den
Klerus, die Bürgerschaft und die Vasallen der Wormser Kirche sowie die
Juden der Diözese zu bestimmen, der Wormser Kirche beizuspringen, damit
bis nächste Ostern 1620 Mark (einschließlich schon gesammelter 430 M.) ge-
sammelt seien, die für die Gläubiger an einem sicheren Orte bereitzustellen
wären. Den Ausgang der Sache kennen wir nicht; wir wissen nur, daß die
Exkommunikation, die der Erzbischof über die widerspenstigen Wormser
verhängte, fruchtlos blieb und daß der Papst am 4. Juni 1226 den Erzbischof
auf seinen Bericht beauftragte, die Exkommunikation unverbrüchlich durch-
führen zu lassen. 3) Im September 1234 hat dann das Wormser Domkapitel
den Beschluß gefaßt, von dem neuen Bischof das feierliche Versprechen zu
verlangen, bei römischen, italienischen oder sonstigen Kaufleuten, die auf
Urkunden liehen, kein Darlehn aufzunehmen. Wenn Bischof Landulf für
den Prokurator, den er an die Kurie an Lyon schickte, am 31. August 1246
einen Kreditbrief bis zur Höhe von 30 M. Silber ausstellte, so mochte er
in dieser Form der Geldübermittelung einen Bruch seines Versprechens nicht
erblicken. 4) Wenn wir im Jahre 1235 von der schweren Verschuldung des
Bistums Spei er hören, dessen schmale Einkünfte von den Wucherzinsen
fast aufgezehrt wurden &), so hat es alle Wahrscheinhchkeit für sich, daß
') Schunk m, p. 104 ff., no. 5 u. 6. Oben § 289. Ann. Erphordens., SS. XVI,
28. Schulte I, 244 f. Will H, 245 no. 234.
») Rodenberg I, 195 no. 273. Will H, 190 no. 490.
») Rodenberg I, 226 no. 298. Schulte I, 249.
♦) Boo8 H. Quellen zur Gesch. der Stadt Worms, I (Berlin 1886) no. 176 p. 128.
Schulte 1. c. Höfler p. 117 no. 34.
») Auvray 2542 (14. Mai 1235). Am 17. April 1244 fordert Innocenz IV. alle
428 Dreißigstes Kapitel.
auch hier die römischen Geldleute die Hauptgläubiger gewesen sind; denn
auch in Straßburg begegnen wir ihnen wieder; wieder ist es der uns schon
bekannte Saxo Johannis Alberici, an den Bischof Heinrich im Jahre 1247
eine Meßschuld von 600 M. Sterl. abträgt, i)
334. Auch in Metz hatten neben den wohlhabenden einheimischen
Kaufleuten und den Bürgern von Siena die römischen Gläubiger an den
Schulden der Kirche ihren erheblichen Anteil. Im Januar 1227 tritt Hono-
rius in. für die Befriedigung des Juvenal Manetti durch den Bischof ein 2) ;
10 Jahre später wird sein Guthaben bei dem Bischof auf 2300 M. Sterl. an-
gegeben, während gleichzeitig andere römische Kaufleute, unter denen An-
gelus Romani de Sposa hervortritt, eine Forderung von etwas über 3890 M.
Silber erhoben. 3) Der Gesamtbetrag der Schuld wurde schließlich auf
13000 M. Sterl. festgesetzt, wovon 1/3 auf die römischen Kaufleute entfiel;
jährlich sollten 1000 M. abgezahlt werden; der mit der Durchführung des
Abkommens beauftragte Abt von Dervum (Diöz. Chalons) erhielt am 17. Aug.
1243 von Innocenz IV. den Befehl, alle auf diese Schuld bezüglichen Ur-
kunden der römischen Gläubiger nach Abtragung des ihnen zustehenden
Drittels unverzüglich dem Bischöfe zurückzugeben, während am 23. Januar
1244 der Erzbischof von Mainz die Ermächtigung erhielt, den Bischof von
der über ihn verhängten Exkommunikation loszusprechen, vorausgesetzt,
daß er die 1000 Mark jährlich bis zur vollen Tilgung der Schuld pünktlich
zahle. 4)
Der römische Kaufmann Juvenal Manetti war endhch auch Gläubiger
des Bischofs Raoul von Verdun, der ihm die hohe Summe von 1720 M.
Sterl. zu schulden bekannte ; die Weisung Gregors IX. vom Dezember 1228
an den Abt von S. Martin in Troyes, den Bischof zur Zahlung der von ihm
bei einem römischen Kaufmann geliehenen Summe zu veranlassen, bezieht
sich jedenfalls auf diese Schuld. ^) Doch verfiel der Bischof der Exkommu-
kation und sein Gebiet dem Interdikt, weil er den Juvenal und seine übrigen
römischen, sienesischen und florentinischen Gläubiger nicht befriedigt hatte ;
erst am 18. Dezember 1232, als er die Gläubiger zufriedenzustellen geschworen
hatte, erfolgte Aufhebung dieser Strafen, ß) Der Bischof ging dann selbst
nach Rom und es gelang ihm, ein Jahr später ein Versäumnisurteil gegen
seine Gläubiger zu erzielen. '^) Wie die Sache endete, ist nicht bekannt ; nur
soviel wissen wir, daß das Bistum auch im Jahre 1245 noch unter einer
großen Schuldenlast seufzte und daß der Papst dem Erwählten von Verdun
damals für 3 Jahre die Erhebmig von je 2000 1. tur. von den Kirchen seines
Sprengeis zur Tilgung der Schulden der Kirche von Verdun gestattete. »)
i
Geistlichen der Diözese auf, dem Bischof in seiner Schuldenlast (penitus excrei
cente voragine usurarum) beizustehen. Berger no. 613.
1) Urkundenb. d. Stadt Straßburg I (Straßb. 1879), p. 237 no. 315. Schulte I, 250,
*) Pressutti 6184 (18. Januar). Wiegand, Vatikanische Reg. z. Gesch. d. Metzer
Kirche, im Jahrb. d. Ges. f. lothr. Gesch. IVi (Metz 1892) p. 156 no. 81. ^1
") Wiegand no. 42, 43. '^I
*) Ebd. no. 44—51 p. 166 fiE. u. 214. Berger 60 u. 398. Vgl. Schulte I, 250.
6) Bourquelot II, 57 (undatiert) ; I, 184. .^
«) Auvray 998. Ml
') Ebd. 1671 (23. Dez. 1233). «■
8) Berger 1451, 1453. Im Jahre 1235 hat sich der Bischof wegen seiner Schul-
den bei Metzer Bürgern im Zwangsaufenthalt in Metz befunden. "Wiegand 1.
p. 159 no. 40.
Handel mit "West- und Norddeutschland. 429
335. Bolognesischen Kaufleuten begegnen wir außer bei jener
ersten bekannten kurialen Anleihe des Erzstifts Mainz von 1209 nur
noch einmal auf diesem Gebiet; und gerade' in diesem Fall steht die
Anwesenheit eines bolognesischen Kaufmanns in Köln positiv fest.
Ein Darlehn, das in Rom bei einem Konsortium von bolognesischen
Kaufleuten aufgenommen war, hatte mit 258 Mark Kölnisch auf der Jo-
hannismesse von Troyes 1221 erstattet werden soUen; da die Zahlung aus-
blieb, erschien einer der Gläubiger, Amadeus, als Bevollmächtigter des Kon-
sortiums in Köln und traf mit dem Erzbischof am 13. Juli 1222 das Ab-
kommen, daß die Schuld einschließlich des Ersatzes von Schaden und Kosten
auf der kommenden Aigulfsmesse von Provins mit 35 Mark Barrengold (auri
de paiola) Kölner Gewichts getilgt werden sollte; die Urkunde trägt das
Siegel Amadeos neben den Siegeln des Erzbischofs, des Dompropstes und
des Domdechanten. 1)
336. Erheblich größere Konkurrenz auf diesem Gebiete machten
den Römern *die Sienesen, allerdings erst im zweiten Viertel des
13. Jahrhunderts.
Engelberts Nachfolger, Erzbischof Heinrich, trat zuerst mit ihnen in
Verbindung, offenbar durch das Beispiel der Stadt Köln 2) dazu veranlaßt.
Als sein Bevollmächtigter nahm der Ritter Gerhard Scarfinus auf der Winter-
messe zu Troyes im November 1226 bei den Kaufleuten Alamanno Ugonis,
Caponero, Ugo Bencivegni, Spinello Cavalca, Piccolomini Oltramonte, Rai-
nerio Pontii und deren Sozii ein Darlehn auf^), das auf der nächsten Jo-
hannismesse mit 650 M. Sterl. zu erstatten war.
Um eine sehr bedeutende Summe handelte es sich bei der Anleihe,
die Heinrichs Nachfolger, Konrad von Hochstaden, bei sienesischen Kauf-
leuten aufnahm, als er nach seinem Amtsantritt in Rom weilte. Am 28. März
1239 ließ er zwar den Sienesen Erminio Bentivegni, Turchio Chiarmontesi
und ihren Sozii 110 M. Sterl. zurückzahlen 4) , eine Schuld, die jedenfalls
noch auf seinen Vorgänger zurückging; diese Rückzahlung war ihm aber
offenbar nur dadurch möglich, daß er gerade damals bei ihren Landsleuten
Bartolommeo Ugonis Piccolomini, Bonaventura Lupelli und ihren Sozii
seine Hauptanleihe kontrahierte. Bonaventura hatte noch eine ältere For-
derung von 40 M. Sterl., zu deren Zahlung sich ein Prokurator des Vor-
gängers Konrads verpflichtet hatte, die nunmehr anerkannt wurde; dazu
trat eine Anleihe von 100 M. Sterl., die Konrad bei der Gesellschaft wahr-
scheinlich bald nach seiner Ankunft in Rom aufgenommen hatte und end-
lich die Hauptschuld im nominellen Betrage von 4600 M. Sterl., die großen-
teils zur Deckung der hohen Servitiengelder, die der Erzbischof für seine
Konfirmation an die Kurie zu zahlen hatte, bestimmt war, während ihre
Erstattung an die sienesische Gesellschaft dadurch gesichert schien, daß der
Papst dem Erzbischof die Erhebung von 8000 Mark Silber innerhalb eines
Zeitraums von 6 Jahren von dem Klerus seiner Diözese erlaubte, ö) Kurze
Zeit darauf aber, am 28. April 1239, erließ Gregor IX. sein auch nach Deutsch-
') Oben § 274. Ennen u. Eckertz II no. 73. Ficker, Engelbert no. 26 p. 339 f..
») Unten § 337.
») Schulte n, 286 no. 425 ; I, 239.
*) Regest der Quittung : Mitteil. a. d. Stadtarch. Köln, Heft 22 p. 88.
») Rodenberg I p. 644 (April 1239).
430 Dreißigstes Kapitel,
land gerichtetes Zahlungsverbot gegen die Sieneseni), ein Verbot, das sich
Erzbischof Konrad in solchem Umfange zunutze machte, daß er ihnen über
18 Jahre lang nicht einen Heller zahlte. Erst am 14. August 1258 kam es
an der Kurie zu einem gütlichen Abkommen zwischen den Vertretern der
Gesellschaft und Wolfhard, dem Prokurator des Erzbischofs, wonach die
Hauptschuld von 4600 M. Sterl. binnen 10 Jahren in je 2 Jahresraten von
230 M. in Provins und Troyes zu erstatten war. 2) Daß der Erzbischof in
der Zwischenzeit eine neue Anleihe bei italienischen Kaufleuten nicht hat
kontrahieren können, ist begreiflich.
337. Im Jahre 1232 hatte Gregor IX, verordnet, daß um der Schulden
der Erzbischöfe willen das Kölner Domkapitel nicht belangt werden dürfe,
da beider Güter getrennt seien und die Erzbischöfe in eigenen Angelegen-
heiten ohne Wissen des Kapitels große Summen bei Kaufmannsgesellschaften
aufgenommen hätten. 3) Aber das Kapitel machte auch auf eigene Rech-
nung Schulden dieser Art. Auf der Aigulfmesse von Provins des Jahres
1231 hatte es einer sienesischen Gesellschaft eine Schuld zu tilgen versprochen;
da es seiner Verpflichtung indes nicht nachgekommen war, forderte ein Be-
vollmächtigter der Gesellschaft, Rainerius Petri, am 4, Mai 1232 zu Provins
die Vorladung des Kapitels auf den 16. August zur Verhandlung nach Troyes.'*)
Eine weitere Schuld dieser Art in Höhe von 350 M. Sterl. kontrahierte der
Domdechant Goswin als Prokurator des Kapitels an der Kurie im Jahre
1234 bei einem Konsortium von vier sienesischen und drei römischen Kauf-
leuten; nach 4 Jahren war noch nichts davon bezahlt, so daß Willelmus
Benoqui als Vertreter des sienesischen Kaufmanns Marcellus Ugolini im
November 1238 bei dem Dechanten und dem Kapitel von Troyes Klage auf
Erstattung des Kapitals und der inzwischen aufgelaufenen Verzugszinsen und
Kosten einreichte; auf Montag nach Epiphanias 1239 wurde der erste Termin
angesetzt, ö) Es ist als sicher anzusehen, daß in diesem Falle wie in ähn-
lichen Fällen sienesische Vertreter ihrer Gesellschaften auch nach Köln ge-
kommen sind ; bürdete doch gerade in diesem Falle der Vertrag dem Schuldner
im Falle des Verzuges die Unterhaltung von zwei Kaufleuten mit je einem
Pferd und Diener bis zur vollen Tilgung der Schuld auf, wofür in der Klage
nicht weniger als 200 M. Sterl. in Ansatz gebracht sind.
Noch mehr deutet es auf das Bestehen auch sonstiger kommerzieller
Beziehungen, daß auch die StadtKöln solche Anleihen aufgenommen hat
und zwar ist sie es, soviel wir sehen können, zuerst gewesen, die sich an
eine sienesische Gesellschaft gewandt hat. Zur Hälfte auf der Aigulfsmesse
von 1226, zur anderen auf der Messe von Bar von 1227 fähig war eine Schuld
von 300 M. Sterl., die Richter, Schöffen und Gemeinde von Köln bei den
Sienesen Palmerius Donati, Bonencontrus Rogerii, Rogerius Aringerii, Alde-
>) Oben § 280.
2) Nur dieses erhalten; Schulte II, 175 no. 278. Vgl. I, 240 f. Wichtig für die
Datierung der Anleihe ist das Schulte entgangene Zahlungs verbot des Papstes; wenn
der Spruch des Kardinals vom August 1258 auch nur von 18 annis et amplius jam
elapsis redet, so ist zu bedenken, daß diese Zeitangabe sicher aus der weit früher
eingereichten Klageschrift der Sienesen herrührt.
3) Lacomblet: Urkdbuch f. d. Gesch. d. Niederrheins n, 92. Ficker, Engel-
bert p. 222.
*) Korth, Regesten in Mitteil. a. d. Stadtarch. v. Köln, H. 4 (Köln 1884) p. 49.
») Schulte II, 287 no. 426. In der Darstellung bringt Schulte I, 239 dies«
Schuld mit der früheren von 1231 zusammen, was schwerlich begründet ist.
Handel mit West- und Norddeutscliland. 431
brandinus Galerani, Berengerius Guadagnoli, Rainerius Salimbene und Ber-
nardinus Alamanni aufgenommen hatten. Doch ist die Erstattung erst im
Oktober 1228 auf der Aigulfsmesse durch Johannes, Notar der Kölner Bürger-
schaft, gegen Rückgabe aller die Schuld betreffenden Urkunden erfolgt, i)
Ein weiteres Darlehn, das die Stadt bei Ugo Bencivegni, Piccolomini Oltra-
monte und Rainerio Rolandi aufnahm, ist vertragsgemäß mit 312 M. Sterl.
auf der Ostermesse von Bar im Jahre 1229 zurückerstattet worden. 2) Be-
merkenswert erscheint auch hier die zugunsten der Schöffen und Bürger
von Köln am 19. Januar 1231 von König Heinrich durch förmlichen Rechts-
spruch zu Worms gefällte Entscheidung, daß sie wegen der Schulden oder
Versprechungen des Erzbischofs oder einer anderen Person in keiner Weise
sollten behelligt werden dürfen. 3) Anderweitig nachzuweisen vermögen wir
die Sienesen in Köln nicht; aber schon in Anbetracht ihres starken Ver-
kehrs mit dem östlichen Frankreich und England wäre es wunderbar, wenn
sie nicht auch Köln öfters besucht haben sollten.
338. Im übrigen zogen sich die finanziellen Beziehungen der Sienesen
zu den Bistümern und Klöstern in ununterbrochener Kette von der Cham-
pagne bis zum Rhein. Den Bischof von Toul haben wir schon als Schuldner
des Sienesen Rimpretti kennen gelernt; Sienesen waren 1232 unter den
Gläubigern des Bischofs von Verdun^) und schon 1221 unter denen des
Primicerius von Metz. ^) Als es sich im Jahre 1218 um die Entrichtung des
Zwanzigsten zu Kreuzzugszwecken an die Kurie handelte, haben die neun
Benediktinerklöster der Diözese Metz, Gorze usw. die Zahlung in der Weise
bewirkt, daß sie ihren Prokurator an der Kurie, den Prior von Glandiere,
bei den Sienesen Altavilla, Boncompagnus Aldemaris und Guido Picolinus
und ihren Sozii ein Darlehn aufnehpaen ließen, das auf der Maimesse von
Provins mit 323 M. Sterl. erstattet wurde. ^) Eine Anzahl von sienesischen
Kaufleuten fiel später dem Betrüge eines Kanonikers von Metz, Vivianus,
zum Opfer ; er hatte Generalkreditbriefe auf den Namen der Abtei von Gorze
gefälscht und auf Grund derselben verschiedene Meßdarlehn bei Rustichino
Rogerii und Comp., Contadino Rainaldi und Comp,, Bonico Bonici und
Comp., die den Betrag von 1400 1. prov. überstiegen, aufgenommen. Die
Abtei kam zunächst in die schwerste Verlegenheit, da die Gläubiger päpst-
hche Briefe gegen sie erzielten; auf ihren Appell an den Papst überwies
dieser am 17. Juni 1236 die Sache zu genauer Untersuchung an einen be-
sonderen geistlichen Gerichtshof. '^) Im Jahre 1235 erscheinen Rainerio Ro-
landi und Bernardino Prosperini mit 1150 M. Sterl. als Gläubiger des Erz-
bischofs von Mainz, der im Mai zu Provins einen Teil dieser Schuld be-
gleichen und für den Rest mit ihnen ein neues Abkommen treffen ließ ^) ;
') Ennen u. Eckertz H no. 108. Hans. Urkb. III, 32 A. Vgl. Schulte I, 238.
*) Ennen u. Eckertz 11 no. 107, irrig zu 1228 gesetzt. Richtig datiert im Re-
gest von Korth 1. c. Heft 3 (1883) p. 19 (wo aber irrtümlich Bar-le-duc für Bar-sur-
Aube steht).
») Ennen u. Eckertz H no. 122 (Erzbischof Heinrich ist selbst unter den Zeugen),
bestätigt im Privileg Friedrichs H. von 1236, ebd. no. 159. Schulte I, 238.
*) Oben § 279 u. 334.
») Wiegand im Jahrb. d. Ges. f. lothr. Gesch. IV, no. 22 p. 153.
') H. V. Sauerland in der Festschrift zum Jubiläum des deutschen Campo
Santo in Rom (Freiburg i. B. 1897), p. 153. Schulte I, 251.
') Auvray 3192. Wiegand 1. c. no. 41 p. 159.
«) Schunk in, 110 no. 7. Vgl. Schulte I, 245.
432 Dreißigstes Kapitel. Handel mit West- und Norddeutschland.
es scheint, daß sie durch Zession an die Stelle römischer Gläubiger getreten
sind ; das wegen des Konflikts der Stadt Rom mit Gregor IX. (1234/35) er-
gangene päpstHche Zahlungsverbot würde eine solche Zession leicht erklär-
lich machen.
Außerhalb des Rheingebiets sehen wir endlich noch das Bistum Osna-
brück in der Reihe der Schuldner sienesischer Kaufleute; auf Klage der
Sienesen Tolomeo Ranuccii, Spinello, Leonardo, Jordano und Servideo wurde
der ehemalige Erwählte Engelbert von dem päpstlichen Auditor im Jahre
1236 wegen einer von ihm als Erwähltem aufgenommenen Meßschuld ein-
schließlich Schäden und Kosten zur Zahlung von 74 M. 11 sol. Sterl. bis zum
30. November verurteilt; am 27. Juni 1236 erteilte der Papst dem Kantor
von Troyes den Befehl, die Ausführung zu überwachen, i)
339. Den Florentinern begegnen wir erst ganz am Ende
unseres Zeitraums als Gläubigern des Erzstifts Köln.
Aringus Abadinghi und Comp, hatten sich durch die Verwendung des
apostolischen Legaten bestimmen lassen, dem Kanoniker Gottschalk als Pro-
kurator des Erzbischofs an der Kurie in Lyon auf seinen Kreditbrief hin
ein Darlehn zu gewähren; indessen Konrad von Hochstaden kam auch in
diesem Falle seiner Zahlungspflicht nicht nach, so daß Innocenz IV. ihn am
4. Oktober 1250 mahnen und den Archidiakon von Lüttich, Markwald, be-
auftragen mußte, den Erzbischof bei weiterer Säumnis vor den päpstlichen
Stuhl zu zitieren. 2) Im übrigen haben wir die Florentiner schon im Jahre
1232 als Gläubiger des Bischofs von Verdun kennen gelernt. 3) «I
Andere italienische Handelsnationen können wir in unserem Ge-
biete nicht mit Sicherheit nachweisen.
Der Mailänder Rechtskundige Monachus de Villa, der bei König Ottos
Krönung 1198 in Aachen zugegen war, hatte auch im Jahre 1200 nur eine
rein politische Mission. ■*) Und wenn gegen Ende des 12. Jahrhunderts in
den Kölner Schreinsurkunden öfter ein Petrus Longobardus genannt wird,
so ist damit noch keineswegs erwiesen, daß es sich um einen wirklichen
Lombarden handelt. 0) Dagegen hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß
unter den Kawertschen, die im Jahre 1227 in Trier genannt werden, auch
Lombarden zu verstehen sind, wobei in erster Linie an Astesanen zu denken
wäre, wie wir sie 20 Jahre später für Douai kennen gelernt haben. 6) Am
1. März dieses Jahres nämlich faßte das Trierer Provinzialkonzil einen Be-
schluß, der sich gegen diejenigen richtete, die ihr Geld auf Gewinn bei
Kawertschen oder Juden anlegten; gerade damals kann auch hier an der
Mosel schon die Konkurrenz der Astesanen mit den eigentlichen Cahorsinern,
11
>) Auvray 3202. Engelbert war electus 1224 — 1226; wirklich Bischof wurde
er erst 1239; s. Philipp! F., Osnabrücker Urkdbuch II (Osn. 1896).
») Berger 5361.
») Oben § 334.
*) Über ihn Winkelmann, Philipp 87 f., 342 f. u. Otto 190 A. 2, 213 A. 2. Vgl.
Schulte I, 108. .
») Schulte I, 303. 11
*) Aronius J., Regesten z. Gesch. der Juden (Berlin 1887 f.) no. 439. Liebe G.,«"
Die Anfänge der lombardischen Wechsler im deutschen Mittelalter (Zeitschr. für
Kulturgesch., N. F. I, 1894, 276) nimmt ohne weiteres die Identität dieser Kawertscheuj
von Trier mit den Lombarden an.
Einunddreißigstes Kapitel. Handel mit Ober-Deutschland etc. 433
die dem Gewerbe den Namen gegeben i), bestanden haben. Sehr merkwürdig
ist es dabei, daß wir gerade für das Erzstift Trier bis zur Mitte des Jahr-
hunderts auch Aicht eine Anleihe nachweisen können, die es an der Kurie
oder auf den Messen bei itahenischen Kaufleuten aufgenommen hätte. Es
scheint fast, als ob hier ein Zusammenhang bestände, so daß das Geld-
bedürfnis und Geldübermittelungsbedürfnis der Trierer Kirche in dieser Zeit
eben durch die ansässigen Kawerschen befriedigt worden wäre.
Ein stärkerer direkter Handelsverkehr der Italiener mit den
Rheinlanden — das ergibt sich mit Sicherheit aus unseren Quellen —
bestand jedenfalls nicht. Wohl aber zeigen uns die Zahlungsbedin-
gungen in jenen zahlreichen kurialen Anleihen, daß ein starker Ver-
kehrsstrom von der Rheinhnie her, von Köln bis Straßburg, nach den
Messen der Champagne sich ergoß, der hier mit dem noch stärkeren
italienischen zusammentraf ; bis zur Elbe und zum Obermain hat dieses
große damahge Handelszentrum seine Anziehungskraft geäußert.
Einunddreißigstes Kapitel.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen
Nachbargebieten.
340. Auch bei den kommerziellen Beziehungen der Italiener zu Ober-
Deutschland spielten die kurialen Anleihen eine wichtige Rolle. Nur
standen hier die Sienesen durchaus im Vordergrunde; neben ihnen
kommen die römischen Geldleute, ausnahnasweise auch einmal die
Bolognesen in Betracht.
Im Jahre 1234 verkaufte das Kloster Hirsau zahlreiche Besitzungen,
um sich »a gravissimis usuris Romanorum« zu befreien 2); zur selben Zeit
erscheinen sienesische Kaufleute als Gläubiger des Klosters Disentis am
Vorderrhein; am 17. Januar 1233 beauftragte Gregor IX. den Bischof von
Como, die Schuldner zur Zahlung zu veranlassen.^) Bei sienesischen und
römischen Kaufleuten hatte Abt Rudolf von S. Gallen (seit 1219), bevor
er auch das Bistum Chur erhielt, das er 1222 — 1226 innehatte, eine Schuld
von 500 M. Silber teils in der Lombardei, teils in Rom kontrahiert, die er
indessen nicht bezahlte. Erst am 1. Mai 1230 kam es zwischen seinem Nach-
folger Konrad und dem Vertreter der Gläubiger, dem Sienesen Uberto Gui-
donis Bacchi, der selbst nach St. Gallen gereist war, zu einem Abkommen,
das den Gläubigern Befriedigung in zwei Raten bis Martini des nächsten
*) Bezeichnend die Gleichsetzung: Cauwercini vel Cristiani qui manifeste
prestant ad usuras in dem Kölner Judenprivileg von 1266, das die Kawerschen zu-
gunsten der Juden ausschließt. Ennen u. Eckertz II no. 495.
*) Boos H., Quellen z. Gesch. v. Worms I, no. 174.
») Mohr I p. 322 no. 210. Potthast 9075. In früherer Zeit scheinen die Bürger
von Como selbst das Geldbedürfnis des Klosters befriedigt zu haben ; im Mai 1213
hat der Abt Burkhard alle Güter des Klosters, besonders die in Italien, an Godo-
fredus, Edlen von Como, verpfändet. Mohr I no. 180. In dem Frieden von 1219
zwischen Como und Chur ist Disentis einbegriffen; ebd. p. 261.
Schaube, HaDdelsgescbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 28
434 Einunddreißigstes Kapitel.
Jahres zusicherte i) ; die Zahlung sollte in Como erfolgen. Der Bischof von
Bologna, den der Papst mit der Erledigung der Streitsache beauftragt hatte,
ließ sich, leicht ' bestimmen, seine Einwilligung zu dem Vertrage zu geben
(25. Mai" 1230).
Bei einem römischen Bürger allein, Bobo Johannis Bobonis, der uns
schon als zeitweiliger Bankier des Papstes entgegengetreten ist, hat der neue
Abt seinerseits später ein Darlehn aufgenommen, das auf einer der Messen
der Champagne erstattet werden sollte. In dem Prozeß, der wegen Nicht-
zahlung dieses Darlehns vor der Kurie geführt wurde, wurde die von dem
Abt zu zahlende Summe im Januar 1239 auf 284 M. Sterl. festgesetzt, die
dann tatsächUch am 27. September des Jahres in Troyes an den Vertreter
des Gläubigers, Paulus Soguatarius, gezahlt worden ist. 2)
341. Unter den bayrischen Bistümern erscheint Passau besonders stark
bei italienischen Gläubigern verschuldet ; die Römer Radulfus Alexii, Angelus
Johannis Alperini, Jacobus Scarsus, Cinthius Stephani Philippi und die Siene-
sen Bonaventura Lupelli, Turchio Claromontensis, Spinellus Cavalca, Massarius
und Caponero sehen wir unter ihnen vertreten. Da Bischof Gebhard suspen-
diert war und 1232 resignierte, beauftragte der Papst am 30. Juli 1232 den Bi-
schof Rüdiger von Chiemsee^), alle Überschüsse aus den Einkünften der Diözese
Passau zu sammeln und zur Befriedigung der Gläubiger zu verwenden. Die Dar-
lehn waren in Bologna rückzahlbar ; je einen Kanoniker seines Stifts hatte Geb-
hard seinen Gläubigern in Rom und Siena als Geiseln gestellt. Aber der
Bischof von Chiemsee, der Gebhards Nachfolger wurde ^), entledigte sich
seines Auftrags nicht, so daß der Papst am 11. Juli 1233 neue Mahnungen
an ihn richtete und ihm damit drohte, den Bischof von Bologna mit dem
Einschreiten gegen ihn zu betrauen. ^) Besonders gefährlich klang das gerade
nicht, so daß es nicht weiter wundernimmt , daß 3 Jahre später noch alles
beim alten war. Energischer trat der Papst dann in seinem Schreiben vom
2. Mai 1236 an Bischof und Domkapitel von Passau auf; schamrot sollten
sie werden, die beiden Kanoniker um ihretwillen so lange in der Gefangen-
schaft der Kaufleute schmachten zu lassen; da das nicht länger zu dulden
sei, ergehe nunmehr der strenge Befehl an sie, bis spätestens Michaeli die
Schuld einschließlich der in mäßigen Grenzen zu berechnenden Kosten und
eines Schadenersatzes, ohne Zahlung eines Zinses, abzutragen; anderenfalls
solle der Bischof selbst mit einem Prokurator des Kapitels zur Rechtfertigung
vor dem Forum der Kurie erscheinen ; der Bischof von Modena sei beauf-
tragt, sie zur Erfüllung seines Befehls zu zwingen. 6) Im August des fol-
1) Urkundenb. der Abtei S. Gallen, her. v. H. Wartmann m (S. Gallen 1882)
no. 868 p. 81. Schulte I, 248. Die Gläubiger hatten noch eine weitere Forderung
von 700 M. Silber; doch bezieht sich das uns vorliegende Abkommen nur auf die
500 Mark.
*) Ebd. p. 94, no. 879. Gegen die von Schulte angenommene Identität dieser
Schuld mit der vorigen spricht u. a. die Verschiedenheit der Erfüllungsorte, der
Zahlungsmittel und der Gläubiger (hier ein Römer, dort ein Konsortium von Römern
und Sienesen).
3) Auvray 845 ; dazu 856—859.
■*) Rodenberg I no. 544.
') Hauthaler W., Aus den vatikanischen Registern ; im Arch. f. österr. Gesch.
71 (1887), 261 f. no. 38, 39. Auvray 1462, 1465. Vgl. Schulte I, 251 f. Gottlob, Prä-
latenanleihen p. 367.
•) Auvray 3124. Am 28. Febr. 1236 hatte der Papst dem einen Kanoniker ge-
stattet, seine kirchlichen Einkünfte zur Tilgung des Teils der Schuld, um dessent-
I
J
Handel mit Ober-Deutschland und den östl. Nachbargebieten. 435
genden Jahres gelang es dann dem Bischof Rüdiger, sich dadurch aus der
dringendsten Not zu befreien, daß er eine Reihe von Besitzungen seiner
Kirche an den Kaiser verpfändete, wofür ihm dieser ein Darlehn von 1400 M.
Silber gewährte, i) Aus dem nächsten Jahrzehnt (21. Aug. 1246) haben wir
einen interessanten Brief des Albert von Beham, der in Lyon an der Kurie
weilte, über den Leichtsinn, mit dem die Kanoniker von Passau in Geld-
sachen verführen. Einem gewissen Fuchszagl hätten sie vier mit ihrem
Siegel versehene Blanketts anvertraut ; das eine habe er zur Aufnahme eines
Darlehns von nominal 100 M. Sterl. bei einem Römer benutzt, während er
in Wahrheit nur einen geringen Teil davon erhalten habe 2); dabei seien
die 100 M. in 4 Monaten zu zahlen ; die drei anderen seien in den Besitz
von Kaufleuten von Troyes übergegangen, für welchen Preis wisse er nicht.
Fuchszagl, den er vor den Papst zitiert habe, sei inzwischen entflohen; die
100 M. Sterl. aber würden bezahlt werden müssen ; man habe ihm an der
Kurie gesagt, daß, wer so vertrauensselig sei, auch die Folgen seines Leicht-
sinns tragen müsse. 3)
342. Für sich selbst erbat sich Albert am 21. August 1246 vom Erz-
bischof von Salzburg, als dessen Prokurator er fungierte, ebenfalls die
Zustellung von drei bis vier Blanketts, die zweckmäßig außer mit dem Siegel
des Erzbischofs auch mit dem des Kapitels zu versehen wären 4); und als
es sich um die Aufnahme einer größeren Anleihe handelte, empfahl er dem
Erzbischof, zwei Cisterzienseräbte mit der Vermittelung der Darlehnsaufnahme
bei römischen oder sienesischen Kaufleuten (andere pflegten also diese Geld-
geschäfte mit Oberdeutschland offenbar so gut wie gar nicht) zu betrauen;
Äbten dieses Ordens gäben die Kaufleute an der Kurie lieber 20000 Mark
Silber als einem anderen 2000 Mark und noch dazu 30% billiger — eine
Wendung, die trotz ihrer offenbaren Übertreibung ein glänzendes Zeugnis für
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieses Ordens in damaliger Zeit enthält.^)
Demselben Albert Beham verdanken wir auch die Kunde, daß das
Bistum Regensburg damals bei sienesischen Kaufleuten (Rainerius Ro-
landi wird an ihrer Spitze genannt) stark verschuldet war; da der Bischof
nicht zahlte, wurde der Propst von Eichstätt im November 1238 mit der
Verhängung der Exkommunikation gegen ihn beauftragt ; aus dem Umstände,
daß der Papst die Sache vor ein geistliches Gericht in Troyes verwiesen
hatte, geht hervor, daß es sich um Schulden auf die Messen der Champagne
gehandelt hat. ß)
Schon am 17. September 1231 hat der Papst um solcher Meßschulden
bei sienesischen Kaufleuten wiUen den Abt von S. Martin in Troyes auch
dem Bischof von Bamberg gegenüber mit dem Einschreiten beauftragt');
willen er gefangen gehalten wurde, zu verpfänden ; ebd. 2990. Wenn beide Kano-
niker jetzt in Siena im Zwangsaufenthalt erscheinen, so mag das wohl mit dem
vorhergegangenen Abfall Roms vom Papste einen Zusammenhang haben.
») Huillard-Br^hoUes V, 104. B.-F. 2274, 2277. Gottlob 1. c.
*) Für je 1 Mark Sterl. nom. (= 160 den.) nur 24 den. vien. '
«) Höfler p. 103 no. 19. Gottlob 1. c. 364 f.
*) Höfler p. 111 f. no. 28. Gottlob 1. c.
») Ebd. no. 30 p. 115. Schulte I, 267. Über die Häufigkeit von Depots ge-
rade bei Cisterzienseräbten s. das Erkenntnis vom 8. Febr. 1286, Const. et acta TL
no. 456 p. 628.
•) Höfler p. 3. Vgl. Schulte I, 252.
^ Zdekauer, Mercante 97 App. no. 4. .
2S*
436 Einunddreißigstes Kapitel.
als aber Bischof Egbert sich während des Abfalls von Rom bereit zeigte,
dem Papste militärische Hilfe zu leisten, dabei jedoch auf seine finanzielle
Bedrängnis durch Kaufleute von Siena hinwies, gewährte ihm Gregor IX. am
16. Januar 12351) eine vom Tage des Aufbruchs an zu rechnende einjährige
Frist, innerhalb deren er selbst auf päpstliche Briefe hin wegen Schulden
nicht sollte belangt werden dürfen, es wäre denn, daß ein solcher Brief sich
ausdrücklich als Ausnahme von der gegenwärtigen Indulgenz bezeichnete.
Bei einer Gesellschaft von sienesischen und bolognesischen Kaufleuten
(Bonagratia Rusticelli, Gratiano de Cazentio und Squarzalupo werden mit
Namen genannt) hatten auch Geistliche aus der böhmischen Hauptstadt im
Interesse der Prag er Kirche eine kuriale Anleihe gemacht; wegen der
Zahlung war es auch hier zu Weiterungen gekommen; am 13. März 1231
hat Gregor IX. zwei Kanoniker von Mantua beauftragt, für die Durchfüh-
rung des in dieser Angelegenheit ergangenen Spruches Sorge zu tragen, 2)
Wenn wir bedenken, daß wir fast nur von solchen Fällen er-
fahren, wo sich bei der Tilgung dieser Anleihen Schwierigkeiten er-
gaben, daß diese Fälle aber doch nur die Ausnahmen darstellen können,
da sich sonst keine Gläubiger mehr gefunden haben würden, so werden
wir daraus einen Schluß auf den Umfang ziehen dürfen, in dem die
italienischen Geldleute, vor allem die von Siena, namentlich im dritten
bis fünften Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts die Gläubiger von Bis-
tümern und Klöstern im ganzen südlichen Deutschland, einschließlich
Böhmens, gewesen sind. Nicht selten erscheint ein günstig gelegener
italienischer Platz wie Bologna, Mantua, Como als Erfüllungsort, nicht
selten aber auch für dieses Gebiet, besonders seit die Kurie in Lyon
weilte, eine der Messen der Champagne ; bis Bamberg, Regensburg
und S. Gallen haben wir die Ausdehnung ihres Verkehrskreises nach-
weisen können.
343. Unsere sonstigen Nachrichten über den Handelsverkehr von
Italienern nach diesem Gebiet sind auffallend dürftig, scheinen damit
aber nur der tatsächlichen Dürftigkeit dieses Verkehrs zu entsprechen.
Aus der Mitte des 12. Jahrhunderts wissen wir von zwei Bürgern von
Lodi, Albernandus Alamanus und Homobonus Magister, die auf Einladung
des Bischofs von Konstanz »pro quodam servitio episcopi« dorthin gekommen
waren; Albernandus war imstande, dem deutschen Könige, der im März
1153 in Konstanz erschien, die Beschwerden seiner Vaterstadt über Mailand
in deutscher Sprache vorzutragen. ^) Wenn er ein Kaufmann war, was
freihch nicht ganz sicher ist, so hat er jedenfalls einen lebhaften Handels-
verkehr mit Ober-Deutschland unterhalten. Im Jahre 1208 wurden Kaufleute
aus Piacenza vom Grafen Hugo von Montfort (das Geschlecht hatte seine
Besitzungen in der Gegend um den Bodensee; Feldkirch war ein Haupt-
punkt derselben) ihrer Waren beraubt; war doch die Ermordung Philipps
von Schwaben allen Wegelagerern günstig. Auf dem Heimwege baten sie
1) Rodenberg I, 510 no. 622. Auvray2409. '^|
*) Auvray 569. Am 4. März 1245 haben die Prokuratoren der Olmützer Kirche
eine päpstUche licentia mutuandi bis zum Betrage von 460 M. Sterl. zum Zwecke
der Betreibung der Wahl des neuen Bischofs erlangt. Berger 1210.
') Otto Morena, SS. XVIII, 588: qui linguam Theotonicam optime didicerat.
Daher wohl auch sein Beiname Alamanus. Schulte I, 108.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 437
einen bekannten Prälaten, den sie in Mantua trafen, um Empfehlungsbriefe
an den Bischof von Chur und den Abt von S. Gallen, damit diese ihnen
zum Ersatz ihres Schadens verhülfen, i) Wenn wir uns der Verbindung er-
innern, in der gerade die Placentiner damals mit Otto IV. und der eng-
lischen Krone standen, so liegt die Annahme nahe, daß auch diese Placen-
tiner das Gebiet zwischen Chur und dem Bodensee nur auf dem Wege nach
Nieder-Deutschland oder England durchzogen haben; da sie französisches
Gebiet vermeiden mußten, bedeutete der Weg über den Septimer keinen
Umweg für sie. Von dem Römer, der 1226 auf dem gleichen Wege, als er
das Bistum Chur durchzog, beraubt worden ist, ist oben schon die Rede
gewesen. 2) Eine zeitgenössische Quelle gibt als Grund für die am Ende
des Jahres 1226 bei den Lombarden hervortretende Geneigtheit zu einer
Verständigung mit dem Kaiser die Rücksicht darauf an, daß sie ohne sein
Geleit und seine Erlaubnis ihre Waren nicht durch das Reich hätten führen
können. Bischof Heinrich von Basel verpfändete 1223 seine Zolleinnahmen
von allen Warenballen, Maultieren und Pferden, die von Frankreich oder
der Lombardei her Basel passierten. ^) Erwähnung verdient auch der Zoll,
der dem Grafen Rudolf von Habsburg 1249 von Konrad IV. in Freudenau
(an der Aar, unterhalb des Einflusses von Reuss und Limmat) verliehen
wurde, da er »für jedes welsche Saumtier« eine Abgabe von 3 Solidi fest-
setzt*); der Ort muß also damals schon seit längerer Zeit eine wichtige
Station auf dem Wege der italienischen Vecturarii nach Basel und weiter
gewesen sein. Für einen stärkeren Handelsverkehr von Italienern in Ober-
Deutschland könnte man ferner das Privileg Kaiser Friedrichs vom 17. August
1177 geltend machen, in dem er die Venezianer für den gegenwärtigen wie
künftigen Umfang des gesamten Reichsgebiets von allen Handelsabgaben be-
freite, ö) Eine entsprechende Handelsbetätigung der Venezianer ist indessen
zur selben Zeit nicht nachweisbar; als die Venezianer, die Gunst der Um-
stände benutzend, die Aufnahme dieses Passus in das kaiserliche Privileg
erwirkten, scheint es ihnen ausschließlich auf die Reichsgebiete in ihrer
Nachbarschaft (Gebiete des Patriarchen von Aquileja, der Grafen von Görz,
Südtirol) angekommen zu sein. Allmählich freilich unternahmen auch die
Venezianer größere Handelsreisen zu Lande. Das Hauptzeugnis dafür ist
der Zolltarif vom 28. Mai 1244, den Herzog Friedrich II. von Österreich für
Wiener- Neustadt erlassen hat. Die Sätze nach der Herkunft der Kaufleute
bemessend, führt er auch die Venezianer auf ; als die am weitesten entfernten
hatten sie das meiste zu zahlen ; wenn sie den Verdienst des Zwischenhänd-
lers mit einstreichen wollten, so sollten sie einen Teil dieses Mehrverdienstes
*) Reg. Inuoc. III de negotio imperii ep. 152. Baluze I, 752. Schulte T, 108 f.
Aus den engen Beziehungen der Kaufleute Piacenzas zu Genua erklärt sich wohl
die Notiz der Ann. gen. (11 p. 109) über die Folgen der Ermordung Philipps durch einen
> sceleratissimus homo nomine Falsusgradu8< : unde accidit, quod uni versa terra Teu-
tonica in tantum fuit perturbata, quod mercatores et iter agentes per par-
tes i 1 1 a 8 secure ire non poterant, et quod deterius fuit, qui tunc inventi f uerunt,
bonis Omnibus fuerunt penitus expoliatü
«) Oben § 315 u. 332.
') Chron. S. Martin. Turon., SS. XXVI, 475. Urkundenb. der Stadt Basel I
(Basel 1990), 74 no. 103.
*) B.-F. 4557 (Neuausfertigung 1251). Schulte F, 177.
*) Const. et acta I no. 274. Das Gleiche war schon 1162 den Pisanern gegen-
über geschehen ; doch haben wir sonst keinerlei Anhalt, eine Handelstätigkeit der
Pisaner in Deutschland anzunehmen.
438 Einunddreißigstes Kapitel.
in Gestalt von höheren Abgaben an die Zollbehörden wieder abliefern. Bei
der Ankunft hatten sie wie die Kaufleute von Friesach 24 den. fris. von
der Last (sarcina = saura), auf dem Rückwege aber außer der Hälfte dieses
Betrages noch eine besondere »Ehrung« in Höhe von 30 Wiener Pfennigeji
an den Herzog zu entrichten, i) Wohl mochten solche Abgaben den direkten
Handel der Venezianer nach Deutschland hin erschweren — das Entschei-
dende ist doch, daß in den Handelsbeziehungen nicht nur Venedigs, sondern
Italiens überhaupt mit den deutschen Alpenländern und ganz Oberdeutsch-
land in unserer Periode nicht die Italiener, sondern die deutschen Kauf-
leute als der aktive Teil erscheinen ; die sonst nach allen Seiten so rührigen
Italiener sind gerade nach dieser einen Richtung hin überwiegend passiv
gewesen. 2) Es erscheint danach zur Vervollständigung des Bildes geboten,
auch die Gegenströmung, den Handel der Deutschen in Italien, in den
Kreis der Darstellung zu ziehen, wobei dem Handel der Grenzgebiete eine
besondere Bedeutung zukommt. 2)
344. Während die alpine Begrenzung Italiens vom Col di Tenda
bis zu den Julischen Alpen im großen und ganzen zugleich auch italie-
nisches Volkstum von fremdem Volkstum scheidet, fehlt eine solche
Scheidewand in der Richtung der Brennerlinie; nicht bloß wie bei
Pontafel — Pontebba auf schmalem Talübergange, sondern mit ver-
hältnismäßig breiter Fläche stoßen hier im Etschgebiet deutsche und
italienische Nationalität unmittelbar aufeinander. Dieses Grenzgebiet
ist in unserer Zeit der Schauplatz eines nicht geringen Handelsverkehrs
der Oberdeutschen gewesen.
Vor allem treten uns hierbei die beiden Messen von M e r a n schon in
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als völlig eingebürgerte, vielbesuchte
Märkte von mindestens achttägiger Dauer entgegen. Wie auch sonst nicht
selten, wurden sie an räumlich getrennten Örtlichkeiten abgehalten, die
Pfingstmesse oberhalb von Meran bei Schloß Tirol, die Martinimesse unter-
halb bei Mais. '^) Die Straßen von Trient und Bozen her, aus dem Vintsch-
^) Hormayr Jos. v., Taschenbuch für die vaterländische Gesch., II (Wien 1812),
p. 77. Erdmannsdörffer p. 28. Luschin von Ebengreuth in: Gesch. der Stadt Wien,
hersg. vom Altertums- Verein zu Wien I (1897), p. 413 f. ^|
*) Die Beobachtung Hüllmanns: Städtewesen des Mittelalters I (Bonn 182^^1
346, daß in der früheren Zeit der Landhandel Venedigs nicht aktiv, sondern passiv
gewesen sei, war also, soweit sie sich auf den Verkehr mit Deutschland bezieht,
durchaus richtig; nur die Begründung mit der Lage der Stadt trifft nicht zu. Es
hatte nur die Bedeutung einer reinlichen, den Tatsachen der kommerziellen Ent-
wickelung im allgemeinen entsprechenden Scheidung, nicht die eines besonderen
Opfers, wenn Venedig später (1279) seinen Kaufleuten den Handelsverkehr in
Deutschland geradezu untersagte und ihnen nur den Durchzug durch Deutschland
nach Frankreich oder Ungarn gestattete. Simonsfeld II p. 31. Schulte I, 353. ^1
') Voltelini p. 106 Anm. nennt sie nur Vorläufer der späteren Meraner Märkto"!
mir erscheinen sie mit ihnen völlig identisch. Der Tridentiner Notar Obert nennt
sie 1236 nach der speziellen örtlichkeit : >hinc ad octavam pasce de madio in mer-
cato de Tyrol« (no. 43); >usque ad festum s. Martini in mercato de Mai sc
(no. 221), während der gleichzeitige Bozener Notar Haas dieselben Messen direkt
als Meraner Messen bezeichnet: >hinc ad proximum festum pentecostes supra
forum Mairani< (Haas no. 875, 879, 896, 931) und »hinc ad prox. festum s. Ma
tini ßupra forum Mairani« (no. 651, 684, 739).
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 439
gau und dem Passeiertal trafen hier zusammen; durch letzteres führte der
in jener Zeit weit öfter als heut benutzte direkte Weg von Sterzing und dem
Brenner über den Jaufen^), während aus dem Vintschgau die wichtige von
Reschen-Scheideck , Finstermünz und Landeck herführende Handelsstraße
kam, die in Landeck die nördliche Straße Augsburg — Füssen — Fernpaß und
die westhchen Straßen vom Rhein und Bodensee her über den Arlberg in
sich vereinigte. Die gleichen von der unteren und oberen Etsch kommen-
den Straßen begegneten sich in Bozen, nur daß hier von Norden her die
Straße von Brixen einmündete, die die Wege von Innsbruck her (Augsburg —
Schongau — Partenkirchen — Scharnitz und den Innweg) und von Osten aus
dem Pustertal in sich aufnahm 2) ; noch war der Kuntersweg durch die Klamm
des Eisack oberhalb von Bozen nicht vorhanden, so daß die Straße von
Waidbruck aus das Plateau des Ritten überstieg, um in den Talkessel von
Bozen zu gelangen. 3) Die erste Erwähnung der Bozener Jahrmärkte zu-
gleich mit denen des Brixener Bistums liegt aus dem März 1202 vor in
einem Zollabkommen, das der Bischof von Brixen damals mit dem Bischof
Konrad von Trient und den Bozenern traf. 4) Es ist ferner von ihnen (den
foribus Bozani) die Rede in einer Verordnung des Grafen von Tirol vom
24. Juli 1234, in der u. a. den Bürgern von Bozen geboten wird, sich der
alten Bozener und nicht der Tridentiner Elle zu bedienen.^) Eine spätere
Urkunde von 1274 macht als die Termine der beiden Bozener Messen den
S. Genesiustag imd Mittfasten namhaft. ^) Nun ergibt sich aus den Nota-
riatsakten von 1237, daß damals der Sonntag Quadragesimae und der Ge-
nesiustag (25. August) feststehende Markt- und Zahlungstermine in Bozen
waren, zu denen sich noch ein dritter in dem Sankt Thomastage (21. De-
zember) gesellte.') Letzterer mag mit seinem Wintertermin von geringerer
Bedeutung gewesen sein; immerhin ist von Interesse, daß wir 31/2 Jahr-
hunderte später wieder drei Märkten in Bozen zu Mittfasten, am S. Gilgen-
tag und nunmehr am Andreastage (30. November) begegnen. ») Mit der
Tridentiner Messe, die im St. Galhtage (16. Oktober) ihren Mittelpunkt
hatte 9), bildeten diese Messen darnach eine das Jahr hindurch sich ablösende
») öhlmann IV, 213.
*) S. die Karte der Verkehrswege nach Österreich bis gegen Schluß des 18. Jahr-
hunderts; entworfen durch A. Luschin von Ebengreuth, in der Gesch. der Stadt
Wien, her. vom Altertumsverein I (Wien 1897), Tafel XXI.
') Erst Anfang des 14. Jahrhunderts ist der Kuntersweg angelegt worden.
*) Hormayr J. v., Gesch. der gef ürsteten Grafschaft Tirol, I, (Tübingen 1808)
no. 74 p. 185. Cod. Wang. p. 147 no. 68.
*) V. Hormayr, Beyträge no. 93.
«) Ebd. no. 148. öhlmann IV, 213. Wanka 0., Edler v. Rodlow : Die Brenner-
straße in Altertum und Mittelalter (Prager Studien a. d. Geb. der Gesch.-Wiss.,
H. 7), Prag 1900, p. 100. Bezüglich des allgemeinen Verkehrs auf dieser Straße ver-
weise ich auf diese beiden Schriften.
') Haas bei Voltelini no. 886 u. 910 für den Sonntag Quadrag. ; no. 578 und
686: hinc ad prox. festum s. Genesii; no. 827 wird am 1. Nov. 1237 Zahlung ver-
sprochen teils in prox. festo Mairani (also auf der Martinimesse), teils hinc ad
prox. festum s. Thomei.
8) Silberschmidt W., Die Entstehung des deutschen Handelsgerichts (Leipzig
1894), p. 100.
») Obert bei Voltelini no. 487. Zahl ungs versprechen vom 14. Oktober 1236
mit 48 1. >in f ine mercati de Gallo presenti veniente< ; der Markt war
also im Gange und dauerte offenbar über den Gallitag hinaus.
440 Einunddreißigstes Kapitel.
Reihe von Märkten: 1. die Quadragesimä-Messe von Bozen im März, 2. die
Pfingstmesse von Meran, 3. die Genesiusmesse von Bozen im August, 4. die
Gallimesse von Trient Mitte Oktober, 5. die Martinimesse von Meran, 6. der
S. Thomasmarkt in Bozen vor Weihnachten.
345. Unter den Besuchern der Messen von Meran und Bozen treten
die Schwaben und Ober-Baiern besonders hervor; Augsburg erscheint als
die nördhchste, Schaffhausen als die westlichste, Villach als die östlichste
der Städte, die ihre Kaufleute zu diesen Messen entsendeten. Unter den
von ihnen eingeführten Waren spielten die Erzeugnisse der Textilindustrie
die wichtigste Rolle. So verkauft am 12. September 1237 ein Deutscher,
Hermann, der im Dienste des Herrn Adalbert Schieb von Beuern (de Bowren)
stand, vier Stück farbige Tuche für 110 1. veron. an Egino Klein und zwei
weitere Stück für den halben Preis an Heinrich Schongauer in Bozen i),
wobei der Kaufpreis in beiden Fällen auf der Martinimesse von Meran fällig
ist. Vielleicht ist dieser Hermann mit Hermann von Kempten identisch,
der am 19. November wiederum zwei Stück farbigen Tuches zu gleichem
Preise (diesmal auf der Pfingstmesse von Meran fällig), an Heinrich Schon-
gauer und Abraham Valisius von Bozen verkauft hat; am selben Tage hat
Egino Klein auch farbige Tuche von zwei Kemptener Kaufleuten, Hilde-
brand Moizo und Hildebrand de Pruke zum Preise von 70^/4 1. veron., auf
der gleichen Messe zahlbar, erstanden; ein dritter Kemptener, Heinrich, ist
Zeuge dieses notariellen Kaufkontrakts. 2) So waren wohl auch die 24 Ellen
grünen Tuches, die die beiden Bozener Tuchhändler Schongauer und Va-
lisius zwei Tage darauf an ihren Landsmann Konrad von Sumersberg ver-
kauft haben, oberdeutscher Herkunft ; unter Verpfändung eines Grundstücks
versprach der Käufer den Preis mit 28 1. veron. bis zum Sonntag Quadra-
gesimae zu zahlen. ^) Auch der Kaufmann Wilhelm aus Schaffhausen scheint
im Tuchhandel in Bozen tätig gewesen zu sein. 4)
Nicht minder wurde deutsches Leinen eingeführt. Ein Innsbrucker
Kaufmann hat am 4. Dezember bei einem Einkauf von Wein in Bozen einen
Sack »cum 4 centis panni linei«, die er in dem Hause des Alban von Spil-
hoven, wo auch der Kauf vertrag abgeschlossen wurde, lagern hatte, als Pfand
bestellt, und der Augsburger Hermann Rossarcetus hat am 29. November
dem Krämer (cramarius) Arnold in Bozen Kramwaren (merces), Gürtel (cin-
gula) und Leinwand für 30 1. veron. verkauft, die auf der Meraner Pfingst-
messe zahlbar waren. 0) Von dem Handschuher (cirothecarius) Marquard
von Augsburg kaufen ferner die Schildmacher Gottfried und Hesse von
Bozen am 5. Juli Leder für 6 1. veron., am Genesiusmarkte zahlbar, während
der Goldschmied Reicholf und seine Frau Herrad am 9. Oktober von ihm
nicht näher bezeichnete Waren erstehen, die sie mit 16 1. ver. auf der Me-
raner Martinimesse zu bezahlen versprechen. Einmal sehen wir auch
Schwerter, die von Villach her kamen, in Bozen zum Verkauf gelangen, ß)
») Voltelini no. 684, 685.
■") Ebd. no. 879, 875.
») No. 886. Auch bei dem pannus coloris in no. 602 u. 603 (14. Juli 1237)
handelt es sich .jedenfalls um oberdeutsches Tuch.
*) Am 12. September ist er Zeuge bei Tuchkäufen; no, 684 u. 685; derselbe
no. 925 (9. Dezember) als Willialmus negociator de Schafhousen.
6) No. 910, 897.
«) No. 586, 739, 962.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 441
Wenn diese Kaufgeschäfte so besonders häufig auf die Meraner Messen
abgestellt sind, so ist es uns doch nicht möglich, positiv nachzuweisen, welche
Waren aus dem Erlöse hier von den Deutschen zum Export nach der Hei-
mat angekauft sein mögen. In Bozen selbst sehen wir nur, daß sie sich
mit Wein, offenbar Südtiroler Landesgewächs, versorgten. Ein Parten-
kirchner Heinrich Ratgebe ^) kauft am 18. Oktober zusammen mit Konrad
Teufelsschlag von Murnau von Wulfing in Bozen 41/2 Karrenlasten (car-
radas) Wein für 52 1. veron. ; derselbe Wulfing, in einem Hause der Herren
von Wangen in Bozen wohnhaft, quittierte am 9. Dezember dem genannten
Murnauer sowie dem Weilheim er Rudolf Ungleich und dem Münchener
Rudolf über den vollen Empfang alles dessen, was sie ihm noch geschuldet
hätten 2); wahrscheinlich hat er also auch an diese Wein auf Kredit ver-
kauft. Und am 4. Dezember hat Konrad Rumer von Rum bei Innsbruck
8 Karrenlasten und 3 Eimer Wein für 100 1. ver. erstanden und für vertrags-
mäßige Zahlung außer einem Pfände in Waren noch einen Bürgen in der
Person des Innsbruckers Otto, Sohnes des Herrn Ulricus Hallarius, gestellt. ^)
Wein wird auch in dem Zollabkommen von 1202 als erster und offenbar
wichtigster Artikel genannt; während Bozener undBrixener im gegenseitigen
Verkehr in den Städten selbst von Zollabgaben befreit waren, zahlten sie
von Waren, die an Fremde verkauft waren oder von ihnen zum Zwecke des
Verkaufs ausgeführt wurden, an der Klause bei Sähen für die Last Weines *)
1 Augsburger Heller, für die Last Fische, Öl oder Honig das Doppelte, für
jede andere Last aber ebenfalls 1 Heller. Für die engen Handelsbeziehungen
zwischen Oberdeutschen und Bozenern spricht es auch, daß wir unter der
Bozener Bürgerschaft Namen wie Schongauer, Dachauer u. ähnl. mehrfach
begegnen, die mit Sicherheit auf eine nicht selten vorkommende dauernde
Niederlassung von Oberdeutschen in Bozen zu deuten sind. Für ihren
Handelsverkehr mit Tridentinern haben wir nur ein bestimmtes Zeugnis;
der schon erwähnte Wilhelm von Schaffhausen bestellt am 9. Dezember 1237
seinen in Bozen anwesenden Landsmann, Herrn Burkhard, zu seinem be-
vollmächtigten Vertreter bei der Einziehung aller seiner Außenstände von
Bozener und Tridentiner Schuldnern. 0) Ist schon dieses Zeugnis sehr be-
zeichnend, 80 ist weiter zu bedenken, daß uns für Trient nur die Akten
eines rein italienischen Notars vorliegen, der auf oberdeutsche Kundschaft
nicht zu rechnen hatte. Bemerkenswert ist auch, daß wir einen Bertoldus
Teotonicus als Hausbesitzer in Trient nachweisen können, ß)
346. Tridentiner und deutsche Südtiroler sehen wir dagegen häufig
genug untereinander im Handelsverkehr. Wolf er von Altenburg (de Castro-
veteri) kauft in Trient von dem dortigen Bürger Mercadantus ein Pferd,
dessen Preis er auf der Pfingstmesse von Meran zahlen will; ein Eppaner
kauft in Bozen von einem Tridentiner Viehhändler zwei Ochsen, für die er
^) In dem Testament des Morhard von Bozen vom 16 September (no. 689)
erscheint er als Gläubiger; jedenfalls hatte er also diesem einen Teil der von ihm
aus Bayern mitgeführten AVaren verkauft.
*) No. 760, 924.
') No. 910. Ein anderer Innsbrucker, Berthold, ist bei einem Tuchkauf in
Bozen Zeuge ; no. 880.
*) De qualibet summa (= sauma) vini 1 augustensem ; v. Hormayr, Gesch. d.
Grafschaft Tirol I, 2 p. 185. Wanka, Brennerstraße 101 f. über die alte Zollstätte
bei Sähen. Cod. Wang. 1. c. und no. 82 (1210).
») No. 925.
9) No. 387.
442 Einunddreißigstes Kapitel.
t oder
den Kaufpreis mit 18 1. ver. entweder auf dem S. Gallimarkt in Trient
zur Zeit desselben in Bozen zu erlegen verspricht, i) Der Tridentiner Ulricus
Pasce wieder kauft in Bozen von den Gewandschneidern Berthold und seinem
Sozius Ulrich einen Posten grauen (also ungefärbten) und leinenen Tuches
für 34 1. ver., die er ebenfalls auf dem Gallimarkte, und zwar mit 24 1. in
bar, mit 10 1. in Waren (in mercato) erstatten will. Zweifellos handelt es
sich bei diesen Tuchen um heimisches Fabrikat; denn in der Verordnung
des Grafen von Tirol vom 24. Juli 1234 wird allen Bauern gerade in bezug
auf solche Tuche untersagt, sie in Bozen zum Verkauf zu stellen 2) ; offenbar
standen sich die Gewandschneider besser, wenn sie die Erzeugnisse der länd-
lichen Industrie an Ort und Stelle selbst aufkauften. Welcher Art »Waren«
bei dem zuletzt erwähnten Kaufgeschäft in Zahlung gegeben werden sollten,
können wir daraus schließen, daß der Bozener Gewandschneider Eberlein
und Frau von Lanfranchinus Bonusnepos von Trient am 17. August in
Bozen außer italienischen Baumwollstoffen (pignolato) auch Wachs, Pfeffer,
Seife und andere Waren, im ganzen für 99 1. ver., gekauft hat, von denen
er 58 1. auf der S. Gallimesse in Trient, den Rest mit 41 1. auf der Martini-
messe von Meran erstatten will. 3) Ähnhche Waren wird Heinrich von Na-
turns (bei Meran) von dem Ladeninhaber (stagonerius) Gislold in Trient
gekauft haben, so daß er ihm 188 1. ver. schuldig geworden war; für die
Bezahlung trat der Gewandschneider Gambarinus von Trient bürgend und
vermittelnd ein; dieser versprach am 21. Januar 1236 seinem Landsmann,
ihm die 188 1. nach seiner Wahl auf der Meraner Pfingstmesse oder zur
selben Zeit in Trient selbst zu erstatten, während Heinrich gleichzeitig in
Trient die Erstattung derselben Summe an Gambarinus auf der Pfingstmesse
und nur, falls diese etwa nicht stattfinden sollte , in Trient versprach. *)
Übrigens spielten neben den deutschen Tuchen auch von Italien her ein-
geführte Stoffe im Bozener Handel eine nicht geringe Rolle. Neben Ver-
käufen von pignolato begegnen mehrfach auch solche von santellarino, was
wohl auf Tuche aus San Ilario (bei Venedig) zu deuten ist. s) Leider erfahren
wir über die Einfuhr dieser Stoffe nach Bozen nichts Näheres. Dagegen
sehen wir einen Tridentiner auch in Geldgeschäften in Bozen tätig; die
Söhne des verstorbenen Albero von Wangen, Friedrich und Beral, weisen
am 22. September 1237 für Hermannus de Abato von Trient 100 M. Silbers
auf ihre beim Kaiser in der Lombardei befindlichen Schuldner an. 6)
*) No. 221 (Obert), 661 (Haas): hinc ad prox. festum s. Galli et in dicto foro
(seil. Trient) vel hie Bozano ista parte Athesis.
*) No. 699 : pro panno griseo et panno lino. v. Hormayr, Beyträge no. 93
p. 205 : quod nullus (rusticus) hie in B. pannum vendat, si sit pannum lineum vel
griseum coram aliquo domo nee in foribus Bozani. Über solche Landweberei s.
Schulte I, 115, 119 f.
*) Voltelini no. 651 (Haas).
*) Ebd. 43, 44 (Obert).
*) Käufe von pignolato : no. 877, 880 — 882, von panno santellarino no. 679.
Für 4 peciae santellari werden im November 1237 nur 27 1. ver. gezahlt (876).
Schon dieser niedrige Preis macht es unmöglich, mit dem Herausgeber an Zändel
(cendal, das bekannte taftartige Seidenzeug) zu denken. In dem Inventar eines
venezianischen Tuchladens von c. 1225 (Lib. pleg. no. 352) erscheint »sentelarexio«
mehrfach als bianco, giallo e sanguigno und vergato ; als besonderer Posten stehMI
zendado daneben. «■
•) No. 701 (Haas). 'Am 6. September hatte ein »mulaterius< dem Grafen Albert
von Tirol einen Brief des Kaisers aus der Lombardei nach Bozen überbracht ;^
no. 678.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 443
Schon diese Urkunde weist uns auf die engen Handelsbeziehungen
hin, die die Tridentiner naturgemäß auch mit der anderen, der itahenischen
Seite, unterhielten. Außer ihren nächsten Nachbarn im Süden, den Vero-
nesen, die namentlich Öl nach dem Tridentinischen exportierten i), und den
Venezianern verkehrten besonders die Brescianer, deren Weg über den Garda-
see führte, in Trient ; speziell hören wir, daß sie Eisen nach Trient brachten, 2)
Aus Cremona begegnen uns Angehörige des Geschlechts der Sitaclerici in
langdauerndem Pachtbesitz von Torzöllen in Trient ; und aus Piacenza stammt
der Notar Obert und sein Vetter und Berufsgenosse Matthaeus.^)
Nördlich von Trient aber vermögen wir von diesen Italienern nur noch
die Veronesen im Handelsverkehr mit Deutschen nachzuweisen. Am 13. Mai
1236 gebot der Richter Jordanus in Trient dem anwesenden Bonus von
Verona, noch am selben Tage den Tegna von Neumarkt (Egna) wegen der
6 1. 18 sol. ver. zu befriedigen, die er ihm im Auftrage von Deutschen zu
zahlen hatte. *) Und häufig begegnen die Veronesen in Bozen. Dem Egino
Klein gegenüber erklärt sich am 30. Juni 1237 Bonaventura, Sohn des Kauf-
manns Musketus von Verona, wegen einer Forderung für befriedigt und ver-
spricht ihm ein Darlehn am nächsten Genesiusmarkt zu erstatten ; ein anderer
Veronese, Falkus, ist als Zeuge zugegen. 0) Als Hausbesitzer in Bozen er-
scheinen die Söhne des weiland Facinus von Verona, als Häuserspekulant
der veronesische Campsor Bovetus^), den wir zugleich auf schlimmen
wucherischen Praktiken betreffen. Er nahm Wochenzinsen von 2^/2% (also
130 "/o pro anno) und arbeitete sich bei seinen Wuchergeschäften mit seinem
Berufsgenossen und Landsmann Belletus in die Hände.')
347, Wenn uns die Notariatsakten von Bozen und Trient die
oberdeutschen Kaufleute an der Schwelle Italiens zeigen, so liegt der
Schluß nahe, daß diese Kaufleute zur selben Zeit vielfach auch nach
Italien selbst weitergezogen sind, um sich dort mit den Waren zu ver-
sorgen^), die ihnen der Süden zu bieten hatte. Und in der Tat sind
Zeugnisse genug vorhanden, die die Richtigkeit dieses Schlusses be-
stätigen.
Eine Hauptstation auf diesem Wege der deutschen Kaufleute
mußte Verona sein.
') Lib. Jur. Civ. rub. 231 p. 176.. Über Schulden der Tridentiner bei Vero-
nesen ebd. rub. 243 (vor 1225).
2) No. 60, 91, 137, 243 u. öfter (Obert). Stat. Bresc, Leges Munic. H, 1584
(111). Urkunde von 1211 über den Eisentransport von Br. nach Trient bei v. Hor-
mayr, Gesch. v. Tirol I, 2 no. 91 p. 224.
^) Voltelini no. 398 (Obert) und Anm. des Herausgebers p. 183 f. ; no. 19. Der
Zoll war an einen Einnehmer weiterverpachtet, der 1240 diese Maut schon 10 Jahre
innehatte.
*) No. 276 : quas ei stetit dare pro Teotonicis.
6) No. 578, 579 (Haas).
6) No. 639, 663, 664.
•') No. 645, 652, 799, 807, 683.
8) In Kürze sei hier auf das 1276 redigierte Augsburger Stadtrecht hinge-
wiesen, das von »Venediger Gut< und den >Kaufleuten< (im Unterschiede von Ge-
wandschneidern und Krämern') redet, die »durch die Berge* oder »von Venedic<:
nach Augsburg kommen. Keutgen F. Der Großhandel im Mittelalter, in : Hansische
Geschichtsblätter, Jahrg. 1901 (Leipzig 1902), p. 103 f.
444 Einunddreißigstes Kapitel.
Nach einer zuerst 1173 aufgezeichneten Zollordnung hatte der Vice-
comes von Verona von den deutschen Kaufleuten, die die Stadt passierten
{die Romfahrer und Pilger werden ausdrücklich von ihnen unterschieden),
5 den. ver. für die Last zu erheben; bei Schwertern wurde die Abgabe in
natura mit einem Schwert durchschnittlicher Güte von der Last geleistet;
die nur zum Reiten benutzten Pferde blieben abgabenfrei, i) Und dieser
Handelsverkehr der Deutschen war für die Veronesen von großer Wichtig-
keit, eine Ablenkung desselben, wie sie leicht genug möglich war, für sie
sehr empfindlich. '^) Darum legte Verona so großes Gewicht darauf, daß der
Kaiser im Frieden von Konstanz 1183 versprach, »die Straße den Veronesen
zurückzugeben«. 3) Und darum verpflichtete es in seinen Statuten aus den
ersten Zeiten des 13. Jahrhunderts den Podestä, dafür zu sorgen, daß die
von den deutschen Kaufleuten und Pilgern benutzte Straße, die von jenseits
der Berge kommend durch das Etschtal führe, nach Verona gehe.'*)
Wenn Verona für den Verkehr mit Venedig als besonderen Vor-
zug den Wasserweg zu bieten hatte, so war es doch für den Handels-
verkehr der Deutschen Tirols und seiner nördlichen Vorlande ein sehr
wesentlicher Vorteil, daß sie nicht allein auf den Weg über Verona
angewiesen waren und von Trient aus den Weg durch Val Sugana
und weiter entweder die Brenta entlang über Bassano auf Padua zu
oder über Feltre zum Piave nach Treviso wählen konnten. Wer von
Sterzing kam, konnte auch gleich ins Pustertal abbiegen und vom
Toblacher Feld südwärts über Peutelstein und Cortina den Weg nach
Treviso ziehen, den wir schon um das Jahr 1000 von den Deutschen
begangen gefunden haben. ^) In unserer Zeit weiß Albert von Stade,
der 1236 seine Romreise gemacht hat, diese Straße allerdings wenig
zu rühmen, da es im Pustertal sehr teuer sei und dabei schlechte
Wirtshäuser gebe ^) ; freilich berichtet er nicht aus eigener Erfahrung,
da er selbst von Ravenna aus den Weg über Ferrara und Padua nach
Bassano und durch Val Sugana gemacht hat.
348. Für den Handelsverkehr der östlicheren Alpenländer mit Italien
kam vor allem der das Gebiet der Drau (Gail) mit dem des Tagliamento ver-
bindende Weg durch das Canaltal, von Tarvis über Pontebba und Chiusa-
forte nach Venzone-Gemona in Betracht ; von hier erreichte er auf dem kür-
zesten Wege direkt nach Süden bei Aquileja die See, während er in süd-
westlicher Richtung über San Daniele und Pordenone in Conegliano den
*) Aussage des Renoardus de Portenariis von 1173; Atti ven. (Anhang zum
N. Arch. ven. X, 1895), p. 471 ff. Unten § 590.
8) Vgl. unten § 548.
■) Oonst. et acta I, 403 (Vorvertrag), 416: restituimus stratam Veronensibus ;
D. Imperator restituet stratam Veronensibus.
*) Lib. Juris civ., rub. 230 p. 175. Lenel 39 A. 3.
*) Näheres öhlmann IV, 245 ff. Oben § 69. Nach dem Vertrage Trevisos mit
den Brüdern Wecilo und Gabriel de Camino von 1183 hatten 20 Vertreter von Ca-
dore für die Trevisaner und ihre Waren einen Sicherheitseid zu leisten. Murat.
Antiq. IV, 169 f. Erneuert 1199, wo die Brüder sich gleichzeitig zu Bürgern von
Treviso erklärten p. 171 ff. Im selben Jahre versprach Ceneda den Trevisanern,
stratas securas facere et mercata in tota nostra forcia (15. Juni 1199 ebd. 177; bei
Minotto II 1 p. 15 irrig zu 1190)
o) SS. XVI, 399 : Sed per Pusterdal carissima sunt tempora et mala hospitia.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 445
Anschluß an die Hauptstraße nach Treviso und Venedig fand. Für das
westhchere Draugebiet stellte der von Lienz und Oberdrauburg kommende
Weg über Mauten und den Plöcken (Mons Crucis) die kürzere Verbindung
mit Italien dar; über Tolmezzo führend, vereinigte er sich bei Venzone mit
der Pontebbastraße. 1) So war das diesem Knotenpunkt nahe gelegene Ge-
mona für den Handelsverkehr mit den deutschen Alpenländern ein wichtiges
Zentrum; seine Bedeutung wurde durch den Vergleich, den der Patriarch
Gotfried von Aquileja mit dem Grafen Heinrich von Görz und Tirol im
Jahre 1184 schloßt), noch gesteigert. Darnach wurde dem Grafen die Be-
lehnung mit der Hälfte der Zolleinkünfte von Gemona nur zugestanden unter
der Bedingung, daß in dem ganzen Gebiete oberhalb von Gemona bis Pon-
tafel einerseits und zum Plöcken andererseits sowie im Umkreise einer Meile
unterhalb Gemonas kein Markt für Salz noch sonst ein öffentlicher Markt
eingerichtet werden dürfte.
Positive Nachrichten über die Benutzung dieser Straßen zu Handels-
' zwecken von Deutschland her liegen für die ältere Zeit hauptsächlich nur
in den Vergünstigungen vor, die die Patriarchen von Aquileja einer Anzahl
von kirchlichen Instituten in den Alpenländern gewährt haben. So erließ
Patriarch Pihgrin 1151 dem Domkapitel von Salzburg für die diesem selbst
gehörigen Saumtiere den Zoll in Chiusaf orte ^) ; unzweifelhaft haben diese also
von Salzburg aus den Weg über Radstadt, Gmünd und Spittal nach Tarvis
und weiter durch das Canaltal genommen und sich wohl in Aquileja selbst
mit den Waren Italiens versorgt. Das wird bestätigt dadurch, daß derselbe
Patriarch den Chorherren von Gurk am Markte von Aquileja einen Freihof
überwiesen hat^) ; auch ihnen wurde Zollfreiheit an der Klause (Chiusaforte)
bewilligt. In etwas beschränkterem Umfange erhielten diese Mautfreiheit auch
die Kärntner Klöster von Sankt-Paul und Ossiach, jenes für je 20, dieses für
je 10 Saumpferde im Jahre. ^)
349. Von besonderem Interesse für den Handelsverkehr auf beiden
Straßen ist der Vergleich, den Patriarch Berthold mit seinem Neffen Mein-
hard von Görz auf Grund eines Schiedspruches am 27. November 1234 zu
Cividale geschlossen hat, insofern er jedem der beiden Pässe sein natür-
Uches Verkehrsgebiet erhalten und Umgehungen zum Zwecke der Zollerleich-
terung möglichst ausgeschlossen wissen will. So sollte dem Grafen Meinhard
für alle, die oberhalb von Niederwoelz, also im oberen Murgebiet, oberhalb
von der Stelle, wo die von Pontafel über Villach und Friesach führende
Straße die Mur erreicht, wohnten und alle, die über die Tauern von Bayern
*) Beides alte Römerstraßen. S. die oben zitierte Karte Luschins. öhlmann
IV, 240. Wanka O., Edler v. Rodlow. Der Verkehr über den Paß von Pontebba-
Pontafel und den Predil im Altertum und Mittelalter. Prag 1899 (Prager Studien
a. d. Gebiete der Gesch.-Wiss., H. 3) ; dazu die Besprechung von Jaksch in MIÖG.
XXI, 177 ff.
*) V. Hormayr, Beyträge II no. 71 p. 149. Wanka 30 f.
') Theloneum quod in canali ad clusam nostram de propriis somaiiis per-
solvere consueverant. Archiv f. Gesch., Statistik, Litt. u. Kunst; Jahrg. 18 (Wien
1827), 711. Wanka 31.
*•) Nur in der Bestätigung Ulrichs vom 14. März 1169 erhalten ; Archiv für
vaterl. Gesch. u. Topogr., hersg. v. Hist. Ver. f. Kärnten, 11 (Klagenfurt 1850), 129
no. 382.
') Ebd. p. 124 no. 329 für Ossiach im Jahre 1159; für S. Paul liegen nur die
Erneuerungen von 1162 und 1194 vor; ebd. no. 358 u. 524. Archiv f. Gesch., Sta-
tist., 13. Jahrg. (Wien 1822) p. 416. Wanka 31. Bianchi p. 179, 188, 205.
446 Einunddreißigstes Kapitel.
her kamen, das Geleits- und Zollrecht ungeschmälert bleiben, da für diese
der Weg über den Plöcken als der natürliche erschien; gegenüber den aus
Kärnten, Steiermark und Österreich Kommenden aber, die seit alten Zeiten
immer durch das Canaltal gezogen waren, in neuerer Zeit aber, um die Maut
von Chiusaforte zu umgehen i), mehrfach auch den Weg über den Plöcken
eingeschlagen hatten, behielt sich der Patriarch das Recht vor, 2/3 der Zoll-
sätze von Chiusaforte an einem anderen Orte seines Gebiets (es wird in erster
Linie an Tolmezzo oder Gemona zu denken sein) zu erheben. Seit dem
Ende unseres Zeitraums können wir die Verpachtung dieser Zölle nachweisen ;
noch Patriarch Berthold zog dazu sienesische Kaufleute heran (25. Januar
1250)^); nach seinem Tode hat Gregor, der Erwählte von Aquileja, im
Sommer 1253 an eine sienesische Handelsgesellschaft den alten Zoll von
Tolmezzo auf ein Jahr für 10 Mark Aquilejer Münze und den weit einträg-
licheren neuen Zoll von Chiusaforte und Tolmezzo, der auf Wein, Salz und
Eisen gelegt war, auf 9 Monate für 150 Mark verpachtet 3); wesenthch höhere
Erträge erzielte der Patriarch 2 Jahre darauf, wo dieselbe Gesellschaft ihm
für den alten und neuen Zoll von Chiusaforte für einen Zeitraum von 2 Jahren
einen Pachtschilling von 600 Mark zahlte. 4) In erwünschter Weise erhalten
wir so auch die Gewißheit, daß das Eisen der deutschen Alpenländer den
Hauptgegenwert bildete gegenüber dem italienischen Wein und dem Salz,
das für einen beträchtlichen Teil des Alpengebiets leichter aus Italien als
von den Salinen der Tiroler und Salzburger Alpen her zu beziehen war.
Der Pachtvertrag vom 8. Juli 1253 enthält auch die Bestimmung, daß
die Pächter Anspruch auf Schadenersatz hätten, falls wegen eines Zwistes
mit Venedig oder aus einem anderen Grunde der Verkehr auf der Straße
behindert oder eine Herabsetzung oder Beseitigung der Zölle vorgenommen
werden sollte. Damit ist auf das DeutHchste dargetan, daß Venedig ein
Hauptzielpunkt auch des Verkehrs über diese Alpenstraßen war, ob nun der
Weg über Aquüeja oder der direkte Landweg gewählt wurde. Den Vene-
zianern selbst war der Weg über Aquileja, der einen längeren Transport zu
Wasser ermöglichte und damit offenbar auch der billigere war, der erwünsch-
tere; darum haben sie sich auch in ihrem Vertrage mit dem Patriarchen vom
14. September 1248 die Zurückverlegung des Stapels, der während des vor-
hergegangenen Streites nach Gemona verlegt worden war, nach Aquileja
ausbedungen. ^)
Wir haben nunmehr die Deutschen, auf welchem Wege auch immer
sie über die Alpen gekommen sein mochten, in Venedig selbst aufzu-
suchen.
350. Man hat die Darstellung Martine da Canals, daß schon zur
Zeit des Dogen Domenico Morosini, also in der Mitte des 12. Jahr-
*) Quod mutam de Clusa effugere vellent. Hormayr, Beyträge II, 391 no. 164.
Zahn J. V., Urkundenbuch des Herz. Steiermark, 11 (Graz 1879) no. 317 p. 419 fif.
Wanka 32.
«) Levi p. 176 Anm. 1; zugleich über die damahge Verschuldung des Pa-
triarchen.
3) Zdekauer, Mercante ; Doc. no. 5 p. 99 ff., 24. Juni u. 8. Juh ; die erste Ver-
pachtung erfolgte in Cividale, die zweite in Venedig. Pächter sind Raynaldus Ray
naldi und Raynerius (Gabriel) Rusticini pro se et sociis suis.
*) Ebd. p. 102 (nur Regest). Vollständig bei Bianchi p. 394 no. 200. Wanka 32.
') Kandier: Item ut portus qui est Glemonae removeretur inde et fieret ipse
portus in Aqu., ut ante erat.
4
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 447
hunderts, sich Schwaben und Bayern, Franzosen und Lombarden,
Toskaner und Ungarn des Handels wegen in Venedig zusammen-
gefunden hätten, bezweifelt, da seine cronique des Veniciens erst ein
Jahrhundert später verfaßt ist^); aber wenn wir uns erinnern, daß
schon der Vertrag Venedigs mit dem Bischof von Treviso vom Jahre
1001 auf die Deutschen besonders Bezug nimmt, so wird sich kaum
bezweifeln lassen, daß diese Darstellung, was wenigstens die Deutschen
betrifft, den Tatsachen entspricht. Und so ist es auch von den
Deutschen mit zu verstehen, wenn Kaiser Friedrich I. in seinem für
das gesamte Reichsgebiet geltenden Privileg für Venedig vom 17. Aug,
1177 ausdrücklich erklärt, daß die Untertanen des Reichs bei ihrem
Verkehr mit Venedig zu der herkömmlichen Entrichtung des Ufer-
zolls und des Vierzigsten verpflichtet bleiben sollten.^) Auch das da-
mahge Vorhandensein eines kaiserlichen Hospes in Venedig läßt auf
weiteren, nicht bloß politischen , deutsch - venezianischen Verkehr
schließen.^) Und wenn Verona in dem Vertrage von 1192 verspricht,
den Fremden, die mit ihren Waren Venedig aufsuchen wollten, keinerlei
Hindernis zu bereiten*), so liegt es, zumal wenn wir an die Zollordnung
von 1173 denken, nahe, unter diesen Fremden in erster Linie die
Deutschen zu verstehen.
Daß dieser Verkehr der Deutschen in Venedig aber von beträcht-
licher Stärke gewesen sein muß, wird dadurch über allen Zweifel er-
hoben, daß uns im Jahre 1228 ein für die Deutschen bestimmtes staat-
liches Fondaco in Venedig (fonticum comunis Venetiarum ubi Teu-
tonici hospitantur) entgegentritt.
Marco Alberti führte damals die Verwaltung dieses Fondaco im Namen
eines Bruders und eines Verwandten, die am 1. Dezember 1228 das Fondaco
vom Staate auf ein Jahr für 1100 1. ven. derart pachteten, daß der Pacht-
preis in viermonatüchen Raten zu erlegen war; für die richtige Erlegung
der Pacht leisteten am 7. Dezember Domenico Arimondi und Simeon Foscari
Bürgschaft. ^)
Es fragt sich, ob man annehmen darf, daß dieses Fondaco de' Tedeschi
schon geraume Zeit vor 1228 bestand. Nun erfahren wir, daß es im selben
Jahre auch andere staatliche Fondachi gab; Abelino di San Bartolommeo
hat unter gleichen Bedingungen für die Zeit vom 1. Januar 1229 ab das
»fonticum comunis novum« und ein drittes »fonticum quod factum est in
domo Johannis Michaelis« gepachtet. 6) In beiden Fällen handelt es sich
also offenbar um seit kurzem eingerichtete Fondachi. Im Jahre 1225 aber
») So Simonsfeld U, 8 und Lenel 39 A. 3. Die Stelle da Canals (Arch.
it. Vin, 1845 p. 310) : Alemans et Baivers, Franceis et Lombars, Toscans et Ongres
et totes gens qui vivent de merchandies. ^
•) Const. et acta I, 356 no. 274. Auch die Vermittlerrolle, die Venedig unter
den früheren Kaisern zwischen Deutschland und Byzanz spielte, ist für die Beur-
teilung deutsch -venezianischer Handelsbeziehungen nicht ohne Gewicht; s. Bern-
hardi, Lothar p. 575 ; Konrad III p. 268.
') Giesebrecht VI, 242 u. 704.
*) Cipolla p. 309.
*) Lib. pleg. no. 685. Simonsfeld I, 1 no. 2.
•) Lib. pleg. no. 698. Simonsfeld H, 9 A. 1.
448 Einunddreißigstes Kapitel.
ist einmal von einem fontecum communis ohne jeden unterscheidenden
Beisatz die Rede; vom 1, April ab ist es damals auf ein Jahr für 1360 1. ven.
an Marco Albaregno verpachtet worden, für den Pietro und Giovanni Ari-
mondo mit einem Teilbetrage Bürgschaft übernommen haben, i) Somit muß
also dieses Fondaco mit jenem, in dem nach dem Pacht vertrage vom 1. De-
zember 1228 die Deutschen herbergten, identisch sein. Ich halte auch die
Pächter Alberti und Albaregno für identisch, zumal der Vorname derselbe
ist und sich Angehörige der Familie Arimondi in beiden Fällen unter den
Bürgen befinden. Der Rückgang in dem Pachtertrage von 1360 auf 1100 L
würde sich leicht aus der inzwischen erfolgten Neuerrichtung zweier staat-
licher Fondachi erklären; diese Errichtung selbst aber würde veranlaßt sein
durch das Zuströmen von Fremden, besonders von Deutschen nach Venedig,
das durch das damalige Kreuzzugsprojekt dss Kaisers eine starke Steigerung
erfahren haben muß.
Somit halte ich für das Wahrscheinlichste, daß das staatliche Fondaco
de' Tedeschi von 1228 mit dem staatlichen Fondaco von 1225 räumlich
identisch ist, daß dieses Fondaco aber 1225 noch keineswegs ausschließlich
für die Deutschen bestimmt war, wenn es auch vielfach von ihnen aufge-
sucht worden sein mag, daß man aber bald darauf, wohl durch den besonders
starken Zufluß von Deutschen aus Anlaß des Kreuzzuges bestimmt, sich dazu
entschloß, dies Fondaco dem Verkehr der Deutschen vorzubehalten und für
den anderweiten Verkehr neue Fondachi von Staatswegen einzurichten.
Wenn die Verwaltung des Fondaco der Deutschen zunächst in der
Hand des Pächters oder der Pächter lag, so zog es doch der Staat bald vor,
dieselbe in eigene Regie zu nehmen; im Jahre 1231 sind Pietro Contarini
und Marco Corner als die ersten visdomini al fondaco nachweisbar 2). Es
wurde also damit eine neue Kategorie von Vicedomini geschaffen, während
das Amt selbst schon seit alter Zeit die Zollverwaltung und alle sonst mit
dem Fremdenverkehr zusammenhängenden Angelegenheiten unter sich hatte.
Allmählich sind nun auch jene strengen Ordnungen des Fondaco dei
Tedeschi geschaffen worden, die uns Simonsfeld so eingehend geschildert
hat; was davon etwa noch bis auf die Zeit vor der Mitte des 13. Jahrhunderts
zurückgehen mag, läßt sich nicht sagen.
351. Im übrigen sind unsere Nachrichten über den Handelsverkehr der
Deutschen in Venedig aus dieser Zeit dürftig genug. Ein in Venedig an-
gesessener Deutscher war Bernhard, der in San Bartolommeo in einem Hause
des Dogen Pietro Ziani wohnte und im Dezember 1213 sein Testament
machte 3). In diesem hinterließ er u. a. seinem Neffen Enrico Tedesco 300,
seiner Nichte Engeltrud, Frau des Pietro Lombardo 500 1. ven., seinem Ver-
wandten Konrad Paier ein Haus und ein Lehen des Patriarchen in Aquileja,
während er für die Kranken in München 50, in Aquileja 25 1. aussetzte
') Lib. pleg. no. 249. Simonsfeld 1. c.
*) N^h einer Notiz im Lib. pleg. no. 232 zahlen sie im Juni 1231 auf Befehl
des Dogen 150 1. an Marco Trevisan, womit sich der Staat befriedigt erklärt wegen
einer Summe, die er vor geraumer Zeit wegen einer in kaufmännischem Interesse
nach Ungarn geschickten Gesandtschaft vorgestreckt hatte. Die Stelle liegt bei
Ljubic in, 895 im Wortlaut vor. Die Vicedomini in dem von Simonsfeld an erster
Stelle abgedruckten Dokument (I p. 1 ; II, 9 A. 1) als Viced. des Fond, de' Ted. zu
betrachten, liegt kein ausreichender Grund vor.
*) Cecchetti B. Appunti suUe finanze antiche della Rep. ven. im Arch. ven.
35 (1888) p. 42.
d
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 449
und dem Bernhard von München und seinen Erben 200 1. vermachte. Im
Jahre 1224 übernahm der genannte Enrico Bürgschaft in Höhe von 40 1.
für Marcoardo da Vinimorco (dem Namen nach sicher auch ein Deutscher),
der sein Eigentumsrecht an 500 Eichhörnchenfellen, die bei zwei Venezianern
deponiert waren, geltend machte, i) Im Jahre 1228 hören wir ferner von
einem Raube, den Walther von Aquileja und Genossen an Deutschen ver-
übt haben 2). Öfter kam es vor, daß deutsche Ritter und Große bei ihrem
Aufenthalte in Venedig, namentlich in Kreuzzugszeiten, Schulden bei Vene-
zianern kontrahierten^). Und wenn wir Waren deutscher Herkunft, wie
Tuchen von Mainz und von Köln, mehrfach in Venedig begegnen, *) so be-
weist das an sich freilich noch nichts für den Verkehr der deutschen Kauf-
leute in Venedig; da dieser aber nachgewiesen ist, so wird es auch in hohem
Grade wahrscheinlich, daß solche Waren auch direkt durch die deutschen
Kaufleute nach Venedig gebracht worden sind.
352. So groß die Anziehungskraft Venedigs auf die deutschen
Kaufleute, die über die Ostalpen nach Italien herabstiegen, sein mochte,
so war ihr Verkehr doch nicht auf Venedig beschränkt. Die Zoll-
ordnung von Ferrara vom Jahre 1228 führt auch die Deutschen auf,
die mit Waren von unterhalb oder oberhalb des Po nach Ferrara
kämen ; im Jahre 1223 wurde ein Deutscher Bernhard, der in Venedig
in San Pantaleone wohnte und mit dem ebenfalls dort wohnhaften
Johann von Feltre nach Ferrara gegangen war, bei der Rückkehr von
Leuten des Markgrafen von Este beraubt; ein Wiener Kaufmann,
Heinrich Baum, ist 1240 im apulischen Getreidehandel tätig. ^) Von
Verona — Mantua her kamen wohl die Deutschen , die im Jahre
1220 in der Gegend von Gonzaga ausgeplündert worden waren; Ver-
treter von Luzzara mußten damals schwören, daß der Ort, wo der
Überfall erfolgt war, weder zu dem Gebiet von Luzzara noch über-
haupt zum cremonesischen Gebiet gehöre.^) Wenn diese Deutschen
bei Borgoforte den Po überschritten haben mögen, wohl um auf Bo-
logna weiter zu ziehen, so lag für diejenigen, die von Verona — Man-
tua her nach Parma und zur La Cisastraße weiter wollten, der Haupt-
übergang bei Brescello; die hier den Po kreuzende Straße führte ge-
radezu den Namen der deutschen , wie wir aus dem Privileg des
Papstes Anastasius' IV. vom Jahre 1153 für das Kloster San Genesio
von Brescello erfahren, in dem er diesem seine Rechte im Hafen von
») Lib. pleg. no. 69.
2) Ebd. p. 173 u. no. 606.
2) Ebd. no. 299, 318. Vom Erzbischof von Salzburg verlangte der Papst im
Jahre 1246 Überweisung einer ihm versprochenen Geldsumme nach Venedig an den
dortigen Bischof. Höfler p. 109.
*) Gegen Ende des 12. Jahrhunderts werden durch Seeräuber aus Cervia von
einem venezianischen Schiffe geraubt u. a. : peciae 2 de Mensa et pecia 1 de Co-
logna; Minotto IIIi p. 11. Das Inventar eines Tuchladens am Rialto weist um 1225
auch auf 6 braccia dl »men8a.< Lib. pleg. no. 352.
0) Muratori Antiqu. U, 29. Lib. pleg. p. 173. Unten § 398.
«) Cod. Cremonae I, 239. Schulte I, 108 meint, es sei wohl auf dem Wege
von Cremona nach Ferrara geschehen ; Sicherheit läßt sich darüber natürlich nicht
erlangen.
Schaube, Handelsgeschlchte der roman. Völker Im Mittelalter. 29
450 Einunddreißigstes Kapitel.
Brescello sowie die deutsche Straße mit ihrem Zoll und sonstigen Ein-
künften bestätigte.^) Fast genau zur selben Zeit (1155) zeigen uns
Vertrags Verhandlungen zwischen Lucca und Pisa, welche Wichtigkeit
der Verkehr der Deutschen auf der Frankenstraße für diese Städte
hatte. ^) Darnach kann es auch keinem Zweifel unterliegen, daß auch
die deutschen Kaufleute unter den »ultramontani negotiatores« mit zu
verstehen sind, denen nach dem Dekret Alexanders III. vom 24. März
1170^) die Konsuln des lombardischen Bundes den Weg nach Tus-
cien ebenso wie den eigenen Kaufleuten sperren sollten, um durch
diese Handelssperre die Toskaner dem Willen des Papstes gefügig zu
machen.
353. Ein beträchtlicher Teil des Handelsverkehrs der Deutschen
auf der Frankenstraße wie auf der Via Aemilia kam natürlich nicht
von den Ostalpen, sondern von den Schweizerpässen her*), unter denen
der Septimer seine für den deutsch-italienischen Handel überragende
Bedeutung bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts noch voll behauptet hat.
Ein von Bischof Guido von Chur gegen Anfang des 12. Jahrhunderts
wenn nicht begründetes, so doch ausgebautes und reich ausgestattetes Hos-
piz zu Ehren des hl. Petrus erleichterte diesen Verkehr, ö) Wohl hatte die
Anlegung der »stäubenden Brücke« (zwischen 1218 und 1225) im wilden
Quertal der Reuß den Weg vom Vierwaldstättersee nach dem Urserental
gangbar gemacht und damit für große Teile des Rheingebiets den kürzesten
Weg nach Italien über den Sankt Gotthard ermöglicht ; indessen ist geraume
Zeit vergangen, ehe sich der große Verkehr wirklich der neuen Straße zu-
gewandt und damit eine neue Periode in der Geschichte der deutsch-italie-
nischen Handelsbeziehungen eingeleitet hat. ß) Und dasselbe gilt von dem
Pfade über den Simplon, der am Anfang des Jahrhunderts wesenthch ver-
bessert worden war. '^) Noch waren die westlichsten Gebiete Deutschlands,
soweit sie nicht auch den Weg über den Septimer wählten, auf die Straße
über den Großen Sankt Bernhard angewiesen.
Unter den lombardischen Städten im Süden der Schweizer Alpen ist
es Como, wo wir den meisten, freilich zunächst auch nur indirekten Zeug-
nissen für den Handelsverkehr der Deutschen in unserer Zeit begegnen. Als
die Stadt, die erst 1164 vom Kaiser den Sperrturm von Ologno an der nach
*) Muratori Antiqu. V, 1002: jura quoque vestra quae in Brixellensi portu
habetis atque stratam Teutonicam et theloneum et usum qui de ea exire solet.
») Unten § 510.
») Vignati 201 ff. Cod. Land. H no. 48. J.-L. 11 747. Giesebrecht V, 651 ;
VI, 491 f.
*) Über den Verkehr auf denselben verweise ich auf Schultes großes Werk.
Auf diesem beruht, was den historischen Teil anbetrifft, wesentlich auch R. Rein-
hard : Pässe u. Straßen in den Schweizer Alpen. Topogr.-histor. Studien. Luzern 1903.
8) Otto IV. gewährte 1209 der familia hospitalis montis Septimi Abgaben-
freiheiten, öhlmann IV, 175. Schulte I, 84 ff. Reinhard 1. c. 165 ff.
•) Deshalb ist hier nicht näher darauf einzugehen. S. öhlmann IH, 283.
Oechsli: Die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft (Zürich 1891) p. 225,
246 ff. Winkelmann H, 253 f. Schulte I, 32 ff. und Kapitel 15 p. 169 ff. von Below
in Hist. Zeitschr. 89 (1902), 218 ff. Entgegnung Schultes in Schmollers Jahrbuch
1903 p. 255 ff. Kurze Replik v. Belows Hist. Z. 90, 540 f. Reinhard I. c. 107 ff,
») Schulte I, 101 f., 212 f.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 451
Chiavenna und von da weiter durch das Bergello zum Septimer führenden
Straße geschenkt erhalten hatte i), im Jahre 1168 dem lombardischen Bunde
beitreten mußte, ließ sie sich von Mailand die besondere Zusicherung geben,
daß die Mailänder nicht nach Como kommen würden, um den dortigen
Herbergswirten die fremden Kaufleute abspenstig zu machen, während sie
ihrerseits den Mailändern versprach, solche Kaufleute, die die Absicht hätten,
nach Mailand weiterzuziehen, nicht zum Verkauf ihrer Waren in Como zu
zwingen. Zugleich erklärte Como bei seinem Versprechen, dem Kaiser und
seinen Anhängern Straße und Markt wie die anderen Städte zu sperren, daß
bloße Kaufleute davon nicht betroffen werden sollten. 2) Daß es sich bei
diesen Abmachungen um von Norden kommende deutsche Kaufleute handeln
muß, kann bei der Lage Comos nicht zweifelhaft erscheinen. So wird es
sich zum Teil wenigstens auch auf diesen Verkehr beziehen, wenn Pavia
im Jahre 1186 sich verpflichtete, jede gegen Como gerichtete Handelssperre
oder Handelsbeschränkung, z. B. wenn Mailand Fremden den Durchzug nach
Como untersage, auf Anzeige Comos mit der gleichen Maßregel gegen Mai-
land zu beantworten. 3) Mit der Reichsgewalt stand Como damals wieder in
bestem Einvernehmen; in seinem Privileg von 1191 gebot Heinrich VI.'*)
Sicherheit und Freiheit des Verkehrs auf den nach Como führenden Handels-
straßen und versprach, die Chiavenna- und Bellinzonastraße, also die Wege
vom Tessin und der Maira her, nicht verlegen und keinem anderen ver-
leihen zu wollen. Nach einem Statut von 1199 durfte, wer sich von jenseits
der Berge in Como oder Gebiet niederließ, nach fünfjährigem, unangefoch-
tenem Aufenthalt wegen eines früheren Abhängigkeitsverhältnisses nicht mehr
beheUigt werden; die besonderen Abmachungen des mit Chur bestehenden
Vertrages wurden dabei vorbehalten. &) Nach langen Streitigkeiten mit diesem
Bistum stellte der Friede vom 18. August 1219 die Grenze der beiden Ge-
biete an der Maira da fest, wo noch heute die schweizerisch - italienische
Grenze liegt, so daß also Chiavenna und Plurs bei Como verblieben, wäh-
rend Castasegna zu Chur gehörte, ß) Durch möghchste Sicherstellung der
Gläubiger suchte man den Handelsbeziehungen beider Gebiete einen festen
Rückhalt zu geben und versprach, die Freiheit des Handelsverkehrs nicht
zu beschränken; nur Getreide und Gemüse nahm Como davon aus, da es
in diesen Artikeln selber der Zufuhr bedurfte."^) Von den Gegenständen
dieses Handels können wir positiv nur den Wein nachweisen, der im Bergell
aufwärts und offenbar über den Septimer weiter ging; die Statuten Comos,
die hiervon reden, enthalten auch eine vom November 1209 datierte Bestim-
1) Ebd. 104.
») Cod. Laud. n no. 36 p. 46. Vignati p. 168 f.
') Sacchetti : un' alleanza tra Pavia e Como im BoU. della Soc. Pavese di st.
patr. I (1901), 257 f.
*) Hidber n (Beilage), p. 99. Schulte I, 103 f.
») Leg. Munic. II, 210 rub. 324.
6) Rovelli G., Storia di Como (Mailand 1794 ff.) H, 374. Mohr I, 257 ff.
no. 186. öhlmann IV, 185. Schulte I, 87, 96.
') Als sich Como und Mailand 1195/96 gegenseitig unbeschränkten Markt in
Getreide usw. gewährten, hatte Mailand natürlich ein Interesse daran, daß diese
Freiheit nicht zur Ausfuhr nach dem Norden benutzt wurde. Deshalb erhielt es
die Erlaubnis, sowohl in Bellinzona wie am Turm von Ologno den von Como zu
entsendenden Wächtern eigene Wächter zur Verhütung der Ausfuhr von blava et
legumina, soweit sie nicht von beiden Städten übereinstimmend gestattet wurde,
an die Seite zu stellen. Hidber II, Beilage p. 107 u. 116. Schulte I, 104.
29»
452 Einunddreißigstes Kapitel.
mung, die mit Sicherheit auf einen lebhaften Verkehr der deutschen Kauf-
leute in Como schließen läßt, da sie von der Kreditgewährung und Bürg-
schaftsleistung an Leute von jenseits der Berge durch Comasken handelt, i)
Die hohe Wichtigkeit, die Como für die Verbindung mit dem Keiche, vor
allem mit Schwaben, zunächst in militärischer, wie so oft aber zugleich auch
in kommerzieller Beziehung besaß, hat Kaiser Friedrich II. in seinem Schreiben
an seinen Sohn Konrad vom Jahre 1239 besonders scharf gekennzeichnet,
als er die Stadt, über ihre Rückkehr zur kaiserlichen Partei hocherfreut, den
»Schlüssel zum Eingange nach Italien von Deutschland her« nannte. Ob
er dabei außer an die Septimer-, auch schon an die Gotthardstraße gedacht
hat, steht dahin und ist nicht eben wahrscheinlich. Wenn er zwei Jahre
darauf die Bitte Comos, ihm das Tal Leventina zu verleihen, nicht gewährte,
so genügt zur Erklärung vollkommen der Umstand, daß der Kaiser keinerlei
Ursache hatte, Como schon jetzt Geschenke zu machen, wo es in der Treue
durchaus noch nicht erprobt war. 2)
354. Wenn Como ein von den deutschen Kaufleuten vielbesuchter Platz
war, so ist damit schon ohne weiteres gegeben, daß auch das nahegelegene
Zentrum der Lombardei, Mailand, von ihnen aufgesucht wurde, wie das ja
auch der Vertrag beider Städte von 1168 außer Zweifel stellt. Demgegen-
über verliert es an Bedeutung, ob unter den mit den Mailändern verkeh-
renden »ultramontanen Kaufleuten« in dem Versprechen des Markgrafen
von Montf errat von 1193 auch deutsche Kaufleute zu verstehen sind oder
nicht. ^) Das auf der anderen Seite Mailand benachbarte Lodi hat im Jahre
1210 in seine Statuten eine Notiz aufgenommen, wonach sich das normale
Gewicht eines »pensum tili teutonici« nach den an der Stadtwage vorge-
nommenen Proben auf 30 kleine Pfund weniger 3 Unzen ergeben habe *) ; es
scheint also, daß gerade damals deutsches Garn bei der Einfuhr nach Lodi
eine wichtigere Rolle für die Textilindustrie der Stadt zu spielen begann.
Für nicht wenige der deutschen Kaufleute, die über den Septimer
oder den großen Sankt Bernhard kamen, ist sicher schon früh die ligu-
rische Seestadt das Ziel ihrer Handelsfahrt gewesen ; für das 12. Jahr-
hundert werden sie für uns noch durch den allgemeinen Begriff der
»ultramontanen Kaufleute« verdeckt.^) Auf völlig sicheren Boden
gelangen wir erst im 13. Jahrhundert. Wenn der Vertrag zwischen
Genua und Marseille von 1211 die Deutschen von der Teilnahme an
überseeischen Handelsfahrten ausdrücklich ausschließt^), so beweist er
gerade damit doch, daß deutsche Kaufleute in beiden Seestädten ver-
kehrten. Und für Genua wenigstens liegt uns dafür auch ein un-
zweifelhafter Beleg vor.
Am 24. Juli 1216 hat ein Kaufmann aus Basel, Arnulf, dem Arzt
Heinrich in Genua versprochen, für ihn 3 Zentner des schönsten und besten
Glases, das er in einer deutschen Glashütte aufzutreiben imstande sei, zum
») Leg. Munic. n, 157 u. 212; rub. 129 n. 331. Schulte I, 107.
«) öhlmann IV, 179. Oechsli 1. c. 247. v. Below, Hist. Zeitschr. 89 (1902), 220.
3) Oben § 272. Schulte I, 106.
♦) Stat. vet. Laudae 1. 3, rub. 56 im Cod. Laud. III, 556 ff. Die folgende
Rubrik (57) beginnt: 1210, 8. Aug. Comune Laude tale fecit statutum. Schulte I, 121.
*) Oben § 70 u. 272. Die Kaufleute aus Verdun, die damals schon mehrfach
in Genua begegnen (§ 365 f.), rechnete man in Genua jedenfalls den Francigenae zu.
•) Unten § 471.
I
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 453
Zwecke der Spiegelfabrikation nach Genua zu transportieren, i) Wenn nun
der 1204 aufgezeichnete, durchaus nicht sehr umfangreiche Tarif für die
Sensale Genuas auch die für den Zentner deutscher Leinwand mit je
3 den. jan. von Käufer und Verkäufer zu entrichtende Maklergebühr auf-
führt^), so dürfen wir wohl annehmen, daß es hauptsächlich die deutschen
Kaufleute selbst gewesen sind, die diese Leinwand nach Genua gebracht
haben. Gerade der Leineneinfuhr von jenseits der Alpen legten die Genuesen
eine besondere Wichtigkeit bei; in ihren Verträgen mit Arles (1237) und
Siena (1241) wurde den Bewohnern dieser Städte wie die Ausfuhr anderer
Leinwandsorten so auch die deutscher Leinwand aus Genua ausdrücklich
untersagt. =*) Aus dem Vertrage Genuas mit Asti (1251) lernen wir auch die
braunen Tuche von Mainz (bruni de menso) als einen gangbaren Artikel der
Einfuhr nach Genua kennen. *)
Erwähnt sei endlich noch, daß auch nach den südfranzösischen Häfen
deutsche Waren kamen; deutsche Schwerter begegnen am Anfang des
13. Jahrhunderts in Montpellier, Tuche aus Metz 1235 in Marseille ß), ebenda
1248 Mäntel (capae) aus Metz auf dem Wege nach Sizilien, deutsche Lein-
wand in vier Posten auf dem Wege nach Accon. 16 1/2 cordae telarum
Alamanniae galten 20, drei peciae telarum von Basel 8 1. Marseiller Kurant. ^)
Der zur selben Zeit in Marseille begegnende Augerius Vaidenuecgz (Weiten-
wegs), ein Schwager des jüngeren Petrus Ebrardi, ist sicher, wenn nicht ein
Deutscher, so doch deutscher Abkunft.'^)
355. Als König Andreas IL von Ungarn im Frühjahr 1217 wegen
seiner Überfahrt nach dem Heiligen Lande einen Vertrag mit dem
Dogen Peter Ziani schloßt), in dem er gleichzeitig endgültig auf Zara
verzichtete, wurden auch die Handelsbeziehungen zwischen beiden
Staaten auf der Grundlage voller Gegenseitigkeit gerogelt.
Beiderseits versprach man den Kaufleuten des anderen Teils volle
Sicherheit und beschränkte die von ihnen zu erhebenden Zollabgaben auf i/so
(1^/4 %) des Wertes, wobei ausdrücklich festgesetzt wurde, daß diese Abgabe
von den venezianischen Kaufleuten nur einmal, und zwar bei ihrem Eintritt
in das Königreich, eingezogen werden dürfe ; Gold, Edelsteine, seidene Tücher,
1) Ferretto II, 139 A. 2: deferre in Janua cent. 3 boni vi tri et pulchri de
meliori et pulchriori quod invenire potero in Alamannia ad faciendum speculos et
<ie meliori fornace. Caro G. : Ein Basler Kaufmann in Genua 1216 in : Anzeiger
für Schweiz. Gesch. 1903 p. 193 f. Zu Caros Xachweisen über Freiburger in Genua
aus Ferretto treten die von mir aus Belgrano schon für 1253 (u. 1262) gegebenen :
Wechselbriefe Ludwigs des Heil, in : Jahrb. f. Nat.-Ök. 73 (1899), 157 u. Anm. 4.
Nebenbei bemerkt, findet sich Glas (sarcina vitrorum in curru locata) auch im Zoll-
privileg von Wiener- Neustadt (1244). Hormayr, Taschenbuch 1. c. p. 78.
») Lib. Jur. I no. 475 p. 520 f. Schulte I, 116.
^) Chart. II, 1399 no. 1835: exceptis telis Alemannie etc. und Ferretto I, 158.
Anm. 2. Oben § 306.
*) Lib. Jur. I no. 812.
fi) Lib. Instrum. p. 438 no. 275. Manduel no. 65.
«) Amalric no. 576, 126, 260, 271, 326. Schulte I, 116 A. 5.
'') Amalric no. 440—442. Er schließt mit seinem Schwager, der nach Rsa auf
die Handelsreise geht, eine Societas, bei der jeder 2201. 8 sol. misc. einlegt; der
Gewinn soll geteilt werden. Deutscher Herkunft ist wohl auch W. Saillenbarcha,
der mit W. de Banco eine Handelsgesellschaft eingeht; no. 467.
8) Ljubic I, 29 f. no. 38. Röhricht, Studien 24 u. 30, A. 9.
454 Einunddreißigstes Kapitel.
Seide und Spezereien (specimina) waren beiderseits von jedem Zoll befreit. So
waren also die den Handel belastenden Abgaben zwischen beiden Staaten unge-
wöhnlich niedrig normiert, so daß sie jedenfalls einem Aufschwung des Handels
nicht hinderlich waren. In der Tat erfahren wir aus der nächsten Zeit
manches, was auf die Handelstätigkeit der Venezianer in Ungarn ein Licht
wirft. So hören wir von Andrea Vallaresso, der am Anfang der zwanziger
Jahre in Ungarn starb und vor seinem Tode, ohne ein Testament machen
zu können, in Gegenwart seines Verwandten Emanuel Vallaresso seine Frau
zur Vormünderin seines Sohnes bestellt und der Republik eine Summe von
100 1. ven. vermacht hatte ; auf den Eid Emanuels hin verliehen Doge und
Richter dem darüber aufgenommenen Notariatsakt Testamentskraft, i) Da-
rüber, daß die Vallaresso in Handelsgeschäften in Ungarn weilten, wird ein
Zweifel nicht bestehen können. Wir wissen ferner, daß ein Teil des Witwen-
gutes der Kaiserin Constanze, die eine Schwägerin Andreas' H. (Witwe König
Emmerichs) war, bei den venezianischen Kaufleuten Quirino Vendelino und
Pangrazio Doro angelegt war; Giacomo di s. Andrea stellte den Mittelsmann
zwischen ihnen und der in Ungarn reich begüterten Fürstin dar. Und von
dem Könige selbst hören wir, daß Mitglieder der venezianischen Familie
Ghisi bei ihm ein Guthaben hatten. 2)
356. Diese Beziehungen wurden im Jahre 1223 durch eine Gewalttat
empfindlich gestört, indem Ritter aus der Gefolgschaft des Königs (öster-
reichische und steirische werden unter ihnen besonders hervorgehoben) mehrere
venezianische Kaufleute ihrer Habe beraubten ; Pietro Alberti erlitt dabei
einen Verlust von 600 Mark Silber in Edelsteinen und Edelmetallen, Donato
Olivo einen solchen von 200 Mark Silber, während Guido Pentulo 14 Mark
Silber und 4 Mark Gold einbüßte. Auf die Kunde hiervon belegten Doge
und Rat zunächst die bei den genannten Venezianern stehenden und ein-
gehenden Gelder der Kaiserin am 20. November 1223 mit Beschlag, hoben
aber die Maßregel bald wieder auf ^), zumal die Kaiserin mit ihrem Schwager
auf sehr gespanntem Fuße stand, dieser also dadurch in keiner Weise ge-
troffen wurde. Zur Zeit der Tat war der Titularkönig von Saloniki, Deme-
trius, in Ungarn gewesen; als er von hier nach Venedig kam, ließ sich die
Regierung von ihm im März 1224 authentische Angaben über den Vorfall
machen 4) und schickte dann den Jacopo Bresciani nach Ungarn, um bei
dem Könige zu reklamieren; da die Sendung erfolglos blieb, gewährte man
im September 1224 den Gläubigern des Königs, Giovanni Ghisi und den
Söhnen des Natale Ghisi, gegenüber allen Ungarn das Pfändungsrecht bis
zum Betrage von 201 Mark Silber, ß) Auch die weitere Sendung des Domenico
Pampulo scheint einen besonderen Erfolg nicht erzielt zu haben; zur Be-
streitung der Kosten hatte man ihm 150 1. ven. unter der Bedingung mit-
gegeben, daß der Staat aus dem Wiedererlangten entschädigt würde. ^) Trotz-
dem vermied die Signorie einen offenen Bruch mit Ungarn; am 30. Mai 1226
') Lib. pleg. no. 105.
*) Ebd. no. 10 u. 189. Vgl. Winkelmann I, 118. Über Handelswege nach
TJngai-n, besonders jenen über den Birnbaum er Wald, Laibach, Cilli und Pettau s.
öhlmann IV, 280.
2) Ljubi6 ni, 392. Lib. pleg. no. 10 ; mit dem Vermerk : il Doro fu assolto.
*) Ljubi6 III, 393 (mit dem irrigen Datum 1223). Lib. pleg. no. 96. Faksimil©^
in Sickels Monum. graphica medii aevi, Heft 2, Tafel 4.
») Ljubi6 in, 396. Lib. pleg. no. 189.
«) Lib. pleg. no. 232, s. d.
Handel mit Ober-Deutschland und den östlichen Nachbargebieten. 455
verhieß sie in einem besonderen Patent allen ungarischen Kaufleuten im
Gebiete von Venedig volle Sicherheit, nur erklärte sie, daß zur Entschädigung
der Venezianer für die ihnen in Ungarn geraubten Sachen außer den regel-
mäßigen Abgaben ein Wertzoll von lV2''/o als Zuschlag erhoben werden
müsse. 1) Am 9. Februar des folgenden Jahres traf dann auch ein Brief
des ungarischen Königs in Venedig ein, in dem er jede Mitwissenschaft an
jenem Raube in Abrede stellte ; Venedig möge ihm die Namen der Schuldigen
durch den Bischof von Raab mitteilen und ihm die Geschädigten zuschicken,
damit er ihnen ihr Recht verschaffe ; der Doge möge für jene Tat nicht die
Ungarn verantwortlich machen. 2) Damit waren äußerlich gute Beziehungen
wiederhergestellt; die Erhebung des Zuschlagszolls nahm bis zur vollen
Befriedigung der Ansprüche Venedigs im Jahre 1232 ihren Fortgang.^) Der
Vertrag, den Venedig im Jahre 1244 nach dem Abfall Zaras mit König
Bela von Ungarn schloß, beschäftigt sich nur mit den Verhältnissen Zaras *);
in den Handelsbeziehungen der beiden Staaten ist also eine Veränderung
ofEenfcar nicht eingetreten.
357. Auch im Königreich Ungarn begegnen wir endlich noch
den Sienesen, und zwar wieder in ihrer uns schon bekannten Rolle,
derart aber, daß uns auch die persönliche Anwesenheit dieser siene-
sischen Kaufleute in Ungarn direkt bezeugt ist.
Der Prokurator des Sankt Helena-Klosters in Földvär (an der Donau
südlich von Budapest) hatte seinerzeit an der Kurie bei den Sienesen
Bonagratia (jedenfalls der uns von Prag her bekannte), Bartolommeus Cirioli,
Crescentius, Bonaccursus und ihren Sozii ein Darlehn von uns nicht bekannter
Höhe aufgenommen. Nun behaupteten die Vertreter des Klosters, die Schuld
sei am Sitze des Primas von Ungarn, in Gran, an die Kaufleute berichtigt
worden, diese aber hätten die Rückgabe der betreffenden Urkunden unter-
lassen und dadurch eine Konventionalstrafe von 100 Mark Silber verwirkt.
Die Sache wurde durch den Prokurator des Abtes an der Kurie anhängig
gemacht und durch den päpsthchen Auditor in der Tat dahin entschieden,
daß Bonagratia und Genossen die 100 Mark Buße und 8 Mark Silber an
Kosten außerdem an das Kloster zu zahlen hätten; am 18. August 1235
wandte sich der Papst an den Bischof und den Podestä, von Siena, sie möchten
die Verurteilten zur Zahlung an das Kloster veranlassen. 0) In diesem Falle
haben sich also einmal die Schuldner in hartherzige Gläubiger, die auf ihrem
Schein bestanden, verwandelt.
») Erdmannsdörffer p. 17. Lib. pleg. no. 392. Ljubi6 liest (I, 83 no. 54): »ita
duntaxat, quod fisco nostro persolvatis ad racionem cujusquam centenarii
libras nostre monete seil. 30 de his que vobiscum visi fueritis aportare*. Das
wäre also ein Zuschlagszoll von vollen 30 "/o ad valorem. Aber er hat die Abkür-
zungen lib. und s. für librarum nostre monete sol. 30 nur falsch aufgelöst.
2) Ljubic I, 41 no. 63. Lib. pleg. no. 502.
*) Notiz im Lib. pleg. no. 232 vom Juni 1232 ; oben S. 448 A. 2. S. auch die
Erklärung des Donato Olivo und der Erben des Pietro Alberti vom November 1226.
Ljubi6 I, no. 62. Lib. pleg. no. 456.
*) Ljubi6 I, 65 f. no. 91, 92.
6) Auvray 2740 f.
n
B. Handel der Mittelmeer-Romanen untereinander.
Abschnitt VI:
Die kommerziell überwiegend passiven Gebiete
Italiens.
Zweiunddreißigstes Kapitel.
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der
normannischen Dynastie.
358. Unter - ItalieD mit Sizilien, erst von den Normannen auf
eigene Füße gestellt und durch Roger IL 1130 zu einem einheitlichen
Königreiche erhoben, war für die großen aktiven Handelsnationen von
hervorragender Bedeutung nicht nur wegen seines Reichtums an
eigenen Erzeugnissen, sondern namentlich auch als wichtiges, nur
schwer zu umgehendes Passageland für ihren Fernhandel. Für Ve-™j
nedig war zunächst die ganze adriatische Küste Unter-Italiens in^|
dieser Beziehung von höchster Bedeutung.
Im Februar 1119 sehen wir Venezianer, die auf der Handelsfahrt
nach Ägypten begriffen sind, unterwegs in Bari für diese Fahrt kontra-
hieren i) und im Mai 1122 schloß Venedig mit Bari einen Vertrag, in dem
sich die Parteien versprachen, sich gegenseitig nicht zu schädigen und wo
dennoch eine Schädigung erfolgt sei, binnen 14 Tagen nach eingegangener
Beschwerde für Abhilfe Sorge zu tragen.^)
') G. Monticolo im N. Arch. ven. XIX (1900), 71 f. Handelsfahrt des Schiffea
des Joh. Vienzo 1133 nach Bari: Sacerdoti 25 f.
*) Monticolo: II testo del patto giurato del doge Domenico Michiel al Co-
mune diBari; N. Arch. ven. XVIII (1899) p. 96—156. Cod. Barese V, 116 no. 68.
Auch bei ZamVjler A. e F. Carabellese : Le relazioni commerciali fra la Puglia e la
repubbUca di Ven. dal secolo X al XV. (Ricerche e documenti II ; Trani 1898) p. 127 ,-
App. no. 47. Dem allein überlieferten Versprechen der Venezianer hat natürlich
I
Zweiunddreißigstes Kapitel. Unter-Italien u. Sizilien b. z. Ende d. norm. Dynastie. 457
Im Jahre 1127 wurde Roger II. auch Herzog von Apulien; sein feind-
liches Verhältnis zu den Griechen beeinflußte naturgemäß auch seine Be-
ziehungen zu Venedig. Auf dem Reichstage zu Merseburg erschienen im
Jahre 1135 vor Lothar neben griechischen Gesandten auch venezianische,
die Klage darüber führten, daß ihnen vom Könige Waren im Werte von
40000 1. geraubt worden seien.i) Indessen hat der Vorgang zu einer
längeren Entfremdung nicht geführt; im August 1138 sehen wir zwei edle
Venezianer, Oderico Malipieri und Pietro Orsi, eine Handelsgesellschaft für
eine Fahrt nach Sizilien auf dem Schiffe, dessen Führer (nauclerus) Marino
Michiel war, eingehen.^) Wissen wir doch auch, daß um diese Zeit schon
eine größere venezianische Kolonie in Palermo vorhanden war, der es im
Februar 1144 gelang, von Roger die Einräumung einer ursprünglich griechi-
schen, später von den Sarazenen verwüsteten Kirche im Stadtviertel Seral-
kadi zu erwirken, die nunmehr zu einer Markuskirche ausgebaut wurde, die
aber der Kirche von Palermo unterstellt blieb.-^) Ob indessen schon zu dieses
Königs Zeit ein förmlicher Vertrag das Verhältnis zu den Venezianern, die
mit dem Könige mehr als einmal feindlich zusammenstießen, regelte, muß
dahingestellt bleiben.*)
359. Sicher dagegen kam es zu einem solchen Vertrage zu Wilhelms I.
Zeit (1154 — 1166); wahrscheinlich hängt er mit der Sendung des Kanonikers
von Palermo, Robertus de S. Johanne, zusammen und ist in das Jahr 1155
zu setzen. Andrea Dandolo skizziert seinen Inhalt sehr allgemein, aber
jedenfalls zutreffend dahin, daß der König allen Venezianern mit Ausnahme
derjenigen, die sich einer Begünstigung des griechischen Kaisers schuldig
machen w^ürden, Sicherheit und Handelsfreiheiten in seinem Reiche zuge-
standen habe.») Der dreißigjährige Waffenstillstand, den der König 1158
mit den Griechen schloß, beseitigte dann für einige Zeit eine fortwährend
drohende Ursache zu Konflikten. In so hohem Maße erregte die unge-
hemmte Entwickelung des venezianischen Handels mit dem Königreiche die
Eifersucht der Genuesen, daß sie sich in dem praktisch ja völlig bedeutungslos
ein analoges der Baresen entsprochen. Im allg. s. die Besprechung Luzzattos im
N. Arch. ven., n. s., VII (1904), 174 ff. über die Studi sulle relazioni comm. tra Ven.
e la Puglia.
») Ann. Erphesford., SS. VI, 540. Bernhardi, Lothar p. 575 A. 34.
*) Geht aus der Auseinandersetzung der beiden Söhne des P. Orsi im März
1160 hervor. Baracchi VII (1874), 366 f.
3) Garufi I, 44 no. 18; dazu p. 149 u. 209. Mortillaro V. Opere I, 379 f. Vgl.
Carini J., I Veneziani in Sicilia im Arch. sicil. I (1876), 353. V. di Giovanni, ebd.
XI (1886), 49. Carabellese : La colonia dci Venez. a Palermo nel sec. XII in Ras-
segna pugliese XVII (1900), 325 ff. Dazu Schmeidler p. 34 A. 29 u. p. 41 f. Eine
venezianische Witwe in Palermo wählt im April 1165 diese Kirche, in der schon
ihr Mann und ihr Vater ruhten, zur Begräbnisstätte : Mortillaro I, 382 f.
*) Die Ausdrücke des Vertrages von 1175 beweisen nichts hierfür. Manfroni
189 nimmt das Jahr 1136 für einen solchen Vertrag an, durch den es Roger ge-
lungen sei, die Venezianer von der gegen ihn gerichteten Allianz zu trennen.
*) Muratori SS. Xll, 286. Grabschrift des Dogen Domenico Morosini: Iste
Dux fecit pacem cum Rege Sic. W., ideo quia in magna discordia erant Veneti pro
Imperatore Emanuele. Da der Doge im Februar 1156 gestorben, Wilhelm aber am
26. Febr. 1154 zur Regierung gekommen ist, so ist damit die Zeit des Vertrages ge-
nügend genau bestimmt. Vgl. Langer 63 ; über die Gesandtschaft : Falcandus p. 67.
Die Inschrift bei Cicogna : Iscrizioni Veneziane I, 240 f. Vgl. Siragusa I p. 38 A. 2
u. 118. Manfroni 220.
458 Zweiunddreißigstes Kapitel.
gebliebenen Privileg Kaiser Friedrichs von 1162 die Erlaubnis geben ließen,
die Venezianer aus dem Königreiche zu vertreiben, falls sie nicht inzwischen
die Gnade des Kaisers erlangt hätten. i) Aber gerade durch ihre Allianz
mit dem Kaiser schlössen sich Genuesen und Pisaner damals eine Zeitlang
von dem Handel mit dem Normannenstaate aus und überließen den Vene-
zianern allein das Feld. Auch die Regierung Wilhelms II. war der Ent-
wickelung des venezianischen Handels durchaus günstig, zumal die Gewalttat
Kaiser Manuels von 1171 die Venezianer für längere Zeit von jeder Rück-
sicht auf die griechische Politik zu entbinden schien. Wenn es dennoch
erst im September 1175, als sich das Verhältnis Venedigs zu Kaiser Manuel
schon wieder friedlich gestaltet hatte 2), zu einem neuen Vertrage zwischen
Venedig und dem sizilischen Königreiche gekommen ist, so scheint das zu-
nächst in dem Ablauf des alten Vertrages seinen Grund zu haben, der wohl
gerade so auf 20 Jahre abgeschlossen gewesen ist, wie es bei dem neuen,
dem ersten uns erhaltenen, der Fall ist. Von selten des Königs werden in
diesem Vertrage 3) außerhalb des Königsschutzes gestellt alle Venezianer, die
Piraterie treiben, das sizilische Königreich schädigen oder bei der Verteidigung
des griechischen Reiches helfen; bei Schädigung anderer Venezianer durch
seine Untertanen wird Remedur binnen drei Monaten nach eingegangener
Beschwerde verheißen. Durch besondere Verleihung wurden gleichzeitig die
Handelsabgaben der Venezianer für Messina, Palermo und die ganze Insel
auf die Hälfte des Satzes, den sie zur Zeit in Messina zahlten, herabgesetzt;
und in analoger Weise wurde auch für den festländischen Teil des König-
reichs bestimmt, daß Schiffe und Waren der Venezianer fortan nur die
Hälfte der bei Ein- und Ausfuhr zur Zeit König Rogers und Wilhelms I.
üblichen Abgaben zu entrichten hätten. Der die Venezianer verpflichtende
Teil des Vertrags ist nicht erhalten; doch erkennen wir deutlich, daß die
Gegenleistung der Venezianer vor allem darin bestand, daß sie den Griechen
fortan ihre Unterstützung entzogen; nur die Verpflichtung der augenblick-
lich im Dienste des Kaisers stehenden venezianischen Schiffe blieb davon
unberührt; selbst Feindseligkeiten zwischen diesen von den Venezianern
im Vertrage genau bezeichneten Galeeren und den Untertanen des Königs
sollten einen Bruch des eben geschlossenen Friedens nicht zur Folge haben.'*)
Durch eine kluge Neutralitätspolitik hatte Venedig so recht wesentliche
Vorteile für seinen Handel mit dem Königreiche erlangt. Wie wichtig
dieser für Venedig war, zeigt uns besonders der Bericht des Erzbischofs
Romuald von Salerno, der als Gesandter des Königs dem Friedenskongreß
von Venedig (1177) beigewohnt hat; darnach war das Volk von Venedig
während der Verhandlungen in lebhafter Besorgnis, daß es zum Bniche mit
^) Const. et acta I, 293. Mißverstanden von Langer p. 90 und noch mehr,
durch V. Kap -Herr: Die abendländische Politik Kaiser Manuels (Straßburg 1881
p. 81.
«) Oben § 172.
8) Tafel u. Thomas I, 173 f. Siragusa I, 173 ff. Carabellese 47 f.
*) Entscheidend vor allem die Stelle, wo der König von seinem Schutze aus-
nimmt diejenigen >qui fuerint cum auxilio Imperatoris Const. ad defen-
dendum eins Imperium in galeis illis, quae continentur in pacto a
Duce et commune Venetiae nobis facto.< Durch Mißverständnis dieser
Stelle ist Schmeidler p. 89 ff. (daselbst auch Literatur) zu seiner Auffassung gelangt,
daß sich Venedig die Unterstützung des Kaisers auch gegen Sizilien vorbehalten
habe. Ebensowenig allerdings bedeutet der Vertrag eine Allianz gegen den Kaiser,
wie mit anderen auch Manfroni p. 257 annimmt.
I
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 459
Sizilien und zur Gefangensetzung der Venezianer im Königreiche kommen
könnte ; viele Männer und Frauen, deren Angehörige mit einer Menge Waren
und beträchtlichen Geldmitteln nach Apulien gegangen seien, um dort
Lebensmittel einzukaufen und nach Venedig zu bringen, hätten den Dogen
beschworen, sich nachgiebig zu zeigen. i) Auch aus einzelnen Privaturkunden
der Zeit ergibt sich, daß ganze Schiffskarawanen der Venezianer zunächst
nach dem getreide-, wein- und ölreichen Apulien und zum Teil noch weiter
nach Sizilien zu gehen pflegten.^)
360. Daß auch die Seestädte Dalmatiens mit dem apulischen Gegengestade
Handelsbeziehungen unterhielten, würden wir auch ohne besonderen Beleg
anzunehmen haben. Von besonderem Interesse aber ist, daß Ragusa und
Molfetta im Jahre 1148 einen Handelsvertrag miteinander schlössen, in dem
sich beide Städte gegenseitig Befreiung von allen Handels- und Schiffahrts-
abgaben zusicherten; jede Stadt stellte der anderen ein Privileg darüber
aus ; das für Ragusa bestimmte wurde von dem Grafen Robert von Conver-
sano als Stadtherrn Molfettas gezeichnet.^) Als durch die Expedition Wil-
helms n. gegen Byzanz (1185) auch Ragusa unter normannische Hoheit
kam, kam das natürlich den Handelsbeziehungen sehr zustatten; im Jahre
1190 ließ sich Graf Gervasius von den Kazici, dem seeräuberischen Fürsten-
geschlecht von Almissa, schwören, die nach Ragusa kommenden apulischen
Schiffe nicht anzutasten .*)
361. Wie die Venezianer mit der Ostküste, so verbanden die
Pisaner mit der Westküste Unter-Italiens besonders enge Handels-
beziehungen.
Wie jene 1122 mit Bari, so schlössen diese am 1. Oktober 1126 mit
Amalfi einen Freundschafts- und Handelsvertrag, der uns nur einseitig, in
dem Schwur, den das Volk von Pisa, Kinzica (der Stadt links vom Arno),
Fuoriporta (der Neustadt auf dem rechten Ufer) und den Vorstädten (de
burgis) dem Volke von Amalfi, Atrani, Scala und Ravello sowie allen Leuten
des Dukats von Amalfi, die sich zu den Amalfitanern hielten, leistete, er-
halten ist. 5) Den Amalfitanern wurde samt ihren Schiffen und Waren aller-
wärts zu Wasser und zu Lande Schutz und Sicherheit von selten der Pisaner
zugesagt; insbesondere sollten sie in Pisa nicht ohne Grund verhaftet oder
festgehalten werden und ihre Läden in Pisa unter keinen Umständen ge-
schlossen werden dürfen. Falls ihnen Schiffsausrüstungsgegenstände ab-
handen kämen, sollte ihnen zu ihrem Rechte verhelfen werden; bei ihren
») SS. XIX, 450.
*) Domenico Corner im November 1190 >in taxegio de Apulia« und mit der
Karawane des nächsten Frühjahrs zurück: Baracchi XX (1880), 74 u. 75. Derselbe
im Frühjahr 1182 nach Messina und mit der >mudua natalis« (wohl auf Mariae
Geburt, 8. Sept., bezüglich) zurück; ebd. IX (1875), 114 (Quittung vom Januar 1183).
') Ljubi6 I, 26 no. 34 (Erneuerung von 1208, da die Ragusaner ihre Urkunde
verloren hatten). Jirecek 53 A. 35. Behandelt auch von Carabellese F. : II sorgere
del Comune marittimo pugliese (Discorso inaug. dell' anno accad. 1900/01 della
scuola superiore di Bari).
*) L]ubi6 I, 14 no. 22. Jirecek, Anm. 26 p. 50. Über Cattaro als SufEragan-
bistum von Bari im 12. Jahrhundert s. Caspar : Kritische Untersuchungen in : Quel-
len u. Forsch, aus ital. Arch. des preuß. bist. Inst., VI (Rom 1903), 242 ff.
') Bonaini: Due carte Pisano-Amalfitane im Arch. ital., ser, 3, Vin, 1 (1868))
p. 5 f. Der Erzbischof und ein Judex von Amalfi gingen 1110 als Bevollmächtigte
des griechischen Kaisers nach Pisa. Müller p. 43 f. Oben § 173.
460 Zweiunddreißigstes Kapitel.
Handelsgeschäften mit Pisanern sollte die Abgabenerhebung nur einmal er-
folgen dürfen. Bei Zivilstreitigkeiten sagten die Pisaner rechtes Gericht nach
ihrem Gewohnheitsrecht (secundam nostram consuetudinem) zu, während
Reklamationen wegen erlittener Schädigung binnen 30 Tagen zu erledigen
waren. Kam eine Schädigung der Pisaner durch einzelne Amalfitaner vor,
so sollte dadurch die Sicherheit der übrigen in Pisa nicht beeinträchtigt
werden ; endhch sollten Kriegs- und Kaperschiffe Amalfis mit ihrer Be-
mannung in Pisa jederzeit auf sichere Aufnahme rechnen können. Natürlich
hat Amalfi die entsprechenden Verpflichtungen auch seinerseits den Pisanern
gegenüber übernommen, was für diese wegen ihres damaligen Krieges mit
Genua von besonderer Wichtigkeit war. Hat dieser sich doch auch bis
Sizilien hinübergespielt; in einem Kampfe, den die beiden Rivalen 1129 in
und bei Messina ausfochten, fanden die Pisaner die Unterstützung der Bürger
von Messina, und im selben Jahre fiel ein mit Waren im Wert von 10 000 1.
Jan. ^beladener pisanischer Kauffahrer den Genuesen bei den liparischen
Inseln in die Hände, i)
Während des Krieges, der sich bis 1133 hinzog, gingen in Unter-
Italien die wichtigsten Veränderungen vor sich. Nach dem Tode
Wilhelms von Apulien {26. Juli 1127) trat sein Oheim Roger als sein
Erbe auf und wußte noch im selben Jahre durch Stellung günstiger
Bedingungen die Hoheit über Salerno und Amalfi zu gewinnen; 1130
von Anaklet IL zum Könige gekrönt, nahm er schon im folgenden
Jahre das Amalfi beherrschende Kastell mit Gewalt^); der Augenblick
schien nahe, wo et die gesamte Seemacht von Amalfi, Salerno, Neapel
und Gaeta in seiner starken Hand vereinigte. Nicht zum wenigsten
die Rücksicht auf diese seiner Handelsstellung in Unter-Italien und
besonders in Neapel drohende Gefahr scheint es gewesen zu sein, die
Pisa unmittelbar nach Beendigung seines Krieges mit Genua zum
engsten Anschluß an die Gegner des »sizilischen Tyrannen« bestimmte.')
Im Frühjahr 1134 führten die Konsuln von Pisa, Assopardo und Cane,
mit ungefähr 1000 Mann Robert von Capua, der persönlich die Hilfe Pisas
nachgesucht und Subsidien in Höhe von 3000 Pfund Silber zugesagt hatte,
in sein Fürstentum zurück*), freilich nur für kurze Zeit; und alß im folgenden
Jahre das im Mai und Juni zu Pisa tagende Konzil unter Leitung Innozenz' IL
die Handelssperre über das Gebiet König Roberts verhängt und den Kreuz-
zug gegen ihn verkündet hatte 5), unternahmen die Pisaner jenen Seezug, der
das von seiner früheren Blüte längst herabgesunkene Amalfi auf das schwerste
heimsuchte; am 4. August 1135 erschienen sie mit 46 Galeeren* im Hafen
Amalfis, verbrannten 7 Galeeren, 2 Kauffahrer und viele kleinere Fahrzeuge,
eroberten dann die Stadt, zündeten sie an und plünderten sie völlig aus.
Doch erlitten sie bei Fortsetzung ihres Plünderungszuges landeinwärts vor
der Feste Fracta bei Ravello eine empfindüche Niederlage, die sie zur Flucht
') Ann. genov. I, 24; »in Varrigatore« ist wohl die Insel Alicudi (bei Edrtsl,
ed. Amari p. 15 : 'Arküdah).
") Näheres ßernhardi, Lothar 275 f., 452 f. Caspar 61 ff.
*) Bernhardi 633 A. 1. Brief des hl. Bernhard von Clairvaux, no. 130.
*) Falco Benevent, bei Muratori SS. V, 118, 134; Bernhardi, Lothar 493, 620 ff
Caspar 144 f.
») Const. et acta I, 579 no. 402.
«
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 461
auf die Schiffe und eiligen Rückkehr nach Neapel zwang, i) In Neapel, mit
dem sie ein enges Bündnis geschlossen hatten, hatten sie damals ihren Haupt-
stützpunkt; als Neapel im August 1129 mit Gaeta einen Friedensvertrag
schloß, erscheint unter den fünf leitenden Männern Neapels ein Pisaner,
Constantinus de Ranuzzu ; und jetzt wandten sich die in Neapel anwesenden
pisanischen Konsuln Gerardo Gaetano, Enrico und Rodolfo auf die Nach-
richt, daß die Gaetaner eine Anzahl von Neapolitanern gefangen hielten und
ihrer Habe beraubt hätten, unter der Betonung, daß das Volk von Pisa und
das von Neapel eins seien, mit freundschaftlichen, aber sehr nachdrücklichen
Vorstellungen zum Schutze ihrer »Brüder und Bundesgenossen« an Konsuln
und Volk von Gaeta. 2)
Zwei Jahre darauf erneuerten sie, diesmal in Unterstützung Kaiser Lothars,
ihren Seezug, nahmen zunächst Rache an Ravello, erzwangen von Sorrent,
Amalfi und der Insel Ischia Geiseln und einen Tribut^), entsetzten dann
das von Roger hart bedrängte Neapel und nötigten endlich im Bunde mit
dem Kaiser am 8. August 1137 Salerno zur Übergabe.*) Aber gerade dieser
wichtige Erfolg führte zu ihrer Entzweiung mit dem Kaiser; da er Salerno,
dem die Pisaner wohl das Schicksal Amalfis zugedacht hatten, mit großer
Schonung behandelte und ihre Wünsche nicht so berücksichtigte, wie sie es
gehofft, wandten sie sich kurz entschlossen der Gegenseite zu, schlössen
Frieden mit Roger^) und kehrten im September 1137 nach Pisa heim. Es
ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sie das nicht getan haben würden, wenn
ihnen nicht König Roger für ihren Handel mit seinen Gebieten wichtige
Zugeständnisse gemacht hätte.
362. Erst nach 25 Jahren kam es erneut zum Bruche, da Pisa sich
wohl hütete, trotz der Verhandlungen, die Konrad III. und Kaiser Friedrich
während seines ersten Römerzuges wegen einer Expedition nach Sizilien mit
ihm führten und trotz der Plünderung seiner Kolonie in Almyro durch* die
Normannen (1157), die Brücke zu früh abzubrechen. Mit dem Falle Mailands
aber schien die Stunde der Entscheidung gekommen; am 6. April 1162 wurde
den Pisanern das große Privileg ausgefertigt 0), das ihnen für den Fall der
Eroberung des Normannenstaates unerhörte Vorteile in Aussicht stellte. Nicht
nur volle Handels- und Abgabenfreiheit sollten sie im ganzen Königreiche
genießen, nicht nur in jeder Stadt, die gegenwärtig König Wilhelm innehabe,
eine Handelsstraße (ruga cum domibus), wie sie ihren Kaufleuten geeignet
erscheine, erhalten, — es sollte ihnen auch von den Hauptorten Palermo
und Messina, Neapel und Salerno je die Hälfte der Stadt, des Hafens und
des Stadtgebiets, und dazu ganz Gaeta und auf Sizilien ganz Trapani und
Mazzara zu Lehen gegeben werden. Alle vom Kaiser in den eroberten Ge-
bieten einzusetzenden Beamten soUten darauf vereidet werden, diese Ver-
>) Bernhard], Lothar 628 f. Vgl. Manfroni 186 ff. Caspar 155 ff.
») Cod. Cajet. H, 244 no. 319, 264 no. 331.
') Gesandte der Leute von Atrani nach Pisa zur Einlösung ihrer Geiseln
wurden unterwegs in Gaeta um 8 Goldunzen geschädigt. Verständigung darüber vom
15. II. 1138: Cod. Caiet. II, 265 no. 332.
") Bernhardi, Lothar 736 ff. Vgl. den Brief Barbarossas vom 25. VIII. 1155
über den Ruhm der Pisaner ; bei Scheffer - Boichorst p. 404 f. Caspar 198 ff.
») Ann. pis., SS. XIX, 241 ; Romuald ebd. 422. Bernhardi, Lothar 740 ff.
Manfroni 192. Caspar 202 f.
•) Const. et acta I, 282 no. 205. Siragusa II, App. p. IV ff.
462 Zweiunddreißigstes Kapitel.
leihungen des Kaisers zu respektieren ; umgekehrt wollten die Pisaner die Vor-
steher (rectores), die sie an den genannten Orten bestellen würden, eidlich
verpflichten, die kaiserlichen Beamten zu unterstützen. Man wird sich kaum
dazu verstehen, zu glauben, daß der Kaiser derartige Verleihungen ernsthch
ins Auge gefaßt haben kann ; und so lehrreich für die alles Maß übersteigenden
Ansprüche dieser Handelsstädte und ihre hochfliegenden Pläne diese Urkunde
ist, auch die klugrechnenden Kaufleute können schwerhch an die Erfüllung
all dieser Verheißungen geglaubt haben. Man forderte viel und versprach
viel, beiderseits in der Erwartung, sich in Wirklichkeit schließlich auf einer
mittleren Linie zu verständigen.
An den Pisanern lag es nicht, wenn der Zug gegen Sizilien nicht noch
im selben Jahre zur Ausführung kam. Eine große Zahl von Kriegsschiffen
rüsteten sie aus, deren Ziel nicht verborgen bleiben konnte, und zogen da-
durch die Rache des Königs auf sich herab ; im Oktober ließ er alle Pisaner,
die sich trotz der offenkundigen Gefahr in seinem Gebiete aufhielten, ge-
fangensetzen und ein gerade von Konstantinopel zurückkehrendes pisanisches
Schiff kapern. 1) Es ist begreiflich, daß man in Pisa seitdem auf die sizi-
lischen Pläne des Kaisers stets auf das bereitwilligste einging. Als mit Wil-
helm II. ein Knabe auf den sizilischen Thron kam (15. Mai 1166), waren die
Aussichten noch günstiger geworden und im Jahre 1167 schien die Expedition
gesichert. 50 pisanische Galeeren, 35 Pfeilschiffe (sagittariae) und zahlreiche
Transportschiffe 2) setzten sich Anfang August in Bewegung. Da brach die
furchtbare Seuche über das vor Rom lagernde Heer des Kaisers herein, und
das ganze Gebäude der Entwürfe und Hoffnungen des Kaisers wie der
Pisaner stürzte zusammen.
363. Noch im Spätherbst versuchte Pisa, im Interesse seines Handels
mit dem Normannen Staate zu einer Verständigung zu gelangen, doch ver-
mochte die am 16. November unter Führung des Konsuls Bulgarino Anfossi
an den sizilischen Hof abgehende Gesandtschaft auf die Bedingungen des
Königs nicht einzugehen. Anderthalb Jahre später aber, als Pisa sich der
Obedienz Alexanders III. anschloß, hatte Gherardo Cortevecchia, der Pisa
am 26 Juni 1169 verließ, besseren Erfolg; er brachte einen ehrenvollen
Frieden »auf ewige Zeiten« zu stände 3), nachdem die Unterbrechung der
Handelsbeziehungen diesmal 7 Jahre gedauert. Rasch genug stellte sich
wieder ein freundschaftliches Verhältnis her; schon im folgenden Jahre
jagte ein sizilisches Geschwader, das auf dem Wege nach Spanien war, in
den Gewässern der Insel Giglio den Genuesen eine pisanische Galeere, die
sie genommen hatten, wieder ab. 4) Der Friede, der seitdem bis zum Er-
löschen des Königshauses fortbestand, konnte auch durch einzelne unlieb-
same Vorfälle nicht gestört werden, so durch die Wegnahme eines von
Venedig kommenden pisanischen Kauffahrers im Hafen von Alexandrien
durch die sizilische Flotte (1174)^), oder durch die Übergriffe pisanischer
Korsaren, die, wie wir aus einem scharfen pisanischen Dekret von 1189 er
fahren, ein salernitanisches Schiff gekapert hatten. 6)
*) Ann. pis. des Bernardus Marago ; SS. XIX, 249.
») Ebd. 256.
*) »pacem honorifice cum eis perpetuo firmavitc, ebd. 259. Manfroni 243, 542,
*) Ann. genov. I, 236 f.
") Schlußsatz der Annalen des Marago ; vgl. Langer p. 200 Anm. 3.
•) Constitutum Usus bei Bonaini 11, 989.
dl
Unter-Italieu und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 463
Speziellere Nachrichten über die Art der Handelstätigkeit der Pisaner
im Königreich sind nur sehr spärlich vorhanden. Doch gibt uns wenigstens
über die am meisten von ihnen besuchten Handelsplätze die um die Mitte
des Jahrhunderts aufgezeichnete pisanische Seezinstabelle guten Aufschluß.
Nach ihr betrug der usuelle Zins beim Seedarlehn für die Fahrt nach
Neapel und zurück 15, nach Amalfi und Salerno I7V2 und nach Policastro
(Panicastro) am gleichnamigen Golf, von dessen Handel wir sonst gar nichts
wissen, das aber Edrisi eine große und bevölkerte Feste nennt, 20%.!) Im
eizilischen Verkehr betrug der Seezins gleichmäßig 25%; wenn die Tabelle
gleichwohl eine ganze Anzahl von Orten besonders aufführt, so ist das ein
um so besserer Beleg dafür, daß tatsächlich ein beträchtlicher Schiffahrts-
verkehr der Pisaner nach denselben bestanden haben muß. Sie nennt in
erster Linie Messina, in zweiter die Hauptstadt Palermo (nebenbei bemerkt
hieß der der Aufbewahrung des königlichen Schatzes dienende, noch heute
wohl erhaltene Turm am Neuen Palais daselbst der pisanische) 2), weiter das
Tunis zunächst gelegene Mazzara, das Edrisi^) an Eleganz und Schönheit
unübertrefflich nennt, mit Märkten, die mit Waren und Manufakturen ge-
füllt seien, so daß ein beträchthcher Ausfuhrhandel stattfinde. Es folgen
an der Ostküste Syrakus mit reicher Getreideausfuhr: Lentini, 6 Miglien
vom Meer, aber auf dem gleichnamigen Flüßchen für kleinere Schiffe er-
reichbar, mit starker Bevölkerung und besuchten Märkten und Bazaren;
Lampieda'*) (= Licata) am fischreichen Salso, in fruchtbarer und volkreicher
Umgebung, mit Hafen und Markt; Girgenti, das jedem Käufer die reichste
Auswahl an Waren bot; endlich Sciacca, dessen Hafen namentlich von
den aus El Mehdia und Tripoli koinmenden Fahrzeugen viel besucht wurde.
Auch wissen wir schon, daß pisanische Schiffe im Zwischenhandel Getreide
von Sizilien nach Tripolitanien zu transportieren pflegten.^) Im Jahre 1189
ist zuerst ein pisanisches Konsulat auf Sizilien, und zwar in Messina, nach-
weisbar. 6)
364. Wie die Genuesen das älteste Privileg eines normannischen
Fürsten im Orient aufweisen können, so liegt auch das älteste von
den Normanen Siziliens für eine italienische Seestadt ausgestellte Do-
kument in dem recht altertümlich anmutenden Privileg vor, das der
Konsul Oglerius Capra und sein Bruder Amicus im September 1116
vom Grafen Roger erwirkten.^)
*) Const. Usus tit. 25 bei Bonaini II, 905. Edrisi ed. Aman p. 97. Über Edrisi
8. C. Brockelmann, Gescb. d. arab. Literatur. (Weimar 1897) I, 427 f. Caspar p. 449 ff.
«) Romualdi Salem, ann. zu 1161, SS. XIX, 431 f. Falcandus p. 177.
') Zu dem folgenden Edrisi ed. Amari p. 33 — 37.
*) Bonaini hielt es für die Insel Lampedusa; aber es ist unzweifelhaft das
1. nbiyädah Edrlsls, das Olympias des Altertums. Vgl. besonders die Stelle eines
griechischen Diploms von 1141 (Amari in seiner Ausgabe Edrisis p. 36 A. 2):
^OXvfiniaSoe TTJe Isyovfie'vrje yiixarag und die Urkunde Rogers für Girgenti von 1093
(Garufi im Arch. sicil., n. s., XXVIII p. 141): ex hoc flumine (Salso), sicut ipsum
descendit ad Limpiadum qui locus dividit Agrigentum et Butheriam.
») Für 1180 bezeugt. Oben § 226.
*) Volpe 221 Anm. 2 ; im hospitium der Konsuln wird 9. Oktober 1190 (pis.
Stils) eine Urkunde aufgenommen.
') Mortillaro V. Opere ; vol. IV, Palermo 1848 ; p. 7 (griechisch) ; p. 8 (lateinisch).
Irrig ist es, in Oglerius einen überseeischen Konsul Genuas zu erblicken, wie es, von
anderen abgesehen, auch Heyd (I, 183: >In Sizilien besaßen sie schon Anfang des
464 Zweiunddreißigstes Kapitel.
Mit Rücksicht auf ihre Verchenste um ihn schenkte ihnen der Graf
in Messina ein in der Nähe des königUchen Schlosses hegendes Grundstück
am Meeresstrande zur Erbauung eines Hauses, überwies jedem der Brüder
eine Jahresrente von 1 Pfund Gold und erließ ihnen und ihren Leuten den
Ausfuhrzoll beim Warenexport aus Sizilien bis zur Höhe von 60 Goldtari.
Im übrigen sollte ihnen der Zoll von der Duane nur nach Ortsgebrauch
berechnet werden dürfen. Obwohl das Privileg durchaus in der Form der
persönlichen Verleihung gehalten ist, wird doch ein Zweifel darüber nicht
bestehen können, daß das zu errichtende Haus als Warenniederlage und
Kaufhaus für alle Genuesen in Messina dienen sollte, und es erscheint wohl
gerechtfertigt, es mit dem in späterer Zeit genannten genuesischen fundicum
S. Johannis daselbst zu identifizieren. i)
Als während des genuesisch-pisanischen Krieges ein savonesisches
Schiff wegen Seeräuberei von den Siziliern genommen und seine Mannschaft
gefangen gesetzt war, trat Genua als Schutzmacht Savonas vermittelnd auf.
Es ließ die Savonesen schwören, sich fortan jeder Seeräuberei gegen das-
Gebiet und die Untertanen Rogers zu enthalten — Avobei indessen die bei
Kaperschiffen herkömmliche Forderung von Rudern und Segeln in billigen
Grenzen (moderate et cum ratione) nicht als Seeraub gelten sollte — und
für jede etwa vorfallende Schädigung binnen 30 Tagen nach eingegangener
Beschwerde Ersatz zu leisten; auch verpflichteten sich die Savonesen, dem
Herzog im laufenden Jahre mit einer Galeere 40 Tage hindurch Dienste
zu leisten. Daraufhin erbaten die Gesandten Genuas die Nachsicht Rogers,
der nun die Gefangenen freiließ und am 13. Mai 1128 eine Urkunde aus-
stellte, die den Savonesen, Seeräuber ausgenommen, sicheres Geleit und ge-
rechte Erledigung etwaiger Beschwerden binnen 4 Monaten zusagte.^) Im
folgenden Jahre fochten die Genuesen in Messina gegen die Pisaner, die
von den Messinesen unterstützt wurden, einen Kampf aus und vertrieben
die Unterlegenen aus der Stadt bis an den Palast des Herzogs; doch gaben
sie auf sein Verlangen die den Messinesen entrissene Habe wieder zurück.^)
Charakteristisch jedenfalls, daß die Genuesen im fremden Lande, noch dazu
in Anwesenheit eines Herrschers, der es an durchgreifender Energie sonst
nicht fehlen ließ, in solcher Weise aufzutreten wagen durften.
Ungleich den Pisanern, hielten sich die Genuesen von dem Kriege
gegen König Roger in den dreißiger Jahren trotz der Mahnungen des
hl. Bernhard 4) fern ; auch ihr lange Zeit wenig freundliches Verhältnis zum
griechischen Reiche konnte ihrem kräftig aufblühenden Handel mit dem
Normannenstaate nur förderlich sein. Ein neues Privileg schien ihnen erst
unter dem neuen Könige Wilhelm I. erforderlich, als die Anknüpfung ver-
tragsmäßiger Beziehungen zu Konstantinopel ihnen eine bessere Fixierung
ihrer Stellung und Vorrechte im sizilischen Königreiche wünschenswert errjBl
12. Jahrh. ein Konsulat etc.) und Caspar p. 54 tun. In ^Oys^ico rqJ xovvaoXtp revovae
haben wir vielmehr Oglerius Capra vor uns, der 1114 — 1117 dem Kollegium der
städtischen Konsuln angehörte ; ann. genov. I, 15 f. Vgl. noch Gregorio, prove 11,
no. 74 p. 82 u. p. 225; Vinc. di Giovanni im Arch. sie. XI (1886) p. 51. Olivieri in
Atti Lig. I, 290 not. Langer p. 64.
») Ann. genovesi II p. 48 (1194); Heyd I, 183.
«) Filippi G., Studi di storia Ligure (Rom 1897), p. 3 if. Vgl. Caspar 77 £.|
136, 499 f.
') Ann. genov. I, 24.
*) Bernhardi, Lothar 627 f.
m
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 465
scheinen ließ. Im November 1156 stellte der König ihren Gesandten An-
saldus Auriae und Wilelmus Ventus zwei Privilegien aus , von denen das
erste die Genuesen mit ihren Waren, Seeräuber und Feinde des Königs
ausgenommen, unter Königsschutz stellte und das Verfahren bei vorkom-
menden Verfehlungen gegen den zwischen beiden Staaten bestehenden
Rechtszustand regelte i), während in dem andern 2) auf Wunsch der Ge-
sandten eine Aufzeichnung und Bestätigung der seit den Zeiten Rogers im
Handelsverkehr der Genuesen mit dem Königreiche entwickelten Gewohn-
heiten, einschließlich der Zugeständnisse des neuen Königs, vorgenommen
wurde. Das wichtigste dieser Zugeständnisse war der von den Genuesen
gewünschte Ausschluß aller Franzosen vom direkten Handel mit dem sizi-
lischen Königreiche ; im übrigen mußten sie sich in eine Beschränkung der
freien Bewegung ihrer Handelsschiffe insoweit finden, als sich der König
die zeitweilige Zurückhaltung derselben während der Vorbereitung für einen
Seezug im militärischen Interesse vorbehielt. Rechtliche Geltung erhielten
diese Privilegien erst im- Januar 1157, als die Konsuln und 300 der ange-
sehensten Männer von Genua vor den sizilischen Gesandten, unter denen
sich der Erzbischof von Syrakus und ein Genuese, Ansaldo de Nigrone,
offenbar ein Vasall des Königs, befanden, den vom Könige geforderten Eid
geleistet hatten, daß kein Genuese gegen ihn oder seine Erben beim
griechischen Kaiser Dienste nehmen würde.^) Zeigt sich darin ein, wie wir
wissen, nicht unbegründetes Mißtrauen des Königs, so kam die Ursache,
die zu einer plötzlichen und langdauernden Störung des mächtig entwickelten
genuesischen Handels mit Sizilien führen sollte, von einer ganz anderen
Seite : nach dem Falle Mailands glaubte auch Genua sich den Forderungen
des deutschen Kaisers nicht länger entziehen zu können; sein Bund mit
Barbarossa hatte den Abbruch seiner politischen wie kommerziellen Be-
ziehungen mit dem Normannen Staate für geraume Zeit (1162 — 1174) zur Folge.
365. Um so erwünschter ist es uns, über den genuesischen Handel
mit dem Königreich für die vorhergehende Zeit verhältnismäßig reichhaltige
Nachrichten, namentlich in dem erwähnten zweiten Privileg und dem Notu-
larium des Johannes Scriba, zu besitzen. Mit dem festländischen Teil des
Königreichs war der Verkehr Genuas wesentlich geringer als mit Sizilien ; für
ihn wurden auch die schon zur Zeit Rogers geltenden Gewohnheiten lediglich
bestätigt. Aus Calabrien kam Getreide nach Genua; aus dem 1143 aufge-
zeichneten erzbischöflichen Zehntentarif erfahren wir, daß von jeder Person
auf einem aus Calabrien kommenden Getreideschiffe ein Quartinus grani zu
erheben war.^) Neapel erscheint in dem Notularium nur ein einziges Mal
als Ziel einer Geschäftsreise s) ; dieser Platz war offenbar die Domäne der
») Lib. jur. I, 190 no. 218. Vgl. Siragusa II, 71 u. XXXV f. Imperiale p. 414 f.
*) Lib. Jur. I no. 230; mit dem irrigen Datum 1157. Zuerst bemerkt von Oli-
vieri, Atti Lig. I, 290, der aber irrig annimmt, daß beides Teile einer Urkunde
seien; ebenso Langer p. 64 und Heyd I, 182 Anm. 3 Es liegt vielmehr genau das-
selbe Verfahren vor wie in den Privilegien für Venedig vom September 1175.
') Bei Olivieri, Atti Lig. I, 292 f. Dazu die ann. des Caffaro zu 1156 (ann.
genovesi I p. 46 f.), der stark hervorhebt, daß die in ungewöhnlicher Form ver-
sprochene Leistung des Königs weit über die Gegenleistung der Genuesen hinaus-
gehe, wobei er freilich den Passus bezüglich des griechischen Kaisers ganz ver-
schweigt.
*) Registrum Curiae Archiep. Jan. in Atti Lig. II, 2 p. 10.
*) Chart. II no. 429 (Gesellschaftskapital nur 6 1. Jan.).
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 80
466 Zweiunddreißigstes Kapitel.
Pisaner. Dagegen konzentrierte sich der genuesische Handel mit der West-
küste Unteritaliens in Salerno, das uns in den Notariatsakten des Johannes
21 mal, sei es in Gesellschafts- oder in Seedarlehnsverträgen, begegnet. Aus
den Kreisen der Nobili pflegte besonders Ottobonus de Albericis mit seiner
Sippe diesen Verkehr, bei dem die Ausfuhr von Tuchen eine Hauptrolle
spielte. Einmal wird ein kostbares Stück Scharlachtuch (pecia scarlate) im
Werte von 22 1. jan. nach Salerno in Commenda gegeben, ein andermal
handelt es sich um geringere Tuche, 78 Stück Barchent (fustaneorum),
offenbar aus der Lombardei, und 40 Ellen einheimische (genuesische) Tuche,
zu denen noch eine ,cultra de pallio' hinzukam.i) Von Salerno aus suchten
dann die genuesischen Händler auch die kleineren Orte an der Küste auf;
bei einem Seedarlehn, das Braidenus am 2. September 1158 im Betrage von
48 1. jan. von Ottobonus aufnahm 2), umfaßte das Risiko 1. behaltene Fahrt
des Kauffahrers (navis), auf dem er reiste, von Genua nach Salerno, 2. des
kleinen Fahrzeugs (lignum subtile), auf dem er von Salerno aus weiter reisen
würde, bis zum Zielpunkte und zurück, 3. des Fahrzeugs (lignum), auf dem
er im nächsten Sommer die Rückreise nach Genua antreten würde. Zöge
er es vor, zu diesem Zeitpunkte noch nicht zurückzukehren, so sollte das
Risiko auf das erste Fahrzeug übergehen, das im nächsten Sommer von
Messina aus nach Genua unter Segel gehen würde ; offenbar hatte Braidenus
die Absicht, für diesen Fall Waren mit diesem Schiff nach Genua zu senden,
aus deren Erlös dann die Befriedigung seines Gläubigers zu erfolgen hatte.
Auch in seiner Bedeutung als genuesische Handelsstation für den Weg nach
der Levante tritt uns Salerno einigemal entgegen; so wird dem Reisenden
Gotoerrus, der von Obertus Spinola eine Commenda im Werte von 100 1. jan.
empfangen hat, die Fortsetzung seiner zuerst nach Salerno gehenden Han-
delsfahrt nach Alexandrien vorgeschrieben; und ein andermal, wo zwei
Reisende gemeinschaftlich verschiedene Tuche (8 pecias sagre et volgia) im
Werte von 25 1. für die Reise nach Salerno anvertraut erhalten haben,
heißt es, daß, wenn auch nur einer von ihnen die Reise nach Alexandrien
fortsetzen wollte, diesem die ganze Commenda (also der Erlös) zu übergeben
8ei.3) Häufiger noch wird die Fortsetzung der Geschäftsreise von Salem
nach der Insel Sizilien in Aussicht genommen.*)
■ 366. Kein anderes Handelsgebiet begegnet so häufig in den vom Notar
Johannes aufgenommenen Verträgen, als diese Insel s); neben zahlreichen
Gesellschaftsverträgen finden sich hier sehr viel häufiger als für den Ver-
II
*) Ib. no. 321 und 894, wo ich für 40 cannas de naturis lese de nativi
Um den Tuchhandel handelt es sich sicher auch, wenn von zwei Sozii der eine
sogleich nach Salerno geht, während der andere sich zunächst nach der Lombardei
zu begeben und dann auf dem ersten von Genua abgehenden Schiffe nach Salerno
zu folgen hat (no. 1137), ferner bei der Handelsreise, die Hospinel von Verdun als
Sozius des Kapellans Raimund mit 120 1. jan. Kapital im Sommer 1157 zunächst
nach Salerno angetreten hat ; bei seiner Rückkehr hatte er im Falle der Abwesen-
heit Raimunds dessen Gewinnanteil an den Tuchhändler Blancard abzuliefern
(no. 427). Übrigens waren Hospinel und sein Oheim Oliver von Verdun in Gen
ansässig; vgl. no. 1057, 1369, 1403.
«) No. 698.
») No. 430, 306.
♦) No. 243, 244, 333, 547, 690, 1057, 1129.
») Nicht weniger als 114 mal; für die Jahre 1157, 1158 und 1160 allein 26,
und 22 Nummern.
II
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 467
kehr nach der Levante Seedarlehn, nicht selten über verhältnismäßig nied-
rige Beträge, ein Beweis, daß mit Handelsuntemehmungen nach Sizilien sich
vielfach auch kleinere Geschäftsleute befaßten. Was das pisanische Gesetz-
buch fixiert, sehen wir hier durch die Praxis bestätigt; in der großen Mehr-
zahl der Fälle beläuft sich der Seezins für behaltene Hin- und Rückfahrt
auf 25%. Für die Ausreise bevorzugte man den Herbst, den September
am meisten und demnächst den Oktober; während die im Sommer oder
Frühjahr abgehenden Schiffe noch im selben Jahre zurückzukehren pflegten,
blieben diese, ähnUch wie es die große Mehrzahl der Levantefahrer tat, den
Winter über in einem sizilischen Hafen vor Anker oder wechselten den
Hafen nach Beschluß der Interessenten auch, während die Kaufleute ihren
Geschäften keineswegs bloß an dem Landungsplatz selbst, sondern auch im
Innern und an anderen Küstenplätzen nachgingen, i) Erst bei Beginn des
nächsten Sommers wurde die Heimreise angetreten, die vor Johanni beendet
zu sein pflegte 2), so daß für Schiffe und Kaufleute Zeit genug bis zum An-
tritt einer neuen Reise im gleichen Jahre übrig blieb. Einzelne Großkauf-
leute, wie Gull. Buronus, unterhielten auch dauernd Bevollmächtigte auf
der Insel. 3)
Als Reiseziel nennen die Verträge des Notulariums in den meisten
Fällen nur Sizilien im allgemeinen ; wo einzelne Orte namhaft gemacht wer-
den, begegnet am häufigsten Palermo, erhebHch seltener Messina, und nur
vereinzelt Mazzara und Trapani*); im Abgabentarif wird außer den drei erst-
genannten Orten noch Girgenti besonders aufgeführt.
Unter den Waren, die von den Genuesen nach SiziHen ausgeführt
wurden, spielten, wie bei Salerno, Tuche die Hauptrolle; in Gesellschafts-
verträgen für die Geschäftsreise nach Sizilien begegnen einmal 40, einmal
41 peciae fustaneorum von Mailand, und mit letzteren zusammen fustanei
von Piacenza im Werte von 32 1. Jan., während bei weiteren 70 peciae fu-
staneorum, die einen Wert von 86^/4 1. jan. repräsentierten, die Herkunft
nicht angegeben ist. Außer diesen letzteren führte Mussus Scalcaveia als
Sozius des Marchio de Volta auch 150 Ellen heimischen Tuches (nativi) im
Preise von 30 1. bei sich, die er in Sizilien zu verwerten hatte, um dann
nach Ermessen nach Ägypten weiter zu gehen. 0) Wolltücher setzten die
Genuesen in Sizilien offenbar in beträchtlichem Umfange ab, da sie im Tarif
für Palermo als besonderer Posten erscheinen, und zwar als einziger, von
dem die Zollbehörde beim Verkauf nur den 20ten Teil in natura erhob.
Von 7 Stück derselben (peciae pannorum laneorum), die Armannus dem
Tuchhändler Blancardus am 10. Januar 1162 verkaufte, erwartete man einen
*) Einigemal heißt es in den Verträgen' ausdrücklich : laboratum portare Paler-
mum et per Siciliam (no. 873 — 875); im Herbst 1161 soll Vassallus Manjavacca
nach Palermo und Sizilien gehen, sich aber, falls ein sicheres Reisen durch die
Insel nicht möglich, anderswohin wenden (si impedita erit terra, ut ibi ad com-
modum societatis se expedire non possit) no. 1121.
*) Einmal wird ein einfaches Darlehn von 10 1. jan. (am 15. April 1159) auf-
genommen, das mit 20 "/o Zins 14 Tage nach Ankunft des ersten von Sizilien kom-
menden Schiffes rückzahlbar ist, wenn dieses vor Johanni eintrifft, sonst 14 Tage
nach Johanni. No. 749.
') No. 882; sein munciust Jonathas Cerriolus.
*) No. 267, 759. Masale in no. 470 doch wohl gleich Mazzara. Dazu würde
Licata treten, wo Kanzler Stephan für seine Flucht nach Syrien einen genuesischen
Kauffahrer ankaufte und die genuesische Bemannung anwarb Falcandus p. 161.
6) No. 602, 897, 604.
30*
468 Zweiunddreißigstes Kapitel.
Erlös von 30 Goldunzen in Sizilien. Um wertvolle Stoffe handelte es sich
ferner bei den 11 cendati, die dem Commendaempfänger für die Herbstfahrt
nach der Insel im Jahre 1157 mit 28 1. jan. angerechnet wurden und bei
dem Stück von Saint- Riquier im Preise von 5^/4 1., das in einem Vertrage
des nächsten Jahres für die Fahrt nach Messina neben dem GeseUschafts-
kapital besonders erwähnt wird, i) Elf Stücken Tuch von Saint-Riquier und
20 jedenfalls auch aus Nordfrankreich stammenden Stücken Sarsche (sagie)
begegnen wir unter den Waren, die Sulpice von Verdun und sein Sozius
Thibaud nach Sizilien exportierten; am 24. April 1160 nahmen sie auf diese
bei Blancard ein Seedarlehn von 70 1. jan. auf, das sie aus ihren ersten Ein-
nahmen auf Sizilien an Blancards Bruder oder seine sonstige Order mit
40 Goldunzen Messineser Gewichts zu erstatten versprachen. Und friesische
Tuche endlich führte Oger von Tours auf seiner Handelsreise nach Sizilien
mit sich ; einen Teil derselben bestellte auch er Blancard für ein Darlehn
als Sicherheit, während er außerdem noch eine Commenda Blancards zu ver-
werten übernahm. 2) Als genuesische Ausfuhrartikel begegnen ferner : Balken
(trabes) im Werte von 41/2 1. für Palermo, Seide, Eisen und Zinn für Mes-
sina, dünne Stahlstäbe aus Mailand (11 sacci azarii, in quibus sunt 3800 virgae)^),
sowie Kupferwaren. Letztere in einem besonders bemerkenswerten Vertrage
vom 20. September 1157, in dem Boemund Johannis Chrispiani dem Schiffs-
eigentümer Gandulfus de Gotizone außer dem ihm gehörigen Anteil von
V24 seines Schiffs eine große Zahl von einzelnen Gegenständen für die Fahrt
nach Palermo in Commenda gab. Es befinden sich darunter besonders
Drogen und Spezereien, u. a. 2V2 Pfund Sandelholz, ein Behälter mit
92 Pfund Ammoniak, das am Ätna gewonnen zu werden pflegte*) und nun
über Genua nach Sizilien zurückkehrte, zwei Sorten Myrobalanen (4^/2 Pfd.
emblici und 3 Pfund chebuli)^), 16 Pfund euforbii, ein Korb Kokeiskörner
(sporta cuculli) im Gewicht von 65 Pfund und auch 5 Pfund weißen Pfeffers,
endlich merkwürdigerweise sogar sarazenische Bücher. Wie nicht wenige
der hier genannten Waren sind ' offenbar auch diese aus Ägypten gekommen
und wurden nun durch Christen an die Sarazenen Siziliens vertrieben — ein
sprechendes Zeugnis dafür, wie sehr diese romanischen Kaufleute es ver-
standen hatten, auch den Handelsverkehr zwischen den von Sarazenen be-
wohnten Ländern am Mittelmeer an sich zu reißen. Noch in zwei anderen
Fällen enthüllen mis unsere sonst keineswegs gesprächigen Verträge diese
Demerkenswerten Beziehungen; im Herbst des Jahres 1158 wurden 10 Zentner
Pfeffer, die also auch den Umweg über Genua gemacht hatten, auf dem
Schiffe des Martinus Eriberti nach Sizilien exportiert; Wilelmus Aradellus
hatte die Ware unter selbstschuldnerischer Bürgschaft des Wilelmus de Volta
von Bonus Johannes Malfuaster als Seedarlehn empfangen und Zahlung des
Kaufpreises mit 57^/2 1. jan. bei behaltener Ankunft des genannten Schiffes
1) No. 1153, 506, 634.
*) No. 859, 857. Im Sommer 1164 ging Sulpice als Sozius Blancards nach
Syrien; no. 1499.
») No. 622, 1073, 602.
*) Amari: Musulmani II p. 442.
*) No. 508. Für eliebuli glaube ich chebuli lesen zu müssen (über myro
balanum Heyd II, 640, Flückiger 269). Nicht zu deuten weiß ich: paliadeessa lib-
ras 5 und memirem libras 2. Vgl. das Verzeichnis des Matthaeus Platearius von
Salerno (liber de simplici medicina sive Circa instans), enthaltend 273 Droguen, bei
Choulant J. L., Handbuch der Bücherkunde für die ältere Medizin. Leipzig *1841
p. 297 ff. Dazu jetzt Guigues im Journ. asiat., s^r. 10, t. V, 473 ff., VI, 49 ff.
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 469
in Sizilien bis zum 1. Juli des nächsten Jahres verheißen, i) Und als am
14. September 1161 Ogerius Ventus und Marinus von Nervi eine Handels-
gesellschaft über 75 1. Kapital miteinander eingingen, setzte sich das von
Marinus eingebrachte Drittel aus 6V2 1- in bar und 1^/5 Zentner Indigo
von Bagdad zusammen, die er in Palermo zu verkaufen gedachte. 2)
367. Unter den Waren, die Genua aus Sizilien einführte, stehen Getreide
und Baumwolle obenan. Getreide ist der einzige Artikel, der im Privileg
von 1156 bei allen vier namentlich genannten Orten aufgeführt wird. In
Palermo, Mazzara und Girgenti war für je 2 Scheffel, in Messina für je
4 Lasten Getreide, das nach Genua selbst exportiert wurde, ein Ausfuhrzoll
von 1 Tari zu entrichten, während bei der Einfuhr in Genua von jedem aus
Sizilien kommenden Schiffe, das zum größeren Teil mit Getreide beladen war,
für die Stadt durch den Cintraco 2 Minen, außerdem aber von jeder Person
-auf dem Schiffe, für den Erzbischof ein Zehent von 1 Mine Getreide in
natura erhoben wurden. '■^) Sizilische Baumwolle erscheint als erster Posten
in deüi um 1140 aufgezeichneten genuesischen Wägelarif*); es ist der einzige
Artikel der Einfuhr, der in dem Notularium des Johannes mehrfach Er-
wähnung findet. Mitglieder von Handelsgesellschaften, die das sizilische
Geschäft pflegten, geben die notarielle Erklärung ab, daß bestimmte Quan-
titäten sizilischer Baumwolle für die betreffende Gesellschaft in Genua lagerten,
so Rainald Albissola gegenüber Ingo de Volta, dem Vertreter seines mit ihm
assoziierten Sohnes Wilhelm bezüglich IIV2 Sack im Gewicht von 16 Kantär
und eines weiteren Sackes im Werte von 2 1. jan., so ferner Aliadar, die
Frau Solimans von Salerno, gegenüber ihrem Sozius Donatus de s. Donato
•einmal (1158) bezüglich 14 Kantär und ein zweites Mal (1161) bezüglich
14 Kantär 40 rotuli, von denen 6 Kantär 14 rot. ihr, der Rest dem Donato
gehörten. 5) Für die Ausfuhr von Baumwolle, deren Kultur von der arabi-
schen Bevölkerung besonders gepflegt wurde, hatten die Genuesen in Mazzara
pro Sack 1/2 Tari zu zahlen, ebensoviel in Girgenti für den Kantär, wenn die
Baumwolle in der Stadt selbst gekauft ward, war sie außerhalb gekauft, das
Doppelte; ähnlich in Palermo vom Kantär Baumwolle, den sie aus dem
Innern nach der Stadt brachten, IV2 Tari, wogegen sie dann einen besonderen
Ausfuhrzoll nicht mehr zu zahlen hatten. Auch aus Malta wurde damals
schon Baumwolle nach Genua importiert. 6)
1) No. 680/81 (26. August).
«) No. 1120.
») Lib. Jur. I no. 75 (Aufzeichnung von 1142) ; Registrum Curiae Arch. in Atti
Lig. n, 2 p. 10. Dazu p. 127.
*) Lib. Jur. I no. 66.
») Chart. II no. 501, 639, 1126,
•) Im Nachlaßinventar des W. Scarsaria: Vj unius sacci bombicine de Malta;
ib. no. 1427. Vgl. Aman, Musulm. II, 447 f. Leonardo Pisano teilt uns mit (p. 117),
daß in Sizilien beim Laden der Schiffe das >Collo< den Maßstab bildete, auf das
man bei Baumwolle 1 '/s Kantär rechnete (bei Kupfer 3 Kantär). Übrigens heißt es
in dem Privileg (Lib. Jur. I no. 230) stets: pro cantario cuttonis, pro sacco de
cuttone; es ist also ein Irrtum, was seit Heyd (II, 614 f.) allgemein behauptet'
wird, daß dieses arabische Wort für Baumwolle erst seit dem Ende des 13. Jahr-
hunderts in den abendländischen Quellen vorkomme. Die Marseiller Urkunden
haben das Wort sehr häufig : Manduel no. 10 (implicatas in cotone, 1218), no. 33
(1233), Amalric no. 1 und oft. Selbst in Flandern begegnet das Wort schon in der
Mitte des 13. Jahrhunderts. Oben § 325. VölUg unzutreffend ist, was Oppel p. 24
und 217 über die Geschichte der Verarbeitung der Baumwolle in Italien sagt.
470 Zweiunddreißigstes Kapitel.
Wolle erscheint nur im Abgabentarif unter Palermo; unter denselben -
Modalitäten wie bei Baumwolle war hier für den Kantar V2 Tari zu ent-
richten. Für Lammfelle und andere Felle und Häute zahlten die
Genuesen bei der Ausfuhr aus Girgenti und Mazzara 1 Tari pro Last (sauma),
in Palermo für das Hundert Lammfelle beim Einbringen in die Stadt V-j^ Tari,
während die Ausfuhr frei war. Einmal begegnen auch in Genua aus sizi-
lischer Einfuhr 2 pelles de ventribus cUnicolorum, also Pelze, die aus den
besonders zarten und weichen Bauchfellen der Kaninchen zusammengesetzt
waren. 1) La Palermo war endlich noch für Schweine ein Torzoll von 1 Tari
auf 4 Stück zu entrichten ; sie dienten wohl nicht bloß dem unmittelbaren
Verbrauch der Kolonisten, sondern wahrscheinlich in größerem Umfange
dem Export nach Genua in Gestalt von Schinken und eingesalzenem
Fleisch.
368. Die von den Genuesen in Sizilien zu entrichtenden Handels-
abgaben weisen, auch abgesehen von den schon angeführten Artikeln, für
die einzelnen Plätze Siziliens manche interessante Verschiedenheiten auf.
Li Mazzara hatte jeder genuesische Kaufmann, der von See eintraf, eine
Abgabe von 10 Tari zu zahlen. In Palermo waren von allen zur See ein-
geführten Waren beim Verkauf 10% in natura abzugeben; xmverkauft
gebliebene durften unverzollt wieder ausgeführt werden. In Messina hatten
die Genuesen, wenn sie aus der Heimat kamen, beim Eintritt pro Person
1 sol. Jan., und wenn sie eine offene Handelsverkaufsstelle (apothecam) da-
selbst einrichteten, das Doppelte zu zahlen. Im übrigen waren sie wesentlich
günstiger gestellt als in Palermo, da die Verkaufsabgabe hier nur 3 % für sie
betrug. Dabei hatten sie für die amtliche Verwiegung ihrer Waren keinerlei
Abgabe zu entrichten, durften auch im Verkehre untereinander ihre eigene
Wage haben ; auch sollten Klagen, die sie bei dem königlichen Gericht zum
Zwecke der Wiedererlangung abhanden gekommener oder ihnen entfrem-
deter Waren anbrachten, gebührenfrei sein. Der Ausfuhrzoll wurde in Höhe
von 1 Tari von je zwei Warenballen (de 2 coUis) erhoben. Schiffe durften
sie [in Messina nur mit besonderer königlicher Erlaubnis ankaufen oder
mieten.
Daß bei der zentralen Lage Siziliens im Mittelmeer die Genuesen gerade
diese Insel oft zum Ziele oder doch Durchgangspunkt für ihre Handelsfahrten
auch von anderen Plätzen als Genua aus machten, kann nicht wundernehmen.
Erwähnt ist schon, daß sie häufig von Salerno herüberkamen; in anderen
Fällen ist die Fortsetzung von Geschäftsreisen von Spanien nach Sizilien in
Aussicht genommen^); einmal schreibt Frau Aliadar ihrem Sozius die Fort-
setzung einer zunächst nach Frejus auf ihrem Schiffe gehenden Handelsfahrt
nach Palermo vor; ein anderes Mal ermächtigt ein Sozius den andern, von
Saint-GiUes aus nach Sizilien und gegebenenfalls nach der Levante weiter-
zugehen. 3) Für alle genuesischen Levantefahrer aber bot sich natürlich in
Messina auf der Hin- wie Rückfahrt die bequemste Station ; schon hier fanden
sie für die aus Ägypten und Syrien exportierten Waren reichen Absatz, wie
denn auch der Abgabentarif von 1156 für Messina die ^aus Alexandrien
oder Syrien kommenden genuesischen Verkäufer in erster Linie erwähnt*);
') Chart, n no. 501.
») No. 706, 719, 720.
3) No. 446, 792, 822. _
••) Et a quacunque parte venerint, sive ab Alex, sive a Suria etc. Lib. Jur.
no. 230.
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 471
und umgekehrt ging man oft, nachdem man hier längeren Aufenthalt ge-
nommen, nach der Levante weiter, i)
369. Als die durch die Eroberung Mailands gewonnene Macht-
stellung des Kaisers die Genuesen zwang, sich zu entscheiden, mochte
ihnen die Rücksicht auf ihre Handelsinteressen in Sizilien die Wahl
schwer genug machen, zumal sie Pisa schon in engem Bunde mit
dem Kaiser sahen; indessen zu dem augenblicklichen Druck der kaiser-
lichen Macht gesellte sich die Hoffnung, im Falle des Gelingens der
sizilischen Expedition noch größere Handelsvorteile zu erringen.
Denn mit Versprechungen kargte der Kaiser auch ihnen gegenüber
nicht : in jeder Stadt sollten sie eine ihren Kaufleuten passende Geschäfts-
straße mit Kirche, Fondaco, Bad und Backofen erhalten, sollten überall Per-
sonen in beliebiger Zahl einsetzen können, die die Jurisdiktion über die
Genuesen auch dann auszuüben hatten, wenn ein Nicht-Genuese als Kläger
gegen sie auftrat, sich überall untereinander eigener Maße und Gewichte
bedienen dürfen. Ferner sollten sie in jedem mit ihrer Hilfe eroberten Ge-
biete völlige Abgabenfreiheit genießen ; außerdem versprach ihnen der Kaiser,
sie für die Konfiskation von Waren durch den sizilischen König wegen ihres
Bündnisses mit ihm aus der Kriegsbeute (bis zum Maximum von 1/20 der-
selben) zu entschädigen und ihnen 1/4 des Schatzes König Wilhelms, mit
Ausnahme der Edelsteine, zu überlassen, während sie selbst versprachen,
dem Kaiser von der eigenen Beute, soweit sie in Gold, Silber, Münzen und
Öeidenzeugen (panni serici) bestand, die Hälfte abzutreten. So umfangreiche
lokale Verleihungen wie den Pisanern konnten ihnen allerdings nicht mehr
gewährt werden; doch verhieß ihnen der Kaiser, sie mit ganz Syrakus und
Zubehör zu belehnen und ihnen im Südosten der Insel außerdem 250 Ritter-
lehen zu geben. Am 9. Juni 1162 stellte der Kaiser den genuesischen Unter-
händlern, an deren Spitze die Konsuln Ingo de Volta und Nuvelonus (der
Bruder des Ottobonus) standen, ein Privileg darüber aus; den auf die Ex-
pedition bezüglichen Treueid sollten auch diejenigen Genuesen leisten, die
zum Könige von Sizilien in einem Vasallenverhältnis standen; falls sie es
nicht taten, sollten sie für die pauer der Expedition von der staatlichen
Gemeinschaft mit Genua ausgeschlossen sein.2)
Von dem Privileg verwirklichte sich nichts; dagegen hat die damit
eingeleitete Unterbrechung der geregelten Handelsbeziehungen der Genuesen
mit dem sizilischen Königreich über 12 Jahre, also beträchtlich länger als
bei den Pisanern, gedauert; diplomatische Verhandlungen, die der Konsul
Bellamutus 1168 führte, blieben ergebnislos.^) Auf allerlei Umwegen suchten
die Genuesen, wie es scheint, auch in dieser Zeit sich einen Anteil am
sizilischen Handel zu erhalten; so hören wir 1165 von einem mit Ladung
aus Ägypten zurückkehrenden Schiff, das Genuesen und Bürgern von Palermo
•) Z. B. für 1158 Chart. U no. 632 (nach Alexandrien), 641 (wo ein Seedarlehn
auf einem nach Syrien bestimmten Schilfe nur bis Sizilien läuft, offenbar weil die
Waren des Schuldners schon hier gelöscht wurden).
») Lib. Jur. I no. 236, 238; Imperiale p. 421 f. Const. et acta I no. 211. Sira-
gusa II App. p. XVni. Giesebrecht V, 311 f. Grundbesitz in Sizilien hatte z. B.
der Genuese Wil. Scarsaria, der in seinem Testament von der vinea et terra quam
Sicilie habeo spricht, Chart. II no. 1054 (16. Juni 1161); Joh. de Cicala ist bnrgensis
des Königs 1159 (Garufi no. 35).
') Ann. penov. I. 213.
472 Zweiunddreißigstes Kapitel.
gemeinsam gehörte und bei Elba von den Pisanern gekapert wurde ; und '^M
wenn im November 1170 ein von Sizilien kommendes Schiff der Genuesen
und Lucchesen demselben Schicksal verfiel, so ist mit Sicherheit anzunehmen,
daß die Genuesen die Kaufleute des mit ihnen damals eng befreundeten
Lucca vorgeschoben haben, um unter ihrer Flagge Handel auf der Insel
zu treiben.!) Endlich im November 1174 brachte Ottobono de Albericis,
damals Stadtkonsul von Genua, der zweimal als Gesandter nach Sizilien
gegangen war, den Frieden mit Wilhelm IL zustande, der am Anfang des
folgenden Jahres in Genua beschworen und ratifiziert wurde; er stellte
lediglich den Status quo wieder her.^) Bis zum Erlöschen des normannischen
Königshauses sind die Beziehungen Genuas zu Sizilien seitdem ungetrübt
geblieben 3); in dieser Zeit war es auch, wo sie im Königreich das Recht,
unter selbstgewählten Konsuln zu leben, gewannen, wie es scheint, durch
bloße Usurpation, aber doch unter Duldung des Königs.'*)
370. Für den Handelsverkehr der Südfranzosen mit Sizilien ist die
Bestimmung des genuesischen Privilegs vom November 1156 besonders be-
merkenswert, in der König Wilhelm I. versprach, proven§alische Handels-
schiffe in seinem Königreiche überhaupt nicht zuzulassen und auch nicht
zu gestatten, daß proven^alische Kaufleute sich sizilischer Schiffe zum Trans-
port ihrer Waren nach der Heimat bedienten.^) Unzweifelhaft wird durch
dies von den Genuesen bewirkte Verbot bewiesen, daß ein derartiger Schiffs-
verkehr zwischen der Mittelmeerküste Frankreichs und Sizilien bestanden
hat, und er kann auch nicht ganz unbedeutend gewesen sein, wenn die
Genuesen im Interesse ihres Handels eine solche Bestimmung forderten.
Wenn uns im März 1155 ein Petrus von Toulouse in Genua begegnet, der
von Ottobonus de Albericis für eine Handelsreise nach Salerno, die er bis
Sizilien weiter fortsetzen darf, eine Commenda von 127 1. jan. erhält ß), so
zeigt uns das das eigentliche Ziel der Genuesen, das weniger in dem abso-
luten Ausschluß der ProvenQalen vom sizilischen Handelsverkehr, als viel-
mehr darin bestand, diesen Verkehr über Genua oder doch auf genuesische
Schiffe zu leiten; inwieweit den Provengalen noch eine Beteiligung an
Handelsreisen nach Sizilien oder Unteritalien zu gestatten sei, sollte ganz
von dem Willen der Genuesen abhängerf. Diese Politik entsprach genau
den Zugeständnissen, die sich Genua in dieser Zeit überall, wo es die Ge-
legenheit dazu hatte, von den südfranzösischen Seestädten selber machen
ließ.'^) Neu war nur, daß nun auch das sizilische Königreich eine ent-
sprechende Verpflichtung übernahm. Diese entfiel freilich schon mit dem
1) Ann. pis., SS. XIX, 253 u. 260.
*) Lib. Jur. I no. 311. Ann. genovesi II p. 5.
3) Im Januar 1185 nimmt der König den genuesischen Nobile Bubonosus als
seinen Lehnsmann an, schenkt ihm ein Haus in der Hauptstraße (Magistra Ruga)
von Messina und weist ihm eine Jahresrente von 1 Pfund Gold auf den königlichen
Schatz an. Garufi no. 76 p. 188.
*) S. unten § 377.
*) Lib. Jur. I no. 230. Caffaro hat diese Vertragsbestimmung in seiner Dar-
stellung stark vergröbert, wenn er behauptet, der König hätte versprochen, alle
proven9ali8chen und französischen (Francigenas) Kaufleute aus seinem Reiche zu
vertreiben (a regno suo expellere; ann. genov. I, 46 f.) Vgl. Heyd I, 188 und Lan-
ger 64.
«) Chart. II no 243.
^ Unten § 439.
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 473
Jahre 1162, als es zum Bruche mit Genua kam; wenn sich Genua gleich-
zeitig von Barbarossa in seinem Privileg die Erlaubnis geben ließ, die Pro-
venyalen und Franzosen, die sich des Handels wegen zur See nach dem
Königreich begeben oder aus demselben zurückkehren würden *), zu ver-
treiben, so war das praktisch völlig bedeutungslos. Der gleichzeitig aus-
brechende langjährige Krieg Genuas mit Pisa erschwerte zudem die Auf-
rechterhaltung des genuesischen Anspruchs ungemein 2), und schließlich mußte
Genua doch auf die fernere Bevormundung des südfranzösischen Handels
mit dem sizilischen Königreich verzichten.
371. Für die Entwickelung des internen Handels war durch
die verhältnismäßig gute Ordnung, die unter dem Regiment der nor-
mannischen Könige herrschte, eine günstige Grundlage geschaffen;
Abt Peter von Cluny rühmt die allgemeine Sicherheit, deren sich
Geistliche, Ritter, Bauern, die mit Geld und mannigfachen Waren be-
ladenen Kaufleute und alle in Rogers Lande weilenden oder dasselbe
durchziehenden zu erfreuen hätten.^)
Dazu kam die für ihre Zeit vorgeschrittene städtische Kultur des
Landes. Die Hauptstadt Palermo war nach den Begriffen der Zeit eine
richtige Großstadt, die Edrisi'*) nicht genug zu rühmen weiß, deren Märkte
und Basare ein reger Handelsverkehr durchflutete, während sie zugleich
eine starke industrielle Bevölkerung beherbergte. Durch die Verpflanzung
griechischer Seidenweber aus Theben, Athen und Korinth, die er auf seinem
Kriegszuge gegen Byzanz gefangen nehmen ließ, schuf Roger der Fabrikation
kostbarer Seidenstoffe in Palermo eine Stätte ö); in seinem Briefe vom An-
fang des Jahres 1190 schildert Falcandus eingehend die hochentwickelte
Textilindustrie Palermos, wie sie in den Werkstätten am königlichen Palast
betrieben wurde und sich von der Fabrikation einfacherer Gewebe bis zu
der mühevollen Herstellung der schwersten und wertvollsten Stoffe, die mit
Gold oder Perlen durchwirkt wurden, erstreckte. Daneben gedenkt er ge-
bührend des Reichtums der Umgebung an Naturprodukten, unter denen er
neben Nüssen, Mandeln, Feigen und Oliven das Zuckerrohr besonders her-
vorhebt.6)
Messina mit seinem trefflichen Hafen erhielt seine Signatur durch
seine Lage an einer der wichtigsten Welthandelsstraßen der Zeit, als eine
Durchgangs- und Umschlagsstation ersten Ranges, deren Bevölkerung übrigens
am Fernhandel selbst nur wenig aktiven Anteil nahm. Mit der Nachbar-
schaft verband es ein reger Lebensmittelhandel. Als die Stadt sich einmal
aufrührerisch zeigte, gebot Wilhelm IL den Bewohnern von Catania'),
*) Const. et acta I p. 293.
*) Bezeichnend ist, daß die Mutter Wilhelms II. als Regentin während dieses
Krieges einmal 7 Galeeren ausrüsten ließ, die Odo Quarellus auf seiner Reise nach
Frankreich bis Arles geleiten sollten. Falcandus 143.
') Petr. venerab., epp. III, 3 (von 1140 oder 1141). Bernhardi, Konrad III,
p. 347. Über Handelsabgaben im Binnenverkehr unter Roger II s. Caspar 326 f.
*) Edrisi ed. Amari p. 25 ff. Benjamin von Tudela gibt die Zahl der Juden, die
die Stadt neben vielen Christen und Sarazenen bewohnten, auf etwa 1500 an; 1, 160.
*) Otto von Freising, Gesta 1. I c. 33. Bernhardi, Konrad III p. 618.
«) Falcandus epistola p. 178 ff., 186.
') Falcandus p. 154. S. auch die Privilegien Rogers für den Bischof von Ca-
tania (Dez. 1125) und den Archimandriten Lucas von S. Salvatore in Messina (Mai
1134), Caspar p. 496 u. 523 f.
474 Zweiunddreißigstes Kapitel.
keinerlei Lebensmittel nach Messina zu transportieren, auch keine Schiffe
der Messinesen in Catania Ladung einnehmen zu lassen und alle eigenen
Schiffe an Land zu ziehen, so daß sehr bald Not in Messina entstand, zumal
Calabrien eine schlechte Ernte gehabt hatte. Seit .dem Mai 1160 genoß die
Stadt durch königliches Privileg bei der Ein- und Ausfuhr von Lebensmitteln
Zollfreiheit; auch das Hafengeld, das die Messinesen zu entrichten hatten,
ist damals von 10 auf 3 Prozent herabgesetzt worden.^) Erwähnt sei noch,,
daß König Roger der Kirche von Girgenti die Erlaubnis verlieh, jährlich
300 Last Getreide abgabenfrei aus dem Hafen von Girgenti auszuführen.'-^)
372. Am meisten Rührigkeit im Handel zeigte von allen Städten des
Königreichs noch immer Amalfi. Im Welthandel war es auf einen sehr
bescheidenen Anteil zurückgedrängt; doch ist bemerkenswert, daß wir am
Anfang des 12. Jahrhunderts noch Amalfitaner Wolle, die sie aus Sizilien
holten, in Ravenna einführen sehen. Zwei vornehme Amalfitaner, die einen
Landsmann für diese Reise als Kapitän für ihr Schiff in ihre Dienste nahmen,!
gewähren ihm durch Vertrag vom 1. März 1105 als Entgelt die Berechtigung,
sich an der Ladung mit 60 sizilischen Kantär Wolle zu beteiligen und stellen'
ihm zu diesem Zweck ein zinsfreies Darlehen von 100 Goldsolidi, dessen
Risiko sie tragen, zur Verfügung.^) Namentlich aber spielten die Bewohner
von Amalfi, Ravello, Scala im internen Handel Siziliens wie Unteritaliens
eine sehr wichtige Rolle. In Messina wie in Palermo hatten sie ihre be-
sondere Handelsstraße, wo sie nicht nur räumlich, sondern auch korporativ
zusammengeschlossen imter einem Vorsteher aus ihrer Mitte lebten; im
Jahre 1172 begegnet uns in einer Urkunde von Messina ein »magister« der
Amalfitaner von Messina als Zeuge 4) und die Niederlassung von Palermo
schildert uns Falcandus zur Zeit des Todes König Wilhelms IL (November
1189) als ein mit fremden Waren reich gefülltes Quartier (vicus), in dem
seidene Gewänder und von französischer Wolle gefertigte Stoffe (de Gallico
contextae vellere) in verschiedenen Farben und Preislagen den Käufern zur-
Schau ausgelegt waren.^)
Besonders zahlreich waren die Amalfitaner in Apulien. Im Jahre 1099
übergibt ein vornehmer in Bari wohnhafter Amalfitaner Johannes, des Ste-
phan Sohn, auch Graecus oder Rabella genannt, der sich als kaiserlichen
Patrizius bezeichnet, sich und seine Habe der Nicolaikirche von Bari^); in
der Nachbarschaft dieser Kirche sehen wir im Jahre 1124 den Amalfitaner
Urso, des Sergius de Finia Sohn, die Pacht eines Ladens zum Weinverkauf
unter den bisherigen Bedingungen erneuern. '^) Mit den Grundbesitzern dea
wein- und ölreichen Landes machten namentlich die Bürger von Ravello
ihre Geschäfte, die offenbar nicht selten zu schlimmer Bewucherung der Ein-^
*) Gallo C. D., Annali della cittä di Messina (ed. 11), II p. 37. SchefEer-
Boichorst 234. Über die falschen Messineser Urkunden s. mein Konsulat d. M*
p. 269 ff. ; Scheffer-B. p. 238, 241, 243 ; Kehr p. 320. Ebd. 338 ff. sehr eingehend
über die großenteils gefälschten Urkunden für S. Maria de Valle Josaphat, die auch
Handelsfreiheiten des Klosters für Messina enthalten.
2) Kehr 493 no. 51.
') Camera I, 208.
*) Gregorio II, prove p. 23. Aman, Musulm. IH, 219 A. 1. Heyd I, 183 A. 4.
*) Falcandus (epistola) p. 183.
•) Cod. barese V, 54 no. 31.
') Reg. Neap. Archivii Monum. VI, 80. La Terra di Bari sotto l'aspetto stpr
rico, economico e naturale (Trani 1900) I, 18 A. 1. t
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 475
heimischen führten. Dem Urso Castaldo von Ravello wurde im Jahre 1185
zur Begleichung einer Geldschuld von 17 Goldunzen eine Olivenpflanzung
bei Terlizzi zur Nutznießung durch seinen Sohn Johannes überwiesen, und
vier Jahre später verspricht ein Ritter aus Bitonto demselben Johannes, ihm
übers Jahr am 30. November 34 Maß (starios) guten Olivenöls,' die er ihm
schuldet, zu liefern, i) Am 2. Februar 1159 verkauft eine Witwe in Bari dem
Johannes Pirontis aus Ravello für eine Goldunze ein Viertel aller Ohven-
bäume, die ihrem Gatten gehört haben; und wegen der Schulden ihres
Mannes versuchte der in Bari ansässige Ravellese Maurus Musceta im Jahre
1141 eine Bareserin zu pfänden.^) Nach diesen Proben kann es nicht wunder-
nehmen, wenn im Jahre 1170 Urso, der Sohn des Leo Rogadio, in Ravello
testamentarisch über reichen Mobiliar- und Immobiliarbesitz in Apulien ver-
fügen konnte, und wenn im Mai 1184 Johann von Ravello, des Pantaleo
Sohn, als Grundbesitzer in Giovenazzo (bei Bari) erscheint. 3)
Aus Brindisi wissen wir, daß die Amalfitaner daselbst am Hafen einen
reichen Häuserbesitz hatten. *) Für das Jahr 1199 lernen wir den Judex der
Ravellesen von Brindisi, Maurus Pirontus, kennen ^) ; sicher bestand dieses
Vorsteheramt hier wie anderwärts schon seit geraumer Zeit. Im Binnen-
lande Unter-Italiens waren die Amalfitaner namentlich in Benevent vertreten.
Der Zeitgenosse Falco von Benevent beschreibt uns, wie beim festlichen
Einzüge des Papstes Calixtll. (1120) die Amalfitaner alle Plätze der Stadt
mit seidenen Gewändern, Teppichen und anderen Prunkgegenständen ge-
schmückt und in Zwischenräumen überall goldene und silberne mit Zimt
und Parfümerien gefüllte Gefäße aufgestellt hätten. 0) Im Jahre 1184 wußten
sie einen Befehl des Papstes Lucius' III. '^) an die Stadtbehörden von Bene-
vent zu erwirken, wonach diese die Scalenser, Ravellesen und übrigen Amal-
fitaner, die in Benevent verweilten, bei ihren alten guten Gewohnheiten
erhalten sollten; durch sorgfältige Zeugenvernehmung sollte die Wahrheit
darüber ermittelt werden. So wurde durch Aussagen von Personen, deren
Erinnerung bis in die Zeit Innocenz' IL (1130 — 1143) zurückreichte, als gel-
tendes Gewohnheitsrecht festgestellt, daß Zivilstreitigkeiten zwischen Bene-
ventanern und Amalfitanern durch amalfitanische Richter völlig außerhalb
des städtischen Gerichts zu erledigen seien, daß Strafsachen zwar im städti-
schen Gericht verhandelt, aber durch einen amalfitanischen Judex entschieden
werden müßten 8), daß endlich das Zeugnis von Bürgern gegen einen Amal-
fitaner nicht anzunehmen sei — eine Bestimmung, die für die privilegierte
ßtellimg der Amalfitaner nicht minder wie für die Mißgunst der Bevölkerung
1) Cod. barese III, 167, 175. Wenn Carabellese ebd. XLIX sagt, die Abliefe-
rung des Öls sei >alla prossima fiera diS. Andrea< versprochen, so ist in der
Urkunde selbst doch nur vom Andreas tage die Rede.
«) Cod. barese V, 200 (no. 117), 161 (no. 94).
3) Ebd. II, 182. Camera I, 356.
*) Geht aus der Urkunde über den Verkauf eines Hauses des Joh. Pirontus
an Pantaleo de Maurone fil. Mauri de Mauroni am 14. X. 1208 deutlich hervor;
Camera 11, 341.
») V. di Giovanni im Arch. sicil. XI (1886), 353. Winkelmann, Acta I. p. 470.
6) Muratori SS. V, 96.
'') Borgia Stef., Memorie istoriche di Benevento, parte III, vol. I (Rom 1769),
p. 163 f. (12. Mai 1184). Volpicella L., Le consuetudini della citta di Amalfi (Neapel
1849), p. 40 f.
*) Über diesen Punkt sind die Zeugen sich nicht einig ; mehrere sagen aus :
«nm de maleiiciis agebatur, compositio erat Curie.
476 Zweiunddreißigstes Kapitel
ihnen gegenüber bezeichnend ist. Von dem über die Verhandlung auf-
genommenen Instrument wurde im August 1186 auf Verlangen von 8 Sca-
lensern und 7 Ravellesen, an deren Spitze der magister Fuscus genannt wird,
beglaubigte Abschrift genommen. Wie beliebt das Arbeitsfeld von Benevent
bei den Amalfitanern war, ergibt sich auch daraus, daß im Mai 1177 eine
Witwe von Ravello gegen drei ihrer Neffen, die in Benevent weilten, auf
Herausgabe von 5 Goldunzen, die sie einst ihrem verstorbenen Bruder an-
vertraut, nebst dem auf dieses Kapital entfallenen Gewinn eine Klage an-
strengte. 1)
Aber auch an anderen Plätzen des Binnenlandes gingen die Amalfi-
taner ihren Handelsgeschäften nach. Dem Kloster M. Cassino wurden im
März 1140 von dem Herrn von Teano die Einkünfte von fünf Läden (apo-
thecae) der Amalfitaner in San Germano überlassen und auch in Capua ist
eine »Amalfitana« nachweisbar. 2)
Selbstverständlich waren sie in dem nahen Neapel besonders zahlreich ;
hier begegnen ihre Vorsteher zuerst mit dem Konsultitel. Offenbar nur in
Bestätigung bestehender Einrichtungen verlieh Neapel, das sich unmittelbar
nach dem Tode Wilhelms II. als freie Stadt organisiert hatte, am 9. Mai 1190
denen von Scala und Ravello sowie den übrigen Kaufleuten, Wechslern und
Geschäftsinhabern aus dem Gebiet des alten Dukats von Amalfi, die in der
Stadt Neapel wohnten oder ihrer Geschäfte wegen sich längere Zeit daselbst
aufhielten, das Recht, sich aus ihrer Mitte und zwar aus den in Neapel
wohnenden, beliebig Konsuln zu erwählen, denen die Leitung der amalfitani-
schen Kolonie und die Rechtsprechung unter ihren Mitgliedern nach den
alten guten Gewohnheiten Amalfis (secundum veteres bonos usus vestros)
zustehen sollte.^)
373. Die aktive Teilnahme des benachbarten Salerno am internen
Handel wird besonders durch das Privileg Rogers vom 22. November 1137
bewiesen, in dem er den Salernitanern zum Lohne ihrer Treue die Abgaben,
die ihre aus Lucanien, Calabrien und Sizilien kommenden Küstenfahrer bis-
her hatten entrichten müssen, ebenso wie die Abgaben vom Fange von See-
fischen erließ. ■*) Schon seine Hochschule gab Salerno eine große Bedeutung,
die ihm bis zu seiner strengen Bestrafung durch Heinrich VI. im Jahre 1194
verblieb. ö) Am wenigsten kommerzielle Aktivität zeigte das volkreiche
Neapel; gerade die Fülle der Produkte seiner reichen Umgebung bewirkte,
daß es sich lieber vom Handel aufsuchen ließ, als daß es das Bedürfnis ge-
fühlt hätte, selbst die heimatlichen Erzeugnisse der Fremde zuzuführen, ß)
Es ist für die Bedeutung der fremden Kaufleute für die Stadt bezeichnend,
wenn der letzte Herzog, Sergius VII., bei Antritt seiner Regierung (1129) in
n Camera I, 362.
») Muratori Antiqu. IV, 811. Borgia 1. c. p. 163 A. 1.
') Pardessus I, 144. Miltitz A. de, Manuel des Consuls II, (London 1838),
p. 502. Camera I. 370. Vgl. Yver 186.
*) TJghelli VII, 399. Nach Benjamin von Tudela I, 43 f. zählte Salerno gegen
600 Juden, Neapel 500, Amalfi dagegen mit seiner ganz überwiegend selbst handel- ^_
treibenden Bevölkerung nur 20. ^1
6) Flückiger p. 1084. Toeche 335 f. "^'
«) Den Reichtum von Näb. l'al Kattän (von Kotn, coton = Baumwolle, Ge-
webe), wie schon Ibn Haukai Neapel nannte, an Waren der verschiedensten Art
hebt Edrlsi (ed. Amari p. 95) besonders hervor. Eine im Jahre 1140 vorgenommene
Messung des Umfangs seiner Mauern (metiendo in gyrum) ergab 2363 Schritt. Falco
Benev., Murat. SS. V, 132.
Unter-Italien und Sizilien bis zum Ende der normann. Dynastie. 477
seinem den Neapolitanern beschworenen »Pactum« versprach, niemanden,
der zur See oder zu Lande mit oder ohne Waren nach Neapel kommen
würde, zu schädigen, i)
Weit größere Regsamkeit auf dem Gebiete des Handels entfaltete
Gaeta, zu dessen Gebiet auch die Ponzischen Inseln gehörten. Schon aus
dem Jahre 1129 hören wir von den Einnahmen der Stadt aus dem Seezoll-
amt (decatia), dem Öl- und Salzhandel, sowie von der von den Juden am
Orte betriebenen Färberei. 2) Im April desselben Jahres schloß es mit Herzog
Sergius von Neapel einen Friedensvertrag auf 10 Jahre, wonach dieser den
Gaetanern, ihren Waren und Schiffen von Seiten seiner Untertanen und auch,
soweit seine Macht dazu reichte, von Seiten der Fremden in Neapel Schutz
und Sicherheit verbürgte; gleichzeitig regelte man das bei vorkommenden
Differenzen einzuschlagende Verfahren 3); ein neapolitanisches Schiff, das
von einer Galeere von Gaeta gekapert worden war, wurde zurückgegeben. 4)
Wenn auch sonst gelegentlich gaetanische Piraten erwähnt werden (1140
fiel von zwei gaetanischen Korsarenschiffen, die ihr Handwerk an der Küste
der Provence ausgeübt hatten, eins am M. Argentaro in die Gewalt der Ge-
nuesen)^), so beweist gerade das auch den kommerziellen Unternehmungs-
geist, der damals in Gaeta herrschte. Und zum Beleg hierfür kann auch
das Privileg Tancreds vom Juli 1191 dienen, so wenig praktische Bedeutung
ihm bei der wenig später eintretenden politischen Wendung beizumessen ist.
Darnach sollten die Bürger von Gaeta, die in ihren kommunalen Freiheiten
bestätigt wurden, in den Wäldern von Gaeta bis Cumae Holz zum Schiffs-
bau schlagen dürfen, sie durften Getreide aus Sizilien nach Gaeta ausführen,
außer zu Zeiten eines allgemeinen Getreideausfuhrverbots; ihre nach Sizilien
fahrenden Schiffe sollten nur im äußersten Notfall zum Transport von Ge-
treide und anderen Lebensmitteln im Dienste des königlichen Hofes ge-
zwungen werden dürfen. Von der Entrichtung der Pflockgebühr (falan-
gagium) wurden sie an der ganzen Küste des Königreichs von Gaeta bis
Palermo befreit, ebenso von dem Hafenzoll und dem Wägegelde, das die
von Sizilien, Sardinien und aus der Berberei kommenden Bürger bisher in
Gaeta hatten entrichten müssen ; die Befreiung vom Brückenzoll am Garig-
liano sollte wie zu den Zeiten König Wilhelms bestehen bleiben. ^)
374. Von den Städten des Ostens behauptete sich Bari zunächst noch
in der ersten Rolle. Noch Edrisi nennt die Stadt groß und volkreich, die
Hauptstadt des Landes der Longobarden, eine der Metropolen des römischen
Reiches ; insbesondere hebt er den Schiffsbau, der hier betrieben wurde, her-
vor. Und Johann von Salisbury schildert, wie bei einem vornehmen Gast-
') Capasso im Arch. nap. IX (1884), 319 f. Die Beziehung des undatierten
Pactum auf diesen Herzog hat erst F. Brandileone klargestellt; Riv. giur. XXX
(1900), 163 ff.
«) Cod. Caiet. H, 240 no. 317.
») Ebd. 242 no. 318. Capasso B., Monum. ad Neap. Ducatus historiam per-
tinentia II, 2 (Neapel 1892), 159.
*) Die betroffenen Bürger von Neapel erklären sich im August 1129 zufrieden
gestellt. Cod. Caiet. II, 244 no. 319.
6) Ann. genov. I, 30. S. auch Ferretto I, 332 A. 2 zu 1179.
*) Cod. Caiet. II, 311 — 314. Minieri - Riccio C, Saggio di codice dipl. I
(Neapel 1878), 285. Toeche p. 608 u. 197. Ottendorff H. Die Regierung der beiden
letzten Normann enkönige (Bonner Diss. 1899), p. 18. Über den Handel d. Gaötaner
mit Rom s. Cod. Caiet. H no. 278, 302, 312, 367.
4^8 Dreiunddreißigstes Kapitel.
mahl, dem er hier beigewohnt, die Genüsse Konstantinopels, Kairos und
Alexandriens, des afrikanischen Tripoli, Syriens und Phöniziens auf der Tafel
erschienen seien, gleich als wenn Siziliens, Calabriens, Apuliens und Cam-
paniens Erzeugnisse zur Herstellung eines delikaten Mahles nicht ausreichten.!)
Mit Mühe nur nahm Roger im Jahre 1139 nach zweimonatlicher Belagerung
die Stadt, die 400 Ritter und eine Bevölkerung von 50000 Menschen in sich
barg. 2) Ihre Empörung aber gegen seinen Nachfolger hatte ihre fast voll-
ständige Zerstörung im Jahre 1155 zur Folge, von der sie sich nur sehr all-
mählich zu erholen vermochte. Benjamin von Tudela fand sie noch in
Trümmern liegend, so daß Trani, das Edrisi als eine ummauerte Stadt von
mittlerer Größe mit besuchtem Markt beschreibt, eine Zeitlang auch für den
Levanteverkehr an die Stelle Baris trat. Noch in den achtziger Jahren be-
klagt Falcandus den Ruin dieser mächtigen, berühmten und reichen Stadt
mit ihren herrlichen Gebäuden und edlen Bürgern. 3)
Dreiunddreißigstes Kapitel.
Das sizilische Königreich In der Zeit der Wirren.
376. Was Friedrich Barbarossa nur geplant, kam unter seinem
Sohne Heinrich VI., dem Gemahl der Constanze, der legitimen Erbin
des Normannenreichs nach dem Tode Wilhelms H. (November 1189)
zur Ausführung.
Gegen den Usurpator Tancred von Lecce bedurfte auch er der Hilfe
der Seestädte und so nahm er keinen Anstand, sowohl den Pisanern wie den
Genuesen die maßlosen Verleihungen von 1162 gegen das Versprechen der
Hilfeleistung zur See ohne jede Einschränkung zu erneuern. 4) Zwar der
Zug von 1191 mißlang; trotz der Unterstützung der Seestädte mußte der
erkrankte Kaiser schließhch unverrichteter Sache von Neapel abziehen. Im
Jahre 1194 aber wurde der Zug unter günstigeren Umständen wiederholt;
Tancred war im Februar gestorben ; im Mai betrat der Kaiser wieder italieni-
schen Boden, machte im Juni den Genuesen wieder große Verheißungen^),
und von den Flotten der Pisaner und Genuesen eifrig unterstützt, bemäch-
tigte er sich nun ziemlich mühelos der Reihe nach der Seestädte des Landes ;
mit seinem Triumpheinzuge in Palermo am 20. November konnte die Er-
oberung des Königreichs als vollzogen gelten. Pisa und Genua hatten ihr
0 Edrisi ed. Amari p. 103. Joh. Salisb. Policraticum 1. Vm, 7 (SS. XXVH, 49).
*) Falco Benev. (Murat. SS. V, 128) : 400 enim milites princeps civitatis secum
detinebat preter cives quinquaginta millia habitantium. Bernhardi, Lothar 691.
8) Benjamin Tudel. I, 44 f. Edrisi 104. Falcandus p. 21.
*) Für die Pisaner schon in Deutschland 28. August 1190 (Stumpf no. 4660),
in Italien 1. März 1191 (Stumpf III no. 184 und Const. et acta t. I p. 472 no. 333)
und zum drittenmal als Kaiser am 30. Mai 1192 zu Gelnhausen (Stumpf 4745; Dal
Borgo p. 24 f.); für die Genuesen vor Neapel 30. Mai 1191 (Lib. .Tur. I no. 385/86.
Constit. et acta I no. 337). fli
') >Erit utique regnum illud non meum sed vestrum«, soll nach den genues.™!
Annalen der Kaiser damals in Genua gesagt haben, als er ihnen, wie der Annalist
rückschauend bemerkt, >vana et inefficacia privilegia« verlieh (^ann. genov. 11, 46);
Urkunde vom 20. Juni 1194 Böhmer 175. St. 4868.
I
Das sizilische Königreich in der Zeit der Wirren. 479
Teil an der Arbeit getan i); der Zeitpunkt war gekommen, wo jene großen
Versprechungen hätten zur Wirklichkeit werden müssen. Es ist nicht ver-
wunderlich, daß der Kaiser an eine volle Erfüllung nicht dachte; aber wie
er die Städte behandelte, ging doch wohl über das Maß des für den Real-
politiker Gebotenen hinaus. Wesentlich zustatten kam ihm dabei freilich
die Eifersucht der beiden Rivalen. Schon während des Zuges war es in dem
wichtigen Messina am 1. September zu einem erbitterten Land- und Seekampfe
der beiden gekommen ; die Pisaner bemächtigten sich des Fondaco und der
Häuser der Genuesen; die Genuesen nahmen 13 pisanische Galeeren, — aber
die Pisaner behielten, von Markward von Annweiler begünstigt, die Ober-
hand und setzten sich in Messina fest, während die Genuesen nach Syrakus
weiterzogen und diese ihnen versprochene Stadt eroberten, wobei auch einige
bei der Verteidigung beteiligte Pisaner getötet wurden. Als sie aber vom
Kaiser in Palermo die Realisierung ihres Privilegs verlangten, verweigerte er
dies nicht nur »auf den teuflischen Rat einiger genuesischer Bürger selbst«,
wie die offiziellen Annalen Genuas sagen — Genua war damals von schweren
inneren Parteiungen zerrissen — er sprach ihnen sogar alle von den nor-
mannischen Königen ihnen verliehenen Privilegien ab und kassierte alle
ihre Konsulate im Königreich. Und als im folgenden Jahre bei seinem
Aufenthalte in Pavia der Erzbischof, der Podestä und 4 Edle mit seinem
Privileg vor ihm erschienen, herrschte er sie an, ob sie mit ihm prozessieren
wollten; in Sizilien dulde er sie nicht; aber Aragon wolle er ihnen ganz
geben, wenn sie mit ihm einen Zug dahin unternehmen wollten. 2) Fügsamer
haben sich offenbar die Pisaner dem Kaiser gegenüber erwiesen und dadurch
sicher manches erreicht, ohne daß wir in der Lage wären, darüber bestimm-
tere Angaben zu machen ; gewiß ist, daß sie weder Abgabenfreiheit noch
die Einräumung ganzer Städte und Stadtteile, wie sie ihnen verheißen war,
erhalten haben. Doch sind sie bis zum Ende in der Gunst des Kaisers ge-
blieben, und schon die Verdrängung ihrer Feinde, mit denen sie nun wieder
in offenem Kriege lebten, war für sie von Vorteil.
377. Da ließ der jähe Tod des mächtigen Kaisers die Hoffnungen imd
Ansprüche der Genuesen von neuem erwachen, indem er zugleich das sizi-
lische Königreich in die schwersten Wirren stürzte. Schon im Jahre 1198
griffen acht genuesische Kriegsschiffe einen pisanischen »Korsaren« Ricovero,
einen erbitterten Feind der Genuesen, mit seinen neun Galeeren im Hafen
von Palermo selbst mit Erfolg an; doch nötigte sie die Intervention der
Kaiserin Konstanze, die dafür eine Anzahl genuesischer NobiU auf Sizilien
einkerkern ließ, ihre Beute wieder fahren zu lassen.^') In der Folge aber
boten die in Sizilien ausbrechenden Wirren den Genuesen eine vortreffhche
Handhabe zum Eingreifen ; daß zahlreiche Pisaner es mit Markwald von
Annweiler hielten, machte die Unterstützung Genuas nur noch wertvoller
für die vom Papste gestützte vormundschaftliche Regierung. *) So kam es
') Urkunden über eine genuesische Anleihe für diesen Zug: Atti Lig. I, 396
bis 398. Über den Zug selbst Toeche 334 ff.
*) Ann. genov. II p. 50 f. ; 52 >etiam prohibuit ne aliquis Januensis in regno
suo Siciliae se consulem presumeret nominare* ; p. 58 f. Zu berücksichtigen ist
immer, daß wir nur die einseitige Berichterstattung der Genuesen vor uns haben.
=>) Ann. genov. H p. 74 (1198).
*) Huillard-BröhoUes I, p. 46 ; im November wird ein Grundstück des als Hoch-
verräter bezeicbneten Pisaners Simon Pisanellus von der Regierung anderweitig ver-
geben ; ib. 63 f. Vgl. Winkelm., Otto p. 24 u. 60. Urkunde zu einer Unternehmung
des jüngeren Gull. Embriaci von Genua nach Sizilien (25. III. 1200): Doneaud p. 77.
480 Dreiunddreißigstes Kapitel.
im Dezember 1200 in Palermo zum Abschluß eines neuen Vertrages. Er be-
stimmte: 1. Freilassung aller gefangenen Genuesen; 2. Gewährung einer
Geldzahlung von 10000 Gold unzen in 5 Jahresraten ; 3. Sicherheit aller Ge-
nuesen im Königreich mit Ausnahme der Freibeuter, gegen welche die sizi-
lische Regierung nach Belieben einschreiten darf ; Beschwerden von Genuesen
sind binnen 40 Tagen zu erledigen ; eine Verhaftung von Genuesen darf nur
in Kriminalsachen erfolgen, sonst nur, wenn der Beschuldigte keinen Bürgen
stellen kann ; 4. Wiederherstellung der genuesischen Konsulate, wie sie zur
Zeit Wilhelms IL bestanden ; 5. Rückgabe aller Häuser und Ländereien, die
die Commune Genua zu jener Zeit im Königreich besessen; außerdem sind
ihr für ihre Kaufleute neu einzuräumen: in Messina das Haus des verstor-
benen Admirals Margarito, in Syrakus das des Goffredus de Modica, in Tra-
pani das Haus, das einst dem Kaid Abu-'l-Kasem gehört hatte, endlich in
Neapel das fiskalische Fondaco im Torbezirk Morizini mit allen seinen Ein-
künften; 6. als wichtigste Konzession: Abgabenfreiheit, mit der Erlaubnis,
auch Getreide und Lebensmittel für den eigenen Bedarf Genuas frei aus-
zuführen ; 7. Nichtaufnahme von Korsaren — eine offenbar gegen die Pisaner
gemünzte Bestimmung; alle Ortsbehörden sollten darauf besonders vereidet
werden. ^) Noch einmal schwankte man in Genua, ob man sich nicht doch
lieber Markwald zuwenden wollte^); doch die päpstliche Partei siegte und
im Sommer 1201 brachte der Konsul Niccolö Doria als Führer eines Ge-
schwaders von 8 Galeeren und einer Taride, das zugleich die aus der Levante
heimkehrende Karawane decken sollte, die Ratifikation nach Sizilien. Von
den lOOüO Goldunzen wurde eine Rate von 800 für ihn flüssig gemacht, und
der genuesische Annalist hebt hervor, daß er an Gold, Silber und Edelsteinen
soviel heimgebracht habe, daß die Staatskasse über 1500 1. davon erhielt. ^)
Markwald aber rächte sich ; er nahm den Admiral Guilelmus Grassiis (Schwie-
gervater Heinrichs von Malta) gefangen und es war vergebens, daß die Genuesen
den Gull. Embriacus aussandten, um seine Befreiung zu erwirken; doch be-
freite sie im September 1202 der Tod von ihrem Gegner, der eben nach
Messina, das sich ihm unterwerfen wollte, zu ziehen im Begriff war.*)
378. Inmitten der allgemeinen Verwirrung, die auf der Insel herrschte^
gelang es nunmehr pisanischen Freibeutern, sich der Stadt Syrakus zu be-
mächtigen ; sie vertrieben die Bürger, selbst die Geistlichen und den Bischof,
aus der Stadt und machten sie zum Stützpunkt ihrer Unternehmungen, s)
Im Sommer 1204 aber faßte die aus der Levante heimkehrende genuesische
Schiffskarawane auf Andrängen des Alamannus de Costa, der in den kre-
tischen Gewässern zu ihr gestoßen war, nachdem er eben mit seinem Schiff
Carrocia das pisanische Korsarenschiff Leopardus mit reichen Waffenvorräten
erbeutet, den Plan, Syrakus anzugreifen. Von dem befreundeten Grafen
von Malta, Enricus Piscator, empfing sie wichtige Verstärkungen und segelte
nun gegen die Stadt, in deren Hafen sie am 6. August einlief und sogleich
zwei große pisanische Kauffahrer »Florius« und »Rosa« wegnahm. Ver-
1) Lib. Jur. I no. 437. Huillard-BröhoUes I, 64 f.
') Vgl. den merkwürdigen Kontrakt zwischen dem Doria und dem älterei
Guil. Embriaco vom 20. April 1201 bei Doneaud, Anm. 24 p. 78 ff.
^) Ann. genov. II, 80 f. Mehr als diese 800 Goldunzen sind von den ver-*
sprochenen 10000 nie gezahlt worden; vgl. Lib. jur. I no. 506.
*) Ann. genov. n, 81. Winkelmann, Otto 53, 60.
») Ann. genov. H, 91. Heyd I, 183 f. Manfroni 303 f.
Das sizilische Königreich in der Zeit der Wirren. 481
gebens eilte der toskanische Graf Rainer de Manente (auch von Sarteano
genannt)!), wohl von Messina her, mit einer Mannschaft von Rittern und
Fußsoldaten zum Entsatz herbei; nach nur achttägiger Belagerung wurde
die Stadt mit gewaffneter Hand genommen. Die Vornehmen auf den Schiffen
traten nun unter dem Vorsitz der gewesenen Konsuln von Alexandrien und
Syrien, die als die Vertreter der Staatsgewalt auf der Flotte galten, zusammen,
setzten den Alamannus im Namen Genuas als »Grafen« von Syrakus in den
Besitz der Stadt und ließen sich von ihm den Treueid schwören. Noch vor
der Abfahrt fiel den Genuesen ein weiteres großes pisanisches Kauffahrtei-
schiff, der »Tunnus«, der nichtsahnend in den Hafen einlief, in die Hände. 2)
So hatte Genua einen überaus wertvollen Stützpunkt für seine Handels-
fahrten nach dem östlichen Mittelmeer mit leichter Mühe gewonnen und
damit auf eigene Faust einen besonders wichtigen Punkt der kaiserlichen
Privilegien realisiert. Indessen noch hatten die Pisaner nicht verzichtet. Im
Jahre 1205 zogen sie mit 20 Schiffen nach Messina und bekämpften die
dort weilenden Genuesen mit Glück ; dann wandten sie sich, durch den Grafen
Rainer und viele Toskaner, die sie von allen Seiten zusammengebracht, ver-
stärkt, gegen Syrakus. Fast 4 Monate hielten sie die Stadt eng umschlossen,
bis der tapfere Graf Heinrich von Malta der Retter der Genuesen wurde.
Mit 4 Galeeren und reichen Geldmitteln war er zunächst nach Messina ge-
kommen und hatte die dortige genuesische Kolonie unter ihren Konsuln
und die Kaufleute zweier soeben aus Syrien anlangender Schiffe für den
Gedanken gewonnen, eine Entsatzflotte zu rüsten. In kurzer Zeit konnte
der zum Führer gewählte Graf an der Spitze von 16 Galeeren und verschie-
denen kleineren Schiffen nach Syrakus aufbrechen. Die pisanische Flotte
verließ den Hafen, um ihm entgegenzuziehen, erlitt aber nach heißem Kampfe
eine vollständige Niederlage; ein Ausfall des Grafen Alamannus vollendete
den Sieg der Genuesen (kurz vor Weihnacht 1205). Eine von Genua am
12. Januar 1206 abgesandte Ersatzflotte von 13 Galeeren fand das Werk längst
getan. 3) Aber eine größere Gefahr drohte noch. Im Hochsommer 1206
kam es zwischen Pisa und dem durch die Festsetzung Heinrichs von Malta
auf Kreta bedrohten Venedig zu einem engen Kriegsbündnis auf 2 Jahre ■*) ;
mindestens je 40 Galeeren der beiden Seemächte sollten sich im nächsten
Mai in Messina gegen die Genuesen vereinigen. Falls auf dem Zuge Orte
erobert würden, die der sizilischen Krone gehörten, so sollten sie dieser gegen
gehörige Sicherheit, daß der König ohne Zustimmung der Pisaner und Ve-
nezianer niemals Genuesen in sie aufnehmen würde, überliefert werden. Da
man die spätere Gestaltung der Dinge nicht übersehen könne, so sollte jeder
der beiden Mächte vorbehalten bleiben, bis 14 Tage nach Weihnachten der
anderen mitzuteilen, ob sie die Ausführung des Planes zum gedachten Ter-
min für angezeigt halte. In der Tat ist es, wohl weil die Venezianer auf
Kreta genug zu tun bekamen, zu der geplanten gemeinsamen Offensive nicht
gekommen, und so erschien im Jahre 1207 eine starke pisanische Flotte allein
auf Sizilien. In Messina wartete man ihrer in größter Besorgnis, doch die
1) Über ihn Araari, Musulm, III, 579 ff. Winkelmann, Philipp 125 A. 2;
Otto 59.
*) Ann. genov. II, 92.
») Ann. genov. II, 96—98. Winkelmann, Otto 61.
*) Am 2. Juli 1206 in Venedig geschlossen, am 5. August in Pisa ratifiziert.
Giorn. lig. I (1874), 69 ff. Mit Unrecht meint Lenel 37 Anm. 3 gegen Heyd I, 289,
daß ein bloßer Vertragsentwurf vorliege.
Schaube, Handelagescbichte der roman. Völker im Mittelalter. 31
482 Dreiunddreißigstes Kapitel.
Pisaner wandten sich nach Palermo und landeten hier, in der Hoffnung,
sich mit Hilfe des Grafen Rainer und des Wilhelm Capparone, der seit
Markwards Tode eine große Rolle auf der Insel spielte, Palermos und der
ganzen Insel bemächtigen zu können. Aber dem Kanzler des Königreichs,
Walther von Palear, gelang es, sie unversehens mit seinem Heere zu über-
fallen imd viele von denen, die sich nicht rechtzeitig auf die Schiffe retteten,
zu töten. 1)
So blieb den Genuesen auf der Insel doch das Übergewicht.
Mit dem Besitz von Syrakus, wo sich Alamannus »von Gottes und
des Königs und der Gemeinde Genua Gnaden Graf von Syrakus und
des Königs Vertrauter« nannte ^j, mit ihrer starken Kolonie in Mes-
sina ^) und mit Malta, dessen Graf ihr Landsmann und ihnen ganz
ergeben war, hatten sie auf der für den Welthandel so wichtigen Ver-
bindungsstelle zwischen Ost- und Westbecken des Mittelmeers eine
maritime Position von außergewöhnlicher Stärke inne. 41
379. Immerhin blieben die Pisaner so gefährliche Gegner, daß Inno-
cenz III. sie 11. Mai 1208 dringend ersuchte, weitere Schädigungen des
Königreichs zu unterlassen, da er Sorge tragen werde, ihren Beschwerden
abzuhelfen.4) Neue Hoffnungen eröffneten sich für sie, als Kaiser Otto IV.
sich entschloß, das sizilische Königreich seinem jungen Herrscher Friedrich
zu entreißen. Gegen das Versprechen, ihm 40 Galeeren zur Eroberung
Siziliens auf eigene Kosten und weitere auf Kosten des Kaisers zu stellen,
sicherte ihnen Otto IV. in einem umfassenden Privileg vom 3. Juni 1210 ö)
volle Handels- luid Abgabenfreiheit im ganzen siziHschen Königreiche zu.
In der Tat haben die Pisaner auch im nächsten Jahre im Dienste des ge-
bannten Kaisers 40 Galeeren nach Neapel geschickt ß) ; die durch den Papst
veranlaßte Rebellion in Italien und Deutschland aber nötigte den Kaiser,
sein Unternehmen aufzugeben und im Februar 1212 nach Deutschland
zurückzukehren .
Folgerecht fand sein vom Papst empfohlener Gegner die Unterstützung
der Genuesen. Als er auf seinem gefährlichen Wege nach Deutschland in
Genua weilte, hat er im Hause des Niccolö Doria am 9. Juli 1212 den
Genuesen urkundlich versprochen, ihnen, wenn er Kaiser sein werde, alle
ihre Privilegien zu bestätigen und die ihnen gemäß dem Vertrage von 1200
noch geschuldeten 9200 Goldunzen in 5 Jahresraten zu tilgen.'^) Und als
Graf Heinrich von Malta, der im März 1218 mit einer Galeere nach Genua
kam, zu dem mittlerweile in Deutschland zur Macht gelangten Könige über
1) Ann. genov. n, 105 f. Winkelmann, Otto 69 f.
«) Juni 1211 : Delaville le Roulx II, 130 no. 1365.
') Ihre große Bedeutung ergibt sich schon daraus, daß für ihr dortiges Fon
daco (domus Messanae quae fuit Margariti), abweichend von der 1214 aufgestellten
Regel, zweijährige Verpachtung zugelassen war. Ann. genov. U, 132.
*) Cod. Sard. I p. 312. Winkelmann, Otto 78.
*) Oonst. et acta U no. 37 p. 46. Winkelmann, Otto 234 f.
•) Ann. genov. II, 120.
') Lib. Jur. I no. 506. Huillard-Bröh. I, 213. Vgl. Winkelmann, Otto 320. Ein
Genuese Wilh. Marino, der schon von seinem Vater her Lehen auf Sizilien besaß,
hatte den jungen König nach Deutschland begleitet und erhielt im Dezember 1212
zu Speier die Bestätigung seiner Lehen. Schefifer-Boichorst p. 394. (Urkunde Hein-
richs VI. für Marinus und Matth. Marino vom 25. Sept. 1197 ebd. 393.)
il
Uten
Das sizüische Königreich in der Zeit der Wirren. 483
<Jie Alpen nach Schwaben ging, brachte er urkundliche Weisungen des
Herrschers an die sizilischen Behörden i) zurück, die Abgabenfreiheit der
Genuesen im Königreiche in vollem Umfange zu respektieren, was also
offenbar keineswegs überall geschah. Auch die Pisaner, die seit 1212 in
unsicherem Waffenstillstand, seit 1217 im Frieden mit Genua lebten, ent-
behrten der Stützpunkte für ihren Handel im Königreich nicht ganz. Graf
Rainer behauptete sich auf Sizilien noch immer 2); in Neapel, mit dem die
Pisaner immer besonders lebhaft verkehrten, war sogar das starke Kastell
dell' üovo (Castellum maris) noch 1216 in den Händen von Pisanern, die
von hier aus Seeraub trieben 3) und im Jahre 1214 schlössen Pisa und Gaeta
einen Vertrag auf 25 Jahre*), in dem man außer den übHchen Bestimmungen
über Rechtsschutz Vorkehrungen traf, die die Pisaner vor den in Gaeta
oder seinem Gebiet in See gehenden Korsaren sicherstellen sollten und um-
gekehrt; gegenseitig gestattete man sich, diejenigen, die auf feindüchen
Schiffen fuhren, ebenfalls als Feinde zu behandeln.
Dabei nahm inmitten allen Kriegs und aller Piraterie doch auch der
Handel seinen Fortgang, wenn er auch vielfach selbst ein kriegerisches Aus-
sehen gewann. So haben die Kaufleute Genuas um Weihnachten 1204 vier
Galeeren armiert, um ihre Waren nach Sizilien zu schaffen; eine Galeere
unter Amicus Mallonus gab ihnen die Stadt zum Geleit mit. Unterwegs
stießen sie in den Gewässern von Neapel auf das pisanische Schiff Garofalo,
das sich eben zu einem Korsarenzuge rüstete, und verbrannten es.^)
380. Neben dem starken Hervortreten der Genuesen und Pisaner
im sizilischen Königreich erscheint die Rolle, die die übrigen Handels-
nationen daselbst spielten, nur sehr bescheiden.
Doch kamen mit den Schiffen der Pisaner auch die Toskaner des
Binnenlandes in nicht geringer Anzahl. Noch kurz vor seinem Tode, am
27. September 1197, gewährte Heinrich VI. seinen Getreuen von Lucca und
aus dem übrigen Tuscien für die guten Dienste, die so manche von ihnen
ihm in seinem sizihschen Königreich erwiesen, dieselben Vorteile bei der
Verzollung ihrer Waren in allen Häfen des Königreichs, wie sie die Pisaner
hatten.6) Früher schon, im Jahre 1193, ist eine besondere Straße (ruga)
der Florentiner am Hafen und in der Nähe des Doms nachweisbar'), die
wahrscheinlich einen Bestandteil des pisanischen Handelsquartiers bildete.
Und die Rolle, die Graf Rainer, der selbst aus dem südlichen Tuscien war,
so lange auf der Insel spielte, erscheint nur möglich, wenn er sich auf
einen starken Zulauf aus der toskanischen Heimat stützen konnte.
*) Ann. genov. 11, 145 : Cartas retulit ab eo preceptorias, quod Januenses in
toto regno Sicilie francM essent et nuUum drictum nuUamque exactionem dare tene-
rentur. Es handelt sich also nicht um ein Privileg und steht deshalb nicht im
genues. Liber Jurium. Vgl. Winkelmann I, 98.
») Näheres Winkelmann I, 129 ; derselbe : Otto 262, 406.
^) Winkelmann, Otto 406. Der Verkehr von pis. Handelsschiifen in N. er-
gibt sich auch aus der Hist. canoniz. S. Bemardi Hildesh. in den Acta SS., 26. Ok-
tober, XI, 1028 f. (zu 1192).
*) Nur der Schwur der gaötanischen Gesandten ist erhalten (8. Juni 1214).
Muratori Ant. IV, 393.
*) Ann. genov. II, 94.
*) Stumpf, Acta p. 600 no. 430.
») Pirro, SiciUa sacra (Palermo 1733) II, 1281. Amari MuBulm. lU, 218. David-
sohn I, 790.
31»
484 Dreiunddreißigstes Kapitel.
Für die Beteiligung des lombardischen Binnenlandes am sizilischen
Handel vermag ich nur darauf hinzuweisen, daß der mehrerwähnte Befehl
Innocenz' III. vom Jahre 1198, alle Waren der Placentiner und Parmesanen
zu beschlagnahmen, auch an die Regentin des Königreichs, Konstanze, ge-
richtet ist.i) ^
381. Von den Venezianern auf Sizilien erfahren wir nur, daß der
Kaiser im Jahre 1195 den vor ihm erschienenen »yconomi, sindici et pro-
curatores« der in Palermo wohnenden Venezianer, Marco Bembo und Ric-
cardo Tommasini, den Besitz ihrer Markuskirche, so lange sie in der Treue
verharrten, bestätigte 2) ; ob diese Verwalter der venezianischen Niederlassung
in Palermo auch richterliche Befugnisse hatten, muß dahingestellt bleiben;
stark wird die Niederlassung in dieser Zeit schwerlich gewesen sein. Von
einer Einmischung in die sizilischen Wirren haben sich die Venezianer, die
ihre Aufmerksamkeit ganz dem Osten zugewandt hatten, völlig fern ge-
halten; die für 1207 in Gemeinschaft mit den Pisanern geplante Offensive
blieb Projekt. Für sie war die apulische Küste wichtiger. Um hier ihrer
Schiffahrt die notwendige Sicherheit zu verbürgen, haben im September
1199 die beiden Befehlshaber der damals gegen die Pisaner operierenden
Flotte einen Vertrag mit Brindisi geschlossen. Man griff auf einen älteren
beschworenen Vertrag zurück und erklärte, seitdem vorgekommene gegen-
seitige Verletzungen der Vergessenheit anheimgeben zu wollen; dann aber
mußten die von Brindisi schwören, keinen Venezianer zu schädigen, wie
der Doge auch den Venezianern jede Schädigung des sizilischen Königreichs
untersagt habe, und vor allem keine jDisanischen, genuesischen oder vene-
zianischen Korsaren oder sonst jemanden, der die Venezianer schädigen
könnte, in ihrem Hafen oder Gebiet aufzunehmen.^) In der kurzen Zeit,
als Otto IV. hier die Herrschaft hatte, sehen wir einen venezianischen
Reeder, Nicolaus de Aybolo, vor dem kaiserlichen Gericht gegenüber einem
Bevollmächtigten des Herrschers von Epirus Recht geben.^)
Das seit dem Ausgang der normannischen Dynastie wieder unter
griechischer Oberhoheit stehende Ragusa hat gerade in dieser Zeit der
Wirren eine Anzahl von Verträgen mit den apulischen Seestädten geschlossen
oder erneuert. In dem Schreiben von Monopol! vom 1. Februar 1201 handelt
es sich nur um allgemeine Versprechungen der Freundschaft und Sicherheit^);
in dem zur selben Zeit auf 12 Jahre geschlossenen Vertrage mit Bari ver-
sprachen die Baresen, alle apulischen Korsarenschiffe, die Bari passierten,
schwören zu lassen, die Ragusaner nicht zu schädigen und, falls sie den
Schwur verweigerten, in ihrem Hafen oder Gebiet nicht aufzunehmen. In
dem Vertrage mit Termoli von 1203 wurde gegenseitige Abgabenfreiheit
(■vom plateaticum und arboraticum) und Gleichberechtigung mit den eigenen
Bürgern festgesetzt, 1208 der vor 60 Jahren mit Molfetta geschlossene Ver-
trag erneuert. Im Jahre 1211 führte ein ragusanischer Padrone Vitta in
Bisceglie Klage darüber, daß ihm, altem Herkommen zuwider, Ankergeld,
Mastbaumgeld und Marktgeld ß) abgefordert worden seien. Es wurde fest-
») Oben § 271. 'Winkelmann, Philipp 346.
«) Gregorio H, 226. Toeche p. 630. Oarini J. im Arch. sicü. I (1876), 357.
Schmeidler 41 Anm. 46.
••>) Winkelmann Acta I, 470 no. 583 ; vgl. derselbe : Otto 59. Manfroni 292.
*) Im November 1211 ; Minotto IVi p. 21 f.
*) Jirecek p 49. Dazu p 52 f. (Anm. 35.) ^^
«) > Plateaticum < = der Abgabe >pro mercibus Vigiliis emptis aut venditisc,
wie aus der Urkunde deutlich hervorgeht.
Das sizilische Königreich in der Zeit der Wirren. 485
gestellt, daß in der Tat ein die gegenseitige Abgabenfreiheit verbürgender
Vertrag mit Ragusa bestehe und Vitta demnach von der Zahlung freizulassen
sei ; die Feststellung sei aufzuzeichnen.^) Darnach kann der Verkehr zwischen
Ragusa und Bisceglie allerdings nur gering gewesen sein.
382. In dieser Zeit sehen wir auch Marseille den Handelsverkehr
mit dem sizilischen Königreich pflegen; von den Ausschließungsbestrebungen
der Genuesen ist nun keine Rede mehr. Im Februar 1200 weilte das Mar-
ßeiller Schiff Incoriata (= Incoronata) in Messina; die Marseiller Bartolo-
meus Macellarius und Petrus Vitalis nahmen hier am 15. Februar bei ihren
Landsleuten Stephanus de Mandolio und Guilelmus Benlivenga ein Seedarlehn
im Betrage von 1600 Goldtari, der erstgenannte Schuldner außerdem noch
€in weiteres von 240 Goldtari, für die Fahrt nach Marseille auf und bestellten
■dafür ihren Gläubigern Waren, die sie auf dem Schiff nach Marseille ver-
laden hatten, als Spezialhypothek. Es waren im ganzen 166 Stück Schinken,
5 Pack feine Schaffelle mit 324 Stück Inhalt, 4 Sack Galläpfel, nach Acconer
Oewicht 1 Ztr. 74 rot. schwer und 17 Pack Süßholz (faisos liquiricie), die
nach Acconer Gewicht 92/3 Ztr. wogen. 2) Kein Zweifel, daß die Marseiller
Kaufleute diese teils, wie die Gewichtsangaben zeigen, aus Syrien einge-
führten, teils aus Sizilien selbst oder Nord-Afrika stammenden Waren in
Messina, diesem wichtigen Stapelplatz aller möglichen Handelsartikel, zur
Einfuhr nach ihrer Heimat eingekauft haben. Daß der genannte Stephan
de MandoHo mit Sizilien in regelmäßiger Handelsverbindung stand, beweist
■der Umstand, daß er am 16. November 1207 seinem Landsmann Guillelmus
Saquet ein Kapital von 14 1/2 1. reg. übergab, von dem er zunächst in Sizi-
lien eine Schuld Stephans in Höhe von 6^/2 Goldunzen an Nolascus Mar-
tinus begleichen, den Rest aber für die Heimfahrt nach Marseille in Waren
anlegen sollte, s) Sehr bemerkenswert ist, daß Marseille im Januar 1208 mit
dem den Genuesen feindlich gesinnten Gaeta einen Vertrag schloß'*); alle
Leute und Schiffe von Marseille sollten von selten der Gaetaner volle Sicher-
heit in Gaeta selbst wie allerwärts auf See oder in fremden Häfen genießen ;
und bezeichnend für den Marseiller Verkehr mit Sizilien ist auch, daß Genua,
als es im Jahre 1211 mit Marseille Frieden schloß, versprach, den Frieden
auch von allen Genuesen in der Fremde, insbesondere von denen in Malta,
Messina und Syrakus beobachten zu lassen. 0)
383. Für den internen Handel des Königreichs, der unter den
Wirren der Zeit natürlich erheblich litt, sind endlich einige den
beiden Haupthandelsplätzen von Sizilien in der ersten Zeit des stau-
fischen Regiments verliehene Privilegien von Bedeutung gewesen.
Am 11. Mai 1197 gewährte Heinrich VI., der vor einer Verschwörung
nach Messina geflüchtet war, den Bürgern von Messina das Recht der un-
behinderten und abgabenfreien Ein- und Ausfuhr für ihre Stadt von der
See- wie von der Landseite her. Gleichzeitig regelte er das Recht zu Repre-
salien. Wurde ein Messinese beraubt, so hatte er zunächst ein amtliches
Schreiben des königlichen Admirals zu erwirken, das Rückgabe oder Ersatz
») Ljubifi I no. 28 p. 20 ; no. 29, 34 u. 36.
*) Manduel no. 1. Fagniez I no. 135.
*) Manduel no. 2.
*) Mary et Guindon I, 215 (die Herausgeber lesen beständig ut statt vel).
Marchand p. 19.
•) Ann. genov. II, 166 Anm. 3.
486 Vierunddreißigstes Kapitel.
forderte; blieb das vergeblich, so hatte er, sobald die Übeltäter oder Lands-
leute von ihnen nach Messina kamen, dem Admiral davon Mitteilung zu
machen, der dann ein zur Befriedigung des Geschädigten ausreichendes
Quantum ihrer Habe mit Beschlag belegen ließ, i) Heinrichs Witwe Kon-
stanze bestätigte das Privileg im Januar 1198, und im Dezember 1199 fügte
die vormundschaftliche Regierung unbeschränkte Handelsfreiheit (nicht etwa
auch Abgabenfreiheit) im ganzen Königreiche hinzu. 2) Palermo stand dem-
gegenüber zurück; erst im September 1200 wurde seinen Bürgern für Ein-
wie Ausfuhr im Hafen und an den Stadttoren Abgabenfreiheit gewährt und
auch dies nur mit einigen recht erheblichen Einschränkungen : Wein imid
Öl, die zur See eingingen, unterlagen einem Wertzoll von 5 und 10% (nait
Ausnahme der für den eigenen Gebrauch des Importierenden und seiner
Familie eingeführten Quantitäten); und von Waren, die aus dem Auslande
eingeführt wurden, mußte, je nachdem sie grobe oder feine waren (magna
oder subtilia), ein Wertzoll von 2 oder I^/q entrichtet werden, indessen, wie
ausdrücklich betont wird, nur in Palermo selbst (so daß also Waren von
Palermitanern, die über Messina gingen, daselbst zollfrei waren). Die Aus-
fuhr von Lebensmitteln unterlag, wie bisher, besonderer könighcher Licenz.^)
Von Interesse ist, daß im Januar 1211 alle Juden der Stadt mit ihrer Fär-
berei, dem Warenhause und allen damit zusammenhängenden Gebühren der
erzbischöflichen Kirche von Palermo überwiesen wurden. *) Daß in dieser
Zeit endlich auch manche Klöster des Königreichs mit Handelsvorteilen
privilegiert wurden ß), sei zum Schlüsse nur kurz erwähnt.
Yierunddreißigstes Kapitel.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung
Friedrichs II.
1
384. Gegenüber der fast dreißigjährigen Zeit der Wirren bedeutete
es einen gewaltigen Umschlag, als Friedrich IL selbst die Regierung
seiner Erblande in die Hand nahm. Die meistprivilegierte unter den
fremden Handelsnationen, Genua, hatte das naturgemäß auch am
meisten zu empfinden. al
Als die Stadt ihren Podestä, zu ihm nach der Emilia entsandte, ver-
mochte dieser nur eine Bestätigung der Besitzungen und Rechte der Genu-
esen, soweit sie sich auf das Kaiserreich bezogen, zu erlangen (4. Oktober
1220) ; bezüglich des weiteren erklärte Friedrich nicht vor seiner Anwesenheit
im Königreiche selbst Bestimmungen treffen zu können. Grollend lehnten
1) SchefEer-Boichorst p. 228 ff. Dazu p. 234. (Über das gefälschte Privileg
von 1194 p. 235 ff.) Unter den Zeugen ist Wil. Grassus, comes Malte et ammiratus,
«) Ebd. 232, 235. Gallo 1. c. U, 79. Dazu V. La Mantia : I privilegi di Mes-
sina (1130 — 1816). Note storiche con documenti inediti. Palermo 1897.
•) La Mantia V. Antiche consuetudini delle cittä di Sicilia (Palermo 1900)
p. 231 f.
*) Huillard-BröhoUes I, 182 : totam tinctam suam cum f undico et omni jure ;
vgl. p. 371 f.
») Priv. für Casamari, Mai 1196: Kehr 483 no. 46; für Sancta Maria de Grotta> ^
Nov. 1198 : Winkelmann acta I, 72 no. 77. Dazu no. 71, 75, 76, 78.
II
Das aizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs II. 487
es die genuesischen Gesandten, die sich auch persönhch zurückgesetzt fühlten,
ab, den König zur Kaiserkrönung nach Rom zu begleiten, i) Aber Friedrich
hatte ein festes Ziel im Auge ; noch im Dezember desselben Jahres ließ der
Kaiser durch den Hoftag von Capua beschließen 2) , daß Fremde wie Ein-
heimische fortan in den Häfen und an den Zollstätten des Königreichs an
die königlichen Beamten die gleichen Abgaben zu zahlen hätten wie zur
Zeit Wilhelms II. ; alle Privilegien sollten nur dann anerkannt werden, wenn
sie die Bestätigung des Kaisers erhielten. ^) Wenn Friedrich II. am 3. März
1221 dies Gesetz »de resignandis privilegiis« dem Papste gegenüber damit
begründete, daß sein Vater vielerlei in der Hoffnung es später widerrufen
zu können, verliehen habe, was er für das Königreich hätte zurückbehalten
müssen, und daß während seiner eigenen Minderjährigkeit von den mancherlei
Machthabern Privilegien ausgestellt seien, die dem ganzen Königreich zum
offenbaren Verderben gereichen müßten 4), so paßt diese Begründung nur zu
genau auf die Privilegien, die Genua seinerzeit von Heinrich VI. und im
Jahre 1200 im Namen des jungen Königs erhalten hatte. So vermochten
auch die genuesischen Gesandten Obertus de Volta, Sorleonus Piper und
Ubertus de Novaria das Schicksal dieser einem Ausnahmezustand entsprun-
genen Verbrief ungen nicht abzuwenden. Die Zollfreiheit der Genuesen wurde
nicht weiter anerkannt, vielmehr hatten sie Abgaben zu zahlen, deren Höhe
nach der Behauptung des offiziellen Annalisten durchschnittlich einem förm-
lichen Zehnten gleichkam. Der Palast Margaritones in Messina wurde ihnen
entzogen, Graf Alamannus verlor seine Herrschaft in Syrakus, der Admiral
Guilelmus Porcus mußte fliehen. 5) Nur Heinrich von Malta behielt das
Vertrauen des Kaisers und wurde noch im Sommer 1221 des Porcus Nach-
folger; doch fiel auch er zwei Jahre darauf wegen seiner mangelhaften Er-
folge gegen die Sarazenen Siziliens, gegen die er mit geringer Macht entsandt
war, in Ungnade und wurde seiner Grafschaft in Malta beraubt, die er auch
nicht zurückerhielt, als er im folgenden Jahre in seine Admiralitätswürde
wieder eingesetzt wurde. ^)
So sahen sich die Genuesen von dem jungen Herrscher mit einem
Schlage aus den wichtigen Positionen, die sie auf Sizilien gewonnen, heraus-
gedrängt — vorläufig blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die ver-
änderte Lage zu finden. Weitere Schwierigkeiten legte der Kaiser ihrem
Handel, der auch für ihn gewinnbringend war, nicht in den Weg ; gelegent-
lich erwies er ihnen auch kleine Gefälligkeiten, so wenn er sie 1224 den
Bewohnern von Accon empfahl'^); von seinem grundsätzlichen Verhalten
aber ließ er sich weder durch die zwei Gesandtschaften des Jahres 1224 noch
durch die Verhandlungen vom Jahre 1226 abbringen; das Privileg, das er
ihnen im Juli 1226 zu Pontremoli ausstellte, ging in keiner Weise über das
») Lib. Jur. I no. 561. Huillard-Br. I, 867 ff. Ann. genov. II, 168 f. Winkel-
mann I, 98 ff. Chone 18 f.
*) Rycc. de San Germano bei Gaudenzi Chron. p. 102 rub. 10 u. 15.
ä) Winkelmann I, 132 f. und Nachschrift p. 530 ff'. Über Vorläufer dieser
Konstitution Scheffer-Boichorst p. 244 ff.; Caspar p. 320 (unter Roger U. 1144 und
1145; bei einer Urkunde, Reg. no. 191, heißt es: de carta cuttunea in perga-
menum renovavimus).
*) Const. et acta II, 547 no. 417. B.-F. 1295.
. ») Ann. genov. ü, 170 ff., 178. Winkelmann I, 142 f. Vgl. Chone 25. Man-
froni 374 f.
•) Ann. genov. II, 192 f. Winkelmann I, 159, 206, 242, 337.
') Oben § 141.
488 Vierunddreißigstes Kapitel.
vom Oktober 1220 hinaus, i) Auch als der Kaiser für das Jahr 1230 eine
geheimnisvolle Unternehmung mit Hilfe Genuas geplant hatte 2) und dem-
gemäß mit der Stadt auf bestem Fuße stand, bewirkte dies nur, daß er die
Behörden seines Königreichs anwies, die Genueseh ehrenvoll zu behandeln
und ihnen bei Ein- und Ausfuhr nicht höhere Abgaben aufzuerlegen, als es
zur Zeit Wilhelms II. üblich gewesen, s)
385. Im Jahre 1232 kam es zu einem scharfen Konflikt, einem Vor-
spiel des Kommenden. Als Genua sich weigerte, die schon vollzogene Wahl
eines Mailänders zum Podestä rückgängig zu machen, befahl der Kaiser, alle
Genuesen im sizilischen Königreich zu verhaften und ihre Waren mit Be-
schlag zu belegen. Doch bald veranlaßten ihn die üblen Nachrichten aus
der Levante, wieder einzulenken; durch ein Schreiben vom 18. Juli, das er
durch besondere Gesandte überbringen ließ, verständigte er die Genuesen,
daß er zur Zurücknahme jener scharfen Maßregeln geneigt sei, wenn er
durch Gesandte darum ersucht würde; so war der Gesandtschaft des Mon-
tanarius de Mari und Picamilium von vornherein der Erfolg verbürgt.*)
Zum offenen Ausbruch des großen Kampfes hat das gegenseitige Mißtrauen
erst 6 Jahre später geführt. Anfang 1238 verlangte der Kaiser, der nach
dem Siege bei Cortenuova seine lombardischen Pläne der Erfüllung nahe
glaubte, die Huldigung von Genua und als dieses ablehnte, ließ er in sein
sizihsches Königreich das Gebot ergehen, jeden Handels- und sonstigen Ver-
kehr mit der Stadt Genua gänzlich einzustellen. 5) Noch einmal schien es,
als ob Genua diesem Drucke weichen würde; schon sollte ein kaiserlicher
Gesandter in Genua den allgemeinen Treueid entgegennehmen ; da aber kam
die Erbitterung der großen Mehrheit der Bevölkerung gegen den Kaiser, der
die vermeintlich wohlerworbenen Rechte Genuas so sehr mißachtet hatte,
zum Ausbruch; man rüstete zum Kriege und schloß unter der Ägide des
Papstes ein Verteidigimgsbündnis mit Venedig (30. November 1238), dem
am 26. Juli 1239 ein förmlicher Kriegsbund folgte, der im Oktober ratifiziert
wurde. <*) Das Ziel war kein geringeres, als dem Kaiser sein Königreich zu
entreißen; Genua insbesondere sollte Syrakus und alle Besitzungen und
Rechte, die es früher im Königreich gehabt, wiedererhalten. So war der
offene Krieg zwischen Genua und dem Kaiser ausgebrochen, der selbst den
Tod des Kaisers noch überdauern sollte.
War Genua damit offiziell vom Handel mit dem unteritalischen König-
reiche ausgeschlossen, so war das Gleiche damit noch keineswegs für alle
Genuesen der Fall. Es galt nicht für die nicht geringe Zahl der genuesischen
Kolonisten im Königreich, so lange sie treu blieben'^); es galt aber auch nicht
1) Ann. genov. II, 198 ; ann. jan. zu 1226, SS. XVIII, 160. Lib. Jur. I no. 629.
Huillard-Br. II, 665.
') Ich vermute, daß sie sich gegen Marseille, das damals in der Eeichsacht
war, richten sollte.
') Winkelmann, Acta I, 604 no. 758. Ein neues Privileg kann ich darin nicht
sehen. Vgl. Winkelmann H, 277. Chone 46 fe.
*) Ann. Jan., SS. XVIH, 178—181. Huillard-Br. IV, 368. Winkelmann II, 398.
Manfroni 387. Chone 52, 61 f.
») Huillard-Br. V, 238. Chone 72.
ö) Ann. jan. p. 188 S. Lib. Jur. I, 980 f., 984 f. Winkelmann, Acta H no.
689 f; p. 1028 fE. Manfroni 390 ff.
') Die genuesischen Kolonisten in Messina wagten es sogar, auf offenem
Markte Savonesen zu überfallen und einen derselben in ihr Gefängnis zu werfen ;
ein kaiserliches Mandat in dieser Sache (8. März 1240) an den Sekretus von Mes-
sina: Huillard-Br. V, 815.
I
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs II. 489
für die Anhänger des Kaisers in Genua selbst, zu denen einige der vor-
nehmsten und einflußreichsten FamiHen, wie die Doria, Spinola, De Mari
u. a. gehörten. Gerade ihnen hat der Kaiser seine Seefeldherrn entnomnaen;
1239 wurde Nicolinus Spinola sizilischer Admiral^), und als er starb, folgte
ihm 1241 Ansaldus de Mari, der 1243 auch zum Reichsadmiral ernannt wurde 2)
und zusammen mit seinem tüchtigen Sohne Andriolus de Mari mehr als
einmal seine Vaterstadt, namentlich von dem kaiserfreundlichen Savona
aus, in die schlimmste Bedrängnis gebracht hat. Der genuesische Kaufmann,
der Garantien bot, daß er nur seinen Handelsgeschäften nachging und nicht
irgendwelche feindliche Absicht verfolgte, konnte darauf rechnen, einen
besonderen Sicherheitsbrief für seine Person und seine Waren für das König-
reich zu erlangen; ja der Kaiser scheint, namentlich zu Anfang, das Ver-
weilen solcher genuesischer Kaufleute, die er in seiner Hand hatte, in
seinem Königreich eher begünstigt zu haben S); bedeuteten sie doch auch
eine Verstärkung seiner Partei in Genua. Die differentielle Behandlung der
Genuesen war wohl auch bestimmt, das Mißtrauen ihrer venezianischen
Verbündeten zu erwecken; als die Genuesen 1240 zum Angriff übergingen,
hat der Kaiser im Mai das Verbot der Getreideausfuhr auch auf Genua aus-
gedehnt.4) Als es dann 1241 zur Verbannung der Ghibellinen aus Genua
kam^), waren es diese Verbannten natürlich in erster Linie, die der Kaiser
auch kommerziell zu stützen suchte. Ein Beispiel dafür ist uns aus dem
Dezember 1245 bekannt, wo Simon Grillus für den Export von Getreide
aus dem Königreich vorteilhafte Bedingungen zugestanden wurden.^) Und
Daniel Doria, einen Sohn des bekannten Ghibellinen Percival, sehen wir im
Frühjahr 1248 auf dem Marseiller Schiff S. Egidius eine Handelsreise von
Marseille nach Messina unternehmen, wohin er besonders Tuche und Lein-
wand exportierte; sein Landsmann Guilelmus de Pessagno hat ihm als Be-
vollmächtigter des Nicolaus Guastavini Doria für diese Reise eine Commenda
von 125 byz. sarr. von Accon anvertraut.'^)
386. Auch Kaufleute aus dem lombardischen Hinterlande von Genua
sehen wir in dieser Zeit von Marseille aus am Handel mit dem sizilischen
Königreiche beteiligt. Daniel Doria hat auf der gedachten Fahrt auch von
dem Placentiner Johannes Nigrobono Leinwand und Tuche im Werte
von 62 1. misc. in Commenda genommen 8) und zur selben Zeit hat der
*) Das >Capitulum< , das seine Rechte und Pflichten regelt, bei Alianelli:
Delle consuetudini e statuti municipali nelle prov. nap. I (Neap. 1873), 179 — 186.
Huillard-Bröh. V, 577. Er erhielt täglich 1 Goldunze. Winkelmann, Acta I no. 838.
ä) Darüber G. Caro in MJÖG. XXIII (1902), p. 643 if. Anweisung der Besol-
dung für ihn zuerst März 1241 vor Faenza ; Winkelmann Acta I no. 861.
') Mandat ad ammiratum Regni (15. Dez. 1239): Huillard-Br. V, 576. Abgabe
von Getreide an Nicolosus de Nigro und Ansaldus de Mari Ende 1239, ib. 507 f.,
548. Chone 87 ff.
*) Huillard-Br. V, 993 f.
') In diesem Jahre gingen Sorleone Piper, Ingo Doria und Roberto de Volta
als Gesandte der »Mascarati*, wie man die Ghibellinen in Genua damals nannte,
über Pisa nach Faenza zum Kaiser. Ann. jan. p. 200.
8) Winkelmann Acta I, 687.
'') Amalric no. 342 ; vgl. no. 138. Für dieselbe Reise hat Gull, de Pessagno
übrigens noch dem Muaa de Claro ein seidenes Obergewand (supertunicale sarici)
im Werte von 6 1. jan. in Commenda gegeben ; no. 479.
®) Ebd. No. 408. Dazu noch 64 1. misc. von dem in Marseille naturalisierten
Otto Angossola ; no. 413.
490 Vierunddreißigstes Kapitel.
Astesane Bonif acius Belser eine Handelsreise auf dem Girfalcus nach d^
Königreich angetreten; einem mitreisenden Marseiller gab er ein Seedar-
lehn von 50 1. 71/2 sol. misc, das dieser mit I51/2 Goldunzen in Neapel,
Gaeta oder wo das Schiff sonst seine Ladung löschen würde, binnen 14 Tagen
nach behaltener Ankunft des Schiffes zu erstatten versprach; dafür ver-
pfändete er dem Gläubiger seine Waren und übernahm auch dessen Be-
köstigung bis zum Tage der Bezahlung.^)
387. In vollem Gegensatz zu Genua hat Pisa dem Kaiser gegen-
über allezeit eine Politik der Fügsamkeit beobachtet. Wohl hatte es
bis zuletzt zu Otto IV. gehalten; aber es konnte für sich geltend
machen, daß es auch damit nur seiner traditionellen kaiserfreundlichen
Politik treu geblieben sei.
Im Jahre nach Ottos Tode ging Henricus Porcagia als Gesandter Pisas
zu Friedrich und erwirkte von ihm am 13. April 1219 zu Hagenau ein
Schreiben 2), in dem der König den Insassen seines sizilischen Königreichs
mitteilte, daß er die Pisaner mit ihren Waren im ganzen Königreiche und
insbesondere in Messina und Palermo in seinen königlichen Schutz ge-
nommen habe. Unmittelbar nach seiner Kaiserkrönung, am 24. November
1220, verlieh er dann den Pisanern in engem Anschluß an die Verleihungen
seiner Vorfahren ein großes Privileg; begreif hcherweise sind die das sizilische
Königreich betreffenden Abschnitte nun einfach verschwunden. An eine
Erneuerung derselben konnten die Pisaner unter den obwaltenden Umständen
auch gar nicht denken, und so haben sie der Assise de resignandis privi-
legiis gemäß einfach dies Privileg zur Bestätigung vorgelegt, die am 17. No-
vember 1221 vollzogen wurde.^) Für sie lag schon ein erheblicher Gewinn
darin, daß ihre genuesischen Konkurrenten nun nicht mehr unter günstigeren
Bedingungen im Königreich Handel treiben konnten als sie selbst. Und
so haben sie Friedrich imter allen Umständen bis zum Ende die Treue be-
wahrt; nur selten und auch dann nur ganz vorübergehend ist ihr Verhältnis
zum Kaiser getrübt worden.
Besondere Vergünstigungen genoß auch ihr Handel nur soweit, als
solche schon zur Zeit Wilhelms II. bestanden hatten. Es entspricht dem
autonomen Zolltarif des Königreichs von 1231, daß, wie wir für 1232 zufälHg
erfahren, die Pisaner in Messina einen Ausfuhrzoll von 3 Prozent des Wertes
zu entrichten hatten. Dagegen durfte ihnen in Neapel bei der Ausfuhr von
Hölzern und Fässern herkömmlich nur i/go (also 12/3 Prozent) abverlangt
werden 4); einen Versuch der Zollbehörde, den Zehnten von ihnen zu er-
heben, wies der Kaiser auf eine Beschwerde der Pisaner durch ein Mandat
vom 8. Juni 1242 zurück. Selbstverständlich brachte ihr gutes Verhältnis
zum Kaiser ihrem Handel auch sonst mancherlei Vorteile; so kauften die
pisanischen Kaufleute Petrus und Ugolinus Russus, Philippus Alberti und
Philippus Patriculus einmal vom Kaiser 1300 Last Weizen für 520 Gold
II
») Ebd. no. 418.
ä) Winkelmann Acta I, p. 317. B.-F. 1009. Huillard-Breh. IV, 464 mit dem
Datum 13. April 1234 ist offenbar identisch damit, so daß die Jahreszahl auf einem
bloßen Versehen beruht (gleiche Indiktion).
3) Dal Borgo p. 42 ff. B.-F. 1217, 1368. Vgl. Winkelmann I, 99, 143; Acta I
no. 232. Manfroni 375.
*) Davidsohn Forsch. IT, 305 no. 2324 (vom Jahre 1232). Winkelmann Acta I,
681 no. 897 ; Mandat an den Kämmerer von Terra di Lavoro. Vgl. Chone 114 f. }
I
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs 11. 491
unzen (12 Tari für die salma) zu beliebiger Ausfuhr aus dem Königreich
mit alleinigem Ausschluß von Venedig; am 1. Januar 1240 wies der Kaiser
von San Miniato aus die sizihschen Behörden an, das Getreide bis zum
1. März im Hafen von Palermo oder von Trapani bereitzustellen, i)
Wie lebhaft sich der pisanische Handel mit Sizilien gestaltet hatte,
können wir aus einem Vorgang des Jahres 1245 entnehmen, als den Genuesen
einmal eine empfindliche Schädigung desselben gelang.^) Auf die Nachricht,
daß die Pisaner eine Kaperflottille von 6 Schiffen gegen die aus der Levante
zurückerwartete genuesische Schiffskarawane ausgesandt hätten, lief von
Genua am 10. Juli eine gleich starke Flottille aus, die der pisanischen bei
Trapani zu begegnen hoffte (offenbar vermieden also die Genuesen damals
die Straße von Messina). Diese weilte indessen noch in Palermo; dafür
aber trafen die Genuesen im Hafen von Trapani 5 pisanische Kauffahrer
(naves) und mehrere kleinere Fahrzeuge an, die sie verbrannten. Nur ein
pisanisches Schiff, die Florina, die eine besonders reiche Ladung führte^
nahmen sie nach Bonifacio mit, wohin sie die mittlerweile in Sicht ge-
kommene Schiffskarawane geleiteten ; hier teilten sie die auf der Florina
gemachte Beute, nachdem sie 12000 1. jan. als Ersatz der Ausrüstungskosten
für die Staatskasse ausgeschieden hatten. Gleichzeitig erfahren wir aber auch,
daß die Pisaner in Trapani ihre Konsuln hatten. Als die Florina in Trapani
aufgebracht wurde, hatte sie einen Teil ihrer Ladung schon gelöscht ; die Kon-
suln des Meeres in Pisa beauftragten deshalb am 2. Dezember die pisanischen
Konsuln in Trapani, diese Waren unverzüglich entweder direkt oder über
Palermo nach Pisa zu schicken, damit sie unter die an der Schiffsladung
beteiligten Handelsgesellschaften im Verhältnis ihrer Einlagen verteilt werden
könnten ; sie hätten 4 Personen zur Empfangnahme des Frachtgutes bevoll-
mächtigt. Gab es aber pisanische Konsuln in Trapani, so ist es sicher, daß
solche zur selben Zeit mindestens auch in Seestädten wie Palermo, Messina
und Neapel vorhanden waren. Tatsächhch können wir für Neapel das
pisanische Fondaco und einen pisanischen Notar, der vielleicht zugleich als
Sekretär des pisanischen Konsulats fimgierte, nachweisen; ebenso das pisa-
nische Fondaco in Messina s); am selben Orte leiteten pisanische Waffen-
schmiede die Waffenfabrik, die der Kaiser hier besonders zur Anfertigung
von Panzern aus Eisendraht begründet hatte.^) Gelegentlich verführte das
Bewußtsein der eigenen Stärke auch die Pisaner zu Ausschreitungen den
Einheimischen gegenüber, so daß der Kaiser einmal (1247 oder 1248) eine
Mahnung an die pisanischen Behörden ergehen ließ, ihre Mitbürger besser
jm Zaum zu halten.^)
388. Auch für die Beteiligung des toskanischen Binnenlandes
am Handel mit dem sizilischen Königreiche haben wir einzelne Nach-
richten, die Rückschlüsse auf einen stärkeren Verkehr erlauben.
Im Jahre 1232 sehen wir einen Kaufmann von San Gimignano
im Hafen von Messina an der Befrachtung einer Galeere mit 2 Kantär
») Huillard-Br^holles V, 648.
*) Ann. jan. p. 217 f. Urkunde in Übersetzung bei Eoncioni R., Istorie pi-
sane (Arch. ital. VI parte 1, 1848), p. 515. Dazu mein Konsulat d. M. 208 f.
«) Davidsohn Forsch. II, 305 no. 2327, 2324.
♦) Huillard-BröhoUes V, 722 (5. Febr. 1240). Chone 93. Auch an kleineren
Orten begegnen wir gelegentlich den Pisanern; so wird dem Pis. Loteringus nach
zehnjährigem Aufenthalt in Castel vetere (.Calabrien) im Jahre 1242 das Indigenat
"verliehen. Winkelmann Acta I, no. 902.
») Petr. de Vin. V, 33. B.-F, 3658.
492 Vierunddreißigstes Kapitel.
12 rot. Pfeffer beteiligt; ein Landsmann von ihm, Ranuccio Pantalei, reist
im Jahre 1243 im Auftrage seiner Handelsgesellschaft über Neapel nach
Palermo; in Neapel dient er bei dem Abschlüsse eines Handelskontrakts
zwischen zwei anderen Kaufleuten aus seinem Heimatsorte als Zeuge. Auf-
genommen ist dieser Kontrakt in dem Fondaco, in dem die Florentiner
zu herbergen pflegten, womit also auch für diese ein größerer Anteil an
dem Handel mit Neapel erwiesen ist.i) Und mit Messina stand die uns
schon bekannte sienesische Handelsgesellschaft Guidalotto Guidi u. Comp,
von Marseille aus in regem Verkehr; im Frühjahr 1248 war sie daselbst
durch ihren Sozius Bellinchonus Charrenconi vertreten. An ihn hatte Daniel
Doria die 40 Goldunzen für ein Seedarlehn zu erstatten, das er unter Be-
stellung eines Teils seiner in Tuchballen bestehenden Ladung auf dem Schiff
S. Egidius in Höhe von 117 1. 14 sol. misc. am 16. März 1248 bei der Ge-
sellschaft aufgenommen hatte. Und am 29. April desselben Jahres gab die
Gesellschaft einem Marseiller 200 Pfund Safran für die Fahrt auf d«r Bona-
ventura nach Messina in Commenda.^)
Gelegentlich beteiligten sich auch Kaufleute aus Rom an dem
Handel mit dem Königreiche.
Daß es nicht allzuhäufig geschah, geht schon daraus hervor, daß die
Zoll- und Magazin Verwaltung zu Neapel wegen der Zollbehandlung derselben
beim Kaiser besonders anfragte, nicht minder aber auch daraus, daß der
Kaiser am 21. September 1231 darauf den gnädigen Bescheid gab, daß von
ihnen nichts zu fordern sei.^) Sicher handelt es sich dabei um Kaufleute,
die dem Kaiser Geld geliehen*) und dafür Anweisungen an bestimmte
Provinzialbehörden des Königreichs erhalten hatten, wie der Kaiser z. B.
im Dezember 1239 den Sekretus von Palermo beauftragte, die römischen
Kaufleute Petrus de Bonfilio und Sozii wegen ihres der kaiserlichen Kammer
gewährten Darlehns zu befriedigen.
389. Die Erneuerung ihres Vertrages mit dem Kaiserreich, die
die Venezianer schon am 20. September 1220 von Friedrich H. er-
wirkten, enthält ebensowenig eine Beziehung auf das sizilische König-
reich wie die früheren Pacta oder die gleichzeitigen Privilegien des-
selben Herrschers für Pisa und Genua. ^)
Maßgebend für ihre Stellung im Königreiche blieb der Vertrag von
1175; eine kaiserliche Verordnung an die Hafenämter Apuliens vom Jahre
1230 redet ausdrücklich davon, daß der Ausfuhrzoll von den Venezianern
in derselben Höhe wie zur Zeit Wilhelms IL zu erheben sei.^) Dabei blieb
1) Davidsohn 1. c.
«) Amalric no. 17, 115, 627.
') Winkelmann Acta I, p. 619 no. 793: De mercatoribus Romanis non est
aliquid requirendum. Dazu Winkelmann II, p. 277. Über die Wegnahme eines
römischen Schiffs im Hafen von Cefalü am Anfang der Regierung des Kaisers,
weil es > Verräter« an Bord hatte, s. Wink. I, 188 A. 1.
*) Anleihen des Kaisers bei römischen Kaufleuten im Jahre 1239 (außerhalb
des Königreichs aufgenommen) Huill.-Br. V, 385, 446 ff., 549 f. Mandate betr. Rück-
zahlung ebd. 508, 812.
*) Const. et acta 11, 93. Chone p. 17 f. und die Ausführungen Lenels da-
selbst p. 132 f. Allgemein : Teza E., Fed. Hei Veneziani, in : Atti e mem. di Pa-
dova, 1901.
9) Winkelmann Acta I, 604 no. 757: recepto ab eis jure quod olim tempore
Regis W. II . . . solvere consueverant. Vgl. Chone 27 und 49.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs II. 493
es auch nach Erlaß des autonomen Zolltarifs von 1231; nur die Magazin-
gebühr sollte nach den neu festgestellten Sätzen auch von den Venezianern
erhoben werden.^) Als der Kaiser in der Konstitution von San Germano
(September 1222) erklärte, daß das Verbot, sich beim Warenhandel des
Goldes als Zahlungsmittel zu bedienen, auf die fremden Kaufleute keine
Anwendung finde , hat er als solche in erster Linie die Venezianer namhaft
gemacht.2)
So hat Venedig auch in dieser Zeit besonders seinen Lebensmittel-
export aus Apulien unter den altgewohnten Bedingungen eifrig fortgesetzt;
für einige Jahre des 3. Jahrzehnts sind wir über die Formen, unter denen
sich der Getreidehandel Venedigs mit Apulien vollzog, etwas genauer unter-
richtet. Im Dezember 1226 wurde auf dem Rialto als Gebot des Dogen
und seines Rates verkündet, daß alle Venezianer, die Getreide in Apulien
lüden, bei Strafe der Konfiskation von Schiff und Ladung alles Getreide
nur nach Venedig selbst bringen dürften; schon seit geraumer Zeit war es
üblich, für jeden Scheffel (staio = sestarius) eine Einfuhrprämie von 12 den.
venez. zu zahlen. Bald aber ging die Signorie in ihrer Fürsorge für die
Verproviantierung Venedigs weiter; am 3. März 1227 schloß sie mit dem
Unternehmer Giovanni Staniaro einen Vertrag, wonach dieser im Mai in
Siponto und an anderen Orten Apuliens 20U0 Malter (moggia) Getreide für
Rechnung Venedigs ankaufen sollte; Ankäufe darüber hinaus auf eigene
Rechnung zu machen, war ihm unbenommen; außerdem war er mit 250 Gold-
unzen Einlagekapital Sozius bei dem Getreidegeschäft des Staates.^) Im
April übersandte ihm die Regierung in 3 Raten rund 8850 1. ven. in Gold-
barren durch 3 verschiedene Boten; diese Boten hatten die Weisung, falls
sie Staniaro nicht antrafen, für das schon angekaufte Getreide selbständig
Zahlung zu leisten und das lagernde Getreide in Quantitäten von je 350
Malter in dafür von der Signorie bereitgestellte Schiffe verladen zu lassen;
etwa überschüssiges Geld sollten sie nach Order der Signorie verwenden
oder, falls solche nicht eintraf, bei den Templern oder Hospitalitern in Bar-
letta deponieren.4) In anderen Fällen wurden die Schiffsführer zugleich
mit dem Ankauf des Getreides betraut, wie es im Oktober 1227 geschah,
wo die Signorie dem Michele di Orofino ein dem Staat gehöriges Fahrzeug
(asiro) mit dem Auftrage übergab, Getreide in Siponto einzukaufen und
nach Venedig zu schaffen; er erhielt 50 1. als Honorar, 450 1. als Sold für
die gesamte Schiffsmannschaft und 2586 1. 14 sol. ven. in Gold zum Ankauf
des Getreides. Vor Antritt der Reise hatte er einen Eid zu leisten, seinen
Auftrag gewissenhaft zu erfüllen und bei seiner Rückkehr Schiff, Getreide
und nicht verwendetes Geld an eine von der Regierung eingesetzte Kom-
mission zu übergeben und vor ihr Rechnung zu legen. Michele entledigte
sich seines Auftrages zur vollen Zufriedenheit der Signorie, so daß er im
Mai 1228 wiederum zu gleichem Zwecke verwendet wurde.^)
Empfindhch genug mochte es den Venezianern sein, wenn sich ihnen
einmal die ergiebigen Getreidemärkte ApuUens verschlossen; indessen
*) Veneti solvent jus dohane sicut consueverunt et jura fundici juxta presens
statutum. Winkelm. Acta I, 619 (Sept. 1231).
*) Rycc. bei Gaudenzi Chron. p. 109. Chone 28 A. 2.
=) Lib. pleg.no. 483, 510.
*) Ebd. no. 531, 534 (womit 533 identisch), 535.
*) Ebd. no. 578, 580. Die gleiche Aufgabe hatte wohl schon im Jahi-e 1226
Giovanni Scandellaro; kurzes Regest über seinen Eid vom 2. Juni no. 393.
494 Vierunddreißigstes Kapitel.
scheinen keineswegs politische Gründe, sondern die gebotenen Rücksichten
auf den eigenen Landesbedarf den Kaiser im Jahre 1230 zu seiner leider
nicht genau datierten Verordnung an die Barone und Hafenmeister Apuliens
veranlaßt zu haben i), wonach allen venezianischen Kaufleuten bis zum
nächsten Peter-Paulstage die Ausfuhr von Käse, Öl, Fleisch und aUer son-
stigen Waren 2) mit Ausnahme von Getreide unter den üblichen Zollsätzen
zu gestatten sei. Der Termin weist deutlich auf die nächste Ernte hin;
wenn nicht ein durch Teuerung veranlaßtes zeitweiliges Getreideausfuhrverbot,
sondern die Absicht, den Handel oder die Verproviantierung Venedigs zu
treffen, zugrunde gelegen hätte, so ist nicht abzusehen, weshalb der Kaiser
nicht zu einer allgemeinen Handelssperre gegen die Venezianer oder wenig-
stens zu verschärften Zöllen gegriffen haben sollte.
Die Einfuhr der Venezianer nach Apulien wird sicher zu einem erheb-
lichen Teile in Waren der Levante bestanden haben; Brindisi war auch
jetzt der Hafen, in dem sie am häufigsten verkehrten.^) Mit anderen Ln-
portartikeln macht uns der Fall der Barke des Venezianers Leonardo Semi-
tecolo bekannt, die im Jahre 1224 mit einer Ladung von Tuchen, Eisen,
Kupfer usw. im Werte von 1600 1. auf dem Wege nach Pescara war, als
sie jenseits des Vorgebirges von Ancona von dalmatinischen Seeräubern ver-
folgt und genommen wurde.*) Die Erzeugnisse des venezianischen Kunst-
handwerks fanden auch den Beifall des Kaisers; so fertigte Marino Nadal
im Auftrage des Kaisers eine Krone (1225), und die venezianischen Kauf-
leute Lambino, Pietro Donato und Pietro Caldara haben ihm später einen
Thron und verschiedene Schmuckgegenstände geliefert.^) Im übrigen haben
die Venezianer auch nicht selten ihre Fahrzeuge in dem holzarmen ApuUen
veräußert, wie aus einem in den Jahren 1227 und 1228 wohl des Kreuzzugs
wegen ergangenen Verbot der Signorie zu entnehmen ist. 6) Das Fortbestehen
eines regelmäßigen venezianischen Handels auch mit der Insel Sizilien ergibt
sich aus einer Verordnung vom Mai 1225, die die Aufbruchszeit für die
venezianischen Schiffe von den verschiedenen Plätzen der Adria wie nach
Tunis, Kreta usw., so auch nach Siziüen regelt'); in einem kirchüchen
Streite schützte der Kaiser im Jahre 1228 die Rechte der Markuskirche von
Palermo gegen die Ansprüche des Erzbischofs.^)
390. Die Absicht, Venedig, das sich bisher politisch, wenn auch unter
Aufrechterhaltung der Neutralität, dem Kaiser wenig freundüch erwiesen,
in einer Zeit, wo er mit Genua vorübergehend zerfallen war, für sich zu
gewinnen, veranlaßte Friedrich II. im März 1232 zu seinem Besuche in
Venedig; auf Wunsch der Venezianer verlieh er ihnen bei dieser Gelegenheit
ein Privileg für sein siziUsches Königreich, in dem, abgesehen von den üb-
lichen Bestimmungen über Schutz der Personen und des Eigentums, auch
') Winkelmann Acta I, 604- no. 757 ; wahrscheinlich also von Ende 1230. Vgl.
Winkelmann U, 277 und Chone 49.
*) Daß die Venezianer auch kalabrische Baumwolle ausführten, geht aus ihrem
Stat. navium rub. 54 hervor. N. Arch. ven., n. s., V (1908), 210.
3) Lib. pleg. no. 146, 386, 575, 605, 616, 621. ^
*) Ebd. no. 134. fll
») Ebd. p. 86. Huillard-Bräholles V, 553. Chone 36 A. 1 und 91 A. 3. "■
8) Lib. pleg. no. 609. Bürgschaften für Nichtverkauf no. 529, 530. Vgl. Chone
30 A. 1.
^) Lib. pleg. no. 274.
8) Winkelmann Acta I, 270. Chone 40 A. 1.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs H. 495
bei Nachlaßsachen und gegenüber Schiffbrüchigen, ihre Handelsvorrechte
besonders geregelt wurden.^) Darnach sollten die Venezianer im ganzen
Königreich in bezug auf Ein- und Ausfuhr, Kauf und Verkauft) keinerlei
Beschränkungen unterliegen ; auch sollte die Handelsfreiheit der Untertanen
des Königs mit den Venezianern durch kein Statut beschränkt werden
dürfen. Abgabenfrei waren allgemein importierte Edelmetalle und Geld-
wechselgeschäfte ; im übrigen waren die Abgaben der Venezianer wie bisher
örthch verschieden. Im festländischen Teil des Königreichs sollten sie fortan
nur bei jedem Warenumsatz einen Wertzoll von II/2 Prozent entrichten,
also die Hälfte des allgemeinen autonomen Zollsatzes 3) , während sie auf
Sizilien für jedes ankommende Schiff eine Goldunze zu zahlen hatten.
Außerdem ruhte auf ihrem Handel in Palermo aber noch die örtliche Ver-
kaufsabgabe ; denn nur bearbeitete Steine, Hermelinfelle und ähnliche Dinge
wurden beim Verkauf daselbst für abgabenfrei erklärt. In Messina hatten
sie für jedes Viertelkollo von 8 Kantär Gewicht bei der Ausfuhr 1 Tari zu
entrichten. Gegenüber der unbeschränkten Verkehrsfreiheit der Venezianer
im Königreich sollte den Untertanen des Kaisers nur gestattet sein, Waren,
die dem Königreiche selbst entstammten *), nach Venedig zum Verkauf zu
bringen.
Es ist sehr bedauerhch, daß wir nicht klar beurteilen können, wie
groß die von den Venezianern erlangte Ermäßigung der Zollsätze eigentUch
gewesen ist^); allzuhoch scheinen die Venezianer selbst den Wert dieser
Vergünstigungen nicht eingeschätzt zu haben, wenn gerade von dieser Zeit
eine entschiedene Wendung der venezianischen Politik zuungimsten des
Kaisers datiert. ß) Seit 1236 trat sie der kaiserlichen Politik in der Lombardei
offen entgegen ; der Podestä von Mailand, der bei Cortenuova gefangen und
auf Befehl des Kaisers öffentlich in Cremona an den Pranger gestellt wurde,
war ein Sohn des Dogen; Ende November 1238 schloß Venedig zu Rom
das Verteidigungsbündnis mit Genua. Im folgenden Jahre gelang der könig-
lichen Flotte ein glücklicher Schlag; sie kaperte 4 Getreideschiffe und
14 Galeeren der Venezianer, die von Apulien heimwärts fuhren.') Im
Herbst aber kam das Bündnis mit Genua zur Eroberung des sizilischen
Königreichs zustande ; wie den Genuesen Syrakus, so sollten den Venezianern
Barletta und Salpi mit Zubehör von der Kirche als Lehen überlassen werden;
an jedem Orte des Königreichs, wo sie es wünschen würden, sollten sie
Konsuln aus ihrer Mitte mit voUer Gerichtsbarkeit über ihre Landsleute
bestellen dürfen und außerdem volle Handels- und Abgabenfreiheit im
ganzen Königreiche erhalten. 8) Sicher hat Venedig seinen Untertanen bei
Ausbruch des Krieges jeden Handelsverkehr mit dem Königreiche untersagt
1) Huillard-BrähoUes IV, 310 ff. Winkelmann II, 343—346. Ohone 55 ff. Man-
froni 389. Yver p. 246.
*) In dem Ausdruck »ut liceat eis ubique per regnum vendere et emere res
venales et lanas et eas de regno extrahere« scheint eine Textverderbnis vor-
zuliegen ; neben den res venales müßte man animalia erwarten.
») Unten §401.
*) Die falsche Lesung >mercimonia que emuntur in regno< hat Lenel 51
A. 3 nach dem Original in oriuntur verbessert.
*) Fundakatsgebühr und Licenzgebühr (bei Getreide) wurden sicher beibehalten ;
mit seinem System hat der Kaiser durch diesen Vertrag keineswegs gebrochen.
•) Baer 94. Winkelmann II, 346 A. 3.
">) Dandolo bei Muratori SS. Xn, 351. Ohone 77.
8) Rodenberg I, 733 ff. no. 834. B.-F.-W. 7259. Ohone 82.
496 Vierunddreißigstes Kapitel.
■und auch der Kaiser hat entsprechende Verbote an die Einwohner des
Königreichs und die fremden Kaufleute ergehen lassen.^) Um so eigentüm-
licher berührt es, daß er auch in der ersten Zeit des Kampfes schon die
Hafenbehörden in Apulien und Calabrien geradezu anwies, den Untertanen
des Königreichs unter der Hand und so, daß es nicht zur Kenntnis der
Venezianer komme, die Ausfuhr von Lebensmitteln und Vieh nach Venedig
zu gestatten.2) Wir können nur annehmen, daß der Kaiser damit diesen
Landschaften den Absatz ihrer Produkte ermöglichen wollte, zumal bei der
Übermacht der Marine von Venedig und Genua das Aufsuchen anderer
Absatzgebiete kaum möghch erscheinen mochte; bezeichnend ist auch, daß
bei dem Kaiser der Gedanke einer Erschwerung der Verproviantierung
Venedigs dabei offenbar ganz zurücktrat. Von einer Zulassung der Vene-
zianer aber zum Handel mit seinem Königreich 3) ist keine Rede.
Inzwischen nahm der Krieg seinen Fortgang; im Frühjahr 1240 ge-
lang es dem Admiral Spinola, in glückhchem Überfall 3 große Kauffahrer
der Venezianer mit einem Ladungswert von 70000 M. Silber in seine Gewalt
zu bringen 4); aber die Venezianer rächten sich, indem sie, während der
Kaiser Faenza belagerte, die Küste von Termoli bis Viesti in furchtbarer
Weise verheerten, die kaiserliche Flotte in die Flucht schlugen und ein
aus Syrien heimkehrendes großes kaiserliches Schiff bei Brindisi kaperten
und verbrannten.^)
Bald aber ließ die Heftigkeit des Kampfes nach. Es machte sich
doch bemerkbar, daß Genua und Venedig, namentlich im Orient, sehr ver-
schiedene Interessen hatten; und als es dem Kaiser gelang, Zara und Pola
zum Abfall von Venedig zu veranlassen und damit seine Stellung an der
Adria empfindlich zu bedrohen ß), wurden die Venezianer des ihren Handel
schwer schädigenden Krieges mehr und mehr überdrüssig. Als der Kaiser
in klugem Entgegenkommen für die Freilassung der venezianischen Ge-
sandten eintrat, die auf der Rückreise vom Konzil von Lyon durch den
Grafen von Savoyen gefangen worden waren, gab auch Venedig den Wunsch
nach Frieden zu erkennen, der noch im selben Jahre 1245 zustande kam,'^)
Seine Bedingungen sind nicht bekannt; klarer noch als zuvor hatte man
während des Krieges erkannt, wie sehr das eigene Interesse den apulischen
Produzenten und den venezianischen Kaufmann aufeinander hinwies.^)
^) Ausschluß von den neu eröffneten Häfen 5. Oktober 1239 (Huillard-Br. V,.
420); für die anderen Häfen also jedenfalls schon vorher befohlen; vgl. p. 841 ff.
(16. März 1240). Verkäufe von Getreide an fremde Kaufleute unter Ausschluß der
Ausfuhr nach Venedig im Januar 1240 (p. 648 u. 678), am 17. Mai 1240 unter Aub-^
Schluß von Venedig und Genua (p. 993 f.). Die von Ohone 97 angeführte Ver^jH]
schärfung des Verbots bezieht sich auf die Landzufuhr. ^■'
2) Huillard-Bröholles V, 422 (?>. Oktober 1239), 954 f. (3. Mai 1240). Chone 90
und 97.
^) Wie Yver p. 5 annimmt.
*) Annal. S. Pantal., SS. XXH, 533. Baer 109. Chone 94.
6) Rycc. bei Gaudenzi Chron. p. 152 f. Da Canal p. 386 f. Baer 114. Chone 100.
Manfroni 394. Um sich zu rächen, ließ der Kaiser seinen Gefangenen, Pietro Tie-
polo, den Sohn des Dogen, in Trani in einem Turm am Meere aufhängen. Güter-
bock F. Eine zeitgenössische Biographie Friedrichs II. im Neuen Archiv XX^
(1904), 58.
«) Näheres Baer 115. Chone 113.
7) Da Canal p. 404 f. Baer 115. Lenel 69. Chone 119 f. Vgl. Manfroni 418.^
8) Bezeichnend hierfür die Äußerung von dem grant gaaing beider Teile, die
da Canal p. 406 dem Kaiser in den Mund legt.
er-
1
üe
J
Das sizilische Königreich unter der Solbstregierung Friedrichs II. 497
391. An dem Lebensmittelexport aus Unteritalien war in der Adria
außer Venedig auch Ravenna beteiligt; im Jahre 1234 versprachen die
Venezianer ausdrücklich, die Ravennaten an der Einfuhr von Getreide,
Wein, Fleisch, Öl, Käse und Feigen aus den Marken und aus Apulien in
ihren Hafen (den portus Badarenus) nicht zu hindern.^) Daß auch An-
co na und Spoleto Handelsbeziehungen mit Apulien und dem ganzen
sizilischen Königreich unterhielten, wird durch die praktisch allerdings wert-
losen Privilegien, in denen Innocenz IV. ihnen 1245 und 1249 volle Handels-
und Abgabenfreiheit für diese Gebiete verlieh, dargetan.2) Ragusa stand
mit seinem Gegenüber an der Adria nicht nur wie früher in direktem Ver-
kehr, sondern nahm auch an der Einfuhr von da nach Venedig teil; der
Vertrag vom Mai 1232 setzte für Waren, die die Ragusaner aus dem König-
reich nach Venedig importierten, einen Eingangszoll von 2^/2 Prozent fest;
gleichzeitig übernahmen sie die Verpflichtung, für den Fall, daß die Vene-
zianer vom Handel mit dem Königreich ausgeschlossen werden sollten, es
ebenfalls zu meiden.^) Während der ersten Zeit des venezianischen Krieges
schlug der Admiral Spinola dem Kaiser vor, gegen die Slaven Dalmatiens
wegen ihrer Seeräuberei mit Gewalt vorzugehen.*) Der Kaiser aber, der
offenbar in den Dalmatinern mögliche Bundesgenossen gegen Venedig er-
blickte, befahl am 29. Februar 1240 ein anderes Verfahren ; Ragusa, Spalato,
Almissa, Zara und ihre Nachbarn sollten erst aufgefordert werden, Bürg-
schaft dafür zu leisten, daß die königlichen Untertanen von den Seeraub
treibenden Slaven in keiner Weise belästigt würden und daß, falls es doch
geschehen sollte, Ersatz geleistet werden würde ; in diesem Falle sollte ihnen
der gewohnte Verkehr mit dem Königreich 5) gestattet sein; erst wenn sie
das ablehnten, sollte ihnen der Krieg erklärt werden. Daß es zu letzterem
nicht gekommen ist, zeigt ein Schreiben des Kaisers vom 13. März 1244
an Almissa, aus dem hervorgeht, daß dessen Bewohner Geiseln gestellt und
sich in mehreren Fällen gegen schiffbrüchige Untertanen des Kaisers
menschenfreundlich verhalten hatten; neuerdings aber hatten sich doch
mehrere ihrer Landsleute wieder auf Seeräubereien an der apulischen Küste
geworfen, so daß der Kaiser die Abstellung dieses Unwesens binnen zwei
Monaten nach Empfang seines Schreibens und Ersatz für die verübten
Schädigungen, die ihnen sein Bevollmächtigter in Apulien im einzelnen
mitteilen würde, von ihnen verlangte.^) Als den Bewohnern von Zara nach
ihrer Wiederunterwerfung von Venedig die gleiche Zollbehandlung wie den
Venezianern selbst zugesichert wurde (1248), nahm man dabei auf den
Zwischenhandel, den sie aus dem sizilischen Königreich nach Venedig zu
treiben gewohnt waren, ausdrücklich Bezug.')
») Minotto in 1 p. 34. Lenel 47 A. 1.
*) Rodenberg II no. 125 u. 730. Ein analoges Privileg für eine dritte, nicht
genannte Stadt bei Hampe in MJÖG. XXIV (1903), 231.
») Tafel und Thomas IE, 311. Ljubiö I, 48 no. 75. Vgl. Chone 66. Yver 138.
*) Wie es der Kaiser 1232 bei seiner Heimkehr aus Friaul getan. Winkel-
mann n, 374 A. 3.
*) Conversatio solita regni nostri. Huillard-Bräh. V, 781. Trau erhielt am
29. Dezember 1241 vom Kaiser ein Privileg für das Königreich. Kukuljevi6 Reg.
in : Starine XXIV (1891), 210 no. 409.
•) Ljubic I, 64 no. 90.
') Ebd. 79 no. 101.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 32
498 Vierunddreißigstes Kapitel.
392. Marseille konnte nicht wie die großen italienischen See-
städte auf alte Verträge und Privilegien im Königreich hinweisen.
Das Privileg Barbarossas vom Jahre 1164, das Friedrich II. im Mai
1222 zu Cosenza dem Bischof von Marseille einfach bestätigte^), enthielt
naturgemäß irgendwelche Beziehung auf das sizilische Königreich nicht.
Immerhin beweist es, daß Marseille damals unbehindert, wenn auch ohne
irgend ein besonderes Vorrecht, seinen Handel mit dem Königreich fort-
setzen konnte; der Stadt wurde es also jedenfalls nicht zugerechnet, daß
sich zwei Marseiller Kaufleute, Hugo Ferreus und Guilelmus Porcus, bei
dem aufständischen Emir Siziliens Ben-Abed befanden, als sich dieser im
Sommer 1222 in seiner Bergfeste Jato endlich dem Kaiser ergeben mußte;
sie hatten sich beim Kinderkreuzzug von 1212 schändlichen Verrats an den
Opfern dieser Bewegung schuldig gemacht, hatten deshalb schließlich zu
den Sarazenen flüchten müssen und fanden nun den verdienten Lohn am
Galgen. 2) Wenige Jahre darauf aber geriet Marseille mit dem Kaiser in
einen schweren Konflikt, da dieser für die Ansprüche des Bischofs und gegen
die kommunale Selbständigkeit, die Marseille tatsächhch errungen, auftrat;
am 22. Mai 1225 wurde die Reichsacht über Marseille verhängt. 3) Im fol-
genden Jahre hoffte Graf Thomas von Savoyen, der kaiserhche Vikar in
der Lombardei, der einige Marseiller in seine Gewalt gebracht hatte, vom
Kaiser mit der Schlichtung der Differenzen mit Marseille betraut zu werden ;
am 8. November 1226 schloß er mit der Stadt einen Eventual vertrag, in
dem er sich verpflichtete, gegen ein gutes Stück Geld (2000 Mark Silber)
in das der Stadt gegen Leistung des Homagialeides vom Kaiser auszustel-
lende Privileg u. a. aufnehmen zu lassen, daß die Marseiller in bezug auf
Abgaben, die Errichtung von Konsulaten und die Ausübung der Gerichts-
barkeit über ihre Landsleute im sizilischen Königreich die gleiche Stellung
haben sollten, wie sie die Pisaner und Genuesen de jure oder de facto ein-
nahmen.^) Indessen der Graf hatte seinem Einfluß zu viel zugetraut; selbst
die Fürsprache Honorius' III. vom 21. Februar 1227 fruchtete nichts 0); auch
im April 1229 war Marseille noch in der Reichsacht, ß) Wann es aus der-
selben gelöst worden, ist nicht genau bekannt; als das reichstreue Pisa am
18. Dezember 1233 seinen Vertrag mit Marseille schloß ''), wird der Reichs-
bann jedenfalls nicht mehr auf Marseille geruht haben; ich vermute, daß
die Lösung vom Bann während des Konflikts des Kaisers mit Genua 1232
erfolgt ist.
393. Wenig später sehen wir dann Marseille in lebhaftem Handels-
verkehr mit dem Königreich, der bis zum Ende der Regierung des Kaisers
ungeschwächt angehalten hat. Für den Sommer 1235 können wir zwei Mar
seiller Busen, den S. Nicolaus und die Bonaventura des Caransonus, au:
Yl
') Rodenberg II no. 236 p. 177.
2) Alberich v. Trois-Fontaines, SS. XXIII, 894. Winkelmann I, 188 A. 1 nahm
an, daß der Name des G. Porcua auf einer Verwechslung mit dem Admiral aus
Genua beruhe; indessen ist der Familienname Pprcus auch in Marseille nachweis-
bar ; Manduel no. 36 u. 84 : Paschalis Porcus, civis Massilie. Vgl. Manfroni 374 A
») Huillard-Bröholles n, 484, 487.
*) Ebd. 687 f. M6ry et Guindon I, 318 f. Vgl. Chone 34.
») Huillard-Bräh. II, 714 ; von Möry et Guindon I, 443 zu 1243 gesetzt ! Stern'
feld R., Das Verhältnis des Arelats zum Kaiserreich (Berlin 1881) p. 58.
«) "Wie aus dem syrischen Privileg des Kaisers für Montpellier hervorgeht.
') Unten § 472.
.3--_
I
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs 11. 499
der Handelsfahrt nach Sizilien nach weisen i); Bernardus de Mandolio hat
für die erste Fahrt 500 byz. miliar, im Werte von 81 1/2 1. reg. cor., für die
zweite 96 1. reg. in Commenda gegeben; im zweiten Fall sollte der Emp-
fänger, ein Marseiller Jude, binnen 3 Wochen nach Ankunft in Messina
dem mitreisenden Geschäftsfreunde Bernhards, Aicardus Salpe, die eine
Hälfte des Gegenwerts der Commenda mit 20 Goldunzen in bar oder in
Kümmel erstatten, während er die andere Hälfte ebenfalls in bar oder in
Kümmel bei seiner Rückkehr an Bernhard selbst abzuliefern hatte. 2) Im
Jahre 1239 verkauften zwei provengalische Kaufleute dem Kaiser eine große
Onyxschüssel und andere Kostbarkeiten (johyas) für 1230 Goldunzen, von
denen 100 sogleich bezahlt, die übrigen am 4. November auf den Hafen-
meister des östlichen Siziliens angewiesen worden sind. 3)
Besonders häufig aber begegnet das sizilische Königreich als Reiseziel
in den Akten des Marseiller Notars Amalric ; sicher war damals ein beträcht-
licher Teil des genuesischen Verkehrs mit dem Königreich auf den Hafen
von Marseille übergegangen. Aus ihnen ergibt sich, daß im Frühjahr 1248
die Schiffe (naves) S. Egidius (Eigentümer Bertrandus Rostagni und Barto-
lomaeus von Tortosa, Bürger von Marseille) und Bonaventura (Eigentümer
Petrus Cresteng) nach Messina fuhren; außerdem gingen zur selben Zeit die
Büse S. Franciscus und das lignum S. Nicolaus nach Sizilien.'^) Auf den
S. Egidius beziehen sich nicht weniger als 72 Kontrakte der genannten
Akten, fast alles Commendaverträge^), aus denen wir 26 mitreisende Kauf-
leute und 56 an Land verbleibende Ladungsinteressenten kennen lernen.
Als Commendageber sind Gausbertus Civate und Girardus Civate darunter
je dreimal vertreten ; als Commendaempfänger begegnet Nicolaus Marinerius
besonders häufig, in 14 Fällen, so daß die ihm anvertrauten Güter einen
Gesamtwert von 1142V2 1- misc. erreichen ß); mit 7 Commendae im Gesamt-
wert von 505 1. misc. erscheint Bernardus de Mausaco, mit 5 im Gesamt-
wert von 541 1. misc. W. Albinus. Auch ein campsor, Hugo Burgunionus,
machte die Handelsreise nach Messina mit; ihm wurden 4 Commendae im
Betrage von 105 1. misc. anvertraut; einen Betrag von 42 1. misc. überließ
er einem Mitreisenden als Seedarlehn.
Von anderen Südfranzosen sind an dieser Fahrt beteiligt zwei Kauf-
leute von Figeac als Commendanehmer ; von ihnen hat Garinus Faber in
drei Fällen Tuche im Werte von 224 1. melg. in Commenda erhalten. '') Als
Commendageber treten auf Bertrand Borel von Arles und Raimundus de
Lobregato von Montpellier 8) und der wohl als Bürger von Marseille zu be-
trachtende 9) Bernardus Bessana von Montpellier. Marseiller sind vielleicht
1) Manduel no. 61 u. 67 (darauf bezüglicher Rechtsstreit von 1237 no. 75.)
') Im Grunde erscheint der Vertrag als Seedarlehn, obwohl die Kontrahenten
ihn, wohl mit Rücksicht auf das Dekretale Naviganti, als Commenda darstellen.
') Huillard-Br6h. V, 477. Am 29. Februar 1240 nimmt der Kaiser von Viterbo
aus schon auf die mittlerweile gemeldete Zahlung Bezug. Ebd. 793. Unten § 398.
*) Amalric no. 556, 582 ; 702, 703.
*) Das Seedarlehn ist nur dreimal, die societas (unter Brüdern) nur einmal
vertreten ; no. 17, 321, 502 ; 348.
•) In no. 69 lies : S. Gilles statt S. Esprit. In no. 61 findet sich ein Vermerk
über die erfolgte Befriedigung des Commendagebers vom 11. Mai 1251, so daß die
Handelsreise recht lange ausgedehnt worden zu sein scheint.
') No. 338 ; 242, 243, 329.
») No. 218, 73.
•) No. 602. Häufig erscheint er ohne Ortsbezeichnung als Zeuge.
32*
500 Vierunddreißigstes Kapitel.
auch die beiden Juden Bellassenco von Palermo und Salomon, des verstor-
benen Mosse von Palermo Sohn, die beide als Commendageber erscheinen.^)
Dagegen ist sicher ein Sizilianer Fulco CoUanigra von Messina, der dem er-
wähnten Raimund von Montpellier Mühlsteine und Eisen zum Preise von
18 Goldunzen abkauft, die er binnen einem Monat nach behaltener Ankunft
dieser auf dem S. Egidius verladenen Waren an den gleichzeitig von Rai-
mund bestellten Bevollmächtigten in Messina zu erstatten verspricht; für
den Fall der Nichtzahlung wurde eine an den Kaiser zu entrichtende Buße
von 10 Goldunzen festgesetzt. 2)
394. Besonders wertvoll ist es, daß wir durch diese Akten ziemlich
genauen Aufschluß über die Waren erhalten, die von Marseille nach Sizilien
ausgeführt wurden. Obenan stehen dabei wieder die Erzeugnisse der Textil-
industrie. Häufig werden Tuche ohne jede nähere Bezeichnung genannt;
einmal begegnen Stamfords; ein andermal rote Tuche, die ein Marseiller
draperius einem der beiden Reeder des S. Egidius in Commenda gibt, ein
drittes Mal 12 Stück halbwollener genuesischer Tuche im Werte von 94^/2 1.
misc. 3) Am häufigsten aber treten die nordfranzösischen Tuche auf. Drei-
mal erscheinen die Tuche von Arras, darunter einmal 6 Stück im Werte von
751. 7 sol. misc. 4), viermal die Tuche von Chalons^), darunter einmal zwei
Ballen im Werte von 200 1. misc. Zweimal sind je 6 Tuche von Chalons
mit einem Tuch von Louviers (de Loerio) und einem barracan (Gesamtwert
79 Va und 61^/2 1. misc), die wohl zum Einschlagen des Ballens benutzt
wurden, zusammen in Commenda gegeben ; ein drittes Mal repräsentiert ein
Stück grünen Tuches von Chalons einen Wert von 16 1. raim. (= 8 1. misc).
Auch die Tuche der Meßstadt Provins begegnen in 3 Fällen ^), einmal ohne
weitere Angaben als graue Tuche; Bernardus de Mausaco führte in Com-
menda 2 Tuchballen im Wert von 231 1. misc, die 12 »pers« von Provins
imd 2 barracani enthielten und einen Ballen bunter Tuche von Provins im
Wert von 58 1. 2 sol. misc. mit sich.
11
Das größte Quantum von Textilwaren, das ein Unternehmer ausführt,
besteht in den 7 Ballen Tuch und 13 Ballen Leinwand, die Musa de Clario __
zur Ausfuhr auf dem S. Egidius von Daniel Doria für 1380 1. misc. kaufte'^); Vi
Leinwand begegnet sonst nur noch einmal, und zwar mit der Angabe ihres
Erzeugungsortes Reims. Von fertigen Gewändern begegnen neben 2 Mänteln
und einem seidenen Obergewand einmal 40 capae von Metz im Wert von
1421/2 1- misc 8)
Zur Verwendung bei der Herstellung kostbarer Tuche war wohl das
Quantum von Goldfäden von Montpellier (400 canones auri filati) im Werte
von 641/2 1. melg. bestimmt, die auf der Bonaventura nach Messina aus-
geführt wurden ; und allerlei Galanteriewaren sind wohl unter dem Begriff
») No. 66, 67.
") No. 68, 72.
") No. 59 (implic. in 1 stamine forti, zusammen mit 1 bila, was Blancard mit
biffe wiedergibt, so daß wohl bifa zu lesen), 347, 245 (12 peciae pannorum de media
lana Janue).
*) No. 192, 220, 679.
») No. 196, 302, 317, 169.
«) No. 135, 56, 85.
') No. 138; leider nur Regest.
») No. 307 ; 135, 479, 576.
«
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs 11. 501
»mersseria« zusammengefaßt, die ein »burserius« von Marseille im Taxwerte
von 9 1. misc. ebendahin in Commenda gab. ^)
Mühlsteine und Eisen als Ausfuhrartikel nach Sizilien haben wir schon
erwähnt. Mehrfach begegnet das Zinn, einmal mit einem Quantum von
10 Ztr. 35 Pfd. im Wert von beinahe 26 1. misc, ein andermal ist nur der
Wert mit 50 1. misc. angegeben, so daß hier auf ein Quantum von etwa
20 Ztr. zu schließen ist. 2) Um metallene Kessel oder Becken handelt
€s sich wohl bei den 31 concae im Wert von 11^/4 1. misc, die auf dem
S. Franciscus nach Sizilien gingen. Wie das Zinn wahrscheinhch aus Eng-
land, so stammte sicher aus Spanien das Quecksilber, das wir in Quan-
titäten von 275 und 520 Pfd. (Wert 37 1. 21/2 sol. und 751/2 1- misc) von
Marseille nach Messina zur Ausfuhr kommen sehen. 3) Dagegen waren
heimischen Ursprungs die ebenfalls dorthin gehenden Korallen; einmal
wird eine »capsia plena coralli« mit 557 Pfd. Inhalt und einem Wert von
57 Vö 1. misc. in Commenda gegeben, ein zweites Mal bilden 893 Pfd. im Wert
von 74 1. misc den Gegenstand einer Handelsgesellschaft. *)
Von proven9alischen Landesprodukten sehen wir in zwei Fällen Man-
deln, einmal im Wert von 78V2 1- misc, in einem Falle 50 Pfd. geschälte
Nüsse nach Messina gehen. 0) Dagegen stammte wohl auch aus Toskana
der von Sienesen in Marseille in Commenda gegebene Safran, der bei
einem Gewicht von 200 Pfd. mit 190 1. misc. in Anrechnung gebracht wurde.^)
395. Auch mit Neapel stand Marseille zur selben Zeit in lebhaftem
Schiffsverkehr. Noch im März 1248 fuhr das lignum »Cervus« dahin ab;
von den 6 Commendae, die wir für diese Fahrt kennen, hat der Schiffer
Petrus Thomasius von Nimes, Bürger von Marseille, fünf übernommen, da-
runter eine in Tuchen von Petrus Bartolomaeus von Nimes, der ebenfalls
Bürger von Marseille und Kompagnon des Marseiller draperius W. Bernardus
war. '') Anfang April ging die tarida S. Antonius nach Neapel 8) ; soweit wir
von ihrer Ladung etwas erfahren (von 11 auf diese Fahrt bezüglichen Com-
mendaverträgen enthalten 6 eine Angabe darüber), bestand sie in Tuchen.
Mitte April folgte die Büse Girfalcus, die der Eigentümer Kaimundus de
Cadro am 23. März an eine Gesellschaft von 5 Personen mit verschiedenen
Anteilen, von denen er selbst sich V16 vorbehielt, für den Gesamtpreis von
150 1. misc. vermietete ; 100 1. davon waren sogleich, der Rest nach der Rück-
kehr von Neapel fällig, die nach längstens zehnwöchentlichem Aufenthalt
in Neapel anzutreten war; alle Kosten der Reise, Besoldung der Mannschaft
u. dgl. fielen der Gesellschaft zur Last. 9) Von 14 Kontrakten für diese Fahrt
enthalten 10 Angaben über die Ladung, die in 7 Fällen in Tuchen besteht.
Ende Mai ging noch ein anderer S. Antonius von Marseille nach Neapel in
See 10) und etwas später wohl das uns mit seinem Namen nicht bekannte
») No. 630, 215.
») No. 95, 131 ; ferner 365 ; einmal 6 Ztr. stagni gitati, 298.
') No. 582 ; 259, 632.
*) No. 559, 467.
") No. 250, 542; 298: 50 Pfd. nucium eissartarum.
«) No. 627.
») No. 7.
') Anfangs erscheint sie zweimal (no. 16 u. 25) unter dem Namen S. Nicolaus;
in no. 223 steht irrig Acre für Naples.
•) No. 106.
'») No. 761, 781 usw.
502 Vierunddreißigstes Kapitel.
Schiff des Raimundus de Caunis. i) Endlich hören wir noch von einer Mar-
seiller tarida »S. Margarita«, deren Schiffer in Neapel Schwierigkeiten ge-
habt hatte, weshalb mehrere Schiffspartner ihre Schiffsanteile (1/4 und ^/g)
Ende März an Petrus Poncius zedierten. 2)
Es geht schon aus dem Angeführten hervor, daß auch unter den Aus-
fuhrartikeln nach Neapel die Tuche die erste Rolle spielten. ^) Stamf ords,
Tuche von Avignon, die schwarzen Tuche von Saint-Quentin werden je ein-
mal genannt 4); mehrfach dagegen die Tuche von Arras, die in zwei Fällen
wieder in der Verbindung mit Barracans auftreten.^) Es begegnen uns ferner
von Waren, die wir schon bei der Einfuhr nach Sizüien kennen gelernt
haben, Mühlsteine, Zinn und geschälte Nüsse; in einem Falle
können wir aus dem Geschäft des Commendagebers als Korallenhändler
auf die von ihm zur Verwertung übergebene Ware schließen.^) Aber auch
weitere Artikel lernen wir hier kennen, die natürlich wie nach Neapel so
auch nach Sizilien gegangen sein werden. Es befinden sich darunter
3V2 Ztr. roher Bernstein im Werte von 20 1. misc, V2 Last Glas (classe)
im Wert von 10 1. misc, während in einer Commenda im Werte von 101 1.
misc, die der Marseiller Giraudus de Jerusalem vergibt, neben Zinn auch
Kupfer und eigentümlicherweise auch cyprischer Indigo erscheinen.
Einmal begegnet endlich auch eine Last Reis (carica de riso) im Werte
von 4 und Färber-Sumach (fustetum) im Werte von 13 V2 1- misc')
Von Waren, die aus Neapel nach Marseille importiert wurden, erfahren
wir nur einmal etwas durch eine Quittung des uns bekannten Schiffers Petrus
Sartor über 42 V2l- misc Fracht für 425 Fässer, die er von Neapel nach Mar-
seille transportiert hatte 8) ; und von jener aus Zinn, Kupfer und Indigo be-
stehenden Commenda wissen wir, daß ihr Erlös, wenn möglich, zum Schiffs-
kauf in Neapel (es ist die Zeit des Kreuzzuges König Ludwigs !) Verwendung ^_
finden sollte. 9) fll
Einmal sehen wir endlich auch Neapolitaner am Handel von Marseille
nach Neapel beteiligt; Angelus Judex von Ravello, des verstorbenen Geor-
gius Judex Sohn, der dem Matthaeus Boccamosca von Neapel von Bugia
her 1650 byz, miliar, schuldete, versprach diesem in Marseille am 26. Juni
1248, ihm dafür binnen 14 Tagen nach ihrer Ankunft in Neapel 194 Gold-
unzen zu erstatten; zu seiner Sicherheit bestellte er ihm als Spezialpfand
die Tuchballen, die er mit sich führte, lo)
39t5. Wenn Friedrich IL es verstand, die Handelsprivilegien der
seemächtigen Fremden auf ein erträgliches Maß zurückzuführen, so
war er natürlich um so weniger geneigt, zu weit gehende Vorrechte der
eigenen Untertanen zu dulden. ^^)
II
») No. 754.
2) No. 188, 189 (nur Regest), 219.
') Noch 1277 sagt Karl von Anjou: Regnum nostrum singulis ad regimen
homani generis habundat, pannis laneis dumtaxat exceptis. Yver 84 A. 1.
") No. 369, 514, 790.
') No. 222 u. 223: 2 Commendae von je 3 panni de Arras u. '/s barracanu»
im Werte von je 4075 1- iJaisc, dazu no. 761.
«) No. 792, 781, 519, 786.
') No. 526, 87, 16.
8) No. 909 (nur Regest).
*) Alaun von Volcano im Marseiller Tarif, oben § 305.
»") No. 926, leider auch von Blancard nur im Regest gegeben.
'*) Rycc. bei Gaudenzi, chron. p. 102, Assisen von Capua rub. 10.
J
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs 11. 503
Am meisten begünstigt war von diesen Messina durch das Privileg
Heinrichs VI. von 1197; es ist nicht anzunehmen, daß es bei der durch die
Assisen von Capua vorgeschriebenen Vorlegung der Privilegien die Bestä-
tigung des Kaisers dafür erlangt hat. Und wenn ihm manche seiner Ge-
wohnheiten auch auf dem Gebiete des Handels erhalten geblieben sein
mochten, so verlor es dieselben sicher, als es sich bei der Verkündigung
der Konstitutionen von Melfi unter Führung des Martinus Ballon! im Sommer
1232 zu einem Aufruhr hinreißen ließ, der erst im folgenden Jahre unter-
drückt werden konnte, i) An eine Aufrechterhaltung der von Tancred her-
rührenden Privilegien Neapels und Gaetas war selbstverständlich nicht
zu denken ; in beiden Städten wurden zur Sicherung ihrer Treue 1223 kaiser-
liche Schlösser errichtet. 2) Als Gregor IX. seinen Krieg mit dem Kaiser be-
gann, schloß sich Gaeta eng an den Papst an und erhielt von ihm im Juni
1229 unter anderen Vorrechten für seinen auswärtigen Handel volle Ab-
gabenfreiheit im ganzen Königreich, das der Papst unter seiner Herrschaft
zu behalten gedachte, zugesichert s); auch als der Papst 1230 seinen Frieden
mit Friedrich II. machen mußte, weigerte eich Gaeta, unter die Herrschaft
des Kaisers zurückzukehren und den Papst von seinen Verpflichtungen zu
entbinden; nach langen Verhandlungen kam man erst 1233 zu einer Ver-
ständigung. Gaeta kam nominell unter die Herrschaft Konrads, des Sohnes
des Kaisers; es erhielt Amnestie und Handelsfreiheit im Königreich, verlor
aber doch sogleich seine Selbstverwaltung und sein eigenes Zollamt. 4) Die
Hauptstadt Palermo hatte in ihrem Privileg von 1200 weit geringere Vor-
teile erlangt wie Messina; dafür wurde dieses auch im September 1221 vom
Kaiser in vollem Umfange bestätigt.^) Die späteren Privilegien, die Friedrich
der stets in seiner Gunst verbleibenden Stadt gewährte (1233 und 1243), ent-
halten Handelsvorteile nicht, wenn man es nicht als einen solchen ansehen
will, daß kein Palermitaner zum Verlassen der Stadt auf irgendwelche Vor-
ladung der Behörden hin gezwungen werden durfte, ß) Auch sonst hat der
Kaiser manche ältere Vorrechte respektiert, wie seine Bestätigung des Pri-
vilegs für den Erzbischof von Girgenti beweist.'^) Auch die Amalfi-
taner, die im ganzen Königreich verstreut. Handel trieben, durften nach
ihren bisherigen Gewohnheiten weiter leben. So lernen wir im Jahre 1233
in Brindisi zwei Judices Ravellensium et Scalensium, Rogerius Pirontus und
Johannes Pirontus Spanus kennen ; mit zwei kaiserlichen Richtern zusammen
fällen sie einen Schiedspruch, der einen Rechtsstreit zwischen Pantaleo Pi-
rontus, dem Sohne des verstorbenen Ravellesen Johannes Pirontus, und dem
Ravellesen Maurus de Maurone über das Eigentumsrecht an neun Häusern
in Brindisi beendet; die Mitwirkung kaiserlicher Richter erklärt sich wohl
daraus, daß Pantaleo als Bürger von Brindisi bezeichnet wird. 8) Noch
») Näheres über den Abfall Messinas Winkelmann II, 402 f., 410, 413 ff.
«) Rycc. de S. Germ., SS. XIX p. 348.
^) Auviay no 311. Winkelmann II, 54 f.
*) Näheres Winkelraann II, 183 ff., 188, 430 ff. Auvray 1428—1431. Const. et
acta n no. 420. Rodenberg I no. 542. Rycc. de S. Genn., SS. XIX, 370 : Justitiarius
Terre Lavoris accedens jussu Imperatoris doanam instituit in ea et consulatu pri-
vavit eandem.
') Vito La Mantia : Antiche consuet. delle citta di Sic. (Palermo 1900), p. 233 f.
«^ Ebd. 234 ff.
') Garufi: L'Archivio Capitolare di Girg. in Arch. sicil., n. s., XXVIII p. 128.
B.-F. 2030.
8) Camera II, 343.
504 Vierunddreißigstes Kapitel.
unter Karl von Anjou durften sich z. B. die Ravellesen und Scalenser
in Neapel ihre Richter »nach ihrer Gewohnheit« aus ihrer eigenen
Mitte wählen. 1) Auch in Melfi begegnet jetzt (1237) eine gewiß schon
geraume Zeit vorhandene »ruga Ravellensium« ; in Capua lag die »pla-
tea Malfitanorum« bei dem Lorenzoki oster, sie wird später geradezu als
der Hauptplatz der Stadt bezeichnet ; und in Neapel gab es sogar eine be-
sondere amalfitanische Kirche, die Peterskirche, an der im Jahre 1242 der
Amalfitaner Maurus als Presbyter und Primicerius wirkte. 2) Dem Bischof
von Ravello bestätigte der Kaiser im Oktober 1231 die ihm nach alten Privi-
legien zustehenden Einnahmen aus der Marktabgabe und dem »Sporengelde«
daselbst; schon im April hatte er sich den Amalfitanern insofern gnädig
bewiesen, als er ihnen die Ausfuhr von Lebensmitteln aus Sizilien für ihren
eigenen Bedarf gestattet hatte, • falls sie Sicherheit stellten, daß sie dieselben
nicht anderweitig veräußern würden ^) ; die Notwendigkeit dieser besonderen
Erlaubnis weist auf eine mißratene Ernte hin.*) Im Januar 1231 sah sich
der Kaiser zu dem Mandat an den Justitiar der Terra di Lavoro veranlaßt,
allen Ravellesen in seinem Bezirk bei Strafe zu befehlen, ihre Frauen und
Kinder bis Pfingsten nach Ravello heimzuschicken ^] ; es scheint also, daß
die Auswanderung der Bevölkerung zu einer dauernden zu werden und den
heimischen Ort zu veröden drohte. Auf jeden Fall sehen wir, daß der Kaiser
dem Handel Amalfis und seiner Nachbarorte nichts in den Weg gelegt hat.
Eine ungewöhnliche Vergünstigung gewährte der Kaiser den Saraze-
nen, die er nach vollständiger Niederwerfung des sizilischen Aufstandes nach
Luceria und Umgebung verpflanzt hatte (1224 oder 1225), wo sie Ackerbau
und Viehzucht, namentlich auch Schafzucht, aber auch allerlei Gewerbe,
wie Teppichweberei, trieben. 6) Nachdem sie in dem päpstlichen Kriege ihre
unbedingte Zuverlässigkeit erwiesen, belohnte sie der Kaiser 1230 mit Freiheit
von der Marktabgabe sowie von Tor- und Passierzöllen für ihren Handel
innerhalb des festländischen Teils des Königreichs. '') Die Insel Sizilien war
begreiflicherweise ausgeschlossen ; als der Kämmerer des südlichen Calabriens
im Jahre 1239 berichtete, daß er Sarazenen von Luceria und Girofalco, die
des Handels wegen nach Calabrien gekommen waren und nach Sizilien weiter-
gehen wollten, den Übergang verwehrt habe, billigte das der Kaiser durchaus
und befahl, ausnahmslos so zu verfahren ; bei den nach Calabrien kommenden
sei sorgfältig darüber zu wachen, wohin sie gingen ; auch sonst hat der Kaiser
damals die Bewegungsfreiheit seiner apulischen Sarazenen eingeschränkt. 8)
') Aus dem Registrum von 1272 bei Yver 186 A. 6.
») Camera H, 341 A. 3 ; I, 205 mit A. 6.
^) Totum plateaticum et calcaraticum. Winkelmann, Acta I, 620 no. 794; 610
no. 774. S. auch Auvray 634 (17. April 1231) zugunsten von Erzbischof und Kapitel
von Amalfi.
*) Wie jene Verordnung bezüglich der Venezianer ; oben § 389.
*) Camera n, 345.
«) Näheres Winkelmann I, 208 f., 537. Ich bemerke nur, daß doch sehr wahr-
scheinlich die Verpflanzung nicht in einem Zuge erfolgt ist. Die von den Sarazenen
Lucerias jährlich abzuliefernden Schafe waren auf die kaiserlichen Massarien zu
verteilen. Acta I no. 940.
'') Winkelmann, Acta I, 606 no. 763 : sine aliquo jure plateatici, dohane vel
passagii. Vgl. Winkelmann II, 280. Wenn damit auch die Befreiung von den Grenz-
zöllen ausgesprochen sein sollte, so fiel diese doch schon im folgenden Jahre bei
Erlaß des Zolltarifs fort.
8) Huillard-Br6h. V, 590 (16. Dez. 1239). Winkelmann I, 209.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregiening Friedrichs 11. 505
397. Für einen Staat mit Gebieten von so reicher natürlicher
Fruchtbarkeit, wie es Sizihen, Apuhen und Campanien waren, mußte
der Getreidehandel von außerordentlicher Bedeutung sein; ihm hat
der Kaiser seine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und aus ihm
die reichsten Einnahmen für seinen Staat zu ziehen verstanden. Ein
Getreidehandelsmonopol hat er zu keiner Zeit, auch für den Ausfuhr-
handel nicht, eingeführt; wohl aber war die Krone die bei weitem
größte Getreideexportfirma des Königreichs.
Das Getreide, über das die Krone direkt verfügte, setzte sich zu-
sammen 1. aus den Erträgnissen der von ihr selbst bewirtschafteten Län-
dereien (massariae), 2. dem von den Gebieten des königlichen Demaniums
abzuliefernden Anteil der Erträgnisse, der am 12. Juni 1231 für Getreide,
Gemüse, Flachs und Hanf auf ein Zwölftel festgesetzt wurde, das jährlich
in die kaiserlichen Getreidemagazine (orrea imperialia) abzuliefern war^),
3. dem an den Fiskus abzugebenden beträchtlichen Anteil des zum Export
bestimmten Getreides, falls der Fiskus es nicht vorzog, entsprechende Geld-
zahlung zu verlangen. Außerdem hatte die Krone natürlich die Möglichkeit,
Getreide von Privaten zum Export zuzukaufen; aber auch ohne das blieb
ihr sicher nach Befriedigung aller eigenen Bedürfnisse (besonders zu mili-
tärischen Zwecken) in Jahren, wo nicht Mißwachs eintrat, ein bedeutender
Überschuß zur freien Verwendung. Leider können wir nicht behaupten,
über alle Phasen der Getreidehandelspolitik des Kaisers ausreichend unter-
richtet zu sein;, vielfach bleibt unser Wissen auch auf diesem besonders
interessanten Gebiete ein fragmentarisches. Aus dem Jahre 1224 hören wir,
daß der Kaiser ein Verbot erlassen habe, Lebensmittel oder sonstige Erzeug-
nisse des eigenen Haushalts nach dem Auslande zu verkaufen. Der Chronist,
der das berichtet, fügt hinzu, daß Lebensmittel und Vieh infolgedessen so
billig geworden seien, daß die Preise die Gestehungskosten nicht mehr deckten.
Nur der Kaiser habe davon Vorteil gehabt; er habe büliger eingekauft und
teurer verkauft, an wen er wollte. 2) Das sieht in der Tat so aus, als ob
der Kaiser den Getreidehandel nach dem Auslande ganz in seine Hände
habe bringen wollen, daß er also aus rein fiskalischem Interesse gehandelt
habe. Indessen ist zu bedenken, daß der Getreideexport bis dahin fast ganz
in den Händen der auswärtigen Seemächte Venedig, Genua, Pisa lag, die
auf Grund ihrer alten Verträge zu weit günstigeren Bedingungen exportieren
konnten, als es den Inländern möglich war. Erließ der Kaiser aber ein
solches Verbot, so verletzte er die alten Verträge nicht und konnte doch
damit die Bevorzugung der Ausländer, die zudem dem Fiskus in hohem
Grade nachteilig war, illusorisch machen. Wenn er selbst verkaufte, so
konnte er den Preis so hoch normieren, daß jede Zollbegünstigung dagegen
verschwand. Und wo er nicht selbst verkaufte, konnte er sich jede Aus-
nahme, die er von dem Verkaufsverbot zuließ, mit der gleichen Wirkung
') Winkelmann Acta I, 615 no. 787 ; für das übrige sollte Verkaufsfreiheit
bestehen. Winkelmann U, 276. Die Beziehung nur auf das Getreide tam in terris
demanii quam in terris aliis ad demanium devolutis hat Naudö 159 A. 4 übersehen.
*) Chron. S. Mariae de Ferraria (Kloster bei Teanum) bei Gaudenzi Chron.
p. 38. Als im Januar 1227 in Rom eine solche Teuerung herrschte, daß der rubus
tritici kaum für 1 1. prov. senatus zu haben war, entsprach der Kaiser sogleich der
Bitte des Pai)ste8, Getreide nach Rom schicken zu lassen. Huillard - Bröh. II, 710.
Winkelmann I, 313.
506 Vierunddreißiggstes Kapitel.
teuer bezahlen lassen. Das scheinen die Ziele gewesen zu sein, denen der
Kaiser mit dem Verbot des Jahres 1224 zustrebte; der Chronist übersah
seine Ziele nicht und die Folgen, die er der Maßregel zuschreibt, scheinen
Schwierigkeiten der Übergangsperiode gewesen zu sein, ehe sich das neue
System eingelebt hatte. Denn daß der Kaiser den privaten Getreidehandel
nicht ausschalten wollte, geht am besten aus den venezianischen Getreide-
käufen, die wir gerade für die nächsten Jahre (1226 ff.) kennen gelernt
haben, hervor; und daß er mit seinem System den privaten Getreidehandel
seiner Untertanen so wenig geschädigt hat wie ihren Getreidebau, beweisen
die Nachrichten aus seinen späteren Regierungsjahren, die uns den Getreide-
export auch der Privaten in vollem Flor zeigen, i) Die außerordentlichen
Gewinne allerdings, die der ausländische Getreidehandel auf Kosten der
Untertanen des Königreichs zu machen gewohnt war, hat der Kaiser stark
beschnitten und zu erhebhchem Teile in die geldbedürftigen Kassen seines
Staates zu leiten gewußt.
398. Den besten Einblick in das System des Kaisers gewähren uns
seine Verfügungen, die für das Winterhalbjahr von 1239 zu 1240 im Re-
gistrum Neapolitanum erhalten sind, für eine Zeit also, wo der Krieg mit
Venedig und Genua eben ausgebrochen war. Gerade damals ordnete der
Kaiser die Eröffnung einer ganzen Reihe von Hafenplätzen für den über-
seeischen Verkehr, zunächst für einen Zeitraum von 5 Jahren an, indem er
zugleich die für die alten Häfen bestehenden Bestimmungen auf die neuen
übertrug. 2) Darnach waren in allen für den Handel eröffneten Häfen von
dem Handel mit Lebensmitteln jeglicher Art und mit Kleinvieh (Schweinen,
Schafen ' und Ziegen) nur die Venezianer ausgeschlossen ; im übrigen aber
vollzog er sich unter scharfer staatlicher Kontrolle. Dem Kontrollbeamten
hatte der Verkäufer das Quantum der verkauften Lebensmittel sowie die
Zahl der verkauften Tiere genau mitzuteilen, bevor die Überweisung an den
Käufer, gleichgültig ob er In- oder Ausländer war, zur Ausfuhr erfolgen
durfte; ebenso durfte die Verladung in die Schiffe durch die Käufer oder
andere Exporteure nur unter staatlicher Aufsicht erfolgen, nachdem eine
genaue Vermessung der Lebensmittel und Ermittelung der Stückzahl beim
Vieh vorgenommen war. Nach dieser amtlichen Feststellung erfolgte die
Ablieferung des dem Staate für die Ausfuhrlicenz zufallenden Anteils ent-
weder in natura, oder wenn es für den Fiskus vorteilhafter schien, in bar
nach dem Verhältnis des Kaufpreises. Dieser Anteil war ein recht hoher;
von Sizilien wenigstens wissen wir, daß er in der Zeit vor der Neuordnung
im Jahre 1239 2) ein volles Drittel betragen hat und früher noch höher ge-
wesen ist. Jetzt wurde »in Fürsorge für den Nutzen der Untertanen, den
er zugleich für eine Förderung des eigenen Nutzens halte«, vom Kaiser be-
stimmt, daß er für die an Lebensmitteln besonders reichen Provinzen Apu-
lien und Sizilien 1/5, für alle übrigen Gebiete nur Vv betragen solle; eine
kleine Manipulationsgebühr von V3 7o trat zu diesen 20 oder 14,3% hinzu.
Über alles das waren genaue Aufzeichnungen zu machen und in einer Jahres-
übersicht der Krone mitzuteilen.^)
*) Vgl. die andere Auffassung von Winkelmann II, 278 f. (darnach Chone 29 f.)
») Huillard-Br^hoUes V, 418—421 u. 954. Winkelmann Acta I, 647 if. no. 841.
') Nicht nachher, wie Naud^ 159 angibt.
*) Die frühere tertiana extractionis victualium in dem Mandat an Angelus
Frisarius, den Sekretus von Messina, vom 25. Dez. 1239; Huillard-Br^h. V, 632;
ebenda die Stelle: in hoc enim utilitati fidelium nostrorum benigne providimus.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs n. 507
Daneben stand nun der Getreidehandel der Krone. Als der Kaiser
etwa im August 1239 den sizilischen Behörden befahl, dem neu ernannten
Admiral Nicolinus Spinola die SchifEe der Krone zu übergeben, wurde ihnen
zugleich aufgetragen, seinen Weisungen bezüglich der Verladung fiskalischer
Lebensmittel oder anderer fiskalischer Waren nachzukommen und falls
solche nicht in zureichender Menge vorhanden seien, zuzukaufen, i) Der
Sekretus von Palermo, der beim Kaiser angefragt hatte, von welchem Ge-
treide der Kauffahrer, den ihm der Kaiser zugeschickt hatte, zugleich mit
den beiden in seinem Bezirk für die Krone verfügbaren Busen beladen
werden sollte, erhielt am 15. Dezember von Sarzana aus den Bescheid, daß
er dazu das fiskalische Getreide und, falls dieses nicht reiche, aus fiskahschen
Mitteln angekauftes Getreide zu verwenden und die Schiffe dann dorthin
zu schicken habe, wo der größte Nutzen zu erwarten sei. 2) Diesem Prinzip
entsprechend erfolgte im Frühjahr 1240 der große Transport von 50000 Last
Getreide auf königlichen Schiffen nach Tunis zu einem Gesamtpreise von
40000 Goldunzen (also 24 Tari pro Last)^), der dem Kaiser um so wichtiger
war, als die Staatskasse damals infolge des Krieges leer war*); am 29. Febr.
erging die Weisung, Privaten die Getreideausfuhr in diesem Falle nicht eher
zu gestatten, als bis die Verladung in die königlichen Schiffe beendet sei;
doch sollten beladen e Schiffe, die die Ausfuhrlicenz schon bezahlt hatten,
am Auslaufen nicht gehindert werden. 0) Keineswegs handelt es sich bei
dieser Weisung um ein Prinzip ß), sondern um eine Maßregel ad hoc, die
unter den begleitenden Umständen durchaus entschuldbar war und nur den
Vorteil des eigenen Landes wahrte. Für den Staat ergab sich aus der Be-
nutzung der günstigen Konjunktur in der Tat ein gewaltiger Gewinn, wenn
man bedenkt, daß das pisanische Konsortium, dem der Kaiser am 1. Januar
1300 Last Weizen verkauft hatte, nur halb soviel für die Last zu zahlen
brauchte 7), während der Fiskus sicher auch dabei schon einen hohen Gewinn,
der mindestens auf 1/3 zu veranschlagen ist, gemacht haben wird. Den Rein-
gewinn, den die Krone mit dem Verkauf der 50 000 Last erzielte, wird man
mit rund 27000 Goldunzen (ca. 1400000 M.) annehmen können. Mit fiskaU-
schem Getreide beglich der Kaiser gelegenthch auch seine Schulden, wie er
quorum commoda nostris accrescere commoditatibus reputamus. Ähnliche Wen-
dungen schon in dem Mandat vom 17. Nov. 1239 an den Sekretus von Palermo,
der Einwendungen gegen die Herabsetzung der Abgaben auf V3 erhoben und die
Befürchtung ausgesprochen hatte, quod pro tam minori pretio universi amodo nego-
ciacionem victualium exercebunt. Diese Herabsetzung kann also auch nicht lange
vorher erfolgt sein; wie hoch die Abgabe vorher gewesen, wissen wir nicht. Der
Kaiser teilt mit, daß er, bestrebt, seinen Untertanen gratiam super gratia facere, in-
zwischen die weitere Ermäßigung auf Vg befohlen habe. Ebd. 507.
') Winkelmann Acta I, 646 no. 839 (undatiert; nach dem 1. August 1239).
*) Huillard-Br^h. V, 571 ; dazu 633 f. für den Sekretus von Messina.
3) Ebd. 793, 7b2. Oben § 236.
*) Winkelmann II, 2H5 ; Naudö 160. Huillard-Bräh. V, 723, 858.
») Huillard-Bröh. V, 780, 782, 793. Vgl. Chone 96.
"») Die Auffassung Winkelmanns 11, 278 A. 5, daß der Kaiser mit dieser Ver-
ordnung nur etwas Hergebrachtes in Erinnerung bringe, kann ich nicht teilen. Die
Deutung, die er dem Verbote von 1224 gegeben hat, ist weder mit dem überlieferten
Wortlaut desselben, noch mit der Schilderung des Chronisten von seinen Folgen
vereinbar. Auch die Heranziehung des Privilegs für Genua von 1157 ist unglück-
lich, da es sich an dieser Stelle um militärische Expeditionen des Königs handelt ;
«. oben § 364. •
') Oben § 387. Vgl. Naud^ 161.
508 Vierunddreißigstes Kapitel.
es am 15. Januar 1240 gegenüber dem Wiener Kaufmann Heinrich Baum tat,
dem er eine Anweisung zur abgabenfreien Ausfuhr von 4462 V2 Last, die
ihm mit nur 10 Tari pro Last angerechnet wurden, ausstellen ließ ; sie galt
erst für die neue Ernte und nur für Apulien und schloß Venedig und einige
Monate darauf auch Genua als Ziel der Ausfuhr aus ; die Übergabe des Ge-
treides sollte an die Bevollmächtigten des Kaufmanns, Josef von Brindisi
und Dietmar, die auch die königliche Anweisung überbrachten, erfolgen, i)
399. Ergänzende Nachrichten, die sich für das letzte Jahrzehnt der Regie-
rung des Kaisers aus dem Registrum Massiliense^) gewinnen lassen, zeigen sein
System in voller Kraft. So gebot der Kaiser in der Mitte des Jahrzehnts
den Hafenmeistern von Apulien streng, den eingerissenen Mißbrauch, die
Marktabgabe (jus plateatici) auch von Lebensmitteln und sonstigen Waren,
die von der Krone angekauft, verkauft oder verschenkt wurden, erheben
zu lassen, abzustellen, s) Dagegen genehmigte er auf ihren Bericht, daß in
den Getreideausfuhrhäfen ihres Bezirkes, Trani, Brindisi und Siponto je zwei
neue Hafenbeamte mit einem Monatsgehalt von je einem Augustalis ^) an-
gestellt wurden ; es sollte dadurch eine verschärfte Aufsicht bei der Vermes-
sung des Getreides und der Beladung der Schiffe, eine genauere Überwachung
der Ein- und Ausfuhr sowie der im Hafen liegenden Schiffe, in die man
nächtlicherweile Getreide oder sonstige Lebensmittel einzuschmuggeln ver-
suchte, ermöglicht werden. 0) Wie wenig der private Getreidehandel durch
die Zollpolitik des Kaisers litt, zeigt der Umstand, daß Getreidekaufleute
sich den Hafenmeistern Siziliens gegenüber gern bereit erklärten, eine höhere
Ausfuhrlicenz (exitura) zu bezahlen, falls ihnen gestattet würde, das von
ihnen angekaufte Getreide an den nächstgelegenen Punkten der Küste zu
verladen, so daß sie nicht nötig hätten, das Getreide erst unter großen Kosten
und Gefahren nach einem der freigegebenen Häfen zu schaffen. Aber der
Kaiser ließ sich darauf nicht ein 6), offenbar weil er Unterschleife befürchtete;
vielmehr schärfte er den beiden Portulanen ein, daß einer von ihnen durch-
aus bei der Verladung zugegen sein müsse, und daß sie sich nur im Notfalle
durch andere vertreten lassen dürften. Im übrigen zeigte sich der Kaiser
bei Notständen durchaus gnädig; als einmal in Terra di Lavoro und im
Prinzipat die Ernte mißraten war, gewährte er den Bewohnern für die Ge-
treideausfuhr aus Sizilien volle Abgabenfreiheit. Der reichliche Gebrauch,
den sie von dieser Vergünstigung machten, veranlaßte die Hafenmeister
Siziliens, beim Kaiser vorstellig zu werden, da auch Sizilien keine allzureiche
Ernte gehabt habe und manche sich durch übermäßigen Verkauf künftiger —.
*) Huillard-Breh. V, 677 f. Am 17. Mai erneuert, da mittlerweile der zustän-
dige kaiserliche Beamte durch einen anderen ersetzt war ; ebd. 993 f. Faraglia 69.
Proven9alischen Kaufleuten wurde es vom Kaiser am 4. XI. 1239 freigestellt, für
ihre Forderung vom Sekretus in Messina Barzahlung oder Getreide »ad illam rationem
qua mercatoribus aliis victualia curie nostre venduntur per eum< zu verlangen. ^1
Huillard-Breh. V, 477. H
*) In der Zeit der Anjous hergestellte Auszüge aus den Registerbüchern der
kaiserlichen Kanzlei, in Marseille aufbewahrt, von Winkelmann Acta I heraus-
gegeben.
") No. 910 p. 686 ; dazu no. 914 betr. Rückerstattung des schon Gezahlten.
*) Auf den Tag erhielten sie also 42 Pfennige ; das kann für die Beurteilung]
der damaligen Kaufkraft des Geldes einen Anhalt geben.
6) No. 915 p. 688.
«) No. 925 p. 703 : volumus quod «lulla vassella nisi in portubus statutis
notis debeant onerari.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs IL 509
Not aussetzten, worauf der Kaiser erwiderte, daß einem Mißbrauch seiner
Gnade allerdings entgegengetreten werden müsse, i)
400. Wenn von einem Getreidemonopol im Königreich nicht die
Rede sein kann, so war der Kaiser dem Monopolgedanken an sich
doch keineswegs abgeneigt; bei der Neugestaltung der Verwaltung im
Jahre 1231 hat der Kaiser Monopole auf Rohseide, Eisen und Stahl^),
Salz, sowie auf den Färbereibetrieb eingeführt.
Die Verwaltung des Seidenmonopols wurde für große Bezirke des
Königreichs je einer Handelsgesellschaft von Juden aus Trani übertragen ^) ;
nur an sie durfte Rohseide verkauft werden; sie hatten angemessene Preise
zu. zahlen und den Weiterverkauf mit einem Nutzen von 33 1/3 % für die
Staatskasse zu besorgen. Natürhch war die Preisdifferenz oft erheblich
größer und das Mehr floß in die Taschen der jüdischen Gesellschaften. Die
Judengemeinde von Trani war besonders reich und angesehen; die Bestäti-
gung ihrer alten Privilegien hatte sie schon im AprU 1221 erlangt^); es sind
wohl griechische Monopoleinrichtungen, deren Übernahme diese Juden dem
Kaiser empfahlen. Auch an die Spitze des technischen und kaufmännischen
Betriebs der verstaatlichten oder für den Staat neu einzurichtenden Fär-
bereien im ganzen Königreiche wurden Juden gestellt; so erfahren wir, daß
die beiden Juden, die die Färberei in Capua einzurichten hatten, angewiesen
waren, von den seidenen, leinenen, baumwollenen und allen anderen Tuchen
dieselben Abgaben für die Krone erheben zu lassen, wie es von der Färberei
in Neapel geschah, s)
Auch von einem Hanfmonopol hören wir, das aber nur mit rein ört-
licher Beschränkung auf die Stadt Neapel bestanden zu haben scheint;
wenigstens ist es nur die Zoll- und Magazinverwaltung dieser Stadt, die am
21. September 1231 neben einer ganzen Reihe von anderen Weisungen auch
die erhält, allen Hanf, der in Neapel eingeführt werde, zu kaufen und nur
mit einem Nutzen von 80% zu verkaufen, ß)
Mit der Verwaltung des staatlichen Eisenmonopols wurden Jacobus de
magistro Milo und Urso de Fusco beauftragt ; sie hatten alles Eisen, gleich-
gültig ob es sich um einheimisches Produkt oder importiertes handelte, zu
angemessenen Preisen anzukaufen, während die von ihnen bestellten Ver-
käufer das Eisen ohne Rücksicht auf die Größe des verlangten Quantums
nur 50% teurer abgeben durften ; alle Beamten des Königreichs wurden an-
1) No. 939 p. 715: gratia nostra volumus non abuti. Naud6 158 A. 3. Die
Behauptung Yvers p. 3, Friedrich 11. habe die inneren Zollschranken beseitigt, be-
ruht nur auf einem Mißverständnis eines kaiserlichen Mandats (H.-Br. V, 773); er
macht den Kaiser sogar zum Freihändler: »il comprend que le commerce vit avant
tout de libertä.i
*) Rycc. de S. Genn., SS. XIX, 365 sagt allerdings: ferrum et aes; aber in
den Konstit. von Melfi (Huill.-Br. IV, 211) steht azarium, und so heißt es auch
später: jus ferri et aczarum (Winkelm. Acta I no. 999 p. 759), so daß ich nicht glaube,
daß mit Winkelmann n, 281 und Naud6 159 ein Kupfermonopol anzunehmen ist.
•) Für Apulien und Calabrien dem Churulia und seinen sozii Ebrei de Trano.
Winkelm. Acta I no. 785 p. 614. Dazu Winkelmann II, 282.
■•) Winkelmann Acta I, no. 221.
») Ebd. no. 796 p. 621. Dazu Winkelmann II, 283. Die Färbereien auf Malta
und Gozzo warfen dem Staat um 1245 jährlich 1060 Tari ab. Acta I, 713 no. 938.
•) No. 793 p. 620. Für diese Auffassung spricht auch, daß Rycc. de S. Ger-
mano von diesem Monopol nichts weiß.
510 Vierunddreißigstes Kapitel.
gewiesen, die beiden Verwalter des Monopols bei ihren Geschäften zu unter-
stützen. 1)
Dieselben beiden Personen wurden auch am 11. April 1231 vom Kaiser
mit der Einrichtung des wichtigsten dieser Monopole, des Salzhandelsmono-
pols, betraut. 2) An der Salzgewinnung änderte sich nichts ; der Kaiser teilte
nur gleichzeitig allen privaten Salineninhabern (natürlich gab es auch damals
schon fiskalische Salinen in größerer Zahl) der gesamten apulischen Küste
in Siponto, Salpi, Cannae, Barletta, Bari, Brindisi, Tarent und der angren-
zenden Gebiete mit, daß der gesamte Salzhandel auf den Fiskus übergehe,
der ihnen für jeden »centenarius« sipontiner Maßes 1/5 Goldunze (etwa 13 M.)
vergüten werde 3) ; auch die Kaufleute hatten alle ihre Salzvorräte abzuliefern
und erhielten dafür außer dem Einkaufspreise einen Zuschlag von 81/3%
für den ihnen entgangenen Gewinn. Jene beiden Vertrauensmänner des Kaisers
hatten nun allerwärts geeignete Personen zum Verschleiß des fiskalischen
Salzes zu bestellen *); die Verkaufspreise wurden beim Verkauf en gros auf
das Vierfache, beim Kleinverkauf auf das Sechsfache des Einkaufspreises
festgesetzt, ö) Der Fiskus sicherte sich damit allerdings auch nach Abzug
aller Verwaltungs- und Transportkosten sehr erhebliche Gewinne. Die hohen
Preise reizten natürlich zu Versuchen, das Monopol zu umgehen; im Sommer
1238 hatte der Kämmerer der Abruzzen zu berichten, daß verschiedene geist-
liche und welthche Vasallen seines Bezirks das Salz nicht bei den fiskali-
schen Verkaufsstätten kauften, sondern gegen die kaiserlichen Vorschriften
aus dem Reiche (d. h. dem angrenzenden Italien) und Apulien einführten;
der Kaiser wies den Justitiar des Bezirks an, gegen solche Schädigung des
Fiskus die bestehenden Strafbestimmungen streng in Anwendung zu bringen.^)
Bei den hohen Verkaufspreisen machte zuweilen auch der Absatz des in
Apulien in großen Mengen gewonnenen Salzes Schwierigkeiten, so daß die
Provinzialbehörde im folgenden Jahre (es war allerdings die Zeit des Aus-
bruchs des Krieges) eine Herabsetzung derselben, wenn auch nur auf einige
Zeit, befürworten zu sollen meinte. Der Kaiser aber fürchtete, daß eine
solche zeitweilige Herabsetzung nur zu leicht übhch werden könnte ^md
gestattete den billigeren Verkauf nur für ein bestimmtes Quantum, damit
die rückständige Bezahlung der Salinenarbeiter davon bestritten werden
könnte. 7) Er muß also mit den Erträgnissen des Monopols doch zufrieden
gewesen sein.
M\
') Winkelmann Acta I, 614 f. no. 786. Dazu Winkelmann U, 282. I^j
«) Ebd. no. 773 p. 609 f. Dazu Winkelmann n, 281 f.
3) Die Preisberechnung, die Winkelmann II, 281 darnach für ein Reichspfund
Salz in unserer Währung vorgenommen hat, wird leider schon dadurch hinfällig,
daß es sich bei den >singuli8 centenariis salis ad mensuram Syponti« doch
schwerlich um Gewichtszentner handeln kann.
*) Die Verwaltung des Salz- und Eisenmonopols wurde vereinigt; im Jahre
1235 war Petrus Vulponus >Magister SaUs et Ferri Curiae« für das westliche Sizi-
lien ; am 23. Juni wies er von Palermo aus den >super venditione Salis et Ferri
Curiae« in Marsala bestellten Beamten an, das dem Abt von S. Maria de Crypta
in Palermo herkömmlich zustehende Recht auf Bezug eines Quantums Salz de sa- ^.
lina insulae S. Pantalei zu respektieren. Vorgänger des Vulponus war Martin vonÄj
Montpellier. Paolucci, Contributo in: Atti di Palermo, ser. 3, vol. 5 (1900), p. 17 no. 7. ^*
*) Winkelmann Acta 1 no. 786 p. 614 (12. Juni 1231). Ein Mandat etwa vom
Juh (no. 789) an den Protontinus von Siponto befreit die bei der Salzgewinnung,
tätigen Arbeiter vom Flottendienst. ^
«) Ebd. no. 819 p. 636.
T) Mandat vom 10. Oktober 1239; B.-F. 2511. Winkelmann n, 281 A. 2.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs II. 511
401. Auch das für den Handel besonders wichtige System der
Grenzzölle wurde vom Kaiser zur selben Zeit^) neu geordnet und mit
dem Fondacatswesen in die engste Verbindung gebracht.
Wer, ob Einheimischer oder Fremder, auf dem See- oder Landwege
Waren zum Zwecke des Verkaufs in das Königreich einführte, hatte diese
in die staatlichen Magazine (fundici vel domus curiae) einzulagern, in denen
auch ihr Verkauf untei* Aufsicht der staatlichen Organe erfolgte. Erst nach
dem Abschluß des Kaufgeschäfts und bevor die Ware das Magazin verließ,
waren Einfuhrzoll und Magazingebühr, diese vom Käufer, jener vom Ver-
käufer zu entrichten. Der Zoll (jus dohanae) war auf 3 Prozent des Ver-
kauf spreies festgesetzt; wenn die ausländischen Sarazenen 10 Prozent zu
zahlen hatten, so beruhte das auf Gegenseitigkeit und entsprach den Be-
stimmungen des im gleichen Jahr abgeschlossenen tunesischen Vertrages.^)
Die Magazingebühr (jus fundici, casaticum) war etwas höher; sie betrug
einen Tari von der Goldunze, also 3^/3 Prozent.
Waren, für die Zoll und Fondacatsgeld gezahlt war, waren für den
weiteren Verkehr freigegeben^) ; insbesondere waren sie frei von der Markt-
abgabe (plateaticum) und konnten auch abgabenfrei nach einem anderen
Seeplatz zum Verkauf übergeführt werden; wenn also beispielsweise Kauf-
leute von Trani Tuche oder andere Waren im Fondaco von Barletta ein-
kauften, so konnten sie bei Vorweisung der Quittung über die in Barletta
erfolgte Zahlung von Zoll und Speichergeld die Waren abgabenfrei nach
Trani schafifen und dort verkaufen.^) Für Waren, die im Fondaco unver-
käuflich blieben, war Speichergeld nur zu entrichten, wenn der Eigentümer
Ausländer war und sie wieder ausführen wollte.^)
In analoger Weise wurde die Verzollung auch bei der Ausfuhr ge-
handhabt. Für die Ausfuhr von Getreide und anderen Viktualien sowie
lebendem Vieh galten die uns bekannten Bestimmungen; auch für die Aus-
fuhr von Öl, Wein, Fleisch und Käse^) waren besondere Bestimmungen vor-
handen, so daß diese Waren der Zwangsmagazinierung nicht unterlagen.
») Am 12. August 1231 : Wink. Acta I no. 790 p. 616 f. Dazu treten erläu-
ternde Bescheide des Kaisers vom Herbst desselben Jahres auf Anfragen der Zoll-
behörden von Trani, Barletta und Neapel ; ebd. no. 792, 793, 795 p^ 619 f. "Winkel-
mann n, 276 ff.
*) Oben § 234. Winkelmann II, 276 betrachtet den Einfuhrzoll irrig als einen
Gewichtszoll, der mit 3 oder 10 Tari (5 Vi oder beinahe 16 M.) von jeglicher Ware
ohne Unterschied erhoben worden wäre. Daß nur ausländische Sarazenen gemeint
sind, sagt der Kaiser ausdrücklich : Omnes Saraceni de Regno solvant jus fundici
et dohane sicut Christiani mercatores ; Acta I p. 619. Das hat Winkelmann 11, 280
A. 3 übersehen.
') Eine besondere beim Übergange der Waren aus den Zollspeichern in den
freien Verkehr erhobene Akzise, von der Winkelmann n, 278 redet, gab es also
nicht.
*) Bescheid des Kaisers no. 795. Dazu p. 620; De mercibus de quibus solu-
tum est jus dohane et fundici, in exitu plateaticum non solvatur.
6) H.-Br. V, 441 (1239). Gegen den Mißbrauch, daß in den Fondachi nicht
selten zu großem Schaden der Verkäufer Tuche von Tuchhändlern und Campsores
angekauft wurden, bei denen sich dann an dem später angesetzten Zahlungstermin
Zahlungsunfähigkeit herausstellte, wandte sich der Kaiser Anfang 1241 : Winkel-
mann Acta I, 655 no. 853.
^) Acta no. 792 : quae in certis capitulis continentur. Diese sind uns nicht
erhalten.
512 Vierunddreißigstes Kapitel.
Die Magazingebühr wurde auch nicht erhoben für Waren, die in den am
Ausfuhrorte selbst domiziüerten Geschäften, Tuchläden u. dgl. zur Ausfuhr
angekauft wurden. Alle sonstigen Waren aber, insbesondere also solche,
die von auswärts kamen und zur Ausfuhr bestimmt waren (die kaiserliche
Verordnung hebt leinene und seidene Tücher besonders hervor), mußten
eingelagert werden und hatten das Lagergeld mit SVs Prozent vom Werte
zu zahlen. Der Ausfuhrzoll aber war nicht so einheitlich gestaltet wie der
Einfuhrzoll; von dem auch für die Ausfuhr geltenden allgemeinen Satze
von 3 Prozent des Wertes, dem z. B. außer allen Tuchwaren auch Pfeffer,
Weihrauch, Brasilholz, Ingwer, Mastix, Indigo unterlagen, gab es einige
weitere Ausnahmen. Auf feinem Baumwollgarn i) ruhte ein Wertzoll von
10 Prozent; syrische Wolle zahlte 3, Flachs 2 Tarl vom Kantär. Früchte
(Kastanien, Nüsse, Haselnüsse, Mandeln u. a.) zahlten 1 Tari für die Last,
Käse ebensoviel für den Zentner, Tunfische 1/2 Tari für das Faß. Ausfuhr-
verbote finden sich für Großvieh (Pferde, Maulesel, Büffel, Rinder, Kälber)
imd für Münzsilber. 2)
Natürlich mußten an allen für den überseeischen Handel offenen Häfen
nun staatüche Fondachi, wo solche nicht schon vorhanden waren, errichtet
werden, die zugleich als Zollämter, aber auch als Herbergen für die fremden
Kaufleute dienten.^) Für Sizilien kennen wir die Anordnung, die der Kaiser
über Art und Zahl dieser Fondachi getroffen hat; in Palermo sollte es bei
der bestehenden Zahl bleiben ; Messina sollte 4, Syrakus 2 Fondachi erhalten,
während für Maremortuum, Licata, Sciacca und Trapani mir je 1 Fondaco
vorgesehen war. Da in Neapel die staatlichen Magazine für die Unter-
bringung der fremden Kaufleute nicht ausreichten, so daß viele in anderen
Fondachi Unterkunft suchen mußten, so bestimmte der Kaiser, daß diese
trotzdem bis zur Fertigstellung der staathchen Neu- und Erweiterungsbauten
die Fondacatsgebühr an den Staat zu zahlen hätten, während dieser die
Entlohnung der privaten Fondachiinhaber übernahm,*) Für Ischia^) hatte
der Kaiser schon einige Monate zuvor verfügt, daß das dortige Hauptfondaco
und ein kleineres einer Dame namens Trocca gehöriges in staatlichen Besitz,
wie es zur Zeit Wilhelms IL gewesen, zurückzuführen seien. Wo an der
Landgrenze Zollämter und Fondachi vorhanden waren , wissen wir nicht ; in
San Germano, dem Wohnsitze Richards, gab es wohl ein solches ; für Solmona
hat der Kaiser im Jahre 1238 auf den Bericht des Kämmerers der Abruzzen
den Bau eines Fondaco genehmigt.^) In der Fondacatsgebühr war die
Bezahlung für Betten, Licht, Holz und Stroh, die den die Ware begleitenden
Kaufleuten zu gewähren waren, mit enthalten.'^)
*) , . . pro cantario bombicis filati subtilis ; p. 617.
*) Acta I, no. 841 (5. Oktober 1239) und no. 822 (19. Juli 1288). Gaudenzi,
Chron. p. 108 (1222),
^) Yver p. 3 hält diese Fondachi für die staatlichen Magazine, aus denen die
Untertanen die schon von den normannischen Königen zu Monopolen erklärten
Artikel zu beziehen hatten. Man sieht, welche Irrtümer auf einem so interessanten
Gebiet, wie es die Handelspolitik Friedrichs 11. ist, auch bei einem sonst verdienst-,^|
vollen Forscher noch möglich sind. jH
*) Acta I no. 793 p. 620. "'
») Ebd. no. 781 p. 612 (30. Mai 1231). Auf Malta und Gozzo (mit ca. 6000 Ein-
wohnern) brachten die jura dohane terre et maris tam vendencium quam emencium
jährlich 2400 Goldtari, bei einer Gesamteinnahme von 14 681 Goldtari, Ebd. no. 938.
«) Ebd. no. 818 p. 635.
') Wenigstens nach den im Oktober 1232 zu San Germano publizierten >a8
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs 11. 513
In den Fondachi, aber auch sonst in allen wichtigeren Orten des König-
reichs waren öffentliche Wagen vorhanden, für deren Benutzung eine ziem-
lich hohe Verwiegungsgebühr an den Fiskus zu entrichten war. Auf eine
Anfrage hatte die Zollverwaltung von Neapel am 21. September 1231 den
Bescheid erhalten, daß sie vom Kantar Messinesischen Gewichts (== 80 kg)
1 Tari erheben sollte; schon im Oktober oder November aber erging eine
besondere Ordnung der staatlichen Verwiegungs- und Vermessungsgebühren.i)
Darnach waren vom Kantar zu 100 Rotuli zu entrichten bei Baumwolle,
Pfeffer, Zucker, Wachs, Indigo, syrischer Wolle und Spezereien vom Käufer
und vom Verkäufer je 1 Tari, bei Käse, Speck, Hanf, grober Wolle und
sonstigen groben Waren (merces grossae) je 1/2 Tari, endlich bei Eisen, Zinn,
Kupfer und Flachs nur 0,3 Tari. Für die Vermessung von Viktualien betrug
die Gebühr, die hier nur vom Käufer zu entrichten war, für die Last (salma)
0,1 Tari. Schon nach einem Jahre wurde indessen die Verwiegungsgebühr
auf ^/4 Tari vom Kantar herabgesetzt.^) Auch eine Ellengebühr ^) für die
Vermessung von Tuchen und Leinwand wurde erhoben, die indessen gegen
den herkömmlichen Satz nicht verändert wurde. Maß und Gewicht sollten
nach einer Verordnung vom Jahre 1231 im ganzen Königreich einheitlich
sein ; Normalmaße und -Gewichte wurden überall aufgestellt (rotuli und tumini)
und mit Strafe war bedroht, wer sich der neueingeführten Maße und Gewichte
nicht bediente oder durch Anwendung gefälschter Maße und Gewichte den
Käufer schädigte. •*) Auf die Dauer durchgesetzt haben sich diese einheit-
lichen Maße und Gewichte für das Königreich allerdings nicht.
Daß auf dem Handel im Binnenlande auch Marktabgaben und Pas-
eierzölle ruhten, ist eine allgemeine Erscheinung der Zeit und war alther-
gebracht; es war ein Verdienst des Kaisers, daß er in den Assisen von Ca^ua
die Beseitigung aller Abgaben dieser und ähnhcher Art, soweit sie erst in
der Zeit der Wirren nach seiner Eltern Tode willkürlich eingerichtet worden
waren, anordnete. 0) Ebenso bestanden an der Küste die Schiffsgebühren
unter verschiedenen Namen (ancoraticum, scalaticum, jus portus) fort.^)
402. Für den Handelsverkehr war natürlich auch die Ordnung
des Geldwesens wichtig.
Als der Kaiser durch Edikt vom 10. September 1222 die in Brindisi,
neugeprägten Denare in seinem Königreiche einführte, ließ er alle Unter-
cisie imperiales« (SS. XIX, 639): De jure casatici remissa sunt grana 8 pro uncia
ita quod mercatoribus qui erunt pro eis providebitur a eustodibus fundici in lectis,
luminaribuB, palea et lignis. Es war also weniger eine Ermäßigung als eine Ver
hinderung weiterer Forderungen der Fondacatsverwalter.
') Acta I, 620 no. 793; 621 f. no. 797.
■■i) SS. XTX, 639.
') Jus cannarum ebd., erscheint bei Winkelmann II, 413 als Akzise auf
(Zucker?) Rohr.
*) Nach Rycc. de S. Germano im September 1231 publiziert ; s. dazu den Be-
scheid für den Kämmerer der Abruzzen von 1238 c Juli (Wink. Acta I, 635 no. 818) :
De hiis qui cannas, mensuras et pondera minuerunt nee novis utuntur ponderibus
aut mensuris sicut per nostram curiam est statutum usw. Faraglia p. 19.
") Rycc. bei Gaudenzi, Chron. p. 102, rub. 8.
«) Winkelmann II, 278. Über Abgaben, die auf der Landwirtschaft und auf
Gewerben ruhten, s. was über Malta berichtet wird : Acta I no. 938 ; die conzatura
(= jus coriorum) Rycc, SS. XIX, 369.
Schaube, Handelsgescbichte der roman. Völker im Mittelalter. 33
514 Vierunddreißigstes Kapitel.
tanen schwören i), alle Käufe nur in dieser Münze abzuschließen und die
neuen Denare zu keinem höheren Kurse als 41 sol. auf die Goldunze anzu-
nehmen und zu keinem niedrigeren als 40 auszugeben ; an jedem Orte wurden
sechs zuverlässige vereidigte Leute bestellt, die die Preise aller Waren in
den neuen Denaren unter Berücksichtigung ihres Wertverhältnisses zu den
alten festzusetzen hatten. Nur zu oft hat der Kaiser später noch aus
fiskalischem Interesse diese Scheidemünze verändert, während er im Jahre 1231
seinem Königreiche in dem Augustalis eine treffliche Goldmünze schenkte.
Den Geldwechsel zog der Kaiser gleich im Anfang seiner Regierung
da, wo er in den Besitz geistlicher und weltlicher Großer übergegangen war,
als Regal an sich, wie wir von M. Cassino wissen 2) ; die Wechslerbuden und
Wechslerbänke bedurften im ganzen Königreich der staatlichen Konzession
und ihre Verpachtung brachte dem Staate eine nicht geringe Einnahme.
Als wegen stürmischen Herbstwetters viele fremde Pilger genötigt waren,
den Winter von 1239 zu 1240 in Messina zuzubringen, schützte sie der oberste
Beamte des Kaisers in Messina gegen Übervorteilungen, denen sie beim Geld-
wechsel und bei Einkäufen ausgesetzt waren, dadurch, daß er besondere
Campsores und andere angesehene Leute als Vertrauensmänner bestellte, die
zu ihrem Schutze verpflichtet waren; der Kaiser sprach diesem Verfahren
seine Anerkennung aus.^) Nicht selten kam es vor, daß die Kaufleute, die
den in den staatlichen Fondachi tätigen Campsores ein besonderes Vertrauen
entgegenbringen zu können meinten, um die Depots, die sie bei ihnen hinter-
legten, ganz gebracht wurden '^), da sich auch die gerichtliche Exekution bei
ihnen als fruchtlos erwies; so ordnete der Kaiser am Anfang des Jahres 1241
an, derartig gewissenlose Personen unter keinen Umständen zum Wechsler-
geschäft zuzulassen, sondern nur solche, die wegen ihrer Zuverlässigkeit und
Sachkenntnis durch personenkundige Männer der betreffenden Orte empfohlen
werden könnten.
Auch der Kaiser hatte seinen besonderen Campsor; 1224 war Raynaldus
Ottoboni in dieser Stellung und Ottobonus stand ihm als Ponderator Imperialis
Curiae zur Seite.^) Als der Kaiser im Dezember 1239 für seine in der trevi-
sanischen Mark stehenden Söldner 10000 Goldunzen brauchte, gab er von
Parma aus dem Johannes Girardini von Trani, der das Geld bei dem mit
einem großen Geldtransport aus dem Königreich angekommenen Henricus
Abbas erheben sollte, zu seiner Abnahme Gewichte mit, die den von der
kaiserlichen Kammer benutzten genau entsprachen ^) ; mit denselben Gewichten
hatte er dann auch die Zuwiegung des Goldes im Lager der kaiserlichen
Truppen vorzunehmen. Dafür, daß der Fiskus beim Geldverkehr mit dem
Publikum nicht zu kurz kam, wurde noch auf besondere Weise gesorgt; im
II
II
') Rycc. bei Gaudenzi Chron. p. 108. Im übrigen s. ob. § 82.
") Rycc. bei Gaudenzi, Chron. p. 101: mensam campsoris et jus sanguinis
Beides waren Verleihungen Heinrichs VI. an den Abt. Vgl. Goldschmidt 162 und
A. 62.
») Huillard-Breh. V, 587 und 813.
*) Winkelmann Acta I no. 858 p. 655 : Mercatores etiam ad eorundem fun^
dicos venientes de mercatoribus in cambio nostro manentibus puri-
tatem omnem presumentes et fidem, deponunt pecuniam suam cum conjH
fidentia penes eos et alia bona sua etc. «■
*) In der Urkunde über das dem Markgrafen von Montferrat für seine Unter-
nehmung nach Thessalonich vom Kaiser gewährte Darlehn von 9000 M. Silber;
Catania, März 1224, Huillard-Br6h. U, 425.
«) Ebd. V, 548 f.
Das sizilische Königreich unter der Selbstregierung Friedrichs n. 515
Herbst 1231 wurde bestimmt, daß bei allen Zahlungen an den Fiskus pro
Tari 2 Gran (also 10%) mehr zu entrichten seien, während der Fiskus bei
Auszahlungen seinerseits bei jedem Tari 2 Gran in Abzug brachte.^)
403. Solche Bestimmungen lassen natürlich den fiskalischen Grund-
zug in den Reformen des Kaisers scharf hervortreten; nur dürfen sie
nicht dazu verleiten, die Verdienste, die sich der Kaiser um die kom-
merzielle Entwickelung seines Königreichs erworben hat, zu unter-
schätzen. Durch seine Handelspolitik hat er es seinen Untertanen
überhaupt erst ermöglicht, es mit der bisher übermächtigen Konkur-
renz der fremden Kaufleute auf zunehmen ^j ; freilich fehlte es vielfach
an der rechten Unternehmungslust und wohl auch an den Kapitalien
zur Ausnutzung der vom Kaiser geschaffenen günstigeren Bedingungen.
Die strenge Ordnung, die der Kaiser überall im Reiche zu schaffen
und zu sichern bemüht war, konnte ebenfalls der Entwicklung des legalen
Handels nur günstig sein. Im Maß- und Gewichtswesen hat er Verbesserungen
eingeführt, die Kaufleute und Publikum nach ihrem vollen Werte zu schätzen
allerdings noch nicht reif waren. Auch dem Marktwesen wandte er seine Für-
sorge zu. Jahr- und Wochenmärkte, die in der Zeit der Wirren durch Usur-
pation (in der Regel, um den Großen des Landes einen Gewinn zu verschaffen)
eingerichtet worden waren, beseitigte er wieder, bestätigte dagegen diejenigen,
die schon zur Zeit Wilhelms H. bestanden hatten.^) Später hielt er es für
zweckmäßig, eine Neuordnung der Haupt Jahrmärkte in dem festländischen
Teil seines Königreichs vorzunehmen *), die im Januar 1234 publiziert wurde
imd in erster Linie darauf berechnet war, eine Kollision derselben zu ver-
meiden, so daß den Händlern der Besuch aller dieser Märkte möglich war,
während es ihnen andererseits untersagt wurde, während der Dauer einer
solchen Messe ihre Waren an einem anderen Orte der betreffenden Provinz
zu Verkauf zu bringen. Das Winterhalbjahr war von diesen Messen, deren
jede etwa 14 Tage dauerte, frei ; die erste fand im Bezirk Abruzzen zu Solmona
statt und begann am 23. April, die zweite zu Capua begann am 22. Mai,
und so folgten sich monateweise nach Süden vorrückend die Messen von
Luceria, Bari, Tarent, Cosenza bis zu der Messe des kalabrischen Reggio, die
am 18. Oktober begann und mit dem 1. November endete.^) Wenn gerade
die volkreichste Stadt, Neapel, und so wichtige Seeplätze wie Brindisi und
Gaeta nicht mit Messen bedacht wurden, so erklärt sich das wohl daraus,
daß bei dem starken ständigen Handelsverkehr an diesen Orten die Ein-
richtung besonderer Meßzeiten überflüssig erschien; aus demselben Grunde
ist die Neuordnung wohl auch nicht auf Sizilien mit seinen großen ständigen,
1) Winkelmann Acta I, 622 no. 797.
') Vgl, die Bestimmung von c. 1247 (Winkelm. Acta I, 703) betr. die regni-
colae . ,, qui merces de regno extrahunt in ultramarinis partibus distrahendas.
') Rycc. bei Gaudenzi Chron. p. 102 rub, 9. Winkelmann I, 531. Chone 23,
Im Jahre 1239 wurde die Einrichtung eines Montagswochenmarkts in der Altstadt
von Termoli, für die die Einwohner 50 Goldunzen versprochen, genehmigt. Huill.
Bröh. V, 442,
*) Rycc. 1, c. p, 146. Winkelmann U, 416,
*) Daß diese Messen wirklich ins Leben getreten sind, was Winkelmann sehr
zweifelhaft erschien, geht daraus hervor, daß sie auch in angiovinischer Zeit, wenn
auch nicht mehr mit dem ursprünglichen ausschließenden Charakter, noch fort-
bestanden. Yver 71,
33*
516 Vierunddreißigstes Kapitel. Das sizilische Königr. unter d. Selbstregierung etc.
an allen Waren Überfluß bietenden Märkten Messina und Palermo ausgedehnt
worden.i)
404. Der Entwickelung des Aktivhandels seiner Untertanen war
auch in erster Linie die Eröffnung der elf neuen Seehäfen zu dienen
bestimmt, die der Kaiser angesichts des Krieges mit Venedig und
Genua am 5. Oktober 1239 in seinem Heerlager bei Mailand verfügte.^)
Es befanden sich darunter die Häfen von PozzuoH, Torre del Garig-
liano, Vietri, Pescara, S. Cataldo bei Bari, Cotrone und auf Sizilien das 1231
neubegründete 3) Agosta und Trapani; im selben Jahre noch wurde auch
dem Wunsche der Bevölkerung von Heraclea (Nordküste der Insel) statt-
gegeben, daß für die Barken der Küstenschiffahrt ein Hafen geschaffen
werden möge und dafür eine Summe von 1000 Tari bewilligt.^) Und wenn
der Kaiser damals seinen Untertanen unter der Hand die Ausfuhr von
Lebensmitteln nach Venedig gestatten ließ^), so mußte auch das dazu bei-
tragen, ihre aktive Betätigung am Seehandel zu entwickeln. Wenn der
Kaiser Maßregeln traf, um Ackerbau und Viehzucht (insbesondere auch die
Schafzucht) zu fördern, wenn er Kulturpflanzen wie Indigo und Henna auf
Sizilien einzubürgern suchte, die Einwanderung begünstigte, die Zucker-
industrie nach Palermo, Waffenfabriken nach Messina verpflanzte, so sind
das nur einzelne Zeugnisse ß) für sein Bestreben, die Quellen der Landes-
wohlfahrt zu vermehren und ergiebiger zu machen, Dinge, die zuletzt ebenso
wie die Entwicklung der Marine'') auch dem Handel zugute kommen
mußten.
Sicher ist dem Kaiser bei seinem Regierungssystem manche Härte,
manche den Handel schädigende Bestimmung untergelaufen — im
ganzen aber bezeichnet seine Tätigkeit auch für die kommerzielle
Entwickelung seines Königreichs den früheren Zeiten gegenüber einen'
wesentlichen Fortschritt, der dadurch freilich beeinträchtigt werden
mußte ^), daß seine Regierung mit einem fast fünfzehnjährigen ge-
') Keinenfalls ist die Messe von Reggio zugleich die für Sizilien, wie Winkel-
mann II, 416 A. 2 annimmt.
«) Huillard-Br^h. V, 418 ff., 954 f. Winkelmann Acta I no. 841 p. 647 ff. Vgl.
Chone 85 f.
=•) Scheffer-Boichorst p. 250 f.
*) Huillard-Bräh. V, 633.
») Oben § 390.
6) Huillard-Bröh. IV, 238 ; V, 423, 571, 574, 722 ; W. Acta I no. 799, 816, 940.
Naude 159. Über Henna (Benutzung der Blätter zur Färberei in orange) s. Wiesner
n (1903) p. 602.
") Wenn der Kaiser Anfang 1240 als seinen Willen kundgibt, daß immer
10 Schiffe für seinen Dienst zur Verfügung ständen, so sind damit offenbar Handels-
schiffe gemeint ; er genehmigte damals den Verkauf eines abgenutzten Schiffes für
300 Goldunzen mit der Weisung, unverzüglich ein neues anzukaufen. Huillard-
Br6h. V, 780, 782.
8) Es ist ein Zeichen der wachsenden Geldnot, daß der Kaiser im Jahre 1244
dem Sekretus des westlichen Sizilien (und entsprechend sicher auch den Behörden
in den anderen Provinzen) befahl, die kaiserlichen Einkünfte daselbst höher zu
verpachten. Der Sekretus begann mit den auf den öft'entlichen Plätzen errichteten
Häusern, Läden und Buden in Palermo, die bisher ein (fixiertes) Drittel ihrer Ein-
künfte abzuführen gehabt. Im September berichtet er über einen Fall, wo ihm die
Steigerung der bisherigen Pacht von 24 Tari (prout in quaternione doane apothe-
carum continebatur) auf 32 gelang. Acta I no. 707.
II
d
Fünfunddreißigstes Kapitel. Sardinien und Korsika. 517
waltigen Kriege schloß, der sich zwar fast ganz außerhalb der Grenzen
der siziUschen Monarchie abspielte, dafür aber fast ausschließlich mit
ihren Mitteln geführt werden mußte. ^)
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Sardinien und Korsika.
405. Je größer die Erfolge waren, die Genua am Anfang des
12. Jahrhunderts im fernen Syrien errang, um so unerträglicher er-
schien ihm die dominierende Stellung, die Pisa, auf die geistliche Ge-
walt seines Erzbischofs gestützt, auf dem fast vor seinen Toren ge-
legenen Korsika einnahm.
Im Jahre 1119 begann, äußerlich um die Frage der Weihe der korsi-
kanischen Bischöfe, im Grunde aber um sehr materielle Macht- und Handels-
interessen, ein Krieg, der mit geringen Unterbrechungen bis 1133 dauerte.
Interessant und bezeichnend ist die Rolle, die das Geld von Anfang an in
diesem Streite spielte. Papst Calixt II., der noch im Mai 1120 bei seinem
Zuge durch Pisa die Privilegien seiner Vorgänger erneuert hatte 2), ließ sich
mit der gesamten Kurie durch genuesisches Geld gewinnen; wie uns der
erhaltene Bericht des damaligen genuesischen Gesandten CafEaro und der
Vertrag vom Juni 1120 dartun, erhielt der Papst selbst 1700 Mark Silber;
im ganzen haben Caffaro und sein Mitgesandter damals in Rom gegen
2300 Mark Silber, 350 Goldunzen und 100 1. paveser Denare für ihre Be-
stechungszwecke aufwenden müssen. Und mit gewaltigem Aufgebot unter-
stützten die Genuesen gleichzeitig den neu gewonnenen Anspruch : mit einer
Flotte von 80 Galeeren, 63 kleineren Schüfen (gatis et golabis) und 22000
Mann, worunter 5000 mit Panzern und Erzhelmen bewaffneten, zwangen
sie die Pisaner zum Nachgeben (noch im September 1120).^) Doch schon
im folgenden Jahre brach der Krieg wieder aus, der sich namentlich um
das castrum S. Angeli drehte; im Jahre 1126 machte der den Pisanern ge-
wogene Honorius II. den Spruch seines Vorgängers wieder rückgängig.'*)
Erst Innocenz II. aber schlichtete durch ein Kompromiß den langen Streit
(1133)^): Genua, zum Erzbistum erhoben, das dem pisanischen im Range
gleichstehen sollte, erhielt die Sprengel von Mariano, Nebbio und Accia
•) Der Auffassung Winkelmanns II, 286, daß des Kaisers sizilisches Walten
im Grunde nur ein Raubbau gewesen, vermag ich mich nicht anzuschließen.
*) Lib. jur. I, p. 21 ff. Imperiale p. 380 ff. Neuere Literatur: Dove A., Kor-
sika und Sardinien in den Schenkungen an die Päpste. München 1894 (S.-B. d.
Ak. d. Wiss.) Colonna de Cesari Rocca, Recherches sur la Corse au moyen-äge.
Origine de la rivalit^ des Pisans et des Gönois en Corse (1014 — 1174). Genua 1901.
Manfroni 172 ff.
») SS. XVIII, 856. Pflugk-Harttung, Iter p. 456. Imperiale nota 22 p. 387. Zu-
letzt nach dem Original ann. genovesi I p. 20 not. 1. Die Mark Silber wurde mit
13, die uncia auri de tarinis mit 10 solidi papiensis raonete berechnet.
«) J.-L. no. 7266.
») Lib. Jur. I no. 33 (20. März) ; Pflugk-Harttung, Acta II no. 312 p. 273. Im-
periale p. 392 f. u. 395 f. ; vgl. Cod. Sard. I, p. 212.
518 Fünfunddreißigstes Kapitel.
(letzteres aus Gebietsteilen von Mariana und Aleria neu gebildet), während
dem pisanischen Erzbischof die Weihe der drei anderen Bischöfe, von Aleria,
Ajaccio und Sagona, verblieb. Damit war der nordöstliche Teil der Insel,
ungefähr 1/3 des Ganzen, dem bis dahin überwiegenden p!sanischen Ein-
flüsse, soweit er auf der geistlichen Autorität beruhte, entzogen. Doch muß
man bei alledem immer festhalten, daß von einer wirklichen Beherrschung
dieses oder des anderen Teils, sei es durch die Genuesen oder durch die
Pisaner, nicht die Rede sein kann; nur einzelne Stützpunkte besaßen die
beiden Nationen für ihren Handel auf der Insel, und die lokalen Macht-
haber änderten ihr Verhalten ihnen gegenüber oft genug nach Gelegenheit
und Vorteil.
406. Für unsere Kenntnis des Handelsverkehrs der beiden Seestädte
mit der Insel ist zunächst die pisanische SeezinstabeUe beachtenswert, die
Corsica et Gaulo usque ad Agrile mit 15, Balania et toto de Pomonte mit
171/2 Prozent aufführt.^) Unter Korsika muß hier nur das in das C. Corso
auslaufende Nordhorn der Insel verstanden sein; Golo ist der Name des
größten Flusses der Insel im Nordosten derselben; Agrile ist vielleicht mit
dem heutigen Algajola im Nordwesten identisch. Wie das auch der ge-
ringeren Entfernung entspricht, galt also der niedrigere Satz für den nörd-
lichen, Pisa etwas näher gelegenen Teil der Insel, größtenteils also denselben,
der 1133 der Hoheit des genuesischen Erzbischofs zugesprochen war. Mit
Pomonte scheint die ganze Ostküste südlich vom Gebiet des Flusses Golo,
mit der Balagna die ganze Westküste gemeint zu sein; der Seezins nach
diesen Gebieten war gleich hoch wie für Fahrten nach Marseille. Im Mai
1119 wurden, wie uns Caffaro berichtet, Pisaner mit vielen Waren (cum
magna pecunia) von 16 genuesischen Galeeren »in Gaulo« gefangen ge-
nommen, wonach das Gebiet für den pisanischen Handel besonders wichtig
gewesen sein muß. In demselben Gebiet ließen die Pisaner unter dem
Sicherheitsversprechen (sub fidantia) des Markgrafen im Jahre 1174 2) ein
großes Schiff erbauen, doch wurde es von 6 genuesischen Galeeren in Ge-
meinschaft mit dem treubrüchigen Markgrafen verbrannt. Diente so das
waldreiche Korsika unmittelbar dem Schiffbau der handeltreibenden Nationen,
so gelangten auch Schiffsplanken und anderes Bauholz, Pech u. dgl. zur
Ausfuhr, wofür wir eine ausdrückliche Bestätigung in dem Gedichte über
den BalearenfeldzugS) der Pisaner besitzen. Auch die pisanischen fabri
fanden in Korsika ein Feld für ihre Tätigkeit.*) Aus den genuesischen
Quellen werden wir belehrt, daß außerdem Getreide einen wichtigen Aus-
fuhrartikel bildete, während Salz bei der Einfuhr nach der Insel eine große
Rolle spielte. Jedes Schiff, das von Korsika nach Genua kam, zahlte an
die erzbischöfliche Kurie einen Zehnten von 7 sol., war es aber zum größeren
Teil mit Getreide beladen, so war für jede Person auf dem Schiffe eine Mina
in natura zu entrichten. Häufig war der Fall, daß genuesische Schiffe von
Genua selbst oder einem Orte seines Gebiets mit Salz nach Korsika gingen.
11
1) Bonaini II p. 905. ^1
») Ann. pis., SS. XIX, 265.
') Lib. Maiolich. p. 10 v. 98: Quicquid tunc habuit nemorosi Corsica ligni
Aut picis innumeros ratium defertur ad usus. Vier archivalische Zitate für das
Vorkommen korsischer Sklavinnen in Pisa aus den .lahren 1117—1158 gibt Volp©j
121 A. 1.
*) Urkunde des Erzbischofs Roger für die Fabri von 1129 bei Bonaini
p. 891 f. (>ad fabrilia negotia exercenda«).
Sardinien und Korsika. 519
und dort dafür Getreide luden, häufig auch, daß sie Salz von Sardinien nach
Korsika brachten und von hier mit Getreide nach Genua weiter gingen;
der erzbischöfliche Zehnte steigerte sich in letzterem Falle auf den drei-
fachen Betrag.^) Auffallend könnte es scheinen, daß Korsika in dem Notu-
larium des Johannes niemals erwähnt wird; doch ist daraus wohl nur zu
schließen, daß der Handelsbetrieb mit der nahe gelegenen Insel sich in
kleineren Verhältnissen und altgewohnten Formen bewegte, die zu notariellen
Beurkundungen weniger Veranlassung boten.2)
Eine wesentliche Verstärkung der pisanischen Stellung auf der Insel
schien es zu bedeuten, als die Pisaner um die Mitte der achtziger Jahre mit
geschickter Wahl der Örtüchkeit nahe der Südspitze eine Feste, das »castrum
Bonifacii«, erbauten, die zugleich für den Besitz des gegenüberliegenden
Nordens von Sardinien von hoher Wichtigkeit sein mußte. Vielleicht war
dieser Bau auch erst die Antwort der Pisaner auf den Vertrag, den Genua
im November 1186 mit dem Judex von Torres geschlossen. Jedenfalls brach
schon im folgenden Jahre, wegen der Vorgänge in Syrien sehr zur Unzeit,
der offene Krieg zwischen den beiden Seestädten wieder aus; trotz kaiser-
licher Intervention zog Fulco de Castello mit 10 Galeeren vor Bonifacio,
eroberte das Kastell und zerstörte es völlig.^) Bei dieser Zerstörung behielt
es auch im FriedÄi von 1188, der den Pisanern sonst manche Vorteile
brachte, sein Bewenden.
407. Erst mit dem 12. Jahrhundert tritt die kommerzielle Stel-
lung der Pisaner und Genuesen auf der vorher wie nachher nicht
minder wie Korsika vielumstrittenen Insel Sardinien in ein helleres
Licht; Fehden der vier Judikate untereinander und innerhalb der-
selben, auf die einzugehen uns hier fern liegt, bewirkten immer wieder
die Hereinziehung der Seemächte in die sardinischen Händel, begün-
stigten die Verleihung von Besitzungen, Rechten und Handelsprivi-
legien an diese, ließen aber auch die von ihnen gewonnene Stellung
oft genug unsicher und gefährdet erscheinen. Was aber im 11. Jahr-
hundert schon angebahnt und stark vorbereitet war, vollendete sich
im zwölften; die kommerzielle Ausbeutung der Insel lag vollständig
in der Hand der vom Norden des Tyrrhenischen Meeres kommenden
Kaufleute, der Pisaner in erster Linie und nächst ihnen der Genuesen.
In dem Judikat des Südens, dem wichtigsten der Insel, erlangten die
Pisaner schon am Anfang des Jahrhunderts erhebliche Zugeständnisse. Im
Mai 1103 erließ der Judex Turbinus von Cagliari, um sich die Freundschaft
der Pisaner zu erhalten und zu verhüten, daß sie ihn und sein »regnum«
schädigten, seinen »getreuesten Freunden«, wie er die Pisaner nennt, eine
Reihe von ihnen bisher entrichteter Abgaben: den Winter- und Sommerzoll
') Atti Lig. II, 2 p. 10 f. ; vgl. Lib. Jur. I no. 909 (Ablösung der Decima im
Jahre 1258). Auch der cintracus Genuas erhob von jedem lignum, das nach Kor-
sika ging, eine mina grani ; ib. no. 75.
*) Eine Urkunde von 1149 erwähnt die Einfuhr von »lenis Corsicist durch
die Pisaner nach Genua; Lib. Jur. I no. 151. Im Texte steht zwar »de lenis et
corsicis et sacris Sardineec; da es aber weiter unten heißt >de lena et sacro«, so
ist das et offenbar zu streichen, so daß es sich also um die Einfuhr von korsischen
Bettlaken handelt.
^) Ann. genovesi 11, j). 25 (1187) »castrum Bonifacii quod Pisani construxerant.«
520 Fünfunddreißigstes Kapitel.
(wohl Abgaben, die von den vor Anker geehenden Schiffen erhoben wurden)
und den Salzzoll i); und nicht ganz 5 Jahre später erweiterte sein Nach-
folger, der Judex Torchitor, auch Mariano genannt, dies Privileg sehr wesent-
lich.2) Die Pisaner hatten ihn ein Jahr lang mit 3 Galeeren unterstützt,
große Bedrängnis auf der im Südwesten seines Judikats gelegenen Isola di
8. Antioco (genau genommen einer Halbinsel) mit ihm erduldet und durch
ihre Tapferkeit das meiste zu seinem schließlichen Erfolge über einen Prä-
tendenten beigetragen. Dafür erließ er nun allen Pisanern jegliche Abgabe
in seinem Gebiet, schenkte dem Dom vier große ritterschaftliche Höfe und
verpflichtete sich außerdem, alljährlich an den Dom 1 Pfund besten Goldes
oder dessen Wert sowie eine Schiffsladung guten Salzes auf eigene Kosten
nach Pisa zu schicken.^) Sein Sohn und Nachfolger Constantin II. hat am
13. Februar 1130 alle diese Verleihungen bestätigt.^) Auf die Thronbesteigung
Torchitors geht auch die Stellung der Genuesen im Judikat zurück. Zum
Dank dafür, daß sie ihn mit 6 Galeeren unter der Führung des Otto For-
narius unterstützt hatten, verlieh er am 18. Juni 1107 dem Dom von Genua
6 Höfe, verhieß ihm einen jährlichen Tribut von 1 Pfund Gold und über-
wies ihm alle bisher von den Genuesen entrichteten Abgaben. Drei von
den 6 curtes wurden 1120 gegen 6 andere von geringerem Werte einge-
tauscht, ein Tausch, den der Freund der Genuesen, Pj^st Calixt II., am
5. Januar 1121 feierHch bestätigte.^)
In dem den Pisanern zmiächst gelegenen Judikat Gallura, das den
größten Teil der steilen, im ganzen wenig einladenden Ostküste der Insel
einnahm, haben die Pisaner im 2. Jahrzehnt des Jahrhunderts eine beherr-
schende Position erlangt. Zunächst belehnte Padulesa de Gunale, die Witwe
Torchitorios, am 14. März 1113 den Bevollmächtigten der Dombauverwaltung,
Richter Ildebrandus, mit einer »in curatoria de Civita« (bei dem heutigen
Terranova) gelegenen curtis integra mit allem Zubehör 6); offenbar war sie,
die von dem Judex Othocor heftig befehdet wurde — aus Furcht vor ihm
war bei der Beurkundung der Schenkung kein angesehener Sarde als Zeuge
zugegen — ganz auf die Hilfe der Pisaner angewiesen. Wenig später aber
zog es auch Othocor (Orzocorre, Ithocor) vor, sich mit den Pisanern gut zu
stellen ; er bestätigte die Schenkung der Padulesa nicht nur ^), sondern leistete
dem Dom und dem Comune von Pisa den Treueid und fügte seinerseits
am 8. Mai 1116 4 curtes mit Kirchen und allem Zubehör hinzu; feierlich
versprach er, die Sicherheit der Bevollmächtigten, die der Dom zur Ver-,
waltung seiner Höfe nach Gallura schicken würde, zu garantieren und einen
Jahrestribut von 1 Pfund guten Goldes zu zahlen.^)
*) >tolineum de yberno et de estate et de sale« ; Chart. 11 no. 150 p. 191 f
Cod. Sard. I p. 177.
2) Bonaini I p. 277 ; Cod. Sard. I p. 181. Datiert 1108, ind. I, 7 Kai . . ., wo
nach die Urkunde in das Ende eines der Monate vom September 1107 bis Februar'
1108 gehört. Über die Judices von Cagliari in dieser Zeit s. Besta: Nuovi studi
im Arch. it., s. 5, XXVII (1901), 51 ff.
*) Eine weitere Schenkung (Murat. Antiqu. II, 1055) beziehen Manno und
Bonaini (1. c.) auf denselben Judex.
*) Bonaini I p. 278; Chart. II no. 167; Cod. Sard. I p.'206.
") Cod. Sard. I p. 178 no. 3 (no. 4 p. 179 ein Verzeichnis der servi und an-
cillae auf den curtes); p. 201 f. no. 29 und 31.
«) Bonaini I, 280. Chart. II no. 153. Cod. Sard. I p. 184 f.
') Bonaini I, 281 f., Cod. Sard. I p. 191 f.
8) Bonaini I, 280 ; Chart. H no. 157 ; Cod. Sard. I p. 195. Ein Konsul von Hsa,
I
Sardinien und Korsika. 521
408. In Torres, dem Judikat des Nordwestens, genossen die Pisaner
schon seit der Zeit des Bischofs Gerhard Freiheit von Handelsabgaben; im
Jahre 1131 gesellten sich wichtige Erwerbungen dazu.^) Der Judex Gon-
nario II. war damals in Krieg mit seinem südlichen Nachbar, dem Judex
von Arborea, verwickelt und erschien selbst in Pisa, um die Hilfe der Re-
publik gegen diesen nachzusuchen. Am 6. März 1131 leistete er dem pisa-
nischen Erzbischof den Treueid, versprach den Pisanern Rechtsschutz in
seinem Gebiete, wie ihn seine eigenen Untertanen genössen (secundum usum
Sardinee terre) und schenkte dem Dom 2 große ritterschaftliche Höfe mit
allem Zubehör an Hörigen, Vieh, Ländereien und Salinen; der eine davon
lag in der Landschaft Nurra im Nordwesten des Judikats, der andere war
Bosa an der Westküste. Als besonders wertvollen Besitz fügte er endlich
noch die Hälfte des Silberberges (montis qui dicitur Argenti, heut Argen-
tiera) hinzu. Die Hilfe, die der Judex von Torres bei Pisa fand, veranlaßte
seinen Gegner, sich den Genuesen zuzuwenden. Auch in den sardinischen
Gewässern hatte der damalige Krieg der beiden Seestädte sich gelegentlich
abgespielt, und es ist ein Beweis für die Lebhaftigkeit des pisanischen
Handels mit der Insel, daß im Jahre 1124 den Genuesen ein ganzer Zug
von 22 reichbeladenen pisanischen Schiffen, der. von Sardinien kam, nach
der Flucht der zu seiner Deckung bestimmten 9 Galeeren in die Häilde
flel.2) Jetzt erschien auf ein Gesuch Comitas IL von Arborea der genue-
sische Konsul de comuni Otto Gontardus (von 1131) in Sardinien, und der
Judex leistete nun in der Hoffnung auf Verteidigung seines Reiches durch
die Genuesen im Dezember in seine Hand den Treueid für Genua; der
Laurentiuskirche und dem Comune von Genua schenkte er in der Ebene
von Arborea eine Kirche (s. Petrus de Claro) mit Zubehör, einen ritterschaft-
lichen Hof mit 100 Hörigen und die Hälfte aller Silbererze führenden Berge
in seinem ganzen Judikat (medietatem montium in quibus invenitur vena
argenti). Da er zugleich Anspruch auf Torres erhob und dieses mit Hilfe
der Genuesen zu erobern hoffte, so erwies er sich in bezug auf dieses
Judikat nicht minder freigebig ; 2 ihm selbst und 2 seinen Verwandten ge-
hörige Höfe verlieh er ihnen hier sowie 1/4 aller Silbererze führenden Berge.
Zunächst waren diese Verleihungen für den Fall ausgestellt, daß es ihm
gelänge, das »Regnum Turris« zu erwerben; auf Wunsch der Genuesen
aber ließ er diese hypothetische Fassung fallen; die bedingungslose, wenn
auch nicht ausführbare Verleihung erschien den Genuesen offenbar als ein
für die Zukunft wertvollerer Rechtstitel.^)
Die Hoffnungen der Genuesen gingen fürs erste nicht in Erfüllung;
vielmehr stärkte der Friede von 1133 die Stellung der Pisaner auf Sardinien
ungemein ; wenn sie auf Korsika den Genuesen große Vorteile lassen mußten,
so konnte alles das wohl als aufgewogen gelten durch die Zugeständnisse,;
die ihnen die Kurie in bezug auf Sardinien machte und 1138 feierlich be-
Albertus, der Richter Rainerius und der Operarius Bellus sind bei der Schenkung
zugegen. Den undatierten Treueid Ithocors (ib. 279 und 192) setze ich nur wenig
früher; in ihm wird die Schenkung der vier Höfe versprochen.
') Oben § 36. ßonaini 1, 283. Chart. II no. 170. Cod. Sard. I p. 206 f.
*) Ann. genov. I, 21 : naves 22 ex magna peccunia ponderatas.
') Lib. Jur. I no. 28; no. 30 (hier fehlen die genuesischen Zeugen und ist
eine andere Kirche benannt), ersetzt durch no. 29 (wo es nunmehr auch in bezug
auf das Judikat Torres >dono< und nicht mehr »dabo« heißt). Cod. Satd. I no. 41/
42 p. 207 f. Chart. I no. 468 p. 767 (irrig zum 31. Dezember datiert).
522 Fünfunddreißigstes Kapitel.
stätigte: dem Erzbistum Pisa wurden nunmehr die beiden Bistümer des
Judikats Gallura, Civita und Galtellia, als Suffraganbistümer unterstellt,
außerdem erhielt der Erzbischof die Legation für die ganze Insel, die schon
Urban II. einmal dem pisanischen Erzbischof verliehen, und dazu den Primat
über das Erzbistum Torres, in dessen Sprengel Pisa wenige Jahre vorher
so wichtige Rechte erworben hatte.i)
409. Es folgte nun eine dreißigjährige Friedenszeit, innerhalb deren
die beiden Rivalen in friedlichem Wettbewerb ihre kommerzielle Tätigkeit
auf der Insel entfalten konnten. Schon aus der bisherigen Darstellung er-
gibt sich, daß für den Export aus Sardinien vor allem die Produkte der
Landwirtschaft, ferner Salz und Metalle, namentlich Silber, in Betracht
kamen ; auch Edrisi 2) spricht von den sardischen Bergwerken besten Silbers,
das von hier zur Ausfuhr gelange. Positive Nachrichten über den Handel
mit Sardinien liegen in etwas größerer Zahl für Genua vor. In Genua
zahlte jedes von Sardinien kommende Schiff einen Zehnten von 9 sol. an
den Erzbischof; Getreideschiffe indessen hatten die übliche Naturalabgabe
von 1 Mina Getreide, Salzschiffe eine solche von 3 Minae Salz für jede
Person auf dem Schiffe zu entrichten, wozu noch ein gleicher Betrag pro
Schiff für den cintracus kam. Auch hatte man im Jahre 1134 den Salz-
schiffen zum Zwecke des Molobaues in Genua eine weitere Abgabe von
1 Mina Salz auferlegt 3); überwiegend kam wohl das von den Genuesen ex-
portierte Salz aus den ergiebigen Salinen am Golf von Oristano im Judikat
Arborea.
Die Akten des genuesischen Notars Johannes weisen im ganzen
18 Nummern auf, die den Verkehr Genuas mit Sardinien betreffen; einiges
daraus sei hervorgehoben. Lurussus von Lucca, Garucius von Porto Venere
und der daselbst naturalisierte Bolognese Martin us*) haben von Puella in
Genua 3^/2 Zentner »canapaciorum« gekauft, zahlen aber laut Vertrag vom
10. Juli 1161 den vollen Kaufpreis mit 6 1. 1 sol. 4 den. jan. erst innerhalb
eines Monats nach behaltener Rückkehr einerseits des Fahrzeugs, auf dem
Martin mit 2^/2 Zentner der Ware nach Sardinien reiste, anderseits des von
ihnen selbst in Genua angekauften lignum, auf dem der Rest der Ware
eingeschifft werden sollte. Im Jahre vorher war Puella selbst auf einer
Handelsreise in Sardinien gewesen, für die er sich mit dem uns bekannten
Tuchhändler Blancardus assoziiert hatte; er verfügte dabei über ein Gesell-
schaftskapital von 249 1. jan.ö), das höchste, das wir aus diesen Akten für
eine Handelsfahrt nach Sardinien nachweisen können.
11
0 Oben p. 521. Bestätigungsurkunde vom 1. Mai 1138 bei Ughelli m, 389 f.
Cod. Sard. I no. 49 p. 212. Bernhardi, Lothar S. 464 A. 8. Schon 1135 entscheidet
Erzbischof Ubert von Pisa als Legat einen Klosterstreit auf Sardinien. Cod. Sard. I
p. 209 no. 44 (»in Consilio apud Arderam habito«). Dove 1. c. 205 ff.
») Ed. Amari p. 18.
») Atti Lig. II, 2 p. 10 und 11. Lib. Jur. I no. 36 und 75.
*) Chart. II no. 1064. Daß Martin von Bologna ständiger Einwohner von Porto
Venere war, geht aus einer Urkunde von 1173 (Lib. Jur. I no. 300) hervor. Im An-
schluß an den erwähnten Einfuhrartikel sei bemerkt, daß in einem Nachlaßinventar
vom 17. Juni 1164 die Pfleger folgenden Posten aufführen: tele brachia 50 et
mezenas 4, quas dedimus in Sardinia pro solidis 21. Chart. II no. 1427.
») Chart, n no. 866 und 869 (29. April und 1. Mai).
11
i
Sardinien und Korsika. 523
An ähnlichen direkten Nachrichten über den Handel der Pisaner mit
Sardinien fehlt es uns nur zu sehr. Recht bezeichnend ist aber, daß sie
unter Umständen sardinische Waren selbst nach Genua ausführten; billige
Erzeugnisse einer primitiven Textilindustrie sind wohl unter den »sacris
Sardinee« zu verstehen, bezüglich derer die Vicecomites von Genua 1149
zeugeneidhch feststellen ließen, daß die Pisaner bei deren Einfuhr seit alter
Zeit eine Abgabe von 1 pavesischen Denar zu leisten hätten.^) Bessere
Woll-, Baumwoll- und Leinenstoffe wurden natürlich von Pisa aus nach
der Insel exportiert ; pisanische Barsche (sagu pisanu) begegnet in Sardinien
mehrfach schon im 11. Jahrhundert.^) Umgekehrt bildete neben Silber, Salz
und Getreide jedenfalls auch Wolle einen Hauptgegenstand des Exports
der Pisaner aus Sardinien. Über die einzelnen Ziele der pisanischen Handels-
fahrten nach Sardinien erhalten wir im übrigen durch die oft erwähnte See-
zinstabelle den zuverlässigsten Aufschluß; den gleichen Satz wie nach dem
südlichen Korsika (I71/2 Prozent) hat sie für Civita und die ganze Bucinaria
(die Inselgruppe im Nordosten, zu der Maddalena und Caprera gehören);
der Seezins stieg auf 20 Prozent bei Fahrten nach Orosei und dem südlichen
Gallura^) einerseits und Ampurias (heut Kastei Sardo) sowie Porto Torres,
dem Hafen von Sassari, an der Nordküste Sardiniens andererseits; nach dem
dritten Hafen des Judikats Torres, Bosa an der Westküste, belief er sich
auf 221/2 Prozent, während er nach den Häfen der Judikate Arborea und
Cagliari gleichmäßig 25 Prozent, also ebensoviel wie nach Sizilien und
Tunis, betrug.
410. So wenig diese Nachrichten an sich ausreichen, um die damalige
große Überlegenheit des pisanischen Handels mit Sardinien gegenüber dem
genuesischen darzutun, so wird diese doch durch unsere Kenntnis des kirch-
lichen und politischen Einflusses, den die Pisaner in dieser Zeit auf der
Insel übten, unzweifelhaft dargetan. Für die wirtschaftliche Abhängigkeit,
in die GaUura speziell von Pisa kam, ist eine im erzbischöflichen Palast zu
Pisa ausgestellte Schuldurkunde vom 15. Oktober 1142 lehrreich.'*) Der
Bischof Bernhard von Galtelli nimmt hier mit Genehmigung des Erzbischofs
Balduin bei den Operarii des Doms zur Tilgung älterer Schulden und zur
Deckung der Kosten einer Romreise ein Darlehn von 62 1. lue. zu einem
Jahreszins von 15 Prozent auf ; die Zahlung der Zinsen wie die Rückzahlung
des Kapitals hat durch Übersendung von Waren, die auf Schiffen, die von
der Dombauverwaltung bezeichnet wurden, vor Zeugen verladen werden
sollten, auf Gefahr des Schuldners zu erfolgen. Außerdem wurde die Opera
durch Verpfändung zweier bischöflicher Höfe mit allem Zubehör sichergestellt.
Dagegen haben die Genuesen die Stellung, die ihnen durch das Privileg
von 1131 im Judikat Arborea gewährleistet schien, nicht behaupten können.
Das Nähere ist uns freilich nicht bekannt ; doch wissen wir, daß Erzbischof
') Lib. Jur. I no. 151. It. saja (Barsche), Formen wie : peciae sagiae, sagrae,
bilden den Übergang zu diesen sacris.
*) Aufzeichnung des Bischofs Gavino von Bisarcio ; Cod. Sard. I, 159 no. 14.
Auch die ebenda erwähnten sagu und pannu paperile (nach der gelungenen Er-
klärung von Besta 1. c. p. 79 = herrschaftlich) kamen wahrscheinlich doch von Pisa.
') Bonaini 11 p. 905 >a Galluri et ab Orize 4 sol.< Dem Zusammenhange nach
kann unter Galluri nur der südliche Teil des Judikats verstanden sein, während
der Name gegenwärtig gerade an dem nördlichen Teile des ehemaligen Judikats
haftet.
*) Chart, n no. 207 p. 251. Cod. Sard. I p. 213 f.
524 Fünfunddreißigstes Kapitel.
Balduin von Pisa (gest. 1145) als Legat für Sardinien den Bann über den
Judex Comita verhängt und der hl. Bernhard beim Papste im Jahre 1146 die
Aufrechterhaltung dieser Exkommunikation befürwortet hat, während er den
Judex von Torres dem Papste als einen guten Fürsten empfahl i); auch er-
scheint Comitas Sohn und Nachfolger, Bariso, zunächst als guter Freund
der Pisaner; er diente dem Grafen von Barcelona als Mittelsmann, als dieser
die Hilfe der Pisaner für seine Expedition gegen die Balearen gewinnen zu
können hoffte, und nicht minder beweist es sein enges Verhältnis zu den
Pisanern, wenn die Urkunde über die Morgengabe, die er seiner Gemahlin
Agalbursa von Bas, einer Nichte des Grafen Raimund, bestimmte, in seiner
Hauptstadt Orestano von einem pisanischen Notar (keinem geringeren als
dem berühmten Rechtsgelehrten Burgundio) ausgestellt wird (31. Oktober
1156) und unter den Zeugen ganz überwiegend Pisaner erscheinen, während
Genua nur durch den einzigen Bonifacius de Volta vertreten ist. 2)
Wenn die Pisaner es bei dem Bündnisvertrage, den sie 1149 mit
Genua schlössen, auf das entschiedenste abgelehnt haben, Sardinien mit
den Genuesen gemeinsam zu besitzen, wie diese es lebhaft wünschten^), so
beweist das, wie sehr die Pisaner dies Angebot als nachteilig für sich er-
achteten ; und wenn sie andererseits zuließen, daß sich Genua in diesem Ver-
trage ausdrücklich vorbehielt, die Pisaner auf Sardinien nach Belieben
schädigen zu dürfen, so beweist das wiederum, wie stark und abwehrsicher
sich die Pisaner auf der Insel fühlten. Symptome dafür sind es auch, daß
die Pisaner im Juli 1160 den Judex Constantin von Cagliari, der eine Pilger-
fahrt nach Jerusalem vorhatte, mit 3 Galeeren von Cagliari einholten und
im folgenden Monat mit seiner Gemahlin Sardinea von Pisa aus nach Palä-
stina beförderten (in magna nave), während ihre Tochter Donnicella in Pisa
zurückblieb, und daß im Juni desselben Jahres das pisanische Geschwader,
das 4 sarazenische Piratenschiffe im Nordwesten der Insel in die Flucht
schlug, aus 2 Wachtgaleeren und 9 Pfeilschiffen, die in Porto Torres ge-
legen hatten, bestand.^) Auch beweist uns das für das Jahr 1162 abgefaßte
Konsularstatut, daß Pisa damals mit allen Judices Sardiniens in gutem,
durch Verträge gesichertem Einvernehmen stand.^) So hatte sich ein Zu-
stand entwickelt, den die Kriegserklärung Genuas im Jahre 1162, wenn
auch viel zu schroff und übertreibend, mit dem Schlagwort »expulsio Sar-
dinie« charakterisierte ß) ; mehr als in dem Überfall von Konstantinopel, der
den äußeren Anstoß gab, lag in der Eifersucht der Genuesen auf die mächtige
Stellung der Pisaner in Sardinien die Ursache zu dem 1162 entbrennenden
Kriege, der sich als einen gewaltigen Ansturm gegen die politische, wirt-
schaftliche und kommerzielle Vorherrschaft der Pisaner auf der Insel darstellt.
') Epist. I no. 245, auch Cod. Sard. I p. 215. Vgl. Langer S. 23. Doch hat
sich dieser durch Tolas Ansatz des Schreibens des Papstes Lucius an Genua zum
26. Oktober 1144 (Cod. Sard. I no. 52) irreführen lassen; in Wahrheit gehört dies
Schreiben nicht Lucius II, sondern Lucius in. und zwar dem Jahre 1183 an.
*) Coleccion IV no. 151 ; Cod. Sard. I, p. 220. Daß Agalbursa nicht dem Hause
der Baux, sondern dem der katalanischen Vicecomites von Bas angehörte, hat
J, Miret y Sans : Los Vescontes de Bas en la illa de Sardenya (Barcelona 1901);
eingehend und überzeugend nachgewiesen.
') Caffaro zu 1162 (ann. genovesi I p. 67). Dal Borgo p. 311.
*) Bern. Maragonis ann pis., SS. XIX, 245.
') Bonaini I p. 10: >Securitate8 quas habemus cum Sardinie judicibus ad ho-
norem et salvamentum Pisani populi et salvamentum illorum firmas tenebo.*
•) Ann. genovesi I p. 68.
Sardinien und Korsika. 525
411. Ohne auf den Krieg des Näheren einzugehen, begnügen wir uns
mit der Hervorhebung einiger für unsere Zwecke bedeutsamer Momente.
Im Jahre 1164 fanden die Genuesen in Bariso (Paraso von den Pisanern
genannt) von Arborea ein Werkzeug, das sie für ihre Pläne geeignet glaubten ;
indem sie geschickt die Absichten des Kaisers benutzten, der schon 1152
Sardinien nominell an Weif verliehen und 1158 einen Versuch gemacht
hatte 1), den Interessen Pisas zum Trotz in die Verhältnisse der Insel ein-
zugreifen, veranlaßten sie ihren Schützling, sich gegen das Versprechen, ihn
zum Könige von ganz Sardinien zu krönen, als Lehnsmann des Kaisers
zu bekennen. Acht genuesische Galeeren holten im Sommer 1164 den Judex
von Sardinien herüber; am 3. August erfolgte trotz des Einspruchs der
Pisaner beim Kaiser 2) seine Krönung zu Pavia. Die 4000 Mark Silber, die
er dem Kaiser hatte versprechen müssen, brachte schließlich Genua für ihn
auf; da er außerdem, um den Erfolg seiner Schritte beim Kaiser zu sichern
und sich Anhänger und Vasallen unter den Genuesen zu verschaffen, weitere
erhebliche Summen kontrahierte 3), so erreichte seine Schuldenlast, offenbar
durch Wucherzinsen gesteigert, binnen kurzem eine Höhe von mehr als
30000 1. jan.4) Am 16. September verlieh er den Genuesen ein mit Ver-
sprechungen geradezu verschwenderisch ausgestattetes Privileg; die Kastelle
von Mormilla und Arculento wollte er ihnen geben, vollste Handels- und
Abgabenfreiheit in ganz Sardinien, einen jährlichen Tribut von 400 Mark
Silber, sowie Land in Oristano, soviel zur Erbauung von 100 Häusern für
die genuesischen Kaufleute notwendig war, während er alle Pisaner aus
») Gesta Friderici (Rahewini) 1. IV c. 12 ; Giesebrecht V, 183.
*) Nach der Darstellung des genuesischen Annalisten Obert (ann. genovesi I
p. 161) bezeichneten die Pisaner den Bariso als einen rusticus und als ihren Va-
sallen, worauf die Genuesen erwiderten, daß die Mehrzahl der Pisaner zu ihm im
Vasallenverhältnis stehe, daß sie alle Jahre in sein Land führen, um ihnen unent-
behrliche Waren zu holen und daß sie ohne den Nutzen, den sie aus seinem Lande
zögen, kaum zu leben vermöchten : die Intensität des pisanischen Handels mit Ar-
borea und die geringe Bedeutung des eigenen ist damit durch einen genuesischen
Autor auf das beste bezeugt. Daß viele Pisaner sardinische Besitzungen zu Lehen
trugen, ist auch richtig ; die pisanischen Konsularstatuten für 1164 (noch nicht die
für 1162) untersagen den Konsuln, ein Vasallitätsverhältnis zu einem der sardi-
nischen Judices einzugehen. Bonaini I p. 36. (Nullorum Sardiniae judicum . . .
sum vel ero fidelis vel vassallus aut donicaliensis ; auch keine Geschenke durften
nie von ihnen nehmen seit dem Tode Constantins 11. von Cagliari.)
') Auch hierfür enthalten die Akten des Johannes ein Beispiel ; am 28. Juli
1164 quittiert Balduinus Guercius als Vertreter des Markgrafen Opizo Malaspina
dem Bischof Hugo von S. Justa, dem Vertrauten Barisos, über 145 1., die er für
seine Bemühungen im Interesse des Judex beim Kaiser erhalten ; die Summe sollte
an den Bischof oder den Judex zurückerstattet werden, falls der Kaiser den Judex
nicht krönen und mit Sardinien belehnen sollte. Chart. II no. 1466.
*) Die ratio debitorum Regis (Cod. Sard. I no. 78 p. 231 ; neu aufgestellt 1168)
üb. Jur. I no. 270 p. 243; ebenso no. 292 von 1172, (wonach die Fehler des Drucks
bei Tola zu berichtigen) beziffert seine Schuld an die genuesische Regierung auf
17 474 1. Jan., 2000 Mark und 55 Pfund Fein ; dazu treten die Schulden an Einzel-
gläubiger, unter denen Simon Aurie mit 905 1. jan. und die uns bekannten Wilel-
mus Buronus und Ido Mallonus mit 600 1. jan. hervorragen. Die genuesischen An-
nalen zu 1164 führen außer den 4000 Mark für den Kaiser 1200 1. jan. pro galeis ar-
mandis beim Staate und 29000 1. jan. Schulden bei den Bürgern Genuas an (ann.
genovesi I, 165), womit die Bemerkung des pisanischen Annalisten (Marago zu 1165),
die Genuesen hätten ihm ultra 30000 libras dolose et fraudulentur geliehen, ziem-
lich übereinstimmt.
526 Fünfunddreißigstes Kapitel.
seinem Lande vertreiben und ihre Besitzungen konfiszieren wollte.^) Im
November wollten ihn die Genuesen nach Sardinien überführen, damit er
von da aus seinen finanziellen Verpflichtungen nachkäme; doch stellte sich
eine sofortige Abwickelung derselben als unmöglich heraus ; dazu nahte eine
starke pisanische Flotte; und da man ihm mißtraute und seinen Abfall zu
den Pisanern befürchtete, zogen es die Genuesen schließlich vor, ihren
»König« wenigstens als Geisel mit nach Genua zurückzunehmen, wo sie
am 5. Februar 1165 wieder eintrafen. Die Pisaner aber wußten durch eine
Gesandtschaft, deren Führer der Konsul Uguccio, des verstorbenen Lambertus
Bunonis Sohn war, den Kaiser von ihrem guten Eecht auf Sardinien zu
überzeugen; am 17. April belehnte er die Pisaner zu Frankfurt am Main
feierlich mit der ganzen Insel und allen Hoheitsrechten auf derselben an
Märkten, Silberbergwerken, Ufergebühren und Zollabgaben.-) Lange blieben
die Genuesen nun darauf bedacht, wenigstens wieder zu ihrem Gelde zu
kommen. Im Jahre 1166 schickten sie ein Schiff mit Waren nach Arborea,
von dem sie erwarteten, daß es Rückladung in Arborea erhalten würde, die
zur teilweisen Deckung der Schulden des von ihnen in Gewahrsam gehaltenen
Judex dienen könnte; indessen wurde das Schiff von den Pisanern abge-
fangen.3) Im Jahre 1168 machte Bariso den Genuesen neue Versprechungen,
wenn sie eine Expedition nach Sardinien unternehmen wollten; sie sollten
sogleich nach der Ankunft in Sardinien 4000 1. jan. in Gold, Silber, Seiden-
zeugen und solchen Waren erhalten, die sich bequem auf Kriegsschiffen (in
galeis) transportieren ließen.*) Die Regierung wollte anfänglich nichts davon
wissen; doch rüsteten die genuesischen Vasallen Barisos 4 Galeeren, zu
denen der Staat seinerseits schließlich eine fünfte hinzufügte. Die Genuesen
brachten Geiseln und mehrere Kastelle in ihre Gewalt, deren Hut sie dem
Almerius de Porta anvertrauten ; auch trieben sie von den Einwohnern einen
Tribut ein ; dann aber nahmen sie ihren König, der bei dieser Gelegenheit
frei zu werden gehofft hatte, wieder mit sich nach Genua zurück. Immerhin
hatten die Genuesen doch festen Fuß in Arborea gefaßt, wie der Krieg
überhaupt in dieser Zeit eine für sie günstige Wendung genommen hatte.
Endlich entschlossen sich die Genuesen doch, ihren Gefangenen in sein
Reich zurückzuführen. Am 17. Januar 1172 versprach Bariso, binnen 1 Monat
nach Ankunft in Arborea 1000 1. jan. und bis Johanni 7000 1. in den besten
und am leichtesten transportablen Waren, die er in Sardinien beschaffen
könne, zu liefern, auf sein Risiko nach Genua befördern und hier verkaufen
zu lassen ; in derselben Weise sollten alljährhch 4000 1. bis zur vollen Tilgung
der Schuld abgeführt werden. Durch Übergabe zahlreicher Geiseln und zweier
fester Schlösser versicherte er die Genuesen seiner Treue, versprach, die Pisaner
gemeinsam mit Genua zu bekriegen und den genuesischen Kaufleuten soviel
Land in Oristano anzuweisen, als zur Errichtung von Häusern für ihre Handels-
zwecke nötig war. Daraufhin erfolgte dann durch den Konsul Otto de Caffaro
die Wiedereinsetzung Barisos nach fast 8 jähriger Abwesenheit in sein Judikat.^)
») Cod. Sard. I, no. 76—79 p. 228 f. ; auch Lib. Jur. II no. 7—9. Langer 105.
») Ann. pis. p. 252 zu 1166; Dal Borgo p. 40; Cod. Sard. I p. 232 f. Von
Stumpf, no. 4042, anfangs irrig für unecht gehalten ; berichtigt S. 548.
») Ann. pis. zu 1167 ; SS. XIX, 254.
*) Lib. Jur. I no. 266. Cod. Sard. I p. 235 f. no. 86; dazu no. 87—90. Langer
S. 144 redet irrig von geprägtem Gold oder Silber und von Wertobjekten, welche
leicht zu Schiffe transportiert werden könnten. Vgl. Ann. genovesi I, 212 zu 1168.
») Lib. Jur. I no. 292 ; Cod. Sard. I p. 241 no. 98. Ann. jan. zu 1171 (reicht
bis 1. Februar 1172 unserer Rechnung) und 1172.
I
Sardinien und Korsika. 527
412. In Cagliari faßten die Genuesen bald nach dem Tode des Judex
Constantin festen Fuß. Im Juni 1166 bekannte sich sein Nachfolger Petrus
als Vasallen Genuas. Die neun Galeeren, die die Genuesen nach Cagliari
ent-sandt hatten, wurden zwar von einer fast doppelt so starken pisanischen
Flotte in die Flucht geschlagen; Petrus aber verweigerte den Pisanern die
Aufnahme, falls sie nicht seine volle Unabhängigkeit anerkennen wollten.
Stolz können die genuesischen Annalen vom nächsten Jahre melden, daß
ihr Konsul Corsus vom Oktober bis zum Februar 1168 mit zwei Galeeren
wie ein Herrscher in den Judikaten von Cagliari und Arborea geboten habe.i)
Im Dezember stiftete dann Nuvelonus zwischen Petrus und Bariso von
Arborea, der auf seine Hoheitsrechte über ganz Sardinien verzichtete,
Frieden.2) Aber von einer gesicherten Oberhoheit der Genuesen war keine
Rede. Zum Frühjahr 1173 reden die Annalen Oberts von der wankenden
Treue der sardischen Judices, die einen neuen Seezug erheischte 3) und im
Mai 1174 machten alle Judices Sardiniens mit den Pisanern ihren Frieden;
bald aber traten die Genuesen wieder mit überlegener Macht auf, imd am
1. Oktober 1174 schloß Petrus mit ihnen einen in mancher Hinsicht bemerkens-
werten Vertrag.4) Die Pisaner versprach er vom Handel mit seinem Gebiete
völlig auszuschließen und die Genuesen bei der Behauptung des Königreichs
Arborea bis zur völligen Tilgung der Schuld Barisos zu unterstützen ; außer-
dem verhieß er von Mariae Himmelfahrt nächsten Jahres ab auf fünf Jahre
einen jährlichen Tribut von 500 1. jan. in Waren ; ein Kaufmann von Genua
und einer von CagHari sollten die Wertabschätzung derselben gemeinsam
vornehmen. Einer der Häfen von Cagliari, der portus Grotte, sollte mit
Zubehör in den Besitz der Genuesen in gleicher Weise übergehen, wie ihn
die Pisaner bisher innegehabt hätten. Das Salz aus den Salinen von Cagliari
sollten sie abgabenfrei erhalten und die Abgabe von Salz an andere von
ihrer Zustimmung abhängig sein ; insbesondere werde er nach Kräften (ad
meum posse) nicht zulassen, daß Pisanern ohne solche Erlaubnis Salz über-
lassen würde. Endlich wurde den Genuesen Freiheit von Handelsabgaben
zugesichert.
Der vom Kaiser gebotene Friede (6. November 1175)^) brachte den
Genuesen die Erfüllung dessen, was sie schon 1149 erstrebt und mit dem
Präliminarvertrage von 1169 schon erreicht zu haben glaubten: die Insel
Sardinien gemeinsam und zu gleichem Recht mit den Pisanern zu besitzen,
wovon allerdings die kirchlichen Besitzungen und Rechte ausgenommen
waren. Alle Einnahmen aber, die die Pisaner aus Zöllen, Gebühren, Auf-
lagen von der Insel bezogen, hatten sie mit den Genuesen zu teilen; die
Genuesen sollten ferner eine ebenso große Zahl von Lehnsgütern und Hörigen
(donicalienses) auf der Insel besitzen wie die Pisaner, die gegebenenfalls
») Ann. pis., SS. XIX, 254. Ann. genov. I, 190 f. 206.
«) Cod. Sard. I p. 239 f., no. 93—96 (dort irrig zu 1169 gesetzt.)
') Ann. genov. I, 259.
*) Cod. Sard. I p. 244 f. no. 102 ; Chart. I p. 877 no. 560 u. Lib. Jur. H no. 12.
Der im Lib. Jur. I no. 308 (= Cod. Sard. I p. 249 no. 107) unter dem 5. April 1174
abgedruckte Vertrag Genuas mit König Petrus gehört einer späteren Zeit an ; in
der Urkunde selbst fehlt das Jahr. Die neuen Herausgeber der Annalen des Otto-
bonus (11 p. 7 Anm. 1) haben die falsche Datierung ebenfalls übernommen.
*) Lib. Jur. I no. 271 (Präliminarvertrag vom Mai 1169) = Cod. Sard. I no. 92
p. 238. Der Friedensvertrag selbst (nur der von den Pisanern geleistete Eid ist er-
halten) steht Cod. Sard. I no. 106 p. 248 f.
528 FünfunddreißigBtes Kapitel.
zur Herstellung der Gleichheit eine entsprechende Anzahl an die Genuesen
abzugeben hatten. Falls ein Höriger, der bei dieser Ausgleichung einem
Genuesen zufiel, einem Pisaner etwas schuldete, so sollte entweder der Genuese
die Schuld selbst tilgen oder den Hörigen bis zur vollständigen Tilgung der-
selben dem Pisaner überlassen, — eine Bestimmung, die auf die Bewucherung
hindeutet, der diese donicalienses ^) von selten der Pisaner wie der Genuesen
ausgesetzt waren. Jede Art von Erwerbung auf der Insel durfte die Commune
Pisa nur gemeinsam mit der Commune Genua machen ; endlich sollten beide
Nationen im Handelsverkehr mit Sardinien in jeder Beziehung völlig gleich-
berechtigt sein. Ein Privileg, das den Pisanern allein den Besitz der Insel
zuspräche (gemeint ist das Privileg des Kaisers von 1165), sollte vernichtet
werden; in betreff aller anderen Privilegien sollten die Pisaner in einer
besonderen Urkunde Gewähr dafür leisten, daß sie sich derselben niemals
in einer den Friedensbestimmungen zuwiderlaufenden, den Interessen Genuas
schädlichen Weise bedienen würden. In der Tat haben die pisanischen
Konsuln der genuesischen Kommission, die offenbar zur Entgegennahme
des von 1000 Pisanern zu leistenden Friedenseides in Pisa erschien, am
29. Januar 1176 eine solche Urkunde ausgestellt 2), so daß damit erst das
Friedenswerk beendet war. Mi
413. Nur wenig über zehn Jahre hatte es Bestand. Ein Schreiben '
des Papstes Lucius HI. vom 26. Oktober 1183 an Erzbischof, Konsuln und
Volk von Genua zeigt uns beide Städte noch Sardinien gegenüber in Ein-
tracht; es ermahnt die Genuesen, von ihrem Vorhaben, gemeinsam mit den
Pisanern mit bewaffneter Macht nach Sardinien zu gehen, um es nach ihrem
Belieben unter sich zu teilen 3), mit Rücksicht auf die Hoheitsrechte der
römischen Kirche über die Insel abzustehen, wenn sie sich nicht den Zorn
und schwere Strafen des Papstes zuziehen wollten; wahrscheinlich ist eine
gleiche Mahnung auch an die Pisaner ergangen.
Die Verhältnisse in Arborea waren es, die zu neuen Streitigkeiten
zwischen den Seestädten führten. Nach dem Tode Barisos stützte sich
sein Sohn erster Ehe, Petrus, der ihm folgte, auf die Pisaner 4); Barisos
^) Ö. über diese Brandileone F., Note sull'origine di alcune istituzioni giurid.
in Sard. im Arch. it., s. 5, XXX (1902), 289 f.
*) Abschrift derselben findet sich als Anhang zu dem Schiedspruch der Kar-
dinäle von 1188: Chart. I no. 564 p. 881; Lib. Jur. II no. 13; Cod. Sard. I no. 104
p. 247. Die Herausgeber haben den wahren Zusammenhang allerdings so wenig
erkannt, daß sie diesen Schiedspruch von 1188 mit dem Datum des 29. Januar 1176
versehen und ihn vor dem Friedensschwur der Pisaner vom 6. November 1175 (1176
pisanischen Stils) eingereiht haben. Auch die neuen Herausgeber der ann. geno-
vesi haben den Sachverhalt nicht durchschaut ; sie reden (11, 9 A. 1) von einer Er-
neuerung des Eides der Parteien dem Kaiser gegenüber im folgenden Jahre (1176),
die auf Vermittelung der beiden Kardinäle Pietro di Santa Cecilia und Siffredo di
Santa Maria, die sie für Legaten Alexanders III. halten, erfolgt sei.
*) »ut eam pro vestre voluntatis arbitrio dividere valeatis*. Cod. Sard. I
p. 214 no. 52, mit dem irrigen Datum 1144, da Tola das Schreiben auf Lucius 11.
bezog. Das Jahr 1183 ergibt sich für Lucius IH. aus dem Ausstellungsorte Anagni.
J.-L. Reg. no. 14921. Bestätigung der Privilegien des pisanischen Erzbischofs in
Sardinien und Korsika durch diesen Papst, 12. November 1181 ; ib. no. 14 514.
*) Schenkung Barisos und seiner Frau Agalbursa an den Dom zu Pisa Juni
1184. Cod. Sard. I p. 254 no. 113 und Bonaini Suppl. p. 92 f. Unter dem Inventar
eines Hofes erscheinen u. a. 180 Wollschafe (berbeges de lana). Schenkung Peters
an den Dom von 1186: Cod. Sard. I p. 260 no. 123; Bonaini I p. 284 f. Schuldan-
erkentnis gegenüber einem Pisaner: Volpe 123 A. 2.
II
Sardinien und Korsika. 529
zweite Frau aber, Agalbursa, strebte selbst nach der Herrschaft, indem sie
ihren minderjährigen Neffen Poncius von Bas vorschob, und fand für ihre
Ansprüche nicht nur die Unterstützung ihres Verwandten, des Königs Alfons
von Aragon , sondern auch die der Genuesen. Zu Hyeres schloß der
genuesische Konsul Guilelmus Tornellus am 8. Oktober 1186 Verträge mit
Agalbursa und dem Statthalter des Königs in der Provence, während dieser
selbst den Vertrag am 30. November ratifizierte ; auch der Judex von Torres,
Bariso, dessen Schwiegersohn der Genuese Andrea Doria war, schloß sich
am 24. November ihnen an; sie alle verpflichteten sich, den Genuesen zu
helfen, falls sie wegen ihres Eintretens für Agalbursa von den Pisanern
bekriegt werden sollten.^) NatürHch hielten die Pisaner diesem Kriegsbunde
gegenüber nicht still. Sie schickten im folgenden Jahre ein Heer nach Sar-
dinien und vertrieben alle genuesischen Kaufleute aus dem Hafen und dem
ganzen Judikat von Cagliari.2) Mit Rücksicht auf die Bedrängnis des Heiligen
Landes machten die Päpste die größten Anstrengungen, den von neuem ent-
brannten Krieg möglichst rasch zu beenden. So kam in der Tat schon An-
fang 1188 ein Waffenstillstand zustande, dem am Ende des Jahres der Friede
folgte. Beide Städte hatten sich der Entscheidung des Papstes gefügt, der den
Schiedspruch seinerseits zwei Kardinälen übertrug. Am 7. JuH wurde er
gefällt mid von Clemens HI. am 12. Dezember feierlich verkündet.^) Er
verwies beiden Parteien die Auswucherung, die sie auf Sardinien trieben und
mit dem Namen der ,donicaliae' zu bemänteln pflegten*), untersagte ihnen,
den bestehenden Kontrakten dieser Art etwas hinzuzufügen oder neue ein-
zugehen, ließ aber die noch gültigen rechtlichen Verpflichtungen der doni-
caUenses unberührt. Keine Partei sollte die andere in dem, was sie auf der
Insel zu Eigentum oder als Pfand besitze, irgendwie hindern ; insbesondere
-wird dabei der von der Schuld Barisos herrührende Pfandbesitz der Genuesen
in Arborea hervorgehoben. Den Pisanern wurde endlich geboten, nicht zu
hindern, daß die Judices Sardiniens mit je zehn ihrer Magnaten den Genuesen
eidlich Sicherheit und Rechtsschutz in ihren Gebieten versprächen. Daß
den Genuesen nicht die gleiche Verpflichtung auferlegt wurde, läßt sich nur
dadurch erklären, daß die Pisaner trotz allem noch immer das Übergewicht
im Handelsverkehr mit der Insel behaupteten. Von der Gleichheit der
Besitzungen, wie sie im Frieden von 1175 stipuliert war, ist im Schieds-
spruch keine Rede mehr; der Vorbehalt, der bezüglich der kirchhchen
Besitzungen gemacht .war, hatte eine Umgehung dieser Bestimmung offenbar
gar zu sehr erleichtert und sie dadurch illusorisch gemacht.
414. Der durch päpstliche Vermittelung herbeigeführte Friede
von 1188 hatte nur kurze Zeit Bestand. Noch während Pisaner und
Genuesen im Heil. Lande gemeinsam kämpften, nahm Genua seine Be-
mühungen, sein Einflußgebiet auf Sardinien zu erweitern, eifrig auf.
>) Lib. Jur. I no. 357—361; Cod. Sard. I no. 117—121 p. 256 ff.
*) Ann. genovesi II p. 24 zu 1187: Pisani . . . pretermisso juramento pacis . . .
Jan. mercatores ... et de Grotis et tote judicatu Kai. ejecerunt; unde guerra inter
J. et P. incepta fuit. Der Handel mit Agalbursa wird von dieser Berichterstattung
ganz verschwiegen.
») Cod. Sard. I p. 263 f. no. 127 ; Dal Borgo p. 139 £. Atti Lig. J p. 368 ff.
Der Schiedspruch der Kardinäle allein Cod. Sard. I p. 246 f. (mit dem falschen Da-
tum 1176); ebenso Lib. Jur. II no. 13 und Chart. I no. 565. S. ob. S. 528, A. 2.
*) . . . mercandi, immo fenerandi detestabile genus, quod donnicaliarum con-
suevistis nomine palliare, in Sardinia penitus irritamus etc.
Scbaube, Handelsgescbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 34
530 Fünfunddreißigstes Kapitel.
Mit Petrus von Arborea schloß der genuesische Gesandte Nicolaus
Lecanuptias (Leccanozze) schon am 7. Februar 1189 einen Vertrag, nach
dem der Judex am 30. April unter Leistung des Eides der Compagna imter
die Bürger Genuas aufgenommen wurde, worauf er am 29. Mai seine Zu-
geständnisse an Genua in einer Reihe von Urkunden verbriefte.^) Zur Tilgung
der alten Schulden seines Vaters Avollte er jährlich die Hälfte aller seiner
Einnahmen an die Genuesen abliefern, dazu als Mitglied der genuesischen
Compagna jährlich 50 1. und für den Verzicht Genuas auf den Pfandbesitz
des Kastells Asuni jährlich 80 1. zahlen; an dem Teil des Hafens von Ori-
stano, der schon den Namen des genuesischen führte, wies er den Genuesen
Land an, damit sie hier für ihre Kaufleute 100 Läden (butegas, bottegas)
mit dem erforderlichen Zubehör einrichten könnten; einen an der Grenze
dieses Terrains belegenen Hof hatte der Judex dem Gesandten zur dauernden
persönlichen Nutznießung überwiesen. Der Dom erhielt eine Jahresrente
von 20 1. Jan., während der Erzbischof in Arborea einen ebenso reich aus-
gestatteten Lehnshof (curia) erhalten sollte, wie ihn der pisanische schon
besaß. Inzwischen war Poncius (Poncetus), der sich jetzt Hugo de Basso •
(Bas) nannte, mündig geworden und erneuerte seinen Anspruch ; die strei-
tenden Parteien übertrugen schließlich den Genuesen die Entscheidung und
der Konsul Guilelmus Buronus, der mit Simon Ventus und Ido de Carma-
dino »pro stabiliendis negotiis Sardinie« nach der Insel geschickt wurde,
fällte am 20. Februar 1192 seinen Spruch dahin, daß beide zu völlig gleichem
Rechte an der Herrschaft über Arborea teilhaben und in gleicher Weise
die durch den Vertrag von 1189 festgestellten Pflichten gegenüber Genua
übernehmen sollten. Handelte einer von beiden diesem Spruch entgegen,
so wollte Genua den andern mit aller Macht unterstützen.^) So überwog
jetzt in Arborea der genuesische Einfluß, und das Gleiche war im Judikat
Torres der Fall. Hier hatte der genuesische Gesandte Streiaporcus mit dem
Judex Constantin am 10. Juni 1191 einen Vertrag geschlossen, der besonders
darum bemerkenswert ist, weil er — eine Ausnahme unter diesen sardinischen
Verträgen — auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruht^) — offenbar war
dies das Mittel, durch das die Genuesen den Judex für sich gewannen.
Wie der Judex den Genuesen in seinem Gebiet Schutz gegen die Pisaner
versprach, so versprachen die Genuesen, ihn und seine Untertanen allerorten
wie die eigenen Landsleute zu schützen. Klagen von Genuesen gegen Pisaner
oder gegen einen seiner Untertanen waren vor dem, in Porto Torres von
dem Judex eingesetzten Gerichtshof *) binnen 20 Tagen zu erledigen, wobei
den Genuesen Berufung an den Judex offen stand, während Klagen vohI
1) Lib. Jur. I no. 365—367 = Cod. Sard. I no. 128—130 p. 265 f. ; Lib. Jur. I
368—370 = Cod. Sard. I no. 132 — 134 p. 267 f. (no. 133 auch Chart. H no. 1646
p. 1143). Dazu die Schenkung an den Dom: Cod. Sard. I no. 131. Ferner steht der
Vertrag vom 29. Mai 1189 (no. 132) irrig noch einmal mit dem Datum 29. Mai 1188
ib. no. 125 p. 262. Endlich gehört hierher der undatierte, von den Untertanen Peters
auf den zwischen ihm und dem Gesandten Nie. Leccanozze geschlossenen Vertrag
geleistete Eid, den die Herausgeber zum 20. Februar 1192 angesetzt haben; Lib. Jur. I
no. 396. Cod. Sard. I no. 140 p. 277. mm
8) Ann. genovesi I p. 42 (1192). Lib. Jur. I no. 395, 397—399. Cod. Sard. lil
no. 137—139, 141 p. 273 f. Chart. H no. 1653. *"
») Lib. .lur. I no. 388 und 389. Cod. Sard. I no. 135 p. 269 (in eine Nummer
zusammengezogen). Der Vertrag vom 24./30. Nov. 1186 zeigt schon die Anfänge diesejs
Prinzips ; Lib. Jur. I no. 359, 361 ; Cod. Sard. I no. 119, 120 p. 258 f.
*) >ante majores de portu terre mee, quos propterea constituam et jurare fa
ciam de plena eis justitia exhibenda.«
Sardinien und Korsika. 531
Untertanen des Judex gegen Genuesen von den Gerichten Genuas »nach
dem römischen Recht und den guten Gewohnheiten« zu entscheiden waren.
Wechselseitig versprach man sich volle Handelsfreiheit und Freiheit der
Kaufleute von allen staatlichen Abgaben; die Genuesen sollten nach Wunsch
Plätze angewiesen erhalten, auf denen sie Häuser und Wohnungen für ihre
Kaufleute und zur Unterbringung ihrer Waren errichten könnten ; aber auch
die Turritaner sollten in Genua einen Platz zur Erbauung eines den gleichen
Zwecken dienenden Hauses erhalten. Im Falle eines Krieges gegen die
Pisaner oder einen der andern Judices Sardiniens sicherte jede Partei der
anderen ihre Unterstützung zu; doch nahm Constantin seinen Freund, den
Markgrafen Wilhelm von Massa, Judex von Cagliari, von dieser Verpflichtung
aus. Endlich versprach Genua, bei jedem Friedensschluß mit einer christ-
lichen oder sarazenischen Macht den Judex von Torres einzubeziehen ; dessen
Abhängigkeit von Genua aber kam besonders in seiner Verpflichtung zum
Ausdruck, in jedem Jahre, wenn Genua von seinen Bürgern eine Umlage
(coUecta) erhob, 100 1. jan. zu derselben beizusteuern.
415. Diesen Fortschritten der Genuesen im nördlichen und westlichen
Sardinien suchten die Pisaner dadurch zu begegnen, daß sie ihre Pläne be-
züglich Bonifacios wieder aufnahmen. Es geschah schwerhch ohne Vor-
wissen der pisanischen Regierung, daß sich pisanische Freibeuter im Hafen
von Bonifacio festsetzten und daselbst einen neuen Flecken (oppidum) er-
bauten; von hier aus trieben sie Seeräuberei weit und breit und fügten
besonders den Genuesen den größten Schaden zu. Schon 1194 waren in
den sizilischen Gewässern neben den Pisanern selbst die »cursales portus
Bonifacii« an der Wegnahme eines nach Ägypten fahrenden genuesischen
Schiffes beteiligt!) un(j jj^ selben Jahre versprachen die Pisaner unter Über-
nahme der Verpflichtung zum Schadenersatz den Bewohnern von Albenga
ihren Schutz vor den pisanischen Korsaren, insbesondere vor den »homines
portus Bonifacii« 2) — ein offenkundiger Beweis, daß sie genügenden Einfluß
auch auf diesen Teil ihrer Landsleute zu haben glaubten. Noch einmal
suchte man im folgenden Jahre den Streit beizulegen. Als die Genuesen
bei der Verhandlung die Pisaner beschuldigten, den Seeräubern heimlich
Vorschub zu leisten, stellten diese jede Beteiligung in Abrede; Bonifacio
gehöre ihnen nicht und seine Bewohner seien nicht ihre Bürger ; sie hätten
selbst unter ihren Räubereien zu leiden und erböten sich, gemeinsam mit
den Genuesen gegen sie zu Felde zu ziehen. Die Genuesen fanden indessen
die Gelegenheit für ihre besonderen Absichten günstig; drei Privatleute
nisteten, scheinbar auch auf eigene Faust, eine Expedition, die rasch und
entschlossen zu Werke ging, die wahrscheinlich nur notdürftig wieder-
hergestellte Burg imd den unterhalb gelegenen Flecken von der Landseite
aus eroberte und Bonifacio nunmehr für Genua in Besitz nahm. Noch am
Tage der Eroberung lief ein von den Piraten gekapertes und bemanntes
genuesisches Getreideschiff nichtsahnend in den Hafen ein und fiel so den
Genuesen wieder in die Hände; spöttisch änderten die Sieger seinen Namen
Oliva in Benvenuta.^) Damit war natürlich jede weitere Verhandlung über-
flüssig geworden und der Wiederausbruch des Krieges entschieden. Mit der
Eroberung von Bonifacio aber, in dessen nunmehr wesentlich verstärkter
') Ann. genov. II, 49 u. 54.
*) Aus einer noch ungedruckten Urkunde, ebd. p. XXXV A. 2, vom 2. Juni
1195 (doch ist pisanische Jahreszählung anzunehmen).
') Ann. genov. 11, 55.
84*
532 Fünfunddreißigstes Kapitel.
Feste seit dieser Zeit genuesische Kastellane geboten, hatten die Genuesen
eine maritime Position von größter Bedeutung gewonnen, die sie entschlossen
waren, nicht wieder aufzugeben. Wohl machten die Pisaner jetzt gewaltige
Anstrengungen; aber die im folgenden Jahre (1196) mehrfach mit großen
Mitteln versuchte Zurückeroberung des Platzes, dessen Bedeutung sie zuerst
erkannt hatten, gelang trotz einzelner Vorteile, die sie errangen, dennoch
nicht.i) Genua aber hütete seinen neuen Besitz auf das sorgfältigste; in
seinen Verträgen mit den Seeplätzen der Riviera ließ es deren Verpflichtung
»pro guardia portus Bonifacii« besonders beschwören.^)
Der Krieg zog sich diesmal unter vielen Wechselfällen lange hin; die
Lage auf Sardinien verwickelte sich noch dadurch, daß Innocenz III. sehr
ernsthaft gemeinte Ansprüche auf die Insel erhob und schließlich sogar
einen Verwandten, Trasimund, dem er mit der Hand der Erbin von Gallura
dieses Judikat zugedacht, mit bewaffneter Macht nach Sardinien sandte, der
freilich trotz der Unterstützung des päpstlichen Bannstrahls gegen den Pisaner
Lamberto Visconti nicht aufzukommen vermochte.^) Auch im Judikat Torres
faßten die Pisaner wieder festen Fuß. Als die Genuesen 1203 zwei kleine
Schiffe, den Stern und den Falken, zur Abholung der für sie lagernden
Waren unter dem Geleit zweier Galeeren nach Torres schickten, fiel ihnen
ein sehr großes pisanisches Schiff, die Rosa, die zu gleichen Zwecken dorthin .
entsandt, daneben aber auch für den Kaperkrieg ausgerüstet war, in die mm
Hände.*) Auch erfahren wir aus einem Schreiben des Papstes an den Judex, "'
daß dieser sich auf Andrängen der Pisaner eidlich verpflichtet hatte, solche
•Forderungen pisanischer Kaufleute, die durch notarielle Urkunden oder
amtlich gesiegelte Schreiben der pisanischen Regierung beglaubigt waren,
binnen 20 Tagen befriedigen zu lassen ; der Papst behauptete, daß auf diese
Weise manchmal eine Schuld zwei- oder dreimal mit den schwersten Zinsen
bezahlt werden müsse und untersagt dem Judex streng jedes derartige Vor-
gehen gegen Kleriker, damit er nicht Gott beleidige, indem er den Pisanern
zu gefallen wünsche.«) Als die vom Papst unterstützten Genuesen nach
ihren Erfolgen auf Sizilien im Jahre 1207 einen großen Angriff gegen die
pisanische Flotte bei Cagliari richteten, endete dieser mit der völligen Zer- ^b
Streuung der genuesischen Schiffe, so daß der Papst einer Verständigung al
mit den Pisanern geneigt wurde.^) Mit verschiedenen Großen Korsikas
schloß Pisa am 27. Juli 1208 einen Vertrag'^); auch Marseille reihte sich
den Feinden Genuas an. Nach langen Verhandlungen, bei denen das
Schicksal Bonifacios die Hauptrolle spielte 8), kam es 1210 zu einem Waffen-
stillstände; aber die Herstellung des vollen Friedens auf der 1188 geschaffenen
Grundlage scheiterte immer wieder an dem Verlangen der Pisaner, daß auch
bezüglich Bonifacios der Status quo hergestellt würde.
1) Ebd. 63 ff. Manfroni 300 ff.
«) Vertrag mit Albenga (23. Sept. 1199): Lib. Jur. I no. 427; mit Noli und Sa-
vona im April 1202 no. 445, 446. S. auch Chart. I, 1151 no. 782 (12. Mai 1208):
Übergabe der custodia castri B. an zwei Bürger von Reggio.
3) Cod. Sard. I, 303, 308 f.
*) Ann. genov. 11, 85 f.
») Cod. Sard. I, 318.
«) Ann. genov. II, 105 f. Manfroni 360 f. Cod. Sard. I, 310, 312.
») Volpe p. 338.
«) Cod. Sard. I, 311 ff. no. 11-17. Atti Lig. I, 419. Ann. genov. II, 108 f.,
111 f. S. auch die Bestimmung über Bonifacio im Vertrage Ottos IV. mit Pisa
(8, Juni 1210) : Const. et acta II, 45.
Sardinien und Korsika. 533
416. Endlich schufen die Pisaner sich selbst eine Kompensation . für
Bonifacio. In Cagliari hatten sie an dem Markgrafen Wilhelm von Massa,
der 1189 zuerst an der Spitze des mit ihrer Hilfe errungenen Judikats erscheint,
einen sehr eifrigen und zuverlässigen Bundesgenossen gehabt i), der auch
dem Erzbischof von Pisa den Treueid geschworen ; Innocenz III. beruft sich
«inmal auf ihre Autorität über ihn, da er wie schon sein Vater und Groß-
vater pisanischer Bürger sei und aus Pisa stamme, wo er auch eine Wohnung
habe. 2) Unter seinem Schutze hatte sich Cagliari zu einem Hauptstützpunkt
der pisanischen Seemacht und des pisanischen Handels entwickelt, wie schon
der Angriff der Genuesen von 1207 zeigt; als im Sommer 1212 der Waffen-
stillstand verlängert wurde, legten die Genuesen ein besonderes Gewicht
darauf, daß sofort ein Schiff nach Caghari entsandt wurde, damit auch die
pisanischen Konsuln und die Angehörigen der pisanischen Kolonie daselbst
auf den Waffenstillstand und die damit verbundene Pflicht, die Genuesen
und ihre Waren nicht zu schädigen, vereidet würden; falls Mitglieder der
Kolonie diesen Eid verweigern sollten, so verpflichtete sich Pisa, diese zu
ächten und ihre Häuser in Pisa zu zerstören — gewiß ein sprechender Beweis
für die Bedeutung, die die pisanische Kolonie in Cagliari schon gewonnen
hatte, zumal Pisa auch die Ausrüstung von Kaperschiffen gegen die Genuesen
in der Kolonie ausdrücklich zu verhindern sich verpflichtete. 3) Nach Wil-
helms Tode aber folgte ihm im Judikat seine Tochter Benedicta, die sich
mit Bareso, dem Sohn des verstorbenen Peter von Arborea, vermählte und
mit diesem im November 1214 *) dem Papste den Treueid leistete. Etwas
später ließen sich beide bestimmen, auch der pisanischen Regierung den
Huldigungseid zu schwören und die Belehnung mit dem Judikat auf das
Banner Pisas aus der Hand eines Konsuls, den die Pisaner herübergeschickt,
anzunehmen; zugleich überließ Benedicta mit ihrem Gemahl den Pisanern
auf ihren Wunsch einen Hügel bei Cagliari zum Geschenk. Auf dieser Höhe
nun bauten die Pisaner, die Mahnungen und die Exkommunikation Inno-
cenz' III. mißachtend, im Jahre 1216 ein außerordentHch festes Kastell
(Castello di Castro) ö) und im folgenden Jahre erschien mit Heeresmacht ihr
Podestä, Ubaldo Visconti und nahm, um die Herrschaft der Pisaner in Caghari
gegen den Wankelmut Benedictas zu sichern, auch den Hafen und alle Ein-
künfte desselben für Pisa in Besitz, ß)
417. So hatte sich Pisa im Süden Sardiniens in ähnlicher Weise
eine starke Position geschaffen, wie sie Genua auf Korsika besaß,
eine Position zudem, die wegen ihres Hinterlandes , und der Nähe
*) Näheres s. Besta E. : Per la storia del giudicato di Cagliari al principiato
del secolo XIII, in : Studi Sassaresi 1901 ; und B. Baudi di Vesme : I diplomi sardi
deir arcivescovado di Cagliari, im Boll. stör. bibl. Subalpino VI (Turin 1901), 244 f.
Solmi A. : Cagliari pisana, Cagliari 1904, konnte nicht mehr benutzt werden.
*) Cod. Sard. I, 303, 317. S. auch Luchaire A., Innocent III., Rome et l'Italie.
PariH 1904 p. 135 ff.
*) Cod. Sard. I, 322 f. Eine notariell aufgenommene Tratte eines Pisaners in
Cagliari auf Gerardus Henrici Medici in Pisa über 24 1. pis., vom 6. August 1212, fällig
14 Tage nach Ankunft eines bezeichneten Schiffes in Porto Pisano ; Bonaini III,
200 Anm.
*) Cod. Sard. U, App. p. 489.
») Brief der Benedicta, Cod. Sard. I, 330; Honorius' III. ebd. 331. Breviar.
pis. bei Murat. SS. VI, 191. Volpe 350 ff.
«) Klage der Benedicta bei dem Papste : Cod. Sard. I, 329 f.
534 Fünfunddreißigstes Kapitel.
von Tunis mit seiner starken pisanischen Kolonie für den Handel
von sehr viel größerem unmittelbarem Werte war als Bonifacio. Nun
war auch Pisa zum Abschluß des formellen Friedens mit Genua
geneigt.
Da drohte im letzten Augenblicke noch das Friedenswerk daran zu
scheitern, daß die Genuesen die Einbeziehung des Judex von Torres in den
Frieden zur unerläßlichen Bedingung machten. Im Jahre zuvor (1216) hatten
sie nämlich mit dem Judex Comita und seinem Sohne Marianus einen neuen
Vertrag geschlossen, der die Abhängigkeit des Judex von Genua wesentlich
verstärkte, ^) Er und sem Sohn traten in die genuesische Compagna, leisteten
den Bürgereid und versprachen, von einem fest auf 20000 1. jan. eingeschätzten
Besitz dieselben Auflagen zu tragen wie die genuesischen Bürger. Im ganzen
Judikat durften die Genuesen Konsuln aus ihrer Mitte mit voller Jurisdiktion
über ihre Landsleute ernennen. Gegenseitig versprach man sich, kein Handels-
verbot gegeneinander, auch in bezug auf Bonifacio nicht, zu erlassen ; daß den
Genuesen freie Salzausfuhr zustehen sollte, wurde noch besonders hervor-
gehoben; von der gegenseitig zugestandenen Abgabenfreiheit nahmen die
Genuesen das cantarium vicecomitum und die cabella aus. Hier zuerst findet
sich auch die Bestimmung, daß jede Verbindung (rassa) zum Zwecke des
Preisdrückens beim Einkauf oder der Preistreiberei beim Verkauf im Judikat
den Genuesen gegenüber wie in Genua den Turritanern gegenüber verboten
sein sollte. Zur Ratifikation des Vertrages und gleichzeitig zur erstmaügen
Einhebung der collecta von den 20000 1. ging 1217 einer der Ritter des
Podestä, Barocius, zusammen mit dem Notar Marchisius (dem Annalisten)
nach Torres; unterwegs überbrachten sie der Besatzung von Bonifacio den
fälhgen Sold, 2)
So ist es begreiflich, daß die Genuesen auf der Einbeziehung von
Torres in den Frieden fest bestanden, und dem entschiedenen Verlangen des
Papstes gaben die Pisaner in diesem Punkte auch schließlich nach.
Ende 1217 kam im Lateran zu Rom der Friede auf der Grund-
lage von 1188 zustande; beide Mächte versprachen dem Papste Ho-
norius III., die Festen Bonifacio und Castello de Castro seinen Be-
vollmächtigten zu übergeben.^) Daß sie das wirklich tun würden,
hat der Papst selbst schwerlich erwartet, zumal der Kreuzzug gegen
Damiette seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. So blieben
beide Seestädte in ihrem Besitz, der ihrer Seemacht im Westbecken
des Mittelmeers eine ähnliche Stütze gab, wie sie Venedig für das
Ostbecken an Modon und Koron besaß.
418. Die poHtischen Verwicklungen der folgenden Jahrzehnte, bei
denen die Einmischung der Päpste eine wichtige Rolle spielte, sind hier als
der Handelsgeschichte fernliegend nicht weiter zu verfolgen, zumal die Macht-
il
') Lib. Jur. I no. 522 u. 523. Undatiert, aber durch die Namen der genues.
consules communis zu 1216 bestimmt (von Tola im Cod. Sard. I, 270 no. 136 zu
1191 gesetzt). Nur wörtliche Wiederholungen dieses Vertrages sind der Vertrag^
von 1224 (der also nicht mit Chone 32 als ein besonderer Erfolg der genues. Poli-
tik angesehen werden darf) und der von 1233 : Lib. Jur. I no. 612 u. 705.
*) Ann, genov. II, 143.
') Cod. Sard. I, 333. Pressutti 906, 958 betr. Absolution der gebannten Pfc^
saner.
II
Sardinien und Korsika. • 535
Verteilung zwischen Pisa upd Genua, wie sie sich als Ergebnis des langen
Krieges herausgebildet hatte, im wesentlichen bestehen blieb. Die Judikate
Cagliari und Gallura blieben die Domäne der Pisaner; Arborea schwankt,
doch überwiegt auch hier der pisanische Einfluß, während in Torres und
auf Korsika der genuesische meist der überwiegende ist. i)
Die Hoheitsrechte Genuas über Bonifacio wurden in der Regel durch
drei Kastellane ausgeübt; unter die burgenses castri Bonifacii wurden auch
angesehene Einheimische, wie im Jahre 1222 die korsikanischen Ritter Opicio
de Cinercha und W. Blancolarius aufgenommen. 2) Pisa schickte als seinen
Vertreter nur einen castellanus (ursprünglich capitaneus) Montis de Castro
oder Castelli de Castro nach Cagliari, dem bei der Ausübung der richter-
lichen Gewalt ein Judex oder Assessor zur Seite stand ; der erste mit Namen
bekannte Kastellan ist Pietro Scornigiani im Jahre 1229. '^) Im September 1234,
als Opethinus von Ripafratta Kastellan war, riefen die Reisenden auf dem
Schiffe Paradisus, das von Marseille nach Accon unterwegs war, seine Ent-
scheidung wegen der die Sicherheit des Schiffes gefährdenden Unterbringung
einer Bleiladung an, worauf er die Löschung derselben in Cagliari anordnete.*)
Die Parteiungen der Mutterstadt fanden auch in der starken pisanischen
Kolonie zu Cagliari einen lebhaften Widerhall; als es sich 1237 um die Aus-
söhnung der Parteien der Conti und Visconti handelte, stand auf selten der
Conti (von Gherardesca) auch die neue Compagna, de Gamurra genannt,
die sich in Cagliari gebildet hatte und unter der Leitung des früheren
Kastellans Opethinus sowie des Ugolinus und Raynerius von Sassetta stand.^)
Im übrigen hatte sich in Pisa für den sardinischen Handel, ähnhch
wie für den tunesischen, nur noch selbständiger und kräftiger, eine eigen-
artige Organisation entwickelt. Alle pisanischen Kaufleute, die den Handel
mit einem der wichtigeren sardinischen Häfen pflegten, waren korporativ zu
einer Hafengilde zusammengeschlossen ; sie bildeten das comune mercatorum
portus de Calari, de Arborea, de Turri usw. ^) Wie diese Korporationen sich
aus den in Pisa und den auf Sardinien weilenden Mitgliedern zusammen-
setzten, so hatten sie auch hier und dort ihre selbstgewählten Hafenkonsuln
(consules mercatorum portus de Calari etc.), die die gemeinsamen Interessen
der mit einem bestimmten Hafen Handel treibenden Pisaner in jeder
Richtung wahrzunehmen hatten. Dies geschlossene Auftreten erleichterte
sicher dem einzelnen den Handelsbetrieb wesentlich; namentlich für die
Schiffsverbindung zwischen Pisa und den sardinischen Häfen mußte eine
solche Organisation von Wichtigkeit sein. Sache dieser Hafenkonsuln war
es auch, für die Beachtung staatlicher Vorschriften, Handelsverbote u. dgl.
^) In dem 1241 beginnenden Kriege erzielten die Pisaner auf Korsika vor-
übergehende Erfolge ; sie nahmen Aleria und schlössen mit den Nobiles de Bag-
naria 1247 einen Vertrag. Konsulat d. M. 154; Muratori Antiqu. IV, 235—241. Am
8. Oktober 1245 kaufte der Reichsadmiral Ansaldo de Mari in Pisa drei Kastelle
auf Capocorso von seinem Landsmann Sozo Piper. Caro in MJÖG. XXIII (1902),
645 A. 1.
2) Chart. I, 1151 (zu 1208) und Lib. Jur. I no. 575.
') Konsulat d. M. 171 f. Volpe 405 f. Vgl. Solmi A., La costituzione sociale
etc. in Sardegna, im Arch. it., ser. 5, 34 (1904), 344.
*) Blancard I p. 149, wo er Ypechinus genannt wird. Die Zeit ergibt sich aus
p. 72 f. no. 51. Nach Volpe 1. c. war er schon 1233 Kastellan. Solmi 1. c.
6) Cod. Sard. I, 358. Volpe 406.
®) Näheres, namentlich für die spätere Zeit, Konsulat d. M. 170 ö". Vgl.
Volpe 380.
536 ' Fünfunddreißigstes Kapitel.
zu sorgen; die auf Sardinien weilenden waren auch mit Jurisdiktion über
ihre Landsleute ausgestattet ; wenn der Wert des Streitobjekts 50 1. pis. nicht
erreichte, war Berufung von ihren Entscheidungen unzulässig, i)
Positiv nachweisbar ist die Institution außer für Cagliari, wo uns diese
Konsuln schon im Jahre 1212 begegnet sind und wo es eine besondere Kirche
S. Maria del Porto gab 2), für Torres, für das eine pisanische Urkunde von
1222 die ,mercatores portus de Torres' und das ,Comune portus de Torres'
erwähnt 3), für Bosa, wo wir 1230 einen pisanischen Konsul Rotus kennen
lernen 4), und für Arborea, wo 1245 Leonardus de Ajuti quond, Pandulfini
als consul mercatorum Pisanorum portus Arboreae erscheint. •'5) Alle in Pisa
weilenden Vorsteher der Sardinienfahrer aber hatten, wie für 1247 zuerst
nachweisbar ist, kraft ihres Amtes Sitz und Stimme im großen Rate des
Comune *•), auch ein Zeichen, von wie hervorragender Wichtigkeit der Handels-
verkehr nach dieser Insel mit ihrem Überfluß an Getreide und anderen
Lebensmitteln, an Salz und Metallen für Pisa war, dessen Kräfte andererseits
freilich auch zu einem sehr großen Teile durch seine sardinischen Interessen
in Anspruch genommen wurden.
419. Mit den Pisanern kamen auch Toskaner des Binnenlandes nach
Sardinien ; hatte doch z. B. das Kloster Camaldoli auf der Insel nicht geringen
Besitz.'') Bemerkenswert ist, daß um 1222 Ritter von San Gimignano, die
auf Sardinien in pisanischem Solde gestanden hatten und nach ihrer Ent-
lassung in Not geraten waren, sich zur Aufbesserung ihrer Finanzen auf den
Ankauf und Weiterverkauf von Pech und Wolle warfen; einer von ihnen
hat zu diesem Zweck von einem Florentiner Rodolfesco ein Darlehn von
etwa 30 1. jan. aufgenommen. Auch auf Korsika begegnen wir Florentinern;
am 7. März 1247 gewährt ein genuesischer Gläubiger von Bonifacio dem
Florentiner Bonella, dem Sohne des Gherardo degü Asini, sicheres Geleit.^)
Auch das südliche Italien entbehrte der Handelsbeziehungen zu
Sardinien nicht ganz. So wissen wir, daß die Benediktiner von Monte Cassino,
die schon seit dem 11. Jahrhundert auf der Insel reich begütert waren, für
ihre Fahrten von Gaeta nach Sardinien am Anfang des 12. Jahrhunderts
das Stadthaupt der Römer, den Konsul Ptolomeus, zu ihrem Beschützer
erwählt hatten, wie auch aus dem Privileg Tankreds vom Jahre 1191 das
^) Const. Usus rub. 47 bei Bonaini II, 975.
2) Erwähnt 1230: Volpe 346. Ebenda werden verschiedene Bankiers, eine
j)latea communis und eine ruga Leofantis in Cagliari archivalisch nachgewiesen.
") Volpe 347 A. 3. Solmi 1. c. p. 339 weist einen pisanischen Konsul zu Sas-
sari im Jahre 1233 nach.
*) Bonaini I, 276 A. Er ist Zeuge in einer Urkunde, die der Vertreter der
pisanischen Dombauverwaltung in Sassari über das gewaltsame Eindringen von
Leuten des Judex von Torres in ein Besitztum des Domes aufnehmen ließ (11. Ok-
tober 1230 ; die von Volpe 346 A. 6 angeführte Urkunde, aus der er auf einen pis.
Konsul in Sassari schließt, ist damit identisch). 1235 zieht der Papst die Bischöfe
von Bosa und Empurias zur Rechenschaft, weil sie den Erzb. von Pisa zum Nach-
teil von Torres als Primas von Sardinien aufgenommen haben. Auvray 2798 f.
») Konsulat d M. 174.
*) Muratori Antiqu. IV, 239. Dal Borgo 276 : Consules et Capitanei Portuum
Sardiniae.
') Kehr P., Papsturkunden im östUchen Toskana, in: Göttinger Nachr., 1904
p. 148 (1125), 158 ff. (1154).
8) Aussage vom 18. Mai 1221 bei Davidsohn, Forsch. II, 304 no. 2319. Fer-
retto I, 108 A. 3.
11
II
II
Sardinien und Korsika. 537
Bestehen eines selbständigen Handelsverkehrs Gaetas mit Sardinien erhellt.^)
Auf Handelsbeziehungen zwischen Sardinien und Sizilien weist die am
Ende des Jahrhunderts gegen einen Erzbischof von Arborea erhobene
Beschuldigung, daß er einen christlichen Hörigen seiner Kirche durch einen
Nepoten an die Sarazenen Siziliens habe verkaufen lassen 2) und aus der Zeit
Friedrichs II. ist uns bekannt, daß die Verwaltung des Salzmonopols nach
den westlichen Teilen des Königreichs, namentlich nach Terra di Lavoro,
auch aus Sardinien Salz einführte. 3)
420. Auch Marseille hatte zu Sardinien durch das Benediktiner-
Kloster von Sankt Victor alte Beziehungen. Am Ende des 11, Jahrhunderts
erfahren wir von einem Mönch Johannes aus GaUura, der dem Mutterkloster
durch einen anderen Mönch 350 SoHdi lucchesischer Münze übersendet. ■*)
Ein richtiger Handelsverkehr zwischen beiden Gebieten tritt allerdings erst
ganz am Ende unseres Zeitraumes an das Licht. Im Mai 1248 ging das
Fahrzeug S. Nicolaus des Raimundus de Corvo von Marseille nach Sardinien ^) ;
im folgenden Monat führte der Marseiller Raimundus Cuissardus seine Barke
nach Cagliari. Von einer Handelsgesellschaft von acht Personen, der er
selbst angehörte, war er bevollmächtigt, in Cagliari ein oder mehrere Schiffe
unter dem Beirat zweier mitreisender Gesellschafter anzukaufen und die
dafür erforderlichen Mittel in Cagliari als Seedarlehn oder wie er es sonst
zweckmäßig finden würde, aufzunehmen ; drei der Gesellschafter haben ihm
außerdem für die Fahrt silberne Miliarenses und Goldtari im Gesamtwert
von 97 1/2 1. misc. in Commenda gegeben. ^)
Deutet diese Fahrt auf den damaligen Kreuzzug, so erklärt es sich
aus dem Seekriege zwischen Genua und der kaiserlichen Partei, daß die an
der genuesischen Riviera beheimatete, dem Filionus von Finale gehörige
Galeere Negretta ihre Fahrt nach Porto Torres von Marseille aus antrat.'^)
Am 26. März 1248 hatte der Schiffer mit einer Gesellschaft von fünf Personen
einen Frachtvertrag geschlossen; sie garantierte ihm eine in Porto Torres
einzunehmende Ladung von 200 Ztr. Gewichts von Sassari, für die er, falls
die Ladung wie beabsichtigt, in Fleisch, Käse und Häuten bestand, 4 sol. jan.
für den Zentner erhalten sollte, während bei anderen Waren die Fracht
nach dem üblichen Wertverhältnis auf Grund dieses Satzes zu berechnen
war. Die Abreise der mit 35 Personen bemannten Galeere sollte am nächsten
Sonntag (29. März) erfolgen ; Waren, die die Ladungsinteressenten ihm für die
Hinfahrt nach Sardinien mitgeben wollten, waren unentgeltlich zu befördern ;
der Aufenthalt in Sardinien sollte zwei Wochen dauern, die Rückreise je
nach Beschluß der Mehrheit der Ladungsinteressenten nach einem der Häfen
auf der Küstenstrecke von Marseille bis Varazze gerichtet werden. Am
27. März trat noch ein sechster Ladungsinteressent, Guil. Blanc von Hyeres,
») Petr. diac. 1. IV c. 25 (SS. VH, 773) ; Cod. Caiet. H p. 314.
•) Cod. Sard. I p. 280 no. 147 (Schreiben d. Papstes Innocenz III. vom 11. Aug.
1198).
») Huillard-Bröholles IV, 252. Winkelmann H, 281,
*) Cod. Sard. I, 163 (no. 18).
') Amalric no. 633, 654 usw.
*) Ebd. no, 890 (17. Juni) ; 894 — 896 ; dazu eine weitere Commenda in byz.
miliar, no. 898.
') So erfolgte auch, um Sicherheit vor der genuesischen Außenpartei zu ge-
winnen , am 19. April 1248 der Scheinverkauf der nach Sardinien bestimmten ge-
nuesischen sagettia Bonaventura an GafEerius von Albenga. Canale II, 583 f.
538
Fünfunddreißigstes Kapitel. Sardinien und Korsika.
der Vereinbarung bei; von den übrigen waren drei Marseiller, darunter der
in Marseille naturalisierte Benvenuto von Lucca, und zwei Bürger von Sassari,
mag. Gaufridus und Barisonus (= Bressonus) Manco ; während die Anteile
der anderen zwischen 28 und 37 Ztr. sich bewegen, hatte Gaufridus die
Garantie für 84 quintalia Ladung übernommen. ^) Hier zum erstenmal tritt
uns also die aktive Beteihgung einheimischer Sarden am Seehandel entgegen,
auf die die zwischen Genua und dem Judikat Torres seit 1191 abgeschlossenen
Gegenseitigkeitsverträge hinweisen.
Von einem Handel der Katalanen mit Sardinien hören wir in dieser
Zeit noch, nichts; doch ist nicht anzunehmen, daß er ganz gefehlt hat, wenn
wir uns vergegenwärtigen, daß die katalanischen Vicecomites von Bas seit
der Ehe der Agalbursa auf der Insel eine Rolle spielten, und daß der Judex
Wilhelm von Cagliari bei seinen Rüstungen gegen die Genuesen 1196 auch
Katalanen in seine Dienste zog. 2) Es sind nur die ersten Vorboten der
Entwickelung, die die Katalanen zur Herrschaft über die Insel führen sollte.
») Amalric no. 167, 181, 214.
») Oben § 410 u. 413. Ann. genov. II, 56, 63 f.
Abschnitt VII:
Das proven^alisch-katalanische Gebiet.
Sechsunddreißigstes Kapitel.
Katalonien.
421. Vor dem dritten Kreuzzuge ist von kommerziellen Fort-
schritten Kataloniens noch wenig wahrzunehmen.
Wenn Graf Raünimd-Berengar III. von Barcelona im Jahre 1118, um
die Bürger Barcelonas für die Dienste, die sie ihm besonders bei der Belagerung
des castrum Fos in der Provence geleistet, zu belohnen, ihre Galeeren von
dem Fünften befreite, den er von ihnen bisher im Hafen von Barcelona
erhoben hatte, so handelt es sich dabei um eine Schiffsart. die vorwiegend
lu Kriegs- und Korsarenzügen diente. Auf Handelsschiffe dagegen bezieht
es sich, wenn er 11.32 den Zehnten aller Abgaben (de cunctis leudis et
usaticis), die ihm im Hafen von Barcelona von allen ein- oder auslaufenden
oder transitierenden Schiffen zustanden, der Kirche von Barcelona überwies.^)
Benjamin von Tudela, der von Saragossa über Tortosa und Tarragona
nach Barcelona kam, nennt es eine kleine, aber hübsche Stadt; aus allen
Teilen der Welt, aus Griechenland, Pisa, Genua, Sizilien, Alexandrien,
Palästina kämen Kaufleute hierher. 2)
In Wahrheit waren die aus aller Welt hierher kommenden Kauf-
leute in dieser Zeit ganz überwiegend Pisaner oder Genuesen. Diese
waren es, die durch ihre Seezüge in der ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts wesentlich dazu beigetragen haben, den Katalanen gegen-
über den Sarazenen Luft zu schaffen ; ihren Spuren folgend, sind die
Kaufleute Barcelonas allmählich zu weiteren Handelsfahrten und
wachsender kommerzieller Selbständigkeit gelangt.
Der Balearenzug war es, der die Pisaner naturgemäß mit dem Grafen
Raimund Berengar IH. von Barcelona in enge Beziehungen brachte; monate-
lang haben sie in seinem Gebiet zugebracht, ehe im Juni 1114 der Aufbruch
») Capmany H no. 1 u. 2. Bofarull II, 403.
*) Benj. Tud. I, 31.
540 Sechsunddreißigstes Kapitel.
zum entscheidenden Schlage erfolgte. Während dieser Zeit erkoren ihn die
Pisaner zu ihrem ständigen Bannerträger (vexillifer atque guidator) bei Kriegs-
zügen gegen die Sarazenen Spaniens und er selbst rüstete ein Hilfskontingent;
was den Pisanern aber das wichtigste war, am 7. September 1113 verlieh er
ihnen in S. Fehu de Guixoles (so. Gerona) ein Privileg, das ihnen Sicherheit
des Handels, Schutz auch bei Schiffbruch, und Freiheit von Handelsabgaben
in allen seinen Gebieten gewährte, i) Auch mit seinem gleichnamigen Sohne
standen die Pisaner im allgemeinen in gutem Verhältnis ; von einer lebhaften
Korrespondenz, die sie mit ihm führten, ist uns nur ein Schreiben vom
Herbst 1146 erhalten, in dem sie ihn dringend ersuchten, von einer Begünsti-
gung der genuesischen Absichten auf die Balearen Abstand zu nehmen, und
im übrigen auf Beschwerden wegen Vergewaltigung seiner Untertanen durch
Pisaner, die ihrerseits provociert zu sein behaupteten, eine entgegenkommende
Antwort gaben. 2) Und wenn sie auch in den Jahren 1151/52 seinem Vor-
schlage einer neuen gemeinsamen Expedition gegen die Balearen auswichen,
so kam ihnen andererseits die zwischen ihm und Genua wegen Tortosas
bestehende Spannung zustatten; für ihren Einfluß ist bezeichnend, daß in
der Urkunde des Judex von Arborea über die Morgengabe für seine Gemahlin
Agalbursa, eine Nichte des Grafen, sich unter den zehn von Raimund beauf-
tragten offiziellen Zeugen (legati et procuratores D. Raymundi) neben je einem
Marseiller, Genuesen und Katalanen sieben vornehme Pisaner befinden
(31. Oktober 1156)^). Auch die pisanische Seezinstabelle führt das wichtige
Barcelona natürlich auf; sie hat für ,Barcelona et infra' den Satz von 25%.*)
Einen Beweis für die kräftige Entwicklung des pisanischen Handelsverkehrs
nach Catalonien liefert auch der Akt, der ihn zu unterbrechen bestimmt
war: als der Nachfolger Raimund Berengars, zugleich König von Aragon,
Alfons IL, sich 1167 mit Genua verband, versprach er, die Pisaner in Zukunft
weder in Tortosa noch in irgend einem ihm gehörigen zwischen Tortosa und
Nizza gelegenen Hafen aufzunehmen ; nur in Barcelona wollte er die pisanischen
Schiffe noch zulassen, aber auch nicht des Handels, sondern ausschließlich des
Pilgertransportes wegen. Und sogleich betätigte er auch seine feindlichen
Absichten ; zwei gerade im Hafen von Barcelona liegende pisanische Schiffe
nahm er fort und gab die Hälfte der Waren den Genuesen. 0) Zwar ver-
feindeten sich die Genuesen mit Alfons bald wieder; doch mußte Pisa 1175
in seinem Frieden mit Genua darein willigen, seinen Seeverkehr wie mit
Süd-Frankreich so auch mit Katalonien bis zum Kap Salou für die Dauer
von zehn Jahren auf die Küstenschiffahrt zu beschränken.
422. Die Genuesen sehen wir zuerst in der Zeit ihres langdauernden,
hauptsächlich Korsikas wegen entbrannten Krieges gegen Pisa mit der Graf-
schaft Barcelona anknüpfen ; nach längeren Verhandlungen sind der Konsul
Caffaro und Ansaldo Crispini am 28. November 1127 mit Raimund Berengar,
*) Eingerückt in das dem Gesandten Sigerio Gaetani 6 id. Aug. 1233 vom
König Jayme gewährte Privileg, Liber Maiolichin., App. no. 1 p. 137 f. David-
sohn I, 375. Urkunde über die Aufnahme eines Darlehns von 100 morab. durch
den Grafen ad iter Majorice expeditionis peragendum bei Fidel Fita im Boletin 40 _.
(1902), p. 68. Vgl. BofaruU II, 398 ff. fll
«) Coleccion IV, p. 371 f. *■
«) Ib. p. 270 f., Cod Sard. I, 220 f. (datiert 1157 ind. IV ; da der aufnehmende
Notar Pisaner ist, ist pisanische Jahreszählung anzunehmen; allerdings wäre auch-
dann noch ind. V zu erwarten.)
*) Bonaini II, 905.
») Lib. Jur. I no. 253 ; ann. genovesi I p. 205 (1167).
Katalonien. 541
der als Herzog und Markgraf der Provence zugleich über einen beträchtlichen
Teil der Südküste Frankreichs gebot, zu einer Verständigung gelangt, die
hauptsächHch den Anspruch des Grafen betraf, von allen genuesischen
Schiffen, die auf dem Wege nach dem mohammedanischen Spanien sein
Küstengebiet passierten, eine Abgabe zu erheben, i) Man einigte sich dahin,
daß nur diejenigen genuesischen Schiffe zur Entrichtung der Abgabe (census)
von 10 Morab. in Barcelona und S. Feliu de Guixoles an die Beamten des
Grafen oder Barcelonas verpflichtet sein sollten, die während ihrer Fahrt
an einem Punkte der Küstenstrecke von Nizza bis zur Ebromündung vor
Anker gingen ; diesen verbürgte der Graf dafür volle Sicherheit, während er
bezüglich der die hohe See haltenden Schiffe (quae vero tenuerint profunda
pelagi), die das Geleitsgeld nicht entrichteten, jede Verantwortung ablehnte.
Nahmen genuesische Schiffe auf der Strecke von Nizza bis Salod (C. Salou,
w. Tarragona) nichtgenuesische Kaufleute oder Waren für diese Fahrt an
Bord, so war für diese die gleiche Abgabe zu entrichten wie sie für die
Bewohner von Montpellier herkömmUch war; bei entstehenden Zweifeln sollte
auf den Eid zweier im Seewesen erfahrener Männer zurückgegriffen werden.
Außer diesen den Streitfall beseitigenden Bestimmungen versprachen sich
die Kontrahenten gegenseitig volle Sicherheit der Personen, Waren und
Schiffe (auch der gestrandeten) in den beiderseitigen Gebieten; bei Zuwider-
handlungen hatte die angerufene Partei binnen 40 Tagen nach erfolgter
Anzeige Abhilfe zu schaffen, während der Vertrag selbst dadurch nicht in
Frage gestellt werden sollte. Die bestehenden Handelsabgaben wurden auf-
recht erhalten.
Ein besonders enges Verhältnis schien sich 20 Jahre nach diesem
Vertrage mit Raimund Berengar IV, (1131 — 1162) anzubahnen, der zugleich
Verweser des Königreichs Aragon war. Als die Genuesen im September 1146
ihren Vertrag mit Alfons von Castilien wegen Almerias schlössen, machten
sie sein Inkrafttreten davon abhängig, daß ihnen die Rückendeckung durch
eine Vereinbarung mit dem Grafen gelänge, mit dem sie in gespannten
Beziehungen lebten, seit sein Bruder, der Graf von Melgueil, im Jahre 1144
im Seekampfe gegen sie gefallen war. Fast gleichzeitig brachte der Ab-
gesandte der Flotte, der Konsul Filippo Lamberti, diese Vereinbarung
zu stände 2) ; die Genuesen versprachen, nach der Bezwingung Almerias und
unter analogen Bedingungen dem Grafen das wichtige Tortosa an der Ebro-
mündung 3), nach dessen Besitz er schon lange strebte, erobern zu helfen.
Da die Einnahme Almerias erst im Spätherbst 1147 (17. Oktober) erfolgte,
überwinterten die Genuesen in Barcelona und brachen dann Ende Juni 1148
in Gemeinschaft mit dem Grafen, den Tempelrittern und zahlreichen Kreuz-
fahrern gegen Tortosa auf. Wieder war der Anteil der Genuesen mit ihrer
Flotte, die in die Ebromündung eingelaufen war, ihren kunstvollen Belage-
rungsmaschinen und ihrer verhältnismäßig starken Mannschaft an der Ein-
nahme der Stadt ein besonders rühmlicher; erst als ein Gesuch, das die
Belagerten mit Genehmigung der Belagerer an den »König der Spanier«
1) Capmany IV no. I p. 3 ; vgl. I, 2 p. 24 u. Bofarull II, 418.
«) Lib. Jur. I no. 124 u. 127. Imperiale p. 402. Über die Expedition s. den
Sonderbericht Caffaros, SS. XVm p. 38; ann. genovesi I p. 85 jFf. Langer S. 33 f.
liofarull III p. 29 ff.
') Die Umgebung war reich an Schift'sbauholz (Edrlsi, Afr. et Esp. 282) und
Salinen (Delaville le Roulx I no. 181).
542 Sechsunddreißigstes Kapitel.
gesandt i) , ihnen bis zu einer bestimmten Frist Hilfe zu schicken, fruchtlos
blieb, ergab sich am 30. Dezember auch die Burg.
Da der Graf im Interesse seines neuen Eigentums jede Zerstörung
und Plünderung klug zu verhüten wußte, so fehlte diesmal die reiche Beute,
so daß die Expedition nach Tortosa für die Genuesen auf eine Reihe von
Jahren drückende finanzielle Verpflichtungen hinterließ. Doch erhielten
die Genuesen dem Vertrage gemäß das ihnen zustehende Drittel der Stadt,
unter der Oberhoheit des Grafen, im übrigen aber zu völhg freiem Besitz;
bei Streitigkeiten zwischen den Bewohnern des gräfhchen imd des genue-
sischen Anteils war bei Zivil- wie Kriminalsachen das Forum des Beklagten
zuständig. Auch die gleichfalls versprochene Freiheit der Genuesen von
Handelsabgaben, vom Jportaticum, pedaticum und ribaticum, trat nunmehr
für das ganze westlich von der Rhone gelegene Gebiet des Grafen in Kraft;
durch besonderes Privileg vom 1. Januar 1149 verlieh er ihnen ausdrücklich
auch Befreiung von allen Abgaben, die sie bisher auf dem Wege nach
Hispanien oder nach anderen Gebieten oder auf dem Rückwege von da in
Tamarite zu entrichten gehabt hätten; auch für andere Personen als den
Grafen — und darin liegt der Kernpunkt dieses Privilegs — dürften Ab-
gaben in Tamarite von ihnen nicht gefordert werden.^) Auch jetzt blieb
im übrigen im Vertrage die Gegenseitigkeit gewahrt, da die gräflichen
Untertanen das gleiche Zugeständnis der Abgabenfreiheit für den genuesi-
schen Machtbereich erhielten.
423. Die Stellung Genuas auf der pyrenäischen Halbinsel konnte in
dieser Zeit in kommerzieller Beziehung wahrhaft glänzend erscheinen; was
es im syrischen Tripolis vergeblich erstrebt und an anderen Plätzen Syriens
auch nur teilweise gewonnen und dazu mit anderen rivalisierenden Handels-
mächten teilen mußte, besaß es hier allein — ein volles Drittel zweier
Handelsplätze im nördlichen und südlichen Teile der spanischen Mittel-
meerküste, die bisher zu den bedeutendsten des Landes gehört hatten.
Dennoch aber trugen diese Erwerbungen weit mehr als die syrischen von
vornherein den Charakter stark gefährdeter Außenposten; die territorialen
Gewalten, die im Lande selbst wurzelten, hatten hier doch eine ganz andere
Macht und ganz andern Rückhalt als es in den Kreuzfahrerstaaten der
Fall war.
Sehr bald kamen die Genuesen zu der Erkenntnis, daß Tortosa für
sie nicht zu behaupten war, wenn sie nicht ganz unverhältnismäßige Kosten
aufwenden wollten.
Die Verwaltung seines Drittels und alle Einkünfte daraus hatte Genua
zuerst auf 25 Jahre, vom 2. Februar 1149 an gerechnet, für 1900 Morab.,
die jährlich an den Bevollmächtigten Genuas zu zahlen waren, zu Lehen
vergeben, wir wissen nicht an wen ; doch ist uns der Lehnseid erhalten.^)
Es scheint, daß man damit die wenigstens für den Anfang zu erzielenden
Einnahmen erheblich überschätzt hatte. Wohl fanden auch im genuesischen
Drittel Landanweisungen, Belehnungen, Vermietungen durch die »domini
*) Das ist, wie wir wissen, Mardenisch von Valencia, nicht wie Langer S. 34
meint» der christliche König von Navarra ; auch geschah die Sendung keineswegs
hinterlistig.
*) Lib. Jur. I no. 145. Imperiale not. 30 p. 410.
') Lib. Jur. I no 165. Undatiert, aber durch den Inhalt bestimmt; vom Her-
ausgeber irrig zu 1150 gesetzt und mitten unter den Urkunden dieses Jahres ab-j
gedruckt. Auch Langer S. 43 hat den Sachverhalt nicht erkannt.
II
Katalonien. 543
Tortuose« statt; aber der gräfliche Anteil übte, dank der persönlichen Be-
mühungen Raimund Berengars, eine weit größere Anziehungskraft.^) Schon
im Dezember 1150 traf die genuesische Regierung eine völlig neue Verein-
barung mit einem Konsortium von sieben Personen, dem u. a. Wilelmüs
liusius, Ansaldus Mallonus, Wilelmüs Picamilium angehörten, nach welcher
alle Besitzungen und Rechte Genuas in Tortosa von Weihnachten 1150 an
auf 29 Jahre an dies Konsortium übergingen, wofür es nur zu einer jähr-
lichen Zahlung von 300 1. Jan., allerdings in Genua selbst, verpflichtet war;
auch versprach die Regierung, alle von ihrem Bevollmächtigten früher vor-
genommenen Verpfändungen rückgängig zu machen.^) Indessen auch mit
dieser Verpachtung wurden die Verhältnisse nicht gebessert; und so ent-
schloß sich die genuesische Regierung, wahrscheinlich auf Drängen des
Konsortiums selber, das ja den regierenden Kreisen angehörte, zur Über-
lassung ihres Anteils an den Grafen. Enrico Guercio hatte die wenig an--
genehme Aufgabe den Vertrag abzuschließen, der im November 1153 zu-
stande kam 3); für den Preis von 16640 Morab., die im ersten Halbjahr 1154
in zwei Raten zu zahlen waren, ging das genuesische Drittel von Tortosa
an den Grafen über. Natürlich blieben die auf privatrechtlichen Titeln
beruhenden Besitzungen der einzelnen Genuesen davon unberührt; auch
der Dom von Genua behielt die ihm früher überwiesene Ebroinsel, und
der Graf versprach ihm als jährliches Ehrengeschenk ein pallium im Werte
von 1 1. bare. So war Tortosa noch früher verloren als Almeria; es ist
bezeichnend genug, daß die Annalen Caffaros über beide Verluste vöUig
schweigen.
424. Da die Abgabenfreiheit Genuas im Gebiet des Grafen bestehen
blieb, so müßten wir eigentlich erwarten, im Notularium des Johannes
(1155 — 1164) den Zeichen des regsten Handelsverkehrs der Genuesen in
seinen Ländern zu begegnen. Um so überraschender ist es für uns, daß
sich in demselben auch nicht ein einziger Vertrag findet, der Barcelona oder
Tortosa oder irgendeinen der katalanischen Häfen als Ziel einer Handels-
fahrt namhaft machte; die Genuesen mieden also in dieser ganzen Zeit
diese Küste völlig. Der Grund dieser auffallenden Tatsache kann nur in
einem Umstände gefunden werden: der Graf hat die Genuesen auch um
einen großen Teil des Kaufpreises gebracht 4); nachdem nach Zahlung der
ersten Rate die Übergabe des Besitzes erfolgt war, hat er weitere Zahlungen
eingestellt.
Erst im Jahre 1167 änderte sich das bestehende feindliche Verhältnis.
Der genuesische Konsul Rodoanus kreuzte im Frühjahr vor den Rhone-
mündungen gegen die Pisaner, während König Alfons von Aragon, der
1162 auch in der Grafschaft Barcelona gefolgt war, dem mit den Pisanern
verbündeten Grafen von Toulouse das feste Schloß Albaron an der unteren
Rhone zu entreißen suchte. Das führte die bisherigen Gegner zusammen ;
in dem Vertrage vom 7. Mai 1167 versprachen die Genuesen ihre Unter-
*) Lib. Jur. I no. 162. Privileg des Grafen vom 30. November 1149. Petrus
de Marca p. 1303. Coleccion IV no. 61 p. 144. Langer S. 35.
>) Lib. Jur. I no. 162—164; 166. Imperiale no. Vni zu nota 13 p. 350.
«) Coleccion IV no. 78 p. 251 f. BofaruU IH p. 54.
*) Bisher ganz übersehen, obwohl es aus den späteren Verträgen deutlich
hervorgeht. Vgl. auch Lib. Jur. I no. 205 die Vertröstung Piacenzas durch die Ge-
nuesen (1154) auf die Zahlung von 6000 Byzantien, die sie vom Grafen zu erwarten
hätten.
544 Sechsunddreißigstee Kapitel.
Stützung zur Eroberung des Kastells, während der König versprach, die
von seinem Vater herrührende Schuld bis zu einem noch zu vereinbarenden
Termin an die Genuesen zu zahlen und dafür den Genuesen angemessen
erscheinende Sicherheit zu stellen, auch ihre volle Abgabenfreiheit in seinem
ganzen Gebiete aufrechtzuerhalten. Die Gültigkeit der mit den Genuesen
geschlossenen Konvention war an den Fall des Kastells Albaron gebunden.^)
Die Genuesen taten auch das Ihre, indem sie vier Galeeren unter Rogerius
de Maraboto zum Könige stoßen ließen. Doch hob der König, nachdem
sein Verbündeter, der Vicomte von Beziers, durch Verrat der Seinen den
Tod gefunden, die Belagerung auf. Damit war auch der Vertrag, soweit
er neue Bestimmungen enthielt, hinfällig geworden; ihr Geld erhielten die
Genuesen auch jetzt nicht. Mochte schon infolge dieses Umstandes das
Verhältnis wieder ein gespanntes geworden sein, so richtete sich das enge
kriegerische Bündnis, das die Genuesen 1174 mit Raimund von Toulouse
schlössen, direkt gegen Aragon ; doch schlössen Alfons und Raimmid schon
im Jahre 1176 wieder Frieden.^) Es setzt ein schon bestehendes freund-
schaftliches Verhältnis voraus, wenn König Alfons, der gerade Rosas
belagerte, am 30. November 1186 den Genuesen seinen Beistand gegen die
Pisaner und jedermann, den Kaiser ausgenommen, verspricht, falls sie wegen
der Hilfe, die sie seiner Verwandten Agalbursa zur Erlangung des König-
reichs Arborea zugesagt, in Krieg verwickelt werden sollten. Ausdrücklich
versprach er zugleich den Genuesen, die Pisaner weder zu Lande noch zur
See in seinem Gebiete aufzunehmen, und falls sie irgendwo auf seinem
Gebiete landen sollten, sich ihrer und ihrer Waren zu bemächtigen.^) 1187
brach der Krieg zwischen Pisa und Genua tatsächlich aus; in dem Frieden
aber, der schon 1188 (mit Rücksicht auf den saladinischen Krieg) herbei-
geführt wurde, mußte Genua auf seine Versuche, die Bewegungsfreiheit der
Pisaner zur See einzuschränken, endgültig verzichten, so daß Genuesen und
Pisaner in Katalonien fortan wieder unter gleichen Bedingungen in Wett-
bewerb traten.
425. Geographische Lage, Stammesverwandtschaft und politische
Beziehungen verknüpften Katalonien so eng mit Süd-Frankreich,
daß wir von vornherein auch kommerzielle Bande zwischen beiden.—
Gebieten anzunehmen haben. llf
Wenn der Vertrag Raimund-Berengars mit Genua von 1127 auf die
nach Hispanien transitierenden Fahrzeuge von Montpellier Bezug nimmt,
so beweist das natürlich nicht minder für den Schiffsverkehr zwischen
Montpellier und Katalonien selbst; es spricht für die engsten Beziehungen,
wenn Raimund-Berengar IV. schon 1136 einmal mit Wilhelm, dem Herrn
von Montpellier, einen Vertrag geschlossen hat, wonach dieser Tortosa zu
Lehen erhalten sollte, falls es in die Gewalt der Christen käme.*) Während
der Belagerung Tortosas sicherten sich die Narbonnesen, die unter Führung
ihrer Herrin Ermengard und mehrerer Stadtkonsuln den Grafen eifrig
unterstützten, den Lohn für ihre Dienste dadurch, daß sie sich vom Grafen
II
1176).
») Ann. genovesi I p. 205 f. (1167). Lib. Jur. I no. 253. Unten § 443.
2) Lib. Jur. I no. 309, 310. Petrus de Marca p. 1368 f. (Vertrag vom 18. April]
») Lib. Jur. I no. 360 ; vgl. no. 358.
*) Oben § 422. Petrus de Marca p. 1281. Bofarull 11, 436. Liber Instrum.
p. 284 no. 152. '
Katalonien. 545
am 24. September 1148 mit Zustimmung der Genuesen Einräumung eines
Fondaco und Freiheit von Handelsabgaben in der eroberten Stadt versprechen
ließen.i) Und bei ihren auf Beschränkung des überseeischen Handels der
Büdfranzösischen Städte gerichteten Bestrebungen haben die Genuesen
diesen doch den Verkehr gerade nach Spanien hin freigegeben.2)
426. Als Kaiser Heinrich VI. im Jahre 1195 den Genuesen erklärte,
ihnen zur Eroberung des Königreichs Aragon behilflich sein zu wollen,
müssen Mißhelligkeiten zwischen den beiden Mächten bestanden haben, über
die wir nichts Näheres wissen; unter Alfons' Nachfolger aber, Pedro H.
(1196 — 1213), kam es am 3. September 1198 zu einem neuen Vertrage, den
der Gesandte Aragons Raimund de Fressia mit dem Podestä, Alberto de
Mandello abschloß.^)
Die Verträge von 1146 und 1167 wurden mit Ausnahme der obsolet
gewordenen Bestimmungen bezüglich Tortosas und Albarons wieder in Kraft
gesetzt, und Genua verzichtete nunmehr formell auf seine alte Schuldforderung.
Die gegenseitig vorgekommenen Schädigungen erklärte man für kompensiert ;
als Geltungsgebiet der genuesischen Handelsprivilegien wurde die Grafschaft
Barcelona und das Königreich Aragon bis Narbonne bezeichnet. Der Friede
hatte diesmal länger Bestand ; im Jahre 1204 erschien Pedro selbst in Genua
und fand hier eine sehr ehrenvolle Aufnahme. 4)
Im Jahre 1213 aber kam es zu einem neuen Bruch. Katalanische
Seeräuber hatten eine Büse des Genuesen W. Bubeus bei Vintimiglia gekapert ;
andere hatten dem Guilelmus de Caffaro schweren Schaden zugefügt, so daß
diesem von der genuesischen Regierung Represalien in Höhe von 2000 1. jan.
gegen die Katalanen bewilligt worden waren. Dazu kam, daß sich der
König, als das von Sizilien mit reicher Ladung zurückkehrende genuesische
Schiff S. Blasius um Ostern 1213 bei ColUoure Schiffbruch litt, des Schiffes
und der Ladung bemächtigte und die Leute auf dem Schiff gefangen setzte ;
nur mit Mühe erwirkte der Konsul Obertus de Volta, den Genua an den
König sandte, wenigstens die Freilassung der Gefangenen. 0) Natürlich führte
das zu Represalien der Genuesen, die wieder Gegenrepresalien hervorriefen
— so war, ohne daß der offene Krieg erklärt worden wäre, ein Kriegszustand
eingetreten, der 17 Jahre hindurch dauerte. Nur mit dem Vasallen des
Königs, Ugo von Ampurias, kamen die Genuesen in der Zwischenzeit in ein
besseres Verhältnis. Im Begriff, aus dem Heiligen Lande zurückzukehren,
ßtellte er am 1. Mai 1219 an Bord des Schiffes S. Mauricius in Accon den
Genuesen einen Sicherheitsbrief für sein Gebiet aus, der sich ausdrücklich
auch auf gestrandete Schiffe erstreckte. 0) Trotzdem beteiligte er sich im
Jahre 1224 wieder an der Ausrüstung zweier proven9alischer Kaperschiffe
1) Mouynes p. 3. Devic et Vaissöte in, 379. Port 136. Noch 1241 bestätigt
Guil. de Monte Catano, Dominus Tortose, ihr Privileg daselbst. Mouynes p. 36 no. 21,
«) Unten § 439.
3) Ann. genov. H, 59. Lib. Jur. I no. 420, 421.
*) Ann. genovesi II, 94. Ein Kontrakt über Charterung einer genues. Galeere
vom 10. Mai 1201 für die Handelsfahrt nach Barcel. bei Jal in den Ann. maritimes
et coloniales, annöe 28, s^rie 3. Partie non officielle ; t. I (Paris 1842) p. 759 note 1
aus den Regesten Richeris ; ebenda ein Frachtvertrag von 1214 für die gleiche
Fahrt, bei einem Preise von 30 sol. jan. für den Ballen. (Bei Canale IT, 523 mit
der seltsamen Datierung : addi 10 del 1200).
*) Ann. genov. II, 127.
«) Lib. Jur. I no. 551.
Sbhaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 35
546 Sechsunddreißigstes Kapitel.
gegen die Genuesen. Als diese aber abgefangen wurden, zeigte er sich zu
einer Verständigung geneigt und schloß am 9. September 1225 mit Genua
einen Vertrag, in dem man sich gegenseitig Unterlassung jeder Art von
feindseligen Handlungen, Gestattung der Getreideausfuhr und Belassung der
Handelsabgaben auf der früheren Höhe zusicherte, i)
427. Nachdem der tüchtige König Jayme I. den Sarazenen die Haupt-
insel der Balearen entrissen hatte (31. Dezember 1229), schien es den Genuesen
doch geraten, mit Aragon wieder anzuknüpfen; am 28. Juni 1230 brachte
ihr Gesandter Andrea de Caffaro, auf den die Forderung seines inzwischen
verstorbenen Bruders Wilhelm übergegangen war, den Vertrag von Mallorka
zustande.^) Die älteren Forderungen Genuas wurden anerkannt, selbst (in
Höhe von 8000 marab.) die alte Schuld wegen Tortosas, auf die Genua 1198
schon verzichtet hatte; für das Schiff S. Blasius wurde ein Schadenersatz
von fast 14000 1. jan. zugebilligt. . Über alle Schädigungen, die seit der Weg-
nahme dieses SchijSes von beiden Seiten vorgefallen waren, sollte ein Schieds-
gericht entscheiden, das zu Weihnachten in Montpellier zusammentreten und
bis Ostern seinen Spruch fällen sollte. Alle Forderungen der Genuesen
aber sollten durch eine fünfprozentige Abgabe vom Werte aller Waren, die
von Untertanen des Königs in Genua oder seinem Gebiet verkauft wurden,
allmählich getilgt werden; in entsprechender Weise waren auch die
aragonesischen Forderungen aufzubringen. Im Prinzip bewilligte man sich
gegenseitig Handels- imd Abgabenfreiheit; doch mußten die Katalanen von
Ol, Fleisch, Käse, Barchentstoffen und Stahl in Genua die gleichen Abgaben
entrichten wie die Genuesen selbst ; anderseits sollten die Genuesen in bezug
auf Kauf und Ausfuhr von Lebensmitteln aus den Gebieten des Königs
nur dieselben Freiheiten genießen wie seine Untertanen und die meist-
begünstigten Fremden.
Der Zusammentritt des Schiedsgerichts, dem auch der Statthalter des
Königs in Montpellier, Berengar von Cervaria, angehörte, verzögerte sich bis
zum April; am 15. April 1231 beschlossen die vier Schiedsrichter, Zeugen
nur in Montpellier selbst zu vernehmen und die Verhandlungen bis Pfingsten
zu beenden; jeder Partei sollten über die bewilligten Entschädigungen hinaus
7000 1. jan. mehr zur Verteilung unter ihre perdentes zugebilligt werden,
ein Modus, der offenbar den Wünschen Aragons besser entsprach als den
Interessen der Genuesen. °)
Zwei Tage nach Abschluß des Hauptvertrages fügte der König in bezug
auf die neugewonnene Stadt Mallorka eine Reihe von Versprechungen für
die Genuesen hinzu; zur Erbauung eines Fondaco (hier statica genannt)
sollten sie einen geeigneten Platz, ferner einen Garten und eine Kirche mit
so viel Grundbesitz erhalten, daß der Unterhalt von fünf Klerikern davon
bestritten werden konnte. *)
Einer neuen Gesandtschaft unter Obertus de Volta gelang es, am
21. April 1233 von Jayme den Genuesen das Recht zu erwirken, in allen
Seestädten seines Reichs, auch in Mallorka und den künftig erst zu
erwerbenden, ihre eigenen Konsuln zu haben; allerdings sollte sich ihre
II
») Eid. no. 625. Ann. genov. II, 155.
*) Lib. Jur. I no. 686, 687. Chart. II no. 1812 (mit dem irrigen Datum des^
1. Juli).
') Lib. Jur. I no. 689, 690. Ratifikation durch den König vom 1. Mai no. 691^
*) Ebd. no. 688.
Katalonienr 547
Gerichtsbarkeit nur auf Zivilsachen und nur auf nicht ortsangesessene
Genuesen erstrecken dürfen und auch da noch sollte Berufung an den könig-
lichen Statthalter (vicarius sive baiulus) zulässig sein. ^) Nun begab sich Ober-
tus von Tarragona aus nach Mallorka zu Pedro, den der König zum Regenten
der ßalearen bestellt hatte; am 17. Mai überwies dieser, wie es scheint in
Erfüllung der schon 1230 gemachten Versprechungen, dem Gesandten ein
größeres Terrain in der Stadt, auf dem sich u. a. verschiedene zerstörte
Häuser, ein Backofen und eine Moschee, die zur Kapelle umgewandelt
werden sollte, befanden. 14 Tage darauf schlössen Pedro imd der Gesandte
einen Gegenseitigkeitsvertrag, der alle Zugeständnisse des Königs in bezug
auf den Umfang der Herrschaft des Regenten ausdrücklich wiederholte.
Auch der damals gerade in Mallorka weilende Herr von Roussillon, Conflans
und Cerdagne, Nuno Sancius, schloß mit dem Gesandten einen gleichen
Vertrag imd verzichtete außerdem auf etwaige besondere Ansprüche wegen
des früher von den Genuesen gekaperten Schiffes Angelotus. 2)
Daß die Niederlassung der Genuesen auf dem als Schiffahrtsstation
wichtigen Mallorka sich günstig entwickelte, beweist der Umstand, daß die
Genuesen im Jahre 1246 trotz des schweren Krieges, in den sie verwickelt
waren, an die Erbauung einer Kirche zu Ehren ihres Schutzpatrons, des
hl. Laurentius, gingen; Innocenz IV. wies am 24. November 1246 den Bischof
von Mallorka an, ihren Wünschen bezüglich der Grundsteinlegung zu ent-
sprechen. 3)
428. Die erfolgreiche Sendung des Oberto de Volta war es wohl, die
nun auch die Pisaner bestimmte, eine Gesandtschaft an König Jayme zu
schicken ; am 8. August 1233 erwirkte Sigerio Gaetani von ihm ein Privileg,
das das alte den Pisanern gelegentlich ihres Balearenzuges gewährte Privileg
bestätigte, sie unter den besonderen Schutz des Königs stellte und ihnen in
der Stadt Mallorka Fondaco, Backofen und Kirche gewährte; das Fondaco
sollten sie auf einem ihnen zur Verfügung gestellten geeigneten Platze zu
bequemer Unterkunft für sich und ihre Waren selbst erbauen; von den
Kirchen Mallorkas sollte ihnen eine dem Fondaco möglichst nahe gelegene
mit soviel Land oder sonstigen Einkünften überwiesen werden, daß vier
Kleriker davon unterhalten werden konnten.*) Darnach scheint es, daß das
zur sarazenischen Zeit vorhandene Fondaco bei der christUchen Eroberung
zerstört worden war. Wenn wir sonst keine Nachrichten über die Handels-
beziehungen Pisas zu den Katalanen in dieser Zeit haben, so scheint das
außer der Unzulänglichkeit unserer Quellen darauf zu beruhen, daß das Ver-
hältnis der beiden Handelsnationen damals wie noch einige Jahrzehnte dar-
nach ein durchaus gutes war 5), während Katalanen und Genuesen oft in
Differenzen kamen. Aus dem übrigen Toskana können wir einen Luc-
chesen, Rolandus Vendemia, auf einer Handelsfahrt nach Mallorka nach-
weisen, die er im Juni 1248 von Marseille aus auf dem Fahrzeuge des
Willelmetus von Nervi angetreten hat.^)
429. Deutlicher tritt in dieser Periode der lebhafte Handelsverkehr
Südfrankreichs mit den Gebieten des Königreichs Aragon hervor. Auf seiner
») Ebd. no. 707.
2) Ebd. no. 708, 710, 716; 709, 717.
') Ebd. no. 774.
*) Liber Maiolich. App. no. 1 p. 137 S. Konsulat d. M. 40. Davidsohn I, 375.
») Näheres Konsulat d. M. 241.
«) Amalric no. 870.
35*
548 Sechsunddreißigstes Kapitel.
Heimreise aus Palästina schloß Graf Ugo von Ampurias am 24. Juni 1219
mit Marseille einen Vertrag, wonach dieses alle Küstenfahrzeuge aus dem
Gebiet des Grafen gegen die altherkömmlichen Abgaben und Seezölle i) in
seinem Hafen aufzunehmen versprach; außerdem sollte der Graf jährlich
von Marseille aus ein Pilgerschiff oder ein anderes großes SchifE abfertigen
dürfen. Dafür verzichtete er den Marseillern gegenüber feierlich auf das
Strandrecht in jeder Form und gewährte ihnen außer dem Recht gegen die
bisher üblichen Abgaben Handel zu treiben, unbeschränkte Getreideausfuhr
aus seinem Gebiet; auch ein Getreideausfuhrverbot sollte sie nur bei offen-
kundiger sehr schwerer Teuerung treffen. Die für Getreide herkömmliche
Abgabe wurde dabei für Weizen auf 7, für Gerste auf 5 sol. barcel. für den
Modius festgesetzt.
Im Frühjahr 1248 holte das Fahrzeug des Marseillers Arnaudus Andreas
Getreide aus Elna ; am 10, Juni quittierte der Schiffer dem Jacobus Bernardus
von Elna über die Zahlung der Fracht für 64 Sack Weizen, die er in Elna
verladen hatte. Zur selben Zeit versprach ein Einwohner von CoUioure
6 Anker, je 6 Zentner schwer, bis zum 15. Juli von Collioure nach Mar-
seille zu liefern ; auch einem Bürger von Perpignan begegnen wir damals in
Handelsgeschäften in Marseille.^)
Auch für den Handelsverkehr von Marseille mit Barcelona kennen
wir einige Kontrakte aus dem Frühjahr 1248. Guilelmus Repelinus erhielt
am 27. April für die Fahrt dahin von drei Personen 234V2 byz. miliar, in
Commenda, wobei ihm 31/3 byz. mit 1 1. misc. angerechnet wurden; R. de
Gironda, Bürger von Marseille, fuhr im selben Monat auf der Barke des
Gull. Mosse und Genossen nach Barcelona, wobei er u. a. 2 Posten Indigo
von Bagdad (2V3 Zentner im Werte von ca. 58I/2 1. misc.) zur Verwertung
in Commenda nahm ; am 9. Mai endlich sehen wir die Barke des Job. Blanc j_
auf der Ausreise nach Barcelona.^) U
Mit Mallorka stand die Marseiller Familie de Mandolio in besonders
engen Beziehungen. Bernhard de Mandolio gab im September 1233 seinem
Landsmann, dem blancherius Petrus de Podio, von Narbonne aus 300 Scheffel
Weizenmehl im Werte von 60 1. melg. und im Mai 1235 von Marseille aus
Tuche im Werte von 100 1. reg. cor. für seine Handelsreise nach Mallorka
in Commenda.4) Auch Grundbesitz hatte die Familie, jedenfalls von der
Zeit der Eroberung her, an der sich auch Marseille beteiligt hatte, auf der
Insel; die Verpachtung desselben durch Johannes de Mandolio an Gull.
Andreas im Jahre 1240 warf einen Jahresertrag von 25 1. reg. ab, der aller-
dings bei der im März 1244 erfolgenden Neuverpachtung auf 6 Jahre auf
15 1. ermäßigt werden mußte.^) Jl
*) Abgabenfreiheit excepto usatico antiquo et excepta dacita tabulae Masei-
liensis de mari. Papon II, preuves no. XLI. Layettes I, 482 no. 1352. Fagniez I,
125 no. 144.
") Amalric no. 868, 887, 756. Dem Bernardus de Brullano von Perp. werden
von Petrus Giraudus von Limoges im Namen eines Dritten übergeben 5 >sarrie
erugue« und ein Geldbetrag von 25 sol. misc. für einen schon verkauften Posten
der gleichen Ware.
3) Ebd. no. 607 — 610; 443 u. 470; 675. Der Tarif von Marseille (Möry et
Guindon I, 345) führt auch Tuche von Lerida auf.
*) Manduel no. 41 u. 63 (dazu 85). Auf eine dritte Commenda Bernhards
nach Mallorka bezieht sich no. 58 (J235).
*) Ebd. no. 146. Fahrt über Mallorka nach Afrika oben § 241 .
I
Katalonien. 549
Nach Valencia, das 1238 von Jayme erobert worden war, fuhr im
Frühjahr 1248 die Barke des Petrus de Albanea, die »ganganella« des Gull.
ügo Fulcolini, für die wir 3 Kontrakte, darunter eine Commenda von 1/2 Last
Pfeffer im Werte von 251/2 L niisc. nachweisen können i), und das lignum
»Leopardus« des Bertrandus Belpel.^) Auf letzterem fuhren 3 jüdische
Bürger von Marseille 3), Bonusinfans, Bonafos und Bonusdominus über, die
am 11. Mai 1248 eine offene Handelsgesellschaft eingegangen waren, derart,
daß alle ihnen gemeinschafthch oder einzeln anvertrauten Commendae auf
gemeinsame Rechnung gehen sollten, so daß nur der Gewinn aus ihren per-
sönlichen Einlagen pro rata zu teilen war. Vierzehn solche von 14 ver-
schiedenen Personen herrührende Commendae, die zusammen einen Wert
von 300 1. misc. darstellten, können wir nachweisen; soweit wir die Waren
kennen lernen, bestanden sie größtenteils in Drogen. So begegnen wir
12 Pfund Kampher und 41/2 Unzen Moschus im Werte von zusammen
341/4 1. misc, 111/2 Pfund Spikanarde und 71/3 Pfund Skammonium im Werte
von 12 1., 25 Pfund Galangawurzel, 34 Pfund Borax und 3 Pfund Rhabarber
im Werte von 10 1. misc.^), ferner, ohne daß wir die Quantitäten erfahren,
Kardamomen und Süßholz, Safran und Galläpfeln, »angelot« und Kümmel.
Dazu treten 36^/2 Zentner Schwefel im Werte von 27 1. 8^/3 sol. misc.^)
Einer der Commendageber, ebenfalls ein Jude, schreibt vor, daß seine
Commenda im Werte von 10 1. misc. zum Ankauf einer sarazenischen Sklavin
zu verwenden sei; daß gerade in Valencia der Sklavenhandel blühte, geht
auch daraus hervor, daß 3 Bürger von Valencia am 2. Juni 1248 einen
sarazenischen Sklaven Azmet für 8 1. 11 sol. misc. in Marseille verkauften. ß)
Auf dem Leopard reiste endlich auch noch der Marseiller W, Fusterius mit
«iner Commenda von Weihrauch und Datteln nach Valencia.*^)
430. In die engsten Beziehungen zu den Ländern der Krone Aragon
trat Montpellier, als König Pedro IL durch seine Heirat mit Maria im
Jahre 1204 zugleich Herr dieser Stadt wurde; sogleich bei Übernahme der
Herrschaft gewährte er den Bürgern von Montpellier vollständige Abgaben-
freiheit in seinem ganzen Machtbereich zu Wasser und zu Lande (15. Juni
1204).8) In dem Vertrage vom 28. August 1225 gestanden die Genuesen
-den Kaufleuten von Montpellier die Berechtigung zu, falls Genua gleich-
zeitig mit Marseille und den Katalanen in Krieg verwickelt sein sollte, trotz
ihrer Freundschaft mit Genua auf katalanischen Schiffen und in Gemein-
schaft mit Katalanen fahren zu dürfen.^) An der Eroberung von Mallorka
durch König Jayme war Montpellier in ganz hervorragender Weise beteiligt;
der König selbst fuhr auf einer Galeere von Montpellier über. Gleich nach
1) Amalric no. 366, 404 ; 789, 795, 827.
'*) So heißt der Schiffer in allen Kontrakten vom 8. Mai an, während er in
zwei älteren Kontrakten (628 und 647) Basso genannt wird; es ist also wohl Be-
sitzwechsel eingetreten.
') Über die Rolle der Juden in Marseille vgl. A. Crömieux: Les juifs de
Mars, au moyen-äge in: Rev. des ötudes juives 46 (Paris 1903), p. 1—47, 246—268;
fortgesetzt 47 p. 62 ff., 243 ff.
*) Amalric no. 684, 658, 705.
») Ebd. 696, 759, 693 (dazu 687), 683.
*) Ebd. 628, 839 (Marchand p. 82 bezeichnet dies Stück als undatiert und
macht ungenaue Mitteilungen darüber).
^) Ebd. 710.
8) Germain, commune I, 317 (Doc. no. 1).
») Lib. Jur. I no. 624.
550 Sechsunddreißigstes Kapitel.
der Einnahme der Stadt bedachte der König die Bürger von Montpellier^
von denen er erwartete, daß sie sich in großer Zahl in der den Sarazenen
entrissenen Stadt niederlassen würden, mit umfassenden Schenkungen; zu
Händen der beiden Konsuln, Petrus de Crecio und Raimundus speciarius,
die Montpellier sogleich für Mallorca ernannt hatte, ließ er nicht weniger
als 100 Häuser in der Stadt abgrenzen und formell an die Bürger von
Montpellier überweisen. Den Vertrag mit Genua vom 28, Juni 1230 unter-
zeichneten außer den Großen seiner Umgebung drei Bürger von Montpellier
imd einer von Marseille. Am 27. August 1231, als Jayme zum erstenmal
als König in seiner Geburtsstadt weilte, verlieh er den Bürgern 4 Privilegien
auf einmal, die allerdings wesentlich nur Bestätigungen enthielten; diejenigen
ihrer Mitbürger, denen sie Anteile an ihrem Besitz auf Mallorka zugewiesen
hätten, sollten diese zu völHg freiem Eigentum besitzen. i) Kurz zuvor hatte
auch Jaymes Vasall, der Herr von Roussillon, die Leute von Montpellier
mit ihren Waren in seinen Schutz genommen, während zugleich auch die
Einwohner von Collioure für ihre Sicherheit einzustehen gelobt hatten 2) ;
in einem etwa aus dem Anfang des Jahrhunderts stammenden Zolltarif von
Montpellier wird der Korduan von Roussillon besonders aufgeführt.^) Der
nachbarliche Handelsverkehr zwischen Narbonne und Katalonien wurde
durch Handelseifersucht, wechselseitige Kapereien und Represalien vielfach
gehemmt; am 13. Januar 1245 versöhnten sich zunächst Narbonne und San
Feliu de Guixoles und am 21. Februar 1246 auch Narbonne und Barcelona^
indem alle zwischen den Städten bis dahin vorgekommenen Schädigungen
für kompensiert erklärt wurden.*) Jl
431. Schon aus dem bisher Angeführten geht hervor, daß Ka-
taloniens Marine und Seehandel in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts in lebhaftem Aufschwünge begriffen gewesen sein muß ;
insbesondere Barcelona kam unter der Regierung König Jaymes^
der der nationalen Schiffahrt jede Förderung angedeihen ließ, mäch-
tig empor ^); das wachsende Selbstgefühl der Katalanen äußerte sich
freilich auch in Kaperfahrten, die bis in die genuesischen Gewässer
ausgedehnt wurden.^) Von besonderer Wichtigkeit wurde es, daß es
der König verstand, die erstarkenden Kräfte seines Volkes auf die
Eroberung der benachbarten sarazenischen Gebiete, der Balearen undj
des Königreichs Valencia, zu vereinigen.
Nach umfassenden Vorbereitungen unternahm Jayme 1229 seinen
Heereszug gegen Mallorka ; nach fast viermonatlicher Belagerung gelang am
letzten Tage des Jahres die Erstürmung der Hauptstadt. '^) Barcelona wurde
für seinen Anteil durch völlige Abgabenfreiheit für seinen Handel im ganzen
'fl
') Germain, commune H, 15, 18 A. 3, 20. Lib. Jur. I no. 686, 687. Fabrege n,
63. Lecoy de la Marche I, 79 f. ,_
^) Germain, commerce II, pieces just. no. 10 p. 191 f. , |H
=•) Liber. Instrum. p. 437 : Das Dutzend zahlt nur 2 den., während die dotzena^™
cordoani sonst 3 den. zahlte.
*) Blanc II, 311 ff. (mit dem irrigen Datum 1244 in der Aufschrift). Por
p. 137. Ein Fall von Lebensmittelausfuhr von Narbonne nach Mallorka § 429.
") BofaruU m, 140 ff. (c. 4 u. 5).
«) Oben § 426.
">) Näheres Lecoy de la Marche I p. 18—68. Swift F. D. The Ufe and time»
of James the first, the Conqueror (Oxford 1894) p. 39 ff.
4
Katalonien. 551
Königreich Mallorka, einschließlich der erst noch zu erobernden anderen
Inseln belohnt; dabei sollte es keinen Unterschied machen, ob die Bürger
den Handel in Person ausübten oder durch ihre Kommissionäre ausüben
ließen; auch wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß in der gewährten
Immunität auch die Befreiung von Verwiegungs- und Vermessungsgebühren
für Getreide, Wein und Salz mit inbegriffen sei. i) Um die Besiedelung
seiner neuen Stadt Mallorka zu fördern und die Ansiedler zu selbständiger
Handelstätigkeit anzuregen, gewährte ihnen Jayme am 1. März 1230 völhge
Befreiung von Zöllen und sonstigen Handelsabgaben in allen seinen Staaten
und dehnte dies Privileg der Mallorkaner, um jeden Zweifel auszuschließen,
am 10. Mai 1244 ausdrücklich auch auf Valencia und Denia, Collioure und
Barcelona aus. ^) Denn inzwischen hatte sich das Herrschaftsgebiet Jaymes
weiter beträchtlich ausgedehnt; Menorca war am 17. Juni 1231 durch Vertrag
mit dem Alfaqui der Insel unter das Protektorat des Königs gestellt und
tributpflichtig gemacht worden 3); das salzreiche Iviza war 1235*), das frucht-
bare Königreich Valencia drei Jahre darauf erobert worden ; am 28. September
hatte sich die Hauptstadt dem Sieger ergeben. 0)
432. So hatte das Gebiet der romanischen Nationen am Mittel-
meer auf Kosten der Sarazenen durch das Verdienst Jaymes und
der Katalanen eine sehr erhebliche Erweiterung erfahren, die zugleich
die Seegeltung und den Seehandel seines Reiches auf das günstigste
beeinflußte. Die größten Vorteile davon zog naturgemäß Barcelona.
Das Privüeg gänzlicher Befreiung von Handelsabgaben, das der König
ihm 1 230 f ür die Balearen verliehen, dehnte er schon am 12. April 1232 auf
alle seine Länder aus '^), so daß Barcelona den Wettbewerb im Seehandel unter
den günstigsten Bedingungen aufzunehmen vermochte. Daß es die Gunst
der Umstände zu nutzen verstand, zeigt uns der Schiedspruch des Königs
von 1243 bezüglich der von der lokalen Gewalt in Tamarite beanspruchten
Seezölle, aus dem deutlich hervorgeht, wie häufig Mallorka und das Küsten-
gebiet Spaniens bis über die Straße von Gibraltar hinaus von barcelonesischen
Handelsschiffen besucht worden sein muß '^) ; in demselben Jahre untersagte
Jayme, der im übrigen das Emporkommen der städtischen Selbstverwaltung
durchaus nicht behinderte, im Interesse der Weiterentwicklung des Hafens
von Barcelona innerhalb bestimmter Grenzen die Bebauung des Strandes,
da die Stadt infolge des starken Schiffsverkehres an Ausdehnung beständig
zunehme. 8) Über die Objekte dieses Handels geben uns zwei Tarife besonders
Aufschluß; einer vom 21. Januar 1222, der sehr eingehend die im Gebiete
eines mächtigen Vasallen des Königs, Guilelmus de Mediona, von den ver-
schiedensten Gegenständen zu erhebende Verkaufs- oder Transitabgabe
behandelt und dabei beständig die dem Könige und seinem Vasallen
*) Capmany 11 no. 5 p. 12 f. (10. Januar 1230).
*) Lecoy de la Marche I no. 3 p. 406 für alle »populatores et habitatores ci-
vitatis et Regni Majoricarum« ; no. 6 p. 414.
») Ebd. p. 73 S. Mas Latrie, Traitös, Doc. p. 182.
*) Lecoy de la Marche I, 76. Auvray 2529, 3093 u. 3094.
») Näheres Swift 1. c. p. 55 flf.
•) Capmany U no. 6 p. 14.
') Ebd. no. 7 p. 15 ff.
8) ... de bono in melius quotidie ampliatur propter frequentem usum na-
vium et lignorum ; ebd. no. 7 (bis) p. 18.
552 Siebenunddreißigstes Kapitel.
zustehenden Anteile an denselben feststellt ; der andere der im Anschluß an
jenen Schiedspruch des Königs von 1243 aufgezeichnete, ebenfalls sehr reiche
haltige Tarif der Seezölle von Tamarite.i) Die Gewürze, Färb waren und
Drogen der Levante, die Rauchwaren des Nordens^), die Erzeugnisse der
französischen Textilindustrie, die Barchentstoffe Italiens, die Feigen Sar-
diniens stehen hier neben den Produkten des heimischen Ackerbaues, der
Viehzucht und des Bergbaues, den sarazenischen Sklaven, aber auch neben
dem spanischen Korduan und den Tuchen von Lerida.
Wie sehr der selbständige Außenhandel Kataloniens und vor allem der
seiner Hauptstadt Barcelona in dieser Periode zugenommen hat, beweist am
besten der Umstand, daß Genua gemäß dem Vertrage von Mallorka erwartet
haben muß, seine hohen Entschädigungsforderungen durch jene Verkaufs-
abgabe von den in Genua Handel treibenden katalanischen Kaufleuten^) in
absehbarer Zeit einzubringen ; dank der Rührigkeit der Bevölkerung und der
Tüchtigkeit und hohen wirtschaftlichen Einsicht König Jaymeg*) ist um die
Mitte des 13. Jahrhunderts die katalanische Nation den älteren romanischen
Handelsnationen mit kräftigem Vorwärtsstreben an die Seite getreten.
Siebenunddreißigstes Kapitel.
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den
ßliönestädten bis zum dritten Kreuzzuge.
433. Im Seeverkehr Südfrankreichs haben in der Zeit vor dem
dritten Kreuzzuge die Italiener, und zwar so gut wie ausschließlich
Genuesen und Pisaner, die maßgebende Rolle gespielt.
Was zunächst den westlichsten der südfranzösischen Seeplätze, Nar-
bonne, anbetrifft, so zeigt uns der älteste erhaltene genuesisch-narbonnesische
Vertragt) deutlich, daß Genua auch vor Abschluß desselben schon geraume
Zeit einen lebhaften Handel mit Narbonne unterhalten haben muß. Im
Juni 1132 erschienen zwei Konsuln von Narbonne, Bernard us Udolardi und
Bardina Sapte, im Auftrage ihres Erzbischofs, des Vicomte Aimeric und ihrer
Kollegen in Genua, um die zwischen beiden Städten bestehende, mit viel-
facher gegenseitiger Schädigung verbundene Zwietracht zu beseitigen —
wahrscheinlich hatte Narbonne bis dahin in dem genuesisch -pisanischen
Kriege, der gelegentlich auch an der südfranzösischen Küste geführt und
erst im folgenden Jahre beendet wurde, auf selten Pisas gestanden. Die
1) Ebd. p. 3—10 und 17 f.
*) Diese begegnen besonders auch in dem 1235 zu Tarragona erlassenen
Luxusgesetz ; Cortes de Catal. I, 1 p. 129 f. rub. 6.
8) S. hierfür auch § 490.
*) Sie zeigt sich auch darin, daß die Cortes von Tortosa unter dem Vorsitz
des jungen Königs am 28. April 1225 beschlossen, daß die Pfändung eines fremden
Kaufmanns nur erlaubt sein sollte, wenn es sich um den Schuldner selbst oder
seinen Bürgen handelte, oder wenn von dessen Heimatsbehörde kein Recht zu er-
langen gewesen ; auch sollte sie stets nur unter der Autorität der königlichen Be-
hörde vorgenommen werden dürfen. Cortes de Catal. I p. 105 rub. 15.
») Lib. Jur. I no. 31. Vgl. Kohler 275, 278, 284.
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhonestädten etc. 553
vorgefallenen Schädigungen erklärte man für gegenseitig ausgeglichen; nur
die Sache des Lanfrancus Avocatus, in der Aimeric Remedur versprach, blieb
in der Schwebe. Aus Darlehn oder Bürgschaft entstandene Privatschulden
sollten von den narbonnesischen Gläubigern vor dem genuesischen Gericht,
das sie wie Genuesen zu behandeln hatte, eingeklagt werden können; ande-
rerseits blieben die Represalien, die den Genuesen gegen die Juden von
Narbonne zustanden, bestehen. Ausdrücklich wurde den Genuesen gegenüber
auch auf das Strandrecht verzichtet i), gleichgültig ob sich der Schiffbruch an
der Meeresküste, im Strandsee oder auf dem Flusse ereignete. Neue Zuge-
ständnisse von erheblicher Wichtigkeit aber waren 1. die Zuweisung eines
an der Aude gelegenen Grundstücks, das die Genuesen sich selbst auswählen
durften, zum Zwecke der Erbauung eines guten, zum dauernden Aufenthalt
geeigneten Fondaco und zweier Türme, 2. der Erlaß des dritten Teils der
von den Genuesen bisher gezahlten Handelsabgaben (totius usatici et lezede),
mit Ausnahme allerdings der Gebühren, deren Erhebung zwei Privatpersonen
zustand; zugleich verzichtete Narbonne auch für die Zukunft darauf, die
Genuesen durch neue Auflagen oder Erhöhung schon bestehender zu
beschweren. Die Bestimmung wegen der Privatschulden deutet auf eine
bemerkenswerte Kapitalkraft der Narbonnesen hin und sehr eigenartig berührt
die bezüglich der Juden gemachte Ausnahme, die im übrigen, wie wir wissen j
in Narbonne zahlreich und angesehen waren ; nach Benjamin von Tudelä
zählte die jüdische Gemeinde hier gegen 300 Mitglieder und war für die
Jüdischen Studien von höchster Bedeutung. 2)
Aus der Zeit des 30 jährigen Friedens zwischen Genua und Pisa haben
wir nur wenig bestimmte Nachrichten über den Verkehr der Kaufleute dieser
Städte in Narbonne. In dem Friedensvertrage, den Graf Alfons von Toulouse
im September 1143 mit Genuesen und Pisanern eingehen mußte, versprach
er auch, sie und ihre Waren in Narbonne und wegen Narbonnes in Zukunft
nicht mehr zu belästigen; und einige Jahre später forderte die Vizegräfin
Ermengard die Genuesen auf, dem Pisaner Raymund, der am 12. November 1151
in Narbonne die Tabaria, eine Tochter des Genuesen Ansaldus Guercius,
geheiratet hatte, die seiner Frau zustehende Mitgift auszufolgen ; andernfalls
würde man sich an die Waren Ansaldos halten müssen. 3) Darnach scheint
es, als ob dieser Pisaner seinen dauernden Aufenthalt in Narbonne genommei^
hatte. Den gewohnheitsmäßigen Handelsverkehr der Pisaner mit Narbonne
beweist auch die pisanische Seezinstabelle 4), die Narbonne mit dem die Mitte
zwischen den Sätzen nach Barcelona und Montpellier haltenden Zinssatze von
22^/2% besonders aufführt. Der älteste erhaltene Handelsvertrag, von dem
pisanischen Gesandten Ugo Pagani abgeschlossen, datiert vom 21. April 1164^);
er ist nur allgemein gehalten und verbürgt die uneingeschränkte Sicherheit
des Handels zwischen den beiderseitigen Gebieten sowie die ordnungsmäßige
Erledigung von Beschwerden binnen 40 Tagen nach Eingang derselben; er
sollte für die ganze Lebenszeit Ermengards Geltung behalten. Wichtig ist,
') Seine allgemeine Beseitigung hatte Narbonne unter erzbischöflichem Ein-
fluß schon 1112 beschlossen; doch waren die. Sarazenen davon ausgenommen. Der
Ertrag war zwischen dem Erzbischof und dem Vizegrafen zu teilen. Port 41.
2) Benj. Tudel. I p. 32; Port p. 170 f. Saige G. Les juifs du Languedoq
aritärieurement au XlVe siecle (Paris 1881), p. 13 (dazu p. 155).
») Lib. Jur. I no. 80 u. 177.
*) Bonaini II p. 905.
•) Lünig I p. 1057 f. Tronci p. 116. Volpe 157 A. 2.
554 Siebenunddreißigstes Kapitel.
daß er durchaus auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht, daß also die
Pisaner in vollem Umfange die Gleichberechtigung Narbonnes anerkannten.
Wenn die Genuesen damals schon seit längerer Zeit dem Handel mit
Narbonne fernstanden, so ist der Grund hierfür eben m dem Anspruch der
Genuesen zu erblicken, die Südfranzosen von dem Schiffahrtsverkehr auf
hoher See möglichst auszuschließen, einem Anspruch, den die Vizegräfin,
eine energische Dame, keineswegs anzuerkennen gewillt war. Tatsächlich
finden wir in dem Notularium des Johannes Scriba Narbonne niemals als
Ziel- oder Durch gangsp unkt einer genuesischen Handelsfahrt genannt; nur
2 Narbonnesen begegnen wir hier auf dein Markte von Genua, allerdings
auch nur in der wenig rühmlichen Tätigkeit als Sklavenhändler: Peire de
Volta und Wilelmus Moraga verkaufen in den Jahren 1160 und 1161 ihre
sarazenischen Sklaven Machemet und Ali an den Genuesen Petrus Caravel-
lator, wie denn der Handel mit solchen gerade in Narbonne eine sehr gewöhn-
liche Erscheinung war.^)
434. Dies gespannte Verhältnis wurde indessen noch während des
genuesisch-pisanischen Krieges, als Genua die Oberhand zu gewinnen schien,
beseitigt; Guilelmus de S. Grisanto brachte am 12. November 1166 als
Gesandter Narbonnes einen Friedensvertrag mit Genua, der für fünf Jahre
Gültigkeit haben sollte, zustande. 2) Er ließ die allgemeinen Bestimmungen
des alten Vertrages von 1132 in Kraft 3); seine neuen Bestimmungen beziehen
sich auf die Gegner der Genuesen und die Seeschiffahrt Narbonnes. Die
Narbonnesen verpflichteten sich, während der Dauer des Krieges mit Genua
Pisaner oder pisanische Waren, die von der hohen See kamen, in ihrem
Gebiet nicht aufzunehmen, auch ihrerseits solche weder von Narbonne aus
noch nach Narbonne auf hoher See zu befördern. Geschah letzteres doch,
so sollte es nicht als Friedensbruch gelten, wenn die Genuesen gegen die
beteiligten pisanischen Kaufleute mit Gewalt vorgingen ; nur die Waren der
Narbonnesen sollten dabei unangetastet bleiben. Es war also kein völliger
Ausschluß der Pisaner von Narbonne*); pisanische Schiffe durften auf der
Küstenfahrt in Narbonne verkehren und ebenso waren die narbonnesischen
Schiffe im Transport pisanischer Waren und von Pisanern in der Küsten-
fahrt (außer von Genua aus) unbeschränkt; auch stand nichts im Wege,
daß die Pisaner von anderen Plätzen Süd-Frankreichs oder Barcelona aus
nach Narbonne kamen. Andere Beschränkungen richteten ihre Spitze gegen
die südfranzösischen Gegner Genuas. ^) Im übrigen waren die Narbonnesen
im Seetransport ihrer Landsleute und der eigenen Waren sowie der Genuesen
und ihrer Waren unbehindert. Doch sollte während der Dauer des Krieges
die Aufnahme von Genuesen, die von der hohen See kamen, in Narbonne
an eine von diesen mitgeführte Licenz der genuesischen Regierung gebun-
den sein; auch durften die Narbonnesen alljährlich nur ein Pilgerschiff ab-
fertigen.
1) Chart, n no. 1024 u. 1051 ; Port p. 71. Der Erzbischof von Narbonne, Ar-
nauld, vermachte 1149 seine Sarazenen dem Bischof von Böziers. Port p. 72.
2) Devic et Vaissete VIII (1879) p. 263 f. (Ausfertigung für die Genuesen);
Mouynes p. 6 (Ausfertigung für Narbonne; mit vielfach inkorrektem Text). Port
p. 96 f.
8) Wenn sich der Vertrag zweimal auf die Verhältnisse seit 36 Jahren be-
zieht, so fragt sich doch, ob nicht statt XXXVI zu lesen wäre XXX IV.
*) So Langer S. 119.
») Unten § 443.
I
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 555
Wenn aber den narbonnesischen SchifEen so auch im Prinzip gestattet
war, nach allen Richtungen der Windrose (per mare et pelagus versus
omnes ventos) zu fahren und ihnen volle Sicherheit verheißen ward, wenn
sie auf der Fahrt von hoher See her nach Genua kamen, so war ihnen
doch in diesem Falle in Genua der Handelsverkehr untersagt; sie durften
dann in Genua nur so viel verkaufen, als zu ihrem Unterhalt nötig war;
Abgaben hatten sie dafür nicht zu zahlen. Nur wenn sie auf der Küsten-
fahrt nach Genua kamen , waren sie gegen Entrichtung der seit alters
übhchen Abgaben in Verkauf, Kauf und Ausfuhr unbeschränkt, nur daß
die Ausfuhr von Galeeren und Waffen in sarazenische Länder natürlich
auch ihnen untersagt blieb. Auf genuesischen Schiffen durften sie dagegen
unbehindert fahren und durften ebenso mit Genuesen Handelsgesellschaften
eingehen (societates contrahere) ; natürhch mußten sie sich dann auch nach
den von Genua erlassenen Handelsverboten und Handelssperren i) richten,
an die sie sonst nicht gebunden waren.
Hatte sonach auch die kommerzielle Bewegungsfreiheit der Narbonriesen
in mehr als einer Beziehung eine empfindhche Beeinträchtigung erfahren,
80 war doch auch Genua den Narbonnesen gegenüber von dem sonst
befolgten Grundsatz, die Südfranzosen von der Schiffahrt auf hoher See
möghchst ganz auszuschließen, nicht unerhebUch abgewichen.
435. Es scheint nicht, daß dieser interessante Vertrag erneuert worden
ist; vielmehr hatte sich Genua, das noch bis 1175 im Kriege mit Pisa war,
bald nach Ablauf der 5 Jahre über Seeräubereien der Narbonnesen zu
beklagen, wegen deren es am 5. Dezember 1172 und 21. Januar 1173 dem
Bonus vasallus de Cartagenia Represalien derart gewährte, daß von jedem
nach Genua kommenden Narbonnesen 3 sol. jan. erhoben werden sollten,
bis der gesamte ihm zugefügte Schaden (im Werte von 661 1. jan.) ge-
deckt war. 2) Auch ließ sich Genua in dem Allianzvertrage, den es im
August 1174 mit Raimund von Toulouse schloß, von diesem versprechen,
ihm wirksame Hilfe zur Wiedererlangung alles dessen zu leisten, was die
Narbonnesen genuesischen Bürgern geraubt hätten.^) In engem Zusammen-
hange damit steht es, daß nunmehr auch ein Gesandter Ermengards und
ihres Neffen Aimeric, Petrus Gualterius, in Pisa erschien und am 4. März
1174 den Vertrag von 1164 erneuerte.*) Erst 1182 kam es wieder zur Her-
stellung eines Vertragsverhältnisses zwischen Genua und Narbonne.^) Die
Genuesen hatten zur See Vergeltung geübt; speziell die Galeere des Bel-
mustus und Martinus Golia hatte die Narbonnesen empfindlich geschädigt;
andererseits waren die Genuesen nunmehr geneigt, auf alle Beschränkungen
der Bewegungsfreiheit der Narbonnesen im Seehandel zu verzichten. So
*) Statt pro devero quod Januenses facient und salvis eorum deveris
(Devic et Vaissfete VUI 265 f.) ist deveto und devetis zu lesen. Vom juristischen
Standpunkte aus ist der Vertrag neuerdings behandelt von J. Kohler p. 279 f. ;
meine Darstellung zeigt, daß ich mehrfach von seinen Auffassungen abweiche.
«) Blanc n, I p. 308 note 1.
») Lib. Jur. I no. 310.
*) Blanc II, 1 p. 290. Mit dem irrigen Ansatz zu 1175; vgl. Hist. Z. 87 (1901),
131. Port p. 107 irrig 1173.
') Lib. Jur. I no. 333 (Eid der Narbonnesen, in Zukunft keine Genuesen mehr
zu schädigen ; gehört natürlich nicht in das Jahr 1181, sondern in das Vertragsjahr)
und no. 337. Vgl. Kohler 281, 284.
556 Siebenunddreißigstes Kapitel.
kam ein auf vollster Durchführung des Prinzips der Gegenseitigkeit
beruhender Vertrag zustande, der am 1. Dezember 1182 in Narbonne, am
12. Dezember in Genua ratifiziert wurde. Die Frist zur Erledigung von
Beschwerden wurde von 40 Tagen auf 20 herabgesetzt; den Geschädigten
auf beiden Seiten (perdentes) wurden im ganzen je 1500 1. jan. zugebilligt.
Diese Entschädigungssumme sollte in Narbonne erstens durch Erhebung
einer besonderen Abgabe von 5 sol. jan. von jedem ankommenden genue-
sischen Kaufmann oder Seemann, zweitens durch Einbehaltung eines Drittels
aller der Vizegräfin aus dem Verkehr der Genuesen in Narbonne zustehenden
Einnahmen aufgebracht werden, und entsprechend wurde in Genua verfahren.
Wie langwierig sich dies Verfahren oft gestaltete, geht daraus hervor,
daß es erst im Jahre 1254 zur vollen Erledigung der aus den 1172/73 ge-
währten Represalien stammenden Forderung gekommen isti); oft genug
fanden ja Unterbrechungen des friedlichen Handelsverkehrs statt, so daß
neue Entschädigungsansprüche zu den alten hinzutraten. Jedenfalls aber
bezeichnet es einen wesentlichen Fortschritt in der kommerziellen Entwicke-
lung von Narbonne 2), daß Genua nunmehr auf die Bevormundung seines
Seehandels verzichten mußte.
436. Für den Seeverkehr des zentralen Teils der s lid-
französischen Küste kamen damals drei Handelsplätze in Be-
tracht : Montpellier, Saint - Gilles und Arles. Montpellier, die Stadt
der Wilhelme, nennt Edrisi eine volkreiche, blühende und von Rei-
senden vielbesuchte Stadt und Benjamin von Tudela schildert es als
einen besonders lebhaften Platz, an dem des Handels wegen Christen
und Sarazenen in Menge von überallher zusammenströmten, so daß
man hier, hauptsächlich infolge des lebhaften Handels der Genuesen
und Pisaner, Leute der verschiedensten Sprachen vorfinde. ^) Sicher
trug auch die berühmte medizinische Schule wesentlich zum kosmo- Jl
politischen Charakter der Stadt bei. *■
Mit dem Meere stand Montpellier nur indirekt in Verbindung; zu
seinem Haupthafen bildete sich in dieser Zeit Lattes heraus. Vom Meere
aus mußte man erst durch einen der Schiffahrtskanäle, unter denen für
Montpellier der gradus (grau) von Maguelone und der gradus Mercurii (von
Melgueil) in Betracht kamen, in den Strandsee (stagnum); an der dem
Lande zugewandten Seite desselben gingen die Schiffe vor Anker. Li
einem Vertrage, den Wilhelm VI. im September 1140 mit dem Bischof
von Maguelone schloß , wurde bestimmt, daß es den Schiffern freistehen
sollte, bei Tavanum oder am Hafen von Lattes, wo Wilhelm eine Feste
errichtet hatte, zu landen; sollten sie letzteres »wegen der Sicherheit des
Ortes« vorziehen, so durften sie in keiner Weise daran gehindert werden.
Auf Anraten des »bajulus castelli de Latis« gestattete Wilhelm VHI. im
April 1181 ö), daß alle durchpassierenden (euntes et redeuntes per aquam et
per terram) auch in der außerhalb der Befestigungen am Strandsee gelegenen
1) Blanc II 1 p. 308 A. 1. ll
*) Dagegen läßt sich die Behauptung Pigeonneaus (I, 148), Narbonne hätte "■
in dieser Zeit eigene Konsuln in Tortosa (1148), Ampurias, Genua (1168), Pisa (1174)
gehabt, in keinem Punkte aufrechterhalten.
3) Benj. Tudel. I, 33 f. Fabrfege I, 302.
■*) Germain, commune I, 5. Layettes I p. 50.
*) Germain 1. c. p. 187 no. 5.
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 557
Ortschaft ihre Waren entladen, verstauen und in Verwahrung geben durften.
Auch Samt-Gilles, der berühmte Wallfahrtsort und Meßplatz, war von See-
schiffen größeren Tiefgangs nicht unmittelbar zu erreichen, obwohl Benjamin
von Tudela die günstige Lage seines Hafens an der Rhone, 3 Wegstunden
vom Meere entfernt, rühmt'); soweit nicht eine Umladung auf Leichter-
schiffe stattfand, waren es vorzugsweise Galeeren und Galioten^), die den
Rhonearm, an dem Saint-Gilles lag (den gradus Caprae), befuhren. So fuhr
Innocenz IE. im Jahre 1130 mit zwei Galeeren von Rom aus über Pisa mid
Genua nach Saint-Gilles, um von da ins Innere Frankreichs weiterzugehen,
und hierher kamen auch die Gesandten Kaiser Manuels, die 1163 mit dem
französischen Könige Verhandlungen anknüpfen wollten.^)
An Bedeutung für den Seeverkehr stand Arles damals hinter
Saint-Gilles, von dem es nur 20 km entfernt ist, zurück, trotz seiner Lage
am Hauptarm der Rhone nur wenig unterhalb der Gabelung des Stromes;
die Beschaffenheit des Rhonedeltas ließ auch hier den Verkehr größerer
Seeschiffe nicht zu, obwohl sich die seit 1131 unter eigenen Konsuln
organisierte Bürgerschaft von Arles die Aufrechterhaltung der Schiffbarkeit
der Rhone angelegen sein ließ.'*)
Da diese drei Handelsplätze in mancher Beziehung miteinander
rivalisierten und zudem politisch geschieden waren, da Arles zur Graf-
schaft Provence, Saint-Gilles zur Grafschaft Toulose gehörte und Mont-
pellier unter eigenen Stadtherren stand, so wurde dadurch das Über-
gewicht des italienischen Seehandels wesentlich begünstigt, während
sich zugleich die Streitigkeiten zwischen dem die alleinige Seeherr-
schaft an dieser Küste erstrebenden Genua und den Pisanern vielfach
mit den in Südfrankreich selbst bestehenden Gegensätzen verflochten.
437. Die ältesten Nachrichten, die wir von dem Handelsverkehr der
Italiener an der südfranzösischen Küste haben, betreffen die Genuesen und
Saint-Gilles. Aus den ersten Zeiten des 12. Jahrhunderts hören wir von
genuesischen Kaufleuten, die auf der Rückreise von Almeria zwischen
Barcelona und den Balearen von einem furchtbaren Sturm erfaßt und,
schließlich nach Marseille gelangt, von hier aus doch das ursprüngliche
Ziel ihrer Handelsfahrt, Saint-Gilles, aufsuchten, um hier ihre Waren zum
Verkauf zu stellen und dem Heiligen für seine Hilfe in Seenot vier bunt-
bemalte Wachskerzen darzubringen.^) Besonders hell aber wird die Bedeutung,
die Saint-Gilles schon damals für den Handel der Genuesen hatte, durch
eine in Syrien ausgestellte Urkunde des Sohnes Raimunds von Saint-Gilles,
des Grafen Bertram, beleuchtet. Als dieser mit Hilfe der Genuesen Tripohs
erobert hatte, verlieh er ihnen zu Händen ihres Konsuls Iterius und anderer
vornehmer Genuesen, wie des Guilelmus Embriaci, am Laurentiusfeste
(10. August) 1109 ein Privileg, in dem er ihnen für den Zeitpunkt, in dem
») Benj. Tudel. I, 35.
*) Über den galiotus vgl. Heyck p. 76 ; s. außerdem Chart. 11 no. 568 (8. Febr.
1158). Fahrt nach Saint-Gilles, inde Januam vel quo galeotus iverit. Auch der ga-
leotus Pilosi geht »in Provinciam< no. 805 (1159).
») Watterich H, 175. Ann. genov. I, 25. Delaville le Roulx I, 229 no. 321 f.
Giesebrecht V, 427 ; VI, 433.
*) Stat. et leges munic. Arel. rub. 185 bei Giraud II, 185 ff.
») Mhac. b. Egidii, SS. XU, 321.
558 Siebenunddreißigstes Kapitel.
Saint-Gilles in seine Gewalt kommen würde, große Versprechungen machte a),
Versprechungen, die vielleicht einen Ersatz dafür bieten sollten, daß er den
Genuesen ihr Drittel von TripoHs nicht übergeben wollte. Ihrer Laurentius-
kirche wollte er eine Jahresrente von 1000 sol. gewähren ; in Saint-Gilles
sollten sie zum Bau von 30 Häusern (mansiones) Grundstücke in bester
Lage erhalten; dazu sollten sie hier wie an allen sonstigen Orten seines
gräfhchen Gebietes völlig abgabenfrei sein, während alle von der Seeseite
kommenden Kaufleute anderer Nationalität vom Handel mit Saint Gilles
und seinem Gebiet ausgeschlossen sein sollten. Blieb dies Privileg auch
ohne praktische Bedeutung, da Bertram 1112 in Tripolis starb, ohne nach
Frankreich zurückgekehrt zu sein, während der junge Alfons-Jourdain, der
daheim zur Herrschaft gekommen war, sich durch das Privileg seines Halb-
bruders in keiner Weise verpflichtet fühlen konnte, so enthüllt es uns
doch auf das deutlichste die Ziele, denen die genuesische Handelspolitik
schon in so früher Zeit an dieser Küste zustrebte. Daß sie dabei aber mit
einer starken Konkurrenz der Pisaner zu rechnen hatten, beweist uns das
Privileg, das diese auf ihrem Balearenzuge am 7. September 1113 vom Grafen
Raimund-Berengar erwirkten; Arles und Saint-Gilles werden dabei als die-
jenigen Orte besonders hervorgehoben 2), auf die sich sein Versprechen des
Schutzes und der vollen Freiheit von Handelsabgaben beziehen soUte,
obwohl für Saint-Gilles auch nur ein leerer Anspruch des Grafen vorhanden
war, während die Provence allerdings seit dem Tode des Grafen Gilbert (1108)
infolge seiner Heirat mit dessen ältester Tochter Douce zu seinen recht-
mäßigen Gebieten gehörte.
Für mehr als 30 Jahre versinken dann die kommerziellen Bestrebungen
der Italiener im Gebiete der Rhönemündungen für uns im Dunkel; nur
von Galeeren der Pisaner und Genuesen, die während ihres langen Krieges
(bis 1133) auch an der provengalischen Küste erschienen, hören wir
gelegentüch.3)
438. Erst mit dem Jahre 1143 beginnen die Quellen reichlicher zu
fließen. Zwei Jahre vorher hatten sich die Bewohner von Montpellier, von
dem Grafen Alfons von Toulouse und Saint-Gilles unterstützt, gegen ihren
Herrn, Wilhelm VI., erhoben und eine Commune gebildet; Wilhelm hatte
aus der Stadt flüchten und sich nach dem von ihm erbauten festen Schloß
von Lattes (dem castrum de Palude) zurückziehen müssen.^) Doch bald gelang
es ihm, nicht nur die Sympathien des Papstes Innocenz 11.^), sondern auch
die tatkräftige Unterstützung der Genuesen und Pisaner zu finden. Beide
waren wenig zufrieden damit, daß sie sich, wir wissen nicht zu welcher
Zeit, in MontpeUier zur Zahlung einer besonderen Abgabe, die Pisaner von 20,
die Genuesen von 10 sol. melg. hatten verstehen müssen, die zur Deckung
des Schadens, den beide den Bürgern von Montpellier durch Seeraub
II
•) Lib. Jur. I no. 12. Devic et Vaissete V no. 351. Imperiale, nota 19 p. 379.
Wenn Port p. 95 sagt : er befreite die Genuesen in seinem Territorium von Nizza
bis Port Vendres von allem Tribut, so ist das ein Mißverständnis der Worte : »a
Niza usque ad Portum Veneris« (Lib. Jur. I no. 11), die vielmehr die Grenzen des ■
genuesischen Machtgebiets angeben. Derselbe Irrtum bei den Benediktinern
m, 590.
ä) Liber Maiolich. p. 188.
«) Ann. genov. I, 22—24 (zu 1125 u. 1127).
*) Germain, commune I, 11 fE. Fabrege I, 250.
») Liber Instrum. p. 38 ff. (,no. 8-10, 13, 14, 16).
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 559
zugefügt hatten, bestimmt war. Von besonderer Erbitterung aber waren sie
gegen den Grafen Alfons von Saint-Gilles erfüllt, weil dieser ihnen Waren
im Werte von 2000 Mark feinen Silbers hatte wegnehmen lassen ; der junge
Graf von Melgueil, Bruder des Grafen von Barcelona, hatte mit ihm gemein-
same Sache gemacht.
Im Jahre 1143 setzte die Aktion der Genuesen und der Pisaner, die
hier in seltener Eintracht zusammenhielten, ein. Unter der Führung des
genuesischen Konsuls Lanfrancus Piper und des pisanischen Guilelmus Caym
eroberten ihre Galeeren Montpellier und gaben es Wilhelm VI. zurück, der
dafür in überschwänglichen Schreiben den Städten seinen Dank ausdrückte.^)
Außerdem gewährte er ihnen vollständige Abgabenfreiheit in seinem Gebiet
für Gegenwart und Zukunft, wobei er ihnen auch die besondere Abgabe
von 20 und 10 sol. erließ, verlieh ihnen je ein Fondaco in Montpellier (die
Genuesen erhielten das Haus, das bisher dem Bruno von Toulouse und
seinen Neffen gehört hatte) und versprachen, bei etwaigen zukünftigen Schädi-
gungen durch Pisaner oder Genuesen immer nur gegen die Schuldigen vor-
gehen zu wollen. Endlich versprachen er und seine Vasallen eidlich Unter-
stützung gegen Graf Alfons; nur mit Genehmigung der Konsuln Genuas
und Pisas würden sie mit ihm oder den Einwohnern von Saint-Gilles
Frieden schließen.^) Sein Sohn und Erbe sollte, sobald er das 15. Lebens-
jahr erreicht, dies Privileg (securitatem) binnen 14 Tagen nach ergangener
Aufforderung durch die Konsuln Genuas und Pisas ebenfalls beschwören.
Auch der Graf von Toulouse leistete nun keinen Widerstand mehr;
schon am 5. September 1143 wurde der Friede von Graf Alfons sowie dem
Abt und den Konsuln von Saint-Gilles in Anwesenheit der beiden oben
schon genannten Konsuln von Genua und Pisa feierlich beschworen. Die
Bürger von Saint-Gilles hatten den angerichteten Schaden in Höhe von
2000 Mark Feinsilber im Laufe von 10 Jahren in halbjährigen Ratenzahlungen
zu ersetzen, während die Genuesen und Pisaner versprachen, die Untertanen
des Grafen wegen dieses Vorfalls nicht weiter behelHgen und das an ihre
Mitbürger ergangene Verbot des Besuches des Hafens von Saint-Gilles zurück-
nehmen zu woUen. Im übrigen versprach man sich gegenseitig volle Sicher-
heit der Personen und Waren in beiden Gebieten und Erledigung von Be-
schwerden binnen 40 Tagen; Diebstahl, Ehebruch und Verbrechen gegen
das Leben sollten am Tatorte nach den dort geltenden Gesetzen geahndet,
niemals aber ein Unbeteiligter deswegen zur Sühne herangezogen werden.^)
Gegen Ende des Jahres erschien dann einer der Konsuln von Saint-Gilles,
') Lib. Jur. I no. 82. Nur das Dankschreiben an Erzbischof , Konsuln und
Volk von Genua ist erhalten.
') Ebd. no. 84. Die Anordnung der Urkunden im Lib. Jur. ist verkehrt; die
chronologische Folge wäre: 82, 84, 80, 81, während no. 83 überhaupt nicht in das
Jahr 1143 gehört. Das Privileg no. 84 enthält die dem genuesischen Konsul über-
gebene Ausfertigung ; die für den pisanischen Konsul ist nicht erhalten, doch geht
ihr Inhalt auch aus der Ausfertigung für Genua deutlich hervor. Der Eid Wilhelms
auch bei Germain, commune U, p. 419 und Liber Instrum. no. 203 p. 348, wo er
unrichtig zu 1177 gesetzt ist.
') Ebd. no. 80. Caffaros Berichterstattung über die geschilderten Vorfälle
(ann. genovesi I p. 31 f. zu 1143) ist höchst ungenau; die Beteiligung der Pisaner
verschweigt er ebenso wie die Differenz mit dem Grafen von Saint-Gilles; mit den
1000 M. Silber, von denen er spricht, kann nur die auf die Genuesen entfallende
Hälfte gemeint sein; er erzählt aber so, als wenn Wilhelm von Montp. jene Schä-
digung der Genuesen verübt hätte.
560 Siebenunddreißigstes Kapitel.
Guiscard, persönlich in Genua (im November) und in Pisa, um den Friedenseid
der Bürger dieser Städte entgegenzunehmen.i) Gegen den Grafen von
Melgueil aber dauerte der Kampf noch fort. Noch auf der Rückkehr ge-
lang es der Flotte, eine Galeere der Seeräuber zu kapern; im folgenden
Jahre aber (1144) wurde der Graf im Seekampfe mit den Genuesen durch
einen Pfeilschuß getötet. Mit furchtbarer Strenge gingen die Genuesen nun
gegen die ihren Handelsverkehr an der Küste beeinträchtigende Piraterie
vor; der Bemannung eines Seeräuberschiffes, das in ihre Hände fiel, ließen
sie die Augen ausstechen.^)
439. Wilhelm VI. von Montpellier, der noch bei der Belagerung Tor-
tosas (1148) mitwirkte, starb im Jahre 1149; sein jugendlicher Nachfolger
Wilhelm VII. beschwor nach anfänglichen Mißhelligkeiten im folgenden Jahre,
das Privileg von 1143 für ewige Zeiten zu halten; gleichzeitig aber sah er
sich genötigt, für 5 Jahre auf eine Sonderkonvention einzugehen, die seine
Gesandten Berengarius Lamberti und Guilelmus Petri in Genua hatten ab-
schließen müssen, eine Konvention, die besonders dem Seehandel Mont-
pelliers empfindliche Beschränkungen auferlegte. 3)
Nach der Levante durfte Montpellier fortan nur Pilgerschiffe ent-
senden; im übrigen wurde seine Schiffahrt in der Richtung nach Osten
auf die Küstenfahrt bis Genua beschränkt. Nach Westen hin durften sie
ihre Fahrten bis zum mohammedanischen Spanien ausdehnen, wobei sie auch
den Weg über die offene See (per pelagus) wählen konnten. Nur mit
diesen Beschränkungen gestand Genua den Schiffen von Montpellier seiner-
seits Sicherheit auf dem Meere zu ; fuhren sie über die angegebenen Grenzen
einmal durch Sturm verschlagen oder sonst unabsichtlich hinaus, so waren
sie verpflichtet, so rasch wie möglich in das ihnen erlaubte Gebiet zurück-
zukehren; jedenfalls aber durften sie in solchem Falle außerhalb desselben
keinerlei Handel treiben.
II
1) Der Friedenseid der Grenuesen ist erhalten ; Lib. Jur. I no. 81.
*) Ann. genovesi I p. 32 zu 1144.
^) Lib. Jur. 1 no. 83. Undatiert; vom Herausgeber, der das Stück zugleich
verkehrt als ein Bündnis der Genuesen und Pisaner mit Wilhelm bezeichnet, irrig
zu 1143 angesetzt, was bisher allgemeine Annahme gefunden hat, obwohl es mit
dem Inhalt völlig unvereinbar ist. Wilhelm redet hier von dem Vertrage, den
sein Vater mit Lanfranco Piper geschlossen (1143), folglich haben wir es hier
mit dem 1149 zur Regierung gekommenen Wilhelm VJI. zu tun. Er verspricht, das
Haus, das sein Vater den Genuesen in jenem Privileg von 1143 überlassen, ihnen
binnen 2 Monaten, nachdem er den Vertrag beschworen, zurückzugeben ; es müssen
also zunächst irgendwelche Mißhelligkeiten obgewaltet haben, vielleicht schon seit
Ende der Regierung Wilhelms VI., der bei der Unternehmung gegen Tortosa nicht
auf seine Rechnung gekommen. Heyd I, 185 hat aus dieser Stelle den Schluß ge-
zogen, daß schon Wilhelm V. (gest. 1121) den Genuesen ein Fondaco in Montpellier
eingeräumt habe ; er hat eben ganz übersehen, daß der Vertrag mit Lanfranco Piper,
auf den diese Stelle Bezug nimmt, 1143 abgeschlossen ist. Daß dieses Stück, das
die von dem Herrn und den burgenses von Montpellier zu beschwörende Seite des
pactum enthält, in die erste Zeit der Regierung Wilhelms VII. gehören muß, geht
schon daraus hervor, daß er die allgemeine und dauernd gültige Konvention von
1143 noch nicht beschworen hatte. Es läßt sich aber bestimmt auf das
Jahr 1150 datieren, da die Sonderkonvention, die es enthält, auf 5 Jahre ab-
geschlossen war und wir wissen, daß diese im Jahre 1105 wiederum auf 5 Jahre er
neuert worden ist.
4
3ich II
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 561
Genuesische Schiffe, die auf der Küstenfahrt nach Montpellier kamen,
sollten nicht nötig haben, vor ihrer Einfahrt von der See her um Geleit
nachzusuchen; vielmehr sollte ihnen sowie allen Personen, die sie mit-
führten, auch Fremden, mit ihren Waren ohne weiteres volle Sicherheit
verbürgt sein. Auch versprach der Herr von Montpellier, dahin zu wirken,
daß alle Machthaber auf der Küstenstrecke von Maguelone bis Agde sich
vertragsmäßig für die volle Sicherheit der Genuesen innerhalb und außer-
halb der vom Meere aus zu den Strandseen oder landeinwärts führenden
Schiffahrtskanäle (gradus), auch im Falle des Schiftbruchs, verbürgten.
Dieser Konvention mit Montpellier vom Jahre 1150 folgten wenig
später Verträge des genuesischen Gesandten Ido Gontardus mit Arles und
Saint-Gilles, die in bezug auf Seeschiftahrt genau die gleichen Bestimmungen
wie diese Konvention enthielten. i) Mit dem Grafen Bernhard von Melgueil
schloß ferner Genua im Mai 1155 einen Vertrag, in dem man sich außer
gegenseitigem Rechtsschutz versprach, in der Forderung von Abgaben über
die bisher übHchen nicht hinauszugehen.^)
Als gleichzeitig die Konvention mit Montpellier für weitere 5 Jahre
erneuert wurde 3), brachten die Genuesen auch das Zugeständnis bezüglich
der Pilgerschiffe noch in Wegfall ; andererseits erklärten sie, daß sie für den
Fall, daß Arles oder Saint-Gilles die von Ido Gontardus mit ihnen abge-
schlossene Konvention nicht halten sollten, die Handelssperre über diese
Häfen verhängen und allen Genuesen gebieten würden, statt diesen nur
Montpellier aufzusuchen. Kam den Genuesen doch bei ihren Ausschließungs-
bestrebungen sehr zustatten, daß sie in der Lage waren, einen Hafen gegen
den anderen auszuspielen. Dabei hatten die Genuesen gelegentlich immer
noch mit Seeraub an diesem Küstengebiet zu kämpfen; im Jahre 1155
riefen sie die Intervention des Papstes, wie gegen die Kreuzfahrerstaaten,
so auch gegen Bernardus Attonis, den Vicomte von Nimes, an, wahrschein-
lich weil dieser das auch durch kirchliche Verbote beseitigte Strandrecht
ihnen gegenüber in Anwendung gebracht hatte; in der Tat befahl der Papst
den Bischöfen von Beziers, Agde und Nimes, jenen ßernard wie die Be-
wohner von Beziers und Agde durch Androhung der Exkommunikation zur
vollständigen Herausgabe der genuesischen Waren zu zwingen."^)
440. Auch einige Nachrichten über den Handelsbetrieb der Italiener
in diesem Gebiet sind uns für' die Mitte des 12. Jahrhunderts erhalten.
Erzbischof Raimund von Arles (1142 — 1157) vermittelte ein Abkommen
zwischen ihnen und den »portanarii« von Arles ö), demzufolge je nach der
Entfernung von Arles, in der die beladen ankommenden Schiffe der Pisaner,
Genuesen oder anderer »Lombarden« vor Anker gingen, 10 — 25 sol. an den
Führer eines Leichterschiffs für die Fahrt zu zahlen waren, der dafür die
Verpflichtung der sicheren und abgabenfreien Beförderung der ihm anver-
trauten Güter bis Arles übernahm. Wollten die portanarii nicht nach diesem
Tarif fahren, so stand es den »Lombarden« frei, gegen Entrichtung einer
') Nur der Vertrag mit Arles ist erhalten, aber nicht datiert; Lib. Jur. II
no. 5. Der Herausgeber setzt die Gesandtschaft des Gontardus in das Jahr 1155
selbst, was mit Rücksicht auf den Vertrag mit Montp. vom Mai 1155 nicht angeht;
sie muß in die Zeit von 1151 — 1154 gehören.
*) Nur bruchstückweise erhalten ; Atti Lig. I p. 288.
») Lib. Jur. I no. 211.
*) Ann. genovesi I, 44 f. (zu 1155).
*) Kiener p. 282 f. no. V. Statt pontanarii ist durchweg portanarii zu lesen.
Schaube, Handeiggeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 36
562 Siebenunddreißigstes Kapitel.
Abgabe von 5 sol. ihre Waren mit anderen Fahrzeugen nach Arles zu
schaffen. An Eingangszöllen wurden von jedem »lombardischen« Schiffe
nach einer etwas später erfolgten Aufzeichnung i) erhoben für den Erzbischof
von Arles : 20 sol. in bar, für seinen Juden : 4 sol., dazu für beide noch je
ein Pfund Pfeffer und ein Scheffel Kastanien oder deren Wert in Höhe von
2 den. Dazu trat der von jedem Seeschiff in Arles erhobene gräfüche
Zoll mit 121/2 sol., 1 Pfund Pfeffer und 2 Scheffeln Kastanien. Als Aus-
gangszoll wurde für den Erzbischof Vis vom Wert der Waren entrichtet,
wovon dem Juden 1/9 zustand. Einzelne »Lombarden«, die auf einem
Fischerfahrzeug oder einem ähnlichen mit Waren nach Arles kamen, zahlten
15 den. Eintrittsgebühr für den Erzbischof, einschließlich der 3 den., die
dem Juden zufielen. Wenn das genuesische Notularium des Johannes keine
Beziehung auf Arles enthält, so hat jedenfalls die zwischen dem Grafen von
Barcelona, der ja zugleich (bis 1162) Graf von Provence war, Tortosas wegen
seit 1153 eingetretene Spannung ihre Rückwirkung auch auf Arles geäußert,
so daß dieses sich an die mit Ido Gontardus abgeschlossene Konvention
nicht länger gebunden erachtete. Montpellier und Saint-Gilles dagegen er-
scheinen in dem Notularium, einzeln oder auch zusammen, nicht selten als
Ziel genuesischer Handelsreisen; und an sie ist in erster Linie auch zu
denken bei den häufigeren Verträgen, die nur die »Provincia« im allge-
meinen als Reiseziel angeben, da wir wissen, daß für den genuesischen
Handelsverkehr gerade in jenen Jahren Narbonne und Marseille nicht in
Betracht kamen,^)
441. Einzelne dieser Kontrakte geben uns über die genuesische Ein-
fuhr nach diesen Orten einigen Aufschluß. So bestand eine Commenda,
die der Bankier Ingo am 7. Februar 1157 für eine Handelsfahrt »in Pro-
vinciam« vergab, zum Teil in Öl, während Obertus Spinola im Sommer
1158 einem Sozius eingekochten Alaun (zucarinum) im Werte von
100 1. Jan. zum Umsatz in Saint-Gilles oder Montpellier übergab.^) Am
25. Januar 1164 gab der Kaufmann Lavorante in Genua vor Notar und
Zeugen die Erklärung ab, »in Provincia« über Waren im Werte von 400 1.
melg. zu verfügen ; teils in Montpellier, teils in Saint-Gilles lagerten für ihn
19 Lasten Pfeffer, 6 Lasten Brasilholz, 9 Lasten de roca (feinster
Alaun^), 85 Pfund Gummilack und »nixadra« (Salmiak) und
38 Pfund »f errionorum« (?), wozu in Genua noch Waren im Werte von
40 1. Jan. kämen. Brasilholz begegnet noch ein zweites Mal in einer Com-
menda, die Ogerius Nocentius im Spätherbst 1158 für seine Handelsreise
nach Saint-Gilles empfing; außerdem können wir noch den Export von
32 Pfund Safran aus Genua nach Montpellier nachweisen.^) Und wie jene
II
*) Ebd. 280 f. no. III: Hi sunt usus, quos habet D. Arch. in Arelate, von
Kiener zutreffend um 1470 angesetzt. Die »galeda de castaneis< ist aber kein kleines
Schiff, wie K. meint, sondern ein Maß. Der gräfliche Zoll von 1176 ebd. Anm. 3.
*) Daß bei genuesischen Geschäftsreisen nach der Levante, Afrika, Spanien,
Sizilien nicht selten die Rückreise >in Provinciam« ins Auge gefaßt wurde, ist bei
diesen Ländern behandelt. In Chart. II no. 607 (24. Mai 1158) ist ein bestimmtes
Ziel für die Hinfahrt nicht angegeben; für die Rückkehr heißt es: >inde reducere
Januam, excepto si major pars nee Provinciam, tunc enim ibi posset ire<. Für
nee ist iret zu lesen.
8) Chart. U no. 389 u. 652.
*) Darüber Heyd H, 568 f.
») Chart, n no. 734 u. 1161.
i
Di« Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 563
Erkärung des Lavorante, so zeigen auch andere Akte des Notulariums, daß
in diesem Handelsverkehr der ItaUener mit Südfrankreich recht bedeutende
Kapitahen umgesetzt wurden. Im Herbst 1157 ging Guidoto Torsello mit
einem Gesellschaftskapital von 276 1. Jan., zu dem sein Sozius Marchio de
Volta 2/3 beigesteuert hatte, nach Saint-Gilles, und Ido Mallonus, wie öfter
mit Guilelmus Buronus assoziiert, nimmt Anfang 1161 ein Gesellschafts-
kapital von fast 415 1. jan. auf die Handelsreise nach Südfrankreich mit.^)
Der in Genua naturalisierte Obertus von Lucca war mit Baldezonus Usus-
maris zu einer Handelsgesellschaft verbunden, deren Kapital ursprünglich
264 1. jan. betragen hatte; als er aber im Interesse der Gesellschaft im Spät-
herbst 1159 nach Südfrankreich ging, wurde das Gesellschaftskapital derart
erhöht, daß er über 700 1. jan. verfügte. 2)
Für die Kenntnis der genuesischen Warenausfuhr aus Montpellier oder
Saint-Gilles versagt das Notularium ; einmal erwähnt es Tuche von Nimes,
die von Genua weiter exportiert werden^); ganz überwiegend aus Nord-
frankreich aber stammten jedenfalls die vielen großen und teuren Tuche,
die einmal auf einem von Saint-Gilles kommenden genuesischen >Galiotus«
den Pisanern in die Hände fielen. *) Ergänzend tritt hier ein, was wir aus
etwas späterer Zeit über die Messen von Frejus erfahren. 0) Mehrfach auch
begegnen wir in dieser Zeit Kaufleuten aus Languedoc in Genua. Am
5. März 1156 macht Raimundus Piccenadus von Beziers in seinem ospicium
zu Genua vor Paul von Montpellier, Lombardus von Saint-GiUes u. a. sein
Testament; Lombardus steht 1158 in Handelsverbindung mit dem genuesischen
Tuchhändler Blancardus, als dessen Sozius im Sommer 1161 Peire Draco nach
Montpellier ging, ß) Aus Montpellier ist wohl auch der Raimund, der 1162
bei Roger 50 1. jan. leiht und Erstattung in Montpellier binnen 14 Tagen
nach Ankunft des Gläubigers in Montpellier zum Kurse von 13 V2 in Denaren
von Melgueil verspricht.'')
442. Der Krieg, der im Jahre 1162 zwischen Genua und Pisa
ausbrach und mit geringen Unterbrechungen bis 1175 gedauert hat,
hat auch das südfranzösische Küstengebiet stark in Mitleidenschaft
gezogen. Das Bestreben der Genuesen, die Südfranzosen vom über-
seeischen Handel möglichst ganz auszuschließen, konnte zu dem ge-
wünschten Ziele in vollem Umfange erst dann führen, wenn es ge-
lang, auch die pisanische Konkurrenz in Südfrankreich zu beseitigen.
Diese Konkurrenz muß stärker gewesen sein, als es nach den noch
vorhandenen Quellen zunächst den Anschein hat, die ganz überwiegend
genuesischen Ursprungs sind; es sei nur hingewiesen auf die Vorgänge
von 1143, die uns beide Handelsnationen gleich beteihgt und gleich berechtigt
*) Ebd. 520 (in no. 521 vergibt Marchio de V. eine weitere Commenda von
c. 255 1., bei der indes das Reiseziel nicht genannt ist) ; 1013.
*) Ebd. 775. Über den Handel derselben Gesellschaft, auch von Südfrank-
reich aus, nach Syrien ob. § 118.
3) Chart, n no. 1046.
*) Ann. pis., SS. XIX, 266 (1174).
») Unten § 451.
8) Chart, n no. 279, 834, 1061.
'') Für 1-2 den. jan. waren also 13 '/j >mirgoren8es* zu erstatten; ebd. 1161.
Als Faustpfand wurden dem Gläubiger übergeben 32 Pfd. Safran, 6 V4 1. den. lue,
8 1. infortiatorum engolismorum (Angoulöme) et valencianorum und 15 sol. 10 Vi den.
morlanorum (von Morlanum in der Gascogne).
36*
564 Siebenunddreißigstes Kapitel.
zeigen; und es ist schwerlich zufällig, daß Erzbischof Raimund von Arles
zuerst die Pisaner und dann erst die Genuesen nennt.') So wurde dieser
Krieg für Genua zum Anlaß, seine Ausschließungsbestrebungen bezüglich
des Seehandels mit Südfrankreich auch auf Pisa auszudehnen, während Pisa
nunmehr zugleich als Vorkämpfer für die Handelsfreiheit der Proven9alen
erscheint. In den ersten Jahren des Krieges nahm der Handel mit Süd-
frankreich seinen gewohnten Gang; nur ein aus der Provence kommendes
pisanisches Pfeilschiff (sagittia) wurde im Sommer 1162 von den Genuesen
genommen. 2) Im Jahre 1165 aber wurde der Seekrieg überwiegend an der
französischen Südküste, und zwar in ungewöhnlich großem Stile geführt.^)
Ein im Juli von den Pisanern nach dieser Küste unternommener Kaperzug
ließ ein großes und viele kleine genuesische Schiffe, die aus Spanien kamen,
in ihre Hände fallen, so daß sie am 22. Juü mit reicher Beute und 37 ange^
sehenen Gefangenen nach Pisa zurückkehren konnten. Darauf unternahm
von genuesischer Seite Amicus Grillus mit 14 Galeeren einen ähnlichen Zug,
der sich gegen die Pisaner in Saint-Gilles richtete. Den östlichen Mündungs-
arm der Rhone 'fuhr er hinauf ; doch fand er in Marseille und auf der Rhone
nur fünf leere pisanische Schiffe vor, die er verbrannte, während die Pisaner
auf die Kunde von seiner Annäherung Saint-GiUes rechtzeitig durch die
westliche Rhönemündung (den gradus Capre) verlassen hatten. Er eilte ihnen
zwar nach und kam auf der Verfolgung bis Agde, aber der Vicomte von
Beziers, Trencavel, intervenierte zu ihren Gunsten. So ging er nach Mont-
pellier (ad gradum Montispessulani) zurück, suchte das Rhonedelta noch
einmal ab, wobei er indes nur die den Genuesen feindliche Gesinnung der
Bewohner von Saint-Gilles feststellen konnte, und traf am 21. August wieder
in Genua ein.
Am selben Tage eroberte eine inzwischen ausgerüstete pisanische Flotte
von 31 Galeeren Albenga, kaperte viele Küstenfahrzeuge und machte bei
der Fortsetzung ihres Zuges bis Montpellier 4) noch weitere reiche Beute;
fünf große feindliche Schiffe verbrannten die Pisaner im Zufahrtskanal von
Melgueil (ad gradum Mergurii), ein von Afrika gekommenes führten sie als
gute Prise mit sich fort. Nunmehr fuhren sie den westlichen Mündungsarm
der Rhone (per fauces Capre) aufwärts und gelangten am 1. September glück-
lich nach Albaron in der Nähe von Saint-Gilles, gerade am Haupttage der
großen Messe; wohl möglich, daß ihr Eintreffen gerade zu diesem Zeitpunkt
kein zufälliges war, sondern daß die Galeeren auch Waren an Bord hatten,
wie ja der Handelsverkehr rhoneaufwärts auf ähnliche Schiffe von geringem
Tiefgang angewiesen war. 0)
II
J
*) Kiener p. 282 f.
») Bern. Maragonis ann. pis., SS. XIX, 248.
^) Das Folgende beruht auf denselben Annalen p. 253 ff. und den genuesi-
schen des Kanzlers Obert (ann. genovesi I p. 178 ff.)- Ich gehe auf die kriegerischen ^
Ereignisse dieses Jahres etwas näher ein, weil sie vielfach auch die Verhältnisse ■■
des Handels beleuchten. ^™
*) Schiffe dieser Flotte, die in Sicht kamen, als Alexander III. gerade auf
einem Johanniterschiffe vom gradus Mercurii aus in See gehen wollte, veranlaßten den
Papst, der einen feindlichen Anschlag fürchtete, zur Umkehr nach Maguelone, von
wo er erst im Spätherbst aufbrach. J.-L. no. 11238. Giesebrecht V, 490 f., der das
Johanniterschiff ein Kriegsschiff nennt, wozu die Quellen keinen Anlaß geben.
*) Auch eine Anleihe haben die Pisaner dahnals in Saint-Gilles aufgenommen ; 11
dem Pisaner Tiniosus, der burgensis von Saint-Gilles war, sind im folgenden Jahre ' |
von den pisanischen Konsuln 200 1. pis. »pro debito Provincie« zurückgezahlt wor-
den. Bonaini, Suppl. p. 43.
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 565
Mittlerweile hatten die Genuesen eine noch stärkere Flotte von
mindestens 45 Galeeren i) ausgerüstet, die den Pisanern nach Saint-Gilles
entgegenzog. Wieder ging sie den östlichen Hauptarm der Rhone aufwärts,
an Arles vorbei bis Fourques, um von da den westhchen Arm abwärts zu
fahren und so Saint-Gilles von der anderen Seite wie die Pisaner zu erreichen.
Zwischen Fourques und Saint-Gilles traf die Flotte schon bei dem niedrigen
Wasserstande ein Unfall, doch konnte man am 3. September, nur zwei Mihen
vom pisanischen Lager entfernt, bei Saint-Gilles vor Anker gehen. Der
Admiral Grillus verhandelte mit den Konsuln von Saint-Gilles; diese aber
bekannten sich offen als Freunde und Verbündete der Pisaner. Gleich-
zeitig ging Corsus Sigismundi an der Spitze einer Gesandtschaft zu Raimund,
dem Grafen von Toulouse und Saint-Gilles, der sich in Beaucaire befand,
und es gelang ihm auch, den Grafen zu dem Versprechen zu bestimmen,
gegen Zahlung von 1.300 1. melg. sich mindestens neutral zu verhalten. Als
der Graf aber selbst nach Saint-Gilles kam, sein Lager in der Mitte zwischen
Genuesen und Pisanern aufschlug und nun sofortige Zahlung des Geldes
verlangte, zerschlug sich alles am gegenseitigen Mißtrauen der beiden Kon-
trahenten. So kam es am Rhöneufer zwischen Pisanern und Genuesen am
14. September zu einem großen Kampfe zu Lande. Die Pisaner waren stark
in der Minderzahl ; verschiedene Hilfssendungen, die man daheim, durch die
großen Rüstungen der Genuesen besorgt gemacht, abgeschickt hatte, hatten
wegen ungünstiger Witterung ihr Ziel nicht erreichen können; aber die
Pisaner fanden offenbar bei den Einheimischen vielfache Unterstützung und
behielten so im Felde die Oberhand. Die genuesische Flotte wich nun nach
Arles zurück, wo man inzwischen eiligst eine Schiffsbrücke nach dem gegen-
überliegenden Trinquetaille hergestellt und mit Bewaffneten besetzt hatte.
Die Genuesen sahen darin eine Gefährdung ihrer Position und schickten
nunmehr schleunigst Gesandte an den Grafen von Provence, der sich damit
entschuldigen ließ, daß die Brücke in seiner Abwesenheit get)aut sei; zur
Hilfeleistung gegen die Pisaner aber ließ sich Berengar Raimund, der 1162
seinem Oheim gefolgt war, nicht bewegen. 2) Auf die Kunde, daß von Pisa
weitere Galeeren abgesandt seien, verließen die Genuesen Arles nach 20 tägigem
Aufenthalt und fuhren in die See hinaus; als sie aber unterwegs von Guilelmus
Ventus, der ihnen mit zwei Galeeren begegnete, erfuhren, daß die pisanischen
Hilfsexpeditionen umgekehrt seien , kehrten sie noch einmal nach Arles
zurück und bewogen nunmehr den Grafen von Provence durch Zahlung von
40<J 1. melg. zum Abschluß eines Friedensvertrages, der sie freilich eben nur
sicherstellte und im übrigen ihren Wünschen bei weitem nicht entsprach ^) :
der Graf versprach nur, die Pisaner nur dann in seinem Lande und seinem
Machtbereiche aufzunehmen, wenn sie als Kaufleute mit Waren oder doch
des Handels wegen kämen, wogegen die Genuesen versprachen, niemals
jemanden irgendwie zu unterstützen, der die Besitzungen oder Gerechtsame
•) Dies die Zahl Oberts; Marago gibt 50 an und läßt bei Saint-Gilles sogar
55 genuesische Galeeren gegen 31 pisanische stehen. Die Differenz könnte sich
durch mittlerweile erfolgte Verstärkung erklären.
*) Die ann. Jan. nennen ihn hier coraes de Miaude; er war zugleich Graf
von Melgueil, Provence und Millau (Milhaud).
^) Lib. Jur. I no. 245, zu Arles, in capella palatii Trolie, Oktober 1165 ge-
schlossen. Langer S. 114 verschiebt den Zusammenhang, indem er den Grafen
Raimund von Toulouse und Saint-Gilles als Kontrahenten nennt, und verkennt den
Sinn des Vertrages, wenn er meint, daß in den Worten : et non recipiam Pisanos,
nisi fuerint nogotiatores etc. das nisi in si geändert werden müßte.
566 Siebenunddreißigstes Kapitel.
des Grafen mindern oder schädigen wollte. Bei etwaigen Verletzungen des
Friedens verhieß man sich gegenseitig Abhilfe nach den Grundsätzen der
Gerechtigkeit. Mit diesem mageren Ergebnis mußten die Genuesen zufrieden
sein ; nachdem sie wieder 16 Tage Arles gegenüber, in Trinquetaille verweilt,
entschlossen sie sich zur Heimkehr und fuhren über Marseille, wo ihnen
noch ein von Bugia gekommenes pisanisches Schiff in die Hände fiel, imd
Toulon nach Genua zurück (23. Oktober). Erst jetzt brach die pisanische
Flotte, die offenbar den Seekampf gegen die weit stärkere genuesische gescheut
hatte, die ihr von ihrer Position in Arles aus jeden Augenblick auf der
Rückfahrt hätte entgegentreten können, auf; als sie aber am 29. Oktober auf
der Höhe der Inseln von Lerins (insulae S. Honorati) angelangt war, wurde
sie von einem furchtbaren Sturm erfaßt, der den völHgen Untergang von
zwölf Schiffen mit der gesamten Mannschaft zur Folge hatte ; nur 19 kehrten
schließlich bis zum 11. November nach Pisa zurück. So endete das Jahr
trotz mancher vorher errungenen Erfolge für Pisa höchst unglücklich.
443. Im nächsten Jahre (1166) blockierten die Genuesen unter Otto de
Caffaro die ihnen feindlichen Häfen Südfrankreichs mit vier Galeeren von
Mitte März an sieben Monate lang, doch waren die Pisaner im Kaperkriege
glücklich. Die Genuesen aber verstärkten ihre Stellung gegen Ende des
Jahres durch den Vertrag mit Narbonne (12. November), der bezüglich der
anderen Südfranzosen einige sehr bemerkenswerte Bestimmungen enthielt.^)
Das den Narbonnesen pro anno zugestandene Pilgerschiff durfte keine Pilger
aufnehmen, die aus Montpellier, Saint -Gilles oder dem Gebiet östlich der
Rhone stammten ; Leute aus Saint-Gilles und Montpellier durften zum Dienst
auf narbonnesischen Schiffen nicht angeworben und solche aus Saint-Gilles
selbst dann nicht befördert werden, wenn ihre Reise nur den Loskauf von
Gefangenen zum Zweck hatte, was gegenüber allen anderen erlaubt war. Mit
beiden Städten war also Genua damals arg verfeindet; seinen Untertanen
hatte es jeden Handelsverkehr mit ihnen untersagt, 2)
Noch im selben Jahre starb der Graf von Provence, mit dem sie im
Oktober 1165 den Vertrag von Arles geschlossen; Alfons, König von Aragon
und Graf von Barcelona, wurde der Herr dieses Landes, auf das allerdings
auch Graf Raimund von Toulouse und Saint-Gilles Ansprüche erhob. Als
Alfons seinem Gegner Albaron zu entreißen suchte, um dadurch Saint-Gilles
vom Meere abzuschneiden, entsprach dies ganz den eigenen Bestrebungen
Genuas, so daß der Konsul Rodoanus, der zur Blockade der Häfen der Pro-
vence abgesandt war, am 7. Mai 1167 den uns schon bekannten Vertrag
schloß, wonach der König die Pisaner von allen unter seiner Hoheit stehenden
Häfen von Tortosa bis Nizza auszuschließen versprach 3) — die Genuesen
waren also ihrem Ziele wieder etwas näher gekommen; die Eroberung von
Albaron freilich gelang nicht, und die Pisaner behielten an Montpellier und
Saint-GiUes starke Stützpunkte für ihren Handel.
Im Frühjahr 1168 schickten die Pisaner 11 Galeeren nach der Provence,
die den Genuesen bis zum Kanal von Melgueil empfindlichen Schaden zu-
fügten ; als sie aber 4 Galeeren nach Agde entsandt hatten, kam eine stärkere
genuesische Flotte von 13 Galeeren über sie, jagte zunächst die 7 am Kanal
liegenden in die Flucht, ohne ihnen indes weiteren Schaden zufügen zu
») Devic et Vaissete Vni p. 265. Oben § 434.
*) Das sind die deveta Provincie, von denen der Vertrag Genuas mit Ro
von 1166 redet. Chart. II p. 1001.
») Oben § 424.
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Rhönestädten. 567
können, und brachte dann die vier anderen, die sich, wie die genuesischen
Annalen sagen, rühmend als die Herren des Meeres bezeichnet hatten, durch
einen nächthchen Überfall am 23. April bei Agde in ihre Gewalt.^) Doch
gelang es den Pisanern schon im Juni des Jahres, den Kanzler Barbarossas,
Phihpp von Heinsberg, dem der Weg durch die Lombardei verlegt war,
den Genuesen zum Trotz mit 7 Galeeren mit seinen Begleitern glücklich
nach der Reede von Agay östlich von Frejus zu bringen.2) Auch knüpften
die Pisaner die freundschaftliche Verbindung, in der sie mit Montpellier
standen, durch kluge Zugeständnisse fester. Wilhelm VII. hatte ein Schreiben
an sie gerichtet, in dem er um Ersatz der seinen Untertanen von einzelnen
Pisanern geraubten Waren ersuchte, — ob dieser Raub erst neuerdings
während des Kaperkriegs oder noch während der Zeit der engen Verbindung
Montpelliers mit Genua erfolgt war, steht dahin — die Pisaner antworteten
dem ihnen besonders nahestehenden Freunde 3) am 1. November 1168 sehr
entgegenkommend und billigten den Geschädigten eine Summe von 14401.
melg. zu, die durch Erhebung einer besonderen Abgabe von allen auf der
Küstenstrecke von Marseille bis Barcelona zur Ein- oder Ausfuhr gelangenden
pisanischen Waren allmählich aufgebracht werden sollte — Pisa wollte zu
diesem Zwecke an den dazu geeigneten Orten dieser Strecke besondere amt-
liche Vertreter und Einnehmer (bajuli et recollectores Pisanorum) bestellen,
die die betreffenden Summen an die von dem Herrn von Montpellier be-
zeichneten Personen abzuführen hätten. Von allen von den Pisanern ein-
geführten zweiseitigen Saumlasten *) , deren Inhalt wohl hauptsächlich in
Waren der Levante bestand, sollten 12 den. melg. erhoben werden, ebenso
wie von den zum See-Export bestimmten und entsprechend gepackten Tuch-
ballen normalen Umfangs, die man in Montpellier mit feststehendem Ter-
minus als torscelli marini legales bezeichnete ^) ; von Kupfer und Zinn dagegen
waren bei der Ausfuhr nur 3 den. melg. zu entrichten. Letzteres Metall
namenthch wird schwerlich anderer als englischer Herkunft gewesen sein
und wohl den Weg über die Garonne nach der Mittelmeerküste gemacht
haben. Im Anschluß daran sei bemerkt, daß die bei Fahrten von Pisa nach
Montpellier oder Saint- Gilles herkömmlich berechneten Seezinsen sich auf
20 Prozent beliefen.
444. Der Friedensvertrag, der nach langwierigen Verhandlungen zwischen
Pisa und Genua im Mai 1169 zu Porto Venere festgestellt wurde, bestimmte,
daß die Pisaner auf der ganzen Küstenstrecke von Noli (westhch Savona)
bis C. Salöu (westlich Tarragona) vom Seehandel ausgeschlossen sein sollten,
soweit er auf dem Wege über die offene See (per pelagos) vor sich ging.
») Ann. genov. I, 207 f. zu 1168; ann. pis. des Marago (SS. XIX, 257 f.), der
die Stärke der genuesischen Galeeren mit 15 angibt.
') Die Genueser Annalen 1. c. p. 209 nennen den Erzbischof mit einem lap-
8US Christian, im übrigen aber erzählen sie nur genauer als die pisanischen;
Langer S. 142 scheint den portus Agadani mißverstanden zu haben.
') >Inter alios Pisanae civitatis amicos praecordialissimu8< nennen sie ihn ;
Germain, commerce I, 180 no. 2. Irrig setzt Germain hier wie in der Darstellung
p. 97 die Urkunde in das Jahr 1169.
*) >. . . per singulas Pisanorum duorum falcium saumas, quae . . . introducen-
turc, ebd. 181. Leonardo Pis. p. 91 hat unter seinen Beispielen für die proven-
^alische Last Pfeffer (die carica zu 300 Pfd.) einen Preisansatz von 11 1. 7 sol.
5 den. pis.
*) Leon. Pis. p. 114 nimmt den Preis eines Ballens (torcellus) von 60 proven-
^alischen Ellen (die canna zu 8 palmae) zu 35 1. pis. an.
568 Siebenunddreißigstes Kapitel.
Dagegen war den Pisanern die Küstenschiffahrt (juxta terram) nach diesen
Gebieten nicht verboten, so daß also beispielsweise pisanische Schiffe, die
Ladung von Bugia aus nach Südfrankreich führten, entweder den Weg über
Pisa und von da an der Küste westwärts oder den Weg an der spanischen
Küste entlang nehmen mußten, was natürlich durch die überall zu entrich-
tenden Seezölle die Frachten wesentlich verteuerte. Jährlich sollten die
pisanischen Konsuln bei ihrem Amtsantritt diese Bestimmung beschwören;
die auswärts weilenden Pisaner sollten durch amthche Schreiben unverzüglich
davon in Kenntnis gesetzt werden; Zuwiderhandelnden hatten sie 1/4 ihrer
Waren zu konfiszieren oder sie um den entsprechenden Wert zu büßen.i)
Indessen dieser Vertrag wurde zunächst noch nicht perfekt und der
Krieg zwischen Genua und Pisa nahm seinen Fortgang. Bald darauf aber
vollzog sich eine wichtige Veränderung in der Stellung der südfranzösischen
Mächte. Vergebens zwar versuchte Genua im Jahre 1170, durch Entsendung
des Rogerius de Justa den Herrn von Montpellier wieder auf seine Seite zu
ziehen ; dafür gelang es aber im folgenden Jahre dem Konsul Nicolaus Roza,
mit dem Herrn von Saint-Gilles, der sich mit Montpellier verfeindet hatte,
einen Vertrag zu schließen (1. Mai 1171), der 29 Jahre in Kraft bleiben
sollte und insbesondere gegen Montpellier gerichtet war.2) Während der
Dauer des pisanischen Krieges wollte Genua den Hafen von Montpellier
jedes Jahr 4 Monate lang mit 2 Kriegsschiffen sperren (ad vetandum portum
Montisp.); Graf Raimund gab seine Zustimmung dazu, wenn die Genuesen
außerdem die vollständige Handelssperre über Montpellier verhängen und
es mit Busen und Kaperschiffen so lange bekämpfen wollten, bis es Genua
einen gleich günstigen oder noch günstigeren Vertrag bewilligt hätte, wie er
selbst ihn eben mit der Seestadt geschlossen, oder bis er selbst mit Wilhelm
von Montpellier seinen Frieden gemacht; indessen sollte es auch in letzterem
Falle den Genuesen unverwehrt sein, mit ihren Kriegsschiffen den Hafen
von Montpellier zu blockieren. Keinesfalls aber würde er ihnen und ihren
Galeeren um deswillen die Aufnahme in seinem Gebiete versagen. Die
Pisaner und ihre Waren versprach Graf Raimund von Toulouse während
der Dauer ihres Kriegs mit Genua ganz von seinem Gebiet auszuschließen,
mit alleiniger Ausnahme der Wallfahrer, die zu Lande nach Saint-Gilles
kämen; wenn Genua mit Pisa Frieden schloß, durfte er sie auch nur in
dem Falle aufnehmen, wenn sie nicht von der hohen See, sondern auf der
Küstenfahrt von Pisa her in sein Gebiet kamen. Im Zusammenhange damit
versprach er, in seinem ganzen gegenwärtigen wie zukünftigen Gebiete von
und nach allen Küstenplätzen desselben die Schiffahrt über das offene Meer
ausnahmslos zu verbieten, ein Verbot, von dem auch die genuesischen
Schiffe nicht ausgenommen waren, offenbar im Einverständnis mit der
genuesischen Regierung selber, nach deren Willen Genua der ausschließliche
Stapelplatz für den Handel mit Südfrankreich werden sollte. Umgekehrt
versprach die genuesische Regierung, in bezug auf die Küstenschiffahrt mit
Saint-Gilles keinerlei Verbot zu erlassen, es sei denn der allgemeinen Wohl-
fahrt wegen (eine Klausel, die das Versprechen eigentlich gegenstandslos
machte); erlitten Untertanen des Grafen auf solcher Fahrt nach oder von
1) Lib. Jur. I no. 271. Cod. Sard. I p. 238. Langer hat bei seiner Auffassung,
daß der Vertrag eine völlige Verdrängung der Pisaner von den südfranzösischen
Handelsplätzen bedeute, das >per pelagus« nicht genügend gewürdigt; S. 150 f.
*) Lib. Jur. I no. 281 (Versprechen des Grafen), no. 282 (Versprechen des ge-
nuesischen Gesandten).
Die Italiener im Verkehr mit Languedoc und den Bhönestädten. 569
Genua Schädigungen durch Fremde, so würden die Genuesen ebenso vor-
gehen, als wenn es sich um die eigenen Bürger handelte. Auch in allen
anderen Gebieten würden sie für die Untertanen des Grafen mit ihrem
Schutze eintreten, ohne daß sich indessen diese Schutzpflicht bis auf die
Aufwendung von Geldmitteln oder kriegerisches Einschreiten ausdehnen
dürfte. Endlich wurde den Leuten von Saint-Gilles gestattet, alljährlich
Waren bis zum Werte von 10000 1. Jan. vom Hafen von Genua aus zu
denselben Frachtsätzen, wie sie für die Waren der Genuesen berechnet
wurden, auf genuesischen Schiffen zur überseeischen Ausfuhr zu bringen.
Die heftige Befehdung Montpelliers durch die Genuesen veranlaßte
den Papst Alexander III., der Montpellier schon 1162 in seinen besonderen
Schutz genommen hatte i), sich am 11. Oktober 1173 in zwei Schreiben an
den Erzbischof sowie an Konsuln und Volk von Genua zu wenden; mit
ernstlichen Worten warf er ihnen vor, daß sie, die ausschließliche Seeherr-
schaft für sich in Anspruch nehmend, versucht hätten, sich des Hafens
Wilhelms VII. zu bemächtigen, daß sie die Schiffe Montpelliers verbrannten,
seine Kaufleute ausplünderten und gewaltsam seinen Verkehr nach Genua
ablenken wollten ; er ermahnt sie dringend, davon abzustehen ; nicht einmal
von den Heiden lese man, daß sie eine derartige Herrschaft auf dem Meere
erstrebt hätten. 2)
445. Diese Mahnungen scheinen nicht ohne Wirkung geblieben zu
sein; in dem engen Bündnis, das Genua im August des folgenden Jahres
mit dem Grafen schloß ^) , richtete Genua seine Eroberungspläne nunmehr
gegen die Provence. Dabei versprach der Graf den Genuesen, was das
Rhonegebiet angeht, in Arles eine Handelsstraße in Stadt oder Vorstadt
ganz nach ihrer Wahl; in Saint-Gilles wurde ihnen ein für den Handel und
den Aufenthalt ihrer Kaufleute geeignetes Fondaco, in dem sie sich ganz
nach ihrem Belieben einrichten könnten, in Aussicht gestellt. Gegenseitig
sicherte man sich volle Handels- und Abgabenfreiheit zu. Die den über-
seeischen Handel betreffenden Bestimmungen des Vertrages von 1171 blieben
bestehen ; nur mit besonderer Erlaubnis der Konsuln und der Mehrheit der
Ratsherrn Genuas sollte davon eine Ausnahme gemacht werden können.
Handelten Untertanen des Grafen dem zuwider, so sollten sie mit dem Ver-
lust eines Drittels des angelegten Kapitals und des ganzen etwa schon er-
zielten Handelsgewinnes bestraft werden; auch die Genuesen sollten die Be-
fugnis haben, diese Strafe zu vollstrecken, wenn sie die Kontravenienten in
ihre Gewalt bekamen. In allen Häfen des gräflichen Gebietes sollte fortan
bezüglich der Aufnahme oder Nichtaufnahme von Fremden allein der Wille
Genuas entscheidend sein, während die Genuesen und ihre Waren sich einer
jedem Einfluß der territorialen Gewalt entzogenen Bewegungsfreiheit in den-
selben erfreuen sollten.
Zur Ausführung sind die Pläne der Verbündeten nicht gekommen;
doch werden die Genuesen in Saint-Gilles das versprochene Fondaco auch
*) Germain commune I p. XXV. Lib. Instrum. p. 47 no. 19.
') . . . quia non decet vos huiusmodi proprietates in mari requirere, quas pa-
ganos etiam non legimus requisivisse. Germain commerce I, 97 zu 1168 ; Lib. In-
strum, p. 49 no. 21 zu 1169; Fabrege I, 284 zu 1167 — alles wegen des Ausstellungs-
ortes Anagni unmöglich. Nach diesem bleibt für die mit einer Jahreszahl nicht
versehenen Schreiben nur die Wahl zwischen 1173 und 1174, und da im Herbst
1174 die Pläne Genuas schon eine ganz andere Richtung hatten, bleibt nur 1173 übrig.
«) Unten § 488. Lib. Jur. I no. 309 u. 310.
570 Siebenunddreißigstes Kapitel. Die Italiener im Verkehr mit Languedoc etc.
wirklich erhalten haben. Endlich wurde nun auch der Krieg mit Pisa durch
ein Machtgebot des Kaisers beendet (1175); Pisa mußte sich bezüglich seines
Seehandels mit Südfrankreich zur Annahme der Beschränkungen des Präü-
minarvertrages von Porto Venere verstehen; doch sollten sie nur 10 Jahre
lang in Kraft bleiben, während im übrigen der Friedensvertrag auf 31 Jahre
geschlossen war.i) Daß das keinen Ausschluß der Pisaner vom Handel mit
der langen Küstenstrecke von Noli bis fast zur Ebromündung, auch für
diese 10 Jahre nicht, bedeutete, haben wir schon gesehen; daß man auch
in Genua diesen Erfolg nicht allzuhoch einschätzte, geht schon daraus her-
vor, daß der offizielle Annalist, der die Hauptpunkte des Friedensvertrages
kurz hervorhebt, diesen Punkt ganz mit Stillschweigen übergeht.'^)
446. Wenig später schlössen auch die beiden Hauptmächte Südfrank-
reichs Frieden (April 1176); wohl noch in demselben Jahre ließ Pisa eine
Gesandtschaft unter Führung des Konsuls Ildebrando Sismondi an sie ab-
gehen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen kennen wir nicht; wohl aber
wissen wir, daß der Gesandte mit den Vormündern des neuen Herrn von
Montpellier, Wilhelms VIH. (seit 1172), und den probi-homines der Stadt
am 6. Februar 1177 einen Vertrag geschlossen hat 3), in dem man sich
gegenseitig volle Sicherheit und Freiheit des Handels und der Schiffahrt
im beiderseitigen Machtbereich verbürgte ; insbesondere sollte die Einholung
einer besonderen amtlich bescheinigten Erlaubnis bei der Ankunft von
Schiffen weder in Pisa noch in Montpellier erforderlich sein. Für »offensio«
sollte nur der Schuldige selbst haftbar gemacht werden. Ort des Vertrags-
schlusses ist das Fondaco (domus) der Pisaner in Montpellier ; wie Saint-Gilles
die Hauptstätte des genuesischen Handels, war also Montpellier die des
pisanischen verblieben. Jl
Aus dem Vertrage geht hervor, daß die Kaufleute von Montpellier
sehr häufig nach Pisa kamen und dessen Schiffe benutzten; die Pisaner
versprachen, sie auf ihren Schiffen wie außerhalb derselben als Freunde
aufzunehmen und zu beschützen. 4) Sollten Fremde die Leute von Mont-
pellier innerhalb des pisanischen Machtbereichs schädigen, so sollten sie
sogar das Recht der Selbsthilfe haben und dabei von den Pisanern geschützt
4i
*) Am 6. November 1175 wurde der Friede von den Pisanern beschworen;
Cod. Sard. I p. 248. Mit Unrecht meint Langer S. 201, daß die Pisaner als aus-
schließliches Herrschaftsgebiet Genuas den Teil des Mittelmeers, dessen Seeseite
durch eine Linie von Kap Salöu bis Noli begrenzt werde, anerkannt hätten. Auch
Manfroni p. 249 behauptet, Pisa habe auf die Schiffahrt nach der Provence ver-
zichtet.
^) Ann. genovesi 11 p. 9 zu 1175. Die pisanischen Annalen Maragos enden
schon 1174.
') Er nennt sich in demselben Pisanorum consul et in Provincia legatus ac
regi Aragonum comitique S. Egidii et causa missaticie missus in Montemp., bei Ger-
main, commune U, p. 417 no. 21. Hier und Liber Instrum. p. 346 ist die Urkunde
zu 1178 unseren Stils gesetzt; richtig zu 1177 in desselben Verfassers commerce I
p, 107. Irrtümlich hält Heyd I, 185 diesen Gesandten für den ersten bekannten
pisanischen Konsul von Montpellier; er ist aber pisanischer Stadtkonsul für dieses
Jahr, wie deutlich aus der Urkunde selbst hervorgeht (am Schluß: Jld., Pisane ur-
bis consul ... confirmavit ... pro se et sociis presentibus et futuris).
Der Irrtum auch bei Germain, commune I p. XXXVI note 1. Nur die eine Seite^^^
des Gegenseitigkeitsvertrages, das Versprechen der Pisaner, ist erhalten. ,'|H
*) ... sicut cum amicis et hominibus nostre pacis in navibus et extra navea ™
nostri cum eis participent dilectionem et eos tueantur. Germain, commune H, 418.
4
Achtunddreißigstes Kapitel. Die Italiener im Verkehr mit der Provence etc. 571
werden, eine Bestimmung, die ihre Spitze offenbar gegen die Genuesen
kehrt. Die lästige Beschränkung, die Genua dem pisanischen Seehandel
mit Südfrankreich auferlegt hatte, führte also zu einem besonders lebhaften
Verkehr der Leute von Montpellier in Pisa, da diese ihrerseits an eine solche
Beschränkung nicht mehr gebunden waren und Genua schon mit Rücksicht
auf den Papst nicht wagen konnte, gegen Montpellier mit Gewalt vor-
zugehen.
Schon jetzt ließ sich erkennen, daß Genua etwas auf die Dauer
Unmögliches unternommen hatte, als es versuchte, die südfranzösi-
schen Seestädte an der freien Entfaltung ihres Seehandels zu hindern.
Sein feindliches Verhalten gegen Montpellier hatte schließlich nur die
Wirkung, daß es sich selbst für geraume Zeit von dem Verkehr mit
dieser bedeutendsten unter den Handelsstädten von Languedoc aus-
schloß. Die den Pisanern auferlegte Beschränkung aber fiel schon
im Jahre 1185 vertragsmäßig fort, und im Jahre 1188 sicherten sich
beide Seemächte nach einem kurzen Kriege gegenseitig voUe Freiheit
des Seehandels zu. ^)
Achtimddreißigstes Kapitel.
Die Italiener im Handelsverkehr mit der Provence
bis zum dritten Kreuzzuge.
447. Während die Seestädte an der Flachküste von Languedoc
sämtlich nur unter Schwierigkeiten mit dem Meere kommunizierten,
reihte sich in der Provence (im engeren Sinne) östlich vom Mündungs-
gebiet der Rhone ein natürlicher Hafen an den anderen. Marseille,
der westlichste von ihnen, durch seine Nähe am Rhönegebiet beson-
ders bevorzugt, war in unserer Periode noch eine kleine, aber im
Emporblühen begriffene Handelsstadt^), die einzige Südfrankreichs,
die vor dem dritten Kreuzzuge im Orient Privilegien, wenn auch nur
bescheidene, erlangt hat. Es zerfiel in eine obere, bischöfliche Stadt
und eine Unterstadt, wo die vizegräfliche Familie die Stadtherrschaft
übte, so aber, daß mindestens seit dem 3, Jahrzehnt des 12. Jahr-
hunderts die von Konsuln geleitete Bürgerschaft an der Verwaltung
der eigenen Angelegenheiten einen allmählich steigenden Anteil nahm.
Erst verhältnismäßig spät treten uns die Beziehungen der Ita-
liener zu Marseille deutlicher entgegen.
Auf einen lebhaften und freundschaftlichen Verkehr deutet es, wenn
die Pisaner auf der Heimkehr von ihrem Balearenzuge ihre Toten in
Saint- Victor bei Marseille beisetzten, um die Freude bei dem Empfange
der Sieger in der Heimat nicht zu stören.^)
») Cod. Sard. I, 263.
») Benjamin Tudel. I, 36. Edrlsl ed. Amari p. 85.
») Inschrift in der Kirche S. Victor ; s. Liber Maiolich. p. 143 no. 4. Dazu
Roncioni p. 215 f. Capmany II, Apend. 22 f.
572 Achtunddreißigstes Kapitel.
Aus dem Vertrage Genuas mit dem Grafen von Barcelona vom Jahre
1127 1) läßt sich für seine Beziehungen zu Marseille nichts entnehmen.
Wollte Genua aber seine Ausschließungspolitik durchführen, so mußte vor
allem Marseille niedergehalten werden. Und in der Tat tritt uns Genua im
Jahre 1138 in überraschender Weise als Schutzmacht nicht bloß kleinerer
provengahscher Häfen wie Fos, Hyeres, Frejus und Antibes, sondern auch
Marseilles selbst gegenüber den Sarazenen Marokkos entgegen ^) ; Fos mußte
für den gewährten Schutz einen jährlichen Getreidezins von 20 Minen,
Frejus und Hyeres einen solchen von 50 und 60 sextarii an Genua entrichten.
Alle Schutzbefohlenen waren zur Heeresfolge verpflichtet, die kleineren nach
Anweisung der genuesischen Konsuln in jedem einzelnen Falle, Marseille
zur Stellung eines selbständigen Kontingents von 100 Mann, wenn es sich
um einen Zug zu Lande oder einen Seezug gegen die Sarazenen handelte,
von 100 Mann auf genuesischen Schiffen, wenn der Seezug gegen andere
Gegner gerichtet war. Alle Schutzbefohlenen leisteten ferner einen Eid,
die Genuesen zu Wasser und zu Lande zu schützen, dieselben Freunde
und Feinde wie diese zu haben und von den Genuesen und denen, die
von den genuesischen Konsuln als ihre Freunde bezeichnet werden würden,
nur die rechtmäßigen altüblichen Abgaben zu erheben ; sollte eine Verletzung
des Vertrages vorkommen, so versprechen sie, binnen 40 Tagen 3) nach Ein-
treffen eines Gesandten oder eines amtlichen Schreibens der genuesischen
Regierung für Abhilfe oder Genugtuung zu sorgen. Marseille versprach
außerdem, den Genuesen für alle Übel, die es ihnen innerhalb der letzten
10 Jahre zugefügt, nach richterlichem Spruch Entschädigung zu gewähren.
Läßt schon der letzte Passus darauf schließen, daß Marseille nur
unter besonderem Druck in diesen Schutzvertrag gewilligt hat, so wird
schwerlich anzunehmen sein, daß der Vertrag über die 10 Jahre, für die
er zunächst geschlossen wurde, hinaus verlängert worden ist, obwohl der
Vertrag selbst eine solche Verlängerung in Aussicht nahm. Jedenfalls hat
sich in der Folgezeit Marseilles Verhältnis zu Genua recht unfreundlich
gestaltet, so daß die Handelsbeziehungen zwischen beiden Städten geradezu'
aufhörten; im Notularium des Johannes (1155 — 1164) begegnet der Name
von Marseille nicht ein einziges Mal.
Doch erscheint im Spätherbst 1165 Marseille mit der vorgelagerten
Insel Pomegue als Stützpunkt der genuesischen Flotte, die hier auch Lebens-
mittel einnahm; und der Vertrag, den Genua zur selben Zeit mit dem
Grafen Raimund-Berengar von Provence schloß, mußte ebenso wie 2 Jahre
später das Bündnis mit seinem Nachfolger, dem Könige von Aragon, auch
seinem Handel mit Marseille zustatten kommen. Gegen Ende des genue-
sisch-pisanischen Krieges aber entbrannte zwischen Genua rnid Marseille
erbittertste Feindschaft. ,«|
448. Mit dem Grafen Raimund von Toulouse schloß Genua im
August 1174 ein enges Kriegsbündnis, dessen Zweck es war, dem Könige
von Aragon die Provence zu entreißen.^) Genua wollte zur Eroberung der
Orte an der See und rhoneaufwärts bis Tarascon eine Flotte von 16 Galeeren
stellen, die es den ersten Monat völlig auf eigene Kosten zu unterhalten
») Oben § 422.
*) Lib. Jur. I no. 41—45 ; oben § 217.
') In dem Druck Chart. 11 no. 182 (wonach Mas Latrie, Doc. p. 88) irrig
10 Tage.
*) Lib. Jur. I no. 309 und 310. Germain, commerce I p. 98 — 106.
11
Die Italiener im Handelsverkehr mit der Provence bis z, dritten Kreuzzuge. 573
hatte, während der Graf für den Unterhalt der Mannschaft in der folgenden
Zeit 50 sol. melg. pro Tag und Galeere zahlen sollte. Für diese Kriegshilfe
machte der Graf den Genuesen die ausgedehntesten Versprechungen, die
für die Ziele der genuesischen Politik lehrreich bleiben, wenn sie auch den
Boden der Wirklichkeit allzusehr verlassen : Genua sollte den vollständigen
Besitz von Marseille erhalten, dergestalt, daß es völlig nach seinem Belieben
damit schalten konnte, desgleichen den festen Ort (castrum) Hyeres mit
allem Zubehör; von allen anderen Orten an der Küste und der unteren
Rhone auf der ganzen Strecke von la Turbie (bei Monaco) bis Arles sollte
ihm die volle Hälfte von allem Besitz wie allen Rechten und Einkünften
zufallen. Doch wurde das feste Schloß Fos auf Wunsch der Genuesen
selbst davon ausgenommen und ganz dem Grafen vorbehalten ; die Genuesen
wollten sich hier mit einem außerhalb der Befestigungen gelegenen Fondaco
und den in der Nähe gelegenen Salinen von Bouc begnügen.
Dafür verlieh ihnen der Graf noch an der Grenze ihres Gebietes zu
vollem Eigentum Ortschaft und Berg von Monaco mit Zubehör zur Er-
richtung eines Kastells. Auch versprach der Graf, während der auf 5 Jahre
berechneten Dauer des Vertrages den Genuesen jedesmal, wenn sie an der
Riviera auf der Strecke von Albenga bis Marseille einen Seezug mit
mindestens 10 Galeeren unternähmen i), ein Kontingent von 100 wohlaus-
gerüsteten Rittern stellen zu wollen. Kein Zweifel, daß Handelseifersucht
gegen das trotz allem aufblühende Marseille die Haupttriebfeder für die
Genuesen beim Abschluß dieses Vertrages war. Besonders war es der genue-
sischen Regierung ein Dorn im Auge, daß vielfach Genuesen selbst die wach-
sende Bedeutung des Platzes förderten, indem sie, von überseeischen Häfen
kommend, es vorzogen, statt nach Genua, nach Marseille oder Toulon oder
sonst einem Hafen zwischen der Ebromündung und Genua »contra honorem
et commodum patriae suae« zu fahren.^) Verbote halfen bei dem recht
unbotmäßigen Sinn der seefahrenden Bevölkerung der Republik nicht all-
zuviel, und so hoffte man durch Anwendung von Gewalt gegen die empor-
strebende proven§alische Seestadt ans Ziel zu gelangen.
Bis Mitte Oktober sollte der Kriegszug angetreten werden ; doch hatte
man ihn für dies erste Jahr, wie es scheint, selbst nicht allzu ernstlich ins
Auge gefaßt, denn die Genuesen bedangen sich, ganz abgesehen von dem
Fall beiderseitigen Einverständnisses oder > des Eintretens unabwendbarer
Hindernisse, die Unterlassung des Zuges auch aus, wenn der Kaiser nach
Italien käme und seine Anwesenheit ihnen als Hindernis erschiene, oder
wenn sich herausstellen sollte, daß die Zahl der in den Gebieten des Königs
von Aragon weilenden Genuesen oder die Menge der dort befindlichen
genuesischen Waren so groß sei, daß ein sofortiger Bruch nicht ohne
schweren Schaden für sie vollzogen werden könnte. In der Tat miterblieb
der Zug; für diesen Fall war bestimmt, daß die neuen Konsuln Genuas
1) Langer S. 199 unrichtig, daß er ihnen mit 10 Galeeren Beistand versprochen
hätte (die Seemacht fehlte ihm ja gerade!); auch ist es ein Mißverständnis, daß er
ihnen alle Häfen an der Küste von Turbie bis Narbonne zugesagt hätte.
*) Auch der Erzbischof wurde dadurch in seineu finanziellen Interessen ge-
schädigt, da er nur von jedem de pelago nach Genua kommenden Schiffe den
Zehnten von 22 Vj sol. zu fordern hatte. Deshalb sprachen ihm die Konsuln am
21. Januar 1175 das Recht zu, den gleichen Zehnten auch von jenen den Hafen
der Vaterstadt meidenden Schiffen zu erheben : II secondo registro della Curia Ar-
civescovile dl Genova, ed. Belgrano in Atti Lig. X VIII (1887), 206; dazu 456.
574 Achtunddreißigstes Kapitel.
vor Antritt ihres Amtes zu schwören hätten, den Vertrag bis zu einem
neuen mit dem Grafen zu vereinbarenden Termin zu erfüllen.
Während die Unterhandlungen bisher in Genua durch den Conne-
table des Grafen, Wilhelm von Sabran, geführt waren, schickten die
Genuesen demgemäß im nächsten Frühjahr ihrerseits den Philippus Bara-
terius als Gesandten nach Südfrankreich, der noch weitere Bundesgenossen
warb und außer mit dem Grafen von Toulouse auch mit Sancho, der sich
Graf der Provence nannte, und mit Graf Wilhelm von Forcalquier eine
neue Konvention vereinbarte.^) Unverhüllt zeigte sich nun, was mit dem
Ausdrucke des Vertrages von 1174, daß die Genuesen mit Marseille machen
könnten, was sie wollten, eigentlich gemeint war; denn man faßte nun
nichts Geringeres als die vollständige Zerstörung von Marseille ins Auge.
Bis zum 15. August sollte der kombinierte Zug zu Wasser und zu Lande
vor sich gehen ; die Fürsten verpflichteten sich, in Person an der Spitze von
mindestens 10000 bewaffneten Rittern im Felde zu erscheinen und nach
Ankunft der Genuesen einen Monat oder so lange, bis die Stadt Marseille
mit ihrem Hafen zerstört sei, bei Marseille zu verweilen; keine Wieder-
herstellung der Stadt wollten sie zulassen und keinen Frieden oder Vertrag
mit den Marseillern ohne Erlaubnis der genuesischen Konsuln schließen.
Indessen, so drohend sich das Wetter über Marseille zusammenzuziehen
schien, es verzog sich, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. Vielleicht
hat die Anwesenheit des gebietend auftretenden Kaisers im Zusammenhange
mit dem noch fortdauernden, erst im November beendeten pisanischen
Kriege die Genuesen veranlaßt, ihren Plan, der die Größe ihres Hasses
gegen Marseille bekundet, vorläufig fallen zu lassen. Aber schon am
18. April 1176 machte Graf Raimund mit König Alfons seinen Frieden 2),
während die Genuesen im ganzen Frühjahr und Sommer ihre Galeeren an
der Küste der Provence gegen Korsaren und »Rebellen« und Übertreter
des Handelsverbotes kreuzen ließen.^) Das »devetum Provinciae«, das die
Bewohner von Albenga 1179 zu beobachten sich Genua gegenüber ver-
pflichteten *), ist sicher in erster Linie gegen Marseille gerichtet gewesen.
Marseille zu beugen aber gelang den Genuesen nicht ; es ist nach den zutage
getretenen Plänen Genuas begreiflich, daß ihre AusschließungspoHtik gerade
hier eine besonders tiefwurzelnde Abneigung hinterließ. ijl
449. Derart unfreundliche Beziehungen zu Genua lassen von vorn-
herein auf ein gutes Verhältnis zu Pisa schließen; doch ist uns aus dieser
Zeit nur sehr wenig Positives darüber bekannt. Im Spätherbst des Jahres 1165
hören wir von einem pisanischen Handelsschiff, das von Bugia kam und
nach Marseille wollte, aber den Genuesen in die Hände fiel; und es deutet
auf die Sympathien, die man in Marseille trotz des Bündnisses, das der
Landesherr Graf Raimund-Berengar damals mit Genua schloß, für Pisa hegte,
daß der Marseiller Capdole, ein Freund der Pisaner, die Genuesen durch die
1) Lib. Jur. I no. 313, undatiert, von dem Herausgeber irrig zu 1176 ange-
setzt (auch von Heyd I, 188 angenommen).
«) Petrus de Marca p. 1368 f. Devic et Vaissete VI (1879), 68. Im Jahre
1179 brach der Krieg wieder aus und dauerte bis Februar 1185. Devic 1. c. 87, 110.
Petrus de M. 1375 u. 1378 f.
') Ann. genovesi II, 10 : galeas armatas in custodia Provincie tenuerunt ad '
capiendos cursales et rebelles et illos qui contra devetum eorum (seil, consulum)
ibant.
*) Lib. Jur. I no. 325.
i
Die Italiener im Handelsverkehr mit der Provence bis z. dritten Kreuzzuge. 575
falsche Nachricht, daß ein pisanisches Schiff in dem benachbarten Hafen
Aquila (Bec de l'Aigle) vor Anker gegangen sei, aus Marseille herauszulocken
wußte. 1) Der regelmäßige Handelsverkehr der Pisaner in Marseille endlich
wird dadurch bezeugt, daß Marseille in der pisanischen Tabelle der usance-
mäßigen Seezinsen mit einem Satze von 17 1/2% erscheint. 2)
Toulon gehörte damals zu den Besitzungen des vizegräflichen
Geschlechts von Marseille ; daß sein trefflicher Hafen auch von den Italienern
gewürdigt wurde, zeigt uns der Umstand, daß die beim Herannahen des
Winters 1165 heimkehrende genuesische Flotte eine Zeitlang in Toulon ver-
weilte; auch klagte man in Genua darüber, daß aus der Ferne kommende
genuesische Schiffe trotz des bestehenden Verbotes in direkter Fahrt öfter
auch den Hafen von Toulon aufsuchten.^)
450. Im östlichen Teile der Provence erfreuten sich die vom
Bischof gegründeten Märkte in Fr ^ jus (Forum Julii, Frizulium) und
dem benachbarten Saint-Raphael im 12. Jahrhundert eines sehr
regen Verkehrs.
Genuesischen Schiffen, die hierher zu Markt fuhren, begegnen wir
schon im Jahre 1100 und seitdem häufig an dieser dem Machtbereich Genuas
80 nahe gelegenen Stätte; Küstenfahrer, die nur bis Frejus fuhren, hatten
als collatio portus (Hafengeld in Genua) nur 1 den. pro Person auf dem
Schiff zu zahlen. 4) In dem Schutzvertrage von 1138 gaben die Bewohner
von Frejus das besondere Versprechen ab, für die Sicherheit und den völlig
unbehinderten Handelsverkehr der Genuesen und ihrer Freunde auf ihren
Messen Sorge tragen und keine weitere Abgaben als die altüblichen 9 Denar
von ihnen erheben zu wollen. Daß auch die Pisaner häufige Besucher dieser
Märkte waren, geht schon daraus hervor, daß San Raffaele in der pisanischen
Seezinstabelle, und zwar mit dem verhältnismäßig sehr niedrigen Zinssatze
von 121/2%. erscheint, ö)
Die Messe von Frejus (nundinae Fori Julii) hatte am 10. August, dem
Tage des hl. Laurentius, die von Saint-Raphael am Matthäustage, dem
21. September, ihren Mittelpunkt; es verdient bemerkt zu werden, daß die
Messe von Saint-Gilles gerade in die Mitte zwischen diese beiden Messen
fiel. Im Sommer 1157 ging Garsia, ein Bruder des Petrus Bur, als Sozius
der Eliadar zur Messe nach Frejus; auf dem Schiffe der EHadar hatte er
die Handelsreise durch seinen homo, Olivarius, nach Palermo und zurück nach
Genua fortsetzen zu lassen. 6) Auf die Messe von Saint-Raphael ist es zu be-
ziehen, wenn Gandulfus Lavorantus am 5. September 1158 eine Commenda von
106 1. Jan. für seine Handelsreise »apud feriam« empfängt und Soliman von
Salerno und Donatus de s. Donato bei Abschluß eines neuen Sozietätsvertrags
am 22. September 1163 die Erklärung abgeben, daß sich von ihrer bisherigen
') Ann. genov. I. 186.
«) Bonaini II, 905.
'•>) Ann. genov. I, 187. Oben § 448. Im Jahre 1180 schloß der Graf von Pro-
vence mit dem Marseiller Vicegrafen Wilhelm über die Verteilung des Reingewinns
aus den Silber- und Bleibergwerken in der Nachbarschaft von Toulon einen Ver-
trag und nahm zugleich Toulon und alle, die sich zur See oder zu Lande nach
jenen Bergwerken begaben, in seinen Schutz. Lambert G. im Bull, de l'Acad. du
Var, n. s., XX (Toulon 1897) p. 84. Fagniez I, 90 no. 116.
*) Chart. II no. 147 p. 185. Lib. Jur. I no. 55.
*) Lib. Jur. I no. 43. Bonaini n, 905.
») Chart. II no. 446.
576 Achtunddreißigstes Kapitel.
Sozietät 300 Häute, 130 Stück Schaffelle und 5 Stück Barchent auf der Messe
befänden, i) Wenn wir diesen Messen im Notularium nicht öfter begegnen,
so kann das allein darin seinen Grund haben, daß man bei der Kürze der
Fahrt dahin die notarielle Form in der Regel nicht für erforderlich erachtete ;
denn die hervorragende Bedeutung, die diese Messen für Genua hatten, tritt
gerade in dieser Zeit und gerade während seines großen Krieges mit Pisa
mehrmals in ein helles Licht, Als die Pisaner 1165 mit ihren 31 Galeeren
Albenga erobert hatten (21. August) und nun die Küste westwärts weiter
zogen, kaperten sie 28 von der Messe von Frejus (de mercato de FrigioH)
heimkehrende Schiffe mit Genuesen und vielem Gut 2) — sind es auch
offenbar nur kleinere Küstenfahrzeuge gewesen, so beweist das doch die
Lebhaftigkeit dieses nach den Messen gerichteten Schiffsverkehrs. Im
Jahre 1169 wurde Otto de Caffaro an der Spitze von sieben genuesischen
Galeeren gegen sechs pisanische, die nach der Küste der Provence gegangen
waren, geschickt ; offenbar befürchteten die Genuesen, daß sich der Vorgang
von 1165 wiederholen könnte. Nachdem Otto die Feinde zunächst vergebens
gesucht, begab er sich selbst zur Messe nach Frejus, um die Besorgnisse der
Kaufleute zu zerstreuen und den Verlauf des Meßgeschäfts zu schützen. Vor
der großen Zahl der Meßbesucher leistete er hier einen Eid, die Pisaner bis
aufs äußerste bekämpfen zu wollen ; und wirklich glückte es ihm bald darauf
am Laurentiustage (10. August), drei von den pisanischen Galeeren bei den
hyerischen Inseln in seine Gewalt zu bringen. Im Triumph kehrte er mit
ihnen nach Frejus und dann, die Kaufmannschiffe geleitend, nach Genua
zurück. Bald aber hieß- es, daß die Pisaner wiederum Galeeren zur Störung
der Messe von S. Raphael ausgesandt hätten. Da erließ Genua das Gebot,
daß die bevorstehende Messe nur auf Galeeren besucht werden dürfte und
rüstete gleichzeitig zum Schutze der Meßbesucher und der auf die hohe
See gehenden Handelsschiffe sechs Galeeren aus, die ihrer Aufgabe unter
Ingo Tornellus an der Küste der Provence zwei Monate lang oblagen. ^)
451. Besonders wertvolle Details über diese Messen und die Art des
Verkehres auf denselben bietet uns der Vertrag, den Bischof Florus von
Frejus am 22. Juli 1190 mit den Konsuln von Genua unter dem Vorbehalt
der Genehmigung durch König Alfons von Aragon abschloß. Darnach standen
die genuesischen Meßbesucher 4) unter einem oder mehreren besonderen
Vorstehern, die von der heimischen Regierung ernannt wurden und offenbar
die Jurisdiktion und die Aufsicht über ihre Landsleute zu üben hatten;
wahrscheinlich haben sie schon damals den Konsultitel geführt. An Abgaben
durften von den Genuesen während der Meßzeiten nur erhoben werden
12 den. Ufergeld für das Fahrzeug — ein Beweis, daß die Genuesen ganz
i
*) Ebd. no. 703 u. 1323 : quod de societate quam insimul habuere, sunt apudj
feriam 300 coria etc. I
*) Ann. pis., SS. XIX, 253.
') Ann. genov. I, 227 f. Im Jahre 1170 schickten die Genuesen wieder, ohne
daß eine besondere Beziehung zu der Messe hervortritt, 9 Galeeren nach der Pro-
vence zum Schutze gegen die pisanischen Kreuzer, die ausgesandt waren >pro of-
fensione iUis facienda qui civitati nostre victualia aiferebantc, ebd. 233. Die Lebens-
mittelzufuhr von der Provence her war also für Genua, zumal im Falle eines Kriege
mit Pisa, besonders wichtig.
*) Lib. Jur. I no. 376. Außer den beiden Hauptmessen wird hier noch einej
dritte genannt, die Synodenmesse (nundinae Synodi), die auf den vierten Sonntagj
nach Ostern fiel; größere Bedeutung scheint sie nicht erlangt zu haben
I
i
Die Italiener im Handelsverkehr mit der Provence bis z. dritten Kreuzzuge. 577
überwiegend kleine Küstenfahrer zu diesen Messen entsandten; gegen die
9 den. von 1138 bedeutet das keine Erhöhung, da in der Zwischenzeit eine
Minderung des Metallwerts der Denare eingetreten war. Fahrzeuge, die
außerhalb der Meßzeiten des Handels wegen nach dem Gebiet von Frejus
kamen, hatten eine von altersher übliche Abgabe von 4 den. auf den Riemen
(per remum), von der nur der Schiffsführer (nauclerius) befreit war, zu leisten.
Auf der Messe zu Saint-Raphael trat zu dem Ufergelde für ankommende
Schiffe noch eine Verkaufsabgabe für Tuche hinzu, die in Höhe von
2 sol. für den Ballen, bei einzelnen Stücken im entsprechenden Verhältnis,
zu entrichten war. Unter den Waren, die auf diesen Messen gehandelt
wurden, spielten diese Tuche für den Export der Genuesen eine besonders
wichtige Rolle. Um Streitigkeiten, wie sie früher öfter entstanden waren,
auszuschließen, stellte man im Vertrage selbst nach dem Herkommen fest,
wieviel Stück Tuch der Ballen bei den verschiedenen Sorten enthalten mußte.
So lernen wir als auf der Messe von Frejus gehandelte Tuche kennen aus
dem Westen Frankreichs die von Limoges, Figeac und Gourdon (nördlich
von Cahors), aus dem Norden westlich der Seine die von Chartres und
Etampes, nördlich der Seine die von Beauvais und Arras, aus Flandern die
bunten Tuche von Saint - Riquier und Merris i) (bei Bailleul). Damit ist die
Zahl der hier vertretenen Tuchsorten indessen noch keineswegs erschöpft;
die beiden zuletzt genannten flandrischen Tuche, bei denen 14 Stück auf
den torsellus gingen, sind nur um dieser Besonderheit willen hervorgehoben,
da bei den übrigen farbigen Tuchen der Ballen nur 12 enthielt, ebensoviel
wie bei den Tuchen aus dem Westen Frankreichs und den großen Tuchen
von Beauvais, während der Ballen von Arras 24 Stück umfaßte. Das Extrem
stellten die Tuche von Chartres und fitampes mit nur 6 Stück auf den
Ballen dar. Bei den als sagae (Sarsch) bekannten Tuchen gingen 18, bei
den barrachani 35 auf den Ballen. Der Ballen Garntuch (canapaciorum)
bestand aus 112 Stück, während von den vintenae (vingtains, Tuchen von
2000 Einschlagfäden) gerade 100 einen Ballen ausmachten. Das Messen der
Tuche wurde von zwei Beamten besorgt, einem Pro vengalen, den der Bischof,,
und einem Genuesen, den der genuesische Meßvorstand zu bestellen hatte;
in der gleichen Weise wurden auch zwei Beamte für die öffentHche Wage
bestellt. Alle diese Beamten erhielten ihre Besoldung vom Bischof aus den
bei der Verwiegung und Vermessung zu entrichtenden Gebühren (de introitu
canne et cantarii), die also nicht als Meßabgaben betrachtet wurden. Zu
einer näheren Aufzählung der Gewichtswaren, die nach Kantär oder Rubbi
(ad cantarium vel Tubum) verkauft wurden, hatte der Vertrag keine besondere
Veranlassung; diese »species et merces« umfassen offenbar ganz überwiegend
die Artikel, die von den Genuesen importiert wurden. Streng zu verbieten
versprach der Bischof den Kauf von Waren zum Zweck des Wiederverkaufs
auf der Messe selbst (cabellam facere nannte man es in Frejus) ; ausgenommen
von diesem Verbot sollten nur die dem täglichen Bedarf dienenden Artikel
sein, wie Brot, Wein, frisches Fleisch, Fische, auch getrocknete, Salz u.dgl.
Zuwiderhandelnde unterlagen, abgesehen von der Aufhebung des Kauf-
geschäfts, einer Strafe, wie sie der Bischof im Einvernehmen mit dem
') Der Text hat > torsellus pannorum de mensurac ; doch führt der Text des
Vertrages von 1204, der eine wörtliche Erneuerung des Vertrages von 1190 ist, mit
der Lesart: pannorum de mersa auf das Richtige, wenn nicht etwa mensa (Mainz)
zu lesen ist.
Schaube, Handelsgeschichte djer roman. Völker im Mittelalter. "7
f)78 Achtunddreißigstes Kapitel.
genuesischen Meßvorstand (cum consilio illius qui preerit nundinis ipsis pro
Januensibus) zu verhängen für gut fand.
Mit diesen Messen war aber auch ein großer Getreidemarkt verbunden,
auf dem die fruchtbare Provence einen Teil ihres Überschusses an Weizen
für den Bedarf namenÜich der Genuesen abgab. Eine ganze Anzahl von
Zeugnissen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts gibt uns Kunde von der
Wichtigkeit, die dieser Exportartikel der Provence für Genua gehabt haben
muß. Der Zehnte, der dem Bischof (seit 1133 Erzbischof) von Genua zu-
stand, wurde von jedem zum größeren Teil mit Getreide beladenen Fahr-
zeug, das von den Messen kam, bei einer Besatzung bis zu 8 Mann mit
1 Mine Weizen, bis zu 12 Mann mit 2 Minen, und erst bei stärkerer Be-
mannung mit dem sonst üblichen Satz von einem Quartino pro Mann in
natura erhoben.i) Durch den Vertrag von 1190 wurde der Bischof ver-
pflichtet, während der Dauer der Messen keine anderen Hohlmaße für den
Verkauf von Getreide zuzulassen, als die geeichten Scheffel und Metzen
Genuas (sextarios sive quartinos Januenses marcatos et ferratos et non alios).
Über das allgemeine Versprechen des Schutzes und der Erledigung von Be-
schwerden binnen 20 Tagen, das man sich gegenseitig gab, hinaus über-
nahm der Bischof endlich noch für den Fall, daß genuesischen Meßbesuchern
nach ihrer Landung Güter gewaltsam entfremdet werden sollten, ohne
weiteres die volle Ersatzpflicht; außerdem versprach er einen offenen Brief
des Königs von Aragon und seines Stellvertreters in der Provence zu er
wirken, der allen Meßbesuchern auf der Hin- wie Rückreise zu Wasser wii
zu Lande allseitige Sicherheit verbürgte.^)
452. Auch das von Frejus nur etwa 4 Meilen in direkter Linie erit'
f ernte G r a s s e stand trotz seiner Lage im Binnenlande (bis Cannes sind es
ungefähr 2 Meilen) mit den italienischen Seestädten in lebhaftem Handels-
verkehr. Die pisanische Seezinstabelle macht von Orten der Provence außer
Marseille und Saint-Raphael nur »Grassula« namhaft; daß der übliche Zins-
satz für Seedarlehn von Pisa hierher und zurück etwas höher war als nach
Saint-Raphael (15 gegen 12 V2 Prozent)^), hängt offenbar mit dem für die
Fortsetzung der Seetransporte zu Lande erforderlichen Zuschlage zusammen.
Auch die Leute von Grasse verkehrten vor den anderen Proven9alen viel
in Pisa; die pisanischen Statuten für 1162 legen den Konsuln die eidliche
Verpflichtung auf, die Forterhebung der Herbergsgebühr (albergaria) von
den in Pisa oder Kinthica wohnenden Leuten von Grasse und den Proven-
)i
IM
') Dekret der Konsuln von 1123 unter Berufung auf die gleichlautende En'
Scheidung der consules in compagna Lanfranci Roce et Oberti Maliocelli ; Chart. H
no. 158 und Atti Lig. II, 2 p. 58. Die vom 17. August 1100 herrührende Entschei-
dung der genannten Konsuln steht Chart. 11 no. 147 p. 185, zeigt aber verderbten
Text. Vgl. ferner das laudamentum der Konsuln von 1134 ib. no. 174 p. 220 (ex-
ceptis ferüs de Frisulio et S. Raphaelis) ; und übereinstimmend mit dem Dekret
von 1123 den erzbischöflichen Zehntentarif von 1143 (Atti Lig. II, 2 p. 10) betrefEenct™
die homines qui vadunt ad forum S. Raphaelis et ad nundinas Fori Julii. 1^1
gleicher Höhe bestand dieser Zehnte bis 1258, wo er abgelöst wurde ; Lib. Jur. r
no. 909 p. 1277. Als Abgabe für die Stadt, die durch den cintragus erhoben wurde,
kam für jedes Schiff, das um Getreide zu holen über Frejus hinausfuhr, 1 Min^
hinzu. Lib. Jur. I no. 75 (von 1142). fj
*) icartam patentem et sigillatam ... de omnimoda securitate in mari et
terra prestanda . . . universis qui ad nundinas predictas iverint vel redierint.« Am.
3. August 1204 ist der Vertrag erneuert worden. Lib. Jur. I no. 469.
») Bonaini K p. 905.
I
Die Italiener im Handelsverkehr mit der Provence bis z. dritten Kreuzzuge. 579
9alen überhaupt durch Vernaccius, genannt der Sensal, nur dann zu dulden,
wenn sie für die Kommune Pisa erfolgte.^) Während des großen Krieges
gelang es den Genuesen, vi^enn auch erst ziemlich spät, Grasse auf ihre Seite
zu ziehen; im Januar 1171 2) schloß der Konsul von Grasse, Isnardus, als
Gesandter in Genua einen Vertrag auf 29 Jahre, wonach die Stadt für die
Dauer des Krieges die Pisaner als Feinde betrachten wollte und die Be-
wohner von' Grasse sich verpflichteten, vor dem Friedensschlüsse Pisa oder
sein Gebiet des Handels wegen nicht wieder aufzusuchen.
Erst einige Jahre nach dem Kriege stellte sich das freundschaftliche
Verhältnis zwischen Pisa und Grasse wieder her. In dem auf 26 Jahre ab-
geschlossenen Friedensvertrage vom November 1178 3) versprachen die vier
Konsuln von Grasse und ihre designierten Amtsnachfolger in Gegenwart
des Bischofs von Antibes, von pisanischen Waren, die in Grasse eingeführt
wurden, nur die altherkömmliche Abgabe (solita dirictura) zu erheben; aus
Kaufgeschäften und anderen Verträgen, die in Grasse zwischen Bewohnern
der Stadt und Pisanern abgeschlossen wurden, sollten die Pisaner in Grasse
selbst belangt und Recht zu geben gehalten werden können.
453. Auch mit Nizza standen die Pisaner schon früh in lebhaftem
Handelsverkehr. Schon aus dem Jahre 1114 ist uns ein Schreiben der
pisanischen Behörden an Bischof und Volk von Nizza erhalten, in dem sie
ihr lebhaftes Bedauern über einen Akt von Seeraub aussprechen, den pisa-
nische Galeeren an Nizzarden verübt hatten. Soviel sie konnten, hätten sie
schon Restitution veranlaßt; die Hauptübeltäter aber seien gegenwärtig von
Pisa abwesend; nach ihrer Rückkehr, von der sie unverzüglich nach Nizza
Nachricht geben würden, sollten die Geschädigten Bevollmächtigte nach Pisa
schicken, für deren volle Befriedigung sie Sorge tragen würden. Im übrigen
sollten die Bewohner Nizzas völlig unbesorgt als gute Freunde und Nachbarn
nach Pisa kommen, wo sie wie die eigenen Bürger gehalten werden würden.
Zum Schluß erbitten sie für die Ihrigen wie für den Überbringer dieses
Schreibens die gleiche freundliche Aufnahme in Nizza.*)
Während ihres großen Krieges mit Pisa gelang es den Genuesen, sich
in Nizza eine feste Stellung zu schaffen ; zur Niederwerfung eines Aufstandes
gegen seine Oberhoheit bestellte im März 1166 Graf Raimund-Berengar von
Provence den Admiral der Genuesen, Grimaldo Grimaldi, als seinen General-
bevollmächtigten zu Wasser und zu Lande, und aus dem Jahre 1170 hören
wir, daß Nizza auf Verlangen Genuas eine Galeere ausrüstete und zum Ge-
schwader des Ogerius Ventus stoßen ließ.s) Wenn sich Genua in dem un-
ausgeführt gebliebenen Vertrage von 1174 vom Grafen von Toulouse ver-
sprechen ließ, beim Papste für die Unterstellung des Bischofs von Nizza
') Jedenfalls gegen den Anspruch der pisanischen Vicecomites gerichtet.
*) Lib. Jur. I ho. 277 und 278. Wegen der Datierung zu 1171 und nicht zu
1170 (die Konsuln wechselten in Genua erst am 1. Pebruar) stimme ich Langer
S. 176 Anm. 1 bei.
») Muratori Ant. IV p. 345 f., Papon II, preuves no. XXIII p. XXIII. Wegen
der Indiktion XII (bei Papon sogar nur XI, wohl infolge eines Versehens) ist pi-
sanische Jahreszählung anzunehmen. Von dem Vertrage ist nur der die Konsuln
von Grasse verpflichtende Teil erhalten.
*) Papon II, preuves no. X p. IX. P. Gioffredo : Storia delle Alpi Marittime
p. 373 (Mon. Hist. Patr., tom. 11). Die Jahreszahl 1115 an der Spitze des Schreibens
zeigt natürlich den calculus pisanus.
*) Papon II, preuves no. XIX p. XVIII. Ann. genov. I, 236.
37*
580 Achtunddreißigstes Kapitel. Die Italiener im Handelsverkehr m. d. Provence.
unter das Erzbistum Genua zu wirken, so zeigt uns das deutlich das Ziel
des genuesischen Strebens; die weitere Bestimmung, daß bei der Teilung
Nizzas zwischen Genua und dem Grafen der Besitz des W. Richerius und
seiner Neffen ausgenommen sein sollte, erklärt sich daraus, daß Genua mit
dieser angesehensten Familie Nizzas in besonders engen Beziehungen stand ;
als im Jahre 1182 Maria, eine Tochter des Ottobonus de Albericis, die mit
Lanfrancus Richerii vermählt war, auf der Reise von Genua nach Nizza
von den Bewohnern von Linguilia gefangen genommen wurde, schritten die
Genuesen sofort mit aller Entschiedenheit gegen dieses, »immensum facinus«
ein.i) Seit dem Frieden des Grafen von Toulouse mit Alfons von Aragon
1176 erkannte auch Nizza die Oberhoheit des Königs wieder an; im Juni
1177 bestätigte ihm dieser gegen eine einmalige Zahlung von 1250 1. Jan.
und einen Jahrestribut von 100 1. jan. (pro albergo) seine alten Gewohn-
heiten und Rechte.2) Auch mit den Pisanern wurde wieder ein freund-
schaftliches Verhältnis durch den Vertrag hergestellt, den es am 29. März
desselben Jahres mit Ildebrando Sismondi abschloß, der 7 Wochen zuvor
den Vertrag mit Montpellier zustande gebracht hatte.^) Der Inhalt des
Friedensvertrages ist nur dürftig 4); falls Einwohner Nizzas in Zukunft durch
Pisaner geschädigt werden sollten, würden die Konsuln von Pisa auf ein
beglaubigtes amtliches Schreiben der Konsuln von Nizza oder auf das Zu-
geständnis des Beschuldigten hin binnen 40 Tagen einfache Restitution ver-
anlassen oder den Schuldigen, falls er nicht zahlungsfähig wäre, aus dem
pisanischen Machtbereich ausweisen und nicht eher wieder aufnehmen, bis
er Ersatz geleistet. Der zwischen beiden Städten bestehende Friede sollte
um derartiger Übergriffe Einzelner willen nicht als gebrochen gelten.
Bei alledem aber blieb, offenbar hauptsächlich durch den Einfluß der
Richerii ö), die Stellung Genuas in Nizza eine so maßgebende, daß es als die
eigentliche Schutzmacht für Nizza erschien; der genuesische Vertrag mit
dem Herrscher der Balearen von 1181 läßt das genuesische Gebiet geradezu
»a Corvo usque Niciam« reichen.^) ^_
Im Zusammenhange mit diesem Streben der Genuesen nach direkter |l
Erweiterung ihrer Herrschaft steht auch der Vertrag, den sie 1181 mit dem
Abt von Lerins'^), dem Herrn der gleichnamigen, dem Strand von Cannes vor-
gelagerten Inselgruppe schlössen. Er gab ihnen die Hälfte der Insel Sainte-
Marguerite zur Anlegung eines Kastells und einer unterhalb desselben gele-
genen Ortschaft zu Lehen, wofür die Genuesen versprachen, in die Friedens-
verträge, die sie in Zukunft mit den Sarazenen schließen würden, das
Kloster Lerins und die Kirchen der Inseln ausdrücklich mit aufnehmen zu
lassen 8) und dem Abt, falls sie in der neuen Ortschaft Märkte einrichten
^) Ann. genov. II, 17.
») Leges Munic. I p. 82.
=) Bonaini, Suppl. p. 61 f. Oben § 446.
*) Überhaupt steht die Wortkargheit und wenig in das Detail gehende Art
der pisanischen Staatsverträge dieser Zeit in einem auffallenden Gegensatz zu der
genuesischen Vertragstechnik.
') Siehe hierüber Cais de Pierlas : Testament de Jourdan Eiquieri au Xlle siecle
in Ann. de la Soc. des lettres, sciences et arts des Alpes-Marit. XII (1890), 8 ff. Ein
Darlehn des Lanfranco R. an den Bischof von Nizza ebd. p. 11 und im Cartulaire
de Nice desselben Herausgebers (Turin 1888) p. Xu.
6) Mas Latrie, Traitös. Doc. p. HO.
i) Lib. Jur. I no. 331, 332.
®) Eine Veranlassung dazu lag in dem 1178 erfolgten Überfall von Toulon vor
II
II
Neununddreißigstes Kapitel. Kommerz. Verhältnisse innerh. d. südfr. Küstengeb. 581
und Abgaben einführen sollten, die Hälfte der Einkünfte zu überlassen;
die Genuesen aber soUten auf jeden Fall völlig abgabenfrei sein. In der
Tat sehen wir, daß die Genuesen in ihrem Vertrage mit Mallorka von 1188
die Inselgruppe als zu ihrem Machtbereich gehörig bezeichnet habend),
während für gewöhnlich Monaco als westlicher Grenzpunkt des genuesischen
Gebietes erscheint.
454. Als für Genua besonders wichtiger Exportartikel der Provence
im allgemeinen ist endlich noch das Salz zu erwähnen, für dessen Gewin-
nung die Flachküste westlich von Marseille, aber auch große Teile der
östUch gelegenen Küste wie die Gegend von Hyeres mit ihren Strandseen
und abgeschnittenen Meeresteilen die günstigsten Vorbedingungen bot. Nach
dem 1128 aufgezeichneten Abgabentarif mußten die aus der »provincia«
kommenden Salzschiffe je eine »olla« saus ablief ern ; 1134 wurde ihnen zum
Bau des Molo eine Abgabe von einem quartinus auferlegt, während der
■cintragus nach einer Aufzeichnung von 1142 von ihnen 3 quartini einzog.
Von besonderer Qualität scheint das provengalische Salz allerdings nicht
gewesen zu sein; im Jahre 1152 hatte ein genuesisches Konsortium, dem
der Ankauf des importierten Salzes in bestimmtem Umfange überlassen
war, die Mina provengalischen Salzes mit 7 den., anderen Salzes dagegen
mit 9 den. jan. zu bezahlen.^) Bedeutsam genug ist auch, daß Genua in
dem Vertrage von 1174 den Besitz der Salinen von Bouc erstrebte.
Neununddreißigstes Kapitel.
Kommerzielle Verhältnisse innerlialb des süd-
französisclien Küstengebietes selbst.
455. Von einem Seehandel der südfranzösischen Städte unter-
einander hören wir in dieser Periode noch fast nichts.
Es geschah im Interesse des Schiffsverkehrs von Montpellier selbst,
wenn der Herr der Stadt im Juli 1149 die Gräfin Beatrix, Erbin Bernhards
von Melgueil, zu einem völligen Verzicht auf die Ausübung des Strand-
rechts, wie ihn schon ihr Vater ausgesprochen, bewog; sie erhielt dafür eine
Entschädigung von 150 1. melg. Mit Bischof und Vicomte des benachbarten
Agde schloß Wilhelm VIII. im April 1185 einen Vertrag auf 10 Jahre, in
dem di* Herren von Agde versprachen, alle christhchen, sarazenischen oder
jüdischen Kaufleute, die nach Agde oder in sein Gebiet kämen, beschützen
und sicher geleiten zu wollen, während Wilhelm seinen Untertanen und
Freunden den Besuch des Hafens von Agde zu empfehlen versprach.^)
Was den Landhandel Montpelliers anbetrifft, so kennen wir einige
Sätze des Zolls, den der Vicomte Roger von Beziers auf der Straße zwischen
beiden Orten erheben ließ; er betrug 13 d. melg. für jeden Berittenen und
') Mas Latrie, Traitös, üoc. p. 114 : a Corvo usque insulam S. Margaretae
super Canebam (Cannes) sitam.
«) Lib. Jiir. I no. 23, 36, 75, 178.
») Liber Instrum. ]>. 156 no. 85 u. 649 no. 469.
582 Neuunddreißigstes Kapitel.
jeden Warenballen i), 3 d. für jede Last Eisen 2) und 31/4 d. für jeden Fuß-
gänger; der Vicomte verpfändete diesen Zoll Anfang 1176 an Elisarius de
Castris für ein Darlehn von 5000 sol. melg., das er bei diesem aufgenommen
hatte. Der Pfandinhaber übernahm die Verpflichtung, die Straße zu be-
wachen und die Benutzer der Straße sicher von Beziers nach Montpellier
und zurück zu geleiten. 3)
Als in den sechziger Jahren Bernhard von Anduze und der Herr von
Alais, Bernhard Pelet, der durch seine Gemahlin Beatrix auch Graf von
Melgueil war, durch Einrichtung eines neuen Zolls an der von Montpellier
nordwärts nach Prankreich führenden Straße den Handel empfindlich be-
lästigten, wandten sich Wilhelm von Montpellier, der Abt von Saint-Gilles,
der Bischof von Nimes mit anderen Betroffenen an König Ludwig VIL
und den Papst und setzten schließlich auch die Wiederbeseitigung des Zolls
durch; Alexander HI. richtete an den Erzbischof von Narbonne und die
Bischöfe von Maguelone, Nimes, Uzes und Mende ein Schreiben, wonach
die Neueinrichtung von Zöllen ebenso wie die Erhöhung schon bestehender
allgemein verboten, und wo sie schon erfolgt, rückgängig zu machen sei.^)
456. Über die Höhe der auf dem Handel ruhenden Abgaben geben
uns namentlich 2 Zolltarife von Montpellier Auskunft, ein älterer und ein
jüngerer, der aber auch noch der Zeit der Wilhelme (dem Ende des 12. Jahr-
hunderts, spätestens dem Jahre 1201) angehört. 0) Einige Posten aus dem
älteren seien hier angeführt. Es waren an leusda (von licita) zu zahlen
1 Denar vom Stück bei leinenen oder wollenen Tuchen, bei Hemdenstoffen,
Barchent 6) und weißem Barracan, 2 Denar bei rotgefärbtem Barracan, bei
Taft (cendatum und tiretum)j bei almucela und vom Dutzend Toulouser
Hemden, 3 Denar vom Hundert bei Hanfgespinst , 4 Denar vom Seiden-
zeug oder Teppich (de tapeto grandi und de pallio). Nächst den Textil-
waren begegnen am häufigsten die der Leder- und Rauchwarenindustrie. Bei
Kaninchenfellen zahlte man vom Hundert in der Traglast nur 1/2 Denar,
bei Lammfellen dagegen als Käufer wie als Verkäufer je 1 d. ; in beiden
Fällen stiegen die Sätze auf 4 den., wenn die Ware (offenbar zum Export)
in Ballen verpackt wurde. '^) Rauh- und Grau werk zahlte 4 sol. (also 48 den.)
vom Tausend, Fuchsfelle 16 d. vom Hundert, Hermelinfelle 4 d. vom Stück,
roter Korduan 3 d. vom Dutzend.^) Gewichtswaren zahlten 3 d. vom Zentner
*) Germain, commerce I 181 f. no. 3.
*) Eine Urkunde des Vicomte von 1184 betrifft die »mineria« in der Gegend
von Pözenas und Cabrieres. Devic et Vaissete VIII (1879) p. 379.
*) Am 1. März 1162 hatte der Vicomte von Böziers den Hospitalitern von
Boulbonne freien Transit für 10 Lasten (saumadas) Salz jährlich durch sein Gebiet
gewährt. Delaville le Eoulx I no. 303. Urkunden von 1179 und 1184 über Geleits-
recht und Zoll auf der Straße Beziers — Narbonne : Germain, commerce I, 183 ff. u.
Devic 1. c. 338, 378.
*) Devic et Vaiss. III, 848 f. Fabrege I, 280 f. Liber Instrum. p. 51 no. 23.
") Liber Instrum. p. 408 i, no. 245 und 437 ff. no. 275.
«) »de camsilio et fustaneo«. Fremden war der Detailverkauf von Tuchen
außer im Umherziehen und das Buntfärben wollener Tuche (in grana vel aliquo
colore) untersagt; rub. 109 f., 50 des Statuts von 1204 bei Giraud I.
^) Im jüngeren Tarif (p. 438) heißt es: Trossellus de anninis (=agninis), si
defertur extra villam, ille qui comparavit donat 4 d.
«) Die Lederhändler von Montp. bildeten schon 1176 eine geschlossene Körper-
schaft, die damals zur Errichtung von Verkaufsständen vom Herrn der Stadt einen
Platz gegen Zahlung einer festen Summe von 40 sol. melg. und einer Jahresgebühr,
I
Kommerzielle Verhältnisse innerhalb des Büdfranz. Küstengebietes selbst. 583
(quintal) mit Ausnahme von Kermes, bei dem vom Zentner 8 d. und ent-
sprechend von der Last (carga) 2 sol. zu entrichten waren. In natura
wurden erhoben bei Getreide ^/so, bei Stahlwaren 1 vom Hundert, bei
Schwertern, Geschirr u. dgl. 1 Stück von der Last. Panzer und Pferde zahlten
4 d. pro Stück, beim Verkauf eines sarazenischen Sklaven oder einer Sklavin
aber waren 3 sol. zu entrichten.
Von Arles wissen wir, daß in dieser Zeit bei der Ausfuhr von Getreide,
Eisen und Zinn und beim Verkauf der meisten hier zu Markt gebrachten
Waren für den Erzbischof der Dreizehnte erhoben wurde; dazu kam noch
1/9 dieser Abgabe, das an den »Juden« des Erzbischofs zu zahlen war. Hier
kennen wir auch die Abgaben für die Benutzung der öffentlichen Maße
(corda) und Gewichte (quintale); vom Zentner hatten die Fremden II/2 d.,
die Einheimischen nur den dritten Teil zu zahlen und von den Maßabgaben
waren sie ganz befreit.^)
457. Für Arles war natürlich der Wasserweg der Rhone von ganz be-
sonderer Wichtigkeit. Von dem Grafen der Provence und dem Erzbischof
von Arles, die sich in die Hoheit über die Stadt teilten, privilegierte Hafen-
schiffer (portanarii) vermittelten nicht nur den Verkehr mit dem rechten
Rhöneufer, auf dem das den Baux gehörige Trinquetaille lag, sondern
stellten auch die Leichter für die unterhalb der Stadt vor Anker gehenden
größeren Handelsschiffe.^) Unter den verschiedenen Hafenplätzen von Arles
diente einer in der Nachbarschaft der Stadt dem Verkehr mit Saint-Gilles;
von seinen hier verkehrenden Fahrzeugen erhob Saint-Gilles eine besondere
Abgabe ^) ; in den achtziger Jahren aber sehen wir die Baux vom Erzbischof
mit dem portus S. Egidii wie mit dem der Altstadt von Arles belehnt.*)
Da auch die Vizegrafen von Marseille zu Arles enge Beziehungen hatten
und vom Erz bisch of u. a. mit der Hälfte des Mercatum und dem linken
Rhöneufer bis zur Mündung der Durance hinauf belehnt waren, so ist an-
zunehmen, daß auch der Handel von Marseille mit Arles aus diesem Ver-
hältnis Vorteile gezogen hat.^)
Besondere Salzschiffe führten das Seesalz nach Arles und weiter die
Rhone hinauf; auch die Durance bot einen vielbenutzten Wasserweg dar.^)
von 2 sol. pro Stand erwarb. Germain, commerce I, 186 no. 4. Nach dem Tarif
hatte jeder coiraterius pro Woche ein Standgeld von 3 Vb den. zu entrichten. Lib.
Instrum. p. 409 : (singulis septimanis quibus tabulam tenet).
*) Kiener p. 280 f., vgl. p. 178 ff. Ein von Mouynes p. 4 ff. veröffentlichter
Zolltarif von Narbonne in proven(;alischer Sprache ist von 1153 datiert, er beginnt :
Ayso son las leudas vielhas. A. D. MCLIII. Form und Inhalt machen es in
gleicher Weise unwahrscheinlich, daß die uns vorliegende Fassung des Tarifs wirk-
lich diesem Jahre angehört; er könnte dann nicht vom Vesconte reden. Frühestens
könnte er m. E. aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts sein.
*) Kiener 282 f. no. IV — VII; vgl. p. 182. Nach einer Vereinbarung zwischen
dem Erzbischof und der Gemeinschaft der portanarii vom 1. März 1157 mußte jeder
portanarius mindestens drei für den Dienst des Erzbischofs oder des Grafen ge-
eignete Schiffe besitzen, sonst schied er aus der privilegierten Korporation aus ;
ebd. no. VI. Oben § 440.
') Nach dem Vertrage von 1143 waren diese rcdditus navium mit zur Til-
gung der an Genua und Pisa zu zahlenden Summe von 2000 M. Silber zu verwen-
den. Lib. Jur. I no. 80. Oben § 438.
*) Kiener 284 A. 1.
») Ebd. 275, 279 (no. 1 u. 2) ; dazu p. 188.
•*) Geht namentlich aus den Privilegien der Hospitaliter hervor : Delaville le
Eoulx I no. 24, 33 (1114), 85 (1129), 884 (um 1190).
584 Neununddreißigstes Kapitel.
Andere Fahrzeuge brachten Wein nach der Stadt; alle Arten von Lebens-
mitteln, aber auch Hanf, Tauwerk und Tuche gingen der Stadt auf dem
Landwege wie stromab auf dem Wasserwege zu, wie andererseits auch Ge-
treide, Eisen und Zinn auf dem Wasserwege exportiert wurden. Auch eine
lebhafte Holzflößerei wurde auf dem Strome betrieben ; von den Balken und
Hölzern, die ohne Arles selbst zu passieren, die Rhone abwärts kamen und
etwas oberhalb bei Fourques in den Arm von Saint-Gilles einbogen, wurde
ein Stromzoll erhoben, mit dem der Erzbischof die Herren von Pourquieres
belehnt hatte, i) Für den Erzbischof wurde von dem zu Berg fahrenden
Schiffen die »montatio« erhoben, die bei dem »caupalus« 8 sol. 1 d.^), bei
der »sardina« die Hälfte betrug, während kleinere Fahrzeuge nach dem
Verhältnis ihres Fassungsraumes zahlten. Zu Schiff eingehender Wein zahlte
eine alte Eingangsgebühr (lezda vetus) von Ve d. pro Faß, die dem Juden
des Erzbischofs zufiel, und eine neue von 3 d. für den Erzbischof selbst. 3)
Von dem Zoll für die Bergfahrt der Salzschiffe befreite Erzbischof Raimund
1153 die Hospitaliter von S. Thomas bei Trinquetaille, soweit es sich nicht um
von ihnen gekauftes, sondern aus ihren eigenen Salinen gewonnenes oder
ihnen von den Gläubigen geschenktes Salz handelte*). Diese Salinen wer-
den wohl im Mündungsgebiet der Rhone oder östlich davon gelegen haben ;
vom Bischof von Marseille wissen wir, daß ihm das Dominium über den
großen, für die Salzgewinnung besonders geeigneten fitang de Berre (stag-
num de Leonio) zustand; von allem hier gewonnenen Salz fiel ihm der
Neunte, außerdem von der Verkaufsabgabe (in ledda de salibus venditis vel
vendendis) 1/3 zu ; wenn er sein eigenes Salz verkaufen ließ, so hatte der
Verkauf anderen Salzes am See so lange zu unterbleiben, bis das bischöf-
liche Salz vollständig abgesetzt war. 5)
458. Bei der Abgabenerhebung spielte überall in Südfrankreich das
auch sonst daselbst sehr einflußreiche jüdische Element eine große Rolle
und betätigte seine finanziellen Talente in mannigfacher Weise. In Arles
war der »Jude« des Erzbischofs, wie ihn die Quellen kurz und bündig immer
nennen, sein finanzieller Beistand, sein Oberzolleinnehmer und Bankier. Alle
der erzbischöflichen Trophimuskirche zustehenden Besitzungen und Rechte
fand »ein kluger Jude« in einem hebräisch abgefaßten Schriftstück aufge-
zeichnet, das er dem Erzbischof Raimund (1142 — 1157) überreichte; dieser
ließ es in Gegenwart von jüdischen und christlichen Zeugen ins Lateinische
übersetzen. Die Juden von Arles bewohnten ein besonderes Quartier, den
»mons judaicus«, und hatten für den ihnen gewährten Schutz an den Erz-
bischof sowie mehrere andere Herren, die dieser damit belehnt hatte, Ab-
gaben in bar; z. T. auch in Pfeffer und Lampreten zu entrichten.^)
») Kiener, 280 f. (no. 3 u. 8); 279 (no. 2).
*) Kiener p. 281. Der Tarif bemerkt bei diesem Posten: et antequam census
ille elevaretur, 8 nummi inde accipiebantur et illi judei erant.
») Kiener ebd.; vgl. 178 ff. Kaiser Friedrich I. bestätigte 1164 den Erzbischof
im Besitz der Hälfte aller städtischen Einkünfte ; die andere stand dem Grafen zu ;
ebd. 176.
*) Delaville le Roulx I no. 215 p. 165 : »montationes de sale . . ., excepto illo
sale quem aliis hominibus comparaveritis.«
*) Privileg Kaiser Friedrichs I.; 17. April 1164: Rodenberg II p. 176; mit bes-
serem Text als in (Belzunce F. X de), L'antiquitö de l'^ghse de Mars. I (Mars. 1747)
p. 492 A.
«) Kiener 277 f. no. II, dazu p. 187.
Kommerzielle Verhältnisse innerhalb des südfrauzös. Küstengebietes selbst. 585
In Beziers verpachtete der Bischof im Jahre 1162 alle seine Zollein-
künfte auf zwei Jahre für den Preis von 50 1. melg. an einen Kanoniker
seiner Kirche und den Juden Nathan ; und demselben Juden begegnen wir
im Jahre 1176 als bajulus (Oberzolleinnehmer, Verwalter der Finanzen) des
Vicomte Roger von Beziers. i) In Montpellier hatte Wilhelm V. in seinem
Testament von 1121 2) die Übertragung eines Bajulats an einen Juden oder
einen Sarazenen als der Bevölkerung schädlich untersagt; doch wurde das
Verbot schwerlich immer beachtet, wenigstens können wir im Jahre 1201
den Juden Saltellus als ständigen Erheber des »census hominum Montis-
pessulani« nachweisen.^) Für den Handel von Wichtigkeit ist auch, daß
wir mehrfach wahrnehmen, daß die Juden ein Kermesmonopol erstrebten;
kam doch die Scharlacheiche, auf deren Zweigen die den vielbegehrten
roten Farbstoff (grana) in sich bergende Kermesschildlaus lebt, in Süd-Frank-
reich häufig vor. So erwarben am 1. November 1138 drei Juden von Arles,
zugleich für ihre Brüder, Söhne und Töchter von dem Abt Pontius von
Montmajour das alleinige Einkaufsrecht für Kermes im ganzen Gebiet von
Miramar für 300 Solidi jährhch; ausdrücklich wurde dabei bestimmt, daß,
faUs eine der beteiligten Personen ihren Anteil an diesem Recht zu ver-
kaufen wünschte, der Abt oder der Herr von Miramar das Vorkaufsrecht
haben sollten.'*) Auch vom Erzbischof Raimund von Arles (1142 — 1157)
wissen wir, daß er für alle seine Besitzungen das Handelsmonopol für Kermes
jüdischen Händlern überlassen hat. 0)
459. Betreffs des Marktwesens in Süd-Frankreich können wir auf die
reichhaltigen Nachrichten über die Messen von Frejus verweisen; was wir
sonst darüber erfahren, ist nur dürftig. Im Jahre 1165 ermahnt Papst Ale-
xander III. den Erzbischof von Narbonne und seine Suffragane, nicht zu
dulden, daß die Besucher der Messe, die in Aniane abgehalten wurde, von
ihren Diözesanen belästigt würden ß), und 1168 begegnet zuerst ein Jahr-
markt in dem später so berühmten Meßplatz Beaucaire ; im Mai dieses Jahres,
während der Messe, ist hier eine Schenkungsurkunde für die Abtei Fran-
quevaux aufgenommen worden.'^) Carcassonne hatte zwei jährliche Messen,
wie aus einem Privileg für die Stadt vom Jahre 1158 hervorgeht. 8) Den
größten Ruf von allen diesen Märkten aber behauptete die mit dem Ägidius-
fest verbundene Messe von Saint-Gilles, die die Besucher von weither an-
zuziehen pflegte, wie uns die Annalen Genuas und Pisas ausdrücklich be-
*) Devic et Vaiss. IV, 724 A. 1. Germain, commerce I, 181 f.
*) Liber instrum. p. 172 jffi. no. 94. Das Gleiche taten die Nachfolger. Saige G.
Les juifs de Languedoc (Paris 1881), p. 16.
3) Lib. instrum. p. 458 no. 286. Fabrege I, 467 u. Anm. 2.
*) D. Chantelon : Hist. de Montmajour (Anhang zur Rev. bist, de Provence I,
1890) p. 248: emerunt . . . comparam vermiculi in quantum obtinet territorium Mi-
rimaris tarn in garricis quam in pratis, ut nemo alius preter ipsos emat vermi-
culum.
■*) Kiener p. 278. In Narbonne gab der Erzbischof 1156 der Vizegräfin Er-
mengard zu Lehen : medietatem liddae (= lezdae, leusdae) sextarii de vermiculo
quando colligitur. Gallia christiana VI p. 40, preuve no. 67. Port 57. In Marseille
wurde am 1. Mai 1248 ein Posten von 184 Pfd. grane für 61 1. misc, fällig zu Jo-
hanni, verkauft. Amalric no. 635.
«) Oben § 450 f. J.-L. 11 228.
T) Devic et Vaiss. VI (1879) p. 26. Huvelin p. 276.
8) Devic et Vaiss. HI, 808. Fabrege I, 373.
586 Neununddreißigstes Kapitel. Kommerzielle Beziehungen etc.
stätigen i) ; ein beträchtlicher Teil des Austausches zwischen den Waren der
Levante und den Erzeugnissen der nordfranzösischen und flandrischen In-
dustrie muß sich in dieser Zeit, ehe die Messen der Champagne zu voller
Blüte kamen, hier in Saint-Gilles vollzogen haben. Natürlich stellten auch
die Pilger zu den Fremden, die Saint-Gilles aufsuchten, ein sehr starkes
Kontingent; die Nordländer kamen so häufig hierher, daß sie von einem
besonderen Ihanswege (= Gilleswege) sprachen; und die Erzählung der
Wundertaten des Heiligen aus den ersten Zeiten des 12. Jahrhunderts weiß
von Engländern, Dänen und Polen, die hierher wallfahrteten, zu berichten.^)
Mit dem großen Fremdenverkehr hängt es zusammen, daß sich Nordfran-
zosen und Flandrer auch zu dauerndem Aufenthalt in Saint-Gilles nieder-
ließen; unter den burgenses des Orts, die den Vertrag von 1143 mit Genua
und Pisa beschworen 3) , finden wir einen Petrus Francigena, Wilhelm von
Bayeux, einen Rubaldus von Flandern und Arnaldus von Flandern. Die
besondere Wichtigkeit, die das Geld- und Wechselgeschäft an diesem von
Fremden aus den verschiedensten Gegenden besuchten Platze haben mußte,
tritt uns namentlich in einem vom Vikar des Grafen von Toulouse in Ge-
meinschaft mit einer von den Konsuln und dem Gerichte von Saint-Gilles
ernannten Kommission erlassenen Statut vom Oktober 1178 entgegen. *) Dar-
nach wurde den Wechslern von Saint-Gilles streng verboten, mit den Pilgern
(romeis) in den Herbergen oder in Privatwohnungen oder Läden Wechsel-
geschäfte zu machen ; außer an ihren öif entheben Wechslerständen sollte es
ihnen nur im Kloster der Hospitaliter, der Templer oder dem Ägidiuskloster
gestattet sein. Sie wurden verpflichtet, bei dem Abwägen des Goldes, Silbers
oder Geldes der Pilger wie bei dem Abzählen der Geldstücke loyal vorzu-
gehen und ihnen übergebene Depots in keiner Weise zu veruntreuen 0); für
unwissentlichen Irrtum waren sie bis zum Werte von 1/4 Denar nicht haft-
bar. Alle Wechsler von Saint-Gilles wurden mit ihrem Geschäftspersonal auf
diese Bestimmungen für einen Zeitraum von 5 Jahren vereidet; im ganzen
sind es etwa 130 Personen, die diesen Eid leisteten, so daß also eine ganz
stattliche Anzahl von Leuten in Saint-Gilles vom Geldgeschäft lebte. Gleich-
zeitig wurden alle Herbergswirte eidlich verpflichtet, die Fremden zum Wech-
seln nur an erlaubte Orte zu führen, nicht selbst Wechselgeschäfte mit
ihnen zu machen und nicht zuzulassen, daß sie beim Wechseln betrogen
würden ; mit schwerer Strafe wurden diejenigen unter ihnen bedroht, die
durch Verdächtigungen der öffentlichen Wechslerstände von Saint-Gilles die
Fremden von der Benutzung derselben abhalten würden.
Auch Montpellier erlangte für Bankwesen und Geldverkehr früh eine
besondere Bedeutung. Silber in der Legierung von Montpellier war weithin
bekannt und zeichnete sich durch einen besonders hohen Feingehalt aus.^)
*) Ann. genov. I, 181 f. (zu 1165): quia nundinae S. Egidii erant, id est feira
S. Egidii, in quibus magnus populus ex diversis partibus mundi convenerat. Bei
derselben Gelegenheit heißt es auch in den pis. Annalen des Bern. Marago (SS.
XIX, 253) : S. Egidii, in quo est fiera magna.
«) Schulte I, 100 f. Mirac. b. Egidii, SS. XII, 319 f.
») Lib. Jur. I no. 80.
*) Layettes I no. 288 p. 119.
*) »quod . . . pecuniam eorum neque furentur neque suos vel alios furari
patiantur. «
*) Germain, commune I, 278. Giraud I, rub. 27 : In M. non fiunt vasa ar-
gentea vel aurea nisi fina.
Vierzigstes Kapitel. Handelsbeziehungen zwischen Italienern u. Südfranzosen. 587
Fremde Münzen hatten bei den Banken von Montpellier schon in der Mitte
des Jahrhunderts einen nach den Zeitverhältnissen wechselnden Kurs; in
mehreren genuesischen Urkunden aus dieser Zeit wird Zahlung einer in ge-
nuesischer Münze angegebenen Schuldsumme in Montpellier, und zwar in
dortigem Kurant, den Denaren von Melgueil, nach Bankkurs versprochen, i)
Vierzigstes Kapitel.
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Stid-
franzosen seit dem dritten Kreuzzuge.
460, Die durch die Verträge von 1174 und 1182 geregelten Han-
delsbeziehungen Narbonnes zu Pisa und Genua entwickelten sich
mit verhältnismäßig geringen Störungen in gedeihlicher Weise weiter.
Wenn die Genuesen im Jahre 1191 eine narbonnesische Galeere, die in
genuesischen Gewässern Seeraub trieb, im Hafen von Vado (bei Savona)
wegnahmen, so konnte das als feindliche Handlung nicht angesehen werden 2) ;
sehen wir doch sogar, daß die Genuesen dem Kaufmann Bernardus de Rocha
von Narbonne im Jahre 1202 einen Posten Wolle und Alaun 3) auf richter-
liche Entscheidung hin zurückgaben, die sie auf einem von ihnen ge-
kaperten Marseiller Schiff konfisziert hatten. Ohne weitere Folgen blieb es
auch, daß sich die Genuesen im Jahre 1218 einer narbonnesischen Galeere
im Hafen von Faliesa bemächtigten, zumal sich die Bewohner des benach-
barten Piombino ihrer Fortführung mit Erfolg widersetzten''), ein Beweis
zugleich für die Fortdauer der freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Pisa und Narbonne.
Im Jahre 1224 empfanden die Narbonnesen das Bedürfnis, ihre Han-
delsverträge zu revidieren ; im Auftrage des Erzbischofs , des Vicecomes
Aimeric und des Konsulkollegiums reisten zu diesem Zweck die beiden Kon-
suln Guilelmus Petri und Bernardus Leonis erst nach der Provence, dann
nach Pisa und Genua. Der Vertrag mit Pisa kam am 19. September 1224
auf 49 Jahre (auch der vorige war 50 Jahre in Kraft geblieben) zustande;
er regelte die von den Narbonnesen in Pisa zu entrichtenden Abgaben
folgendermaßen: Waren, die auf der Küstenfahrt (per riberiam) nach Pisa
eingeführt wurden, zahlten am Seezollamt l^/g, kamen sie von der hohen
See, 10%; bei der Ausfuhr wurden für noch nicht verzollte Waren unter-
schiedslos 1^3% entrichtet. Waren, die von der Landseite her eingeführt
wurden (wonach also auch ein Verkehr von Narbonnesen mit Lucca oder
Florenz anzunehmen ist), hatten die herkömmliche »ripa« (d. h. jedenfalls
die quadragesima = 21/2%) zu tragen.^)
*) Chart, n no. 1273 f. »tot mirgorenses, que valebunt 1. 116 jan. ad banchum
illius terrec; no. 1291: »tot mirgorenses, quod ad bancos illius loci valeant libras
100 jan.< (Juni und August 1163). Oben § 441.
') Ann. genovesi U, 41.
^) Lib. Jur. I, no. 459: 10 fasces lanae und 4 utres aluminis.
■•) Ann. genov. II, 149,
6) Mouynes no. 13 p. 16. Bruchstücke bei Port 107, Devic et Vaiss. VI (1879),
590 A. 2. Bisher allgemein (auch von Blanc p. 290 A. 1) in das Jahr 1225 gesetzt,
da man die pisanische Jahresrechnung nicht berücksichtigte. Die andere Seite des
Vertrages, betr. den Verkehr der Pisaner in Narb., ist nicht erhalten.
588 Vierzigstes Kapitel.
Von Pisa wandten sich die Gesandten nach Genua, wo der Vertrag,
der den Gegenseitigkeitsvertrag von 1182 erneuerte, am 8. Oktober abge-
schlossen wurde. 1) Alle seit 1182 eingeführten neuen Auflagen sollten für
beide Teile beseitigt werden; doch nahm man in Genua die mittlerweile
auf Getreide, Fleisch, Käse und Öl eingeführte Abgabe (dacita gombetae)
aus und gestand dafür den Narbonnesen die zollfreie Ausfuhr von Barchent-
stofien (ballae fustaneorum). Eisen und Stahl unter der Bedingung zu, daß
diese Waren weder direkt noch indirekt an Leute von Marseille, Montpel-
lier und Saint-Gilles verkauft würden ; wer sich mit diesem Export befaßte,
hatte jährlich einen entsprechenden Eid zu leisten. Die 5 Solidi des Ver-
trages von 1182 sollten auf 3 herabgesetzt werden, falls sich herausstellte,
daß der genuesische Gesandte Gull. Streiaporcus diese Herabsetzung seiner-
zeit vereinbart hätte 2) ; die Bestimmung wegen der Einbehaltung des Drittels
wurde ganz in Wegfall gebracht,
461. Von allen Südfranzosen waren die Narbonnesen mit diesem
Vertrage in Genua am meisten begünstigt.^) Gelegentlich stieß diese Be-
günstigung auf Anfechtungen von selten der Zollbehörden ; doch die Ge-
richte erkannten zugunsten Narbonnes ; so extrahierte der Narbonnese Gui-
lelmus Cultellerii im Jahre 1235 in Genua eine richterliche Entscheidung,
daß die in dem Statut »de mercibus contrariis« vorgesehenen Strafen auf
Narbonnesen nicht anwendbar seien, da dies Statut jedenfalls jünger sei als
das zwischen Genua und Narbonne bestehende Vertragsverhältnis.*) Es
steht im Zusammenhange mit solchen Streitigkeiten, wenn der genannte
Guilelmus und der Richter Petrus de Cremona am 9. Juli 1237 als Gesandte
Narbonnes mit Genua eine den Vertrag von 1224 ergänzende Konvention
abschlössen, nach der die Abgabe für Fleisch, Käse und Öl nach Ablauf der
Amtszeit des regierenden Podestä für die Narbonnesen von 3 sol. vom Kan-
tar oder Faß auf 1 sol. herabzusetzen und die Abgaben auf Wein (i/se) und
Tuche (dacita pannorum mit 1/120 vom Wert) als neu eingeführt vollständig
zu beseitigen seien. Umgekehrt wurden auch die Genuesen in Narbonne
von der Verkaufsabgabe (leuda) und der Kanalabgabe für frei erklärt.^)
Aus den vierziger Jahren besitzen wir eine Reihe richterlicher Ent-
scheidungen, die sämtlich zu gunsten der von den Narbonnesen beanspruch-
ten bevorzugten Zollbehandlung ausfielen; es ergibt sich aus ihnen, daß sie
auch in der Zeit des Krieges zwischen Genua und der kaiserlichen Partei
ihren Verkehr mit Genua fortsetzten, so daß sie sogar in dieser Zeit (1249)
Waren selbst aus Pisa und dem pisanischen Machtbereich nach Genua trans-
portiert haben ^) ; als Gegenstände der Einfuhr in Genua erscheinen in diesen
1) Lib. Jur. I no. 613. Mouynes no. 11 p. 13. Port 98 f.
*) In welche Zeit diese Gesandtschaft gehört, ist nicht bekannt; vielleicht
ins Jahr 1191, wo Streiap. den Vertrag mit Torres schloß; die Fortnahme der nar-
bonnes. Galeere in diesem Jahre könnte den Anlaß zu der Gesandtschaft gegeben
haben.
2) S. den Vertrag mit Arles von 1229 ; Lib. Jur. I no. 679.
*) Mouynes 32 no. 19. Berufung auf den Vertrag mit Ermengard (von 1166),
wonach zu erheben nur ille drictus quod consuevit accipi a 36 annis retro tempore
ipsius pacis ; s. oben § 433 f. ; et ita sunt anni 105, quod oportet dictum capitulum
(de contr. mercibus) factum fuisse, quod nequaquam credunt.
6) Blanc p. 308 fl. Port p. 100.
«) Mouynfes no. 31 p. 45. Die Konsuln des Meeres hatten von Bern. Jordano.
den Zehnten verlangt >de rebus delatis per d. Bern, de Pizis et partibus Pizarum.«
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 589
Entscheidungen Getreide und Wolle.i) Es entspricht der neutralen Stellung
Narbonnes gegenüber diesen Kämpfen, daß es am 9. Dezember 1246 auch
mit dem von Genua abgefallenen Savona und seinem kaiserlichen Podestä
einen Handelsvertrag abschloß, der ihm Freiheit von Handelsabgaben da-
selbst sicherte. 2)
Überall sehen wir in dieser Zeit die kommerzielle Initiative auf
Seiten Narbonnes ; in Genua und Pisa holten sich die Narbonnesen
offenbar die Waren der Levante, die sie mit eigenen Schiffen damals
noch nicht besuchten. Daß auch die Gegenströmung diesem Verkehr
nicht fehlte, mag außer der Konvention von 1237 ein Commenda-
vertrag beweisen, den zwei Genuesen 1248 in Marseille für die Fahrt
nach Narbonne miteinander schlössen. ^)
462. Zwischen Montpellier und Genua hat lange Zeit hin-
durch ein gespanntes Verhältnis bestanden; eine Änderung darin trat
erst ein, als Genua, das sich seit 1194 wieder im Kriegszustande mit
Pisa befand, seine Ausschließungsbestrebungen als undurchführbar er-
kannt hatte.
Im Sommer 1201 erschienen der Magister Guido, Petrus de Porta imd
Bernardus Ecclesiae als Gesandte Wilhelms VIII. in Genua und schlössen
mit den Konsuln der Stadt am 3. August einen auf 29 Jahre berechneten
Vertrag. 4) Die Genuesen versprachen denen von Montpellier für ihre Person
wie für ihre Waren Schutz und volle Sicherheit zur See, außer wenn sie
zusammen mit Feinden Genuas das offene Meer beführen (quando cum ini-
micis Januensis civitatis per pelagus navigabunt) — ein schwacher Nachhall
jener früheren auf das dominium pelagi gerichteten Tendenzen. Für die
Küstenfahrt sollten sie von dieser Sicherheit nur dann ausgenommen sein,
wenn sie während der Dauer des gegenwärtigen Krieges Schiffe der Pisaner
oder der Bewohner von Vintimiglia, die von Genua abgefallen waren, be-
nutzten. Die Besitzungen und Rechte der Genuesen in Montpellier, ins-
besondere das der genuesischen Regierung daselbst gehörige Fondaco ver-
sprach der Herr von Montpellier gegen jedermann zu schützen. Im übrigen
sollte in bezug auf Handelsfreiheit und Höhe der Abgaben für Genua und
Montpellier volle Gegenseitigkeit bestehen; nur die von den Visconti in
Genua erhobenen Gebühren, die im Laufe der Zeit einen privatrechtlichen
Charakter angenommen hatten, blieben von dieser Bestimmung unberührt.
Dafür genoß aber Montpellier das Vorrecht, jedes Jahr bis zu 100 Ballen
fustagni völhg abgabenfrei aus Genua ausführen zu dürfen. Im September
wurde dieser Gegenseitigkeitsvertrag von Wilhelm VIII. ratifiziert; nach
kurzer Zeit aber starb er und bald darauf auch sein Sohn, dessen Schwester
Maria durch Heirat im Jahre 1204 die Herrschaft von Montpellier auf Peter H.
von Aragon übertrug.
Daß dieser Herrschaftsübergang an der bevorzugten Stellung der beiden
großen italienischen Handelsnationen in Montpellier nichts änderte, beweist
*) Ebd. no. 23 (1243 ; Freilassung von der dacita lecationis quartinorum) , 25
(1244 : nur die gombeta auf Getreide zulässig), 34 (1250). Die Konsuln d. M. hatten
auf Grund des Statuts »de contr. mercibus« einen Sack Wolle konfisziert. Dazu
no. 28 p. 43 (1246/47) betr. Represalien.
^) Ebd. no. 27 p. 42. Port 106.
') Amalric no. 423.
*) Germain, commune 11 p. 422 f. no. 23.
590 Vierzigstes Kapitel.
ein Statut von 1205, das Streitigkeiten oder Delikte, die unter den Pisanetn
oder Genuesen in Montpellier vorkamen, mit alleiniger Ausnahme des Hoch-
verrats von der Zuständigkeit der Gerichte in Montpellier eximierte.i)
463. Im Jahre 1225 beschloß Montpellier, dem Beispiele Narbonnes
vom Jahre zuvor folgend, seine Handelsverträge zu erneuern; seine Ge-
sandten Johannes Boccadocio, Michael de Moresio und Guilelmus de Gart
schlössen am 28. August den Vertrag mit Genua und nur 5 Tage später —
ein Beweis, daß keinerlei Schwierigkeiten zwischen den beiden Städten vor-
lagen — mit Pisa ab; beide Verträge wurden am 26. November in Mont-
pellier vollzogen und gleichzeitig die die Verpflichtungen Montpelliers ent-
haltenden Urkunden ausgefertigt.
Der Vertrag mit Pisa schließt sich eng an den von 1177 an und ist
auf 29 Jahre geschlossen 2) ; beiderseits versprach man sich Abgaben nur in
derselben Höhe wie von den eigenen Bürgern zu erheben. Pisa wurde im
Besitze seines großen Hauses in Montpellier mit Fondaco und allem Zu-
behör, seiner gewohnten Plätze in der Hauptkirche der Stadt und aUer an-
deren ihm seit alters in Montpellier zustehenden Vorrechte und Ehren aus-
drücklich anerkannt. Wie eng das Verhältnis der beiden Städte war, geht
auch daraus hervor, daß Pisa mit der förmlichen Entgegennahme der Ver-
pflichtungen Montpelliers einen der drei Gesandten selbst, Guilelmus de
Gart, betraute.
In ähnlicher Weise schließt si(^ der Vertrag mit Genua an den von
1201 an; da dieser noch 5 Jahre lief, wurde die Geltungsdauer des neuen
gleich auf 34 Jahre bemessen. Ergänzend bestimmte man u. a., daß die
Kaufleute von Montpellier in Fällen, wo sie sonst nur die Möghchkeit hätten,
auf einem Genua feindlichen Schilfe vom Auslande aus in die Heimat zu
fahren, das Recht haben sollten, mit ihren Waren genuesische Schiffe ab-
gabenfrei zur Fahrt nach Genua zu benutzen; nur falls sie diese Waren
dann in Genua selbst verkauften, sollten sie zur Leistung des Zehnten (de-
cenum) verpflichtet sein, den sie sonst immer dann zu entrichten hatten,
wenn sie auf genuesischen Schiffen nach Genua kamen. War Genua mit
Marseille im Kriege, so sollte den Leuten von Montpellier die Benutzung
Marseiller Schiffe nicht erlaubt sein; auch sollten während eines Krieges
Feinde Genuas in Montpellier keinfe Aufnahme finden.^)
Der häufige Verkehr von Küstenfahrern aus Montpellier in Genua
und an der Riviera in dieser Zeit geht auch aus dem Vertrage Montpelliers
mit Marseille von 1229 hervor^); doch wurde gerade in dieser Zeit der Han-
del Montpelliers durch die genuesischen Piraten Ricuperus und Durandus
von Porto Venere empfindhch gestört, so daß Montpellier Beschwerdebriefe
^) Zusatz zu den Consuetudines von 1204, vom 15. März 1205; Giraud II, 74
mit besserem Text als Layettes I, 289 no. 760.
2) Germain, commune 11, 436 S., App. no. 25. Unter den Zeugen des Ver-
trages mit Genua figuriert >Pandolfinus de Septivica. piss. civitatis«, also ein Pi-
saner und wahrscheinlich doch in autoritativer Stellung. Ich vermute, daß zu lesen
ist: P. de Septi (= de Septimo , Name einer pis. Familie, oder »von Oeuta«),
vicec(omes) oder vica(rius) Pis. civ., und daß wir in ihm den Konsularvertreter Pi-
sas in Montp. zu erblicken haben.
3) Ebd. p. 426 ff. no. 24. Lib. Jur. I no. 624 u. 627 (mit dem irrigen Datum
29. Nov.).
*) Germain, commune 11, 459. Petr. Silvester von Montp. empfängt 1230 von
Steph. de Mandolio in Marseille eine Commenda nach Genua. Manduel no. 26.
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 591
nach Genua sandte. Genua schritt diesmal energisch und erfolgreich ein^);
als sich aber das Unwesen in den vierziger Jahren erneuerte, führte Mont-
pellier zur Befriedigung der Geschädigten eine besondere, von den Waren
der Genuesen zu erhebend^ Abgabe ein, so daß also der friedliche Handel
für die Taten der Piraten aufzukommen hatte. Der Statthalter Jaymes in
Montpellier ernannte am 29. Oktober 1248 einen Juristen, Petrus Christo-
phori, der die Erklärungen der seit dem letzten Vertrage mit Genua durch
Genuesen beraubten Kaufleute entgegenzunehmen und ihre Ansprüche zu
untersuchen hatte; auch der uns schon bekannte Bernard Loubet meldete
im Jahre darauf einen solchen Fall von Seeraub, der sich bei Cartagena er-
eignet hatte, an und erzielte die Aufnahme seines Anspruchs in die Liste
der Entschädigungsforderungen. 2) Zu diesen Hemmnissen gesellten sich die
Gefahren des Krieges; im Jahre 1247 fiel eine von Montpellier kommende,
mit sehr wertvollen französischen Tuchen beladene Galeere auf ihrem Wege
nach Genua dem kaiserlichen Admiral Andriolo de Mari in die Hände. ^)
464. Mit Saint-Gilles schloß Genua am 11. Juni 1232 zu Mar-
seille, wohin sich die Bevollmächtigten beider Orte begeben hatten,
einen in mancher Beziehung besonders interessanten Handelsvertrag
auf 35 Jahre. *) Wenn man nach mancherlei vorhergegangenen Diffe-
renzen jetzt von neuem anknüpfte, so scheint der Grund dafür darin
zu liegen, daß Saint-Gilles nunmehr in dem etwa 3 Meilen entfernten
Aigues-Mortes über einen Hafen verfügte, der auch für größere
Seeschiffe unmittelbar erreichbar war. Darauf deutet schon der Um-
stand, daß in dem Schutzversprechen der Leute von Saint-Gilles der
Hafen von Aigues-Mortes jetzt an die Spitze gestellt ist.
Der Vertrag enthält zunächst Bestimmungen über die Aufbringung
der Entschädigung für die perdentes, die auf beiden Seiten mit einem Pausch-
quantum von 1000 1. Jan. bemessen wurde. Bei jedem Verkauf oder Ein-
kauf hatten die Genuesen in Saint-Gilles und die Kaufleute von Saint-Gilles
in Genua, auch wenn das Kaufgeschäft durch Kommissionäre besorgt wurde,
1V4% des Preises mit der Maßgabe zu zahlen, daß die Abgabe bei Verkauf
und entsprechendem Einkauf nur einmal erhoben wurde ; Saint-Gilles durfte
ferner zum selben Zwecke von jedem Kantär Blei, das die Genuesen see-
wärts ausführten, 2 den. jan. und von jedem Pilger, mit dem die Genuesen
in Saint-Gilles oder Gebiet für die Überfahrt von Aigues-Mortes aus kontra-
hierten, 6 den. jan. erheben.
Aus den weiteren Vertragsbestimmungen ergibt sich, daß den Genuesen
der Export von Lebensmitteln aus Saint-Gilles besonders wichtig war. Die
Ausfuhr von Weizen, Gerste, Spelt, Hafer, Bohnen und allen anderen Ge-
treide- und Gemüsearten aus Saint-Gilles und Aigues-Mortes sollte, von jener
Auflage abgesehen, völlig abgabenfrei sein; ein Ausfuhrverbot sollte nur
zulässig sein, wenn der Preis für den Scheffel (sextarius) bei Weizen auf 10,
1) Ann. Jan., SS. XVm, 175 f.
*) Germain, commerce; pieces justif. no. 18 p. 205 fE, Über die Beförderung
> ultramontaner« Waren durch Kaufleute von Montp. nach Genua auf dem See-
wege oben § 294.
') Ann. jan. p. 223: >. . . galeam unam torseleriam Provincialium, honustai^i
torsellis et pannis Francie, venientem a Monte Pesulano valde divitem.«
*) Lib. Jur. I no. 694.
592 Vierzigstes Kapitel.
bei Gerste auf 4 sol. raim. stieg. Beim Einkauf von Mandeln hatten die
Genuesen 3 den. raim. für die Last zu zahlen.
Von allen anderen Waren zahlten die Genuesen bei der Ausfuhr von
Saint-Gilles seewärts (per gradum) 3 den. Jan. von der Last; ebensoviel bei
der Wareneinfuhr; erfolgte Aus- oder Einfuhr in der Richtung auf oder von
Arles und Beaueaire, so erhob Saint-Güles das altherkömmliche pedagium
von 2 den. turon. pro Last.
Bezüglich des Handelsverkehrs der Leute von Saint-Gilles in Genua
wiederholt der Vertrag zunächst die Bestimmungen des Vertrages mit Mont-
pellier von 1225 über den Schiffsverkehr, nur daß ihnen die zollfreie Aus-
fuhr nicht nur von 100 Ballen Barchentstoffen, sondern auch von 50 Sack
Stahlwaren (sacheti azarii) eingeräumt wurde. Ferner wurde ihnen, wenn
sie von der hohen See auf genuesischen Schiffen nach Genua kamen, als
Gegenleistung für die von ihnen in Genua für Fracht, Unterhalt und Klei-
dung usw. für sich oder ihre Leute aufgewandten Kosten der abgabenfreie
Verkauf mitgeführter Waren bis zum Werte von 200 1. jan. im Jahre ge-
stattet; nur die »collecta« hatten sie in gleicher Höhe wie die Genuesen
selbst auch von diesen Waren zu zahlen. Kamen sie auf nichtgenuesischen
Schiffen, so hatten sie beim Verkauf ihrer Waren die herkömmlichen Ab-
gaben zu entrichten.
Auch das Vorhandensein eines genuesischen Konsulats in Saint-Gilles
oder Aigues-Mortes geht aus dem Vertrage hervor; der Nachlaß eines ohne
Testament verstorbenen Genuesen war ihm zu überlassen und nur, wenn
das Konsulat nicht besetzt war, hatten die Behörden von Saint-Gilles den
Nachlaß in Verwahrung zu nehmen, wie es in Genua im analogen Falle
gegenüber Leuten von Saint-Gilles ohne weiteres geschah.
465. Aigues-Mortes erscheint seitdem als ein für den Seeverkehr
der Italiener mit Frankreich an Bedeutung allmählich zunehmender Hafen ;
das genuesische Schiff Paradisus, das im August 1233 abfuhr, ist das erste
Schiff, von dem wir wissen, daß es von hier aus nach Syrien ging, i) Die
Wichtigkeit des Hafens mußte aber noch erheblich wachsen, als er für die
französische Krone in Besitz genommen wurde und somit der erste und
einzige Hafen war, den das französische Königreich am Mittelmeer besaß.
Zwar war die erste Berührung der französischen Behörden mit den Italienern
auf diesem Boden, von der wir hören, keine freundliche; der Sene-
schall von Beaueaire eignete sich im Jahre 1243 das Schiff des Genuesen
Thomas de Pinasca und Waren desselben im Wert von 70 1. tur. an, als
es auf der Küstenfahrt von der Provence kommend hier gelandet war;
Innocenz IV. hat deshalb am 10. Dezember 1243 die Bitte an den König
gerichtet, seinen Seneschall zur Rückgabe oder zum Schadenersatz zu ver-
anlassen. 2) Aber bald erkannte der König, wie wichtig gerade gute Be-
ziehungen zu den Italienern für seine neue Schöpfung werden konnten ; ist
er doch auch aus Anlaß seines Kreuzzuges, den seine Flotte von hier aus
antrat, mit den Genuesen in die engste Verbindung getreten. Freilich die
dauernde Niederlassung in Aigues-Mortes wurde gerade den Genuesen ver-
') Manduel no. 36. Oben § 157. Daß auch die Pisaner hier verkehrten , ist
daraus zu schließen, daß die Leute von Aigues-Mortes in ihrer Petition an den
König auf das Beispiel der Pisaner in Syrien hinwiesen : oben § 157. Pagäzy ist
der für die Geschichte von Aigues-Mortes besonders wichtige Vertrag von 1232 ganz
entgangen.
«) Layettes II no. 3147. Handwörterb. d. Staatswiss. III«, 972.
II
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 593
wehrt; auf die Vorstellungen der Konsuln von Montpellier verordnete der
König 1248 zugunsten der Bewohner (veri habitatores) von Aigues-Mortes,
daß kein Genuese als Bürger oder »wahrer Einwohner« daselbst aufgenommen
werden dürfte, i) Indessen das hinderte den Handelsverkehr der Genuesen
in Aigues-Mortes in keiner Weise; gerade aus dieser Zeit besitzen wir eine
Reihe von positiven Zeugnissen für diesen Verkehr. Nur wahlweise wird
es als Zielpunkt genannt in einem interessanten Fracht vertrage, den die
Eigentümer dreier genuesischer Galeeren am 22. April 1248 mit einer Ge-
sellschaft von 12 Befrachtern in Genua geschlossen haben. 2) Jede Galeere
mußte mit Rücksicht auf die Kriegszeit mit 100 bewaffneten Seeleuten be-
mannt und von 3 Barken zu je 8 Riemen begleitet sein ; in 8 Tagen sollten
sie zur Ausreise nach Aigues-Mortes, Saint-Gilles oder Montpellier, je nach
Wahl der Ladungsinteressenten, bereit liegen. Die Hauptmasse der Ladung
bestand aus Pfeffer, von dem Lanfranco Ghisolfo 170, Pastono di Negro
100 — 125, Bonvassallo Nepitella und Sozii 70 — 80, Guilelmo Lercari 40 bis
50 Last zu laden sich verpflichteten ; der Frachtsatz für die Last stellte sich
auf 10^/2 sol. Jan. Es sind also recht bedeutende Mengen von Waren aus
der Levante, die Genua auf diese Weise nach Süd-Frankreich importierte.
Im Sommer desselben Jahres ging das genuesische Handelsschiff Paradisus
novus von Aigues-Mortes nach Syrien, während zur selben Zeit der S. Vin-
centius von Genua nach Aigues-mortes fuhr^), und am 18. August 1249
verbodmeten die genuesischen Schiffspartner Lanfranco und Lanfranchino
Mallono sowie Jacopo und Guglielmo Manente ihr Schiff Regina im Hafen
von Aigues-Mortes für 600 1. tur., die dem Gläubiger, Johann von Valen-
ciennes, der im Namen des Grafen von Poitiers handelte, binnen einem Monat
nach Ankunft in Syrien zu erstatten waren. Der Vertrag ist im Inneren
des dem französischen Könige gehörigen Turmes^) vor den beiden Konsuln,
die Genua damals in Aigues-Mortes hatte, Guglielmo Boccanera und Ansaldo
Straleira, abgeschlossen. Dieser Boccanera aber ist kein anderer als der
spätere Volkshauptmann von Genua ; und es ist bemerkenswert, daß wir ihn
so schon vorher an derselben Stätte tätig finden, um die er sich nach der
Entfernung von seiner hohen Stellung im Dienste des französischen Königs
besondere Verdienste erwerben sollte.^)
466. Bald am Beginn des neuen Jahrhunderts, wenige Monate
nach dem Vertrage mit Montpellier, schloß Genua mit den Rhöne-
städten der Provence, die es bisher mit Pisa gehalten hatten, Frieden
(ut precedentia mala finem accipiant).
Auf das von dem Podestä von Genua, Guifredotto Grassello von Mai-
land, durch Vermittelung des Priors von Sankt Michael, Gull, de Stella,
übersandte Schreiben hin beschworen der Erzbischof von Arles zusammen
mit Hugo de Baux, Guillaume Porcelet und den Konsuln von Arles im
März 1202 den Frieden und versprachen den Genuesen in ihrem Gebiet
') Devic et Vaiss. Vm, 213.
*) Canale n, 524. Der Vertrag selbst ist leider noch nicht veröffentlicht.
») Canale H, 626.
*) Layettes III, 74 no. 3789: interius turris de Aquis-mortuis D. Regis Fran-
corum.
*) Für diese spätere Zeit Pagözy p. 350 ff. no. 27 — 32 und Belgrano : I Geno-
vesi ad Acquamorto im Giorn. ligust. IX (1882), 326 — 341.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 38
594 Vierzigstes Kapitel.
Schutz und Sicherheit i), und das gleiche taten unmittelbar darauf die Kon-
suln von Tarascon sowie Bischof Rostagnus und die Konsuln von Avig-
non2); das erstemal, daß wir auch diese Rhönestädte in unmittelbare Be-
ziehungen zu den Italienern treten sehen.
Handelt es sich hier um ein bloßes Schutzversprechen, von dem es
angesichts des Krieges, den Genua damals mit Pisa und später auch mit
Marseille führte, durchaus fraglich ist, ob es längere Zeit in Kraft blieb, so
kam es nach Abschluß des Friedens zwischen Marseille und Genua vom
August 1211, wiederum unter Vermittelung des Priors von S. Michael, zu
einem förmlichen Vertrage, der von Arles im Oktober, von Genua im De-
zember 1211 beschworen wurde und 29 Jahre in Kraft bleiben sollte.^) Den
Genuesen wurde gestattet, Fondachi in Arles zu besitzen und sich Konsuln
aus ihrer Mitte zu bestellen, denen die volle Gerichtsbarkeit über ihre Lands-
leute mit Ausnahme der schwersten Kriminalverbrechen zustehen sollte;
mit allen Mitteln wollten die Arelatenser für den Schutz der genuesischen
Schilfe (naves et galeae), die in ihr Gebiet kämen, Sorge tragen. Auch mit
Avignon verhandelte derselbe Prior wieder. Die Konsuln von Avignon er-
klärten sich auch prinzipiell zum Abschluß eines Friedens- und Freundschafts-
vertrages mit Genua bereit, machten aber die Entschädigung mehrerer ihrer
Mitbürger, die auf den Marseiller Schiffen Oliva und S. Martha bei ihrer
Fortnahme durch die Genuesen zu Schaden gekommen waren, zur Bedin-
gung4); wenn die Genuesen jetzt auf ihre gesetzliche Verpflichtung s) hin-
wiesen, alle mit den Marseillern Mitfahrenden ebenfalls als Feinde zu be-
handeln, so hätten sie die Pflicht gehabt, ihnen das rechtzeitig vorher mit-
zuteilen. Danach scheinen die Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis
nicht geführt zu haben, ß)
Vielfach neu auftauchende Fragen bewirkten, daß der Vertrag zwischen
Genua und Arles geraume Zeit vor seinem Ablauf, am 18. August 1229,
erneuert und wesentlich erweitert wurde '^); vom 2. Februar 1230 an sollte
er nunmehr 20 Jahre in Kraft bleiben.
Die Genuesen sollten in Arles nur zu den seit 50 Jahren bestehenden
Abgaben herangezogen werden können ; nur die Erhebung einer jüngeren
Auflage von 1 den. raim. vom Sextar bei Gemüse und Weizen und 1/2 den.
bei anderem Getreide blieb bis übernächste Ostern noch gestattet. Der
Lebensmittelmarkt sollte den Genuesen in vollem Umfange offen stehen, so-
lange der Weizenpreis nicht 6V2 sol. pro Sextar erreichte; doch konnte
Arles von den Exporteuren die Beibringung eines amtlichen Schreibens for-
dern, das um die Exporterlaubnis für die bestimmt bezeichnete Person er-
1) Lib. Jur. I no. 439 vom März 1201. Die Nennung des Podestä stellt es
außer Zweifel, daß französische Jahreszählung vorliegt.
«) Ebd. no. 410 u. 453 (letztere datiert: 17 Kalend. a. D. ine. 1202. Es ist
wohl Madii zu ergänzen).
') Nur der von den Konsuln von Arles beschworene Teil des Paktes ist er-
halten ; ebd. no. 498, 501. Das Datum 1210 in letzterer Urkunde ist nach p. 867
not. ein Lapsus des Amanuensis.
*) Ebd. no. 492 u. 493. Ein Avignonese, Joh. Pagesie, hat »in coltellis et in
aliisc 20 1. reg. cor. verloren, zwei andere gaben ihren Verlust auf 200 1. reg. an^^
ein Vierter hat seinen Schiffsanteil an der S. Martha (V82) eingebüßt.
6) Unten § 470.
*) Sonst wäre der Vertrag sicher im Lib. Jurium Genuas ebenso erhalten
wie die beiden die Forderungen der Konsuln von Av. enthaltenden Schreiben
^) Lib. Jur. I no. 679.
«
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. , 595
suchte. Während eines Krieges zwischen Arles und Marseille i) hatte Genua
dafür zu sorgen, daß kein Genuese das in Arles eingekaufte Getreide in
Marseille löschte oder an jemanden verkaufte, der es nach Marseille brachte ;
Genua verpflichtete sich, bei Zuwiderhandlungen eine Buße von 3 sol. raim.
für den Sextar solchen Getreides auf sich zu nehmen. Einer besonderen
Lizenz bedurften die Genuesen dann, wenn sie Salz oder Wein rhoneauf-
wärts über Arles hinaus transportieren wollten.
Umgekehrt wurden die Arelatenser in Genua in bezug auf Handels-
abgaben prinzipiell den meistbegünstigten Narbonnesen gleichgestellt. Doch
blieben die Abgaben von 3 sol. jan. vom Kantar Fleisch und Käse 2) und
vom Faß öl für sie noch bis zum 2. Februar 1233, und die Abgaben von
in Genua gekauftem Getreide sowie die Ellengebühr 3) bis zum Ablauf der
mit den Pächtern geschlossenen Kontrakte in Kraft.
467. Diesmal empfand man schon nach 8 Jahren das Bedürfnis, die
Handelsabgaben neu zu regeln; der Podestä von Arles, Guilelmus Ebriacus
Niger, ein Genuese — wie denn in dieser Zeit Arles und Avignon fast durch-
weg Italiener an die Spitze des Stadtregiments berufen haben 4) — schickte
den Raymundus Dalmasius als Unterhändler nach Genua, der am 13. Mai
1237 einen neuen Vertrag auf 10 Jahre zustande brachte, der uns nur in
der Ausfertigung für Arles erhalten ist.^)
GrundsätzUch genossen danach die Arelatenser in Genua Handels-
freiheit und Freiheit von denjenigen Abgaben, die direkt der Stadtgemeinde
von Genua zustanden, also nicht von denen, die z. B. für die Vicecomites
von Genua oder den Erzbischof erhoben wurden. Sie hatten ferner zu
zahlen die Salzsteuer, die gombeta beim Einkauf von Getreide ß) und 1 sol.
vom Kantar bei Fleisch, Käse und vom Faß Öl — es sind also gerade die
Artikel, die für die Einfuhr der Arelatenser in erster Linie in Betracht
kamen. Wiegegebühren zahlten sie wie die Genuesen selbst; von Maß-
gebühren für Getreide und Gemüse waren sie frei, da sie dabei ihre eigenen
Maße verwenden durften. Falls sie Waren von Genua über die Alpen trans-
portierten oder umgekehrt, so unterlagen sie dem Grenzzoll von Gavi und
Voltaggi'^, wie sie auch den Zoll von Porto Venere zu entrichten hatten,
sobald sie in dessen Bereich kamen. Importierten sie, was eigentlich ver-
boten war, Waren aus einem der Häfen der Küstenstrecke von Nizza bis
Salöu nach Genua 8), so fiel jede Zoll Vergünstigung für sie weg. Abgaben-
erleichterungen für die Genuesen sollten ohne weiteres auch ihnen zugute
kommen, neue Auflagen oder Erschwernisse ihres Handels nicht zulässig
*) Für >durante guerra inter com. Janue et comune Arelatis< IstMarsilie
zu lesen. Zu dem Vertrage vgl. Chone 45.
*) >Pro cantario et casei< ; es ist carnis zu ergänzen.
') Id quod praestatur de libra pro facto cannae pannorum. . . secun-
dum formam venditionis quam de illo drictu fecit comune Januense.
*) Berger, Saint Louis et Innoc. IV, p. 76.
') Chart. II, 1399 f. no. 1835, mit manchen Mängeln im Abdruck ; der Text
bei Papon II p. LX no. 51 ist freilich noch schlechter. Zum Vertrage s. Ani-
bert m, 107 f.
•) . . . salvis introitibus quombery (1. gombete) et denariis VI et z. III (?) qui
percipiuntm* ab emptore quo qualibet emina bladi.
*) Trotz der Verderbnis >salvi8 pedagys sany et Vulcabic nicht zweifelhaft
^) So glaube ich das »merchandiam que non sit a solo usque ad Niciam«
verstehen zu müssen.
38»
596 Vierzigstes Kapitel.
sein. Doch unterlag ihre Ausfuhr aus Genua einer Reihe von Beschrän-
kungen, die offenbar nicht ihren Export nach Arles, sondern etwaigen von
ihnen betriebenen Zwischenhandel zu treffen bestimmt waren. So war ihnen
die Ausfuhr von Feigen und Kastanien nur für den eigenen Bedarf und
nur so lange gestattet, als die Metze (emina) Kastanien nicht den Preis von
15 sol. Jan. erreichte, die Ausfuhr von Nutzholz nur zum Häuserbau und
zur Herstellung von Fässern unter der Bedingung, daß jede Weiterveräuße-
rung an Marseiller oder andere zum Export aus Arles unterblieb. Unbedingt
verboten war ihnen die Ausfuhr von Getreide und Gemüse jeder Art, von
deutscher, Reimser und Champagner Leinwand sowie von französischen Tuchen.
Zeigen schon diese detaillierten Bestimmungen, daß der Aktivhandel
der Arelatenser mit Genua in dieser Zeit nicht mehr gering gewesen sein
kann, so wird diese Tatsache außer allen Zweifel gestellt dadurch, daß nun
auch Arles dazu überging, seinerseits ein Konsulat in Genua zu errichten;
Genua versprach ausdrücklich, es nicht zu hindern, vielmehr seinerseits zu
fördern, daß die Arelatenser in Genua und Gebiet sich aus ihrer eigenen
Mitte Konsuln bestellten, denen die Jurisdiktion in allen Zivilstreitigkeiten
der Arelatenser untereinander und die Verwaltung des Nachlasses von Are-
latensern, die ohne Testament gestorben, zustehen sollte.^)
468. Bald nachdem Arles im Oktober 1211 den Vertrag mit Genua
beschworen hatte, schickte es auch nach Pisa, das damals gerade eine kurze
Waffenruhe in seinem langen Kampfe mit Genua hatte; am 20. Dez. des-
selben Jahres schlössen seine Gesandten Raym. de Farnario und Raym. Ricardi
einen Friedensvertrag auf 25 Jahre ab. 2) Man versprach sich das Geschehene
gegenseitig zu vergessen und fortan auf den Schutz und die Verteidigung
der beiderseitigen Untertanen gegen jedermann bedacht zu sein und regelte
genau das einzuhaltende Verfahren, falls doch Offensio vorkäme ; als solche
sollte es nicht gelten, wenn sie Leute betraf, mit denen sich Pisa im Kriegs-
zustande befand (natürlich sind die Genuesen gemeint), auch wenn diese auf
arelatischen Schiffen oder in Gemeinschaft mit Leuten von Arles fuhren.
Bei Zivüstreitigkeiten zwischen Pisanern und Arelatensern sollten die Are-
latenser, wenn die Pisaner das vorzogen, in Pisa belangt werden dürfen.
Wie sich Arles bei Wiederausbruch des erst im Jahre 1217 endgültig
beigelegten Kampfes zwischen Pisa und Genua verhielt, wissen wir nicht,
hören auch nichts über den Grund oder die Folgen der feindlichen Hand-
lung, die Arles im Jahre 1218 Pisa gegenüber dadurch beging, daß eine
arelatische Galeere sich zweier pisanischer Leichterschiffe, die Waren von
Porto Pisano nach Pisa brachten, in der Arnomündung bemächtigte; aller-
dings ließ die Galeere ihre Beute im Stich, als sie sich von genuesischen Galee-
ren, die das Schiff von Arles für ein Seeräuberschiff hielten, verfolgt sah.^)
Im Mai 1221 kam es dann zu einem neuen Vertrage, den diesmal die
Bevollmächtigten Pisas, Bertrandvis Rainaudus und Bernardus Ferreolus, auf
25 Jahre abschlössen.^) Der Vertrag von 1211 wurde erneuert und den
^) Die Fortdauer des Handels zwischen Arles und Genua auch in der fol-
genden Kriegszeit wird dadurch bezeugt, daß wir aus einem Schiedspruch vom
Februar 1248 (Canale 11, 525) erfahren, daß ein genuesisches Schiff, das in Arles
Gerste geladen, wegen eines Unfalls 40 minas über Bord werfen mußte.
*) Papon n p. XXXIX no. 37, mit vielfach verderbtem Text (so ist z. B. für
Curxenerlis zu lesen Curteveteris). Nur die Ausfertigung für Arles ist erhalten.
') Ann. genov. II, 148.
*) Muratori Antiqu. IV, 395 ff.
II
11
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 597
Pisanern, die nach Arles kamen, mit Schiffen und Waren Schutz gegen
jedermann, besonders gegen die Genuesen, zugesichert. Die Arelatenser
werden die Habe der Genuesen oder anderer öffentHcher Feinde Pisas, falls
solche auf dem gleichen Fahrzeug mit ihnen vorgefunden wird, nicht für
die ihre ausgeben ; sollten Arelatenser während des Krieges auf genuesischen
Schiffen zusammen mit Genuesen betroffen werden, so dürfen die Pisaner
genau so gegen sie verfahren wie gegen die Genuesen selbst. Den Feinden
der Pisaner in der Provence und besonders denen in der Nachbarschaft von
Arles werden sie keinerlei Vorschub, auch durch Lieferung von Lebens-
mitteln nicht, leisten und insbesondere auch das Auslaufen von Kaperschiffen
aus der Rhone gegen die Pisaner nach Möglichkeit verhindern — alles Be-
stimmungen, die zu dem Frieden, der 1221 zwischen Genua und Pisa be-
stand, nicht passen woUen und sich nur durch mechanische Weiterführung
aus einem älteren Vertrage erklären, i) Den Arelatensern sollte es erlaubt
sein, nach Belieben auf pisanischen Schiffen zu fahren; sie sollten volle
Handelsfreiheit in Pisa haben und nur verpflichtet sein, auf der Küsten-
strecke zwischen Genua und Pisa Salz nach keinem anderen Orte als nach
Pisa selbst zu bringen. Wollten sie in Civitavecchia oder einem näher an
Pisa gelegenen Hafen der Marittima Getreide laden, so durften sie dies nur
nach Pisa oder (unter Ausschluß der Wiederausfuhr) nach Arles bringen;
um den Pisanern eine Kontrolle darüber zu ermöglichen, hatte sich jedes
arelatische Schiff, das Getreide aus der Maremma zu holen beabsichtigte,
bei seiner ersten Fahrt im Jahre auf der Hinreise (in prima an data) bei der
pisanischen Behörde in Porto Pisano oder auf Verlangen auch in Pisa selbst
(inter duos pontes) zu melden. Die Frage der Abgaben war im Gegensatz
zu Genua auf sehr einfache Weise dahin geregelt, daß an beiden Orten von
der Ein- oder Ausfuhr beim Umsatz der Ware ein Wertzoll von 1-/3 Vo er-
hoben wurde.2)
Damit endet, was wir von Vertragsbeziehungen zwischen Pisa und Arles
in dieser Zeit wissen. Daß indessen auch weiterhin ein reger Handel zwischen
beiden Orten fortdauerte, geht schon daraus hervor, daß wir im Jahre 1248
Handelsgesellschaften des toskanischen Binnenlandes Marseiller Galeeren
nach Arles schicken sehen, damit diese dort ihre von Norden kommenden
Waren übernahmen und nach Pisa brachten, wo die Entladung zwischen
den beiden Brücken zu erfolgen hatte; in Arles hatten die Galeeren ihre
kriegsmäßig ausgerüstete Mannschaft für die Reise nach Pisa um mehr als
das doppelte zu verstärken''') ; auch ist uns ein Kaufmann von Arles, Petrus
de Cavaleria, bekannt, der damals mit einer Commenda von Tuchen von
Marseille nach Pisa ging.^)
469. Auch römische Kaufleute sehen wir am Handelsverkehr in
Arles beteihgt. Innozenz IV. hat sich am 20. Februar 1248 zugunsten des
Römers Andreas de Romulo an die Behörden von Arles gewandt, weil dieser
*) Umgekehrt wie 1211 liegt uns hier nur die Verijflichtung der Arelatenser
Pisa gegenüber vor ; sie war also wahrscheinlich genau ebenso in dem Vertrage
von 1211 enthalten; doch vermute ich, daß sie auf einen noch älteren Vertrag
zurückgeht.
*) Steht einseitig als Abgabe der Arelatenser in Pisa auch schon im Vertrage
von 1211.
») In zwei Fällen von 60 auf 130, in einem Falle von 50 auf 116 Mann. Im
übrigen s. oben § 283, 287.
*) Amalric no. 172,
598 Vierzigstes Kapitel.
von ihnen an der Ausfuhr von Getreide aus Arles nach Genua auf Grund
eines allgemeinen Getreideausfuhrverbots gehindert wurde, obwohl dies Ver-
bot erst nach dem zum Zwecke des Exports erfolgten Ankauf des Getreides
erlassen war.i) Und wie nach Pisa, so gingen zu gleichem Zweck Marseiller
Galeeren auch über Arles nach Rom, wie wir für den Juni 1248 von der
Galeere des Isnardus de S. Egidio wissen ; von der Ladung, die sie in Arles
einzunehmen hatte, kennen wir 24 Ztr. Zinn im Werte von 48 1. misc. 2)
470. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Aufschwung
von Marseilles Seemacht und Seehandel durch die Handelseifer-
sucht zwischen Pisa und Genua, insbesondere auch durch den lang-
dauernden Krieg, der 1194 zwischen beiden Mächten entbrannte,
wesentlich gefördert worden ist.
Im allgemeinen hielt es Marseille in diesem Kriege mit Pisa; wenn
wir im Sommer 1200 die genuesische Galeere des Giovanni Fornari auf
einer Handelsfahrt nach Marseille nachweisen können, so finden wir doch
zwei Jahre darauf den Kaperkrieg zwischen Genua und Marseille in vollem
Gange; ein Marseiller Schiff, das besonders Alaun, Wolle und Wachs ge-
laden hatte, wurde von dem Genuesen Obertus Castanea aufgebracht, und
es half mehreren Marseiller Kauf lauten wenig, daß sie die Vorsicht gebraucht
hatten, ihre Waren mit dem Handelszeichen eines mitreisenden Narbonnesen
zu versehen. Wenig später (1203) sehen wir den genuesischen Podestä in
Konflikt mit Savona, weil er von einem Savonesen, der dem bestehenden
Handelsverbot zuwider Waren nach der Provence geschafft hatte, eine Geld-
buße eintrieb.^) Nach einem im Dezember 1208 geschlossenen kurzen Waffen-
stillstände, in den die sizilischen Genuesen nicht einbegriffen waren *), brach
im folgenden Jahre der Krieg mit erneuter Heftigkeit aus, zumal Marseille
nunmehr mit Pisa in ein besonders enges Verhältnis trat. Als Gesandte des
Bischofs, der Stadtherren Roncelin und Hugo von Baux und der Konsuhi
von Marseille schlössen der Kanoniker Hugo Beroardus, Hugo Andreae und
Serleone mit Godefredo Visconti, dem Podestä von Pisa, am 27. August
1209 ein enges Schutz- und Trutzbündnis, das seine Spitze gegen Genua
kehrte; falls Pisaner während des Krieges zwischen Marseille und Genua
auf einem genuesischen Schiff betroffen werden sollten, so soUten die Mar-
seiller diese Pisaner und ihre Waren wie die Genuesen behandeln dürfen,
ohne daß das als eine Verletzung des Friedens anzusehen sei, und das gleiche
galt natürlich im umgekehrten Falle. Zwischen Pisa und Marseille sollte
vollste Handelsfreiheit herrschen ; Pisaner und Marseiller sollten ohne irgend-
welche Beschränkung auf denselben Schiffen, wohin sie immer wollten^
fahren dürfen. Zu dieser Handelsfreiheit gesellte sich endhch vollste Ab-
gabenfreiheit für Aus- und Einfuhr, ohne Unterschied, ob die Waren
^) Berger no. 3659. Beiläufig sei erwähnt, daß nach einer Angabe Brunos im
Jahre 1194 auch zwischen Arles und Savona ein Handelsvertrag abgeschlossen
wurde; p, 118.
') Amalric no. 848, 857. Römische Bürger als Gläubiger der Kirche von Ar-
les Potth. 10740. J. Bernoulli: Acta Pontiflcum Helvetica I (Basel 1892), 138 Anm. d>
(17. Mai 1239).
») Canale 11, 523. Lib. Jur. I no. 459. Ann. genov. U, 85.
*) Lib. Jur. I no. 491. Bruno, der aus dem Savoneser Archiv schöpfen konnte^
behauptet die Existenz eines Handelsvertrags zwischen Savona und Marseille vora
Jahre 1207 ; p. 118.
4
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 599
auf der Küstenfahrt nach Pisa und Marseille kamen oder von der hohen
See.i)
Um so erbitterter setzten die Genuesen den Kampf fort. Schon vor-
her hatten sie eine Bestimmung in ihre Statuten aufgenommen, die jeden
Genuesen eidlich verpflichtete, gegen alle diejenigen, die auf Marseiller
Schiffen führen, vorzugehen, sie selbst gefangen zu nehmen und sie aller
Habe zu berauben'-^); noch im selben Jahre gelang es ihnen, ein pisanisches
Pfeilschiff und zwei mit vielen Waren beladene Kauffahrer der Provengalen
zu nehmen, und 1210 kaperten sie sogar in den sardinischen Gewässern
7 provengalische Schiffe, die ein Schiff des Grafen von Syrakus aufgebracht
hatten. 3) In diesem Jahre schloß Pisa, durch das Eingreifen Ottos IV. ver-
anlaßt, einen zweijährigen Waffenstillstand mit Genua, so daß dieses gegen
Marseille freiere Hand bekam. Die offiziellen Annalen Genuas berichten
von empfindlichen Verlusten, die den Marseillern namentlich in den spani-
schen Gewässern beigebracht wurden; ihre eigenen Verluste verschweigen
sie und berichten nur unter allerlei Entschuldigungen, daß zwei Marseiller
Galeeren es einmal wagten, sich unmittelbar vor der Mole des genuesischen
Hafens zu zeigen."*) Von einer Beherrschung des Meeres durch Genua war
also nicht die Rede. Und nach einem für Genua siegreichen Kriege sehen
auch die Bestimmungen des Friedens nicht aus, den Hugo de Baux, der im
August 1211 auf einem Kriegsschiff unter sicherem Geleit nach Genua kam,
nach langen Verhandlungen auf 21 Jahre abschloß.
471. Am 26. November 1211 ist der Friedensvertrag zwischen
Genua und Marseille, der für die Handelsgeschichte von höchstem
Interesse ist, in Kraft getreten. ^)
Überall zeigt der Vertrag, daß Genua nunmehr die Gleichbe-
rechtigung von Marseille in vollem Umfange anerkennt; bei allen
Bestimmungen ist vollste Gegenseitigkeit gewahrt.
Auf beiden Seiten sollten alle bisherigen Schädigungen als kompen-
siert gelten ; vertragsmäßige Verpflichtungen Privater blieben in Kraft. Um
Schädigungen für die Zukunft vorzubeugen/ sollte fortan jedes armierte Fahr-
zeug vor dem Auslaufen in Genua oder Marseille Sicherheit dafür stellen
müssen, daß es Angehörige der anderen Stadt nicht schädigen oder, falls
es doch geschehen sollte, Ersatz dafür leisten werde. Mitführung von Gegnern
der anderen Stadt auf den eigenen Schiffen sollte im allgemeinen nicht ver-
') jQuae de habere Massiliensium apud Pisam per pelagum vel per riveriam
addüctum fuit pro vendendo ibi, nihil per directum vel ripa vel leida vel aliquo
modo in introitu vel exitu ab aliquo Massiliense vel homine Mass. districtus tolli-
tur.c Mit den unglaublichsten Lesefehlern bei Mery et Guindon I, 219 ff. (im In-
dex p. 455 als traite de Paris bezeichnet). Von der Gegenurkunde zu dem hier
gegebenen Versprechen der Pisaner, die das in Pisa selbst von den Marseiller Ge-
sandten gegebene, offenbar völlig entsprechende Versprechen der Marseiller ent-
hielt, steht der Kopf bei (Belzunce F. X. de) : L'antiquitö de l'öglise de Marseille II
(Marseille 1747) p. 49; als Datum wird p. 50 völlig verkehrt der 26. März 1210,
Ind. X gegeben.
») Lib. Jur. I no. 492.
«) Ann. genov. II, 112, 115.
*) Ebd. 116 ff.
*) Ebd. 119. Mitteilungen aus der noch nicht veröffentlichten Friedensurkunde
selbst ebd. 166 A. 3. Im übrigen ergibt sich ihr Inhalt aus dem Vertrage von 1229 ;
Lib. Jur. I no. 675.
600 Vierzigstes Kapitel.
boten sein ; doch wurden gerade Pisaner und Venezianer, falls sich diese im
Kriegszustande mit Genua oder Marseille befänden, davon ausgenommen.
Der Lebensmitteleinfuhr aus nicht feindlichen Gebieten nach einer der beiden
Städte darf von der anderen keinerlei Hindernis bereitet werden. Eine Er-
richtung von Konsulaten fand nicht statt ; doch sollten bei Zivilstreitigkeiten
der Marseiller untereinander in genuesischem Gebiet und der Genuesen in
Marseiller Gebiet die Landesgerichte in dem Fall nicht zuständig sein, wenn
der Beklagte vor einem oder mehreren seiner Landsleute, die das Richter-
amt übernehmen wollten. Recht zu geben bereit war. Der Nachlaß eines
mit oder ohne Testament im Gebiete der anderen Stadt Verstorbenen war
einem mit amtlicher Vollmacht seiner Regierung versehenen Kommissar
auszuliefern oder dem letzten Willen des Verstorbenen gemäß zu behandeln.
Dem direkten Handel zwischen Genua und Marseille sowie den beider-
seitigen Gebieten stand nichts im Wege; es sollten hierbei nur die alther-
kömmlichen Abgaben erhoben werden dürfen, deren Höhe besonders be-
kanntzugeben war.
Am bemerkenswertesten ist, was aus den Ausschließungsbestrebungen
Genuas geworden ist. Gegenseitig verpflichtete man sich nunmehr, Bürger
der anderen Stadt oder ihre Waren zur Schiffahrt auf hoher See weder von
der eigenen Stadt aus noch nach der eigenen Stadt zuzulassen, gleichgültig
ob sie eigene oder andere Schiffe benutzen wollten. Genua sowohl wie Mar-
seille wollten also die eigenen Kaufleute vom Zwischenhandel zwischen der
anderen Stadt und den überseeischen Gebieten abhalten und somit den
großen Verkehr ihrer Kaufleute mit der Levante, Afrika, Sizilien usw. mög-
lichst in der eigenen Stadt konzentrieren. Wenn dieser Bestimmung zu-
wider doch einmal Genuesen nach Marseille oder Marseiller nach Genua
kämen, so sollten sie doch ihre Waren daselbst weder löschen noch ver-
kaufen dürfen, mußten sich vielmehr mit ihnen nach ihrer Heimatstadt be-
geben. Auch wenn ein Schiff durch Zwang (Unwetter, Mangel an Proviant,
notwendige Reparaturen) sich genötigt sah, der Bestimmung zuwiderzuhandeln,
sollte doch nur so viel von der Ladung verkauft werden dürfen, als zur Be-
friedigung der Bedürfnisse der . Schiffsinsassen und zur Deckung etwaiger
Reparaturkosten erforderlich war.
Gegenseitig verpflichtete man sich ferner zur Beobachtung des
Grundsatzes, daß alle Nichtbürger von der persönlichen Wahrnehmung des
Handelsbetriebs vermittels der Schiffahrt auf hoher See auszuschließen seien.
Interessant ist dabei die Aufzählung der also Ausgeschlossenen. Sie nennt
an erster Stelle die Franzosen (de Francia), dann die Burgunder und die
Deutschen, ferner die von Gabors, Figeaci) und Vienne, die also von den
Binnenbewohnern des südlichen Frankreich als unternehmende Kaufleute
einen besonderen Ruf gehabt haben müssen, weiterhin die Engländer und
die von Montpellier, Toskana und ganz Ober-Italien. Daß diese drei an
letzter Stelle genannt sind, hängt damit zusammen, daß in bezug auf diese
Gebiete sehr wesentliche Ausnahmen gemacht wurden. Ausgenommen wurden
für beide Städte in erster Linie die Pisaner (die Genuesen fügen hinzu: so-flj
lange wir in Frieden oder einem Vertragsverhältnis mit ihnen leben), in^'
zweiter vier privilegierte Bürger von Montpellier, die indes nur ihre eigenen
Waren oder solche von Bürgern derjenigen Stadt, deren Schiffe sie benutzten,
sollten vertreiben dürfen ; es waren : Petrus de Montebeliardo, Guilelmus de
') So deute ich das >Filiatino< des Versprechens der Genuesen p. 854, zumal^
das Versprechen der Marseiller p. 856 die Form >Filiachinoc aufweist.
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 601
Conchis, Bernardus Petri und Guilelmus Bocheti; Genua allein nahm aus
die Lombarden, die Lucchesen und diejenigen Privatpersonen, die es privi-
legiert hatte. 1) Sollte ausnahmsweise einmal jemand aus den verbotenen
Gebieten, von hoher See kommend, in Genua oder Marseille Aufnahme
finden, so war von seinen Waren der Fünfte zu erheben.
472. Dieser Vertrag blieb auf lange Zeit hinaus die Grundlage der Be-
ziehungen zwischen Genua und Marseille; Marseille konnte mit der errun-
genen Stellung wohl zufrieden sein. In der Tat wurden die Differenzen, zu
denen es auch später gelegentlich zwischen den beiden Seemächten kam,
rasch genug beigelegt; so 1217, als die genuesischen Schiffe Columba und
Angelus Gewalttaten gegen Marseiller verübten 2), so 1220, als die Genuesen
wegen der Behandlung eines genuesischen Schiffes durch Marseille Gesandte
schickten, so auch 1223, als der Handel mit Archantus eine Zeitlang zu
schwereren Verwickelungen führen zu sollen schien. 3)
Noch einige Jahre vor Ablauf des Vertrages schickte Marseille eine
Gesandtschaft zur Erneuerung desselben nach Genua, wie es scheint, durch
seine Stellung dem Kaiser gegenüber — Marseille befand sich damals im
Reichsbann — , mit dem die Pisaner damals besonders eng verbunden waren,
dazu veranlaßt. Der neue am 7. Mai 1229 auf 20 Jahre geschlossene Ver-
trag veränderte den alten nur wenig. *) Gegenseitig versprach man sich,
die im Frieden von 1211 zugunsten der Pisaner gemachte Ausnahme nach
Ablauf der mit ihnen bestehenden Verträge oder im Falle eines Friedens-
bruchs in Wegfall zu bringen, sie als Feinde zu behandeln und ohne Ein-
willigung der anderen Partei keinen Frieden mit ihnen zu schließen. Zu
den von den Handelsfahrten auf hoher See Auszuschließenden sollten fortan
auch die Gaetaner gehören. Mit Marseillern, die das derzeitige Regiment
in Marseille nicht anerkannten (also zum Kaiser hielten), soUten weder die
Genuesen noch die andern Marseiller in welcher Form auch immer See-
handel treiben dürfen. Bezüglich der seit 1211 zwischen Genuesen und
Marseillern vorgekommenen Fälle von Seeraub wurden die Geschädigten
auf den ordenthchen Rechtsweg bei dem Forum der Beklagten verwiesen;
doch mußten sie sich, auch wenn sie obsiegten, mit der Herausgabe von
Vs des gerichtlich anerkannten Schadens durch den oder die Übeltäter be-
gnügen, ö)
So sehr dieser Vertrag auf einen Abbruch der Beziehungen zu Pisa
hinzielt, so ist es doch dazu nicht gekommen ; vielmehr brachte nach einigen
Jahren der Abgesandte Pisas, Sigerio Gaetani, am 18. Dezember 1233 die
Erneuerung des Vertrages von 1209 auf 29 Jahre zustande ^), so daß es bei
der engen kommerziellen Verbindung der beiden Seestädte verblieb.
473. Auch als die Vorgänge von 1241 zum Wiederausbruch des
Kriegs zwischen Pisa und Genua führten, als Savona von Genua ab-
fiel und der Stützpunkt der kaiserlichen Flotte wurde, blieb Marseille
neutral; mitten unter den Kriegsstürmen und den Gefahren, mit denen
') exceptis his de quibus tenemur.
*) Ergibt sich aus dem Vertrage von 1229; Lib. Jur. I p. 856.
3) Ann. genov. H, 166 f., 189 f. Oben § 225.
♦) Lib. Jur. I no. 675.
*) Vermutlich hatte teilweise Befriedigung schon auf dem Wege der Repre-
salien stattgefunden.
8) Konsulat d. M. p. 40.
602 Vierzigstes Kapitel.
sie den friedlichen Kaufmann bedrohten, nahm der Handel Marseilles
mit den beiden feindlichen Seemächten seinen Fortgang; und Mar-
seille verstand es sehr wohl, aus seiner günstigen Lage als unbetei-
ligter Dritter Vorteil zu ziehen.
Als der kaiserhche Admiral im Jahre 1242 bei Hyeres mehrere genue-
sische Schiffe gekapert hatte, führte er sie nach Marseille, wo man ihn
gern aufnahm i) ; seine Beute verkaufte er hier zum Teil, ließ seine Galeeren
allerlei Waren einnehmen und kehrte dann mit ihnen nach Savona zurück.
In ihrer damahgen Bedrängnis mußten die Genuesen das geschehen lassen.
Noch mehr verdroß es sie, als das Schiff der Familie Cigala, das ein savo-
nesisches gekapert hatte, im Hafen von Marseille zur Freigabe desselben
genötigt wurde; schwerlich hat die Gesandtschaft, die sie 1246 deswegen
nach Marseille sandten, etwas ausgerichtet. 2) Aber auch den Marseillern
mußte es recht verdrießlich sein, als der Admiral Andriolo de Mari im Jahre
1247 bei Arenzano zwei Marseiller Galeeren auf ihrem Wege nach Genua
abfing, die für Genuesen und Placentiner französische Tuche geladen hatten. 3)
In dem Notularium des Amalric begegnen wir einer ganzen Anzahl
von Küstenfahrern, die 1248 zwischen Genua und Marseille verkehrten *) ;
ich erwähne nur die Galeere Bonaventura des Marseiller Bürgers Bernard
von Tarasconß), die Rohprodukte, Häute, Wollvliesse und Wolle 6), von der
ein Posten von 9 1/3 Ztr. mit seinem Wert von 32 1/2 1. misc. angegeben wird,
geladen hatte, und die Barke von 18 Riemen des Marseillers Falco, die von
den Leuten von Albenga gekapert wurde.') Mehrfach sehen wir die Fahrt
auch nur nach Orten der genuesischen Riviera, besonders nach Varazze,
gehen; das mit solchen Fahrten damals verbundene besondere Risiko eines
feindlichen Überfalls wird öfter von den Mietern solcher Küstenfahrzeuge
übernommen. 8) Gegen die Savonesen hatte Marseille damals zwei Wechslern,
Gausbertus de Podio Bressano und Johannes de UImo, Represalien bewil-
hgt; es ist interessant, daß diese am 19. Juni 1248 einem Savonesen, Jo-
hannes Banosus, für alle ihm selbst oder Fremden gehörigen Waren sicheres
Geleit bis Michaeh des nächsten Jahres zusagten, unter der Bedingung, daß
er ihnen eine Abgabe von ^/eVo vom Werte seiner Waren entrichtete.^)
Von Genuesen, die damals in Marseille Handel trieben, seien erwähnt Jo-
^) »contra juramentum et pactum«, sagt der genuesische Annalist; SS. XVIII^
p. 208.
2) Ebd. p. 218, 220.
*) Ebd. p. 222 : »honerate torsellis pannorum Francie hominum Janue et
Placentie.«
♦) Amalric no. 256, 495 ff., 508.
*) Ihm selbst gehörte nur Vs ; ^U ^iid Vs hatte er von den anderen 5 Schiffs'
partnern in Commenda genommen ; no. 358.
^) Ebd. 471, 533, 540 ; wenn in 505 von lana Bar die Kede ist, so ist
das jedenfalls in Barbarie zu ergänzen. Umgekehrt ergibt sich aus dem etwa um
1236 in Genua aufgezeichneten Liber Pedagiorum, daß auch die Provengalen Rinds-
häute aus Genua exportierten. Sieveking I p. 6 u. p. X.
') Amalric no. 842.
8) No. 656, 922 (dazu Zeitschr. f. Soz. u. Wirtschgesch. 11, 162). Eine dieser
Barken hat 714 »guanegua« ferri des Marseillers Raim. Teuleria geladen, der auf
diese Ladung ein Seedarlehn von 78^4 1- Jan. aufnimmt; no. 917. In no. 263 be-
gegnet das lignum des Petr. Piola von Varazze, in 745 die Galeere des Rabuzgas-
sius von Arenzano ; beide fahren nach Genua.
») No. 906.
11
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 603
hanninus von Chiavari, der dem W. Cogorda von Montpellier damals in
Marseille 250 Körbe (sportas) Pech im Werte von 250 1. misc. zur Verwer-
tung in Marseille selbst oder auf einer beliebigen Handelsreise anvertraute i),
und die Leute von Varazze, die im Mai 1248 zwei Busen für 800 und
600 1. Jan. an Marseiller Geschäftsleute verkauften. 2)
474. Aus dem Hinterlande Genuas waren es die Placentiner, die
Marseille ganz besonders häufig aufsuchten.^)
Im Marseiller Geschäft selbst sehen wir Oberto Bagarotto und Gio-
vanni Negrobono am 18. März 1248 Tuche für ca. 215 1. misc, ihre Lands-
leute Rufino de Stravilhano und Pietro Sperono am 19. Juni zwei Lasten
Pfeffer für 80 1. tur., Mitte August zahlbar, an einen draperius und einen
campsor von Marseille verkaufen. Auch im Geldgeschäft am Ort selbst be-
gegnen sie uns mehrfach.^) Andererseits sehen wir diese Placentiner auch
als Geldgeber im Handel Marseilles mit Genua tätig; Oberto Bagarotto hat
zweimal (das einemal mit Pietro Sperono zusammen) genuesischen Schiffern
Seedarlehn, mit 200 und 50 1. jan. rückzahlbar, gegeben 0); beidemal ist den
Gläubigern ein TeU der Getreideladung (600 und 300 eminae grani) als
Spezialpfand bestellt; und einem Nolesen hat Rainerio ViUani von Piacenza
gegen Valuta von 130 1. misc. am 2. Juni einen Wechsel über 100 1. jan.
ausgestellt, dessen Betrag 8 Tage nach Sicht bei den Sozii Rainers in Genua
zu erheben war. 6)
Auch Piemontesen sind wir im Verkehr zwischen Marseille und der
Champagne schon begegnet; im April 1248 sehen wir Albertinus de Pecina
von Asti und Johannes Canis von Turin in Marseille Geldgeschäfte mitein-
ander machen.')
475, Intensiver noch als zwischen Genua und Marseille hatte
sich in dieser Zeit der Schiffsverkehr zwischen Pisa und Marseille
gestaltet, wenn wir nach dem Notularium Amalrics von 1248 urteilen
dürfen.
Außer jenen drei Marseiller Galeeren, die zuerst nach Arles fuhren,
um dort Ladung für Pisa einzunehmen (Mietpreis für jede 150 1. misc),
kennen wir fünf weitere Galeeren, die im Frühjahr 1248 von Marseille nach
Pisa gingen, von denen drei verschiedenen Mitgliedern der Familie Merueis
gehörten 8); dieselbe Reise traten im Sommer ferner zwei Fahrzeuge (ligna)
von Hyeres (der S. Vincentius mit 110 Mann Besatzung) und das Schiff des
Rossi Tortosa an.^) Einigen Aufschluß erhalten wir aus ein paar Com-
mendaverträgen auch über die Waren, die von Marseillern nach Pisa expor-
tiert wurden; es befinden sich darunter nordfranzösische Tuche (5 Stück
Tuche von Chalons mit 1 Barracan im Wert von 74 V4 und 12 Stück Stam-
') No. 931.
«) No. 750, 752, 753. Guil. de Pessagno in Marseille, oben § 166.
*) Ihr reger Verkehr von hier aus mit der Champagne oben § 371, mit Ge-
nua § 473.
*) Ebd. 910, 956, 959, 976. Dazu Studien z. Gesch. des Cambium in Conrads
Jahrb. 65 (1895) p. 185.
») No. 263, 508.
8) No. 841. Bibl. de Vtc. des Chartes 1878 p. 125 no. 8.
^) Oben § 268 f. Amalric no. 456, 459.
8) No. 360; 437, 172.
») No. 734, 979, 877.
604 Vierzigstes Kapitel.
fords mit 2 Barracans im Wert von 153 1. misc.)i), Nüsse (285 Pfd. nucium
eissartarum im Wert von ca. 52 1. misc.) und Kämme von Buehsbaum (pec-
tines de buxide); ein Frachtvertrag bezieht sich auf einen Transport von
66 Mühlsteinen, 20 Ztr. Zinn, 1 Ballen Wolldecken, 2 Pack Lanzen und 31 ^U
Tausend Buchsbaumstäbchen (astellarum de buxide).^) Mit dem infolge des
Kreuzzuges König Ludwigs wesentlich gesteigerten Schiffsbedarf hängt es
jedenfalls zusammen, wenn in mehreren Fällen Marseiller Geschäftsleute
zum Ankauf von Schiffen nach Pisa gehen 3); im Auftrage einer Marseiller
Reedereigesellschaft hat Johann von Accon damals sogar Anteile von vier
verschiedenen Schiffen in Pisa angekauft, 2/4 der navis S. Crux, 1/2 der navis
S. Blasius, ^/s der navis S. Paulus und dazu noch i/ig des Schiffs, das dem
Admiral der Pisaner gehört hatte und durch Kauf in den Besitz des Mar-
seillers Petrus Ebrardi übergegangen war. ■*) Auch ein Schiff von Sarzana,
die tarida »Coronata« des Mercadante, ist damals von einem Marseiller an-
gekauft worden, ö) Bei diesem regen Verkehr der Marseiller mit Pisa er-
scheint es merkwürdig, daß wir nicht auch gleichzeitig Pisaner in größerer
Zahl in Marseille nachweisen können ; zum Teil mag der Grund hierfür ein-
fach daran liegen, daß sie nicht zur Kundschaft des Notars Amalric ge
hörten; die bei ihm vorkommenden »Pisani« gehören größtenteils Familie;
dieses Namens an oder waren Marseiller Bürger, ß)
476. Sehr häufig dagegen begegnen wir den binnenländischen Toskaner:
in Marseille, am meisten den Sienesen, von deren regem Durchsgangshandel
nach den Champagner Messen schon die Rede gewesen ist. Drei von jenen
Marseiller Galeeren sind von den Sienesen Rainerio Rolandi, Dietaviva AI:»
berti (dem Sozius des Guidalotto Guidi, den wir auch bei der Miete zweier Ga-
leeren für die Fahrt Arles — Pisa beteiligt gefunden haben) und Salvano SaL
vani gechartert worden; zum Dienste dieser 3 Galeeren mieteten sie am
3. April von dem Marseiller R. Ricardi noch eine Barke mit einer Besatzung
von 11 Matrosen für 15 1. misc. hinzu. '^) Jedenfalls hat auch bei diesen
Transporten der Tuchexport die Hauptrolle gespielt. In Marseille selbst
sehen wir die Gesellschaft des Rain. Rolandi 143 Pfd. Safran, der jedenfalls
von Toskana importiert war, am 3. April für 100 1. tur. (Ziel zu Johanni)
verkaufen, ein anderer Sienese, Ricobaldus Alamanni, verkauft am 19. Juni
14 Ztr. Schiffsgarn (fili de sarcia) für 26 1. misc. ^) ; öfter auch sehen wir die
Sienesen an Geldgeschäften in Marseille beteiligt.^) Der Gesellschaft des
Gui dal Otto Guidi bediente sich auch jene Reedereigesellschaft zum Ankauf
ihrer Schiffsanteile ; bei Boninsegna de Piloso, dem Vertreter der sienesi-
schen Gesellschaft in Pisa, nahm Johann von Accon in Pisa 2500 1. pis
als Seedarlehn auf, wofür bei behaltener Ankunft der Schiffe in MarseiUi
1
I
») No. 740, 775.
») No. 440, 734, 978.
*) No. 407 (Commenda von 400 1. misc, die für die Eückreise in nave vel in
navibus vel in buxiis anzulegen), no. 774.
*) No. 939 (1. Juli: Zahlungsversprechen der Reedereigesellschaft in bezug
auf den schon erfolgten Ankauf); s. auch 933 und 934.
") No. 831.
8) Z. B. no. 772. Dazu das Register p. 588 ; unten § 477.
^) Oben § 475. Studien z. Gesch. d. Cambium, 1. c. p. 167 f. Amalric no. 360,
8) No. 362, 904.
») No. 344, 345, 396, 600, 874, 925, 1103. S. auch Studien z. Gesch. d. Camb
1. c. 185.
II
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 605
an die dortigen Vertreter der Gesellschaft 1250 1. tur. zu erstatten waren i);
man sieht, es handelt sich hier durchaus um Geschäfte großen Stils. Auch
mit Genua standen diese Sienesen von Marseille aus in Handels verbin düng ;
jene 32 Pack WoUvliesse, die auf der Bonaventura nach Genua gingen,
waren Eigentum des Rainerio Rolandi und eines Marseiller Campsors, und
mit Guidalotto Guidi traf der Florentiner Bonapresa am 12. Juni in Mar-
seille eine Abmachung, wonach Mitte August an ihn selbst oder seinen Ver-
wandten Cheruelinus Bonapresae in Genua 160 1. jan. zahlbar waren ; gleich-
zeitig hatte er das Viertel des Schififs Bonaventura, das Cheruelinus gehörte,
an den Marseiller W. Giraudus für 140 1. jan. verkauft.^)
Und wie in diesem Falle, so begegnen wir auch sonst Florentinern in
Marseille in derselben Weise wie den Sienesen, wenn auch nicht so häufig
wie diesen. So hat Jacopo Riccomanni (uns schon vom Verkehr mit den
Messen bekannt) 3) einmal auch der Gesellschaft des Guidalotto Guidi einen
Wechsel über 238 1. pis. auf Pisa ausgestellt, und eine aus den beiden Flo-
rentinern Bernardo Galigai und Berengario Raimberti und dem Neapolitaner
Benvenuto Nicole bestehende Gesellschaft hat am 15. Juli drei Marseiller
Käufleuten 100 Rindshäute und 400 Stück Schaffelle (becunas) für 137 1/2 1.
misc. verkauft und ihnen zugleich ein Darlehn von 276 1. misc. gewährt, das
Mitte August mit 240 1. tur. zusammen mit der Erlegung des Kaufpreises
zu erstatten war. 4)
477. Auch die übrigen Toskaner verkehrten häufig in Marseille. Ob
allerdings Napolinus Luquesius, der am 10. April zwei Commendae nach
Pisa vergibt ö), noch als Lucchese anzusprechen ist, steht dahin; Benvenutus
de Luca, den wir mit Sardinien in Handelsverbindung finden, war unzweifel-
haft in Marseille naturalisiert. Seinem Sohne Bartolomäus hat am 11. Juni
1248 ein Lucchese, Rolandus Vendemia, der nach Mallorka weiter wollte,
eine aus Waffen, gekochter Seide (seta cocta) und Goldfäden von Lucca
bestehende Commenda im Werte von 23^/2 1. jan. anvertraut, mit der er
auf dem See- oder Landwege von Marseille nach Montpellier gehen sollte.^)
Im Durchgangsverkehr nach der Champagne haben wir ferner auch
Kaufleute aus kleineren Orten Toskanas, wie Pistoja, Arezzo und Prato,
schon kennen gelernt '); andere Fälle zeigen sie uns in Marseille im Geld-
verkehr mit ihrer toskanischen Heimat. So läßt der pelliparius Filiponus,
Sohn des Johannes von S. Sisto, seine Schuld an Baudinus von Volterra,
die er binnen 14 Tagen nach Ankunft des Gläubigers in Pisa mit 5 1. pis.
tilgen sollte, im Einverständnis mit diesem am 12. April auf den Namen des
Bonacorsus Presbiter von Calci umschreiben; unter den Zeugen befindet
sich ein Pisaner Goncelinus und Aldebrandus von Lucca. ^) Einen anderen
Kaufmann von Volterra, Uguiccione Bonaccorsi, sehen wir in Marseille am
22. Mai bei der sienesischen Gesellschaft des Guidalotto Guidi 288 1. reg.
cor. und am folgenden Tage bei Riguetus Gaietani und Palmerius Paganelli
*) No. 939. Ein Vermerk zeigt, daß die Bezahlung erfolgt ist.
») No. 533, 873, 875.
») Oben § 287.
♦) No. 325, 975.
») No. 439, 444.
«) Oben §419. Amalric no. 871.
^ Oben § 288.
*) No. 475, 476, Da Calci bei Pisa liegt und S. Sisto eine Hauptkirche Pisa»
war, wird es wahrscheinlich, daß Filiponus Pisaner war.
i
606 Vierzigstes Kapitel.
67 1. reg. einzahlen, wofür ihm Wechsel über 414 und 100 1/2 1. pis., in
Pisa oder Volterra 3 Tage nach Sicht fällig, ausgestellt werden ; am selben
Tage hat bei den zuletzt Genannten auch Africanto Aldebrandini 20 1. reg.
eingezahlt, wofür diese bis Mitte Juni an ihn, seinen Vater oder seinen
Bruder Rainald 30 1. pis. in San Gimignano zu zahlen sich verpflichten.i)
Auch römische Kaufleute fehlen nicht ganz.
Am 16. Juli begleicht Petrus Garnaudus von Nizza seine Schulden
gegenüber den Römern Nicolaus Aldobrandini, Laczo Boneguinte und Gas-
sanhus Rustichelli; in einer Urkunde vom folgenden Tage wird er selbst
als Römer und Padrone eines Fahrzeugs (tarida) bezeichnet. 2) Umgekehrt
verkehrten auch Marseiller Galeeren und Kaufleute in Rom. 3)
Endlich begegnen wir einigemal auch Venezianern in Marseille
Von diesen ist Jacobus Venecianus ersichtlich Marseiller Bürger ge-
worden ; zweifelhaft ist es bei Guido Venecianus und Leonardus de Venecia,
die in Amalrics Akten als Zeugen begegnen. *) In Handelsgeschäften finden
wir allerdings nur einen Venezianer tätig, Marino Polo, also einen Ange-M
hörigen des bekannten Geschlechts der Poli. Am 16. März verspricht er™
den Marseiller Bürgern W. Arnulfus und Raimundus Berlus, sie und ihre
Habe auf ihrer bevorstehenden Reise nach Neapel und weiter nach Apulien
und Venedig zu beschützen und ihnen als zum Schiffskauf bevollmächtigter
Kommissionär zu dienen ; dafür bezog er freie Station auf der ganzen Reise
und bei der Rückkehr nach Marseille ein Honorar von 25 1. misc, das sich
auf 75 erhöhte, falls er beim Schiffsankauf einen Eid zu leisten hatte, s)
Sicher stehen auch diese Bemühungen, Schiffe für Marseille anzukaufen, mit
dem damals unmittelbar bevorstehenden Kreuzzuge in Zusammenhang
478. Im Verkehr mit den kleineren Häfen der Provence
können wir in unserer Periode von Italienern fast nur die Genuesen
nachweisen.
Von Pisa wissen wir nur, daß es während seines Krieges mit Genua
am 27. Juli 1208 mit Fos einen Friedens- und Freundschaftsvertrag auf
21 Jahre einging und daß die Nizzarden während ihres Abfalls von Genua
mit Pisa in Verbindung traten 6); auch wissen wir, daß provengalisches See-
salz über die Westalpen bis nach Piemont ging; Graf Raimund -Berengar
von Provence hat im Februar 1226 den Kartäusern von Susa gestattet),
alljährlich einmal Salz aus seinem Gebiete auf 12 Lasttieren völlig abgaben-
frei auszuführen.
Genua hat am 7. August 1199 mit den Herren von Fos und Hyeres
während des Krieges mit Pisa einen Vertrag geschlossen, nachdem ihm die
^) No. 763 — 765. Die Gaetani und Paganelli waren bekannte pisanische Familien.
«) No. 979, 980, 990 (nur Regesten).
3) Oben § 469.
*) No. 165, 1002; 877, 670, 671.
*) Si navem vel naves emero, de qua vel quibus contingerit me facere
cramentum ex necessitate tempore empcionis (no. 12). Die Natur dieses
Eides bleibt unklar; handelt es sich um einen von der Behörde beim SchifEskauf
verlangten oder einen bei der ausgehenden Bodmerei zu leistenden Eid ? Jedenfalls
berührt der Preis für einen solchen Eid höchst sonderbar.
^) Vertrag mit den Markgrafen und den vier Konsuln des castrum Fossi in
Bonainis Raccolta, Ms. im Staatsarchiv zu Pisa. Ann. genov. 11, 132 f.
'') Saverio di Collegno: Notizie d'alc. certose del Piemonte, in: Misc. ital. 32
(1895), p. 215.
I
II
Handelsbeziehungen zwischen Italienern und Südfranzosen etc. 607
Zerstörimg eines Kastells auf den hyerischen Inseln gelungen war^); mehr
Aussicht auf Dauer hatten die Verträge, die es im Jahre des Friedens mit
Marseille mit den Bevollmächtigten 'für Hyeres, Toulon und Fos abschloß.^)
Die auf beiden Seiten bisher bewilligten Represalien wurden kassiert; die
fernere Ausübung von Represalien sollte nur im Falle der Rechtsverweige-
rung zulässig sein. Genua versprach, die in dem Gebiet der genannten Orte
abzuhaltenden Jahrmärkte zu fördern und ihre Termine auf amtliche An-
zeige den Interessenten rechtzeitig bekannt zu geben. Ausfuhrverbote im
gegenseitigen Verkehr durften von selten der drei Orte nur für Weizen und
Gerste, von selten Genuas für Lebensmittel überhaupt sowie für Holz, Hanf
und Tauwerk erlassen werden ; doch sollte der Ankauf von Holz und Tauen
für den eigenen Bedarf den Bewohnern der drei Orte immer gestattet sein.
Besonders genau wurde der Salzhandel von Hyeres und Toulon nach Genua
geregelt; die gesamte Salzproduktion dieser Orte durfte nur an die Verwal-
tung des genuesischen Salzmonopols verkauft worden. Für alles nach Genua
importierte Salz zahlte sie 18 den. jan. für die mina; Entladung und Ab-
messung des Salzes unterlagen genauen Vorschriften. Kaufte die Verwal-
tung in Hyeres selbst, so zahlte sie 9 d. für die oUa, wenn das Salz am
Meere lagerte, 8 d. bei größerer Entfernung. Genua versprach, seine mina
nicht zu vergrößern, Hyeres, seine oUa nicht zu verkleinern; gegenseitig
tauschte man geeichte Normalmaße aus. Hatten die Salzverkäufer in Genua
ihren Vierzigsten (quarantenum salis) entrichtet, so durfte von ihnen für
die Waren, die sie aus dem Erlöse ihres Salzes erstanden, keine höhere Ab-
gabe erhoben werden als von den Genuesen selbst. Ihre Segel und sonstigen
Pfandstücke sollten den Salzschiffern unverzüglich und ohne Kosten durch
die riparii zurückgegeben werden, sobald die genuesische Behörde nach ihrer
Abfertigung Anweisung dazu erteilte. Wollte Genua einmal auf sein Vor-
recht des alleinigen Salzankaufs verzichten, so hatte es rechtzeitig davon
amtliche Mitteilung zu machen.
Dreißig Jahre später sehen wir das Salz dieser Orte in dem großen
Kriege zwischen Genua und dem Kaiser eine Rolle spielen. Als der Podestä,
von Genua 1242 gegen die feindliche Flotte zog und Albenga ihm die Tore
schloß, nahm er neben einigen anderen Fahrzeugen im Hafen auch ein Salz-
schiff von Hyeres fort; dann folgte er dem Feinde bis Hyeres selbst und
ließ, da dieser entkommen war, in jede seiner Galeeren 200 Minen Salz
laden und kehrte so nach Genua zurück. Aber noch im Spätherbst wandte
sich Admiral Ansaldo de Mari wieder nach der Provence, um Salz nach
Savona zu schaffen; als die Leute von Hyeres sich weigerten, für ihn Salz
zu laden, wandte er sich zu gleichem Zwecke mit besserem Erfolge nach
Toulon. 3) Nicht minder kam auch der Lebensmittelhandel Genuas mit der
Provence bei diesen Kämpfen in Frage. So rüsteten die Genuesen im Früh-
jahr 1244, als eine große Karawane von Fahrzeugen mit Getreide und son-
stigen Lebensmitteln von der Provence nach Genua unterwegs war*), auf
die Kunde, daß Andriolus mit 10 armierten Galeeren und 7 mit Getreide
beladenen taridae nach Savona gekommen sei, sofort eine Flotte von 25 Ga-
») Ann. genov. II, 77 u. XLI.
») Lib. Jur. I no. 673, 674 ; am 24. April 1211 auf 20 Jahre geschlossen. Ra-
tifikation durch die Herren von Hyeres am 8. Mai, no. 676.
») Ann. Jan., SS. XVin, 206 f.
*) Ebd. 213 : cum magna caravana lignorum esset in partibus Provincie cum
blava et victualibus Januam Ventura.
608 Vierzigstes Kapitel. Handelsbeziehungen der Italiener und Südfranzosen etc.
leeren aus, der es auch gelang, die Karawane glücklich von Monaco bi&
Genua zu geleiten; und 1247 war eine ähnliche Maßregel erf orderhch. i) Bei
diesem Lebensmittelhandel kamen sicher auch die Häfen der östlichen Pro-
vence wesentlich mit in Betracht. Seinen Vertrag mit Frejus hatte Genua
im Jahre 1204 erneuert^); von den Messen des Orts aber hören wir in der
Folge nichts mehr; sicher hat der Krieg und vor allen Dingen der immer
zunehmende direkte Besuch der Champagner Messen durch die Italiener
ihre weitere Entwickelung gehindert. Immerhin wissen wir, daß die Aste-
sanen noch 1251 die Messen der Provence auf dem Wege über Genua auf-
zusuchen pflegten; dabei war ihnen die Ausfuhr von Tuchen oder Leinwand
aus Genua nach der Provence untersagt.^) Seinen Vertrag mit Grasse ver-
längerte Genua im Jahre 1198 auf 29 Jahre, und das gleiche geschah noch
1250, wo der SeneschaU Karls von Anjou und die Gemeinde Gesandte zu
diesem Zweck nach Genua schickten 4); auch mit Savona hat Grasse 1198
einen Handelsvertrag geschlossen. 5)
479. Nizza stand während dieser Periode zeitweise vollständig unter
der Oberhoheit Genuas, so daß es namentlich in kommerziellen Dingen ganz
von dessen Willen abhängig war; auch sein Podestä mußte ein Genuese
sein. Während des Krieges mit Marseille aber fiel Nizza im Jahre 1210 von
Genua ab, erkannte die Hoheit des Grafen Sancho von Provence an 6) und
machte den Genuesen in den nächsten Jahren viel zu schaffen.'^) Erst im
November 1215 ergab es sich dem Konsul Oberto Spinola; es verpflichtete
sich zum Eintritt in die genuesische Compagna, zur Heeresfolge und zur
Leistung der collecta maris; das Schloß von Nizza, das eine aragonesische
Besatzung gehabt, wurde gänzlich zerstört. 8) Im Jahre 1225 erwarb sich
der genuesische Podestä von Nizza, Guilelmus Embriacus, besondere Ver-
dienste um den Hafen der Stadt; er bestimmte, daß jede Salzbüse, die
100 ollae salis oder mehr transportierte, 1/4 den. pro olla zum Besten des
Molobaues zu zahlen hätte; der gleiche Maßstab sollte auch bei Schiffen,
die Getreide und andere Waren führten, angelegt werden, während kleinere
Schiffe im Verhältnis weniger herangezogen wurden. 9)
Im Jahre 1229 indessen ging Nizza den Genuesen doch verloren; der
Graf von Provence bemächtigte sich im November der Stadt, und die An-
strengungen Genuas, Nizza wiederzugewinnen, blieben erfolglos. Noch im
selben Jahre gewährte Raimund-Berengar den Nizzarden ein Privileg, das sie
in seinem ganzen Gebiet in bezug auf Zollabgaben den Leuten von Grasse
gleichstellte; Karl von Anjou hat das Privileg im Jahre 1246 bestätigt. *o)
Genua fand sich in seinen Verlust ; in dem Vertrage, den Genua nach
seiner schweren Niederlage gegen die kaiserliche und pisanische Flotte bei
Giglio 3. Mai 1241 mit dem Grafen Raimund-Berengar schloß, verzichtete
es endgültig auf Nizza, während der Graf versprach, die Besitzungen, die
Ebd. 222.
Lib. Jur. I no. 469.
Ebd. no. 812.
Ebd. no. 415 (= Papon U, preuves no. 31) u. 787.
Bruno p. 118.
Er bestätigte die Statuten u. Priv. Nizzas; Leg. Municip. I p. 83.
Ann. genov. II, 118, 122, 132 f.
Ebd. 137 f.
Leg. Municip. 1, 72 f. capit. de Modulo
Ann. Jan., SS. XVin, 174. Lib. Jur. no. 680. Leges Municip. I, 85.
Einundviemgstes Kapitel. Handelsverkehi- d. südfranzös. Plätze untereinander. 609
dem Jordanus Richerii (der zum Genuesen geworden war) in Nizza und
Gebiet gehört hatten, anzukaufen i) ; am 18. Dezember teilte der Graf den
Genuesen mit, daß er seinen baiulus in Nizza, Romeus de Villanova, an-
gewiesen habe, ihren von dem Gesandten Homobonus vorgebrachten Wün-
schen möglichst zu willfahren. 2) Bei der Erzählung von seinem Tode be-
zeichnen die offiziellen Annalen den Grafen als Freund Genuas.
Einundvierzigstes Kapitel.
Handelsverkehr der siidfranzösischen Plätze unter-
eloander seit dem dritten Kreiizzuge.
480. Auch untereinander sehen wir nunmehr die südfranzösischen
Handelsplätze in vielfachem Verkehr und nicht selten regeln und
festigen sie jetzt ihre Beziehungen durch besondere Handelsverträge.
Die diplomatische Mission, die Narbonne im Jahre 1224 aussandte,
begab sich zunächst nach Hyeres^), ohne indessen hier einen Abschluß zu
erreichen; dagegen brachte sie am 14. August mit Nizza einen Friedens-
und Freundschaftsvertrag zustande"*) — die Schutzmacht Genua hatte da-
gegen um so weniger einzuwenden, als diese Verträge offenbar hauptsächlich
den Weg der Narbonnesen nach Genua zu sichern bestimmt waren. Am
Anfang des folgenden Jahres wurde einer der beiden Gesandten, Bernardus
de Leone, nochmals nach Hj^eres geschickt, mit dem nunmehr ein Friedens-
vertrag auf 29 Jahre, in dem man die bisher vorgefallenen Schädigungen
sich gegenseitig vergab, geschlossen wurde s); auf der gleichen Grundlage
schloß er auch mit Toulon ab, mit dem schon 1220 ein gleicher Vertrag
vereinbart war, der aber wirkungslos geblieben war.<>) Beide Verträge spre-
chen den Grundsatz aus, daß man sich bei Forderungen nur an die Person
des Schuldners zu halten habe ; Toulon versprach außerdem, gegen die Nar-
bonnesen kein Handelsverbot zu erlassen, das nicht zugleich die Bewohner
von Toulon selbst träfe. Mit Marseille scheint ein besonderer Vertrag nicht
bestanden zu haben; doch liegen für den Handelsverkehr zwischen Mar-
seillem und Narbonnesen in dem Marseiller Urkundenmaterial mehrfach
Belege vor.'^) Mit seinem südüchen Nachbar, Arnold, dem Herrn von Salces,
schloß Narbonne am 31. August 1230 einen die Messe von Tinieres (nun-
dinae de Taisneriis) betreffenden Vertrag, in dem die Narbonnesen diese
Messe nach Möglichkeit zu fördern versprachen, während Arnold an den im
') Tjb. Jnr. I no. 761. Jordanus Rieh, war 1201 Stadtkonsul von Genua ge-
wesen.
*) Lib. Jur. I no. 762. Über Romeus s. ann. Jan. p. 197.
») Oben § 460. Blanc p. 294 f.
*) Ebd. 292 ff. Port 104.
») Blanc p. 294—301 (16. Febr. 1225 ; Ratifikation in Narbonne 2. Oktober).
«) Ebd. 301—306 (20. Febr. 1225).
'') Abgesehen von dem Durchgangsverkehr nach anderen Handelsgebieten:
Amalric no. 350, 794; am 13. Juli 1248 verkauft Job. de Turre von Narb. seine sa-
razenische Sklavin Fatima in Mars, für 7 1. misc, no. 972 ; am 17. Juli Arnaudus
Gacba von Narbonne zwei saraz. Sklavinnen für 8 1. misc, no. 984/85 ; am 22. Apr.
Giraudus de Beguns von Narb. eine Barke für 14 1. melg. ; no. 570.
Schaube, Handelsf^escbicbte der roman. Völker im Mittelalter. 39
610 Einundvierzigstes Kapitel.
Vertrage festgesetzten, gegen früher z. T. ermäßigten Abgaben streng fest-
zuhalten versprach. Sie betrugen beim Eintreffen auf der Messe für die
volle Pferde- oder Maultierlast 2, für die Esellast 1 sol. melg. ; beim Ver-
lassen der Messe waren diese Sätze um 1/4 niedriger, während unverkauft
gebliebene Waren zollfrei ausgeführt werden durften. Die von den Kauf-
leuten für die Benutzung eines Verkaufsraums in der Halle oder deren Vor-
raum zu zahlende Abgabe wurde von 5 sol. melg. auf 4 herabgesetzt und
sollte auch dann nicht erhöht werden dürfen, wenn der Herr von Salces
eine neue gut gedeckte Halle einrichten ließ.i)
481. Nach dem Muster von Narbonne hat auch Montpellier wenig
später seine Beziehungen zu den Seeplätzen der Provence durch Verträge
geregelt; als seine Gesandten vom Abschluß des Vertrages mit Pisa heim-
kehrten, schlössen sie in den Tagen vom 19. bis 24. September 1225 der
Reihe nach Verträge mit Nizza, den Herren von Antibes, Hyeres und Tou-
lon 2) ; überall lehnte dabei Montpellier jede Verantwortung für andere Unter-
tanen des Königs von Aragon, die nicht unter seiner eigenen Jurisdiktion
standen, ab. Mit Nizza war das Verhältnis am engsten ; gegenseitig gestand
man _^ich hier, wie es bisher schon üblich gewesen, die gleichen Freiheiten
wie den eigenen Bürgern zu; von Jahr zu Jahr sollte das von neuem be|
schworen werden. Am Anfang des folgenden Jahres kam auch ein Vertrag
mit den Herren der Feste Frontignan (auf dem Wege nach Agde, bei Cette)
hinzu 3), in dem diese sich verpflichteten, Frieden zu halten mit Montpellier
und allen, mit denen dieses im Vertragsverhältnis stand; offenbar war die^
Sicherung der Küstenschiffahrt auf der Strecke, die Montpellier als sein«
Machtsphäre betrachtete"^), der Hauptzweck dieses Vertrages.
Es bestand damals eine natürliche Schiffahrtsverbindung, die vor
;ßtang de Mauguio nach dem westlichsten Mündungsarm der Rhone führte
und somit Montpellier mit Saint-Gilles und weiterhin mit Arles imter Ver-
meidung des offenen Meeres durch eine innere Schiffahrtstraße verband.
Daß sie häufig benutzt wurde, zeigt ein Zolltarif von Saint-Güles, der die
zu Wasser von Montpellier kommenden Waren mehrfach erwähnt; natürhch
war dieser Weg nur für kleine Fahrzeuge brauchbar, ß) Im Jahre 1237
schickte Montpellier zwei seiner Konsuln nach Arles, das im selben Jahre
schon einen Vertrag mit Genua geschlossen hatte; am 18. November kam
ein Freundschafts- und Handelsvertrag auf 10 Jahre zustande, ß) Die Are-
latenser sagten denen von Montpellier und ihren Waren volle Sicherheit zu
auf dem Hauptmündungsarm der Rhone vom Meere bis Arles und auf dem
von Arles nach Saint-GiUes führenden Rhonearme bis zur Grenze von Saint-^
Gilles; sie sollten in Arles volle Handelsfreiheit haben und nur an dieil
gleichen Handelsverbote wie die Bürger von Arles selbst gebunden sein."
Waren, die sie vor Erlaß eines solchen Verbots in Arles gekauft oder nach
lg"
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1) Blanc p. 306 f.
^) Germain, commune 11, 446 ff. App. no. 26 — 29.
') Ebd. p. 456 no. 30.
♦) König Jayme hat die Stadt gegen eine Rekognitionsgebühr von jährlich
1 morab. mit dem ganzen Küstenstreifen (einschließlich der Strandseen) von Cette
bis Aigues-mortes belehnt; Germain, C9mmerce, pifeces justif. no. 12 p. 196; coml
mune 11, 20.
6) Bondurand p. 286 f. (rub. 36, 41, 49, 50); dazu p. 271. ]
•) Germain, commune 11, 462 f. no. 32. Die von Montpellier ausgestellte Gegen-
urkunde ist nicht erhalten.
I
Handelt; verkehr der südfranzösischen Plätze untereinander. 611
Vlies importiert hätten, sollten sie mit Ausnahme von Getreide unbehindert
ausführen dürfen. Abgaben sollten von ihnen nur in gleicher Höhe wie
von den Arelatensern erhoben werden; jede Minderung derselben kam ihnen
ebenfalls zugute, während eine Erhöhung mit alleiniger Ausnahme der Salz-
steuer (cisa salis) sie nicht mit treffen sollte. Sollte Montpellier mit dem
Grafen von Provence in Krieg geraten, so war seinen Bürgern zur Fort-
schaffung ihrer Habe aus Arles und Gebiet eine Frist von 50 Tagen zu ge-
währen.
482. In besonders regem Handelsverkehr stand Montpellier mit Mar-
seille, dessen Schiffe, wie wir wissen, seine Kaufleute zu ihren Handels-
fahrten sehr oft benutzten. Aus diesem Mangel eigener großer Seeschiffe
erklärt sich auch die Montpellier eigentümliche Institution der consuls sur
mer, die die auf einem fremden Schiff fahrenden Landsleute unter einer
heimischen Autorität zusammenhielt. i) Erhalten ist uns der Vertrag, den
die Gesandten von Montpellier, Guilelmus Lambertus und Petrus de Fisco,
am 6. Dezember 1229 in Marseille abschlössen, in dem man sich zusicherte,
gegenseitig für Rechtsschutz und Sicherheit von Personen und Waren zu
sorgen, bei Delikten oder Schulden sich nur an die betreffende Person zu
halten und die beiderseits herkömmhchen Abgaben nicht zu erhöhen. Ins-
besondere versprachen beide Teile, für die Sicherheit aller Untertanen von
Marseille oder Montpellier einzutreten, die auf Kauffahrteischiffen oder son-
stigen Fahrzeugen von Marseille oder auf Fahrzeugen von Montpellier oder
auch anderen Fahrzeugen unterwegs wären; es ist nicht zufällig, daß von
Kauffahrteischiffen (naves) Montpelliers hierbei nicht die Rede ist. 2) Kamen
Fahrzeuge von Montpellier auf der Küstenfahrt nach Marseille, so waren
nur die in Marseille gelöschten oder dort verkauften Waren zollpflichtig.
Der Vertrag ist auf 5 Jahre geschlossen und scheint vorher wie nachhef
immer im gleichen Zwischenraum erneuert zu sein; als 1248 oder Anfang
1249 Streitigkeiten unter den Kaufleuten beider Städte in Accon ausbrachen,
einigte man sich doch bald wieder auf der alten Grundlage: alle zwischen
Bürgern der beiden Städte eingegangenen Kontrakte sollten in Kraft bleiben
und die Marseiller verpflichteten sich ausdrücklich, für den Schutz aller
Untertanen von Montpellier und ihrer Waren, so lange sie sich auf Mar-
seiller Schiffen oder auf Marseiller Gebiet befanden, genau ebenso Sorge. zu
tragen, als wenn es sich um Untertanen von Marseille selber handelte, s)
Bei den Hafenverhältnissen Montpelliers hatte es für dieses ein ganz
besonderes Interesse, als in seiner Nachbarschaft, hart an der Grenze seines
Küstengebiets, ein auch großen Schiffen zugänglicher Seehafen entstand, der
unter Umständen Montpellier von der Abhängigkeit, in der es bezüghch der
Hochseeschiffahrt von anderen Handelsplätzen, erst von Genua und Pisa,
dann von Marseille, stand, befreien konnte. So ist es auch natürlich, daß
*) Bezüglich der Konsuln des Meeres in Montpellier verweise ich auf mein
>Konsulat d. M.< S. 235 ff., wo ich übersehen habe, daß das Amt schon 1238 in
einer den Seezoll in Lattes betr. Bulle Gregors IX. (Germain, commune I, App.
no. 23 p. 374) nachweisbar ist: Ex parte consulum ville ac maris Montispess. fuit
propositum coram nobis etc.
*) Germain, commune 11, 457 no. 31.
*) Ebd. 465 no. 33. Auch hier ist in dem Gegenversprechen von > naves <
von Montj). nicht die Rede. Oben § 146. Im Frühjahr 1248 gehen die Galeere
des Petrus Bonifacii und die Barke des Guil. Bernardi von Marseille nach Montp.
Amalric no. 545, 650.
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612 Einund vierzigstes Kapitel.
Montpellier seinen Einfluß bei König Ludwig geltend machte, damit Aigues-
mortes nicht zu einer Domäne ausländischer Kolonisten wurde, i) Auch an
die Regentin Bianca wandte sich Montpellier während der Abwesenheit des
Königs im Orient im Sommer 1250 im Interesse seines Handels in Aigues-
mortes und fand mit seinen Wünschen und Beschwerden auch eine wohl-
wollende Aufnahme. 2) So wollte der Herr von Lunel an einem Wasserlauf
in der Nähe von Aigues-mortes, offenbar veranlaßt durch den Verkehr, der
sich zwischen Montpellier und Aigues-mortes entwickelt hatte, jetzt plötzlich
einen Zoll erheben; die Regentin sandte dem königlichen Seneschall von
Beaucaire und Nimes Ordre, seine Entscheidung nur nach genauer Unter-
suchung und in Gegenwart der Bevollmächtigten von Montpellier zu treffen,
inzwischen aber die Erhebung des Zolls nicht zuzulassen; er sollte ferner
nicht dulden, daß jemand die Seefahrer, die nach Aigues-mortes kamen,
irgendwie belästigte oder vergewaltigte ; auch sollte er keinen Bewohner von
Montpellier wegen des Delikts oder der Schulden eines seiner Mitbürger
festnehmen dürfen, ehe sich nicht eine Anzeige des Falls bei den Konsuln
von Montpellier * wirkungslos erwiesen hätte. Wenn wir Montpellier ii
dieser Zeit zuerst mit eigenen Seeschiffen in Syrien auftreten sehen 3), s(
hängt das wahrscheinlich damit zusammen, daß es nunmehr zur Stationie-
rung solcher Schiffe den Hafen von Aigues-mortes benutzen konnte — dabei
behielt natürlich zunächst der Verkehr über Marseille durchaus das Über-
gewicht.
Aber auch Marseille stand schon mit dem neuen Seehafen, bis zu dei
es übrigens auch die Hoheit über die Meeresküste beanspruchte*), in Ver-
kehr, wie uns das Notularium Amalrics zeigt. Aus dem Sommer 1248 kennen
wir ein Seedarlehn, das für die Fahrt der Büse S. Franciscus von Marseille
jQach Aigues-mortes auf geladene Fässer gegeben war^) ; zur selben Zeit hatten
Marseiller Seeleute Anker und Steuerruder in Aigues-mortes lagern*"'); undfll
am 30. März 1248 wurde der in Accon weilende Kaufmann Stephan Boc-
cados von Stephan Gascheti von Puy durch Notariatsakt von Marseille aus
ermächtigt, Außenstände, die aus einer seinerzeit von ihm in Montpellier
gegebenen Commenda herrührten, für ihn einzuziehen, in Waren anzulegen,_j
und diese für ihn nach Marseille oder nach Aigues-mortes zu senden.'^) m\
483. Zwischen Marseille und den übrigen Seeplätzen der Provence
kennen wir mehrere Verträge; so mit Nizza vom 27. August 1219, wo man
sich gegenseitig Sicherheit und Vergessen der bisher vorgefallenen Schädi-
gungen versprach, während private Verpflichtungen in Kraft bleiben sollten ^) ;
ferner mit Hyeres und Fos, bei denen indessen die Beilegung territorialer
Differenzen die Hauptrolle spielte. ^) Amalrics Notularium zeigt uns Schiffe
1) Oben § 465.
*) Germain, commerce, pieces justif. no. 20 p. 212 ff.
3) Oben § 161.
*) Geht aus dem Eventualvertrage mit Thomas von Savoyen von 1226 her-|
vor: dabo . . . mare et ripam maris et portus et insulas a portu Aquarum mortu-
arum usque ad portum Oliveti (bei Tonion) ; Möry et Guindon I, 319.
') Amalric no. 1013, 1019.
«) Ebd. 960, 961 : ante domum Carretarii et uxoris sue ; falls sie inzwischei
verkauft, ist der Preis einizuf ordern.
') Ebd. 251.
•) M6ry et Guindon I, 271 ff. (statt societates, condamnationes etc. ist
zu lesen commendationes).
«) Ebd. 269, 285, 290 f. (von 1219, 1221, 1223).
Handelsverkehr der südfranzösischen Plätze untereinander. 613
von Hyeres in Marseille, Marseiller Schiffe in Toulon und Nizza (in portu
Nicie de 01ivo)i); ein Nizzarde kauft in Marseille ein Pfeilschiff (sagetia)
für 122^/2 1- misc. ; eine Marseiller Barke, mit 13 Mann Besatzung, 2 Bal-
listen und je 10 Lanzen und Schilden ausgerüstet, wird am 6. Juni 1248
an den Marseiller Bürger Hugo de Quillano vermietet, um zwei dem Könige
von Frankreich gehörige Steuerruder (timones) nebst Personen und anderen
Gegenständen nach Nizza zu transportieren; es wird ihr die Verpflichtung
auferlegt, die Fahrt mit zwei anderen genau bezeichneten Barken gemeinsam
zu machen (facere conservagium).^) Auch für den Warenhandel zwischen
Marseille und Nizza liegt ein Beispiel vor. W. de Sardinea von Nizza hatte
dem Marseiller Bertrandus de Casellis einen Posten Taft zum Verkauf in
Marseille anvertraut; sein Sohn Petrus quittiert am 16. Juni in Marseille
über den ihm durch einen Marseiller Campsor ausgezahlten Erlös von 27 1.
misc. 2)
484. Wichtig für den Handel Marseilles war natürlich auch sein Ver-
kehr mit den Rhonestädten. Im April 1225 sehen wir es mit Avignon ein
enges Bündnis schließen 4), also kurze Zeit vor der schweren Katastrophe,
die Ludwig VIH. im Zusammenhange mit dem Albigenserkriege dieser Stadt
bereitete. Dagegen war es einige Jahre darauf mit Arles verfeindet; im
Oktober 1228 schloß dieses sogar mit Raimund-Berengar von Provence ein
Bündnis gegen Marseille; beide verpflichteten sich, die Handelssperre über
Marseille zu verhängen und ihm namentlich keinerlei Lebensmittel zuzu-
führen.^) In den vierziger Jahren indessen bestand ein Bund zwischen Mar-
seille, Arles, Avignon und Bertrand von Baux ; in dem Eide, den der Podestä
von Arles, Albert von Lavagna, am 5. März 1247 bei Antritt seines Amts
leistete, ist auch die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung dieser Societas
enthalten.^)
Auch hier erfahren wir aus dem Notularium Amalrics manches lehr-
reiche Detail. Abgesehen von jenen Marseiller Galeeren, die nach Arles
gingen, um Ladung für italienische Häfen einzunehmen, sehen wir auch ein
arelatisches Fahrzeug (das lignum Pastoretus des Raimundus Baptizatus)
mit Getreide nach Marseille fahren ; Seenot zwang es, einen Teil der Ladung
über Bord zu werfen.'') Sicher bezieht es sich auf Handelsgeschäfte, wenn
ein Bevollmächtigter des Petrus Johannes de Tabulis von Arles am 18. Juli
in Marseille den Rückempfang eines seinerzeit in Arles gegebenen Darlehns
mit 224 1. raim. bestätigt. In einem dritten Fall wird Lieferung von zwei
Steuerrudern aus Eichenholz in genau vorgeschriebenen Maßen für 70 1. vien.
nach Marseille oder doch nach Arles versprochen, von wo sie dann so bald
als möglich nach Marseille zu transportieren waren. 8)
') Oben § 475. Amalric no. 539, f)84.
«) Ebd. 844, 858.
») Ebd. 886.
*) Möry et Guindon I, 307 (11. April: Vollmacht für die Marseiller BevoU-
luächtigten); p. 324 das Versprechen Avignons vom 30. April, das also unmöglich
1226 angesetzt werden kann; auch die Indiktion XIII widerspricht dem. Nebenbei
sei bemerkt, daß Saint-Gilles schon im Mai 1208 einen Handelsvertrag mit Avignon
abgeschlossen hatte; neben Zusicherungen allgemeiner Art enthält er das Prinzip
nur den Schuldner selbst haftbar zu machen. Papon II pr. no. 33 p. XXXV.
*) Papon n, preuv. no. 47 p. LV.
«) Chart, n no. 1870.
») Amalric no. 370. Oben § 283.
*) Ebd. 996, 648.
Be-
614 Einundvierzigstes Kapitel.
In dem weiter oberhalb am rechten Rhöneufer gelegenen Beaucaire
hatte Marseille vom Grafen Raimund von Toulouse am 27. August 1216.
mehrere Häuser auf dem Marktplatz geschenkt erhalten i), ein deutliches
Zeichen für das kommerzielle Emporkommen dieses Orts; das Notularium
Amalrics zeigt uns einen Kaufmann von Beaucaire, Bermundus Enguilberti,
der dem Marseiller Fulco Fusterii 40 1. paris. und 60 1. vian. gegen Ver-
pfändung von 22 Broden Seife und 13 1/2 Dutzend eichenen Brettern geliehen
hatte; er wird durch zwei andere Marseiller, an die das Pfand nunmehr
übergeht, befriedigt und verspricht Zustellung der für kraftlos erklärten
Schuldurkunde sofort nach seiner Ankunft in Beaucaire. 2)
Einen Kaufmann aus Avignon lernen wir in Johannes Marinus kennen,
der im März 1248 in Marseille 7 Sack Hutwolle, gute und marktgängige Ware, zu
38 1. misc. die Last und 4 Sack Baumwolle (cotono mapusio) zu 20 1. misc.
die Last verkaufte und binnen 8 Tagen zu liefern versprach.^) Vor seiner
Abreise aus Marseille übergab er 48 Ztr. Süßholz dem Marseiller W. de Ca-
deneto zum Verkauf, der dann am 21. Mai vom Erlöse im Einverständnis
mit Johannes dessen Schwager, Giraudus Ruffus aus ITsle in Venaissin, 64 1.
misc. in Commenda gab.*) Im April 1248 fuhr von Marseille nach Avignon
die Barke des Arelatensers Imbert; der soquerius Johannes Benedictus hat
für diese Fahrt 32 1. misc, die in Safran, ferner in blanqueto und in scutel-
lis angelegt waren, in Commenda genommen, während dem Johannes Se-
querius für die gleiche Handelsreise 91 Pfund Indigo von Bagdad im Wert
von 21^/4 1. misc. anvertraut wurden, ß)
485. Zuweilen wurden Waren nur für die Rhönefahrt im allgemeinen!
ohne bestimmtes Reiseziel, in Commenda gegeben, Avie es im Jahre 1235
mit einer Ladung Erbsen im Wert von 11 1. reg. cor., die Johannes Espigua
von Tarascon von Bernardus de Mandolio in Marseille übernahm und 1248
mit 3 Lasten Schwefel im Wert von 14 ^U 1- misc, die Raimundus PellipariusMj
empfing, der Fall war.^) f j
Auch sonst begegnen uns Leute aus kleineren Orten der Provence,
wie z. B. Aubagne, Salon, Manosque, oder aus anderen Gebieten Südfrank-
reichs, wie von Carcassonne und dem benachbarten Limoux*^), von Cahors,
Figeac, Limoges in den reichhaltigen Akten Amalrics häufig genug in Mar-
seille ; und wenn es sich in nicht wenigen dieser Fälle um Fremde handelt,
die in Marseille "ansässig geworden, so ist das nur ein Beweis mehr für die
Anziehungskraft, die die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mächtig^
1) M6ry et Guindon IV p. 333 (nur Regest), mit Bestätigung vom 19. SeptÄ!
1225. Über die angeblich 1217 erfolgte Gründung der Messe von B. vgl. Devic et
Vaissfete VI (1879), 503. S. auch Huvelin in: Nouv, Rev. hist. de droit franc,-, et
etranger 25 (1901), 527 über neuere Arbeiten zur Geschichte dieser Messe.
*) Amalric no. 965.
») Ebd. 30.
*) Ebd. 755. Giraudus' Bruder Bernardus hatte am 31. März von Joh.
Darlehn erhalten, für das er ihm ein operatorium in seiner Heimat l'Isle, das mit
den Häusern seines Bruders daselbst grenzte, verpfändet hatte ; no. 313.
*) No. 473 u. 482. Möglicherweise handelt es sich in beiden Verträgen u
dieselbe Person.
*) Manduel no. 71: in hoc viagio de ripa Rodanis; Amalric 453: in proxim
viagio quod facturus sum in riperia Rodani.
">) Bei einem Kauf von pectines de buxide am 18. Mai in Marseille wird Zah<
lung des Kaufpreises mit 6V2 1- melg, in Limonx, in feste S. Johannis proximi
venturo, ausbedungen. Amalric 733.
<,'• et
Handelsverkehr der südfranzosischen Plätze untereinander. 615
emporgeblühte Seestadt auf weite Kreise auch des Binnenlandes ausübte.
So strömten denn auch außer den nordfranzösischen und flandrischen Tuchen
die Erzeugnisse der südfranzösischen Textilindustrie hier zusammen: der
Marseiller Tarif führt Tuche von Narbonne i), von Cahors, Limoges, Gourdon
und Figeac, von Avignon und Beaucaire auf und belegt diese und alle ähn-
lichen Stoffe mit einer von den Fremden zu zahlenden Abgabe von 4 d.
vom Stück 2), während z. B. die Stamfords von Arras 6 d. und die von Saint-
Omer 12 d. zu zahlen hatten. Da bei dem großen Umfange des Tuchhandels
in Marseille nicht selten Täuschungen vorkamen, so betraute man mit der
Oberaufsicht über den Verkauf und die Messung der Tuche zwei angesehene
Männer, die selbst weder Tuchhändler sein noch mit solchen in einem Ge-
sellschaftsverhältnis stehen noch auch gewerbsmäßig fremde Kaufleute be-
herbergen durften .3) Auch Saint-Gilles erscheint als ein wichtiges Zentrum
des Tuchhandels; im dortigen Tarif begegnen außer manchen der schon ge-
nannten auch die Tuche von Arles, Nimes, Uzes und Ganges (Dep. Herault)
sowie die von Beziers und Cabestany (bei Perpignan).*)
^) Ihre geringe Qualität geht besonders aus einem Statut der Abtei S. Victor
von 1218 hervor: »aut panno s. Poncii (S. Pons bei Nizza) vel Narbone vel alio
aeque vili«. Port 58 A. 1, 56 A. 4.
2) M6ry et Guindon I, 345 (de leusdis pannorum).
") Ebd. n, 28.3: non draperii nee socii draperiorum nee hospites mercatorum
extraneorum.
') Bondurand p. 281 f.
Abschnitt vni:
Ober- und Mittel-Italien.
Zweiundvierzigstes Kapitel.
Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste.
486. Der Schiffsverkehr der Genuesen und Pisaner mit Rom ist
uns für das Jahr 1120 zuerst bezeugt.
Damals kam Caffaro auf einer genuesischen Galeere als Gesandter
seiner Heimatstadt nach Rom; im selben Jahre machte Abt Egino von
S. Ulrich und Afra die Reise von Ostia nach Pisa auf einem pisanischen
Schiff; sein Gefährte Udalschalk mußte wegen der Menge der Mitfahrenden
ein zweites, gleichzeitig abgehendes Schiff benutzen; ein Sturm jagte die
Schiffe auseinander und wütete so schrecküch, ,daß sie erst nach i4 Tagen
nach Pisa kamen, wo Egino bald darauf (15. Juli) starb.i) Als Innocenz II.
1130 das widerspenstige Rom verließ, benutzte er zwei pisanische Galeeren
zur Fahrt nach Pisa; trotz des geringen Tiefgangs dieser Schiffe gelang es
nicht ohne Schwierigkeiten, die Tibermündung zu überwinden. Und im
Jahre 1133 unterstützten Pisaner und Genuesen den Papst, der zwischen
ihnen soeben Frieden gestiftet, gemeinsam mit ihren Schiffen bei der Unter-
werfung des Küstengebiets, besonders Civitavecchias.2) Am Ende seines Pon-
tifikats aber erhob sich das Volk von Rom^) und gab sich mit der Errich-
tung des Senats eine eigene Organisation; in großer Selbständigkeit steht
die Stadt seitdem für fast ein halbes Jahrhundert da, so daß sie in der Lage
ist, auch als selbständige Handelsmacht zu paktieren. Der große Einfluß
der Schiffahrt und Handel treibenden Elemente im damaligen Rom geht
schon daraus hervor, daß sie unter besonderen consules mercatorum et ma-
rinariorum standen, die 1165 zuerst nachweisbar sind und an der Vertretung
der Stadt auch nach außen hin einen sehr wesentlichen Anteil haben. Im
0 SS. XVni, 356 ; XH, 446 f.
^) Bernhard!, Lothar 317, 471. Calisse 125. Als Gegenstück sei die Fahrt
des dänischen Kanzlers Andreas erwähnt, der von Rom im Jahre 1195 unter Be-
nutzung eines de exercitu Imperatoris kommenden pisanischen Schiffes Pisa »die
secunda« erreichte. Reo. des Hist. des Gaules XIX, 316.
') Bernhard!, Konrad 351.
I
Zweiundvierzigstes Kapitel. Interner Seehandel der Tyrrhenisehen Küste. 617
Außenhandel Roms aber spielten Genuesen und Pisaner die wichtigste Rolle ;
der Getreidereichtum der Marittima war es besonders, der sie anzog; und
sicher hat auch das Salz in diesem Handel eine Rolle gespielt. In Genua
erhob der cintracus von jedem Fahrzeug, das »de Maritima et de Romania«
(was hier also das Gebiet von Rom bezeichnen muß) kam, eine mina grani ;
jeder Küstenfahrer, der die Strecke von Pisa bis Rom aufsuchte, hatte eine
Abgabe von 1 den. pro Person als coUatio portus zu entrichten.^)
Die pisanische Seezinstabelle hat für Civitavecchia einen Satz von 10,
für Rom einen solchen von 12 1/2%; auch wissen Avir, daß die pisanischen
fabri bis nach Rom hin ihrem Gewerbe nachgingen.^) Pisa war es auch,
das Anfang 1151 durch seine Gesandten Bernardus Marago (den Annalisten)
und Rainerius de Perlascio auf 20 Jahre einen Vertrag mit den Römern
und Trasteverinern schloß ; von seinem Inhalte ist indessen nichts Näheres
bekannt; und ebensowenig kennen wir die Umstände, die den Sohn des
Ptolomeus von Tusculanum, Jonathan, 1160 veranlaßten, den Pisanern den
Treueid zu schwören und sich zu ihrem Vexillifer ernennen zu lassen.^) In
dem großen pisanisch - genuesischen Kriege aber wandten sich die Römer
unmittelbar nach dem schweren Verluste, der die pisanische Flotte im Spät-
herbst 1165 traf, den Genuesen zu.
487. Als Gesandte Roms schlössen Cencius Obicionis und Gerardus
Alexii mit Genua am 22. November 1165 einen Vertrag auf 29 Jahre, der
im April 1166 zu Rom im Beisein einer genuesischen Gesandtschaft end-
gültig fixiert und ratifiziert wurde*); der Senat und die Konsuln der Kauf-
leute und Seeleute, zu denen Cencius, der zugleich päpstlicher Kanzler
(scriniarius) war, selbst gehörte, waren es, die dabei Stadt und Volk von
Rom als oberste Autorität vertraten. Für vorgekommene Seeräubereien ver-
stand sich Genua zu einer Entschädigung: Alle Genuesen, die von Genua
aus auf der Küstenfahrt nach dem zwischen Corneto und Astura gelegenen
Gebiete von Rom oder dem Gebiet des Prinzipats (seil, von Capua) fuhren,
hatten von ihrem im Handel angelegten Kapital eine Abgabe (collectam)
von i/eo zu entrichten, die von den genuesischen Kämmerern und einem
von den geschädigten Römern zu bestellenden Kommissar so lange erhoben
werden sollte, bis ein Kapital von 900 1. jan. erreicht war. Davon waren
200 für geschädigte Genuesen bestimmt, abgesehen von 100 1., die Oliverius
de Mari außerdem aus der genuesischen Staatskasse erhielt; 700 sollten die
geschädigten Römer erhalten, wozu auch hier eine weitere Summe von
100 1. trat, die bis Johanni von den Bevollmächtigten der Senatoren und
Konsuln Roms bei der genuesischen Staatskasse erhoben werden konnte.
Damit sollten alle gegenseitig vorgekommenen Schädigungen für beghchen
erachtet und alle sonst etwa aus diesem Grunde in beiden Gebieten er-
hobeneji Abgaben beseitigt werden. Im Zusammenhange damit versprach
Rom auch die Beseitigung von Auflagen auf die Genuesen, die seit 30 Jahren
zur Einführung gelangt wären.
') Lib. Jur. I no. 75 (Aufzeichnung von 1142), no. 55 (durch die Konsuln zu
1138 bestimmt). Das Notularium des Johannes enthält zwei Verträge mit der Ma-
rittima und einen mit Rom als Reiseziel. Chart. 11 no. 829, 1152; 380.
«) Bonaini II, 905 ; HI, 891 f.
«) Ann. pis., SS. XIX, 242 u. 245.
^) Die vier auf den V^ertrag bezüglichen Dokumente jetzt bei Giorgi p. 402
bis 418 ; bisher war nur das vierte derselben, die Ratifikation durch (Ue Konsuln
der Kaufleute und Seeleute von Rom bekannt (Chart. 11 no. 1517 p. 997 ff.)
618 Zweiundvierzigstes Kapitel.
In bezug auf die Ein- und Ausfuhr von Waren sollte beiderseits keine
Beschränkung bestehen ; doch durften die Römer in Genua nur an Genuesen
verkaufen, während die Genuesen in Rom, wie herkömmlich, mit jedermann
Handel treiben durften. Auch machten die Genuesen den Vorbehalt, daß
diese Zulassung der Einfuhr aller Waren nach Genua nur während des
Kriegszustandes mit Pisa und Sizilien und 3 Jahre nachher in Kraft bliebe;
dagegen setzten sie für die Dauer des Vertrages die Abgabe des Vierzigsten
von importiertem Getreide (quadrantenum grani) außer Hebung.
Weitere Bestimmungen betreffen das Verhältnis zu Pisa, mit dem Rom
formell zunächst noch die Neutralität aufrechterhielt, während es in Wahr-
heit den Kriegsfall schon in sichere Aussicht nahm. Als Friedensbruch
sollte es z. B. nicht gelten, wenn die Genuesen während ihres Krieges die
Römer an der Zufuhr von Lebensmitteln nach Pisa hinderten. Sollten da-
gegen die Pisaner fortfahren, wie sie es bisher getan, durch Abnahme von
Eiden oder auf andere Weise die Römer oder ihre in den Vertrag mit
Genua eingeschlossenen Schutzverwandten zu zwingen, nicht nach Genua,
sondern nach Pisa zu gehen, so verpflichteten sich die Römer, sobald es
wieder gegenüber mehr als zwei römischen Fahrzeugen vorkäme, die Pisaner
als Feinde zu behandeln und sie nicht eher wieder in ihrem Gebiet auf-
zunehmen, bis sie Gewähr für die Unterlassung solcher Maßnahmen geleistet.
Die Genuesen behielten sich endlich vor, falls die Römer absichtlich unter
Meidung des genuesischen Marktes den pisanischen aufsuchen sollten, nach
zwei- oder dreimahger deshalb an Senatoren und Konsuln von Rom ge-
richteter Verwarnung, sich solchen Schiffen gegenüber an das den Römern
gegebene Schutz- und Sicherheitsversprechen nicht mehr gebunden zu er-
achten.
Ihre Pflichten gegen Papst und Kaiser behielten die Römer vor ; doch
gelobten sie, gegen Personen und Waren der Genuesen auch auf deren Be-
fehl nicht eher gewaltsam vorzugehen, bis sie sie gewarnt und ihnen Ge-
legenheit gegeben hätten sich in Sicherheit zu bringen. Die Römer ver-
sprachen endlich, die zeitigen Statthalter (vicecomites et bailivos)^) in den
Küstenplätzen Terracina, Astura, Ostia, Porto, San Severa und Civitavecchia
zur Leistung eines Friedenseides gegenüber den Genuesen zu bestimmen;
sollten sie sich dessen weigern, so würden sie die Genuesen davon in Kennt-
nis setzen und im Falle einer Schädigung von Genuesen durch einen der
Genannten im Interesse derselben genau so vorgehen, wie sie es für einen
Mitbürger tun würden. Ein analoges Versprechen gaben die Genuesen be-
züglich der Konsuln von Porto Maurizio, Diano, San Remo und Ventimiglia
ab; als ihr Staatsgebiet im engeren Sinne, für das sie die unbedingte Ver-
antwortlichkeit übernahmen, bezeichneten sie in diesem Vertrage nur die
Strecke von Porto Venere bis Noli.
488. Die Pisaner zögerten nicht, aus der Haltung der Römer die Kon-
sequenzen zu ziehen; schon im Juli 1166 unternahmen fünf pisanische Ga-
leeren einen Kaperzug an der römischen Küste bis Astura hin, der eine
Menge römischer Fahrzeuge mit reicher Ladung in ihre Gewalt brachte, und
noch im September desselben Jahres erneuerten sie, nachdem sie Civitavecchia
eingenommen, diesen Zug, den sie diesmal bis Terracina ausdehnten, mit
I
II
*) Rodocanacchi E. : Les Corporation s ouvrieros ä Rome depuis la chute de
l'empire romain I (Paris 1894) p. XIII sagt: >les mettant (die genues. Kaufleute)
Hous la protection des repräsentants do la Hanse qui rösidaient dans les
ports, a Terracinc« usw.
II
Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste. 619
dem gleichen Erfolge. Und wenn sich die Pisaner im folgenden Jahre bei
dem Zuge des Kaisers gegen Rom ganz besonders beflissen zeigten, ihn mit
ihren Galeeren zu unterstützen, so hatte das z. T. in der besonderen Rech-
nung seinen Grund, die sie mit den Römern auszugleichen hatten. Als dann
der Kaiser Rom belagerte, schickten sie von der großen Flotte, die sie für
die beabsichtigte Expedition nach Sizilien gerüstet hatten, 8 Galeeren zu
Hilfe, die unter Verwüstung der Ortschaften und Kirchen in den Tiber ein-
liefen ; eine derselben drang sogar in Rom selbst ein, kurz bevor Senat und
Volk nach der Flucht Alexanders III. sich dem Kaiser zu fügen beschlossen.!)
Bekanntlich folgte unmittelbar auf den Triumph des Kaisers die durch den
Ausbruch der Pest in seinem Lager verursachte Katastrophe ; vor seinem
Abzüge aber sicherte sich der Kaiser die Treue der Römer durch ein Pri-
vileg, das ihnen viele Vorteile gewährte, insbesondere sie in seinem ganzen
Reiche von der Entrichtung sämtlicher Handels- und Verkehrsabgaben be-
freite.2) Die seitdem zum Kaiser haltende Stadt mag dadurch auch zu den
Pisanern in ein besseres Verhältnis gekommen sein ; doch kam es erst gegen
Ende des Krieges zum förmlichen Frieden, der von den pisanischen Ge-
sandten am 10. Januar 1174 mit den 6 Konsuln der Kaufleute und Seeleute
Roms abgeschlossen wurde; im August erschienen dann römische Gesandte
in Pisa, um auch den Friedenseid der Pisaner entgegenzunehmen.'^) Der
Vertrag stipulierte gegenseitigen Schutz der Untertanen, auch im Falle des
Schiffbruchs, und regelte das Verfahren, wenn dem Vertrage zuwider doch
eine Schädigung der Bürger des einen durch Bürger des anderen Staates
stattgefunden hätte. Sollte der Schuldige nicht selbst zum vollen Schaden-
ersatz gezwungen werden können, aus welchem Grunde auch immer, so war
zunächst, wenn der Geschädigte ein Pisaner war, die Höhe des Schadens in
Pisa festzustellen und diese Summe dann durch Erhebung einer Abgabe von
sechs vollwichtigen altpisanischen Denaren (affortiati) von jedem Römer, der
nach Pisa kam, allmählich aufzubringen ; analog wurde verfahren, wenn der
Geschädigte ein Römer war. Handelsstreitigkeiten, die zwischen Römern
und Pisanern in Pisa oder Rom entstanden, sollten von den consules mer-
catorum des betreffenden Ortes nach dem Recht oder den guten Gewohn-
heiten so rasch wie möglich, ohne alle Parteilichkeit entschieden werden.
In Pisa und Gebiet sollten die Römer völlig unbehindert Handel treiben
können, ebenso umgekehrt die Pisaner im römischen Gebiet; nur wurde
von jedem römischen Fahrzeug, das in einen pisanischen Hafen kam, um
hier Ladung zu löschen, eine Schiffahrts- und Handelsabgabe von 6^/2 sol.
pis. und bei der Ausfuhr von Eisen von je 10 Zentnern die Hälfte davon
(affortiatos 40 per miliarium ferri) als Zoll erhoben, während die Pisaner in
Rom dieselbe allgemeine Handelsabgabe und den gleichen Ausfuhrzoll für
Getreide zu entrichten hatten, wie sie seit 20 Jahren bestanden. Bloßer
Transitverkehr war beiderseits abgabenfrei; nur untersagten die Pisaner für
die Dauer ihres Krieges mit Lucca den Römern die Einfuhr von Silber und
Silbererz dorthin.'*)
») Ann. pis. zu 1167 und 1168 ; 88. XIX, 254 ö. Giesebreeht V, 536, 549.
Calisse 128 ff., 135, 137 f.
«) Giesebrecht V, 551 ; VI, 469. Const. et acta I no. 229 p. 324.
»1 Bonaini Suppl. p. 55 f. ; Giorgi 1. c. 458 f., 460—462. Ann. pis., SS. XIX,
265. Z. £. Handelsrecht 41, 114 f.
*) Excepto de argento et de crudamine argenti.
^20 Zweiund vierzigstes Kapitel.
489. Im Jahre zuvor hatte sich Pisa schon mit Corneto durch Ab-
schluß eines Friedens- und Freundschaftsvertrages auf 10 Jahre verständigt.
Vor allem regelte man das Verfahren bei eingetretenen Schädigungen ; Pisa
versprach Ersatz zu leisten oder die Aufbringung des Ersatzes durch Er-
hebung einer besonderen Abgabe von 4 den. vom cornetanischen Malter
(Modius) zuzulassen ; es versprach ferner, von Beschränkungen gegenüber
denen, die mit Corneto Handel treiben wollten, abzusehen ; nur Roheisen
(vena ferri) sollte davon ausgenommen sein. Wenn die Pisaner Fahrzeuge
von Corneto, die nach Genua wollten, zur Eidesleistung veranlaßten, ihre
Ladung nach Pisa zu bringen, diese aber unter Mißachtung des Eides trotz-
dem nach Genua fuhren, so sollte das Vorgehen der Pisaner gegen solche
Schiffe nicht als Friedensbruch gelten. Abgaben sollten beiderseits nur in
herkömmlicher Höhe erhoben werden, i)
Nach Beendigmig des Krieges schlössen auch die Genuesen einen
Freundschafts- und Handelsvertrag mit Corneto, der am 19. Juni 1177 von
Gerhard, dem Sohne des verstorbenen Richters RoUandus, damahgem »Grafen«
der Cornetaner und den 4 Konsuln der Kaufleute des Orts auf 31 Jahre
beschworen wurde; auch hier regelte man zunächst die Entschädigungs-
ansprüche, die von cornetanisclier Seite bestanden, und setzte im übrigen
fest, daß die (Jenuesen im Einkauf von Getreide und sonstigen Lebens-
mitteln zum Zwecke des Transports nach Genua nur in Teuerungszeiten und
dann auch nur in demselben Maße wie die eigenen Bürger beschränkt werden
dürften. An Abgaben sei nur die seit mehr als 30 Jahren übliche bei Ab-
schluß des Kaufgeschäfts zu erhebende von 12 den. lue. auf den Modius
zulässig. 2)
Im Jahre 1179 erwiesen sich die Genuesen dem römischen Kanzler
Cencius, der die Interessen Genuas auf dem lateranischen Konzil wirksam
gefördert sowie den genuesischen Erzbischof samt seinem Gefolge bei sich
beherbergt hatte, dadurch dankbar, daß sie ihm das Privileg verliehen, jähr-
lich ein Kapital von 200 1. jan. völUg abgabenfrei ganz nach Belieben in
genuesischen Handelsfahrten anlegen zu dürfen, s) Seine staatsmännische
Kunst beim Abschluß ^■on Verträgen für die Stadt zu betätigen, fand er
allerdings keine Gelegenheit mehr; der Friede, den Senat und Volk von
Rom am 31. Mai 1188 mit dem Papste abschlössen'*), nahm der Stadt die
Selbständigkeit auf diesem Gebiete.
490. Im übrigen ging der Handel der Pisaner und Genuesen mit dem
römischen Gebiet in der alten Weise fort; besonders der Getreideexport aus
der Marittima nahm zeitweise einen sehr bedeutenden Umfang an. Während
des Krieges mit Pisa nahmen 4 genuesische Galeeren im Jahre 1195 bei
Murello (zwischen den Flüßchen Marta und Fiora) ein sehr großes pisa-
nisches Schiff, das dort Getreide geladen hatte, nach heißem Kampfe und
führten es mit seiner Ladung nach Genua; und 1202 gelang es der Castel-
lana des Bertram von Nervi, die um Getreide zu holen nach der Marittima
') Muratori Antiqu. IV, 401. Nur der die Pisaner verpfliclitende Teil des Ver-
trages, der Eid der Konsuln vom 1. September 1173, ist erhalten. In Muratoris
Text ist statt decretum devetum, statt modum modium zu lesen.
«) V. Pflugk-Harttung, Iter p. 536 f. Giorgi p. 463 f. Hier ist nur die Ver-
pflichtung der Cornetaner erhalten.
3) Lib. Jur. I no. 324 (12. September). Giorgi 454 f.
*) Giesebrecht VI, 179 f. Tommassetti G. La pace di Roma in : Riv. inter-
naz. di studi sociali XI, 399 ff., 537 ff.
Interner Seehandel der Tjarhenisclien Küste. 621
gegangen war, von 2 pisanischen Fahrzeugen, die 7Ai gleichem Zweck dort
weilten, eins in ihre Gewalt zu bringen, i) Als mit Pisa 1210 Waffenstill-
stand geschlossen wurde, wandten sich die Genuesen diesem Gebiet um so
mehr zu, als der noch fortdauernde Krieg mit Marseille und dann der Auf-
stand von Nizza den Verkehr mit der Provence weit unsicherer erscheinen
ließen. Im August 1211 sandten sie drei armierte Galeeren nach der
Marittima, um die außerordentlich zahlreichen Fahrzeuge, die dorthin ge-
gangen waren und dann auch mit einer Fülle von Getreide zurückkehrten,
zu schützen 2) ; auch in den 3 nächsten Jahren verzeichnen die Annalen
Genuas die Ausrüstung von Galeeren zu gleichem Zweck. 3)
Daß auch die Bewohner der Marittima selbst sich an diesem Export
beteiligten, beweist uns die Anwesenheit zahlreicher Cornetaner im Jahre 1213
in Genua sowie das Privüeg Kaiser Friedrichs IL für die Bewohner von
Toscanella vom Jahre 1243, wonach sie das ihnen seit alten Zeiten zu-
stehende Recht, im Hafen von Murello Fahrzeuge mit Getreide und anderen
Dingen abgabenfrei beladen und löschen zu dürfen, uneingeschränkt behalten
sollten. 4) Am Ende unseres Zeitraums sehen wir dann auch die Florentiner
.sich dieses Geschäfts bemächtigen. Am 8. Oktober 1250 vermietet Bernardo
di Ozena von Tarragona seine Büse San Stefano mit einer bewaffneten Be-
satzung von 33 Mann in Genua an den Florentiner Rainer ; gegen einen Fracht-
satz von 3 sol. Jan. für die Mina sollte das Schiff 3800 Minen Getreide von der
Maremma nach Genua bringen. Schon am 7. Dezember wurde das Schiff
wiederum zu gleichem Zweck und für den gleichen Frachtsatz vermietet;
nur bestand jetzt die Besatzung aus 30 Mann und als Häfen für die Ein-
nahme der Ladung werden hier Civitavecchia, Port'Ercole und Talamone
besonders genannt.-^)
Sicher hängt es mit dem Geldhandel der römischen Kaufleute, der sie
seit dem Ende des 12. Jahrhunderts oft genug über die Grenzen Italiens
hinausführte, zusammen, daß Genua in dieser Zeit als eine wichtige Handels-
station der Römer erscheint; am 19. September 1233 lassen die römischen
Kaufleute durch einen Bevollmächtigten an den Genuesen Onorato Stancone
17 ^/2 1. Jan. Pacht für die Loggia zahlen, in der sie sich zu versammeln
pflegten, ß)
491. So häufig sich Genuesen und Pisaner in unserer Pe-
riode feindlich gegenüberstanden, so wird man doch nicht übersehen
dürfen, daß dennoch etwa % dieser Zeit hindurch zwischen beiden
Nationen ein friedlicher Zustand herrschte ; und alle Handelseifersucht
hat nicht verhindert, daß auch zwischen den Angehörigen beider Na-
') Ann. j?enov. II, ,^8 (apud insulam Marrellae) u. 83.
*) Ebd. 119: pro guardandis multis et innumerabilibu.s lignis, qui in Mari-
tima pro grano et blave iverant et qui cum maxima multitudine et abundantia
•Tanuam venerunt.
") Ebd. 122 (zu 1212), 126 f. (zu 1213 : in Maritimam pro custodienda cara-
vanna lignorum nostrorum qui pro grano iverant), 132 (zu 1214: pro lignis grani
in Maritimam euntibus assecurandis).
*) Ferretto I, 126 A. 1. Winkelmann Acta U, 42 no. 38.
») Canale IT, 586 und 559. Ein drittes Mal wurde die Büse am 4. Juli 1251
zum Transport von 3500 mine für 2 sol. jan. pro mina bei einer Besatzung von
40 Mann vermietet (ebd. 586). Ich vermute, daß auch hier 3 sol. zu lesen ist; üb
rigens gibt Canale das Reiseziel hier nicht ausdrücklich an.
«) Ferretto I, .86 A. 1.
622 Zweiundvierzigstes Kapitel.
tionen zum Teil sogar recht lebhafte Handelsbeziehungen angeknüpft
wurden. So sehr man in der Ferne rivalisierte, die enge Nachbar-
schaft daheim mußte naturgemäß zu einem kommerziellen Verkehr
zwischen den beiden Städten und ihren Küstengebieten führen.
Als es am 20. März 1133 den Bemühungen des Papstes Tnnocenz II.
gelang, den mit geringen Unterbrechungen seit 1119 wütenden Krieg durch
den Frieden von Grosseto zu beenden, wurde ein internationales Schieds-
gericht, aus je vier von der Gegenseite gewählten Genuesen und Pisanern
bestehend, eingesetzt, das die Aufgabe hatte, für die Rückgabe des während
des Krieges geraubten Gutes Sorge zu tragen, neu auftauchende Schwierig-
keiten und Streitigkeiten zu erledigen und die beiderseitige Beobachtung
der »bonae antiquae consuetudines tarn Januensium quam Pisanorum«
sicherzustellen, i) Alljährlich hatten die Konsuln beider Städte den Vertrag
in ihrem Amtseide zu beschwören, 2) 1138 wußte man den drohenden Wieder-
ausbruch der Feindseligkeiten durch eine Übereinkunft zu Porto Venere
(19. April) rechtzeitig zu verhüten.^)
Elf Jahre später (17. April 1149) kam es sogar, ebenfalls in Porto
Venere, zum Abschluß eines engen Bündnisses zwischen beiden Städten,
das für 29 Jahre gelten sollte. ^) Fortan wollte man gegen jede dritte Älacht
im gesamten Umkreis der Küsten des Mittelmeeres S) , die Genuesen oder
Pisaner im Verlauf der letzten 15 Jahre geschädigt hätte oder in Zukunft
schädigen würde, gemeinsam vorgehen, derart, daß man gemeinsam Ge-
sandte zur Beilegung des Streitfalles schickte, gemeinsam Handelssperren
über ein Land oder einen Ort verhängte und endlich als ultima ratio gemein-
sam und mit gleicher Schiifszahl den Seekrieg führte, wobei nur für den
Fall, daß ein über 40 Galeeren hinausgehendes Schiftsaufgebot erforderUch
wurde, eine besondere Vereinbarung notwendig sein soUte. Nur gemeinsam
endhch durfte Waffenstillstand oder Friede geschlossen werden, und aUes,
was durch gemeinsame Gesandtschaften oder Seekrieg gewonnen wurde,
sollte als gemeinsame Erwerbung zu gleichen Teilen geteilt werden. Konsuln
imd Volk in beiden Städten beschworen das Bündnis und erneuerten all-
jährhch den Eid. Eine dunkle Wolke freilich blieb an diesem Priedens-
himmel: Sardinien nahmen die Genuesen von ihrem Eide aus; immerhin
blieb der Friede doch bis 1162, also im ganzen fast 30 Jahre, erhalten.
Und aus dieser verhältnismäßig langen Friedenszeit besitzen wir doch manche
Nachricht über den Handel zwischen den beiden Seestädten.
492. Schon der Umstand, daß die pisanische Seezinstabelle für den
Verkehr mit Genua und seinem Gebiete besondere Sätze enthält ß), beweist,,
daß er nicht unbedeutend gewesen sein kann. Für die Fahrt von Pisa nach
1) Atti Lig. XIX ]). 92 ff. Pflugk-HarttXing, Acta II p. 273. Imperiale not. 24
p. 395 f.
"*) Dementsprechend das Breve consulum jan. von 1143; Leg. Munic. I p. 257.
^) Chart, n no. 184 (mit irrigem Datum ; vgl. Langer S. 16). Mit im Text
richtiger Datierung bei Bonaini Suppl. ]). 11.
*) Die die Genuesen A^erpflichtende Urkunde bei Dal Borgo p. 311 f., die die
Pisaner verpflichtende, die ganz analog ist, bei Olivieri iu Atti Lig. I p. 272 f. (lücken-
haft und vom Herausgeber zu 1148 gesetzt).
^) Die Aufzählung (circuendo universas maritimas) beginnt a capite Anse
(dem alten Anzium) und reicht usque Portum Monachi ; außer dem genuesischen
und pisanischen Küstengebiet schließt sie also auch das römische aus.
«) Bonaini U p. 905 (Const. Usus rub. 25).
Interuer Scehandol der Tyrrheniscbeu Küste. 623
Genua und zurück betrug der usuelle Seezins nur 7 1/2 %, nach Savona
erhöhte er sich auf 10, während er sich nach Porto Venere, dem Grenzort
gegen das pisanische Machtgebiet, auf 5 % ermäßigte. Genuesische Küsten-
fahrer, die von Pisa kamen, zahlten in Genua V2 den. pro Person als
coUatio portus. Im genuesischen Wiegetarif erscheint pisanisches Eisen i),
das offenbar größtenteils aus Elba stammte ; auch Getreide holten die Ge-
nuesen, wie aus der Marittima überhaupt, so auch direkt aus dem pisanischen
Gebiet. Als im Jahre 1142 ein genuesisches Schiff, das auf dem Markt von
Populonia Getreide gekauft hatte, nach Genua kam, verlangte der cintragus
eine mina grani von ihm mit der Begründung, daß es »de maritima« käme;
die Konsuln beseitigten den Streit durch die Feststellung, daß schon ihre
Amtsvorgänger vor mehreren Jahren entschieden hätten, daß jedes Schiff,
das um Getreide zu holen über Livorno hinausfahre, zu dieser Abgabe ver-
pflichtet sei. 2) Natürlich war man beiderseits an die Einfuhrverbote für
solche Waren, deren Import durch Fremde man als schädlich für den
eigenen Handel erachtete (»contrariae nostris mercibus« war der technische
Ausdruck dafür), gebunden. Doch nehmen die genuesischen Konsularstatuten
von 1143 die Einfuhr von »opera silvatica et garnimenta« (Produkten der länd-
lichen Industrie) aus dem pisanischen Gebiet zwischen Porto Venere und
Piombino von diesen Verboten ausdrücklich aus ^), und in der Zeit des Bünd-
nisses scheint man sich gegenseitig ziemlich liberal behandelt zu haben;
■denn während das Volksstatut von 1157 den Genuesen untersagte, fremde
Kaufleute oder ihnen gehörige »konträre« Waren zur See in das Gebiet
zwischen Genua und dem Arno zu befördern, bestimmte es zugleich, daß dies
Verbot auf Pisaner und ihre Waren keine Anwendung linden sollte.^)
Auch die Notariats-Akten des Johannes enthalten einige auf den
Handelsverkehr zwischen Genua und Pisa bezügliche Nachrichten. Im
Jahre 1156 führte ein Pisaner mit dem Genuesen Albertus de Nigro um den
Besitz einer sarazenischen Sklavin in Genua einen Prozeß. 0) Der uns be-
kannte Blancardus gab am 18. Mai 1160 dem Ribaldus Pelatum für die
Handelsreise nach Pisa eine Commenda, die in 1000 Stück grauen Fellen
im Werte von 25 1. jan. und 5 grauen Pelzen, die auf ll^^l. Jan. abgeschätzt
waren 6), bestand; bei der Rückkehr sicherte er ihm die volle Hälfte des
erzielten Gewinnes zu. Derselbe Blancard bezog am Anfang des nächsten
Jahres 6 Körbe Alaun von Pisa; doch fielen diese, aus welchem Grunde
») Lib. Jur. I no. 53 (1138), 66 (1140). S. auch ob. § 406.
*) Ib. no. 75. Die hier genannten Lanfrancus Piper und Ansaldus Mallonuf*
waren nach den Ann. jan. in den Jahren 1137 und 1138 Konsuln. Auch die ge-
nuesischen Fahrzeuge, die in der Mündung des Flüßchens Fine bei Rosignano an-
legten, wofür sie ein »fauciaticumc: zu bezahlen hatten, werden schwerlich etwas
anderes als Getreide geladen haben; Volpe p. 77 A. 1.
') Der Vertrag von 1138 erwähnt das pisanische »vetitum de mercibus que
sunt contrarie nostris mercibus«, Chart. II p. 231. ßreve consuluin jan. von 1143;
Leg. munic. I p. 250.
*) Breve della compagna in Atti Lig. 1 p. 184 und Giorn. lig., N. S., I (1896),
p. 68.
6) Chart, n no. 291.
*) Ib. no. 883: tmilliarium (so lese ich für milliariorum) grisiorum racionatum
in libris 25 et 5 i^ellicias grisias libras 11 '/.j appreciatas. « Nur 4 Wochen später
(15. Juni, no. 898) schlössen die beiden eine Handelsgesellschaft mit 93 1. Kapital :
>cum hac societate laboratum Ribaldus quo velit preter in devetum.« Es liegt
nahe anzunehmen, daß er wieder nach Pisa zu gehen beabsichtigte.
624 Zweiundvierzigstes Kapitel.
wissen wir freilich nicht, der Beschlagnahme anheim; denn am 6. März 1161
ließ er sich von Bernardus de Aspirano versprechen, ihm hinnen 6 Tagen
die Hälfte dessen zu erstatten, was von diesem Alaun von der Stadt oder
sonst jemandem erstritten werden würde (si . . aliquid evictum erit a comuni
vel alia persona), i) Und auch während des kurzen und recht unsicheren
Friedenszustandes, der auf die Vermittelung des Kaisers hin im Hochsommer
1163 eintrat, nahm man den Handelsverkehr zwischen den beiden Städten
rasch wieder auf; laut Vertrag vom 17. August ging damals Mariscotus, ein
Neffe des Archidiakon Hugo, des späteren Erzbischofs, mit Waren des
Bankiers Ingo im Werte von 168 1. gegen Zusicherung von 1/3 des Gewinnes
nach Pisa; gleichzeitig nahm er von Amicus Grillus 7 Stück Tuche von
Saint-Quentin zur Verwertung mit. 2)
493. Als nach dem hauptsächlich Sardiniens wegen mit so großer Er-
bitterung geführten Kriege Ende 1175 der Friede hergestellt wurde '^), suchte
man auch die Sicherheit und Freiheit des Handels zwischen beiden Städten
neu zu gewährleisten. Die Pisaner verpflichteten sich, mit Rat und Tat zur
Wiedererlangung zu helfen, falls die Genuesen auf der Küstenfahrt längs
des pisanischen Gebiets an ihrem Gute irgendwie geschädigt würden ; sollte
ihnen von pisanischen Untertanen auf See zwischen C. Corvo (der Spitze
bei Lerici) und Capalbi Gewalt angetan werden, so wollten die Pisaner ge-
meinsam mit den Genuesen nach Bedürfnis mit 2 bis 10 Galeeren gegen die
Übeltäter vorgehen. Zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Pisanern
und Genuesen hatten die pisanischen Konsuln zwei Kommissare zu be-
stimmen, die die bei ihnen in Pisa angebrachten Klagen binnen 40 Tagen
zu erledigen hatten, falls nicht wegen der Beibringung von Beweismitteln
oder nach dem Einverständnis der Parteien eine längere Frist erforderhch
schien; die Vollstreckung ihrer Entscheidungen lag den Konsuln ob. Zu
demselben Zwecke hatten die Pisaner auch nach jedem überseeischen Ge-
biete, nach dem sie Handel zu treiben pflegten, je zwei Kommissare zu
Schiffe zu entsenden. In Pisa sollten die Genuesen frei kaufen, verkaufen
und Handel treiben dürfen wie die Pisaner selbst und dabei nur zu den
gleichen Abgaben wie vor 20 Jahren verpflichtet sein. Niemand, der zu
Wasser oder zu Lande mit oder ohne Waren nach Pisa kam, sollte gehin-
dert werden dürfen, seine Reise auf demselben Wege nach Genua fortzu-
setzen ; insbesondere sollte unter keinen Umständen die Zufuhr von Lebens-
mitteln nach Genua durch die Pisaner untersagt oder gestört werden dürfen.
Kein Zweifel, daß in allen diesen Beziehungen die Genuesen den Pisanern
gegenüber entsprechende Verpflichtungen übernommen haben; doch ist uns
nur die eidliche Verpflichtung der Pisaner erhalten.
Als die Einwohner des weinberühmten Vernaccia (nw. Porto Venere)
1182 pisanische Kaufleute, die auf der Straße am Meere, die 1178 auch Kaiser
Barbarossa gezogen ist, mit ihren Waren nach Genua wollten, auszuplündern
wagten, schritten die Genuesen mit Strenge ein und gaben den Pisanern
das geraubte Gut zurück.*) In dieser Zeit, am 13. November 1178, schlössen
die Pisaner auch mit Albenga durch eine Gesandtschaft von drei Edlen, an
deren Spitze ein Konsul stand, zu Savona einen für Albenga sehr günstigen
>) No. 1025.
2) No. 1285.
») Cod. Sard. I p. 248 f. no. 106.
*) Ann. genov. U, 17 (von Davidsohn I, 569 auf Seeräuberei bezogen). Über
den Wein von Vernaccia: Salimbene p. 334.
Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste. 625
Vertrag!); die Albenganer erhielten 700 1. pis. als Ersatz für erlittene Schä-
den und wurden von allen Handelsabgaben in Pisa befreit ; auch sollten
sie keinen anderen Handelsbeschränkungen in Pisa unterworfen werden
dürfen als die Pisaner selbst. Sicher haben die Pisaner die gleichen Zu-
geständnisse für Albenga erlangt, das ihnen besonders als Stützpunkt auf
der Küstenfahrt nach den südfranzösischen Handelsplätzen wichtig sein
mochte.^ Im Jahre 1194 wurde der Vertrag erneuert und den Alben ganern
insbesondere Schutz gegen die pisanischen Korsaren und Schadenersatz ver-
sprochen.2)
Inzwischen war 1187 ein neuer Krieg zwischen Pisa und Genua aus-
gebrochen, der indessen schon im folgenden Jahre, dank den Bemühungen
der Päpste, beendet wurde.^) Zur Sicherung des Friedens wurden ähnliche
Bestimmungen getroffen wie früher ; eine offensio sollte den Friedenszustand
nicht aufheben ; vielmehr sollten in solchem Falle die Erzbischöfe beider
Städte unter Zuziehung von je zwei Rechts verständigen die Sache unter-
suchen und daraufhin ihren Spruch abgeben, der für beide Städte verbind-
lich sein sollte. Jeder Pisaner sollte ungehindert das Gebiet Genuas auf-
suchen und dort Handel treiben dürfen und umgekehrt, wie es unter be-
freundeten Nationen üblich; die von jeder Stadt frei von böser Absicht
erlassenen besonderen Vorschriften sollten indessen bei diesem Verkehr
respektiert werden müssen. ■*) Auch im übrigen wurde der Grundsatz der
vollen Handelsfreiheit proklamiert; irgendwelche Behinderung der Schiff-
fahrt auf offenem Meere oder des freien Handelsverkehrs mit irgendwelchem
Hafen sollte in Zukunft weder von den Genuesen gegenüber den Pisanern
noch umgekehrt erfolgen dürfen -5) ; die Ausschließungsbestrebungen , die
Genua in bezug auf Südfrankreich, Pisa in bezug auf Sardinien lange Zeit
verfolgt hatte, sollten damit für immer beseitigt sein. Ein Novum ist die
Bestimmung, daß auch die überseeischen Konsuln beider Mächte auf unver-
brüchliche Beobachtung des geschlossenen Friedens und auf unparteiische
Behandlung der ihrer Jurisdiktion unterliegenden Streitigkeiten zwischen
Angehörigen der beiden Seestädte noch besonders vereidet werden sollten.^)
494. Schon 1195 führte der zumeist auf Handelseifersucht beruhende
Haß der beiden kraftstrotzenden Seestädte '^) zum Wiederausbruch des offenen
Krieges, der 15 Jahre dauerte, ehe zunächst der kaiserhchen Vermittelung
die Herbeiführung eines zweijährigen Waffenstillstandes gelang, der dann um
5 Jahre verlängert wurde. Nicht geringe Schwierigkeiten machte die Unbot-
mäßigkeit vieler Bürger; alle Genuesen und Pisaner, die in See gingen, wurden
vorher auf die Beachtung des Waffenstillstandes und die Respektierung der
Untertanen und Waren des anderen Teils besonders vereidet; andererseits
*) Ughelli rV, 194. Nur das Versprechen der Pisaner ist erhalten.
*) Noch unediert; s. ann. genov. 11 p, XXXV A. 2 (vom 2. Jupi 1195; ich
glaube pisanische Jahreszählung annehmen zu müssen).
») Cod. Sard. I, 263.
*) Salvis decretis ab utraque Civitate absque malitia factis. Statt decretis ist
vielleicht devetis zu lesen.
') Beiderseitige volle Freiheit »per Pelagos navigandi et ad portum quem-
cumque applicandi et exinde mercimonia transvehendi*.
*) StatuimuH etiam, ut consules illorum mercatorum qui ad diversas provin-
«'ias destinantur, jurent etc.
^) »Inveteratae illae ferocium populorum 8imultate8< : Willelmi Neuburgensis
hist. Anglicana, SS. XXVn, 235.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 40
626 Zweiundvierzigstes Kapitel.
fehlte es nicht an Elementen, die den friedlichen Handel zwischen beiden
Gebieten unverzüglich wieder aufnahmen ; man kam ihnen dadurch entgegen,
daß man den von Genua nach Pisa und umgekehrt eingeführten Waren
zollfreie Wiederausfuhr zusicherte, falls sie unverkauft geblieben waren.i)
Doch die starke Spannung ließ nicht sogleich nach. Als 1214 eine
genuesische Galeere eine Büse der Nizzarden in den pisanischen Gewässern
angriff, belegten die Pisaner die Galeere mit Beschlag; doch gelang es ihr
schließlich nach Genua zu entkommen. In Genua aber ließ man die In-
sassen der Galeere den erlittenen Verlust unter Eid angeben and zwang dann
die gerade in Genua anwesenden pisanischen Kaufleute, diese Summe zu
bezahlen. 2) Ein Wiederausbruch des Krieges schien nahe, zumal damals
auch das Nizza benachbarte Ventimiglia sich mit Abfallsgedanken trug und
einen Rückhalt an Pisa suchte. ^) Indessen es blieb bei allerlei Reibereien,
und nach erneuten langen Verhandlungen wurde hauptsächlich durch das
Verdienst des Papstes Honorius III. das Friedenswerk Ende 1217 zum Ab-
schluß gebracht, das die Grundlagen des Friedens von 1188 bestehen ließ.
Im folgenden Jahre behandelten sich dann die beiden Seemächte auch
einmal in freundschaftlicher Weise; eine pisanische Gesandtschaft erwirkte
in Genua die Rückgabe der Ladung zweier Leichterschiffe, die die Genuesen
einer Galeere von Arles abgejagt hatten; ebenso zeigte sich Pisa entgegen-
kommend, als sich Genua über die Leute von Piombino beschwerte, die
Piratenschiffe, die den Hafen von Falesia aufgesucht hatten, vor den An-
griffen genuesischer Galeeren in Schutz genommen hatten. 4)
Der Friedenszustand hielt diesmal an, bis die beiden Städte 1241 durch
den großen Kampf zwischen Papst und Kaiser von neuem in Krieg ver-
wickelt wurden ; auf diese dreißigjährige Friedenszeit scheint die Protektor-
rolle zurückzugehen, die wir das ghibellinische Geschlecht de Volta etwas
später den Pisanern in Genua gegenüber spielen sehen. 0) Der Krieg, den
Pisa an der Seite der sizilischen Flotte führte, brachte den Genuesen bald
zu Anfang die schwere Niederlage bei der Insel Giglio, und im allgemeinen
behielten die Verbündeten Genua gegenüber die Oberhand, bis dann der
Tod des Kaisers die Dinge völlig änderte, so daß die Pisaner schließlich auch
das starke Grenzbollwerk des castrum Ihcis (Lerici), das sie sich am Golf
von Spezia geschaffen, den Genuesen überliefern mußten (1256).^)
495. Das unmittelbare Herrschaftsgebiet Pisas an der Tyrrhe-
nischen Küste reichte nach Norden nicht weit über die Mündung des
Serchio, nach Süden nicht weit über Piombino hinaus und umfaßte
außerdem die toskanischen Inseln mit dem wichtigen, eisenreichen
Elba. Beträchtlich weiter aber reichte das Küstengebiet, dessen See-
handel Pisa zu kontrollieren und nach seinem Willen einzurichten
beanspruchte.
1) Cod. Sard. I, 322 f.
2) Ann. genov. n, 133: »extorquerunt.<
^) Abfangung des pisanischen Kuriers mit der Botschaft von Ventimiglia
Genua; ebd. 138.
*) Ebd. 148 f.
») Näheres in meiner Abh. : Proxenie im Mittelalter (Brieger Gymn. - Progr.
1899) p. 10 f.
•) Caro I, 16. Noch bei den Verhandlungen von 1251 hatte Pisa erklärt, daß
es den Genuesen eher Kinzica überlassen würde als diese Feste. Ann. jan. p. 229.
^
la inS
I
4
Interner Seehandel der Tyrrhenischeu Küste. 627
Nach Norden hin bildete hier das C. Corvo am Golf von Spezia den
festen Grenzpunkt, während nach Süden hin im allgemeinen der M. Argen-
tario mit dem Porto d'Ercole, zuweilen aber auch erst Civitavecchia als
Grenze der pisanischen Machtsphäre angesehen wurde. So bestimmte das
große kaiserliche Privileg von 1162, daß niemand auf der ganzen Küsten-
strecke zwischen Porto Venere und Civitavecchia gegen den Willen der
Pisaner zum Zwecke des Handels oder aus anderen Gründen anlegen dürfe i);
auch in dem Vertrage Pisas mit dem Almohadenherrscher vom Jahre 1186
ist das pisanische Machtgebiet in gleicher Ausdehnung angegeben .2) Wie
weit dabei Pisa von einer wirklichen Herrschaft über die südlichen Teile
dieses Gebietes entfernt war, beweist am besten die völlig selbständige Stellung
Cornetos.3)
Der wichtigste Hafenplatz im pisanischen Küstengebiet war das mit
Hafentürmen und Hafenkastell versehene Piombinc*), dessen Bewohner sich
ganz besonderer Handelsvorteile in Pisa erfreuten. Als der Abt von Falesia
den Ort mit seinem Castrum den Pisanern überlassen hatte (1115), hatte er
für die Bewohner von Piombino völlige Befreiung von Ufergeld oder son-
stigen Zollabgaben zur Bedingung gemacht; und wenn die Vorsteher des
pisanischen Seezollamts (decatia) auch einmal (1187) die Beseitigung dieses
Vorrechts versuchten, da es unschicklich sei, daß die Leute von Piombino
vor den Pisanern selbst eine derartige Befreiung genössen, so erkannte doch
das Gericht auf die Klage der Konsuln Piombinos durchaus zu seinen Gunsten
und ordnete die Rückgabe der beschlagnahmten Waren an. 5) Bei dieser
bevorzugten Stellung Piombinos ist es sehr begreiflich, daß es Pisa zu allen
Zeiten die Treue bewahrt hat.
Für den Handel dieser Gebiete kamen namentlich das Seesalz der Küste,
das Getreide der Küstenebenen und der Reichtum der bergigen Küsten-
vorsprünge und des Inneren an mineralischen Schätzen, namentlich Eisen,
Blei und Silber in Betracht. Die pisanische Seezinstabelle hat für den
Monte Argentario und Falesia einen Satz von 7 i/2 %, für Popolonia, worunter
Piombino mit zu verstehen ist, 5 %, während Vada (nördlich der Mündung
der Cecina) mit nur 31/3%; dem niedrigsten Satz, den die Tabelle über-
haupt aufweist, erscheint, ß) Die Insel Elba begegnet mit 61/4^0; der Ge-
leitsbrief, den der Erzbischof von Pisa im Jahre 1129 den pisanischen Fabri
ausstellte, nennt diese Insel in erster Linie, macht aber auch das dem M. Argen-
tario gegenüberliegende Giglio und Alma namhaft.'^) Die Verwaltung von
Elba hatte Pisa 7 Konsuln, wie es scheint je einem für die einzelnen Gemeinden,
anvertraut 8) ; die Insel ])ildete einen während unserer ganzen Periode niemals
bestrittenen, wegen ihres Erzreichtums sehr wertvollen Besitz der Republik.
Nördlich vom Arno nennt die Seezinstabelle nur Luni (mit 5%, wie
Porto Venere), als den alten Mittelpunkt der Lunigiana, der freilich seine
alte Bedeutung ganz eingebüßt hatte und schließlich auch seine Eigenschaft
als Bischofssitz an das aufstrebende Sarzana abtrat; namentlich wegen seines
1) Const. et acta I, 282 : facere portum vel applicare mercibus.
») Mas I^trie, Traitös, Doc. p. 28.
«) Oben § 489.
*) Ann, genov. 11, 57 (zu 1195).
») Volpe p. 83 ff.
«) Bonaini II, 905. Über Vada s. auch Konsulat d. M. 120.
0 Bonaini UI, 891 f.
») Näheres Volpe 86 ff., 254.
40»
628 " Zweiundvierzigstes Kapitel.
Reichtums an Schiffsbauholz war dieses Küstengebiet für den Seehandel
Pisas wichtig.^) In seinem großen Privileg von 1162 versprach der Kaiser
auch, den Bischof von Luni schwören zu lassen , für die Sicherheit der
Pisaner und ihrer Waren in seinem ganzen Gebiet Sorge tragen zu wollen.2)
Den rein örtlichen Schiffahrtsverkehr dieses Gebiets hat Pisa nicht zu be-
einträchtigen gesucht; auf ihn bezieht es sich, wenn der Kaiser am 4. No-
vember 1163 den burgenses von Sarzana Abgabenfreiheit an der Küste von
Luni und auf der Magra gewährte^); in einem Vertrage zwischen den Konsuln
von Sarzana und dem Bischof von Luni vom 22. April 1201 wurden letzterem
alle Abgaben, die im Hafen und an der Küste von Amelia sowie sonst im
Gebiet des Bischofs von den daselbst vor Anker gehenden Schiffen zu er-
heben waren, mit der Maßgabe zugestanden, daß die Bewohner von Sarzana
selbst von diesen Abgaben befreit blieben.*) Sj
496. Für Genua war die Riviera di Levante bis zum C. Corvo
gesichertes Gebiet; Porto Venere, wo die Genuesen im Jahre des
Balearenzuges der Pisaner (1113) ein starkes Kastell errichteten,
diente ihnen zugleich als befestigter Grenzpunkt und wichtiger Stütz-
punkt für ihren Handel.")
Die Schiffer- und Fischerbevölkerung der Küste lieferte der genuesischen
Flotte ein vorzügliches Menschenmaterial; die der genuesischen Compagna
angehörenden Leute der Küstenorte, wie Nervi, Recco, Rapallo, Portofino usw.>^
konnten in derselben Weise am Seehandel Genuas teilnehmen wie diesj
Genuesen selbst. Für den Handel mit Genua kamen Fische, Früchte, Gemüse
und Holz hauptsächlich in Betracht; wir kennen einen Kontrakt vom
14. Januar 1160, in dem Ansaldus Sardina dem W. Ventus in Genua bis
zum 1. Juni übers Jahr 800 Bretter an der Brücke von Lavagna zur Verladung^,
bereit zu liefern versprach.^) 'flj
Gleiche Verhältnisse bestanden für den Genua zunächst gele-
genen Teil der Riviera di Ponente; weiter nach Westen hin aber
lagen Seeplätze von stärkerer Bevölkerung und größerer eigener Be-
deutung für den Handel, die keineswegs immer geneigt waren, sich
den nicht selten tief in ihre kommerziellen Verhältnisse einschnei-
denden Maßregeln Genuas zu fügen. fl
Das gilt namentlich von dem bedeutendsten dieser Seeplätze, Savona,
das zugleich der Ausgangspunkt einer wichtigen über die ligurischen Apen-
ninen nach Piemont führenden Handelsstraße war'^) und für dieses Gebiet
mit Genua sehr wohl in Konkurrenz treten konnte; das gilt ferner von
den als natürliche Mittelpunkte eines etwas ausgedehnteren Hinterlandesl
1) Liber Maiolich. p. 10 v. 100 : Lunensesque suo privantur robore silvae. Ar-J
boribus caesis remanet Curvaria rara.
») Const. et Acta II, 283. '
=) Winkelmann, Acta II no. 1235 (Bestätigung vom August 1226).
♦) Chart, n, 1216 no. 1709. Über Lucca, das ebenfalls als Seeuferstaat in Be-
tracht kam, s. unten § 511 ff.
») Genaueres s. Sforza G. La vendita di Portovenere ai Genovesi etc. im]
Giern, stör, e lett. della Liguria III (1902) p. 338 ff.
6) Chart, n no. 818 : 800 plancas tales quales usualiter in Lavania dantur.
Küstenfahrer innerhal)) des genuesischen Gebiets hatten als collatio portus Va den.j
jan. pro Person zu entrichten. Lib. Jur. I no. 45 (1138).
') Unten § 504.
Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste. 629
erscheinenden Orten Albenga und Ventimiglia, die naturgemäß danach
strebten, ihren Handel den eigenen Bedürfnissen gemäß selbständig einzü-.
richten.
Wenn es auch unzweifelhaft ist, daß Savona (ebenso wie Noli und
Albenga) schon am Anfang unserer Periode dia Oberhoheit Genuas aner-
kannt hat^), so rührt doch der älteste, seine Beziehungen zu der Schutzmacht
regelnde Vertrag, von dem wir Kenntnis haben, erst aus dem Januar 1153
her. Danach versprach Savona Heeresfolge, Zahlung der collecta maris
nach Weisung der Konsuln Genuas und Beobachtung der von Genua er-
lassenen Handelsverbote ; insbesondere aber willigte es in eine Beschränkung
seiner Hochseeschiffahrt dahin, daß jedes savonesische Fahrzeug, das über
Sardinien oder Barcelona hinaus fahren wollte, nur von Genua auslaufen
dürfte, daß es eine Mehrheit von genuesischen Kaufleuten an Bord haben
und endlich bei der Heimkehr seine Ladung in Genua löschen müßte.
Die Konsuln von Savona hatten jährUch zu schwören, Übertretungen dieser
Vorschriften nach Anweisung der genuesischen Regierung zu ahnden. 2) Im
Jahre 1181 wurde der Vertrag dahin ergänzt^), daß bei Streitigkeiten über
Kontrakte zwischen Genuesen und Savonesen, die außerhalb Genuas ge-
schlossen waren, das savonesische Gericht zuständig sein sollte, falls der
Kontrakt selbst nichts anderes bestimmte; war der Streit während der
Seereise entstanden, so war das Gericht desjenigen der beiden Orte zuständig,
nach dem die Seereise ging. Für den Aufschwung, den Savona damals
nahm, ist es bezeichnend, daß es im Jahre 1179 in der Lage war, seinem
Markgrafen für 700 1. jan. die Marktabgabe und die Wiegegebühren abzu-
kaufen i) und 1191 die markgräflichen Rechte mit Genehmigung des Kaisers
fast völlig an sich zu bringen; und häufig sind in dieser Zeit Testamente
j)atriotischer Savonesen, die den Hafen ihrer Vaterstadt bedenken. 0)
Albenga hatte freie Bewegung .genug, um 1178 einen Vertrag mit Pisa
schließen zu können; im Jahre darauf fixierte ein Pactum seine Stellung
Genua gegenüber. Seine Salzschiffe sollten von der collecta maris frei sein,
während seine Hochseeschiffahrt ohne örtliche Begrenzung a,n die Bedingung
gebunden war, daß die Abfertigung eines jeden Fahrzeugs mit seiner Mann-
schaft, allen Mitreisenden und der Ladung nur nach Bestimmung der genue-
sischen Regierung erfolgen dürfte (d. h. also in Genua oder doch durch
Beamte oder Bevollmächtigte Genuas in Albenga). Außerdem versprach Al-
benga, kein Kaperschiff auszurüsten oder auslaufen zu lassen, ohne dessen
Führern und den maßgebenden Persönlichkeiten seiner Bemannung einen
besonderen Eid abzunehmen, daß sie die Genuesen, ihre Freunde sowie
alle, die nach Genua gingen oder von dort kamen, nicht schädigen
würden oder doch nur innerhalb der durch das Herkommen bei Kaper
' Oben § 90.
*) Lib. Jur. I no. 187; Mitte August 1168 von neuem beschworen, ebd. no. 257.
Auch bei San Quintino I, 196 no. 32. Gandoglia : Savona e Noli nel medio evo, in
Atti e mem. della Sog. stör. Savonese, I (Savona 1888), 178 A. 1.
'') Lib. Jur. I no. 330. Allerlei kleine Mitteilungen über kommerzielle Ver-
hältnisse Savonas in dieser Zeit aus Notariats-Akten bei Bruno j). 110 f., 113, der
auch eine xjopulär gehaltene Storia di Savona dalle origini ai nostri giorni (Sav-
1901) verfaßt hat.
*) San Quintino I, 199 no. 33 : leu(,;idam, cantarium, stateram et rubbum.
») Ebd. 216 no. 39. Bruno p. 110, 116.
630 Zweiund vierzigstes Kapitel.
schiffen in bezug auf Waffen, Proviant und Gegenstände der Schiffsausrüstung
erlaubten Grenzen, i)
497. Um die Wende des Jahrhunderts machte sich, als Genua mit
Pisa im Kriege lag, eine starke Gärung unter den größeren Gemeinden der
Riviera di Ponente bemerkbar. Ventimiglia, dessen Graf Guido Guerra im
Jahre 1157 die Lehnshoheit Genuas anerkannt hatte, fiel ab, und Genua be-
mühte sich im Jahre 1199 vergeblich, es wieder zu unterwerf en 2) ; auch die
AlHanz, die Savona am 26. Juli 1198 mit dem benachbarten Noli unter Vor-
behalt der Treue gegen den Kaiser und Genua eingingt), scheint nicht gerade
von freundlicher Gesinnung gegen Genua eingegeben zu sein, zumal auch
Albenga und Porto Maurizio mit einbezogen wurden. Es wird damit zu-
sammenhängen, daß das von Albenga zu beschwörende Pactum im Sep-
tember 1199 erneuert wurde ^); die Hochseeschiffahrt wurde nunmehr im
Winterhalbjahr (vom 1. Oktober bis 1. April) den Leuten von Albenga völlig
freigegeben und im übrigen bis Sardinien und Barcelona ohne Beschränkung
gestattet; und wie in letzterer Beziehung, so wurde es auch bezüglich der
Behandlung von Zivilstreitigkeiten mit Genuesen Savona gleichgestellt. Im
Jahre 1201 gelang die Wiederunterwerfung von Ventimiglia, und im April
des folgenden Jahres wurde das Pactum mit Savona erneuert ; es wurde dem
Pactum mit Albenga angenähert und bezüglich der Hochseeschiffahrt der
mögliche Wegfall der Beschränkmigen, bei eingeholter Erlaubnis der genue-
sischen Regierung im Einzelfalle, besonders vorgesehen, s) Gleichzeitig hatten
nun auch die Konsuln von Noli einen gleichlautenden Vertrag zu beschwören ;
durch Verträge mit dem Markgrafen von Savona hatte auch diese Gemeinde
eine freiere Stellung, namentlich in finanzieller Beziehung, zu erringen ver-
standen. 6)
Im Westen seines Gebiets entbehrte Genua bisher eines so starken Stütz-
punktes, wie es ihn im Osten an Porto Venere besaß. Zwar hatte sich Genua
schon am 30. Mai 1191 von Heinrich VI. die Erlaubnis geben lassen, ober-
halb des Hafens von Monaco ein Kastell zu errichten, und am 2. Juli war
sogar die förmliche Einweisung der Genuesen in den Besitz der Ortschaft,
1) Lib. Jur. I no. 325 : exceptio in armis, vianda et sarcia moderate. Deut-
licher im Vertrage von 1199 no. 427 : exe. in armis, vianda et sarcia prout moris
est cursalium, et tune moderate et sine fraude eis necessaria. Ebenso in den Ver-
trägen mit Savona und Noli von 1202, ebd. no. 445, 446. Auch mit Savona stand
Albenga in Vertrag: Lib. Jur. I no. 344. Vgl. Bruno p. 118.
2) Ann. genov. I, 48 ; 11, 77. Lib. Jur. I no. 225—228. Eine Konvention Ge-
nuas mit Diano vom 21- Sept. 1199, gegen Ventim. gerichtet, bei Sieveking I, 22 A. 4.
3) Gandoglia B. Documenti nolesi, in Atti e raera. Savon. IT (1889/1890) , 593
(mit dem irrigen Datum des 6. Juli).
*) Lib. Jur. I no. 427; 19. Sept. in Genua festgestellt, 23. Sept. in Albenga
beschworen. Sieveking I, 22.
6) Ann. genov. II, 80. Lib. Jur. I no. 446.
8) Lib. Jur. I no. 445. Gandoglia 1. c. p. 564 (1181), 577 (1192) und besonders
p. 584 ff. vom Mai und August 1193: Noli kauft vom Markgrafen für 708 1. jan. die
>lezea grani« in mercato Nauli, V4 totius pedagii de porta Nauli und '/^ pro sexto
boschi (= dricto lignaminis, p. 577), für 1440 1. jan. das jus ripe et piscarie und
allerlei richterUche Befugnisse. Im Jahre 1201 scheint den Nolensern von Genua
eine empfindliche Buße auferlegt zu sein; am 8. Mai wurde dem Otto Pulpus ver-
sprochen, daß er die 450 1. jan., die ihm Genua für die Ausrüstung von Galeeren
schuldete, binnen 14 Tagen nach Ankunft der Levante-Karawane »de rebus Nau-
lensium« erhalten sollte. Doneaud p. 80 A. 26.
I
Interner Seehandel der Tyrrhenischen Küste. 631
des Hafens und des Berges mit allem Zubehör vorgenommen worden; aber
erst 1215, als der Aufstand des benachbarten Nizza zu Ende ging, brachten
sie ihre Absicht zur Ausführung und erbauten hier ein mächtiges, von einer
37 Handbreit (palmos) hohen Mauer umgebenes und von vier Türmen flan-
kiertes Kastell. 1)
Durch die Erbauung dieser starken Feste scheint sich Ventimiglia
besonders bedroht gefühlt zu haben, so daß es sich wiederum gegen die
Herrschaft Genuas erhob; seine Unterwerfung im Jahre 1218 war nur von
kurzer Dauer; denn schon 1219 erhob es sich, diesmal im Bunde mit den
Malaspina und dem Markgrafen von Carreto, von neuem und verteidigte sich
zu Wasser und zu Lande so energisch, daß seine Bezwingung erst 1222, als
auch der Kaiser für die Rechte Genuas eingetreten war, gelang. 2)
498. An einer anderen Stelle aber hatte der Kaiser die hergebrachte
Stellung Genuas an der Riviera empfindlich verletzt; am 26. März 1221 hatte
er, wie es schon Otto IV. im Jahre 1209 in Anlehnung an alte kaiserliche
Verleihungen getan s), den Savonesen ein Privileg ausgestellt, das sich direkt
gegen die bisherige Bevormundung ihres Handels durch Genua richtete ; fortab
sollten sie volle Freiheit des Handels mit Salz und allen anderen Waren,
deren sie bedürften, haben und die Schiffahrt auf hoher See ohne jede Be-
schränkung betreiben dürfen ; die bisherige gewaltsame Unterdrückung dieses
ihres Rechts sollte eine Verjährung nicht begründen. *) Zu praktischer An-
wendimg wird das Privileg zunächst schwerlich gekommen sein, zumal der
Kaiser auch Genua bald von neuem mit der gesamten Küste von Monaco
bis Porto Venere belehnte ^) ; aber die Mißstimmung zAvischen Genua und Sa-
vona war im Wachsen, zumal diesem im folgenden Jahre wegen einer Fehde
mit Noli von Genua noch eine Buße von 1000 1. jan. auferlegt wurde, ß) Im
Jahre 1226 kam die Unzufriedenheit zum Ausbruch; Savona und Albenga
fielen von Genua ab und leisteten deni kaiserlichen Statthalter in der Lom-
bardei, Thomas von Savoyen, den Treueid ; Savona versprach auch, ein kom-
munales Salzmonopol einzuführen (cabellam saus construere), dessen Ertrag
dem Grafen zufallen sollte. Sofort teilte Genua aUen seinen überseeischen
Konsuln das Geschehene mit und forderte die Genuesen über See zu feind-
lichem Vorgehen gegen die Angehörigen der abgefallenen Orte auf; Savona
und Albenga wurden blockiert und bei Monaco und Ventimiglia Schiffe
stationiert, die die Salzzufuhr von Westen zu überwachen und alle von dort
kommenden Salzschiffe bei Monaco zu entladen hatten, damit kein Salz nach
den feindlichen Häfen gebracht werden konnte. Schon im Mai des folgenden
Jahres gelang der Energie der Genuesen die Einnahme beider Städte, die
schwer genug bestraft wurden; Genua setzte ihnen nunmehr aus der Reihe
seiner Bürger das Stadtoberhaupt; Stadttore und Befestigimgen und, was für
ihren Handel das empfindhchste war, auch die Hafendämme beider Orte wurden
zerstört. ')
») Lib. Jur. 1 no. 385 u. 390. Ann. genov. U, 135-
«) Ann. genov. II, 146, 150 ff., 173, 185. Lib. Jur. I no. 560, 562.
') Winkelmann, Acta I no. 33. B.-F. 325. Ein ähnliches Privileg erhielt auch
Albenga im Juni 1210 ; B.-F. 421.
*) Winkelmann, Acta I p. 198.
*) B.-F. 1666. Über das widerspruchsvolle Verhalten des Kaisers s. Winkel-
mann I, 299 f.
•) Ann. genov. II, 188.
') Ann. Jan., SS. XVm, 160 f., 163 ff. Erst am 28. März hätte der Kaiser
beide Städte unter .seinen unmittelbaren Schutz gestellt. Winkelm., Acta I, 265. Siehe
632 Dreiundvierzigates Kapitel.
Nach dem Siege des Kaisers bei Cortenuova aber erneuerten die beiden
Städte, diesmal im Bmide mit Ventimiglia, ihren Abfall (Anfang 1238).
Letzteres zwar wurde bald wieder unterworfen, aber Savona und Albenga
beharrten im Widerstände, und da bald darauf der vollständige Bruch des
Kaisers mit Genua erfolgte, verbreitete sich der Abfall über einen beträcht-
Uchen Teil der Riviera; nur durch besondere Vergünstigungen, durch Er-
hebung zur Stadt und zum Bistum, wurde Noli auf der Seite Genuas
erhalten. Der größte Teil der Riviera zwar wurde 1240 wieder unterworfen ;
Savona und Albenga aber waren nicht zu bezwingen ; ja als Stützpunkt der'
kaiserlichen Flotte wurde Savona eine schwere Gefahr für Genua selbst.i)
Über ein Jahrzehnt dauerte diesmal die Selbständigkeit der beiden Küsten-
städte ; Amtsakten des kaiserlichen Podestä in Savona vom Jahre 1250 haben
sich erhalten, nach denen der Salz- und Ölzoll damals für 70 L, die Stadt-
wage für 46 1. Jan. pro anno verpachtet war.2)
Der Tod des Kaisers brachte auch hier die Wendung. Als Genua im
Jahre 1251 ein neues großes Heer gegen die Riviera gerüstet hatte, unter-
warfen sich Savona und Albenga freiwillig wieder seiner Herrschaft; durch
eine Reihe von Verträgen wurde das Verhältnis der Seeplätze an der Riviera
zu Genua auf neuer Grundlage geregelt.^)
Diemndvierzigstes Kapitel.
Handelsverkehr zwischen dem Binneulande und den
Seeplätzen des Tyrrhenischen Meeres.
499. Die Handelstätigkeit der Bewohner <ler großen Seestädte
Italiens war ganz überwiegend dem Seeverkehr zugewandt, so daß die
aktive Rolle bei der Handelsverbindung zwischen Küste und Hinter-
land vorzugsweise den Binnenstädten zufiel. Im Landverkehr zogen
es die Seestädte im allgemeinen vor, sich aufsuchen zu lassen und
die zur See importierten Waren an die Bewohner des Binnenlandes
sogleich an Ort und Stelle abzusetzen und gegen die von diesen
herangeführten Waren einzutauschen. So gern man den Verkehr der
Binnenländer in den Seestädten sah, so schloß man sie im allgemeinen
doch grundsätzlich von der Beteihgung am Seehandel selbst aus; der
Seehafen sollte für sie das Endziel ihrer Handelsunternehmungen sein.
Ausnahmen wurden zugunsten besonders verdienter Personen und
solcher gemacht, die in der Seestadt ansässig geworden waren; dem
Zuzug fremder Elemente kam man als einer Verstärkung der hei-
dazu Winkelmann II, 25. Der geiiuesische Annalist hebt die Umsicht des genuesi-
schen Podestiv, eines Lucchesen, besonders hervor, der an verschiedenen Orten der
Riviera, wie Varazze und Noli, amtliche Einkaufsstellen für Lebensmittel (cabellas
victualium) errichten und selbst aus fernen Gegenden Getreide dorthin bringen
ließ ; p. 162 f.
1) Ann. Jan. p. 188 ff.
») G. Caro im Neuen Archiv XXIII (1898), 236.
") Ann. Jan. p. 228 f. Lib. Jur. I p. 1039- 1Ö78.
I
Handclsverkelir zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 633
uiischen Kraft entgegen. Besondere Umstände ließen dann die Ver-
günstigung auch ganzen Gemeinden zu teil werden.
Für Genua treten uns diese Verhältnisse aus dem Notularium des
Johannes JScriba mit besonderer Klarheit entgegen. Neben der Fülle von
Dokumenten für den Seehandel stehen hier im ganzen nicht mehr als zwei
Kontrakte, die von Genuesen in bezug auf den Handelsverkehr zu Lande
abgeschlossen werden i), eine Tatsache, die ihre Bedeutung behält, auch
wenn wir annehmen, daß nicht wenige genuesische Kleinhändler die Märkte
des Binnenlandes bezogen haben mögen, deren Geschäftstätigkeit einen
Niederschlag in den Notariatsakten nicht zurückließ. Dabei begegnen wir
Personen aus dem Binnenlande sehr häufig in diesen Akten, oft unter Ver-
hältnissen, die deutlich beweisen, daß es sich um Leute handelt, die sich
dauernd oder doch für lange Zeit in Genua zu Handelszwecken nieder-
gelassen haben. Beteiligt an diesem Verkehr erscheint das natürliche
Hinterland Genuas, Piemont und der westliche TeU der Lombardei bis etwa
zur Addalinie, außerdem Lucca; in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
treten auch die übrigen Toscaner hinzu.
500. Übten so auch die Genuesen selbst den Landhandel nur in ver-
hältnismäßig geringem Umfange aus, so waren sie darum nicht minder an
der Sicherung der nach ihrer Stadt führenden Hauptstraßen interessiert,
auf denen sich dieser Handel bewegte. Der Hauptübergang über das den
inneren Teil des Golfs von Genua ))ogenförmig einfassende Gebirge, das
Jugum^) (Paß La Bocchetta), das das Tal der bei Genua mündenden Polce-
vera mit dem Lemmetal verband, war in ihrer Hand; aber nur wenig
reichte ihre direkte Macht in das nördliche Vorland hinein. Voltaggi be-
zeichnete hier im allgemeinen den Nordpunkt ihres Territoriums; 1121
haben sie es nach einem siegreichen Zuge über das Jugum dem Markgrafen
von Gavi um 400 1. abgekauft.^) Durch dessen Gebiet oder doch nahe an
demselben vorbei gingen die Straßen nordwestlich auf Asti und nördlich
auf Tortona; von seinem Wohlverhalten hing daher die Sicherheit eines
großen Teils des Landhandels nach und von Genua ab; andererseits war er
selbst an der Aufrechterhaltung desselben finanziell in erheblichem Maße
interessiert. In der Weisung, die die Konsuln von Genua im Jahre 1130
an den Markgrafen Albert richten, dafür zu sorgen, daß Genuesen, die die
Straße von Gavi zögen, weder an ihrer Person noch an ihren Waren auf
der Hin- oder Rückreise irgendwelche Schädigung erhtten, erscheint er als
der von Genua bestellte Hüter der Sicherheit dreier Straßen, der Straße in
das Scriviatal nach Tortona, der Straße, die von Gavi direkt nördlich nach
Novi weiterführte, und der »strata Mercoroli«, worunter wohl die von Voltri
und Ovada herkommende Straße zu verstehen ist. Von jeder Last, die die
Straße von Gavi passierte, war er berechtigt, bis zu 18 Denar zu erheben.^)
An der Straße von Novi haben die Genuesen zeitweilig Gamundium (südlich
vom späteren Alessandria) in eine gewisse Abhängigkeit von sich gebracht;
im März 1146 wurden die Bewohner des Ortes eidlich verpflichtet, die
genuesische Münze als die herrschende bei sich einzuführen s), wofür sie
») Chart. II no. 1137 u. 1455.
*) Näheres über die genuesiHchen Apenninpässe Schulte I, 17 f.
*) Ann. genov. I p. 17 (1121.
*) Lib. Jur. I no. 26.
*) Ib. no. 117: stenebiüaus januensem monetam quam modo Januenses habent
vel dehinc fecerint, caput omni um monetarum, ita videlicet quod alteram
634 Dreiundvierzigstes Kapitel.
auf sechs Jahre von der Entrichtung des Grenzzolls von Voltaggi befreit
wurden.
Für die Straße nach Norden und in das Herz der Lombardei kam
außer dem Markgrafen von Gavi hauptsächlich Tortona, zu dem das Ver-
hältnis Genuas nicht selten sehr wenig freundlich war, in Betracht. Einen
Bundesgenossen gegen die Ansprüche Tortonas fanden die Genuesen in
seinem nördlichen Nachbar Pavia, während dessen Gegner Mailand es wieder
mit Tortona zu halten pflegte. Den vielfachen Wechselfällen der Städte-
fehden können wir hier nicht folgen ; bekanntlich erlag Tortona im Frühjahr
1155 der schweren Hand Friedrich Barbarossas; aber mit Mailands Hilfe i)
erstand der Ort nach dem Abzug des Kaisers bald wieder aus der Asche.
Als neues Blatt in dem reichen Kranze der lombardischen Städte kam dann
nach einem Jahrzehnt Alessandria hinzu; im April 1173 ließen sich die
Genuesen von dem Markgrafen von Gavi versprechen, die Bürger von
Alessandria und Tortona die Straße nach Genua unbehindert und ohne
Erhebung von Zoll, Geleitsgeld oder sonst einer Abgabe passieren zu lassen
und für die Sicherheit der Straße nach Anordnung der Konsuln Genuas zu
sorgen.2) Später aber hören wir von einem Handelsverbot, das Genua gegen
Alessandria erließ; erst durch die Konvention von 1181 wurde es wieder
aufgehoben.3) Von Asti und Alessandria wurde Genua unterstützt, als es
im Jahre 1189 gegen Donicella, die Witwe des Markgrafen von Incisa, zur
Befreiung seiner Gesandten auszog, die es des Kreuzzugs wegen an die
Könige von Frankreich und England geschickt hatte.^) Auch der Kaiser
wurde einmal in diesen Fehden um die Straße angerufen; in einem vor-
läufigen Schiedsspruch gebot er am 7. April 1185 den streitenden Parteien,
dem Markgrafen und den Leuten von Tortona, die italienischen Kaufleute,
welche der auf Gavi ziehenden Straßen, die durch das Scriviatal oder eine
andere, sie auch immer vorzögen, unbehindert passieren zu lassen, bis er
in der Streitsache wegen der Straße einen Rechtsspruch gefällt oder einen
Vergleich herbeigeführt habe.^)
501. Am Anfang des 13. Jahrhunderts kam es, allerdings erst nach
erneuten langen Wirren, zum Abschluß eines wichtigen Vertrages zwischen
Genua und Tortona (10. Mai 1202), der von Mailand und Pavia vermittelt
und beiderseits von je 1000 Bürgern beschworen wurde ß); sowohl von Mai-
land wie von Pavia waren je ein städtischer und ein kaufmännischer Konsul
monetam non permittemus currere nisi ad cambium prefate monete.« Dazu
no. 118 und 119. Auf eine früher größere Bedeutung dieses Ortes weisen auch die
Angaben Edrisis ed. Amari p. 79 und 90 (vgl. auch seine Karte).
1) Ib. no. 222 und 223. Imperiale, nota 35 p. 428. Das Chron. Urspergense
(SS. XXIII, 346) betont die Bedeutung Tortonas für Mailand : »per quam Mediola-
nenses iter habent usque ad Januam et ideo hanc quasi portum maris magni sibi
esse volunt« ; die Stelle geht wahrscheinlich auf Johannes von Cremona zurück.
*) Lib. Jur. I no. 296 und 297; . . . »sine omni pedagio, guidanagio vel dacita
ullo modo ; et ipsam stratam assecurabimus in ordinatione vestra. «
^) Devetum Alexandrie im Vertrage mit Albenga 1179; ib. no. 325. Bund
mit Alessandria 24. Februar 1181, Lib. Jur. II no. 15 und 16; Erneuerung von 1192,
14. Februar, ib. I no. 393 und 394 ; dazu no. 400.
*) Ann. genov. II p. 30 (1189). Über die Markgrafen von Incisa vgl. Breßlau I,
402, 405.
*) Ficker IV, 200 no. 157. Tortona war 1183 wieder zu Gnaden angenommen
worden ; Const. et acta I no. 284 ff. Giesebrecht VI, 109.
•) Lib. Jur. I no. 447.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 635
zugegen. Abgesehen davon, daß Tortona ein schon früher gegebenes
Versprechen erneuerte, die Genuesen auf seinen Märkten weder am Einkauf
seines eigenen noch fremden Getreides zu verhindern, übernahm man
beiderseits bindende Verpflichtungen zum Schutze des Handels auf der
Straße Genua — Tortona. NördKch von Gavi nahm Tortona, südlich davon
Genua die Straße unter seine Obhut; jede der beiden Kommunen übernahm
zugleich in bezug auf ihren Straßenanteil die volle Ersatzpflicht für alle
Schäden, die Kaufleuten oder sonstigen Reisenden auf dieser Strecke zu-
gefügt werden sollten. Zur Bestreitung dieses Ersatzes sollte einerseits das
pedagium von Tortona, andererseits der oberhalb von Gavi (also in Vol-
taggi oder an den Toren Genuas) erhobene genuesische Zoll dienen;
für die Feststellung der Höhe des Schadens war der Eid des Geschädigten
maßgebend, der dabei nur verpflichtet war, vorher das Gutachten der Konsuln
der Kaufleute seines Ortes i) zu hören ; außerdem ernannte Genua wie Tortona
eine Kommission von drei Männern, die in Fällen von Raub und Beschlag-
nahme in Tätigkeit zu treten hatte (qui jurent de predis et saximentis).
Jetzt zuerst begegnet auch eine besondere Behörde zur Überwachung der
Straße ; unter den Zeugen erscheinen neben den Konsuln der vermittelnden
Städte auch Ambrosius de Cravate und Cortisius de Bernate, electi super
stratam. Auch das Verhältnis Genuas zu den Markgrafen von Gavi
wurde neu geregelt.^) Sie traten in die compagna Genuas ein, siedelten
nach der Stadt über, zedierten ihren Besitz und das Hoheitsrecht, das sie
über Alessandria gewonnen hatten 3), an Genua; dafür wurde ihnen der
gleiche Anteil am pedagium von Gavi wie vor dem Kriege (die Hälfte) zu-
gesichert; nur ging die Erhebung desselben fortan durch genuesische Ein-
nehmer (per pedagerios comunis Janue) vor sich. Außerdem erhielten sie
eine Entschädigung von 4000 1. Jan., wovon Genua ^/g zahlte, während der
Rest durch einen pro Last zu erhebenden Straßenzoll aufzubringen war,
dessen nähere Einrichtung dem Befinden der lombardischen Städte überlassen
war.4) Als sich Markgraf Albert von Gavi 1211 der lästigen Abhängigkeit
von Genua entziehen wollte, wurde ihm sein Anteil am pedagium abge-
sprochen und auf die Dauer von 10 Jahren für 1000 1. jan. verpachtet;
zugleich ließ der Podesta zur größeren Sicherung des Weges (ut strata
securior iret) eine Kunststraße (via levata) von Gavi über den Bergrücken
bis Montecucco (nahe Serravalle) anlegen.^)
Im Jahre 1218 erneuerten Genua und Tortona ihren Handelsvertrag auf
10 Jahre; gegenseitig versprach man sich, jährlich Konsuln zu ernennen,
bei denen die Leute des andern Teils Recht nehmen könnten ; um Schulden
sollte nur der Schuldner selbst oder sein Bürge belangt werden dürfen.
') »Cum consilio tantum consulum mercatorum illius qui <Iampnum passuH
fuerit.t Aus dieser Stelle könnte man schließen, daß es auch in Genua besondere
Konsuln der Kauflei^;e gab. Indessen würde ich einen solchen Schluß doch für
hinfällig halten, da jedes andere Zeugnis fehlt und unsere Quellen für Genua
reichlich genug fließen. Ich erkläre den etwas prägnant gefaßten Ausdruck so :
>unter dem Beirat der für die Kaufleute zuständigen Konsuln des Geschädigten« ;
in Genua waren das die städtischen Konsuln.
*) Ib. no. 448 (16. September), 451 und 452 (25. und 27. September). Dazu ann.
genov. II, 84.
') Schon 1172 ; Lib. Jur. I no. 293.
*) Ann. genov. II, 84: pedagium super euntes per stratam voluntate civitatum
Lombardie colligendum per saumam.
') Ann. genov. II, 121.
636 Dreiund vierzigstes Kapitel.
Weiter versprach man sich gegenseitig offenen Markt, speziell sagte Tortona
den Genuesen wieder offenen Getreidemarkt zu, so daß der Import auch
des lombardischen Getreides für Genua doch wichtig genug gewesen sein
muß.i) Auch sollte eine Erhöhung der bestehenden Handelsabgaben aus-
geschlossen sein; wohl um Zweifel zu vermeiden, zeichnete man die Sätze
für einige Waren auf: Tortona erhob 12 den. pap. für den Malter Getreide
(modius blave) oder den Karren mit sonstigen Lebensmitteln, Genua 12 den
Jan. vom Kantär Fleisch, Schmeer und Käse, sowie vom Faß Öl und Honig ;
alles Sätze, die nur einmal und zwar vom ersten Käufer zu entrichten waren. 2)
Das Streben Genuas, seinen Besitz im nördlichen Vorlande des Apennin
auch über das markgräfliche Gebiet von Gavi hinaus auszudehnen, veranlaßte
1224 Tortona und Alessandria zu einem Bunde gegen Genua, von dem sie
Arquata und Capriata zurückforderten. 3) Aus dem heftigen und lang-
dauernden Kriege, der nun entbrannte *), hebe ich nur hervor, daß Genua
im Jahre 1227 die Vermittelung Mailands annahm; doch entsprach seui
Schiedspruch gar nicht den Erwartungen, die Genua von der mailändischen
Freundschaft gehegt hatte ; nicht nur daß Capriata zurückgegeben werden sollte,
die Alessandriner sollten auch von jedem pedagium in Gavi wie an den
Toren Genuas, auch von dem viskontilen, befreit sein ; nur durften die Ge-
nuesen diese Befreiung durch Zahlung von 600 1. pap. jährhch an Alessandria
ablösen. Gab ein Alessandriner fremde Waren für eigene aus, so verfielen
diese zugimsten der Comune Genua. ^) Nach kurzer Zeit schon brach der
Kampf wieder aus.^) Mit Tortona kam es 1235 zu einem neuen Vertrage'''),
der namentlich wieder die Sicherung der großen Handelsstraße ins Auge
faßte; für die Strecke Genua — Gavi übernahm Genua, für die von Serra-
valle bis Tortona und weiter nach Pavia zu Tortona die Fürsorge, während
das verhältnismäßig kurze, aber besonders wichtige Mittelglied Gavi — Serra-
valle unter die gemeinsame Obhut beider Städte gestellt wurde; erfolgte
auf dieser Strecke die Schädigung eines Kaufmanns oder sonstigen Reisenden,
so hatte für Ersatz des Schadens die Stadt aufzukommen, unter deren Macht
der Schädiger stand; ging die Schädigung von einem Dritten aus, so über-
nahmen beide Städte den Schadenersatz zur Hälfte.
Aber auch dieser Friede hatte nur kurzen Bestand. Schon 1237 lag
Genua mit Tortona wieder im Kampf, und als es im Jahre darauf offen
mit dem Kaiser brach, erweiterte sich der Kreis seiner Gegner im Hinter-
lande bald beträchtlich ; im Jahre 1241 hat beispielsweise der kaiserliche
Vikar Marino von Eboli mit den Kontingenten von Tortona, Alessandria,
Pavia, Alba und Asti das genuesische Gebiet jenseits des Jochs nach Kräften
1) Im Jahre 1171 verboten die Lombarden einmal wegen der kaiserfreund-
lichen Haltung Genuas die Getreideausfuhi- dorthin; »attamen parum minus duce-
batur« bemerkt dazu der genues. Annalist; I, 246.
*) Ebd. 145. Lib. Jur. I .no. 532, 533. Zwischen 3 und 6 den, de qualibet
mina schwankte, nach Ermessen der Konsuln Genuas, die Abgabe »de roso et
mirto«. Allgemein s. über das genuesische Abgabensystem Sieveking I, 26 ff.
») Ann. genov. II, 199 (zu 1224); ann, jan. (SS. XVIII, 157) zu 1225.
*) Viele auf diesen Krieg bezügliche Urkunden bei Desimoni C. Documenti
di Gavi. Alessandria 1896 ; s. ferner Winkelmann I, 261, 296.
6) Lib. .Jur. I no. 632 (9. Nov. 1227), Ann. Jan., SS. XVUI, 166. Winkel-
mann n, 25 f,
•) Näheres Ann. jan. p. 171—176, 181; AVinkelmann II, 39, 312, 419.
^) Lib. Jur. I no. 725—727.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 637
verwüstet.!) Die schwierige Lage, in der Genua sich in dieser Zeit befand,
veranlaßte es auch, die Markgrafen Heinrich und Friedrich von Gavi in ihren
Besitz, natürlich unter genuesischer Hoheit, wieder einzusetzen; aber auch
so vermochte es den Verlust von Capriata nicht zu verhindern. 2) Erst der
Tod des Kaisers machte dann den Genuesen nach dieser Seite ihres Hinter-
landes wieder mehr Luft.
502. Diese fortwährenden Kämpfe im nördlichen Vorlande des Apennin
körmen als bester Beweis für die Wichtigkeit der Handelsinteressen dienen,
die es hier zu vertreten galt; handelte es sich doch um den Hauptweg, der
aus dem Herzen der Lombardei direkt nach Genua führte und zugleich
zahlreiche Seitenstraßen von West und Ost in sich aufnahm. Als Fracht-
fuhrleute dienten besonders die Bewohner des Polceveratales, aus dem die
Straße zum Joche anstieg, die Leute aus Rivarolo, Pontedecimo, Comago,
Langasco u. a., die zu einer Korporation zusammengeschlossen waren, die
unter eigenen consules vecturalium oder mulionum stand, wie wir für das
Jahr 1212 zuerst nachweisen können; zwei von ihnen sehen wir in diesem
Jahre mit einen Kaufmann von Novara über den Transport von 5 Lasten
zum Preise von 25 sol. Jan. paktieren.^) Andere Handelsbeziehungen zwischen
Genua und den Zentren der Lombardei, die zunächst auf- diesen Handels-
weg angewiesen waren, lehrt uns das Notularium des Johannes Scriba kennen ;
so hat der genuesische Bankier Stabilis am 20. Juli 1164 dem Wilelmus
speciarius Waren im Werte von 15 1. jan. in Commenda gegeben, die er
auf der Messe von Vercelli verkaufen sollte, um den Erlös daselbst weiter
anzulegen; als Entgelt wurde ihm die Hälfte des Reingewinns zugesichert.'*)
Mehrfach ist ferner Pavia in diesen Akten vertreten. Als naturalisierter
Genuese erscheint der oft als Zeuge genannte Wilelmus von Pavia; ein Ver-
wandter von ihm, Sorleonus, erhielt einmal von Blancardus und seinem Bruder
Raimund 100 1. jan. in Commenda für eine Handelsreise, deren Ziel nicht
angegeben wird; als Zeugen begegnen mehrfach Simeon von Pavia und sein
Bruder Oliverius.^) Als Käufer von Baumwollstoff in Genua tritt Lambert
von Pavia auf ; den bedungenen Preis von 100 1. jan. will er dem Verkäufer
Blancard bis Weihnachten, gegebenenfalls schon vorher erstatten, falls er
die gekaufte Ware vorher absetzen sollte (si vendidero bombacinarn).^) Der-
selbe Blancard schließt 12 Tage später mit Bertramis von Pavia und seiner
Frau Damiata einen eigentümlichen Vertrag, in dem diese erklären, von ihm
Waren im Wert von 50 1. jan. empfangen zu haben und anderes Geld nicht
zu besitzen; sie versprechen eidlich, das ihnen Anvertraute wohl zu hüten
und zu mehren, nur in seinem Namen zu kaufen und zu verkaufen und
Kapital und Zins in seinem Namen zu verwalten, so lange es ihm gefalle.'^)
») Ann. jan. p. 186, 191 f., 197, 202.
«) Ebd. 223.
') Ferretto I, 267 A. 1. Die drei Konsuln von 1212 waren Zuino von Ponte-
decimo, Ventura von Pedemonte und Buongiovanni von S. Stefano di Langasco.
Ein Frachtführer von Comago, Bonavia, übernimmt 1248 einen Transport von Mar-
seille zur Messe von Provins; Amalric no. 642 (in no. 376 irrig de Como genannt).
Zur Einführung des neuen Erzbischofs von Genua hat Ferretto ein Schriftchen :
Relazioni tra Gen. e Novara nel sec. Xin (Genua 1902) erscheinen lassen.
*) Chart. II no. 1455.
») Ebd. 679, 859, 1183; 944 (Sorleonus; 19. Aug.. 1160); 655; 1003.
«) Ebd. 1002 (6. Nov. 1160).
0 Ib. no. 1003.
^38 Dreiundvierzigstes Kapitel.
Darnach ist zu vermuten, daß Blancard den beiden Ehegatten ein eingerich-
tetes Detailgeschäft (wahrscheinhch Tuchgeschäft) übergeben hat, das ihnen
mit dem Preise von 50 1. angerechnet wurde ; leider erfahren wir nichts über
den ihnen zustehenden Gewinnanteil.
503. Über Pavia und Tortona führte der nächste Weg von Lodi und
Mailand nach Genua. ^Unter den Lodigianen war einer. Guido von Lodi,
ganz eingebürgert in Genua. Im Jahre 1162 ging er in Begleitung der
genuesischen Gesandtschaft zu dem Kaiser nach Turin; und daß er Bürger
von Genua geworden, geht auch daraus hervor, daß er einmal sein Geld in
einer Handelsreise nach Spanien anlegt, i) Immerhin hielt er auch die Ver-
bindung mit seinen Landsleuten aufrecht; Ende JuU 1162 nahm er, wahr-
scheinlich für seine Reise zum Kaiser, bei Aldradus von Lodi ein Darlehn
in Höhe von 32 1. auf, das er mit 38 1. binnen Jahresfrist zu erstatten
versprach 2); und einmal ist er mit seinem Sohn zusammen Zeuge 3), wie
8 genannte Bürger Lodis erklären, von ihren Landsleuten Alberich und
Archimbald Waren erhalten zu haben, für die sie den Kaufpreis 8 Tage
nach Ostern mit 26 1. alter mailändischer Denare nach Belieben der Gläu-
biger in Lodi oder Genua zu erlegen versprechen.
Für den lebhaften Verkehr der Mailänder in Genua ist es be-
zeichnend, daß einmal vor unserem Notar ein Mailänder Grundstück ver-
kauft wird, und daß bei diesem Akt nicht nur die Parteien, sondern auch
alle Zeugen aus Mailand sind. *). , Eine sehr angesehene Stellung nahm in
Genua der Judex Otto von Mailand ein. Als er im Sommer 1158 sein
Testament machte, bestellte er den Ansaldo Doria und dessen Söhne zufl
Vormündern seiner Kinder; im Jahre 1162 ging er wie Guido von Lodi zum
Kaiser nach Turin und 1168 schickte ihn Genua mit dem Kanzler Obert
zusammen als Gesandten an den lombardischen Bund. 5) Daß er auch den
Handelsgeschäften nicht fremd war, ersehen wir daraus, daß er einem So-^_
zius des Bankiers Stabüis im Jahre 1161 eineCommenda von 24 1. Jan., »inj
baldinello« angelegt, für seine Handelsreise nach Konstantinopel anvertraute, ß)
Wahrscheinlich doch stammten diese leinenen Stoffe aus Mailand; haben
wir doch auch die Ausfuhr von Mailänder Barchent und Mailänder Stahl-
waren von Genua nach Sizilien für die gleiche Zeit nachweisen können '),
so daß die Mailänder Industrie damals schon in erheblichem Umfange für
den überseeischen Export von Genua aus gearbeitet haben muß.
Aus dem Vertrage, den die Feinde Mailands 1193 untereinander
schlössen, ergibt sich andererseits, daß für den Import Mailands von Genua
her außer Pfeffer und sonstigen Spezereien, Salz und Wachs besonders Baum
I
») Ann. genov. I p. 71 (1162); Chart, n no. 720.
^) Bei früherer Rückzahlung trat Zinsreduktion ein (pro racione temporis de
proficuo minuatur). Chart. II no. 1175.
*) Ib. no. 453; 1. 26 mediolanensium veterum für verum zu lesen (11. Aug.
1157).
*) Chart. II no. 282 (21. März 1156).
*) Ib. no. 630; ann. genov. I p. 71 und 213.
«) Chart. II no. 1114. Oben § 190.
') Einige Preisangaben für Genua: 184 cannae de baldinellis galten 32 I. im
Jahre 1156; im September 1163 werden 204 peciae fustaneorum zu 10 sol. das Stück,
8 Tage nach Ostern zahlbar, verkauft. (Chart. II no. 361, 1307). Dagegen wurden
2 peciae sagae 1157 mit 6 1. und 1 pecia brunetae von 7 '/?, Ellen mit 20 sol. die
canna (1164) berechnet; eM. no. 483 u. 1427.
Handelsverkehr zwiscben dem Biunenlande und dem Tyrrhen. Meere. 639
wolle, Alaun, Brasilholz und Indigo i) in Betracht kamen, also das Roh-
produkt und die Farbstoffe, deren Mailand für seine Textilindustrie haupt-
sächlich bedurfte. Wie eng sich auch politisch die Verbindung zwischen
Mailand und Genua gestaltete, kommt besonders darin zum Ausdruck, daß
in den Jahren 1222 — 1250 nicht weniger als zehnmal ein Mailänder als
Podestä an der Spitze Genuas stand. ^)
Aus ferner gelegenen Orten der Lombardei vermögen wir nur noch
die Bergamasken im Handelsverkehr mit Genua nachzuweisen ; in seinem
Frieden mit Tortona vom Jahre 1235 erklärte sich Genua bereit, die Hälfte
des Schadens zu tragen, den Leute aus den Gebieten von Mailand und
Bergamo durch Beraubung auf der Straße zwischen Gavi und Serravalle
«rlitten hatten, s)
504. Nicht allein auf die Hauptstraße von Gavi waren für ihren
Handelsverkehr mit Genua angewiesen die wichtigen, von der Tief-
land sbucht von Tortona in größerer Entfernung westlich und östlich
gelegenen Handelsplätze Asti und Piacenza, zwei Städte, die wir ge-
rade in besonders engen kommerziellen Beziehungen zu Genua stehen
sehen. Wohl konnten sie ohne allzugroßen Umweg auch diese Haupt-
straße benutzen, die die bessere und bequemere war, aber, und das
war für die dauernde Aufrechterhaltung ihrer Handelsverbindung mit
Oenua von größter Wichtigkeit, sie waren in keiner Weise von ihr
abhängig.
Für Asti insbesondere ging der nächste Weg zum Meere nach Savona
oder dem nahegelegenen Noli. Von Savona führte als kürzeste und be-
gangenste Straße der Weg über den Col di Monte moro (jetzt strada de
€antagalleto) landeinwärts; seit 1178 befand sich auf der Paßhöhe ein Ho-
spiz; eine Urkunde von 1221 schildert sie als eine breite und schöne Straße,
auf der abgesehen vom Pilgerverkehr die Kaufleute auf Maultieren und
Eseln ihre Warenballen sowie Hanf, Getreide usw. transportierten und der
Salztransport auf kleinen Karren (carrucae) erfolgte. 4) Im Jahre 1171 be-
freite der Markgraf Enrico Guercio die Astesanen von dem Zoll von 4 den.,
den er bisher von ihnen in Savona erhoben und erklärte, sich fortan mit
dem pedagium von 8 den., das »am eisernen Kreuz« (bei Cosseria) erhoben
wurde, begnügen zu wollen, s)
In Genua selbst begegnen wir astesanischen Kaufleuten mehrfach schon
in dem oft erwähnten Notularium ; so Enricus de Solaro von Asti, der dem
Genuesen Ido MaUonus am 14. Juli 1160 bis Ende August 17 1. Jan. zu
erstatten verspricht, und Ribaldus Benedicti, der am gleichen Tage dem
Gläubiger 36 1. Jan., fällig zur nächsten Fastnacht, zu schulden erklärt für
12 Zentner Brasilholz, die er von ihm gekauft hat. In beiden Fällen bürgt
der Genuese Ribaldus Painera unter Verzicht auf die Rechtswohltat des
') Cod. Land. II, 198 no. 175 : allunien, braxile, en . . . ; doch besteht kein
Bedenken die Lücke zu endicum zu ergänzen; vgl. die soma endici, Cod. Laud. II,
188 und die Zahlung von Piacenza, unten. Bei Schulte I, 140 steht durch ein Ver-
sehen in bezug auf diesen Vertrag Lodi statt Mailand.
2) Ann. Jan. zu 1222, 1223, 1228, 1230 usw.
3) Uh. Jur. I no. 727.
*) Bruno A. Di alcune strade e traverse alpestri nel territorio savonese im
Bull, della Soc. stör. Savonese I (1898) p. 12 u. 14 f.
6) Cod. Ast. II, 624 no. 608; I, 217.
640 Dreiundvierzigstes Kapitel.
Verbots, für Fremde Bürgschalten zu übernehmen. i) In einem anderen
Falle hat Jacobus de Emengauso von Asti vom Bankier Stabilis Waren
gekauft (7. August 1164), deren Preis er mit 40 1. jan. bis Neujahr zu er-
legen verspricht. Endlich erscheint in dem Inventar des Nachlasses Scar-
sarias ein Astesane mit 10 1. als Schuldner des Verstorbenen. 2)
Spielten die Waren der Levante bei dem Export Astis aus Genua
naturgemäß die Hauptrolle, so kamen für ihren Import namentlich Textil-
waren, insbesondere solche von jenseits der Alpen, in Betracht. Während
der Kämpfe am Ende des 12. Jahrhunderts bemächtigten sich die Mark-
grafen von Gavi einmal (1197) durch einen Überfall auf der Handelsstraße
einer größeren Anzahl von Tuchballen, die genuesischen und astesanischen
Kaufleuten gehörten, und im Jahre 1203 kaperten exilierte Seeräuber von
Savona eine Büse, die ganz mit Warenballen der Astesanen beladen war
und suchten mit ihrer wertvollen Beute in la Turbie und Nizza eine Zu-
flucht.'*) Nach dem Vertrage von 1251, der ebenfalls für den Tuchhandel
der Astesanen in Genua lehrreich ist 3), waren die Astesanen für Waren, die
sie von Genua zur See nach Savona oder Noli und von da zu Lande nach
Frankreich und nach der Lombardei oder auf dem umgekehrten Wege
transportierten, von der Entrichtung der sonst für Seetransporte üblichen
Abgabe von 1 d'en. pro libra an die Konsuln des Meeres befreit ; zugleich
wird auf gerichtliche Erkenntnisse Bezug genommen, die in den Jahren 1243
und 1244 gegen die Ansprüche der consules mulionum ergangen waren. ^')
Diese hatten nämlich behauptet, daß ihnen bei der Einfuhr von Hanf und
Hanfgespinst nach Genua, auch wenn sie zur See erfolge, von jedem Pack,
das ein Gewicht von 18 rubbi und 6 rotuli überschreite, 20 sol. jan. (wohl;
als Buße) zu zahlen seien. Das genuesische Gericht hatte indessen ent-
schieden, daß diese Einfuhr zur See ohne Rücksicht auf das Gewicht, ebenso
die Löschung der Ware am Kai, ihre Unterbringung in den Herbergen der
Importeure und ihr Verkauf anstandslos erfolgen dürfe, ohne daß die Kon-
suln der Fuhrleute zur Vornahme einer Verwiegung berechtigt seien ; es sei
erwiesen, daß die von ihnen behauptete Gewohnheit nicht bestände. Eben-
falls gegen die Ansprüche dieser Konsuln, die die Gebühr von der bei der
Beladung der Lasttiere vorzunehmenden Verwiegung der Waren vom Staate
gepachtet hatten, richtete sich die Bestimmung, daß sie nicht berechtigt
seien, Waren der Astesanen, die von den Wiegemeistern am Zoll schon _
gewogen und auf Schiffe oder Lasttiere verladen worden waren, noch ein- !■
mal verwiegen und zu diesem Zwecke wieder abladen zu lassen; nur das
Recht sollten sie haben, bei der Verwiegung zugegen zu sein. Der Podestä
sollte bei der Neuverpachtung der Gebühr den Bietern ausdrücklich von
dieser Bestimmung Mitteilung machen. Auch der herkömmliche Betrieb
des Wechslergeschäfts durch Astesanen in Genua geht aus dem Vertrage
von 1251 hervor; sie sollten ihre Wechslerbanken in Genua ganz wie früher
I
') Chart. II no. 914, 915.
*) Ebd. 1484, 1427.
•') Ann. genov. II, 72, 86.
*) Oben § 306.
*) Erkenntnis des Judex et Assessor des Podesta, vom 19. August 1243 und
auf die von Vassallus, consul niiilionum, und seinen Amtsgenossen eingelegte Be-
rufung Erkenntnis der zweiten Instanz vom, 4. Mai 1244; beide in den Vertrag von
1251 eingerückt. Lib. Jur. I no. 812. : ./
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 641
betreiben dürfen, vorausgesetzt, daß sie in derselben Weise Sicherheit leisteten
wie die genuesischen Bankiers selbst, i)
Bemerkenswert ist endlich, daß die Astesanen unter Umständen auch
den Seeverkehr über Pisa pflegten. Beim Abschluß des Waffenstillstandes
zwischen Genua und Pisa im Juli 1212 drückten die Genuesen den Wunsch
aus, daß die Pisaner den Seetransport von Astesanen oder ihrer Waren
unterlassen möchten^); wahrscheinlich hatten während des vergangenen
Krieges die Pisaner es verstanden, die Astesanen unter Gewährung besonderer
Vorteile zur Beteiligung am Seehandel von Pisa aus heranzuziehen ; es wird
dieser Krieg gewesen sein, der auch die Genuesen zu einer liberaleren Praxis
bezüglich der Zulassung der Lombarden zum überseeischen Handel-^) ver-
anlaß te.
505. Daß auch die Genuesen Asti des Handels wegen aufsuchten,
zeigt schon der Umstand, daß der Vertrag von 1251 den Genuesen in Asti
alle diejenigen Freiheiten einräumt, deren sich die Astesanen in Genua
erfreuten; das Fehlen von Detailbestimmungen weist freilich darauf hin,
daß der Verkehr der Genuesen in Asti doch ein geringerer war. Zudem war
er offenbar überwiegend Durchgangsverkehr mit Frankreich. Auf diesen
Durchgangsverkehr bezieht es sich auch, daß Genua, bald nachdem Asti und
Turin im Jahre 1232 ein Gegenbündnis gegenüber dem lombardischen Bunde
geschlossen hatten, *) mit dem Markgrafen Bonifaz von Montferrat den Ver-
trag von Coconato einging, der diesen verpflichtete, für den guten Zustand
und die Sicherheit der Straße, die von Asti durch sein Gebiet über Cunengo,
Coconato, Tonengo, Castagneto und Castiglione nach Turin führte, Sorge
zu tragen ö) und bei etwa auf dieser Straße in seinem Gebiet vorfallenden
Schädigungen binnen Monatsfrist vollen Ersatz zu leisten. An Zoll sollte
er für die auf sein Gebiet fallende Wegstrecke höchstens 6^/2 sol. jan. für
die Last oder den Tuchballen erheben dürfen; nicht beladene Tiere sowie
Objekte, die nicht auf Lasttieren befördert wurden, sollten zollfrei passieren.
Die ganze Entwickelung dieses Landhandels mußte freilich empfindlich ge-
stört und der Handel zum Teil abgelenkt werden, als der große Kampf zwischen
Papst und Kaiser das Binnenland Ober-Italiens in zwei feindliche Lager
spaltete; der Vertrag Genuas mit Asti von 1251 gehört zu den Erscheinungen,
die die Rückkehr geordneter Verhältnisse für den Handel bezeichnen.
506. Enger als zu jeder anderen Stadt waren die kommerziellen
Beziehungen Genuas zu Place nza.
Da der Weg von Piacenza nach Tortona durch die Po-Enge bei Stradella
führte, die von dem mit Piacenza oft verfeindeten Pavia beherrscht wurde,
HO war die Existenz eines direkten, wenn auch schwierigeren Handelsweges
von Piacenza nach Genua von besonderer Wichtigkeit. Das Statut von 1169
macht den Stadtkonsuln von Piacenza die Fürsorge für die Sicherheit des-
■*) . • . faciendo securitatem eo modo et forma 'sicut fecerint bancherii Janue,
ita quod dicta banca teneant ad modum et fonpam, quo et qua solebant te-
uere Astenses banca in Janua. S. auch oben §268.
*) Cod. Sard. I p. 323: Item petunt consules communis Janue, quod Pisani
non debeant portare vel reducere Astenses per mare vel peccunias eorum,
') Geht aus dem Vertrage Genuas mit Marseille von 1211 hervor; oben-
§471. . , ,,, ; ,
*) Cod. Ast. IV, 34. Winkelmann II, 421 (1., August 1232).
*) Ljb. Jur. I no. 697, Chart. II no. 1819, 1820: ^t stratam illam preparari et
aptari faciemus ... ad comodum transeuntium, quociens opus erit. , .
Scbaube, Handclsgeschicbte der roraan. Völker im Mittelalter. 41
(542 Dreiundvier/iigstes Kapitel.
selben, namentlich auf dem Abschnitt von Rivalgario bis Mezzano zur be-
sonderen Pflicht!); es handelt sich dabei um den Anteil Piacenzas an der
Straße, die die Trebbia aufwärts fast bis zu ihrer Quelle verfolgt, sich bei
Torriglia für eine kurze Strecke zum Hochtal der Scrivia wendet, um dann
über den Col de la ScofEera zu gehen und im Bisannetal nach Genua
hinabzuführen. 2) Ungefähr halbwegs zwischen Piacenza und Torriglia lag
an der Einmündung eines zweiten von Tortona herkommenden und die
Staffora aufwärts führenden Weges das berühmte Kloster des hl. Columban,
Bobbio, von Pilgern viel besucht ; das hier errichtete Bistum hatte Innozenz II.
1133 dem erzbischöfüchen Sprengel von Genua unterstellt; im Jahre 1180
hat Piacenza mit Bobbio einen Vertrag geschlossen^), der sich sicher auf
diese Straße bezog. Weiterhin führte die Straße durch die vielfach zer-
streuten Besitzungen der Malaspina; es war von Wichtigkeit, daß im selben
Jahre 1180 der Genuese Simon Ventus von Markgraf Opizzo und seinem
Sohn Opizzino für den Preis von 230 1. jan. i/g des Kastells von Torrigüa
mit einem Anteil von 2 den. jjro Last an dem daselbst erhobenen Zoll als
ewiges Lehen erstand; und im Jahre 1202 zedierten Albert Malaspina imd
sein Neffe Konrad den Genuesen Nicolaus Embriaco und Manuel Dona
die Anteile an den Passierzöllen, die ihnen an den Straßen von Val di Trebbia
und Borbera zustanden. 4)
Auch Mailand bediente sich, wie wir aus einem Vertrage des kaiserlichen
Gesandten mit Piacenza vom Juni 1158 gelegentlich erfahren*'), für seinen Ver-
kehr mit Genua häufig des Weges über Piacenza, da es mit seinem pavesischen
Nachbar nur allzuoft im Streite lag. So erklärt es sich, daß im September 1212
Piacenza und Mailand zusammen mit dem Markgrafen Wilhelm und Konrad
Malaspina einen Vertrag schlössen ß), der alle 5 Jahre erneuert werden sollte.
Diese verpflichteten sich, von den Kaufleuten aus den beiden Städten und
den diesen befreundeten Orten, die ihre Straße im Trebbiatal passierten,
nicht mehr als 6 sol. jan. für die große und 4 sol. für die kleine Last
(somma) zu erheben, abgesehen von 1 den. jan., der für das Kloster Bobbio
gesammelt wurde; diese Sätze ermäßigten sich auf 2 und 1 sol. pap., falls
sie von Bobbio aus die Straße nach Tortona benutzten. Dafür verpflichteten
sich die Markgrafen eidüch zum Ersatz aller Güter, die den Kaufleuten beim
Durchzug auf ihrer Straße geraubt werden sollten. Dagegen versprachen
Mailand und Piacenza, ihre Kaufleute zur Benutzung dieser Markgrafenstraße
im Trebbiatal zu veranlassen, wobei ihnen indessen freistehen sollte, in
Bobbio auf die Straße nach Tortona überzugehen, die den Weg nach Genua
zwar nicht unwesentüch verlängerte, aber offenbar erhebüch bequemer war
als die Straße über die Höhe von Torriglia. Zu gleicher Zeit legten die
beiden Markgrafen ihre Differenzen mit Genua bei und leisteten diesem
gegen eine Zahlung von 15001. jan. den Treueid.'^) Bald darauf können wir die
tatsächliche Benutzung dieses Weges nachweisen; am 18. August 1214 ver-
sprach Bernardo Negro von Montebruno^) dem Egidio de Olona und Ge-
1) Boselli I, 330.
*) Schulte I, 18 f., der mir aber die Bedeutung dieser Straße für den Handel
zu unterschätzen scheint.
^) Codagnellus p. 11.
*) Sieveking I, 3, 4 A. 6. Ferretto I, 112 A. 1. ^ ^
») Const. et acta I, 238 no. 172.
«) Chart, n, 1269 no. 1745.
») Ann. genov. R, 120, 122.
8) Ferretto I, 5 A. 1.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 643
nossen als Vertretern sämtlicher in Genua weilenden placentinischen Kaufleute,
die Waren, die sie ihm überweisen würden, von Genua bis Bobbio zu trans-
portieren, wo sie wohl von placentinischen Vecturarii übernommen wurden.
Im ^Mai 1229 hat dann Piacenza mit Opizzo und Konrad Malaspina im Bunde
Bobbio unterworfen, dessen Bischof im Jahre darauf seine weltlichen Gerecht-
same an Piacenza v erpachtete. i)
507. Was die Art der kommerziellen Beziehungen Piacenzas zu Genua
anbetrifft, so sehen wir zunächst sehr früh Placentiner in Genua als Geld-
geber auftreten. So leiht Guiscard von Piacenza am 8. Dezember 1161
einem genuesischen Ehepaar eine der Höhe nach nicht angegebene Summe,
■die dieses unter Eid bis Ende August mit 3 1/2 1. Jan. zu erstatten verspricht,
widrigenfalls der Gläubiger sich aus seiner Weinernte in Voltri bezahlt
machen darf. 2) Offenbar haben wir es hier mit einem Wucherer zu tun,
■der die kleineren Leute auszubeuten verstand. Dagegen zeigen andere Ver-
träge über größere Summen die Züge des damals üblichen regulären Dar-
lehns, so, wenn Marcallus von Piacenza dem uns bekannten Marchio de Volta
«in Darlehn von 40 1. jan. gewährt, das in Jahresfrist mit 50 1. jan. rück-
zahlbar ist, so auch bei den beiden Darlehn, die der Genuese Embronus im
Juli 1161 bei den Placentinern Salvus und Gossus aufgenommen hat. 3)
Aber auch der Stadt Genua selbst gegenüber erscheinen die Placen-
tiner sehr früh als Darlehnsgeber. Gelegentlich der Expeditionen gegen
Almeria und Tortosa hatten sie der Stadt beträchtliche Summen vorgestreckt;
im Jahre 1154, als die Konsuln von Piacenza (4 consules comunis und
2 consules negociatorum) deshalb eine Zahlungsaufforderung an die genue-
sische Regierung ergehen ließen, betrug die Gesamtforderung der Placen-
tiner 8600 1. 1 sol. 2d. 4) Natürlich ist anzunehmen, daß hierbei die Zinsen
von mindestens 20 % pro anno inbegriffen sind, andererseits ist wahrschein-
lich, daß teilweise Abzahlungen schon vorher stattgefunden haben. So
«rsuchte Genua um Ermäßigung der Forderung; imd in der Tat schlössen
die Gesandten Piacenzas, der Stadtkonsul Boso und der Konsul der Kauf-
leute Ricardus Surdus eine Konvention mit Genua, in der die Schuldsumme
auf 6000 1. herabgesetzt wurde, wovon 1/3 sofort, das Übrige bis Michaeli
zahlbar sein sollte; erfolgte die Zahlung nicht bis spätestens zum 1. Januar
1155, so wurde der teilweise Nachlaß der Schuld damit hinfällig. Die
Zahlung der 4000 1. wollte Genua durch Waren sicherstellen ^) ; tatsächlich
ist auch die Abtragung der Schuld zu einem beträchtlichen Teile in Waren
erfolgt. Wie uns eine zufällig erhaltene Notiz belehrt 6), haben die Placen-
tiner insgesamt erhalten: 28151. 8 sol. 4 d. in Goldstücken (bisantiis), 8751.
11 sol. in Pfeffer und in Denaren, endlich 23101. in Brasilholz, Baumwolle,
Weihrauch, Indigo und Alaun, ungerechnet den Wert der dazu gehörigen
Säcke und Gefäße. Die Übernahme dieser Waren verlief nicht ganz ohne
Beanstandung, da Piacenza an die genuesischen Konsuln einmal die höf-
liche Bitte richtete, dafür Sorge zu tragen, daß seinen Bürgern dadurch, daß
Waren an Zahlungsstatt gegeben würden, keine Benachteiligung erwüchse;
') Winkelmann II, 57.
*) Chart. II no. 1139.
=•) EM. 1098 (die Ergänzung des . . ta zu quadraginta erscheint nicht zweifel-
haft); 1071, 1074.
*) Lib. Jur. I no. 202 und 207.
») Ib. no. 205.
•) Am Schlüsse von no. 202.
41«
644 Dreiundvierzigstes Kapitel.
speziell der gelieferte Indigo habe sich nicht als preiswürdig erwiesen. ^) 9J
Bis zum vorgesehenen Termin war die Schuld zu beiderseitiger Befriedigung
getilgt. 2) Auf finanzielle Verpflichtungen Genuas den Placentinern gegen-
über deutet es auch, wenn in dem Konsularstatut für Piacenza von 116!>
für Gotof redus Surdus und Genossen ein Betrag von 4 1/2 1. plac. ausgeworfen
ist für den Fall, daß sie nach Genua gingen »pro petenda ratione sua«.^)
Zeigen uns jene Urkunden die kapitalkräftige Stadt zugleich als wichtige
Abnehmerin der von Genua zur See eingeführten Waren, so wissen wir
andererseits auch, daß die Erzeugnisse der Textilindustrie von Piacenza, die
fustagni und pignolati, schon damals in Genua zum überseeischen Export
gelangten. Die enge Verbindung der Geschäftswelt von Piacenza mit Genua
erhellt ferner aus der Tatsache, daß im Juli 1156 dem Placentiner Azolinus,
der im Begriff stand, die Genueserin Beldemanda zu heiraten, die Lizenz
erteilt wurde, jährlich 150 1. in maritimen Handelsunternehmungen anzulegen
(mittendi laboratum per mare) ; die Motive, die die Ehrbarkeit und Bedürftig-
keit der Frau betonen, erwähnen zugleich, daß der Mann die Heirat von
diesem Zugeständnis abhängig gemacht und daß er zugleich versprochen
habe, wenn erforderlich, persönlich oder durch einen Stellvertreter zu Roß
für Genua Kriegsdienst zu leisten und von der Summe von 1501. den
gleichen Anteil wie die genuesischen Bürger an den von Genua erhobenen
coUectae zu entrichten. *) Die gleiche Lizenz gewährte Genua den aus Pia-
cenza stammenden Judices Opizo de Rizolo (1143 für 100 1., 1153 erneuert)
und Fulco Strictus (1149, für 2001.), als Entgelt dafür, daß sie auf Auf-
forderung der Konsuln als Sachwalter die Interessen der Stadt gegen jeder-
mann, ihre Heimat Piacenza und diejenigen Personen, zu denen sie in einem
Lehnsverhältnis standen, ausgenommen, wahrzunehmen versprachen. 0) Schon j
damals also berief man auswärtige Juristen in die Stellung von Syndici,
offenbar weil ihre Unabhängigkeit von den heimischen Parteiungen ihre
Unparteilichkeit zu verbürgen schien. Bis auf 300 1. endlich erstreckte sich
die Lizenz, die am 18. August 1176 dem Lercarius von Piacenza um der
besonderen Verdienste willen, die er und sein Geschlecht sich um Genua
erworben, erteilt wurde; die collecta maris et terrae sollte er von dieser 3
Summe allerdings ebenso wie die Bürger Genuas zu zahlen verpflichtet sein ;
dafür sollte er aber auch an Verwiegungsgebühren (in cantario vel rubo)
nicht mehr zahlen wie die Genuesen selbst, ß) Es ist doch sehr bezeichnend
und keineswegs ein Zufall, daß wir solche Vergünstigungen keinem Bürger
einer anderen lombardischen Stadt zugewendet finden.
508, Ganz besonders eng haben sich die Beziehungen zwischen Genua
und Piacenza gegen Ende unseres Zeitraums gestaltet. Im Jahre 1240, als '■
*) Ib. no. 203. Vgl. die irrige Vorstellung über die Bedeutung des Indigo ina ;
Mittelalter bei Wiesner I, 445.
■ *) Die über diese ganze Zahlungsangelegenheit vorliegende TJrkundenreihe
(auch bei Imperiale p. 359 — 363, no. XV — XIX zu nota 13) ist so zu ordnen : Lib.
Jnr. I no. 202 (Aufforderung); 206, 204, 205 (den Nachlaß betreffend); 203 (Rekla-
mation); 195 (30. Dezember 1154; von Langer S. 63 Anm. 2 als ein Bündnis der
beiden Städte bezeichnet), 207, 208 (Januar 1155); dazu die Notiz am Ende von 202.
Sieveking I, 39 irrt mit der Annahme, daß die Placentiner nur 5500 1. erhalten hät-
ten; die Addition ergibt sogar einen Bruchteil über 6000 1.
») Bosellil, 330.
*) Lib. Jur. I no. 217.
») Ebd. 85, 191, 192; 149, 153.
«) Ebd. 312.
«
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 645
der Krieg zwischen Genua und dem Kaiser schon im vollen Gange war,
gingen Piacenza und Mailand ein enges Bündnis mit Genua eini); viermal
sind während dieses Krieges Placentiner Podestäs in Genua gewesen und
der genuesische Annalist hebt die hilfsbereite Treue, die Piacenza trotz
schwerer eigener Bedrängnis den Genuesen in dieser Zeit bewies, ganz
besonders hervor. 2) Daß diese enge Verbindung zugleich kommerzieller Natur
war, zeigt uns z. B. 1247 der gemeinsame Bezug nordfranzösischer Tuche
auf dem Wege über Marseille 3) und beweist uns namentlich die große Rolle,
die Avir placentinische Bankiers auf dem Geldmarkt in Genua spielen sehen. 4)
Dieser engen Verbindung entspricht es, daß Piacenza ein Konsulat in Genua
hatte; am 10. Februar 1241 ist Oberto Bagarotto zuerst als placentinischer
Konsul in Genua nachweisbar; die auf dem S. Georgsmarkt in den Häusern
der Malocelü gelegene Loggia der Placentiner wurde im Oktober 1253 für
70 1. Jan. jährlich von neuem gepachtet, ß)
Von der kommerziellen Verbindung Piacenzas mit der anderen großen
Seestadt des Tyrrhenischen Meeres haben wir nur ein Zeugnis; am 5. März
1179 wurde den in Pisa erschienenen Gesandten Piacenzas, dem Konsul
Capo und Grimerius Vicecomes, im Dom zu Pisa vor zahlreichen Zeugen
und in Gegenwart des Volkes für alle Placentiner und ihre Waren im ge-
samten Machtbereich Pisas zu Wasser wie zu Lande volle Sicherheit gewähr-
leistet; sollte diese Zusage aufgekündigt Averden, so sollte sie doch für die-
jenigen Placentiner, die sich in der Ferne befanden, bis zu ihrer Rückkehr
in die Heimat Gültigkeit behalten. Bei Streitigkeiten sollte das Forum des
Beklagten zuständig sein; an Abgaben hatten die Placentiner in Pisa die
altherkömmUchen (pedagium und ripa), ebenso wie die Pisaner in Piacenza
2U entrichten.^) Doch scheint sich ein stärkerer Handelsverkehr zwischen
beiden Orten nicht entwickelt zu haben, obwohl die Hauptstraße, die von
Piacenza über den M. Bardone nach Toscana und weiter nach Rom führte,
sehr viel begangen war; dazu war doch der Weg nach der ligurischen See-
stadt zu nahe, ohne dabei wesentlich größere natürliche und pohtische
Schwierigkeiten zu bieten als der Weg nach Pisa.
509. Während die Apenninen für die Verbindung Ober-Italiens
mit dem Tyrrhenischen Meere ein nicht unerhebliches Verkehrs-
hindernis bilden, wenden sie sich am Südostende des Ligurischen Golfes
von der Westküste ab und der Adria zu, so daß Mittel-Italien sich
überwiegend nach dem Tyrrhenischen Meere hin öffnet. So trennten
keine natürlichen Schwierigkeiten Pisa von seinem toskanischen Hinter-
') Ann. Jan., SS. XVIII, 192. Zwei Jahre darauf wurden die Markgrafen von
Montferrat, Carreto und Ceva in dies Bündnis einbezogen ; p. 209.
2) Ann. Jan. zu 1239, 1241, 1244, 1247; zu 1243 p. 210: commune Placentie,
quüd nunquam in necessitatiVjus defuit comuni Janue, licet multum gravatum esset
ab inimicis.
») Oben § 473.
;) § 271.
') Ferretto I, 5 A. 1. Auf (irund archivalischer Studien weist Accame in den
Atti e mem. stör, per le provineie di Romagna, ser. 3, XIV (1896) p. 137 einen
Konsul der bolognesischen Kaufleute in Genua, Alberto Guascone, für das Jahr
1220 nach. Ein Blick in die Annalen Genuas zu diesem Jahre hätte ihn belehrt,
daß er in Wahrheit einer der vier Gerichtskonsuln war, die in diesem Jahre, ebenso
wie der Podestä, sämtlich Bolognesen waren.
8) Boselli I, 326 f. Die von Piacenza ausgestellte Gegenurkunde ist nicht er*
halten.
646 Dreiundvierzigstes Kapitel.
lande ; und am wenigsten konnte von solchen gegenüber seiner Nach-
barstadt Luc ca die Rede sein. Dafür sehen wir hier die schon früher
hervorgetretenen Interessengegensätze^) vielfach eine weit schärfere
Trennung hervorrufen, als dies natürlichen Hindernissen möglich ge-
wesen wäre.
Im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts war das Grenzkastell Ripa-
fratta am Austritt des Serchio aus der lucchesischen Talstufe der Haupt-
streitpunkt eines Krieges (1104 — 1110), der in dem durch Heinrich V.
gebotenen Frieden mit der Behauptung des Kastells durch die Pisaner
endete.2) In einem zweiten Kriege (1121) erlangten die Lucchesen von dem
gleichzeitig durch Genua hart bedrängten Pisa die Anerkennung ihrer Be-
freiung vom pisanischen Uferzoll, die Markgraf Konrad ihnen erst vor
kurzem (2. Oktober 1120) bestätigt hatte.^) Noch während des korsikani-
schen Krieges griifen sie wiederum (1128) zu den Waffen und entrissen
den Pisanern das die Frankenstraße beherrschende Kastell Aghinolfi (heut
Montignoso) an der Bertramspforte 4), jenem Defile, das durch das nahe
Herantreten der Apuanischen Alpen an das Meer gebildet wird ; allerdings
ohne ihre Eroberung dauernd festhalten zu können.^) Besonders heftig
und langwierig aber gestaltete sich der Krieg, der 1143 begann, weil Pisa
das Lucca bedrohende Kastell Vurno an sich gebracht hatte, um auf diese
Weise, wie die pisanischen Annalen sagen, Rache zu nehmen für die Unbill,
die ihm Lucca bezüglich des Kastells Aghinolfi, der Frankenstraße und der
Arnostraße zugefügt hatte.^) Der Krieg zog sich trotz kaiserlicher und
päpstücher Bemühungen mit einigen Unterbrechungen (1147 und 1155/56)
jahrelang hin, bis er endlich Mitte August 1158 durch einen zehnjährigen
Waffenstillstand beendet wurde; er hatte schließlich fast ganz Toscana in
Mitleidenschaft gezogen, so daß Graf Guido, Siena und Pistoja auf der
Seite Pisas, Florenz, Prato und die Herren der Versilia und Garfagnana
auf der Seite Luccas standen.'^)
510. Die Vertragsbedingungen sind nicht erhalten und es läßt sich
nur vermuten, daß sie im allgemeinen einem uns vorliegenden Entwurf,
auf Grund dessen Erzl)ischof Villano in Gemeinschaft mit anderen geist-
hchen Würdenträgern im Januar 1155 den Frieden zu vermitteln versucht
hatte 8), entsprochen haben werden; jedenfalls aber sind die Artikel dieses
Entwurfs höchst lehrreich für die Interessen, um die es sich handelte
mid für die Tendenzen, die man bei diesen Kämpfen verfolgte. Für den
Verkehr auf der »strada Francorum« nach Pisa unterschied man drei Kate-
gorien: die diesseits des Passes La Cisa (also des Apennin) )fVohnenden
durften, ohne Lucca zu berühren, direkt mit Pisa verkehren, falls ein
») Oben § 40 f. Volpe 149 f.
*) Davidsohn I, 355 ff.
') Ebd. 363 f., 390. Scheffer-Boiehorst p. 65, 76 A. 7.
*) Urkunde von 1055 bei Muratori Antiqu. III, 645 : de castello quod dicitITir
Aginulfi, prope portam que dicitur Bertam. Porta Bertramensis im Vertrage zwischen
Genua und Tortona ; Lib. Jur. II no. 6. S. auch Belgrano in Atti Lig. II, p. 325.
') Davidsohn I, 404- Scheffer-Boiehorst p. 86.
6) SS. XIX, 241. Bernhardi, Konrad III p. 363.
») Langer S. 20 ; Davidsohn I, 431 ff. Ann. pis. SS. XIX, 244.
*) Bei Bonaini Suppl. p. 28 f., vorher aus Eoncionis freiüch sehi- unzureichen-
der Übersetzung p. 294 f. bekannt. Von beiden irrig zu 1158 gesetzt, ist er erst
durch Davidsohn I, 453 f. und Forschungen I, 99 richtig bestimmt worden.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 647
solcher direkter Verkehr altherkömmhch war; drei von Lucca und Pisa
gemeinsam zu erwählende Personen aus dem Bistum Luni hatten das Her-
kommen in dieser Beziehung festzustellen. Alle jenseits des Apennin, aber
noch diesseits der Alpen Wohnenden mußten ihren Weg zwar über Lucca
nehmen, durften aber mit ihren Waren unbehindert (libere) nach Pisa
weiterziehen, wenn sie es wollten. Für beide Kategorien sollte indesscni
während eines Zeitraums von 10 Tagen vor und 10 Tagen nach Peter Paul
(29. Juni), an welchem Tage in Pisa große Messe stattfand, jede Be-
schränkung in Wegfall kommen. Die Franzosen und Deutschen hingegen,
sowie alle jenseits der Alpen Wohnenden überhaupt (Franceschi et Tedeschi
et omnes ultramontäni) sollten auf ihrem Wege südwärts in Lucca einen
mindestens achttägigen Aufenthalt nehmen müssen, innerhalb dessen sie
auch die von ihnen eingekauften Waren zu bezahlen hatten; dann sollte
auch ihnen bei ihrer Weiterreise nach Pisa keinerlei Hindernis in den Weg
gelegt werden dürfen. Das Kastell Aghüiolfi sollte an die Pisaner, der
flämische Turm bei Corvaria (turris flaminga) an seine früheren Besitzer,
die edlen Herren Uguiccio und Veltro, zurückgegeben werden. Was den
Weg von Pisa arnoaufwärts anbetrifft, so sollte niemand, sei es auf dem
Arno selbst, sei es auf der in der Richtung des Arno verlaufenden Straße
nach Pisa zu ziehen gehindert werden; die Abgaben waren auf das Maß
der zur Zeit Ugolinos, des letzten Kadolingergrafen, (gest. 1113), auf diesem
Wege erhobenen zurückzuführen; wahrscheinlich hatte sie Lucca, das seine
Besitzungen bis zu dem wichtigen Fucecchio vorgeschoben hatte, beträchtlich
erhöht. Überhaupt sollten alle Abgaben, die Pisa und Lucca seit den Zeiten
der Gräfin Mathilde (gest. 1115) gegeneinander eingerichtet hatten, der Salz-
zoll (duana salis), der Zuschlag zum Uferzoll (wir sehen also, wie wenig die
Errungenschaft der Lucchesen von 1120/21 Bestand gehabt hat) und die Ver-
kehrsabgabe, die mit dem Namen maltolletum bezeichnet wird, innerhalb
einer bestimmten Frist völlig beseitigt werden. Endlich sollte niemand, der
zu Lande oder zu Wasser nach Pisa kam, von den Pisanern zurückgehalten
werden dürfen, wenn er seine Waren nach Lucca weiterführen wollte.
511. Die Unzufriedenheit Luccas mit den Bestimmungen des Waffen-
stillstandes von 1158, der jedenfalls unter dem Drucke des damals vor
Mailand lagernden Kaisers zustande gekommen ist, äußerte sich besonders
darin, daß es im folgenden Jahre eine direkt gegen Pisas kommerzielle
Interessen gerichtete Konvention mit Genua einging.
Schon während des korsikanischen Krieges hatte die gemeinsame
Feindschaft Lucca mehrfach mit Genua zusammengeführt; daß ein Vertrags-
verhältnis zwischen beiden Städten bestand, zeigen die Konsularstatuten
Genuas von 1143, die den Genuesen die Beachtung desselben zur Pflicht
machen.i) Der damals einsetzende Krieg Luccas gegen Pisa fiel zwar in
eine Periode des Friedens zwischen den beiden Seestädten ; wie lebhaft aber
der Handelsverkehr der Lucchesen mit Genua war, geht aus dem Abkom-
men von 1153 hervor, das den Transithandel der Lucchesen durch genuesi-
sches Gebiet nach Frankreich regelte.^)
Nunmehr schloß Lucca mit Genua am 10. September 1159 zu Lerici
eine am 1. November für 12 Jahre in Kraft tretende Konvention über den
Salzhandel. Genua verpflichtete sich, den Lucchesen alles Salz, dessen sie
bedürfen würden, an den jeweilig von ihnen zu bestimmenden Ort ihres
*) Leges Munic. I p. 257.
«) Oben § 275.
648 ' Dreiund vierzigstes Kapitel.
Küstengebiets zum Preise von 15 sol. lue. für den Malter von Porto Venerei),
frei bis zur Entladung, zu liefern; das Risiko des Weitertransports fiel den
Lucchesen anheim. Sollten die Pisaner die Transporte mit Gewalt hindern,
so verpflichtete sich Genua, das Salz nach dem Grenzorte seines Gebiets,
Porto Venere, für 12 sol. lue. für den Modius zu liefern und seinen Unter-
tanen vorzuschreiben, den Weitertransport mit ihren Fahrzeugen (lignis) für
den festen Preis von 2 sol. 7 den. per Modius zu besorgen; wahrscheinlich
sollte dieser Transport dann nur nach der anderen Seite des Golfs von
Spezia gehen. Sollten die Pisaner auch diese Transporte hindern und
Lucca deswegen zum Krieg gegen Pisa schreiten wollen, so verpflichtete
sich Genua, die Lucchesen zu unterstützen. Jedenfalls um den Lucchesen
eine unbequeme Konkurrenz fernzuhalten, versprachen die Genuesen ferner,
an die Anwohner des Golfs zwischen Porto Venere und Luni Salz nur in
Höhe ihres eigenen Bedarfs abzugeben; sollte sich herausstellen, daß diese ^
Salz in das Gebiet zwischen liUni imd Rom weiterverkauften, so sollte fl
Genua ihnen nicht eher wieder Salz liefern, bis sie geschworen hatten,
diesen Handel zu unterlassen. Ebenso verpflichteten sich die Genuesen
selbst, niemandem in diesem Gebiet Salz zu liefern, auch keinem Kaufmann,
der das Salz auf dieser Küstenstrecke absetzen wollte. Lucca wollte also
fortan nicht nur kein Salz mehr von Pisa beziehen, sondern auch in bezug
auf den Salzhandel an der ganzen Küste von Ijuni bis Rom mit Pisa in
Konkurrenz treten.
Der Vertrag ist das beste Zeichen, wie wenig freundlich das Verhältnis
Luccas zu Pisa war und wie sehr sich während des langen Kriegszustandes
mit Pisa der Verkehr Luccas mit Genua eingebürgert hatte. Deutlichen
Anzeichen dafür begegnen wir auch in den Notariatsakten des Johannes.
Nicht selten ließen sich Lucchesen dauernd in Genua nieder und erlangten
durch Aufnahme in die »Compagna« das Recht, den Genuesen gleich am
Seehandel teilnehmen zu können. Das hervorragendste Beispiel dafür bietet _
jener Obertus von Lucca, den wir mehrfach, und zwar mit sehr bedeutendem fl
Kapital, im Seehandel tätig gefunden haben; im April 1163 hat er von
einem anderen in Genua naturalisierten Lucchesen, Guidotus, dem Sohne
des verstorbenen Gandulfus Lucensis, einen Hausanteil erworben und später
hat er es bis zum Gerichtskonsul in Genua gebracht.2)
Ein besonders wichtiger Artikel des lucchesischen Exports nach Genua
war der Safran. 3) Dem genuesischen Bankier Stabilis versprachen am
8. Dezember 1161 Pasius Bruni und Grugnus Moricondi, für empfangene
Waren bis Mittfasten nächsten Jahres 111 Pfd. unverfälschten Safrans, wie
er von Lucca eingeführt zu werden pflege (111 Ib. safrani legaliter, sicut a
Luca consuevit introduci), zu liefern ; und ein völlig analoges Versprechen gibt
ihm am gleichen Tage Rogerius, der Sohn des Petrus de Lisca, in bezug
auf 241/3 Pfd. »croci, qualis a Luca legaliter adducitur«.*) Ja selbst als
Zahlungsmittel dem genuesischen Staate gegenüber verwendeten Lucchesen
I
I
1) . . . modium qui hodie publice currit in Portu Venere. San Quintino p. 84.
«) Oben § 118, 441. Chart. II no. 775, 957, 1189, 1473; 1251 (13. April 1163).
Konsul 1189 fSS. XVIII, 103). Ein anderes Beispiel ist Merlo von Lucca; s. ferner
no. 1055, 1427, 1064; 1467; 421—423.
3) tjber (üe viel Arbeitsaufwrand und Mühe erfordernde Krokuskultur, die
schon im Altertum in Italien heimisch war, s. besonders Flückiger p. 773 fE. und
Semler H, 640 ff.
*) Chart. II no. 1141, 1140.
I
Haudely\ erkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhon. Meere. 649
den Safran; Kaufleute von Lucca schössen ihm am 1. JuH 1169 einen Betrag
von 120 1. Jan. vor, davon 80 1. in bar und 40 1. in Safran, Avobei das Pfund
Safran mit 8V3 sol. Jan. angerechnet wurde, i)
512. Zur Zeit dieses Darlehnsgeschäftes befand sich Lucca schon wieder
in heftigem Kampfe mit Pisa. Als im Jahre 1162 der Krieg zwischen
Genua und Pisa ausbrach, hatte der Kaiser im Juli zu San Genesio die
consules majores von Lucca in Gegenwart pisanischer, florentinischer und
pistolesischer Konsuln schwören lassen, den Verkehr auf der Via regia in
keiner Weise zu stören 2), Zuwiderhandlungen zu bestrafen und den Pisanern
und ihren Waren Sicherheit in ihrem Gebiet zu gewährleisten ; und etwa um
dieselbe Zeit bestimmte man auch, daß Streitigkeiten zwischen Pisanern und
Lucchesen durch alljährlich neu zu nennende Schiedsrichter erledigt werden
sollten.3) Trotzdem trat Lucca schon 1165 in den Kampf gegen Pisa ein,
holte sich aber am 1. Juni bei den Bädern der Monti Pisani eine Nieder-
lage, die es veranlaß te, auf eine Waffenruhe von 20 Monaten einzugehen.
Am 7. Oktober 1166 aber kam es zum Abschluß eines engen Bünd-
nisses auf 29 Jahre*) zwischen Genua, das damals auch Rom und Narbonne
auf seine Seite brachte, und Lucca, in dem Genua dem lucchesischen
Handel Bedingungen zugestand, wie es sie ähnlich günstig noch niemals
einer Stadt zugestanden hatte. In Porto Venere, das den Lucchesen zu-
nächst lag, erhielten sie 2 Häuser innerhalb des Kastells, so daß sie hier
ihre Waren völlig sicher unterbringen konnten, bis sich Gelegenheit zur
Weiterbeförderung fand. Wenn die Genuesen den Lucchesen erlauben,
in Porto Venere ein oder mehrere Schiffe zu unterhalten, so waren die Luc-
chesen verpflichtet, die Genuesen damit gegen jeden Feind auf der Küsten -
strecke zwischen Rom und Nizza zu unterstützen. Und wie den Lucchesen
in Porto Venere, so wurden den Genuesen in Motrone 2 Häuser eingeräumt,
die nach Ablauf der 29 Jahre an Lucca zurückfallen sollten. Mit dem Bau
eines Kastells zum Schutz von Motrone hatte Lucca schon begonnen ; Genua
verpflichtete sich nvm, an Lucca 1000 1. zu zahlen, die zum Ausbau dieses
Kastells oder eines anderen bei Filetto (nahe der Serchiomündung) oder
auch zum Bau von Gebäuden, Brücken und Wegen in oder bei diesem
Kastell zu verwenden waren. Ferner regelte man den Modus der Bezahlung
des von den Genuesen nach Motrone gelieferten Salzes; Lucca versprach,
seinen Untertanen durch jährlich erneute Bekanntmachung vorzuschreiben,
nur von den amtlich bestellten Salzverkäufern oder von Genuesen Salz zu
kaufen. Der wichtigste Punkt aber war, daß Genua versprach, den Luc-
chesen die Teilnahme am Seehandel genau ebenso zu gestatten wie den
Genuesen selbst. Der lebhafte Wunsch, das gehaßte Pisa niederzuwerfen,
veranlaßte Genua also , in diesem Falle von seiner sonst geübten aus-
*) Olivieri in Atti TJg. I, 337. Sieveking, der diesen Druck übersehen hat, ist
auf Grund eines Fehlers in dem von ihm benutzten Auszuge von Wolf (40 Pfd.
Safran statt 40 I. jan. in Safran) zu der Annahme gekommen, daß hier ein Zinsfuß
von etwa 100 "/o pro anno vorliege; I \). 39. *
*) Const. et acta I, 302: stratam non offendam etc. Das Privileg für Pisa
vom April 1162 enthält auch die Bestimmung, daß kein Kaufmann nach Pisa zu
gehen gehindert werden dürfe; ebd. 283.
') Geht aus dem pisanischen Konsularstatut für 1164 hervor.
*) San Quintino p. 86 — 91 gibt den l.,ucca verpflichtenden Teil des Vertrages,
während die Ann. pis. (SS. XIX, 255) genau über die Verpflichtungen Genuas be-
richten (die Zahl der Jahre XXIV ist irrig für XXIX). Dazu ann. genov. I, 193
mit Anm. 1; I>angerll8; Davidsohn I, 496.
650 Dreiundvierzigstes Kapitel.
schließenden Handelspolitik völlig abzugehen. In einer besonderen Ver-
einbarung vom 21. Juni des nächsten Jahres wurde die Höhe des Passier-
zolls festgesetzt, den lucchesische Waren, die auf dem Landwege nach Genua
gingen, im Gebiet der Herren von Cogorno und der anderen Grafen v. La-
vagna zu entrichten hatten, i) Inzwischen entbrannte der Kampf um die
Via regia mit besonderer Heftigkeit; mit Hilfe der neuen Befestigungen
woUte man die Verbindung Luccas mit Genua auf dem kürzesten Wege
sichern, die Pisaner aus dem Küstengebiet nördlich vom Serchio völlig
verdrängen und ihnen jede Verbindung mit der Frankenstraße abschnei-
den; eine Hauptlebensader Pisas sollte damit unterbunden werden. Lucca
hatte sogar die Absicht, Pisa völlig zu ruinieren, indem es die anderen
Städte Toscanas zum Anschluß an das Bündnis zu bewegen suchte; doch
hatte es damit keinen Erfolg.^) Auch leisteten die Pisaner zähen Wider-
stand; Ende 1170 errangen sie über ihre Feinde einen großen Landsieg^
der es ihnen ermöglichte, das überaus starke Kastell, das Lucchesen und
Genuesen bei Motrone errichtet hatten, dem Erdboden gleichzumachen und
auch den hölzernen Turm, der von ihnen etwas weiter südlich bei Viareggio^)
erbaut war, zu zerstören; im folgenden Jahre freihch erbauten ihre Feinde
einen neuen »Turm am Meere«, noch fester und höher und dem Arno
näher als jener; die in den Fluß Einfahrenden sollten ihn nach dem Willen
der Erbauer als ein schreckendes Zeichen sehen können. *) Doch stärkten
die Pisaner in diesem Jahre ihre Stellung erheblich durch ein enges Bünd-
nis mit Florenz; Januar 1173 schlössen sie ein gegen Lucca gerichtetes
Bündnis mit den edlen Herren der Versilia, das diesen gestattete, Waren
aus Pisa gegen bloße Entrichtung des alten Uferzolls auszuführen ; doch
maßten sie Garantie leisten, diese nicht an die Feinde Pisas zu liefern ß);
1174 machten sie ihren Frieden auch mit Rom.
Endüch bereitete das Eingreifen des Kaisers Ende November 1175 dem
Kriege ein Ende. Die vielumstrittene Sperrfeste an der Frankenstraße (an
Stelle jenes hölzernen Turmes war schließlich ein Kastell bei Viareggio er-
baut worden) mußte zum schweren Verdruß der Lucchesen geschleift wer-
den; dagegen wurde den Pisanern verboten, den von ihnen geschlagenen
Münzen die Form der lucchesischen zu geben, wie sie seit langem zu tun
gewohnt waren.«) Wie einst im Jahre 1158, fügte sich Lucca auch jetzt
nur widerstrebend dem gebotenen Frieden und bald genug brachen neue
MißheUigkeiten unter den beiden Städten aus.
513. Im .Jahre 1181 aber, wohl unter dem Druck langdauernder Hungers-
not und schwerer Seuchen, die Italien damals heimsuchten, reichten sich die
bisher so unversöhnlichen Gegner die Hand zu ernstlichem Frieden nicht
nur, sondern zu so engem Bunde, daß beide Städte in mancher Beziehung
fast als ein Staatswesen erscheinen konnten. Nach schwierigen Verhand-
') Ferretto I, 247 A. 1. Passavante war aber nicht Konsul der Lucchesen in
Genua, sondern lucchesischer Stadtkonsul, der zum Zwecke der Verhandlung nach
Genua gekommen war.
*) Omnes facere recusaverunt ; ann. pis,, öS. XIX, 255.
") Ebd. 260. Näheres über diese Kämpfe bei Davidsohn I, 515 11:.
*) Ann. genov. I, 245.
*) Bonaini Suppl. p. 47 f., irrig zum Oktober 1169 angesetzt (danach auch
Davidsohn 1. c. Anm. 4). Dazu Ann. pis. p. 264,
*) Ann. genov. 11 p. 9. Mem. e docum. per servire all' ist. di Lucca IV, 2
(1836) no. 134 p 185 f. Langer S. 201. Davideohn I, 544.
Handels verkehl' zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 651
lungen kam der Vertrag am 19. Oktober zum endgültigen Abschluß i); je
2000 Bürger aus jeder Stadt beschworen ihn und alle 5 Jahre sollten je
500 weitere Bürger den gleichen Eid leisten. Die Differenzen wegen der
Münze wurden in der Weise beigelegt, daß die in Pisa zu prägenden Münzen
sich fortan deutlich von den Denaren Luccas unterscheiden sollten.
Gegenseitig war Nachprägung streng verboten; der Reingewinn aus der
Münze in jeder Stadt aber sollte zu gleichen Teilen geteilt werden.
Ebenso sollte fortan auch der Reingewinn aus dem in beiden Städten
erhobenen Uferzoll und dem Salzmonopol, sowie aus dem nur in Pisa be-
stehenden Monopol auf Eisen und Eisenerze, so lange ein solches vorhanden
sein würde, endlich auch der Reinertrag aus dem pisanischen Seezollamt
(decatia) zu gleichen Teilen unter die vertragschließenden Städte geteilt werden.
Wenn es darnach scheinen könnte , daß diese Bestimmungen zum ganz
überwiegenden Vorteil Luccas getroffen waren, so schwindet dieser Eindruck
doch bei Betrachtung anderer Artikel des Vertrages. Abgesehen davon,
daß die Lucchesen in Pisa wie die Pisaner in Lucca in bezug auf Abgaben
und Gebühren völlig gleich den Einheimischen zu behandeln waren, ver-
pflichtete sich Lucca, sein Salz nur von den Pisanern zu beziehen ; vor allem
aber war bestimmt, daß aus den eigenen Zolleinnahmen Pisas und der von
Lucca ihm überwiesenen Hälfte vom Abschluß des Friedens an auch alle Aus-
gaben zu bestreiten waren, die Pisa im Interesse des Seehandels und der Sicher-
heit der Schiffahrt zu machen hatte. Dazu gehörten alle Ausgaben für die
Decatia selbst sowie für den Seehafen (pro magnali) und das große Magazin
in Porto Pisano, die Kosten des Wachtdienstes auf Hafentürmen, Wacht-
türmen, Küsten und Inseln (unter dem Begriff guardia maris zusammen-
gefaßt) , die Ausrüstung und Unterhaltung besonderer Wachtgaleeren zur
Sicherung der heimischen Gewässer, event. auch zur Begleitung und Einholung
von Handelsschiffen, endlich auch die Kosten von Gesandtschaften, die im
allgemeinen Handelsinteresse notwendig schienen, sowie überhaupt alle Aus-
gaben, die bona fide im Interesse der decatia gemacht werden würden. Man
wird darnach wohl annehmen dürfen, daß Lucca nicht auf besonders hohe
Überweisungen zu rechnen hatte.
Dafür hatten aber auch die Lucchesen fortan den gleichen Anspruch
auf Beförderung zur See, Teilnahme am Seehandel und maritimen Schutz
wie die Pisaner selbst; die Privilegien, die die Pisaner genossen, sollten
allerwärts auch den Lucchesen zugute kommen. 2) Diese Beteiligung am
Seehandel auf dem Wege über Pisa war für Lucca natürlich ungleich be-
<|uemer und vorteilhafter als auf dem Umwege über Genua.
Auf der ganzen Küstenstrecke zwischen Serchio und Magra durften
nur Waren der Pisaner oder Lucchesen zur Entladung kommen, eine Be-
stimmung, die sich offenbar gegen den früher von Genuesen und Bewohnern
der genuesischen Riviera betriebenen Zwischenhandel richtete. Den Leuten
von Vallecchia (in der Versiha dicht bei Corvaria), die Untertanen der
Pisaner waren, wurde das Recht vorbehalten, 3 kleine Fahrzeuge (2 bucii,
*) Eid der pisanischen Konsuln vom IG. Juni bei Carli II p, 150 — 160; teil-
weise in Mein, e Doc. di Lucca IV, 2, 192. Bei Koncioni in Übersetzung mit dem Da-
tum des 22. Juni p. 399 f. Eid der lucchesischen Konsuln vom 4. September,
Carli n p. 160—170. Konvention vom 19. Oktober bei ßonaini Suppl. p. 82 f. Dazu
Davidsohn I, 569.
2) Der Vertrag mit Mallorka 1184 auch für Lucca geschlossen; oben §255.
652 Dreiundvierzigstes Kapitel.
1 jansira) zu unterhalten, deren Benutzung den Lucchesen zur beliebigen
Beförderung ihrer Waren (natürlich konnte es sich hierbei auch nur um
Küstenfahrt handeln) gestattet war.
Was den Landverkehr auf der Frankenstraße angeht, so sollten alle
von jenseits der Alpen Kommenden, sowie überhaupt alle, die mit Waren
reisten 1), ob sie nun durch die Versilia oder durch die Garfagnana kamen,
zwar veranlaßt werden dürfen, über Lucca zu reisen, doch sollten sie von
hier ihre Reise ganz nach Belieben jederzeit nach Pisa fortsetzen dürfen;
von den engherzigen Bestimmungen des Vertragsentwurfes von 1155 sah
man also nunmehr doch ab.
Die enge Allianz der beiden Städte kam endhch auch darin zum
Ausdruck, daß ihre Bürger in bezug auf Handelsabgaben einander völlig
gleichgestellt wurden; durch jährlich gemeinsam bestellte Schiedsrichter waren
zwischen Pisanem und Lucchesen entstehende Streitigkeiten zu schlichten. 2)
Im Jahre 1183 wurde auch die Höhe des Ripaticum, das von den Edlen
von Ripafratta von den unterhalb der Burg oder auf der anderen Seite des
Serchio passierenden Waren erhoben wurde, geregelt. Die edlen Herren be-
anspruchten 2 d. für die Last und 18 d. für den mit Waren beladenen
Karren ; Pisa wollte nur 1 und 4 d. zugestehen, bis endlich die von beiden
Parteien erwählten Schiedsrichter einen Ausgleich dahin zustande brachten,
daß bei Waren, die Pisanern oder Lucchesen gehörten, von der Last 1 d.,
vom Karren 8 d. entrichtet werden mußten, während die Sätze für andere
Waren l^/o d. und 10 d. betragen sollten. 2)
514. Weit über ein Menschenalter hat der Friede zwischen Pisa und
Lucca Bestand gehabt. Im Jahre 1221 aber brachen neue Kämpfe zwischen
beiden Städten aus, die sich, wenn auch mit Unterbrechungen, bis tief in
das folgende Jahrzehnt- hineinzogen. 4) Doch fand der große Streit zwischen
dem Papst und Friedrich II. auch Lucca auf Seiten des Kaisers; hatte der
Papst doch besonders dadurch, daß er die Edlen der Garfagnana der Kirche
huldigen ließ^), die Interessen Luccas verletzt. Im Dezember 1248 übertrug
der Kaiser gleichzeitig den Lucchesen die Garfagnana, den Pisanern, die
vorher schon das castrum Aghinolü besetzt hatten, die Lunigiana^). Mit
seinem Tode brach die Feindschaft der Städte wieder aus und zusammen
mit Florenz nahm Lucca nunmehr wieder am Kriege Genuas mit Pisa teil.
' Auch während seines engen Bundes mit Pisa hatten die Handels-
beziehungen Luccas zu Genua fortgedauert, offenbar im Zusammenhange damit,
daß seit alter Zeit ein beträchtlicher Teil des lucchesischen Handelsverkehrs
seinen Weg nach Frankreich nahm. Im April 1191 wurde das Recht der
Zollerhebung von den passierenden Lucchesen durch den Podestä der Leute
') Ultramontanos tameu et omnes scarsellas portantes etc. Caiii 11, 165.
*) Die Tätigkeit solcher arbitri ist für 1183 und 1190 nachweisbar. Volpe
p. 143 A. 6 und 312.
'•') Bonaini, Suppl. p. 86 f.
*) Winkelmann I, 163 f., II, 27 usw.
') 24. Oktober 1227; B.-F.-W. 12972. Am 16. November 1209 hatte Lucca auf
Verlangen Ottos IV. die Garfagnana und Versilia aus der Untertänigkeit entlassen ;
Winkelmann, Otto p. 216.
«) Schütte 103. Im Juli 122G hat ein pisanisches Aufgebot den über den
M. Bardone aus der Lombardei zurückkehrenden Kaiser von Pontremoli an über
Sarzana nach Pisa geleitet. Ann. Plac. SS. XVIII, 4G9. Besetzung von Aghinolfl :
Ann. Jan. zu 1248 p. 225 f. ; Breviar. pis , Murat. SS. VI, 192.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhon. Meere. 653
von Cellasco und Lagneto für 10 1. Jan. vergeben i), und als 1216 eine genu-
esische Gesandtschaft, die nach Rom wollte, vom Markgrafen Andreas von
Massa gefangen genommen wurde, ging Lucca sogleich mit einer kriegerischen
Expedition gegen ihn vor. 2) Im Dezember 1214 sehen wir den Lucchesen
Bonagiunta von Villano Asperano in Genua 115 Pfd. Seide für c. 118 1. jan.
erstehen 3) ; im selben Jahr nahm der Lucchese Guido Pallavicini in Genua
bei Bonamicus Archerius ein Darlehn auf, das er in Lucca zurückzuerstatten
versprach, und schon am 17. Juli 1201 sehen wir in dieser Form des Wechsels
den Lucchesen Gualzerio Onesti für in Genua empfangene 241. jan. den
Gegenwert mit 42 ^j^ 1. lue. in Lucca zu zahlen versprechen. ■*)
Im Jahre 1217 kam ein neuer Handelsvertrag zwischen beiden Städten
zustande, dessen Inhalt uns leider nicht bekannt ist. 0) Fünf Jahre darauf
verlangte der Papst von Genua, den Lucchesen den Verkehr mit ihrer Stadt
zu sperren; ohne Erfolg allerdings, wie wir schon daraus ersehen, daß im
nächsten Jahre Kaufleute von Lucca, die auf dem Wege nach Genua waren,
bei Porto Venere überfallen wurden und daß Genua die Übeltäter schließlich
zur Restitution zwang. ^) In dieser Zeit des wiederausgebrochenen Krieges
mit Pisa mußte sich das Verhältnis Luccas zu Genua um so enger gestalten ;
ein Beleg dafür und für die Stärke der lucchesischen Kolonie in Genua ist
es, daß die Annalen Genuas zum Jahre 1227, wo ein Lucchese Podeste von
Genua war, ausdrücklich hervorheben'^), daß sich die Mehrzahl der in Genua
weilenden Kaufleute von Lucca damals an dem Kriegszuge Genuas gegen
Savona und Albenga beteiligt hätte, und 1233 suchte Genua den Lucchesen
dadurch beizustehen, daß es eigens Gesandte nach Lucca schickte, die die
dort herrschenden inneren Kämpfe beizulegen versuchen sollten.*') Am
Ende des Jahres 1239 erneuerten als Gesandte Luccas Guidotto Tegrini de
Podio, einer der Konsuln der Kaufleute von Lucca, und der Richter Armanno
Pargia den Handelsvertrag mit Genua; insbesondere wurde bestimmt, daß
die Lucchesen mit den Bewohnern von Porto Venere über die Miete von
Fahrzeugen und den Transport ihrer Wären völlig unbehindert Verein-
barungen treffen dürften; in allen auswärtigen Handelsplätzen sollten die
Lucchesen in dem gleichen Handelsquartier wie die Genuesen wohnen. 9)
') Ferretto I, 20 A. 1. Vorbehalt bezüglich der Lucchesen im Vertrage mit
Marseille 1211. Oben § 471.
*) Ann. genov. II, 142. Aussöhnung des Markgrafen mit Genua erst 1223:
ebd. 196.
') San Quintino p. 64 aus dem Notul. Lanfranci. Im Jahre 1251 kauft ein
lanerius aus Lucca für 28 1. jan. raza und boldroni in Genua. Sieveking II, 42 A. 5.
*) San Quintino p. 77. Ferretto I, 8 A. 2. Nach Ferretto I, 111 A. 3 wären
1213 zuerst lucchesische Konsuln in Genua nachweisbar; der Florentiner Bernardo
Argembaldo, der in Genua am 4. Juli 1213 mit Montanino Tadi von Lucca kon-
trahiert, verspricht, bei entstehenden Differenzen sich dem Spruch der florentini-
schen und lucchesischen Konsuln in Genua zu unterwerfen. Ich muß gestehen,
daß ich starke Bedenken wegen der vollen Genauigkeit dieses Regests nicht unter-
drücken kann; hat sich Fen-etto doch auch bezüglich der lucchesischen Konsuln
in Genua sowohl für das Jähr 1167 wie für das Jahr 1239 geirrt. Nur die Ver-
iiffentUchung des Originals kann Gewißheit bringen.
«) Ferretto I, 81 A. 3.
") Winkelmann I, 169 ; ann. genov. 11, 195.
») SS. XVm, 166.
8) Ebd. 181.
") Lib. Jur. I no. 753: Schreiben Luccas an Genua vom 22. Nov., daß es die
beiden Gesandten mit Vollmacht zum Abschluß des Vertrages verstehen habe. Mit-
ß54 Dreiundvierzigstes Kapitel.
Als der Vertrag geschlossen wurde, lag Genua schon im Kampfe mit dem
Kaiser, indessen vermochte Ijucca an der mit diesem Vertrage bekundeten
antikaiserlichen Poütik nicht festzuhalten und erst nach des Kaisers Tode
alliierte es sich von neuem mit Genua.
515. Im Gegensatz zu Lucca stand Pisa lange Zeit hindurch mit Florenz,
mit dem es die freiUch nicht sehr ausgiebige Wasserstraße des Arno verband,
in bestem Einvernehmen. Baumstämme zu Masten kamen zur Zeit des Bale-
arenzuges arnoabwärts aus den Bergwäldern des Mugello nach Pisa^); und
Feindschaft gegen Lucca hat die Florentiner im 12. Jahrhundert mehr als
einmal an die Seite der Pisaner geführt. Ganz besonders eng gestaltete sich
das Verhältnis zwischen Pisa und Florenz während des großen genuesisch-
pisanischen Krieges, als Genua sich mit Lucca auf das engste verbündet
hatte. Um die Unterstützung von Florenz zu gewinnen, entschloß sich Pisa,
diesem nicht nur die gleichen kommerziellen Vorteile, die Genua den Luc-
chesen gewährt hatte, sondern selbst noch größere zuzugestehen; es war ein™ i
gewaltiger kommerzieller Erfolg, den die Florentiner mit dem Vertrage er-SI
rangen, der am 4. Juli 1171 auf 40 Jahre abgeschlossen wurde. 2) Zu ihrer
Unterkunft in Pisa wurde ihnen in dem Stadtviertel Fuoriporta ^), das sie,
von Florenz kommend, zuerst erreichten, ein Haus überwiesen ; auch erhielten
sie 2 Verkaufsbuden (bottigas) auf der Arnobrücke, und zwar auf der der Alt-«j
Stadt zugewandten Hälfte, die als die bessere galt. Fortan waren die PisanerlB
verpflichtet, sie und ihre Waren unter denselben Bedingungen zur See zu
befördern wie ihre eigenen Bürger selbst; auch sollten sie darauf hinwirken,
daß von ihnen in den überseeischen Häfen keine höheren Abgaben gefordert
würden als von den Pisanern; die Florentiner sollten also in den Augen
der fremden Staaten, die mit Pisa Handelsverträge geschlossen hatten, als
Pisaner erscheinen. Vom pisanischen Seezollamt sollten sie für alle Zeiten
völlig gleich den Pisanern behandelt werden; an Uferzoll hatten sie sogar
nur die Hälfte dessen, was die Pisaner selbst zu zahlen hatten, zu entrichten
— offenbar mit Rücksicht darauf, daß sie Zoll ja auch noch unterwegs zu
leisten hatten; jedenfalls wurde die gleiche Begünstigung auch den Pisanern
in Florenz zu teil. EndHch wurde den Florentinern auch noch die Hälfte
der Einnahme aus der Verpachtung der pisanischen Münze zugestanden.*)
Zweifellos hat sich auf der Grundlage dieses Vertrages der Handel
zwischen den beiden Arnostädten auf das lebhafteste entwickelt. Ein nicht
geringer Teil desselben wird sich auf dem Wasserwege vollzogen haben;
etwas größere Schiffe konnten immerhin in der Zeit nicht zu niedrigen
Wasserstandes bis Signa an der florentinischen Grenze aufwärts gelangen,
wo dann allerdings Umladung auf Barken erfolgen mußte.^) Einige Nach-
richten über diesen Schiffsverkehr erhalten wir durch Zeugenaussagen, die
im März 1209 zu Pisa zur Feststellung der Rechte aufgenommen wurden,
die dem Erzbischof an der Zollstätte von Ricavo (an der Mündung desJI
teilungen aus dem am 11. Dezember abgeschlossenen Vertrage selbst bei Ferretto I,
81 A. 3 ; daß er Guidotto irrig als lucchesischen Konsul in Genua bezeichnet, geht ^
aus dem uns im Wortlaut vorliegenden Schreiben Luccas hervor.
*) Lib. Maiol. p. 10 v. 102: Arborum robur celsae tribuere Mucellae.
2) Nur der die Pisaner verpflichtende Eid ist erhalten. Dal Borgo p. 307 f.j
Santini p. 5 f. Davidsohn I, 518 f.
') Nicht »außerhalb der Tore der Seestadt«, wie Davidsohn meint.
*) >Medietas Logoriae Monetae Pia. civitatis.«
») Davidsohn I, 787 f.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrhen. Meere. 655
gleichnamigen Baches zwischen Era und Elsa) zustanden ; die Erinnerung
der Zeugen reicht bis auf 30 und 40 Jahre zurück, i) Danach wurden von
der Last ohne Unterschied, ob sie in der Richtung auf Pisa oder auf Florenz
ging, 4 den. für das Erzbistum erhoben; in früheren Zeiten hatten die tal-
aufwärts gehenden Waren nur 1 den. pro Last entrichtet, seit 30 Jahren
aber (einer sagt aus: seit 36 Jahren) war dieser Unterschied beseitigt worden.
Ein Zeuge ist Sohn eines ehemaligen Gastalden des Erzbischofs für diese
Zollstätte; der von diesem eingesetzte Riparius habe seit Jahrzehnten bis
zur Gegenwart den Uferzoll (ripam) von den Schiffen, die auf dem Arno
oder durch den Kanal nach dem See von Bientina^) verkehrten, in
folgender Weise erhoben: mit 1 alten mezanus (mez. 1 ad antiquum) von
den Salzschiffen, mit 8 den. von den mit Roheisen (vena ferri) beladenen
Schiffen ; Schiffe, deren Ladung in Fässern bestand (diese gingen wohl fluß-
abwärts), hatten 2 den. zu entrichten, während von denen, die irdene
Gefäße geladen hatten, in natura 4 — 6 Stück erhoben zu werden pflegten.
Ln Jahre 1218 drücken die in Pisa verkehrenden Frachtfuhrleute den
Wunsch aus, daß die den Verkehr mit Florenz vermittelnden Arnoschiffer
ihre Transporte auf derselben Wage und gegen dieselbe Gebühr zur Ver-
wiegung bringen müßten wie sie selbst 3); schon daraus geht hervor, daß
auch der Warentransport zu Lande zwischen Florenz und Pisa erheblich
gewesen muß. Auf den Geldverkehr zwischen beiden Städten fällt durch
die Fragmente eines florentinischen Bankbuches vom Jahre 1211 einiges
Licht; danach stand die uns mit Namen nicht bekannte Firma mit einem
pisanischen Bankier Bernhard in Verbindung, während gleichzeitig aucli
ein Sozius der Firma, Aldobrandino, in Pisa tätig war.*)
516. Das gute Einvernehmen zwischen Pisa und Florenz hatte zuerst
eine empfindliche Störung erfahren, als nach dem Tode Heinrichs VL unter
der Führung von Florenz der gegen die Reichsgewalt gerichtete tuscische
Bund entstanden war und Pisa, dessen Anschluß als »der größten Stadt
Tusciens« die Rektoren des Bundes als für das Vaterland durchaus not-
wendig bezeichnet hatten, sich beharrlich weigerte, dem Bunde beizutreten,
trotz Bann und Interdikt, die der Papst auf Betreiben der Florentiner gegen
Pisa in Anwendung brachte. Da Innozenz III. aber schließhch selbst von
seinem Verlangen Abstand nahm, so ging die Störung noch einmal ohne
weitere Folgen vorüber.^)
Von der Erneuerung des im Jahre 1211 ablaufenden Handelsvertrags
haben wir keine direkte Kunde; sie wird wahrscheinlich dadurch, daß Pisa
und Florenz am 30. Mai 1214, wie es damals vielfach geschehen ist, ein
Abkommen trafen, wonach fortan nur der Schuldner selbst oder dessen
Bürge zu belangen sei und die Befriedigung des Gläubigers zunächst aus
beweglichem Besitz und nur wenn dieser nicht ausreichte oder nicht zu
erlangen war, aus Immobilien des Schuldners erfolgen sollte.^) Unter den
florentinischen Zeugen des Vertrages begegnet auch der fondacarius Boni-
omus (Buongiorni) ; danach stand also das Fondaco der Florentiner in Pisa
unter ihrer eigenen Verwaltung. Von besonderem Interesse aber ist, daß
») Davidsohn Forsch. HI p. 1. Volpe p. 28 u. 71 A. 2.
') per Amum sive per foveam in padule (= palude).
») Bonaini IH p. 1163.
*) Frammenti p. 174—176.
») Winkelmann, Philipp 117.
8) Santini p. 175 ff. no. 61 u. 62. Proxenie im Mittelalter 1. c. p. 11 f.
656 Dreiundvierzigstes Kapitel.
der an erster Stelle genannte pisanische Zeuge, der damalige capitaneus
militum Guido Marignani, zugleich als Florentinus hospes bezeichnet wird.
Jedenfalls hatte dieser vornehme Pisaner den Florentinern, zu deren Beher-
bergung das ihnen 1171 überwiesene Haus sicher nicht ausreichte, Räume
aus seinem Besitz zur Verfügung gestellt i) und fungierte als ihr Gastfreund
zugleich auch als ihr Protektor.
Einen niemals wieder verheilten Riß bekam die Freundschaft der
beiden bisher so eng verbundenen Städte 2), als zwischen ihren Rittern und
Bürgern, die in Vertretung ihrer Gemeinden im November 1220 der Kaiser-
krönung Friedrichs II. in Rom beiwohnten, im kaiserlichen Lager selbst
eine blutige Rauferei ausbrach, die den Podestä von Pisa veranlaß te, die
in Pisa befindlichen Waren der Florentiner mit Beschlag belegen und die
Florentiner selbst verhaften zu lassen ; die die beiden Städte verbindenden
Eide und Verträge wurden für gebrochen erklärt.^) Ein Versuch der Floren-
tiner, die sich, wie es scheint, schuldig fühlten, den Zorn der Pisaner zu
besänftigen, blieb fruchtlos ; so schloß sich Florenz, auch vom Reichslegaten j|
Bischof Konrad von Metz und Speier, in den Bann getan, eng an Lucca«
an, während Pisa sich mit Siena und den kleineren Kommunen Toscanas
verband. Im entscheidenden Kampfe vom 21. Juli 1222 bei Castel del
Bosco^) (nahe Bientina) aber triumphierten Lucca und Florenz vollständig;
die verbündeten Gegner mußten zusammen 63 000 1. pis. erlegen, deren
Zahlung Pisa zu übernehmen hatte; bis sie erfolgt war, blieben die zahl-
reichen Gefangenen als Geiseln in Haft.^) Seitdem beherrschten Handels-
eifersucht und Neid, gegenseitiges Mißtrauen und ein immer tiefer wurzelnder
Haß die Beziehungen zwischen Pisa und Florenz. Für die Handelsgeschichle
erübrigt es sich, dem Wechsel von offenem und verstecktem Krieg, Sieg
und Niederlage mit zeitweiliger Waffenruhe in den nächsten Zeiten zu
folgen^); wo sich die Möglichkeit bot, kam ja der florentinische Handel
immer wieder auf den natürlichen Weg über Pisa zurück, wie uns auch
die Akten des Marseiller Notars vom Jahre 1248 zeigen. Für Pisas spätere
Entwickelung aber wurde es verhängnisvoll, daß zu der unversöhnten
Gegnerschaft von Genua und Lucca nun noch die Feindschaft mit dem
mächtig emporblühenden Florenz hinzugetreten war. Gerade die Blüte der
florentinischen Industrie, hinter der die pisanische beträchtlich zurück blieb,
scheint der tiefere Grund gewesen zu sein, weshalb das frühere Verhältnis
der beiden Städte sich nicht mehr herstellen wollte.
517. Die Spannung mit Pisa auf der einen, die Zunahme des Handels
mit Frankreich auf der anderen Seite mußte zur Folge haben, daß Florenz
auch zu Genua in wachsendem Maße in Handelsbeziehungen trat.'^) Seit
^) Das uns in einer Redaktion vom xlnfang des 14. Jahrhunderts vorliegende
Breve Merc. (Bonaini III) erwähnt in rub. 37 noch das f undacum Guidonis Marig-
nani et consortum. '
' ^) Cum unum dicerentur ubique et essent revera, sagt ein Zeitgenosse, de*
Florentiner Sanzanome ; Hartwig I, 20.
^) Winkelmann I, 117 u. 1631 Brief des päpstl. Legaten Hugo von Ostil
vom April 1221 : licet eos (Florentinos) in banno Metensis Ep. posuisset et Pisani^
sicut asserunt, magnam pecuniam detineant eorundem» Levi p. 12 no. 10.
*) Hartwig O. Die Schlacht von C. del B.;; in: Im neuen Reich 11 (1880),
201 ff. Winkelm. I, 186.
*) Sanzanome bei Hartwig I, 25.
•) S. Winkelmann IT, 27, 315 ff., 423 ff., 427 f. xxm. ■.
') Wegen angeblicher flor. Konsuln in Genua 1213 s. oben § 514. Sichei?
II
Handelsverkehr zwischen dem Rinneuhmde und dem Tyrrh. Aleere. 657
(lieser Zeit sehen wir Florentiner von Genua aus auch mit Tunis Handel
treiben und besonders im Jahre 1233, wo der Florentiner Pegolotto d' Uguc-
cione de' Gherardini Podestä in Genua war, treten uns auch seine Lands-
leute daselbst im Handel tätig entgegen. So versprechen Oliverio Speciario
und Rainerio Speciario am 16. Februar für empfangene genuesische Valuta
an Buonrestoro, den Bevollmächtigten von Giacomo von San Gimignano,
den Gegenwert in pisanischer Münze zu zahlen, und am 17. März bestellt
Cervellino Bonapresa einen in Genua wohnhaften Landsmann Heinrich als
seinen Vertreter zur Empfangnahme der Zahlungen für die Waren, die er
aus Toscana nach Genua schaffen ließ.^) Es ist derselbe Bonapresa, der
uns schon in Marseille im genuesischen Geschäft tätig begegnet ist.2) Wenn
wir im Jahre 1241 dtni Florentiner Maynetus in den Parteikämpfen Genuas
eine Rolle spielen und bestrebt sehen, in ghibellinischem Interesse andere
Florentiner um sich zu sammeln 3), so ist auch das ein sicheres Zeichen für
die rasch wachsende Bedeutung, die Genua für den florentinischen Handel
gewann; der politischen Haltung der Regierung beider Städte entsprach
diese Rolle freilich gar nicht ; sie fand erst nach dem Tode des Kaisers ihren
Ausdruck in dem engen Kriegsbündnis, das Florenz und Lucca am
20. Oktober 1251 mit den Genuesen gegen die Pisaner schlössen. 4)
518. Über die Handelsbeziehungen Sienas zu Pisa in unserer Periode
sind wir sehr schlecht unterrichtet ; in den toskanischen Wirren seit 1220
stand es, schon aus Feindschaft gegen Florenz, auf Pisas Seite. Gelegent-
lich tritt das Bestreben Sienas hervor, sein Gebiet nach Süden hin bis zum
Meere zu erweitern; im Jahre 1224 errang es in dieser Beziehung einen
wichtigen Erfolg, als es, um Rache zu nehmen für Belastung mit vertrags-
widrigen Zöllen, in Gemeinschaft mit den Aldobrandeschi Grosseto eroberte
und zur Schleifung seiner Mauern zwang.^) Durchaus irrig aber ist die
Annahme, daß Siena dadurch, daß es in dieser gewaltsamen Weise an der
Küste festen Fuß faßte, den Grund zu dem folgenden Aufschwünge seines
Handels und seines Reichtums gelegt habe 6), zumal Grosseto noch keines-
wegs dauernd in den Besitz Sienas überging. Was Siena dort in der
Marittima suchte, war vor allem Sicherung der Zufuhr von Getreide und
Lebensmitteln aus diesem Gebiet. Daß es damals schon an eine selb-
ständige Beteiligung am Seehandel auf diesem Wege gedacht hätte, entbehrt
jeder Begründung. Soweit sein Handel auf dem Seewege vor sich ging,
führte er in erster Linie über Pisa, worüber wir namenthch aus dem Notu-
larium Amalrics Aufschluß erhalten haben; auch sein Salz bezog es noch
unrichtig ist die Datierung in einem von Ferretto I, 146 A. 2 unter dein 29. Sept.
1184 gegehenen Regest, wo Aretiner und Florentiner in Genua miteinander pak-
tieren; für 50 1. di genov. werden hier 100 1. di fiorini versprochen, eine Münze
also, die es damals noch gar nicht gab.
») Oben § 233. Ferretto I, 158 A. 2 u. 85 A. 1.
2) Amalric no. 873, 875. Oben § 476. Ein kurzes Regest aus dem Jahre 1248
noch bei Ferretto I, 102 A. 1.
») Ann, Jan., SS. XVm, 195.
*) Ebd. 230. Lib. Jur. I p. 1115 f. Im Jahre 1254 finden wir dann auch
Horent. Konsuln in (ienua: Gerardo de Mugnao und Sigembaldo Mainetti: Ferretto I,
111 A. 3,
*) S. das Memoriale Sienas ed. Banchi im Arch. it., ser. 3, 22 p. 225 f. Win-
kelmann I, 254 f.
•) Winkelmann I, 255 ; dazu 11, 58 A. 5.
Schaube, Ilandelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 42
II
658 Dreiundvierzigstes Kapitel.
1246 über Pisa.i) Das Fondaco der Sienesen in Pisa, das im Statut der
pisanischen Kaufmannschaft 2) erwähnt wird, hat sicher schon in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts bestanden.
Daneben verkehrten die Sienesen auch in der Hgurischen Seestadt. Im
Jahre 1233 tritt uns in Genua ein »hospes Senensium« namens Bonaven-
tura entgegen, und am 19. Januar 1241 schloß Bencivegna Azoni als Ge-
sandter Sienas einen Vertrag mit Genua, nach dem die Sienesen u. a. zur
Entrichtung des Grenzzolls von Porto Venere verpflichtet waren. ^) Auch
von Marseille aus haben wir sienesische Kaufleute im Jahre 1248 mit Genua in
Handelsverbindung gesehen 4), und im Jahre 1250 ist Rofredo Bramanzone
von Siena, Sozius des Bonifazio Buonsignori, in Genua in einem Geldüber-
raittelungsgeschäft tätig, an dem die in Lyon weilende Kurie beteiligt ist.^)
519. Auch die kleineren toskanischen Gemeinden pflegten in
dieser Zeit den Verkehr mit Genua. Kurze Zeit vor Siena hat auch Pistoja
durch seine Gesandten Quarto und Ingheramo einen Handelsvertrag mit Ge-
nua geschlossen, der am 12. September 1240 in Pistoja in Gegenwart eines
genuesischen Gesandten ratifiziert wurde.*') Kaufleute aus dem kleinen,
aber rührigen San Gimignano haben wir schon im Jahre 1216 von Genua
aus am Seehandel mit Nord- Afrika teilnehmen sehen '^) ; es scheint also, daß
Genua, seinem sonstigen Prinzip zuwider, den Toskanern vielfach diese Teil-
nahme gestattete, um sie auf diese Weise von dem Wege über Pisa abzu-'
ziehen. Auch 1233 begegnen Kaufleute von San Gimignano in Genua und
im März 1241 wird den Bewohnern von San Gimignano durch einen Boten
gemeldet, daß sie wieder Safran nach Genua bringen dürften 8); es ergibt
sich auch hieraus, von wie großer Wichtigkeit für den Handel dieser Land-
städte die in dem toskanischen Hügellande auf das eifrigste betriebene Kultur
des Krokus war.
Das Natürliche blieb aber für diese Städte doch immer der Weg über
Pisa. So sehen wir um 1220 Kaufleute von San Gimignano Waren zum
Export in Pisa ankaufen, wobei wieder der Safran eine Hauptrolle spielt, _
sehen sie aus Tunis eingeführtes Schaf leder in Pisa zu Korduan verarbeiten IB
lassen und aus Nordfrankreich importierte Tuche in Pisa verkaufen. Auch
von den 4 oder 5 Paar Knieschienen, die San Gimignano im Oktober 1240
dem Kaiser schicken will, hören wir, daß sie in Pisa gekauft werden sollen. ^)
Als der Podestä von Pisa im Jahre 1238 die bisher übHche Art der Einfuhr ^
von Safran aus San Gimignano nach Pisa verbot, erließ man in San Gimignano il
sogleich die entsprechende Bekanntmachung, daß niemand mit Krokus nach *
Pisa gehen dürfe, i^) Grund und Zweck des Verbotes kennen wir leider
') Damals schickte es eine Gesandtschaft nach Pisa »pro facto salis Pisarum>,
das ihnen von den Pächtern des kaiserlichen Salzzolls bei Fueecchio abgenommen j
worden war. Zdekauer, vita pubbl. 45 A. 1.
2) Bonaini III, breve curiae mercat. rub. 37. Über die in Pisa verkehrenden s
Vecturales von Siena unten § 520.
') Ferretto I, 158 A. 2 (nur Regesten). Über die Beschränkung ihrer Tuch-
und Leinwandausfnhr oben § 306.
*) Oben § 476.
«) Ferretto I, 61 A. 1 (nur Regest). Oben § 280.
«) Ebd. 187 A. 2 (Regest).
') Oben § 233.
8) Ferretto I, 158 A. 2. Davidsohn, Forsch. II no. 2315.
») Davidsohn Forsch. II no. 2302, 2321 (oben § 288) ; 296, 298.
10) Ebd. 2314.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und dem Tyrrh. Meere. 659
nicht; schwerlich hängt es mit den freihch nicht selten vorkommenden
Fälschungen der Ware zusanmien, von denen wir aus einer etwas späteren
Eestimmung der pisanischen Statuten erfahren, nach der verdorbener oder
gefälschter Safran konfisziert und am Fuß der alten Brücke in Pisa ver-
brannt werden sollte. Die pisanischen Kaufleute wünschten damals Mit-
teilung dieser Verordnung an Colle, San Gimignano, Volterra und die anderen
■Gemeinden Tusciens, die sich mit der Einfuhr von Safran nach Pisa zu
befassen pflegten, i) Gerade für San Gimignano sind wir auch über die
Begründung eines Fondaco in Pisa unterrichtet. Im Januar 1232 berat-
schlagte man in San Gimignano über die Erwerbung eines Fondaco in Pisa
und Florenz; man stritt sich damals, ob man besser ein bloßes Waren-
magazin (fondacum im engeren Sinne) oder ein mit Unterkunftsräumen
versehenes Haus (hospitium loco fondachi) wählen sollte; ein Jahr später
entschied man sich dafür, nur in Pisa ein Hospitium zu beschaffen-) und
der Podestä berief die Rektoren der 4 Zünfte der Gemeinde zur Wahl eines
Unterhändlers für den mit dem zukünftigen hospes abzuschließenden Ver-
trag. Vielleicht kam damals schon ein solcher Vertrag zustande ; wir kennen
aber erst den, der 5 Jahre darauf mit dem edlen Pisaner Bonaccursus Hen-
rici de Cane für einen Zeitraum von 5 Jahren abgeschlossen worden ist. ^)
Darnach räumte dieser den Leuten von San Gimignano in der Parochie
8. Cristina in Kinzica am linken Arnoufer ein mit Betten und allem not-
wendigen Hausrat eingerichtetes Hospitium ein, außerdem aber einen ge-
räumigen Stall für die Tiere der Frachtfuhrleute und anderer Personen, der
Platz für 50 Tiere bot; zur Verwaltung beider sollte ein Fundacarius ein-
gesetzt werden. Dafür wurden nun dem hospes folgende Bezüge zugebilligt:
für die Einstallung von Ochs, Esel oder Maultier 2 d. für das Haupt,
während bei Schweinen und Kleinvieh für je 100 Stück ein stallaticum von
4 sol. (also ungefähr 1/2 d. pro Stück) zu entrichten war. Von dem Wert
der Waren, die von Leuten von San Gimignano in Pisa eingeführt und
verkauft wurden, erhielt er 1/2 d. von der libra, also ein wenig mehr als
Vö %; überstieg ihr Preis 1001., so waren 4 sol. für je 1001., also genau
1/5 % zu zahlen; Safran wird hierbei besonders hervorgehoben. Anders
tarifiert waren nur Edelmetalle ; bei der Einfuhr von Gold waren 2 d. von
der Unze, bei Silber 4 d. vom Pfunde zu entrichten. Von Waren, die in
Pisa nur transitierten, sei es daß sie über See exportiert oder von da impor-
tiert wurden, hatte der hospes 2 sol. von 100 1., also nur Vio % ^^ bean-
spruchen.
Solche Fondachi hatten in Pisa auch die Leute von San Miniato und
die aus der Garfagnana, wie wir aus einer älteren Stelle der kaufmännischen
Statuten Pisas erfahren, die u. a. auch die Fondachi der Söhne Coccos,
Ardecasas und des Turchio de Mercato aufführt, alles Personen, die schon
im 7. und 8. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts als Konsuln in Pisa nach-
weisbar sind.*) Den Verkehr von Kaufleuten aus Städten wie Pistoja und
Volterra mit Pisa haben wir aus den Marseiller Notariats-Akten schon kennen
gelernt ö); als Pisa in seinen heftigen Kampf mit Lucca und Florenz geriet
(1221), verband es sich nicht nur mit Siena und Pistoja, sondern auch mit
*) Bonaini III, breve curiae merc. ruh. 97.
») Davidsohn Forsch. 11 no. 75, 93.
») Ebd. 2325.
■•) Bonaini 1. c. rub. 37.
») Oben § 477.
42*
660 Dreiundvierzigstes Kapitel. Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande etc.
den kleineren Gemeinden San Gimignano, San Miniato, CoUe (im Val d'Elsa)
und Poggibonzii), die sicher alle in nahen Handelsbeziehungen zu Pisa
standen.
520. Auch von den Kaufleuten Parmas Avissen wir, daß sie in Pisa
ein eigenes zugleich als Herberge eingerichtetes Fondaco hatten 2) ; und einen
weiteren Beweis dafür, daß die Landstriche jenseits des Apennin auch sonst
mit Pisa im Handelsverkehr standen, bietet uns ein in mancher Beziehung
interessanter Vertrag, den die Vorsteher der Frachtfuhrleute von Florenz,
Siena und Lucca am 9. Juli 1218 mit Gaitanus q. Alberti Bulsi, seinem
Sohne Rainer und deren Erben in der Kirche San Michele del Borgo zu
Pisa abgeschlossen haben. 3) Diese rectores et capitanei vecturalium, je 3
an Zahl (die lucchesischen sind sämtlich aus Massa Pisana, also v(m der
Straße über den M. Bardone her), handeln dabei nicht nur im Namen der
von ihnen unmittelbar vertretenen vecturales, sondern auch aller anderen
Fuhrleute aus Toscana, Bologna und aus anderen Orten, die den Waren-
transport nach und von Pisa betrieben. Gaetano, der als Erbe alter vize-
giäflicher Befugnisse im Besitz der öffentlichen Wage in Pisa war 4), räumt
ihnen das Recht ein, den mit der Verwiegung ihrer Lasten betrauten Wiege-
meister (pensator) selbst zu ernennen und nach eigenem Ermessen entfernen
und durch einen anderen ersetzen zu dürfen, während sie im Namen aller,
die ihnen durch den Zunfteid der Fuhrleute verbunden seien oder verbunden
werden würden^), feierlich versprechen, alle Lasten, die sie nach Pisa führen
oder von Pisa exportieren, hier zur Verwiegung zu bringen imd dafür eine
Gebühr von 3 d. pis. neuer Münze für die Last, die bis 512 Pfund schwer
sein darf, aus eigenen Mitteln zu entrichten und nicht etwa durch die Kauf- _
leute bezahlen zu lassen. Ein Drittel dieser Gebühr fällt dem Wiegemeister, ■j
das übrige dem Herrn der Wage zu, der außerdem das Recht hat, von jedem
Zuwiderhandelnden eine Konventionalstrafe von 5 sol. pro Last (also das
Zwanzigfache) zu erheben. Gaetano hat dem Wiegemeister streng einzuschärfen,
keine höhere Gebühr zu fordern; er und sein Sohn erscheinen zugleich als
Protektoren des ehrsamen Standes der Fuhrleute, denn sie versprechen, alle
noch nicht vereideten Fuhrleute denselben Eid leisten zu lassen, den die
übrigen nach Vorschrift ihrer Vorsteher schon geleistet haben, außerdem
aber alle vereideten Fuhrleute bei ihren Gerechtsamen in Pisa und seinem
Gebiet zu verteidigen und zu unterstützen.
EigentümHch ist, daß pisanische Fuhrleute bei diesem Gesamtverband]
der in Pisa verkehrenden Fuhrleute nicht erwähnt werden. Aber es ent-
spricht der geringen Aktivität, die die Pisaner auf dem Gebiete des Landhandels
entwickelten. Ganz unbeteiligt an demselben waren sie natürlich nicht. Das
große Privileg des Kaisers von 1162 verhieß den Pisanern im ganzen Reiche
*) Sanzanome bei Hartwig I, 21 f.
*) Salimbene vermied es als junger Bettelmönch an diesem Fondaco seiner
Landsleute vorbeizugehen (mercatores Parmenses domum habebant ad hospitan-
dum, quam Pisani fundicum appellant), das in dem den Visconti gehörigen Teil
der contrata S. Michaelis lag; SS. XXXH, 45 f. Afto III, 72. Schütte 42 Anm. 1.
^) Bonaini HI p. 1163. Der Vertrag ist vom Richter und Notar Albertinus>
einem Sohne des Annalisten Bernardus Marago, aufgenommen.
*) Noch die Kommunalstatuten von 1286 enthalten eine Bestimmung (lib. III ,
rub. 18 bei Bonaini I) über (he Vereidung aller (mindestens 6) pesatores filiorum q.
Gaetani Bulsi, und nach denen von 1802 f. (lib. III rub. 25 bei Bonaini III) be-
fanden sich die Normalgewichte bei den filii Gaitani Bulsi.
') pro Omnibus qui cum eis sunt vel erunt in sacramento artis vecturalium.
II
Vierundvierzigstes Kapitöl. Tyrrhenisch-Adriatischer Handelsverkehr. ßßl
völlige Handels- und Abgabenfreiheit; nirgends sollte ein Zwang zu Kauf
oder Verkauf gegen sie ausgeübt, niemand bei Pisanern zu kaufen gehindert
werden dürfen. ^) Mehr aber versetzt es uns auf den Boden der Tatsachen,
daß das pisanische Gesetzbuch Bestimmungen auch über Handelsunter-
nehmungen zu Lande enthält und z. B. vorschreibt, daß der socius tractator,
wenn er von seiner Reise zu einer Messe oder einer sonstigen Geschäftsreise
zurückgekehrt sei, auf Verlangen des socius stans binnen 14 Tagen Rechen-
schaft legen und den Anteil seines Gesellschafters herausgeben müsse, vor-
ausgesetzt, daß der Gesellschaftsvertrag auf eine bestimmte Reise lautete
oder die Dauer desselben abgelaufen war. 2)
Yierund vierzigstes Kapitel.
Tyrrhenisch-Adriatischer Handelsverlielir.
521. Einem direkten Handelsverkehr zwischen den Seestädten
an der Westküste Italiens und denen an der Adria hat die Natur nicht
gerade vorgearbeitet.
Wenn das Pactum Venedigs mit Kaiser Heinrich V. von 1111 G«uua
und Pisa als Orte namhaft macht, die von Venezianern aufgesucht wurden,
so ist nach der Natur dieser Verträge nur an den Landverkehr gedacht s),
der selbstverständlich auch nur in geringem Umfange stattgefunden haben
wird. Dagegen begegnen wir den Pisanern im 12. Jahrhundert in der Adria
zienüich häufig, alleY-dings erst in der zweiten Hälfte; denn vorher waren
die Beziehungen zwischen Pisa und Venedig, hauptsächlich wegen des Ein-
dringens der Pisaner in der Romania, recht schlechte. Haßerfüllt schädigten
sich Venezianer und Pisaner allerorten auf das schwerste; vergebens trat
l'apst Lucius II (1144) als Vermittler auf ■^); erst der Doge Michiel Vitale
(seit Frühjahr 1156) hat in der ersten Zeit seines Regiments den langjährigen
Streit durch einen Friedens- und Freundschaf tsvertrag beendet 0) ; und wenn
es auch an gelegenthchen Reibungen und Störungen nicht fehlte, so hat
der Friedenszustand zwischen beiden Mächten seitdem doch fast 40 Jahre
hindurch bestanden. Späte pisanische Quellen wissen von einem 1169 auf
5 Jahre zwischen Pisa und Venedig geschlossenen Vertrage zu berichten*»);
die Nachricht findet darin eine Bestätigung, daß die Gesandtschaft, die im
November 1168 Pisa verließ, um nach Byzanz zu gehen '^), ihren Weg über
die Adria nahm. Im späteren Frühjahr 1169 begegnen wir dieser Gesandt-
schaft, die auch den berühmten Rechtsgelehrten Burgundio zu ihren Mit-
gliedern zählte, an der Küste Dahnatiens, wo sie mit den unter byzantinischer
Oberhoheit stehenden Städten Spalato, an dessen Spitze ein Graf Johannes
stand, und Ragusa, das von Konsuln regiert wurde, übereinstimmende Han-
*) Const. et acta I, 283.
*) Const. Usus tit. 23 : de compagnia de terra (Bonaini II, 897 ff.).
3) Const. et acta I, 152 no. 101.
*') Dandolo bei Murat., SS. XII, 281.
») Chron. Altinate ; SS. XIV, 76 : pacem et veram amicitiam. Danach Dan
dolo 1. c. '287. Langer p. 67.
«) Chron. di Pisa bei Tartinius J.-M. , Rerum Ital. SS. I (.Florenz 1748) und
Tronci s. a. ; Marin III, 257; langer 172 Aniii.
') Ann. pis., SS. XIX, 262.
662 .Vierundvierzigstes Kapitel.
delsverträge schloß, von denen der letztere, vom 13. Mai datiert, erhalten
ist.i) Darnach sollten die Ragusaner und Spalatiner von allen Handels-
abgaben auf ihre Waren im pisanischen Machtbereich völlig frei sein ; sicher
haben sie den Pisanern dafür das Gleiche zugestanden. Besonders inter-
essant ist die genaue Bestimmung über die Instanz, der bei Beschwerden
oder Klagen gegen die Pisaner die Pflicht obliegen sollte, am Orte der
Schädigung oder des Streitfalls binnen 30 Tagen die richterliche Ent-
scheidung zu fällen. In erster Linie nennt sie den Vicecomes, wobei
sicher an Konstantinopel gedacht ist, in zweiter den an dem betreffenden
Orte fungierenden überseeischen Konsul, oder falls kein solcher vorhanden,
den pisanischen Geistlichen des Ortes ; hätten die Pisaner keinerlei Kolonial-
vorstand (nuUum prepositum) am Orte, dann sollte der Kapitän eines etwa
daselbst weilenden pisanischen Schiffs an seine Stelle treten ; in letzter Linie
endlich sollten die ortsanwesenden Pisaner aus ihrer Mitte einen oder mehrere
Vertrauensmänner wählen, vor denen der Pisaner dem Ragusaner Recht zu
geben hätte. Der Vertrag sollte für alle Zeiten Geltung haben; er wurde
von dem für Konstantinopel designierten Vicecomes Marcius, der die Ge-
sandtschaft begleitete, beschworen und sollte von dessen Amtsnachfolgern
ebenfalls alljährlich bei ihrem Amtsantritt beschworen werden. Jedenfalls
weist dieser Vertrag auf ziemlich lebhafte Handelsbeziehungen zwischen
Pisa und den dalmatinischen Plätzen hin , die sicher zum Teil darauf he-
ruhen, daß sich ein nicht ganz unbedeutender Prozentsatz des pisanischen
Handels von Plätzen wie Almyro und Saloniki her auf dem Landwege zu-
nächst bis zur Westküste der Balkanhalbinsel bewegte.
Im Jahre 1174 schlössen Pisa und Venedig einen neuen Vertrag auf
5 Jahre, von dessen Inhalt wir mit Sicherheit nur wissen, daß er während
der Dauer des Kriegszustandes die Venezianer vom direkten Handelsverkehr
mit Genua, die Pisaner von dem mit Ancona ausschloß. 2) Zufällig kennen
wir aus demselben Jahr ein positives Zeugnis für den Zwischenhandel, den
die Pisaner mit dem Gebiet der Adria trieben: als die sizilische Flotte
Alexandrien angriff, kaperte sie ein pisanisches Schiff, das von Venedig
kam^), und 1176 wurde der Nachlaß eines Venezianers, den dieser vor
seinem Tode einem Pisaner anvertraut hatte, mit Erfolg in Pisa reklamiert. *)
522. Der älteste erhaltene venezianisch - pisanische Vertrag stammt
vom Jahre 1180; am 1. November trat er für 5 Jahre in Kraft. Abge-
sehen von den Bestimmungen bezüglich der Romania regelte er auch die
Handelsabgaben ö) ; Venezianer, die zur See nach Pisa kamen und Pisa zur
See oder zu Lande verließen, hatten ebenso wie solche, die zu Lande nach
Pisa kamen und es zur See wieder verließen, eine einmalige Abgabe von
') Ljubic I p. 10 ff. Bei Müller p. 417 mit bedenklichen Fehlern; hoc autem
per in perpetuum statt hec auteni pax und unter den pisanischen Zeugen ein
Enrigo Pändubsi statt Pandulö, Gualfredo Rabic statt Rabie. Am Schlüsse des
Vertrages steht die Bemerkung bezüglich Spalatos. Jirecek p. 11 u. 53.
*) Ins Jahr 1174 setzen den Vertrag die Chroniche di Pisa (Tartinius I p. 446 f.)
und Tronci p. 140 ; nach letzterem Marin III, 258. Ist er demnach nur durch Schrift-
steller seit dem 16. Jahrhundert bezeugt, so wird doch seine Existenz durch den
Vertrag von 1180, der auf das zwischen dem Dogen Sebastiane Ziani (1172 — 1178)
und dem pisanischen Gesandten Bulg. Anfossi geschlossene pactum vetus Bezug
nimmt, außer Zweifel gestellt.
») Ann. pis. SS. XIX, 266.
«) Volpe 143.
') Müller p. 20 ff. Bonaini Suppl. p. 75 ff. Manfroni 262. Oben § 175, 186.
Tyrrhenisch-Adriatiscber Handelsverkehr. 663
20 Prozent ad valorem zu entrichten ; nur wenn sie den Hin- und Rückweg
zu Lande machten, war der Zoll sehr viel niedriger und beschränkte sich
dann auf 21/0 %. Genau dieselben Sätze galten für Pisaner, die nach Venedig
kamen. Man kann also nicht sagen, daß man den gegenseitigen Handels-
verkehr besonders begünstigt hätte; abgesehen von der im Land verkehr
üblichen quadragesima waren die festgestellten Sätze geeignet, eher i)rohibitiv zu
wirken. Und einer ähnlichen Tendenz entsprang die Vertragsbestimmung, die
es den Venezianern in Pisa wie den Pisanern in Venedig untersagte, mit
Fremden Handelsgeschäfte ohne besondere Erlaubnis zu machen.
Wie es scheint, brachen noch vor Ablauf des Vertrages Streitigkeiten
aus, als Venedig mit Ancona im Kampfe lag ; doch wurde der Friede gegen
das Versprechen Pisas, die Anconitaner in keiner Weise zu unterstützen,
wiederhergestellt und nunmehr gleich auf 10 Jahre beschworen, i) Besonders
freundschaftlich gestaltete sich indessen das Verhältnis offenbar nicht ; denn
in dieser Zeit traten die Pisaner auch mit Zara, das 1180 von Venedig ab-
gefallen war, in ein Vertragsverhältnis. Ini zeitigen Frühjahr 1188 erschien
ein pisanisches Schiff in Zara, das hier die beste Aufnahme fand, und die
geistlichen und weltlichen Behörden Zaras benutzten die Gelegenheit, mit
den vornehmen Pisanern, die sich auf demselben befanden, einen Freund-
schafts- und Handelsvertrag auf ewige Zeiten zu schließen, der im Namen
Zaras von fünf angesehenen Personen und im Namen Pisas unter Voraus-
setzung der nachträglichen Genehmigung durch die pisanische Regierung
von ebensoviel Pisanern beschworen wurde. 2) Man versprach sich gegen-
seitig Sicherheit und Schutz, auch im Falle des Schiffbruchs; den Pisanern,
die nach Zara kamen, wurde ein eigener Gerichtshof zugestanden ; ihr Judex
(sicher nannten ihn die Pisaner Konsul) hatte in allen Streitigkeiten seiner
I^andsleute zu erkennen, außer wenn diese es etwa aus freien Stücken vor-
zogen, sich an die Gerichte von Zara zu wenden. An Handelsabgaben
hatten die Pisaner von jedem Schiff, das um Ladung einzunehmen oder zu
löschen, nach Zara kam, 4 romanati zu entrichten, brachte es aber Salz
oder Wein zum Verkauf nach Zara, nur die Hälfte; einzelne Pisaner, die
auf fremden Schiffen (more suprasalientium negotiatorum) oder zu Lande nach
Zara kamen, waren abgabenfrei. Von Einwohnern Zaras, die nach Pisa kamen,
sollten nur dieselben Abgaben wie von den Pisanern selbst erhoben werden.
Wenn man bedenkt, daß Venedig gerade im Jahre zuvor die größten An-
strengungen gemacht hatte, um Zara zurückzugewinnen, so kann man nicht
im Zweifel darüber sein, daß die Venezianer diesen Vertrag als einen recht
wenig freundlichen Akt Pisas empfunden haben werden. Sollten die Pisaner
nach dem Vertrage doch auch überall, wo sie die Macht dazu hatten, die
Bürger Zaras gegen jedermann, der ihnen Gewalt und Unrecht antat, nach
Kräften schützen, während Zara versprach, seinen Kaperschiffen die Unter-
lassung jeglicher Schädigung der Pisaner zur Pflicht zu machen s) und ein-
tretendenfalls für volle Genugtuung Sorge zu tragen.
») Suppl. zur Hist. Duciim Yen., SS. XIV, 90; vgl. Arch. ven. XII (1876), 34Ü.
Heye! I, 237.
*) Bonaini Suppl. p. 96 ff. Auch bei Makuscev I p. 422 f. Das Schreiben des
erwählten Erzbischofs Petrus und des ungarischen Comes von Zara, Damianus, der
sich zugleich princeps Dalinaciae nennt, in dem der Vertrag mitgeteilt wird, ist vom
28. März. .Tirecek p, 53.
') >ne vos preter voluntariam strinam offendant« — gemeint ist jedenfalls
die >freiwilligec Bei.steuer, die die Korsarenschiffe damals in herkömmlichen Grenzen
zu erheben pflegten; s. ob. S. 630, Anm. 1.
664 Vierundvierzigstes Kapitel.
523. Bald nach dem dritten Kreuzzuge und wohl im Zusammenhange
damit, daß Pisa wieder mit Byzanz in ein enges Verhältnis getreten war, brach
der offene Kampf zwischen Pisa und Venedig aus. Die Festsetzung von 5 pisa-
nischen Schiffen Ende 1193 oder im ersten Halbjahr 1194 bei Abydos war
in erster Linie gegen die Venezianer gerichtet^); das Selbstgefühl, das die.
Pisaner damals erfüllte, ließ sie selbst vor einem gleichzeitigen Kampfe mit
Venedig und Genua nicht zurückschrecken; charakteristisch ist das damals
gefallene Hohnwort der pisanischen Korsaren von Bonifacio, die die Genu-
esen als dienstwillige Kebsweiber der Venezianer bezeichneten. 2) Im August
1195 schickte Venedig eine Flotte gegen die Pisaner aus, die sich aber zu-
nächst gegen das abgefallene Pola Avenden mußte; nach Überwältigung der
Stadt wandte sie sich nach der Propontis, wo sie bei Natura zwei Handels-
schiffe der Pisaner kaperte; auf der Heimreise brachte sie noch ein drittes
auf, so daß sie 400 gefangene Pisaner nach Venedig mitführen konnte, ^j
Ahnliche kleine Erfolge mögen wohl auch die Pisaner zu verzeichnen gehabt
haben; denn der Friede, den Kaiser Heinrich VI. am 1. September 1196
vermittelte, wiederholt einfach den früheren Vertrag. 4)
- Aber nach kurzer Zeit brach der Kampf von neuem aus; das vene-
zianische Geschwader, das im September 1199 den Vertrag mit Brindisi
schloß, war gegen die Pisaner bestimmt. ^) Während der zweiten Belagerung
Konstantinopels kam es zu einer Aussöhnung zwischen Venezianern und
Pisanern und für längere Zeit führte dann der gemeinsame Gegensatz gegen
Genua die beiden Mächte zusammen. Im Sommer 1206 schloß man sogar einen ■|
engen Kriegsbund gegen Genua auf 2 Jahre, der es freilich zu der geplanten"'
großen gemeinsamen Aktion nicht brachte^); und im Sommer 1214 wurde
der bestehende Vertrag auf 10 Jahre erneuert ; als Gesandter Pisas ging der
Prior der pisanischen Kirchen in Konstantinopel, Benenatus, nach Venedig,
als Gesandter Venedigs- Leonardo Navigajoso nach Pisa, um der üblichen Ver- jlj
eidigung auf den ratifizierten Vertrag beizuwohnen. Der Friedenszustand*'
zwischen Pisa und Venedig wurde nur während des großen Kampfes
zwischen Papst und Kaiser, als Venedig mit Genua im Bunde war, unter-
brochen; doch ging man über gegenseitige Schädigungen im Kaperkrieg
nicht hinaus.'^) ml
524. Zwischen Genua und Venedig bestanden in den dreißiger Jahren
des 12. Jahrhunderts Mißhelligkeiten, u. a. weil ein venezianisches Kauf
I
*) Schreiben Kaiser Isaaks an die Pisaner : simulantes. gnerram contra Vene
tos. Müller p. 66. Oben § 194.
2) Ann. genov. 11, 54: meretrices, uxores Venetum, adhu'C ansi estis ire per
mare ?
») Letzte Notiz der ann. breves ed. Fulin, Arcb. ven. XII (1876), 349. Suppl
zur Hist. Ducum, SS. XIV, 91, wo statt maturam zu lesen ist Naturaui, wie aus Da
Canal c. 55 p. 338 (hier irrig zu 1197 erzählt) hervorgeht. Oben § 198.
*) Das ist daraus zu schließen, daß es auch nach dem Friedensvertrage von
1214 geschieht. Toecbe p. 463, dem die noch ungedruckte Urkunde in Wüstenfelds
Papieren vorlag, kannte den Vertrag von 1180 nicht; er redet von sehr günstigen
Bedingungen für Pisa. Seine Darstellung dieser Vorgänge ist auch im übrigen viel
fach nicht zu halten. Vgl. Manfroni 292 ff.
*) Winkelmann Acta I, 470 no. 583 : ad persequendum inimicos suos Pisanos.
Die Darstellung bei Dandolo p. 319 scheint allein aus dieser Urkunde herausge
spönnen. Oben S. 484.
«) Heyd im Giorn. lig. I (1874), 69 If. Oben § 378.
») Da Canal 414. Dandolo 1. c. 357. Vgl. Chone 122. Manfroni 418.
II
11
Tyrrhenisch-Adriatischer Handelsverkehr. 665
fahrteischiff von 3 genuesischen Galeeren gekapert worden war. Im April
1136 stellte ein auf 20 Jahre geschlossener Vertrag den Frieden wieder her;
bei Handelsstreitigkeiten sollten die Bürger des anderen Staates genau den-
selben Rechtsschutz genießen wie die eigenen. Auch sagte man sich gegen-
seitige Unterstützung zu, falls einer der beiden Staaten in Krieg verwickelt
wurde ; nur der gegen Papst und Kaiser geleistete Treueid wurde vorbehalten, i)
Obwohl die Berührungen zwischen den Bürgern der beiden Seestädte, auf
die dieser Vertrag hinzielt, in erster Linie in der Levante erfolgt sein
werden, so fehlte doch auch der direkte Handelsverkehr zwischen den See-
städten selbst nicht ganz, wenn auch das Notularium des Johannes keinerlei
Beziehung auf einen Verkehr Genuas mit der Adria enthält. Dafür spricht
besonders der Umstand, daß die Pisaner in dem Vertrage von 1174 Wert
darauf legten, daß die Venezianer auf den Besuch Genuas so lange ver-
zichteten, als dieses sich im Kriege mit Pisa befand. 2)
Am 21. Oktober 1177 schlössen dann Petrus Michael und Jacobus
DanduU als Gesandte des Dogen mit dem genuesischen Gesandten Nuve-
lonus de Albericis zu Cremona einen neuen Vertrag auf 29 Jahre ab. Alle
vorgefallenen Schädigungen beschloß man der Vergessenheit anheimzugeben;
die überseeischen Beamten wurden angewiesen, bei Klagen von Angehörigen
der Gegenseite der Gerechtigkeit gemäß zu entscheiden; dabei sollten sie
aber nicht verpflichtet sein, Landsleute der klägerischen Partei zum Zeugnis
zuzulassen. ^) Es entspricht dem damaligen Friedenszustande zwischen Pisa
und Genua, daß auch die Pisaner in ihrem Vertrage mit Venedig von 1180
ausdrücklich versprachen, den Venezianern, die Genua besuchen wollten,
keinerlei Hindernis in den Weg zu legen.*)
525. Im Anfang des folgenden Jahrhunderts kam es hauptsächlich
wegen Kretas zu einer starken Entfremdung zwischen Venedig und Genua,
und dieses knüpfte nunmehr mit Ancona an; am 16. April 1208 wurde zu
Genua mit den Gesandten Anconas, Bertolottus Befanus und Philippus de
Sarturano ein Vertrag auf 10 Jahre geschlossen und am 1. Mai in Ancona
ratifiziert.») Gegenseitig versprach man sich Sicherheit und Rechtsschutz;
für Waren, die zur See eingeführt wurden, waren 10 % ^'om Wert zu zahlen ;
Edelmetalle waren zollfrei. Die Genuesen allein versprachen, ihren Kaper-
schiffen einen Eid abzunehmen, das Geljiet Anconas nur im Falle dringenden
Bedürfnisses ^) aufzusuchen und sich dann nach den Weisungen der Behörden
Anconas zu richten. Auf der Küstenstrecke von Sinigaglia bis Umana
sollten die Genuesen zu Lande und zur See bis 20 MilUarien ins Meer hinein
niemanden schädigen dürfen, ausgenommen Feinde Genuas oder Anconas;
Anconitaner, die auf einem feindlichen Kaufmannsschiffe fuhren, sollten sie
dann nicht behelligen, wenn sie höchstens zu fünf mitfuhren und be-
eiden konnten, daß sie zur Zeit ihrer Abfahrt kein anderes Schiff hätten
benutzen können. So sehr der Vertrag seine Spitze gegen Venedig kehrt,
so ist doch direkt mit keinem Wort von Venedig die Rede. Am 2. April
*) Chart. 11, 222 no. 177 (luit der irrigen iud. III für XIIl). Xur das Ver-
sprechen der genuesischen Konsuhi ist erhalten.
») Oben § 521.
») Zum Teil veröffentlicht ann. genov. II p. XXIX A. 1 ; dazu p. 11. Ferretto I,
386 A. 2 gibt den 20. Oktober als Tag des Vertragsschlusses.
*) Müller p. 22. Bonaini Suppl. p. 77.
*) Lib. Jur. I no. 489.
^) excepto fortuna teuiporia sive cacia vel pro victu levando.
666 Vierundvierzigstes Kapitel. Thyrrheniscli-Adriatischer Handelsverkehr.
1220 wurde dieser Vertrag zu Ancona auf 12 Jahre erneuert i); es spricht ■|
für die Zunahme der Handelsbeziehungen zwischen beiden Seestädten, daß
sich die Notwendigkeit einer genaueren Regelung der Abgaben herausgestellt
hatte. Fortab war der Zehnte nicht bloß von den Waren, die die Genuesen
in Ancona selbst verkauften, zu zahlen, sondern auch von denen, die sie
hier in Leichterschiffe umluden, um sie an irgendeinem Küstenplatze der
Strecke von Fermo bis Venedig abzusetzen. Schiffs- und Lebensbedürfnisse
zu unmittelbarer Verwendung einzukaufen, sollte den Genuesen unter Beol)-
achtung der in Ancona für den Lebensmittelverkehr geltenden Vorschriften
immer gestattet sein; handelte es sich bei Waren cüeser Art um bloßen
Transitverkehr nach Venedig oder Zara, so war der Zehnte nicht zu erheben.
Betrafen diese genaueren Bestimmungen nur den Verkehr der Genuesen in
Ancona, so bezog es sich auf beide Parteien, wenn der Zollsatz für den
Imi)ort zu Lande, der im Verträge von 1208 noch gar nicht vorgesehen war,
nunmehr auf b^jo (das Doppelte des sonst Üblichen) festgesetzt wurde.
Auch gestattete man beiderseits den Schiffen der Gegenseite die Aufnahme
von Pilgern am anderen Orte, gegen eine recht hohe Abgabe allerdings, die
1/4 des von den Pilgern erhaltenen Passagepreises betrug, falls die anderen
fremden Schiffe ebensoviel zu zahlen hatten.
526. Mittlerweile hatte sich Genua auch mit Venedig wieder verstän-
digt; zu Parma erfolgte am 11. Mai 1218 der förmliche Friedensschluß der
beiden Seemächte auf 10 Jahre ''^), der die Handelsabgaben in der gleichen
Höhe, wie sie zwischen Venedig und Pisa bestanden, festsetzte s) und das
Verfahren bei gegenseitigen Beschwerden genau regelte; falls unter Um-
ständen die Auslieferung von Schuldigen zu erfolgen hatte, sollte sie in
Cremona geschehen. Aus der folgenden Zeit treten uns im Liber plegiorum
einige Beispiele von der Handelstätigkeit der Genuesen in Venedig vor
Augen. So wird der Venezianer Doho Bono in Venedig von einigen genu-
esischen Schiffspadroni, weshalb wissen wir allerdings nicht, verklagt; im
Februar 1224 muß er Bürgschaft leisten, sich auf Aufforderung des Dogen
unverzüglich zu stellen. Besonders waren die Genuesen im Getreidehandel '
tätig. Am 2. November 1223 kaufte Pietro Albrico von Genua zugleich im
Namen seines Sozius Nicolotus de Orto in Venedig von zwei Bürgern von
Fermo und einem Venezianer Getreide für 260 1. ven., indem er den Kauf-
preis durch seinen Schuldner, den Venezianer Giorgio Ruibolo, begleichen
ließ ■*); es handelt sich wohl um Getreide, das aus den Marken nach Venedig
importiert werden sollte. Und in einer amtlichen Abrechnung vom April
1224 treten zwei Posten von 3147 und 1622 1. venez. auf, die für Getreide-
lieferungen für Rechnung Venedigs an genuesische Importeure gezahlt
worden waren.^)
Nach Ablauf des Vertrages von 1218 kam im Mai 1228 ein neuer
Vertrag zustande 6), dessen Dauer diesmal auf die Zeit bis Michaeli 1232
beschränkt wurde; er wich von dem alten nur insofern ab, als er für
») Lib. .Tur. I no. 559.
*) Nur die venez. Ausfertigung für Genua ist erhalten. Jiib. Jur. I no. 535.
Ann. genov. 11, 145.
') Chone p. 40 A. 2 läßt diese Sätze erst 1228 neu eingeführt werden.
*) Minotto IV, 1 p. 25. Lib. ])leg. no. 4.
') Lib. pleg. no. 135, 136.
*) Auch hier ist nur die Ausfertigung für Genua erhalten ; Lib. Jur. I no. 65t
Dazu Lib. pleg. no. 633.
Fünfundvierzigstes Kapitel. Interner Seehaudcl in der Adria. 667
Streitigkeiten zwischen Venezianern und Genuesen in überseeischen Plätzen
ausdrücklich bestimmte, daß der Kläger sich an das für den Beklagten zu-
ständige Konsulargericht zu wenden habe und nur, falls ein solches nicht
vorhanden sei, die Landesgerichte anrufen dürfe. Für die Räubereien, die
Graf Alamannus und Genossen seit dem letzten Frieden an Venezianern
verübt hatten, hatte Genua 5500 byz. zu zahlen, wobei sich Venedig eine
weitere Forderung von 500 byz. noch vorbehielt; unter den Geschädigten
befanden sich 37 Personen, die auf dem Schiffe Paradiso 3200 byz. eingebüßt
hatten, wovon der Hauptanteil mit 4288 1. ven. auf Jacopo Dolfin entfiel.^
Die genuesische Gesandtschaft, die 1233 nach Venedig ging, hatte
jedenfalls die Erneuerung des Vertrages zum Zweck 2); besonders eng aber
gestaltete sich das Verhältnis der beiden Seemächte, als sie unter dem
Protektorat Gregors IX. im Jahre 1238 erst eine Defensiv- Allianz und dann
im folgenden Jahre .ihren Kriegs- und Angriffsbund gegen den Kaiser
schlössen; jedes Schiff sollte fortan links von dem Banner der eigenen
Stadt das Banner der verbündeten Seestadt führen.^) Wie es der Vertrag
vorsah, wurde der Bund 1242 auf beiden Seiten von neuem beschworen.*)
Zu einer weiteren Erneuerung des Bundes kam es aber nicht mehr, da es
Venedig im Jahre 1245 vorzog, seinen Sonderfrieden mit dem Kaiser zu
machen ; die Rivalität der beiden Seemächte erfuhr seitdem eine wesentliche
Steigerung.
Fünfundvierzigstes Kapitel.
Interner Seehandel in der Adria.
527. Die überragende Stellung Venedigs am Adriatischen Meere
kommt schon darin zum Ausdruck, daß man die Adria auch als den
Golf von Venedig bezeichnete.^) Nicht auf großer Ausdehnung seines
Gebiets, sondern allein auf der Überlegenheit seiner Kriegs- und
Handelsmarine beruhte seine kommerzielle Vorherrschaft; es war das
Ziel seiner Politik, die Seestädte dieses Gebiets zu einer größeren selb-
ständigen Bedeutung für den Seehandel nicht gelangen zu lassen.
Die verhältnismäßig bedeutendste unter diesen Seestädten war Ancona;
wenn Edrisi es eine große Stadt, einen der Hauptorte im Lande der Römer,
nennt ^, so dürfen wir freilich keinerlei modernen Maßstab anlegen. Nicht
entfernt vermochte es etwa mit Venedig in ähnlicher Weise zu rivalisieren
wie Pisa mit Genua; nirgends hat es in überseeischen Landen Venedig die
Bahn streitig gemacht; sein Anteil am Fernhandel war nur gering. Aber
so klein sein Gebiet war (selbst die nächstgelegenen Häfen von Umana und
Sinigaglia Avaren selbständig), so spielte es doch mit seinem guten Seehafen
unter den Seeplätzen der Marken die erste Rolle und war als Stützpunkt
auch für den größeren Seeverkehr von Bedeutung; die Bedingungen für
eine größere kommerzielle Entwicklung Anconas waren an sich gegeben.
>) Lib. pleg. no. 613, 614.
«) Ann. Jan., SS. XVIII, 181.
») Ebd. 189. Lib. .Inr. 1 no. 749. Tafel und Thomas U, 341 f.
*) Lib. .lur. I no. 764.
-') Edrisl p. 12, 76, 78. Gesta Kicardi, SS. XXVIl, 129 f.
«) p. 89.
668 Fünfundvierzigstes Kapitel.
Das Bestreben Venedigs, Ancona niederzuhalten, tritt uns zuerst im
Jahre 1137 entgegen, als es mit seiner Flotte eifrig zu seiner Unterwerfung
unter die Gewalt Kaiser Lothars half.^) Im August 1152 aber sehen wir
beide Städte ein enges Bündnis schließen, das für ewige Zeiten Geltung
haben sollte 2); der Doge leistete dem Volke von Ancona einen Eid, daß
die Anconitaner fortan in Venedig und überall sonst wie die Venezianer
selbst gehalten und behandelt werden sollten, und ebenso schwur das Volk
von Venedig, daß jeder einzelne den Trentacien Venedigs angehörige Bürger
die Anconitaner ebenso unterstützen würde, wie er es gegenüber den aus
den vornehmsten Bezirken der eigenen Stadt stammenden Landsleuten tun
würde. Sicher haben die Anconitaner entsprechende Eide geschworen.
Als Ancona aber in enge Verbindung mit Kaiser Manuel trat, erblickte
Venedig darin nicht mit Unrecht eine Gefahr für seine Vormachtstellung
im Verkehr mit dem griechischen Reich und verfolgte seitdem die Anconi-
taner mit erbittertem Haß.^) Einer ersten venezianischen Expedition im
Jahre 1168, auf der die Venezianer mit sechs Galeeren fünf anconi-
tanische mit der gesamten Bemannung wegnahmen und zwei vornehme
Bürger Anconas, Jacobus de Mulino und Wigardinus, aufhängen ließen 4),
folgte 1173 die große in Gemeinschaft mit Christian von Mainz unternom-
mene Belagerung Anconas, das seinerseits die Unterstützung der Griechen
fand und sich auf das hartnäckigste verteidigte. Der allerdings nicht ganz
gleichzeitige Schilderer ^) dieser Belagerung berichtet uns , daß in der Stadt
etwas über 10000 Menschen gewesen seien, während ein nicht geringer
Teil der Männer des Handels wegen abwesend war; als eine der wenigen
Bevölkerungsangaben aus dieser frühen Zeit verdient die Zahl immerhin
Beachtung. Bekanntlich gelang die Eroberung Anconas nicht ; aber Venedig
suchte nun seinen Handel soviel wie möghch zu unterbinden. Fortwährend
ließ es seine Galeeren in den Gewässern Anconas kreuzen, um seine Schiffe
abzufangen; in dem Vertrage mit Pisa von 1174 mußten die Pisaner ver-
sprechen, Ancona während des Krieges zu meiden*'); wenig später gewann
es die Konsuln von Rimini zur gemeinsamen Durchführung einer strengen
Blockade, die den Schiffen Anconas eine Zeitlang das Auslaufen völlig un-
möglich machte.') Aber die Stadt beharrte zäh auf ihrem Widerstände, so
daß die Gegner in ihren Absperrungsmaßregeln doch erlahmten, wenn die
Feindschaft mit Venedig auch noch tief bis ins folgende Jahrzehnt hinein
fortbestand.^)
*) Bernhardi, Lothar G80.
*) Minotto IV, 1 p. 12, mit dem Vertragsentwurf vom 26. .Juni 1152 (ind. XIV
irrig für XV). Lenel p. 31 und 139 will beide Stücke nur als Vertragsentwürfe
gelten lassen. Über einen (nicht ganz sicheren) Angriff von Byzanz auf Ancona
(1150) s. Bernhardi, Konrad p. 882.
') Boncompagno: qui semper quodam speciali odio Anconam oderunt; ed.
Gaudenzi im Bull. stör. no. 15 (1895), 167. Oben § 179.
*) Ann. venetici breves; SS. XIV, 71.
») Oben § 179.
•) Ergibt sich aus dem Vertrage von 1180 (Müller p. 22), der auf das vetus
pactum verweist.
») Dandolo bei Muratori SS. XII, 301 zu 1175.
*) Als sich Frondisia, Witwe des Jacobus de Johanne de Dono Dei von An-
cona, Venezianerin von Geburt, Schwester des Joh. Staniarius, im Juli 1181 ent-
schließt, sich nach Ancona zu begeben, macht sie ihr Testament und deponiert einen
Teil ihres Besitzes in dem Kloster S Zaccaria, wo eine Verwandte von ihr Äbtissin
Interner Seehandel in der Adria. 669
528. Als nach dem Tode Heinrichs VI. die Seestädte der Marken,
Ancona, Ravenna, Rimini, Fermo, Osimo und SinigagHa ein Bündnis mit-
einander schlössen (1198), untersagte man allen Nichtbürgern in diesen
Städten den Detail verkauf und den Handel untereinander, nahm davon aber
die Anconitaner und Ravennaten aus^); ein Spezialbündnis Anconas mit
Osimo schloß sich an, in dem dieses versprach, zur See nur über Ancona
zu verkehren, wofür es das unbeschränkte Recht des Seehandels von
Ancona aus erhielt; volle Abgabenfreiheit kam beiderseits hinzu. 2) Sicher
trugen auch die großen Aufgaben, vor die sich Venedig bald darauf in der
Romania gestellt sah, dazu bei, Ancona freieren Raum für seine kommerzielle
Betätigung zu verschaffen; auch sein Vertrag mit Genua von 1208 hat, so
imfreundlich er gegen Venedig erscheinen mochte, zum Ausbruch eines
offenen Kampfes nicht geführt. Vielmehr haben wir mancherlei Zeugnisse
dafür, daß im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts ein ziemlich reger Handels-
verkehr zwischen Venedig und Ancona bestand. Ein venezianisches Statut
von 1204 redet von den Testamenten von Venezianern, die in Ancona und
jenseits davon gemacht würden'^); venezianische Schiffe treten von Ancona
aus Seereisen nach Griechenland und der Romania an, während kleinere
Fahrzeuge den Handelsverkehr zwischen den beiden Städten selbst vermitteln. *)
Wichtig war auch hier der Getreidehandel; am 26. Juli 1224 verordnete
z. B. die Signorie, daß alle, die Getreide aus Ancona oder einem jenseits
gelegenen Orte nach Venedig einführten, eine Prämie von 2 sol. ven. für
den Scheffel (pro stario) erhalten sollten. 0)
Aber auch die Anconitaner waren aktiv an diesem Handel beteiligt.
Im September 1225 ließ der Podesta von Ancona die venezianische Regierung
durch einen besonderen Boten ersuchen, den Fünften, den die veneziani-
schen Vicedomini anconitanischen Importeuren von Fleisch und Käse ab-
genommen hatten, zurückzuerstatten; Venedig erklärte aber, daß diese Ab-
gabe dem Herkommen entspreche ; nur ausnahmsweise sollte für diesen einen
Fall dem Ersuchen willfahrt werden. ♦') Im Spätsommer 1226 sequestrierten
die venezianischen Wachtgaleeren ein mit Getreide beladenes Fahrzeug des
Lorenz© di Mica von Ancona bei Pirano ; am 8. September leisteten 2 Vene-
zianer mit 500 1. Bürgschaft dafür, daß es nach Venedig kommen und dort
seine Ladung verkaufen würde. '^ Offenbar sollte also nach dem Willen
Venedigs dieser Handel in Venedig selbst konzentriert werden. Vielleicht
veranlaßte dieser Vorgang Ancona zu Represalien; jedenfalls hat Venedig
bald darauf über Ancona die Handelssperre verhängt.
war ; Cecchetti p. 37. Im Herbst 1189 fassen Venezianer für eine Handelsfahrt von
Konstantinopel aus Apulien oder Ancona ins Auge. Baracchi XX (1880), 76 no. 93.
*) Tonini II, 610 no. 94.
») Zaccaria F.-A. Bibliotheca Pistoriensis II (Turin 1755) p. 127 (31. Aug. 1198).
3) Besta e Predelli p. 258 rub. 29.
*~) Beispiele für 1207 : Sacerdoti p. 40 ; für 1218 : Lib. pleg. no. 56 ; für 1224
ebd. no. 134, 170; für 1225 no. 289; für Januar 1226 no. 357. Dazu p. 178 f. mehrere
Fälle von Beraubung von Venezianern, die von Ancona kommen, durch Untertanen
des Markgrafen von Este ; so wird z. B. Matteo Orso u. a. zweier Leinwandballen
beraubt, die er in Ancona gekauft hatte.
') Minotto IV, 1 p. 32. Die Höhe der Einfuhrprämie wechselte häufig, je
nach dem vorliegenden Bedürfnis ; im Dezember 1225 wurde sie mit 2 sol. mir für
die ienseits Ancona belegenen Gebiete beibehalten, während sie für Ancona selbst
auf 1 sol. herabgesetzt wurde. Ljubic IH p. 397 (Anhang no. 17.)
«) Minotto ib. 38. Lib. i)leg. no. 327.
') Lib. pleg. no. 419.
(370 Ftinfundvierzigstes Kapitel.
Am 9. Oktober 1226 ließ die Signorie auf dem Rialto öffentlich ver-'^j
künden, daß kein Venezianer ohne besondere Erlaubnis des Dogen nach "
Ancona gehen oder Waren dorthin senden dürfe; Zuwiderhandelnde traf
eine Buße von 301. I2V2S0I. ven. und Konfiskation der Ware; dem Denun-
zianten Avird Geheimhaltung und 1/4 der Buße und konfiszierten Ware zu-
gesichert, i) Mehrfach ist dies Verbot in den nächsten beiden Jahren er-
neuert und eingeschärft worden. 2) Der Druck dieser Handelssperre mußte
für Ancona um so empfindlicher sein, als seine nächsten Nachbarn zumeist
auf der Seite Venedigs standen. Besonders mit Recanati und Osimo, dessen
Hafen Umana war, stand Venedig in so nahem Verhältnis, daß es schon
1224 über den Getreideexport dieser Orte verfügte^), während schon damals Äj
ein Handelsverbot Anconas wenigstens gegen Recanati bestand ; als ein «■
Schiffer von Chioggia in diesem Jahre, mit einer Ladung Wein von Recanati
kommend, aus Furcht vor Seeräubern in den Hafen von Ancona einlief,
wurde ihm eine Buße von 10 1. rav. auferlegt, die er sich lange vergebens
wiederzuerhalten bemühte. 4)
Im Sommer 1228 schien die Handelssperre zum offenen Kriege führen
zu sollen; die Nachbargemeinden Anconas im Süden, Osimo und Umana,
Recanati und Castelfidardo, denen sich bald auch das landeinwärts gelegene
Cingoli anschloß, schlössen auf 5 Jahre mit Venedig einen Vertrag, in dem
sie den Venezianern volle Handels- und Abgabenfreiheit in ihren Gebieten,
Schutz gegen die Anconitaner in ihren Häfen und im Falle des Krieges mit
Ancona militärische Hilfeleistung versprachen. s) Auch mit Fermo undV
Rimini unterhandelte Venedig wegen ihres Eintritts in einen Kriegsbund
gegen Ancona; als besonderes Zugeständnis bot es Rimini die Erlaubnis,
Getreide aus den Häfen von Osimo und Recanati zu exportieren. Und in
der Tat hat Rimini in Gemeinschaft mit Fano und Sinigaglia im September
mit jenen 5 Gemeinden ein Bündnis gegen Ancona und seine Verbündeten
Jesi und Pesaro geschlossen, ß)
Der Ausbruch des Krieges aber wurde durch das energische Dazwischen-
treten Gregors IX. verhütet; zugleich erklärte er den Venezianern (12. Ok-
tober 1228)'), nicht dulden zu können, daß der römischen Kirche ge-
hörige Häfen der Verfügung einer fremden Macht unterständen, und daß er
deshalb die Küste von Recanati und Umana selbst in der Hand zu behalten
beschlossen habe.
Trotzdem bestand die Feindschaft zwischen Venedig und Ancona fort ;
ja am 11. November verschärfte Venedig die bestehende Sperre noch durch
die Bestimmung, daß jeder, der sich, ohne durch höhere Gewalt dazu ge-
I
I
II
') Minotto IV, 1 p. 41. Lib. pleg. no. 433.
«) Minotto IV, 1 p. 49 f. Lib. pleg. 586, 612, 618 (Juni 1228), 638 (Aug. 1228).
Fälle von Zuwiderhandlungen: Zwei Venezianer, die trotz des Verbots sich nach
Ancona begeben haben, schwören am 23. März 1227, zur Verfügung des Dogen zu
bleiben (no. 516) ; der speziale Pietro Rosso hat 52 balestre nach Ancona exportiert
(no. 624 ; Juli 1228. Dazu no. 681). Minotto IV, 1 p. 50.
») Lib. pleg. no. 122.
*) Ebd. no. 715.
») Minotto IV 1 p. 47-50. Lib. pleg. no. 615. Winkelm. Actal no. 611. Lenel 48.
*) Lib. pleg. no. 629 mit A. 2. Lenel 49. Im Jahre zuvor hatte Ancona mit
Ravenna einen Handelsvertrag geschlossen; Peruzzi A. Storia d'Ancona (Pesaro
1835) I, 373. Er betraf besonders den Salz- und Getreidehandel. In der Erneuerung
von 1249 (p. 387) wurde vollständige Münzgleichheit hinzugefügt.
^ Rodenberg I no. 374. Auvray no. 218. Lenel 50. Winkelmann II, 35.
I
I
Interner Seehandel in der Adria. 671
zwiingeii zu sein, nach Ancona begab und dort Handel trieb, als eidbrüchig
anzusehen und als solcher durch öffentliche Bekanntmachung zu brandmarken
sei; zur Überwachung würde die Signorie in Ancona selbst Spione unterhalten.
Und am 31. Mai 1229 wurde der Podestä von Chioggia, Alberto Contarini,
angewiesen, diese Anordnung den Einwohnern erneut einzuschärfen, i)
Auch behauptete Venedig in den Nachbarorten Anconas seine bevor-
zugte Stellung. Im Jahre 1229 war der Venezianer Nicolaus Coccus in
Osimo und Recanati Podestä ; im Februar schickte die Signorie den Jacopo
Bobizo ab, um an diesen Orten bis Mitte Mai für Rechnung der Republik
bis 1000 Malter (moggia) Getreide und 40 — 50 Ztr. Segelleinwand 2) einzukaufen ;
für das Getreide durfte er bis 14 sol. ven, für den venezianischen stajo zahlen.
Die von ihm abgeschlossenen Kontrakte waren in Gegenwart des Podestä
zu vollziehen; durch häufige Schreiben hat er die Signorie von dem Fort-
gang seiner Mission auf dem Laufenden zu erhalten. Ein Kreditbrief er-
mächtigte ihn, Darlehn in Höhe von insgesamt 5000 1. ven. aufzunehmen. ^)
529. Einige Jahre darauf (1233) sehen wir Ancona wieder mit Osimo
in enger Verbindung*), während Recanati am 10. Januar 1239 einen neuen
Vertrag mit Venedig schloß. ^) Abgesehen davon, daß Recanati einige Schaden-
ersatzforderungen bewilligte, gestand es den Venezianern in Recanati und
Oebiet volle Freiheit des Handels, auch mit Fremden, zu und gewährte
ihnen Freiheit von allen Handelsabgaben, einschließlich der Verwiegungs-
und Vermessungsgebühren. Die Ausfuhr von Weizen und anderem Getreide,
von Wein und Öl spielte die Hauptrolle; die Venezianer versprachen, sich
bei diesem Handel der in Recanati gebräuchlichen Maße zu bedienen. Für
die Transporte zwischen Recanati und seinem Hafen durften den Venezianern
nicht mehr als 8 den. rav. et ancon. für jedes Lasttier (pro unoquoque
saumero) berechnet werden. Endhch verpflichteten sich .die Leute von Reca-
nati, den Venezianern alles, was zur Ausschiffung oder zur Einschiffung an
Booten und sonstigen Fahrzeugen, Brettern, Gefäßen und Arbeitskräften er-
forderlich war, abgabenfrei zur Verfügung zu stellen. Mit den Leuten von
Oastelfidardo war Venedig damals verfeindet; doch behielt sich Recanati
sicheres Geleit für sie durch sein Gebiet bis zum Hafen vor. Im allgemeinen
•dauerte also die kommerzielle Beherrschung auch der in nächster Nachbar-
schaft von Ancona gelegenen Gebiete durch Venedig fort. Was das Ver-
hältnis zwischen Venedig und Ancona selbst angeht, so wissen wir, daß am
Anfang des Krieges zwischen Venedig und dem Kaiser, als dieser die Zu-
fuhr von Lebensmitteln nach Venedig untersagt hatte, der Papst den Be-
wohnern Anconas und anderer Seeplätze bei Strafe der Exkommunikation
und einer Buße von 10000 Mark Silber gebot, den Venezianern alles Nötige
zu liefern '^) ; und als der Kaiser seinen Frieden mit Venedig gemacht hatte,
») Lib. pleg. no. 674. Minotto IV, 1 p. 54 f.
*) Pannum lineuui usque mill. 4 — 5 ad vella facienda ; Minotto IV, 1 p. 55 f.
'Commissio vom 10. Februar = Lib. pleg. no. 710.
') Lib. pleg. no. 709.
*) Theiner I, 101 no. 172.
*) Marin VI, 273 f. (das 1238 bei ihm ist venez. Jahreszählung). Minotto IV, 1
p. 60 f. Vgl. Lenel 50 A. 1.
*) Huillard-Br^hoUes V, 842. Im .Jahre 1238 war es noch zu Feindseligkeiten
zwischen Ancona und Venedig gekommen ; Marco Zorzano nötigte die Besatzung
feindlicher anconitanischer Fahrzeuge zur Flucht an Land und verbrannte die
Schiffe. Dandolo bei Murat. SS. XII, 350. Von Manfroni 392 f. zu 1239 gesetzt.
572 Fünfundvierzigstes Kapitel.
beschlagnahmten die Anconitaner ein aus dem Königreich nach Venedig
fahrendes Schiff, i) Danach scheint sich also Anconas kommerzielles Ver-
hältnis zu Venedig damals genau nach den Wünschen seines päpstlichen Ober-
herrn gerichtet zu haben.
Im allgemeinen zeigt sich etwa seit der Zeit des dritten Kreuz-
zuges ein allmähliches, freilich unter erheblichen Schwierigkeiten sich
vollziehendes, aber stetiges Emporkommen Anconas in kommerzieller
Beziehung, während Venedig darum doch noch immer die Königin
der Adria verblieb.
Mit dem südlichsten der Handelsplätze der Marken, Fermo, dessen
Gebiet von der Potenza bis zum Grenzfluß gegen das sizilische Königreich,
dem Tronto, reichte 2), stand Venedig, wie aus dem für diese Dinge unschätz-
baren Liber plegiorum hervorgeht, in lebhaftem Handelsverkehr. Das beweist
schon der Umstand, daß der Visdomino Tommasino Zane im August 1225
unter seinen Einnahmen die von Leuten von Fermo erhobene Abgabe mit
317 1. 3 V2 sol- besonders aufführt. Zwei Bürger von Fermo verkaufen im
November 1223 Getreide in Venedig, zwei andere reklamieren im nächsten
Januar daselbst einen Sack Eisen als ihnen gehörig. 3) Durch Schiedspruch
wurde Fermo in der Person seines Kämmerers (massaro) Rinaldo zur Zahlung
von 124 1. an 2 Venezianer, fällig im Juni 1226, verurteilt ; da Zahlung trotzdem
nicht erfolgte, wurde die Summe bei Domenico Barbastro, bei dem die
Handelsgesellschaft des Matteo de Baroncelli von Fermo ein größeres Gut-
haben hatte, mit Beschlag belegt. Am 15. August 1227 schrieb der Doge
an den Podestä von Fermo, Ruhens, er möge bewirken, daß diejenigen, die
der Republik noch von der Zeit der Sendung des G. Lombardo oder anderer ,^
her Getreide oder Geld schuldig wären, ihren Verpflichtungen nachkämen;
er habe den R. Moricoccio von Fermo zur Einziehung dieser Rückstände
ermächtigt. 4) Als Venedig dann im Juli 1228 auch mit Fermo wegen seines
Beitritts zum Kriegsbunde verhandelte, bot es ihm für seinen Import nach
Venedig Befreiung von dem bisher gezahlten Vierzigsten an, falls auch Fermo
den Venezianern Handels- und Abgabenfreiheit bewillige; indessen scheint
es nicht, daß es zu einem Abschluß auf dieser Grundlage gekommen ist.
In demselben Sommer trat Bonaccursio, ein in Venedig naturahsierter Anconi-
taner, eine Handelsfahrt nach Fermo an; er mußte am 30. August Bürg-
schaft dafür stellen, daß er sein Fahrzeug (banzone) nicht an Anconitaner
oder andere verkaufen werde. 0)
530. Auch die Küstenplätze nördlich von Ancona bis Ravenna
hatten für den Lebensmittelexport nach Venedig Bedeutung, wie schon
daraus hervorgeht, daß die Verordnung vom 26. JuH 1224 auf die Einfuhr
eines jeden stajo aus diesem Gebiete eine Prämie von 1 sol. ven. (die Hälfte
der für den Export aus den südlicheren Gebieten geltenden) setzte; eine
andere Verordnung vom 31. Dezember 1227 bestimmte, daß kein Venezianer,
der in Sinigaglia oder diesseits davon Lebensmittel oder andere Waren
I
I
1) Petr. de Vin. V, 48. Chone 121.
*) Priv. Ottos IV. vom 1. Dez. 1211 bei Zanetti, Nuova raccolta delle monete
d'Italia (Bologna 1779) HI, 276.
3) Lib. pleg. no. 317, 4, 33.
*) Ebd. 557, 556. Minotto IV, 1 p. 45.
») lib. pleg. no. 629, 646.
Interner Handel in der Adria. 673
lud, diese anderswohin als nach Venedig bringen durfte, i) Auch sonst ist
uns die Getreideausfuhr aus Sinigaglia bezeugt; ein von hier kommender
venezianischer Getreidekahn (plato), der des schlechten Wetters Avegen in
den Hafen von Cervia eingelaufen war und zur Leichterung des Schiffes
Getreide gelöscht hatte, sah sich hier im Jahre 1231 allerlei Belästigungen
ausgesetzt, da die Menge behauptete, daß das Getreide in Cervia, wo also
Mangel daran geherrscht haben muß, gekauft sei. 2)
Fano hatte im 12. Jahrhundert eine Zeitlang in einem vollständigen
Abhängigkeitsverhältnis von Venedig gestanden. In einen wenig aussichts-
vollen Streit mit seinen unmittelbaren Nachbarn Pesaro und Sinigaglia sowie
Ravenna verwickelt, entschloß sich Fano Anfang 1141^), um die Hilfe Vene-
digs zu gewinnen, seine Oberhoheit anzuerkennen, dem Dogen Treue zu
schwören und unter bestimmten Beschränkungen Heeresfolge zu s^ersprechen.
Jährlich hatte es an die Markuskirche 10 Zentner, an den Dogen 1 Zentner
Öl abzuliefern ; auch sollten die von den Fremden in Fano erhobenen Ver-
wiegungs- und Vermessungsgebühren an Venedig abgeführt werden. Schickte
\'enedig Gesandte nach Fano, so hatte dieses für ihren Unterhalt zu sorgen;
außerdem hatte Venedig einen besonderen Machtboten in Fano zu bestellen,
der für alle Streitigkeiten zwischen Venezianern und Fanensern zuständig
war*) und zur Durchführung seiner Entscheidungen von den Konsuln von
Fano unterstützt werden mußte. Gegen fremde Schuldner sollten die Vene-
zianer in Fano genau denselben Rechtsschutz genießen wie in Venedig selbst.
Wie lange dieses Verhältnis Bestand gehabt hat, wdssen wir nicht ; jedenfalls
war Fano im 13. Jahrhundert wieder von Venedig unabhängig, als es dem
Kriegsbunde gegen Ancona beitrat. In dieser Zeit hat Venedig einmal wegen
des Guthabens einer Venezianerin, das nicht beizutreiben Avar, Represalien
gegen die Leute von Fano bewilligt^) ; doch wurden von der Beschlagnahme
gerade die für den Handel Fanos mit Venedig wichtigsten Dinge: Getreide,
Wein, Hanf, Fässer und die Schiffe selbst (plati), ausgeschlossen.
Für einen lebhaften Handelsverkehr zwischen Venedig und Rimini
spricht es, daß beide Städte im Juli 1170 ein Abkommen trafen, wonach
das Kreditgeben zwischen Kaufleuten von Rimini und Venedig im allgemeinen
untersagt sein sollte; wer es dennoch tat, sollte sich nur an den Schuldner
selbst halten und anderweite Rechtshilfe von der zuständigen Regierung
nicht beanspruchen dürfen. 6) Mehrfach können wir in den ersten Jahr-
zehnten des 13. Jahrhunderts Venezianer im Handelsverkehr mit Rimini nach-
weisen; am Weinexport nach Venedig sehen wir die Bewohner von Rimini
selbst und Leute aus Cavarzere beteiligt.')
531. Dagegen erscheint Cervia öfter als ein schlimmer Störenfried
der venezianischen Küstenschiffahrt; es hatte eine besonders starke Salz-
') Minotto IV, I p. 32 u. 46.
») Ebd. III, 1 p. 42. Lib. pleg. no. 719 (28. Oktober).
») Minotto IV, I p. 9 : Job. Badoer stiftet am 28. Febr. 1141 als Delegierter des
Dogen Frieden zwischen Fano und Pesaro; am folgenden Tage schwören Konsuln
und Volk von Fano den Treueid ; ebd. p. 10. Lenel p. 27.
■•) Et de unaquaque Ute vel negotio quod emerserit inter Veneticum et Fanen-
sern in ratione debeat osse in curia illius vestri missi quem ibi prefeceritis.
») Lib. pleg. no. 424 (23. Sept. 1226).
•) Minotto IV, 1 p. 15 f. Dandolo p. 3U1.
') Minotto III, 1 p. 11 : ein Venez., von Rimini kommend, Anfang des 13. Jahrh.
bei Cervia beraubt. Lib. pleg. no. 154: ein venez. plato nach R. unterwegs; no. 152
(1224), 266 (1225). Anerbieten Venedigs 1228 s. oben S. 670.
Schaubc, Uandclsgeschiohte der roinan. Völker im Mittelalter. 43
074 Fünf und vierzigstes Kapitel.
Produktion und die Konkurrenz mit Venedig auf diesem Gebiete mag haupt-
sächlich der Grund zu dem wenig freundüchen Verhältnis der Cervienser zu
Venedig gewesen sein. An der Wende zum 13. Jahrhundert wurden einmal
die zahlreichen venezianischen Beschwerden über Cervia vor dem Dogen
Heinrich Dandolo unter Eid zu Protokoll gegeben i) ; es ergibt sich, daß eine
ganze Reihe venezianischer Schiffe den Räubereien der Cervienser, zum Teil
unter Anwendung des Strandrechts, ausgesetzt gewesen war. Mehrfach be-
gegnen Tuche unter der Ladung dieser Schiffe; in einem Falle waren z. B.
einem Venezianer 70 Ellen grauen Tuches 2) geraubt worden. Venerius Man-
gulo hatte sein Fahrzeug wegen Unwetters in Cervia entladen müssen, worauf
die Cervienser ihm von der Ladung 300 Schweine, 20 Ztr. Käse, 50 Ztr.
Feigen, 1 Malter Bohnen sowie das Fahrzeug selbst konfiszierten. Aus
anderen BeschAverden wieder ergeben sich Wein, Feigen und Öl als besonders
häufige Gegenstände der Ladung dieser Küstenschiffe. Der Doge schickte
die Beschwerdeführer mit den beeideten Aussagen und einem amtlichen
Schreiben nach Cervia, ohne daß zunächst etwas erreicht wurde ; doch wurden
die Differenzen im Juli 1203 durch einen Vertrag zwischen Rainer, dem
Sohne und Vertreter des Dogen, und dem Podestä von Cervia, Ugo de Sasso,
geregelt, s) Etwa 20 Jahre später spielten sich ganz ähnliche Vorgänge ab ; im
Hochsommer 1224 wurden die Klagen gegen Cervia wiederum zu Protokoll
genommen 4) , die diesmal noch zahlreicher waren als vorher. So wurden
z. B. im Mai 1224 in Cervia beschlagnahmt ein Fahrzeug mit Salz und
Schiffsausrüstungsgegenständen im Wert von 100 1. und ein anderes, das mit
Salz, Gemüse, Fässern u. dgl. im Wert von 107 1. beladen war; im Oktober
1223 waren 3 Venezianern im Hafen von Cervia neben anderen Waren auch
10 Pfund Pfeffer, eine englische Mütze und eine Magnetnadel (calamita)
fortgenommen worden; einem vierten wurden 2 Ballen Hammelfelle (mul-
tonini), die er ein Jahr zuvor in Cervia deponiert hatte, beschlagnahmt \
u. dgl. mehr. Diesmal kam man rascher zu einem Ausgleich ; am 13. August
1224 schloß der Doge Pietro Ziani mit dem Podestä Henricus Teotonicus
von Cervia einen Vertragt), der grundsätzlich die Rückgabe aller bei Schiff-
bruch oder sonst den Venezianern oder Cerviensern entfremdeten Gegenstände
aussprach; Schiedsrichter hatten die einzelnen Fälle zu entscheiden. Das
sonst bei Streitigkeiten zwischen Venezianern und Cerviensern innezuhaltende
Verfahren wurde genau geregelt und in einem Nachtrag dem Dogen gestattet,
3 Cervienser zu erwählen, die als Richter in solchen Fällen zu fungieren hätten.
Eine von einem Cervienser durch einen Notar von Cervia für einen ^^enezianer
ausgestellte Urkunde sollte Gültigkeit nur dann haben, wenn sie auch die
Unterschrift des Stadtoberhauptes von Cervia trug; im umgekehrten Falle
war die Unterschrift des Vicedominus von Venedig erford erheb. Im Jahre
1231 hören wir wieder von einer Beschwerde über Cervia, und aus dem
venezianisch-ravennatischen Vertrage von 1234 ergibt sich, daß die Ausfuhr
von Salz aus dem Gebiet von Cervia damals von der Signorie mit Konfis-
kation des Salzes und Verbrennung des Schiffes bedroht war; den Ravennaten
versprachen die Venezianer damals, in den nächsten 5 Jahren keine ihrem
1) Minotto, III 1 p. 9—13.
*) Abstulerunt 70 brachia de drapo de griso ; p. 11.
') Noch ungedruckt; ergibt sich aus dem Vertrage von 1224, Minotto IV, 1
p. 33 und Lenel 40 A. 1. ,
*) Minotto III, 1 p. 24 ff. Lib. pleg. no. 154, 170, 175, 223—228.
6) Minotto IV, 1 p. 32 ö.
Interner Handel in der Adria. 675
Interesse zuwiderlaufende Abmachung mit Cervia, das mit Ravenna auch
liauptsächlich des Salzhandels wegen im Streit lag, treffen zu wollen, i)
532. Wenn Ravenna einst in der Lage gewesen war, mit Venedig
zu rivalisieren, wenn es noch 1144 einen heftigen Kampf zur See und zu
Lande mit Venedig ausfechten konnte 2), so war diese Zeit doch längst völlig
vorüber. Für die vollständige Ohnmacht der Stadt zur See ist nichts be-
/.»'ichnender, als daß sich die Gemeinde im Jahre 1227 einen galeone von
\'enedig entliehen hatte; bei Ablauf des Mietkontrakts am 1. November
rsuchte sie erst um Verlängerung und kaufte dann im nächsten Frühjahr
das Schiff für 700 1. von Venedig an. 3)
A\'enn es in seinem Vertrage mit Ancona vom selben Jahre *) zusagte,
<lie »fossa del pretorio« so zu vertiefen, daß die Schiffe Anconas beladen
hier anlegen könnten, so scheint diese Verbesserung doch nicht ausgeführt
worden zu sein. Ravennas Handel gravitierte allmählich immer stärker
nach Venedig. Mehrfach treten uns im Liber plegiorum Venedigs die engen
Handelsbeziehungen zwischen Venezianern und Ravennaten entgegen 5); am
<leutlichsten aber wird das Verhältnis aus dem Vertrage, der am 3. Dezember
1234 im Beisein einer Gesandtschaft von Rimini im Dogenpalast abgeschlossen
und am 19. Dezember von Ravenna vor dem venezianischen Gesandten
Marsilio Zorzi beschworen wurde.**) Für Schädigungen, die im Verlauf der
letzten 15 Jahre '^j in Ravenna oder Comacchio und ihren Gebieten Vene-
zianern gegenüber und in dem Gebiet zwischen dem Kanal von Loreo und
N'enedig Ravennaten gegenüber vorgefallen waren, sollte nach dem Aus-
spruch von je zwei Schiedsrichtern jeder Partei, die in Loreo zusammen-
zutreten hatten, Ersatz geleistet werden; Fälle, über die keine Einigung
erzielt wurde, sollten unter Zuziehung des Abts von Pomposa, oder, falls dieser
ablehnte, eines Dominikaners oder Franziskaners in Codigoro entschieden
werden. Die Schadenersatzpflicht erstreckte sich nicht auf Schädigungen
durch slavische, pisanische oder genuesische Seeräuber. Das Strandrecht
durfte nicht ausgeübt werden; falls mit Zustimmung der Schiffbrüchigen
Bergungsarbeiten vorgenommen wurden, so konnte für diese höchstens Vö
des Geborgenen beansprucht werden. Den Venezianern stand im Raven-
iiatischen volle Freiheit des Handels- und Schiffsverkehrs zu. An Handels-
ibgaben hatten sie bei der Ausfuhr »pro datio catenae civitatis Ravennae«
zu entrichten 10 sol. rav. vom Faß Wein, 1 den. vom Stajo Getreide und
^^■'i- V5% Q'li ^- pro 1.) vom Wert aller anderen Waren, ohne Unterschied, ob
-ie in Ravenna selbst oder in der Mündung des Badaren o oder des Savio
*) Lib. pleg. no. 719. Minotto IV, 1 p. 58 f. Über den Streit zwischen Rav.
und Cervia s. Tarlazzi I p. 136 (1229) und Auvray 1320, 1321 (19. Mai 1233).
2) Otto Frising. VII c. 29. Bernhardi, Konrad III. p. 366, Ein Handelsver-
trag zwischen Ravenna und Rimini vom 4. Sept. 1194, besonders den Salz- und
Weinhandel betreffend, bei Tonini II, 597 f. no. 90.
3) Lib. pleg. no. 581.
*) Peruzzi A. : Storia d'Ancona (Pesaro 1835) I, 373.
») Lib. pleg. 694, 695, 712; im September 1228 Transport von 8 Faß Wein in
2 Barken über Loreo nach Ven., no. 653.
*) Am besten bei Minotto IV, 1 p. 57 ft". Mit einigen Abweichungen auch
schon Minotto III, 1 p. 44 f. Pasolini : Doc. riguardanti le antiehe rclazioni fra Ven.
e Rav. (Imola 1881) p. 5.
') Wahrscheinlich ist also auch 1219 ein Vertrag zwischen Ven, u. Rav. ge-
schlossen worden ; auch der Vertrag mit Cervia von 1203 nimmt nach Lenel 40
A. 1 auf einen Vertrag mit Rav. Bezug.
43*
fl
676 Fünfundvierzigstes Kapitel.
zur Verladung kamen ; in letzterem Falle allerdings nur dann, wenn die il
Ravennaten imstande waren, die Erhebung anderer Abgaben an diesem
Grenzfluß gegen Cervia zu verhindern. Die Höhe der Abgaben bei der
Einfuhr kennen wir nicht i); Edelmetalle, gemünzt oder ungemünzt, Gold,
Edelsteine, Seide, roh oder verarbeitet, Wein und Getreide waren zollfrei.
Die Ravennaten ihrerseits hatten in Venedig die altherkömmlichen Abgaben
zu zahlen und sich nach den in Venedig geltenden Handelsvorschriften zu
richten; mit Proviant durften sie ihre Fahrzeuge in Venedig für 10 Tage
abgabenfrei versehen. Ihre kommerzielle Abhängigkeit von Venedig aber
spricht sich namentlich in folgenden Punkten aus: 1. Sie durften Pilger
nur von Ravenna nach Venedig oder zurück befördern; 2. Getreide und
Salz, die im Gebiet von Ravenna produziert waren, durften, soweit sie zur
Ausfuhr bestimmt waren, nur an Venezianer verkauft werden; 3. an der
Einfuhr von Getreide, Fleisch, Käse, Feigen, Wein und Öl aus den Marken
und Apulien in den Hafen des Badareno sollten die Ravennaten von den
Venezianern zwar nicht gehindert werden ; auch bei diesen Waren aber wari
ein Weiterverkauf nur an Venezianer zulässig und die Ausfuhr nach Faenza,
Bologna, Ferrara oder der Lombardei ausdrücklich verboten. Führten sie
selbst Öl, Fleisch, Feigen und Käse, die sie aus dem Königreich eingeführt
hatten, wieder nach Venedig aus, so hatten sie davon den Fünften zu ent-
richten.
Darüber, daß diese Bestimmungen auch beobachtet wurden, scheinen
die Venezianer eine scharfe Kontrolle geübt zu haben; im folgenden Jahre;
beklagte sich der Erzbischof von Ravenna beim Papste, daß die Venezianer
der erzbischöflichen Kirche den freien Transport ihres Getreides, Weines
und Salzes nach ihren Burgen (castra) nicht gestatten wollten, und Gregor LX.
beauftragte am 10. Dezember 1235 den Bischof von Ferrara und den Abt__
von Pomposa, die Venezianer zu veranlassen, davon abzustehen.^) Es istfll
bezeichnend für den Fortschritt der Ausschließungsbestrebungen Venedigs,
daß es nach seinem Vertrage mit dem Patriarchen von Aquileja von 1248
dessen Untertanen nicht mehr gestattet war, in der früher herkömmlichen
Weise zur See mit der Romagna und den Marken zu verkehren.^)
533. Von solchen Beschränkungen blieb indessen der Verkehr des
Küstengebiets zwischen Po und Tronto mit dem dalmatinischen Gegengestade
im wesentlichen unberührt. So wird in einem Schreiben Ravennas vom
November 1188 an die damals unter normannischer Hoheit stehenden
Ragusaner diesen die gleiche Sicherheit im Gebiet von Ravenna wie den ,
eigenen Bürgern zugesichert 4); ein Vertrag vom 25. August 1199 zwischen l
Ancona und Ragusa, der von 200 Bürgern aus jeder der beiden Städte be-
schworen wurde, enthält das Versprechen gegenseitigen Schutzes und der
Erledigung von Reklamationen binnen einer Frist von 30 Tagen.s) Im vor-
hergehenden Monat hatte Ragusa auch mit Fano einen ähnlichen Freund-
schaftsvertrag geschlossen ; und solche Handelsverträge allgemeinen Charakters
ist es auch 1229 mit Fermo, 1231 mit Sinigaglia, 1235 mit Rimini und
Ravenna eingegangen.^)
') Der Vertrag enthält hier eine Lücke.
") Tarlazzi I, 160 no. 94. Vgl. Lenel 50.
3) Kandier, 14. September 1248. Unten § 544.
*) Jire6ek p. 53.
') Ljubic I no. 27 p. 19. Kukuljevic U no. 279, p. 209 f. Jirecek p. 11 u. 56.
•) Ljubi6 I no. 26, 79 u. 83. Matkovic im Rad Jugoslavenske Akademije XVj
(Agram 1871) p. 51 f.
I
Interner Handel in der Adria. 677
Den Verkehr Anconas mit Spalato zeigt ein Vorgang aus dem Jahre
1224: Seeräuber aus Spalato hatten in Gemeinschaft mit den Kacici eine
venezianische Barke im Gebiet von Ancona gekapert; ein Anconitaner, der
nach Spalato kam, erkannte die Barke hier wieder und verlangte ihre
Herausgabe; da diese verweigert wurde, verhängte Ancona Represalien
gegen Spalato.^) Einen allgemeinen Freundschaftsvertrag hat in Erneuerung
<les seit alter Zeit bestehenden Verhältnisses Ancona im Juli 1236 auch mit
Trau geschlossen.'-)
534. Schon aus diesen Verträgen ergibt sich, daß der »Herzog
I)almatiens«, so groß das kommerzielle Übergewicht Venedigs auch
war, von einer wirklichen Herrschaft über das Land doch weit ent-
fernt war; insbesondere ist Ragusa, von Edrisi als eine große See-
stadt mit namhafter Flotte geschildert, während des 12. Jahrhunderts
nur ganz ausnahmsweise von Venedig abhängig gewesen.^)
Als im Jahre 1168 ein venezianisches Schiff bei Ragusa gestrandet
Avar, schickte Venedig den Johannes de Canale als Spezialgesandten nach
Hagusa, der von dem Erzbischof und den Konsuln und Richtern der Stadt
auf das beste aufgenommen wurde und die Rückgabe von 2/3 der geborgenen
Güter an die Venezianer erwirkte, während 1/3 dem bestehenden Gesetz
'.^emäß den Ragusanern als Bergelohn zufiel.*) In ihrem Rachekriege gegen
Kaiser Manuel (1171) bemächtigten sich die Venezianer der Stadt, die in
einem festen Turm am Hafen eine griechische Besatzung hatte; einen ihrer
Partei angehörigen Einheimischen, den Zellovellus, stellten sie als Comes
an die Spitze 0); doch verzichteten sie wohl bei ihrer Wiederaussöhnung
mit dem Kaiser auf diese Eroberung und Ragusa blieb, von der Episode
<ler normannischen Herrschaft (1185 — 1190) abgesehen, bis zum Ende des
byzantinischen Reiches unter seiner Oberhoheit. 6)
Nun traten die Venezianer das Erbe der Griechen an ; schon im Jahre
1205 zwang Thomas Morosini Ragusa zur Übergabe. Von dem Inhalt des
Unterwerfungsvertrages wissen wir mit Bestimmtheit nur, daß Ragusa seinen
Comes fortab von Venedig gesetzt erhielt; 1208 war Lorenzo Quirini in
dieser Stellung, während Giovanni Dandolo seit 1214 zwei Jahrzehnte hin-
durch als Comes von Ragusa erscheint, der in Fällen der Abwesenheit durch
einheimische Vicecomites vertreten wurde'); aus den Einkünften seines
Amtes hatte er jährlich 400 1. ven. an Venedig abzuführen .8) Im Jahre 1226
») Lib. pleg. no. 38, 134. Minotto IV, 1 p. 30 f.
*) Makuscev I 1 p. 110 f. Peruzzi A. : Storia d'Ancona I, 380. Verkehr Anconas
mit Dnrazzo oben §208.
») Jirecek p. 8 ff.
*) Kukuljevic II, 81 no. 107.
*) Er nennt sich Dci et incliti Ducis Ven. gratia Ragusiensis comes, Ljubiö 1,
:51 no. 40. Daß die Urkunde nicht den Jahren zwischen 1221 und 1223, wie der
Herausgeber annimmt, sondern dieser Zeit angehört, geht schon daraus hervor, daß
sie auf die nicht venezianische Zeit Bezug nimmt und fortfährt: Nunc autem quia
gratia Dei ci\ntas Rag. de confinio Venetiarum habetur. Kukuljevi6 bringt in den
Starine XXI (Agram 1889) p. 240 und p. 272 dieselbe Urkunde unter 1205 und
1221—1223.
•) Jirecek p. 48 ff. Lenel 33 A. 5.
') Jirecek p. 11 u. 51.
") I.ib. pleg. no. 320 : Giov. Dand. stellt am 6. XII. 1225 Bürgschaft, daß er
bis Weihnacht zahlen werde, was auch geschah; desgl. 14. Okt. 1226 bis 1. März,
no. 43G. I^jubic I p. 36 u. 40, no. 50 u. 58.
678 Fünfundvierzigstes Kapitel.
kam es zu einem Konflikt Ragusas mit Venedig , weil es bestimmten
Weisungen der Signorie nicht nachgekommen war. In einem scharfen
Schreiben vom April an Giov. Dandolo, die Richter und das Volk von
Ragusa erklärte der Doge, daß er, wenn er ihren Brief verdientermaßen
hätte beantworten wollen, alle ragusanischen Waren in Venedig hätte be-
schlagnahmen lassen müssen, da sie die verlangten Geiseln nicht geschickt
und ihre Verpflichtungen nicht erfüllt hätten ; da ihre Boten indessen ver-
sprochen hätten, die Geiseln zu stellen, dieselben Feinde wie Venedig zu
haben und die seeräuberischen Kacici ebenso wie Zara zu bekämpfen, so
sehe er davon ab und begnüge sich damit, bis zur Erfüllung des Verlangten
die besonderen Abgabenvergünstigungen der Ragusaner aufzuheben, derart,
daß sie bis dahin von heimischen Waren den Vierzigsten, von anderen den
Fünften zu zahlen hätten i), außerdem hätten sie alle ihre Armbrüste nach,
Venedig zu schicken und nicht mit den Feinden der Republik zu verhan-
deln. Mit der Durchführung dieser Verordnung wurde sogleich Ernst gemacht ;
auch alle Venezianer oder Fremde, die Waren von Ragusanern oder von
ragusanischen Barken (navissellis) in Venedig selbst oder in einem der
Häfen bis Zara und Ancona kauften, wurden für die Zahlung dieser er^
höhten Abgaben verantwortlich gemacht ; Ragusaner, die Waren nach Venedig
brachten, hatten sich sogleich bei ihrer Ankunft bei den Vicedomini zu
melden. Am 29. Oktober wurde diese Verordnung noch dahin ergänzt, daß
jeder Venezianer, der einen Ragusaner oder Waren von ihm bei sich aufnahm^
dies binnen 2 Tagen den Vicedomini zu melden hatte, widrigenfalls ei
eine Geldbuße von 30 1. 12 V2 sol. und der Ragusaner den doppelten Fünften
zu zahlen hatte ; im selben Monat wurde eine genaue Liste der von Ragusa
nach Venedig zu schickenden Geiseln aufgestellt.^) Wie der Konflikt endete,-
wissen wir nicht; jedenfalls zeigt uns der Vorgang, daß der Handelsverkehr
zwischen Ragusa und Venedig ein sehr reger 3) und daß Ragusa niclit immer
geneigt war, sich den Verfügungen der Signorie zu beugen. Jjl
535. Streitigkeiten ähnlicher Art werden es gewesen sein, die im Mai
1232 durch den ältesten uns erhaltenen Vertrag der beiden Seestädte bei-
gelegt wurden '^) ; das den Ragusanern vom Dogen bewilligte Pactum sollte
3 Jahre und nach Ermessen des Dogen auch darüber hinaus in Kraft^
bleiben ; sicher geht es in den meisten seiner Bestimmungen auf die älteren
^) üb. pleg. no. 375. Ljubic I, p. 37 no. 52. Für: et de illis aliarum partium
solvet quantum vicedominis (videbitur) ist (luintum zu lesen und das er-
gänzte videbitur zu streichen.
») Lib. pleg. no. 372, 446. 434. Ljubic I p. 37, 41, 39 f. (statt quantum ].. 41
ist immer quintum zu lesen).
'') Weitere Belege hierfür Lib. pleg. no. 89 (Marco Contarini bürgt 1224 für^
zwei Ragusaner, daß sie ihre beiden plati nicht ohne Erlaubnis des Dogen von"
seiner Riva entfernen würden), no. 329. (Ljubic I, 32 u. 35). Dazu die Bürgschaften
ragusanischer Schiffer, nicht nach Ägypten zu fahren; z. B. Ljubic I no. 45 p. 33,-
oben § 132. '.
*) Die Nachricht von einem Abfall Ragusas ündet sich nur bei dem späten Dan-''
dolo und ist unglaubwürdig. Xoch am 15. November 1231 ist Giov. Dandolo als comes
in Ragusa tätig (Ljubic I no. 74, ]). 46); vom 13. Januar 1232 datiert tlie (Jommissioj
der ragusanischen Gesandten (ebd. p. 47) und im Mai schließen sie »petentes con-^
cordiam, pactum et reconciliationeni D. Duci et Comuni V.« den Vertrag; ebd.
no. 75. Somit bleibt kein Raum für einen Abfall, den Dandolo vermutUch nur au»
der reconeihatio erschlossen hat. S. auch Jirecek p. 51. Tafel und Thomas II, 3()7 f.
Heyd I, 309. ,
i
Interner Handel in der Adria. 679
Pacta zurück. Der Comes mußte ein Venezianer sein, der vom Dogen und
seinem Rat zu ernennen war ; auch verpflichtete sich Ragüsa, den Erzbischof
aus den Reihen der ^^enezianer zu wählen ; wenn möghch sei der Papst zu
bestimmen, das Erzbistum unter das Patriarchat von Grado zu stellen.
Der Doge sollte jährlich ein Ehrengeschenk von 12, die Gemeinde Venedig
von 100 alten Goldhyp. erhalten, während dem Comes jährlich 400 Hyp.
neben den sonstigen herkömmlichen Gefällen mit Ausnahme des Salzzolles
zustanden. Ragusa stellte 12 Geiseln, von denen 6 je V2 Jahr ständig in
Venedig auf Kosten Venedigs zu verweilen hatten ; alle 10 Jahre war der
Treueid für Venedig von den über 13 Jahre alten Ragusanern zu erneuern.
Ragusa hatte Heresfolge zu leisten und durfte dalmatinische oder sonstige
Seeräuber 1) bei sich nicht aufnehmen. Von fremden Schiffen hatte es die
gleichen Abgaben zu erheben, wie sie in Venedig erhoben wurden; je 1/3
von diesen fiel dem Erzbischof, dem Comes und der Gemeinde zu. Nun
erfahren wir auch, worin die Zollvergünstigungen bestanden, deren sich die ,
Ragusaner in Venedig erfreuten; Waren, die sie aus ihrer dalmatinischen |
Heimat in Venedig importierten (merces Sclavoniae), waren zollfrei, für 1
.-solche aus dem siziüschen Königreich zahlten sie 21/2, aus der Romania 5, '
aus Syrien und ganz Afrika 20% vom Werte. Doch durften sie aus den
Ferngebieten jährlich nur mit vier eigenen Schiffen, die höchstens je 700 Ztr.
fassen durften, nach Venedig kommen ; sonst erhöhte sich der Zoll für
ihren Warenimport aus der Romania ebenfalls auf 20%. Mit Fremden
durften sie in Venedig keinerlei Handelsgeschäfte machen; vom Dogen
angeordnete Handelssperren waren auch für sie bindend; nur auf der
Küstenstrecke Ijis zum Golf von Korinth sollte ihnen der Handel stets,
auch zur Kriegszeit, erlaubt sein.
Nach 4 Jahren schon, im Juni 1236, wurde das Pactum durch ein
neues, wiederum zunächst auf 3 Jahre abgeschlossenes ersetzt; es erhielt
nur eine Neuerung, die freilich eine nicht unwichtige Beschränkung des
Handels der Ragusaner darstellte: sie durften die Häfen nördlich von
Ancona und der Südspitze Istriens zu Handelszwecken nur dann aufsuchen,
wenn sie Lebensmittel von da nach Venedig exportieren wollten 2); im
sonstigen Verkehr mit Venedig selbst waren sie natürlich nicht auf solche
AVaren beschränkt, wenn diese auch immer bei ihrem Handel mit Venedig
eine große Rolle spielten ; Getreide, und Fleisch erscheinen als die Haupt-
ausfuhrartikel •'^), die damals aus Slavonien nach Venedig kamen.
Nach den^ Tode des Comes Giovanni Dandolo trat ein häufiger Wechsel
in der Besetzung dieses Amtes ein"*); es ist bemerkenswert, daß Ragusa auch
0 Non recipient Cacichios et Dalmesianos (Leute von Almissa) vel alios gro.s-
sarios (= cursarios) et predatores. Ljubic I p. 48.
«) T.jubic I, 53 no. 80. Tafel und Thomas H, 328. Minotto I, 1 p. 20 f. Vgl,
Lencl 51. Veranlassung zur Erneuerung des Pactum war zunächst wohl der Tod
des langjährigen Comes Giov. Dandolo, der am 8. Juli 1235 in Venedig sein Testa-
ment gemacht hat; Jirecok p. 51. In diesem Jahre schon wird er in Ragusa durch
offenbar von ihm bestellte einheimische Vicecomites vertreten; Ljubic I no. 78 u.
79. Kukuljevic, Reg. in : Starine XXII (Agram 1890) p. 225 u. 232.
') Caro sicca de Sclavinia im venez. Preistarif von 1173; Cecchetti p. 49. Für \
Getreide die aus dem Lib. pleg. bekannten Einfuhrprämien aus den Jahren 1224 \
bis 1227; Minotto IV, 1 p, 32. Ljubic I ]>. 42 no. 65. Jirecek 21 f.
*) Jirecek p. 51. Er nennt Tiepolo, der am 20. Juli 1237 vereidet wurde, »den
ersten der nur zweijährigen Comitesc Aber am 22. November 1238 amtiert in •
Ragusa schon Nicolaus Tonisti; Ljubic 1 no. 82 p. 56; Giovanni Tiepolo wird also
680 Fünfiindvieraigstes Kapitel.
während des Krieges mit dem Kaiser den Venezianern treu blieb ; das n
nächste erhaltene Pactum gehört dem Jahre 1252 an. Seit dem 12. Jahr-
hundert ist übrigens ein starkes Vordringen des slavischen Elements in
Ragusa bemerkbar ; 1201 war schon ein Dobroslavus kaiserlicher Comes von
Ragusa und das Pactum von 1236 zeigt unter den maßgebenden Persön-
lichkeiten Ragusas überwiegend slavische Namen, i)
536. Von den Verträgen Ragusas mit Städten Istriens kennen wir
nur einen mit Rovigno vom Oktober 1188, der einen alten Friedensvertrag
erneuert-), während uns eine ganze Reihe von Verträgen von seinen Han-
delsbeziehungen zu seinen slavischen Nachbarn Kunde gibt. Mit den Ge-
sandten des serbischen Großzupan Nemanja und seiner Brüder, der Grafen
Miroslav von Chelm und Strazimir, schloß Ragusa im September 1186 einen
Vertrag, der seinen Kaufleuten volle Sicherheit und Handelsfreiheit in ihrem
Gebiet, besonders im Hafen der Narenta (dem späteren Gabella) verhieß,
während den Untertanen der genannten Fürsten das gleiche Zugeständnis mm
für die Stadt Ragusa gemacht wurde s) ; und um 1234, als Giovanni Dandolo ■I
noch Comes von Ragusa war, nahm ein Freundschaftsvertrag mit Wladislav,
dem »König von ganz Rascien und der Marittima«, die Unterstützung des-
selben durch die Seestreitkräfte der Ragusaner in Aussicht. 4) Erforderlich
mochte solche werden namentlich durch das immer wieder hervortretende
seeräuberische Treiben der Kacici, des Fürstengeschlechts, das in Almissa
den Mittelpunkt seiner Macht hatte. Zwar hat Ragusa auch mit ihnen
schon 1190 einen Friedensvertrag geschlossen, in dem sie sogar die Aus-
lieferung eines jeden versprachen, der einem Ragusaner Gewalt antun würde;
aber auf die Dauer war damit den seeräuberischen Instinkten dieser Völker-
schaft doch kein Ziel gesetzt. Im Jahre 1226 versprach Ragusa gegen sie
zu kämpfen und es bezeichnet offenbar das glückliche Ende einer Expedition
gegen sie, wenn am 17. März 1235 der Gespan Koloman von Almissa mit
seinen Verwandten und dem Comune von Almissa in Gegenwart eines
Vicecomes und zahlreicher Edler von Ragusa, die mit ihren Fahrzeugen in
Almissa erschienen waren, einen Schwur leisten 5), mit den Ragusanern für
ewige Zeiten Frieden zu halten und sie zu schützen; in den Jahren 1238 und
1245 Avurde dieser Friedenseid erneuert; auf die »freiwillige Beihilfe« aber,
die man Piratenschiffen zu geben pflegte, verzichteten die Bewohner von
Almissa auch den Ragusanern gegenüber nicht. ^)
Als Ragusa im Jahre 1171 unter venezianische Hoheit gekommen
war, trat es mit dem ebenfalls venezianischen Oberhaupt von Spalato und
Trau, Velcinnus, in Verbindung, um die mit diesen Städten bestehenden
Differenzen auszugleichen, die durch das rechtswidrige Verhalten des letzten
griechischen Comes, Judas, entstanden waren; die Pfändungen unter den
II
II
II
I
nur 1 Jahr im Amt gewesen sein. Auch Avar er sicher nicht der unmittelbare Nach-
folger Dandolos.
») Ebd. p. 8, 49. Minotto I, 1 p. 20.
») Ljubic I, 14 no. 2] .
ä) Ljubic I, 11 no. 17. Dazu Antwort auf eine Gesandtschaft Miroslavs vom
17, Juni 1190 ebd. p. 14 no. 23. Jirecek p. 11, 50. Über den Handel Ragusas land-
einwärts s. auch die ältere Schrift Jireceks : Die Handelsstraßen und Bergwerke von
Serbien und Bosnien während des Mittelalters. Prag 1879.
*) Ljubic I, 57 f. no. 84. Kukuljevic, Reg. in : Starine XXII (1890) p. 229 f.
») Ljubic I, p. 14 no. 22, p. 51 no. 78. Oben § 534.
•) Ebd. p. 56 no. 82 ; p. 67 no. 93 : acciperc üb eis quecunque voluerint eis
dare per striiiam.
*
Interner Handel in der Adria. ßgl
Bürgern beider Parteien sollten aufhören i) und fortan den Angehörigen
der Gegenseite der gleiche volle Rechtsschutz zuteil werden wie den
eigenen Bürgern. Auch zur Zeit des Comes Giovanni Dandolo sehen wir
Ragusa mit Spalato in freundschaftlichem Verkehr. 2)
In ähnlichem Verhältnis stand Ragusa auch zu seiner Nachbarstadt
im Süden, Cattaro. Im September 1181 erschien der damalige Herr von
Oattaro, der Comes Triphon, selbst an der Spitze einer Abordnung zum Ab-
schluß eines dauernden Friedens- und Freundschaftsvertrages in Ragusa,
der besonders durch die Beseitigung des Represaliensystems bei Schulden
bemerkenswert ist. ^)
537. Während Venedig im Jahre 1171 wie Ragusa auch Spalato und Trau
für kurze Zeit seiner Herrschaft unterworfen hatte"*), hat es nach dem
vierten Kreuzzuge diese beiden für den Handel weniger bedeutenden Orte
unangetastet gelassen ; auch mit Almissa genügte es ihm, einen Friedens-
und Freund Schafts vertrag geschlossen zu haben. Bald genug freilich wurde
dieser Vertrag durch neue Seeräubereien (Dezember 1207) verletzt; doch schickte
der Comes Sebenna zusammen mit seinen Verwandten, offenbar aus Furcht
vor der Rache der Venezianer, im Jahre 1208 seinen Bruder Sinca nach
Ragusa, der vor dem dortigen venezianischen Comes Frieden zu halten und
das Geraubte zurückzugeben beschwor, worauf nach weiteren Verhandlungen
ein neuer formeller Vertrag im Juni 1208 zustande kam. Sebenna ver-
sprach eidlich und feierlich allen Venezianern volle Sicherheit; außerdem
verpflichtete er sich im Namen der Seinen, nördlich von einer Linie Fano-
Sansego (kleine Insel bei Lussin) niemanden, der nach Venedig wollte oder
von dort kam, in irgend welcher Weise zu schädigen; sollte es aus Un-
kenntnis doch vorkommen, so sollte binnen einem Monat volle Remedur
geschaffen worden. •'')
In den zwanziger Jahren sehen wir die Spalatiner, die jetzt unter
ungarischer Oberhoheit standen ß), einmal mit den Kacici gemeinsame Sache
machen; am 21. Dezember 1223 beschlagnahmten die Vicedomini in Ve-
nedig auf Verlangen des Domenico Querini allerlei W^aren als Eigentum
von Spalatinern; doch wurden sie auf den Eid des Venezianers Cerneka hin,
daß sie nicht Spalatinern gehörten, der Gesellschaft des Antonino Lugnano
zur Aufbewahrung übergeben. Wenig später erfolgte jener Überfall einer
venezianischen Barke bei Ancona durch Seeräuber von Spalato und Almissa") ;
auch eine von Maffeo Feriolo, dem Befehlshaber der venezianischen Galeeren,
nach Spalato überbrachte Reklamation erwies sich als fruchtlos, wie einer
der Geschädigten, Leonardo Semitecolo, im April 1224 vor dem Dogen er-
klärte. 8) Noch im Frühjahr 1226 sehen wir die Kacici mit Venedig im
') Ebd. p. 31 no. 40. über die Datierung s. oben § 534. Bezeichnend die
vStelle: Et amodo pignora inter vos et Raguseos non sit.
«) Ebd. p. 55 no. 81.
') Ebd. p. 11 no. 16: ut quicunque Raguseus vel Oatarinus crediderit sua,
primuni videat cui credat; et dum crediderit super alium, non valeat teuere ae nisi
«uper debitore suo. Ut pignora non sintintra Raguseum et Catarinum etc.
*) Ljubic- I, 31 no. 40. Kukuljevic II, 92, 102, 113 zu 1174, 1178 und 1180.
Schraeidler 54. Jirecek 49.
») Ljubic in, 390 f. Anhang no. 4.
•) Deshalb trat König Andreas von hier aus seinen Kreuzzug an. Privilegien
de.s Königs für Spalato und Almissa von 1207 : Kukuljevic', Reg. in : Starine XXI, 243.
T) Oben § 533.
») Ljubic 1. c. 393 no. 7 ; I, 32 f. no. 41 u. 43. Lib. pleg. no. 23, 38, 134.
682 Fünfundvierzigstes Kapitel.
Kampf; dann aber gingen sie in sich, so daß der Papst am 11. Jmii 122Ö
den Erzbischof von Spalato mid seine Suffraganbischöfe beauftragte, sie
zu ermahnen, auf dem betretenen guten Wege zu verharren, i) Von Dauer
war die Besserung freilich nicht ; diese I^eute sahen eben die althergebrachte
Piraterie als ihr gutes Recht an.
538. Im nördlichen Dalmatien hatte am Anfang des 12. Jahr-
hunderts die ungarische Eroberung unter Koloman rasch um sich
gegriffen; selbst Zara ging 1105 den Venezianern verloren. Doch
nach des Königs Tode glückte dem Dogen Ordelaffo Falier seine
Wiedereroberung; im Jahre 1116 erscheint Marcus Michael als erster
bekannter venezianischer Comes von Zara. ^)
Um die Mitte des Jahrhunderts gelang es Venedig, Zara zum Erz-
bistum, zugleich für die Inseln des Quarnero, erheben und dem Patriarclien
von Grado unterstellen zu lassen (Februar 1155). 3) Ein dieser Veränderung
folgender Aufstand wurde bald unterdrückt ; doch die Unzufriedenheit wirkte
fort und bald nach Kaiser Manuels Tode, noch Ende 1180, fiel Zara zu
König Bela von Ungarn ab und die großen Anstrengungen Venedigs, es
wiederzugewinnen (besonders 1187)'*), blieben vergeblich, so daß Zara über
20 Jahre lang ein selbständiger Handelsmittelpunkt blieb.
Am Anfang des 13. Jahrhunderts aber gelang es der klugen Politik
des Dogen Enrico Dandolo, die Kreuzfahrt den Interessen Venedigs dienst-
bar zu machen ; im November 1202 mußte sich Zara ergeben und ein nach
dem Abzug der Kreuzfahrer unternommener Erhebungsversuch wurde von
Rainer, dem Sohne des Dogen, niedergeworfen.-'^) Trotzdem wurde Zara
glimpflich genug behandelt; in dem Pactum von 1204 mußte es sich ver-
pflichten, Erzbischof und Comes stets den Reihen der Venezianer zu ent-
nehmen, wobei sich Venedig das Bestätigungsrecht des Comes vorbehielt;
als Jahrestribut hatte es nach Wahl 150 Hyperpern oder 3000 guter Kanin-
chenfelle an Venedig abzuliefern; von nichtvenezianischen Schiffen, die
nach Zara kamen, hatte es die gleichen Abgaben zu erheben, wie sie in
Venedig erhoben wurden ; zu gleichen Teilen üelen sie dem Erzbischof, dem
Comes und der Stadtgemeinde Zara zu. ß) Neun Monate im Jahre hatte der
Comes in Zara zu verweilen und allen Beamten jährlich den Treueid für
Venedig abzunehmen. Im Jahre 1217 erkannte König Andreas den Wechsel
förmlich an und versprach, die Venezianer im Besitz von Zara nicht zu
stören. ')
Nicht allzu wilüg ertrug Zara die venezianische Herrschaft. Im Jahre
1226 ließ sich Venedig einmal vom Erzbischof einen Eid auf sein Wohl-
verhalten leisten und von verschiedenen Bürgern Sicherheit stellen; auch
ij Oben § 534. A. Theiner : Vet. monum. Slav. merid. I no. 87. Pressutti 5988.
*) Ljubic III, 387. Anhang no. 1.
=) Lenel 21 f., 24 f. Dazu Simonsfeld in Hist. Zeitschrift 84 (1900), 434, 442,
439. .lirecek C'. : Die Romanen in den Städten Dalmatiens während des Mittelalters ;
in : Denkschriften der Wiener Akad. d. Wissensch. Bd. XL VIII (1901) ; auch separat
(Wien 1904).
*) Ljubic I, 12 f. no. 18—20. Lenel 33. Schmeidler 55.
■•) Manfroni 318 f.
®) Ljubic I, 21 f. no. 30 (Pactum .Jadrae), 31 (Eid des Comes). Tafel und
Thomas I, 419 ft". (wo zu 1203 gesetzt). Lenel 37 A. 2. Am 1. Februar 1206 erscheint
Vitale Dandolo als Comes von Zara ; Kukuljevic, Reg. in : Starine XXI, 239 no. 51.
') Ljubic I, 29.
Interner Handel in der Adria. 683
am 16. November 1227 versprachen 2 Abgesandte Zaras, je 500 Hyp. zu
zahlen, falls zwei benannte Bürger von Zara etwas gegen den Dogen, den
Comes (seit geraumer Zeit schon war Marino Dandolo in dieser Stellung)
oder seinen ihm als Vikar beigegebenen Sohn unternehmen würden, i)
Eigene Kriegsschiffe durfte die Stadt nicht mehr halten; einzelne wohl zu
Wachtzwecken dienende Galeeren oder Galeonen entlieh sie mit ihrer
Ausrüstung von Venedig. 2) Ebenso war sie in ihrer auswärtigen Politik
ganz von ^'enedig abhängig; wir kennen keinen auch noch so allgemein
gehaltenen Handelsvertrag, den Zara in dieser Zeit abgeschlossen hätte. Als
Friedrich II. von Zara die Stellung von Geiseln während seiner Expedition
gegen die Kacici verlangte, suchte dieses durch Gesandte die Ermächtigung
Venedigs dazu nach, das sie im März 1227 für den Fall erteilte, daß dem
Comes die Maßregel für die Stadt nützlich erschiene. S)
Naturgemäß war der Verkehr der Bewohner von Zara mit Venedig
sehr rege; auch hier spielte der Handel mit Lebensmitteln eine wichtige
Rolle. Die Höhe der Prämien für die Getreideeinfuhr stufte man für den
Osten der Adria danach ab, ob sie von diesseits oder jenseits von Zara er-
folgte*), wie es für den Westen mit Ancona geschah. Sonst können Avir
nur Wachs in dieser Zeit als Handelsartikel positiv nachweisen : der Zarenser
Desa de Prodanello wurde 1225 verklagt, Wachs gekauft zu haben, das
aus einem von den Klägern bei Sebenico erüttenen Schiffbruch stammte ;
Giovanni Contarini bürgt mit 1001. dafür, daß er auf Verlangen des Comes
von Zara oder seines Sohnes die Namen der Verkäufer nennen werde. •'>)
539. Während des Krieges Venedigs mit dem Kaiser erhob sich Zara und
schloß sich an Bela von Ungarn an (1242) ; erst nach heißem Kampfe gelang
seine Unterwerfung.*') Venedig zog jetzt die Zügel straffer an, wie wir aus
der Commissio für Leonardo Quirini vom Dezember 1243 sehen, der für
die nächsten beiden Jahre Comes von Zara wurde. Venedig stellte ihm jetzt
2 venezianische Consiliarii an die Seite; dieser curia lag nunmehr die Er-
nennung sämtlicher Beamten von Zara ob. ^) Aus den Einkünften Zaras
bezog er ein Jahresgehalt von 1200 1. ven., wofür er indessen auch den
Unterhalt von 10 bewaffneten Dienern und ihres Führers, der auch ein
Venezianer sein mußte, zu bestreiten hatte. Handel durfte er während seines
Amtes nur insoweit treiben, als er sein Jahresgehalt einmal (aber nicht
öfter) in Waren anlegen durfte. Als Ehrengeschenk Avar aus den Einkünften
Zaras jährlich ein samtenes oder golddurchwirktes Tuch s) im Werte von 40 1.
an die Markuskirche von Venedig zu schicken.
Im Sommer 1244 schloß Venedig auch mit König Bela Frieden, der
auf Zara verzichtete, aber das seit alter Zeit geübte Recht behielt, ^/g des
1) Lib. ple^r. HO. 413, 399 — 403, 582, 683, 686. Ljubic I, 39, 34 f., 45; III,
397, 401.
«; Lib. pleg. no. 156, 545. Ljubir I, 43; lU, 394.
") Lib. pleg. no. 519. Ljubic I, 42 no. 66.
*) Minotto I^', 1, 32: a Jadra vel a Jadra supra 2 so) ; infra bis ad omni Car-
naire (Quamero) 1 sol. (1224); 1227 a Jadra supra nur 1 sol. Ljubic I no. 65 p. 42.
•) Lib. pleg. no. 251. Ljubic I no. 46.
ö Baer 115 f. und Anni. Manfroni 410 f.
'') Ljubic I, 61 f. no. 88. Im Oktober 1246 beschloß man, daß den Comites
und Consiliarii von Dalmatien keine Erlaubnis mehr gegeben werden dürfe, außer-
halb ihres Amtsbezirks zu verweilen ; ebd. no. 94.
8) ysamitum vel <lrapum ad aurum.
684 Fünfundvierzigstes Kapitel.
Torzülls von Zara (cribitti portae ad Jadriam) für sich erheben lassen zu
dürfen. Die unter seinen Schutz geflüchteten Zarenser versprach er nur in
einer Entfernung von mindestens 4 Miliarien vom Meere anzusiedeln, i)
Diese Exilierten setzten sich indessen nach einiger Zeit in Nona fest und
brachten Zara wiederum zum Abfall, so daß es im Sommer 1247 von neuem
erobert werden mußte. Zara verlor jetzt seine Mauern, mußte Entschädigung
leisten und 40 Geiseln stellen, während Venedig zu seiner Sicherung ein
Kastell errichtete. Das Jahresgehalt des Comes wurde auf 2000 1. erhöht.
In Zara wurde bis auf weiteres ein staatliches Salzdepot mit dem Recht
des Alleinverkaufs (Salzstapel) eingerichtet, dessen Reineinnahmen zwischen
Venedig und Zara geteilt wurden. 2) Schon im Herbst des folgenden Jahres
aber traf Venedig eine Maßregel, die geeignet war, Zara auf die Dauer
mit der venezianischen Herrschaft zu versöhnen; die Zarenser wurden in
bezug auf Handelsabgaben den Venezianern völlig gleichgestellt, woher die
Waren auch immer stammten, die sie in Venedig einführten. ■')
Ein sicherer Besitz Venedigs waren die Inseln des Quarnero ; die zahl-
reichen Urkunden zu ihrer Verwaltungsgeschichte ergeben nichts für die
Handelsgeschichte. 4) Erwähnt sei, daß im September 1227 P. Morosini als
Kommissar nach Cherso geschickt wurde, wo der Comes (hier auch als
Podestä bezeichnet) Niccolö Querini ermordet worden war ; er erhielt ein
monatliches Honorar von 50 1., das von den Bewohnern der Insel . auf-
zubringen war; am 28. Juli 1228 versprach Matteo Giustiniani, erwählter
Podestä von Cherso und Lussin (Ossero), Rückerstattung des Pfeilschiffs,
das ihn auf seinen Posten brachte, s) Die Stellung von Geiseln war ein
häufig angewandtes Mittel, die Bewohner im Gehorsam zu erhalten. <>)
540. Das alte Verhältnis der Seestädte Istriens zu Venedig er-
fuhr in der Mitte des 12. Jahrhunderts eine Neuregelung.
Im Dezember 1145 erneuerten die beiden Avichtigsten Orte, Pola
und Capodistria, dem Dogen Pietro Polano den Treueid'); bei Feldzügen
Venedigs nördlich der Linie Ancona — Ragusa versprachen sie mit je 1 Galeere
auf 15 venezianische Heeresfolge zu leisten. Pola stellte dem Dogen oder
seinem Bevollmächtigten ein Haus am Hafen zur Verfügung, verzichtete auf
die Erhebung von Abgaben von den Venezianern mit Ausnahme des Por-
taticum und versprach insbesondere Verfolgung aller Seeräuber-^) und son-
stigen feindlichen Schiffe, die sich in den Gewässern zwischen Pola und
Venedig zeigten. Capodistria, wo die Venezianer längst schon volle Ab-
gabenfreiheit besaßen ^), versprach, die für Venedig ergehenden Anordnungen
») Ebd. no. 91 f. p. 65 f. Tafel u. Thomas n, 418 f.
2) Pactum Jadrae vom 1. August 1247. Ljubic I, 68 ff. no. %; no. 97 Eid des
Comes (Steph. Justiniano) von Februar 1248. Tafel u. Thomas II, 430 tt'.
») Ljubic I, 79 no. 101 (12. Oktober).
*) Lenel 23 f. Schmeidler 29 ff., 60 f.
») Lib. pleg. no. 569, 574. Ljubic I, 44.
•) z. B. Lib. pleg. 140, 178, 437—439.
^) Minotto I, 1 p. 3— 6. Tafel u. Thomas I, 105. Benussi p. 650 ff.
*) Der Erinnerung an einen in früheren Zeiten errungenen Seesieg über einen
istrischen Piraten Gaiolo diente wahrscheinlich die festliche Umfahrt der Barken
(processio scolarum), auf die sich die Verordnung des Dogen vom Februar 1143
(Murat. Antiqu. IV, 465) bezieht. Nachweis, daß es sich nicht um Zünfte handelt,
bei Monticolo G. : La costituzionc del doge P. Polani circa la Proc. Scolarum.
Kom 1900:
») Oben § 5.
Interner Handel in der Adria. ßg5
in bezug auf den Getreide- und Gemüsehandel in Zukunft auch für sich
als bindend anzusehen.
Doch bald nach dem Regierimgsantritt des neuen Dogen Domenico
Morosini (1148 — 1156) erhoben sich die Seestädte Istriens mit Ausnahme des
begünstigten ( 'apodistria ; eine Flotte von 50 Galeeren unter dem gleichnamigen
Sohne des Dogen und Marco Gradonigo mußte erst ihre Wiederunterwerfung
vollziehen. A\'ahrscheinhch im Jahre 1150 mußten sich Pola, Rovigno,
Parenzo, Cittanuova und Umago zu einem neuen Vertrage verstehen, in dem
.sie außer Heeresfolge bei Seezügen der Venezianer nördlich von Zara und
Ancona und strenger Unterdrückung der Piraterie den Venezianern nunmehr
volle Handels- und Abgabenfreiheit zugestanden und einen Jahrestribut
(Pola z. B. 20 Ztr., Cittanuova 40 % (")], Parenzo 15 % Öl und 20 Widder)
versprachen.!)
Der Abfall Polas von Venedig in) Jahre 1195 bewirkte nur, daß die
Stadt ihre Mauern niederreißen mußte 2) und wahrscheinlich von jetzt ab
einen Venezianer als Podestä gesetzt erhielt, der jährlich wechselte. Als
R. Zeno 1225 Podestä wurde, stellte ihm die Signorie für die Reise nach
Pola eine Galeere und eine Barke zur Verfügung, für deren Rückgabe binnen
einem Monat nach erfolgter Aufforderung er eine Kaution von 550 und 50 1.
ven. stellen mußte, s)
Während des Krieges Vcniedigs mit dem Kaiser folgte Pola dem Bei-
spiele Zaras und fiel ab, wurde aber im Oktober 1242 von der veneziani-
schen Flotte eingenommen, ausgeplündert und verbrannt. Nach dem Frieden,
der am 4. Februar 1243 von 221 Bürgern Polas beschworen wurde, hatte
Pola den Venezianern Ersatz für alle Schäden zu leisten, mit Ausnahme
derjenigen, die die in Pola wohnhaften Venezianer durch die Belagerungs-
flotte erlitten hatten; es mußte Geiseln stellen und versprechen, seine Mauern
nicht wiederaufzubauen und ohne besondere Erlaubnis Venedigs keine Be-
festigungen nach der Seeseite zu errichten. Im übrigen blieben die alten
Verträge in Kraft; der von- Venedig zu ernennende Podestä war von Pola
zu bezahlen. ^^
541. Im Gegensatz zu Pola verharrte Capodistria stets in der Treue
gegen Venedig ; erfreute es sich doch auch ganz besonderer Vergünstigungen
von selten der Republik. Durch einen Vertrag von 1182*') erhielt es den
Salzstapel für die ganze Küstenstrecke von Pola bis Grado, also bis zur
Grenze des venezianischen Gebiets im engeren Sinne ; nur in seinen Hafen
durften auf dieser Strecke Venezianer oder Fremde Salz bringen; jeder
Importeur hatte dabei, falls es sich nicht nur um Mengen bis zu 3 Scheffeln
(ötaria) zum Hausbedarf handelte, einen mit dem Siegel des Dogen ver-
') Grabschrift des Dogen bei Cicogna: Iscrizioni Ven. I, 240 1". Kukuljevic 11,
41 ff. no. 59 — 63 zu 1150; bei Minotto I, 1 p. 6 f. mit dem Datum 1149. Näheres
I^enel 28 ö'. Die Konsuln von Parenzo schwören noch 1205, dem Dogen gegenüber
die gleichen Naturalien zu leisten. Minotto I, 1 p. 12.
=*; Lenel 34.
") Lib. pleg. no. 282 (Mai 1225); ebenso im folgenden Jahre bei Marino Moro-
sini, no. 387 (Mai 1226).
*) Minotto I, 1 p. 21. Unvollständig, aber mit genaueren Daten bei Kandier:
1243, ind. 1,4 intr. Febr. Da Canal 387. Vgl. Manfroni 403. Allgemein z. Gesch.
Polas in dieser Zeit C. de Franceschi: 11 Comune Polese e la signoria dei Castro-
pola in Atti e mem. della Soc. Istriana XVIII (Parenzo 1902).
») Minotto, Docum. Ac. in Atti Istr. VIII (1892) p. 17. Benussi 671.
()86 Fünfundvierzigstes Kapitel.
sehenen Ausweis bei sich zu führen. Zur Überwachung wurde eine besondere
Galeere in Capodistria stationiert, die Übertretungen durch Konfiskation zu
ahnden hatte; auch die Bürger von Capodistria versprachen, gegen Über-
tretungen, soweit es ihnen mögUch, einzuschreiten. Die Reineinnahmen
aus diesem Salzstapel wurden zwischen Venedig und Capodistria geteilt ;
dagegen sollten die Einkünfte von den zu Lande eingehenden und zum
Seetransport bestimmten Waren i) gedrittelt werden, so daß außer den beiden
Seestädten auch Bischof, Markgraf und Graf zusammen ein Drittel erhielten
zum Entgelt dafür, daß sie für die Sicherheit der Straße aufzukommen
hatten ; lehnten sie das ab, so sollten sie gar nichts erhalten und auch diese
Einnahme unter Venedig und Capodistria geteilt werden. Der Vertrag war
auf 29 Jahre geschlossen und sollte auch dann bis auf weitere Vereinbarung
in Kraft bleiben. Auch hier sehen wir später einen venezianischen Podestä
an der Spitze der Stadt ; im Jahre 1222 ist Niccolö Tonisti in dieser Stellung
an der Spitze einer Gesandtschaft zum Kaiser gegangen 2) und hat die unter
besonders gnädigen Ausdrücken erteilte Bestätigung eines alten Privilegs
Konrads II. für Capodistria (von 1035) erwirkt.
Im Jahre 1225 sehen wir Capodistria von Gemeinde wegen Getreide
aus Venedig beziehen; der Podestä Niccolö Cocco erwirkte im September
beim Dogen den Verkauf von 50 Moggia staatlichen Weizens zum Preise von
16 sol. für den stajo an Capodistria, indem er sich für Zahlung bis Martini
verbürgte; am 10. Oktober wurde der Weizen geliefert, der Zahlungstermin
aber bis Weihnachten verschoben. •■) Umgekehrt bezog die Gemeinde Venedig
Kohlen aus Capodistria. Vecelo de Aldino von Capodistria hatte im selben
Jahre die Lieferung von 1000 Körben venezianischen Masses in Aussicht
gestellt und schon eine Anzahlung von 2001. erhalten; am 19. Oktober
bürgt ein Venezianer für ihn, daß er sich bis Martini erklären werde, ob
er die Lieferung bewirken könne oder das Handgeld zurückzahlen werde.
Lieferte er, so sollte der Kontrakt für weitere Lieferungen von je 100 Körben
zu Weihnacht, Fastnacht, Ostern, Pfingsten und Peter und Paul unter jedes-
maliger Vorausbezahlung von 200 1. erneuert werden; bei unpünktlicher
Lieferung war eine Konventionalstrafe von :^00 1. verwirkt.
Salzstapelplatz gemäß den Bestimmungen des Vertrages von 1182 ist
Capodistria damals nicht mehr gewesen ; das geht z. B. daraus hervor, daß
Arnosto von Pirano im Januar 1226 4 Malter Salz direkt aus Venedig nach
Castello di S. Giorgio in Istrien exportiert, wobei er Bürgschaft dafür
stellen muß, daß er dies Salz nicht diesseits von Umago verkaufen werde. *)
Auch in Pirano'') können wir in dieser Zeit einen venezianischen Podestä
nachweisen; im Jahre 1226 ließ er ein von Durazzo kommendes Fahrzeug
mit seiner Ladung nach Venedig schaffen und zur Verfügung des Dogen
stellen, weil es einem bestehenden Verbot zuwider über die Punta di Pirano
hinausgefahren war^); das Verbot hängt wohl mit der damaligen Handels-
sperre gegen Aquileja und Triest zusammen.
^) De Omnibus mercationibus que illuc venerint et ad muduam pertinent,
hoc est de hominibus qui de foris veniunt per terram, Comunis Ven. Vs habeat etc.
2) Winkelmann, Acta II, 13 no. 12. Minotto I, 1 p. 14 (12. April).
») Lib. pleg. no. 328, 335.
") Ebd. 337, 355.
^) Vertrag Pisano - Spalato bei Kandier, 27. April 1192; Pisano - Eovigno ebd.
4. Jan. 1208 ind. XII (also 1209;. Benussi 681 f.
^) Sfrodatus fuit supra puncta Pirani ; vorher ist von dem interdictum Com-
munis die Rede. Lib. pleg. no. 453 f., 461 tt.» 467 f., 475 L
Interner Handel in der Adria. 687
542. Über das Verhältnis Venedigs zu Triest erfahren wir Po-
sitives erst bei Gelegenheit des vierten Kreuzzuges; hierher führte
der Doge zuerst im Interesse seiner Politik die glänzende Flotte der
Kreuzfahrer. Ihr bloßes Erscheinen genügte; Ende Oktober 1202^)
beugten sich Triest und Muggia, die die Gnade des Dogen, wie sie
in der Unterwerfungs-Urkunde selbst erklären, verscherzt hatten, der
Übermacht und traten in dieselbe Stellung zu Venedig wäe die istri-
sehen Städte.
Triest hatte jährlich am Martinstage 50 Eimer (urnas) des besten reinen
Weines, Muggia die Hälfte davon in den Dogenpalast zu liefern. Im Jahre
1224 sistierten die venezianischen Wachtschiffe drei dem Odorlico von Triest
L^ehörige Fahrzeuge, die mit Salz und Ol beladen waren ; er mußte erst eine
Bürgschaft von 100 1. dafür stellen, daß er eine Bescheinigung des Podestä
von Triest über den in Triest selbst erfolgten Verkauf dieser Waren bei-
bringen würde. Im folgenden Jahre hören wir von einer Differenz zwischen
ilem Dogen und dem Bischof von Triest. weil dieser den in Triest Handel
treibenden A'enezianern zu hohe Abgaben, speziell in dem Falle des Simon
Foscari, abgefordert und diesem, da er nicht zahlte, Waren beschlagnahmt
hatte. 2) Als daraufhin dem Foscari Represalien bewilligt wurden , ver-
sprachen die Triestiner Rückgabe der Waren, zu deren Empfangnahme nun
Foscari nach Triest ging. Doch wurde schon im folgenden Jahre Triest
von der Handelssperre gegen Aquileja mit betroffen.
Mit ^"orgängen dieser Art wird der \^ertrag zusammenhängen, der
unter Vermittelung des Priors von S. Maria Cruciferorum und des vene-
zianischen Edlen Petrus Zeno von dem Triestiner Gesandten Johannes de
Salvia mit dem Dogen in Venedig abgeschlossen wurde und abgesehen
lavon, daß er die Leistung des Treueids für den Dogen durch alle Triestiner
vorsah, speziell die Frage der Handelsfreiheit imd der Handelsabgaben
regelte."') Danach war die Ausfuhr von Getreide aus Triest, das selbst der
Lebensmittelzufuhr bedurfte, den Venezianern untersagt; dagegen war der
Transit abgabenfrei zulässig. A"on Fleisch durften sie nur das ankaufen
und ausführen, was von jenseits des »Waldes« in Triest eingeführt wurde;
Vtei der Ausfuhr von Wein erhob die Gemeinde Triest eine Abgabe von
2 o/o des Wertes. Eine wichtige Rolle spielte der Handel mit Fellen und
Häuten ; hier war den Venezianern der Ankauf der getrockneten Felle (pelles
siccae) von Ziegen, Schafen, Kälbern und Rindern, die zu Lande nach Triest
importiert waren, dem Herkommen gemäß untersagt, während es ihnen frei-
stand, sich auch diese Ware von diesseits oder jenseits des Waldes 4) kommen
1) Tafel u. Thomas I, 387 f. (irrig mit dem 5. an Stelle des 27. Oktober), 396 f.
Kandier. Ljubic I, 20 f. Lenel 37. Vgl. Manfroni 317.
^) Lib. pleg. no. 158 (7. April 1224), 272 (20. Mai 1225).
») Undatiert. Eingerückt in den Vertrag von 1233 : Minotto I, 1 p. 18. Kand-
ier 1233, 23. Aug., ind. VI. Bei Minotto steht vor den Capitula stabilita inter
D. Ducem et Job. de Salvia das Datum : 1233 Octobris, was selbstverständlich falsch
ist, da in dem Vertrage vom August 1233 auf dieses Ordinamentum als olim fac-
tum Bezug genommen wird. Aber vielleicht hat sich Minotto nur verlesen und
in seiner Quelle stand MCCXXVIII, so daß der ältere Vertrag vom Oktober 1228
zu datieren wäre. Bei Kandier fehlt an der entsprechenden Stelle ein Datum, auch
sonst stimmen die beiden Texte nicht ganz überein.
■*) Si venire fecerint pelles tam a Gualdo superius quam inferius. Kandier
erklärt es für die Linie des alten römischen Walls von Aidussina über Prewald und
^. Peter zum Schneeberg.
I
688 Fünfundvierzigstes Kapitel.
zu lassen; Triest suchte also wenigstens auf dem eigenen Markte die Kon-
kurrenz der A^enezianischen Exporteure in diesem Artikel auszuschließen.
In bezug auf die Einfuhr von Salz, Getreide und allen anderen Waren nach
Triest sollten die Venezianer völlig unbeschränkt sein ; auch stand es ihnen
frei, ihre Waren ganz nach Belieben en gros oder en detail zu verkaufen ;
Triest erhob von dieser Einfuhr nur eine Löschgebühr (scaraticum) von
2 den, parv. vom Modius. Zu einem neuen Vertrage kam es am 24. August
1233.1) Die Rektoren von Triest verpflichteten sich jetzt eidlich, alle Vor-
schriften, die die Signorie bezüglich des Holz- und Salzhandels, der Pilger-
schiffe und aller anderen Seeschiffe erlassen habe oder erlassen werde, ebenso
wie jenes ältere Abkommen unverbrüchlich zu befolgen; alljährlich hatte
das Stadtregiment von Triest diese Verpflichtung von neuem' zu beschwören.
Auch wurde, um den gehörigen Rechtsschutz der Venezianer in Triest sicher-
zustellen, den Richtern sowohl wie den Advokaten von Triest die Leistung
entsprechender Eide auferlegt; für gerichtlichen Beistand durften keine
höheren Sätze gefordert werden, als sie die Advokaten in Venedig von den
Triestinern nahmen. Nach allem erhält man den Eindruck, daß Triest im
Begriff war, an kommerzieller Bedeutung das ältere Capodistria zu über-
flügeln.
543. Die Handelsbeziehungen zwischen Venedig undAquileja'
waren auch im 12. Jahrhundert rege, wenn wir auch zunächst nur
wenig von ihnen hören. Der Vertrag Venedigs mit dem Patriarchen
und dem Grafen von Görz von 1162 verhieß den Venezianern volle^
Sicherheit in dem Gebiet des Patriarchen zwischen dem Hafen Basi4B
lica (Baseleghe zwischen Livenza und Tagliamento) und dem Hafen
Primarius; auch geht aus dem Vertrage hervor, daß als besonderer
Vertreter des Dogen in Aquileja ein Vicedominus fungierte.^) S
Aus dem Jahre 1206 kennen wir ein Schutz- und Sicherheitsversprechen
des Patriarchen Wolfger für die Venezianer; wenn der Kaiser gegen sie
vorgehen wollte, so würde er sie rechtzeitig benachrichtigen und ihnen eineMJ
14tägige Frist gewähren, damit sie mit allen ihren Waren unter seinem
sicheren Geleit bis an die Grenze des venezianischen Gebiets gelangen
könnten.'^) Wolfgers Nachfolger, Bertold von Meran, schloß sich wegen
seiner Bedrängnis durch Treviso 1220 besonders eng an Venedig an, indem
er sich sogar zum Bürger von Venedig machen ließ und sich ein Haus au
dem Rialto zu bauen und jährlich einen ununterbrochenen Aufenthalt vo
30 Tagen in Venedig zu nehmen versprach.^)
Ein besonderer Vertrag wurde am 23. Juni 1222 im Hospiz von
S. Maria Cruciferorum in Gegenwart des Bischofs Konrad von Triest ge-
schlossen, den außer dem Patriarchen auch der Graf von Görz als Vogt de
Kirche von Aquileja zu beschwören hatte.*')
m
ufl
1
') Kandier hat den 23. August, Minotto p. 17 den 8. August, der Text:
Ang. exeunte.
*) Minotto IV, 1 p. 14.
^) Bianchi Jos. Docum. Hist. Forojuliensis im Arch. für Kunde österr. Ge-|
Schichtsquellen XXI, 179 no. 19. Minotto I, 1 p. 12 (-21. Dezember). Daß vom >>Kaiser«j
gesprochen wird, rührt wohl aus einer älteren Vorlage her.
*) Minotto 1, 1, 13. Winkelmann I, 89.
6) Bianchi 188 no. 72. Kandier zum 22. Juni 1222. Minotto I, 1 p. 14 (irrig
zum 8. Juni).
Interner Handel in der Adria, 689
Dem venezianischen Vicedominus, dessen Funktionen erst jetzt in
ein helleres Licht treten, sollte die Zivil- und Kriminal-Gerichtsbarkeit
(letztere mit Ausnahme des dem Dogen vorbehaltenen Blutbanns) über alle
Venezianer im Gebiet des Patriarchen zustehen ; Streitigkeiten zwischen
Venezianern und Untertanen des Patriarchen waren bei dem Forum des
Beklagten anzubringen, wobei von dem Vicedominus an den Dogen, von
den Vögten des Patriarchen an den Patriarchen selbst appelliert werden
konnte; das »Pfänden« wurde für unzulässig erklärt. Alle Venezianer, die
Salz, Zwiebeln und Knoblauch^) einführten, sollten das Recht haben, im
Austausch dagegen Getreide, wohin es ihnen beliebte, auszuführen. An
Abgaben sollten die Venezianer im Gebiet des Patriarchen nur zu leisten
haben die herkömmUche Maut, die Herbergsgebühr und den Zins von ihren Be-
sitzungen daselbst.2) Der Vicedominus genoß Abgabenfreiheit; im übrigen
bezog er die von seinen Landsleuten in Aquileja zu entrichtenden Ver-
wiegungs- und Vermessungsgebühren und außerdem den Vierzigsten von
den Einnahmen zweier Verkaufsstände in Aquileja, eines in der Tucher-
straße und eines anderen auf dem Johannismarkt. Endlich hatte der
Patriarch eine Rekognitionsabgabe in Form von 12 Broden und 12 Schweinen
jährlich an den Dogen nach Venedig zu liefern.
Die Ansprüche, die der Patriarch von Ac^uileja auf Istrien, nicht bloß
auf das Binnenland, sondern auch auf die Seestädte erhob 3), und die
daraus sich entwickelnden Streitigkeiten*) zogen auch sein Verhältnis zu
Venedig in Mitleidenschaft, so daß Venedig schließlich am 24. April 1226
die volle Handelssperre über sein Gebiet und Triest verhängte; seitdem
sehen wir eine venezianische Flottille von Barken und Pfeilschiffen eifrig
mit der Kontrolle der Sperre beschäftigt.^)
Im Jahre 1227 kam es zu einem Ausgleich; am 6. Dezember erlaubte
der Doge der Handelsgesellschaft des Marco de Torre wieder, 100 Malter
(moggia) Hirse und Buchweizen aus Friaul zu exportieren, die bis 8 Tage
vor Weihnacht nach Venedig zu schaffen seien ; stellte sich dem Transport
dahin ein Hindernis entgegen, so sollte das Getreide nach Capodistria
gebracht werden, wo der Podestä Niccolö Cocco den Verkauf gestatten dürfe.
Da Marco, wie es heißt, der Kälte wegen, nicht nach Friaul gehen konnte,
so wurde die Lizenz bis zum 1. Februar verlängert und die gleiche Lizenz
erhielt er noch einmal am 3. März mit dem Hinzufügen, daß das Getreide
in Capodistria oder sonst an der Küste von Istrien, wie der Doge bestimmen
werde, verkauft werden dürfte.^) Die Herstellung des guten Einvernehmens
wurde durch ein Darlehn von 420 Mark Silber besiegelt, das vier Brüder
Grimani dem Bruder des Patriarchen, Heinrich von Andechs, gegen Ver-
pfändung seiner Besitzungen in Wippach und Arnsberg gewährten ; es sollte
in Jahresraten von 50 Mark getilgt werden ; als der Patriarch am 26. Oktober
') Cambiantes salem, cepas et aleum; so wohl richtig bei Minotto für das
oleum bei Kandier.
*) NuUum dacium in Patr. solvant, exe. muta secundum usum, casatico hos-
pitum et recto ficto de possessionibuB secundum usum terrae Aquil.
') Winkelmann, Otto 135. Benussi p. XXVII.
*) Lib. pleg. no. 246, 260.
») Ebd. no. 371 u. 395. Am 30. September wurde die Sperre unter wesent-
licher Verschärfung der Strafen erneuert; 429. Mehrfache Versuche, die Sperre zu
brechen und Salzschmuggel nach Aquileja und Portogruaro 370, 477 ; ferner 418 u.
522, 315 und 500; 489.
•) Ebd. 466, 509.
Schaube, Handelsgeschichte der romao. Völker im Mittelalter. 44
i
690 Fünfundvierzigstes Kapitel.
1229 in die Schuld seines verstorbenen Bruders eintrat (in der neuen Schuld-
urkunde erscheint der venezianische Vicedominus von Aquileja, Giovanni
Gostarolo, als Zeuge), betrug sie noch 370 Mark.i) Wie wenig der Patriarch
im übrigen seine istrischen Ansprüche aufgab, zeigt das umfassende Privileg,
das er sich im Februar 1232 auf Grund des Reichsgesetzes von Ravenna
vom Kaiser ausstellen ließ, wonach alle von seinen Städten Pola, Capo-
distria und Parenzo usurpierten Rechte, insbesondere auch das Recht der
Wahl eigener Beamten , zu beseitigen seien.2) Ein späteres Privileg des
Kaisers erklärte es für unzulässig, daß die Venezianer Land des Patriarchen
zinspflichtig machten und Leute desselben zwängen, ihnen den Treueid
zu leisten. 3)
544. Etwa ein Jahrzehnt später kam es zu heftigen Streitigkeiten
zwischen den beiden Nachbarn; die Venezianer wurden aus dem Gebiet
des Patriarchen ausgewiesen, mehrere- getötet, ein Chioggiote von Ulrich von
Gemona geblendet. Nach längeren Verhandlungen, die von je drei Gesandten
geführt wurden, kam es am 14. September 1248 in Venedig zu einem neuen
Vertrage, der besonders darum interessant ist, weil er nicht nur das Ergebnis
der Verhandlungen, sondern auch die ursprünglichen Forderungen beidei^
Mächte enthält.4)
Die Forderung des Patriarchen, daß seine Leute wie früher zur See
mit der Romagna und den Marken verkehren dürften, wurde abgelehnt,
ebenso die andere. Salinen s) auf der ihm gehörigen Küstenstrecke anlegen
zu dürfen, obwohl er versprach die Hälfte der Einkünfte Venedig zu über-
lassen. Auch die Herabsetzung des SalzzoUes auf die frühere Höhe wurde
nicht zugestanden, und nur die Zurückverlegung der Salzniederlagen und
der Zollerhebung an die früheren, vermutUch weiter flußaufwärts im Binnen-—,
lande gelegenen Orte (portus) genehmigt. Dagegen wurde der Zoll aul||
Kleiderstoffe für die Ritter, Kleriker und Nonnen, ebenso wie alle anderen
den Untertanen des Patriarchen neu auferlegten Zölle erlassen. Der W^unsch,
daß die Signorie aus Gnaden den Export von Wein aus den istrischen
Häfen nach Aquileja gestatten möge, wurde in der Beschränkung genehmigt,
daß der in den eigenen Besitzungen des Patriarchen und des Nonnenklosters
von Aquileja in Istrien erzeugte Wein und 1000 Amphoren außerdem nach
dem venezianischen Isola (zwischen Capodistria und Pirano) gebracht und
von hier aus zur See nach Aquileja geschafft werden dürften. Auf der
anderen Seite wurde den Venezianern Restitution und Genugtuung für er-
littene Unbill 6) verheißen; zur Prüfung und Entscheidung privatrechtlicher
Forderungen, die von Venezianern gegen Untertanen des Patriarchen aus
früherer Zeit erhoben wurden, sollten die Venezianer einen angesehenen
Mann aus der Umgebung des Patriarchen (magnus homo) bestellen und
vereiden. Im übrigen wurde ihnen die unbehinderte Ausfuhr von Getreide
4
1) Ebd. 696, 717, 718.
«) B.-F. 1937. Minotto 1 1 p. 16 (Febr. 1231). Winkelmann II, 331.
*) Kandier : 1236, 6. Dezember.
■') Kandier h. a. Minotto I 1 p. 22 f. (nach einer teilweise gekürzten offiziellen
Abschrift von 1293). Bianchi 1. c. p. 390.
') Bei Minotto p. 22 steht salme für saline.
•) Satisfactionem condignam de clucensi quam Caesari fecit I). Odolricus de
Glemona; so bei Kandier, der clucensi für einen Schreibfehler hält und die Stelle
auf die Klause von Gemona beziehen will. In Wahrheit handelt es sich um den
geblendeten Ohioggioten und statt quam Caesari ist quem caecari zu lesen.
i
I
Interner Handel in der Adria. 591
jeglicher Art, Gemüse und aller anderen Waren aus Friaul zugestanden;
tlie in der Flußmündung von Aquileja zur großen Beschwerde der Vene-
zianer angebrachte Hafenkette (an der jedenfalls auch Zoll erhoben wurde)
sollte wieder beseitigt, ebenso der in Gemona eingerichtete Stapel (portus)
wieder nach Aquileja selbst verlegt werden.
Eine bald nachher, am 29. November 1248, erlassene Verordnung der
Signoriei) bestimmte, daß alle Venezianer einschließlich der in den aqui-
lejanischen Hafenplätzen ansässigen beim Export von Waren nach Aquileja
von der Zahlung des ^'ie^zigsten an die Vicedomini Tertiae Tabulae in
Venedig befreit sein sollten; doch fiel diese Befreiung weg, wenn sie mit
Fremden in Handelsgesellschaft standen oder Waren von Fremden transpor-
tierten. Den genannten Vicedomini sowie dem Vicedominus von Aquileja
war die genaueste Kontrolle darüber durch Abnahme von Eiden u. dgl, zur
Pflicht gemacht. Wer auf die Befreiung Anspruch machte, erhielt von den
Vicedomini in Venedig für seine Waren einen mit dem amtlichen Siegel
versehenen Ladeschein, den er bei der Ankunft dem Vicedominus in Aqui-
leja vorlegte, worauf dieser eine Bescheinigung auszustellen hatte, daß die
betreffenden Waren wirklich nach Aquileja gebracht worden seien; diese
Bescheinigung hatte der Exporteur bei seiner Rückkehr den Vicedomini in
Venedig einzureichen oder vorher einzuschicken, widrigenfalls ihn eine
Buße von IO^'/q vom Werte seiner Waren traf. Den Fremden gleichgeachtet
sollten diejenigen Venezianer werden, die seinerzeit während des Streits mit
A(|uileja dem Befehl der Signorie, Aquileja zu verlassen, nicht gefolgt waren,
sondern zum Fortbetrieb ihrer Handelsgeschäfte in Aquileja zurückgeblieben
waren. Ein Erlaß vom 5. Dezember dehnte die für Aquileja geltenden
Bestimmungen auch auf den Verkehr zwischen Venedig und Portogruaro
aus; die Stelle des Vicedominus von Aquileja versah hier ein von der
Signorie bestellter Vertreter ohne besonderen Amtstitel ; zur Zeit des Erlasses
nahm Petrus de Mari dessen Funktionen wahr. 2)
545. Der Ausdehnung der Küstengebiete an der Adria gegen-
über, auf die die Handelspolitik Venedigs bestimmend einwirkte, war
sein unmittelbares Herrschaftsgebiet nur klein ; Cavarzere (an der un-
teren Etsch) und Grade erscheinen als seine Grenzpunkte. Um so
leichter war die für jeden größeren Handelsbetrieb vorgeschriebene,
schon damals mit genauer Reglementierung verbundene Konzentrie-
rung auf Venedig selbst durchzuführen. Selbst mit Getreide wurden
die untertänigen Orte durch die Hauptstadt versorgt. So wurde z. B.
■das Proviantamt (die dispensatores frumenti) in Venedig am 11. No-
vember 1223 beauftragt, 30 moggia Weizen zu 17 sol. den stajo (der
moggio hatte 12 staja) an die Gemeinde Chioggia gegen Bürgschaft
für Zahlung in 14 Tagen, die der Doge in diesem Falle selbst über-
nahm, zu liefern; auf eine zweite Lieferung bezieht es sich, wenn
Bevollmächtigte von Chioggia am 23. Dezember desselben Jahres
unter Anzahlung von 200 1. über den Empfang eines gleichen Quan-
tums Weizen zum Preise von 18 sol. den stajo quittieren.^) Und
ähnliche Lieferungen können wir 9,uch für Cavarzere nachweisen.*)
1) Minotto I 1 1). 135.
») Ebd. 136.
«) Lib. pleg. no. 7, 28. ♦) Ebd. 8, 450. Minotto IV 1 p. 25,
44*
692 Sechsund vierzigstes Kapitel.
Der Handel mit dem wichtigsten Eigenprodukte des venezianischen
Gebiets, dem Salze, stand unter der genauesten staatlichen Kontrolle^);
aus dem Wunsche, die eigene reiche Salzgewinnung zu schützen, .er-
klärt es sich, daß Venedig die Anlegung von Salinen auf dem Terri-
torium des Patriarchen von Aquileja nicht zugab, und daß es schließ-
lich (1228) die Einfuhr von Salz aus nichtvenezianischen Orten dies-
seits von Ravenna und der Punta del Quarnero nach Venedig ganz
verbot^) und dies Verbot 1243 bis zur Linie Trontomündung — Zara
ausdehnte.^)
Wenn Papst Innocenz IV. dem Bischof und dem Kapitel von Chioggia
die Erlaubnis erteilt, das in den ihnen gehörigen Salinen gewonnene Salz
ohne irgendwelche Abgabe an Ort und Stelle verkaufen und beliebig expor-
tieren zu dürfen, so richtet sich das natürlich gegen Ansprüche der vene-
2ä.anischen Regierung.'^) Starke Beschränkungen betrafen ferner den Holz-
handel; am 11. Februar 1227 gebot die Signorie, daß jeder Venezianer, deiÄJ
nördhch der Linie Ravenna — Zara Holz lud, dies nur nach Venedig bringen"
dürfte ; wenn Zuwiderhandlungen sogar mit Vermögensverlust und Zerstörung
des Hauses des Übeltäters bedroht waren, so erklärt sich das allerdings auS:
der besonderen Strenge, mit der man gerade damals die Durchführung der
kirchlichen Verbote, betreffend den Handel mit den Sarazenen, überwachte. 0)
Soviel aber ergibt sich aus allem, daß von irgendwelcher Freiheit der Be
wegung im Handelsverkehr für die Bewohner des venezianischen Küsten
gebiets keine Rede war. ß)
Sechsundvierzigstes Kapitel.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande und den"
Seeplätzen der Adria.
546. Schon aus den Verträgen mit dem Patriarchen von Aqui-
leja ergibt sich die Lebhaftigkeit des Handelsverkehrs zwischen Ve-
nedig und seinem nordöstlichen Hinterlande; Friaul sollte den Vene-
zianern weit offen stehen, heißt es in dem Vertrage von 1220.'^) Vor
*)'Im November 1179 wird dem Enrico Gradonigo nach Rechnungslegung
»propter factum salis quod habuisti et tenuisti« von der Regierung Entlastung er-
teilt; Cecchetti p. 36 f. Es handelt sich dabei wohl um die im Staatsbesitz befind-
lichen Salinen.
*) Bekanntmachung eines solchem Verbots am 23. Juli 1228 (Lib. pleg. no. 626,
Minotto ni 1 p. 38 f.) , das Zuwiderhandlungen mit Konfiskation der Barken , des
Salzes und der üblichen Buße von 301. 12^2 sol. bedrohte. Venezianer, die solche
Kontrebande beschlagnahmten, durften das Salz gegen Abgabe des Fünften an den
Staat behalten.
") Minotto IV ] p. 62 (13. Juni); am 6. September 1256 erneuert.
*) Berger 2200 (30. Oktober 1246).
') Minotto III 1 p. 37. Ljubic I, 15 no. 65. Oben § 132.
•) Im Juni 1208 wurde den Chioggioten bei Strafe der Vermögenskonfiskation
bis Michaeli 1210 verboten, über Ancona und Zara hinaus zu fahren oder Waren zu
schicken. Minotto IV, 1, 20.
') Minotto I, 1, 13. '
m
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. (593
allem den Überschuß seines Landbaues an Weizen, Hirse, Buchweizen
und Getreide jeglicher Art gab es an die Venezianer ab, die dafür
außer den Waren der Levante besonders Salz und Textilwaren im-
portierten. ^)
Auf den Verkehr des tieferen Binnenlandes mit Venedig weist es,
wenn im September 1225 einem Bewohner von Murano von der Signorie
das Pfändungsrecht gegen die Leute von Pordenone, Untertanen des Herzogs
von Österreich, bewilhgt wurde, da die Schuld, die ein Ritter des Herzogs,
Iwan von Pordeone, bei ihm kontrahiert hatte, anders nicht beizutreiben
war; der Ertrag des Verfahrens sollte zur Verfügung der Signorie bei den
Vicedomini deponiert werden. 2) Aus den Wäldern der Vorberge und der
Abhänge in den Alpentälern führten die zahlreichen Flußläufe das Holz
zur Küste; im Jahre 1223 wurde in Venedig einmal der Ankauf von Holz,
das aus Cadore oder der Gegend von Cadore, also aus dem Hochtal des
Pia\e kam, zum Zwecke des Weiterverkaufs bei Strafe verboten. ^)
Von den beiden unmittelbaren Nachbarstädten Venedigs, Tre-
viso im Norden und Padua im Westen, stand das erstere mit Ve-
nedig in der Regel in freundschaftlichem Verkehr.
Ein Vertrag von 1198 regelte genau das bei allen Differenzen zwischen
den beiderseitigen Untertanen einzuhaltende Verfahren ; die jährhch zu
Michaeli zu diesem Zweck neu zu bestellenden Richter wurden auf diesen
Ordo vereidet. **) Im Jahre 1214 fand in Treviso ein großes Festspiel statt,
dessen Höhepunkt die Erstürmung eines von den vornehmsten Damen be-
setzten Schlosses bildete ; wohlriechende Gewürze u. dgl. waren die Angriffs-
waffen. Aus dem Scherz entwickelte sich ein Streit zwischen den Vene-
zianern und Paduanern, die an dem Feste teilnahmen, der immer heftiger
wurde und schließhch den Ausbruch eines blutigen Krieges zwischen Venedig
und seinen beiden Nachbarstädten zur Folge hatte. Erst im April 1216
gelang es der geschickten Vermittelung des Patriarchen Wolfger, den Frieden
wiederherzustellen, ö) Der Friedensschluß mit Treviso bestimmte, daß die
Ansprüche der beiderseitigen Kaufleute wegen Beschlagnahme oder Raubes
von Waren während des Krieges oder aus früheren Verbindlichkeiten auf-
rechtzuerhalten und im Rechtswege auszutragen seien ; beiderseits blieb die
herkömmliche Abgabe des Vierzigsten bestehen, während die Trevisaner in
Venedig außerdem die Salzsteuer und die Seezölle zu entrichten hatten;
Handelsverbote wollte man gegen einander nicht erlassen und nur seinen
offenkundigen Feinden durfte Treviso den Durchzug nach Venedig ver-
sagen. Unter den Bürgern von Treviso, die den Vertrag mitbeschworen,
befanden sich auch Ezzelino von Romano und Wecilo von Camino. ^) Im
August gesellte sich ein besonderer Vertrag Trevisos mit Capodistria hinzu,
der vor allem das Verfahren bei Streitigkeiten zwischen Bürgern beider Orte
») Oben § 543 ; s. noch Lib. pleg. no. 368, 326, 315, 500.
^) Lib. pleg. no. 330. Simonsfeld I no. 1.
=>) Minotto II 1 p. 38.
*) Eid des judex Mainens von Treviso (11. Aug. 1198) mit angehängtem Ordo,
ebd. p. 23 f. Ein genau entsprechendes Gegenstück , l)etr. Klagen gegen Vene
zianer, vom Jahre 1209 ebd. 11, 3 p. 66 ff.
») Winkelmann, Otto 425.
«) Minotto n 1 p, 35; II 3 p. 68. Predelli im Arch. ven. 30 (1885), 437.
694 Sechsundvierzigstes Kapitel.
betraf; wir erfahren, daß Leute von Capodistria mehrfach bei Trevisanern
Gelder aufgenommen hatten, i)
Von dem regelmäßigen Handel zwischen Treviso und Venedig gibt
uns das venezianische Bürgschaftsbuch einige Kunde; ein Exporteur von
10 Zentnern Öl muß im Februar 1224 Bürgschaft dafür stellen, daß er die
Ware wirkhch nach Treviso schaffen und eine Bescheinigung des Podestä
von Treviso beibringen werde; umgekehrt wird im Jahre 1227 Bürgschaft
dafür verlangt, daß bestimmte Transporte von Buchweizen (sorgulum) und
Bohnen, im ganzen 14 Moggia, deren Export der Podestä von Treviso ge-
stattete, auch wirklich nach Venedig gebracht und zur Verfügung des Dogen
gestellt wurden.^) Wenn im Sommer 1225 allen Venezianern bei besonders
hoher Buße verboten wird , sich ins Paduanische oder Trevisanische zu
begeben, um dort Butter oder Rauchwaren einzukaufen 3), so entzieht sich
der Grund dieses Verbots, was Treviso anbetrifft, unserer Kenntnis. Während
des großen Streites zwischen Kaiser und Papst wurde Treviso von der kaiser-
lichen Partei hart bedrängt, so daß der Papst am 7. Januar 1245 dem Pa-
triarchen und dem Bischof von Feltre gebot '*) , von jeder Belästigung Tre-
visos abzustehen und die Stadt mit Venedig zusammen mit Geld und Lebens-
mitteln zu unterstützen und die freie Zufuhr von Getreide durch ihre Ge-
biete zuzulassen. In der Tat hat Venedig in diesem Jahre den Trevisanern
ein Darlehn von 5000 1. ven, gewährt, für dessen Rückerstattung Treviso
Geiseln stellen mußte, die bis zur Tilgung der Schuld auf Kosten Trevisos
in Venedig blieben.^) Bemerkenswert ist, daß in dieser Zeit auch sonst
Getreide durch den Handel Venedigs nach dem Hinterlande ausgeführt
wurde; eine Verordnung vom 13. Januar 1251 machte die Erlaubnis, Ge-
treide nach Treviso zu exportieren, die bisher vom Dogen und seinem Rat
zu erteilen war, von der Zustimmung des Großen Rats oder der Vierzig
abhängig. ^)
547. Weniger gut war das Verhältnis Venedigs zu seinem Nachbar
im Westen. In den Jahren 1143 und 1144 tobte ein heftiger Krieg zwischen
Venedig und P a d u a , weil dieses den Bacchiglione in die Brenta abgeleitet
hatte und Venedig davon eine stärkere Ablagerung in den Lagunen be-
fürchtete. Venedig bheb Sieger, und der frühere Zustand wurde wiederher-
gestellt.'') Im Jahre 1209 schlössen beide Städte einen ähnhchen Vertrag
über die gegenseitige Rechtshilfe*^), wie es 1198 zwischen Venedig und
Treviso geschehen war. Die zwischen Venedig und Padua bestehende
Spannung entlud sich bei dem »ludus Tarvisii« in heftiger Weise ; der Friede
vom 9. April 1216 ist dem Frieden Venedigs mit Treviso in allen Haupt-
punkten analog. ^) Für französische Kaufleute (mercatores francigenae), die
auf dem Wege nach oder von Venedig an der Grenze beim Turm von
») Minotto n, 3 p. 70. Kandier : 1216, 22. August ind. IV (richtig 24. August
octava exeunt. Aug.).
*) Lib. pleg. no. 53 ; 515, 520.
•) Minotto n 1 p. 40 : pro comperandie beuris vel opera vaira.
*) Rodenberg H, 59 no. 81.
») Minotto II 1 p. 51.
«) Minotto n 2 p. 39.
») Gloria I, 326 no. 440. Bernhardi, Konrad III p. 365.
») Minotto IV 1 p. 21 (13. März).
*) Predelli R., Documenti relativi alla guerra pel fatto del Castello di Arno?
im Arch. ven. 30 (1885), 434 f., 439.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande n. d. Seeplätzen d. Adria. 695
Baibe (Babia) von Paduanern beraubt worden waren, setzte Venedig die
Ersatzpflicht Paduas durch. Im folgenden Jahrzehnt, als Padua sich mit
dem neuen Patriarchen von Aquileja eng verbündet hatte, während es mit
Treviso in Feindschaft lebte i), kam es zu neuen Streitigkeiten. Es war nur
die Erneuerung eines bestehenden Verbots, wenn im Mai 1225 an den
Landungstreppen des Rialto verkündet wurde, daß niemand ohne besondere
mit dem Siegel des Dogen versehene Lizenz Waren aus Venedig oder seinem
Gebiet bei Strafe des Verlustes der Waren und der üblichen Buße von
301. 12V2Sol- ven. nach dem Paduanischen ausführen dürfe; in weiteren
Verordnungen vom folgenden Jahre versprach man dem Angeber die Hälfte
der Ware und der Buße und fügte die Verbrennung der betreffenden Barken
hinzu. 2) Auch Ferrara mußte sich in seinem Vertrage mit Venedig vom
August 1226 verpflichten, die Ausfuhr von Salz und anderen Waren ins
Paduanische zu verbieten.^) Man traf Vorkehrungen zur Überwachung der
aus den Lagunen nach Padua führenden Schiffahrtswege; wirksamer aber
schien es den Justitiaren Venedigs, im Paduanischen selbst Spione zu unter-
halten, die durch Denunziantenlohn angelockt wurden.*) Häufig genug wurde
trotzdem geschmuggelt; die Hauptrolle dabei spielten Öl und Salz, daneben
Wein und Lebensmittel. 0) Besonders für die Chioggioten war die Ver-
suchung groß; im August 1225 zeigt der im Paduanischen stationierte Spion
zwei derselben an, von denen der eine mit 2 Barken (scole) und 4 Fässern Wein,
der andere nüt einer Salzbarke nach Padua gekommen war, und im November
1226 wird denunziert, daß 12 Personen aus Chioggia mit je einer Salzbarke
an der Riva d'Ognissanti in Padua angekommen seien, während zur selben
Zeit andere Chioggioten mit 2 größeren Salzschiffen an der Riva di Ceri-
gnano gelandet wären. ^) Danach muß allerdings die Aufsicht nicht allzuviel
geleistet haben; wurden doch auch in dieser Zeit einmal vier von den
Aufsehern für ewige Zeiten aus Venedig verbannt, weil sie selber Waren
nach Padua geleitet hatten. '')
Am Ende des Jahrzehnts erscheint dann die Feindschaft behoben;
damals ist sogar ein Venezianer, Giovanni Dandolo, Podesta von Padua.**)
Der Einfluß der mächtigen Seestadt zeigt sich auch darin, daß die Statuten
Paduas den paduanischen Tuchhändlern die Anwendung venezianischen
Maßes vorschreiben ; auch auf die beständige Erhaltung des Schiffahrtsweges
nach Venedig in brauchbarem Zustande legen sie besonderes Gewicht. 9) In
seinem Vertrage mit Ravenna vom Jahre 1234 aber ließ sich Venedig wieder
versprechen, daß die Ravennaten zur Zeit eines Krieges zwischen Padua und
Venedig den Paduanern weder Salz, noch Lebensmittel, noch sonstige Waren
liefern und den Export von paduanischen Waren aus Ravenna nicht zu-
*) Winkelmann I, 89 u. 174. Vertrag zwischen Padua und dem Patriarchen
von 1221 bei Muratori Antiqu. IV, 179.
«) Lib. pleg. no. 278, 371, 429.
») Ebd. 415.
*) Ebd. 283 : Überweisung von 8 balestre an die guardiani (Mai 1225). Ein
incusator privatus j ustitiariorum (lui utitur in Paduanis partibus: Minotto 11 1 p. 40.
Dazu Lib. pleg. no. 315, 342.
*) Lib. pleg. no. 18 (7. Dezember 1223), 22, 24, 25, 286, 342, 500, 506.
•) Ebd. 315 ; 457 f., dazu 236. Minotto IV 1 p. 42.
">) lib. pleg. no. 237 (tensaverunt).
•) Ebd. 718 (26 Oktober 1229). Stat. Päd. p. 424 (Juni 1230).
») Stat. Päd. 271 no, 821 u. 301 no. 892 f. (vor 1236 erlassene Bestimmungen).
696 Sechsundvierzigstes Kapitel.
lassen würden i); wir sehen also deutlich, daß Padua in den Zeiten der
Feindschaft mit Venedig seine Verbindung mit dem Meere im Süden suchte.
Das landeinwärts von Padua im Gebiet des Bacchiglione gelegene
Vicenza bediente sich während der Sperrung des Weges über Padua zu
seiner Verbindung mit Venedig der Etsch, die wohl bis Albaredo aufwärts
verfolgt wurde, von wo dann ein Nebenfluß die Weiterfahrt kleiner Fahr-
zeuge bis in das Gebiet von Vicenza ermöglichte. Im Herbst 1225 wurden
bei Cavarzere vier mit Salz beladene, Vicentinern gehörige plati angehalten
und zu einer Kautionsleistung von 200 1. veranlaßt, die zurückzugeben
waren, sobald der venezianische Steuerbeamte (riparius), der ihnen nach
Vicenza mitgegeben wurde, die amtliche Bescheinigung zurückbrachte, daß
das Salz wirklich dorthin gebracht sei, 2) Ähnliche Bürgschaften stellte im
April 1225 der Kaufmann Marzio aus Vicenza dafür, daß er 400 moggia
Salz und eine Salzbarke nirgend andershin als nach Vicenza transportieren
werde. Auch den Transport von 30 Ztr. Feigen von Venedig nach Vicenza
können wir einmal nachweisen.^)
548. Etwas genauere Kenntnis auch schon für das 12. Jahr-
hundert besitzen wir von den Handelsbeziehungen zwischen dem
wichtigen Verona und Venedig. Im Mai 1107 schlössen sie einen
auch technisch schon hochentwickelten Vertrag, der der älteste Gegen-
seitigkeitsvertrag zwischen zwei Kommunen ist, den wir kennen.'*)
Venedig befand sich damals mit Padua mid Treviso sowie Kavenna
im Kampfe, und so enthält der Vertrag auch allerlei Bestimmungen über
kriegerische Unterstützung ; außerdem aber verheißt er gegenseitigen Schutz
der Bürger wie der Fremden, die die eine oder die andere Stadt aufsuchen
wollen, und Abstellung von Beschwerden über Schädigung von Einwohnern
der einen durch Einwohner der anderen Stadt binnen 30 Tagen. Endlich
aber regelt er — und dieser Punkt ist an die Spitze des Vertrages gestellt —
die Höhe der Abgaben. Sie bestanden einerseits in dem ripaticum, das in
Venedig wie Verona selbst von jedem Schiff 24 den. veron. betragen sollte,
während an anderen Orten des Gebiets beider Städte nach der bestehenden
Gewohnheit zu verfahren war, andererseits in dem herkömmlichen quadra-
gesimum, das aber eine wesentliche Herabsetzung dahin erfuhr, daß fortan
bei allen Waren vom Tausend (pro müiario cuiusque rei), also von je 10 Ztr.,
nur 12 d. veron., bei Häuten (de coriis) pro Ballen nur 2 d. veron. zu entrichten
waren, während Seidenzeuge (pallia), Silber, Gold und gemünztes Geld frei
eingingen. Andere Abgaben sollten unter keinen Umständen erhoben werden.
Es verdient erwähnt zu werden, daß am Eingange des Vertrages aus-
drücklich bemerkt ist, daß er mit Zustimmung der venezianischen vicedomini
und riparii, also der Vorsteher der Zollbehörden und Zollbeamten, abgeschlossen
ist; einer derselben, Dominions Planudus, (riparius noster) bekräftigt ihn
am Schlüsse auf Anweisung des Dogen Ordelaffo Falier ausdrücklich; ein
anderer riparius, Bonus Entius, befindet sich unter denen, die den Vertrag
beschworen.
») Minotto IV 1 p. 58.
*) Lib. pleg. no. 324.
') Ebd. 120, 126 ; 75.
*) CipoUa p. 295 (no. I) Verpflichtung der Venezianer, p. 297 der Veronesen.
Leider ist der Vertrag nur mangelhaft erhalten. Für: quod usu aliter, vel juro
(p. 296) ist usualiter zu lesen, für: de ulla re nationem (ib.) dationem.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 697
Welchen Wert Venedig auf ein gutes Verhältnis zu Verona legte, zeigt
uns der Umstand, daß es im Jahre 1164, als es mit dem Kaiser in Zwist
lag, die gewaltige Summe von 12 000 Mark Silbers aufwandte, um Verona und
mit diesem Padua und Vieenza an sich zu fesseln i), und die Lebhaftigkeit der
Handelsbeziehungen beider Städte beweist nicht minder der am 25. Mai 1175
veronesischerseits von einem Konsul der Kaufleute, Carlaxerius, einem Stadt-
konsul und 3 Kaufleuten mit dem Dogen auf 29 Jahre geschlossene, aus-
schließlich auf kommerzielle Verhältnisse bezügliche Vertragt), der bestimmt
war. die zwischen Kaufleuten beider Städte schwebenden Streitfälle zur Er-
ledigung zu bringen und für die Zukunft Differenzen möglichst hintanzuhalten.
Demgemäß wurde als Grundsatz aufgestellt, daß der Gläubiger sich nur an
den Schuldner und nicht an dessen Landsleute zu halten habe, daß bei
Streitigkeiten über Kaufgeschäfte der Eid der Partei, die das römische Recht
(die lex^ zum Eide verstatte, maßgebend sein solle, daß die Festnahme eines
Veronesen durch einen Venezianer oder umgekehrt, wenn sie nicht mit be-
sonderer Erlaubnis der Regierung erfolge, mit einer Strafe von 100 1. ver.
odei- im Unvermögensfalle mit AusHeferimg des Schuldigen zu ahnden sei, daß
endlich auch die ohne behördliche Erlaubnis vorgenommene Pfändung bei
Strafe des Verlustes aller Ansprüche imtersagt sei. Bei Kaufgeschäften
zwischen Veronesen und Venezianern war der Preis binnen 10 Tagen zu
T)egleichen ; wurde der Verkäufer inzwischen flüchtig, so ging er damit seiner
Rechte aus dem Kaufvertrage verlustig.
Nach einer Periode längerer Feindschaft kam es am 21. September 1192
unter Vermittelung Mantuas zum Abschluß eines neuen Vertrages, der die
früheren Verträge erneuerte und zum Teil ergänzte. ^) Zunächst verpflichteten
sich die Stadtkonsuln, Prokuratoren und kaufmännischen Konsuln Veronas
im Namen der Stadt zur Zahlung einer Schadenersatzsumme von 10000 I.
ven. in 5 Jahresraten und Niederschlagung der Forderungen ihres Landsmanns
Basuinus und seiner Sozii an Venedig; sie versprachen ferner, fortan jeder-
mann, Veronesen oder Fremden, mit allen beliebigen Waren den Zugang
nach Venedig ohne jedes Hindernis zu gestatten und für die Sicherheit der
Benutzung der Wasserstraße der Etsch von Verona bis Cavarzere durch die
Venezianer oder andere, die nach Venedig gingen oder von Venedig kamen,
Sorge zu tragen. Die Veronesen wollten keinerlei dem Abschluß von Handels-
geschäften in ^'enedig hinderliche Maßregeln treffen und nichts tun, wodurch
eine Minderung der Zolleinnahmen Venedigs herbeigeführt werden könnte ;
insbesondere wollten sie keine Waren dem Zoll entziehen oder fremde Waren
für die ihren ausgeben.'*) Die Zollsätze blieben so, wie sie schon im Ver-
trage von 1107 festgestellt worden waren ; doch sollten die besonderen für
den Salzhandel bestehenden Bestimmungen Venedigs und der bei der Ein-
und Ausfuhr zur See zu zahlende Fünfte davon unberührt bleiben. ») Danach
ist anzunehmen, daß Venedig in dieser Zeit den befreundeten Binnenstädten
♦) Hist. Ducum Ven., SS. XIV, 77. Ficker IV, 182 no. 139. Giesebrecht V,
402 f., VI, 429.
*) CipoUa im X. Arch. ven. X (1895), 481 f.
') Cipolla p. 307—314 no. 3.
*) Nullam conspiracionem faciemus contra mercaciones, que fieri debeant in
Venetiis; et nuUum habere defensabimus neque occultabimus iillo modo, unde ratio
(^uadragesimi vel alia dirictura comunis Venecie minuatur.
*) »Factum vero sali» et quinti nullo modo minui debet< und an anderer
Stelle: >salvo ordine salis et eorum qui intrant per mare et exeunt.«
698 Sechsundvierzigstes Kapitel.
allgemein, wenn auch gegen eine hohe Abgabe, die Teilnahme am Seehandel
gestattete. Im folgenden Jahre wurde dann in einer besonderen Konvention i)
das bei Streitigkeiten zwischen den Bürgern beider Städte einzuschlagende
Verfahren genau geregelt (ordo in observandis justiciis).
549. Über die Objekte des Handels zwischen beiden Städten gewährt
das venezianische Bürgschaftsbuch manchen Aufschluß, In den 4 Wochen
zwischen dem 7. März und 3. April 1224 begegnen wir 18 Fällen, avo in
der uns bekannten Form Bürgschaft dafür geleistet wird, daß bestimmte
Waren von Venedig nach Verona und nicht anderswohin gebracht werden
würden. Es handelt sich dabei im ganzen um den Transport von 530 Ztr. _
Feigen in 9 Posten (Höchstbetrag eines Postens 150 Ztr.), 440 Ztr. Öl in m
10 Posten (Höchstbetrag eines Postens 160, Mindestbetrag 1 Ztr.) und
196 Ztr. 41 Pfd. Käse in 3 Posten. 2) Nur einmal ist dabei ein Venezianer,
Vitale Maestro Orso, der Exporteur; die andern sind sämtlich Veronesen.
Zu diesem Export nach Verona selbst treten noch 35 Ztr. Feigen, 10 Ztr.
Öl, 80 Ztr. Käse und 3 Scheffel Haselnüsse (staia de nuxeUis), die von drei
Kaufleuten von Legnago nach ihrem Heimatorte exportiert wurden. 3)
Zur selben Zeit hatte Venedig den Veronesen'die Einfuhr von 236 Moggiai
Weizen auf dem Seewege erlaubt; 125 davon kamen von Recanati. Und
am 25. Juli 1226 erhielt Ognibene de Racione mit neun anderen Kaufleuten
von Verona und dreien von Trient von der Signorie die Erlaubnis *), die
nahezu 700 Moggia Getreide, die sie für Rechnung des Kaisers von den Ver-
tretern des deutschen Ordens gekauft hatten, von Venedig aus nach Verona
oder weiter landeinwärts zu transportieren. Im Frühjahr 1224 wurde einmal
ein Veronese, Namens Bonaventura, beschuldigt, aus Venedig exportiertes
Getreide gegen das Verbot nach Ariano auf ferraresisches Gebiet geschafft
zu haben, und aus einem ähnlichen Grunde wurde im folgenden Jahre
einem Veronesen in Chioggia ein Warenballen beschlagnahmt. &)
unter der Einfuhr von Verona her begegnet besonders das Holz; als
Pietro Arimondo und seine Sozii im Jahre 1226 Holz auf der Etsch nach
Venedig führen wollten, wurde der Transport von einigen Veronesen be-
schlagnahmt; trotz der Bemühungen der Signorie war es am 27. September
1226 noch nicht freigegeben. Es müssen darüber besondere Abmachungen
bestanden haben; ein veronesisches Statut von 1228 untersagt allen Fremden
den Transport von Holz oder Pech etschabwärts, vorbehaltlich der mit dem
Dogen bestehenden Verträge.*^) Auch Barrengold kam von Verona her nach
Venedig; Johann, der Sohn des veronesischen Kaufmanns Tebaldinus de
Racione, der an den Venezianer Petrus Albinus im Jahre 1223 Gold im
Gewicht von 4 Mark 17 Karat verkauft hatte, sah sich schließlich von diesem
um den Kaufpreis betrogen.') Wegen der in Verona ausgebrochenen
inneren Kämpfe untersagte Venedig am 6. Februar 1227*) seinen Unter-
*) Ebd. 316 f. no. 4. Nach einem veronesischen Statut von 1228 erhielten
die für Streitigkeiten zwischen Veronesen und Venezianern bestellten Schiedsrichter
100 sei. ver. jährlich. Lib. .Jur. Civ. 23, rub. 26.
*) Lib. pleg. no. 70—75, 78, 80—88, 88, 101, 102, 111, 112, 114.
») Ebd. 64, 103, 124. Minotto IV 1 p. 27.
*) Lib. pleg. 122, 406.
^ Ebd. 119, 242.
6) Lib. Jur. Civ. rub. 275.
') IJb. pleg. 427 ; 26, 27.
■ «) Ebd. 501.
I
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 699
tauen bei strengster Strafe, sich ins Veronesische zu begeben oder Waren
dorthin zu schicken oder von da auszuführen — offenbar, um sie vor
Schaden zu bewahren. Doch war schon im Herbst diese Unterbrechung
des Handels wieder beseitigt; als die Signorie am 21. Oktober den Besuch
auswärtiger Messen bis Weihnachten ohne besondere Lizenz verbot, nahm
sie die von Verona und Mantua unter der Bedingung aus, daß für Hin-
imd Rückweg die Wasserstraße der Etsch gewählt wurde, i) W^ahrscheinlich
infolge von Übergriffen, die mit den Parteikämpfen in Verona zusammen-
hängen mögen, sehen wir Verpna im Jahre 1228 zur Zahlung von 3374 1.
18 sol. an Venedig verpflichtet; ein in Venedig wohnhafter Bürger von
Legnago, Alberto Casolerio, hat die Auszahlung der Gelder, die gemäß den
Eintragungen in den Büchern der Vicedomini erfolgen sollte, an die Be-
rechtigten übernommen; am 23. Oktober stundeten ihm einige Venezianer
den auf sie entfallenden Anteil auf 14 Tage.^)
550. Kaufleute von Trient sind uns bei der Getreideeinfuhr über
Venedig schon begegnet; einen anderen Kaufmann der Stadt, Pasquale de
Cappelletto, sehen wir im Februar 1224 einen Transport von 80 Ztr. Öl von
Venedig nach Trient schaffen 3). Zwei Jahre darauf aber kam es zu einer
Störung der Handelsbeziehungen; Bischof Gerhard von Trient hatte noch
als Archidiakon im Jahre 1223 Schulden bei der RepubUk und dem Vene-
zianer Giovanni Miani gemacht, rmd da alle Mahnungen fruchtlos blieben,
schritt man Michaeli 1226 zu Represalien gegen die Untertanen des Bischofs.
Ein Fall von Rechtsverweigerung durch das bischöfliche Gericht im Jahre
1228 bot den Anlaß zu einer weiteren, ebenfalls auf dem Represalienwege
zu deckenden Forderung; erst im Jahre 1232 hat sich Miani durch eine
Zahlung von 1550 1. von Seiten des Bischofs und des Grafen von Tirol be-
friedigt erklärt^) und dem regelmäßigen Handelsverkehr der Tridentiner in
Venedig stand nichts mehr im Wege.
Müssen wir nach alledem der Wasserstraße der Etsch eine er-
liebUche Bedeutung für den Handelsverkehr des Binnenlandes mit Venedig
beimessen, so besitzen wir auch ein Zeugnis dafür, daß die Regierung Venedigs
ihre Fürsorge dieser Wasserstraße zuwandte; im August 1226 ließ sich der
Doge von Podestä und Volk von Loreo versprechen, den zum Schutze des
neuerdings zwischen Loreo und Torre Nuova an der Etsch angelegten
Kanals bestimmten Seedeich vor Michaeli instand zu setzen und dauernd
in gutem Zustande zu erhalten; als Kostenbeitrag zahlte Venedig für die
nächsten 20 Jahre an die Gemeinde Loreo jährlich 5 1. ven.»)
55 L Erheblich wichtiger noch für den Handelsverkehr zwischen
der Adria und dem Binnenlande war natürlich die Wasserstraße des
Po; das die Pomündungen beherrschende Ferrara mußte für die
Vermittelung dieses Verkehrs in erster Linie in Betracht kommen.
Am Anfang des 12. Jahrhunderts war einst der Gräfin Mathilde mit
Hilfe venezianischer und ravennatischer Schiffe die Überwältigung Ferraras
gelungen 6); im weiteren Verlauf des Jahrhunderts aber scheint zwischen
1) Ebd. 579. Minotto IV 1 p. 46.
») Lib. pleg. 623, 667.
») Ebd. 52.
*) Ebd. 422, 689; dazu 655.
») Ebd. 431.
•) Joh. diac. p. 139. Donizo II, 13. Overmann p. 169 u. reg. no. 69 b.
700 Sechsundvierzigstes Kapitel.
Ferrara und Venedig überwiegend ein gutes Einvernehmen bestanden zu«
haben. Als Zeugnis für die besonders enge Handelsverbindung zwischen "
den beiden Städten kann es dienen, daß im Jahre 1160 bei der Gründung
einer Handelsgesellschaft in Venedig, die auswärtige Unternehmungen kon-
traktmäßig ausschloß, doch solche Geschäftsreisen zugelassen wurden, die
nicht weiter als bis Ferrara gingen i) ; und stark tritt auch das Interesse,
das Venedig an der Offenhaltung der Poschiffahrt durch Ferrara nahm, bei
seinen Verhandlungen mit den Mitgliedern des lombardischen Bundes im
Jahre 1177 hervor; noch 1254 ließ der Doge von dem Pactum Ferrariae
»de tenenda aqua Padi omnibus aperta« Abschrift nehmen. 2)
Doch erst seit der Zeit des dritten Kreuzzuges erhalten vnr einen etwas
genaueren Einbhck in die Handelsbeziehungen der beiden Städte. »Um
sich die lange Zeit schon besessene Zuneigung der Venezianer auf die Dauer
zu erhalten«, schloß Ferrara am 26. Oktober 1191 mit dem Gesandten Vene-
digs, Enrico Dandolo, dem späteren Dogen, und Pietro Foscarini einen Ver-
trag zur genauen Regelung des Verfahrens, das bei Differenzen zwischen
Angehörigen der beiden Städte einzuschlagen war^); es ist der älteste vene-
zianische Vertrag dieser Art und hat dem 2 Jahre jüngeren Abkommen
mit Verona als Muster gedient. Sogleich wurden vom Dogen 3 Edle von
Ferrara, Joculus, Guido Turcli und Ottolinus de Mainardis, zu Richtern in
allen Klagen und Beschwerdesachen der Venezianer in Ferrara erwählt und
von den Konsuln Ferraras vereidet, während für die Klagen der Ferraresen _
in Venedig die dortigen allgemeinen Fremdenrichter zuständig blieben. Ä|
Außerdem wurden in beiden Städten je 2 Rechtsanwälte bestellt, die den
Klagenden aus der anderen Stadt beizustehen verpflichtet waren. ■*) Das Ab-
kommen wurde am 7. April 1204 zu Venedig durch die Gesandten Ferraras,
zu denen außer Signorellus zwei der Richter von 1191, Ottolinus und der
zeitige Konsul Guido de Turclo gehörten, mit einigen die Beschleunigmig
der Urteilsvollstreckung bezweckenden Änderungen erneuert-''); auch fand
der Grundsatz, daß nur Schuldner oder deren Erben, nicht aber ihre Lands-
leute zu belangen seien , nunmehr Aufnahme in den Vertrag. Noch im
selben Monat erschien zur Zeit der Palmsonntagsmesse als Abgesandter
Venedigs Petrus Bembus, einer der Vicedomini, in Ferrara und nahm die
feierliche Ratifikation des Vertrages durch Konsuln und Rat der Stadt ent-
gegen. Aus dem Vertrage ergibt sich auch, daß Venedig nicht unbeträcht-
lichen Landbesitz im Ferraresischen hatte, mit dessen finanzieller Ver-
waltung ein besonderer Gastaldio^) betraut war. Dessen Sache war sicher
auch die Abnahme des Naturalzinses, den Ferrara von seinem Kaufmanns-
hafen alljährlich zur Martinimesse für den Dogen am Hafen selbst bereit-
') Ergibt sich aus der die Auflösung der Gesellschaft betreffenden Urkunde j
vom Mai 1174 bei Sacerdoti p. 31.
*) Unten § 574. Pasolini im Arch. it., ser. 3, XIU (1871), 415 f. u. XIV (Doc.
no. 3). Lenel 58.
') Minotto in 1 p. 7 f. Muratori Antiqu. IV, 357 (zur Korrektur der Namen
ist der Vertrag von 1204 heranzuziehen). Theiner I no. 35. Hist. Ducum, SS. XIV,
90. Vgl. Lenel 60. ^1
■*) Erhalten ist das sacramentum Advocatorum Ferrarie qui sunt pro Venetis ; W\
Minotto IV 1 p. 18 f. Das Institut dieser arbitri electi ad faciendam rationem inter
Ven. et Ferrarienses und der advocati ist bis 1250 noch melirfach nachweisbar;
8. Minotto in 1 p. 43 (1232) u. p. 51 f. (1247 u. 1250).
») Minotto III 1 p. 13 f., IV 1 p. 19 f. Muratori Antiqu. IV, 359.
«) Zuerst im Vertrage von 1230 erwähnt. Minotto III 1 p. 41.
Handelsverkehr zwischen dem Binnonlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 701
zustellen hatte ; er bestand in 200 Brodon im Werte von je 2 ferrarini, einem
Faß guten Weines von Panicale oder gleicher Qualität von 41/2 v(niezianischen
Amphoren Inhalt und zwei guten Gläsern, i) Diese Besitzungen und Rechte
Venedigs gehen offenbar auf sehr alte Zeit zurück und waren häufig eine
Quelle von Streitigkeiten imd Verwickelungen zwischen den beiden Städten.
Endlich versprach Ferrara im Vertrage von 1204 ausdrücklich, in Zukunft
gemäß den beschworenen Abmachungen von 1177 die Wasserstraße des Po
allen, die nach Venedig wollten oder von da zurückkehrten, bei Strafe von
501. imp. für jeden Fall der Übertretung 2) offen zu halten; auch hier lag
ein Interessengegensatz vor, da Ferrara darnach strebte, soviel wie irgend
möglich zum Stapelplatz für alle zwischen den Seeplätzen der Adria und
dem Binnenlande über den Po verkehrenden Waren zu werden.
552. In den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts kam es im Zu-
sammenhange mit den Streitigkeiten zwischen dem jungen Azzo VII. von
Este und Salinguerra um den Besitz von Ferrara ^) häufig zu argen Störungen
des friedlichen Handelsverkehrs zwischen Ferrara und Venedig und im Ge-
biete der Pomündungen überhaupt; Überfälle von Küstenfahrern, von Barken
und Kähnen auf den Armen des Po, von einzelnen Handelsleuten waren
an der Tagesordnung. Im September 1223 legte man in Venedig über die
Schädigungen, die durch Untertanen des Markgrafen und die Leute von
Ariano den Venezianern zugefügt worden waren, ein besonderes Register
an, das bis zum Jahre 1225 noch manche Vermehrung erfuhr *) und deut-
lich erkennen läßt, um welche Waren es sich bei diesem Verkehre besonders
handelt.
Neben den verschiedenen Getreidearten begegnen an Lebensmitteln
Bohnen^), Haselnüsse und Feigen, frisches und getrocknetes Fleisch. Wein
begegnet in Quantitäten von 18 Amphoren, das eine Mal im Wert von 144,
das andere Mal von 126 1. ven.; als besondere Weinsorte erscheint einmal der
Muskateller. 6) Neben den Rohstoffen der Textilindustrie, Hanf''), Flachs
und Baumwolle, finden sich Leinwand, verschiedene Tuchsorten, besonders
die grauen Tuche von Verona 8) und daneben die purpurnen von Lucca,
fertige Kleidungsstücke, seidene und andere Bänder, Tischtücher, wollene
Mützen, Gürtel, darunter 12 Gürtel von Paris. Auch Perlen, Ringe und
sonstige Schmucksachen von Gold und Silber sind vertreten. Es erscheinen
*) Differenzen über die Qualität der Lieferung führten am 5. Juni 1200 zu
einem zwischen vier Ratsherren des Dogen und vier vom Podesta von Ferrara im
Namen der Kaufleute der Stadt getroffenen Abkommen ; ebd. 13.
*) Ebd. IV I p. 19. In seinem Vertrage mit Mantua vom 7. Juli 1208 ^Murat.
Antiqu. 11, 874) bedingt sieh Ferrara aus, falls es in Feindschaft mit Venedig lebt,
den Mantuanern den Durchzug dahin verbieten zu dürfen, unter der Voraussetzung,
daß es das gleiche Verbot allen Lombarden gegenüber erlasse.
*) Näheres Winkelmann I, 256 ö". Salzer 34 ft".
*) Lib. pleg. p. 172—182. Minotto UI 1 p. 16 ff.
*) Salinguerra ließ einmal 20 moggia Bohnen, die im Hause des Ottobono
Pagani in Ferrara deponiert waren, fortnehmen. Lib. pleg. p. 181.
«) Ebd. 179. Minotto 23.
^ Lib. pleg. p. 180. Vgl. das Capitulare de Filacanapis von 1233 bei Monti-
colo G. I Capitolari delle arti venez. sottoposte alla giustizia etc. I (Rom 1896)
p. 101 : Sparcinam aliquam non comperabo . . . que veniat de Feraria necjue de
ipsius districtu neque de alia parte.
8) Lib. pleg. p. 175: 8 pezze im Wert von öl'/-. 1-, P- 177: 2 balle di grigio,
Wert 125 1., p. 179 : 2 balle di grisello, Wert 150 1. ven.
702 Sechsundvierzigstes Kapitel.
ferner von Waren der Levante Pfeffer, Ingwer und Ingwerbrot ^) , Zucker,
Datteln, Galanga wurzeln, Brasilholz und Sandelholz; endhch zwölf sjo-ische
Börsen (bursae) und acht tiraforti de Siria, wobei es freilich fraglich
bleibt, ob es sich nicht um abendländische Imitierungen handelt. Wenn
wir endlich erwähnen, daß in diesen doch sehr zufälligen Aufzeichnungen
auch Seide und Schwefel begegnen, so wird ein Zweifel darüber nicht be-
stehen, daß dieser Handelsverkehr ein ebenso reger wie vielseitiger war.
Auch über die Erhebung widerrechtlicher Abgaben führte man in Venedig
Klage ; im November 1224 beschwerte sich M. Badoer darüber, daß ihm bei
Bragantino oberhalb Ferraras von jedem Migliajo seiner Waren 12 den. imp.
(je zur Hälfte für Ferrara und den Papst) abgenommen worden seien, und
durch Erhebung der gleichen Abgabe bei Ficcarolo wurde die Handels-
gesellschaft des G. Michiel um 5 1. imp. geschädigt 2), so daß es sich hier
um einen Transport von mindestens 1000 Zentnern gehandelt haben muß.
Dennoch stockte der Handel nicht gänzüch ; durch gemeinsames Reisen,
bewaffnetes Geleit, Abmachungen mit den jeweiligen Machthabern suchten
sich die Kaufleute nach Möglichkeit zu schützen. An förmliche Versiche-
rung erinnert der Fall des Venezianers Marco Cheolo und seiner drei Reise-
gefährten, denen der Armbrustschütze Pietro im Jahre 1225 Sicherheit für
ihre Waren bis zum Betrage von 1000 1. garantiert hatte. Von Untertanen
des Markgrafen zwischen Volano und Goro angefallen, erlitten sie einen
Verlust von 393 1. Da der Versicherer nicht zahlte, ließ ihm die Signorie
8 Armbrüste im Werte von 400 1. pfänden und diese den Versicherten gegen
Quittung als Schadenersatz überweisen. 3)
Nachdem im Jahre 1225 durch Vergleich zwischen Salinguerra und
Azzo wieder geordnete Verhältnisse in Ferrara hergestellt waren 4), verstän-
digten sich auch die Städte wieder und schlössen am 23. August 1226 den
Vertrag von Loreo.^) Die alten Verträge wurden wieder in Kraft gesetzt;
alle Ansprüche auf Schadenersatz sollten gemäß den Bestimmungen von
1191 geregelt werden, und zwar hatte zuerst der Doge zehn geschädigte Ve-
nezianer nach Ferrara zu schicken, dann, nach Erledigung ihrer Beschwerden,
Ferrara zehn geschädigte Ferraresen nach Venedig und so fort; Klagen
über Mordtaten und ungerecht erhobene Abgaben sollten erst nach den
anderen erledigt werden. Außerdem wurde bestimmt, daß der Podestä den
Ferraresen, die nach Venedig oder Chioggia gingen, um Salz einzukaufen,
nach Ankunft des Salzes in Ferrara eine Beglaubigung zum Ausweis bei
der venezianischen Behörde ausstellen sollte ; auch trat Ferrara der Handels-
sperre gegen Padua bei.
553. Schon 1228 trübte sich das Verhältnis zwischen Venedig und
Ferrara von neuem. Am 12. April erhob Pietro Acotanto in Venedig Klage,
daß er auf der Heimkehr von Brindisi her von Ferraresen beraubt worden
sei 6), und seit dem September desselben Jahres verlangte Venedig bei allen
Weintransporten, die über Loreo kamen, Bürgschaft dafür, daß der Wein
>) pincebrata p. 175.
«) Ebd. 181.
») Lib. pleg. no. 295, 313.
♦) Winkelmann I, 284 f. setzt den Ausgleich in das Jahr 1226 ,- doch siehe
Salzer 34 A. 37.
») Minotto III 1 p. 34 ff. Lib. pleg. no. 415.
•) Minotto III 1 p. 38. Lib. pleg. no. 608.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 703
nicht ferraresischer Herkunft sei oder Ferraresen geliöre. i) Offenbar hatte
also Venedig die Handelssperre über Ferrara verhängt. Zur Herstellung des
Friedens erschien der Podestä von Ferrara, der Mailänder Humbertus de
Marnate, selbst an der Spitze einer Gesandtschaft in Venedig; am 19. Aug.
1230 auf 10 Jahre in Venedig abgeschlossen, wurde der Friede am 11. Sep-
tember in Ferrara vor den Gesandten Venedigs, Johannes IVIichael und Ja-
<jobus Barotio, feierlich beschworen. 2) Abgesehen von den Bestimmungen
über Schadenersatz betraf dieser Vertrag besonders die kommerziellen Be-
ziehungen. Zunächst sollte die Salzeinfuhr der Venezianer nach Ferrara in
keiner Weise behindert werden dürfen ; nur sollte die Vermessung des zur
Entladung kommenden Salzes von den amtlich von Ferrara bestellten Salz-
prüfern (assa9atores salis), natürlich gegen eine Gebühr, vorgenommen werden
müssen. Auch bezüglich aller anderen Waren sollten die Venezianer im
Verkauf wie Einkauf unbehindert sein, doch hatten sie hier von jedem Um-
satz dem von der bischöflichen Verwaltung angestellten Wiegemeister (ape-
satori masserii laborerii episcopatus) für je 10 Ztr. 10 den. imp. zu entrichten.
Sonst sollten sie in Ferrara selbst wie in Ficcarolo und im ganzen Gebiet
von Ferrara von allen Abgaben an Papst, Bischof oder Gemeinde frei sein^),
mit Ausnahme einer pro Schiff zu erhebenden Gebühr von 3 den. ven., die
auch nur dann zu erheben war, wenn das Schiff im Hafen von Ferrara
zum Zweck des W^arenverkaufs anlegte. Nur passierende venezianische
Schiffe wurden also jetzt abgabenfrei, während eine am 11. Oktober 1228
in Ferrara erlassene Zollordnung zwar jene Schiffsgebühr von 3 den. ven.
auch schon kennt, von allen poaufwärts fahrenden venezianischen Schiffen
aber eine Abgabe von 6 den. imp. von jedem MUliarium (10 Ztr.) verlangte.^)
Besondere Bestimmungen betrafen die Ausfuhr von Lebensmitteln aus
Ferrara. Zunächst sollten die Venezianer die Erträge ihrer Besitzungen im
Ferraresischen vollständig nach Venedig schaffen dürfen, solange der Preis
für den Scheffel Weizen in Ferrara nicht über 14 den. imp. hinausging; für
die mit dem Siegel des Podestä versehene Ausfuhrlizenz waren 4 den. imp.
zu zahlen. Einmal im Jahre hatte der venezianische Gastaldio die Gesamt-
höhe dieser Erträge unter Eid anzugeben. Unter den gleichen Bedingungen
war den Venezianern aber auch sonst die Ausfuhr von Getreide und Ge-
müse nach Venedig gestattet; ebenso war ihnen der freie Ankauf von Fischen
an einer ganzen Anzahl unterhalb Ferraras gelegener Orte wie Fratta, Adria,
Ariano erlaubt. Endlich bedang sich Venedig aus, daß jedermann sicher
und unbehindert auf dem Po und durch dessen Mündungen Lebensmittel
nach Venedig transportieren dürfe.
554. Der Vertrag war dem Ablaufen nahe, als die politischen Verhält-
nisse Venedig die Gelegenheit gaben, seine kommerzielle Stellung Ferrara
gegenüber außerordentlich zu verstärken. Seit dem Übertritt Salinguerras
») Minotto m 1 p. 39 ff. Lib. plag. no. 648, 661 f., 670 f., 706 f. 716 (31. März
1221), womit die regelmäßigen Eintragungen im Lib. pleg. enden. Übertretung des
Verbots durch Leute von Loreo und Venezianer no. 664 f.)
') Nur der die Ferraresen verpflichtende Teil des Pactum ist erhalten. Mi-
notto m 1 p. 41 f. Muratori Antiqu. IV, 361 ff. Theiner I, 90 ff. no. 156. B.-F.-W.
13056. Simonsfeld in Hist. Zeitschr. 84 (1900) Anm. auf p. 438.
') Ausgenommen war indes durch eine vorgängige protokollarische Erklärung
des Podestä der »introitus Contratarum Ferrarie sicut consuetus est colligi< ; eine
Verminderung desselben hätte gegen seinen Amtseid verstoßen. Vgl. Lenel 61.
") Murat. Antiqu. II, 32.
704 Sechsundvierzigötes Kapitel.
zum Kaiser (1236) strebte der Papst danach, Ferrara Avieder zu unterwerfend)
Am Anfang des Jahres 1240 endhch gelang es dem päpsthehen Legaten,
Gregorius de Montelongo, die seit 1239 in offenem Kriege mit dem Kaiser
befindlichen Venezianer, die Emigranten von Ferrara und die Hauptorte
des wiedererstarkten lombardischen Bundes zu einem gemeinsamen Angriff
auf Ferrara zu vereinigen, dem die Stadt schließlich im Juni 1240 erlag.
Die eroberte Stadt wurde dem Legaten übergeben, der den Venezianer Ste-
fano Badoer zum Podestä bestellte; Salinguerra wurde treulos gefangen ge-
nommen und starb 1245 in venezianischer Gefangenschaft. 2) Gregor aber
schrieb nun kraft seiner Autorität als I^egat und der ihm von Ferrara über-
tragenen Gewalt dem neuen Podestä am 9. Juni vor, für die gewissenhafte
Beobachtung des Vertrages von 1230 und der von ihm zu diesem Vertrage
angeordneten Zusätze Sorge zu tragen; am 26, Juni leistete der Podestä den
Eid darauf und am 17. August 1240 wurde die neue Fassung des Pactum
offiziell ausgefertigt und von den Ferraresen beschworen.^) Gegenüber dem
Vertrage von 1230 enthält sie folgende Vergünstigungen für die Venezianer :
Bei ihrer Salzeinfuhr sollte ihnen die Auswahl unter den assagatores Co-
munis Ferrariae freistehen; falls sie das Salz in Ferrara oder Gebiet gegen
andere Waren eintauschten, sollte die Ausfuhr dieser Waren nach Venedig
unbehindert und abgabenfrei erfolgen dürfen. Die Ausübung irgendwelchen
Zwanges gegen die Venezianer, ihre Waren in Ferrara zu löschen, war ver-
boten. Für Hanf wurde die Wiegegebühr von 10 auf 8 den. imp. ermäßigt.
Die Ausfuhr von Lebensmitteln aus Ferrara nach Venedig durfte fortan,
ob es sich nun um die venezianischen Besitzungen im Ferraresischen han-
delte oder nicht, nur dann untersagt werden, wenn der Preis des Scheffels
Weizen 18 den. imp. überstieg; die Gebühr für die Ausfuhrlizenz wurde auf
die Hälfte herabgesetzt. Allgemeiner und schärfer als früher wurde betont,
daß der Transit von Getreide, Wein und Lebensmitteln jeder Art durch das
Ferraresische nach Venedig, woher und auf welchem Wege auch immer
er erfolge ^), nicht behindert oder mit Abgaben belastet werden dürfe ; eben-
sowenig dürfe ein Zwang zum Verkauf dieser Waren in Ferrara geübt werden.
Endlich -^ und das ist die wichtigste Neuerung — versprachen die Ferra-
resen, Waren, die von der See her durch eine der drei Pomündungen oder
sonst eingingen, nur dann in ihrer Stadt zuzulassen, wenn sie von Vene-
zianern eingeführt wurden. 0)
So wichtig dies Monopol des Seeimports nach Ferrara für Venedig
auch war, man darf seine Bedeutung doch nicht überschätzen. Große See-
schiffe und Schiffe aus fernen Landen kamen überhaupt nicht nach Ferrara.^)
») Baer 110. Lenel 62.
2) Lenel 63 f. Baer 109 tf. Da Canal p. 371 fE.
3) Minotto in 1 p. 45 fE. Theiner I, 111 no. 191. B.-F.-W. 13 334.
■•) Statt Padua bei Minotto p. 47 ist natürlich Padum zu lesen.
') Promiserunt quod non recipiantur ali()ua mercimonia in F. vel districtu,
qüe per mare fuerint apportata, seil, per portus Primarii, Volani et Gauri vel
undecumque per mare nisi a Venec. Ob das letzte Wort in Veneciis oder
Venetis aufzulösen ist, bleibt zweifelhaft; s. Lenel p. 64, der sich für das erstere
entschieden hat ; vgl. auch Chone p. 98. Ich halte a Venetis (wie Theiner liest ;
danach Baer 112, auch B.-F.-W. 1. c.) für das Richtige, weil für Eingänge zur See
von Venedig her andere Wege als die Pomündungen unmöglich in Betracht
kommen konnten.
*) Die die Zeiten Salinguerras idealisierende Schilderung (s. auch Salzer 13. 37)
des erst nach 1309 verfaßten Chron. parv. Ferrariae (Muratori SS. VIII, 483): »ex
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 705
Es handelt sich ausschheßlich um Küstenfahrer im adriatischen Verkehr;
in der Zollordnung von 1228 erscheint Apulien als das äußerste Land, aus
dem Schiffe in den Hafen von Ferrara einliefen.^) Worauf es Venedig
hauptsächlich ankam, war der Ausschluß Anconas und der anderen See-
plätze der Marken sowie der Bewohner des sizilischen Königreichs von dem
Handel mit Ferrara und den stromaufwärts gelegenen Gebieten, wobei der
Lebensmittel- und der Salzhandel hauptsächüch in Betracht kamen ; Ravenna
liatte es schon durch den Vertrag von 1234 von dem Lebensmittelhandel
dahin ausgeschlossen ; in derselben Richtung der venezianischen Handels-
politik bewegt sich der Vertrag mit Ferrara von 1240. War der Seeimport
vertragsmäßig den Venezianern allein vorbehalten, so hatte es die Signorie
in der Hand, durch einseitige Verordnungen den Schiffahrtsverkehr nach
Ferrara ganz nach ihrem Belieben zu gestalten, also wenn es ihr beliebte,
auch den direkten Verkehr venezianischer Küstenschiffe zwischen Apulien
und Ferrara zu untersagen.
Am 28. Februar 1247 haben die Ferraresen vor Gesandten Venedigs
den Eid auf das Pactum von 1240 feierlich erneuert 2); die Durchführung
seiner Bestimmungen wurde von venezianischen Wachtschiffen kontrolliert,
bis Venedig dann auf Grund eines Vertrages mit Ravenna im Jahre 1258
am Po di Primaro eine besondere Feste, das Kastell von San Alberto oder
Marchamö, anlegte. 2)
555. Für die Verbindung Ferraras mit dem Meere hätte Ravenna bei
seiner Lage nahe dem damahgen Hauptmündungsarm des Po von größter
Wichtigkeit sein müssen, wenn es nicht eben kommerziell von Venedig so
völlig überflügelt worden wäre. Nur der Salzreichtum Ravennas bheb auch
in der späteren Zeit für Ferrara von Bedeutung. Nach dem ältesten erhal-
tenen Vertrage, der am 25. September 1200 nach der Niederlage Ravcimas bei
Argenta geschlossen wurde*), hatte Ravenna an Ferrara jährlich 2000 Ztr.
Salz unversteuert abzugeben ; das Maß beim Zumessen des Salzes sollte das-
selbe sein, wie es vor Beginn des Krieges vor 4 Jahren gewesen, und auch in
Zukunft im Salzhandel mit den Ferraresen so bleiben ; die assazatores salis
waren von Ravenna darauf zu vereiden, daß sie den ferraresischen Kauf-
leuten, die Salz einkauften, ihr richtiges Maß gaben. Der von den Ferra-
resen zu entrichtende Salzzoll durfte nicht mehr als 3 sol. parv. für den
Zentner und 2 den. rav. für den Korb betragen; auch sollten sie frei wählen
dürfen, wo sie in Ravenna ihr Salz kaufen wollten; die von Ravenna ein-
geführte Reihenfolge der Verkäufer nach dem Lose war in 2 Jahren für
immer aufzuheben.
Im übrigen sollte für die Ferraresen in Ravenna vollständige Verkehrs-
und Handelsfreiheit herrschen; nur bezüglich des Handels mit Brod und
omni civitate maritima ingressae per ostia Padi naves onerariae maximae
caveatae etc.« findet sonst in den Quellen keinen Anhalt; Lenel hat der anziehen-
den und lebhaften Darstellung dieser späten Quelle zu viel Glauben geschenkt.
*) Von genuesischen und pisanischen Schiffen, wie Lenel 55 annimmt, ist
in ihr nicht die Rede; vielmehr stellt sie Genuesen und Pisaner als gelegentlich
zu Lande nach Ferrara kommende Kaufleute mit den Deutschen auf eine Stufe.
») Minotto m, 1 p. 50.
') Näheres Lenel 65 ff.
*) Winkelmann, Philipp S. 338. Muratori, Antitju. IV, 373. Theiner I, 32.
Tarlazzi I, 72 no. 37.
Sctaaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 45
706 Sechsundvierzigstes Kapitel.
Wein sollten sie an die besonderen von Ravenna verordneten Beschrän-
kungen gebunden sein und Salz nur von den Ravennaten selbst, auch nicht
von den Cerviensern i), kaufen dürfen. Die gleiche Verkehrsfreiheit stand
den Ravennaten in Ferrara zu ; doch durften sie Salz stromauf nur bis Fer-
rara führen und in Ferrara nur an Ferraresen verkaufen ; außer mit Brot
und Wein war auch ihr Handel mit Hanf den besonderen von Ferrara
erlassenen Bestimmungen unterworfen. Zölle sollten nur in der von dem
alten Vertrage festgesetzten Höhe erhoben werden dürfen; vom Passierzoll
in Argenta waren die Ferraresen frei. Endlich übernahmen beide Städte
die Verpflichtung, für die Sicherheit der Straßen zu Lande und zu Wasser
in ihrem Gebiet und gegebenenfalls für Schadenersatz und Bestrafung von
Übeltätern Sorge zu tragen.
Die in den nächsten Jahrzehnten zwischen Ferrara und Ravenna nach
den nicht selten auftretenden kriegerischen Verwickelungen geschlossenen
Verträge 2) enthalten handelsgeschichtlich bemerkenswerte Tatsachen nicht;
der Vertrag Ravennas mit Venedig von 1234 mußte dann eine wesentliche
Verminderung seines Handelsverkehrs mit Ferrara zur Folge haben, da er
die Ausfuhr der wichtigsten Erzeugnisse Ravennas, Getreide und Salz, nach ;
anderen Orten als nach Venedig vollständig ausschloß.^)
556. Von den bedeutenderen Städten der Lombardei war Man-'
tua der Adria am nächsten; es kam seinem Handelsverkehr mit der.
Küste zustatten, daß es nicht bloß auf den guten Willen von Fer-
rara angewiesen war, sondern auch den freilich unbequemeren Weg
durch veronesisches Gebiet zur Etsch und weiter nach Venedig wäh-
len konnte. Ende 1191 hat es sogar einmal mit Verona einen Ver-
trag zur Herstellung eines Kanals vom Po zur Etsch geschlossen, der
seine Verbindung mit Venedig von Ferrara unabhängig machen sollte, il
Zwar war Verona damals noch mit Venedig verfeindet; aber schon
stand der von Mantua lebhaft befürwortete Ausgleich bevor; und in dem
Vertrage selbst bestimmte man, daß Verona wegen seines Verhältnisses zu |B
Venedig keine Sperrung dieses Kanals sollte vornehmen dürfen, selbst wenn -
seine Aussöhnung mit Venedig nicht zustande käme. 4) Während Mantua dann
am Ende des Jahrhunderts mit Ravenna in engem Bündnis stand, ist der
älteste Vertrag zwischen Venedig und Mantua, von dem wir wissen, 1204
geschlossen ß) ; leider ist er noch nicht veröffentlicht. Doch auch so können
wir erkennen, daß der Handelsverkehr zwischen den beiden Städten ein
ziemlich reger war. Aus dem Jahre 1188 besitzen wir den Eid, den ein
Mantuaner, Rodolfino de Zoto, bei seiner Aufnahme in das venezianische
Bürgerrecht leistete; vor allem hatten diese naturalisierten Fremden zu be-
schwören, mit ihrem Bürgerrecht in keiner Weise die Waren Fremder, sei
es bei der Ausfuhr oder der Einfuhr, zu decken.*') Mancherlei Aufschluß ^
') Die Lesart bei Tarlazzi p. 72 : emere tan tum a Ravennate et non a Cer-
viense nee ab alia persona, scheint mir doch sinnentsprechender als die bei Mura-
tori, nach der der Salzkauf auch bei den Cerviensern erlaubt gewesen wäre.
») Von 1212: Murat. Antiqu. HI, 227; 1221: IV, 435; 1227 ebd. 430.
») Oben § 532.
*) Cipolla p. 306. Unten § 575.
») d'Arco Vn no. 85 p. 170. Lenel 40 A. 1.
«) Romanin 11, 412 f. no. 4. Statt: »que viri Ven, facere nisi sunt« ist
lesen: »visi sunt«.
i|
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria 707
erhalten wir auch hier aus dem Liber plegioruni. Im Januar 1224 werden
verschiedene Venezianer des Diebstahls an einem Mantuaner beschuldigt;
im folgenden Jahre erlitt der Venezianer Giovanni Balbo auf dem Wege
nach Mantua durch einen Überfall markgräflicher Untertanen bei Ficcarolo
einen Verlust von 40 1. ^) Im Frühjahr 1224 transportierte ein Venezianer
100 Ztr. Feigen nach Mantua, während 4 Mantuaner in drei Posten das
fünffache Quantum derselben Ware und ein fünfter Mantuaner 15 Ztr. Käse
ebendahin ausführten. 2) Im Jahre 1236 exportierte der Venezianer Leo-
nardo Grimani 10 Fässer Öl nach Mantua, die der dortige Podestä, wir wissen
nicht aus welchem Grunde, konfiszieren ließ; der neue Podestä, Graf Riz-
zardo von Verona, hat dann im folgenden Jahre Schadenersatz in Höhe
von 80 1. imp. versprochen.^) Aus dem Mantuanischen ging besonders Wein
nach Venedig; im Herbst 1228 hat der Doge in drei Fällen Mantuanern,
die ihre mit Wein beladenen Barken in Loreo liegen hatten, gegen Bürg-
schaft, daß der Wein nicht Ferraresen gehöre, die Erlaubnis gegeben, mit
ihren Fahrzeugen nach Venedig zu kommen.4)
In der Zeit des Krieges zwischen Venedig und dem Kaiser entstand
eine Differenz zwischen Venedig und Mantua, weil dieses der alten Gewohn-
heit zuwider von den venezianischen Kaufleuten einen Zoll in Form eines
Geleitsgeldes zu erheben anfing. Der Protest, den Venedig durch seine Ge-
sandten Marino Morosini und Giovanni Quirini einlegte, fruchtete anfänglich
nichts; doch kam es zur Zeit des Friedensschlusses zwischen Venedig und
dem Kaiser auch mit Mantua zu einer Verständigung. Mantuanische Ge-
sandte versprachen am 11. Oktober 1245 dem Dogen, als Ersatz für den
(3rhobenen Zoll&) 5000 1. ven. zu zahlen; die Bürger beider Städte sollten
zwischen Venedig und Mantua auf dem Po wie auf den hergebrachten
öffentlichen Straßen völlige Sicherheit genießen unter der Voraussetzung,
daß sie die für Lebensmittel, Pferde und Waffen bestehenden Verbote
respektierten. Das Abkommen, das den Venezianern in ihrem Handels-
verkehr mit Mantua volle Abgabenfreiheit von neuem garantierte, sollte
4 Jahre in Kraft bleiben, falls nicht inzwischen ein allgemeiner Friedens-
schluß erfolgte.
557. Auch Brescia stand mit Venedig in direktem Handelsverkehr.
Über Mella und Oglio führte der Wasserweg nach Venedig, wobei freilich
mantuanisches und ferraresisches Gebiet passiert werden mußte; sicher ver-
schaffte es ihm diesen beiden Städten gegenüber eine günstigere Stellung,
daß es in der Lage war, auch d(Mi Weg über Verona zu wählen. Im Früh-
jahr 1224 sehen wir unter der üblichen Bürgschaftstellung zwei Kaufleute
von Brescia 212 Ztr. Käse, einen dritten 50 Ztr. Öl und einen Venezianer
100 Ztr. Feigen nach Brescia transportieren ; auch können wir einen aus
Brescia stammenden Spezereikaufmann in Venedig nachweisen. ^) Als Brescia
1242 ausnahmsweise vom Dogen die Erlaubnis zum direkten Bezüge eines
größeren Quantums Salz erwirkt hatte, hatte es sich über Mantua zu beklagen.
') Lib. pleg. no. 40 u. p. 176 ; Minotto III, 1 p. 27 f.
«) Lib. pleg. no. 63, 76 f., 94, 100, 113. Minotto IV, 1 p. 27. Erlaubnis zum
Besuch der Messe von Mantua oben § 549.
») Lib. pleg. no. 720.
*) Ebd. 648, 661, 671. In einem Fall enthielt die »plata< 8, in einem andern
7 Faß.
") Pro restitucione tanse ablate vel dacii ablati Venetis. Minotto HI, 1 p. 50.
•) Lib. pleg. no. 45; 118, 127; 84. Minotto IV, 1 p. 26.
45*
708 Sechsundvierzigstes Kapitel.
daß dieses, einem früheren Versprechen zuwider, das von Chioggia kommende
Salz nicht zollfrei passieren lassen wollte ; doch ließ sich Mantua schließlich
zu einem beträchtlichen Zollnachlaß bewegen, i)
Die bequeme Wasserverbindung rief schon früh einen lebhaften
Verkehr auch zwischen Cremona und Venedig hervor.
Im Jahre 1173 erschienen drei kaufmännische Konsuln Cremonas als
Gesandte ihrer Kollegen und der consules majores in Venedig und schlössen
am 28. März mit dem Dogen Sebastiano Ziani einen Vertrag, in dem sich
beide Städte für ihre Bürger auf den Grundsatz verpflichteten, daß ein Gläu-
biger sich immer nur an den Schuldner und dessen Hab und Gut zu halten
habe ; falls aus dessen Mitteln Befriedigung nicht zu erlangen sei, so müsse
er eben den Schaden tragen. Es ist einer der ältesten gegen die Mißbräuche
des Represalienwesens gerichteten Verträge ; außer den Unterhändlern haben
ihn verschiedene in Venedig weilende Cremonesen als Zeugen mitunter
zeichnet. 2)
Im Frühjahr 1224 exportierten 4 Kaufleute von Cremona 60 Ztr. Käse,
50 Ztr. Öl und zwei Posten von je 100 Ztr. Feigen aus Venedig nach Cre-
mona 3); zur selben Zeit wurde dem Venezianer Petrus Osbergerius der Ex-
port von 40 Ztr. Öl nach Cremona oder Mantua gestattet. ^) Cremona war
damals seit geraumer Zeit im Bann der Kirche und diese suchte den Trot:
der Stadt dadurch zu brechen, daß sie jeden Verkehr mit ihr verbot; um
der Forderung der Kirche äußerhch zu genügen, hatte der Doge auch in
einer besonderen Verordnung auf die Beachtung dieses Verbots hingewiesen,
ohne derselben indessen irgendwie Nachdruck zu verleihen. Als Venedig
aber wegen dieses laxen Verhaltens am 1. Mai 1225 im Auftrage des Papstes
mit dem Interdikt belegt wurde ^), suchte die Signorie die Kirche doch durch
entschiedenere Maßregeln zu beschwichtigen. Am 9. Juni berief der Doge
alle Sensale Venedigs zu sich und verbot ihnen bei Strafe, ohne seine be-
sondere Erlaubnis Handelsgeschäfte, bei denen ein Cremonese beteiligt sei,
zu vermitteln oder sonst Verkehr mit Cremonesen zu unterhalten; selbst
das bloße Sprechen mit einem Cremonesen sollte ihnen verboten sein.*»)
Daraufhin wird die Aufhebung des Interdikts wohl erfolgt sein; immerhin
gibt es zu denken, daß Venedig eine förmliche Handelssperre über Cremona
auch damals nicht verhängt zu haben scheint. Nach der 1228 aufgezeich-
neten Zollordnung Ferraras transitierten die von Cremona auf dem Po nach
Venedig weitergehenden Waren offenbar auf Grund älterer Verträge ab-_
gabenfrei. ')
558. Erheblich schwieriger und darum auch weniger lebhaft war
der Verkehr zwischen Venedig und Mailand, das weit mehr nacli
Genua gravitierte.
Mit dem Kreuzzuge von Damiette hängt es wohl zusammen, wenn im
August 1219 die Gesandten Mailands, Albertus de Van9olo und Aselerius de
II
1) Winkelmann, Acta I, 538 no. 680 f.
») Prutz II p. 373.
») Lib. pleg. no. 108, 66, 79, 92.
*) Ebd. 106.
=>) Ficker IV, 342—845. Winkelmann I, 266.
6) Minotto IV, 1 p. 36. Lib. pleg. no. 290.
') Muratori, Antiqu. II, 31.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande 11. d. Seeplätzen d. Adria. 709
Trivulcio, dem Dogen bescheinigen, daß er ihnen dem Abkommen gemäß
<lie zmn Transport von 11000 Ztr. erforderhchen Schiffe zur Verfügung ge-
stellt habe.i) Doch ergeben sich aus dem Liber plegiorum auch reine
Handelsbeziehungen der beiden Städte [ im Frühjahr 1224 sehen wir zwei
Mailänder 50 Ztr, Öl aus Venedig nach ihrer Heimat transportieren, während
ein dritter die Herausgabe von 25 Dutzend »ovetarum« und verschiedener
Seiden- und Zwirnwaren, die bei einem der Sekretäre des Dogen, Wilhelm
von Novara, deponiert waren, beansprucht; da er Bürgschaft für den Fall,
daß jemand anders sein Besitzrecht an diesen Waren nachweisen könnte,
anbot, so wurde seinem Anspruch stattgegeben. In einem Falle geht der
Transport noch über Mailand hinaus; im März 1224 hat Petraco von Como
nnt«r üblicher Bürgschaftsleistung 30 Ztr. Öl von Venedig nach seiner Heimat-
stadt exportiert. 2) •
559. Aus der Zollordnung von Ferrara von 1228 ergibt sich,
daß auch noch andere lombardische Städte, »wenn auch gewiß nur
verhältnismäßig selten, für den Handelsverkehr mit Venedig in Be-
tracht kamen. ^)
Am günstigsten stand unter ihnen Parma, das in Ferrara für seinen
Transit nach Venedig abgabenfrei war ; P a v i a hatte nur eine Schiffsgebühr
zu zahlen; Bergamo, dessen Tuche in Venedig in dieser Zeit auch sonst
nachweisbar sind 4), hatte einen Zoll vom Ballen (pro torsello) zu entrichten,
während Placentiner, die über Ferrara nach Venedig wollten, für die
zwanzig kleine Zentner fassende Karrenlast 12 den. imp. zu steuern hatten.
Der Satz erscheint ziemlich hoch ; bei seinen engen Beziehungen zu Genua,
seinem Gegensatz zu Cremona und Parma und der infolge der Kämpfe der
Uferstaaten nur zu häufig mangelnden Sicherheit der Schiffahrt durch eine
Reihe von fremden Stadtgebieten wird Piacenza von seiner scheinbar so
günstigen direkten Wasser Verbindung mit Venedig nicht oft Gebrauch ge-
macht haben. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß in den Verträgen, die
Venedig mit den deutschen Herrschern im 12. Jahrhundert schloß, nunmehr
innerhalb des Geltungsbereichs der königlichen Privilegien auch Piacenza
(neben den schon früher genannten Cremona, Mailand, Pavia) besonders
aufgezählt wird.*^)
Über den Handelsverkehr zwischen der Lombardei und Ravenna
fließen die Nachrichten nur sehr spärlich ; offenbar war er in früheren
Zeiten erheblich stärker als gegen Ende unserer Periode, wo der Ver-
trag Ravennas mit Venedig die Ausfuhr von Lebensmitteln und Salz
von Ravenna nach der Lombardei völlig unterbunden hatte.
Das Privileg König Lothars für die ravennatische Kirche S. Maria in
Portu von 1137 gestattete ihr die abgabenfreie Ausfuhr von Salz nach der
Lombardei, insbesondere nach Mantua, Cremona und Pavia ^) ; imd Salz von
Cervia begegnet 1238 als Zinsleistung an die bischöfliche Kirche von Parma.'^)
•) Minotto IV, 1 p. 23 : tot navcs in quibus ponebant 1100 milliara secundum
conventionem eorum.
2) Lib. pleg. no. 91, 130.
») Muratori, Antiqu. U, 30 f.
*) Lib. pleg. no. 352 (c. 1225).
'•") Zuerst im Pactum von 1111 ; Const. et acta I, 152 no. 101.
«) St. 3347. Bernhardi, Lothar p. 679.
■) Affö III, 363 no. 61.
710 Sechsund vierzigstes Kapitel.
Die Zollordnung Ferraras von 1228 zeigt uns endlich auch , daß berga-
maskische Kaufleute über Ferrara mit Ravenna zu verkehren pflegten.i)
560. Auch für die Hauptorte der Emilia war nicht Ravenna,
sondern Venedig der eigentliche Seehafen.
Die Modenesen hatten in der Lagunenstadt in der Parochie San
Giovanni di Rialto ihre besondere Herberge ; ihr Herbergswirt, Flogerio von
Cremona, bürgte am 31. Mai 1227 für die beiden Modenesen Corradino de
Magistro und Bonomi von Parma, die am 18. April mit der Signorie einen
Vertrag geschlossen hatten, durch den sich jeder der beiden zur Lieferung
von je 25 Mastbäumen und je 25 Segelstangen in vorgeschriebener Größe
und Dicke bis Ende Juni verpflichtete, falls ihre Vaterstadt nicht etwa die
Holzausfuhr untersagte ; außer dem Preise von 5 1. für je einen Mastbaum
und eine Segelstange Avurde ihnen die Erlaubnis zugesichert, 18 Scheffel
(staja) Weizen abgabenfrei von Venedig nach Modena exportieren zu dürfen.^)
Wie für Modena der Panaro, so vermittelte für Bologna der Reno
die Verbindung mit dem Po und weiterhin nach Venedig. Schon 1116
gebot Kaiser Heinrich V., daß niemand die Bolognesen in der Schiffahrt
poabwärts nach Venedig irgendwie behindern dürfe, s) In dem Vertrage
zwischen Bologna und Ferrara von 1193 wurde bestimmt, daß Bolognesen,
die mit einem beladenen Fahrzeug über Ferrara nach Venedig gingen, eine
Schiffsgebühr von 2 sol. ferr. und ebensoviel an Zoll für jede Last zu zahlen
hätten ; bei der Rückkehr sollten sie dann abgabenfrei sein, sowohl für das
Schiff, falls sie nämlich mit demselben Fahrzeug heimkehrten, wie für die
Ladung, soweit sie nur aus dem Erlös der auf der Hinreise mitgeführten
Waren angekauft war.'*) In der Zeit der ferraresischen Wirren sehen wir
einen venezianischen Kaufmann auf dem Wege nach Bologna, einen andern
auf der Heimkehr von der bolognesischen Messe im September 1225 zu
Massa Bragantini durch Räubereien empfindliche Verluste erleiden.^)
Im Juli 1227 schlössen bolognesische Gesandte mit Venedig einen
Vertrag, der den beiderseitigen Untertanen Schutz und Handelsfreiheit, vor-
behaltlich der Erhebung der in beiden Gebieten herkömmhchen Abgaben,
verbürgte und das bei Differenzen einzuschlagende Verfahren in der üblichen
Weise regelte, ß) Bei der Ausfuhr aus Bologna spielte der Wein eine Haupt-
rolle ; der in Venedig wohnende Bolognese Giovanni Bono erhielt im Jahre
1228 von der Signorie die Erlaubnis, 20 Amphoren Wein, die für ihn schon
in Loreo lagerten, nach Venedig kommen zu lassen, wobei er Bürgschaft
dafür leisten mußte, daß der Wein nicht ferraresischer Herkunft sei. Ana-
loge Bürgschaften wurden zur selben 'Zeit auch für Vidolino von Faenza
imd Ottolino von Forli geleistet^); alle diese Weintransporte sind also
offenbar von Ravenna aus auf kleinen Küstenfahrern nach Loreo und von
hier durch die Lagunen weiter nach Venedig gekommen. Für die Be-
ziehungen Bolognas zu Ravenna kennen wir einen Freundschaftsvertrag vom
Oktober 1201, allgemeinen Inhalts; 1249 erstrebte Bologna, hauptsächlich
*) Muratori, Antiqu. II, 31.
*) Lib. pleg. no. 528, 541. Minotto III, 1 p. 37 ; IV, 1 p. 43.
») Savioli I, 2 p. 155.
*) Ebd. 172. Muratori, Antiqu. H, 891 ; IV, 447.
») Lib. pleg. p. 177 f.
«) Minotto IV, 1 p. 44.
') Lib. pleg. no. 690, 652, 714. Minotto III, 1 p. 39, 41.
Handelsverkehr zwischen dem Binnenlande u. d. Seeplätzen d. Adria. 711
im Interesse seines Salzbezugs, eine enge Zollunion mit Ravenna, allerdings
ohne damit Gegenliebe zu finden i) ; ferner wissen wir, daß die bolognesischen
Wechsler auch die Messen von Ravenna und Rimini bezogen. Im Verkehr
mit Ancona bemühte sich Bologna energisch, die grundsätzlich gleiche Zoll-
behandlung der Kaufleute von beiden Seiten durchzusetzen 2), und daß bo-
lognesische Kaufleute auch in Fermo, wenn auch nicht immer unbelästigt,
verkehrten, geht aus dem Schreiben Friedrichs II. an den Papst vom 29. Fe-
bruar 1220 hervor.'^)
561. Auch über den Apennin hinüber dehnten sich die Handels-
beziehungen Venedigs früh aus.
Schon seit der Zeit Heinrichs V. machen die Pacta mit Venedig, offen-
bar auf den Wunsch der Venezianer, auch die toskanischen Städte Pisa,
Lucca und Florenz namhaft 4); den Toskanern allerdings untersagte der
Kaiser im Jahre 1116 die Überschreitung der via Aemilia. 5) Ein Jahrhundert
später aber sehen wir, daß die Toskaner schon besondere Verkaufsbuden
in Venedig hatten ; im April 1226 äußerte man in Venedig den Verdacht,
daß diese Toskaner an einem in Venedig vorgekommenen Morde beteiligt
sein könnten.6) Im Jahre zuvor wurden toskanische Kaufleute im Gebiet
von Cavarzere ihrer Waren im Werte von 400 1. beraubt; die Gemeinde
suchte die Schuld zwar auf Ferraresen abzuwälzen, aber die venezianischen
Behörden gingen mit Strenge vor, ließen 8 Personen aus Cavarzere Kaution
für die Rückerstattung des geraubten Gutes stellen und deckten schließlich
den Betrag durch Vornahme von Konfiskationen.'') Bestimmt namhaft ge-
macht werden uns unter den Toskanern die Lucchesen. Am 24. Dezem-
ber 1224 stellen die Lucchesen Bonaventura Stefani und Rpstico Roma-
gnolo Kaution für die vorläufige Freilassung eines wegen angeblicher Betei-
ligung an einem Diebstahl verhafteten Landsmannes, indem sie versprachen,
ihn unverzüglich, sobald die Aufforderung dazu in ihre Herberge gekommen
sein würde, dem Dogen zu stellen. ^) Öfter begegnen wir auch toskanischen
Stoffen im venezianischen Handel, so einmal 24 Stück purpurnen Tuches
von Lucca 3) und in mehreren Fällen florentinischen Tuchen; so wies z. B.
das Inventar eines venezianischen Tuchladens am Rialto im Jahre 1225
6 Stück solchen Tuches auf.io) Können wir danach mit Sicherheit an-
nehmen, daß auch die florentinischen Kaufleute damals in Venedig nicht
mehr fehlten, so beruht doch die Annahme, daß Florenz und Venedig schon
am Anfang des 13. Jahrhunderts einen Vertrag miteinander geschlossen hät-
ten, auf einem bloßen Mißverständnis. n) Auch die sienesischen Kauf-
0 Savioli U, 2 p. 281; m, 2 p. 293 f. no. 652 f.
^] Stat. Camps. (1245) ruh. 41 (Stat. Sog. Bol n, 77).
») Theiner I, 49 no. 71. Rodenberg I no. 109.
*) Const. et acta I no. 102. Mit Recht hebt Lenel 53 A. 3 hervor, daß eine
Erweiterung der venezianischen Privilegien darin nicht lag. Auch lag darin keines-
wegs eine Schädigung des Handels der toskanischen Städte durch den Kaiser, wie
Davidsohn I, 791 annehmen zu müssen glaubt.
••) Unten § 563.
«) üb. pleg. no. 376.
^ Ebd. 180, 293, 309. Minotto IV, 1 p. 36, 38.
«) Lib. pleg. no. 213.
«) Ebd. p. 174.
>") Ebd. no. 233, 352. Minotto IV, 1 p. 34.
'') Am 14. August 1201 wurden Verhandlungen zwischen zwei Ratsherrn von
Florenz als Vertretern ihrer Stadt und Jacobus Rose, protomagister de Venetiis,
712 Siebenundvierzigstes Kapitel.
leute haben bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts in Venedig festen Fuß ge-
faßt; die Handelsgesellschaft der Piccolommi hat im Januar 1250 den Ranieri
di Rustichino Piccolomini zu ihrem Generalbevollmächtigten für Venedig
und das Gebiet des Patriarchen von Aquileja ernannt, i)
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Märkte und Messen.
562. Der periodische Handel weist, was die Wochen- und Jafi?
markte anbetrifft, gegen die Zeit vor den Kreuzzügen ^j im allgemeinen
keine erheblichen Änderungen auf, nur daß die Bedeutung der städti-
schen Märkte gegen früher noch wesentlich gewachsen ist. Lehrreich
für diese Bedeutung ist, was von Lodi berichtet wird.
Nach der Zerstörung der Stadt durch das überlegene Mailand im
Jahre 1111 siedelten sich die Bewohner in sechs neuen Ortschaften (burgi)
um die alte Stadt herum wieder an; auch den herkömmlich am Dienstag
abgehaltenen Wochenmarkt richteten sie in der größten dieser Ortschaften, fl
dem burgum Placentinum, wieder ein. Nach und nach wuchs die Wichtig- '
keit dieses Marktes ; von Piacenza und Cremona, Crema und Bergamo, Pavia
und Mailand selbst wurde er stark beschickt; die Besucher nahmen Her-
berge in den Häusern der Lodesanen, so daß sich ein für diese höchst ein- s
träglicher Verkehr entwickelte. Das erweckte schUeßlich die Handelseifer-
sucht der Mailänder ; gewaltsam verlegten sie den Markt fort auf eih offenes,
unbewohntes Feld ohne Rücksicht auf die schwere Schädigung der Lode-
sanen, die im Jahre 1153 ihre Klagen vor dem neuen Könige Friedrich in
Konstanz zu Gehör brachten, s)
Bei neugegründeten oder emporkommenden Orten findet sich natür-
lich auch jetzt die Neuverleihung von Märkten; so hat Sarzana am 3. No-
vember 1163 vom Kaiser das Recht erhalten, jeden Sonnabend einen Markt
(mercatum solemne) an dem Ort, der den Konsuln dafür als der geeignetste
erscheinen würde, abzuhalten ; weder in Luni selbst noch in der Grafschaft
sollte ein Markt eingerichtet werden dürfen, der diesem schädHch werden
11
i
durch eine Schlußerklärung des letzteren beendet, in der er zugleich im Namen
seiner Erben oder etwaiger Bevollmächtigten sich für befriedigt erklärte und auf
die Erhebung aller weiteren Forderungen für immer verzichtete (finivit, refutavit,
remisit, pactumque de non ulterius petendo fecit et modis omnibus
abrenuntiavit imperpetuum). Vermutlich ist er also auf einer Reise, vielleicht nach
Rom, Gegenstand eines Angriffs auf florentinischem Gebiet gewesen. Daß es sichÄ
in dieser Urkunde (Santini p. 27 no. 73) nicht um die Rückgängigmachung eines ■
Staatsvertrages handelt, wie Davidsohn I, 634 annimmt, geht übrigens schon daraus
hervor, daß der Protomagister gar nicht als Vertreter von Venedig bezeichnet wird,
sondern rein als Privatperson handelt.
1) F. Piccolomini Bandini: Carte mercantili Piccolomini del sec. Xin in:
Mise, storica senese V (1897), 74. Im Jahre 1253 erhielt Ranieri einen Nachfolger
in dieser Stellung.
») Oben § 56 f.
') Otto Morena ; SS. XVUI, 588. S. Giesebrecht V, 26, 31 f., 40.
i
Märkte und Messen. 713
könnte. 1) Als sich die Konsuln am 22. April 1201 mit Bischof Walter von
Luni, der seinen Sitz in dieser Zeit nach Sarzana verlegte, verständigten,
bestimmte man, daß die Aufstellung von Wechslerbänken am Sonnabend
und an den 4 Jahrmarktstagen nur mit Genehmigung des Bischofs (der
natürlich dafür eine Gebühr erhob) erfolgen dürfe 2); jede Verlegung eines
Markttages sollte des Einverständnisses zwischen Bischof und Konsuln be-
dürfen und die gleichzeitige Verlegung des Wechslergeschäfts, das hier an
der großen Frankenstraße offenbar von besonderer Wichtigkeit war, zur Folge
haben. Die Bußen für Führung von falschem Maß und Gewicht, die sonst
zwischen Bischof und Gemeinde geteilt wurden, sollten an Markttagen dem
Bischof allein zufallen. Im Jahre 1180 beschloß Brescia, bei der neu errich-
teten Feste von Casalolto nahe der mantuanischen Grenze jeden zweiten
Dienstag einen Markt stattfinden zu lassen, bei dem allen Brescianern Ab-
gabenfreiheit zugesichert war.^) Und als es sich 1217 um die Gründung
von Borgofranco handelte, bestand eine der Forderungen der Unternehmer
an Vercelli darin, daß »mercata et nundinae« in dem Orte eingerichtet
würden; in einem Vertrage vom 4. April 1184 gestattete Treviso den Leuten
von Conegliano die Abhaltung von 6 Jahrmärkten neben dem Kastell des
Ortes.4)
563. Am wichtigsten ist die Entwickelung, die das Meßwesen
in unserem Zeitraum, ganz besonders in der Zeit nach dem. dritten
Kreuzzuge, erfahren hat. Dabei ist ein Unterschied vor allem be-
merkensw^ert : Binnenstädte , die den Außenhandel besonders eifrig
pflegten, deren Kaufleute jenseits der Alpen eine umfangreiche Han-
delstätigkeit entfalteten, wie die toskanischen Plätze und Asti, ent-
behren der großen Messen ganz, während die besuchtesten Messen
ganz überwiegend gerade an den Orten zu finden sind, die wie Fer-
rara, Mantua, Verona, Bergamo jede Beteiligung am Aktivhandel
außerhalb Italiens vermissen lassen. Damit hängt zusammen, daß
der Osten Ober-Italiens an solchen Messen ebenso reich ist, wie sie
dem Westen und Toskana mangeln ; jene Plätze des Ostens erscheinen
vorzugsweise als Stapelplätze, deren Streben darauf gerichtet war,
den Handel möglichst an sich heranzuziehen, nicht aber darauf, selbst
Fernhandel zu treiben. Gewisse Abweichungen von der hierin wahr-
zunehmenden Regel fehlen auch hier nicht; Bologna, das sich von
den anderen Städten des Ostens durch seine kommerzielle Aktivität
unterscheidet, gehört trotzdem zugleich zu den bedeutendsten Meß-
plätzen des Ostens; und im Westen sehen wir das am Fernhandel
lebhaft beteiligte Piacenza wenigstens bemüht, zugleich auch ein wich-
tiger Meßplatz zu werden.
') Winkelmann, Acta II, 888 uo. 1235. Die unzweifelhafte Echtheit dargetan
von Scheffer-Boiehorst p. 168 S.
*) Nemo die sabhati erigat tabulam ad cambiandum in ipso loco sine con-
cessione episcopi etc. Chart. II no. 1709 p, 1215 ff.
») Lib. Potheris p. 23 (16. März).
*) Chart. I no. 830; Minotto II, 1 p. 11. P^inrichtung eines Jahrmarkts in Citta-
della am Lukastage durch Padua; Stat. Päd. no. 567 p. 183. Markt in Cividale:
Pertile A. Storia del diritto ital. II, 520 A. 372.
714 Siebenundvierzigstes Kapitel.
Besonders dicht gedrängt finden wir die großen Messen in der Gegend
der Annäherung von Etsch und Po. Hier gelangten die beiden alten Messen
von Ferrara zu blühender Entwickelung ; für ihre hohe Bedeutung schon
am Anfang des 12. Jahrhunderts spricht es, daß Kaiser Heinrich V. in seinem
Privileg für Bologna von 1116 den Toskanern, denen er im Interesse Bo-
lognas die Überschreitung der via Aemilia zu Handelszwecken im allgemeinen
untersagte, doch den Besuch dieser beiden Messen freigab, i) In seinem
großen Privileg vom 24. Mai 1164 überließ Kaiser Friedrich der Stadt Fer-
rara die Hälfte der Einkünfte aus der Martinimesse ; und Erzbischof Romuald
von Salerno berichtet als Augenzeuge von der großen Menschenmasse, die
die Palmsonntagsmesse im Jahre 1177 besuchte und so gerade zurecht kam,
um dem Papste Alexander III., der Venedig am 9. April zu Schiff verlassen,
in Loreo übernachtet hatte imd am folgenden Tage auf dem Po in Ferrara
ankam, einen festlichen Empfang zu bereiten 2); da es der Sonntag vor Pal-
marum war, so läßt sich daraus auf eine mindestens 14tägige Dauer dieser
Messe schließen.
Auf den Umkreis, aus dem die Besucher dieser Messen stammten,
wirft die 1228 aufgezeichnete Zollordnung von Ferrara ein helles Licht;
außer ganz Ober- und Mittel-Italien sehen wir auch Apulier, Franzosen und
Deutsche an diesem Verkehr beteiligt. Näheres erfahren wir aus den Ver-
trägen, die Ferrara mit seinen Nachbarn, so mit Bologna 1193, mit Modena
1198, 1212 und 1220, mit Mantua 1208 und 1216 abgeschlossen hat. 3)
564. Im Vertrage von 1198 verpflichtete sich Ferrara, den modenesi-
schen Kaufleuten auf seinen Messen wie auf allen anderen Märkten seines
Gebiets ihre Plätze ganz nach dem Wunsche der kaufmännischen Konsuln
Modenas anzuweisen, nachdem zunächst die Plätze für die Ferraresen selbst
belegt waren. Unter den Kaufleuten, die ihre Waren auf diesen Messen
vertrieben, spielten die Tuchhändler die erste Rolle. Eine ganze Zeile (bina)
war den lombardischen draperii eingeräumt, unter denen die mailändischen
besonders erwähnt werden; neben ihnen hatten die mantuanischen ihre
Stände, in denen sie ihre farbigen Tuche verkauften. Eine besondere Zeile
wieder hatten nach altem Herkommen die Modenesen zum Verkaufe ihrer
starken Tuche (drappi grossi) inne, während auch die Bolognesen mit ihren
großen Tuchen *) ihren eigenen Standort hatten. Alle diese italienischen
Tucher brachten also hier ihre eigenen Fabrikate oder doch die ihrer en-
geren Landsleute zu Markt. Nächst ihnen spielten die Kürschner (pelliparii)
die wichtigste Rolle; war doch in diesen Zeiten der Verbrauch der Rauch-
waren jeder Art ein verhältnismäßig weit bedeutenderer als heutzutage.^)
Die mantuanischen Kürschner hatten ihre Stände nach altem Herkommen
den ferraresischen gegenüber, während die Buden der modenesischen in der
Verlängerung der Zeile der Kürschner von Ferrara aufgeschlagen wurden.
Ebenso sollten nach dem Vertrage mit Mantua von 1208 auch die übrigen
1) St. 3140. Savioli 1, 2 p. 156. Vgl. Lenel 53. Ein Beleg für den Besuch
der Martinimesse durch Florentiner bei Davidsohn I, 795 A. 1 für das Jahr 1197.
«) St. 4015. SS. XIX, 444. Giesebrecht V, 820 ff. Lenel 53.
') Bologna: Muratori, Antiqu. II, 893; IV, 449 f. Savioli H, 2, 173. PertUe,
Storia del diritto it. 11, 520. Modena: Muratori, Antiqu. II, 889; IV, 711 und 431.
Mantua: Ebd. II, 873; IV, 426.
*) Mercatores panni majoris ; Murat. Ant. 11, 893. Bei Savioli heißt es panis,
bei Mur. Ant. IV, 450 pannis.
») Ein mercatum pelliarum salvaticarum in Mailand (1219), Leg. Munic. 11, 957 .
Märkte und Messen. 715
Gewerbetreibenden (ceteri nostri paratici) nach der herkömmlichen Ordnung
untergebracht werden, während sich Modena für seine Krämer (merzarii)
ausbedang, daß sie in der gleichen Zeile wie ihre ferraresischen Berufs-
genossen Buden in beliebiger Zahl erhielten. Nicht fehlen durften natürlich
auch die Bänke der Wechsler, von denen uns die der Bolognesen und Mo-
denesen besonders genannt werden. Aus dem Statut der bolognesischen
Wechsler von 1245 ergibt sich manches bemerkenswerte Detail. Danach
pflegten die Wechsler von einem ihrer Konsuln zu den fremden Messen
begleitet zu werden und die Stadt gab ihm auf ihre Kosten einen Judex
als Rechtsbeistand mit. Rechtzeitig ließen die Konsuln an alle Wechsler-
geschäfte die Aufforderung ergehen, wegen der Erlangung von Wechsler-
ständen Meldungen einzureichen; die Stände wurden dann durch ein Los-
verfahren verteilt, an dessen Ergebnis unverbrüchlich festgehalten werden
mußte. Wer sich zu spät meldete, erhielt, wenn es sich noch machen ließ
einen Platz an letzter Stelle. Nach dem Statut sollten die Konsuln 6 Tage
vor der Palmsonntagsmesse einen Unterhändler nach Ferrara schicken, der
wenn nötig auch unter Aufwendung von Geldmitteln besonders bei den
»factores binarum« die Aufstellung geräumigerer Stände für die Wechsler
von Bologna erwirken sollte. ^) Vervollständigt wurde das bunte Jahrmarkts-
treiben durch allerlei fahrendes Volk ; als Wolfger, der Bischof von Passau
und Patriarch von Aquileja, 1204 zur Zeit der Palmsonntagsmesse durch
Ferrara reiste, gab er außer 3 1. imp. für Tuche auch je 5 sol. mezzanorum
für eine Sängerin, einen alten Gaukler in rotbrauner Tunika und einen an-
deren »vociferator« aus. 2)
Alle Fremden, die mit ihren Waren zur Messe kamen, waren grund-
sätzlich während eines 14tägigen Aufenthaltes in der Zeit unmittelbar vor
und während der Messe vom Uferzoll befreit ; auch die sonst bei der Abreise
an die Zolleinnehmer zu entrichtende Gebühr für die Erteilung der mit dem
.\mtssiegel versehenen Lizenz wurde von ihnen nicht erhoben.^) Dagegen
war jeder für den Stand, den er auf der Messe einnahm, zur Zahlung eines
Standgeldes verpflichtet 4); bei der Martinimesse fielen in dieser Zeit Vs davon
der Stadtgemeinde, "Vs dem Missus des Papstes zu. Die Modenesen haben
sich 1198 ausbedungen, daß sie an Standgeld oder sonstigen Meßabgaben
nicht mehr zahlen sollten als die Ferraresen selbst; ja selbst wenn eine Er-
höhung dieser Abgaben für die Ferraresen eintreten sollte, sollten die mode-
nesischen Meßbesucher davon unberührt bleiben. Im Vertrage von 1220 ist
ihre Abgabe pro Zelt oder Wechslerbank (pro furcata et tabula) auf 2 sol.
imp. festgesetzt; ebensoviel hatten schon nach dem Vertrage von 1193 die
bolognesischen Wechsler und Tucher für die auf dem Territorium des Doms
errichteten Buden zu zahlen. Auch den Mantuanern wurde 1208 durch Ver-
trag zugestanden, daß sie nicht mehr als die Ferraresen selbst oder die
meistbegünstigten unter den lombardischen Kaufleuten zahlen sollten. We-
sentlich niedriger war die Abgabe bei den umherziehenden Händlern; der
ebengenannte Vertrag setzt sie auf nur 2 imp. fest. 5)
») Stat. Soc. Bol. II p. 62, 66, 74 f., 98.
■■') Zingerle p. 25.
s) Zollordnung von 1228 ; Murat., Ant. II, 32. Auch im Vertrage mit Bologna
von 1193: Abgabe pro centenario, nisi in foroannualiin quo nihil dare debent.
*) Zollordnung 1. c. : Omnis forensis qui facit stacionem in mercatis F. et
discarigat suum havere, non solvat ripaticum, sed stazonaticum.
<>) Nee aliquid ah eis accipiant de .storata nisi 2 imp., Ant. 11, 873.
716 Siebenund vierzigstes Kapitel.
Die Meßgerichtsbarkeit über Fremde wie Einheimische wurde von
einem vom Papst bestellten Beamten (missus, nuntius) und den Zolleinneh-
mern (rivarii) Ferraras ausgeübt; auf dem Markte selbst war für sie eine
besondere (lerichsstätte eingerichtet. Berufung von ihren Entscheidungen
war nicht zulässig; die Gerichtsgebühr betrug 57o vom Werte des Streit-
objekts. Von den Gerichtsgefällen der Palmsonntagsmesse fiel die Hälfte
dem Bischof und dem Domkapitel, die andere dem Missus des Papstes und
der Gemeinde in dem uns schon bekannten Verhältnis von 3:5 zu. i)
565. Wie Ferrara hatte auch Bologna zwei Messen im Jahre, die
Prokulusmesse , die am 1. Mai begann, und die Renomesse im August.
Wenn erstere ursprünglich sicher in der Umgebung der Kirche des Heiligen,
nach dem auch ein Stadtviertel benannt war, abgehalten sein wird, so hatten
Joch schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts beide Messen unzweifelhaft
außerhalb der Stadtmauern in der weiten Ebene am Ufer des Reno ihre
Stätte ; am 31. Mai 1204 Avurde der Grundstein zu der von den Konsuln der
Kaufleute und der Wechsler Bolognas »in insula fori Reni« gegründeten
Bartholomäikirche gelegt. 2) Die Kommunal-Statuten Bolognas 3) verheißen
allen Meßbesuchern für Person und Waren während des Marktes selljst wie
14 Tage vor- und nachher volle Sicherheit für Aufenthalt sowie Hin- und
Rückreise; zu Jeder Messe deputierte die Stadt einen Richter und einen
Ritter, 2 Notare und 10 Amtsdiener, während die Meßgerichtsbarkeit für
Zivilsachen in die Hand von 4 judices causarum gelegt war, die nach dem
für die Messen ausgebildeten Gewohnheitsrecht, nicht aber nach dem sonst
in den Statuten vorgeschriebenen ordentlichen Verfahren zu richten hatten.*)
Nicht früher finde ich die Messen von Bologna positiv erwähnt als
1195, wo in dem Bericht einer Rechnungskommission die Höhe der in An-
satz gebrachten Ausgaben für die Renomesse bemängelt wird -'•) ; doch ist un-
zweifelhaft, daß sie damals schon längst entwickelt und weithin bekannt
waren. Als am 26. April 1196 ein Bevollmächtigter des Patriarchen von
Aquileja unter dem Patronat Cölestins HI. bei Kaufleuten von Piacenza ein
Darlehn von 70 M. Sterl. aufnahm, wurde dasselbe auf Bologna abgestellt
und für den Fall des Verzuges ein Zuschlag von je 7 Mark von einer Messe
bis zur anderen stipuliert. ^)
Besonders häufig verkehrten die Nachbarn von jenseit des Apennin,
die Florentiner, auf diesen Messen, wie uns in erster Linie die erhaltenen
Fragmente des Hauptbuches eines florentinischen Bankgeschäftes beweisen.'')
1) Zollordnung von 1228. Murat. Ant. U, 32.
2) Stat. Soc. Bol. n, 485. Gaudenzi p. 14 f.
' 8) Statuti di Bologna (1245—1265^ ed. L. Frati (Bologna 1869—1877), H p. 220
(lib. 8, 27), III, 67 f. (10, 22 a); III, 325 (11, 76); II, 222 (8, 28;. Dazu Stat. Soc. Bol.
I, 133 u. 403.
■*) Statuimus quod jus fori et mercati reddatui- secundum consuetudinem
fori sive mercati non servata sollempnitate statutorum comunis Bononie sive con-
ditione alicuius statuti. Stat. di Bol. I p. 404 (1. 4, 19 a).
*) Savioli II, 2 p. 188 bei der ratio Sturletti massarii und p. 189 bei der ratio
Pelavacce.
8) Pro retorno (hier zuerst rindet sich dieser Ausdruck) de feria in feriam.
Das ergibt hier also nicht mehr als den gewöhnlichen Jahreszins von 20 "/q. Kehr P.,
Papsturkunden in Friaul; in Götting. Nachr. 1899 p. 281. Schulte I, 262. Auch ein
Darlehn des Bischofs von Passau (um 1230) war in Bol. zu erstatten ; Auvray 1462.
^) Frammenti p. 170 — 174. Auch eine Urkunde von 1221 spricht von den
Ständen der Florentiner auf der Bologneser Messe. Stat. Soc. Bol. 11, 487.
Märkte und Messen. 7 IT
Zwei Spalten desselben enthalten genaue Eintragungen über die Posten^
die Florentiner Geschäftsleute den Vertretern dieses Bankhauses, unter denen
ein Arnolfino hervortritt, auf der Prokulusmesse (san ßrocolo) von 1211
schuldig geworden sind ; die Summe der in Florenz zu erstattenden Beträge
beläuft sich auf etwas über 300 1. Unter den auf der Bologneser Messe
tätig gewesenen Debitoren befinden sich 2 Gerber, Angiolino Bolognini und
Orlandino von S. Trinita, die gegenseitig für einander bürgen; ferner von
bekannteren Namen Guido de la Spada, der zusammen mit Donato Ciat-
feri unter diesen Debitoren mit dem höchsten Betrage, etwas über 107 1.,
erscheint, Albertino Paganelli, Mainetto Tornaquinci. Wir sehen, wie diese
Campsores ihren im Warenhandel tätigen Landsleuten, die sie auf die Messen
begleiteten, in der Vorstreckung von Bargeld, in der Vermittelung und dem
Ausgleich von Zahlungen und im gesamten Buchverkehr ganz ebenso zur
Seite standen wie daheim; die Zahlungen selbst sind sämtliöh auf die flo-
rentinische Heimat abgestellt ; bei dem Mangel an Umlaufsmitteln war diese
Seite der Tätigkeit der Wechsler auf den Messen, die eine erhebliche Ver-
minderung der Barzahlungen ermöglichte, von ganz besonderer Wichtigkeit.
In Bologna für Florentiner Kaufleute ausgestellte Wechsel auf die Cham-
pagner Messen sind schon erwähnt; die Zahl der in Bologna weilenden
Toskaner war so groß, daß sie sich um die Mitte des 13. Jahrhunderts zu
einer besonderen Bruderschaft zusammenschlössen, deren uns erhaltene Ma-
trikel bis 1248 zurückreicht 1) ; aus demselben Jahre stammt eine Bestim-
mung der Statuten des Popolo von Bologna, wonach Toskaner, die 10 Jahre
in Bologna ansässig waren, auch wenn sie nicht über einen Immobiliar-
besitz von 200 1. bon. verfügten, zum Stadtrat und zu den Ämtern ebenso
wie die anderen Bürger Bolognas zugelassen werden sollten. 2)
Von den Bolognesen selbst wissen wir, daß sich die einzelnen Zünfte S)
bestimmte Terrains auf dem Meßplatze durch Pacht zu sichern suchten ; für
die Zunft der Händler mit ordinären Tuchen (societas de Bixetto) ist der,
Pachtkontrakt von 1221 erhalten, der ihr 15 Zelte von 12 Fuß Breite neben
den Ständen der Messerhändler, der Florentiner und der Wechsler gegen
eine Pacht von 12 den. imp. für Zelt und Messe einräumt, "i) Auch von der
WoUenzunft von Bologna wissen wir, daß sie ihre Zeile auf der Messe hatte. 0)
Bei den Wechslern erfolgte die Verteilung der Stände auf den heimischen
Messen ebenso wie auf den fremden ; für sie ist nur eine Breite von 8 Fuß
vorgeschrieben. Das Wechslerstatut verpflichtete sie u. a., bezüglich aller
Guthaben, die ein anderer Wechsler oder ein Fremder auf einer der beiden
Messen bei ihnen hatte, Umschreibungen ganz nach dem Willen des Gläu-
bigers vorzunehmen ; wollten sie das nicht, so mußten sie unverzüglich Bar-
zahlung leisten, widrigenfalls die Konsuln der Wechsler eine Disziplinar-
strafe von 5 sol. für den Fall über sie zu verhängen hatten. Alle Meß-
schulden der Campsores untereinander waren bis zum zweiten Tage nach
der Entfernung des Gemeindezeltes vom Meßplatze zu begleichen. 0)
') Oben §287. Stat. Soc. Bol. I, 411 £., ebd. p. 89: Stat. et ordin. fraterni-
tatis et soc. Tuscoriim Bononie commorantium von 1256.
'') Ebd. n, 521 (rub 45).
') Homines artium Bononie. Stat. Soc. Bol. II, 486; Urk. von 1219.
*) Ebd. 487. GaudenzÄ 16 u. 23.
•'•) Stat. Artis Lanae rub. 49 (ca. 1240; Stat. Soc. Bol. II, 298).
«) Stat. Camps. (1245) rub. 35 f., 34, 21 (Stat. Soc. Bol. II p. 74, 73, 69).
718 Siebenundvierzigstes Kapitel.
566. Nördlich von Ferrara hatte sich in dieser Zeit auch Badia, an
der unteren Etsch zwischen Venedig, Padua, Verona, Mantua und Ferrara
günstig genug gelegen, zu einem nicht unwichtigen Meßplatze herausgebildet;
der unter veronesischer Hoheit stehende Ort^) hatte sich im Anschluß an
die alte Abtei S. Maria di Vangaditia, die sich auch der Gunst Friedrichs II.
zu erfreuen hatte 2), entwickelt. Für die Bedeutung dieser Messe, die im
Juni stattfand, spricht vor allem, daß wir die rührigen Florentiner auch hier
tätig finden. Jener Arnolfino hat sich im Jahre 1211 unmittelbar von der
Prokulusmesse aus hierher gewandt ; sein Haus gab ihm ein Geschäftskapital
von 78 1. pis. in 134^/4 1. veron. mit und rechnete ihm die Reisekosten mit
1 1. bonon, an. Von 6 Florentiner Geschäftsfreunden wurden ihm ferner für
die Reise zu dieser Messe beträchtliche Summen anvertraut, so daß er im
ganzen über annähernd 500 1. pis. verfügte. 3) Auch jene Beraubung floren-
tinischer Kaufleute in den zwanziger Jahren im Gebiet von Cavarzere hat
zur Zeit der Messe von Badia stattgefunden ; und ein venezianischer Händler
hatte, als er die Messe von Badia in dieser unruhigen Zeit besuchte, einen
Verlust von Waren im Werte von 1501. ven. zu beklagen. 4)
Padua hatte schon im 12. Jahrhundert Messen, die »in Prato Vallis«
abgehalten wurden und ihren Mittelpunkt an den Festtagen des hl. Pros-
docimus und der hl. Justina hatten ; als städtische Organe wurden zu diesen
Messen 2 Konsuln mit ebensoviel Schildknappen, 2 Richter, 3 Notare und
4 Amtsdiener (praecones) deputiert. *•)
Was Verona betrifft, so begegnet zunächst der Markt von S. Michele
(östlich Verona) in der Zollordnung von 1173, die zugleich auf seinen Be-
such durch die Lombarden Bezug nimmt <*); ein anderer Jahrmarkt fand
jedenfalls, wie früher, am Tage des hl. Zeno (12. April) statt.
567. Die Messen von Mantua wurden erst im Jahre 1191 begründet''),
haben sich dann aber rasch entwickelt. Noch im selben Jahre versprachen
die Mantuaner den Veronesen, falls diese ihnen alle bisher auf ihren Jahr-
märkten erhobenen Abgaben erlassen wollten, ihnen gegenüber bezüglich
der neueingeführten Abgaben auf den Mantuaner Jahrmärkten das gleiche
zu tun; jedenfalls aber wollten sie von den Veronesen nicht mehr erheben,
als diese von den Mantuanern erhoben. Bald traten die neuen Messen Man-
tuas mit den alten Ferraras in lebhafte Konkurrenz; der durch die Frage
der freien Schiffahrt auf dem Po gesteigerte Gegensatz der Handelsinteressen
führte schließlich zum Kriege, in dem Mantua die Oberhand behielt. Fer-
rara fügte sich am 14. Juni 1198 einem Schiedsspruch Veronas, nach dem
es eine seiner beiden Hauptmessen den Mantuanern zu überlassen hätte;
jede der beiden Städte sollte nur eine Messe haben, zu der man sich gegen-
seitig völhg unbehinderten Besuch zusicherte. 8) Indessen ist dieser Spruch
1) Lib. Jur. Civ. rub. 194 u. 284.
«) Privileg vom 28. März 1219; Winkelmann, Acta II, 9 no. 9.
2) Frammenti p. 175.
*) Oben § 561. Lib. pleg. p. 180 u. 178.
°) Stat. Päd. p. 182 no. 564. Konsuln gab es in Padua nur bis 1194; ebd.
p. IX. Nach no. 565 (von 1275) gehörten zu jeder Messe je 3 Tage vor und nach
dem Fest.
*) Atti dolla deput. ven. als Anhang zum N. Arch. ven. X (1895), 471 f.
'') Ann. Mant., SS. XIX, 19 : et fuerunt nundine Mantue incepte.
8) D'Arco VII no. 85 p. 169 (2. Juni 1198 : Feststellung der Bedingungen, unter
denen Mantua den Schiedsspruch des Podestiv von Verona, Guelfus, annehmen
würde); I p. 148 no. 9: Eid der Ferraresen.
Märkte und MesHcn. 719
nicht zur Ausführung gekommen, trotz des von den Ferraresen vor den Ge-
sandten Mantuas und Veronas geleisteten Schwurs; Verona spielte ein
Doppelspiel, so daß es schon im folgenden Jahre zwischen ihm und Mantua
zum Kriege kam, in dem dieses bei Ponte Molino (nördl. Ostiglia) unter-
lag. 1) Später sehen wir dann die beiden Messen Mantuas so angesetzt, daß
sie den Messen Ferraras unmittelbar voraufgingen. Im Vertrage von 1208"^)
versprachen sich beide Städte, niemanden am Besuch ihrer Messen zu hindern,
Mantua mit der Einschränkung, daß seine eigenen Messen erst ihr Ende
erreicht hätten; Mittwoch abend vor dem Lazarus-Sonntag (Judica) wollte
Mantua durch den Stadtherold öffentlich ausrufen lassen, daß es allen
Fremden von diesem Zeitpunkt ab freistehe, die Palmsonntagsmesse von
Ferrara zu besuchen, und das gleiche sollte am 4. Tage nach Allerheiligen
in bezug auf die Martinimesse geschehen. Auch auf der Messe von Man-
tua können wir den Verkehr florentinischer Kaufleute nachweisen. Am
17. Oktober 1220 hat der Florentiner Bernardus Calcagni seinem Lands-
mann Drudolus Baldesi als ^^ertreter seiner Handelsgesellschaft gegen ein-
gezahlte Valuta von 325^/4 1. pis. einen Wechsel über 400 1. bonon. aus-
gestellt, der zu Allerheiligen auf der Messe von Mantua fällig war und auf
Drudolus, seine Gesellschaft oder Order (cui D. voluerit aut concesserit)
lautete. Jedenfalls handelt es sich um Tuchhändler, da die Urkunde in der
Callemala zu Florenz aufgenommen ist.^)
Es ist von Interesse zu bemerken, daß auch die Hauptmessen
im unteren Po- und Etschgebiet einen Turnus darstellten: 1. Erste
Messe von Mantua (um Laetare), 2. Palmsonntagsmesse von Ferrara,
3. Prokulusmesse von Bologna im Mai, 4. Messe von Badia im Juni,
b. Renomesse von Bologna im August, 6. Michaelismesse von Verona,
7. Allerheiligenmesse von Mantua, 8. Martinimesse von Ferrara,
568. Westlich von der Minciolinie hatte Brescia um die Mitte des
13. Jahrhunderts zwei Messen von je achttägiger Dauer, von denen die eine
in der Fastenzeit im Kastell, die andere um Maria Himmelfahrt auf dem
Broletto abgehalten wurde. 'i)
Von größerer Bedeutung scheint die alte Alexandermesse von Ber-
gamo (um den 26. August) gewesen zu sein, König Lothar hat in d^n
Jahren 1132 und 1136 den Dom von Bergamo in dem Recht, die »curritura«
(= curatura) von diesem Markte wie von den anderen Märkten in Bergamo
und Gebiet sowie die Einkünfte von den Ständen auf dem Marktplatze der
Stadt und um denselben zu beziehen, ausdrücklich bestätigt, s) Über die
Höhe dieser Marktabgabe entstand im Jahre 1189 ein Rechtsstreit zwischen
verschiedenen Kaufleuten von Novara und Mailand, die mit ihren mit Tuch-
ballen beladenen Karren auf der Alexandermesse erschienen waren , als
») Cipolla, p. 324 f.
2) Muratori, Antiqu. U, 873.
*) Santini p. 385. S. meine Studien z. Gesch. etc. des ältesten Cambium in
den Conradschen Jahrbüchern 65 (1895), 162; in dem damals allein bekannten Re-
gest Santinis heißt es irrtümlich, daß die Rückerstattung auf den Märkten von
Modena oder Mantua zu erfolgen hätte. — Bolognesische Wechsler auf den Messen
von Mantua : Stat. Camps. (1245) rub. 85 (Stat. Soc. Bol. 11, 98).
••) Tempore fere Castri et fere Broli, per 8 dies pro qualibet etc. Stat. Bresc.
in Leg. Munic. 11, 1584 (150). Dazu Valentini A,, Gli Statut! dl Brescia im N, Arch.
ven. XV (1898), 48.
6) Oben § 56. St. 3269 f. und 3333. Bernhardi, Lothar p. 444 u. 653.
720 Siebenundvierzigstes Kapitel.
Klägern und den Vertretern der Vinzenzkirche, an die damals die Rechte
des Domes übergegangen waren, i) Die Sache wurde in dem auf der Messe
errichteten Gemeindezelt vor dem Konsul und Richter Januarius, den der
Podesta für alle Streitigkeiten auf der Messe delegiert hatte, verhandelt;
Zeugen, die selber mit der Erhebung dieser Abgabe Jahre hindurch zu tun
gehabt, wurden vernommen; am 23. August erging unter dem Beirat sach-
verständiger Männer das die Kläger abweisende Urteil. 2) Es ergibt sich,
daß seit alten Zeiten (per longissima tempora) von den mit Tuchballen oder
auch anderen Waren beladenen Karren (plaustrum oder carrus) 4 den. imp.,
von der aus einem verpackten Tuchballen bestehenden Last 2 den. imp. zu
zahlen waren. War der Ballen schon aufgebunden, also nicht mehr voll-
ständig, so ermäßigte sich die Abgabe auf 1 den, oder bei geringerem Um-
fange des Ballens unter Umständen nach Vereinbarung mit dem Einnehmer
auch weiter. 3) Die Abgaben war<Mi nur bei Verkauf oder Kauf der Waren
zu leisten und wurden sowohl vom Verkäufer wie Käufer erhoben, falls
dieser nicht, wie es natürlich häufig der Fall war, ein Bürger oder Edel-
mann von Bergamo war. Außerdem erfahren wir, daß Fremde auf dieser
Messe ein Standgeld von 2 den. imp. zu zahlen hatten, während sie vom Ufer-
zoll befreit waren.*) Deutlich tritt hervor, daß auch auf dieser Messe der
Tuchhandel eine besonders wichtige Rolle spielte; dabei wurde im Berga-
maskischen selbst die Tuchfabrikation recht lebhaft betrieben. 0)
569. In Mailand bestand zunächst die alte Hauptmesse im Juni fort;
als im Jahre 1105 aus Anlaß der Auffindung kostbarer ReHquien in der
Kirche S. Maria ad Portam am 9. Mai ein hohes kirchliches Fest ein-
gerichtet wurde, verband man damit ebenfalls einen Jahrmarkt und ver-
hieß allen Besuchern unverbrüchlich sicheres Geleit für eine Woche vor
und eine Woche nach diesem Feste. 6) Lange Zeit hören wir dann nichts
von diesen Messen und es muß dahingestellt bleiben, ob sie die Katastrophe
Mailands von 1162 überdauert haben. Nach dem Vertrage Mailands mit
Como vom 16. September 1196 waren die Comasken zu offenem Kauf und
Verkauf bei allen Messen und Jahrmärkten Mailands und seines Gebiets
ebenso zuzulassen wie die Mailänder selber und umgekehrt; und in der
1216 erfolgten Aufzeichnung des Mailänder Gewohnheitsrechts heißt es, daß
die Commune nach Herkommen verpflichtet sei, den kaufmännischen Kon-
suln wie in anderen Dingen so auch bei den Messen Beistand zu leisten.')
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die vier starkbesuchten mailändischen
Jahrmärkte, von denen Bonvesin de Ripa in der 2. Hälfte des 13. Jahr-
hunderts redet, auch in der ersten schon bestanden haben, s)
*) Eonchetti G., Memorie istoriche della citta e chiesa di Bergamo ; III (Berg.
1807) p. 106 f. Kaiserliches Diplom für die Vincenzkirche vom 23. Nov. 1159.
'■*■) Lupus II p. 1401 ff. mit stellenweise recht verderbtem Text. Eonchetti
ni, 192.
") De soma toselli licchati im Gegensatz zum tosello svolto oder einzelnen
peciae panni.
*) Ausdrücklich heißt es auch in den Statuten von Bergamo (Leg. Munic. 11,
2002 ; coli. Xni rub. 9), daß niemand teneatur rivam dare in mercato fere s. Alexandri.
*) Ebd. p. 2011 ff. rub. 36 ff". ; rub. 41 : Potestas debeat providere, ut panni
flant cuiusque speciei, secundum quod fiunt Verone et alibi per Lombardiam, se-
cundum quod melius fieri posaunt comode etc.
•) Oben § 57. Landulf. jun. de S. Paulo c. 22 (SS. XX, 34).
') Hidber, Urk.-Beilage no. 88 p. 111 u. 115. Berlan p. 73 rub. 31.
*) De magnalibus urbis Mediol. im Bull. stör. it. no. 20 (Eom 1898) p. 113.
Märkte und Messen. 721
Im Gebiet von Como hatte Ologno zu Maria Himmelfahrt eine drei-
tägige Messe (14. — 16. August), zu der Como einen Bevollmächtigten des
Podestä, einen Gerichtskonsul mit Notar und einen Trompeter entsandte. i)
In Vercelli bestand seit alter Zeit die Eusebiusmesse ; im Jahre 1164 ist
uns eine genuesische Handelsreise zu dieser Messe begegnet. 2) Die Ein-
richtung des Studium generale in Vercelli in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts scheint dann den Messen an diesem ja auch für den transalpinen
Handel sehr günstig gelegenen Knotenpunkt einen besonderen Aufschwung
gegeben zu haben *^); die Eusebiusmesse dauerte nun, mit dem 1. August
beginnend, 14 Tage, ebensolange die Allerheiligenmesse, die 8 Tage vor und
8 Tage nach dem Feste stattfand. ^) In der Instruktion, die Vercelli im
Jahre 1244 seinen Gesandten an den Papst mitgab, werden diese angewiesen,
dafür Sorge zu tragen, daß der Stadt ihre gewohnten Märkte und ins-
besondere die Eusebius- und die Allerheiligenmesse vom Papste für ewige
Zeiten bestätigt würden^), während die Kirche in ihren Differenzen mit
Vercelli sich mit Vorliebe der Drohung bediente, den Besuch der Messen
von Vercelli und den Aufenthalt von Scholaren daselbst verbieten zu wollen. ß)
Eine dritte, ebenfalls 14tägige, aber offenbar weniger besuchte Messe war
die Jakobimesse, die am Jakobitage endete. ^) Die Statuten Vercellis unter-
sagten allen Fremden den Detailverkauf auf allen Messen und Märkten
seines Gebiets s); in einem Vertrage von 1231 aber versprach die Stadt, die
Kaufleute von Ivrea an dem gewohnten Kauf und Verkauf en gros und
en detail auf ihren Hauptrnessen und übrigen Märkten nicht zu hindern,
wie auch Ivrea den Kaufleuten von Vercelli gegenüber das gleiche versprach.^)
570. Weit weniger erfahren wir von den Messen der Städte am mitt-
leren Po. Als Mailand im Vertrage vom 28. Dezember 1198 auf gewisse
Beschränkungen seines Außenhandels zu gunsten von Lodi einging, wurde
von diesen Beschränkungen doch der Besuch der öffentlichen Messen von
Pavia und Piacenza ausgenommen, ^o) Es ist das einzige, was wir von
dem Fortbestehen der alten Messen von Pavia wissen. In Piacenza wurde
1169 eine neue Messe eingerichtet (Jahrmärkte kleineren Stils mögen da-
neben wie in früherer Zeit vorhanden gewesen sein), zu deren Besuch die
») Leg. Munic. II, 36 rub. 63 f. (August 1231).
») Oben § 57 und 502.
') Auf eine Anleihe französischer Kleriker, die bei Kaufleuten aus Bologna,
Siena und Parma unter Bürgschaft des Wilhelm von Chartres, damals Scholaren
in Vercelli, aufgenommen und in Vercelli fällig war, bezieht sich der Auftrag Gre-
gors IX. an den Abt von S. Andrea in Vercelli (25. Febr. 1231). Auvray 543.
*) Ergibt sich aus der Aufhebung der sonst für die Wirtshäuser bestehenden
Beschränkungen für diese Zeiten: Stat. Verc. von 1241; Leg. Munic. II p. 1199
rub. 283. In einer offenbar alten Stelle dieser Statuten (rub. 260 p. 1192) wird das
Stadtregiment allein auf die Fürsorge für die Eusebiusmesse verpflichtet.
') Ebd. Urk.-Anhang p. 1449 no. 17. In Anm. 3 gibt der Herausgeber einen
Abiiß der Geschichte dieser Messen.
8) So 1237; Auvray 3539; und 1245: Berger 1291. Rodenberg II, 80 no. 112.
») Stat. Verc. 1. c. (rub. 283).
•) Ebd. p. 1206 rub. 301 : ad ratalium de aliquo officio vel misterio non vendant
•) Chart. I, 1314 no. 880: in generalibus nundinis V. et in nundinis et mer-
catis jurisdictiqnis V. et spec. in nundinis de Briancho vendere et emere ad re-
taglum et ad grossum et sicut homines Yx)oregiae faciunt et facient.
!<*) Cod. Laud. II no. 209—211. Auch als Anhang zu den Stat. vetera Laude;
ebd. m, 586 ff.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 46
722 Siebenundvierzigstes Kapitel.
Städte der Lombardei und anderer Gebiete offiziell eingeladen wurden ; noch
in den nächsten Jahrzehnten machen die Statuten die Erhaltung und För-
derung dieser Messe den Organen der Stadt und der interessierten Korpo-
rationen zur Pflicht. 1) Einer gedeihlichen Entwickelung dieser Messe standen
indessen schon die gerade in Piacenza besonders schweren inneren Kämpfe
der folgenden Zeit im Wege. Von Cremona hören wir nur, daß es im
Jahre 1177 eine Messe zu Mosa, einem nahe der Stadt und dem Po bele-
genen Orte, begründete. 2) Parmas Hauptmesse knüpfte an den Tag des
Stadtheiligen Herculianus (5. September) an; um die Mitte des 12. Jahr-
hunderts nahm Graf Albert einst die von dieser Messe 3) heimkehrenden
Placentiner, mit deren Stadt er verfeindet war, gefangen. Im Jahre 1215
gab es neben dieser Hauptmesse noch 2 Jahrmärkte in Parma, Anfang Mai
und zu Maria Himmelfahrt, bei denen den Rektoren der Kaufmannschaft,
wie bei allen Sonnabend- und Jahrmärkten des Gebiets von Parma über-
haupt, das Aufsichtsrecht zustand. Doch bestellte die Stadt für jene drei
Märkte einen eigenen Nuntius zur Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit in den
Fällen, für die die Rektoren nicht zuständig waren. *) Die Augustmesse
vermochte sich neben der Hauptmesse auf die Dauer nicht zu halten; dafür
suchte man die Maimesse um so mehr zu fördern. 1226 wurde ihre Dauer
auf 4 Tage festgesetzt; sie sollte besonders eine Tuchmesse und ein Vieh-
markt sein. Die der Stadt gehörigen Stände waren meistbietend zu ver-
steigern und die befreundeten Städte aufzufordern, diese Messe ebenso wie
die Ercolanomesse zu beschicken. 5) In den bedeutenderen Orten des par-
mesanischen Gebiets, Brescello, Fornovo, Soragna, wurde in jedem Monat
ein Markt abgehalten, ß)
Den Binnenstädten Toskanas fehlten größere Messen ganz. Wenn die
1262 redigierten Statuten Sienas die Abhaltung eines Jahrmarktes zu Maria
Himmelfahrt, der sich auch auf je 3 Tage vor und nach diesem Fest er-
streckte, vorschreiben''), so wird die Einrichtung dieses Marktes wohl inM
unsere Periode zurückreichen; mehr als lokale Bedeutung aber scheint er™
nicht gehabt zu haben. Als Friedrich II. im September 1240 vor Faenza
seiner getreuen Stadt Viterbo große Vergünstigungen gewährte, ordnete
er auch an, daß in Zukunft hier alljährlich eine 14tägige Messe, die am
2. September, dem Tage des Erzengels Michael, beginnen sollte, abzuhalten
sei. 8) Inwieweit diese Messe zur Blüte gelangt ist, steht dahin; die Zeit-
umstände waren ihrer Entwickelung (1243 fiel Viterbo vom Kaiser ab) nicht
gerade günstig.
571. Was die Seestädte anbetrifft, so war in Genua das Jahrmarktwesen
überhaupt nicht entwickelt, und auch in Venedig hören wir in dieser Zeit
1) Job. de Mussis bei Muratori SS. XVI, 454. Poggiali IV, 296. Boselli I,
329 und 331. Für ad feriam statuam 1. statutam.
») Ann. Cremon., SS. XXXI, 5.
') De mercato s. Requiliani, ohne Ortsangabe ; Boselli I, 336 f. Da es einen
hl. Requilianus nicht gibt, erscheint die Identifizierung mit Erculianus zweifellos.
*) Stat. Farm. p. 189 f.
') Ebd. p. 61 u. 95. Über Heranziehung von Ausländern oben § 328. Über
die Ercolanomesso s. noch Ann. Parm. maj., SS. XVIII, 669 u. Stat. Parm. p. 60.
*) Stat. Parm. p. 621. Den Anwohnern des Po wird besonders verboten, den
Markt von Casalmaggiore an einem Markttage von Brescello zu besuchen.
''■) Zdekauer, Constituto p. 80 (dist. I rub. 95). Dazu Zdekauer: Frammenti
degü Ultimi 2 libri im Bull. Sen. II (1895) p. 319 rub. 170.
«) Huillard-BrähoUes V, 1044.
II
I
11
Märkte und Messen. 723
von dem später vielgenannten Jahrmarkt zu Maria Himmelfahrt, der Sensa
oder Scensa (= ascensio), noch nichts. ^) Das weniger direkt mit dem Meere
kommunizierende Pisa unterschied sich in dieser Beziehung von ihnen, aber
eigentümlicherweise damit zugleich auch von den Hauptplätzen im Binnen-
lande Toskanas. Für das Jahr 1155 ist uns das Vorhandensein einer großen
Messe in Pisa, die am Peter -Paulstage (29. Juni) gipfelte, sicher bezeugt. 2)
Wenig später aber wurde diese Messe auf Maria Himmelfahrt (15. August),
also auf den Tag verlegt, der sich immer mehr zu einem großen nationalen
Festtage Pisas herausbildete. Aus den Konsularstatuten von 1164 geht hervor 3),
daß sie eine Woche vor und eine Woche nach dem Fest umfaßte und auf
einer Wiese außerhalb der Stadt abgehalten wurde. Vor dem 1. August
war sie jährlich von den Konsuln in großer Volksversammlung anzusagen;
feierlich wurde allen Besuchern sicheres Geleit verkündet und den Orten
Tusciens und, soweit es den Konsuln zweckdienlich erschien, auch anderen
Orten entsprechende Mitteilung gemacht. Außer den Kaufleuten, die die
Messe unter der Leitung und Aufsicht ihrer kaufmännischen Konsuln be-
zogen, wurden auch die Gewerbetreibenden Pisas (omnes artes), soweit es
für die Messe nützlich sein konnte, von der Stadt zur Beschickung veran-
laßt. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Entscheidung von Streitig-
keiten wurden von der Stadt 2 Konsuln, 2 Previsores (Richter an der Curia
Usus), ein Vigil (als Leiter der Wachtmannschaften für die Nacht) und zwei
Treuguani (Friedensrichter) deputiert ; für etwa vorfallende Verbrechen blieb
das ordentliche Gericht zuständig. Bemerkenswert ist, daß die Erhebung
jeglicher Abgabe (dirictura) auf dem Markte untersagt war. Die Erhebung
von Standgeld war damit sicher nicht ausgeschlossen. In Rimini wird ein
Markt des hl. Gaudentius schon früh erwähnt; 1111 wird den Ravennaten,
die ihn besuchten, freies Geleit zugesichert, und im Jahre 1194 einigten sich
beide Städte dahin , auf ihrer Messe (fera) ihren Bürgern gegenseitig Ab-
gabenfreiheit zuzugestehen, wovon allerdings der altherkömmliche Kaiser-
schoß (dacium Imperatoris) ausgenommen wurde. *) In seinem Vertrage mit
Ferrara von 1200 erhielt Ravenna das Recht, Marktabgaben von den Ferra-
resen in derselben Höhe zu verlangen, wie sie Ferrara von den Ravennaten
erhob. 5) Auch Ragusa hatte eine größere Messe, den Sankt Blasiusmarkt
(3. Februar), der 8 Tage dauerte; im Jahre 1190 beschloß die Stadt unter
der Leitung ihres normannischen Comes Gervasius, daß allen Fremden,
selbst wenn sie Schuldner eines Ragusaners wären, für dieses Fest und drei
Tage vor- und nachher vollste Sicherheit gewährleistet sein sollte. ^)
1) Über diesen Markt s. Romanin II, 111 ; IV, 492. Marin in, 250 u. V, 297.
2) Bonaini Suppl. 28 f. Oben § 510.
^) Bonaini I p. 29. Zeitscbr. f. Handelsrecht 41 p. 113.
*) Tonini II, 347 u. 597 f.
») Tarlazzi I, 72 no. 37.
») Ljubic I p. 14.
46«
724 Achtundvierzigstes Kapitel.
Achtundvierzigstes Kapitel.
Handelswege und Handelsabgaben.
572. Mit der allgemeinen Zunahme des Handelsverkehrs im
kommunalen Zeitalter mußte auch die Bedeutung der Wasserstraßen
für den Handel eine weitere Steigerung erfahren.^)
Noch begründete das Stromregal der Reichsgewalt ein über die Theorie
hinausreichendes, mit dem Verlauf der Zeit freilich an Bedeutung wesent-
lich abnehmendes Recht. 2) Und so legten die Communen, namentlich in
der früheren Zeit, Wert darauf, ihre Interessen an der Binnenschiffahrt durch
königliche Verleihungen sicherzustellen und zu fördern. So verbriefte Hein-
rich V. am 3. Juni 1114 den Cremonesen das Recht, gemäß ihrer alten Ge-
wohnheit, sicher und von niemandem belästigt auf dem ganzen Polauf von
Pavia t)is zum Meere mit ihren Schiffen hin und zurück zu fahren und
dabei, wo es ihnen beliebte, Handel zu treiben. 3) Das gleiche Recht sicherte
der Kaiser 2 Jahre darauf auch den Bolognesen zu; dabei untersagte er
jede Anlage, durch die eine Verschlechterung der Schiffbarkeit des Reno
herbeigeführt werden könnte ; auch von dem Ufergeld und anderen Abgaben
in seinem italienischen Königreiche befreite er sie unter besonderer Hervor-
hebung Ferraras und seines Gebietes; nur zur Leistung solcher Abgaben,
die nach Recht und Gewohnheit von kaiserlichen Machtboten erhoben
wurden, sollten auch sie verpflichtet sein. 4) Daß darunter in erster Linie
Stromzölle zu verstehen waren, zeigt das Privileg Kaiser Friedrichs vom
22. Februar 1159 für das damals hochbegünstigte Cremona. Indem seinen
Bürgern auf dem Po und allen mit dem Po zusammenhängenden Wasserstraßen
Schiffahrts- und Abgabenfreiheit zugesichert wurde, derart, daß in den Graf-
schaften Reggio, Modena, Bologna, Ferrara und Ravenna kein geistlicher
oder weltlicher Herr oder eine Ortsbehörde irgendwelche Abgabe von ihnen
sollte erheben dürfen, wurde doch eine Reihe von Stromabgaben, zu deren
Erhebung kaiserliche Machtboten bestellt waren, von dieser Abgabenfreiheit
ausgenommen. Diese kaiserlichen Stromzölle betrugen in Ferrara, Scor-
zarolo (an der Ogliomündung) und Luzzara (oberhalb davon, bei Guastalla)
je 1 Solidus alter mailändischer Denare von jedem Schiff ohne Unterschied ;
in Ficcarolo, bekannt durch den großen Podurchbruch von 1150^) (ober-
halb Ferrara), Governolo (an der Minciomündung) und Guastalla hatte jedes
Salzschiff 2V2) jedes mit anderen Waren beladene Schiff 8 Sohdi der gleichen
Münze für jedes in Anwendung gebrachte Leittau (soga) zu zahlen, so daß sich
also der letztere Zoll zum Teil wenigstens als Leitgeld charakterisiert. ^) Als der
I
*) Oben § 51 f. und bezüglich der Binnenschiffahrt nach Venedig und Pisa
551 f., 557 ; 515.
*) M. G. Leges II, 111 (Beschlüsse von Roncalia) : flumina navigabilia et ex
quibus flunt navigabilia. Dazu Blondel G., Ii^tude sur les droits regaliens et la con-
stit. de R. in : M^langes Paul Fahre. Iiltudes d'hist. du moyen-äge (Paris 1902)
p. 236 ff.
=•) Muratori Antiqu. IV, 23.
*) St. 3140. Savioli I, 2 p. 155.
») Nissen H., Italische Landeskunde I (Berlin 1883), 206.
') Muratori Antiqu. IV p. 67 f. ; auch Savioli I, 2 p. 255. Apud Figarolum de"
qualibet Soga pro qua navis trahitur, quae Masseriam portat, 8 sol. mediol. vet.
Handels wege und Handelsabgaben. 725
Kaiser am 24. Mai 1164 seiner getreuen Stadt Ferrara mit Rücksicht auf die
hohen Anforderungen des kaiserlichen Dienstes in bezug auf Proviantzufuhr
und Stellung von Schiffen gegen Venedig und den veronesischen Bund ein
umfassendes Privileg gewährte, verlieh er ihr u. a. die Hälfte des Uferzolls,
ein Drittel der Einkünfte aus der Salzniederlage am Hafen (portus sahs)
und das alleinige Geleitsrecht vom Flusse Tartaro an bis zum Meere i) ; inner-
halb ihres Bistums sollten die Ferraresen von jeglichem Zoll (theloneum
aut ripaticum) befreit sein.
573. Beträchtlicher als die Zahl der kaiserlichen Stromzölle war die
Zahl derer, die durch königliche Verleihung direkt oder indirekt namenthch
an geistliche Gewalten gekommen waren. So hat Kaiser Friedrich am
22. Februar 1160 auf Bitten des Bischofs Garsidonius der bischöfhchen
Kirche von Mantua alle ihre Zölle auf dem Po, vorbehaltlich allerdings der
Zollgerechtsame des Kaisers, ausdrücklich bestätigt 2), und mehrfach finden
wir hervorragende Klöster im Besitz von Stromzöllen. Das Kloster S. Sisto
von Piacenza besaß alte Zollrechte in Guastalla (Wardestalla) ; am 6. Juli 1102
verständigte sich Äbtissin Imilda mit den Leuten des Lehnshofes über die
ihr zustehenden Abgaben s); was das altherkömmliche ripaticum anbetrifft,
so befreite sie die heimischen Kaufleute davon und behielt sich nur den
von den Fremden zu zahlenden Uferzoll vor; den anderen Zoll, der sich
schon durch seinen Namen »maltoletum« als einen mißbräuchlichen Zuschlag
charakterisierte, überließ sie, als für ein Kloster nicht passend, den Leuten
von Guastalla zur Verwendung in ihrem Nutzen. In einem Streite Ferraras
mit dem Kloster der Heiligen Marinus und Leo zu Pavia, das den Uferzoll
auf Grund kaiserlicher Privilegien für sich beanspruchte, entschied Bischof
Garsidonius von Mantua als Delegierter des Papstes Urban HL (1185 bis
1187) auf Freilassung der Ferraresen von diesem Zoll; am 13. Sept. 1187
aber kassierte König Heinrich diesen Spruch als einen Eingriff in die dem
Könige zustehenden Rechte; das Kloster sollte dies ripaticum für immer in
der Höhe erheben, wie sie durch beschworene und notariell beglaubigte
Zeugenaussagen festgestellt worden war.*) In Piacenza hatte das Kloster
der hl. Julia zu Brescia weitgehende Rechte; nach langen Streitigkeiten
zwischen der Stadt und der Äbtissin S) wurde im Juli 1157 prinzipiell
Masseriam autem dicimus quamlibet navem quascumque merces preter salem por-
tantem. Der Ausdruck ist wohl sehr nachlässig; nach dem ersten Satze kann
masseria doch nicht das Schiff selbst sein ; ich vermute, daß es nichts anderes wie
merceria bedeutet. Dazu Ficker 11, 186.
^) St. 4015. Muratori Ant. IV, 257 : widas et tansas omnes a flumine Tar-
taro usque ad mare ; auch die redditus molendinorum a flum. T. usque ad mare.
») Muratori Ant. VI, 251. S. auch d'Arco VH, 168 no. 84: Feststellung des
Rechts des Bischofs (6. März 1174) auf das ripaticum navium (außer bei Schiffen
Mantuas), auch wenn sie nicht landen.
') Cod. Cremen. II, 63. Von Abt Otto 1116 durch Verleihung politischer Frei-
heiten erweitert; Murat. Ant. IV, 59.
*) Ficker IV no. 171 p. 214. Giesebrecht VI, 166. Robolini G., Notizie suUa
storia della sua patria (Pavia 1823 f ) III, 184.
») Zahlreiche Urkunden bei Odorici V, 98; VI, 118, 120 usw. Giesebrecht VI,
588. Über diesen langdauernden Streit s. besonders B. Pallastrelli : II porto ed il
ponte del Po presse Piacenza, im Arch. stör. Lomb. IV (1877) p. 9 — 38 ; und für
spätere Zeiten Cipolla in den Atti Ven. 64 (1904/5), 2 p. 287 ff.
726 Achtundvierzigstes Kapitel.
anerkannt, daß alle Schiffe im Hafen von Piacenza unter dem Hoheitsrecht
des Klosters ständen; doch wurde der Stadt dafür, daß die Konsuln für _.
die Sicherheit des Hafens und der Schiffe zu sorgen hatten, die Hälfte der fll
auf dem Strom und im Hafen zu erhebenden Abgaben, mit Ausnahme jener
4 den., die als pedagium erhoben wurden, überlassen. Zur Einziehung der
Abgaben bestellten Äbtissin und Konsuln je zwei vereidete Personen, die
ihr Amt im Namen der Äbtissin zu verwalten hatten ; von der eingegangenen
Summe wurden erst die für den Hafen erwachsenen Unkosten abgezogen
und der Rest sodann zwischen Kloster und Stadt geteilt, i)
Der Vorgang entspricht dem allgemeinen Verlangen der empor-
strebenden Communen, die in anderen Händen befindlichen Strom-
zölle in ihrer Machtsphäre an sich zu bringen; die Gründung des
lombardischen Bundes hat sicher auch den kaiserlichen Stromzöllen
ein Ende bereitet, und wir hören nicht, daß ihre Wiedereinführung
je versucht worden wäre. Jede Commune strebte nach der unbe-
schränkten Verfügung über den Strom und alle Wasserläufe inner-
halb ihres Gebiets ; als das Ziel der Wasserstraßenpolitik der einzelnen
Postädte erscheint es, den Verkehr möglichst an den eigenen Ort
heranzuziehen, die eigene Stadt in möglichst weitem Umfange zum
Stapelplatz zu machen. Da jede Commune aber bei dieser Politik mit '
dem Widerstände der anderen zu rechnen hatte, so erlitt das Prinzip
dieser Politik in der Praxis die mannigfachsten Durchbrechungen;
zeitweise wurde es durch das allgemeine, wechselseitige Interesse über-
wunden, kam aber doch immer wieder zum Durchbruch.
574. Die größte Bedeutung hatte die Handelsschiffahrt und da-
mit die Wasserstraßenpolitik naturgemäß in den Gebieten am unteren
Po ; die Beziehungen des überaus günstig gelegenen Ferrara zu seinen
Nachbarn Bologna und Modena auf der rechten Stromseite, stromauf
zu Cremona und z. T. auch noch zu Piacenza, auf der linken Seite
des Po vor allem zu Mantua, dann aber auch zu Verona, das eben-
falls Uferstaat des Po war, seit ihm durch den Schiedspruch von 1151
der Besitz Ostiglias gegen den Anspruch Ferraras zuerkannt war 2),
stehen hier im Vordergrunde.
Sicher war es gegen die Absperrungspolitik Ferraras gerichtet, wenn
der Kaiser in seinem Privileg vom 26. Juni 1162 den Ravennaten versprach,
in ihrem Interesse die Wasserstraße des Po nach Ravenna zu sobald wie
möglich frei zu machen; falls diejenigen, die sie gesperrt hätten, seinem
Befehl nicht gehorchen sollten, werde er sie als Reichsfeinde mit dem Banne
belegen. 3) Als nach der Schlacht bei Legnano die Vereinbarung zwischen
dem Kaiser und dem lombardischen Bunde im Gange war, spielte die all-
seitige Öffnung des Po durch die Uferstaaten bei den Verhandlungen eine
wichtige Rolle.*) Nach längerem Widerstreben gestand Ferrara die von den
Rektoren des Bundes und von Venedig verlangte Öffnung schließhch zu
(7. Mai 1177), Heß sich aber gleichzeitig von ihnen die formelle Zusicherung
1) Muratori Ant. IV, 57.
*) Cipolla, Documenti p. 1.
») Const. et acta I no. 213. Ficker IV no. 130. Giesebrecht V, 318.
*) Muratori Ant. IV, 3S3 ff. Savioli II, 2 p. 70 ff.
Handelswege und Handelsabgaben. 727
geben, daß es an seine beschworene Verpflichtung, den Strom offen zu
halten, denen gegenüber nicht gebunden sein sollte, die nicht ihrerseits das
gleiche taten; namenthch in bezug auf Ravenna und Cremona^) befürch-
tete Ferrara übervorteilt zu werden. Die gleiche eidliche Verpflichtung dem
Bunde gegenüber übernahm unter entsprechenden Vorbehalten auch Mantua;
der Grundsatz der Verkehrsfreiheit auf dem Strom hatte über den Wider-
streit der Interessen der einzelnen Uferstaaten, nicht zum wenigsten unter
dem Drucke Venedigs, das damit seine Handelsinteressen am besten förderte,
den Sieg davongetragen.
Zwei Jahre darauf ließen Ferrara und Modena einen zwischen ihnen
schwebenden Streit durch Schiedspruch beilegen; Ferrara forderte von den
Modenesen in ßondeno und Ferrara selbst Ufergeld und Zoll, während Mo-
dena die gleiche Abgabenfreiheit beanspruchte, die es den Ferraresen in
seinem Gebiet gewährte. Der Schiedspruch bestätigte die herkömmUche
Abgabenfreiheit der Ferraresen und befreite auch die Modenesen von Ufer-
geld imd Zoll in Bondeno; in Ferrara selbst aber sollten sie von jedem
Schiff, das mit Ladung dorthin kam oder von da aufwärts ging, 3 den. imp.
zahlen und für Salz und Fische die üblichen Abgaben weiter entrichten. 2) Die
damalige Friedenszeit ermöglichte es, daß Ferrara auch mit Fiacenza einen
Schiffahrts- und Handelsvertrag einging, der am 15. November 1181 in erster
Linie von je einem Konsul der Kaufleute beider Städte, Guicciardo Ariberti
von Ferrara und Roberto Magnano von Fiacenza, abgeschlossen wurde. 3)
Beiderseits wurden 2 sol. (imp.) vom Schiff erhoben ; außerdem hatten die
Placentiner den nunmehr in päpstlichem Besitz befindlichen StromzolH)
von Ficcarolo zu entrichten, während die Ferraresen im Placentinischen an
den Zollstellen Roncarolo und Soprariva je 1 Pfd. Pfeffer von jedem Schiff
zu geben hatten — ein guter Beweis, daß die Ferraresen auch die Waren
der Levante stromaufwärts vertrieben. Daß sie in jener verhältnismäßig
ruhigen Zeit bis gegen Ende der Regierung Friedrich Barbarossas ihre Schiff-
fahrt auch bis Pavia ausdehnten, beweist ihr Zollstreit mit jenem pavesischen
Kloster. 0)
575. Während der schweren Wirren am Anfang der Regierung Hein-
richs VI. machte das ebenso wie Verona mit Ferrara verfeindete Mantua
einen sehr bemerkenswerten Versuch, seine Handelsschiffahrt auf dem Po
von Ferrara völlig unabhängig zu machen. Am 7. Dezember 1191 schloß
es mit Verona einen Vertragt), dessen wichtigster Gegenstand die Herstel-
lung eines Schiffahrtskanals vom Po vor seinem Austritt aus dem Terri-
torium Mantuas nach Salvaterra an der Etsch war'^), eines Kanals also, der
*) Der Kaiser hatte ihm im Jahre zuvor alle seine Rechte und Gewohnheiten
am Po, einschließlich Brücken- und Stromzölle, bestätigt. Stumpf HI p. 209 ff.
(29. Juli 1176); auch bei Prutz H, 375 f.
>) Muratori Ant. H, 33 (14. November 1179).
') Auszug bei Poggiali IV, 337. In dem im selben Jahre (9. Januar 1181) ab-
geschlossenen Pachtvertrage über den Stromzoll behielten sich die Konsuln von
Piac. ausdrücklich ihr Recht vor, »aperire et claudere aquam Padi«. Boselli I, 310.
*) Über die Geltendmachung der päpstlichen Rechte in dieser Zeit Ficker II
p. 316 f.
») Oben § 573.
8) d'Arco I, 142 ff. Doc. no. 5. Cipolla p. 302 f. Oben § 556.
») Im Privileg Heinrichs VI. für Ferrara vom 12. Febr. 1191 (Ficker IV no. 178)
heißt es : ex alio latere Athesis a bocca veteri et Salvaterra descendendo per Athe-
728 Achtundvierzigstes Kapitel.
für den Verkehr Mantuas und aller oberhalb davon gelegenen Postädte mit
dem Meere bzw. Venedig die Vermeidung Ferraras und seines Gebiets mög-
lich machen sollte; auf gemeinsame Kosten sollte er in dem kurzen Zeit-
raum vom 1. Juli bis Michaeli 1192 fertiggestellt werden.
Zur Ausführung ist der kühne Plan^), ein Vorläufer der berühmten
Tagliata der Cremonesen, die sich gerade gegen Mantua richten sollte, nicht
gekommen ; das in seiner Handelsstellung schwer bedrohte Ferrara blieb im
Felde überlegen. In einem neuen Kampfe aber siegte Mantua ; in dem durch
Verona vermittelten Frieden (1198) versprach Ferrara wiederum die Offen-
haltung des Po für ewige Zeiten; an Stromzöllen sollte Ferrara nur, wie
früher üblich, je 2 d. ver. in Ficcarolo und Ferrara, und Mantua entsprechend
je 2 d. ferr. in Governolo und Mantua (an der Leonhardsbrücke) erheben. 2)
Doch schon im folgenden Jahre, in dem das gewaltige Werk der Sicherung
Mantuas durch großartige Wasser- und Deichbauten vollendet wurde, ent-
brannte der Krieg von neuem; Verona trat auf die Seite Ferraras und im
Jahre 1200 verbanden sich Mantua und Cremona auf 25 Jahre gegen die
mächtige Liga, die Verona, Ferrara, Mailand, Piacenza, Brescia und Crema
gegen sie gebildet hatten. 3)
Um sich den Bezug von Waren, besonders des unentbehrlichen Salzes,
zu sichern, schloß Mantua am 31. Dezember 1201 einen Handelsvertrag mit
Modena*): — jedesmal, wenn ihm der Po weg versperrt sei, verpflichtete sich
Mantua, seinen Salzbedarf in Modena zu decken; falls die Salzvorräte Mo-
denas hierfür nicht ausreichten, sollten die Mantuaner zum Zwecke des Salz-
einkaufs unbehinderten Durchzug durch das Modenesische nach Ravenna,
Faenza, Forli, Bologna oder Imola haben. So wußte sich Mantua auch den
beiden vereinigten Nachbarn Ferrara und Verona gegenüber zu helfen. Im
nächsten Jahre erfolgte dann die Wiederaussöhnung der streitenden Parteien.^)
Wie stark die Handelsschiffahrt auf dem Po und seinen Nebenflüssen durch
solche Fehden beeinträchtigt werden mußte, liegt auf der Hand.
Der Umstand, daß für Bolognas Schiffahrtsverkehr das Ferraresische
kaum zu umgehen war, bewirkte, daß Ferrara ihm gegenüber an höheren
Abgaben festhielt; nach den Verträgen von 1193 und 1203 hatten die Bo-
lognesen bei bloßem Transit durch das Ferraresische von jedem Schiff, ob
groß oder klein, 12 d. imp. (= 3 sol. ferr.), sonst aber, ob es nun von Ferrara
stromaufwärts fuhr oder mit Waren von oberhalb kam, 2 sol. ferr. vel bon.
zu entrichten, ß) Dagegen verbesserte sich die Lage der Moden esen gegen
früher noch dadurch, daß ihr Anspruch auf völlige Abgabenfreiheit in Fer-
rara im Vertrage von 1198 bis auf einen mäßigen Salzzoll anerkannt wurde;
auch verpflichtete sich Ferrara, den Modenesen bei der Unterhaltung, Ver-
besserung oder Veränderung ihrer Schiffahrtstraße bis zum Po keinerlei
sim usque ad districtum Venetorum; im Privileg Friedrichs II. für Vangaditia von
1219 (Winkelmann Acta II no. 9) : ex alia parte Athesis Salvaterra etc.
*) Im Jahre 1310 hat Venedig diesen Plan im Bunde mit Verona wieder auf-
genommen. Lenel 80 f.
») d'Arco VII, 170 ; I, 148 u. 21.
3) Cipolla p. 324 f. (no. 6 u. 7) und p. 346 (no. 12) ; dazu p. 291 f.
*) Muratori Antiqu. IV, 379 ; im entsprechenden Schwur der Modenesen p. 377
ist statt Imolam et Ferrariam et Ravennam zu lesen Furlivium.
5) Vertrag zwischen Mantua und Verona von 1202 bei Cipolla, Documenti
no. 1 p. 5 ff.
«) Murat. Ant. II 891 ff. ; IV, 447 ff., 451. Savioli II, 2 no. 300.
Handelswege und Handelsabgaben. 729
Hindernis in den Weg zu legen, i) In der Zeit der inneren Kämpfe zwischen
der markgräflichen Partei und der Partei Salinguerras respektierten die Fer-
raresen diesen Vertrag nicht mehr; sie errichteten die Feste Ponte Dosso
(Castrum Pontis Ducis), die diese Schiffahrtstraße beherrschte, und beschlag-
nahmten zahlreiche Schiffe der Modenesen mit ihren Waren, die z. T. den
Bundesgenossen Modenas, den Parmesanen, gehörten. Aber die Waffen ent-
schieden zugunsten der Verbündeten ; nach dem Frieden von Ponte Dosso
vom 8. November 1213 mußte Salinguerra die Feste den Modenesen zur Zer-
störung überliefern und alle Schiffe sowie die den parmesanischen Kauf-
leuten geraubten Waren zurückerstatten oder vollen Schadenersatz leisten.2)
Nach wenigen Jahren hatte Modena Anlaß zu neuen Beschwerden über Fer-
rara, so daß es sich 1219 an König Friedrich um Abhilfe wandte, der auch
den Podestä von Parma beauftragte, Salinguerra und Ferrara durch Bedro-
hung mit dem kaiserlichen Bann zur Aufhebung der verhängten Sperre zu
zwingen. ^)
576. Gerade damals nun faßte Cremona den Entschluß, seine
kommerzielle Stellung am Po durch Herstellung eines Abkürzungs-
kanals durchgreifend zu verbessern.
Mantua war in seiner eigensüchtigen Handelspoütik so weit gegangen,
alle vom unteren Po kommenden Schiffe zu zwingen, bei Governolo aus
dem Po ab- und in den Mincio einzubiegen und in Mantua ihre Ladung
zu löschen. 4) Nun sollten die Schiffe Cremonas das mantuanische Gebiet
völlig umgehen können dadurch, daß ungefähr auf der Sehne des Bogens,
den der Po zwischen seiner Nordwendung bei Guastalla luid der Mündung
des Panaro beschreibt, ein Schiffahrtskanal (Taghata) gegraben wurde, den
der Po selbst mit Wasser zu füllen hatte. Der Plan entfesselte den heftigsten
Kampf der Interessen ; Mantua und Ferrara waren die entschiedensten Gegner
und der Papst schloß sich ihnen namenthch wegen der Zollstätte bei Fic-
carolo an. Dennoch führten Cremona und Reggio den Plan im Frühjahr
1220 erfolgreich durch, und die Tagliata blieb allen Anfeindungen, nament-
lich der Mantuaner^), zum Trotz bestehen; in den Jahren 1242 — 1244 hat
Reggio bei Ragolo eine feste Brücke über die Tagliata herstellen lassen. ^)
Deuthch zeigt dieser lombardische Kanalstreit, wie groß die Interessen ge-
wesen sein müssen, die für die Handelsschiffahrt und zugleich für die Zoll-
einnahmen der beteiligten Städte auf dem Spiele standen; nicht minder
deuthch aber lehrt er auch, welche Schwierigkeiten der Handelsschiffahrt
aus der politischen ZerspUtterung der anliegenden Gebiete erwuchsen. Wie
man dieser Schwierigkeiten am unteren Po gelegentlich Herr zu werden ver-
suchte, kann uns der am 24. Mai 1239 zwischen Ferrara und Mantua ge-
•) Murat. Ant. 11, 889 f. Juro, quod permittam Mutinensibus suum navigium
habere sicut modo est, meliorare, reficere, mutare ad voluntatem Mutine usque
in Padum et omne impedimentum inde auferre.
«) Ebd. IV, 715 f.
») B.-F. 984. Winkelmann I, 82.
*) Winkelmann I, 88. Alb. Milioli lib. de temporibus SS. XXXI, 502.
') Am 1. Mai 1223 lauerten die Mantuaner einer Schiö'skarawane der Cre-
monesen von fast 100 Salzkähnen auf, als sie bei Bondeno in die Tagliata ein-
zufahren im Begriff war, und bohrten sie in den Grund. Alb. Miliol., SS. XXXI, 504.
*) Ebd. 514 ff. Näher auf die Geschichte der Tagliata einzugehen, würde an
dieser Stelle zu weit führen.
730 Achtundvierzigstes Kapitel.
schlossene Vertrag von Massa^) veranschaulichen. Für die Sicherheit des
Handelsverkehrs auf den Wasser- und Landstraßen ihres Gebiets trat jede
der beiden Städte unter Übernahme der Ersatzpflicht ein; zwischen beiden
Gebieten aber war auf dem linken Poufer eine Lücke, in der das unter
veronesischer Hoheit stehende Ostiglia lag, das sich mit Mantua häufig in
Diflterenzen befand. Man bestimmte nun, daß, solange zwischen Mantua and
Ostiglia Streit bestand, kein Ferrarese mit Waren die unsichere Stromstrecke
auf eigene Hand passieren sollte ; vielmehr hatte er, wenn er auf der Reise
stromauf war, in Melaria, dem letzten Ort des Gebiets von Ferrara, war er
aber auf der Rückreise,^ in Governolo auf das Eintreffen einer der unter
Eskorte fahrenden mantuanischen Schiffskarawanen (muda mercatorum Man-
tuae) zu warten und sich dieser anzuschließen. Für den Fall, daß die Kauf-
leute von Mantua besondere Wachtschiffe bei Serravalle, deren Endpunkt des
mantuanischen Gebiets auf der linken Poseite, oder Revere (Ostiglia ge-
genüber) stationiert hätten, genügte es, wenn die Ferraresen von Melaria
oder Governolo aus nach diesen schickten und unter deren Geleit die Fahrt
bis zur Grenze Mantuas oder Ferraras fortsetzten. 2) Wohl um die Ferra-
resen vor etwaigen Handelsnachteilen bei Befolgung dieser Vorschriften zu
bewahren, verpflichtete sich Mantua, auch den Transport der Waren der
eigenen Bürger oder anderer Fremder nur unter entsprechenden Bedingungen
zuzulassen 3); den Konsuln von Governolo und den Kapitänen von Serra-
valle und Revere war die Aufsicht darüber zur eidlichen Pflicht zu machen.
Wenn Mantua mit den Leuten von Ostiglia in Frieden lebte, so fielen alle
diese Beschränkungen fort und es blieben nur die schon in früheren Ver-
trägen bezüglich einzelner Orte erlassenen Verbote in Kraft. Merkwürdig
ist auch, daß die Ferraresen sich ausbedangen, falls die Mantuaner dem
bestehenden Handelsverbot des Kaisers selbst zuwiderhandelten oder andere
zuwiderhandeln ließen, ebenfalls zu dem gleichen Handel zugelassen zu
werden; beide Städte gehörten damals der kaiserlichen Partei an, so daß es
sich jedenfalls um eine vom Kaiser gegen seine politischen Feinde ange-
ordnete Handelssperre handelt, die man nicht gerade streng zu beobachten
willens war.
577. Minder lebhaft als am unteren Po mußte die Handels-
schiffahrt natürhch am Oberlaufe sein, wo der Strom selbst mit seinem
starken Gefälle schon wesentliche Hindernisse bereitete.
Doch erstreckte sich die Schiffahrt noch beträchtlich über Pavia hin-
aus; in einem Vergleich zwischen dem Bischof von Vercelli und den Leuten
von Casale vom 7. November 1203 wurden dem Bischof der herkömmliche ^
Uferzoll in Casale von allen Schiffen, die mit Waren irgendwelcher Art AI
stromab oder stromauf gingen, sowie die übliche Pflockgebühr zugestanden*);
und als König Friedrich sich 1212 durch die Lombardei hindurchschleichen
mußte, hören wir, daß Piacenza alle von oberhalb kommenden Schiffe sorg-
fältig durchsuchen ließ. Die Zollordnung von Ferrara vom Jahre 1228 setzt
1) Murat. Ant. IV, 443.
*) Ebd. 445 : debeat mittere pro dicta tansa mercatorum, ubi f uerit, et ipsam
expectare ibi, quousque venerit. Et ipsa teneantur ita cito, quam viderint nun-'
cium venire, ipsum mercatorem seu mercatores secure tansare per districtum Man-
tue etc.
^) nisi quum muda Mercatorum seu Comunis Mantue venerit i)ro mercadandia.|
conducenda.
*) Chart. I, 1096 no. 746.
Handelswege und Handelsabgaben. 731
nicht bloß den Schiffsverkehr der Placentiner und Pavesen, sondern auch
der oberhalb von Pavia bis Susa Wohnenden, die sie in der Zollbehandlung
den Pavesen gleichstellt, voraus; damit ist freilich so wenig wie bei den in
gleicher Weise genannten Franzosen, Deutschen, Genuesen und Pisanern
gesagt 1), an welcher Stelle sie den Umschlag ihrer Waren auf den Wasser-
weg bewirkt haben mögen.
578. Was die Nebenflüsse des Po angeht, so ist schon klar geworden,
wie energisch Bologna und Modena ihre Verbindung mit dem Po, dessen
Hauptstrom ihnen damals näher lag, als es heute der Fall ist, für ihre
Handelsschiffahrt auszunutzen verstanden. Dabei ließ man es an Verbesse-
rungen der natürlichen Wasserläufe keineswegs fehlen ; so ließ sich Modena
vom Kaiser im Juni 1226 das unbeschränkte Recht zusprechen, mit allen
Flußläufen in seinem Gebiet jede beliebige Änderung vorzunehmen und
eine Schiffahrtstraße nach dem Meere zu oder wohin es sonst sei zu unter-
halten und zu befahren. 2) Und in dem Vertrage Modenas mit Reggio von
1202 sind genaue Bestimmungen über die Wasserentnahme aus der Situla
(Secchia) für die beiderseitigen Schiffahrtskanäle getroffen; die Oberhäupter
beider Städte beschworen, daß fortan niemand an der Benutzung dieser
Kanäle behindert werden dürfte. 3) Parma war mit dem Po durch einen
Schiffahrtskanal verbunden, der bis zur Mündung der Enza geführt war;
nach den Statuten sollte der Podestä dafür sorgen, daß er so viel Wasser
hatte, daß Schiffe jederzeit bis zur Stadt gelangen konnten; die Ufer des
Kanals waren von allen Bepflanzungen freizuhalten. Am Eintritt des Kanals
in die Enza wurde 1233 eine eiserne Sperrkette angebracht, so daß Ein-
und Ausfahrt den Schiffen nur mit Genehmigung des dort von der Stadt
stationierten Wächters möglich war. 4)
Auf der linken Seite des Po waren, vom Mincio abgesehen, der bis
Mantua wie ein Seitenarm des Po erschien, OgHo, Adda und der kleinere
Lambro für die Handelsschiftahrt am wichtigsten. Als unter Kaiser Fried-
richs I. Schutz an Stelle der nicht weit vom Lambro gelegenen alten Stadt
auf dem rechten Addaufer ein Neu-Lodi entstand, wurde in dem kaiser-
lichen Verleihungsbrief der neuen Stadt der Charakter als Hafen und Schiff-
fahrtstation °) beigelegt; die zu Berg oder zu Tal fahrenden Kaufmanns-
schiffe sollten sicher und unbehindert hier vor Anker gehen und kaufen
und verkaufen dürfen. Am ganzen Addalaufe durfte kein anderer Hafen
angelegt werden, es geschehe denn mit besonderer kaiserlicher Erlaubnis.
Auf allen schiffbaren Wasserläufen der Lombardei sollten die Lodesanen
von Abgaben, mit Ausnahme der für den Kaiser erhobenen, frei sein. Als
sich Lodi 1167 dem lombardischen Bunde anschließen mußte, wurde seinen
Kaufleuten außer der vollen Verkehrsfreiheit auf dem Po, wie Pavia sie
hatte, auch Abgabenfreiheit in den Gebieten von Cremona, Mailand, Brescia
und Bergamo eingeräumt ; im Gebiet des Bistums Lodi sollte es der einzige
') Muratori Ant. U, 29 f.
2) Muratori Ant. H, 705 : potestatem habendi navigium, exercendi et mutandi,
usque mare, et quocunque ire voluerint.
») Ebd. IV, 383 f.
*) Stat. Parm. p. 44 (1226), 377 f.
') Cod. Laud. H no. 1 p. 4 : portus generalis et communis navium statio. Über
die Gründung von Neu-Lodi im allgemeinen Giesebrecht V, 157. Agnelli G. : La
viabilitä nel Lodigiano, in ; Arch. lomb., serie 4, fasc. 2 (1904) p. 227 ff.
732 Achtundvierzigstes Kapitel.
Addahafen bleiben, i) Jedes Schiff hatte in diesem Hafen eine Abgabe von
12 den. an Lodi zu entrichten. 2) In dem Allianz vertrage, den Mailand mid
Lodi am 28. Dezember 1198 schlössen 3), gab Mailand das Versprechen ab,
für alle Waren, die es zu Schiffe bezog oder verfrachtete, Lodi als alleinigen
Ein- und Ausfuhrhafen benutzen zu wollen und Waren, die zu Schiffe von
Cremona die Adda aufwärts geführt würden, weder in Cremona noch sonst
an einem Orte, ausgenommen in Lodi, zu kaufen.
Auch in die Verhältnisse der Lambroschiffahrt erhalten wir einen Ein-
blick. Bei einer Differenz zwischen Lodi undPiacenza im Jahre 1173 wurde
durch Zeugenaussagen festgestellt'*), daß der Zoll, der von den auf"demLambro
verkehrenden Schiffen für Lodi seit alter Zeit erhoben zu werden pflegte,
5 Soldi alter Denare und zwei Weizenbrode betragen habe ; einer hat in den
5 Jahren vor dem Kriege zwischen Lodi und Mailand diesen Zoll siebenmal
von Salzschiffen und Schiffen mit anderen Waren durch lodesanische Ein-
nehmer teils in Salaranum (nahe Alt -Lodi), teils inOrium (nahe der Lambro-
mündung) erheben sehen ; ein anderer bezeugt das gleiche für zwei cremone-
sische Schiffe; ein dritter hat 38 Schiffe dies pedagium entrichten sehen;
ein vierter kennt die Schleuse bei Cereta (an der mailändischen Grenze) als
Einhebungsort, während andere bekunden, daß diese Abgabe nur widerwillig
gegeben worden sei.
Auf der anderen Seite suchte sich Mailand durch kaiserliche Privi-
legien dagegen zu schützen, daß etwa a,ußerhalb seines Gebietes der Schiff-
fahrt auf dem Lambro Schwierigkeiten bereitet wurden; niemand sollte
durch Anlage von Brücken, Wehren, Mühlen u. dgl. von Melegnano abwärts
bis zur Mündung des Lambro in den Po die Schiffbarkeit des Flusses irgend-
wie beeinträchtigen, die Freiheit des Verkehrs auf dem Lambro behindern
oder neue Abgaben auf demselben einführen dürfen. &) Aber Mailand sorgte
auch für Herstellung künstlicher Wasserstraßen in seinem Gebiet, und zwar
in sehr bemerkenswertem Umfange. Schon im August 1179 wurde mit dem
Bau des Kanals von Gazano begonnen 6), der vom Tessin in der Nähe von
Oleggio abzweigte, sich bis in die Gegend von Abbiategrasso in der Nähe
des Flusses hielt und sich dann nach Osten über Gazano Mailand zuwandte.
Zu diesem Kanal trat später von der anderen Seite her der Addakanal, der
den Fluß bei Cassano verließ ; im Jahre 1245 hat König Enzio im Kampfe
gegen Mailand mit den Kontingenten von Cremona, Parma und Reggio die
»taleata Addae« benutzt und das an diesem Kanal gelegene Gorgonzola
erobert.'^)
579. Wenn wir von den Bergamasken erfahren, daß sie mit ihren
Tuchballen zu Schiffe nicht nur nach Ferrara kamen, sondern auch nach
Bologna, Venedig und Ravenna weiter gingen §), so mögen sie je nach den
Umständen den Oglio oder Serio und Adda zur Fahrt nach dem Po benutzt
») Cod. Laud. II no. 24 p. 34. Giesebrecht V, 577 f.
''') Geht aus einer zeugeneidhchen Feststellung von 1192 hervor. Cod.
Laud. n no. 163 p. 185 f.
3) Ebd. no. 209 f. p. 226 fE. Auch Cod. Laud. HI, 586 fE.
*) Ebd. n no. 61 p. 71 f.
') Priv. Ottos IV. von 1210 in Bestätigung von Privilegien Heinrichs VI. und
Friedrichs I. B.-F. 410. Giulini VH (1857), 150.
«) Notae S. Georgii MedioL, SS. XVIII, 387; ann. Mediol. minores, ebd. 396.
') Alb. MiUol., SS. XXXI, 517.
8) Murat. Antiq. 11, 31 (Zollordnung).
Handelswege und Handelsabgaben, 733
haben. Auf dem Oberlauf waren diese Flüsse natürlich nur zur Holzflößerei
zu benutzen ; offenbar in finanziellem Interesse übte Brescia über diese auf
dem OgHo eine genaue Kontrolle aus. In Monticolo waren durch eine be-
sonders dazu angestellte Vertrauensperson alle Holzflöße, die von Valca-
monica herunter kamen, aufzuzeichnen ; die Aufzeichnung ging dann zur
Kontrolle nach Pisonea am Eintritt des Oglio in den Iseosee und von da
nach Iseo selbst am Südrande des Sees, das als Hafen Brescias anzusehen
war, weiter; für die Gemeinde Iseo war dann dem Kämmerer von Brescia
Rechenschaft abzulegen, i)
Eine lebhafte Handelsschiffahrt bestand auch auf den oberitalienischen
Seen. Como untersagte den Schiffern des Sees im Jahre 1218 besondere
Verbindungen untereinander ; war ein Schiffer für einen Transport bestimmte
Abmachungen eingegangen, so war er auch bei Strafe verpflichtet, den Trans-
port gegen den bedungenen Frachtlohn auf dem Schiffe, für das die Ab-
machung getroffen war, auszuführen. 2) Die Schiffahrt auf dem Gardasee
wird uns durch einen Rechtsstreit zwischen dem Grafen von Garda und
der Gemeinde Lazise über den in Lazise von den lombardischen Kaufleuten,
die von der anderen Seite des Sees kamen, zu erhebenden Uferzoll bezeugt,
der am 17. November 1179 von dem Podestä von Verona mit seinen Judices
zugunsten von Lazise entschieden wurde 3); von hier war die Wasserstraße
der Etsch leicht zu erreichen. Rein lokale Bedeutung hatte es, daß der
Gemeinde Riva vom Bischof Konrad von Trient im Jahre 1192 das Recht
verliehen wurde, ein Schiff zur Vermittelung des Verkehrs mit Pönale und
Torbole zu unterhalten; pro Person war für die einfache Fahrt 1 den. zu
entrichten, 4)
580, Derselbe Bischof privilegierte am 30. April 1202 eine Gesellschaft
von Schiffern von Mori für den Warentransport auf der Etschstrecke von
Ravazzone bis Casa nova (Neuhaus), indem er zugleich die Höhe des Zolls,
den sie zu entrichten hatten, vorschrieb 0) ; als im Sommer 1236 Bonencontro
Salvebelli als Bevollmächtigter dieser Schiffer, von denen 16 genannt werden,
vor dem kaiserlichen Podestä von Trient gegen Otto de Gando und Genossen
klagte, weil diese ihnen zu viel Zoll abverlangten, beriefen sie sich auf die
vom Bischof Friedrich, dem Nachfolger Konrads, vorgenommene Festsetzung
des Zolls (toloneum seu muda.)^)
Besondere Sorge wandte man in den 1228 abgeschlossenen Statuten
Veronas der Schiffahrtstraße der Etsch zu. Man sah darauf, daß die Schiff-
barkeit des Flusses nicht durch irgendwelche Wasserbauten beeinträchtigt,
nicht Strudel erzeugt oder das Gefälle allzusehr verstärkt würde ; man sorgte
dafür, daß die Dämme, die die Etsch zu beiden Seiten von Legnago ab-
wärts begleiteten , instand gehalten wurden, und ordnete die Schließung
eines entstandenen Durchbruchs an (Rupta Crearolarum.)'^) Für böswillige
Schädigungen, die Schiffen, die am Ponte delle Nävi ankerten, nächtlicher-
weile zugefügt wurden, leistete die Stadt Ersatz; Schiffe, die in einer Ort-
') Stat. Bresc. in Leg. Munic. U, 1584 (120),
'') Stat, Cum, ebd, p. 155 rub. 123.
') Cipolla in Atti ven. (N, Arch, ven, XV) p, 489, Scheffer-Boichorst p. 47,
•*) V. Hormayr, Beyträge no. 107 p. 253.
*) Voltelini p, 187 unter Berufung auf eine Urkd. im Wiener Staatsarchiv vom
2, Febr. 1210, der die Urkunde von 1202 inseriert ist.
«) Ebd, no, 377, 392 f,, 397, 403.
') Lib, Jur. Civ. rub, 102, 244, 235.
734 Achtundvierzigstes Kapitel.
Schaft des Gebiets übernachteten, konnten gegen vorgeschriebenes Entgelt
die Stellung von Wächtern verlangen ; die Gemeinde, die sich dessen weigerte,
wurde haftpflichtig.!) Auch die venezianischen Küstenflüsse behaupteten,
wie schon früher, ihre Bedeutung für den Handel, In dem heftigen Kampfe
zwischen Vicenza und Padua, der am 28. März 1147 durch den an der
Brentafähre bei Fontaniva geschlossenen Frieden beendet wurde, handelte
es sich zum großen Teile um Schiffahrtsinteressen; im Frieden selbst ver-
sprachen die Faduaner, der freien Schiffahrt der Vicentiner durch ihr Gebiet
fortan keinerlei Hindernis mehr in den Weg zu legen. 2) Und von Treviso
wissen wir aus seinen aus den ersten Zeiten des 13. Jahrhunderts herrührenden
Statuten, daß es in seinem Handelsinteresse einen Kanal zwischen Sile und
Piave hergestellt hatte und eifrig auf die Regelung des Unterlaufs beider
Flüsse bedacht war. 3)
581. Wenn man sich den Zustand der Landstraßen im Mittelalter
in der Regel als einen sehr primitiven vorzustellen pflegt, so trifft diese An-
schauung für Ober- und Mittel-Italien schon für die Zeit bis zur Mitte des
13. Jahrhunderts keineswegs allgemein zu; namentlich den für den Handel
hauptsächlich in Betracht kommenden Straßen haben die Communen, so-
viel wir sehen können, durchweg eine eifrige Fürsorge zugewendet. Die
Statuten von Pisa und Piacenza aus dem 12., die von Verona, Padua, Parma
aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts enthalten zahlreiche Bestimmungen
über Anlegung, Unterhaltung und Verbesserung von Straßen, Wegen, Brücken.
Das ganze 4. Buch der Statuten von Parma handelt de viis et stratis, aquis
et dugariis et pontibus et aliis laboreriis Comunis*); und in der Praxis
sehen wir hier im Jahre 1197 einen Magister Lanfrancus, der zugleich Ka-
noniker der Kirche von Sorbulo war, mit Herstellungsarbeiten an der Via
Claudia^') und der Brücke über den Taro beschäftigt. In Padua gab es ein
besonderes Wegeamt der Ingrossatores 6) , und die Statuten von Bergamo
verlangen, daß die Orts Vorsteher des Gebiets angehalten würden, die Wege,
Straßen und Brücken ihres Bezirks zu unterhalten und zu verbessern. Die
Stadt selbst hatte eine neue Hauptstraße herstellen lassen, die quer durch
ihr Gebiet von der Adda zum Oglio hinüberführte. '^) Im Jahre 1225 schreibt
Verona in seinen Statuten den Ausbau der direkten Straße nach Brescia
vor, faUs dieses die Ausführung des auf sein Gebiet fallenden Anteils zu
übernehmen bereit ist. ^) Als man 1230 Sarzana durch Heranziehung neuer Ein-
wohner zu heben bemüht war, versprach man, für eine gute und bequeme
Zugangsstraße zur »strata Romea« d. h. der Frankenstraße, Sorge zu tragen. 9)
1) Ebd. 229, 276.
*) Gonzati L., Face tra Padovani e Vicentini stipulata a F. il 28. marzo 1147
(ohne Ort, Jahr und Seitenzählung). Auch die Stat. Fadov. enthalten viele aus der
Zeit vor 1236 herrührende Bestimmungen über Schiffahrtskanäle und Wasserbauten,
so no. 886 f., 892 f., 896, 898 ff., 908 f., 913 ff.
*) Biscaro im N. Arch. ven., n, s., V (1903) p. 140.
*) Stat. Farm. p. 360 ff.; s. ferner p. 175, 146. Lib. Jur. Civ. rub. 196, 253.
Über Genua-Tortona usw. oben § 501, über Fiacenza § 506, Asti-Turin § 505.
^) Affö III, 315 no. 18. Via Claudia nannte man seit der spätrömischen Zeit
den durch Farma gehenden und westlich davon liegenden Teil der via Aemilia;
8. Schütte p. 128.
8) Stat. Fadov. p. 198 no. 609 ff.
7) Stat. Ferg., collatio XV rub. 38, 48, 49 in Leg. Munic. U, 2034.
8) Lib. Jur. Civ. rub. 246.
») Chart II, 1371 no. 1815. In dem Vertrage zwischen Sarzana und dem
I
Handelswege und Handelsabgaben. 735
582. Selbstverständlich erschien es für alle diese Stadtstaaten Ober-
nnd Mittel-Italiens, daß jede größere Verkehrsstraße, die über ihr Gebiet
ging, zugleich durch den Hauptort führte. Demgemäß mußte bei der Be-
gründung von Neu-Lodi (1158) auch die Straße verlegt werden; ausdrück-
lich bestimmte man damals, daß die Hauptstraße (communis strata, offenbar
die von Mailand nach Piacenza und Cremona führende), wie sie mitten
durch die alte Stadt ging, auch mitten durch die neue geführt werde, i) Da
es offenbar nicht so leicht war, den Verkehr ganz von dem alten Wege ab-
zuziehen, ordneten noch die Statuten Lodis vom Anfang des 13. Jahrhun-
derts an, daß die alte Romstraße auf einer bestimmten Strecke zu zerstören,
völlig'zu kassieren und zu bebauen sei. 2) Piacenza suchte in seinem langen
Kampfe mit Parma den Gegner dadurch empfindlich zu treffen, daß es im
Jahre 1199 für den Handel eine vom parmesanischen Gebiet und dem La
Cisa-Paß unabhängige Straße nach Toskana schuf, die über Borgotaro und
den Bratellosattel Pontremoli erreichte; indessen hat es diese neue Straße,
die namentlich auf der toskanischen Seite wesentlich größere Schwierigkeiten
bot als die alte, nicht zu behaupten vermocht. 3) Um friedliche Vereinbarung
über die Herstellung einer neuen Gebirgsstraße über den Apennin handelt
es sich in dem Vertrage zwischen Modena und Pistoja vom 24. November
1225; der Zug der Straße, die durch Val de la Mula gehen, beide Städte
in bessere Verbindung miteinander bringen und wohl auch einen Teil des
florentinischen Verkehrs über den Apennin an sich ziehen sollte, wird genau
vorgeschrieben; jede der beiden Städte hatte für die Unterhaltung und die
Sicherheit der Straße auf ihrem Gebiet Sorge zu tragen. Jedenfalls schloß
sich die neue Straße eng an einen schon vorhandenen Saumpfad an, wie
schon daraus zu schließen ist, daß der Vertrag von den beiderseitigen Ge-
sandten »apud Hospitale de Valdelamula« abgeschlossen ist.*)
583. Auch im Kirchenstaate, für den ja der starke Verkehr nach Rom
von besonderer Wichtigkeit war, wandte man dem Straßenwesen seine Auf-
merksamkeit zu. Im Jahre 1236 stellten Podestä, Rat und Gemeinde von
Sutri dem Papste vor, daß die Brücke vor dem Stadttore durch Überschwem-
mungen zerstört sei und ebenso wie die öffentliche Straße der Wiederher-
stellung bedürfe; da ihre eigenen Mittel dazu nicht hinreichten, möge er
ihnen gestatten, von jeder zu Pferde passierenden Person 1 den. provin. sena-
tus, von jedem Fußgänger 1 den. senensis zu erheben, wofür sie auch die
Bewachung der Straße innerhalb ihres Gebietes übernehmen wollten; auf
das bisher erhobene besondere Geleitsgeld und das stallaticum von 2 den.,
das jeder an ihrem Ort Übernachtende habe zahlen müssen, wollten sie da-
für Verzicht leisten. Der Papst genehmigte ihre Bitte zunächst für einen"
Zeitraum von 3 Jahren, doch unter der Bedingung, daß alle Römer sowie
Bischof von Luni von 1201 war abgemacht worden: strata cursu solito perseveret;
ebd. 1217 no. 1709.
1) Cod. Laud. U no. 1 p. 4.
*) Ebd. m, 556 fE. Stat. vetera (1211) 1. lU rub. 59: De strata veteri morti-
licata : ut strata romea vetus quae ibat Laude Veteri ad Luviragam usque per me-
dium Surdi, sit destructa. S. auch : Agnelli G., La viabilitsi nel Lodigiano nell'
antichitä e nel medio evo im Arch. lomb., ser. 4, fasc. 2 (1904) p. 197 ff.
') Joh. Codagnelli p. 23. Genaueres über die Kämpfe um diese Straße Schütte
p. 55 f., 42 und G. Sforza in dem neu erschienenen Band I (1904) der Mem. e doc.
dl Pontremoli.
*) Murat. Antiqu. IV, 413: quod Strata fiat et aptetur et aptata teneatur etc.
736 Aclitundvierzigstes Kapitel.
alle aus dem Patrimonium Petri, ferner alle Religiösen und die Familiären
der Kurie von dieser Abgabe befreit blieben, i)
Wie in diesem Falle, so nahmen auch sonst die Flußübergänge in
erster Linie die Fürsorge und das Interesse der öffentlichen Gewalten in
Anspruch 2); freilich waren sie ihrer Wichtigkeit wegen nicht selten auch
Gegenstand erbitterter Kämpfe. Im Jahre 1156 ließ Mailand durch den
Magister Guintelmus bei Casolo eine Brücke über den Tessin erbauen, deren
besondere Schönheit und Festigkeit gerühmt wird; und 11 Jahre später
schloß das aus den Trümmern wiedererstandene Mailand mit Novara einen
Vertrag, wonach dieses die Brücke über den Tessin (jedenfalls die von Ber-
nate) wiederherzustellen, sie zu bewachen und den Brückenzoll ebenso wie
den zurzeit bestehenden Überfahrtszoll mit Mailand zu teilen versprach. 3)
Auf Grund kaiserlicher Privilegien aber beanspruchte Pavia das alleinige
Recht auf den Besitz und den Bau von Brücken über den Fluß von Plum-
bea (etwa 1 Meile s. vom Lago Maggiore) an bis zur Mündung; noch 1219
gebot Friedrich II. in Anerkennung dieses Rechts den Mailändern die Brücke
bei Vigevano zu zerstören 4), ein Gebot freilich, dem Nachdruck zu verleihen
er nicht die Macht hatte. Für die Adda erhielt Lodi bei seiner Neugrün- [
düng das Recht, Brücken zu schlagen, unter Vorbehalt des Rechts auf den •
Brückenzoll für den Fiskus; sogleich begann auch Lodi mit dem Bau einer i
Addabrücke bei der Stadt, die wie die Stadt selbst noch lange schweren
Angriffen ausgesetzt gewesen ist 5); in den folgenden Kämpfen fiel auch die :
Addabrücke der Mailänder bei Gropello einmal der Zerstörung durch Lode-
sanen und Cremonesen anheim. Zur selben Zeit wie mit Novara bezüglich
des Tessinübergangs hat dann Mailand auch einen vöUig analogen Vertrag
mit Bergamo für den Addaübergang bei Brivio abgeschlossen. 6)
Ein Beispiel dafür, daß bestimmte Familien mit der Brückenwacht
betraut wurden, liegt uns u. a. f ür Brescia vor ; im Jahre 1174 verlieh es den
Brüdern Johannes und Paulus de Judicibus de Sixano besondere Vorrechte
unter der Bedingung, daß sie die obere steinerne Brücke über die Mella so
im Stande hielten, daß ein bequemer Übergang über den Fluß möglich war. "^
Oft auch erscheinen größere Brücken als öffentlich-rechtliche Institute mit
besonderen Einnahmen und eigener Verwaltung.^) Der Po selbst entbehrte
auch in dieser Periode in seinem unteren und mittleren Laufe der festen
Brücken ; die Brücke bei Brescello war sicher ebenso nur eine Schiffsbrücke,
wie wir das von der Brücke bei Piacenza wissen, die bei dem Angriff, den der
Kaiser 1160 mit den Schiffen Pavias machte, rechtzeitig nach der Stadt-
i) Auvray 3112. Vgl. Jung p. 90.
») Stat. Padov. no. 877, 879 ff., 923 (alle vor 1236 entstanden). Stat. Parm.
p. 115, 199.
») Ann. Mediol,, SS. XVni, 363. Giesebrecht V, 102. Vignati p. 155 ff.
*) Toeche p. 206. B.-F. 1039 f. Winkelmann I, 86.
«*) Cod. Laud. II p. 4. Giesebrecht V, 195.
«) Otto Morena p. 626. Giesebrecht VI, 402. Cod. Laud. II, 32 no. 22.
^) Lib. Potheris p. 308 (in der Überschrift und im Index irrig das Jahr der
Abschrift 1222). BezügUch des Arnoübergangs bei Fucecchio, wo die Franken-
straße den Fluß überschritt, verweise ich auf die lehrreiche Darstellung bei Jung
p. 68—73, 79. Die Dorabrücke bei Mazze wurde im Nov. 1156 mit allen Nutzungen
vom Grafen Guido del Canavese für 20 1. segus. an Joh. de Cozerio verkauft. Ga-
botto I p. 18.
8) S. besonders Stat. Parm. p. 115 u. 199.
Handelswege und Handelsabgaben. 737
Seite abgefahren werden konnte, i) Natürlich waren diese Brücken trotzdem
für den Verkehr von der größten Wichtigkeit. In Piacenza wurde der
Brückenzoll jährlich verpachtet; die Pächter hatten innerhalb des Stadt-
bereichs auch die Überfahrt über den Strom und Fahrten in der Längs-
richtung des Flusses für die herkömmlichen Preise 2) zu besorgen. Dafür
lag ihnen die Instandhaltung der Brücken über den Hauptstrom und den
alten Po ob. 3) Im Jahre 1181, als die Brüder Obertus und Jacobus Od-
donis Vetuli die Pacht für 365 1. plac. übernahmen, wurde bestimmt, daß
nach dem Gutachten zweier Sachverständiger ein Nachlaß am Pachtschilling
eintreten sollte, falls Lodi durch den Kaiser zur Erhebung gegen den Bund
bestimmt und infolgedessen der von dort kommende Verkehr von Piacenza
abgelenkt werden soUte. ^) Auch im Konstanzer Frieden spielte diese Brücke
eine Rolle; sie soDte mit allen ihren Einkünften den Placentinern ver-
bleiben; doch hatten sie die alten Rechte des S. Julia-Klosters von Brescia
durch Zahlung einer bestimmten Pachtsumme anzuerkennen, s)
584. Es erhebt sich die wichtige Frage, wie es mit der Sicher-
heit des Handelsverkehrs auf diesen Straßen aussah.
Da auch die öffentlichen Straßen wie die Wasserwege als Regalien
galten ^), so standen auch sie unter Königsschutz. So hat z. B. Friedrich II.
auf eine Beschwerde Modenas über Ferrara am 23. Februar 1219 an dieses
das Gebot ergehen lassen, den Modenesen den sicheren Verkehr in ihrem
ganzen Gebiete zu gestatten, da es der königlichen Majestät gezieme, »stratas
apertas et securas teuere« ; zwei Parmesanen haben am 1. April als Macht-
boten des Königs diesen Befehl im Kommunalpalast von Ferrara verkün-
det.'^) Ähnlich gebot der Reichslegat Konrad, Erwählter von Hildesheim,
am 20. Januar 1196 in der Lombardei die Sicherheit der Straßen und ver-
anlaßte zugleich die Cremonesen zur Rückgabe alles dessen, was sie dem
Kaufmann Petrus de Vicomercato von Piacenza und seinen Genossen abge-
nommen hätten, während gleichzeitig auch die Placentiner zu entsprechender
Restitution verpflichtet wurden, 8)
Von der Theorie abgesehen, fand das Eingreifen der Reichsgewalt zum
Schutze des Handelsverkehrs doch nur vereinzelt statt und ähnlich stand
es mit der päpstlichen Gewalt, die besonders dann einschritt, wenn Geist-
liche geschädigt wurden oder wenn der Pilgerverkehr nach Rom durch Auf-
erlegung von Abgaben oder Einrichtung von Verkehrssperren eine Beein-
trächtigung erlitt. 9) Wo sie zugleich die staatliche Gewalt übte, trat sie
aber auch direkt zum Schutz der Kaufleute ein ; so zwang Eugen III. am
2. Juni 1147 den Grafen Rainer, Gerhards Sohn, Sicherheit dafür zu stellen,
1) Otto Morena p. 628. Giesebrecht V, 173, 193, 226, 286.
*) Der Pachtvertrag umfaßte auch den >consuetu8 redditus transversus et
longi Padi<.
') »pontem Padi vi vi et illum mortui.«
*) Boselli I, 327 : ita quod Strata non veniret ad pontem. Lodi leitete dann
den Verkehr jedenfalls über das ebenfalls kaiserfreundliche Cremona.
*) Const. et acta I p. 414. Über die Geschichte dieser Bestimmung Giese-
brecht VI, 587 f. S. oben § 573.
8) Über die roncalischon Beschlüsse von 1158 Giesebrecht V, 177.
'') Muratori Antiqu. IV, 415 f. Über die Reichsgesetze des Kaisers vom 22. Nov.
1220 zum Schutze reisender Pilger und sonstiger Fremder s. Winkelmann I, 116 f.
«) Const. et acta I no. 368 f. p. 516 ff.
») Einzelne Beispiele : Rodenberg I no. 306, 399. Berger 2862. Winkelm. 11, 203.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 47
738 Achtundvierzigstes Kapitel.
daß er bis Weihnachten die 42 1. lue. zurückerstatten würde, die er Kauf-
leuten abgenommen hatte, i) Und die römischen Kaufleute begleitete der
päpstliche Schutz auch ins Ausland; Innocenz III. ließ 1206 durch die Visi-
tatores Lombardiae den Konsuln und Ratsherrn von Piacenza die dringende
Mahnung zugehen, den römischen Kaufleuten alles, was ihnen durch Pla-
centiner geraubt worden sei, in vollem Umfange zurückzugeben. 2)
585. Die Sicherheit des Handelsverkehrs auf den durchgehenden Straßen
spielt in den Verträgen der Städte eine wichtige Rolle; im September 1156
sichern sich beispielsweise Bologna und Modena eidlich zu, für die Sicher-
heit der Straße zwischen beiden Städten zu sorgen und gegen etwaige Störer
des Straßenfriedens gemeinsam vorzugehen. 3) Auch die großen Städtebünd-
nisse faßten diesen Punkt ins Auge ; in dem Vertrage, den der lombardische
Bund 1174 mit Bologna, Modena, Reggio, Parma und Mantua abschloßt),
wurde vereinbart, daß jede der vertragschließenden Städte Sicherheit des
Verkehrs auf den durch ihr Grafschafts - und Bischofsgebiet führenden
Straßen allen den Lombarden eidlich zu gewährleisten habe, deren Heimat- 1
Stadt die gleiche eidliche Verpflichtung übernahm, insbesondere versprach
man, bei vorfallenden Schädigungen für Wiedererlangung des entfremdeten
Gutes und Bestrafung der Übeltäter Sorge zu tragen. So versprachen sich
auch Pavia, Como, Lodi und Bergamo in ihrem Bunde von 1191, unterein-
ander und in ihrem Verhältnis zum Markgrafen von Montferrat für Offen-
haltung und Sicherheit aller Straßen zu sorgen, und im Bundesschwur der
tuscischen Liga vom 11. November 1197 begegnen wir ebenfalls der Ver-
pflichtung, im gesamten Bundesgebiet die Sicherheit der öffentlichen Straßen
aufrechtzuerhalten. S)
586. Nicht selten gehen wir die Kommunen darauf bedacht, durch
Abmachungen mit edlen Herren, namentlich in gebirgigen Gegenden, den
friedlichen Handelsverkehr auf den Straßen sicherzustellen. So hat sich
Modena in den Jahren 1156 und 1173 von den Capitanei der Frignana in
bezug auf die ihr Gebiet durchziehende Straße besondere Sicherheitseide
leisten lassen 6) und im Jahre 1174 schlössen die Konsuln des Hauses der
Manfredinghi mit Reggio einen Vertrag, in dem sie sich für die Sicherheit
der von Reggio über Quarantulae und S. Martino in Spinis nach Ferrara
führenden Straße verbürgten, während Reggio seine Hilfe zusagte, falls sie
aus Anlaß der Bewachung und Verteidigung der Straße mit jemand in Streit
geraten sollten. '^)
^) Muratori Antiqu. 11, 559,
«) Boselli n, 296.
s) Savioli II 1 no. 160 p. 245. Am 22. August 1177 >ad S. Mariam in Strata<
erneuert ; ebd. II, 2 no. 243 p. 81 und Murat, Antiqu. IV, 339 f. S. auch Mantua-
Ferrara (1208) ebd. n, 874.
*) Muratori Antiqu. IV, 266. Savioli II, 2 p. 30. Vignati 220 ff. Daß 1174
und nicht 1170 zu datieren: Ficker II, 212. Giesebrecht VI, 753. Güterbock F.,
Friede von Montebello (Berlin 1895) p. 68, 80. Hingewiesen sei auch auf den Be-
schluß der ersten großen Tagung des Bundes vom 1. Dezember 1167, wonach jede
unter Bundesgliedern vorfallende Schädigung binnen 30 Tagen nach erhobenem
Anspruch zu ersetzen war, falls nicht der Geschädigte oder seine Regierung eine
Abweichung hiervon genehmigten. Vignati 143 f. Giesebrecht V, 589; VI, 477.
») Toeche p. 615. Ficker IV no. 196. Santini p. 37.
«) Savioli I, 2 p. 240 f. (auch Muratori Ant. IV, 301) und II, 2 p. 40.
') Muratori Ant. IV, 343. Salzer p. 8. Vertrag von Alba mit Heinrich von
Carreto 1210 ; Milano I, 48.
I
II
Handelswege und Handelsabgaben. 739
Wenn die Konsuln von Sarzana in dem Vertrage vom 22. April 1201
dem Bischof von Luni zugestanden, daß er in seinem ganzen Gebiete und
Bistum unbehelligt das Geleitsrecht (conductum et guidam) üben dürfe i),
so handelt es sich um einen Ausnahmefall, da derartige Rechte der Bischöfe
in Ober- und ^Mittel- Italien sonst überall an die Kommunen übergegangen
waren ; gerade in diesem Gebiete aber fehlte es an einer solchen Kommune ;
Sarzana blühte eben erst empor und hat auch nie die Bedeutung einer der
unabh<ängigen italienischen Stadtrepubliken erlangt.
Sicher war es für den Handel nur ein Vorteil, wenn die Kommunen
darauf ausgingen, kleinere weltliche Herren, die das Geleitsrecht beanspruch-
ten, zu beseitigen. So hat Vercelli im Jahre 1170 den Grafen Otto von
Biandrate mit vierzig seiner Ritter genötigt, Bürger von Vercelli zu werden,
nachdem Kaiser Friedrich noch 1155 dem Grafen Guido das Geleitsrecht
für Grafschaft und Bistum Novara bestätigt hatte; 1199 wurde dann das
gräfliche Gebiet von den benachbarten Kommunen Vercelli und Novara
Töllig aufgeteilt. 2) Anders stand es ja mit Herren wie den Markgrafen
Malaspina, mit denen die Kommunen von Macht zu Macht verhandeln
mußten, ganz abgesehen von Montferrat und Savoyen mit ihren geschlos-
senen Gebieten, die das gleiche Interesse an der Verkehrssicherheit hatten
wie die Kommunen selbst.
587. Was die Vorkehrungen der Städte selbst zur Sicherung der Straßen
anbetrifft, so sind besonders die alten bald nach der Mitte des 12. Jahr-
hunderts entstandenen Statuten von Piacenza von Interesse. Unter ihrem
Eid wird den Konsuln vorgeschrieben, für Schutz und Sicherheit der Kauf-
leute und der anderen Reisenden auf den Hauptstraßen des Gebiets von
Piacenza und eintretendenfalls für Rückerstattung des etwa entfremdeten
Gutes zu sorgen. Die Bewohner der an diesen Straßen liegenden Ortschaften
wurden vereidet, die Straße zu bewachen, falls sie Hilferufe hörten, sogleich
zur Unterstützung herbeizueilen (ad cridum currere), Raub und sonstige
Missetat nach Kräften zu verhüten und, wenn dies nicht möglich gewesen,
den Konsuln sofort Anzeige zu machen.^) In Brescia begnügte man sich
1180 mit der allgemeinen Vorschrift für das Stadtregiment, zur völligen
Sicherung des Warentransports auf der von Mantua nach Brescia führenden
Straße alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen; später schrieb man für
diese wie für andere Relationen die ausschließliche Benutzung der direkten
Hauptstraße vor. 4) Die Statuten von Vercelli setzen Geldbußen gegen die-
') Chart. II no. 1709 p. 1215. Bittere Klagen der vom pisanischen Konzil
heimkehrenden französischen Geistlichkeit über den Bischof, in dessen Gebiet sie
ausgeraubt und mißhandelt wurden; Petrus ven., ep. I, 27: »Lunensis episcopus
nobis in brevi apparens lunarem eclipsim nimis immature passus est.« Bernhard!
Lothar p. 643.
«) Chart. I no. 501 u. 549. Winkelmann, Philipp 343. Über Geleit und Ge-
leitsrecht überhaupt Huvelin p. 365 ö"., Stutz zu Mayr in Zeitschr. der Savigny-
Stiftung XXI (1900), Germ. Abteil, p. 148 S.
») Boselli I, 321 (1159), 330 (1169), 331 (c. 1182).
*) Leg. Munic. II, 1584 (111) : providere ... in assegurando stratam etc. Bei
diesem Beschluß vom 13. Jan. 1180 wirken die Konsuln der Kaufleute mit; die jün-
gere Stelle von ca. 1251 p. 1584 (108) schreibt für den Transport aller Waren und
Lebensmittel aus dem Mantuanischen, Cremonesischen und Bergamaskischen die
>recta strata« unter Angabe der Hauptzwischenorte vor.
47*
740 Achtund vierzigstes Kapitel.
jenigen fest, die den freien Verkehr auf den Straßen behinderten oder den
Straßenfrieden verletzten, i)
In der Tat fehlt es nicht an Beispielen für ein entschiedenes Ein-
greifen der Kommunen zum Schutze der Verkehrssicherheit schon in früher
Zeit. Als der Archidiakon Alexander von Lüttich und Abt Rudolf von
S. Trond unfern von Siena ausgeplündert worden waren, wurde ihnen auf
ihrer Rückreise von Rom 1127 von den Sienesen ihr Eigentum wieder zu-
gestellt, so daß sie in Umkehrung des bekannten Wortes von sich sagten,
sie seien arm nach Rom gekommen und kehrten reich nach Hause zurück.
In ähnlicher Weise erwarb sich Piacenza den Dank des Abtes Petrus von
Cluny, der auf seiner Romreise 1145 vom Markgrafen Opizo Malaspina
überfallen und beraubt wurde, indem es durch sein energisches Einschreiten
vollständige Rückgabe des Geraubten erwirkte. 2)
Nicht wenig wirksam mußte es sein, daß es üblich war, bei einem
Friedensbruch die Ortschaft, in deren Bezirk er sich ereignet hatte, dafür
verantwortlich zu machen; gewohnheitsrechtlich durfte sich in der Lom-
bardei der Geschädigte sogar im Wege der Selbsthilfe an den Bewohnern
bis zur Höhe seiner Einbuße schadlos halten; selbst Gregor IX. wandte
gegen dieses Gewohnheitsrecht nichts ein und verlangte nur, daß die Hu-
miliatenniederlassungen, falls sie keine Schuld trügen, auch von solchem
Rückgriff nicht berührt werden dürften, s) Aber auch die Kommunen er-
kannten bei solchen Schädigungen auf den unter ihrer Hoheit stehenden
Verkehrsstraßen nicht nur die Pflicht zur Strafverfolgung und zur Restitution
des geraubten Gutes oder seines Wertes aus dem Besitz der Übeltäter, sondern
auch eine eigene Ersatzpflicht an, nicht bloß den eigenen Bürgern, sondern
auch Fremden gegenüber *), wenn diese als Untertanen befreundeter Gebiete
oder auf Grund besonderer Abmachungen als unter ihrem Geleit stehend
angesehen werden konnten. Bezeichnend ist, daß Bergamo einmal in seinen
Statuten seinen Bürgern den Handelsverkehr mit Cremona zwar gestattete,
es aber ablehnte, bei Schädigungen, die ihnen unterwegs zustoßen sollten,
eine Haftpflicht anzuerkennen. &)
Besonders in Zeiten kriegerischer Verwickelungen geschah es häufig,
daß man sich vor dem Betreten eines fremden Gebietes erst des sicheren
Geleits vergewisserte; auch bei starker feindlicher Spannung ermöglichte
das oft eine Fortsetzung des friedlichen Handelsverkehrs. Als Piacenza im
Juni 1158 zum Kaiser übertrat, behielt es sich doch die Zulassung derjenigen
Mailänder in seinem Gebiete vor, denen es bereits sein Geleit für den Trans-
port von Waren nach Genua oder anderen Orten zugesagt hatte. ^) Und
im Januar 1236 verhießen zwei Vikare des Grafen Albert von Tirol, dama-
ligen kaiserlichen Podestes von Trient, allen Veronesen, die Lebensmittel
nachTrient oder seinem Gebiet einführten, vollste Sicherheit für Hin- und Rück-
1) Ebd. p. 1169 rub. 202 (von 1227) u. p. 1114 rub. 42 (von 1241): de rumpen-
tibus stratam. S. auch Stat. di Pistoja p. 98, rub. 143.
«) Gesta abb. Trudon., SS. X, 306. Bernbardi Lothar p. 148 ; Campi II, 351 f.
Langer p. 21. Ivrea setzte 1219 Übeltäter gefangen, »quia stratam superant mulas
peregrinorum incidendo et furando<. Gabotto 11, 319.
«) Auvray 2602 (1. Juni 1235).
•*) S. den Fall der Ersatzleistung Comos an Kaufleute von Lille ; oben § 328.
Vertrag Genua-Tortona § 501 ; mit den Malaspina § 506.
») Leg. Munic. H, 1999 (Coli. XIII, 1).
«) Const. et acta I no. 172 p. 238.
I
Handelswege und Handelsabgaben. 741
reise sowie für die Zeit ihres Aufenthaltes in Trient. ^) Mehrfach treten die
Statuten dem Mißbrauch entgegen, daß angesehene Privatpersonen auf eigene
Hand Fremden und fremden Waren gegenüber gegen Entgelt sicheres Ge-
leit durch das Staatsgebiet, dem sie angehörten, übernahmen. So bedrohten
die Statuten von Piacenza (von ca. 1182) jeden Placentiner, der Waren eines
Pavesen zu Wasser oder zu Lande stromauf (also zur Grenze Pavias) ge-
leitete, mit Konfiskation seines Gewinns und einer Geldbuße von 5 1., die
sich auf das Doppelte erhöhte, wenn der Schuldige dem Ritterstande an-
gehörte; und die Statuten Vercellis von 1242 behalten ausdrücklich und all-
gemein Abmachungen wegen sicheren Geleits dem Comune vor. 2)
588. Im allgemeinen wird man sagen dürfen, daß in Ober- und
Mittel-Italien sowohl für den Zustand der Handelswege wie für die
Sicherheit des Verkehrs auf denselben in ausreichender Weise gesorgt
war; es liegt in der Natur unserer Quellen, daß wir von Ausnahmen,
die vorkamen, am ehesten erfahren. Der schlimmste Feind des fried-
lichen Handelsverkehrs waren die territorialen Fehden , die häufig
auch der Handelseifersucht entsprangen und nicht selten auch Handels-
straßen zum Hauptgegenstande hatten ; ich erinnere nur an die Kämpfe,
die sich um die Frankenstraße nördlich vom Apennin zwischen Pia-
cenza und Parma, südHch desselben zwischen Pisa und Lucca ab-
gespielt haben ^); wer die Macht hatte, schreckte auch vor der Aus-
übung des Straßenzwanges nicht zurück.^) Die Vielheit der Terri-
torien mußte bald da bald dort Fehden hervorrufen; doch lag zu-
gleich ein wichtiges Korrektiv dagegen gerade in ihrer Kleinheit, die
die Umgehung feindlicher Territorien verhältnismäßig leicht machte.
Schien die Frankenstraße dem Romreisenden zu unsicher, so wandte
er sich der via Aemilia zu und nahm z. B. von Faenza den Weg über Bagno
(Balneum S. Mariae sub Alpibus) nach Arezzo; wollte er nach Florenz, so
ging er von Bologna über den La Futapaß. Auch für den transalpinen
Verkehr stand überall die Wahl zwischen mehreren Wegen frei, und diese
Straßenkonkurrenz nötigte die Kleinstaaten in ihrem eigensten Interesse,
den Bogen nicht zu überspannen. Noch leichter war natürlich im Flach-
lande die Umleitung des Handelsverkehrs im Kriegsfalle möglich. Kam es
zu weitverzweigten Kämpfen, gruppierten sich die Territorien eines ganzen
größeren Gebiets in zwei feindliche Lager, so führte das natürlich nicht
selten, je nach der Parteistellung, zu starken Ab- und Umleitungen des Ver-
kehrs, bis dann der Friede den früheren Zustand der Bevorzugung der
kürzesten, bequemsten und sichersten Routen wieder zur Geltung brachte;
») Voltelini p. 17 (Obert no. 40).
*) Boselli I, 334. Leg. Munic. II, 1130 rub, 89: Nullus faciat guidam per juris-
dictionem Vercellarum accipiendo ex pacto nisi commune Vercellarum. Buße
€0 sol. Auch Pistoja gestattete die Ausübung des Geleitsrechts (ducatus) nur den
von den Konsuln oder dem Podestä dazu Ermächtigten und verlangte von diesen
monatliche Rechnungslegung über die von ihnen erzielten Einnahmen. Stat. dl
Pist. p. 98 u. 108, rub. 143 u. 161.
^) Oben § 509 f. Näheres über die Straßenzüge in Toskana und die vielfach
an sie anknüpfenden Differenzen Jung p. 11 ff.
*) Verbot desselben im Privileg Ottos IV.. für Lucca (12. Dezemb. 1209; Mem.
e doc. Lucch. I, 204): cum negotiatores venerint a Luni usque Luccam per Stratam,
nullus hominum eos a Strata retorqueat aut venire aut recedere prohibeat.
742 Achtundvierzigstes Kapitel.
der 1228 zwischen Turin und dem Dauphin von Vienne geschlossene Ver-
trag trifft z. B. Bestimmungen schon für die Zeit, in der die Handelsstraßen
der Lombardei wieder zu ihrem früheren Verlauf zurückgeführt sein würden, i)
Nur einen Fall kenne ich, wo eine zur Kriegszeit vorgenommene Ableitung
des Verkehrs zu einer dauernden geworden ist. Gräfin Mathilde von Tus-
cien hatte seinerzeit, offenbar durch ihre Feindschaft mit Cadalus von Parma
dazu bestimmt, die durch Coparmuli am Po führende öffentliche Straße
kassiert, die von Verona und Mantua herkommend, hier den Po kreuzte
und nach Parma zum M. Bardone oder nach Reggio zur via Emilia weiter-
führte ; jedenfalls ist der Hauptverkehr damals über Brescello geleitet worden,
was für den Dom von Parma schwere finanzielle Einbußen zur Folge hatte.
Als sich nun nach langer Zeit die Gräfin mit Parma wieder aussöhnte, ver-
ordnete sie zwar, daß die Straße zurückzuverlegen und in Zukunft wieder
in der alten Weise durch Coparmuli zu leiten sei 2); aber bei der langen
Dauer der Umleitung, die zugleich keine nennenswerte Verlängerung des
Weges bedeutete, und wahrscheinlich auch, weil die Interessen der Kommune
Parma in dieser Beziehung von denen des Domes abwichen, ist diese An-
ordnung ohne Folgen geblieben und der früher auch seines Marktes wegen
selbst von Lucchesen und Florentinern gern besuchte Ort blieb vom Ver-
kehr abgeschnitten und sank für den Handel zur Bedeutungslosigkeit herab.
589. Eine weitere Folge der territorialen Zersplitterung Ober-
und Mittel-Italiens war die Vielheit und Mannigfaltigkeit der Abgaben,
die den Handel auf seinen Wegen trafen ; vieles davon haben wir im
Zusammenhange mit dem periodischen Handel und der Schiffahrt
schon kennen gelernt. Überreste des königlichen Zollregals ragten
vielfach auch in die Praxis unserer Zeit noch hinein.
So wurde, als sich Alessandria (Caesarea) 1183 unterwarf, das Recht
des Kaisers auf den Brückenzoll am Tanaro, den Straßenzoll und Markt-
zoll ausdrücklich anerkannt ^) ; und in Siena, das überhaupt merkwürdig
spät zu voller kommunaler Bewegungsfreiheit gelangt ist, behielt sich König
Heinrich, als er 1186 der Stadt gegen eine jährliche Abgabe von 70 Mark
Silber u. a. das Münzrecht gewährte, den Torzoll ausdrücklich vor; noch
1221 versprach der Reichslegat Konrad den Sienesen, das »pedagium por-
tarum« für sie vom Kaiser erwirken zu wollen. 4)
Daneben steht nun als neuer Faktor die Zollpolitik der Kom-
munen. Wenigstens einige der autonomen Tarife aus dem Zeitalter
des Comune haben sich erhalten; den engsten Anschluß an das
historisch Gegebene und demgemäß den altertümlichsten Charakter
zeigt unter diesen die Zollordnung Veronas.
I
0 Oben § 264.
*) Äff 6 II, 344 no. 45: »Quia humanuni est peccare sed diabolicum perseve-
rare, considerantes ... quantum laboris atque pericuü in transmutatione
strate publice que per portum de Coparmuli olim fieri consueverat, viantibus
attulisset, quantumque damni et incommodi amissione eiusdem portus per huius-
modi permutatione Parmensis Ecclesia pertulisset« . . ., wird verkündet: >stratam
in locum suum nos more solito revocasse ac deinceps per portum Cop. juxta mo-
dum pristinum omni tempore dirigi.« Undatiert. S. ob. § 41.
») M. G. Leges U, 181 f. Giesebrecht VI, 12, 585.
••) M. G. Leg. Sectio 4, 1. 1 p. 440. Huillard-Bröholles II, 105.
Handelswege und Handelsabgaben. 743
590. Im Herbst 1173 ließ der Podestä Gualbertinus auf Grund von
eidlichen Aussagen Sachverständiger die herkömmlich an den Toren der
Stadt zur Erhebung gelangenden Gefälle aufzeichnen i) ; am 21. November
1176 wurden diese Feststellungen mit dem Hinzufügen, daß niemand höhere
Abgaben zu nehmen berechtigt sei, vom Podestä Turrisendus in öffentlicher
Versammlung zu Verona als Breve recti2) mercati Veronae et por-
tal um publiziert; Markt- und Torzölle waren also, schon der Einfachheit
wegen, zu einer Einheit zusammengefaßt. Als Erhebungsberechtigte sind
nicht weniger als vier Faktoren beteiligt: als Vertreter ursprünglich könig-
licher Zollrechte der Comes und der Vicecomes, als Organ des Bischofs der
Advocatus, als Vertreter städtischer Rechte die Portenarii. Unter den Ab-'
gabenpflichtigen unterscheidet die Zollordnung verschiedene Kategorien : die
Leute des Bistums, die mit ihren Waren, vor allem Getreide, Vieh, Fischen,
Holz, Wein u. a, nach Verona zu Markt kamen ; sie hatten im allgemeinen
von der Wagenlast nur 2 den. veron. zu zahlen ; ferner ambulante Händler
(mer§adri qui vadunt per civitatem), die eine persönliche Abgabe von 1 den.
zu entrichten hatten, die je zur Hälfte dem Vicecomes und dem Vogt zu-
stand; dazu Geschirrhändler 3) , die von der Traglast beim Eintritt in die
Stadt an den Vicecomes, und nach Absatz ihrer Waren auf dem Markt beim
Wiederverlassen der Stadt an den Vogt je ein Geschirr in natura abzuliefern
hatten.
Neben diesen stehen nun die Fremden. Für sie betrug der allgemeine
Satz beim Warenimport für die Traglast, ob sie nun zu Schiffe oder sonst
eingeführt wurde, 5 den., für die Wagenlast (de plaustro) 12 den.; als die
offenbar für die Einfuhr wichtigsten Artikel werden Kupfer und Tuche her-
vorgehoben. Einen Ausgangszoll hatten diejenigen, die den Eingangszoll
entrichtet hatten, nicht zu zahlen. Unter den Fremden unterscheiden die
Aussagen zwischen den Lombarden und andern, die ihre Waren zu Wagen
durch das Tor von S. Zeno nach Verona zu bringen pflegten, und den von
Norden kommenden Deutschen *) ; Pilger (romei et pellegrini) und im Herren-
dienst Reisende (qui in servicio vadimt) passieren abgabenfrei, falls sie nicht
außer den Lebensmitteln und Kleidern für ihren Bedarf auch Handelswaren
mit sich führten. °)
591. Weit einfacher war dagegen in Neu-Lodi die Erhebung des
Ufer- und Marktzolls (datium ripatici et curathie) gestaltet, die hier aus-
schließlich für die Gemeinde erfolgte. Wie auch hier durch Zeugenaussagen,
insbesondere verschiedener Exkämmerer (canevarii oder massarii comunis),
^) Atti ven. im Anhang zum N. Arch. ven. X (1895) p. 471 — 476 ed. CipoUa.
In seinem Compendio della storia politica di Verona (Verona 1900) p. 188 nennt
CipoUa den damaligen Podestä Guiberto dalle Carceri. »
*) Recti hier im Sinne von diricti. Am Eingange (p. 471) ist statt: de tote
eo reto portarum und weiterhin statt vectum portarum zu lesen: recto und
r e ctum.
') Francine, qui veniunt cum napis, undecunque vonerint. Für die
Bezeichnung »francinae< finde ich keine Erklärung; an francigenae kann man doch
nicht denken.
*) Oben § 374.
*) Im Jahre 1228 bestand in Verona ein Officium Sigillorum , das amtliche
Beglaubigungen für alle in Verona zur Ein- oder Ausfuhr gelangenden Waren (mit
Ausnahme von Lebensmitteln in bestimmten geringen Mengen) auszustellen hatte ;
die Gebühr betrug bei Einheimischen 1 bis 2, bei Fremden 12 den. pro sigillo.
Lib. Jur. civ., rub. 272.
744 Achtundvierzigstes Kapitel.
festgestellt wurde, hatte seit Gründung des Ortes jeder Fremde für die
Warenlast, die er kaufte oder verkaufte, 1 den. mediol. zu entrichten; da-
neben finden sich in dem nur lückenhaft erhaltenen Tarif besondere Sätze
für lebendes Vieh (für das Pferd 1 den. nov.), für Lebensmittel aller Art,
für Rohstoffe und Fabrikate, i) Neben diesem 1192 aufgezeichneten Tarif
besitzen wir für Lodi einen etwas jüngeren Brückenzolltarif (Breve de tolo-
neo pontis seu collecta pontis), der in die 1210 und 1211 aufgestellten Sta-
tuten der Stadt aufgenommen ist. 2) Er rechnet im allgemeinen nach Karren,
die je 2 Pferde- und 4 Esellasten gleichgesetzt werden ; der höchste Satz ist
6 den. für den Karren Pfeffer, Brasilholz, Alaun, Baumwolle und für den
Ballen (torsellus) farbiger Tuche. Wer zu Pferde kam, zahlte 1 den. mediol.,
Fußgänger die Hälfte, für Pferde und Rinder, die zum Verkauf gebracht
wurden, war 1 den. zu entrichten, für Esel und Schlachtschweine die Hälfte,
für Kleinvieh bis zu 6 Stück ebensoviel, wenn darüber, 1 den. Auch dieser
Zoll wurde offenbar ausschließlich für die Kommune Lodi erhoben.
Als Uferzoll (ripae) bezeichnet der Mailänder, der im Jahre 1216
das in seiner Vaterstadt geltende Gewohnheitsrecht aufzeichnete, die von
ihm (offenbar keineswegs vollständig) überlieferten Abgabensätze 3); doch ist
kein Zweifel, daß sie, wie in Lodi, die Marktabgabe (curatura) mit enthielten,
und daß (von Gebühren natürlich abgesehen) weitere Handelsabgaben in
Mailand nicht erhoben wurden. Danach wurden die Zollsätze nach dem
Gewicht berechnet bei Pfeffer, Weihrauch (andere Gewürze und Drogen
sind nicht aufgeführt) und Wachs, die T^/a imp, vom Zentner zu zahlen
hatten, während die Sätze für Fleisch, Öl, Käse und Schweine 4 den., für
Kümmel und Galläpfel (de galleto) 1 imp. vom Zentner betrugen. Nach der
Stückzahl entrichtete man vom Hundert roher Lammfelle 6 imp., bei den
Tuchen von Como u. a. 4 imp. ■*) Von den übrigen Erzeugnissen der Textil-
industrie, denen der Lederindustrie und bei Panzern wurde die Abgabe mit
4 den. oder bei den wertvolleren Artikeln mit 4 imp. pro libra (also mit l^/g
oder SVsVo) vom Wert erhoben. Vom Pferde wurden 12 den. gezahlt (an-
dere Tiere fehlen) ; bei Edelmetallen war je 1 imp. von der Unze Gold oder
der Mark Silber zu entrichten (andere Metalle enthält die Aufzeichnung nicht).^)
592. Ebenfalls auf den Uferzoll bezieht sich die uns im Wortlaut er-
haltene Zollordnung von Ferrara. Da sich in der Zeit der Wirren mancher
Mißbrauch anf dem Gebiet des Abgabenwesens eingeschlichen und Streitig-
keiten mit anderen Orten hervorgerufen hatte, so setzte man unter dem
Regiment Salinguerras eine Kommission von 7 Mitgliedern ein »ad provi-
dendum super ordinamentis Ripae Ferrariae in melius reformandis« ;
ihre Arbeit, die sie am 11. Oktober 1228 vorlegte, wurde am folgenden Tage
von dem großen Rat (Consilium generale) genehmigt. 6) Auf einem ganz
1) Cod. Laud. II no. 163 p. 185 f. S. auch oben § 578.
2) Ebd. ni, 556 ff. : Stat. vetera 1. m ruh. 54.
') Berlan p. 74 f. ruh. 32: restat ut videamus de rippis et earum varietate
et quantitate, quae in civitate nostra dantur et auferuntur.
*) Außerdem de unoquoque pelloto connilii 2 imp. Das bedeutet also wohl
den Pelz von Kaninchenfellen.
*) Lattes, diritt. consuet. p. 168 hält es für wahrscheinlich, daß es sich hier
nur um die Abgabe handle, die die Herbergswirte vom Preise der in ihrer Her-
berge von den Fremden verkauften Waren zu erheben hatten. Sowohl nach der
Höhe der Sätze wie nach der oben zitierten Angabe des Verfassers ist es ganz
ausgeschlossen, daß hier von dieser Gebühr die Rede ist.
«) Muratori Antiq. U, 29 ff.
Handelswege und Handelsabgaben. 745
anderen Prinzip wie die mailändische aufgebaut, bemißt sie ihre Sätze nicht
nach den Waren, sondern nach der Herkunft der Kaufleute, wozu sich ein
Ansatz ja auch in der Zollordnung von Verona findet; im allgemeinen gilt
der Grundsatz, daß die am entferntesten Wohnenden am meisten zu zahlen
hatten. So hatten Franzosen, Deutsche, Genuesen und Pisaner bei ihrer
Ankunft in Ferrara von der Last (soma) oder einem Teilbetrage derselben
2 sol. imp. zu zahlen ; die von dem Erlöse ihrer Waren eingekauften Waren
waren bei der Ausfuhr abgabenfrei, nur wenn sie darüber hinaus Waren
einkauften, hatten sie für diese auch bei der Ausfuhr die gleiche Abgabe
zu entrichten. Die Richtigkeit ihrer Angaben in dieser Beziehung hätten
sie durch einen Eid zu bekräftigen, der für ein Jahr Gültigkeit behielt.
ErhebHch günstiger waren die binnenländischen Toskaner daran ; sie zahlten
pro soma 8 imp. (also nur den dritten Teil), außerdem allerdings noch eine
Abgabe von 12 imp. vom Schiff bei Ankunft und Heimkehr, Eine Aus-
nahmestellung nahmen, offenbar als Untertanen des Lehnsherrn Ferraras,
die Römer ein; jedenfalls beruht es auf altem Herkommen, wenn sie bei
Import oder Export ohne Rücksicht auf das Quantum eine Abgabe von
1 lucensis zu leisten hatten, einer Münze, die nur an dieser Stelle des Tarifs
begegnet. Im übrigen finden sich für die Städte des Gebiets zwischen Alpen
und Apenninen die mannigfachsten Abstufungen; in der Regel ist neben
der Schiffsabgabe (de fundo navis) eine solche vom Karren oder der Last,
zu entrichten; nur bei den Bergamasken, die über Galeria oder Doliolo
weiter nach der Romagna gingen, begegnet ein Satz von 12 imp. vom Tuch-
ballen (torsello). Auch sonst finden sich für transitierende Waren mehrfach
höhere Sätze; Placentiner, Parmesanen u. a. hatten denselben Satz, außer
der sonst allein von ihnen zu erhebenden Schiffsgebühr, dann zu zahlen,
wenn sie mit ihren Waren nach der Romagna oder Toskana weitergingen.
Das Bestreben, Ferrara zum Stapelplatz dieses Verkehrs zu machen, tritt in
diesen Sätzen deutlich hervor. Allgemein gültig für alle Fremden war der
Einfuhrzoll von 1 imp. vom Stück Groß- oder Kleinvieh und vom Zentner
Fische oder Feigen. Bemerkenswert ist, daß bei Zollstreitigkeiten zwischen
einem Fremden und einem Zolleinnehmer (rivarius) dieser die von dem
Fremden aufgewandten Gerichtskosten zu tragen hatte, falls gegen ihn ent-
schieden wurde.
593. Als eine Neuerung tritt gegen Ende unserer Periode hier und da
die Einführung besonderer Ausfuhrzölle auf. Abgesehen davon, daß Parma
von jedem Fremden V120 vom Wert der ausgeführten Waren erhob, belastete
Bergamo um 1240 die Ausfuhr gewisser Waren allgemein mit verhältnis-
mäßig hohen Sätzen, i) Danach wurden von jedem Tuchballen (wir wissen,
daß die Tuchindustrie in Bergamo florierte) 3 sol. imp. und ebensoviel von
jeder Last »baldinelle« erhoben. Von den Metallen, die im Bergamaskischen
in beträchtlicher Menge gewonnen wurden, zahlte man bei Roheisen 2) vom
Karren 6 sol. imp., von der Last 1/4 davon, bei bearbeitetem Eisen 8 sol. vom
Karren, während Kupfer mit 5 sol. vom Miliarium erscheint. Der Karren
Mühlsteine und die Last bearbeiteten Holzes zahlten 1 sol., die Last irdener
Kochgeschirre das Doppelte. Kastanien erscheinen roh mit 3 den., gebraten
mit 6 den., Säcke endhch mit 1 sol. :^ir die Last. 3) Erst wenn dieser Zoll
») Stat. Parm. p. 96. Stat. Perg. coli. XIV rub. 10 (Leg. Munic. II p. 2022).
') De quoll bet carro ferri cocti non laborati.
*) Außerdem erscheint ein Posten von 3 sol. de soma de cavezolis (gave-
zolis, Kessel?) im Tarif.
I
746 Achtundvierzigstes Kapitel.
(tolloneum) bezahlt war, wurde die Ausfuhrlizenz (parabola) erteilt. Um
jeden Zweifel auszuschließen, bestimmte ein Zusatz von 1247, daß der Trans-
port noch nicht hergerichteter bergamaskischer Tuche zu den Walkmühlen
des Gebiets einer Abgabe nicht unterliege, i) Während dieser Tarif schwer-
lich andere als rein fiskalische Zwecke verfolgt, tritt uns in Bologna in ähn-
lichem Fall die Tendenz des Schutzes der heimischen Konsumenten entgegen ;
nach dem Statut des Popolo von 1248 sollen die Anzianen die Einführung
folgender Ausfuhrzölle erwirken : vom Zentner. Öl 3 sol. hon., von der Trag-
last Fische und der Wagenlast Früchte je 10 sol., von der Traglast Früchte
(außer Feigen, Kastanien und Nüssen) 1 sol., endlich vom Zentner Eisen
1 1/4 und entsprechend von der Last Eisen 5 sol. bon. Die Bundesgenossen
Bolognas in der Romagna sollten diesen Zöllen allerdings nicht unterliegen. 2)
Daß den Handel in den Städten auch Wäge- und Meßgebühren trafen,
daß je nach den Umständen auch Fundakatsgebühren , Herbergsgebühren,
Standgelder hinzukamen, daß, wo die Vermittelung von Maklern eintrat,
natürlich auch hierfür Gebühren zu entrichten waren, sei an dieser Stelle
nur erwähnt.
594. Die Zollpolitik der Kommunen und der Handel hatten aber auch
mit den Wegezöllen, den pedagia oder passagia, die von allem passierenden
Gut an bestimmten Stellen der Handelsstraßen, namentlich an Defileen und
Brücken erhoben wurden, zu rechnen ; reichsunmittelbare edle Herren, aber
auch solche, die von einem der Stadtstaaten abhängig geworden waren,
finden wir besonders in dem Besitz solcher ursprünglich auch auf königliche '■
Verleihung zurückgehender Zölle, denen das sichere Geleit auf einem be-
stimmten Straßenabschnitt als Gegenleistung gegenüberstand oder doch gegen-
überstehen sollte. 3) Die Erhebung erfolgte in der Regel in sehr einfacher
Weise ohne Rücksicht auf die Ware von der Last; ein Beispiel für eine <^
etwas weitergehende Abstufung liegt uns aus dem Jahre 1223 in dem pe- ■{
dagium vor 4), das an der Straße von Asti nach Savona bei Schloß Pereto
erhoben wurde. Frei von diesem pedagium war die Nachbarschaft, die Leute
aus Spigno und Sassello, Ponzono und Montechiaro. Von der Traglast, ob
sie nun in Fischen oder anderen Dingen bestand, wurden 2 den. jan. er- ,^,
hoben, ebensoviel vom Esel oder sonstigem Kleinvieh beim Transport von fl
Getreide oder Salz. Von der Saumtierlast dagegen wurden erhoben bei Hanf
3 sol., bei Häuten und Leder 1 sol., bei Käse, Öl, Honig und allen anderen
Waren 2/3 sol., ohne Unterschied, ob sie in der Richtung nach der See oder |
nach der Lombardei passierten. Die jährliche Durchschnittseinnahme aus
diesem Zoll wurde auf 80 1. jan. veranschlagt. ^)
595. Es wird eine Vorstellung von der Belastung des Handels durch
diese Wegezölle geben, wenn wir die bekannten Nachrichten über solche
für die Strecke der Frankenstraße vom Po bis zum Arno zusammenstellen.
Von Piacenza aus, wo Brückenzoll zu zahlen war, erreichte man die nächsten
Zollstätten noch an der via Claudia in Fiorenzuola und Borgo San Donnino ;
*) Ebd. rub. 11 : possit ducere et menare . . . pannos Bergamaschos sgrezzoa
ad fullos ad quamcumque partem virtutis Pergami et ipsos pannos reducere ab
ipsis fullis ad habitationem eorum sine aliqua parabola et tolloneo.
2) Stat. Soc. Bol. n, 526 rub. 59.
3), Hierzu s. Huvelin 367 ff., 579 ff.
*) Lib. Jur. I no. 595.
*) Et bene solet valere dictum pedagium curie Pereti, quando strata ibat
plenius, 1. 80. Ein Zoll an der La Futastraße ob. § 284.
Handelswege und Handelsabgaben. 747
an ersterem Ort hat Kaiser Heinrich VI. den Pläcentinern in Anerkennung
ihrer guten Dienste am 26. April 1194 das teloneum zu Lehen gegeben, am
zweiten sie von dem daselbst für den Kaiser zu erhebenden, vorher vielfach
von Parma und Piacenza umstrittenen Wegezoll befreit, i) Auf der Gebirgs-
passage erhoben die Pelavicini und Malaspina ihre Zölle. Als Piacenza Ende
1167 den Markgrafen Opizo Malaspina und seinen Sohn Murvello haupt-
sächlich dadurch zum Anschluß an den lombardischen Bund bestimmte, daß
es ihrer Geldnot abhalf, machte es zur Bedingung, daß die Markgrafen die
von ihnen vorgenommenen Zollerhöhungen mit Beendigung des Krieges
wieder fallen ließen 2); doch noch um 1182 schreiben die Statuten von Pia-
cenza den Konsuln vor, sich um die Beseitigung dieses Zollzuschlags zu be-
mühen, s) In dem hauptsächlich gegen Pavia gerichteten Vertrage, den
Piacenza und Mailand am 17. Oktober 1200 mit Markgraf Albert und seinem
Neffen Konrad schlössen, versprachen diese eidHch, von Mailändern und
Placentinern, die durch ihr Gebiet zogen, nur den Zoll zu erheben, den
Piacenza hergebrachterweise zahlte; der erhöhte Zoll (maltolta ista) sollte
ihnen gegenüber außer Geltung bleiben. Als die Malaspina das Konzil von
1215 zur Aufbesserung ihrer Finanzen benutzen wollten, indem sie den Rom-
fahrern und anderen Pilgern neue Wegezölle auflegten, forderte Innocenz III.
die Genuesen zu entschiedenem Einschreiten auf und drohte, jedermann den
Durchzug durch das markgräfliche Gebiet zu untersagen. 4) Jenseits der
Paßhöhe des M. Bardone war Pontremoli eine kaiserliche Zollstätte ; 14 den.
imp. von diesem kaiserlichen Zoll^), dessen jedenfalls von der Last zu er-^
hebenden Gesamtbetrag wir nicht kennen, der aber schwerlich sehr viel
höher gewesen sein kann, verlieh Kaiser Friedrich am 1. Februar 1167 mit
anderen Regalien der Gemeinde Pontremoli, die dafür jährlich zu Martini
50 1. imp. an den kaiserlichen Fiskus zu zahlen hatte. Einen weiteren Zoll
von 12 den. imp. von der Last (soma) und 6 den. imp. von der Halblast,
dem fardello, vergab der Kaiser am 21. August 1175 an den Herrn von Vez-
zano (nahe dem Zusammenfluß von Magra und Vara), Guilelmus Albus, um
ihn für seine treffüchen Dienste zu belohnen ; der Zoll sollte in San Stefano
oder einem anderen Orte an der Straße bis Sarzana hin erhoben werden.
Sein gleichnamiger Sohn hat von diesem Zoll, der mittlerweile nach Sarzana
selbst verlegt worden war, 2 den. am 30. Mai 1202 an Sarzana für 60 1. imp.
verkauft. ^) Einen weiteren Zoll erhob natürlich der Bischof von Luni, dem
das Geleitsrecht innerhalb des Bistums zustand."^) Im Lucchesischen hatte
dann das Geschlecht der Cenami seit alten Zeiten einen Wegezoll inne, mit
dem es im Jahre 1195 von Heinrichs VI. Bruder, Phihpp, dem Herzog von
Tuscien, von neuem belehnt worden ist. 8)
») AfEÖ m, 30ß no. 6.
») Vignati 149 f. Boselli I, 318. Giesebrecht V, 591.
•) Boselli I, 434 : ut superfluum quod Opizo toUit ultra vetus pedagium re-
maneat.
*) Chart, n no. 1707. Lib. Jur. I no. 515.
") Ficker IV, 184 no. 142 : 14 den. de passagio nostro imperiali quod colligitur
in Pontremulo. Giesebrecht V, 531. Sforza U, 243 no. 2.
«) Scheffer-Boichorst 142 f. Sforza G. : II mercato e il pedaggio di S. Stefano
di Magra, in: Atti e mem. per le prov. Moden, e Parmensi, ser. 3, VI 2 p. 443 ff.
und Derselbe : La vendita di Porto Venere ai Genovesi e i primi signori di Vez-
zano im Giorn. della Ligur. HI (1902) p. 355 f.
') Oben § 586.
*) Winkelmann, Acta I no. 1.
748 Achtundvierzigstes Kapitel.
Wichtige Zollstätten lagen ferner am Übergange der Frankenstraße
über den Arno, bei Fucecchio auf dem rechten und San Miniato, dem alten
Mittelpunkte der kaiserlichen Macht in Tuscien, auf der linken Seite des
Flusses. Im Jahre 1241 ließ Friedrich II. durch seinen Generalkapitän in
Tuscien Erhebungen über den Besitz des »passagium de Ficiclo« anstellen;
als derzeitige Inhaber desselben erscheinen die Söhne des Gerardinus Bos.i)
Der Kaiser zog auch diesen Wegezoll an sich und verpachtete am 2. No-
vember 1243 von Mitte des nächsten Februar ab auf 2 Jahre alle dem kaiser-
Hchen Fiskus zustehenden »passagia sive thelonea« in San Miniato, Fucec-
chio, Val di Nievole, Ariana und Lima an den florentinischen Kaufmann
Bentivegna Ugolini Davanzi, dem er gleichzeitig auch das fiskalische Silber-
bergwerk von Montieri mit dem Recht, Miliarenses zu prägen, für eine Ge-
samtsumme von 11000 1. pis. verpachtete, so daß wir leider nicht ersehen
können, wieviel von dieser Pachtsumme auf die Zollstätten entfiel. 2) Als
Ausnahme mag erwähnt werden, daß kaiserliche Gunst auch einmal einen
solchen Wegezoll beseitigte ; die Gemahlin Friedrich Barbarossas hat im Jahre
1178 in Vercelli einen abgabenfreien Übergang über die Sesia einrichten
lassen, indem sie gleichzeitig für Ablösung der Ufer- und Zollrechte desj
Bischofs von Vercelli an Sesia und Cervo Sorge trug. 3)
596. Wenn bei den Inhabern der Zölle naturgemäß eine Tendenz zur
Erhöhung oder Erweiterung derselben (man pflegte solche als malatolta z
bezeichnen) obwaltete und auch die Kommunen davon keineswegs frei waren,
.80 fand dies Bestreben bei letzteren doch in der gebotenen Rücksicht auf
die Handelsbeziehungen zu den anderen Kommunen, von denen man Ver-;
geltungsmaßregeln zu erwarten hatte, eine starke Schranke 4); vielfach ver
pflichtete man sich deshalb in Gegenseitigkeitsverträgen, eine Erhöhung der]
bestehenden Abgaben oder die Einführung neuer nicht vorzunehmen ; auch
die kirchliche Autorität wandte sich gegen jene, die in ihren Gebieten neue
Zölle einführten, 5) Im Mai 1168 beschloß die Tagung des lombardischen
Bundes zu Lodi ausdrücklich, daß in den Gebieten der Bundesstädte von
den Untertanen der Bundesmitglieder keine anderen als die althergebrachten
Zölle und Abgaben in der gewohnten Höhe erhoben werden dürften, wobei
als althergebracht nur diejenigen anzusehen seien, die schon seit 30 Jahren
bestanden. 6) Darüber hinaus hat man sich in dieser ersten Zeit des Bundes
vielfach weitgehende Zugeständnisse auf dem Gebiete der Handelsabgaben
gemacht; so haben sich Bergamo und das wiedererstehende Mailand schon
Ende März 1167'^) gegenseitig Befreiung von der Marktabgp,be (curatura) und
■e
f
i
*) Rena e Camici VIb p. 46 — 55.
^) Winkelmann Acta 11, 41 no. 37. Dazu Davidsohn, Forsch. II, no. 448. .Tungj
p. 71 ff. Ebd. 67 A. 2 über das Abkommen San Gimignanos ' mit dem Kastellaii|
von San Miniato über Rechtsschutz, sicheres Geleit und Wegezölle.
3) Stumpf m, 730 no. 524. Giesebrecht V, 866; VI, 552.
*) So war der Podesta von Parma gehalten, wenn Cremona oder eine anderej
Stadt den Parmesanen gegenüber aliquod pedagium vel toloneum novum einrich-
tete, sofort einen Vergeltungszoll zu erheben. Stat. Parm. p. 95.
') Beispielsweise Gregor IX. in der Bulle vom August 1229; Rodenberg I,j
no. 399 p. 319.
') Vignati 177 ff. Giesebrecht V, 603. Ähnlich im Vertrage zwischen Mai-
land und Como von 1168: isalvo vetere pedagio ubique< ; Cod. Laud. 11, 46 no. 36.
Vignati 168 f. Giesebrecht V, 600; und schon 1167 in dem Vertrage des Bundes
mit Piacenza. Giesebrecht V, 581.
') Cod. Laud. II, 32 no. 22. Giesebrecht V, 571; VI, 474.
Handelswege und Handelsabgaben. 749
allen Zöllen (teloneum, pedagium, pontaticum) zugesichert; nur am Adda-
übergange bei Brivio sollte beiderseits ein Warenzoll erhoben werden. Die
gleiche Befreiung sicherten sich im folgenden Jahre auch Mailand und Ver-
celli zu, wobei Mailand den Vercellesen sogar die ihm zustehende Hälfte
des Transitzolls über den Tessin überließ, während die andere von Novara
erhoben wurde ; bald darauf gewann Vercelli auch Befreiung von der Markt-
abgabe in Ivrea. 1) Auch das neubegründete Alessandria und Asti ver-
sprachen sich 1169 Freiheit von allen Handelsabgaben, wobei Asti freilich
die dem Bischof zustehenden Abgaben sowie die aus dem laufenden Kon-
trakt sich ergebenden Rechte der Zollpächter vorbehielt. 2) Und um das
widerstrebende Lodi für den Bund zu gewinnen, wurde im Mai 1167 seinen
Kaufleuten und ihren Waren volle Zollfreiheit in den Gebieten von Cre-
mona, Mailand, Bergamo und Brescia zugestanden.^)
All das waren Erleichterungen, die dem Handel sehr wesentlich zu-
statten kommen mußten, wenn es auch auf diesem Gebiet bei der häufig
genug wechselnden Parteigruppierung der Städte auch vielfachen Wechsel
gab; so sah man es, als Mailand und Lodi nach langem Zwist sich 1198/99
verbündeten, schon als einen Fortschritt an, daß beide Städte sich das Ver-
sprechen gaben, keine neuen Abgaben einzuführen und die bestehenden nicht
zu erhöhen. *) Indes ist der Impuls nicht zu unterschätzen, den der Handel
durch solche Vorteile bald hier, bald dort empfing; so steigerte sich die
zwischen Mailand und Vercelli bestehende kommerzielle Freundschaft da-
hin, daß man sich im Jahre 1221 gegenseitig das Bürgerrecht erteilte 0); und
im Januar 1241 haben Asti und Alba auf der einen, Cuneo, Mondovi, Fos-
sano und Savigliano auf der anderen Seite im gegenseitigen Verkehr alle
Zollabgaben (pedagia et malatolta) mit Ablauf der noch bestehenden Pacht-
kontrakte für aufgehoben erklärt. 0)
In der ZoUordnung von Ferrara vom Jahre 1228 beruhen die nied-
rigeren Sätze unzweifelhaft in den meisten Fällen auf Abmachungen in
Gegenseitigkeitsverträgen; die Zollordnung selbst enthält eine Bestimmung,
daß solche Abmachungen, die naturgemäß zumeist im Nachbarschaftshandel
erfolgten, überall in Kraft bleiben soUten.'^) Wenn Modenesen und Man-
tuaner in der Zollordnung ganz fehlen, so hat das eben in ihrer besonderen
Bevorzugung seinen Grund. 8)
597. Ansätze zu einem förmlichen Vertragstarif finden sich in dem
Handelsvertrage zwischen Ferrara und Bologna von 1193; danach hatten
die Bolognesen bei der Einfuhr, außer einer Schiffsgebühr von 8 imp., bei
») Chart. I. 863 no. 548. Vignati 165. Mandelli H, 121 ; am 8. August 1170
feierlich erneuert. Die Marktabgabe in Jvrea hatte dem Bischof zugestanden;
Chart, n p. 1017.
*) Vignati 193 f. Nach dem Vertrage von 1223 erhob Alessandria von den
Astesanen und Albensern von jeder Last oder jedem Ballen, die sie in Alessan-
dria kauften oder verkauften, 1 sol. pap., bei Transit das Doppelte. Milano 11
no. 257.
') Cod. Laud. II, 34 no. 24. Giesebrecht V, 578 ; VI, 476.
♦) Cod. Laud. H, 226 f. no. 209 f.
6) Chart. I, 1268 f.' no. 854 f. Winkelmann I, 176.
«) Chart, n no. 1846 p. 1418 f. Frühere Verträge zwischen Asti und Alba :
Milano I, 17 (1193), II, 12 (1223).
») Muratori Antiqu. 11, 32. '
8) Oben § 575.
750 Achtundvierzigstes Kapitel.
allen Gewichtswaren 3 den. ferr. vel. bon. vom Zentner, bei Leinsamen, Gall-
äpfeln und Eichenblättern (für die Bedürfnisse der Gerberei) 12 den. ferr.
vom Malteri) 2u entrichten und waren nur bei Lebensmitteln abgabenfrei.
Bei anderweiter Einfuhr und bei der Ausfuhr hatten sie außer der gleichen
Schiffsgebühr in den meisten Fällen noch eine Abgabe von 8 imp. (— 2 sol.
ferr.) von der Last zu entrichten; durch eine gemischte Kommission von
Sachverständigen wurden im Jahre 1194 entstandene Zweifel, von welchen
Waren diese Abgabe pro soma in Ferrara zu erheben sei, beseitigt. 2) Das
damals aufgestellte Verzeichnis solcher Waren ist nicht ohne Interesse; es
führt auf: alle Arten von Tuchen; Baumwolle und Wolle; Zuckeralaun 3),
Kermes und Brasilholz; Felle vom Fuchs, Hasen und Kaninchen; Rauch-
waren und Grauwerk ; Pfeffer, Zucker, Safran, Indigo, Weihrauch und Spe-
zereien überhaupt; Farben, Wachs, Lammfelle, Eichhörnchen-, Otter- und
Marderfelle, Pergament, Kupfer. Eisenwaren zahlten nach altem Herkommen
1 ferr. pro Sack ; und bei Salz sollten die Bolognesen dasselbe zu entrichten
haben wie die anderen Ferrara befreundeten Städte. 4) Nach dem Fall^
Ferraras wurde in dem Allianzvertrage zwischen Bologna und Ferrara vom™
2. Juli 1240 volle Freiheit von Handelsabgaben im gegenseitigen Handels-
verkehr proklamiert; nur den Salzzoll Ferraras hatten die Bolognesen auch^
weiterhin zu bezahlen.^)
598. In Toskana begegnen wir ganz analogen Verhältnissen. Als sie
Florenz und Lucca nach langem Zwist im Jahre 1184 einigten, bestimmte
man, daß man gegenseitig von der Warenlast, dem Warenkorbe und der
Geld- oder Warentasche ß) an Zoll nur so viel erheben wolle, als in gemein-
samer Festsetzung durch die beiderseitigen Konsuln der Kaufleute vereinbart«
werden würde. Im Verkehr mit Faenza erlangte Florenz 1204 eine Er-Ä
mäßigung der Abgaben von der Saumtierlast auf 12, von der tasca auf
18 den. rav., während bisher im ersten Falle 28 den. (rav.), im zweiten 18 den.
imp. erhoben worden waren''); und im März 1220 vereinbarten Florenz und
Bologna eine Herabsetzung der beiderseitigen TorzöUe auf 12 den. bonon.
für die »sauma.«^) In dem 1176 von Florenz mit Siena geschlossenen
Frieden war die Höhe der beiderseits zu erhebenden Zölle späterem Schieds-
spruch vorbehalten geblieben; zugleich hatte Siena sich verpflichtet, sich
bezüglich der in den päpstUchen Gebieten zu zahlenden Zölle zugunsten de
s-
I
^) Pro modio seminis lini et vallonie et foUie; Savioli II, 2 p. 173. Murato:
Antiq. U, 893.
^) Diese interpretationes antiquae pacis et concordiae wurden am 11. Febr,
1194 zu Galeria festgestellt ; Murat. Antiqu. IL, 894. Savioli II, 2 p. 176 f. no. 302.
Die Textüberlieferung ist hier wie für den Hauptvertrag von 1193 recht mangel-
haft, Höhe des Transitzolls oben § 575.
*) Savioli liest: de oranibus drapis, de bambajo, de lana cucarina, de grana
etc., Muratori : de drappis, de batilicio (mit Angabe der Lesart des MS. Bonon., bam-;
bacio), de lume zucarina, de grana etc.
*) Savioli p. 177 liest: de portu salis inf erioris statt in Ferraria.
^) Ebd. ni, 2, 185 f. no. 621. Das Prinzip, daß von den Fremden gleich hohe'
Abgaben zu erheben seien, wie sie die Bolognesen in deren Heimat zahlen mußten,
ausgesprochen im Statut der Wechsler von Bologna (1245) rub. 3 : Stat. Soc. Bol. U, 62.
ö) De soma vel scherpilio aut tasca. Hartwig II p. 75 f. Santini p. 20. Da-!
vidsohn I, 569 f. 668 f.
') Santini p. 146 ; Zusatz unter der Unterschrift des Notars in der allein er
haltenen Ausfertigung für die Faventiner.
8) Savioli n 2 p. 420 no. 481. Dazu Davidsohn Forsch. III, 229 no. 1168. ,
i
Handelswege und Handelsabgaben. 751
Florentiner zu verwenden, i) In ihrem Vertrage vom 15. August 1245 sind
dann die beiden großen toskanischen Handelsstädte dazu übergegangen, zu-
nächst für einen Zeitraum von 5 Jahren ihre Untertanen und Waren beim
bloßen Transitverkehr gegenseitig von jeglichen Abgaben zu befreien 2), wie
es zwischen Florenz und Orvieto schon im März 1229 geschehen war. 3)
599, Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß solche Ermäßigung
der Abgaben von wesentüchem Einfluß auf die Steigerung des binnen-
ländischen Handels, die sich namentlich seit der Zeit des dritten
Kreuzzuges in wachsendem Maße bemerkbar macht, gewesen ist.
Hand in Hand damit ging das Bestreben, auch im eigenen Gebiet
die auf dem Handel ruhenden Lasten möglichst herabzusetzen.
So verordnete Fistoja die vollständige Beseitigung des Wegezolls von
Montemerlo 4) ; häufiger aber ist die Begünstigung der eigenen Kaufleute
vor den fremden Händlern, soweit diesen nicht durch gegenseitige Ab-
machung die Gleichstellung mit ihnen verbürgt war. Es deutet auf einen
weitreichenden Einfluß der Handel und Gewerbe treibenden Kreise, wenn
2. B. die Statuten von Vercelli von 1241 jeden Vercellesen von der Zahlung
der Marktabgabe (curadia) in Vercelli für frei erklären ^), und wenn in Brescia
unter dem Einfluß der Konsuln der Kaufleute schon 1180 der Beschluß
gefaßt wurde, daß alle Einwohner der Stadt von jeglicher Handelsabgabe
in Bistum, Grafschaft und dem ganzen Machtbereich der Stadt frei sein
sollten, selbst in dem Falle, daß ihre Waren von anderen Personen in ihrem
Dienst ein- oder ausgeführt würden. ^) Auch in Padua und Gebiet bestand
volle Freiheit von Handelsabgaben für die eigenen Bürger und Distriktualen.")
So weit konnte Verona mit Rücksicht auf die mächtigeren Personen seines
Gebiets nicht gehen;« es begnügte sich in seinen Statuten damit, Zahlung
und Erhebung von Wege- und Brücken- und sonstigen Zöllen zu verbieten,
falls die Erheber nicht ihr Zollrecht nachzuweisen imstande wären. 8)
600. So sehr sich aber hierin wie in den Handelsverträgen der Zeit
die wohlwollende Gesinnung des Stadtregiments für Handel und Handels-
stand zu bekunden pflegt, so sind doch wie irn Seehandel, so auch im
Binnenhandel die Fälle häufig genug, daß man in Staatsverträgen Befrie-
1) Hartwig H, 65 f. nach mangelhaftem Auszuge Wüstenfelds. Dazu die Mit-
teilungen von Davidsohn I, 545 f. aus dem Original.
*) Anas I p. 381 : non debeat auferre aliquid pedagium, guidam vel maltol-
lectum alicui civi . . . transeunti etc. Davidsohn Forsch. IH, 9 no. 27. Zollbefreiungen
der Florentiner in San Gimignano (1243) ebd. H, 306 no. 2326.
») Fumi 118 no. 189.
♦) Stat. di Pist. p. 111 rub. 166.
•0 Leg. Munic. II, 1206 rub. 302.
ö) Lib. Potheris p. 953 (13. Januar 1180): ut nemo negociator seu habitator
Brixie . . . debeat dare aliquod toloneum nee carecthuram (= curaturam) nee uUam
dationem eundo vel redeundo seu stando ad mercatum vel vias vel stratas per
vicos, per plateas aut per zapellos nee pontaticum ad pontes nee rivaticum ad ripas
aquarum; nee aliquis alius homo qui ducat vel trahat aliquod averum alicuius ho-
minis predicte civitatis debeat dare ullam dacionem pro illo avero in episcopatu
seu comitatu aut virtute Brixie. Valentini hat diese Bestimmung so gedeutet, daß
damals in Brescia jede Abgabe auf transitierende Waren abgeschafft worden
sei; N. Arch. ven. XV (1898) p. 20 f.
^ Stat. Padov. (vor 1236) p. 157 ruh. 478.
8) Lib. Jur. civ. 174 rub. 227 (in dem vor 1225 redigierten Teile).
752 Achtund vierzigstes Kapitel. Handelswege und Handelsabgaben.
digung von Schadenersatzansprüchen auf dem Wege der Zollzuschläge vor-
sah, sei es, um kriegerische Verwickelungen hintanzuhalten, sei es, um nach
solchen Verwickelungen einen Ausgleich herbeizuführen. So empfindlich
eine solche Belastung unter Umständen für den friedlichen Handel sein
mochte, so trat sie doch nur auf Zeit ein und diente dazu, Schlimmeres
von dem Handel abzuwehren. So soUten nach einem Vertrage vom 31. Juli
1187 zum Ersatz für vorgefallene Schädiguugen an den Toren Vercellis von
Bewohnern Alessandrias erhoben werden vom beladenen Karren (plaustrum)
12, von der soma 3, vom Lastpferde 2 und dem Lastesel 1 den. pav. ; der
zwölfte Teil der Einnahme sollte zur Bezahlung des Zollerhebers dienen, i)
In ähnlicher Weise sicherte der Vertrag, den Florenz nach siegreichem
Kriege 1176 den Sienesen auferlegte, seinen Kaufleuten vollen Ersatz der _,
während des Krieges erlittenen direkten Schäden entweder durch unmittel- flj
bare Restitution oder auf dem Wege der Zollzuschläge zu, die wie in Florenz
selbst so auch an den Toren von Siena zugunsten der Geschädigten erhoben
werden sollten; auch bei zukünftigen Schädigungen sollte das gleiche Ver-
fahren ohne weiteres Anwendung finden. 2) Und als im Jahre 1204 Flo-
rentiner Kaufleute im Gebiet von Faenza überfallen und beraubt wurden,
einigte man sich dahin, die den Geschädigten zugesprochene Summe in
gleicher Weise aufbringen zu lassen; jeder Faventiner, der des Handels
wegen nach Florenz kam, zahlte, falls er nicht etwa bloß ein Pferd oder
Stoff zur eigenen Bekleidung kaufte, 1 1/2 sol. für die Warenlast und das
Doppelte für die Geldtasche; führte er indessen letztere nicht als Campsor,
sondern nur zum Zweck von Einkäufen in Florenz mit sich^), so brauchte
er nicht pro tasca zu zollen, sondern konnte die Abgabe bei seiner Heim-
kehr pro sauma erlegen. Nach Deckung der Schadensumme sollten die
Faventiner dann in Florenz nicht mehr zahlen als andere. Beide Kon-
trahenten verpflichten sich, auf diese Weise einen zur Schadloshaltung von
Kaufleuten bestimmten Geldbetrag aufzubringen in dem Vertrage, den Flo-
renz und Perugia im März 1218 miteinander schlössen. 4) Ein gewisser Vin-
ciguerra Bacialerii hatte Waren im Werte von 150 1. geraubt und es scheint,
daß keinem der beiden Teile die Verantwortung für diesen Raub zuge-
sprochen werden konnte, wenigstens sollten s/g dieses Betrages durch einen
in Perugia von den Florentinern, 2/g durch einen in Florenz von den Peru- m
sinern nach folgendem Tarif zu erhebenden Zoll gedeckt werden : von der ^
Last bei wollenen Tuchen 2 sol., bei leinenen Tuchen und Wildfellen ^)
lV2Sol-j bei allen anderen Waren 1 sol. und ebenfalls 1 sol. vom Pack
bei Kaninchenfellen und bearbeitetem Rauchwerk. ^) Der Erheber dieser
Zölle in Florenz war von den Perusinern zu ernennen und umgekehrt. Im
selben Jahre einigten sich Bologna und Lucca dahin, nicht beizutreibende
Schuldforderungen von Kaufleuten der anderen Stadt durch eine Auflage
*) Mandelli 11, 83 A. 1. Auch in einer Zollordnung aus den achtziger Jahren
des 13. Jahrhunderts heißt es: et computetur plaustrum 4 some. Cipolla, Docum.
184 no. 49.
^) Hartwig II, 65 f. Davidsohn I, 545 f.
^) Santini p. 144 f. : pro investitura in negotiatione facienda. Davidsohn I,
646, 669. Ähnliche Verpflichtung der Florentiner 1181 Piacenza gegenüber, oben
§ 284.
*) Santini p. 190 f. no. 62. Vecchio e Casanova, App. no. 1 p. 285. Vgl.
Davidsohn I, 785. S. auch den Vertrag Pisa — Rom 1174; oben §488.
*) De salma pannorum lini et salvaticume.
®) De torscia cunicolorum et de variis laboratis.
Neunundvierzigstes Kapitel. Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 753
(collecta) von je 10 sol. bon. von Last und Tasche und 6 sol. vom Waren-
korbe, die von der lucchesischen Einfuhr nach Bologna und umgekehrt zu
erheben war, zu decken, i)
Orvieto hat dieses Verfahren seinen Kaufleuten gegenüber einmal sogar
angewandt, um eine Schuld von 110 1. zu tilgen, die es bei dem Prior von
S. Nicolaus in Carcere zu Rom hatte. Am 23. November 1219 versprach es
dem Prior, je einen Zolleinnehmer in Sutri und Orte zu bestellen, die fol-
gende Abgaben von allen passierenden Orvietanern zu erheben hatten:
12 den. von jedem Reiter, von jedem Fußgänger oder Rompilger die Hälfte,
5 den. von jeder Last oder Tasche, dazu noch eine Abgabe im Falle des
Verkaufs; spätestens in einem Jahre hoffte man auf diese Weise den Gläu-
biger befriedigt zu haben. 2)
I^eunundvierzigstes Kapitel.
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften.
601. Als ein schweres Hemmnis des friedlichen Handelsverkehrs
erwies sich nicht selten das tief in der mittelalterlichen Rechtsauf-
fassung wurzelnde Represaliensystem , das von der Auffassung aus-
ging, daß jeder, der von einem Fremden eine Schädigung erlitten,
berechtigt sei, sich durch Rückgriff auf dessen Landsleute schadlos
zu halten. Bei diesen Schädigungen bedeutete es einen sehr wesent-
lichen Unterschied, ob sie durch irgendwelche Vergewaltigung ent-
standen waren, oder nur dadurch, daß eingegangene Verbindlichkeiten
nicht erfüllt worden waren.
Im ersteren Falle, dem allgemeineren, bei dem weit umfassendere In-
teressen als die des Handels in Betracht kamen 3), erschien es in der Tat
als Sache des Staates, das Interesse seiner geschädigten Staatsangehörigen
wahrzunehmen. Prinzipiell erkannte man das Recht des Geschädigten auf
Rückgriff gegen die Landsleute des Schädigers ohne weiteres an; aus prak-
tischen Gründen aber, hauptsächlich um kriegerischen Verwickelungen oder
schweren Störungen des Handels aus verhältnismäßig geringfügiger Ursache
vorzubeugen, suchte man das Verfahren zu regeln und ließ den Rückgriff
selbst erst dann zu, wenn der Appell an den Staat, dem der Schädiger an-
gehörte, sich als fruchtlos erwies. So schreiben die pisanischen Konsular-
statuten von 1164 ausdrücklich vor, daß zunächst die fremden Behörden
von Amtswegen je nach den Umständen durch eine öffentliche Gesandtschaft
oder durch Boten oder auch auf schrifthchem Wege zur Remedur aufzu-
fordern seien; erst wenn sie mit Herausgabe des entfremdeten Gutes oder
der verlangten Rechtshilfe oder der Vollstreckung des Urteils im Verzuge
bheben, sollte dem Geschädigten die Selbsthilfe erlaubt sein. 4) Ganz all-
') Savioli n, 2, 391 no. 458. S. auch den Vertrag zwischen Alba und Albenga
von 1215; Milanol, 186 f.
») Fumi 86 no. 123.
^) Für das Allgemeine verweise ich auf das Werk von dal Vecchio und Ca-
sanova. Dazu 8. von neuerer Literatur P. Lafargue : Les repr^sailles en temps de
paix. ;6tude juridique, historique et politique. Paris 1898 und M. Roberti: Le Rap-
presaglie negli Statuti Padovani. Padua 1901.
*) Bonaini I p. 40. Vgl. Vecchio e Casanova p. 67.
Schaube, Handelsgeschichte der roman. Völker im Mittelalter. 48
754 Neunundvierzigstes Kapitel.
gemein wird daher auch in den Verträgen der Staaten das Verfahren für
den Fall, daß »Offensio« zwischen ihren Angehörigen vorkam, behandelt
und in der Regel eine Frist vorgeschrieben, innerhalb welcher anhängig ge-
machte Klagen zu erledigen seien. Häufig ist namentlich bei Friedens-
schlüssen die Einsetzung von Schiedsgerichten i), die über vorgefallene Schä-
digungen zu befinden hatten, womit Selbsthilfe ohne Aveiteres ausgeschlossen
war; das System der Zollzuschläge 2) war ein weiteres Mittel, der Willkür
auf diesem Gebiet von Staatswegen entgegenzuarbeiten.
602. Wesentlich anders lag die Sache, wenn die Schädigung dadurch
erfolgte, daß ein fremder Schuldner den von ihm übernommenen Verpflich-
tungen seinem Gläubiger gegenüber nicht nachkommen konnte oder wollte.
Hier konnte häufig den Gläubiger durch Mangel an Umsicht, wucherisches
Verhalten u. dgl. ein erheblicher Teil der Schuld treffen. Der Rückgriff
auf die Landsleute des Schuldners auch in solchen Fällen war geeignet, die
Handelsbeziehungen zweier Staaten ganz besonders empfindlich zu stören,
und wenn er auch nicht kriegerische Verwickelungen hervorrief, die Kauf-
leute von dem Gebiet, in dem ihnen Represalien drohten, fernzuhalten. So
macht sich schon früh gegen diese Art des Rückgriffs eine Gegenströmung
bemerkbar, die mit der Zeit erheblich an Stärke zunimmt und sie auf dem
Wege friedlicher Vereinbarung aus der Praxis so viel wie möglich aus-
zuschalten sucht.
Als Kaiser Friedrich 1155 nach Bologna kam, führten die Scholaren, ^
die sich sonst in Bologna sehr wohl zu fühlen erklärten, darüber Klage, ■
daß die Bürger gelegentlich den einen oder den anderen von ihnen zwingen
wollten, Schulden zu zahlen, die nicht sie selbst, sondern einer ihrer Lands-
leute daheim einst in Bologna kontrahiert hätte; und in der Tat hat der
Kaiser wenig später ein Gesetz gegen diese Anwendung des Represalien- _;
Systems erlassen, das auf dem Reichstage von Roncaglia erneut veröffent- m\
licht worden ist. 3) Gerade in Bologna scheint sich dann, vielleicht unter
dem Einflüsse der römisch gebildeten Juristen, die Überzeugung von der
Schädlichkeit des Systems bei Kreditverpflichtungen überhaupt Bahn ge-
brochen zu haben; der Vertrag, den Bologna im Jahre 1166 mit Modena
schloß, zeigt uns, daß man in durchaus folgerechter Weise dem Represalien-
wesen dadurch am besten beizukommen meinte, daß man dem fremden
Gläubiger einen möglichst weitgehenden, gesicherten Rechtsschutz gewährte.
Beide Städte verpflichteten sich hier gegenseitig, Schuldner zur Erfüllung M
ihrer Verpflichtungen gegenüber den Angehörigen der anderen Stadt zu ■
zwingen und denen gegenüber, die sich solchen Verpflichtungen hartnäckig
entzogen, äußerstenfalls mit Verbannung aus Stadt und Gebiet und Fort-
nahme und Zerstörung ihres Besitzes vorzugehen ; handelte es sich um mehrere
solidarisch verpflichtete Schuldner, so sollte sich der Zwang bei jedem auf
den nach der Zahl der Schuldner zu bemessenden Anteil an der Gesamt-
I
*) Als ständige Einrichtung begegnen solche arbitri z. B. in dem Verhältnis
Modena -Ferrara; Vertrag von 1198 (Murat. Ant. II, 890) u. 1220 (ebd. IV, 430, 432).
Ihr Amtseid aus dem Jahre 1227 ebd. 437 f. Auch im Vertrage Verona - Cremona
von 1203 (Ficker IV no. 208 p. 260) ; Florenz - Imola von 1238 (Davidsohn Forsch.
III, 6 no. 18); und besonders eingehend Florenz - Siena von 1237 (Arias I, p. 373 ff.)
2) Ob. § 600.
^) Const. et acta I, 249 (Privilegium scholasticum von 1158). Savioli I, 2
p. 253. Giesebrecht V, 52, 181 f.; VI, 308. Gaudenzi : II monastero di Nonantola etc
im Bull. stör. it. 22 (1901), 184 S.
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 755
schuld erstrecken.!) In dem Vertrage vom Mai 11792) ergänzte man diese
Bestimmungen noch dahin, daß unter Zinsfestsetzung aufgenommene Schulden
auch mit den Zinsen zu bezahlen seien, während bei anderen wohl darauf
zu achten sei, daß (mit Rücksicht auf etwa eingetretene Münzverschlech-
terung) auch wirklich der volle Wert, den die Schuld zur Zeit des Kontrakt-
abschlusses darstellte, zur Rückerstattung gelangte.
War der Gläubiger im fremden Staate des gleichen Rechtsschutzes wie
im eigenen gewiß, so war damit der Anwendung des Represaliensystems auf
Schuldverhältnisse jede innere Berechtigung entzogen. Und so mögen wohl
manche Verträge von der Art des bolognesisch - modenesischen von 1166
dem in der Geschichte des Represalienwesens eine hervorragende Stelle ge-
bührenden Beschlüsse vorangegangen sein, den der lombardische Bund auf
seiner Tagung von Lodi am 3. Mai 1168 gefaßt und an die Spitze seiner
Entschließungen gestellt hat. ^) Fortan sollte danach ein jeder, der eine
Forderung an einen Angehörigen einer anderen bundesgenössischen Stadt
hatte, sich nur an diesen selbst halten, nicht aber einen anderen an seiner
Statt pfänden oder irgendwie schädigen dürfen; als Opizo Malaspina bald
darauf dem Bunde beitrat, mußte auch er versprechen, keinen an Stelle
eines anderen zu pfänden. 4)
603. Damit war ein für die Interessen des legalen Handels überaus
wichtiger Grundsatz in einem ausgedehnten Gebiet Ober - Italiens zur all-
gemeinen Anerkennung gelangt, und es ist kein Zweifel, daß die Städte, die
bei diesem Beschlüsse mitgewirkt haben, auch für seine praktische Durch-
führung Sorge trugen. Bald darauf sehen wir, daß Venedig, das ja zu dem
Bunde in nahen Beziehungen stand, in seinen Verträgen mit anderen Städten
diesen Grundsatz adoptiert hat, so in dem Vertrage mit Rimini 1170, mit
Cremona 1173, mit Verona 1175; unter venezianischem Einfluß hat das neue
Prinzip damals schon seinen Weg zu den Seestädten Dalmatiens gefunden.^)
Auch als der lombardische Bund seine Bedeutung verlor, hielt man in
der Lombardei an dem Grundsatz fest und suchte seine Durchführung in dem
Verhältnis von Staat zu Staat durch Abschluß besonderer Konventionen oder
Aufnahme in die allgemeinen Staats vertrage zu sichern. So trafen am
11. Mai 1189 Stadtregiment und Konsuln der Kaufleute von Cremona und
Parma ein Abkommen, wonach bei Forderungen aus Geschäften oder Kon-
trakten irgendwelcher Art nur der Schuldner und sein Bürge oder deren
Erben zu belangen seien ; zahle der Verpflichtete nicht, so sei er aus seiner
Gemeinde zu verbannen, bis er seinen Verpflichtungen nachgekommen sei.^)
Und das gleiche Prinzip findet sich seitdem in zahlreichen Verträgen aus-
gesprochen, so in denen, die von Ferrara mit Brescia (1195), Modena (1198),
Mantua (1208), Padua (1234) 7), von Bologna mit Bergamo (1203) und Mo-
dena (1213), von Modena mit Mantua (1201) und Verona (1219)») abge-
') Savioli II 1 p. 280 no. 187.
2) Ebd. 99 no. 258. Bei Muratori Antiqu. IV, 341 undatiert.
») Vignati p. 177 f. Giesebrecht V, 603.
*) Muratori Ant. IV, 263. Vecchio e Casanova 68.
*) Oben § 530, 557, 548, 536.
«) Toeche p. 607. S. auch Stat. Parm. p. 59 (von 1227), 58 (von 1232), 53 f.
(von 1233).
') Muratori Antiqu. IV, 420 u. 703 f. (Erneuerung des Vertrages mit Brescia
1226 p. 703 f.); 751 f., H, 874; IV, 441. Vecchio e Casanova p. 69 f.
8) Savioli n 2 p. 245 u. 341, no. 350 u. 416 ; Murat. Ant. IV, 378 u. 753.
48*
756 Neunundvierzigstes Kapitel.
schlössen worden sind. Ich hebe aus ihnen hervor die besonders präzise Fassung,
die dem Grundsatz in dem ferraresisch-mantuanischen Vertrage vom 7. Juli
1208 gegeben ist: ut alius pro alio non conveniatur nee impediatur, sed
cui datur, ab eo requiratur^) und die z. B. in dem Vertrage Ferraras
mit Brescia enthaltene Mahnung an den Kreditgeber, sich die Person seines
Kontrahenten auf seine Kreditwürdigkeit hin genau anzusehen (caute pro-
videat cum quo contrahat vel cui credat).^) Für den westlichen Teil Ober-
Italiens weise ich hin auf die Verträge, die Asti mit dem Markgrafen von
Saluzzo (1191) und Vercelli (1194), Genua mit Tortona geschlossen hat. 3)
604. Erst seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts können wir dann nach-
weisen, daß das neue Prinzip auch in Toskana Aufnahme und dann haupt-
sächlich durch die Bemühungen von Florenz weitere Verbreitung gefunden
hat ; im September 1203 sind ein Rechtsgelehrter und ein Konsul der Kauf-
leute von Bologna in Florenz zum Abschluß eines entsprechenden Abkommens
erschienen. 4) Anfang 1216 entsandte dann Florenz den Judex Sanzanome
als Unterhändler nach Bologna, um eine Modifizierung dieses Abkommens
zu erwirken, die sich mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sozietätsverhält-
nisse als erwünscht herausgestellt hatte; danach sollte der Gläubiger nicht
bloß den Kontrahenten selbst, sondern auch seine Gesellschafter oder seinen
General-Bevollmächtigten oder den Bevollmächtigten der betreffenden Handels-
gesellschaft belangen dürfen. 0) Der Aufnahme des einfachen Grundsatzes
begegnen wir in den Verträgen, die Florenz mit Faenza (1204), Prato (1212),
Perugia (1218), Orvieto (1229), Cittä di Castello (1232) abgeschlossen hat.«)
Das Abkommen, das Florenz im Jahre 1214 über den gleichen Gegenstand
mit Pisa traf, ist schon erwähnt; Pisa hatte im letzten Jahrzehnt des vor-
hergehenden Jahrhunderts eine Bestimmung in sein Gesetzbuch aufgenommen,
die denjenigen ersatzpflichtig machte, der dadurch, daß er einem Fremden
gegenüber seinen Verpflichtungen nicht nachkam, Veranlassung dazu gab,
daß ein Pisaner beraubt oder gefangen gesetzt wurde. '^) In dem entspre-
chenden Vertrage zwischen Florenz und Volterra von 1224 findet sich die
Bestimmung, daß, falls Befriedigung aus der Habe des Schuldners bzw. des
Schuldigen oder etwaiger Bürgen nicht zu erlangen sei, die Deckung des
anerkannten Anspruchs durch Auferlegung eines Zolls auf Waren, Tiere und
Lebensmittel, die aus dem Heimatsorte des Schuldners kamen, zu erfolgen
habe. 8) In dem Verkehr zwischen Florenz und Siena kam der Grundsatz
zuerst im Vertrage vom 7. Juni 1237 zur vollen Anerkennung 9) ; kein Bürger
der einen Stadt durfte danach von einer Behörde der anderen Stadt wegen
eines nicht von ihm persönlich abgeschlossenen Kontraktes oder sonstigen
1) Muratori Antiqu. 11, 874. Das ist genau die volkstümliche Fassung »a cui
dato, a colui richesto«, die die Akten von San Gimignano im März 1298 zeigen
Davidsohn Forsch. 11 no. 1899.
«) Murat. Antiqu. IV, 420.
3) Cod. Ast. I, 221. Lib. Jur. I, 414. Oben § 501.
*) Murat. Ant. IV, 453 f. Savioli n 2 p. 248 no. 353. Vecchio e Casanova p. 70.
^) Vollmacht für Sanzanome vom 12. Februar, Santini p. 179 f. Eid der Bo-
lognesen vom 20. Februar ebd. 182 und Savioli II 2, p. 364, der Florentiner vom
6. März ebd. p. 367.
«) Santini p. 144, 174, 190. Fumi p. 118. Santini p. 219.
'') Oben § 516. Const. Usus bei Bonaini II p. 991.
8) Rena e Camici VI a (Florenz 1781) ad a.
•) Arias I, 371 no. 1 (Datum berichtigt von Casanova im Bull. sen. VIII
[1901], 473).
i
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 757
Geschäftes irgendwie behelligt werden ; geschah es doch, so sollte auf Anzeige
binnen 8 Tagen restitutio in integrum erfolgen. Und der Vertrag von 1245
regelt genau das Verfahren, das einzuschlagen war, wenn aus Schuldver-
pflichtungen zwischen Sienesen und Florentinern Streitigkeiten entstanden;
bei Klagen von Sienesen waren die Capitanei populi von Florenz, bei solchen
von Florentinern je ein Konsul der beiden Kaufmannschaften von Siena
zuständig, i)
605. War so der Grundsatz von der alleinigen Haftbarmachung des
Schuldners selbst, wie ihn einst der lombardische Bund für die Bundes-
mitglieder ausgesprochen, in zahlreichen Staats vertragen festgelegt und ging
er so mehr und mehr in das allgemeine Rechtsbewußtsein über, so konnte
es nicht fehlen, daß man geneigt war, ihn auch da anzuwenden, wo, auch
ohne daß ein besonderer Vertrag vorlag, ein entsprechendes Verhalten der
Gegenseite zu erhoffen war; der Grundsatz der Reziprozität, den die Statuten
von Lodi am Anfang des 13. Jahrhunderts aufstellen, daß jedem Fremden
von den Behörden Lodis in gleichem Maße sein Recht werden sollte, wie
es den Lodesanen von selten der für den Fremden zuständigen Obrigkeit
zuteil werde^), kann mit Sicherheit als der allgemeinen Anschauung ent-
sprechend angesehen werden. Und nur wenig nach unserer Zeit hat dann
der berühmte Rechtslehrer Odofredus in seinen Vorlesungen zu Bologna
diesen Grundsatz als allgemein gültig hingestellt ; wer einem Engländer oder
Spanier Geld geliehen habe oder in England, Spanien oder Tuscien beraubt
worden sei, habe kein Recht, den erlittenen Schaden durch Pfändung eines
für den Schaden nicht verantwortlichen Landsmannes des Schuldners oder
des Schuldigen auszugleichen. 3)
606. Für die gedeihliche Entwickelung des Handels war neben
der Rechtssicherheit des reisenden Kaufmanns die Unterbringung
seiner Person und seiner Waren von erheblicher Bedeutung. Ein
Vertrag zwischen Pavia und Vercelli ist es, der für das Herbergs-
wesen der Zeit besonders lehrreich ist.
Häufig nahmen die Kaufleute von Vercelli in Pavia Herberge, und es
ist merkwürdig zu sehen, wie die Heimatstadt diesen Umstand in ihrem
finanziellen Interesse auszunutzen verstand. Am 20. Dezember 1165 nahm
Vercelli bei drei Bürgern von Pavia, Tosonus, Martinus Cevolla und Obertus
ein Darlehn von 100 1. pap. auf ; Unterhändler für Vercelli waren zwei Stadt-
konsuln und ein consul negotiatorum, während drei Herbergswirte von Pavia,
Guilelmus Cevolla, Belbillus und Belbellotus die Vermittler spielten. Der
Jahreszinssatz war, ungewöhnlich niedrig, mit nur 10 7o normiert ; dafür aber
*) Ebd. no. 2 p. 379 ff. Von nichtflorentinischen Verträgen toskanischer
Städte, die den Grundsatz enthalten, seien erwähnt : Pistoja— Modena (1225 ; Mura-
tori Antiqu. IV, 413), Siena -San Gimignano (1241; Davidsohn Forsch. II no. 318),
Lucca-Bologna (1218 ; Savioli II 2 p. 393).
») Cod. Laud. HI, 553 rub. 49.
') Odofrecü in primam partem Codicis praelectiones lib. IV, 12 (Lugd. 1550
p. 203 b). Immerhin bemühen sich noch 1247 die Konsuln der Wechsler und der
Kaufleute in Bologna, die Stadtbehörden statutarisch zu verpflichten, durch Ver-
handlungen mit allen der kirchlichen Partei in ganz Ober- und Mittel - Italien an-
gehörenden Städten die vertragsmäßige Anerkennung dieses Grundsatzes zu be-
wirken. Stat. Soc. Bol. n, 104 (Stat. Camps, rub. 5), 132 (Stat. Merc. rub. 22).
Rückfälle in das alte System waren und blieben eben häufig genug.
758 Neunundvierzigstes Kapitel.
erlangten die zu den Gläubigern offenbar in sehr nahen Beziehungen
stehenden Vermittler besondere Vorteile. Vercelli erklärte nämlich ihre
Häuser als die offiziellen Herbergen für alle Kaufleute und Gewerbetrei-
benden der Stadt Vercelli und ihres gesamten Gebiets, derart, daß sie nur
in diesen einkehren durften, i) Die Hälfte der von den Eingekehrten ge-
wohnheitsmäßig zu erhebenden Gebühren sollte den Herbergswirten direkt
zufallen, die andere wurde von den Gläubigern, die daraufhin einen be-
sonderen Loyalitätseid zu leisten hatten, eingesammelt und halbjährlich an
Vercelli abgeführt, das sie seinerseits sofort zur Abzahlung auf seine Schuld
verwendete. Binnen 4 Jahren mußte die Schuld getilgt sein ; doch wurde
Vercelli das Recht vorbehalten, jederzeit die volle Rückzahlung der Schuld
vorzunehmen, nur sollte diese allein aus den Mitteln seiner eigenen Kaufleute
luid nicht etwa durch Aufnahme einer neuen Schuld bei anderen Bürgern
Pavias erfolgen dürfen. Mit dem Augenblick der Rückzahlung der Schuld
erlangten die Kaufleute von Vercelli die Freiheit, in Pavia zu herbergen
wo es ihnen beliebte, zurück. Aus diesem Vertrage erfahren wir auch, was
insgesamt für die Herbergsabgaben, die man mit dem Namen reva umfaßte,
geboten wurde; sie waren das Entgelt nicht nur für die Unterkunft selbst,
für Benutzung des Herdes, für Beleuchtung, sondern auch für Wein und
Salz, die dem Herbergsgaste zu der Kost, die zu beschaffen ihm selbst über-
lassen war, geliefert wurden. 2)
607. Erscheint die den Vercellesen hier durch ihre Stadt vorgeschrie-
bene Beschränkung auf bestimmte Herbergen als ein Ausnahmefall, so war
es andererseits doch nur natürlich, daß sich die Handelsleute auch an fremden
Orten in bestimmten Herbergen landsmannschaftlich zusammenfanden, wie
wir das z. B. an der von einem Cremonesen in Venedig für die Leute aus
Modena unterhaltenen Herberge kennen gelernt haben. ^) In Venedig und
Pisa haben wir besondere Fondachi mit Hospizen für Fremde bestimmter
Nationalität eingerichtet gefunden und in einzelnen Fällen eine Art Patro-
natsverhältnis zwischen den vornehmen Besitzernder hiezu verwandten Häuser
und den in ihnen herbergenden Fremden sich entwickeln sehen.*) Im
Binnenlande können wir davon nur einzelne Spuren nachweisen. In Arezzo
erscheint im Jahre 1203 ein Bürger des Orts, Bongianni, als »hospes Flo-
rentiae« ^), und als im folgenden Jahre Florenz mit Faenza einen Friedens-
vertrag schloß, traten die angesehenen Florentiner Ugo Burnellus und Bon-
restaurus zu den Faventinern in dieses Verhältnis, indem sie ihnen ein ihnen
gehöriges Haus als Herberge zur Verfügung stellten und sich dabei ver-
pflichteten, keine höheren Gebühren als die in den anderen Hospizen von
Florenz allgemein üblichen von ihnen zu nehmen, ß) Als im Jahre 1232 in
San Gimignano die Frage erörtert wurde, ob man in Florenz und in Pisa
^
^n f I
') Chart. 11, 995 no. 1516: dederunt eis omnes negotiatores Vercellarum et
terre Verc. tarn de episcopatu quam de comitatu ad ospitandum in domibus istorum.
*) Medietatem reve pro liospitio et pro foco et pro vino et sale et pro lu-
cerna ad illuminandum negociatores ipsorum ospitum. Das Wort reva (Reif), jeden-
falls = ripa, muß also damals die allgemeine Bedeutung von Abgabe gehabt haben.
3) Oben § 560.
*) § 350, 516, 519 f.
») Santini p. 94 no. 41. Proxenie im Mittelalter p. 12. Davidsohn I, 771
nimmt an, daß er Florentiner gewesen.
•) Santini p. 144 f. no. 55: »secundum generalem morem civitatis Florentie
qui conservatur in aliis hospitiis.« Davidsohn I, 770.
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 759
ein fondachum oder ein hospitium loco fondachi erwerben sollte, riet ein
Ratsmitglied davon ab, in Florenz mit einer solchen Erwerbung vorzugehen,
so lange nicht eine bestimmte mit Florenz schwebende Streitfrage gelöst
sei; erst wenn darüber eine Einigung erzielt sei, sollte von den Kaufleuten
von San Gimignano ein Hospes in Florenz gewonnen werden ^) ; bis dahin
hatte man sich also offenbar mit rein privaten Herbergen beholfen. Ob das
Haus des Gemaldus Acconis, in dem die florentinischen Kaufleute in Ma-
cerata (nachweislich 1245) zu herbergen pflegten 2), mehr als den Charakter
einer rein privaten, wenn auch landsmannschaftlichen Herberge getragen
hat, muß dahingestellt bleiben. Anders dagegen steht es bei dem Verkehr
zwischen Mailand und Vercelli. Jede der beiden eng miteinander verbün-
deten Städte besaß seit dem Vertrage von 1221 in der anderen ein eigenes
Haus, das unzweifelhaft in erster Linie als Hospiz und zugleich Waren-
niederlage zu dienen bestimmt war; von VerceUi wissen wir aus den Sta-
tuten von 1241, daß sein Haus in Mailand an Albertus Canevarius und
seinen Bruder Jakob vermietet war. ^■')
608. Solche mehr oder minder mit dem Charakter des Offiziellen um-
gebenen Herbergen gab es indessen offenbar nur da, wo zwischen zwei
Städten ein näheres Verhältnis und ein stärkerer Verkehr bestand. Das
rein private Herbergswesen fand daneben in den verkehrsreichen Städten
immer noch ein weites Feld. Solcher Art werden die Herbergen in Como
gewesen sein, denen nach dem Vertrage zwischen Como und Mailand vom
Jahre 1168 die Mailänder gelegentlich ihre Gäste abspenstig zu machen
suchten*), und rein privater Herbergsbetrieb ist es jedenfalls auch, den wir
im Jahre 1237 in Lucca als Gegenstand der Tätigkeit einer offenen Handels-
gesellschaft nachweisen können. 0)
Natürlich aber erstreckten die Gemeinden ihr Aufsichtsrecht auch auf
diese privaten Herbergen. Besonders suchte man zu verhindern, daß sie
Stätten der Völlerei wurden. Als Lodi im Jahre 1228 energisch gegen das
Kneipenwesen vorging, gestattete man doch den von selten der Behörden
hierfür konzessionierten Herbergswirten (albergatores) in Stadt und Vor-
städten, in ihren Hospizen Wein, allerdings nur lodesanischen und nur an
ihre Herbergsgäste zu verkaufen ; Zuwiderhandlungen waren mit einer Geld-
buße von 10 1. brix. und Zerstörung des Hauses oder einer weiteren Buße
von 25 1. bedroht. 6) Verona hatte schon etwas früher den Schenkwirten
den Verkauf von Lebensmitteln und das Dulden von Spielen untersagt;
doch nahm es von dem Verbot die Schenkwirte an den öffentlichen Straßen
und in ländlichen Gemeinden, die zugleich Herbergswirte waren, insoweit aus,
als sie Fremden und Wanderern und solchen, die bei ihnen übernachteten,
nicht aber Einheimischen, zu essen geben durften.'^) Die Statuten Vercellis
^) Davidsohn Forsch. II no. 75: >nisi prius declaratum fuerit de debitis Flo-
rentinorum« . . . »acquiratur hospes unus a mercatoribus S. Gim. in civ. Flor.«
*) Ebd. in, 9 no. 29 : in domo que fuit G. Acconis, ul)i morantur Florentini.
') Chart. I no. 854 f. Leg. Munic. U, 1166 rub. 191.
*) Oben § 353. Ein genuesischer Herbergswirt, Oddo de Stacione, übernimmt
im Jahre 1163 selbstschuldnerische Bürgschaft für zwei seiner hospites, die einem
dritten 108 '/a 1- Jan. schulden, unter ausdrücklichem Verzicht auf die Rechtswohltat
des Gesetzes, das Genuesen die Bürgschaft für Fremde verbot. Chart. 11 no. 1339.
5) Bini I, 82.
^) Cod. Land. III, 572 rub. 104. Ähnlich verfuhr später Siena; Zdekauer:
Frammento del Const. Senese, rub. 246 (Bull. sen. HI, 1896 p. 91).
^ Lib. jur. civ., rub. 202 p. 154.
760 Neunundvierzigstes Kapitel.
von 1241 untersagen es den Herbergswirten und ihren Angestellten bei
Strafe von 2 sei. pap., zum Zwecke des Anrufens von Gästen die Vorhalle
oder den Vorhof ihres Hospizes zu verlassen ; vom Portikus oder dem Vor-
raum aus durften sie es indessen ungehindert tun.i) Oft dienten die Her-
bergen, in denen ja auch die Waren der reisenden Kaufleute untergebracht
waren, zugleich als Orte für den Abschluß von Kaufgeschäften. Der Mai-
länder, der das in seiner Vaterstadt geltende Gewohnheitsrecht im Jahre 1216
aufgezeichnet hat, bemerkt 2), daß in den mailändischen Herbergen (in do-
mibus hospitum Mediolani) jedermann der Abschluß von Kaufgeschäften
freistehe, ohne daß derjenige, in dessen Hause der Kauf stattfinde oder der
Verkäufer sich strafbar mache; wenn er hinzufügt, daß die Gemeinde Mai-
land verpflichtet sei, sie vor jeder Strafe zu schützen, so beweist das deut-
lich, daß in den Kreisen der mailändischen Kaufmannschaft selbst das Ge-
genteil gewünscht wurde, und daß offenbar von dieser Seite aus das Kaufen
und Verkaufen in den Herbergen früher mit Strafe belegt worden war, daß
die Gemeinde aber darin eine zu weitgehende Beschränkung des freien
Handelsverkehrs erblickt hatte. Einen praktischen Fall solchen Kaufs können
wir für Macerata nachweisen, wo zwei Einwohner des Orts am 3. Dezember
1245 in der florentinischen Herberge von dem Florentiner Guittono Arlotti
und seinem Bruder Lotteringo 2 Stück braunen florentiner Tuches erstehen,
die bis zum 1. Aug. des nächsten Jahres mit 29 1. rav. zu bezahlen waren.^)
In Como bestimmte man im Dezember 1194, daß die Herbergswirte ihre
fremden Gäste mit ihren Waren und ihrem Gepäck nicht eher ziehen lassen
dürften, als bis sie sich überzeugt hatten, daß sie dem städtischen Zollerheber
(pedagerio qui colligit pedagium comunis) ihre Abgaben entrichtet hatten,
sonst wurde die Abgabe von ihnen eingezogen und es traf sie eine Buße
von 20 sol. pro Last außerdem. Eine weitere Bestimmung von 1216 machte
sie wie alle Wirte, Stallbesitzer und Schiffer haftbar für alle Waren, die
ihnen zur Aufbewahrung übergeben wurden *) — eine Bestimmung, die offen-
bar nur die allgemeine Rechtsanschauung wiedergab.
Interessant ist eine Bestimmung der Statuten von Parma von 1 235, in
dessen Gebiet sich bei Borgo San Donnino die über Parma selbst gehende
Via Aemiha und die Straße über den Monte Bardone (La Cisa) trennten,
die beide nach Rom führten. Danach war den Herbergswirten des parme-
sanischen Gebiets streng verboten, untereinander oder mit den Leuten von
San Donnino irgendwelche Verbindungen einzugehen, die eine Begünstigung
der einen oder anderen Straße bezweckten ; kein Kaufmannn oder Pilger sollte
bezüglich der Wahl zwischen diesen beiden Wegen irgendwie beeinflußt
werden dürfen. 0)
Wo der Abschluß von Kaufgeschäften in den Hospizen zugelassen war,
ist es natürlich, daß die Herbergswirte vielfach auch die Vermittler bildeten,
denen dann eine Provision zustand. 6)
1) Leg. Munic. 11, 1223 rub. 347. Stat. Parm. p. 332 : Kein hospitator darf
>ire in porticu alterius hospitis causa vocandi hospites in suo hospicio.«
*) Berlan rub. 10 : de vendit. rerum mobil.
^) Davidsohn Forsch, m no. 29.
♦) Leg. Munic. II, 233 rub. 388; 101 r. 276.
») Stat. Parm. p. 182.
8) gtat. Parm. p. 96 (1233) : Die Höhe derselben sollte sich nach den in der
Heimat des betr. Fremden Parmesanen gegenüber üblichen Sätzen richten; Ein-
heimische aber sollten in Parma keinenfalls eine solche >reva< zahlen. Ähnlich
das Statut der Wollenzunft in Bologna ; Stat. Soc. Bol. U p. 311 rub. 109. In Pistoja
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 761
609. Daneben tritt das Institut besonderer berufsmäßiger Ge-
schäftsvermittler in den Binnenstädten erst sehr vereinzelt gegen Ende
unserer Periode hervor, ersichtlich unter dem Einfluß der Seestädte,
die das Maklej-wesen ihrerseits verhältnismäßig früh vom Auslande
übernommen haben. ^)
Zuerst nachweisbar ist das Institut im Jahre 1154 in Genua, wo die
Sensale mit Anlehnung an das lateinische censere als censarii bezeichnet
werden, während die Herübernahme des Wortes aus dem arabischen simsär^)
und damit auch der Einrichtung aus dem arabischen Verkehrskreise un-
zweifelhaft ist. Genua versprach damals die Waren, mit denen es an seine
Gläubiger von Piacenza einen Teil seiner Schuld abtragen wollte, von den
genuesischen Maklern taxieren zu lassen ; seien indessen den Placentinern diese
Makler nicht genehm, so sollten zur Abschätzung der Waren nach ihrem
gerechten Preis von beiden Parteien gemeinschaftlich vier Taxatoren er-
wählt werden. 2) Diese Makler galten also als die für Warenpreise sach-
verständigsten Personen und waren offenbar amtlich bestellt. Demgemäß
waren auch ihre Gebühren amtlich geregelt. Im Jahre 1204 wurde eine
Kommission von sechs der angesehensten genuesischen Bürger mit der Auf-
stellung eines neuen Maklertarifs beauftragt, der als der älteste erhaltene
von besonderem Interesse ist.'*) Danach standen dem Makler für die Ver-
mittelung des Verkaufs zu, und zwar von jeder der beiden Parteien : 1. bei
Gewichts waren, die nach Kantär oder Zentnern gehandelt wurden, 1 den.
Jan. vom Kantär oder Zentner, mit Ausnahme von Kermes und Indigo von
Bagdad; bei diesen wertvollen Farbstoffen durfte er 3 den. vom Zentner
erheben, 2. bei allen Waren und Spezereien, die nach Pfund gehandelt
wurden, 1 den. für je 10 Pfund und einem Teilbetrage davon, 3. bei Waren,
die nach Stück gehandelt wurden, bei großen Fellen und Häuten 6, bei
Schaf-, Hammel- und ähnlichen Fellen 3, bei sonstigen Erzeugnissen der
Landwirtschaft 1 den. vom Hundert. Wurden große Lammfelle (agninae
grossae) nach der Last verkauft, so betrug die Gebühr 2 den., 4. bei Textil-
waren 4 den. vom Ballen Barchent, 3 den. für je 100 Ellen deutscher und
Lütticher Leinwand, 1 den. für je 100 Ellen Hanf gesp inst imd Vingtains
(canabaciarum et vintenarum). Bei Geldwechselgeschäften endhch
durfte er nicht mehr als V2 den. von jeder Partei nehmen. 0) Im Verkehr
mit Fremden (Fremden untereinander war ja jedes Handelsgeschäft unter-
sagt) scheint die Vermittelung des Sensals obligatorisch gewesen zu sein.
betrug die Gebühr gegen Ende des 13. Jahrhunderts 2 jjro Mille (Stat. Potestatis
com. Pist. ed. Zdekauer, Mail. 1888 p. 233); in Piacenza bei Meßwechseln ^2 Pi"0 Mille.
Stat. ant. Merc. rub. 415.
') Goldschmidt L. Ursprünge des Mäklerrechts, in Zeitschr. f. Handelsr. 28
(1883) 1). 114 ff. Lattes, diritto commerc. § 11 p. 105 ff. Goldschmidt, Univ.-Gesch.
22 A. 18; 250 ff. (auf p. 251 sind die Anm. 57 a und 58 zu vertauschen).
*) Schon von Muratori erkannt; Antiqu. VI, 985.
') Lib. Jur. I, 178 no. 205 : dabimus vobis merces pro pred. 4000 1. in laude
censariorum, si ipsi censarii vobis placuerint. Goldschmidt, Ursprünge 116. Oben
§ 507.
*) Lib. Jur. I, 520 no. 475 : Solutio que fleri debet censariis de mercibus quas
vendere faciunt, secundum (juod determinatum fuit ab emendatoribus Nie.
Mallono, Thoma Vento etc.
*) De baratis denarioruni ultra obilim ab unaquaque partium non petam nee
accipiam.
762 Neunundvierzigstes Kapitel.
wie daraus hervorgeht, daß der Tarif ausdrückUch die eine Partei als die ■
einheimische, die andere als die fremde bezeichnet, i)
610. In Pisa, wo sich das Institut sicher ebenso früh eingebürgert hat
wie in Genua, tritt es erst ganz am Ende unserer Periode ans Licht; die
Statuten der Seehandelsgilde vom Ende des 13. Jahrhunderts enthalten in
ihren älteren Partien ein Breve Sensahum, das noch der Zeit des Staates
des Comune entstammt. 2) Damals, also spätestens in der Mitte des Jahr-
hunderts, war ihre Zahl auf 60 normiert, von denen 40 bei dem ordo maris,
20 bei dem ordo mercatorum (terrae) eingeschrieben waren; sie bildeten
eine Korporation für sich unter besonderen capitanei sensalium, die unter
der Oberaufsicht der Konsuln des Meeres stand. Für loyales Verhalten
hatte jeder Sensal Bürgschaft in Höhe von 200 1. pis. zu stellen ; insbeson
dere war ihnen eingeschärft, Kaufgeschäfte mit fremden Kaufleuten dann
nicht zu vermitteln, wenn sie von deren Zahlungsunfähigkeit oder üblem
Leumund Kenntnis hatten. Aus der Gesamtheit der Sensale wurden neun
von den Konsuln des Meeres ausgewählt, um als amtliche Taxatoren zu
fungieren für Waren, die aus dem überseeischen Verkehr beschädigt an-
kamen. Im Zusammenhang' mit der Tätigkeit des Maklers tritt uns in Pisa .
auch der Gebrauch des Gottespfennigs entgegen ; die Annahme des denarius
dei aus der Hand des Maklers durch den Verkäufer machte den Handel
perfekt. ^)
Von Pisa aus verbreitete sich die Institution in das toskanische Binnen-
land. In Siena sehen wir den Makler (sansarius, sensarius) Paffuccio im 1
Juli und August 1249 mehrfach damit beschäftigt, der Stadtverwaltung die ;
für bestimmte sofort notwendige Ausgaben erforderlichen Geldmittel zu be-
schaffen; in einem Falle können wir nachweisen, daß sich seine Provision
bei der Beschaffung eines Kapitals von 600 1. auf V2 pro Mille belaufen hat.*)
611. In Venedig hießen die Makler offiziell missetae (griech. /neoirijg),
ein Beweis, daß hier bei Einführung des Instituts der byzantinische Einfluß ■
maßgebend gewesen. Maklerordnung und Taxe sind hier nach einer Angabe '
Romanins aus dem Jahre 1217 erhalten, harren aber noch der Veröffent-
lichung. Wenige Jahre später, als der Doge den Maklern jede Art des
Geschäftsverkehrs mit den Kaufleuten Cremonas untersagte, wird ihre Zahl
in Venedig auf 40 angegeben. 0) In der Mitte des Jahrhunderts findet sich
dann das Institut der »missiti« auch in den Statuten der Wollenzunft von
Bologna. ^)
Sehr einseitig nur begegnet uns das Institut in Verona, wo unter der
merkwürdigen Aufschrift: »de Proxenete phylantropo« von den Pferdemaklern
•) So beim ersten Posten: den. 1 ab homine de intus et tantundem ab ex-
traneo; das weiterhin stets gebrauchte >ab utraque parte« hat dann natürlich die-
selbe Bedeutung.
2) Breve Curiae Maris rub. 44 — 47 (bei Bonaini III). Dazu Konsulat d. M.
p. 86 ff.
') Konsulat des Meeres p. 87 und Anm. 2. Dazu im allgemeinen Ces. Paoli :
Mercato, scritta e denaro di Dio in : Arch. ital., ser. 5, XV (1895). Schupf er F. in
Riv. giur. 27 (1899) p. 78 f.
*) Zdekauer, Mercante p. 64 A. 1; 6 sol. pro suo salario quia acquisivit curia
600 1. pro militibus qui iverunt in Lunigianam.
*) Romanin II, 381 im »Clericus« und »Civicus«, vom 26. Juni 1217. Gold-
schmidt, Ursprünge 116 u. 120. Oben § 557.
*) Redaktion von 1256 rub. 156 f. (mit einem kurzen Maklertarif). Stat. Soc.
Bol. II, 317.
I
I
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 763
(intermediatores equorum) die Rede ist ; sie durften nicht mehr als 1 %, im
Maximum 1 1. veron. von jeder Partei als Provision für ihre menschenfreund-
liche Vermittelung nehmen i), während in Padua den »mediatores vendi-
cionum equorum« 3 den. pro 1. des Kaufpreises (2 vom Verkäufer, 1 vom
Käufer, also insgesamt 1^/4%) zustanden. 2) Hier in Padua werden aber
auch Misseti für die Vermittelung von Darlehn erwähnt.^)
612. Von allgemeinster Bedeutung für den Handelsverkehr mußte
es sein, wie das Maß- und Gewichtswesen gehandhabt wurde, von
um so größerer, als sich auf diesem Gebiete die größten Verschieden-
heiten herausgebildet hatten, derart, daß im 12. Jahrhundert auch
nicht zwei Kommunen mehr Übereinstimmung in dieser Beziehung
zeigten, ja daß selbst innerhalb der doch wenig umfangreichen Terri-
torien noch nicht geringe lokale Verschiedenheiten vorhanden waren.
Dabei läßt sich in dieser Periode in Ober- und Mittel-Italien das Be-
streben, zu einer größeren Einheit auf diesem Gebiete zu gelangen, nur
ausnahmsweise wahrnehmen *) ; weder die großen Städtebündnisse noch die
zahlreichen Handelsverträge von Nachbarstädten beschäftigen sich mit diesem
Punkte, so daß man annehmen muß, daß die Zeit diesen Mißstand als solchen
nicht besonders stark empfand. Man verlangte nur, daß in jeder Stadt auch
die Fremden sich nur der in dieser geltenden Maße und Gewichte und nicht
etwa ihrer einheimischen bedienten s); und von Parma, Como und Padua
wissen wir, daß sie von allen Orten ihres Gebiets die ausschließliche An-
wendung der Maße imd Gewichte der Hauptstadt forderten. ^)
Das Aufsichtsrecht über das Maß- und Gewichtswesen stand wie das
Marktrecht der landesherrlichen Gewalt zu. Im Vertrage der Konsuln von
Sarzana mit dem Bischof von Luni 1201 wurde anerkannt '^), daß alle Maße
für Getreide, Wein, Öl und Tuche sowie Wage und Gewicht zur Zuständig-
keit des Bischofs gehörten, so daß diesem die mit dem Maß- und Gewichts-
wesen zusammenhängenden Gebühren und Bußen zustanden ; wenn er gleich-
zeitig der Gemeinde die Hälfte der bei falschem Maß zu erhebenden Bußen
(und auch diese nur mit Ausnahme der Markttage) zu Lehen gab, so ist
das eben auch nur ein Ausfluß seines Rechts. Überall aber, wo sich selb-
ständige Kommunen gebildet hatten, sehen wir dies Recht von den Kom-
munen gehandhabt. Wenn Gewichte und Maße in dieser Zeit ausnahms-
*) Lib. Jur. civ. rub. 148. Die jedenfalls auch über Venedig nach Verona
gelangte griechische Bezeichnung Proxeneta findet sich in Verona auch später
noch; Goldschmidt, Ursprünge 120, und sonst z. B. in den späteren Statuten Gaetas
(de proxenetis et sansariis), ebd. 125.
*) Stat. Padov. no. 847 (vor 1236). In Parma durften die revenditores equo-
rum beim Verkauf eines Streitrosses (destrarius; als solches galt ein Gaul im Werte
von mindestens 60 1. parm.) höchstens 1 1., bei billigeren Tieren (roncini) höchstens
5 sol. nehmen. Bei Strafe durften sie ein Tier aus Parma oder Gebiet nicht tadeln.
Ihre Provision hieß hier >malos8aria.< Stat. Parm. p. 331.
3) Stat. Padov. no. 848 p. 283 (vor 1236).
*) Padua schrieb seinen Tuchhändlern den Gebrauch des venezianischen
■ Maßes vor. Stat. Padov. p. 271 no. 821 (vor 1236).
*) So in dem Vertrage von Asti mit Alba 1193 (Cod. Ast. I, 217) und Ferrara
mit Modena 1220 (Murat. Antiqu. IV, 431).
«) Stat. Parm. p. 63 f. (auch von Borgo San Donnino) ; Stat. Padov. no. 816,
819 f. Stat. Cum., Leg. Munic. II, 236, rub. 400 (von 1211).
') Chart. U p. 1217.
764 Neunundvierzigstes Kapitel.
weise, wie es in Ravenna 1221 offenbar altem Herkommen gemäß gegenüber
dem Kloster San ApoUinare geschah, einem kirchlichen Institut überlassen
werden, so heißt es doch ausdrücklich »ut praedicta omnia debeat habere
et tenere ad voluntatem Comunis Ravennae. « ^) Und wo , wie es häufig
vorkam, die Konsuln der Kaufleute oder Zunftvorsteher mit der Aufsicht
über das Maß- und Gewichts wesen innerhalb ihrer Korporation betraut er-
scheinen, so handeln sie dabei doch nur als Delegierte der kommunalen
Staatsgewalt und in Übereinstimmung und in Gemeinschaft mit dieser.'-^)
613. Normalmaße und -Gewichte waren überall vorhanden und öffent-
lich ausgestellt; in Brescia, wo man die steinernen Hohlmaße für Getreide
verschlossen hielt, bestimmte man 1249, daß das in Zukunft nicht mehr ge-
schehe. 3) Alle im Verkehr befindlichen Maße und Gewichte hatten den
normalen zu entsprechen ; die amtliche Eichung wird mehrfach ausdrücklich
vorgeschrieben. So durften die Modenesen in Ferrara nur solche Hohlmaße
benutzen, die nach dem steinernen Kormalmaß Ferraras hergestellt und in
Ferrara von den darauf vereideten Personen gestempelt waren,'*) Und für
VerceUi wissen wir aus einem Statut von 1242, daß zur Vornahme der
Eichungen ein »ferrarius« amtlich bestellt war, der von der Kommune jähr-
Hch 3 1. pap. erhielt ; jeden Auftrag hatte er binnen 4 Tagen auszuführen
und die geeichten Maße und Gewichte mit dem Stempel der Kommune oder
des amtierenden Podestä zu versehen. Jährlich wählte hier nach demselben
Statut der geheime Rat (credentia) zwei wohlhabende Bürger, die eine Re-
vision aller zu Kauf und Verkauf dienenden Maße und Gewichte vorzunehmen
hatten ; alle, denen der Eichungsstempel fehlte, überwiesen sie dem Podestä
oder seinem Judex, der die Übertreter zu bestrafen hatte. 0)
In Mailand war die Aufsicht über Maß und Gewicht den Konsuln der
Kaufleute anvertraut ß) , denen bei der Vollstreckung der von ihnen ver-
hängten Bußen die städtischen Behörden ihre Unterstützung zu leihen ver-
pflichtet waren. Die Konsuln ließen die Revisionen durch ihre Amtsdiener
(nuncii) vornehmen; mit Buße von 6 sol. war jeder Geschäftsmann bedroht,
der sich weigerte, seine Maße, Wagen und Gewichte diesen Dienern zur
Untersuchung zu überlassen; mit derselben Strafe wurde Führung von
falschem Maß und Gewicht in jedem einzelnen Falle geahndet. Nur metal-
lene Gewichte aus Bronze, Messing, Kupfer oder Eisen durften gebraucht
werden. Gewisse geringe Abweichungen von den Normalgewichten waren
gestattet; bei dem kleinen Pfunde von 12 Unzen bis zu 3 Denar (i/go) darüber
und bis zu 2 Denar (V120) darunter, bei dem großen von 28 Unzen bis zu
1) Tarlazzi I, no. 62 p. 113 f.
«) So in Parma (Stat. Parm. p. 189 von 1215), Padua (Stat. Päd. no. 821, vor
1236) bei den Mercadantes ; in Bologna Statut der Viktualienhändler : Stat. Soc.
Bol. n p. 168.
s) Oben § 55. Leg. Munic. II, 1584 (119). Valentin! im N. Arch. ven. XV
(1898), 47.
*) Murat. Antiqu. IV, 431: staria facta ad modum starii de petra de Ferrara
et bullata cum bulla juratorüm Ferrariae (1220). Gebrauch nur geeichter Gewichte
im Handel von Padua vorgeschrieben : Stat. Padov. no. 820 (vor 1236).
''') Leg. Munic. II, 1139 rub. 119. Eine ältere Vorschrift derselben Statuten
(p. 1205 rub. 300) ordnet an, daß bestimmte Beamte mit der Aufsicht über die
Führung von rechtem Maß und Gewicht beim Tuchhandel und sonst betraut werden
sollten; Längenmaße (brachia) und Gewichte seien alle 3 Monat, die Hohlmaße für
Getreide und Wein einmal jährlich zu revidieren.
6) Berlan p. 73 fE., rub. 31, 32. Schupfer p. 167. Lattes, dir. consuet. 167.
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 765
6 Denar darüber und 4 Denar darunter und ungefähr entsprechend auch
beim halben Pfunde. Die Längenmaße aber (passus und corda) mußten
mit den am Fischmarkt angebrachten steinernen Normalmaßen genau über-
einstimmen.
In Bergamo war in einem vor 1234 erlassenen Statut bestimmt, daß
die Kleinhändler (revenditores) mit Salz, Getreide und Gemüse nur ein Maß
von jeder Gattung (Sextar, Mina, Viertel, Drittel, Achtel und Sechzehntel)
führen durften; mit demselben Sextar mußten sie kaufen und verkaufen.
Diese Maße waren also offenbar nicht besonders geeicht; dagegen mußte
amtlich gestempelt sein das zum Abstreichen des gefüllten Maßes dienende
Instrument (rasora), das sie auch nur in einem Exemplar führen durften, i)
Außerdem waren auch hier Revisionen der Gewichte, für die ebenfalls Eichung
vorgeschrieben ist, und der Längenmaße sowohl den Behörden der Stadt
wie den Konsuln der Kaufleute zur Pflicht gemacht.^)
614. Auch suchte man durch allerlei Vorschriften den Käufer gegen
sonstige betrügerische Manipulationen beim Zuwiegen und Zumessen mög-
lichst zu schützen. In Bergamo verbot man das »über den Daumen messen«
beim Tuchverkauf; ein vom Jahre 1244 herrührender Zusatz in den Statuten
gestattet jedem Käufer, seinen eigenen Messer mitzubringen. 3) Aus Mailand
erfahren wir, daß der Käufer überall das Recht hatte, die Ware, die er
kaufen wollte, selbst auf die Seite der Wage zu legen, die ihm beliebte,
wenn er wollte, sogar ein zweites Mal; die Verkaufspersonen (hier bancarii
genannt) durften das nicht hindern. Den Detaillisten in getrocknetem Fleisch,
Ol, Pfeffer und ähnhchen Waren war überdies zur eidlichen Pflicht gemacht,
ja nicht an einer Stelle ihrer Wage etwas anzubringen, wodurch eine Ver-
fälschung des Wiegeergebnisses hervorgerufen werden könnte. *)
Auch zum öffentlichen Gebrauch für den Verkehr en gros bestimmte
Stadtwagen waren überall vorhanden, wie wir das an bezeichnenden Bei-
spielen für Pisa und Genua schon kennen gelernt haben; für Ferrara er-
fahren wir aus der Zollordnung von 1228, daß der Fremde für die Benutzung
derselben 1 den. imp. vom Zentner entrichten mußte. In Bergamo bestimmte
man im Jahre 1244, daß an Stelle der einen Stadtwage fortan vier staterae
comunis, in jedem Torbezirk eine, aufgestellt werden sollten; sie wurden
verpachtet mit der Bedingung, daß die zu bestellenden pensatores nicht
mehr als die altherkömmliche Gebühr nehmen durften, während man in
Parma 1239 4 Mönche mit der Bedienung der öffentlichen Wagen betraute. »)
Nicht minder stand natürlich das Münzwesen unter staatlicher Auf-
sicht. Auf Falschmünzerei und Münzfälschung standen die schwersten Strafen ;
in Verona war allen Kaufleuten und Wechslern, in Padua jedem Bürger
die Vernichtung falscher Münzen zur Pflicht gemacht ß); in Mailand waren
1) Coli. XIII rub. 43, 44 (Leg. Munic. II, 2012 f.). S. auch Stat. Parm. p. 64
(Zusatz von 1244).
*) Leg. Munic. II, 2000 f., rub. 3—7, besonders rub. 4: de rubbis amuelandis
(von muellum, modellum) et bollandis ad unam boUaan equabiliorem factam. In
Padua waren die 4 Justicierii verpflichtet, zweimal in der Woche Revisionen von
Maßen und Gewichten vorzunehmen. Stat. Padov. no. 156, 158 ff. (vor 1236).
») Ebd. rub. 8 p. 2001.
*) Berlan 1. c.
«) Murat. Ant. H, 32. Stat. Perg., coli. XIV r^b. 1, 2 (Leg. Munic. 11, 2019).
Stat. Parm. p. 63. Ob. § 504, 520.
«) Stat. Parm. p. 39. Lib. Jur. Civ. rub. 80 f., 110. Stat. Padov. no. 126 p. 50.
766 Neunundvierzigstes Kai^itel.
beschnittene Münzen (tonsi) an die Wechsler zu verkaufen, die den Metall-
wert dafür zu zahlen hatten. Den heimischen Münzen war Zwangskurs bei-
gelegt, die Annahme fremder Münzen zuweilen verboten, i)
Wie in bezug auf Maß und Gewicht, wandten sich die statutarischen
Vorschriften auch sonst gelegentlich gegen betrügerische Manipulationen der
Händler, So wurden in Bergamo alle Kleinhändler mit Salz von der Stadt-
behörde darauf vereidet, nicht die eine Salzsorte mit der anderen zu mischen
oder für die verlangte Salzsorte eine minderwertige zu verkaufen. 2) In
Parma verbot man, gemischten Wein für reinen zu verkaufen ; auch wandte
man sich gegen die Verfälschungen von Öl , Wachs , Kerzen , Zimt und
Pfefferbrot. 3)
615. Beschränkungen des Handels im Interesse der Kon-
sumenten waren eine häufige Erscheinung. In Verona und Vororten
war es z. B. verboten, Wild, Hühner, Gänse und Eier zum Zwecke
des Weiterverkaufs aufzukaufen, für Käse, Früchte und Gemüse galt
dies Verbot bis zur None, außerdem galt es allgemein für alle Lebens-
mittel und für Brennholz, sobald sie erst einmal auf den Marktplatz
gebracht waren. Verboten war es auch, den zu Markt kommenden
Verkäufern zum Zwecke des Einkaufs entgegenzugehen.^)
Etwas ganz Gewöhnliches ist das völlige Verbot oder doch die
starke Beschränkung der Getreideausfuhr; man suchte den Konsu-
menten billiges Getreide zu verschaffen^), um so mehr, als bei der
stark angewachsenen Bevölkerung die Produktion des eigenen Terri-
toriums auch im Binnenlande nicht überall und zu jeder Zeit mehr den
Konsum deckte; haben wir doch gesehen, daß von der See her eine
beträchtliche Einfuhr von Getreide auch nach den Binnenstädten ging.^)
So findet sich ein Verbot der Getreideausfuhr aus Stadt und Graf-
schaft in den etwa 1182 abgefaßten Statuten von Piacenza und in den etwas
jüngeren von Treviso'); als Modena und Mantua sich Ende 1201 gegen-
seitig volle Handelsfreiheit zugestanden, behielten sie sich doch die Auf-
rechterhaltung oder den Erlaß von Handelsverboten in bezug auf Brot-
getreide, Fleisch, Wein, Schweine, Pferde und Waffen ausdrückhch vor,
und denselben Vorbehalt machten im gleichen Fall Bologna und Ferrara
1240 bezüglich der in ihren Gebieten selbst gewachsenen Dinge (renascentes) ;
in dem Vergleiche, den Parma 1221 mit seinem Bischof schloß, wurde be-
stimmt, daß die Ausfuhrverbote der Kommune in bezug auf Getreide und
1) Sachsse (Statut vom 3. Juli 1204 ob. S. 1193) p, 70 fE. gtat. Parm. p. 40 u. 331.
«) Stat. Perg., coli. XHI, 42. (Leg. Munic. U, 2012). Für Como ebd. 235
rub. 398 (von 1223).
') Stat. Parm. p. 343 u. 162. Im Anschluß daran beschränkte man den Ge-
winn im Pfefferhandel beim Verkauf en gros auf 2, en detail auf 4 den. parm. vom
Pfunde.
*) Lib. jur. civ., rub. 201 p. 153 f. Ähnliche Verbote Stat. Parm. p. 331, 344 f.
Stat. Padov. no. 859. Leg. Munic. II, 173 (Como).
") Im Interesse der Konsumenten ist es offenbar auch gedacht, wenn Parma
1244 eine Vergrößerung der Sextaria für Getreide, Salz usw. um 1 >copellus«: vor-
schrieb. Stat. Parm. p. 64. Auch die Ausfuhr von Holz und Heu war in Parma
verboten p. 324 ff. (1230).
») Z. B. § 528, 532, 549.
') Boselli I, 332. Biscaro in N. Arch. ven., n. s., V (1903), 140.
Kommerzielle Gebräuche und Vorschriften. 767
andere Waren auch vom Bischof beachtet werden sollten, i) In Padua durfte
der Podestä ein allgemeines Getreideausfuhrverbot erst beantragen, wenn
der Preis für den Scheffel (stario) Weizen auf 8 sol. gestiegen war. 2) Etwas
genauer können wir die Politik Mailands auf diesem Gebiete verfolgen. Als
es 1167 wieder aufgebaut war, Lodi aber sich dem Städtebunde nicht an-
schheßen wollte, betonten die Mailänder, wie außerordentlich wichtig der
Beitritt Lodis für sie schon deshalb sei, weil sie auf die Einfuhr von Lebens-
mitteln aus Lodi und solchen Gebieten, zu denen Lodi ihnen den Zugang
sperren konnte, angewiesen seien 3); offenbar ist die Zufuhr poaufwärts ge-
meint, und bekannthch gelang es durch große Zugeständnisse, Lodi für
den Bund zu gewinnen. Später, als sich Mailand und Lodi in dem AlHanz-
vertrage vom 15. Januar 1199 gegenseitig für alle Waren offenen Markt ge-
währten und sich verpflichteten, Handelsverbote nur gemeinsam zu erlassen,
wurden von den Beschränkungen, die dem Außenhandel Mailands zugunsten
Lodis auferlegt wurden, Getreide, Gemüse und Wein ausdrücklich aus-
genommen, die Mailand von jedem beliebigen Orte her zu beziehen das
Recht haben sollte. 4) In dem Vertrage zwischen Mailand und Como vom
16. September 1196, in dem sich beide Städte gegenseitig völlig unbeschränkten
Markt in Getreide, Wein und allen Lebensmitteln und Waren zugestanden,
mußte Como doch versprechen, keine künstliche Anhäufung des im mai-
ländischen Gebiet aufgekauften Getreides oder Gemüses herbeiführen zu
wollen ö) ; auch traf man Vorkehrungen gegen eine den Interessen beider
Städte zuwiderlaufende Ausfuhr desselben nach den Alpentälern, ß) Gleich-
zeitig aber behielten sich die Mailänder das Recht vor, wie sie es bisher ge-
wohnt gewesen, den einzelnen Orten ihres Gebiets oder den weltlichen und
geistlichen Besitzern das für ihren Bedarf nötige Getreide und Gemüse zu-
zuteilen und sie zu zwingen, alles übrige nach Mailand zum Verkauf zu
bringen "^ ; im Interesse der städtischen Konsumenten war damit unter starkem
Eingriff in die persönHche Bewegungsfreiheit die völlige Konzentration
eines großen Teiles des Lebensmittelhandels nach der Hauptstadt herbeige-
führt.«)
Auch in Bergamo gewährten die Statuten den städtischen Behörden
das Recht, das gleiche Verfahren einzuschlagen; nur fand es auf Kirchen
und Klöster hier keine Anwendung; dagegen ermächtigte ein Zusatz in den
Statuten (vom 2. Januar 1234) den Podestä, unter Zuziehung von Sachver-
1) Muratori Antiqu. IV, 377, 379. Savioli lU, 2, 186. Affö III, 339.
») Stat. Padov. no. 807 (vor 1236).
') Anonym, de rebus Laud., SS. XVIH, 647 ff. Giesebrecht V, 576.
*) Cod. Laud. H, 226 ff. no. 209—211.
°) Hidber II, Beilage no. 88 p. 115 : nee fraudulenter faciant canevam vel ca-
nevas in civitate vel extra civ. blave et leguminum, que fuerint virtutis Mediolani.
*) Oben § 353. Dem entspricht auch das Verbot der Getreideausfuhr aus
dem Bistum von Coino in dem Vertrage Comos mit Bormio 1201 und mit Chur
1219. Leg. Munic. n, 390. Mohr I, 261.
^) Liceat et possit taliare blavam locis suis et cogere eos, ut ad Med. ducant,
sicut consueverunt etc. Ähnlich in Parma ; Stat. Parm. p. 46. Hier war auch ver-
boten, Getreide, Wein und Flachs zu verkaufen, bevor sie geerntet waren ; p. 321.
*) Einer der Punkte, auf die sich die beiden großen politischen Parteien Mai-
lands am 30. Dez. 1214 einigten, war »quod Consules vel Rectores teneantur im-
ponere bladum villis et burgis Comitatus Mi. more solito« ; nur bei Brand, Unwetter,
Verwüstung sollte davon abgegangen werden dürfen. Ghiron J., La credenza di
S. Ambrogio, im Arch. Lomb. III (1876), 606.
768 Neunundvierzigstes Kapitel. Kommerzielle Gebräuche u. Vorschriften.
ständigen für die Einfuhr von Getreide nach Bergamo und über den Klein-
handel mit Getreide alle erforderlichen Bestimmungen zu treffen, i)
616. Auch in bezug auf Industrieartikel finden sich hier
und da Beschränkungen des Handels.
In Brescia war die Ausfuhr aller aus Ijamm- und Ziegenfellen in Stadt
und Gebiet hergestellten Artikel streng verboten, offenbar im Interesse der
Konsumenten; um die Mitte des 13. Jahrhunderts trat ein Ausfuhrverbot
für Leinen und Garne hinzu. 2) Andererseits war im Interesse der heimischen
Tuchindustrie die Einfuhr von Rinderhaaren und jeglicher Handel damit
untersagt, damit die Verwendung von solchen bei der Tuchfabrikation, ab-
gesehen von der schweren Strafe, mit der sie bedroht war, möglichst aus-
geschlossen würde. 3) Hatte dieses Einfuhrverbot den Zweck, die Qualität
und damit den Ruf der Erzeugnisse der brescianischen Textilindustrie zu
schützen, so begegnen wir in Parma einem Einfuhrverbot, das direkt dazu
bestimmt war, die Einbürgerung der Fabrikation einer bestimmten Tuch-
sorte in Parma zu ermöglichen. Im Jahre 1211 beschlossen Konsuln und
Räte der Zünfte und die Geschworenen der Stadtbezirke von Parma im Ein-
vernehmen mit der Kaufmannschaft und unter Genehmigung der städtischen
Behörden, im Interesse der Einführung der Fabrikation von »pignolati«, die
seit alters im benachbarten Piacenza im Schwange war, in Parma eine neue
Verordnung super facto ministerii pignolati in die Stadtstatuten aufzunehmen.
Danach durfte diese Tuchsorte fortab in Parma und seinem Gebiet nur ver-
kauft werden, wenn sie in Parma selbst oder seinen Vororten fabriziert war;
Einfuhr derselben aus einer anderen lombardischen Stadt zum Zweck des
Wiederverkaufs war verboten. Zuwiderhandlungen wurden mit Konfiskation
und öffentlicher Verbrennung der betreffenden Tuche und einer Buße von
15 sol. parm. für das Stück (pro pecia pignolati) geahndet. 4) Dadurch, daß
Parma auch den Zuzug von Arbeitern dieser Branche begünstigte, gelang
es ihm auch, seinen Zweck zu erreichen; im Jahre 1258 begegnen unter den
anerkannten Zünften Parmas auch die textores pignolati. s)
Ungefähr zur selben Zeit wie in Parma wurde in Florenz von der
Wollenzunft ein Einfuhrverbot zum Schutze der heimischen Textilindustrie
erlassen ; es richtete sich gegen die Einfuhr von stame filato (Zettel), die
besonders von Lucca her, wo sich die Textilindustrie weit früher wie in
Florenz entwickelt hatte, betrieben wurde ; offenbar erachtete man die eigene
Industrie in Florenz für erstarkt genug, um das heimische Bedürfnis an
diesem Halbfabrikat vollauf befriedigen zu können, ß)
Es sind die ersten Beispiele der Anwendung des Protektions-
systems, die uns in diesen Fällen vorliegen.
») Stat. Perg., coli. XIII, 44, 45 (Leges Munic. II, 2013).
») Leges Munic. II, 1584 (120), mit verschärfendem Zusatz v. 1249, u. p. 1584 (139).
^) Verbot der Einfuhr von pilum bovis, et nullus audeat pilum bovis emere
nee vendere nee teuere nee ponere nee poni facere in drapis ; Strafe 20 sol. für
den Fall und Verbrennung der Ware. Tuche, in denen sich Rinderhaare vorfanden,
wurden konfisziert und den Armen geschenkt. Das Verbot wurde 1248 auf lana
grossa caprae ausgedehnt.; ebd. 1584 (139).
*) Affö lU, 325 no. 29. Es handelt sich also keineswegs um Wollen - und
Tuchhändler im allgemeinen, wie Poehlmann, Wirtschaftsgesch. der Flor. Eenais-
sance p. 106 annimmt; (ebenso Handwörterb. d. Staatswiss. III*, 321).
°) Affö III, 329 no. 32 (Zusatz zu der Bestimmung von 1215).
8) Santini p. 376 : de stame filato . . . devetato undecunque f uerit aut evenerit
aut de Luca aut de aliis locis etc. Unten § 627.
Fünfzigstes Kapitel. Konsulat der Kauf laute im Staate des Comune. 769
Fünfzigstes Kapitel.
Konsulat der Kaufleute und kaufmännische Kor-
porationen im Staate des Comune.
617. Etwa ein halbes Jahrhundert nach dem Emporsteigen der
Städte zu kommunaler Selbständigkeit tritt uns im Binnenlande
Oberitaliens zuerst eine besondere, freie Organisation des Handels-
standes ^) entgegen, die ihr Vorbild den Einrichtungen des Comune selber
entnahm. Am frühesten sind eigene Konsuln der Kaufleute nachweis-
bar in Piacenza und Mailand, schwerlich rein zufällig; vielmehr scheint
dies Vorangehen der tatsächlichen Entwickelung zu entsprechen und
damit zusammenzuhängen, daß diese beiden Städte auch in kommer-
zieller und industrieller Blüte den übrigen Binnenstädten Ober-Italiens
vorangegangen sind.
Diebeiden consules negociatorum Piacenzas vom Jahre 1154, Guilel-
mus Sicamelica und Ricardus Surdus, die in den Urkunden über die Rück-
zahlung der Anleihe Genuas neben den 4 consules comunis genannt werden,
sind die ältesten bekannten ihrer Art 2); eine weitere Urkunde von 1146,
die von den majores consules Piacenzas spricht 3), erlaubt den sicheren Rück-
schluß, daß diese Institution in Piacenza, das Peter von Cluny 1151 eine
Stadt nennt, die kaum einer in Italien nachstehe *), auch damals schon vor-
handen gewesen ist. Und daß es sich dabei um selbstgewählte Konsuln der
korporativ vereinigten Kaufmannschaft handelt, geht aus den Konsular-
statuten von 1169, die ausdrücklich von dem »comune negociatorum« reden,
mit voller Deutlichkeit hervor, ö)
618. Für die mailändische Kaufmannschaft liegt das älteste Zeug-
nis ihrer Organisation in einem Erkenntnis von 4 consules negociatorum
vom Jahre 1159 vor; gerade dadurch, daß es nicht Handelssachen, sondern
streitige Grundstücke betrifft, liefert es den Beweis, daß diese Konsuln die
Vorsteher einer Korporation waren, deren Mitglieder ihrer Jurisdiktion in
erster Instanz auch dann unterstanden, wenn nicht Haiidelsangelegenheiten
in Frage kamen. 6) Daß nach der Katastrophe von 1162 mit der Wieder-
herstellung der Stadt auch diese Organisation der Kaufmannschaft wieder
aufgenommen wurde, geht daraus hervor, daß wir aus dem Jahre 1177 einen
richterlichen Spruch des Passaguerra judex, qui dicitur Poxonerius, consul
negociatorum Mediolani und seiner 4 Kollegen kennen. '')
•) Über die älteren Erscheinungen in Eavenna und Rom s. oben § 64 (Ende).
») Lib. Jur. I, 176 no. 202. Oben § 507.
') Campi I, 544 (6. September 1146).
*) Brief an Eugen III, ebd. 11, 351 f. : Miserere tantae urbis nulli fere in Italia
secundae.
*) Boselli I, 329. Mitwirkung der Konsuln der Kaufleute von Piacenza 1181
beim Vertrage mit Ferrara, oben § 574,
8) Giulini IH, 553 f., Vn, 125. Schupfer p. 165, 168. Gaddi L., Per la storia
della legislaz. e delle istituzioni mercantili lombarde im Arch. lomb., anno XX
(1893), 272. Zeitschr. f. Handelsr. 41, 101.
') Giulini III, 771. Leg. Munic. 11, 917 f. Schupfer p. 168. Die Notizen des
im 14. Jahrhundert schreibenden Galvano Fiamma zu 1172 und 1175 zu verwerten
(Miscell. ital. Vll, 716; Schupfer 165), trage ich Bedenken.
Sc ha übe, Handelsgeschlcbte der roman. Völker im Mittelalter. 49
I
770 Fünfzigstes Kapitel.
Als sich 1198 die popolare societas (credentia) s. Ambrosii bildete und
Anteil am Stadtregiment gewann i), tat das der staatlichen Stellung der
Korporation der Kaufleute, die zweifellos Angehörige der beiden politischen
Parteien umfaßte, doch keinen Eintrag ; häufig sehen wir ihre Konsuln seit-
dem beim Abschluß von Staatsverträgen mitwirken. So wird die Allianz
mit Lodi am 15. Januar 1199 durch den Podestä, mehrere consules creden-
tiae s. Ambrosii und einen »consul mercatorum, Pelegrinus, qui dicitur de
Populo« bestätigt^), der Vertrag mit den Malaspina von 1200 wird mailän-
discherseits nur durch 2 consules negociatorum verhandelt und beim Ab-
schluß des Friedens von Gavi zwischen Genua und Tortona (1202) fungieren
je ein consul comunis und je ein consul mercatorum von Mailand und
Pavia als offizielle Zeugen. 3) Auch bei dem Allianz vertrage Mailands mit
Vercelli vom 5. März 1215 haben drei mailändische consules negociatorum:
Guifredus Medicus, Manuel de Ermenulfis und Dominicus Bonadonna mit-
gewirkt. *)
Ohne staatliche Eingriffe ging es bei der Bedeutung, die die Kauf-
mannschaft für eine Stadt wie Mailand hatte, nicht ab; als der Podestä,
Ubertus de Viaita am 30. Dezember 1214 eine Einigung der beiden großen
politischen Parteien, der Capitanei, Valvassores und ihres Anhangs auf der
einen, der Motta und Credentia S. Ambrosii mit dem Popolo auf der anderen
Seite zustande brachte, wurde die Wahl der consules negociatorum zwar
den Kaufleuten selbst zugestanden, dabei aber bestimmt, daß aus jeder der
beiden politischen Parteien 3 Konsuln gewählt werden müßten ; diese Kon
suln hatten dann gemeinsam zu ihrem juristischen Beistand einen Judex
zu ernennen, ö) Wenn der Verfasser der nur wenig jüngeren Aufzeichnung
des mailändischen Gewohnheitsrechtes (1216) betont ß), daß zwischen dem
Comune von Mailand und den Konsuln der Kaufleute ein Vertrag bestehe, j
der unverbrüchlich gehalten werden müsse, so meint er wahrscheinlich dieB
gerade damals zustande gekommene Einigimg; stark hebt er hervor, daß sie
keine staatlichen Beamten seien und deshalb auch nicht gehindert werden
dürften, gleichzeitig das Amt eines städtischen Konsuls oder sonst ein staat-
liches Amt jzu bekleiden. Wohl aber seien die staatlichen Behörden auf
Grund jenes Vertrages verpflichtet, die kaufmännischen Konsuln bei der
Ausübung der ihnen zustehenden Befugnisse zu unterstützen; jährlich ein-
mal hätten sie in herkömmlicher Weise die von den Konsuln der Kaufleute
erlassenen Verbote und Verrufserklärungen sowie ihre Gewohnheiten in
öffentlicher Versammlung zu bestätigen ; insbesondere läge dem Comune die
Pflicht ob, für die wirksame Unterstützung der Konsuln der Kaufleute bei.1
Beschwerden über vorgekommene Vergewaltigung und sonstige Klagen der
Kaufleute , ferner in Straßen - und Marktangelegenheiten und bei andern
Dingen, wo es herkömmlich sei, Vorsorge zu treffen.'') Der Verfasser er-
1) Ann. Mediol., SS. XVin, 397, 400. Schupfer p. 181. Ghiron J. : La cre-
denza di Sant'Ambrogio im Arch. lomb. III (1876), 589 ff.
«) Cod. Laud. U, 283 no. 211 ; bei Schupfer p. 169 (nach Giulini IV, 119) irrig
zu 1190.
3) Chart. II no. 1707 p. 1209. Lib. Jur. I p. 482 no. 447. Oben § 501.
*) Chart. I p. 1207 f.
s) Lünig Cod. dipl. I, 397 no. VIU. Schupfer p. 184. Ghiron 1. c. 600, 606.
Gaddi 1. c. 276. Lattes, consuetud. p. 166.
6) Berlan p. 73 f., ruh. 31 und Ende 32.
'') Commune M. consulibus neg. in praedis et contestationibus et stratis in
quirendis et in nundinis et aliis rebus sicut consuevit debet providere.
Konsulat der Kaufleute im Staate des Comune. 771
klärt ferner, daß die Kaufleute Mailands und ihre Konsuln ihre besonderen
Gewohnheiten hätten, die in Mailand wie in den alten Zeiten so auch jetzt
beobachtet würden, so daß es notwendig sei, sie in sein Werk mitaufzunehmen ;
eingehend schildert er dann, wie die Aufsicht über das gesamte Maß- und
Gewichtswesen in Mailand von ihnen gehandhabt werde. ^)
Nicht lange danach hielt es die Kaufmannschaft Mailands für zweck-
mäßig, einen Podestä. als einheitliches Oberhaupt an ihre Spitze zu stellen;
durch einen neuen staatlichen Eingriff aber wurde im Jahre 1225 der Podestä
der Kaufleute, Busvardo Incoardo, ebenso wie die Podestes anderer Ver-
bände, seines Amtes entsetzt; dagegen blieb die herkömmliche Wahl von
Konsuln den Kaufleuten nach wie vor gestattet. ^)
619. Für die übrigen Städte Ober-Italiens beschränke ich mich
darauf, die ältesten mir bekannten Erwähnungen ihrer kaufmännischen
Konsulate in chronologischer Folge zu geben ^), wobei ich nur be-
. merke, daß es vorzugsweise die Mitwirkung dieser Konsuln beim Ab-
schluß von Handelsverträgen ist, die zu ihrer Erwähnung Anlaß gibt.
Nach Piacenza und Mailand folgen zunächst Vercelli (1165) und Cre-
mona (1173)^), dann im östlicheren Teil der Lombardei in rascher
Folge Verona (1175), Brescia (118ü), Ferrara (1181)^), Modena (1182);
ferner Reggio (1188)*'), Parma (1189) und Mantua (1191.)^)
In dem kleineren Novara begegnen sie in besonders enger Gemein-
schaft mit den Konsuln der gewerblichen Zünfte (1194 bezw. 1199) 8); in
Bologna, wo sie auffallend spät erwähnt werden (1200), tritt uns die Kauf-
mannschaft sogleich in die beiden Korporationen der Mercatores und Camp-
sores gespalten entgegen, deren jede von 3 Konsuln geleitet wird. 9)
Die uns von Mailand her bekannte Ersetzung der Konsuln durch ein
einheitliches Oberhaupt, einen Potestas Mercatorum, ist zuerst (1209) in
Verona nachweisbar 1°) und fast gleichzeitig (1211) auch in Parma, wo in-
») Oben § 613 f.
*) Praccepta pacis et concordiae des mailändi sehen Podestä, Avenus de Man-
tua, vom 10. Juli 1225, nur durch Corio (hist. di Milano ed. 1503 p. 129) überliefert.
Ghiron 1. c. 602, 607. Gaddi 1. c. 277. Schupf^r 186 f. Salzer 95 u. 114.
') Weiteres, namentlich auch über die gewerblichen Korporationen, gedenke
ich bei Gelegenheit an anderer Stelle zu veröifentlichen. Im übrigen s. noch Gold-
schmidt 158 ff., 169 ff.
■•) Oben § 606 u. 557. Miglioli G. : Le corporazioni cremonesi d'arti e mestieri
etc. Verona-Padua 1904.
5) Oben §548; 587 u. 599; 574. Vgl. Lattes, dir. commerc. p. 39.
8) Murat. Antiqu. 11, 887 f., IV, 353.
') Oben § 603. Cipolla p. 306. Portioli A., Le corporazioni artieri di Mantova.
Mantua 1884. Über die eigenartigen Verhältnisse in Padua mit seinen frataleae
und Gastaldionen s. Roberti M., Le corporazioni padovane d'arti e mestieri ; in :
Mem. del R, Ist. Veneto di scienze etc., vol. 26 (1902) no. 8.
*) Die 12 consules paraticorum setzen sich im Jahre 1199 zusammen aus
3 Konsuln der Gerber (calegariorum), zweien der Metzger (beccariorum), 4 consules
negociatorum und dreien der Kürschner (pellipariorum) ; Chart. I no. 727 ; die 12 con-
sules paraticorum begegnen auch schon 1194 im Vertrage mit Vercelli, ebd. no. 688.
Dazu Salzer p. 88 A. 3.
«) Savioli II, 2, 219 no. 381. Salvioni p. 28. Stat. Soc. Bol. U, 485 f. Gau-
denzi p. 14 ff.
>") Lib. Jur. Civ. p. 88 rub. 114.
49*
772 Fünfzigstes Kapitel.
dessen die Mercadantia, an deren Spitze der Podestä, steht, ein aus 15 Einzel-
innungen bestehender Verband war. i)
620. Kaufmännische Konsuln fehlen ganz im östlichsten wie im
westlichsten Teile des Gebiets, in Asti wie in Treviso ; sie fehlen auch
in den Seestädten. Bei der überragenden Bedeutung, die der
Handel gerade für diese Städte hatte, kann der Grund hierfür nur
in der Tatsache gefunden werden, daß die regierenden Kreise in
ihnen selbst am Handel derartig interessiert waren, daß für eine
Sondervertretung der kaufmännischen Interessen keinerlei Bedürfnis
bestand.
imfl
Wohl hat auch Venedig seine consules mercatorum gehabt, die
Jahre 1228 zuerst nachweisbar sind, wo die drei neu ernannten Konsuln"*
Füippo Badoer, Niccolö Quirini und Benedetto Falier den Eid auf ihr Ca-
pitulare ablegen. 2) Aber sie sind nicht Vertreter einer Korporation, sondern
rein staatliche Beamte, die im Interesse des Seehandels mit genau um-
grenzten Befugnissen ausgestattet waren. So hatten sie die Tragfähigkeit j
der Schiffe festzustellen und vor der Abfertigung der Schiffe aus dem Hafen
zu prüfen, daß keine Überladung stattgefunden 3), hatten vor der Annahme
der Schiffschreiber darauf zu sehen, ob sie für ihr Amt geeignet waren,
hatten sie zu vereiden und nach ihrer Rückkehr die von ihnen geführten
Ladungsregister zu prüfen 4), hatten Streitigkeiten zwischen den Kaufleutenj
und dem Schiffer über havarierte Waren zu entscheiden^) u. dgl. mehr.
Eine rein staatliche Behörde waren auch die jährlich wechselnden]
vier consules maris, die seit 1206 in Genua nachweisbar sind. Sie standen]
an der Spitze des Seezollamts, hatten die Abfertigung der Schiffe am Hafen]
und waren im Zusammenhange mit ihrem Amt mit polizeilichen Befug-
nissen und Strafgewalt ausgestattet. ^)
621. In vollem Gegensatz zu Ober-Italien ist es in Mittel
Italien gerade die große Seestadt, in der das kaufmännische Kon
sulat zuerst begegnet; in den Konsularstatuten Pisas für 1162 und
1164 erscheint es als durchaus eingebürgerte Institution.'^) Dabei
vertraten die 5 consules negociatorum auch hier nur die Kreise des
Landhandels, Tuchhändler, Wechsler, Spezeristen usw., während sich
die am Seehandel interessierten Kreise erst am äußersten Ende des
Jahrhunderts zu einer eigenartigen und besonders mächtigen, Nobili
wie Popolare in gleicher Weise umfassenden Korporation zusammen-;
1) Stat. Farm. p. 191 u. 187 fE. AfPö IE, 325 u. 329, no. 29 u. 32. Salzer 99.
Micheli G. Le corporazioni parmensi d'arti e mestieri. Parma 1899 (auch in : Arch.
stör, per le prov. parmensi V, 1896).
«•) Lib. pleg. no. 594 (26. Februar u. 13. März). Vgl. Marin V, 180 f.
») Stat. tarretarum rub. 1 im N. Arch. ven., n. s., V (1903) p. 314 ff. Stat.
super navibus rub. 44, ebd. p. 200.
*) Stat. marit. von 1233 rub. 4, ebd. IV p. 289. Stat. tarret. 1. c. rub. 26; Stat.
nav. rub. 41.
6) Stat. tarr. 49, Stat. nav. 53.
«) Näheres Z. f. Handelsr. 32 (1886), 490 ff. und Konsulat d. M. p. 229 S.
S. auch oben § 501 (p. 1120 *).
^) Z. f. Handelsr. 41 (1895), 101 ff. Volpe 227 f.
Konsulat der Kaufleute im Staate des Comune. 773
schlössen, die sich Ordo maris nannte und von Konsuln des Meeres
geleitet wurde. ^)
Auch in anderen Seestädten Mittel - Italiens fehlt die Institution
nicht; Rom hat schon 1165 seine consules mercatorum et marina-
riorum, und Konsuln der Kaufleute begegnen auch in Corneto (1177)^)
und, allerdings erst später (1208), in Ancona.^)
In den großen Binnenstädten Toskanas erscheinen Konsuln der
Kaufleute noch im 12. Jahrhundert, zuerst in Lucca*); seit dem An-
fang des 13. Jahrhunderts hat dann die Institution auch in den klei-
neren Gemeinden Toskanas, im römischen Tuscien und Umbrien eine
weite Verbreitung erlangt.
Aus einem Schreiben Gregors IX. an Podestä und Volk von Civita
Castellana (1229) ergibt sich, daß man das Konsulat der Kaufleute zu den
in jeder Kommune des Patrimoniums üblichen Institutionen rechnete 0); seine
Hauptfunktionen werden einmal von Papst Honorius III., als es sich um
die Wiederherstellung der wegen der städtischen Kämpfe beseitigten Kor-
poration der Kaufleute in Perugia und ihres Konsulats handelte (1223), in
prägnanter Weise aufgezählt. ^) Danach bestanden die Aufgaben der con-
sules oder rectores mercatorum besonders darin, alle, die sich in Maß und
Gewicht irgendwelche Unredlichkeiten erlaubten, zu bestrafen, auf die In-
standhaltung der Straßen bedacht zu sein, Friedens- und Handelsverträge
abzuschließen und für sicheres Geleit Sorge zu tragen.
622. Fast überall finden sich in den freien Kommunen Italiens
in bezug auf die Organisation des Handelsstandes, seine Beziehungen
zu dem Stadtregiment und zu den gewerblichen Zünften lebensvolle,
für die einzelne Stadt charakteristische Verschiedenheiten. Wie groß
diese Verschiedenheiten schon in der Entwickelung bis zur Mitte des
13. Jahrhunderts waren, mag zum Schluß das Beispiel der beiden
einander so nahen großen Handelsplätze Toskanas, Siena und Florenz,
dartun.
Auffallend spät treten uns in Siena, wo der Handelsstand eine
so wichtige Rolle spielte, die Konsuln der Kaufleute entgegen; die
ältesten bisher bekannten, Mariano di Peri (Pieri), Salsidonio (Famihe
Sansedoni) und Vincecastello, gehören dem Jahre 1192 an, wo sie den
Schadenersatz für einen im sienesischen Gebiet seiner Ware beraubten
Florentiner vermittelten. ')
Mehrfach begegnet im folgenden Menschenalter ihre Mitwirkung bei
handelspolitischen Aktionen; so ist Aringerius Sinibaldi, consul mercatorum
>) Näheres: Konsulat d. M. Kap. 1—3. Neue Beiträge z. Gesch. d. Kons. d.
M. (Brieger Gymn.-Progr. 1891). Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswiss. IX (1893),
236 ff. Volpe 296 ff., 303 ff.
«) Oben § 486 u. 489.
') Lib. Jur. I, 537 no. 489.
*) Aus dem Vertrage mit Modena von 1182 ergeben sich die Namen zweier
kaufmännischer Konsuln von Lucca aus dem Vorjahre. Murat. Antiqu. II, 887 f.
'') Theiner I, 88 f. no. 152.
«) Ebd. 79 no. 128. Rodenberg I, 169 no. 239.
^) Aus dem Caleffo vecchio nachgewiesen von Mengozzi I, 15 Anm. 2 und
Davidsohn I, 597.
774 Fünfzigstes Kapitel.
Senensium, Zeuge im Vertrage mit Florenz vom 29. März 1201, und 2 Jahre
später erscheinen die 3 consules mercatorum neben je 3 Konsuhi der Stadt
und der Ritter in erster Linie als die Vertreter Sienas, die den Florentinern
zedieren, was ihnen nach ergangenem Schiedspruch gebührte.^) Aus dem
Jahre 1205 kennen wir einen Konsul der Kaufleute Rinaldinus, der als no-
bilis vir bezeichnet wird, und im Jahre 1213 wird der Verzicht der Grafen
von Titignano auf Represalien gegen das damals befreundete Orvieto außer
vom Podestä, von einem Konsul der Kaufleute, Turco, entgegengenommen. 2)
623. Wenig später zeigt sich die bisher einheitliche Kaufmannschaft
Sienas in zwei Korporationen gespalten, die den alten Namen beibehaltende
der Mercatores und die der pizzicarii; sie bilden die »due Mercanzie« , die
mit gleicher Verfassung und gleichen Rechten bald völlig einträchtig in
Siena neben und miteinander tätig sind. Zum erstenmal begegnet diese
Scheidung in dem Allianzvertrage mit Orvieto vom 27. Oktober 1221, wo
neben den 3 consules mercatorum: Albizzo Pieri, Incontrato Assaliti und
Tornampullia Salsidonii auch zwei der pizzicarii, Credo und Simone, als
offizielle Zeugen auftreten ^) ; daß letztere hier erst durch 2 Konsuln vertreten
sind, ist vielleicht kein Zufall; auch ihre Namen machen den Eindruck, daß
es sich hier um homines novi handelt, um Vertreter der eben erst zur Gel-
tung kommenden Detaillisten, unter denen sich gewiß auch nicht wenige
zu hohem Wohlstand gelangte Kaufleute befanden, während die Mercatores
aus denjenigen Kaufleuten bestanden haben werden, die seit geraumer Zeit
hauptsächlich den auswärtigen Handel pflegten. Die zunehmende Stärke
der popolarcn Bewegung wird es gewesen sein, die die sicher nur popolare
Elemente umfassende Korporation der pizzicarii zur Gleichberechtigung mit
der alten Korporation der Kaufleute emportrug. 4)
In der folgenden Zeit sehen wir beide Kaufmannschaften dem Comune
als Bankiers dienen, die für laufende Staatsausgaben Vorschüsse machten
und für größere Bedürfnisse dem Staate Anleihen gewährten. So quittieren
am 1. Januar 1228 ihre Konsuln über den Empfang von 6671/2 1-^)j <üe sie
für die Wiederherstellung des Kastells Orgia vorgeschossen hatten. Auf
Anleihen, die die Stadt zur Zeit des Podestä Malpiglio bei den consules mer-
catorum et pizzicaiolum gemacht hatte, werden im November 1229, den Vor-
schriften der Statuten Sienas gemäß, fünf einzelne Posten im Gesamtbetrage
von rund 950 1. zur Rückzahlung angewiesen. 6) Als der Staat im Juli 1231
der kriegerischen Zeitläufte wegen einer größeren Anleihe bedurfte, waren
sie es, die die »prestanza« umzulegen hatten, die einen Betrag von 16 593 1.
einbrachte. Auch Zahlungen des Staates nach auswärts vermittelten sie;
») Santini p. 64 u. 127.
«) Maratori Antiqu. IV, 576. Fumi p. 66 no. 93. Turco ist wohl identisch
mit Turchio Amerighetti, der in Urkunden von 1209 bei Ficker IV no. 220 ff. er-
scheint.
') Fumi p. 95 no. 141 Vi.
*) Über die beiden Kaufmannschaften im allgemeinen s. Zdekauer, Mercante
57 ff.
^) Lisini: Invent. del Caleffo vecchio im Bull. sen. V (1898), 118. Ein anderes
Beispiel vom Oktober 1229 Zdekauer Merc. 60 A. 2.
^) Mengozzi I, 15 A. 2. Auch die späteren Statuten enthalten noch die Ver-
pflichtung des Podestä, für die Eückzahlung aller Schulden zti sorgen >que deben-
tur aut contracta sunt hactenus ab antecessoribus meis a consulibus mercatorum
et pizzicariorum vel ab eorum suppositis etc.« Zdekauer, Constituto p. 84, Dist. I,
207 ; vgl. p. XXXXI A. 2.
irelB
adt 11
3rn il
Konsulat der Kauflcute im Staate des Comune. 775
so wurde z. B. die Forderung eines Römers von 24 1. Schadenersatz für
Pferde, die er im Dienste Sienas verloren, auf diesem Wege beglichen, i)
Nur bei der Beschaffung von fremdem Silbergeld, das die Münze von Siena
zur Umprägung verwandte, sehen wir die consules mercatorum allein tätig,
die sich dafür eine Provision von etwa l7o berechneten. 2)
Der Sitte der Zeit gemäß standen beide Korporationen auch mit
frommen Stiftungen in naher Verbindung; Gregor IX. hat sich am 22. Okto-
ber 1283 bei den consules pizicarolorum mercatorum in Betreff einer Zu-
wendung, die dem Nonnenkloster der hl. Petronilla gemacht worden war,
und in ähnlicher Weise am 27. Januar 1235 für die »reclusae s. Damiani«
bei den consules mercatorum verwendet.^)
Auch als in den vierziger Jahren die popolare Bewegung weitere Fort-
schritte machte *), dauerte der pohtische Einfluß der beiden Kaufmannschaften,
neben denen die gewerblichen Elemente als solche ganz zurücktraten, an.
Im Vertrage mit Florenz von 1245 erscheinen der Podesta, die consules
utriusque mercantiae und die .24 priores populi als die offiziellen Vertreter
des Staates; nach diesem Vertrage, in dem es sich namentlich um die Re-
gelung der zwischen Angehörigen beider Städte schwebenden Verbindlich-
keiten handelte, wurde von Siena je ein Konsul der beiden Kaufmann-
schaften dazu bestellt, um die Forderungen der auf ihre Aussagen zu ver-
eidenden Florentiner in Gemeinschaft mit einem florentinischen Notar ent-
gegenzunehmen, zu prüfen und über sie zu entscheiden; eine Aufgabe, die
den Sienesen gegenüber den beiden Capitanei popuK von Florenz in Gemein-
schaft mit einem sienesischen Notar zufiel; bei auftauchenden Zweifeln traten
Konsuln und Capitanei zu gemeinsamer Beratung zusammen, ß) Als Anfang
1247 ein Zwist zwischen dem neu angetretenen und dem eben ausgeschie-
denen Podestä ausbrach, wurde seine Schlichtung den Konsuln der beiden
Kaufmannschaften und den 24 Prioren übertragen 6) ; in dieser Zeit wurde
es auch üblich, beide Kaufmannschaften zusammen als die »Mercanzia«
Sienas zu bezeichnend) Mit der Einsetzung eines Volkshauptmanns im Jahre
1255 war dann in Siena der volle Sieg des Popolo entschieden.
624. Auch in Florenz sind Konsuln der Kaufleute nicht viel
früher als in Siena positiv nachweisbar.
Als die Bewohner von Empoli am 3. Februar 1182 die Zahlung eines
Jahrestributs von 50 1. an die Konsuln oder Rektoren von Florenz gelobten,
versprachen sie für den möglichen Fall des Fehlens dieser Behörden die
Zahlung an die Konsuln der Kaufleute von Florenz zu leisten, die das Geld
inzwischen für die Gemeinde anzunehmen hätten 8); und nach dem Vertrage
mit Lucca vom 21. Juli 1184 waren es diese Konsuln, die mit ihren Kol-
legen aus der Nachbarstadt die Höhe der beiderseits zu erhebenden Zölle
zu vereinbaren hatten. 9) Identisch mit diesen Vorstehern der Kaufmann-
') Zdekauer, Mercante 61. Miscell. sen. III (1895) no. 3 p. 125.
*) Belege für den Ankauf venez. und pisanischer gross! zu diesem Zweck
(1230) bei Zdekauer, Merc. 60 A. 1.
8) Auvray no. 1553 u. 2408.
*) Hierüber s. Zdekauer : La vita pubblica nel Dugento (Siena 1897) p. 78, 83 f.
'") Arias I, Doc. no. 2 p. 378, 380.
«) Lisini 1. c. 125.
') Die Consules Mercantiae mit Podesta und den 24 als Vertreter Sienas in
der Urkunde vom 15. Januar 1250 bei Davidsohn Forsch. III, 10 no. 31. "
») Santini p. 18. Davidsohn I, 670. Sautini, studi im Arch. it. XXXI (1903), 350.
») Santini p. 21. Oben § 598.
776 Fünfzigstes Kapitel.
Schaft sind die consules mercatorum de Callemala, die uns am 9. Dezember
1192 zuerst mit dieser Bezeichnung begegnen, wo Giani Cavalcanti, Rainerio,
der Sohn Ugos de Bella und Ugo Angiolotti ein ihrer Korporation gehö-
rendes Grundstück verkaufen; am 21. November des folgenden Jahres wird
zweien der gewesenen Konsuln (consulibus mercatorum veteribus de Calle-
mala) und den drei amtierenden Konsuln als den Verwaltern des Hospitals
von S. Eusebio ein Grundstück geschenkt i); ein weiteres Grundstück für
dieses Hospital wurde am 2. Juli 1216 von den drei consules mercatorum
Callemale, Guidotto de Clarito, Bonaguisa fil. Uguiccionis Ockidiferro und
Ranerio Renuccii angekauft. 2) Diese letzteren Konsuln werden nun in einer
anderen Urkunde desselben Jahres, in der sie uns in staatlicher Funktion
entgegentreten, als consules mercatorum Florentinorum bezeichnet. s) Ist
sonach an der Identität der Konsuln der Kaufleute schlechthin mit den
Konsuln der Kaufleute der Callemala auch für die frühere Zeit nicht zu
zweifeln, so lassen sich aus dieser Tatsache weitere Folgerungen' ziehen.
Die maßgebenden Kreise der florentinischen Kaufmannschaft hatten ihre
Geschäftsläden in der »schlechten Straße« zwischen Alt- und Neumarkt, der
CaUemala und deren unmittelbarer Nachbarschaft; da dieser Bezirk auch
später noch als der Mittelpunkt des florentinischen Tuchhandels erscheint^),
so sind es auch in Florenz die Tucher, die innerhalb der kaufmännischen
Welt die erste Rolle spielten. Nur sie bildeten die Kaufmannschaft von
Florenz im engeren Sinne ; nur sie waren vollberechtigte Mitglieder der Kor-
poration und wählten als solche ihre Vorsteher, die consules mercatorum de
Callemala, die zugleich aber auch, als die vom Staat anerkannten Konsuln
der Florentiner Kaufleute überhaupt, über die Kreise des Handels und wohl
auch mancher Gewerbe ein Aufsichts- und Leitungsrecht ausübten, so daß
sie allein bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts als die berechtigten Vertreter
der Handel und Industrie treibenden Bevölkerung von Florenz erscheinen.
In dieser allgemeinen Eigenschaft war ihnen auch vom Staat die Aufsicht
über die Verwaltung kirchlicher Institute, insbesondere der Opera S. Jo-
hannis (des Battistero), übertragen; am 3. November 1193 sind die consules
mercatantum zuerst in dieser Funktion nachgewiesen, s)
625. Gerade in diesem Jahre aber sehen wir zum erstenmal auch die
gewerblichen Zünfte in Florenz eine politische Rolle spielen. 6) Als
sich die Burg Trebbio (nur 2 Meilen nördlich von Siena) am 14. Juli 1193
den Florentinern übergab, wurde der Unterwerfungsvertrag von dem da-
maligen Podestä von Florenz, Gherardo Caponsacchi (einem einheimischen
Edlen), den 7 Mitgliedern seines Beirats (consiliarii) und den 7 »rectores qui
^) Ebd. 365, 367. Der eine der gewesenen Konsuln ist TJgo Angiolotti, der
andere Joh. fil. Boninsegnie; ist dieser nicht mit Cavalcanti identisch, so müßte
er den vielleicht im Lauf des Amtsjahrs verstorbenen abgelöst haben. Filippi :
L'arte di Calimala (Turin 1885) p. 173. Davidsohn I, 670.
2) Santini 380.
8) Ebd. 179 (12. Febr. 1216).
*) Schon 1205 erscheint die Elle der Callemala als das normale Längenmaß
in Florenz, nach dem die Länge einer Mauer bestimmt wird ; Davidsohn I, 793 A. 2 :
ad rectum brachium canne Callismale.
*) Ebenfalls aus noch ungedruckter Urkunde ebd. 671 A. 3; dazu 672 A. 3.
') Bezüglich der gewerblichen Entwickelung in Florenz verweise ich auf die
von Davidsohn I, 783 f., 790, 794, 582 beigebrachten Notizen. Die Bevölkerung der
Stadt gegen Ende des 12. Jahrhunderts veranschlagt Santini, studi XXXI, 331 auf
45000 — 50 000 Menschen.
Konsulat der Kaufleute im Staate des Comune. 777
sunt super capitibus artium« vollzogen; die 7 rectores verpflichteten sich
gleichzeitig, die Bedingungen des Vertrages in das »Constitutum« dieses
Jahres in der Weise aufzunehmen, daß dadurch auch alle späteren Stadt-
häupter zur Aufnahme derselben in das Constitut, das jährhch von neuem
festgestellt zu werden pflegte, verpflichtet wurden, i) Wir sehen also in diesem
Zeitpunkt die 7 Leiter eines Bundes von Zünften 2), deren Zahl wir nicht
kennen, von denen eine jede aber wieder unter eigenen Vorstehern (capita)
stand, im Besitz eines maßgebenden Anteils am Stadtregiment in einer Stel-
lung, wie sie sonst wohl den Konsuln der Ritter und Kaufleute zufiel; sicher
das Resultat einer popolaren und, wie bestimmte Anzeichen beweisen, zu-
gleich kaiserfreundUchen Umwälzung. 3) Aber dies Resultat war keineswegs
von Dauer; der Zünfteverband vermochte seine in mächtigem Anlauf er-
rungene herrschende Stellung nicht zu behaupten ■*) und die frühere Ord-
nung der Dinge kehrte zunächst zurück.
Erst am Anfang des folgenden Jahrhunderts begegnen wir den
Organen des Zünfteverbandes wiederum, freilich jetzt in viel beschei-
denerer Rolle; mit ihnen treten jetzt zum erstenmal auch besondere
Konsuln der Wechsler auf, denen wir etwas früher schon in Bo-
logna begegnet sind; gewiß hatten die Wechsler bis dahin in Florenz
dem Gesamtverbande der Kaufleute angehört.
Eine Urkunde vom 1. März 1202 zeigt uns zuerst das Nebeneinander-
wirken der Vorstände der kaufmännischen und gewerblichen Organisationen s) ;
der Beschluß, den Erben einiger Florentiner, die vor Summofonte den
Heldentod gestorben waren , Abgabenfreiheit zu verleihen , ist von den
12 Konsuln der Stadt und ihrem Großen Rat »et cum consilio consulum
mercatorum et militum et cambiatorum et priorum omnium artium Flo-
rentinae civitatis« gefaßt; die Kaufmannschaft steht also wieder unbestritten
an erster Stelle. Einer ihrer Konsuln, Ciaritus Pilii, war es auch, der bald
darauf (am 3. April) den Vertrag mit San Gimignano über Summofonte zu-
stande brachte. 6) Das gleiche Nebeneinander zeigt uns das am 11. September
1203 mit Bologna über Einschränkung des Represalienwesens getroffene Ab-
kommen; als offizielle Zeugen fungieren hier je ein Konsul der Ritter, der
Mercatores (Meiior Abbatis), der Cambiatores (Jacobus Rainonis) und zwei
priores artium, Mainittus Andreole und Bonristorus Karelli. ^) Offenbar ist
hier gerade Wert darauf gelegt, die Organisationen der Handel und Gewerbe
treibenden Bevölkerung offiziell vertreten sein zu lassen ; doch verfuhr man
») Santini 31 f.
«) Doren, Zünfte p. 8. Santini, studi im Arch. it. XXXI (1903), 355 fE.
3) Davidsohn I, 600 f.
*) Doren, Zünfte p. 12.
*) Santini p. 369. Pertile U ' p. 203 A. 89, der die Urkunde aus Lami, De-
lizie Vn, 178 kennt, gibt für das erste Vorkommen der Konsuln der Wechsler in
Flor, das Jahr 1201 an, da er die flor. Jahreszählung nicht berücksichtigt. La
Sorsa S., L'organizzazione dei cambiatori fiorentini nel medio evo (Cerignola 1904)
p. 30 setzt die erste sie erwähnende Urkunde (unter Mißverständnis von David-
sohn 797) erst zu 1204.
8) Santini 73 no. 38.
^) Saviolin, 2 i . 248 no. 353; Muratori Ant. IV, 453 f. (mit dem Datum id.
Sept.). In der Regel wird auch Tinioso Lambert! als Konsul der Wechsler für
dieses Jahr angesehen (so Hartwig II, 196 ; Santini p. XLVII in seinem Register,
Davidsohn I, 798 A. 5), aber Savioli hat deutlich : Melliore Abatis Consule Merc. Fl.,
Tinioso Lamberti, Jac. Rainonis Consule Camb. etc.
778 Fünfzigstes Kapitel.
nicht selten bei staatsrechtlichen Aktionen weniger streng; namentlich aber 9
zog man bei solchen Aktionen diejenigen Kreise vorzugsweise heran, die im "
einzelnen Falle am meisten interessiert waren; auch die sei es zufällige, sei '
es eben durch den Mangel eines besonderen Interesses veranlaßte Abwesen-
heit bestimmter Personen mag hierbei eine Rolle gespielt haben, i)
626. Anderthalb Jahrzehnte später tritt uns dann eine weitere
Neuerung entgegen. Der Vertrag mit Perugia von 1218 ist im Namen
der Kaufleute und des Comune von Florenz von je einem Konsul
der florentinischen Kaufleute (Arrigo de Arro), der mercatores artis
lanae (Finiguerra) und der mercatores Portae S. Mariae (Ugo Caval-
canti) abgeschlossen, und genau entsprechend wirken 2 Jahre darauf,
am 6. März 1220, bei der Bestellung von Bevollmächtigten zu Ver-
tragsverhandlungen mit Bologna wegen Herabsetzung der Zölle zu-
sammen die 3 consules mercatorum Callismalae Flor., die 3 consules
Portae S. Mariae und die 4 consules Artis Lanae; aus der »in Cale-
mala« vorgenommenen Wahl gehen Gualterotto Bardi und der Judex
der Wollenzunft, Boninsegna Consiglii, hervor, ^j
Zum erstenmal werden hier bei einer staatsrechtlichen Funktion
die Konsuln der Kauf leute consules mercatorum Callismalae genannt; es ist
sicher nicht zufällig, daß sie dabei als Vertreter des gesamten Verbandes der
Kaufleute bezeichnet werden (pro tota societate mercatorum). Vermutlich
sind in diesem Verbände damals auch die Wechsler wieder mit enthalten;
sonst scheint es kaum erklärbar, daß ihre Konsuln bei dieser Aktion fehlen,
während wir doch wissen, daß die Wechsler am bolognesischen Geschäft
lebhaft interessiert waren ; haben ihre Konsuln doch auch 1203 an dem Ab-
kommen gerade mit Bologna mitgewirkt. Seitdem aber entschwinden sie
für zwei Dezennien unseren Augen.
Losgelöst aus dem Verbände der Kaufmannschaft haben sich dagegen
die Kaufleute vom Marientor, wie sie nach ihrem örtlichen Mittel-
punkt analog den Kaufleuten der Callemala benannt werden, die offiziell
ja auch jetzt erst, offenbar zum Zwecke der klaren Unterscheidung von der
neu gebildeten Korporation, mit diesem Titel erscheinen. Wesentlicher als
die örtliche Scheidung war natürlich die Scheidung nach der Branche. Die
spätere Zunft Por S. Maria umfaßte alles, was sich mit Seidenhandel und
Seidenmanufaktur befaßte, und es ist durchaus wahrscheinlich, daß in der
Zeit der Loslösung der Kaufmannschaft des Marientors der Handel mit
Seidenzeugen und wertvollen Stoffen ähnlicher Art auch schon einen Zweig
ihrer Tätigkeit bildete, und daß die wohl erst in ihren Anfängen begriffene,
aber rasch sich entwickelnde heimische Seidenindustrie sich in völliger Ab-
hängigkeit von den kaufmännischen Unternehmern dieser Korporation be-
fand. Außerdem betrieben diese Kaufleute vom Marientor den Handel mit
Gold- imd Silberwaren, Schmuckgegenständen und Luxusartikeln verschiedener
Art, vor allem aber auch den Tuchhandel, von dem indes die von jenseits
der Alpen kommenden Tuche ausgeschlossen waren. 3) Matrikeln dieser
*) So erklären sich die Abweichungen in anderen Urkunden der Jahre 1203
und 1204 bei Santini p, 131, 137, 140, 144.
«) Davidsohn Forsch, in, 229 no. 1168.
«) Santini, studi: Arch. it. XXXII (1903) p. 2(j. Doren, Zünfte p. 7 nennt sie
> damals noch Detailhändler mit fremdem, meist ital. Tuch« ; ihre Konsuln > nahmen
nicht als Vertreter der Seidenindustriellen, sondern als die der Gewandschneider
an den Ratssitzungen teil«, ebd. Anm. 5.
Konsulat der Kaufleute im Staate des Comune. 779
Kaufmannschaft sind, wenn auch unvollständig, schon seit 1225 erhalten;
die Zahl ihrer Konsuln betrug anfänglich, wie es nach der Urkunde von
1220 scheint, drei, später vier, i)
627. Besonders bemerkenswert aber ist an den Urkunden von 1218
und 1220 das Auftreten der Wollenzunft, deren Konsuln hier an der
Stelle erscheinen, an der bisher die Prioren des Zünfteverbandes standen ; die
mächtigste Zunft hat sich von diesem Verbände losgelöst und ihn, für einige
Zeit wenigstens, von seiner Stellung im politischen Leben verdrängt. Kein
Zweifel, daß die Entwickelung der Ars lanae zu solcher Bedeutung sich all-
mählich vorbereitet hat, und daß sie schon vorher innerhalb des Gesamt-
verbands der Zünfte die wichtigste Rolle spielte; bei der Bewegung von
1193 wird sie nicht am wenigsten beteiligt gewesen sein. Im Jahre 1212
lernen wir zuerst die Organisation der Zunft kennen; 7 Personen standen an
ihrer Spitze, die als rectores et tunc priores aliorum eorum sociorum de Arte
de Lana bezeichnet werden ; der an erster Stelle genannte fungiert zugleich
als Vorsitzender des Kollegiums, als Oberprior 2) ; es war Cerchio, der Ahn-
herr einer in der Geschichte der florentinischen Wollenzunft berühmten
Familie, die später besonders mit England in den lebhaftesten Handels-
beziehungen stand. 3) Zwei Personen, die jedenfalls nicht Zunftgenossen
waren, wurden damals in feierlicher Weise auf die Beobachtung des von
der Zunft erlassenen Verbots der Zetteleinfuhr vor den Zunftvorstehern ver-
eidet. Gibt uns dieser Vorgang schon einen nicht geringen Begriff von der
weit vorgeschrittenen Bewegungsfreiheit der Wollenzunft, so ist es bezeich-
nend für ihr politisches Ansehen, wenn 2 Jahre darauf es gerade einer ihrer
Rektoren, Belcarus Orlanduccii ist, der als bevollmächtigter Gesandter von
Florenz nach Pisa geht, um mit diesem eine der bekannten Konventionen,
daß nur der Schuldner zu belangen sei, abzuschließen; sicher bezog die
Zunft den wertvolleren Teil ihrer Rohstoffe aus und über PiW, dessen Schiffe
die Wolle aus den überseeischen Ländern importierten. 4)
All das weist uns zugleich darauf hin, daß die kaufmännischen Elemente,
die Unternehmer und Verleger, in der Zunft durchaus die Führung hatten ;
jeder Zweifel in dieser Beziehung muß angesichts der Tatsache schwinden,
daß der Vertrag von 1218 von dem consul mercatorum artis lanae redet.
Die Zunft war also über die ursprünglichen Formen des Gewerbebetriebes
damals schon längst hinaus 0); in beträchthchem Umfange arbeitete sie schon
damals für den Export. Es war für die Bewohner von Faenza am Anfange
des 13. Jahrhunderts etwas Gewöhnliches, ihren Bedarf an Kleiderstoffen in
Florenz zu decken ß), und florentinischen Tuchen sind wir um 1220 auf dem
Rialto und sonst im Gebiet des venezianischen Handels an der Adria be-
gegnet.'^) Um diese Zeit etwa, in den zwanziger Jahren, sehen wir auch
schon Florentiner Kauf leute an der Warenausfuhr aus England beteihgt, die
») Pagnini II, 109. Lastig G., Florent. Handelsregister des Mittelalters (Halle
1883) p. 8 ff. Santini, 641 ff. App. III. Die Matrikel von 1225 nennt einen »rital-
liator< (also Detaillisten in Tuchen): Cambius fil. Richardini.
*) Santini p. 376. Doren, Zünfte p. 9. Santini, studi XXXH, 25.
") Über interessante Briefe der Korrespondenz Cerchi : Zeitschr. der Savigny-
Stiftung f. Rechtsgesch. XIV (Germ. Abt.), 128 ff.
*) Oben § 616 u. 516. Santini, studi XXXIl, 26.
») Doren, Zünfte p. 14 f., 59 ff., vgl. VVoUentuchindustrie p. 27 f.
*) Santini p. 145.
') Oben § 561, 607.
780 Fünfzigstes Kapitel.
in nichts anderem als Wolle oder Tuchen bestanden haben kanni); offen-
bar ließ sich die florentiner Textilindustrie schon damals in beträchtlichem
Umfange die Herstellung wertvollerer Stofie angelegen sein. Auf die tech-
nische Entwickelung dieser Industrie wirft es ein Licht, daß sich unter den
49 Personen, die Bologna in den Jahren 1230 und 1231 zur Belebung seiner
Tuchfabrikation anwarb, 12 Florentiner befanden, wenn auch die große
Mehrzahl derselben ebenso wie das Tuchmuster, das Bologna bei sich ein-
führen wollte, aus Verona stammte. 2) Als ein praktisches Beispiel für die
kapitahstische Betriebsform dieser Industrie in Florenz sei ein wenn auch
etwas jüngerer Gesellschaftsvertrag angeführt, der am 7. November 1244 vor
dem Judex und Notar der Wollenzunft, Boninsegna Consilii (es ist also der-
selbe wie im Jahre 1220), von Manovello Tedici und Buondelmonte Botti,
dem Sohne des weiland Alberto Russi, geschlossen worden ist. 3) Das Ge-
sellschaftskapital dieser »societas de arte faciendi pannos florentinos de
lana« belief sich auf 500 1. pis., wovon Manuvello 300, Buondelmonte 200 1.
eingebracht hatte ; nach Ablauf des von Mitte November laufenden Geschäfts-
jahres sollten die Einlagen zurückfallen und Gewinn und Verlust der Gesell-
schaft zu gleichen Teilen geteilt werden; außerdem hatte Manuvello noch
330 1. pis. im Geschäft stecken , die nach Ablauf des Geschäftsjahres in
erster Linie, aber ohne Gewinnbeteiligung zurückzuerstatten waren. Offenbar
handelt es sich um eine schon bestehende Tuchfabrik, in die Buondelmonte
als Gesellschafter eingetreten war; war die Societas formell auch nur auf
ein Jahr geschlossen, so war doch ihr längerer Bestand von vornherein be-
absichtigt; zufällig können wir ihr Fortbestehen in diesem Falle aus einer
vor demselben Judex abgegebenen Erklärung Buondelmontes vom 19. Ja-
nuar 1247 nachweisen. 4)
628. Die gedeihliche Entwickelung der heimischen Tuchfabrikation ist
auch auf die Fortentwickelung des Geschäftsbetriebes der Tucher von der
Callemala von günstigstem Einfluß gewesen. Ursprünglich waren sie reine
Tuchhändler, die besonders die Einfuhr auswärtiger Tuche pflegten; der
Name der der Callemala direkt benachbarten Gasse de Garbo^) beweist, daß
in älterer Zeit bei diesem Import die feinen arabischen Stoffe, die in El-
Mehdia und anderen Orten Nord- Afrikas hergestellt wurden ^), eine besonders
i) Oben § 319 f.
») Stat. Soc. Bol. II, 490 no. 5. Gaudenzi p. 23 ff. Davidsohn Forsch. HI,
205 no. 988. Daß die Humiliaten auf den Entwickelungsgang der flor. Textilindustrie
keinen Einfluß geübt haben, geht aus folgenden Daten hervor : Erst 1239 wird ihre
Niederlassung in der Kirche San Donato vor der Porta al Prato begründet; da sie
wegen der Entfernung von der Stadt nicht recht gedeihen will, weist ihnen der
Bischof erst im Jahre 1250 die Kirche S. Lucia ad S. Eusebium an; doch auch
später ist die Entwickelung dieser Niederlassung keineswegs eine glänzende ge-
wesen. Tiraboschi I, 156 f. Doren, Wollentuchindustrie p. 30 A. 2, 32 und Exkurs
38 ff., dessen tatsächliche Angaben seine Ausführungen p. 33, 35 nicht stützen.
Das Verdienst des bedeutenden Werkes liegt nicht auf dem Gebiete der Aufhel-
lung der älteren Entwickelung. S. auch Lenel, Histor. Zeitschrift 91 (1903), 49.
v. Below in Conrads Jahrb. 79 (1902) p. 706.
») Santini p. 481.
*) Ebd. 495 f.
*) Zuerst genannt im florent. Bankbuch von 1211 ; natürlich ist der Name
weit älter. Heute bildet sie einen Teil der via Oondotta. Doren, Wollentuchindustrie
p. 4, 22. Davidsohn I, 793.
•) Hierin liegt m. E. die Lösung der Differenz zwischen Schulte : Garbo und
Florenz in : Z. f. d. ges. Staatswiss. 58 (1902), 39 ff. und Davidsohn : Garbowolle und
Konsulat der Kaufleute im Staate des Oomune. 781
wichtige Rolle spielten; in dieser Zeit, im elften, zwölften Jahrhundert, hat
daram auch die Sprache das arabische Wort zur Bezeichnung des Feinen,
Anmutigen übernommen. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts etwa trat in
ständig wachsendem Umfange, zumal die arabische Textilindustrie in raschem
Sinken begriffen war, der Import transalpiner Stoffe an die Stelle. Nicht
überall mochten sie dem Geschmack und dem Bedürfnis der Italiener zu-
sagen; so war es ein wichtiger Fortschritt, daß die Tucher der Callemala
dazu übergingen, vielfach nur Halbfabrikate einzuführen und diese einem
Veredelungsverfahren in Florenz unterwerfen zu lassen. Daran konnte
natürüch erst zu einer Zeit gedacht werden, als die heimische Textilindustrie
schon einen verhältnismäßig hohen Grad der Vervollkommnung erreicht
hatte. 1) Genau die Zeit zu bestimmen, in der diese Entwickelung begann,
ist nicht mögüch. Sicher aber kann man behaupten, daß die Vorbedin-
gungen hierfür in den ersten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts schon
vorhanden waren, und ich neige zu der Annahme, daß der Übergang zu der
neuen Entwickelung tatsächlich auch in dieser Zeit erfolgt ist, wo wir die
Einfuhr von Tuchen von jenseits der Alpen in starker Zunahme begriffen
sehen. Einen gewissen Zusammenhang mit dieser Entwickelung hat auch
eine alte, in den Statuten der Callemala, die uns im übrigen erst aus dem
Anfang des 14. Jahrhunderts vorliegen, stehen gebliebene Bestimmung , die
am 1. Januar 1237 in Kraft treten sollte. 2) Danach sollte, wer in Florenz
oder Gebiet einem Mitgliede der Callemala Tuche, auswärtige Geldsorten
oder sonst zum Handelsbetrieb gehörige Dinge auf Kredit verkaufte, sich
an die Handelsgesellschaft oder einen der Sozii des Käufers nur dann halten
können, wenn der Kauf in dem Handlmigsbuch der Gesellschaft eingetragen
war. Man wird annehmen dürfen, daß solcher Ankauf von Tuchen in
Florenz nicht einfach zum Zwecke des Weiterverkaufs, sondern um diese
Tuche einem Veredelungsverfahren zu unterziehen, erfolgt ist. 3) Im übrigen
beweist die Stelle die hohe Bedeutung, die der gesellschaftliche Geschäfts-
betrieb und damit der Kapitahsmus in dieser Zeit in der Kaufmannschaft
der CaUemala schon erlangt hatte ; schon sehen wir in ihr auch die Familie
Bardi eine Rolle spielen, die später zur ersten Finanzmacht Europas empor-
gestiegen ist. 4)
629. Doch wir müssen uns noch einmal zu der äußeren Geschichte
dieser kaufmännischen Korporationen, wie sie sich in den damaligen
staatlichen Aktionen von Florenz wiederspiegelt, zurückwenden. Im
Gai;botucli in: Hist. Viertel] ahrsschr. VII (1904), 385 ff. Auf der einen Seite ist
entscheidend, was man in älterer Zeit und zwar in Pisa unter Garbo verstand
(darüber ob. §226), auf der anderen Seite, was die arabischen Schriftsteller der
älteren Zeit über die Blüte der nordafr. Textilindustrie berichten ; schon die eine
Stelle Edrlsls über die Gewebe El-Mehdias von unnachahmlicher Feinheit und den
beträchtlichen Export derselben (Afr. et Esp. p. 127) würde zum Beweise genügen.
Im übrigen s. noch oben § 15, 21, 222, 229.
») V. Below in den Jahrb. f. Nat.-Ök. 79 (1902), 707.
') Constit. artis et universitatis mercatorum Kallismale de Flor., 1. 11 rub. 19
bei G. Filippi: L'arte dei mercanti di Oalim. in Firenze (Turin 1889).
») Die 2 »peciae panni Florentinorum bruneetaec, die 1245 von Florentinern
in Macerata verkauft werden (Davidsohn Forsch. III no. 29), waren wohl solche Er-
zeugnisse der Veredelungsindustrie.
*) Gualterotto Bardi, Bevollmächtigter für den Vertrag mit Bologna 1220,
oben § 626; derselbe in einer Urk. von 1243, Santini p. 297. Ricco Bardi ist 1234
Konsul der Callemala; Davidsohn Forsch, in no. 1169 p. 230.
782 Fünfzigstes Kapitel.
Jahre 1224 sehen wir zum erstenmal die Konsuhi der Wechsler und
die Prioren des Zünftebundes die Sitze, die sie früher im Stadtrat
gehabt, wieder einnehmen; beim Abschluß des Handelsvertrages mit
Volterra, Anfang Juli dieses Jahres, wirken mit außer den Konsuln
der Ritter die der Kaufleute und der Wechsler, die von Por S. Maria
und von der W^ollenzunft sowie die Prioren der Zünfte^), und das
Gleiche ist 5 Jahre später bei dem Vertrage mit Orvieto der Fall, wo
nun auch die Konsuln der Judices und Notare, denen man ihren
Platz gleich hinter den Konsuln der Ritter anwies, hinzugetreten sind.'-^)
Damit ist ein gewisser Abschluß in dieser Entwickelung insofern er-
reicht, als nur die bis dahin hervorgetretenen Korporationen für ge-
raume Zeit eine Rolle im politischen Leben von Florenz spielen.
Bei den staatlichen Aktionen von Florenz sehen wir nur ihre Ver-
treter zusammenwirken, indem je nach Umständen bald diese, bald
jene Korporation mehr hervortritt.
Die Zahl der Konsuln hat sich bei der Callemala, den Wechslern und
der Kaufmannschaft vom Marientor in dieser Zeit auf 4 fixiert 3) ; die Wollen-
zunft, die 1220 4 Konsuln hatte, begegnet uns im Jahre 1234 wieder mit 7,
während gleichzeitig 6 priores artium mit Namen nachweisbar sind, die von
Volterra und San Gimignano zu Schiedsrichtern ihrer Streitigkeiten berufen
waren ^), ein Beweis zugleich, daß diese kleineren Orte in diesen Prioren
der gewerblichen Zünfte die Vertreter der ihnen zunächst stehenden Elemente
des mächtigen Florenz erblickten.
630. Gerade damals begegnet in Florenz auf dem Gebiete des
kaufmännischen Korporationswesens noch einmal eine Neuerung, die
freilich nur von kurzer Dauer war.
Bei dem consilium generale vom 26. März 1234, das einen Minoriten
zum Bevollmächtigten für den Frieden mit Siena ernannte, lernen wir außer
262 sonstigen Ratsmitgliedern unter den Vertretern der Korporationen auch
2 capitanei mercatorum communium kennen, die auch im folgenden Jahre,
zuletzt am 4. Juli 1235 als consules mercatorum communium noch nachweis-
bar sind und seitdem wieder verschwinden, ö) Es unterliegt wohl keinem
Zweifel, daß unter diesen »gewöhnlichen Kaufleuten« die Detaillisten, die
Krämer zu verstehen sind 6), die das Beispiel der pizzicarii von Siena ver-
anlaßt haben mag, die Gleichstellung mit den übrigen kaufmännischen Kor-
') Santini p. 386. Bei dem Consilium communis vom 20. März (ebd.) zum
Zwecke der Festsetzung von Auflagen werden die Konsuln vom Marientor, wohl
nur durch einen Zufall, nicht mitgenannt.
*) Ebd. 215.
') Für die Callemala zuerst 16. Mai 1228 nachweisbar, Santini p. 392 ; s. ferner
ebd. 434, 458, 468. Derselbe, studi XXXI p. 349 und über seit 1235 erhaltene Listen
p. 351. Alle diese Zünfte hatten schon damals ihre Statuten ; doch sind sie alle
erst aus erheblich späterer Zeit erhalten. Im Statut der Wechsler von 1299 (zuletzt
bei La Sorsa 1. c. 95 ff.) ist eine übrigens belanglose Bestimmung, die im Februar
1235 in Kraft treten sollte, stehen geblieben ; rub. 57 p. 125.
*) Davidsohn Forsch. III p. 230. Santini p. 412.
6) Davidsohn Forsch, m, 230 f. no. 1169, 1171. Santini 218 u. 419 und seinj
studi XXXn, 42.
*) Also identisch mit der Zunft der medici, speciali e merciai von 1266 ; ö?
Doren, Zünfte j). 7 und 52.
Konsulat der K«,ufleute im Staate des Comune. 783
porationen zu erstreben. Weniger sicher erscheint, ob sie sich aus dem
unter der Leitung der Konsuln der Callemala stehenden Verbände der Kauf-
mannschaft oder dem Zünfteverbande losgelöst haben; wenn das erstere der
Fall ist, so endete die Bewegung wohl damit, daß sie zum Zünfte verband
übertraten, innerhalb dessen ihnen eine freiere Bewegung und einflußreichere
Stellung möglich war als neben den Kaufleuten der Callemala.
Jedenfalls gestattet dieses einzelne Vorkommnis keinen Rückschluß auf
einen allgemeinen Rückgang der popolaren Bewegung, die zunächst noch
durchaus in den Kreisen des Popolo grasso ihre Hauptstütze und ihre
Hauptführer fand. ^)
Dabei ist es charakteristisch für Florenz, daß bei den inneren
Kämpfen die Berufsverbände in weit höherem Grade als die auch hier
nicht fehlenden lokalen Organisationen militärischer Art im Vorder-
grunde stehen, so daß sich das politische Interesse auf das engste mit
dem wirtschaftlichen verknüpfte. Von neuen Elementen umdrängt und
innerlich zersetzt, hielt sich der Staat des Comune in Florenz nur
mühsam noch aufrecht. Ende 1244 begegnen zuerst zwei besondere
»Hauptleute des Volkes«^); es ist bezeichnend, daß wir nach dem
Vertrage mit Siena von 1245 die Funktionen, zu deren Ausübung
Siena je einen Konsul seiner beiden Kaufmannschaften bestellt, für
Florenz durch die beiden Capitanei Populi ausgeübt sehen ^), die da-
mit also als die Vertreter der Interessen der Handel und Gewerbe
treibenden Bevölkerung von Florenz erscheinen. Sie sind die Vor-
läufer des Volkshauptmanns; die zugleich mit der Einsetzung beson-
derer Anzianen des Volkes erfolgende Einrichtung seines Amtes hat
den Staat des Popolo in Florenz im Jahre 1250^) endgültig begründet;
die politische Macht des Handelsstandes hat ihren Höhepunkt erreicht.
*) Genaueres über die Kämpfe dieser Zeit bei Santini, studi XXXII, 58 ff.,
324 ff.
«) Hartwig H, 203. Santini, studi XXXII, 328 ff.
») Arias 1, 380. Oben § 623.
*) Hartwig II, 204. Doren, Zünfte 15 f. Santini 1. c. 349.
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Bücher
und Abhandlungen.
(Nicht aufgenommen sind die nur innerhalb desselben Kapitels mehrfach
zitierten Schriften, wenn der übliche Hinweis auf das erste Zitat mit 1. c. zu ge-
nügen schien ; ferner die großen Sammel- und Eegestenwerke, für die sich fest-
stehende Abkürzungen eingebürgert haben, wie SS. für die Scriptores der Mon.
Germ., J.-L. für Jaffe-Löwenfeld u. dgl. Da das Manuskript Anfang 1905 abgeschlossen
und der Verlagshandlung Anfang Mai druckfertig übersandt wurde, konnte die Lite-
ratur des Jahres 1904 nur zum Teil noch berücksichtigt werden).
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-Aime : Istoire de li Normant ed. O. Delarc. Eouen 1892 (Soc. de l'hist. de Nor-
mandie vol. 27).
Amalric = Les notules commerciales d'Am. bei Blancard L. Doc. inödits sur le
commerce de Marseille I, 259 ff. (no. 1—371) ; II, 5 S. (no. 372—1031).
i.mari M. I diplomi arabi del R. Archivio florentino. Florenz 1863, App. 1867 (Do-
cumenti degli archivi toscani I).
Amari M. Storia dei Musulmani di Sicilia. 3 Bde. Florenz 1854—1872.
Ambroise : L'Estoire de la guerre sainte, ed. Gaston Paris. Paris 1897 (Uoll. de doc.
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Sachregister.
(Nicht aufgenommen sind so allgemeine Artikel wie: Abgabenfreiheit, Handel,
Handelsinteressen, Handelsprivilegien, Handelsunternehmungen, Handelsverträge,
Kaufleute, Kreuzzüge, Seehäfen, Seestädte, Staatsverträge, Zollwesen u. dgl., über
die, soweit nicht das Inhaltsverzeichnis genügenden Anhalt gibt, nur ein Studium
des ganzen Buches ausreichenden Aufschluß gewähren kann.)
Abacus (Liber abaci) S. 109,
297, 299
Abrechnung 113, 157 f., 166,
168, 243, 247-«, 661
Abzugsfrist 211, 338, 611,
618, 688
Affidavit 350»
Agenten s. Faktoren
agninae s. Lammfelle
Akklimatisation 302, 304
Alaun 158, 160, 164 f., 168,
185, 198, 217, 222, 278,
285, 297, 371, 380, 384,
412 f., 415 f., 418, 587,
598,623 f., 639, 643,744;
Eis-A. 382, 384; A. de
roca 562 ; Zucker- A. 164»,
384, 562, 750; Alaun v.
Aleppo 207, 215, 371,
374, 384 ; von Kastilien
322, 332, 383 f.; von Vol-
cano 384, 502^
alfaneta 284«
almucela 582
Aloe 197, 315
Alpenpässe und -straßen 45,
68, 91—96, 99, 334-338,
341, 345, 347, 350, 352,
358, 399. 438 f., 444 f ,
450 ff., 4542
Amalfitanae 32, 38, 476, 504
Ammoniak 198, 468
amuelare 765*
Angeld 188; s. denarius Dei
angelot 549
Anis 198
Anker 548, 612
Ankergeld 141, 484, 513, 520
Anleihen 271 f., 318, 353,
365, 379, 387 ff., 393 ff.,
397, 401, 406, 409, 418,
4791, 492, 564^ 721», 758,
762, 769, 774 ; s. Kuriale
Anleihen, Staatsanleihen
anninae = agninae
Annonarpolitik 766 ff.
Anteilzeichner 256, 289
Antikreditbrief 395, 403», 405
Anweisungen s. Zahlungs-
anweisungen
Apenninenpässe 59, 449, 633,
646, 735, 760
apotheca = bottega 57, 300,
470, 476, 5168, 530, 654
8. Läden, buticaticum
ara pannorum 376, 381, 391
arboraticum 484
Aristokratie (Beteiligung am
Handel) 25, 155 f., 287
Armbrüste, Armbrustschüt-
zen 198, 209, 411 f., 670»,
678, 695*, 702
asiro publico (Schift'sart) 264',
493
assazatores salis 703 ff'.
assecurare 621», 684«, 739*
Assoziation 110 f., 156 s.
Societas
astanfortes 385'=:Stamford8
astellae de buxide 604
Aufkauf 766 f.
Augustalen 118, 514
Aureolus 118
Auripigment 198, 283
Aurum filatum s. Goldfäden ;
aurifilarius 86
Aurum de paiola 298^, 429;
s. Barrengold
Aurum tarinorum 114 f., 118
Ausfuhrlizenzen 402, 506 ff.,
703 f., 746; s. Lizenz
Ausfuhrverbote 17, 477, 489,
494, 505, 512, 548, 555,
591, 598, 607 f., 676, 695,
698, 707, 710, 766 ff.
Ausschließungspolitik 142,
465, 472 f., 485, 544 f.,
554—574, 589, 600 f., 625,
630, 632, 649 f., 667 ff.,
676, 690, 704 f., 726
Avaria 381»
Avoir de pois 377; s. Ge-
wichtswaren
Azurium (Azurblau) 284
Baccarani 313 = buccherani
Backöfen und Bäder 131, 136,
138, 14 •! f., 151, 170, 172«,
177, 217, 219, 290, 300,
306 f., 327, 331, 471, 547
Bailo 176, 185, 192 ff., 214,
265, 567, 585
Baisse 171^
baldincllae, baldinellum 159,
246, 638, 745
798
Sachregister.
Balken 468, 584
Balsam 150, 179
Bänder 701
Bankwesen : banca , banci
253, 5871, 6411^ 713.
Bankiers, Bankflrmen
340, 3432, 345, 353, 356^
357, 584, 586 f., 645, 655,
716 f., 774; Bankiers des
Königs V. England 407,
409 f., s. Campsores
banzone (SchifEsart) 267, 672,
s. panzonus
barata 169», 761*
Barchent, barracani 159, 205,
206*, 207, 385, 387, 415,
466, 500, 502, 546, 552,
5761,582,588,592,6031,
638, 761 ; s. f ustanei
Barrensilber 114, 586
Barrengold 114, 349, 387,
429, 568, 698
Baumwolle , B.-stoffe und
-Waren: 159 ff, 164, 197,
214, 246, 284, 292S 313,
315, 372, 384, 442, 469,
494^ 509, 513, 523, 614,
637ff., 643, 701,744, 750;
8. cotonum
Baumwollgarn 197, 313, 512
Bazar 131, 138, 141, 151,
170, 201, 463, 473
beccunae, becunae 218 (de
Oypro), 285, 293, 297,
301, 315, 383, 485, 605,
658, 761 ; s. boquinae,
Lammfelle
Beile 85
Belagerungsmaschinen 124,
151, 171, 289, 318, 330,
541
Bergbau 552, 575», 582», 745,
748
Bergelohn 675, 677
Bernstein 502
berzi = verzino = Brasilholz
Betrügereien (beim Handel)
3591,366,409,431,5131,
615, 659, 698, 765 f., 773
Betten 94; Bettlaken 5192
bifae, biffae 205 (von Paris),
206 (von Genua), 500'
binae, factores binarum
714 f., 717
Binnenschiffahrt 5, 11 f. 55,
59, 69—74, 78, 83 f , 93,
101, 146, 154, 336, 348,
426, 583 f., 595, 610, 612,
614, 647, 654 1, 693 —
710, 718, 724—734, 737,
741, 760, 767
blancherius (Weißgerber)
372, 548 ; blanquetum 614
Blanke tts 435
blatia 246
Blei 94, 160, 206^ 535, 575»,
591, 627
boccarani, boqueranni s. buc-
cherani
Bockfelle s. boquinae, bec-
cunae
Bodmerei 593, 606*
Bohnen 311, 591, 674, 694,
701
boixiae 311'
boldroni, boudroni 313, 653* ;
s. Wollvließe
boquinae 207*, 217 ; s. bec-
cunae
Borax 549
Bordelle 180
bottega, bottiga s. apotheca
Brasilholz 157 f., 162 ff., 184,
198, 207, 314, 372, 384,
415 f., 418, 512, 562, 639,
702, 744, 750; als Zah-
lungsmittel 643 ; bei Mit-
giften 164; brazile do-
mesticum 164, b. silva-
ticum 157, 164
Bretter 24, 614, 628, 671
Briefsteller 109, 148, 183,
229, 235, 346
Briefverkehr 16, 109, 167,
245, 253, 281, 296 ff., 303*,
358, 671, 7793
Brod 577, 689, 701, 705 f.,
732
Bruderschaften 44, 717
Brücken 450, 649, 654, 729,
732—737
Brückenzölle 45, 81, 93, 386,
477, 727S 736 1, 742,
744, 746, 749, 751
buccherani, bucherame (Bu-
charastoffe) 198, 313, 384
Bücher 246 (griechische), 468
(sarazenische)
Buchführung 109
Buchsbaum 604, 614'
Buchverkehr 119, 605, 717
Buchweizen 689, 693 1
Büffel 512
burgenses 131, 137, 170, 172,
177, 212, 216, 224, 236,
238, 253*, 369», 374, 535,
564*, 586, 628
bursae, bursulae 702 ; bur-
serius 501
Büse (bucius navis) 200, 204,
308, 3103, 498 f., 501, 507,
545, 568, 603, 604', 608
buthetti (Schiffsart) 321
buticaticum 57, 82 ; s. apo-
thecae
Butter 694
Cabella 534, 577, 631, 631'
caffexetum (Maß; Kafis) 291
cahoursins s. Caorsini
calabratiles 322
calcaraticum 504'
calculini 289'
caliga s. halka
calimala, callemala 719, 776,
778—788
calosum (Stoff) 421*
calumnia (Waren de ca-
lumpniis) 184*
cambium 119; cambiatores;
s. campsores
campsores 47, 168, 372, 499,'
511*, 514, 536», 562, 603,
605, 613, 624, 637 f., 640 1,
655, 715 ff., 752, 777 .AI
— des Kaisers 514; d. Pap- ■•
stes 356, 406, 419, 424,
434 ; s. Bankiers, Wechsler
campus (Quartier) 269^ 273 ;
s. rua
.11
camsilium 582
canabaciae, canapiciae u. dgl.
66^ 205", 284, 522, 577,
761
candelae (optimae de Babi-|
lonia) 37
caneva 84, 767*; canevariil
743
Caorsini 340, 398 f., 406, 414,j
415', 420, 432 f.
capae 205 (von Provins);
217* (von Bailleul), 386
(von Douai),.453 u. 500«|j
(von Metz); s. Mäntel W\
capitanei, stoli 256, als Ko-
lonial- oder staatliche Be-
amte : 262, 535, 536«, 757,
775, 783; als Vorsteher_
von Korporationen : 37(
380, 660, 762, 782
capitulare 263*, 772
Sachregister.
799
capitularii 88'
cargatores 204, 209
Casalien 148, 170, 177, 217
casanam facere 340
casaticum 511, 689"
casubla cum listis 327*
catabulum (navium) 71
catallum, catel (bewegliche
Habe) 420»
catasticum comunis 249
catena (Hafenzollamt) 170,
172, 193, 2001, 201, 214,
675, 691
caupalus (Schiffsart) 584
cavezoli 745'
caxia fistula 284
cendatum, cendata 239 f.,
243, 442», 468, 582 ; c. de
TripoU 213, 384; s. Taft
centae 387 (von Paris)
cercitoria serica 33, 35*
Charterung 196, 213, 218,
358, 363, 501, 537, 545*,
603 f., 613, 621, 653, 709;
8. Fracht, Passagevertrag
chebuli 468
chelandiae (Schiffsart) 28
chilma (Kilma) lini 284
Chrysobull 18 f., 28, 34, 223,
229, 249, 252, 257
<;incebrata 702'
cintracue, cintragus 469,519',
522, 578', 581, 617, 623
cirothecarius (Handschuher)
440
cisa (salis) 611
Cisterzienser 435
clibanus 306
clusagium, clusiaticum 81,
339'
coiraterii 582^
collatio portus 575, 617, 623,
628«
coUecta 531, 592, 608, 617,
629, 644, 744, 753
collegantia 110 f.
collo 4698, 470, 495
colonna 110*
comites 254», 268*, 663*, 677
bis 684
commenda, commcndacio u.
dgl. 111 f., 155 ff-., 159 ff.,
207, 243 f., 282 f., 301,
310 ff., 315, 322, 371, 374,
466, 468, 489, 499, 548 f.,
602", 603, 612, 614, 637
und öfter
commerciarii 18, 238, 247
commercium 223, 321
compagna= commune 66 f.,
530, 534, 578', 608, 635,
648
compagna = societas 113',
535, 661*
comune mercatorum 769
concae, conchae 501 ; siehe
Schüsseln
coniatini 159 ; conilia 297 ;
s. Kaninchenfelle
conservagium facere 613
conzatura 513
copellus 766^
corabium (Schiffsart) 264* ;
8. golabus
cordat (Tuchart) 387
Costuswurzel 89
cotonum 313, 469«, 476«;
cot. filatum 313 ; cot. ma-
pusium, de mapuis 207^,
614; cottoenwoUe u. cot-
toengarne 418* ; carta cut-
tunea487»; s. Baumwolle
cribittum portae 684
crudamen argenti 619
cuffo et arso 179*
cuniculi affaitati 159^
curatura, curadia, curritura,
curtadia etc. 56, 59, 79 ff.,
339', 719, 743 f., 748, 751
custodes nundinarum 368,
377 f.
— portus 317
cutton = cotonum
Darlehnsgeschäfte 8, 47, 111,
121, 131, 340, 342, 346 f.,
349, 351, 353—370, 379,
388 ff., 393 — 397, 401,
403 ff., 449, 5148, 523,
525, 536, 540', 553, 580%
582, 613 f., 638, 643,649,
653, 671, 689f., 693 ff., 699,
716, 747, 757 f., 763; s.
Anleihen
Dämme und Deiche 699,
728, 733 f.
Datteln 184, 549, 702 ; Dattel-
palmen 302
Dauer von Reisen u. Trans-
porten 17, 69, 153 f., 316*,
381, 616*
decatia 147^ 477, 627, 651
Dekretale Naviganti 1 12, 382,
499»
Delegation 119
demita 239 f.
denarius Dei 762
Depositum 111, 401, 404,
414, 435*, 454, 493, 514,
586, 6688, 674, 701», 709
Detailgeschäfte 638,669, 721,
765 f., 782
devetum 555', 566*, 574,
620', 623«, 625*, 634»
dirictus (directus), dirictura
579,599', 697*, 723, 743;
s. drictus
dispensatores frumenti 691
doana, dohana s. Duane
dolillae bresilli 314
Dolmetscher 179, 251
Dombauverwaltung 227 f.,
237, 251, 253 f., 520, 523,
536*
domus ^= fondaco 132, 135,
137 f., 369, 374, 482^, 511,
531, 560», 570, 660
donicaliae , donicalienses
525*, 527 ff.
Doppelwechsel 363, 391
Dorsalvermerk 342*
Dragomane 179, 291, 296,
297, 299 f., 305°
draperii s. Tucher
drictus 323, 483', 588*, 630«;
s. dirictus
Drogen 22, 162 ff., 210, 311,
314, 418, 468, 549, 552,
744
Dromedare 304
Duane 146, 151, 179 f., 187,
214, 281, 285, 291, 293,
296-300, 306, 311, 464,
493', 503*, 504', 511 f.,
5168, 647
Duka (als Kolonialbeamter)
239 f., 263 f.
Durchgangsverkehr s. Tran-
sitverkehr
Durchsuchung von Schiffen
317, 730
Durgantin (Stoff von Urgen-
dsch) 61»
Edelmetalle 47, 114, 150 f.,
161, 180, 221, 226, 265,
298», 312, 454, 495, 659,
665, 676, 744
Edelsteine 44, 221, 265, 453 f.,
471, 480, 495, 499, 676
Eichenblätter 750
800
Eichhörnchenfelle 449, 750
Eichung 578, 607, 764 f.
Eier 84, 766
Eigenwechsel, domizilierter
119
Einfuhrprämien 493, 669,
672, 679», 683
Einfuhrverbote 263, 623, 692,
768, 779
Einfuhrzeugnisse 687, 691,
694, 696, 698, 702, 707 ff.
Eisen, Eisenerz, Eisenwaren
83, 85, 94, 136, 145, 150,
152, 160, 179 f., 185, 266,
267», 316, 324, 443, 446,
468, 491, 494, 500, 509,
510*, 513, 582 ff., 588,
6028, 619, 623, 626 f.,
651, 672, 745 f., 750;
s. Roheisen, vena
Elefanten, El.-zähne, Elfen-
bein 33', 184, 304
Ellengebühr 513, 595
emblici (ArtMyrobalanen)468
embolum, embulum (Quar-
tier) 19, 2305
embularii 227, 237, 254
enapi (napi) argentei 284
endicum (Indigo) 639^
entica {evdrjxrj) 110^
Erbsen 614
Erdkarte 277
ergasteria 19, 42, 46^
Ersatzpflicht 421, 578, 586,
635 f., 639, 641 f., 667,
675, 695,706, 711, 729 f.,
733 f., 737 f., 740, 756,
760, 775
erugua 548* (= eruca, ro-
quette , Glasstaub zum
Emaillieren)
Esel 761, 639, 659, 744
Esellast 610, 744, 746, 752
Eunuchen 22
Euphorbium 468
examitum 246
Exkommunikation (in Han-
delsangelegenheiten) 31,
146, 185, 324, 341, 351,
367 f., 399, 419, 427 f.,
435, 561, 671, 708
Exportindustrie 638, 779
Fabri -518, 617, 627
facioli greciski 28, 35
Faktoren 293, 322, 345, 365,
408, 467, 675, 604, 751
Sachregister.
Fähren 72 f., 734
falangagium 477
Falken 304
Fälschungen (vonUrkunden)
367 ; s. Betrügereien
Färberei 477, 486, 509, 582^
Farbhölzer, Farbwaren 164,
314, 384, 416, 516«, 552,
585, 750
fardello 747
Fässer 490, 502, 596, 612,
655, 673 f.
fauciaticum 623*
Federn 158
fegia (?) 283
Feigen 319, 473, 497, 552,
596, 674, 676, 696, 698,
701, 707 f., 745 f
Felle 248, 296 f., 315, 336,
449, 470, 576, 623, 687,
750, 752, 761, 768; s.
Eichhörnchen- , Fuchs-,
Hermelin- , Kaninchen-,
Lammfelle, Marder, mul-
tonini
feriae ultramontanae 343",
350, 417; s. Messen
f errare (eichen); ferrarii 764 f.
ferrionum (?) 562
filum Burgundiae 205, 312;
de sarcia 604; teutoni-
cum 452 ; s. Garn
Filze 246; Filzhüte 206
Fische 66, 70, 83 f., 441,
476, ■ 512, 562, 577, 628,
703, 727, 743, 745 f.
FiskaUscher Handel 1 85, 198,
264, 267, 304, 493, 505
bis 510, 516', 631', 691
Flachs 11, 85, 161, 1641,
184, 198, 284, 312, 326»,
505, 512 f., 701, 767'
flectae spaniscae 33
Fleisch 124, 196^ 470, 494,
497, 511, 537, 546, 577,
588, 595, 636, 669, 676,
679, 687, 701, 744, 765 f.
Fleischbänke 82, 173
Flößerei 584, 693, 733
follia 7501
Fondacajo (fundacarius) 180,
184, 201, 447, 655, 659
Fondacatsordnung 307, 448,
511 f.
Fondachi 96, 123, 126, 129,
132, 137 ff., 143, 146,
150 f., 170, 179 f., 188,
P
201, 214, 219, 229,
238, 252, 260, 263—266,
290 ff., 301, 306 ff., 310,
319 f., 323, 326, 331, 447 f.
(F. dei Tedeschi), 464,
471, 479 1, 482«, 486,
4911,4931, 512 ff., 545 ff.,
553, 559 f., 569 f., 573,
589 f., 594, 649, 654—660,
758 1
fondata serica 39
Formulare 348, 382 jg
Frachtfuhrleute 340, 345, 11
372 1, 380 ff., 383, 391,
637, 640, 655, 659 1 ;
s. vecturarii II
Frachtpreis und Frachtver- II
träge 159, 264^, 283, 292',
300, 315, 372, 380—383,
413, 502, 537, 545*, 548, f
568 1, 592 f., 604, 621,
637, 648, 733; s. Char-
terung ;
francine 743 i
Freihof 60, 445
Fremdenrecht 103, 270*,
414 1, 452, 570, 583, 663,
669, 671, 679, 691, 700,
720, 725, 743, 759*, 761, 765
Fremdenverkehr 44 f., 60,
97, 448, 569, 586, 614,
758 1
Früchte 29, 512, 628, 746,
766
frustanei 292^ := fustanei ■
Fuchsfelle 14, 94, 206, 582,
750
funda 131*, 170, 201, 213
funditium 138S 308* = fon- |
daco
Fünfte (quintum) 180, 189,
199, 280*, 323, 539, 601,
663, 669, 676, 678, 692*, ^
j697 11
fustanei (fustagni) 159, 271, "■
2921, 415, 466 1, 582»,
588 1, 638'; von Mai-
land 467, von Piacenza
467, 644; s. Barchent
fustetum 502
Galanga 89, 163, 197, 315,
549, 702
Galanteriewaren 500
galeda (Maß) 562 1
Galeeren zum Warentrans-
port 153, 230 f., 358, 363,
Sachregister.
801
373^ 483, 491 f., 526, 537,
545% 557, 564, 576, 591,
593 f., 597 f., 602 - 607,
6113, 613
Galeonen, Galioten 557, 563,
675, 683
Galläpfel 314, 485, 549, 744,
750
Gamiirra 535
ganganella (Schiffsart) 549
Gänse 766
Garn und Garnstoffe 66, 95,
205, 284, 312, 452, 577,
768; 8. filum und cana-
paciae
garnimenta 623
Gastalden 11, 655, 700, 703,
771'
gattus, gatus, cattus, gatta
15», 29, 167, 517
Gaukler 86, 715
Gefäße 583, 655
Gegenseitigkeitsverträge
453, 459, 530, 542, 547,
553 f., 556, 570, 588 ff.,
610 f., 696, 748 f.
Geldhandel 12, 47 f., 120 f.,
168—171, 1748, 182, 189,
196, 199', 207», 213, 220,
270, 340, 342 f., 348, 351
bis 368, 375, 387—414,
417-436, 442 f., 475, 513 f.,
517, .525*, 586, 603—606,
621, 643 ff., 655, 721', 781
Geldübermittelung 47, 115 f.,
119, 342-345, 348, 388 ff.,
398, 407—411, 424—427.
449', 514, 537, 658, 774 f.
Geldverkehr , kaufmänni-
scher 119 ff., 309, 310*,
345, 349, 362, 390 f.
Gelegenheitsgesellschaft
110 ff.
Geleit, Geleitsrechte 45, 52,
60, 79, 101 f., 338, 359,
369, 378, 396 f., 3988, 402,
437, 446, 464, 483, 532,
536, 561, 576, 581 f., 599,
602, 608, 621, 634«, 671,
688, 695, 702, 720, 723,
725, 730, 739 ff., 746 ff.,
773
Geleitsbrief 21\ 238, 242,
252, 303, 380, 396, 402,
405, 408
Geleitsgeld 541, 634, 707,
735, 75P; s, tansa
S c h a u b e , Handelsgeschicbte
Gemeindezelt 717, 720
Gemüse 21, 160S 451, 505,
591, 594 ff., 628, 674, 685,
691, 703, 765 ff.
Generalkonsuln 137, 140,
173, 175 f., 191, 194 f.,
199 f., 216 f., 222
Generalkreditbriefe 394 ff.,
403, 410, 431 ; s. Kredit-
briefe
Geräte 24, 184, 317, 475,
671 ; s. Geschirr
Gerber 717, 750, 771 «
Gerichtsbarkeit, Handels- 1 8,
213, 460, 464, 470, 503,
553, 579, 596, 619, 622,
624, 627, 629 f., 635, 645,
665 f., 673 f., 688, 690,
693, 697 f., 700, 710,7151,
720-723, 745, 754 f., 757,
769, 772; 8. Schiedsge-
richte
— geistliche, in Handels-
sachen 220, 333, 351 bis
357, 360, 362, 365 f., 379,
419, 425—435, 455
— koloniale, 131, 135—138,
143, 151, 170, 173 f.,
177 ff., 188, 192 f., 201,
210— 221,232,2361, 253,
257, 261, 265, 273, 299,
306, 471, 475, 480, 484,
495, 498, 530, 534, 536,
547, 590, 594, 596, 600,
625, 662 f., 665, 667,
689 ff.
Gerste 160«, 591, 596», 607
Gerüft 376
Geschirr, Geschirrhändler
743, 745; s. Gefässe
Gesellschafts vertrage 21,
110 ff., 154 ff., 166 ff.,
220, 230, 281—285, 319,
322, 466 ff., 563, 661, 780
Getreide, Getreidehandel 21,
72, 75, 84, 124, 171', 198%
203, 211, 221, 238, 244 f.,
261, 267, 276, 278, 289',
291, 293, 295, 301, 304,
306, 327, 449, 451, 459,
463, 465, 469, 474, 477,
480, 489-497, 505—511,
518 f., 522 f., 536, 546,
548, 551, 572, 578, 583 f.,
588 f., 591, 594—598, 603,
607 f , 611, 613, 617 bis
623, 627, 631', 635 f., 639,
der roman. Völker im Mittelalter.
657, 666, 669—676, 679,
683, 685—691, 693—695,
698 1, 701, 703 1, 706,
743, 746, 763, 765—768
Getreideschiffe 245, 465,493,
495, 522, 531
Gewänder (kostbare) 17, 39 1,
44, 78, 235,326% 411,4741
Gewerbesteuern 57, 82, 513*
Gewichtswaren 377, 415, 577,
582, 750, 761
Gewichtswesen 131, 413 bis
417, 452, 470, 514, 577,
763 ff., s. Maß u. Gewicht
Gewinnaussichten 110, 112
Gewohnheiten , Gewohn-
heitsrecht 55, 378, 460,
465, 475 1, 531, 619, 622,
646 1, 716, 720, 724, 740,
744, 753 ff , 770 f.
Gewürze und Gewürzhänd-
ler 22, 89, 145, 162 ff., 210,
314, 383, 418, 425, 552,
693, 744; s. pigmenta
Gewürznelken 89, 163, 197,
207, 314, 331, 347, 383^
Glas, Glaswaren, Glasfabri-
kation 139, 142», 161, 198,
452, 453% 502, 701
Glocken 17
golabus (Schiffsart) 517; s.
corabium
Gold- und Goldgewinnung
84, 94, 161, 220, 235, 285,
300, 312, 369, 453 f., 471,
473, 480, 493, 520, 676,
696, 744 ; 8. Barrengold
Goldfäden 61, 86, 206, 418,
von Genua 206, von Lucca
206, 605, von Montpellier
206, 500
Goldmünzen 114 1,118, 160 f.,
186 f., 207, 214, 282, 286,
305, 312, 643
Goldschmiede 86*, 440
Goldwaren 36, 586«, 701, 778
gombeta (dacita gombete)
588, 589S 595
gonella 411
grana 582«, 585 ; s. Kermes
grana paradisi 383*
Grauwerk 582, 750
grisia 623«
grossarii 679' = cursarii
guanegua ferri 602^
guardia maris 651, 669, 683,
686 f., 689, 705
51
802
guiderdonum 121'
Gummi arabicum 184, 197
Gummilack 157, 163 f., 197,
247», 283, 314, 384, 415,
562; s. Lack
Gürtel 387, 416», 440, 701
Guthaben 119, 672 f., 717
Gutschrift 119
Haberjects 402*
Hafenämter 170, 201, 402,
408S 492, 499, 506 fE.
Hafengebühren 99 f., 174,
474, 477, 513, 575
Hafengilden und Hafenkon-
suln 300 f., 535 f.
Hafenmärkte 10 f., 74; s.
Ufermärkte
Hafer 591
Haftpflicht 8. Ersatzpflicht
halbergetti = haubergerium
Halbfabrikate 159, 768,
781
halka 300
Handelsgesellschaften (of-
fene) 110—113, 167, 236,
242, 355 — 358, 362 f.,
402 fe., 407 — 410, 491,
549, 700, 711, 756, 759,
780; s. Gesellschaftsver-
träge ; Societas
Handelsgewinne 25, 145,
149, 157, 766«; s. Ge-
winnaussichten
Handelskarawanen s. Karaw.
u. SchifEskaraw.
Handelsquartiere 210, 232,
237 f., 471, 474, 483, s.
rua u. vicus
Handelssperren 6, 8 f , 11,
13^ 22, 31, 78, 267, 268»,
276, 307, 320, 341, 347,
450 f., 460, 488, 494, 496 f.,
534, 555, 559, 561, 568,
574, 598, 601, 609, 613,
622, 629, 634, 653, 668 if .,
671, 679, 686 f., 689, 693,
701*, 702 f., 708, 729 f.,
737, 762, 767; s. Meß-
sperren
Handelsverbote (kirchliche)
145 f., 179, 181 ff.. 186,
199, 555, 692
Handelszeichen 162 f., 381,
598
Handlungsbücher 109, 119 f.,
355, 781
Sachregister.
Handschuher 440
Hanf 85, 505, 509, 513, 584,
607, 639 f., 673, 701, 704,
706, 746
Hanfgespinst 205, 582, 640,
761; 8. canapiciae
Hansa der 17 Städte 419
Harnische s. Panzer
Haselnüsse 512, 698, 701
haubergerium 402
Hausgemeinschaft 113
Häuserspekulanten 443 ;
Hausierer s. Umherziehen
Häute 66, 276, 284, 286, 293,
296 f., 309, 315 f., 470,
537, 576, 602, 687, 696,
746, 761
Heimfallsrecht 131
helileth 197«
Hemden und Hemdenstoffe
582
Henna 302, 516
hentica = entica
Herbergswesen 44 f , 60, 78,
82, 95 ff., 102, 235, 240,
336 f., 415 f., 447 f., 451,
492, 512, 563, 578 f., 586,
615, 640, 656, 658 ff., 678,
689, 710 ff., 735, 1U%
757 — 760; s. hospites u.
Hospize
Hermelin 94, 495, 582
Heu 766^
hiomella 278
Hirse 689, 693
Hochseeschiffahrt s. pelagus
Holz, Holzwaren, Holzhan-
del 23, 55, 136, 145, 148,
150, 152, 160, 179 f., 183 ff.,
188, 246, 267«, 316, 324,
490, 584, 596, 607, 628,
688, 692 f., 698, 710, 733,
743, 745, 766
Honig 84, 185, 244, 441, 636,
746
Hospitaliter 37, 159 f., 168,
193,198,2021, 2075,246,
493, 564*, 582», 583«, 584,
586
hospites 96«, 97, 399, 447,
656, 658 f., 744*, 758 f.
Hospize 60, 95 f., 237, 239»,
334S 336—339, 444«, 450,
4630, 639, 659, 688, 735,
758 ff., s. Herbergswesen
Hühner 84, 766
Hülsenfrüchte 84, 245»
Humiliaten 740, 780«
Hutwolle 218, 614; siehe
Mützenwolle
huxader 283*
Jahrmärkte 37, 62, 76 f., 240,
515, 585, 607, 712 f., 718
bis 723; s. Messen
jansira (Schiffsart) 652
Iliansweg 335, 586
Imbreviaturen 107 f.
implicita 112», 312«
Indigo 198, 207», 286, 302,
512 f., 516, 639, 643 f.,
750; von Bagdad: 207^
469, 548, 614, 761; von
Ceuta : 284 ; von Cypern :
218, 314, 502
Ingenieure 330
ingrossatores 734
Ingwer 89, 197, 207, 314,
340, 372, 374, 383 f., 413,
415, 512, 702; Ingwer-
brot 702
Interdikt s. Exkommunika-
tion
intrata, introitus (der Messen)
376, 381 f.
Johanniter s. Hospitaliter
johyae (Juwelen) 499
Juden 18, 22, 28, 47, 80, 93,
103, 142», 202, 242,
2881, 298, 302, 309, 312,
315 f., 322, 360, 398, 414^,
427, 432, 433', 473*, 486,
499 f., 509, 549, 553, 562,
581, 583 ff
Judex als Kolonialvorstand
475, 503, 663
Jus (= Abgabe) 492«, 513
Kaid 157, 296, 299, 317, 480
Kälber 512
Kalbfelle s. beccunae
Kalfaterer 158
Kamele 303», 304; Kamel-
lasten 137 f., 214
Kamelotstoffe 198, 340, 384'
Kämme 604, 614'
Kampfer 197, 314, 549
Kanalabgaben 588
Kanäle 100, 610, 675, 694,
699, 706, 727—734
Kaninchenfelle 159,297,470, ,
582, 682, 744*, 750, 752
Kapergesellschaften s. Kor-
sarenzüge
I
Sachregister.
803
Kaperschiffe 262, 268, 270,
273, 287, 292, 310, 324,
460,464,791,545ff.,597ff.,
602, 629 f., 663, 665 ; s.
Korsaren, Seeräuberwes.
Kapitalien, große 155 f., 168,
195», 231, 563, 648, 781
Kapitalsanlage 25, 110, 157 f.,
162 f., 168, 205, 207 f.,
218, 256, 414, 454, 620,
638, 644, 683, 718, 752»
Kapitulationen 188
Karavelle 158
Karawanen 160, 169, 341,
358, 362 f.; s. Meß- und
SchifEskarawanen
Kardamomen 197, 549
Karrentransport 380 f., 652,
719 f., 745 f., 752
Käse 21, 84, 124, 185, 244,
494, 497, 511 ff., 537,
546, 588, 595, 636, 669,
674, 676, 698, 707 f., 744,
746, 766
Kastanien 84, 311, 512, 562,
596, 745 f.
Kastellane 262, 266, 532, 535
Kaufleute des Papstes, der
Kurie 397 f., 414
Kaufmannsstadt 51 , 146,
154, 165
Kawertschen s. Caorsini
Kermes 205, 373, 384, 415 f.,
418,5826,583,585,750,761
Kerzen 37, 577, 766
Kleider 184, 385 f., 701, 752
Kleinvieh 659, 744 ff.
Klosterschiffe 38 f , 46, 72 ff.,
141, 276
Knieschienen 658
Knoblauch 689
Kohlen 686
Kokeiskörner 468
Kollektoren, päpstliche 392,
397 f.
Kolonialverwaltung 123 f.,
128 f., 133 ff., 138 ff.,
143 f., 150, 170 ff., 190,
227 f., 236 f., 252 ff.,
260—266, 318, 457, 462,
484
Kolonialwaren s. Levante-
waren
Kommissionäre 242, 350,
451, 591, 606
Konigsbriefe 196«, 340, 343,
345
Konsortien 353, 365 f., 399,
401 ff., 406, 409, 430, 543
Konsuln (Ehrentitel) 34, 38«
— städtische, Entstehung
des Amts 56, 62, 67, 87 f.
— der Kaufleute (im In-
lande domizilierend) 343,
348*, 402, 616-620, 634 f.,
643, 645, 653, 697, 708,
714, 716, 720, 722 f., 727,
739S750f., 755 ff., 7641,
769—783
— der Wechsler 715 ff., 757»,
771, 777 f., 782
— der Zünfte 764, 768, 771
consules mulionum s. vectur.
637, 640, 660; s. capi-
tanei, rectores
Konsuln des Meeres 27«,
491, 5886, 5891, 611i,
616 f., 619, 640, 762,
772 f.
— auf See (sur mer) 100^,
210, 611
— überseeische, oder sonst
im Auslande residierend
8», 100», 137, UV, 143,
149«, 1501, 151», 170—181,
184, 187 f., 191 ff., 201 f.,
210, 213. 216 f , 253 f.,
270S271ff., 290ft'., 2991,
303, 306, 309, 313, 332,
370, 379 1, 463, 472,
476, 479 ff., 491, 495,
498, 533 1, 546 f., 550,
556«, 570», 576, 590S
592—596,600,6251,631,
645, 6501, 653^8, 656',
657S 662 1, 665, 667;
s. Bailo, Kastellane, Ge-
neralkonsuln, Hafenkon-
suln , Judex , Magister,
Podestä, Vizecomites
Konterbande 16, 136, 145 f.,
150, 186, 264, 328
Konventionalstrafen 366,
389, 424, 455, 686 u. öfter
Kopfsteuer, Kopfzoll 66,
132, 214
Korallen 206, 312, 315, 501 f.
Korduan 301, 340, 371—377,
382—385, 415, 550, 552,
582, 658
Korduanmesse 372, 376 1,
381 ff.
Korrespondenz , kaufmän-
nische 109, 383
Korsaren, Korsarenzüge, 104,
146, 178 f., 188, 228 f,
248-252, 255, 271, 277 ff.,
291, 295, 299, 462, 477,
479, 484, 531 ff'., 550,
567, 574, 618, 663«, 664,
667 ; s. Seeräuberwesen
Kostbarkeiten 215, 266, 499;
s. Schpiucksachen
Krämer 440, 715, 774, 782
Kreditbriefe 306, 342^ 364,
393 ff., 399, 403 1, 406,
409, 424, 427, 432, 671 ;
s. Generalkreditbriefe
Kreditgeschäfte 8, 38, 52,
179, 213°, 339 1, 4241,
441, 4511, 532, 553,
638 ff., 657, 673, 681, 708,
752, 754, 781
Krokus, s. Safran
Kronen 494
Kubeben 197, 383^
Kümmel 89, 198, 415, 499,
549, 744
Kunst- und kunstgewerb-
liche Gegenstände 17,
34 ff., 41, 46, 85, 246, 494,
Kupfer und Kupferwaren
33', 94, 206, 283, 286,
297, 312, 333, 468, 4696,
494, 502, 509^ 513, 567,
743, 745, 750
Kuriale Anleihen 348, 353
bis 356, 359, 362, 364 ff.,
387—390, 393—400, 403,
407 ff., 413 1, 417—436,
455, 598«, 716
Kuriere 383, 399, 626»
Kürschner 46, 206, 296, 307,
605, 714, 771«
Kurse 312, 514, 517», 563,
587
Küstenschiffahrt 28, 39,
153 f., 177, 328, 476, 516,
540, 548, 554 f , 560 f.,
564, 568, 575 ff., 587— 592,
599, 602 f., 610 f., 617,
623 ff., 628, 648, 651 f.,
666, 673 ff., 701, 705, 710
Lack 207», 372; s. Gummilack
Läden 139, 253, 442, 459,
516«; s. apothecae, sta-
tiones
Ladeklassen 197
Ladeschein 691
Ladevorschriften 163, 187,
51*
804
Sachregister.
197, 204, 297, 305, 506,
508, 535, 607, 679, 772
Lammfelle 372, 384, 470,
582, 744, 750, 761, 768
Lampreten 584
Landweberei 442
Landungstreppen 19 , 21,
224,226, 228,230, 232 ff.,
248—253, 261 f., 695
Lanzen 604
Lebensmittelhandel 6 , 12,
21, 24, 28, 37, 66, 76, 84,
102, 123 f., 130, 160,
171«, 180, 198, 203, 245,
268^ 291, 304, 316, 319,
369, 459, 473 f., 480, 493,
496 f., 504 ff., 511, 513,
516, 536, 546, 550*, 552,
576», 584, 591, 594, 597,
600, 607 f., 613, 618, 620,
624, 631 ^ 636, 657, 666,
671 f., 679, 683, 687, 694 f.,
701, 703 ff., 707, 709, 739S
740, 743 f., 750, 756, 759,
766 f. ; 8. Proviant
lectuaria 162i
ledda 584 = leuda
Leder- u. Lederwarenhandel
66% 165, 222, 278, 285,
293, 296 f., 301, 383, 440,
582, 744, 746; s. Felle,
Häute , Korduan , Kor-
duanmessen
Legati als Kolonial vorstände
236 ff., 249, 257 f.
Leichterschiffe 557, 561, 583,
596, 626, 666
Leinsamen 750
Leinwand, Leinenwaren 33,
85, 956, 159, 161, 164,
205, 209, 213, 246, 312 f.,
338, 415, 442, 453, 489,
500, 509, 5121, 522*, 523,
582, 608, 638, 669*, 701,
752, 768
— aus der Champagne 205,
386, 596
— von Reims 205, 386, 500,
596
— von Epinal 205
— deutsche 205, 421, 440,
453, 596, 761
-^ von Lüttich 421, 761
— von Basel 205, 453
— spanische 284; s. baldi-
nellae, camsilium, Segell.
Leinenkaufmann 193
Lenditmesse 91, 364, 371*,
377
leoparderii 304
lesdalarii (zu leuda) 101
Leuchttürme 146, 153
leuda, leusda, lezda, lezea,
lezeda u. dgl. (von licita)
386% 539, 553, 582 ff.,
588, 599S 6152, 629*,
630*; 8. lesdalarii, lidda
Levantewaren 12 f., 36 f.,
65, 86, 89, 94, 161, 183,
185, 197 ff., 210, 215,
247, 283 ff., 298, 314,
322, 408, 418, 494, 567,
586, 589, 593, 640, 702,
727 ; s. Gewürze
licentia mutuandi 436*
lidda 585* := leuda
Lieferungsgeschäfte 381 f.,
548, 613 f., 628, 648, 666,
686, 710
lingua, mori sine lingua 131
lintea coriorura 160
lissadra 315 = nixadra
Lizenzen, Lizenzbriefe, Li-
zenzgebühr 397, 398%
400, 402, 404—413, 416,
486, 495^554, 570, 594 f.,
630, 644, 689, 694 f.,
698 f., 707, 710, 715;
s. Ausfuhrlizenz
logia, Loggia 378% 621, 645
logotheta rov S^öfiov 18
Lombarden (als Berufs-
bezeichnung) 340, 365%
432
Losverfahren 204, 705, 715
Lösegeld 64, 68, 285, 333,
341, 353, 393
Loskauf von Gefangenen
und Sklaven 278, 566
lume, lumen = allumen,
Alaun
Luxusgesetz 552*
Luxuswaren 17, 61 f., 778
Macis s. Muskatblüte
Magazine 84, 141, 226, 289,
300 f., 308, 492, 505, 509,
511 f , 649, 651 ; s. Fon-
dachi
Magazingebühr 493, 495*,
511 f.
Magister (als Konsularver-
treter) 474, 476
Magnetnadel 674
fl
Makler s. Sensal
Maltolta, MaltoUetum 647,
725, 747 ff., 751«
malossaria 763^
Mandeln 39, 205 f., 213, 315,
473, 501, 512, 592
Manipulationsgebühr 506
Mäntel 35," 39, 386, 453,
500; s. capae
Maona 289
marca (= intrata) 376*
marcipanus, marcibana 211*
Marderfelle 14, 94, 750
Marktabgaben 77 , 79—83,
102 f , 138, 235, 484, 504,
511, 513, 629, 718 ff., 723,
742 ff., 748 1, 751; s.
curatura, plateaticum
Märkte, Marktwesen 10, 25%
36, 55 f., 59, 62, 74—79,
83, 92, 131, 136, 139,
146, 173, 262, 346, 376, ]
415, 444% 445, 451, 463,
473, 478, 515, 526, 580,
585 1, 618, 633, 6351,
688 1, 712—723, 763,
766 1, 770; s. Messen,
Jahr-, Wochen- u. Hafen-
märkte
marrones 337
Maß und Gewicht 82, 131,
139, 168% 170, 174, 177,
217, 237 1, 253, 263, 269,
307 1, 331, 439, 471, 510,
513, 515, 577 f., 581, 583,
595, 607, 615, 648, 660,
671, 695, 703, 705, 713,
763 ff., 766», 771, 773,
776*; s. Gewichtswesen,
Normalmaß, Wage, Wie-
gegebühren
masseria 724^
Mastbäume 710
Mastix 89, 167, 207, 239,
274, 297, 315, 512
matarassa 214
Maultiere 316, 437, 512, 639,
659, 740«
Maultierlast 137 f. ; Maultier-
treiber 442**
Maut 689, 733
Maximalpreis 245
mazarum 207
Mehl 548
Meistbegünstigung 83, 346,
546, 588, 595, 715
mel silvestre 162^
Sachregister.
805
melegete 197
memirem 468®
Menagerie 304
Mercanzia 772, 774 f.
merces contrariae 350, 588,
589S 623
merces grossae (magnae) u.
subtiles 486, 513
mersseria 501
Messen 13, 76—79, 82, 90 f.,
101 f., 119, 343, 417, 424,
661, 699, 713—723
— in Unteritalien 515 f.
— in Ober- und Mittel-Ital.
421, 4751, 637, 647, 699 f.,
710 f., 713—723
— in Südtirol 438—443
— in Südfrankreich 557, 564,
575 ff., 585 f., 608 f., 614'
— in der Champagne 215,
338—391, 398», 404, 409S
416,418—436,586,6041,
608, 637"
— in England u. Flandern
401,415,417 f.; s. Markt-
wesen, Jahrmärkte, Len-
ditmesse
Meßbriefe 377
Meßfriede, Meßgericht 378,
720
Meßkarawane 362 ff., 372,
380 f.
Meßkonsuln 379 f.
Meßsperre 344, 349, 371,
378 1
Meßtermine 375 ff., 389 f.
Meßwechsler u. -Wechsel 368,
377 1, 715 ff., 760«
Metalle 84 f., 94, 145, 206,
283, 522, 536, 745
Metallwaren 17, 23, 85, 317,
501, o94S 764
miliarenses 119, 298, 309 1,
312, 548, 748
minos parrios 160^
mirtum 636^
missetae, missitae 762 f. ; s.
Sensal
misteria = ministeria, siehe
Zünfte
Molo (modulus) 522, 581,
608, 631
mondilia brezili 314
Monopole 165, 505, 509 f.,
537, -585, 607, 651, 704;
8. fiskalischer Handel
mons judaicus 584
montatio (Bergfahrt) 584
Moschus 187, 283, 549
muda = muta, Maut 733
Mudua, muda 153 1, 166,
179, 193, 197, 245, 264,
267, 459^ 686», 730; s.
Schiffskaraw., passagia
Mühlsteine 500, 502, 604,
745
muliones s. vecturarii
multonini (Hammelfelle) 674
Münzwesen 58, 77 1, 86^,
92, 113 ff., 117, 119, 220,
298», 4143, 512 ff , 633 f.,
650 f., 654, 670«, 742, 755,
765 f., 775 ; s. Nachprä-
gung, miliarenses
Muskatblüte 198
Muskateller 701
Muskatnüsse 162 f., 164^,
197, 207, 284, 298, 314,
383»
Mützen 95, 206, 674, 701
Mützenwolle 197, 199; s.
Hutwolle
Myrobalanen 197, 314, 468
Myrrhen 89, 197, 207
Nabatinus 201
Nachlaßbehandlung 128,
130 f., 136, 150, 188, 200,
220 ff., 253, 257, 306, 311,
495, 592, 596, 600, 662
Nachprägung 119, 191», 262,
298, 309 1, 312, 651, 748
Nägel 179
Narde 163
Nautische Kenntnisse 153,
334'
Neger 181
Neutrale, Neutralitätsverlet-
zung 292, 295, 301, 590,
594, 597, 601 1, 618, 665
Nichtbegleitung von Waren
382
nixadra 283, 562; s. lissadra
Normalgewichte u. -maße 75,
331, 513, 607, 660*, 764 1,
Notare 25, 41», 107 f., 491,
674, 780
Notularien 107 f., 148, 465 ff.
Nüsse 39, 473, 501 f., 512,
604, 746 ; s. Haselnüsse
Ochsen 441, 659
Offene Tür, Prinzip der, 136
Öl und Ölhandel 26, 29, 33,
46, 62, 124, 185, 238, 245,
298, 319, 332, 441, 443,
459, 475, 477, 486, 494,
497, 511, 546, 562, 588,
595, 632, 636, 671, 674,
676, 687, 694 1 , 698 f.,
707 ff., 744, 746, 763,
765 1
Öl als Zins 10, 84, 238, 673,
685
Oliven 72, 266, 473, 475
Onyxschüssel 499
Opera, operarius s. Dombau-
verwaltung
opera silvatica 623
operatorium 614*
orales, oralia 70
Orangen 39
Otterfelle 750
ovetae 709
Pagamentum, rectum; pa-
giement 3761, 381», 390 1
paiola 8. aurum
paliadeessa 468''^
palifictura s. Pflockgebühr
pällia als Ehrengabe oder
Tribut 5 f., 28, 52, 134,
226 ff., 232, 246, 318, 543
pallia als Handelsartikel 13,
17», 33, 35, 40*, 66, 78 f.,
86, 246, 466, 582, 696
pampilio 334
pannelli 298
panzonus (Schiffsart) 188 ;
s. banzone
Panzer 66, 205, 491, 583, 744
paperile (pannu) 523*
Papier 286, 322, 487»
Paramente 44, 85
parata, paraticum, paratici
82», 715, 771«
Parfümerien 44, 475
passagia (Überfahrtszeiten)
196 1, 202 1, 263«; siehe
mudua
Passagevertrag 174, 453; s.
Fracht
Weg per passaios 242
Passierzölle 45, 80 ff., 92 f.,
212, 219 f., 338 f., 359,
504, 513, 633 ff., 642, 650,
652, 706, 735, 746 tt'., 751,
753
patronus (Normalmaß) 75
Pech 136, 150, 152, 179 1,
518, 536, 603, 698
806
Sachregister.
pedagium, pedaticum, peda-
gerii 331, 335", 336, 339»,
381S 542, 592, 595^ 602«,
630«, 634 fE., 639, 645, 726,
732, 742, 746—752, 760;
s. Passierzölle
pelagus541, 5541, 560, 567 f.,
573«, 589, 599 ff., 625, 628,
6301
pellata 336»
pelonum 313
Pelzwerk 94, 313», 623, 744*
perdentes 546, 556, 591
Pergament 750
Perlen 44, 221, 265, 283, 407,
473, 701
Personentransporte 267»,
272«, 733; s. Pilger
Pfandleihe 360», 420
Pfändungsrecht s. Kepre-
salien
Pfeffer, Pfefferhandel 89,
127, 157 f., 162—165, 183,
185,197,2141,218,2841,
314, 322, 372, 373*, 382 f.,
415, 442, 468, 492, 512 f.,
549, 562, 567S 593, 603,
638, 674, 702, 744, 750,
765 1
Pfeffer als Zahlungsmittel
163 f., 562, 584, 643, 727 ;
bei Mitgiften 164 und
Anm. 1
Pfeilschiff s. sagittea
Pferde 66, 185, 193, 196*,
204, 266 f., 304, 316, 363,
374, 380, 381«, 402, 409,
411, 437, 441, 444, 512,
583 707, 744, 752, 763,
766
Pferdegeschirr 39
Pferdemakler 762 f.
Pflockgebühr 70 ff., 79 1,
477, 730
Pflüge 85
pigmenta 22, 58*
pignolato 160, 246, 442, 644,
768
Pilger, Pilgertransporte 27,
29«, 32, 34, 37, 44 f.,
57 f., 65, 92, 95 — 100,
128, 130 f., 142, 144, 168,
172, 174, 177, 182, 190,
196-199, 202 ff., 209, 212,
268, 331 f., 335, 392 f.,
444, 514, 524, 540, 548,
554, 560 1, 566, 586, 591,
639, 642, 666, 676, 688,
737, 740«, 743, 747, 760;
s. Wallfahrten, romarii
piper longum 197, 383*
pizzicarii 774 f., 782
plateaticum 484, 504, 508, 511
platus, plata (Schiffsart) 266,
673, 678», 696, 707*
pluviales 40*
Podestä der Kaufleute 771 f.
— als Kolonialvorstand 221,
260 ff., 273*, 684 ff.
Pökelfleisch 245
ponderator, kaiserlicher 514
portanarii 561, 583
portaticum 80, 80«, 331, 542,
684
portulani 198, 508
portus (Stapel) 446^, 690 f.,
725, 731^
Preise, feste 75, 514
procuratores bei der Kurie
270*, 353- 359*, 361, 367,
387, 394 f., 403, 406 f.,
409 1, 424 ff., 429 — 436,
455
— S. Marci 138 f.
— mercati ripae 55
— super redditibus in Kon-
stantinopel 258
Prolongation 349, 364
Protektionssystem 768
Protektorat 279, 464, 551,
572, 580, 608 f., 629, 673,
687
Protektoren 656, 660, 758
Protontinus 510^
Proviant 196*, 204, 572, 630,
676, 725; Prov.-Amt 691
Provision 391, 760 ff., 775
proxeneta 762, 763»
Proxenie 626^ 758; s. Pro-
tektoren
Purpur, Purpurstoffe 17, 89,
161, 242, 292»
Quadragesima (Abgabe) 5, 11,
447, 587, 663, 672, 678,
689, 691, 693, 696
Quasi-Seedarlehn 112, 382
Quecksilber 206, 210*, 247,
332, 501
Quintum s. Fünfter
Rasora 765
rassa (Konspiration zur
Preisbestimmung) 534
Rauchwaren 206, 552, 582,
694, 714, 750, 752
raza (arazzo) 653"
Rechnungslegung 140, 252»,
359, 493, 661
Rector Christianorum in Af-
rika 294 f.
Rectores als Kolonialvor-
stände 272, 462
— der Zünfte 660, 722, 776,
779
rectum, rectitudines 743 =
dirictum, diricturae
Reeder 193, 199, 204*, 209,
305, 315, 484, 604
Reis 179, 502
Reliquien, Reliquienhandel
29, 35, 44, 60 f., 126,
266, 720
Renten, jährliche 128, 131,
138, 141, 151, 162», 170,
216, 226, 403, 410 ff.,
464, 472», 558
Represalienwesen 10, 71,
150, 301, 346, 352, 369»,
401, 454 f., 485 f., 545 f.,
550, 552*, 553, 555 f.,
559, 570, 589», 601«, 602,
607, 609, 611 1, 615, 617,
620, 626, 635, 655, 669,
672 1, 677, 680 f., 687,
689, 693, 697, 699 f., 708,
752—757, 774, 777
restes 322
retorno 716*
reva 758, 760« = ripa
Rhabarber 549
ribaticum 542 = ripaticum
Rinder 512, 744
Rinderhaare 768
Rindshäute 602«, 605
Ringe 266, 701
ripa, ripaticum 5, 9, 11, 55,
59, 69 ff., 79 ff., 93, 331,
447, 526, 542, 576, 587,
599», 627, 645 ff., 650
bis 655, 696, 715, 720,
724-728, 743 ff., 751»,
758, 760
riparius, rivarius 607, 655,
696, 716, 745
Risiko 110, 113, 156, 158,
322, 381 f., 388, 466, 474,
522, 602, 648
riva, rivarii s. ripa
rogadia 111
Roheisen 620, 655, 745
Sachregister.
807
Röhrenkassie 284, 315
Rohseide 85, 198, 313, 509
romarii , romei , romipetae
45, 331», 444, 586, 743,
747, 753
rosum (Abgabe de roso) 636*
Rosinen 239
roxaldini 286
rua, ruga 36, 128 ff., 134,
138-141,175, 200 f., 213,
229, 238, 461, 483, 504,
569, 653; s. campus,
vicus
Säcke 745
Sacra Sardiniae 519«, 523;
8. Sarsch
Safran 157, 160 f., 187, 200,
206, 215, 283, 298, 312,
383% 385, 492, 501, 549,
562, 563^ 604, 614, 648 f.,
658 f., 750
sagae, sagiae, sagrae, saie ;
s. Sarsch
saginae (Schiffsart) 15, 30
sagittae, sagittiae, sagittariae
u. dgl. (Schiösart) 462,
524, 537', 564, 599, 613,
684, 689
sagellum 85
sagumum 82^
saillae (von Beaiivais) 387
salandrus (= chelandia,
Galeere) 195, 203
Salbeiblätter 89
salinarii 48'
Salinen 10 ff., 24, 46, 70,
72 f., 83 f., 510, 522, 527,
5413,573,581,584, 6731,
690, 692
Salmiak 283, 315, 562
salvaticiime 752''
Salzfleisch 206'
Salzhandel 10 ff , 38, 46, 64,
70, 72 f., 75, 80, 83 f.,
445 f., 477, 518—523, 527,
534, 536 f., 551, 577, 581
bis 584, 595, 597, 606 ff.,
617, 627, 629— 632, 638 f,
647 ff., 655—658, 663,
670«, 673—670, 684—693,
695 ff., 702—711, 724 f.,
727 ff., 732, 746, 750, 758,
765 f. ; 8. Salinen
Salzmonopol 509 f., 537, 607.
631, 651
Salzstapel 684 ff., 690, 725
Salzsteuer, Salzzoll 611, 679,
690, 693, 705, 709, 728,
750
Samt 240, 243, 245, 683
sandanus (Schiffsart) 123
Sandelholz 187, 197, 468, 702
santellarino , santellarexio
(Tuchart) 442
Sarazenische Kaufleute 33,
51, 66, 181, 186, 189,
286—298, 302, 306, 315,
504, 511, 556, 581, 585
sardina (Schiffsart) 584
sarrie erugue 548*
Sarsch 205, 246, 421, 466,
468, 519*, 523, 577, 638';
8. Sacra, sagae, saillae
Sättel 94
saumeri, Saumtiere 437, 445,
671
saximenta 635
scalae s. Landungstreppen
scalaticum 513
scapuli (= scampoli) 177',
253*
scaraticum 688
scarsella 652*
Schafe und Schafzucht 85,
336, 504, 506, 516, 528«,
685
Schaffelle, Schaf leder; s.
beccunae
Scharlacheiche 585
Schatzamt in England 393,
395, 400—410
— im Temple zu Paris 362
Scheinverkauf 537'
Schenkelbinden 61
Schiedsgerichte, Schieds-
sprüche 143,1911,2191,
413, 546, 551, 596», 622,
625, 636, 649, 652, 672,
674 1, 698», 700S 727,
750, 754, 774, 782
Schiffahrtsdienst, regel-
mäßiger 213; 8. Mudua
Schiöahrtsstation 72, 319,
731
Schiftbruch s. Strandrecht
Schiffsanteile 21, 25, 111»,
158, 468, 594«, 602% 604 f.,
Schiffsbau , Schiffsbauholz,
Schiffsbestandteile und
-Ausrüstung 24, 145, 148,
160, 167, 330, 459, 477,
518, 541», 628, 630, 654,
666. 674
Schiffsgeistliche 25
Schiffskarawanen 100*,l52ff.,
157, 166, 168, 175, 179,
181,192— 197, 204, 243 ff.,
264, 290, 305, 459, 480,
491, 494, 521, 607 f., 621,
630«, 729^,730; s. mudua
Schiffskäufe 148, 156, 158,
179, 209, 240, 294, 300,
470, 494, 502, 522, 577,
603—606, 609', 672, 675
Schiffsmiete 203, 205, 264,
267, 291, 358, 602; s.
Charterung
Schiffspartner 158, 502, 593,
602^
Schiftsplätze 196*, 204
Schiffsschreiber 204, 772
Schiffszins 70 ff., 583, 745,
7491
Schild, Schildmacher 17, 440
Schinken 470, 485
Schmeer 311 f , 636
Schmirgel 198
Schmucksachen 701, 778 ;
s. Kostbarkeiten
Schmuggel 508, 510, 689^
695, 703»
Schneider 307
scholae 46, 88»
— (Barken) s. scolae
Scholaren 348 f., 400, 721,
754
Schrein 33
Schuldentilgiingsverbot s.
Zahlungsverbot
Schüsseln 24, 206
Schuster 307
Schutzgeld 340, 584; s. Ge-
leitsgeld
Schutzmacht s. Protektorat
Schutzverwandte 187, 199 1,
211 1, 278, 301, 618,
649 ff., 654
Schutzzoll 746
Schwefel 549, 614, 702
Schweine 307, 470, 506, 659,
674, 689, 744, 766
Schwerter 66, 387», 440, 444,
453, 583
scolae 6848, 695
scorta s. Geleitsgeld
scribania (Zollschreiberei)
285, 288
scrivania (Schreibgebühr) 308
Seedarlehn 112, 154, 156,
158, 166, 207, 210, 231
808
Sachregister.
244 f., 272», 283, 292S
305, 467, 471S 485, 490,
499, 537, 602 ff., 612 u.
öfter
Seeräuberwesen 13 ff., 26,
31 f. ,49 f , 64, 97 ff ., 137,
145, 188, 214, 216, 221,
228, 274, 290—298, 302,
306, 309, 316 f., 325, 328,
332, 386 f., 449*, 458 f.,
464 f., 477, 480, 483, 494,
497, 524, 545, 550, 555,
558-561,579, 587, 590 f,
596, 601, 617, 624 ff., 640,
670, 673—685 ; s. Kaper,
Korsaren, strina
Seewurf 596S 613
Seezinsen, Seezinstabelle
112, 166, 239, 293, 319,
323, 463, 467, 518, 523,
540, 553, 567, 575, 578,
617, 622 f., 627
Seezollamt 170, 179, 186,
199, 477, 587, 627, 651,
654, 772; s. catena, de-
catia
Segelleinwand 671
Segel u. Segelstangen 151 f.,
265^ 464, 607, 710
Seide, Seidenhandel 14, 33,
78, 85, 160, 217, 222, 284,
286, 313 f., 322, 328% 418,
454, 468, 605, 653, 676,
702, 778 ; s. Kohseide
Seidenmanufakturen 17, 21*,
242, 273, 317, 318*, 473,
778
Seidenwaren 17, 28, 33 ff.,
39 f., 161, 198, 207»,
217, 236, 242 f., 246,
265 f., 273, 313 f., 318*,
322, 411, 413, 415,
416S 453, 471—475, 489%
500, 509, 512, 526, 582,
696, 701, 709, 778; s.
pallia-
Seife 442, 614
Sensale 299, 453, 579, 708,
761 ff.,
seveta 322
Sicheln 85
Sicherheitsbriefe 172, 295,
316, 328, 405, 489, 545,
578; 8. Geleit
Sicherheitseide 183 f., 192,
279, 295, 347, 444», 518,
529, 533, 588, 618, 620,
625, 629, 649, 665, 668,
680 f., 688, 691, 738, 758.
Silber und Silbergewinnung
85, 94, 150, 220, 298,
300, 312, 454, 471, 480,
521 ff., 526, 575% 619,
627, 696, 744, 748
Silberwaren 284, 351 f, 374,
393, 417, 475, 586% 701,
778
simoniacum 197
Skammonium. 314, 549
Sklaven und Sklavenhandel
3% 5, 13 f., 16, 22 f., 66,
93, 99, 102, 104, 150,
186, 193% 247, 272, 276,
278, 303% 318% 323, 518%
537, 549, 552, 554, 583,
609% 623
Societas maris 110 f., 131,
155—158, 162—168, 230,
453% 555, 575 f.
Societas mercatorum in
Francia utentium 370
— terrae 112
— vermiliorum 170, 173
soga (Leittau) 724
solemne 226 f., 230, 282,
250, 272
somnia 642 := sauma, Last
soquerius 614
8peciari% species 413, 425,
550, 577,6871, 670% 772;
8. Spezereiwareü
Speck 513
Spelt 591
Sperrtürme 450 f., 650
Spezereiwarenhandel 60,
145 f., 454, 468, 513, 707,
750, 761; s. pigmenta,
Levantewaren
spica, spigum 163, 197
Spiegel 453
Spikanarde 89, 314, 549
Spione (bei Handelsver-
boten) 671, 695
Staatsanleihen 234% 236 f.,
262, 326, 774
Stahl und Stahlwaren 297,
468, 509, 546, 583, 588,
592, 638
stalla (Stände, Bänke) 378>
stallaticum 659, 735
stame filato 768
Stamfords, staminae fortes
205, 206% 386, 387% 402,
411, 500, 502, 603 f. ; von
Arras 313, 386, 615 ; von
Cambrai 385 ; von Saint-
Omer 387, 615
Standgeld 582% 715, 720, 723
Stapel 446, 485, 568, 691,
701, 713, 725 f., 745
statica 546 (= fondaco)
stationes, stazonaticum 9 ff.,
25% 75, 78, 715*; s. Ver-
kaufsstände
Staubzucker 197, 207, 314,
372, 383
Steinmetzwerkstätten 241
Steuerruder 151 f., 612 f.
storata, storaticum 715^
stradaticum, straticum 80,
635, 742
Strandrecht 5, 126, 131, 137,
177, 180, 188, 212, 214,
219, 221, 233, 239 f., 267,
323, 326, 333, 541, 545,
548, 553, 561, 581, 619,
663, 674 f., 677, 683
Straßenwesen 59, 67, 80, 102,
444, 449 ff., 582, 628, 633
bis 642, 645, 686, 706,
711, 734 — 742, 746 ff.,
770, 773
Straßenzw^ang 60, 444, 646 f.,
649% 652, 729, 741
strina 663% 680"
Strohhüte 95
Stromabgaben 69—74, 584,
702 f., 706 f., 710, 724 bis
734
Stromregal 70 ff., 74, 724 ff.
supertunicale 489'
suprasalientes 663
Süßholz 197, 485, 549, 614
Syrup 1621
Tabulae 209, 582% 713% 715
tabula maris 186, 548*
Taft 198, 213, 243, 246, 372,
384, 613; s. cendatum
Tagliata, talliata 728 f., 732
tansa, tansare 707°, 725%
730« ; s. Geleitsgeld, ten- -
sare
taridae 195, 203, 480, 501 f.,
604, 606 f.
Tarife 38, 65 f., 82», 101, 161,
1dl'- % 207% 210, 328 f.,
339, 386, 3873, 418, 426,
437,441,444,449,453,467,
470, 490, 493, 550 ff., 561 f.,
581— 584, 591 f., 610,615,
Sachregister.
809
636, 708 fE., 742 — 746,
749 f., 752, 761
tasca, Tasche der Wechsler
359, 750, 752 f.
tassidium, taxigium u. dgl.
88, 55», 110», 131», 459»
Taue, Tauwerk 179, 265^
584,- 607
Taxatoren 527, 761 f.
Teilzahhmgen 364, 368, 399 f.,
407, 423, 430, 559, 643
teloneum s. toloneum
Templer 168, 202 f., 215, 493,
586
tensare 695' = tansare
Teppiche 283, 475, 504, 582
Terminhandel 164
tertiana, tertianaria 177,204',
212, 506*
Testamente 164, 305, 331«,
354 f., 385, 441», 448,
454, 563, 585, 629, 6688,
669, 679«
Textilindustrie 61, 165, 416,
418, 422, 452, 473, 586,
G38 f., 644, 701, 744, 768,
780 f.
Textilwaren 17, 22, 33, 66,
94, 204 f., 217, 245 f.,
263, 312 fE., 440, 500, 552,
5675, 582, 640, 693, 744,
761
tiraforti de Siria 702
tiretum (Stoff) 582
Tischtücher 701
toloneum 9, 11, 51, 54 und
oft, 80 etc.
Tonwaren 161
torselli 66', 346, 350, 359,
369, 382, 386, 402, 408*,
437, 567, 577, 582, 591«,
602», 639 fE., 698, 709,
720 (toselU), 744 f.; s.
troselli
Tragfähigkeit 197, 679, 772
Transitverkehr 217, 257, 332,
335, 342 f., 349 f., 358,
385«, 551, 582', 604 f., 609',
619, 641, 647, 659, 666,
687, 693, 697, 701», 703 f.,
708—711, 728, 745, 747,
749», 751-
Tratte 119, 270, 362, 533*
Trentacien 668
triblatti 40*
Tribute zur Sicherung des
Handels 13, 68, 95«
tripulati 286
troselli, trosselli 101, 383,
582'; s. torselli
Tuchfabrikation 33, 46, 61,
164, 384, 779 f.
Tuche und Tuchhandel 38,
40, 56, 66, 90, 92, 95, 138,
159, 198, 204—208, 213,
217, 239 f., 246, 263, 266,
271, 333, 340 f., 347»,
349 fE., 364, 369, 372 f.,
385 ff., 402, 411, 413, 415
bis 421, 440 ff., 449, 453,
466 ff., 489, 492, 494, 499
bis 502, 509, 511^ 512 f.,
523, 548, 552, 565, 567,
577, 582, 584, 588, 591,
597, 603 f., 608, 615, 638,
640 f., 645, 658, 674, 690,
701, 709, 714 f., 717,7191,
722, 732, 743 f., 750, 752,
763, 764^ 765, 768, 776,
778—781 ;
de Garbo : 780 i.
orientalische Tuche:
61', 160 f.; von Bagdad
283, 322
nordf ranzö si sehe: 39,
349 ff., 369, 374S 386, 596,
602, 781
von Arras 205, 206', 313,
386 f., 500, 502, 577
von Beauvais 386', 387,
421, 577
von Chalons 204 f., 313,
386, 500, 603
Chartres (zartenses) 205,
217*, 387, 577
Chäteau Landon 386'
liltampes (stampentes) 387,
577
Louviers 205, 387, 500;
Montreuil 386 ; Paris 385 ;
Provins 386, 500; Ronen
205; Saint-Quentin 205,
385 f., 502, 624
flandrische: 418, 577,
friesische 468 ; vonBrügge
418, 421; Cambrai 205,
385 f.; Douai 205, 206',
386, 421 ; Gent 418 ; Li-
canusa 205; Lille 205,
418, 421; Lüttich 421;
Merris 577 ; Saint - Omer
387; Saint -Ricjuier 385,
468, 577 ; Tournai 421 ;
Ypern 205, 386, 418, 421
englische: 402, 416; v.
Stamford 402
deutsche: 440, 442; v.
Köln 449; von Mainz 449,
453, 5771 ; von Metz 386,
453
südfranzösische und
katalanische: v. Arles
615; Avignon 205, 502;
615; Beaucaire 615; B6
ziers 615 ; Cabestany 615
Gabors 615; Figeac 577
615; Ganges 615; Gour
don577,615;Lerida548'
552; Limoges 577, 615
Narbonne 205, 615; Ni-
mes 563, 615; Saint-Pons
205, 6I51 ; Tarascon 205 ;
Uzes 615
italienische: 778; tos-
kanische 350S 386, 711;
von Bergamo 709, 720,
732, 745 f. ; Bologna 714,
780; Brescia 768; Como
744; Florenz 711, 760, 768,
779 ff.; Genua 466 f., 500;
Lucca 701, 711, 768 ; Mai-
land 386, 714 8. pignolati;
Mantua 714 ; Modena
714 ; Parma 768 ; Piacenza
s. pignolati; Santellarino
442; Verona 701, 720^,
780
Ohne Ortsbezeich-
nung: blaue 350, bunte
246, brunetae 638', gold-
durchwirkte 265', 416»,
683, graue, griseum 442,
674, 7018, grüne 159, 205,
246, 440, marini veteres
2058, rote, pfirsichf arbene
(apersati) 350, (pers) 500,
sanguineae 385, 421, 500,
Scharlach 159, 215, 271,
386, 413, 466, kermes-
gefärbte 205, 386, weiße
205, 350 8. Barchent, bif-
fae, buccherani, canapi-
ciae, capae, cordat, fu-
stagni, Gewänder, Kame-
lot, pannelli, pignolato.
Samt, Sarsch, Seiden-
waren, Stamfords, tii'e-
tum, vintenae.
Tucher, Tuchkaufleute373f.,
377, 379, 402, 442, 466 ff.,
5001,511^,522,603,615,
810
Sachregister.
689, 695, 711, 714, 717,
719, 763«, 768*, 772, 776,
779 1
Tunfische 512
turcimanni s. Dragoman
Ufermärkte 55, 74, 81 f.; s.
Hafenmärkte
Uferzoll s. ripaticum
ultramontani 66, 450, 452, 591
Umgehung von Zollstätten
371, 445 f.
Umherziehen , Handel im,
582«, 716, 743
Umlagen 253, 267, 774
Umschlag (vom Land- auf
den Wasserweg) 78, 94,
348, 731
undecimatio 82^
Ursprungszeugnis 702 f., 707,
710
usagium nundinarum 378*
usaticum 539, 548i, 553
usurae 120 f., 168, 433
usus (als Abgabe) 123, 450S
562»
utrei 207
Vallonia 750'
vecturales, vecturarii 373,
380 ff., 384, 413, 437, 637,
642 f., 660; s. Frachtfuhr-
leute
Vena argenti 85 », 521
vena ferri 620, 655
Venediger Gut 443*
Veredelungsverfahren 781
Vergeltungszoll 748
Vergoldung 61, 165
Verjährung 631
Verkaufsabgaben 66, 81, 135,
138, 175, 213, 217, 291,
470, 495, 551 f., 577, 584,
588, 591, 620, 720, 753
Verkaufsstände und -buden
582«, 610, 689, 711, 7141,
717, 719, 722; s. apo-
thecae, stationes
Verkaufszwang 451, 704
vermiculum 585*' °
Vermietung, Verpachtung in
der Kolonialverwaltung
133 f., 139, 143, 194, 217,
248, 252 f., 288, 482», 543,
548
Verproviantierung 123 f.,
493 f., 496
Versicherung 702
Versteigerung 291, 297, 299 f.,
409, s. halka
Vertragshäfen 291, 294
verzi 164» = Brasilholz
Verzugszinsen 120 f., 389,
398*, 407, 424 f., 430, 716,
Vexierkanne 417
Vicecomites (als Kolonial-
vorstände) 128, 133 f., 136,
139 1, 143, 166, 170, 174
bis 178, 201, 211 1, 216 1,
219, 227, 233^ 234, 237,
251 ff., 257«, 258, 270, 272,
590^ 662
Vicedomini 448, 669, 672,
674, 678, 681, 688—691,
693, 696, 699 f.
vicus (Handelsquartier)
130 f., 140», 200, 219, 226,
288, 474
Viehhandel , Viehhändler
441, 496, 505, 511, 552,
722, 743 fe., 756
Vierzigste s. quadragesima
Viktualienhändler 109
Vingtains, vintenae 205, 813,
577, 761
virgae aureae 298»
— azarii 468
Vitriol 198
vogiae, volgia 159, 466
Vorkaufsrecht 585
Wachs 89, 198, 267, 276, 285,
315, 340, 380, 385, 415,
442, 513, 577, 598, 638,
683, 744, 750, 766
Wachtschifife s. guardiamaris
Wafeen, Waffenhandel 23 f.,
85, 94, 102, 136, 145, 148,
179 1, 184 1, 244, 267«,
316, 324, 491, 516, 555,
605, 630, 707, 766
Wagen, öffentliche 139, 151,
161, 174, 180, 346, 369,
417, 452, 469 f., 477, 513,
577, 583, 632, 640, 655,
660, 765
Wagen (zum Warentrans-
port) 380, 453» ; s. Karren
Walker, Walkmühlen 46, 746
Wallfahrten 92, 102 f., 158,
162, 331 f., 335, 557, 568;
8. Pilger
Waren als Zahlungsmittel
46, 114, 154«, 643 f., 648 f.
i
Warenballen s. torselli
Warenhaus , Waren nieder-
lage 46, 162, 464; siehe
Fondaco
Weber, Weberei 46, 161, 164,
242 f., 3052, 3922
Wechsel, Wechsel geschäfte
112, 119, 207», 340, 342 f.,
345,3481,357», 358, 3621,
370—374, 381, 388, 390 f.,
514, 603, 605 f., 653, 657,
717, 719, 761 m
Wechsler und Wechslerge- ^1
Schäfte 47, 60, 109, 168,
253, 336, 340, 359^, 368, ^
377 f., 398, 476, 495, 514, Jl
586, 602, 640, 710, 713, «1
715 ff., 750, 752, 766,
771 1, 777 1, 782; siehe
campsores
Wechsleramt 404, 415'
Weihrauch 44, 89, 164, 197,^
314, 415, 512, 549, 643,:
744, 750
Wein, Weinhandel 8, 11, 26,
62, 72, 84, 89, 124, 146,
174, 180, 185 f., 188, 196*,
198, 217, 238, 245, 264,
306, 308, 311, 441, 446,
451, 459, 474, 486, 497,
511, 551, 577, 584, 588,
595, 663, 670—676, 687,
690,695,7011,704,7061,
710, 743, 7581, 763, 766 1 Mt
Weinstein 314 H
Weizen 160», 267, 490, 548,
578, 591, 594, 607, 671,
686, 691, 693, 698, 703,
710, 732
Werg 179 f.
Wertzölle 221 u. oft
Wiegegebühren 308, 477, 513,
551, 577, 583, 595, 623,
629, 640, 644, 655, 660,
671, 673, 689, 703 1, 765
Wiegemeister 640, 660, 703,
765
Wiesel 94
Wild 766; Wildfelle 752
Wirtshäuser 82, 444, 721*
Wochendarlehn , Wochen-
zins 340, 351 1, 443
Wochenmärkte 76, 515, 712 f.,
722
Wolle, Wollhandel 22, 37, 61,
85, 184, 217 f., 222, 264,
336, 347*, 384 f., 393*,
I
Sachregister.
811
396, 398», 411, 413, 416 f.,
4221, 470^ 474^ 513^ 523,
536, 587, 589, 598, 602,
750, 768», 779 f.
— de Barbaria 602, de Garbo
282*, 284, 297, 306, 315,
780«, syrische 198, 512 f.,
8. Hutwolle, Mtitzenw.
Wolldecken 604
Wollenzunft 717, 768, 778 ff.,
782
Wollvliese 85, 313, 602, 605
Wucher, Wucherer 120, 355,
367, 374, 398, 406, 414,
420, 427, 443, 474 f., 525,
528 f., 643, 754
Wucherverbot 121, 164^
Xamita (examitum) , Samt
240, 243
xenodochium 78, 95 f.
Yconomi 484
ysamitum (Samt) 683^
Zahlungsanweisungen 119,
400», 401 ff., 406 ff., 410,
442, 492
Zahlungsbefehl 354
Zahlungsmittel 113 ff., 493
Zahlungsverbote, päpstliche
356, 366, 368, 379, 404,
406, 430, 432
Zahlzeit 381, 390 f.
zambelotti s. Kamelot
Zändel s. cendatum
Zaumzeug, silbernes 157
Zehnte 31^, 70, 127, 189,
269, 281, 294, 302, 397 f.,
406, 490, 518 f., 522, 539,
573«, 578, 588«, 590, 666
Zehntentarif 148, 229, 317,
465, 469, 5781
Zelte (auf Märkten) 715 ff.,
720
zendata s. cendatum
Zession 346, 351, 365, 432,
502
Zettel 768, 779
Zeugstiefeln 421
Ziegen 506 ; Ziegenfelle 768
Zimt 89, 162 — 166,- 183,
198, 214 f., 314, 475, 766
Zinn 94, 206 1, 333, 406»,
468, 501 f., 513, 567, 583 f.,
598, 604; stagnum in
cloca 206, 333; in virgis
206; gitatum 206, 501»
Zinsen, Zinsfuß 47, 119 ff.,
168, 360, 367, 388 ff., 398,
418, 420, 467«, 523, 643,
6491, 7166^ 755^ 757. g.
usurae, Verzugsz,, Wo-
chenz., Wucher
Zinsreduktion 638»
Zinsverbot s. Wucherverbot
Zitwerwurzel 197
Zollschreiber 180, 188, 284 f.,
288, 299, 306
Zucker 162, 197, 199, 218,
413, 513, 702, 750; siehe
Staubzucker
Zuckerrohr 197, 218^ 297,
473, 516
Zügel 94
Zünfte, Zunftwesen 88^ 94^,
349, 358, 5828, 583», 659 f.,
. 6848, 715 a.^ 723, 733,
768, 771 ff., 776—783
zurra 162 f.
Zuschlagzölle 345, 359, 455,
546, 556, 558 f., 567, 591,
617, 619 f., 752 ff.
Zwangsaufenthalt 425, 428*,
434, 694
Zwieback 196*
Zwiebeln 322 •, 689
Zwirnwaren 709
Zwischenhandel 17, 165 ff.,
181, 186, 239 f., 246 f.,
285, 288, 307, 322 f., 437,
465, 468, 470, 497, 596,
600, 651, 662, 669
n
Münztabelle.
Die Tabelle verfolgt den rein praktischen Zweck, eine Vorstellung von dem Werte
der wichtigsten in diesem Buche für die Zeit von 1100 — 1250 erwähnten Münzen
(wirklicher und Eechnungsmünzen) zu geben. Zu diesem Zwecke gibt sie den
Metallwert dieser Münzen in deutscher Reichswährung an, wobei im allgemeinen
als für diese Zeit durchschnittlich etwa geltend eine Wertrelation der Edelmetalle
von 1 : 10 angenommen ist. Begründung der Ansätze, Quellenangaben und nähere
Details müssen besonderer Darstellung vorbehalten bleiben.
A. Groldmünzen.
Augustales 12,78 M.
Byzantii V. Alexandrien rund llVjM.
» > Konstantinopel rd. 9'/s M.
» » Syrien (im 12. Jahrhund.)
rund 8 Vs M.
» » saracenati V. Accon rd. 7M.
(bis zur Mitte des 13. Jahrh.)
» de Garbo oder miliarensium
(Rechnungsmünze == 10 miliarenses
s. bei Silbermünzen)
Dupli de auro, duplices de Miro u. dgl.
rund I2V2M.
Flore ni grossi aurei (seit 1252) 9,74 M.
Marabotini (im 11. Jahrh. in Valencia)
11 8/4 M.
» (alf onsini etc., im 13. Jahrh.)
9,45 M.
Massamutini (=^ oboli aurei) 6V4 M,
Perperi, Hyperperi s. Byz. von Kon-
stantinopel ; das S^ Hyp. = 72 Stück
rund 672 M.
Unciaauri tarinorum (Rechnungsmünze
des sizilischen Königreichs = 80 ta-
reni = 600 Gran) rund 52 M.
Yperperi = Byz. von Konstantinopel.
B. SilbermUnzeu und Billon.
denarius
solidus
libra
Zeit
in
Reichsmark
Affortiati s. Lucenses
Barcelonenses
0,102
1,225
24,5
um 1200, 1220
Bononieiises siehe
.
Cremonenses Imperiales
'
Ferrarienses |
■i
Florentini s. Lucenses . . .
:
Januenses
0,10
1,20
23,94
seit 1139
0,095
1,14
22,87
1164 :
0,0814
0,976
19,53
1205
0,076
0,91
18,25
um 1225 1)
0,0742
0,89
17,82
1241
0,0696
0,835
16,70
1258 '
Imperiales
0,16
1,91
38,20
1164«) '
0,144
1,73
34,60
1192
0,088
1,08
21,56
um 1225 [
0,0866
1,039
20,78
1239
0,0775
0,93
18,60
1254
^) Der grossus = 6 den. = 0,46 M.
*) Die Mediolanenses veteres = den. imperiales; die Mediol. novi, tercioli,
mediani (mezzani), Denare von Brescia und die älteren von Cremona (infortiati)
= V2 imperiales; die jüngeren Cremonenses = V4imp.; die Ferrarienses, Bononienses
(seit 1191), Parraenses (seit 1207) = V., imp. Die grossi Cremonas 1239 = 8 d. imp.,
1254 = 4 d. imp.
Münztabelle.
813
denarius solidus libra
in Reichsmark
Zeit
Lucenses (alte, aft'ortiati) .
» und Pisani
Mediolanenses s. Imperiales
Melgrorienses
(mirgorenses)
Miliarenses
(10 = 1 byz. miliarensium
oder de Garbo)
Miscua, monetamisc. v.Marseille
Papienses
Parisienses = V4 turonenses
Parmenses s. Imperiales
Pisani s. Lucenses
Prorinienses, provi8ini== turon.
ProTin. senatus (Rom) . . .
Raimundenses = V2 mon. miscua
Regales coronati
Segusini (Susa) = viennenses
Senenses (= pisani, nur wenig
geringer)
Sterlingri
Tercioli s. imperiales ....
Turonenses
Veneziani«)
>
» grossi
Veronenses = veneziani
>
Tianenses, viennenses . . .
0,133
0,111
0,0534
0,0513
0,0485
0,0406
0,2365
0,10
0,0947
0,0943
0,382
0,346
0,343
0,0595
0,30
0,062
0,0576
0,0496
0,098
0,071
0,094
0,077
0,3694
0,11136
0,0926
0,027
0,022
0,584
0,0216
0,0771
1,60
1,333
0,64
0,616
0,582
0,487
2,84
1,20
1,1366
1,1315
0,715
3,60
0,744
0,69
0,595
1,175
0,852
1,128
0,923
4,43
1,336
1,11
0,326
0,27
7,00
0,259
0,925
32,00
26,67
12,81
12,31
11,64
9,74
56,76
24,00
22,73
22,63
14,29
72,00
14,88
13,82
11,90
23,50
17,04
22,57
18,47
88,65'')
26,72
22,23
6,52
5,39
140,10
5,18
18,50
bis ca. 1120 geprä
1164
1202
1226
1237 0
1252
1097
1130
1244
1248
1210
1240
1248
1248
antiqui, Präg. 1102 eingestellt
1164
1192
1227—1254
1188 ff.
1253
1248
1200 ff.
1244
um 1240
Ende d. 12. u. 13. Jahrh.
1180 ff.
Zeit Ludwigs IX.
1172
seit 1194
} >
1172 ff.
1204ff.'«)
Zeit Ludwigs IX.
C. Barrensilber.
Eine Mark Fein, von Köln (= 233,8 g) = rund 64 M.
» » > > Montpellier (= 239,12 g) = > 65V8 »
» » » » Troyes (= 244,75 g) = » 67 »
') Die grossi Pisas, Luccas und von Florenz (floreni argentei) = dem Solidus.
«) Die Mark Steri.: 59,10 M.
') Um das Jahr 1000 rechnete man 1 Ib. venez. = 2 byz. aurei, also etwa
= 19 M.
*) Grossi zu 20 Denaren = 0,44 M.
n
Tabelle der Handelsgewichte und Maße.
Accon. 1 cantarius catenae = 100 rotuli = 228 kg
1 Modius Getreide = 24 mondelli = 176 1
Alexandrien. 1 cantarius forforinus = 100 rotuli = 43,5 kg
» gerovinus = » » .......= 93 kg
1 sporta oder carica Pfeffer = 500 rotuli = 217,5 kg
Arles s. Süd-Frankreich.
Bugfia und Ceuta. 1 cantarius = 100 rotuli . . = 52,8 kg; 1 collo das Doppelte
Champagne. 1 kleines Pfund (für Seide, Seidenwaren, Taft) . . . = 0,349 kg
1 großes « = 0,475 kg
1 carica (= 350 SO = I66V4 kg
Oorneto. 1 Modius Getreide ^ 4 V3 hl
Florenz. 1 kleines Pfund (de bilancia) = 0,33954 kg
Igroßes » (de stadera) = 0,346 kg
1 Modius Getreide = 8 Sack = 24 staja (zu 23 1) . . . = 5 V« hl
1 stajo (sextarius) Salz = 27 1
1 canna = 4 braccia (zu 0,5836 m) = 2 '/g m
<xenua. 1 centenarius ^ 100 ® = 31,5 kg
1 Sack Wolle = 500 ST = 157,5 kg ; 1 carica = 400 ST . . = 126 kg
1 Kantarius = 6 rubbi = 100 rotuli = 150 ^ = 47,25 kg
1 rubus = 25 S^ = 7,875 kg
1 rotulus = 11/2® = 0,4725 kg
1 'S = 0,315 kg
1 Mina = 2 quartini = 4 staja = 8 quarte = 96 gombette . = 105 1 ■
1 stajo = 24 » . . = 26 '/4 1
1 gombeta . . = 1,095 1
1 Barile öl = 1 Kantär = 51 Vs l
1 canna = 9 palmi = 2,232 m
1 braccio = 2 Vs palmi = 0,579 m
1 palmo = 0,248 m
1 AVarenballen = 4,167 Kantär = 197 kg
London. 1 centenarius (Spezereien u. dgl. zu 104 'S gerechnet) . . = 47,6 kg
1 » (Zinn » > » 112 ^ » ) . . = 51,5 kg
1 Sack Wolle = 28 Stein (ä 13 S^) = 166 ^', kg
1 Quarter = 230 1
Mailand. 1 plaustrum = 5 Last (somae) = 100 pensa = 2500 ^ . . = 820 kg
1 » =20 » = 500 S^ . . = 164 kg
1 Sr . . = 0,328 kg
Handelsge Wichte und Maße. 815
Mailand. 1 soxtarius (Salz^ = 16,15 1
der pes Liprandus = 0,44 m
Marseille, Montpellier s. Süd-Frankreich.
Neapel s. Sizilisches Königreich.
Paris = Champagne.
Pisa. Das centum = 100 Ib. subtiles . . = 32 » ,, kg
1 % subt. (de bilancia) = 0,3276 kg
Der cantarius = 100 rotuli = 158 größere Pfund = 52,8 kg
1 rotulus = 0,528 kg
1 gr. % (de stadera) . . . . = 0,334 g
Maximalgewicht der Saumtierlast 512 % = 171 kg
1 Modius Getreide = 24 staja = 14,88 hl
1 stajo (sextarius) Getreide . . . . = 62 1
1 Stajo grosso Salz = 62 quarre = 9 hl
1 canna = 4 brachia = 10 palmi = 2,48 m
1 bala fustaneorum = 40 peciae
Sardinien. 1 cantarius von Cagliari = 167 pis. S" ^ 55 */4 kg
1 starellus > » . = 46 1
1 > » Orestano (Arborea) = 36 »
Sizilisches Königreich. Das Goldpfund = 12 Unzen = 318,81 g
1 uncia auri = 30 tareni . = 26,568 g
1 tarenus = 20 Gran = 0,8856 g
Das große Pfd. ^ 12 unciae generalis ponderis = 0,3507 kg
1 uncia generalis ponderis =- 33 tareni = 29,225 g
1 cantarius ;= 100 rotuli in Neapel . . . = 88 kg
1 > » auf Sizilien . . . = 80 kg
1 » > Baumwolle . . . = 78,2 kg
Die salma generalis Regni (Getreide) . . = 263 1
» » magna (Messina u. Terranova) . = 315,5 1
» > Apuliens . . . = 239 1
Die canna generalis Regni = 8 palmi . . = ca. 2 m
Süd-Frankreich. 1 kleines 'S in Montpellier = 0,315 kg
1 großes » » » = 0,420 kg
1 > S^ in Marseille = 0,416 kg
1 Quintale (= cantarius) in Marseille = 41,6 kg
1 carica Provinciae = 300 % = 124,8 kg
1 Sextarius in Arles 56 1, in Aigues - Mortes . . = 46 1
1 » in Marseille 39 1, in Montpellier . . . = 44V2 1
in Narbonne = 63 I
1 Mina in Collioure = 175 l
1 011a Salz in Hyeres = II2V2 1
Tunis. 1 Kantär zu 100 rotuli = 54 kg
1 > » bei Baumwolle = 52,7 kg
1 Kafis Getreide = 235 1
(in Tripoli ca. 340, in Valencia ca. 175 1 )
Tenedigr. 1 carica =: 4 centenarii = 400 librae subtiles
1 »
1 Miliarium grossum = 1000 librae grossae
1 cantarius = 150 » »
1 » »
1 ModiuB Getreide = 12 staja (zu 82''4 1) .
1 sextarius Salz . .
121kg
0,3024 kg
480 kg
72 kg
0,480 kg
10 hl
76V3 1
816 Handelsgewichte und Maße.
Venedig. 1 Amphora Wein = 4 bigonciae . . . = ca. 6 hl
1 MiHarium öl = ca. 6,3 hl
1 canna = 3 brachia = 6 pedes (ä 0,3477 m) = 2,05 m
1 » =2 » = 0,683 m
1 Ballen panni nobiles = 260 ^ = 125 kg
1 » gewöhnl. Stoffe (fustagni, canevacie u. dgl.
= 350 S:) = 168 kg
Yerona. Der carro (Getreide) = 9 hl
1 minale = 37,5 1.
I
Verlag uon R. Oldenbourg, A\ünchen und Berlin W. 10.
Handbuch
der
mittelalterlichen und neueren Geschichte.
Herausgegeben von
G. V. Below und F. Meinecke
Professoren an der Universität Freiburg i. Br.
Das rnternchmen, das nach seiner Vollendung ungefähr 40 Bände
umfassen wird, ist von vornherein so eingerichtet worden, daß jeder Teil,
gleichviel wie stark seine Bogenzahl ist, einzeln abgegeben wird. — Bis
jetzt sind folgende Bände erschienen:
Das häusliche Leben der europäischen Kulturvölker
vom Mittelalter bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Von
Dr. Alwin Schultz, Professor an der deutschen Universität zu Prag.
Vni u 432 S. gr. 8**, reich illustriert. Preis brosch. M. 9. — . In Ganz-
leinen geb. M. 10.50.
Geschichte des späteren Mittelalters von 1197—1492. Von
Dr. Johann Loserth, Professor an der Universität Graz. XV und 727 S.
3". Preis brosch. M. 16.50, elegant geb. M. 18.—.
Historische Geographie. Von Dr. Konrad Kretschmer, Lehrer an
der Kriegsakademie und Professor an der Universität Berlin. VH
und 650 S. 8". Preis brosch. M. 15.—, elegant geb. M. 16.60.
Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittel
alters und der neueren Zeit. Von Dr. A. Lusehin von Ebengreuth,
Universitätsprofessor in Graz. XVI u. 286 S. 8*'. Mit 107 Abbildungen.
Preis brosch. M. 9. — , in Ganzleinen geb. M. 10.50.
Geschichte des europäischen Staatensystems von I660 bis
1789. Von Dr. Max Immich, weiland Privatdovent an der Universität
Königsberg i. Pr. XIII und 462 S. 8°. Preis brosch. M. 12.—, geb.
M. 13.50.
Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittelmeer
gebiets bis zum Endo der Kreuzzüge. Von Professor Adolf Schaube,
Gymnasial-Oberlehrer in Brieg. XX u. 816 S. Preis brosch. M. 18. — ,
geb. M. 20.—.
Ein ausführlicher Prospekt steht auf Wunsch gratis zur Verfügung.
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin W. 10
Wir bringen hierdurch ergebenst zur Kenntnis, dafs die in unserem Verlage
erscheinende
Historische Zeitschrift
(begründet von Heinrich v. Sybel)
unter Mitwirkung von Paul Balllcu, Louls Erhardt, Olfo Rinfze, Otto Rraushc,
rriax benz, Sigmund Riezlcr, moriz Ritter, Ronrad üarrentrapp, Rarl Hcumcr,
herausgegeben von FHedrich Melneckc,
mit ihrem 97. Bande eine neue dritte Folge begonnen hat.
Es erscheinen jährlich 2 Bände zu je 3 Heften = 90 Bogen 8^.
Preis eines Bandes M. 14. — .
Die >Historische Zeitschrift< ist seit ihrer Gründung durch Heinrich v. Sybel
im Jahre 1859 das führende Organ der deutschen Geschichtschreibung und Forschung
gewesen und bis heute geblieben. Unter den grofsen und bedeutenden deutschen
Historikern dieser vier Jahrzehnte gibt es nicht einen, der nicht zu den Mitarbeitern
der »Historischen Zeitschrift« gezählt hätte. Nach dem Tode Heinrich v. Sybels im
Jahre 1895 hat Heinrich v. Treitschke die Stellung des ersten Herausgebers der
Zeitschrift übernommen und hat das letzte, was er schrieb, für sie geschrieben. Nach
seinem Tode ist dann ein Kreis von namhaften älteren und jüngeren Historikern dem
bisherigen Eedakteur und nunmehrigen alleinigen Herausgeber zur Seite getreten, um
die Zeitschrift auf ihrer bisherigen Höhe erhalten zu helfen.
Geist und Charakter der Zeitschrift dürfen als jedem Historiker bekannt gelten.
Sie 'ist, wie sie das von vornherein wollte, vor allem eine wissenschaftliche, und kennt
keine anderen Mafsstäbe als die der wissenschaftlichen Methode. Sie setzt ihren Stolz
darein, völlig unabhängig zu sein von dem Einflüsse bestimmter Parteien wie bestimmter
Persönlichkeiten. Sie umfafst, in ihren Aufsätzen, wie in ihrem kritischen Teil, das
ganze Gebiet der Geschichte, nicht nur politische, sondern auch Geistes-, Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, legt aber das Schwergewicht dabei einerseits auf alles, was den
Zusammenhang zwischen Staats- und Kulturleben erläutert, anderseits auf Stoffe, wie
es in dem Programm von 1859 schon heifst, »welche mit dem Leben der Gegenwart
einen noch lebenden Zusammenhang haben«.
Die »Historische Zeitschrift« bringt 1. Aufsätze, 2. Miszellen (kleinere Exkurs),
über Einzelfragen oder interessante Aktenstücke, zumal zur Geschichte des 19. Jahr-
hunderts), 3. Literaturbericht (Rezensionen von gröfserem und kleinerem Umfange
4. Notizen und Nachrichten. Diese vierte, 1893 eingerichtete Abteilung ist von den
Fachgenossen besonders dankbar und warm begrüfst worden. Sie enthält eine in der
Hauptsache chronologisch geordnete und in 9 Abteilungen (Allgemeines; alte Ge-
schichte; römisch-germanische Zeit und frühes Mittelalter; späteres Mittelalter; Refor-
mation und Gegenreformation; 1648 — 1789; neuere Geschichte seit 1789; deutsche
Landschaften; Vermischtes) gegliederte kritische bzw. referierende Übersicht über die
wichtigeren Aufsätze und QuellenveröfEentlichungen der in- und auslUndiscIien Zeit-
scliriftenliteratur.
Die Abteilung »Deutsche Landschaften« dient insbesondere den jetzt so rege
betriebenen provinzialgeschichtlichen Studien.
Die Abteilung »Vermischtes« bringt Nachrichten über die Arbeiten der Publi-
kationsinstitute, Preisaufgaben und nekrologischo Notizen.
Ermäßigte Preise für ältere Bände:
Zweite Folge, Band 1 — 60 (der ganzen Reihe Band 37 — 96) liomplett mit
Register statt JC 692.— nur Jt 225.—.
Einzelne Bände dieser Folge (mit Ausnahme der seit 1900 erschienenen)
statt JC 11.25 nur Ji 5. — .
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin W. 10.
€nfcüickelungsgeschichfe Bayerns
von M. Doeberl,
Professor an der Universität München.
Erster Band:
üon den eiltesten Zeiten bis zum Westfälischen Frieden.
IX und 593 Seiten, gr. 8».
Preis: broschiert M. 12. — , elegant gebunden M. 13.50.
Der zweite Band wird die Entwiclielung bis zur Gründung des Deutschen
Reiches führen und mit einem Ausbliclie auf die Stellung Bayerns im heutigen
Deutschen Reiche schließen. Seine Drucklegung wird in Bälde beginnen.
Kleine Schriften
von
Friedrich Ratzel.
Ausgewählt und herausgegeben durch Hans HelmoH.
Mit einer Bibliographie von Viktor, Hantzsdi.
Zwei Bände.
Mit je einem Bildnis Ratzeis.
I. Band: XXXV u. 530 Seiten, gr. 8°. Preis geheftet M. 12.-, elegant geb. M. 14.50.
II. Band: LXII u. 542 Seiten, gr. 8". Preis geheftet M. 13.—, elegant geb. M. 15.50.
Preis komplett geheftet M. 25. — , elegant gebunden M. 30.—.
Politische Geographie
oder
die Geographie der Staaten, des Verkehrs und des Krieges
von
Dr. Friedrich Ratzel,
Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig.
Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 40 Kartenskizzen,
XVil und 838 Seiten gr. 8«.
Preis brosch. M. 18. — , in Ganzleinen geb. M. 20. — .
Verlag von R. Oldenbourg in München und Berlin W 10.
Historische Bibliothek.
Herausgegeben
von der Redaktion der Historischen Zeitschrift.
Bandl: Heinridi uon Treitschkes Iiehr« und Wanderjahre 1834—1867. Erzählt von Theodor
Schiemann. XII und 291 Seiten. 8". 2. Auflage. In ^Leinwand gebunden
Preis M. 5.—.
Band II: Briefe Samuel PufendorFs an Christian Thomasius (1687 — 1693). Herausgegeben
und erklärt von Emil Gigas. 78 Seiten. 8". In Leinwand geb. Preis M. 2. — .
Band III: Heinrich von Sybel, Porträge und Abhandlungen. Mit einer biographischen Ein-
leitung von Professor Dr. Varren trapp. 378 Seiten. 8". In Leinwand gebunden
Preis M. 7.—.
Band IV: Die Fortschritte der Diplomatik seit Rlabillon uornehmlich in Deutsdiland«Österreich
von Richard Rosenmund. X und 125 Seiten. 8°. In Leinwand gebunden
Preis M. 3.—.
Band V : Illargareta von Parma, Statthalterin der Iliederlande (1559 bis 1567). Von
Felix Räch fahl. VIII u. 276 Seiten. In Leinwand gebunden Preis M. 5. — .
Band VI: Studien zur Entwicklung und theoretischen Begründung der Illonardiie im Altertum.
Von Julius Kaerst. 109 Seiten. 8". In Leinwand gebunden Preis M. 3. — .
Band VII: Die Berliner Illärztage pon 1848. Von Professor Dr. W. Busch. 74 Seiten.
8°. In Leinwand gebunden Preis M. 2. — .
Band VIII : Sokrates und sein Volk. Ein Beitrag zur Geschichte der Lehrfreiheit. Von
Dr. Robert Pöhlmann. VI und 133 Seiten. 8". In Leinwand gebunden
Preis M. 3.50.
Band IX: Hans Karl uon Winterfeldt. Ein General Friedrichs des Grofsen. Von
Ludwig Mollwo. XI u. 263 Seiten. 8°. In Leinwand gebunden Preis M. 5. — .
Band X: Die Kolonialpolitik Rapoleons I. Von Gustav Roloff. XIV und 258 Seiten.
8". In Leinwand gebunden Preis M. 5. — .
Band XI: Territorium und Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs- , Verwaltungs-
und Wirtschaftsgeschichte. Von Georg von Below. XXI 'und 342 Seiten. 8°.
In Leinwand gebunden Preis M. 7, — .
Band XH: Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozesse im ITlittelalter und die Entstehung der
grofsen Bexenuerfolgung. Von Joseph Hansen. XVI und 538 Seiten. 8". In
Leinwand gebunden Preis M. 10. — .
Band XIII: Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt. Eine literarische Studie zur
deutschen Universitätsgeschichte. Von Professor Gust. Bauch. XIII und
115 Seiten. 8". In Leinwand gebunden Preis M. 3.50.
Band XIV: Studien zur Vorgeschichte der Reformation. Aus schlesischen Quellen. Von
Dr. Arnold 0. Meyer. XIV und 170 Seiten. 8". In Leinwand gebunden
Preis M. 4.50.
Band XV: Die Gapita agendorum. Ein kritischer Beitrag zur Geschichte der Reform-
verhandlungen in Konstanz. Von Privatdozent Dr. Kehr mann. 67 Seiten.
8°. In Leinwand gebunden Preis M. 2. — .
Band XVI: Perfassungsgeschichte der australischen Kolonien und des »Commonwealth of
Australia< . Von Dr. Doerkes-Boppard. XI und 340 Seiten. 8°. In Leinwand
gebunden Preis M. 8. — .
Band XVII: Gardiner, Oliuer Gromwell. Autorisierte Übersetzung aus dem Enghschen
von E. K i r c h n e r. Mit einem Vorwort von Prof. A. Stern. VII und 228 Seiten.
In Leinwand gebunden Preis M. 5.50.
Band XVIII: Innozenz III. und England. Eine Darstellung seiner Beziehungen zu Staat
und Kirche. Von Dr. Else Gütschow. VIII und 197 Seiten. 8». In Lein-
wand gebunden Preis M. 4.50.
Band XIX: Die Urfachen der Rezeption des Römifchen Rechts in Deutfchland. Von Georg
von Below. XII u. 166 S. 8". In Leinw. geb. Preis M. 4.50.
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