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Full text of "Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittelmeergebiets bis zum ende der Kreuzzüge"

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HANDBUCH 


DER 


Mittelalterlichen  und 
Neueren  Geschichte. 


HERAUSGEGEBEN  VON 

G.  V.  Below       und       f.  Meinecke, 

PROFESSOREN  AN  DER  UNIVERSITÄT  FREIBURG  i.  b. 


Abteilung  iii: 

VERFASSUNG,  RECHT,  WIRTSCHAFT. 

Adolf  Schaube 

HANDELSGESCHICHTE  DER  ROMANISCHEN  VÖLKER  DES 
MITTELMEERGEBIETS  BIS  ZUM  ENDE  DER  KREUZZÜGE. 


MÜNCHEN  UND  BERLIN. 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  R.  OLDENBOURG. 
1906. 


Handelsgeschichte 


DER 


Romanischen  Völker 


DES 


MITTELMEERGEBIETS  BIS  ZUM  ENDE 
DER  KREUZZÜGE. 


VON 


PROF.  ADOLF  SC  HAUBE, 

KÖNIGLICHEM  GYMNASIAL-OBERLEHRER  IN  BRIEG. 


MÜNCHEN  UND  BERLIN. 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  R.  OLDENBOURG. 
1906. 


Einleitung. 


Mittelmeer  mid  atlantische  Küsten  Europas  sind  im  Mittelalter  lange 
Zeit  hindurch  völlig  getrennte  Handelsgebiete  gewesen^  derart,  daß  selbst 
die  Romanen  des  atlantischen  Gebiets  mit  ihren  Stammesverwandten  im 
Süden  keinerlei  direkte  Handels  Verbindung  zur  See  unterhalten  haben.  Von 
diesen  beiden  großen  selbständigen  Verkehrskreisen  hat  für  das  Mittelalter, 
namentlich  aber  für  dessen  frühere  Zeit,  der  südliche  die  weitaus  größere 
universale  Bedeutung;  seine  Entwickelung  geht  nicht  bloß  zeitlich  voran, 
sondern  ist  vielfach  für  weite  Gebiete  und  ferne  Zeiten  richtunggebend  und 
vorbildlich  gewesen.  Auf  ihn  beschränkt  sich  die  vorliegende  Darstellung; 
das  germanisch-nordromanische  Handelsgebiet  zieht  sie  im  wesentlichen  nur 
soweit  in  ihren  Kreis,  als  auch  dieses  zum  Schauplatz  der  Handelstätigkeit 
der  Mittelmeer-Romanen  geworden  ist. 

Zu  ihrem  Ausgangspunkte  nimmt  sie  die  Zeit  der  tiefsten  Depression, 
die  der  Handel  des  Mittelmeergebiets  zwischen  seinen  beiden  Höhepunkten 
in  der  römischen  Kaiserzeit  und  dem  späteren  Mittelalter  erfahren  hat. 
Nicht  die  Zeiten  schlimmsten  Verfalls  im  römischen  Reich,  nicht  die  Stürme 
der  Völkerwanderung  haben  einen  solchen  Tiefstand  des  Handels  in  diesem 
Gebiet  herbeigeführt,  als  der  gewaltige  und  langandauernde  Rückschlag,  der 
den  besseren  Tagen  Karls  des  Großen  gefolgt  ist.  Damals  wurde  das  West- 
becken des  Mittelmeers  zu  einer  sarazenischen  See ;  mehr  als  einmal  wurde 
Rom  selbst  das  Ziel  der  AngrifEe  der  Araber;  Unter-Italien  und  Südfrank- 
reich waren  lange  Zeit  in  Gefahr,  ihnen  zu  erliegen;  die  für  die  Wege  des 
Handels  besonders  wichtigen  Inseln  Sicilien  imd  Kreta  gingen  wirklich  an  sie 
verloren.  Dazu  gesellten  sich  Raubzüge  der  Normannen,  die  Piraterie  der 
slavischen  Stämme  an  der  Adria  und  für  das  Binnenland  seit  dem  Ende 
des  9.  Jahrhunderts  die  furchtbaren  bis  nach  Unter-Italien  und  Südfrank- 
reich ausgedehnten  Beutezüge  der  Magyaren.    Je  weniger  dauernde  Erobe- 


VI  Einleitung. 

rung,  mit  der  der  Handel  sich  eher  abzufinden  weiß,  sondern  Raub  und 
Plünderung,  das  Ziel  der  meisten  dieser  Züge  war,  je  mehr  es  den  heimi- 
schen Gewalten  an  Kraft  zu  entschiedener  Abwehr  fehlte,  um  so  schwerer 
mußte  der  Handel  unter  der  Unsicherheit  aller  Verhältnisse  leiden,  um  so 
stärker  sein  Rückgang  sein. 

Von  diesem  Tiefpunkte  aus  soll  der  allmähliche  Aufschwung  des'^ 
Handels  der  Mittelmeer-Romanen  dargestellt  werden,  indem  zunächst  bis 
zum  Beginn  der  Kreuzzugsbewegung  die  kommerzielle  Entwickelung  der 
einzelnen  Handelszentren,  soweit  es  die  oft  nur  recht  dürftigen  Quellen  zu- 
lassen, verfolgt  wird,  während  für  die  Zeit  der  großen  Kreuzzugs  Unter- 
nehmungen selbst,  die  den  Handel  auf  das  mächtigste  förderte,  die  Dar- 
stellung sich  an  die  einzelnen  Handelsgebiete  anschließt,  in  denen  der 
kommerzielle  Unternehmungsgeist  der  Mittelmeer-Romanen  sich  betätigt  hat. 

Als  Endpunkt  der  Darstellung  ist  das  Jahr  1250  gewählt,  das  man  mit 
Recht,  soweit  das  bei  einem  bestimmten  Jahre  überhaupt  möglich  ist,  als 
Grenzjahr  zwischen  dem  früheren  und  späteren  Mittelalter  anzusehen  sich 
gewöhnt  hat.  Die  letzte  große  Kreuzzugsunternehmung  fand  damals  mit 
dem  Rückzuge  König  Ludwigs  IX.  von  Damiette  ihr  Ende ;  die  Herrschaft 
der  Mameluken-Sultane  begann;  der  Untergang  des  auf  einen  kleinen  Rest 
zusammengeschrumpften  lateinischen  Kaiserreichs  stand  nahe  bevor,  während 
die  Kaiserherrschaft  in  Italien  eben  in  diesem  Jahre  mit  dem  Tode  Fried- 
richs II.  zu  Ende  ging.  Und  im  selben  Jahre  machte  der  Staat  des  Comune, 
unter  dessen  Herrschaft  der  Handel  in  den  Städten  Ober-  und  Mittel-Italiens 
allmählich  bis  zu  einer  neuen  Hochblüte  emporgediehen  war,  zunächst  in 
Florenz  dem  neuen,  aus  den  innerüch  umgestalteten  Verhältnissen  heraus- 
gewachsenen Staate  des  Popolo  Platz. 

So  liegen  jenseits  der  zeitlichen  Grenzen  dieser  Darstellung  die  Eröff- 
nung neuer  Handelswege  in  der  Levante,  wie  sie  namentlich  das  Auftreten 
der  Mongolen  zur  Folge  hatte,  die  Aufhebung  der  Trennung  der  beiden 
großen  Handelsgebiete  Westeuropas  durch  die  direkten  Handelsfahrten  der 
Genuesen  und  Venezianer  nach  den  englischen  und  niederländischen  Ge- 
wässern, das  Emporkommen  der  großen,  die  ganze  damalige  Handelswelt 
mit  ihrer  Tätigkeit  umspannenden  Bankhäuser  der  toskanischen  Binnenstädte. 

Von  theoretischen  Erörterungen  hält  sich  die  Darstellung,  schon  wegen 
Raummangels,  fern ;  aus  demselben  Grunde  sind  abweichende  Anschauungen 
oder  Angaben  anderer  Forscher  oft  nur  angedeutet;  ebenso  ist  auf  Voll- 
ständigkeit der  Belege  verzichtet.  Dagegen  ist  erstrebt,  durch  die  Auswahl 
der  Belege  den  Benutzer  in  den  Stand  zu  setzen,  zu  vollständiger  Beherr- 
schung des  in  jedem  Einzelfalle  notwendigen  Quellen-  und  Literaturmaterials 
zu  gelangen. 

Indem  der  Verfasser  sich  durchaus  bewußt  ist,  mit  einer  aus  dem 
Gesichtswinkel  des  Handels  allein  gegebenen  Darstellung  nur  ein  einseitiges 


Einleitung.  VII 

Bild  bieten  zu  können,  hat  er  den  Wunsch,  dem  Mißverständnis  nicht  aus- 
gesetzt zu  sein,  daß  er  die  pohtische  Geschichte  sowie  die  Geschichte  der 
übrigen  wirtschafthchen  Verhältnisse  oder  die  der  geistigen  Strömungen  der 
Zeit  in  ihrer  Bedeutung  unterschätze,  und  gibt  sich  der  Hoffnung  hin,  durch 
streng  wissenschaftliche,  die  Zeiten  scharf  sondernde  Darstellung  dieser  einen 
Seite  des  geschichtlichen  Lebens  auch  der  allgemeinen  Erkenntnis  der  weit- 
geschichthchen  Entwickelung  einen  bescheidenen  Dienst  zu  leisten. 


Brieg,  im  Mai  1906. 


Adolf  Schaube. 


Inhalt. 

Einleitung g.  V 

Inhalt S.  Vni 

Erster  Hauptteil. 

Der  Handel  der  Mitteltneer- Romanen  von  seinem  Tiefstande 
um   den  Anfang  des  10.  Jahrhunderts   bis  zum  Beginn  der 

Kreuzzüge. 

Kap.  1.    Venedig S.    3 

Zeit  der  Sarazenen-  und  Magyarennot  §  1.  Handelsstellung  Venedigs  an 
der  Adria :  Beziehungen  zum  Regnum  italicum  im  allgemeinen  2  —  4 ;  zu 
den  einzelnen  Gebieten  5 — 9;  zu  Dalmatien  10.  Handelsbeziehungen  zum 
griechischen  Eeiche  11—14,  zu  den  Sarazenen  15,  16.  Bedeutung  des  Han- 
dels für  Venedig  und  Venedigs  Handelsstellung  im  allgemeinen  17. 
Kap.  2.    ünter-Italien S.  26 

Der  Osten,  insbesondere  Bari  §  18,  19.  Der  Westen,  insbesondere  Amalfi. 
Sarazenennot  20.  Handelsbeziehungen  zu :  den  Sarazenen  des  Westens  21, 
Byzanz  22,  Syrien  und  Ägypten  23,  zum  christlichen  Abendlande  24.  Un- 
terschied in  der  Handelsbetätigung  der  campanischen  Seestädte;  Handels- 
blüte Amalfis  25.  Niedergang  Amalfis.  Die  normannische  Eroberung  26. 
Kap.  3.    Rom g.  43 

Sarazenenzeit  §  27.  Außenhandel  28.  Handelsverkehr  in  Rom  selbst  29. 
Geldhandel  30.     Der  sacco  di  Roma  31. 

Kap.  4.    Pisa S.  48 

9.  u.  10.  Jahrhundert  §  32.  Beziehungen :  zu  den  Sarazenen  33,  34,  Unter- 
Italien  35,  Sardinien  und  Korsika  36,  Ober-  und  Mittel-Italien  37.  Empor- 
steigen zu  kommunaler  Selbständigkeit  38.  Spuren  von  Beziehungen  zur 
Levante  39. 

Kap.  5.     Toskanisches  Binnenland S.  58 

Luc  ca.  Verbindung  mit  der  See  §40.  Via  francisca  41.  Industrielle  Ent- 
wickelung  und  Wohlstand  42.     Florenz  und  kleinere  Orte  43. 

Kap.  6.    Genua , S.  63 

Aligemeines  §  44.  Handel  mit  Sardinien  und  Korsika  45,  den  übrigen 
Teilen  des  westlichen  Mittelmeers  46,  der  Levante  47.  Fremde  Händler 
in  Genua  48.     Die  Compagna  49. 

Kap.  7.    Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apennin S.  67 

Die  Leidenszeit.    Wiederaufschwung  §  50. 

Binnenschiffahrt  auf  dem  Po  51,  den  Zuflüssen  52,  Beteiligung  der 
Klöster  53.     Stromregal  in  der  Hand  der  Bischöfe  54. 

Marktwesen.  Ständiger  Handel.  Maßwesen  55.  Wochen-  und  Jahr- 
märkte 56.     Wichtigere  Märkte  und  Messen  57. 


Inhalt.  ix 

Handelsabgaben  im  allgemeinen  §58.  Passierzölle  und  Verkaufsabga- 
ben 59.  Befreiungen  60.  Hauptgegenstände  der  Warenbewegung. 
Lebensmittelhandel  61.     Rohstoffe  und  Fabrikate  62. 

Geltung  des  Handelsstandes  in  sozialer  Beziehung  63,  in  politischer  64. 

Außenhandel.  Aus  Italien  stammende  AVaren  jenseits  der  Alpen  65. 
Anteil  der  Italiener  am  Handel  mit  Deutschland  66,  mit  Frankreich  und 
Burgund  67. 

Kaufleute  von  jenseits  derAlpen  in  Italien.  Septimerverkehr  68. 
Handelsverkehr  in  der  Richtung  auf  Venedig  69.  Sonstige  Nachrichten 
über  transalpine  Waren  und  Kaufleute  in  Italien  70.  Pilger-  und  Her- 
bergswesen 71. 

Kap.  8.    Südfrankreicli   und   spanische  Mark S.    97 

Leidenszeit.  Sarazenische  Invasion  in  Südfrankreich  bis  973 ;  §  72.  Fort- 
dauer der  Sarazenengefahr;  nur  sehr  allmähliche  Erholung  73.  Dürftig- 
keit des  Handels  74.     Spanische  Mark  75. 


Zweiter  Hauptteil. 

Handel  der  Mittelmeer-Romanen  im  Zeitalter  der  großen 

Kreuzzugsunternehmungen  (ca.  1100 — 1250). 

Kap.  9.    Vorbemerkungen S.  107 

Der  Handelsgeschichte  eigentümliche  Quellen.  Urkunden  und  Notularien 
§  76.     Kaufmännische  Aufzeichnungen  verschiedener  Art  77. 

Die  gebräuchlichsten  Vertragsformen :  im  Seehandel  78,  im  Landhandel  79. 

Zahlungsmittel :  im  12.  Jaln-hundert  80.  Fortschritte  seit  dem  3.  Kreuz- 
zuge :  die  grossi  81,  einheimische  Goldmünzen  82,  Nachprägungen  aus- 
ländischer Münzen,  Buchverkehr,  Wechsel  83. 

Der   normale  Zinsfuß  der  Zeit  84. 

A.  Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  anderen  Völkern. 

Abschnitt  I: 
Mit  den  Kreuzfalirerstaaten  und  den  Sarazenen  des  Ostens. 

Kap.  10.    Begründung   der  Handelsniederlassungen  und   erste   Handelsprivi- 
legien der  Mittelmeer-Komanen  in  den  Kreuzfalirerstaaten    .    .     .    S.  122 

Die  Kreuzzugsbewegung  und  die  romanischen  Seestädte  im  allgemeinen  §  85. 
Unternehmungen  privater  Art  zur  Unterstützung  des  1.  Kreuzzugs,  beson- 
ders der  Genuesen  86.  Die  großen  Kreuzzugsflotten :  der  Pisaner  87,  Ve- 
nezianer 88,  Genuesen  89.  Weitere  Eroberung  der  Küstenstädte  Syriens  ; 
Anteil  der  Genuesen  90,  Pisaner  91,  Venezianer  92,  Südfranzosen  93. 

Kap.  11.     Weiterentwickelung   der  romanischen  Handelsniederlassungen   in 

Syrien  bis  zur  saladinischen  Invasion S.  133 

Genuesen  94,  95.  Pisaner  96,  97.  Venezianer  98,  99.  Süd  -  Italiener  100. 
Proven^alen  101.  Bedeutung  dieser  Kolonien  für  den  Handel  der  Mittel- 
meer-Romanen im  allgemeinen  102. 

Kap.  12.    Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer-Romanen  zu  Ägypten  bis  zum 

3.  Kreuzzuge .     .     S.  145 

Allgemeines.  Kirchliche  Verbote  103.  Venedig,  Ancona,  Süd-Italien  104. 
Genua  105.     Pisa  106—108.  . 


X  Inhalt. 

Kap.  13.    Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Xgrypten 

bis  zum  3.  Kreuzzuge S.  152 

Die  Handelsfahrten  selbst,  Schiffskarawanen,  Reisedauer  usw.  §  109. 
Beteiligung  der  städtischen  Aristokratie   und  des  Kapitals  an  ihnen  110. 
Tätigkeit  der  reisenden  Kaufleute;    Handelsreisen    des    Genuesen    Soliman 

von  Salerno  111. 
Warenhandel:  Ausfuhr  nach  Syrien  112,    nach  Ägypten  113;    Einfuhr  aus 

Syrien  114,  aus  Ägypten  115,  116. 
Zwischenhandel  der  Mittelmeer-Romanen  zwischen  diesen  Ländern  und  dem 

griech.  Reiche  117,  den  saraz.  Ländern  des  Westens  u.  Südfrankreich  118. 

Anfänge  eines  Geldhandels  119. 

Kap.  14.    Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  Yon  1187 S.  169 

Folgen  der  Katastrophe  für  die  Kolonien  im  allgemeinen.  Anteil  der  Pi- 
saner am  Wiederaufbau  120,  121.  Ihr  Generalkonsulat  122.  Anteil  der 
Genuesen  123,  124,  der  Venezianer  125,  Amalfitaner  126  u.  Proven9alen  127. 

Kap.  15.    Handel  mit  Ägypten  nach  dem  3.  Kreuzzuge S.  178 

a)  bis  zur  ersten  Räumung  von  Damiette  (1221). 
Wiederaufnahme  des  Handels  durch  die  Venezianer  128,  Pisaner  129,  Ge- 
nuesen 130.     Neuer  Kreuzzug ;  Einnahme  und  Räumung  von  Damiette  131. 

b)  bis  zur  zweiten  Räumung  von  Damiette  (1250). 
Verschlechterte  Lage  der  Christen.  Beschränkter  Handel  der  Venezianer 
bis  zum  Kreuzzuge  des  Kaisers  132.  Vertrag  Friedrichs  IL  mit  El-Kamil; 
sein  Handel  mit  Ägypten  133.  Die  Proven^alen  134.  Toskaner  135.  Ver- 
trag Venedigs  von  1238;  die  »Kapitulationen«  136.  Ragusa  und  Ancona  137. 
Genua  und  der  neue  Kreuzzug.  Sein  Mißerfolg.  Ende  der  Dvnastie  der 
Ejubiden  138. 

Kap.  16.    Weiterentwickelung  des  Handels  der  Mittelmeer-Romanen  mit  dem 

Königreich  Jerusalem S.  190 

Große  Bedeutung  Accons  139. 

Die  Kolonien  der  drei  großen  ital.  Seemächte :  Kolonial-Konvention.  Kon- 
flikt von  1222:  140.  Versuch  der  Ablenkung  des  Verkehrs  nach  Beirut  141. 
Die  kaiserliche  Kreuzfahrt  und  die  Pisaner  142.  Überblick  der  Geschichte 
der  Kolonien  bis  zum  Ausbruch  des  großen  Kolonialkriegs  143.  Stärke 
und  Art  des  Verkehrs,  mit  näheren  Nachrichten  für  Genua  144.  Die 
Pilgertransporte  Venedigs  145.  Das  venezianische  Ladestatut  von  1233 :  146. 

Anteil  der  kleineren  ital.  Seemächte  147,  des  Binnenlandes  148. 

Anteil  Südfrankreichs.  Die  Kolonie  von  Marseille  149.  Leitung  des  fran- 
zösischen Kreuzfahrer-  und  Pilgerverkehrs  über  Marseille.  Konflikt  mit 
den  Ritterorden  150.  Anteil  an  König  Ludwigs  Kreuzfahrt.  Gesetzgebung 
über  Pilgertransporte  151.  Starker  Schiffsverkehr.  Warenausfuhr  nach 
Syrien :  Textilwaren  152,  andere  153.  Große  Umsätze  bei  Aus-  und  Ein- 
fuhr 154.  Ausgedehnte  Beteiligung  Südfrankreichs  am  Verkehr  über  Mar- 
seille 155.  Anteil  von  Montpellier  am  Seeverkehr  mit  dem  Königreich  Jeru- 
salem 156,  von  Arles,  Aigues-mortes,  Narbonne  157.  Anteil  Barcelonas  158, 

Kap.  17.    Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  Nord -Syrien,  Cypern  und 

Süd-Kleinasien S  210 

Verlust  von  Laodicea.  Antiochiaund  Tripolis:  Pisaner  159,  Genuesen 

und  Venezianer  160,  Proven9alen  161. 
Aleppo.     Venezianer  162,    Pisaner  und  andere  163.     Damaskus  164. 
Cypern.  Pisaner,  Venezianer  u.  a.  165.   Genuesen  166.  Proven9alen  167. 
Klein-Armenien.     Krönung  Leos  H.  i.  A.  Heinrichs  VI.   Genuesen  168. 

Venezianer  169. 
Sultanat  Ikonium.     Handel   der  Südküste   während   der   griechischen 

Zeit  170.     Verkehr  der  Abendländer,  besonders  der  Venezianer,  mit  dem 

Sultanat  171.     Auftreten  der  Mongolen. 


Inhalt.  XI 

Abschnitt  II: 
Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Ländern  des  griechischen 

Reichs. 

Kap.  18.    Bis  zum  Tode  Kjiiser  Manuels Ö.  223 

Das  komniorziellc  Verhältnis  der  it.  Seestädte  zu  ßyzanz :  der  Venezianer 
§  172,  Pisaner  173—175,  Genuesen  176—178,  kleineren  Seemächte  179. 

Ihre  Handelstätigkeit  im  griechischen  Reiche.  Kommerzielle  Bedeutung 
Konstantinopels.  Stärke  der  romanischen  Handelskolonien  180.  Grund- 
züge ihrer  Verwaltung  181.  Handel  der  Romanen  außerhalb  der  Haupt- 
stadt: in  den  thracischen  Nachbargebieten  182,  am  Schwarzen  Meere  183, 
an  der  Westküste  Kleinasiens  184,  in  Macedonien  185,  Almyro  186,  Euboea, 
Theben  und  Korinth  187,  auf  Kreta  und  an  der  Westküste  Griechenlands 
188.  Venezianische  Schitfskarawanen  auch  hier  189.  Ilauptgegenstände 
des  Handels  190. 

Ka^ntel  19.    Von  der  Verfolgung-  des  Andronikos  bis  zur  Eroberung:  von  Kon- 
stantinopel durch  die  Lateiner S.  247 

Die  Verfolgung  und  ihre  Wirkungen  191.  Wiederherstellung  der  Bezie- 
hungen mit  Venedig  192,  mit  Genua  und  Pisa  193.  Piraterien  unter  dem 
schwachen  Regiment  Isaaks  194.  Die  Pisaner  unter  Alexios  III.  195;  Zu- 
stand ihrer  Kolonie  in  Konstantinopel  bis  zur  Entführung  des  Prinzen 
Alexios  196.  Die  Genuesen  197.  Die  Venezianer  198,  ihr  Vertrag  von 
1198  199.     Die  Katastrophe  200. 

Kap.  20.    In  der  Zeit  des  lateinischen  Kaisertums .    .    .    S.  260 

Die  Venezianer  im  Reiche  und  in  Konstantinopel  selbst  201 ;  in  den  Nach- 
bargebieten von  Konstantinopel  202.  Verhältnis  zu  Nicaea  und  Rhodus 
203.  Ihre  Stellung  auf  Kreta  und  im  Archipel  204,  an  der  Westküste  des 
Ägäischen  Meeres  205,  im  Peloponnes  206,  an  der  Westküste  des  Rumpfes 
der  Balkanhalbinsel  207. 

Die  kleineren  Seemächte  der  Adria  208.  Lombarden  209.  Pisaner  und 
Toskaner  überhaupt  210.  Die  Genuesen.  Versuche,  Teile  des  Reichs  an 
sich  zu  bringen  211.  Verhältnis  zu  Konstantinopel  seit  dem  Frieden  von 
1218:  212.  Stellung  in  Mittel-Griechenland,  zu  Nicaea  und  Rhodus  213.  Die 
Proven^alen  214. 

Abschnitt  III: 

Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  des  Westens. 

Kap.  21.    Mit  den  Sarazenen  Nord- Afrikas  bis  zum  Ende  der  Herrschaft  der 

Almorayiden S.  275 

Die  Normannen  Süditalions  und  ihre  afrik.  Eroberungen  §215.  PiHaner216. 
Genuesen  217. 

Kap.  22.  Mit  den  Sarazenen  ?iord- Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden  (bis  1250)    S.  280 

Verträge  Genuas  von  1154  und  1161:  218.  Fahrten  nach  Genta  und 
Saleh  219.  Warenaustausch  mit  Marokko  220.  Handel  mit  Bugia  221,  mit 
den  östlicheren  Plätzen  222.  Lebhafter  Verkehr,  namentlich  mit  Genta 
und  Bugia,  auch  in  der  folgenden  Zeit  223.  Krisis  in  Genta  224.  Weiter- 
entwickelung des  Handels  mit  Tunis  ;  erster  Vertrag  mit  dem  Hafsiden  225. 

Pisanischer  Vertrag  von  1166.  Besuchteste  Handelsplätze;  Ditte- 
renzen  226.  Vertrag  von  1186;  Piraterie  227.  Vorgänge  in  Tunis  (1200  f.) 
228.  Arabische  Geschäftsbriefe  229.  Enger  Verkehr  mit  Tunis  und  Bugia ; 
Fibonacci  230.  Vertrag  mit  dem  Hafsiden  (1234)  231.  Verwaltung  der  Ko- 
lonie in  Tunis;  Differenzen  zwischen  Genuesen  und  Pisanern  232. 

Kaufleute  aus  dem  Binnen  lande  Toskanas  233. 

Anknüpfung  enger  Beziehungen  mit  Tunis  für  das  sizilische  König- 
reich durch  Friedrich  11.     Vertrag  von  1231 :   234.     Kaiserliches  Konsulat 


Xn  Inhalt. 

in  Tunis  §  235.  Warenhandel  (besonders  Getreide)  236.  Venezianischer 
Handel  237.  Vertrag  mit  Abu  Zakaria  (1231).  Ragusa  238.  Mächtiger 
Aufschwung  des  südfranzösischen  Handels.  Marseiller  Verträge  und 
Fundakatsordnung  239.  Handel  mit  Tunis  und  Bugia  240,  mit  den  west- 
licheren Plätzen  241,  mit  Ceuta  242.  Beteiligung  des  übrigen  Südfrank- 
reich 243.  Der  Warenexport:  Wein,  Lebensmittel,  Metalle  usw.  244,  Roh- 
stoffe und  Fabrikate  der  Textilindustrie  245,  Waren  der  Levante  246. 
Wareneinfuhr  aus  Afrika  247. 
Katalanischer  Handel  248. 

Kap.  23.    Mit  den  Sarazenen  Spaniens S.  317 

Andalusien :  Die  Genuesen  in  Almeria   und  Sevilla  249.     Pisaner  250. 

Valencia  und  Murcia:  Die  Genuesen;  äußere  Beziehungen  bis  1172:  251, 
Warenhandel  252.  Pisaner  bis  1 172 :  253.  Beide  Handelsnationen  bis  zur 
Eroberung  Jaymes  254. 

Balearen :  Die  Pisaner  255,  Genuesen  256. 

Handelsbeziehungen  anderer  Nationen  zu  den  spanischen  Sarazenen ; 
der  Süd-Italiener  257,  der  Südfranzosen  und  Katalanen  258. 

Abschnitt  IV: 
Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  übrigen  Romanen. 

Kap.  24.    Mit  den  Romanen  des  atlantischen  Küstengebiets S.  330 

Italiener  an  der  Westküste  der  Pyrenäischen  Halbinsel.  Privileg  Alfons' 
von  Castilien  und  Leon  für  Genua  1146 :  §  259.  Wallfahrer  nach  Santjago 
mit  kommerziellen  Nebenzwecken.  Sancho  von  Navarra  und  Genua  260. 
Verhältnis  der  Genuesen  zu  Ferdinand  III.  von  Kastilien  nach  der  Erobe- 
rung Sevillas  261. 

Genuesen  an  der  Westküste  Frankreichs  262.  Die  Aufhebung  der  Tren- 
nung der  beiden  großen  Seehandelsgebiete  von  Westeuropa  bereitet  sich 
vor  263. 

Kap.  25.    Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördl.  Frankreich    S.  334 

Haupthandelswege.  Über  den  M.  Cenis  264,  den  Großen  S.  Bernhard 
265,  die  südfranzösische  Küste  266. 

Starke  Zunahme  diese's  Handels  erst  seit  der  Zeit  des  3.  Kreuzzuges  267. 
Anteil  Ober-Italiens.  Die  Astesanen  268.  Die  kleineren  Plätze  der  Nach- 
barschaft 269.  Genuesen  270.  Piacenza  271.  Die  übrigen  Plätze 
der  zentralen  Lombardei  272.  Die  östliche  Lombardei  nicht  beteiligt.  Ve- 
nedig 273.     Bologna  274. 

Anteil  Mittel-Italiens.  L  u  c  c  a  275.  Vertrag  von  Siena  und  Florenz  mit 
Montferrat  276.  Die  Sienesen  im  allgemeinen  und  als  Geldgeber  an 
französische  Große  und  Barone  277,  an  geistliche  Würdenträger  278.  Te- 
stamente sienesischer  Geldgeber  279.  Gunst  und  Ungunst  des  Papstes  280. 
Geldgeschäfte  nach  1239,  auch  im  Orient  281.  Wechsel  verkehr  mit  den 
Messen  von  Marseille  aus  282.  Warenhandel  283.  Die  Florentiner 
bis  ca.  1230 :  284.  Ihr  Geldhandel  im  4.  Jahrzehnt :  285,  im  fünften :  286. 
Wechselverkehr  und  Warenhandel  mit  den  Messen  287.  Anteil  der  klei- 
neren Kommunen  Toskanas  und  der  Pisaner  288.  Die  Römer.  Abstel- 
lung der  Anleihen  von  Nichtfranzosen  auf  die  Messen  289.  Anleihen  des 
französischen  Klerus  290.  Anleihen  weltlicher  Großen;  heftige  Streitig- 
keiten mit  Thibaut  291.     Warenhandel  292. 

Kap.  26.    Handel   der  Proven(jalen  und  Katalanen  mit  dem  mittleren  und 

nördlichen  Frankreich S.  369 

Privilegien  für  die  Kaufleute  von  Montpellier,  ihr  Konsul  in  Frank- 
reich und  auf  den  Messen  293.  Wechsel-  und  Warenverkehr  294.  Mar- 
seille. Sehr  reger  Warenhandel  mit  den  Messen  295.  Wechselverkehr 
296.     Andere  südfranzösische  Orte  und  die  Katalanen  297. 


Inhalt.  Xni 

Kap.  27.    Einrichtung  und  Art  des  Handels  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den 

Messen  der  Champag-ne S.  374 

Bedeutung  ihres  Verkehrs  für  den  Aufschwung  der  Messen  §  298.  Turnus 
und  innere  Gliederung  der  Messen  299.  Die  weltlichen  Autoritäten.  Meß- 
bann 300.  Die  geistlichen  Autoritäten.  Eingreifen  der  Päpste  301.  Or- 
gane der  Kaufleute  302. 

Meßkarawanen.  Vecturarii.  Frachtverträge  303.  Transportdauer.  Lie- 
ferungs-  und  Risikoverträge  304. 

Hauptgegenstände  der  "Wareneinfuhr  305,  der  Warenausfuhr  306. 

Geldverkehr.  Abstellung  in  der  Ferne  aufgenommener  Anleihen  auf  die 
Messen,  insbesondere  der  kurialen  Prälatenanleihen  307.  Anleihebedin- 
gungen und  wirtschaftliche  Bedeutung  dieser  Anleihen  308.  Kaufmänni- 
scher Wechselverkehr  mit  den  Messen  309. 

Abschnitt  V: 

Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  germanischen  Ländern 
und  den  östlichen  Nachbargebieten. 

Kap.  28.    Handel  mit  England S.  392 

Älteste  Nachrichten  über  Italiener  in  England.  König  Richard  und  die 
ital.  Handelswelt  §  310.  Kuriale  Anleihen.  Generalkreditbriefe  der  Krone 
seit  König  Richard  311.  Ihre  Anwendung  durch  König  Johann  312.  Ita- 
lienische Kaufleute,  auch  zum  Zwecke  des  Warenhandels,  nach  England 
313.     Heinrich  III.     Der  Kreuzzugszehnten  von  1229.     Die  »Caursini«  314. 

Anteil  der  einzelnen  Handelsnationen  am  englischen  Handel.  Piacenza 
315.  Bologna  316.  Rom  317.  Siena  318.  Florenz  319,  320.  Andere  Ita- 
liener 321.     Südfranzosen  322. 

Ergebnisse.  Ursachen  des  Auftretens  der  ital.  Kaufleute  in  England. 
Höhe  ihres  Geldhandels  um  1250:  323,  ihres  Warenhandels  324. 

Kap.  29.    Handel  mit  Flandern  und  den  Niederlanden S.  417 

Älteste  Nachrichten  über  diesen  Verkehr  325.    Einfluß  des  Aufschwungs " 
der  Champagner  Messen  326.     Niederlassung   von    Cahoursins   327.     Flan- 
drische Kaufleute  und  Waren  in  Italien  und  Südfrankreich  328. 

Kap.  30.    Handel  mit  West-  und  Norddeutschland S.  421 

Im  Vordergrunde  die  kurialen  Anleihen  329. 

Die  römischen  Kaufleute.  Anleihen  der  Erzbischöfe  von  Köln  330. 
Geldverkehr  der  Prokuratoren  von  S.  Severin  331.  Römische  Kaufleute  am 
Rhein  und  unterwegs ;  Anleihe  von  Magdeburg  332.  Anleihen  der  mittel- 
rheinischen Bistümer  333,  der  lothringischen  334. 

Die  Bolognesen  335.  Die  S i e n e s e n ,  Anleihen  der  Kölner  Erz- 
bischöfe 336,  des  Domkapitels  und  der  Stadtgemeinde  von  Köln  337,  an- 
derer westdeutscher  Bistümer  und  Klöster.     Osnabrück  338. 

Andere  Italiener  339. 

Kap.  31.    Handel  mit  Oherdeutschland  und  den  östlichen  Nachhargehieten    S.  433 

Kuriale  Anleihen  der  Klöster  340,  Passaus  341,  anderer  Bistümer  Ober- 
deutschlands und  Böhmens  342. 

Sonstige  Nachrichten  über  den  Handel  von  Italienern  in  Oberdeutsch- 
land.    Die  Italiener  hier  überwiegend  passiv  343. 

Die  deutsche  Gegenströmung.  Das  Grenzgebiet  an  der  Etsch.  Südtiroler 
Märkte  344.  Warenhandel  der  Oberdeutschen  auf  diesen  Märkten  345. 
Handel  von  Südtirolern  untereinander  und  mit  Italienern  in  diesem  Ge- 
biet  346.     Die   westlicheren  Straßen   nach  Venedig.     Deutsche   in   Verona 

347.  Die  östlicheren  Straßen.     Privilegien  deutscher  Bistümer  und  Klöster 

348.  Vertrag  von  Cividale  1234.     Maut  von  Chiusaforte.     Vertrag  Venedigs 
mit   dem   Patriarchen   von   Aquileja   349.     Deutscher  Verkehr   in  Venedig 


XIV  Inhalt. 

selbst.  Der  Fondaco  de'  Tedeschi  §  350.  Sonstige  Nachrichten  über  diesen 
Verkehr  351.  Deutscher  Handel  von  den  Ostalpen  her  mit  dem  übrigen 
Italien  352.  Handel  von  den  Schweizerpässen  her.  Handelsverkehr  in 
Como  353,  in  Mailand,   Lodi,    Genua  und  Südfrankreich  354. 

Handel  mit  Ungarn.  Vertrag  mit  Venedig  von  1217.  Venezianischer  Handel 
mit  Ungarn  355.  Gewalttat  von  1223  u.  ihre  Folgen  356.  Sienesen  in  Ungarn  357. 

B.  Handel  der  Mittelmeer-Romanen  untereinander. 

Abschnitt  VI: 
Die  kommerziell  überwiegend  passiven  Gebiete  Italiens. 

Kap.  32.    Unter-Italien  und  Sizilien  Ibis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie    S.  456 

Die  Venezianer  bis  zum  Tode  Rogers  II.  (1154)  §  358.  Unter  Wilhelm  I. 
und  n.  359.  Die  Dalmatiner  360.  Die  P  i  s  a  n  e  r  bis  zum  Frieden  mit 
Eoger  (1137)  361 ;  ihre  Beziehungen  zu  Barbarossa  362.  Friede  von  1169. 
Die  von  ihnen  besuchten  Handelsplätze  363.  Die  Genuesen  bis  zum 
Bruch  von  1162 :  364.  Ihr  Handel  mit  Unter-Italien  365,  mit  Sizilien.  Waren- 
einfuhr 366,  Ausfuhr  367.  Handelsabgaben  und  Zwischenhandel  368.  Die 
Konfiiktszeit.     Herstellung  des  Friedens    369.     Die  Südfranzosen  370. 

Interner  Handel  im  Königreich.  Die  Seestädte  Siziliens  371.  Die  Amal- 
fitaner  372.     Salerno  und  Neapel  373.     Gaeta  374.     Bari  375. 

Kap.  33.    Das  sizilische  König-reich  zur  Zeit  der  Wirren S.  478 

Pisaner  und  Genuesen  unter  Heinrich  VI.  376.  Der  Vertrag  Genuas  mit 
Sizilien  von  1200:  377.  Der  Kampf  der  Seemächte  um  Syrakus  378.  Pi- 
saner und  Genuesen  1208—1218:  379. 

Anteil  des  ital.  Binnenlandes  380.     Die  Venezianer  und  Dalmatiner  381. 
Die  Marseiller  382.     Handelsprivilegien   für  Städte   und  Klöster  im  König- 
reich selbst  382. 
Kap.  34.   Das  sizilisehe  KönigTeich  unter  der  Selbstregierang:  Friedrichs  II.    S.  486 

Stellung  der  Genuesen.  Nichtanerkennung  der  Privilegien.  Zurück- 
gehen auf  die  Zeit  Wilhelms  IL  384.  Konflikte  und  Krieg.  Verhältnis  zu 
den  Ghibellinen  Genuas  385.  Beteiligung  des  lombardischen  Hinterlandes 
am  Handel  mit  Sizilien  386.  Die  P  i  s  a  n  e  r  387.  Das  toskanische  Hinter- 
land und  die  Römer  388.  Die  Venezianer.  Ihr  Getreidehandel  389. 
Privileg  von  1232.  Krieg  und  Friedensschluß  390.  Ravenna  und  Seestädte 
Dalmatiens  391.  Die  Marseiller.  Verhältnis  zum  Kaiser  bis  1232:  392. 
SchifEsverkehr  mit  Sizilien  393.  Export  394.  Handelsverkehr  mit  Neapel  395. 

Stellung  des  Kaisers  zu  den  Handelsprivilegien  der  Einheimischen 
396.  Getreidehandel  des  Königreichs.  Ausfuhrverbot  von  1224.  Übergang 
zum  System  der  Licenzen  397.  Verfügungen  von  1239  u.  1240.  Verkaufs- 
abgabe. Getreidehandel  der  Krone  398.  Nachrichten  aus  dem  letzten 
Jahrzehnt  des  Kaisers  399. 

Handelsmonopole  400.  Autonomer  Zolltarif  von  1231.  Fundakatswesen. 
Verwiegung  und  Vermessung  401.  Marktabgaben  und  Binnenzölle.  Geld- 
wesen. Das  Campsorengewerbe  Regal.  Ein  kaiserlicher  Campsor  und  Pon- 
derator  402.  Bei  aller  Fiskalität  Verdienste  des  Kaisers  um  die  kommer- 
zielle Entwickelung.  Marktwesen.  Ordnung  der  Messen  für  Unter-Italien 
403.  Eröffnung  neuer  Häfen.  Allgemeine  Fürsorge  des  Kaisers  für  die 
Landeswohlfahrt  404. 

Kap.  35.     Sardinien  und  Korsilia       S.  517 

a)  Bis  zum  3.  Kreuzzuge  (Friede  von  1188). 
Pisaner  und  Genuesen  auf  Korsika  bis  zum  Frieden  von  1133 :  405.    Ihr 
Handelsverkehr  auf  der  Insel.     Bonifacio  406.     Pieaner  und  Genuesen  bis 
1133   in  Cagliari    und  Gallura  407,    in  Torres  und  Arborea    408.     Ihr  Ilan- 


Inhalt.  •  XV 

delsverkehr  in  der  Friedenszeit  §  409.  Übergewicht  der  Pisaner  410.  Aus- 
bruch des  Krieges  1162.  Der  Barisohandel  411.  Vorgänge  in  Cagliari  und 
Friede  von  1175:  412.  Bis  zum  Frieden  von  1188:  413. 
B)  Seit  dem  3.  Kreuzzuge. 
Verträge  Genuas  mit  Arborea  und  ToiTes  414.  Kämpfe  um  Bonifacio  415. 
Castello  di  Castro  als  Kompensation  für  Pisa  416.  Friede  von  1217 :  417. 
Kolonialbehörden.  Die  pisanischen  Hafengilden  und  Hafenkonsuln  für  Sar- 
dinien 418.  Andere  Italiener  in  Sardinien  419.  Marseiller  und  Katalanen  420. 

Abschnitt  VII: 

Das  proven^alisch- katalanische  Gebiet. 

Kap.  36.    Katalonien S\  539 

a)  Bis  zum  3.  Kreuzzuge.  Nur  sehr  allmähliche  kommerzielle  Fortschritte. 
Stellung  der  Pisaner  §421,  der  Genuesen.  Unternehmung  gegen  Tor- 
tosa  422.  Abtretung  an  den  Grafen.  Differenzen  423.  Wechselndes  Ver- 
hältnis des  Grafen  zu  den  Italienern  bis  zum  3.  Kreuzzuge  424.  Die  Süd- 
franzosen 425. 

b)  Nach  dem  3.  Kreuzzuge.  Die  Genuesen  bis  1230 :  426.  Vertrag 
von  Mallorka.  Genuesisches  Konsulat  427.  Pisaner  "und  Lucchesen  428. 
Marseiller;  starker  Anteil  des  jüdischen  Elements  429.  Montpellier 
und  Narbonne  430.  Aufschwung  Kataloniens;  Eroberungen  Jaymes,  Pri- 
vilegien der  Mallorkaner  431.  Entwickelung  Barcelonas.  Katalanische 
Zolltarife.  Die  Katalanen  treten  den  älteren  italienischen  Seemächten  an 
die  Seite  432. 

Kap.  37.    Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und   den  Rhonestädten 

bis  zum  3.  Kreuzzuge S.  552 

Genuesen  und  Pisaner  in  Narbonne  433.  Der  Vertrag  von  1166:  434. 
Reibereien.     Neuer  Vertrag  mit  Genua  1182:  435. 

Die  drei  Haupthandelsplätze  des  zentralen  Teils  der  französischen  Mittel- 
meerküste:  Montpellier,  Saint-Gilles  und  Arles  436.  Älteste  Nach- 
richten über  den  Verkehr  der  Italiener  in  diesem  Gebiet  437.  Einnahme  von 
Montpellier  1143  und  Verträge  438.  Genuesische  Konventionen  von  1150 
und  1155:  439. 

Nachrichten  über  den  Handelsbetrieb  der  Italiener  vor  Ausbruch  des 
genuesisch -pisanischen  Krieges  440,  441.  Einfluß  dieses  Krieges  auf  Süd- 
frankreich;  Handelsinteressen  in  diesem  Kriege.  Der  Feldzug  von  1165: 
442.  Verständigung  Genuas  mit  Alfons  vor  Albaron,  Pisas  mit  Montpel- 
lier 443.  Unausgeführter  Friedensvertrag  von  1169.  Genua  mit  dem  Gra- 
fen von  Saint-Gilles  gegen  Montpellier ;  Eintreten  des  Papstes  444.  Genua 
wendet  sich  gegen  die  Provence.  Friedensschlüsse  1175/76 :  445.  Pisanische 
Verhandlungen  in  Südfrankreich.  Vertrag  mit  Montpellier.  Die  Aus- 
schließungspolitik Genuas  unausführbar.     Friede  von  1188 :  446. 

Kap.  38.   Die  Italiener  im  Handelsyerkelir  mit  der  Provence  bis  zum  3.  Kreuz- 
zuge      S.  571 

Marseille.  Genua  als  Schutzmacht  der  Provence  1138.  Üble  Gestaltung 
seines  Verhältnisses  zu  Marseille  447.  Kriegsbund  von  1174.  Plan  der 
Zerstörung  von  Marseille.  Die  deveta  Provinciae  448.  Verhältnis  der  Pi- 
saner zu  Marseille.  Verkehr  in  Toulon  449.  Genuesen  und  Pisaner  auf 
den  Messen  von  Fr^jus  und  Saint-Raphael  450.  Genuesischer  Vertrag  von 
1190.  Meßvorstand,  Tuchsorten,  Getreidehandel  451.  Grasse  452.  Nizza. 
Lärins  453.     Salzexport  der  Genuesen  aus  der  Provence  454. 

Kiip.  39.    Kommerzielle  YerliUltnisse  innerhalb  des  südfranzösischen  Küsten- 
gebietes selbst  (Tor  dem  3.  Kreuzzuge) S.  581 

Verträge  Montpelliers  mit  Melgueil  und  Agde.  Geleitsgeld  und  Straßen- 
zölle 455.    Zolltarife  in  Montpellier,    Handelsabgaben  in  Arles  456.    Rhone- 


XVI 


Inhalt. 


Schiffahrt  §  457.     Einfluß  der  Juden.     Wichtige  Rolle  bei  der  Abgabenerhe- 
bung.    Monopolisierung  des  Kermeshandels  458.     Marktwesen.    Die  Messe 
von  Saint-Gilles.     Wechslerstatut  von  1178.     Montpellier  als  Geldplatz  459. 
Kap.  40.    Handelsbeziehungen  Südfrankreichs  mit  Ober-  und  Mittel  -  Italien 

seit  dem  3.  Kreuzzuge S.  580 

Narbonne  460,  461.  Montpellier  462,  463.  Saint-Gilles  464.  Aigues-mortes 
465.  Die  Rhönestädte,  insbesondere  Arles,  im  Verkehr  mit  Genua  466, 
467.  Arles-Pisa  468.  Arles-Rom  469.  Marseille.  Aufschwung. der  Stadt. 
Verhältnis  zu  Pisa  und  Genua  bis  1210  :  470.  Vertrag  von  1211  mit  Ge- 
nua 471.  Neue  Differenzen  und  Verträge  472.  Neutralität  in  dem  Kriege 
seit  1241,  reger  Verkehr  mit  Genua  493.  Placentiner  und  Piemontesen 
in  Marseille  474.  Starker  Schiffsverkehr  mit  Pisa  475.  Sienesen  und  Flo- 
rentiner in  Marseille  476.  Andere  Toskaner,  Römer  und  A^enezianer  477. 
Verkehr  besonders  der  Genuesen  mit  den  kleineren  Häfen  der  Provence. 
Salz-  und  Lebensmittelhandel  478.     Verhältnis  Genuas  zu  Nizza  479. 

Kap.  41.    Handelsverkehr  der  sUdfranzösischen  Plätze  untereinander  seit  dem 

3.  Kreuzzuge S.  609 

Narbonnes  Verträge  mit  proven^alischen  Plätzen.  Verkehr  mit  Mar- 
seille. Vertrag  mit* dem  Herrn  von  Salces  480.  Verträge  Mo  ntp  e  liier  s. 
Verkehr  mit  Saint-Gilles  und  Arles  481.  Enge  Verbindung  mit  Marseille, 
Interesse  an  Aigues-mortes,  Verkehr  von  Marseille  ebendahin  482.  Mar- 
se i  1 1  e  s  Verkehr  mit  den  kleineren  Häfen  der  Provence,  besonders  Nizza 
483,  mit  den  Rhönestädten  484.  Handelsfahrten  in  riperia  Rodani.  Starker 
Verkehr  aus  der  Provence  und  ganz  Südfrankreich  in  Marseille  485. 


Abschnitt  VIII: 
Ober-  und  Mittel -Italien. 

Kap.  42.    Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste S.  616 

Rom  und  die  Marittima.  Handelsbeziehungen  mit  Pisa  und  Genua 
bis  1165:  §486.  Der  Vertrag  mit  Genua  487.  Rache  der  Pisaner.  1174 
Friede  mit  Pisa  488.  Verträge  mit  Corneto.  Bedeutung  des  Friedens 
zwischen  Papst  und  Stadt  1188:  489.  Fortsetzung  des  Handels,  besonders 
umfangreicher  Getreideexport.     Römer  in  Genua  490. 

Handel  zwischen  dem  pisani sehen  und  dem  genuesischen 
Gebiet.  Die  Friedenszeiten.  Friede  von  1133,  enges  Bündnis  1149 :  491. 
Nachrichten  über  den  Handel  aus  der  Friedenszeit  492.  Die  Friedens- 
schlüsse von  1175  und  1188:  493.  Handelsbeziehungen  zwischen  1210  und 
1241:  494. 

Handel  innerhalb  de s  pisanischen  und  des genue  sischen 
Gebiets.  Das  pisanische  Gebiet  495.  Das  genuesische.  Pacta  mit  Sa- 
vona  und  Albenga  496.  Unabhängigkeitsbestrebungen.  Erbauung  der  Grenz- 
feste Monaco  497.  Abfall  von  Savona  und  Albenga.  1251  Wiederunter- 
werfung 498. 

Kap.  43.    HandelsTerkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  den  Seeplätzen  des 

Tyrrhenischen  Meeres S.  632 

Ganz  überwiegend  in  den  Händen  der  Binnenstädter  499.  Genua  und 
die  Hauptstraße  über  die  Bocchetta.  Verhältnis  zu  den  Markgrafen  von 
Gavi,  zu  Tortona  und  Alessandria  500 ;  seit  dem  Frieden  mit  Tortona  (1202) 
501.  Die  Vecturarii  aus  dem  Polceveratal ;  consules  mulionum ;  Handel  mit 
Novara,  Vercelli,  Pavia  502,  mit  Lodi,  Mailand,  Bergamo  503.  Verkehr  der 
Astesanen  nach  der  See  504;  Genuesen  in  Asti,  Vertrag  mit  Montferrat 
505.  Handel  Place nzas  mit  Genua,  die  Handelsstraße  und  ihre  Siche- 
rung 506.  Geld-  und  Warenhandel  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  507. 
Fortdauernd  enges  kommerzielles  Verhältnis.  Konsulat  in  Genua.  Vertrag 
mit  Pisa  (1179)  508. 


Inhalt.  XVn 

Pisas  freie  Verbindung  mit  dem  Hinterlande,  dafür  scharfe  Interessen- 
gegensätze, besonders  gegenüber  Lucca  §509.  Vertragsentwurf  von  1155: 
510.  Luccas  Handelsverkehr  mit  Genua.  Konvention  über  den  Salzhandel. 
Safranhandel  511.  Neuer  Krieg  mit  Pisa.  Bündnis  mit  Genua  1166 :  512. 
Enge  Allianz  mit  Pisa  1181.  Vierzigjähriger  Friede  513.  Neue  Kämpfe. 
Handel  und  Verträge  mit  Genua  514.  Florenz  und  Pisa.  Bund  von 
1171:  515.  Trübungen.  Abkommen  von  1214.  Bruch  1220;  seitdem  gegen- 
seitiges Mißtrauen  516.  Florentiner  in  Genua  517.  Sienas  Handel  mit 
Pisa  und  Genua  518.  Die  kleineren  toskanischen  Gemeinden  im  Verkehr  mit 
den  Seestädten  519.  Parma  und  Bologna  am  Handel  mit  Pisa  beteiligt.  Ge- 
samtverband der  toskanischen  Vecturarii.     Anteil  Pisas  am  Landhandel  520. 

Kap.  44.    Tyrrhenisch-adriatischer  Handelsverkehr S  661 

Pisa  und  Venedig.  Verträge  Pisas  mit  Ragusa  und  Spalato  521.  Vertrag 
mit  Venedig  (1180),  mit  Zara  (1188)  522.  Pisa  und  Venedig  nach  dem 
3.  Kreuzzuge  523. 

Genua-Venedig  im  12.  Jahrhundert  524.  Verträge  Genuas  mit  Ancona  525. 
Genua-Venedig  seit  dem  Frieden  von  1218.  Genuesischer  Getreidehandel 
in  Venedig.     Allianz  von  1239  und  Entfremdung  seit  1245 :  526. 

Kap.  45.    Interner  Seehandel  in  der  Adria S.  667 

Die  Seeküste  zwischen  Po  und  Tronto.  Bedeutung  A n c o n a s. 
Verhältnis  zu  Venedig  im  12.  Jahrhundert  527.  Bund  der  Seestädte  von 
1198.  Handel  mit  Venedig.  Differenzen,  Handelssperre  (1225—1229)  528. 
Weiterentwickelung  der  Beziehungen  Venedigs  zu  Ancona;  Recanati  und 
Fermo  529.  Venedig  und  die  Küstenplätze  nördlich  von  Ancona  530 ;  Cer- 
via  531 ;  Ravenna  532.  Handel  des  Gebiets  mit  dem  dalmatinischen  Ge- 
gengestade 533. 

Dalmatien.  Ragusa.  Beziehungen  zu  Venedig  534.  Die  Pacta  von 
1232  und  1236:  535.  Handelsbeziehungen  zu  seiner  Nachbarschaft  536. 
Venedigs  Beziehungen  zu  Spalato,  Trau  und  den  Kacici  537 ;  zu  Zara  538. 
Erhebung  Zaras  und  Folgen.    Die  Inseln  des  Quarnero  539. 

Die  Seeküste  von  der  Südspitze  Istriens  bis  zur  Pomün- 
d  u  n  g.  Istrien  und  Venedig  in  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts.  Pola  540. 
Capodistria;  Salzstapel;  Getreide- und  Kohlenhandel  541.  Triest  542.  Aqui- 
leja.  Der  Vicedominus.  Vielfache  Differenzen  543.  Vertrag  mit  Venedig 
1248.  Genaue  Verkehrskontrolle  durch  die  Signorie  544.  Reglementierung 
des  Handels  für  das  Küstengebiet  von  Grado  bis  Cavarzere  545. 

Kap.  46.    Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  den  Seeplätzen  der 

Adria S.  692 

Venedig  und  Friaul,  Cadore,  Treviso  546.  Padua  547.  Verona  und  Ve- 
nedig im  12.  Jahrhundert  548.     Objekte  dieses  Handels  549.     Trient  550. 

Venedig-Ferrara  bis  zum  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  551.  Waren  des 
Schadenregisters.  1226  Vertrag  von  Loreo  552.  Vertrag  von  1230 :  553. 
Einnahme  Ferraras  1240.  Der  Zusatzvertrag  554.  Ferrara  -  Ravenna  555. 
Mantua  556.  Brescia.  Cremona  557.  Mailand  und  Como  558.  Andere 
lombardische  Städte.  Rückgang  des  Verkehrs  mit  Ravenna  559.  Modena 
und  Bologna  560.  Toscana.  Lucchesen.  Toskanische  Tuche.  Vermeint- 
licher Vertrag  zwischen  Florenz  und  Venedig.     Sienesen  561. 

Kap.  47.     Märkte  und  Messen S.  712 

Wochen-  und  Jahrmärkte.  Beispiel  von  Alt-Lodi.  Neuerrrichtung  solcher 
Märkte  562.  Hohe  Entwickelung  des  Meßwesens  besonders  in  den  Stapel- 
plätzen des  Ostens,  gering  im  Westen  und  in  Toskana.  Die  Messen  von 
Ferrara  563.  Einrichtungen  auf  den  Messen  Ferraras  564.  Bologna  565. . 
Badia,  Padua,  Verona  566.  Mantua.  Turnus  der  östlichen  Messen  567. 
Brescia,  Bergamo  568.  Mailand,  Como,  Vercelli  569.  Die  Städte  am  mitt- 
leren Po  und  in  Toskana  570.     Messen  in  den  Seestädten  571. 


XVIII  Inhalt. 

Kap.  48.    Handelswege  und  Handelsalbgaben .    .     S.  724 

Wasserstraßen.  Das  Stromregal  in  der  Hand  der  Reichsgewalt  §  572, 
von  Bischöfen  und  Klöstern  573.  Wasserstraßenpolitik  der  Kommunen. 
Verhältnisse  am  unteren  Po.  Ferrara  und  die  Öffnung  des  Po  574.  Pro- 
jektierter Etschkanal  Mantuas.  Schiffsverkehr  der  Nachbarn  mit  Ferrara 
575.  Die  Tagliata  Cremonas.  Vertrag  von  Massa  576.  Handelsschiffahrt 
auf  dem  Oberlauf  des  Po  577,  auf  den  Nebenflüssen.  Mailändische  Schiff- 
fahrtskanäle 578.  Anteil  von  Bergamo  und  Brescia  an  der  Schiffahrt. 
Schiffahrt  auf  den  Seen  579.  Handelsschiffahrt  auf  der  Etsch  und  den 
Küstenflüssen  580. 

Landstraßen.  Fürsorge  für  ihre  Unterhaltung  581.  Verlegungen  von 
Straßen.  Anlegung  neuer  Gebirgsstraßen  582.  Flußttbergänge.  Brücken 
583.  Fürsorge  für  die  Verkehrssicherheit  auf  den  Straßen.  Kaiserliche  und 
päpstliche  Gewalt  584.  Verträge  der  Kommunen ;  Wirksamkeit  der  Städte- 
bündnisse 585.  Verträge  mit  edlen  Herren.  Geleitsrechte  586.  Maßnahmen 
der  Stadtstaaten  für  ihr  eigenes  Gebiet.  Lombardisches  Gewohnheitsrecht. 
Ersatzpflicht  587.  Haupthindernis  die  territorialen  Fehden.  Korrektiv  da- 
gegen.    Verkehrsumleitungen  588. 

Ha ndelsabgaben.  Ihre  Mannigfaltigkeit.  Überreste  des  königlichen 
Zollregals  589.  Zollpolitik  der  Kommunen.  Autonome  Tarife.  Zollordnung 
von  Verona  590.  Tarife  von  Lodi  und  Mailand  591.  Zollordnung  von  Fer- 
rara 592.  Die  Ausfuhrzölle  von  Bergamo  und  Bologna  593.  Wegezölle. 
Tarif  von  Pereto  594.  Zölle  an  der  Frankenstraße  vom  Po  bis  zum  Arno  595. 
Maßnahmen  gegen  die  Erhöhung  der  ZolUasten.  Der  lombardische  Bund. 
Gegenseitige  Zollermäßigungen  der  Kommunen,  besonders  im  Nachbarschafts- 
handel 596.  Ansätze  zu  einem  Vertragstarif  597.  Florentinische  Ver- 
träge 598.  Herabsetzung  oder  Aufhebung  der  Handelsabgaben  für  die 
Bürger  des  eigenen  Gebiets  599.  Zollzuschläge  an  Stelle  von  Represalien 
600. 

Kap.  49.    Kommerzielle  (xebrUuclie  und  Yorschriften S.  753 

Represalien.  Gegenüber  Vergewaltigungen.  Regelung  des  Verfah- 
rens 601.  Gegenüber  den  Landsleuten  von  Schuldnern.  Gegenströmung. 
Das  Privilegium  scholasticum.  Vertrag  Bologna-Modena  1166.  Beschluß 
des  lombardischen  Bundes  602.  Verträge  Venedigs  und  der  Binnenstädte 
Ober-Italiens  603,  der  toskanischen  Städte  604.  Umfang  der  Anerkennung 
des  neuen  Prinzips  605. 

Herbergswesen.  Vertrag  Vercelli-Pavia  1 165 :  606.  Herbergen  offi- 
ziellen Charakters.  Protektorat  607.  Rein  privater  Herbergsbetrieb.  Kom- 
munale Aufsicht.  Kaufgeschäfte  in  den  Herbergen  608.  Maklerwesen. 
Die  censarii  Genuas.  Ältester  Maklertarif  609.  Sensale  in  Toskana  610. 
Missetae  in  Venedig.     Pferdemakler  in  den  Binnenstädten  611. 

Maß-  und  Gewichtswesen.  Große  Verschiedenheiten.  Handhabung 
durch  die  Kommunen  612.  Amtliche  Eichungen  und  llevisionen  613.  Vor- 
schriften gegen  betrügerische  ]\Ianipulationen.  öffentliche  Stadtwagen. 
Schutz  des  Publikums  gegen  Münzbetrug  und  Fälschungen  614. 

Beschränkungen  des  Handels  im  Interesse  der  Konsu- 
menten, Vorschiiften  gegen  Auf-  und  Vorkauf.  Beschränkungen  beim 
Getreidehandel.  Häufigkeit  von  Getreideausfuhrverboten.  Annonarpolitik 
Mailands  615.     Handelsbeschränkungen   in  bezug  auf  Industrieartikel  616. 

Kap.  50.     Konsulat   der    Kaufleute    und    kaufmännische    Korporationen    im 

Staate  des  Comune S.  769 

In  Ober-Italien.  Vorbild  das  Comune  selber.  Älteste  Nachrichten 
aus  Piacenza  617.  Mailand  618.  Chronologische  Folge  der  sonstigen  Kon- 
sulate.    Potestates  Mercatorum  619.     Die  Seestädte  620. 


Inhalt.  XIX 

In  Mittel-Italien.  Pisa  und  die  anderen  Seestädte.  Allgemeine  Ver- 
breitung der  Institution  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  §  621. 
Große  Verschiedenheiten  der  Entwickelung.  Nachweis  für  Siena  und  Flo- 
renz. Das  einheitliche  Konsulat  der  Kaufleute  in  Siena  622.  Die  due 
Mercanzie  623.  Florenz.  Die  Konsuln  der  Kauf leute  mit  denen  der  Calle- 
mala  identisch ;  ihre  allgemeine  Stellung  624.  Erstes  Auftreten  der  Rek- 
toren des  Zünfteverbandes  und  der  Konsuln  der  Wechsler  625.  Die  mer- 
catores  von  Por  S.  Maria  626.  Die  ars  lanae  627.  Entwickelung  der 
Callemala  628.  Zusammenwirken  der  genannten  Korporationen  im  poli- 
tischen Leben  seit  1224 :  629.  Die  Episode  der  capitanei  mercatorum  com- 
munium.     Begründung  des  Staates  des  Popolo  1250:  630. 

Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Werlce  nnd  Abliandlungen     .    .    .     .    S.  785 

Sachregister       S.  797 

Münz-,  Gewichts-  und  Maßtahellen S.  812 


Erster  Hauptteil. 


Der  Handel  der  Mittelmeer -Romanen  von  seinem 

Tiefstande  um  den  Anfang  des  X.  Jahrhunderts 

bis  zum  Beginn  der  Kreuzztige. 


Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter. 


Erstes  Kapitel. 

Venedig. 

1.  Von  allen  Handelsplätzen  Italiens  hat  Venedig,  die  Erbin 
Aquilejas  und  Ravennas,  durch  seine  Lidi  und  seine  Lagunen  nach 
der  See-  und  Landseite  in  gleicher  Weise  geschützt,  die  Zeiten 
schwerster  Bedrängnis  im  9.  und  10.  Jahrhundert  noch  am  besten 
überstanden. 

Unberührt  von  der  Sarazenennot  ist  freilich  auch  die  Repubhk 
von  San  Marco  nicht  geblieben.  Ihre  Handelsbeziehungen  mußten  empfind- 
lich gestört  werden,  wenn  sich  dieser  gefährliche  Feind  auch  am  Ausgang 
der  Adria  festsetzte.  So  unterstützten  die  Venezianer  schon  im  eigenen 
Interesse  die  Griechen  bei  ihrem  freilich  vergeblichen  Kampfe  um  Sizilien ; 
so  versuchten  sie  840  auf  Bitten  der  Griechen,  mit  60  Kriegsschiffen  Tarent 
den  Ungläubigen  zu  entreißen,  worauf  diese  einen  Rachezug  nach  der  Adria 
unternahmen,  Ossero  (auf  Cherso)  und  Ancona  verbrannten  und  die  aus 
Sizilien  und  anderwärts  heimkehrenden  venezianischen  Schiffe  abfingen,  i) 
Jedenfalls  haben  sie  auch  bei  dem  großen  Kampfe  um  Bari,  den  Ludwig  IL, 
auf  der  Seeseite  von  den  Griechen  unterstützt,  gegen  die  Sarazenen  führte 
(867 — 871),  zu  dem  schließlichen  Erfolge  mitgewirkt;  denn  wieder  erschienen 
nunmehr  die  Sarazenen  in  der  nördlichen  Adria,  verwüsteten  872  Dalmatien 
und  namentlich  Brazza  in  schrecklicher  Weise,  belagerten  875  sogar  Grado  und 
plünderten,  als  eine  venezianische  Flotte  sie  von  hier  verscheuchte,  Comacchio 
völlig  aus  und  verbrannten  es.  2)  Zu  diesen  Störungen  in  den  eigenen  Ge- 
wässern, die  durch  die  kroatischen  Seeräuber  noch  wesentlich  erhöht  wurden, 
kam  die  dauernde  Festsetzung  der  Sarazenen  auf  den  beiden  großen  Inseln, 
die  den  Handelsweg  der  Venezianer  nach  dem  östhchen  wie  nach  dem  west- 
lichen Becken  des  Mittelmeers  flankierten,  auf  Kreta  und  Sizilien  —  auf 
lange  Zeit  hinaus  wurden  die  Venezianer  vom  Handel  im  Gebiet  des 
Tyrrhenischen  Meeres  vöUig  verdrängt.  ^)  Zu  Lande  litt  der  Handel  Venedigs 


*)  Joh.  diac.  p.  114.     Amari  Musulm.  I  357.     Benussi  599.     Manfroni  46  f. 

«)  Joh.  diac.  1 19  ff.  Dümmler  II,  235,  264  ff.  Gfrörer  I,  179  ff.  Über  die 
frühere  Bedeutung  von  Comacchio  s.  Hartmann  p.  75  ff. 

')  Über  ihren  Sklavenhandel  an  der  Westküste  Italiens  im  8.  Jahrhundert 
Heyd  I,  95 ;  Manfroni  30.  Ihre  Vermittelung  von  Personen-  und  Warenverkehr 
zwischen  Afrika  und  Sizilien  im  Briefe  Leos  in.  an  Karl  d.  Gr.  (11.  Nov.  813),  M. 
G.,  Epist.  V  p.  97;  Heyd  I,  110,  113  f. 

1* 


4  Erstes  Kapitel. 

unter  den  schweren,  Ober-Italien  zerrüttenden  Wirren,  die  sich  an  die 
Kämpfe  um  die  Kaiserkrone  anschlössen,  sowie  unter  den  furchtbaren  Ein- 
fällen der  Magyaren,  die  im  Jahre  900  sogar,  auf  Flößen  und  Booten 
aus  Tierfellen  übersetzend,  die  venezianischen  Inseln  verheerten  und  selbst 
einen  Angriff  auf  Rialto  und  Malamocco  versuchten,  i)  So  waren  es  Er- 
eignisse, die  der  Entwickelung  des  venezianischen  Handels  wesentlich  zu- 
statten kamen,  als  dem  deutschen  Herrscher  durch  seinen  Sieg  auf  dem 
Lechfelde  (955)  die  dauernde  Unschädlichmachung  der  Magyaren  gelang 
und  die  Byzantiner  der  Herrschaft  der  Sarazenen  auf  Kreta  ein  Ende 
machten  (960). 

2.  Das  kommerzielle  und  politische  Verhältnis  Venedigs  zum 
Regnum  italicum,  das  nicht  nur  im  Hinterlande,  sondern  auch 
zur  See  zu  beiden  Seiten  sein  unmittelbarer  Nachbar  war,  wurde  seit 
den  Tagen  König  Liutprands,  wenn  wir  von  der  kurzen  Episode,  in 
der  Venedig  unter  fränkischer  Herrschaft  stand  ^) ,  absehen ,  durch 
besondere  Staatsverträge  geregelt.  Als  Kaiser  Otto  der  Große  mit 
dem  Dogen  Peter  Candiano  IV.,  der  mit  einer  Nichte  der  Kaiserin 
Adelheid,  Waldrada,  vermählt  war,  auf  Bitten  der  venezianischen 
Gesandten  das  Pactum  am  2.  Dezember  967  erneuerte,  grif^  er,  die 
für  Venedig  in  manchen  Beziehungen  günstigeren  Verträge  der 
Schattenkönige  der  Zwisclienzeit  ignorierend,  im  wesentlichen  auf  das 
Pactum  Lotharii  von  840  zurück,  das  das  mit  Karl  d.  Gr.  nach  dem 
Frieden  von  Aachen  getroffene  Übereinkommen  in  sich  aufgenommen 
hatte  ^);    der  neue  Vertrag  sollte  fortan  dauernde  Geltung  haben. 

Als  Hauptzweck  des  Vertrages  erscheint  die  Ordnung  der  unmittel- 
baren nachbarlichen  Beziehungen.  So  zählt  der  Vertrag  als  diejenigen  Orte, 
für  die  das  Pactum  bindend  sei,  zwar  alle  Orte  der  venezianischen  Seelande, 
die  ja  nur  einen  schmalen,  von  Grado  bis  zur  Etschmündung  reichenden 
Küstenausschnitt  aus  dem  Regnum  bildeten,  besonders  auf,  vom  Regnum 
selbst  aber  nennt  er  nur  die  für  den  direkten  nachbarlichen  Verkehr,  sei  es 
zu  Lande,  sei  es  zur  See,  in  Betracht  kommenden  (vicini  .  .  .,  ad  quos  huius 
pacti  ratio  pertinet),  und  zwar  im  Osten :  Istrien ;  als  Nachbarn  zu  Lande : 
Friaul,    Ceneda,  Treviso,  Vicenza,   Monselice,   Gavello  (w.  von  Adria),  4)   als 


*)  Joh.  diac.  p.  130,  dazu  die  Bemerkungen  Monticolos  not  6.  Dümmler  III, 
509.  Bisoni  G.  Gli  Ungheri  in  Italia,  in :  Scuola  Cattolica,  ser.  3,  IX  (Mailand  1900), 
287  f. 

*)  Über  diese  Mühlbacher  215  ff.  Ch.  de  La  Eonciere :  Charlemagne  et  la 
civilisation  maritime  au  IXe  siecle,  in :  Le  Moyen-Age  X  (1897),  212  f. 

^)  Const.  et  acta  I  p.  30  f.  Das  Pactum  Loth.  Leges  sect.  2,  Capitularia  II, 
1,  130  ff.  Mühlbacher  Eeg.«  1067.  Chron.  Altin.  in  SS.  XIV,  52.  Monticolo  G.  B. : 
La  cronaca  del  diac.  Giovanni  e  la  storia  politica  di  Ven.  sino  al  1009  (Pistoja 
1882)  p.  103  ff,  112.  Fanta:  Die  Verträge  der  Kaiser  mit  Venedig  bis  983  in 
MIÖG,  Ergänzungsband  I  (1885)  p.  51  ff.,  Lenel  1  ff.,  Simonsfeld  in  Hist.  Z.  84 
(1900)  432. 

*)  Der  Vertrag  nennt  hier  die  Grafschaften  ;  daher  fehlt  z.  B.  Padua,  das  da- 
mals noch  zur  Grafschaft  Monselice  gehörte.  Gloria  p.  58  TJrk  von  950:  terra  .  .  ., 
que  posita  est  in  comitatu  Montesilikano  et  infra  civ.  Patavensis ;  dazu  p.  XXIII. 
Näheres  (auch  über  Gavello)  Breßlau  I,  427  f.  Für  die  im  Vertrage  genannten  vene- 
zianischen Orte  s.  Kretzschmayr :  Die  Beschreibung  der  venez.  Inseln  bei  Konstan- 
tin Porphyrogennetos,  in:  Byzant.  Zeitschr.  Xni.  (1904),  482  ff. 


Venedig.  5 

Nachbarn  für  den  Seeverkehr  im  Süden :  Comacchio,  Ravenna,  Cesena,  die 
Städte  der  Pentapolis:  Rimini,  Pesaro,  Fano,  Sinigaglia,  Ancona,  und  noch 
weiter  südhch  Umana,  Fermo  und  endhch  als  Endpunkt  des  Königreichs 
noch  jenseits  des  Tronto  Penne,  das  damals  an  oder  in  der  Nähe  der  Pescara- 
mündung  einen  besonderen  Hafen  am  Meere  hatte. 

Gegenseitig  versprach  man  sich,  für  Schutz  und  Sicherheit  der  beider- 
seitigen Untertanen  und  Einhaltung  der  bei  Handelsgeschäften  vereinbarten 
Bedingungen  zu  sorgen;  man  regelte  das  Verfahren  bei  Streitigkeiten  in 
Kriminal-  und  Zivilsachen,  besonders  auch  die  Behandlung  entlaufener 
Höriger.  Der  gegenseitige  Handelsverkehr  sollte  in  keiner  Weise  behindert 
werden  dürfen;  als  ripaticumi)  sollte  beiderseits  nur  die  herkömmliche 
Quadragesima  (also  2^/2%  von  der  Ware  oder  ihrem  Wert)  zur  Erhebung 
gelangen.  Als  besondere  Verpflichtung  mußten  die  Venezianer  übernehmen, 
keine  Christen  des  königlichen  Gebiets  als  Sklaven  zu  kaufen  oder  zu  ver- 
kaufen oder  irgendwie  in  Gefangenschaft  zu  bringen  —  ein  Beweis,  wie 
stark  die  Neigung  zum  Sklavenhandel  auf  venezianischer  Seite  damals  noch 
gewesen  sein  muß.  Endlich  hatte  Venedig  jährlich  im  März  eine  Ehren- 
abgabe, bestehend  in  50  1.  ven.  und  einem  Seidenzeuge  (pallium),  an  den 
Kaiser  zu  leisten. 

3.  Die  grausame  Ermordung  des  Dogen  (976),  der  in  Venedig 
eine  monarchische  Gewalt  zu  begründen  versucht  hatte,  veranlaßte 
den  Kaiser  Otto  II.,  bald  nach  seiner  Ankunft  in  Italien  eine  feind- 
liche Haltung  gegen  Venedig  einzunehmen;  als  er  aber  nach  seiner 
Niederlage  bei  Colonne  den  Reichstag  zu  Verona  abhielt,  gelang  es 
dem  Geschick  der  Gesandten  des  Dogen  Tribunus  Menius,  am 
7.  Juni  983  einen  neuen  Vertrag  zustande  zu  bringen  2),  der  sogar  in 
manchen  Punkten  eine  für  die  Handelsinteressen  Venedigs  günstigere 
Fassung  aufwies. 

Die  Reihe  von  Orten  des  Binnenlandes,  für  die  der  Vertrag  zunächst 
bindend  sein  sollte,  wurde  nicht  unerheblich  erweitert;  außer  Padua  und 
Ferrara,  die  auch  das  Pactum  Karls  III.  von  880  und  seiner  Nachfolger 
schon  enthalten  hatte  S),  begegnen  nunmehr  an  der  Etsch  Verona,  am  Po 
Cremona  und  Pavia,  und  außerdem  Mailand,  offenbar  also  diejenigen  Orte 
der  Lombardei,  mit  denen  Venedig  auf  dem  Wasserwege  in  näheren  Handels- 
beziehungen stand.  Darüber  hinaus  aber  wurde  das  Pactum  nunmehr  für 
das  Gebiet  des  ganzen  italienischen  Königreichs  für  bindend  erklärt.  Die 
Sicherheit  des  Handels  suchte  man  durch  Festsetzung  schwerer  Strafen 
gegen  diejenigen,  die  auf  den  gemeinsamen  Märkten  (in  communibus 
mercatibus)  den  Frieden  stören  würden,  zu  verstärken;  den  Venezianern 
wurde  die  Bewegungsfreiheit  im  ganzen  Regnum  auch  auf  den  Flüssen  aus- 
drücklich verbürgt  und  umgekehrt  auch  den  königlichen  Untertanen  un- 
behinderter Verkehr  auch  zur  See  mit  Venedig  garantiert,  so  daß  eine  Be- 
schränkung ihres  Seehandels  von  selten  Venedigs  ausgeschlossen  wurde. 
Endlich  wurde  auch  die  Ausübung  des  Strandrechts  Venezianern  gegenüber 
mit  der  hohen  Buße  von  100  Pfund  Gold  belegt. 

Zunächst  freihch  blieb  das  neue  Pactum  nur  ganz  kurze  Zeit 
in   Kraft.     Seit   geraumer   Zeit    war   Venedig    damals    von    schweren 

1)  über  dieses  s.  Hartmann  ]->.  76. 

^)  Const.  et  acta  I  p.  40  If.     Dipl.  0  II  no.  298—300.     Uhlirz  190  ff. 

'■>')  CapitulariaH  1,  138. 


6  Erstes  Kapitel. 

Parteiungen  zerrüttet;  und  nun  bewirkte,  das  Haupt  der  dem  Dogen 
feindlichen  Partei,  Stefano  Caloprini,  durch  seine  Enthüllungen  und 
sein  Anerbieten,  den  Kaiser  zum  Herrn  Venedigs  und  seiner  Seemacht 
zu  machen,  einen  vollständigen  Umschlag  in  der  Haltung  des  Kaisers; 
er  eröffnete  die  Feindseligkeiten  von  neuem  und  richtete  nach  dem 
Rate  Caloprinis  eine  scharfe  Handelssperre  gegen  Venedig  ein;  in 
dem  nahen  Mestre  und  in  Padua  wurden  starke  Trupps  zur  Verhinderung 
allen  Verkehrs,  besonders  der  Zufuhr  von  Lebensmitteln^),  aufgestellt, 
die  Mündungen  von  Etsch  und  Po  den  Venezianern  gesperrt,  alle 
Venezianer  im  Königreich  geächtet  und  allen  Untertanen  jeglicher 
Verkehr  mit  ihnen  verboten.  Venedig  mußte  sich  in  seiner  Bedrängnis 
zur  Zahlung  eines  Jahrestributs  und  zur  Anerkennung  der  Ober- 
hoheit des  deutschen  Königs  verstehen^),  unter  der  es  auch  nach 
dem  jähen  Tode  des  tatkräftigen  Kaisers  im  Dezember  983  verblieb. 
Bald  freilich  lockerte  sich  das  Abhängigkeitsverhältnis  wieder.  Die 
von  der  Kaiserin  Adelheid,  die  sich  schon  früher  den  Venezianern 
freundlich  gezeigt,  und  Erzbischof  Willegis  geleitete  vormundschaft- 
liche Regierung  bestätigte  dem  neuen  Dogen  Peter  Orseolo  IL,  dessen 
Herrschaft  eine  Glanzperiode  für  Venedig  bezeichnet  (991 — 1109),  am 
19.  Juli  992  das  Pactum  in  der  günstigen  Fassung  von  983;  auf 
Wunsch  der  Venezianer  wurde  hinzugefügt,  daß  niemand  ohne 
besonderen  königlichen  oder  kaiserlichen  Befehl  es  wagen  dürfe, 
ihnen  den  Besuch  von  Orten,  an  denen  sie  des  Handels  wegen  zu 
verkehren  pflegten,  zu  untersagen  oder  sonst  gegen  ihren  Handel 
gerichtete  Verbote  zu  erlassen.  ^)  Bekannt  ist  die  Vorliebe,  die  Otto  HL 
selbst  für  Venedig  faßte;  schon  auf  seinem  ersten  Zuge  nach  Italien 
(996)  gewährte  er  den  Venezianern  mancherlei  Vergünstigungen,  und 
1001  machte  der  Kaiser  jenen  geheimnisvollen  Besuch  beim  Dogen; 
kostbare  Geschenke  wurden  getauscht  und  die  jährliche  Lieferung 
des  Pallium  wie  des  Tributs  den  Venezianern  erlassen.  *)  Wie  zwei 
gleichstehende  Mächte  verkehrten  der  Herr  des  abendländischen 
Kaiserreichs  und  der  Herr  der  kleinen  Seelande,  der  gleichzeitig  mit 
Byzanz  die  besten  Beziehungen  unterhielt ;  die  Mittlerstellung  Venedigs 
zwischen  den  beiden  Reichen,  zu  denen  es  gleichzeitig  in  nomineller 
Abhängigkeit  stand,  trat  damals  am  vollkommensten  in  die  Er- 
scheinung. 

4.  Während  Heinrich  IL  gleich  bei  Beginn  seiner  Regierung  den  Ver- 
trag mit  Venedig  bestätigte  (16.  November  1002)  ö),  erfuhren  die  Beziehungen 
Venedigs  zum  Regnum   unter  dem    ersten  Salier  eine    starke   Trübung,    da 


1)  Joh.  diac.  p.  147:  »loca  quibus  alimonia  confluere  ad  Veneticorum  solacia 
noverant«.     Uhlirz  197. 

ä)  Nachgewiesen  durch  B.  Schmeidler :  Venedig  und  das  deutsche  Reich  von 
983-1024  in:  MlöG.  XXV  (1904)  545  ff. 

')  Const.  et  acta  I,  45  f. 

*)  Joh.  diac.  p.  163  f.  St.  acta  p.  38,  nr.  31 ;  reg.  nr.  1295.  Hirsch  1,  170. 
Kohlschütter  49,  70. 

')  Const.  et  acta  I  p.  57. 


Venedig.  7 

sich  Venedig  nunmehr  im  Zusammenhang  mit  den  inneren  und  äußeren 
Streitigkeiten,  die  den  Sturz  der  Orseoli  begleiteten,  der  deutschen  Ober- 
hoheit völlig  entziehen  wollte,  i)  So  ergriff  Konrad  II.  in  dem  langdauernden 
Streite  Venedigs  mit  dem  Patriarchen  von  Aquileja,  der  das  selbständige 
Patriarchat  von  Grado  nicht  anerkannte,  lebhaft  für  Aquileja  Partei  luid  hat 
sogar  (1034)  den  Venezianern  ihr  Gebiet  zwischen  Piave  und  Livenza  ab- 
gesprochen und  dem  Patriarchen  verliehen.  2)  Erst  Heinrich  III.  hat  den 
Vertrag  mit  ihnen  wieder  erneuert  und  1053  wurde  der  Patriarchenstreit 
durch  die  römische  Synode  zu  ihren  Gunsten  entschieden  2)  und  damit 
Grado  endgültig  (wenn  es  auch  noch  später  nicht  ganz  an  Anfechtungen 
fehlte)*),  als  selbständige  kirchliche  Metropole  für  Venedig  und  Istrien  an- 
erkannt. 

Als  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  (1095)  das  Pactum  durch  Heinrich  IV., 
dessen  tatsächliche  Herrschaft  damals  freilich  auf  ein  kleines  Gebiet  im 
Nordosten  Italiens  beschränkt  war,  erneuert  wurde,  verstanden  es  die  Vene- 
zianer, durch  einen  unscheinbaren  Zusatz  zu  dem  alten  Wortlaut  des  Ver- 
trages die  ursprünglich  den  königlichen  Untertanen  im  Verkehr  mit  Venedig 
zustehende  Bewegungsfreiheit  wesentlich  zu  beschränken. 0)  Der  Handels- 
verkehr nach  Venedig  zur  See  sollte  ihnen  zwar  nach  wie  vor  gestattet 
sein,  eine  Fortsetzung  der  Handelsfahrt  aber  von  Venedig  nach  einem 
dritten  Orte  war  ihnen  untersagt.  Danach  stand  also  z.  B.  ravennatischen 
Schiffen  die  Fahrt  nach  Venedig  •  jederzeit  frei ,  doch  durften  sie  von 
Venedig  aus  nicht  nach  Aquileja,  Istrien  oder  anderen  Orten  weiterfahren, 
sondern  mußten  mit  der  in  Venedig  eingenommenen  Ladung  nach 
Ravenna  zurückkehren.  Dagegen  stand  einer  direkten  Fahrt  beispielsweise 
von  Ravenna  nach  Pola  natürlich  nichts  im  Wege.^)  Jedenfalls  ist  diese 
Praxis  nicht  erst  durch  das  Pactum  neu  eingeführt  worden ;  vielmehr  benutzten 
die  Venezianer  wahrscheinlich  nur  die  Gelegenheit,  für  einen  schon  aus- 
gebildeten Grundsatz  ihrer  Handelspolitik  die  kaiserliche  Sanktion  zu  er- 
langen, so  gering  die  Autorität  des  Herrschers  gerade  in  diesem  Zeitpunkt 
auch  war. 

5.  Die  aus  den  Verträgen  mit  dem  Regnum  gewonnene  Anschauung 
von  den  kommerziellen  Beziehungen  Venedigs  zu  seinen  Nachbargebieten 
bedarf  um  so  mehr  der  Ergänzung  aus  anderen  Zeugnissen,  als  diese  Nachbar- 
gebiete bei  dem  Charakter  der  obersten  Staatsgewalt  in  weitem  Umfange  in 
der  Lage  waren,  eine  Handelspolitik  auf  eigene  Faust  zu  treiben. 


1)  Schmeidler  1.  c.  p.  572  f. 

")  Über  die  Spaltung  des  Patriarchats  Aquileja  in  das  langobardische  von 
Aqu.  und  das  byzantinische  von  Grado  (607  entstanden)  s.  W.  Meyer  in :  Abh.  der 
Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen,  N.  F.  II,  6.  Über  die  Wechselfälle  des  Patriarchenstreits 
Pabst  bei  Hirsch  II,  432  (1014),  Breßlau  bei  Hirsch  HI,  142 ;  dann  besonders  Breß- 
lau  I,  150  ff.,  II,  176  (1084),  236. 

«)  Breßlau  U,  264.     Steindorff  H,  235. 

*)  Meyer  v.  Knonau  I,  304  f.  (1062). 

*)  Const.  et  acta  I  no.  72,  p.  121:  similiter  et  nostri  per  mare  usque  ad 
vos  et  non  amplius  (die  gesperrten  Worte  sind  neu).  Lenel  p.  3  f.  Meyer  von 
Knonau  IV,  454. 

")  S.  die  Schenkung  der  Städte  Pedena  und  Pisino  in  Istrien  an  Aquileja 
durch  Heinrich  II.  (30.  April  1012) :  et  portum  de  Flaona,  ut  predicti  homines  in  eo 
naves  habentes  navigandi  atque  per  nostras  provincias  in  quamcumque  partem 
voluerint  transfretandi  liberam  habeant   potestatem.     Dipl.  H  H  no.  243  p.  279  £. 


8  Erstes  Kapitel. 

Von  den  Seestädten  Istriens  unterhielt  besonders  der  Haupta 
Capodistria  (Justinopolis)  seit  alter  Zeit  rege  Handelsbeziehungen  zu 
Venedig.  Am  14.  Januar  932  verpflichteten  sich  die  Bewohner  der  Stadt 
in  einem  förmlichen  Vertrage,  unter  Anerkennung  des  Wohlwollens  und 
des  Schutzes,  die  sie  stets  bei  Venedig  gefunden,  in  dessen  Gebiet  sie  immer 
in  voller  Sicherheit  ihren  Handelsgeschäften  hätten  nachgehen  können,  auch 
ihrerseits  die  Venezianer  zu  schützen  und  zu  verteidigen;  sie  versprachen 
ferner,  die  Forderungen  venezianischer  Gläubiger  aus  Darlehns-  oder 
Kreditgeschäften  unverzüglich  zu  befriedigen  mid  erkannten  die  Schutz- 
hoheit Venedigs  insoweit  an,  als  sie  dem  gegenwärtigen  Dogen,  solange  er 
lebte,  jährlich  zur  Zeit  der  Weinernte  eine  Ehrengabe  von  100  Amphoren 
guten  Weines  darzubringen  gelobten,  i)  Stärker  trat  das  Abhängigkeitsver- 
hältnis Capodistrias  hervor,  als  der  Vertrag  nach  voraufgegangenen  Differenzen 
am  12.  Oktober  976  2)  erneuert  wurde.  Jene  Ehrengabe  wurde  nunmehr  zu 
einer  dauernden  Verpflichtung,  zu  deren  Empfang  Venedig  in  Capodistria 
einen  Bevollmächtigten  zu  bestellen  hatte  3);  Capodistria  versprach  ferner 
ausdrücklich,  mit  Venedig  Frieden  und  Freundschaft  zu  halten,  selbst  wenn 
es  mit  allen  anderen  Orten  Istriens  in  Streit  geriete.  Beide  Städte  sicherten 
sich  gegenseitig  Zollfreiheit  zu,  wobei  sich  Capodistria  verpflichtete,  zu  ver- 
hindern, daß  seine  Bürger  dies  Privileg  mißbräuchlich  anderen  zugute  kommen 
ließen. 

Für  das  Verhältnis  des  übrigen  Istrien  zu  Venedig  hat  der  Friede  von 
Rialto  vom  Jahre  933  den  Grund  gelegt. 4)  In  der  Zeit  des  ersten  Vertrages 
mit  Capodistria  hatte  sich  ein  großer  Teil  der  Bewohner  von  Istrien  und 
seiner  Nachbarschaft  unter  Führung  des  Markgrafen  Günter,  Statthalters 
König  Hugos,  zahlreiche  Übergriffe  erlaubt,  die  Besitzungen  des  Patriarchen 
von  Grado  und  anderer  vornehmer  Venezianer  in  Istrien  ^)  und  besonders  im 
Gebiet  um  Pola  verheert,  die  Rückzahlung  der  von  den  Venezianern  ge- 
währten Kredite  verweigert,  die  von  den  Venezianern  zu  entrichtenden  Ab- 
gaben willkürlich  erhöht  und  selbst  venezianische  Schiffe  genommen  und 
ausgeplündert  und  Leute  ihrer  Besatzung  getötet.  Darauf  griff  Venedig  zum 
Mittel  der  Handelssperre  und  nötigte  durch  strenge  Durchführung  derselben 
seine  Gegner  rasch  genug,  durch  Vermittelung  des  Patriarchen  von  Grado 
um  Frieden  nachzusuchen,  der  am  12.  März  933  zu  stände  kam.  Der  Mark- 
graf, der  Bischof  von  Pola  und  die  übrigen  istrischen  Bischöfe  sowie  die 
Vertreter  von  Pola,  Cittanuova  (Emona),  Pirano,  Muggia,  Triest  und  Caorle 
(Caprulae,  an  der  Mündung  der  Livenza)  versprachen  eidhch,  in  Zukunft 
derartige  Übeltaten  zu  unterlassen.    Insbesondere  verpflichteten  sie  sich,  für 


0  Tafel  u.  Thomas  I  p.  5  S.  Kandier  s.  a.  Gfrörer  I,  232  S.  Lenel  5.  Benussi 
606.     Manfroni  71. 

*)  Von  Tafel  u.  Thomas  I  p.  31  ff.  und  Kandier  zu  977  gesetzt,  während  das 
4.  Jahr  des  Kaisers  und  ind.  V  gleichmäßig  für  976  beweisen.  Richtig  Romanin  I, 
876  no.  10. 

^)  Benussi  626  sieht  ihn  als  venezianischen  Konsul  an ;  indessen  ist  in  der 
Urkunde  von  einem  ständigen  Vertreter  nicht  die  Rede.  Der  Zensus  wurde  übrigens 
später  den  Einkünften  des  Patriarchen  von  Grado  zugewiesen.  Kandier,  Sept.  1074. 
Benussi  298  f. 

*)  Tafel  u.  Thomas  1  p.  10  ff.  (img  als  Pactum  Justinop.  bezeichnet).  Kandier 
8.  a.  Benussi  607,  609  ff.     Gfrörer  I,  237  f. 

*)  Über  solchen  Besitz,  namentlich  der  Candiani,  kaiserliche  Schenkungen 
usw.  Köpke-Dümmler  846  A.  2,  479  A.  3,  Uhlirz  86,  Hirsch  I,  171  A.  3,  176  A.  5, 
Benussi  621,    Dipl.  Gin  no.  293. 


Venedig.  9 

jährliche  Begleichung  der  Schuldforderungen,  die  Venezianer  gegenüber 
Istrianern  hätten,  von  Aufsichts  wegen  Sorge  zu  tragen,  die  Uferzölle  und 
sonstigen  Abgaben  (ripatica  et  tholonea)  nur  in  der  altherkömmlichen  Höhe 
zu  erheben  und  ihre  Schiffe  mit  den  venezianischen  gute  Freundschaft 
halten  zu  lassen.  Sollte  ein  könighcher  Befehl  sie  zu  feindlichem  Vorgehen 
gegen  Venedig  auffordern,  so  würden  sie  die  Venezianer  so  rasch  wie  mög- 
Hch  davon  in  Kenntnis  setzen,  so  daß  sie  ohne  Schädigung  nach  Venedig 
zurückkehren  könnten. 

6.  Für  die  kommerzielle  Stellung  Venedigs  in  Aquileja  ist  der  nach 
längerem  Zwist  vom  Dogen  Urso  im  Januar  880  mit  dem  Patriarchen  Walpert 
abgeschlossene  Friedensvertrag  besonders  lehrreich.  Dem  Patriarchen  wurde 
darin  für  die  Zeit  seines  Lebens  die  Aufhebung  der  von  Venedig  über  den 
Hafen  von  Aquileja,  Pylus,  verhängten  Sperre  zugesichert,  indessen  nur 
unter  der  Voraussetzung,  daß  auch  er  die  althergebrachten  Rechte  der 
Venezianer  respektierte,  daß  er  sie  insbesondere  im  Genuß  aller  Einkünfte, 
die  ihnen  im  Hafen  des  Patriarchen  zuständen,  sowie  im  Besitz  der  vier 
Häuser  (mansiones),  die  sie  nach  altem  Herkommen  im  Hafen  hätten, 
schütze,  daß  er  jede  Belästigung  von  ihnen  fernhalte  und  dafür  Sorge 
trage,  daß  sie  nach  alter  Sitte  sicher  kaufen  und  verkaufen  könnten  und 
sich  dabei  bei  allen  Handelsgeschäften,  falls  sie  nicht  etwa  für  Rechnung 
von  Nicht -Venezianern  erfolgten,  völliger  Abgabenfreiheit  erfreuten  wie 
bisher,  i) 

Häufig  freihch  kam  es  auch  in  der  Folge  zu  schlimmen  Streitigkeiten 
zwischen  den  beiden  Parteien;  Grado,  die  Inselstadt  vor  den  Lagunen 
Aquilejas,  war  dem  Patriarchen  nicht  bloß  als  Sitz  des  rivaüsierenden 
Patriarchats,  sondern  schon  wegen  seiner  sperrenden  Lage  ein  Dorn  im 
Auge.  Als  ein  besonders  gefährlicher  Gegner  erwies  sich  der  Patriarch  Poppo, 
der  auch  seine  Stadt  zu  leidhcher  Blüte  gebracht  zu  haben  scheint,  da  er 
in  der  Lage  war,  am  13.  Juli  1031  bei  der  Einweihung  des  neuen  Doms 
seinen  Kanonikern  zur  Nutznießung  auf  dem  Markte  zu  Aquileja  30  und 
im  Hafen  Pilo  20  Verkaufsstände  (stationes)  zu  überweisen.  Noch  kurz 
vor  seinem  Tode  eroberte  er  Grado  und  plünderte  es  schrecklich  aus.'-^) 
Schließlich  aber  erwies  sich  Venedigs  Einfluß  doch  als  der  mächtigere,  und 
Grado  behauptete  sich  in  seiner  Stellung. 

7.  Über  die  Handelsbeziehungen  Venedigs  zu  seinem  unmittelbaren 
Hinterlande  sind  wir  nur  für  die  Zeit  des  großen  Dogen  Peter  H.  Orseolo, 
für  diese  allerdings  ungewöhnhch  gut,  unterrichtet.  Als  in  einem  Streit 
Venedigs  mit  dem  Bischof  von  Belluno  um  das  Gebiet  von  Cittanuova 
(Herachana,  zwischen  Piave  und  Livenza),  das  die  vormundschaftliche 
Regierung  am  1.  Mai  995  dem  Dogen  zuerkannt  hatte  ^),  der  Bischof  die 
Unterstützung  seiner  Nachbarn  und  besonders  des  Herzogs  Heinrich  von 
Verona  fand,  verbot  der  Doge  nach  Erschöpfung  aller  anderen  Mittel  und 
mit  Zustimmung  des  königlichen  Gesandten  selber  allen  Venezianern  jegliche 
Art  des  Handelsverkehrs  mit  den  Marken  von  Istrien  und  Verona.  Dieses 
Gegenstück  der  Handelssperre  von  983  erwies  sich  als  so  wirksam,  daß  die 
Feinde  noch  vor  Jahresfrist  um  Frieden  baten   und  den  Anspruch  Venedigs 


')  Ughelli  V,  41  f. 

»)  Ughelli  V,  52  f.     Breßlau  II,  176. 

«)  Dipl.  O III  no.  165,  p.  577.  Nochmalige  Bestätigung  7  Jan.  999  ib.  p.  734 
(vielleicht  nur,  weil  man  kaiserliche  Bestätigung  wünschte).  Schmeidler  I.  c. 
560. 


10  Erstes  Kapitel. 

anerkannten.  1)  Gleichzeitig  erlangte  Venedig  weitere  Vorteile  von  Otto  III. 
selbst,  der  gerade  damals  seinen  ersten  Römerzug  unternahm.  Von  Ravenna 
aus  verlieh  er  dem  Dogen  in  Ausübung  des  ihm  als  Lehnsherrn  zustehenden 
Marktregals  auf  die  Bitte  seiner  Gesandten  Peter  Gradonigo  und  Johannes 
diaconus  (des  späteren  Biographen  des  Dogen)  am  1.  Mai  996  das  Recht, 
an  drei  Orten  seines  Gebiets,  in  San  Michele  del  Quarto  sowie  an  einer 
beliebigen  Stelle  des  Piave  und  Sile  je  einen  Hafen  mit  Markt  und  aUen 
ihm  nützlich  erscheinenden  Einrichtungen  anzulegen  und  alle  Zölle  und 
sonstigen  Gefälle  daselbst  im  Namen  Venedigs  zu  erheben;  allen,  die  sich 
dorthin  begeben  würden,  wurde  vom  Kaiser  volle  Sicherheit  auf  dem  Hin- 
und  Rückwege  wie  bei  der  Ausübung  ihrer  Handelsgeschäfte  selbst  verheißen.^) 

Im  folgenden  Jahre  gewann  Venedig  auch  an  der  Livenza  eine  für 
seinen  Handel  wichtige  Stellung  durch  einen  Vertrag  mit  Bischof  Sicard 
von  Ceneda  (März  997),  der  den  Venezianern  gegen  einen  Jahreszins  von 
65  Pfund  Öl  die  Hälfte  des  Castrum  und  des  Hafens  von  Settimo  (an  der 
Grenze  der  Schiffbarkeit  der  Livenza,  oberhalb  Portobuffole)  mit  allem 
Zubehör  an  Grundstücken  und  Rechten  und  allen  Erträgnissen  in  LibeUar- 
pacht  auf  29  Jahre  mit  dem  Recht,  die  Pacht  nach  Ablauf  dieser  Zeit  zu 
erneuern,  überließ. 3)  Nach  Sicards  Tode  wurde  dieser  Vertrag  mit  dem 
neuen  Bischof,  Grausa,  im  Juli  1001,  abermals  auf  29  Jahre  erneuert  und 
nunmehr  auf  1/3  der  Zolleinkünfte  des  Hafens  Villanova  an  der  Livenza 
ausgedehnt  4),  während  der  Jahreszins  auf  60  Pfund  Öl  herabgesetzt  wurde. 
Dabei  wurde  den  Venezianern  noch  für  jeden  ihrer  Verkaufsstände  (statio) 
in  diesem  Hafen  für  Salz  bis  zu  einem  Quantum  von  20  modia  Abgaben- 
freiheit bewilligt.  Außerdem  verbürgte  sich  der  Bischof  für  die  Sicherheit 
des  Verkehrs  der  Venezianer  mit  dem  Hafen  und  in  seinem  ganzen  Gebiet ; 
falls  Venezianer  in  seinem  Machtbereich  geschädigt  werden  sollten,  versprach 
er  binnen  30  Tagen  für  Restitution  zu  sorgen ;  unterließe  er  das,  so  sollte  er 
außer  zu  Schadenersatz  zu  einer  Buße  von  5  Pfund  Silber  verpflichtet  sein, 
und  der  Doge  sollte  das  Recht  haben,  bis  zur  Erfüllung  dieser  Verpflichtung 
den  Hafen  in  Besitz  zu  nehmen.  Umgekehrt  gestand  der  Doge  dem  Bischof, 
falls  bei  Schädigungen  der  Leute  des  Bischofs  durch  Venezianer  nicht  binnen 
30  Tagen  Remedur  erfolgte,  das  Recht  zu,  an  allen  nach  dem  Hafen  kom- 
menden Venezianern  bis  zur  Höhe  des  erlittenen  Schadens  Represalien 
zu  üben. 

Vermutüch  sind  die  auffallend  günstigen  Bestimmungen  des  neuen 
Vertrages  eine  Folge  der  Konkurrenz  von  Treviso,  mit  dem  Venedig  kurz 
zuvor  ö)  einen  ähnlichen  Pachtvertrag  auf  die  gleiche  Zeitdauer  abgeschlossen 


*)  Joh.  diac.  151  ff.  mit  den  Bemerkungen  Monticolos.  Hirsch  I,  170  tf. 
Kohlschütter  23  ff.,  84,  87  ff.  Lenel  6  f.     Benussi  631. 

2)  Dipl.  Olli  no.  192,  p.  600  f.  Schmeidler  1.  c.  5.^5,  567.  Der  Ort  »Sanctus 
Michaelis  qui  dicitur  Quartus«  (Kohlschütter  p.  29)  lag  unweit  von  Altinum,  auf  der 
anderen  Seite  des  Flüßchens  Zero  (nordöstl.  Mestre);  s.  die  Carta  idrografica  bei 
G.  Veronese;  La  laguna  di  Venezia  in  Atti  Ven.  63  (1904),  1  p.  137  ff. 

s)  Ughelh  V,  177.     Gfrörer  I,  385  ff".     Kohlschütter  30;  68.     Breßlau  T,  155. 

*)  Ughelli  V,  179.  Der  mehrfach  verderbte  Text  zeigt  für  den  Namen  des 
Ortes  die  Form  »Vilanoc,  was  ich  für  eine  Verkürzung  halte.  Kohlschütter  31 
Anm.  1  nimmt  einen  wahrscheinlich  am  Ausfluß  der  Livenza  gelegenen  Ort  an. 

6)  Ughelli  V,  507.  Die  Urkunde  ist  datiert  anno  imperii  V  und  ind.  XIV, 
gehört  also  in  die  Zeit  zwischen  September  1000  und  19.  Mai  1001  (20.  Mai  Krönungs- 
tag Ottos).  Kohlschütter  32.  Biscaro  G. :  II  comune  di  Treviso  e  i  suoi  piü  antichi 
statuti  fino  al  1218  im  N.  Arch.  ven.,  n.  s.  UI  (1902)  p.  142. 


Venedig,  1 1 

hatte.  In  diesem  überließ  Bischof  Rozzo  dem  Dogen  gegen  einen  jährlichen 
Pachtzins  von  4  Goldbyzantien  oder  2  1.  ven.  (nach  Wahl  des  Bischofs) 
Vs  des  seiner  Kirche  im  Hafen  von  Treviso  zustehenden  Zolls,  ferner  drei 
Häuser  (mansiones)  und  so  viel  Land,  als  die  Venezianer  für  die  Tage  des 
gemeinsam  abzuhaltenden  Marktes  zur  Errichtung  ihrer  Verkaufsstände 
(stationes)  bedürfen  würden;  sie  sollten  gegenüber  den  trevisanischen  auf- 
gebaut werden  und  an  Zahl  1/3  der  gesamten  Verkaufsstände  erreichen  dürfen. 
Vom  Vierzigsten,  der  vom  Salz  wie  von  allen  anderen  durch  die  Venezianer 
importierten  Waren  (de  omnibus  esteris  rebus)  erhoben  werden  sollte,  wurde 
das  von  den  Venezianern  in  ihren  eigenen  Salinen  gewonnene  Salz  bis  zum 
Jahresbetrage  von  300  modia  befreit;  vom  Wein  waren  4  den.  für  die 
Amphora  1)  zu  entrichten.  Auch  hier  verbürgte  sich  der  Bischof  für  die 
volle  Sicherheit  der  Venezianer;  besonders  interessant  aber  ist  es,  daß  den 
Venezianern  das  Recht  eingeräumt  wurde,  im  Hafen  von  Treviso  einen 
Gastalden  (gastaldionem)  einzusetzen,  der  den  auf  Venedig  entfallenden 
Zollanteil  einzuziehen  hatte,  dem  aber  auch  die  Aufsicht  und  wohl  auch 
die  Rechtsprechung  über  die  daselbst  weilenden  Venezianer  oblag  (qui 
vestra  exigere  debet  et  vestros  homines  distringere).  Venedig  verpflichtete 
sich  seinerseits,  den  Besuch  des  Hafens  von  Treviso  nicht  zu  untersagen, 
es  sei  denn,  daß  eine  allgemeine  Handelssperre  gegen  alle  Häfen  der  Mark 
angeordnet  werden  müßte.  2) 

Aus  allem  ergibt  sich,  wie  wichtig  die  kleinen  Küstenflüsse  Venetiens 
für  den  damaligen  Handelsverkehr  waren  3),  zumal  jeder  direkte  Verkehr 
mit  Venedig  nur  zu  Schiffe  möglich  war.  Zu  den  genannten  Wasserläufen 
trat  noch  der  Lemene,  der  bis  oberhalb  Portogruaro  schiffbar  ist,  und 
namentlich  die  Brenta,  die  den  Verkehr  mit  Padua  vermittelte,  hinzu;  ein 
Zeugnis  für  den  Verkehr  mit  dem  Paduanischen  liegt  in  der  Bitte  vor,  die 
die  Bewohner  von  Pieve  di  Sacco  (so.  Padua)  dem  Dogen  gegen  Ende 
seiner  Regierung  vortrugen,  er  möge  doch  für  sie,  die  sie  gewohnt  seien, 
des  Handels  wegen  die  Orte  des  gesamten  venezianischen  Gebiets  zu  besuchen, 
von  der  Erhebung  besonderer  Handelsabgaben  (ripaticum  und  toloneum) 
absehen,  da  sie  bisher  nirgends  solche  gezahlt  hätten  und  nur  zu  einem 
jährlichen  Gesamttribut  von  200  Pfund  Flachs  verpflichtet  gewesen  wären; 
der  Doge  genehmigte  ihre  Bitte,  nachdem  die  Richtigkeit  ihrer  Behauptung 
durch  zwölf  Zeugen  eidlich  bekundet  worden  war.  4) 


*)  So  ist  sicher  mit  Kohlschütter  32  für  angaria  zu  lesen,  wie  offenbar  auch 
das  quadragesimum  modicum  durch  medium  zu  ersetzen  ist. 

^)  Breßlau  I,  155  will  in  diesem  Vertrage  nur  die  Erneuerung  eines  alten 
Vertrages  sehen,  weil  schon  Kaiser  Berengar  und  seine  Nachfolger  und  ebenso 
später  Heinrich  II.  (1014)  den  Bischöfen  nur  */,  vom  Zollertrage  und  Marktgelde 
des  Trevisaner  Hafens  bestätigt  hätten,  was  in  dem  Umstand,  daß  den  Venezianern 
das  dritte  Drittel  zustand,  seine  einfache  Erklärung  finde.  Lenel  6  A.  2  stimmt 
zu.  Wäre  das  richtig,  so  würde  die  Urkunde  jede  Bedeutung  für  die  Handelspolitik 
des  Dogen  verlieren.  Aber  abgesehen  davon,  daß  die  Urkunde  selbst  keinerlei 
Hindeutung  auf  eine  bloße  Erneuerung  enthält,  spricht  dagegen  das  entscheidende 
Bedenken,  daß  es  sich  um  eine  bloße  Verpachtung  handelte  und  daß  der  Kaiser 
und  der  Bischof  ein  solches  verpachtetes  Drittel  doch  unmöglich  als  nicht  mehr  zum 
rechtlichen  Besitz  der  Kirche  von  Treviso  gehörig  ansehen  konnten.  Die  Urkunde  Be- 
rengars  (9.  Januar  905)  bei  Schiaparelli  no.  52,  p.  149  ff. 

3)  Vgl.  auch  Marin  U,  109. 

■•)  Gloria  p.  114  no.  82,  der  die  Urkunde  zu  1005  setzt;  Kohlschütter  p.  56 
und  71:  zwischen  1007  und  1009. 


12  Erstes  Kapitel. 

Südlich  erstreckte  sich  das  Gebiet  Venedigs  bis  zur  Etsch,  deren 
Mündung  das  Kastell  Loreo  (Lauretum)  zu  beherrschen  bestimmt  war,  ein 
Besitz,  der  den  Venezianern  freilich  öfter,  namentlich  vom  Bischof  von 
Adria,  streitig  gemacht  wurde,  i)  Im  Oktober  1094  entschloß  sich  der  Doge 
Vitale  Falieri,  das  Kastell  von  Grund  aus  neu  bauen  und  mit  starken 
Befestigungen  versehen  zu  lassen,  um  den  Verkehr  wirksamer  überwachen 
und  den  Räubereien,  die  in  dieser  Gegend  häufig  vorfielen,  kräftig  entgegen- 
treten zu  können;  die  Venezianer,  die  mit  dem  Kastell  und  seinem  Gebiet 
belehnt  wurden,  übernahmen  neben  einem  geringen  Zins  an  Naturalien 
die  Bewachung  des  Kastells  und  die  Befriedung  des  Weges;  Pfarrer  und 
Gastalden  versprach  der  Doge  der  neuen  Gemeinde  nur  mit  ihrer  Zustimmung 
zu  setzen.  2) 

8.  Führte  die  Etsch  den  venezianischen  Kaufmann  nach  Verona,  wie 
uns  die  Pacta  seit  983  zeigen,  so  lehrt  uns  dieselbe  Quelle,  daß  er  für  den 
Weg  nach  der  Lombardei  nicht  minder  auch  die  mächtige  Wasserstraße 
des  Po  bis  zum  Tessin  aufwärts  zu  benutzen  pflegte;  überall  war  ihm  der 
Wasserweg  der  natürhche  Handelsweg.  So  erscheint  der  bei  weitem  größte 
Teil  des  Pogebiets,  zumal  seitdem  Comacchio  zur  Bedeutungslosigkeit  herab- 
gedrückt war,  ebenfalls  als  Hinterland  Venedigs,  das  ihm  sein  eigenes 
Hauptprodukt,  das  Salz 3),  und  die  aus  dem  Orient  importierten  Waren 
abnahm  und  ihm  dafür  namentlich  Lebensmittel  jeder  Art  lieferte.  Bischof 
Liutprand  von  Cremona  bezeugt  ausdrücklich,  daß  der  Eintausch  der  von 
Konstantinopel  her  importierten  Kostbarkeiten  sich  gegen  die  Lieferung  von 
Lebensmitteln  an  die  Kaufleute  Venedigs  und  Amalfis  von  selten  der 
Lombarden  vollzog.*)  Häufig  begegnen  wir  venezianischen  Fahrzeugen  auf 
dem  Po  und  seinen  Zuflüssen  in  den  Privilegien  der  Herrscher.  Unter  den 
Schiffen,  die  poaufwärts  nach  Cremona  fuhren  oder  seinen  Hafen  passierten, 
hebt  ein  auf  Vorlagen  des  9.  Jahrhunderts  zurückgehendes  Privileg  Ottos  IH. 
für  den  Bischof  vom  Jahre  996  die  venezianischen  besonders  hervor  0);  am 
Anfang  des  10.  Jahrhunderts  begegnen  wir  ihnen  auf  den  kleinen  Flußläufen 
der  Grafschaft  Reggio,  und  aus  einem  Privileg  Ottos  I.  für  den  Bischof  von 
Bergamo  von  968  geht  hervor,  daß  venezianische  Fahrzeuge  den  Oglio 
aufwärts  bis  Monasterolo  fuhren,  wo  dem  Bischof  Hafen  und  Uferzoll  ver- 
liehen wurden.  ^)  Die  bekannte,  von  Notker,  dem  Mönch  von  Sankt  Gallen, 

^)  Kohlschütter  p.  55  ff.,  59.  Gfrörer  I,  427.  Vertrag  mit  dem  Bischof  1017; 
Murat.  Ant.  I,  241. 

*)  Minotto  m,  1,  p.  2  f.    Romanin  I,  392  f.,  no.  19. 

')  Für  die  älteste  Zeit  hebt  bekanntlich  Cassiodorius  stark  hervor,  daß  den 
Bewohnern  der  venezianischen  Inseln  »in  salinis  exercendis  tota  contentio  esset  et 
inde  eis  fructus  omnis  enasceretur«  1.  XU,  ep.  24  (Auct.  antiquiss.  XII,  380).  Mit 
dem  Aufblühen  seines  überseeischen  Handels  schwächte  sich  natürlich  die  an  sich 
immer  sehr  große  Bedeutung  des  Salzhandels  für  Venedig  relativ  ab.  Urkunden 
über  Schenkungen  von  Salinen  an  das  Kloster  S.  Giorgio  maggiore  1081  imd  1090 
bei  Cecchetti  p.  43,  35.  S.  auch  Hartmann  :  Die  wirtschaftlichen  Anfänge  Vene- 
digs, in  der  Viertel] ahrschr.  f.  Soz.-  u.  Wirtschaftsgesch.  II  (1904),  434  f. 

*)  »A  Venetieis  et  Amalphitanis  institoribus  .  .  .,  qui  nostris  ex  victualibus, 
haec  (seil,  pallia  etc.)  ferendo  nobis,  vitam  nutriunt  suam.<  SS.  HI,  337  (Legatio  c.  55). 

»)  Dipl.  0  ni  no.  204,  p.  614.  Das  Privileg  Konrads  H.  von  1031  (Stumpf 
Acta  no.  291)  läßt  bezeichnenderweise  die  venezianischen  Schiffe  an  der  entsprechen- 
den Stelle  fort. 

8)  Schiaparelli  no.  81  (für  Nonantola")  und  94  (für  den  fidelis  Lupus)  p.  219 
und  249.  Dipl.  O  I  no.  364,  p.  500.  S.  dazu  besonders  für  das  9.  Jahrhundert, 
Hartmann :  Zur  Wirtschaftsgesch.  p.  79  ff. 


Venedig.  13 

erzählte  Anekdote  von  den  Gefährten  Karls  d.  Gr.,  die  mit  prunkvollen 
Gewändern  zum  Kaiser  kamen,  die  sie  von  Pavia  mitgebracht,  zeigt  uns  die 
Venezianer  als  Importeure  der  Schätze  des  Orients  nach  der  alten  Haupt- 
stadt der  Langobarden  1) ;  daß  ein  solcher  Verkehr  auch  in  unserer  Zeit 
noch  fortbestand,  wird  dadurch  bewiesen,  daß  der  Doge  Otto  Orseolo 
(1009 — 1026),  aus  welcher  Veranlassung  wissen  wir  nicht,  einmal  durch 
Vernehmung  von  sachverständigen  Zeugen  amtlich  feststellen  ließ,  daß  es 
verboten  sei,  die  kostbaren  Seidenzeuge  (paUia)  an  anderen  Orten  des 
itaUschen  Königreichs  zum  Verkauf  zu  stellen  als  in  Pavia  und  auf  den 
beiden  Hauptmessen  von  Ferrara.^) 

9.  Für  den  Handelsverkehr  der  Venezianer  endlich  mit  den  zahlreichen 
Küstenplätzen  südlich  der  Pomündung,  die  die  Pacta  aufzählen, 
besitzen  wir  im  übrigen  nur  ein  positives  Zeugnis ;  in  der  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts hören  wir  zufällig  einmal  von  7  venezianischen  Schiffen,  die  mit 
Waren  beladen  in  der  Pomündung  (in  porto  qui  vocatur  Primarius)  lagen, 
im  Begriff,  nach  Fano  abzusegeln.  3)  Der  aus  Venedig  vertriebene  gleich- 
namige Sohn  des  Dogen  Peter  Candiano  überfiel  sie  (959)  mit  6  ravennati- 
schen  Schiffen  und  nahm  sie  weg;  bald  darauf  aber  starb  sein  Vater;  er 
wurde  zurückberufen  und  zum  Dogen  erhoben.  Der  Vorgang  enthüllt  uns 
die  natürliche  Handelseifersucht  Ravennas  auf  Venedig;  vorher  schon 
(um  940)  hatten  Ravenna  und  Comacchio  durch  Vergewaltigung  veneziani- 
scher Kaufleute  das  kriegerische  Einschreiten  Venedigs  hervorgerufen,  das 
zur  völligen  Demütigung  Comacchios  führte  ^) ;  auch  Ravenna  war  stark  im 
Sinken,  seit  die  langobardische  Eroberung  den  Verlust  der  Verbindung  mit 
Byzanz  herbeigeführt  hatte. 

10.  Aus  der  Zeit  der  Wirren  ging  Venedig  den  slavischen  See- 
räuberstämmen an  der  Ostseite  der  Adria  gegenüber  tribut- 
pflichtig hervor. 

Die  vielgewundenen  Buchten  und  langgestreckten  Kanäle  der  Steilküste 
Dalmatiens  und  der  zahlreichen  vorgelagerten  Inseln  boten  den  kroatischen 
Piraten  für  ihre  Raubfahrten  die  trefflichsten  Ausgangspunkte  und  Schlupf- 
winkel. Häufig  genug  endeten  die  Seezüge  der  Venezianer  gegen  sie  mit 
Mißerfolgen ;  und  die  Venezianer  verstanden  sich  schließlich  (wohl  noch  im 
9.  Jahrhundert)  dazu,  durch  die  Zahlung  eines  jährlichen  Tributs  an  den 
mächtigsten  und  gefährlichsten  der  Seeräuberstämme,  die  Narentaner,  die 
ständige  Gefährdung  ihrer  Handelsschiffahrt  abzuwenden;  waren  diese  See- 
räuber doch  auch  die  Hauptlieferanten  für  die  Menschenware,  mit  der  die 
venezianischen  Kaufleute  trotz  nicht  selten  wiederholter  amtlicher  Verbote 
lange  Zeit  hindurch  einen  sehr  gewinnbringenden  Handel  trieben.  Auch 
die  unter  Peter  III.  Candiano  948  unternommene,   von  der  Sage   zu  einem 

^)  ...  ad  quam  (seil.  Paviam)  nui)er  Venetici  de  transmarinis  partibus  omnes 
Orientalium  divitias  advectarant.  SS.  II,  760. 

2)  Job.  diac.  178  f.  SS.  Vn,  38.  Heyd  I,  116.  Lenel  52.  Gfrörer  I,  434  kon- 
struierte daraus  eine  über  Venedig  verhängte  Handelssperre ;  aber  auch  Schulte 
irrt,  wenn  er  I,  76  A.  2  allgemein  behauptet,  Heinrich  II.  habe  die  Venezianer  auf 
die  Messen  von  Pavia  und  Ferrara  eingeschränkt.  Die  Beschränkung  bezieht  sich 
nur  auf  pallia,  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  sie  erst  von  Heinrich  H  ver- 
fügt worden  ist.     Der  Irrtum  jetzt  auch  bei  Hartmann  82  A.  2. 

3)  Joh.  diac.  137. 

*)  Ib.  133.  Manfroni  72.  Näheres  über  den  Niedergang  Comacchios  bei  Hart- 
mann 89  f. 


14  Erstes  Kapitel. 

großen  Erfolge  gestempelte  Expedition  hat  an  diesem  Stande  der  Dinge 
nichts  geändert!),  und  das  960  neu  eingeschärfte  Verbot  des  Sklavenhandels 
verbot  den  Schiffsführern  den  Transport  von  Sklaven  wie  von  Venedig  und 
Istrien,  so  auch  besonders  von  Dalmatien  aus.  2) 

Einen  durchgreifenden  Umschwung  hat  auch  auf  diesem  Gebiete 
erst  die  Regierung  des  großen  Dogen  Peter  IL  Orseolo  herbeigeführt. 
Er  versagte  den  Narentanern  ihren  Tribut;  ein  venezianisches  Ge- 
schwader eroberte  zunächst  das  von  den  größeren  Inseln  Dalmatiens 
am  weitesten  in  das  Meer  hinaustretende  Lissa,  und  an  der  Spitze 
des  mächtigen  Seezuges,  der  am  Himmelfahrtstage  (9.  Mai)  des  Jahres 
1000  Venedig  verließ,  konnte  der  Doge  die  Huldigung  der  Inseln 
des  Quarnero  und  der  dalmatinischen  Küstenstädte  bis  Ragusa,  von 
denen  bisher  nur  Zara  eine  gemsse  Oberhoheit  Venedigs  anerkannt 
hatte,  entgegennehmen;  die  Inseln  Curzola  und  Lesina  wurden 
genommen  und  das  gefährlichste  Raubnest  der  Narentaner  auf  der 
Insel  Lagosta  völlig  zerstört.  Die  so  gewonnene  Vormachtstellung 
Venedigs  im  Osten  der  Adria  kam  in  dem  neuen  Titel  eines  »Herzogs 
der  Dalmatiner«,  den  der  Doge  seit  dieser  Zeit  führt,  zum  Ausdruck; 
jedenfalls  stellt  er  eine  Verleihung  des  Hofes  von  Byzanz  dar,  dessen 
formelle  Oberhoheit  weder  von  Dalmatien  noch  von  Venedig  bestritten 
wurde.  ^) 

Es  ist  begreifhch,  daß  so  glänzende,  in  einem  Zuge  von  zwei  Monaten 
errungene  Erfolge  nicht  sämtlich  auch  gleich  von  dauerndem  Bestände 
waren.  Zwar  von  den  Inseln  des  Quarnero  hören  wir  im  Jahre  1018,  daß 
sie  nach  einem  Seezuge  des  Dogen  Otto  Orseolo  Tribut  zahlten,  Veglia 
jährlich  zu  Weihnachten  30  Fuchsfelle,  Cherso  40  Marderfelle,  Arbe  10  Pfund 
Seide"*)  —  aber  nach  dem  Sturze  der  Orseoli  trat  ein  entschiedener  Rück- 
gang ein,  und  selbst  Zara  mußte  um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  noch 
einmal  erobert  werden,  s)  Indessen  hielten  die  Venezianer  doch  an  ihrem 
Hoheitsanspruch  mit  Zähigkeit  fest;  als  die  Norraannengefahr  zur  See  auf- 
tauchte und  die  Pforte  der  Adria  durch  diesen  neuen  Feind  gefährdet  war, 
verstanden  sich  die  Städte  Spalato,  Trau,  Zara  und  Belgrad  (Zara  vecchia) 
im  Februar  1076  dazu,  »ihrem  Herrn,  dem  Herzoge  von  Venetien  und' 
Dalmatien« ,   feierlich  zu  versprechen,   jeden,    der  Normannen   oder    andere 


I 


I 


1)  Joh.  diac.  112  ff.,  118,  122,  128.  Dümmler  I,  346  f.,  HI,  25  f.  Derselbe  in 
seiner  Abb.  über  die  älteste  Gescb.  der  Slaven  in  Dalmatien :  Sitz.-Ber.  der  Wiener 
Ak.  der  Wiss.,  phil.-hist.  Kl.  XX,  403  ff.  Huber,  Gesch.  Österreichs  I  (1885),  319  ff. 
Benussi  597  ff.,  620  ff.  Manfroni  47,  69  f.,  72  f.  Hartmann :  Die  wirtsch.  Anfänge 
Venedigs  1.  c.  441. 

■'')  Romanin  I,  371.     Ljubic  I  no.  1. 

3)  Joh.  diac.    153,    155  ff.      Gfrörer  I  Kap.  31.     Hirsch  I,  168  f.     Kohlschütter. 
36  ff.     Lenelllf.     Benussi   632  f.     Manfroni   78  ff .     Schlumberger   H,    316  ff.    (setzt, 
den  Zug  ins   Jahr  1001).     Lazzarini :     I   titoh  dei  Dogi    di   V.  im  N.  Arch.  ven.,  n. 
s.  V  (1903),  276  f.     Der  Titel  dux  Dalmatianorum  findet  sich  zuerst  im  Vertrage  mit< 
dem  Bischof  von  Treviso. 

^)  Ljubi6  I  no.  2,  3.     Racki  no.  24  —  27.     Vassilich  G. :  Dopo  i  »due  tributi«. 
I^e  isole  del  Quarnero  nell'  XI   secolo   im  Archeografo  Triestino    n.  s.,  XIII  (1887): 
p.  287  ff.     Benussi  638  f.     Schmeidler,  Dux  u.  comune  Ven.  p.  28  f. 

6)  Lenel  14  f.     Manfroni  81  f. 


Venedig.  15 

Feinde  ins  Land  brächte,  als  Hochverräter  mit  dem  Tode  und  Vermögens- 
konfiskation zu  bestrafen.!)  Das  am  weitesten  entfernte  Ragusa  freilich 
hatte  sich  der  venezianischen  Hoheit  ganz  (und  für  lange  Zeit)  entzogen; 
ragusanische  Schiffe  standen  zusammen  mit  Schiffen  des  abgefallenen  Spalato 
auf  selten  Robert  Guiscards,  als  dieser  1081  den  offenen  Krieg  gegen  die 
Griechen  und  ihre  venezianischen  Verbündeten  begann.  2) 

Nachdem  die  Normannengefahr  durch  den  jähen  Tod  Roberts  beseitigt 
war,  gelang  es  den  Venezianern  bald,  ihre  Autorität  in  Dalmatien  in  dem 
bisherigen  Umfange  herzustellen;  1097  verpflichten  sich  Spalato  und  Trau 
den  venezianischen  Abgeordneten  gegenüber,  einige  Schiffe  zur  venezianischen 
Flotte  stoßen  zu  lassen,  sobald  sie  nach  diesen  Orten  käme. 3)  Wenn  sie 
ihren  Herrn  hier  zugleich  Herzog  von  Dalmatien  und  Kroatien  nennen,  so  bezieht 
sich  das  darauf,  daß  der  Doge  nach  dem  Erlöschen  des  mit  den  regierenden 
Geschlechtern  in  Zara  verschwägerten  kroatischen  Königshauses  letzteren 
Titel  angenommen  hatte,  mit  dem  freilich  keinerlei  Machtzuwachs  verbunden 
war;  vielmehr  begann  gerade  damals  von  selten  des  ungarischen  Königtums, 
mit  dem  Venedig  früher,  namentüch  zur  Zeit  Stephans  des  HeiUgen,  in 
gutem  Einvernehmen  gestanden,  eine  Bedrohung  der  venezianischen  Macht- 
stellung an  der  dalmatischen  Küste.*)  Immerhin  war  für  den  Handel 
Venedigs  an  dieser  Küste  alles  geschehen,  was  erforderhch  war;  die  früher 
so  bösartige  Piraterie  war  in  der  Hauptsache  unterdrückt,  die  Sicherheit 
der  Schiffahrt  auf  der  Adria  verbürgt  und  dem  Handel  Venedigs  mit  den 
Seeplätzen  Dalmatiens  das  Übergewicht  gesichert ;  denn  Ragusa,  obwohl  von 
Venedig  unabhängig,  aber  wie  dieses  zum  griechischen  Reiche  gehörig, 
reichte  an  kommerzieller  Bedeutung  nicht  entfernt  an  Venedig  heran,  so 
rührig  auch  die  hier  wie  in  den  anderen  Seestädten  Dalmatiens  der  romani- 
schen Rasse  angehörige  Oberschicht  der  Bevölkerung  sich  unter  den  gegebenen 
kleinen  Verhältnissen  dem  Seewesen  und  Seehandel  widmen  mochte.  0) 

11.  Von  größter  Wichtigkeit  für  die  Beteiligung  Venedigs  am 
Welthandel  der  Zeit  war  die  enge  Verbindung,  in  der  es  seit  den 
Zeiten  des  großen  Gotenkrieges  mit  Byzanz  stand  und  auch  während 
der  Zeit  der  Wirren  fortdauernd  verblieben  war,  wenn  auch  das  Maß 
des  politischen  Einflusses,  den  Konstantin opel  in  Venedig  übte,  nach 
der  Stärke  oder  Schwäche  der  Reichsgewalt,  nach  der  Notwendigkeit 
der  Rücksichtnahme  auf  die  Flotte,  die  Venedig  zu  stellen  imstande 
war,  nach  den  Parteiverhältnissen  in  Venedig,  dessen  selbstgewählte 
Dogen  der  Bestätigung   von  selten  des  Kaisers  bedurften,    recht  ver- 


»)  Tafel  u.  Thomas  I,  41  ff.     Ljubiö  I  no.  4.     Lenel  17. 

«)  Gull.  Apul.  IV  V.  134,  302  (SS.  IX,  285).     v.  Heinemann  313. 

')  Spalato  verspricht  unam  saginam  vel  duas  gattas;  die  Urkunde  von  Trau 
ist  lückenhaft.     Ljubi6  I  no.  5  u.  6.     Racki  no.  138,  139. 

*)  Lenel  18  &.,  101.  Dazu  Simonsfeld,  Hist.  Zeitschr.  84  (1900),  434,  440  f.  Der 
Titel:     »Herzog  von  Kroatien«  ist  1094  zuerst  nachweisbar.     Romanini,  392. 

»)  Über  Ragusas  Lage  und  ältere  Geschichte  Jirecek  3  ff.,  Verhältnis  zu  den 
Normannen  50  A.  26.  Wenn  J.  den  im  13.  u.  14.  Jahrhundert  in  Ragusa  für  die 
Miete  von  Lasttieren  gebräuchlichen  Ausdruck  naulum,  naulizare  als  charakteristisch 
für  das  höhere  Alter  des  Seehandels  ansieht  (52  A.  34),  so  erscheint  er  mir  viel- 
mehr für  das  große  Übergewicht  des  Seehandels  in  Ragusa  beweisend.  Bestimmte 
Zeugnisse  für  den  Seehandel  Ragusas  in  unserer  Periode  hat  auch  die  sorgsame 
Forschung  Jireceks  nicht  beibringen  können. 


16  Erstes  Kapitel.  j^^^^« 

schieden  war.^)  Kräftige  Kaiser  konnten  noch  in  der  2.  Hälfte  oe^^ 
10.  Jahrhunderts  ihren  Willen  auch  in  Sachen  des  Handels  und  Ver- 
kehrs entschieden  genug  geltend  machen.  Im  Juni  desselben  Jahres 
960,  in  dem  Kreta  zum  großen  Vorteile  auch  des  venezianischen 
'  Handels  den  Sarazenen  von  Nicephorus  Phokas  entrissen  wurde  ^), 
untersagte  der  neue  Doge  Peter  IV.  Candiano  allen  Venezianern  die 
Übermittelung  von  Briefschaften  aus  der  Lombardei,  Deutschland 
(Bayern  und  Sachsen  werden  speziell  genannt)  oder  anderen  Gebieten 
nach  Konstantinopel,  ob  sie  nun  für  den  Kaiser  oder  griechische 
Staatsbeamte  oder  Privatpersonen  bestimmt  seien  ^);  ausgenommen  von 
diesem  Verbot  waren  nur  diejenigen,  die  in  herkömmlicher  Weise 
von  der  venezianischen  Regierung  abgesandt  wurden. 

Danach  scheint  es,  daß  die  Regierung  diesen  Brief  verkehr  insoweit 
zulassen  wollte,  als  sie  sich  amtlich  von  der  Unverdächtigkeit  des  Inhalts 
überzeugt  hatte  und  an  der  Zuverlässigkeit  der  Überbringer  nichts  auszu- 
setzen fand.  4)  Besonders  aber  scheint  die  gleichzeitig  erfolgende  Erneuerung 
des  Verbots  des  Sklavenhandels  einem  Verlangen  des  griechischen  Kaisers  jH} 
entsprochen  zu  haben ;  nicht  bloß  wird  bei  dem  Verbot  des  Sklaventransports  ^*" 
das  griechische  Gebiet  besonders  hervorgehoben,  sondern  es  wird  schon  für 
straffällig  erklärt,  wenn  ein  Venezianer  einem  Griechen  Geld  gab,  damit 
dieser  den  Ankauf  von  Sklaven  besorgte,  oder  wenn  er  von  einem  Griechen, 
Beneventaner  oder  sonst  einer  anderen  Person  im  Zusammenhange  mit  dem 
Sklavenhandel  Geld  oder  Geldeswert  annahm.  Auch  als  der  energische 
Johannes  Tzimiskes  im  Jahre  971  von  Venedig  durchgreifende  Maßregeln 
gegen  die  von  seinen  Untertanen  geübte  Zuführung  von  Kriegskontrebande 
an  seine  sarazenischen  Feinde  verlangte,  fügte  sich  Venedig  ohne  weiteres.  0) 

Im  übrigen  bezeugt  uns  gerade  jenes  Verbot  der  Briefübermitte- 
lung, in  wie  hohem  Grade  Venedig  in  dieser  Zeit  das  Bindeglied 
zwischen  Ober-Italien  und  Deutschland  einerseits  und  Konstantinopel 
andererseits  gewesen  ist.  Das  beweist  auch  der  rege  Gesandtschafts- 
verkehr zwischen  den  deutschen  Königen  und  Byzanz,  der  ausschließ- 
lich über  Venedig  und  auf  venezianischen  Schiffen  erfolgte;  selbst 
unter  Konrad  IL  haben  deutsche  Gesandte  ihren  Weg  nach  Konstan- 
tinopel über  Venedig  genommen.^)  Otto  d.  Gr.  hat  sogar  einmal 
einen  Venezianer   als   seinen  Gesandten   nach  Byzanz   geschickt,   den 


I 


^)  Lentz  E.     Das  Verhältnis  Venedigs  zu  Byzanz  nach  dem  Fall  des  ExaichatS; 
bis  zum  Ausgang  des  9.  Jahrhunderts    Berlin  1891.    Derselbe:    Der  allmähliche  Über- 
gang Venedigs  von  faktischer  zu  nomineller  Abhängigkeit  von  Byzanz,  in :  Byzantin. 
Zeitschr.  III  (1894),  64  fP. 

*)  Ausführlich  darüber  G.  Schlumberger :  Un  empereur  Byzantin  au  Xe  siecle, 
Mcöphore  Phocas.     Paris  1890,  cap.  2,  besonders  p.  67  fE. 

»)  Tafel  u.  Thomas  I,  21  f.     Romanin  I,  370,    no.  8.     Kandier.      Heyd  I,  112. 

*)  Wenn  Uhlirz  189  von  dieser  Maßregel  als  einer  Monopolisierung  des  Post- 
verkehrs mit  Byzanz  spricht,  so  scheint  mir  das  doch  allzusehr  dem  Mißverständnis 
ausgesetzt.  Der  bezügliche  Ausdruck  lautet:  ut  nuUus  V.  epistolam  .  .  .  portare 
presumat,  non  ad  Imperatorem  nee  ad  uUum  alium  Grecum  hominem,  nisi  tantum 
illas,  que  consuetudo  est  de  nostro  palacio. 

6)  Romanin  I,  373,  Nr.  9.     Heyd  I,  113. 

«)  Breßlau  I,  236. 


Venedig.  1 7 

Dominiciis,  der  zuerst  für  den  Sohn  des  Kaisers  um  die  Hand  der 
Prinzessin  Theophano  geworben,  im  übrigen  aber  durch  Überschreitung 
seiner  Vollmachten  die  Unzufriedenheit  des  Kaisers  erregt  hat.^) 

Ein  anderer  kaiserlicher  Gesandter  ist  es;  der  bekannte  mit 
griechischer  Sprache  und  Sitte  vertraute  Bischof  Liutprand  von 
Cremona^),  dem  wir  wertvolle  Mitteilungen  über  den  Handelsverkehr 
der  Venezianer  in  Konstantinopel  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts 
verdanken.  Schon  als  Gesandter  König  Berengars  war  er  949  (wie 
schon  sein  Vater  und  Stiefvater)  dort  gewesen  und  hatte  damals  die  See- 
reise von  Venedig  bis  Byzanz  in  24  Tagen  (25.  August  bis  17.  Septem- 
ber) zurückgelegt;  im  Dienste  Ottos  reiste  er  968  als  Brautwerber  für 
Otto  II.  über  Korfu  und  Patras  dahin,  wo  ihn  bekanntlich  am  Hofe 
des  Nikephoros  die  bittersten  Enttäuschungen  erwarteten.  Aus  seinem 
von  Bosheit  gegen  die  Griechen  durchtränkten  Bericht  erfahren  wir 
doch  auch  von  den  venezianischen  Söldnern  im  griechischen  Heere, 
den  venezianischen  Handelsschiffen  im  Hafen  der  Hauptstadt,  der 
Methode  der  Zollrevision  durch  griechische  Beamte,  der  Musterung 
und  Markierung  der  zum  Export  durch  Venezianer  und  Amalfitaner 
bestimmten  Stoffe,  der  Art  und  Weise,  wie  diese  italienischen  Kauf- 
leute es  verstanden,  auch  die  kostbarsten  Purpur-  und  Seidenzeuge 
und  Gewänder,  deren  Ausfuhr  durch  kaiserliches  Gesetz  streng 
untersagt  war,  deni  abendländischen  Handel  zugänglich  zu  machen.  ^) 
Die  Weltstadt  Byzanz  war  eben  in  dieser  Zeit  das  große  Zentrum 
des  Luxus  jeder  Art,  der  Kunst  und  des  Kunstgewerbes,  der  kost- 
baren Geräte  und  seidenen  Stoffe,  die  die  von  Justinian  begründete 
kaiserliche  Manufaktur  herstellte,  und  Venedig  einer  der  Hauptkanäle, 
durch  die  es  seinen  Überfluß  an  das  Abendland  abgab;  auch  Venedig 
selbst  ließ  Werke  kirchlicher  Kunst  in  Konstantinopel  arbeiten  und 
umgekehrt  fanden  Erzeugnisse,  namentlich  der  abendländischen  Metall- 
industrie, wie  Glocken  und  Prunkschilde,  ihren  Weg  nach  Konstanti- 
nopel.*) Deutlich  erkennen  wir  auch,  wie  die  Griechen  damals  schon 
in  wachsendem  Maße  die  Vermittelung  des  Handelsverkehrs  mit  dem 
Westen   den  Italienern   und   namentlich   den  Venezianern  überließen. 

12.  Das  Tempo  dieser  Entwicklung  steigerte  sich  noch  seit  dem 
Ende  des  10.  Jahrhunderts.    Der  Doge  Peter  IL  Orseolo  erwirkte  bald 


1)  Liutpr.  Leg.  c.  31  (SS.  IH,  354).    Köpke-Dümmler  421,  430.     Uhlirz  20. 

*)  über  ihn  und  seine  Werke  Wattenbach  I',  476  ff.  Giesebrecht  hat  seinen 
(iesandtschaftsbericht  vollständig  in  sein  Werk  aufgenommen;  I^,  523—546. 

ä)  Liutpr.  Antap.  SS.  UI,  338 ;  Leg.  ib.  350,  357,  359.  Liutprand  beklagt  sich 
u.  a.,  daß  ihm,  dem  kaiserl.  Gesandten,  Veneticorum  more  pallia  notentur  (c  55), 
was  mit  einer  Vjulla  plumbea  geschah,  c.  53.     Heyd  1,  55,  112. 

*)  Job.  diac.  143  von  Peter  I.  Orseolo :  in  saneti  Marci  altare  tabulam  miro 
opere  ex  argento  et  auro  Constantinoi)olim  peragere  jussit;  S.  126:  Ursus  dux  .  .  . 
eo  tempore  (ca.  880)  12  campanas  Constantinopolim  misit,  quas  Imperator  (Basilius) 
in  ecclesia  noviter  ab  eo  constructa  posuit ;  et  ex  tempore  illo  Greci  campanas  habere 
ceperunt.  Schenkung  des  Prunkschildes  (miro  opere  doauratum  et  fabricatum), 
Liutpr.  Leg.  c.  65,  SS.  lU,  362.  Köpke-Uümmler  437,  A.  2.  Vgl.  Schlumberger  II, 
629.    Molinier  IV,  1,  S.  65  ff. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  2 


18  Erstes  Kapitel. 

im  Anfang  seines  Regiments,  im  März  992,  von  den  Kaisern  Basillüs 
und  Constantinus  ein  Chrysobull^),  das  dem  venezianischen  Handel 
mit  Byzanz  wesentliche  Vorteile  brachte. 

Während  die  griechischen  Zollbehörden  (die  commerciarii)  bisher  bei 
der  Erhebung  der  Schifiszölle  recht  willkürlich  verfahren  waren  und  oft 
mehr  als  30  Goldsolidi  vom  Schiff  gefordert  hatten,  sollten  fortan  von  jedem 
venezianischen  Schiff  bei  seiner  Ankunft  an  der  Zollstätte  von  Abydos, 
ohne  Unterschied  ob  es  aus  Venedig  oder  anderswoher  kam,  nur  2  und  erst 
bei  Antritt  der  Heimreise  15  Goldsolidi  erhoben  werden.  Die  wesentliche 
Ermäßigung  sollte  nur  den  Venezianern  zugute  kommen,  daher  wurde  ihnen 
bei  Strafe  der  Konfiskation  der  Ladung  untersagt,  Waren  von  Amalfitanern, 
Juden  oder  Langobarden  von  Bari  oder  für  solche  an  Bord  zu  führen. 
Altem  Herkommen  gemäß  sollten  die  Venezianer  auch  ferner  ihren  beson- 
deren Gerichtsstand  haben  und  der  ausschließlichen  Gerichtsbarkeit  des 
Logotheta  tov  dgö/nov^)  in  Konstantinopel  unterliegen,  dem  auch  allein  das 
Visitationsrecht  ihrer  Schiffe  und  das  Recht  der  Zollerhebung  von  ihnen 
(hier  handelt  es  sich  wohl  um  die  herkömmlichen  Warenzöhe)  zustand 

Für  diese  Zugeständnisse  versprachen  die  Venezianer,  das  Reich 
bei  einem  Zuge  gegen  die  Langobarden  Unteritaliens  mit  ihrer  Flott 
zu  unterstützen.  Seitdem  bestanden  die  besten  Beziehungeif  zwischen 
Venedig  und  der  Süzeränen  Macht.  Bald  nachdem  Byzanz  den  Dogen 
auch  zum  Herzog  von  Dalmatien  ernannt  hatte,  bewährten  die  Venezi- 
aner ihre  Reichstreue  durch  die  glückliche  Entsetzung  des  von  den 
Sarazenen  schwer  bedrängten  Bari  (1002),  an  der  sie  freilich  wegen 
der  Lage  der  Stadt  am  Tore  der  Adria  und  weil  sie  ein  wichtiger 
Stützpunkt  für  ihren  Handel  war,  ein  hervorragendes  eigenes  Interesse 
hatten^).  Lange  Zeit  hören  wir  dann  nichts  von  den  Beziehungen 
Venedigs  zu  Konstantinopel ^);  aber  es  kann  kein  Zweifel  bestehen, 
daß  sich  der  Handel  der  Venezianer  mit  dem  Ostreich  in  dieser  Zeit 
auf  das  günstigste  weiter  entwickelt  hat;  als  griechische  Staatsange- 
hörige betrachtet,  während  ihre  Abhängigkeit  doch  mehr  und  mehr 
zum   Schein   wurde,    und    dabei   zugleich   mit   besonderen   Privilegien 


1)  Erhalten  nur  in  einer  in  höchst  barbarischem  Latein  abgefaßten  Über- 
setzung. Tafel  u.  Thomas  I,  36  ff.  und  Romanin  I,  381  f.  mit  dem  irrigen  Datum 
991,  das  Uhlirz  191,  A.  16  beibehält,  weshalb  er  die  Erwirkung  dieses  Privilegs  mit 
einer  Sendung  eines  Sohnes  des  früheren  Dogen  nach  Byzanz  zusammenbringt 
(Joh.  diac.  148).  Richtig  bei  Zachariae  von  Lingenthal,  C.  E.  Jus  Graeco-Roma- 
num  m  (Leipzig  1857),  304  f.  Vgl.  noch  Gfrörer  I,  360  ff.  Kohlschütter  12  f.,  G6  f. 
Neumann,  Quellen  367.     Schlumberger  11,  312  ff.  • 

*)  Diese  Berichtigung  des  sinnlosen  de  diorno  hat  zuerst  Zachariae  v.  Lingen- 
thal 1.  c.  gegeben,  während  Tafel  u.  Thomas  de  domo  lesen  wollten.  Auch  Liut- 
prand  von  Cremona  wandte  sich  seinerzeit  an  den  curopalates  und  logotheta  tov 
Soufiov  mit  der  Bitte,  an  Bord  des  zur  Abreise  bereitliegenden  venezianischen  Handels- 
schiffes gehen  zu  dürfen;  SS.  HI,  350.  —  Heyd  I,  114 f.  Goldschmidt  192,  A.  167. 
Manfroni  77.     Neumann  367,  A.  2. 

«)  Joh.  diac.  165  f.  Kohlschütter  52  f.  Breßlau  bei  Hirsch  III,  145.  v.  Heine- 
mann I,  28  f.  Manfroni  81.  Schlumberger  setzt  den  Entsatz  II,  307  zu  1004  an, 
schwankt  aber  sonst  zwischen  1002, 1003,  1004:  S.  308,  A.  2,  320,  322,  A.  1.  Gay  368  f. 

*)  Eine  Erklärung  der  Dürftigkeit  der  urkundlichen  Überlieferung  für  Venedig 
im  11.  Jahrhundert  gibt  Lenel  9,  A.  1. 


Venedig.  19 

ausgestattet,  fanden  sie  für  ihren  rührigen  Handelsgeist  Bedingungen 
vor,  die  sie  nicht  zögerten  auszunutzen. 

13.  Es  beweist  die  Fortdauer  der  alten  Mittlerstellung  Venedigs 
zwischen  Morgen-  und  Abendland,  wenn  Gregor  VII.  1073  gerade  den 
Patriarchen  von  Grado,  Dominicus,  nach  Konstantinopel  abordnete, 
als  er  der  Kirche  des  Ostens  in  ihrer  Bedrängnis  durch  die  Seld- 
schukken  Hilfe  zu  bringen  gedachte.^)  Der  sicherste  Beweis  aber  für 
die  gewaltige  Hebung  der  Stellung  der  Venezianer  im  griechischen 
Reiche  in  der  Zwischenzeit  seit  dem  Chrysobull  von  992  ist  das 
Privileg,  das  ihnen  der  tapfere  Komnene  Alexius  I.  verlieh,  der  im 
Frühjahr  1081  den  letzten  der  schwachen  Kaiser  aus  dem  Hause  der 
Dukas  gestürzt  und  selber  den  Thron  bestiegen  hatte.  Kein  Feind 
war  seinem  Reiche  gefährlicher  als  Robert  Guiscard  und  seine  Nor- 
mannen, die  eben  schon  Durazzo  erobert  hatten;  aber  nicht  minder 
bedrohte  das  Vordringen  der  Normannen  nach  den  jonischen  Inseln 
und  der  Westküste  der  Balkanhalbinsel  die  Venezianer  selbst,  die  die 
Sperrung  der  Adria  für  ihre  Schiffe  befürchten  mußten.  Wurden  so 
die  Venezianer  schon  durch  ihr  eigenstes  Lebensinteresse  auf  ener- 
gische Unterstützung  der  Griechen  hingewiesen,  so  verstanden  sie  es 
doch  als  klug  die  Konjunktur  ausnutzende  Kaufleute,  den  Wert  ihrer 
Hilfe  dem  Kaiser  möglichst  hoch  anzurechnen,  der  allerdings  bei  dem 
schmählichen  Verfall  der  griechischen  Marine^)  nur  mit  dieser  sich 
der  AngriflEe  der  Normannen  zu  erwehren  hoffen  konnte.  Dieser  Situation 
•entsprang  das  große  Privileg  des  Kaisers  für  Venedig  vom  Mai  1082.^) 

Der  Doge  erhielt  für  sich  und  seine  Nachfolger  die  Würde  eines 
Protosebastos  mit  entsprechendem  Jahresgehalt,  die  Kirchen  Venedigs  ein 
jährliches  Ehrengeschenk  von  20  1.  Ganz  außerordentliche  Vorteile  aber 
erhielt  der  venezianische  Handel.  Fortab  sollten  die  Venezianer  im  ganzen 
Reiche  und  für  alle  Zeiten  von  jeder  Art  von  Handelsabgabe  befreit  sein; 
damit  waren  sie  vor  den  Griechen  selbst  weit  bevorzugt;  nur  wenn  sie  für 
Rechnung  von  Nichtvenezianern  Handel  trieben,  galt  diese  Befreiung  nicht. 
In  der  Hauptstadt  erhielten  sie  außer  der  Kirche  des  hl.  Akindynos,  die  sie 
schon  besaßen,  eine  ganze  Reihe  von  Läden  (ergasteria)  an  der  Stelle  der 
Überfahrt  nach  Galata  (in  embulo  Peramatis),  also  in  bester  Verkehrslage 
am  Goldenen  Hörn,  dazu  drei  Landungstreppen  (scalas  maritimas) ;  im 
ganzen  Reiche  aber  sollten  sie  unbehindert  nach  ihrem  Ermessen  jegliche 
Art  von  Waren  kaufen  und  verkaufen  dürfen.  Indem  nun  die  Orte  im 
einzelnen  aufgezählt  werden,  für  die  das  Privileg  Geltung  haben  soUte,  er- 
halten wir  eine  erwünschte  Vorstellung  davon,  welche  Handelsplätze  im 
griechischen  Reiche    damals  von    den    Venezianern    aufgesucht    zu   werden 

)  Meyer  von  Knonaii  II,  274;  näheres  über  die  1074  geplante  Meerfahrt  des 
Papstes  S.  340  tf.,  441  f. 

*)  Hierüber  C.  Xeumann  :  Die  byz.  Marine.  Ihre  Verfassung  und  ihr  Verfall. 
Hist.  Zeitschr.  81  (1898),  S.  1  ff. 

')  Eingerückt  in  die  späteren  Privilegien,  von  denen  die  von  1147  und  1187 
erhalten  sind.  Tafel  u.  Thomas  I,  51  ff.,  115  f.,  180  f.  Anna  Comnena,  Alexias  VI, 
c.  5  (ed.  Jteifferscheid  I,  197).  Heyd  I,  118  f.,  2481  v.  Heinemann  1,  331.  Man- 
froni  124  ff.  Chalandon  82  f.  Eine  Urkunde  über  die  von  den  Venezianern  über- 
nommene Gegen  Verpflichtung  fehlt;  Neumann  378. 

2* 


20  Erstes  Kapitel. 


iste    Sl 


pflegten.  Es  waren  in  Nordsyrien:  Laodicea  und  Antiochia,  das  allerdings 
bald  darauf  (1084)  an  die  Seldschukken  verloren  ging;  an  der  Südküste 
Kleinasiens  in  Cilicien:  Mamistra,  Adana,  Tarsus;  in  Pamphylien:  Satalia; 
im  Südwesten  an  der  karischen  Küste  Strobilos ;  an  der  Westküste :  Ephesus 
(=  Theologos;  Altoluogo),  Chios  und  Phocäa.  Besonders  zahlreich  sind 
diese  Plätze  in  der  Nähe  von  Konstantinopel  selbst ;  außer  Abydos  am 
Hellespont  finden  wir  hier  auf  der  europäischen  Seite  der  Propontis: 
Selymbria,  Heraclea  und  Rodosto ;  landeinwärts  davon  Apros  (westlich  von 
Rodosto,  das  heutige  Ainadschyk)  und  der  Hauptort  Thraciens :  Adrianopel ; 
dazu  an  der  Südküste  dieser  Landschaft  Peritheorion  (an  der  nördlichsten 
Einbuchtung  des  thracischen  Meeres).  Im  alten  Macedonien  werden  Chryso- 
polis  (in  der  Nähe  des  alten  Amphipohs  am  Strymon)  und  das  wichtige 
Saloniki,  in  Thessalien  Demetrias  am  Golf  von  Volo  genannt.  Im  eigent- 
lichen Griechenland  treten  uns  Euripus  (Negroponte)  auf  Euböa,  Athen 
und  Theben,  Korinth  und  Nauplia,  sowie  auf  der  messenischen  Halbinsel 
Koron  und  Modon  entgegen ;  auf  der  Westseite  der  Balkanhalbinsel  endlich 
außer  der  Insel  Korfu:  Bonditza  (an  der  Südküste  des  Golfs  von  Arta), 
Avlona  und  Durazzo,  das  sich  freilich,  ebenso  wie  Korfu,  vorläufig  in  der 
Gewalt  des  Feindes  befand. 

Tapfer  kämpften  nun  die  Venezianer  auf  selten  der  Griechen,  haupt- 
sächlich um  den  Besitz  von  Korfu;  nach  zwei  glücklichen  Seegefechten  im 
Jahre  1084  erlitten  sie  durch  Robert  Guiscard  eine  schwere  Niederlage;    da 
machte   der  jähe  Tod    des  Helden  am  17.  Juli  1085  alle  seine  Erfolge  zu- 
nichte.    Ein  plötzlicher  und  vollständiger  Zusammenbruch  der  Normannen- 
macht   jenseits    der  Adria    erfolgte    und    befreite  Griechen   und  Venezianer 
von   der  schwersten  Gefahr,    die   ihnen   gedroht   hatte. i)     Das    umfassende, 
Privileg  aber,  das  der  Kaiser  in  seiner  Not  Venedig  gewährt  hatte,  blieb  bestehen ; 
der  Weg  zur  Handelsherrschaft  im  griechischen  Reiche  war  den  Venezianern  ^H 
damit  eröffnet.     Wohl  mochte  die  byzantinische  Politik  sich  dessen  trösten,  '^■i 
daß  Handelsprivilegien,  wie  sie  gegeben  waren,  auch  wieder  entzogen  werden 
konnten ;  die  Frage  war  nur,  ob  der  Vasall  nicht  schon  zu  mächtig  geworden 
war,  um  solche  Entziehung  im  gegebenen  Fall  noch  ruhig  hinzunehmen. 

14.  Wenn  wir  auch  mit  Sicherheit  aus  der  Aufzählung  jener  zahlreichen 
Orte  des  Privilegs  von  1082  schließen  dürfen,  daß  die  Venezianer  an  denselben 
Handelsinteressen  besaßen,  so  ist  es  doch  nicht  ohne  Wert,  daß  wir 
wenigstens  für  einige  derselben  hierfür  noch  besondere  Zeugnisse  besitzen. 
Zunächst  gilt  das  für  Durazzo,  wo  schon  der  Umstand,  daß  der  Kaiser 
ihnen  eine  Kirche  schenkt  (der  einzige  Fall  dieser  Art  in  seinem  Privileg), 
auf  das  Vorhandensein  einer  besonders  starken  venezianischen  Kolonie 
schließen  läßt,  wenn  auch  die  Behauptung  der  Biographie  des  Kaisers, 
Venezianer  und  Amalfitaner  hätten  die  Mehrheit  der  Bevölkerung  der  Stadt 
gebildet,    als    eine    starke  Übertreibung   anzusehen  ist.  2)    Das  Gleiche  geht 


i 
II 

i 


I 


1)  Chalandon  93.     Meyer  v.  Knonau  UI,  564;  IV,  69  und  A.  109;  IV,  72. 

')  Anna  Comn.  Alexias  V,  c.  1  (ed.  Reifferscheid  I,  223).  Sie  erzählt  auch, 
daß  diese  Kolonisten,  um  keine  lange  Belagerung  aushalten  zu  müssen,  die  Stadt 
den  Normannen  übergeben  hätten.  Auch  die  süditalischen  Quellen  führen  die 
Einnahme  der  Stadt  auf  venezianischen  Verrat  zurück.  Gaufridus  Malaterra  (III, 
c.  28;  Murat.  SS.  V,  584)  will  sogar  wissen,  daß  der  Venezianer  Dominicus,  nobilis 
genere,  durch  das  Versprechen  Robert  Guiscards,  ihm  eine  seiner  Töchter  zur  Frau 
zu  geben,  zur  Übergabe  des  unter  seinem  Befehle  stehenden  Hauptturmes  (major 
turris)  der  Stadt  bestimmt  worden  sei.     v.  Heinemann  1,  320.     Chalandon  83. 


I 


Venedig.  -  21 

aus  der  Darstellung  des  am  Ende  des  Jahrhunderts  schreibenden  Mönchs 
vom  Lido,  der  uns  die  Übertragung  der  Gebeine  des  hl.  Nikolaus  von  Myra 
nach  Venedig  und  die  damit  zusammenhängenden  Wunder  schildert,  deutlich 
hervor  1) ;  er  redet  auch  für  die  Zeit  des  Dogen  Vitale  Falieri  (1084 — 1096)  von 
einer  an  einsamem  Ort,  aber  noch  innerhalb  der  Stadtmauern  von  Durazzo 
gelegenen  Markuskirche,  die  von  einem  venezianischen  Priester  bedient 
wurde;  zugleich  ergibt  sich,  daß  Durazzo  schon  damals  ein  für  die  Ver- 
proviantierung Venedigs  wichtiger  Platz  war,  von  dem  Getreide,  Gemüse, 
Käse  und  andere  Lebensmittel  nach  Venedig  exportiert  wurden  2),  und 
daß  venezianische  Kaufleute  von  hier  aus  auch  häufig  den  Landweg  über 
Saloniki  nach  Konstantinopel  benutzten. 

Über  den  Verkehr  der  Venezianer  mit  Theben,  dem  damals  blühen- 
den Hauptort  Mittelgriechenlands,  sind  uns  zwei  Notariatsurkunden  erhalten, 
die  uns  venezianische  Schiffe  unter  der  Führung  der  nauclerii  Leo'Aurifice 
und  Graminus  de  Molino  in  den  Jahren  1071  und  1073  auf  der  Handels- 
fahrt nach  Stives  (=  ig  Qtjßug),  das  man  von  der  Nordseite  des  Golfs  von 
Korinth  aus  erreichte,  zeigen.  Für  die  zweite  dieser  Fahrten  schloß  Johannes 
Lissado  de  Luprio,  der  die  Reise  mitmachte,  mit  Sevasto  Aurifice  einen 
Gesellschaftsvertrag  über  ein  Kapital  von  300  1.  ven.,  das  in  zwei  Schiffs- 
anteilen angelegt  wurde.  3) 

Für  Konstantin opel  selbst,  wo  die  Zahl  der  Venezianer  schon 
damals  sehr  beträchtlich  gewesen  sein  muß,  erfahren  wir,  daß  die  venezia- 
nische Regierung  einige  Jahre  nach  Erlangung  des  großen  Privilegs  das 
Eigentumsrecht  an  wesentlichen  Teilen  des  venezianischen  Quartiers  in  der  Haupt- 
stadt an  die  Klöster  S.  Niccolö  und  S.  Giorgio  maggiore  in  Venedig  übertragen 
hat*),  während  sie  sich  über  die  Landungstreppen  die  freie  Verfügung  vorbehielt. 

Für  das  Vorhandensein  einer  größeren  venezianischen  Kolonie  in  dem 
Hauptort  des  griechischen  Syrien,  Antiochia,  und  den  bedeutenden  Ein- 
fluß, den  diese  während  der  Dauer  der  griechischen  Herrschaft  daselbst 
übte,  spricht  der  Umstand,  daß  sie  in  der  Lage  war,  um  1070  einen  ser- 
bischen Königssohn  aus  der  Gefangenschaft  der  Griechen  daselbst  zu  be- 
freien, s) 

15.  Über  die  Handelsbeziehungen  Venedigs  zu  den  sarazenischen 
Gebieten  sind  wir  für  unsere  Periode  nur  sehr  mangelhaft  unter- 
richtet. Am  deutlichsten  spricht  für  die  Regelmäßigkeit  solcher  Be- 
ziehungen, daß  der  große  Doge  Peter  IL  Orseolo  bei  seinem  Regierungs- 
antritt (991)  Gesandtschaften  an  alle  Fürsten  der  Sarazenen  geschickt 
hat,  um  diese  den  Venezianern  freundlich  zu  stimmen.^)  Und  jeden- 
falls  über  Venedig   ist   jene  Gesandtschaft   des   fatimidischen   Kalifen 


>)  Rec.  Crois.  Occid.  V,  283  f. 

*)  Lenel  45,  A.  3  hat  die  Stelle  auf  Cypern  bezogen,  da  die  von  ihm  benutzte 
mangelhafte  Ausgabe  bei  Corner  Cipri  portum  statt  des  richtigen  Epiri  por- 
tum  liest. 

*)  ...  et  de  isto  habere  habemus  sortes  duas  in  nave.    Sacerdoti  S.  20  f. 

*)  Die  Schenkungsurkunde  für  das  letztere,  vom  Juli  1090,  ist  erhalten.  Tafel 
u.  Thomas  I,  S.  55  ff.  Irrtümlich  behauptet  Broglio  d'Ajano  S.  7,  daß  diese  Urkunde 
venezianische  Seidenfabriken  in  Konstantinopel  erwähne. 

*)  Joh.  Curopalates  (ed.  Bonn.)  718.  Heyd  I,  119,  A.  1.  Über  die  hohe  Be- 
deutung Antiochiens :  Röhricht,  Erster  Kreuzzug  108 ;  242  f. :  Exkurs  IV :  Beschrei- 
bung A.'s  nach  Ibn  Butlan. 

•)  Joh.  diac.  149.     Von  Verträgen  aber,  wie  Manfroni  78  will,  redet  er  nicht. 


22  -  Erstes  Kapitel. 

aus  Kairo  gekommen,  die  Otto  den  Gr.  kurz  vor  seinem  Tode  in 
Merseburg  aufgesucht  hat^),  während  der  Brief,  den  der  Doge  im 
Jahre  932  an  den  deutschen  König  Heinrich  über  die  Streitigkeiten 
zwischen  Christen  und  Juden  in  Jerusalem  gerichtet  hat,  auf  den 
Verkehr  der  Venezianer  im  arabischen  Syrien  schheßen  läßt.  2) 

Lockend  genug  mußte  es  für  die  Venezianer  sein,  die  Gewürze 
und  Drogen  des  Orients  aus  Ägypten,  wo  diese  Waren  das  Mittel- 
meergebiet am  wenigsten  verteuert  erreichten,  zu  beziehen  —  inwie- 
weit es  mögUch  war,  hing  in  hohem  Grade  von  den  jeweiligen 
politischen  Verhältnissen  ab.  Das  bedeutsamste  positive  Zeugnis  für 
den  Export  dieser  Waren  aus  der  Levante  durch  die  Venezianer 
liegt  in  dem  Bericht  des  Merseburger  Bischofs  Thietmar  vor ,  der 
zum  Jahre  1017  den  Untergang  von  vier  großen,  mit  verschiedenen 
Spezereien  (pigmentis)  reich  beladenen  venezianischen  Schiffen  ver- 
zeichnet hat^);  ob  diese  nun  gerade  aus  Ägypten  oder  nicht  vielmehr 
aus  den  griechischen  Teilen  des  Orients  kamen,  muß  freilich  dahin- 
gestellt bleiben. 

Ein  weiteres  Lockmittel  für  den  Handel  bildeten  die  kostbaren 
Erzeugnisse  der  orientalischen  und  nordafrikanischen  Textilindustrie; 
wenn  der  der  2.  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  angehörige  Ibn  Haukai 
von  dem  lebhaften  Handel  des  afrikanischen  Tripoli  mit  den  Ländern 
der  Rum  redet,  deren  Schiffe  Wolle,  Gewänder  von  einem  schönen 
Blau  und  kostbare  schwarze  Stoffe  ausführten^),  so  wird  es  um  so  mehr 
erlaubt  sein,  darunter  auch  venezianische  Schiffe  zu  verstehen,  als 
deren  Verkehr  an  der  Küste  der  Berberei  für  unsere  Periode  auch 
anderweit  bestimmt  bezeugt  ist. 

Unter  den  Gegenwerten  des  venezianischen  Handels  hat  zweifel- 
los lange  Zeit  hindurch  der  Handel  mit  Menschenware  eine  wichtige 
Rolle  gespielt. 

Wenn  der  eben  erwähnte  Ibn  Haukai  als  einen  wichtigen  Handels- 
artikel von  Kairewan  die  Eunuchen  aus  dem  Lande  der  Sklavonier  hervor- 
hebt 0),  so  werden  wir  den  Venezianern  um  so  weniger  Unrecht  tun,  wenn 
wir  ihnen  den  Export  derselben  zuschreiben,  als  wir  wissen,  daß  sie  schon 
um  die  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  mit  griechischen  Sklavenhändlern  zu- 
sammen sogar  an  den  Küsten  Italiens  selbst  an  der  Arbeit  waren,  ihre 
Glaubensgenossen  ohne  Unterschied  des  Geschlechts  aufzukaufen  und  an 
die  Sarazenen  Afrikas  zu  verhandeln.*') 


II 


0  Widukind  Corb.  HI  c.  76.     Köpke-Dümmler  509. 

*)  Const.  et  acta  I  no.  4  p.  6.  Für  die  frühere  Zeit  sei  daran  erinnert,  daß 
sich  der  Doge  im  2.  Dezennium  des  9.  Jahrhunderts  der  vom  Kaiser  Leo  V.  be- 
fohlenen Verkehrssperre  gegen  Syrien  und  Ägypten  anschloß,  und  daß  venezia- 
nische Handelsschiffe  827  oder  828  aus  Alexandrien  (angeblich  durch  widrige  "Winde 
dorthin  verschlagen)  als  kostbarstes  Gut  den  Leichnam  des  hl.  Markus  nach  der 
Lagunenstadt  gebracht  haben.     Tafel  u.  Thomas  I,  3.  Marin  II,  19.    Heyd  I,  110. 

3)  SS.  m,  860  (1.  Vn  c.  54). 

*)  p.  166.    Amari,  Musulm.  II,  362  A.  3. 

6)  p.  251. 

^)  Hierüber  und  über  Maßregeln  gegen  sie  Leo  H.  Gesch.  der  italienischen 
Staaten  I  (1829)  224  f.     Heyd  I,  95  f.    110.     Mühlbacher  106.     Vgl.  ihre  wohl  damit 


I 
I 


Venedig.  '  23 

Und  in  der  kampferfüllten  Zeit  der  Wirren  konnte  das  Unwesen  nur 
zunehmen.  Wohl  erließ  der  Doge  Urso  Partecipacio  I.  um  880  ein  Verbot 
des  Sklavenhandels;  doch  geriet  es  bald  genug  in  Vergessenheit,  wie  das 
schon  erwähnte  Dekret  vom  Juni  960  selbst  hervorhebt,  das  in  feierlicher 
Form  und  mit  verschärfter  Strenge  allen  Venezianern  den  direkten  oder  in- 
direkten Ankauf  christlicher  Sklaven  7Aim  Zwecke  des  Weiterverkaufs  unter- 
sagte und  alle  Schiffsführer  für  die  Beförderung  derartiger  Sklaven  oder 
Sklavenhändler  verantwortlich  machte,  i)  Das  Verbot  war  gewiß  ernst  ge- 
meint und  sicher  nicht  ohne  Wirkung;  für  die  Gebiete  des  Regnum  wird 
schon  die  von  den  Venezianern  übernommene  vertragsmäßige  Verpflichtung 
den  Sklavenhandel,  zumal  nach  der  Herstellung  geordneterer  Verhältnisse, 
so  ziemlich  ausgerottet  haben ;  für  die  Ostküste  aber  war  bei  der  Natur  des 
Landes,  der  Neigung  der  slavischen  Bewohner  selbst  und  der  Schwierigkeit 
der  Kontrolle  ein  durchgreifender  und  dauernder  Erfolg  nicht  so  leicht  zu 
erzielen.  Sehr  bezeichnend  hierfür  ist,  daß  sich  Gregor  VII.  noch  im  Jahre 
1076  von  Zwonimir  (Demetrius)  von  Kroatien  und  Dalmatien  bei  seiner  Er- 
hebung zum  Könige  feierlich  versprechen  ließ,  den  Verkauf  von  Menschen 
in  seinem  Gebiet  zu  untersagen  2) ;  und  die  Aufkäufer  solcher  Ware  können 
in  diesen  Küstengebieten  kaum  andere  als  Venezianer,  die  Abnehmer  kaum 
andere  als  die  Sarazenen  gewesen  sein. 

16.  Weitere  wichtige  Gegenwerte,  die  Venedig  den  Sarazenen 
Ägyptens  und  der  Berberei  zu  bieten  hatte,  waren  Holz  und  Metalle, 
die  diesen  Ländern  in  hohem  Maße  fehlten  und  ihnen  doch  unent- 
behrlich waren. 

Metalle  und  Waffen  kamen  den  Venezianern  aus  der  Lombardei  und 
den  Alpen,  Holz  in  Menge,  von  Istrien  ganz  abgesehen,  auf  den  Küsten- 
flüssen von  den  Bergen,  die  das  venezianische  Tiefland  umsäumen.  Wohl 
lieferte  man  mit  diesen  Artikeln  den  Ungläubigen  vielfach  die  Mittel  zur 
Bekämpfung  der  eignen  Glaubensgenossen;  aber  welcher  gewaltige  Gewinn 
war  mit  dem  Verkauf  gerade  dieser  W^aren  an  die  Sarazenen  und  dem 
gleichzeitigen  Einkauf  der  kostbaren  Artikel  der  Levante  zu  machen !  Und 
was  man  selbst  nicht  tat,  wurde  sicher  doch  von  anderer  Seite  getan!  So 
hat  der  in  Aussicht  stehende  Handelsgewinn  die  Venezianer  immer  wieder, 
auch  in  Kriegszeiten,  zum  Export  jener  Artikel  getrieben.  Welche  Wichtig- 
keit dieser  Handel  für  Venedig  gehabt  haben  muß,  darüber  gibt  uns  ein  in 
mehr  als  einer  Beziehung  höchst  lehrreicher  Vorgang  aus  dem  Jahre  971 
den  besten  Aufschluß.  Damals  sandte  der  Kaiser  Johannes  Tzimiskes,  der 
mit  den  Venezianern  im  Kriege  lag  (Antiochia  war  im  Jahre  zuvor  von  den 
Fatimiden  angegriffen  worden),  eine  Spezialmission  nach  Venedig,  die 
eine  strenge  Untersuchung  wegen  des  Transports  von  Waffen  und  Holz 
durch  venezianische  Schiffe  nach  sarazenischen  Ländern  anstellen  und  von 
Seiten  des  Kaisers  die  Drohung,  im  Betretungsfalle  alle  solche  Schiffe  mit 
Mann  und  Maus  verbrennen  zu  lassen,  verkünden  soUte.    Um  den  Zorn  des 


zusammenhängende,  auf  Befehl  Karls  des  Gr.  erfolgende  Austreibung  aus  ihren 
>prae8idia  et  poHsessionesi  im  päpstlichen  und  ravennatischcn  Gebiet.  M.  G.  Epp.  HL 
622  (zwischen  787  und  791). 

»)  Tafel  u.  Thomas  I  p.  19  S.  Romanin  I,  371.  Racki  198  no.  151.  Gfrörer  I, 
264  ff.,  273  ff.     Manfroni  69  ff,  74. 

^)  Muratori  Antiqu.  V  840  f.  Langer  O.,  Sklaverei  in  Europa  während  der 
letzten  Jahrhunderte  des  Mittelalters  (Bautzen  1891 ;  Gymn.-Progr.)  14. 


24  Erstes  Kapitel. 

Kaisers  zu  besänftigen,  erließ  der  Doge  Peter  Candiano  IV.  im  Juli  des 
selben  Jahres  ein  scharfes  Edikt  i),  das  den  nach  sarazenischen  Ländern 
fahrenden  venezianischen  Schiffen  den  Transport  von  Waffen  jeglicher  Art 
imbedingt  verbot ;  nur  die  zur  Verteidigung  der  Schiffsmannschaft  dienenden 
Waffen  sollten  mitgeführt  werden  dürfen.  Bezüglich  des  Holztransports 
konnte  man  sich  zu  einem  solchen  unbedingten  Verbot  nicht  entschließen; 
man  untersagte  zwar  den  Transport  von  Schiffsbestandteilen  jeglicher  Art 
und  von  Holz,  insoweit  es  zum  Schiffsbau  dienen  konnte,  gestattete  aber 
die  Beförderung  solcher  Hölzer  und  Holz  waren,  bei  denen  ihrer  Beschaffen- 
heit nach  die  Verwendung  zum  Bau  von  Schiffen  oder  Schiffsbestandteilen 
ausgeschlossen  erschien,  insbesondere  von  Brettern  aus  Eschen-  oder  Pappel- 
holz, die  höchstens  5  Fuß  lang  und  1/2  Fuß  breit  waren,  sowie  von  Wannen, 
Schüsseln  und  sonstigen  hölzernen  Gefäßen  oder  Geräten.  Übertreter  des 
Verbots  sollten  mit  einer  Buße  von  100  Pfund  Gold,  im  Unvermögensfalle 
mit  dem  Tode  bestraft  werden.  Im  übrigen  suchten  die  Venezianer  ihren 
Holzhandel  der  Gesandtschaft  gegenüber  als  harmlos  und  jedenfalls  nicht 
zu  irgendwelcher  Unterstützung  des  Kalifen  bestimmt  hinzustellen;  man 
hätte  allerdings  vor  der  Ankunft  der  Gesandtschaft  drei  Schiffen  die  Er- 
laubnis zum  Export  von  Hölzern  gegeben,  die  zum  Teil  unter  das  nunmehr 
erlassene  weitgehende  Verbot  gefallen  wären  2) ;  aber  zwei  von  diesen  Schiffen 
seien  für  Mehadia  (die  Hafenstadt  von  Kairewan)  und  eins  für  Tripoli  be- 
stimmt gewesen;  nur  aus  Mitleid  mit  der  Armut  der  Befrachter  habe  man 
die  Erlaubnis  erteilt,  und  auch  das  werde  in  Zukunft  unterbleiben. 

Ein  Niederschlag  des  auf  diese  Weise  bezeugten  venezianischen 
Handelsverkehrs  mit  den  damals  noch  blühenden  Seeplätzen  3)  der  Berberei 
liegt  uns  endlich  noch  in  einer  Urkunde  vom  Juli  1083  vor*),  nach  welcher 
Ripaldus  Florentius  seinem  Bruder  Dominicus,  der  auf  dem  Schiffe  des 
Johannes  Theonistos  eine  Handelsreise  nach  TripoH  anzutreten  im  Begriff 
war,  für  diese  ein  Kapital  von  100  1.  ven.  anvertraut  hat. 

17.  Am  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  konnte  Johannes  diaconus 
von  Venedig  rühmen,  daß  es  unter  der  Regierung  seines  Dogeaj 
Peter  IL'  Orseolo  alle  Nachbargebiete  an  Wohlstand  und  Ruhm  bei 
weitem  übertroffen  habe.^)  Die  Grundlage  dieses  Wohlstandes  aber  bil- 
dete ausschließlich  der  Handel.  An  eigenem  hatte  dabei  Venedig  wenig 
genug  zum  Austausch  zu  bieten,  die  Erträgnisse  seiner  Seefischerei 
und,  als  wichtigstes  Produkt,  die  seiner  Salinen;  sie  mochten  kaum 
in  der  ältesten  Zeit  Venedigs  ausreichen,  die  notwendige  Zufuhr  des 
größten  Teils  der  Lebensbedürfnisse  zu  decken.  Das  Fehlende  sah 
sich  die  Bevölkerung  gezwungen,  hauptsächlich  durch  Handelsgewinn 
zu  erwerben;  von  Entwicklung  einer  eigenen  Exportindustrie  hören 
wir  noch  nichts.     Die  Verbindung  mit  dem  griechischen  Reiche  wies 


>)  Tafel  und  Thomas  I,  26  fE.  Romanin  I,  373  no.  9.  Gfrörer  I,  279  ff.  Man 
froni  75  f.  Schlumberger  I,  240  ff.  (ib.  219,  223  über  die  Angriffe  der  Sarazenen 
auf  das  byz.  Syrien). 

*)  .  .  .  licentiam  portandi  insublos  et  astas  et  conchas  ac  scutellas  et  caeteri 
minutalia,  also  ohne  Beschränkung  des  Bretterexports  auf  bestimmte  Holzarten  un 
Maße.     Tafel  u.  Thomas  I,  28.  —  Manfroni  75. 

3)  Heyd,  Afrika  622  f. 

■»)  Sacerdoti  p.  22. 

»)  p.  149. 


Venedig.  25 

Venedig  den  Weg  zur  Handelsgröße.  Allmählich  wurde  es  die  ein- 
zige Seestadt  an  der  ganzen  nördlichen  Adria,  die  in  direkter  Handels- 
tätigkeit mit  den  Seeplätzen  des  Ostreichs  und  des  gesamten  Ost- 
beckens des  Mittelmeers  verkehrte.  Weder  von  Ravenna  noch  von 
Ancona  hören  wir  in  unserer  ganzen  Periode  das  geringste  von  einer 
solchen  Tätigkeit^)  und  ein  bloßer  Irrtum  ist  es,  wenn  man  meint, 
daß  das  Chrysobull  von  992  von  Lombarden  spreche.^)  Der  Zufluß, 
der  dem  Strome  des  Welthandels,  so  schwach  er  in  dieser  Zeit  noch 
sein  mochte,  von  der  nördlichen  Adria  und  ihrem  Hinterlande  im 
weitesten  Umfange  her  zukam,  wurde  ihm  fast  ausschließlich  von  den 
Venezianern  zugeleitet.  Kommerzielle  Vorherrschaft  an  der  Adria 
übte  Venedig  schon  ohne  ernstlichen  Rivalen,  als  es  in  das  Zeitalter 
der  Kreuzzüge  eintrat. 

Alle  Schichten  der  Bevölkerung  Venedigs  waren  am  Handel,  und  natur- 
gemäß ganz  überwiegend  am  Seehandel,  beteiligt  oder  interessiert.  Der 
Mönch  vom  Lido,  der  die  Übertragung  der  Gebeine  des  hl.  Nikolaus  in 
lebendiger  Darstellung  geschildert  hat,  läßt  seine  Landsleute  sich  als  handel- 
treibende, ständig  in  Seegefahr  lebende  Schiffer  bezeichnen  und  ein  ander- 
mal legt  er  dem  Schiffsgeistlichen,  als  den  vom  Sturm  verschlagenen  See- 
fahrern ihr  Patron  leibhaftig  erscheint,  die  Worte  in  den  Mund :  »Heiliger  Vater, 
Venezianer  sind  wir  und  des  Handels  wegen  durchziehen  wir,  wie  unsere 
Väter,  die  verschiedensten  Gebiete. « 3)  Solche  Schiffsgeistliche  dienten  den 
Handelsschiffen,  als  die  geborenen  Vertrauenspersonen,  zugleich  als  Schiffs- 
schreiber (wie  in  Venedig  überhaupt  nur  Kleriker  als  Notare  fungierten); 
ihr  Entgelt  pflegte  in  einem  Anteil  am  Schiff  (sors)  zu  bestehen.  4)  Ganz 
allgemein  war  die  Anlegung  von  Kapitalien  in  Handelsunternehmungen  zur 
See.  Beispielsweise  verfügte  der  Doge  Giustiniano  Partecipazio  um  829  über 
ein  in  solcher  Weise  angelegtes  Kapital  von  1200  1.,  falls  es  unversehrt 
heimkomme  5),  und  als  Peter  IL  Orseolo  im  Jahre  1007  ein  Kapital  von 
1250  1.  ven.  zu  Wohltätigkeitszwecken  stiftet,  bestimmt  er,  daß  jährlich  hier- 
für nur  der  von  wackeren  Leuten  mit  diesem  Kapital  erzielte  Handels- 
gewinn zu  verwenden  sei.  ^) 

Und  mit  der  Entwicklung  des  Seehandels  hielt  die  Entwicklung  der 
Seemacht  gleichen  Schritt,    wie    die  Ruhmestaten  Venedigs   unter  der  Füh- 

•)  Bei  Liutprands  Verhandlung  mit  Kaiser  Mcephorus  ist  davon  die  Rede, 
daß  ihn  ein  griechisches  Kriegsschiff  nach  Ancona  bringen  soll;  aber  von  anconi- 
tanischen  oder  lombardischen  Kaufleuten  in  Byzanz  sagt  L.  kein  Wort,  während  er  doch 
die  amalfitanischen  erwähnt.     SS.  III,  354 :  Leg.  c.  33,  35.    Giesebrecht  I  <»  p.  537  f. 

«)  Unten  S.  28  A.  2. 

')  Rec.  Crois.  Occid.  V  284  H :  nautae  negotiatores,  in  periculo  maris  assidue 
conversantes ;  282  D  :  causa  negotii  sicut  patres  nostri  regiones  plurimas  peragramus. 

*)  Ib.  282  B  (auf  die  Zeit  zwischen  1049  und  1065  bezüghch) ;  Lenel  44.  Eine 
aufgefischte  capsella  wird  zur  Eröffnung  dem  presbyter  de  navi  überreicht ;  mirac. 
no.  V,  ib.  286  C. 

*)  si  salva  de  navigatione  reversa  fuerint.    Gloria  no.  7  p.  14. 

«)  Kohlschütter  93  f.  Beil.  no.  4 ;  p.  56.  Erwähnt  sei  bei  dieser  Gelegenheit 
auch  die  patriotische  Handlung  der  reichen  Brüder  Tyso  und  Petrus  Aureus,  die 
im  Mai  1097  >pro  congruo  honore  nostri  mercati  et  totius  nostrae  patriae  <  ihren  Be- 
sitz an  Läden  (stationes)  .  .  in  mercato  de  Rivoalto  dem  Staat  überweisen;  ebenda 
werden  die  Läden  der  Gradonigo  erwähnt  (in  nostro  Calle,  uno  suo  latere  firmante 
in  stationibus  quae  sunt  de  Gradonicis).     Romanin  I,  396  no.  20. 


26  Zweites  Kapitel. 

rung  des  größten  Dogen  dieser  Zeit  und  der  Normannenkrieg  beweisen 
Wilhelm  von  Apulien  rühmt  das  volkreiche  Venedig,  das  reich  an  Schätzen 
und  reich  an  Männern  sei ;  kein  Volk  sei  diesem  in  Seekämpfen  und  Schiff- 
fahrt überlegen,  i)  Und  schwerer  noch  wiegt  es,  daß  die  Grabschrift  Robert 
Guiscards  im  Dreifaltigkeitskloster  zu.  Venosa  es  als  den  höchsten  Ruhm 
des  Verstorbenen  bezeichnet,  daß  der  Kaiser  des  Westens  wie  der  des 
Ostens  vor  ihm  geflohen  seien  und  die  freien  Bürger  Venedigs  sich  auf  der 
See  nicht  mehr  sicher  vor  ihm  gefühlt  hätten.  2)  In  der  Tat  war  Venedig 
damals  die  erste  Seemacht  Europas;  die  relative  Bedeutung  Venedigs  in 
der  politischen  wie  in  der  Handelswelt  ist  vor  dem  Beginn  der  Kreuzzüge 
noch  größer  gewesen  als  während  derselben. 


Zweites  Kapitel. 

Unter -Italien. 

18.  Apulien  mit  seinem  an  Wein  und  Öl  überreichen  Küsten- 
gürtel und  seiner  dichten  städtebewohnenden  Bevölkerung^)  ist  zu- 
sammen mit  Calabrien  häufiger  und  länger  als  jede  andere  Landschaft 
Italiens  den  Angriffen  der  Sarazenen  ausgesetzt  gewesen. 

Im  Jahre  840  oder  841  schon  von  den  Sarazenen  genommen,  konnte 
ihnen  Bari,  der  wichtigste  Handelsplatz  dieses  Gebiets,  erst  nach  30  Jahren 
und  nach  einer  vierjährigen  Anstrengung  wieder  entrissen  werden.^)  Aber 
noch  anderthalb  Jahrhunderte  setzten  sich,  wenn  auch  mit  Unter- 
brechungen, die  mit  furchtbaren  Grausamkeiten  verbundenen  Invasionen  der 
Sarazenen  fort;  dazwischen  hinein  fielen  Angriffe  der  dalmatinischen  See- 
räuber, die  im  Juli  927  sogar  Siponto  eroberten  und  (seit  922)  Einfälle  der 
Magyaren,  die  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  (947)  selbst  bis  in  den 
äußersten  Südosten,  bis  Otranto  vordrangen.  0)  976  eroberte  der  gefürchtete 
Abu-al-Qäsim  Tarent  ß),  das  schon  ein  Jahrhundert  zuvor  geraume  Zeit  unter 
arabischer  Herrschaft  gestanden  hatte,  und  1002  wurde  Bari  nur  durch  das 
kräftige  und  glückliche  Eingreifen  der  Venezianer  vor  einem  gleichen  Schick- 
sal bewahrt ;  noch  1023  war  es  einem  sarazenischen  Angriff  ausgesetzt. '') 

Mit  großer  Zähigkeit  klammerte  sich  das  Griechentum  an  seinen  Be- 
sitz in  diesem  Lande,  dessen  Hauptstütze  Bari,  die  Residenz  der  griechischen 
Katepane,  war;  die  Bevölkerung  aber  war  mit  dem  tyrannischen,  aus- 
beutenden Regierungssystem    der   Griechen  in   hohem   Grade    unzufrieden; 

1)  IV  V.  278,  284  f.  (SS.  IX  285). 

«)  Giesebrecht  HI'*,  576. 

^)  Treffliche  Schilderung  von  Th.  Fischer  in  seinen  »siedlungskundHchen 
Studien  über  Apulien«  bei  Petermann,  Mitteil.  48  (1902)  115  ff. 

*)  Dümniler  I,  191  f.  II,  264  ff.  m,  23  ff.  v.  Heinemann  7.  Mühlbacher  Reg. 
1213.  (iay  p.  89  ff.  Poupardin :  La  lettre  de  Louis  11  ä  Basile  le  Macedonien  in : 
Le  Moyen  Age,  sör.  2,  VH  (1903)  185  ff. ;  dagegen  Kleinclausz  (ebd.  Vin,  45  ff.), 
der  den  Brief  für  unecht  hält. 

')  SS.  V,  52  f.  (ann.  Barens.).  Köpke-Dümmler  170.  Bisoni  in:  Scuola  catto 
lica  XX  (1900),  555  ff.).    Gay  p.  206  ff. 

»)  Näheres  UhUrz  165  ff.  Sein  Tod  in  der  Schlacht  am  C.  Colonne  ließ  den 
von  ihrem  Dränger  befreiten  Bewohnern  Unter-Italiens  die  Niederlage  des  Kaisers 
Otto  IL  wie  einen  Sieg  erscheinen ;  ib.  178,  180. 

'')  Breßlau  bei  Hirsch  m,  145  f.  Die  ann.  Barenses  zeigen  hier  wie  sonst 
den  calculus  pisanus  und  haben  deshalb  1003  (SS.  V,  53).  Für  1023 :  Breßlau  I,  172. 


Unter-Italien.  27 

nicht  selten  kam  es  zu  Aufständen,  unter  denen  hier  nur  der  des  Barensers 
Melus,  der  einem  alten  langobardischen  Geschlechte  angehörte,  hervorge- 
hoben sei.  1)  So  schuf  der  Gegensatz  gegen  die  Griechen  auch  den  Nor- 
mannen in  den  Küstenstädten  eine  Partei.  1064  verbanden  sich  die  Barenser 
mit  Robert  Guiscard  durch  einen  Eid;  aber  noch  einmal  fiel  Bari  in  die 
Gewalt  der  Griechen  und  erst  nach  einer  dreijährigen  Belagerung  (27.  August 
1068  bis  Mitte  April  1071)  gelang  den  Normannen  die  endgültige  Einnahme 
der  Stadt  2),  womit  zugleich  die  Unterwerfung  Apuliens  besiegelt  war. 

Die  geographische  Lage  in  Verbindung  mit  den  politischen  Ver- 
hältnissen wies  die  Seestädte  dieses  Gebiets,  Bari  wie  Trani,  Brindisi 
und  Otranto  wie  Tarent,  durchaus  nach  dem  Osten. 

Schon  die  Notwendigkeit  der  Sendung  von  Schiffen,  Truppen  und  Be- 
amten bedingte  einen  fortwährenden  Verkehr  mit  Konstantinopel,  das  zu- 
gleich das  Ziel  der  einheimischen  Streber,  aber  auch  oft  genug  der  Mißver- 
gnügten und  der  Zufluchtsort  der  Vertriebenen  war.  s)  Dazu  kamen  die 
Pilgerfahrten  nach  den  heihgen  Stätten  4),  die  mit  Vorliebe  von  den  See- 
städten Apuliens  aus  angetreten  wurden,  da  so  die  Seereise  am  kürzesten 
war;  in  ganzen  Scharen  haben  die  Normannen  diesen  Weg  genommen. 5) 
Naturgemäß  folgte  auch  der  Handel  Apuliens  überwiegend  dem  gleichen 
Zuge.  Doch  haben  wir  etwas  genauere  Nachrichten  über  eine  aktive  Handels- 
tätigkeit seiner  Seeplätze  nur  für  den  unzweifelhaft  bedeutendsten  unter 
ihnen,  für  Bari. '5) 


i)  Breßlau  bei  Hirsch  III,  147,  149.  v.  Heinemann  30,  64,  82  f.  Gay  p.  399  ff 
Höchst  bezeichnend  ist  auch,  daß  die  Barenser  Annalen  zu  1035  den  im  Januar 
verstorbenen  Erzbischof  Byzantius  rühmen  als  frömmsten  Vater  der  Waisen,  Hüter 
und  Verteidiger  der  Stadt,  »atque  terribilis  et  sine  metu  contra  omnes  Graecos.< 
Breßlau  U,  292  f. 

2)  Anonvm.  Bar.  bei  Murat.  SS.  V  152  f.  Meyer  v.  Knonau  I  607,  U  112. 
V.  Heinemann"  I,  218  ff.,  290  ff.     Manfroni  115-117.     Gay  p.  535  ff. 

3)  Vgl.  z.  B.  für  Otranto:  v.  Heinemann  43,  130,  311;  für  Tarent:  332.  Auch 
Liutprand  von  Cremona  traf  968  einen  vornehmen  Barenser,  Bysantius,  zu  Tisch  beim 
Kaiser.     Legatio  c.  37  (SS.  HI,  355). 

*)  Selbst  zur  Zeit  der  sarazenischen  Herrschaft  ging  z.  B.  der  fränkische 
Mönch  Bernhard  zu  Tarent  in  See,  auf  einem  sarazenischen  Schiff  und  mit  einem 
Geleitsbrief  des  Sultans  von  Bari  an  den  Beherrscher  Ägyptens  ausgestattet.  Heyd  I,  97. 

*)  Dementsprechend  auch  viele  Kreuzfahrer  beim  ersten  Kreuzzuge.  Hagen- 
meyer in  Rev.  Or.  latin  VI  (1898)  262,  276. 

®)  Sicher  mit  Unrecht  bezeichnet  Uhlirz  176  das  damaUge  Tarent  als  die 
größte  Stadt  Unter-Italiens.  Eine  besondere  Berühmtheit  hat  Trani  durch  sein 
Seestatut  erlangt,  das,  in  einem  Druck  aus  dem  Anfang  dos  16.  .Jahrhunderts  über- 
liefert, das  unmögliche  Datum  1063  an  der  Stirn  trägt.  Daß  es,  in  dieses  Jahr  gesetzt, 
anstatt  3  oder  4  Jahrhunderte  später,  als  ein  einziger  großer  Anachronismus  er- 
scheint, darüber  s.  besonders  meinen  Aufsatz  über  die  Anfänge  des  Konsulats  des 
Meeres  in:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswiss.  IX  (1893)  223  ff.  und  Gabotto:  II 
commercio  e  la  dominazione  dei  Veneziani  in  Trani  im  Arch.  napol.  XXIII  (1898) 
111  ff.,  woselbst  auch  reiche  Literatur.  Auch  Manfroni  109  verwirft  das  Jahr  1063. 
Verteidigt  wird  es  namentlich  von  F.  Schupf  er,  dessen  Abhandlung  »Trani  ed 
Amalfi«  in  der  Rivista  ital.  per  le  scienze  giur.  XIH  (1892)  192  ff.  besonders  auch 
Freunden  einer  >kräftigen«  Polemik  empfohlen  sei;  und  neuerdings  von  F.  Cara- 
bellese :  La  Terra  di  Bari  sotto  l'aspetto  storico,  economico  e  naturale  I  (Trani  1900) 
p.  12  ff.  (p.  19  f.  auch  ein  Wiederabdruck  der  Ordinamenti),  der  auch  in  seiner 
späteren  Schrift:  Giacomo  Rogadeo  ravellcse  di  Bitonto  nella  vita  civile  e  politica 
del  Regno  di  Puglia  (Trani  1901),  auf  denselben  Gegenstand  zurückkommt. 


I 


28  Zweites  Kapitel. 

19.  Wenn  eine  Geschichtsquelle  des  fernen  Cambrai  von  der  wunder 
baren  Rettung  Kaiser  Ottos  II.  zu  berichten  weiß,  daß  er  sich  auf  dem 
fremden  Schiffe,  das  er  schwimmend  erreichte,  für  einen  sehr  reichen  Kauf- 
mann aus  Bari  ausgegeben,  der  an  der  Küste  Schiffbruch  gelitten  habe,  so 
ist  diese  Erzählung  zwar  irrig,  beweist  uns  aber  zum  mindesten,  daß  der 
Ruf  von  Bari  als  einer  reichen  Handelsstadt  weithin  verbreitet  war.  i) 

Für  ihren  Handel  mit  Konstantinopel  legt  das  uns  schon  bekannte 
ChrysobuU  für  Venedig  vom  Jahre  992  Zeugnis  ab,  das  den  Venezianern 
die  Mitnahme  von  Amalfitanern,  Juden  und  Langobarden  von  Bari 2)  auf 
ihren  Schiffen  untersagte,  damit  der  ermäßigte  Schiffszoll  nicht  auch  diesen 
zugute  käme.  Zugleich  aber  enthüllt  es  uns  die  Mißgunst,  die  man  in  Byzanz 
dem  einheimischen  Teil  der  Bevölkerung  von  Bari  entgegenbrachte,  denn 
nur  auf  diesen,  nicht  auf  die  Griechen  von  Bari,  bezieht  sich  das  Ver- 
bot. Daß  eine  solche  differenzielle  Behandlung  Erbitterung  wecken  mußte, 
liegt  auf  der  Hand;  sie  mußte  es  um  so  mehr,  je  reger  und  vielseitiger  die 
Handelsverbindung  mit  der  Hauptstadt  des  Ostreichs  war.  Gebrauchs- 
gegenstände des  täglichen  Lebens  fanden  ebenso  ihren  Weg  von  Konstan- 
tinopel nach  Apulien  (eine  barenser  Mitgifturkunde  führt  u.  a.  2  facioh 
greciski  auf  3)  wie  die  kostbarsten  Erzeugnisse  der  griechischen  Seiden- 
industrie; das  prächtige,  reichgestickte,  dem  Bamberger  Domschatz  ange- 
hörige  Pallium,  das  Melus  dem  Kaiser  Heinrich  IL  darbrachte,  als  er  sich 
im  Interesse  seiner  Vaterstadt  nach  Deutschland  begeben  hatte,  ist  zweifellos 
griechische  Arbeit.  ^)  Als  Abt  Desiderius  von  Monte  Cassino  im  Jahre  1058 
die  Reise  nach  Konstantinopel  antreten  wiU  (zu  der  es  dann  wegen  des 
Todes  des  Papstes  Stephan  IX.  nicht  kam),  begibt  er  sich  von  Siponto  aus 
zu  diesem  Zweck  erst  nach  Bari,  wo  er  sicher  Schiffsgelegenheit  nach 
Konstantinopel  zu  finden  erwarten  konnte.  0) 

Besonders  wertvoll  sind  uns  die  Nachrichten  einer  anonymen  Chronik 
von  Bari,    die   gleichzeitige   kurze  Aufzeichnungen  über  besonders  schwere  ^^_ 
Schiffsunfälle  in  sich  aufgenommen   hat,   von   denen   in   der  Zeit  von  1045 ''|HI 
bis  1071    die  Handelsflotte  von  Bari  heimgesucht  worden  ist.  ß)    Da  solche  ^^■' 
Unfälle   doch    nur   einen   verhältnismäßig    geringen  Prozentsatz    der  Schiffe 
betroffen   haben  können,    so   gestattet  diese  Unglückschronik  einen   Rück- 
schluß  auf   die   Lebhaftigkeit  des  Handelsverkehrs  von  Bari   und  zugleich 
erhalten  wir  damit  einen  Hinweis  auf  die  Hauptrichtungen,   in  denen  sich 
dieser  Verkehr  bewegte. 

So  hören  wir,  daß  im  Jahre  1064,  als  Bari  das  Bündnis  mit  Robert 
Guiscard  einging,  griechische  Kriegsschiffe  (chelandiae)  die  von  Calabrien 
kommenden  barensischen  Küstenfahrer  abfingen  und  verbrannten;  fünf 
Jahre  später  gingen  12  solche  Schiffe  mit  den  Lebensmitteln  und  allem 
anderen  Gut,  das  sie  geladen  hatten,  in  einem  furchtbaren  Sturme  bei 
Monopoli    zugrunde.     Den    Verkehr    mit    dem    Gegengestade    der   Adria 

»)  SS.  Vn  144.     Uhlirz  268,  279. 

»)  Tafel  u.  Thomas  I,  38.  Heyd  I,  96.  Wenn  Kohlschütter  13,  Manfroni  77, 
Schlumberger  II  314  hier  von  Langobarden  und  Barensern  reden,  so  ist  diese 
Trennung  gegenüber  dem  klaren  Wortlaut  der  Urkunde,  der  zugleich  einen  sehr 
guten  Sinn  ergibt,  nicht  haltbar. 

')  Cod.  Bar.  IV  no.  42  p.  83.     Gay  p.  582. 

*)  Breßlau  bei  Hirsch,  ni  160  u.  372.  Melus  starb  1020,  bald  nachdem  ihm 
der  Kaiser  die  Würde  eines  »Herzogs  von  Apulien c  verliehen  hatte. 

*)  Meyer  v.  Knonau  I  89  f. 

«)  Muratori  SS.  V,  151—153. 


II 


I 


Unter-Italien.  29 

bezeugt  uns  der  Umstand,  daß  im  März  1071  ein  nach  Durazzo  fahrendes 
barensisches  Schiff  (cattus)  mit  Mann  und  Maus  unterging;  so  lag  es  offenbar 
auch  im  Handelsinteresse  der  Stadt,  wenn  der  griechische  Katepan  Bojoannes 
an  der  Spitze  der  Barenser  1024  von  Bari  aus  einen  Zug  nach  der  kroatischen 
Küste  unternommen  hatte,  wo  ihm  die  Gemahlin  und  der  Sohn  eines  Ober- 
häuptlings in  die  Hände  fielen,  die  er  dann  von  Bari  aus  nach  Konstantinopel 
sandte,  i) 

Den  Verkehr  der  Barenser  in  den  griechischen  Gewässern  betrifft 
die  Wegnahme  des  Kriegsschiffes  des  Petrus  de  Gira  durch  Sarazenen  bei 
Malea  1067 ;  ebenfalls  bei  Malea  gingen  1062  drei  barensische  Handelsschiffe 
(naves),  die  mit  Ladung  nach  Konstantinopel  fuhren,  unter ;  1 1  Jahre  vorher 
war  ein  barensisches  Schiff,  das  in  Penna,  jenem  südlichsten  Hafen  des 
Regnum  Italicum,  Öl  geladen  hatte  und  im  Begriff  war,  nach  Konstantinopel 
zu  gehen,  noch  im  Hafen  von  Penna  selbst  in  Flammen  aufgegangen. 
Endlich  zeigt  uns  die  Chronik  die  Schiffe  Baris  auch  in  den  asiatischen 
Gewässern  des  griechischen  Reiches  tätig ;  das  Schiff  des  Maraldus,  das  1045 
im  Ägäischen  Meere  zugrunde  ging,  kam  von  Tarsus. 

Und  diesen  Verkehr  nach  der  Levante  setzten  die  Barenser  auch  fort, 
als  ihre  Stadt  in  die  Gewalt  der  Normannen  gefallen  war.  Schiffe  aus  Bari, 
die  mit  Früchten  und  anderen  Waren  beladen  nach  dem  Hafen  des  1084 
von  den  Seldschukken  eroberten  Antiochien  gefahren  waren,  raubten  auf 
der  Rückfahrt  in  Myra  an  der  griechischen  Südküste  Kleinasiens  im  Jahre  1086 
die  Gebeine  des  hl.  Nikolaus  und  brachten  sie  am  9.  Mai  1087  nach  ihrer 
Heimatstadt,  die  ihnen  eine  prächtige  Ruhestätte  in  einer  neuerbauten 
Kirche  bereitete,  die  Papst  Urban  H.  am  1.  Oktober  1089  unter  großen 
Festhchkeiten  in  Person  einweihte.  2) 

Griechen  und  Venezianer  freilich  bestritten  die  Echtheit  jener  Gebeine, 
so  daß  die  Venezianer  zur  Zeit  des  ersten  Kreuzzuges  das  Unternehmen  der 
Barenser  wiederholten ;  und  gewiß  konnten  die  Venezianer  für  ihren  Glauben, 
daß  nunmehr  ihre  Heimat  den  wirklichen  und  rechten  Patron  der  Seefahrer 
berge,  auf  den  Aufschwung  ihrer  eigenen  Stadt  und  den  Rückgang  von 
Bari  hinweisen.  Denn  die  normannische  Herrschaft  erwies  sich  für  die 
famosissima  urbs,  wie  sie  Gaufred  Malaterra  bei  seiner  Erzählung  der 
Belagerung  der  Stadt  unter  Hervorhebung  des  Reichtums  ihrer  Bürger 
nennt 3),  weit  ungünstiger,  als  es  die  griechische  mit  all  ihrem  Druck 
gewesen,  zumal  der  Handelsverkehr  mit  den  griechischen  Gebieten  nunmehr 
auf  die  größten  Schwierigkeiten  stoßen  mußte.  Dazu  kam,  daß  die  Zwistig- 
keiten  unter  den  Normannen  selbst  die  Stadt  nicht  zur  Ruhe  kommen 
ließen;  1083  und  1084  hat  Robert  Guiscard  der  Stadt,  die  während  seiner 
Abwesenheit  auf  der  Balkanhalbinsel  abgefallen  war,  Kontributionen  von 
vielen  tausend  Goldstücken  auferlegt."*) 

So  war  es  Bari  nie  beschieden,  zu  einer  rechten  Entfaltung  seiner 
kommerziellen  Kraft  in  freier  Bewegung  zu  gelangen ;  trotz  oft  wiederholten 
tapferen  Ringens  ist  es  fast  immer  unter  fremdem  Druck  geblieben.    In  der 

')  Ib    149.     Breßlau  I  172.     Schlumberger  H,  599  f. 

«)  Heyd  I,  96.  Meyer  v.  Knonau  IV,  272  f.  Dagegen  ist  legendarisch,  daß 
Peter  von  Amiens  von  seiner  Pilgerfahrt  nach  den  heiUgen  Stätten  um  1094  auf 
einem  Handelsschiffe  von  Bari  zurückgekehrt  sei;  er  hat  Jerusalem  damals  gar 
nicht  orreicht.     Kugler  20  A.  1. 

•'    Muratori  SS.  V,  571. 

*)  Anonym.  Bar.  ib.  154.  Lupus  protospat.  M.  Germ.  SS.  V,  60.  v.  Heine- 
mann I  290  ff.,  318.  321.  329. 


30  Zweites  Kapitel. 

Tat  konnten  sich  auch  die  Griechen  mit  einer  bloß  nominellen  Abhängigkeit 
der  Stadt  nicht  begnügen;  dazu  war  Bari  politisch  zu  wichtig  als  der 
Brückenkopf,  den  Byzanz  fest  in  der  Hand  halten  mußte,  wenn  es  überhaupt 
noch  eine  Stellung  in  Unter-Italien  behaupten  wollte ;  und  schon  die  Rücksicht 
auf  die  von  Konstantinopel  drohende  Gefahr  mußte  später  auch  die  Nor- 
mannen veranlassen,  die  militärischen  Rücksichten  allen  anderen  voranzustellen. 

20.  Unmittelbarer  noch  und  drohender  als  für  den  Osten  erschien 
die  sarazenische  Gefahr  für  den  Westen  Unter-Italiens,  für  die 
blühenden   Striche   an   den    Golfen   von    Salerno.   Neapel   und    Gaeta. 

Wohl  suchten  sich  die  Seestädte  anfangs  ihrer  durch  Kampf  zu 
erwehren;  schon  812  unterstützten  Amalfi  und  Gaeta,  während  Neapel 
freilich  ablehnte,  die  Griechen  Siziliens  i) ;  846  zwang  Caesarius,  mit  neapoli- 
tanischen und  amalfitanischen  Schiffen  das  Meer  beherrschend,  die  Sarazenen, 
die  Rom  überfallen  und  seine  Häfen  besetzt  hatten,  zum  Abzüge,  bei  dem 
ein  gewaltiger  Sturm  sie  vernichtete;  und  als  die  Sarazenen  3  Jahre  darauf 
von  neuem  Porto  bedrohten,  wurden  sie  von  den  vereinigten  Schiffen 
Neapels,  Amalfis,  Gaetas  und  Roms  geschlagen.  2)  Ein  Menschenalter  später 
aber  erscheint  das  Verhalten  der  campanischen  Seestädte  von  Grund  aus 
verändert.  Sie  suchen  sich  nunmehr  mit  der  mittlerweile  festbegründeten 
sarazenischen  Nachbarschaft  in  dem  nahen  Sizilien  abzufinden  und  nehmen 
flicht  den  geringsten  Anstand  mehr,  sich  politisch  mit  ihnen  zu  verbinden, 
zumal  wenn  sie  hoffen  können,  sarazenische  Raubzüge  vom  eigenen  Gestade 
abzulenken  oder  mit  ihrer  Hilfe  einem  verhaßten  Gegner  empfindlich  z 
schaden.  Unzweifelhaft  hat  die  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  immer 
weiter  fortschreitende  Zersplitterung  des  alten  Herzogtums  Benevent  hierauf 
auf  das  ungünstigste  eingewirkt;  nebeneinander  bestanden  am  Ende  des 
Jahrhunderts  schon  in  den  langobardischen  Gebieten  Benevent,  Capua  und 
Salerno,  in  den  griechischen  neben  dem  Rest  des  Dukats  von  Neapel,  Amalfi  und 
Gaeta.  '^)  Um  870  kämpften  neapolitanische  Schiffe  gemeinsam  mit  sarazeni- 
schen gegen  die  Amalfitaner  4),  die  mit  20  Schiffen  (saginis)  unter  ihrem 
praefectus  Marinus  den  von  seinem  Bruder  eingekerkerten  Bischof  iVthanasius 
von  Neapel  befreit  hatten;  875/6  machten  die  leichten  Fahrzeuge  aller 
campanischen  Seestädte  vereint  mit  ihren  sarazenischen  Bundesgenossen  die 
römische  Küste  unsicher  s) ;  so  eng  war  die  politische  und  kommerzielle 
Verbindung  mit  den  Ungläubigen  geworden,  daß  Kaiser  Ludwig  H.,  der 
Sieger  von  Bari,  den  die  unteritalischen  Kleinfürsten  durch  ihren  Überfall 
bei  Benevent  um  den  besten  Teil  seiner  Erfolge  brachten,  nach  Konstan- 
tinopel schreiben  konnte,  Neapel  sei  ein  zweites  Palermo  oder  Afrika 
(Mehadia)    geworden.  6)     Und  in  der  Tat  war  damals  die  Gefahr,    daß  ganz 

1)  Brief  Leos  III.  an  Karl  d.  Gr.,  M.  G.,  Epp.  V.  96.     Manfroni  39. 

'')  Johannis  gesta  episcoporum  Neap.  in  M.  G.,  SS.  Rer.  Langob.  et.  Ital.  saec. 
VI-IX  p.  432  f.     Dümmler  I,  344.     Eingehend  Manfroni  44—52. 

^)  Überblick  über  diese  Entwicklung  bei  IJhlirz  13  f.  Näheres  Schipa:  II 
ducato  di  Napoli  im  Arch.  napol.  XVH.  (1892)  358  ff.  ii.  XVm.  Chalandon :  L'etat 
politique  de  l'Italie  meridionale  ä  l'arrivee  des  Xormands  in :  Melanges  d'archeol. 
et  d'hist.  XXI  (1901)  p.  411-452;  besonders  p.  417—426.     Gay  4!>if. 

*)  Joh.  gesta  1.  c.  446.     Manfroni  54 

^)  Erchempert  in  SS.  Rer.  Langob.  et.  Ital.  p.  249.     Dümmler  II,  400. 

8)  Dümmler  II,  235  ff.,  265  if.  Mühlbacher  reg.  no  1213.  Chron.  Sal.  c.  107 
(SS.  III,  526).  V.  Heinemann  5.  Gay  101  ff.  Seit  dieser  Zeit  mögen  auch  die  zahl- 
reichen arabischen  Lehnworte  in  die  italienische  Volkssprache  eingedrungen  sein, 
H.  Goldschmidt  p.  98,  Anm.  11  und  Ch.  de  la  Ronciere  im  Moyen-Age  X  (1897),  209  f. 


Unter-Italien.  31 

Unteritalien  sarazenisiert  wurde,  außerordentlich  groß.  Das  beweist  uns 
namentlich  auch  das  Verhalten  der  Amalfitaner.  Vergebens  bot  Papst 
Johann  VIII.  alles  auf,  um  die  Verbindung  Amalfis  mit  den  Sarazenen,  die 
Rom  von  neuem  äußerst  gefährlich  geworden  waren,  zu  sprengen,  i)  Ver- 
gebens bot  er  ihnen  (877)  eine  jährliche  Zahlung  von  10000  Mancusen 
Silbers,  wofür  sie  dem  Papst  beim  Schutz  der  Küste  von  Civita-vecchia  bis 
Traetto  (Minturnae)  Beistand  leisten  sollten ;  vergebens  erhöhte  er  zwei  Jahre 
später  sein  Angebot,  versprach  den  Kaufleuten  Amalfis  Abgabenfreiheit  in 
Rom  und  bedrohte  sie  nicht  nur  mit  Exkommunikation,  sondern  auch  mit 
dem  Erlaß  eines  allgemeinen  Handelsverbots  gegen  sie  2) ;  sie  nahmen  schließ- 
lich das  Geld,  hielten  aber  den  Vertrag  nicht,  beteiligten  sich  vielmehr  an 
den  Raubzügen  der  Sarazenen  und  erstatteten  auch  das  Geld   nicht  wieder. 

Bald  faßten  nun  die  Sarazenen  unter  Beihilfe  der  Seestädte  auch  an 
der  Westküste  selbst  festen  Fuß.  Bischof  Athanasius  II.  von  Neapel  machte 
den  Anfang  und  siedelte  sie  am  Vesuv  an ;  dauernder  aber  als  diese  Nieder- 
lassung, aus  der  sie  nach  einigen  Jahren  vertrieben  wurden,  war  die  am 
Garigliano,  wohin  sie  Docibilis  von  Gaeta  gerufen;  in  der  Burg  Traetto 
schufen  sie  sich  hier  einen  festen  Stützpunkt,  von  dem  aus  sie  das  Innere 
bis  tief  in  das  Römische  hinein  mit  seinen  großen  und  reichen  Klöstern 
S.  Vincenz  am  Volturno,  Monte  Cassino,  Farfa,  Subiaco  auf  das  schonungs- 
loseste ausplünderten;  bis  ans  jenseitige  Meer  drangen  sie  vor,  und  be- 
ständig führten  sie  ihren  Raub  auf  den  Schiffen,  die  sie  in  der  Mündung 
des  Garigliano  unterhielten,  nach  der  Heimat  über,  ^)  Erst  nach  30  furcht- 
baren Jahren  gelang  es  dem  von  Papst  Johann  X.  zusammengebrachten 
Kriegsbündnis,  an  dem  wohl  der  Fürst  von  Salerno,  nicht  aber  die  See- 
städte teilnahmen,  die  Sarazenen  aus  dem  Innern  zu  verdrängen  und  am 
Garigliano  völlig  zu  schlagen  (915);  da  auch  die  Sarazenen  von  Agropoli 
am  Golf  von  Salerno,  wo  sie  gegen  40  Jahre  gehaust  hatten,  damals,  nach- 
dem sie  noch  Paestum  verbrannt,  nach  Afrika  zurückkehrten,  so  war  damit 
der  Boden  Italiens  wieder  von  den  Sarazenen  gesäubert.  *) 

Hatten  die  Seestädte  Amalfi,  Neapel  und  Gaeta  es  in  dieser  schlimmsten 
Zeit  verstanden,  durch  ihre  rücksichtslos  egoistische  Politik  die  sarazenischen 
Raubzüge  von  sich  fernzuhalten  und  auf  andere  abzulenken,  so  blieben  sie 
auch  in  dem  folgenden  Jahrhundert,  während  der  Osten  und  namentlich 
der  Süden  noch  viel  zu  leiden  hatten  0),  im  großen  und  ganzen  von  solchen 
Angriffen  verschont;   Salerno   allerdings  hatte,   als  es   den  bisher  den  Sara- 

»)  Jaffe-Ewald  no.  3139.  Camera  1,  107,  115  ff.  Dümmler  III,  72,  173  Mühl- 
bacher 577,  592. 

*)>...  omnium  terrarum  aditus,  in  quibus  negotiari  soliti  estis,  vobis  omni- 
modo  claudemua,  ut  illic  nulla  possiti-s  exercere  negotia.«  Irrig  setzt  Camera  I,  119 
diesen  Brief  des  Fairstes  Johann  VIII.  vom  19  November  879  (ind.  XIII)  ins  Jahr  880. 

')  Benedict!  cliron.  8S.  HI,  713,  et  facta  est  eorum  habitatio.  Ceperunt  tota 
Campania  ferro  igne  vastare  .  .  . ,  regnaverunt  Aggareni  in  Romano  agro  anni  tri- 
ginta;  redacta  est  terra  in  solitudine  etc.  Dümmler  in,  189.  Amari  Musulm.  I,  459. 
Camera  I,  114.     Manfroni  58  f.     Gay  126  ff. 

*)  Dümmler  III,  604.  Camera  I,  125  ff .,  130.  v.  Heinemann  9.  Cod.  Cajet. 
I,  248  no.  130  Die  Schlacht  am  Garigliano  pflegte  man  bisher  zu  916  anzusetzen; 
vgl.  aber  die  eingehende  Darstellung  von  Fedele :  La  battaglia  del.  (f  915  im  Arch. 
Rom.  XXn  (189!>)  p.  181—222.     Gay  161  f. 

*)  Bildeten  doch  noch  in  der  2.  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  die  Zehnten, 
die  man  in  den  Seestädten  Afrikas  von  den  an  den  Küsten  Italiens  und  Spaniens 
aufgebrachten  Schiffen  erhob,  eine  ständige  Einnahme  der  Kairewaner  Regierung. 
Ibn  Haukai  249. 


32  Zweites  Kapitel. 

zenen  gezahlten  Tribut  verweigerte,  eine  gefährliche  Belagerung  zu  bestehen, 
von  der  es  sich  aber  mit  Hilfe  einer  eben  von  der  Pilgerfahrt  nach  Jeru- 
salem zurückgekehrten  normannischen  Ritterschar  glücklich  befreite,  i) 

Während  sich  die  campanischen  Seestädte  inmitten  der  sara- 
zenischen Gefahr  durch  ihre  Nachgiebigkeit  zu  behaupten  wußten, 
haben  sie  es  gleichzeitig  für  klug  befunden,  ihre  alte  politische  Ver- 
bindung mit  Byzanz  aufrechtzuerhalten,  auch  als  sie  nach  dem  Zerfall 
des  Dukats  von  Neapel  ihre  eigenen  Stadthäupter  (comites,  praefecti  oder 
praefecturii)  hatten,  die  dann  in  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts 
ebenfalls  den  Herzogstitel  annahmen.  An  eine  strikte  Herrschaft  der 
Byzantiner  war  hier,  ganz  anders  wie  an  der  Ostküste,  nicht  zu  denken, 
dagegen  war  die  nominelle  Zugehörigheit  zum  griechischen  Reiche  in 
Verbindung  mit  ihrer  Sarazenenfreundschaft  kommerziell  für  diese  See- 
städte offenbar  von  größtem  Vorteil  und  wohl  geeignet,  sie  in  erheb- 
lichem Umfange  zu  Vermittlern  des  Güteraustausches  zwischen  dem  Ost- 
und  Westbecken  des  Mittelmeeres  zu  machen. 

21.  Die  Gunst  dieser  handelspolitischen  Situation  hat  nur  die 
eine  dieser  Seestädte,  Amalfi,  voll  auszunutzen  verstanden,  merk- 
würdigerweise gerade  diejenige  unter  ihnen,  die  sich  am  wenigsten 
einer  von  Natur  vorteilhaften  Lage  rühmen  konnte.  Zwischen  Meer 
und  Fels  eingeengt,  nur  durch  beschwerliche  Wege  mit  dem  Hinter- 
lande verbunden,  war  es  freilich  gerade  dadurch  ganz  auf  die  See 
hingewiesen,  die  eine  sturmerprobte,  verschlagene  Bevölkerung  groß- 
zog. Durch  die  Not  hervorgerufener  Arbeitsdrang,  die  Gewohnheit, 
in  fremden  Ländern  zu  suchen,  was  das  heimische  Gestade  versagte, 
und  dadurch  geweckter,  beweglicher  Unternehmungsgeist  haben  Amalfi 
mit  seinem  kleinen  Gebiete,  das  nur  die  dem  Golfe  von  Salerno  zu- 
gewandte Hälfte  der  Halbinsel  von  Sorrent  und  die  Insel  Capri  um- 
faßte, eine  Zeitlang  zu  einer  relativ  bedeutenden  Höhe  kommerzieller 
Entwicklung  erhoben,  so  daß  es  selbst  mit  dem  von  der  Natur  ungleich 
begünstigteren  Venedig  in  Wettbewerb  zu  treten  vermochte. 

Für  den  Handel  Amalfis  mit  seinen  sarazenischen  Nachbarn 
im  Westbecken  des  Mittelmeeres  haben  wir,  so  intensiv  er  gewesen 
sein  muß,  doch  nur  dürftige  positive  Nachrichten. 

Was  Sizilien  anbetrifft,  so  sind  wir  geradezu  auf  den  Rückschluß 
angewiesen,  daß  die  Handelsquartiere  der  Amalfitaner,  die  wir  im  12.  Jahr- 
hundert an  den  Hauptorten  Siziliens,  speziell  in  Messina  und  Palermo  als 
gewohnte  Einrichtung  vorfinden,  sicher  schon  in  der  sarazenischen  Zeit  der 
Insel,  die  zugleich  die  Blütezeit  Amalfis  war,  entstanden  sind  2),  und  daß 
das  Vorhandensein  solcher  ,Amalfitanae'  einen  sehr  lebhaften  Handelsver- 
kehr der  Bewohner  Amalfis  mit  Sizilien  zur  Voraussetzung  hat. 

Für  das  gegenüberliegende  Afrika  ist  uns  ihre  Handelstätigkeit  schon 
aus  früher  Zeit  bezeugt.  Durch  den  Anonymus  von  Salerno  3)  hören  wir 
von   einem  Amalfitaner  Florus,   der  mit  einer  Anzahl  von  Landsleuten  in 


I 


1)  Amari  Musulm.  n  343.     Breßlau  bei  Hirsch  m  151,  323  f. 

2)  §  372. 

")  SS,  ni,  528  c.  118  f.     Camera  I,  107.     Heyd  I,  99.     Manfroni  57. 


Unter-Italien.  33 

Mehdia  Handel  trieb,  gerade  als  der  Aghlabide  Mohammed  Ibn  Ahmed 
einen  Zug  gegen  die  Christen  vorbereitete  (871);  ein  Araber,  der  Ursache 
hatte,  dem  Herzoge  Waifar  von  Salerno  dankbar  zu  sein,  vertraute  dem 
Amalfitaner  an,  daß  Salerno  das  Ziel  des  Zuges  sei  und  drängte  ihn  so 
lange,  bis  er  abreiste  und  den  Herzog  von  der  ihm  drohenden  Gefahr  ver- 
ständigte. Das  nordafrikanische  Küstenland  stand  damals  und  in  den  nächsten 
beiden  Jahrhunderten  in  hoher  Blüte;  der  1067  schreibende  Bekri  erzählt 
uns  mit  Stolz,  wie  die  Tuch-  und  Leinwandindustrie  an  Orten  wie  Kaire- 
wan,  Susa,  Kaps  gedieh,  daß  Gabes  die  Kultur  des  Maulbeerbaumes  be- 
sonders pflegte  und  viel  Seide  produzierte,  daß  der  Hafen  von  Mehdia  von 
Handelsschiffen  aus  Sizilien  und  anderen  Ländern  viel  besucht  war.  i)  Wenn 
wir  nun  Erzeugnissen  dieser  Industrien  in  Unteritalien  begegnen,  wenn  Leo 
von  Ostia  bei  seiner  Beschreibung  der  Kirche  von  Monte  Cassino  von  den 
arabischen  Vorhängen  spricht,  die  auf  den  Chor  herabhängen  2)  und  Abt 
Theobald  vom  Kloster  des  hl.  Liberatus  am  Lenta  (Grafschaft  Chieti)  in 
seiner  Denkschrift  über  seine  Verwaltung  vom  Jahre  1019  auch  zwei  cerci- 
toria  serica  Africana  erwähnt  3),  die  zur  Ausschmückung  des  Nordaltars  des 
Klosters  dienten,  so  wird  der  Schluß  nicht  zu  gewagt  erscheinen,  daß  diese 
Gegenstände  durch  den  Handel  Amalfis  ihren  Weg  in  die  christhchen 
Kirchen  gefunden  haben.  Auch  an  dem  Export  von  Öl,  der  nach  dem  ge- 
nannten arabischen  Schriftsteller  besonders  aus  Sfaks  nach  Sizilien  und 
den  Ländern  der  Rum  erfolgte  4),  werden  wir  uns  die  Amalfitaner  besonders 
beteihgt  denken  dürfen. 

Auch  für  die  Kenntnis  des  Handels  der  Amalfitaner  mit  den  spani- 
schen Mauren  sind  wir  auf  bloße  Indizien  beschränkt.  Die  Denkschrift 
des  Abtes  Theobald  führt  auch  zwei  von  Gläubigen  in  die  Kirche  gestiftete 
spanische  Seidenzeuge  auf ;  ebenso  findet  sich  in  dem  Vermächtnis  des  Pres- 
byters Johannes  de  Fontaneila  von  Amalfi^)  vom  Jahre  1007  für  das  von 
ihm  begründete  Kloster  ein  pallium  spaniscum.  Der  in  Neapel  wohnhafte 
Amalfitaner  Sergius,  des  Pardus  Sohn,  vermacht  seiner  Tochter  1021  u.  a.  auch 
zum  Schmuck  zwei  »flectas  spaniscas«  ^) ;  und  in  einem  Gaetaner  Testament  von 
1028  wird  ein  kunstvoll  gearbeiteter  spanischer  Schrein  aufgeführt.  '^)  Wohl 
könnten  diese  Gegenstände  auch  durch  die  spanischen  Mauren  nach  Sizilien 
oder  direkt  nach  Amalfi  importiert  sein;  aber  der  Umstand,  daß  wir  den 
amalfitanischen  Händlern  an  der  fernen  Ostküste  des  Mittelmeers  begegnen, 
berechtigt  uns,  ihnen  eine  ähnliche  Tätigkeit  auch  für  den  näher  gelegenen 
Westen  in  bezug  auf  die  Erzeugnisse  der  damals  hochstehenden  maurischen 
Kultur  Spaniens  zuzuschreiben.  Wenn  der  Dichter  Wilhelm  von  Apulien 
uns  für  die  zweite  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  berichtet,  daß  in  Amalfi 
Araber,  Libyer,  Sizilier  und  Afrikaner  zu  sehen  seien  8) ,  so  ist  auch  das  als 
ein  Zeugnis  für  die  Lebhaftigkeit  des   gegenseitigen  Handelsverkehrs   anzu- 

')  Xn,  488,  502  f.,  462,  485. 

*)  >Cortina8  Arabicas  quae  pendent  supra  chorum<  Leo  Ost.  III  c.  57  (SS.  VII, 
744).     Molinier  IV,  p.  134. 

')  Murat.  Antiqu.  IV,  768.  Cercitoria  sind  Tücher  oder  Teppiche  zur  Ver- 
zierung des  >Umgang8<  um  den  Altar. 

*)  El  Bekri  XII,  461.     Vgl.  Amari  Musulm.  I,  206  A.  2,  II,  362  f. 

»)  Mur.  Ant.  IV,  770      Camera  I,  222. 

®)  Capasso  IIi  p.  252 

')  >Scrineum  meum  de  Spania,  qui  est  de  ossum  et  olabatum  (Elfenbein)  ad 
ramen  (Kupfer)  c.     Cod    Cajet.  I,  p.  300. 

8)  SS.  IX,  275 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  3 


34  Zweites  Kapitel. 

sehen,  der  zwischen    den  Amaliitanern    und   ihren    sarazenischen   Freunden 
stattfand. 

22.  Für  den  Handel  Amalfis  mit  dem  griechischen  Reiche 
liegt  das  älteste  direkte  Zeugnis  bei  Liutprand  von  Cremona  vor,  der 
als  Exporteure  der  kostbaren  Seidenzeuge  aus  Konstantinopel  zugleich 
mit  den  Venezianern  die  Amalfitaner,  und  nur  diese,  nennt.  Wenn 
das  Chrysobull  von  992  für  Venedig  die  diesem  gewährte  Ermäßigung 
des  Schiffzolls  nicht  auch  ohne  weiteres  den  Amalfitanern  zugute 
kommen  lassen  will^),  so  ist  das  natürlich  genug,  zumal  bei  den 
eigentümlichen  Verhältnissen  Amalfis  auf  eine  Unterstützung  der 
Griechen  gegen  Sarazenen  oder  Langobarden  durch  die  amalfitanische 
Flotte  doch  nicht  zu  rechnen  war. 

Eine  besonders  wichtige  Rolle  spielte  im  dritten  Viertel  des  11.  Jahr- 
hunderts in  Konstantinopel  der  den  gräflichen  Familien  Amalfis  angehörige 
reiche  Kaufmann  Pantaleo  »filius  Mauri  de  Pantaleone  de  Mauro  de  Maurone 
Comite«,  wie  er  sich,  mit  Aufzählung  seiner  Vorfahren,  nach  heimischer  Sitte 
in  einer  Inschrift  selbst  nennt.  2)  Mit  klarem  Blick  sah  er  in  den  Nor- 
mannen den  Feind,  der  seiner  Vaterstadt  am  gefährlichsten  werden  konnte 
und  suchte  deshalb  ein  Zusammenwirken  des  griechischen  Reichs  mit  der 
Kurie  und  den  deutschen  Herrschern  herbeizuführen.  Auf  die  päpstliche 
Mission  von  1054  nach  Konstantinopel,  der  Erzbischof  Peter  von  Amalfi 
angehörte,  hat  er  sicher  schon  Einfluß  geübt;  Anfang  1062  trat  er  mit 
Bischof  Benzo  von  Alba  in  Verbindung,  damit  dieser  die  Räte  des  jungen 
Königs  Heinrich  zu  einem  Zuge  gegen  die  Normannen  bestimme,  während 
er  selbst  nach  Konstantinopel  ging^),  wohin  sich  zu  gleichem  Zweck,  aber  unter 
dem  Verwände  einer  Pilgerfahrt,  auch  Fürst  Gisulf  von  Salerno  begab,  dem 
Pantaleo  in  seinem  Hause  zu  Konstantinopel  die  gastlichste  Aufnahme  ge- 
währte. 4)  Mit  dem  Angebot  Constantins  X.,  eine  Flotte  von  100  Schiffen 
mit  je  100  Ruderern  in  den  Gewässern  von  Amalfi  gegen  die  Normannen 
zu  unterhalten,  falls  Heinrich  IV.  mit  100000  Mann  nach  Unteritalien  käme, 
kehrte  Pantaleo  nach  der  Heimat  zurück;  weitere  Verhandlungen  mit 
Cadalus  in  Rom  (1063)  blieben  freilich  ergebnislos.  ^)  Auf  seine  diplomatische 
Tätigkeit  ist  es  zurückzuführen,  daß  ihm  der  griechische  Kaiser  den  Ehren- 
titel eines  vnutog  (consul)  verlieh,  ß) 

Wertvolle  Erzeugnisse  griechischer  Kunstfertigkeit  fanden  durch  diesen 
reichen  und  freigebigen  Amalfitaner  ihren  Weg  nach  Italien.  Prächtige 
Bronzetüren,  die  er  in  Konstantinopel  gießen  ließ,  stiftete  er  für  den  bischöf- 
lichen Palast  seiner  Vaterstadt  und  nach  dem  benachbarten  Atrani,  für  die 


»)  Oben  §§11  u.  12. 

»)  Bei  Camera  I,  Iftö.  Über  Pantaleo:  Heyd  I,  100-103.  E.  Strehlke  bei 
V.  Quast  u.  Otte :  Zeitschr.  f.  christl.  Archäol.  u.  Kunst  II,  116  f. 

3)  Steindorff  II,  257  f.  Der  Brief  Pantaleos  an  den  Bischof  und  die  majores 
Romae  bei  Benzo  panegyr.  SS.  XI,  615.  Näheres  Meyer  v.  Knonau  I,  249  f.  v.  Heine- 
mann I,  235  f. 

*)  Aime  320.  f. :  il  et  toute  sa  gent  a  les  despens  de  Pantaleon  estoient  en 
sa  maison  et  estoit  son  conseillier. 

6)  Meyer  v.  Knonau  I,  260,  316.     v.  Heinemann  I,  236,  239,  386. 

*)  Keineswegs  aber  bezeichnet  der  Titel  die  Stellung  eines  Vorstehers  der 
amalf.  Kolonie  in  Konstantinopel ,  wie  Camera  I,  155 ,  199  und  Heyd  1 ,  102  an- 
nehmen. 


Unter-Italien.  35 

Basilika  S.  Paolo  fuori  di  mura  in  Rom  (1070)  und  für  die  Wallfahrtskirche 
auf  dem  Monte  Gargano  (1076).  Als  Abt  Desider  von  Monte  Cassino  bei 
einem  Besuche  in  Amalfi  jene  Türen  sah,  gefielen  sie  ihm  so,  daß  er  so- 
gleich ähnliche  Türen  unter  Angabe  der  Maße  nach  Konstantinopel  in  Be- 
stellung gab.  1) 

Auf  der  einseitig  kirchlichen  Natur  unserer  Quellen  wird  es  auch 
beruhen,  daß  uns  überwiegend  nur  mit  dem  Kultus  zusammenhängende 
Gegenstände  byzantinischer  Herkunft  begegnen,  bei  denen  wir  ihre  Einfüh- 
rung nach  Italien  durch  Amalfitaner  direkt  erfahren  oder  anzunehmen  haben. 
So  stoßen  wir  in  der  Nachbarschaft  Amalfis  in  dem  993  aufgenommenen 
Inventar  der  Kirche  Santa  Lucia  in  Reginnis  minoris  auf  zwei  Seiden- 
gewänder von  Konstantinopel  2),  in  dem  kulturgeschichtlich  besonders 
interessanten  Testamente  des  amalfitanischen  Priesters  Johannes  de  Fontaneila 
(1007)  unter  zahlreichen  anderen  seidenen  Gewändern  auf  acht  ebendaher 
stammende  pallia  und  einen  seidenen  Mantel  erster  Qualität  mit  griechischem 
Besatz  3),  in  der  Denkschrift  des  Abtes  Theobald  (1019)  auf  eine  ganze  An- 
zahl seidener  Altardecken  von  byzantinischer  Herkunft.  4)  Abt  Desider  schickt 
einmal  36  Pfund  Gold  nach  Byzanz,  um  von  einem  dortigen  Goldschmied 
eine  Altartafel  herstellen  zu  lassen  s).  Auch  der  Reliquienhandel  spielte  dabei 
eine  nicht  ganz  geringe  Rolle.  ^) 

Von  weltlichen  Gegenständen  begegnen  wir  auch  hier  einmal  wie  in 
Bari  zwei  »griechischen  Tüchern«  (facciolae  griciscae),  die  der  Amalfitaner 
Sergius  aus  Neapel  neben  mancherlei  Kleidern  und  Stoffen  seiner  Tochter 
vermachte  (1021).  7) 

Für  die  Stärke  der  amalfitanischen  Kolonie  in  Konstantinopel  ist 
außer  dem,  was  wir  von  Pantaleo  hören,  besonders  der  Umstand  beweisend, 
daß  sie  eine  eigene,  dem  hl.  Andreas  geweihte  Kirche  und  zwei  Klöster 
besaß ;  in  S.  Maria  de  Latin a  fand  einer  der  Begleiter  Gisulfs,  der  Kardinal- 
bischof Bernhard  von  Palestrina,  der  auf  der  Rückreise  von  einer  Pilgerfahrt 
nach  Jerusalem  in  Konstantinopel  verstorben  war,  seine  letzte  Ruhestätte. 
Auch  auf  dem  Athos  unterhielt  der  kirchliche  Sinn  der  Amalfitaner  ein 
Kloster,  wie  es  andererseits  auch  in  Amalfi  eine  Kirche  S.  Niccolö  de' 
Greci  gab.**) 

An  dem  Verkehr  mit  Konstantinopel  waren  auch  Gaetaner  beteiligt. 
Im  Jahre  1064  starb  daselbst  der  Gaetaner  Johann,  Sohn  des  Petrus  de 
D.  Benedicto,  der  dem  Bistum,  den  verschiedenen  Kirchen  seiner  Vaterstadt 
und  seinen  Angehörigen  Legate  im  Gesamtwerte  von  35  Hyperpern  aus- 
gesetzt hatte ;  der  Priester  Hüarius  teilte  das  von  Byzanz   aus   dem  Bischof 


')  Camera  I,  155  H.  W.  Schulz:  Denkmäler  der  Kunst  des  Mittelalters  in 
Unter-Italien  (Dresden  1860)  I,  224  ff.,  II,  228  ff.  Heyd  I,  102.  Krause  E  F. :  Über 
einige  Inschriften  auf  den  Erztüren  ^er  Basilika  usw.  in ;  Römische  Quartalschr. 
f.  Christi.  Altertumskunde  XVI  (1902),  41  ff. 

*)  Camera  I,  151 :  ijallia  duo  de  caleri  de  Constantinopoli. 

')  >amictum  unum  Optimum  de  seta  plumatu  greciscu«  ib.  222. 

*)  Murat.  Antiqu.  IV,  IHl  f.  verschiedene  coopertoria  serica  Copl.,  1  Icna 
serica  Copl.,  cercitorium  sericum  Copl.     Breßlau  bei  Hirsch  lU,  207. 

«*)  Leo  Ost.  m,  c.  32  (SS.  VII,  722).     Molinier  IVj,  p.  134  f. 

8)  Vgl    Leo  Ost.  m  c.  54  (p.  742).    Camera  I,  263. 

'')  Capasso  II,  no    402  p.  252. 

8)  Camera  I,*  19it,  247.  v.  Heinemann  I,  385.  Zachariae  v.  Lingenthal:  Jus 
(iraeco-Romanum  III  (Leipzig  1857),  Proleg.  p.  XIX. 

3* 


36  Zweites  Kapitel. 

mit    und    bat    um    Nachricht,    wie    und    an    wen    die    Zahlung 
sollte.  1) 

23.  Wenn  es  vorzugsweise  Erzeugnisse  der  vorgeschrittenen 
byzantinischen  Industrie  und  Kunst  gewesen  sind,  die  die  Amalfi- 
taner  aus  Konstantinopel  einführten,  so  holten  sie  die  mannigfachen 
Produkte  des  Orients  von  den  östlichsten  Gestaden  des  Mittelmeeres, 
aus  Syrien  und  Ägypten. 

Wilhelm  von  Apulien  hebt  in  seinen  Amalfi  verherrlichenden  Versen 
besonders  hervor,  daß  aus  Alexanders  und  Antiochos'  Stadt  mancherlei 
Waren  hierhergebracht  zu  werden  pflegten.  ^)  Daß  die  Amalfitaner  in 
Antiochien  ein  besonderes  Handelsquartier  besaßen,  das  auch  beim 
Übergange  der  Stadt  an  die  Sarazenen  (1084)  in  ihrem  Besitz  geblieben  sein 
muß,  geht  daraus  hervor,  daß  ein  im  Jahre  1101  den  Genuesen  gewährtes 
Privileg  die  »ruga  Malphitanorum«  als  Grenze  ihrer  Konzession  angibt  3); 
und  diese  ruga  muß  längst  bestanden  haben,  da  Amalfi  am  ersten  KJreuz- 
zuge  gar  nicht  beteiligt  gewesen  ist.  Nicht  minder  läßt  es  auf  einen 
beträchtlichen  Verkehr  der  Amalfitaner  in  Antiochien  schließen,  daß  Maurus, 
der  Vater  Pantaleos,  hier  ein  Hospital  begründet  hat.  4) 

Auch  für  den  Handelsverkehr  der  Amalfitaner  in  Ägypten  besitzen 
wir  außer  der  angeführten  Dichterstelle  nur  ein  einziges  direktes  Zeugnis: 
in  einem  im  August  978  zu  Salerno  abgeschlossenen  Vertrage  &)  bestätigt  der 
Amalfitaner  Leo,  genannt  Derini,  Sohn  des  Sergius,  nach  seiner  Rückkehr 
von  einer  Handelsreise  nach  »Babilonia«  (Kairo)  einen  während  seiner 
Abwesenheit  in  Ägypten  von  seinen  bevollmächtigten  Verwandten  mit 
Lupenus,  dem  Sohne  des  Grafen  Mauronus,  vorgenommenen  Tausch  von 
Grundstücken.  Und  ein  ägyptisches  Erzeugnis  haben  wir  in  den  candelae 
optimae  de  Babylonia  vor  uns,  die  die  schon  erwähnte  Denkschrift  des  Mönchs 
Theobald  aufführt. ")  Im  übrigen  liegt  ein  indirektes  Zeugnis  für  diesen 
Verkehr  in  der  freien  Bewegung,  deren  sich  die  Amalfitaner,  dank  der 
Gunst  der  Sultane,  im  arabischen  Syrien  und  speziell  in  Jerusalem  zu 
erfreuen  hatten.  Zwischen  1063  und  1070  durften  sie  die  einst  von  Karl 
dem  Großen  gegründete,  mit  einem  reich  dotierten  Hospiz  für  abendländische 
Pilger  ausgestattete,  im  Jahre  1009'^)  aber  auf  Befehl  des  Kalifen  Hakem 
zerstörte  Klirche  Santa  Maria  de  Latina  wiederherstellen;  seit  alter  Zeit 
wurde  in  ihrer  unmittelbaren  Nähe  jährlich  am  14.  September  ein  Markt 
abgehalten,  auf  dem  jeder  gegen  Zahlung  von  zwei  Goldstücken  seine  Waren 
auslegen  durfte.  Im  Jahre  1080  fand  Bischof  Johann  von  Amalfi  zwei 
Hospize  seiner  Landsleute  in  Jerusalem  vor ;  und  Amalfitaner  waren  es  auch 


I 


^)  Cod.  Cajet.  n  no  219  p.  51.  Das  Testament  eines  Gaetaners  ib.  I,  302 
von  1028  führt  an  einer  lückenhaften  Stelle  auf;  et  una  arcella  ...  stantinopoli. 
Heyd  I,  108.  * 

2)  Huc  et  Alexandri  diversa  feruntur  ab  urbe  Regis  et  Antiochi.  SS  IX,  275. 

»)  Ughelli  IV,  847.     Röhricht  Reg.  no.  35.     Heyd  I,  103  n 

*)  Aimö  p.  320 

')  Schon  H.  Leo  bekannt:  Gesch.  der  ital.  Staaten  I,  344  Anm.  3.  Heyd  I, 
99;  Camera  I,  196.     S.  M.  de  Blasio:  Series  principum  Sal.,  App.  no.  71. 

«)  Murat   Antiqu.  IV,  769. 

')  So  (für  das  bisher  angenommene  Jahr  1010)  Ch.  Kohler  in  Rev  Or.  VII, 
1900,  590  f.  im  Anschluß  an  J.  Lair:  Etudes  critiques  sur  divers  textes  du  X.  et 
XI.  siecle.  Paris  1899.  2  Bde.  Doch  hält  Röhricht,  Erster  Kreuzzug  9  an  dem  Datum 
1010  fest. 


I 


Unter-Italien.  37 

(nach  Aimes  Bericht  der  Vater  Pantaleos,  Maurus),  die  im  allgemeinen 
Interesse  der  aus  dem  Abendlande  kommenden  christlichen  Pilger  jenes 
Hospiz  für  die  Armen  imd  Ki-anken  unter  ihnen  stifteten,  an  das  sich  die 
Gründung  des  später  so  mächtigen  Ordens  der  Hospitaliter  (Johanniter) 
anschließen  sollte,  i)  Wenn  es  auch  vielfach  frommer  Eifer  gewesen  sein 
mag,  der  die  Amalfitaner  gerade  nach  Jerusalem  führte,  so  haben  sie  bei 
diesen  Reisen  doch  sicher  auch  die  Wahrnehmung  ihrer  Handelsinteressen 
nicht  vergessen;  der  Erzbischof  Wilhelm  von  Tyrus  schöpfte  aus  lebendiger 
Tradition,  wenn  er  die  Amalfitaner  die  ersten  nennt,  die  fremde,  dem  Orient 
bis  dahin  unbekannte  Waren  um  des  Handelsgewinnes  willen  nach  Syrien 
eingeführt  hätten.  2) 

24.  Für  die  kommerzielle  Rührigkeit  der  Amalfitaner  ist  es  be- 
zeichnend, daß  sie  die  W^aren  der  Levante  nicht  nur  nach  den 
heimischen  Gestaden,  sondern  auch  nach  der  Küste  der  Adria 
importierten,  wo  sie  mit  den  Venezianern  in  unmittelbare  Konkurrenz 
traten. 

Das  bezeugt  uns  vor  allem  Bischof  Liutprand  von  Cremona,  der  die 
Lombardei  im  Auge  hat,  wo  er  von  dem  Austausch  der  kostbaren  Stoffe 
Konstantinopels  gegen  die  Lebensmittel  seiner  Heimat  durch  Venezianer 
und  Amalfitaner  spricht.  Es  waren  also  den  Amalfitanern  altvertraute  Pfade, 
wenn  wir  ihnen  1105  einmal  begegnen,  wie  sie  Wolle  aus  Sizilien  nach 
Ravenna  importierten.  3)  Darauf,  daß  sie  für  den  Verkehr  mit  Konstantinopel 
nicht  selten  den  Landweg  wählten,  deutet  es,  daß  in  Durazzo  eine  starke 
amalfitanische  Kolonie  bestand'*),  und  ich  möchte  die  Vermutung  wagen,  daß  die 
Andreaskirche  daselbst,  deren  Besitz  Kaiser  Alexius  1082  auf  die  Venezianer 
übertrug,  bis  dahin  den  Amalfitanern  gehört  hatte,  da  der  hl  Andreas 
der  Schutzpatron  der  erzbischöflichen  Kirche  von  Amalfi  war.  ö)  Am 
apulischen  Gestade  endlich  erinnerte  die  Kirche  S.  Maria  Amalfitana  in 
Monopoli  an  die  wunderbare  Rettung  amalfitanischer  Schiffbrüchiger  aus 
dem  furchtbaren  Sturme  des  Jahres  1069.^) 

Auch  im  Innern  ünterltaliens,  das  sie  offenbar  nicht  selten 
auch  von  Meer  zu  Meer  durchzogen,  waren  die  amalfitanischen  Händler  für 
die  Versorgung  der  Bevölkerung  mit  den  von  ihnen  eingeführten  Waren 
tätig.  Ist  uns  doch  eine  Urkunde  erhalten,  nach  der  23  mit  Namen  genannte 
Amalfitaner,  aus  dem  hochgelegenen  Ravello  stammend,  im  Jahre  1044  in 
Melfi,  halbwegs  zwischen  Amalfi  und  Bari,  ein  Benediktinerkloster  gegründet 
haben '^),   was  mit  Sicherheit  auf  eine  weite  Verbreitung  der  in  dem  wenig 

»)  Heyd  I,  104  f.,  92 ;  Mühlbacher  164.  Ausführlich,  mit  Angabe  der  Beleg- 
stellen:  Delaville  Le  Roulx  J. :  De  prima  origine  Hospitalariormn  etc.  Paris  1885. 
Röhricht,  Erster  Kreuzzug  11;  dazu  jetzt:  Delaville  le  Roulx:  Les  Hospitaliers  en 
Terra  Sainte  et  ä  Chypre,  Paris  1904,  p.  11  f.,  20  f. 

«)  Rec.  Crois.  Occid.  I.  822  f.     Camera  I,  199. 

')  §  11  und  372. 

•«)  Camera  I,  199,  275.  Anna  Comnena,  Alexias  V,  1  (ed.  ReifEerscheid  p.  223) : 
tTJtt  Ol  nXeiove  nno  Me'?.fTje  xal  Bsveri'ae  ^aav  anoixoi. 

")  §  13     Camera  I,  299. 

«)  Camera  I,  260  gibt  hierfür  zwar  das  Jahr  1059  an;  aber  es  kann  wohl 
keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  dieser  Sturm  identisch  ist  mit  jenem  von  der 
Chronik  von  Bari  erwähnten,   dem  12  barensische  Schiffe  zum  Opfer  fielen.     §  19. 

')  Camera  U  Doc.  no.  31  p.  XLIV  mit  dem  Druckfehler  1040  im  Datum, 
während  I,  206  das  richtige  steht.     Für  den  Verkehr  von  der  Küste  ins  Innere  sei 


38  Zweites  Kapitel. 

ergiebigen  Gebiet  von  Amalfi  heimischen  Bevölkerung  über  Unter -Itahen 
auch  damals  schon  schließen  läßt.  Nicht  wenige  auch  ließen  sich  in  dem 
nahen  Neapel  nieder  und  gelangten  hier  zu  Wohlstand,  wie  jener  Sergius, 
des  Pardus  Sohn,  der  in  seinem  1021  zu  Neapel  errichteten  Testamente 
seinen  Söhnen  außer  seinem  Grundbesitz  in  Amalfi  und  auf  Capri  auch 
eine  Reihe  von  Häusern  in  Neapel  vermachen  konnte,  i) 

Naturgemäß  begegnen  wir  den  Amalfitanern  auch  weiter  nördlich,  an 
der  Westküste  Mittel-  und  Ober -Italiens;  und  an  diesem  Verkehr  finden 
wir  auch  die  anderen  campanischen  Seestädte  in  höherem  Grade  beteiligt. 
Die  Handelsbeziehungen  Amalfis  zu  Rom  ergeben  sich  für  die  frühere  Zeit 
aus  der  Geschichte  Papst  Johanns  VHI.,  für  die  spätere  aus  der  Pantaleos ; 
als  er  1063  dem  in  der  Engelsburg  weilenden  Cadalus  die  Botschaft  des 
griechischen  Kaisers  ausrichten  wollte,  begab  er  sich  mit  seinen  Begleitern 
unter  dem  unauffälligen  Vorwande  von  Handelsgeschäften  nach  Rom.  2) 
Neapolitanische  Küstenfahrer  holten  Salz  von  der  römischen  Küste;  das 
Kloster  der  hl.  Sergius  und  Bacchus  schloß  1018  einen  Vertrag  mit  dem 
Inhaber  des  Hafens  Vulpulo  in  Neapel,  wonach  die  Klosterschiffe  von  jeder 
Fahrt  nach  Rom  (per  omnem  tassidium)  bei  der  Rückkehr  1/2  Scheffel  Salz 
zu  entrichten  hatten,  s)  Und  von  der  Mündung  des  Garigliano  oder  von 
Gaeta  aus  wird  das  Klosterschiff  von  Monte  Cassino  seine  Fahrten  nach 
Ostia  angetreten  haben,  das  Leo  IX.  1053  während  seines  Aufenthaltes  in 
der  Abtei  für  immer  vom  Hafenzoll  befreite.  4) 

Auf  den  Handelsverkehr  der  Amalfitaner  in  Pisa  dürfen  wir  aus  dem 
1126  zwischen  beiden  Städten  geschlossenen  Vertrage  schließen,  der  die 
Läden  der  Amalfitaner  in  Pisa  erwähnt,  die  sicher  nicht  erst  in  der  Zeit 
des  Niedergangs  von  Amalfi  und  des  immer  mächtiger  werdenden  kom- 
merziellen Aufschwunges  von  Pisa  entstanden  sind.  ^)  Auf  freundschafthche 
Beziehungen  der  beiden  Städte  läßt  es  auch  schließen,  daß  der  im  Exil 
lebende  Pantaleo  im  Jahre  1087  mit  einer  Schar  geworbener  Krieger  von 
Rom  aus  die  berühmte  Expedition  der  Pisaner  nach  Nordafrika  mitmachte ; 
er  ist  der  einzige  Nicht-Pisaner,  den  der  geistliche  Dichter,  der  diesen  Zug 
geschildert  hat,  beim  Namen  nennt  und  verschwindet  seitdem  unseren 
Blicken. 6)  Auch  einen  Gaetaner  Leo,  des  Petrus'  Sohn,  lernen  wir  in 
Geschäftsbeziehungen  mit  Pisa  kennen.  Für  eine  Schuld  hatte  er  einst  die 
Hälfte  eines  Hauses  in  Gaeta  an  den  Pisaner  Bonizzo  verpfändet ;  im  Jahre 
1040  aber  gelang  es  ihm,  durch  Zahlung  von  zwei  Pfund  Silber  an  seinen 
Gläubiger  in  Pisa  selbst  seinen  Besitz  von  dieser  Fessel  zu  befreien.  7)  Wenn 
das  Kloster  Monte  Cassino  nach  einer  Urkunde  der  Gräfin  Mathilde  wollene 
Tücher  in  Pisa  einkaufen  ließ,  so  werden  die  damit  beauftragten  Mönche, 
wenn  nicht  auf  eigenem  Klosterschiff,   so  wohl  auf  gaetanischen  Schiffen 


hier  wenigstens  hingewiesen  auf  den  interessanten,  einer  früheren  Zeit  angehörigen 
Vertrag,  den  Sicard  von  Benevent  836  mit  dem  Dukat  von  Neapel,  zu  dem  Amalfi 
damals  noch  gehörte,  abschloß.     M.  G.  Leges  IV,  216  ff. 

1)  Capasso  H  ^  p.  251  no.  402. 

*)  »sub  obtentu  negocii.«     Benzo  paneg.  SS.  XI,  626  f.     §§20,  22. 

»)  Capasso  U ,  no.  378  p.  236. 

*)  J.-L.  no.  4298.     Steindorff  n,  241,  494.     v.  Heinemann  138. 

8)  Arch.  it.,  ser.  3,  Vm  p  5. 

«)  Et  refulsit  inter  istos  cum  parte  exercitus  Pantaleo  malfitanus,  inter  Grae 
cos  sipantus  (d.  h.  vnaros).  E.  Du  Meril :  Poösies  populaires  latines  (Paris  1847) 
p.   242. 

■>)  Cod.  Cajet.  I,  346  f. 


Unter-Italien.  39 

dahin  gefahren  sein,  wie  wir  auch  Avissen,  daß  es  ein  gaetanisches  Schiff 
war,  das  die  von  dem  Abt  für  Sardinien  bestimmten  Mönche  nach  der 
Insel  überführen  sollte. i)  Daß  amalfitanische  Kaufleute  auch  in  Genua 
■verkehrten,  beweist  uns  ein  noch  aus  dem  11.  Jahrhunderts  stammender 
genuesischer  Abgabentarif;  neben  ihnen  werden  auch  die  Neapolitaner  und 
Salernitaner  mit  dem  gleichen  Satze  von  18  alten  pavesischen  Denaren 
aufgeführt,  während  die  Gaetaner  begünstigt  waren  und  bei  ihrer  Ankunft 
in  Genua  nur  12  den.  pro  Person  zu  entrichten  hatten.  2) 

Für  einen  etwaigen  Handelsverkehr  der  campanischen  Seestädte  mit 
Süd-Frankreich  sind  wir  für  diese  ganze  Zeit  ohne  bestimmte  Nachrichten. 
Doch  sei  wenigstens  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  unter  den  zahlreichen 
Gebrauchsgegenständen,  die  Johannes  de  Fontanella  1007  dem  von  ihm 
begründeten  Kloster  der  Benediktinerinnen  zum  Eigentum  überwies,  sich 
auch  vier  Tuche,  darunter  zwei  »de  pannu  plumatu  francesce«  befanden'^), 
und  daß  im  Jahre  1084  Gesandte  Gregors  VII.  zu  Schiff  von  Salerno  nach 
Saint-Gilles  gegangen  sind.  4) 

25.  Außerordentlich  groß  war  nach  alledem  der  Unterschied  in 
der  Handelsbetätigung  unter  den  verschiedenen  campanischen  See- 
städten. 

Die  verhältnismäßig  starke  Bevölkerung  Neapels  mit  seinem  überaus 
fruchtbaren  und  reichen  Gebiet  beschränkt  sich  auf  die  Küstenschiffahrt 
im  Tyrrhenischen  Meere;  Klöster  sind  hier  die  Schiffahrtsunternehmer,  von 
denen  wir  hören ;  im  Jahre  999  erhielt  das  Kloster  der  hl.  Sergius  und 
Bacchus  von  dem  consul  et  dux  Johannes  ein  Privileg,  wonach  es  alle 
seine  Schiffe,  groß  oder  klein,  nach  beliebigen  Zielen  völlig  abgabenfrei 
sollte  entsenden  dürfen  ^) ;  im  übrigen  überließ  man  die  Vermittelung  des 
Güteraustausches  den  die  Stadt  aufsuchenden  Fremden.  Und  nicht  anders 
verhielt  sich  Salerno,  das  wegen  des  Weltrufes  seiner  Ärzte 6)  auf  einen 
starken  ^remdenzufluß  zu  rechnen  hatte.  Die  Orangen,  Mandeln,  ein- 
gemachten Nüsse,  kostbaren  Gewänder  und  reich  mit  Gold  verzierten 
Pferdegeschirre,  die  Herzog  Waimar  von  Salerno  seinen  Gesandten  nach  der 
Normandie  mitgab^),  sollten  nicht  dazu  dienen,  irgendwelche  Handels- 
beziehungen anzuknüpfen,  sondern  weitere  normannische  Scharen  anzulocken 
und  in  seine  Dienste  zu  ziehen.  Kommerziell  regsamer  zeigten  sich  die 
Gaetaner,  denen  wir  nicht  nur  im  Gebiet  des  Tyrrhenischen  Meeres, 
sondern  auch  in  Konstantinopel  begegnet  sind;  und  wenn  ein  Gaetaner 
Testament  vom  Januar  1028  ^)  unter  mehreren  seidenen  Mänteln  eine  f ondata 
serica  bona  gaytanisca  aufführt,  so  beweist  das,  daß  in  Gaeta  auch  eine 


0  Heyd  I,  107  A.  2.  Leo  Ostiens.  m,  21  (SS.  VH.  p.  713),  1074  schenkt 
Bareso  I.  von  Torres  2  Kirchen  an  M.  Cassino ;  E.  Besta  im  Arch.  ital.,  s.  5,  XXVn 
(1901),  67. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  23. 

»)  Camera  I,  222. 

*)  §  74. 

*)  Capasso  11,  2  p.  20.  Daß  die  Abgabenfreiheit  nur  kurze  Zeit  respektiert 
wurde,  zeigt  die  oben  zitierte  Urkunde  von  1018.  Im  Anschluß  hieran  sei  erwähnt, 
daß  dem  Kloster  La  Cava  (nahe  Salerno)  im  Jahre  1086  der  Hafen  Vietri  (portus 
Veteris)  mit  allen  Einkünften  aus  demselben  überwiesen  wurde.     Kehr  p.  450 

«)  Flückiger  p.  1055  f.,  1084. 

')  Aime  1,  I  c.  19.     Breßlau  bei  Hirsch  III,  152.     v.  Heinemann  I,  34. 

«)  Cod.  Cajet.  I  no.  153  p.  298  f. 


40  Zweites  Kapitel. 


einheimische   Industrie   bestand,    die   schon    einen   höheren  Grad   von   Ent- 
wicklung erreicht  haben  mußte,  da  sie  selbständige  Muster  herstellte. 

Indessen  auch  Gaeta  wurde  an  Handelsbedeutung  damals  unzweifelhaft 
weit  von  Amalfi  übertrofTen,  dessen  Blüte  etwa  um  die  Mitte  des  11.  Jahr- 
hunderts ihren  Höhepunkt  erreicht  hat.  Handelsreisen,  namenthch  zur  See, 
waren  das  eigentliche  Element  der  Amalfitaner.  Selbst  die  fast  ausschließlich 
den  Immobiliarbesitz  betreffenden  erhaltenen  Privaturkunden  zeigen  das 
insofern,  als  Rechtsgeschäfte  in  Vertretung  eines  auf  See  Abwesenden  (qui 
est  ad  navigandum,  lautet  die  stehende  Formel)  häufig  sind,  i)  Und  diese 
Handelsreisen  dauerten  oft  lange  genug.  So  hören  wir  von  Constantin, 
einem  Sohne  des  Pantaleo  de  Mauro  Comite^),  daß  er  im  Jahre  990  von 
Amalfi  abfuhr  und  erst  im  Juh  994  wieder  heimkehrte. 

Die  ungemeine  Rührigkeit  seiner  Bevölkerung  machte  aus  Amalfi 
einen  reichen,  mit  kostbaren  Waren,  die  der  Handel  hier  zusammen- 
führte, wohlversehenen  Platz.  Aime  nennt  Amalfi  reich  an  Gold  und 
an  Tuchen^),  und,  als  Abt  Desider  von  Monte  Cassino  1065  Ehren- 
geschenke für  den  damals  erwarteten  jungen  König  Heinrich  einkaufen 
wollte,  begab  er  sich  nicht  nach  dem  nahen  Gaeta  oder,  woran  wir 
zunächst  denken  würden,  nach  Neapel,  sondern  nach  dem  für  ihn 
doch  unbequem  genug  zu  erreichenden  Amalfi;  hier  kaufte  er  für  jenen 
Zweck  20  kostbare,  dreifarbige  seidene  Tuche  ^)  und  außerdem  für  sein 
Kloster  ein  7  Pfund  schweres  silbernes  Weihwasserbecken,  das  für 
die  sonntäglichen  Prozessionen  bestimmt  war.  So  schildert  uns  Wilhelm 
von  Apulien  in  seinem  Heldengedicht  auf  Robert  Guiscard  Amalfi 
als  eine  dichtbevölkerte  Stadt,  die  in  ihrem  Reichtum  an  Gold,  Silber 
und  Gewändern  von  keiner  anderen  übertroffen  werde,  deren  Be- 
wohner, mit  der  See  und  dem  Himmel  vertraut,  die  Meere  beführen 
und  in  großer  Zahl  an  unzähligen  Orten  der  Welt  verweilten ;  auf  dem 
ganzen  Erdkreise  fast  sei  dieses  warenbringende  und  warenholende 
Geschlecht  berühmt^). 

26.  Allein  die  glänzende  Handelsstellung  Amalfis  ruhte  doch  auf 
zu  schmaler  Basis,  um  von  Dauer  sein  zu  können;  es  kam  der  Tag,  wo 


Cn^H 


1)  Camera  I,  197  führt  allein  für  die  Zeit  von  990-1039  acht  solcher  Ur- 
kunden an ;  zwei  davon  gibt  er  in  extenso  I,  224  und  11  p.  XXIII  (Doc.  no  11). 
Die  Übergabe  eines  vom  Bischof  von  Paestum  997  an  die  Leute  von  Atrani  für 
1000  Pfund  Silbers  verkauften  umfangreichen  Terrains  in  Lucanien  erfolgt  »a  Om- 
nibus Atrianensibus  quanti  hie  estis  vice  vestra  et  vice  de  alios  omnes  Atrianen- 
ses  quanti  ad  navigandum  sunt;  1, 172  f.  Und  zwar  geschah  das  im  November, 
also  außerhalb  der  gewöhnlichen  Schiffahrtsperiode. 

*)  Ib.  I,  197. 

'"')  »La  cite  de  Amalfe,  riebe  de  or  et  des  dras<  p.  58.     Heyd  I,  106  f. 

*)  >pannos  sericos  quos  triblattos  appellant.«  Leo  Ost.  III,  18  (SS.  VII,  711). 
Vgl.  Petri  Damiani  epp.  IV,  7 :  triblathon  pallium  vocatur,  quod  trium  cernitur  esse 
colorum.  Meyer  v.  Knonau  I,  430.  Da  der  König  nicht  kam,  wurden  die  seidenen 
Stoffe  zu  kirchlichen  Gewändern  (pluviales)  verarbeitet.  Als  es  sich  um  den  Neu- 
bau der  Kirche  in  M.  Cassino  handelte,  deren  feierliche  Einweihung  dann  unter 
großem  Zulauf  am  1.  Oktober  1071  erfolgt  ist,  wurden  die  erfahrensten  amalfi- 
tanischen  und  langobardischen  (d.  h.  hier  süditalischen)  Künstler  herangezogen 

*)  >Haec  gens  est  totum  fere  nobilitata  per  orbem  Et  mercanda  ferens  et  amans 
mercata  referre.«     SS.  IX,  275.     Camera  I,  197,  268.     Heyd  I,  106. 


Unter-Italien.  41 

auch   das  geschickteste  Lavieren   den  Schiffer   nicht   mehr  durch  die 
ihn  bedrohenden  Gefahren  hindurchzubringen  vermochte. 

Zunächst  schien  Amalfis  Unabhängigkeit  von  den  auf  seine  Handels- 
blüte und  seinen  Reichtum  eifersüchtigen  Fürsten  des  nahen  Salerno  be- 
droht. Hatte  Herzog  Manso  von  Amalfi  einmal  (981)  Salerno  von  sich 
abhängig  zu  machen  verstanden  i) ,  so  gelang  es  1039  dem  tüchtigen 
Waimar  IV.  von  Salerno,  die  Oberhoheit  über  das  von  inneren  Wirren  zer- 
rissene Amalfi,  das  einen  hohen  Tribut  entrichten  mußte,  zu  gewinnen  und 
13  Jahre  lang  zu  behaupten,  bis  ihn  eine  Verschwörung  seiner  Verwandten 
in  dem  Augenblicke,  als  er  den  aufständisch  gewordenen  Amalfitanern  ent- 
gegenzog, aus  dem  Wege  räumte.  2)  Unter  dem  Sohne  des  Ermordeten, 
Gisulf,  erneuerte  sich  die  Bedrängnis  Amalfis;  nach  seiner  Rückkehr  von 
Konstantinopel  (1064)  verfolgte  er  das  Geschlecht  des  Maurus  trotz  der 
Dienste,  die  ihm  Pantaleo  erwiesen,  und  störte  den  Handel  Amalfis,  wo  er 
irgend  vermochte.  3)  Schließhch  belagerte  er  die  Stadt,  die  sich  endhch, 
auch  vom  Papste  verlassen,  keinen  Rat  mehr  wußte,  als  sich  dem  Mächtigeren, 
Robert  Guiscard,  in  die  Arme  zu  werfen  und  ihm  die  Hoheit  über  die  Stadt  und 
einen  jährhchen  Tribut  anzubieten  (November  1073).  4)  In  Calabrien  be- 
schäftigt, sandte  Robert  zunächst  nur  geringe  Unterstützung;  Gisulf  konnte 
die  Belagerung  Amalfis  fortsetzen;  Vermittelungsversuche  zwischen  den 
beiden  Fürsten  scheiterten.  Im  Frühjahr  1076  endhch  marschierte  Robert 
nach  dem  Golf  und  begann  die  Einschließung  Salernos  (6.  Mai).  Von 
Gisulf  war  Amalfi  befreit;  sofort  aber  ergriff  jetzt  Robert  vollständig  von 
der  reichen  Handelsstadt  Besitz,  die  er  sich  durch  Anlegung  von  Befesti- 
gungen zu  sichern  wußte  &);  zugleich  benutzte  er  die  Schiffe  Amalfis  zum 
Kampfe  gegen  Gisulf  und  sperrte  den  Hafen.  So  wurde  auch  Salerno  am 
13.  Dezember  1076  genommen;  auch  die  Burg,  die  Gisulf  noch  zu  ver- 
teidigen suchte,  mußte  sich  bald  ergeben  und  Gisulf  selbst  ins  Exil  gehen.  6) 
Damit  war  auch  die  Westküste  Unteritaliens  von  den  Normannen  ge- 
nommen, da  Gaeta  schon  seit  1063  unter  ihrer  Hoheit  stand  7);  es  wollte 
nicht  viel  besagen,  daß  Neapel  seine  formale  Unabhängigkeit  unter  eigenen 
Fürsten  noch  60  Jahre  hindurch  behauptete. 

Zur  selben  Zeit  hatte  die  normannische  Macht  auch  auf  der  Insel 
Sizilien  schon  die  größten  Fortschritte  gemacht.  Im  Mai  1061  war 
Messina  für  die  Dauer  besetzt  worden,  am  10.  Januar  1072  war  die 
Hauptstadt  Palermo  gefallen,  im  Jahre  1086  wurde  Syrakus,  1087  auch 
Girgenti   von  Roger   erobert.     Was   dem   romanischen  Volkstum    aus 


*)  Uhlirz  163,  172.  Einen  Notar  (scriva)  und  Besitzungen  der  Amalfitaner  in 
Salerno  weist  nach  N.  Tamassia :  Stranieri  ed  ebrei  nell'Italia  meridionale ;  in  Atti 
Ven.  63  (1903  f.)  p.  783. 

»)  Breßlau  II,  315  f.  SteindorfE  II,  176  f.  v.  Heinemann  I,  81,  132.  Schipa : 
Storiadel  principato  Langobardo  di  Salerno.  Arch.  napol.  XII  (1887),  81  &.  Gay  442  S. 

3)  Aime  321  f.     v.  Heinemann  I,  259  f. 

♦)  V.  Heinemann  I,  268.     Meyer  v.  Knonau  II,  279,  688.     Manfroni  119  f. 

*)  Gaufr.  Malaterra  HI,  c.  3  (Murat.  SS.  V,  576)  .  .  .  urbem  sibi'a  civibus  deli- 
beratam  suscipit,  quatuor  C'astella  in  ea  fecit,  militibus  suis  munit ;  inde  cum  multis 
Malfetanorum  cojnis  Salernum  redit  etc. 

8)  V.  Heinemann  I,  282  ft".,  392  A.  42.     Meyer  v.  Knonau  III,  84  ff. 

'')  V.  Heinemann  I,  241,  386  f.  P.  Fedele :  II  ducato  di  Gaeta  all'inizio  della 
conquista  normanna;  in  Arch.  napol.  29  (1904),  96. 


42  Zweites  Kapitel.     Unter-Italien. 

eigener  Kraft  nicht  gelungen  war,  was  die  Griechen  wiederholt  ver- 
gebens versucht  —  die  endgültige  Verdrängung  der  sarazenischen 
Herrschaft  von  Sizilien  gelang  diesen  Eroberern  germanischen  Geblüts 
aus  der  französischen  Normandie  zugleich  mit  der  Beseitigung  der 
Griechen.  So  gewaltig  der  Vorteil  der  Vernichtung  der  arabischen 
Macht  an  allen  Gestaden  des  Tyrrhenischen  Meeres  für  die  unge- 
hemmte Entwicklung  des  Handels  der  romanischen  Welt  im  allge- 
meinen gewesen  ist,  gerade  der  Handel  der  Nächstbeteiligten  hat 
keinen  Nutzen  davon  gezogen,  da  auch  sie  der  Herrschaft  der  stamm- 
fremden Eroberer  anheimfielen.  Sicher  haben  die  Normannen  nicht 
beabsichtigt,  den  Handel  Amalfis  zu  zerstören;  aber  abgesehen  von 
der  lähmenden  Wirkung,  die  der  Verlust  der  bisherigen  Bewegungs- 
freiheit auf  die  Handelstätigkeit  der  Bewohner  üben  mußte,  die 
Herrschaft  gerade  der  Normannen  über  die  Stadt  konnte  die  Handels- 
beziehungen der  amalfitanischen  Kaufleute  nur  auf  das  ungünstigste 
beeinflussen.  Wie  hätten  die  neuen  Untertanen  des  Herrschergeschlechts, 
das  die  Mohammedaner  mit  Recht  als  den  gefährlichsten  Feind  ihres 
Glaubens  ansahen,  das  ihnen  die  herrliche  Insel  im  Zentrum  des 
Mittelmeeres  bis  auf  den  letzten  Rest  zu  entreißen  im  Begriff  war, 
in  den  sarazenischen  Ländern  die  alte  Aufnahme  finden  können! 
Und  nicht  minder  verhängnisvoll  mußte  die  normannische  Eroberung 
auf  das  Verhältnis  Amalfis  zum  griechischen  Reiche  wirken,  zumal 
Robert  Guiscard  den  offenen  Krieg  nach  der  Balkanhalbinsel  selbst 
hinübertrug.  Wohl  duldeten  die  Griechen  auch  jetzt  noch  die  zum 
Teil  seit  langer  Zeit  angesessenen  amalfitanischen  Händler  in  ihrem 
Gebiete;  für  den  eingetretenen  Umschwung  aber  ist  es  bezeichnend, 
daß  Kaiser  Alexius  im  Jahre  1082  jedem  Geschäftslokal  (ergasterium) 
eines  Amalfitaners  in  Konstantinopel  einen  an  die  Markuskirche  von 
Venedig  zu  entrichtenden  Jahreszins  von  drei  Goldstücken  auferlegte^). 
So  war  Amalfi  der  früheren  Handelsrivalin  gegenüber  völlig  gede- 
mütigt. 

Ganz  rissen    die    alten    festgewurzelten    Beziehungen    natürlich  nicht 

ab;    im  Jahre    1089   können   wir    wieder    einen  Amalfitaner   Sergius,  Sohn 

des  Lupinus  Sirice,  auf  einer  Handelsreise  nach  der  Romania  nach- 
weisen. 2) 

Noch  einmal  glaubte  Amalfi  seine  Unabhängigkeit  wieder  erlangen  zu 
können.  Im  Jahre  1096  erhob  es  sich  gegen  die  normannische  Herrschaft 
und  hielt  eine  längere  Belagerung  durch  Boemund  von  Tarent  und  Roger 
von  Sizilien  tapfer  aus.  Der  durch  den  Kreuzzug  veranlaßte  Abzug  Boemunds 
rettete  es,  und  noch  einmal  sah  Amalfi  in  der  Person  des  Marinus  Sebastes 
einen  eigenen  Dogen  an  seiner  Spitze.  3)  Daß  es  sich,  sehr  zum  Schaden 
seines  Handels,    an  dem    ersten  Kreuzzuge  nicht  beteiligen  konnte,    ist  bei 


*)  Tafel  u.  Thomas  I  p.  52.  Anna  Comnena,  Alexias  VI,  5  (ed.  Reifferscheid  T, 
197).    Heyd  I,  108. 

«)  Camera  I,  197. 

ä)  Gaufr.  Malaterra  (Murat.  SS.  V,  599).  Ann.  Cavenses  SS.  III,  190.  Lupus 
protosp.  SS.  V,  162.     Camera  I,  2891     Meyer  v.  Knonau  IV,  523. 


Drittes  Kapitel.     Rom.  43 

dieser  Sachlage  selbstverständlich;  im  Jahre  llOOi)  Avurde  es  von   Herzog 
Roger  zurückerobert. 

Gerade  mit  dem  Beginn  der  Kreuzzüge  ist  Amalfis  einst  so 
wichtige  Vermittlerrolle  zwischen  Morgen-  und  Abendland  der  Haupt- 
sache nach  endgültig  ausgespielt. 


Drittes  Kapitel. 

llom. 

27.  Rom  hat  nach  außenhin  in  unserer  Periode  nur  wenig 
Handelstätigkeit  entwickelt,  doch  war  es  als  der  kirchliche  Mittelpunkt 
nicht  nur  der  gesamten  romanischen,  sondern  auch  der  germanischen 
Welt  und  selbst  eines  Teiles  der  östlichen  Völker  Europas  auch  für 
den  Handel  von  Bedeutung. 

Auch  für  Rom  und  sein  Gebiet  war  die  Sarazenenzeit  eine  sehr 
schwere.  Centumcellae,  schon  813  von  den  Sarazenen  ausgeplündert  und 
bald  darauf  zerstört,  lag  Jahrzehnte  lang  völlig  wüst ;  auch  als  die  Bewohner 
des  von  Leo  IV.  854  zum  Ersatz  gegründeten  Leopoli  es  889  vorzogen,  in 
die  »alte  Stadt«  zurückzukehren,  blieb  Civitavecchia  ein  recht  unbedeutender 
Platz,  dessen  Bewohner  Fischfang  und  ein  wenig  Handel  trieben.  2)  Die 
Häfen  von  Rom  an  der  Tibermündung,  Ostia  und  Porto,  wurden  im 
August  846  von  einer  über  70  Schiffe  starken  Flotte  afrikanischer  Sara- 
zenen eingenommen  und  das  römische  Gebiet  bis  an  die  alten  Stadtmauern 
heran,  also  einschließlich  der  in  der  ganzen  Christenheit  verehrten  Peters- 
kirche, einer  furchtbaren  Plünderung  unterzogen  s) ;  und  30  Jahre  später 
schildert  Papst  Johann  VHL,  der  sich  sogar  den  Sarazenen  gegenüber  zu 
einem  Tribut  von  25000  Mancusen  Silbers  verpflichten  mußte  (877),  die 
traurige  Lage  Roms  in  beweghchen  Worten;  nur  noch  die  Einnahme  und 
Zerstörung  der  Stadt  selbst  fehle,  um  das  Unheil  zu  vollenden.  *)  Die  Fest- 
setzung der  Sarazenen  am  Garigliano  brachte  dann  dem  römischen  Gebiet 
neue  furchtbare  Verheerungen,  Kloster  Farfa  z.  B.  blieb  48  Jahre  ohne  Be- 
wohner ;  von  der  anderen  Seite  drangen  auch  die  Magyaren  bis  an  die  Tore 
Roms  vor.  ^)  Die  Vertreibung  der  Sarazenen  hauptsächlich  durch  das  Ver- 
dienst Papst  Johanns  X.  (915)  und   das  energische   Regiment   des  Patriziers 


')  Möglich  wären  auch  die  ersten  Tage  des  folgenden  Jahres.  Die  Urkunde 
bei  Camera  I,  297  vom  10.  Januar  1102  ind.  X  datiert:  temporibus  D.  Rogerii  .  ., 
anno  secundo  post  recuperationem  ducatus  illius  Amalfi  ;  und  genau  entsprechend 
die  Urkunde  bei  Ficker  IV,  140  vom  10.  Januar  1103. 

*)  Ausführlich  behandelt  von  C.  Calisse  :  Storia  di  Civitavecchia.  Florenz  1898. 
Eine  kleine  Ergänzung  dazu  gibt  Marucchi :  L'iscrizione  monumentale  di  Leopoli 
presso  Civitav.,  im  Nuovo  Bull  di  archeol.  Christ.  VI  (Rom  1900).  Schenkung  der 
Hälfte  von  Civitav.,  einschließlich  des  Hafens  und  seiner  Einkünfte  an  Farfa,  Juli 
1072;  da  unausgeführt,  1084  erneut.     Regesto  di  Farfa  V  p.  91  f. 

^)  Zusammenstellung  aller  Nachrichten  hierüber  bei  Mühlbacher  Reg.*  1126a 
p.  462  f.     Tomassetti:    Della  Campagna  Romana  im  Arch.  Rom.  XXIII  (1900),  156  f. 

*)  J.  2366.     Mansi  XVII,  78.     Camera  I,  114.     Dümmler  II,  74. 

»)  Chron.  Farf.  II,  12.     Giesebrecht  1»  354,  822.     Jung  31  f. 


44  Drittes  Kapitel. 

Alberich  (932 — 954) i)  führten  dann  für  Rom  bessere  Zeiten  herauf,  wenn 
es  auch  weiterhin  an  Wirren  und  inneren  Kämpfen  in  der  ewigen  Stadt 
keineswegs  fehlte. 

28.  Von  einem  Außenhandel  der  Römer  hören  wir,  offenbar  seiner 
geringen  Bedeutung  entsprechend,  nur  sehr  wenig.  Aus  dem  genuesischen 
Abgabentarif  vom  Ende  des  11.  Jahrhunderts  geht  hervor,  daß  auch  römische 
Kaufleute  in  Genua  verkehrten  2)  und  in  der  Zeit  Gregors  VII,  begegnet 
uns  ein  interessanter  Versuch,  Handelsbeziehungen  mit  Afrika  anzuknüpfen. 
Als  der  neugewählte  Bischof  von  Bona  Servandus  1076  zur  Konsekration 
nach  Rom  ging,  teilte  der  christenfreundliche  Herrscher  El-Nacer  in  einem 
Geleitschreiben  dem  Papste  mit,  daß  er  zahlreiche  christliche  Gefangene  frei- 
gelassen habe  und  noch  weitere  freizulassen  beabsichtige.  In  einer  wahrhaft 
toleranten  Antwort  (qui  unum  Deum,  licet  diverso  modo,  credimus  et  con- 
fitemur)  würdigt  der  Papst  die  vortrefflichen  Eigenschaften  des  arabischen 
Fürsten  und  empfiehlt  ihm  zwei  vornehme  Römer,  Albericus  und  Cencius, 
seine  Familiären,  die  er  von  Jugend  auf  kenne;  sie  hegten  den  dringenden 
Wunsch,  an  seinen  Hof  zu  kommen,  um  sich  seiner  Freundschaft  zu  er- 
freuen und  ihm  mit  dem  zu  dienen,  was  ihm  an  den  Erzeugnissen  ihrer 
Heimat  gefallen  könnte  3) ;  vorläufig  schickten  sie  deshalb  einige  ihrer  Leute 
zu  ihm,  damit  er  sich  von  ihrer  Bereitwilligkeit,  ihm  zu  dienen,  überzeuge. 
Von  einer  weiteren  Entwickelung  dieser  Beziehungen  ist  uns  nichts  bekannt. 

29.  Indessen,  die  kommerzielle  Bedeutung  Roms  beruhte  auf  anderen 
Grundlagen.  Schon  der  Hofhalt  der  Kurie,  die  gesteigerten  Bedürfnisse  der 
Kirche  an  ihrem  Mittelpunkte  hinsichtlich  aller  Dinge,  die  dem  Kultus  und 
der  Ausschmückung  der  zahlreichen.  Kirchen  und  Kapellen  dienten,  die 
reichen  Schenkungen  der  Päpste,  Fürsten,  geistlichen  und  weltlichen  Großen 
an  die  Basiliken  Roms,  all  das  mußte,  von  dem  Reliquienhandel  ganz  ab- 
gesehen, einen  nicht  unbedeutenden  Handelsverkehr  zur  Folge  haben,  der 
sich  namentlich  auf  kostbare  Gewänder,  Decken  und  Teppiche,  Weihrauch 
und  sonstige  Parfüms,  Edelsteine,  Perlen  und  kirchliche  Kunstgerätschaften 
jeder  Art  erstreckte.  *) 

Dazu  kam  ein  zu  allen  Zeiten  starker  Fremdenverkehr,  das  Hin  und 
Her  vornehmer  Prälaten  mit  ihrem  Gefolge,  häufige  Gesandtschaften  fremder 
Fürsten  aus  Abend-  und  Morgenland,  das  Zusammenströmen  zahlloser 
Pilger  aus  allen  gesellschaftlichen  Schichten  an  dem  Sitze  des  verehrten 
Oberhauptes  der  Christenheit,  der  den  Wallfahrern  zugleich  in  den  Apostel- 
gräbern eine  heilige  Stätte  ersten  Rangfes  bot. 

Angelsachsen,  Friesen,  Franken,  Langobarden,  Ungarn  hatten  in  Rom 
ihre  besonderen  Nationalkirchen  mit  eigenen  Hospizen  und  Begräbnisplätzen ; 
streng  landsmannschaftHch  hielten  diese  Fremden  zusammen,  zugleich  in 
Bruderschaften  unter  selbstgewählten  Vorstehern  vereinigt  und  bestrebt, 
ihren   Landsleuten   gegenüber   das    ausschließliche  Beherbergungs-    und  Be- 


1)  §  20.     Köpke-Dümmler  247, 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  23.  Sie  hatten  ebensoviel  zu  zahlen  wie  Kaufleute  aus 
Amalfi  oder  Neapel. 

^)  >,  ,  .  et  de  his  quae  in  partibus  nostris  placuerit  tibi  libenter  servire«, 
Mas  Latrie,  Traites,  doc.  p.  7  f.  Jafte  Bibl.  IT,  235  f.  (der  irrig  Ippona  mit  Bugia 
identifiziert).     J— L.  4995/6. 

*)  Treffliche  Auseinandersetzung  hierüber  bei  Heyd  I,  94  f.  Dazu  II,  694  und 
Bock  Fr,,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters  I,  25  ff.,  32. 


Rom.  45 

gräbnisrecht  zu  erlangen  i) ;  in  der  Leostadt  gab  es  einen  besonderen  burgus 
Saxonum  (oder  Anglorum)  und  burgus  Frisonorum.  2) 

Eine  besondere  Vorliebe  hatten  die  Angelsachsen  für  die  Pilgerfahrten 
nach  Rom 3) ;  als  gens  Britonum  Romam  infatigabiliter  expetens  werden  sie 
einmal  bezeichnet ;  selbst  die  Festsetzung  der  Sarazenen  in  den  Alpenpässen 
vermochte  diese  Fahrten  nur  vorübergehend  zu  hemmen,  zumal  es  die 
Ungläubigen  schließhch  einträglicher  fanden,  von  den  Rompilgern  (Romipe- 
tae,  Romei  werden  sie  seit  dem  10.  Jahrhundert  genannt)  einen  Tribut  zu 
erheben.  4)  Aber  auch  im  Bereiche  Roms  selbst  fanden  die  Fremden  nicht 
immer  die  erhoffte  Förderung.  Eine  englische  Gesandtschaft  wurde  1061 
durch  Graf  Girard  von  Galera  bei  Sutri  gänzlich  ausgeplündert,  so  daß  eins 
ihrer  Mitglieder  sich  äußerte,  Rom  könne  nicht  von  fernen  Völkern  Furcht 
vor  seinem  Bannspruch  verlangen,  wenn  die  Räuber  in  seiner  Nachbar- 
schaft ihn  verlachten ;  und  längere  Zeit  erhob  Cencius,  des  früheren  Prä- 
fekten  Stephan  Sohn,  an  der  älischen  Brücke,  der  Hauptverkehrsader 
zwischen  Rom  und  der  Leostadt,  an  der  er  einen  mächtigen  Turm  errichtet 
hatte,  von  allen  Passanten  drückende  Abgaben,  bis  endlich  1075  die  Zer- 
störung des  Turms  erzwungen  wurde,  s) 

Naturgemäß  brachten  all  diese  Fremden  viel  Geld  nach  Rom;  Ge- 
schenke für  die  heimischen  Kirchen,  für  Angehörige  und  Freunde,  Reise- 
erinnerungen wurden  in  Menge  eingekauft.  Und  in  den  Spuren  der 
Frommen  und  der  in  kirchlichen  Geschäften  Rom  aufsuchenden  Fremden  be- 
wegten sich  auch  die  Kaufleute;  als  der  mächtige  Herrscher  des  Nordens, 
Kanut  von  England  und  Dänemark,  der  selbst  als  AVallfahrer  nach  Rom 
gezogen  war,  1027  mit  Konrad  H.  und  dem  Könige  von  Burgund,  in  dessen 
Besitz  die  wichtigsten  Gebirgspässe  waren,  in  Rom  zusammentraf,  bestimmte 
er  diese  durch  seine  Bitte,  den  Befehl  zu  erlassen,  Pilger  und  Kaufleute 
aus  seinen  Reichen  unter  sicherem  Geleit  und  abgabenfrei  durch  ihr  Land 
und  über  die  Pässe  ihres  Weges  ziehen  zu  lassen,  damit  sie  nicht  wie  bis- 
her an  so  vielen  Zollstätten  aufgehalten  und  mit  ungerechten  Abgaben  be- 
lästigt würden.  6)  Daß  dieser  Befehl  seinem  Wortlaut  gemäß  jemals  befolgt 
worden  sei,  wird  freilich  billig  bezweifelt  werden  dürfen. 


*)  Vgl.  hierüber  besonders  die  Urkunden  Leos  IX.  von  1053  bei  Schiaparelli : 
Le  carte  antiche  dell'Arch.  Capitolare  di  S.  Pietro  in  Vaticano  im  Arch.  Rom.  XXIV 
(1901)  p.  469  u.  476  (no.  16,  17);  dazu  p.  433  (no.  2  von  854).  Benedict  X  bestätigt  1059 
der  Kirche  S.  Stefano  minore  das  ausschUeßliche  Recht,  die  nach  Rom  kommenden 
Ungarn  zu  beherbergen.  Kehr  P.,  Papsturkunden  in  Rom ;  Gott.  Nachr.  1900  p.  146 
no.  5.  Jung  18,  20.  Kirche  und  Pilgerhaus  für  die  Ungarn  hatte  Stephan  der 
Heilige  bald  nach  seiner  Krönung  (1001)  begründet.     Giesebrecht  P,  740. 

'')  Schiaparelli  1.  c.  p  460  (1041)  no.  12;  494  (1088)  no.  28.  Vgl.  Jung  17. 
Eine  Geschichte  der  friesischen  Kolonie  in  Rom  gibt  Blök  P.  J.:  Verspreide  Stu- 
dien op  het  gebiet  der  geschiedenis.     Groningen  1903. 

')  Belege,  besonders  für  die  ältere  Zeit,  bei  Dümmler  III,  5;  ferner  Köpke- 
Dümmler  114  A.  1.  Saxones  ultramarini  Romam  i^ergentes,  die  bei  Langres  mit 
Kaufleuten  von  Verdun  zusammentreffen ,  die  nach  Spanien  ziehen :  Acta  Sanct., 
Septemb.,  II  p.  597  F.  Pigeonneau  I,  104.  Jung  15  ff. ;  Funde  englischer  Münzen 
in  Rom  ib.  21  f.  Für  die  Pilgerreisen  aus  dem  westlichen  Frankreich  s.  besonders 
Mirac.  s.  Fidis  p.  22,  114,  207  (omnis  peregrinorum  caterva). 

*)  Flodoard  zu  951  (SS.  m,  401).     Jung  19. 

6)  Meyer  v.  Knonau  I,  215  u.  A.  29 ;  U,  421,  479 ;  vgl.  586  f. 

*)  Epistola  Canuti  Regis  ad  gentem  Anglorum ;  Mansi  XIX,  499  f.  Breßlau  I, 
146  f.     Jung  25  ff. 


46  Drittes  Kapitel. 

Wenn  es  vielfach  auch  fremde  Kaufleute,  besonders  wohl  Amalfitaner, 
gewesen  sein  mögen,  die  von  dem  reichlichen  Gewinn  verheißenden  römi- 
schen Geschäfte  Nutzen  zogen,  so  hatten  doch  sicher  die  einheimischen 
Kaufleute  Roms  an  dem  Vertriebe  der  Waren  in  der  Stadt  den  größten 
Anteil.  Die  neuerdings  veröffentlichten  alten  Archivalien  einzelner  römischer 
Kirchen  und  Klöster  zeigen  uns  bei  aller  naturgemäßen  Einseitigkeit  ihres 
Materials  z.  B.  besondere  Ölhändler  (venditores  olei),  Kaufleute  als  Pächter 
von  Grundstücken  i),  besondere  Warenniederlagen,  die  zugleich  mit  Häusern 
durch  Kauf  oder  Livellarpacht  in  den  Besitz  von  Kaufleuten  oder  anderen 
Personen  übergehen.  2)  Außerordentlich  häufig  begegnet  die  Schenkung  von 
Salinenanteilen  an  Kirchen  und  Klöster  ^) ;  das  an  der  Küste  des  römischen 
Gebiets  in  bedeutenden  Quantitäten  gewonnene  Salz  bildete  offenbar  einen 
besonders  wichtigen  Gegenwert  für  die  nach  Rom  eingeführten  Waren. 
Gelegentlich  erfolgt  auch  bei  Immobiliarkäufen  die  Bezahlung  des  Preises 
in  Waren.  4)  Durch  päpstliches  und  kaiserliches  Privileg  erfreute  sich  das 
Kloster  des  hl.  Bonifatius  und  Alexius  auf  dem  Aventin  für  seine  Schiffe 
und  seine  Leute  völliger  Zoll-  und  Abgabenfreiheit,  s)  Auf  die  Entwickelung 
einer  einheimischen  Industrie  läßt  die  Erwähnung  (von  den  allgemein  vor- 
kommenden Gewerben  sehe  ich  ab)  von  Webern,  Tuchwalkern,  Kürschnern 
schließen  6);  wie  die  Fremden,  die  päpstlichen  Subalternbeamten  ver- 
schiedenster Art,  die  cantores,  die  scriniarii,  die  Botsführer,  sind  auch  diese 
Gewerbe  in  Fortführung  spätrömischer  Einrichtungen  in  kleinere  scholae 
unter  lebenslänglichen  Prioren  organisiert.'^) 


I 


*)  Fedele :  Carte  del  monastero  dei  SS.  Cosma  e  Damiano  in  Mica  aurea ; 
Arcb.  Rom.  XXII  (1899),  91  (1049),  387  (1066),  407  (1074). 

*)  Zwei  ergasteria  ad  jireponenda  negotia  als  Zubehör  eines  vom  nego- 
tiens  Wilielmus  1041  gekauften  Hauses  ;  im  März  1043  gibt  das  Martinskloster  dem 
magnificus  vir  Petrus  de  Rapizzo  in  Livellarpacht  u.  a.,  »una  quidem  domora,    qui 
est   conjuncta  cum   portico    S.  Petri    cum  argasteria   in   integrum   intus  pertico  adsH 
negotia  repreponendum«.     Scbiaparelli  1.  c.  XXIV,  460,  462.  J^H 

3)  Fedele  1.  c.  p.  30  (1006),  32  (1011),  103  (1060).  Regesto  di  Farfa  III,  195 
no.  488  (1011),  215  (1017)  no.  505 ;  IV,  50  no.  652,  52  no.  654  (1011).  Außerdem  . 
Chron.  Farfense  I,  248.  Besonders  instruktiv  Reg.  Farf.  III,  208  no.  500  (1015),  wc 
Guinisius  vir  magnificus  negocians  und  Frau  Saxa  schenken  filum  saline  unum  ii 
integrum  cum  gurga  et  fossatu  sive  anditu  suo,  et  locum  ad  attipplum  faciendum, 
mit  allem  Zubehör  und  Nutzen,  j^ositum  in  saline  in  pedica  que  vocatur  Vetere,^ 
inter  hos  fines :  ab  uno  latere  filum  Durantis  etc. 

")  Reg.  di  Farfa  IV,  368  (1069):  pro  qua  mea  venditione  recepi  in  mercea 
valentes  libras  XXX.     Vgl.  p.  231  no.  831  (1052). 

*)  Dipl.  0  in,  31.  Mai  996  no.  209  p.  620  f. 

8)  Ein  pelliciarius :  Fedele  1.  c.  427  (1079);  ein  tessitor  Franco ;  Fedele:  Tabu^ 
larium  S.  Mariae  Novae;  Arch  Rom  XXIII,  190  (1017);  ein  Johannes  qui  de  Con- 
stantina  vocatur  scole  fullonis  im  Reg.  Sublac.  98  u.  154  (1037  u.  1034),  angeführt 
von  P.  Kehr,  Hist    Zeitschr.  71  (1893),  157  f.  4 

'')  Solmi  A.  Le  associazioni  in  Italia  (Modena  1898)  p.  95  f.  Hartmann  L.  M^ 
Urkunde  einer  römischen  Gärtnergenossenschaft  vom  Jahre  1030.  Freiburg  1892 
(dazu  Kehr  1.  c).  Derselbe  in  der  Zeitschr.  f  Soz.-  u.  Wirtschaf tsgesch.  III  (1894), 
124  ff.  u.  in  seinem  Buche  :  Zur  Wirtschaftsgesch.  p.  19,  36.  Eine  scola  mansiona- 
riorum  mit  ihrem  prior,  secundus  und  tertius  und  eine  scola  errariorum :  Fedele, 
Tabularium  1.  c  p.  187  (1011),  195  (102"^).  Die  scola  sandalariorum,  die  außer  ihrem 
prior  einen  besonderen  patronus  hatte,  ist  zwar  erst  1115  nachweisbar,  bestand 
aber  natürlich  schon  in  unserer  Periode.  Reg.  di  Farfa  V,  206  no.  1215  Chron. 
Farf.  n,  274.  Das  Gleiche  gilt  von  der  1118  mit  Prior  und  Rektoren  nachweisbaren., 
scola  salinariorum ;  Fedele  1.  c.  XXIV  p.  167. 


Rom.  47 

30.  Als  natürliche  Folge  des  starken  Fremdenverkehrs  blühte  in  Rom 
das  Geschäft  der  Geldwechsler,  deren  besonderer  Standort  in  einer 
Grundstückbeschreibung  von  1052  erwähnt  wird,  i)  Wenn,  wie  so  häufig, 
ausländische  Geldsorten  neben  Edelmetall  in  Barren  bei  der  Kurie  einhefen 
(man  denke  nur  an  den  englischen  Peterspfennig)  2),  so  war  diese  auf  die 
Dienste  der  Geldwechsler  ebenso  wie  die  Fremden  angewiesen.  Der  Geld- 
übermittelung an  die  Kurie  allerdings  standen  sie,  wie  die  Kaufleute  über- 
haupt, noch  ganz  fern;  Gesandte  oder  besondere  Boten  besorgten  die  Geld- 
beförderung mit  Unterstützung  der  unterwegs  befindlichen  Abteien  oder 
sonstiger  kirchlicher  Institute,  die  als  Aufbewahrungsstätten  (ev.  auch  Sammel- 
stätten) dienten,  s) 

Doch  beschränkten  sich  die  cambiatores  keineswegs  auf  das  Geschäft 
des  Handwechsels.  Die  Geldbedürfnisse  von  Kirchen  und  Klöstern  boten 
der  Ausdehnung  ihrer  Geldgeschäfte  ein  weites  Feld.  Belehrend  für  das 
übliche  Verfahren  ist  der  Fall  des  cambiator  Paulus,  der  am  28.  April  1083 
der  Verwaltung  der  Peterskirche  ein  Darlehen  von  100  sol.  den.  gewährte; 
dafür  wurde  ihm  ein  Grundstück  verpfändet,  dessen  Ertrag  ihm  bis  zur 
Erstattung  der  Schuld  zufließen  sollte ;  erfolgte  die  Erstattung  schon  in  den 
nächsten  Monaten  bis  zum  Januar,  so  blieb  die  Ernte  dem  Schuldner, 
während  der  Gläubiger  durch  einen  Monatszins  von  20  Denar  (also  20  % 
pro  anno)  entschädigt  werden  sollte.  4) 

Am  wichtigsten  und  umfangreichsten  war  natürlich  der  Geldbedarf 
der  Kurie  selbst.  Bekannt  ist  die  enge  Verbindung,  in  die  Hildebrand,  der 
spätere  Papst  Gregor  VII.,  noch  als  Subdiakon  zur  Zeit  Leos  IX.  mit  dem 
getauften  Juden  Leo,  dem  Sohne  des  Benedictus  (Ahnherrn  des  Geschlechts 
der  Pierleoni,  dem  Papst  Anaklet  IL  angehörte)  trat,  der  auch  nach  dem  Über- 
tritt seine  Geldgeschäfte  weiterbetrieb.  5)  Diese  Verbindung  hauptsächlich 
setzte  ihn  in  den  Stand,  durch  Geldsendungen  nach  Rom  (1059)  den  schließ- 
lichen Erfolg  des  neugewählten  Nikolaus'  IL  gegen  Benedikt  X.  vorzubereiten 
und  später  (1062)  Söldner  zum  Kampfe  für  Alexander  IL  gegen  Cadalus 
anzuwerben.  ^)  Daß  Gregor  VII.  die  Macht  des  Geldes  in  vollem  Umfange 
zu  würdigen  und  zu  benutzen  wußte,  ist  von  seinen  Gegnern  weidlich  aus- 
gebeutet, ihm  aber  auch  von  manchem  seiner  Freunde  zum  Vorwurf  ge- 
macht worden.  '^)  Der  Gegenpapst  Cadalus  kam  natürlich  in  der  Darstellung 
der  Gregorianer  nicht  besser  weg;  der  temperamentvolle  Petrus  Damiani 
schildert  sein  Heer  als  mehr  mit  Gold  als  mit  Eisen  bewaffnet ;  nicht  durch 
den  Schall  der  Trompete,  sondern  nur  durch  das  Blinken  des  Metalls  werde 


^)  Fedele,  Tabellarium  1.  c.  p.  211,  »tribium  cambiatoris«:. 

*)  Jensen:  the  »denarius  S.  Petri«  in  Transactions  of  the  R.  Hist.  Society, 
n.  8.  XV  (1902),  171  ff 

»)  J.  5341,  5494.     Meyer  v.  Knonau  IV  418  A.  2.     Jung  19  f. 

*)  Schiaparelli  1.  c.  492  f.  no.  27.  Aus  der  Urkunde  geht  hervor,  daß  er  schon 
eine  Anzahl  von  Grundstücken  der  Kirche  in  Pfandbesitz  hatte. 

")  Beno  vita  Gregorii  1.  11  (bei  Goldast,  Apologia  Henrici  IV  p.  13) :  et  in 
brevi  loculos  imple\dt  (Hildebrandus) ,  et  cui  pecuniam  illam  (das  er  als  einer  der 
custodes  altaris  b.  Petri  eingenommen)  committeret,  filium  cuiusdam  Judaei  noviter 
baptizatum  sed  mores  nummulariorum  adhuc  retinentem  familiärem  sibi  fecit.  Benzo 
von  Alba,  SS  XI,  615 :  Associavit  se  monetariis,  volens  placere  D.  Apostolico  saltim 
de  monete  negocio.     Steindorff  11,  75.     Giesebrecht  III*,  16,  26,  77. 

«)  Ann.  Romani,  SS.  V,  471  f.     Meyer  von  Knonau  I,  119,  219  A.  38,  255. 

')  Meyer  v.  Knonau  I,  233;  III,  478.  Libelli  de  Ute  I,  433:  >Tentasti  mun- 
dum  cogere  cum  pondere  pecuniae.t 


48  Viertes  Kapitel. 

es  zum  Kampfe  gerufen;  Cadalus  selbst  ist  ihm  nichts  anderes  als  em 
schändlicher  Geldwechsler  (trapezita  nequissimus).  i)  Die  Römer  selber  aber 
standen  allgemein  im  Gerüche  der  Geldgier.  Landulf  von  Mailand  nennt  sie 
magis  diligentes  aurum  quam  Apostolum  Paulum ;  Petrus  Crassus  von  Ravenna 
spricht  von  dem  populus  Romanus,  suo  more  nummorum  canones  secutus^) 
und  im  fernen  Sachsen  urteilte  man  von  durchaus  papstfreundlicher  Seite, 
daß  das  Hauptbestreben  der  apostolischen  Legaten  des  Jahres  1079  gewesen 
sei,  pecuniam  quantum  poterant  more  Romano  conquirere.  ^)  In  dieser  Zeit 
ist  das  Spottwort  von  den  heiligen  Rufinus  und  Albinus  (Goldmann  und 
Silbermann)  entstanden  *) ;  die  Macht  des  unter  diesen  Schutzheiligen  stehen- 
den Kapitalismus  ist  schon  damals  in  diesem  Zentrum  der  abendländischen 
Welt  nicht  gering  gewesen. 

31.  Gegen  Ende  unserer  Periode  brach  über  Rom  durch  die  zur  Be- 
freiung Gregors  VII.  herbeiziehenden  Normannen  unter  Robert  Guiscard 
eine  furchtbare  Katastrophe  herein ;  noch  Jahre  darnach  schildert  Erzbischof 
Hildebert  von  Tours  in  beweghchen  Versen  das  Elend,  in  dem  Rom  darnieder- 
liege; die  Entwickelung  der  Stadt,  auch  in  kommerzieller  Beziehung,  ist 
durch  diesen  sacco  di  Roma  von  1084,  der  auch  Gregor  VII.  ins  Exil  führte, 
für  geraume  Zeit  auf  das  empfindlichste  gehemmt  und  beeinträchtig 
worden.  ^) 


Viertes  Kapitel. 

Pisa. 

32.  Während  bei  den  bisher  behandelten  Seehandelsplätzen  (Rom 
ist  als  solcher  nicht  zu  betrachten)  ihre  kommerzielle  und  politische 
Beziehung  zu  Byzanz  besonders  bedeutsam  erscheint,  fehlen  solche 
Beziehungen  dem  Gebiet,  dem  wir  uns  nunmehr  zuwenden,  in  unserer 
Periode  gänzlich;  sowohl  Pisa  ,wie  Genua  sind  schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  7.  Jahrhunderts  der  germanischen  Eroberung  anheimge- 
fallen. Es  mag  damit  zusammenhängen,  daß  ein  Zug  frischer  Streit- 
barkeit durch  diese  beiden  Seestädte  geht,  der  Amalfi  gänzlich  mangelt 
und  auch  bei  dem  diplomatisch  klug  geleiteten  Venedig  nicht  in! 
gleichem  Maße  hervortritt;  zudem  treten  beider  Geschicke  wesentlichj 
später  in  ein  helleres  Licht,  als  es  bei  diesen  der  Fall  ist. 


1)  Epist.  I,  20  f.,  V,  14  (Petri  D.  Opera  I,  237  if.,  367  ff.).  Meyer  v.  Knonau  I,. 
2511,  261,  441. 

«)  SS.  Vin,  100.    Libelli  de  Ute  I,  442.     Meyer  v.  Knonau  III,  547,  271  A.  68. 

3)  Benno  de  hello  Saxonico  (SS.  V,  377).     Meyer  v.  K.  III,  226. 

■*)  Martiris  Albini  seu  martiris  ossa  Rufini  Roma  si  quis  habet  vertere  cuncta 
valet.  Wattenbach  im  Anz.  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  XX  (1873)  p.  101 ;  vgl. 
99  ff.  Giftige  Satire  auf  Urban  IL,  der  beständig  den  Reliquien  dieser  Heiligen  nach- 
gestellt habe,  bei  Pflugk-Harttung,  Iter  p.  439  ff. 

»)  Giesebrecht  in»,  561  f.  Gregorovius  F.,  Gesch.  der  Stadt  Rom  IV»,  232  ff. 
(Neue  trefflich  illustrierte  ital.  Ausgabe  in  4  Bänden,  Rom-Turin  1900  ff.)  v.  Heine- 
mann I,  327.     Meyer  v.  Knonau  HI,  553  f..  559. 


Pisa.  49 

Pisa,  im  Mittelalter  ein  Flußhafen  wie  Rom,  wenn  auch  von  der  See 
aus  leichter  erreichbar  wie  dieses,  war  zur  Zeit  Strabos  nur  20  Stadien 
(3  ^U  km)  vom  Meere  entfernt ;  durch  fortschreitende  Verlandung  an  der 
Arnomündung  war  die  Entfernung  bis  zum  10.  Jahrhundert  auf  6  km,  bis 
zum  Ende  des  Mittelalters  auf  8  km  angewachsen,  während  sie  gegenwärtig 
etwa  1 2  km  beträgt,  i)  Auch  im  Mittelalter  nur  Schiffen  von  geringem 
Tiefgange  zugänglich,  hatte  die  Stadt  ihren  besonderen  Seehafen,  den  Porto 
pisano,  der  etwa  2  km  nördlich  vom  Porto  vecchio  des  heutigen  Livorno 
entfernt  lag.  2)  Namentlich  bei  widrigen  Winden  war  die  Schiffsverbindung 
zwischen  dem  Seehafen  und  der  Stadt  nicht  leicht. 

Während  des  ganzen  9.  und  10.  Jahrhunderts  sind  unsere  Nachrichten 
über  Pisa  höchst  dürftiger  Natur.  Zur  Zeit,  als  .sarazenische  Piraten  Civita- 
vecchia  nahmen  (813),  fiel  auch  das  Pisa  so  nahe  gelegene  Korsika  vorüber- 
gehend in  ihre  Hände;  im  Jahre  820  wurden  8  von  Sardinien  nach  der 
italischen  Küste  heimkehrende  Kaufmannsschiffe  von  ihnen  in  den  Grund 
gebohrt;  849  wurde  Luni  von  spanischen  Sarazenen  völlig  ausgeplündert, 
während  Pisa  860  von  Normannen,  die  sich  im  Rhonedelta  festgesetzt 
hatten,  das  gleiche  Schicksal  erlitt.  '^)  Als  König  Hugo  von  Nieder-Burgund 
926  als  Prätendent  nach  Italien  kam,  landete  er  in  Pisa,  das  der  Zeitgenosse 
Liutprand  von  Cremona  bei  dieser  Gelegenheit  als  Hauptort  von  Tuscien 
bezeichnet,  und  wurde  hier  von  vielen  Großen  und  den  Gesandten 
Johanns  X.  empfangen^);  970  erschien  eine  wohl  zur  Unterstützung  der 
süditahschen  Pläne  Ottos  d.  Gr.  bestimmte  pisanische  Flotte  in  Kalabrien.  ^) 

33.  Erst  im  11.  Jahrhundert  fließen  die  Nachrichten,  die  für  die 
kommerzielle  Entwickelung  Pisas  in  Betracht  kommen,  allmählich 
reichlicher.  Im  Vordergrand  steht  die  wiederaufgelebte  sarazenische 
Gefahr;  aber  Pisa  wehrt  sich  energisch;  bald  geht  es  zum  Angriff 
über  und  legt  durch  eine  Reihe  glänzender  Erfolge  über  diesen 
bisher   gefährlichsten  Feind    den    Grund   zu   seiner  maritimen  Größe. 

Noch  1004  wurde  es  eine  Beute  sizilischer  oder  afrikanischer  Sarazenen ; 
aber  schon  im  folgenden  Jahre  vergalt  es  den  Überfall,  indem  es  am 
6.  August  eine  sarazenische  Flotte  bei  Reggio  in  der  Straße  von  Messina 
besiegte.  Wohl  erneuerte  sich  die  Heimsuchung  Pisas  noch  einmal;  einem 
Seezuge  spanischer  Sarazenen  gelang  sogar  die  Zerstörung  der  Stadt  (101 1)^) 
und  unter  Mogehid,  dem  Herrn  Denias  und  der  Balearen,  setzten  sie  sich 
1015  auf  Sardinien  fest.  Da  verbanden  sich  die  in  ihren  Handelsinteressen 
wie  in  ihrer  Sicherheit  in  gleicher  Weise  gefährdeten  Pisaner  und  Genuesen 
zu  gemeinsamem  Zuge  und  vertrieben  den  Feind.  Doch  mit  verdoppelter 
Macht  erneuerte  der  Emir  im  folgenden  Jahre  seinen  Zug.   Zunächst  überfiel 


')  Reyer  E ,  Änderungen  der  venez.  u.  toskanischen  Alluvialgebiete  in  hist. 
Zeit  (Zeitschr.  d.  Ges.  für  Erdkunde  zu  Berlin  1882  p.  121  f.).  Männel  R.,  Verän- 
derungen der  Oberfläche  Italiens  in  geschichtlicher  Zeit.  I :  Das  Gebiet  des  Arno. 
Halle  1887,  Progr.  Nissen:  ItaUsche  Landeskunde  U  (1902),  2881  Fischer  Th.  in 
Petermanns  Geogr.  Mitteil.  1903,  Lit.-Ber.  no.  626. 

*)  Konsulat  d.  M.  p.  102.  Vigo  P.  II  porto  pisano  (Rivista  internaz.  di  scienze 
sociali  e  discipline  ausiliarie,  XVIII  (Rom  1898)  c.  1  (auch  separat). 

=>)  Einhardi  ann.,  SS.  I  200,  207.  Prudentius  ib.  444,  454.  Dümmler  I,  344. 
Jung :  La  cittä  di  Luna  etc.  in  Atti  Modenesi,  s.  5,  II  (1903)  265  f.  275. 

*)  Liutpr.  Antapod.  III  c.  16  (SS.  III,  306).     Poupardin  221. 

6)  Ann.  pis.  zu  971  (SS.  XIX  238).     Langer  3.     Manfroni  64. 

•)  Ann.  pis.  1.  c.     Breßlau  bei  Hksch  in,  129  f.,  146.    Vgl.  Gay  p.  369. 
Sc  ha  übe,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  4 


50  Viertes  Kapitel. 

er  das  offene  Luni  am  Golf  von  Spezzia  und  zerstörte  es;  dann  kehrte  er 
nach  Sardinien  zurück,  verhängte  ein  furchtbares  Strafgericht  über  die 
Bewohner  und  begann  den  Bau  einer  festen  Stadt.  Wieder  aber  vereinigten 
sich  die  Seestädte,  diesmal  unter  tätiger  Mitwirkung  des  Papstes  Benedikt  VIII. ; 
aus  vernichtender  Niederlage  entkam  nur  Mogehid  selbst  mit  wenigen 
Schiffen,  zunächst  nach  Afrika,  während  er  seine  Frau  und  einen  seiner 
Söhne  mit  großer  Beute  in  den  Händen  der  Sieger  lassen  mußte.  Unter 
diesen  aber  entbrannte  bald  darauf  in  Porto  Torres  ein  Streit,  in  dem  die 
Pisaner  die  Oberhand  behielten,  so  daß  die  Genuesen  zunächst  aus  Sardinien 
weichen  mußten,  i)  Noch  nicht  20  Jahre  später  wagten  es  die  Pisaner  schon, 
die  Araber  in  ihrem  eigensten  Machtbereich,  an  der  Nordküste  Afrikas, 
anzugreifen ;  im  Jahre  1034,  vollführten  sie  einen  glücklichen  Raubzug  nach 
dem  der  Südwestecke  Sardiniens  zunächst  gelegenen  Bona.  '^)  Ein  Menschen- 
alter darauf  unternahmen  sie  einen  Angriff  auf  die  reiche  Hauptstadt 
Siziliens,  wo  die  Interessen  ihrer  Kaufleute  (wodurch,  erfahren  wir  nicht) 
schwer  verletzt  worden  waren.  Von  einem  Hafen  des  nordöstlichen  Siziliens 
(VaUis  Deminae)  aus  forderte  ihre  Flotte  den  im  Innern  der  Insel,  bei 
Traina,  weilenden  Grafen  Roger  zur  Mitwirkung  auf.  Da  dieser  aber  Auf- 
schub verlangte,  gingen  sie  aUein  vor,  sprengten  im  Triumph  die  den  inneren 
Hafen  Palermos  sperrende  Kette  ^)  (18.  August  1063)  und  erbeuteten  sechs 
reichbeladene  Schiffe,  von  denen  sie  fünf  verbrannten,  während  sie  den 
Erlös  aus  dem  sechsten  für  den  Bau  ihres  Mariendoms  verwendeten.  *) 

34.  Die  berühmteste  dieser  Unternehmungen  aber  richtete  sich  1087 
gegen  den  Zeiriden  Temlm  5),  der  in  M  e  h  d  i  a ,  der  damals,  nach  der  in  der 
Mitte  des  Jahrhunderts  erfolgten  Ausplünderung  der  »heiligen  Stadt«  Kairewan, 
bedeutendsten  Handelsstadt  seines  Reiches,  residierte.  Mit  furchtbaren  See- 
räubereien hatte  er  die  Küsten  des  gesamten  Mittelmeers  heimgesucht  und 
zahllose  Christen  zu  Sklaven  gemacht.  Da  stellte  sich  Pisa,  durch  Be- 
drückungen seiner  Kaufleute  noch  besonders  gereizt  und  durch  den  Papst 
Viktor  III.  angefeuert,  an  die  Spitze  eines  großen  Heereszuges  gegen  ihn; 
der  Vicecomes  Hugo  und  mehrere  Konsuln  führten  den  Zug,  während 
Bischof  Benedikt  von  Modena,  wohl  von  der  Gräfin  Mathilde  dazu  aus^ 
ersehen,  weil  der  bischöfliche  Sitz  von  Pisa  selbst  vakant  war,  die  geistliche 

*)  Näheres  in  der  trefflichen  Darstellung  Breßlaus  1.  c.  128 — 132.  Von  neuerer 
Literatur  s.  Sforza  G.,  Mugahid  e  le  sue  imprese  contro  la  Sardegna  e  Luni  (Giorn. 
lig.  XX,  1893  p.  134  ff.)  Davidsohn  1,  130  f.  Manfroni  92  ff.  Die  »Indagini  e  studi 
Bulla  storia  economica  della  Sardegna<  von  L.  Amat  di  San  Filippo  (Miscell.  di  stör, 
ital.,  8.  3,  VIII,  Turin  1903,  p.  297  ff.)  fördern  die  wissenschaftliche  Erkenntnis  nicht ; 
nach  ihm  hätte  z.  B.  die  Insel  das  Joch  des  wilden  Mugehid  erst  um  die  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  abzuschütteln  vermocht;  p.  344. 

*)  Ann.  pis    1.  c.     Amari  Musulm.  III,  15.     Manfroni  96. 

')  .  .  .  hoc  sibi,  more  sue  gentis,  pro  maximo  reputantes.  Gaufr.  Malat.  bei 
Murat.     SS.  V  569. 

*)  Inschrift  am  Dom  ann.  pis.  SS.  XIX,  238.  Vanni  A. :  Di  alcune  iscrizioni 
alla  primaziale  pisana  in :  Studi  storici  IV  (1895)  225  ff.  Amari  Musulm.  III,  101  ff. 
Giesebrecht  IIP,  1124.     Meyer  v.  Knonau  I,  366.     v.  Heinemann  I,  210  f. 

*)  Carmen  in  victoriam  Pisanorum  bei  E.  Du  Meril :  Poesies  populaires  latines. 
Paris  1847  p.  239  f.  Andere  Drucke  s.  Heyd  I,  122.  SS.  XIX  239;  Petr.  diac, 
ib.  Vn,  751.  Gaufr.  Malat.  1.  c.  590  f.  Al-Bayano'1-Moghrib :  hist.  de  l'Afrique  et 
de  l'Espagne,  trad.  par  E.  Fagnan;  I  (Algier  1901),  448  f.  Ibn  el  Athir  44,  320  f. 
Amari  Musulm.  III,  168  ff.  Manfroni  99  ff.  Giesebrecht  IIP  596  f.  u.  1177.  David- 
sohn I,  279  setzt  den  Zug  ins  Jahr  1088,  ebenso  Wattenbach  IP,  216  und  Volpe 
p.  1 ;  doch  ist  dieser  Ansatz  nicht  zu  halten. 


Pisa.  51 

Leitung  übernahm.  ^)  Der  pisanischen  Flotte  schloß  sich  eine  genuesische 
an,  beide  nach  dem  wohl  übertreibenden  Bericht  arabischer  Schriftsteller 
3 — 400  Segel  stark ;  unterwegs  stieß  eine  in  Rom  gesammelte  nicht  unbeträcht- 
liche Streitmacht  hinzu.  Obwohl  durch  Brieftaubenbotschaften  gewarnt,  erlag 
doch  die  hauptsächlich  von  Kaufleuten  bewohnte  Vorstadt  Mehdias,  Zuila  (Zawi- 
lah,  Sibilia),  mit  ihrem  Hafen,  Werften  und  Türmen  dem  stürmischen  Angriff 
der  Christen  nach  kurzer  Zeit;  auch  Mehdia  selbst  wurde  bis  auf  das  feste 
Schloß,  in  dem  Temim  weilte,  genommen,  wobei  der  pisanische  Vicecomes 
Hugo,  »das  Haupt  der  Stadt«,  die  »Krone  der  Jünglinge«,  den  Heldentod 
fand.  Temim  suchte  nun  eine  Verständigung  mit  den  Siegern ;  er  beschwor, 
sein  räuberisches  Handwerk  gegen  die  Christen  nicht  mehr  auszuüben,  nahm 
sein  Land  von  Sankt  Peter  zu  Lehen  und  gewährte  den  Pisanern  und 
Genuesen  für  ihren  Handel  Abgabenfreiheit  in  seinem  Lande.  Ein  Angriff 
der  Beduinen  auf  die  in  der  Hafenvorstadt  bei  den  Schiffen  Zurück- 
gebliebenen wurde  durch  die  Zurückkehrenden  glücklich  abgewehrt;  neben 
den  zahlreichen  befreiten  Sklaven  führten  die  Sieger  gewaltige  Beute  mit 
sich  fort,  die  die  Pisaner  zum  Teil  zu  weiterer  prächtiger  Ausstattung  ihres 
Doms  und  zur  Gründung  der  Kirche  des  hl.  Sixtus^),  an  dessen  Gedenktage 
(6.  August)  der  Hauptsieg  errungen  war,  verwandten. 

Diese  Expedition  ist  grundlegend  geworden  für  die  Machtstellung,  die 
der  pisanische  und  genuesische  Handel  im  mittleren  Nordafrika  in  der 
Folgezeit  eingenommen  haben;  auf  lange  Zeit  hinaus  hatten  sich  diese 
Seestädte  damit  bei  den  Sarazenen  in  Respekt  gesetzt.  So  haben  diese 
Unternehmungen  auch  nicht  lähmend,  sondern  wie  heilsame  Gewitter  auf 
die  Entwicklung  ihres  Handels  mit  den  Sarazenen  gewirkt;  gingen  sie  doch 
auch  wie  diese  verhältnismäßig  rasch  vorüber  und  ließen  in  den  langen 
Zwischenpausen  der  Pflege  friedlicher  Beziehungen  Raum  genug. 

Auf  solche  Pflege  weist  schon  die  Grabschrift  des  1001  verstorbenen 
Markgrafen  Hugo  von  Tuscien,  die  hervorhebt,  daß  er  in  besonders  nahem 
Verhältnis  zu  einem  afrikanischen  Herrscher  gestanden  und  selbst  in  Afrika 
geweilt  habe.  3)  Auch  bei  der  Expedition  gegen  Palermo  treten  die  kom- 
merziellen Interessen  Pisas  stark  hervor.  Gewohnheitsmäßig  mehr  auf 
Handelsgeschäfte  wie  auf  kriegerische  Unternehmungen  bedacht,  wie  Gaufred 
Malaterra  sagt*),  wollten  sie  auf  den  von  Roger  verlangten  Aufschub  nicht 
eingehen,  um  der  gewohnten  Handelsgewinne  nicht  allzulange  verlustig 
gehen  zu  müssen.  Und  welche  Bedeutung  man  der  1087  im  Reiche  Temims 
gewonnenen  Zollfreiheit  beilegte,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  der  pisanische 
Geistliche,  der  diesen  Zug  verherrlicht  hat,  diese  Vertragsbestimmung &)  in 
sein  zwar  ungelenkes,  aber  sonst  keineswegs  nüchternes  Gedicht  aufgenommen 
hat.  Umgekehrt  scheinen  auch  die  Sarazenen  in  dieser  Zeit  Pisa  des  Handels 
wegen  aufgesucht  zu  haben;  der  allerdings  erst  am  Anfang  des  12.  Jahr- 
hunderts schreibende  Mönch  Donizo  will  den  Pisanern  das  Grab  der  frommen 
Markgräfin  Beatrix  (f  28.  April  1076)  nicht  gönnen  wegen  der  in  ihrer  Stadt 


')  Ich  trage  kein  Bedenken,  in  diesem  Vertrauten  der  Gräfin  (vgl.  Overmann 
153,  Meyer  v.  Knonau  IV,  136),  dessen  facundia  Rangerias  von  Lucca  rühmt,  den 
praesul  Benedictus  des  Dichters  zu  erkennen,  den  man  bisher  nicht  zu  identifizieren 
vermochte  (Rangerius  p.  233), 

^)  Bei  Du  Meril  p.  251,  »sancto  Christo«,  offenbar  irrtümUch  für  s.  Xisto. 

'')  >Afrum  me  coluit  regnum  et  qui  rexerat  illud.«     Davidsohn  Forsch.  I,  31. 

*)  Murat.  SS.  V,  569.     Volpe  38  A.  1. 

*)  >Et  non  tollet  tulineum  his  utrisque  populis.« 

4* 


52  Viertes  Kapitel. 


zu  schauenden  heidnischen  Greuel  und  »monstra  marina«,  als  welche  er 
mit  ethnographisch  nicht  ernst  zu  nehmender  Nomenklatur  Libyer,  Türken, 
Parther  und  schmutzige  Chaldäer  bezeichnet,  i)  Merkwürdig  ist  auch,  daß 
die  Pisaner  einen  Sohn  Temims,  den  sie  als  Kind  mit  sich  fortgeführt  und 
christlich  auf  erzogen  hatten,  später  als  Staatsherold  verwendet  haben,  der 
z.  B.  Verträge  im  Namen  ihrer  Stadt  (in  animam  populi)  zu  beschwören 
hatte.  2) 

35.  Den  Handelsverkehr  der  Pisaner  mit  Unter-Italien  bezeugt  es, 
daß  im  Jahre  1038  ein  Johannes  Pisanus,  Sohn  des  Gregorius  Pisanus,  im 
Besitz  eines  Grundstücks  zu  Neapel  begegnet,  während  zur  selben  Zeit  dem 
Pisaner  Bonizzo,  Sohn  des  Termo,  ein  Hausanteil  in  Gaeta  für  eine  Geld- 
schuld verpfändet  war.  3)  ^^ 

Von  besonderer  Bedeutung  wurde  es,  daß  die  Pisaner  sich  mit  der^BI 
neuen  Macht,  die  in  Unter  -  Italien  allmählich  zur  Herrschaft  gelangte,  in 
gutes  Einvernehmen  zu  setzen  verstanden.  Zwar  zum  Jahre  1055  hören 
wir  noch,  daß  die  Pisaner  gegen  50  aus  ihrer  Heimat  kommende  normannische 
Ritter,  die  das  Tyrrhenische  Meer  kreuzen  wollten,  um  nach  Unter  -  Italien 
zu  gelangen,  aufbrachten  und  dem  damals  in  Toskana  weilenden  Kaiser 
Heinrich  III.  als  Gefangene  überlieferten.  '^)  Aber  schon  im  folgenden  Jahre 
schied  mit  Heinrichs  Tode  die  Rücksicht  auf  die  kaiserliche  Gewalt  vorläufig 
aus  und  bei  ihrem  Zuge  gegen  Palermo  luden  die  Pisaner  den  Grafen  Roger 
zur  Mitwirkung  ein;  nach  einer  Nachricht  hätte  sie  sogar  Robert  Guiscard 
zu  diesem  Zuge  veranlaßt. -5)  Und  wenn  die  Normannen  den  Pisanern  als 
natürhche  Bundesgenossen  gegen  die  Sarazenen  erschienen,  so  war  ihr 
Vorgehen  gegen  die  Seestädte  Unter-Italiens  ihren  Handelsinteressen  nicht  . 
minder  förderlich,  IHI 

Das  gilt  zunächst  von  Salerno.    Hier  war  Fürst  Gisulf  zum  Schrecken 
nicht  nur  der  Amalfitaner,  sondern  auch  aller  anderen  friedlichen  Seefahrer 
geworden;    und   besonders   ein  Vorgang    war   es,    der  in   den  Pisanern   die 
größte  Erbitterung  hervorrief.     Ein  pisanisches  Handelsschiff  war  im  Golf  ^^ 
von    Salerno    von    einem    schweren    Seesturm    überrascht,    aber    glücklich j^Bj 
gerettet  worden.     Die  Mannschaft,    die   in   der  Not  den  hl.  Matthäus  von"^^ 
Salerno  angerufen,  wollte  dem  Heiligen  ihren  Dank  bezeugen ;  mit  sicherem 
Geleit  des  Fürsten  besuchte   sie   die  Kirche   des  Apostels,   stiftete  ihr  ein 
Pallium  (paille)  und  gab  ihrer  Freude  durch  Ausschmückung  und  festliche 
Beleuchtung  der  Kirche  Ausdruck.     Inzwischen  aber  hatte  der  Fürst  Schiff 
und  Ladung  fortnehmen   lassen;    die   Mannschaft  heß   er  gefangen  setzen 
und  nur  einige  ließ  er  zur  Beschaffung  eines  hohen  Lösegeldes  frei.  ^)    Kein 
Wunder,  daß  die  Pisaner,  die  sich  1074  zum  Anschluß  an  die  von  Gregor  VII. 
und    den    Markgräfinnen    gegen    Robert    Guiscard    gestiftete    Liga    hatten 


')  SS.  Xn,  379. 

»)  So  den  Vertrag  mit  Amalfi  von  1126  (Arch.  it..  s.  3,  VIII  p.  5):  »juratuna 
in  communi  coUoquio  tote  populo  Pisano  acclamante  per  Timinum  Timini  Regia 
Africae  filium,  piiblicuni  preconem  Pisane  civitatis.« 

»)  Capasso  n  1  no.  469  p.  289  (vgl.  no.  573,  657);  Cod.  Cajet.  I  p.  347.  Oben 
8.  39.  Auch  im  Salernitanischen  begegnet  1030  ein  Pisaner  Johannes  fil.  Petri  mit  Frau 
und  Tochter,  der  nach  römischen  Rechte  lebt.  Cod.  Cavens.  no.  831.  Tamassia*; 
im  Arch.  it.,  s.  5,  XXXI  (1903),  467. 

*)  Bertholdi  ann.,  SS.  V,  269.     Steindorff  II,  310.     Davidsohn  I,  201. 

»)  Aime  228  (cap.  28)  und  192  (Index  zu  cap.  25). 

6)  Aime  VIII,  4  p.  323. 


1 


Pisa.  53 

bestimmen  lassen,  ihre  weitere  Mitwirkung  versagten,  als  sie  bei  ihrer 
Vereinigung  mit  dem  Heere  der  Liga  am  ciminischen  Walde  Gisulf  als 
militärischen  Berater  des  Papstes  vorfanden  i);  sicher  hat  es  sie  mit  voller 
Genugtuung  erfüllt,  als  Robert  1076  Salerno  eroberte.  Und  daß  Amalfi 
damals  mit  dem  Verlust  seiner  Selbständigkeit  einen  großen  Teil  seiner 
bisherigen  kommerziellen  Bedeutung  verlor,  bedeutete  für  das  Emporblühen 
ihres  eigenen  Handels  einen  noch  größeren  Gewinn.  Nicht  minder  entsprach 
es  ihrem  Handelsinteresse,  wenn  die  Normannen  die  Sarazenen  Siziliens 
aus  einer  "Position  nach  der  anderen  verdrängten ;  sie  gewannen  damit  nicht 
nur  für  ihren  Handel  mit  den  sizilischen  Plätzen  selbst  einen  festeren  Boden, 
auch  nach  den  östlichen  Gewässern  war  ihnen  damit  die  Bahn  durch  die 
Straße  von  Messina  in  ganz  anderer  Weise  eröffnet  als  bisher. 

So  wurde  das  gute  Verhältnis  zwischen  Normannen  und  Pisanern 
durch  gemeinsame  Interessen  nur  um  so  fester  geknüpft.  Wenn  Roger 
1087  seine  Mitwirkung  an  dem  Zuge  gegen  Mehdia  ablehnte,  weil  er  sich 
damals  im  Vertrags  Verhältnis  mit  Temim  befand,  so  war  ihm  sicher  diese 
Unternehmung  trotzdem  eine  erwünschte  Diversion,  da  er  gerade  in  diesem 
Jahre  Girgenti  eroberte;  bezeichnend  ist  auch,  daß  Pisaner  und  Genuesen 
ihm  den  Besitz  des  eroberten  Hafens  anboten  2),  dessen  dauernde  Behaup- 
tung weder  in  ihrer  Absicht  noch  in  ihrer  Macht  lag.  Zum  Ausdruck  kam 
das  gute  Verhältnis  zwischen  Pisa  und  Roger,  als  dieser  1095  sein  Töchter- 
lein mit  einer  großen  Flotte  nach  Pisa  schickte,  um  hier  ihre  Vermählung 
mit  König  Konrad  vollziehen  zu  lassen.  3)  Dieses  gute,  auf  den  wichtigsten 
kommerziellen  Interessen  der  Seestädte  beruhende  Einvernehmen,  das  die 
Pisaner  und  Genuesen  mit  den  Normannen  unterhielten,  hat  auch  auf  das 
Verhalten  der  beiden  Seemächte  beim  ersten  Kreuzzuge  bestimmend  ein- 
gewirkt. 

36.  Daß  die  Verjagung  Mogehids  im  Jahre  1016  und  die  darauf- 
folgende vorläufige  Verdrängung  der  Genuesen  von  Sardinien  in  erster  Linie 
dem  Handel  der  Pisaner  zugute  kam,  ist  ohne  weiteres  anzunehmen ;  daran, 
daß  sie  damals  eine  politische  Herrschaft  über  die  Insel  erlangt  hätten,  ist 
nicht  zu  denken.  Wie  sich  im  einzelnen  ihr  Verhältnis  zu  den  vier  selb- 
ständigen Judikaten  auf  der  Insel *),  Caghari,  Arborea,  Torres  und  Gallura, 
gestaltete,  bleibt  uns  großenteils  verborgen. 

Wahrscheinlich  ist,  daß  ihr  Übergewicht  in  dem  ihnen  am  bequemsten 
gelegenen  Judikat  Torres  am  größten  war;  gerade  hier  hat  ja  auch  jene 
Verdrängung  der  Genuesen  stattgefunden.  Als  ein  Symptom  hierfür  kann 
es  auch  angesehen  werden,   daß   die  Pisaner  (1063)  das  gaetanische   Schiff, 


')  Aimä  Vn,  13  p.  282.  Ihre  Verwünschungen:  More  Gisolfe  .  .  .,  loquel 
nous,  ceauz  de  nostre  cito,  a  condempnez  a  estre  noiez  en  mer,  et  U  autre  estre 
mis  en  prison,  et  nouz  a  privez  de  nostre  bone  marchandise.  Giesebrecht  XII",  254. 
Da\ndsohn  I,  348.     Meyer  v.  Knonau  II,  418.  v.  Heinemann  I,  270  f. 

»)  Gaufr.  Malaterra  IV  c.  3  (Murat.  SS.  V,  590  f.). 

=>)  Davidsohn  I,  277.     Meyer  v.  Knonau  IV,  450. 

*)  Außer  Mannos  wichtigem  Werke  vgl.  von  neueren  Schriften :  Santoro  D. : 
Le  relazioni  tra  Pisa  e  la  Sardegna  dal  1015  al  1165,  Rom  1896.  Pinna  P. :  L'ori- 
gine  dei  giudicati  in  Sardegna.  Mailand  1900  (Estr.  dal  >Filangieri«  XXIV  (1900) 
401  f.,  580  f.).  Über  denselben  Gegenstand  (in  cap.  1  der  Einl.) :  Bonazzi  G.  H  Con- 
daghe  di  San  Pietro  di  Silki;  teste  logudorese  ined.  dei  secoli  XI — XIII.  OagUari- 
Sassari  1900.  Dazu  E.  Besta:  Nuovi  studi  su  le  origini  etc.  dei  giudicati  sardi  im 
Arch.  it.,  s.  5,  XXIX  (1901)  p.  24 — 96.  Solmi  A.,  Osservazione  stör,  sull'origine  dei 
giudicati  sardi  im  Bull,  bibliogr.  Sardo  IH  (1904),  136  ff. 


54  Viertes  Kapitel. 

das  die  von  Bareso  von  Torres  erbetenen  Mönche  von  Monte  Cassino  über- 
führen sollte,  unterwegs  auf  Giglio  überfielen  und  verbrannten.  Offenbar 
wollten  sie  nicht  zulassen,  daß  fremder  Einfluß  sich  hier  gegen  ihren  Willen 
einnistete.  Der  Streit,  der  hierüber  zwischen  ihnen  und  Abt  Desider  ent- 
brannte, wurde  von  Herzog  Gotfried  1067  geschlichtet,  die  Pisaner  legten 
den  Mönchen  weiter  kein  Hindernis  mehr  in  den  Weg.  i)  Am  Anfang  der 
achtziger  Jahre  hat  dann  Mariano  von  Torres  zu  Ehren  des  Bischofs  Ger- 
hard (1080 — 1085),  des  Vicecomes  Hugo  und  aller  Konsuln  von  Pisa  eine 
Urkunde  ausgestellt,  in  der  er  seinen  Freunden,  den  Pisanern,  volle  Rechts- 
sicherheit von  Person  und  Eigentum,  sowie  Befreiung  von  Handelsabgaben 
(dem  toloneum)  zusicherte,  wogegen  er  ihre  Unterstützung  in  seiner  Herr- 1 
Schaft  erwartete.  2) 

Auf  das  Bestehen  reger  Handelsbeziehungen  zwischen  Pisa  und  Kor-' 
8  i  k  a  können  wir  für  unsere  Periode  nur  aus  der  kirchlichen  Suprematie,  die 
Pisa  über  die  Insel  erstrebte  und  schließlich  auch  errang,  einen  allerdings 
durchaus  sicheren  Rückschluß  ziehen.  Gregor  VII.  verlieh  1077  dem  neu- 
gewählten Bischof  Landulf  von  Pisa  das  Vikariat  über  die  Insel  und  damit 
das  Recht  der  Weihe  der  korsischen  Bischöfe.  3)  Wahrscheinlich  steht  der 
in  dieser  Zeit  von  Genua  nach  anfänglichen  Erfolgen  unglücklich  geführte 
Krieg  gegen  Pisa  4)  mit  der  korsikanischen  Frage  in  Zusammenhang.  Als 
Pisa  zum  Kaiser  abfiel,  wurde  ihm  das  Vikariat  zwar  wieder  abgesprochen, 
doch  erhielt  es  dasselbe  zurück,  als  es  sich  von  der  in  Italien  aussichtslos 
gewordenen  Sache  Heinrichs  IV.  abgewandt  hatte.  Am  28.  Juni  1091  über- 
trug Urban  IL,  der  dem  pisanischen  Bischof  Daibert  eng  befreundet  war, 
der  pisanischen  Kirche,  so  lange  Pisa  in  der  Treue  gegen  die  römische 
Kirche  beharren  und  die  Wahl  seiner  Bischöfe  in  kanonischer  Weise  vor 
sich  gehen  würde,  gegen  einen  Jahreszins  von  50  1.  lue.  die  Rechte  des 
päpstüchen  Stuhles  an  der  Insel;  und  am  21.  April  1092 0)  ernannte  er,  um 
dies  Verhältnis  auch  äußerlich  mehr  hervortreten  zu  lassen,  auf  eifrige  Für- 
sprache der  Gräfin  Mathilde  den  Bischof  von  Pisa  zugleich  zum  Erzbischof 
für  Korsika.  Damit  hatte  Pisa  den  genuesischen  Rivalen  auf  der  Insel 
zunächst  völlig  überflügelt,  ß) 


II 


»)  Leo  Ost.  ni,  21  f.  (SS.  VIT,  712  ff).  Davidsohn  I,  348  A.  4.  Meyer  v. 
Knonau  I,  552.     Besta  1.  c.  67. 

^)  In  Bardischer  Sprache  abgefaßt,  undatiert  und  am  Schhiß  verstümmelt,  ist 
die  Urkunde  herausgegeben  von  L.  Tanfani  im  Arch.  it.,  s.  3,  XIII  p.  357  f.,  mit 
Übersetzung  vom  Grafen  Baudi  di  Vesme  p.  363.  Die  Bedenken  von  O.  Schultz 
(Zeitschr.  für  romanische  Philol.  XVin,  1894  p.  138  f.)  gegen  ihre  Echtheit  kann 
ich  nicht  teilen ;  vgl.  auch  Bonazzi  1.  c.  p.  XIX.  Besta  1.  c.  54  A.  3  hat  allerdings 
immer  noch  Zweifel ;  auch  Solmi  aber  (la  costituzione  soc.  e  la  proprietä  f ondiaria 
in  Sardegna,  im  Arch.  it.,  s.  5,  t.  XXXIV  (1904),  315  erklärt  sie  mit  guten  Gründen 
für  echt. 

*)  Schreiben  Gregors  an  die  korsik.  Bischöfe  1.  u.  16.  Sept.  1077  J-L.  5046, 
5048 ;  Bestätigung  Landulfs  und  seiner  Nachfolger  im  Vikariat  5093  (30.  Nov.  1078) 
Overmann  144.     Davidsohn  I,  259  f.     Manfroni  96.     Meyer  v.  Knonau  III,  83. 

*)  Ann.  pis.  zu  1078  (SS.  XIX  239). 

6)  Dal  Borgo  1981,  270  f.  (J-L.  5464).  Langer  4.  Davidsohn  I,  280.  Meyer 
v.  Knonau  IV,  419.  Colonna  de  Cesari-Rocca :  Recherches  sur  la  Corse  au  moyen  äge. 
Origine  de  la  rivalitd  des  Pisans  et  des  Gönois  en  Corse  (1014—1174).  Genua  1901 
(belanglos). 

*)  Über  Besitzungen  von  Pisanern  auf  Korsika  schon  seit  alter  Zeit  vgl. 
Volpe  in   Studi   storici   X  (1901)  383.     Otto  HI.   bestätigt  996   (Dipl.   no.  219)   dem 


I 


Pisa.  55 

37.  Den  Handelsverkehr  Pisas  mit  Genua  bezeugt  uns  der  genuesische 
Abgabentarif  vom  Ende  des  11.  Jahrhunderts,  der  für  die  Pisaner  und  alle 
Bewohner  der  Küstenstrecke  von  Luni  bis  Rom  (ausschließlich)  den  Satz 
von  sechs  alten  pavesischen  Hellern  i)  hat,  nur  1/3  von  dem,  was  die  Amal- 
fitaner  und  Römer  zu  zahlen  hatten.  Für  den  Schiffsverkehr  mit  Rom 
liegt  ein  Zeugnis  in  der  aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts  stammenden  Denk- 
schrift des  Abtes  Bonus  vom  pisanischen  Michaelskloster  vor,  der  Säulen, 
die  er  für  seine  Klosterkirche  in  Rom  eingekauft  hatte,  zu  Schiff  von  Rom 
nach  Pisa  bringen  ließ;  zu  gleichem  Zweck  ließ  er  Säulen  auch  von  der 
Insel  Elba  und  von  der  Ruinenstätte  von  Luni,  zusammen  mit  Bauholz  von 
Kastanien,  kommen. 2)  Auch  ließen  sich  die  Pisaner  in  dem  Privileg^),  das 
ihnen  Kaiser  Heinrich  IV.  im  Sommer  1081  nach  der  Ächtung  der  Gräfin 
Mathilde  gewährte,  Befreiung  vom  UferzoU  (ripaticum)  in  Rom  zusichern; 
und  in  einem  Anhang  zu  diesem  Privileg  gebot  der  Kaiser,  daß  keiner  es 
wagen  sollte,  falls  auf  der  Küstenstrecke  von  Gaeta  bis  Luni  ein 
Schiff  festgehalten  würde,  Hab  und  Gut  von  Pisanern  auf  demselben  anzu- 
tasten ;  selbst  auf  Schiffen  unter  feindlicher  Flagge  also  (es  sind  wohl  solche 
der  Untertanen  Rob.  Guiscards  gemeint)  sollten  Waren  von  Pisanern  vor 
Beschlagnahme  durch  die  Leute  oder  Parteigänger  des  Kaisers  sicher  sein. 
Aber  auch  sonst  eröffnet  uns  dies  Privileg  manchen  interessanten  Einblick 
in  die  Handelsverhältnisse  der  Seestadt.  So  bestätigte  der  Kaiser  das  im 
Seeverkehr  der  Pisaner  ausgebildete  (noch  ungeschriebene)  Gewohnheits- 
recht^);  als  einzelner  Grundsatz  daraus  wurde  hervorgehoben  und  aus- 
drückliöh  anerkannt,  daß  ein  Pisaner,  der  sich  zu  einer  Handelsreise  über 
See  vorbereitet  hatte,  einer  gegen  ihn  einlaufenden  Klage  wegen  nicht  von 
der  Reise  zurückgehalten  werden  durfte  5);  von  der  Beschuldigung,  solche 
Vorbereitungen  dolos  getroffen  zu  haben,  konnte  er  sich  durch  einen 
Reinigungseid  befreien.  Besonders  aber  erfuhr  der  Landhandel  eine 
Reihe  von  Vergünstigungen.  Die  Arnoschiffahrt  der  Pisaner  sollte  auf  dem 
ganzen  Wege  von  der  Mündung  bis  Ripalta  und  zurück  gegen  jede  Be- 
lästigung sichergestellt  werden ;  kein  Kaufmann,  der  sich  des  Handels  wegen 
nach  Pisa  begab,  sollte  irgendwie  behindert  werden  dürfen.  Den  pisanischen 
Kaufleuten  wurde  Freiheit  vom  Uferzoll  auf  allen  Märliten  und  an  allen 
Orten  in  dem  Gebiet  zwischen  Rom  und  Pavia  zugestanden,  die  sie  nach- 
weislich auch  bisher  schon  des  Handels  wegen  besucht  hätten.  Den  auf 
Konzentrierung  des  Marktverkehrs  in  der  eigenen  Stadt  hinzielenden  Ten- 
denzen entsprach  es  endlich,  wenn  den  Orten  der  Grafschaft  Pisa  die  Ab- 
haltung von  Märkten  nur  insoweit  gestattet  wurde,  als  solche  schon  zur  Zeit  des 
Markgrafen  Hugo  (f  1001)  übhch  gewesen.  —  Kurz  vor  Erteilung  dieses  Privilegs 
treten  uns  auch  als  älteste  bekannte,  dem  Handel  dienende  pisanische  Be- 
hörde die  Aufseher  des  Ufermarkts,  »ProcuratoresMercati  Ripae«  ent- 
gegen, die  den  am  rechten  Arnoufer  an  und  unterhalb  der  Hauptbrücke,  die  Pisa 

Kloster  Sesto  bei  Bientina  seinen  Besitz  auf  Korsika.  Auch  das  pisanische  Michaels- 
kloster erhielt  in  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  einen  Hof  (curtem)  auf 
Korsika  geschenkt.    Murat.  Antiqu.  IV,  789  (vgl.  auch  V,  1009). 

')  Lib.  Jur.  I  no.  23. 

«)  Murat.  Ant.  IV,  787,  789. 

')  St.  2836.     Meyer  v.  Knonau  IH,  398. 

*)  »consuetudines,  quas  habent  de  mari,  sie  eis  observabimus,  sicut  illorum 
est  consuetudo.« 

*)  Vgl.  im  späteren  Const.  Usus,  rub.  4:  de  indutiis  propter  tassedium.  Bo- 
naini  II,  831. 


56  Viertes  Kapitel. 

mit  seiner  Vorstadt  Kinsica  verband,  stattfindenden  Marktverkehr  zu  be^ 
aufsichtigen  und  dafür  eine  Marktabgabe  (curaturae  nomine)  zu  erheben 
hatten,  wie  ihnen  auch  die  Erhebung  der  Ein-  und  Ausfuhrzölle  zustand. 
Die  Benediktiner  von  Monte  Cassino  waren  mit  ihnen  in  Differenzen  ge- 
raten, da  die  Entrichtung  dieser  Abgabe  auch  von  den  Wolltüchern,  die  sie 
in  Pisa  für  ihr  Kloster  gekauft  hatten,  verlangt  wurde.  Auf  erhobene  Be- 
schwerde entschied  die  Gräfin  Mathilde,  daß  den  Leuten  des  Klosters  der 
abgabenfreie  Einkauf  aller  zum  eigenen  Gebrauch  der  Kongregation  be- 
stimmten Gegenstände  in  Pisa,  Lucca  und  ihrem  ganzen  Gebiet  gestattet 
und  demnach  weder  Ausfuhrzoll  (teloneum),  noch  eine  Marktabgabe  von 
ihnen  zu  erheben  sei.  i)  Von  solcher  Begünstigung  der  betriebsamen  Mönche 
wird  der  pisanische  Handelsstand  schwerUch  erbaut  gewesen  sein;  der  bald 
darauf  .erfolgende  Übertritt  der  Stadt  zu  Heinrich  IV.  machte  dann  auch 
das  Privileg  des  Klosters  wirkungslos.  Jedenfalls  aber  spricht  es  für  die  hohe 
Bedeutung,  die  Pisa  als  Handelsplatz  in  dieser  Zeit  schon  besaß,  wenn  die  um- 
sichtige Leitung  des  fernen  Monte  Cassino  es  für  vorteilhaft  hielt,  ihren  Be- 
darf an  Bekleidungsstoffen,  wenn  auch  nur  zum  Teil,  von  hier  zu  beziehen. 

38.  In  der  Zeit  des  Investiturstreites  hat  sich  auch  das  endgültige 
Emporsteigen  Pisas  zu  voller  kommunaler  Selbständigkeit  vollzogen. 

Die  Übertragung  der  Bischofs  wähl  an  das  Domkapitel  brachte  natio- 
nale Bischof  e  an  die  Spitze  der  Stadt;  der  erste  derselben,  Gerhard  (1080  bis 
1085)  hat  auch  die  erste  eidliche  Sicherheits-  und  Schutzverbindung  unter 
der  Bürgerschaft  veranlaßt '''),  die  in  der  unter  Glockengeläute  berufenen 
Bürgerversammlung  (coUoquium)  ihr  Organ  hatte ;  zuerst  nur  bei  besonderen 
Anlässen  von  Fall  zu  Fall,  dann  ständig  auf  die  Dauer  eines  Jahres  wählte 
sie  aus  ihrer  Mitte  einen  Ausschuß  der  angesehensten  Bürger,  die  als  con- 
sules  dem  praesul  zur  Seite  traten.  Die  markgräfliche  Gewalt  wurde  durch 
die  kaiserliche  Ächtung  Mathildes  und  das  der  Stadt  verliehene  große 
Privileg  vom  Sommer  1081  ausgeschaltet,  der  Stellung  der  Stadt  damit 
gleichzeitig  die  rechtliche  Grundlage  gegeben;  jene  sardische  Urkunde  zeigt 
uns  Bischof,  Vicecomes  und  Konsuln  nach  außen  hin  in  einträchtigem 
Nebeneinander.  Der  Tod  Bischof  Gerhards  rief  Wirren  in  der  Stadt  her- 
vor, die  sich  wieder  der  päpstlichen  Partei  zuzuwenden  begann;  die  Ab- 
lenkung nach  außen  durch  die  große  Expedition  von  1087  nach  Afrika 
brachte  eine  vorübergehende  Versöhnung.  Indessen  der  gerade  auf  diesem 
Zuge  erfolgende  Tod  des  Vicecomes  Hugo  erneuerte  und  verschärfte  den 
Kampf,  der  sich  nun  auch  gegen  die  von  dem  vizegräflichen  Geschlecht  als 
solchem  beanspruchte  überragende  Stellung  richtete ;  ein  wilder  Bürgerkrieg 
brach  aus.  Endlich  gelang  die  Wiederbesetzung  des  bischöflichen  Stuhles 
mit  einem  Mitgliede  eines  der  angesehensten  einheimischen  Geschlechter^^ 
(der  Lanfranchi);  der  neue  Bischof,  Daibert,  schloß  sich  auf  das  engste  ^^aHl 
den  ebenfalls  neugewählten  Papst  Urban  IL  (seit  März  1088)  an;  zugleich 
gewann    er  den    größeren  Teil   der  vizegräflichen  Familie    für   sich   und   so 


>)  Murat.  Antiqu.  I,  957  f.  (undatiert).  Petr.  diac.  (SS.  VIT,  745).  Heyd  I,  107. 
Sander  -.  Der  Kampf  Heinrichs  IV.  und  Gregors  VII.  März  1080— März  1084  (Berlin 
1893)  p.  94  setzt  die  Urkunde  mit  Recht  zu  1080  (oder  spätestens  bis  zum  Sommer 
1081)  an;  dgl.  Overmann  p.  148  Reg.  no.  41. 

')  Breve  Consulum  1162  (Bonaini  I,  11):  Securitates  quas  fieri  fecit  episcopua 
Gherardus  etc.  Selbstverständlich  würde  die  folgende  Skizze  einer  eingehenden  Aus- 
führung und  umfassenden  Begründung  bedürfen,  die  im  Rahmen  dieses  Buches 
nicht  gegeben  werden  können. 


Pisa.  57 

gelang  ihm  die  Wiederherstellung  des  inneren  Friedens.  Ein  neuer  Sicherheits- 
eid mußte  von  allen  beschworen  i)  werden ;  wer  sich  dessen  weigerte,  wurde 
von  jeder  Gemeinschaft  mit  den  Mitgliedern  des  neubegründeten  Comune 
in  der  Kirche  wie  zu  Schiffe  ausgeschlossen ;  die  in  Kleinhandel  und  Ge- 
w^erbe  tätige  Bevölkerung  wurde  durch  Abschaffung  des  buticaticum,  einer 
Gewerbesteuer,  die  bisher  für  den  Vicecomes  von  jeder  gewerblichen  oder 
kaufmännischen  Verkaufsstätte  (bottega,  anod-rxt])  erhoben  worden  war, 
gewonnen.  Der  nationale  Bischof  (seit  1092  Erzbischof)  als  geistliches  Haupt 
und  Ehrenrepräsentant  der  Stadt,  das  Konsulkollegium,  innerhalb  dessen  dem 
Geschlecht  der  Vicecomites  einige  Stellen  zugestanden  wurden,  das  comune 
colloquium  (parlamentum)  der  Bürger,  das  sind  die  Hauptorgane  der  seit- 
dem in  allen  wesentlichen  Dingen  ihre  Geschicke  selbst  bestimmenden,  zu 
eigener  Handelspolitik  befähigten  Stadt.  2) 

Im  Herbst  1094  weilte  Urban  H.  selbst  in  Pisa;  und  im  folgenden 
Jahre  hat  Daibert  den  Papst  auf  seiner  Reise  nach  Frankreich  be- 
gleitet und  an  der  denkwürdigen  großen  Synode  von  Clermont  teil- 
genommen, die  den  Kreuzzug  nach  dem  heiligen  Lande  beschloßt), 
bei  dem  dem  pisanischen  Erzbischof  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen 
bestimmt  war.  Innerlich  geeint  und  gekräftigt,  nach  außen  berühmt 
durch  jenen  Seezug,  trat  Pisa  in  die  neue  Epoche  ein,  die  ihre  Signatur 
durch  die  immer  lebhafter  werdenden  Beziehungen  zum  Orient  erhielt. 

39.  Naturgemäß  erhebt  sich  hier  die  Frage,  ob  denn  Pisa  bisher 
keinerlei  direkte  Handelsbeziehungen  zur  Levante  hatte,  ob  denn  die  zahl- 
reichen Schiffe,  mit  denen  die  Pisaner  beim  ersten  Kreuzzug  in  den 
griechischen  Gewässern  und  an  den  Küsten  Syriens  erschienen,  die  ersten 
ihrer  Flagge  gewesen  sind.  So  wenig  wahrscheinlich  das  ist,  so  müssen  wir 
doch  gestehen,  daß  unsere  positiven  Kenntnisse  sich  auf  nicht  viel  mehr 
als  bloße  Spuren  solcher  Beziehungen  beschränken.  Als  solche  Spur  er- 
scheint es,  wenn  Markgraf  Hugo  von  Tuscien  und  Gemahlin  gegen  Ende 
des  10.  Jahrhunderts  der  Kirche  des  hl.  Grabes  in  Jerusalem  zahlreiche  Be- 
sitzungen in  den  Grafschaften  Orvieto,  Soana  und  Aquapendente  schenken, 
damit  ihre  Erträge  zum  besten  der  Jerusalempilger  verwendet  werden  sollten.  4) 
Vielleicht  kann  man  es  auch  als  solche  gelten  lassen,  wenn  der  Biograph 
der  Gräfin  Mathilde  den  Markgrafen  Bonifaz  in  dem  Augenblicke  eines 
natürlichen  Todes  sterben  läßt  (in  Wahrheit  wurde  er  1052  ermordet),  als 
er  auf  einem  Schiff,  das  er  sich  selbst  hatte  erbauen  lassen,  eine  Pilgerfahrt 
nach  dem  hl.  Lande  antreten  wollte,  obwohl  Donizo  erst  im  12.  Jahr- 
hundert   schrieb.  5)     Denn    schon    aus    dem  Anfang  des   11.   Jahrhunderts 


*)  Bonaini  I  p.  16. 

*)  Zu  der  Entstehung  des  Comune  in  Pisa  vgl.  Hegel  11,  183  ff.  A.  Pawinski : 
Zur  Entstehungsgeschichte  des  Konsulats  in  den  Kommunen  Nord-  und  Mittel- 
italiens. Berlin  1867,  besonders  p.  28  ff.  Heyd  I,  133.  R.  Davidsohn :  Über  die 
Entstehung  des  Konsulats  in  Toscana  (Hist.  Viertel] ahrsschr,  III,  1900  p.  20  f.). 
Schupfer  119  f.  Volpe's  studi  suUe  istituzioni  comunali  und  seine  Abhandlung :  una 
nuova  teoria  suUe  origini  del  Comune  im  Arch.  it.,  ser.   5,  33  (1904)   p.  370—390. 

")  Meyer  v.  Knonau  IV,  422  A.  11. 

*)  Riant  (Comte):  La  donation  de  Hugues,  marquis  de  Toscane,  au  Saint- 
Säpulcre  et  les  Etablissements  latins  de  Jerusalem,  in :  Mem.  de  l'acad.  des  inscr. 
et  belles-lettres  XXXI  (Paris  1884)  p.  160  f.  Urkunde  vom  29.  Okt.  993  (ind.  VIH 
stimmt  nicht)  mit  Faksimile. 

»)  SS.  Xn,  373. 


58  Fünftes  Kapitel. 

(c.  1006)  wissen  wir,  daß  ein  vornehmer  Ritter  aus  der  Gegend  von  Toulouse, 
Namens  Raimund,  der  nach  Jerusalem  pilgern  wollte,  in  Luni  zu  Schiffe 
ging,  um  sein  Ziel  rascher  zu  erreichen,  i)  So  wird  es  auch  für  die  toska- 
nischen  Jerusalemfahrer,  von  denen  wir  hören  2),  wahrscheinhch,  daß  sie  in 
Pisa  in  See  gegangen  sind.  Und  auf  bloßen  Pilgertransport  ist  solcher 
Schiffsverkehr  sicher  nicht  beschränkt  gewesen.  Für  Handelsbeziehungen 
mit  Ägypten  spricht  es,  daß  seit  dem  8.  Jahrzehnt  des  11.  Jahrhunderts 
eine  Familie  ,de  Babilonia'  (=  Kairo)  in  Pisa  nachweisbar  ist.  3)  Endlich 
erscheint  der  Schluß  durchaus  zulässig,  daß,  wenn  Genua  damals  schon  in 
Handelsbeziehungen  mit  Syrien  stand,  das  rivalisierende  und  zur  Zeit  noch 
seemächtigere  Pisa  darin  nicht  zurückgeblieben  sein  wird."^) 


Fünftes  Kapitel. 

Binnenländisches  Toskana,  insbesondere  Lucca. 

40.  Nur  zwei  Meilen  in  der  Luftlinie  von  Pisa  entfernt,  aber  duri 
die  Monti  Pisani  von  ihm  getrennt,  lag  Lucca,  seit  der  langobar- 
dischen  Eroberung  die  politische  Hauptstadt  Tusciens,  bedeutender 
zunächst  als  das  in  römischer  Zeit  wichtigere  Florenz^),  eifersüchtig 
auf  das  durch  Seemacht  und  Seehandel  immer  mächtiger  empor- 
blühende Pisa. 

Mit  seiner  politischen  Stellung  hängt  es  zusammen,  daß  es  die  einzige 
Münzstätte  Toskanas  war;  die  Denare  von  Lucca  erlangten  im  11.  Jahr- 
hundert ein  zunehmendes  Verbreitungsgebiet;  gegen  Ende  desselben  treten 
sie  auch  in  Rom  neben  den  Denaren  von  Pavia  als  allgemein  anerkanntes 
Zahlungsmittel  auf.  ß) 

Über  die  Handelsinteressen  Luccas  erhalten  wir  die  wichtigsten  Auf- 
schlüsse durch  das  Privileg,  das  Kaiser  Heinrich  IV.  vor  Rom  den  Bürgern 
von  Lucca  am  23,  Juni  1081  verliehen  haf^),  zu  einer  Zeit,  wo  es  wichtig 
genug  für  ihn  war,  die  erst  am  Ende  des  vergangenen  Jahres  zu  ihm  über- 
getretene Stadt  in  der  Treue  zu  erhalten.  Deutlich  tritt  uns  entgegen,  wie 
sich  Luccas  Handelsinteressen  einerseits  auf  die  Verbindung  mit  der  See, 
andererseits  auf  die  nach  Rom  führende  Hauptstraße  konzentrierten. 

1)  Mirac.  s.  Fidis  p.  93  f. 

*)  Um  1092  z.  B  zahlreiche  Wallfahrer  aus  Arezzo :  Murat.  Antiqu.  V,  219. 

=•)  Hugo,  Sohn  des  Leo  de  B.,  4.  März  1074.  Fiorentini  F.  M.,  Memorie  della 
gran  contessa  Matilda,  ed.  2,  cur.  da  Mansi.  Lucca  1756,  II  p.  112.  Overmann  132 
reg.  no.  20.  Guido  de  Vabilonia  und  sein  Bruder  Leo  als  Freunde  des  Iudex  Ma- 
riano  von  Torres  in  der  oben  angeführten  sardischen  Urkunde.  Gar  zu  unsicher 
erscheint  mir  die  Vermutung  Heyds  I,  124,  daß  jenes  von  Gisulf  in  Salerno  fest- 
genommene Schiff  aus  der  Levante  gekommen  sei. 

*)  Die  »pigmenta«,  die  Davidsohn  I,  138  A  2  unter  den  in  Val  d'Elsa  üb- 
lichen Abgaben  für  den  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  nachgewiesen  hat,  sind  sicher 
auch  über  Pisa  in  das  Binnenland  gekommen. 

')  Vgl.  Jung  p.  Iff.  über  Lucca  als  Hauptstadt  von  Tuscien. 

«)  Arch.  Rom.  XXH  (1899),  432  f.  Über  das  Münzwesen  Luccas  im  allg. 
Massagli  in  den  Memorie  di  L.,  XI,  parte  2.     Lucca  1870. 

')  Es  ist  also  etwas  älter  als  das  pisanische  Privileg.  Ficker  IV  no.  81  p.  124 
St.  2883.     Overmann  149.     Meyer  v.  Knonau  III,  394, 


Binnenländisches  Toskana,  insbesondere  Lucca.  59 

In  ersterer  Beziehung  hatte  es  mit  dem  Bestreben  Pisas  zu  kämpfen, 
Lucca  von  jedem  direkten  Handelsverkehr  mit  dem  Meere  abzuschließen. 
Inwiefern  dieser  Punkt,  außer  den  üblichen  Grenzstreitigkeiten,  schon  bei 
den  Kämpfen  mitspielte,  die  Lucca  in  den  Jahren  1003  und  1054,  allerdings 
nicht  mit  Glück,  gegen  Pisa  ausgefochten  hat^),  können  wir  bei  dem 
Lakonismus  der  Quellen  nicht  sagen.  Nun,  da  beide  Städ^  kaiserlich  waren, 
kam  Heinrich  IV.  den  Wünschen  der  Lucchesen  so  viel  wie  möglich  ent- 
gegen; die  Pisaner  wurden  dafür  durch  die  weitgehendsten  Zugeständnisse 
auf  and-eren  Gebieten  entschädigt.  So  erhielten  die  Lucchesen  Freiheit  vom 
Uferzoll  in  Pisa  und  seiner  Grafschaft  zugesichert;  außerdem  aber  ließen 
sie  sich  vom  Kaiser  verbriefen,  daß,  wenn  Kaufleute  zu  Schiff  in  den 
Serchio  oder  das  Flüßchen  Motrone  in  der  Absicht  einliefen,  mit  ihnen 
Handel  zu  treiben,  weder  diese  selbst  noch  sie,  die  Lucchesen,  auf  See  oder 
in  den  genannten  Flüssen  irgendwie  belästigt  werden  dürften  Offenbar 
richtete  das  seine  Spitze  gegen  Pisa;  mit  dem  kleinen  Hafen  Motrone  an 
der  Mündung  des  gleichnamigen  Flüßchens,  dem  einzigen,  den  Lucca 
besaß,  hat  es  auch  später  noch  öfter  selbständigen  Anteil  am  Seehandel  zu 
gewinnen  gesucht,  während  es  bezüglich  der  Nutzbarmachung  des  ganz  auf 
pisanischem  Gebiet  fließenden  unteren  Serchio  für  seinen  Handel  von  dem 
guten  WiUen  Pisas  abhängig  blieb. 

41.  Noch  wichtiger  war  für  Lucca  die  Hauptpilger-  und  damit  auch 
Handelsstraße,  die  vom  mittleren  und  oberen  Pogebiet  und  weiter  von 
den  Zentral-  und  Westalpen  her  über  den  La  Cisa-Paß  (Mons  Bardonis)  unter 
dem  Namen  der  via  francisca  oder  regia  nach  Pontremoli,  Luni  und 
Lucca  führte  und  von  hier,  den  Arno  bei  Fucecchio  kreuzend,  über  Siena 
nach  Rom  weiter  ging. ''^)  Es  handelt  sich  um  den  Verkehr  auf  dieser 
Straße,  wenn  das  Privileg  Heinrichs  IV.  den  Lucchesen  Befreiung  von  der 
Marktabgabe  (curatura)  auf  allen  Märkten  zwischen  Pavia  und  Rom,  ein- 
schließlich dieser  Orte  selbst,  zugestand.  ^)  Ausdrücklich  wurde  den  Lucchesen 
ferner,  offenbar  auf  ihren  besonderen  Wunsch,  die  Erlaubnis  zu  Kauf  und 
Verkauf  auf  den  Märkten  von  Borgo  San  Donnino  und  Coparmuli  gewähr- 
leistet, während  die  Florentiner,  die  auf  der  päpstlichen  Seite  standen, 
ebenso  ausdrücklich  von  diesen  Märkten  ausgeschlossen  wurden.  In  Borgo 
San  Donnino  trafen  die  lucchesischen  Kaufleute  die  nach  dem  Süden 
Ziehenden  an  der  Stelle,  wo  sich  die  nach  ihrer  Heimat  gehende  La  Cisa- 
straße  von  der  nach  Südosten,  nach  Reggio,  Modena,  Bologna  weiterführenden 
alten  via  EmiUa  trennte;  in  Coparmuli  dagegen  erreichten  sie  die  wichtige 
Wasserstraße  des  Po.^)     Diese  beiden  Märkte  haben  also  offenbar  in  dieser 

»)  Ann.  pis.  zu  1004  und  1055 ;  SS.  XIX,  238.     Davidsohn  I,  198 

*)  Die  Straße  über  den  M.  Bardone  ist  neuerdings  eingehend  von  Schütte, 
der  südhche  Teil  der  Frankenstraße  von  Lucca  bis  Rom  im  Anschluß  an  das  Itinerar 
des  Erzb.  Sigeric  von  Canterbury  von  Jung  behandelt  worden. 

')  Jung  p.  9  schließt  aus  dem  Ausdruck:  »Perdonamus  illis  .  .  .  et  c ura iu- 
ra m  a  Papia  usque  Romam«,  daß  Lucca  durch  das  Privileg  Heinrichs  IV.  die 
Herrschaft  über  (Ue  Straßen  von  Pavia  nach  Rom  gewonnen  habe. 

■•)  Davidsohn  I,  266  A.  3  hat  den  unglücklichen  Gedanken  gehabt,  die  Existenz 
von  Coparmuli  leugnen  zu  wollen;  Meyer  v.  Knonau  III,  394  A.  83  hat  die  >erwün8chte 
Berichtigung«  angenommen.  Indessen  war  C.  damals  wirklich  der  Pohafen  von 
Parma,  an  der  Mündung  des  gleichnamigen  Flüßchens,  wie  schon  der  Name  an- 
gibt (Caput  Parmuli  wie  Cotrebia  an  der  Mündung  der  Trebbia).  Noch  1285  werden 
zwei  Türme  gebaut  >in  egressu  fluminis  Parmae  apud  (-olurnium  sive  Coparmulum« 
(Salimbene  Chron.  in  Mon.  Hist.  Parm.  III,  342).  S.  auch  Jung  in  der  Besprechung 
von  Schütte,  MJÖG  XXHI,  310. 


60  Fünftes  Kapitel. 


^1 


älteren  Zeit  für  den  Handelsverkehr  Luccas  mit  den  Gebieten  jenseits 
Apennin  besondere  Bedeutung  gehabt.  Andererseits  kam  den  Lucchesen  sehr 
viel  darauf  an,  ihrer  Stadt  den  gewinnbringenden  Fremdenverkehr  auf  dieser 
Hauptstraße  zu  erhalten.  Daher  bedrohte  das  Privileg  mit  strenger  Buße 
diejenigen,  die  es  unternehmen  würden,  die  Kaufleute,  die  auf  der  von 
Luni  kommenden  Heerstraße  nach  Lucca  wollten,  irgendwie  an  diesem 
Wege  zu  behindern,  sie  anderswohin  zu  geleiten  oder  sie  zu  zwingen,  den 
Weg  zur  Linken  einzuschlagen  (ad  sinistrum  eos  retorqueat).  Es  sollte  also 
keinerlei  Zwang  auf  die  von  Norden  kommenden  Fremden  in  der  Richtung 
ausgeübt  werden  dürfen,  daß  sie  mit  Vermeidung  Luccas  entweder  den 
direkten  Weg  auf  Pisa  verfolgten  oder  sich  links  durch  die  Garfagnana  (das-j 
obere  Serchiotal)  über  Pistoja  nach  Florenz  wendeten. 

Im  übrigen  spricht  es  für  die  Bedeutung,  die  der  Fremdenverkehr  für^ 
Lucca  hatte,  daß  man  im  Jahre  1070  in  den  neuerrichteten  Baulichkeiten, 
die  den  Immunitätsbezirk  der  von  Bischof  Anselm  (dem  älteren)  neuerbauten 
Martinskirche  umgaben,  ein  Hospiz  einrichten  ließ ;  der  mittlerweile  zum  Papst 
erhobene  Anselm  (Alexander  IL)  bedrohte  jeden  mit  dem  Bann,  der  es 
wagen  sollte,  es  seiner  Bestimmung  zu  entfremden,  i)  In  dem  eingefriedeten 
Raum  hatten  Wechsler  und  Spezereiwarenhändler  ihre  Stände;  um  die 
ReelUtät  des  Geschäftsverkehrs  zu  sichern,  nahm  die  kirchliche  Behörde  ^^ 
ihnen  allen  (qui  ibi  ad  cambium  aut  ad  species  stare  voluerint)  einen  feier-^^Hj 
heben  Eid  ab,  sich  innerhalb  des  Freihofes  wie  der  Fremdenherbergen ^^' 
keinerlei  Unredlichkeit  zu  schulden  kommen  zu  lassen  (quod  ab  illa  hora 
in  antea  nee  furtum  facient  nee  treccamentum  nee  falsitatem  intra  curtem 
S.  Martini  nee  in  domibus  Ulis  in  quibus  homines  hospitantur).  Um  dem 
Publikum  Vertrauen  auf  redliche  Bedienung  bei  seinen  Geldwechsel-  und 
Kaufgeschäften  einzuflößen,  brachte  man  zur  Zeit  des  Bischofs  Rangerius 
im  Jahre  1111  am  Atrium  der  Kirche  eine  Inschrift  an,  die  ihm  von  diesem 
Eide,  sowie  davon,  daß  der  Immunitätsbezirk  unter  gehöriger  Bewachung 
stehe  und  für  gute  Justiz  gesorgt  sei  2),  Mitteilung  machte.  Von  den  Fremden 
zogen  Engländer  und  Nordländer  besonders  häufig  diese  Straße  nach  Rom; 
wir  hören,  daß  König  Erich  der  Gute  für  freie  Beherbergung  und  Bewirtung 
armer  nordischer  Pilger  in  Lucca  Sorge  trug.  3) 

Auch  im  Gebiet  von  Lucca  war  an  dieser  Straße  für  die  Unterkunft 
der  Fremden  gut  gesorgt;  so  lag  bei  Porcari  das  Mathildenhospiz,  und  eben- 
falls auf  die  Zeit  der  großen  Gräfin  geht  das  im  folgenden  Jahrhundert  zu 
besonderem  Ansehen  gelangte  St.  Jakobshospiz  in  Altopascio  zurück.  Eine 
besondere  Anziehungskraft  für  die  Engländer  erlangte  Lucca  dadurch,  daß 
Reliquien  des  hl.  Edmund,  die  Abt  Baldwin  von  S.  Edmunds  um  1071  von 


1)  Inschrift  bei  Bini  I  p.  91 :  ' 

»Ipse  domos  sedes  praesentes  struxit  et  aedes 
In  quibus  hospitium  faciens  terrena  potestas 
Ut  Sit  in  aeternum  statuens  anathemate  sanxit.« 
Von  Bini  völlig  mißverstanden.     Schutzbrief  Mathildes  1076 ;  Overmann  reg.  no.  26. 
Jung  81. 

*)  Sunt  etiam  insuper  qui  curtem  istam  custodiunt  et  qui  quod  male  factum^ 
fuerit,  emendare  faciunt.     Zum  Schluß  das  Distichon : 

Adveniens  quisquam  scripturam  perlegat  istam 
De  qua  confidat  et  sibi  nil  timeat. 
Bei  Bini  I,  90;    mit   kleinen   Ungenauigkeiten   auch  bei  Muratori  Antiqu,  II,  881  f. 
»)  Werlauff  p.  20.     Riant  83,     Schütte  32  f. 


Binnenländisches  Toskana,  insbesondere  Lucca.  61 

Rom  mitgebracht  und  der  Martinskirche  zur  Aufbewahrung  übergeben  hatte  i), 
sich  bald  als  wundertätig  erwiesen. 

42.  Für  den  Handel  Luccas  mußte  es  von  erheblicher  Bedeutung  sein, 
daß  sich  hier  ungewöhnlich  früh  eine  stärkere  industrielle  Tätigkeit  ent- 
wickelt hat.  Die  Kunst,  Gold  und  Silber  zu  feinen  Blättchen  und  Fäden 
zu  verarbeiten,  sowie  die  verschiedensten  Arten  von  Vergoldung  auszuführen, 
scheint  hier  schon  im  9.  Jahrhundert  geübt  worden  zu  sein ;  aus  diesem 
Jahrhundert  stammt  wenigstens  das  Manuskript  einer  au.sführlichen,  auf  die 
Alexandriner  zurückgehenden  technischen  Abhandlung  über  solche  Arbeiten, 
das  in  der  Kirche  San  Frediano  aufbewahrt  wird;  die  Lucchesen  sind  ja 
auch  später  die  Lehrmeister  der  Herstellung  des  Goldbrokats  geworden.  2) 
So  hat  sich  hier  wohl  eine  spezielle  Industrie  vom  Altertum  her  durch  die 
langobardische  und  fränkische  Zeit  hindurch  in  ununterbrochener  technischer 
Tradition  bis  in  die  späteren  Zeiten  des  Mittelalters  fortgepflanzt. 

Aber  auch  die  Tuchfabrikation  wurde  in  Lucca  ^)  eifrig  gepflegt.  Wenn 
wir  für  Pisa  nicht  mit  voller  Sicherheit  sagen  können,  ob  die  wollenen 
Tücher,  die  Monte  Cassino  hier  einkaufte,  auch  i)isanisches  Fabrikat  waren 
(so  wahrscheinlich  es  auch  ist),  so  werden  in  einer  Urkunde  des  Bischofs 
Teudigrim  vom  August  983  unter  den  Zehnten  der  Kirchen  S.  Gimignano 
in  Saltucchio  und  S.  Maria  in  Sesto  auch  Tuche  (drappi)  aufgeführt^),  bei 
denen  es  sich  dem  Zusammenhange  nach  nur  um  eigene  Fabrikate  handeln 
kann.  5)  Allerdings  wollte  man  sich  in  Lucca  mit  den  aus  der  heimischen, 
nicht  gerade  wertvollen  Wolle  hergestellten  Erzeugnissen  nicht  begnügen; 
am  Ende  unseres  Zeitraums  führt  Rangerius,  der  Biograph  des  hl.  Anselm, 
unter  den  Zeichen  der  verderbUchen  Zeitrichtung,  die  dieser  habe  bekämpfen 
müssen,  an,  daß  die  Lucchesen  im  Luxus  so  weit  gingen,  die  Moden  der 
Franzosen  nachzuahmen  und  Stoffe  aus  fremder  Wolle  zu  tragen.  ^)  Anderer- 
seits ist  bemerkenswert,  daß  im  Ruodlieb,  jenem  um  1030  wahrscheinhch 
im  Kloster  Tegemsee  entstandenen  Abenteuerroman,  der  uns  die  feinere 
ritterhche  Kultur  der  Zeit  so  lebhaft  vor  Augen  stellt,  auch  feine  Schenkel- 
binden aus  Lucca  erwähnt  werden,  die  also  schon  damals  ihren  Weg  bis 
nach  Deutschland  fanden.  '^) 


»)  Jung  p.  78  u.  26. 

*)  Muratori  Antiqu.  11,  365 — 388;  ein  kleiner  Teil  davon  nach  einer  Copie 
Girys  bei  Fagniez  1  no.  94  p.  53.     Schulte  I,  137. 

'')  Bini  I,  16  sieht  als  Erzeugnisse  der  lucchesischen  Textilindustrie  auch  die 
zu  kirchlichem  Gebrauch  bestimmten  Luxusstoffe  an,  die  Ghisulf,  Simeons  Sohn, 
in  einer  Urkunde  vom  März  846  dem  Bischof  Ambrosius  von  Lucca  jährlich  zu 
liefern  versprach,  so  lange  die  Äbtissin  Hildegund  das  Petrikloster  innehabe  (uno 
vestito  caprino  testo  in  sirico  et  uno  täppite  et  unum  durgantin)  Mem.  di  Lucca 
IV,  2  p.  40  no.  30.  Aber  der  an  letzter  Stelle  genannte  Stofif  von  Urgendsch  beweist 
deutlich  genug,  daß  es  sich  um  importierte  Fabrikate  handelt.     Karabacek  44. 

*)  Mem.  di  Lucca  V,  3  (1841)  p.  441  no.  1557 ;  fünf  Jahre  später  unter  Bischof 
Isalfred  wiederholt ;  ebd.  512  no.  1631.     Vgl.  Bini  I,  16. 

')  Die  Behauptung  von  Doren  p.  14,  daß  für  Lucca  Dokumente  von  846  und 
983  bewiesen,  daß  damals  Seidenstoffe  und  mit  Seide  durchwirkte  Wollenstofte  dort 
in  größerer  Menge  gefertigt  wurden,  kann  ich  darnach  nicht  begründet  finden. 

^)  At  i)rimo  cultus  imitari  Francigenarum  —  Gloria,  et  ignotae  quaerens  vellus 
Ovis  —  Tonderi  non  arte  sua,  non  denique  gentis,  —  Unna  aut  ritus,  aut  prohibenda 
sequi  etc.  p.  157.     Davidsohn  I,  344  f. 

')  Breßlau  II,  340.     Schulte  I,  70. 


62  Fünftes  Kapitel.     Binnenländisches  Toskana,  insbesondere  Lucca. 

Wenn  Rangerius  das  damalige  Lucca  als  in  Luxus  versunken  (luxuriata) 
anklagt,  so  ist  das  natürlich  eine  Auffassung,  die  nur  aus  der  ganz  von 
mönchischem  Geiste  erfüllten  Richtung  des  Verfassers  verständlich  wird; 
um  so  mehr  macht  es  aber  den  Eindruck  der  Echtheit,  wenn  er  Lucca 
wegen  seines  Wohlstands,  seiner  Fülle  von  Wein  und  Öl,  seiner  Lage  und 
seines  Äußeren  preist  i) : 

»Urbibus  in  Tuscis  non  est  opulentia  major 
Non  major  vini  copia,  non  olei. 
Grata  situ,  specie  mirabilis,  ut  paradiso 
Si  dici  liceat,  non  nimis  invideat.« 

Nennt  doch  auch  der  französische  Geschichtsschreiber,  der  mit  den 
ersten  Kreuzfahrern  seiner  Nation  auf  dem  Wege  nach  Rom  hier  durch- 
gekommen ist,  Lucca  eine  urbs  nominatissima.  2)  Auch  zu  freier  kommunaler 
Bewegung  war  Lucca,  wie  das  benachbarte  Pisa,  damals  schon  gelangt;  an 
zwei  Stellen  seiner  Biographie  des  hl.  Anselm  wird  das  Kollegium  der 
städtischen  Konsuln  Luccas  von  Rangerius  erwähnt.^) 

43.  Florenz  war  im  11.  Jahrhundert  in  allmählichem  Aufschwung 
begriffen;  doch  war  seine  Bedeutung  für  den  Handel  noch  gering.  Im 
Jahre  1018  erfahren  wir  zuerst  von  der  Existenz  eines  zweiten  Marktplatzes, 
des  Mercato  nuovo  oder  Mercato  di  Por  Santa  Maria,  neben  dem  aus  dem 
altrömischen  Forum  entstandenen ;  und  wenig  später  richtete  Bischof 
Hildebrand  einen  Jahrmarkt  in  unmittelbarer  Nähe  der  Stadt  ein,  dessen 
Erträgnis  er  im  April  1024  dem  Kloster  San  Miniato  überwies.*)  Vom 
auswärtigen  Handel  der  Florentiner  erfahren  wir  nur  durch  das  Privileg 
Heinrichs  IV.  für  Lucca  (1081)  etwas;  ihr  dort  stipulierter  Ausschluß  von 
den  Märkten  von  Coparmuli  und  San  Donnino^),  die  sie  wohl  auf  dem 
Wege  über  Pistoja  aufzusuchen  pflegten,  kann  um  so  weniger  von  Dauer 
gewesen  sein,  als  des  Kaisers  Macht  mit  seinem  Abzug  aus  Italien  (1084) 
allenthalben  zusammenbrach ;  die  feste  Haltung,  die  Florenz  auf  der  Seite  des 
Papstes  und  der  mächtigen  Markgräfin  Mathilde  gezeigt  hatte,  ist  sicher  der 
Entwickelung  seines  Handels  in  Toskana  wie  jenseits  des  Apennin  wesentlich 
förderlich  gewesen. 

Sonst  können  wir  von  toskanischen  Orten  in  dieser  Zeit  nur  mehrfach 
das  Vorhandensein  von  Märkten  nachweisen,  so  in  Privilegien  für  das 
Bistum  Luni  in  Luni  selbst  und  in  Ceperana,  ferner  einen  Markt  zu  Arezzo, 
der  in  missa  s.  Ilariani  abgehalten  wurde  und  den  dortigen  Kanonikern 
verliehen  war;  die  im  9.  Jahrhundert  nachweisbaren  Jahrmärkte  von  Volterra 
werden  wohl  auch  in  der  folgenden  Zeit  noch  fortbestanden  haben,  ß) 

')  Rangerius  p.  152. 

*)  Fulcherius  Carnot.  I,  7  (Rec.  Crois.  Occid.  III,  329). 

8)  Rangerius  p.  180 ;  SS.  XXX  v.  5326  u.  5344.  Meyer  von  Knonau  IV,  142 
A.  58  setzt  auseinander,  daß  diese  Stellen  sich  entweder  auf  1086  oder  auf  das 
Jahr  1092  oder  doch  eines  der  nächsten  Jahre  beziehen.  Im  Jahre  1124  soll  sich 
dann  Lucca  nach  gewöhnlicher  Annahme  des  ungewöhnlichen  Reichtums  von 
60  Konsuln  erfreut  haben;  Chart.  11  no.  162,  p.  204:  Convenerunt  itaque  ad  eccl.  s 
Alexandri  sexaginta  fere  pred.  civitatis  consules  etc.  Indessen  ist  statt  sexa- 
ginta  fere  zu  lesen  sexta  feria,  wie  aus  der  Parallelstelle  p.  206:  Sexta  feria 
igitur  veniente  pred.  consules  in  pred.  eccl    s.  Alexandri  etc.  hervorgeht. 

*)  Davidsohn  I,  137. 

»)  §  41. 

*)  Dipl.  O I  (Mai  963)  no.  253  f.  Hartmann  98.  In  Monte  Amiata  war,  wie  auch 
sonst  meistens,  der  Sonnabend  der  Tag  des  Wochenmarkts.     Murat.  Antiqu.  11,  869. 


Sechstes  Kapitel.     Genua.  63 

Sechstes  Kapitel. 

Genua. 

44.  Nahe  dem  nördHchsten  Punkte,  den  das  Westbecken  des 
Mittelmeers  erreicht,  und  damit  an  der  Stelle  der  größten  Annäherung 
desselben  an  das  Innere  von  Mittel-Europa  gelegen,  von  seinem  näch- 
sten Hinterlande,  Piemont  und  der  westlichen  Lombardei,  zwar  durch 
die  den  Ligurischen  Golf  einfassenden  Bergketten  geschieden,  aber  doch 
nur  so,  daß  mehrere  verhältnismäßig  bequeme  Pässe  ^),  unter  ihnen 
namentlich  die  Bocchetta,  den  Verkehr  desselben,  soweit  er  dem  Tyrr- 
henischen  Meere  zustrebte,  vorzugsweise  auf  diesen  Platz  hinlenkten, 
dazu  mit  einem  vortrefflichen  Seehafen  ausgestattet,  besaß  Genua  alle 
natürlichen  Bedingungen  für  die  Entwickelung  einer  lebhaften  Handels- 
tätigkeit. 

Aber  die  langobardische  Eroberung  traf  Genua  besonders  hart;  als 
König  Rothari  die  ligurische  Küste  eroberte,  ließ  er  die  Mauern  Genuas 
schleifen  und  beraubte  es  seiner  Eigenschaft  als  Stadt  (641).  2)  Sicherlich 
kam  es  trotzdem,  von  der  Gunst  seiner  Lage  unterstützt,  allmählich  wieder 
empor,  aber  die  Sarazenenzeit  hemmte  die  Entwickelung  Genuas  von  neuem. 
Schon  im  Jahre  806  fand  Ademar,  der  fränkische  Graf  von  Genua,  im 
Kampfe  mit  den  Sarazenen  seinen  Tod  3);  oft  genug  wurde  seitdem  auch 
die  ligurische  Küste  das  Ziel  ihrer  Plünderungsfahrten,  und  auch  Genua 
selbst  ist  im  Jahre  935  4)  die  Beute  eines  räuberischen  Überfalls  einer  aus 
Afrika  gekommenen  Flotte  geworden;  ein  furchtbares  Blutbad  wurde  unter 
den  Einwohnern  angerichtet,  Stadt  und  Kirchen  ihrer  Schätze  beraubt. 
Auch  durch  die  Sarazenen,  die  sich  in  der  benachbarten  Provence  festgesetzt 
hatten  5),  muß  Genuas  Handel  damals  schwer  gelitten  haben. 

Doch  erst  im  IL  Jahrhundert  tritt  uns  die  Entwickelung  Genuas 
etwas  deutlicher  entgegen;  noch  spärlicher  wie  bei  Pisa  fließen  hier 
die  Quellen.  Fast  immer  erscheint  es  in  dieser  Zeit  in  Beziehungen, 
sei  es  feindlichen  oder  freundlichen,  zu  Pisa,  an  dem  es  bei  allen  Äuße- 
rungen seiner  Handelstätigkeit,  soweit  sich  diese  nicht  auf  sein  Hinter 
land  bezog,  einen  natürlichen  Rivalen  hatte,  neben  dem  es  zunächst 
noch,  aber  doch  allmählich  stärker  emporstrebend,  in  zweiter  Linie 
stand. 

45.  An  den  sardinischen  Kämpfen  der  Pisaner  gegen  Mogehid 
hatte  Genua  rühmlichen  Anteil  genommen  (1015/16),  indessen  vor  der 
Übermacht  der  Pisaner  zunächst  von  der  Insel  weichen  müssen.  ^)  Natürlich 
gab  Genua   deswegen  sein  Streben,   an   der  kommerziellen  Ausbeutung  der 

1)  Schulte  I,  18. 

*)  Sieveking  I,  1.     Manfroni  22. 

')  SS.  I,  193.  De  la  Ronciäro :  Charlemagne  et  la  civilisation  maritime  in  Le 
Moyen  Age  X  (1897)  207. 

*)  Liutpr.  Antapod.,  SS.  DI,  316.  Sigeb.  cron.,  SS.  VI,  347.  Amari  Musulm.  H, 
179  f.     Manfroni  60  f. 

•)  §  72. 

•)  §  36. 


64  Sechstes  Kapitel. 

Insel  teilzunehmen,  nicht  dauernd  auf;  der  vom  Ende  des  Jahrhunderts 
stammende  genuesische  Zolltarif  zeigt  uns,  daß  der  Export  von  Salz  aus 
Sardinien  etwas  durchaus  Gewöhnliches  war;  jedes  genuesische  Salzschiff, 
das  von  Sardinien  kam,  hatte  einen  Malter  (modium)  Salz  in  natura 
abzuliefern,  i) 

Nicht  minder  mußten  die  Handelsinteressen  der  Rivalen  auf  der  ihnen 
beiden  vor  der  Tür  gelegenen  Insel  Korsika  einander  gegenübertreten; 
hierin  liegt  wohl  die  Hauptursache  ihrer  heftigen  Kämpfe,  von  denen  uns 
im  7.  und  8.  Jahrzehnt  des  11.  Jahrhunderts,  allerdings  nur  in  sehr  frag- 
mentarischer Weise,  berichtet  wird.  2) 

46.  Genuas  Beziehungen  zu  Unter-Italien,  zu  den  Normannen 
und  den  Sarazenen  waren  den  pisanischen  durchaus  analog.  Ein  Genuese 
Bonomilus,  des  Abentius  Sohn,  erscheint  1059  in  Atrani  angesessen 3),  und 
die  Gewalttaten  Gisulfs  von  Salerno  trafen  die  Genuesen  nicht  minder  wie 
die  Pisaner,  ja  er  behandelte  sie,  wie  Aime  sagt,  noch  schhmmer  wie  diese  4); 
ein  genuesisches  Handelsschiff,  das  die  Piraten  Gisulfs  eingebracht  hatten, 
erklärte  dieser  nicht  nur  für  gute  Prise,  sondern  zwang  alle  in  seine  Gewalt 
geratenen  Genuesen,  ihre  sämtlichen  Häuser,  Grundstücke  und  sonstige 
Habe  in  Genua  verkaufen  zu  lassen  und  ihm  den  Erlös  als  Preis  für  ihre 
Freilassung  auszuliefern.  Das  freundschaftliche  Einvernehmen  der  Genuesen 
mit  den  Normannen  wird  durch  ihr  Verhalten  beim  ersten  Kreuzzuge  am 
besten  bewiesen.  Mit  Gaeta  muß  Genua  gegen  Ende  des  Jahrhunderts 
einen  besonderen  Vertrag  gehabt  haben,  da  die  Gaetaner  in  Genua  wenigerj 
zu  zahlen  hatten  als  alle  ihre  Nachbarn,  s) 

Wenn  die  Genuesen  trotz  der  sardinischen  Erfahrung  von  1016  im 
Jahre  1087  mit  den  Pisanern  gegen  die  Sarazenen  von  Mehdia  gemeinsame 
Sache  machten  ^),  so  sind  sie  sicher  durch  gewichtige  Handelsinteressen  dazu 
bewogen  worden ;  die  errungenen  Handelsvorteile  kamen  ihnen  in  gleicher 
Weise  wie  den  Pisanern  zugute.  Einige  Jahre  darauf  (1092  oder  1093) 
unternahmen  sie  im  Bunde  mit  den  christlichen  Fürsten  Spaniens  und,  wie 
es  scheint,  nunmehr  ihrerseits  von  den  Pisanern  unterstützt,  einen  Seezug 
gegen  die  spanischen  Sarazenen,  der  indessen  nach  einem  mißglückten 
Versuch  auf  Tortosa  ergebnislos  verlief.  '^) 

47.  Für  den  Handelsverkehr  der  Genuesen  in  der  Levante  besitzen 
wir  eine   ebenso   interessante  wie  wichtige   Nachricht.     Der  großen,    gegen 


I 


1)  Lib.  Jur.  I.  no.  23. 

3)  Ann.  pis.,  SS.  XIX  239. 

8)  Cod.  Cav.  Vni  p.  117. 

")  Aime  p.  324. 

*)  Lib.  Jur   I  no.  23.     Oben  S.  89. 

•*)  Der  pisanische  Dichter  (Du  Meril  p.  242)  rühmt:  »Convenerunt  Genuenses 
virtute  mirabili,  Et  adjungunt  se  Pisanis  amore  amabili.«     Oben  §  24. 

^)  Kurze  chronologische  Notiz  am  Anfang  der  Annalen  Caffaros  (Ann.  ge- 
nov.  I,  13):  1093.  Primus  exercitus  Tortuose  (also  mit  Beziehung  auf  die  Expe- 
dition des  Jahres  1148).  Genaueres  aus  arabischen  Quellen  bei  Dozy  R. :  Recherches 
sur  l'histoire  et  la  litterature  de  l'Espagne  musulmane.  Ausgabe  von  1860,  Bd.  II, 
150  und  App.  p.  XXni,  XXVII  und  LX,  wo  die  Unternehmung  ins  Jahr  1092 
gesetzt  ist.  Vgl.  dazu  Amari,  Dipl.  arabi  p.  XX,  der  die  Notiz  Caftaros  aber  merk- 
würdigerweise trotz  seiner  Kenntnis  der  arabischen  Quellen  auf  das  syrische  Tor- 
tosa beziehen  will ,  wie  von  den  Neueren  auch  Hagenmeyer,  Gesta  p.  427  und 
Röhricht,  Jerusalem  S.  33  Anm.  4  tun.  Richtig  dagegen  Belgrano ,  ann.  genov.  I 
p.  LIV  und  Manfroni  103. 


Genua.  65 

7000  Teilnehmer  zählenden  Pilgerfahrt,  die  unter  Führung  des  Erzbischofs 
Siegfried  von  Mainz  im  November  1064  Deutschland  verließ,  hatten  sich 
auch  etwas  über  30  französische  Normannen  angeschlossen,  unter  ihnen 
der  am  Hofe  Herzog  Wilhelms  lebende  Kleriker  Ingulf,  der  1076  Abt  von 
Croyland  wurde  und  später  eine  Geschichte  der  Äbte  dieses  Klosters  ver- 
faßt hat,  was  ihm  Gelegenheit  gab,  auch  seine  eigenen  Geschicke  in  Kürze 
zu  behandeln.  Während  die  Deutschen  nun  nach  den  schwersten  Mühsalen 
(nur  2000  waren  noch  übrig)  wieder  auf  dem  Landwege  heimkehrten, 
schlugen  die  Normannen  den  Seeweg  ein.  Als  sie  im  Frühjahr  1065  in 
Joppe  weilten,  erschien  hier  eine  genuesische  Handelsflottille,  die  die  See- 
plätze Syriens  bereits  der  Reihe  nach  besucht  und  die  mitgebrachten  Waren 
gegen  die  Waren  der  Levante  eingetauscht  hatte;  nur  die  heiligen  Stätten 
wollten  die  Kaufleute  vor  ihrer  Heimkehr  noch  -  aufsuchen.  Mit  dieser 
Flottille  traten  Ingulf  und  die  Seinen  von  Joppe  aus  die  Heimfahrt  an, 
ließen  sich  aber  schon  in  Brindisi  an  Land  setzen,  um  von  hier  aus  die 
Reise  zunächst  nach  Rom  fortzusetzen,  i) 

Dieser  Bericht  zeigt  uns  also  die  Genuesen  in  völlig  geregelter  Handels- 
tätigkeit an  der  syrischen  Küste,  durchaus  ungehindert  ihren  Geschäften 
nachgehend.  Gerade  damals  war  aber  auch  die  Zeit  für  einen  derartigen 
Handelsverkehr  außerordentlich  günstig;  der  Fatimidenkalif  El-Mustansir 
zeigte  sich  den  Christen  ungewöhnlich  freundlich  gesinnt,  so  daß  er  den 
Christen  Jerusalems  im  Jahre  1063  sogar  ein  eigenes  Stadtviertel  eingeräumt 
hatte  2);  auch  den  Amalfitanern  hat  er  seine  Gunst  in  besonderem  Maße 
bewiesen.  Allzulange  dauerte  freilich  diese  für  die  Entwickelung  des  Handels 
so  vorteilhafte  Periode  nicht;  vielmehr  begann  mit  der  Eroberung  der 
Seldschukken  eine  Zeit  schlimmerer  Christenfeindschaft  als  je  vorher. 
Wenn  Papst  Urban  IL  im  Jahre  1096  noch  von  Frankreich  aus  die  Bürger 
Genuas  bat,  dem  Heiligen  Lande  zu  Hilfe  zu  kommen  3),  so  rief  er  sie 
damit  nicht  auf  völlig  ungewohnte  Pfade,  vielmehr  galt  es  für  sie,  außer 
dem  reUgiösen  Interesse,  auch  Handelsvorteile  wiederzugewinnen,  die  sie 
schon  besessen,  und  wenn  möglich  weitere  zu  gewinnen. 

48.  Über  den  Verkehr  fremder  Händler  in  Genua  am  Ende  unserer 
Periode   gibt   uns   ein   aus  dieser  Zeit    stammender  Abgabentarif  4)    einigen 


*)  Hist.  abbat.  Croyland.  in  Rer.  Anglicarum  SS.  ed.  Savile,  Frankfurt  1601 
p.  904.  Die  Hauptstelle  lautet:  »Vere  accidente  stolus  navium  Januensium  in  i)ortu 
Joppensi  applicuit ;  in  quibus,  cum  sua  mercimonia  christiani  mercatores  per  civitates 
raaritimas  commutassent  et  sancta  loca  similiter  adorassent,  ascendentes  omnes  mari 
nos  commisimus.«  S.  Heyd  I,  124.  Schilderung  des  Pilgerzuges  bei  Meyer  von 
Knonau  I,  390  E.,  445  ff.  Die  Darstellung  Ingulfs  ist  mehr  als  20  Jahre  nach  den 
P^reignissen  verfaßt  (p.  908  wird  das  Jahr  1085  erwähnt) ;  sie  zeigt,  worauf  Meyer 
p.  449  aufmerksam  macht,  insofern  einen  bedenklichen  Irrtum,  als  nach  ihr  die 
deutschen  Bischöfe  auf  der  Heimkehr  bis  Rom  mitgekommen  sein  sollen,  während 
sie  in  Wirklichkeit  wieder  über  Konstantinopel  gegangen  sind. 

*)  Röhricht,  Erster  Kreuzzug  p.  11  f. 

^)  J.  5651.  Bloße  Legende  ist  die  Erzählung  von  der  einige  Jahre  vor  dem 
ersten  Kreuzzuge  unternommenen  Pilgerreise,  die  Gottfried  von  Bouillon  und  den 
Grafen  von  Flandern  auf  dem  genuesischen  Schiffe  »Pomella«  nach  Alexandrien, 
von  da  nach  den  heiligen  Stätten  und  wieder  nach  Genua  zurück  geführt  haben 
soll.     Cafari  de  Uberatione  civitatum  Orientis  liber ;  SS.  XVIII,  40.     Heyd  I,  124. 

*)  Dieses  >Breve  recordationis  de  dacito  quod  debent  dare  forici  homines  qui 
veniunt  Januam  pro  mercato«  (Lib.  Jur.  I  no.  23)  ist  zwar  erst  1128  aufgezeichnet; 
daß  seine  Sätze  aber  auf  das  11.  Jahrhundert  zurückgehen  müssen,  hat  man  mit 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  5 


66  Sechstes  Kapitel.     Genua. 

Aufschluß.  Was  den  Seeverkehr  anbetrifft,  erscheint  es  als  Prinzip  des 
Tarifs,  daß  von  den  Ankommenden  eine  Kopfsteuer  erhoben  wurde,  die 
zonenweise  mit  der  Entfernung  zunahm.  So  zahlten  die  Anwohner  der 
Riviera  ostwärts  bis  zum  Golf  von  Spezzia  und  westwärts  bis  Noli  nur  einen 
alten  pavesischen  Denar,  die  Bewohner  von  Albenga  und  Ventimiglia  4  den. 
pro  Kopf,  während  die  Nizzarden,  jedenfalls  auf  Grund  besonderen  Ab- 
kommens, privilegiert  waren  und  nur  3  den,  päp.  zu  zahlen  hatten.  Süd- 
franzosen führt  der  Tarif  überhaupt  nicht  auf;  von  Westen  her  erscheinen 
nur  noch  die  Barcelonesen  auf  dem  Markt  von  Genua  und  auch  diese  nur 
als  Sklavenhändler ;  sie  hatten,  um  ihre  Ware  in  Genua  absetzen  zu  dürfen, 
die  hohe  Abgabe  von  60  den.  pap.  zu  entrichten.  Nach  Osten  hin  endet 
der  Tarif  mit  Salerno;  '^s  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  danach  sara- 
zenische Kaufleute  nicht  in  Genua  verkehrten.  J|| 

Beim  Landverkehr  unterschied  man  nur  zwischen  Lombarden  und»! 
den  jenseits  der  Alpen  Wohnenden ;  doch  richtete  sich  hier  die  Abgabe  nach 
der  Natur  der  importierten  Ware,  und  zwar  wurde  sie  nicht  als  Einfuhrzoll, 
sondern  als  Verkaufsabgabe  erhoben.  Von  jedem  Roß,  jedem  Panzer  oder 
palliumi),  die  von  Lombarden  in  Genua  verkauft  wurden,  wurden  6  den.  pap. 
erhoben;  bei  Schwertern  waren  vom  Hundert  3  in  natura  abzuliefern, 
Häute  und  Felle  zahlten  1  den.  pro  Stück.  2)  In  natura  wurden  ferner  von 
Süßwasserfischen  6  vom  Hundert  erhoben;  offenbar  galten  sie  als  Luxus- 
artikel; sonstige  Lebensmittel,  die  doch  sicher  auch  vom  Binnenlande  ein- 
geführt wurden,  werden  nicht  erwähnt,  waren  also  jedenfalls  mit  Rücksicht 
auf  den  in  Genua  dafür  vorhandenen  Bedarf  abgabenfrei. 

Für  die  Einfuhr  von  jenseits  der  Alpen  her  kamen  nur  .  die  Erzeug- 
nisse der  Textilindustrie  in  Betracht ;  die  homines  de  ultramontanis  partibus 
hatten  beim  Verkauf  von  Wollstoffen  6,  von  Garnstoffen  4  den.  pap.  ant. 
pro  Ballen  zu  entrichten.  3)  Wir  werden  annehmen  dürfen,  daß  diese 
Importartikel  schon  damals  für  die  Genuesen  einen  Gegenstand  ihrer  Ausfuhr 
zur  See  gebildet  haben. 

49.  Wie  Pisa,  so  ist  auch  Genua  in  das  Zeitalter  der  Kreuzzüge  schon^ 
als  eine  Macht  eingetreten,  die  das  Selbstbestimmungsrecht  in  allen  wich- 
tigeren Äußerungen  des  staatlichen  und  kommerziellen  Lebens  errungen 
hatte.  Dem  pisanischen  Comune  entsprach  die  genuesische  Compagna 
(auch  wohl  als  communis  compagna  bezeichnet)  in  allen  wesentlichen  Be- 

Recht  daraus  geschlossen,  daß  sie  in  alten  pavesischen  Denaren  ausgedrückt  sind, 
einer  Münze,  die  in  Genua  schon  1102  außer  Kurs  gesetzt  wurde  (Ann.  genov.  I,  13). 
Sieveking  I,  5.     Schulte  I,  106  f. 

*)  Die  kostbaren  Seidenzeuge  (nach  der  Höhe  der  Abgabe  kann  es  sich  nu: 
um  solche  handeln) ,  die  Venedig  aus  Byzanz  einführte,  fanden  also  in  dieser  Zeit, 
wo  Genua  noch  keinen  Verkehr  mit  Byzanz  unterhielt,  ihren  Weg  durch  die  Lom- 
bardei hindurch  bis  Genua. 

2)  Für  das  bisher  nicht  erklärte  »de  coto«;  lese  ich  »de  coio«  (corio  ;=  cuojo),- 
so  daß  es  sich  also  an  dieser  Stelle  um  die  Einfuhr  des  wichtigsten  Rohprodukts 
für  die  Lederindustrie  handelt. 

*)  Sowohl  Schulte  I,  107  wie  Sieveking  I,  5  deuten  den  torsellus  lanicus  um 
den  torsellus  de  canabatiis  auf  die  Rohprodukte  Wolle  und  Hanf.  Indessen  müßte 
man  dann  doch  die  Formen  torsellus  lanae  oder  de  lana,  canabis  oder  de  canabi 
erwarten.  Entscheidend  ist  aber,  daß  bei  solcher  Auffassung  gerade  der  für  den 
Import  von  jenseits  der  Alpen  fraglos  wichtigste  Artikel,  die  Tuche  selbst,  im  Tarif 
fehlen  würden;  daß  sie  etwa  abgabenfrei  geblieben  wären,  wird  man  wohl  nicht 
behaupten  wollen.  Die  Einfuhr  jener  Rohprodukte  von  jenseits  der  Alpen  nach 
Genua  muß  für  diese  Zeit  noch  als  durchaus  ausgeschlossen  gelten. 


Siebentes  Kapitel.     Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.        67 

Ziehungen ;  sie  umfaßte  alle  wehrfähigen  Elemente  des  Staats ;  wer  ihr  nicht 
angehörte,  war  vom  Handel  Genuas  und  jeder  Beteiligung  an  demselben 
ausgeschlossen,  i)  Sie  konstituierte  sich  alle  drei  bis  vier  Jahre  unter  selbst- 
gewählten Konsuln  aufs  neue;  erst  1122  nahm  man  hier  die  in  Pisa,  wie 
es  scheint,  von  Anfang  an  übhche  jährHche  Periode  an.  Es  liegt  wohl  nur 
an  der  mangelhaften  Überlieferung,  wenn  die  für  die  errungene  städtische 
Freiheit  bezeichnende  Behörde  der  Stadtkonsuln  in  Genua  erst  für  das  Jahr 
1098  nachweisbar  ist.  2) 

Siebentes  Kapitel. 

Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen. 

50.  Während  des  9.  Jahrhunderts  konnte  das  Binnenland  von 
Ober-Italien  als  ein  begünstigtes  Gebiet  erscheinen,  da  es  weder  den 
Angriffen  der  Sarazenen,  noch -denen  der  Normannen  ausgesetzt  war. 
Doch  war  der  mit  den  schwersten  inneren  Wirren  verbundene  Ver- 
fall der  fränkischen  Herrschaft,  besonders  seit  dem  Tode  Ludwigs  IL, 
dem  Gedeihen  des  friedlichen  Handels  sehr  ungünstig;  selbst  die 
Hauptstraßen  des  Landes  gerieten  in  schlimme  Verfassung  und  wur- 
den unsicher ;  gelegentlich  machten  sogar  große  Grundherren  mit  or- 
ganisierten Räuberbanden  gemeinsame  Sache. ^) 

Diese  Dinge  mußten  sich  erheblich  verschlimmern,  als  mit  dem 
Ende  des  Jahrhunderts  die  furchtbaren  Plünderungs-  und  Verwüstungs- 
züge der  Magyaren  einsetzten.'') 

Im  August  899  erschienen  sie  zuerst  sengend  und  raubend  in  Italien 
und  drangen  bis  Pavia  vor;  das  Heer  Berengars,  das  sie  auf  dem  Abzüge 
bedrängte,  erlitt  am  24.  September  899  an  der  Brenta  eine  furchtbare  Nieder- 
läge ;  die  Sieger  kehrten  um  und  verwüsteten  nun  systematisch  das  reiche 
Land  nördlich  und  südlich  vom  Po.  Klöster  wie  Nonantola,  Städte  wie 
Bergamo,  Reggio,  Modena  erlagen  ihnen;  nur  die  mit  besonders  starken 
Mauern  versehenen  hielten  stand.  Erst  im  Juh  900  verließen  die  Horden 
das  grausam  verheerte  Land  5);  doch  schon  901  brach  ein  neuer  Schwärm 
in  dies  lockende  Gebiet  ß),    das  nun  über   ein  halbes  Jahrhundert  hindurch, 

')  Leges  Municip.  I,  242  (Breve  Cons.  1143,  rub.  13)  .  .  .  personam  eins  q  u  i 
de  communi  comi)agna  non  fuerit  et  pecuniam  suam  per  rnare  non  portet. 

»)  Urkunde  vom  23.  April  1098  bei  Olivieri  in  Atti  Lig.  I,  67  f.  Über  das 
vermeintlich  schon  früher  nachweisbare  Vorkommen  genuesischer  Konsuln  Heyck 
34  f.,  der  indessen  mit  Unrecht  auch  die  Konsuln  von  1098  beanstandet.  Über  die 
genuesische  Comi>agna  im  allgemeinen  Heyd  I,  132.  Heyck  9  ff.  (mit  Literatur) 
Sieveking  I,  1-21;  besonders  p.  14  f.     Manfroni  85  ff. 

»)  Düramler  m,  8  f.     Giesebrecht  I»,  351  f.,  354. 

■*)  Eine  besondere  Behandlung  haben  dieselben  in  neuester  Zeit  erfahren 
durch  G.  Bisoni :  Gli  Ungheri  in  Italia,  in :  La  Scuola  Cattolica  e  la  scienza  ital., 
ser.  3,  XIX  (Mailand  1900),  269  ff.,  XX  (1900),  124  ff,  285  ff.,  552  ff.  Er  erklärt 
(XIX,  270)  11  Einfälle  für  sicher,  ungerechnet  die  bloßen  Durchzüge  bei  den  Ein- 
fällen nach  Frankreich  und  ohne  die  Möglichkeit  auszuschließen,  daß  ihre  Zahl  (wie 
auch  ich  annehme)  größer  gewesen. 

*)  Dümmler  m,  507—510.     Bisoni  §  1:  prima  irruzione  (XIX,  270  ff.). 

«)  Dümmler  III,  530  A.  3.  Liutprand,  Antapod.  II  c.  7  läßt  die  Magyaren 
reden  von  den  oi)es  Italiae,  quot  toto  in  orbe  nee  vidimus  nee  videro  speravimus. 

5* 


68  '  Siebentes  Kapitel. 

wenn  auch  mit  Unterbrechungen,  unter  der  furchtbaren  Geißel  dieser  Ein- 
fälle i)  zu  leiden  hatte.  Wohl  suchte  Berengar  durch  Tributzahlungen  die 
Feinde  fernzuhalten,  während  das  Land  gleichzeitig  durch  Anlegung  zahl- 
reicher 2)  Befestigungen  gesichert  werden  sollte;  andererseits  scheute  er  sich 
nicht,  sich  des  Beistandes  ihrer  wilden  Scharen  gegen  seine  Gegner  zu  be- 
dienen. Ihm  selber  zum  Unheil;  am  12.  März  924  ging  der  glänzende 
Königssitz  der  Langobarden,  das  feste  Pavia,  unter  den  Händen  seiner 
Bundesgenossen  in  Flammen  auf  und  unterlag  einer  vollständigen  Aus- 
plünderung. 3)  In  den  dreißiger  Jahren  wurden  die  Einfälle  der  Magyaren 
in  Italien  noch  häufiger ;  947  erkaufte  Berengar  von  Ivrea  von  ihrem  Könige 
Taxis  Schonung  für  sein  Gebiet  durch  einen  Tribut  von  zehn  Scheffeln 
Münzen;  noch  954  nahmen  sie,  von  Frankreich  und  Burgund  kommend, 
ihren  Rückweg  durch  die  Lombardei.  4) 

Lange  haftete  der  Name  der  furchtbaren  Feinde  an  zahlreichen  Ört- 
lichkeiten.  Ober-Italiens ;  eine  Ungarnstraße  gab  es  im  östHchen  Friaul,  wo 
ihre  Haupteinbruchspforte  gewesen  ß),  eine  ebensolche  aber  auch  im  Bolog- 
nesischen^);  ja  im  Gebiet  des  Tanaro  hat  sich  die  Bezeichnung  »costa 
Ungaresca«  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten.  7) 

Und  wenn  der  hohe  Gebirgsrand  Ober- Italiens  im  Westen  und  Norden 
naturgemäß  von  den  Reiterscharen  der  Magyaren  weniger  zu  leiden  hatte, 
so  traten  hier  für  die  Strecke  von  den  Meeralj^en  bis  nach  den  Bündner 
Alpen  hin  die  Sarazenen  von  Fraxinetum  ergänzend  ein,  die  nicht  nur 
jeden  Handelsverkehr  über  die  Alpen  im  höchsten  Grade  gefährdeten, 
sondern  auch  das  Vorland  der  Alpen  übel  heimsuchten.  8)  Das  im  Tale 
von  Susa  gelegene  große  und  berühmte  Kloster  Novalese  wurde  am  Anfang 
des  10.  Jahrhunderts  von  ihnen  völlig  zerstört  und  mußte,  um  Sicherheit 
vor  ihnen  zu  gewinnen,  nach  Breme  östlich  der  Sesiamündung  verlegt 
werden  ö);  auch  Acqui  zerstörten  sie  und  drangen  auf  ihren  Plünderungs- 
zügen selbst  bis  nach  St.  Gallen  hin  vor. 

Wenn  die  Bevölkerung  all  diesen  Leiden  gegenüber  doch   eine    zähe,  | 
freilich    mehr  passive    als  aktive  Widerstandskraft  bewährte,    so  liegt  der 
Hauptgrund  dafür  wohl    darin,    daß   die  ummauerten  städtischen  Ansiede- 
lungen, die  zum  Teil  gerade  in   dieser  stürmischen  Zeit  vermehrt  und  ver- 


II 


^)  Schon  Bischof  Salomon  von  Konstanz,  der  904  Italien  besuchte,  sagt:  In- 
stant Italides  spoliatae  civibus  urbes  Ac  desolati  demptis  cultoribus  agri.  Dümm- 
1er  E.,  Gesta  Berengarii  Imperatoris  (Halle  1871)  51  A.  1.  Liutp.  Antap.  II  c.  4: 
Neque    erat   qui    eorum   praesentiam  nisi  munitissimis  forte  praestolaretur  in  locis. 

=')  S.   die  Urkunden  Berengars   bei  Schiaparelli  no.  65,   84,   94,  102,  106,  112. 

')  Dümmler  1.  c.  51  A.  4.  Bisoni  1.  c.  XX,  287  f.  Vgl.  die  Verse  Liutprands 
Antapod.  HI  c.  3  (SS.  lH,  303  f.):  Uritur  infelix  olim  formosa  Papia  etc.,  Institor 
heu  faciem  nullus  deflectit  ad  aurum  etc. 

*)  Bisoni  1.  c.  XX,  552  ff.    Köpke-Dümmler  170,  235.     Öhlmann  in,  214,  218. 

")  Dipl.  Ol  no.  341,  p.  467  (für  Aquileja  967);  Breßlau  l,  485,  489  (Urkunde 
Konrads  n.  von  1028);  ein  mons  Ungarorum  in  der  Valsugana:  Hirsch  I,  241.  öhl- 
mann IV,  248.     Vgl.  Bisoni  1.  c.  XIX,  272,  288  S. 

«)  Savioli  I,  2,  p.  118  f.  (1074). 

')  Cipolla,  Monum.  Novalic.  I,  138. 

8)  Liutpr.  Antapod.  V  c.  9  (SS.  III,  329) :  montana  quibus  ab  occidua  seu  sep- 
tentrionali  Italia  cingitur  parte,  a  Saracenis  Fraxinetum  inhabitantibus  crudelissime 
depopulantur.  Dardanelli  A.  Invasioni  arabe  in  Provenza,  Savoia  e  Piemonte  sul 
finire  del  sec.  IX  e  nel  sec.  X.  Rom  1904.    S.  auch  §  72. 

9)  Cipolla,  Monum.  Novalic.  H,  260  f.,  279,  245.  Liutpr.  Antap.  H,  43 ;  IV,  4. 
Schulte  I,  60  f.     Poupardin  262,  265  f. 


I 
I 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  69 

stärkt  wurden  1),  bei  all  den  zahlreichen  Überflutungen  doch  zum  großen 
Teile  standhielten.  So  stark  auch  innerhalb  dieser  Mauern  der  Rückgang 
des  kommerziellen  und  industriellen  Lebens  sein  mochte,  die  festen  Punkte, 
an  die  eine  neu  aufstrebende  Entwickelung  anknüpfen  konnte,  waren  vor- 
handen. Und  bald  nach  der  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  trat  auch  die  ent- 
scheidende Wendung  zum  Besseren  ein.  Der  gewaltige  Sieg  Ottos  des 
Großen  auf  dem  Lechfelde  955  setzte  den  Einfällen  der  Magyaren  mit  einem 
Schlage  und  für  immer  ein  Ziel;  und  wenn  die  Unsicherheit  in  den  Alpen 
auch  noch  eine  Zeitlang  (bis  973)  fortdauerte  2),  so  gewährte  die  wenig 
drückende  Oberherrschaft  der  deutschen  Könige  dem  Lande  für  mehr  als 
ein  Jahrhundert  eine  verhältnismäßig  nur  selten  unterbrochene  Zeit  des 
äußeren  und  inneren  Friedens,  die  dem  Wiederaufblühen  des  Handels  in 
hohem  Grade  förderlich  gewesen  ist. 

51.  Dieses  Wiederaufblühen  zeigt  sich  namentlich  in  der  Bele- 
bung der  Binnenschiffahrt  auf  der  trefflichen  Wasserstraße  des 
Po  und  seinen  zahlreichen  Nebenflüssen,  die  freilich  der  Schiffahrt 
zum  Teil  größere  Schwierigkeiten  bereiteten,  die  Apenninzuflüsse  durch 
zeitweise  Wasserarmut,  die  Alpenflüsse  durch  starkes  Gefälle  —  aber 
wo  es  immer  anging,  suchte  man  die  Flußläufe  bis  in  ihre  äußersten 
Verzweigungen  hinein  für  den  Warenverkehr  nutzbar  zu  machen.  Zu 
diesen  Wasserläufen  traten  hinzu  die  in  ihrem  unteren  Laufe  dem  Po 
stark  angenäherte  Etsch  und  die  Küstenflüsse  Venetiens. 

Die  Wichtigkeit  der  Hauptwasserstraße  für  den  allgemeinen  Verkehr 
beweist  schon  der  Umstand,  daß  die  Ottonen  stets  diesen  Weg  eingeschlagen 
haben,  wenn  sie  von  Pavia  oder  von  Mantua  aus  nach  Ravenna  wollten ; 
Liutprand  von  Cremona  hat  als  Gesandter  König  Berengars  die  Fahrt  von 
Pavia  nach  Venedig  zu  Schiff  in  drei  Tagen  zurückgelegt.  3) 

Für  den  Handelsverkehr  im  Mündungsgebiet  des  Po  war  Ferrara 
seit  dem  Zurücktreten  Comacchios*)  der  wichtigste  Ort.  Auf  die  über- 
wiegende Bedeutung  der  Schiffahrt  für  diesen  Platz  gestattet  es  einen  Rück- 
schluß, daß  wir  den  Markgrafen  Bonifaz  auf  einem  Poschiffe  Gericht  halten 
sehen  5)  und  daß  auf  je  zwölf  Bürgern  die  Last  ruhte,  den  Bischof  wie  die 
Kanoniker  ihrer  Stadt  in  hergebrachten  Grenzen  kostenlos  zu  Schiffe  zu  be- 
fördern, ö)  Stromaufwärts  verkehrten  die  Ferraresen  mit  ihren  Waren  bis 
Pavia,  stromab  und  von  der  Pomündung  die  Küste  entlang  bis  Venedig; 
hier  wie  dort  hatten  ihre  Fahrzeuge  nach  der  im  Privileg  Kaiser  Heinrichs  HL 
von  1055  vorgenommenen  Fixierung  einen  Uferzoll  von  12  Denaren  der  an 
diesen  Orten  kursierenden  Münze  zu  entrichten,  während  das  Ripaticum  in 


')  Bisoni  1.  c.  XX,  129.  Hartmann  121.  Über  die  Leiden  Italiens  in  dieser 
Zeit  vgl.  die  Schilderung  bei  Giesebrecht  P,  352  ff.,  besonders  354. 

»)  §  72. 

3)  Hartmann  74  A.  4.  Liutpr.,  SS,  HI,  337.  Legat,  c.  33  (p.  354)  nennt  er  den 
Eridanus  den  König  der  Flüsse  Italiens. 

■*)  Comacchios  Bedeutung  gehört  einer  früheren  Periode  (bis  etwa  zum  Ende 
des  9.  Jahrhunderts)  an;  s.  hierüber  Hartmann  p.  74 — 90:  Comacchio  und  der  Po- 
handel.  Das  Privileg  Berengars  für  Nonantola  (um  910)  hebt  als  an  der  Binnen- 
schiifahrt  beteiligt  die  Bewohner  von  Pavia  und  Cremona,  Ferrara  und  Comacchio 
sowie  die  Venezianer  besonders  hervor.     Schiaparelli  no.  81. 

»)  Ficker  IV,  no.  52  p.  75. 

«)  Dipl.  OIU  no.  275,  p.  695  (998).    Murat.  Antiqu.  VI,  223  (1055). 


70  Siebentes  Kapitel. 

Ravenna  für  sie  nur  2  den.  ven.  betrug.  Für  ihren  Handel  stromauf  kamen 
besonders  Salz  und  Fische  in  Betracht  (im  Gebiet  von  Comacchio  hatten 
Bischof  und  Domkapitel  von  Ferrara  auch  Sahnen  im  eigenen  Besitz  i); 
setzten  die  Ferraresen  ihre  Ware  in  Cremona  ab,  so  hatten  sie  für  das  Faß 
Fische  2  Mailänder  Denare  zu  zahlen ,  während  von  der  Salzbarke  eine 
Naturalabgabe  von  2  oralia  erhoben  wurde.  2) 

Als  Pohafen  fast  kann  das  am  Ausfluß  des  Gardasees,  dem  breiten 
Mincio,  gelegene  Mantua  angesehen  werden,  das  in  dem  gleichen  Jahre 
wie  Ferrara  von  Kaiser  Heinrich  HI.  Privilegien  erhielt.  Während  der 
Bischof  im  Besitz  der  Uferrechte,  des  Uferzolls  und  der  Pflockgebühr  für 
die  Stadt  und  seinen  Sprengel  bestätigt  wurde  3),  befreite  der  Kaiser  die 
freien  Bürger  Mantuas  und  seines  Gebiets  von  jeder  Handelsabgabe  in  den 
Plätzen  am  unteren  Po,  Ferrara,  Argenta  und  Ravenna,  sowie  »in  Summo 
Lacu«  am  nördlichen  Ende  des  Gardasees"*),  eine  Gunst,  die  dem  Aufschwung 
der  Stadt  sehr  zustatten  kam;  »ex  multis  rebus  dives  satis  ac  speciebus« 
wird  sie  von  Donizo  genannt.  5)  ^11 

Am  mittleren  Po  war  Cremona,  das  zugleich  den  Verkehr  mit  der-^" 
unteren  Adda  vermittelte,  für  die  Binnenschiffahrt  von  besonderer  Wichtig- 
keit. Mit  dem  Bischof,  der  auch  hier  das  Stromregal  besaß,  lagen  die 
Bürger  der  emporstrebenden  Stadt  häufig  in  argem  Streit.  Von  jedem 
cremonesischen  Schiffe  beanspruchte  der  Bischof  hier  einen  herkömmlichen 
Jahreszins  von  4  Metzen  (orales)  Salz,  wie  er  von  jeder  Mühle  einen 
solchen  von  5  Scheffeln  Korn  (granum  modias  5)  forderte  — ,  ein  sprechender 
Beweis  übrigens,  wie  überwiegend  gerade  die  Bedeutung  des  Salzhandels  im 
Schiffsverkehr  Cremonas  gewesen  sein  muß.  Außerdem  stand  ihm  die  Er- 
hebung des  Pflockgeldes  mit  4  Denaren  und  des  Uferzolls  von  allen  in 
Cremona  anlegenden  Schiffen  zu.  ß)  Die  Höhe  des  letzteren  war  wahr- 
scheinlich nach  der  Herkunft  der  Schiffe  verschieden  bemessen  (für  Ferrara 
lehrt  sie  uns  das  kaiserliche  Privileg  von  1055  kennen);  in  der  Mitte  des 
9,  Jahrhunderts  war  noch  der  volle  Betrag  des  Zehnten  erhoben  worden  7), 
so  daß  wir  hier  doch  eine  im  Laufe  der  Zeit  eingetretene  sehr  erhebliche 
Ermäßigung  wahrnehmen.     Zum  Teil   ist  sie  gewiß   auf   die   heftige   Oppo- 


*)  Bischof  Ingo  von  Ferrara  schenkt  seinem  Domkapitel  1010  eine  vollstän- 
dige Saline  daselbst  mit  allem  Zubehör.     Murat.  Antiqu.  V,  419. 

2)  Ib.  753.     St.  2478.     Steindorff  II,  315. 

ä)  .  .  .  omne  toloneum,  ripas  et  ripaticum  et  fixuras  palorum  ripae  Mantuanae 
civitatis  et  Porti  et  totam  publicam  functionem  etc.  Murat.  Antiqu.  VI,  415,  417. 
(Urkunden  von  1045  und  1055).  So  schon  im  Priv.  Berengars  von  894;  Schiaparelli 
no.  12.     Vgl.  Breßlau  II,  199  A.  1. 

*)  Murat.  Antiqu.  IV,  15.  St.  2483.  Das  in  seinen  Verleihungen  erhebUch 
weitergehende  Dipl.  Heinr.  II.  no.  278,  p.  328  von  1014  (St.  1593)  ist  Fälschung  und 
entspricht  in  seinem  Inhalt  erst  dem  Privileg  Friedrichs  I,  St.  3849. 

6)  V.  456 ;  SS.  XH,  p.  389. 

6)  Dipl.  0  in  no.  204  p.  614  (27.  Mai  996)  .  .  .  cum  uniuscuiusque  navis  solito,] 
censu  et  palificture  den.  4  seu  cum  persolutione  omnium  navium  Cremonam  ade- 
untium  tarn  Veneticorum  quam  ceterorum  navium  (dieser  Satz  findet  sich  in  der*? 
Hauptvorlage  Dipl.  Ol,  429  noch  nicht).  Die  Höhe  des  soUtus  census  ergibt  sich 
aus  dem  Placitum  vom  Jahre  998;  Ficker  IV,  56  (von  Breßlau  II,  195  A.  6  irrig  als 
Abgaben  für  gemahlenes  Korn  und  für  Salzschiife  erklärt)  und  aus  dem  Privileg 
Konrads  n.  von  1031;  Stumpf,  Acta  Imp.  no.  291,  p.  412. 

')  Priv.  Ludwigs  H  29.  Jan.  852 :  et  debere  reddere  per  unamquamque  navem 
decimum  modium  salis  et  palisfictura  denarios  4.  Murat.  Antiqu.  11,  25;  Mühl- 
bacher, Reg.  (alt)  1149. 


I 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  71 

sition  der  in  ilirem  Handelsinteresse  geschädigten  Bürgerschaft  zurückzu- 
führen ;  im  dritten  Jahrzehnt  des  10.  Jahrhunderts  haben  die  Kaufleute  von 
Cremona  einmal  versucht,  das  Zollerhebungsrecht  des  Bischofs  dadurch 
illusorisch  zu  machen,  daß  sie  sich  einen  besonderen  Hafen  anlegten  i),  und 
unter  Otto  III.  und  seinen  Nachfolgern  erneuerte  sich  der  Streit;  die  deut- 
schen Könige  traten  mit  ihren  Privilegien  zugunsten  des  Bischofs  ein  2); 
aber  noch  unter  Konrad  II.  hören  wir,  daß  die  Bürger  die  Zahlung  jenes 
Mühlen-  und  Schiffszinses  verweigerten  ^),  und  im  Jahre  1043  äußerte  Adaiger, 
der  Missus  Heinrichs  III.,  in  seinem  an  die  Ritter,  Valvassoren  und  alles 
Volk  in  Bistum  und  Grafschaft  sowie  an  die  großen  und  kleinen  Bürger 
von  Cremona  gerichteten  Friedensgebot,  daß  er  in  keinem  Bistum  so  viel 
Unzufriedenheit,  die  dem  Bischof  die  Handhabung  des  Rechts  unmöglich 
mache,  gefunden  habe  als  gerade  in  diesem."*)  Und  vielleicht  hängt  es 
auch  mit  den  Beschwerden  der  Fremden  über  die  Höhe  des  bischöflichen 
ZoUs  zusammen  und  ist  als  Represalie  zu  bezeichnen,  wenn  wir  aus  einem 
der  Privilegien  Ottos  III.  ersehen,  daß  der  Bischof  von  Cremona  von 
schlechten  Menschen  viel  Widerwärtigkeit  zu  erfahren  hatte,  die  u.  a.  die 
cremonesischen  Schiffe  bei  der  Berg-  und  Talfahrt  in  ungerechter  Weise  be- 
raubten, was  der  König  für  alle  Zukunft  auf  das  strengste  untersagt.  ^) 

Für  die  Beteiligung  Parmas  an  der  Poschiffahrt  vermögen  wir  für 
unsere  Zeit  nur  auf  die  Existenz  seines  Hafens  Coparmuli  hinzuweisen, 
dessen  Bedeutung  dadurch  erwiesen  wird,  daß  Lucchesen  wie  Florentiner 
denselben  aufzusuchen  pflegten '') ;  und  auch  für  einen  so  wichtigen  Handels- 
platz, wie  es  Piacenza  damals  war,  kennen  wir  nur  das  den  Leuten  der 
Kirche  des  hl.  Antonin  von  Otto  III.  verliehene  Privileg,  das  u.  a.  ihren 
Schiffen  Freiheit  vom  Uferzoll  zusicherte.'^) 

52.  In  dem  Gebiet  der  rechten  Nebenflüsse  des  Po  kommunizierte 
Bologna  durch  den  Reno  mit  dem  Hauptstrom;  schon  Berengar  I.  hatte 
dem  Bischof  und  der  Kirche  von  Bologna  die  Anlegung  eines  Hafens  am 
Reno  8)  und  die  Erhebung  von  Handels-  und  Schiffsabgaben  daselbst  ge- 
stattet; jedermann  sollte  zu  jeder  Zeit  mit  Schiffen  und  Gütern  unbelästigt 
vom  Po  nach  diesem  Hafen  sich  begeben  dürfen;  es  ist  wohl  derselbe 
Hafen,  der  in  dem  Privileg  Gregors  VII.  vom  23/3  1074  unter  dem  Namen 
Galliana  erscheint.  9) 

Von  den  Modenesen  wissen  wir  aus  einer  Urkunde  Heinrichs  III.  von 
1055,  daß  sie  den  Wasserweg  der  Scoltenna  und  des  Po  zum  Transport 
ihrer  Waren  bis  Ravenna  und  weiterhin  bis  nach  Venedig  benutzten ;    auch 


•)  Verbot  König  Rudolfs  von  924;  Cod.  Longob.  p.  874.     Hartmann  104. 

«)  Dipl.  Olli  no.  222,  ]>.  635  (3/8  996):  Widerruf  des  von  der  Bürgerschaft  er- 
schlichenen Privilegs  vom  22/5  996  (no.  198,  p.  606)  zugunsten  des  Bischofs  und 
Bestätigung  vom  19/1  998  (no.  270,  p.  698). 

ä)  Eingehend  über  diese  Streitigkeiten  Breßlau  II,  204—209. 

*)  Murat.  Antiqu.  VI,  53  f.     Steindorft"  I,  243  f. 

')  Dipl.  Om  no.206,  p.  616  f.  (27/5  996):  .  .  .  Cremonenses  naves  sub  aliqua 
occasione  per  Padum  ascendentes  et  descendentes  iniuste  depredantes. 

«)  Oben  §41.  Das  Privileg  5 '4  989  für  die  bischöfliche  Kirche  von  Parma 
(Dipl.  om  no.  54,  p.  458)  ist  Fälschung. 

^)  No.  268,  p.  685  (19/1  998). 

*)  .  .  .  portum  ubi  fuit  catabulum  navium  in  fluraine  quod  Renum  dicitur 
(905  oder  906).     Schiaparelli  no.  63. 

9)  Savioli  I,  2,  p.  118  f. 


72  Siebentes  Kapitel.  ^^^^^Hl 

hier   stand   der  bischöflichen   Kirche   die  Erhebung   des   Uferzolls   und  oe^^  ' 
Pflockgeldes   (hier  hgatura  navium  genannt)   innerhalb  ihres  Sprengeis  zu.  i) 

In  Reggio  erlangte  das  Domkapitel  im  Jahre  963  von  Otto  d.  Gr.  u.  a. 
die  Bestätigung  seines  Besitzes  am  Hafen  Fossato  mit  dem  Zoll-  und 
Fischereirecht;  da  wir  wissen,  daß  die  bischöfliche  Kirche  von  Reggio 
Ländereien  im  Gebiet  von  Ferrara  und  Comacchio,  darunter  auch  Salinen, 
ferner  Weingärten  und  Olivenhaine  am  Gardasee  besaß,  so  ist  als  sicher 
anzunehmen,  daß  die  Erzeugnisse  dieser  Besitzungen  wenigstens  zum  größeren 
Teile  auf  dem  Wasserwege  nach  Reggio  gekommen  sind  2) ;  der  Name  Fossato  ,^ 
deutet  auf  das  Bestehen  eines  künstlichen  Wasserweges  hin. 

Auf  der  linken  Seite  des  Po  war  der  Oglio  ziemlich  weit  aufwärts 
schiffbar.  Im  Jahre  968  verlieh  Otto  d.  Gr.  der  bischöflichen  Kirche  von 
Bergamo  das  Recht^),  zu  Monasterolo  am  rechten  Ufer  des  Oglio,  wo  der 
Bischof  mit  der  Herstellung  der  einst  von  den  Magyaren  zerstörten  Abtei 
beschäftigt  war,  zugleich  auch  eine  Schiffahrtsstation  für  alle  aus  Venedig 
oder  Comacchio,  aus  dem  Ferraresischen  oder  aus  anderen  Gebieten 
kommenden  Fahrzeuge  mit  dem  Recht  der  Erhebung  des  Uferzolls  anzulegen. 
Schwerlich  ist  Bergamo  imstande  gewesen,  diesen  weit  in  die  Interessen- 
sphäre von  Brescia  und  Cremona  vorgeschobenen  Posten  lange  zu  behaupten. 
Wenigstens  ist  es  nicht  damit  vereinbar,  daß  Konrad  II.  am  15.  Juh  1037 
dem  Bischof  von  Brescia  das  Flußregal  nicht  nur  an  der  das  Brescianische 
durchschneidenden  Mella,  sondern  auch  am  Oglio  selbst  zusprach,  derart, 
daß  niemand  das  Recht  haben  sollte,  ohne  besondere  Erlaubnis  des  Bischofs 
einen  Hafen  zum  Zwecke  des  Handels  mit  Getreide,  Wein  und  Salz  zu 
unterhalten  oder  neu  anzulegen.  4)  Aus  einem  aus  der  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts stammenden  Güterverzeichnis  des  Nonnenklosters  der  hl.  Julia  zu 
Brescia^)  ergibt  sich  in  interessanter  Weise,  wie  sich  der  Handelsverkehr 
mit  Getreide  und  namentlich  mit  Salz  zu  Schiffe  auch  nach  den  kleinen 
Orten  des  Gebiets  verzweigte ;  auf  dem  Hofe  Bissariscu  z.  B.  hatten  sechs 
zinspflichtige  Schiffe  dem  Kloster  jährlich  42  Scheffel  (modia)  Salz  und 
10  Solidi  abzuliefern,  während  der  portus  daselbst  (es  handelt  sich  wohl 
um  eine  Fähre)  30  Scheffel  Getreide  und  5  Solidi  abwarf;  auf  dem  Hofe 
Rivaita  brachten  drei  Schiffe  jährlich  20  Scheffel  Salz,  15  Scheffel  Korn 
und  1  Solidus,  während  von  dem  (jedenfalls  größeren)  Schiff  der  bischöf- 
hchen  Ritter  (navis  militorum  in  Insula)  in  Isola  am  Iseosee  jährlich 
48  Scheffel  Salz  und  22/3  Solidi  einkamen.  6) 

53.    Überhaupt   waren    in    dieser  Zeit    die   zahlreichen  Klöster   des ' 
Landes    an    dem    Schiffsverkehr    stark    beteiligt,    um    so    mehr,    als    ihre 
Besitzungen  vielfach  über  das  ganze  Land   zerstreut  waren.     So  besaß  auch 

')  Exzerpt  der  Urkunde  von  1055  bei  Steindorff  II,  303  A.  3.    Dipl.  Ol  no.  390, 
p.  531  (21/3  970),  entsprechend  der  Vorurkuude  Berengars  II.  und  Adalberts  (Böhmer, j 
Eeg.  Kar.  1431). 

»)  Dipl.  Ol  no.256,  p.  365  (27/6  963);  OH  no.  231,  p.  259  (14/10  980). 

3)  No.  364,  p.  500.     Breßlau  II,  199  A.  1. 

*)  .  .  •  portum  habere  nee  noviter  edificare  ad  navale  negotium  exercenduniJ| 
in  grano,  vino  et  sale,  nisi  per  licentiam  et  consensum  episcopi  St.  2096.  Breß-| 
lau  II,  199  A.  2. 

*)  Cod.  Langob.  no.  419,  p.  706  fP.  Die  Zeit  ergibt  sich  aus  p.  723:  In  curte 
infra  civ.  Placentia  est  capella  una  communa  cum  Aragiso  vasso  Buathonis 
episcopi;  das  kann  nur  der  seit  941  begegnende  Bischof  Boso  oder  Bosio  von 
Piacenza  sein,  vgl.  Campi  I,  261  f. 

8)  Ib.  p.  719  f.,  722.     Ähnlich  wie  in  Rivaita  auch  in  curte  Alfiano  p.  720. 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenuinen.  73 

das  ebengenannte  Kloster  eine  Fähre  (portus)  in  Pavia,  die  ihm  jährlich 
15  Pfund  Silber  brachte,  eine  andere  im  Placentinischen,  die  einen  Zins 
von  5  Pfund  Silber  abwarf,  i)  Prinzipiell  sollten  die  Klosterschiffe  überall 
Freiheit  von  weltlichen  Abgaben  genießen,  indessen  wurde  dieser  allgemeine 
Anspruch  auf  Immunität  in  der  Praxis  keineswegs  immer  anerkannt 2);  und 
so  suchte  man  sie  durch  besondere  Privilegien  sicherzustellen,  die  uns  z.  T. 
einen  Einblick  in  die  Ausdehnung  dieser  Schiffahrt  ermöglichen.  Besonders 
reich  an  Gütern  und  Privilegien  waren  die  auch  von  den  deutschen  Königen 
hochbegünstigten  Klöster  der  alten  longobardischen  Hauptstadt  Pavia.  So 
war  den  Schiffen  des  Klosters  der  Gottesgebärerin,  von  welchem  Hafen  des 
Tessin  sie  auch  ausfuhren,  volle  Bewegungs-  und  Abgabenfreiheit  seit  alten 
Zeiten  zugesichert 3) ;  ebenso  genossen  die  Schiffe  des  berühmten  Petersklosters 
»Cielo  d'oro«  volle  Freiheit  von  Abgaben  in  jeglichem  Hafen  am  Tessin 
und  Po.  4)  Bei  dem  Kloster  Sancta  Maria  Senatoris  erscheint  diese  Freiheit 
auch  auf  den  ganzen  Comer-  und  Luganersee,  an  denen  es  umfangreiche 
Besitzungen  hatte,  ausgedehnt;  an  jeder  Uferstelle  sollten  seine  Schiffe 
Station  machen  und  zu  diesem  Zwecke  Pfähle  einschlagen  dürfen.  5)  Das 
Salvatorkloster  wieder  war  besonders  im  Podelta  reich  begütert");  das 
Marienkloster  Pomposa  war  eine  Filiale  von  ihm,  und  der  Besitz  von  Salinen 
innerhalb  wie  außerhalb  von  Comacchio  ermöglichte  ihm,  den  für  den  da- 
maligen Handel  wohl  wichtigsten  Artikel  in  billigster  Weise  direkt  zu  beziehen 
und  in  Pavia  mit  sicher  beträchtlichem  Gewinn  zu  verwerten. 

Auch  für  das  weiter  stromauf  an  der  Sesiamündung  gelegene  Kloster 
Breme  (Novalese),  dessen  Insassen  schon  von  Karl  d.  Gr.  das  Recht,  abgaben- 
frei in  seinem  Reiche  Handel  treiben  zu  dürfen,  erhalten  hatten,  wird  in 
den  Privilegien  seit  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts  der  unbehinderte  und 
abgabenfreie  Verkehr  seiner  Schiffe  bis  Ferrara,  Comacchio  und  Ravenna 
besonders  hervorgehoben  '^) ;  und  Bobbio,  das  alte  Besitzungen  am  Gardasee, 
am  Mincio  und  in  Comacchio  hatte,  erfreute  sich  freier  Schiffahrt  auf  Po 
und  Tessin  8),  die  es  von  Piacenza  aus  ausübte.  Kloster  Leno  im  Bresciani- 
schen  verfügte  über  Besitzungen  und  Rechte  in  Pavia,  Ferrara  und  Tuscien 
und   hatte    eigene   Salinen    in   Comacchio  9),    so   daß  schön    deshalb   seine 


1)  Ib.  726,  725. 

^)  Et  quia  contra  voluntatem  Dei  aliquanta  monasteria  a  publica  potestate 
I)ropter  navigium  datio  ad  regiam  utilitatem  inquietantur,  huic  suprad.  loco  funditus 
concedimus  .  .  .,  ut  deinceps  in  antea  de  ipsis  navibus  et  de  omnibus  publicis  func- 
tionibus  quietus  et  securus  permaneat.  Dipl.  O  I  no.  274,  p.  390  (3/1  965  für  S.  Maria 
Theotokos  in  Pavia),  zurückgehend  auf  das  Privileg  der  Könige  Hugo  und  Lothar 
vom  28/4  932  (Murat.  Antiqu.  11,  58).  während  das  Privileg  Berengars  vom  28/3  899 
diese  Stelle  noch  nicht  hat  (Schiaparelli  no.  27). 

^)  Übereinstimmend  in  den  drei  eben  zitierten  Privilegien ;  dazu  Schiaparelli 
no.  30  (11.  März  900). 

*)  Dipl.  O  I  no.  241  (9/4  962),  0  H  no.  173  (11/4  978),  O  III  no.  53  (5/4  989). 
Salzeinkauf  für  das  Kloster  in  Comacchio :  Hartmann  75  A.  1. 

6)  Privileg  Berengars  H.  und  Adalberts  (22/9  951),  Cod.  Longob.  no.  595,  p.  1019; 
Heinrichs  HI.  (19/2  1054 ;  wegen  des  Datums  vgl.  Steindortt"  H,  262  A.  3).  Murat. 
Antiqu.  V,  995.     Vgl.  auch  das  Privileg  Alexanders  II.  von  1061  ib.  993. 

0)  Dipl.  OII  (30/9  982)  no.  281,  p.  327  f,  O  IH  no.  375  (6/7  1000).  Hartmann 
75  A.  1. 

')  Monum.  Xovalic.  I,  39,  126,  152,  198,  268;  Dipl.  OKI  no.  283,  p.  707. 

8)  Dipl.  O  I  no.  412,  p.  561 ;  zurückgehend  auf  Ludwig  H.  (7/10  860),  Mühl- 
bacher, Reg.  1183  (alt).     Hartmann  p.  45  f.,  86. 

»)  Cod.  Longob.  no.  626,  p.  1073;   Priv.  Berengars  H.   und  Adalberts  13/1  958. 


74  Siebentes  Kapitel. 

Abgabenfreiheit  auf  den  Wasserstraßen  von  erheblicher  Bedeutung  war, 
und  das  veronesische  Kloster  S.  Zeno  genoß  die  gleiche  Immunität  nicht 
nur  auf  der  Etsch,  sondern  auch  auf  dem  Po  und  allen  anderen  Flüssen 
des  Regnum.i)  Auch  [dem  von  Bischof  Alberich  von  Como  begründeten 
kleineren  Abundiuskloster  wurde  das  Recht,  für  seine  Zwecke  abgabenfrei 
ein  eigenes  Schiff  zu  halten,  feierlich  verbrieft.  2) 

54.  Gewiß  werden  die  Kaufleute  in  den  Städten  die  Begünstigung  der 
Klöster  auf  den  Binnenschiffahrtsstraßen  als  eine  unliebsame  Konkurrenz 
empfunden  haben.  Noch  war  der  Zeit  die  Voranstellung  der  kirchlichen 
Interessen,  auch  wo  sie  rein  weltlicher  Natur  waren,  eigentümlich.  Mit  den 
anderen  Regalien  war  seit  dem  9.  Jahrhundert  in  beständig  wachsendem 
Maße  auch  das  Stromregal  überwiegend  an  die  Bischöfe  gelangt;  syste- 
matisch hatten  die  Sachsenkönige  diese  Pohtik  fortgesetzt;  Flußbett  und 
Ufer,  das  Recht,  Häfen  und  Überfahrtstellen  einzurichten  und  die  Strom- 
abgaben (Schiffszins,  Uferzoll,  Pflockgeld)  zu  erheben,  war  bei  den  meisten 
Wasserläufen  Ober-Italiens  im  Besitz  der  Bischöfe.  3)  Indessen  scheinen  die 
Bischöfe  im  ganzen  von  ihren  weitgehenden  Rechten  in  maßvoller  Weise 
Gebrauch  gemacht  zu  haben;  der  Fall  von  Cremona  läßt  keine  Ver 
aUgemeinerung  zu.  Der  Entwickelung  des  Schiffahrtsverkehrs  wurde  dadurch 
um  so  weniger  ein  Hindernis  bereitet,  als  es  im  finanziellen  Interesse  der 
Bischöfe  selbst  lag,  dem  Verkehr  entgegenzukommen.  Daß  die  Städte  bei 
dem  gerade  in  diese  Zeit  fallenden  Wachsen  ihrer  Bedeutung  und  ihres 
Selbstgefühls  danach  strebten,  auch  diese  Rechte  und  Einnahmequellen  in 
ihre  Hand  zu  bekommen,  ist  andererseits  natürhch  genug ;  der  Vorteil,  den 
dies  für  die  freie  Entwickelung  des  Handelsverkehrs  haben  konnte,  wurde 
indessen  weiterhin  durch  die  eigensüchtige  Ausschließungspolitik  der  Stadt 
vielfach  aufgewogen. 

55.  Auch  das  Marktwesen  zeigt  in  dieser  Zeit  eine  aufsteigend' 
Entwickelung. 

Nicht  selten  waren  die  Plätze,  an  denen  die  Schiffe  anlegten,  zugleich' 
als  Marktplätze  eingerichtet.  Ich  erinnere  an  den  Ufermarkt  in  Pisa;  für 
Bologna  gestattete  das  Privileg  Berengars  der  bischöflichen  Kirche,  in  Ver- 
bindung mit  dem  Hafen  am  Reno  auf  einem  ihr  gehörigen  Waldterrain 
einen  Markt  anzulegen ■*),  und  derselbe  Herrscher  verlieh  der  Kirche  von 
Treviso  2/3  der  Hafeneinkünfte  und  des  Hafenmarktes  am  SileS);  in  Cremona 
wird  dieser  Markt  am  Ufer  998  als  eine  alte  Einrichtung  bezeichnet.  6) 
Damit  war  also  dem  Bedürfnis  zumal  des  Kleinhandels  in  der  bequemsten 
Weise  entsprochen.     Natürlich   fehlte   es   auch   sonst   den   größeren  Plätzen 

0  Dipl.  H II  no.  309,  p.  388  (21/5  1014)  auf    ein  Priv.  Kaiser  Lothars  zurüct 
gehend;  s.  Priv.  Berengars  von  893  (für  zwei  Schiffe);  Schiaparelli  no.  11. 

«)  Dipl.  H  n  no.  275  (1013). 

^)  Eine  Zusammenstellung  mit  zahlreichen  Beispielen  bei  Breßlau  II,  199  A.  1 
Eine  Verleihung    des    Uferzolls    an   weltliche  Herren,    die    Söhne   des    Ribaldus   de 
Vico  Valegari  (im  Placentinischen),   die    ihm   bei  dem  Aufstande  wertvolle  Dienste 
geleistet,  hat  Heinrich  11.   31/5  1004   vorgenommen    »ut    exemplum    bonum   demu, 
Omnibus  in  regno  Italico  commorantibus«.     Dipl.  no.  72,  p.  90. 

*)  §  87.     Schiaparelli  no.  63. 

')  .  .  .  telonei  et  mercati  de  portu  Tarvisiensi.  Schiaparelli  no.  52  (905).  Wiede 
holt  Dipl.  Olli  no.  69  (991)  u.  225  (996);  HU  no.  313a  ^014). 

*)  Ficker  IV,  56:  Ripa  juxta  ipso  fluvio  non  longe  ad  istam  civitatom  Crem.j 
ubi  in  ipsa  Ripa  antiquo  mercato  esse  videtur. 


Das  Binnenland  zwischen  AJpen  und  Apenninen.  75 

nicht  an  ständigem  Handelsverkehr.  Sicher  dienten  diesem  die  festen  Verkaufs- 
stände  (stationes)  auf  dem  öffentlichen  Markte  zu  Mailand,  die  auf  ursprüng- 
lich königlichem  Areal  standen,  das  Otto  d.  Gr.  952  dem  Ambrosiuskloster 
daselbst  schenkte  i);  und  von  einer  eigentümlichen  Ausbildung  des  Systems 
der  festen  Ladenpreise  weiß  ein  arabischer  Schriftsteller  des  10.  Jahrhunderts 
aus  Asti  (Escht  im  Lande  der  Franken  nennt  er  es)  zu  berichten,  dem  dieser 
Brauch  gegenüber  dem  bei  den  Orientalen  üblichen  Feilschen  besonders 
seltsam  erschien. 2)  Danach  legten  die  Bewohner  die  Gegenstände,  die 
sie  verkaufen  wollten,  in  ihrem  Laden  zur  Schau  aus  und  schrieben  den 
Preis  darauf;  wer  mit  dem  Preise  einverstanden  war,  nahm  ohne  weiteres 
den  Gegenstand,  den  er  kaufen  wollte,  an  sich  und  ließ  den  Preis  dafür 
zurück;  in  den  Läden  waren  Wächter  angestellt,  die  Schadenersatz  leisten 
mußten,  wenn  ein  Gegenstand  abhanden  kam.  Inwieweit  dieser  Bericht  auf 
volle  Zuverlässigkeit  Anspruch  hat,  wird  sich  freihch  nicht  ausmachen  lassen. 
Auch  war  in  den  Städten  zur  Sicherung  der  Legalität  des  Handels- 
verkehrs für  das  Vorhandensein  von  Normalmaßen  Sorge  getragen,  die  in 
bestimmten  Kirchen  angebracht  zu  werden  pflegten.  Als  Längenmaß  und 
Grundlage  für  das  Flächenmaß  galt  noch  vielfach  der  Fuß  König  Liutprands 
(0,438  m)  3),  als  kleineres  Hohlmaß  diente  der  Sextarius  (stajo).  So  wird  in 
einer  Verpachtungsurkunde  des  Bischofs  von  Cremona  vom  Jahre  1069^) 
bestimmt,  daß  die  Lieferung  eines  bestimmten  Quantums  Getreide  erfolgen 
müsse  »ad  stario  de  eramo  (=  rame,  Kupfer)  qui  nunc  currit  in  civitate«, 
und  in  einer  analogen  Urkunde  des  Domkapitels  von  Novara  von  1094 
heißt  es,  daß,  wenn  Streit  über  die  Größe  des  Sextars  entstände,  auf  das 
an  einem  Pfeiler  der  Marienkirche  angebrachte  Normalmaß  zurückgegriffen 
werden  sollte,  s)  In  Mailand  ließ  man  1060  einen  Normalsextar  aus  Bronze 
öffentlich  aufstellen,  dem  das  Volk  den  Namen  »patronus«  gab;  als  sich  im 
Jahre  1369  die  Stadtbehörde  von  Bergamo  mit  einer  Anfrage  nach  Mailand 
wandte,  wieviel  mailändische  Scheffel  insgemein  auf  einen  venezianischen 
Malter  (modius)  Salz  gingen,  stellte  Mailand  nach  diesem  Normalmaße  fest, 
daß  er  563/4  mailändische  Sextar  faßte.  6)  Von  Normalgewichten  erfahren 
wir  in  unserer  Periode  noch  nichts. 

56.    An   Bedeutung  wurde   der  ständige   Handel  in   den   Plätzen   des 
Binnenlandes  von  dem  periodischen  Handel  übertroffen,  der  den  Ver- 


')  No.  145,  p.  226  (15/2  952),  Es  waren  5  areae  terrae  mit  genau  angegebenen 
Grenzen  im  Gesamtumfange  von  24  tabulae;  bei  einem  der  Grundstücke  ist  die 
Rede  von  den  stationibus  inibi  banculas  ante  se  habentibus. 

*)  Jacob  G.  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus  dem  10.  Jahrhundert.  BerUn^ 
1896  p.  169 ;  dazu  Karabacek  in  der  Wiener  Zeitschr.  für  Kunde  des  Morgenlandes 
1899  p.  364  f. 

*)  Mazzi  A.  Nota  metrologica.  Un  ragguaglio  milanese  del  secolo  IX  fra  lo 
jugero  romano  ed  il  longobardo.  Arch.  lomb.,  s.  3,  anno  28  (1901),  p.  367.  Cod. 
Langob.  no.  817,  p.  1432  (983);  Chart.  I  no.  248  u.  264  (1019  u.  1026).  C.  dell'  Acqua: 
Del  i)iede  Liutprando,  in:  Miscell.  di  storia  it.  21  (1883)  p.  1  ff.    Leg.  Munic.  II.  964. 

■•)  Hortzschansky  A.  u.  Perlbach  M.  Lombardische  Urkunden  des  11.  Jahr- 
hunderts aus  der  Sammlung  MorVno.     Halle  1890,  no.  29,  p.  62. 

*)  .  .  .  ad  mensuram  pile  que  in  eglesia  S.  Marie  est  decurrant  et  ad  ipsam 
mensuram  fictum  tribuant.  Chart.  I  no.  426,  p.  711  f.  Ähnlich  heißt  es  in  Lucca 
bezüglich  der  Pachtzinse:  »ad  sistario  justo  quartino  currente  venditorio  quäle  in 
civ.  L.  venditorio  percurrit.«  G.  degli  Azzi-Vitelleschi,  Kegesti  del  R.  Archivio  di 
St.  in  Lucca  I  (Lucca  1903)  no.  212  (1069) ;  s.  ferner  no.  198,  201  f ,  206  usw. 

8)  Mazzi  1.  c.  p.  34. 


76  Siebentes  Kapitel. 

kehr  für  Käufer  und  Verkäufer  nach  Ort  und  Zeit  konzentrierte.  In  üblicher 
Weise  stand  neben  dem  Wochenmarkt,  der  in  erster  Linie  der  Versorgung 
der  Stadt  oder  des  Fleckens  mit  Lebensmitteln  diente  i),  der  Jahrmarkt,  der 
in  der  Regel  im  Anschluß  an  ein  Kirchenfest  der  herbeiströmenden  Menge, 
namentlich  auch  der  vom  Lande,  außer  allerhand  Lustbarkeiten  Gelegenheit 
zur  Versorgung  mit  den  verschiedensten  Waren  und  insbesondere  den 
gewerblichen  Erzeugnissen  der  Stadt  bot.  Als  ein  Jahrmarkt  größeren  Stils 
erscheint  die  Messe,  die  sich  über  einen  längeren  Zeitraum  erstreckte  und 
nicht  bloß  für  den  Marktort  und  seine  nähere  Umgebung  Bedeutung  hatte, 
sondern  Verkäufer  und  Käufer  aus  einem  weiteren  Umkreise  an  sich  zog; 
besondere  Privilegien  dienten  dazu,  ihre  Bedeutung  für  den  Handelsverkehr 
noch  zu  erhöhen.  Naturgemäß  erscheint  der  Unterschied  zwischen  Jahrmarkt 
und  Messe  danach  unter  Umständen  als  ein  fließender. 

An  jedem  etwas  größeren  Orte  waren  Wochen-  und  Jahrmärkte  seit 
alter  Zeit  herkömmlich  2);  wir  erfahren  von  ihnen  in  der  Regel  bei  der 
Verleihung  neuer  Marktrechte  oder  der  Übertragung  schon  bestehender  an 
kirchliche  Institute  oder  Organe.  Einige  Beispiele  mögen  hierfür  genügen. 
Im  Jahre  913  verlieh  König  Berengar^)  den  Kanonikern  von  Vercelli  zu 
ihrem  Unterhalt  neben  anderen  Einkünften  den  an  jedem  Sonnabend  bis 
zum  Sonnenuntergänge  stattfindenden  Wochenmarkt;  in  dem  ganzen  Land- 
gebiet von  Vercelli  sollte  nach  einem  Privileg  Ottos  III.  nur  die  bischöfliche 
Kirche  der  Stadt  das  Marktrecht  haben.  *)  Am  17.  November  919  gestattete 
König  Berengar  dem  Bischof  von  Novara^),  in  Gozzano  ebenfalls  einen 
jeden  Sonnabend  abzuhaltenden  Markt  einzurichten  und  die  Einkünfte  von 
demselben  zu  beziehen.  Dazu  sollte  ein  Jahrmarkt  daselbst  am  Tage  des 
hl.  JuHan  (24.  Oktober),  der  dort  begraben  liege,  treten  und  ein  weiterer 
Jahrmarkt  (annuales  mercationes  et  nundinae)  am  26.  August  an  einem  nicht 
näher  bezeichneten  Oratorium  des  Bistums,  also  wohl  bei  Novara  selbst. 
Ein  etwa  ein  Jahrhundert  jüngeres  Privileg  Heinrichs  IL  zeigt  uns,  daß  in 
diesen  Dingen  doch  auch  manche  Veränderungen  vorkamen;  Novara  hat 
seinen  Wochenmarkt  jetzt  am  Donnerstag^) ;  in  Gozzano  wurde  statt  Wochen- 
und  Jahrmarkt  nunmehr  am  10.  Tage  jedes  Monats  Markt  gehalten;  Domo 
d'Ossola  an  der  Simplonstraße  hat  einen  Sonntagswochenmarkt  und  einen 
Jahrmarkt  am  Feste  der  Heihgen  Protasius  und  Gervasius  (19.  Juni 
bekommen. 


^)  Zum  Wochenmarkt  von  Cremona  kamen  offenbar  die  elenden  Lastesel  de* 
Bischofs  von  Brescia,  über  die  sich  sein  Amtsbruder  Liutprand  lustig  macht  (A.  po- 
test  non  inferiores  dare,  ut  commercia  testantur  quae  fiunt  Cremonae;  Legat,  c.  38., 
SS.  m,  355). 

*)  Für  die  frühere  Zeit  s.  Hartmann  92  ff. 

')  Mehrfach  hat  dieser  Herrscher  an  neu  zu  begründende  Kastelle  (der  Un^ 
garngefahr  wegen)  das  Marktrecht  verliehen ;  ebd.  101  f.  Schiaparelli  no.  65,  102  ; 
106:  für  das  neuerbaute  Kastell  in  villa  Figaria  wird  dem  Erbauer  gestattet  (um  912): 
mercatum  facere  vel  negotiatoribus  aut  quibusque  hominibus  .  .  .  negotiationum  com- 
mercia tam  infra  idem  castellum  quam  circa  exhibere,  ita  quidem,  ut  quidquid  ex 
mercimoniis  ...  ad  nostram  regiam  partem  exigi  debuit,  ad  partem  suam  .  .  .  exigat. 

*)  Mandelli  IH,  54 :  mercatum  ebdomadalem  qui  omni  die  sabbati  perficitur, 
donec  dies  est  praeterita.  Schiaparelli  no.  87.  Dipl.  O  III  no.  383,  p.  811  (1/11  1000): 
in  tota  campagnia  .  .  .  nuUus  mercata  habeat  publica  nisi  Vercellensis  ecclesia 

*)  Schiaparelli  no.  123. 

«)  No.  306,  p.  383  (1014).  So  auch  im  12.  Jahrhundert  in  den  kaiserlichen  Priv, 
von  1155  u.  1196:  Chart.  I  no.  499  u.  701. 


i 
I 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  77 

Der  bischöflichen  Kirche  von  Bergamo  gewährte  Otto  d.  Gr.  968  das 
Recht,  in  S.  Sisinio  am  Tage  des  Heiligen  einen  Jahrmarkt  einzurichten 
und  die  Einkünfte  von  demselben  zu  beziehen;  und  den  Kanonikern  von 
S.  Vinzenz,  die  Bischof  Reginfred  mit  seinen  Parteigängern  schwer  geschädigt 
hatte,  bestätigte  Heinrich  II.  1013  neben  ihren  sonstigen  Einkünften  zwei 
Märkte,  die  Bischof  Adalbert  ihnen  verliehen  hatte  i),  unter  ihnen  den  später 
zu  besonderer  Bedeutung  gelangten  Alexandermarkt  (am  Tage  des  Haupt- 
heiligen von  Bergamo),  der  schon  am  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  bestand.  2) 

Otto  d.  Gr.  gewährte  am  5.  November  967  dem  Bischof  Ratherius  von 
Verona  einen  am  Tage  des  hl.  Zeno  (12.  April)  oder  am  Palmsonntage 
abzuhaltenden  Jahrmarkt,  wie  ihn  angeblich  schon  seine  Vorgänger  der 
Veroneser  Kirche  zugestanden  hätten.  3) 

Auf  Bitten  des  Bischofs  Johannes  bestätigte  Otto  III.  am  1.  Oktober 
997  der  Kirche  von  Mantua  sämtliche  Jahrmärkte  in  der  ganzen  Grafschaft  *), 
und  das  gleiche  tat  Heinrich  IV.  1095  dem  Domkapitel  von  Padua  gegenüber 
in  bezug  auf  die  vier  Jahrmärkte,  deren  Einkünfte  diesem  zustanden. 5) 
Häufig  sind  es  auch  Klöster,  die  das  Recht  der  Abhaltung  von  Märkten 
und  der  Erhebung  von  Marktabgaben  haben.  In  seinem  Privileg  für  die 
von  Bischof  Siegfried  von  Piacenza  gegründete  Abtei  von  S.  Sabino  bestätigte 
ihr  Otto  III.  einen  Jahrmarkt  in  Piacenza  selbst,  der  am  1.  August  abgehalten 
wurde,  und  drei  Jahrmärkte  in  Kastell  Arquato'');  ähnliche  Marktrechte 
hatten  z.  B.  die  großen  Klöster  Bobbio,  Breme  und  Leno  ^) ;  und  als  Konrad  II. 
auf  Fürsprache  seiner  Gemahlin  Gisela  das  Kloster  des  hl.  Theonistus  zu 
Treviso,  ein  kleines  Tochterkloster  von  San  Zeno,  in  seinen  Schutz  nahm, 
bewilligte  er  ihm  einen  bei  der  S.  Lorenzokirche  in  Padua  abzuhaltenden 
Jahrmarkt  mit  seinen  Einkünften,  s) 

57.  Als  wichtigere  Märkte  treten  hervor:  die  Eusebiusmesse  von 
Vercelli,  die  sich  schon  am  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  über  14  Tage 
erstreckte  (je  eine  Woche  vor  und  nach  dem  1.  August)  und  von  Berengar 
913  dem  Domkapitel  verliehen  wurde; 9)  ferner  die  Messen  von  Pavia. 
Schon  seit  König  Alboins  Ermordung  (572)  der  politische  Mittelpunkt  der 
Lombardei  und  die  Hauptmünzstätte  des  Landes,  deren  Denare  bis  über 
das    11.   Jahrhundert   hinaus    das    in   Ober-    und  Mittel-Italien  verbreitetste 


•)  Dipl.  0  I  no.  364,  p.  500  »cum  omni  teloneo  et  reddibitione  ipsius  mercati«. 
H  n  no.  254,  p.  293. 

*)  Schenkung  des  ihm  von  König  Berengar  überlassenen  mercatum,  quod  b. 
Alexandri  dicitur  eo  quod  eiusdem  Martiris  festivitate  iuxta  prefatam  urbem  an- 
nualiter  perüciatur;  21.  Novemb.  911,  Lupi  11,  81.  S.  Schiaparelli  p.  407  u.  p.  412. 
Die  von  Muratori  Antiqu.  II,  866  angeführte  Stelle  stammt  aus  einem  gefälschten 
Privileg  (bei  Lupi  I,  1029  ff.). 

')  No.-848  p.  474:  Concedimus  etiam,  immo  reddimus  ei  mercatum  in  festiv. 
s.  Zenonis  vcl  in  ramis  palmarum,  sicut  antecessores  nostri  eidem  ecclesie  con- 
cessisse  narrantur. 

*)  •  •  .  cuncta  annualia  mercata  ipsius  comitatus.  Dipl.  O  III  no.  255,  p.  671  f., 
wie  schon  im  Priv.  Berengars ;  Schiaparelli  no.  12  (894).     Breßlau  I,  437  A.  2. 

»)  Gloria  no.  311,  p.  336. 

•)  No.  385,  p.  815  (5/11  1000);  auch  H  H  no.  70,  p.  87  (28/5  1004). 

')  Dipl.  O  in  no.  101  (19/7  992) :  .  .  .  cum  mercatis  in  Brimato  vel  in  eadem 
abbatia  constructis  vel  construendis ;  Cod.  Langob.  no.  626,  p.  1073  Priv.  Berengars  11. 
und  Adall)ertB  für  Leno  (131  958).     Für  Bobbio  s.  Hartmann  98  f. 

8)  Murat.  Ant.  II  p.  877. 

»)  Mandelli  III,  54,     SchiapareUi  no.  87, 


78  Siebentes  Kapitel. 

Zahlungsmittel  gewesen  sind  ^),  war  Pavia  schon  deshalb  auch  für  den 
Handel  ein  wichtiger  Mittelpunkt;  am  Ticino  unfern  seiner  Mündung  in 
den  Po  gelegen,  war  es  der  letzte  bedeutendere  Ort,  bis  zu  dem  Handels- 
schiffe stromauf  zu  fahren  vermochten;  so  erhöhte  der  hier  vielfach  er- 
folgende Umschlag  zwischen  Land-  und  Wasserweg  seine  kommerzielle  Be- 
deutung. Am  »forum  clusum«  von  Pavia  hatte  die  Abtei  Nonantola 
Besitzrechte ;  im  Jahre  901  hat  sie  einen  ihr  gehörigen  Verkaufsstand  (statio) 
daselbst  auf  29  Jahre  an  einen  negociator  verpachtet.  2)  Auf  der  Messe 
von  Pavia  haben  nach  der  bekannten  Erzählung  Notkers  die  Gefährten 
Karls  d.  Gr.  ihre  Prunkgewänder  eingekauft^);  und  noch  am  Anfang  des 
11.  Jahrhunderts  war  von  allen  Orten  des  italischen  Königreichs  nur  hier 
und  in  Ferrara  die  Feilhaltung  der  aus  dem  Osten  eingeführten  Seidenzeuge 
(pallia)  gestattet.*)  Ja,  diese  Konzentrierung  des  Handels  scheint  sich  ganz 
allgemein  auf  seidene  Waren  und  Seide  überhaupt  bezogen  zu  haben; 
wenigstens  bemerkt  das  aus  der  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  stammende 
Güterverzeichnis  des  Klosters  der  hl.  Julia  zu  Brescia  bei  einer  von 
13  Hörigen  zu  leistenden  Abgabe  von  10  Pfund  Seide,  daß  diese  Seide  von 
den  Pflichtigen  nach  Pavia  zu  schaffen  und  dort  zum  Verkauf  zu  bringen 
war;  den  zu  erzielenden  Preis  stellt  das  Güterverzeichnis  mit  50  Solidi  ein.  &) 
Freilich  bedeuteten  die  Zerstörung  Pavias  durch  die  Magyaren  im  Jahre  924 
und  der  gelegentlich  des  Aufstandes  gegen  Heinrich  II.  80  Jahre  später  er- 
folgende furchtbare  Brand  ß)  harte  Schläge  für  die  Stadt,  die  hauptsächlich 
wohl  deswegen  in  ihrer  Entwickelung  hinter  Mailand  und  Piacenza  zurück- 
blieb; doch  erscheint  es  schon  1026  wieder  als  ein  wichtiger  Handelsplatz, 
dessen  Trotz  Konrad  II.  nur  durch  eine  streng  durchgeführte  Unterbindung 
seines  Handels  und  Verkehrs  zu  brechen  vermochte.'^)  Für  die  Märkte  in 
dem  wichtigen  Piacenza  sind  wir  auf  Nachrichten  aus  dem  9.  Jahrhundert 
angewiesen.  Nachdem  schon  Ludwig  der  Fromme  in  Bestätigung  einer 
Urkunde  seines  Vaters  dem  Bischof  im  Jahre  819  einen  am  13.  November 
abzuhaltenden  Jahrmarkt  mit  seinen  Einkünften  verliehen,  fügte  Ludwig  IL 
872  oder  873  drei  weitere  Jahrmärkte,  die  je  acht  Tage  dauern  sollten, 
hinzu  8);  im  Jahre  896  aber  gestattete  Kaiser  Arnulf  dem  Kloster  des 
hl.  Sixtus  auf  Bitten  seiner  Stifterin,  der  Kaiserin  Angilberga,  alljährlich 
bei  der  Fremdenherberge  (xenodochium)  des  Klosters  im  Anschluß  an  das 
Fest  der  hl.  Martina  eine  große  Messe  abzuhalten,  die  sich  über  17  Tage, 
vom  21.  Mai  bis  5.  Juni,  erstrecken  sollte;  alle  Markteinkünfte  sowie  die 
Gerichtsbarkeit  über  Vergehen  der  Marktbesucher  sollten  den  Organen   des 


^)  Um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  verweise  ich  auf  die  Urkunden  des  Klo- 
sters San  Cosma  e  Damiano  in  Rom ;  Arch.  Rom.  XXII  (1899),  82  ff. 

«)  Cod.  Langob.  p.  658.     Hartmann  88  f.,  103. 

3)  SS.  II,  760  (hb.  II,  17). 

*)  .  .  .  quod  in   nullis  partibus  Italiae   debuissent  pallia   portare  nee  venun 
dare  nisi  a  (im  Sinne  von  ad)  Papia  etc.     SS.  VII,  38  Anm.     Oben  §  8. 

")  Cod,  Langob.  p.  726 :  Et  sunt  in  Chama   manentes  13,  qui  reddunt  de 
rico  1.  10,  et  de  ipsis  in  Papia  ducitur,  et  ibi  venundabitur  ad  solides  50. 

ö)  Quintavalle  F.,  La   sommossa   e  l'incendio    di  Pavia  nell'  a.  1004  im  B 
pavese  I  (1902).     Hirsch  I,  307  f. 

')  »Exitum  et  introitum  rex   prohibebat,    navigium   abstulit,   mercimonia   vi 
tuit.t     Wipo,  Vita  c.  12.    Breßlau  I,  126,  136. 

8)  Mühlbacher,  Reg.  690  (neu),  1217  (alt).     Campi  I,  218 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen    und  Apenninen.  79 

Klosters  zustehen,  i)  Ob  und  inwieweit  alle  diese  Märkte  die  folgenden 
stürmischen  Zeiten  überstanden  haben,  steht  freilich  dahin. 

Daß  auch  das  für  den  Fremdenverkehr  besonders  wichtige  Borgo 
San  Donnino  seine  vielbesuchten  Märkte  hatte,  geht  aus  dem  kaiserhchen 
Privileg  für  Lucca  von  1081,  aber  auch  daraus  hervor,  daß  in  einer  parme- 
sanischen Urkunde  von  1044  eine  Geldzahlung  auf  den  Termin  des  dem- 
nächst am  Feste  seines  SchutzheiUgen  stattfindenden  Marktes  von  Borgo 
San  Donnino  abgestellt  wird.  2) 

Mailand,  das  im  Laufe  des  11.  Jahrhunderts  zur  ersten  Stadt  Ober- 
Itahens  emporgestiegen  ist  3),  hatte  seinen  Hauptmarkt  am  Feste  der  HeiHgen 
Protasius  und  Gervasius  (19.  Jani)  und  je  drei  Tage  vor-  und  nachher; 
seine  Einrichtung  wurde  dem  Erzbischof  Anselm  II.  (f  896)  zugeschrieben. 
Hier  zuerst  erfahren  wir,  daß  es,  um  die  Handelsleute  anzuziehen,  verboten 
war,  während  der  Meßwoche  von  ihnen  die  sonst  übhche  Marktabgabe  zu 
erheben  (curtadiam  tollere).  Am  Ende  unserer  Periode,  im  Jahre  1098, 
wurde  die  Dauer  der  Meßzeit  und  damit  auch  die  Gültigkeit  dieses  Verbots 
auf  14  Tage  ausgedehnt  und  die  Kunde  von  dieser  Neuerung  unter  gleich- 
zeitigem Versprechen  sicheren  Geleits  für  die  Hin-  und  Rückreise  allen 
Meßbesuchern  durch  eine  solenne  Inschrift  an  der  Kirche  mitgeteilt.*) 

Von  anderen  Messen  Oberitaliens  erfahren  wir  in  unserer  Zeit  fast 
nichts,  selbst  von  den  Messen  Ferraras,  deren  hohe  Bedeutung  schon 
daraus  hervorgeht,  daß  man  sie  in  den  ersten  Zeiten  des  11.  Jahrhunderts 
in  Venedig  amtlich  einfach  als  Martini-  und  Palmsonntagsmesse  bezeichnete, 
ohne  eine  Nennung  des  Ortes  für  nötig  zu  erachten  s),  und  daß,  außer  in 
Pavia,  nur  auf  diesen  beiden  Messen  der  Verkauf  von  Seidenzeugen  ge- 
stattet war.  '  Sonst  hören  wir  nur,  daß  Bischof  Ingo  von  Ferrara  seinen 
Kanonikern  im  Jahre  1010  die  Hälfte  der  Einnahmen  aus  der  Martinimesse 
überwiesen  hat.  9 

58.  Von  den  Handelsabgaben,  die  in  Verbindung  mit  der 
Binnenschiffahrt  erhoben  wurden,  dem  Uferzoll,  der  seine  innere 
Berechtigung  davon  herleitete,  daß  der  Inhaber  des  Stromregals  nicht 
nur  die  Benutzung  des  Stromlaufes  gestattete,  sondern  auch  Auf- 
wendungen im  Interesse  der  Schiffahrt,  für  Instandhaltung  der  Häfen 
und  Hafenanlagen,  Ausübung  von  Maßregeln  der  Strom-  und  Hafen- 
polizei, soweit  davon  unter  den  meist  sehr  einfachen  Verhältnissen 
die  Rede  sein  konnte,  zu  machen  hatte,  und  von  dem  Pflockgelde, 
das  sich  als  Gebühr  für  die  Erlaubnis  zum  Festmachen  der  Schiffe 
an  schon  vorhandenen  Pfählen  oder  zum  Einrammen  von  solchen 
zu  gleichem  Zweck  charakterisiert,  ist  schon  die  Rede  gewesen. 

»)  Mühlbacher,  Reg.  1863  (alt),  vgl.  1865.  Campi  I,  476.  Huvelin  172.  A.  2. 
Hartmann  99. 

*)  §  41.  Affö  n,  33  A.  b:  .  .  .  termino  de  ic  ad  mercatum  S.  Donnini  de  Burgo 
SS.''  proxime  veniente. 

3)  Über  seine  Lage  vgl.  Schulte  I,  22  ff.,  103  A.  1. 

*)  Gaddi  L.,  Per  la  storia  della  legislazione  e  delle  istituzioni  mercantili  lom- 
barde  im  Arch.  lomb.  s.  3,  X  (anno  20),  1893  p.  271 ;  mit  Faksimile  der  Inschrift. 
Pertile  A.,     Storia   del   diritto   ital.  II  (Padua  1880  f.),  519  A.  371 ;  dazu  522  A.  379. 

*)  Nachweis,  daß  das  früher  unerklärte  >a  Mercato  S.  Martini  et  Olivo«  auf 
die  beiden  Hauptmessen  von  Ferrara  zu  beziehen,  zuerst  bei  Baer  109;  vgl.  Lenel 
52.     Oben  §  8. 

•)  Muratori  Ant.  V,  419. 


80  Siebentes  Kapitel. 

Die  übrigen  Handelsabgaben  lassen  sich  auf  zwei  Hauptarten 
zurückführen,  Passierzölle  und  Abgaben,  die  vom  Warenumsatz 
erhoben  wurden.  Die  ersteren  waren  als  Entgelt  für  die  Erlaubnis 
zur  Benutzung  bestimmter  Straßen  sowie  für  die  Instandhaltung  der- 
selben und  sonstige  der  Sicherheit  der  Reisenden  und  ihrer  Waren 
dienende  Vorkehrungen  zu  betrachten,  die  anderen  sollten  in  ähnlicher 
Weise  den  Marktherrn  für  die  zur  Einrichtung  des  Marktes,  Hand- 
habung der  Marktpolizei  u.  dgl.  erforderlichen  Aufwendungen  und  für 
die  Erlaubnis  zur  Benutzung  des  Markts  und  seiner  Einrichtungen 
(soweit  dafür  nicht  noch  besondere  Gebühren  erhoben  wurden)  ent- 
schädigen. Selbstverständlich  griff  fast  überall  das  finanzielle  Interesse 
der  Berechtigten  über  das  Maß  dessen,  was  als  Gegenleistung  hätte 
gefordert  werden  können,  sehr  erheblich  hinaus,  um  so  mehr,  als  die 
Leistung  nicht  selten  auch  hinter  bescheidenen  Anforderungen  zurück 
blieb  oder  wohl  auch  ganz  in  Vergessenheit  geriet. 

59.  Passierzölle  begegnen  unter  recht  verschiedenen  Namen.  Wo  das 
Wort  teloneum  im  engeren  Sinne  gebraucht  wird,  bezeichnet  es  einen 
solchen  Zoll;  nicht  selten  aber  fand  es  in  weiterem  Sinne  auf  Handels- 
abgaben im  allgemeinen  Anwendung.  So,  wenn  in  den  königlichen  Privi- 
legien der  bischöflichen  Kirche  von  Treviso  verliehen  wird  das  theloneum 
eiusdem  civitatis  infra  et  extra  prout  hactenus  nostrae  pertinuit  parti  .  .  ., 
tarn  de  christianis  quamque  et  de  judeis,  qui  ibidem  negotia  exercere 
studuerint.  i)  Dagegen  erscheint  es  in  seiner  besonderen  Bedeutung  beispiels- 
weise in  den  Privilegien,  die  dem  Bistum  Modena  »teloneum  et  curaturam 
et  redhibitionem  (eiusdem)  ripae  et  ligaturam  navium«  verliehen^),  oder  denen, 
die  der  Kirche  von  Cremona  gewähren  »quicquid  curaturae,  telonei  aut 
portatici  aliquo  ingenio  de  .  .  Cremonensi  civitate  ad  publicam  functionem 
pertinuit. « 3)  In  Verona  verlieh  ein  Privileg  Ottos  d.  Gr.  dem  Bischof 
Batherius  u.  a.  den  Zoll,  der  an  den  beiden  Stadttoren  (von  S.  Zeno  und 
S.  Firmus)  von  den  einpassierenden  Lastwagen  erhoben  wurde.  4)  Besondere 
Straßenzölle  begegnen  in  der  Emilia;  dem  Bischof  von  Reggio  stand  mit 
den  Grafenrechten  auch  die  Erhebung  des  teloneum  et  stradaticum  zu  5), 
und  der  Kirche  von  Bologna  bestätigte  Papst  Gregor  VII.  am  23.  März  1074 
neben  ihren  anderen  Besitzungen  und  Rechten  das  S.  Peterstor  in  Bologna 
sowie  die  Salzstraße  mit  dem  Straßenzoll  6)  und  allen  Abgaben,  die  die  auf 
der  gedachten  Straße  verkehrenden  Personen  von  alters  her  zu  leisten  hätten. 
Und  um  nichts  anderes  als  einen  solchen  Straßenzoll  handelt  es  sich  sicher 
auch  in  dem  Privileg  Heinrichs  IL,  das  dem  Kloster  Leno  u.  a.  auch  2/3  der 
»strata«  in  Pontremoli  bestätigt,  '^)  Als  besonders  geeignete  Zollstätten  boten, 


»)  Schiaparelli    no.  52   (9.  Jan.  905).  Dipl.  0  III  no.  69  (18/4  991),  no.  225  (5/J 
996);  HH  no.  313  a  (1014). 

2)  Berengar  II   u.  Adalbert   (950)   bei  Murat.   Ant.  VI,  40  (Böhmer,   Keg.  Kar,| 
1431).     Dipl.  O  I  no.  390,  p.  531  (22/3  970). 

s)  Dipl.  0  I  no.  429,  p.  582  (28/3  973). 

<)  No.  348,  p,  474  (5/11  967) :  cum  theloneo  de  plaustris  et  omni  nobis  ex  eis^ 
4em  debito  redditu. 

6)  Dipl.  0  I   no.  242,  p.  343  (20/4  962) ;   0  H  no.  231,  p.  259  (14/10  980).    Breß- 
lau  I,  436. 

^)  .  .  .  stratam  que  dicitur  salaria  cum  stratico  etc.     Savioli  I,  2  p.  118  f^ 

^)  No.  300,  p.  373  (12/5  1014). 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  81 

sich  in  den  Bergen  natürliche  Straßensperren  dar;  so  wurde  im  Tale  der 
Stura  ein  Clusiaticum  erhoben,  das  mit  dem  Tale  selbst  von  Otto  III.  der 
bischöflichen  Kirche  von  Turin  verliehen  wurde^);  und  ebenso  kamen  bei 
der  Verleihung  der  Klausen  und  der  Brücke  von  Chiavenna  an  die  Kirche 
von  Como  die  dort  erhobenen  Zölle  wesenthch  mit  in  Betracht.^)  Doch 
nicht  bloß  geistliche  Gewalten,  wie  es  hiernach  scheinen  könnte,  waren  im 
Besitz  solcher  Zölle.  Als  Otto  II.  am  7.  Mai  983  gewissen  Personen  von 
Lazise  (am  Südosten  des  Gardasees)  eine  wesentliche  Verstärkung  der  Be- 
festigungen des  für  den  Verkehr  von  der  Etschklause  her  wichtig  gelegenen 
Ortes  gestattete,  verlieh  er  ihnen  das  Recht,  außer  dem  Uferzoll  und  Markt- 
abgaben auch  noch  einen  besonderen  Durchgangszoll  von  allen  hier  pas- 
sierenden Lombarden  zu  erheben;  ausnahmsweise  erfahren  wir  hier  auch 
einmal  die  Höhe  dieses  Zolls,  die  2  den.  imp.  auf  den  Kopf  betrug.  3) 
Danach  scheint  auch  die  Nachricht,  daß  Otto  d.  Gr.,  als  er  im  Jahre  964 
Rom  belagerte,  in  Borgo  San  Donnino  zum  Besten  seines  Hofes  und  Heeres 
von  allen  nach  Süden  Durchpassierenden,  Arme  und  Lahme  ausgenommen, 
einen  Zoll  von  je  einem  pavesischen  Denar  pro  Person  und  Lasttier  habe 
erheben  lassen,  nicht  ohne  einen  positiven  Anhalt  zu  sein;  die  an  sich 
verdächtige  Quelle,  die  diese  Notiz  bringt,  fügt  hinzu,  daß  die  Handelsleute 
außerdem  je  nach  der  Art  ihres  Geschäfts  einen  Zins  zahlen  und  schwören 
mußten,  ihre  Ware  nicht  nach  Rom  zu  bringen.  *)  Selbstverständlich  er- 
hoben auch  die  welthchen  Großen  Ober-Italiens,  wie  z.  B.  die  Markgrafen 
von  Montferrat  und  die  Malaspina,  die  Grafen  von  Biandrate  und  die  von 
San  Bonifacio  von  den  ihr  Gebiet  passierenden  .Kaufleuten  Zollabgaben ; 
als  Beispiel  diene,  daß  dem  Grafen  von  Treviso  durch  kaiserliche  Verleihung 
ein  Brückenzoll  und  ein  Transitzoll  für  sein  Kastell  bewilligt  war.  0) 

Der  Charakter  der  schon  mehrfach  erwähnten  curat ura^)  (curadia, 
curtadia,  selbst  curritura  sind  nur  Nebenformen  hiervon)  nicht  als  eines 
DurchgangszoUs  oder  auch  Torzolls,  sondern  als  einer  Verkaufsabgabe,  die 
von  allen  zu  Markt  gebrachten  und  in  voUer  Höhe  in  der  Regel  nur  von 
den  wirklich  abgesetzten  Waren  erhoben  wurde,  wird  in  besonders  klares 
Licht  gestellt  durch  das  Privileg  Konrads  II.  für  den  Bischof  von  Cremona 
vom  Jahre  1031  '^),  wo  sie  näher  bezeichnet  wird  als  curatura  omnium  nego- 
tiorum que  fiunt  in  predicta  ripa  (dem  Ufermarkt)    tam  ab  incolis  civitatis 


')  No.  302,  p.  727  (998). 

*)  .  .  .  clusas  et  pontem  juris  regni  nostri  de  Clavenna  cum  omni  redditu  et 
exibitione.  Priv.  Lothars  Cod.  Langob.  no.  593,  p.  1014  (31/5  950).  Bestätigung 
Dipl.  Om  no.  207,  p.  618  (27/5  996),  HH  no.  75  (12/6  1004). 

8)  No.  291,  p.  343.     Uhlirz  199. 

*)  Gefälschte  Bulle  Leos  VIII,  Watterich  I,  683.  Köpke-Dümmler  363  (hieraus 
Schütte  41,  mit  der  irrigen  Jahreszahl  962).  v.  Ottenthai  bei  Böhmer,  Reg.  Imp.  U 
(1893)  no.  355  c,  p.  171. 

')  Dipl.  O  ni  no.  381,  p.  808 ;  Konrad  11 :  Stumpf  2115,  >transitum  sui  castelli 
et  teloneum  de  ponte  licentiam  ut  habeat  imp.  auctoritate  accipiendi  jubemus«. 

6)  Oben  S.  91,  97,  131. 

')  Stumpf,  Acta  no.  291,  p.  412.  In  den  von  Hartmann  118  A.  3  angeführten 
Privilegien  Berengars  ist  Unter  der  curatura  immer  diese  Marktabgabe  und  nicht  eine 
cura  viarum  zu  verstehen.  Ich  weise  noch  hin  auf  das  kaiserliche  Privileg  für 
Graf  Albert  von  Prato  (10.  Aug.  1164 ;  Savioli  I,  2  p.  275),  das  diesen,  wie  in  allen 
seinen  Rechten,  so  auch  in  seinen  pedagiis,  theloneis,  mercatis  et  mercatorum  cu- 
raticiis,  pascuis  usw.  bestätigt.  Besondere  curatores  mercati  kennt  noch  der  Lib. 
Juris  civ.  von  Verona  rub.  176,  p.  134. 

Schaube,  Handeisgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  6 


I 


82  Siebentes  Kapitel. 

quam  ab  aliis  aliunde  ad  negotium  venientibus ;  es  ist  diese  Abgabe,  von 
der  die  Meßbesucher  in  Mailand  durch  Privileg  befreit  waren.  In  bezug 
auf  die  Art  der  Erhebung  dieser  Abgabe  i)  hatte  die  Praxis  offenbar  erheb- 
liche Verschiedenheiten  ausgebildet.  Jedenfalls  wurden  in  den  Herbergen 
abgeschlossene  Kaufgeschäfte  nicht  minder  herangezogen  wie  auf  dem  Markte 
selbst  abgeschlossene;  Hinterziehungen  wurden  wohl  durch  eine  genaue 
Torkontrolle  bei  dem  Eintritt  wie  Austritt  verhütet.  Sicher  wurden  neben 
der  allgemeinen  curatura  noch  besondere  Marktgebühren  erhoben,  wie 
Standgelder  und  Gebühren  für  die  Benutzung  der  öffentlichen  Maße;  das 
Privileg  Ottos  JI.  für  die  Leute  von  Lazise  führt  neben  dem  Uferzoll  und 
dem  Marktzoll  auch  eine  besondere  mensuratura  auf  2),  die  sie  von  den 
Durchpassierenden  erheben  durften. 

Erwähnt  sei  endlich  noch,  obwohl  nicht  eigentlich  zu  den  Handels- 
abgaben gehörig,  das  Vorkommen  besonderer  Gewerbesteuern.  Im  Jahre  1075 
verlieh  Bischof  Ogerius  von  Ivrea  dem  Stephanskloster  der  Stadt  zur  Ver- 
stärkung der  einst  von  König  Heinrich  bewilligten  Dotierung  u.  a.  den 
Zehnten  von  allen  Wirtshäusern,  Fleischerläden  und  Warenhandlungen; 
auch  von  seinen  eigenen  Markteinkünften  fügte  er  den  Zehnten  hinzu.  3) 
Auch  an  das  buticaticum  in  Pisa,  das  gegen  Ende  des  11.  Jahrhunderts^™! 
aufgehoben  wurde,  sei  erinnert.  ^^■1 

60.  Wie  die  königliche  Gewalt  das  Recht  zu  Zollerhebungen  verlieh, 
so  machte  sie  auch  von  dem  Recht  zur  Befreiung  von  Handels- 
abgaben Gebrauch.  Zunächst  geschah  das  kirchlichen  Instituten  gegen- 
über, wie  wir  das  schon  bei  den  Schiffahrtsabgaben  gesehen  haben;  so 
wurde  z.  B.  von  Otto  III.  allen  Handelsleuten  (negociatores)  der  Abtei 
Nonantola  im  Jahre  997  gestattet,  im  ganzen  Königreich  unbehindert  und 
frei  von  allen  Abgaben  ihren  Geschäften  nachzugehen,  und  dieselbe  Be- 
fugnis erhielten  im  Jahre  darauf  auch  die  Leute  der  Kirche  des  hl.  Antoninus 
zu  Piacenza.4)    Die  Bewohner  des  vom  Dezzo,  einem  Nebenflusse  des  Ogho, 


^)  Unter  den  Begriff  der  curatura  würde  auch  der  Tarif  von  Aosta  (um  960) 
fallen,  gegen  dessen  Echtheit  indessen  gerade  von  so  kompetenten  heimischen  For- j 
Sehern  wie  Gabotto  und  Patrucco  derart  gewichtige  Gründe  geltend  gemacht  wer-J 
den,  daß  ich  von  seiner  Verwertung  Abstand  nehme ;  s.  Patrucco  C.  E. :  Aosta 
dalle  invasioni  barbariche  alla  signoria  Sabauda  in :  Miscell.  Valdostana,  Pinerolo 
1903  p.  LIX  ff.  Sonstige  neuere  Literatur  über  diesen  Tarif :  Schulte  I,  68  f.  La- 
bruzzi  F. :  La  Monarchia  di  Savoia  dalle  origini  all'a.  1103.  Rom  1900  p.  209,  358. 
Tibaldi  T. :  La  regione  d'Aosta  attraverso  i  secoli,  11  (Turin  1902)  p.  101.  | 

^)  No.  291,  p.  343  (7/5  983)  ...  et  etiam  omnibus  hominibus  cum  rebus   indei 
transeuntibus  ripaticum,  mensuraturam  et  curariam  accipere.     Daß  auch  die  beiden 
letzteren  Abgaben   bei   bloßem  Transit   erhoben  wurden,   ist   deswegen  nicht  anzu- 
nehmen;  dafür  bestand  ja  schon  der  Passierzoll  von  2  imp.  pro  Kopf.  jj 

^)  Chart.  I  no.  386,  p.  649  .  .  .  cum  undecimatione  (=  indecimatione)  omnium* 
tabernarum  et  omnium  beccheriarum  et  omnium  mercimoniarum  que  infra  civitatem 
fiunt .  . ,  dazu  nostri  mercati  indecimationem.  Auf  eine  solche  Steuer  mag  es  sich 
auch  beziehen,  wenn  Dipl.  0  I  no.  372,  p.  510  f.  (28/4  969)  für  die  Kanoniker  von 
Bologna  von  portaticum,  telloneum,  ripaticum,  p  a  r  a  t  a  (paraticum  =  Gewerbe,  ars) 
et  obstaticum  redet.  Dipl.  Arduini  no.  6,  p.  707  s.  a.  (St.  1847  zu  1003)  für  seinen 
Kanzler,  den  Propst  Cunibert  von  Vercelli,  verleiht  omne  publ.  destrictum,  mercata, 
telloneum  atque  s  a  g  u  m  u  m ,  curaturas  omnemque  publ.  redibicionem.  Ich  finde 
keine  befriedigende  Erklärung  für  sagumum. 

*)  No.  237,  p.  655  (25/3  997)  u.  no.  268,  p.  685  (19/1  998) :  licentiam  .  .  per  totum 
Italicum  regnum  nostri  Imperii   potestati    subj  actum   eundi,   redeundi,   comparandi, 


4 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  83 

bewässerten  Tales  Scalve  in  den  Bergamasker  Alpen,  in  dem  Eisenerze  ge- 
fördert und  verhüttet  wurden,  erhielten  von  Heinrich  III.  1.  Mai  1047  das 
Privileg ,  ihr  Eisen  oder  was  sie  sonst  wollten,  völhg  abgabenfrei  durch  das 
ganze  Reich  vertreiben  zu  dürfen;  nur  an  den  Königshof  in  Darfo  (an  der 
Mündung  des  Dezzo)  hatten  sie  jährHch,  wie  altherkömmlich,  ein  Quantum 
von  1000  Pfund  Eisen  abzuliefern,  i)  Daß  den  armen  Fischern  von  Lazise 
neben  dem  Fischerei-  und  Schiffahrtsrecht  für  den  Gardasee  von  Heinrich  IV. 
1077  auf  Fürsprache  seines  Getreuen  Turrisendus  auch  Abgabenfreiheit  im 
ganzen  Königreiche  gewährt  wurde,  hatte  offenbar  nur  geringe  Bedeutung.  2) 
Erheblich  schwerer  mußte  es  wiegen,  daß  Heinrich  III.  am  25.  August  1055 
dem  gesamten  Volke  von  Ferrara  ein  Privileg  verlieh,  wonach  jedem  Fer- 
raresen  der  Besuch  eines  jeden  italienischen  Marktes  in  Sicherheit  und,  mit 
bestimmten  genau  festgesetzten  Ausnahmen,  abgabenfrei  zustehen  sollte^); 
wenige  Monate  später  erteilte  er  den  Mantuanern  das  gleiche  Recht  der 
Handelsfreiheit  mit  dem  ausdrücklichen  Hinzufügen,  daß  sie  allerwärts  den 
meistbegünstigten  Städten  des  Reichs  gleichstehen  sollten.  *)  Schon  aber 
war  kaiserliche  Verbriefung  nicht  mehr  hinreichend,  die  praktische  Durch- 
führung des  Verbrieften  zu  garantieren ;  weniger  noch  als  geistliche  und 
weltliche  Große  waren  die  emporkommenden  Kommunen  geneigt,  solche 
Verbriefungen  gelten  zu  lassen ,  wenn  sie  ihr  finanzielles  Interesse  ver- 
letzten. 

61.  In  bezug  auf  die  Warenbewegung  erscheint  als  Haupt- 
handelsartikel in  der  Handelsschiffahrt  wie  auf  den  Märkten  am 
häufigsten  das  Salz. 

Im  Binnenlande  selbst  gab  es  nur  im  Trebbia-  und  Tarogebiet  nicht 
allzu  ergiebige  Salinen ;  die  Abtei  S.  Sabino  in  Piacenza  bezog  aus  dem  Ort 
Salse  einen  jährlichen  Zins  von  12  Malter  einheimischen  Salzes;  zu  dem 
Hofe  Sarmadas  im  Placentinischen,  der  eine  Besitzung  des  Marienklosters 
»Senator«  in  Pavia  war,  gehörte  auch  eine  Salzquelle  (putheus  salsus),  und 
auch  das  Kloster  Bobbio  war  im  Besitz  von  Salinen,  s)  Die  ganz  über- 
wiegende Masse  dieses  unentbehrlichen  Lebensbedürfnisses  wurde  durch  den 


vendendi  ipsi  eorumve  heredes  .  .  .,  ut  in  nuUo  mercato  tolonimn  dent  neque  ripa- 
ticum  de  sua  navn,  sed  secure  et  large  queque  sua  negocia  exerceant.  Schupf  er  81. 

^)  Lupus  n,  621  .  .  .  facultatem  et  largitionem  negociandi  et  eorum  ferrum  vel 
quicquid  voluerint  per  vastitudinem  nostri  Imperü  vendendi  etc.    Steindorff  I,  334. 

*)  CipoUa :  Verzeichnis  der  Kaiserurkunden  in  den  Archiven  Veronas  in : 
MIÖG  n  (1881)  no.  6,  p.  109.    Breßlau  n,  196  A.  6  und  Meyer  von  Knonau  U,  766. 

')  .  .  .  omnem  mercatum  Italicum  absque  qualibet  exactione  secure  frequen- 
tent.  Muratori  Ant.  V,  753.  St.  2478.  Steindorft"  U,  315.  Die  Ausnahmen  s.  oben 
§51. 

*")  .  .  .  eam  consuetudinem  bonam  et  justam  habeant  quam  quelibet  nostri 
Impetii  civitas  obtinct.  Muratori  Ant.  IV,  15.  St.  2483.  Steindorff  11,  314  f.  Ähn- 
lich Mathilde  in  ihrem  27/6  1090,  als  Mantua  von  Heinrich  IV.  hart  bedrängt  wurde, 
ausgestellten  Privileg;  nur  mit  der  Wendung:  quam  quelibet  optima  civitas  Lon- 
gobardie  optinet.  Overmann  156.  Meyer  von  Knonau  IV,  279  A.  11 ;  während  Hein- 
rich IV.  nach  Einnahme  der  Stadt  den  alten  Wortlaut  bestätigt:  Murat.  Ant.  IV, 
17.     St.  2910. 

')  Dii)l.  Oin  no.  385,  p.  815  (5/111000):  in  villa  que  vocatur  Salse, ,  de  sale 
annuatim  modios  12.  Cod.  Langob.  no.  595,  p.  1019  (Priv.  Berengars  H.  u.  Adalb. 
22/7  951):  curtem  Sarmadas  cum  semenia  et  putheo  salso.  Hartmann  p.  43,  50,  53 
und  seine  Bemerkungen  zu  den  ältesten  langob.  Königsurkunden.  N.  Archiv  XXV 
(1899)  613.     S.  auch  die  Urkunde  Berengars  von  912,  Schiaparelli  no.  85,  p.  228. 

6» 


1 


84  Siebentes  Kapitel. 

Handel  von  der  Flachküste  der  Adria  her,  wo  es  auf  der  langen  Strecke 
zwischen  der  Isonzomündung  und  Rimini  in  zahllosen  Salinen  gewonnen 
wurde,  dem  Binnenlande,  wo  es  irgend  anging,  auf  dem  Wasserwege  zu- 
geführt; nur  wo  die  Wasserverbindung  versagte  oder  zu  fern  war,  also  be- 
sonders für  den  Südwesten,  trat  von  der  ligurischen  Küste  her  eingeführtes 
Salz  an  die  Stelle,  wie  wir  ja  wissen,  daß  Genua  Salz  regelmäßig  z.  B.  aus 
Sardinien  importierte. 

Im  übrigen  deutet  alles  darauf  hin,  daß  in  dem  überaus  frucht- 
baren Lande  auch  für  den  Handel  zunächst  noch  die  Produkte  der 
Landwirtschaft  die  wichtigste  Rolle  spielten,  Getreide  vor  allem, 
daneben  der  Wein. 

Aus  Liutprand  geht  hervor,  daß  der  Überschuß  der  Lombardei  an 
Lebensmitteln  zu  seiner  Zeit  an  die  namentlich  mit  den  kostbaren  Stoffen 
von  Byzanz  handelnden  Kaufleute  von  Venedig  und  Amalfi  abgegeben 
wurde  1);  die  Hauptsache  aber  war  sicher  jederzeit  der  Austausch  dieser 
Produkte  im  Lande  selbst.  Vielfach  herrschte  noch  durchaus  die  Natural- 
wirtschaft ;  das  Güter  Verzeichnis  des  Klosters  der  hl,  Julia  zeigt  uns,  wie  der 
Zins  der  Hörigen  ganz  überwiegend  in  Naturalien  bestand,  wobei  neben  den 
verschiedenen  Getreidearten  Wein,  Käse,  Honig,  Hühner  und  Eier,  Hülsen- 
früchte, Kastanien,  Öl  ihre  Rolle  spielten.  '^)  Auf  dem  Hofe  Cervinica  zählte 
man  580  Ölbäume,  von  denen  nach  den  Angaben  des  Inventars  auf  einen 
jährlichen  Ertrag  von  1608  Pfund  Öl  zu  rechnen  war.  3)  Auch  die  Ver- 
pachtung von  Grundstücken  pflegte  gegen  Naturallieferungen  an  das  Magazin 
des  Grundherrn  zu  erfolgen,  wie  wir  das  gelegentlich  für  das  Getreide- 
magazin (caneva)  des  Bischofs  von  Cremona  nachweisen  können.  *) 

Im  Lebensmittelhandel  spielten  außer  den  agrarischen  Produkten 
die  Fische  eine  wichtige  Rolle ;  wir  haben  gesehen,  wie  sie  namentlich 
von  Ferrara  aus  stromauf  geführt  und  faßweise  verkauft  wurden; 
auch  nach  Genua  wurden  Süßwasserfische  ausgeführt.  ^) 

62.  Auch  der  Bedarf  des  Landes  an  Metallen  konnte  wenigstens^—^ 
z.  T.  durch  eigene  Produktion  gedeckt  werden.  ^Hl 

Die  Alpenflüsse,  wie  der  Po,  die  Sesia,  Tessin  und  Ad  da,  führten 
Gold;  in  seinem  Privileg  für  die  bischöfliche  Kirche  von  Vercelli  (1/11  1000) 
überließ  ihr  Otto  III.  alles  Gold,  was  innerhalb  des  Bistums  und  der  Graf- 
schaft Vercelli,  der  Grafschaft  Santhiä,  und  den  Besitzungen  von  S.  Michael 
in  Lauceio  (Lucedio  am  Po)  gefunden  und  gewonnen  wurde;  an  die  Stelle 
der  königlichen  Kammer ,  an  die  es  bisher  habe  abgeführt  werden  müssen, 
solle  fortan  die  Kammer  des  hl.  Eusebius  treten.  Und  in  dem  Privileg 
Heinrichs  IL*  von  1014,  das  dem  Bistum  Novara  das  Stromregal  an  einer 
bestimmten  Strecke  des  Ticino  zusprach,  sind  neben  der  Mühlen-  und 
Fischereigerechtigkeit  auch  die  Goldwäschereien  aufgeführt  (aurificia);  nur 
mit  Erlaubnis    des   Bischofs    durfte    die  Goldgewinnung  vor  sich  gehen.  6) 


1)  Oben  §  8. 

*)  Cod.  Langob.  p.  707  ff. 

»)  Ebd.  713.  Die  Besitzung  des  Klosters  Bobbio  am  Gardasee  lieferte  2430  Pfund^| 
Hartmann  52  f. 

*)  Hortzschansky  u.  Perlbach :  Lombardiscbe  Urkunden  p.  69  (16/12  1069). 

»)  §§  51  u.  48. 

«)  Dipl.  0  m  no.  384,  p.  812  f.    HH  no.  306,  p.  383. 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  85 

Silber  wurde  namentlich  in  den  Bergamasker  Alpen  gewonnen;  aus  den 
siebziger  Jahren  des  11.  Jahrhunderts  kennen  wir  zwei  Fälle,  wo  Leute  aus 
Martinengo  ihre  Anteile  an  den  Silberbergwerken  im  Hochtale  des  Serio 
oberhalb  Ardesia  an  die  bischöfliche  Kirche  von  Bergamo  für  50  und  20  1. 
gute  mailändische  Silberdenare  verkauft  haben,  i) 

Für  die  Eisengewinnung  war  namenthch  das  Gebiet  des  Oglio  wichtig ; ' 
das  Tal  Scalve  mit  seiner  Eisenproduktion  haben  wir  schon  erwähnt;  das 
Kloster  der  hl.  Julia  von  Brescia  bezog  von  seinen  Zinspfliöhtigen  in  Val 
Camonica  u.  a.  auch  60  Pfund  und  von  Hörigen  des  Hofes  »Casivico« 
30  Pfund  Eisen,  dazu  Pflugschare,  Sicheln,  Beile  u.  dgl.  2)  Die  Fabrikation 
von  Metallwaren  und  namenthch  von  Waffen,  wie  sie  als  lombardische 
Einfuhrartikel  in  Genua 3)  erscheinen,  erfolgte  sicher  überwiegend  im  Lande 
selbst,  wenn  auch  in  bezug  auf  besonders  wertvolle  Gegenstände  dieser 
Branche  ein  Laiport  namentlich  von  Deutschland  her  unzweifelhaft  ist. 

Auch  die  heimische  Bekleidungsindustrie  scheint  den  Bedürf- 
nissen der  großen  Masse  der  Bevölkerung  genügt  zu  haben.  Flachs 
und  Hanf  wurden  viel  angebaut  und  Schafzucht  in  ausreichendem 
Maße  betrieben,  wenn  auch  die  gewonnene  Wolle  ein  ziemlich  minder- 
wertiges Produkt  w^ar. 

Aus  Val  Camonica  bezog  das  Kloster  der  hl.  Julia  von  Brescia  um  die 
Mitte  des  10.  Jahrhunderts  von  83  servi  unter  anderen  Zinsen  auch  einen 
solchen  von  75  Schafen  (berbices),  1  Lamm,  67  Wollfließen  (de  lana  vellos) 
und  1  Hirtenmantel  (sagellum  ad  opus  pastoris).  Bei  einer  Reihe  von  Höfen 
finden  sich  Wollzinse ;  vom  Hofe  Alpiano  kamen  jährlich  50  Pfund  Wolle  und 
10  Gebund  (fascii)  Flachs  ein.'*)  Daß  in  einem  Falle  der  Zins  sogar  in 
Rohseide  entrichtet  wurde,  ist  schon  erwähnt ;  die  Kultur  des  Maulbeerbaumes 
muß  also  schon  damals,  wenn  auch  jedenfalls  nur  in  geringem  Umfange, 
in  der  Lombardei  betrieben  worden  sein,  wie  ja  auch  die  Quarnero-Insel 
Arbe  ihren  Jahrestribut  an  Venedig  in  Rohseide  entrichtete,  0)  Jedenfalls 
vermochte  dies  heimische  Produkt  mit  denen  der  Levante  und  Nord- Afrikas 
noch  lange  keinen  Vergleich  auszuhalten.  Danach  werden  aber  doch  von 
der  großen  Zahl  seidener  Tücher  und  Decken,  wie  sie  in  dem  Inventar  des 
brescianischen  Klosters  auch  aus  recht  kleinen  Kirchen  und  Kapellen 
angeführt  werden  6),  nicht  wenige  Erzeugnisse  des  heimischen  Gewerbefleißes 
gewesen  sein,  wie  es  bei  den  leinenen  wohl  für  die  Mehrzahl  der  Fälle 
anzunehmen  ist.  Wurde  doch  namentlich  in  den  Nonnenklöstern  mancherlei 
Kunstfertigkeit,  die  sich  hauptsächUch  auf  die  Ausschmückung  der  heihgen 
Gebäude  richtete,  seit  langer  Zeit  gepflegt ;  es  sei  in  diesem  Zusammenhange 
nur  eines  von  der  Chronik  von  Farfa  für  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts 
erwähnten  Hofes  des  hl.  Benedikt  in  Silva  Plana  (Grafschaft  Terni)  ge- 
dacht,   »ubi   fuit  antiquitus   congregatio  ancillarum,   quae   opere   plumario 


1)  Lupus  p.  707  ff,  (31/12  1077),  721  (23/12  1079):  .  ,  ,  de  venis  argenti  que 
sunt  in  montibus  de  valle  Ardescie  da  ipsa  villa  A.  insuper  .  .  . 

*)  Cod.  Langob.  p.  716,  712.  In  ähnlicher  Weise  bezog  auch  das  Kloster  Bob- 
bio Eisen,  das  von  Zinspflichtigen  des  Klosters  (ebenso  wie  öl  und  Getreide)  fluß- 
aufwärts nach  Piacenza  zu  schaffen  war.     Hartmann  64  u.  86 ;  dazu  66. 

')  §  48. 

*)  Cod,  Langob.  716,  720,     Hartmann  66. 

*)  §§  57  u.  10, 

«)  Z.  B,  Cod,  Langob.  707,  723  f. 


86  Siebentes  Kapitel. 

ornamenta  ecclesiae  laborabant«.i)  Und  wenn  wir  hören,  daß  in  Pavia  ein 
Hausbesitzer  Petrus  in  den  ersten  Zeiten  des  10.  Jahrhunderts  als  aurifilarius 
von  gleichnamigen  Personen  unterschieden  wurde  2),  so  dürfen  wir  schließen, 
daß  an  diesem  alten  Königssitz,  ähnlich  wie  in  Lucca,  gewisse  Zweige  des 
Kunstgewerbes  fortdauernd  ihre  Pflege  gefunden  haben. 

Über  den  Handel  mit  den  Erzeugnissen  der  heimischen  Industrie 
sind  freilich  unsere  Quellen  nur  allzu  stumm.  Aber  auch  von  der  Art  der 
Vertreibung  der  aus  der  Levante  importierten  Spezereien  und  Gewürze, 
deren  Verbrauch  in  der  Lombardei  doch  nach  dem  Zeugnis  Ratherius'  von 
Verona  in  Ober -Italien  ein  sehr  starker  war^),  durch  den  Handel  gilt  das 
gleiche,  und  etwas  mehr  Nachrichten  haben  wir  nur  für  die  paUia,  jene 
hoch  im  Preise  stehenden  GcAvebe  und  Gewänder,  beizubringen  vermocht, 
deren  Einfuhr  ziemlich  umfangreich  gewesen  sein  muß,  auch  wenn  wir  die 
spöttische  Bemerkung  Liutprands  den  Griechen  gegenüber,  daß  bei  ihm 
daheim  selbst  gemeine  Weibsbilder  und  Gaukler  solche  Stoffe  trügen  4),  die 
die  Griechen  als  ein  ihnen  allein  zukommendes  Vorrecht  bezeichneten,  als 
ihrem  Zweck  gemäß  etwas  übertrieben  ansehen  wollen. 

63.  Was  die  soziale  Geltung  des  Handelsstandes  und 
der  ihm  Angehörigen  in  unserer  Periode  anbetrifft,  so  sind  zunächst 
Beispiele  von  angesehenen  Kaufleuten  nicht  ganz  selten.^) 

Gewiß  muß  jener  Kaufmann  Baribert  von  Como,  der  von  Otto  IL  ^) 
ein  an  seinen  Grundbesitz  stoßendes  Stück  der  Stadtmauer  von  Como  in 
der  Nähe  des  Marktplatzes  mit  den  darauf  befindlichen  Türmen  zugewiesen 
erhielt,  eine  besonders  wohlhabende  und  einflußreiche  Persönlichkeit  gewesen 
sein;  im  Grundstückverkehr  begegnen  wir  Kaufleuten  namentlich  von 
Mailand,  aber  auch  von.  Monza,  Lodi,  Cremona  häufig^);  so  vertauschen  z.  B. 
lodesanische  Kaufleute  ihr  freies  Eigen  auf  dem  Lande  gegen  andere  Grund- 
stücke von  der  Abtei  Nonantola  und  dem  Erzbischof  von  Mailand,  s)  Wenn 
sich  der  Missus  Konrads  II„  der  Richter  Arioald,  von  dem  Mailänder  Kauf- 
mann Petrus,  des  Johannes  Sohn,  einen  Raum  in  seinem  Hause  zur  Abhaltung 
seiner  Gerichtssitzungen  erbat  ^),  so  spricht  das  gewiß  für  die  hei\vorragende 
gesellschaftliche  Stellung  dieses  Kaufmanns;  und  auch  sonst  zeigen  sich 
Richter-  und  Kaufmannsstand  in  dieser  Zeit  schon  öfter  verbunden ;  Arioald 
selbst  war  der  Sohn  eines  mailändischen  Kaufmanns  Burningus.io 

Bezeichnend  für  die  soziale  Stellung  des  Handelsstandes  in  dieser 
Zeit  ist  besonders  die  die  Reform  des  Mailänder  Klerus  betreffende 
Konstitution  vom  Jahre  1068. 


4 


1)  Chron.  Farf.  I  p.  323. 

^)  Cod.  Langob.  no.  461,  p.  797  (26/7  915).     Schiaparelli  no.  99. 

^)  Dresdner  16.  __ 

*)  Liutpr.  Leg.  c.  55  (SS.  III,  359) :  obolariae  mulieres  et  mandrogerontes. 

')  In  sorgfältiger  Durchmusterimg  der  auf  Mailand  bezüglichen  Urkunden  hat 
H.  Pabst :  De  Ariberto  39  A.  1  die  in  denselben  begegnenden  negotiatores,  aurifices, 
monetarii  zusammengestellt  und  Breßlau  II,  194  f.  für   andere    lombardische  Städt^ 
weitere  Beispiele  hinzugefügt.     Ähnliches  hat  Gloria  p.  LXXVIII  für  Padua  getai" 
S.  auch  Schupfer  80. 

«)  No.  312,  p.  368. 

')  Cod.  Langob.  no.  608,  689,  719,  732,  753,  809,  855,  880,  900,  926. 

8)  Cod.  Land.  I,  16,  38. 

»)  Giulini  II,  203.     Schupfer  80. 

»")  Cod.  Langob.  p.  1707  (999). 


Das  Binnenland  zwisclien  Alpen  und  Apenninen.  37 

Sie  bedroht  widerstrebende  Kleriker  oder  Laien  mit  Geldstrafen,  und 
zwar  mit  20  Pfund  Heller  diejenigen,  die  dem  Stande  (ordo)  der  Capitanei 
angehörten,  mit  10  die  aus  dem  Stande  der  Vassi,  mit  5  endlich  die  aus 
dem  Stande  der  Negotiatores ,  während  andere  Personen  nach  Lage  der 
Umstände  gebüßt  werden  sollten,  i)  So  sah  man  also  den  Stand  der  Kauf- 
leute als  den  dem  unteren  Lehnsadel  zunächst,  wenn  auch  beträchtlich 
hinter  ihm  zurückstehenden  an,  und  hob  ihn  allein  aus  der  Masse  der 
Niedrigerstehenden  hervor. 

64.  Naturgemäß  war  es  diese  Oberschicht  des  Volkes,  die  bei 
den  inneren  städtischen  Kämpfen  der  Zeit,  wenn  nicht  immer  die 
offene  Führung,  «o  doch  den  Hauptanteil  und  den  Hauptvorteil  hatte. 
Ihr  Interesse  vornehmlich  war  es,  Einfluß  in  den  öffentlichen  Ange- 
legenheiten zu  gewinnen  und  die  allmähliche  Zurückdrängung  der  in 
der  großen  Mehrzahl  der  Städte  auch  zur  weltlichen  Herrschaft  ge- 
langten geistlichen  Gewalten  zu  erstreben. 

Dies  allmähliche,  in  häufigen  revolutionären  Zuckungen  sich  äußernde 
Emporstreben  der  Bürgerschaft  zu  selbständiger  Geltung  gegenüber  der 
bischöflichen  Stadtherrschaft  läßt  sich  in  Cremona  am  frühesten  und  besten 
beobachten;  hier  zuerst  ist  ein  königliches  Privileg  direkt  an  eine  Bürger- 
schaft verliehen  worden ;  alle  freien  Bürger  Cremonas,  reich  und  arm,  nahm 
Otto  in.  am  22.  Mai  996  in  seinen  Schutz,  verlieh  ihnen  weitgehende  Besitz- 
rechte und  verhieß  ihnen  Sicherheit  daheim  wie  außerhalb,  wohin  immer 
sie  sich  auf  ihren  Geschäftsreisen  zu  Lande  oder  Wasser  begeben  würden.^) 
Freilich  erklärte  nur  wenige  Monate  später  der  Kaiser  dies  Dokument  für 
erschlichen 3)  und  rechtsunwirksam;  die  königliche  Gewalt  hielt  an  ihrer  die 
Bischöfe  begünstigenden  Politik  fest.  In  Mailand  Avieder,  wo  die  Grafschafts- 
rechte nicht  in  der  Hand  des  Bischofs  lagen,  pflegte  die  Bürgerschaft  Hand 
in  Hand  mit  dem  Erzbischof  gegen  den  Lehnsadel  zu  gehen;  man  denke 
nur  an  den  Kampf  Erzbischof  Ariberts  gegen  Konrad  II.  und  die  heftigen 
Fehden  zwischen  Volk  und  Adel  in  Mailand  im  Jahre  1045.4) 

Wie  sehr  die  Bürgerschaft  in  den  größeren  Städten  mehr  und  mehr 
zu  einem  selbständigen  Machtfaktor  wurde,  zeigt  besonders  der  Umstand, 
daß  ein  so  mächtiger  Herrscher  wie  Heinrich  III.  im  Jahre  1055  den  freien 
Bürgern  von   Ferrara  und  Mantua  in  seinen   Privilegien   weitgehende   Zu- 


*)  Arnulfi  Gesta  archiepiscoporum  Mediol.,  SS.  VIII,  23.  Gaddi  1.  c.  270.  Das  lan- 
gobardiHclie  Gesetz  König  Aistulfs,  das  die  Handeltreibenden,  auch  wenn  sie  keinen 
GrundVjesitz  hatten,  zum  Kriegsdienst  verpflichtete,  und  zwar  nach  drei  Vermögens- 
stufen entweder  als  Bogenschützen  oder  zu  Roß  oder  endlich  mit  Roß  und  Panzer, 
so  daß  also  die  oberste  Klasse  den  freien  langobardischen  Grundbesitzern  völlig 
gleichgestellt  war,  wage  ich  bei  den  starken  sozialen  Verschiebungen,  die  in  der 
folgenden  Zeit  der  Win-en  zugleich  mit  einem  starken  Niedergange  des  Handels  ein- 
traten, hier  nicht  mit  heranzuziehen.  Aist.  c.3;  Hegel  I,  431.  Giesebrecht  P, 
348.     Davidsohn  I,  63. 

*)  .  .  .  sive  ad  negotium  ierint,  absque  molestatione  omnium  in  terra  et  aqua 
illos  ubicunque  voluerint  consistere  precipimus ;  no  198,  p.  606. 

')  Dipl.  O  III  no.  222,  p.  635  (3/8  996) :  Cremoncnses  cives  nefanda  deceptionis 
fraude  nos  circumveniendo  decipientes  etc.  Breßlau  II,  196  A.  2;  204.  Handloike: 
Die  lomb.  Städte  unter  der  Herrschaft  der  Bischöfe  und  die  Entstehung  der  Kom- 
munen (Leipzig  1883)  p.  100. 

♦)  Breßlau  II,  210,  234  ff.     Steindorff  I,  239  ff. 


gg  Siebentes  Kapitel.  ^i^^^^KM 

geständnisse  auf  zollpolitischem  Gebiete  machte  i);  und  wenige  Jahre  nach 
dem  Tode  des  Kaisers  sehen  wir  dann  die  um  den  Vorrang  im  Zentrum 
der  Lombardei  streitenden  Städte  Mailand  und  Pavia  wie  zwei  selbständige 
Mächte  Krieg  gegeneinander  führen.  2) 

Schon  durch  die  kirchlich -demokratische  Bewegung  der  Pataria 
mächtig  gefördert,  hat  dann  die  neue  Entwickelung  durch  den  Investitur- 
streit mit  seinen  Nebenwirkungen  und  Folgen  ihren  entscheidenden 
Sieg  errungen.  So  verschieden  die  Wege  im  einzelnen  waren,  die  sie 
zum  Ziele  führten,  am  Ende  des  11.  und  Anfang  des  12.  Jahrhunderts 
stehen  die  meisten  dieser  Städte  als  eigene  Kommunen  da,  die  unter 
selbstgewähltem  Regiment  in  einer  ßeihe  der  wichtigsten  öffentlichen 
Angelegenheiten  das  Recht  der  freien  Selbstbestimmung  beanspruchen.^) 
So  konnte  sich  schon  im  Jahre  1093,  aus  Mailand,  Lodi,  Cremona 
und  Piacenza  bestehend,  ein  erster  lombardischer  Städtebund  bilden^), 
der  gegen  die  damals  freilich  arg  darniederliegende  kaiserliche  Macht 
gerichtet  war. 

Von  vornherein  aber  ist  in  allen  diesen  Städten  des  Binnenlandes 
unter  den  tonangebenden  Kreisen  der  demokratische  Einschlag  erheblich 
stärker  als  in  den  Seestädten,  die  Beteiligung  des  kleineren  Handels- 
standes und  der  gewerbetreibenden  Elemente  nachdrücklicher  und 
gewichtiger ;  in  den  zahlreichen  Handelszentren  dieses  Gebiets  ^)  konnte 
der  Natur  der  Dinge  nach  der  Stand  der  größeren  Kaufleute  nicht 
so  stark  und  bedeutend  sein,  als  es  in  den  Seestädten  der  Fall  war, 
während  dafür  in  der  Stille,  der  direkten  Beobachtung  des  Forschers 
fast  ganz  sich  verbergend,  in  allmählichem  Wachstum  eine  Industrie 
emporkam,  die  das  Hinterland  der  Seestädte  immer  äfUfnahmefähiger 
machte  und  so  die  Entwickelung  des  Handels  nicht  niinder  förderte, 
als  sie  von  ihr  gefördert  wurde. 

65.  Ein  Außenhandel  des  Binnenlandes  über  die  Grenzen^ 
von  Ober-  und  Mittel  -  Italien  hinaus  fand  in  unserer  Periode ,  soviel 
wir  sehen  können,  nur  über  die  Alpen  statt. 


s 


1)  Oben  §  60. 
ä)  1059  fe.     Meyer  von  Knonau  I,  143,  246  f. 

2)  Das  Konsulat  ist  für  Mailand  zuerst  im  Jahre  1097  nachweisbar.  Schupfer  123 
*)  Anemüller,  Gesch.  der  Verfassung  Mailands  1075—1117.    Halle  1881  (diss.) 

p.  15  ff.  Meyer  von  Knonau  IV,  3941  Giesebrecht  HI»,  652.  Die  Nachricht  von 
einer  schon  1037  zwischen  Parma  und  Modena  abgeschlossenen  communitas  et  sO' 
cietas  ruht  doch  auf  gar  zu  unsicherem  Boden.    Breßlau  II,  275. 

")  Abseits  von  der  allgemeinen  Entwickelung  begegnen  wir  in  Ravenn 
ähnlich  wie  in  Rom  zünftischen  Korporationen,  die  sich  aus  spätrömischer  Zeit  er 
halten  haben,  unter  ihnen  auch  einer  scola  negotiatorum,  an  deren  Spitze  ein  auf 
Lebenszeit  bestellter  Capitularius  stand,  wie  aus  mehreren  Urkunden  aus  dem 
6.  Jahrzehnt  des  10.  Jahrhunderts  hervorgeht.  Näheres  Hartmann  p.  16  ff.,  insbes. 
p.  27.  Daß  diese  lokalen  Erscheinungen  des  altrömischen  Rechtsgebiets  irgend- 
welche Einwirkung  auf  die  korporativen  Neubildungen,  denen  wir  im  12.  Jahrhundert 
im  übrigen  Ober-  und  Mittel-Italien  begegnen,  ausgeübt  haben,  finde  ich  nicht  er- 
weislich und  nicht  wahrscheinlich;  wohl  aber  haben  sie  umgekehrt  eine  Umge- 
staltung nach  dem  Muster  dieser  Neubildungen  erfahren. 


I 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  89 

Das  Bestehen  eines  Handelsverkehrs  zwischen  ItaUen  und  den  Ländern 
jenseits  der  Alpen  wird  zunächst  schon  durch  die  Tatsache  erwiesen,  daß 
in  diesen  Ländern  häufig  genug  Waren  erwähnt  werden,  die  ihrer  Natur 
nach  nur  importiert  sein  können,  und  daß  für  diesen  Import  kaum  ein 
anderer  Weg  denkbar  erscheint  als  der  von  Italien  her.  Das  gilt,  um  nur 
einige  Beispiele  anzuführen  i),  von  den  kostbaren  Purpurstoffen  von  Tyrus, 
die  Bischof  Adalbero  von  Augsburg  908  dem  Kloster  St,  Gallen  schenkte, 
ebenso  wie  von  den  Gewürzen,  die  man  dem  Wein  zuzusetzen  liebte,  und 
dem  Pfeffer,  den  dasselbe  Kloster  nach  dem  Zeugnis  Ekkehards  (IV.)  für 
seinen  Haushalt  vom  Bodensee  her  zu  beziehen  pflegte.  Ein  arabischer 
Schriftsteller,  der  im  10.  Jahrhundert  Mainz  besucht  hatte,  drückt  sein 
Erstaunen  darüber  aus,  in  dieser  Stadt  des  Westens  Spezereien  wie  Pfeffer, 
Ingwer,  Gewürznelken,  Spikanarde,  Costus  und  Galanga,  die  im  fernen  Osten 
heimisch  seien,  in  großer  Menge  angetroffen  zu  haben;  und  nicht  minder 
lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung  ein  uns  erhaltenes,  wohl  noch  aus  dem 
gleichen  Jahrhundert  stammendes  Verzeichnis  von  Waren,  die  die  Kloster- 
verwaltung von  Corbie  an  der  Somme  für  ihren  Bedarf  in  der  Stadt  Cambrai 
einkaufen  zu  lassen  gedachte.  Abgesehen  von  600  Pfund  Wachs  befinden 
sich  darunter  an  Gewürzen:  Pfeffer  mit  120  Pfund,  Ingwer  mit  70,  Zimt 
mit  15,  Gewürznelken  mit  10,  Kümmel  mit  120  Pfund;  an  Räuchereien  und 
wohlriechenden  Stoffen <  Weihrauch  und  Mastix  mit  je  10  und  Myrrhen 
mit  3  Pfund;  dazu  zahlreiche  Heilpflanzen  wie  Galanga-  und  Costuswurzel 
mit  je  10  Pfund,  Salbeiblätter  usw.  2) 

An  einen  Bezug  dieser  Waren  etwa  vom  Schwarzen  Meere  her  und 
donauaufwärts  ist  um  so  weniger  zu  denken,  als  dieser  Weg  durch  das 
wilde  Volk  der  Magyaren  lange  Zeit  gänzlich  verschüttet  war.  Und  da  auch 
die  südfranzösischen  Häfen  in  unserer  Zeit  noch  nicht  in  Betracht  kamen  3), 
so  bleibt  nur  der  Import  von  Italien  her  übrig.  Insbesondere  wird  Venedig 
als  derjenige  Seehafen  betrachtet  werden  müssen,  der  der  Gunst  der  Ver- 
hältnisse nach  der  wichtigste  Ausgangspunkt  für  den  Export  insbesondere 
der  Waren  der  Levante   nach  den  Ländern  jenseits  der  Alpen  gewesen  ist. 

66.  Eine  ganz  andere  Frage  aber  ist  es,  wer  diesen  Export 
bewirkt  hat. 

Ohne  Umschweife  ist  dabei  vor  allem  festzustellen,  daß  es  nicht  möglich 
ist,  für  diese  ganze  Periode  eine  Spur  von  der  Anwesenheit  der  rührigsten 
italienischen  Kaufleute  der  Zeit,  der  Venezianer  oder  Amalfitaner,  in  den 
Ländern  jenseits  der  Alpen  zu  entdecken.  Dabei  fällt  für  die  Venezianer, 
an  die  ja  in  erster  Linie  zu  denken  wäre,  ganz  besonders  schwer  ins  Gewicht, 
daß  uns  die  von  ihnen  mit  den  deutschen  Herrschern  geschlossenen  Ver- 
träge bekannt  sind  und  daß  diese  Verträge  sich  ausschließlich  mit  dem 
Regnum  itali^um  befassen;    wenn  Venedig  irgendwelche  Handelsinteressen 

')  Hierzu  Heyd  I,  79  f.,  86,  90.  Jacob  G.  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus 
dem  10.  Jahrhundert.  Berlin »  1896  p.  15.  Schulte  I,  72  f.  Der  prächtige,  feine,  aus 
der  Zeit  des  Basilius  und  Constantinus  (um  1000)  datierte  Seidenstoff  im  Gewerbe- 
museum zu  Düsseldorf  ist  seinerzeit  wohl  durch  eine  Gesandtschaft  und  nicht  auf 
dem  Wege  des  Handels  nach  Deutschland  gekommen.  Näheres  über  diesen  bei 
Schlumberger  H,  629 ;  Abbildung  ib.  I,  293. 

*)  Istae  sunt  pigmentae  quas  ad  Camaracum  debemus  comparare  etc.  Le 
polyptyque  de  l'abbe  Irminon  M.  Guörard,  Paris  1844 :  Statuta  ant.  abbatiae  S.  Petri 
Corbeiensis  II,  337.     Heyd  I,  93.     Masson  132.     Schulte  I,  73  f. 

')  §  72  f. 


90  Siebentes  Kapitel. 

seiner  Untertanen  in  Deutschland  zu  vertreten  gehabt  hätte,  so  wäre  das  in 
diesen  Verträgen  irgendwie  zum  Ausdruck  gekommen,  besonders  in  den 
Verträgen  mit  Otto  III.  und  Heinrich  IV.,  die  unter  den  für  Venedig 
günstigsten  Bedingungen  abgeschlossen  worden  sind,  i)  Und  ähnliches  läßt 
sich  auch  von  Ferrara  und  Mantua  sagen,  denen  Heinrich  III.  im  Jahre  1055 
reichhaltige  Privilegien  verliehen  hat. 2)  So  sind  denn  für  Deutschland 
die  Spuren  einer  Tätigkeit  italienischer  Händler  daselbst  außerordentlich 
dürftig.  Wenn  uns  in  Regensburg  eine  Walengasse  (inter  Latinos)  begegnet, 
so  bleibt  selbst  zweifelhaft,  ob  dieser  Name  auf  eigentliche  Italiener,  auf 
die  romanischen  Walen  der  Schweizer  und  Tiroler  Alpen  oder  auf  Franzosen 
zu  beziehen  ist  (eine  Urkunde  hat  in  der  Tat  inter  Gallicos  statt  inter 
Latinos  für  die  gleiche  Straße) 3),  und  zweifelhaft  bleibt  auch,  ob  die  ent- 
sprechende Niederlassung  in  unserer  Periode  überhaupt  noch  fortbestanden 
hat.  Und  wenn  wir  für  diese  Zeit  nicht  nur  italienische  Kleriker  in  größerer 
Zahl  in  Deutschland  nachweisen  können,  sondern  auch  italienische  Lehrer, 
Maler  und  Baumeister 4),  so  fällt  die  Tatsache,  daß  uns  das  gleiche  für 
italienische  Kaufleute  nicht  möglich  ist,  nur  um  so  schwerer  ins  Gewicht. 
Daß  italienische  Händler  im  damaligen  Deutschland  vollständig  gefehlt 
hätten,  soll  damit  angesichts  der  Beschaffenheit  unserer  Quellen  noch  nicht 
behauptet  werden.  Eine  Spur  ist  es  immerhin,  was  Liutprand  von  Cremona 
erzählt,  daß  der  Schwabenherzog  Burkhard  (926)  «eine  Leute  in  Mailand 
in  dem  Glauben,  daß  ihn  niemand  von  den  sonst  Anwesenden  verstehe, 
öffentlich  deutsch  angesprochen  habe,  daß  unter  diesen  aber  ein  Händler 
mit  Tuchen,  der  Deutsch  verstand,  gewesen  sei,  der  den  Inhalt  seiner  Worte 
unverzüglich  dem  Erzbischof  weiter  berichtet  habe.^)  Das  legt  den  Schluß 
nahe,  daß  dieser  Tuchhändler  sich  die  Kenntnis  der  deutschen  Sprache  in 
seiner  Geschäftstätigkeit  mit  Deutschland,  zunächst  jedenfalls/  mit  dem 
oberen  Deutschland,  angeeignet  habe.  Nur  meine  ich,  wird  durch  einen 
solchen  einzelnen  Zug  der  Gesamteindruck  durchaus  nicht'^ufgehoben,  da. 
im  großen  und  ganzen  in  unserer  Zeit  von  einer  Handelstätigkeit  d 
Italiener  in  Deutschland  nicht  gesprochen  werden  kann. 

67.     Etwas    anders   ist   der  Eindruck,    wenn   wir  Frankreic 
mit  Burgund  ins  Auge  fassen. 

Im  Jahre  1074  ließ  König  Philipp  I.  von  Frankreich  auf  einer  aus 
vielen  Ländern  besuchten  Messe  seines  Königreichs  italienischen  Kauf- 
leuten bedeutende  Werte  (infinitam  pecuniam)  konfiszieren ;  Papst  Gregor  VII. 
aber  trat  in  zwei  an  Erzbischof  Manasse  von  Reims  und  die  französischen 
Bischöfe  gerichteten  Schreiben  und  einem  dritten  an  Herzog  Wilhelm  von 
Aquitanien  lebhaft  für  die  geschädigten  Kaufleute  ein  *») ;  seiner  Habsucht 
folgend  und  nicht  mit  irgend  welchem  Recht  habe  der  König  so  gehandelt 


')  §  3  f. 

')  §  60. 

ä)  Hegel  II,  383  f.     Erdmannsdörft'er  11  f.     Hirsch  I,    30   A.  4.     Heyd  I;' 
Goldschmidt  106  A.  37.     Schulte  I,  108. 

■»)  Köpke-Dümmler  203.     Breßlau  II,  343 ;  398  A.  3.     Derselbe    bei  Hirsch 
217.     Schulte  I,  110. 

')  Liutpr.  Antapod.  III  c.  14  (SS.  III,  306):  quidaua  istic  aderat,  quamquam 
pannosus  despectus,  eius  tarnen  loquelae  scius,  qui  horum  omnium  Lamperto  archi- 
praesuli  celer  factus  est  nuncius. 

6)  Jaffe  II,  p.  115,  132,  146  (10/9,  13/11,  8/12  1074).  J.  4878,  4891,  4905.  Meye: 
von  Knonau  II,  426,  435,  461. 


Das  Binnenland  zwiedicn  Alpen  und  Apenninen.  91 

selbst  die  Fabel  habe  bisher  von  einem  Könige  so  räuberische  Tat  noch 
nicht  gemeldet;  allen  ihren  Einfluß  sollten  sie  aufbieten,  damit  den  Kauf- 
leuten JErsatz  ihres  Schadens  zuteil  werde.  Einen  Erfolg  haben  diese 
Bemühungen  allerdings,  besonders  bei  der  wenig  entgegenkommenden 
Haltung  des  Erzbischofs  von  Reims,  nicht  gehabt.  Für  uns  ist  die  Fest- 
stellung die  Hauptsache,  daß  italienische  Kaufleute  damals  französische 
Messen  besucht  haben.  Und  zwar  ist  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich, 
daß  unter  dem  forum  quoddam  in  Francia,  von  dem  der  Papst  redet, 
die  Messe  Lendit  zu  verstehen  ist,  die  an  Stelle  der  älteren  Messe  von 
S.  Denis  im  Jahre  876  von  Karl  dem  Kahlen  begründet  worden  war  und 
alljährlich  am  zweiten  Mittwoch  des  Monats  Juni  begann;  auch  das  Datum 
des  ersten  Briefes  des  Papstes  (10.  September)  paßt  gut  zu  einem  Vorgang 
auf  dieser  Messe;  nach  dem  Zeugnis  des  Abtes  Suger  war  in  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  gerade  diese  Messe  bedeutend  und  altberühmt,  i) 
Die  spezielle  Heimat  jener  italienischen  Kaufleute  vermögen  wir  allerdings 
nicht  zu  ermitteln.  Nur  läßt  sich  wohl  sagen,  daß,  wenn  es  sich  um  Römer 
oder  Venezianer  gehandelt  hätte,  der  Papst  sie  auch  als  solche  bezeichnet 
haben  würde.  So  liegt  es  am  nächsten,  an  eine  oder  mehrere  der  lombardi- 
schen Binnenstädte  zu  denken.  Unter  diesen  können  wir  speziell  für  Asti 
nachweisen,  daß  seine  Bewohner  schon  in  dieser  Zeit  den  transalpinen 
Handelsverkehr  pflegten.  Wenn  Otto  HI.  in  seinem  Privileg  vom  19.  Juli  992 
dem  Bischof  von  Asti  ganz  allgemein  zugestanden  hatte,  daß  die  Kaufleute 
seiner  Stadt  befugt  sein  sollten,  überall,  wo  immer  sie  wollten,  unbelästigt 
Handel  zu  treiben 2),  so  wurde  in  dem  Privileg,  das  Kaiser  Konrad  H.  auf 
Fürsprache  des  designierten  Bischofs  Obert  den  Bürgern  von  Asti  am 
18.  Juni  1037  erteilte,  für  diese  Handelsfreiheit  in  erster  Linie  das  Tal  von 
Susa  namhaft  gemacht  und  hinzugefügt,  daß  sie  sich  über  alle  Täler  und 
Pässe  und  in  gleicher  Weise  über  Wege  in  den  Bergen  wie  in  den  Ebenen 
seines  Reiches  erstrecken  sollte  3);  nur  zur  Zahlung  der  von  Reichs  wegen 
bestehenden  Zölle  sollten  sie  dabei  verpflichtet  sein.  Kein  Zweifel,  daß  die 
Änderung  in  der  Fassung  der  beiden  Privilegien  auf  den  besonderen  Wunsch 
der  Astesanen  zurückzuführen  ist  und  daß  sie  damit  zusammenhängt,  daß 
Konrad  H.  auch  Herr  des  benachbarten  Burgund  geworden  war.  Als 
Haupthandelsweg  der  Astesanen  aber  ergibt  sich  danach  der  Weg  an  der 
Dora  Riparia  aufwärts,  der  sie  über  den  Mont  Cenis  nach  dem  mittleren 
und  nördlichen,  über  den  Mont  Genevre  nach  dem  südlichen  Frankreich 
führte^);    vielfach  wird  hierbei  wohl  Handel  mit  den  burgundischen  Grenz- 

*)  Nundinae  indicti,  in  platea  quae  Indictum  dicitur.  Vgl.  Huvelin  171,  266  f. 
Pigeonneau  I,  207  A.  3.  Nebenbei  bemerkt,  halte  ich  das  angebliche  Auftreten  lan- 
gobardischer  Kaufleute  am  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  auf  der  Messe  zu  S.  Denis, 
die  ihretwegen  eine  Verlängerung  auf  4  Wochen  erfahren  haben  soll,  für  einen 
Anachronismus  und  demgemäß  die  betreffende  Stelle  in  der  Urkunde  König  Dago- 
berts von  629  für  eine  Interpolation. 

*)  Xo.  99,  p.  510:  ut  negociatores  sue  civitatis  ubicunque  velint  habeant  licen- 
tiam  negociandi  sine  contradictione  alicuius  hominis. 

')  .  .  .  per  vallem  Secusiensem  et  per  omnes  valles  et  per  omnia  montanea 
et  per  vias  asperas  et  planas  .  .  .  totius  nostri  regni,  per  quas  ceteri  mercatores 
nostri  imperii  vitae  praesentis  solent  conquirere  subsidium  .  .  .  Chart.  I  p.  513. 
St.  2093.  Breßlau  11,  196  u.  474  f.,  wo  die  Echtheit  der  Urkunde  gegen  Stumpfs  Be- 
denken überzeugend  dargetan  ist. 

*)  AVie  z.  B.  Urban  II.  von  Asti  1095  über  den /Cenis  nach  Valence  und  1096 
von  Avignon  über  Forcalquier  und  den  Genevre  nach  Asti  gezogen  ist.  Meyer  von 
Knonau  IV,  456,  469. 


92  Siebentes  Kapitel. 

gebieten  besonders  in  Frage  gekommen  sein.  Außer  für  Asti  können  wir 
nur  für  Lucca  mit  ziemlicher  Sicherheit  behaupten,  daß  seine  Bewohner 
den  Handel  mit  Frankreich  selbsttätig  pflegten,  wenn  wir  uns  der  Verse 
des  Rangerius  erinnern,  die  seine  Landsleute  der  Nachahmung  französischer 
Sitten  beschuldigen  und  ihnen  vorwerfen,  daß  sie  es  vorzögen,  Stoffe  von 
der  Wolle  eines  fremden  Schafes  zu  tragen,  i)  Die  Annahme  wird  nicht  zu 
kühn  erscheinen,  daß  diese  Stoffe  wenigstens  zum  Teil  von  den  Lucchesen 
selbst  importiert  worden  sind.  Gab  es  doch  auch  sonst  manchen  Anlaß  für 
die  Italiener,  den  Verkehr  mit  Frankreich  zu  pflegen;  ein  Kloster  wie 
Fruttuaria  (1003  begründet)  war  mit  Besitzungen  auch  im  Burgundischen 
ausgestattet^),  und  die  berühmten  Wallfahrtsstätten  Frankreichs  wie  das  Kloster 
des  hl.  Martial  zu  Limoges  und  das  des  hl.  Martin  zu  Tours  übten  auch 
auf  die  sprachverwandten  Italiener  eine  nicht  geringe  Anziehungskraft 
aus  3),  während  wir  ähnüches  von  deutschen  Wallfahrtsstätten  nicht  hören. 

68.  Wenn  wir  zur  Ergänzung  dieser  Feststellungen  nunmehr 
nach  der  Tätigkeit  der  jenseits  der  Alpen  heimischen  Kaufleute  in 
Italien  fragen,  so  ergibt  sich  umgekehrt,  daß  wir  für  Deutschland 
eine  Reihe  entsprechender  Nachrichten  haben,  während  sie  für 
Frankreich  fast  ganz  fehlen. 

Schon  die  aus  der  Zeit  Karls  d.  Gr.  stammende  Empfehlung  eines 
fränkischen  Kaufmanns,  der  Waren  aus  Italien  zu  importieren  gedachte, 
durch  Alkuin  bei  dem  Bischöfe  von  Chur*)  weist  uns  darauf  hin,  daß  für 
den  Verkehr  mit  Italien  damals  die  Straße  über  den  Septimer  von  hervor- 
ragender Bedeutung  war.  Ekkehard  von  Sankt  Gallen  redet  zum  Jahre  917 
von  den  aus  Italien  in  ihre  Heimat  zurückkehrenden  Kaufleuten  5) ;  und 
der  Abt  seines  Klosters  erwirkte  am  12.  Juni  947  bei  Otto  d.  Gr.  die  Erlaubnis, 
in  dem  zu  seinem  Gebiet  gehörigen  Rorschach  am  Bodensee  mit  Rücksicht 
auf  die  nach  Rom  oder  überhaupt  nach  Italien  ziehenden  Reisenden  ß) 
einen  zugleich  mit  einer  Münzstätte  verbundenen  Markt  einzurichten;  alles, 
was  der  Markt  an  Zöllen,  Prägegebühr  oder  sonstigen  Einnahmen  brachte, 
soUte  dem  Kloster  zufallen.  Die  Stärke  des  Handelsverkehrs  auf  dieser 
Straße  beweist  es,  wenn  der  bischöflichen  Kirche  von  Chur  laut  kaiserlichem 
Privileg  aller  Zoll  verliehen  wurde,  der  in  altherkömmhcher  Weise  »von 
allen  Durchreisenden  und  von  allen  Seiten  herbeiströmenden  Käufern  und 
von  jeglichem  in  Chur  abgeschlossenen  Handelsgeschäft«  '^)  zu  erheben  war ; 


1)  Oben  §42. 

2)  Hirsch  I,  242,  387  f. 
')  Der  Mönch  vom  Lido,   der   die  Translatio  S.  Nicolai   verfaßt   hat,    kannte 

Tours  aus  eigener  Anschauung  und  erzählt  von  einer  Frau  aus  dem  Paduanischen, 
die  zum  hl.  Martin  pilgern  wollte.  Rec.  crois.  occid.  V,  288  f.  S.  Martin  und  S. 
Denis  hatten  Besitzungen  in  Italien;  Bestätigung  derselben  Dipl.  0 11  (15/10  980) 
no.  232,  233.  Hartmann  98.  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  beschweren  sich  die  Ka- 
noniker von  S.  M.  über  verschiedene  Markgrafen  propter  terras  b.  Martini  in  Italia. 
quas  injuste  tenebant.     Breßlau  I,  72  A.  3. 

*)  JafEe  VI,  709  no.  213.     Heyd  I,  89.     Huvelin  151    (hunc   nostrum   negocia 
torem,  Italiae  mercimonia  ferentem). 

»)  Ekkeh.,  SS.  H,  88.     ErdmannsdörfEer  8.     Gfrörer  I,  595. 

«)  .  .  .  mercatum   ibi   haberi   ad   Italiam  proficiscentibus  vel  Romam  pergen- 
tibus  esse  comodum.     Dipl.  0  I  no.  90,  p.  172. 

')  Ib.  no.  148,  p.  229  (12/3  952):  >omnem  teloneum  ab  iterantibus  et  undique 
confluentibus    emptoribus  atque   de   omni   negotio   in   loco  Curia   peracto,   de  quo 


Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen.  93 

auch  der  Transitzoll  für  das  schon  zum  Pogebiet  gehörige  Bergell  wurde 
in  Chur  gezahlt,  wie  wir  aus  dem  Privileg  von  960  erfahren,  das  dieses  Tal 
im  Austausch  gegen  Besitzungen  im  Elsaß  dem  Bischof  von  Chur  verlieh,  i) 
Wenn  Otto  II.  in  Beeinträchtigung  der  Ansprüche  von  Como  am  5.  Dezember 
980  auch  noch  den  von  den  Kaufleuten  an  der  Mairabrücke  bei  Chiavenna 
zu  erhebenden  ZoU  hinzufügte  2)  und  dem  Bischöfe  auch  den  Wächter 
dieser  Brücke  samt  seinen  Söhnen  und  den  andern  Hörigen  des  Königs  in 
Chiavenna  überwies,  so  hat  der  Bischof  diese  Verleihung  an  dem  für  den 
Verkehr  mit  Italien  besonders  wichtigen  Orte  freilich  nicht  lange  zu 
behaupten  vermocht.  3)  Nicht  ohne  Bedeu.tung  für  den  deutsch-italienischen 
Durchgangsverkehr  war  es  ferner,  daß  Otto  d.  Gr.  im  Jahre  955  der  bischöf- 
lichen Kirche  von  Chur,  um  sie  für  die  Verwüstungen  durch  die  Sarazenen, 
deren  Folgen  ihm  bei  seiner  Rückkehr  von  Italien  vor  Augen  getreten 
waren,  zu  entschädigen,  außer  dem  Königshofe  Zizers  auch  das  Recht 
verlieh,  ein  Schiff  auf  dem  Walensee  zu  halten"*);  selbst  der  besonders  von 
den  Juden  betriebene  Sklavenhandel  spielte  an  dieser  Hauptverkehrsstraße 
eine  Rolle;  nach  einer  Aufzeichnung  aus  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
bezog  der  Bischof  bei  jedem  Verkauf  von  Sklaven  an  der  Zollstätte  von 
Walenstad  2  Denare  pro  Kopf.  5) 

69.  Hatte  der  Handelsverkehr  über  den  Septimer  zunächst  das  Herz 
der  Lombardei  zum  Ziel,  so  liegt  für  den  Verkehr  der  deutschen  Kaufleute 
nach  Venedig  hin  ein  hervorragend  wichtiges  Zeugnis  in  dem  Vertrage  vor, 
den  der  Doge  im  Jahre  1001  mit  dem  Bischof  von  Treviso  abschloß.  In 
diesem  Vertrage  nämlich  nahm  der  Bischof  von  der  Verpachtung  des  Drittels 
der  Zolleinnahmen  im  Hafen  von  Treviso  an  Venedig  den  von  den  Deutschen 
zu  entrichtenden  Uferzoll  ausdrückhch  aus.  ß)  Behielt  der  Bischof  gerade 
diese  Einnahmequelle  sich  selbst  vor,  so  kann  sie  offenbar  nicht  gering 
gewesen  sein ;  der  Verkehr  der  Deutschen  mit  Treviso ,  auf  dessen  Markt 
die  Venezianer  eine  Hauptrolle  spielten,  und  wohl  auch  über  Treviso  mit 
Venedig  selbst  muß  danach  am  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  einen  nicht 
unbeträchtHchen  Umfang  gehabt  haben.  Kamen  die  deutschen  Kaufleute 
aber  über  Treviso,  so  müssen  sie  entweder  von  der  Etsch  und  Trient  her 
den  Weg  durch  Val  Sugana  genommen  haben,  oder  sie  kamen  vom  Pustertal 
her  das  Piavegebiet  abwärts;  und  so  fällt  auch  auf  das  Interesse  Venedigs 
an  dem  Vertrage  mit  Ceneda'^)  ein  weiteres  Licht,  da  letzterer  Weg,  den 
großen  Bogen  des  Piave  in  seinem  mittleren  Laufe  abschneidend,  über 
Serravalle  und  Ceneda  -  Conegliano  direkt  südwärts  führte.  So  wenig  die 
Venezianer  selbst  den  transalpinen  Handelsverkehr  pflegten,  so  waren  sie 
danach  doch  darauf  bedacht,  den  Zuzug  ihrer  deutschen  Abnehmer  zu 
erleichtern;   offenbar  war  Treviso  damals  einer  der  wichtigsten  Orte,  wo  im 


semper  consuetudo  fuerat  teloneum  exactandum. «  Dazu  das  Privileg  vom  16/1  958 
no.  191,  p.  273.    Vgl.  Köpke-Dümmler  199,  533.    Schulte  I,  63  f. 

1)  Ib.  no.  209,  p.  287. 

*)  .  .  .  omne  teloneum  de  ponte  Clavenasco  qui  factus  est  super  fluvium  Mai- 
ram nuncupatum,  sicut  regio  et  imperiali  juri  consuetudo  fuit  a  negotiatoribus 
hucusque  dari  etc.     Dipl.  0  n  no.  237,  p.  265.     Uhlirz  139. 

»)  Oben  §  59,  p.  134. 

*)  No.  175,  p.  257  (28.  Dez.). 

*)  Hierzu  und  zu  dem  Vorhergehenden  Schulte  I,  57,  61  ff.,  151. 

^)  .  .  .  excepto  solummodo  ripatico  de  illo  Theutonicorum.  Ughelli  V,  507. 
Oben  §  7. 

^  Oben  §  7. 


94  Siebentes  Kapitel. 

Handelsverkehr  mit  den  Deutschen  der  Umschlag  vom  Land-  auf  den 
Wasserweg  und  umgekehrt  erfolgte.  Doch  ist  es  als  bloßer  Zufall  zu 
betrachten,  daß  wir  von  dem  Wege  über  Verona  in  dieser  Zeit  noch  nichts 
hören.  Als  Symptom  für  den  Handelsverkehr  an  der  Brennerstraße  sei 
erwähnt,  daß  Bischof  Hartwig  von  Brixen  am  24.  April  1028  bei  Kaiser 
Konrad  H.  die  Übertragung  des  Besitzrechtes  an  den  Klausen  bei  Sähen 
mit  ihrer  Maut  und  den  sonstigen  Einkünften  an  das  unter  seiner  Verfügung 
stehende  Marienkloster  bei  Sähen  erwirkte,  i)  Und  wenn  auch  nicht  als 
Beweise,  so  immerhin  als  Indizien,  die  für  einen  Verkehr  deutscher  Kauf- 
leute in  Venedig  sprechen,  können  wir  es  ansehen,  daß  Otto  d.  Gr.  949 
einen  reichen  Kaufmann  aus  Mainz,  Liutfred,  dazu  ausersah,  den  griechischen 
Gesandten  Salomon  mit  reichen  Gegengeschenken  an  den  Hof  von  Kon- 
stantinopel zurückzubegleiten;  in  Venedig  traf  Liutprand,  als  Gesandter 
Berengars  von  Pavia  kommend,  mit  ihm  zusammen  2)  —  ferner,  daß  Thietmar 
von  Merseburg  die  nach  Sachsen  gelangte  Kunde  von  dem  Untergange 
jener  vier  großen,  mit  Spezereien  beladenen  venezianischen  Schiffe  in  seine 
Chronik  aufgenommen  hat  3);  für  eine  frühere  Zeit  hat  es  Rudolf  von  Fulda 
als  ein  unerhörtes  Naturereignis  verzeichnet,  daß  im  Jahre  860  so  starker 
Frost  eintrat,  daß  die  Kaufleute  ihre  Waren  auf  Pferden  und  zu  Wagen 
nach  Venedig  zu  bringen  imstande  waren.  *)  Auch  das  nicht  seltene  Vor- 
kommen von  Waren,  als  deren  Ursprungsland  mit  Sicherheit  Deutschland 
anzusehen  ist,  kann  hierher  gerechnet  werden.  Das  gilt  ganz  besonders  von 
den  Metallen,  deren  Abbau  seit  alten  Zeiten  in  den  Alpenländern  heimisch 
war;  wenn  auch  der  italienische  Teil  derselben  ebenfalls  Metalle  lieferte, 
so  war  sein  Reichtum  an  denselben  doch  nicht  entfernt  so  groß  wie  in 
den  für  Venedig  günstig  genug  gelegenen  deutschen  Teilen  der  Ostalpen. 
Wo  in  dieser  Zeit  Veranlassung  zur  Aufzählung  des  Vermögens  vornehmer 
Venezianer  war,  spielen  Metalle  ihre  Rolle.  So  führt  die  Verzichturkunde 
der  Witwe  des  Dogen  Pietro  Candiano  vom  September  976  außer  den 
Immobilien  auf:  Gold  und  Silber,  bearbeitet  und  unbearbeitet,  Kupfer, 
Eisen,  Zinn,  Blei,  Betten,  Waffen  usw.^),  und  das  gleiche  ist  in  zwei 
venezianischen  Teilungsurkunden  von  1038  und  1051  der  Fall.  *^) 

70.  Natürlich  wurden  Metalle  und  Wafien,  wie  nach  Venedig,  so  auch 
nach  anderen  Orten  Italiens  von  Deutschland  her  eingeführt;  auch  ritter- 
hche  Gebrauchsgegenstände  gehörten  zu  diesen  importierten  Artikeln,  da  wir 
durch  Ratherius  von  Verona  wissen,  daß  germanische  Zügel  und  sächsische 
Sättel  bei  den  Bischöfen  der  Lombardei,  von  denen  ja  auch  nicht  wenige 
deutscher  Herkunft  waren,  in  Gebrauch  waren. '^)  Pelzwerk  wie  Hermelin, 
Marder,  Wiesel,  Fuchs  kam  zwar  zum  Teil  auf  dem  Seewege  nach  Italien, 
wurde  zum  andern  Teil  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach   auch  auf  de 


1)  Hormayr  no.  14,  p.  44  f.     Bestätigungen  von  Heinrich  III.  (1040)  und  Hei: 
rieh  IV.  (1057)  ib.  no.  15  u.  17. 

»)  Liutpr.  Antapodosis  1.  VI,  c.  4,  6  (SS,  III,  338).     Köpke-Dümmler  172  f. 

»)  1.  Vn  c.  54  (SS.  ni,  860). 

*)  SS.  I,  373 ;  vgl.  Job.  diac.  116. 

6)  Ficker  IV  no.  29.  

^)  Baracchi  VI  (1873)  p.  313  u.  318.  Auf  eine  nicht  unbedeutende  EntwiCKe- 
lung  des  Gewerbes  der  ferrarii  im  damaligen  Venedig  läßt  auch  die  Urkunde  von 
1032  schließen ;  SS.  VH,  37  not.  Job.  diac.  175 ;  dazu  Breßlau  II,  261.  Die  Existenz 
einer  Zunft  der  fabri  geht  freilich  daraus  keineswegs  hervor,  wie  Gaudenzi  p.  11 
mit  Recht  bemerkt. 

T)  Heyd  I,  113.     Schulte  I,  74. 


Das  Binnenland  zwischen  Ali)en  und  Ajjenninen.  95 

Landwege  von  Deutschland  und  Ungarn  her  importiert ;  Rather  eiferte 
dagegen,  daß  GeistHche  an  Stelle  des  Priesterhutes  pelzgefütterte  ungarische 
Mützen  trügen,  während  Strohhüte  nach  sächsischer  Art  sie  im  Sommer 
gegen  die  Sonne  schützen  müßten,  i) 

Aber  auch  Erzeugnisse  der  Textilindustrie  wurden  von  jenseits  der 
Alpen  von  Nicht  -  Italienern  importiert,  wie  uns  der  aus  dem  Ende  des 
11.  Jahrhunderts  stammende  genuesische  Abgabentarif  gezeigt  hat.  2)  Für 
einen  Teil  dieser  WoU-  und  Garnstoffe  werden  wir  Ober-Deutschland,  wo 
jedenfalls  auch  jener  mailändische  pannosus  seine  Stoffe  einkaufte,  als 
Ursprungsland  anzusehen  haben  3),  während  ein  anderer  und  wohl  der 
größere  von  den  nordfranzösischen  Städten  her  seinen  Weg  nach  Genua 
fand.  Es  ist  die  einzige  Nachricht  aus  dieser  Zeit,  die  uns  mit  einiger 
Sicherheit  auf  die  damalige  Handelstätigkeit  französischer  Kaufleute  in 
Italien  schließen  läßt.  4)  Daß  König  Kanut  d.  Gr.  bemüht  war,  wie  den 
Pilgern,  so  auch  den  Kaufleuten  aus  England  und  seinem  nordischen  Reiche 
Erleichterungen  auf  ihrem  Wege  nach  Italien  zu  verschaffen,  haben  wir 
schon  erwähnt  5);  wenn  der  mächtige  Herrscher  zunächst  auch  nur  den 
Weg  nach  Rom  im  Auge  hatte ,  so  wird  für  die  Händler  schwerlich  Rom 
das  alleinige  oder  auch  nur  das  Hauptziel  ihrer  geschäftlichen  Tätigkeit 
gewesen  sein.  Und  wenn  wir  hören,  daß  Stephan  der  Heilige  eine  seiner 
Schwestern  nach  Venedig  vermählt  hat  6),  so  läßt  sich  die  Vermutung  schwer 
abweisen,  daß  zu  gleicher  Zeit  auch  Handelsbeziehungen  zwischen  Ungarn 
und  Venedig  bestanden  haben. 

71.  Im  allgemeinen  wird  es  nicht  zweifelhaft  erscheinen,  daß  der 
über  die  Alpen  gerichtete  Handelsverkehr  der  Fremden  mit  Italien  an  dem 
vielfachen  Verkehr  mit  der  Kurie,  an  den  Römerzügen  der  deutschen 
Herrscher,  an  den  nicht  seltenen  Familienverbindungen  zwischen  deutschen 
und  italienischen  Häusern,  dem  Vorhandensein  kaiserlicher  Klöster  in 
Italien,  der  großen  Zahl  deutscher  Bischöfe  auf  italienischen  Stühlen  eine 
starke  Stütze  fand  und  nicht  wenig  durch  ihn  befruchtet  wurde.  Ganz  be- 
sonders aber  wirkten  die  Pilgerfahrten  in  dieser  Richtung,  sei  es,  daß  sie 
Rom  und  andere  Wallfahrtsstätten  Italiens  selbst  zum  Ziele  hatten  oder  von 
italienischen  Häfen  aus  nach  dem  Heiligen  Lande  weiter  gingen.  Sie  waren  es 
auch,  die  dem  Herbergswesen  der  Zeit  zum  Teil  einen  kirchlichen  Charakter 
aufprägten.  Kein  Kloster  gab  es,  das  nicht  sein  Hospiz,  sein  Xenodochium 
gehabt  hätte,  das  in  erster  Linie  für  bedürftige  Pilger  bestimmt  war,  sicher 
aber  auch  anderen  Reisenden  Unterkunft  gewährte.     Von  hoher  Bedeutung 

')  Dresdner  363. 

2)  Oben  §48. 

^)  Über  die  in  Schwaben  gefertigten  roten  und  naturfarbenen  Stoffe  s.  den 
Conflictus  Ovis  et  lini  ed.  Haupt  (Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  XI,  1859,  p.  215  ff.) 
V.  195  ff.  Als  Heimat  des  Gedichtes  hat  Keutgen  neuerdings  Schwaben  epwiesen  ; 
<lie  Autorschaft  des  Mönchs  Hermann  von  Reichenau  (f  1054)  ist  danach  sehr  wohl 
möglich.  Vgl.  die  trefflichen  Ausführungen  Keutgens  im  p]xkurs  B  zu  seinem  Auf- 
satz über  den  Großhandel  im  Mittelalter:  Hansische  Geschichtsblätter,  Jahrg.  1901 
p.  1-34  ff. 

*)  Die  Nachricht  Flodoards  von  Reims  zu  951  (SS.  IH,  401):  »Saraceni  mea- 
tum  Alpium  obsidentes  a  viatoribus  Romam  proficiscentibus  tributum  accipiunt 
et  sie  eos  transire  permittunt,c  läßt  eine  Beziehung  auf  Handelsverkehr  nicht  er- 
kennen. 

»)  Oben  §  29. 

«)  Giesebrecht  P.  740. 


96         Siebentes  Kapitel.     Das  Binnenland  zwischen  Alpen  und  Apenninen. 

für  den  Handelsverkehr  waren  die  an  den  Hauptübergängen  über  die  Alpen 
Tind  Apenninen  errichteten  Klöster  und  Hospize,  vor  allem  die  am  M.  Cenis 
und  Großen  S.  Bernhard,  am  Septimer  und  M.  Bardone  (La  Cisa- Straße)  i) 
—  aber  was  für  diese  Durchgangspunkte  gilt,  die  der  Handel  überwinden 
mußte,  gilt  nicht  für  die  Orte,  die  zugleich  selbst  Handelsplätze  waren. 
Den  nationalen  Hospizen  in  Rom  2)  werden  wir  eine  größere  Bedeutung  für 
den  Handel  nicht  zuschreiben  dürfen,  und  das  gleiche  gilt  von  dem  unga- 
rischen Pilgerhause  zu  Ravenna,  dem  ausschließlich  für  nordische  Pilger 
bestimmten  Erichhospiz  bei  Borgo  San  Donnino  3),  dem  Schottenhospiz  von 
Vercelli*)  und  dem  Britenhospiz  der  hl.  Maria  in  Pavia,  das  zusammen 
mit  dem  Hospiz  des  hl.  Benedikt  in  Montelongo  (an  der  La  Cisa-Straße)  zu 
den  Besitzungen  des  Salvatorklosters  von  Brescia  gehörte.  0)  Sehr  bemerkens- 
wert ist  -die  Nachricht,  daß  in  Venedig  von  Staatswegen  für  die  Unterkunft 
der  Pilger  (und  damit  zugleich  wohl  auch  für  ihre  Überwachung)  gesorgt 
war.  Als  Abt  Guarin  vom  Kloster  S.  Michael  in  Cusa  (am  Canigou)  auf 
der  Rückreise  von  Rom  nach  Venedig  kam,  teilte  man  ihm  mit,  daß  der 
Doge  Peter  I.  Orseolo  verordnet  habe,  daß  kein  Privatmann  in  Venedig 
ohne  seine  besondere  Erlaubnis  einen  Pilger  beherbergen  dürfe;  er  selbst 
betrachte  sich  als  den  Wirt  alleT  Pilger  und  habe  sehr  große  Häuser  zur 
Aufnahme  von  arm  und  reich,  dazu  auch  ein  Hospital  errichten  lassen ;  Be- 
dürftige fänden  da  zugleich  die  für  ihren  Lebensunterhalt  notwendige  Unter- 
stützung. 6)  Auf  fremde  Kaufleute  scheint  sich  die  Einrichtung  nicht  bezogen 
zu  haben;  als  eine  Art  Vorläufer  der  späteren  Fondachi  erscheint  sie 
immerhin. 

I  An  allen  Orten  mit  etwas  größerem  Handels-  und  Fremdenverkehr 
bildete  unzweifelhaft  die  private  Beherbergung  die  Regel '^).  In  den  ersten 
Zeiten  des  11.  Jahrhunderts  sehen  wir  südfranzösische  Pilger  besserer  Art 
in  solcher  Weise  sowohl  in  San  Donnino  wie  in  Luni  unterkommen  s) ;  um 


^)  Genaueres  hierüber  namentlich  in  den  Schriften  vdn  öhlmann,  Schvilte  (I, 
80  ff.),  Schütte,  Jung ;  die  allgemeine  Verkehrsgeschichte  vermag  in  dieser  Zeit  mit 
sehr  viel  reicherem  Material  zu  arbeiten  als  die  speziellere  Handelsgeschichte.  Er 
wähnung  der  »hospitales  qui  per  calles  Alpium  siti  sunt  pro  peregrinorum  sus- 
ceptione«  schon  im  Cod.  CaroL,  M.  G.  Epp.  in,  623  (der  Zusammenhang  ergibt,  daß 
hier  die  Apenninen  gemeint  sind). 

2)  Oben  §  29. 

8)  Giesebrecht  P,  740.     Riant  59.     Schütte  32  f.     Jung  26. 

*)  Mandelli  H,  321  ff.     Auvray  2448. 

')  .  .  .  xenodochium  S.  Mariae  in  Papia  situm  quod  dicitur  S.  Maria  Brito- 
num.  Muratori  Ant.  VI,  344.  Mühlbacher,  Reg.  1206;  Verleihung  Ludwigs  11.  an 
seine  Gemahlin  Angilberga  (28/4  868). 

^)  Vita  b.  Petri  Urseoli  Ducis  Ven.  bei  Muratori  Antiqu.  III,  584 :  Dux  patriae 
huius,  qui  susceptor  est  omnium  Peregrinorum  huc  advenientium,  constituit  decre- 
tum,  ne  ab  aliquo  nostrorum  hospitetur  quilibet  Peregrinus,  nisi  ab  ipso  solo  vel  de 
eins  licentia.  Aedificatas  namque  habet  maximas  domos  hospitum,  simulque  xeno- 
dochium, in  quibus  Diyites  Pauperesque  hospitantur,  quibus  etiam  et  necessarium 
praebet  victus  Stipendium.  Durch  Guarin  bestimmt,  ist  der  fromme  Doge  bekannt- 
lich seinem  Amt  im  Jahre  978,  zusammen  mit  dem  Abt,  entflohen,  um  in  Cusa 
Mönch  zu  werden.     Uhlirz  193. 

^)  Gründungen   wie  die  des  hospitale  s.  Michaelis   de   burgo  Cremonae, 
im  Oktober  1000  den  Kanonikern  der  Stadt  geschenkt  wurde,  waren  sicher  nur 
Pilger,  Bedürftige  und  Kranke  bestimmt.     Cod.  Langob.  no.  989,  p.  1740. 

8)  Mirac.  S.  Fidis  p.  94:  Bevor  er  die  Seereise  antritt,  vertraut  RaimundusJ 
genere  divitiisque  clarissimus,  seinem  hospes  in  Luni  einen  Teil  seines  Geldes  an. 


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1 


4 


Achtes  Kapitel.     Süd-Frankreich  und  spanische  Mark.  97 

SO  mehr  haben  wir  das  gleiche  für  fremde  Kaufleute  anzunehmen.  Für 
Florenz  wu-d  ein  »oste«  zuerst  1065  urkundlich  erwähnt,  i)  Thietmar  von 
Merseburg  freilich  bricht  anläßlich  der  Rückkehr  Heinrichs  II.  aus  Italien 
im  Jahre  1014  in  bewegliche  Klagen  darüber  aus,  daß  die  deutsche  Gast- 
Hchkeit  in  Italien  unbekannt  sei,  daß  alles,  was  der  Fremde  begehre,  ge- 
kauft werden  müsse,  wobei  er  auch  noch  der  Übervorteilung  ausgesetzt  sei, 
ja  daß  nicht  wenige  tückischer  Vergiftung  zum  Opfer  fielen.  2)  Abgesehen 
von  der  Übertreibung  in  letzterer  Bemerkung  übersieht  der  sächsische 
Bischof  ganz,  daß  eine  Gastlichkeit,  wie  sie  das  damals  kommerziell  noch 
wenig  entwickelte  Mitteldeutschland  üben  konnte,  bei  dem  weit  stärkeren 
Fremdenverkehr  Italiens  von  vornherein  eine  Unmöglichkeit  war. 


Achtes  Kapitel. 

Süd -Frankreich  und  spanische  Mark. 

72.  In  der  Handelsgeschichte  der  französischen  Mittelmeerküste 
prägt  sich  der  im  9.  und  10.  Jahrhundert  eingetretene  Tiefstand  der 
Entwickelung  noch  schärfer  aus  als  in  der  italienischen. 

Schon  am  Ende  der  Regierung  Karls  d.  Gr.,  der  den  Arabern  die 
spanische  Mark  entrissen  hatte,  begann  die  Sarazenennot.  Wohl  organi- 
sierte der  Kaiser  den  Widerstand  des  Reiches  gegen  die  sarazenischen  Raub- 
schiffe auf  der  ganzen  Küstenstrecke  von  der  Ebro-  bis  zur  Tibermündung; 
dennoch  gelang  ihnen  im  selben  Jahre  813,  in  dem  Graf  Ermanger  von 
Ampurias  sie  auf  der  Höhe  von  MaUorka  schlug,  schon  die  Einnahme  und 
Ausplünderung  von  Nizza.  3)  Bewies  die  Angriffskraft  der  Sarazenen  eine 
solche  Stärke,  so  ist  es  bei  der  Schwäche  der  Nachfolger  Karls  und  den 
inneren  Wirren  im  Frankenreiche  um  so  weniger  zu  verwundern,  daß  das 
Unheil  je  länger  je  mehr  einen  geradezu  furchtbaren  Umfang  annahm.  Um 
die  Mitte  des  Jahrhunderts  brandschatzten  sie  zu  wiederholten  Malen  die 
ganze  Küste  der  Provence,  überfielen  838  Marseille,  drangen  842  und  850 
bis  Arles  vor  und  nahmen  852  Barcelona  ein  *),  während  griechische  Piraten 
im  Jahre  848  Marseille  ungestraft  verwüsten  konnten  und  dänische  Nor- 
mannen, die  Spanien  umsegelt  hatten,  sich  859  in  der  Camargue  an  der 
Rhonemündung   festsetzten  und  von  hier  aus  einige  Jahre  Plünderungszüge, 


»ut  mos  est  peregrinisc ;  206:  Zwei  französische  Kitter  übernachten  in  einem  hos- 
pitium  in  \dco  S.  Domnini ;  da  der  mulus  des  einen  verendet,  kauft  ihm  der  hospes 
das  Fell  des  Tieres  für  8  argentei  ab.  Als  das  Tier  schwer  erkrankt  war,  hatte  ihm 
der  Gefährte  geraten,  der  hl.  Fides  ein  Goldstück  (bisantem)  zu  opfern ;  das  schien 
nun  vergebens;  aber  unter  den  Händen  des  Schinders  schon  erweckte  die  Heilige 
das  Tier  wieder  zum  Leben,  und  die  ganze  Schar  der  Pilger  brach  in  Lobgesänge 
auf  die  Wundertäterin  aus. 

1)  Davidsohn  I,  770  A.  2. 

')  Lib.  Vn  c.  3 ;  omne  quod  ibi  hospites  exigunt,  venale  est  et  hoc  cum  dolo ; 
multique  toxico  hie  pereunt  adhibito. 

')  Einhardi  ann.  ad  a.     Vita  Karoli  M.  c.  17,     Ch.  de  La  Ronciäre  in  Moyen 
äge,  sär.  2,  1. 1  (1897),  207  f.     Pigeonneau  I,  88  ff.    Heyd  I,  92. 

*)  Dümmler  I,  193,  294,  344.     Poupardin  248. 
Schaute,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  7 


98  Achtes  Kapitel. 

/  

zur  See  bis  Pisa,  rhoneaufwärts  bis  Valence  unternahmen,  i)    Im  Jahre  870 

wagte  es  der  fränkische  Mönch  Bernhard  auf  seiner  Pilgerreise  schon  nicht 
mehr,  in  einem  französischen  Hafen  in  See  zu  gehen ;  immerhin  war  Papst 
Johann  VIII.  noch  in  der  Lage,  von  Genua  aus  nach  Arles  zu  fahren,  wo 
er  am  Pfingsttage  878  glücklich  landete.  2)  Und  wenig  später  hat  König 
Boso  von  Nieder-Burgund  (879 — 890)  der  Kirche  von  Arles  u.  a.  den  Hafen 
dieser  Stadt  mit  allen  von  den  Griechen  und  anderen  ankommenden  Per- 
sonen zu  erhebenden  Abgaben  verliehen.  3) 

Aber  das  Schlimmste  stand  noch  bevor.  Wahrscheinlich  gegen  Ende 
der  achtziger  Jahre  setzten  sich  spanische  Sarazenen  an  der  Küste  zwischen 
Hyeres  und  Frejus  fest  und  schufen  sich  landeinwärts  in  dem  Waldes- 
dickicht des  Mons  Maurus  (Chaine  des  Maures)  eine  feste  Position  (Fraxi- 
netum,  gewöhnhch  mit  La  Garde-Freinet  identifiziert),  die  sie  zum  Stütz- 
punkt unaufhörlicher  Streif-  und  Plünderungszüge  machten,  während  sie 
zugleich  die  See  beherrschten  und  die  Verbindung  mit  ihren  Landsleuten 
in  Spanien  beständig  festhielten.*)  Die  Provence  vor  allem,  aber  auch  ein 
großer  Teil  des  Dauphine  unterlag  seitdem  einer  beispiellosen  Verheerung, 
die  den  schHmmsten  Rückgang  der  gesamten  Kultur  des  Landes  zur  Folge 
hatte;  zeitweise  sind  auch  die  Magyaren  an  dieser  Verwüstung  beteiligt  ge- 
wesen, ö)  Der  Bischof  von  Marseille  bat  923  den  Erzbischof  von  Arles  um 
Land  für  sich  und  seine  Kanoniker,  da  sie  wegen  der  unausgesetzten  Ein- 
fälle der  Sarazenen  auf  dem  ihrigen  nicht  bleiben  könnten;  Erzbischof 
Ulrich  von  Aix  (928 — 947)  floh  vor  ihnen  nach  Reims  ^) ;  Bischof  und  Dom- 
kapitel von  Maguelone  verlegten  ihren  Sitz  zwei  Meilen  landeinwärts'^)  nach 
Substantion,  um  vor  den  Überfällen  der  Feinde  sicherer  zu  sein.  Daß  ein 
solcher  Zustand  der  Dinge  die  Vernichtung  des  südfranzösischen  Seehandels 
bedeutete,  liegt  auf  der  Hand;  die  Provence  wurde  zur  See  verteidigungs- 
unfähig. Vergebens  suchten  die  Griechen,  die  in  früherer  Zeit  als  die 
wichtigsten  Besucher  des  Hafens  von  Arles  erscheinen  und  danach  also 
wichtige  Handelsinteressen  in  der  Provence  zu  vertreten  hatten,  Hilfe  zu 
bringen;  wohl  erlitten  im  Jahre  931  die  Sarazenen  von  Fraxinetum  einmal 
von  einer  griechischen  Flotte  eine  empfindhche  Niederlage  8)  und  im  Jahre 
942  hätte  ihnen  die  kombinierte  Unternehmung  der  Seemacht  der  Griechen 
mit  dem  Landangriff  König  Hugos,    der  mit  dem   griechischen  Kaiser  ein. 


1)  Prudentü  ann.  (SS.  I,  443,  453  f.).  Chron.  Nemausense  (SS.  HI,  219).  Mühl- 
bacher 471.     Devic  et  Vaissete  in,  46.     Masson  129  f.     Poupardin  23  f. 

2)  Heyd  I,  92.     Masson  131.     Dümmler  HI,  79.     Mühlbacher  578. 

3)  .  .  .  portum  etiam  Arelatensem,  tarn  ex  Graecis  quam  ex  aliis  advenientP 
bus  hominibus,  necnon  et  teloneum,  simul  cum  moneta  etc.  Erhalten  in  der  rein 
formalen  Bestätigungsurkunde  seines  Sohnes  Ludwig  vom  1.  Februar  921 ;  Bouquet, 
Recueil  IX,  688,  wo  die  Urkunde  zu  920  gesetzt  ist.  Da  Ludwig  aber  Mitte  Fe- 
bruar zum  Kaiser  gekrönt  ist,  so  läßt  die  Angabe  des  20.  Jahres  Lud.  Augusti  keine 
Zweifel. 

*)  Liutprand  Antapod.  I  c.  1  —  4.  Dümmler  III,  317.  Oehlmann  IH,  205  flE; 
Breßlau  n,  25  A.  2.  Schulte  I,  59.  Poupardin  249  ff.,  257  ff.  Cipolla  in  Monum. 
Novalic.  n,  260  A.  2. 

')  Dussieux  E.,    Essai  bist,  sur  les  invasions  des  Hongrois  en  Europe  et  parj 
ticulierement  en  France.  2e  M.  Paris  1879.    Eey  E. :  Les  invasions  des  Sarrasins  e: 
Provence.     Marseille  1878.     Poupardin  214  ff.,  262,  267 ;  App.  370  ff. 

«)  Breßlau  U,  25  A.  4,  26.     Kiener  32  A.  56 ;  92  f.     Masson  131. 

')  Fabrege  I,  69. 

8)  Flodoard  ad  a.  (SS.  m,  379).     Köpke-Dümmler  114.     Poupardin  272. 


Süd-Frankreich  und  spanische  Mark.  99 

enges  Bündnis  geschlossen  hatte,  den  sicheren  Untergang  bereitet,  wenn 
nicht  Hugo  es  schmähhcherweise  vorgezogen  hätte,  mit  den  schon  be- 
siegten Sarazenen  einen  Vertrag  zu  schließen  und  sie  als  Hüter  der  Alpen- 
pässe gegen  seinen  Feind  Berengar  anzuwerben,  i)  So  vermochten  die 
Sarazenen  von  neuem  zu  erstarken.  Otto  d.  Gr.  hoffte  eine  Zeitlang,  durch 
den  Kalifen  von  Cordova,  Abderrahman,  mit  dem  er  in  diplomatischen 
Verkehr  getreten  war,  auf  die  Sarazenen  von  Fraxinetum,  die  diesen  als  ihr 
Oberhaupt  anerkannten,  einwirken  zu  können,  damit  sie  von  ihrem  räube- 
rischen Treiben  abließen  2);  seine  spätere  Absicht,  sich  durch  ihre  Vertrei- 
bung mit  Waffengewalt  ein  Verdienst  um  die  Christenheit  zu  erwerben,  ist 
nicht  zur  Ausführung  gekommen.  ^)  Es  waren  schließlich  doch  die  lokalen 
Gewalten,  denen  das  Werk  der  Befreiung  gelang.  Bei  der  mächtigen  Er- 
regimg, die  die  Gefangennahme  des  über  den  Großen  S.  Bernhard  heim- 
kehrenden all  verehrten  Abtes  Majolus  von  Cluny  durch  die  Sarazenen  im 
Juli  973  hervorrief,  gelang  es  dem  Grafen  Wilhelm  von  Arles,  ein  starkes 
Heer  zusammenzubringen ;  die  von  ihrer  Operationsbasis  allzuweit  entfernten 
Sarazenen  in  den  Alpen  wurden  geschlagen,  Fraxinetum  selbst  eingenommen 
und  zerstört  und  die  Übriggebliebenen  völlig  vernichtet.*) 

73.  Natürlich  konnte  sich  das  Land  von  dem  unsäglichen  Elend  nur 
sehr  allmähhch  erholen.  Vielfach  war  eine  völhge  Neubesiedelung  nötig; 
die  Gegend  von  Toulon  lag  unangebaut  da;  Frejus  war  gänzüch  zerstört; 
als  der  Bischof  seine  Herstellung  in  Angriff  nahm,  wurde  ihm  zum  Lohn 
die  Hälfte  der  Stadt  und  ihres  Gebiets  sowie  des  Hafens  imd  aller  Ein- 
künfte aus  demselben  verliehen.  &)  Dabei  waren  die  Küsten  noch  immer 
stark  gefährdet;  noch  beherrschten  die  Sarazenen  hier  das  Meer;  haben  sie 
doch  in  den  ersten  Dezennien  des  11.  Jahrhunderts  auch  Pisa  und  Sardinien 
noch  schwer  heimgesucht.  Die  auf  der  Insel  Saint-Honore  de  Lerins  bei 
Cannes,  die  Papst  Benedikt  VII.  als  wüstliegend  im  Jahre  978  dem  Abt 
Majolus  von  Cluny  überwiesen  hatte,  begründete  Abtei  wurde  1021  von 
spanischen  Sarazenen  ausgeplündert,  ß)  Etwa  zur  selben  Zeit  zogen  die 
Mauren  Andalusiens  mit  einer  starken  Flotte  gegen  Narbonne"^),  landeten 
zur  Nachtzeit  und  belagerten  es;  die  Bewohner  aber  befreiten  sich  durch 
einen  glänzenden  Ausfall,  bei  dem  sie  viele  Gefangene  machten;  20  durch 
besondere  Körpergröße  hervorragende  schenkten  sie  der  Abtei  S.  Martial 
von  Limoges;  der  Abt  behielt  zwei  derselben  als  Sklaven  des  Klosters, 
während  er  die  übrigen  unter  die  vornehmsten  der  gerade  aus  verschiedenen 
Ländern  anwesenden  Pilger  verteilte.  Als  Bischof  Arnaud  in  der  Mitte  des 
11.  Jahrhunderts  wieder  seinen  Sitz  in  Maguelone  nahm,  hielt  er  es  der 
sarazenischen  Gefahr  wegen  für  notwendig,   den  nahe  gelegenen  »sarazeni- 


1)  Liutpr.  Antapod.  V  c.  9,  14  fE.  Flodoard  zu  942.  Köpke-Dümmler  1 15,  134. 
Breßlau  U,  26.     öhlmann  III,  215.     Poxtpardin  256,  267,  272.     Gay  210,  223  f. 

')  Giesebrecht  P,  505 ;  506  ff. :  die  Gesandtschaft  Johanns  von  Gorze.  öhl- 
mann III,  219. 

")  Brief  Ottos  über  seine  Absicht  von  968 :  Widukind  LH  c.  70,  75.  Köpke- 
Dümmler  279,  344,  348,  435,  485. 

*)  Acta  SS.,  Mai,  U  p.  663;  SS.  IV,  651.  Köpke-Dümmler  485.  Breßlau  H, 
27.  Ohlmann  III,  222  fi".  (setzt  den  Vorgang  in  das  Jahr  972 ,  Poupardin  268  und 
273,  wohl  durch  einen  bloßen  Lapsus,  in  das  Jahr  983). 

6)  Kiener  93,  141. 

8)  Devic  et  Vaissete  lU,  250,  258.     J-L.  3796. 

')  Ademar  von  Chabannes  lU  c.  52  (SS.  IV,  139).     Port  72. 

7* 


100  Achtes  Kapitel. 

sehen  Hafen«,  wie  der  den  Strandsee  (ifetang  de  Villeneuve)  mit  dem  Meere 
verbindende  Kanal  (gradus)  schon  seit  dem  8.  Jahrhundert  hieß,  für  die 
Schiffahrt  unbrauchbar  zu  machen  und  ihr  einen  neuen  Kanal  weiter  im 
Osten  zu  eröffnen,  während  gleichzeitig  die  Insel,  auf  der  Maguelone  lag, 
durch  eine  lange  Brücke  über  den  See  mit  dem  Festlande  verbunden 
wurde,  i) 

Von  einem  Versuch  maritimer  Offensive  gegen  die  Sarazenen  finden 
wir  auch  während  des  ganzen  11.  Jahrhunderts  in  Süd-Frankreich  keine  Spur. 
Wenn  sich  die  Verhältnisse  in  dieser  Zeit  trotzdem  erhebhch  besserten,  so 
war  das  das  Verdienst  der  italienischen  Seestädte,  der  normannischen 
Eroberer  Unter- Italiens  und  der  spanischen  Christen.  So  vermochte  Süd- 
Frankreich,  nach  außen  leidlich  gesichert,  wirtschaftüch  einen  bedeutenden 
Aufschwung  zu  nehmen,  der  auch  auf  die  Seestädte  nicht  ohne  Rückwirkung 
geblieben  sein  kann.  Nur  kann  von  kommerzieller  Initiative  in  irgendwie 
größerem  Umfange  noch  nicht  die  Rede  sein,  und  es  wäre  grundfalsch,  sich 
das  damalige  Marseille  oder  Narbonne  als  große  Seestädte  vorzustellen.  2) 
Nicht  ohne  Grund  ist  das,  was  wir  vom  Seehandel  Süd-Frankreichs  in  dieser 
Zeit  hören,  so  überaus  dürftig. 

74.  Von  Marseille  wissen  wir  nichts  weiter,  als  daß  der  berühmten 
Abtei  S.  Victor  im  Jahre  1044  von  dem  Vizegrafen  von  Marseille  ein  Teü 
der  Hafeneinkünfte  geschenkt  worden  ist.^)  Die  um  1020  verfaßten  Mira- 
cula  S.  Fidis  (vom  Kloster  Conques  in  der  Landschaft  Rouergue)  erwähnen 
nicht  ein  einziges  Mal  eine  Fahrt  von  oder  nach  einem  südfranzösischen 
Hafen,  während  sie  doch  südfranzösische  Pilger  in  Italien  am  Golf  von 
Spezzia  in  See  gehen  lassen.  4)  Danach  läßt  es  auch  keinen  Rückschluß 
auf  einen  in  größerem  Umfange  betriebenen  Seehandel  zu,  wenn  wir  im 
Jahre  1079  den  Grafen  Peter  von  Melgueil  mit  seiner  Gemahlin  Almodis 
zugunsten  der  Kirche  von  Maguelone  auf  alle  Abgaben  verzichten  sehen, 
auf  die  sie  Anspruch  hatten  von  Schiffen,  die  an  der  Küste  ihres  Terri- 
toriums, an  ihrem  Hafen  oder  an  der  Insel  Maguelone  landeten.  ^)    Auf  be- 

»)  Fabrege  1,  110  f. 

*)  Wie  es  Pigeonneau  I,  103  tut:  Narb.  et  Mars.  .  .  .  ötaient  restees  de  grandes 
cites  maritimes.  Auch  seine  Ausführungen  über  den  damaligen  Seehandel  dieser 
Städte  entbehren  der  Grundlage.  Bei  der  Gelegenheit  seien  als  völlig  haltlose  Fabeln 
gekennzeichnet,  daß  Karl  d.  Gr.  um  800  die  ersten  überseeischen  Konsuln  nach  Pa- 
lästina geschickt,  daß  seit  813  die  Bürger  von  Marseille,  Avignon  und  Lyon  zwei- 
mal jährlich  Handelsfahrten  nach  Ägypten  unternommen  hätten,  daß  es  zu  Anfang 
des  11.  Jahrhunderts  eine  Kolonie  venezianischer  Kaufleute  in  Limoges  und  1069 
in  Frankreich  ein  consulat  sur  mer  gegeben  hätte.  Näheres  über  die  ersten  drei 
Punkte  :  Heyd  I,  91  Anm.  2 ;  92,  Anm.  2 — 4 ;  93  Anm.  4.  Die  letztere  Behauptung 
noch  1890  bei  Desjardins  A. :  Introduction  historique  ä  l'ätude  du  droit  commercial 
maritime  (Band  IX  des  Traitö  de  droit  etc.  p.  29). 

»)  Kiener  214  A.  260.  Marchand  stellt  wiederholt  (p.  4,  23,  36)  die  Behaup- 
tung auf,  daß  der  Handel  von  Marseille  mit  Syrien  und  der  Levante  überhaupt  nie 
aufgehört  habe ;  aber  irgend  einen  Beleg  dafür  hat  er  für  das  ganze  Vierteljahr- 
tausend vor  Beginn  der  Kreuzzüge  nicht  beigebracht.  Ähnlich  schon  de  Guignes  in  dem 
für  seine  Zeit  übrigens  durchaus  achtungs werten  Memoire  dans  lequel  on  examine 
quel  fut  l'ätat  du  commerce  des  Fran^ais  dans  le  Levant  .  .  .  avant  les  Croisades 
in :  Mämoires  ...  de  l'Acad.  R.  des  inscr.  et  belles-lettres,  XXXVH,  Paris  1774, 
p.  467—527 ;  und  Pardessus,  Coli.  I  p.  LXXVII. 

*)  Oben  §  39. 

')  Germain,  Commerce  I,  44.  Devic  et  Vaissete  II,  preuves  301,  313  f.  Fa- 
brege I,  173. 


Süd-Frankreich  und  spanische  Mark.  101 

trächtliche  Einnahmen  läßt  ein  solcher  bedingungsloser  Verzicht  sicher  auch 
nicht  schließen. 

Am  interessantesten  ist  ein  Vertrag,  den  um  dieselbe  Zeit  die  Ein- 
wohner von  Montpellier  mit  dem  Erzbischof  Peter  von  Narbonne  und  dem 
Vicecomes  der  Grafschaft  Narbonne,  Aimeric,  abgeschlossen  haben,  weil  er 
uns  che  primitiven  Verhältnisse  des  südfranzösischen  Seehandels  der  Zeit  so 
recht  vor  Augen  führt.  Die  von  Montpellier  versprechen  darin,  wenn  sie 
zu  Schiff  in  dem  von  Narbonne  selbst  nicht  unbeträchthch  entfernten  See- 
hafen (portus  de  Cabrela)  einlaufen  würden,  an  die  Zollerheber  (lesdalarios) 
des  Erzbischofs  und  des  Vicecomes  Meldung  von  ihrer  Ankunft  zu  schicken 
—  in  dem  Hafen  selbst  war  also  kein  ständiges  Zollamt,  ja  nicht  einmal 
ein  Organ  desselben  vorhanden.  Den  Zollerhebern  sollten  sie  dann  ihre 
Warenballen  (trosellos)  und  alle  sonstigen  etwa  zollpflichtigen  Waren  auf 
Verlangen  vorweisen,  worauf  sie  sich  mit  diesen  über  die  Höhe  der  zu  ent- 
richtenden Zollgebühren  zu  verständigen  hatten,  Erzbischof  und  Vice- 
comes verpflichten  sich,  die  so  erzielte  Verständigung  ihrerseits  bedingungs- 
los anzuerkennen,  und  versprechen  denen  von  Montpellier,  die  den  Zoll  in 
solcher  Weise  zahlten,  sicheres  Geleit  in  ihrem  ganzen  Gebiet  und  Macht- 
bereich, 1)  Nach  alledem  körinen  wir  über  den  Grund  nicht  mehr  zweifel- 
haft sein,  weshalb  in  dem  aus  dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  stammenden 
genuesischen  Abgabentarif  gerade  die  Südfranzosen  gänzlich  fehlen  2);  noch 
hatte  sich  ihr  eigener  Seehandel  nicht  so  weit  erholt,  um  außerhalb  des 
eigenen  Gebiets  mit  änderen  Handelsnationen  in  die  Schranken  treten  zu 
können. 

Von  der  auf  dem  Rhonestrom  betriebenen  Handelsschiffahrt  erhalten 
wir  Kunde  aus  einem  Vertrage,  den  Graf  Raimund  von  Toulouse  um  1070 
mit  dem  Erzbischof  Aicard  von  Arles  abschloß;  der  Graf  versprach  darin, 
die  Hälfte  des  gegenwärtig  vom  Grafen  Bertrand  usurpierten  Zolls,  der  von 
den  zu  Berg  fahrenden  Schiffen  in  Arles  erhoben  wurde,  wenn  es  ihm 
möglich  sei,  der  Kirche  von  Arles  wiederzuverschaffen.  Und  in  einer 
umfassenden  Schenkungsurkunde  für  S.  Victor  bei  Marseille  vom  Jahre  1094 
wurden  dem  Kloster  sämtliche  Schiffahrtsabgaben  bei  Avignon  von  den 
berechtigten  Inhabern  erlassen.  3) 

In  dieser  Zeit  müssen  auch  die  Messen  von  Frejus  und  dem  benach- 
barten Saint-Raphael  entstanden  sein,   die  vom  Bischof,   um  Fremde  heran- 


^)  Germain,  Commerce  I,  179  (Pieces  justif.  no.  1).  Liber  Instrum.  p.  281, 
no.  149.  Sonderbarerweise  hat  sich  der  Herausgeber  über  die  Kontrahenten  geirrt 
und  danach  das  undatierte  Stück  bezeichnet  als  >Accord  de  l'öveque  de  Mague- 
lone  Pierre  de  Melgueil  et  des  habitants  de  Montpellier,  au  sujet  de  la  leude 
de  Narbonne c.  Damit  hängt  zusammen,  daß  er  es  auf  den  Anfang  des  11.  Jahr- 
hunderts datiert,  als  Peter  Bischof  von  Maguelone  war.  Der  einzige  Erzbischof  von 
Narbonne  im  11.  Jahrhundert,  der  Petrus  hieß  (daß  er  selbst  sich  in  der  Urkunde 
nur  als  episcopus  bezeichnet,  darf  nicht  irreführen),  war  Petrus  Berengarii  zur  Zeit 
des  Kirchenstreites,  dessen  Erhebung  (1079)  die  Kirche  als  unkanonisch  verwarf; 
trotzdem  hatte  er,  gestützt  auf  den  Vicomte  Aymeri  I.,  der  sein  Neffe  war,  den  Bi- 
schofssitz tatsächlich  bis  1086  inne.  Vgl.  Molinier  bei  Devic  et  Vaissete  IV  p.  248 
und  Meyer  von  Knonau  III,  249,  363,  Petrus  episcopus  nennt  er  sich  auch  Gallia 
christiana  VI,  39. 

«)  Lib.  Jur.  I  no.  23.     Oben  §  48. 

*)  Devic  et  Vaissete  V,  584.  Cartulaire  de  l'abb.  de  Saint-Victor  de  Marseille 
^d.  Ciuerard  etc.  (Paris  1857)  H  no.  686,  p.  25  ff.     Kiener  174  f.,  227. 


102  Achtes  Kapitel. 

zuziehen,  mit  mancherlei  Freiheiten  ausgestattet  waren,  i)  Besonders  muß 
aber  die  Messe  von  Saint -Gilles,  die  in  dem  Feste  des  Schutzheiligen  am 
1.  September  ihren  Mittelpunkt  hatte,  schon  damals  um  so  größere  Bedeutung 
erlangt  haben,  als  das  Grab  des  Heiligen  eine  vielbesuchte  Pilgerstätte  war. 
Hat  sich  doch  Papst  Urban  H.  auf  seiner  denkwürdigen  Reise  im  Jahre  1095 
von  Le  Puy  aus  erst  zur  Feier  dieses  Festes  nach  dem  Kloster  des 
hl.  Ägidius  zurückbegeben,  bevor  er  sich  dann  wiederum  nach  Clermont 
wandte;  und  in  Saint -Gilles  sind  die  päpstlichen  Legaten  gelandet,  die 
Gregor  VH.  1084  von  Salerno  aus  nach  Frankreich  gesandt  hat.  2)  Nach 
diesem  Orte,  seiner  gewöhnlichen  Residenz,  nannte  sich  auch  der  mächtigste 
und  reichste  Herr  Süd- Frankreichs,  Graf  Raimund  von  Toulouse,  der  auf  dem 
Kreuzzuge  eine  so  wichtige  Rolle  spielen  sollte. 

75.  In  den  Anfängen  war  die  Entwickelung  einer  eigenen  Handels- 
tätigkeit auch  noch  in  der  Grenzmark  des  romanischen  Mittelmeer- 
gebiets gegen  Westen,  in  Katalonien,  das  sich  unter  seinem  tüchtigen 
Grafengeschlecht  den  sarazenischen  Nachbarn  gegenüber  trotz  viel- 
facher Gefährdung  mit  Tapferkeit  und  Glück  behauptete. 

Die  Usatici  von  Barcelona,  jenes  berühmte  Gesetzbuch  des  Grafen 
Raimund-Berengar  I.  von  1064  3),  zeigen  uns  mit  ihren  Bestimmungen  über 
getaufte  Sarazenen  und  Renegaten,  über  die  strafrechtliche  Stellung  sara- 
zenischer Sklaven  und  die  für  das  Wiedereinfangen  flüchtiger  Sarazenen 
ausgesetzten  Belohnungen  auf  das  deutlichste,  welche  große  Rolle  die 
Beziehungen  zu  den  Sarazenen  in  dem  gesamten  Leben  der  spanischen  Mark 
spielten.^)  Naturgemäß  bedrohten  strenge  Strafen  denjenigen,  der  den 
Sarazenen  in  Kriegszeiten  Waffen  oder  Lebensmittel  verkaufte  oder  ihnen 
das  Bevorstehen  eines  Kriegszuges  gegen  sie  verriet ;  umgekehrt  aber  wurde 
den  Untertanen  des  Grafen  auch  eingeschärft,  jeden  den  Frieden  im 
allgemeinen  oder  sicheres  Geleit  zu  Lande  oder  zur  See  betreffenden  Vertrag 
des  Fürsten  mit  den  Sarazenen  streng  zu  beobachten.  0) 

Zu  Lande  wie  zur  See  sollte  der  friedliche  Handel  sich  des  Schutzes 
der  Staatsgewalt  erfreuen.  Strenge  Strafandrohungen  sollten  den  Frieden 
der  öffentlichen  Straßen  (camini  et  strate)  jederzeit,  bei  Tage  wie  bei  Nacht, 
gewährleisten,  derart,  daß  jedermann  zu  Roß  oder  zu  Fuß,  Kaufmann  oder 
Gewerbetreibender  6),  sich  in  voller  Sicherheit  mit  aller  seiner  Habe  auf 
ihnen  sollte  bewegen  können;  auch  die  Bestimmung  sollte  die  Verkehrs- 
sicherheit erhöhen,  daß,  wer  mit  einem  anderen  unter  demselben  Dach 
Herberge  gefunden,  diesem  innerhalb  einer  Woche  nichts  Übles  antun 
dürfe,  '^)  Beständige  Freiheit  des  Handelsverkehrs  hatte  auch  Graf  Armengöl 
von  Urgel  schon  1029  für  seine  kleine  Bergstadt  verkündet;  gleichzeitig 
hatte  er  1/3   der  bisher  allein   zu  seinem  Nutzen   erhobenen  Markteinkünfte 


»)  Unten  §  450. 

»)  J.  5577.     Meyer  von  Knonau  IV,  457 ;  III,  560  f. 

3)  Neue  Ausgabe  in  den  Cortes  de  Cataluila  I,  10  if. ;  die  Rubrikenzählung 
weicht  z.  T.  von  der  älteren  Ausgabe  bei  Giraud  II,  466  ff.  ab. 

*)  Cortes  p.  15  rub.  21,  27  rub.  76  u.  78,  38  rub.  111. 

"*)  Ib.  p.  39  rub.  118,  p.  24  rub.  64 ;  de  pace  et  treuga  tenenda  Sarracenis  jussu 
principis. 

6)  .  .  .  tarn  mercerii  quam  negociatores.  Cortes  I,  23  rub.  63  (Giraud  rub.  62). 

')  Ib.  41  rub.  126. 


Süd-Frankreich  und  spanische  jV^ark.  103 

des  Ortes  dem  Domkapitel  überlassen,  i)  Auch  ein  Zug  aus  dem  praktischen 
Leben  tritt  uns  einmal  in  dieser  Zeit  entgegen;  ein  Handelsmann  aus 
Cardona  hatte  gelobt,  zum  Grabe  der  hl.  Fides  in  Conques  zu  wallfahrten, 
hatte  die  Ausführung  aber  wegen  der  Härte  des  Winters  verschoben  und 
die  Zeit  zu  einer  in  Gemeinschaft  mit  verschiedenen  Genossen  angetretenen 
Geschäftsreise  nach  Balaguer  bei  Lerida  benutzt ;  schon  war  er  nach  glücklich 
erledigtem  Geschäft  auf  der  Heimreise,  als  er  mit  seinen  Gefährten  in  die 
Gefangenschaft  der  Ungläubigen  geriet.  2) 

Für  den  Seehandel  kam  natürlich  Barcelona,  die  Hauptstadt  des 
Landes,  in  erster  Linie  in  Betracht.  Schon  in  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts 
einmal  von  den  Sarazenen  eingenommen  und  ausgeplündert,  erlag  es  ihnen 
zum  zweiten  Male  im  Jahre  985 ,  wo  der  siegreiche  Almansor  die  Stadt 
völlig  zerstörte,  während  die  Einwohner  getötet  oder  in  die  Sklaverei 
geschleppt  wurden.  3)  Doch  scheint  die  wiederaufgebaute  Stadt  unter  dem 
Schutze  der  Grafen  sich  rasch  genug  erholt  zu  haben;  in  der  zweiten  Hälfte" 
des  11.  Jahrhunderts  sehen  wir  die  Stadt  durch  ein  Hafenkastell  und  starke 
Befestigungstürme  geschirmt.  *)  Auf  den  Verkehr  Barcelonas  werden  wir 
es  in  erster  Linie  zu  beziehen  haben,  wenn  die  Usatici  die  rasche  Erledigung 
aller  Angelegenheiten,  bei  denen  Fremde  beteiligt  waren,  ausdrücklich  vor- 
schreiben 0);  auch  die  Stiftung  eines  Hospitals  durch  einen  reichen  Kauf- 
mann der  Stadt  im  Jahre  1009  deutet  darauf  hin.  6)  Sehr  stark  war  in 
Barcelona  das  jüdische  Element  vertreten'^),  das  wie  überall  so  auch  hier 
besonders  mit  Handelsgeschäften  befaßt  gewesen  sein  wird.  Auch  dem 
Seeverkehr  suchte  die  Gesetzgebung  Sicherheit  zu  gewährleisten ;  alle  Schiffe, 
die  nach  Barcelona  kamen  oder  Barcelona  verließen,  sollten  auf  der  ganzen 
Küstenstrecke  von  C.  Creus  bis  zum  Hafen  von  Salö,  also  im  ganzen  Macht- 
bereich der  Grafschaft,  bei  Tage  wie  bei  Nacht  unter  dem  besonderen 
Schutze  des  Grafen  stehen s);  wer  ihnen  Übles  zufügte,  sollte  gemäß  der 
durch  den  Grafen  vorzunehmenden  Feststellung  doppelten  Schadenersatz 
zu  leisten  und  den  gleichen  Betrag  zur  Strafe  an  den  Grafen  selbst  zu 
entrichten  gehalten  sein.  Eigene  Schiffe  des  Grafen  waren  in  Barcelona 
stationiert;  der  am  10.  Dezember  1080  zwischen  Raimund •  Berengar  und 
seinem  Bruder  Berengar  abgeschlossene  Teilungsvertrag  bestimmte,  daß  sie 
gemeinsamer  Besitz  sein  sollten,  derart,  daß  alle  erforderlich  werdenden 
Ausgaben  und  alle  aus  ihnen  fließenden  Einnahmen  (hoc  quod  Deus  ibi 
dederit)  zur  Hälfte  geteilt  werden  sollten;  auch  Neubau  oder  Ankauf  von 
Schiffen  sollte  in  derselben  Weise  auf  gemeinsame  Rechnung  erfolgen.  9) 
Mochten   diese  Schiffe   in   erster  Linie   auch  militärischen  Zwecken   dienen 


^)  Decerno  et  confirmo  ut  in  ipsa  sede  (Seo  d'Urgel)  cunctis  temporibus  ad 
negotiandum  gentes  occurrere  non  obmittant.  Petr.  de  Marca  p.  1047.  Capmany 
I,  2  p.  22, 

2)  Mi;-ac.  S.  Fidis,  App.  p.  242  f. 

^)  Oben  §  72.  Müller  A.,  Der  Islam  im  Morgen-  und  Abendlande.  Bd.  II 
(Berlin  1887),  562. 

*)  Fidel  Fita,  Barcelona  en  1079.  Su  castillo  del  puerto  y  su  aljama  hebrea; 
im  Boleti'n  43  (1903),  363  f.,  547  ff. 

»)  Cortes  I,  46  rub.  150. 

*)  Capmany  I,  2  p.  21. 

')  Fidel  Fita  1.  c.  364  f.,  3&7  f. 

8)  Cortes  I,  23  rub.  61  (Giraud  rub.  60). 

')  Prosjjero  de  BofaruU  y  Mascarö:  Los  Condes  de  Barcelona  vindicados 
(Barcelona  1836)  n,  114. 


104  Achtes  Kapitel.     Süd-Frankreich  und  spanische  Mark. 

und   namentlich  zu  Korsarenzügen    auf  Kosten    der  Sarazenen    verwendet 
werden,  so  ist  es  doch  wahrscheinUch,  daß  sie  von  ihren  Besitzern  gelegenthcl^™ 
auch  Handelsinteressen  dienstbar  gemacht  worden  sind.  JHj 

Von  einer  kommerziellen  Betätigung  Barcelonas  im  Ausland  wissen 
wir  aus  unserer  Periode  nur  so  viel,  daß  barcelonesische  Sklavenhändler  auf 
dem  Markt  von  Genua  eine  ständige  Erscheinung  waren,  i)  Ein  besonders 
reiches  Angebot  in  der  Menschenware  war  die  natürliche  Folge  der  fort- 
währenden Kämpfe  auf  der  iberischen  Halbinsel;  es  genügt,  für  diese 
Kämpfe  an  die  Cid-Romanzen  und  an  die  Eroberung  Toledos  durch  Alf ons  VI. 
von  Kastilien  im  Jahre  1085  zu  erinnern,  während  der  am  Ende  unserer 
Periode  von  Raimund-Berengar  unternommene  Versuch,  mit  Hilfe  italienischer 
Schiffe  Tortosa  zu  gewinnen,  zunächst  noch  scheiterte.  2) 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  23. 

2)  Oben  §  46. 


Zweiter  Hauptteil. 

Handel  der  Mittelmeer- Romanen  im  Zeitalter 
der  großen  Krenzzugsunternehmungen. 


n 


^ 


IS'euntes  Kapitel. 

Vorbemerkungen. 

76.    Der   Handelsgeschichte    eigentümliche    Quellen. 

Notarielle  Beurkundungen  einzelner  Handelsgeschäfte  hegen 
für  das  1 1 .  Jahrhundert  nur  ganz  vereinzelt  vor ;  die  ältesten  bisher  bekannten 
sind  zwei  venezianische  aus  den  Jahren  1072  und  1073.1)  Mit  dem  12.  Jahr- 
hundert wächst  die  Zahl  dieser  Urkunden  erheblich;  für  Venedig  haben 
besonders  Baracchi  und  Sacerdoti  aus  den  kirchlichen  Archiven  der  Stadt, 
die  noch  weitere  Ausbeute  erwarten  lassen,  Einzelurkunden  in  größerer 
Zahl  veröffenthcht,  während  für  Marseille  die  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts angehörigen,  von  Blancard  pubhzierten  Handelsurkunden  des  Hauses 
Manduel  (de  Mandolio)  ein  besonders  wertvolles  Material  bieten.  2) 

Wichtiger  noch  als  diese  einzelnen  Urkunden  sind  die  Notularien, 
die  die  Vorurkunden  oder  Imbreviaturen  der  Notare  über  die  von  ihnen 
zu  beurkundenden  Rechtsgeschäfte  der  Parteien  enthalten.  Das  älteste  und 
zugleich  am  längsten  bekannte  dieser  Notularien  ist  das  des  Genuesen  Johannes, 
des  scriba  communis,  dessen  der  Geschichtschreiber  Genuas,  Caffaro,  zum  Jahre 
1162  rühmend  gedenkt,  s)  Es  umfaßt  für  einen  Zeitraum  von  fast  zehn 
Jahren  (Januar  1155  bis  30.  August  1164)  mehr  als  1200  Nummern,  die  sich 
in  der  großen  Mehrzahl  auf  Handelsgeschäfte  beziehen.  Seit  50  Jahren 
gedruckt,  ist  es  zwar  für  die  Geschichte  des  Handelsrechts  vielfach,  für  die 
eigentliche  Handelsgeschichte  aber  noch  recht  wenig  ausgebeutet;  selbst 
Heyd  hat  nur  einen  sehr  beschränkten  Gebrauch  von  ihm  gemacht.  Die 
Publikation  dieser  wichtigen  Quelle  ist  sehr  unübersichtlich  und  einer  ein- 
dringenderen Benutzung  wenig  förderlich;  die  einzelnen  Nummern  des 
Notulariums  sind  nämlich  zusammen  mit  sonstigem  urkundlichem  Material 
für  die  Geschichte  Genuas  genau  nach  der  Zeitfolge  einem  der  Foliobände 
der  Monumenta  Historiae  Patriae  einverleibt  worden  *),  wo  sie  dann  für 
einige  Jahre  das  andere  Material  allerdings  völlig  erdrücken.  Für  die  Jahre 
1158  und  1160  weist  das  Notularium  191  und  196  Nummern  auf,  für  1159 
und  1162  (Jahre  kriegerischer  Verwickelungen  oder  Befürchtungen)  76  und 
82  Nummern;  nur  im  ersten  Jahre  1155,  in  dem  die  Praxis  des  Notars  noch 
nicht  recht  eingebürgert  sein  mochte,  beschränkt  es  sich  auf  29  Nummern. 


')  Sacerdoti  p.  20  f.     Oben  §  14. 

")  Blancard  I  p.  3—188 ;  dazu  p.  XV  ff. 

')  Ann.  genov.  I,  66. 

*)  Chartarum  tom.  II  (Turin  1853). 


108  Neuntes  Kapitel. 

Vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts  an  sind  solche  Notariatsakten  für 
Genua  in  wachsender  Fülle  erhalten,  vielfach  freilich  schwer  benutzbar, 
da  die  Protokolle  verschiedener  Notare  durcheinander  geraten  sind.  Einzelne 
interessante  Stücke  aus  diesen  Notularien  sind  hier  und  da  veröffenthcht, 
so  von  Doneaud,  Ferretto  und  in  größerem  Umfange  für  die  Geschichte 
des  ersten  Kreuzzuges  König  Ludwigs  IX.  von  Belgrano.i)  Aus  dem 
massenhaft  vorhandenen  Material  hat  man  früh  im  genuesischen  Archiv 
Auszüge  in  kurzen  Regesten  hergestellt,  die  natürlich  nicht  ohne  Mängel 
sind  und  vielfach  gerade  das  nicht  enthalten,  worauf  die  Forschung  Wert 
legen  muß,  so  brauchbar  sie  als  Wegweiser  sein  mögen ;  aus  diesen  Registern 
hat  besonders  Canale  häufig  geschöpft,  auch  seinerseits  nicht  selten  unter 
Mißverständnissen,  so  daß  seine  Angaben  aus  dieser  Quelle  mit  Vorsicht 
aufzunehmen  sind.  In  diesem  reichen  Material  des  genuesischen  Staats- 
archivs steht  der  Forschung  noch  ein  weites,  schwer  zu  bestellendes,  aber^j 
reiche  Frucht  verheißendes  Feld  offen.  2)  91 

Für  Marseille  liegt  aus  unserem  Zeitraum  nur  ein  solches  Notularium, 
aber  ein  besonders  wichtiges  in  dem  des  Notars  Amalric  (Giraudus  Amalrici) 
vor,  das  an  Reichhaltigkeit  den  Akten  des  Johannes  Scriba  nur  wenig 
nachgibt  (1031  Nummern),  dabei  sich  aber  nur  über  halb  so  viel  Monate 
erstreckt,  als  dieses  Jahre  umfaßt  (13.  März  bis  29.  Juli  1248).  Blancard  hat 
auch  dieses  Material  in  bequemer  Weise  der  Forschung  zugänglich  gemacht  3) ; 
manchmal  freilich  stellt  sich  der  Wunsch  ein,  statt  der  öfter  gewählten 
Regestenform  den  vollen  Wortlaut  zu  besitzen.  flj 

Weder  für  Venedig  noch  für  Pisa  noch  für  die  Binnenstädte  Italiens  ^' 
ist  bisher  das  Vorhandensein  solcher  Notularien  aus  der  Zeit  bis  zur  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  bekannt  geworden ;  dagegen  hat  v.  Voltelini  in  neuerer 
Zeit  zwei  solcher  Notularien  aus  Südtirol  veröffentlicht  *),  das  des  Tridentiner 
Notars  Obert  von  Piacenza  aus  dem  Jahre  1236,  587  Nummern  umfassend, 
mit  ganz  italienischem  Charakter,  und  das  des  Bozener  Notars  Jakob  Haas 
aus  dem  folgenden  Jahre  mit  385  Nummern,  das  rein  deutschrechtlichen 
Charakter  trägt,  aber  bei  den  engen  Beziehungen  Bozens  zu  dem  italienischen 
Sprachgebiet  auch  für  die  romanischen  Handelsverhältnisse  von  Wichtig- 
keit ist.  iSj 

Zu  diesem  Material  treten  noch  die  hauptsächlich  den  Geldbedarf  der  ™" 
Kreuzfahrer  betreffenden  Stücke  der  sog.  CoUection  Courtois^),  die  dringend 
einer  vollständigen  kritischen  Herausgabe  bedürfen.  Einzelne  Stücke  hieraus 
finden  sich  in  dem  von  genealogischen  Interessen  bestimmten  Werke  von 
Blancmesnil;  anderes  hat  Papa  d'Amico  in  den  Anmerkungen  und  im 
Anhang  seines  Buches  ohne  jede  Spur  von  Ordnung  und  mit  unglaublichen 
Lesefehlern  veröff enthebt ,  während  Röhricht  die  auf  den  Kreuzzug  von 
Damiette  bezüglichen  Stücke,  meist  allerdings  nur  in  Regestenform,  heraus- 
gegeben hat.  6)  ^ 

^)  S.  meine  Abh.  über   die  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in:    Jahrb.  f.  Nat.-' 
ök.  70  p.  604  f. 

^)  Wertvolle  Mitteilungen  hierüber  bei  Caro  II,  417  ff.  Sieveking  I  p.  X.i 
P.  Kehr:  Papsturkunden  in  Ligurien  in:  Götting.  Nachr.  1902  p.  171. 

8)  Blancard  I  p.  261  ff.  =  Amalric  no.  1—372;  II  p.  1  E.  =  Amalric  no.  373  ff.;; 
dazu  Blancard  I  p.  XLV  ff.  Zeitschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  II  (1894),  153. 

*)  Mit  ausführlicher  Einleitung  (CCXLIII  S.)  über  die  Geschichte  der  Nota- 
riats-Instrumente und  Imbreviaturen  überhaupt  vom   juristischen  Standpunkte  aus.j 

»)  Ms.  no.  17  803,  fonds  latin  der  Pariser  National-Bibl. 

8)  Köhricht,  Studien  p.  57—70 ;  dazu  p.  IV. 


Vorbemerkungen.  109 

77.  Von  Schriftstücken,  die  von  der  Hand  von  Kaufleuten  selbst 
herrühren,  besitzen  wir  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  nur  dürftige 
Beste.  Das  Vorhandensein  einer  kaufmännischen  Korrespondenz 
wird  für  den  Anfang  des  Jahrhunderts  u.  a.  von  Boncompagno  bezeugt  i) 
und  für  eine  noch  frühere  Zeit  durch  den  fingierten  Briefwechsel  in  einem 
Briefsteller 2)  noch  eindrucksvoller  erwiesen;  doch  sind  nur  unwesentliche 
Bruchstücke  wirklich  erhalten.  ^)  Dagegen  besitzen  wir  eine  Anzahl  arabischer 
Briefe  aus  Tunis,  die  aus  Anlaß  einer  gewaltsamen  Unterbrechung  des 
Verkehrs  am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  an  pisanische  Geschäftsleute 
gerichtet  worden  sind.  4) 

Ein  Überrest  kaufmännischer  Buchführung  hat  .sich  in  den 
Fragmenten  des  Handlungsbuches  einer  florentinischen  Wechslerfirma  s) 
vom  Jahre  1211  erhalten;  die  Ausgaben,  vom  sprachlichen  Interesse  dieses 
Denkmals,  das  zu  den  ältesten  der  italienischen  Volkssprache  gehört,  aus- 
gehend, haben  dem  Inhalt  bisher  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt. 

An  kaufmännischen  Unterweisungen  zu  Nutz  und  Frommen 
der  Standesgenossen  reichen  bis  in  unsere  Zeit  nur  kurze  Belehrungen  über 
Zeit  und  Gliederung  der  Champagner  Messen  zurück.  ^) 

In  gewissem  Sinne  kann  man  hierher  ziehen  den  1201  zuerst  ver- 
öffentlichten Liber  Abaci  des  Leonardus  Pisanus.  In  der  Geschichte  der 
Mathematik  hochberühmt,  ist  er  auch  für  die  Handelsgeschichte  von 
Wichtigkeit,  da  der  vielgereiste  Verfasser  seine  Beispiele  und  Aufgaben  in 
großer  Zahl  der  kaufmännischen  Praxis,  und  nicht  bloß  der  seiner  engeren 
Heimat,  entnommen  hat.  '^) 

Kaufmännische  Statuten,  die  aus  der  Zeit  bis  zur  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  selbst  herrühren,  sind  uns  nur  aus  Bologna  in  den  Statuten 
der  Viktualienhändler  (1242)  und  der  Wechsler  (1245)  erhalten  §);  andere 
reichen  mit  mehr  oder  minder  umfangreichen  Partieen  bis  in  diese  Zeit 
zurück;  zuweilen  stellen  uns  auch  in  jüngeren  Statuten  einzelne  datierte 
Bestimmungen  auf  festen  Boden.  9) 

NatürHch  enthalten  auch  die  städtischen  Statuten  und  Gesetzbücher 
nicht  wenig  auf  kommerzielle  Verhältnisse  bezügliches  Material,  worauf  hier 


1)  S.  meine  Abb.  >Ein  ital.  Km-sberichtc  in:  Z.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gescb.  V 
(1897),  250  ff. 

»)  Wattenbacb,  Iter  p.  79  if. 

3)  Z.  B.  Papa  d'Amico  p.  368  f.,  Röhricht,  Studien  p.  69,  no.  43.  Ein  Hinweis 
auf  solche  Korresjjondenz  auch  Chart.  II  no.  548  (von  1158):  si  mihi  breve  mi- 
seris  etc. 

*)  Bei  Amari,  Dipl.  arabi. 

')  Frammenti  etc.  ed.  Santini.  Auch  bei  Monaci,  E. :  Crestomazia  italiana  dei 
primi  secoli,  fasc.  1,  Cittä  di  Castello  1889.  Den  Namen  der  Firma  kennen  wir 
nicht,  da  die  zahlreichen  Angehörigen  oder  Angestellten  derselben  nur  mit  Vor- 
namen bezeichnet  sind. 

6)  Huvelin  p.  598  ff.     Fagniez  I,  170  no.  177. 

'')  Cantor  M.,  Vorlesungen  über  flie  Geschichte  der  Mathematik  11'  (Leipzig  1900) 
p.  5  ff.  Das  Jahr  1202,  das  das  Buch  an  der  Stirn  trägt,  ist  natürlich  das  pisanische 
und  umfaßt  somit  den  Zeitraum  vom  25.  März  1201  bis  24.  März  1202. 

*)  Stat.  Soc.  Bol.  n  ed.  Gaudenzi. 

*)  Erst  aus  dem  3.  Jahrzehnt  des  14.  Jahrhunderts  rühren  die  Stat.  antiqua 
merc.  von  Piacenza  her,  die  ihr  Herausgeber  Bonora  (in  den  Mon.  bist,  ad  prov. 
Parm.  et  Plac.  pertinentia)  mit  der  noch  immer  irreführenden  Jahrzahl  1200  ver- 
sehen hat. 


110  Neuntes  Kapitel. 

indessen  so  wenig  wie  auf  alle  anderen,  auch  der  allgemeinen  Geschichte 
dienenden  Quellen,  wie  z.  B.  die  besonders  wichtigen  Handelsverträge,  ein- 
gegangen werden  kann. 

78.  Die  im  Handelsverkehr  der  Zeit  gebräuchlichsten 
Vertragsf ormen. i)  Auf  dem  Gebiete  des  Fernhandels  kann  die  Unter- 
nehmung einzelner  Personen  mit  ausschließlich  eigenem  Kapital  als  seltene 
Ausnahme  angesehen  werden;  das  Bedürfnis  des  in  die  Ferne  ziehenden 
Unternehmers,  das  eigene  Anlagekapital  zu  vergrößern,  seine  Gewinnaus- 
sichten zu  erhöhen,  sein  Risiko  zu  verringern,  und  das  Anlagebedürfnis  des 
in  der  Heimat  verbleibenden  Kapitalisten  kamen  sich  entgegen  und  drängten 
zur  Assoziation.  Die  im  Seehandel  überwiegende  Vertragsform  war  die 
societas^),  auch  compagna,  in  Venedig  collegantia  genannt  (zu  coUega, 
wie  societas  zu  socius).  In  erster  Linie  handelt  es  sich  bei  dieser  societas 
maris  um  eine  für  eine  bestimmte  Handelsreise,  mit  mehr  oder  weniger 
festen  Reisezielen  und  mehr  oder  weniger  genauer  Bemessung  der  Zeitdauer 
abgeschlossene  GelegenheitsgeseUschaft,  deren  typische  Grundform  darin  be- 
stand, daß  der  nur  Kapital  einlegende  Gesellschafter  A  (der  socius  stans)  zu 
dem  Gesellschaftskapital  2/3^  sein  auf  die  Handelsreise  gehender  3)  Geschäfts- 
freund B  (der  socius  tractans)  Vs  beitrug,  während  nach  beendeter  Handels- 
reise der  Gewinn  zu  gleichen  Teilen  geteilt,  etwaiger  Verlust  aber  pro  rata 
getragen  wurde.  Naturgemäß  erfuhr  diese  feststehende  Grundform  bei  der 
Vielgestaltigkeit  der  Verhältnisse,  die  das  Leben  schafft,  nicht  selten  im 
Wege  des  Vertrags  Abänderungen,  und  dadurch,  daß  sowohl  der  reisende 
Kaufmann  wie  der  Kapitalist  derartige  GeseUschaftsverträge  oft  mit  ver- 
schiedenen Personen  eingingen,  daß  ferner  der  reisende  Kaufmann  sich 
gleichzeitig  auch  nicht  selten  bei  anderen  Unternehmungen  bloß  mit  Kapital 
beteiligte,  wurden  oft  recht  verwickelte  Gesellschaftsverhältnisse  geschaffen. 

Als  eine  bloße  Abart  dieser  societas-coUegantia  sah  man  es  nun  auch 
an,  wenn  der  socius  A  dem  B  eine  Summe  zu  Handelszwecken  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Höhe  des  von  diesem  sonst  mitgeführten  Kapitals  zu  gleicher 
kommerzieller  Verwendung  mit  diesem  anvertraute.     Man  konstruierte  nun : 


')  Goldschmidt  90  ff.,  254  ff.,  woselbst  auch  die  ältere  Literatur.  Neues  Ma- 
terial ist  beigebracht  besonders  durch  Sacerdoti  und  Besta  e  Predelli.  Neue  Lit. : 
Saleilles  A.,  Etüde  sur  l'hist.  des  societas  en  commandite,  in :  Ann.  de  droit  com- 
merc.  IXj  (Paris  1895)  p.  10  ff.,  49  ff.  Sacerdoti  p.  1  ff.  Arcangeli  A. :  La  commenda 
a  Venezia,  specialmente  nel  sec.  XIV  in :  Riv.  giur.  XXXUI  (1902),  107  ff.  Besta  E., 
H  diritto  e  le  leggi  civili  di  Venezia  fino  al  Dogado  di  Enr.  Dandolo.  Venedig  1900. 
Bosco  G.,  Partecipazione  ed  accomendita  nella  storia  del  diritto  ital.,  in :  Studi  e 
docum.  di  storia  e  diritto  XX  (1899)  p.  205  ff.  Für  mich  kann  es  sich  an  dieser 
Stelle  nur  um  eine  übersichtliche  Darstellung  zum  Zwecke  des  praktischen  Ver- 
ständnisses handeln. 

^)  Über  die  primitive  Form  der  Colonna,  die  nur  in  kleinen  Verhältnissen 
vorkam,  Goldschmidt  271.  Der  Ausdruck  Collegantia  wie  in  Venedig,  auch  in  Bari 
üblich ;  s.  E.  Besta :  II  diritto  consuetudinario  di  Bari  e  la  sua  genesi,  in :  Riv.  giur. 
XXXVI  (1903),  104  ff. 

')  In  tassedio,  taxidio  iens ;  dieser  dem  Griechischen  (ra^iSiop)  entlehnte  Aus- 
druck häufig  in  Pisa,  Süd-Italien  und  Venedig.  Gleichen  Ursprungs  das  pisanische 
hentica  (evd-T]xr],  Einlage),  z.  B.  Bonaini  II,  839  (Const.  Usus  tit.  5) :  socii  eiusdem  hen- 
tice  sive  societatis  maris,  wonach  die  Gesellschafter  auch  henticales  genannt  werden. 
Völlig  irrig  erklärt  Amat  di  San  Filippo  L.  Indagini  e  studi  sulla  storia  econ.  della 
Sardegna,  in  Miscell.  it.  39  (Turin  1903),  360  das  Wort  entica  mit  Magazin  und  will 
es  mit  Chintica,  dem  Namen  eines  pisanischen  Stadtteils,  zusammenbringen. 


Vorbemerkungen.  Hl 

A  hat  zu  dem  Gesellschaftskapital  alles  gegeben,  B  nichts  i);  hatte  er  bei 
der  Einlage  von  ^/s  Anspruch  auf  die  Hälfte  des  Gewinns,  so  hatte  er, 
wenn  er  nun  auch  das  letzte  Drittel  des  Kapitals  hergab,  folgerecht  An- 
spruch auf  ein  weiteres  Viertel  des  Gewinns,  während  dem  Traktator  das 
letzte  Viertel  des  Gewinns  verblieb,  den  er  mit  dem  ihm  anvertrauten 
Kapital  erzielt  hatte.  Diese  Nebenform  der  societas  ist  es,  die  unter  dem 
Namen  commenda  allgemein  bekannt  ist,  wobei  bemerkt  werden  muß, 
daß  die  venezianischen  und  pisanischen  Quellen  unter  commendacio,  acco- 
mendatio,  accomandisia  u.  dgl.  nicht  diese  Vertragsform,  sondern  das 
Depositum 2)  verstehen,  was  ja  bei  dem  zugrundeliegenden  Begriff  des  »An- 
vertrauens«,  »Übergebens«  sehr  begreiflich  ist.  Beide  Vertragsformen  können 
wir  in  venezianischen  Urkunden  direkt  schon  im  11.  Jahrhundert  nach- 
weisen, so  die  Collegancia  mit  dem  Einlageverhältnis  von  2  :  1  und  dem 
Gewinn  Verhältnis  von  1  :  1  in  Urkunden  von  1072  und  1073  3)  und  die  als 
commenda  bekannte  Form  in  einer  Urkunde  von  1083,  die  dem  Traktator  aller- 
dings nicht  1/4,  sondern  1/3  des  Gewinns  zuspricht ;  die  Modifikation  erklärt  sich 
daraus,  daß  der  Vertrag  zwischen  zwei  Brüdern  geschlossen  ist  und  daß  sich 
der  Traktator  im  Falle  des  Vollverlustes  doch  zur  Rückgabe  von  1/3  des 
Kapitals  verpflichtet.*)  Erwähnt  wird  die  collegantia,  die  ja  beide  Ver- 
tragsformen umfaßt,  schon  erhebüch  früher;  Waldrada,  die  Witwe  des 
Dogen  Pietro  Candiano,  entsagt  in  ihrer  Verzichturkunde  vom  September 
976^)  u.  a.  allen  Ansprüchen  »de  omni  collegantia,  rogadia^),  commen- 
datione,  prestito  atque  negotiis,  et  de  omni  ratione,  altercatione  etc.«  und 
diese  Wendungen  kehren  in  späteren  Urkunden  häufig  formelhaft  wieder.  '^) 
Soweit  das  uns  zu  Gebote  stehende  Material  eine  Beurteilung  zuläßt, 
herrscht  die  Form  der  societas  mit  beiderseitiger  Kapitalbeteiligung  bis  tief 
in  das  12.  Jahrhundert  hinein  durchaus  vor.  Allmähhch  aber  gewinnt  die 
commenda  mehr  und  mehr  an  Ausdehnung,  und  das  Marseiller  Notularium 
Amalric's  zeigt  uns  die  »comanda«,  wie  sie  hier  genannt  wird,  gegen  Ende 
unserer  Periode  in  solchem  Übergewicht,  daß  die  societas  maris  im  engeren 
Sinne  fast  völlig  verdrängt  ist.  Der  Grund  hierfür  ist  jedenfalls  in  der 
Schwerfälligkeit  der  letzteren  Form  zu  suchen,  die  dem  Traktator  in  bezug 
auf  die  Höhe   des   von    ihm  mitzuführenden  oder  von    anderen    zu    über- 


')  Besonders  bezeichnendes  Beispiel  bei-  Sacerdoti  p.  '27  (Mai  1138) :  accepi 
ego  ...  in  collegantia  de  te  .  .  .  1000  1.  den.  nostre  monete,  et  ego  nichil  jactavi  ad- 
versum  te. 

2)  Besta  e  Predelli  p.  222  (rub.  31),  Sacerdoti  p.  14.  Const.  Usus  tit.  34  (bei 
Bonaini  II,  931  f.).  Anders  in  Genua,  wo  für  den  Sprachgebrauch  besonders  die 
Urkunden  Chart.  II  no.  462  und  1370  belehrend  sind,  die  im  selben  Vertrage  eine 
societas  im  engeren  Sinne  und  eine  commendacio  enthalten. 

')  Sacerdoti  p.  20  f.  In  der  zweiten  Urkunde  liest  S.  p.  21 :  Prode  vero  quöd 
inde  Deus  dederit,  perfectam  medietatem  internes  dividere  debeamus.  Indes  ist 
zu  lesen :  per  fictam  medietatem,  mit  Bezug  darauf,  daß  es  sich  um  zwei  Schiffs- 
anteile (sortes  de  nave)  handelt,  im  Gegensatz  zu  dem  sonst  gebrauchten  »per  ve- 
ram  medietatemc 

*)  Ebd.  p.  22. 

*)  Ficker  IV,  39  no.  29.  Silberschmidt  W.,  Die  commenda  in  ihrer  frühesten 
Entwickelung  bis  zum  13.  Jahrhundert  (Würzburg  1884)  p.  37  flf.  Arcangeli  1.  c. 
p.  112  ff. 

*)  Übergabe  von  Geld  oder  Gut  an  einen  auf  die  Handelsreise  gehenden 
Kaufmann  zu  bestimmtem  Zweck  »ad  dampnum  et  utilitatem  rogantis  personae 
...  sine  utilitate  portantis«.     Arcangeli  p.  123  ff.,  126. 

^)  Z.  B.  Baracchi  VI  (1873),  312,  318  (Urkunden  von  1038  u.  1051). 


112  Neuntes  Kapitel.  :^^^mi 

nehmenden  Kapitals  lästige  Beschränkungen  auferlegte,  während  die  Pweq 
der  commenda,  wenn  sie  anfangs  vielleicht  auch  die  Mitführung  eigenen 
Kapitals  durch  den  Traktator  ausschloß,  jedenfalls  mit  der  Beseitigung  dieser 
Fessel  dem  Unternehmer  die  wünschenswerte  Bewegungsfreiheit  gewährte  i), 
ohne  den  socius  stans  einem  größeren  Risiko  auszusetzen ;  eine .  Sache  des 
persönhchen  Vertrauens  blieb  die  Hingabe  des  Kapitals  in  beiden  Fällen, 
wobei  zu  berücksichtigen  ist,  daß  die  auf  dem  gleichen  Schiff  unternom- 
menen Handelsfahrten  vielfach  ganz  von  selbst  zu  einer  Art  gegenseitiger 
Kontrolle  der  Landsleute  führen  mußten. 

Weit  weniger  häufig  als  diese  Gesellschaftsverträge  war  das  aus  dem 
Altertum  überkommene  Seedarlehn^),  das  nicht  gegen  einen  Anteil  am 
Gewinn,  sondern  gegen  eilten  fest  vereinbarten  Zins  gegeben  wurde,  wobei 
der  Geldgeber  aber  die  Seegefahr  trug.  Für  die  Höhe  der  Seezinsen  im 
allgemeinen  gibt  es  einen  Anhalt,  daß  sie  nach  dem  pisanischen  Gesetzbuch 
im  12.  Jahrhundert  für  Handelsfahrten,  die  für  Hin-  und  Rückreise,  Vor- 
bereitung und  Abwickelung  des  Geschäftes  etwa  den  Zeitraum  eines  Jahres 
erforderten,  wie  es  bei  den  Fahrten  nach  der  Levante  der  Fall  war,  wenn 
nichts  Besonderes  abgemacht  war,  35  %  betrugen  s) ;  der  reisende  Kaufmann 
rechnete  also  bei  einer  Handelsfahrt  dieser  Art  auf  etwa  50%  Gewinn.^ 
Übrigens  macht  sich  ein  Einfluß  der  Gesellschaftsverträge  auch  bei  der  Ge« 
staltung  des  Seedarlehns  insofern  geltend,  als  man  den  Seezins  nicht  vöUig 
starr  in  seiner  Unabhängigkeit  vom  erzielten  Gewinn  beließ,  sondern  unter 
Umständen  eine  Ermäßigung  desselben  vorsah.  4)  In  seinem  Dekretale 
»Naviganti  vel  ad  nundinas  eunti«  verbot  Gregor  IX.  das  Seedarlehn  als^ 
wucherisch,  ohne  es  damit  aus  der  Praxis  verdrängen  zu  können;  um  dei 
Verbote  äußerlich  zu  genügen,  stellten  die  Notare  den  Vertrag  nunmehr  vor-| 
wiegend  als  Wechselgeschäft  dar.  5) 

Endlich  kam  es  noch  bei  überseeischen  Handelsunternehmungen  vor, 
daß  ein  Kapitalist  eine  in  seinen  Diensten  stehende  Person  verwendete  und 
diese  am  Gewinn  beteiligte  oder  ihr  außer  vollem  Unterhalt  einen  festen 
Lohn  zusicherte.  6)  hi 

79.  Alle  diese  Vertragsformen  begegnen  nun  -auch  im  Handels  J^j 
verkehr  zu  Lande.  Das  foenus  quasi  nauticum  findet  sich  nur  ziem- 
hch  selten'^);  die  societas  (compagna)  de  terra  zeigt  gegenüber  der  societas 
maris  einige  Unterschiede.  8)  Waren  beide  Parteien  am  Gesellschaftskapitallj 
beteiligt,  so  legten  sie  im  Verhältnis  von  3  :  1  ein ,  während  der  Gewinn 
auch  hier  halbiert  wurde ;  dementsprechend  bezog,  wenn  commenda  vorlag, 
der  Commendageber  nicht  3/^,  sondern  nur  2/3  des  Gewinns,  während  dem 
Traktator  hier  1/3  zufiel.    In  dieser  veränderten  Gewinnbeteiligung  kam  die 


als^ 
3n« 

il 


1)  Bei  Amalric  (1248)  in  den  Comandaverträgen    sehr  häufig  die  Formel :    me 
recepisse  x  libras  .  .  .  implicatas  in  comunibus  implicitis  meis ;  häufig  auch  wird  diej 
anvertraute  Ware  mit  dem  bei  der  Abrechnung   zugrunde   zu    legenden  Preise   an-l 
gegeben. 

*)  Goldschmidt  p.  345  ff.    Meine  Abh, :  Der  Versicherungsgedanke  in  den  Ver 
trägen   des  Seeverkehrs   usw.,   in;   Zeitschr.   f.  Soz.   u.   Wirtschaftsgesch.  II   (1894)j| 
165  ff. 

3)  Const.  Usus  tit.  25  (Bonaini  n,  905). 

*)  Ebd.  tit.  24,  p.  900  f.,  902 :  ac  si  revera  socius  esset. 

*)  So  immer  im  Notularium  Amalric's.     Das  Verbot  Decr.  Greg.  V,  19,  9. 

8)  Beispiele :  Chart.  11  no.  302,  719,  1470  (Michael,  qui  stetit  cum  Stabili). 

T)  Unten  §  304. 

8)  S.  besonders  Const.  Usus  tit.  23  u.  26  (Bonaini  H,  897  ff.,  906). 


Vorbemerkungen.  113 

Tatsache  zum  Ausdruck,  daß  das  Risiko  bei  Handelsfahrten  zu  Lande  für 
den  Kapitalisten  geringer,  die  Mühewaltung  des  reisenden  Kaufmanns  in 
mancher  Beziehung  größer  war  als  bei  maritimen  Unternehmungen. 

Die  offene  Handelsgesellschaft,  durch  die  gemeinsame  Arbeit  ihrer  Mit- 
glieder im  Dienste  der  Gesellschaft  gekennzeichnet,  begegnet  zwar  verhältnis- 
mäßig früh  gelegentlich  auch  im  Seehandel  i),  hat  aber  ihre  eigentliche 
Ausbildung  nicht  im  Zusammenhange  mit  diesem  erfahren.  Am  häufigsten 
findet  sie  sich  ursprünglich  als  Hausgemeinschaft,  wenn  Vater  und  Söhne 
und  nicht  selten  auch  weitere  Familienmitglieder  in  Erwerbsgemeinschaft 
verbleiben,  sei  es  daß  das  Gesellschaftskapital  ungeschieden  bleibt  oder  sich 
aus  Anteilen  der  Mitglieder  in  verschiedener  Höhe  zusammensetzt.  Bald 
dehnte  sich  diese  Gesellschaftsform  auch  auf  weitere  Kreise  aus,  wenn  der 
ursprüngliche  Kern  auch  meist  auf  einem  Verwandtschaftsverhältnis  be- 
ruhte. 2)  Besonders  in  den  Binnenstädten  Toscanas  begegnet  etwa  seit  dem 
Anfange  des  13.  Jahrhunderts  die  Bildung  solcher  aus  oft  sehr  zahlreichen 
Personen  zusammengesetzten  Handelsgesellschaften,  die  formell  meist  nur 
auf  kürzere  Zeit  geschlossen  sind,  nach  deren  Ablauf  die  Abrechnung  unter 
den  mit  verschiedenen  Einlagen  beteiligten  Mitgliedern  und  damit  zugleich 
die  formelle  Neukonstituierung  der  Gesellschaft  erfolgt.  Die  Tätigkeit  zahl- 
reicher Personen,  von  einem  Chef  zu  gemeinsamem  Zweck  geleitet,  wie 
verschieden  nach  Ort  und  Art  die  einzelnen  Unternehmungen  auch  sein 
mochten,  sicherte  diesen  Gesellschaften  einen  erheblichen  geschäftlichen 
Vorsprung ;  die  großen  Handelshäuser  von  Siena  und  Florenz  sind  auf  dem 
Boden  dieser  Gesellschaftsform  erwachsen. 

80.  Zahlungsmittel.  Im  12.  Jahrhundert  zeigt  das  System  der 
Zahlungsmittel  bei  den  Mittelmeer-Romanen  nur  eine  sehr  geringe  Ent- 
wickelung.  Die  einzige  heimische  Münze,  die  in  Ober-  und  Mittel-Italien  wie 
in  Süd-Frankreich  zur  Ausprägung  gelangte,  war  der  Denar  und  der  halbe 
Denar,  obolus  oder  medaha  genannt.  Wie  die  Münze  selbst,  so  ging  auch 
die  übHche  Münzrechnung  auf  die  karolingische  Zeit  zurück;  die  libra 
denariorum  wurde  zu  20  (ungeprägten)  Solidi  und  240  Denaren  gerechnet. 
Natürlich  hatte  dieses  Münzrechnungspfund  mit  dem  Gewichtspfund  längst 
nichts  mehr  zu  tun;  es  bezeichnete  überall  nur  das  240 fache  des  Denars. 
Und  diese  Denare  zeigten  unter  sich  je  nach  den  Münzstätten  beträchtliche 
Verschiedenheiten,  da  der  Rückgang  an  Gewicht  und  Feingehalt,  den  sie 
alle  erlitten,  ein  sehr  verschiedener  war;  nebeneinander  standen  in  Ober-Italien 
die  Denare  von  Pavia,  Mailand,  Verona- Venedig,  in  Mittel-Italien  die  von 
Lucca,  in  Süd-Frankreich  die  von  Melgueil  u.  a.  Im  Laufe  des  Jahrhunderts 
mehrte  sich  die  Zahl  der  Münzstätten  durch  kaiserliche  Verleihung  des 
Münzrechts  an  die  Städte  erheblich;  so  erhielten  unter  Konrad  III.  Genua, 
Pisa,  Asti    und  Piacenza    das  Münzrecht,    unter   seinem    Nachfolger   kamen 


^)  Ältestes  Beispiel  eine  in  Konstantinopel  aufgenommene  venez.  Urkunde 
vom  Februar  1150  (Sacerdoti  p.  27  f.) ;  der  eine  legt  758,  der  andere  508  perperos 
novos  ein  »cum  quibus  omnibus  debebant  negociari  in  omnibus  partibus  sicut  eis 
bonum  videretur  et  in  illorum  comuni  periculo,  et  quicquid  Dominus  eis  daret,  de- 
beret  dividi  inter  eos  secundum  bizantios«.  Nur  diese  Form  wurde  in  Venedig  als 
compagnia  bezeichnet.     Weitere  Beispiele  von  1160  und  1179  ebd.  31  u.  33  f. 

*)  Näheres  Goldschmidt  p.  271  ff.  Const.  Usus  tit.  21 :  de  societate  inter  pa- 
trem  et  filium  et  inter  fratres  facta ;  tit.  22 :  de  societate  inter  extraneos  facta  (Bo- 
naini  n,  876  ff.).  S.  auch  Schmoller :  Die  geschichtl.  Entwickelung  der  Unterneh- 
mung, in  seinem  Jahrb.  XVI  (1892)  p.  92. 

Schaube,  Handelsgescbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  8 


114  Neuntes  Kapitel. 

Cremona,  Brescia,  Siena,  dem  es  allerdings  1186  noch  einmal  entzogen 
wurde  1),  unter  Heinrich  VI.  1191  Bologna  hinzu.  Um  1165  etwa  war  der 
Metallwert  der  in  Ober-  und  Mittel-Italien  kursierenden  heimischen  Münzen 
etwa  folgender 2):  bei  den  imperiales  (in  Mailand,  zeitweise  in  Cremona 3) 
geprägt,  auch  als  mediolanenses  veteres  bezeichnet)  16  Pf.,  den  Denaren  von 
Lucca  (denen  die  von  Pisa  gleich  waren)  11,  von  Genua  91/2,  den  medio- 
lanenses novi  wie  denen  von  Cremona  und  Brescia  8  und  den  Denaren  von 
Pavia  6  Pf.'*),  während  die  venezianischen  und  veronesischen  nur  wenig 
später  5)  einen  Metallwert  von  kaum  2^/4  Pf.  hatten.  Zur  rechten  Beur- 
teilung dieser  Zahlen  wird  man  sich  gegenwärtig  halten  müssen,  daß  die 
Kaufkraft  des  Geldes  in  damaliger  Zeit  eine  völlig  andere  und  sehr  viel 
höhere  war  als  gegenwärtig,  wo  sie,  selbst  wenn  wir  nur  ein  halbes  Jahr- 
hundert zurückgehen,  einen  außerordentlichen  Rückgang  zeigt.  Auffallend 
ist,  wie  sehr  es  an  geeigneten  Münzen  für  den  kleinsten  Verkehr  mangelte; 
die  kleinste  Münze  in  Genua,  der  obolus,  hatte  einen  Metallwert  von  fast 
5,  in  Pisa  von  51/2  Pf.  Noch  unbequemer  war  es  natürlich  für  den  größeren 
Handelsverkehr,  als  größte  Münze  nur  den  Denar  zur  Verfügung  zu  haben. 
Dazu  kam  die  geringe  Stabihtät  der  Münzen ;  in  finanziell  bedrängten  Zeiten 
war  es  ein  beliebtes  Mittel,  den  Münzgewinn  durch  eine  Verringerung  des 
Feingehalts  mit  oder  ohne  gleichzeitige  Verringerung  des  Münzgewichts  in 
außerordentlicher  Weise  zu  erhöhen. 

Die  Mittel,    mit   denen  der  Handel  den  bestehenden  Übelständen  be- 
gegnete,   waren    verschiedener  Art.     Da   einheimische  Goldmünzen   fehlten, 
wurden  nicht  selten  fremde  verwendet,  wie  die  Byzantien  (perperi,  Hyperpern) 
der  griechischen  Herrscher  und  Ägyptens,  die  arabischen  Goldmünzen  nament- 
lich der  Almoraviden  (morabotini)  und  Almohaden  (massamutini).  ß)     Häufig 
sehen  wir  auch  Waren  die  Stelle  von  Zahlungsmitteln  vertreten ;  in  Seestädten  ^ 
wie  Genua  und  Venedig  wird  die  Mitgift  nicht  selten  in  Waren  an  Stelle  von  ^ 
Bargeld  festgesetzt.  '^)  Endlich  operierte  man  vielfach  mit  den  Edelmetallen  " 
in  ungemünztem  Zustande,   mit  der  libra   auri  tarinorum,   des   Goldes  von 
einem  bestimmten  Feingehalt,  wie  es  im  sizilischen  Königreich  zur  Prägung 
der    tarini  verwendet  wurde,    und    dem    Gewichtspfunde    in    Barrensilber  s), 
häufiger  allerdings  mit  der  Gewichtsmark.  9)     Speziell   die   Kölnische  Mark 
(=  233,8  g)  gelangte  unter  dem  Einfluß  der  kaiserlichen  Kammer  zu  weiter 
Verbreitung;  daneben  die  nur  wenig  schwerere  Mark  von   Montpellier.    An 


I 


1)  Leg.  sect.  IV,  1  p.  440  f.     Giesebrecht  VI,  135  f. 

2)  S.  die  Tabelle  am  Schluß  des  Buches. 

ä)  Giesebrecht  V,  70;  VI,  337.  Breßlau :  I  denari  imp.  di  Federico  I  in:  Atti 
del  Congresso  internaz.  di  seiende  storiche,  VI  (Rom  1904),  31  ff. 

*)  Dabei  rechnete  man  bei  Festsetzung  von  Mietzinsen,  Pachtungen  u.  dgl. 
noch  vielfach  mit  dem  den.  papiensis  antiquus  des  11.  Jahrhunderts,  der  etwa 
=  30  Pf.  gewesen  war.  Capobianchi  V.  II  denaro  pavese  ed  il  suo  corso  in  Italia 
nel  XII  secolo  in:  Riv.  Num.  IX  (1896),  21  ff. 

6)  Zur  Zeit  des  Dogen  Sebastiane  Ziani  (1172—78). 

•)  Häufig  erscheinen  diese  Münzen  auch  als  Zinsmünzen  im  Liber  Censuum. 

^)  Vgl.  das  Sachregister  unter  > Pfeffer«  und  »Brasilholz*. 

8)  Leon.  Pis.  führt  unter  seinen  Beispielen  die  pisanische  libra  argenti  an, 
die  ungefähr  7  librae  pisaninorum  gleich  gewesen  sei. 

8)  L.  Blancard :  L'origine  du  Marc  in :  Annuaire  de  la  Soc.  fr.  de  numism.  et 
d'archöol.,  Paris  1888.  Als  Beispiel  sei  ein  Mailänder  Brief  (etwa  von  1145;  Leg. 
Munic.  II,  957)  angeführt :  Duas  marcas  argenti  in  4  frusta  divisas  per  negotiatorem 
B.  de  Zurla  tibi  transmitto ;  die  vier  Stücke  wogen  8Vj,  4,  2'/,  und  1  Unze. 


Vorbemerkungen.  115 

t 

der  Wertfestsetzung  in  Edelmetallgewicht  gewann  man  auch  einen  festen 
Rückhalt  gegenüber  den  häufigen  Münzveränderungen ;  so  griff  man  in  den 
Urkunden  der  Zeit  zur  Sicherstellung  der  Höhe  der  Verbindlichkeit  nicht 
selten  auf  derartige  Wertangaben  zurück. 

Eine  Besonderheit  zeigt  die  Entwickelung  des  Münzwesens  in  Rom.  i) 
Im  11.  Jahrhundert  hatte  hier  die  Königsmünze  des  alten  pavesischen 
Denars  fast  allein  Geltung  und  behielt  sie  auch  noch  eine  Zeitlang,  als  die 
Ausprägung  desselben  aufgehört  hatte  (1102).  Dann  drang  bei  dem  natur- 
gemäß eintretenden  Münzmangel  der  Denar  von  Lucca  ein  und  wurde  als 
maßgebende  Münze  rezipiert;  1156  aber  läßt  sich  zuerst  in  Rom  der  Ge- 
brauch einer  ausländischen  Silbermünze,  des  Denars  von  Provins  (proviniensis, 
provisinus  u.  ähnl.),  der  dem  affortiatus^)  im  Werte  gleichstand  und  diesen 
bald  überflügelte,  nachweisen.  Vielleicht  hat  Hadrian  IV.,  der  Engländer 
auf  dem  Stuhl  Petri,  die  Rezipierung  dieser  Münze  in  Rom  veranlaßt,  da 
es  für  die  Kurie  vorteilhaft  sein  mußte,  wenn  sie  die  ihr  aus  dem  nörd- 
lichen Frankreich  zukommenden  Geldmittel  zum  Teil  wenigstens  direkt 
umsetzen  konnte ;  auch  die  englischen  Geldsendungen  konnten  sich  weit 
leichter  dieser  Münze  bedienen.  Etwas  später  begann  man  in  Rom  selbst 
Münzen  zu  prägen  (1184  zuerst  nachweisbar);  man  schloß  sich  an  diesen 
Typus  an  und  prägte  nun  provinienses  senatus,  die  im  Wert  von  50  sol.  auf 
die  Mark  römischen  Gewichts  ausgebracht  wurden. 

Völlig  abweichend  war  das  Münzsystem  Süd-Italiens,  wo  noch  die 
Goldwährung  herrschte.  Die  oberste  Einheit  bildete  hier  die  Goldunze, 
die  in  30  Tari  (tarini,  mit  dem  griechischen  dgu/jn^j  und  arabischen  dirhem 
zusammenhängend)  und  600  Gran  Gewicht  zerfiel.  Für  die  Ausprägung  der 
Goldmünzen  war  ein  altherkömmlicher  Feingehalt  vorgeschrieben;  das 
aurum  tarinorum  enthielt  nur  wenig  über  2/3  Gold,  I6I/3  Karat;  die  übrigen 
72/g  sollten  zu  2/4  aus  Silber,  zu  1/4  aus  Kupfer  bestehen. 3)  In  dieser 
Mischung  wurden  nun  Goldstücke  im  ungefähren  Gewicht  von  einem  oder 
mehreren  Tari  ausgeprägt;  ein  bestimmtes  Gewicht  war  aber  nicht  vor- 
geschrieben, da  diese  Goldstücke  nicht  darauf  berechnet  waren,  im  Handels- 
verkehr zugezählt,  sondern  nur  darauf,  zugewogen  zu  werden.  So  hatte 
zwar  die  uncia  auri  tarinorum  einen  feststehenden  Wert  (etwa  52  M.  MetaU- 
wert  bei  der  Unze  Messinas),  nicht  aber  das  einzelne  Goldstück.  Dabei  gab 
es  auch  in  Unter-Italien  verschiedene  Unzen;  die  von  Salerno  und  von  Amalfi 
wichen  von  der  Messinas  ab.  In  Amalfi  hat  man  im  11.  Jahrhundert  Gold- 
solidi  von  je  4  Tari  Gewicht  (im  Werte  also  von  etwa  7  M.)  geprägt.  Selbst- 
verständlich gab  es  in  Süd-Italien  neben  diesen  Goldmünzen  auch  Scheide- 
münzen für  den  kleinen  Verkehr 4);  da  für  den  größeren  Verkehr  durch  die 
Goldmünzen  gesorgt  war,  haben  Willkür  und  Gewinnsucht  auf  diesem  Ge- 
biet gerade  hier  weit  schlimmere  Zustände  als  im  übrigen  Italien  hervor- 
gerufen. 


^)  Capobianchi  V. :  Appunti  per  servire  all'ordinamento  delle  monete  coniate 
dal  Senate  Romano  in:  Arch.  Rom.  XVIII  (1895),  417  fE. 

*)  Dem  alten  lucches.  Denar,  wegen  seines  höheren  Wertes  so  genannt.  Capo- 
Vjianchi,  denaro  pavese  1.  c.  p.  31. 

')  Nagl  A. ,  Die  Goldwährung  in  Süd-Italien,  in:  Numism.  Zeitschr.  XXX 
(1898),  269. 

*)  Für  die  1222  eingeführten  neuen  Denare  von  Brindisi  wurde  vom  Kaiser 
unter  Zwangskurs  ein  Umlaufswert  von  etwa  11  Pf.  unseres  Geldes  vorgeschrieben. 
Unten  §402. 

8* 


116  Neuntes  Kapitel. 

81,  Erst  nach  dem  dritten  Kreuzzuge  kam  es  in  Italien  auf 
dem  Gebiete  der  Zahlungsmittel  zu  wesentlichen  Fortschritten.  In 
Venedig,  wo  die  Umlaufsmünze  besonders  stark  entwertet  war,  begann  man 
unter  dem  Dogen  Enrico  Dandolo  1194  mit  der  Ausprägung  eines  silbernen 
denarius  grossus,  auch  Matapanus  genannt,  der  einen  Peingehalt  von 
0,964  hatte  und  im  Werte  von  26  denarii  parvi  ausgebracht  wurde  J),  die 
damals  auf  einen  Metallwert  von  nur  noch  2^/4  Pf.  herabgegangen  waren; 
die  neue  Silbermünze  hatte  also  einen  Metallwert  von  58^/2  Pf.  Daß  man 
sie  gerade  im  Wert  von  26  kleinen  Denaren  ausprägte,  wird  nur  durch  die 
Annahme  erklärhch,  daß  sie  an  ein  anderes  schon  vorhandenes  Münz- 
system  angeschlossen  werden  sollte.  Das  kann  nur  das  des  griechischen 
Reichs  gewesen  sein;  ich  halte  es  daher  für  sehr  wahrscheinlich,  daß  die 
neue  Münze  als  Denar  zu  dem  byzantinischen  Goldsolidus,  dem  Hyperper 
(=zz  etwa  7  M.),  gedacht  war.  Auch  auf  den  denarius  grossus  übertrug  man 
nunmehr  die  übhche  Münzrechnung,  so  daß  man  von  einem  solidus  den. 
grossorum  (=  7  M.)  und  einer  hbra  den.  grossorum  (=  140  M.)  sprach.        ^j 

Lange  genug  hat  es  gedauert,  ehe  die  Neuerung  anderwärts  in  Italien 
Nachahmung  fand.  Je  mehr  sich  aber  der  Verkehr  entwickelte,  je  größer 
die  Summen  wurden,  mit  denen  man  vielfach  zu  operieren  hatte,  desto 
übler  mußte  die  Schwerfälligkeit  des  herrschenden  Geldsystems  empfunden 
werden ;  so  wurden  z.  B.,  als  Kardinal  Ugolino  von  Ostia  am  28.  Oktober 
1221  in  der  Sakristei  der  Kirche  von  Bologna  995  1.  imp.  deponierte,  dazu 
8  mit  den  Siegeln  des  Legaten  und  des  Bischofs  von  Bologna  verschlossene 
Säcke  (sacculi)  gebraucht,  die  mit  bolognesischen  Denaren  gefüllt  waren  2), 
und  aus  einer  ähnlichen  Urkunde  aus  Piacenza  von  1227  erfahren  wir,  daß 
zum  Transport  von  15  Sack  mit  je  200  1.  imp.  Inhalt  8  Saumtiere  erforder- 
lich waren.  3)  Am  frühesten  noch  scheint  man  eben  hier  dem  Beispiel  Vene- 
digs gefolgt  zu  sein;  im  Jahre  1218  hören  wir  von  Piacentini  grossi,  die 
einen  Wert  von  je  6  denarii  minuti  oder  quarteroli  hatten;  .und  wenn  Ho- 
norius  III.  1221  von  denarii  januenses  minores  redet  4),  so  müssen  auch  hier 
schon  denarii  majores  vorhanden  gewesen  sein,  von  denen  wir  später  er- 
fahren, daß  sie  ebenfalls  im  Werte  von  6  den.  parvi  ausgebracht  waren.  0) 
Wenn  die  Münze  von  Siena  im  Juli  1230  neben  12  librae  venetorum  gros- 
sorum auch  50  solidi  pisanorum  grossorum  (zum  Zwecke  der  Umprägung  in 
sienesische  Heller),  also  600  Stück  ankaufte  ß),  so  läßt  das  immerhin  darauf 
schließen,  daß  die  Ausprägung  von  grossi  in  Pisa  schon  seit  einiger  Zeit  im 
Gange  war.  Und  wahrscheinlich  hat  man  dabei  hier  zuerst  den  Fortschritt 
gemacht,  daß  man,  da  auch  der  pisanische  Denar  stark  von  seinem  früheren 
Wert  eingebüßt  hatte,  dem  grossus  den  Wert  von  12  kleinen  Denaren  gab, 
also  den  solidus  ausprägte. 


1)  Diese  Nachricht  beruht  nicht,  wie  Nagl  A.,  Numism.  Zeitschr.  26  (1894), 
111  annimmt,  auf  dem  späten  Dandolo,  sondern  auf  der  zeitgenössischen  Hist 
Ducum  Ven.,  SS.  XTV,  91;  damit  erweist  sich  auch  die  Vermutung  (ebd.  112),  daß 
der  grossus  ursprünglich  =  24  den.  gewesen,  als  haltlos. 

*)  Levi  p.  107.  S.  auch  über  effektive  Geldtransporte  im  Jahre  1250  meine  Abh, 
über  die  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in:  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  70,  604. 

s)  Zanetti  III  (1783)  p.  8. 

*)  Codagnellus  p.  67.     Pressutti  no.  3489. 

')  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  73  (1889),  163  f.  Desi 
moni  in  Atti  Lig.  XIX  (1887),  p.  179. 

«)  Lib.  della  Biccherna  bei  Zdekauer,  Mercante  60  A.  1. 


I 


Vorbemerkungen.  117 

Seit  den  dreißiger  Jahren  sehen  wir  die  Binnenstädte  Ober-  und  Mittel- 
ItaUens  mit  der  Ausprägung  von  grossi  energisch  vorgehen,  i)  In  Parma,  das 
seit  1209  Denare  prägte,  die  denen  von  Bologna  und  Ferrara  gleichwertig  waren 
(=1/3  iniperialis),  wurde  un  Jahre  1233  der  Podestä,  durch  eine  statutarische 
Bestimmung  angewiesen,  den  Großen  Rat  zu  befragen  »de  moneta  battenda 
et  facienda  crossa  vel  minuta«^);  Bologna  begann  mit  der  Ausprägung  des 
grossus  im  Jahre  1236  3),  und  auf  eine  vollständige  Einbürgerung  der  neuen 
Münze  läßt  es  schließen,  wenn  am  7.  Dezember  1239  an  die  kaiserliche 
Kammer,  die  sich  damals  in  Parma  befand,  500  Mark  Silber  Wiener  Gewichts 
in  »denarii  grossi  Cremonae«  gezahlt  werden.  4)  Da  8  sol.  10  den.  dieser 
grossi  auf  die  Mark  entfielen,  so  ergibt  sich  daraus  für  den  grossus  von 
Cremona  ein  Metall  wert  von  68  Pf.;  er  entsprach  also  einem  Wert  von 
4  imperiales,  was  für  den  Münzbund  Ferrara-Bologna-Parma,  dem  sich  auch 
Cremona  angeschlossen  zu  haben  scheint,  die  Ausprägung  des  Solidus  be- 
deutete. Dem  entspricht  es,  daß  auch  der  1254  zwischen  Brescia,  Bergamo, 
Piacenza,  Pavia,  Tortona,  Parma  und  Cremona  geschlossene  Münzbund  sich 
darauf  einigte,  silberne  grossi  im  Werte  von  4  imp.  zu  schlagen.  &) 

Völlig  analog  vollzog  sich  die  Entwickelung  in  Mittel-Italien.  6)  Die 
florini  argentei,  die  wir  zuerst  in  den  Jahren  1237  und  1238  für  Florenz 
nachweisen  können  '^),  können  nur  die  grossi  gewesen  sein,  von  denen  wir  wenig 
später  erfahren,  daß  sie  gleich  12  kleinen  pisanischen  Denaren  waren.  ^)  Die 
kleinen  Denare  prägte  Florenz  auch  damals  noch  nicht;  noch  geraume  Zeit 
hat  es  nach  pisanischen  Hellern  gerechnet.  Auch  in  Lucca  begegnet  uns 
im  Jahre  1243  eine  Zahlung  »in  dracmis  grossis  de  argento«  ^),  und  als 
Kaiser  Friedrich  II.  im  Jahre  1240  der  Stadt  Viterbo  das  Münzrecht  verlieh, 
bestimmte  er  zugleich,  daß  die  denarii  parvae  monetae  im  Werte  der  parvi 
senenses,  die  grossi  aber  im  Werte  von  12  den.  parvi  ausgebracht  und  in 
Zahlung  genommen  werden  sollten,  lo)  In  einer  Urkunde  vom  I.März  1251 
sehen  wir  dann  den  Ersvählten  von  Volterra  den  Empfang  eines  Darlehens 
von  150  1.    den.   pis.    »in   denariis  grossis   de  argento,    seil,   in  Florentinis, 


0  Wenn  Friedrich  11.  den  Modenesen  bei  der  Verleihung  des  Münzrechts  1226 
erlaubt,  monetam  magnam  vel  parvam  zu  prägen  (Murat.  Antiqu.  II,  705  f.),  so  ist 
unter  der  moneta  magna  nicht  etwa  ein  grossus,  sondern  der  imperialis  zu  ver- 
stehen mit  Bezug  darauf,  daß  den  Nachbarstädten,  wie  Bologna,  Ferrara  usw.  nicht 
die  Ausprägung  des  imp.  selbst,  sondern  nur  eines  Teiles  desselben  (ihre  Denare 
waren  =  Vs  imp.)  gestattet  worden  war. 

»)  Stat.  Parm.  p.  40. 

')  Salvioni  p.  34. 

*)  Huillard-Bröholles  V,  677. 

»)  Zanetti  IH  (1783)  p.  8. 

*)  Die  sich  auf  Villani  stützende  Angabe  Nagls  (Numism.  Zeitschr.  26,  1894 
p.  32),  daß  in  Florenz  schon  1182  ein  fiorino  zu  12  den.  in  Umlauf  gewesen,  ist 
ganz  unhaltbar. 

^)  Davidsohn,  Forsch,  n  no.  172,  206,  207. 

«)  Ebd.  m,  7  no.  23  (Mai  1243):  florini  grossi  argenti;  p.  9  no.  26  (3.  JuU  1245) : 
Zahlung  versprochen  in  florenis  grossis,  computatis  12  pisanis  pro  quolibet  flori- 
norum;  p.  10  no.  30  (März  1246):  in  derselben  Weise  Valuta  von  958V,  1-  pis-  emp- 
fangen.    Canale  H,  562  (zu  1251). 

^)  Urkunde  bei  Muciaccia :  J  Cavalieri  dell'  Altopascio  in :  Studi  storici  VII 
(1898),  224  A.  1. 

'»)  Huillard-Breholles  V,  1043.  Savignoni  im  Arch.  Rom.  XVIII  (1895),  281 
no.  49. 


118  Neuntes  Kapitel. 

I*isanis,  Aretinis,  Lucensibus  et  Senensibus«  bescheinigen.!)  Man  sieht, 
König  Ludwig  IX.  von  Frankreich  hatte  nur  einem  in  Italien  seit  langem 
gegebenen  Beispiel  zu  folgen,  als  er  zuerst  im  Jahre  1266  den  berühmten 
grossus  turonensis  im  Werte  von  12  turonenses  parvi  prägen  ließ.  2) 

82.  Der  Ausmünzung  des  solidus  ist  in  Italien  rasch  genug  auch  die 
Ausmünzung  der  libra,  dieser  natürlich  in  Gold,  gefolgt.  Seit  der  lango- 
bardischen  Zeit  war  in  Ober-  und  Mittel-Italien  keine  eigene  Goldmünze 
mehr  geprägt  worden;  wenn  wir  von  dem  Dogen  Aureus  Mastropetrus 
(1178 — 1192)  hören,  daß  er  eine  Goldmünze  habe  prägen  lassen,  die  im 
Hinblick  auf  seinen  Namen  als  Aureolus  bezeichnet  worden  sei  3),  so  scheint 
schon  daraus  hervorzugehen,  daß  es  sich  nur  um  eine  Art  Denkmünze  ge- 
handelt hat;  jedenfalls  blieb  diese  Prägung  ohne  Nachfolge. 

Von  hoher  Bedeutung  war  es  dagegen,  als  Kaiser  Friedrich  II.  etwa  zur 
selben  Zeit,  wo  in  der  nördlichen  Hälfte  der  Halbinsel  die  Ausprägung  des 
grossus  in  Fluß  kam,  für  sein  sizilisches  Königreich  die  Ausprägung  des 
Augustahs  anordnete  (1231).  Nach  antikem  Muster  in  schöner  Ausführung 
mit  dem  Bildnis  des  Kaisers  geprägt,  stellte  der  Augustalis  (und  der  eben- 
falls zur  Ausprägung  gelangende  halbe  Augustalis)  zuerst  eine  Goldmünze 
von  wirklich  feststehendem  Werte  dar,  die  auf  den  Verkehr  von  Hand  zu 
Hand  berechnet  war.  Von  erheblich  größerem  Feingehalt  als  die  Tari- 
münzen  (20^/2  Karat),  repräsentierte  er  1/4  des  Werts  der  uncia  auri  tari- 
norum  (71/2  Tari)  mit  einem  Metallwert  von  etwa  13  M. ;  nach  Überwindung 
der  ersten  Schwierigkeiten  ist  die  neue  Münze  im  Handelsverkehr  bald  zu 
großer  Beliebtheit  gelangt.  ^) 

Es  ist  schwerlich  ohne  die  Wirkung  dieses  Beispiels  geschehen,  daß 
man  20  Jahre  später  sowohl  in  Genua  wie  in  Florenz  mit  der  Ausprägung 
einer  Goldmünze  begann.  Von  Genua  kennen  wir  nur  die  Tatsache  S);  es 
muß  bei  einer  bescheidenen  Ausprägung  geblieben  sein,  die  keinerlei  weitere 
Folgen  nach  sich  zog.  Anders  in  Florenz.  Die  Ausprägung  des  florenus 
auri  (fiorino  d'oro)  aus  feinstem  Golde  im  Werte  von  1  libra  denariorum 
pisanorum  =  20  floreni  argentei  (etwa  9^/4  M.),  wie  sie  im  Jahre  1252  zuerst 
erfolgte,  leitet  in  der  Tat  in  der  Münzgeschichte  eine  neue  Epoche  ein,  wenn 
auch  die  Wertgleichung  zwischen  Goldfloren  und  der  libra  den.  parvorum 
nicht  lange  festzuhalten  war.  ß) 

83.  Geraume    Zeit   bevor    es    zu    der  wesentlichen    Verbesserung    de 
baren  Umlaufsmittel  durch  allgemeine  Einführung  der   silbernen  Grosche 
gekommen    ist,    hat    es    der   Handelsverkehr    der  Mittelmeer-Romanen  ver- 
standen, sein  Bedürfnis  nach  Zahlungsmitteln   auf  andere  Weise   zu   befrie- 


II 


j 


1)  Davidsohn,  Forsch.  XU,  10  no.  33. 

2)  Kursbericht  in:  Zeitschr.  f.  Soz.-  u.  Wirtsch.-Gesch.  V  (1897),  308. 
')  Hist.  Ducum,  SS.  XIV,  90. 
*)  Winkelmann  E. ,    Über  die    Goldprägungen   Kaiser  Friedrichs  II.    usw.    in : 

MIÖG.  XV,  401  ff.  Meine  Abh.  über  den  Wert  des  Augustalis  ebd.  XVI,  545  ff. 
Nagl  A.,  Goldwährung  in  Süd-Italien,  in:  Numism.  Zeitschr.  XXX  (1898),  237  ff. 
Ferner  Winkelmann  11,  283  und  allgemeiner  Garufi  C.  A. ,  Monete  e  conii  nella 
storia  del  diritto  siculo  dagli  Arabi  ai  Martini  im  Arch.  sicil.  XXIII  (1898)  p.  1  ff., 
insbesondere  p. 104  ff. 

6)  Ann    Jan.  zu  1252  (SS.  XVIII,  231) :    Eodem   anno  nummus    aureus  .lanu 
fabricatus. 

«)  Kursbericht  1.  c.  p.  298  f.     Serrure  R. ,    Le    florin  d'or  de  Flor,    et  ses  imi 
tations,  in :  Bull,  numism.  V  (1898).     Nagl  in :    Numism.  Zeitschr.  26  p.  33  ff. 


Vorbemerkungen.  119 

digen.  Eins  der  angewandten  Mittel  liegt  noch  auf  dem  Gebiete  des  Münz- 
wesens. Für  den  Handelsverkehr  mit  den  mohammedanischen  Ländern 
prägte  man  nämlich  in  Mittel-  wie  Ober-Italien  und  Süd-Frankreich  in  großem 
Umfange  die  in  jenen  Gebieten  kursierenden  arabischen  Münzen  nach^), 
um  sie  dann  dorthin,  mit  erheblichem  Nutzen  natürlich,  zu  exportieren ;  im 
größten  Maßstabe  geschah  es  mit  den  Miliarenses  Nordafrikas,  silbernen 
Münzen,  die  Vio  des  nordafrikanischen  Byzantius  (byz.  de  Garbo),  der  nur 
Rechnungsmünze  war,  repräsentierten;  im  Abendlande  selbst  hatten  diese 
Münzen  keinen  Kurs. 

Von  größter  Wichtigkeit  aber  war  die  Anwendung  eines  anderen 
Mittels,  die  es  überhaupt  allein  erklärlich  macht,  daß  bei  der  vollständigen 
Unzulänglichkeit  der  vorhandenen  Umlaufsmittel  ein  hochentwickelter 
Handelsverkehr  hat  bestehen  können  —  das  war  die  allgemeine  Verbreitung, 
die  der  Buch  verkehr  unter  den  Geschäftsleuten  der  Zeit  gefunden  hatte. 
Die  Fragmente  des  florentinischen  Handlungsbuches  vom  Jahre  1211  zeigen 
uns  denselben  schon  in  vollster  Entwickelung,  zeigen  uns  die  Delegation  in 
allgemeinster  Übung,  Zahlungsanweisungen  an  Dritte  und  durch  Dritte, 
Übertragungen  von  Guthaben,  Vermittelung  von  Zahlungen  durch  noch 
weitere  Personen  u.  dgl.2);  kein  Zweifel,  daß  diese  Ausgleichung  durch  Gut- 
schrift in  weitestem  Maße  bestimmt  war,  bei  der  Knappheit  und  Mangel- 
haftigkeit des  Bargeldes  die  Barzahlung  zu  ersetzen.  Aus  dieser  allgemeinen 
Bedeutung  des  Buchverkehrs  erklärt  es  sich  auch,  daß  in  Mailand  am 
13.  Juli  1204  ein  Statut  erlassen  werden  konnte,  Avonach  jeder  Gläubiger 
befugt  war,  zu  bestimmen,  an  wen  sein  Schuldner  Zahlung  zu  leisten  hätte; 
der  Schuldner,  der  sich  nicht  danach  richten  wollte,  wurde  von  Gemeinde- 
wegen mit  einer  Geldbuße  bedroht.  ^)  Zu  gleichem  Zwecke  war  auf  den  großen 
Messen  das  System,  Barzahlungen  in  möglichst  weitem  Umfange  durch 
Kompensationen  am  Schlüsse  der  eigentlichen  Meßzeit  zu  ersetzen,  in  Übung, 
wie  uns  für  die  Messen  der  Champagne  auch  schon  für  den  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts  bezeugt  ist.  4) 

Eben  in  dieser  Zeit  nach  dem  dritten  Kreuzzuge  hat  nun  auch  der 
Wechsel  in  seiner  ältesten  Gestalt,  der  des  notariell  aufgenommenen  domizi- 
lierten Eigenwechsels,  seine  volle  Ausbildung  erfahren  und  allgemeine  Ver- 
breitung in  der  romanischen  Handelswelt  gefunden  s);  und  auch  die  An- 
fänge der  Tratte  reichen  noch  bis  in  diese  Zeit  zurück.  6) 

84.  Zinsfuß.  Aus  der  Fülle  des  vorhandenen  Materials  seien  hier 
einige  Hauptzeugnisse  hervorgehoben,  die  dartun  sollen,  inwieweit  in  unserer 


*)  Nur  um  solche  Nachprägungen  kann  es  sich  z.  B.  bei  den  Goldmünzen 
handeln,  die  nach  einer  Urkunde  von  1194  (Germain,  Commerce  I,  188  no.  6)  in  der 
Münzstätte  von  Montpellier  geprägt  wurden. 

2)  Frammenti  p.  166  ff.  S.  auch  Sieveking  H. ,  Aus  venez,  Handlungs- 
büchern, in  Schmollers  Jahrb.  XXV  (1901),  1494  f. 

')  Quod  quilibet  debitor  debeat  suo  creditori  solvere  pecuniam  arbitrio  suo  credi- 
toris,  et  paciatur  ipse  debitor  cernere  quem  suus  creditor  voluerit  etc.  bei  Sachsse :  Ein 
Mailänder  Münzstatut,  in:  Juristische  Festgaben  für  R.  v.  Ihering  (Stuttgart  1892)  p.  71. 

*)  Unten  §  299. 

*)  Goldschmidt  p.  403  ff.  Meine  Studien  z.  Gesch.  u.  Natur  des  ältesten  Cam- 
bium  in :  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  65  (1895),  153  ff.,  511  ft".  und  über  die  Wechselbriefe 
König  Ludwig«,  ebd.  70,  603  ff.  u.  73,  145  ff.  Dazu  Desimoni  im  Giorn.  hg.  1898, 
p.  308—320.  Freundt  C. ,  Das  Wechselrecht  der  Postglossatoren,  Leipzig  1899. 
Wieland  C,    Cambium  und  Wechselbrief  in  :  Festgabe  für  Andr.  Heusler,  Basel  1904. 

8)  Meine  Abb.  darüber  in :  Z.  f.  Handelsr.  43  p.  1  ff. 


120  Neuntes  Kapitel. 

Zeit  von  einem  normalen  Zinsfuß  (\'on  den  höheren  Seezinsen  abgesehen) 
gesprochen  werden  kann  und  in  welcher  ungefähren  Höhe  er  sich  bewegte. 

Als  Caffaro  als  offizieller  Gesandter  Genuas  im  Jahre  1120  in  Rom 
Gelder  aufnahm,  bekam  er  sie  unter  eidlicher  Verpflichtung  zur  Rück- 
erstattung von  römischen  Geldleuten  zu  25  "/o  (cum  labore  de  quatuor 
quinque)  i) ;  zu  demselben  Zinsfuße  (de  quatuor  quinque  ad  racionem  anni) 
nahm  Embronus  am  15.  August  1163  ein  Darlehen  von  140  1.  jan.  bei 
seinen  Landsleuten  Amicus  Grillus  und  Ogerius  CoUus  in  Genua  auf,  das 
bis  zum  Ende  des  laufenden  Konsulats  (1.  Februar)  zurückzuerstatten  war.  2) 
Für  eine  Anleihe  von  300  1.  pis.,  die  Pisa  am  28.  Februar  1184  für  eine 
Gesandtschaft  nach  den  Balearen  aufnahm,  verpflichtete  es  sich,  2  %  Zinsen 
pro  Monat  zu  erstatten.^) 

Wichtiger  noch  sind  uns  mehrere  urkundliche  Zeugnisse  aus  dem 
12.  Jahrhundert  für  Venedig  darum,  weil  sie  einen  Zinssatz  von  200/o  direkt 
als  den  in  ihrer  Heimat  allgemein  üblichen  bezeichnen  (ad  racionem  de 
quinque  sex  per  annum  secundum  usum  patriae  nostrae)*).  Den- 
selben Zinssatz  führt  Leonardo  Pisano  am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  als 
den  offenbar  am  meisten  üblichen  als  Rechenbeispiel  an^);  und  aus  der 
kaufmännischen  Praxis  zeigt  uns  das  florentinische  Handelsbuch  von  1211 
die  Höhe  der  kaufmännischen  Zinsen,  die  durchweg  als  Verzugszinsen  dar- 
gestellt sind,  in  der  ganz  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  mit  4  den.  auf 
libra  und  Monat,  also  20%  Jahreszinsen,  berechnet.  6)  Ja  dieser  Zinssatz 
war  in  Florenz  bis  zum  Ende  unseres  Zeitraums  gesetzlich  für  alle  die 
Fälle  festgelegt,  in  denen  die  Gerichte  die  Zahlung  von  Zinsen  zuzu- 
erkennen hatten ;  in  einer  ganzen  Reihe  von  Erkenntnissen  '^)  begegnen  wir 
der  Formel:  »et  insuper  currant  usurae  denariorum  4  pro  quolibet  mense 
et  Hbra  secundum  formam  Constituti  Florentini.« 

Schon  diese  Tatsachen  werden  zum  Beweise  dafür  genügen,  daß  es 
völhg  irrig  ist,  einen  Kontrakt  dieser  Zeit  als  wucherisch  aufzufassen,  der 
einen  Zinssatz  von  20%  enthält;  er  ist  das  nicht  mehr  und  nicht  weniger 
als  ein  heutzutage  etwa  zu  5%  gegebenes  Darlehen.  Es  ist  auch  hier 
dringend  erforderlich,  Anschauungen,  die  aus  den  Verhältnissen  unserer 
Zeit  erwachsen  sind,  nicht  auf  jene  völlig  anderen  Verhältnisse  zu  über- 
tragen; es  ist  unrichtig,  sich  die  Kaufleute,  die  mit  jenen  Zinssätzen  arbeiteten, 
als  Wucherer  vorzustellen. 

Daß  jener  Satz  von  20*^/0  völlig  allgemein  galt,  ist  selbstverständlich 
darum  nicht  anzunehmen;  es  finden  sich  örtlich  und  zeitlich  erhebliche 
Verschiedenheiten.  In  Bari  z.  B.  findet  sich  schon  seit  1125  in  der  Praxis 
und  auch  in  dem  noch  aus  demselben  Jahrhundert  stammenden  Gesetzbuch 


^)  Ann.  genov.  I,  20  A.  1.     Imperiale  not.  20  p.  387  f. 

2)  Chart,  n  no.  1284. 

2)  Deutsche  Z.  f.  Gesch.-Wiss.  IX,  237  f. 

*)  Sacerdoti  p.  27  (Mai  1188);  Baracchi  VII  (1874),  85  u.  XX  (1880)  p.  79  (zu 
1117  u.  1193);  ebd.  X,  342  zu  1185.  Weitere  Beispiele  bei  Cecchetti:  Appunti  sulle 
finanze  antiche  della  Rep.  ven.  im :  Arch.  ven.  35  (1888),  38. 

*)  Quidam  prestavit  1.  100  ad  usuras  4  d.  per  1.  in  mense  supra  quandam  do- 
mum ;  p.  267. 

8)  So  auch  die  Schuldurkunde  des  Abts  von  Pasignano  vom  29.  Mai  1203; 
Santini  p.  372.  Dazu  die  bis  1210  reichende  Zinstabelle  bei  Davidsohn,  Forsch.  I, 
158  f. 

7)  Santini  p.  264  u.  266  (von  1236),  353  (von  1249).  Zdekauer  L. ,  Patto  do- 
tale  in :  Mise.  fior.  di  erudizione  e  storia  I  (Fir.  1886),  p.  105  f.  (vom  6.  April  1248). 


II 


Vorbemerkungen.  121 

die  »ratio  de  sex  in  Septem  per  annum«i),  also  16V4%.  Seit  dem  Anfang 
des  13.  Jahrhunderts  sehen  wir,  daß  die  Gesetzgebung,  wo  sie  nicht  etwa 
einfach  das  haltlose  kirchüche  Zinsverbot  aufnahm,  vielfach  eine  beträcht- 
hche  Ermäßigung  des  Zinsfußes  vorschreibt.  So  hat  Lodi  durch  Statut  vom 
28.  November  1201  den  gesetzlichen  Zinsfuß  bei  Darlehen,  die  auf  1  Jahr 
oder  1/2  Jahr  gegeben  wurden,  sowie  bei  Kauf-  und  anderen  Geschäften, 
wo  die  Zahlung  von  Verzugszinsen  stipuliert  wurde,  auf  107o)  bei  Darlehen, 
die  nur  auf  1  oder  2  Monate  gegeben  wurden,  auf  15  7o  pro  anno  fest- 
gesetzt. 2)  Ähnliches  findet  sich  in  den  Binnenstädten  der  Lombardei  mehr- 
fach s);  auch  die  aus  dem  Jahre  1233  stammende  Redaktion  des  pisanischen 
Gesetzbuches  enthält  den  Satz,  daß  »usurarum  nomine«  von  selten  der 
Bürger  nicht  über  2  den.  pro  libra  monatlich  genommen  werden  dürften.  4) 
Fraglich  erscheint  allerdings,  inwieweit  die  Praxis  sich  diesen  Vorschriften 
angeschlossen  hat;  stipulierte  Verzugszinsen  z.  B.  fielen  nicht  unter  den  Be- 
griif  der  usura,  sondern  den  der  poena.  Auf  ein  allmähhches,  wenn  auch 
unter  vielfachen  Schwankungen  "sich  vollziehendes  Herabgehen  des  Zins- 
fußes, wie  es  die  kapitahstische  Entwickelung  und  erleichterte  Geldverhält- 
nisse mit  sich  brachten,  deutet  es  aber  doch,  wenn  die  Marseiller  Statuten 
um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  die  von  den  Gerichten  gegebenenfalls 
zuzuerkennerden  Zinsen  auf  15 %  normieren.«^)  Daß  alles  Zinsennehmen 
mit  der  in  der  Kirche  herrschenden  Theorie  völlig  unvereinbar  war,  ist  eine 
Sache  für  sich ;  ihre  Wirkung  auf  die  Praxis  darf  man  sich  um  so  weniger 
besonders  groß  vorstellen,  als  die  Päpste  selbst  infolge  ihrer  beständigen 
Fühlung  mit  den  harten  Dingen  dieser  Welt  weit  entfernt  davon  waren, 
jene  weltfremde  Theorie  ihrerseits  im  Leben  zu  betätigen.  Die  im  Verlauf 
der  Zeit  schärfer  werdende  Betonung  der  Theorie  hatte  nur  die  zunehmende 
Anwendung  verhüllender  Formen  zur  Folge. 


1)  Besta  E.  in :  Riv.  giur.  36  (1903),  103. 

«)  Cod.  Land.  HI,  548 :  Stat.  vetera  rub.  39. 

')  Lattes,  dir.  consuet.  p.  205.  Como  setzt  1203  allgemein  10  "/q  pro  anno 
fest.  (Leg.  Munic.  11,  94  rub.  250).  1208  wird  noch  besonders  bestimmt,  daß  auch 
die  Gemeinde  einheimischen  Gläubigern  »pro  usuris  sive  pro  guiderdono<  nicht 
mehr  geben  darf  (ebd.  95  rub.  252) ;  1233  werden  Zinseszinsen  verboten  (rub.  253). 
Verona  ordnete  1228  an,  daß  gerichtliche  Verfolgung  nur  bei  einer  Zinshöhe  bis  zu 
121/j  o/o  zulässig  sei.     Lib.  Jur.  Civ.  p.  23,  rub.  26. 

*)  Const.  Usus  bei  Bonaini  II,  854  (durch  die  Revision  von  1247  beseitigt), 
dazu  p.  987. 

»)  M^ry  et  Guindon  III  p.  IXC  (lib.  2,  19). 


A.   Handel  der  Mittelmeer- Romanen  mit 
anderen  Völkern. 


Abschnitt  I: 

Mit  den  Kreuzfahrerstaaten  und  den  Sarazenen 

des  Ostens. 


Zehntes  Kapitel. 

Begründung  der  Handelsniederlassungen  und  erste  Handels- 
prmlegien  der  Mittelmeer- Romanen  in  den  Kreuzfahrerstaaten. 

85.    So  sicher  es  ist,  daß  unter  den  mannigfachen  Beweggründen 
die  die  große  Kreuzzugsbewegung  ins  Leben  gerufen  haben,   kommer 
zielle  Interessen  keine  Rolle   spielten,   so  wichtig  ist   diese  Bewegung 
für  die  Entwickelung  des  Handels  der  Mittelmeer-Romanen  geworden^ 
Nicht    als    ob    der    Handel    im    Fortgange    der    Kreuzzüge    nur    der 
empfangende  Teil  gewesen  wäre,   so  gut  er  es  auch    nach   seiner  Art 
verstand,  sich  den  gebotenen  Verhältnissen  anzuschmiegen   und  Vor 
teil  daraus  zu  ziehen;   vielmehr  wäre  ohne  ihn  eine  längere  Behaup 
tung  der  Errungenschaften  der  Lateiner  völlig  unmöglich  gewesen. 

Auf  all  den  Anmarschlinien  des  ersten  Kreuzzuges  war  eine  sichere 
und  dauernde  Verbindung  der  Eroberer  mit  der  Heimat  ganz  undenkbar; 
für  eine  solche  bot  sich  allein  die  See  dar.  Wohl  finden  wir  beim  ersten 
Kreuzzuge  niederländische  und  englische  Schiffe  am  Ostgestade  des  Mittelmeers 
tätig,  aber  bei  der  Länge  und  Schwierigkeit  der  Meerfahrt  um  den  ganzen 
Westen  Europas  herum  bot  die  Herstellung  der  Verbindung  zwischen  der 
Kolonie  der  Franken  im  Orient  und  dem  Abendlande  durch  die  italienischen 
Seestädte  doch  ganz  andere  Vorteile.  Wenn  der  gewaltige  Auszug  des  Abend- 
landes nach  den  heiligen  Stätten  phantastisch,  in  seinen  praktischen  Zielen 


t 

I 


Zehntes  Kapitel.  Begründung  d.  Handelsniederlassungen  in  d.  Kreuzfahrerstaaten.   123 

wenig  klar  imd  aussichtsvoll  erscheinen  konnte ,  an  diesen  Handelsstädten  ver- 
mochte das  Unternehmen  noch  seinen  sichersten  Rückhalt  zu  gewinnen. i) 

86.  Im  allgemeinen  sind  die  großen  Seestädte  Italiens  vorsichtig 
genug  in  die  Bewegung  eingetreten ;  ihre  offiziellen,  mit  großen  Mitteln 
ins  Werk  gesetzten  Kreuzzugsfahrten  haben  erst  ziemlich  spät  begonnen 
und  ihr  Ziel  erst  geraume  Zeit  nach  dem  Falle  Jerusalems  erreicht. 

Doch  gingen  diesen  großen  Seezügen  kleinere  Unternehmungen 
privater  Natur  voraus,  bei  denen  fast  ausschließlich  die  Genuesen 
hervortreten. 

Auf  Bitten  der  Genuesen  selbst  hatte  Urban  II.  bei  seiner  Rückkehr 
aus  Frankreich  von  Asti  aus  im  September  1096  die  Bischöfe  von  Grenoble 
und  Orange,  um  das  Kreuz  zu  predigen,  nach  Genua  entsandt;  am  15.  Juü 
des  folgenden  Jahres  brachen  die  Kreuzfahrer  in  zwölf  Galeeren  und  einem 
Transportschiff  für  Pferde  (sandanus)  von  Genua  auf  und  landeten  vier 
Wochen  nach  dem  Eintreffen  des  großen  Kreuzheeres  vor  Antiochia  in  dem 
dieser  Stadt  nächstgelegenen  Hafen,  dem  S.  Simeonshafen  (Solinum,  Sueidieh) 
nahe  der  Orontesmündung  (17.  November  1097).  Unter  schweren  und  ver- 
lustreichen Kämpfen  wurde  die  Verbindung  mit  den  Belagerern  hergestellt 
(Bohemund  von  Tarent  selbst  war  im  März  1098  bei  den  Genuesen  im 
Hafen  erschienen) ;  ihre  Tätigkeit  für  die  Verproviantierung  des  Kreuzheeres 
wurde  von  besonderer  Wichtigkeit,  als  nach  der  Einnahme  der  Stadt  Kerboga 
mit  seinem  großen  Entsatzheere  herannahte.  2)  Als  endlich  nach  der  großen 
Niederlage  Kerbogas  und  dem  Fall  der  Zitadelle  der  Besitz  Antiochias  für 
die  Christen  völlig  gesichert  war  (28.  Juni  1098),  suchten  sich  auch  die 
Genuesen  ihren  Lohn  zu  sichern ;  als  Vertreter  ihrer  Landsleute  schlössen 
am  14.  Juli  1098  sieben  vornehme  Genuesen,  an  deren  Spitze  Anseimus 
Rusacherius  erscheint,  mit  Bohemund,  der  sich  schon  als  den  Herrn  von 
Antiochia  betrachtete,  einen  Vertrag,  in  dem  sie  ihm  versprachen,  daß  alle 
Genuesen  in  Antiochia  oder  in  erreichbarer  Nähe  ihn  im  Besitz  von 
Antiochia  gegen  jedermann  verteidigen  würden;  den  Grafen  Raimund  von 
S.  Gilles  nahmen  sie  allerdings  dabei,  offenbar  mit  Rücksicht  auf  ihre 
Handelsinteressen,  ausdrücklich  aus;  sollte  dieser  die  Stadt  an  sich  zu 
reißen  streben,  so  wollten  sie  zur  Herstellung  der  Eintracht  so  viel  wie 
möglich  tätig  sein,  bei  einem  etwaigen  Kampfe  aber  sich  neutral  verhalten. 
Dafür  überließ  ihnen  Bohemund  die  Johanniskirche  mit  30  Häusern  am 
Kirchplatze,  einem  W^arenhause  (fundicus,  Fondako)  und  einem  Brunnen  zu 
völlig  lastenfreiem  Eigentum  und  befreite  sie  für  Gegenwart  und  Zukunft 
von  allen  Abgaben  (usus  et  consuetudines  vel  rectitudines)  in  Antiochia  und 
seinem  Bezirk.  '^)     Die  Errungenschaft  der  Genuesen  —  die   erste   in  einem 


^)  Für  die  Spezialliteratur  über  den  ersten  Kreuzzug  verweise  ich  außer  auf 
V.  Sybel ,  Gesch.  des  1.  Kreuzzuges,  Leipzig*  1899,  Heyd  I,  134  ff.  und  Röhricht 
auf  H.  Hagenmeyer,  Chronologie  de  la  premiere  croisade  (1094 — 1100)  in  Rev.  de 
l'Or.  lat.  VI  (1898/9),  214  f.,  490  f ,  VII  (1900)  p.  277  f.,  442  f.,  Vm,  318  ff.,  IX,  384  ff. 
(auch  als  Buch  erschienen ;  Paris  1902),  der  in  sehr  übersichtlicher  Weise  alle  Be- 
legstellen und  Ausgaben  anführt. 

2)  Ann.  genovesi  (Caffari  Liberatio)  I,  102  f.  Röhricht,  Erster  Kreuzzug  22, 
112,  123.     Manfroni  138  f.     Hagenmeyer  in  Rev.  Or.  VI,  251,  499,  .518. 

*)  Hagenmeyer,  Epp.  no.  13,  14,  p.  155  f.,  308  ff",  (irrig,  daß  fundicus  auch 
Marktplatz  bedeuten  könnte).  Röhricht,  Reg.  no.  16.  Heyd  I,  134.  Caffaro  1.  c. 
hat  die  Namensform  Anseimus  Rascherius  für  den  ersten  der  vornehmen  Genuesen, 
die  an  diesem  Zuge  teilnahmen. 


124  Zehntes  Kapitel. 

Kreuzfahrerstaate  überhaupt,  von  Privatleuten  zunächst  im  eigenen  Interesse, 
zugleich  aber  auch  in  dem  der  Vaterstadt  gewonnen  —  mußte  gesichert 
erscheinen,  als  sich  Bohemund  unter  gewaltsamer  Verdrängung  der  Leute 
Raimunds  im  Januar  1099  in  den  Alleinbesitz  Antiochias  gesetzt  hatte,  i) 
Bei  dem  weiteren  Zuge  der  Kreuzfahrer  werden  gelegentlich  auch 
Venezianer  als  für  die  Verproviantierung  der  Christen  tätig  erwähnt;  ins- 
besondere hören  wir,  daß  bei  der  durch  Raimund  veranlaß ten  Belagerung 
von  Irkah  venezianische  und  genuesische,  griechische  und  englische  Schiffe 
von  Laodicea  und  Tortosa  aus  für  die  Herbeischaffung  von  Lebensmitteln 
aller  Art,  Getreide,  Fleisch  und  Käse,  Öl  und  Wein  von  Cypern  und  den 
Inseln  des  Archipels  her  sorgten.  2)  Aber  wieder  waren  es  nur  genuesische 
Schiffe,  und  auch  diese  nur  in  sehr  geringer  Anzahl,  die  bei  der  Fortsetzung 
des  Kreuzzuges  nach  Jerusalem  mitwirkten.  Im  Juni  1099  kamen  die  beiden 
Brüder  Embriaci,  Wilhelm  und  Primus,  nach  Joppe,  mußten  aber  bald,  da 
die  Sarazenen  von  Askalon  das  Meer  beherrschten,  ihre  beiden  Galeeren  im 
Stich  lassen  und  sich  damit  begnügen,  alles  namentlich  zur  Errichtung  von 
Belagerungsmaschinen  irgendwie  brauchbare  Material  nach  Jerusalem  schaffen 
zu  lassen,  wo  sie  Raimund  bei  Herstellung  seines  Belagerungsturms  im 
Süden  der  Stadt  tapfer  zur  Seite  standen ;  mit  reicher  Beute  aus  der  eroberten 
Stadt  sind  sie  später  auf  einem  gekauften  Schiffe  von  Laodicea  aus  heim- 
gekehrt. ^) 

87.  Das  auf  die  Eroberung  Jerusalems  folgende  Jahr,  das  Jahr 
1100,  hat  dann  die  mächtigen  Kreuzzugsflotten  (als  solche  schon 
durch  die  ilmen  beigegebene  geistliche  Leitung  gekennzeichnet)  der 
drei  großen  Seestädte  Italiens  an  der  syrischen  Küste  gesehen,  nicht 
gleichzeitig  zwar,  sondern  nacheinander;  eine  gewaltige  Flotten- 
demonstration des  Abendlandes,  die  auf  die  Sarazenen  von  tiefster 
Wirkung  sein  mußte;  das  deutlichste  Zeichen  zugleich,  daß  die  See- 
herrschaft und  mit  ihr  der  Seehandel  hier  am  östlichsten  Gestade 
des  Mittelmeers  auf  die  seemächtigen  Städte  Italiens  überzugehen  im 
Begriff  war. 

Als  die  erste  erschien  die  Flotte  der  P  i  s  a  n  e  r ,  von  deren  Beteihgung 
an  den  privaten  Unternehmungen  der  früheren  Jahre  nichts  berichtet  wird*) ; 
toskanische  Kreuzfahrer,  von  denen  wir  wissen,  speziell  solche  aus  Lucca, 
sind  mit  englischen  Schiffen  1097  nach  Syrien  gefahren,  s)  Nach  dem  Tode 
des  Bischofs  Adhemar  von  Puy  (1.  August  1098  in  Antiochien)  hatte  Urban  IL 
den  ihm  eng  befreundeten  Erzbischof  von  Pisa,  Daibert,  zum  päpsthchen 
Legaten  ernannt;  unter  seiner  Führung  war  nach  umfassender  Rüstung  im 
zeitigen  Frühjahr  1099  die  120  Schiffe  starke  pisanische  Flotte  »auf  päpst- 
hchen Befehl  zum  Zwecke  der  Befreiung  Jerusalems«  ausgelaufen,  ß)     Allzu 

*)  Hagenmeyer,  Epp.  p.  85  f. 

*)  Raimund  von  Aguilers  209,  276.  Gesta  Francorum  ed.  Hagenmeyer;  Hei- 
delberg 1890,  p.  435. 

')  Caffari  Liberatio :  ann.  genov.  I,  110.  Eöhricht,  Erster  Kreuzzug  187  f.,  191. 
Hagenmeyer  in  Rev.  Gr.  VII,  469. 

*)  Auf  Gilo,  der  sie  v.  222  (Rec.  Crois.  Occid.  V,  744)  mit  Genuesen,  Eng- 
ländern und  Venezianern  zusammen  in  S.  Simeonshafen  nennt  (qui  sua  vendebant 
illic  nostrisque  favebant),  ist  kaum  etwas  zu  geben. 

6)  Hagenmeyer,  Epp.  no.  17;  dazu  p.  101,  360.     Rev.  Or.  lat.  YII,  316. 

8)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  239.  Hagenmeyer  in  Rev.  Or.  lat.  VII,  494.  Heyd  I, 
135.     Manfroni  140. 


Begründung  der  Handelsniederlassungen  in  den  Kreuzfahrerstaaten.       125 

eilig  aber  strebte  sie  ihrem  Ziele  nicht  zu;  mit  den  Griechen,  besonders 
den  Bewohnern  der  jonischen  Inseln,  die  den  Weg  nach  Jerusalem  unsicher 
zu  machen  pflegten,  bestand  sie  erst  heftige  Kämpfe,  so  daß  sie  erst 
Anfang  September,  als  Jerusalem  schon  erobert  war,  vor  dem  griechischen 
Laodicea  eintraf.  Sogleich  trat  Bohemund  mit  den  Pisanern,  deren  Griechen- 
feindschaft ganz  seiner  eigenen  Gesinnung  entsprach,  in  Verbindung;  von 
den  genuesischen  Schiffen,  die  den  Simeonshafen  okkupiert  hatten,  unter- 
stützt, begannen  sie  die  Belagerung  der  wichtigen  Seestadt.  Schon  war 
man  nach  der  Einnahme  der  beiden  Hafentürme  der  Eroberung  der  Stadt 
ganz  nahe,  da  erschienen  die  nach  dem  großen  Siege  bei  Askalon  (August 
1099)  auf  der  Heimkehr  begriffenen  kreuzfahrenden  Fürsten,  Raimund  an 
der  Spitze,  und  intervenierten  zugunsten  der  Griechen. i)  Noch  einmal 
ließen  die  Normannen  die  Beute  fahren ;  vermutlich  kam  es  zu  einer  Kon- 
vention, die  den  Pisanern  und  wohl  auch  den  Genuesen  erhebliche  Handels- 
vorteile in  dem  unter  griechischer  Herrschaft  verbleibenden  Laodicea 
zusicherte.  Daibert  zog  mit  Bohemund  und  Balduin  von  Edessa  nach 
Jerusalem,  dessen  erster  lateinischer  Patriarch  er  wurde;  die  pisanische 
Flotte  legte  sich  im  Hafen  von  Joppe  vor  Anker.  Die  Pisaner  begannen 
nun  zusammen  mit  Gottfried  von  Bouillon  Joppe  wieder  aufzubauen  und 
als  wichtigsten  Stützpunkt  für  die  Herrschaft  der  Lateiner  in  Jerusalem  zu 
befestigen.  2)  Schon  zu  Weihnachten  hatte  Gottfried  dem  Erzbischof  den 
Vasalleneid  geleistet;  am  2.  Februar  1100  räumte  er  ihm  ein  Viertel  von 
Jaffa  ein  und  zu  Ostern  fügte  er  die  Verleihung  der  Oberhoheit  über 
Jerusalem  und  den  Rest  von  Jaffa  hinzu,  so  indessen,  daß  ihm  selber  bis 
zur  Einnahme  von  Kairo  oder  anderer  Städte  die  Nutznießung  verbleiben 
sollte.  3)  Solange  Daibert  hier  gebot,  mochte  die  Stellung  der  Pisaner  im 
Heüigen  Lande  sicher  begründet,  ihrem  Handel  der  zuverlässigste  Rückhalt 
gewährt  erscheinen.  So  schickte  sich  ihre  Flotte  mit  enghschen  Schiffen 
zusammen,  von  zahlreichen  Kreuzfahrern  zur  Heimfahrt  benutzt,  nach 
Ostern  1100  zur  Rückkehr  an.  4) 

88.  Einige  Monate  nach  der  pisanischen  Flotte,  im  Juli  1099,  war 
auch  eine  venezianische,  gegen  200  Schiffe  stark,  unter  der  Führung 
des  Bischofs  von  Castello  (Venedig),  Enrico  Contarini,  und  eines  Sohnes 
des  Dogen,  Giovanni  Michael,  aufgebrochen  0) ;  nach  längerem  Aufenthalt 
in  Dalmatien  traf  sie  Ende  Oktober  vor  Rhodus  ein,  wo  sie  in  bester  be- 
obachtender Stellung  bis  Ende  Mai  1100  verblieb.  Durch  Gesandte  verhandelten 
ihre  Führer  mit  den  Häuptern  der  Kreuzfahrer,  während  auf  der  anderen 
Seite  Kaiser  Alexius  versuchte,  sie  von  einer  Unterstützung  derselben 
abzuhalten.  Im  April  oder  Mai  hatten  die  Venezianer  noch  vor  Rhodus 
ein  scharfes  Rencontre  mit  der  heimkehrenden ß)  Flotte  der  Pisaner;   dann 

')  Albert  v.  Achen  1.  VI  c.  55—59  (Rec.  Crois.  Occid.  IV,  500  ff.).  Hagen- 
meyer in  Rev.  Gr.  VII,  493  ff. 

*)  Hagenmeyer  in  Rev.  Gr.  VUI,  318.     Röhricht,  Erster  Kreuzzug  219. 

»)  Hagenmeyer  1.  c.  320  f.,  327. 

*)  Brief  Daiberts  bei  Hagenmeyer,  Epp.  no.  21,  p.  176. 

*)  Monachi  Littorensis  translatio  S.  Nicolai  (Rec.  Crois.  Gccid.  V,  253  ff.). 
Röhricht,  Erster  Kreuzzug  212  f.  Hagenmeyer  in  Rev.  Gr.  VTEI,  331  ff.  Manfroni 
141  ff.     Die  Anzahl  der  Schiffe  gibt  der  gleichzeitige  Mönch  vom  Lido  an  p.  269  D. 

^)  Das  ist  bisher  verkannt  worden ;  aber  sobald  man  das  annimmt,  fallen  alle 
chronologischen  Schwierigkeiten.  Nach  dem  Mönch  vom  Lido  kam  die  Nachricht 
von  der  Gnade,  die  Gott  den  Venezianern  de  sanctis  et  de  Pisanis  gewährt, 
gleichzeitig  nach  Venedig  und  erregte  hier  die  größte  Freude ;  c.  28,  p.  270. 


126  Zehntes  Kapitel. 

wandten  sie  sich  nach  Myra  und  setzten  sich  in  Besitz  der,  wie  sie  meinten, 
nun  wirkhch  echten  Rehquien  des  Patrons  der  Seefahrer  (29.  Mai) ;  im  Juni 
trafen  sie  in  Jaffa  ein,  von  Gottfried  und  Daibert  um  so  freudiger  begrüßt, 
je  schwächer  sich  diese  seit  der  Abfahrt  der  Pisaner  gefühlt  hatten.  Während 
die  Venezianer  insgesamt  in  zwei  Abteilungen  nacheinander  zu  den  heiligen 
Stätten  pilgerten,  schlössen  ihre  Führer  mit  Gottfried  einen  wichtigen  Vertrag, 
der  nach  der  Rückkehr  von  Jerusalem  feierlich  durch  Eide  bekräftigt  wurde  i) : 
Die  Venezianer  verpflichteten  sich,  von  Johanni  bis  Maria  Himmelfahrt 
(15.  August)  »in  Dei  servitio«  zu  dienen;  dafür  sollten  sie  in  allen  Städten 
an  der  Küste  wie  im  Innern,  die  die  Franken  erobert  hatten  oder  noch 
erobern  würden,  je  eine  Kirche  mit  einem  zum  Markt  geeigneten  Platz  sowie 
für  alle  Zeiten  voUe  Freiheit  von  Handelsabgaben  erhalten.  2)  Venezianischen 
Schiffen  gegenüber  verzichteten  die  Franken  auf  jegliche  Ausübung  des 
Strandrechts;  nur  sollte  beim  Schiffbruch  der  Schiffer  seinen  Helfern  ein 
Entgelt  für  ihre  Mühe  zu  gewähren  verpflichtet  sein.  Die  Beute,  die  man 
im  bevorstehenden  Feldzuge  zu  machen  hoffte,  sollte  bei  der  Einnahme 
einer  Stadt  zu  2/3  den  Franken,  zu  1/3  den  Venezianern  zufallen ;  nur  wenn 
die  Eroberung  von  Tripolis  gelänge,  sollte  die  Beute  zu  gleichen  Teilen 
verteilt  werden;  Tripolis  selbst  aber  sollte  ganz  und  ohne  weitere  Abgabe 
als  eine  jährlich  nach  Jerusalem  zu  sendende  Rekognitionsgebühr  dem 
hl.  Markus  zufallen  —  eine  interessante  Bestimmung,  da  man  doch  sicher 
wußte,  daß  der  Besitz  von  Tripolis  der  sehnhchste  Wunsch  des  Grafen 
Raimund  war.  Schon  war  der  gemeinsame  Zug  gegen  das  wichtige  Accon 
geplant,  da  starb  der  schon  seit  längerer  Zeit  schwerkranke  Gottfried  von 
Bouillon,  und  Tankred  und  die  Venezianer  begnügten  sich  mit  der  Ein- 
nahme des  etwas  südlich  davon  gelegenen,  ziemlich  unbedeutenden  Chaifa 
(Mitte  August  1100).  Als  Waffengenossen  Tankreds  erwirkten  sie  dann,  als 
dieser  nach  seines  Oheims  Bohemund  Gefangennahme  Regent  von  Antiochien 
geworden,  ein  Privileg  von  ihm  3),  das  die  Handelsabgaben  im  Fürstentum 
zu  ihren  Gunsten  herabsetzte  und  sie  sicher  auch  in  den  Besitz  eines 
Fondaco  und  anderer  Häuser  in  Antiochien  brachte,  wenn  sie  nicht  noch 
von  den  Zeiten  der  Griechenherrschaft  her  im  Besitz  solcher  waren.  Mit 
den  Reliquien  des  hl.  Nikolaus  hielten  die  Venezianer  an  seinem  Festtage 
(6.  Dezember  1100)  ihren  feierlichen  Einzug  in  die  Vaterstadt.  *) 

89.  Zuletzt  erschien  im  Jahre  1100  auch  die  genuesische  Flotte 
auf  ihrer  »Caesareafahrt«,  wie  sie  Caffaro,  der  selbst  an  ihr  teilnahm  und 
seine  Annalen  von  dieser  Fahrt  ihren  Ausgang  nehmen  läßt^),  an  der 
syrischen  Küste.  Die  Genuesen  mußten  befürchten,  von  Pisanern  und 
Venezianern  überflügelt  zu  werden ;  so  überwanden  sie  die  schweren  inneren 
Zwistigkeiten,  die  die  Stadt  damals  zerrütteten,  und  rüsteten  eine  Flotte  von 
26  Galeeren  und  mehreren  Transportschiffen  aus,  die  mit  dem  zum  päpst- 
lichen Legaten  ernannten  Bischof  von  Porto,  Mauritius,  an  Bord,  unter 
großer  Kreuzzugsbegeisterung  Genua  am  1.  August  1100  verließ  und  gegen 


1)  Monach.  Littor.,  1.  c,  c.  33  f.,  p.  272. 

^)  .  .  .  immunitatem  ab  omnibus  quae  mercatorum  usus  principibus  terrae  red'j 
dere  solet. 

ä)  Nicht  erhalten;  aber  das  Privileg  von  1140  nimmt  Bezug  darauf.  Tafel  unc 
Thomas  I,  102. 

*)  Hagenmeyer  in  Rev.  Or.  Vm,  841  ff.,  346. 

<*)  Ann.  genovesi  I  p.  5  ff.     Dazu    die  Liberatio    ib.  p.  111  ff.     Vgl.    Manfroni 
146  ff.     Hagenmeyer  in  Rev.  Or.  Vm,  349. 


Begründung  der  Handelsniederlassungen  in  den  Kreuzfahrerstaaten.       127 

Ende  September  in  Laodicea  eintraf.  Hier  trugen  die  Genuesen  zur  Be- 
geitigung  der  nach  Gottfrieds  Tode  und  Bohemunds  Gefangennahme  aus- 
gebrochenen Wirren  wesentUch  bei  und  stellten  sich  dann  dem  neuen 
Könige  Balduin  zur  Eroberung  zweier  Städte  zur  Verfügung.  Ende  April  1101 
wurde  das  kleine  Arsuf-  (nördhch  von  Jaffa),  am  17.  Mai  das  damals  noch 
volkreiche  und  durch  Handel  blühende  Caesarea  genommen,  i)  Nach 
Erstürmung  der  Stadt  baten  gegen  1000  reiche  Kaufleute,  die  sich  in  die 
Moschee  geflüchtet,  den  Patriarchen  Daibert  um  Schonung,  indes  vergebens ; 
die  Stadt  wurde  vollständig  ausgeplündert,  und  so  reich  war  die  Beute,  daß 
die  Genuesen,  als  sie  im  Simeonshafen  an  ihre  Verteilung  gingen,  nach 
Abzug  des  für  die  Kirche  bestimmten  Zehnten  und  eines  Fünftels  zur 
Deckung  der  Ausrüstungskosten  der  Galeeren  2),  nach  Abzug  ferner  reicher 
Ehrengeschenke  für  die  Konsuln,  Schiffskapitäne  und  Vornehmen,  noch  je 
48  Solidi  von  Poitou  und  zwei  Pfund  Pfeffer  an  jeden  der  8000  Teilnehmer 
verteilen  konnten.  Es  war  der  richtige  Raubzug,  von  der  Art,  wie  sie  die 
italienischen  Seestädte  im  Kampfe  mit  den  Sarazenen  des  Westens  gewohnt 
waren ;  Caesarea  vermochte  sich  von  diesem  Schlage  nie  wieder  zu  erholen  luid 
ist  seitdem  ein  neben  Orten  wie  Accon  und  Tyrus  geradezu  bedeutungsloser 
Platz  geblieben. 

Zu  diesen  Erfolgen  gesellte  sich  ein  Privileg  Tankreds,  des  Verwesers 
von  Antiochien,  der  ihnen  im  Juli  1101  ^jz  aller  Einkünfte  aus  dem  Land- 
und  Seeverkehr  im  Simeonshafen  überließ  und  ihnen  für  den  Fall,  daß 
Laodicea  mit  ihrer  Hilfe  erobert  werden  sollte,  die  Hälfte  der  Stadt  versprach.  3) 

Damit  waren  die  großen  Seezüge  der  italienischen  Seemächte, 
die  in  engstem  Zusammenhange  mit  dem  ersten  Kreuzzuge  stehen, 
beendet;  ein  gewaltiger  Umschwung  in  den  maritimen  Verhältnissen 
des  anatolisch-ägyptischen  Beckens  war  eingetreten^),  der  für  die  Ent- 
wickelung  des  Handels  der  Mittelmeer-Romanen  von  den  wichtigsten 
Folgen  gewesen  ist. 

90.  Noch  aber  war  eine  Reihe  gerade  der  wichtigsten  Seestädte 
an  der  syrischen  Küste  in  feindlichen  Händen,  eine  stete  Bedrohung 
des  allmählich  sich  entwickelnden  Handels  der  italienischen  See- 
mächte ;  ihr  eigenstes  Interesse  wies  sie  darauf  hin,  die  Bemühungen 
der  christlichen  Beherrscher  des  Landes,  sich  in  den  Besitz  der  ge- 
samten Küste  zu  setzen,  energisch  zu  unterstützen.  Wieder  waren  es 
die  Genuesen,  die,  durch  die  Erfolge  ihrer  Caesareaf  ahrt  ermutigt,  diese 
Aufgabe  am  lebhaftesten  ergriffen  und  die  wichtigsten  Ergebnisse  er- 
zielten^) 

Nachdem  eine  kleinere  Expedition,  die  mit  der  von  der  Caesareafahrt 
heimkehrenden  Flotte  bei  Korfu  zusammentraf,  dem  Grafen  Raimund  von 
S.  Gilles  Tortosa  hatte  bezwingen  helfen  (1102),  unternahmen  sie  zwei  Jahre 


')  Hagenmeyer  in  Rev.  Gr.  IX,  423  ff.,  427  ff. 

»)  Hagenmeyer  1.  c.  439.  Röhricht,  Jerusalem  p.  22,  irrtümlich  Vis  ^ür  die 
Schiffe. 

')  Lib.  Jur.  I  p.  16  f.     Imperiale,  nota  18,  p.  377.     Hagenmeyer  1.  c.  445. 

*)  Stark  hervorgehoben,  besonders  bezüglich  der  Pilgerfahrten,  von  Fulc.  Car- 
notens.  p.  383. 

")  Ann.  genovesi  I,  13  f.,  118  f.     Vgl.  Manfroni  150  ff'. 


128  Zehntes  Kapitel. 

darauf  wiederum  einen  großen  Seezug  mit  40  Galeeren  nach  dem  Heiligen 
Lande  und  trugen  das  meiste  dazu  bei,  daß  das  wichtige  Accon  mit  seinem 
trefflichen  Hafen  in  den  Besitz  des  Königreichs  Jerusalem  kam  (26.  Mai  1104). 
Zum  Danke  verlieh  ihnen  König  Balduin  ein  reichhaltiges  Privileg,  in  dem 
er  der  Kirche  San  Lorenzo,  der  Kathedralkirche  Genuas,  einen  Platz  in 
Jerusalem,  eine  Straße  in  Jaffa  und  je  ein  Drittel  von  Arsuf  und  Caesarea 
sowie  von  Accon,  seinen  Einkünften  und  seinem  Landgebiet  bis  auf  eine 
Meile  im  Umkreis  einräumte  und  die  Genuesen  von  jeder  Art  von  Handels-- 
abgaben  in  allen  seinen  Besitzungen,  auch  den  erst  zu  erobernden,  befreite,  eine 
Befreiung,  die  er  auf  die  Bundesgenossen  der  Genuesen,  die  Bewohner  von 
Savona,  Noli,  Albenga  und  das  Geschlecht  des  Pisaners  Gandulf,  ausdehnte. 
Der  Nachlaß  verstorbener  Genuesen  sollte  nach  ihrer  letztwilhgen  Verfügung 
behandelt  und,  wo  solche  fehlte,  ihren  Landsleuten  übergeben  werden.  Für 
das  ihnen  zustehende  Drittel  von  Accon  erhielten  sie  durch  Verständigung 
mit  dem  Könige  eine  Straße  am  Meer,  die  seitdem  die  ruga  b.  Laurentii 
hieß,  einen  Fruchtgarten  und  eine  jährhche  Rente  von  600  Byzantien  aus 
den  Zolleinkünften;  zur  Verwaltung  des  Gewonnenen  bestellten  sie  einen 
vicecomes  in  der  Person  eines  Geistlichen,  des  Kanonikers  Sigbaldus  von 
der  Lorenzokirche,  die  ja  formell  die  Eigentümerin  war  —  er  ist  der  erste 
Vorsteher  einer  abendländischen  Kolonie  in  der  Levante,  den  wir  kennen. 
Ein  Verzeichnis  ihrer  Taten  in  Syrien  aber  und  der  Verleihungen  Balduins 
ließen  sie  mit  Erlaubnis  des  Königs  nach  diesem  glänzenden  Erfolge  zu 
ewigem  Gedächtnis  mit  goldenen  Lettern  an  der  Apsis  der  Kirche  denl 
hl.  Grabes  in  Jerusalem  anbringen,  i)  ■■ 

Aber  auch  ihren  alten  Freund  Raimund  vergaßen  die  Genuesen  nicht; 
mit  derselben  Flotte,  die  bei  der  Einnahme  Accons  so  erfolgreich  mitgewirkt, 
nahmen  sie  noch  im  selben  Jahre  1104  Gibellet  (Dschubail  =  Byblos) ;  das 
ihnen  nach  nun  schon  feststehender  Praxis  zufallende  Drittel  übergaben  sie 
der  Obhut  eines  ihrer  Mitbürger,  des  Ansaldo  Corso.  2)  Noch  aber  widerstand 
der  Hauptort,  Tripolis  selbst;  Raimund  (f  1105)  erreichte  das  Ziel  seiner 
Sehnsucht  nicht  und  mußte  sich  mit  dem  Bau  des  eine  Meile  entfernten 
starken  Schlosses  Monte  Pellerino  begnügen;  erst  dem  Grafen  Bertram, 
seinem  Sohne  und  Nachfolger,  gelang  die  Einnahme  des  wichtigen  Platzes 
mit  Hilfe  der  starken  genuesischen  Flotte  von  60  Galeeren,  die  ihn  über 
Meer  begleitet  hatte.  Noch  während  der  Belagerung  ließen  sich  die  Genuesen 
am  26.  Juni  1109  zu  Händen  des  Wilhelm  Embriaco  und  anderer  Vor- 
nehmen von  ihm  ein  Privileg  ausstellen,  wonach  sie  1/3  der  Stadt  TripoHs 
an  der  See,  einschließlich  des  Hafens  und  der  Inseln,  sowie  seinen  Anteil 
an  Gibellet  erhalten  sollten;  alle  Genuesen  sowie  die  unter  genuesischer 
Oberhoheit  stehenden  Bewohner  des  Gebiets  zwischen  Nizza  und  Porto 
Venere  und  die  mit  Genuesen  in  Handelsgesellschaften  verbundenen  Lom- 
barden sollten  ferner  von  jeder  Abgabe  (tributum)  in  seinem  Lande  frei 
sein,  mit  alleiniger  Ausnahme  etwaiger  Pilgertransporte,  die  sie  von  seinem 
Gebiete  aus  anderswohin  überführen  würden.  ^)   Als  aber  die  Einnahme  voi 

*)  Ein  Faksimile  dieser  im  Liber  Jurium    wiedergegebenen  Inschrift  bei  Bei 
grano  (in  halber  Größe)  in  seiner  Ausgabe  der  Liberatio  Orientis   (ann.  genovesi 
tav.  VII ;  vgl.  p.  113  not.  2  und  121  mit  not.  12). 

*)  Ib.  p.  120:  Et  Gibelleto  capto,  comes  tenuit  Gibelletum  pro  se,  et  de  disj 
trictu  Tripoli  erat;  et  dedit  Vs  J^^iu^nsibus  et  %  sibi  tenuit  et  vicecomitem' 
SU  um  ibi  posuit;    et  Januenses   in   terciam  partem  Ansaldum  Corsum  pro  guarda 
posuerunt. 

•)  Lib.  Jur.  I  no.  11,  p.  18  f.     Imperiale  nota  19,  p.  379. 


Begründung  der  Handelsniederlassungen  in  den  Kreuzfahrerstaaten.        129 

Tripolis,  der  die  rasche  Übergabe  von  Gabulum  (Gibellus  major  =  Dschebeleh) 
am  23.  Juli  folgte,  gelungen  war  (12.  Juli)  und  die  Genuesen  schon  ihre 
Machtboten  über  das  der  Stadt  Genua  verheißene  Drittel  gesetzt  hatten 
(legatos  suos  pro  guardia  partis  eorum  divisae  posuerunt),  vertrieb  Graf 
Bertram  diese  nach  kurzer  Zeiti);  nur  den  Burgflecken  Puy  du  Connetable 
(castrum  constabularii)  [und  die  übrigen  2/3  von  Gibellet  räumte  er  ihnen 
ein,  so  daß  nimmehr  der  ganze,  freilich  nicht  gerade  bedeutende  Ort  Gibellet 
im  Besitze  Genuas  war.  2)  Über  die  neuen  2/3  setzten  die  Genuesen  den 
Ugone  Embriaco,  der  schließlich  ganz  Gibellet  als  erbliches  Lehen  gegen 
einen  jährlichen  Zins  von  Genua  erwarb. 

Im  folgenden  Jahre  (1110)  wurde  die  Periode  kriegerischer  Unter- 
nehmungen an  der  syrischen  Küste  für  Genua  durch  die  Eroberung  des 
in  späteren  Zeiten  so  wichtigen  Beirut  (Berytus)  abgeschlossen,  bei  der  eine 
genuesische  Flotte  von  22  Galeeren  den  König  Balduin  unterstützte.  Auch 
hier  hatte  also  Genua  auf  1/3  der  Stadt  Anspruch.  3) 

Somit  hatte  die  ligurische  Seestadt  in  einem  Zeitraum  von  etwa  13  Jahren 
unter  wiederholter  Aufbietung  beträchtücher  Seestreitkräfte  an  der  ganzen 
syrischen  Küste  von  Jaffa  bis  zur  Orontesmündung  eine  Reihe  wichtiger 
Stützpunkte  für  ihren  Handel  gewonnen;  auch  in  Laodicea,  das  1108  den 
Griechen  endgültig  von  den  Normannen  Antiochiens  entrissen  wurde,  scheinen 
die  Genuesen  bald  nach  der  Eroberung  Handelsvorteile  erlangt  zu  haben, 
wenigstens  ersehen  wir  aus  der  Bestätigung  ihrer  Privilegien  durch  den 
jungen  Bohemund  H.  vom  Dezember  1127,  daß  sie  sich  damals,  abgesehen 
von  i/s  d^r  Stadt  und  der  Hafeneinkünfte  von  Solinum,  auch  im  tatsäch- 
lichen Besitz  einer  Handelsstraße  (ruga)  und  eines  Fondaco  in  Laodicea 
befanden.  ^) 

91.  Neben  der  großen  Rührigkeit  der  Genuesen  im  ersten  Jahrzehnt 
der  Kreuzfahrerstaaten  treten  die  Pisaner  stark  zurück.  Die  Wichtigkeit 
des  von  ihnen  auf  ihrem  ersten  großen  Seezuge  Erreichten  wurde  sehr 
erhebhch  beeinträchtigt  durch  die  Unsicherheit  der  Stellung  Daiberts,  der, 
in  kurzen  Zwischenräumen  dreimal  als  Patriarch  abgesetzt,  dabei  immer 
mit  den  Normannen  Antiochiens  in  engster  Verbindung,  schließlich  im 
Herbst  1104  mit  Bohemund  nach  Italien  zurückkehrte,  wo  er  zwar  seine 
Wiedereinsetzung  erwirkte,  auf  der  Rückreise  aber  16.  Juni  1107  in  Messina 
starb,  ö)  So  können  wir  eine  pisanische  Handelsniederlassung  für  die 
erste  Zeit  des  Königreichs  Jerusalem  mit  Sicherheit  nur  für  Jaffa  annehmen. 
Eine  begünstigte  Stellung  errangen  die  Pisaner  dagegen  in  Nord -Syrien. 
Mit  den  Normannen  beständig  in  sorgfältig  gepflegter  Verbindung,  mit  den 
Griechen  noch  immer  verfeindet,  leisteten  sie  im  Jahre  1108  Tankred  bei 
der  endlichen  Bezwingung  des  vielumkämpften  Laodicea  mit  ihrer  Flotte 
wirksame    Hilfe.     Zum    Lohne    erhielten    sie    ein   Handelsquartier    in    der 


^)  Ann.  genov.  I  p.  124  (inhoneste  expulit). 

*)  Wohl  nur  durch  ein  augenblickliches  Versehen  bezieht  Köhricht,  Jerusalem 
S.  82  (auch  Kreuzzüge  S.  66)  das  auf  Gabulum  (Dschebeleh ;  südlich  von  Laodicea). 
Eine  Entschädigung  für  die  Genuesen  sollten  wohl  seine  Versprechungen  bezüglich 
Saint-Gilles  sein ;  vgl.  unten  §  437. 

*)  Ann.  genov.  I,  15. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  20,  p.  30:   >sicut  modo  tenent.« 

')  Literatur  über  Daibert  bei  Röhricht,  Jerusalem  p.  5.  Dazu  Hampel  E.,  Un- 
tersuchungen über  das  lat.  Patriarchat  bis  zum  Tode  des  Patr.  Arnulf  (1099 — 1119). 
Erlangen  1899.     Diss. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  9 


130  Zehntes  Kapitel.  <i^^hh 

Hauptstadt  Antiochia  (den  vicus  Sancti  Salvatoris)  wie   in  Laodicea  selbst^ 
wo    ihnen   die   vom  Meere   zur  Nikolaikirche   führende  Arkaden straße,    ein- 
schließlich der  genannten  Kirche,  zufiel,  endlich  volle  Verkehrs-  und  Abgaben- 
freiheit im  ganzen  Fürstentum,  i) 

Wahrscheinlich  ist  auch  in  dieser  Zeit  schon  die  Handelsniederlassung 
der  Pisaner  in  Tripolis  begründet  worden.  Wenigstens  hören  wir,  daß  Graf 
Bertrand,  als  er  von  Süd-Frankreich  1108  überfuhr,  in  Pisa  landete,  wo  sich 
die  genuesischen  Schiffe  erst  anschlössen,  und  daß  Pisaner  an  der  im  nächsten 
Jahre  erfolgten  Eroberung  von  Tripolis  und  Gabulum  beteihgt  gewesen  sind.2) 
Bald  nach  der  Einnahme  von  Tyrus  (1124)  wurde  auch  in  diesei  Stadt 
eine  pisanische  Handelsniederlassung  begründet.  Noch  König  Balduin  II. 
schenkte  den  Pisanern  fünf  Häuser  in  der  Hafenstraße  (in  ruga  juxta  portum) 
zu  ewigem  freien  und  abgabenlosen  Besitz  '^) ;  er  verlieh  ihnen  ferner  für 
ihre  Schiffe  und  Waren  bei  Ankunft,  Aufenthalt  und  Abfahrt  völlige 
Abgabenfreiheit  in  Tyrus,  von  der  nur  die  mitgeführten  Pilger  und  nicht- 
pisanischen  Waren  ausgenommen  wurden;  endlich  bestimmte  er,  daß  der 
Nachlaß  von  Pisanern,  die  in  seinem  Königreiche  stürben,  an  ihre  Angehörigen 
oder  Volksgenossen  ausgeliefert  werden  müßte,  s| 

92.  Lange  Zeit  begnügten  sich  die  Venezianer  mit  den  großen 
Handelsvorteilen,  die  sie  auf  ihrem  ersten  Seezuge  erlangt  hatten,  und 
hielten  sich  von  dem  Kampfe  um  die  Seestädte  fern ;  ja  bei  der  Bedrängnis 
von  Tripolis,  auf  das  sie  einst  selbst  ein  Auge  geworfen,  durch  die  Christen 
halfen  sie  sogar  der  Stadt  frischen  Proviant  zuführen.  *)  Diese  Zurück- 
haltung entsprang  in  erster  Linie  der  Rücksicht  auf  ihre  Beziehungen  zu 
Konstantinopel;  sobald  einmal  in  Zeiten  des  Konflikts  diese  Rücksicht 
wegfiel,  ist  energische  Unterstützung  an  ihre  Stelle  getreten,  m\ 

So  führte  im  Jahre  1110,  als  Pisa  zu  Byzanz  in  ein  freundschaftliches 
Verhältnis  trat,  der  Doge  Ordelafo  Falier  in  Person  eine  venezianische 
Expedition,  die  in  Gemeinschaft  mit  König  Balduin  und  nordischen  Kreuz- 
fahrern unter  Sigurd  I.  von  Norwegen  im  Dezember  das  starke,  aber 
kommerziell  ziemlich  unbedeutende  Sidon  eroberte ;  Markuskirche  und  Doge 
erhielten  bei  dieser  Gelegenheit  auf  ihren  Wunsch  auch  in  dem  weit 
bedeutenderen,  1104  christlich  gewordenen  Accon  eine  Straße  (ruga)  zu- 
gewiesen 5). 


')  Müller  p.  3  u.  369.     Röhricht,  Reg.  no.  53.     Heyd  I,  145. 

^)  Röhricht,  Jerusalem  79,  81. 

3)  Eingerückt  in  das  Privileg  von  1156,  Müller  no.  5,  p.  7.  Da  Balduin  11, 
1131  gestorben  ist,  so  muß  das  undatierte  Privileg  in  die  Zeit  zwischen  1125  und 
1131  fallen;  wahrscheinlich  aber  gehört  es  in  den  Anfang  dieser  Zeit. 

*)  Ihn  el  Athir  im  Rec,  Crois.  Orient.  I,  254.  Errera  C. :  I  crociati  veneziani  in 
Terra  Santa  (dal  concilio  di  Clermont  alla  morte  di  Ordelafo  Falier)  im  Arch.  ven. 
38  (1890),  276. 

*)  Lenel  35,  Anm.  2  bezweifelt  die  Beteiligung  der  Venezianer  an  der  Erobe- 
rung von  Sidon;  vgl.  S.  91;  aber  die  Angabe  Dandolos  wird  durch  das  Pactum  War- 
mundi  von  1123,  wonach  die  Verleihungen  in  Accon  >in  Sidonis  acquisicione <  er- 
folgt waren,  auf  das  wirksamste  unterstützt.  Mit  Recht  hat  schon  Simonsfeld  (Hist. 
Z.  84,  1900,  439)  darauf  hingewiesen;  die  von  ihm  angezogene  Stelle  Alberts  von 
Achen  aber  (Rec.  Crois.  Occ.  IV  p.  652),  wonach  Balduin  zur  Belagerung  der  Stadt  aus 
allen  Nationen  Italiens,  von  den  Pisanern,  Genuesen,  Venezianern,  Amalfltanern 
und  herumschweifenden  Korsaren,  Streitkräfte  zusammengezogen  habe,  bezieht  sich 
auf  die  erste,  vergebliche  Belagerung  der  Stadt  im  Jahre  1108, 


II 
i 


Begründung  der  Handelsniederlassungen  in  den  Kreuzfahrerstaaten.         131 

Den  größten  Dienst  indessen  leisteten  die  Venezianer  dem  Heiligen 
Lande  durch  ihre  Mitwirkung  bei  der  endlichen  Einnahme  des  wichtigen 
Tyrus,  das  sich  immer  noch  in  den  Händen  der  Ungläubigen  behauptete 
und  als  Hafen  für  Damaskus  dienen  konnte.  Schon  im  August  1122  hatten 
120  Schiffe  unter  dem  Dogen  Domenico  Michael  Venedig  verlassen,  aber 
zunächst  im  Winter  das  griechische  Korfu  belagert,  waren  dann  über  Modon 
und  Rhodus  nach  Cypern  und  von  hier  auf  die  Nachricht,  daß  eine  ägyptische 
Flotte  Jaffa  blockierte,  nach  Accon  gefahren;  durch  einen  glänzenden  See- 
sieg im  Mai  1123,  der  ihnen  reiche  Beute  einbrachte,  vertrieben  sie  die 
Feinde  und  schickten  sich  nunmehr  an,  Tyrus  zu  belagern.  Vorher  aber 
ließen  sie  sich  von  den  Vertretern  König  Balduins  II.,  der  am  18.  April  1123 
in  Gefangenschaft  geraten  war,  das  als  Pactum  Warmundi  (nach  dem 
Patriarchen  von  Jerusalem)  bekannte  reichhaltige  Privileg  i)  ausstellen. 
Von  den  Städten  Tyrus  und  Askalon,  die  man  zu  erobern  gedachte,  sollte 
den  Venezianern  ein  volles  Drittel  zufallen;  in  der  Hauptstadt  Jerusalem 
sollten  sie  auf  dem  Marktplatz  so  viel  zu  Eigentum  erhalten,  wie  der  König 
selbst  besaßt);  in  ihrer  Niederlassung  (vicus)  zu  Accon  sollten  sie  Mühle, 
Backofen,  Bad  abgabenfrei  bezitzen  und  sich  eigener  Gewichte  und  Maße 
bedienen  dürfen;  nur  bei  Einkäufen  von  Nicht-Venezianern  blieb  ihnen 
der^ Gebrauch  der  staatlich  eingeführten  Maße  und  Gewichte  vorgeschrieben. 
Das  zeigt  uns  deutlich,  daß  Accon  damals  der  für  den  Handel  Venedigs 
mit  dem  Königreich  wichtigste  Platz  geworden  war;  ist  uns  doch  auch 
schon  aus  dem  Jahre  1119  eine  Handelsgesellschaft  mit  300  1.  Kapital 
bekannt,  für  die  Giovanni  Mauro  auf  dem  vom  nauclerus  Dominicus 
Bilongus  geführten  Schiffe  nach  Accon  ging.  3)  In  allen  anderen  Städten 
des  Königreichs  sollten  sie  ebenfalls,  abgesehen  von  Kirche  und  Marktplatz, 
wie  sie  ihnen  schon  im  Jahre  1100  verheißen  waren,  eine  ganze  Straße 
(rugam)  sowie  Bad  und  Backofen  zu  vollem,  lastenfreiem  Eigentum  besitzen. 
Von  der  völligen  Freiheit  von  Handelsabgaben  sollten  nur  Pilgerschiffe  aus- 
genommen sein.  Und  wie  das  Strandrecht,  so  wurde  nun  auch  jedes  Heimfalls- 
recht bezüglich  des  Nachlasses  von  Venezianern,  auch  wenn  sie  ohne  letzt- 
wiUige  Verfügung  (sine  lingua)  verstorben  waren,  für  abgeschafft  erklärt.  Für 
Streitigkeiten  ihrer  Landsleute  untereinander  sollten  die  Venezianer  ihren 
eigenen  Gerichtshof  haben;  über  die  in  ihren  Quartieren  ansässigen  Nicht- 
Venezianer (burgenses)  sollte  ihnen  dieselbe  Gerichts-  und  Finanzhoheit 
zustehen  wie  dem  Könige  gegenüber  seinen  Untertanen.  Bei  Streitigkeiten 
zwischen  Venezianern  und  Nicht- Venezianern  sollte  der  königliche  Gerichtshof 
nur  dann  zuständig  sein,  wenn  der  Beklagte  ein  Nicht-Venezianer  war. 

Im  Februar  1124  konnte  die  Belagerung  von  Tyrus  beginnen.  Nicht 
bloß  mit  ihrer  Flotte,  auch  mit  reichen  Geldmitteln  unterstützten  die 
Venezianer  ihre  Bundesgenossen,  indem  sie  dem  Patriarchen  und  den 
Fürsten  ein  Darlehen  von  100  000  Byzantien  (aureorum)  gewährten ;  es  hängt 
damit  zusammen,  daß  ihnen  eine  zu  Peter  und  Paul  zahlbare  Jahresrente  von 
300  sarazenischen  Byzantien  auf  den  königlichen  Bazar  in  Tyrus  angewiesen 
wurde.  ■*)     Nach  hartnäckiger  Verteidigung  kapitulierte  die  Stadt  am  7.  Juli ; 


')  Tafel  und  Thomas  I,  85  f. 

*)  Das  Haus  des  Petrus,  Schwiegersohns  des  Venezianers  Johannes,  wird  1153 
in  Jerusalem  erwähnt.     Delaville  le  Roulx  I  p.  168,  no.  219. 

-)  »in  taxegio  de  Acres.«     Sacerdoti  p.  23. 

*)  Tafel  und  Thomas  I,  86:  >de  funda  Tyri  ex  debiti  condicione*.  Die  Nach- 
richt über  das  Darlehen  in  der  Hist.  Ducum  Ven.,  SS.  XIV,  74. 

9* 


132   Zehntes  Kapitel.  Begründung  d.  Handelsniederlassungen  in  d.  Kreuzfahrerstaaten. 

den  Einwohnern  wurde  gestattet,  gegen  eine  mäßige  Kopfsteuer  in  der  Stadt 
zu  bleiben,  und  ein  großer  Teil  machte  davon  Gebrauch,  so  daß  die  Stadt 
ihren  Wohlstand  und  ihre  Handelsblüte  behauptete,  i) 

Als  König  Balduin  seine  Freiheit  wiedererlangt  hatte,  bestätigte  er 
am  2.  Mai  1125  die  den  Venezianern  gemachten  Zugeständnisse  in  vollem 
Umfange;  nur  ließ  er  hinzufügen,  daß  sie  ihm  bei  einer  nötig  werdenden 
Verteidigung  von  Tyrus  eine  den  Einkünften  aus  ihrem  Stadtdrittel  ent- 
sprechende Anzahl  von  Verteidigern  zur  Verfügung  zu  stellen  hätten.  2)  Im 
Juni  1125  kehrten  die  Venezianer  heim;  Tyrus  war  nun  der  Hauptpunkt 
ihrer  syrischen  Besitzungen  geworden,  und  bald  erhob  sich  hier  die  unter 
der  heimischen  Markuskirche  stehende,  dem  gleichen  Heihgen  geweihte 
Kathedralkirche  3),  mit  zahlreichen  Privilegien  ausgestattet,  als  Hauptkirche 
der  Venezianer  in  Syrien.  fll 

Weit  weniger  günstig  war  die  Stellung  der  Venezianer  im  nördhchen 
Syrien.  Im  Pactum  Warmundi  ließen  sie  sich  von  den  Großen  des  Reichs 
ihre  guten  Dienste  zusichern,  damit  das  Versprechen,  das  Balduin  ihnen  vor 
seiner  Gefangennahme  gemacht,  darauf  hinzuwirken,  daß  sie  in  Antiochien 
dieselben  Privilegien  wie  in  den  anderen  Städten  des  Reichs  erhielten, 
erfüllt  würde.  4)  Offenbar  ist  die  kommerzielle  Stellung  Venedigs  in  diesem 
Gebiet  durch  sein  freundschaftliches  Verhältnis  zu  dem  den  Normannen 
feindlichen  Byzanz  lange  Zeit  ungünstig  beeinflußt  worden. 

Dagegen  erlangten  sie  in  Tripolis  schon  im  Februar  1117  durch 
Schenkung  des  Grafen  Poncius  ein  großes  Haus  in  der  Nähe  des  Hafens,  das 
den  Namen  Darus  führte;  die  Provisores  von  San  Marco  sollten  für  ewige 
Zeiten  das  vöUig  freie  Verfügungsrecht  über  alle  seine  Innenräume  wie  alle 
zugehörigen  äußeren  Verkaufsstätten  haben.  ^) 

93.  So  groß  der  Anteil  gewesen  ist,  den  die  französische  Nation  an  dem 
ersten  Kreuzzuge  gehabt  hat,  so  gering  sind  die  direkten  Vorteile,  die  sie 
durch  denselben  für  ihren  Handel  erlangt  hat;  denn  das  Entscheidende 
fehlte  ihr,  die  verknüpfende  Seemacht.  Sicher  sind  auch  Bürger  süd- 
französischer Seestädte  in  nicht  geringer  Zahl  den  Fahnen  Raimunds  von 
Toulouse  gefolgt;  aber  dieser  Zug  ging  auf  dem  Landwege  vor  sich,  und 
wir  haben  keinerlei  zuverlässige  Kunde,  daß  von  einer  der  Seestädte  Süd- 
Frankreichs  aus  Geschwader  oder  auch  nur  einzelne  Schiffe  in  dieser  ersten 
Periode  ausgefahren  sind,  um  sich  an  dem  Kampfe  um  die  Küstenstädte 
zu  beteiligen.6)  Wenn  Graf  Raimund  dem  Kloster  Sankt  Viktor  von  Marseille 


II 


»)  Röhricht,  Jerusalem  164  fE.     Manfroni  159  fE.     Heyd  I,  IM. 

*)  Tafel  und  Thomas  I,  90—93.  Einen  an  einigen  Stellen  gebesserten  Text 
gibt  G.  Gelcich :  Breve  appendice  ai  documenti  etc.  dei  Signori  Tafel  e  Thomas. 
Ragusa  1892.     Doc.  no.  1,  p.  12—15. 

=)  Ebd.  II,  362:  Denkschrift  des  Bailo  von  1243  Marsilio  Zorzi,  wo  in  cap- 
tione  terre  statt  capitone  zu  lesen. 

*)  Ebd.  I,  88. 

»)  Ebd.  76  f.     Röhricht,  Reg.  no.  84. 

®)  Dafür  ließe  sich  anführen,  was  Albert  von  Achen  von  Winimer  von  Bou- 
logne  und  seinen  Leuten,  die  Laodicea  zuerst  genommen,  erzählt  1.  VI,  c.  55  (Reo.  _■ 
Crois.  Occid.  IV,  500):  Hi  collectione  navium  a  diversis  terris  et  regnis  contractaÄl 
videlicet  ab  Antverpia,  Tila,  Fresia,  Flandria  per  mare,  Provincialibus  in  terra 
S.  Aegidii  de  potestate  comitis  Raimundi  associati,  navigio  in  circuitu  orbis  terrae 
usque  ad  ipsam  urbem  Laod.  appulsi  sunt.  Allein  ganz  abgesehen  davon,  daß  die 
Autorität  Alberts  dafür  nicht  allzu  hoch  angeschlagen  werden  dürfte,  scheint  die 
Stelle  nur  zu  bedeuten,  daß  diese  niederländische  Flotte  in  S.  Gilles  proven9alische 
Kreuzfahrer  an  Bord  nahm.    Vgl.  1.  in,  c.  14,  p.  348 ;  Röhricht,  Jerusalem  98  u.  205. 


II 


Elftes  Kapitel.     Weiterentwickelung  der  romaniBclien  Handelsniederlassungen.   133 

die  Hälfte  von  Gibeilet  schenkte  i),  so  fühlt  man  sich  zwar  zunächst  ver- 
sucht, an  maritime  Beziehungen  zu  Marseille  und  Handelsvorteile,  die  dieser 
Stadt  hieraus  erwachsen  sein  müßten,  zu  glauben;  indessen  hat  diese 
Schenkung  fünf  Vierteljahre  vor  der  wirkhchen  Eroberung  stattgefunden 
und  ist  der  abergläubischen  Frömmigkeit  des  Grafen  entsprungen,  der  sich 
dadurch  den  Erfolg  zu  sichern  gedachte;  überdies  ist,  wie  wir  wissen,  ganz 
Gibeilet  schon  1109  den  Genuesen  zugefallen.  Auch  ein  angebliches  Privileg, 
das  König  Balduin  den  Marseillern  im  Jahre  1117  verliehen  haben  soll, 
erweist  sich,   wenn  man  seiner  habhaft  werden  will,   als  ein  Truggebilde 2). 


Elftes  Kapitel. 

Weiterentwickelimg  der  romanischen  Handelsnieder- 
lassungen in  Syrien  bis  zur  saladioischen  Invasion. 

94.  Die  genuesischen  Handelsniederlassungen  in  Syrien  ent- 
wickelten sich  nicht  ganz  ihrem  glänzenden  Anfange  entsprechend. 

Durch  die  spanischen  Unternehmungen  hervorgerufene  Finanznöte 
veranlaßten  die  Regierung  im  Januar  1154  3),  ihre  Rechte  in  Accon  den 
Embriaci  (Hugo,  seinem  Bruder  Nikolaus  und  ihren  Erben)  gegen  einen 
Jahreszins  von  50  1.  jan.  auf  29  Jahre  zu  verpachten ;  dabei  Avurde  eine  von 
den  Pächtern  sofort  geleistete  Zahlung  von  100  1.  a;ls  Pachtzins  für  die 
ersten  vier  Jahre  angerechnet  und  die  weitere  Bestimmung  getroffen,  daß, 
wenn  die  Pächter  in  den  beiden  ersten  Jahren  am  Genuß  der  Einkünfte 
von  Accon  gehindert  werden  sollten,  diese  Zahlung  sogar  für  sechs  Jahre  gelten 
sollte.  Und  die  hier  gesetzte  Möglichkeit  war  keineswegs  eine  bloß  theo- 
retische. Im  folgenden  Jahre  entsandte  Genua  einen  Kanoniker  von  San 
Lorenzo,  Mainfred,  an  die  Kurie  nach  Benevent,  wo  sich  zahlreiche  geist- 
liche Würdenträger  des  lateinischen  Orients  unter  Vorsitz  des  Papstes  ver- 
sammelt hatten;  er  führte  lebhafte  Klage  über  vielfache  Verletzung  der 
Rechte  Genuas  durch  die  syrischen  Landesfürsten  und  Wegnahme  eines 
Schiffes  mit  wertvoller  Ladung  durch  Untertanen  des  Königs  von  Jerusalem. 
Der  Papst  trat  für  die  Genuesen  ein ;  schon  1144  hatte  Lucius  IL  ihnen  alle 
ihre  Rechte  in  Syrien  bestätigt;  jetzt  sandte  Hadrian  IV.  auf  Grund  der 
Beschwerde  und  der  von  den  Genuesen  vorgelegten  Dokumente  an  den 
König  das  Gebot,  das  fragliche  Schiff  herauszugeben  und  die  Genuesen  in 
Zukunft  im  friedlichen  Besitz  des  Vizekomitats  von  Accon  und  ihrer  anderen 
Rechte  zu  belassen.'*)  Im  Jahre  1157  ging  Jonathas  Crispinus  als  Gesandter 
Genuas  nach  Syrien,  und  1161  erschien  Ansaldo  Spinola  in  Begleitung  des  päpst- 
lichen Legaten  daselbst  »pro  petenda  justicia  Januensium« ;  im  gleichen  Jahre 
verlieh  Alexander  III.  dem  genuesischen  Erzbischof  die  überseeische  Legation, 
die   ihm  das  Recht  gewährte,  alle  acht  Jahre  in   Gemeinschaft  und  gleicher 


')  Röhricht,  Reg.  p.  6  (16.  Januar  1103).     Marchand  94. 

*)  Am  letzten  Ende  gehen  die  Angaben  hierüber  auf  eine  zieniUch  konfuse 
und  jeder  Beweiskraft  entbehrende  Stelle  bei  J-B.  Guesnay:  Provinciae  Massilien- 
sis  .  .  .  Annales  sive  Massilia  Gentilis  et  Christiana  libri  tres  (Lugduni  1657)  p.  318 
zurück. 

»)  Lib.  Jur.  I,  no.  198,  p.  173  f.     Imperiale  p.  357. 

*)  Ann.  genov.  I,  p.  32,  44.     Röhricht,  Reg.  no.  312.     Heyd  I,  160. 


134  Elftes  Kapitel. 

Autorität  mit  einem  Abgesandten  der  Kurie  die  Kreuzfahrerstaaten  zu  visi- 
tieren, i)  Aber  auch  dies  Eingreifen  der  Genua  eng  befreundeten  Päpste 
fruchtete  nichts;  offenbar  erschien  den  Königen  die  von  den  Genuesen  im 
ersten  Anlauf  errungene  Vorzugsstellung  auf  die  Dauer  für  ihre  Landes- 
hoheit und  ihre  Finanzen  gar  zu  abträglich ;  König  Amalrich  ging  in  seiner 
Abneigung  gegen  die  Vorrechte  der  Genuesen  sogar  so  weit,  daß  er  jene  den 
Ruhm  und  die  Privilegien  der  Genuesen  verkündende  Inschrift  in  der  Grabes - 
kirche  zerstören  ließ,  und  die  wiederholten  Mahnungen,  die  die  Päpste  deswegen 
und  wegen  anderer  Übergriffe  vom  Jahre  1169  an  bis  zur  saladinischen  In- 
vasion an  die  Machthaber  in  Jerusalem  richteten,  blieben  ohne  Erfolg.  2)  So 
erwiesen  sich  gerade  ihre  großen  Privilegien  den  Genuesen  in  mancher  Be- 
ziehung als  nachteihg;  die  Mißgunst  der  Regierung  mußte  um  so  übler 
wirken,  als  sie  es  mit  tatkräftigen  Rivalen  zu  tun  hatten;  aber  wenn  auch 
vielfach  in  ihren  Vorrechten  verkürzt,  behaupteten  sie  sich  doch,  namenthch 
in  Accon,  wo  wir  für  1169  einen  genuesischen  »vicecomes  in  ruga  S.  Lau- 
rencii«,  Cacciabove,  nachweisen  können 3);  das  Notularium  des  Johannes 
weist  47  Nummern  auf,  die  sich  auf  Handelsfahrten  der  Genuesen  nach 
Syrien  (ultra  mare)  beziehen.  M\ 

95.  Auch  ihre  Besitzungen  im  Fürstentum  Antiochien,  die  Raimund  I.  ■' 
dem  Gesandten  Guilelmus  Buronus  im  Jahre  114.3  feierlich  bestätigte  4), 
übertrug  die  genuesische  Regierung  auf  lange  Pacht  an  das  mächtige  Ge- 
schlecht der  Embriaci,  das  schon  ganz  Gibeilet  zu  Lehen  trug.  Zuerst 
scheint  es  1134  auf  20  Jahre  geschehen  zu  sein;  mehrfach  aber  kam  es  zu 
Streitigkeiten  mit  den  Pächtern,  und  im  Januar  1147  sprechen  die  Konsuln 
sogar  die  Konfiskation  der  Güter  des  Guilelmus  Embriacus  und  seiner  Erben 
aus,  da  sie  den  bezüghch  der  Städte  Gibellet,  Solinum,  Laodicea  und 
Antiochia  mit  früheren  Konsuln  auf  20  Jahre  abgeschlossenen  Vertrag  nicht 
gehalten  hätten  0);  [doch  nahmen  sie  diesen  Spruch  sogleich  gegen  eine 
Zahlung  von  300  1.  Jan.  an  das  Comune  zurück.  Die  Erneuerung  der  Pacht 
fand  im  Januar  1154  auf  29  Jahre  statt  6);  die  Brüder  Hugo  und  Nikolaus 
und  ihre  Erben,  dieselben  also,  die  auch  Accon  pachteten,  hatten  für  Antiochia 
einen  Jährlichen  Pachtzins  von  80  1.  jan.  zu  zahlen,  während  Wilhelm  für 
die  feierliche  Belehnung  mit  ganz  Gibellet  und  den  genuesischen  Besitz 
in  Laodicea  jährlich  270  Byzantien  an  das  Comune  und  ein  Palhum  im 
Wert  von  10  Byzantien  an  San  Lorenzo  abzuführen  hatte;  gegen  eine 
sofortige  Zahlung  von  100  1.  jan.  verzichtete  das  Comune  auf  weitere  noch 
rückständige  Forderungen  7)  an  ihn.  Aus  dem  Jahre  1162  wissen  wir,  daß 
die  Regierung  den  von  Wilhelm  für  zwei  Jahre  geschuldeten  Pachtzins  von 
540  Byzantien   an    ein  Konsortium   verkaufte.  §)     Auch   gegen   den   Fürsten 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  320:    9/4  1179  Bestätigung   der  Bulle  von  1161;    Langer  81. 
Ann.  genov.  I,  48,  62. 

2)  Röhricht,    Eeg.   no.  438,   p.  114;    Additam.    no.  664a.     Lib.  Jur.  I  no.  254, 
255,  322,  345-350.     Heyd  I,  149.     Langer  156. 

3)  Belgrano  im  Arch.  st.  ital.  serie  3,  t.  VIII,  2,  p.  160.     Heyd  I,  158. 
*)  Lib.  Jur.  I  no.  95,  p.  98.  Langer  18,  Anm.  1. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  137,  p.  133,  vgl.  p.  89  zu  1144.     Röhricht,  Reg.  no.  247. 

«)  Lib.  Jur.  I  no.  196/7,  p.  172  f.  Imperiale  p.  355  f.  (no.  XI  u.  XII  zu  nota  13). 

')  totum   illud  quod   ipse  pro  bisanciis  pred.  Gibeleti  et  aliorum  locorum  co- 
muni  Janue  dare  debebat.  Vgl.  damit  die  Stelle  der  Konsularstatuten  von  1143:  Et; 
si  de  bisanciis   de  Gibello  contentio  orta  fuerit,  faciemus  inde  justitiam.     Leg.  Mu- 
nieip.  I  p.  248.     Heyd  I,  163  bezieht  die  Stelle  auf  Gabulum. 

8)  Chart.  II  no.  1180. 


Weitorentwickelung  der  romanischen  Handeleniederlassungen  in  Syrien.        135 

von  Antiochien  richteten  sich  die  Beschwerden  der  Genuesen  im  Jahre 
1155  wegen  Verletzung  ihrer  Vorrechte;  doch  stellte  sich  unter  dem  Nach- 
folger Raimunds,  Bohemund  III.,  im  Gegensatz  zu  der  schlechten  Behand- 
lung, die  die  Genuesen  damals  gerade  im  Königreich  erfuhren,  ein  gutes 
Verhältnis  mit  ihnen  her.  Der  genuesische  Gesandte  Lanfranco  Alberici 
erwirkte  zunächst  von  dem  damaligen  Herrn  von  Gibeilet,  Hugo  Embriaco  i), 
völlige  Abgabenfreiheit  für  seine  Landsleute,  wofür  sich  dieser  freilich  nach 
einiger  Zeit  durch  Verweigerung  seiner  Lehnspflicht  schadlos  hielt  2),  und 
erlangte  dann  (1169)  von  Bohemund  Bestätigung  ihrer  bisherigen  Rechte  und 
Besitzungen,  Zusage  völliger  Sicherheit  für  Personen  und  Waren,  wo  immer 
in  seinem  ganzen  Gebiet  sie  Handel  trieben,  und  das  Versprechen,  Beschwerden 
und  Klagen  der  Genuesen  binnen  40  Tagen  zu  erledigen;  in  den  Motiven 
betonte  er  seine  Vorliebe  für  die  Genuesen  und  seinen  Wunsch,  daß  sie 
sein  Land  mehr  als  bisher  besuchen  und  in  demselben  verweilen  möchten. 
Dafür  leistete  ihm  der  Gesandte  im  Namen  Genuas  einen  Eid,  daß  die 
Genuesen  nach  Kräften  ihn  und  sein  Land  unterstützen  und  verteidigen 
würden.  ^)  Auch  daß  sein  Nachfolger,  Bohemund  IV.,  in  erster  Ehe  mit  einer 
Tochter  des  Hugo  Embriaco,  Placentia,  vermählt  war,  konnte  den  Handels- 
interessen Genuas  im  Fürstentum  nur  förderlich  sein.  Dagegen  blieb  das 
Verhältnis  zu  Tripolis  dauernd  unfreundlich;  noch  1186  gebot  Urban  III. 
dem  Grafen  und  dem  Bischof,  den  Genuesen  endlich  das  ihnen  zustehende 
Drittel  der  Stadt  Tripolis  zu  übergeben.^) 

96.  Waren  die  Pisaner  im  Fürstentum  Antiochien  anfänglich  be- 
sonders begünstigt,  so  trat  für  sie,  ähnlich  wie  für  die  Genuesen  im  König- 
reich Jerusalem,  in  der  folgenden  Zeit  ein  Rückgang  ein,  über  dessen 
Phasen  wir  im  einzelnen  nicht  unterrichtet  sind.  In  dem  Privileg,  das  ihr 
Gesandter  Rainerio  Bottacci  am  10.  Mai  1154  für  die  Pisaner  daheim  wie 
für  ihre  im  Fürstentum  ansässigen  Volksgenossen  0)  auswirkte,  wurde  ihnen 
in  Laodicea  ein  Grundstück  zur  Erbauung  eines  domus  (doch  wohl  eines 
Fondaco)  am  Meere  geschenkt  unter  der  Bedingung  des  Rückfalls  an  den 
Fürsten,  falls  es  ihnen  gelänge,  sich  vor  Gericht  die  Rückgabe  des  gegen- 
wärtig von  dem  Genuesen  Wilhelm  Embriaco  am  Hafen  innegehabten  Ter- 
rains zu  erstreiten.  Auch  erschien  nunmehr  der  Erlaß  der  Hälfte  der  Ge- 
bühren, die  sie  »per  consuetudinem«  im  ganzen  Fürstentum  bei  Ein-  und 
Ausfuhr,  Kauf  und  Verkauf  zu  entrichten  hatten,  als  ein  Zugeständnis, 
während  ihnen  in  dem  Privileg  von  1108  volle  Abgabenfreiheit  versprochen 
war.  Ausdrücklich  wurde  ihnen  aber  eigene  Gerichtsbarkeit  (in  curia  sua, 
juxta  statuta  eorum)  über  ihre  Volksgenossen  in  Antiochia  wie  Laodicea 
gewährt;  Streitigkeiten  mit  fürstlichen  Untertanen  waren  allerdings  vor  den 
Landesgerichten  zu  entscheiden;  die  Bestätigung  dieses  Privilegs  von  1170 
behielt  Verbrechen  gegen  Leben  und  Eigentum  sowie  Hochverrat  allgemein 


^)  Der  jüdische  Reisende  Benjamin  von  Tudela  erzählt  uns  (I  p.  60),  daß 
D8chuV)ail  von  sieben  Genuesen,  an  deren  Spitze  Julianus  Embriaco  stehe,  regiert 
werde.  Die  mißverständliche  Namensform  ist  aus  Ugolinus  (frz.  Uguelin)  zu  er- 
klären und  nicht  (II  p.  70)  in  Willelmus  zu  ändern. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  256.  Aufforderungen  der  Päpste,  den  schuldigen  Lehnseid 
und  Zins  zu  leisten,  ib.  no.  321  und  351  (1179  und  1186). 

")  Ib.  no.  276;  Chartarum  I  no.  544,  p.  857.     Heyd  I,  174. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  355/6.    Heyd  I,  189. 

')  Müller  no.  4,  p.  6;  »communi  populo  tam  in  Pisa  provincia  quam  in  nostra 
manenti.< 


136  Elftes  Kapitel. 

dem  fürstlichen  Gerichtshof  vor  und  sprach  die  Verfügung  über  den  Nachlaß 
eines  ohne  Testament  verstorbenen  Pisaners  den  Landesbehörden  zu.i) 

Dagegen  machten  die  Pisaner  in  Tripolis  nicht  unerhebliche  Fort- 
schritte. Im  Jahre  1179  schenkte  ihnen  Graf  Raimund  ein  Haus  in  Tripolis, 
das  den  schon  in  ihrem  Besitz  befindhchen  Häusern  benachbart  war;  drei 
Jahre  später  erweiterten  sie  diesen  Besitz  noch  durch  Ankauf  der  Häuser 
einer  Witwe  Richelda  für  188  saraz.  Byzantien^);  und  etwa  um  dieselbe 
Zeit  wurde  Plebanus,  der  Neffe  eines  sehr  reichen  Pisaners  von  Tripohs, 
Herr  und  Gebieter  des  ein  paar  Stunden  südlich  davon  am  Meere  gelegenen 
Ortes  Batrun,  indem  er  Cäcilia,  die  Erbtochter  des  bisherigen  Herren  von 
Batrun,  nach  Erlegung  von  10000  Byzantien  an  den  Grafen  heiratete.  3) 

97,  Im  Königreich  Jerusalem  waren  die  Pisaner  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahrhunderts  in  raschem  Emporsteigen, 

Um  die  Mitte  desselben  bestanden  zwischen  ihnen  und  dem  König- 
reich arge  Mißhelligkeiten,  über  deren  Natur  der  am  2,  November  1156  ab- 
geschlossene Friedens-  und  Freundschaf  tsvertrag  4),  der  diesen  ein  Ende 
machte,  wenigstens  einigen  Aufschluß  gibt.  Während  man  gegenseitig  auf 
alle  Klagen  wegen  vorgekommener  Schädigungen  Verzicht  leistete,  behalten 
sich  die  Pisaner  ein  gerichthches  Vorgehen  gegen  den  Patriarchen  von 
Jerusalem,  das  Kloster  Santa  Maria  de  Latina  und  den  Klerus  von  Cäsarea 
vor  —  offenbar  handelt  es  sich  dabei  um  Verletzung  pisanischer  Ansprüche, 
die  noch  aus  der  Zeit  Daiberts  herrührten ;  und  während  man  andererseits  sich 
gegenseitigen  Schutz  zu  Wasser  und  zu  Lande  zusicherte,  nahm  der  König 
diejenigen  Pisaner  aus,  die  Eisen,  Holz,  Pech  oder  Waffen  nach  Ägypten 
transportierten  —  sicher  also  hatten  sich  die  Pisaner  solcher  Zuführung  von 
Konterbande  an  den  Landesfeind  schuldig  gemacht.  Im  übrigen  fügte 
König  Balduin  III.  den  früheren  Verleihungen  einen  Backofen  in  Tyrus 
und  fünf  Grundstücke  in  der  Nähe  der  Stadt  hinzu ;  auch  verlieh  er  ihnen 
zu  der  schon  bestehenden  Zollfreiheit  das  Recht  der  eigenen  Gerichtsbarkeit 
in  Tyrus  (Vicecomitatum,  qui  in  eorum  propria  Curia  Pisanos  justificare 
debeat);  nur  die  Blutgerichtsbarkeit  wurde  dem  königlichen  Gerichtshofe 
vorbehalten.  Zu  diesen  Verleihungen  trat  im  folgenden  Jahre  (2.  Juni) 
eine  weitere  des  Bruders  des  Königs,  Amalrich,  des  Grafen  des  1153 
eroberten  Askalon,  hinzu  s) ;  er  schenkte  ihnen  mit  Zustimmung  des  Königs 
in  Jaffa,  dem  Orte  ihrer  ersten  Niederlassung,  einen  zum  Markt  und  zur 
Erbauung  von  Häusern  geeigneten  Platz,  den  Grund  und  Boden  zu  einer 
Kirche  und  erließ  ihnen  die  Hälfte  aller  ihm  zustehenden  Zölle  und 
Handelsabgaben.  Als  er  dann  König  geworden  war  und  die  Pisaner  ihn 
auf  seinen  Zügen  gegen  Ägypten  unterstützten,  entwickelte  sich  ein  be- 
sonders enges  Verhältnis. 

In  höchst  merkwürdiger  Weise  erscheinen  die  Pisaner  in  dem  ersten 
Privileg,  das  sie  von  diesem  Herrscher  am  13.  März  1165  erwirkten,  als 
Vorkämpfer  des  Prinzips  der  offenen  Tür.  Allen  Menschen  der  Welt, 
welcher  Sprache  oder  Nation  sie  auch  angehörten,  überließ  der  König  darin 

»)  Müller  p.  15  f. 

'-')  Ib.  p.  17,  24 ;  Bonaini,  Suppl.  p.  85. 

^)  Ann.  genov.  I  p.  138.  Plebanus  ist  als  dominus  Botronis  zuerst  März 
1181  nachweisbar,  Delaville  le  Roulx  I  no.  596,  p.  407;  im  Privileg  von  1179  (Müller 
p.  17)  erscheint  er  als  Zeuge,  aber  noch  ohne  diesen  Zusatz. 

*)  Müller  p.  6  f.  no.  5.     Heyd  I,  160. 

')  Müller  p.  8,  no.  6.  Heyd  I,  151,  338. 


Weiterentwickelung  der  romanischen  Handelsniederlassungen  in  Syrien.    137 

einen  Raum  zwischen  dem  Hafenbecken  mid  den  Häusern  der  Stadt  zum 
allgemeinen  Gebrauch,  derart,  daß  er  fortab  für  immer  von  jeder  Baulich- 
keit freigehalten  werden  sollte;  der  Seneschall  des  Erzbischofs,  der  auf 
dieserii  Terrain  ein  Haus  errichtet  hatte,  wurde  von  den  Pisanern  durch 
Zahlung  einer  Geldsumme  von  400  Byzantien  veranlaßt,  das  Haus  zu  be- 
seitigen und  so  das  Terrain  dauernd  für  den  allgemeinen  Gebrauch  freizu- 
machen, i)  Natürlich  verfolgten  die  Pisaner  mit  diesem  Vorgehen  ihre  be- 
sonderen Zwecke;  sicher  handelte  es  sich  für  sie  darum,  einen  freieren 
Zugang  zum  Hafen  zu  gewinnen ;  möglich,  daß  jenes  Haus  an  die  Genuesen, 
mit  denen  Pisa  damals  im  Kriege  lag,  vermietet  war;  wahrscheinlich  auch, 
daß  es  den  Pisanern  bei  ihrem  Eintreten  für  das  Interesse  der  Allgemein- 
heit darum  zu  tun  war,  die  Sympathien  der  kleineren  Handelsnationen,  be- 
sonders der  Südfranzosen,  für  sich  zu  gewinnen. 

War  so  ihre  Stellung  in  Tyrus  wesentlich  verbessert,  so  verlieh  ihnen 
der  König  am  18.  Mai  1168  zur  Belohnung  für  ihre  bei  der  Belagerung  von 
Alexandria  geleisteten  Dienste  auch  für  Accon  ein  wichtiges  Privileg.^)  Er 
schenkte  ihnen  ein  Grundstück  zur  Erbauung  eines  den  Zwecken  der 
Handelskolonie  dienenden  Hauses  und  einer  Kirche  und  verlieh  ihnen 
eigene  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Landsleute ;  doch  blieben  ihrem  Forum  die- 
jenigen Pisaner,  die  zum  König  in  ein  Lehnsverhältnis  getreten  waren  und 
Grundbesitz,  Wohnung  oder  Einkünfte  im  Gebiet  des  Königs  hatten,  und 
materiell  die  Verbrechen  gegen  Leben  und  Eigentum  sowie  Hochverrat  ent- 
zogen. Balduin  IV.  schenkte  dann  im  Jahre  1182  noch  einen  Platz  am 
Hafen  von  Accon  hinzu.  In  dieser  Zeit  können  wir  auch  den  ersten 
pisanischen  Kolonial- Vorstand  in  Syrien  mit  Namen  nachweisen,  zugleich 
den  ersten  von  allen,  der  mit  dem  Konsultitel  erscheint:  es  ist  Pipindo, 
consul  Aconensis,  der  August  1179  die  Schenkung  des  Grafen  Raimund  von 
Tripolis  als  Zeuge  beglaubigt  3)  und  damit  schon  als  Vertreter  seiner  Vater- 
stadt für  ganz  Syrien  gekennzeichnet  wird. 

98.  Für  die  Stellung  der  Venezianer  im  Fürstentum  Antio- 
chien  wurde  das  Privileg  von  Wichtigkeit,  das  ihr  Gesandter  Gio- 
vanni Boaudo  im  Mai  1140  von  Raimund  I.  erlangte.*) 

Es  setzte  das  Strandrecht  zu  ihren  Gunsten  außer  Kraft  und  sprach 
den  Grundsatz  aus,  daß  unbeteiligte  venezianische  Kaufleute  nicht  wegen 
etwaiger  Piraterien  ihrer  Landsleute  gebüßt  werden  dürften  und  Venezianer 
in  jedem  Falle  von  venezianischen  Richtern  nach  eigenem  Recht  zu  richten 
seien.  Im  Besitz  ihres  Fondaco,  der  dabei  gelegenen  Häuser  und  des  Gartens 
in  Antiochia  wurden  sie  bestätigt,  die  Abgaben  auf  die  zur  Zeit  Tancreds 
übliche  Höhe  festgesetzt  und  für  die  Zollberechnung  im  Simeonshafen  das 
Zugeständnis  gemacht,  daß  zwei  Maultierlasten  einer  Kamellast  gleichgesetzt 
werden  sollten.  Ein  von  Domenico  Bono  im  Mai  1153  erwirktes  Privileg 
setzte  dann  den  Ausfuhrzoll  an   den  Toren   Antiochiens   für   die   KameUast 


^)  Dal  Borgo  p.  90.  Müller  no.  9,  p.  11:  universis  mundi  hominibus,  cuius- 
cunque  sint  lingue  seu  nationis,  tarn  modernis  quam  modernorum  successoribus, 
concedo  et  confirmo  (das  nun  folgende  Pisanis  bei  Müller  ist  irrige  Einschiebung), 
spatium  illud  terre  etc.  und  weiterhin :  et  terram  in  qua  domus  fuerat,  liberam  com- 
muni  omnium  hominum  usui  ...  in  sempiternum  relinqueret. 

»)  Müller  p.  14.     Heyd  1,  151. 

8)  Müller  p.  23  und  18. 

*)  Tafel  und  Thomas  I  p.  102. 


138  Elftes  Kapitel. 

von  21/2  Byzantien  auf  2  Byzantien,  für  die  Maultierlast  (de  summerio)  von 
1  byz.  8  d.  auf  1  byz.  herab  und  verminderte  die  Marktabgabe  in  Antiochien 
von  7  auf  5  %  (für  Tuche  von  5  auf  4  ^/q)  ;  außerdem  sprach  es  den  Grund- 
satz aus,  daß  Venezianer  nur  vor  ihrem  eigenen,  in  ihrem  Fondaco  zu 
Antiochia  tagenden  Gerichtshof  recht  zu  geben  gezwungen  sein  sollten,  i) 
Es  ist  wohl  nicht  zufällig,  daß  diese  Exemtion  der  Venezianer  von  der  fürst- 
lichen Gerichtsbarkeit  sich  in  dem  30  Jahre  jüngeren  Privileg  Bohemunds  III. 
nicht  mehr  vorfindet.  Dagegen  hat  sich  die  kommerzielle  Stellung  der 
Venezianer  im  Fürstentum  fortschreitend  günstiger  gestaltet;  1167  war 
wieder  Domenico  Bono  an  den  Hof  von  Antiochien  gesandt  worden  und 
hatte  eine  Herabsetzung  der  Handelsabgaben  für  die  Venezianer  auf  die 
Hälfte  erwirkt,  und  Bohemund  III.  befreite  sie  von  allen  Abgaben,  mit 
alleiniger  Ausnahme  einer  Verkaufsabgabe  in  Höhe  von  l^o-^) 

99.  Im  Königreich  Jerusalem  wurde  die  Kirche  San  Marco  in  Tyrus 
eine  Zeitlang  zum  Mittelpunkte  der  venezianischen  Kolonialverwaltung. 
Eifrig  waren  ihre  kirchlichen  Vorsteher  auf  Mehrung  ihres  Besitzes  und 
Einflusses  bedacht,  allzu  eifrig  zuweilen,  so  daß  im  Jahre  1157  die  Kolonial- 
gemeinde von  Tyrus  einmal  gegen  das  Verhalten  des  Plebanus  Pietro 
Morosini  in  einer  Erbschaftssache  zugunsten  des  in  seinen  Rechten  Ge- 
schädigten, der  aus  der  Romania  herbeigeeilt  war,  lebhaft  und  mit  Erfolg 
Partei  ergriff.  3)  Vor  allem  war  es  die  finanzielle  Kraft,  die  die  Kirche 
durch  umsichtige  Verwaltung  zu  gewinnen  gewußt,  die  der  Staat  in  Zeiten 
des  Bedürfnisses  sich,  wenn  auch  seinerseits  unter  Opfern,  nutzbar  zu 
machen  verstand.  So  ist  es  sicher  nicht  ohne  Gegenleistung  geschehen, 
wenn  die  venezianische  Regierung  im  August  1164  der  Kirche  San  Marco 
von  Tyrus  zu  Händen  ihres  Prokurators  Leonardo  Fradello  folgende 
Schenkung  macht  ■*):  1.  die  neben  dem  Haupttor  am  Hafen  von  Tyrus  be- 
legene Straße,  die  den  Venezianern  zum  Zweck  der  Beherbergung  ihrer  nach 
Tyrus  kommenden  Landsleute  zur  Zeit  der  Eroberung  überwiesen,  dann 
aber  im  Zusammenhange  mit  dem  Bau  der  Markuskirche  aufgegeben  worden 
war ;  2.  die  ursprünglich  auf  den  königlichen  Bazar  in  Tyrus,  später  auf  die 
Hafeneinnahmen  von  Accon  angewiesene  Jahresrente  von  300  Byzantien, 
deren  Auszahlung  durch  König  Fulco  eingestellt  und  seitdem  nicht  wieder 
aufgenommen  worden  war;  3.  in  Tripolis  das  darus  genannte  Haus  und 
einen  Backofen  ebendaselbst.  Wie  es  scheint,  handelt  es  sich  dabei  aus- 
nahmslos um  Besitzungen  und  Rechte,  die  dem  Staate  Venedig  verloren 
gegangen  waren  —  es  ist  die  einzige  Erwähnung  von  Tripolis  in  venezia- 
nischen Quellen,  die  sich  in  dieser  Zeit  findet  — ;  durch  Schenkung  an  die 
Kirche  hoffte  man  sie  zu  gelegener  Zeit  vielleicht  doch  noch  wiedererlangen 
zu  können,  wie  denn  auch  der  Prokurator  alle  Vollmacht  erhielt,  die  Aus- 
zahlung jener  Rente  an  die  Verwaltung  von  San  Marco  bei  der  königlichen 
Regierung  zu  betreiben. 

*)  Ib.  133 :  tenere  curiam  suam  s.  Marei  in  f unditio  suo  in  Ant.,  et  facere  ju- 
dicia  sua  libere  .  .  .  nee  alibi  per  totam  terram,  nisi  in  curia  s.  Marci  sua  respon- 
dere  cogantur. 

*)  Ib.  148,  175  f.     Über  Tripolis  §  99. 

2)  Schriftliche  Bekundung  des  Hergangs  durch  zwei  Venezianer  von  Tyrus 
April  1157 ;  Baracchi  Vn  (1874),  362  f.     Vgl.  Schmeidler  35  f. 

*)  Tafel  und  Thomas  I,  140  f.  Sehr  oberflächlich  handelt  L.  Lucas,  Geschichte 
der  Stadt  Tyrus  zur  Zeit  der  Kreuzzüge,  Berlin  1896,  über  diese  Dinge ;  er  setzt  so- 
gar den  Beginn  der  Erbauung  der  Markuskirche  in  Tyrus  in  die  Zeit  von  1164  bis 
Mai  1165;  p.  61  f. 


Weiterentwickelung  der  romanischen  Handelsniederlassungen  in  Syrien.    139 

Wenige  Monate  später  aber,  im  Januar  11651),  verpachteten  Doge 
und  Volk  von  Venedig  die  Verwaltung  des  gesamten  venezianischen  Drittels 
von  Tyrus  an  die  Markuskirche  zu  Händen  des  genannten  Prokurators; 
unter  den  Einkünften,  deren  Einziehung  nun  auf  die  kirchliche  Verwaltung 
überging,  werden  besonders  aufgezählt  die  Einkünfte  vom  Hafen,  von  den 
Toren,  Plätzen,  Bädern  und  Fondachi,  Mühlen  und  Backöfen,  von  der  öffent- 
lichen Wage  und  den  Maßen  sowie  die  Abgaben  der  Glasindustrie  (dationes  de 
vitro);  ebenso  stand  ihr  nunmehr  die  Vermietung  aller  Häuser,  Läden  und 
Werkstätten  zu.  Als  Leonardo  im  Mai  desselben  Jahres  von  Papst 
Alexander  III.  ein  Privileg  für  die  Markuskirche  in  Tyrus  erwirkte,  vergaß 
er  nicht,  ihr  außer  dem  Eigenbesitz  auch  den  Pachtbesitz  ausdrücklich  be- 
stätigen zu  lassen.  2)  Der  Prokurator  von  San  Marco  konnte  die  Verwaltung 
durch  einen  von  ihm  ernannten  Bevollmächtigten  ausüben ;  doch  war  diese 
Ernennung  an  die  Zustimmung  des  Dogen  und  seines  Rates  gebunden,  die 
andererseits  den  Bevollmächtigten  nicht  ohne  Genehmigung  des  Prokurators 
vor  der  Zeit  abberufen  durften.  Im  Juni  1175  wurde  diese  Pacht  dem 
zeitigen  Prokurator  der  Verwaltung  von  San  Marco  in  Tyrus,  Stefano 
Barocio,  auf  weitere  5  Jahre  nach  Ablauf  der  ersten  Konzession  (deren 
genaue  Dauer  uns  nicht  bekannt  ist,  mindestens  aber  10  Jahre  betrug)  ver- 
längert, s)  Diesmal  kennen  wir  auch  die  Gegenleistung  der  Verwaltung; 
sie  hatte  dem  Staat  für  seine  Bedürfnisse  ein  Darlehn  von  600  1.  ven.  ge- 
währt und  außerdem  zur  Unterstützung  der  Venezianer,  die  1171  vor  den 
Griechen  aus  Konstantinopel  auf  dem  Schiffe  des  Romanus  Mairanus  nach 
Accon  geflüchtet  waren,  1500  Byzantien  aufgewandt.  Als  bevollmächtigten 
Verwalter  können  wir  Leo  Faletro  (Falieri)  nachweisen,  der  1171  als  »prae- 
latus  tertiae  divisionis  Tyri«  seinen  Bruder  Vitalis  mit  einem  zum  Drittel 
von  Tyrus  gehörigen  Casale  belehnte  ■*);  1178  befand  er  sich  offenbar  noch 
in  derselben  Stellung,  als  er,  im  August  in  Venedig  weilend,  nach  Tyrus 
reisende  Venezianer  bevollmächtigt,  in  betreff  aller  Besitzungen  (Warenhaus, 
Häuser,  Grund-  und  Mobiliarbesitz)  des  verstorbenen  Vitalis  Dondi  de 
Amianis  dieselbe  öffentliche  Bekanntmachung  zu  erlassen,  wie  es  ihm  selbst 
bei  seiner  Anwesenheit  in  Tyrus  obgelegen  hätte.  0) 

Auch  in  Accon  standen  der  Verwaltung  von  San  Marco  von  alter 
Zeit  her  erhebliche  Rechte  zu.  Auch  hier  gab  es  eine  gleichnamige  Filial- 
kirche; in  dem  von  dem  Prokurator  Leonardo  Fradello  erwirkten  päpst- 
lichen Privileg  vom  Mai  1165  wurde  auch  sie  im  Besitz  ihrer  Häuser,  ihres 
Marktplatzes  und  der  von  Balduin  I.  einst  geschenkten  ruga  bestätigt. 
Indessen  hatte  Venedig  an  diesem  wichtigen  Handelsplatz  auch  noch  be- 
sonderen staatlichen  Besitz  und  staatliche  Einkünfte,  deren  Verwaltung  einem 
vom  Staat  gesetzten  Vicecomes  übertragen  war.  Im  Jahre  1170  bekleidete 
Giovanni  Bono  als  der  erste  venezianische  Konsularbeamte,  den  wir  mit 
Namen  nachweisen  können,  dieses  Amt;  der  Prokurator  Stefano  Barocio 
hatte  ihm  auch   die  Verwaltung  jener   Straße   verpachtet,   aber  noch  1176 


')  Ib.  p.  167 :  1164  (venezianischer  Rechnung),  mense  Jan.,  ind.  XIII.  Bisher 
allgemein  als  identisch  mit  der  Schenkung  vom  August  1164  betrachtet. 

*)  Ib.  p.  146  >tam  praenominatae  possessiones  quam  alia  bona  quae  in  prae- 
sentiarum  ad  utilitatem  eiusdem  Operis  rationabiliter  possides  .  .  .  firma  tibi  per- 
maneant.« 

3)  Ib.  p.  167  f. 

*)  Ergibt  sich  aus  einer  Urkunde  von  1206  ib.  11  p.  12. 

6)  Baracchi  IX  (1875)  p.  109. 


140  Elftes  Kapitel. 

war  er  mit  einem  beträchtlichen  Teile  des  Pachtzinses  im  Rückstande 
(100  1.  veronenses,  quas  adhuc  mihi  debet  de  redditibus  rüge  Acaronis  quam 
illi  concessi).  i)  Von  seinen  Nachfolgern  ist  uns  Giovanni  Dandolo  im  Jahre 
11762)  und  Jacopo  Gradenigo  im  Jahre  1183  bekannt  ;  letzterer  erwirkte 
bei  Bohemund  UI.  die  Ausstellung  jenes  venezianischen  Privilegs  für 
Antiochien,  so  daß  er  schon  —  ganz  analog  wie  bei  den  Pisanern  —  als 
Vertreter  der  staathchen  Interessen  Venedigs  nicht  bloß  in  Accon,  sondern 
auch  im  übrigen  Syrien  erscheint.  3)  Im  Jahre  1184  erschien  im  Auftrage 
des  Dogen  eine  staatliche  Kommission,  von  Manasse  Badoer  geführt,  in 
Syrien;  in  Gemeinschaft  mit  Jacopo  Dandolo,  dem  Vertreter  der  Markus- 
kirche von  Tyrus  (also  wohl  einem  Nachfolger  des  Leo  Falieri),  begab  sie 
sich  nach  Accon  und  nahm  hier  die  Rechnungslegung  des  Domenico  Acotanto 
bezüglich  der  der  Markuskirche  von  Tyrus  daselbst  zustehenden  Einkünfte 
(quod  habuit  de  facto  s.  Marci  de  Tyro)  sowie  aller  seiner  sonstigen  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  entgegen  4);  danach  scheint  es,  daß  auch  er  staat- 
Hcher  Vicecomes  von  Accon  gewesen  und  daß  ihm  die  Verwaltung  der 
Einkünfte    von  San   Marco    daselbst    mit    übertragen  war.  ^j 

100.  Amalfi,  das  durch  seine  heimischen  Verhältnisse  verhindert 
gewesen  war,  am  ersten  Kreuzzuge  und  der  Eroberung  der  syrischen  See- 
städte teilzunehmen,  sehen  wir  erst  im  7.  Jahrzehnt  des  12.  Jahrhunderts 
in  den  Kreuzfahrerstaaten  wieder  einige  Rührigkeit  entfalten.  Im  Fürstentum 
Antiochia,  in  dessen  Hauptstadt  sie  schon  im  11.  Jahrhundert  ein  Quartier 
besaßen  ö),  erließ  Bohemund  III.  im  Jahre  1163  der  Andreaskirche  von  Amalfi 
und  allen  Amalfitanern  die  Hälfte  der  bisher  von  ihnen  zu  zahlenden 
Abgaben,  sicherte  ihnen  ungehinderten  Handelsverkehr  im  Fürstentum  zu 
und  überwies  ihnen  in  der  Hafenstadt  Laodicea  drei  ans  Meer  grenzende, 
zum  Teil  bebaute  Grundstücke  zu  beliebiger  Verwendung.  Die  Amalfitaner, 
als  deren  erster  Vertreter  Landulf,  der  Sohn  des  Johannes  Comitis  Mauronis, 
erscheint,  hatten  zur  Erlangung  dieses  Privilegs  1300  sarazenische  Byzantien 
an  den  Fürsten  zu  zahlen.  6)  Im  selben  Jahre  erreichten  sie  unter  der 
gleichen  Führung  und  mit  Aufwendung  von  1200  Byzantien  auch  in 
Tripolis  einen  Erfolg.  Hier  hatten  sie  —  wir  wissen  nicht  zu  welcher 
Zeit  —  eine  ganze  Reihe  von  Häusern  durch  Kauf  in  ihren  Besitz  gebracht ; 
einen  Teil  derselben  aber  hatte  ein  einheimischer  Großer,  Homodei  Mimol, 
unter  Bestreitung  ihres  Besitzrechts  okkupiert.  Indessen  nach  Zahlung  jener 
Geldsumme,  von  der  die  Hälfte  zur  Entschädigung  Homodeis  verwandt 
wurde,  erkannte  der  Gerichtshof  des  Grafen  das  bessere  Recht  der  Andreas- 
kirche und  der  Amalfitaner  an,  und  Raimund  III.  investierte  sie  von  neuem 
am  15.  Juni  1163  mit  diesem  und  ihrem  früheren  Besitz  in  Tripolis ''); 
Landulf,    vier    andere   namentlich    genannte    und     »alii    quamplures    prob|^ 


1)  Ebd.  104.     Schmeidler  34. 

^)  Baracchi  ebd.  Schmeidler  p.  37  f. 

8)  Tafel  und  Thomas  I,  176.     Heyd  I,  159. 

*)  Baracchi  X  (1875)  p.  338. 

^)  Daß  es  fortbestand,  beweisen  die  Erwähnungen  ihrer  ruga  oder  ihres  vicuij 
1101,  1149,  1163:  UghellilV,  847,  Delaville  le  Roulx  I  p.  144  u.  224. 

8)  Camera  I,  202.     Heyd  I,  147. 

')  Camera  I,  202  f.  Heyd  I,  148  (der  Vicecomes,  dessen  Haus  als  angrenzend 
erwähnt  wird,  ist  indessen  ein  gräflicher  und  nicht  ein  amalfitaniscber).  In  Röh- 
richts Reg.  no.  380  hat  sich  hier  der  verwirrende  Fehler  >Laodiceae«  für  »Tripolis« 
eingeschlichen. 


Weiterentwickelung  der  romanischen  Handelsniederlassungen  in  Syrien.   141 

homines  Malfie«  nahmen  diese  Investitur  entgegen,  so  daß  also  in  Tripolis 
eine  offenbar  nicht  ganz  unbedeutende  Handelsniederlassung  von  Amalfitanern 
vorhanden  war. 

Beweisen  uns  indessen  schon  auf  diesem  Gebiete  die  jedesmal  erforder- 
lichen Geldzahlungen  die  gedrückte  Lage  der  Amalütaner,  so  war  ihre  Rolle 
im  Königreich  Jerusalem  noch  bescheidener.  Die  einzige  Konzession,  die 
ihnen  hier  gewährt  wurde,  bestand  in  einem  —  Begräbnisplatz,  den  Bischof 
Wilhelm  von  Accon  1166  den  Brüdern  Manso  und  Sergius,  Söhnen  des  Leo 
Curiahs,  auf  dem  Nikolaikirchhof  der  Stadt  zur  Errichtung  eines  Beinhauses 
für  Amalfitaner,  die  in  Accon  starben,  einräumte.  Zwei  Jahre  später  erlangten 
-ie  allerdings  auch  von  König  Amalrich  ein  Privileg;  bezeichnenderweise 
aber  enthielt  es  nichts  als  die  formelle  Bestätigung  jenes  Häuserbesitzes, 
den  ihnen  Graf  Raimund  in  Tripolis  zugestanden,  i) 

Auch  das  altberühmte  Kloster  La  Cava  ließ  gelegentlich  ein  Schiff, 
jedenfalls  von  dem  benachbarten  Salerno  aus,  nach  dem  Heiligen  Lande 
gehen;  König  Balduin  IV.  befreite  am  8.  November  1181  das  Klosterschiff 
von  dem  übhchen  Ankergelde  im  Betrage  von  1  Mark  Silber  und  gewährte 
den  Mönchen  Abgabenfreiheit  bei  der  Einfuhr  von  Waren,  die  dem  Kloster 
gehörten,  und  der  Ausfuhr  solcher  Dinge,  die  zum  Gebrauch  der  Brüder 
und  des  Klosters  dienten. 2)  Und  die  Schiffe,  mit  denen  der  in  Apulien 
besonders  reich  begüterte  Johanniterorden  die  Verbindung  mit  Palästina 
unterhielt,  werden  sicher  z.  T.  auch  Handelszwecken  gedient  haben  3);  be- 
willigte ihnen  König  Wilhelm  H.  doch  im  Jahre  1179  in  Barletta,  und  wo 
sie  es  sonst  im  Interesse  ihrer  Niederlassungen  und  des  Heiligen  Landes 
wünschen  würden,  Magazine  für  ihre  Waren.  4) 

101.  Auch  die  Rolle  der  Proven9alen  in  Syrien  wird  jetzt 
von  einiger  Bedeutung. 

Ihr  Aufschwung  datiert  von  der  Regierung  desselben  Königs,  der  den 
italienischen  Seestädten  so  wenig  freundlich  gesinnt  war,  daß  auch  nicht 
ein  einziges  Privileg  für  eine  derselben  aus  seiner  Zeit  stammt,  des  Königs 
Fulco,  eines  Franzosen  von  Geburt  (Herzog  von  Anjou,  Schwiegersohn 
Balduins  IL).  Am  13.  April  1136  verlieh  er  der  Stadt  Marseille,  die  ihn 
finanziell  unterstützt  hatte,  ein  Privileg,  durch  das  sie  das  Recht  erhielt,  in 
Accon  und  in  Jerusalem  sowie  auch  in  allen  anderen  Städten  des  König- 
reichs eine  Straße  (ruam)  und  eine  Kirche  zu  vollem,  dauerndem  Eigentum 
zu  erwerben;  außerdem  gewährte  er  den  Marseillern  Freiheit  von  Zollabgaben 
(franchesiam)  in  Accon  und  eine  Jahresrente  von  400  Byzantien,  die  auf 
den  königüchen  Bazar  in  Jaffa  angewiesen  wurde.  0)  Sicher  haben  die 
Marseiller  von  jenem  Erwerbungsrecht  zunächst  nur  für  die  namentlich 
genannten  Orte  Gebrauch  gemacht.  Darauf  deutet  auch  das  Privileg,  das 
ihnen  Fulcos  Nachfolger,  Balduin  HL,  am  23.  September  1152  verlieh.  Sie 
hatten   ihn   mit   einer   Geldsumme    von   3000  Byzantien  bei  seiner  Unter- 


»)  Camera  I,  200,  203  f.     Heyd  I,  148.     Röhricht,  Reg.  p.  98  und  118. 

*)  Guillaume  P.  Le  navi  cavensi  nel  Mediterraneo  durante  il  medio  evo.  Cava 
dei  Tirreni  1876:  Doc.  no.  4,  p.  42.     Röhricht,  Reg.  no.  606. 

')  Carabellese:  L'ordine  dell'  ospedale  di  S.  Giovanni  di  Gerus.  in  Puglia  sotto 
i  re  normanni  e  svevi ;  in  Rassegna  Pugliese  XV  (1898). 

*)  Delaville  le  Roulx  I  no.  562. 

*)  Papon  n,  Preuves  no.  14.  M^ry  et  Guindon  I,  182.  Massen  136.  Heyd  I, 
147.  Ohne  Grund  behauptet  Marchand  p.  99,  daß  Marseille  seit  Beginn  der  Regie- 
rung Fulcos  in  Accon  ein  Konsulat  hatte.  . 


142  Elftes  Kapitel. 

nehmung  gegen  Askalon  (erst  1153  wurde  es  erobert)  unterstützt,  und  der 
König  bestätigt  nun  Fulcos  Privileg,  schenkt  ihnen  alles,  was  sie  in  Accon 
und  Jerusalem  besitzen,  nämlich  Straße,  Kirche,  Backofen,  und  verleiht 
ihnen  außerdem  das  castellum  Rame  (an  der  Abzweigung  der  Straße  nach 
Askalon  von  dem  Hauptwege  von  Jaffa  nach  Jerusalem)  und  völlige  Freiheit 
von  Handelsabgaben  in  seinem  ganzen  Gebiete,  i)  Im  Jahre  1163  erweiterten 
sie  ihren  Besitz  in  Accon  dadurch,  daß  sie  dem  Bischof  Radulf  von 
Bethlehem  gegen  Verpfändung  seiner  Häuser  in  Accon  und  des  Casale 
Romadet  ein  Darlehen  von  1211  Byzantien  gewährten;  da  man  noch  1248 
amtliche  Abschrift  von  der  Urkunde  nahm,  so  ist  der  Pfandbesitz  schwerlich 
jemals  eingelöst  worden.  2) 

Besondere  Handelsniederlassungen  anderer  südfranzösischer  Städte 
können  wir  in  dieser  Zeit  in  Syrien  nicht  nachweisen,  und  es  ist  auch  nicht 
wahrscheinlich,  daß  sie  vorhanden  waren,  so  oft  auch  Südfranzosen  zu 
ihren  Volksgenossen  im  Heiligen  Lande  kamen.  ^)  Systematisch  wurde  die 
Entwickelung  des  überseeischen  Handels  dieser  Städte  von  den  Genuesen 
niedergehalten.  In  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  schloß  Genua  mit  Mont- 
pellier, Arles  und  Saint-Gilles  Verträge,  die  den  direkten  Seeverkehr  dieser 
Städte  mit  der  Levante  auf  die  Aussendung  von  Pilgerschiffen  beschränkten.'*) 
Auch  Narbonne  durfte  nach  dem  Vertrage  von  1166  jährlich  nur  ein  Püger- 
schiff  (abgesehen  von  den  Hospitaliter-  und  Templerschiffen)  nach  dem 
Heihgen  Lande  entsenden,  und  die  Pilger  sollten  nur  so  viel  an  Waren  mit 
sich  führen  dürfen,  als  zur  Bestreitung  ihres  Unterhalts  während  der  Reise  not- 
wendig war.  5)  Genuas  Streben  war  eben  in  dieser  Zeit  darauf  gerichtet,  die 
Vermittlung  möglichst  des  gesamten  Handels  Süd-Frankreichs  nach  dem 
Orient  an  sich  zu  ziehen,  und  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß 
dieser  Handelsverkehr  in  der  Tat  für  geraume  Zeit  überwiegend  in  den 
Händen  der  Genuesen  und  ihrer  Rivalen,  der  Pisaner,  gelegen  hat.  Wenn 
südfranzösische  Kaufleute  selbst  den  Orient  aufsuchen  woUten,  sahen  sie 
sich  in  erster  Linie  auf  italienische  Schiffe  angewiesen ;  die  Handelseifersucht 
und  der  nicht  seltene  Kampf  zwischen  Genuesen  und* Pisanern  waren  es,  die 


*)  Röhricht,  Jerusalem  274,  Anm.  4,  will  die  Urkunde  (trotz  ind.  XIV)  1153, 
also  nach  der  Eroberung  Askalons  (25.  Januar  bis  19.  August  belagert),  ansetzen, 
während  er  Reg.  no.  276  noch  kein  Bedenken  äußert.  Papon  II  no.  18.  Mery  et 
Guindon  I,  183:  et  quod  omnes  de  Marcellia  habeant  per  totum  regimen  liberam 
libertatem  intrandi,  exeundi,  vendendi  et  emendi,  ita  quod  nemo  ex  ipsis  aliquid 
det  vel  paget. 

2)  Bibl.  de  l'i^cole  34  (1873)  p.  656  f.     Heyd  I,  155.     Röhricht,  Reg.  p.  101 

^)  Auch  Juden,  die  ja  in  Südfrankreich  sehr  zahlreich  vertreten  waren,  spielten 
dabei  eine  Rolle.  Benjamin  von  Tudela  (I  p.  63)  nennt  unter  den  drei  vornehm- 
sten der  400  in  Tyrus  wohnenden  Juden  Meier  von  Carcassonne  und  hebt  im  An- 
schluß daran  hervor,  daß  die  Juden  von  Tyrus  —  offenbar  eine  Ausnahme  — 
Schiffseigner  und  Glasfabrikanten  seien. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  83  und  II  no.  5.     (Vgl.  unten  §  439.) 

*)  Devic  et  Vaissete  VIII  (1879)  p.  263  f.:  »exceptis  i:)eregrinis  quos  possemus 
portare  in  navi  una  per  annum,  quae  tarnen  non  sit  Hospitalis  vel  Templi.«  Port 
p.  24  versteht  das  so,  als  ob  Narbonne  bisher  öfter  zu  diesem  Zwecke  Schiffe  der 
Hospitaliter  oder  der  Templer  geliehen  hätte ;  die  Schiffe  dieser  Orden  hätten  aus- 
geschlossen werden  sollen,  da  sie  zweifellos  schon  damals  das  Monopol  des  Pilger- 
transportes erstrebt  hätten,  p.  97.  In  Wahrheit  blieben  aber  gerade  die  Ordens- 
schiffe von  den  Ausschließungsbestrebungen  der  Genuesen  unberührt;  ein  von  Nar- 
bonne auslaufendes  Ordensschiff  sollte  den  Narbonnesen  nicht  angerechnet  werden. 


II 


AVeiterentwickelung  der  romanischen  Handelsniederlassungen  in  Syrien.    143 

ihnen  allmählich  größere  Bewegungsfreiheit  verschafft  haben;  immerhin  be- 
weisen jene  Verträge,  wie  stark  der  Drang  nach  eigener  direkter  Handelsver- 
bindimg mit  der  Levantejin  den  Seestädten  Süd-Frankreichs  geworden  war. 

102.  Es  ist  eine  der  merkwürdigsten  Wandlungen  der  Handels- 
geschichte, daß  dieselbe  Küste,  die  einst  der  Ausgangspunkt  zahl- 
loser Handelsfahrten  und  Handelsniederlassungen  des  ersten  see- 
mächtigen Volkes,  von  dem  wir  wissen,  gewesen  ist,  im  Mittelalter 
kommerziell  völlig  passiv  wurde  und  sich  nun  selber  mit  Handels- 
niederlassungen, die  von  dem  Westbecken  des  Mittelmeers  und  der 
Adria  ausgingen ,  bedeckte.  Und  diese  Handelsniederlassungen, 
wenigstens  die  der  bevorzugten  unter  den  romanischen  Seestädten, 
gediehen  in  kurzer  Zeit  zu  hoher  Blüte.  Waren  doch  auch  die  Be- 
dingungen, die  sie  vorfanden  und  in  noch  höherem  Grade  sich  zu 
schaffen  wußten,  günstig  genug. ^)  An  allen  für  den  Seehandel 
wichtigen  Plätzen  saßen  sie,  jede  Handelsnation  für  sich,  auf  räumlich 
zusammenhängendem  Gebiet,  in  der  für  den  Handel  geeignetsten 
Stadtgegend  am  Hafen,  eine  Gemeinschaft  von  Volksgenossen,  die  bei 
jeder  Ankunft  von  Schiffen  aus  der  Heimat  für  längere  Zeit  eine 
starke  Vermehrung  fand.  Eine  eigene  Kirche ,  in  der  Regel  dem 
Schutzpatron  der  Vaterstadt  geweiht,  mit  heimischen  Priestern  bildete 
den  Mittelpunkt  jeder  größeren  Kolonie;  Warenhaus,  Backofen,  Bad 
waren  gemeinsame  Institute.  Solcher  Kolonialbesitz  war  ohne  Auf- 
sicht und  Verwaltung  nicht  denkbar.  Es  dauerte  eine  Weile,  ehe 
sich  eine  feste  Form  hierfür  herausbildete.  Durch  Belehnung,  Ver- 
pachtung auf  kürzere  oder  längere  Zeit,  Übertragung  der  Verwaltung 
an  kirchliche  Institute  der  Heimat,  deren  Organe  an  den  Filialkirchen 
im  Orient  ohnehin  schon  eine  starke  natürliche  Autorität  ausübten, 
befriedigte  man  zunächst  das  Bedürfnis,  bis  die  wachsende  Bedeutung 
dieser  Niederlassungen  für  die  heimischen  Kommunen  es  angezeigt 
erscheinen  ließ,  ihnen  besondere  Vorsteher,  vicecomites,  später  auch 
Konsuln  genannt,  zu  setzen,  die  nun  auch  die  natürlichen  Organe 
für  die  Ausübung  der  Rechtspflege  waren.  Denn  unter  sich  lebten 
die  Volksgenossen  auch  vorher  schon  durchaus  nach  eigenen  Ge- 
wohnheiten und  eigenem  Recht;  der  Entscheidung  von  Streitigkeiten 
diente  die  geistliche  Autorität  oder  der  Schiedspruch  der  angesehensten 
Volksgenossen.  So  fanden  die  romanischen  Handelsnationen  hier  in- 
mitten des  fernen  Orients,  wenn  auch  auf  engem  Raum,  in  fast  allen 
Beziehungen  die  Heimat  wieder. 

Dabei  lebten  sie  hier  in  einem  christlichen  Staate,  der  seiner 
Entstehung  und  seiner  Grundlage  nach  in  besonders  engen  Be- 
ziehungen zu  dem  kirchlichen  Oberhaupte  stand,  das  allen  gemeinsam 
war,  unter  staatlichen  Verhältnissen,  die  ihnen,  auch  was  die  offizielle 
Sprache  angeht,  nahe  genug  standen.  Der  Staat,  der  dieser  Kolonien 
schon  wegen    seiner   politischen   und   kommerziellen  Verbindung  mit 


*)  S.  Heyd  I,  150  ft".,  158  if.,  1(33.     Rey  E. :    Les   colonies   Franques   de    Syrie 
uux  Xne  et  Xnie  siecles.     Paris  1883. 


144     Elftes  Kapitel.   Weiterentwickelung  der  romanischen  Handelsniederlassungen. 

dem  Abendlande  dringend  bedurfte,  gestattete  ihnen  ein  weites  Maß 
von  Bewegungsfreiheit  für  ihren  Handel;  fast  nur  durch  die  gebotene 
Rücksicht  auf  den  Kampf  mit  den  Ungläubigen  war  ihre  Handels- 
freiheit beschränkt;  Zollprivilegien,  die  vielfach  bis  zu  völliger  Be- 
freiung von  allen  Handelsabgaben  gingen,  erleichterten  den  Ausfuhr- 
wie  Einfuhrhandel  und  trugen  dazu  bei,  den  Handelsgewinn  wesent- 
lich zu  erhöhen. 

Daß  es  über  das  Ausmaß  der  finanziellen  Befreiungen  und  der 
Gerichtshoheit  dieser  Handelsniederlassungen  .nicht  ganz  selten  zu 
Zwistigkeiten  mit  der  Landesregierung  kam,  deren  finanzieller  Kraft 
und  staatlichem  Ansehen  diese  Privilegien  natürlich  abträglich  waren, 
daß  die  Landesherren  diese  Bevorzugungen  gerade  so  herabzumindern 
und  zu  beschränken  strebten,  wie  die  Städte  sie  bis  zum  äußersten 
zu  erweitern  bemüht  waren,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge;  im  all- 
gemeinen ist  der  Vorteil  in  diesem  Kampfe  weitaus  auf  selten  der 
Städte  gewesen.  Jl 

Und  diese  Handelsniederlassungen  belasteten  das  Budget  der 
Heimatstädte,  falls  nicht  besondere  Expeditionen  notwendig  wurden, 
in  keiner  Weise;  vielmehr  bezogen  sie,  ganz  abgesehen  davon,  daß 
der  durch  sie  bewirkte  Aufschwung  des  Handels  auch  ihren  Finanzen 
zugute  kam,  noch  direkte  Einkünfte  von  ihnen,  Einkünfte,  die  freilich, 
bei  der  noch  wenig  geregelten,  von  der  Hand  in  den  Mund  lebenden 
Finanzwirtschaft  dieser  Kommunen,  durch  Verkäufe  od  er  Verpachtungen 
auf  lange  Zeit  vorweggenommen  zu  werden  pflegten. 

Endlich  waren  diese  Handelsniederlassungen  an  der  syrischen 
Küste  von  besonderer  Bedeutung  noch  darum,  weil  sie  zugleich  auch 
wichtige  Stationen  und  Stützpunkte  der  romanischen  Kaufleute  für 
den  gesamten  Levantehandel,  namentlich  auch  für  den  Handel  mit 
Ägypten,  darstellten.  Insbesondere  entwickelte  sich  Accon,  haupt- 
sächlich seines  trefflichen  Hafens  wegen,  schon  in  dieser  Zeit  zum 
wichtigsten  Handelsplatze  der  Romanen  in  Syrien;  Benjamin  von 
Tudela  nennt  es  den  Hauptplatz  für  die  Ausschiffung  aller  Pilger,  die 
Jerusalem  besuchen  wollten,  und  der  deutsche  Pilger  Dietrich,  der 
etwa  zur  selben  Zeit  Accon  besuchte,  gibt  die  Zahl  der  Schiffe,  die 
gleichzeitig  in  seinem  Hafen  gelegen  hätten,  auf  80  an.^) 


1)  Asher  I,  64.     Theod.  de  locis  sanctis,  ed.  Tobler,  p.  91.    Heyd  I,  174.  A.  6. 


Zwölftes  Kapitel.     Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer-Romanen  zu  Ägypten.     145 

Zwölftes  Kapitel. 

Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer- Romanen  zu 
Ägypten  bis  zum  dritten  Kreuzzuge. 

103.  Wie  günstig  auch  die  äußeren  Bedingungen  für  den  abend- 
ländischen Handel  mit  Syrien  sich  gestaltet  hatten,  wie  wichtig  es 
war,  daß  die  Christen  hier  am  Ostrande  des  Mittelmeers  wieder  ihre 
eigenen  Häfen  besaßen  —  ein  weit  größerer  Handelsgewinn  winkte 
ihnen  doch  in  dem  muhammedanischen  Ägypten,  das  für  den  Welt- 
handel der  Zeit  von  der  größten  Bedeutung  war.  Hierher  kamen  die 
begehrten  Gewürze  und  Spezereien  des  fernen  Ostens  auf  dem  billigen 
Seewege^);  und  so  hoch  die  Abgaben  waren,  die  die  Sultane  auf 
diese  Artikel  legten,  sie  waren  hier  doch  weit  billiger  zu  erhalten  als 
in  den  Handelsplätzen  Syriens. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Dinge,  daß  dieser  Umstand,  selbst  wenn 
man  von  den  eigenen  Bodenerzeugnissen  und  Industrieartikeln  Ägyptens 
absehen  wollte,  eine  außerordentliche  Anziehungskraft  auf  den  immer  mehr 
erstarkenden  Handel  der  Romanen  des  Mittelmeers  ausüben  mußte,  trotz 
mancher  Unbequemlichkeiten,  ja  Gefahren,  denen  der  christliche  Kaufmann 
in  Ägypten  ausgesetzt  war.  Bedenken,  mit  den  Ungläubigen  in  Handels- 
beziehungen zu  treten,  hatte  man  an  sich  nicht.  Anstößig  aber  war,  daß 
für  die  Einfuhr  in  Ägypten  besonders  geeignet  und  gesucht  solche  Artikel 
waren,  die  in  den  Händen  der  Ungläubigen  Kampfmittel  gegen  die  Christen 
werden  konnten  und  oft  genug  wurden:  Holz,  namentüch  Schiffsbauholz, 
sonstiges  Schiffsbaumaterial  und  Metalle.  Und  wenn  schon  die  Einfuhr  dieser 
Dinge,  deren  Ägypten  fast  ganz  entbehrte,  sich  für  den  italienischen  Kauf- 
mann höchst  gewinnbringend  erweisen  mußte ,  so  wurde  dieser  Gewinn 
durch  die  ganz  besonders  wertvolle  Rückfracht,  die  sich  ihm  hier  bot,  noch 
sehr  wesentlich  gesteigert;  die  Verlockung  war  also  außerordentlich  groß 
und  es  leidet  gar  keinen  Zweifel,  daß  die  christlichen  Seestädte  ohne  Aus- 
nahme der  Versuchung  in  weitestem  Umfange  erlegen  sind.  Wohl  wandte 
sich  die  Kirche  gelegentlich  dagegen,  keineswegs  zunächst  mit  einem  all- 
gemeinen Handelsverbot,  sondern  nur  gegen  die  Auswüchse  dieses  Handels. 
Das  erste  uns  bekannte  Verbot  dieser  Art  hat  Papst  Alexander  HI.  bei  seinem 
Aufenthalt  in  Frankreich  auf  der  S3mode  zu  Montpellier  erlassen;  gleich 
den  Seeräubern  erklärte  es  alle  diejenigen  für  exkommuniziert,  die  den  Sa- 
razenen Waffen  und  Materialien  zum  Bau  oder  zur  Ausrüstung  von  Galeeren 
oder  anderen  Schiffen  liefern  würden  und  drohte  mit  gleicher  Strafe  den 
weltlichen  Regierungen,  die  trotz  kirchlicher  Aufforderung  nicht  dagegen 
einschreiten  würden.  2)  In  gleicher  Weise  wandte  sich  das  dritte  Lateran- 
konzil 1179  gegen  alle,  die  in  wilder  Habgier  den  Ungläubigen  die  Mittel 
zur  Bekämpfung  der  Christen,  Waffen,  Eisen  und  Holz  zum  Bau  von  Kriegs- 


*)  Über  die  Hauptstraßen  und  die  Vermittler  dieses  Verkehrs,  besonders  auch 
über  die  kommerzielle  Wichtigkeit  von  Aden  s.  die  treffliche  Darstellung  bei  Heyd  I, 
378  ff.  Eine  U^bersichtskarte  über  die  Handels-  und  Seewege  der  Araber  zur  Zeit 
der  Abbasiden  gibt  Tomaschek:  Die  topographischen  Kapitel  des  indischen  See- 
epiegels  Mohlt.     Wien  1897. 

•)  Erhalten  nur  dadurch,  daß  die  Provinzialsynode  von  Montpellier  vom  De- 
zember 1195  hierauf  Bezug  nimmt.     Mansi  XXII,  668  u.  XXI,  1160. 

Schaube,  Handelsgeschicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  10 


146  Zwölftes  Kapitel. 

schiffen  lieferten;  ja  wir  hören  sogar,  daß  es  christliche  Seeleute  gab,  dia 
sich  nicht  scheuten,  auf  sarazenischen  Kriegs-  und  Korsarenschiffen  die 
Führung  zu  übernehmen.  Fürsten  und  Städte  wurden  angehalten,  die  Schul- 
digen mit  Verlust  ihrer  persönhchen  Freiheit  und  ihres  Vermögens  zu  be- 
strafen; oft  und  feierlich  sollte  in  den  Seestädten  die  Exkommunikation 
solcher  Übeltäter  verkündet  werden. i) 

Allzuviel  Erfolg  werden  wir  dem  kirchlichen  Vorgehen  nicht  zuschreiben 
dürfen.  Lange  konnte  man  sich  bei  dem  Gedanken  beruhigen,  daß  Ägypten 
kein  besonders  zu  fürchtender  Gegner  sei.  Das  änderte  sich  allerdings  voll- 
ständig, als  es  nach  dem  Aussterben  der  Fatimiden  Saladin  gelang,  Ägypten 
zur  politischen  Großmacht  zu  erheben  und  mit  dem  Hinterlande  der  Kreuz- 
fahrerstaaten zu  einem  gewaltigen,  die  gesamte  Stellung  der  Abendländer 
im  Orient  schwer  bedrohenden  Staatswesen  zu  vereinigen.  Aber  auch  dieser 
mächtige  Herrscher  stellte  sich  den  Christen  zunächst  keineswegs  feindlich 
gegenüber;  hatte  doch  Ägypten,  abgesehen  von  der  Wichtigkeit,  ja  fast  Un- 
entbehrlichkeit  der  abendländischen  Einfuhrartikel  für  das  Land,  ein  sehr 
erhebhches  finanzielles  Interesse  daran,  sich  seine  Vermittlerrolle  für  den 
Welthandel  zwischen  dem  Occident  und  dem  fernen  Orient  zu  erhalten. 
So  dauerte  ein  intensiver  Handelsverkehr  der  romanischen  Handelsnationen 
mit  dem  Nillande  bis  zum  dritten  Kreuzzuge  ungeschwächt  fort,  wenn  der 
auf  beiden  Seiten  wachsende  Glaubenseifer  diese  Beziehungen  auch  vielfach 
mit  scheelen  Bhcken  ansah.  Von  der  Lebhaftigkeit  dieses  Verkehrs  weiß 
der  jüdische  Reisende  Benjamin  von  Tudela^)  nicht  genug  zu  erzählen; 
ganz  Alexandrien,  dessen  Leuchtturm  er  als  ein  Wunderwerk  anstaunt,  sei 
von  Handelslärm  erfüllt;  Angehörige  aller  christlichen  Nationen  verkehrten 
hier  und  hätten  hier  ihr  besonderes  Fondaco.  Jedenfalls  war  Alexandrien 
von  abendländischen  Einflüssen  mehr  berührt  als  irgend  eine  andere  Stadt 
des  Islam;  Wein  und  andere  geistige  Getränke  wurden  hier  in  einer  großen 
Zahl  von  Lokalen  öffentlich  verkauft  und  es  rief  die  größte  Aufregung  her- 
vor, als  die  Regierung  dagegen  einschritt.  3)  Nächst  diesem  größten  und 
bevölkertsten  ^)  Seeplatze  Ägyptens  und  der  Hauptstadt  Kairo,  die  in  dieser 
Zeit  auch  oft  genug  von  christhchen  Kaufleuten  besucht  wurde,  kam  noch 
Damiette  besonders  in  Betracht,  das  Saladin,  bezeichnend  genug,  nach  der 
Seeseite  hin  stark  befestigen  ließ.^)  Der  Straßburger  Vitztum  Burkhard,  der 
im  September  1175  im  Auftrage  Kaiser  Friedrichs  von  Genua  nach  Ägypten 
fuhr,  erzählt  in  seinem  Reisebericht  von  den  Schiffen,  die  mit  den  Spezereien 
Indiens  beladen,  auf  dem  Nil  nach  der  Kaufmannsstadt  von  Kairo  kamen 
und  von  da  nach  Alexandrien  gebracht  wurden.  Die  Duane  dieser  großen 
Hafenstadt  allein,  in  der  jedermann  unbehindert  seiner  Religion  leben 
konnte,  brachte  nach  ihm  dem  Sultan  jährhch  50000  Goldstücke  (gegen 
570000  M.)  ein.6)  Auch  Wilhelm  von  Tyrus  weiß  die  reiche  Beschickung 
des  Marktes  von  Alexandrien,  das  er  forum  publicum  utrique  orbi  nennt, 
nicht  genug  zu  rühmen.'^) 

104.   An   der  Spitze    der  in  Alexandria  vertretenen   christlichen 


')  Ib.  XXII,  230  rnb.  24.     Vgl.  Heyd  I,  386  f. 

2)  I,  155  S. 

3)  Im  Jahre  568  der  Hedschra;  Makrizi  VIII,  502;  vgl.  p.  540  zum  Jahre  577. 
*)  Makrizi  schreibt  ihm  ein  Übermaß  von  Bevölkerung  zu;  p.  504. 

»)  Ib  539,  541. 

«)  Bei  Arnold  von  Lübeck ;  SS.  XXI,  235  ff.     Giesebrecht  VI,  186,  679. 

^  Heyd  I,  378,  384. 


Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer-Romanen  zu  Ägypten.  147 

Handelsnationen  hat  Benjamin  von  Tudela  die  Venezianer  genannt  ^) ; 
doch  wissen  wdr  über  ihren  Verkehr  mit  Ägypten  in  dieser  Zeit  nur 
sehr  wenig  Positives. 

Eine  privatrechtliche  Urkunde  vom  Jahre  1119  zeigt  uns  ein  Kauf- 
fahrteischiff auf  der  Fahrt  von  Venedig  über  Bari  nach  Damiette;  andere 
Urkunden  gleicher  Art  beziehen  sich  auf  den  Handel,  den  die  Venezianer 
von  Konstantinopel  und  überhaupt  vom  griechischen  Reiche  aus  nach 
Ägypten  trieben.^)  Unter  dem  Dogen  Sebastiane  Ziani  (1172 — 1178)  wurde, 
wohl  bald  im  Anfange  seiner  Verwaltung,  ein  Handelsvertrag  mit  Saladin 
abgeschlossen ;  doch  ist  uns  über  seinen  Inhalt  nichts  bekannt.'') 

Von  An  CO  na  hören  Avir,  daß  zur  Zeit  seiner  Belagerung  im  Jahre  1173 
zahlreiche  Einwohner  auf  Handelsreisen  abwesend  gewesen ;  als  Ziel  dieser 
Reisen  wird  in  erster  Linie  Alexandria  genannt.^) 

Was  das  normannische  Königreich  anbetrifft,  so  standen  zunächst 
noch,  offenbar  von  der  sarazenischen  Zeit  her,  die  Sizilianer  in,  wie  es  scheint, 
ziemlich  regem  Verkehr  mit  Ägypten.  In  dem  Privileg  vom  November 
1137,  mit  dem  König  Roger  die  ihm  von  Salerno  im  Kampfe  gegen  Lothar 
bewiesene  Treue  belohnte,  versprach  er  der  Stadt  dafür  einzutreten,  daß 
die  von  ihren  Kaufleuten  bisher  in  Alexandrien  geleisteten  Handelsabgaben 
auf  das  von  den  Bewohnern  Siziliens  daselbst  zu  entrichtende  Maß  herabge- 
setzt würden. ö)  In  der  Tat  hat  Roger  einige  Jahre  darauf  (etwa  1143)  einen 
vorteilhaften,  leider  nicht  erhaltenen  Vertrag  mit  Ägypten  geschlossen  6), 
den  ersten  zwischen  diesem  Staate  und  einer  christlichen  Macht  des  Abend- 
landes, von  dem  uns  berichtet  wird.  In  der  folgenden  Zeit  hören  wir  von 
allerlei  feindseligen  Akten  des  Königreichs  gegen  Ägypten,  Plünderungs- 
zügen in  den  Jahren  1153 — 1155,  einem  großen,  freihch  vergebhchen  Angriff 
auf  Alexandrien  1174  und  weiteren  Feindseligkeiten  in  den  folgenden 
Jahren'^);  mußte  schon  hierdurch  der  sizilisch-ägyptische  Handel  empfindlich 
beeinträchtigt  werden,  so  wurde  er  in  noch  höherem  Grade  dadurch  ge- 
schädigt, daß  die  kommerzielle  Energie  der  drei  großen  Seestädte  Nord- 
Italiens  die  Süditaliener  völlig  überflügelte.  Doch  begegnen  wir  einmal 
wenigstens  einem'  aus  Ägypten  zurückkehrenden  Handelsschiffe,  das  Bürgern 
von  Palermo  und  Genuesen  gemeinsam  gehörte.^) 

1)  AVenigistens  meine  ich,  daß  das  unmögliche,  an  der  Spitze  stehende  Va- 
lentia  des  schlecht  überlieferten  Textes  (I,  157)  durch  Venetia,  das  sonst  gar  nicht 
genannt  wäre,  zu  ersetzen  ist,  während  der  Herausgeber  (H,  129  f.)  Florenz  vor- 
schlugt, das  aber  für  die  Zeit  Benjamins  nicht  in  Betracht  kommt  und  außerdem 
in  dem  an  zweiter  Stelle  genannten  Toscana  enthalten  wäre. 

2)  Monticolo  G.  Due  docum.  venez.  del  secolo  dodicesimo  in :  N.  Arch.  ven. 
19  (1900),  71  f.     Unten  §  117. 

»)  Hist.  Ducum  Ven.,  SS.  XIV,  81.     Heyd  I,  398. 

■•)  Boncompagnus  de  obsid.  etc.  im  Bull.  stör.  no.  15  (1895),  p.  169.  Die  uns 
vorliegende  Fassung  gehört  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  an  (1201/2).  Neues 
Arch.  26  (1901),  760  f. 

*)  Ughelli  VII,  399:  Preterea  decatias  et  alia  jura  mercatorum,  quae  Salerni- 
tani  in  AI.  prius  persolvere  soliti  erant,  ad  morem  et  modum  Siciliae  negotiatorum 
reduci  faciemus  etc.     Heyd  I,  391.     Manfroni  218. 

«)  Romuald  Sal,  SS.  XIX,  424. 

')  Amari  Musulm.  III,  507  ff.  Makrizi  1.  c.  513  ff.  Heyd  I,  391  f.  Siragusa  I, 
45  ff.     Manfroni  258  A.  3. 

*)  Eb  wird  Ende  September  1165  von  den  Pisanern  bei  Elba  gekapert.  Bern. 
Marago,  SS.  XIX,  252. 

/  10* 


148  Zwölftes  Kapitel. 

105.  So  wenig  wie  für  Venedig,  ist  auch  für  Genua  ein  ägyp- 
tischer Handelsvertrag  aus  unserer  Periode  erhalten;  nur  von  einem 
Friedensvertrage  wissen  wir,  den  Genua  1177  durch  seinen  Gesandten 
Rubeus  de  Volta  mit  Saladin  schloß.^)  Da  wir  eine  im  wesentlichen 
gleichzeitige  genuesische  Annalistik  und  außerdem  im  Liber  jurium 
eine  Quelle  besitzen,  in  der  die  Staatsverträge  Genuas  sorgfältig  ver- 
zeichnet wurden,  so  ist  auch  nicht  anzunehmen,  daß  weitere  Verträge 
existiert  haben. 

Den  Grund  dafür  erbhcke  ich  in  kirchlichen  Rücksichten.  Der  Sultan 
erwartete  Gegenleistungen,  die  man  zwar  tatsächlich  zu  machen  sich  nicht 
scheute,  die  man  aber  Bedenken  trug,  schriftlich  zu  fixieren.  Denn  nichts 
wäre  verfehlter,  als  aus  dem  Mangel  solcher  Verträge  einen  Schluß  auf  Ge- 
ringfügigkeit des  genuesischen  Handels  mit  Ägypten  zu  ziehen;  gerade  für 
diesen  Verkehr  liegen  die  Zeugnisse  in  einer  für  diese  Zeit  ungewöhnlichen 
Fülle  vor.  Nur  als  Symptom  sei  erwähnt,  daß  sich  die  Genuesen  schon 
1104  von  Balduin  I.  von  Jerusalem  1/3  von  Kairo  mit  drei  guten  Casalien 
in  der  Umgebung  versprechen  ließen,  falls  es  mit  ihrer  Hilfe  erobert  würde.2) 
Ein  im  Binnenlande  Ober-Italiens  im  4.  Jahrzehnt  verfaßter  Briefsteller  hat 
in  einem  fingierten  Briefe  eines  Genuesen  an  seinen  in  der  Levante  weilen- 
den Sozius  einen  lebhaften  Verkehr  der  Genuesen  in  Ägypten  zur  Voraus- 
setzung.3)  Im  Jahre  1131  hören  wir  von  einem  genuesischen  Schiffe,  das, 
von  Alexandrien  kommend,  an  der  Küste  von  Kalabrien  Schiffbruch  litt.  4) 
In  dem  1143  aufgezeichneten  erzbischöflichen  Zehntentarife  werden  auch 
die  von  Alexandrien  kommenden  Schiffe  mit  dem  Satze  von  22^/2  sol.  jan. 
aufgeführt;  nach  einer  Entscheidung  zweier  genuesischer  Gerichtskonsuln 
vom  31.  Januar  1147  kam  dieser  Satz  altem  Herkommen  entsprechend  auch 
dann  zur  Erhebung,  wenn  ein  genuesisches  Schiff  in  Alexandrien  verkauft 
wurde  ^).  Man  braucht  dabei  nicht  gerade  notwendig  an  einen  Verkauf  an 
die  Ungläubigen  zu  denken;  aber  häufig  genug  ist  ein  solcher  sicher  vor-.jH 
gekommen;  sahen  sich  doch  die  genuesischen  Konsuln  4  Jahre  später,  im 
Mai  1151,  veranlaßt,  in  einem  Dekret  allen  genuesischen  Untertanen  die 
Ausfuhr  von  Waffen,  Schiffsbestandteilen  und  von  Holz,  das  zum  Bau  von 
Galeeren  geeignet  war,  nach  den  Ländern  der  Sarazenen  zu  untersagen.  6) 
Die  beste  Vorstellung  aber  von  der  Intensität  des  genuesischen  Handels  mit 
Ägypten  gewährt  uns  das  Notularium  des  Johannes  Scriba,  das  den  Zeit- 
raum von  Anfang  1155  bis  Ende  August  1164  umfaßt.  Nicht  weniger  als 
86  Nummern  beziehen  sich  auf  diesen  Verkehr;  nur  Sizilien  begegnet  in 
diesen  Akten  noch  häufiger  als  Ägypten.  Häufig  genug  auch  finden  in  den 
Berichten  der  Annalen  Genuas  und  Pisas  über  die  Seekämpfe  zwischen  beiden  « 
Städten  genuesische  Schiffe,  die  aus  Alexandria  kamen  oder  dahin  fuhren,  "' 
Erwähnung."^)  Barbarossas  Gesandter  Burkhard  machte  1175  seine  Reise  auf 
einem  genuesischen  Schiffe  und  einige  Jahre  später  bediente  sich  der  Kaiser 
sogar  eines  Genuesen,  des  Albericus,  zu  einer  Gesandtschaft  an  Saladin. 
Doch  machten  Äußerungen   seiner  genuesischen  Begleiter  über  den  Kaiser 

*)  Ann.  genov.  II,  11. 

2)  Lib.  Jur.  I,  no.  8. 

8)  Wattenbach,  Iter  p.  79  f.     Heyd  I,  390  f. 

*)  Trinchera  F.  Syllabus  graec.  membran.  ISTeapel  1865,  p.  146.  Heyd  I,  391  A.  1. 

')  Atti  Lig.  II,  parte  2,  p.  9  und  404. 

•)  Lib.  Jur.  I  no.  171. 

7)  Heyd  I,  391. 


Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer-Romanen  zu  Ägypten.  149 

den  Sultan  an  dieser  Mission  irre,  so  daß  er  nun  seinerseits  den  AbuTahir 
Ismail  an  den  Kaiser  schickte  und  diesen  bat,  bei  Ismails  Rückkehr  einen 
neuen  Gesandten  mitzuschicken  .i) 

Daß  die  Genuesen  vielfach  auch  den  Handelsverkehr  Südfrankreichs 
mit  Ägypten  vermittelten,  werden  wir  noch  sehen ;  von  einem  direkten  An- 
teil der  Proven9alen  an  diesem  Verkehr  aber  besitzen  wir  für  diese  Pe- 
riode nicht  ein  einziges  Zeugnis.  2) 

106.  Die  älteste  positive  Nachricht  über  den  pisanisch-ägyp- 
tischen  Handelsverkehr  rührt  merkwürdigerweise  von  einem  isländi- 
schen Reisenden,  dem  Abt  Nikolas  Saemundarson  her,  der  auf  seiner 
Reise  nach  dem  Heiligen  Lande,  die  er  1151  antrat,  auch  durch  Pisa 
kam  und  unter  den  Kauffahrern,  die  er  dort  sah,  auch  solche  aus 
Ägyptenland  erwähnt.^)  Pisa  ist  es  nun,  in  dessen  Beziehungen  zu 
Ägypten  wir  durch  Staatsverträge  und  andere  offizielle  Schriftstücke 
einen  höchst  interessanten  und  nicht  nur  für  diese  Seestadt  selbst 
lehrreichen  Einblick  erhalten ;  ich  meine,  das  Vorhandensein  dieser 
Dokumente  gerade  nur  für  Pisa  keineswegs  als  rein  zufällig  erachten, 
sondern  darin  ein  Sympton  für  die  in  dieser  Zeit  vielfach  wenig 
kirchliche  Haltung  Pisas  erblicken  zu  müssen. 

Das  älteste  dieser  Schriftstücke  ist  der  Handelsvertrag,  der  im  Februar 
1154  von  dem  Gesandten  Rainerio  Bottacci  mit  Abu'l  Fadhl  al-Abbas,  dem 
Vezier  des  Fatimiden  Zafir,  abgeschlossen  worden  ist.  Ein  beigefügtes  gleich- 
zeitiges Schreiben,  wohl  des  Emirs  von  Alexandrien,  hebt  hervor,  daß  die 
Pisaner  und  ihre  Kaufleute  mit  ihren  Waren  und  sonstigem  Eigentum  in 
Ägypten  immer  respektiert  worden  seien,  daß  man  ihre  Religion  niemals 
angetastet  habe,  und  daß  sie  seit  langer  Zeit  großen  Handelsgewinn  aus 
Ägypten  zögen  und  in  bezug  auf  Handelsabgaben  besser  gestellt  seien  als 
die  eigenen  Glaubensgenossen  der  Ägypter  und  die  Griechen.  *)  Diese  Be- 
ziehungen hatten  aber  im  Jahre  1153  eine  arge  Störung  erfahren  durch  eine 
Freveltat,  deren  sich  pisanische  Bürger  Sarazenen  von  Ägypten  gegenüber, 
die  mit  ihnen  auf  einem  Schiffe  fuhren,  schuldig  gemacht;  sie  hatten  die 
Männer  ermordet  und  ihre  gesamte  Habe  zugleich  mit  ihren  Angehörigen 
in  ihre  Gewalt  gebracht.  Darauf  war  man  in  Ägypten  zur  Gefangensetzung 
aller  im  Lande  weilenden  pisanischen  Kaufleute  geschritten.  Zur  Wieder- 
herstellung guter  Beziehungen  erschien  nun  auf  einem  Kriegsschiff  eine 
pisanische  Gesandtschaft  unter  Rainerio  Bottacci,  versprach  Bestrafung  der 
Schuldigen  und  daß  die  Pisaner  weder  allein  noch  im  Bunde  mit  anderen 
einen  Angriff  auf  Ägypten  machen  würden  und  leistete  darauf  im  Namen 
des  Erzbischofs,  der  Konsuln  und  des  Comune  von  Pisa  einen  feierlichen 
Eid,   der  in   den  Vertrag  aufgenommen  ist.     Dafür  machte  die  ägyptische 


')  Giesebrecht  VI,  187.  Röhricht  Reg.  no.  598.  Derselbe  im  Neuen  Arch. 
XI  (1886),  575  ff.,  wo  der  Brief  Saladins  in  die  Jahre  1180—1182  gesetzt  ist. 

ä)  Pigeonneau  allerdings  behauptet  sogar  I,  149,  daß  Montpellier  schon  im 
12.  Jahrhundert  in  Ägypten  ein  Konsulat  unterhalten  habe.     Unten  §  118. 

')  .  .  .  thangat  hallda  Kaupmen  dromundum  af  Gricklandi  ok  Sikiley,  Egipta- 
landz  menn,  Syrlendskir  ok  Affrikarc  bei  Werlauif,  p.  20  f.  Riant,  p.  33.  Heyd  I, 
395  deutet  die  Stelle  auf  ägyptische  Schiffe,  die  damals  nach  Pisa  gekommen  seien; 
obwohl  diese  Deutung  dem  Wortlaut  entspricht,  scheint  es  mir  doch,  daß  der  Abt 
nur  die  Herkunft,  nicht  die  Nationalität  dieser  Kaufmannsschiffe  habe  angeben  wollen. 

*)  Amari  Dipl.  no.  2,  3,  p.  241  ff.     Heyd  I,  392  f.     Langer  50  f. 

/ 


150  Zwölftes  Kapitel. 

Regierung  folgende  Zugeständnisse:  1.  Schutz  der  friedlichen  Kaufleute. 
Doch  sollten  Pisaner,  die  auf  feindlichen  Schiffen  betroffen  würden,  als 
Feinde  behandelt  werden  dürfen.  Falls  Pisaner  Gewalttätigkeiten  gegen 
ägyptische  Untertanen  verübten,  sollten  von  den  ägyptischen  Behörden  nicht 
sogleich  Represalien  ergriffen  werden,  sondern  erst  nach  einem  Jahre,  falls 
Pisa  nicht  in  der  Zwischenzeit  für  Genugtuung  gesorgt  hätte.  2.  In  Ale- 
xandrien  wird  ihnen  ihr  Fondaco  zu  ihrer  Unterkunft  wieder  eingeräumt; 
auch  werden  ihnen  Zugeständnisse  für  die  von  ihnen  eingeführten  Edel- 
metalle und  Waren,  besonders  für  Eisen,  Holz  und  Pech  gemacht.  3.  In 
Kairo  wird  ihnen  ein  neues  Fondaco  bewilligt ;  der  Zoll  auf  hier  eingeführtes 
Silber  wird  zu  ihren  Gunsten  herabgesetzt.  4.  Im  ganzen  Lande  sollen  sie 
ihre  Waren  unbehindert  verkaufen  und  falls  ihnen  dies  nicht  zu  erwünschten 
Preisen  gelingt,  wieder  ausführen  dürfen;  doch  sind  Eisen,  Holz  und  Pech 
von  der  Wiederausfuhr  ausgeschlossen,  da  die  ägyptischen  Zollbehörden 
jederzeit  zum  Ankauf  dieser  Artikel  bereit  seien.  5.  Der  Nachlaß  eines  in 
Ägypten  verstorbenen  Pisaners  wird,  falls  ihn  ein  Verwandter  begMtet,  diesem 
übergeben,  andernfalls  aber  den  angesehensten  unter  seinen  Landsleuten 
(quot  scire  poterimus  majores  et  sapientiores)  zur  Bewahrung  gegen  Quittung 
anvertraut.  Deutlich  genug  geht  daraus  hervor,  daß  es  einen  eigentlichen  Ko- 
lonialvorstand der  Pisaner  in  Ägypten  noch  nicht  gab.^)  Als  der  Gesandte 
Bottacci  Ägypten  verließ,  um  nach  Syrien  zu  gehen,  erhielt  er  als  Ehrengabe 
eine  Flasche  des  edelsten,  von  den  Abendländern  außerordentlich  hoch  ge- 
schätzten Balsams;  auch  wurden  25  pisanische  Gefangene  jetzt  schon  in  Frei- 
heit gesetzt.  Auf  das  offenste  redet  also  dieser  Vertrag  von  der  Einfuhr  sol- 
cher Waren,  die  im  Sinne  des  Glaubenskampfes  als  Kontrebande  erscheinen 
mußten,  und  sehr  bemerkenswert  ist  auch  die  freie  Bewegung,  die  den  Pisanern 
nicht  bloß  in  den  Hafenstädten,  sondern  in  ganz  Ägypten  zugestanden  wurde. 

Trotz   der  schweren  Wirren,    die   bald  darauf  in  Ägypten  ausbrachen, 
dauerte  das  gute  Einvernehmen  mit  Pisa  noch  eine  Zeit  lang  fort ;  im  Feb- 
ruar 1156  war  eine  neue  pisanische  Gesandtschaft  unter  Uclebrando  in  Ägyten, 
der  die  Befreiung  von  20  weiteren  Pisanern,  die  noch  in  der  Gefangenschaft  «j 
schmachteten,  gelang.  2)  fl 

107.  Schon  1157  aber  trat,  wahrscheinlich  im  Zusammenhange  mit 
dem  Vertrage,  den  Pisa  im  November  1156  mit  Balduin  III.  von  Jerusalem 
schloß,  eine  Wandlung  ein :  eine  ägyptische  Galeere  überfiel  ein  pisanisches  S 
Schiff  in  den  tunesischen  Gewässern;  die  Gefangenen  wurden  zum  Teil  in  ™* 
Tunis  als  Sklaven  verkauft.'^)  Indessen  neigte  sich  die  Herrschaft  der 
schwachen  Fatimiden  dem  Ende  zu;  unter  schweren  inneren  Kämpfen  löste 
ein  Großvezier  den  anderen  ab;  durch  den  vertriebenen  Schawer  zu  Hilfe 
gerufen,  erstrebte  Nureddin,  der  mächtige  Beherrscher  eines  großen  Teils 
von  Syrien  und  Mesopotamien,  nunmehr  die  Verbindung  Ägyptens  mit  seiner 
Herrschaft.  Gegen  die  drohende  Umklammerung  seines  Reiches  trat  nun- 
mehr der  tapfere  und  tüchtige  König  Amalrich  in  die  Schranken;  fünf  Feld- 
züge  hat  er  in  den  Jahren  1163  bis  1169  mit  zum  Teil  glänzenden,  immer 
aber    nur    vorübergehenden    Erfolgen    nach    Ägypten    unternommen. 4)      Es 

*)  Anders  Martens  F.  Das  Konsularwesen  und  die  Konsularjurisdiktion  im 
Orient.     Übers,  von  H.  Skerst.     Berlin  1874,  S.  111. 

*)  In  der  Zwischenzeit  waren  noch  acht  Pisaner  freigelassen  worden.  Amari 
no.  4  und  5,  p.  250  f.     Heyd  I,  394  f. 

*)  Mas  Latrie,  Traites.     Doc.  p.  25. 

*)  Genaue  Darstellung  derselben  bei  Röhricht,  Jerusalem,  Kap.  17  und  18, 
p.  312  f.     Giesebrecht  V,  436  f.,  626  ff.,  655  ff.,  VI,  486. 


Handelsbeziehungen  der  Mittelmeer-Romanen  zu  Ägypten.  151 

mußte  für  die  Pisaner  ein  in  hohem  Grade  verlockender  Gedanke  sein,  die 
besonderen  kommerziellen  Vorteile,  die  Ägypten  ihnen  bot,  mit  der  gleichen 
freien  Stellung  und  Bewegung  vereinigen  zu  können,  deren  sie  sich  in  Syrien 
erfreuten.  So  unterstützten  sie  den  König  treulich  und  entsandten  trotz 
ihres  damaligen  Krieges  mit  Genua  im  Jahre  1167  eine  Flotte  von  10  Ga- 
leeren unter  dem  Konsul  Burgensis  zur  Belagerung  des  von  Saladin,  dem 
Neffen  Schirkuhs,  des  Oberfeldherrn  Nureddins,  verteidigten  Alexandrien 
imd  taten  sich  bei  derselben  durch  ihre  Tapferkeit  und  die  geschickte  Her- 
stellung von  Belagerungsmaschinen  besonders  hervor;  und  wenn  dem  kleinen 
Heere  auch  die  Eroberung  nicht  gelang,  so  wurde  doch  ein  Vergleich  ge- 
schlossen, der  die  50000  wehrfähige  Einwohner  zählende  Stadt  dem  Verbün- 
deten Amalrichs,  Schawer,  wieder  überlieferte.  Hatte  Schawer  schon  den 
Pisanern  einen  großen  Teil  der  bisher  in  Alexandrien  und  Kairo  vpn  ihnen 
gezahlten  Abgaben  erlassen,  so  stellte  ihnen  Amalrich  vor  seinem  fünften 
Zuge,  den  er  im  Bunde  mit  Kaiser  Manuel  unternahm,  am  17.  September 
1169  ein  Privileg  aus^),  das  ihnen  Freiheit  von  Handelsabgaben  in  dem 
ganzen  vom  Könige  zu  erobernden  Gebiet,  in  Alt-  und  Neu-Kairo  sowie  in 
Rosette  Fondaco,  Backofen,  Mühle,  Bäder  und  eigenes  Gericht,  dazu  1000 
Byzantien  jährlich  aus  den  Einkünften  des  königlichen  Bazars  in  Kairo  so 
lange  zusicherte,  bis  sie  auch  in  Alexandrien,  Damiette  und  Tanis  in  den 
Genuß  der  ihnen  zugestandenen  Handelsfreiheiten  getreten  wären.  2)  Be- 
kanntlich blieb  das  alles  ein  toter  Buchstabe;  auch  dieser  Zug  scheiterte 
kläglich  an  der  fruchtlosen  Belagerung  von  Damiette;  und  seit  erst  Saladin 
nach  dem  Tode  des  letzten  Fatimiden  (1171)  die  feste  Herrschaft  über  Ägyp- 
ten gewonnen,  waren  weitere  Invasionsversuche  völlig  aussichtslos. 

108.  Die  Pisaner,  die  das  sehr  wohl  erkannten,  waren  nun  im  Inter- 
esse ihres  Handels  auf  Aussöhnung  mit  dem  neuen  Machthaber  bedacht; 
noch  vor  dem  Tode  Amalrichs,  der  1174  erst  38  jährig  starb,  gelang  es  ihrem 
Stadtkonsul  Ildebrando,  dem  Sohne  des  Sismondo  Enrici,  von  Saladin  ein 
Privileg  zu  erwirken,  das  für  ihre  spätere  Stellung  in  Ägypten  grundlegend 
geworden  ist  (25.  September  1173.3)  Es  beschränkt  sich  bezeichnenderweise 
auf  Alexandrien ;  hier  erhielten  die  Pisaner  ihr  Fondaco  zurück  und  zugleich 
auf  ihr  Ansuchen  das  Recht,  in  demselben  eine  eigene  Wage  für  Kauf  und 
Verkauf  aufzustellen.  Ein-  und  Ausfuhrzoll  wurden  von  12  auf  10%  herab- 
gesetzt ;  Edelmetalle,  gemünzt  oder  ungemünzt,  wurden  nur  bei  der  Ausfuhr 
verzollt;  die  Chikanen  an  der  Duane  (Überforderung,  Nötigung  zum  Verkauf, 
Verhinderung  der  Abreise)  sollten  abgestellt  werden;  die  Aufhebung  des  Ge- 
brauchs, daß  die  Christen  Steuerruder  und  Segelstangen  ihrer  Fahrzeuge  der 
ägyptischen  Behörde  in  Verwahrung  geben  mußten,  wurde  versprochen.  Bei 
Streitigkeiten  zwischen  Pisanern  und  Sarazenen  wollte  die  Regierung  für  ge- 
rechte Handhabung  der  Justiz  sorgen.  Auch  ein  Bad  und  eine  Kirche  (die 
wohl  schon  vorher  bestanden)  wurden  den  Pisanern  eingeräumt  mit  der 
Zusicherung,  daß  von  der  Kirche  alles  ferngehalten  werden  sollte,  was  den 
christUchen  Kultus   behindern  könnte.     Aus   den   nächsten  Jahren   besitzen 


')  Müller  p.  15. 

»)  Noch  weit  größere  Verheißungen  machte  Am.  damals  den  Johannitern. 
Delaville  le  Roulx  I,  no.  402,  406 ;  vgl.  496.  Bulbesium  ist  aber  nicht  Pelusium, 
sondern  Belbeis. 

')  Amari  Dipl.  no.  7,  p.  257  und  Bonainis  Anmerkung  dazu  p.  459.  Heyd  I, 
397.  Der  Gesandte  ist  durchaus  nicht  pisanischer  Konsul  in  Ägy])ten,  wie  Martens, 
S.  112  das  auffaßt,  sondern  Stadtkonsul  in  Pisa,  der  mit  der  Mission  nach  Ägypten 
betraut  wurde;   er  ist  wohl  mit  dem  Gesandten  von  1156  identisch. 


152  Dreizehntes  Kapitel. 

wir  eine  Reihe  von  Zeugnissen  für  einen  regen  offiziellen  Verkehr  zwischen 
beiden  Regierungen  i) ;  1175  z.  B.  verwenden  sich  Saladin  und  sein  Neffe 
dutch  einen  besonderen  Boten  für  einen  von  den  Pisanern  gefangenen  Ge- 
nuesen; 1177  fordert  Saladin  die  Pisaner  auf,  die  für  sie  so  gewinnbringen- 
den Artikel:  Eisen,  Holz  und  Pech  fleißig  einzuführen,  was  er  für  einen 
großen,  ihm  erwiesenen  Dienst  ansehen  werde,  und  1180  erwirkte  der  Ge- 
sandte Bulgarino  die  Befreiung  von  18  Pisanern,  die  wegen  ihrer  Bekämpfung 
der  Sarazenen  in  ägyptischen  Kerkern  schmachteten.  Weiterhin  aber  man- 
gelt es  uns  für  den  Handel  der  Pisaner  mit  Ägypten  an  solchen  Nachrichten ; 
aber  er  dauerte  ebenso  fort  wie  der  der  anderen  Handelsnationen.  Und 
wenn  1188  im  zeitigen  Frühjahr,  als  christhche  Flüchtlinge  aus  dem  er- 
oberten Jerusalem  unter  sicherem  Geleit  der  Sarazenen  nach  Alexandrien 
kamen,  in  dessen  Hafen  38  pisanische,  genuesische  und  venezianische  Schiffe 
lagen,  die  dort  überwintert  hatten  2),  so  wird  man  diese  Zahl  als  eine  ver- 
hältnismäßig hohe  erachten  müssen,  wenn  man  erwägt,  daß  der  zwischen 
Saladin  und  den  Bürgern  dieser  Städte  in  Syrien  bestehende  Kriegszustand 
unzweifelhaft  eine  starke  Verringerung  dieses  Verkehrs  herbeigeführt  haben 
muß.  Von  Schiffern,  die,  den  obwaltenden  Umständen  zum  Trotz,  den  Hafen 
von  Alexandrien  aufzusuchen  wagten,  kann  es  nicht  weiter  Wunder  nehmen, 
wenn-  sie,  mit  ihrem  Schiffsraum  geizend,  den  Transport  der  Flüchtigen  ver- 
weigerten und  erst  durch  die  Drohung  der  ägyptischen  Behörden,  ihnen 
Steuerruder  und  Segelstangen 3)  vorzuenthalten,  gefügig  gemacht  werden 
mußten. 


Dreizehntes  Kapitel. 

Handelstätigkeit  der  Mittelmeer -Romanen  in  Syrien 
und  Ägypten  bis  zum  dritten  Kreuzzuge. 

109.  Von  Venedig  und  Genua  aus  pflegten  die  Kaufleute  ihre 
Handelsreisen  nach  Syrien  und  Ägypten  mit  den  großen  Schiffs- 
karawanen anzutreten*),  zu  denen  sich  die  Handelsschiffe  der 
größeren  Sicherheit  wegen  zusammenschlössen,  wenn  es  daneben  auch 
an  Einzelfahrern  keineswegs  fehlte.  Wenn  das  System  für  Pisa  nicht 
bezeugt  ist,  so  scheint  das  mit  der  geringeren  Bevormundung  zu- 
sammenzuhängen, die  die  Regierung  hier  dem  Handel  gegenüber  übte. 

In  Kriegszeiten  wurden  diese  Fahrten  zuweilen  ganz  untersagt,  wie 
es  z.  B.  für  Genua  in  den  Jahren  1159,  1162,  1163  geschehen  ist;  wenn  die 
Gefahr  minder  groß  schien,  ließ  man  die  Kauffahrer  aber  auch  in  solchen 
Fällen  ihre  Reisen  unternehmen;  nach  Bedürfnis  gab  man  den  Karawanen 
Kriegsschiffe  wenigstens  für  einen  Teil  der  Reise  zur  Bedeckung  mit  und 
ließ  sie  bei  ihrer  Heimkehr  unterwegs  durch  solche  einholen,  s)     Die  Genu- 


»)  Amari  Dipl.  no.  8—12,  p.  262  f.     Heyd  I,  397  f. 

«)  Heyd  I,  399.     Eöhricht,  Jerusalem  462. 

ä)  Die  gegen  den  pisanisch-ägyptischen  Vertrag  wieder  verlangte  Deponierung 
derselben  findet  in  den  bestehenden  kriegerischen  Vensv-ickelungen  ihre  ausreichende 
Erklärung  und  braucht  noch  keinen  Bruch  jenes  Vertrages  zu  bedeuten. 

*)  Heyd  I,  180  f. 

»)  §  130,  144. 


Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Ägypten.         153 

esen  unternahmen  alljährlich  nur  eine  solche  gemeinsame  Fahrt  nach 
Syrien  und  Ägypten,  und  zwar  im  September ;  im  Juni  pflegen  die  für 
eine  solche  Fahrt  vor  den  Notaren  geschlossenen  Kontrakte  einzusetzen  i). 
Die  Venezianer  aber  ließen  außer  der  hier  schon  im  August  abfahrenden 
Herbstkarawane  auch  im  Frühjahr  eine  solche  »mudua  navium«  abgehen 2), 
die  ihren  Weg  über  die  Jonischen  Inseln  und  durch  den  Archipel  über 
Rhodus  und  Cypern  nach  der  syrischen  und  ägyptischen  Küste  zu  nehmen 
pflegte.  Genuesen  und  Pisaner  kamen  in  denselben  Weg  hinein,  nachdem 
sie  die  Straße  von  Messina  passiert  hatten,  die  den  nächsten  Weg  für  sie 
darstellte  3) ;  doch  schlugen  sie  gelegentlich  auch  einen  andern  Kurs  ein.  So 
wissen  wir  von  den  Genuesen ,  daß  sie,  wohl  durch  den  langdauernden 
Kriegszustand  mit  dem  sizihschen  Königreiche  (1162 — 1179)  dazu  veranlaßt, 
ihre  Schiflte  zunächst  an  der  Westseite  von  Korsika  südwärts,  dann  zwischen 
Korsika  und  Sardinien  hindurch  und  an  der  Westküste  Siziliens  vorbei 
über  Pantelleria  und  Malta  ostwärts  die  Nordküste  von  Afrika  entlang  fahren 
ließen,  bis  sie  den  hohen  steinernen  Leuchtturm  von  Alexandria  oder  bei 
Nacht  sein  Leuchtfeuer  erblickten.'*)  Und  auch  von  den  Marseiller  Kauf- 
fahrern, die  nach  Accon  fuhren,  hören  wir,  daß  sie  bei  günstigem  Winde 
Sizilien  und  Kreta  so  weit  links  liegen  ließen,  daß  sie  diese  Inseln  gar  nicht 
zu  Gesicht  bekamen,  während  sie  sich  andererseits  davor  hüteten,  zu  weit 
nach  rechts  an  die  Küste  der  Berberei  mit  ihren  räuberischen  Bewohnern  he- 
ranzukommen.5)  Diese  Handelsschiffe  scheuten  also  die  Fahrt  auf  offener  See 
auch  für  weite  Strecken  durchaus  nicht  und  es  ist  irrig,  sich  die  nauti- 
schen Kenntnisse  der  Zeit  so  niedrig  vorzustellen,  daß  man  im  wesentHchen 
auf  Küstenschiffahrt  beschränkt  gewesen  sei;  das  gilt  nur  für  die  Kriegs- 
schiffe, die  gelegentlich  ja  auch  zum  Transport  hochwertiger  Waren  benutzt 
wurden ;  diese  Galeeren  waren  als  Ruderschiffe  allerdings  für  den  Fall  eines 
ausbrechenden  Sturmes  gar  zu  sehr  gefährdet  und  daher  wesentlich  auf  die 
Fahrt  der  Küste  entlang  (juxta  terram)  angewiesen,  ß)  Die  Fahrtdauer  war 
natürlich  recht  verschieden;  wir  hören,  daß  man  von  Messina  oder  einem 
der  apulischen  Häfen  bis  Accon  durchschnittlich  14  Tage  rechnete  '^) ;  natür- 
lich ist  damit  nur  die  Dauer  einer  durch  keinerlei  widrige  Umstände  beein- 
trächtigten Fahrt  gemeint.  Für  Galeeren  war  eine  etwas  längere  Zeit  er- 
forderlich; die  40  Galeeren  Kaiser  Friedrichs  II.  haben  im  Hochsommer  1228 
für  die  Fahrt  von  Brindisi  bis  Limassol  auf  Cypern  bei  bestem  Wetter 
24  Tage   gebraucht.  8)     Benjamin   von    Tudela    nimmt    für    die   Fahrt  von 


')  Die  letzten  im  Hinblick  auf  die  bevorstehende  Levantefahrt  vor  dem  Notar 
Johannes  Scriba  abgeschlossenen  Kontrakte  sind  im  Jahre  1160  vom  26.  August 
(Chart,  n  no.  955,  956),  1156  vom  2.  September  (no.  359),  1157  vom  5.  (no.  497)  und 
1161  vom  8.  September  (no.  1115).  Als  äußersten  Termin,  bis  zu  dem  unter  Um- 
ständen  die  Abfahrt  sich  verzögern  konnte,  sah  man  Michaeli  an  (no.  828). 

*)  Ein  Beispiel  für  die  Mudua  des  Herbstes  von  1167  bei  Sacerdoti  30,  für  die 
des  Frühjahrs  1158  bei  Baracchi  VII  (1874),  366.  Erwähnung  der  mudua  August! 
z.  B.  in  dem  Seestatut  vom  Mai  1233;  N.  Arch.  ven.,  n.  s ,  IV  (1902),  285. 

')  Odo  Quarellus,  der  Günstling  der  Gemahlin  Wilhelms  II,  benutzte  das  ein- 
mal sehr  zum  Mißvergnügen  der  Messinesen,  deren  Handel  darunter  leiden  mußte, 
zu  P>pres8ungen  gegenüber  den  nach  Syrien  fahrenden  Schiffen.     Falcandus  p.  147. 

*)  SS.  XXI,  236  (Bericht  Burkhards). 

*)  Gesta  Regis  Riccardi  ed.  W.  Stubbs  II,  198  f. 

')  Ibid.  »nisi  faciat  serenum  valde». 

')  Ludwig  172  f.     Vgl.  Götz  621  f.     Werlauft"  31. 

8)  Winkelmann  II,  20,  85. 


154  Dreizehntes  Kapitel. 

Messina  bis  Ägypten  20  Tage  an ;  in  etwas  späterer  Zeit  machte  Peter  von 
Albeney  die  Reise  von  Marseille  bis  Damiette  in  22  Tagen ;  dagegen  brauchte 
der  Gesandte  Barbarossas,  Burkhard,  der  am  6.  September  Genua  verließ 
und  auf  jenem  Wege  über  Pantelleria  und  Malta  fuhr,  mehr  als  das  Dop- 
pelte, 47  Tage,  bis  Alexandrien  i) ;  drei  Tagereisen  rechnete  er  von  hier  aus 
zu  Lande  bis  zur  Kaufmannsstadt  von  Kairo,  während  die  Fahrt  nilaufwärts 
bis  dahin  7  Tage  in  Anspruch  genommen  habe. 

Die  Zeit,  die  die  Schiifskarawanen  an  dem  syrischen  und  ägyptischen 
Gestade  zuzubringen  pflegten,  war  lang  genug  bemessen;  die  genuesische 
Karawane,  die  in  der  Regel  im  Oktober  ankam,  blieb  den  ganzen  Winter 
über  bis  tief  in  das  Frühjahr  hinein;  erst  um  Johanni  pflegte  man  sie 
zurückzuerwarten  2)  und  zuweilen  zog  sich  die  Rückkehr  auch  noch  länger 
hin;  die  venezianische  Frühjahrskarawane  traf  im  September,  die  Herbst- 
karawane etwa  im  Mai  wieder  in  Venedig  ein.  3)  So  blieb  den  Kaufleuten 
Zeit  genug  zur  Erledigung  ihrer  Geschäfte,  zum  Besuch  verschiedener  Hafen- 
plätze auf  Küstenfahrten  sowie  zu  Reisen  in  das  Innere.  Meist  lassen  die  Gesell- 
schaftsverträge dem  reisenden  Kaufmann  für  die  Gestaltung  seiner  Geschäfts- 
reise nach  der  Ankunft  freie  Hand  (ultra  mare  et  inde  quo  voluerit  istM 
die  übliche  Formel  in  Genua) ;  oft  ging  man  von  Syrien  weiter  nach 
Ägypten,  was  in  einigen  Fällen  direkt  vorgeschrieben  wird  4);  häufig  auch 
wird  dem  reisenden  Gesellschafter  die  Wahl  zwischen  direkter  Heimkehr 
von  Syrien  aus  oder  Rückreise  über  Alexandrien  gelassen.  0)  Dagegen  Avar 
die  Fortsetzung  der  Reise  in  umgekehrter  Richtung,  also  von  Ägypten  aus 
»ultra  mare«,  nicht  üblich  und  wird  einmal  ausdrücklich  untersagt,  ß)  Natürlich 
waren  die  Kaufleute,  wenn  es  ihre  Kontrakte  nicht  vorschrieben,  auch  nicht 
an  die  Rückkehr  mit  der  gleichen  Schiifskarawane  gebunden.  Die  Geschäfts- 
reisen wurden  nicht  selten  auch  länger  ausgedehnt;  so  ist  z.  B.  in  einem 
Gesellschaftsvertrage,  den  ein  nach  Syrien  reisender  Kaufmann  abschloß, 
die  Dauer  der  Gesellschaft  auf  drei  Jahre  festgelegt,  so  daß  ihm  ein  weiter 
Spielraum  zu  Operationen  mit  dem  312  1.  jan.  betragenden  Gesellschafts- 
kapital verblieb.  ^) 

110.   Die  weitesten  Kreise  waren    in    den   großen  Seestädten   aa| 
diesen  Handelsfahrten  interessiert;  auch  die  höchstgestellten  Personen^ 

>)  Ben].  I,  159;  Rogerius  de  Wendower  ed.  Coxe  IV,  75  (für  das  Jahr  1221);= 
SS.  XXI,  237.     Prutz,  Kulturgesch.  103,  521. 

*)  Direkt  wird  die  Rückkehr  für  den  nächster  Sommer  in  Aussicht  genomme 
Chart,  n  no.  661,  926,  927.  Am  30.  Oktober  1157  wird  Begleichung  einer  Schuld 
in  Waren,  die  von  Ägypten  her  erwartet  wurden,  bis  Johanni  nächsten  Jahres  oder 
eher,  falls  die  Waren  (res  meae)  früher  ankommen  sollten,  versprochen.  No.  524. 
Das  von  Syrien  kommende  reichbeladene  genuesische  Schiff,  das  8.  Juli  1162  bei 
Pianosa  den  Pisanern  in  die  Hände  fiel  (Ann.  pis.,  SS.  XIX,  248),  fuhr  mit  eine 
von  Konstantinopel  kommenden  Schiff"  zusammen ;  es  waren  also  wohl  Nachzügler. 

')  In    einem  Seedarlehnsvertrage  vom  Dez.  1158,  der  sich  auf  die  Frühjahrs 
fahrt  von  1159  bezieht,  wird  Rückkehr  oder  Rücksendung  bedungen    »cum    mudua 
navium  que  venerit  in  V.  de  Constantinopoli  aut  de  Alexandria  in  isto  primo  ven-| 
turo  Septembre«.     Baracchi  VII  (1874),  366. 

*)  Chart.  II  no.  1102  u.  1110  (23.  u.  27.  August  1161). 

")  Ibid.  no.  441  (21.  Juli),  663  (20.  August  1158),  1113  (7.  September  1161); 
vgl.  auch  1108. 

8)  Ib.  no.  428. 

')  Ib.  no.  668  (22.  Aug.  1158).  Seedarlehn  pflegten  dagegen  auf  Hin-  und 
Rückfahrt  mit  demselben  Schiff  oder  doch  derselben  Karawane  gegeben  zu  werden ; 
s.  auch  Zeitschr.  f.  Soz.-  u.  Wirtsch.-Gesch.  11  (1894),  169  ff. 


Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Ägypten.  155 

Mitglieder  der  angesehensten  Familien  der  städtischen  Aristo- 
kratie und  Träger  der  obersten  Staatsämter,  sehen  wir  zum  Teil 
recht  beträchtliche  Kapitalien  in  Handelsunternehmungen  anlegen, 
die  Syrien  oder  Ägypten  zum  Ziele  hatten. 

So  hat  Guilelmus  Buronus,  der  in  Genua  1137,  1148,  1156  und  1162 
städtischer  Konsul  i)  und  1143  als  Gesandter  in  Antiochien  tätig  war,  am 
28.  Juni  1157  dem  Guilelmus  de  Razedo  für  die  Geschäftsreise  nach  Syrien 
263  1.  13  sol.  Jan.  (etwa  GOOO  M.)  anvertraut.  Mehrfach  erscheint  er  für 
den  syrischen  Handel  mit  Ido  Mallonus  assoziiert.  An  dem  Gesellschafts- 
kapital von  4871/2  1.  Jan.,  das  diesem  1158  für  die  Fahrt  nach  Syrien  zur 
Verfügung  stand,  war  Buronus  mit  364  1.  beteiligt,  während  er  für  die 
gleiche  Fahrt  auch  dem  Rogerius  de  Justa  208  1.  mitgegeben  hatte,  so  daß 
er  also  ein  Kapital  von  572  1.  (über  13000  M.)  in  dieser  Handelsfahrt  an- 
gelegt hatte.  Und  für  die  Herbstfahrt  von  1161  gab  er  zu  dem  gleichen 
Zweck  als  Sozius  des  Mallonus  400  1.  jan.  her,  während  dieser  als  tractator 
der  Handelsgesellschaft  200  1.  einlegte,  außerdem  aber  noch  mit  einem 
eigenen  Kapital  von  132  1.  (im  ganzen  also  732  1.,  gegen  17000  M.)  arbeitete. 2) 

Häufiger  noch  tritt  uns  der  einem  der  führenden  Geschlechter  Genuas 
angehörige  Ingo  de  Volta,  der  ebenfalls  mehr  als  einmal  Konsul  gewesen  s), 
in  ähnlicher  Weise  entgegen.  Schon  in  höheren  Jahren  stehend,  war  er 
wie  Buronus  nicht  mehr  persönlich  auf  Handelsreisen  in  Syrien  tätig;  daß 
er  es  in  früheren  Zeiten  getan,  geht  am  sichersten  daraus  hervor,  daß  er 
seine  jüngeren  Söhne  in  Handelsgeschäften  dahin  entsandte.  Am  häufigsten 
erscheint  der  alte  de  Volta  für  das  syrische  Geschäft  mit  Ingo  Nocentius 
assoziiert.  Ein  schon  längere  Zeit  zwischen  ihnen  bestehender  Gesellschafts- 
vertrag wurde  am  28.  Juni  1157  erneuert  und  ergänzt  *);  das  ursprünglich 
300  1.  betragende  Gesellschaftskapital  war  seit  der  Gründung  so  beträchtlich 
angewachsen  oder  auch  zum  Teil  durch  neue  Einlagen  vergrößert  worden, 
daß  Nocentius  für  die  Handelsfahrt  dieses  Jahres  710  1.  zur  Verfügung 
standen  und  weitere  100  1.  für  die  gleiche  Handelsreise  an  Alvernacius  aus- 
getan waren,'  dem  beide  Gesellschafter  auch  im  Jahre  vorher  schon  ein 
Kapital  für  die  Handelsfahrt  ultra  mare  anvertraut  hatten.  Außer  dem 
GeseUschaftskapital  nahm  Nocentius  mit  Erlaubnis  seines  Sozius  noch  37  1. 
von  Obertus  Spinola  und  27  1.  von  Guilelmus  Aradelli  in  Commenda ;  auch 
ermächtigte  ihn  Ingo  de  Volta,  die  Gelder,  die  er  in  Syrien  zu  empfangen 
hatte ö),  für  ihn  einzuziehen  und  weiter  anzulegen;  für  etwaige  Einbußen, 
die  er  infolge  von  Gesellschaftsverträgen,  die  er  früher  mit  seinen  Söhnen 
geschlossen,  erlitten  haben  sollte,  versprach  er  ihn  schadlos  zu  halten. 
Außerdem  übergab  Ingo  de  Volta  am  3.  Juli  für  dieselbe  Handelsfahrt,  aber 
mit  der  ausdrücklichen  Bestimmung  nach  Alexandrien,  dem  Ogerius 
Nocentius  203  1.  jan.  (davon  56  1.  als  eigenthches  Gesellschaftskapital,  da 
Ogerius  seinerseits  28  1.  einlegte ;  die  übrigen  als  commenda) ;   in  dem  Ver- 


^)  Ann.  genov.  I  ad.  a. 

«)  Chart,  n  no.  426,  619,  668,  1115. 

»)  Gerichtskonsul  1134,  1139,  1147;  consul  de  comuni  1158,  1162. 

*)  Ib.  no.  424  f.;  329  (2.  September  1156). 

•)  No.  425:  bisancios  quos  ultra  mare  accipere  debeo;  nur  aus  dieser  Stelle 
geht  hervor,  daß  Nocentius  nach  Syrien  ging,  während  der  am  gleichen  Tage  ge- 
schlossene Gesellschaftsvertrag  selbst  das  Reiseziel  ganz  seinem  Ermessen  tiberläßt 
portat  laboratum  (juo  voluerit). 


II 


156  Dreizehntes  Kapitel. 

trage  wird  bemerkt,  daß  Ogerius  dazu  noch  43  1.  von  der  Handelsgesellschaft 
des  Aradellus  und  30  1.  von  der  des  Petrus  Capra  mit  sich  führte,  i) 

Im  Herbst  1160  ist  dann  Ingo  Nocentius  wieder  als  Sozius  des  Ingo 
de  Volta  nach  Syrien  gegangen.  Das  Gesellschaftskapital,  das  er  selbst  an- 
zulegen und  zu  verwerten  übernahm,  betrug  nicht  weniger  als  820  1.  (etwa 
19  000  M.);  andere  Teile  dieses  Kapitals  waren  anderweitig  untergebracht, 
so  wieder  100  1.  bei  Alvernacius  und  100  byzantii  de  Assar  (wohl  =  Sur, 
Tyrus)  bei  Guidotus  Torsellus ;  außerdem  vertraute  Ingo  seinem  Sozius  noch 
80  1.  in  Commenda  an.  Für  die  gleiche  Fahrt  war  Ingo  de  Volta  aber 
auch  noch  mit  Opizo  Amici  Clerici  assoziiert,  wobei  er  416^/2,  dieser  208^/4  1. 
einlegte;  ihm  gab  er  auch  einen  seiner  Söhne  mit  einem  kleinen  Kapital 
als  lernenden  Begleiter  mit.  Auch  hatte  Opizo  die  Erlaubnis,  verschiedene 
Kapitalien,  die  ihm  in  der  Form  von-  Commendae  anvertraut  wurden,  in 
den  Handelsgeschäften  dieser  Reise  anzulegen.  Interessant  ist,  daß  die 
beiden  ultra  mare  gehenden  Sozii  Ingos  ihr  arbeitendes  Kapital  noch  da-__ 
durch  vergrößerten,  daß  sie  von  Bonus  Johannes  Malfuaster  außer  einer«! 
Commenda  im  Werte  von  30  1.  noch  ein  Seedarlehn  von  80  1.  entgegen- 
nahmen, das  sie,  falls  das  Schiff,  auf  dem  sie  reisten,  behalten  in  Syrien 
ankam,  mit  3V4  Byzantien  für  das  Pfund  genuesisch  zu  erstatten  ver- 
sprachen.2)  Auch  den  erwachsenen  Sohn  Ingos,  Marchio  de  Volta,  der  wie_- 
der  Vater  in  den"  Parteikämpfen  Genuas  eine  wichtige  Rolle  spielte  und  a.1^1 
ein  Opfer  derselben  während  seines  Konsulats  im  September  1164  ermordet 
worden  ist,  finden  wir  am  Levantehandel  beteiligt.  3)  Am  18.  August  1158 
gewährte  er  dem  »ultra  mare«  reisenden  Ribaldus  Drogo  ein  Seedarlehn, 
das  in  erster  Linie  auf  behaltene  Hin-  und  Rückfahrt  des  navis  des  Ribaldus 
Cevola,  oder,  falls  dieses  die  Fahrt  nicht  mitmachen  sollte,  desjenigen  Kauf- 
fahrers gestellt  war,  auf  dem  er  tatsächlich  reisen  würde.  Sollte  dieses ■■ 
Schiff  in  Syrien  verkauft  werden  oder  nicht  direkt  nach  Genua  zurück-J| 
kehren,  so  sollte  das  Risiko  auf  dasjenige  Schiff  übergehen,  auf  dem  der 
größte  Teil  der  Genuesen  oder  ihrer  Waren  zurückkäme.  Doch  es  sei  genug 
an  diesen  Beispielen,  die  für  die  Beteiligung  der  Aristokratie  Genuas  an 
dem  Levantehandel,  die  Höhe  der  in  demselben  zur  Anlage  kommenden 
Kapitalien  und  die  vielfache  Verschlingung  der  geschäfthchen  Interessen  in 
Sozietätsverhältnissen  verschiedener  Art  bezeichnend  sind.  Daß  es  in  den 
anderen  großen  Seestädten  nicht  anders  war,  ist  von  vornherein  anzunehmen ; 
immerhin  ist  es  uns  erwünscht  zu  erfahren,  daß  die  Venezianerin  Katholica, 
Witwe  des  Domenico  Giustiniano,  ihrem  Schwiegersohn  Enrico  Contarini 
im  Jahre  1138  den  Betrag  von  1000  1.  ven.  (etwa  7000  M.)  für  eine  Handels- 
fahrt nach  Accon  und  weiter,  deren  Dauer  auf  drei  Jahre  berechnet  war, 
anvertraut  hat,  wobei  sie  das  Risiko  übernahm  und  sich  nur  die  Hälfte 
des  Gewinns  vorbehielt  *);  es  handelt  sich  also  auch  hier  um  Mitglieder  de: 
in  Venedig  regierenden  Geschlechter. 

111.   Wenn  wir   nun    auch   einem  der  reisenden  Kaufleute   au: 
seinen  Fahrten   nach   der  Levante    nachgehen   wollen,    soweit  das  unser 
Quellen  erlauben,   um  so  von   dem  Charakter  des  damaligen  Handels  eine 
konkrete  Vorstellung  zu  erhalten,   so   erscheint  das  am  besten   möglich   im 


»)  No.  431. 

«)  Ib.  no.  955,  958,  963  f.,  vom  26.  u.  27.  August. 

3)  No.  661. 

*)  Sacerdoti  p.  27. 


Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien   und  Ägypten.         157 

Anschluß  an  die  Persönlichkeit  des  Soliman  von  Salerno.  In  Genua  natu- 
ralisiert, wo  er  auch  ein  Haus  besaßt),  unterhielt  er  doch  auch  mit  seinen 
früheren  Landsleuten  aus  dem  normannischen  Königreich  noch  Verbindungen ; 
Bevollmächtigte  eines  sizilischen  Kaid  wenden  sich  einmal  an  ihn,  indem 
sie  ihn  geradezu  als  fidelis  König  Wilhelms  bezeichnen.  2)  Solche  Beziehungen 
zu  den  Arabern  Siziliens  mochten  ihm  auch  bei  seinen  Handelsunter- 
nehmungen in  Ägypten  von  Vorteil  sein.  Als  er  im  Herbst  1156  mit  der 
in  See  gehenden  genuesischen  Handelskarawane  eine  Handelsreise  nach 
Alexandrien  antrat,  gab  ihm  Ogerius  Ventus  für  seinen  in  Alexandrien 
weilenden  Sohn  ein  silbernes  Zaumzeug  (frenum  cum  loris)  und  10  Pfund 
weniger  2  Unzen  Safran  mit,  dazu  15  1.  jan.  bar,  die  Soliman  in  Waren  an- 
legte und  dem  gedachten  Sohne  des  Ogerius  in  Alexandrien  mit  2^/4  voU- 
mchtigen  ägyptischen  Byzantien  pro  1.  zu  erstatten  versprach.  Für  einen 
Minderjährigen  namens  Elio  wurden  ihm  zu  gewinnbringender  Anlage  von 
den  Konsuln  der  Stadt  96  1.,  von  Ribaldus  Faxolius  5  1.  jan.  anvertraut.  3) 
Waren  wurden  ihm  von  Bonusjohannes  Malfuaster  und  Ogerius  de  Guidone 
zur  Beförderung  und  Verwertung  übergeben  *);  dem  ersteren  versprach  er, 
ihm  seine  Waren  in  Alexandrien,  wo  er  sie  natürlich  verkaufte,  mit 
110  Byzantien  anzurechnen,  diesen  Betrag  für  seine  weitere  Reise  nach  Kairo 
in  Commenda  zu  nehmen,  dort  in  Gummilack  oder  Brasilholz  (brazile 
silvaticum)  anzulegen  und  auf  Gefahr  Malfuasters  bei  seiner  Heimkehr  nach 
Genua  zu  bringen.  Die  Waren  des  zweiten,  der  seinen  Sohn  Guido  die 
Reise  in  der  Begleitung  Solimans  mitmachen  ließ,  wollte  er  mit  280  Byzantien 
in  Alexandrien  anrechnen  und  diesen  Betrag  dem  Sohne  übergeben,  falls 
dieser  es  unter  Solimans  Beirat  für  zweckdienlich  erachtete,  von  Alexandrien 
aus  eine  selbständige  Geschäftsreise  zu  unternehmen.  Blieb  er  indessen  in 
Solimans  Gesellschaft,  so  hatte  dieser  das  Kapital  weiter  arbeiten  zu  lassen 
und  dafür  bei  seiner  Heimkehr,  behaltene  Ankunft  des  ihnen  zur  Rückfahrt 
dienenden  Schiffes  vorausgesetzt,  dem  Vater  Pfeffer  und  Brasilholz  im  Werte 
von  140  1.  jan.  zu  übergeben.  Wohin  Soliman  durch  seine  Geschäftsreise 
von  Kairo  aus  noch  geführt  worden  sein  mag,  wissen  wir  nicht;  jedenfalls 
steht  fest,  daß  er  im  folgenden  Jahre  noch  nicht  nach  Genua  zurückkehrte ; 
erst  am  2.  April  1158  ist  er  wieder  in  Genua  nachweisbar.  0)  Am  6.  August 
Avurde  wegen  der  Commenda  von  101  1.  für  den  Minderjährigen  abgerechnet; 
es  ergab  sich  als  Erlös  bereits  in  Genua  verkaufter  Waren  ein  Kapital  von 
1051/2  1.,  außerdem  eine  sporta  und  1/2  Zentner  Pfeffer^)  und  ein  Pack 
ifascis)  Brasilholz,  beides,  mit  dem  Zeichen  Elios  signiert,  vor  kurzem  aus 
Alexandrien  eingetroffen.  Der  Gewinn  war  also  ein  nicht  unbeträchtlicher. 
Die  Absendung  der  genannten  Waren  aus  Ägypten  muß  durch  einen 
Sozius  Solimans  erfolgt  sein,  wahrscheinlich  durch  Marchio  Castanee,  mit 
dem  sich  Soliman  am  selben  Tagie  vor  Notar  und  Zeugen  auseinandersetzt.  '^ 
Über  die  Abrechnung  zwischen  beiden  erfahren  wir  leider  nichts  Genaueres; 


1)  Chart.  II  no.  1072 :  Actum  in  curia  ipsius  Solime ;  no.  645 :  Act.  in  domum 
Solimani;  5.  August  1158  kauft  er  ein  Grundstück  für  1081.  jan.  no.  642. 

*)  Xo.  1183. 

3)  No  342  (20.  August)  und  646. 

*)  No.  337  und  339  (19.  August).  Übersehen  darf  man  bei  alledem  nicht,  daß 
wir  doch  nur  die  Akten  eines  einzigen  Notars  vor  uns  haben. 

')  No.  591.  In  der  Zwischenzeit  begegnet  einmal  seine  Frau  Aliadar  in  Han- 
delsgeschäften ;  no.  446. 

*•)  No.  646.     Für  medium  centenarium  perperis  ist  piperis  zu  lesen. 

7)  No.  645. 


158  Dreizehntes  Kapitel. 

sie  erklären  nur,  daß  alle  Gesellschaftsverträge  (societates) ,  die  zwischen 
ihnen  bestanden  hätten,  nach  erfolgter  Abrechnung  und  Ausgleichung  er- 
ledigt seien;  doch  blieben  50  1.  Jan.  in  bar,  6  Vs  Zentner  Pfeöer  und 
191/3  Zentner  Brasilholz  als  Depot,  von  dem  jedem  die  Hälfte  zustand,  in 
Solimans  Verwahrung.  Da  Marchio  im  Begriff  war,  vermutlich  infolge  eines 
auf  der  Reise  getanen  Gelübdes,  nach  Santiago  de  Compostella  zu  wallfahr- 
ten, so  bevollmächtigte  er  seinen  bisherigen  Sozius  zur  Einziehung  einiger 
für  sie  beide  noch  außenstehenden  Posten ;  es  befindet  sich  darunter  ein 
Fünftel  von  dem  Erträgnis  eines  Viertels  von  dem  Schiff,  das  er  zusammen 
mit  Amico  Vacca  nach  Alexandrien  geführt  hatte,  und  eine  besonders  kost- 
bare Feder  (penna  varia  orlata  de  neuro),  die  er  dem  Bonvicinus  de  Campo 
zum  Verkauf  übergeben  hatte. 

An  der  im  August  1158  bevorstehenden  Handelsfahrt  nach  Ägypten 
beteiligte  sich  Soliman  nicht  persönlich,  doch  können  wir  aus  unseren  Akten 
nachweisen  i) ,  daß  er  bei  zwei  Mitreisenden  ein  Kapital  von  im  ganzen 
451 V2  1-  Jan.  für  diese  Fahrt  angelegt  hat. 

Im  nächsten  Jahre  unterblieben  auf  Befehl  der  Regierung  alle  Handels- 
fahrten nach  der  Levante;  1160  aber  unternahm  Soliman  eine  neue  Reise 
nach  Alexandrien.  Schon  im  Spätherbst  1159  hatte  er  zu  diesem  Zwecke 
mit  Guilelmus  Otto  Ceriolus  und  Mussus  Boiachesius  zusammen  ein  Schiff 
gekauft,  an  dem  diese  mit  je  1/4,  er  selbst  mit  der  Hälfte  beteiligt  war.  Am 
4.  November  1159  engagierten  die  drei  Schiffspartner  eine  Gesellschaft  von 
drei  Kalfaterern 2),  die  gegen  Zahlung  von  8  V2  1-  Jan.  das  Kalfatern  des  Last- 
schiffs (navis),  der  zugehörigen  Barke  und  gedeckten  Karavelle  und  der 
Mastkörbe  übernahmen  und  für  weitere  acht  Byzantien  pro  Person  die  Fahrt 
nach  Alexandrien  mitmachten,  um  dort,  falls  es  nötig  würde,  das  Kalfatern 
des  Schiffes  zu  erneuern  oder,  falls  es  verkauft  und  ein  anderes  dafür  er-w| 
standen  würde,  die  gleiche  Prozedur  an  diesem  vorzunehmen.  Was  sie  sonst«! 
in  Ausübung  ihres  Gewerbes  in  Alexandrien  verdienen  würden,  hatten  sie 
mit  den  Schiffspartnern  zu  teilen.  Die  Ausreise  des  Schiffes  fand  keineswegs 
schon  im  Frühjahre,  sondern  zur  gewöhnlichen  Zeit  statt.  Ein  schon  Mitte 
Februar  für  diese  Fahrt  aufgenommener  Seedarlehnsvertrag  über  80  1.  jan. 
stipuliert  Rückzahlung  in  Genua  mit  90  1.,  falls  das  Schiff  Solimans  nicht 
bis  Michaeli  abgegangen  sei.  3)  Für  die  Rückkehr  des  Schiffes  war  von 
vornherein  der  nächste  Sommer  (also  1161)  in  Aussicht  genommen;  zwei 
weitere  Seedarlehnsverträge  vom  3.  August  1160*)  setzen  als  Ziel  für  die 
Rückerstattung  1  Monat  nach  behaltener  Rückkehr  des  Schiffes  Solimans 
im  nächsten  Sommer;  falls  das  Schiff  in  Alexandrien  verkauft  wurde  oder 
sein  Reiseziel  änderte,  sollte  das  Risiko  auf  das  Schiff  übergehen,  auf  dem 
Soliman  im  nächsten  Sommer  zurückkam,  oder  wenn  er  zu  diesem  Zeitpunkt 
noch  nicht  zurückkehrte,  auf  dasjenige  Schiff,  mit  dem  die  Mehrzahl  der 
jetzt  die  Ausreise  mitmachenden  Kaufleute  die  Rückfahrt  anträte.  Soliman  ___ 
selbst  hat  für  diese  Reise  Waren  von  Nasello  übern  ommen^),  die  er  ihm  beial 
behaltener  Ankunft  in  Alexandrien  mit  275  sarazenischen  Byzantien  anzu- 
rechnen verspricht;  diesen  Betrag  will  er  zu  2/3  in  Pfeffer,  zu  1/3  in  Alaun 
anlegen  und  diese  Wacen  dann  auf  seinem  Schiffe   ohne  Berechnung  einer 


»)  No.  655/6. 

«)  No.  795. 

»)  No.  828. 

*)  No.  926/7. 

»)  No.  877  (13.  Mai). 


Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien   und  Ägypten.         159 

besonderen  Frachtgebühr  nach  Genua  transportieren.  Auch  sein  alter  So- 
zius Marchio  Castanee  machte  die  Reise  wieder  mit;  schon  vor  einem  Jahre 
hatte  er  Sohman  Waren  übergeben  (zu  einer  Zeit  vermutUch,  als  man  noch 
annahm,  daß  die  1159  er  Fahrt  nach  Ägypten  stattfinden  würde),  für  die 
dieser  bei  behaltener  Ankunft  seines  Schiffes  in  Alexandrien  320  Byzantien 
zu  zahlen  versprach,  i)  Wie  in  Aussicht  genommen,  kehrte  Soliman  im 
Sommer  1161  zurück;  am  17.  Juli  finden  wir  ihn  wieder  in  Genua.2)  Wei- 
tere Beziehungen  von  ihm  zu  Ägypten  sind  aus  unseren  Akten  nicht  mehr 
nachweisbar:  allerdings  haben  auch  1162  und  1163  die  jährlichen  Fahrten 
nach  Alexandrien  nicht  stattgefunden. 

112.  Bei  der  Warenausfuhr  nach  Syrien  spielten  die  in  Ober- 
Italien  und  Toscana  hergestellten  Barch entstoffe  (fustanei)  eine  besonders 
■wichtige  Rolle.  Jene  Commenda  von  301.  Jan.  Wert,  die  Johannes  Bonus 
Malfuaster  den  beiden  Sozii  Ingos  de  Volta  anvertraute,  bestand  in  »fustaneis« 
ebenso  wie  diejenige,  die  Nuvellonus  für  die  Herbstfahrt  1164  von  Elias  mit 
einem  angerechneten  Werte  von  36  ^/s  1.  erhielt.  ^)  Wissen  wir  doch  auch,  daß 
die  Johanniterprioren  der  Lombardei  (Italiae),  Pisas  und  Venedigs  verpflichtet 
waren,  alljährlich  je  2000  Ellen  (brachia)  solcher  Stoffe  in  verschiedenen 
Sorten  für  den  Bedarf  des  Spitals  nach  Jerusalem  zu  senden,  während  die 
Prioren  von  Paris  und  S.  Gilles  jährlich  100  baumwollene  Tuche  zu  kaufen 
und  zusammen  mit  den  von  den  Gläubigen  zum  Geschenk  dargebrachten 
zur  Erneuerung  der  Decken  der  armen  Kranken  nach  Jerusalem  zu  schicken 
hatten.  4)  Auch  die  Zelte  des  Beherrschers  von  Cypern,  die  König  Richard 
erbeutete,  waren  aus  jenem  leichten  Stoffe,  »de  fustaine«.^)  Um  bilhge 
Erzeugnisse  der  Textilindustrie,  Leinenzeuge  und  dgl.  handelt  es  sich  auch 
bei  den  202  cannae  »de  baldinellis  et  vogiae«  im  Preise  von  41  1.  Jan.,  die 
Blancardus  dem  Ribaldus  Seraphie  für  die  Herbstfahrt  1157  nach  Syrien  in 
Commenda  gab.  ß)  Für  dieselbe  Reise  hatte  Ribaldus  aber  auch  ein  eigenes 
Kapital  von  59  1.  3  sol.  jan.  in  23  Ellen  grünen  Tuches  und  11  Ellen  Scharlach- 
tuch angelegt '^);  wahrscheinlich  stammten  diese  hochwertigen  Tuche,  von 
denen  die  canna  de  viridi  28  sol.  (etwa  32  ^),  di  canna  de  scarlata  49  sol. 
(etwa  56  ^)  kostete,  aus  Nordfrankreich.  In  Tuchen  (panni  ohne  nähere 
Bezeichnung)  bestand  auch  ein  mit  84 1.  jan.  bewerteter  Teil  der  Einlage 
des  Guilelmus  Filardus  bei  der  Handelsgesellschaft,  die  er  für  dieselbe  Fahrt 
mit  Ugo  Mallonus  einging.  8) 

Halbfabrikaten  begegnen  wir  in  den  2950  hergerichteten  Kaninchen- 
fellen 9),  die  Anseimus  Ime  1161  von  Bonusvasallus  de  Castro  zum  Transport 
nach  Syrien  und  Verkauf  daselbst  übernahm;  und  nichts  anderes  ist  wohl 
auch  unter  den  »coniatini«  im  Werte  von  17  V2l-  zu  verstehen,  die  Laborante 
für  die  Herbstfahrt  1157  von  Guilelmus  Filardus  in  Commenda  empfing,  i*') 


1)  No.  920  (22.  Juli). 
"O  No.  1072. 

')  No.  1504.     Dazu  noch  no.  907,  wo  »ultra  bis.  4  inde  quarti«  statt  queriti 
7A\  lesen  ist. 

*)  Statuten  von  1182;  Delaville  le  Roulx  I,  no.  627,  p.  426  f. 

»)  Ambroise  v.  1826. 

«)  Chart.  II  no.  419. 

■>)  Ib.  no.  414. 

8)  No.  457. 

8)  cuniculi  affaitati ;  no.  1110. 

»")  No.  472. 


160  Dreizehntes  Kapitel. 

Bezüglich  des  Exports  von  Rohprodukten  nach  Syrien  in  dieser  Zeit  er- 
halten wir  Fingerzeige  durch  einen  Kontrakt  für  die  Herbstfahrt  1161,  nach 
welchem  Manente  de  Amore  46^/3  Zentner  Blei  in  Commenda  nahm  sowie 
durch  den  Umstand,  daß  am  Anfang  der  achtziger  Jahre  ein  nach  Accon 
bestimmtes  fränkisches  Schiff  mit  einer  Holzladung  und  70  Mann  Besatzung 
der  ägyptischen  Flotte  in  die  Hände  fiel,  i) 

Endlich  wissen  wir  auch,  daß  aus  Apulien  eine  nicht  unbedeutende 
Lebensmittelausfuhr  durch  die  Hospitaliter  stattfand,  auf  die  das  Mutterhaus 
in  Jerusalem  mit  Sicherheit  rechnete.  2) 

113.  Von  den  für  den  Export  des  Abendlandes  nach  Ägypten  wich- 
tigsten Waren,  Eisen,  Holz  und  Schiffsbaumaterialien  der  verschiedensten 
Art  ist  oben  schon  die  Rede  gewesen  3) ;  so  umfangreich  dieser  Export  offen- 
bar war,  in  den  offiziellen  Akten  des  genuesischen  Notars  Johannes,  die  uns 
sonst  so  viel  Ausbeute  liefern,  können  wir  nichts  darüber  zu  finden  er- 
warten. Auch  von  anderen  Exportartikeln  erfahren  wir  wenig  genug.  In 
einem  aus  dem  4.  Jahrzehnt  stammenden  Briefsteller  bezeichnet  der  in  der 
Levante  weilende  Sozius  eines  Genuesen  als  Waren,  deren  Mitnahme  nach 
Alexandrien  wie  nach  Byzanz  sich  besonders  empfehle,  die  leichten  Baum- 
wollstoffe (pignolata)  von  Piacenza  in  verschiedenen  Farben^);  an  edlen 
Stoffen  und  Tuchen  bot  ja  der  Orient  selbst  Auswahl  im  Überfluß;  Am 
broise  z.  B.  entwirft  von  den  Schätzen  dieser  Art,  die  eine  von  Ägypten 
nach  Syrien  ziehende  Karawane  mit  sich  führte,  als  sie  König  Richard  in 
die  Hände  fiel,  ein-e  ganz  entzückte  Schilderung.  0)  Das  silberne  Zaumzeug, 
das  Soliman  nach  Ägypten  mitgegeben  wurde,  haben  wir  schon  erwähnt; 
der  Notar  Johannes  selbst  hat  einmal  100  »lintea  coriorum«  zur  Verwertung  _ 
nach  Ägypten  geschickt. ß)  Sehr  merkwürdig  ist  ein  Fall,  in  dem  Seide ■ 
von  Genua  nach  Ägypten  ging.  Otto  Judex  de  Castro  hat  1161  dem  Oge- 
rius  Berzus  39  Pfund  7  Unzen  davon  und  außerdem  26  Marabotini  weniger 
4  Karruben  nach  Alexandrien  in  Commenda  gegeben,  wo  der  Erlös  in  Alaun, 
oder  falls  dieser  uicht  zu  billigem  Preise  zu  haben,  in  derselben  Weise  wie 
die  anderen  Kapitalien  des  Reisenden  angelegt  werden  sollte."^)  Daß  diese 
Seide  in  engster  Gemeinschaft  mit  spanischen  Goldmünzen  auftritt,  läßt  da- 
•  rauf  schließen,  daß  sie  dem  arabischen  Spanien  entstammte ;  immerhin 
werden  wir  schwerlich  anzunehmen  haben,  daß  sie  in  Ägypten  höher  im 
Preise  stand  als  auf  dem  Markt  von  Genua;  ich  vermute,  daß  diese  Com- 
menda nur  deshalb  in  solcher  Gestalt  auftritt,  weil  Seide  wie , Goldmünzen 
eben  erst  aus  Spanien  eingetroffen  waren,  und  daß  besondere,-  in  den  per- 
sönhchen  Verhältnissen  des  Commendagebers  liegende  Gründe  den  Anlaß 
zu  dieser  Transaktion  gegeben  haben.  Auch  Safran  ging  von  Genua  nach 
Ägypten.  Soliman  führte  etwa  10  Pfund  dieser  von  den  arabischen  Ärzten 
besonders   geschätzten  Ware   für   den   Sohn   des  Ogerius  Ventus  nach  Ale- 


1)  No.  1105 ;  Makrizi  Vm,  551. 

*)  Delaville  le  Eoulx  I  no.  431.  Die  Abgaben,  die  früher  am  Davidstor  in  Je 
rusalem  bei  der  Einfuhr  von  Weizen,  Gerste  und  Gemüse  erhoben  worden  waren, 
hatte  Balduin  II.  1120  abgeschafft.     Röhricht  Reg.  no.  91. 

«)  §§  103,  106. 

*)  Wattenbach,  Iter  p.  80. 

'')  V.  10515  if. 

^)  No.  1096.  Eine  ausreichende  Deutung  für  diese  Hntea  weiß  ich  nicht,  auch 
nicht  für  die  drei  minos  parrios,  die  SoUman  1158   nach  Ägypten  sandte;   no.  656. 

')  No.  1098. 


I 

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Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Ägypten.  161 

xandrien  miti);  dieser  aus  Toskana  stammende  Safran  mag  billiger  gewesen 
sein  als  das  orientalische  Produkt.  Endlich  können  wir  einigemal  die  Ein- 
fuhr von  Gold  nach  Ägypten  nachweisen.  Nach  dem  ägyptisch-pisanischen 
Vertrage  von  1173  gingen  Edelmetalle  in  Ägypten  unverzollt  ein;  und 
sie  flössen  sicher  in  dieser  Zeit  in  nicht  geringer  Menge  aus  dem  christlichen 
Europa  nach  diesem  Lande  ab;  hebt  doch  auch  Burkhard  von  Straßburg 
hervor,  daß  Ägypten ,  obwohl  weder  Gold  noch  Silber  noch  überhaupt 
Metalle  im  ganzen  Lande  gefunden  würden,  an  Gold  Überfluß  habe.  2)  Der 
uns  bekannte  Guilelmus  Fihardus  hat  für  die  Fahrt  von  1158  dem  Wilhelm 
von  Tortona  etwas  über  19 1/2  Unzen  Gold  im  Werte  von  41^2  1-  Jan. 
übergeben,  ein  andermal  begegnet  uns  eine  Commenda  von  161.  jan.  Wert 
in  Gold,  das  den  Schreibern  Johannes  (das  ist  unser  Notar)  und  Ogerius 
gehörte.^)  Im  Jahre  1157  übersendet  Guilelmus  Ventus  seinem  Neffen 
Ogerius  200  Stück  alexandrinische  Goldbyzantien  *) ;  184  davon  entsprachen 
1741/4  vollwichtigen,  während  die  übrigen  16  gleich  15^/4  vollwichtigen 
angegeben  werden ;  sie  waren  zum  Ankauf  von  Kolonialwaren  bestimmt, 
und  wie'  diese  ägyptischen  Goldmünzen  nach  Ägypten  zurückflössen,  so 
nahmen,  wie  wir  gesehen  haben,  von  Genua  aus  auch  spanische  dahin  ihren 
Weg. 

114.  Was  die  Einfuhr  aus  diesen  Ländern  nach  dem  Abendlande  an- 
geht, so  ist  es  merkwürdig  genug,  zu  sehen,  daß  die  Akten  des  Johannes 
Scriba  über  den  Import  der  Genuesen  aus  Syrien  nicht  den  geringsten 
Aufschluß  enthalten.  Doch  ergibt  sich  aus  dem  um  1140  für  die  öffentliche 
Wage  in  Genua  aufgezeichneten  Tarif,  der  bambacium  de  Antiochia  als 
besonderen  Artikel  aufführt  ^),  daß  syrische  Baumwolle  in  nicht  unbedeuten- 
der Menge  nach  dem  Abendlande  gegangen  sein  muß.  Für  Flachs,  der 
in  Syrien  eingekauft  war,  rechnet  Leonardo  Pisano  mit  einem  Preise  von 
4  saraz.  Byzantien  für  den  Kantär^),  und  aus  dem  antiochenischen  Privileg 
für  Venedig  von  1153  wissen  wir,  daß  die  Venezianer  leinene  Stoffe  und 
seidene  Tuche  (panni  serici)  aus  Antiochia  exportierten.  Saßen  doch 
auch  in  Tyrus  »seit  undenklicher  Zeit«,  wie  die  Denkschrift  des  MarsiHo 
Zorzi  von  1243  sagt,  einheimische  Weber  (Suriani  texarini),  die  mit  der 
Herstellung  wertvoller  Stoffe  beschäftigt  waren '^);  der  altberühmte  Purpur 
wird  unter  den  Produkten  von  Tyrus  auch  in  dieser  Zeit  erwähnt.  ^)  Auch 
von  den  nicht  minder  berühmten  Erzeugnissen  der  Glas-  und  Tonwaren- 
Industrie  von  Tyrus  werden  wir  mit  Sicherheit  anzunehmen  haben,  daß  sie 
in  das  Abendland  eingeführt  wurden,  und  das  Gleiche  gilt  von  den  Glas- 
waren Antiochiens.  ö)     Unter  den   eingeführten  Artikeln   kann    endhch   der 

»)  No.  342. 

»)  Bei  Arnold  von  Lübeck,  SS.  XXI,  238.  Makrizi  läßt  diesen  Überfluß  aller- 
dings nur  für  den  Palast  des  Sultans  gelten ;  VIII,  503  f.  Von  der  sonstigen  Be- 
völkerung sagt  er:  wer  ein  Goldstück  sah,  dessen  Augen  glänzten  vor  Verlangen, 
es  zu  besitzen. 

=»)  Chart,  n  no.  654  und  1096.      *)  Xo.  473. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  66.  Verpflichtung  des  Bailli  der  Johanniter  von  Antioch., 
jährlich  2000  brachia  bombacis  nach  Jerus.  zu  schicken :  Delaville  le  Roulx  I,  p.  427. 

«)  Leon.  Pis.  94. 

')  Tafel  u.  Thomas  I,  133;  II,  359.     Röhricht,  Jerusalem  166. 

8)  Guil.  Tyr.  XUI,  c.  3. 

")  Abgaben  von  der  Glasindustrie  im  venez.  Drittel  von  Tyrus  ob.  §  99.  Über 
die  Berühmtheit  des  syrischen  Glases  Benjamin  von  Tudela  I,  63 ;  II,  73 ;  über  die 
jüdischen  Glasfabrikanten  von  Antiochia  I,  58. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  H 


162  Dreizehntes  Kapitel. 

Zucker  nicht  gefehlt  haben,  an  dem  die  Umgegend  von  Tripolis,  aber  auch 
die  von  Tyrus  besonders  reich  war.  i) 

Daß  auch  die  Gewürze  und  Drogen  des  fernen  Orients  zum  Teil  aus 
den  syrischen  Häfen  zur  Ausfuhr  gelangten,  dafür  kennen  wir  aus  unserer 
Zeit  wenigstens  ein  Beispiel:  Venezianer  haben  im  Jahre  1131  ein  Quantum 
Zimt  von   Tyrus   aus   exportiert.  2) 

115.  In  ganz  anderer  Menge  freilich  strömten  diese  Waren  zur  selben 
Zeit  aus  Ägypten  nach  dem  Abendlande;  das  für  den  Import  aus  Syrien 
so  stumme  Notularium  des  Johannes  Scriba  bietet  dafür  eine  Fülle  von 
Beispielen.  So  soll  der  Überbringer  jener  200  ägyptischen  Goldbyzantien, 
Ogerius  de  Nigrone,  falls  er  den  Empfänger  nicht  antrifft,  selbst  von  diesem 
Betrage  den  Ankauf  einer  »zurra«  Zimt  vornehmen  und  den  Überschuß  je 
zur  Hälfte  in  Pfeifer  und  Brasilholz  anlegen.  Und  Guilelmus  de  Tortona, 
dem  Guilelmus  Filiardus  19^/2  Unzen  Gold  für  die  Fahrt  nach  Ägypten 
anvertraut  hatte ,  sollte  gegen  ein  empfangenes  Entgelt  von  2 1.  jan.  von 
dem  Erlöse  2  Körbe  (sportae)  Pfeffer  kaufen  und  den  Überschuß  entweder 
in  Muskatnuß  anlegen  oder  in  barem  Gelde  nach  Genua  zurückbringen.  3) 
Von  größtem  Interesse  aber  für  den  starken  Import  von  Gewürzen  und 
Drogen  des  Orients  aus  Ägypten  nach  Genua  ist  folgender  Fall:  Am 
21.  August  1156  hatte  der  oben  erwähnte  Guilelmus  Filiardus  mit  Johannes 
Filiardus  eine  Handelsgesellschaft  für  die  bevorstehende  Fahrt  nach  Ale- 
xandrien  geschlossen,  bei  der  jener  als  Kapitalist  1161.  Jan.,  dieser  als  der 
Traktator  die  Hälfte  davon  einlegte  imd  außerdem  an  eigenem  Kapital 
821.  mitführte.  Aus  dem  Vermögen  seiner  Neffen  Ansaldinus  und  Guilel- 
mus, die  unter  seiner  Vormundschaft  standen,  vertraute  ihm  Guilelmus 
Filiardus  ferner  4241.  2  sol.  8  den.*)  und  113  1.  12  s.  9  d.  an,  so  daß  Johannes 
also  für  seine  Geschäftsreise  über  das  beträchtliche  Kapital  von  793  1.  15  s. 
5  d.  (über  18000  Ji)  verfügte.  Die  Rückkehr  sollte  im  nächsten  Sommer 
erfolgen,  fand  aber  in  Wirklichkeit  erst  im  Jahre  1158  statt;  wie  Marchio 
Castanee  hatte  auch  Johannes  Filiardus  eine  Wallfahrt  nach  Santjago  gelobt, 
was  auf  eine  gemeinsam  bestandene  große  Gefahr  deutet,  und  am  gleichen 
Tage  (6.  August)  und  vor  demselben  Notar  wie  dieser,  setzte  er  sich  mit 
seinem  Sozius  auseinander.  Es  wurde  festgestellt,  daß  im  Warengewölbe 
W^ilhelms  folgende  von  Johann  mitgebrachte,  mit  besonderen  Handels- 
zeichen versehene  Waren  in  der  Verpackung  wie  sie  eben  aus  Alexandrien 
gekommen,  lagerten : 

1.  Von  der  Commenda  Ansaldinos  angeschaffte  Waren,  Handels- 
zeichen A: 


1)  Albert  von  Achen  1.  V,  c.  37  f.  Fulc.  Carnot.  im  Rec.  Crois.  Occid.  III, 
337  (mel  silvestre  id  est  chucrum).  Jahresrenten  in  Zucker :  Delaville  le  Roulx  I, 
no.  564  u.  625.  Verpflichtung  des  Joh,  priors  von  M.  Pellerino  bei  Tripoli  und  des 
Bailli  von  Tiberias-,  jährUch  zwei  quintalia  cucari  pro  conflciendis  lectuariis,  sirupis 
etc.  nach  Jerusalem  zu  schicken:  Statut  von  1182  ib.  p.  427.  Privileg  Balduins  VII. 
und  des  Grafen  von  TripoUs  für  den  Seneschall  Joscelin,  den  auf  seinem  Besitz 
erzeugten  Zucker  abgabenfrei  in  Accon  einzuführen  und  zu  verkaufen,  mit  Ab- 
gabenfreiheit auch  für  den  Exporteur  aus  Accon.  Cecchetti  p.  54  f.  Heyd  11, 
680  ff. 

2)  Sacerdoti  24  f. :  1  Kantär  weniger  IV2  rotuU  de  cinamo  canella ;  es  gmg 
nach  Konstantinopel. 

3)  Chart.  II  no.  473,  654. 

*)  1.  CCCCXXIII  de  XXXIl  liest  der  Herausgeber.  Das  ^det  ist  als  >den.« 
=  denarios  zu  fassen ;  no.  346. 


Handelstätigkeit  der   Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Ägypten.         163 

14 1)   sportae  Pfeffer,   deren   Nettogewicht  Johann   auf  65  Kantar  45  rotuh 

(alexandr.  Gewicht)  angab, 
6  Pack  Brasilholz,  im  Nettogewicht  von  47  Kantar, 
10  Pfund  Muskatnüsse, 

eine  zurra  Zimt  (canelle),  87  V2  niennae  (Bündel)  umfassend, 
ein  Gebund  Gewürznelken  (manna  de  gariofolis). 

2.  Der  Commenda  des  jüngeren  Wilhelm  entstammend,  Handels- 
zeichen G: 

3  Sack  Pfeffer,  im  Gemcht  von  17  Kantar  42  rot., 
1  Pack  Brasilholz,  Gewicht  7  Kantar  52  rot., 
2 1/2  Pfund  Muskatnuß, 

1  zurra  Zimt  im  Gewicht  von  187  genues.  Pfund, 
60  Pfund  Narde  (spiee). 

3.  Von  dem  Kapital  der  Handelsgesellschaft  angeschafft,  Zeichen  JK : 

3  sportae  Pfeffer  von  12  Kantar  65  rot.  und  3  Sack  Pfeffer  von  17  Kantar 

49  rot.  Gewicht, 

2  Pack  Brasilholz,  Gewicht  16  Kantar,  88  rot. 

4  Bündel  Galangawurzel  (mennas  galange). 

Außerdem  hatte  Wilhelm  aus  dem  Gesellschaftsvermögen  schon  er- 
halten 1  sporta  Gummilack  2),  der  bereits  für  37  1.  1  s.  10  d.  verkauft 
worden  war,  und  3  Bund  Gewürznelken. 

Wilhelm  erklärt  endlich,  falls  er  vor  Johanns  Rückkehr  von  der 
Wallfahrt  etwas  von  den  genannten  Waren  veräußern  würde,  dies  entweder 
unter  einfacher  Anerkennung  des  von  Johann  aufgezeichneten  Gewichts 
der  einzelnen  Warenquanten  zu  tun,  oder,  falls  Nachprüfung  beliebt  würde, 
Gewicht,  Quantum  und  Preis  unter  Zuziehung  von  Zeugen  feststellen  und 
zu  Protokoll  geben  zu  lassen. 

Das  interessante  Dokument  gewährt  eine  Vorstellung  auch  von  dem 
ungefähren  Verhältnis,  in  dem  einzelne  der  Hauptartikel  der  aus  dem  fernen 
Osten  stammenden  Waren  von  Ägypten  aus  zur  Einfuhr  nach  dem  Abend- 
lande kamen.  Daß  Pfeffer,  nicht  bloß  unter  den  Gewürzen,  sondern  unter 
allen  Waren,  dabei  an  erster  Stelle  stand,  ist  eine  bekannte  Tatsache;  sein 
Verbrauch  im  Abendlande  war  ein  außerordentlich  starker.  Bemerkenswert 
ist,  daß  man  in  Alexandrien  bei  der  Berechnung  des  Ladequantums  der 
Schiffe  die  sporta  piperis,  zu  100  rotuli  gerechnet,  als  Maßstab  zu  gründe 
legte,  und  die  übrigen  Waren  nach  fest  vorgeschriebenen  Sätzen  auf  diese 
Einheit  reduzierte.^) 

So  stark  war  die  Einfuhr  dieses  Artikels  nach  Genua,  daß  die  Be- 
zahlung in  Pfeffer  sehr  häufig,  auch  beim  Kauf  von  Grundstücken,  bei  Mit- 
gift und  Morgengabe,  bei  Kommunalanleihen,  an  Stelle  der  Barzahlung 
trat  und  dieser  gleichgeachtet  wurde;    ein  Beispiel  sei  hier  angeführt,    weil 


')  An  erster  Stelle  steht  im  Text  zwar  die  Zahl  XIII,  weiterhin  aber,  wo  Jo- 
hann das  Gewicht  angibt,  ist  quatuordecim  in  Buchstaben  ausgeschrieben.  No.  644 
(6.  August). 

*)  Der  Herausgeber  hat  zwar  lanae ;  aber  ich  zweifle  nicht,  daß  dafür  laccae 
zu  lesen  ist,  schon  wegen  der  angegebenen  Veri)ackung   (sporta  =  Korb). 

=*)  Leonard.  Tis.  117:  Naves  que  honerantur  apud  AI.,  honerantur  ad  spor- 
tatas  (so  für  asportatas  zu  lesen)  ])iperis,  que  sporta  ponitur  similiter  rotulos  100, 
ad  quam  sportatam  reducuntur  merces  etc. 

11* 


164  '   Dreizehntes  Kapitel. 

es  sich  zugleich  auf  andere  aus  Ägypten  importierte  Waren  bezieht:  am 
30.  Oktober  1157  versprach  Ogerius  de  Guidone  die  Forderung,  die  seine 
durch  Simon  Aurie  vertretene  Schwiegertochter  nach  dem  Tode  ihres  Mannes 
noch  in  Höhe  von  ISSVs  1-  Jan.  an  ihn  hatte,  zu  Vs  in  Pfeffer,  1/3  in  Brasil- 
holz (silvaticum  et  domesticum)  und  1/3  in  Alaun  und  Weihrauch  i)  zu  be- 
gleichen, wobei  er  sich  vorbehielt,  falls  letztgenannte  Waren  mit  der  aus 
Ägypten  von  ihm  erwarteten  Sendung  nicht  mitkommen  sollten,  die  ganze 
Schuld  in  Pfeffer  und  Brasilholz  oder  auch  allein  in  Pfeffer  zu  tilgen. 
Schon  zur  Zeit  des  Papstes  Alexander  III.  (1159 — 1181)  war  der  Termin- 
handel mit  solchen  Waren,  namentlich  in  Pfeffer  und  Zimt,  in  Genua  eine 
ganz  gewöhnliche  Erscheinung.2) 

Aus  dem  bisherigen  hat  sich  schon  ergeben,  daß  unter  den  Export- 
artikeln Ägyptens  das  Brasilholz  (namentlich  das  silvaticum,  daneben  auch 
das  domesticum)  nächst  dem  Pfeffer  die  wichtigste  Rolle  spielte.  Zum  Rot- 
färben der  Tücher  war  es  in  Italien  außerordentlich  begehrt,  obwohl  sein 
Farbstoff  dem  Krapp  gegenüber  minderwertig  war;  aber  auch  nach  den 
Stätten  der  Tuchfabrikation  in  Nordfrankreich  und  Flandern  fand  es  Ein- 
gang. Im  Preise  stand  es  in  Ägypten  zum  Pfeffer  etwa  im  Verhältnis  von 
3:5;  Leonardo  Pisano  rechnet  mit  einem  Durchschnittspreise  von  50  Byz. 
für  den  Kantär  Pfeffer,  von  30  für  das  gleiche  Gewicht  Brasilholz,  s) 

In  beträchtlichem  Umfange  wurde  auch  der  Lack  (Gummilack)  im- 
portiert ,  der  nicht  bloß  in  der  Färberei,  sondern  auch  zum  Polieren  und 
in  der  Medizin  Verwendung  fand ;  seinen  Einkaufspreis  in  Alexandrien  setzt 
Leonardo  Pisano  zu  rund  40  Byz.  für  den  Kantär  an.*)  Selbstverständlich 
ist  anzunehmen,  daß  auch  alle  anderen  Gewürze  und  Drogerien,  die  in 
Alexandrien  auf  den  Markt  kamen 0),  durch  die  Kaufleute  Italiens  ihren 
Weg  in  das  Abendland  fanden. 

116.  Von  den  Landesprodukten  Ägyptens,  die  durch  den  Handel  der 
Romanen  nach  dem  Auslande  kamen,  vermögen  wir  nachzuweisen:  1.  Baum- 
wolle, die  1140  in  dem  Tarif  der  öffentlichen  Wage  zu  Genua  begegnet 
(bambacium  de  Alexandria)  ^),  2.  Flachs,  der  als  der  beste  galt ;  Benjamin 
von  Tudela  und  Edrisi  heben  .die  Kultur  des  Flachses  und  die  Weberei 
feiner  Linnen  durch  die  Einwohner  von  Sunbat,  1/2  Tagereise  von  Damiette, 
besonders  hervor.'^)  Der  Testamentsvollstrecker  eines  um  1185  in  Alexan- 
drien verstorbenen  Venezianers,  des  Giorgio  de  la  Rodea,  ließ  einem  Gläu- 
biger   desselben    aus    dem    in  Alexandrien    verfügbaren    Nachlasse    neben 

*)  .  .  .  in  alumine  zucarino  cum  4  centenos  incensi.  Chart.  11  no.  524.  Über 
alumen  zuccarinum  Heyd  H,  569.   S.  ferner  Chart.  H  no.  415,  812,  1190. 

*)  Decr.  Greg.  V,  19,  6.  Auf  eine  Anfrage  des  Erzbischofs  von  Genua  erklärte 
der  Papst,  daß  solche  Verträge  zwar  nicht  unter  das  Wucherverbot  fielen,  aber  doch 
bedenklich  und  im  Interesse  des  Seelenheils  besser  zu  unterlassen  seien. 

')  Er  nennt  es  berzi  (gekürzt  von  bersile),  woraus  verzi,  verzino  wurde ;  p.  180. 
Heyd  II,  587  ff. 

*)  Chart,  n  no.  487    ist  für :    remanent   in    Januam   sportalace   zu   lesen :    re-  -^1 
manet .  .  .  sporta  lace.     Leon.  Pis.  180.  al 

«*)  Flückiger  470  und  363;  im  übrigen  ist  für  die  in  Betracht  kommenden 
Handelsartikel  Suppl.  I  bei  Heyd  11,  554  ff.  zu  vergleichen.  Für  Muskatnuß :  War- 
burg 33  ff. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  66.  Wiesner  11,  261  irrt  also,  wenn  er  meint,  daß  die  Baum- 
wolle im  Mittelalter  nicht  unter  den  Handelsprodukten  Ägyptens  erscheine. 

'')  Heyd  H,  632.  Benj.  von  Tud.  I,  158;  11,  222.  Auch  in  dem  (allerdings 
jüngeren)  Tarif  von  Narbonne  begegnet  Flachs  von  Alexandrien.    Mouynes  p.  4. 


i 


I 


Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen  in  Syrien  und  Ägypten.  165 

2  Lasten  Pfeffer  28  Kantär  Flachs  (de  lino)  übermitteln;  und  Leonardo 
Pisano  setzt  den  Einkaufspreis  des  Flachses  auf  dem  Markt  zu  Alexandrien 
mit  rund  20  Byz.  für  den  Kantär  an.  ^)  3.  Alaun,  den  die  abendländische 
Textil-  und  Lederindustrie  in  Mengen  verbrauchte,  der  aber  auch  bei  Malern 
und  Vergoldern  Verwendung  fand. 2)  Er  wurde  in  Ober-Ägypten,  nach 
Burkhard  6  Tagereisen  von  der  Kaufmannstadt  von  Kairo  entfernt  in  den 
Bergen  der  Wüste,  und  in  Nubien  gewonnen;  Makrizi  erzählt,  daß  Saladin 
in  Suez  ein  Fort  habe  erbauen  lassen  zur  Sicherung  der  von  Said  (d.  h. 
der  weiten  Provinz,  zu  der  Assuan,  Kus  usw.  gehörten)  herführenden  Straße, 
auf  der  der  Alaun  in  das  Land  der  Franken  (das  fränkische  Syrien)  trans- 
portiert zu  werden  pflegte.  Die  Gewinnung  des  Alaun  war  Regal  ^) ;  ein 
Neffe  Saladins,  Omar,  hatte  einen  Genuesen  Ruggerone  mit  der  Vertreibung 
von  Alaun  im  Abendlande  betraut,  der  1175  von  den  mit  Genua  im  Kriege 
befindlichen  Pisanern  gefangen  wurde;  über  die  Herkunft  der  Ware  unter- 
richtet, nahmen  sie  den  Alaun  in  gesonderte  Verwahrung  und  haben  jeden- 
falls der  an  sie  gerichteten  Reklamation  des  Sultans  und  seines  Neffen 
stattgegeben.  4)  Auch  sonst  haben  wir  den  ägyptischen  Alaun  als  Import- 
artikel für  Genua  schon  in  zwei  Fällen  erwähnt;  auch  die  8  sportae  Alaun, 
die  Rainaldus  Strugnon  vor  Antritt  seiner  Handelsreise  nach  dem  Gharb 
zusammen  mit  7  sportae  und  2V3  Kantär  Pfeffer  in  Genua  zur  Übergabe 
an  seinen  Bevollmächtigten  Angelerius  deponierte,  sind  jedenfalls  von  ihm 
kurz  vorher  aus  Ägypten  eingeführt  worden.  0) 

Wenn  die  genuesischen  Notariatsakten  des  Johannes  uns  so  zahlreiche 
Nachrichten  für  die  Einfuhr  aus  Ägypten  und  nur  so  dürftige  Notizen  für 
die  Ausfuhr  dahin  bieten,  wenn  sie  ferner  über  die  Einfuhr  aus  Syrien  gar 
nichts  enthalten,  während  sie  für  die  Ausfuhr  dahin  uns  doch  mancherlei 
bringen,  so  ist  das  schwerlich  zufällig;  vielmehr  scheint  es,  daß  die  Kauf- 
leute der  genuesischen  Schiffskarawanen  in  dieser  Zeit  überwiegend  Ex- 
portartikel für  Syrien  mit  sich  geführt,  diese  in  Syrien  umgesetzt  und  sich 
dann  in  Ägypten  mit  den  begehrten  Gewürzen,  Spezereien  und  sonstigen 
Waren  des  Orients  versorgt  haben. 

117.  Doch  schon  vermittelten  die  Kaufleute  Italiens  nicht  nur 
den  Warenverkehr  zwischen  ihrer  Heimat  und  der  Levante ;  vielmehr 
führten  sie  die  Waren  namentlich  des  ägyptischen  Marktes  in  leb- 
haftem Zwischenhandel  auch  anderen  Ländern  zu  und  exportierten 
dafür  Waren  aus  diesen. 

Für  die  Länder  des  griechischen  Reiches  waren  namentlich  die  Vene- 
zianer, die  ja  in  Konstantinopel  eine  sehr  starke  Kolonie  hatten,  in  dieser 
Richtung  tätig.     Im  Jahre  1131  übergab   Colomannus  Bembo   in  Tyrus  zu- 


^)  Baracchi  XX  (1880),  p.  54.  (Urkunde  aus  Konstantinopel  vom  August  1188.) 
Leon,  Pis.  180 ;  dazu  94. 

*)  Heyd  11,  567.  Alumen  Egiptii  und  Alexandrinum  auch  in  der  alten  tech- 
nischen Abhandlung  des  Ms.  von  Lucca ;  Murat.  Antiqu.  II,  378,  881  und  öfter. 

')  Burkhard  von  Straßburg  bei  Arnold  von  Lüb.,  SS.  XXI,  238.  Makrizi  VEI, 
539  f.  (mit  Unrecht  bezweifelt  der  Übersetzer  Blochet  p.  540  A.  1,  daß  es  sich  um 
Alaun  handelt).  Nach  arabischen  Quellen  verkaufte  die  Regierung  im  Jahre  1192 
rund  13000  Kantär  Alaun  (I74  Million  kg.).  Sauvaire  H.,  Matäriaux  im  Journal 
asiatique,  ser.  8,  vol.  4  (Paris  1884),  p.  263 ;  dazu  266. 

*)  Amari  Dipl.  no.  8  u.  9,  p.  262  f.  Röhricht  Reg.  no  508  (zu  1173).  Heyd  I,  399. 

*)  Chart,  n  no.  1321  (22/9  1163);  dazu  1319  u.  1320. 


\QQ  Dreizehntes  Kapitel. 

sammen  mit  30  guten  sarazenischen  Goidbyzantien  dem  Marinus  Michael  ein 
Quantum  Zimt,  das  er  in  Konstantinopel  zu  verkaufen  hatte ;  nach  erfolgtem 
Verkauf  hatte  Michael  seinerseits  die  Hälfte  der  nunmehr  in  Geld  festge-«! 
stellten  Einlage  Bembos  zuzulegen  und  das  so  formierte  Gesellschaftskapital  ■" 
für  den  zweiten  Teil  seiner  Geschäftsreise,  die  ihn  von  Konstantinopel  oder 
einem  anderen  Orte  der  Romania  nach  Jerusalem  führen  sollte,  zu  ver- 
werten. In  Jerusalem  sollte  der  Gesellschaftsvertrag  erlöschen ;  Michael  hatte 
Kapital  und  Gewinnanteil  Bembos  ev.  ein  Jahr  lang  aufzubewahren,  bis  er 
den  Eigentümer-  oder  seinen  Bevollmächtigten  traf.  In  der  Tat  hat  Bembo 
einen  Bevollmächtigten  mit  der  Einziehung  des  Betrages  in  Syrien  beauf- 
tragt; doch  kam  Michael  vor  Ablauf  der  Zeit,  im  Juli  1132  nach  Venedig, 
traf  Bembo  hier  und  rechnete  persönlich  mit  ihm  ab.i) 

Weit  mehr  Fälle  dieser  Art  kennen  wir  für  den  Verkehr  mit  Ägypten. 
Das  Schiff,  das  der  nauclerus  Vitale  Navigajoso  1119  nach  Damiette  führte, 
sollte  auf  der  Rückreise  über  Konstantinopel  fahren.  2)  In  Konstantinopel 
nahm  Pietro  Corner  im  Dezember  1158  bei  dem  späteren  Dogen  Sebastiano 
Ziani- durch  Vermittlung  seines  Bruders  Stefano  ein  Seedarlehn  von  100 
alten  vollwichtigen  Goldhyperpern  für  eine  beliebige  Handelsfahrt  auf,  indem 
er  versprach,  mit  der  im  nächsten  September  fälligen  Schiffskarawane  von 
Konstantinopel  oder  Alexandrien  aus  nach  Venedig  zurückzukehren  und 
das  Darlehn  mit  25 7o  Seezins  binnen  30  Tagen  nach  Ankunft  jener  Schiffs- 
karawane zu  erstatten,  oder,  falls  er  noch  nicht  zurückkehrte,  mit  dieser 
Karawane  entsprechende  Sendung  zu  machen.  ^)  Ebenfalls  in  KonstantinopelÄ| 
hat  Romano  Mairano  im  Juli  1167  ein  Seedarlehn  von  200  Goldhyperpern* 
für  eine  Handelsfahrt  über  Kitro  nach  Alexandrien  und  direkt  zurück  (in 
prima  mudua)  aufgenommen.  Doch  erstattete  er  das  Darlehn  unter  ent- 
sprechender Reduktion  des  Seezinses  schon  im  November  in  Alexandrien 
zurück,  da  er  und  sein  Schiffspartner  Domenico  Jacobe  übereingekommen 
waren,  das  Reiseziel  insofern  zu  verändern,  als  sie  auf  der  Rückfahrt  erst 
in  Almiro  Station  machen  und  dann  erst  (in  illa  prima  mudua)  nach  Kon- 
stantinopel gehen  wollten.  4)  Und  in  Konstantinopel  ist  auch  im  Mäi-z  1161 
die  Quittung  des  uns  als  Vicecomes  von  Accon  bekannt  gewordenen  Gio- 
vanni Bono  für  Filippo  Daiboles  von  Malamocco  ausgestellt,  wonach  dieser 
in  Begleitung  eines  Sohnes  Giovannis  dessen  Waren  und  Kapitalien  glück- 
lich von  Alexandrien  nach  Venedig  geschafft  und  genaue  Rechnung  gelegt 
hatte.  5) 

Diese  zufällig  erhaltenen  Einzelurkunden  sind  sprechende  Beweise  eines 
sehr  lebendigen  Verkehrs;  den  von  Venedig  nach  Alexandrien  gehenden 
Schiffskarawanen  pflegten  sich  die  aus  Konstantinopel  und  anderen  Häfen 
des  griechischen  Reiches  kommenden  venezianischen  Schiffe  anzuschließen 
und  ebenso  den  ersten  Teil  der  Rückreise  gemeinsam  mit  ihnen  zurück- 
zulegen. 6)    Auch   in  den  genuesischen  Kontrakten  des  Notulariums  des  Jo- 


I 


»)  Sacerdoti  24  f. 

2)  N.  Arch.  ven.  19  (1900),  71  f. 

»)  Baracchi  VII  (1874),  p.  366. 

*)  Die  beiden  darüber  in  Alexandrien  von  dem  Presbyter  und  Notar  Dome- 
nico Grottulo  aufgenommenen  Urkunden  bei  Sacerdoti  p.  29  f. 

»)  Baracchi  VIII  (1874)  p.  134.  Zwei  weitere  venez.  Urkunden  aus  Konstan- 
tinopel über  diesen  Verkehr  mit  Ägypten  (ib.  XX  [1880],  p.  54  f.,  57)  beziehen  sich 
auf  die  Zeit  unmittelbar  vor  dem  Eingreifen  Venedigs  in  den  3.  Kreuzzug. 

6)  Sacerdoti  29  f. 


Handelstätigkeit  der  .Mitteliiicer-Romauen  in  Syrien  und  Ägypten.  1(37 

hannes  wird  mehrfach  die  Fortsetzung  von  Handelsreisen,  die  nach  Kon- 
stantinopel gerichtet  waren,  nach  Alexandrien  in  Aussicht  genommen  i),  und 
der  berühmte  pisanische  Mathematiker  Leonardo,  der  seine  Aufgaben  dem 
praktischen  Leben  entlehnt,  läßt  von  zwei  Personen,  die  in  Konstantinopel 
einen  Sozietäts vertrag  schlössen,  die  eine  des  Handels  wegen  nach  Alexan- 
drien gehen,  dort  5  Jahre  und  70  Tage  verweilen  und  jährlich  einen  Gewinn 
von  20  Prozent  erzielen  —  darnach  dürfen  wir  annehmen,  daß  auch  die  starke 
Kolonie,  die  die  Pisaner  damals  in  Konstantinopel  hatten,  das  ägyptische 
Geschäft  nicht  vernachlässigte.  Der  Mastix,  den  derselbe  Schriftsteller  auf 
dem  Markt  von  Alexandrien  erwähnt  2),  gehört  sicher  zu  den  Waren,  die 
von  diesen  italienischen  Kaufleuten  aus  dem  griechischen  Reiche  eingeführt 
wurden,  da  er  so  gut  wie  ausschließlich  von  Chios  kam.  Aus  den  griechischen 
Häfen  konnte  man  aber  auch  den  Export  verdächtiger  Waren  nach  Ägypten 
ungenierter  betreiben  als  von  den  heimischen  aus;  die  griechischen  Behör- 
den konfiszierten  einmal  ein  genuesisches,  mit  Schiffsbauholz  beladenes  Fahr- 
zeug (gattus),  weil  der  Eigentümer  desselben  Jonathas  de  Campo  einen  Brief 
des  in  Konstantinopel  weilenden  ägyptischen  Gesandten  nach  Alexandrien 
mitgenommen  hatte  3),  was  die  Griechen  als  Durchsteckerei  betrachteten. 

118.  Sehr  bemerkenswert  für  den  Aufschwung  des  Handels  der 
Romanen  im  Mittelmeer  ist  auch,  daß  wir  sie  sogar  für  die  Vermitte- 
lung  des  Verkehrs  zwischen  der  Levante  und  den  sarazenischen  Län- 
dern des  Westens  tätig  finden. 

In  einem  für  die  Fahrt  nach  Syrien  geschlossenen  genuesischen  Kon- 
trakte wird  dem  Reisenden  für  die  Rückkehr  die  Wahl  zwischen  direkter 
Heimreise,  Fahrt  über  Ägypten,  Fahrt  über  Bugia  oder  endlich  Fahrt  über 
Alexandrien  und  Bugia  gelassen.  4)  Ein  andermal  wird  die  Fortsetzung  der 
zunächst  nach  Ägypten  gehenden  Handelsfahrt  nach  Bugia  oder  dem  ara- 
bischen Spanien  in  Aussicht  genommen,  während  ein  drittes  Mal  außerdem 
noch  Ceuta  oder  ein  anderer  Ort  des  Gharb  als  zulässige  Zielpunkte  be- 
zeichnet werden  und  in  einem  vierten  Falle  bestimmt  wird,  daß  die  Handels- 
reise von  Alexandrien  aus  westwärts  nicht  über  Bugia  und  Barcelona  hinaus 
ausgedehnt  werden  dürfe.  Auch  in  umgekehrter  Richtung,  und  zwar  von 
Valencia  aus,  sehen  wir  einmal  ein  genuesisches  Schiff  die  Handelsfahrt  nach 
Alexandrien  fortsetzen.  S) 

Ganz  besonders  lebhaft  aber  war  der  Zwischenhandel,  den  die 
Genuesen  zwischen  der  Levante  und  der  südfranzösischen  Küste 
trieben. 

Mehrfach  lassen  die  Kontrakte  im  Notularium  des  Johannes,  wenn 
sie  sich  überhaupt  über  die  Rückreise  aussprechen,  die  Wahl  zwischen  Ge- 
nua und  Südfrankreich.  So  wird  in  einem  Gesellschaftsvertrage  von  1161 
gestattet,  bei  der  Rückreise  von  Syrien  oder  Alexandrien  aus  zuerst  nach 
der  Provence   und    dann    erst   nach   Genua  zu   gehen  ß) ;  in  anderen  Fällen 


>)  Chart,  n  no.  888,  996,  1111. 

2)  Leon.  Pis.  274  u.  119.     Über  diesen  Artikel  Heyd  II,  633  ff. 
^)  Ersatzforderung   in  der  Instruktion   für   den    genues.  Gesandten  Grimaldi 
1174 :  Bertolotto  p.  400  ff. 
*)  Chart.  II  no.  484. 
»)  No.  969,  1487,  923;  302. 
«)  Ebd.  1113,  1108. 


168  Dreizehntes  Kapitel.    Handelstätigkeit  der  Mittelmeer-Romanen. 

wieder  wird  für  die  Rückkehr  von  Alexandrien  aus  die  Wahl  zwischen  den 
Zielen  Genua  und  der  Provence  gelassen,  i)  Wenn  zwei  Galeeren,  die  die 
Pisaner  im  Jahre  1174  nach  der  Provence  schickten,  ein  von  Alexandrien 
zurückkehrendes  genuesisches  Kauffahrteischiff  kaperten,  so  ist  wenigstens 
wahrscheinlich,  daß  auch  dieses  Schiff  der  Küste  von  Südfrankreich  zu- 
strebte, geradeso  wie  der  Genuese  Ruggerone,  der  mit  seinem  ägyptischen 
Alaun  im  folgenden  Jahre  ebenfalls  an  der  Küste  der  Provence  den  Pisanern 
in  die  Hände  fiel.^)  Andere  Verträge  weisen  auf  den  durch  Genuesen  aus 
Südfrankreich  betriebenen  Export  nach  der  Levante  hin.  Eine  zwischen 
Guilelmus  Filardus  und  Ugo  Mallonus  im  Winter  1159/60  abgeschlossene 
Handelsgesellschaft  entsendet  den  Sohn  des  letzteren,  Ribaldus,  mit  einem 
Gesellschaftskapital  von  777  1.  jan.  (gegen  18000=^),  zunächst  nach  Saint- 
Gilles  und  ermächtigt  ihn,  die  Geschäftsreise  von  hier  nach  Sizilien,  Ägypten 
oder  Syrien  unter  beliebiger  Kombination  der  einzelnen  Reisen  fortzusetzen ; 
bis  Johanni  1162  muß  er  zur  endgültigen  Abrechnung  nach  Genua  zurück- 
gekehrt sein.^)  Ein  in  Genua  naturalisierter  Lucchese,  Obertus,  hat  mit 
Baldezon  Ususmaris  eine  Handelsgesellschaft  geschlossen,  deren  Kapital  am 
2.  August  1164  auf  950,1.  jan.  (gegen  22  000=^)  berechnet  wird;  mit  Waren 
im  Gesamtwert  von  710  1.,  die  teils  aus  der  Provence,  teils  aus  Genua  expor- 
tiert wurden,  tritt  Obertus  mit  der  bevorstehenden  Herbstfahrt  die  Handels- 
reise nach  Syrien  an.*)  Daß  auch  die  Pisaner  an  diesem  Zwischenhandel 
lebhaft  beteiligt  waren,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  selbst  der  Pilger- 
transport von  Barcelona  aus  zum  Teil  in  ihrer  Hand  lag.ß)  Auf  diesem  Ge- 
biete machten  auch  Johanniter  und  Templer  den  Genuesen  eine-  empfind- 
liche Konkurrenz;  mit  Rücksicht  auf  die  Kirche  mußten  sie  hier  auch  den 
ßüdfranzösischen  Städten  etwas  freiere  Hand  lassen,  als  es  ihrer  sonstigen 
Politik  entsprach. 

119.  Von  einem  Geldhandel  der  Romanen  in  SjTien  und  Ägypten 
hören  wir  in  dieser  Zeit  noch  wenig. 

Daß  das  Wechslergeschäft,  das  schon  während  des  ersten  Kreuzzuges 
selbst  erwähnt  wird,  auch  in  den  Kreuzfahrerstaaten  seine  Rolle  spielte  6), 
bedarf  keiner  besonderen  Beweisführung;  ein  cambiator  Lambertus,  schon 
1129  erwähnt,  befindet  sich  1163  sogar  unter  den  Jurati  von  Jerusalem.'^) 
In  einem  genuesischen  Kontrakt  vom  Juli  1160  muß  sich  der  Empfänger 
einer  Commenda  für  seine  nach  Alexandrien  gerichtete  und  dann  nach 
eigenem  Ermessen  fortzusetzende  Fahrt  verpflichten,  das  ihm  anvertraute 
Geld  nicht  auf  Zinsen  (in  usuris)  auszuleihen  s),  und  im  folgenden  Jahre 
sehen  wir  einen  nach  Syrien  reisenden  Genuesen  seinen  Gesellschaftern 
gegenüber  die  Verpflichtung  übernehmen,  mit  dem  Gesellschaftskapital  nicht 
Wucher  zu  treiben,  es  nicht  auf  Kriegs-  (d.  h.  Kaper-)schiffe  auszuleihen  und 


1)  Ebd   431,  969,  1067,  1113;  s.  auch  unten  §368. 

*)  Ann.  pis.  SS.  XIX,  266.     Oben  §  116. 

»)  Chart,  n  no.  792  und  822  (2.  November  1159  u.  18.  Januar  1160). 

*)  Ib.  no.  1473. 

»)  Unten  §  421. 

')  Anordnung  Adhemars  von  Puy ,  des  päpstlichen  Legaten,  während  der  Be- 
lagerung von  Antiochien  (Albertus  Aqu.  1.  m,  57):  ut  nullus  in  pondere  aut  men- 
sura,  nee  in  auri  vel  argenti  cambitione,  nee  in  alicuius  rei  mutatione  aut  negotio 
confratrem  christianum  circumveniret. 

^)  Delaville  le  Roulx  I  no.  84  u.  312,  p.  225.     Prutz,  Kulturgesch.  556. 

8)  Chart.  II  no.  923. 


Vierzehntes  Kapitel.     Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187.      169 

sich  mit  den  überseeischen  Machthabern  in  keine  Geldgeschäfte  einzulassen  i) 
—  ein  Beweis  gerade,  daß  solche  häufig  mit  Verpfändung  heimischen  Be- 
sitzes verbundene  Anleihen  bei  italienischen  Geldgebern  im  Heiligen  Lande 
schon  damals  keine  Seltenheit  gewesen  sein  können.  So  wissen  wir  auch 
von  dem  griechischen  Prinzen  Alexius,  dem  nachmaligen  Kaiser  Alexius  III., 
daß  pisanische  Kaufleute  ihm  eine  größere  Summe  Geldes  vorstreckten,  als 
ihn  der  Graf  von  Tripolis  festhielt ;  und  auch  Andronikos  hat  bei  pisanischen 
Kaufleuten  in  Jerusalem  Geld  entliehen.  2) 


Vierzehntes  Kapitel. 

Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187. 

120.  Der  Überfall  einer  ägyptischen  Handelskarawane  durch 
Rainald  von  Chätillon,  den  Kastellan  von  Krak,  brachte  die  schon 
seit  längerer  Zeit  zwischen  Islam  und  Christenheit  im  Morgenlande 
bestehende  Spannung  zur  Entladung;  doch  hat  der  Sturm,  der  mit 
der  saladinischen  Invasion  und  dem  folgenden  großen  Kreuzzuge 
über  die  Kreuzfahrerstaaten  dahinbrauste,  die  Stellung  der  abend- 
ländischen Handelsnationen  in  Syrien  nur  vorübergehend  zu  erschüttern 
vermocht;  ja  gerade  er  hat  dazu  beigetragen,  ihre  Wichtigkeit  für 
die  Erhaltung  derselben  nur  noch  deutlicher  hervortreten  zu  lassen, 
ihre  Macht  gegenüber  den  Landesregierungen  zu  steigern  und  einen 
mächtigen  Aufschwung  gerade  des  syrischen  Handels  hervorzurufen, 
während  die  Bedeutung  des  ägyptischen  für  die  romanischen  Handels- 
nationen gegen  früher  etwas  zurücktrat.  ~Ganz  besonders  macht  sich 
dieser  Aufschwung  bei  den  Pisanern  bemerkbar.  Nicht  zum 
mindesten  ihr  Verdienst  war  es,  daß  von  allen  Städten  des  König- 
reichs Jerusalem  wenigstens  Tyrus  den  Angriffen  Saladins  standhielt. 

Hierher  hatte  sich  Graf  Raimund  von  TripoHs  nach  der  unglücklichen 
Schlacht  bei  Hattin  geflüchtet  und  als  Stellvertreter  des  in  der  Schlacht  gefan- 
genen Königs  Guido  den  Pisanern,  um  sie  zu  tapferer  Verteidigung  zu  spornen, 
ein  reichhaltiges  Privileg  für  Tyrus  ausgestellt.  Als  er  dann  auf  die  Kunde 
von  der  Einnahme  Beiruts  durch  Saladin  die  Stadt  verlassen  hatte  und  die 
Leitung  der  Verteidigung  mit  der  Ankunft  des  energischen  Konrad  von 
Montferrat  auf  diesen  übergegangen  war,  bestätigte  dieser  das  Privileg  Rai- 
munds und  fügte  seinerseits  (Oktober  1187)  neue  Verleihungen,  auch  für 
Accon  und  Joppe,  die  er  mit  Hilfe  der  Pisaner  zurückzuerobern  hoffte, 
hinzu.  3)  Die  Privilegien  bezogen  sich  in  allen  drei  Städten  auf  eine  wesent- 
liche Erweiterung  ihres  Besitzes  an  Häusern,    die   in   der  Nähe   des  Hafens 

')  Ebd.  no.  1106;  non  facturus  inde  baratam  usure  cum  aliqua  potestatum 
transmarinaram  neque  in  galeis  prestare;  no.  1107;  non  fenerari  neque  facere  ba- 
ratam cum  aliqua  potestatum  ultra  maris  nee  in  galeis  mutuare. 

*)  Müller  Doc.  p.  40.  Heyd  1,  230.  Während  der  Belagerung  Accons  auf  dem 
3.  Kreuzzuge  hatten  die  >e8cambiatore.s«  ihre  Stände  in  der  Nähe  der  Pisaner. 
Radulf  de  Diceto;  SS.  XXVH,  279. 

')  Müller  p.  26  ff.     Röhricht,  Reg.  p.  177  f. 


170  Vierzehntes  Kapitel. 

und  ihres  Fondaco  lagen,  an  Badeöfen,  Bädern  und  Casalien.  Dazu  er- 
hielten sie  für  alle  drei  Seestädte  die  Erlaubnis,  eigene  Maße  und  Gewichte 
zu  führen,  sowie  das  Recht,  Landsleute  am  Hafenzoll  (ad  cathenam),  an 
den  Stadttoren  und  im  könighchen  Bazar  (funda)  anzustellen,  die  darauf 
zu  sehen  hatten,  daß  kein  Beamter  che  Pisaner  oder  ihre  Waren  zur  Ver- 
zollung oder  irgendwelchen  Abgaben  heranzog  oder  sich  sonst  Übergritfe 
gegen  sie  erlaubte.  Außer  von  Hafenabgaben  sollten  die  in  den  pisanischen 
Quartieren  wohnenden  Pisaner  auch  von  jeder  anderen  Landessteuer  befreit 
bleiben,  und  die  außerhalb  des  pisanischen  Immunitätsbezirkes  (extra  hono- 
rem Pisani  Comunis)  wohnenden  Pisaner  (burgenses)  durften  auch  nur  zu 
einer  im  unmittelbaren  Interesse  der  betreffenden  Stadtgemeinde  auferlegten 
Abgabe  (talia)  herangezogen  werden.  Mit  der  selbständigen  Leitung  der 
Kolonien  und  Ausübung  der  Jurisdiktion  sollten  sie  Konsuln  oder  Vize- 
comites  betrauen  dürfen  i);  ihre  Gerichtsbarkeit  über  Pisaner  und  alle,  die 
sich  zur  pisanischen  Nationalität  bekannten,  war  nur  insofern  beschränkt, 
als  schwere  Verbrechen  gegen  Nichtpisaner  und  Lehnrechtssachen  vor  das 
Forum  der  königlichen  Gerichte  gehörten. 

Es  waren  also  in  der  Tat  sehr  wesentliche  eigene  Interessen,  für  die 
die  streitbaren  Bürger  Pisas  mit  rühmenswerter  Entschlossenheit  und  Nach- 
haltigkeit eintraten.  Besondere  Energie  legte  bei  der  Verteidigung  der  Stadt 
eine  Vereinigung  an  den  Tag,  die  sich  damals  unter  den  Pisanern  bildete, 
die  Kompagnie  der  Roten,  societas  Vermiliorum,  wie  sie  sich  offenbar  mit 
Beziehung  auf  das  Purpurbanner  ihrer  Vaterstadt  nannte.  Konrad  von 
Montferrat  rühmt  die  unablässigen  Anstrengungen,  die  sie  während  der 
Belagerung,  zugleich  unter  Aufwendung  großer  Geldmittel,  auf  sich  ge- 
nommen, und  aus  anderer  Quelle  Avissen  wir,  daß  die  Pisaner  damals  schon 
glückliche  Streifzüge  zur  See  nach  Accon  unternahmen  und  einmal  auch 
zwei  reichbeladene  feindliche  Schiffe  kaperten.  2)  Am  vorletzten  Tage  des 
Jahres  1187  hob  Saladin  die  Belagerung  von  Tyrus  auf,  im  Mai  des  folgen- 
den gewährte  Konrad  jener  pisanischen  Gesellschaft  über  die  Privilegien 
ihrer  Vaterstadt  hinaus  eine  Reihe  besonderer  Verleihungen.  '^) 

In  Tyrus  schenkte  er  ihr  einen  Backofen  in  der  Johannesstraße  mit 
Zubehör  und  11  Casalien  im  Gebiet  der  Stadt  zu  freiem  Eigentum  mit  der 
Erlaubnis,  die  Schenkung  beliebig  unter  die  Mitglieder  der  Gesellschaft 
teilen  zu  dürfen,  in  Accon,  dessen  Belagerung  durch  König  Guido  von 
Lusignan  im  August  begann,  während  Konrad  sich  erst  im  folgenden  Monat 
zur  Teilnahme  an  derselben  bestimmen  ließ,  das  ganze  Terrain  zwischen 
dem  königlichen  Bazar  und  dem  Tor  des  Joffredo  Torto  mit  allen  darauf 
befindlichen  Baulichkeiten  einschließlich  der  Peterskirche,  dazu  Besitzungen 
außerhalb  der  Stadt  und  eine  Jahresrente  von  2000  Byzantien,  die  auf  die 
Einkünfte  des  königlichen  Seezollamtes  und  des  Bazars  in  Accon  angewiesen 
wurden. 

12 L  An  der  Belagerung  von  Accon,  die  sich  bekanntlich  bis  zum 
Juli  1191  hinzog,  hatten  die  Pisaner  einen  ganz  hervorragenden  Anteil.  Am 
6.  April  1189  traf  ihre  Flotte,  52  Schiffe  stark,  von  Erzbischof  Ubald  geführt, 
den   Papst   Clemens  III.,    nachdem   ihm   die   Versöhnung   der   Pisaner   und 


*)  .  .  .  do  et   concedo    eis  consolaturu    et  vicecomitatum  pro  regenda  curia  et 
eorum  honore. 

«)  Röhricht,  Jerusalem  S.  468.     Heyd  I,  311. 
3)  Müller  33  f. 


Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187.  171 

Genuesen  gelungen,  zu  seinem  Legaten  ernannt  hatte,  mit  zahlreichen  tos- 
kanischen  Kreuzfahrern  in  Tyrus  eini);  ihre  Kriegsmaschinen  und  großen 
Belagerungstürme  waren  wie  die  der  Genuesen,  ein  Gegenstand  des  Staunens 
für  die  Christen  und  des  Schreckens  für  die  Feinde,  und  Bewunderung 
erregte  ihr  kühner,  wenn  auch  zunächst  noch  erfolgloser  Sturm  auf  den  im 
Meere  stehenden,  den  Hafen  beherrschenden  Fliegenturm.2)  Während  der 
langen  Belagerung  3)  entzweiten  sie  sich  mit  Konrad ;  schon  im  November  1188 
hatten  sie  sich  die  von  Konrad  ausgestellten  Privilegien  (mit  völlig  gleichem 
Wortlaut),  offenbar  um  sicher  zu  gehen,  von  König  Guido  erneuern  lassen  •*); 
am  3.  März  1191  wurden  ihre  Differenzen  mit  Konrad,  der  seit  seiner  Ver- 
mählung mit  Elisabeth,  König  Amalrichs  Tochter,  offen  als  Bewerber 
um  die  Krone  auftrat,  durch  einen  Schiedspruch  beigelegt  s),  demzufolge 
Konrad  im  Schlosse  zu  Tyrus  den  Konsuln  der  Pisaner  in  Tyrus,  Guelfus 
und  Mathensis,  ihre  Besitzungen  daselbst  wie  alle  seine  früheren  Schenkungen 
bestätigte.  Als  die  Könige  von  Frankreich  (April  1191)  und  England  (Juni) 
angekommen  waren  und  bald  genug  in  Zwistigkeiten  gerieten,  hielten  sie 
es  mit  König  Richard,  den  sie  auch  finanziell  kräftig  unterstützten  6) ;  kein 
Zweifel,  daß  nach  dem  Fall  Accons  im  JuH  die  ihnen  gemachten  Ver- 
sprechungen wenigstens  zum  größten  Teile  verwirklicht  worden  sind;  im 
Oktober  erwirkten  sie  eine  ausdrückliche  Bestätigung  ihrer  Privilegien  durch 
den  engHschen  König,  dem  sie  den  Treueid  geleistet  hatten.^)  Mit  König 
Guido  standen  sie  damals  in  engster  Verbindung;  in  einer  seiner  in  Accon 
ausgestellten  Urkunden  treten  die  drei  Konsuln  der  Pisaner  von  Accon: 
Bartholomäus  de  Tegrimo,  Selletus  und  Petrus  de  Falconio,  als  Zeugen 
auf  (10.  Februar  1192)  8),  in  einer  Zeit,  wo  sie  mit  den  Genuesen  in  Accon 
einen  blutigen  Kampf  bestanden  und  sogar  einmal  Accon  selbst  3  Tage  lang 
gegen  Konrad  und  seine  Verbündeten  zu  verteidigen  hatten,  bis  Richard 
Löwenherz  die  Eintracht  wieder  herstellte.  9)  So  hätte  die  Ermordung 
Konrads  durch  einen  Assassinen  (28.  April  1192)  als  ein  Vorteil  für  sie  er- 
scheinen können;    doch  führte  sie  gerade  eine  Verschlechterung  ihrer  Lage 


1)  Daß  die  Florentiner  damals  mit  eigenem  Geschwader  nach  dem  Morgen- 
lande gesegelt,  wie  Davidsohn  •!,  588  für  glaubwürdig  hält,  wird  dadurch,  daß  sie 
bei  der  Belagerung  als  eigenes  Kontingent  auftraten,  nicht  gestützt;  wir  können 
nur  annehmen,  daß  sie  auf  gemieteten  pisanischen  Schiffen  mit  pisanischer  Be- 
satzung hinübergefahren  sind. 

*)  Vgl.  hierüber  besonders  die  Stellen  bei  Ambroise,  einem  Teilnehmer  an 
dem  Kreuzzuge  auf  engüscher  Seite;  v.  2737  ff.,  8771  ff.,  5025  ff. 

2)  Daß  pisanische  und  genuesische  Unternehmer  sich  die  Gelegenheit  zunutze 
machten,  die  von  ihnen  zugeführten  Lebensmittel  und  Bekleidungsgegenstände  an 
die  Belagerer  für  schweres  Geld  zu  verkaufen  (Itinerar.  ßic,  p.  114),  sei  nur  neben- 
bei erwähnt,  ebenso  die  Baisse,  die  durch  die  unvermutete  Ankunft  eines  Getreide- 
schiffes hervorgerufen  wurde.  Besondere  Befriedigung  erregte  es,  als  einem  pisani- 
schen Aufkäufer  von  Getreide  seine  Vorräte  verbrannten.     Ambroise  v.  4475  f.,  4501. 

*)  Müller  p.  86  f.  Für  das  weitere  vgl.  Eöhricht,  Jerusalem  507  f.,  523  f., 
548,  563. 

»)  Müller  39     Dal  Borgo  p.  112.     Heyd  I,  333. 

6)  Urkunden  bei  Geraud  H.,  Le  Comte-Eveque  in  Bibl.  de  l'Ecole,  s^rie  I,  t.  V 
(1843),  p.  36.  Blancmesnil  p.  118  f.,  252;  dazu  Papa  d'Amico  p  351,  361  usw.  Unten 
§310. 

7)  Müller  p.  58  u.  94.  Röhricht,  Jerusalem  566.  Gesta  Ricardi,  SS.  XXVII,  127. 

8)  Röhricht  Reg.  no.  701.  Einer  derselben  ist  auch  im  Februar  1194  consul 
Pisanorum  Acconensium  ib.  no.  710  (mit  der  Namensform  Silet). 

^)  Röhricht,  Jerusalem  610.     Schilderung  bei  Ambroise  v.  8177  f.,  8191  ff. 


172  Vierzehntes  Kapitel. 

dadurch  herbei,  daß  Richard  sich  dem  von  den  Baronen  zum  neuen  Ober- 
haupt des  Königreichs  erkorenen  Heinrich  von  Champagne,  seinem  Neffen, 
ebenfalls  zuwandte,  während  Guido  mit  der  Insel  Cypern  abgefunden  wurde. 
Im  Oktober  1192  fuhr  Richard  heim;  am  3.  März  1193  starb  der  große 
Gegner  der  Christen,  Saladin;  so  glaubte  der  neue  König,  als  er  im  Mai  1193 
auf  Ersuchen  der  Pisaner  ihre  Privilegien  bestätigte  i),  eine  Reihe  empfind- 
hcher  Beschränkungen  eintreten  lassen  zu  können.  Zwar  ihre  vollständige 
Befreiung  vom  Ein-  und  Ausgangszoll  an  der  catena  von  Accon  erkannte 
auch  er  an,  im  übrigen  aber  griff  er  bezüglich  ihrer  Besitzungen  und  Rechte 
auf  die  Privilegien  Amalrichs  und  Balduins  IV.  zurück.  Von  denjenigen 
Pisanern,  die  seine  burgenses  waren,  verlangte  er,  daß  sie  entweder  dies 
Verhältnis  lösten  und  ihren  Grundbesitz  dem  König  überlieferten,  worauf 
sie  dann  dieselben  Freiheiten  genießen  sollten  wie  die  übrigen  Pisaner,  oder 
dieselben  Leistungen  wie  seine  anderen  burgenses  übernähmen.  Sein  Miß- 
trauen aber  bekundete  er  besonders  durch  die  Bestimnmng,  daß  in  Tyrus 
ein  Jahr  hindurch  höchstens  30  Pisaner  zu  gleicher  Zeit  verweilen  dürften, 
während  für  jeden  Pisaner  über  diese  Zahl  hinaus  eine  besondere  königliche 
Erlaubnis  erforderlich  war.  Endlich  sollten  die  Pisaner,  die  nach  dem 
Heiligen  Lande  kamen,  ihre  Konsuln  an  der  Spitze,  einen  Eid  leisten,  die 
Person  des  Königs  und  sein  Reich  gegen  jedermann  zu  verteidigen. 

Bei  dem  trotzigen  Selbstgefühl,  das  die  Pisaner  damals  erfüllte,  ist 
es  begreiflich,  daß  nicht  wenige  unter  ihnen  sich  solchen  Beschränkungen 
nicht  fügen  wollten.  Feindselige  Akte  pisanischer  Schiffe,  gegen  die  Heinrich 
vergebens  das  Einschreiten  der  Pisaner  von  Accon  gefordert,  veranlaßten  ihn 
schließlich  sogar  (1195)  zu  dem  Befehle,  alle  Pisaner  aus  Accon  zu  vertreiben. 
Wie  weit  der  Befehl  zur  Ausführung  kam,  wissen  wir  nicht;  schwerlich 
geschah  es  ganz  freiwillig,  daß  er  sich  nach  kurzer  Zeit,  spätes'tens  im 
Januar  1196,  wieder  mit  den  Pisanern  versöhnte.  2)  Es  wirft  ein  Licht  auf 
die  früheren  Vorkommnisse,  wenn  Heinrich  am  19.  Oktober  1196  für  alle 
Pisaner  und  ihre  Habe  in  seinem  ganzen  Gebiet  einen  Sicherheitsbrief  aus- 
stellte 3),  von  dieser  Sicherheit  aber  die  Pisaner  von  den  Schiffen  Aquila 
und  Imperialis,  die  im  Angesicht  des  Königs  .  und  allen  Volks  im  Hafen 
von  Accon  Pilger  überfallen  und  mehrere  verwundet  und  getötet  hätten, 
ausnahm;  doch  sollten  um  ihres  Verbrechens  oder  überhaupt  um  etwaiger 
Übeltaten  anderer  Pisaner  willen  ihre  dem  Handelsverkehr  lebenden  Lands- 
leute weder  an  ihrer  Person  noch  ihrem  Eigentum  verletzt  werden  dürfen. 
Bezeichnend  sind  auch  die  Namen  jener  Schiffe;  sie  deuten  darauf  hin, 
daß  jene  Pisaner  sich  als  Vorkämpfer  Kaiser  Heinrichs  VI.  fühlten,  der  am 
31.  Mai  1195  in  Bari  das  Kreuz  genommen.  Im  selben  Jahre  wie  den  Kaiser 
ereilte  aber  auch  den  Schützling  seines  Gegners  Richard,  Heinrich  von 
Champagne,   ein  jäher  Tod;   er  hatte  gerade  mit  den  Pisanern  wegen  Aus- 


1)  Müller  p.  60. 

*)  Vgl.  Heyd  I,  316,  mit  dessen  Chronologie  ich  nicht  ganz  übereinstimme  ; 
Röhricht,  Jerusalem  p.  663.  Ann.  de  Terre  Sainte,  ed.  Röhricht  in  Arch.  Or.  lat.  II 
p.  434  zu  1195.  Eine  kurze  Urkunde  über  Rückgabe  von  Backofen  und  Bad  in 
Accon  an  die  Pisaner  vom  Januar  1196  (1195  nach  der  Zeitrechnung  der  königlichen 
Kanzlei)  ist  erhalten ;  Müller  no.  40,  p.  65  f. 

*)  Müller  p.  73.  Die  Urkunde  trägt  pisanische  Datierung.  Röhricht,  Jeru- 
salem 663,  Anm.  3,  hält  sie  für  unecht,  was  sicher  nicht  begründet  ist;  Heyd  I,  316 
setzt  sie  zu  1197,  aber  im  Oktober  dieses  Jahres  lebte  Heinrich  nicht  mehr.  Vgl. 
jetzt  Röhricht  Reg.  no.  735,  Additam.  p.  48. 


Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187.  173 

rüstung  einer  Flotte  verhandelt,  als  er  durch  einen  Fenstersturz  verunglückte 
(10.  September  1197).i) 

122.  Nach  Heinrichs  Tode  wurde  Amalrich  von  Cypern,  Guidos  Sohn, 
den  Pisanern  Avie  sein  Vater  freundlich  gesinnt,  auch  auf  den  Thron  von 
Jerusalem  erhoben,  ein  Wechsel,  der  natürlich  für  die  Pisaner  nur  günstig 
war.  Trotz  aller  Wirren  hatte  sich  ihre  Niederlassung  in  Accon,  der  neuen 
Hauptstadt  des  Königreichs  seit  dem  Verlust  Jerusalems,  zur  wichtigsten 
in  Syrien  entwickelt;  der  Konsul,  den  Pisa  hierher  entsandte,  war  zugleich 
der  oberste  Repräsentant  der  pisanischen  Macht  für  ganz  Syrien.  In  solcher 
Stellung  erwirkte  Simon  Foglianelli,  dem  zwei  Pisaner,  ein  Ritter  und  ein 
Rechtsgelehrter,  als  socii  zur  Seite  standen,  am  20.  März  1200  ein  Privileg 
für  Pisa  in  Antiochien.  Neben  diesem  pisanischen  Generalkonsul  hatten 
aber  die  Pisaner  von  Accon,  die  sich,  wohl  im  Zusammenhange  mit  jener 
Bildung  der  societas  Vermiliorum,  zu  einer  Gemeinschaft,  einem  comune, 
zusammengeschlossen  hatten,  ihre  besonderen  selbstgewählten  Vorsteher, 
die  ebenfalls  den  Konsultitel  führten  und  die  besonderen  Interessen  dieser 
Gemeinschaft  wahrzunehmen  hatten.  Diesen  Charakter  haben  wohl  schon 
jene  3  Konsuln  von  1192;  besonders  klar  aber  wird  dieses  Verhältnis  da- 
durch, daß  in  demselben  Jahre  1200,  in  dem  jener  Simon  Foglianelli  auf- 
tritt, die  3  Konsuln  der  Pisaner  von  Accon,  Guido  Pagani,  Enrico  Magialis 
und  Ugo  Leimattilde,  am  12.  Oktober  einen  Vertrag  mit  Tebald,  dem  Bischof* 
von  Accon,  und  seinem  Kapitel  abschließen,  durch  welchen  der  pisanischen 
Peterskirche  (einer  Schenkung  an  die  Vermilii!)  besondere  kirchliche  Vor- 
rechte eingeräumt  werden,  während  die  Konsuln  sich  für  sich  und  ihre 
Nachfolger  verpflichten,  für  die  Kirche  eine  Rekognitionsgebühr  von  jähr- 
lich 4,  und  für  das .  Grundstück,  auf  dem  sie  ihren  Turm  erbaut  hatten, 
von  jährlich  12  sarazenischen  Byzantien  an  den  Bischof  zu  zahlen.  Zahl- 
reiche Mitglieder  der  pisanischen  Gemeinde  in  Accon,  unter  ihnen  auch 
zwei  Ärzte  und  zwei  Richter  und  Notare,  unterzeichneten  als  Zeugen  den 
Vertrag.  2) 

123.  Neben  den  Pisanern  erwarben  sich  die  Genuesen  in  der 
Zeit  der  größten  Bedrängnis  durch  Saladin  hervorragende  Verdienste 
um  das  Heilige  Land. 

Der  Fall  Accons  im  Sommer  1187  hatte  auch  viele  Genuesen  zur 
Flucht  nach  Tyrus  veranlaßt,  die  sich  nun  zur  Verteidigung  dieses  letzten 
Bollwerks  des  Königreichs  anschickten ;  um  sie  darin  zu  bestärken,  verliehen 
ihnen  die  im  Palast  des  Erzbischofs  unter  Leitung  des  Grafen  Raimund 
versammelten  Barone  schon  Ende  Juli  ein  Privileg  3),  das  für  sie  und  ihre 
Waren  beim  Betreten  und  Verlassen  von  Tyrus  zu  Wasser  und  zu  Lande 
volle  Abgabenfreiheit  gewährte  und  ihnen  mehrer^  Häuserkomplexe  mit 
Marktplatz  und  Fleischbank  sowie  freie  Gerichtsbarkeit  in  Tyrus  einräumte, 
Verleihungen,  die  eine  geschlossene,  größere  Niederlassung  der  Genuesen  in 
Tyrus  erst  begründeten.  Mit  ähnlichem  Ruhm  wie  die  Pisaner  haben  sie  dann 
an  der  Verteidigung  der  Stadt  wie  später  an  der  Belagerung  von  Accon  sich 
beteiligt;   im  Jahre  1189  entsandten  sie   eine  Flotte  unter  dem  Konsul  des 


*)  Röhricht,  Jerusalem  671.     Im  Abendlande  lief  ein  Gerücht  um,  die  Pisaner 
hätten  ihn  ermordet :  Ann.  Salisb.  additam.,  M.  G.  SS.  XrH,  p.  240. 

*)  Abweichend  Heyd  I,  333.     Die  Urkunden  bei  Müller  p.  80,  82. 
3)  Lib.  Jur.  I  no.  363.     Heyd  I,  311. 


174  Vierzehntes  Kapitel. 

Comune  Guido  Spinola  nach  dem  Heiligen  Lande,  der  im  nächsten  Jahre 
eine  zweite  mit  zahlreichen  Pilgern  und  Rittern  unter  den  Konsuln  Simon 
Ventus  und  Morinus,  dem  Sohne  des  Rodoanus  de  Platea  longa,  folgte,  i) 
Im  Sommer  dieses  Jahres  passierten  auch  der  englische  und  der  französische 
König  Genua,  wo  Philipp  August  vom  1.  bis  24.  August  verweilte;  schon 
im  Februar  hatte  er  mit  ihnen  einen  Passagevertrag  schließen  lassen,  den 
er  nunmehr  ratifizierte,  wonach  Genua  sich  verpflichtete,  ihn  mit  seinen 
650  Rittern,  1300  Schildknappen  und  ebensoviel  Pferden  mit  Proviant  auf  8, 
Wein  auf  4  Monate  gegen  Zahlung  von  5850  Mark  feinen  Silbers  (etwa 
358000  M.)  nach  dem  Heiligen  Lande  überzusetzen,  während  der  König 
ihnen  Handelsfreiheiten  in  allen  zu  erobernden  Gebieten  zusicherte  und 
versprach,  daß  sie  nur  unter  ihren  eigenen  vicecomites  stehen  und  nur 
vor  diesen  den  Klägern  anderer  Nationalität  Recht  zu  geben  gehalten  sein 
sollten.  2) 

Obwohl  schon  die  Ausführung  dieses  Vertrages  die  Genuesen  der 
französischen  Partei  zuwies-'^)  und  sie  es  auch  .mehr  mit  Philipp  August  und 
Konrad  hielten,  hüteten  sie  sich  doch  vorsichtig  und  geschickt,  es  mit 
Richard  und  Guido  ganz  zu  verderben.  Konrad  von  Montferrat,  seit  dem 
Vertrage  mit  Guido  vom  Ende  Februar  1190  als  Herr  von  Tyrus,  Sidon 
und  Beirut  anerkannt,  bestätigte  am  11.  April  den  Genuesen  die  Verleihungen 
Raimunds  für  Tyrus  und  fügte  noch  Besitz  an  Häusern  und  Mühlen,  1/3  der 
Hafeneinkünfte  und  Abgabenfreiheit  für  den  Gebrauch  der  öffenthchen 
Wagen  und  Maße  in  Tyrus  hinzu.  Wenig  später,  am  4.  Mai,  verlieh  ihnen 
Guido  vor  Accon  ein  Privileg  für  die  zu  erobernde  Stadt ;  hier  konnte  es  sich 
nur  um  Bestätigung  ihres  früheren  reichen  Besitzes  handeln;  ausdrücklich 
und  besonders  sicherte  der  König  ihnen  auch  volle  Abgabenfreiheit  in  Accon 
zu.  4)  Da  Guido  dies  Privileg  auf  Ersuchen  König  Richards,  der  damals  die 
Genuesen  für  einen  Zug  gegen  Ägypten  zu  gewinnen  hoffte,  nach  der  Erobe- 
rung der  Stadt  ausdrücklich  erneuerte  0),  so  kann  an  ihrer  Wiedereinweisung 
in  Accon  kein  Zweifel  bestehen ;  nach  heftigem  Kampfe  freilich  erst  vertrugen 
sie  sich  hier  mit  den  Pisanern,  mit  denen  vereint  sie  dann  den  englischen 
König,  so  lange  er  noch  in  Palästina  weilte  (bis  9.  Oktober  1192),  eifrig 
unterstützt  haben.  Dagegen  konnte  das  Privileg,  das  sich  die  Genuesen  von 
Konrad  im  April  1192  ausstellen  ließen  ß),  mit  seinen  reichen  Verleihungen 
für  Accon,  Joppe,  Askalon  und  Jerusalem,  also  für  lauter  Orte,  die  er  nicht 
besaß,  und  der  Erlaubnis,  jene  Inschrift  an  der  Grabeskirche  von  Jerusalem 
wiederherzustellen,  um  so  weniger  eine  praktische  Bedeutung  gewinnen,  als 
Konrad  noch  im  selben  Monat  ermordet  wurde.  Der  von  Richard  zum 
neuen  Beherrscher  des  Königreichs  Jerusalem  bestimmte  Heinrich  von  Cham- 
pagne hat  sich  dann  (auch  noch  im  Jahre  1192)  damit  begnügt,  den  Genuesen 
unter  Anerkennung  ihrer  Tapferkeit  im  heiligen  Kriege  das  Privileg  Konrads 
für  Tyrus  vom  Jahre  1190  zu  bestätigen'^);  in  einem  Punkte  aber  beschränkte 

^)  Ann.  genovesi  II,  p.  32  f.,  36. 

^)  Lib.  Jur.  I  no.  372,  384.  Die  entsprechenden  Zusagen  Genuas  haben  Bel- 
grano  und  Imperiale  neuerdings  in  ihrer  Ausgabe  des  Ottobonus  (ann.  genovesi  II, 
p.  31,  not.  1)  verölfentücht.     Manfroni  280. 

*)  Vielfach  treten  sie  vor  Accon  als  Geldgeber  für  französische  Ritter  auf : 
Blancmesnil  p.  137  f.,  408.     Papa  d'Amico  p.  201,  344  ff ,  356,  361  f. 

^)  Lib.  Jur.  I  no.  374/5. 

*)  Ib.  no.  392  »in  exercitu  Joppe«,  26.  Oktober  1191. 

6)  Ib.  no.  401. 

^)  Ib.  no.  405. 


Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187.  175 

er  die  abgabenfreie  Ein-  und  Ausfuhr  ihrer  Waren  in  Tyrus:  alle  aus  sara- 
zenischen Ländern  von  Genuesen  in  Tyrus  eingeführten  Waren  sollten  beim 
Verkauf  daselbst  die  üblichen  Gebühren  tragen  müssen.  Dabei  sollte  es 
keinerlei  Unterschied  machen,  ob  sie  zur  See  von  Ägypten  und  dem  übrigen 
Nord- Afrika  her  oder  einem  von  den  Sarazenen  besetzten  Gebiete  des  grie- 
chischen Reiches  oder  endlich  zu  Lande  nach  Tyrus  importiert  wurden ;  — 
ein  wichtiges  Zeugnis  für  den  ausgedehnten  Zwischenhandel,  den,  wie  wir 
gesehen  haben,  die  Genuesen  damals  trieben.  Etwas  freigebiger  erwies  sich 
Heinrich  dann  während  seines  Streites  mit  den  Pisanern,  indem  er  im  Sep- 
tember 1195  zu  Händen  des  genuesischen  Admirals  Gafforio  den  Genuesen 
ein  Privileg  ausstellte  i),  das  ihnen  unter  Bestätigung  ihrer  früheren  Be- 
sitzungen und  Rechte  die  dauernde  Immunität  für  ihre  ruga  s.  Laurentii 
in  Accon  zusicherte  und  ihnen  die  Erbauung  eines  festen  Turmes  daselbst 
und  die  Vollendung  der  begonnenen  Lorenzkirche  in  Tyrus  erlaubte. 

124.  Auch  Genua  ist  in  dieser  Zeit  der  Wiederherstellung  dazu  über- 
gegangen, ein  Generalkonsulat  in  Syrien  zu  errichten. 

In  den  kritischen  Tagen,  als  nur  Tyrus  sich  behauptete,  ist  Guilelmus 
Piperata  als  consul  et  vicecomes  Januensium  Tyri  nachgewiesen  (Ende  Juli 
1187).  Für  1189  und  1190  haben  wir  gesehen,  daß  Genua  mit  seinen  Flotten 
heimische  Konsuln,  consules  de  comuni,  deputierte  2),  die  natürlich  in  Syrien 
für  alle  Genuesen  die  höchste  Autorität  darstellten  und  im  Namen  Genuas 
handelten.  Als  besonderer  überseeischer  Konsul  Genuas  für  Syrien  aber 
tritt  uns  zuerst  im  April  1192  Guilelmus  Ricius^)  mit  dem  Titel:  »Januen- 
sium consul  in  Syria«  entgegen,  zu  dessen  Händen  Konrad  von  Montf errat, 
Herr  von  Tyrus,  den  Genuesen  ein  Privileg  verleiht.  Jedenfalls  kehrte  er 
mit  der  im  Sommer  fälligen  Schiffskarawane  nach  Genua  zurück;  so  be- 
gegnen wir  noch  im  selben  Jahre  in  dem  Privileg  Heinrichs  von  Champagne 
anderen  und  nunmehr  zwei  genuesischen  Konsuln :  Nicolaus  Cartofigus  und 
Ugo  Lercarius^);  seitdem  hat  auf  lange  Zeit  hinaus  Genua  das  System  be- 
folgt, mit  der  Oberleitung  seiner  Handelsniederlassungen  in  Syrien  zwei 
Männer  zu  betrauen,  die,  wie  es  scheint,  zunächst  wenigstens  in  Tyrus  ihren 
Amtssitz  hatten.  Im  Dezember  1203  haben  Lambertus  Fornarius  und  Bel- 
mustus  Lercarius  in  dieser  Stellung  ein  Privileg  für  die  Genuesen  in  Tri- 
polis erwirkt;  im  Sommer  1204  sind  sie  auf  der  Rückreise  nach  Genua 
nachzuweisen.^) 

So  gingen  Pisaner  und  Genuesen  aus  dieser  Zeit  der  Wirren  in 
ihrer  Handels-  und  Machtstellung  in  Syrien  befestigt  und  gestärkt 
hervor.  Sie  hatten  eine  gewaltige  Enerf^ie  bewiesen,  in  dem  klaren 
Bewußtsein,  daß  für  ihren  Levantehandel  geradezu  alles  auf  dem 
Spiele  stand.     Denn  gerade  damals  war  der  Weltmarkt  von  Konstan- 

»)  Ib.  no.  410. 

*)  Irrtümlich  sieht  Heyd  I,  p.  332  den  Morinus  als  überseeischen  Konsul  an, 
.wahrscheinlich  getäuscht  durch  das  Schreiben  König  Richards  vom  11.  Oktober  1191 
(Lil).  Jur.  I  no.  381),  der  von  ihm  sagt:  qui  consul  vester  fuit.in  partibus  Surie, 
während  ihn  Guido  zutreffend  als  consul  de  comuni  bezeichnet  (ib.  no.  392),  Die 
genuesischen  Annalen  entheben  uns  bezüglich  seiner  Stellung  jedes  Zweifels. 

3)  Ib.  no.  401. 

«)  Ib.  no.  405. 

*)  Röhricht  in  Mitt.  des  Ost.  Inst.  XH  (1891),  S.  489 ;  ann.  genov.  U,  92,  wo 
sie  durch  einen  Lapsus  als  Konsuln  von  Alexandria  bezeichnet  sind;  s.  Heyd  I, 
414  1 


176  Vierzehntes  Kapitel. 

tinopel  für  sie  verschlossen  oder  doch  nur  unter  den  ungünstigsten 
Umständen  zu  benutzen^);  nun  waren  sie  in  Gefahr  gewesen,  auch 
die  Stützpunkte  ihres  Handels  in  Syrien  zu  verlieren.  Begreiflich, 
daß  sie  sich  dagegen  mit  äußerster  Kraft  wehrten. 

125.   Ganz  anders  war  die  Lage  der  Venezianer. 

Sie  hatten  ihren  Frieden  mit  Byzanz  gemacht,  waren  mit  ihrer  Wieder- 
einrichtung vollauf  beschäftigt  und  zogen  aus  dem  griechischen  Handel,  den 
sie  gerade  damals  fast  ohne  Wettbewerb  betreiben  konnten,  den  reichsten 
Gewinn.  Dazu  kam  noch,  daß  Byzanz  damals  mit  Ägypten  in  bestem  Ein- 
vernehmen lebte.  So  ist  es  sehr  begreiflich,  daß  sich  die  Venezianer  in 
dieser  Zeit  in  Syrien  sehr  zurückhielten.  2)  Im  Jahre  1189  entsandten  aller- 
dings auch  sie  eine  Flotte  zur  Belagerung  von  Accon;  während  derselben 
erteilte  Konrad  von  Montferrat  ihren  Gesandten  Domenico  Contarini  und 
Giovanni  Morosini  im  Einverständnis  mit  König  Philipp  August  am  7.  Mai 
1191  ein  Privileg,  dessen  Inhalt  sich  indessen  auf  eine  Bestätigung  des  Pri- 
vilegium Warmundi  und  ihrer  bisherigen  Rechte  beschränkte.  3)  In  der  Tat 
waren  ja  ihre  alten  Vorrechte  auch  groß  genug.  Zum  Teil  scheint  ihre 
Zurückhaltung  auch  mit  dem  kirchlichen  Streit  zusammenzuhängen,  in  den 
sie  damals  an  dem  Hauptort  ihrer  Besitzungen  verwickelt  wurden.  Dem 
Erzbischof  von  Tyrus  erschienen  die  kirchlichen  Vorrechte  ihrer  Markus- 
kirche als  eine  Beeinträchtigung  seiner  Prärogative;  seinem  entschiedenen 
Vorgehen  gegenüber  appellierten  die  Venezianer  an  den  Papst  und  erreichten 
von  Clemens  III.  (1189 — 1191)  und  seinem  Nachfolger  Cölestin  III.  wenig- 
stens soviel,  daß  dem  Erzbischof  aufgetragen  wurde,  die  Markuskirche  zu- 
nächst bis  zur  Wiedergewinnung  von  Jerusalem  bei  ihren  Vorrechten  zu 
belassen.  Der  Kirchenstreit,  auf  dessen  Einzelheiten  hier  nicht  eingegangen 
werden  kann,  wurde  mit  äußerster  Hartnäckigkeit  Jahrzehnte  hindurch  fort- 
geführt; hier  sei  nur  die  Episode  aus  dem  Jahre  1199  hervorgehoben,  die 
uns  den  venezianischen  plebanus  selber,  Domenico  Rambaldo,  der  anfäng- 
lich seiner  Pflicht,  die  Vorrechte  seiner  Kirche  zu  verteidigen,  getreu  nach- 
gekommen war,  als  Überläufer  zum  Erzbischof  zeigt,  so  daß  der  vom  Dogen 
zum  vicecomes  in  terra  Tyri  bestellte  Domenico  Acotanto  sich  genötigt  sah, 
gegen  ihn  einzuschreiten.  Bei  diesem  Vorhandensein  eines  besonderen  staat- 
hchen  Vicecomes  in  Tyrus  werden  wir  anzunehmen  haben,  daß  die  Ver- 
pachtung des  venezianischen  Drittels  in  Tyrus  an  die  Markuskirche  nun 
doch  nicht  mehr  bestand.  *)  Um  diese  Zeit  (Ende  des  12.  oder  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts)  ist  auch  Venedig  dem  Beispiele  Pisas  und  Genuas  gefolgt 
und  hat  in  der  Hauptstadt  des  Königreichs,  Accon,  einen  Generalkonsul  für 
ganz  Syrien  bestellt,  dem  es  zum  Unterschiede  von  den  Vicecomites  für  die 
einzelnen  Orte  den  Titel  Bailo  beilegte.  0) 

')  Unten  §  191  und  193. 

*)  Heyd  I,  314. 

')  Tafel  und  Thomas  I,  213  f 

*)  Bulle  Innozenz'  III.  vom  5.  April  1200 ,  auch  für  die  früheren  Vorgänge : 
ib.  p.  282.  Bulle  Cölestins  vom  5.  August  1196  bei  von  Pflugk-Hartung :  Acta  pon- 
tif.  ined.  III,  400.  Bericht  Acotantos,  nach  seiner  Rückkehr  nach  Venedig  im  Feb- 
ruar 1200  notariell  aufgenommen :  Baracchi  XXII  (1881),  p.  325  f.  (Statt  ind.  Xm 
ist  m  zu  lesen.)  Vgl.  ferner  Tafel  u.  Thomas  I,  424,  II,  26;  Röhricht  Reg.  no.  881, 
887,  893,  910,  916  f.     Schmeidler  43  f. 

»)  Geht  aus  der  Denkschrift  Zorzis  hervor ;  Tafel  und  Thomas  II,  387  If .  Vgl. 
Heyd  I,  331. 


n 


Der  Wiederaufbau  nach  der  Katastrophe  von  1187.  177 

126.  Das  unteritalische  Königreich  Avar  dem  hl.  Landeinseiner 
Bedrängnis  mit  einer  starken  Flotte  unter  Admiral  Margarito  zu  Hilfe  ge- 
eilt 1) ;  aber  bei  den  Wirren,  die  der  Tod  Wilhelms  II.  hervorrief,  zog  nur 
das  kleine  Amalfi  kommerzielle  Vorteile  daraus,  wie  das  Privileg  zeigt,  das 
König  Guido  wegen  der  guten  Dienste,  die  sie  der  Christenheit  erwiesen, 
den  Amalfitanern  am  10.  April  1190  vor  Accon  ausstellen  ließ.  2)  Allen  Ein- 
wohnern des  Gebietes  von  Amalfi,  aus  welchem  Lande  sie  auch  kämen,  und 
allen  ihren  Schiffen,  großen  wie  kleinen  und  Küstenfahrzeugen,  wird  darin 
volle  Freiheit  von  jeglichen  Handels-,  Hafen-  und  Schiffahrtsabgaben  in 
Accon  zugestanden;  wie  die  Venezianer,  Pisaner  und  Genuesen  sollen  sie 
ihren  eigenen  Gerichtshof  mit  Vicecomes  und  Konsuln  aus  ihrer  Nationalität 
haben  dürfen;  nach  Eroberung  der  Stadt  soll  ihnen  zu  diesem  Zwecke  ein 
Haus  zur  Verfügung  gestellt  werden. 

127.  Die  in  Tyrus  weilenden  Südfranzosen  treten  uns  in  der  Stunde 
der  Gefahr,  als  diese  Stadt  fast  den  einzigen  Überrest  des  Königreichs  Je- 
rusalem bildete,  zu  korporativer  Einheit  zusammengeschlossen  entgegen.  Im 
Einverständnis  mit  dem  Erzbischof  von  Caesarea  und  den  Rittern  und  Bür- 
gern von  Tyrus  verlieh  Konrad  von  Montf errat  im  Oktober  1187  den  vier 
Kommunen  der  freien  Bürger  von  Marseille  und  Barcelona  und  der  bur- 
genses  von  Saint-Gilles  und  Montpellier  und  allen,  die  sich  zu  diesen  Kom- 
munen hielten,  ein  Privileg  2),  das  von  ihren  sechs  namentlich  genannten 
Konsuln  und  ihrem  gemeinsamen  Vicecomes,  Petrus  de  Mezoaco,  entgegen- 
genommen wurde.  Sie  erhielten  darin  Befreiung  von  allen  Ein-  und  Aus- 
gangszöllen, speziell  von  der  terciaria  (der  Pilgerabgabe),  für  Tyrus  und  Ge- 
biet, das  Recht,  sich  eigener  Maße  und  Gewichte  zu. bedienen,  Aufhebung 
des  Strandrechts  zu  ihren  Gunsten,  Selbstverwaltung  und  eigene  Gerichts- 
barkeit (mit  Ausschluß  der  Verbrechen  gegen  Person  und  Eigentum)  unter 
selbstgewählten  Vicecomites  und  Konsuln  (concedo  eis  vicecomitatum  et 
consulatum  in  Tyro  per  regendam  curiam  et  eorum  honores);  außerdem 
wurde  ihnen  ein  Grundstück  in  der  Stadt,  ein  Backofen  und  ein  Casale  als 
Geschenk  überwiesen.  Ich  halte  es  für  wahrscheinlich,  daß  dieser  interes- 
sante Zusammenschluß  der  proven9alischen4)  Kommunen  in  Tyrus  nicht  aus 
älterer  Zeit  herrührt,  sondern  eben  erst  in  dieser  Zeit  der  Bedrängnis,  als 
Flüchtlinge  von  aUen  Seiten  nach  Tyrus  strömten,  erfolgt  ist.  Erst  dadurch 
wuchsen  die  Provengalen  hier  zu  einer  größeren  Zahl  an  und  erst  durch 
den  Zusammenschluß  bedeuteten  sie  etwas  für  die  Verteidigung  der  Stadt 
und  vermochten,  ähnhch  wie  Pisaner  und  Genuesen,  die  Umstände  zur  Er- 
langung besonderer  Vorteile  auszunutzen.  Als  Organ  der  Gesamtheit  als 
solcher  ist  wohl  nur  der   gemeinsame  Vicecomes  anzusehen,    dem   als   sein 


1)  Röhricht,  Jerusalem  477.     Manfroni  278  f. 

»)  Camera  I,  201.     Heyd  I,  314. 

')  Möry  et  Guindon  I,  190.  Für  »qui  pred.  communium  nostram  cen-, 
senturc,  was  die  Herausgeber  zu  einer  ganz  falschen  Übersetzung  veranlaßt  hat; 
ist  natürlich  nomine  zu  lesen.  Röhricht  Reg.  p.  178  bezeichnet  irrig  alle  6  Kon- 
suln als  Konsuln  von  Saint-Gilles.  Die  Unterscheidung  von  cives  (weiterhin  auch 
scapuli  genannt)  und  burgenses  beruht  darauf,  daß  Marseille  und  Barcelona  als 
freie  Städte  galten,  während  die  anderen  unmittelbar  unter  fürstlicher  Landeshoheit 
standen.  Für  das  Privileg  selbst  vgl.  noch  Heyd  I,  320,  334 ;  Marchand  99,  109  (wo 
indessen  irrtümlich  die  scapuli  als  Ritter  betrachtet  werden). 

*)  Entspricht  dem  damaligen  Sprachgebrauch:  >per  omnes  Provincialium  par- 
tes a  Massilia  usque  Barchinoniam«.     Germain,  commerce  I,  180. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  12 


178  Fünfzehntes  Kapitel. 

Beirat  die  Konsuln  als  die  besonderen  Vorsteher  der  vier  Sonderkommunen 
zur  Seite  standen. 

Ob  die  Samtgemeinde  der  Provengalen  in  Tyrus  längere  Zeit  fortbe- 
standen hat,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis;  Ausdehnung  auf  die  in  der 
Folge  zurückeroberten  Seestädte  hat  diese  Vereinigung  jedenfalls  nicht  er- 
langt. Für  Accon  erwirkten  sich  die  Marseiller  noch  während  der  Belage- 
rung der  Stadt  im  Jahre  1190  von  König  Guido  ein  besonderes  Privileg  i), 
in  dem  ihnen  zum  Dank  für  ihre  Dienste  Wiedereinsetzung  in  den  früheren 
Stand,  vollständige  Freiheit  von  Handels-  und  Schiffahrtsabgaben  in  Accon 
und  im  ganzen  Königreich,  sowie  eigene  Gerichtsbarkeit  mit  Ausschluß  der 
Kriminal  verbrechen  verheißen  wurde;  Vicecomes  und  Konsuln  sollten  sie 
sich  aus  ihrer  eigenen  Mitte  wählen  dürfen.  Dabei  ist  es  für  die  mindere 
Wertschätzung  der  Marseiller  und  ihren  geringeren  Einfluß  im  Vergleich  mit 
den  Italienern  bezeichnend,  daß  der  Vicecomes  der  Marseiller  dem  Könige 
den  Treueid  zu  schwören  und  vor  ihm  den  Amtseid  (quod  secundum  terrae 
consuetudinem  Curiae  vestrae  causas  judicabit  et  discernet)  abzulegen  hatte. 
Dagegen  ließen  sich  die  Marseiller  vom  Könige  die  Zusicherung  geben,  daß, 
falls  er  den  Bewohnern  von  Montpellier  oder  Saint-Gilles  in  irgendwelcher 
Beziehung  eine  größere  Freiheit  oder  ein  größeres  Recht  zugestehen  würde, 
dieses  Zugeständnis  auch  für  sie  Geltung  haben  sollte.  Doch  haben  wir 
von  Privilegien,  die  diesen  beiden  Städten  von  Languedoc  in  dieser  Periode 
eingeräumt  wären,  keine  Kenntnis;  und  nur  von  Marseille  wissen  wir,  daß 
Ouidos  Nachfolger,  König  Amalrich  von  Jerusalem  und  Cypern,  im  Oktober 
1198  seine  Privilegien  im  Königreich  Jerusalem  bestätigt  hat.  2) 


Fünfzelmtes  Kapitel. 

Weiterentwickelung  des  Handels  der  Mittelmeer- 
Komanen  mit  Ägypten. 

128.  Nur  für  kurze  Zeit  scheint  der  dritte  Kreuzzug  einen 
völligen  Abbruch  der  Handelsbeziehungen  zwischen  der  abendländischen 
Christenheit  und  Ägypten  herbeigeführt  zu  haben.  Der  von  König 
Kichard  am  2.  Sept.  1192  mit  Saladin  auf  drei  Jahre  abgeschlossene 
Waffenstillstand,  der  u.  a.  dem  Warenverkehr  zu  Lande  Tributfreiheit 
zusicherte^),  mochte  auch  zur  Wiederaufnahme  des  Seehandels  mit 
Ägypten  ermutigen. 

Noch  während  des  Krieges  hat  im  selben  Jahre  ein  venezianisches 
Schiff  eine  Gesandtschaft  Saladins  nach  Konstantinopel  überführen  wollen; 
doch  wurde  es  in  den  rhodischen  Gewässern  von  genuesischen  und  pisani- 
ßchen  Korsaren  überfallen,   die   die  ägyptischen  und  die  mit  ihnen  zurück- 

1)  Möry  et  Guindon  I,  194.  Eöhricht  Reg.  p.  186.  Datum  25.  Oktober;  bei 
Papon  II  preuves  no.  25:  24.  April.  Marchand  p.  30  und  109.  de  Guignes  in 
M^m.  de  l'Acad.  R.  des  Inscr.  XXXVn  (Paris  1774),  p.  515. 

i")  Heyd  I,  319  u.  364  hat  den  Irrtum  von  Mery  et  Guindon  (I,  186),  die  dies 
Privileg  zu  1186  ansetzen  wollten,  schon  richtig  gestellt.     Röhricht  Reg.  p.  199. 

3)  Ambroise  v.  11790. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Komanen  mit  Ägypten.      179 

kehrenden  griechischen  Gesandten  töteten  und  sich  die  mitgeführten  reichen 
Geschenke  als  gute  Beute  aneigneten,  i) 

Die  strenge  kirchliche  Auffassung  freilich  betrachtete  die  Christen- 
heit als  in  dauerndem  Kriegszustande  gegen  die  Sarazenen  befindlich; 
ihr  Ideal  war  das  Aufhören  jeder  Handelsverbindung  mit  Ägypten. 
Doch  auch  die  Kurie  überzeugte  sich  von  der  Unmöglichkeit,  dies 
Ideal  in  die  Praxis  umzusetzen ;  auf  die  dringenden  Vorstellungen  der 
venezianischen  Gesandten,  Andrea  Donato  und  Benedetto  Grilion, 
gestattete  Innozenz  III.  am  3.  Dezember  1198  mit  Rücksicht  auf  die 
schwere  Schädigung,  die  Venedig  sonst  erleiden  würde,  den  Handel 
mit  Ägypten  mit  Ausnahme  der  schon  vom  3.  Laterankonzil  ver- 
botenen Waren,  als  welche  nunmehr  Eisen,  Nägel,  Waffen,  Werg, 
Pech,  Taue,  Galeeren  sowie  Schiffe  überhaupt  und  jegliche  Art  von 
Holz  spezifiziert  wurden,  ^j 

Der  Umstand,  daß  die  Venezianer  an  der  Ablenkung  des  vierten 
Kreuzzuges  von  Ägypten  einen  erheblichen  Anteil  hatten,  mußte 
ihrem  Handel  mit  diesem  Lande  besonders  förderlich  sein. 

Im  Juni  1207  sehen  wir  den  Venezianer  Domenico  Gradenigo  Vor- 
bereitungen zu  einer  Handelsreise  auf  dem  Schiff  Christiana  nach  Ägypten 
treffen,  von  der  er  mit  der  nächsten  Früh  Jahrskarawane  (ad  muduam  pasche) 
zurückgekehrt  ist  3);  gerade  zu  dieser  Zeit,  März  1208,  hat  Sultan  Adil  I. 
in  einem  Schreiben  an  Venedig  seine  Bereitwilligkeit  ausgesprochen,  den 
Wünschen  der  Gesandten  Marino  Dandolo  und  Pietro  Michael,  die  im  Jahre 
vorher  zu  ihm  gekommen  waren,  bezüglich  gewisser  an  der  Duane  erhobener 
Gebühren"*)  und  der  Einräumung  eines  zweiten  Fondaco  in  Alexandrien  zu 
entsprechen ;  auch  eine  Anzahl  Gefangener  ließ  er  frei  und  schenkte  den  Ge- 
sandten ein  Quantum  des  kostbaren  Balsams.  Streitigkeiten  untereinander 
sollten  die  Venezianer  in  eigener  Kurie  erledigen  dürfen ;  im  übrigen  wurde 
ihnen  gerechteste  Behandlung  durch  den  für  sie  zuständigen  Gerichtshof, 
das  Seezollamt  von  Alexandrien,  zugesichert.  Um  einen  Hauptanlaß  zu 
Differenzen  zu  beseitigen,  war  den  Kaufleuten  von  Alexandrien  untersagt, 
einem  Venezianer  etwas  ohne  Unterpfand  zu  borgen ;  im  übrigen  wurde  der 
Grundsatz  aufgestellt,  daß  immer  nur  der  Schuldner  selbst  belangt  werden 
dürfe.  °)  Auch  später  fanden  gelegentliche  Beschwerden  der  Venezianer 
über  die  Zollämter  in  Alexandrien  und  Kairo,  die  sie  durch  einen  ihrer 
Dolmetscher  (turcimanus)  als  Bevollmächtigten  des  Dogen  erheben  ließen, 
wohlwollende  Berücksichtigung.  6) 

129.  Pisa  scheint  die  früher  so  engen  Beziehungen  zu  Ägypten 
erst  spät  wieder  angeknüpft  zu  haben. 

Auf  das  Vorhandensein  eines  feindlichen  Verhältnisses  deutet  es, 
wenn    die    tunesische    Regierung    die  Versicherung    abgibt,   daß    die    durch 

»)  Bertolotto  p.  452  f.,  459  f.,  462.     Müller  66. 

2)  Tafel  u.  Thomas  I,  234  f.     Heyd  I,  387.     Manfroni  311. 

3)  Sacerdoti  39. 

*)  .  .  .  de  cuflfo  et  arso ;  nach  Amari  Dipl.  p.  468  für  Verifikation  und  Be- 
wachung der  AVaren. 

6)  Tafel  u.  Thomas  II,  185  f.,  188  f.  (Die  Datierung  von  Heyd  I,  402  ff.  richtig 
gestellt).   Mas  Latrie,  Traites,  Supi)l.  p.  70  f. 

8)  Schreiben  vom  17.  März  1217  (?).    Tafel  u.  Thomas  II,  191  ff.    Heyd  I,  404. 

12» 


180  Fünfzehntes  Kapitel. 

einen  pisanischen  Überfall  im  August  1200  im  Hafen  von  Tunis  geschädigten 
Sarazenen  mit  Ausnahme  einer  einzigen  Person  von  geringem  Besitz  nicht 
aus  Ägypten  gewesen  seien,  i)  Erst  zur  Zeit,  als  Gherardo  Cortevecchia 
Podestä  von  Pisa  war  (1206/07),  schickte  Pisa  den  Marzuccus  Teperti  zum 
Abschluß  eines  Friedensvertrages  nach  Ägypten;  außer  um  Freilassung  der 
Gefangenen  sollte  er  um  Rückgabe  der  Nikolaikirche,  des  Fondaco,  der  \^^age 
und  des  Bades,  sowie  überhaupt  alles  dessen,  was  die  Pisaner  seit  alter  Zeit 
in  Alexandrien  besessen  hätten,  ersuchen ;  auf  ein  vom  Sultan  etwa  gefordertes 
Versprechen  aber,  Holz,  Eisen,  Pech,  Werg  oder  Waffen  nach  Ägypten  zu 
exportieren,  sollte  er  sich  unter  keinen  Umständen  einlassen ;  die  pisanische 
Regierung  nahm  also  jetzt  doch  eine  ganz  andere  Haltung  ein  als  früher. 
Immerhin  erreichte  der  Gesandte  soviel,  daß  der  Sultan  den  pisanischen 
Kaufleuten  Sicherheit  und  Einsetzung  in  ihre  alten  Rechte  und  Gewohn- 
heiten versprach.  2)  Auch  ein  Mandat  des  Sultans  betreffend  Herstellung 
ihres  Fondaco  gehört  wohl  in  diese  Zeit,  in  die  auch  die  im  pisanischen 
Gesetzbuch  enthaltene  Verpflichtung  des  Podestä^)  am  besten  zu  passen 
scheint,  die  designierten  Verwalter  der  Fondachi  (fundacarii)  in  den  sara- 
zenischen Ländern  vor  ihrer  Abreise  darauf  zu  vereiden,  daß  sie  in  den 
Fondachi  keine  Bordelle  oder  Kneipen  unterhalten  und  keinen  Weinhandel 
treiben  würden.  ■*)  Gewalttaten,  die  in  Alexandrien  an  Pisanern,  selbst  in 
ihrer  eigenen  Kirche,  verübt  wurden,  veranlaß ten  die  Pisaner  im  Frühjahr 
1215,  eine  neue  Gesandtschaft  unter  Führung  des  Stadtkonsuls  Ranuccius 
Benedicti  de  Vernaccio  nach  Ägypten  zu  schicken.  0)  Das  Privileg,  das  er 
außer  der  Freilassung  der  Gefangenen  erwirkte,  enthielt  von  neuen  Ver- 
günstigungen die  Außerkraftsetzung  des  Strandrechts  zu  ihren  Gunsten,  die 
Erlaubnis,  an  der  Duane  einen  eigenen  Schreiber  zu  halten  und  das  Recht, 
in  Fällen,  wo  sie  sich  von  den  Behörden  ungerecht  behandelt  glaubten,  an 
den  Statthalter  in  Alexandrien  und  in  letzter  Instanz  an  den  Sultan  selbst 
zu  appellieren.  Die  Zölle  wurden  auf  16%  fixiert  (wahrscheinlich  hatten 
sie  vorher  das  quintum  zahlen  müssen,  während  das  Privileg  Saladins  von 
1173  nur  12%  festgesetzt  hatte);  selbst  Edelmetalle  wurden  jetzt  mit  10% 
verzollt  und  nur  die  zum  eigenen  Gebrauch  eingeführten  Lebens-  mid  Ge- 
nußmittel durften  zollfrei  eingehen. 

130.    Für  den  genuesisch -ägyptischen  Handelsverkehr  haben 
wir  eine  ziemlich  große  Anzahl  einzelner  Nachrichten,  die  seine  rasche 
I  Wiederaufnahme  und  ungeschwächte  Fortdauer  beweisen. 


^)  Amari  dipl.,  p.  44. 

2)  Ib.  280  1,  283.  Die  Stelle  des  Vertrages  (p.  283):  >consulibus  Pisanorum 
Pisis  detur  securitas  etc.«  scheint  darauf  hinzudeuten,  daß  es  auch  pisanische  Kon- 
suln in  Ägypten  gab ;  die  ägyptische  Regierung  würde  dann  ihre  Bestellung  als 
Privatangelegenheit  der  Pisaner  aufgefaßt  haben.  Wahrscheinlich  wird  es  dadurch, 
daß  genuesische  Konsuln  in  Alexandrien  für  diese  Zeit  bezeugt  sind. 

8)  Ib.  290.     Constit.  Usus  bei  Bonaini  H,  1001. 

*)  In  diese  Zeit  gehört  wohl  auch  die  an  denselben  Herrscher  (reg.  1200  bis 
1218)  gerichtete  Bittschrift  einiger  pisanischer  und  venezianischer  Kaufleute,  sowie 
je  eines  Kaufmanns  aus  Beirut  und  Kreta,  die  von  Beirut  mit  einer  Warenladung, 
die  sie  in  Cypern  vervollständigt  hatten,  nach  Alexandrien  gekommen  waren  und 
unter  dem  Vorwande,  daß  sie  aus  Cypern  seien,  über  ein  Jahr  lang  zurückgehalten 
wurden,  während  ihr  Schiff  verfaulte  und  ihre  Waren  größtenteils  verdarben.  Amari 
dipl.  p.  70. 

s)  Sein  Kreditiv  vom  29.  März  1215;  Amari  dipl.  p.  81,  284  f.     Heyd  I,  413. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Komanen  mit  Ägypten.      181 

Schon  1194  sehen  wir  wieder  ein  genuesisches  Schiff  in  Betätigung 
des  uns  schon  bekannten  Zwischenhandels  von  Ceuta  nach  Ägypten  fahren,  i) 
Beim  Regierungsantritt  des  Sultans  Almelik  Aladil  (1200)  schickten  die 
Genuesen  eine  Gesandtschaft  unter  Fulco  de  Castello  mit  Geschenken  im 
Wert  von  500  1.  jan.  (gegen  11000  M.)  nach  Ägypten;  der  Sultan  versprach 
ihm  die  erbetene  Rückgabe  von  Gefangenen,  hielt  sein  Versprechen  aber 
schließlich  nicht.  Fünf  Jahre  später  ging  Gull.  Spinola  als  Gesandter  an 
den  Sultan  und  muß  es  verstanden  haben,  sich  seine  besondere  Gunst  zu 
erwerben,  denn  als  er  1208  Stadtkonsul  war,  erging  an  ihn  die  Aufforde- 
rung des  Sultans,  an  seinen  Hof  zu  kommen,  der  er  auf  Beschluß  seiner 
Kollegen  und  der  Ratsherren  auch  Folge  leistete.'^)  Von  den  Ergebnissen 
seiner  Reisen  freilich  erfahren  wir  nichts.  Dagegen  wissen  wir,  daß  in 
Alexandrien  damals  ein  genuesisches  Konsulat  mit  derselben  Organisation 
wie  in  Accon  bestand;  1203  wurde  es  von  dem  jüngeren  Belmustus  Ler- 
carius^)  zusammen  mit  Ogerius  de  Insulis  verwaltet;  im  Sommer  1204  sehen 
wir  sie  auf  derselben  Flotte  wie  ihre  in  Syrien  abgelösten  Kollegen  auf  der 
Heimfahrt  nach  Genua.^)  Die  Einrichtung  der  gemeinsamen  Handelsfahrten 
nach  Syrien  und  Ägypten  bestand  also  wie  früher  fort;  1209  und  1213 
sandte  man  wegen  des  Kriegs  mit  Pisa  den  aus  beiden  Ländern  zurück- 
kehrenden Karawanen  Kriegsschiffe  zur  Bedeckung  entgegen.^)  Aus  dem 
Jahre  1212  erfahren  wir  einmal  zufällig  von  der  Anwesenheit  eines  Negers 
aus  Alexandrien,  namens  Niger,  in  Genua;  ein  Beweis,  daß  dem  Verkehr 
der  Romanen  nach  Ägypten  hin  der  Gegenstrom  doch  nicht  völlig  fehlte.  6) 

131.  Lebhaft  genug  hatte  sich  also  der  Handelsverkehr  der 
Italiener  mit  Ägypten  wieder  gestaltet;  auf  3000  wird  die  Zahl  der 
1215/16  in  Alexandrien  weilenden  fränkischen  Kaufleute  angegeben.^) 
Zehnmal  im  Jahre  pflegte  Sultan  Almelik  Aladil  die  Konsuln  der 
christlichen  Handelsnationen  zu  empfangen  und  ihre  Wünsche  und 
Klagen  entgegenzunehmen.^)  Aber  die  Gefahr,  die  Ägypten  bei  Be- 
ginn dieser  Regierung  gedroht  hatte,  erneuerte  sich  am  Ende  der- 
selben. 

Niemals  hatte  Innozenz  III.  den  Gedanken  des  Kreuzzugs  gegen  Ägypten 
aufgegeben.  Als  er  die  Zeit  für  gekommen  hielt,  die  Christenheit  zu  einem 
neuen  großen  Kreuzzuge  aufzurufen,  erklärte  er  in  einem  Schreiben  an  alle 
Erzbischöfe,  Bischöfe  und  Prälaten  vom  19.  April  1213  einfach  jede  Art 
der  Handelsverbindung  von  Kommunen  oder  einzelnen  Kaufleuten  mit  den 
Sarazenen  bei  Strafe  des  Bannes  für  verboten.  9)  Die  gleichzeitig  angekündigte 
Bekanntmachung  dieses  allgemeinen  Verbots  in  den  Seestädten  hat  indessen 
jedenfalls  nicht  stattgefunden;   denn   nach   dem  großen  Laterankonzil  von 


*)  Ann.  genov.  IL,  49. 

»)  Ann.  genov.  II,  79,  97,  107.    Hej'd  I,  415. 

»)  Am  21.  September  1201  hat  ihm  Sibylle,  die  Gemahlin  des  älteren  W.  Em- 
briaco,  100  1.  jan.  für  eine  Handelsreise  nach  Ägypten  anvertraut.  Doneaud  76, 
not.  21. 

*)  Ann.  genov.  II,  92. 

»)  Ib.  112,  126. 

«)  Ib.  123. 

')  Amari  p.  LV. 

8)  Rycc.  de  S.  Germano,  SS.  XIX,  336.     Heyd  I,  411. 

»)  Potth.  no.  4706  ff.     Röhricht,  Studien  4. 


182  Fünfzehntes  Kapitel. 

1215  begnügte  sich  der  Papst  damit,  auf  Grund  seiner  Beschlüsse  jede  Art 
des  Schiffsverkehrs  mit  Ägypten  auf  4  Jahre  zu  untersagen  und  im  übrigen 
das  für  bestimmte  Waren  bestehende  Handelsverbot  einzuschärfen,  i)  Aber 
auch  das  mußte  natürlich  wie  eine  Kriegserklärung  wirken,  zumal  die  Kreuz- 
fahrer sich  schon  am  1.  Juni  1216  in  Brindisi  und  Messina  sammeln  sollten, 
und  es  kann  nicht  weiter  wundernehmen,  daß  der  Sultan  in  dieser  Zeit 
einmal  sämtliche  fränkischen  Kaufleute  in  Alexandrien  gefangen  setzen  und 
ihre  Waren  mit  Beschlag  belegen  ließ.  2) 

Doch  erst  unter  Honorius  III.  konnte  nach  umfassenden  Vor- 
bereitungen der  Kreuzzug  selbst  unternommen  werden;  im  Mai  1218 
begann  die  Belagerung  der  zweiten  Seestadt  Ägyptens,  Damiette, 
unter  hervorragender  Beteiligung  der  kriegerischen  Bürger  der  italie- 
nischen Seestädte,  während  viele  ihrer  Kaufleute,  besonders  die 
Genuesen,  gleichzeitig  den  französischen  Kreuzfahrern  gegenüber, 
selbstverständlich  unter  Ausbedingung  großer  Vorteile,  als  die  Helfer 
in  schweren  finanziellen  Nöten  fungierten.  ^)  Endlich,  am  5.  November 
1219,  kam  es  zur  Einnahme  der  Stadt.*)  Gewaltige  Beute  fiel  in  die 
Hand  der  Sieger^)  und  jedes  Kontingent  erhielt  einen  Anteil  an  der 
eroberten  Stadt;  nicht  nur  die  Seestädte,  auch  die  italienischen 
Binnenstädte  ließen  sich  besondere  Bezirke  zuweisen,  wie  uns  speziell 
für  die  Lucchesen  und  Bolognesen,  deren  Anteil  an  das  venezianische 
Quartier  anstieß,  bekannt  ist.^) 

Sofort  entwickelte  sich  in  der  neuen  christlichen  Besitzung  ein 
überaus  lebhafter  Handelsverkehr,  den  der  Papst  noch  dadurch  zu 
fördern  suchte,  daß  er  die  Bischöfe  der  Seestädte  anwies,  alle  Fahrten 
nach  Alexandrien  zu  inhibieren. ')  Welcher  Vorteil,  wenn  man  die 
ägyptischen  Waren  nun  an  Ort  und  Stelle  unter  den  gleichen 
günstigen  Bedingungen,  wie  sie  bisher  die  syrischen  Kolonien  dem 
Handel  boten,  eintauschen  konnte!  Die  Kaufleute  drängten  sich 
förmlich  hierher ;  mit  Schrecken  sah  man  im  Heiligen  Lande,  wie  die 
Zolleinnahmen  von  Accon  und  Tyrus  auf  das  bedenklichste  zusammen- 
schrumpften und    selbst   der   Pilgerverkehr   zurückging.^)     Es   schien 


0  Mansi  XXII,  1066.     Potth.  no.  5012.     Röhricht,  Studien  6. 

2)  Im  Jahre  der  Hidschret  612  (1215/16).     Amaii  1.  c. 

')  Röhricht,  Studien  p.  61  no.  12  ff.  Blancmesnil  p.  17,  134.  Papa  d'Amico 
p.  202,  349  ff.  Es  ist  nur  genuesisches  Material,  das  vorliegt;  die  Gesellschaft  des 
Luchino  Corsali  und  Jacopo  Aspirani  tritt  besonders  hervor,  daneben  Salvagio 
Bioni. 

^)  Röhricht,  Jerusalem  733  ff.  Manfroni  367  ff.  SS.  XXXI:  Joh.  de  Tulbia 
p.  690 ;  Liber  Duelh  p.  693.     Makrizi  IX  (1902),  468  f.,  480  f. 

')  Nach  einem  Bericht  aus  Bobbio  >  500  000  besancios  valentesc,  also  gegen 
5  Mill.  Mark ;  Cipolla  im  Arch.  lomb.,  ser.  4,  I  (1904),  p.  14. 

8)  SavioU  n,  2,  431  ff.  Röhricht,  Studien  70  ff.  (no.  47—52).  Röhricht,  Jeru- 
salem 739. 

^)  Pressutti  2693  (11.  Sept.  1220). 

8)  Delaborde :  Chartes  de  Terre  Sainte  p.  125  (Bibl.  des  äcoles  fr.  d'Ath.  et  de 
Rome,  fasc.  19;  Paris  1880).  Heyd  I,  405  Anm.  3.  Röhricht,  Studien  p.  49,  no.  11. 
Gaetaner,  die  nach  Damiette  wollten,  werden  durch  widrigen  Wind  nach  Alexan- 
drien verschlagen ;  Rodenberg  I,  p.  98  no.  135.     Delaville  le  Roulx  11,  no.  1682. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Ägypten.      183 

eine  Zeitlang,  als  ob  diese  neue  christliche  Handelskolonie  am  Nil  die 
alten  syrischen  gänzlich  in  den  Schatten  stellen  würde.  Aber  dieser 
Schein  ging  nur  zu  rasch  vorüber. 

Der  verfehlte  Zug  der  Kreuzfahrer  unter  Kardinal  Pelagius  im  Hoch- 
sommer 1221  ins  Innere  führte  bald  zu  der  Kapitulation  vom  30.  August, 
in  der  man ,  ohne  Kenntnis  davon ,  daß  eine  kaiserliche  Hilfsflotte  von 
40  Schiffen  schon  in  den  Nil  eingelaufen  war,  um  das  Heer  vor  Vernichtung 
zu  retten,  gegen  Auslieferung  aller  christlichen  Gefangenen  in  Ägypten  und 
Syrien  in  die  Räumung  von  Damiette  willigte,  i)  Alles  Widerstreben  der 
schwer  enttäuschten  italienischen  Kaufleute,  unter  ihnen  besonders  der 
Venezianer,  war  vergebens  2);  nachdem  es  fast  2  Jahre  in  den  Händen  der 
Christen  gewesen,  wurde  es  den  Sarazenen  am  8.  September  1221  wieder 
überliefert;  der  ägyptische  Geier  hatte  den  kaiserlichen  Adler  vom  weißen 
Turme  Damiettes  wieder  verjagt.  3) 

132.  Auch  nach  diesem  schweren  Mißerfolge  hielten  die  Päpste  an 
den  Kreuzzugsplänen  fest,  während  der  Sultan  seine  feindliche  Gesinnung 
durch  harte  Bedrückung  der  in  Ägypten  heimischen  Christen  zeigte.  4)  Ein 
fingierter  Brief  in  dem  zuerst  im  März  1225  zu  Bologna  zur  öffentlichen 
Verlesung  gebrachten  Briefsteller  des  Boncompagnus  ^)  beleuchtet  die  Si- 
tuation: ein  Kaufmann  fordert  seine  Sozii  auf,  von  Alexandrien  heimzu- 
kehren; schon  lange  sei  er  ohne  jede  Nachricht  von  ihnen,  und  sie  wüßten 
doch  wohl,  daß  Pfeffer,  Zimt  und  alle  Arten  von  Spezereien  überhaupt  im 
Abendlande  außerordentlich  teuer  geworden  seien.  Die  Antwort  meldet  den 
Tod  eines  der  Sozii  nach  fast  einjähriger  Krankheit  in  Alexandrien,  wo  er 
auf  dem  Friedhofe  von  San  Marco  beigesetzt  worden  sei;  zwei  Jahre  seien 
es  nun  schon  her,  daß  der  Sultan  wegen  der  Belagerung  von  Damiette 
den  Christen  nicht  gestatte,  Alexandrien  zu  verlassen;  erst  jetzt  eröffne 
sich  eine  Aussicht  dazu.  Das  würde  also  spätestens  zum  Jahre  1223  passen ; 
1224  aber  sehen  wir  den  Handelsverkehr  der  Venezianer  mit  Ägypten  schon 
wieder  in  vollem  Gange.  Nur  bemühte  sich  die  venezianische  Regierung 
jetzt  eifrig,  die  Ausfuhr  verbotener  Waren  nach  Ägypten  zu  verhindern; 
die  Schiffsführer,  die  mit  solchen  Waren  an  Bord  aus  einem  venezianischen 
Hafen  auslaufen  wollten,  mußten  schwören,  keinen  ägyptischen  Hafen  zu 
berühren  und  eine  Kaution  von  1000 1.  ven.  stellen,  ß)  Als  im  Frühjahr  1224 
Tomm^sino  Centranigo  auf  seiner  Rückkehr  von  Konstantinopel,  wo  er 
Ratsherr  gewesen,  in  Parenzo  ein  mit  Holz  beladenes  Fahrzeug  sah,  schöpfte 
er  Verdacht,  daß  es  nach  Ägypten  bestimmt  sei  und  ließ  den  aus  Chioggia 
stammenden  Schiffer  mit  5  Mann  der  Besatzung  vereiden,  das  Holz  nicht 
nach  Ägypten  zu  führen'');  gerade  die  Chioggioten,  für  die  der  Holztrans- 
port  eine  besonders  wichtige  Einnahmequelle  war,  waren  zu  Übertretungen 

')  Winkelmann  I,  152  ff.     Makrizi  1.  c.  491  ff. 

*)  Heyd  I,  405.     Röhricht,  Jerusalem  754. 

')  Worte  des  Troubadours  Peirol.     Winkelmann  I,  160. 

*)  Rodenberg  I,  162  f.  no.  233 :   Brief  des  Patr.  von  Alex,  vom  Sommer  1223. 

")  Quellen  und  Erörterungen  zur  bayer.  und  deutschen  Geschichte  IX,  1 
(München  1863,  ed.  Rockinger),  p.  172  f.  Sonderbar,  daß  der  Herausgeber  die  Un- 
möglichkeit des  Datums  1215  nicht  erkannt  hat,  zumal  der  »recitatio«  in  Bologna 
die  »dacio<  in  Padua  am  31.  März  1226  gefolgt  ist. 

8)  Quelle  für  das  Folgende  ist  der  Liber  plegiorum,  der  mit  dem  November 
1223  beginnt;  die  betreffenden  Bürgschaften  setzen  mit  dem  1.  März  1224,  also  dem 
Beginn  der  Schiffahrtsperiode,  ein.     No.  68,  93,  95,  104. 

')  Lib.  pleg.  p.  49,  na.  148. 


184  Fünfzehntes  Kapitel. 

des  Verbots  besonders  geneigt,  i)  Als  der  Kreuzzug  Kaiser  Friedrichs  II. 
unmittelbar  bevorzustehen  schien,  erließ  Venedig  (spätestens  im  Dezember  1225) 
ein  verschärftes  Edikt,  das  alle  ägyptischen  Provenienzen  einer  strengen  Unter- 
suchung durch  eine  besondere  Kommission  daraufhin  unterwarf,  ob  sie  nicht 
etwa  aus  dem  Erlöse  verbotener  Waren  in  Ägypten  eingekauft  seien  2);  im 
Februar  1226  wurden  dem  Domenico  Calbo  je  2  Körbe  Pfeffer  und  Alaun 
im  Wert  von  600 — ^^650 1.  ven.  konfisziert,  da  sich  seine  Behauptung,  er  hätte 
sie  in  Venedig  vor  Erlaß  des  Edikts  gekauft,  als  unwahr  herausstellte; 
und  genau  das  Gleiche  begegnete  dem  Michele  von  Zara,  der  überführt  wurde, 
auf  dem  Schiff  Cavalera  mit  verbotener  Ladung  nach  Ägypten  gegangen 
zu  sein;  einem  anderen  Angeklagten  dagegen  wurden  die  beschlagnahmten 
2  Kantär  60  rotuli  Pfeffer  wieder  ausgeliefert,  da  er  nachweisen  konnte,  daß 
sie  ihm  von  Pietro,  dem  Schwiegersohn  des  venezianischen  Fondacajo  in 
Alexandrien,  in  Begleichung  einer  Schuld  zugesandt  worden  seien.  3)  Nicht 
bekannt  ist  uns  der  Ausgang  der  Untersuchung  gegen  eine  Anzahl  Venezianer, 
die  auf  einem  apulischen  Schiffe  '^)  Waren  aus  Alexandrien  eingeführt  hatten ; 
es  werden  unter  diesen  Waren  aufgeführt  3  Posten  Datteln  zu  40,  14  und 
10  Körben,  7  sehr  große  Elefantenzähne,  2  Pack  Brasilholz,  9  Körbe  Alaun, 
1  Korb  Gummi  arabicum,  2  Sack  Flachs  und  11  Sack  AVolle.  Auch  die 
Strafbestimmungen  gegen  Schiffe,  die  sich  der  Ausfuhr  verbotener  Waren 
nach  Ägypten  schuldig  machten,  verschärfte  man  damals  wesentlich;  die 
Schiffe  soUten  verbrannt  und  die  gesamte  Habe  auf  denselben  an  diejenigen 
verteilt  werden,  denen  ihre  Abfassung  gelang;  entkamen  sie,  so  sollten  sie 
doch  für  immer  aus  dem  Machtbereich  Venedigs  ausgeschlossen  sein;  im 
März  1226  machte  der  Doge  allen  überseeischen  Behörden  von  diesem  Dekret 
Mitteilung.  ^)  Auf  etwas  veränderter  Grundlage  schloß  dann  am  20.  Juli  1226 
die  Signorie  mit  Giuliano  Acotanto  einen  Vertrag,  wonach  er  mit  seinem 
Schiffe  S.  Savina  (36  Mann  Besatzung)  in  der  Adria  diesseits  von  Zara 
kreuzen  sollte,  um  alle  Schiffe  zu  kapern,  die,  mit  Holz  oder  anderen  ver- 
botenen Waren  beladen,  versuchen  sollten  nach  Ägypten  zu  fahren ;  auch 
leere  Schiffe  durfte  er  aufbringen,  falls  die  begründete  Vermutung  bestand, 
daß  sie  verbotene  Waren  für  Alexandrien  laden  wollten,  und  so  lange  fest- 
halten, bis  die  Wahrheit  ermittelt  war.  Der  Rumpf  der  konfiszierten  Schiffe 
sollte  dem  Staate  zufallen;  von  der  Ladung  und  Ausrüstung  der  Schiffe 
erhielt  er  1/3,  Acotanto  2/3;  Waffen,  Kleider,  Geräte,  Lebensmittel  fielen  an 
die  Mannschaft  der  Savina.  ^)  Wir  kennen  einen  Fall,  wo  Acotaifto  das 
von  ihm  aufgebrachte  Schiff  verbrennen  ließ;  im  Juli  1227  ließ  die  Signorie 
einen  der  hierdurch  Geschädigten,  Leonardo  Sambo  von  Chioggia,  einen 
besonderen  Sicherheitseid  für  Acotanto  leisten,  in  dem  er  auch  versprechen 
mußte,  andere  von  irgendwelchen  Racheakten  gegen  Acotanto  abzuhalten 
oder,    falls  ihm  das  nicht  möglich,    derartige  Pläne  rechtzeitig  zur  Kenntnis 


1)  Ib.  no.  284  (1.  Juni  1225),  363  (Febr.  1226).  Vorläufige  Beschlagnahme  ver- 
dächtiger Schiffe  nebst  Holzladung,  no.  294,  297,  298.  Minotto  IV,  p.  37  (hier  han- 
delt es  sich  um  eine  Holzbarke  von  Verona). 

*)  Die  Beschlagnahme  von  Waren  ägyptischer  Herkunft,  weil  sie  »de  calump- 
niis«  seien,  findet  sich  im  Lib  pleg.  zuerst  am  11.  Dez.  1225  (no.  338/9);  ferner  345 
(25.  Dez.),  363,  366,  460.     Ljubic  III,  396  no.  26  (irrig  zu  1224). 

3)  No.  362,  363,  354. 

*)  Lib.  pleg    no    469  ff.,  491 :  nave  di  Lombardi. 

»)  Tafel  und  Thomas  II,  261.     Romanin  II,  439. 

6)  Lib.  i^leg.  no.  405. 


Woiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Ägypten.     185 

des  Dogen  zu  bringen,  i)  Gewiß  sprechen  alle  diese  Dinge  auf  das  deutlichste 
dafür,  wie  weitverbreitet  und  festgewurzelt  gerade  bei  den  Venezianern  der 
Vertrieb  jener  verbotenen  Waren  nach  Ägypten  gewesen  sein  muß.  Ina 
Jahre  1228,  in  dem  der  Kaiser  seine  Kreuzfahrt  wirklich  antrat,  scheint 
Venedig  dann  für  einige  Zeit  den  Schiffsverkehr  mit  Ägypten  sistiert  zu 
haben;  wenigstens  wissen  wir,  daß  am  11.  August  die  Padroni  des  nach 
Syrien  gehenden  Schiffes  San  Pietro  zur  Bürgschaftstellung  veranlaßt  wurden, 
ihr  Schiff  bis  zum  nächsten  Juli  nicht  nach  Ägypten  zu  schicken  und  auch 
«inen  Verkauf  desselben  nur  mit  Genehmigung  des  dortigen  Bailo  vorzu- 
nehmen 2);  Venedig  wollte  wohl  für  den  Fall  von  Verwickelungen  seine 
Kräfte  in  Syrien  zusammenhalten. 

133.  Als  die  lange  erstrebte  Verständigung  zwischen  dem  Kaiser 
und  dem  Sultan  El-Kamil  gelungen  und  durch  den  Vertrag  vom 
18.  Februar  1229  besiegelt  war^),  war  für  den  Handel  mit  Ägypten, 
obwohl  der  Vertrag  selbst  darauf  nicht  besonders  Bezug  nahm,  eine 
neue  wertvolle  Grundlage  geschaffen;  auch  der  Papst  hielt,  als  er 
im  August  des  Jahres  die  Exkommunikation  gegen  Friedrich  II.  er- 
neuerte, die  gleiche  Strafe  nur  gegen  diejenigen  aufrecht,  die  den 
Ungläubigen  Pferde,  Waffen,  Eisen  oder  Holz  lieferten,  mit  denen  sie 
die  Christen  bekämpfen  könnten.'*) 

Fortab  blieb  der  Kaiser  nicht  nur  in  freundschaftlichem  diplo- 
matischem Verkehr  mit  den  Beherrschern  Ägyptens,  sondern  be- 
teiligte sich  auch  an  dem  Handel  mit  diesem  Lande. 

Matthäus  Paris  weiß  sogar  zu  berichten,  daß  der  Kaiser,  gestützt  auf 
sein  gutes  Verhältnis  zum  Sultan,  seine  Handelsagenten  bis  in  das  Ursprungs- 
land der  kostbaren  Spezereien,  bis  nach  Indien  geschickt  habe  —  eine 
Xachricht,  die  bezeichnend,  wenn  auch  schwerlich  annehmbar  ist.^)  Sicher 
ist,  daß  der  Kaiser  die  Erzeugnisse  seines  sizilischen  Königreichs,  nament- 
hch  Öl,  Wein,  Honig,  Käse,  auf  eigenen  Schiffen  auch  nach  Ägypten  zum 
Austausch  gegen  die  wertvollen  Waren  des  Orients  geschickt  hat ;  besonderes 
Aufsehen  erregte  bei  den  Arabern  durch  ihre  Größe  »die  halbe  Welt«,  die 
mit  300  Mann  Besatzung  im  Anfang  der  vierziger  Jahre  nach  Ägypten 
kam.  6)  Von  einer  Beteiligung  der  unmittelbaren  Untertanen  des  Kaisers 
im  sizihschen  Königreich  an  diesem  gewinnbringenden  Handel  hören  wir 
fast  nichts ;  nur  1 227  sehen  wir  einen  Kaufmann  aus  Trani  über  Waren  und 
Geldmittel,  mit  denen  er  an  einer  Handelsfahrt  nach  Ägypten  beteiügt  war, 
letzwillig  verfügen.  '^) 

134.  Jetzt  zuerst  treten  uns  auch  die  Südfranzosen  in  selb- 
ständiger Betätigung  am  ägyptischen  Handel  entgegen. 

*)  Ib.  no.  554  (zwischen  19.  Juli  und  3.  August  1227).  Schon  1225  hatte  sich 
dieser  Sambo  verdächtig  gemacht;  no.  297. 

2)  No.  637  p.  152.  Auch  no.  586  (31.  Dez.  1227;  ^  Minotto  IV.  p.  46)  scheint 
darauf  hinzudeuten. 

3)  Winkelmann  H,  110  ff.     Const.  et  acta  II  no.  120  p.  160. 
*)  Rodenberg  I  no.  399,  p.  320. 

»)  Chron.  maj.  ed.  Luard;  Rerum  Brit.  SS.  V,  217. 
8)  Aman  Dipl.  p.  XXH.     Heyd  I,  408. 

')  Forges  Davanzati:  Diss.  sulla  seconda  moglie  del  Re  Manfredi  (Neapel 
1791),  p.  XCIV  f.     Heyd  I,  419. 


186  Fünfzehntes  Kapitel. 

Wenn  Gregor  IX.  am  4.  Januar  1228  dem  Bischof  von  Maguelone  ge- 
stattet ,  die  Leute  von  Montpellier ,  die  sich  wissentlich  an  verbotenem 
Handelsverkehr  beteiligt  hätten,  zu  absolvieren,  so  könnte  man  noch  zweifel- 
haft sein,  ob  darunter  auch  Handel  nach  Ägypten  zu  verstehen  sei;  unzweifel- 
haft wird  es  dadurch,  daß  König  Jayme  1231  für  Montpellier  ein  Verbot 
erließ  1),  keine  Kontrebande  nach  Ägypten  auszuführen. 

In  Marseille  zahlten  nach  dem  Statut  vom  14.  Januar  1229  fremde 
Kaufleute,  die  aus  Alexandrien  kamen,  von  aller  mitgeführten  Habe  einen 
Zoll  von  1  Denar  von  der  libra  reg.  coron.,  der  II/2  ägyptische  Byzantien 
gleichgerechnet  wurden,  an  das  Seezollamt  (tabula  maris),  außerdem  aber 
an  die  Kommune  von  Marseille  eine  neunmal  so  hohe  Abgabe  (6  den.  vom 
Byzantius  =  2^/2 ''/o)  vom  Werte  aller  Waren,  die  sie  in  Alexandrien  ge- 
kauft, oder  von  dem  Gelde  oder  anderen  Waren,  die  sie  anderwärts  dafür 
eingetauscht  hatten.  2)  Bezieht  sich  das  zunächst  nur  auf  den  Zwischen- 
handel der  Fremden,  so  wird  doch  ausdrücklich  bemerkt,  daß  Einheimische 
von  diesen  Abgaben  befreit  seien.  Und  in  der  Tat  können  wir  nachweisen, 
daß  Marseille  den  ägyptischen  Handel  schon  seit  einiger  Zeit  pflegte.  Darauf 
deutet,  daß  von  Marseille  aus  bei  Gelegenheit  des  Kinderkreuzzuges  von 
1212  ein  großer  Teil  der  unglücklichen  Geschöpfe  auf  den  Sklavenmarkt 
von  Alexandrien  verschleppt  worden  ist^);  und  im  Vertrage  vom  24.  Juü 
1219,  den  Marseille  mit  dem  Grafen  von  Ampurias  schloß,  wird  für  das 
eine  Handelsschiff,  das  der  Graf  in  Marseille  stationieren  durfte,  außer  dem 
Heiligen  Lande  ohne  Rücksicht  auf  den  damaligen  Kreuzzug  an  erster  Stelle 
Alexandrien  als  erlaubtes  Reiseziel  genannt;  indem  hinzugefügt  wird,  daß 
die  Annahme  von  Waren  usw.  genau  in  derselben  Weise  wie  bei  Marseiller 
Schiffen  erfolgen  sollte,  wird  es  völlig  unzweifelhaft,  daß  Marseille  selbst 
damals  in  regelmäßigem  Schiffsverkehr  mit  Ägypten  stand.  4)  Ist  doch  auch 
der  Befehl  des  Papstes  vom  11.  September  1220,  die  christlichen  Schiffe 
vom  Besuche  Alexandriens  abzuhalten,  ebenso  .an  den  Bischof  von  Marseille, 
wie  an  die  geistlichen  Oberhäupter  der  Seestädte  Italiens  gerichtet. ») 

Im  Frühjahr  1227  ging  das  MarseiUer  Schiff  S.  Johannes  nach  Damiette; 
wir  besitzen  einen  Kontrakt  aus  dem  April  dieses  Jahres  über  den  Ankauf 
von  Wein,  der  auf  diesem  Schiffe  transportiert  werden  sollte ;  und  im  selben 
Monat  sehen  wir  einen  Sarazenen  von  Alexandrien,  Alfaquin,  in  Marseille 
Waren  einkaufen,  die  er  nach  Ceuta  zu  exportieren  beabsichtigte.  ^)  Am 
6.  April  1235  gab  Bernardus  de  Mandolio  für  eine  Handelsreise  auf  dem 
»Falconus«  nach  Alexandrien  18  ägyptische  Goldbyzantien  in  Commenda  ■^), 
ein  geringer  Betrag,  wie  überhaupt  die  Handelsbeziehungen  der  Marseiller 
Familie  Manduel  zu  Ägypten  weit  geringere  waren  als  zu  den  anderen 
sarazenischen  Ländern  oder  zu  Syrien.  In  den  Akten  des  Marseiller  Notars 
Amalric  von  1248  können  wir  des  damaligen  Kreuzzugs  wegen  keine  auf 
Handelsreisen  nach  Ägypten  bezüglichen  Kontrakte  zu  finden  erwarten ;   um 


*)  Germain,  commerce  I,  pieces  justif.  no.  8  p.  190 ;  commune  II,  39. 

2)  Möry  et  Guindon  I,  329  und  333. 

*)  Röhricht,  Kreuzzüge  192. 

*)  Fagniez  I  no.  144,  p.  126. 

5)  Pressutti  no.  2693. 

*)  Manduel  no.  15  u.  14  bei  Blancard  I,  18  ff.  Die  drei  anderen  Beispiele,  die 
Marchand  36  A.  2  für  einen  solchen  Verkehr  sarazenischer  Kaufleute  in  Marseille 
anführt,  treffen  nicht  zu. 

')  Ib.  no.  59,  p.  84. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Ägypten.     187 

SO  bemerkenswerter  ist,  daß  zwei  derselben  auf  den  ägyptischen  Handel  der 
letztvergangenen  Zeit  Bezug  nehmen ;  am  16.  März  bescheinigen  die  Brüder 
eines  während  einer  Handelsfahrt  nach  Ägypten  verstorbenen  Marseillers 
dem  \V.  de  Conchis  den  Empfang  von  10  1.  misc,  die  von  einer  Commenda 
stammten,  die  der  Verstorbene  auf  der  Reise  dem  Guil.  de  Aquerio  anver- 
traut hatte  1),  und  am  18.  März  übergibt  W.  Melgoires  dem  Hugo  Sardus 
als  dem  Vertreter  seines  Vetters  Bertrandus,  der  ihm  seinerzeit  für  die  Handels- 
reise nach  Ägypten  200  alte  Byzantien  von  Alexandrien  anvertraut  hatte, 
die  diesem  dafür  zustehenden  Waren :  44  Stück  Sandelholz  im  Gewicht  von 
beinahe  21  Ztr.  und  36  Unzen  Moschus  mit  den  Behältern.  2) 

Darnach  wird  es  durchaus  zulässig  erscheinen,  die  Existenz  eines  Mar- 
seiller  Konsulats  in  Alexandrien,  das  die  aus  der  Mitte  der  50  er  Jahre 
stammenden  Marseiller  Statuten  erwähnen  3),  auch  schon  für  die  Zeit  vor 
dem  Kreuzzuge  Ludwigs  des  Heiügen  anzunehmen. 

Daß  auch  die  K  a  t  a  1  a  n  e  n  in  dieser  Zeit  schon  am  ägyptischen  Handel 
beteiligt  waren,  geht  aus  der  Verordnung  König  Jaymes  vom  12.  Oktober 
1227  hervor,  die  jedem  seiner  Untertanen  für  sich  oder  seine  Waren  die 
Benutzung  fremder  Schiffe  für  den  Verkehr  nach  oder  von  Syrien,  Ägypten 
und  Ceuta  untersagte,  wenn  ein  bareelonesisches  Schiff  für  seinen  Zweck 
verfügbar  war.  *) 

1.35.  Bei  dem  besonders  guten  Verhältnis,  in  dem  die  Pisaner 
zum  Kaiser  standen,  und  ihren  alten  Beziehungen  zu  Ägypten  ist  es 
natürhch,  daß  sie  nach  wie  vor  dort  gern  gesehene  Gäste  waren. 
Häufig  brachten  sie  auf  ihren  Schiffen  auch  Kaufleute  aus  den  Binnen- 
städten Toscanas  mit,  die  dann  ebenfalls  als  Pisaner  galten. 

Händler  von  San  Gimignano  z.  B.  vertrieben  hier  das  wertvollste 
Produkt  ihrer  Heimat,  den  Safran.  Einer  derselben  erklärt  im  Jahre  1245 
daheim  vor  Gericht,  in  Alexandrien  für  die  decina  Safran  zu  25  Pfund 
24  schwere  Goldbyzantien  gelöst  zu  haben;  seine  Angabe,  daß  er  an  der 
Duane  16  ^  Zoll  habe  zahlen  müssen,  wird  durch  einen  Kaufmann  von 
Poggibonzi  aus  eigener  Erfahrung  mit  der  Bemerkung  bestätigt,  daß  alle 
Kaufleute,  die  in  Alexandrien  unter  dem  pisanischen  Namen  Handel  trieben  5), 
diesen  Satz  zu  zahlen  hätten.  In  der  Tat  ist  das  die  durch  den  Vertrag  von 
1215  festgesetzte  Abgabe. 

136.  Daß  Venedig  nach  kurzer  Unterbrechung  zur  Zeit  des 
kaiserlichen  Kreuzzugs  seinen  Handel  mit  Ägypten  wieder  aufnahm, 
geht  schon  daraus  hervor,  daß  sein  Seestatut  vom  1.  Juni  1229  Lade- 
vorschriften für  die   nach   Alexandrien   bestimmten   Schiffe   enthält.^) 


*)  Amalric  no.  15  bei  Blancard  I,  268. 

^)  44  ligna  sandali  et  36  oncias  de  musco  incameratas  cum  ampollis.  Ib. 
no.  48  p.  283, 

»)  M6ry  et  Guindon  n,  205.     Fagniez  I,  p.  177. 
•     *)  Capmany  11  p.  11.     Mas  Latrie,  Traitös  p.  279.     Heyd  I,  326. 

*■)...  omnes  homines  qui  pro  Pisanis  negociantur  Alexandrie  et  Pisanos  se 
vocant  et  faciunt  vocare.  Davidsohn,  Forsch.  11  p.  295,  no.  2305.  In  einem  Ver- 
trage zweier  Kaufleute  von  San  Gimignano  vom  Juli  1244  (ib.  298  no.  2308)  wird 
unter  den  ev.  zu  wählenden  Reisezielen  auch  Alexandria  genannt.  Sienesische  und 
florent.  Geldgeber  vor  Damiette  unten  §  281  u.  286.^ 

8)  Stat.  marittimi  ed.  PredelU  im  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  IV  (1902),  p.  275  rub.  27, 


188  Fünfzehntes  Kapitel.' 

Im  Jahre  1232  war  eine  venezianische  Gesandtschaft  bei  El-Kamil^); 
und  als  dieser  1238  starb ,  schlössen  die  venezianischen  Gesandten 
Romeo  Quirini  und  Jacopo  Barocio  mit  dem  neuen  Herrscher  Adil  II. 
im  November,  zur  selben  Zeit  als  Venedig  durch  sein  Bündnis  mit 
Genua  entschieden  vom  Kaiser  abrückte,  einen  wichtigen  Vertrag.^) 
Er  zuerst  ist  in  die  Form  einzelner  Capitula  gekleidet,  die  die  von 
den  Venezianern  aufgestellten  Wünsche  und  die  Zustimmung  des 
Sultans  zu  denselben,  zuweilen  mit  Ergänzungen  oder  Beschränkun- 
gen, enthalten;  insofern  liegt  in  ihm  die  älteste  der  sog.  Kapitula- 
tionen vor. 

Zum  erstenmal  wird  hier  direkt  vom  venezianischen  Konsul  gesprochen, 
dem  die  Justiz  nicht  bloß  bei  Streitigkeiten  unter  Venezianern,  sondern 
auch  bei  solchen  zwischen  Venezianern  und  anderen  Christen  zustehen 
sollte,  während  für  ihre  Streitigkeiten  mit  Sarazenen  die  Landesgerichte  zu- 
ständig blieben.  Beschwerden  über  erlittenes  Unrecht  durfte  jeder  Venezianer 
dem  Sultan  persönlich  vortragen.  In  Nachlaßsachen  war  der  letztwilligen 
Verfügung  gemäß  zu  verfahren;  fehlte  eine  solche,  so  sollten  der  Konsul, 
oder  wo  ein  solcher  nicht  vorhanden,  die  ortsanwesenden  Venezianer  den 
Nachlaß  zur  Zustellung  an  die  Hinterbliebenen  in  Verwahrung  nehmen. 
Für  Übeltaten  venezianischer  Korsaren  an  Sarazenen  sollte  kein  anderer 
Venezianer  belangt  werden  dürfen ;  doch  versprach  der  Doge,  das  Auslaufen 
von  Korsarenschiffen  gegen  die  Sarazenen  von  Ägypten  aufs  strengste  zu 
untersagen.  Auch  das  Strandrecht  durfte  gegen  Venezianer  nicht  ange- 
wandt werden. 

Die  Verwalter  der  beiden  Fondachi  waren  von  der  Kopfsteuer  be- 
freit; sie  durften  die  Fondachi  ganz  nach  eigenem  Ermessen  öffnen  und 
schließen  (doch  war  ihr  Schluß  während  des  Freitagsgebets  Bedingung)  und 
überhaupt  innerhalb  derselben  nach  ihrem  Belieben  schalten;  auch  durften 
die  Kaufleute  in  üblicher  Weise  im  Fondaco  ihren  Wein  haben.  Notwen- 
dige Reparaturen  an  den  Gebäuden  fielen,  wie  herkömmlich,  dem  Sultan 
zur  Last.  An  der  Duane  war  den  Venezianern  ein  Schreiber  (scribanus) 
zur  Aufsicht  über  ihre  Waren  bewilligt.  Von  Käufen,  bei  denen  die  Vene- 
zianer ein  Angeld  (aras  super  merces)  gegeben,  durfte  der  Verkäufer  nicht 
mehr  zurücktreten;  Streitigkeiten  darüber  gehörten  vor  die  Landesgerichte. 
Kirche  und  Bad,  die  den  Venezianern  eingeräumt  waren,  durften  auch  nur 
von  ihnen,  nicht  von  anderen  Christen  benutzt  werden.  Auf  Ansuchen 
der  Gesandten  Leonardo  Gradonigo  und  Giovanni  Premarini  wurde  dies 
grundlegende  Privileg  im  März  1244  von  dem  Nachfolger  AdilsII.  vollinhaltlich 
bestätigt.  ^) 

137.  Auch  die  kleinen  Seeplätze  der  Adria  nahmen  am  Handels- 
verkehr mit  Ägypten  teil.  Das  geht  schon  daraus  hervor,  daß  im  Jahre 
1224  mehrere  Ragusaner  vor  dem  Dogen  in  Venedig  schwören  mußten, 
mit  ihrem  Fahrzeug  (panzono),  das  offenbar  im  Venezianischen  Holz  ge- 
laden hatte  oder  laden  sollte,  Ägypten  nicht  zu  berühren 4);  und  .  in 
den  Verträgen  Ragusas  mit  Venedig  von   1232   und   1236   wurde  der  Zoll, 

'■)  Röhricht,  Jerusalem  796. 

«)  Tafel  und  Thomas  II,  336  ff.     Mas  Latrie,  Traites,  Suppl.  p.  72  f.   • 

8)  Ib.  416  f.  und  76  f. 

")  Lib.  pleg.  no.  160. 


AVeiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Ägypten.      189 

den  die  Ragusaner  beim  Import  von  Waren  aus  Ägypten  nach  Venedig  zu 
zahlen  hatten,  auf  20%  festgesetzt,  i) 

Daß  die  Anco n itaner  den  Handel  mit  Ägypten  wie  früher  schon 
pflegten,  wird  uns  durch  das  lebhafte  Eintreten  Gregors  IX.  bei  El-Kamil 
im  Jahre  1231  zugunsten  der  Kaufleute  von  Ancona,  die  der  Sultan  in 
Alexandria  aller  Habe  hatte  berauben  und  einkerkern  lassen,  bekannt ;  doch 
sind  wir  weder  über  die  Ursache  seines  Vorgehens  noch  über  den  weiteren 
Verlauf  der  Angelegenheit  unterrichtet.  2)  Auch  am  Export  verbotener 
Waren  nach  Ägypten  beteiligten  sie  sich;  im  Jahre  1243  wurde  der  Bischof 
von  Arezzo  als  Rektor  der  Mark  Ancona  ermächtigt,  Leute  aus  diesem  Ge- 
biet, die  sich  eines  solchen  Vergehens  schuldig  gemacht,  unter  der  Bedin- 
gung zu  absolvieren,  daß  sie  das  Doppelte  ihres  Gewinns  zum  besten  des 
Heiligen  Landes  hergaben,  s) 

138.  Für  den  Verkehr  Genuas  mit  Ägypten  kennen  wir  nur 
die  Gesandtschaft  des  Henricus  de  Molazano  de  Volta  und  Paganus 
Rodulfi ,  die  zum  Abschluß  eines  Friedens  -  und  Handelsvertrages 
im  Herbst  1231  von  Genua  abging;  durch  Unwetter  zur  Überwinte- 
rung in  Bonifacio  genötigt,  kehrte  sie  erst  im  Jahre  1233  —  mit 
welchen  Ergebnissen  ist  uns  nicht  bekannt  —  nach  Genua  zurück.^) 
Im  Jahre  1245  aber  sehen  wir  Genua  Ägypten  feindlich  gegenüber- 
treten; Guilelmus  de  Mari,  der  ein  Schiff  »gegen  die  Feinde  Genuas« 
ausgerüstet  hatte,  kaperte  damit  ein  reich  mit  kostbarem  Gut  be- 
ladenes  Schiff  der  Sarazenen  von  Alexandria.  ^)  Schon  trug  sich  die 
Kirche  mit  neuen  Kreuzzugsgedanken;  das  große  Konzil  von  Lyon 
schärfte  die  Handelsverbote  gegen  die  Sarazenen  von  neuem  ein.^) 

Im  folgenden  Jahre  schon  unterhandelte  Ludwig  IX.  mit  Genua 
wegen  seines  Kreuzzuges,  und  1248  trat  er  mit  Schiffen,  die  in 
Genua  und  Marseille  gemietet  waren  und  unter  genuesischer  Führung 
standen,  seine  Fahrt  an,  die  noch  einmal  die  Hoffnung  des  Abend- 
landes auf  die  Gewinnung  Ägyptens  und  damit  auch  Palästinas  er- 
weckte. Wie  im  Jahre  1219,  spielen  auch  diesmal  italienische  Geld- 
geber im  Lager  der  Kreuzfahrer  vor  Damiette  eine  wichtige  Rolle; 
neben  den  Genuesen  sehen  wir  jetzt  aber  auch  die  Toskaner,  in  erster 
Linie  die  Sienesen,  unter  denen  Rossus  Consilii  namentlich  hervor- 
tritt, in  zweiter  die  Florentiner  beteiligt.  ^)  Wirklich  kam  Damiette 
noch  einmal  in  die  Gewalt  der  Christen  (1249).  Der  König  gründete 
hier  ein  Erzbistum  und  stattete  es  reich  aus,  u.  a.  mit  dem  Zehnten 
von  allen  Handelsabgaben.  ^)  Der  Ausgang  aber  war  derselbe  wie 
30 Jahre  zuvor;   um  sein  Heer  zu  retten,  mußte  der  König  Damiette 


>)  Tafel  und  Thomas  U,  311,  332.     Ljubic  I  no.  75.     Heyd  I,  418  f. 
«)  Rodenberg  I,  362  no.  449.     Auvray  no.  699.     Heyd  I,  419. 
»^  Berger  no.  73  (26.  Aug.  1243). 
*)  Ann.  Jan.,  SS.  XVin,  177,  181. 
6)  Ib.  218. 

«)  Mansi  XXin,  631. 

')  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in:  Jahrb.  f  Nat.-Ök.  70,  619  f.,  733  1   Blanc- 
mesnil  135  f.,  141,  213,  453.     Papa  d'Amico  347  ff. 
8)  Baluzius  Miscell.  1.  IV,  491  ff. 


190  Sechzehntes  Kapitel. 

übergeben  und  sich  nach  Syrien  zurückziehen  (1250).  Damit  war 
auch  das  letzte  große  Unternehmen  der  Christen  gegen  Ägypten  ge- 
scheitert; zu  gleicher  Zeit  ging  unter  Wirren  die  Dynastie  der  Eju- 
biden,  die  sich  im  ganzen  den  Christen  noch  wohlgesinnt  genug  ge- 
zeigt hatte,  zu  Ende,  und  die  Herrschaft  der  Mameluken-Sultane 
begann. 


Sechzehntes  Kapitel. 

Weiterentwickelung  des  Handels  der  Mittelmeer- 
ßomanen  mit  dem  Königreicli  Jerusalem. 

139.  Der  mit  gewaltigen  Mitteln  unternommene  dritte  Kreuzzug 
hatte  das  Königreich  Jerusalem  doch  nur  in  sehr  bescheidenem  Um- 
fange wiederherzustellen  vermocht.  Auf  einen  schmalen  Küstensaum 
beschränkt,  war  Accon  seine  Hauptstadt  geworden  und  blieb  auch, 
als  Jerusalem  noch  einmal  vorübergehend  (1229 — 1244)  in  die  Hand 
der  Christen  gelangte,  Residenz  des  Königs  oder  seines  Statthalters 
sowie  der  Großmeister  der  geistlichen  Ritterorden.  Mit  einem  vor- 
trefflichen Hafen  ausgestattet,  Mittelpunkt  des  gesamten  ausgedehnten 
Pilgerverkehrs,  von  einer  buntgemischten  Bevölkerung  bewohnt,  an 
der  die  zweifelhaften  Elemente,  wie  so  oft  in  Kolonien,  einen  be- 
trächtlichen Anteil  hatten,  strebte  die  Stadt  im  Widerspruch  selbst 
mit  Kaiser  und  Papst  nach  kommunaler  Selbständigkeit^);  die  führende 
Oberschicht  der  Bürgerschaft,  größtenteils  von  französischen  Kolo- 
nisten abstammend  und  aus  diesen  sich  ergänzend^),  gelangte  durch 
ihre  Beteiligung  am  Handel  zu  hohem  Wohlstande. 

Denn  auf  dem  Handel  beruhte  doch  vor  allem  die  Bedeutung 
dieser  romanischen  Stadt  im  Orient;  alle  anderen  Seeplätze  über- 
flügelnd, war  sie  auch  die  kommerzielle  Hauptstadt  von  Syrien.  ^)  Je 
mehr  Schwierigkeiten  dem  Handel  der  Romanen  mit  Ägypten  er- 
wuchsen, desto  mehr  wurde  Accon  der  Platz,  an  dem  sich  das  Abend- 
land auch  zu  einem  großen  Teile  mit  den  Waren  des  fernen  Orients 


')  Über  Accon:  Eey  E.  G.  Etüde  sur  la  topogr.  de  la  ville  d'Acre  au  XTTTe 
siecle  in :  M6m.  de  la  Soc.  des  antiquaires  de  France,  s.  4,  t.  9  (Paris  1878).  v.  Löher : 
Kaiser  Friedrichs  Kampf  um  Cypern  (Abh.  der  bayer.  Akad.  d.  Wiss.,  Kl.  3,  XIV2; 
München  1878),  41  ff.  Heyd  I,  317  f.  Winkelmann  H,  134  A.  2,  387,  389.  Am  21.  Fe- 
bruar 1236  macht  Gregor  IX.  den  Vermittelungsvorschlag,  daß  die  Bürger  Accons 
ihre  »communiam«  auflösen,  die  seit  Entstehung  des  Streits  eingesetzten  consules 
et  capitaneos  absetzen  und  die  zur  Einberufung  der  Bürgerversammlungen  dienende 
campana  beseitigen  sollten.     Rodenberg  I  p.  571.     Auvray  2968  ff. 

*)  Unter  den  7  Jurati  curie  Acconensis,  die  dem  königl.  vicecomes  zur  Seite 
standen,  waren  im  April  1232  zwei  de  Conchis,  Bernard  und  Kaimund,  und  Andr. 
de  Vienna.  Delaville  le  Roulx  II,  435  no.  2015.  Brief  Honorius'  in.  an  die  Ge- 
mahlin Ludwigs  VIII.  von  Frankreich  (Rayn.,  ann.  eccl.  I,  536  vom  20.  Mai  1224) : 
ibi  no\äter  quasi  nova  Francia  est  creata. 

3)  Heydl,  168  ff.     Prutz,  Kulturgesch.  360,  559. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.      191 

versorgte.^)  Demgemäß  hatten  auch  die  Generalkonsulate  der  drei 
großen  italienischen  Handelsnationen  hier  ihren  Sitz  erhalten;  ihr 
bloßes  Bestehen  kennzeichnete  den  gewaltigen  Einfluß,  den  die  see- 
mächtigen Städte,  die  sie  vertraten,  durch  ihren  Handel,  ihre  Nieder- 
lassungen, ihre  Flotte  an  der  syrischen  Küste  übten.  Je  umstrittener 
die  Zentralgewalt  des  kleinen  Staates  war,  je  schwächer  sie  sich  geist- 
lichen und  weltlichen  Großen  gegenüber  bewies,  um  so  bedeutender 
mußte  die  Machtstellung  der  in  ihren  Quartieren  einer  fast  voll- 
ständigen Selbstverwaltung  sich  erfreuenden  und  der  Finanz-  und 
Gerichtshoheit  des  Staates  gegenüber  die  größten  Vorrechte  genießen- 
den Genuesen,  Pisaner  und  Venezianer  erscheinen.  Sie  wäre  noch 
weit  bedeutender  gewesen,  wenn  sie  nicht  Handelseifersucht  und 
Neid  untereinander  oft  genug  verfeindet  hätte,  wenn  sie  nicht  in  die 
Konflikte,  die  aus  den  innerhalb  des  Landes  bestehenden  Gegensätzen 
und  den  großen  Gegensätzen  der  Zeit  entsprangen,  hineingezogen 
Avorden  wären. 

140.  Nur  einige  Hauptmomente  aus  der  Geschichte  dieser  Handels- 
kolonien in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  können  hier  hervor- 
gehoben werden.  Gleich  zu  Anfang  drohte  sich  der  heiße  Kampf,  der  in 
der  Heimat  zwischen  Genua  und  Pisa  entbrannt  war  und  sich  mit  Unter- 
brechungen bis  zum  Jahre  1217  hinzog,  nach  Syrien  zu  verpflanzen;  doch 
gelang  es  den  eifrigen  Bemühungen  des  päpstlichen  Gesandten,  des  Kardinal- 
legaten Peter  von  S.  Marcello,  im  Jahre  1203  unter  den  Kolonisten  Frieden 
zu  stiften.  2)  Ja,  die  Kolonien  der  drei  großen  Seemächte  in  Accon  trafen 
sogar  eine  von  -jedem  Kolonialvorstand  bei  Antritt  seines  Amts  zu  be- 
schwörende Vereinbarung 3) ,  wonach  jede  Differenz,  die  zwischen  zweien 
unter  ihnen  entstand,  binnen  8  Tagen  durch  Schiedsspruch  des  Vorstandes 
der  dritten  zu  schlichten  war;  die  Entscheidung  sollte  für  die  streitenden 
Parteien  unbedingt  bindend  sein.  Im  Jahre  1212  wurde  ein  über  das  Rechts- 
verhältnis einer  Pisanerin,  die  seit  langer  Zeit  ein  Haus  im  genuesischen 
Quartier  gemietet  hatte,  entstandener  Streit  auf  solche  Weise,  unter  Zu- 
ziehung des  Patriarchen  und  des  Bischofs  von  Accon,  glücklich  beigelegt  4); 
10  Jahre  später  aber  versagte  die  Konvention.  Im  Frühjahr  1222  kam  es 
im  Zusammenhang  mit  den  festen  Türmen,  die  beide  Kolonialgemeinden 
in  Accon  besaßen,  zu  einem  blutigen  Zusammenstoße  zwischen  Pisanern 
und  Genuesen.  Die  Pisaner  waren  nach  dem  uns  allein  vorliegenden  Bericht 
des  genuesischen  Annalisten  zuerst  im  Nachteil  ^) ;  da  legten  sie  Feuer  an, 
so  daß  ein  beträchtlicher  Teil  der  Stadt  und  der  prächtige,  hohe  Turm  der 
Genuesen  verbrannte,  und  überfielen,  vom  Könige  unterstützt,  die  mit  den 
Rettungsarbeiten  beschäftigten  Genuesen,  die  große  Verluste  erlitten.    Nun  ver- 


*)  Über  die  hier  wie  in  Tripolis  übliche  Prägung  von  Gold-  und  Silbermünzen 
mit  arabischen  Umschriften  s.  Schlumberger  G. :  Numismatique  de  l'Orient  latin 
(Paris  1878),  p.  131  ff.     Goldschmidt  98,  A.  12. 

2)  Heyd  I,  343. 

*)  Ob  auch  diese  aus  den  Urkunden  von  1222  zu  erschließende  Vereinbarung 
noch  auf  die  Tätigkeit  des  Kardinallegaten  zurückgeht,  ist  freilich  nicht  sicher;  doch 
scheint  mir  (üe  Wahrscheinlichkeit  dafür  zu  sprechen. 

*)  Müller  p.  439. 

»)  Ann.  genov.  U,  182  ff.     Heyd  I,  343. 


192  Sechzehntes  Kapitel. 

mitteile  der  damals  in  Accon  anwesende  Kardinal  Pelagius  i),  um  Schlimmeres, 
womöglich  die  Zerstörung  von  ganz  Accon  zu  verhüten;  er  ließ  sich  die 
Türme  überliefern,  je  100  der  angesehensten  Pisaner  und  Genuesen  einen 
Sicherheitseid  leisten  und  brachte  den  anfänglich  stark  widerstrebenden 
Bailo  der  Venezianer,  Filippo  Cornaro,  schließlich  dahin,  jener  Konvention 
gemäß  das  Schiedsrichteramt  zu  übernehmen  (10.  Juni).  Die  Einwendungen 
der  Pisaner,  die  Konvention  sei  mit  dem  Ausbruch  des  oifenen  Kampfes 
erloschen,  der  genuesische  Konsul  Ugo  Cancellarius  habe  bei  Antritt  seines 
Amts  den  durch  die  Konvention  geforderten  Eid  nicht  geleistet  und  der 
Bailo  der  Venezianer  entbehre  der  bei  einer  so  schwierigen  Sache  notwendigen 
juristischen  Vorbildung,  wies  der  Legat  im  Einverständnis  mit  dem  Patri- 
archen und  den  Bischöfen  zurück  und  gebot  dem  Bailo  (13.  Juni) ,  zur 
Fällung  des  Spruchs  zu  schreiten.  Dieser  erbat  sich  wiederholentlich  Auf- 
schub; am  17.  Dezember  endlich  ist  die  Pubükation  des  Spruchs,  dessen 
Inhalt  uns  nicht  bekannt  ist,  erfolgt. 

141.  Mittlerweile  hatte  Genua  schon  sich  selbst  zu  helfen  gesucht. 
Als  die  im  Sommer  1222  heimkehrende  Schiifskarawane  die  Kunde  von 
den  Vorgängen  in  Accon  nach  Genua  brachte,  beschloß  man,  wohl  wegen 
der  Parteinahme  des  Königs  und  weil  man  sich  doch  nicht  stark  genug 
fühlte,  daß  die  nächste  Karawane  nicht  Accon,  sondern  Beirut  anlaufen 
und  dort  überwintern  sollte,  falls  nicht  Ersatz  für  die  den  Genuesen  zuge- 
fügten Schäden  geleistet  und  von  jeder  Beschränkung  in  bezug  auf  die 
Höhe  ihres  neu  zu  erbauenden  Turmes  abgesehen  würde.  Schon  im 
November  1221  hatte  der  Herr  von  Beirut,  Johann  von  Ibelin,  den  Genuesen 
seine  Stadt  dadurch  zu  empfehlen  gesucht,  daß  er  ihnen  das  Recht,  einen 
Konsul  daselbst  zu  halten  und  eigenes  Gericht  verlieh,  ihnen  mehrere  Häuser 
schenkte  und  ihnen  erlaubte,  jeden  Donnerstag  das  Bad  vor  seinem  Schlosse 
zu  benutzen.  Nun  fügte  er  noch  Abgabenfreiheit  hinzu,  nahm  die  Karawane 
auf  das  beste  auf  und  bestätigte  ihr  vor  ihrer  Wiederabfahrt  im  Mai  1223 
nochmals  alle  Verleihungen.  2)  Gewiß  fügten  die  Genuesen  durch  dies  Ver- 
halten dem  Handel  Accons  Schaden  zu;  aber  auch  sie  selbst  müssen  bald 
empfunden  haben,  daß  es  nicht  so  leicht  sei,  einem  blühenden  Handel  mit 
einem  Mal  andere  Bahnen  vorzuschreiben,  und  so  kam  ihnen  die  Vermittelung 
Friedrichs  H.  offenbar  ganz  erwünscht.  In  einem  Schreiben  vom  28.  März  1224 
empfahl  der  Kaiser  der  Bevölkerung  von  Accon,  die  Kaufleute  von  Genua, 
die  auf  seine  Veranlassung  den  Handelsverkehr  nach  Accon  wieder  auf- 
nehmen wollten,  gut  zu  behandeln  und  gegen  Belästigungen  und  Anfein- 
dungen zu  schützen  3);  ihre  Abwesenheit  von  Accon  hat  also  nur  2  Schiff- 
fahrtsperioden gedauert.  Vielleicht  steht  es  mit  diesen  Vorgängen  in  einem  ge- 
wissen Zusammenhange,  wenn  am  24.  Februar  1225  in  Genua  vor  ver- 
sammeltem Volke  den  Kolonialvorstehern  in  Syrien  vom  Podestä  in  feier- 
licher Form  auf  das  strengste  untersagt  wurde,  irgend  etwas  von  den 
Besitzungen  oder  Rechten  Genuas  in  Accon  und  Tyrus,  unter  welcher  Form 
auch  immer,  zu  veräußern.  4) 

Auch  die  Venezianer  hatte  der  Herr  von  Beirut  nach  seiner  Stadt  zu 
ziehen   versucht,    ihnen    im  Dezember  1221   die   gleiche   Stellung   wie    dei 


')  Bigoni  G. :  Quattro  documenti  genovesi  im  Arch.  it.,  s.  5,  XXIV  (1899),  58| 
Röhricht  Reg.  p.  253  f, 

«)  Lib.  Jur,  I  no.  569  u.  585,  p.  665  f.,  687  f. 
3)  Winkelmann  Acta  I,  241, 
*)  Lib.  Jur,  I  no,  617. 


Weiterent^-ickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.     193 

Genuesen  eingeräumt  und  dies  Privileg  im  Juni  1222  bestätigt.  Doch  blieben 
die  Venezianer  mit  ihrem  Bailo  in  Accon,  wenn  sie  auch  dem  Verkehr  mit 
Beirut  erhöhte  Aufmerksamkeit  widmeten.  Im  August  1224  fuhren  drei 
venezianische  Schiffe  nach  Tripolis  und  Beirut;  sie  hatten  auch  die  Kon- 
suln für  diese  Orte  an  Bord^);  es  ist  interessant,  daß  wir  erfahren,  daß 
das  Gehalt  dieser  Konsuln  mit  je  30  saraz.  Byz.  bis  zur  Ankunft  der 
nächsten  Flottille  (muda)  von  den  Reedern  und  Kaufleuten  dieser  Schiffe  zu 
bestreiten  war.  Die  Venezianer  hatten  also  einen  regelmäßigen  Schiffs- 
verkehr nach  diesen  Orten  eingerichtet,  der  allerdings  nur  dem  Bedürfnis 
entsprechend  von  einer  verhältnismäßig  geringen  Anzahl  von  Schiffen  unter- 
halten wurde. 

142.  Die  Kreuzfahrt  des  Kaisers  zeigte  die  Venezianer  zweideutig,  die 
Genuesen  lau  und  nur  die  Pisaner  als  entschiedene  Anhänger  des  Kaisers, 
Zwar  hatte  sein  im  JuH  1227  nach  Syrien  vorausgesandter  Statthalter  Thomas 
von  Acerra  den  Versuch  gemacht,  die  Freiheiten  der  Pisaner  dadurch  zu 
beschränken,  daß  er  sie  vor  den  Spezialgerichtshof  des  Zollamts  in  Accon 
(curia  catenae)  zog;  aber  der  Kaiser  desavouierte  dies  Vorgehen  und  ge- 
währte nach  seiner  Rückkehr  von  Jerusalem  im  April  1229  den  drei  Konsuln 
der  pisanischen  Kolonie  von  Accon  eine  Reihe  besonderer  Zugeständnisse. 
Ihre  Abgabenfreiheit  von  Accon  sollte  sich  auch  (was  die  Statthalter  offen- 
bar bestritten)  auf  die  Ein-  und  Ausfuhr  von  Pferden  2)  und  anderen  Reit- 
tieren erstrecken;  sein  Statthalter  sollte  nicht  berechtigt  sein,  den  Pisanern 
gegenüber  irgend  ein  Sonderverbot  zu  erlassen ;  in  Tyrus  und  Joppe  sollten 
seine  Vertreter  (bajuli)  ihre  Besitzungen  und  Rechte  auf  das  nachdrück- 
lichste zu  schützen  verpflichtet  sein.  Für  das  neugewonnene  Jerusalem  aber 
erhielten  sie  eigenes  Gericht  und  vollständige  Befreiung  von  allen  Handels- 
abgaben. 3)  In  den  nächsten  Jahren  können  wir  auch  einmal  einen  Pisaner 
Petrus  in  Jerusalem  nachweisen;  seine  Frau,  die  Tochter  eines  reichen 
Leinenkaufmanns  (linarii)  daselbst,  schenkte  im  Jahre  1235  den  Hospita- 
litern  einige  Grundstücke.  4) 

143.  Zwischen  den  Genuesen  und  der  kaiserlichen  Gewalt  kam  es 
bald  nach  dem  Kreuzzuge  zum  offenen  Konflikt.  Im  Februar  1231  wollte 
der  kaiserliche  Statthalter  Baliam,  einem  Befehl  des  Kaisers  gemäß,  ihre 
Befreiung  vom  Hafenzoll  in  Accon  (drictus  catenae  seil,  decenum)  nicht 
länger  anerkennen,  vermochte  aber  ihrem  entschiedenen  Widerstände  gegen- 
über seinen  Willen  nicht  durchzusetzen.  0)  Im  folgenden  Jahre  schickten 
die  Genuesen  dann  auf  das  Gerücht  hin,  daß  der  Kaiser  die  Gefangen- 
setzung aller  ihrer  Landsleute  auch  in  Syrien  (wie  es  für  das  sizilische 
Königreich  tatsächlich  geschehen  war),  befohlen  habe,  eine  starke  Flotte 
nach  Accon,  mit  der  sie  das  Meer  um  so  leichter  beherrschten,  als  Accon 
sich  gegen  den  Kaiser  erhoben  und  der  Marschall  nach  seinem  Siege  über 
Johann  von  Ibelin  bei  Casal  Imbert  (3.  Mai  1232)  nur  sechs  Wochen  später 


1)  Tafel  und  Thomas  II,  231  ff.  Lib.  pleg.  no.  169  (Dekret  des  Dogen  mit 
großem  und  kleinem  Rat  vom  31.  Juli  1224). 

^)  Auch  von  den  Venezianern  forderte  schon  König  Johann  Abgaben  bei  der 
Einfuhr  von  Pferden  und  Sklaven  in  Accon.  Denkschrift  Zorzis  von  1244  bei  Tafel 
und  Thomas  n,  398. 

3)  Müller  96,  97  f.,  95.  Röhricht  Reg.  no.  1005  ff.  Vgl.  Heyd  I,  340.  Völlig 
mißverstanden  ist  die  Bedeutung  cüeser  Privilegien  von  Chone  43. 

*)  Delaville  le  Roulx  II,  494  no.  2127. 

»)  Ann.  Jan.,  SS.  XVm,  176.     Winkelmann  U,  383  f. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  13 


X94  Sechzehntes  Kapitel. 

(15.  Juni)  eine  völlige  Niederlage  bei  Agridi  auf  Cypern  erlitten  hatte,  i) 
Am  24.  Oktober  1233  schlössen  die  Genuesen  mit  Johann  von  Ibelin  und 
den  kaiserfeindlichen  Baronen  ein  förmliches  Bündnis;  sie  ließen  sich  von 
ihnen  versprechen,  in  den  nächsten  fünf  Jahren  ohne  Einwilligung  Genuas 
keinen  Bund  mit  den  Pisanern  einzugehen  und  erlangten  Bestätigung  ihrer 
Privilegien  für  Beirut  und  etwas  später  Ausdehnung  derselben  auch  auf  Chaifa.  2) 

Im  November  1238  gesellte  sich  auch  Venedig,  das  sich  mit  Genua 
verbündet  hatte,  den  ofienen  Feinden  des  Kaisers  zu.  Im  Jahre  1240  hatte 
der  kaiserliche  Admiral  den  Plan,  von  den  sizilischen  Gewässern  aus  die 
von  Syrien  her  erwarteten  Schiffskarawanen  der  beiden  Seestädte  abzufangen, 
und  die  Venezianer  verbrannten  ein  aus  Syrien  kommendes  kaiserliches 
Schiff,  das  an  der  apulischen  Küste  in  ihre  Hände  fiel.  ^)  Ihrer  Mitwirkung 
vor  allem  hatten  es  Philipp  von  Montfort  und  die  anderen  Barone  zu  ver- 
danken, daß  Tyrus,  wo  der  kaiserliche  Statthalter  seinen  Sitz  genommen 
hatte,  das  letzte  Bollwerk  der  Kaiserlichen  in  Syrien,  im  Jahre  1243  erobert 
werden  konnte.  4)  Der  venezianische  Bailo,  Marsilio  Zorzi,  hatte  selbst  An- 
teil daran;  noch  unter  dem  Eindruck  des  Sieges  verzeichnete  er  zu  Nutz 
und  Frommen  seiner  Nachfolger  im  Oktober  1243  in  einer  besonderen 
Denkschrift  alle  Besitzungen  und  Rechte,  die  den  Venezianern  in  Tyrus 
zustanden  0),  wobei  er  nicht  vergaß,  auch  der  mancherlei  Beeinträchtigungen 
zu  gedenken,  die  den  Venezianern  im  Laufe  der  Zeit  widerfahren  waren  6); 
auch  die  Barone  waren  keineswegs  geneigt,  alle  Wünsche  und  Forderungen 
der  Venezianer  zu  befriedigen.  Im  Jahre  1244  fügte  er  ein  analoges  Ver- 
zeichnis für  Accon  hinzu.  '^) 

Allen  Gegnern  zum  Trotz  haben  die  Pisaner,  auf  ihre  starke  Kolonie 
gestützt,  ihre  Machtstellung  in  Accon  in  vollem  Umfange  zu  behaupten  ge- 
wußt; der  pisanische  Generalkonsul  übte  seine  Funktionen  auch  in  den 
Jahren  1244  und  1245  genau  so  wie  sonst.  ^)  Allerdings  mußten  sie  es  über 
sich  ergehen  lassen,  daß  Innozenz  IV.  ihrer  Peterskirche  im  Jahre  1247 
ihre  Vorrechte  nahm  und  sie  zur  Kapelle  degradierte;  wie  wenig  sie  sich 
beugten,  zeigt  das  erbitterte  Schreiben  des  Papstes  aus  dem  folgenden  Jahre, 
daß  die  Pisaner  immer  noch  im  Hafen  von  Accon  und  selbst  in  den  Kirchen 
das  kaiserliche  Banner  zu  entfalten  wagten.  9)  Gerade  damals  hatte,  viel- 
leicht im  Hinblick  auf  die  bevorstehende  Kreuzfahrt  Ludwigs  IX.,  ihr 
Generalkonsul  Guido  de  S.  Cassiano  die  noch  erhaltenen,  den  Pisanern  in 
Syrien  im  Laufe  der  Zeit  verliehenen  Privilegien  sammeln  und  authentische 
Abschrift  von  ihnen  nehmen  lassen;  es  waren  32  von  1156 — 1233  reichende 
Dokumente  lO).  , 


1)  Ann.  Jan.  180.     Winkelmann  II,  389,  391,  393  ff.    Röhricht,  Jerusalem  813  ff. 

2)  Heyd  I,  341.     Lib.  Jur.  I  p.  941  Priv.  für  Chaifa  vom  Januar  1234. 
=)  Huillard-Breholles  V,  686     Baer  109.     Unten  S.  198  Anm.  2. 

*)  Heyd  I,  342. 

**)  Tafel  und  Thomas  II,  354-389. 

®)  So  hatte  König  Johann  v.  Brienne  die  Surianen  seines  Anteils  von  Tyrus 
vom  Hafenzoll  befreit,  um  dadurch  die  Surianen  des  venezianischen  Drittels  fort- 
zulocken ;  ib.  384. 

")  Ib.  389—398;  u.  a.  zählt  er  11  Häuser  auf,  die  »incantantur,  cum  est  ga- 
ravana  in  Accon.« 

8)  Akten  von  San  Gimignano  bei  Davidsohn,  Forsch.  11  no.  2307. 

9)  Rodenberg  II  p.  285  u.  400     Heyd  I,  342.     Röhricht,  Jerusalem  873. 
1")  Gedruckt  bei  Dal  Borgo  und  Müller. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.     195 

Als  König  Ludwig  schon  auf  Cypern  weilte,  am  Anfang  des  Jahres 
1249,  kam  es  in  Accon  selbst  zu  einem  heftigen  Kampfe  zwischen  den 
Genuesen  und  den  Pisanern,  die  von  den  Einwohnern  Accons  unterstützt 
wurden,  der  32  Tage  dauerte  und  nicht  zum  Vorteil  der  Genuesen  ausfiel; 
einer  ihrer  Konsuln  fand  dabei  seinen  Tod.  Mit  Mühe  brachte  Johann  von 
Ibelin  einen  dreijährigen  Waffenstillstand,  der  für  Syrien  einschließlich  der 
ägyptischen  und  armenischen  Gewässer  gelten  sollte,  zustande,  so  daß  wenig- 
stens der  Kreuzzug  dadurch  nicht  weiter  behindert  wurde,  i)  Einer  Vor- 
schrift der  Heimatstadt  gehorchend,  haben  damals  auch  die  genuesischen 
Generalkonsuhl  für  Syrien  ein  genaues  Inventar  aller  Besitzungen  und 
Rechte,  die  den  Genuesen  in  Accon  und  Tyrus  zustanden,  aufgenommen.  2) 
Diese  schriftlichen  Fixierungen  sind  bezeichnend  für  die  Wachsamkeit,  mit 
der  die  drei  maßgebenden  Kolonialmächte  Syriens  ihren  Besitzstand  hüteten, 
bezeichnend  freilich  auch  für  ihre  Rivalität,  die  wenige  Jahre  später  zum 
Ausbruch  des  großen  Kolonialkrieges  führen  sollte. 

144.  Über  die  Stärke  des  Handelsverkehrs  der  großen  italienischen 
Seestädte  mit  den  Häfen  des  Königreichs  Jerusalems  in  dieser  Zeit  fehlt 
es  uns  nur  zu  sehr  an  positiven  Angaben.  3)  Am  meisten  Anhalt  gewährt 
noch,  was  wir  gelegentlich  über  genuesische  Schiffskarawanen  erfahren.  Die 
Karawane,  die  im  Herbst  1216  nach  Syrien  abging  und  am  20.  Juni  1217 
glücklich  wieder  in  Genua  eintraf,  bestand  aus  22  Schiffen  verschiedener 
Art  (naves,  galeae  und  taridae),  wobei  zu  berücksichtigen  ist,  daß  der  offi- 
zielle Verkehr  mit  Ägypten  damals  schon  unterbrochen  war.  Von  der 
10  Jahre  zuvor  im  Juni  heimkehrenden  Handelsflotte  erfahren  wir,  daß 
sie  aus  sieben  großen  Kauffahrern  (naves),  ebensoviel  Galeeren,  von  denen 
jede  einen  Kauffahrer  begleitete,  einem  Salandrus  und  einer  Reihe  kleinerer 
Fahrzeuge  (ligna  subtilia)  bestand;  nahe  der  Heimat  wurde  sie  von  einem 
furchtbaren  Sturm  überrascht;  das  Schiff  Carrocius  und  zwei  Barken  der 
Schiffe  Papagaxius  und  Domina  scheiterten,  während  die  Galeere  der  Domina 
verschlagen  wurde,  aber  wohlbehalten  blieb.*)  Die  Abfahrtszeit  der  Kara- 
wanen hat  sich  in  dieser  Zeit  in  den  Oktober  verschoben.  Der  am  31.  Juü 
1216  in  Perugia  zum  Bischof  von  Accon  geweihte  Jakob  von  Vitry  betrat 
erst  im  Oktober  das  genuesische  Schiff,  das  ihn  mit  jener  großen  Flotte  nach 
Accon  bringen  sollte;  er  betont  geradezu s),  daß  die  Genuesen  mit  ihren 
zahlreichen  und  starken  Schiffen  gewohnt  seien,  zur  Winterszeit  (tempore 
yemali)  überzufahren,  weil  Lebensmittel  und  Wasser  in  dieser  Jahreszeit 
nicht  so  leicht  verdürben,  auch  nicht  leicht  Windstille  eintrete.  Demgemäß 
verzögerte  sich  auch  die  Rückkehr  nicht  selten  bis  in  den  Juli ;  so  geschah 

*)  Ann  de  Terre  Sainte  in  Arcli.  Gr.  lat.  11,  442.  D'Achery,  Spicilegium  III, 
627  f.     Heyd  I,  344.     Röhricht,  Jerusalem  873. 

»)  Arch.  Or.  lat.  n  p.  215—221  für  Accon  (14.  Juli  1249);  222—4  für  Tyrus 
12    Dezember  1249) ;  224  Nachtrag  für  Accon  (3.  Mai  1250). 

^)  Die  Angabe  Belgrano's:  L'interesse  del  denaro  etc.  im  Arch.  it.,  s.  3,  t.  III 
1866)  p.  117,  der  Genuese  Filippo  Mangiavacca  habe  für  eine  Handelsfahrt  nach 
Syrien  in  mehreren  Kontrakten  am  20.  und  22.  September  1227  die  Summe  von 
25352.  1.  2  sol.  10  d.  Jan.  empfangen,  ist  nicht  auf  die  Notariatsakten  selVjst,  sondern 
nur  auf  das  Foliatium  Not.  (vol.  I  c.  81 — 83)  gestützt;  bis  zum  Beweise  des  Gegenteils 
kann  ich  nur  annehmen,  daß  in  der  Zahl  (übernommen  auch  von  Goldschmidt 
p.  264  A.  100)  ein  Fehler  steckt. 

*)  Ann.  genov.  H,  144,  106  f. 

*)  Ausgabe  seines  Briefes  von  P.  Sabatier  im  Boll.  della  Soc.  Umbra  di  st. 
1).  I  (1895),  p  112.     Prutz,  Kulturgesch.  102. 

'  13* 


196  Sechzehntes  Kapitel. 

es  1241,  so  auch  12451),  wo  am  10.  Juli  erst  zwei  Segelschiffe  und  vier  Ga- 
leeren 2)  zur  Einholung  der  Karawane  von  Genua  aufbrachen;  an  der  sizüi- 
schen  Küste  trafen  sie  sie  und  geleiteten  sie  bis  Bonifacio. 

Indessen  beschränkte  sich  der  Schiffsverkehr  der  Genuesen  nach  Syrien 
keineswegs  auf  diese  Karawanen;  so  traf  Graf  Heinrich  von  Malta  im 
Dezember  1205  im  Hafen  von  Messina  zwei  aus  Syrien  heimkehrende  genue- 
sische Schiffe,  die  Lüna  und  den  Papagasius,  und  im  Dezember  1216 
scheiterte  die  auf  der  Rückfahrt  de  ultra  mare  begriffene  genuesische  »Co- 
ronata«  in  der  Nähe  von  Porto  Pisano.^) 

Genuesische  Schiffe  standen  bei  Pilgern  und  Kreuzfahrern  in  gutem 
Ruf;  Jakob  von  Vitry  äußerte  sich  1216  sehr  befriedigt  über  seine  Unter- 
kunft 4),  und  auch  die  Unterhändler  französischer  Kreuzfahrer,  zu  denen  auch 
der  Bischof  von  Soissons  gehörte,  sprachen  sich  dem  Papst  gegenüber  im 
Jahre  1206  sehr  günstig  über  die  ihnen  von  den  Genuesen  gebotenen  Be- 
quemhchkeiten  aus;  der  Papst  bestätigte  ihnen,  daß  sie  kaum  eine  bessere 
und  sicherere  Überfahrt  finden  könnten,  wenn  sie  direkt  reisen  wollten ;  zögen 
sie  es  dagegen  vor,  erst  Rom  aufzusuchen,  so  verpflichtete  er  sich,  für  sicheres 
Geleit  bis  Brindisi  Sorge  zu  tragen.  &)  Genuesische  Schiffe  beteihgten  sich 
am  Pilgertransport  auch  von  Ancona  und  Südfrankreich  aus^);  und  es  ist 
bekannt,  daß  Ludwig  IX.  für  seinen  ersten  Kreuzzug  genuesische  Schiffe  in 
großer  Zahl  gechartert  hat,  die  im  Sommer  1248  die  Ausreise  von  Aigues- 
Mortes  angetreten  haben.  '^)  Waren  doch  auch  die  Genuesen  Hugo  Lercari 
und  Jacobus  de  Levanto  seine  Admirale  auf  diesem  Zuge;  und  die  Kauf- 
leute Genuas  sind  es  gewesen,  die  dem  französischen  Könige  und  zum 
großen  Teil  auch  seinen  Baronen  die  erforderlichen  bedeutenden  Geldmittel 
während  ihrer  AbAvesenheit  von  der  Heimat  beschafft  und  die  Vermittelung 
zwischen  Frankreich  und  der  Levante  hergestellt  haben.  8) 

145.  Einen  besonders  großen  Anteil  an  den  Pilgertransporten'  hatten 
die  Venezianer,  deren  Schiffe  außer  von  Venedig  selbst  von  den  verschie- 
densten Häfen  der  Adria  aus  die  Überfahrt  besorgten;  nicht  wenige  von 
diesen  Schiffen  scheinen  für  ein  wenig  zahlungskräftiges  Pubhkum  berechnet 
gewesen    zu   sein.     Man   unterschied  zwei  regelmäßige  Überfahrtszeiten  im 


1)  SS.  XVin,  198,  218. 

*)  Ebensoviel  Schiffe  fuhren  1213  der  de  ultra  mare  et  Alexandria  heim- 
kehrenden Karawane  zu  ihrem  Schutze  entgegen ;  ann.  genov.  n,  126. 

»)  Ib.  97  u.  141. 

*)  Boll.  Umbr.  1.  c.  Er  hatte  für  sich  und  die  Seinen  5  loca,  die  V4  des  ca- 
stellum  superius  einnahmen,  gemietet,  wo  er  am  Tage,  außer  bei  Sturm,  verweilen, 
studieren  und  speisen  konnte,  ferner  eine  Kammer,  die  zugleich  als  Küche  diente, 
für  seinen  Diener,  einen  Eaum  für  seine  Pferde  und  »in  sentina  navis«  einen  Platz 
für  seinen  Wein,  Zwieback,  Fleisch  und  alles  sonst  zum  Lebensunterhalt  für  fast 
3  Monate  Nötige. 

»)  Innoc.  ni.  Epp.,  1.  IX  ep.  199. 

»)  Vertrag  mit  Ancona  1220,  mit  S.  Gilles  1232:  Lib.  Jur.  I  no.  559,  694. 

">)  Mietsvertrag  vom  10.  Oktober  1246  über  16  Schiffe :  Arch.  de  l'Orient  lat.  n, 
Doc.  p.  232.  Mietsverträge  von  1248  über  einzelne  Schiffe  bei  Belgrano  no.  15,  16, 
17,  19,  30. 

^)  Meine  Abh.  über  die  Wechselbriefe  K.  Ludwigs  in :  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  70, 
p.  603  ff.,  614,  732,  insbes.  p.  734  ff.,  748.  Die  Placentiner  waren  nicht,  wie  Heyd  I, 
319  annimmt,  als  Geldgeber  im  Orient  beteiligt;  sie  haben  nur  einen  beträchtlichen 
Teil  der  Königsbriefe  auf  dem  Geldmarkte  in  Genua  zur  Verwertung  in  Frankreich 
angekauft;  ebd.  73  (1899),  152  ff. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.     197 

Jahre,  die  März-  oder  Osterfahrt  und  die  Augustfahrt;  in  Jahren  starken 
Verkehrs  kam  noch  eine  dritte,  die  Johannis-  oder  Peter-Paulsfahrt  hinzu. 
Interessant  sind  die  Vorschriften,  die  die,  Signorie  für  diesen  Verkehr  in 
dem  Kreuzzugsjahre  1228  erlassen  hat.  Der  Pilgertransport  im  Frühjahrspassa- 
gium  wurde  für  alle  venezianischen  Schiffe  auf  Venedig  selbst  und  die 
kleineren  Häfen  bis  zum  Quarnero  und  Ancona  (exkl.)  konzentriert ;  für  das 
zweite  Passagium  Ende  Juni  war  die  Ausreise  nur  von  den  südlich  vom 
Quarnero  und  Rimini,  für  das  dritte  nur  von  den  jenseits  Zara  und  Ancona  ge- 
legenen Häfen  gestattet.  Die  am  zweiten  und  dritten  Passagium  beteiligten 
Schiffer  hatten  1/3  und  1/4  des  Passagegeldes  vor  ihrer  Abfahrt  nach  Venedig  ab- 
zuführen ;  alle  dafür  in  Betracht  kommenden  Schiffer  wurden  vor  ihrem  Aus- 
laufen aus  Venedig  auf  die  Beachtung  dieser  Bestimmungen  eidlich  verpflichtet. i) 

Auch  die  Rückreise  der  Pilger  aus  Syrien  erfolgte  in  zwei  Hauptr 
terminen,  nach  Ostern  und  im  Herbst;  als  späteste  Termine  bestimmte  die 
Signorie  im  Mai  12332)  für  die  mudua  pascae  den  8.  Mai,  für  die  mudua 
yberni^)  den  8.  Oktober,  falls  nicht  etwa  Ungunst  des  Wetters  die  Abfahrt 
verzögerte.  Vor  der  Abfahrt  hatte  sich  der  Padrone  beim  Bailo  von  Accon 
einzufinden  und  zu  schwören,  die  Pilger  an  den  vereinbarten  Ort  zu  bringen 
und  sie  und  ihre  Sachen  zu  beschützen.  Wollten  ^/^  der  Pilger  unterwegs 
an  einem  Ort  der  Romania  das  Schiff  verlassen,  so  hatte  der  Padrone  doch 
die  übrigen  Pilger  nach  dem  Bestimmungsorte  zu  fahren ;  nur  wenn  weniger 
als  1/4  zurückblieb,  wurde  er  dieser  Verpflichtung  durch  Rückzahlung  ihres 
gesamten  Passagegeldes  ledig.  ^) 

146.  Noch  im  selben  Jahre  erließ  die  Signorie  ein  anderes  Seestatut, 
das  für  uns  hauptsächlich  wegen  der  Aufzählung  der  Waren,  die  in  Syrien 
zum  Export  gelangten  s),  von  Interesse  ist.  Sie  setzte  zunächst  ein  nach 
der  offiziell  festgestellten  Tragfähigkeit  der  Schiffe  abgestuftes  Maximum  der 
in  Syrien  einzunehmenden  Ladung  fest,  das  sich  für  die  Schiffe  von  1000 
bis  200  Milliarien  Tragfähigkeit  zwischen  den  Grenzen  von  1050  und 
120  Kantär  bewegte,  und  teilte  dann  die  Waren  nach  ihrem  Verhältnis  von 
Gewicht  und  erforderUchem  Raum  in  drei  Ladeklassen  ein. 

Der  ersten  Klasse  gehörten  an:  Baumwolle,  Baumwollgarn,  Mützen- 
wolle  (lana  de  berretis),  Süßholz,  Zuckerrohr,  Spik  (spigum). 

Der  zweiten:  Pfeffer,  piper  longum,  Melegete^),  Ingwer,  Muskatnüsse, 
Gewürznelken,  Kubeben,  Reis,  Zucker  in  Hüten,  Staubzucker  in  Säcken; 
Gummilack,  Gummi  arabicum,  Myrrhen,  Aloe,  Weihrauch,  Kardamomen, 
Zitwerwurzel,   Kampfer,  Sandelholz,  Myrobalanen,    Galangawurzel,   Simonia- 


1)  Lib.  pleg.  no  586,  612,  630,  638  ff.    Ljubic  UI,  400.    Minotto  IVi  p.  47,  53. 

*)  Stat.  maritt.  im  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  IV  p.  289  rub.  5. 

^)  Anderweit  tragen  diese  Rückfahrten  auch  die  Bezeichnungen  passagium 
Maji  (Briefe  von  Damiette  von  1219  bei  Röhricht,  Studien  p.  47)  und  passadium 
S.  Crucis  (vom  14.  September;  Davidsohn,  Forsch.  II  no.  2308,  für  Rückfahrt  nach 
Pisa).     Vgl.  Prutz,  Kulturgesch.  100,  104  fE.,  520  ff. 

*)  Das  Capitulare  navium  vom  12.  März  1227  (Romanin  n,  443;  Lib.  pleg. 
no.  511)  gestattet  den  Padroni  der  Pilgerschiffe  (als  solche  wurden  diejenigen  Schiffe 
betrachtet,  bei  denen  die  Pilger  mindestens  '^/g  des  Frachtgeldes  aufbrachten),  in 
ihren  Schiffen  >camerellas«  einzurichten,  was  bei  Handelsschiffen  nicht  erlaubt  war. 

*)  Stat.  maritt.  1.  c.  p.  285  ff.  S.  dazu  den  reichhaltigen  und  lehrreichen  Zoll- 
tarif von  Accon  bei  Beugnot:  Assises  de  Jerusalem  (Rec.  Crois.,  Lois  EL),  11  (Paris 
1843),  p.  173  ff.   Heyd  I,  174  ff.    Prutz,  Kulturgesch.  349,  558.  Tafel  u.  Thomas  II,  233. 

*)  Nach  dem  Glossar  des  Herausgebers  (ebd.  V,  348  ff.)  auch  eine  Art  Pfeffer ; 
ob  identisch  mit  dem  helileth  des  Zolltarifs  von  Accon?    Beugnot  1.  c.  176. 


198  Sechzehntes  Kapitel. 

cum  (?),  Auripigment  und  Ammoniak;  ferner  Wachs;  Indigo  und  Alaun; 
Glas,  Vitriol  und  Schmirgel;  Rohseide  und  Seidenwaren  (opera  sete),  end- 
lich Bucharazeuge  (boccarani),  von  denen  300  auf  einen  Ladungskantär 
gerechnet  wurden.  Zur  dritten*  Klasse  gehörten :  Brasilholz ;  Flachs ;  Zimt, 
Kümmel,  Muskatblüte  (maci)  und  Anis;  Kamelotstoffe  (zambelloti). 

147.  Neben  den  großen  Seemächten  war  auch  das  übrige  Italien 
am  syrischen  Handel  mehr  oder  minder  beteiligt.  Für  das  sizilische 
Königreich  wirkte  schon  die  enge  politische  Verbindung,  in  die  es 
durch  Friedrich  II.  mit  dem  Königreich  Jerusalem  kam,  darauf  hin. 
In  erster  Linie  zog  der  Kaiser  selbst  Nutzen  daraus ;  wie  nach  Ägypten, 
sandte  er  seine  Handelsschiffe  auch  nach  Syrien. 

So  ging  im  Jahre  1239  die  »Aquila«  mit  Lebensmitteln  und  Wein  nach 
Accon ;  den  größten  Teil  des  Erlöses  brachte  der  Handelsbevollmächtigte  des 
Kaisers,  Gualterius  de  Fiscinolo,  in  bar  nach  Messina  zurück,  während  er 
für  den  Rest  in  Accon  Stoffe  verschiedener  Art,  wollene  Tuche,  Buchara- 
zeuge, Kamelot  und  Taft  einkaufte;  der  Kaiser  befahl  von  Sarzana  aus^), 
ihm  die  Sachen  mit  genauer  Angabe  der  Preise  zu  schicken.  Und  im 
folgenden  Jahre  geriet  ein  mit  reicher  Ladung  von  Syrien  zurückkehrendes 
kaiserliches  Handelsschiff  an  der  apulischen  Küste  bei  Brindisi  mit  den 
Venezianern  in  Kampf  und  wurde  von  ihnen  verbrannt.  2)  Sicher  drängte 
dieser  fiskalische  Handel  den  Verkehr  der  Johanniter-Niederlassungen  des 
Königreichs  mit  Syrien  zurück.  Während  Heinrich  VI.  ihnen  1194  Ab- 
gabenfreiheit für  die  Ausfuhr  nach  dem  Heiligen  Lande  nur  insoweit  gewährt 
hatte,  als  es  sich  um  von  ihnen  selbst  erzeugte  Waren  handelte,  hatte  bald 
nach  seinem  Tode  Constanze  diese  Beschränkung  aufgehoben  und  ihren 
Schiffen  auch  für  die  Pilgertransporte  von  Häfen  des  Königreichs  Abgaben- 
freiheit bewilligt  3);  im  Jahre  1201  klagte  der  Großmeister  des  Ordens  bitter 
darüber,  daß  er  infolge  der  Wirren  im  sizilischen  Königreiche  schon  seit 
einem  Jahre  der  gewohnten  Lebensmittelsendungen  entbehren  müsse.  Frie- 
drich IL  griff  dann  wieder  auf  die  früheren  Beschränkungen  zurück  ^) ;  und 
da  sich  ihm  der  Orden  in  Syrien  feindlich  gegenüberstellte,  hatte  er  um  so 
weniger  Grund,  auf  ihn  Rücksicht  zu  nehmen.  Neben  dem  Handel  der 
Regierung  hat  sich  aber  auch  der  private  Handel  einigermaßen  entwickelt. 
Darauf  weist  der  Befehl  des  Kaisers,  daß  alle  seine  Untertanen,  die  Waren 
aus  dem  Königreich  nach  Syrien  exportierten,  auf  jeder  Fahrt  pro  Schiffs- 
ladung 3  Armbrüste  auf  eigene  Kosten  zu  kaufen  und  bei  der  Heimkehr 
an  die  könighche  Kammer  abzuliefern  hätten;  obwohl  die  Portulani  be- 
richteten, daß  das  bei  vielen  Unzufriedenheit  errege  (quamvis  plures  exinde 
murmurent),  wurde  das  Gebot  um  1248  von  neuem  eingeschärft.öj  Die  Ein- 
fuhr aus  Syrien  erstreckte  sich  naturgemäß  auch  auf  die  gleichen  A\^aren, 
wie  sie  aus  Ägypten  kamen;   als  besonderer  Artikel  wird  syrische  Wolle ß), 

1)  Huillard-Breholles  V  p.  587  (16.  Dez.  1239).     Heyd  I,  342. 

2)  Rycc.  de  S.  Germano  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  153.  Chone  100.  Im  Früh- 
jahr hatte  der  Kaiser  ein  Schiff  mit  Getreide  nach  Tyrus  gesandt.     Huill.-Br.  V,  739. 

3)  Delaville  le  Roulx  I  no.  969  u.  1001.     Winkehnann,  Acta  I  p.  66. 

*)  Delaville  le  Roulx  II  no.  1131 ;  1335  u.  1798  aus  den  Jahren  1207  u.  1224. 
S.  auch  die  Mahnung  Honorius'  III.  an  die  Barone  Siziliens  und  Calabriens  bei 
Paolucci  in  den  Atti  di  Palermo  VI  (1901),  p.  42  no.  7. 

»)  Huillard-Breholles  V,  p.  720  f.  u.  804 ;  vgl.  587.  Winkelmann  acta  I,  no.  925. 

8)  Lana  Syriae  bei  Rycc.  de  S.  G.,  SS.  XIX,  369;  lana  Jerosohmitana  und 
Ultramarina  bei  Winkelmann  acta  I,  no.  790  u.  797. 


Weitereutwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.      199 

jedenfalls  mit  der  Mützenwolle  des  venezianischen  Ladestatuts  identisch,  mehr- 
fach erwähnt;  von  der  Zuckereinfuhr  suchte  der  Kaiser  sein  Land  dadurch 
unabhängig  zu  machen,  daß  er  in  der  Zuckerbereitung  erfahrene  Leute  aus 
Syrien  nach  Palermo  kommen  ließ.i)  Mit  Namen  bekannt  ist  uns  ein  Reeder 
von  Trani,  Girardus  Girardini,  der  sich  im  November  1237  rüstete,  im  nächsten 
Frühjahr  mit  seinem  Schiff  Vulcascia  nach  Accon  zu  gehen  2) ;  und  die  Kauf- 
leute von  Messina  müssen  schon  zu  Friedrichs  IL  Zeiten  einen  nicht  geringen 
Verkehr  mit  Accon  unterhalten  haben,  da  sie  von  seinem  Nachfolger  im 
Februar  1252  das  Privileg  erbaten  und  erhielten,  in  Accon  die  gleiche  Freiheit 
von  Seezöllen  genießen  zu  dürfen,  wie  sie  die  Pisaner  besaßen.  3) 

Praktische  Bedeutung  freilich  werden  wir  diesem  Privileg  so  wenig 
beimessen  dürfen,  wie  dem  analogen  vom  Juli  1245,  das  Innozenz  IV.  der 
Stadt  Anco  na  auf  ihre  Bitte  gewährte;  ihre  Kaufleute  sollten  darnach 
Handelsfreiheit  in  Accon  und  dem  Königreich  Jerusalem,  sowie  Abgaben- 
freiheit bei  der  Ausfuhr  erhalten ;  gleichzeitig  wies  der  Papst  den  Patriarchen 
von  Jerusalem  und  den  Bischof  von  Accon  an,  die  Kaufleute  von  Ancona 
gegen  Belästigungen  in  Schutz  zu  nehmen,^)  Sonst  wissen  wir  von  dem 
Verkehr  Anconas  mit  Syrien  nur,  daß  es  an  den  Pilgertransporten  nicht 
unerheblich  beteiligt  war;  Ancona  erhob  von  jedem  Pilgerschiff  statuten- 
mäßig den  Fünften  von  dem  Überfahrtsgelde  der  Pilger,  von  Schiffen  fremder 
NationaHtät  sogar  1/4.0) 

Für  den  Verkehr  des  Ancona  gegenüberliegenden  Ragusa  mit  Syrien 
haben  wir  Kenntnis  nur  aus  seinen  Verträgen  mit  Venedig  von  1232  und  1236, 
wonach  die  Ragusaner  bei  der  Einfuhr  von  Waren  syrischer  Herkunft  nach  Ve- 
nedig einen  Zoll  von  20%  in  natura  oder  vom  Wert  zu  entrichten  hatten.^) 

148.  Zu  einer  nicht  unbedeutenden  Entwickelung  ist  in  dieser  Zeit 
auch  der  Handelsverkehr  des  toskanischen  Binnenlandes  mit  dem 
Königreich  Jerusalem  gelangt.  Wie  nach  Ägypten,  kamen  seine  Kaufleute 
auf  den  Handelsschiffen  der  Pisaner,  die  in  dieser  Beziehung  weniger  eng- 
herzig verfuhren  als  es  im  allgemeinen  die  Genuesen  und  Venezianer  taten, 
auch  nach  Accon  und  gingen  hier  ihren  Geschäften  nach  oder  unternahmen 
von  hier  aus  auch  weitere  Handelsreisen,  wie  uns  das  für  das  Jahr  1224  von 
Bewohnern  der  kleinen  Stadt  San  Gimignano  bezeugt  ist.  '^)  Aussagen  in 
einem  1245  in  dieser  Stadt  verhandelten  Prozeß  verstatten  uns  einen  treff- 
lichen Einbhck  in  das  Verhältnis  dieser  Binnenstädter  zu  den  Pisanern.  ^) 
Durch  eine  Erklärung  vor  dem  pisanischen  Konsul  in  Accon  pflegten  sie 
sich  als  Pisaner  zu  bekennen,  womit  sie  natürlich  die  Hoheit  des  Konsuls 
anerkannten  und  alle  Pflichten  der  Pisaner  übernahmen,  zugleich  aber  auch 
in  alle  ihre  Rechte  eintraten,  und,  worauf  es  ihnen  natürlich  in  erster  Linie 

')  Huillard-Br^holles  V,  574. 

*)  Blancard  in  Rev.  des  soci^t^s  savantes,  ser.  7,  V  (Paris  1882),  p.  436. 

*)  Hartwig  0.  Eine  Konstitution  König  Konrads  IV. ;  in  Forsch,  zur  deutsch. 
Gesch.  XVI,  p.  636  rub.  16. 

*)  Rodenborg  U,  p.  94  no.  125.  Heyd  I,  318.  Berger  245.  Röhricht  Reg 
no.  1025  von  1224  hat  irrig  Ancona  für  Accon. 

»)  Lib.  pleg.  no.  56  für  das  Jahr  1218.     Lib.  Jur.  I  no.  559  (1220). 

«)  Ljubic  I  no.  75  u.  80.     Tafel  und  Thomas  H,  307,  328. 

^)  Davidsohn,  Forsch.  H  p.  294,  no.  2303.  Aufnahme  eines  Darlehns  in  Accon 
durch  Parente  di  Vallecchia  bei  dem  Pisaner  Salvi  1.  Mai  1220:  Volpe  399  A.  3. 
Heyd  I,  318. 

8)  Davidsohn  ib.  no.  2307. 


k 


200  Sechzehntes  Kapitel. 

ankam,  die  Zollfreiheit  der  Pisaner  mitgenossen,  i)  Irgend  ein  Zwang  zur 
Abgabe  einer  solchen  Erklärung  wurde  von  selten  der  Pisaner  nicht  geübt. 
Ausdrücklich  wird  von  den  pisanischen  Konsuln  in  Accon  bemerkt,  daß 
unter  ihrer  Autorität  stünden  alle  geborenen  und  naturalisierten  Pisaner, 
sowie  alle,  die  unter  dem  pisanischen  Namen  begriffen  würden  wie  die 
Florentiner,  Pistojesen  und  Sienesen,  sowie  die  Leute  aus  San  Gimignano 
und  dem  übrigen  Tuscien,  die  sich  sämtlich  selber  als  Pisaner  bezeichneten 
und  als  solche  bezeichnet  wurden.  2)  Demgemäß  wurde  der  seit  alter  Zeit 
bestehende  Brauch,  daß  von  dem  Nachlaß  eines  jeden  in  Syrien  oder  in 
einem  der  angrenzenden  Länder  verstorbenen  Pisaners  1/3  des  zu  Handels- 
zwecken von  dem  Verstorbenen  mitgeführten  Kapitals  durch  den  Konsul 
von  Accon  zugunsten  Pisas  eingezogen  wurde,  auch  gegenüber  diesen  pi- 
sanischen Schutzbefohlenen  in  Anwendung  gebracht.  Gewiß  hängt  die 
auffallende  Stärke,  die  die  pisanische  Kolonie  in  Accon  bewies,  zum  Teil 
damit  zusammen,  daß  sie  nicht  wenige  dieser  Schutzbefohlenen  aus  dem 
Hinterlande  in  sich  schloß.  Auch  von  Marseille  aus  sehen  wir  im  Jahre  1248 
einmal  den  Vertreter  einer  sienesischen  Handelsgesellschaft  im  syrischen 
Handel  tätig,  indem  er  einem  Marseiller  für  die  Fahrt  nach  Accon  einen 
größeren  Posten  Safran  anvertraut.  3) 

Von  den  lombardischen  Städten  erfahren  wir  ähnliches  nicht.  Wohl 
wissen  wir,  daß  Bischof  Sicard  von  Cremona  zur  Zeit  des  3.  Kreuzzuges 
für  die  Überfahrt  der  Teilnehmer  in  Cremona  selbst  eine  Büse  erbauen  ließ, 
die  nach  dem  Heiligen  Lande  abging  *) ;  aber  diese  Tatsache  erscheint  als  ein 
außergewöhnliches  Ereignis,  und  wir  haben  keinerlei  Anhalt  dafür,  daß  die 
Postädte  etwa  Handelsschiffe  nach  Syrien  entsandt  hätten. 

149.  Direkte  Handelsbeziehungen  von  großem  Umfange  haben 
sich  in  der  Zeit  nach  dem  dritten  Kreuzzuge  zwischen  Südfrank- 
reich und  Syrien  entwickelt;  von  der  früheren  kommerziellen  Bevor- 
mundung Südfrankreichs,  besonders  durch  die  Genuesen,  ist  nun  keine 
Rede  mehr.  Eine  provenpalische  Gesamtgemeinde  besteht  nicht  mehr, 
nur  ein  loser  Zusammenhang;  wohl  gab  es  in  Accon  ein  Quartier  der 
Proven^alen  (vicus  oder  ruga  Provincialium),  aber  ohne  gemeinsame 
Verwaltung^);  und  nur  ganz  ausnahmsweise  ist  es  einmal  zu  gemein- 
samem Vorgehen  zum  Zwecke  der  Erlangung  gemeinsamer  Handels- 
vorteile gekommen.^) 


')  .  .  .  quia  homines  de  Tuscia  qui  sunt  in  partibus  ultramarinis,  1  i  b  e  n  - 
t  e  r  confitentur  se  Pisanos  et  gerunt  se  pro  Pisanis,  quia  sunt  franchi  ad  catenam. 
Ein  anderer  sagt:  non  coguntur,  nisi  velint  se  confiteri  Pisanos;  ib.  p.  298. 

*)  .  .  .  presunt  omnibus  Pisanis  et  facticiis  et  Omnibus  qui  Pisano  nomine 
censentur  sicut  sunt  Florentini  etc.,  ib.  p.  297. 

2)  Amalric  no.  230. 

■*)  Ann.  Cremon.,  SS.  XXXI,  7  zu  1188 :  et  in  eodem  anno  f uit  incepta  buza, 
quae  in  sequenti  anno  fuit  completa  et  ivit  ultra  mare ;  p.  8 :  et  buza  completa  f uit 
in  Cr.  et  galea  apud  Casale  majus  1189.  Offenbar  hat  diese  in  Casalmaggiore  er- 
baute Galeere  die  Büse  begleitet.  Vgl.  auch  Sicardi  cron.,  ib.  169.  Die  Gesta 
Eicardi  erwähnen  zum  August  1189  die  Ankunft  von  über  500  naves  et  buscie,  un- 
gerechnet die  Galeeren.  SS.  XXVII,  113.  Daß  jene  Büse  ein  gewaltiges  Fahrzeug 
gewesen  (Röhricht,  Jerusalem  511),  geht  aus  den  Quellen  nicht  hervor. 

')  Mas  Latrie,  Chypre  IH,  636.     Heyd  I,  319,  334. 

8)  1236  in  bezug  auf  Cypern ;  unten  §  167. 


"Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.     201 

Die  erste  Rolle  unter  diesen  Proven9alen  spielte  in  jeder  Be- 
ziehung Marseille. 

Ein  eigenes  Quartier  in  dem  Sinne  wie  die  großen  italienischen  See- 
mächte hatte  es  auch  in  Accon  nicht;  immerhin  hatte  es  hier  eigenen  Be- 
sitz, der  innerhalb  des  Quartiers  der  Provengalen  bei  der  Demetriuskirche 
lag,  den  König  Johann  am  20.  Januar  1212  bestätigte  i),  und  ein  Fondaco 
mit  eigener  Verwaltung.  In  seinem  Bestreben,  den  Handelsverkehr  Accons 
nach  Beirut  zu  ziehen,  gewährte  der  Herr  dieser  Stadt  am  22.  September 
1223  allen  Marseillern,  die  mit  eigenen  oder  fremden  Schiffen  aus  dem 
Abendlande  oder  der  Romania  nach  Beirut  kämen,  volle  Freiheit  von 
Handelsabgaben  bei  Einfuhr  und  Verkauf  wie  beim  Einkauf  im  Bazar  (in 
fundo)  und  bei  der  Ausfuhr;  ihre  Konsuln  sollten  auch  zuständig  sein,  wenn 
ein  Angehöriger  einer  anderen  Commune  gegen  einen  Marseiller  klagte.^) 
Wenn  dies  Privileg  das  Vorhandensein  von  Konsuln  als  selbstverständlich 
voraussetzt,  so  folgt  daraus  mit  Sicherheit,  daß  auch  in  Accon  ein  Mar- 
seiller Konsulat  vorhanden  war,  wie  das  ja  auch  nach  dem  Privileg  König 
Guidos  von  1190  anzunehmen  ist  (der  Titel  Vicecomes  ist  weggefallen); 
der  erste  mit  Namen  nachzuweisende  Träger  dieses  Amts  ist  Johannes  de 
S.  Hilario  im  Jahre  1233.3)  Nach  den  etwas  nach  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts redigierten  Marseiller  Statuten  stand  der  Fundegarius  oder  Na- 
betinus,  wie  der  Verwalter  des  Fondaco  hier  auch  genannt  wurde,  unter 
Aufsicht  des  Konsuls;  niemand  sollte  Konsul  werden  dürfen,  der  für  seine 
Person  größere  Privilegien  genoß  als  die  übrigen  Marseiller.  4)  Solche  Be- 
vorzugung einzelner  muß  speziell  auf  dem  Gebiete  der  Handelsabgaben  vor- 
gekommen sein.  Denn  volle  Befreiung  von  solchen,  wie  sie  König  Guido 
1190  zugesagt  und  Amalrich  1198  bestätigt  hatte,  besaßen  die  Marseiller 
längst  nicht  mehr,  wenn  sie  überhaupt  jemals  etwas  anderes  als  ein  toter 
Buchstabe  gewesen  ist.  In  dem  Privileg  König  Johanns  von  1212  ist  mit 
keinem  Wort  davon  die  Rede,  und  der  Eventualvertrag,  den  sie  am  8.  No- 
vember 1226,  als  sie  sich  in  der  Acht  des  Reiches  befanden,  mit  dem  kaiser- 
lichen Vikar  in  der  Lombardei,  dem  Grafen  von  Savoyen  bezüglich  eines 
Privilegs  schlössen  5),  das  er  ihnen  vom  Kaiser  zugleich  mit  der  Lösung  vom 
Bann  erwirken  sollte,  zeigt  uns,  daß  ihr  Streben  darauf  gerichtet  war,  eine 
solche  Befreiung  nach  dem  Muster  der  Pisaner  und  Genuesen  erst  zu  er- 
langen. Immerhin  genossen  sie  doch  auch  in  Accon  eine  Ermäßigung  des 
Hafenzolls  ö),  und  ihr  Handelsverkehr  daselbst  ist  jedenfalls  durch  diesen  Zoll 
nicht  nennenswert  beeinträchtigt  worden.  Es  mußte  auch  ihren  Handel 
fördern,  daß  das  provengahsche  Element  in  der  handeltreibenden  Bevölke- 
rung Accons  stark  vertreten  war;   es  deutet  auf  die  bestehenden  engen  Be- 

*)  Mery  et  Guindon  I,  226  f.  (nur  Regest).     Marchand  6. 

«)  Mary  et  Guindon  I.  287  f.  Marchand  35.  Seiner  Behauptung  aber  (p.  100), 
daß  sich  der  Name  von  Beirut  häufig  (saepius)  in  den  Handelsurkunden  der  Man- 
duel  und  im  Notularium  Amalrics  finde,  muß  ich  die  andere  gegenüberstellen,  daß 
das  auch  nicht  ein  einziges  Mal  der  Fall  ist.  Größere  praktische  Bedeutung  scheint 
also  das  Privileg  für  Beirut  nicht  erlangt  zu  haben. 

»)  Delaville  le  Roulx  II  no.  2067.     Heyd  I,  334. 

*)  Möry  et  Guindon  II,  205  f.,  208  f.     Fagniez  I  p.  177,  179. 

**)  Huillard-Bräholles  H,  688.  Bei  M^ry  et  Guindon  I,  319  mit  den  bösen  Lese- 
fehlern :  franchesiam  in  toto  regno  Italie  et  spec.  in  Anchone  für  Surie  und 
Accone. 

*)  Sie  hatten  zu  zahlen  das  »jus  contingens  eos  in  rebus  et  mercimoniis  suis 
in  cathena  Acconist.     Winkelmann,  Acta  I  no.  302  p.  272  (April  1229). 


202  Sechzehntes  Kapitel. 

Ziehungen,  wenn  wir  1248  einem  Wilhelm  von  Accon,  Johann  von  Accon, 
einem  Juden  Moses  von  Accon  unter  den  im  Handel  tätigen  Bürgern  von 
Marseille  begegnen ;  auch  ein  Guiotinus  von  Accon  und  Matthäus  von  Accon 
begegnen  gleichzeitig  in  Marseille,  ohne  daß  Avir  sagen  könnten,  ob  auch 
sie  zu  den  Bürgern  der  Stadt  gehörten,  i) 

150.  Ersichtüch  zeigt  das  seit  dem  dritten  Kreuzzuge  in  mächtigem  Auf- 
schwünge begriffene  Marseille  das  durch  seinen  trefflichen  Seehafen  wesent- 
hch  unterstützte  Bestreben,  den  starken  syrisch-französischen  Verkehr  von 
Kreuzfahrern  und  Pilgern  möghchst  über  die  eigene  Stadt  zu  leiten.  Diesem 
Bestreben  entsprang  der  Vertrag  mit  Hugo  von  Ampurias  am  24.  Juli  1219  2); 
der  Graf  durfte  ein  Schiff,  das  ihm  selbst  oder  seinen  Untertanen  gehörte 
(aber  nur  eins),  im  Hafen  von  Marseille  halten,  das  in  jeder  Beziehung  den 
gleichen  Vorschriften  wie  die  Marseiller  Schiffe  selbst  unterworfen  war;  es 
sollte  in  erster  Linie  dem  Pilgertransport  nach  dem  Heiligen  Lande  dienen, 
aber  auch  sonst  zu  Handelszwecken  benutzt  werden  dürfen. 

Dieses  Bestreben  brachte  es  aber  auch  in  Konflikt  mit  den  geistlichen 
Ritterorden.  Im  Jahre  1216  war  den  Johannitern  wie  den  Templern  das 
unbeschränkte  Recht  verbrieft  worden s),  in  Marseille  und  seinem  Gebiet 
nach  Belieben  Schiffe  bauen  und  halten  zu  dürfen,  um  mit  diesen  in  Ver- 
teidigung der  Sache  der  Christenheit  nach  dem  Orient  oder  auch  nach  Spanien 
zu  fahren ;  nicht  bloß  Kreuzfahrer  und  Pilger,  auch  Kaufleute  und  ihre  Waren 
sollten  sie  auf  diesen  Schiffen  befördern  dürfen.  Da  die  Orden  außerdem 
noch  Abgabenfreiheit  besaßen,  so  wurde  ihre  Konkurrenz  den  Marseillern 
allmählich  sehr  empfindlich;  schließlich  setzten  sie  sich  über  dies  Privileg 
hinweg  und  zogen  die  Ordensschiffe  zu  allerlei  Abgaben  und  Lasten  heran, 
wie  ja  auch  die  Abgabenfreiheit  ursprünglich  nur  für  Personen  und  Waren 
gemeint  war,  die  den  Orden  selbst  zugehörten.  Beide  Orden  erhoben  nun 
in  Syrien  vor  dem  Gericht  des  Konnetable  Otto  v.  Montbeliard  Klage  gegen 
Marseille,  in  der  sie  die  Höhe  des  ihnen  zugefügten  Schadens  auf  2000  M. 
Silber  schätzten  und  vorläufige  Beschlagnahme  der  Schiffe  und  Waren  der 
Marseiller  in  Accon  verlangten.  Der  Konsul  von  Marseille  lehnte  es  ab, 
auf  die  Klage  einzugehen ;  ihm  fehle  dazu  der  Auftrag  des  Grafen  Raimund 
von  Toulouse  (des  damaligen  Stadtherrn)  und  der  Stadt;  auch  seien  die  in 
Accon  anwesenden  Marseiller  einfache  Kaufleute,  die  für  das  Geschehene 
nicht  verantwortlich  gemacht  werden  könnten.  Schließlich  schickten  der 
Graf  und  die  Stadt  zwei  Spezialgesandte  nach  Accon,  und  unter  Vermitte- 
lung  des  Herrn  von  Beirut  kam  es  am  3.  Oktober  1233  zu  folgendem  Ver- 
gleich :  Beide  Orden  dürfen  alljährlich  an  jedem  der  beiden  Passagien  von 
Marseille  aus  je  ein  eigenes  Schiff  (im  ganzen  also  vier)  unter  beliebiger 
Ausnutzung  des  Schiffsraums  nach  dem  Heiligen  Lande  senden,  doch  so, 
daß  die  Zahl  der  Pilger  auf  einem  Schiffe  1500  nicht  übersteigen  dürfe; 
Pilger  und  Kaufleute    auf    diesen   Schiffen   sind   denselben  Abgaben   unter- 


^)  Belege  im  Register  bei  Blancard  II,  537. 

2)  Layettes  I,  p.  482  f.     Fagniez  I,  p.  126  f. 

*)  Urkunde  des  Hugo  von  Baux  vom  März  1216  für  die  Johanniter  und  Be- 
stätigung durch  den  Papst  (20.  Dez.  1216),  Delaville  le  Roulx  n  no.  1464,  1519.  Be- 
stätigung des  völlig  analogen  Privilegs  für  die  Templer  durch  den  Kaiser  im  Sept. 
1216.  Winkelmann,  Acta  I  no.  139.  Schon  1178  hatten  die  Herren  von  Marseille 
im  Beisein  des  Bischofs  und  der  sechs  Konsuln  der  Stadt  den  Hospitalitern  für 
ihre  Schiffe  und  eigenen  Waren  volle  Abgabenfreiheit  in  Marseille  und  Gebiet  ge- 
währt.    Delaville  le  Roulx  I  no.  542. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.     203 

werfen,  als  wenn  sie  auf  Marseiller  Schiffen  befördert  würden.  Für  den 
Transport  von  Dingen,  die  den  Orden  selbst  gehörten,  sind  sie  berechtigt, 
auch  noch  weitere  Schiffe  zu  benutzen;  doch  dürfen  auf  diesen  Schiffen 
dann  weder  Pilger  noch  Kaufleute  oder  ihre  Waren  befördert  werden. 
Beide  Orden  versprechen,  an  der  ganzen  Küste  Süd f rankreich  s,  von  Monaco 
bis  Collioure,  keinerlei  Schiffe  zu  halten,  zu  laden  und  zu  löschen,  außer 
den  genannten  im  Hafen  von  Marseille.  Am  17.  April  1234  ratifizierte 
Marseille  im  Beisein  der  Komture  der  Hospitaliter-  und  Templerschiffe 
diesen  Vertrag  mit  der  Erklärung,  daß  als  »naves«  im  Sinne  des  Vertrages 
auch  salandri,  taridae,  kurz  alle  für  die  überseeische  Fahrt  geeigneten  Schiffe 
anzusehen  seien,  i)  Damit  war  das  Einvernehmen  zwischen  der  Stadt  und 
den  Orden  Aviederhergestellt ;  unter  den  zehn  Fällen,  in  denen  wir  in  den 
Handelsurkunden  der  Familie  Manduel  die  Benutzung  nach  Syrien  fahrender 
Schiffe  nachweisen  können,  begegnen  wir  Marseiller  Schiffen,  Templerschiffen 
und  Hospitaliterschiffen  (sie  hießen  Falco  und  Grifona)  je  dreimal;  im 
zehnten  Falle  ist  es  ein  pisanisches,  der  Paradisus.^)  Als  der  Großmeister 
des  Spitals  in  den  vierziger  Jahren  einmal  in  Zeiten  der  Not  Lebensmittel 
in  größeren  Mengen  nach  dem  Heiligen  Lande  importieren  wollte,  wandte  er 
sich  erst  an  einen  ihm  vertrauten  Ritter  Brito  in  Marseille,  damit  den 
Agenten  des  Spitals  bei  der  Beschaffung  von  Getreide  und  seiner  Verladung 
in  eigenen  oder  fremden  Schiffen  im  Hafen  von  Marseille  keine  Schwierig- 
keiten bereitet  würden.  ^) 

151.  Gelegentlich  scheute  Marseille  auch  Opfer  nicht,  wenn  es  hoffen 
konnte,  seinem  Hafen  Kreuzfahrer-  und  Pilgertransporte,  die  einen  immer 
größeren  Umfang  angenommen  hatten,  zuzuwenden ;  so  nahm  es  im  Oktober 
1237  eine  Anleihe  von  150  1.  reg.  cor.  auf,  um  die  französischen  Barone 
durch  eine  besondere  Gesandtschaft  zu  bestimmen,  mit  den  anderen  Kreuz- 
fahrern zusammen  ihre  Überfahrt  von  Marseille  aus  anzutreten,  und  in  der 
Tat  hat  Thibaut  von  Champagne,  König  von  Navarra,  im  August  1239  diesen 
Weg  genommen.  4)  Zahlreich  waren  die  Schiffe,  die  Marseille  zum  Kreuzzuge 
König  Ludwigs  gestellt  hat;  in  dem  Vertrage  vom  19.  August  1246  versprach 
Marseille,  für  den  König  mietweise  20  wohlausgerüstete  Schiffe  (naves)  von 
Johanni  1247  ab  in  Aigues-mortes  bereit  zu  halten  und  zu  ihrer  Begleitung 
bei  der  Überfahrt  selbst  zehn  Galeeren  mitzuschicken  5) ;  und  im  Jahre  1248 
selbst  sehen  wür  eine  ganze  Reihe  von  französischen  Großen  Verträge  wegen 
der  Charterung  von  Marseiller  Schiffen  für  die  Überfahrt  von  Marseille  nach 
Cypern  abschließen.  6)  Die  mächtige  Entwickelung  von  Marseille  springt 
lebhaft  in  die  Augen,  wenn  man  diese  Tatsachen  mit  der  Lage  der  Dinge 
noch  beim  dritten  Kreuzzuge  vergleicht. 


1)  Delaville  le  Roulx  H  no.  2067  u.  2079,  p.  462  f.,  469.  Röhricht,  Reg.  no.  1046, 
1052.  B.-F.-W.  13058  gehört  also  zu  1233  und  nicht  1230,  wonach  auch  Winkel- 
mann II,  293  A.  2  zu  berichtigen. 

0  Manduel  no.  22,  51,  68,  80,  87,  94,  95,  98,  101,  110. 

3)  Delaville  le  Roulx  n  no.  2322,  p.  615  f.  (zwischen  1244  und  1249).  Auf  das 
Recht  der  Templer  quod  habent  in  onerandis  navibus  in  portu  Massil.  nimmt  In- 
nozenz IV.  1247  Bezug ;  Berger  2417. 

*)  Ch.  Kohler  in :  Rev.  Or.  lat.  VII  (1900),  15  f.  no.  8.  Rycc.  de  San  Germ, 
bei  Gaudenzi,  Chron.  p.  151. 

*)  Layettes  III  no.  3537.     Jal,  Archäologie  navale  II,  383  f. 

«)  Amalric  no.  393,  549,  777,  878,  968.  Beteiligt  sind  u.  a.  Graf  Guido  von 
Forez,  Johann  von  Dreux,  Erzbischof  Gottfried  von  Tours. 


204  Sechzehntes  Kapitel. 

♦ 

Dem  PilgertransportM^esen  wandte  auch  die  Marseiller  Gesetzgebung 
ihre  Aufmerksamkeit  zu.  Fremden  Pilgerschiffen  war,  wie  aus  den  Statuten 
von  1229  hervorgeht,  die  hohe  Abgabe  von  Vs  des  gesamten  Passagegeldes 
auferlegt!)  (soweit  nicht  besondere  Verträge  bestanden);  alle  Marseiller 
Schiffe,  die  sich  zum  Pilgertransport  meldeten,  wurden  in  ein  Register  ein- 
getragen und  über  die  Reihenfolge,  in  der  sie  zum  Transport  darankamen, 
entschied  nun  das  Los.  Für  jeden  Pilger  war  ursprünglich  von  den  Schiffen 
eine  Abgabe  von  1  sol.  reg.  cor.  an  die  Comune  zu  entrichten,  doch  be- 
schloß man  1229,  von  der  Erhebung  dieser  Abgabe  nach  Erschöpfung  des 
augenbhcklich  schwebenden  Losverfahrens  abzusehen.  2)  Die  etwas  jüngeren 
Statuten  3)  haben  dann  namentlich  im  Interesse  der  Pilger  sehr  genaue  Vor- 
schriften getroffen ;  für  jedes  passagium  wurden  drei  sachverständige  In- 
spektoren ernannt,  die  eine  Gebühr  bezogen,  die  nach  dem  Maßstabe  von 
10  sol.  sterl.  auf  das  Pilgerschiff  von  1000  Personen  berechnet  wurde.  Sie 
hatten  für  jedes  Schiff  genau  festzustellen,  Avie  viel  es  an  Pilgern  oder  Pferden 
bequem  fassen  konnte  (ein  Mindestmaß  des  Raums  war  vorgeschrieben), 
hatten  die  Lebensmittel  zu  prüfen,  die  von  den  einzelnen  Unternehmern  (car- 
gatores)  an  Bord  gebracht  wurden,  und  in  jeder  Beziehung  die  Pilger  vor 
Übervorteilung  durch  Kapitäne  oder  Unternehmer  zu  schützen ;  eine  weitere 
Kontrolle  zum  Schutze  der  Pilger  wurde  durch  die  Schiffsschreiber  geübt.*) 

152.  Reichhaltig  sind  auch  die  Nachrichten,  die  wir  über  den  Mar- 
seiller Warenhandel  mit  Syrien  haben  und  um  so  wichtiger,  als  sie  uns 
auch  über  den  Export  nach  Syrien  die  besten  Aufschlüsse  gewähren.  Im 
April  und  Mai  1248  haben  nacheinander  (das  System  der  Schiffskarawanen 
begegnet  in  Marseille  so  wenig  wie  in  Pisa)  die  Ausreise  nach  Syrien  an- 
getreten das  Kauffahrteischiff  S.  Spiritus  (Kapitän  Raimundus  Sifredi),  die 
Schiffe  (naves)  SicardaS.  Spiritus,  S.  Vincentius  und  Roseta  de  S.  Dionisio, 
die  Busen  S.  Michael,  S.  Antonius  des  Petrus  Isnardus  Fulcolini  und  die 
gleichnamige  des  Bernardus  de  Nerbona.  0)  Von  diesen  kennen  wir  für  die 
Sicarda  22,  für  den  S.  Spiritus  sogar  144  Kontrakte,  die  sich  auf  58  mit- 
reisende Kaufleute  und  90  an  Land  verbleibende  Personen  verteilen. 

Unter  den  Waren,  die  auf  diesen  Schiffen  zum  Export  gelangten, 
stehen  nun  die  Erzeugnisse  der  Textilindustrie  durchaus  im  Vorder- 
grunde. Häufig  ist  nur  bemerkt,  daß  das  arbeitende  Kapital  »in  draparia« 
oder  »in  pannis«  angelegt  ist,  häufig  sind  die  Tuche  aber  auch  ihrer  Her- 
kunft und  zum  Teil  auch  ihrer  Art  nach  besonders  bezeichnet. 

Besonders  oft,  unter  den  Kontrakten  für  den  S.  Spiritus  allein  nicht 
weniger  als  15  mal,  begegnen  die  Tuche   von  Chälons,  darunter  viermal  die 


^)  Mery  et  Guindon  I  p.  331 :  de  terciaria  peregrinorum. 

»)  Ebd.  334. 

^)  Sie  liegen  uns  in  der  Revision  von  1253 — 1255  vor,  doch  ist  der  Text  ganz 
überwiegend  älter. 

*)  M^ry  et  Guindon  11,  279  ff.,  TV,  118  ff.  (das  cap.  de  scriptoribus  naviuni 
auch  bei  Fagniez  I,  191  f.).  Heyd  I,  186.  Marchand  p.  52  ff.  Ein  Erkenntnis  des 
Gerichts  von  Messina  vom  80.  Juli  1250  in  einem  Streit  zwischen  auf  der  Über- 
fahrt begriffenen  Pilgern  und  Kreuzfahrern  und  den  Reedern  des  Marseiller  Schiffs 
S.  Victor:  Layettes  III  no.  3883;  es  wird  auf  Fortsetzung  der  Fahrt  nach  Accon 
erkannt. 

')  Anstatt  den  Nachweis  im  einzelnen  zu  führen,  verweise  ich  auf  die  Re- 
gister hei  Blancard  II.  Der  S.  Spiritus  ist  auch  im  Herbst  1249  nach  Accon  ge- 
gangen; Manduel  no.  110,  111. 


Weiterent^ickelung  des  Handele  d.  Mittelmeer-Eomanen  mit  Jerusalem.     205 

grünen,  je  einmal  die  blauen  und  weißen;  auch  auf  dem  S.  Vincentius  gingen 
drei  Tuchballen,  enthaltend  18  Stück  Tuche  von  Chälons  und  drei  barracani 
(diese  leichteren  und  geringeren  Barchentstoffe  wurden,  wie  es  scheint,  zum 
Einschlagen  der  Ballen  benutzt),  nach  Accon.  i)  Es  begegnen  ferner  die  Tuche 
von  Arras  viermal  (darunter  zweimal  Stamfords,  staminae  f ortes),  die  von  Cam- 
brai  dreimal  (einmal  die  grünen)  2),  die  mit  Kermes  gefärbten  roten  Tuche 
von  Ypern  zweimal,  einmal  zusammen  mit  den  gleichartigen  Tuchen  von 
Licanusa  (?)  ^),  weiter  von  nordfranzösischen  und  flandrisclien  Tuchen  die  von 
Chartres,  die  von  S.  Quentin,  Louviers  und  Rouen^),  die  von  Lille  und  die 
braunen  (bruneti)  von  Douai.  ^)  Dazu  treten  die  Mäntel  (capae)  von  Provins 
und  die  biffae  von  Paris  (zweimal);  die  schwarzen  englischen  Stamfords 
sind  nur  mit  einem  Stück  vertreten.  Auch  die  einmal  vorkommenden 
21  Harnische  von  Poitiers  seien  im  Anschluß  hieran  erwähnt.  6)  Von  süd- 
französischen Stoffen  begegnen  die  von  Narbonne  und  Tarascon,  die  bunten 
von  Avignon  und  die  von  S.  Pons  (bei  Nizza).  '^)  Mehrfach  ist  auch  nur 
von  kermesgefärbten,  grünen,  weißen  Tuchen,  von  Sarsch  (panni  saye), 
Vingtains  und  barracans  (Barchent)  die  Rede.  ^)  Die  höchsten  in  diesem 
Tuchhandel  angelegten  Beträge  liegen  in  folgenden  Fällen  vor:  Stefanus 
Bedocius  hat  am  17.  und  27.  März  von  Petrus  de  Molinis  zwei  Commendae 
im  Gesamtbetrage  von  1405  1.  misc,  in  Tuchen  angelegt,  für  die  Handelsfahrt 
nach  Accon  erhalten;  interessant  ist,  daß  sein  Gewinn,  gewohnheitsmäßig 
sonst  auf  ^/^  fixiert,  hier  auf  einen  Anteil  von  600  1.  beschränkt  ist.  9)  Am 
31.  März  hat  der  Bankier  Bernardus  Gontardus  zwei  Commendae  im  Be- 
trage von  492  1.  reg.  cor.  und  447  1.  misc.  an  je  zwei  Tractatores  vergeben, 
die  insgesamt  in  31  Stück  roter  (mit  Kermes  gefärbter)  Tuche  von  Ypern  u.  a. 
angelegt  sind.  1°)  Und  in  einem  Schiffsmietvertrage  vom  4.  April,  in  dem  sich 
ein  Konsortium  von  sechs  Personen  dem  Schiffer  gegenüber  verpflichtet, 
binnen  acht  Tagen  400  Zentner  an  Tuchen  und  Leinwand  und  50  Zentner 
Mandeln  zum  Transport  nach  Accon  bereitzustellen,  hat  Guido  von  Tripoli 
allein  die  Anlieferung  von  200  »quintahapannorum  et  telarum«  übernommen.^) 
Leinwandstoffe  begegnen  außer  in  diesem  Falle  unter  der  Ladung  der 
genannten  Schiffe  achtmal,  je  zur  Hälfte  aus  der  Champagne  und  aus 
Deutschland;  genauer  ist  die  Herkunft  bezeichnet  zweimal  für  Reims,  je 
einmal  für  Epinal  und  Basel.  i2)  Einmal  erscheint  große  breite  Leinwand, 
je  einmal  auch  rohe  und  gebleichte  Hanfgespinste.  Dazu  tritt  in  zwei  Fällen 
Garn,  einmal  mit  der  Bezeichnung  als  burgundisches.  i^) 

')  Amalric  no.  644 ;  sonst  no.  33,  37,  174  f.  usw. 

«)  No.  176,  221,  227,  247 ;  43,  118,  275. 

3)  No.  308,  522. 

*)  No.  247,  179,  51,  90. 

6)  No.  487,  83. 

«)  No.  22;  118,  275;  207;  714. 

')  No.  33,  40,  76. 

8)  No.  284,  311;  76;  161;  43;  42;  barracani:  88,  161,  175,  179,  227.  Einmal 
auch  veteres  marini :  487. 

»)  No  29,  187. 

'0)  No.  308,  311. 

'1)  No.  374. 

'2)  Tele  de  Campanea:  42,  45,  112,  228  (de  Spinaudo);  de  Alemania:  126,  260, 
271,  326  (de  Basle). 

")  No.  186 ;  2,  207  (canabacii  crudi  u.  candidi).  Da/Ai  2  balae  canabassiorum 
in  einer  Commenda  von  1238  auf  dem  Hospitaliterschiff  Falconus,  Manduel  no.  80. 
Filum:  Amalric  no.  320;  filum  Borgondie  no.  130. 


206  Sechzehntes  Kapitel. 

Als  ein  Exportartikel  von  erheblicher  Bedeutung  erscheinen  die  Gold- 
fäden (aurum  filatum),  wie  man  sie  besonders  in  Italien  seit  alter  Zeit  her- 
zustellen verstand.  Sie  begegnen  in  12  Fällen,  davon  viermal  ohne  unterschei- 
denden Beisatz,  während  sie  in  sechs  Fällen  als  Goldfäden  von  Genua^), 
in  je  einem  als  solche  von  Lucca  und  Montpellier  bezeichnet  sind. 2)  Um 
das  beträchtlichste  Quantum  handelt  es  sich  hierbei  bei  einer  aus  »40  peciae 
bifarum  Janue  et  600  canones  auri  filati  Janue«  bestehenden  Commenda 
im  abgeschätzten  Werte  von  386  1.  Jan.,  die  der  Bankier  Bernardus  Gascus 
dem  Trenquerius  Gombaudi  für  die  Fahrt  mit  der  Sicarda  anvertraut  hat.  ^) 

Von  Artikeln  des  Kürschnergewerbes  sehen  wir  auf  diesen  Schiffen 
4  Ballen  Rauchwaren  (pelliparia) ,  1  Ballen  Filzhüte  (capellorum  feutri), 
1  Ballen  mit  38  Dutzend  Mützen  Inhalt  und  15  Dutzend  Fuchsfelle  zur 
Ausfuhr  nach  Accon  gelangen.  *) 

Unter  den  Metallen  ragt  das  Zinn,  das  jedenfalls  englischen  Ur- 
sprungs war,  hervor;  in  den  4  Fällen,  die  wir  vom  S.  Spiritus  kennen, 
bewegt  sich  das  ausgeführte  Quantum  zwischen  44  und  67  Zentnern;  ein- 
mal ist  es  als  stagnum  gitatum  bezeichnet;  50  Zentner  (davon  35  in  cloca, 
15  in  virgis)  werden  mit  126  1.  misc.  bewertet.  5)  Auf  der  Sicarda  erscheint 
es  einmal  als  Commenda  mit  Schüsseln  (conchis)  zusammen;  ein  andermal 
ist  der  hohe  Betrag  von  700 1.  melg.  in  Zinn,  Kupfer  und  Tuchen  angelegt,  ß) 
Auch  das  aus  Spanien  stammende  Quecksilber  begegnet  in  3  Fällen,  einmal 
mit  einem  Quantum  von  7  ^/2  Ztr.  '^) 

Korallen,  die  jedenfalls  an  der  provengalischen  Küste  selbst  gefischt 
waren,  treffen  wir  in  sechs  Fällen  imter  den  Artikeln  der  Ausfuhr  an;  ein- 
mal sind  57  ^/g  1.  misc.  in  einer  capsa  de  corallo  von  5  Ztr.  57  Pfd.  Gewicht 
angelegt ;  als  größtes  Quantum  erscheinen  20  Ztr.  s) 

In  beträchtlicher  Menge  gingen  auch  die  heimischen  Mandeln  nach 
Syrien ;  außer  dem  schon  erwähnten  Beispiel  (von  50  Ztr.)  begegnet  uns  ihre 
Ausfuhr  noch  in  sechs  anderen  Fällen. 9)  Dagegen  war  der  wertvolle  Safran, 
den  wir  in  neun  Fällen  auf  diesen  Schiffen  exportieren  sehen,  wohl  erst 
aus  Toscana  eingeführt,  wie  denn  in  einem  Falle  der  Commendageber  auch 
Sienese  ist  1°) ;  es  handelt  sich  hierbei  zugleich  um  das  bedeutendste  Quantum, 
um  171  Pfd.,  die  mit  einem  Commendawert  von  162  1.  9  sol.  misc.  angesetzt 
sind,  in  Accon  also  jedenfalls  noch  weit  teurer  verkauft  wurden.  Annähernd 
erscheint  auch  in  den  anderen  Verträgen  das  Pfd.  Safran  mit  einem  Preise  von 
1  1.  misc. 


1)  No.  77,  173,  523,  532,  543,  646. 

2)  No.  190:  28  1.  misc.  angelegt  in  398  scarpis  auri  filati  in  fllo  de  Luca; 
100  canones  auri  filati  de  Montepess.  no.  288. 

3)  No.  543. 

*)  No.  146,  31,  435  (statt  berrecarum  lese  ich  berretarum ;  bari-acans,  wie  Blan- 
card  im  Regest  hat,  sind  es  jedenfalls  nicht),  171. 

6)  No.  207,  226,  194,  209. 

6)  No.  485,  531. 

')  No.  228,  438,  534.  Im  Herbst  1234  können  wir  die  Ausfuhr  von  400  Ztr. 
Blei  C^^usammen  mit  60  Ztr.  Salzfleisch,  8  Stück  Stamfords  von  Arras  und  4  Stück 
Tuchen  von  Douai),  die  Bern,  de  Mandolio  in  Commenda  vergeben,  auf  einem  pisa- 
nischen  Schiffe  von  Marseille  nach  Accon  nachweisen.     Manduel  no.  51. 

«)  Amalric  no.  399,  226. 

^)  No.  528  werden  18  quintalia  incamerata  amigdalarum,  Säcke  und  Fracht 
inbegriffen,  auf  41  ^1-  1.  misc.  bewertet. 

'»)  No.  230;  ferner  35,  108,  273,  291,  320,  327,  380,  388. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Ronianen  mit  Jerusalem.     207 

Unter  den  auf  dem  S.  Spiritus  mitreisenden  Kaufleuten  ragt  einer, 
Petrus  de  Bella  Aqua,  durch  die  Zahl  der  ihm  anvertrauten  Commendae 
(13)  hervor,  die  einen  Wert  von  beinahe  1400 1.  misc.  repräsentieren.  Davon 
sind  285  1.  in  Marseiller  Münze  zu  beliebiger  Anlage  gegeben,  etwa  330  1. 
bestanden  in  848  saraz.  Goldbyzantien  von  Accon  (wohl  nachgeprägten), 
ca.  113  1.  in  Zinn,  das  Übrige  in  Tuchen.  Außerdem  hat  er  an  vier  Mit- 
reisende Seedarlehn  im  Gesamtbetrage  von  340  1.  misc.  vergeben,  die  binnen 
14  Tagen  nach  behaltener  Ankunft  des  S.  Spiritus  mit  862  saraz.  Gold- 
byzantien fällig  waren,  so  daß  sich  damit  das  ihm  zur  Verfügung  stehende 
Handelskapital  noch  weiter  erhöhte.^) 

Bezüglich  der  Einfuhr  aus  Syrien  begnüge  ich  mich,  einen  Kaufvertrag 
anzuführen,  weil  er  lehrreich  ist  für  die  Quantitäten,  die  im  Marseiller 
Handel  mit  diesen  Waren  umgesetzt  wurden.  Am  6.  Juli  1248  hat  der 
Marseiller  Kaufmann  Marinus  de  Sala  von  dem  Placentiner  Kaufmann 
Jordanus  de  Chilena ,  von  dem  wir  leider  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen 
können,  ob  er  direkter  Importeur  gewesen  ist,  folgende  Waren  für  3102  1.  melg., 
Ende  August  in  Montpellier  zahlbar,  erstanden  2) : 

1.  40  Sack     Alaun  von  Aleppo    ,     .     .     =    30  Last  (caricae)      Preis     150  1.  melg. 

2.  162      >        Staubzucker =  108     >  »  »      1620  >      > 

3.  43  coflni  Mastix =  50  Mars.  Zentner  >  350  »  » 

4.  12  Ballen  Brasilholz =  8  Last  »  320  »  » 

5.  4  capsae  de  mazaro  (Myrrhe)       .     .  =  3  Ztr.  »  75  »  j^ 

6.  5  utrei  Gewürznelken =  4     »  »  115  »  » 

7.  6      >      Muskatnüsse ^  5     »  >  125  »  » 

8.  6  Ballen  Ingwer =  4  Last              .  »  100  »  » 

9.  3        »       Barchent  (fustanorum)       .  =  120  Stück  (peciae)  »  132  >  » 

Mit  Ausnahme  des  Barchent,  den  der  Placentiner  wohl  aus  seiner 
Heimat  eingeführt  hatte  und  des  aus  der  Romania  stammenden  Mastix 
sind  die  Waren  sicher  sämtlich  aus  Syrien  importiert  s),  da  ein  Import  aus 
Ägypten  damals  der  Kreuzzugsbewegung  wegen  nicht  in  Frage  kommen  konnte. 

155.  Und  an  diesem  Marseiller  Verkehr  mit  Syrien  sind  außer 
den  Kaufleuten  von  Marseille  selbst  auch  die  eines  großen  Teiles  von 
Süd-Frankreich  überhaupt  beteiligt.  Auf  den  genannten  Schiffen  be- 
gegnen wir  mitfahrenden  Kaufleuten  aus  Figeac*)  und  Orlac,  Nar- 
bonne    und    Carcassonne,    Toulouse,    Cahors^)    und    Limoges,    Alais, 

0  No.  118  f.,  140—144,  174  f.,  194  f.,  217,  275 ;  109,  155,  166,  185. 

*)  No.  946.  Die  Aufrechnung  ergibt  XV  1.  melg.  weniger ;  an  der  Gesamt- 
summe liegt  der  Fehler  jedenfalls  nicht.  Er  würde  geheilt  sein,  wenn  in  den 
Posten  5 — 7  statt  der  V  am  Ende  X  zu  lesen  wäre. 

')  Hingewiesen  sei  noch  auf  no.  987,  wo  dem  Marseiller  Campsor  Martinus 
Gascus  in  Pfand  gegeben  werden  5  caricae  cotoni  mapuis  de  ultra  mare  (in  4  Säcken) 
und  207j  Pfd.  de  serico  torto  de  ultra  mare,  tincto  diversis  coloribus.  Ferner  auf 
das  Warenverzeichnis  im  Marseiller  Zolltarif  bei  Mery  et  Guindon  1,  342  und  346, 
in  dem  auch  Indigo  von  Bagdad  (de  Bagualdel)  erscheint,  p.  347.  Indigo  begegnet 
auch  im  Tarif  von  Saint-Gilles  (Bondurand  p.  284  ruh.  28),  wo  »de  laca  de  l'Indi« 
in  die  zwei  Positionen :  Lack  und  Indigo  zu  trennen  ist. 

*)  In  einer  Vollmachtsurkunde  vom  30.  März  1248  (no.  251)  wird  ein  Bevoll- 
mächtigter für  seine  Handlungen  in  Accon  an  den  Rat  des  Wil.  Faber  von  Figeae 
gewiesen,  von  dem  wir  wissen,  daß  er  mit  Tuchen  auf  dem  S.  Spiritus  nach  Accon 
reiste;  no  37,  213. 

'')  Aus  no.  406  geht  hervor,  daß  die  Leute  von  Cahors  außer  Warenhandel 
4  Körbe  Ingwer  und  15  Pack  Bockfelle  (boquinae)  werden  hier  genannt)  im  Heiligen 


208  Sechzehntes  Kapitel. 

Montauban  und  S.  Gilles,  während  unter  denen,  die  sich  nur  mit 
Kapital  an  diesen  Fahrten  beteiligten,  außer  Figeac,  S.  Gilles,  Car- 
cassonne  und  Limoges  auch  le  Puy,  Aix,  Nimes  und  Avignon  ver- 
treten sind.  Dabei  sind  solche  Personen  nicht  gerechnet,  die  ihren 
Namen  von  fremden  Orten  tragen,  aber,  soweit  zu  erkennen,  in 
Marseille  ansässig  geworden  waren.  Jedenfalls  erscheint  Marseille  in 
der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  und  einige  Jahrzehnte  zuvor  als  der 
wichtigste  Vermittler  des  Warenhandels  zwischen  ganz  Südfrankreich 
und  Syrien. 

156.  Nächst  Marseille  aber  war  unter  allen  südfranzösischen 
Städten  Montpellier  am  meisten  am  syrischen  Handel  beteiligt, 
allerdings  zunächst  nicht  mit  eigenen  Schiffen. 

Bezeichnend  hierfür  ist  das  Privileg,  das  Kaiser  Friedrich  IL  kurz  vor 
seiner  Rückkehr  aus  dem  Heiligen  Lande,  im  April  1229,  den  in  Accon  weilen- 
den Bürgern  von  Montpellier  mit  Bezug  darauf,  daß  sich  Marseille  schon  seit 
geraumer  Zeit  im  Banne  des  Reichs  befand,  gewährt  hat :  die  Zollermäßigung, 
die  sie  bisher,  wo  sie  mit  Marseiller  Schiffen  überzufahren  pflegten,  gleich 
den  Marseillern  selbst  in  Accon  genossen  hatten,  sollte  ihnen  auch  jetzt, 
wo  sie  sich  anderer  Schiffe  bedienten,  in  gleichem  Umfange  zu  teil  werden,  i) 
Unter  den  anderen  Schiffen  werden  wir  in  erster  Linie  an  pisanische  und 
genuesische  zu  denken  haben.  Doch  zog  es  die  Comune  von  Montpellier  vor, 
sich  noch  im  selben  Jahre  mit  Marseille  zu  verständigen;  am  6.  Dezember 
schlössen  beide  Städte  einen  Vertrag  auf  5  Jahre,  nach  dem  die  Marseiller  sich 
zum  Schutze  und  zur  Verteidigung  aller  Bewohner  von  Montpellier,  die  auf 
Marseiller  Schiffen  fuhren,  feierhch  verpflichteten;  immer  wieder  ist  dieser 
Vertrag  erneuert  worden.  2)  Über  die  Stärke  der  Beteiligung  Montpelliers  an 
dem  Marseiller  Handel  nach  Syrien  können  wir  aus  dem  Notularium  Amalrics 
vom  Frühjahr  1248  eine  ungefähre  Vorstellung  gewinnen.  Darnach  können 
wir  unter  58  auf  dem  S.  Spiritus  nach  Accon  reisenden  Kaufleuten  10  aus 
Montpellier  nachweisen;  außerdem  haben  7  Bürger  dieser  Stadt  Handels- 
kapitalien in  der  gleichen  Fahrt  angelegt.  Und  auch  an  der  Fahrt  der 
Sicarda  sind  unter  den  22  uns  vorliegenden  Kontrakten  in  fünf  Fällen 
Kaufleute  von  Montpellier  beteiligt.  2)  Im  selben  Jahre  kam  es  übrigens 
noch  zu  einem  heftigen  Konflikt  zwischen  den  Bürgern  beider  Städte  in 
Accon,  der  indessen  im  Mai  1249  auf  der  Grundlage  gegenseitigen  Vergessens 
glücklich  beigelegt  wurde.  4)  Um  diese  Zeit  erwarb  ein  Bürger  von  Mont- 
pellier, Petrus  de  Terico,  ein  Recht  auf  Zollerhebung  von  seinen  Lands- 
leuten im  Hafen  von  Accon  wie  in  dem  von  Tripolis;  am  19.  August  1251 
verständigten   sich  der  Statthalter  und   die   Konsuln  von  Montpellier  mit 


Lande   auch   Geldhandel   trieben ;   der  Hochmeister   des  Spitals   hat  Johann  Faber 
und  seinen  Sozii  von  Gabors  einen  Wechselbrief  über  700  1.  melg.  ausgestellt.     S. 
auch  Wechselbriefe  König  Ludwigs,  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  73  (1899),  183  f. 
0  Winkelmann,  Acta  I  no.  302,  p.  272. 

2)  Germain,  commune  II  no.  31  p.  459;  no.  35  p.  477  ff. 

3)  Amalric  no.  469,  485,  511,  522,  541.  Auf  dem  S.  Vincentius  fuhr  der  Kauf- 
mann von  Montpellier,  Johannes  de  Salmoze,  nach  Accon ;  am  22.  April  1248  nahm 
er  für  diese  Reise  von  W.  de  Conchis,  dem  Bevollmächtigten  der  Frau  Ermessenda 
Imberta  von  Montpellier,  einen  Ballen  Tuche  im  Werte  von  54  1.  melg.  in  Com- 
menda;  ib.  no.  561. 

*)  Germain,  commune  11  no.  33,  p.  465  ff. 


Weiterentwickelung  des  Handels  d.  Mittelmeer-Romanen  mit  Jerusalem.      209 

ihm  über  eine  Ermäßigung  der  von  ihm  geforderten  Abgaben  für  die  Dauer 
der  Zollpacht.  Zum  erstenmal  wird  bei  dieser  Gelegenheit  ein  eigenes  Schiff 
von  Montpellier,  das  nach  Accon  gekommen  war,  die  Baninhaira,  genannt; 
mindestens  seit  1243,  wo  es  einen  Vertrag  mit  Tripolis  schloß,  expedierte 
Montpellier  auch  eigene  Schiffe  nach  Syrien,  i) 

157.  Unter  den  Rhönestädten  hören  wir  von  Arles,  daß  es  eigene 
Pilgerschiffe  nach  Syrien  entsandte.  Seine  wohl  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts stammenden  Statuten  bestimmten  2),  daß,  wenn  Bürger  von  Arles 
Schiffe  zum  Pilgertransport  bereit  hielten,  diese  erst  gefüllt  sein  müßten,  ehe 
fremde  Schiffe  in  Arles  oder  seinem  Gebiet  Pilger  aufnehmen  dürften. 
Dabei  war  den  Reedern  (domini  navis)  und  ihren  Bevollmächtigten  die  Er- 
richtung von  Annahme-Bureaus  (teuere  tabulam)  in  Arles  und  Gebiet  bis 
zum  Seehafen  von  Bouc  verboten ;  sie  hatten  den  Konsuln  von  Arles  Bürg- 
schaft dafür  zu  stellen,  daß  die  mit  den  Pilgern  getroffenen  Vereinbarungen 
auch  gehalten,  die  Pilger  selbst  loyal  behandelt  und  ihre  Habe  gut  bewacht 
würde.  Die  Annahme  von  Pilgern  lag,  wie  in  Marseille,  in  der  Hand  be- 
sonderer cargatores,  denen  es  indes  in  Arles  verboten  war,  Pilger  in  eigene 
Kost  zu  nehmen.  Jedes  Pilgerschiff  hatte  bei  der  Rückkehr  aus  Syrien  an 
das  Comune  eine  gute  Armbrust  (balista  cornu  optima  de  tornu)  abzuliefern ; 
kehrte  es  nicht  zurück,  was  häufig  vorkam  (ut  consuetum  est  —  die  Schiffe 
müssen  also  häufig  in  Syrien  verkauft  worden  sein,  wohl  weil  sie  für  die 
Einnahme  wertvoller  Rückfracht  wenig  geeignet  waren),  so  wurde  die  Arm- 
brust aus  der  Kaution  oder  von  den  Bürgen  des  Reeders  beschafft. 

Gegen  Ende  unserer  Periode  gewann  auch  Aigues-mortes  für  den 
Verkehr  mit  Syrien  Bedeutung.  Der  Vertrag  zwischen  Genua  und  Saint- 
Gilles  von  1232  zeigt  uns,  daß  genuesische  Pilgerschiffe  schon  damals  in 
Aigues-Mortes  in  See  gingen  3);  und  für  den  Hochsommer  1233  können  wir 
nachweisen,  daß  das  Schiff  de  Paradiso  von  hier  aus  eine  Handelsreise  nach 
Syrien  angetreten  hat.  Am  11.  Mai  1233  hat  der  Genuese  Andrea  de 
Bulgaro  unter  Bürgschaft  mehrerer  Landsleute  in  Marseille  von  Bernardus 
de  Mandolio  einen  Posten  Leinwand  gekauft  und  den  Kaufpreis  mit  225  1.  melg. 
in  Montpellier  nach  Eintreffen  des  genannten  Schiffes  in  Aigues-mortes  am 
1.  August  oder  zu  einem  früheren  Termin,  falls  nämlich  das  Schiff  seine 
Ausreise  früher  antreten  sollte,  zu  erlegen  versprochen."^)  Die  verkaufte 
Ware,  die  wohl  aus  der  Champagne  oder  dem  oberen  Deutschland  einge- 
führt war,  lagerte  also  in  Montpellier  und  sollte  von  hier  aus  in  dem  nahen 
Aigues-mortes  auf  dem  de  Paradiso,  der  wohl  von  Marseille  dahin  kam,  zum 
Export  nach  Syrien  gelangen.  Als  König  Ludwig  IX.  sein  Augenmerk  auf 
Aigues-mortes  gerichtet  hatte  und  es  zum  Emporium  seines  Königreichs  an 
der  Mittelmeerküste   zu   erheben  suchte,   waren  unter  den  Vorschlägen,   die 


')  Germain,  commerce  I  no.  21,  p.  214  ff.     Unten  §  161. 

2)  Giraud  U,  232  f.  rub.  140.  Fagniez  I,  76.  Für  die  Zeitbestimmung  gewährt 
es  einen  Anhalt,  daß  das  Statut  nur  von  Konsuln  redet  und  Podestäs  noch  nicht 
kennt;  vor  1220  aber  hat  es  keinen  Podestä  in  Arles  gegeben.  Anibert  II,  270; 
ni,  246.  Jedenfalls  ist  der  Ansatz  zu  1150  unrichtig;  Giraud  setzt  es  in  den  Zeit- 
raum zwischen  1162  und  1202.     Pigeonneau  l,  139  ff. 

3)  Unten  §  464. 

*)  Manduel  no.  36,  p.  47  und  der  darauf  bezügliche  Rechtsstreit  von  1238/39 
no.  86,  p.  130  ff ,  aus  dem  die  genuesische  Nationalität  der  Bürgen  und  die  Tatsache, 
daß  das  Schiff  wirklich  nach  Syrien  gefahren  ist,  hervorgeht. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  14 


210  Siebzehntes  Kapitel. 

ihm  die  Bewohner  machten,  um  ihren  Ort  zur  Blüte  zu  bringen  i),  auch  die, 
daß  er  ihnen  ein  Quartier  in  Accon  und  volle  Befreiung  vom  Hafenzoll 
daselbst,  wie  sie  die  Venezianer,  Genuesen  und  Pisaner  besäßen,  erwirken 
und  ihnen  das  Recht  einräumen  möge,  in  Accon  einen  Konsul,  der  zugleich 
als  königlicher  Bailo  fungieren  sollte,  auf  je  3  Jahre  auf  ihre  eigenen  Kosten 
zu  bestellen,  der  in  jeder  Beziehung  dieselbe  Stellung  einnehmen  sollte  wie 
der  Konsul  von  Pisa.  Es  ist  vielleicht  eine  Antwort  auf  diesen  Vorschlag, 
wenn  der  König  im  Jahre  1246  genehmigt,  daß  die  Konsuln  von  Aigues- 
mortes  für  jede  Seereise  einen  ihrer  Mitbürger  präsentieren  sollten,  dem  die 
Jurisdiktion  über  alle  Kaufleute  und  Mannschaften  aus  dem  Königreich, 
die  diese  Seereise  von  Aigues-mortes  aus  mitmachten,  übertragen  werden 
könnte ;  seine  Bestätigung  wurde  der  königüchen  Kurie  vorbehalten.  2)  Für 
die  Kreuzfahrt  des  französischen  Königs  ist  Aigues-mortes  bekanntlich  der 
Hauptausgangspunkt  gewesen;  hierher  sandte  Genua  seine  Schiffe  zur  Auf- 
nahme des  Transports;  wir  kennen  eine  Reihe  von  Seedarlehn  auf  den 
S.  Vincentius,  den  Paradisus  novus,  die  Damiceila,  alle  vom  Juli  1248,  die 
darauf  Bezug  nehmen.  ^)  Es  war  ein  wichtiger  Seehafen  geworden ;  ein  See- 
handelsplatz aber,  der  eigene  Seeschiffe  nach  Syrien  entsandt  hätte,  war  es 
nicht.  Auch  für  Narbonne  können  wir  einen  eigenen  Schiffsverkehr  mit 
Syrien  in  dieser  Periode  nicht  nachweisen.  ■*) 

158.  Für  Barcelonas  Handelsverkehr  mit  Syrien  ist  in  erster  Linie 
auf  die  schon  erwähnte  Verordnung  König  Ja3'mes  I.  von  Aragon  von  1227 
zum  Schutz  der  nationalen  Schiffahrt  hinzuweisen.  Ebenso  geht  aus  einer 
Verordnung  vom  19.  August  1243,  die  einen  über  die  im  Hafen  von  Tamarit 
zu  erhebenden  Seezölle  zwischen  Barcelona  und  der  Herrin  des  Hafens 
schwebenden  Streit  schlichtete  &),  hervor,  daß  Schiffe  von  Barcelona  nach 
Syrien  fuhren  und  bei  der  Heimkehr  verschiedene  katalanische  Häfen, 
speziell  auch  den  von  Salou  (bei  Tarragona)  anzulaufen  pflegten.  Aus  der 
Levante  stammende  Gewürze  und  Drogen  führt  ein  katalanischer  Zolltarif 
vom  Jahre  12216)  [y^  verhältnismäßig  großer  Zahl  auf;  daß  sie  alle  oder 
auch  nur  überwiegend  damals  schon  durch  nationale  Schiffe  importiert 
wurden,  ist  damit  natürlich  nicht  bewiesen  und  auch  schwerlich  anzunehmen. 


Siebzelmtes   Kapitel. 

Handel  der  Mittelmeer -Romanen  mit  Nord-Syrien, 
Cypern  nnd  Süd-Kleinasien  (bis  1350). 

159.  Im  nördlichen  Syrien  hatte  sich  die  Stadt  Tripolis  ebenso 
wie   Antiochien    mit    dem   Simeonshafen    zur    Zeit    der    saladinischen 

1)  Menard  I,  preuves  no.  55  p.  78  (undatiert). 

2)  Pardessus  IV,  233. 

3)  Canale  U,  626.     Belgrano  p.  55  f. 

*)  Für  das  Bestehen  eines  solchen  spricht  es  auch  nicht,  wenn  wir  einen 
Narbonnesen  im  Frühjahr  1248  mit  einer  Commenda  von  Quecksilber  auf  dem  Mar- 
seiller  Schiff  Sicarda  in  See  gehen  sehen,  Amalric  no.  534;  auch  nicht,  daß  wir 
nicht  wenigen  Marseillern  begegnen,  die  nach  ihrem  narbonnesischen  Ursprung 
benannt  sind;  s.  das  Eegister  bei  Blancard  II,  583. 

6)  Oben  S.  187  und  Capmany  II  no.  7,  p.  15, 

6)  Ebd.  no.  3  p.  3  ff.     Heyd  I,  326.    • 


Handel  der  Mittelmeer  -  Romanen   mit  Nord-Syrien,  Cypern  u.  SüdKleinasien.    211 

Invasion  glücklich  behauptet;  Laodicea  aber  war  verloren  gegangen, 
so  daß  die  beiden  kleinen  Staaten,  die  in  dieser  Periode  überwiegend 
durch  Personal-Union  verbunden  waren,  nunmehr  räumlich  von  ein- 
ander getrennt  wurden,  während  das  Sultanat  Aleppo  durch  den  Be- 
sitz dieses  Seehafens  jetzt  in  unmittelbare  Verbindung  mit  den  Mittel- 
meer-Romanen trat. 

Für  Tripolis  hatte  Graf  Raimund  unmittelbar  nach  seiner  Rückkehr 
von  Tyrus  seinen  Freunden,  den  Pisanern,  ein  Privileg  ausgestellt  (August 
1187)1),  in  dem  er  ihnen  fast  uneingeschränkte  eigene  Gerichtsbarkeit  und 
Freiheit  von  allen  Handelsabgaben  zugestand,  offenbar  um  sich  ihre  Mit- 
wirkung bei  der  Verteidigung  der  Stadt  zu  sichern.  Als  dann  die  Zeit  der 
Gefahr  vorüber  war,  wurde  die  Exemption  der  Pisaner  vom  Bischof,  dem  1/3 
des  Warenzolls  zustand,  angegriffen.  Nun  versprach  zwar  Boemund  III. 
22.  Januar  1194  dem  pisanischen  Vicecomes  in  Tripolis,  Matteo  Minchet, 
den  drei  Abgesandte  der  an  dem  Handel  mit  Tripolis  offenbar  wesentlich 
interessierten  Gemeinde  der  Pisaner  in  Accon  in  seinen  Forderungen  unter- 
stützten, ihre  Handelsfreiheiten  in  TripoHs  gegen  den  Bischof  der  Stadt  zu 
schützen;  sein  Sohn  Boemund  IV.  aber  trat,  offenbar  auch  im  eigenen  fis- 
kalischen Interesse,  auf  die  Seite  des  Bischofs,  was  zur  Folge  hatte,  daß  es  zu 
argen  Wirren  und  gewaltsamem  Vorgehen  der  Pisaner  kam.  Am  26.  August 
1199  söhnten  sich  die  streitenden  Parteien  aus;  die  Pisaner  erhielten  ihre 
Häuser,  ihre  Gerichtsbarkeit  und  ihre  sonstigen  Freiheiten  in  'vollem  Um- 
fange zurück,  mußten  aber  den  angerichteten  Schaden  durch  Erlegung  von 
12000  Byzantien  ersetzen,  wovon  8000  sofort  zahlbar  waren,  während  der 
Rest  durch  Erhebung  einer  Abgabe  von  den  Waren  der  Pisaner  aufzubringen 
war.  Auch  wurde  dem  Grafen  das  Recht  eingeräumt,  bei  einem  etwaigen 
Angriff,  den  Pisaner,  die  außerhalb  von  Tripolis  wohnten,  gegen  sein  Gebiet 
richteten,  alle  Pisaner  unter  Gewährung  einer  dreimonatlichen  Frist  zur 
Räumung  seines  Gebietes  zu  zwingen.  2) 

In  Batrun  war  der  reiche  Pisaner  Plebanus  durch  den  Kriegszug  Sala- 
dins  nur  wenige  Jahre  seiner  Herrschaft  beraubt  worden.  Im  März  1202  3) 
befreite  er  mit  seiner  Gemahlin  Cäcilia  die  Pisaner  mit  Ausnahme  derjenigen, 
die  seine  Untertanen  geworden  waren  und  solcher  im  Gebiet  von  Tripolis 
ansässiger  Personen,  die  erst  in  Zukunft  die  pisanische  Nationalität  annehmen 
würden,  von  allen  Zollabgaben  in  seinem  Gebiet;  nur  von  pisanischen  Ge- 
treideschiffen, die  ihre  Ladung  in  seinem  Gebiet  verkauften,  sollte  ein 
mäßiges  Quantum  Getreide 4)  in  natura  als  Abgabe  erhoben  werden.  Da 
Plebanus  keine  männlichen  Erben  .  hinterließ ,  fiel  Batrun  nach  seinem 
Tode  an  ein  Mitglied  des  Fürstengeschlechts  von  Antiochia;  bis  zum  Sep- 
tember 1209  ist  er  noch  mehrfach  als  Zeuge  unter  den  Urkunden  Boe- 
munds  IV.  nachweisbar.  0) 

In  Antiochia  blieb  die  kommerzielle  Stellung  der  Pisaner  im  wesent- 
lichen, wie  sie  früher  gewesen;  in  dem  Privileg  Boemunds  IV.  (März  1200), 
der,  wie  schon  sein  Vater,  die  Grafschaft  Tripolis  beherrschte,  werden  die 
9 

1)  Müller  p.  25. 

2)  Müller  p.  65  und  79.     Heyd  I,  323. 
»)  Müller  83,  Heyd  I,  321  f. 

*)  »unius  marcipani«;  ein  Maß:  1243  Erlaubnis,  wöchentlich  in  einer  Mühle 
100  marcibana  frumenti  libere  zu  mahlen.     Röhricht,  Reg.  no.  1113. 
»)  Röhricht,  Reg.  p.  224. 

14* 


212  Siebzehntes  Kapitel. 

Abgaben,  von  denen  sie  wie  vorher  die  Hälfte  zu  zahlen  hatten,  etwas  ge- 
nauer auf  gezählt  1) :  die  Hälfte  vom  Durchgangszoll  (passagium)  wie  von 
jeder  anderen  Abgabe,  die  die  Lateiner  zu  zahlen  hatten,  von  der  tertia- 
naria  (der  Pilgerabgabe)  im  Simeonshafen  (Sueidieh),  wie  von  dem  Zoll,  der 
an  der  Orontesbrücke  pro  Kopf  erhoben  wurde.  In  der  Bestätigung  der 
Privilegien,  die  der  Vicecomes  der  Pisaner  in  Antiochien,  Nikolaus,  am 
7.  April  1216  von  dem  neuen  Fürsten  Rupinus  erlangte,  bedang  sich  dieser 
aus,  daß  eine  Ausdehnung  dieser  Privilegien  auf  seine  Untertanen  nicht 
etwa  dadurch  erfolgen  dürfe,  daß  solche  von  den  Pisanern  als  Schutzver- 
wandte aufgenommen  würden.  2)  Im  März  1234  hat  dann  Boemund  V.  die 
pisanischen  Privilegien  sowohl  für  Antiochien  wie   für  TripoHs  bestätigt.  3) 

160.  Genua  erlangte  im  April  1189  von  dem  in  Tyrus  weilenden 
Boemund  III.  den  Verzicht  auf  das  Strandrecht  und  das  Recht  eigener  Ge- 
richtsbarkeit (curiam)  in  Antiochia*),  wobei  der  Fürst  allerdings  seine  in 
Antiochia,  Laodicea  oder  Gabulum  wohnenden  burgenses  genuesischer  Na- 
tionalität ausnahm  und  auch  die  Verbrechen  gegen  Leben  und  Eigentum 
sowie  Hochverrat  seiner  eigenen  Gerichtsbarkeit  vorbehielt ;  daß  er  dasselbe 
•Zugeständnis  und  Abgabenfreiheit  außerdem  auch  für  Laodicea  gewährte, 
blieb  bei  dem  Verlust  dieses  wichtigen  Hafenplatzes  an  die  Sarazenen  ohne 
Bedeutung.  Dagegen  befreite  der  Fürst  durch  besonderes  Privileg  am 
1.  September  die  genuesischen  Waren  von  allen  Abgaben  in  seinem  Gebiet, 
die  in  seinem  Namen  erhoben  wurden.  °) 

Die  Personal- Union  zwischen  Tripolis  und  Antiochien  übte  nun 
auch  eine  günstige  Rückwirkung  auf  die  Beziehungen  Genuas  zu  der  Graf- 
schaft aus,  insofern  Boemund  IV.  den  Genuesen  am  3.  Dezember  1203 
eigene  Gerichtsbarkeit  in  Tripolis  mit  den  üblichen  Beschränkungen  sowie 
vollständige  Freiheit  von  Handelsabgaben  in  der  Grafschaft  zugestand,  wo- 
bei wieder  die  genuesischen  burgenses  aller  Kreuzfahrerstaaten  ausgenommen 
wurden.  Auch  gestattete  er  ihnen  den  Ankauf  gewisser  Häuser  in  Tripolis, 
verlangte  aber  von  jedem  in  sein  Land  kommenden  Genuesen  einen  Eid, 
daß  er  zur  Verteidigung  desselben  auf  Kosten  des  Grafen  beitragen  werde,  ß) 
Und  als  ihm  der  Graf  Heinrich  von  Malta  nach  anfänglichen  Zwistigkeiten 
mit  zwei  Galeeren,  1300  Gepanzerten  und  3000  Byzantien  zur  Eroberung  von 
Nefin  (zwischen  Tripolis  und  Gibeleth)  geholfen  hatte,  bestätigte  er  ihm 
(Juli  1205),  als  dem  Vertreter  Genuas,  alle  Rechte  und  Privilegien  der  Ge- 
nuesen in  Grafschaft  und  Fürstentum  für  ewige  Zeiten. ')  Dagegen  ließ 
Fürst  Rupinus,  als  er  im  Februar  1216  das  genuesische  Privileg  für  An- 
tiochia bestätigte,  eine  wesentliche  Beschränkung  der  Abgabenfreiheit  der 
Genuesen  im  Simeonshafen  eintreten.  8) 

Von  den  Venezianern  im  Fürstentum  Antiochien  hören  wir  in 
dieser  Zeit  gar  nichts;  dagegen  hatten  sie  jetzt  in  Tripolis  festen  Fuß  ge- 
faßt.    Wir  haben  gesehen,  daß  die  Venezianer  im  Sommer  1224,   wie  nach 


1)  Müller  p.  80.     Heyd  I,  177. 

«)  Ib.  90  f.  und  339. 
*  ')  März  1233;  principatus  et  comitatus  anno  I.     Müller  99  f. 

♦)  Röhricht :  Amalrich  I.  von  Jerusalem  in  :  MIÖG.  XII  (1891),  488.   Lib.  Jur.  I 
no.  424  (mit  dem  irrigen  Datum  1199). 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  379. 

6)  Röhricht  1.  c.  489.     Ann.  genov.  n,  101  A.  1.     Heyd  I,  322. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  477.     Ann.  genov.  n,  99  fE.     Röhricht,  Reg.  no.  807. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  516.     Heyd  I,  339. 


Handel  der  Mittelmeer -Romanen  mit  Nord-Sj'rien,    Cypern  u.  Süd-Kleinasien.   213 

Beirut,  so  auch  nach  Tripolis  einen  regelmäßigen  Schiffahrtsdienst  einrich- 
teten und  seitdem  einen  Konsul  dahin  entsandten  i) ;  auf  solche  Beziehungen 
deutet  es  auch,  wenn  der  Bischof  von  Tripolis  bei  seiner  Anwesenheit  im 
Abendlande  sich  von  Innozenz  IV.  die  Erlaubnis  geben  läßt,  bei  einem  vene- 
zianischen Kaufmann,  Giovanni  Stamiario,  die  hohe  Summe  von  230  1.  ven. 
gross,  aufzunehmen  und  dafür  die  Güter  seiner  Kirche  zu  verpfänden  2),  um 
so  mehr,  als  wir  Venezianern  in  solchen  Geldgeschäften  nur  selten  begegnen. 

161.  Auch  der  Verkehr  der  Südfranzosen  erscheint  auf  TripoHs 
beschränkt;  und  zwar  sehen  wir  hier  Montpellier  im  Vordergrunde  stehen. 
Seine  Gesandten  Raimund  Conte  und  Guil.  Berenger  erwirkten  im  Februar 
1243  bei  Boemund  V.  ein  Privileg  3),  das  die  von  ihnen  bei  Kauf  und  Ver- 
kauf, Ein-  und  Ausfuhr  zur  See  bisher  gezahlten  Abgaben  auf  1/3  ermäßigte. 
Die  Ermäßigung  sollte  auch  für  Waren  gelten,  die  sie  zur  See  aus  sarazeni- 
schem Gebiet  4)  kommen  und  erst  in  Tripolis  auf  große  Schiffe  verladen 
ließen.  Bei  Streitigkeiten  um  Mobilien  oder  Geld  untereinander  oder  mit 
Genuesen  und  Pisanern  sollten  die  Leute  aus  Montpellier  nur  vor  ihrem 
eigenen  Konsul  Recht  zu  geben  verpflichtet  sein,  ausgenommen  in  Sachen, 
für  die  das  gräfliche  Handelsgericht  (la  funde  de  Triple)  zuständig  war. 
Der  Konsul  mußte  schwören,  nicht  zu  dulden,  daß  die  Privilegien  anderen 
als  Bürgern  von  Montpellier  zugute  kämen;  bei  der  Ankunft  hatte  jeder- 
mann einen  Eid  zu  leisten,  während  der  Dauer  seiner  Anwesenheit  den 
Fürsten  und  seine  Herrschaft  zu  beschützen.  Zu  ihrer  Unterkunft  und  zum 
Betriebe  ihres  Handels  wurde  ihnen  gegen  Miete  eine  Straße  zugewiesen; 
ihr  Konsul  erhielt  ein  Haus  mietfrei.  Dafür  verpflichtete  sich  Montpellier, 
jährlich  ein  Schiff  mit  mindestens  40  Mann  Besatzung  nach  Tripolis  zu 
expedieren  und  mindestens  800  Zt.  Waren  (Kintaus  daveir)  daselbst 
einnehmen  zu  lassen.  Das  Privileg  sollte  zehn  Jahre  vorn  Tage  der  Ankunft 
des  ersten  Schiffes  an  gelten  und  hinfällig  werden,  sobald  Montpellier  die 
Sendung  des  Schiffes  einmal  unterließe. 

Einige  Zeit  darauf  ging  Petrus  de  Terico  als  Gesandter  König  Jaymes, 
der  zugleich  Oberherr  von  Montpellier  war,  an  den  Fürsten  und  führte  seine 
Mission,  von  der  wir  leider  nichts  Näheres  erfahren,  mit  Erfolg  durch ;  wie 
für  Accon,  hat  er  auch  für  Tripolis  ein  Recht  auf  Zollerhebung  von  seinen 
Landsleuten  erworben.^) 

Auf  Handelsverkehr  von  Marseille  mit  Tripolis  deutet  es,  wenn  wir  in  den 
Akten  Amalrics  von  1248  einen  Posten  Taft  (cendati  de  Triplo),  der  nach  dem 
Innern  Frankreichs  weitergeht,  antreffen ;  Guido  de  Tripoli  gehört  der  Han- 
delsgesellschaft an,  die  am  4.  April  für  den  Transport  von  Tuchen,  Leinwand 
und  Mandeln  nach  Accon  auf  der  Sicarda  einen  Frachtvertrag  abschließt.  0) 

162.  Für  den  Handelsverkehr  mit  Aleppo  hatten  die  Vene- 
zianer durchaus  die  Initiative ;  nur  von  ihnen  kennen  wir  aus  unserer 
Periode  Handelsverträge  mit  dem  Sultanat. 

^)  §  141. 

»)  Berger  2516. 

')  Germain,  commune  11  no.  43,  p.  513.     Heyd  I,  324  f. 

*)  »de  payennie<;  gemeint  ist  jedenfalls  hauptsächlich  Laodicea. 

'')  Oben  §  156.  Seine  Verständigung  mit  Montpellier  19.  Aug.  1251 :  Germain, 
commerce  I,  214  ff.  Anerkenntnis  einer  Schuld  des  Königs  von  150  1.  melg.  ihm 
gegenüber,  wobei  seiner  Gesandtschaft  lobend  gedacht  wird ;  ib.  no.  24  p.  220  f. 
(26.  Jan.  1253). 

•»)  Amalric  no.  629,  374. 


214  Siebzehntes  Kapitel. 

Den  ersten  derselben  schloß  ihr  Gesandter  P.  Marignoni  im  Jahre 
1207  oder  1208;  der  Sultan  gewährleistete  ihnen  Sicherheit  von  Person  und 
Habe  und  räumte  ihnen  ein  Fondaco  sowie  Kirche  und  Bad  in  Aleppo  ein. 

Als  Tommasino  Foscarini  am  12.  September  1225  die  Bestätigung  dieses 
Privilegs  erwirkte,  verzichtete  der  Sultan  Almelik  Alaziz  außerdem  auf  das 
Strandrecht;  doch  ließ  er  sich  von  dem  aus  Seenot  geborgenen  Gut  eine 
Abgabe  von  15%  zugestehen.  Auch  erkannte  er  den  Grundsatz  an,  daß  in 
Fällen  von  Seeraub  oder  sonstigen  Übeltaten,  die  Venezianer  an  seinen 
Untertanen  begingen,  den  unbeteiligten  Kaufleuten  daraus  keinerlei  Nachteil 
erwachsen  sollte.  Auf  die  Bitte  des  Gesandten,  ihm  auch  für  Laodicea  den 
Besitz  von  Fondaco  und  Kirche  zu  privilegieren,  wies  ihn  der  Sultan  an 
den  Admiral,  der  an  seiner  Statt  in  Laodicea  regierte;  von  diesem  wie  von 
dem  Herrn  von  Sahjün,  einem  starken  Kastell,  das  die  Handelsstraße  zwi- 
schen Laodicea  und  Aleppo  beherrschte,  erlangte  der  Gesandte  in  der  Tat 
im  folgenden  Monat  ebenfalls  die  entsprechenden  Zugeständnisse,  i) 

Weitere  Fortschritte  machten  die  Venezianer  4  Jahre  später,  als  Jo- 
hannes Succugullus  als  Gesandter  des  Dogen  nach  dem  Sultanat  ging.  Von 
dem  Herrn  von  Sahjün  erwirkte  er  zunächst  im  November  1229,  daß  die 
Saumtierlast  Pfeffer  und  Baumwolle  nur  einen  Zollsatz  von  6^/4  und 
22/g  Dirhems  tragen  sollte,  während  für  die  Kamellast  allerdings  die  alten 
Sätze  von  8  und  4  Dirhems  bestehen  blieben.  Der  Sultan  selbst  versprach 
im  folgenden  Monat,  für  die  Venezianer  ein  drittes  Fondaco  an  der  Orontes- 
brücke  auf  dem  Wege  nach  Aleppo  zu  ihrer  Unterkunft  errichten  zu  lassen ; 
ihr  Bailo,  den  sie  in  Aleppo  und  in  Laodicea  haben  dürften,  sollte,  soweit 
nur  Venezianer  in  Betracht  kamen,  völlig  unbeschränkte  Jurisdiktion  besitzen; 
außerdem  sollte  ein  hoher  Beamter  (admiralius)  des  Sultans  an  jedem  Montag 
etwaige  Beschwerden  der  Venezianer  über  ihre  Behandlung  am  Zoll  (in 
duana)  entgegennehmen  und  für  ihre  Abstellung  sorgen.  Von  einer  Ab- 
gabe bei  Schiffbruch  ist  nun  nicht  mehr  die  Rede;  andererseits  fehlt  die 
Erwähnung  der  Kirche  in  Aleppo,  schwerlich  zufällig,  da  sie  bei  Laodicea 
erwähnt  wird;  so  scheint  es  zur  Erbauung  einer  venezianischen  Kirche  in 
Aleppo  nicht  gekommen  zu  sein.  2) 

163.  Aus  dem  Umstände,  daß  die  Orontesbrücke,  an  der  die  Pisaner 
nach  ihren  Verträgen  mit  Antiochia  einen  Kopfzoll  entrichten  mußten, 
einige  Meilen  östlich  von  Antiochia  lag,  hatte  Heyd  schon  geschlossen  3), 
daß  auch  die  Pisaner  unmittelbaren  Handelsverkehr  mit  Aleppo  unterhalten 
haben  müssen.  Wie  Recht  er  damit  hatte,  zeigen  nunmehr  die  Akten  von 
San  Gimignano,  dessen  Bewohner  sich  unter  den  Fittichen  Pisas  am  Levante- 
handel zu  beteiligen  pflegten.  Im  Jahre  1244  starb  in  Aleppo,  wo  er  sich 
des  Handels  wegen  aufhielt ,  Cambius  von  San  Gimignano ,  nachdem  er 
seinem  Landsmann  Guido  q.  Actaviani,  der  zu  gleichem  Zwecke  in  Aleppo 
weilte,  u.  a.  zwei  Lasten  (salmas)  Baumwolle  im  Gewicht  von  2V2  Kantär 
(ad  cantare  catenae  de  Accon),  eine  baumwollene  Matratze  (matarassa)  im 
Gewicht  von  18  rotuli  und  einen  Korb  Zimt,  der  145  V4  »mennae«  faßte, 
übergeben  hatte.  Und  im  selben  Jahre  wurde  von  demselben  kleinen  Ort 
Toskanas  aus  eine  Handelsreise  mit  50  syrischen  Goldbyzantien  in  bar  und 


')  Tafel  und  Thomas  H,  62  fe,  256  ff.     Näheres  Heyd  I,  374  f. 
«)  Tafel  und  Thomas  U,  272  ff.     Heyd  I,  376  f. 
3)  I,  377. 


Handel  der  Mittelmeer- Romanen  mit  Nord-Syrien,  Cypern  u.  Süd-Kleinasien.   215. 

22  Pfd.  Safran  (boni  et  puri  croci  in  floribus)  nach  der  Levante  angetreten, 
als  deren  Ziel  in  erster  Linie  Aleppo  genannt  wird;  die  Vertragschließenden 
müssen  also  für  ihren  Artikel  gerade  an  diesem  Handelsplatze  besonderen 
Gewinn  erwartet  haben,  i) 

Genuesen  und  Provengalen  können  wir  im  Handelsverkehr  mit 
Aleppo  nicht  direkt  nachweisen.  Doch  begegnet  Alaun  von  Aleppo  häufig, 
auch  in  bedeutenden  Quantitäten,  auf  dem  Markt  von  Marseille  und  auf 
dem  Transport  von  da  nach  den  Messen  der  Champagne  2),  wobei  freilich 
dahingestellt  bleiben  muß,  auf  welchen  Wegen  dieser  Handelsartikel  nach 
^Marseille  gelangt  ist.  Im  übrigen  weist  uns  der  Umstand,  daß  Pfeffer  und 
Zimt  unter  den  Hauptausfuhrartikeln  Aleppos  erscheinen,  darauf  hin,  daß 
Aleppo  diese  Waren  Indiens  auf  einem  selbständigen  Wege  bezog,  der  vom 
persischen  Meerbusen  her  den  Euphrat  aufwärts  und  von  diesem  in  wenigen 
Tagereisen  ohne  jede  Schwierigkeit  nach  Aleppo  führte.  Schon  als  Kon- 
kurrenzweg gegen  Ägypten  war  dieser  Handelsweg  von  hoher  Bedeutung, 
was  namentlich  die  Venezianer  wohl  zu  würdigen  verstanden. 

164.  Vom  Handel  der  Romanen  mit  Damaskus  erfahren  wir  für 
unsere  Zeit  direkt  nur  insofern,  als  die  Behörden  Accons  nach  Zorzi's  Be- 
richt (1244)  die  Abgabenfreiheit  der  Venezianer  für  ihren  Landhandel  zwischen 
Damaskus  und  Accon  nicht  gelten  lassen  wollten.  Für  den  Verkehr  Genuas 
mit  Damaskus  spricht  es,  daß  Heinrich  III.  von  England  im  Januar  1225 
den  Genuesen  Ansaldus  Mallonus  beauftragte,  für  100  M.  Sterl.  Scharlach- 
tuch und  andere  Kostbarkeiten  auf  seine  Rechnung  einzukaufen  und  dem 
Sultan  in  seinem  Namen  als  Geschenke  zu  überbringen ;  1227  kehrte  er  mit 
Gegengeschenken  des  Sultans  zurück,  für  die  der  König  in  einem  Briefe  vom 
20.  Februar  1228  seinen  Dank  abstattete,  indem  er  den  Sultan  gleichzeitig  um 
die  Freilassung  aller  etwa  von  ihm  gefangen  gehaltenen  Christen  bat.  ^) 

165.  Wenn  dem  dritten  Kreuzzuge  die  W^iederherstellung  des 
Königreichs  Jerusalem  nur  in  sehr  beschränktem  Umfange  gelang, 
so  führte  er  dafür  zur  Begründung  eines  neuen  lateinischen  Staates 
auf  Cypern. 

Als  Guido  von  Lusignan  nach  der  kurzen  Episode  der  Templerherrschaft 
das  neubegründete  Königreich  von  Richard  Löwenherz  gegen  den  Verzicht 
auf  Jerusalem  erhielt,  schienen  sich  besonders  für  den  Handel  seiner 
pisanischen  Freunde,  die  ihn  auch  nach  der  Insel  übergesetzt  hatten, 
günstige  Aussichten  zu  eröffnen ;  doch  ist  weder  von  ihm  noch  von  seinem 
Nachfolger  Amalrich  (1194 — 1205),  mit  dem  die  Pisaner  ebenfalls  eng  ver- 
bunden blieben,  ein  Privileg  für  Pisa  erhalten.  4)  Nur  einzelne  Spuren 
geben  von  der  Handelstätigkeit  der  Pisaner  auf  der  Insel  Kunde.  Einem 
bekannten  pisanischen  Geschlecht  gehört  wahrscheinlich  Girardus  de  Masca 
an,  den  wir  1210  im  Besitz  eines  Hauses  zu  Limassol  sehen,  wo  die  Pisaner 


')  Davidsohn  II  no.  2307  und  2308  (p.  298). 

•")  Manduel  no.  47  (1234);  Amalric  no.  614  (617,  Ztr.,  Preis  173  1.  misc.),  681, 
946.     Auch  in  der  Zollordnung  von  1229  alun  dalap:  Mery  et  Guindon  I,  346. 

«)  Tafel  u.  Thomas  II,  397  f.  Heyd  I,  373.  Rotnli  claus.  II,  13.  Close  Rolls 
p.  94.     Unten  §  321.    Vgl.  Röhricht,  Reg.  no.  969,  985. 

*)  Heyd  I,  359  f.  Röhricht,  Jerusalem  619  A.  2,  663.  Mas  Latrie,  Chypre  I, 
41  ff.  Über  den  damaligen  wirtschaftlichen  Niedergang  Cyperns,  der  mit  der  Herr- 
schaft der  Lateiner  wachsender  Blüte  Platz  machte,  s.  Oberhummer  E. :  Die  Insel 
Cypern.  Eine  Landeskunde  auf  bist.  Grundlage  (München  1903),  p  271 ;  p,  40^ ff. 
arabische  Literatur  über  Cypern. 


216  Siebzehntes  Kapitel. 

auch  später  ihre  wichtigste  Niederlassung  auf  Cypern  hatten;  und  1208 
hören  wir  von  pisanischen  und  venezianischen  Kaufleviten,  die,  von  Syrien 
kommend,  ihre  Ladung  auf  Cypern  vervollständigten,  ehe  sie  nach  Ägypten 
weiter  fuhren,  i) 

Auch  von  den  Venezianern  wissen  wir  im  übrigen  nur,  daß  die 
Gesandten  Pietro  Dandolo  und  Luca  Barbani  während  der  Minderjährigkeit 
König  Heinrichs  I.  (1218 — 1233)  ein  Privileg  für  ihre  Vaterstadt  erwirkt 
haben  2) ;  zur  griechischen  Zeit  hatte  ihnen  schon  ein  Dekret  Kaiser  Manuels 
vom  Oktober  1147  die  Insel  geöffnet.  3) 

In  bezug  auf  die  kleineren  italienischen  Handelsnationen  ist  zu  be- 
merken, daß  1232  von  Häusern  in  Famagusta  die  Rede  ist,  die  einst  dem 
Anconitaner  Rainaldus  gehört  hätten'^);  und  als  der  Erzbischof  von 
Trani  zusammen  mit  seinem  Amtsbruder  von  Brindisi  im  Auftrage  Heinrichs  VI. 
die  königlichen  Insignien  für  Amalrich  überbrachte  (Mai  1196),  benutzte 
er  die  Gelegenheit,  den  Bewohnern  von  Trani  Zollfreiheit  auf  der  Insel 
zu  erwirken.  ^)  Darnach  ist  anzunehmen,  daß  schon  vorher  zwischen  Apulien 
und  Cypern  Handelsverkehr  bestand;  in  der  Tat  hören  wir  auch  1192  von 
einem  nhnnv  Xoyyoßu^dixop  mit  dem  Bischof  von  Paphos  an  Bord,  das  auf 
der  Fahrt  nach  Cypern  von  pisanischen  und  genuesischen  Korsaren  gekapert 
wurde.  Und  als  ein  Symptom  für  bestehende  Handelsbeziehungen  ist  es 
vielleicht  auch  anzusehen,  daß  der  1225  nach  Salerno  transferierte  Bischof 
Caesarius  von  Famagusta  ein  Amalfitaner  war.  ^) 

166.  Etwas  reichlichere  Nachrichten  haben  wir  von  den  Genuesen. 
Für  ihren  frühen  Verkehr  auf  der  Insel  zeugt  die  Bewilligung  einer  auf  die 
Handelseinkünfte  von  Nicosia  angewiesenen  Jahresrente  von  200  Byz.  für 
das  bei  Genua  gelegene  Kloster  b.  Mariae  de  Jubino  durch  König  Guido 
(15.  August  1194)'^),  sowie  der  Umstand,  daß  schon  1203  von  genuesischen 
burgenses  Cypri  die  Rede  ist.  s)  Unter  der  Regentschaft  wurde  ihre  Stellung 
dann  besonders  günstig.  Im  Juli  1218  erwirkte  ihr  Gesandter  Petrus  Gon- 
tardi  ein  Privileg  9),  das  ihnen  Befreiung  von  allen  Handelsabgaben  zu- 
sicherte, ihnen  zum  Bau  von  Häusern  je  ein  Grundstück  in  Nicosia  und 
Famagusta  anwies  und  ihnen  das  Recht  einräumte,  ihre  Konsuln  oder  Vice- 
comites  auf  Cypern  zu  haben,  von  deren  Jurisdiktion  allein  Mord,  Hochver- 
rat und  Entführung  ausgenommen  sein  sollten.  Als  die  genuesischen  General- 
konsuln für  Syrien  im  Jahre  1232  den  15jährigen  König  mit  einem  Ge- 
schwader, der  kaiserlichen  Partei  zum  Trotz,  nach  Cypern  geleiteten,  erfuhr 
dies  Privileg  noch   eine  Erweiterung.^o)   Wenn  nunmehr  die  bei  Benutzung 


»)  Delaville  le  Roulx  II  no.  1354.     Amari  dipl.  p.  70. 

»)  Mas  Latrie  in  Bibl.  de  l'Ecole  34  (1873),  54  f.     Heyd  I,  368. 

3)  Tafel  und  Thomas  I,  118,  124. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  693,  p.  900. 

«)  Toeche  392.     Heyd  I,  361.     Röhricht,  Reg.  no.  729. 

«)  Bertolotto  p.  449.  Ughelli  VII,  579.  Über  die  Bezeichnung  Longobardi  für 
die  Angehörigen  des  ehemaligen  byz.  Themas  »Longobardia«  s.  auch  Bertaux : 
Les  FranQais  d'outre  mer  en  Apulie  etc.  in :  Rev.  historique  85  (1904),  228. 

^)  Ferretto :  Contributi  alle  relazioni  tra  Genova  e  l'Oriente  im  Giorn.  ligust. 
21  (1896),  44. 

8)  Röhricht  in  MIÖG  XII  (1891),  489. 

9)  Lib.  Jur.  I  no.  544,  p,  625.  Mas  Latrie,  Chypre  I,  198 ;  H,  39.  Heyd  I,  362. 
">)  Lib.  Jur.  I  no.  693,  p.  899.  Winkelmann  U,  396.  A.  1.  Mas  Latrie,  Chypre  I, 

284;  II,  51. 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  Nord-Syrien,  Cypern  u.  Süd-Kleinasien.    217 

der  öffentlichen  Maße  und  Gewichte  von  den  Genuesen  zu  zahlende  Gebühr 
auf  1  Denar  für  jeden  Kantär  oder  je  10  Scheffel  (modia)  oder  jedes  Wein- 
quantum im  Wert  von  10  ßyzantien  festgesetzt  wurde,  so  ist  darin  wahr- 
scheinlich eine  Herabsetzung  der  bestehenden  Gebühr,  keinesfalls  aber  eine 
Minderung  der  Abgabenfreiheit  zu  erblicken.  Ihr  Grundbesitz  wurde  an 
den  beiden  genannten  Orten  erweitert  und  durch  Schenkungen  für  Limisso 
und  Baffo  (Paphos)  vermehrt;  an  allen  vier  Orten  sollten  sie  auch  eigene 
Backöfen  haben  dürfen.  Die  Jurisdiktion  der  an  eben  diesen  Orten  zuge- 
lassenen genuesischen  Konsuln  oder  Vizegrafen  erfuhr  insofern  noch  eine 
Ausdehnung,  als  auch  bei  den  drei  reservierten  Straftaten  fortan  erst  der 
Überführte  dem  königlichen  Gerichtshof  zur  Bestrafung  zu  übergeben  war. 
So  waren  offenbar  jetzt  die  Genuesen  die  Meistbegünstigten  auf  der  Insel; 
im  Januar  1233  reiste  die  Königin- Witwe  Alix,  die  sich  in  Genua  aufge- 
halten hatte ,  mit  einem  genuesischen  Geschwader  nach  Cypern  i) ;  am 
2.  Dezember  1233  schlössen  die  genuesischen  Generalkonsuln  für  Syrien  mit 
König  Heinrich,  dem  Herrn  von  Beirut  und  zahlreichen  Großen  ein  enges 
Schutz-  und  Trutzbündnis  auf  fünf  Jahre  ab.  2)  So  sehen  wir  diese  General- 
konsuln auch  für  Cypern  die  höchste  Autorität  im  Orient  bilden  und  man- 
cherlei Rechte  auf  der  Insel  ausüben ;  demgemäß  wurden  das  der  Commune 
Genua  in  der  Hauptstadt  Nicosia  gehörige  Bad  und  ein  Haus  in  Famagusta 
jährlich  von  Accon  aus  verpachtet;  1249  warfen  sie  241  und  57  Byzantien 
ab.  3)  Erzeugnisse  der  nordfranzösischen  Textilindustrie  sehen  wir  genue- 
sische Kaufleute  damals  auch  von  Marseille  aus  nach  Cypern  exportieren ; 
der  Träger  eines  berühmten  Namens,  Guüelmus  de  Pessagno,  ist  im  Früh- 
jahr 1248  mit  solchen  Waren  nach  Cypern  gegangen.^) 

167.  Eine  nicht  geringe  Handelstätigkeit  haben  auch  die  Proven- 
9alen  auf  Cypern  entwickelt.  Schon  im  Oktober  1198  erlangte  Marseille 
von  König  Amalrich  gegen  eine  Beihilfe  von  2800  Byzantien  zu  seinen 
Unternehmungen  Handelsfreiheit  für  Cypern  und  Überweisung  von  Grund- 
besitz (des  casale  Flaciae).^)  Im  März  1236  erschien  der  Konsul  von  Mar- 
seille in  Accon,  Geraut  Oliver,  in  Gemeinschaft  mit  Reymond  de  Conches, 
der  wohl  die  Interessen  der  übrigen  Provengalen  vertrat,  vor  König  Hein- 
rich in  Nicosia,  der  den  Marseillern  und  den  Provengalen  überhaupt  eine 
Reihe  von  Abgabenerleichterungen  bewilligte,  während  sie  schwören  mußten, 
ihn,  seine  Erben  und  sein  Land  zu  verteidigen,  so  lange  sie  auf  Cypern 
verweilten.  Darnach  sollten  sie  bei  Einkäufen  allerdings  nach  wie  vor  die 
landesüblichen  Abgaben  entrichten  müssen ;  beim  Verkauf  aber  sollten 
Waren,  die  sie  aus  Syrien  oder  Klein-Asien  importierten,  nur  1  %  vom 
Werte  zahlen,  und  wenn  sie  unverkauft  blieben,  unverzollt  wieder  ausge- 
führt werden  dürfen.  Bei  Waren,  die  Cypern  nur  passierten,  hatten  sie  an 
Zoll  zu  entrichten  für  den  Zentner  Alaun  und  das  Hundert  feine  Schaf- 
leder (boquines)  je  1  Byz.,  für  den  Zentner  Wolle  2  Byz.,  für  jeden  rotulus 
Seide  1/2^72.)  für  seidene  Tücher  und  alle  anderen  Waren  1%  vom  Wert; 
dieser  Zoll  war  im  ganzen  Königreich  nur  einmal  zu   entrichten   und  zwar 

')  Ann.  Jan.  (SS.  XVIII)  zu  1232. 

»)  Mas  Latrie,  Chypre  n,  56.     Röhricht,  Reg.  no.  1049.     Heyd  I,  363. 

'->)  Arch.  Or.  lat.  n,  2  p.  219. 

"*)  Amalric  no.  434.  Er  führte  als  Commenda  einen  Ballen  im  Werte  von 
80  1.  misc.  mit  sich,  der  28  Mäntel  von  Bailleul  (cape  de  Baiola)  und  V2  Stück  Tuch 
von  Chartres  enthielt. 

')  Heyd  I,  367.     Mas  Latrie,  Chypre  U,  24  ff. 


218  Siebzehntes  Kapitel. 

dort,    wo    sie    zuerst   einen   Teil   der  Ladung  löschten,  i)     1250  wurde  dies 
Privileg  von  Innozenz  IV.  bestätigt.  2) 

Für  das  Frühjahr  1248  können  wir  aus  dem  Notularium  Amalrics 
einen  ziemlich  lebhaften  Handelsverkehr  von  Marseille  nach  Cypern  nach- 
weisen; er  mag  gerade  damals  gesteigert  sein  dadurch,  daß  schon  bekannt 
war,  daß  König  Ludwig  auf  seiner  Kreuzfahrt  zunächst  bis  nach  Cypern 
gehen  würde.^)  So  liefen  die  meisten  damals  nach  Accon  bestimmten 
Schiffe  auch  Cypern  an;  der  große  S.  Spiritus  allerdings  nicht;  bei  der 
Sicarda  aber  nennt  ein  Kontrakt  Cypern  oder  Accon  als  Reiseziel  ^) ;  für 
den  S.  Vincentius  liegen  uns  zwei  Kontrakte  für  Accon  und  einer  für  Cypern, 
für  den  S.  Michael  unter  vier  Kontrakten  einer  für  Cypern  allein  und  einer 
für  Cypern  oder  Accon  vor. s)  Ein  Marseiller  Schiff  aber,  der  »Schwan«, 
der  im  Jahre  vorher  nach  Syrien  gegangen  war^),  hat  diesmal  nur  Cypern 
zu  seinem  Ziel ;  die  Akten  Amalrics  weisen  neun  auf  seine  Fahrt  bezügliche 
Kontrakte  in  der  Zeit  vom  4.  bis  14.  April  1248  auf.  Die  Einfuhrartikel 
sind  gleicher  Art,  wie  wir  sie  für  Syrien  kennen  gelernt  haben;  nur  bezüg- 
lich der  Ausfuhr  bleibt  einiges  zu  bemerken.  Als  von  der  Insel  selbst  stam- 
mende Artikel  erscheinen  feine  Bockfelle  (becunae  de  Cipro),  von  denen 
am  18.  Mai  1248  in  Marseille  850  Stück  zum  Preise  von  20  1.  misc.  das 
Hundert  verkauft  wurden,  und  Indigo  (indium  de  Cipro),  von  dem  kurz 
zuvor  2V4  Ztr.  von  Marseille  nach  Bugia  ausgeführt  wurden.  Wenn 
ein  anderer  Marseiller  Kontrakt  die  Anlage  von  Commendageld  bei  der 
Heimreise  von  Cypern  in  Pfeffer  oder  Zucker  oder  Hutwolle  (lana  capel- 
lorum)  vorschreibt,  so  bleibt  es  allerdings  zweifelhaft,  ob  Zucker  und  Wolle 
von  der  Insel  selbst  stammten;  der  Pfeffer  kam  jedenfalls  von  Aleppo  her. 
Noch  in  einem  anderen  Falle  wird  dem  Marseiller  Tractator  die  unmittel- 
bare Rückreise  von  Cypern  und  zugleich  die  Anlage  in  Pfeffer  vorge- 
schrieben. '^) 

168.  Ziemlich  gleichzeitig  mit  Cypern  ist  auch  das  dem  Nordost- 
horn  dieser  Insel  gegenüberliegende  Klein-Armenien  mit  den 
Romanen  in  nähere  Handelsbeziehungen  getreten. 

Es  geschah  unter  dem  tüchtigen  Rubeniden  Leo  IL  (1187 — 1219),  der 
schon  im  Hinblick  auf  die  Sarazenengefahr  Anschluß  an  das  Abendland 
suchte,  sein  Land  von  Kaiser  Heinrich  VI.  zu  Lehen  nahm  und  in  dessen 
Auftrage  am  6.  Januar  1198  (also  erst  nach  des  Kaisers  Tode)  zu  Tarsus 
vom  Erzbischof  von  Mainz  zum  Könige  gekrönt  wurde.  8)  Dieser  politischen 
Verbindung  entspricht  die  kommerzielle  mit  Genua  und  Venedig.  Im 
März    1201    erwirkte    der  genuesische   Gesandte   Ogerius   de   Pallo   vom 


1)  Mery  et  Guindon  I,  419.  Röhricht,  Reg.  no.  1071.  Port  116.  Mas  Latrie, 
Chypre  I,  314. 

*)  18.  März.  Möry  et  Guindon  I,  422  (die  die  Bestätigung,  auch  im  Index,, 
ebenfalls  zu  1236  ansetzen). 

3)  Amalric  no.  393,  549,  777,  878 :  Kontrakte  über  die  Miete  von  Schiffen  zur 
"Überfahrt  nach  Cypern  oder  wohin  der  König  sonst  gehen  würde. 

*)  No.  465. 

*)  No.  565;  410,  446. 

6)  No.  309. 

')  No.  727  f. ;  605 ;  426 ;  410.  Über  den  Anbau  von  Zuckerrohr  auf  der  Insel 
Oberhummer  1.  c.  282. 

8)  Toeche  477.     Heyd  I,  365  ff.,   woselbst  auch  weitere  Literatur. 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  Nord-Syrien,  Cypern  u.  Süd-Kleinasien.   219 

Könige  ein  umfassendes  Privileg,  in  dem  den  Genuesen  Handelsfreiheit  und 
Befreiung  von  Abgaben  jeder  Art  im  ganzen  Reiche  sowie  eigene  Gerichts- 
barkeit über  ihre  Landsleute  zugestanden  wurden.  Nur  bei  Klagen  einea 
Genuesen  gegen  einen  Nicht-Genuesen  sollten  die  königlichen  Gerichte  zu- 
ständig sein.  Zur  Errichtung  vollständiger  Handelsniederlassungen  einschließ- 
hch  Fondaco  und  Amtshaus  (curia)  wurden  ihnen  Bauplätze  in  der  land- 
einwärts gelegenen  Residenz  Sis,  sowie  in  den  mit  dem  Meere  kommuni- 
zierenden Städten  Mamistra  und  Tarsus  zur  Verfügung  gestellt,  an  letzteren 
Orten  auch  fertige  Kirchen,  während  in  Sis  das  Terrain  zu  einer  solchen 
geschenkt  wurde.  Auch  auf  das  Strandrecht  verzichtete  der  König  gegen- 
über den  Genuesen.  Das  ganze  Privileg i)  macht  den  Eindruck,  daß  die 
Genuesen  sich  in  diesem  Gebiet  schon  recht  heimisch  fühlten;  wissen  wir 
doch  auch,  daß  die  armenische  Gesandtschaft,  die  Leo  zum  Zwecke  der 
Erlangung  der  Königswürde  nach  dem  Abendlande  entsandte,  besonders 
bei  ihnen  die  beste  Aufnahme  und  Unterstützung  gefunden  hatte. 

Gegen  Ende  seiner  Regierung  (1215)  erteilte  Leo  dem  ersten  genuesischen 
Vicecomes  für  Klein-Armenien,  den  wir  kennen,  dem  Ugo  Ferrarius,  ein 
neues  Privileg;  in  Tarsus,  wo  sich  die  genuesische  Niederlassung  (vicus)  be- 
sonders entwickelt  zu  haben  scheint,  schenkte  er  ihnen  ein  Terrain  zur 
Anlegung  von  Backofen,  Bad  und  Fruchtgarten ;  im  übrigen  aber  minderte 
er  jetzt  ihre  Rechte  ein  wenig;  Kapitalverbrechen  und  Diebstahl  wurden 
vor  die  Landesgerichte  gezogen  und  auf  die  Befreiung  von  den  Durchgangs- 
zöllen, die  die  vier  größten  Vasallen  des  Königs  im  Innern  und  speziell  im 
Norden  des  Königreichs  erhoben  2),  mußten  die  Genuesen  angesichts  des 
Widerstandes  dieser  mächtigen  Herreh,  die  die  Befreiung  offenbar  niemals 
respektiert  hatten,  jetzt  formell  verzichten  und  sich  mit  dem  Versprechen 
des  Königs  begnügen,  ihre  Abgabenfreiheit  bei  einem  Heimfall  dieser  Lehen 
auch  in  bezug  auf  diese  Gebiete  zur  Durchführung  zu  bringen.  Jedenfalls 
ergibt  sich  daraus  die  Tatsache,  daß  die  Genuesen  damals  schon  ihre 
Handelsreisen  auch  in  das  Innere  und  wohl  auch  schon  über  die  Grenzen 
des  Königreichs  hinaus  ausgedehnt  haben. 

169.  Nur  neun  Monate  später  als  die  Genuesen  erhielten  auch  die 
Venezianer,  die  in  diesen  einst  griechischen  Gebieten  ja  schon  nach  dem 
Chrysobull  von  1082  Handel  trieben,  ihr  erstes  Privileg  für  Klein-Armenien ; 
wahrscheinlich  hat  sie  das  Beispiel  Genuas  zur  Sendung  des  Jacopo  Badoer 
veranlaßt,  dem  das  Privileg  im  Dezember  1201  ausgefertigt  worden  ist.  3) 
In  einigen  Punkten  geht  es  nicht  ganz  so  weit  wie  das  genuesische.  Nur 
in  Mamistra  gewährte  es  ihnen  ein  Fondaco  zur  Unterbringung  ihrer  Waren, 
einen  Bauplatz  zur  Errichtung  eines  Hauses  und  eine  Kirche.  Von  eigenen 
Kolonialvorstehern  ist  noch  nicht  die  Rede;  doch  sollte  bei  Streitigkeiten 
von   Venezianern   untereinander    die    schiedsrichterliche   Entscheidung   den 


»)  Lib.  Jur.  I  no.  441. 

*)  lib.  Jur.  I  no.  514.  Aufzählung  dieser  terrae  bei  Heyd  I,  370.  Einen  der 
Herren,  Constantin  von  Nimrun,  nimmt  Gregor  IX.  1237  unter  seinen  besonderen 
Schutz.     Auvray  3448—3454. 

»)  Tafel  und  Thomas  I,  381  f.  L'Armeno-Veneto.  Venedig  1893  no.  1,  p.  1. 
Heyd  I,  371.  Schmeidler  42.  Die  Hist.  Ducum  Venet.  (SS.  XIV,  91)  berichtet  mitten 
unter  Ereignissen  des  Jahres  1194  von  den  pulcherrima  privilegia,  die  Jac.  Badoer 
in  honorem  et  commodum  Veneticorum  obtinuit ;  indessen  bleibt  wohl  kaum  etwas 
anderes  übrig,  als  einen  der  nicht  ganz  seltenen  chronologischen  Irrtümer  dieser 
Quelle  anzunehmen. 


220  Siebzehntes  Kapitel. 

anwesenden  Landsleuten  der  Streitenden,  und  nur  falls  solche  fehlten,  dem 
Erzbischof  von  Sis  zustehen.  Den  Venezianern  wurde  ferner  die  Nichtanwen- 
dung des  Strandrechts  und  die  günstigste  Behandhing  in  Nachlaßsachen 
zugesichert;  auch  versprach  der  König,  daß  er  die  Rechte  venezianischer 
Gläubiger  seinen  Untertanen  gegenüber  wie  seine  eigenen  wahren  würde, 
was  deutlich  darauf  hinweist,  daß  venezianische  Händler  und  wahrschein- 
lich in  nicht  ganz  geringer  Zahl  schon  seit  geraumer  Zeit  im  Königreiche 
tätig  waren. 

Vor  aUem  aber  erhielten  die  Venezianer  die  unbeschränkte  Erlaubnis, 
in  ganz  Klein-Armenien  Handel  treiben  imd  Waren  aus  dem  Königreich 
exportieren  zu  dürfen,  verbunden  mit  vollständiger  Abgabenfreiheit,  die  nur 
zwei  Ausnahmen  erlitt:  wer  Gold  und  Silber  einführte,  um  sie  in  Klein- 
Armenien  zu  Münzen  auszuprägen,  sollte  dieselbe  Abgabe  zahlen,  die  im 
gleichen  Fall  im  Königreich  Jerusalem  üblich  war;  und  die  in  der  Levante 
ansässigen  Venezianer  (habitantes  semper  in  cismarinis  partibus)  sollten  beim 
Passieren  der  Portella  (des  zwischen  Klein-Armenien  und  Antiochien  oft 
streitigen  Passes,  der  die  Haupteingangspforte  nach  Syrien  bildet)  dem  dort 
üblichen  Zoll  unterworfen  sein  —  eine  Bestimmung,  die  den  Schluß  zu 
erlauben  scheint,  daß  die  Venezianer  von  Konstantinopel  aus  nicht  selten 
zu  Lande  nach  Syrien  zogen  und  umgekehrt.  Ausdrücklich  wurde  auch 
allen  venezianischen  Kaufleuten  mit  ihren  Waren  das  Durchzugsrecht  durch 
Klein-Armenien,  sei  es  nach  einem  christlichen  oder  sarazenischen  Lande, 
gestattet,  wenn  Klein-Armenien  mit  diesem  in  Frieden  lebte ;  sollte  ein  vene- 
zianischer Händler  (viator)  bei  solcher  Reise  eine  Schädigung  erfahren,  so 
versprach  der  König,  zur  Wiedererlangung  der  entfremdeten  Habe  die 
gleiche  Bemühung  aufzuwenden,  als  wenn  es  sich  um  sein  persönliches 
Eigentum  handelte. 

Dies  Privileg  blieb  für  lange  Zeit  die  rechtliche  Grundlage  der  Stel- 
lung der  Venezianer  im  Königreich;  im  März  1245  wurde  es  dem  Gesandten 
Pietro  Dandolo  durch  König  Haiton  erneuert,  i) 

170.  So  lange  die  Südküste  von  Klein-Asien  noch  griechisch 
war,  stand  sie  den  Venezianern  schon  auf  Grund  des  Privilegs  von  1082 
ohne  weiteres  offen ;  der  Bericht  des  Mönchs  vom  Lido  über  die  Erhebung 
der  Gebeine  des  hl.  Nikolaus  (1100)  zeigt  deutlich,  daß  ihnen  der  Besuch 
z.  B.  von  Myra  eine  ganz  geläufige  Sache  war;  auch  die  Anwesenheit  von 
Barensern  daselbst  wird  von  derselben  Quelle  erwähnt.  2)  Haupthafen  an 
der  Südküste  aber  war  das  auch  im  Privileg  von  1082  besonders  hervor- 
gehobene Satalia,  von  wo  aus  auch  König  Ludwig  VII.  von  Frankreich  im 
Jahre  1148  zu  SchifE  über  Cypern  nach  dem  Simeonshafeii  gefahren  ist.  s) 
Für  Sataha  können  wir  auch  die  Handeistätigkeit  der  Genuesen  im  12.  Jahr- 
hundert nachweisen;  hierher  ging  im  Jahre  1156  mit  einem  Gesellschafts- 
kapital von  96  1.  Jan.  der  Genuese  Matheus  de  Bonifanti ;  für  weitere  Handels- 
unternehmungen von  hier  aus  war  er  angewiesen,  sich  dem  unter  den 
Zeugen  genannten  Jordan  de  Treia   anzuschließen   oder   doch   seinem  Rate 


')  Tafel  und  Thomas  II,  426  f.  L'Armeno-Veneto  no.  2  p.  4  f.  Über  das  Da- 
tum: Langlois,  Tresor  des  chartes  d'Armönie,  introd.,  p.  145. 

")  Reo.  Crois.  Oceid.  V,  267. 

»)  Die  Attalioten  verlangten  für  die  Überfahrt  den  hohen  Preis  von  4  Mark 
Silber  pro  Kopf,  so  daß  die  Ärmeren  den  Landweg  wählen  mußten,  zumal  auch  die 
Schiffe  nicht  ausreichten.     Bernhardi,  Konrad  III,  p.  658. 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  Nord-Syrien,  Cypern  u.  Süd-Kleinasien.   221 

zu  folgen.  1)  Und  für  die  relative  Lebhaftigkeit  dieses  Verkehrs  spricht  es 
auch,  daß  sich  unter  den  Entschädigungsforderungen,  die  der  Gesandte 
Grimaldi  im  Dezember  1174  in  Konstantinopel  zu  erheben  beauftragt  wurde, 
drei  Posten  befinden,  die  sich  auf  Verluste  der  Genuesen  in  SataHa  beziehen ; 
so  wurden  für  Ido  Mallonus  und  Genossen  400  Hyp.  verlangt,  die  der  grie- 
chische Dux  von  Satalia  ihnen  ungerechterweise  abgenommen  haben  sollte, 
und  ähnliche  Forderungen  wurden  wegen  der  Übergriffe  anderer  Beamten 
Satalias  für  Facius  Docibilis  sowie  für  Rodoanus  de  Mauro  und  seine  auf 
demselben  Schiffe  reisenden  Gefährten  gestellt.  2) 

Wahrscheinlich  in  der  Zeit  nach  der  Verfolgung  des  Andronikos 
setzten  sich  pisanische  Korsaren  in  der  Nähe  des  C.  Chelidonia,  das  den 
Golf  von  Sataha  im  Südwesten  begrenzt,  an  der  Mündung  des  Flusses 
Phineka  fest,  um,  auf  diesen  Schlupfwinkel  gestützt,  zunächst  an  den  Griechen 
Rache  zu  nehmen;  bald  freilich  übten  sie  von  diesem  »portus  Pisanorum« 
aus  ihr  Seeräuberhandwerk  unterschiedslos  gegen  jedermann;  auf  seiner  Rück- 
kehr aus  dem  Heiligen  Lande  kaperte  König  Philipp  August  4  Galeeren  dieser 
Piraten,  während  sie  selbst  in  die  Berge  entkamen.  3)  Als  dann  der  vierte 
Kreuzzug  das  griechische  Reich  zerstörte,  bemächtigte  sich  ein  Aldobrandini, 
also  dem  Namen  nach  zu  schließen,  ein  Toskaner,  Satalia's;  wenig  später 
aber,  1207,  gelang  dem  Sultan  von  Ikonium  die  Eroberung  der  Stadt*), 
die  nunmehr  neben  dem  schon  früher  eroberten  Candelor  für  die  Türken 
den  Hauptzugang  zum  Meere  bildete,  während  die  Handelsstraße  zu  Lande 
über  den  Tauruspaß  Gölek  Boghaz  nach  Adana  und  Mamistra  ging. 

171.  Wahrscheinlich  bald  nach  der  Eroberung  Satalias  sind  die 
Venezianer  mit  Ikonium  in  ein  Vertragsverhältnis  getreten;  Ghiatheddin 
Kaikhosru  I.  (1203 — 1211)  machte  ihnen  das  Zugeständnis,  daß  ihre  Waren 
höchstens  mit  2  %  vom  Werte  verzollt  werden  sollten.  Der  älteste  erhaltene 
Vertrag  ist  der  mit  Alaeddin  Kaikobad  (1220 — 1237)  geschlossene,  dessen 
Ratifikation  bald  nach  dem  Regierungsantritt  des  Sultans  im  März  1220 
besondere  Gesandte  dem  venezianischen  Podestä  in  Konstantinopel  über- 
brachten. 5)  In  Bestätigung  der  Privilegien  seiner  beiden  Vorgänger  ver- 
sprach der  Sultan  den  Venezianern  Sicherheit  der  Person  und  des  Eigentums, 
auch  bei  Schiffbruch  und  wenn  sie  auf  fremden  Schiffen  führen;  dazu 
Sicherheit  des  Nachlasses  von  Venezianern,  die  in  seinem  Machtbereich  ver- 
starben; die  Venezianer  machten  in  bezug  auf  die  Untertanen  des  Sultans 
die  gleichen  Zusicherungen.  Für  Getreide,  Edelmetalle  (auch  gemünzt), 
Edelsteine  und  Perlen  erhielten  sie  nunmehr  Zollfreiheit.  Auch  die  Ge- 
richtsbarkeit über  ihre  Landsleute  überließ  der  Sultan  den  Venezianern 
in  vollem  Umfange ;  ihre  bevorzugte  Stellung  im  Sultanat  aber  spricht  sich 
besonders  darin  aus,  daß  der  Sultan  auch  die  Entscheidung  aller  zwischen 
den  Venezianern  und  anderen  Lateinern  vorfallenden  Differenzen  den  von 
den  Venezianern  damit  betrauten  Personen  zuwies  ß)  und  seinen  Gerichten 
nur  den  Blutbann  und  die  Verbrechen  gegen  das  Eigentum  vorbehielt. 


>)  Chart.  II  no  351  (24.  August).     Heyd  I,  303. 

«)  Bertolotto  p.  396,  400,  401. 

')  Gesta  Regis  Riccardi  ed.  Stubbs  U,  195. 

*)  Heyd  I,  303  f 

•)  Tafel  und  Thomas  II.  221  ff.     Heyd  I,  302  f. 

*)  .  .  .  debet  judicari  (für  indicari  zu  lesen)   per  electos  Ven.    ydoneos   viros. 


222     Siebzehntes  Kapitel.     Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  Nord-Syrien  etc. 

Unter  jenen  anderen  Lateinern  hebt  der  Vertrag  die  Pisaner  be- 
sonders hervor,  die  darnach  also,  wenn  auch  erheblich  hinter  den  Venezianern 
zurückstehend,  die  zweite  Rolle  im  Handel  mit  dem  Sultanat  gespielt  haben 
müssen.  Und  einige  positive  Kenntnisse  haben  wir  auch  von  diesem  Handel ; 
ein  Kaufmann  von  San  Gimignano,  Ristorus,  starb  um  1240  während  einer 
Geschäftsreise  in  diesem  Lande  (in  Turchia),  worauf  sein  Nachlaß  dem 
pisanischen  Generalkonsul  in  Accon,  Guil.  Gobbetti,  zugestellt  wurde;  und 
in  dem  schon  erwähnten  Kontrakt  von  San  Gimignano  vom  Juli  1244  er- 
scheint neben  Aleppo  auch  Ikonium  unter  den  Reisezielen,  i) 

Wohl  nur  ein  Zufall  ist  es,  wenn  wir  den  Verkehr  der  Genuesen, 
die  in  Cypern  eine  so  wichtige  Stellung  errangen,  mit  dem  Sultanat  für 
unsere  Periode  nicht  besonders  nachzuweisen  vermögen ;  für  die  P  r  o  v  e  n  - 
•galen  ergibt  sich  aus  ihrem  cyprischen  Privileg  von  1236,  daß  sie  an  der 
Ausfuhr  von  Alaun,  feinem  Leder,  Wolle  und  Seide  aus  dem  Sultanat 
(Chome)  nach  der  Insel  beteiligt  waren.  2) 

Gegen  Ende  unserer  Periode  erschien  in  den  Mongolen  ein 
neuer  Faktor  auf  dem  Plan;  ein  Venezianer,  Bonifacius  de  Molinis, 
stand  1242/43  als  Söldnerführer  im  Dienste  des  Sultans  gegen  sie^); 
im  Jahre  1244  aber  wurden  die  Seldschukken  bei  Erzengan  ent- 
scheidend geschlagen,  so  daß  ihr  Reich  in  Abhängigkeit  von  den 
Mongolen  geriet,  deren  Auftreten  es  vorbehalten  war,  gewaltige  Um- 
gestaltungen in  dem  Levantehandel  der  Mittelmeer-Romanen  herbei- 
zuführen. 


»)  Davidsohn  Forsch.  II,  298  no.  2307  u.  2308.     Oben  §  163. 
2)  Mery  et  Guindon  I,  419  f. 
8)  Heyd  I,  302. 


Abschnitt  II: 

Handel  der  Mittelmeer-ßomanen  mit  den  Ländern  des 
griechischen  Eeichs. 


Achtzehntes  Kapitel. 

Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels. 

172.  Für  Venedigs  Handelsstellung  im  griechischen  Reiche 
kam  es  wesentlich  nur  darauf  an,  die  durch  das  Chrysobull  von  1082 
gewonnene  Überlegenheit  zu  behaupten  und  voll  auszunutzen ;  die  er- 
klärliche Mißgunst  der  Kaiser  konnte  den  Venezianern  um  so  eher  ge- 
fähriich  werden,  als  die  Möghchkeit  vorlag,  daß  sie  an  den  andern  neu 
in  den  Wettbewerb  eingetretenen  Handelsnationen  einen  Rückhalt  fand. 

Zwar  so  lange  Alexius  lebte  (f  1118),  wurde  das  gute  Verhältnis  nicht 
getrübt,  und  der  Kaiser  fand  an  ihnen  gegen  den  Angriffskrieg  Boemunds 
von  Antiochien  eine  treffliche  Stütze.  Sein  Nachfolger  Johannes  IL  (Kalo- 
johannes) aber  verweigerte  die  Bestätigung  des  alexianischen  Privilegs  und 
behandelte  sie  mit  zunehmender  Härte;  erst  ein  längerer  Seekrieg  der 
Venezianer,  während  dessen  sie  Rhodos,  Kos,  Samos  und  Chios  einnahmen  i), 
veranlaßte  ihn  zur  Nachgiebigkeit;  gegen  das  Versprechen  militärischen 
Beistandes  verbriefte  er  im  August  1126  die  Erneuerung  des  Privilegs  und 
hob  auch  auf  ihren  Wunsch  den  eingerissenen  Brauch,  bei  Kaufgeschäften 
der  Venezianer  im  Reiche  die  Handelsabgabe  (commercium)  von  den  Ver- 
käufern dann  zu  fordern,  falls  diese  nicht  auch  venezianischer  Nationalität 
waren,  auf.  2)  So  war  die  kommerzielle  Bevorzugung  der  Venezianer  vor 
allen  andern  von  neuem  gesichert.  Auch  Kaiser  Manuel  (1143 — 1180) 
zögerte  anfänglich,  die  Vorrechte  der  Venezianer  anzuerkennen ;  als  er  aber 
der  Hilfe  ihrer  Flotte  gegenüber  dem  Angriffskriege  des  Normannenkönigs 
Roger,   der   den   zweiten  Kreuzzug  in  seiner  Weise   auszunutzen   gedachte, 


')  Vgl.  besonders  die  zeitgenössische  Translatio  m.  Isidori  des  Cerbanus  Cer- 
bani  im  Rec.  Crois.  occid.  V  p.  323  f. 

*)  Heyd  I,  192,  194  f.     Tafel  und  Thomas  I  p.  97.     Naumann  370.  , 


224  Achtzehntes  Kapitel. 

dringend  bedurfte,  bestätigte  er  im  Oktober  1147  nicht  nur  ihr  Privileg, 
sondern  dehnte  es  auch  einer  Zusage  seines  Vaters  gemäß,  die  indessen 
unausgeführt  geblieben  war,  auf  die  Inseln  Kreta  und  Cypern  aus ;  ja  im  März 
des  folgenden  Jahres  gewährte  er  ihnen,  da  sie  sich  bei  ihrer  beständig 
wachsenden  Zahl  in  ihrem  Quartier  allzu  beengt  fühlten,  eine  beträchtliche 
Erweitermig  desselben   und   fügte  auch  eine  vierte  Landungsstätte  hinzu,  i) 

Doch  während  der  Belagerung  von  Korfu,  dessen  Einnahme  den 
Normannen  geglückt  war,  kam  es  zu  einem  Zwist  unter  den  Belagerern 
selbst ;  es  kam  soweit,  daß  das  Schiff  des  Kaisers  von  den  Venezianern  ge- 
nommen wurde  und  Manuel  selbst  sich  ohnmächtig  ihren  Beschimpfungen 
ausgesetzt  sah.  Wohl  zwang  die  Not  bald  darauf  zur  Verständigung,  und 
Korfu  wurde  zurückerobert  (1149);  seitdem  aber  nährte  Manuel  einen  inneren 
Groll  gegen  die  immer  übermütiger  werdenden,  auf  ihre  Seemacht  pochen- 
den Bundesgenossen.  Dazu  kam,  daß  ihre  Freiheit  von  Handelsabgaben 
einen  schweren  finanziellen  Verlust  für  den  Kaiser  bedeutete.  Ein  erster 
Schlag,  den  er  gegen  sie  führte,  war  die  Absonderung  der  außerhalb  des 
venezianischen  Quartiers  in  beträchtlicher  Zahl  ansässigen  venezianischen 
Kolonisten,  die  er  fortab  als  seine  burgenses  zu  den  gleichen  Pflichten  wie 
seine  übrigen  Untertanen  heranzog  2).  Den  entscheidenden  aber  glaubte  er 
im  Jahre  1171  führen  zu  können;  den  Umstand,  daß  sie  den  Reichsfrieden 
durch  den  Überfall  des  genuesischen  Quartiers  gebrochen,  benützend,  er- 
ließ er  den  geheimen  Befehl,  am  12.  März  alle  Venezianer  im  ganzen  Reiche 
zu  verhaften  und  ihr  Hab  und  Gut  mit  Beschlag  zu  belegen.  Nicht  wenige 
entgingen  der  Gefangennahme  durch  Flucht  auf  die  Schiffe,  die  sie  nach 
Syrien  oder  Venedig  in  Sicherheit  brachten;  Venedig  aber  begann  sofort 
unter  allgemeiner  Begeisterung  den  Rachekrieg,  s)  Doch  wurde  er,  zamal 
als  die  Pest  auf  der  Flotte  ausbrach,  so  wenig  glücklich  geführt,  daß  der 
Doge  im  Mai  1172  der  Wut  des  Volkes  zum  Opfer  fiel.  Der  neue  Doge, 
Sebastiano  Ziani,  knüpfte  Verhandlungen  an,  die  spätestens  1175  zur  Wieder- 
herstellung des  Friedenszustandes  geführt  haben  müssen,  denn  im  Herbst 
dieses  Jahres  sehen  wir  schon  wieder  venezianische  Galeeren  im  Dienste 
des  Kaisers.  Gerade  damals  aber  schloß  Venedig  seinen  Vertrag  mit  Sizilien, 
nach  dem  es  in  Zukunft  von  jeder  Unterstützung  des  Kaisers  absehen  _ 
wollte  4);  offenbar  wurde  ihm  von  Manuel  jede  Entschädigung  vorenthalten.  iB 
Gegenseitiges  Mißtrauen  hat  seitdem  die  Beziehungen  Venedigs  zu  Konstanti- 
nopel beherrscht,  bis  es  bald  nach  Manuels  Tode  zu  einer  neuen  schweren 
Umwälzung  kam. 


I 


II 


^)  Tafel  und  Thomas  I,  113  f.,  109  f.  Die  Herausgeber  haben  die  Bestätigung 
in  den  Oktober  1148  gesetzt  und  nicht  beachtet,  daß  das  griechische  Jahr  6656  mit 
dem  1.  September  1147  beginnt,  und  daß  auch  die  Indiktion  nicht  zu  ihrem  Ansatz 
paßt.  Selbst  Heyd  I,  198  f.  hat  sich  durch  ihre  (auch  in  sich  selbst  unwahrschein- 
liche) Anordnung  der  beiden  Urkunden  täuschen  lassen.  Das  venezianische  Gegen- 
versprechen ist  auch  hier  nicht  erhalten.     Neumann  378. 

«)  Kinnamos  ed.  Meineke  (Bonn  1836),  p.  282.     Heyd  I,  199  f. 

»)  Heyd%  216  fE.  Erschöpfend  behandelt  von  E.  Besta :  La  cattura  dei  Ve- 
neziani  in  Oriente  per  ordine  dell'  imp.  Em.  Comneno  e  le  sue  conseguenze  nella 
politica  interna  ed  estera  del  comune  di  Venezia.  Feltre  1900  (Estr.  dall'Antologia 
veneta  I).  Romanos  Mairanos  brachte  auf  seinem  Schiffe  zahlreiche  Flüchtlinge 
nach  Accon ;  oben  §  99. 

*)  Tafel  und  Thomas  I,  173  f.     Unten  §  359.     Vgl.  Schmeidler  p.  89  ff. 


fl 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  225 

173.  Die  Pisaner  eröffneten  ihre  große  Kreuzfahrt  im  Jahre 
1099  mit  einer  Reihe  feindseUger  Handlungen  gegen  das  griechische 
Reich. 

Sie  brandschatzten  die  Jonischen  Inseln,  eroberten  das  feste  Maida 
und  reichten  Boemund  zur  Belagerung  Laodiceas  willig  die  Hand,  i)  Wenn 
sie  sich,  als  die  Stadt  dem  Falle  schon  ganz  nahe  war,  durch  die  von  der 
Eroberung  Jerusalems  zurückkehrenden  Fürsten  zur  Aufhebung  der  Belage- 
rung bestimmen  ließen,  so  ist  das  sicher  nicht  geschehen,  ohne  daß  ihnen 
von  griechischer  Seite  Zugeständnisse  gemacht  wurden ;  es  ist  anzunehmen, 
daß  es  zwischen  ihnen  und  dem  griechischen  Kommandanten  unter  der 
Vermittelung  Raimunds,  der  es  mit  seinem  dem  Kaiser  geleisteten  Treueide 
ernst  nahm,  zu  einem  Abkommen  mit  speziell  handelspolitischen  Vorteilen 
für  sie  kam,  das  natürlich  noch  der  Ratifikation  von  selten  des  Kaisers 
bedurfte.  Durch  ein  solches  Abkommen  würde  es  sich  erklären,  daß  die 
Pisaner,  als  sie  auf  ihrer  Heimfahrt  im  Jahre  1100  mit  der  noch  bei  Rhodus 
liegenden  venezianischen  Flotte  zusammenstießen ,  die  kaiserliche  Flagge 
führten  2) ;  ein  solches  Abkommen  erklärt  aber  auch  die  Art  des  Vorgehens 
der  Venezianer,  die  für  ihr  kommerzielles  Monopol  im  griechischen  Reiche 
fürchteten.  Es  mag  sein,  daß  auch  das  trotzige  Selbstgefühl  der  Pisaner 
Anlaß  zum  Kampfe  gab  —  wir  haben  nur  eine  einseitige  Darstellung  der 
Venezianer  —  bezeichnend  ist  jedenfalls,  wie  die  Venezianer  ihren  Erfolg 
ausnutzten.  Eine  große  Zahl  von  Schiffen  und  fast  4000  Mann  brachten 
sie  in  ihre  Gewalt,  gaben  sie  aber  bald  gegen  die  feierliche  Verpflichtung 
der  Pisaner,  das  griechische  Reich  des  Handels  wegen  niemals  betreten  s), 
seine  christlichen  Bewohner  nicht  bekämpfen  und  die  griechischen  Gewässer 
überhaupt  nur  noch  auf  dem  Wege  nach  dem  Hl.  Lande  passieren  zu  wollen, 
wieder  frei;  auch  die  wenigen  Geiseln,  die  sie  zurückbehalten  hatten,  ließen 
sie  bald  nach  der  Erhebung  der  Gebeine  des  hl.  Nikolaus  in  Myra  los.  So 
waren  die  Pisaner  zunächst  behindert,  im  griechischen  Reiche  den  Wett- 
bewerb mit  den  Venezianern  aufzunehmen  und  erst  nach  einem  Dezennium 
kam  es  zwischen  ihnen  und  den  Griechen  zu  einer  Verständigung.  Ihre 
Gefährlichkeit  hatten  sie  den  Griechen  von  neuem  durch  die  eifrige  Unter- 
stützung Tancreds  bewiesen,  der  ihnen  1108  endgültig  Laodicea  entriß ;  es  war 
durchaus  gegen  das  Interesse  des  Kaisers,  sie  infolge  ihres  Ausschlusses  von 
dem  Handel  mit  seinem  Reiche  dauernd  zu  Feinden  zu  haben.  Auf  die 
Bedingung,  gleich  den  Venezianern  seine  Lehnshoheit  anzuerkennen,  gingen 
die  Pisaner  ein;  in  feierlichem  Akte  leisteten  sie  am  18.  April  1110  in 
Gegenwart  der  Bevollmächtigten  des  Kaisers  in  Pisa  selbst  den  Huldigungs- 
eid und  versprachen,  das  kaiserliche  Gebiet,  auch  das  in  Zukunft  von  Kroatien 
und  Dalmatien  an  bis  nach  Alexandrien  hin  zu  erwerbende,  zu  beschützen. 
Doch  noch  einmal  verzögerte  sich  der  Abschluß,  wohl  im  Zusammenhange 


*)  Oben  §87.  Bei  der  »urbs  fortissima  Maida«  der  pisanischen  Quellen  (Gesta 
triumph.  in  Rec.  Crois.  Occid.  V,  368)  ist  wohl  an  Maina  auf  der  in  das  C.  Matapan 
auslaufenden  Halbinsel  zu  denken ;  vgl.  Gesta  Rice.  ed.  Stubbs  II,  199 :  super  gulfum 
illum  est  castellum  bonum  et  forte  quod  dicitur  Maine  et  gens  mala  ibi  est. 
In  Syrien  ist  der  Ort  jedenfalls  nicht  zu  suchen,  wie  Hagenmeyer  Epp.  p.  427  für 
möglich  hält.     Vgl.  noch  Chalandon  215  f. 

*)  »Imperialia  signa  usurpantes,  .  ,  .  Imperii  fasces  mentientes«  nennt  sie 
der  Mönch  vom  Lido.    Rec.  Crois.  Occid.  V,  258. 

')  .  .  .  se  nunquam  scilicet  deinceps  Romaniam  causa  mercimonii  intraturoa, 
etc. ;  ib.  258  f.     Heyd  I,  194. 

Scbaube,  Handelsgescbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  15 


226  Achtzehntes  Kapitel. 

mit  der  Anwesenheit  Kaiser  Heinrichs  V.  in  Itahen;  und  erst  nach 
einem  allerdings  ziemlich  erfolglosen  Angriff  einer  pisanischen  Flotte  auf 
die  griechischen  Küsten  kam  es  im  Oktober  1111  zu  einem  endgültigen 
Ergebnis,  indem  Kaiser  Alexius  der  zahlreichen  pisanischen.  Gesandtschaft, 
die  vor  ihm  erschienen  war  (auch  ein  Konsul  von  Pisa,  Alferius,  gehörte 
ihr  an),  nunmehr  das  für  die  Stellung  der  Pisaner  im  griechischen  Reiche 
für  diese  ganze  Periode  grundlegend  gewordene  Privileg  verlieh,  i)  In 
Konstantinopel  wurde  den  Pisanern  ein  Quartier  mit  Magazinen  und  aus- 
reichenden Wohnungen  sowie  eine  besondere  Landungsstätte  (scala)  ange- 
wiesen; auch  sonst  sollte  an  Orten,  wo  sie  Handel  zu  treiben  pflegten,  für 
ihre  Unterbringung  entsprechend  Sorge  getragen  werden.  Im  ganzen  Reiche 
wurde  ihnen  der  Schutz  des  Kaisers  verheißen ;  in  Fällen  von  Vergewaltigung 
sollte  für  rasche  Bestrafung  der  Schuldigen  und  Schadenersatz  Sorge  ge- 
tragen werden ;  überall  sollten  sie  unbehindert  Waren  einführen  und  ver- 
kaufen dürfen.  Edelmetalle  waren  bei  der  Einfuhr  frei ;  alle  übrigen  Waren 
zahlten  4%  ad  valorem,  wenn  sie  aus  pisanischem  Gebiet  importiert  waren, 
für  Waren  anderer  Herkunft  aber  sollten  die  Pisaner  den  gleichen  Zoll  wie 
die  Griechen  entrichten.  Der  Dom  zu  Pisa  erhielt  vom  Kaiser  ein  jähr- 
liches Ehrengeschenk  (solemne)  von  2  pallia  und  eine  Jahresrente  von 
400  Hyperpern,  die  später  auf  500  stieg,  während  der  Erzbischof  jährlich 
ein  Pallium  und  60  Hyperpern  erhielt.  Endlich  wurden  den  Pisanern  auch 
besondere  Plätze  in  der  Hagia  Sophia  sowie  für  den  Tag  der  Wettrennen 
im  Hippodrom  angewiesen. 

174.  Für  fast  50  Jahre  sind  dann  unsere  Nachrichten  über  die  pi- 
sanische  Handelsniederlassung  in  Konstantinopel  sehr  fragmentarischer  Art; 
immerhin  erkennen  wir,  daß  die  Pisaner  sich  in  dieser  Zeit  vollständig  in 
Konstantinopel  einlebten.  Wir  wissen,  daß  die  Disputation,  die  der  ge-J|j 
lehrte  Bischof  Anselm  von  Havelberg,  den  Kaiser  Lothar  an  Kalojohannes  ™l 
gesandt,  am  10.  April  1136  in  Konstantinopel  hatte,  im  pisanischen  Quartier 
(in  vico  qui  dicitur  Pisanorum  juxta  ecclesiam  Agie  Irene)  stattfand  2);  unter 
den  zahlreichen  anwesenden  Lateinern  wird  der  berühmte,  beider  Sprachen 
mächtige  pisanische  Rechtsgelehrte  Burgundio  besonders  genannt.  Das 
Quartier  lag  in  bester  Stadtgegend  am  Goldenen  Hörn,  wo  es  sich  vom 
Gartentor  (Bagdsche-Kapussi),  dem  alten  Arsenaltor  (porta  Neorii),  westwärts 
in  der  Richtung  auf  das  Fischmarkttor  (Balik-Basar-Kapussi)  erstreckte  ^) ;  in 
ihm  erhob  sich  die  dem  Patron  der  Seefahrer  geweihte  pisanische  Nikolaikirche, 
in  deren  Nähe  am  30.  April  1141  durch  einen  pisanischen  Notar  Guilicio 
eine  Urkunde  aufgenommen  wird  4),  mid  vielleicht  auch  schon  die  Peters- 
kirche, die  seit  1160  bezeugt  ist.     Im  übrigen  haben  wir  einige  Nachrichten 


I 


I 

II 


II 


1)  Müller  p.  43  und  52  f.  Im  Datum  des  Lehneids :  1111,  18.  April,  ind.  XIU 
glaube  ich  ind.  III  (Heyd  I,  193 :  IV ;  Chalandon  schließt  sich  hier  ganz  an  Heyd 
an,  p.  258)  lesen  und  pisanische  Jahreszählung  annehmen  zu  müssen.  Die  Leistung 
des  Eides  im  Jahre  1111  ist  wegen  der  damaligen  Anwesenheit  Heinrichs  V.  in 
Italien,  der  im  Winter  selbst  in  Pisa  gewesen,  höchst  unwahrscheinlich,  während  der 
Wiederausbruch  der  Feindseligkeiten  daraus  sehr  wohl  erklärlich  wird.  Da  der 
Lehnseid  in  Pisa  geleistet  wurde,  so  kann  man  eigentlich  auch  gar  nicht  anders 
als  pisanische  Datierung  annehmen.  'jll 

2)  Ausführlich    über  Anselms  beide  Gesandtschaftsreisen  J.  Dräseke  in  Zeit- *■ 
Schrift  für  Kirchengeschichte  XXI,  Heft  2;  vgl.  Müller  p.  423.  Bernhardi,  Lothar  599. 

»)  Heyd  I,  252. 

•*)  Müller  p.  4;  Bonaini  Suppl.  p.  13. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  227 

über  den  beiderseitigen  Gesandtschaftsverkehr;  1136  kam  eine  griechische 
Gesandtschaft  mit  reichen  Geschenken  nach  Pisa^),  veranlaßt  wohl  durch 
die  Taten  Pisas  im  Kriege  gegen  Roger;  1141  war  ein  pisanischer  Gesandter, 
Ugone  Duodi,  in  KonstantinopeP)  und  unterzeichnete  als  erster  Zeuge  die 
Schenkungsurkunde  eines  hierselbst  lebenden  pisanischen  Ehepaares  an  die 
Dombauverwaltung;  und  am  Ende  des  Jahrzehnts  veranlaßte  Kaiser  Kon- 
rad III.,  wie  er  selbst  in  einem  späteren  Schreiben  an  die  Pisaner  hervor- 
hebt, eine  griechische  Gesandtschaft  nach  Pisa  zu  gehen,  3)  Wie  festbegründet 
die  Stellung  der  Pisaner  im  griechischen  Reiche  geworden  war,  erhellt  aber 
am  besten  daraus,  daß  die  Genuesen  im  Jahre  1155  keine  größere  Forderung 
an  den  Kaiser  zu  stellen  hatten,  als  die,  Gleichstellung  mit  den  Pisanern  in 
allen  wesentlichen  Punkten  zu  erlangen. 

Am  18.  März  1160  faßten  Konsuln  und  Senat  in  Pisa  in  Überein- 
stimmung mit  den  Wünschen  des  früheren  und  jetzigen  Erzbischofs  von 
Pisa  (Balduin  1137 — 1145  und  Villano)  und  zum  Zwecke  der  Förderung 
des  Dombaus  in  Pisa  den  Beschluß,  den  pisanischen  Kolonialbesitz  in  Kon- 
stantinopel der  Dombau  Verwaltung  (operi  S.  Marie)  zu  übertragen;  keine 
geistliche  oder  weltliche  Autorität  in  Pisa  noch  auch  die  Organe  Pisas  in 
der  Kolonie  (neque  missatici  nee  vicecomes  neque  embularii)  sollten  fortab 
eine  Verpfändung  oder  Veräußerung  desselben  im  ganzen  oder  in  Teilen 
vornehmen  dürfen.  ■*)  Im  April  1162  wurde  dieser  Beschluß  von  den  Ge- 
sandten Bottaccio  und  Cocco  Griffi,  die  im  Oktober  1161  auf  2  Kriegs- 
schiffen an  Kaiser  Manuel  geschickt  waren,  in  Konstantinopel  selbst  zur 
Durchführung  gebracht. 

Die  Beziehungen  der  Pisaner  zu  Manuel  waren  in  dieser  Zeit  wegen 
ihres  engen  Verhältnisses  zum  deutschen  Kaiser  gespannt;  schon  seit  1155 
wurden  ihnen  die  vertragsmäßigen  Ehrengeschenke  vorenthalten.  Vergebens 
suchte  Manuel  den  Bund  Pisas  mit  Barbarossa  zu  sprengen ;  nach  der  Rück- 
kehr Bottaccios  (29.  Juni  1162)  setzte  der  andere  Gesandte,  Cocco,  die  Ver- 
handlungen mit  ihm  noch  eine  Zeitlang  fort;  doch  führten  auch  sie  zu 
keinem  Resultat  und  Cocco  traf  am  22.  Juni  1163  wieder  in  Pisa  ein.^) 

175.  Wenn  die  Pisaner  bei  der  Übertragung  ihres  Kolonialbesitzes  an 
die  Dombauverwaltung  davon  einen  besseren  Schutz  desselben  gegen  Über- 
griffe des  Kaisers  erwartet  haben  sollten,  so  erwies  sich  diese  Hoffnung  bald 
als  trügerisch.  Im  Zusammenhange  mit  anderen  gegen  die  Lateiner  ge- 
richteten Maßregeln  nahm  er  ihnen  (wahrscheinlich  im  Jahre  1167)  ihr 
Quartier  6)  und  verwies  sie  in  das  Gebiet  jenseits  des  Goldenen  Hornes. 
Pisa  schickte  nun  eine  solenne  Gesandtschaft,  aus  dem  Konsul  Alberto  Bulsi, 
dem  Rechtsgelehrten  Burgundio  und  dem  Grafen  Marcus  bestehend,  nach 
Konstantinopel,  die  Pisa  am  6.  November  1168  verließ,  im  folgenden  Jahre 


')  Ann.  pis.  des  Marago  (SS.  XIX,  240).  Die  Angabe  von  CC  pallia,  die  die 
Gesandtschaft  mitgeführt,  ist  mit  Recht  auf  Widerspruch  gestoßen ;  Heyd  I,  197 
will  n,  Langer  p.  9  f.,  203  f.  will  LI  lesen.  Ich  schlage  XX  vor ;  diese  würden 
unter  Hinzurechnung  des  einen  besonders  kostbaren  (unum  de  auro  textum  mira- 
bile;  das  solemne  für  7  Jahre  repräsentieren. 

^)  Unbegründet  ist  es,  daß  Müller  p.  527  ihn  als  pisanischen  Vicecomes  in 
Konstantinopel  für  1137 — 114ö  anführt. 

»)  M.  G.  Legum  II,  87.     Bernhardi,  Konrad  III.,  p.  753  A.  7. 

*)  Müller  p.  8  ö". 

"»)  Ann.  pis.  zu  1163  (SS.  XIX,  246). 

8)  Langer  S.  152 ;  Davidsohn,  Forschungen  I,  S.  100. 

15  * 


228  Achtzehntes  Kapitel. 

mit  Ragusa  und  Spalato  einen  Vertrag  schloß  und  im  Juli  1170  zu  einer 
Verständigung  mit  Manuel  gelangte.  Der  Stern  Barbarossas  war  mittlerweile 
erblichen  und  die  Pisaner  erneuerten  nun  nicht  nur  den  Huldigungseid  für 
den  griechischen  Kaiser,  sondern  erklärten  auch,  etwaige  Versprechungen, 
die  sie  diesem  Eide  zuwider  einem  Gekrönten  oder  Ungekrönten  gemacht 
hätten,  als  hinfällig  zu  betrachten.  Darauf  erwies  sich  Manuel  sehr  gnädig 
und  verfügte  die  Rückgabe  ihres  Quartiers  und  ihrer  Landungsstätten  (die 
sich  also  seit  IUI  vermehrt  hatten),  sowie  Nachleistung  der  Ehrengeschenke 
für  die  verflossenen  15  Jahre  mit  8400  Byzantien  und  45  Pallien,  i)  Noch 
über  ein  Jahr  blieben  die  Gesandten  in  Konstantinopel,  offenbar  mit  der 
Wiedereinrichtung  des  Quartiers  beschäftigt;  ihre  Anwesenheit  mußte  für 
die  Pisaner  um  so  wichtiger  sein,  als  im  März  1171  die  gewaltsame  Aus- 
treibung der  Venezianer  aus  dem  griechischen  Reiche  erfolgte.  Erst  am 
9.  November  des  Jahres  trafen  sie  in  Pisa  wieder  ein,  von  3  griechischen 
Gesandten  begleitet,  vor  denen  der  geschlossene  Friede  am  13.  Dezember 
in  feierhcher  Volksversammlung  beschworen  wurde. 

Bald  nach  der  Rückkehr  der  Gesandten  leistete  der  neu  ernannte 
Vertreter  der  Dombauverwaltung  für  Konstantinopel,  der  Priester  Petrus, 
genannt  Plebanus,  der  Opera  und  dem  zeitigen  Operarius  Torscello  den 
Treueid  (ammodo  in  antea,  dum  bailius  vixero  Cop.^i  pro  opere  s.  Marie)  ;^ 
er  erneuerte  ihn,  zugleich  als  Prior  der  beiden  pisanischen  Kirchen,  an« 
13.  April  1180,  als  Torscellos  Nachfolger,  Benedictus,  selbst  nach  Kon- 
stantinopel gekommen  war.  2)  Reiche  Geldmittel  zog  Pisa  in  dieser  Zeit 
aus  seiner  Kolonie  s),  die  sich  mächtig  entwickelt  hatte  und  dabei  in  engster 
Handelsverbindung  mit  der  Mutterstadt  verblieb.  Selbst  zwischen  Venedig 
und  der  Romania  verkehrten  pisanische  Schiffe,  wie  umgekehrt  auch  vene- 
zianische zwischen  der  Romania  und  Pisa;  der  pisanisch- venezianische  Ver- 
trag vom  Herbst  1180  bestimmte,  daß  im  Falle  des  Krieges  zwischen  Venedig 
und  dem  Kaiser  die  Pisaner  nur  mit  Genehmigung  der  venezianischen 
Regierung  von  Venedig  nach  der  Romania  verkehren  dürften  und  umge 
kehrt.  Gemeinsam  auch  wollten  Venezianer  und  Pisaner  in  der  Romania 
gegen  das  Seeräuberunwesen  vorgehen ;  ein  von  der  einen  Partei  an  den  Hof 
gerichtetes  Gesuch  um  Entsendung  von  Galeeren  gegen  die  Korsaren  ver- 
sprach die  andere  Partei  kräftig  zu  unterstützen  und  sich  an  der  Bekämpfung 
der  Korsaren  mrksam  zu  beteiligen.  Auch  wollten  beide  Teile  sich  eifrig 
bemühen,  jeden  von  Konstantinopel  oder  einem  anderen  Hafen  des  Reiches 
oder  auch  von  Syrien  ausgehenden  Freibeuterzug  zu  verhindern.'^)  Als 
Pisa  und  Venedig  diese  Abmachungen  trafen,  stand  man  schon  am  Vor 
abende  des  Ereignisses,  das  dem  Piratentum  eine  bis  dahin  unerhörte  Aus 
dehnung  verschaffen  und   es  in  vieler  Augen  geradezu  legitimieren  sollte 

176.  Erheblich  später  als  die  Pisaner  sind  die  Genuesen  in 
ein  festes  Vertragsverhältnis  zum  griechischen  Reiche  getreten. 

Als  die  Genuesen  von  der  Cäsareafahrt  zurückkehrten,  gerieten  ihre 
Schiffe  auf  der  Höhe  von  Ithaka  im  Herbst  1101  mit  einer  griechischen 
Flotte  zusammen;  Verhandlungen,  die  griechischerseits  auf  der  Insel  Korfu 


11 


»)  Das  Dokument  eingerückt  in  das  Privileg  von   1192;    Müller   p.  54.     Ann.| 
pis.  SS.  XIX,  262.     Langer  168,  Anm.  2 ;  180.     Heyd  I,  213  f. 

2)  Müller  p.  18  f.     Bonaini  Suppl.  68. 

3)  Vgl.  die  Urkunden  von  1174  und  1177  bei  Müller  p.  16  f.  und  469. 
*)  Bonaini  Suppl.  76  f.,  79  f. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  229 

eingeleitet  wurden,  wurden  von  den  Abgesandten  der  genuesischen  Flotte,  Ray- 
naldus  de  Rodulfo  und  Lambertus  Ghetus,  in  Konstantinopel  fortgesetzt,  ohne 
indes  zu  einem  positiven  Ergebnis  zu  führen,  i)  Erst  40  Jahre  später  hören 
wir  von  der  Anknüpfung  neuer  Verhandlungen.  Oberto  Torre  und  Guilelmo 
Barca  waren  1142  mit  einem  Kriegsschiff  an  den  Kaiser  Johannes  gesandt 
worden  und  so  nahe  glaubte  man  in  Genua  den  Abschluß  eines  Vertrages, 
daß  man  in  den  Konsularstatuten  für  das  Amtsjahr  1143  die  neuen  Konsuln 
verpflichtete,  sich  an  Bestimmungen  dieses  Vertrages,  die  ihnen  etwa  von 
den  noch  amtierenden  Konsuln  schriftlich  formuliert  überreicht  werden 
würden,  gebunden  zu  erachten.  2)  Diesmal  aber  trat  der  Tod  des  Kaisers 
dazwischen,  der  am  8.  April  1143  auf  dem  Rückzuge  von  Antiochia,  das  er 
hatte  erobern  wollen,  erfolgte;  erst  1155  nahm  der  neue  Kaiser  Manuel  die 
Verhandlungen  wieder  auf. 

Nun  wäre  es  ein  irriger  Schluß,  wenn  man  annehmen  wollte,  daß 
die  Genuesen  in  der  vertragslosen  Zeit  keinerlei  Handelsbeziehungen  zum 
griechischen  Reiche  unterhalten  hätten.  Der  1143  aufgezeichnete  erzbischöf- 
Hche  Zehntentarif  fixiert  wie  für  die  aus  Ägypten  und  Syrien,  so  auch  für 
die  »de  Romania  et  de  illis  partibus«  kommenden  Schiffe  den  Zehnten  auf 
2272S0I.,  und  ein  etwas  früher  abgefaßter  Briefsteller  setzt  in  einem  aller- 
dings fingierten  Briefwechsel  ebenfalls  den  Verkehr  von  Genuesen  in  Kon- 
stantinopel voraus.  3)  Freilich  arbeiteten  die  Genuesen  hier,  indem  sie  den 
allgemeinen  Wertzoll  von  10%  zahlen  mußten,  unter  weit  ungünstigeren 
Bedingungen  als  die  Pisaner  und  besonders  die  Venezianer.  Dafür  traten 
sie  auch  nicht  selten  an  den  griechischen  Küsten  als  Freibeuter  auf;  im 
Jahre  1145  versuchte  Bonifacio  de  Ramfredo  der  Zahlung  des  Zehntens  für 
seine  Galeere,  die  mit  Ladung  von  Sizilien  zurückkehrte,  mit  der  Begründung 
auszuweichen,  daß  sie  nach  der  Romania  nur  als  Kaperschiff  (in  cursu)  ge- 
gangen sei.  4) 

177.  Seine  italienische  Politik,  besonders  sein  feindliches  Verhältnis 
zu  den  Normannen,  ließen  es  dem  Kaiser  Manuel  erwünscht  erscheinen, 
auch  die  Genuesen  für  sich  zu  gewinnen.  Nachdem  Michael  Palaeologus, 
einer  seiner  tüchtigsten  Staatsmänner  und  Feldherrn,  der  eben  mit  Barba- 
rossa und  dem  Papste  wegen  eines  Angriffs  auf  Wilhelm  von  Sizilien  ver- 
handelt hatte,  in  Genua  den  Boden  vorbereitet,  brachte  die  nächste  griechische 
Gesandtschaft  unter  Demetrios  Makrembolites  am  12.  Oktober  1155  den 
Vertrag  zustande  5),  der  die  Genuesen  im  griechischen  Reiche  in  jeglicher 
Beziehung  den  Pisanern  gleichstellte ;  ein  kaiserliches  Chrysobull  sollte  später 
all  diese  Verleihungen,  unter  denen  eine  Straße,  ein  Fondaco  und  eine 
Kirche  von  dem  genuesischen  Annalisten  Caffaro  besonders  hervorgehoben 
werden  6),    in    feierlicher  Form   bekräftigen   und   den   Vertrag   erst  perfekt 


^)  Liberatio  in  SS.  XVin  p.  46 ;  ann.  genovesi  I,  118.  Ansaldo  in  den  Atti 
Lig.  I,  1,  70.     Heyd  I,  192.     Manfroni,  relazioni  p.  587  fe. 

«)  Leges  Munic.  I  p.  257  u.  292.     Heyd  I,  198.     Langer  18. 

»)  Atti  Lig.  n,  2  p.  9.     Wattenbach,  Iter  p.  79  f. 

*)  Kegistrum  Curiae  Archiep.  in  Atti  Lig.  II,  2  p.  118. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  213.  Imperiale  p.  411.  Bertolotto  no.  1,  p.  343.  Manfroni, 
Relazioni  597  f.  Heyd  I,  202  f.  Langer  59  f.  Die  Verpflichtung  des  Volkes  auf 
den  Vertrag  im  Breve  Compagnae  von  1157:  Atti  Lig.  I,  192;  Giorn.  Lig.,  N.  S.  I 
1896),  p.  72;  Mon.  Hist.  Patr.  XVIII  (1901),  p.  13. 

*)  Die  Ausgabe  Belgranos  (ann.  genovesi  I,  p.  42)  hat  zuerst  die  richtige  Les- 
art: ruam  et  fundicum  statt  unum   fundicum,   wie  Pertz   las.    Ein  Mißverständnis 


230  Achtzehntes  Kapitel. 

machen.  Besonders  erwünscht  war  es  der  genuesischen  Regierung,  daß  ihr 
das  jährüche  Ehrengeschenk  sogleich  für  14  Jahre  im  voraus  mit  7000  Hy- 
perpern  ausgezahlt  wurde.  Dafür  versprachen  die  Konsuln  eidlich  im  Namen 
der  Stadt,  nichts  Feindliches  gegen  den  Kaiser  zu  unternehmen,  außer  wenn 
er  ihre  syrischen  Besitzungen  antastete;  bei  einem  feindlichen  Angriffe  auf 
sein  Reich  sollten  die  daselbst  verweilenden  Genuesen  zur  Verteidigung 
desselben  mithelfen. 

Nicht  wenigen  Genuesen  erschien  es  nun  besonders  verlockend,  in  die 
Dienste  des  freigebigen  Kaisers  zu  treten.  Das  Notularium  des  Johannes 
zeigt  uns  im  Sommer  1156  die  Galeeren  dreier  Brüder  aus  dem  Geschlechte 
de  Curia  im  Begriff,  zu  diesem  Zwecke  nach  der  Romania  zu  fahren  i) ; 
und  wie  kriegerische  und  kommerzielle  Unternehmungen  in  dieser  Zeit 
häufig  auf  das  engste  mit  einander  verflochten  sind,  so  wurde  für  die  Fahrt 
mit  diesen  Galeeren  auch  eine  Handelsgesellschaft  zwischen  dem  uns  schon  be- 
kannten Guilelmus  Buronus  und  Ido  Mallonus  mit  einem  Gesamtkapital 
von  402 1.  Jan.  abgeschlossen.  ^)  Nächster  Zielpunkt  der  Fahrt  sollte  der 
Ort  sein,  wo  die  Soldzahlung  im  Auftrage  des  Kaisers  stattfinden  würde; 
in  allen  weiteren  Unternehmungen  sollte  Ido  freie  Hand  haben.  Jeglicher 
Gewinn  wurde  geteilt,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  etwaigen  Handgeldes, 
das  Ido  erhalten  würde,  falls  er  sich  als  Lehnsmann  des  Kaisers  verpflichtete. 
Auch  hatte  Ido  sich  von  seinem  Sozius  die  Erlaubnis  geben  lassen,  die  von 
seinem  Vater  und  von  Filippo  Lamberti  in  diesen  Galeeren  angelegten 
Kapitalien  bei  ihrer  Rückerstattung  durch  den  Kaiser  zu  gleichen  Bedingungen 
in  das  Gesellschaftskapital  aufnehmen  zu  dürfen.  Solche  offenbare  Unter- 
stützung des  Feindes  schien  dem  Normannenkönig  gefährlich  genug ;  durch 
Verleihung  wichtiger  Privilegien  im  November  1156  wußte  er  die  Genuesen 
günstig  zu  stimmen  und  im  Januar  1157  setzte  eine  sizilische  Gesandtschaft 
den  eidhch  bekräftigten  Erlaß  eines  Verbots  s)  in  Genua  durch,  »ut  nuUus 
hominum  Janue  ...  eat  ad  serviendum  contra  D.  Regem  Willelmum 
efheredes  suos  Imperatori  Constantinopolitano.«  Es  war  ja  das  Jahr, 
in  dem  Wilhelm  seinen  großen  Plünderungszug  gegen  das  griechische  Reich 
unternahm. 

So  beschränkten  sich  die  Genuesen  in  diesem  und  dem  folgenden 
Jahre  auf  friedliche  Handelsfahrten  nach  der  Romania  •*);  und  es  kann  bei 
der  Sachlage  nicht  weiter  wundernehmen,  daß  Amico  de  Murta,  der  im 
Herbst  1157  als  ihr  Gesandter  auf  dem  Schiffe  des  Rufinus  nach  Konstanti- 
nopel kam  5),  um  die  Anweisung  der  versprochenen  Landungsstätten  und 
des  Quartiers  zu  fordern,  nichts  erreichte.  Mit  ganz  anderen  Aussichten 
übernahm  Enrico  Guercio,  der  Bruder  Balduins,  3  Jahre  später  dieselbe 
Mission.  6)  Im  Jahre  1158  war  es  zum  Abschluß  eines  30  jährigen  Waffen- 
stillstandes zwischen  Byzanz  und  Sizihen  gekommen;  und  zudem  hatten 
sich  die  Beziehungen  Genuas  zu  Friedrich  Barbarossa,  den  Manuel  jetzt  als 


II 


ist  die  Behauptung  Manfronis  (relazioni  p.  599),  daß  die  Genuesen  bei  der  Waren- 
ausfuhr dasselbe  hätten  zahlen  müssen  wie  die  Griechen. 

»)  Chartarum  H  no.  316.     Goldschmidt  S.  421. 

«)  No.  329  (11.  Juli). 

»)  Olivieri  in  Atti  Lig.  I,  293.     Vgl.  Langer  65.     Unten  §  364. 

*)  Beispiele  u.  a.  Chart.  II  no.  465,  469,  475,  657,  687. 

*)  Ann.    genovesi  I  p.  48  (1157) :   pro   exigendis   scaUs   et   embolo  promissis.] 
Chart,  n  no.  440. 

«)Heyd  1,204.     Langer  81. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  231 

seinen  Hauptfeind  betrachtete,  höchst  ungünstig  gestaltet,  so  ungünstig,  daß 
die  Regierung  in  Befürchtung  des  offenen  Krieges  für  das  Jahr  1159  alle 
Handelsfahrten  untersagt  hatte.  So  konnte  dem  Gesandten  von  1160  der 
Erfolg  nicht  fehlen.  Die  Fahrt  machten  sein  Bruder  Bisaccia  und  dessen 
Sohn  Bisaccino  mit  3  Galeeren  mit,  um  in  Konstantinopel  in  die  Dienste 
des  Kaisers  zu  treten.  Auch  jetzt  wurden  diese  Schiffe  dem  Handel  dienst- 
bar gemacht;  Bisaccia  nahm  bei  Marchio  de  Volta  und  Adalardus  de  Curia 
für  diese  Fahrt  Seedarlehn  von  100  und  200 1.  jan.  auf ;  auch  der  Gesandte 
selbst  tat  das  Gleiche,  allerdings  nur  für  den  bescheideneren  Betrag  von 
23 1. 1)  Bemerkenswert  ist,  daß  Bisaccia  in  seinen  Verträgen  den  Fall  setzte, 
daß  er  sich  unterwegs  mit  dem  Könige  von  Sizilien  dahin  verständigen 
sollte,  bei  ihm  Dienste  zu  nehmen. 

Auch  im  nächsten  Jahre  traten  nicht  wenige  Genuesen  wieder  in  den 
Sold  des  Kaisers;  u.  a.  der  eben  großjährig  gewordene  Sohn  des  uns  be- 
kannten Bonus  Johannes  Malfuaster  und  Ansaldo  de  Caffaro,  ein  Enkel 
des  berühmten  Geschichtsschreibers.  2)  Der  durch  die  Einräumung  eines 
Quartiers  gefestigte  Handel  der  Genuesen  mit  Konstantinopel  war  in  bestem 
Fortgange  ^),  als  ihre  Rivalen,  die  Pisaner,  in  der  Stärke  von  1000  Mann  im 
Frühjahr  1162  aus  Handelseifersucht  die  benachbarte  Niederlassung,  in  der 
beinahe  300  genuesische  Kaufleute  weilten ,  überfielen,  ihr  Fondaco  aus- 
plünderten und  dabei  einen  Sohn  des  Nobile  Otto  Rufus  töteten ;  den  ihnen 
von  den  Pisanern  zugefügten  Schaden  berechneten  die  Genuesen  auf  27000  Hy- 
perpem.'i)  Die  Folge  war  die  sofortige  Kriegserklärung  Genuas  (19.  Juni); 
am  8.  Juli  kaperte  eine  pisanische  Flotte  bei  Pianosa  zwei  große  und  reich 
beladene  Schiffe  der  Genuesen,  die  aus  der  Levante  (eins  aus  Konstantinopel, 
eins  aus  Syrien)  zurückkehrten ;  mit  einem  dritten  von  Sizihen  kommenden, 
das  am  14.  Juli  erbeutet  wurde,  repräsentierten  sie  einen  Wert  von  mehr 
als  200001.  pis.  5)  Kaiser  Friedrich,  mit  dem  die  Genuesen  infolge  seines 
Kriegsglückes  wieder  ein  gutes  Vernehmen  gesucht  hatten,  setzte  zwar  noch 
im  selben  Jahre  die  vorläufige  Einstellung  der  Feindseligkeiten,  die  ihm 
wegen  seiner  Absichten  auf  Sizilien  sehr  ungelegen  kamen,  durch;  aber  die 
Verhältnisse  waren  doch  so  unsicher,  daß  die  Genuesen  für  dieses  wie  für 
das  folgende  Jahr  ein  Verbot  aller  Handelsfahrten  nach  der  Levante  er- 
gehen ließen. 

178.  Im  Jahre  1164  forderte  Kaiser  Manuel  selbst  die  Genuesen  zur 
Rückkehr  auf,  da  er  den  Vertrag  'von  1155  in  vollem  Umfange  erfüllen 
woUe.  In  der  Tat  wurden  auch  die  Handelsreisen  der  Genuesen  nach 
Konstantinopel  wieder  aufgenommen;  ihre  Gesandten  unter  Führung  des 
Konsuls  Corsus  Sigismmidi  richteten  indessen  nichts  aus.  6)  Erst  1168 
versuchten   sie  ihr  Heil   von   neuem,   indem   sie   den  Amicus   de  Murta  an 

')  Chart.  II  no.  833  (9.  März),  885  (26.  Mai) ;  895  (8.  Juni). 

«)  Ergibt  sich  aus  Nr.  1208/09,  1227—1229. 

»)  Handelskontrakte  vom  Jahre  1161:  no.  1056,  1111,  1114. 

*)  Hej'd  I,  204  und  Langer  91  geben  29443  an;  doch  siehe  die  Emendationes : 
Bertolotto  p.  346;  Lib.  Jur.  I  no.  213  »perditam  nominatim  que  est  27  000  perperorum 
instanter  petas« ;  die  höhere  Summe  erscheint  erst  in  der  Instruktion  des  Gri- 
maldi  von  1174:  Bertolotto  p.  397. 

»)  Ann.  pis.  des  Bern.  Marago  ad  1163,  SS.  XIX,  248.  Ann.  genov.  I  p.  70  (1162). 

•)  Ann.  genovesi  I  p.  167  f.  Außer  dem  Führer  waren  es  Ansaldus  Mallonus 
und  Nicolaus  de  Rodulfo.  Die  Handelsreisen  s.  Chart.  H  no.  1468,  1469,  1506 
(31.  Juli  und  21.  August);  das  Notularium  reicht  nur  bis  Ende  August. 


232  Achtzehntes  Kapitel. 

den  Kaiser  sandten;  die  Vereinbarung  aber,  die  er  im  Oktober  1169  zu- 
stande brachte  1),  stieß  in  Genua  auf  den  entschiedensten  Widerstand,  teils 
wegen  der  weitgehenden  Forderungen  des  Kaisers  in  bezug  auf  militärische 
Hilfeleistung,  die  sich  besonders  auch  gegen  den  deutschen  Kaiser  richteten, 
teils  weil  der  Kaiser  im  Zusammenhange  mit  seiner  damaligen  allgemeinen 
Politik  gegen  die  lateinischen  Kolonisten  auch  den  Genuesen  nur  ein  Quartier 
in  Pera  (an  einem  Orcu  genannten  Orte)  zugestehen  wollte.  Der  Kaiser 
schickte  nun  seinerseits  eine  Gesandtschaft  nach  Italien,  die  zunächst  zu 
Alexander  III.  ging,  dann  aber  auf  ihren  Wunsch  auf  genuesischen  Galeeren 
von  Terracina  abgeholt  wurde  und  (im  Juni  1170)  nach  Genua  kam,  wo  sie 
reiche  Geldmittel  für  die  Ratifikation  des  Vertrages  anbot  und  noch  reichere 
Versprechungen  machte.  Die  Genuesen  aber  wollten  erst  die  Rückkehr 
ihres  Gesandten  abwarten,  den  sie  angewiesen  hatten,  auf  den  Vertrag  von 
1155  unter  gewissen  Modifikationen,  die  er  zugestehen  konnte  oder  fordern 
sollte 2),  zurückzugreifen.  Der  Kaiser  hatte  mittlerweile  seine  Absicht,  die 
Lateiner  aus  Konstantinopel  selbst  zu  verdrängen,  fallen  lassen;  im  April  1170 
ließ  er  in  der  Region  Koparion  am  Goldenen  Hörn  ein  neues  Quartier  (in 
der  Nähe  des  pisanischen  in  der  Richtung  auf  die  Serailspitze  zu),  für  die 
Genuesen  abgrenzen  und  vollzog  im  Mai  ihre  formelle  Einweisung  unter 
der  Voraussetzung,  daß  Genua  im  übrigen  die  Abmachungen  von  1169  an- 
nehmen und  eidlich  zu  halten  versprechen  würde.  3)  Den  Genuesen  aber 
genügte  dies  Zugeständnis,  das  Amico  zurückbrachte,  nicht  4),  zumal  die 
Versprechungen  der  Gesandten  weit  darüber  hinausgegangen  waren;  sie 
lehnten  die  Annahme  des  Geldes  ab,  verweigerten  die  Ratifikation  wiederum 
und  schickten  den  darüber  nicht  gerade  erfreuten  Gesandten  (fere  invitum) 
zu  neuen  Verhandlungen  an  den  Hof  Manuels  zurück.  Nun  endhch  kam 
es,  wohl  unter  dem  Druck  des  im  Juli  zwischen  dem  Kaiser  und  den 
Pisanern  geschlossenen  Friedens,  frühestens  im  August  1170,  zur  Einigung  ^) : 
Die  Genuesen  behielten  ihr  neues  Quartier  mit  Landungstreppe  und  Kirche 
in  Konstantinopel  selbst,  bekamen  das  solemne  für  10  Jahre  ausbezahlt  ß)  Ä 
und  durften  im  ganzen  Reiche  mit  Ausschluß  der  Gewässer  des  Asowschen  ^ 
Meeres  und  der  Straße  von  Kertsch  Handel  treiben;  in  Konstantinopel 
sollten  sie  wie  bisher  4%,  im  übrigen  Reiche  ebensoviel  wie  die  anderen 
zu  Abgaben  verpflichteten  Lateiner  zahlen.  Ihre  Gerichtshoheit  erstreckte 
sich  nur  auf  Streitigkeiten  unter  den  Genuesen  selbst;  bei  Klagen  gegen 
einen  Nicht-Genuesen  und  bei  Gesetzesverletzungen  der  Genuesen  bheben 
die  kaiserlichen  Gerichte  zuständig.     Falls  den  Genuesen  gegenüber  irgendwo 


^)  Ann.  genov.  I,  213  u.  235.  Bertolotto  no.  3,  p.  352  ff.  (in  drei  Versionen 
erhalten).     Vgl.  Heyd  I,  205.     Langer  161  f.  170.     Manfroni,  relazioni  p.  610  ff. 

^)  Dies  sind  die  sog.  Emendationes ,  die  dem  erhaltenen  Exemplar  des  Ver- 
trages von  1155  angefügt  sind.  Bertolotto  p.  345  f.  (ohne  Klarstellung  des  Sach- 
verhalts).    Lib.  Jur.  I  no.  213,  p.  184  f.     Vgl.  Neumann  376. 

')  Bertolotto  no.  4,  p.  364  f.  Desimoni :  Memoria  sui  quartieri  dei  Genovesi 
in  Constantinopoh ;  im  Giorn.  lig.  I  (1874^  137—180;  insbes.  178  f.  Heydl,  210,254. 

■•)  Empfindlich  mochte  es  auch  den  Genuesen  sein,  daß  der  Kaiser  nun  nicht 
mehr  das  solemne  für  26  Jahre,  wie  er  im  Oktober  1169  sich  bereit  erklärt,  sondern 
nur  noch  für  10  Jahre  zahlen  wollte. 

6)  Bertolotto  no.  2  p.  349  f.;  mit  der  falschen  Datierung  1169,  ja  sogar  mit 
dem  ausdrücklichen  Beisatz:  >non  1170  come  si  legge  nella  coperta  della  carta 
originale«.    Einrückung  im  Diplom  von  1192,  p.  431  f.     Miklosich  u.  Müller  III,  33  f. 

8)  Daß  Amico  die  5000  Hyp.  und  20  pallia  wirklich  erhielt,  ergibt  sich  aus 
dem  Posten  bei  Bertolotto  403. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  233 

im  Reiche  das  Strandrecht  in  Anwendung  gebracht  werden  sollte,  so  ver- 
sprach die  kaiserliche  Regierung,  für  Bestrafung  der  Schuldigen  und  Rück- 
gabe des  Geraubten  oder  Schadenersatz  Sorge  zu  tragen.  Die  schon  im 
Vertrage  von  1155  enthaltene  Verpflichtung  der  Genuesen  zur  Verteidigung 
des  Reiches  wurde  nunmehr  genauer  gefaßt;  falls  eine  Flotte  von  100  oder 
mehr  Schiffen  (triremes)  das  griechische  Gebiet  bedrohte,  so  mußten  die  im 
Reiche  anwesenden  Genuesen  gegen  den  für  die  Lateiner  üblichen  Sold  auf 
Verlangen  die  kaiserlichen  Schifie  besteigen,  mit  Ausnahme  von  je  20  Mann, 
die  zur  Bewachung  der  eigenen  Schiffe  der  Genuesen  zurückbleiben  durften. 

Doch  es  war,  als  ob  die  Genuesen  in  Konstantinopel  nicht  zur  Ruhe 
kommen  sollten ;  noch  im  selben  Jahr  wurde  ihr  Quartier,  diesmal  von  den 
Venezianern,  überfallen  i)  und  teilweise  geplündert,  so  daß  sie  einen  Verlust 
von  etwa  6000  Hyperpern  erhtten.  2)  Der  Kaiser  benutzte  das  dazu,  um  im 
März  1171  seinen  Gewaltstreich  gegen  die  Venezianer  zu  führen,  während 
er  den  Genuesen,  deren  Gesandter  noch  in  der  Hauptstadt  weilte,  das  Recht 
auf  vollen  Schadenersatz  zusprechen  ließ,  ohne  freilich  ihre  Ansprüche  tat- 
sächlich zu  befriedigen.  Als  die  Rache  der  Venezianer  drohte,  erstrebte  er 
den  Abschluß  einer  engen  Allianz  (maxima  conventio)  mit  Genua;  mit 
30  Galeeren  sollte  es  bei  seinen  Feldzügen  in  den  kaiserlichen  Sold  treten. 
Die  Genuesen  aber  erhoben  gewaltige  Ansprüche;  von  finanziellen  Forde- 
rungen abgesehen,  verlangten  sie  in  jeder  Beziehung  in  die  Stelle  eingesetzt 
zu  werden,  die  die  Venezianer  bisher  im  Reiche  eingenommen  hatten.-^) 
An  diesem  Bedingung  mußten  die  Verhandlungen  scheitern,  um  so  mehr, 
als  die  venezianische  Gefahr  sich  als  nicht  so  bedrohlich  erwies. 

Noch  eine  Gesandtschaft  der  Genuesen  an  Kaiser  Manuel  kennen  wir, 
die  des  Grimaldi  vom  Jahre  1175;  sein  Gesandteneid  vom  24.  Dezember  1174 
und  seine  sehr  ausführliche  im  selben  Monat  verfaßte  Instruktion  sind  uns 
erhalten.  4)  Er  sollte  eine  möglichst  große  Erweiterung  des  Quartiers,  die 
Überweisung  einer  angrenzenden  Kirche  und  eine  zweite  Landungstreppe 
erbitten,  ganz  besonders  aber  auf  Ersatz  aller  den  Genuesen  seit  der  Kon- 
vention von  1155  zugefügten  mannigfachen  Schädigungen  dringen,  unter 
denen  die  Überfälle  ihres  Quartiers  in  den  Jahren  1162  und  1170  sowie 
die  Beraubung  genuesischer  Schiffe  (zum  Teil  gestrandeter)  in  verschiedenen 


*)  Die  Stelle  der  Instruktion  für  Grimaldi:  »occasione  eius  rapinae  curia  om- 
nem  pecuniam  Venetorum  cepit  cum  non  culpabiles  essent  et  sceleris  eiusdem 
rei«,  auf  Grund  deren  man  bisher  annehmen  zu  können  glaubte,  daß  Manuel  selbst 
die  Venezianer  angestiftet  habe,  hat  sich  als  durch  Sauli  verlesen  herausgestellt; 
an  Stelle  des  non  steht  in  der  Urkunde:  inde.  Bertolotto  p.  371.  Manfroni, 
relazioni  618,  Anm.  3.     Vgl.  Heyd  I,  211  f.     Langer  170  f. 

*)  Die  ratio  perditarum  emboli  de  Coparia  dati  de  novo  Januensibus  in  der 
Instruktion  Grimaldis  von  1174  beläuft  sich  auf  5674  V2  Hyp.,  außerdem  waren  Ent- 
schädigungsforderungen bei  dem  genues.  Vicecomes  in  Const.  eingereicht.  Haupt- 
leidtragender war  Oliverius  Guaraccus  mit  1125  Hyp.,  die  ratio  weist  78  Posten  auf. 
Bertolotto  j).  383  ff.  Das  Pisanorum  auf  p.  383  kann  im  Zusammenhalt  mit  p.  371 
nur  ein  Lapsus  sein  für  Venetorum. 

")  Gesandtschafts-Instruktion  bei  Bertolotto  347  f.,  mit  der  irrigen  Aufschrift : 
Istruzioni  ad  Amico  de  Murta;  vgl.  Manfroni  relazioni  613  ff.  Sie  gehört  der  Zeit 
nach  der  Austreibung  der  Venezianer  an  (sicut  Veneti  soliti  erant.  .  .  .,  quos  Ve- 
neti  habebant  u.  ähnl.,  verglichen  mit :  quot  Pisani  habent)  und  wahrscheinlich  doch 
der  Zeit  vor  dem  Scheitern  der  ersten  großen  venezianischen  Expedition. 

■•)  Bertolotto  no.  5  p.  368  ff.  Irrig  hat  er  in  der  Aufschrift  den  8.  Dezember 
und  p.  369  ist  MCLXXV.  falsch  für  MCLXXIV. 


234  Achtzehntes  Kapitel. 

Teilen  des  Reiches  die  Hauptrolle  spielen;  die  genaue  Spezifizierung  macht 
diese  Forderungen  für  die  Verhältnisse  des  damaligen  Handels  sehr  lehr- 
reich. Die  Gesamtforderung  der  Genuesen  belief  sich  auf  84  340  Hyperperni) ; 
daß  sie  bereit  waren,  ihre  Forderung  bei  wirklicher  Bezahlung  ganz  be- 
trächtlich herabzustimmen,  geht  aus  der  Instruktion  selbst  hervor.  Was 
der  Gesandte  erreicht  hat,  wissen  wir  nicht  2);  viel  kann  es  nicht  gewesen 
sein,  da  gerade  in  dieser  Zeit  die  Verständigung  Manuels  mit  Venedig  zu- 
stande kam.  Doch  bestand  fortdauernd  ein  gutes  Verhältnis  zwischen  Genua 
und  dem  Kaiser;  im  Jahre  1179  geleitete  Balduinus  Guercius,  der  alte 
Lehnsmann  des  griechischen  Kaisers,  mit  seinen  Verwandten  die  Tochter 
des  französischen  Königs  von  Genua  aus  zu  ihrem  Gatten  Alexius,  Manuels 
Sohn,  und  eine  traurige  Nachricht  nennen  es  die  Annalen,  als  Guilelmus 
Arnaldus,  der  mit  einem  Schiffe  von  Pera  kam,  den  Tod  des  Kaisers 
(23.  September  1180)  meldete.  3) 

179.  Über  die  Handelsbeziehungen  der  kleineren  Seestädte  zum 
griechischen  Reiche  ist  uns  aus  dieser  Zeit  nicht  viel  bekannt.  Ragusa 
stand  unter  der  Oberhoheit  der  Griechen,  die  hier  in  einem  festen  Turm 
eine  Besatzung  unterhielten'*);  nach  dem  Gewaltstreich  Manuels  von  1171 
bemächtigte  sich  Venedig  auf  kurze  Zeit  der  Stadt.  Sicher  standen  Ragusa 
und  das  in  gleicher  Lage  befindliche  Spalato  in  mancherlei  Handelsbeziehungen 
zu  den  benachbarten  Gebieten  des  griechischen  Reiches  und  zu  Konstantin- 
opel selbst;  nur  unter  dieser  Voraussetzung  hat  es  einen  rechten  Sinn,  daß 
der  1169  zwischen  Pisa  und  Ragusa  geschlossene  Vertrag  alljährlich  von  dem 
pisanischen  Vicecomes  in  Konstantinopel   neu  beschworen  werden  mußte.  5) 

Die  Bestrebungen  Manuels,   auf  italienischem  Boden   festen   Fuß  zu 
fassen  und  zunächst  womöglich  das  griechische  Exarchat  wiederherzustellen, 
hatten   bei   dem   von  Venedigs  maritimer  Übermacht  niedergehaltenen  An-_. 
c  o  n  a  den  meisten  Erfolg,  so  daß  seine,  offenbar  freilich  nicht  sehr  bedeutend«! 
Handelsmarine    der   besten   Aufnahme   im   griechischen   Reiche   sicher   sein 
konnte.  6)     Der   Verfasser   des   Berichts   über   die   hartnäckige   Verteidigung 
Anconas  gegen  die  Angriffe  Christians  von  Mainz  und  der  Venezianer  (1173) 
erzählt  uns,   daß  nicht  wenige  der  Einwohner  der  Stadt  auf  Handelsreisen    . 
in  Konstantinopel  und  der  Romania  abwesend  gewesen ;  so  wird  gewiß  unteijB j 
Begünstigung   des    Kaisers    eine    Handelsniederlassung   der  Anconitaner   in 
Konstantinopel   bestanden   haben,    die  wohl  auch  schon  eine  Kirche  besaß, 
da  sich  am  Ende  des  Jahrhunderts  ein  anconitanischer  Prior  daselbst  nach- 
weisen läßt. '^) 


»)  Bertolotto  p.  404. 

*)  Aus   dem  finanziellen  Ertrage   der  Gesandtschaft  konnte   den  Gläubiger 
einer  vorher   aufgenommenen    Staatsanleihe   eine  Abschlagszahlung  von    180  Hyp 
auf  100  1.  Jan.  geleistet  werden,  während    sie  auf  400  Hyp.    für  je  100  1.  Anspruch 
hatten.     Bertolotto  p  377  cod.  A:  Solvit  Janue  legatus   ad  rat.  perperorum  180  pro^ 
centum, 

»)  Ann.  genov.  II,  13  ö.     Heyd  I,  222  A.  3  läßt  das  Schilf  irrtümhch  von  Pis: 
kommen. 

*)  Hist.  Ducum  Yen.,  SS.  XIV,  79.     Jirecek  p.  48  f. 

»)  Müller  p.  417. 

«)  Heyd  I,  215,  262.  Über  die  Bestrebungen  Manuels  in  Italien :  Bernhardi, 
Konrad  HI.,  882.  Davidsohn  I,  541.  Norden  103  A.  2.  Giesebrecht  V,  147  ff.  497  ; 
VI,  361,  463. 

').Gaudenzi:  Un  secondo  testo  dell'  >a8sedio  d'Ancona«  di  Buoncompagna 
im  Bull.  stör.  jio.  15  (1895),  p.  169,  176,  190.     Dazu  Eberhard  W. :  Über  das  Hand- 


11 


i 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  235 

Der  Entwicklung  des  Handels  zwischen  den  Seestädten  Unter- 
Italiens  und  Konstantinopel  Avar  dagegen  die  traditionelle  Feindschaft 
zwischen  Normannen  und  Griechen  in  hohem  Grade  hinderlich,  so  daß  ein 
entschiedener  Rückgang  desselben  gegen  früher  anzunehmen  ist.  Wenn 
der  Erzbischof  Maurus  von  Amalfi  und  ein  Judex  der  Stadt,  Muscus,  im 
April  1110  der  Leistung  des  Homagialeides  durch  die  Pisaner  für  Kaiser 
Alexius  als  Zeugen,  offenbar  im  kaiserlichen  Auftrage,  in  Pisa  beiwohnen, 
und  derselbe  Erzbischof  bald  darauf  als  Gesandter  des  Papstes  an  den  Kaiser 
fungiert  1),  so  erscheint  das  wie  ein  Nachhall  aus  früherer  glänzender  Zeit; 
im  übrigen  kennen  wir  eben  nur  die  Tatsache,  daß  eine  kleine  Nieder- 
lassung der  Amalfitaner  mit  Landungsstätte,  neben  der  pisanischen  in  der 
Nähe  des  Fischmarkttors  gelegen,  fortbestand  2),  und  daß  auch  die  Zahlung 
der  1082  eingeführten  Abgabe  an  San  Marco  von  Venedig  fortdauerte  3). 
Daß  auch  Bari  bestrebt  war,  seine  alten  Handelsbeziehungen  zu  Konstantin- 
opel aufrecht  zu  erhalten,  beweist  jener  Briefsteller  aus  dem  4.  Jahrzehnt 
des  12.  Jahrhunderts,  der  einen  Genuesen  seinem  in  Konstantinopel  weilenden 
Sozius  brieflich  seine  für  den  nächsten  Herbst  auf  einem  Schiffe  der  Barenser 
zu  erwartende  Ankunft  in  Aussicht  stellen  läßt.^)  Bald  aber  wurde  es  ein 
Opfer  der  Restitutionspolitik  Manuels.  Sein  Feldherr  Michael  Palaeologus 
eroberte  im  Winter  1155/56  noch  einmal  die  apuhsche  Küste  von  Viesti  bis 
Brindisi  und  hatte  durch  Verlockungen  auch  Bari  auf  seine  Seite  gebracht, 
wo  er  starb;  schon  am  28.  Mai  1156  aber  errang  König  Wilhelm  bei  Brindisi 
einen  glänzenden  Sieg  und  nahm  im  Juni  an  Bari  durch  völlige  Zerstörung 
der  Stadt  furchtbare  Rache.  Im  folgenden  Jahre  eroberte  die  sizilische 
Flotte  sogar  Negroponte;  1158  aber  beendete  ein  Friede  mit  Kaiser  Manuel 
diesen  dreijährigen  Krieg,  ö)  Wenn  in  der  Instruktion  Grimaldis  von  1174 
von  einem  bei  Chios  gestrandeten  Schiffe  der  Venezianer  und  Longobarden 
die  Rede  ist,  auf  dem  auch  Genuesen  zu  Schaden  gekommen  seien  ß),  so 
ist  jedenfalls  an  die  mit  den  Venezianern  vielfach  in  engem  Verkehr  stehenden 
Langobarden  Apuliens  zu  denken. 

180.  Benjamin  von  Tudela,  der  Konstantinopel  zur  Zeit 
Manuels  besuchte,  ist  ganz  voll  von  der  Größe,  dem  Reichtum  und 
der  Pracht  dieser  Weltstadt,  die  nur  mit  Bagdad,  der  Hauptstadt  der 
Mohammedaner,  zu  vergleichen  sei ;  der  Tribut,  der  jährlich  aus  allen 
Teilen  des  Reiches  in  Gold  sovile  seidenen  und  purpurnen  Gewändern 
nach  Konstantinopel  fließe ,  fülle  viele  Türme ,  und  die  Einnahmen, 
die  der  kaiserliche  Schatz  allein  aus  den  Abgaben  der  zur  See  und  zu 
Lande  in  Konstantinopel  ankommenden  Kaufleute  und  den  Markt- 
und  Herbergsgeldern  daselbst  beziehe,  schätze  man  auf  täglich 
20000  Hyperpern.    Und  ein  Mailänder  Berichterstatter  der  Zeit  nennt 


Schriftenverhältnis  des  Liber  de  obsidione  etc.  im  Neuen  Arch.  26  (1901),  760  f., 
wonach  rlie  uns  vorliegende  Redaktion  1201  oder  Anfang  1202  erfolgt  ist,  als  Ugo- 
linus  Gosia  Podestä  von  Ancona  war. 

1)  Mülles  p.  52     J.-L.  6334  (Nov.  1112). 

*)  Heyd  I,  252,  262. 

*)  Ausdrücklich  (nicht  etwa  bloß  in  formelhaft  fortgeführter  Wendung)  er- 
neuert 1126.     Tafel  und  Thomas  I,  97;  vgl.  p.  117  (zu  1148). 

*)  Wattenbach,  Iter  p.  79. 

»)  Siragusa  I,  49  f.,  53,  64  f.,  71  ff. 

•)  Bertolotto  p.  399. 


236  Achtzehntes  Kapitel. 

Konstantinopel :  in  deliciis  affluens,  pollens  in  edificiis ,  in  sericis 
vernans.  ^)  Aber  eins  war  der  Bevölkerung  dieser  großen  Stadt  mehr 
und  mehr  abhanden  gekommen :  die  Betätigung  in  kriegerischen  und 
kommerziellen  Unternehmungen;  die  Handelstätigkeit  im  großen  war 
in  immer  wachsendem  Umfange  an  die  rührigen  Kaufleute  der  italie- 
nischen Seeplätze  übergegangen,  die  damit  zugleich  auch  ein  Faktor 
von  nicht  selten  entscheidender  politischer  Bedeutung  geworden 
waren. 

Von  der  Stärke  dieses  romanischen  Elementes  in  der  Hauptstadt 
können  wir  uns  wenigstens  eine  ungefähre  Vorstellung  machen.  Als  das 
eben  eingerichtete  genuesische  Quartier  1162  überfallen  wurde,  waren 
300  Genuesen  zur  Verteidigung  desselben  anwesend;  da  der  genuesische 
Annalist  hervorhebt,  daß  sie  einer  großen  Übermacht  erlegen  seien,  so  hat  er 
sicher  dabei  nicht  übertrieben.  Und  wenn  die  Genuesen  ihren  damaligen 
Schaden  auf  27  000  Hyperpern,  den  bei  der  Verfolgung  des  Andronikos  er- 
littenen aber  achtmal  so  hoch  angaben,  so  läßt  das  einen  ungefähren  Rück- 
schluß auf  die  starke  Vermehrung  zu,  die  das  genuesische  Element,  namentlich 
im  letzten  Jahrzehnt  der  Regierung  Kaiser  Manuels,  erfahren  haben  wird.^i 
Erheblich  stärker  war  sicher  das  pisanische  Element,  das  weit  früher  in  Kon-B 
stantinopel  feste  Wurzeln  geschlagen  hatte  —  auf  etwa  1000  gibt  Caffaro 
die  Zahl  der  an  jenem  Überfall  von  1162  beteiligten  Pisaner  an  —  und  am 
stärksten  das  venezianische,  für  das  zur  Zeit  der  Gewalttat  Manuels  im 
Jahre  1171  die  runde  Zahl  10000,  die  ja  freihch  ziemlich  stark  nach  oben 
abgerundet  erscheint,  angegeben  wird.  2) 

181.  Da  diesen  Lateinern  besondere  Quartiere  zugewiesen  waren,! 
wenn  auch  nicht  wenige  auch  als  burgenses  außerhalb  derselben  wohn- 
ten, so  machte  schon  dieser  Umstand  das  Vorhandensein  einer  Leitung 
derselben  erforderlich.  Venedig  ließ  die  höchste  Autorität  in  dieser i 
seiner  stärksten  auswärtigen  Kolonie  durch  Legaten  ausüben. 

Eine  Urkunde  vom  März  1150  zeigt  uns  einen  solchen  Legaten,  i 
Sebastiane  Ziani,  wie  er  in  einer  Handelssache  (eine  offene  Handelsgesell- 1 
Schaft,  compagnia,  soll  nach  dem  Tode  des  einen  Sozius  auf  Antrag  deri 
überlebenden  Partei  aufgelöst  werden)  in  Konstantinopel  unter  dem  Beirat  1 
rechtsgelehrter  Judices  zu  Gericht  sitzt.  ^)  Damit  ist  der  Beweis  geliefert, 
daß  wir  in  diesem  Legaten  den  eigentlichen,  die  Staatshoheit  Venedigs  re- 
präsentierenden Kolonialvorstand  zu  erblicken  haben,  der  die  Jurisdiktion) 
übte,  soweit  sie  den  Venezianern  zustand  und  die  Kolonie  nach  außen  ver-i 
trat 4),  während  die  regelmäßige  innere  Verwaltung  der  Kolonie  bei  den; 
Bevollmächtigten  des  Patriarchats  lag. 

Im  September  1107  hatte  der  Doge  Ordelaffo  Falieri  dem  Patriarchen 
von  Grado,   Johann   Gradenico,   in   Ablösung  einer  Schuld   des  Staates  an' 


*)  Benj.  Tudel.  I,  50  ff.  Savioh  IIj  p.  58  (aus  der  Zeit  der  Schlacht  bei  Leg- 
nano).  Wertvoller  Plan  des  mittelalterlichen  C.  bei  Mordtmann  J.  «Esquisse  topo- 
graphique  de  Const.,  Lille  1892. 

ä)  Hist.  Ducum.  Ven.,  SS.  XIV,  78. 

3)  Sacerdoti  p.  27  f. 

■•)  Weitere  Beweise  für  diese  Stellung  des  Legaten  ergeben  sich  aus  den  Sta- 
tuten Venedigs;  s.  Besta  e  Predelli  I  (1901),  228  rub.  40;  dazu  die  Einleitung  p.  23 
A.  1. 


Biß  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  237 

das  Patriarchat  das  Eigentumsrecht  an  der  Akindanoskirche  sowie  an  allen 
venezianischen  Läden  und  Herbergen  und  alle  Einkünfte  aus  Maß  und 
GeAvicht  in  der  Kolonie  zu  Konstantinopel  übertragen;  dabei  hatte  er  aber 
die  Ehrenrechte  und  Bezüge,  auf  die  die  Gesandten  des  Staats  (nostri 
communes  legati)  an  Kirche  und  Hospizen  Anspruch  hätten,  ausdrücklich 
vorbehalten,  i) 

Pisa 2)  wurde  in  Konstantinopel  durch  einen  jährhch  wechselnden  Vice- 
comes  repräsentiert;  1160  tritt  uns  sein  Amt  als  ein  durchaus  eingebürgertes 
entgegen;  der  erste  mit  Namen  bekannte  ist  Marcius^),  1169.  Neben  dem 
Vicecomes  erscheinen  als  besondere  Vorsteher  der  ansässigen  Kolonisten 
die  embularii,  während  ein  Operarius  die  wichtigen  Interessen  der  Dom- 
bauverwaltung vertrat*);  mit  ihm  zusammen  konnte  im  Bedürfnisfalle  ein 
Rat  von  12  angesehenen  Männern  der  Kolonie  über  die  Verwendung  von 
Mitteln  der  »Opera«  im  allgemeinen  Interesse  beschließen. 

Auch  für  Genua  vertrat  ein  Vicecomes  die  Interessen  seiner  Kolonie 
in  Konstantinopel.  Unter  den  Entschädigungsforderungen  in  der  Instruk- 
tion für  Grimaldi  bezieht  sich  ein  Posten  auf  ein  Darlehn,  das  der  Vicecomes 
Lombardus  seinerzeit  zu  Herstellungsarbeiten  im  genuesischen  Quartier  (also 
wohl  1170  oder  1171)  aufgenommen  hatte^);  und  im  Jahre  1174  bekleidete 
Guido  diese  Stellung;  wir  hören,  daß  sich  amtliche  Verzeichnisse  der  bei 
der  Wegnahme  eines  genuesischen  Schiffes  durch  Venezianer  bei  Negro- 
ponte  und  bei  dem  Überfall  des  Quartiers  Koparia  geschädigten  Genuesen 
in  seinen  Händen  befanden.  6) 

182.  So  überragend  wichtig  für  den  Handel  der  Lateiner  die 
Hauptstadt  der  Romania  war,  so  vernachlässigten  sie  darum  doch 
auch  die  kleineren  Handelszentren  des  Reiches  nicht  und  manche 
derselben  frequentierten  sie  so  stark,  daß  sie  vollständige  Handels- 
niederlassungen in  denselben  hatten.  Am  meisten  gilt  das  natürlich 
von  den  Venezianern,  denen  das  ganze  Reich  seit  langer  Zeit  geöffnet 
war,  und  die  mit  keinem  Gebiet  einen  so  lebhaften  Handel  trieben 
als  mit  diesem'^);  für  die  Stärke  dieses  Verkehrs  gibt  es  einen  An- 
halt, wenn  wir  hören,  daß  im  Jahre  1170,  nachdem  Manuel  allerdings 
die  Venezianer  durch  eine  Gesandtschaft  noch  besonders  zu  fleißigem 
Besuche  seines  Reiches  eingeladen  hatte,  gegen  20000  Venezianer^) 
nach  der  Romania  gegangen  sind. 

1)  Tafel  und  Thomas  I,  67  f.     Vgl.  Heyd  I,  256  f.,  260.     Schmeidler  49. 

«)  Müller  p.  8  ff. ;  vgl.  Heyd  I,  260. 

^)  Ljubic  I,  10  hat  die  richtige  Namensform;  bei  Müller  p.  417  Marcus  (der 
Gesandte  Graf  Marcus  ist  eine  andere  Person). 

*)  Oben  §  174. 

*)  Bertolotto  p.  400.  Unter  den  Darlehnsgebern  »pro  embolo  reflciendo«  war 
der  spätere  genuesische  Stadtsekretär  Caliga  Pallii,  Verfasser  der  Instruktion  für 
Grimaldi;   vgl.  p.  371  u.  372. 

')  Ib.  386,  387 :  sicut  continetur  in  scripto  quod  habet  curia  (seil,  imperialis) 
et  Guido  vicecomes  noster  in  quo  continentur  nomina  perdentium  et  quantitates  etc. 

')  Hist.  Ducum.  Ven.,  SS.  XIV,  78 :  Cum  .  .  .  Veneti  negociaciones  suas  ubique, 
maxime  in  terram  Manuelis  .  .  .  qua  semper  usi  fuerant,  exercerent  etc. 

*)  Breysig  K.,  Kulturgeschichte  der  Neuzeit  11,  1157  A.  1,  nennt  diese  Zahl 
eine  ganz  unmögliche.  Aber  er  bezieht  sie  auf  Ein  wand  er  er  in  das  griechische 
lleich,   während   es   sich   ganz   überwiegend   nur   um  Leute   handelt,   die   vorüber- 


238  Achtzehntes  Kapitel. 

Was  zunächst  die  thracischen  Nachbargebiete  von  Konstantin- 
opel anbetrifft,  so  besaßen  im  Binnenlande  sowohl  Adrianopel  wie 
Philippopel  besondere  Quartiere  der  Abendländer,  die  außerhalb  der 
Stadtmauern  lagen;  ein  Zeugnis  für  ihren  Handel  ist  die  Beschwerde  eines 
Genuesen  über  den  Zolldirektor  (comerzarius)  von  Adrianopel,  der  ihm  wider- 
rechtlich 72  Hyperpern  abgenommen  habe,  obwohl  er  schon  in  Konstantin- 
opel gezahlt  hätte,  i)  Besonders  wichtig  aber  für  den  Handel  der  Romanen 
war  R  o  d  o  s  t  o  am  Marmara-Meer,  wo  die  Venezianer  in  der  ruga  der  Franken 
zwei  Kirchen  und  ein  Fondaco  hatten.  Im  Jahre  1145  wurde  die  Ver- 
waltung der  offiziellen  Maße  und  Gewichte,  deren  sich  die  Venezianer  daselbst 
bei  Kauf  und  Verkauf  größerer  Quantitäten  zu  bedienen  hatten,  von  der 
venezianischen  Regierung  dem  Prior  der  Georgskirche  daselbst,  Domenico 
Babilonio,  als  dem  dortigen  Vertreter  der  Mutterkirche,  San  Giorgio  maggiore 
in  Venedig,  übertragen ;  da  sich  viele  nicht  danach  richteten,  wurde  2  Jahre 
darauf  ein  Schiedspruch  der  Legaten  des  Dogen  in  Konstantinopel,  Domenico 
Morosini  und  Andrea  Zeno,  zwischen  dem  Prior  und  den  Venezianern  von 
Rodosto  notwendig  2),  der  das  Recht  des  Priors  prinzipiell  anerkannte,  den 
abgabenfreien  Gebrauch  eigener  Gewichte  und  Maße  bis  zum  Höchstbetrage 
von  50  Pfd.  zuließ,  für  höhere  Beträge  aber  die  Anwendung  der  kirchlichen 
Normalmaße  und  -Gewichte,  unter  Festsetzung  einer  Gebühr  von  2  stamines 
auf  1000  Pfd.  für  die  Venezianer,  des  Doppelten  für  die  Griechen,  vor- 
schrieb. Getreide  und  Öl,  Hauptprodukte  des  fruchtbaren  Thracien,  waren 
für  die  Ausfuhr  von  Rodosto  von  besonderer  Bedeutung.  San  Giorgio 
maggiore  hatte  außerdem  noch  Besitz  auf  der  Insel  Lemnos,  wo  ihm  der 
Erzbischof  1136  das  Oratorium  S.  Blasii  gegen  eine  jährliche  Abgabe  von 
2  Metra  reinen  Öls  überlassen  hatte.  ^)  fl 

Und  wie  in  Rodosto,  so  nahmen  die'  Romanen  auch  an  der  Südküste 
Thraciens  die  Produkte  des  fruchtbaren  Landes  ein.  Das  Schiff  des  Genuesen 
Lanfrancus  Grancius  lag  im  Hafen  von  P  a  s  c  h  i  a  (C.  Paxi  nahe  der  Mündung 
der  Maritza),  um  Getreide  und  Wein  zu  laden,  als  es  von  pisanischen  bur- 
genses  von  Konstantinopel  und  anderen  Pisanern  überfallen  wurde;  den 
besonderen  kaiserlichen  Geleitsbrief  respektierten  die  mit  den  Genuesen  im 
Kriege  befindlichen  Pisaner  so  wenig,  daß  sie  den  Vorzeiger  desselben  auf 
den  Tod  verwundeten,  die  Urkunde  raubten  und  mit  Schiff  und  Ladung  ent 
flohen.  4) 


183.  Auch  die  Küstenländer  des  Schwarzen  Meeres  standen, 
soweit  sie  griechisch  waren,  dem  Handel  der  Romanen  offen.  Nur  für  die 
Genuesen,  die  zuletzt  im  griechischen  Reiche  festen  Fuß  faßten,  ist  in  dem 
Privileg  von  1170  in  dieser  Beziehung  eine  Beschränkung  ausgesprochen; 
Matracha  auf  der  Halbinsel  Taman  am  taurischen  Bosporus  und  Russia 
im  Innern  des  Asowschen  Meeres  an  der  Mündung  des  Don  sollten  sie  in 
jedem   einzelnen  Falle   nur   mit   ausdrücklicher  Bewilligung  des  Kaisers  be 


I 


gehend  des  Erwerbes  wegen    als  Seeleute,   Handeltreibende,  Söldner,    die  RomaniaJ 
aufsuchten.     Hist.    Ducum  Yen.,  SS.  XIV,  78.     Dazu   die  Schilderung   des    Niketaa 
Akominatos  ed.  Bekker  p.  25. 

1)  Heyd  I,  243  f.     Odo  von  Deuil  (SS.  XXVI,  63  f.)-  Instruktion  für  Grimaldi;j 
Bertolotto  p.  401. 

2)  Tafel  und  Thomas  I,   103  f.     Heyd  l.  c.  und  256. 
8)  Ebd  98.     Heyd  I,  247. 
♦)  Instruktion  Grimaldis  von  1174;  Bertolotto  p.  371,  397. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  239 

suchen  dürfen  i) ;  als  wenig  später  der  Plan  einer  engen  Allianz  zwischen 
Genua  und  dem  Kaiser  auftauchte,  sollte  der  genuesische  Gesandte  auch 
die  uneingeschränkte  Erlaubnis  zum  Besuch  von  Matracha  fordern.  2)  Für 
die  Venezianer  und  Pisaner  bestand  also  eine  solche  Beschränkung  nicht; 
und  in  den  übrigen  Teilen  des  Schwarzen  Meeres  verkehrten  auch  die 
Genuesen;  für  das  Schiff  des  Villanus  Gauxonis,  das  bei  Kidrillis  an  der 
Donaumündung  Schiffbruch  gelitten  hatte  und  von  der  dem  Kaiser  Unter- 
tanen Bevölkerung  völlig  ausgeraubt  worden  war,  hatte  schon  Amico  de 
Murta  Entschädigung  zugesagt  erhalten  und  forderte  Grimaldi  1175  vom 
Kaiser  23  216  H3'perpern  oder  77121.  jan.^) 

184.  An  der  Westküste  Klein-Asiens  befand  sich  in  Abydos 
am  Hellespont  eine  stärkere  Handelsniederlassung  der  Venezianer,  da  hier 
sogar  eine  venezianische  Nicolaikirche  nachweisbar  ist ;  auch  in  dem  östlich 
davon  gelegenen  Pegae  (Bighas,  Spigast)  am  Granikos  wohnten  viele  Abend- 
länder. 4)  Das  alte  Adramyttion  (Edremid)  tritt  uns  1157  als  Ziel  einer 
Handelsreise  des  Genuesen  Ugo  Botinus  und  seiner  Frau  Florimons  entgegen, 
für  die  sie  bei  Bonus  Johannes  Malfuaster  ein  mit  33 1/3  %  Seezins  rückzahl- 
bares Darlehn  aufgenommen  hatten  0);  ein  anderer  Genuese,  Nicolaus  Boia- 
mundi,  reklamierte  etwas  später  450  Hyperpern,  die  ihm  bei  einem  Besuche 
des  Ortes  mit  seinem  Schiffe  von  dem  dortigen  Duca  abgenommen  worden 
waren.^)  Im  Binnenlahde  erscheint  Philadelphia,  schon  im  Grenzgebiet 
gegen  die  Seldschukken  gelegen,  als  Wohnsitz  von  Venezianern;'^) 

Eine  besondere  Anziehungskraft  mußte  das  gesegnete  C  h  i  o  s ,  nament- 
lich als  einziges  Produktionsgebiet  des  vielbegehrten  Mastix  ^),  auf  den  Handel 
der  Abendländer  ausüben.  Daß  die  venezianischen  Kaufleute  hier  seit  langem 
heimisch  waren,  geht  aus  der  zeitgenössischen  Beschreibung  der  Erhebung 
der  Gebeine  des  Märtyrers  Isidor  im  Jahre  1125  mit  voller  Deutlichkeit 
hervor;  als  die  frommen  Räuber  die  Kiste  mit  dem  Leichnam  zu  Schiffe 
brachten  und  derselben  ein  lieblicher  Geruch  entströmte,  gaben  sie  vor, 
daß  sie  mit  Rosinen  (uvis  passis)  gefüllt  sei.  9)  Aber  auch  die  Pisaner  und 
Genuesen  verkehrten  hier.  Im  Einverständnis  mit  den  Venezianern  und 
Pisanern  des  Ortes  ließ  der  Duca  von  Chios  einmal  ein  kleines  genuesisches 
Schiff  mit  Beschlag  belegen  und  mit  der  Ladung  nach  Konstantinopel  bringen, 
woher  es  wohl  auch  gekommen  war;  einer  der  Geschädigten  hatte  150  Hy- 
perpern an  Tuchen  (15  demitis  und  10  cendatis),  die  er  wohl  im  Zwischen- 


^)  .  .  .  TiQayjuazevad'ai  iv  Ttäaais  rals  hnovBrjnoTe  y^wqan  TJJs  ßaaiXeias  fiov,  avev 
ifis  ' Pcoaias  xal  rcöv  Mar^axcov.  Bertolotto  p.  422,  432,  351.  Bestimmung  der  Lage 
cMeser  Orte  durch  Heyd  I,  206  ff. 

»)  Bertolotto  p.  348. 

')  Eb.,  370:  quum  infra  sinum  Imperii  per  homines  suos  apud  Citrillum 
dum  scopulis  adhaesisset,  exhonorata  fuit  et  pecunia  tota  contra  jus  et  pium  dispersa. 

*)  Baracchi  XX  (1880),  54  (Urkunde  von  1189).  Heyd  I,  242.  Giesebrecht  VI, 
258  und  711. 

')  Chart.  II  no.  445  (30.  Juli).     Für  Adalmico  ist  jedenfalls  Adalmito  zu  lesen. 

*)  Instr.  für  Grimaldi  1174,  Bertolotto  p.  400.  Die  Namensform  ist  hier:  ad 
Andelmitam. 

')  Vertrag  von  1187 ;  Heyd  I,  242. 

8)  Benj.  Tudel.  I,  57.  Gesta  Regis  Rice  ed.  Stubbs  II  (Lond.  1867),  198:  in- 
sula  Iski,  in  qua  crescit  copia  speciei  quae  dicitur  Mastix.  Flückiger  117  ff.  Wiesner 
I,  242. 

®)  Cerbanus  Cerbani :  Translatio  m.  Isidori  im  Rec.  Crois.  Occid.  V,  327 :  >dum 
alii  quique  suis  negotiis  et  capiendis  hospitiis  occuparentur« ;  329. 


240  Achtzetintes  Kapitel. 

handel  in  Chios  zu  vertreiben  gedachte,  eingebüßt;  im  ganzen  hatte  der 
Gesandte  hierfür  eine  Entschädigung  von  2390  Hyperpern  (den  Kaufpreis  der 
navicula  mit  400  Hyperpern  inbegriffen)  zu  fordern,  i)  Außerdem  hatte  der 
Gesandte  900  Hyperpern  im  Interesse  seines  Landsmanns  W.  Picamilium  zu 
verlangen.  Als  dessen  Sozius  Johannes  Nanfus  auf  einem  venezianischen 
Schiffe  bei  Chios  Schiffbruch  gelitten  hatte,  belegte  der  Herr  von  Chios 
die  aus  Tuchen  (demitis,  xamitis  et  cendatis)  bestehenden  Waren  des  Genuesen 
mit  Beschlag  und  trotz  eines  Mandats  des  Kaisers  und  eines  Schreibens 
seiner  Schwester  an  den  Herrn  von  Chios  war  es  bisher  bei  bloßen  Ver- 
sprechungen verblieben.  2) 

Rh  od  US  war  schon  als  Station  für  die  Weiterfahrt  nach  dem  Osten 
wichtig;  haben  doch  die  Venezianer  auf  ihrer  ersten  Kreuzfahrt  hier  lange 
Zeit  hindurch  ihr  Standquartier  gehabt.  ^)  Die  Genuesen  hatten  auch  hier 
über  Ausübung  des  Strandrechts  zu  klagen;  Amico  de  Murta  machte  1170 
Entschädigungsforderungen  in  bezug  auf  das  an  der  Küste  von  Rhodus  ge- 
scheiterte Schiff  des  Genuesen  Lavorante  geltend,  indessen,  obwohl  der 
Kaiser  sich  durchaus  willig  zeigte,  doch  nur  mit  teilweisem  Erfolg *) ;  in  der  __ 
Instruktion  Grimaldis  erscheinen  die  Restforderungen  mit  5200  Hyperpern,  wo-mI 
von  1500  auf  die  Brüder  Amicus  und  Lambertus  GriUus  entfielen ;  außer  ihnen 
war  Gervasius,  der  Sozius  der  Witwe  des  Bigotus,  besonders  schlecht  weg- 
gekommen, weil  die  Griechen  behaupteten,  daß  er  Untertan  des  Königs  von 
Sizilien  sei. 

185.  Auf  der  europäischen  Seite  des  Ägäischen  Meeres  tritt  uns  zunächst 
die  zweite  Seestadt  des  Reichs,  das  Emporium  Macedoniens,  Saloniki, 
als  ein  auch  von  den  Abendländern  vielbesuchter  Platz  entgegen.  Im 
Timarion,  einer  Nachahmung  der  Totengespräche  Lukians,  die  in  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  entstanden  ist,  wird  bei  der  interessanten  Schilderung  des 
Oktober]  ahrmarkts,  der  sich  an  das  zu  Ehren  des  Schutzheiligen  der  Stadt, 
Demetrios  Myroblytes,  gefeierte  Volksfest  anschloß,  und  seiner  großen  Buden- 
stadt mit  ihrer  langen  Hauptstraße  und  zahllosen  kleinen  Seitengassen,  auch 
der  Schiffe  und  Meßbesucher  lateinischer  Nationalität  gedacht,  und  der  Erz- 
bischof von  Saloniki,  Eustathios,  bezeugt  uns  in  seiner  Erzählung  von  der 
Eroberung  der  Stadt  durch  die  Normannen  (1185)  die  Existenz  eines  be- 
sonderen,   an   der  Innenseite   der  Mauer   belegenen  lateinischen  Quartiers. ''') 

Auf  der  Handelsstraße,  die  von  Saloniki  nach  Konstantinopel  führte,— 
können  wir  einmal  Angehörige  der  drei  großen  italienischen  HandelsnationenjBI 
nebeneinander  nachweisen ;  .in  Chrysopoli  (in  der  Nähe  des  alten  Amphi- 
pohs)  hatte  im  Jahre  1173  der  Genuese  Ansaldus  Baraterii  bei  Venezianern 
und  Pisanern  Herberge   unter  dem  Versprechen  der  Sicherheit  gefunden  6), 
trotzdem   aber   wurde   er   von   ihnen    eines  Pferdes   und  verschiedener  Aus- 
rüstungsgegenstände im  Werte  von  30  Hyperpern  beraubt.    Unter  der  »Kaiser- 
straße«, auf  der  die  Venezianer  dem  Genuesen  Otto  Gontardus  33  Hyperpern] 
abgenommen  hatten,  ist  wohl  derselbe  Handelsweg  zu  verstehen. '') 


II 


1)  Bertolotto  p.  371,  386. 

2)  Ebd.  399. 

3)  Oben  §  88. 
■*)  Ein  solcher  ist   wegen    des    niedrigen  TJmrechnungssatzes  (für  je  1  1.  Jan." 

werden  nur  2  V2  Hyp.  gefordert)  anzunehmen.     Bertolotto  p.  346  f.,  398  f. 

6)  Heyd  I,  244  f.     Krumbacher  p.  467  f.,  536  f. 

*)  Bertolotto  p.  401 :  .  .  .  apud  quos  hospitatus  erat  et  qui  eum   in   fide   sus-| 
ceperant.     ^)  Ebd.  402. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  241 

An  der  Westseite  des  Golfes  von  Saloniki  warKitro  (das  alte  Pydna) 
ein  nicht  unbedeutender  Handelsplatz;  wir  wissen  von  einer  Handelsfahrt, 
die  das  von  Bartholomäus  Julianus  geführte  venezianische  Schiff,  auf  dem 
sich  der  bekannte  Kaufmann  Romanus  Mairano  befand,  im  Sommer  1167' 
von  Konstantinopel  nach  Kitro  und  von  hier  weiter  nach  Ägypten  unter- 
nommen hat.  1) 

186.  Von  besonderer  Wichtigkeit  aber  war  während  des  12.  Jahrhun- 
derts für  den  Handel  der  italienischen  Seestädte  die  am  Golf  von  Volo  ge- 
legene Hafenstadt  Thessaliens,  Almyro,  die  das  ältere,  noch  im  alexiani- 
schen  Privileg  für  Venedig  allein  genannte  Demetrias  völlig  in  den  Schatten 
gestellt  hatte.  Hier  landete  im  Jahre  1109  die  den  Grafen  Bertram  zum 
Kampfe  um  Tripolis  geleitende  genuesische  Flotte  und  ergänzte  durch  ge- 
waltsame Requisitionen  ihre  Vorräte.  2)  Benjamin  von  Tudela  nennt  es  eine 
große  Handelsstadt,  die  von  Venezianern,  Pisanern  und  Genuesen  und  von 
vielen  anderen  Kaufleuten  besucht  werde.  3) 

Die  pisanische  Kolonie  hier  war  so  bedeutend,  daß  sie  in  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  über  zwei  Kirchen,  die  Jakobikirche,  deren  Rektor  im 
Jahre  1153  Riccius  war,  und  eine  dem  hl.  Nikolaus  geweihte  Sukkursale  ver- 
fügte; als  König  Wilhelm  1157  seinen  Plünderungszug  unternahm,  wurde 
bei  der  Verbrennung  von  Almyro  auch  die  Jakobikirche  und  der  Turm  der 
Pisaner  von  dem  Zerstörungswerke  mit  betroffen*);  da  der  König  indessen 
schon  im  folgenden  Jahre  einen  dreißigjährigen  Waffenstillstand  mit  dem 
Kaiser  schloß,  wurde  das  Zerstörte  sicher  bald  wiederhergestellt.  Auch  die 
Venezianer  besaßen  mehrere  Kirchen  hier.  Schon  für  1150  ist  die  Existenz 
ihrer  Georgskirche  daselbst  bezeugt;  im  März  1156  schenkte  ihr  Natalis  Be- 
tani  die  gedeckte  Steinmetzwerkstätte  (fabrica  petrinea  cooperta),  die  er 
auf  dem  Grundstück  des  Griechen  Elias  Pillari  errichtet  hatte.  0)  Im  No- 
vember 1167  entschlossen  sich  verschiedene  venezianische  Kaufleute  in  Ale- 
xandrien,  zunächst  nach  Almyro  zu  fahren  und  erst  von  da  aus  nach  Kon- 
stantinopel zurückzukehren.  6)  Wie  beträchtlich  die  Zahl  der  Venezianer 
hier  war,  ergibt  sich  am  besten  daraus,  daß  bei  der  Verfolgung  -Manuels  im 
Jahre  1171  die  Venezianer  von  Almyro  mit  nicht  weniger  als  20  Schiffen 
nach  Venedig  flüchteten.'^)  Als  sie  in  dem  nun  folgenden  Rachekriege  die 
Stadt  angriffen,  war  gerade  ein  genuesisches  Handelsschiff  anwesend.  Die 
Venezianer  versprachen  den  Genuesen  volle  Sicherheit,  wenn  sie  mit  ilirem 
Schiff  und  aller  Habe  abziehen  wollten;  die  Genuesen  aber  zogen  es  vor, 
das  Schiff  im  Stich  zu  lassen  und  bei  der  Verteidigung  der  Stadt  mitzuhelfen, 
worauf  die  Venezianer  das  Schiff  verbrannten;  die  Genuesen  stellten  dem 
Kaiser  das  in  seinem  Dienste  geopferte  Schiff  mit  1856  Hyp.  in  Rechnung.^) 

In  dem  venezianisch  -  pisanischen  Vertrage  von  1180  wird  der  beider- 
seitigen Niederlassung  in  Almyro  des  längeren  gedacht  9) ;  oft  genug  muß  es 

')  Sacerdoti  p.  29. 

«)  Albert  von  Achen  XI  c.  3  (Reo.  Crois.  Occid.  IV,  664).     . 

»)  I,  49.     Heyd  I,  245  f. 

*)  Müller  p.  5  (Bulle  Anastasius'  IV.  für  die  Jakobikirche  von  1153).  Ann. 
pis.  zu  1158  (Stil,  pis.),  SS.  XIX,  243.     Vgl.  Heyd  I,  246. 

»)  Tafel  und  Thomas  I,  125  ff.  (3  Urkunden  vom  Dez.  1150  und  Jan.  1151); 
p.  136  (März  1156). 

«)  Sacerdoti  p.  29. 

^  Hist    Ducum  Ven.,  SS.  XIV,  79. 

8)  Bertolotto  p.  371  und  388  f.     Heyd  I,  246. 

»)  Müller  p.  20  f.     Bonaini  Suppl.  p.  74  f. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  16 


11 


242  Achtzehntes  Kapitel. 

hier  zu  argen  Fehden  zwischen  beiden  Handelsnationen  gekommen  sein, 
denn  die  Kontrahenten  versprechen  sich  gegenseitig,  ihre  Niederlassung  nicht 
zu  befestigen,  ihre  Häuser  platt  und  Kirchen  und  Türme  in  gleicher  Höhe 
zu  halten,  auch  bei  Differenzen  über  den  beiderseitigen  Besitzstand  nicht 
zur  Selbsthilfe  zu  greifen,  sondern  richterliche  Entscheidung  anzurufen. 
Jedenfalls  standen  die  Genuesen,  wie  in  Konstantinopel  selbst,  so  auch  in 
Almyro  gegen  die  beiden  anderen  Handelsnationen  zurück. 

187.  Negroponte,  der  Hauptort  Euboeas,  trat  im  12.  Jahrhundert 
noch  nicht  so  hervor,  wenn  es  auch  nach  dem  Zeugnis  Benjamins  von  Tu- 
dela  schon  vielfach  von  Kaufleuten  besucht  wurde.  Ein  genuesisches  Schiff, 
das  vor  dem  Vertrage  von  1170,  aber  mit  kaiserlichem  Schutzbrief  versehen, 
hier  weilte,  wurde  von  den  Venezianern  hier  gekapert,  so  daß  die  Genuesen 
einen  Verlust  von  5533  Hyp.  erlitten,  für  den  Amico  de  Murta  vom  Kaiser 
Ersatz  verlangte,  ohne  indessen  mehr  als  Versprechungen  zu  erzielen.^) 

Das  Handelszentrum  Mittelgriechenlands  aber  war  Theben.     Es  hatte 
eine  jüdische  Gemeinde  von  gegen  2000  Seelen,  die  nach  dem  Zeugnis  Ben- 
jamins die  hervorragendsten  Verfertiger  seidener    und   purpurner  Gewänder 
in  ganz  Griechenland  waren. 2)     Offenbar  im  Anschluß  an  die  seit  alters  an 
dieser  Stätte  betriebene  berühmte  Seidenfabrikation  und  kunstvolle  Weberei; 
hatte  sich  hier  eine   starke  venezianische  Kolonie  gebildet,  die  die  Erzeug 
nisse  der  thebanischen  Industrie  weithin  vertrieb.     Schon   für  das  11.  Jahr- 
hundert haben  wir  venezianische  Handelsreisen  nach  Theben  kennen  gelernt.^) 
Für  das  folgende  wissen  wir  von  einer  Handelsfahrt  des  Venezianers  Petrus 
de  Molino,  der  im  November  1170  in  Theben  eine  Handelsgesellschaft  ein- 
gegangen  war   und   auf   einem    venezianischen  Schiffe  nach  Konstantinopel 
fuhr,   wo  er   durch  den   Gewaltstreich   Manuels  das  gesamte   Gesellschafts- 
vermögen (82 1/2  alte  vollwichtige  Goldhyperpern)  einbüßte.  *)     Früher  noch, 
wohl  in  den  sechziger  Jahren,  hatten  sich  die  Venezianer  Dominicus  Sisinulo 
und  sein  Neffe  Vitalis  Voltani  solidarisch  zu  einer  offenen  Handelsgesellschaft 
derart   verbunden,    daß    jeder    von    ihnen    ein    Grundkapital    von    7  Pfund ^| 
(=  500  Stück)  Goldhyperpern  einlegte  und  sich  verpflichtete,  sonstiges  Ver-||| 
mögen  in  derselben  Gesellschaft  zu  einem  festen  monatlichen  Zinssatze  von 
1  Goldhyperper  auf   das  Pfund  (etwa  I6V2  Prozent  pro  anno)  in  derselben 
arbeiten  zu  lassen.     Dominicus   nahm  seinen  Wohnsitz  in  Konstantinopel, 
Vitalis  in  Theben ;  beide  hatten  sich  Waren  gegenseitig  auf  dem  Land-  oder  __ 
Seewege    (per   terram   et   per   ipsos   culfos   et  passaios,    d.  h.  über  die«! 
Buchten   und  Meeresstraßen)   zuzuschicken   und  hatten  zugleich  Vollmacht, 
die  Waren  der  Gesellschaft  zum  Absatz  über  Land  beliebig  in  Kommission 
zu  geben.     Die   Gesellschaft  war  zunächst   auf   ein  Jahr  geschlossen,  sollte 
aber  nach  Ablauf  desselben  fortbestehen,  so  lange  unter  den  Gesellschaftern  ..- 
Übereinstimmung  bestand.     Wir  besitzen   nun   eine  in  Venedig  im  Augustll 
1179  aufgenommene  Urkunde,   in  der  Dominicus  sich  bereit  erklärt,  seinem 
Neffen  binnen   einem  Monat   nach   ergangener  Aufforderung  Rechnung    zu 
legen   über  alles,   was  von  dem  Vermögen  der  Gesellschaft  seinerzeit  in  der 
Romania  beschlagnahmt  worden  sei    (bezieht  sich  also  auch  auf  jenen  Ge 

')  Bertolotto  p.  370  und  387. 

«)  Benj.  Tudel.  I,  47. 

=•)  §  14. 

*)  Eingerückt   in  Urkunden    von  1190  und  1193.    die    den    Schadenersatz    be 
treffen ;    Sacerdoti  p.  36  f.     Die  ripa  de  Sicres  ist  wohl  das  von  Benjamin  Tudel.  I,  | 
46  erwähnte  Crissa. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  243 

waltstreich),  was  er  anderen  anvertraut  und  was  er  selbst  in  seinem  Besitz  be- 
halten habe.')  Es  war  wohl  die  Einleitung  zur  Auflösung  der  Gesellschaft;  Vita- 
lis  Voltani  aber  betrieb  sein  Geschäft,  von  dessen  Natur  wir  leider  nichts  Be- 
stimmtes erfahren,  selbst  in  der  Zeit  nach  der  Verfolgung  des  Andronikos  in 
Theben  weiter.  Anfang  1185  vertraute  er  seinem  Verwandten  Petrus  Morosini 
eine  Commenda  im  Werte  von  250  Hyp.  an;  Morosini  hatte  die  Waren  von 
Theben  zu  Lande  nach  Durazzo  und  von  da  zur  See  nach  Venedig  zu  schaffen, 
hier  bestmöglich  zu  verkaufen  und  den  Erlös  für  eine  weitere  Handelsreise  an- 
zulegen. Für  diesen  zweiten  Teil  seiner  Reise  war  ihm  ein  größerer  Spielraum 
gelassen ;  er  konnte  zur  See  nach  Korinth  fahren  und  von  da  nach  Theben 
zurückkehren  oder  auch,  falls  es  mittlerweile  zum  Abschluß  des  Friedens 
zwischen  Venedig  und  dem  Reiche  gekommen,  nach  Konstantinopel  gehen 
und  zwar  entweder  direkt  von  Venedig  aus  auf  dem  Seewege  oder  von  Du- 
razzo aus  auf  dem  Landwege.  Die  Abrechnung  sollte  in  Theben  oder  Kon- 
stantinopel, falls  die  Rückreise  dorthin  gewählt  war,  binnen  14  Tagen  nach 
seiner  Ankunft  erfolgen  —  ein  Beweis  übrigens,  daß  Vitalis  auch  jetzt  noch 
in  Konstantinopel  einen  Sozius  besaß  oder  doch  für  den  Fall  des  Friedens- 
schlusses die  Hinsendung  eines  solchen  in  Aussicht  genommen  hatte.  Kam 
es  nicht  zum  Frieden,  dann  sollte  die  Commenda  bis  Ostern  1186  in  den 
Händen  des  Empfängers  bleiben,  der  sie  dann  nach  bestem  Ermessen  beliebig 
zu  Lande  oder  zur  See  anzulegen  und  nach  Ablauf  der  Zeit  in  Venedig 
Rechenschaft  zu  legen  hatte.  2)  Jedenfalls  zeigt  uns  diese  Urkunde  recht 
deutlich ,  wie  festbegründet  die  kommerzielle  Position  der  Venezianer  in 
Theben  gewesen  sein  muß.  Um  welche  Ware  es  sich  dabei  hauptsächlich 
handelte,  wird  auf  das  hellste  durch  die  Tatsache  beleuchtet,  daß  unter  den 
Forderungen,  die  die  Genuesen  als  Preis  für  eine  Allianz  mit  dem  Kaiser 
stellten,  sich  auch  die  Zulassung  zum  unbeschränkten  Handel  mit  Seiden- 
zeugen in  Theben,  wie  ihn  die  Venezianer  bisher  ausgeübt  hätten,  befindet.^) 
Mit  Korinth  stand  Venedig  durch  seine  Schiffskarawanen  in  regel- 
mäßigem Verkehr'*);  Niketas  Akominatos  hebt  hervor,  daß  auf  der  einen 
Seite  des  Isthmos  die  von  Italien,  auf  der  andern  die  von  Asien  kommenden 
Schiffe  anzulegen  pflegten  0).  Sicher  kamen  auch  die  Erzeugnisse  des  Kunst- 
fleißes der  geschickten  Weber  des  Peloponnes  und  der  Insel  Andros  viel- 
fach hierher  auf  den  Markt.  In  dem  Briefsteller  aus  dem  4.  Jahrzehnt  des 
12.  Jahrhunderts  erscheinen  die  Samte  und  Tafte  (xamita  und  zendata)  von 
Andros  als  im  Abendlande  begehrte  Artikel,  und  in  der  Tat  begegnet  uns 
einmal  unter  den  Gegenständen  einer  Mitgift  in  Gaeta  »bottarellum  unum 
de  zendatum  de  Andre. «  ^) 

188.  Ziemlich  häufig  muß  auch  Kreta,  schon  seiner  Lage  wegen,  von 
den  italienischen  Kaufleuten  aufgesucht  worden  sein.     Im  Jahre  1160  wird 


*)  Sacerdoti  p.  33  f.  Die  Zeit  der  Begründung  der  Gesellschaft  ist  nur  an- 
gedeutet durch  die  Erwähnung  der  Beschlagnahme  (1171);  die  Kontrahenten  selbst 
sagen,  daß  sie  erfolgt  sei  >quondam  retro  tempore«,  und  daß  sie  sich  nicht  mehr 
erinnern,  ob  die  ursprüngliche  Einzahlung  in  7  Pfund  Goldhyperpern  oder  500  Stück 
geschehen  sei. 

2)  Ebd.  p.  35. 

')  Bertolotto  p.  348 :  .  .  .  liberam  et  commodam  facultatem  .  .  .  etiam  exer- 
cendi  negociationem  pannorum  setae  apud  Stivam  sicut  Veneti  soliti  erant. 
Heyd  I,  247. 

*)  Sacerdoti  p.  35. 

")  ed.  Im.  ßekker  (Bonn  1835)  p.  100. 

8)  Wattenbach,  Iter,  p.  79  f.     Cod.  Caiet.  II  no.  275,  p.  164. 

16* 


II 


244  Achtzehntes  Kapitel. 

einmal  in  einem  genuesischen  Handelskontrakt  dem  Unternehmer  die  Wahl 
gelassen,  entweder  direkt  von  Konstantinopel  aus  nach  Alexandrien  zu 
gehen  oder  unterwegs  zu  Geschäftszwecken  in  Kreta  Station  zu  machen  i), 
und  in  der  Instruktion  für  Grimaldi  von  1174  bezieht  sich  eine  ganze  Reihe 
von  Forderungen  auf  den  Handelsverkehr  von  Genuesen  mit  der  Insel.  Da 
verlangte  Martinus  Priarinus  95  Hyp.  als  Ersatz  für  einen  Raub,  den  die 
Mannschaft  einer  kaiserlichen  Galeere  im  Hafen  von  Kandia  an  den  Aus- 
rüstungsgegenständen und  der  Ladung  seines  Schiös  begangen,  Solgarisius 
den  Ersatz  von  250  Hyp.,  um  die  ihn  der  Zolldirektor  von  Kreta  geschädigt 
hätte,  obwohl  er  seine  Abgaben  schon  entrichtet  hatte,  Nicola  Boiamundi 
300  Hyp.,  die  ihm  der  Duka  von  Kreta  abgenommen,  und  Jonathas  de  Campo 
berechnete  den  Schaden,  der  ihm  durch  Konfiskation  von  Bargeld,  Waffen, 
Ausrüstungsgegenständen  sowie  von  60  Ztr.  Käse,  40  Ztr.  Honig  und  des 
Getreides,  das  er  für  60  Hyp.  in  Konstantinopel  eingekauft  hatte,  durch  die 
kretischen  Behörden  zugefügt  war,  auf  970  Hyp.  2) 

Im  Westen  Griechenlands  war  Arta  am  gleichnamigen  Golf  ein  Ziel 
venezianischer  Handelsfahrten;  im  August  1131  nahm  Vivianus  de  Molino 
für  die  Fahrt  dorthin  ein  Seedarlehn  von  200  1.  ven.  auf,  das  er  binnen 
30  Tagen  nach  Ankunft  der  nächstfälligen  Frühjahrskarawane  in  Venedig 
mit  25  Proz.  Seezins  entweder  persönlich,  oder  falls  er  selbst  nicht  mit  zu- 
rückreiste, durch  einen  zuverlässigen  Bevollmächtigten  zu  erstatten  versprach-^» 

Avlona  begegnet  in  der  Instruktion   Grimaldis  von  1174,   der  den^ 
Auftrag  hatte,   im  Interesse  des  genuesischen  Stadtsekretärs  Ottobonus  den 
Ersatz   von   400  Hyp.    zu   verlangen,    die   der  Duka   des  Orts   vor  geraumer 
Zeit,   aber  nach   dem  Vertrage   von  1155,    einem  Sozius  des  Ottobonus  mit 
Gewalt  abgenommen  hatte.  4) 

Der  für  den  Handel  mit  Italien  wichtigste  griechische  Platz  an  der 
Westküste  aber  war  und  blieb  Durazzo,  das  von  den  italienischen  Ge 
Schäftsleuten  häufig  auch  als  Ausgangspunkt  von  Überlandreisen  nach  Sa- 
loniki und  Konstantinopel,  Almyro  und  Theben  benutzt  wurde,  wie  u.  a 
jene  Urkunde  von  1185  dartut;  nach  einem  andern  Kontrakt  vom  Jahre  1161 
hatte  sich  Philippus  de  Ayboles  von  Malamocco  mit  einer  Commenda  von 
200  Hyp.  zu  Lande  von  Konstantinopel  nach  Durazzo  und  von  hier  aus 
zur  See  nach  Venedig  zu  begeben.  5)  ^1 

189.   Auch   für   seinen   starken  Verkehr   mit  der  Romania  hatte" 
Venedig  das  System  der  SchifEskarawanen  mit  annähernd  feststehenden 
Abgangs-    und    Rückfahrzeiten    ausgebildet;    gemeinsam   brachen   die 
Handelsflotten  von  Venedig   auf,   ließen  an   einzelnen  Hauptstationen -- 
unterwegs  die  nur  für  diese  bestimmten  Schiffe  zurück,    die  dann   in^| 
kleinerem    Umkreis   unter   Umständen    noch    weitere    Fahrten    unter- 
nahmen,    während    die    Mehrzahl    nach    Konstantinopel    weiterfuhr, 
von  wo  aus  ebenfalls  noch  weitere  Fahrten  angetreten  werden  konnten. 
Nach    einer   Reihe    von    Monaten    erfolgte    dann    die    Heimkehr    der 
Hauptflotte    von    Konstantinopel    aus,    die    nun    auf    den    einzelnen 
Stationen  die  daselbst  schon  ihrer  harrenden  Schiffe  wieder  aufnahm. 


1)  Chart,  n  no.  969. 

2)  Bertolotto  p.  399  ff. 
»)  Sacerdoti  p.  24. 

*)  Bertolotto  p.  368. 

6)  Baracchi  Vlll  (1874),  135. 


Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels.  245 

Die  erste  dieser  großen  Karawanen  ging  im  Frühjahr  von  Venedig  ab 
und  traf  im  September  in  Venedig  wieder  ein,  also  gleichzeitig  mit  der  von 
Ägypten  heimkehrenden  Handelsflotte,  so  daß  die  Möglichkeit  ihrer  Ver- 
einigung etwa  auf  der  Höhe  von  Kreta  bestand  i);  die  zweite  verließ  Vene- 
dig Ende  Juni  (mudua  S.  Petri)  oder  im  Juli  und  kehrte  im  Spätherbst 
zurück;  die  dritte,  die  mudua  de  Augusto,  war  um  die  Osterzeit  wieder  in 
Venedig  zu  erwarten.  Die  Urkunde  von  1131  über  das  Seedarlehn  nach 
Arta  ist  die  älteste  bis  jetzt  bekannte,  die  von  diesen  Schiffskarawanen 
spricht  2) ;  auch  aus  dem  Briefe,  den  Magister  Moses  von  Bergamo  im  Som- 
mer 1130  von  Konstantinopel  aus  heimwärts  sandte,  ergeben  sich  für  Ab- 
fahrt aus  Venedig  und  Heimkehr  dementsprechende,  bestimmte  Zeiten.  3) 
Natürlich  werden  nach  den  einzelnen  Plätzen  der  Romania  in  noch  höherem 
Grade  wie  nach  Ägypten  und  Syrien  auch  einzelne  Handelsschiffe  verkehrt 
haben,  soweit  es  nicht  die  venezianische  Regierung  geboten  fand,  je  nach 
den  Zeitumständen  im  Interesse  der  Sicherheit  des  Verkehrs  beschränkende 
Vorschriften  zu  erlassen. 

190.  Unter  den  Gegenständen  des  Handels,  den  die  Lateiner  in  der 
Romania  betrieben,  spielen  zunächst  die  Lebensmittel  eine  nicht  geringe 
Rolle,  wie  wir  das  besonders  für  die  an  Öl,  Wein  und  Getreide  reichen  Ge- 
biete Thraciens  schon  gesehen  haben.  Getreide  wurde  von  hier  aus  nach 
.Genua  und  Venedig  importiert;  ein  Getreideschiff  von  Pera  war  es,  das  die 
Nachricht  vom  Tode  Kaiser  Manuels  zuerst  nach  Genua  brachte.  4)  Die 
vom  Dogen  Sebastiano  Ziani  im  November  1173  für  den  Handel  mit  Lebens- 
mitteln in  Venedig  erlassenen  Bestimmungen  verbieten  den  Verkauf  von 
Getreide,  das  für  den  Transport  nach  Venedig  schon  verladen  war,  vor  seiner 
Ankunft  in  Venedig;  sie  setzen  einen  Maximalpreis  für  aus  der  Romania 
importiertes  Pökelfleisch  fest,  der  niedriger  war  wie  für  lombardisches  Pökel- 
fleisch, während  sie  von  den  für  den  Weinhandel  en  gros  und  en  detail 
geltenden  Preisen  den  wertvolleren  griechischen  Wein  (vinum  de  Romania) 
ausnehmen  und  der  freien  Preisbildung  überlassen.  0) 

Oft  haben  auch  schon  die  Erzeugnisse  der  griechischen  Textilindustrie 
Erwähnung  gefunden,  die  einen  besonders  umfangreichen  und  wertvollen 
Teil  der  Ausfuhr  durch   die   italienischen   Kaufleute  bildeten,    die    Samte, 


^)  Baracchi  VII  (1874),  366,  Kontrakt  vom  Dezember  1158 :  Verpflichtung  zur 
Heimkehr  oder  zur  Heimsendung  der  Waren  >cum  mudua  navium  quae  venerit  in 
Venetiam  de  Constantinopoli  aut  de  Alexandria  in  isto  primo  venturo  Septembre.c 

*)  Sacerdoti  p.  24.  In  diesem  im  August  aufgenommenen  Seedarlehns- 
vertrage  wird  Heimkehr  oder  Heimsendung  verheißen  cum  illa  mudua  de  navibus 
que  a  primo  tempore  in  Venecia  venire  debet.  Ein  Kontrakt  vom  August 
1154  für  die  Handelsfahrt  nach  Konstantinopel  setzt  den  Fall,  daß  der  Reisende 
ad  illud  primum  pasca  de  ea  mudua  navium  de  Romania  redisset  in  Ve- 
netiam ;  Baracchi  IX  (1875),  107.  Die  mudua  S.  Petri  und  mudua  de  mense  Augusti 
in  einer  Urk.  von  1185  bei  Sacerdoti  p.  35  ;  vgl.  auch  Lib.  pleg.  no.  274. 

^)  Lupus  II,  949  ff.  Er  wünscht  Sendung  eines  wohlunterrichteten  10-  bis  12- 
jährigen  Knaben ;  man  möge  ihn  nach  Venedig  zum  Richter  Dominicus  Bassedelli 
schicken:  ille  cum  navi  que  semper  huc  venit  in  Augusto,  mittet 
eum  mihi  cum  suis  expendiis.  Er  selbst  hatte  schon  vergangene  Ostern 
daheim  sein  wollen  und  erhofft  es  nun  mit  Sicherheit  für  die  kommenden  Ostern. 

*)  Oben  §  178. 

»)  Cecchetti  p.  49.  Derselbe  in  Atti  Ven.,  ser.  4,  HI  (1873/4),  p.  1471.  Vgl. 
auch  Leonardo  Pis.,  der  von  Einkäufen  von  öl  und  A'erschiedenen  Arten  von  Ge- 
treide und  Hülsenfrüchten  auf  dem  Markt  von  Konst.  spricht;  p.  94,  161,  281. 


246  Achtzehntes  Kapitel.      Bis  zum  Tode  Kaiser  Manuels. 

Tafte  und  Seidenzeuge  besonders,  die  z.  T.  die  kostbarsten  Produkte  alt- 
vererbter Kunstfertigkeit  darstellten.  Den  Wert  solcher  unter  dem  Namen 
pallia  oder  blatia  bekannten  seidenen  Tuche  durchschnittlicher  Qualität 
taxierte  man  auf  1/3  hundert  Hyp.  für  das  Stück  i) ;  ein  Posten  dieser  panni 
serici,  die  für  den  Import  nach  dem  Abendlande  eingekauft  waren,  ging  bei 
dem  Überfall  von  1162  dem  in  Konstantinopel  tätigen  Sozius  des  genuesi- 
schen Tuchkaufmanns  Blancardus  und  seines  Bruders  Raimund  verloren.^) 
Die  zu  kaiserlichen  Geschenken  verwandten  Stoffe  waren  natürlich  besonders 
wertvoller  Art;  als  Beispiel  sei  das  >^examitum  megalogramon  diplarion  album« 
angeführt,  das  Manuel  im  März  1151  dem  Abt  Wibald  von  Stablo  über- 
sandte.^) Auch  Filze  müssen  unter  der  Ausfuhr  aus  Konstantinopel  eine 
nicht  geringe  Rolle  gespielt  haben,  da  wir  hören,  daß  der  Prior  der  Hospi- 
taliter  zu, Konstantinopel  verpflichtet  war,  jährlich  einen  Posten  von  200  »fibro- 
rum«  nach  Jerusalem  zu  serujen  *) ;  und  auch  Baumwolle  wurde  aus  der  Ro- 
mania  nach  Venedig  ausgeführt.  ^)  Ferner  haben  wir  Genuesen  gelegentlich 
im  Zwischenhandel  bei  der  Ausfuhr  von  Holz  aus  der  Romania  nach  Ägypten 
kennen  gelernt.  Natürlich  war  eine  Weltstadt  wie  Konstantinopel  zugleich 
Markt  für  die  mannigfaltigsten  Industrieartikel  und  die  Produkte,  die  hier 
aus  den  verschiedensten  Ländern  zusammenströmten ;  nach  wie  vor  gingen 
namentlich  auch  kirchliche  Kunst-  und  Schmuckgegenstände  und  die  Werke^ 
griechischer  Gelehrsamkeit  von  hier  nach  dem  Abendlande.  6) 

Es  erhebt  sich  die  Frage,  was  umgekehrt  die  italienischen  Kaufleute^ 
dem  griechischen  Markte  zu  bieten  hatten.  Wir  erkennen,  daß  unter  den 
Exportartikeln  Ober-Italiens  nach  der  Romania  sich  namentlich  die  billigen 
Erzeugnisse  seiner  Textilindustrie  befanden.  So  gingen  die  Pignolatostoffe 
Piacenzas  auch  nach  Konstantinopel,  und  ein  genuesischer  Kontrakt  vom 
Jahre  1161  zeigt  uns  die  Ausfuhr  von  »baldinelle«  von  Genua  ebendahin'^; 
solche  »panni  baldinelle«  gingen  auch  dem  Sozius  des  Blancardus,  Raimund 
von  Saint  -  Gilles,  bei  dem  Überfall  von  1162  in  Konstantinopel  verloren.^« 
Auch  die  bei  derselben  Gelegenheit  genuesischen  Händlern  außer  einemal 
Quantum  Leinwand  im  Wert  von  41/2  Hyp.  geraubten  zwei  Stück  bunter 
Tuche  im  Werte  von  30  Hyp.,  ein  Stück  grünen  Tuches  und  zwei  Stück 
Sarsche  (sagiarum)  im  Werte  von  36  Hyp.  waren  jedenfalls  zum  Absatz  in 
Konstantinopel  bestimmt,  wenn  sie  auch  wahrscheinlich  nicht  italienischer, 
sondern  nordfranzösischer  Herkunft  waren  8);  auch  unter  den  sonstigen 
Schadenersatzforderungen  von    1174  finden  sich   einmal   »peciae  saiarum«J 


:l 


1)  Bertolotto  p.  369 ;  vgl.  p.  470. 

2)  Ebd.  p.  381. 

=•)  Ep.  Wib.  no.  325,  p.  454  (Brief  des  Kaisers  vom  März  1151). 
*)  Delaville  le  Roulx  I  no.  627  p.  427. 

s)  Stat.  maritt.  im  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  V  (1903),  210  rub.  54. 
^)  Magister  Moses  von  Bergamo  schreibt  im  Sommer  1130  von  Konstantinopell 

aus  an  seinen  Landsmann,  den  Propst  Alexander,  >in  quos  ornatus  ecclesiasticosc| 
er  eine  bestimmte  Summe  verwendet  wünsche.  Lupus  11,  951  f.  Ein  kostbares 
Marienbild  in  hölzernem  Schrein,  das  von  Konst.  nach  Bologna  gekommen :  Sa- 
violi  I,  2  no.  173  p.  262  (8.  Mai  1160).  Die  griechischen  Bücher,  die  Moses  mit  vieler 
Mühe  für  3  Pfund  Gold  gekauft  hatte,  gingen  bei  einem  großen  Brande  im  vene- 
zianischen Quartier  in  Flammen  auf  (1.  c);  griechische  Bücher  brachte  Willermus 
Medicus  im  Jahre  1167  von  Konst.  nach  Saint-Denis:  Delisle  L.  Manuscrits  du 
College  de  la  Trinite  de  Cambridge  im  Journ.  des  Savants  1900,  p.  727  f. 

')  Wattenbach,  Iter  p.  80.     Chart,  n  no.  1114.     Unten  §  503. 

8)  Bertolotto  p.  390—392. 


Neunzehntes  Kapitel.    Bis  zur  Eroberung  von  Konstantin opel.  247 

die  einem  Genuesen  von  einem  »comerzarius«  in  Konstantinopel  konfisziert 
worden  waren,  i) 

Und  so  waren  auch  sonst  die  Waren,  die  die  Romanen  im  griechischen 
Reich  zum  Eintausch  brachten,  vielfach  fremder  Provenienz.  Sicher  aus 
Spanien  stammte  das  Quecksilber,  das  der  Genuese  Calliga  Pallii  dem  Reeder 
Villanus  Gauxoni  im  Werte  von  83  Hyp.  für  seine  Fahrt  nach  der  Romania 
anvertraut  hatte,  von  da  wahrscheinlich  auch  der  sarazenische  Sklave,  der 
in  Genua  zum  Verkauf  in  Konstantinopel  bestimmt  wurde.  2)  Und  wir 
haben  schon  gesehen,  wie  ausgedehnt  der  Zwischenhandel  war,  den  die  ita- 
lienischen Kaufleute  zwischen  der  Romania  einerseits  und  Ägypten  und 
Syrien  andererseits  betrieben,  so  daß  die  Produkte  dieser  Länder  und  die 
Erzeugnisse  des  fernen  Ostens  zu  einem  sehr  großen  Teile  ihren  Weg  nach 
dem  griechischen  Reiche  durch  die  Vermittelung  italienischer  Kaufleute  fan- 
den 3);  wohl  in  keinem  anderen  Umstände  bekundet  sich  die  energische 
Handelstätigkeit  der  Italiener  dieser  Zeit  deutlicher  als  in  der  Art,  wie  sie 
sich  des  größten  Teils  des  Außenhandels  der  Romania  bemächtigt  hatten*); 
ja  selbst  die  kommerzielle  Verbindung  der  einzelnen  Teile  des  griechischen 
Reiches  untereinander,  wie  von  Theben,  Saloniki,  Durazzo,  Chios  mit  der 
Hauptstadt,  wurde  hauptsächlich  durch  italienische  Schiffe  und  italienische 
Kaufleute  unterhalten. 

Neunzehntes  Kapitel. 

Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  zur  Eroberung 
von  Konstantinopel  durch  die  Lateiner. 

191.  In  beständig  wachsendem  Maße  hatte  sich  im  Laufe  des 
12.  Jahrhunderts  die  Beteiligung  der  Lateiner  an  dem  kommerziellen 
Leben  des  griechischen  Reiches  verstärkt;  in  alle  Teile  des  Reiches 
waren  sie  eingedrungen  und  hatten  die  Einheimischen  zurückgedrängt; 
nach  der  Angabe  eines  Zeitgenossen,  des  Erzbischofs  Eustathios  von 
Saloniki,  belief  sich  ihre  Zahl  am  Ende  der  Regierung  Kaiser 
Manuels  in  Konstantinopel  allein  auf  über  60  000.  ^) 

Da  führten  die  Wirren,  die  dem  Tode  des  Kaisers  folgten,  zur 
Entfesselung  der  lange  angesammelten  Erbitterung  der  Einheimischen 
gegen  die  Bevorzugung  und  das  Vordringen  der  Fremden;  die  »Ver- 
folgung des  Andronikos«,  den  die  schroff  nationale  Partei  auf  den 
Schild  erhoben,  vertrieb  im  Frühjahr  1182  unter  furchtbaren  Szenen 
von  Brand,  Mord  und  Plünderung  die  Abendländer  aus  ihren  Quar- 
tieren am  Goldenen  Hörn. 


')  Ebd.  399. 

2)  Ebd.  372.     Chart.  II  no.  761  (28.  Juli  1159). 

')  §  117.  Die  dabei  umgesetzten  Waren  werden  nur  selten  genannt;  aus 
Ägypten  stammte  jedenfalls  auch  der  Posten  Gummilack  im  Werte  von  97  Hyp., 
der  einem  Genuesen  bei  dem  Überfall  von  1162  in  Konst.  verloren  ging.  Berto- 
lotto  p.  392. 

■•)  Bezeichnend  z.  B.,  daß  zwei  venezianische  Sozii,  von  denen  der  eine  die 
Handelsfahrt  von  Venedig  nach  Accon  mitgemacht  hatte,  sich  im  Januar  1120  in 
Konstantinopel  treffen  und  hier  Abrechnung  miteinander   halten.    Sacerdoti  p.  22  f. 

»)  Heyd  I,  221 ;  Manfroni,  relazioni  p.  624. 


248  Neunzehntes  Kapitel. 

Die  Genuesen,  die  doch  in  Konstantinopel  damals  weniger  zahlreich 
waren  als  die  Pisaner  und  besonders  die  Venezianer,  berechneten  den  damals 
erlittenen  Schaden  auf  228  000  Hyperpern.  ^)  Die  in  den  Fremdenquartieren 
Wohnenden  vermochten  sich  offenbar  zum  größten  Teil  auf  die  an  den 
Landungstreppen  liegenden  Schiffe  zu  retten ;  und  fast  mit  dem  Abzug  selbst 
begannen  die  Schiffe  der  Abendländer  das  Werk  der  Rache,  indem  sie  die 
blühenden  Orte  und  fruchtbaren  Gefilde  an  den  Küsten  des  Bosporus,  der 
Propontis  und  des  Thracischen  Meeres  einer  schrecklichen  Plünderung  unter- 
zogen. Namentlich  von  selten  Pisas  und  Genuas  begann  man  nun  an  die 
Stelle  der  bisherigen  friedlichen  Handelsfahrten  nach  der  Romania  gesell- 
schaftlich organisierte  Unternehmungen  von  Korsaren  treten  zu  lassen,  die 
mit  ihren  Raubfahrten  bei  größerem  Risiko  wie  jene  doch  auch  einen  weit 
größeren  Gewinn  versprachen.  Jahrelang  setzten  diese  Korsaren  ihr  Hand- 
werk in  den  griechischen  Gewässern  gegen  das  in  maritimer  Beziehung  nur 
zn  ohnmächtige  Reich  der  Byzantiner  fort ;  viele  der  kleineren  Inseln  des  Ar- 
chipels wurden  in  dieser  Zeit  von  den  verzweifelten  Einwohnern  verlassen.'^) 

192.  Am  wenigsten  beteiligten  sich  die  Venezianer  an  diesem  Ver- 
geltungswerk. Für  sie  standen  die  größten  materiellen  Interessen  auf  dem 
Spiele ;  sie  waren  am  engsten  mit  dem  griechischen  Reiche  verwachsen,  Kon- 
stantinopel war  geradezu  die  zweite  Heimat  der  Venezianer  geworden  —  das  ^ 
geht  aus  den  zahlreichen  Handelskontrakten,  die  von  Venezianern  in  Kon-  fl 
stantinopel  geschlossen  wurden,  und  nicht  minder  aus  den  vom  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  herrührenden,  1204  zusammengestellten  Statuten  Venedigs 
hervor,  in  denen  die  Romania  als  das  in  jeder  Beziehung  wichtigste  Ver- 
kehrsgebiet der  Venezianer  erscheint.  3)  So  hielt  sich  die  venezianische  Po- 
litik klug  zurück;  sie  vergaß  nicht,  aber  sie  duldete  und  strebte  zunächst 
nur  nach  möglichst  rascher  Wiederanknüpfung  der  gewaltsam  zerrissenen 
Fäden. 

Schon  Andronikos  hat,  wir  wissen  nicht  unter  welchen  Bedingungen, 
ihre  Anwesenheit  in  Konstantinopel  wieder  gestattet,  so  daß  sie  die  Häuser 
ihres  alten  Quartiers  wieder  bezogen;  wir  besitzen  einen  in  Konstantinopel 
selbst  geschlossenen  Vertrag,  in  dem  ein  Venezianer  von  Johannes  Dandolo, 
dem  Bevollmächtigten  des  späteren  Dogen  Heinrich  Dandolo,  einen  an  der 
Landungstreppe  »Cacegalla«  belegenen  Laden  vom  1.  März  1184  ab  auf  ein 
Jahr  für  1 2  alte  Goldhyperpern  pachtet ;  bezeichnend  die  Wendung  des  Ver- 
träges,  die  ihn  nach  Ablauf  der  Pachtzeit  zu  unversehrter  Rückgabe  ver-« 
pflichtet,  abgesehen  von  Schäden,  die  durch  Brand  oder  Gewalttat  des  Kaisers" 
entstünden.  4)  Im  Februar  1185  glaubte  man,  den  Abschluß  des  formellen 
Friedens  zwischen  Venedig  und  Andronikos  mit  Sicherheit  erwarten  zu 
können  5);  da  kam  im  Sommer  der  große  Heereszug  der  Normannen,  der  in 

')  Ersatzforderung  der  Gesandten  von  1192;  Bertolotto  p.  425. 

2')  Gesta  Regis  Rice.  ed.  Stubbs  II,  198:  Sed  in  multis  insularum  istarum; 
nemo  habitat  propter  metum  piratarum. 

')  Besta  6  Predelli  I  (1901),  p.  236  rub.  60,  248  rub.  10  und  besonders  228 
rub.  41,  wonach  Sendung  zur  Begleichung  einer  Schuld  vom  Auslande  aus,  wenn 
kein  Schiff  nach  Venedig  ging,  nach  Konstantinopel  zu  machen  war. 

*)  Tafel  und  Thomas  I  p.  177  mit  der  unrichtigen  Jahreszahl  1183  in  der  Über 
Schrift.     Ein  anderer  Venezianer  machte  im  November  1184  in  Konstantinopel  vo: 
dem  Presbyter  und  Notar  Johannes  Signolus  sein  Testament,  in  dem  er  u.  a.  der^ 
venezianischen  Johanneshospital  in  Konstantinopel  ein  Legat  überwies.  Baracchi  ~~ 
(1875),  p.  340. 

^)  Sacerdoti  p.  33  f. 


i 


Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  zur  Eroberung  Konstantinopels.     249 

der  Eroberung  von  Saloniki  gipfelte  und  in  seinen  Folgen  zum  Sturz  und 
der  grausamen  Hinrichtung  des  tyrannischen  Andronikos  und  zur  Erhebung 
des  von  ihm  mit  dem  Tode  bedrohten  Isaak  Angelos  (September  1185)  führte. 
Der  Normannenzug  scheiterte  schließHch,  auch  Durazzo  wurde  im  nächsten 
Jahre  wieder  aufgegeben  und  nur  die  Inseln  Zante  und  Kefallenia  blieben 
den  Griechen  dauernd  verloren;  aber  die  Unterstützung  einer  venezianischen 
Flotte  hatte  den  Griechen  diesmal  doch  gar  sehr  gefehlt,  zumal  der  Verfall 
ihrer  Marine  immer  kläghcher  wurde,  i)  Im  Februar  1187  gelangten  die 
Verhandlungen  Venedigs  mit  dem  neuen  Kaiser  zum  Abschluß  2);  aUe  ihre 
früheren  Besitzungen  und  Privilegien  erhielten  sie  zurück ;  dafür  übernahmen 
sie  unter  bis  ins  einzelne  geregelten  Bedingungen  (so  sollte  jede  Galeere 
140  Mann  Besatzung  haben  müssen)  die  Verpflichtung,  das  Reich  gegen 
jedermann  verteidigen  zu  helfen,  den  deutschen  König  allein  ausgenommen, 
so  lange  der  Vertrag  mit  diesem  noch  bestehe.  Zur  Abwehr  eines  feind- 
lichen Angriffs  sollte  der  Kaiser  außer  den  Venezianern  der  Hauptstadt  auch 
die  außerhalb  derselben  Wohnenden  bis  zur  Linie  Adrianopel-Abydos-Phila- 
delphia,  einschließlich  dieser  Orte  selbst,  aufbieten  dürfen.  Dafür  sollte 
fortan  der  Befehlshaber  der  griechischen  Reichsflotte  aus  den  Venezianern 
genommen  werden  müssen.  Die  Entschädigungspflicht  des  Kaisers  wegen 
der  Beraubung  von  1171  wurde  anerkannt;  im  Juni  1189  wurde  ein  beson- 
derer Entschädigungsvertrag  abgeschlossen  3) ,  in  dem  der  Kaiser  den  Vene- 
zianern die  seinerzeit  (wahrscheinlich  zur  Zeit  des  zweiten  Kreuzzuges)  den 
Deutschen  und  Franzosen  durch  Chrysobull  überlassenen  Quartiere  mit 
ihren  Landungstreppen,  die  jährlich  50  Pfund  Hyperpern  abwarfen,  zu- 
sprach, da  das  Reich  von  dem  Dienste  der  wenigen  hierher  verschlagenen 
und  unter  ihren  Nationen  einflußlosen  Personen,  die  einen  unverhältnis- 
mäßig hohen  Gewinn  aus  ihrem  Besitze  zögen,  nur  sehr  geringen  Nutzen 
hätte.  Die  Geldentschädigung  wurde  auf  1600  Pfund  Hyperpern  (das  sind 
etwa  115000  Hyp.)  im  ganzen  bemessen,  von  denen  350  sogleich  bezahlt 
wurden,  während  der  Rest  von  1250  in  Raten  bis  zum  Ablauf  von  6  Jahren 
zu  tilgen  war;  wir  besitzen  zwei  in  den  Jahren  1190  und  1193  ausgestellte 
Quittungen  über  den  Empfang  von  Teilzahlungen  an  eine  in  Theben  im  No- 
vember 1170  geschlossene  Handelsgesellschaft,  die  ihr  Kapital  durch  die  Ge- 
walttat Manuels  verloren  und  ihre  Entschädigungsforderung  in  das  amtlicher- 
seits  in  Venedig  aufgestellte  Register  (in  catastico  comunis)  hatte  eintragen 
lassen.  4)  Die  Zahlungen  wurden  in  Jahresraten  von  250  Pfund  Hyperpern 
durch  die  Legaten  nach  Venedig  übermittelt. 

193.  Erheblich  später  als  die  Venezianer,  erst  nach  10  Jahren,  gewannen 
die  Genuesen  und  Pisaner  ihre  frühere  Stellung  am  Goldenen  Hörn 
zurück,  wobei  übrigens  zu  bemerken  ist,  daß  ihre  Kaufleute  auch  in  der 
vertragslosen  Zeit  Konstantinopel  keineswegs  ganz  mieden.")  Zwar  schickten 
die  Genuesen  schon  1186  eine  Gesandtschaft  an  den  neuen  Kaiser  (Nicola 
Mallonus  und  Lanfrancus  Piper);  aber  erst  nach  vielfachen  diplomatischen 


1)  Heyd  I,  285.     Neumann  in  Hist.  Zeitschr.  81,  S.  22  f. 

2)  Tafel  und  Thomas  I  no.  70—72  p.  178  f.     Heyd  I,  225. 
")  Tafel  und  Thomas  I,  2U6  ff. 

■*)  Sacerdoti  p.  36  f. 

*)  Unter  den  von  Pisa  und  Genua  ursprünglich  gestellten  Ersatzforderungen 
befand  sich  auch  die  Erstattung  der  in  der  Zwischenzeit  zu  viel  erhobenen  Zölle. 
Müller  p.  40  f.     Bertolotto  p.  425. 


250  Neunzehutes  Kapitel. 

Wechselfällen  1)  brachten  es  die  Gesandten  Wilhelm  Tornellus  und  Guido 
Spinola  im  April  1192  zu  einer  Verständigung  mit  Isaak:  Genua  ließ  seine 
Schadenersatzforderung  gegenüber  der  gewaltigen  Gegenrechnung,  die  der 
Kaiser  aufstellen  konnte,  fallen  und  erhielt  dafür  eine  Erhöhung  des  so-»; 
lemne,  Erweiterung  seines  Quartiers  und  eine  neue  Landungsstätte  am  Gol-^! 
denen  Hörn ;  am  2.  August  nahmen  griechische  Gesandte  den  neuen  Treu- 
eid der  Genuesen  entgegen.  2)  Die  Pisaner  hatten  länger  in  offener  Feind- 
schaft beharrt ;  mit  Freuden  hatten  sie  die  Aufforderung,  die  Kaiser  Friedrich 
während  seines  Winteraufenthaltes  in  Adrianopel  durch  seinen  Sohn  Heinrich 
an  sie  richtete,  mit  ihrer  Flotte  mitzuwirken,  um  Konstantinopel  den  treu- 
losen Griechen  zu  entreißen,  aufgegriffen;  im  März  1190  erschienen  sie  in 
Gallipoli  bei  ihm  mit  dem  Angebot  zahlreicher  Kriegs-  und  Transport- 
schiffe und  empfanden  es  schmerzlich  genug,  daß  der  Kaiser  mittlerweile, 
die  Augen  auf  das  große  Ziel  gerichtet,  seine  Absicht  geändert  hatte  und 
seine  Truppen  im  Einvernehmen  mit  Isaak  nach  Asien  übersetzen  ließ.  3) 
Im  Herbst  1191  entschlossen  auch  sie  sich  zu  einer  Gesandtschaft  nach  Kon- 
stantinopel und  im  Februar  1192  brachten  Rainerius  Gaetani  und  der  Richter 
Sigerius  den  Frieden  zustande.  Auch  sie  mußten  auf  Schadenersatz  ver- 
zichten; das  solemne  für  den  Dom  wurde  um  100,  das  für  den  Erzbischof 
um  40  Hyperpern  erhöht,  ihr  Häuserbesitz  erweitert,  der  Wertzoll  von  4  Pro- 
zent nunmehr  unterschiedslos  von  den  Waren  jeglicher  Provenienz  erhoben"*) 
—  ihre  Stellung  war  also  die  gleiche,  wie  sie  den  Genuesen  fast  zu  der- 
selben Zeit  zuteil  wurde. 

194.  So  mühevoll  die  Verhandlungen  gewesen,  als  noch  schwieriger 
stellte  es  sich  nun  heraus,  die  allgemeine  Beobachtung  des  Friedens  durch 
die  Pisaner  und  Genuesen  herbeizuführen.  Zu  lange  hatte  der  halbe  Kriegs- 
zustand gedauert,  hatte  man  die  Unternehmungen  der  Kapergesellschaften 
wenn  nicht  begünstigt,  so  doch  geduldet;  nun  kam  dazu,  daß  zahlreiche 
kriegerische  Kräfte  durch  die  endlich  gelungene  Zurückeroberung  Accons 
frei  geworden  waren.  Ein  genuesisches  Schiff  unter  Guilelmus  Grassus  und 
ein  pisanisches  unter  Gerard us  Rotus»)  suchten  zunächst  die  Küste  von 
Rhodus  mit  Mord  und  Plünderung  heim,  überfielen  dann  veneziaiüsche 
Handelsschiffe,  die  aus  Palästina  und  Ägypten  kamen  und  aus  Ägypten 
zurückkehrende  griechische  Gesandte  sowie  Gesandte  Saladins  an  Bord  hatten, 
töteten  diese  sowie  alle  Kaufleute  auf  denselben  mit  einziger  Ausnahme 
der  an  Bord  befindlichen  Genuesen  und  Pisaner  und  raubten  die  Ladung; 
endlich  kaperten   sie   auch   ein  apulisches  Schiff  6) ,   das   nach  Cypern  fuhr 


1)  Das  Nähere  bei  Heyd  I,  228  f.  und  Manfroni,  relazioni  p.  628  ff.  Berto- 
lotto  p.  406  ff.  no.  6—9. 

*)  Bertolotto  no.  9—11  p.  413  ff.  In  dem  Schreiben  des  kaiserlichen  Kanz- 
lers p.  434  hat  Manfroni,  relazioni  p.  633  die  Lesart  mense  maio  in  m.  martio  be- 
richtigt. 

')  Giesebrecht  VI,  242,  257,  710.     Heyd  I,  264  f. 

")  Müller  p.  40  f.     Heyd  I,  230  f. 

»)  Bertolotto  no.  12  p.  448  ff.,  460.     Müller  p.  66. 

*)  >Navigium  longobardicura.«  Manfroni,  relazioni  p.  638,  denkt  speziell  an 
Salerno.  Vgl.  Heyd  I,  233.  Wenn  wir  im  Oktober  1189  von  öinem  Handelsschiffe, 
dessen  nauclerus  ein  gewisser  »Samarici  Longobardosc  war,  hören,  daß  es  von  Kon- 
stantinopel nach  Apulien  und  ev.  bis  Ancona  fahren  sollte,  so  deutet  auch  das 
darauf  hin,  daß  wir  an  Bewohner  von  Bari,  Barletta,  Trani  usf.  zu  denken  haben. 
Baracchi  XX  (1880),  76. 


Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  zur  Eroberung  Konstantinopels.      251 

und  ebenfalls  kcaiserliche  Gesandte,  unter  ihnen  den  Bischof  von  Paphos, 
an  Bord  hatte;  einen  im  kaiserlichen  Dienst  stehenden  pisanischen  Ritter, 
Namens  Pipin,  ließen  sie  frei,  den  Bischof  hielten  sie  fest,  die  Longobarden 
auf  dem  Schiff  aber  (offenbar  Untertanen  König  Tankreds)  töteten  sie  eben- 
falls. Isaak  reklamierte  wegen  dieser  Freveltaten  im  November  1192  durch 
Gesandte  in  Genua  und  Pisa,  indem  er  zugleich  einen  Teil  der  Waren  der 
Genuesen  und  Pisaner  mit  Beschlag  belegen  ließ ;  die  Städte  aber  beteuerten 
ihre  Unschuld,  da  es  sich  um  längst  verbannte  Korsaren  handle,  verhießen 
Bestrafung  der  Übeltäter,  sobald  man  ihrer  habhaft  würde  und  schickten 
ihrerseits  Gesandte,  die  die  Aufhebung  der  Beschlagnahme  und  Herstellung' 
der  suspendierten  Privilegien  erwirkten,  i)  Aber  noch  während  die  pisanischen 
Gesandten  Albizzo  Albizzi  und  Enrico  de  Pariascio,  die  Pisa  Mitte  Juli  1193 
verlassen  hatten,  in  Konstantinopel  weilten,  setzten  sich  fünf  pisanische 
Piratenschiffe  unter  dem  Vorwande,  die  Venezianer  bekriegen  zu  wollen, 
bei  Abydos  fest  und  plünderten  von  hier  aus  die  Küstenlandschaften  schreck- 
hch  aus,  ohne  sich  an  die  Vorstellungen  der  pisanischen  Autoritäten  in 
Konstantinopel  im  geringsten  zu  kehren;  ja  im  Jahre  1194  unternahmen 
andere  pisanische  Schiffe  sogar  einen  Beutezug  bis  Konstantinopel  selbst, 
brandschatzten  die  Griechen  und  nahmen  griechische  Schiffe  fort.  Kläglich 
genug  war  dem  gegenüber  die  Haltung  des  Kaisers.  Im  September  1194 
schickte  er  den  interpres  literarum  latinarum,  Jacob,  einen  geborenen  Pisaner, 
nach  Pisa  ab,  um  die  allgemeine  Abstellung  des  eingerissenen  Unwesens  zu 
fordern.  Jacob  wurde  in  Pisa  auf  das  ehrenvollste  aufgenommen;  die  1195 
amtierenden  Konsuln  suchten  ihm  entgegenzukommen  und  versprachen  ihm, 
die  pisanischen  Vicecomites,  Konsuln  und  Bürger  in  Konstantinopel  eidlich 
verpflichten  zu  wollen,  die  Korsaren  aus  der  Romania  zu  verjagen  und  dem 
Kaiser  bei  ihrer  Verjagung  wirksame  Hilfe  zu  leisten;  auch  machten  sie 
ihm  ein  Geschenk  in  der  ansehnlichen  Höhe  von  100  1.  pis.,  die  gegen 
Verpfändung  einer  ihrer  Landungstreppen  in  Konstantinopel  beim  Operarius 
des  Doms  aufgenommen  wurden.  2)  Aber  noch  vor  seiner  Rückkehr  hatte 
den  schwachen  Kaiser  sein  Geschick  ereilt ;  sein  eigener  Bruder,  Alexios  HI., 
stürzte  ihn  (10.  April  1195)  und  ließ  ihn  einkerkern  und  blenden. 

195.  Pisa  hielt  sich  anfänglich  dem  neuen  Kaiser  gegenüber  zurück, 
wohl  schon  mit  Rücksicht  auf  Heinrich  VI. ;  im  übrigen  hatte  es  am  Hofe 
in  Konstantinopel  an  Jacob,  der  in  seiner  Stellung  verblieb,  einen  guten 
Fürsprecher;  als  dieser  später  seine  Tochter  verheiratete,  verehrte  ihm  die 
pisanische  Kolonie  ein  Douceur  von  20  Hyp.  Vielleicht  hatte  der  Kaiser 
auch  noch  in  guter  Erinnerung,  daß  pisanische  Kaufleute  ihm  auf  seinen 
Irrfahrten  einmal  in  Tripoli  mit  einem  Darlehn  beigesprungen  waren.  3)  Im 
Sommer  1197  aber  beschloß  man  in  Pisa  die  Absendung  einer  offiziellen 
Gesandtschaft;  Uguiccione  Lamberti  Bononi  und  Pietro  Modane  wurden  für 
diese  Mission  ausersehen  und  ihre  Instruktion  am  6.  September  festgestellt.*) 
An  neuen  Forderungen  sollten  sie  besonders  Gewährung  einer  vierten  Lan- 
dimgstreppe  und  völlige  Abgabenfreiheit  verlangen;  dabei  nahm  man  das 
im  Jahre  1195  gemachte  Zugeständnis  bezüglich  der  Verpflichtung  der  pisa- 


*)  Neues  Diplom  für  die  genuesischen  Gesandten  Balduino  Guercio  und  Guido 
Spinola  vom  Oktober  1193:  Bertolotto  no.  13  p.  454  ff.     Manfroni,   relazioni  p.  638. 

»)  Müller  p.  66  ff.,  69,  72.  Heyd  I,  232  ff.  Über  Jacob  von  Pisa  noch  Giese- 
brechtVI,  280,  246,  250;  698. 

»)  §  119. 

*)  Müller  p.  77,  68  ff. 


252  Neunzehntes  Kapitel. 

nischen  Kolonie  in  Konstantinopel  nunmehr  offen  zurück;  die  Zustimmung 
des  consilium  civitatis  zu  dem  Versprechen  der  Konsuln  sei  nicht  zu  er- 
langen gewesen,  da  den  Pisanern  in  Konstantinopel  durch  die  früheren 
kaiserlichen  Privilegien  stete  libertas  zugesichert  sei ;  auch  sei  es  nicht  mehr 
von  praktischer  Bedeutung,  da  jetzt  von  pisanischen  Korsarenschiffen  nicht 
mehr  die  Rede  sein  könne;  pisanische  Schiffe  seien  vielmehr  jetzt  im  In- 
teresse des  Kaisers  tätig,  um  womöglich  den  Genuesen  Gafforio  und  die 
anderen  Feinde  des  Reiches  in  ihre  Gewalt  zu  bringen.  Für  Saloniki  sollten 
sie  die  Überweisung  der  Häuser  und  des  Fondaco,  die  die  Pisaner  mit  ihren 
Waren  zu  benutzen  pflegten,  an  die  Commune  Pisa  und  zugleich  die  Erlaubnis, 
daselbst  einen  Vicecomes  taxfrei  bestellen  zu  dürfen,  erbitten.  Die  .Absen- 
dung der  Gesandtschaft  verzögerte  sich,  vielleicht  im  Zusammenhange  mit 
dem  am  Ende  des  Monats  erfolgenden  Tode  Kaiser  Heinrichs  VI ;  erst  nach 
dem  18.  Juli  1198  ist  sie  erfolgt.  Wir  wissen,  daß  sie  die  Ausfertigung 
eines  Chrysobulls  zugunsten  Pisas  erwirkt  hat,  in  dem  die  Verleihung  einer 
vierten  scala  und  von  Vergünstigungen  für  Saloniki  und  Almyro  enthalten 
war.  1)  Im  Juni  1199  wurde  ihnen  ein  kaiserlicher  Geleitsbrief  für  ihre  Rück- 
kehr ausgestellt  2) ;  vor  derselben  nahmen  sie  indessen  noch  am  30.  Juni  die 
Rechnungslegung  des  zeitigen  Vicecomes,  Sigerius  Cinnanni,  und  des  Gherardo 
Arcossi,  der  in  besonderer  finanzieller  Mission  nach  Konstantinopel  geschickt 
worden  war,  entgegen. 

196.  Beide  Dokumente  bieten  zusammen  mit  der  am  8.  April  von  dem 
Vicecomes  aufgenommenen  »Investigatio«  über  die  der  Republik  in  Kon- 
stantinopel zustehenden  Einkünfte-^)  für  das  Leben  in  der  Kolonie 
und  ihre  Verwaltung  manches  interessante  Detail.  Als  die  »Imperialis«, 
uns  von  Syrien  her  bekannt,  auch  im  Ägäischen  Meere  erschien,  sandte  die 
Kolonie  einen  Boten  an  das  Schiff  nach  Chios  und  ließ  demselben  als  Ehren- 
geschenk eine  seidene  Flagge  überreichen.  Wir  begegnen  ferner  einem 
Trupp  pisanischer  scutigeri  in  Konstantinopel ,  deren  Unterhalt  von  der 
Kolonie  bestritten  wurde ;  bei  ihrer  Rückkehr  nach  Pisa  erhielten  die  Führer 
desselben  eine  Ehrengabe  von  20  Hyp.  Offenbar  war  also  damals  auch  eine 
größere  Zahl  pisanischer  Ritter  zu  militärischen  Zwecken  anwesend.  Auf 
einhelligen  Beschluß  der  Kolonie  und  auf  Befehl  des  Kaisers  wurde  das 
pisanische  Schiff  »Grandeorgoglio«  gegen  die  (offenbar  genuesischen)  See- 
räuber in  Dienst  gestellt,  dem  es  auch  gelang,  das  feindliche  Schiff  »Car- 
rossa«  zu  kapern;  die  beiden  Überbringer  der  Freudenbotschaft  erhielten 
ein  Trinkgeld  von  6  Hyp.  Gemeinsame  Feindschaft  gegen  die  Genuesen 
hatte  in  dieser  Zeit  das  beste  Verhältnis  zwischen  dem  Kaiser  und  den  Pi- 
sanern hergestellt. 

Die  Einnahmen,  die  Pisa  aus  seiner  Kolonie  zog,  waren  nicht  ganz 
unbeträchtlich.  Wir  wissen  schon,  daß  das  kaiserliche  Ehrengeschenk  jähr- 
lich 600  Hyp.  betrug,  wozu  noch  100  für  den  Erzbischof  kamen.  Von  den 
vier  Scalae  befand  sich  eine  seit  dem  1.  März  1193  für  12  Jahre  im  Pacht- 
besitz des  scalarius  Ildebrandus  gegen  eine  Jahrespacht  von  100  Hyp. ;  eben- 


')  In  der  Rechnungslegung  des  pisanischen  Vicecomes  in  Konst.  vona  30.  VI. 
1199  ist  von  einer  besonderen,  den  Pisanern  aus  der  kaiserlichen  Kanzlei  zuge- 
stellten Urkunde  für  Saloniki  die  Rede ;  auch  ergibt  sich  hieraus  die  Sendung  eines 
Mitglieds  der  pis.  Kolonie  in  Konst.,  des  Alberto  Barbelonge,  nach  Saloniki.  Ebd. 
71  f.,  78.     Heyd  I,  245. 

2)  Müller  78  f. 

3)  Ebd.  74  ff. 


Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  zAir  Eroberung  Konstantinopels.     253 

soviel  brachte  die  unter  Alexios  erst  neu  hinzugekommene,  die  auf  25  Jahre 
an  Buonaccurso  Guallacce  vergeben  war,  während  die  beiden  anderen  für 
60  und  55  Hyperpern  vermietet  waren.  Die  18  dem  Staat  gehörigen  Häuser 
brachten  insgesamt  205  Hyperpern  Mietsertrag,  während  24  ihm  gehörige 
Grundstücke  jährlich  350  Hyp.  Pacht  eintrugen.  Außerdem  hatten  jeden- 
falls die  beiden  pisanischen  Kirchen  eigenen  Besitz  an  vermietbaren  Häu- 
sern, Läden  und  Grundstücken;  der  kirchlichen  Verwaltung  war  ferner 
die  Erhebung  der  Verwiegungs-  und  Vermessungsgebühren  bei  größeren 
Kaufgeschäften  verblieben  i),  während  die  Abgaben  von  den  Wechslerbänken 
(banci) ,  sowie  der  Nachlaß  unbeerbt  sterbender  Personen  zu  den  staat- 
lichen Einnahmen  gehörten.  2)  Die  im  Jahre  1162  vorgenommene  Konzen- 
trierung der  gesamten  Kolonial  Verwaltung  in  den  Händen  des  »Operarius« 
hatte  also  aufgehört;  der  Dom  war  vollendet;  die  formelle  Übertragung  des 
Eigentums  an  ein  kirchliches  Institut  hatte  gegenüber  dem  Fanatismus  der 
Griechen  auch  keinen  größeren  Schutz  gewährt,  und  so  war  man  nach  der 
Wiederaufnahme  des  offiziellen  Verkehrs  zum  staatlichen  Verwaltungssystem 
zurückgekehrt.  Dabei  diente  die  Opera  auch  jetzt  noch  häufig  zum  be- 
quemen Rückhalt  bei  finanziellen  Operationen,  die  die  Kolonie  betrafen; 
oft  hatte  sie  Vorschüsse  auf  die  kolonialen  Einkünfte  zu  leisten  und  wurden 
ihr  Einnahmequellen  der  Kolonie  für  mehr  oder  minder  lange  Zeit  in  Pfand- 
besitz gegeben.  Als  allgemeiner  Grundsatz  wurde  festgehalten,  daß  alle  im 
Interesse  der  Kolonie  und  im  Zusammenhange  mit  ihr  erforderlichen  Staats- 
ausgaben, wozu  in  erster  Linie  die  offiziellen  Gesandtschaften  gehörten,  aus 
den  Einkünften  der  Kolonie  selbst  ihre  Deckung  finden  mußten.  Wenn 
die  regelmäßigen  Einnahmequellen  hierfür  nicht  ausreichten,  so  brachte 
man  den  Rest  durch  Umlagen  auf  die  Mitglieder  der  Kolonie  auf.  3)  Auch 
diese  hatten  bei  der  Verwaltung  der  Kolonie  ein  gewichtiges  Wort  mitzu- 
sprechen ;  bei  wichtigeren  Angelegenheiten  zog  der  Vicecomes  die  Gesamt- 
heit der  angesehenen  Männer  zur  Beratung  und  Mitwirkung  heran.  Ab- 
gesehen von  dem  aus  Pisa  entsandten  Kolonialvorstand,  dem  Vicecomes  4), 
dem  die  Jurisdiktion,  die  Wahrnehmung  der  finanziellen  Interessen  der 
Mutterstadt  in  Konstantinopel  und  ihre  Vertretung  nach  außen  oblag,  hatte 
die  Kolonie  auch  noch  ihre  eigenen  selbstgewählten  Vorsteher,  ihre  Kon- 
suln, eine  Tatsache,  die  bisher  ganz  unbeachtet  geblieben  ist,  obwohl  uns 
einmal  sogar  die  Namen  dieser  drei  Konsuln  mitgeteilt  werden:  als  jene 
pisanischen  Seeräuber  sich  bei  Abydos  festgesetzt  hatten,  suchten  alle  damals 
in  Konstantinopel  anwesenden  pisanischen  Autoritäten  zu  intervenieren; 
die  beiden  Gesandten  und  die  drei  Konsuln  Gerardus,  Antonius  und  Blan- 
cardus  durch  briefliche  Vorstellungen  5),  der  pisanische  Vicecomes  Gerardus 
und  Graf  Rainer  (aus  dem  Geschlechte  Gherardesca),  letzterer  nur  auf  Grund 

')  Der  Prior  schwört  im  Jahre  1197,  abzuliefern  die  introitus  ecclesiarum,  at- 
que  metrium  et  staterarum  seu  pesarum  vel  mensurarum  que  ad  easdem  ecclesias 
et  operam  s.  Marie  pertinent;  ib.  70. 

*)  Ib.  72. 

*)  Ib.  62.  Im  Jahre  1197  wurden  die  Gesandten  ermächtigt,  ev.  von  jedem 
Pisaner  in  Konstantinopel  eine  Auflage  von  ^/^  Prozent  seines  Kapitals  (V4  unius 
byzantii  pro  100)  zu  erheben ;  p.  72. 

'')  Im  Jahre  1200  nennt  sich  Sigerius  in  einem  offiziellen  Schriftstück:  Pisa- 
norum  scampolorum  de  Constantinoj)oli  vicecomes;  eb.  82.  Den  Gegensatz  zu 
den  scampoli  bilden  die  burgenses. 

')  Im  Schreiben  Kaiser  Isaaks  vom  September  1194,  ib.  67.  Daß  Müller  für 
Gerardi  Antoni  lesen  will :  G.  Arcossi,  ist  haltlos.     Auf  diese  Konsuln  in  Konstan- 


254  Neunzehntes  Kapitel.  , 

ßeiner  persönlichen  Autorität,  indem  sie  an  Ort  und  Stelle  auf  die  Unbot- 
mäßigen einzuwirken  suchten.  Die  Vorgänger  dieser  Konsuln  erblicke  ich 
in  den  embularii,  den  Quartiervorstehern  der  Urkunde  von  1160. 

Eine  wichtige  Stellung  in  der  Kolonie  behauptete  ferner  ihr  kirchliches 
Oberhaupt,  der  Prior  der  Peters-  und  der  Nikolaikirche  und  gleichzeitiger 
Bevollmächtigter  der  pisanischen  Dombauverwaltung.  Seit  1197  begegnet 
uns  Benenatus  in  dieser  Stellung;  am  28.  Juli  hatte  er  in  Pisa  dem  Opera- 
rius  Bernardus  Aghentine  den  Treueid  geleistet.  Bald  sah  er  sich  in  seinen 
kirchlichen  Privilegien  durch  den  Vorstoß,  den  Papst  Innozenz  III.  gegen 
-die  mannigfachen  besonderen  Vorrechte  der  Kolonialkirchen  im  Orient 
richtete,  bedroht;  durch  eidhche  Zeugenaussagen  (die  ersten  derselben  datiert 
vom  Februar  1199)  ließ  er  gegenüber  dem  päpstlichen  Legaten,  dem  mag. 
Leo,  feststellen,  daß  es  sich  um  seit  alter  Zeit  geübte  Rechte  handle  i)  und 
begab  sich  im  Sommer  1200  zur  Wahrnehmung  des  Interesses  seiner  Kirche 
und  zugleich  mit  Aufträgen  des  Kaisers  für  die  pisanische  Regierung  ver- 
sehen, nach  Italien.  In  der  Vaterstadt  fand  er  schwere  innere  Wirren  vor; 
über  ein  Jahr  lang  fehlte  es  an  einer  anerkannten  Regierung.  2)  Als  dann 
-die  Stadt  in  Gherardo  Visconti  einen  neuen  Podestä  erhalten  hatte  und  er 
sich  seiner  Aufträge  entledigen  konnte,  traf  die  überraschende  Nachricht 
ein,  daß  zwei  der  angesehensten  Mitglieder  der  pisanischen  Kolonie  in  Kon- 
stantinopel, der  erwähnte  Graf  3)  Rainer  de  Segalari  und  der  Rechtsgelehrte 
Ildebrando  Famigliati,  im  Sommer  1201  den  Prinzen  Alexios,  den  Sohn  des 
entthronten  Kaisers  Isaak,  auf  einem  pisanischen  Schiffe  entführt  hatten; 
«r  floh  zuerst  nach  Italien,  dann  zum  deutschen  Könige,  Philipp  von  Schwa- 
ben, der  mit  seiner  Schwester  Irene  vermählt  war.  Es  war  ein  Akt  direkter 
Feindseligkeit  gegen  den  regierenden  Kaiser,  der  die  Stellung  der  pisanischen 
Kolonie  in  Konstantinopel  empfindlich  berühren  mußte;  vermutlich  hängt 
er  mit  der  damals  gerade  veränderten  Stellung  des  Kaisers  zu  den  alten 
Feinden  der  Pisaner,  den  Genuesen,  zusammen.  Erst  kurz  vor  der  Ankunft 
der  Kreuzfahrer  vor  Konstantinopel  traf  der  Prior  Benenatus  daselbst 
wieder  ein. 

197.  Der  anfänglichen  Begünstigung  der  Pisaner  durch  Alexios  III, 
entsprach  die  Zurücksetzung  der  mit  ihnen  im  Kriege  befindlichen  Ge- 
nuesen; die  Zahlung  der  vertragsmäßigen  Ehrengeschenke  unterließ  er. 
Da  griff  der  Genuese  Gafforio,  den  wir  1194  als  genuesischen  Admiral  in 
Syrien  kennen  gelernt  haben,  durch  hohe  griechische  Beamte  in  seinen 
persönlichen  Interessen  verletzt,  zur  Selbsthilfe,  sammelte  viele  seiner  un- 
zufriedenen Landsleute   um   sich    und   führte   mit   seiner  rasch  wachsenden 

tinopel  bezieht  sich  auch  die  Stelle  der  Gesandtschafts-Instruktion  von  1197  p.  72  : 
ut  vicecomites  nostri  et  consules  et  cives  pacramento  tenerentur,  ut  cursales  de 
Homania  ejicerent  etc. 

1)  Ib.  70,  81  f. 

*)  Seine  beeidete  Aussage  vom  16.  Januar  1223  bei  Bonaini  I  p.  267. 

")  Graf  Riant  hat  ihn  für  einen  Vorstand  der  pisanischen  Kolonie  gehalten, 
der  die  Amtsbezeichnung  Comes  geführt  hätte.  Heyd  I,  265  hat  das  mit  Recht 
bezweifelt.  Er  heißt  in  Wahrheit  Graf  von  Segalari  nach  einem  Ort  im  pisanischen 
Gebiet,  der  zu  den  Besitzungen  der  bekannten  j)isani sehen  Grafen  Gherardesca 
gehörte.  Das  castello  di  Segalari  urkundlich  erwähnt  z.  B.  bei  Roncioni  p.  247 ; 
Graf  Tedisius  de  Sygalario  Zeuge  in  einer  Urkunde  von  1194  bei  Murat.  Ant.  n 
p.  503. 


Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  ziar  Eroberung  Konstantinopels.      255 

Piratenflotte  im  Jahre  llUT^)  in  der  Propontis  und  den  nördlichen  Teilen 
des  Ägäischen  Meeres  einen  wilden  Verheerungskrieg.  Der  Kaiser  ließ  durch 
die  Genuesen  in  seiner  Hauptstadt  Verhandlungen  mit  ihm  anknüpfen  und 
ihn  durch  große  Versprechungen  sicher  machen;  im  Jahre  1198  aber  über- 
fiel eine  griechisch-pisanische  Flotte  unter  Führung  des  Vizeadmirals  Stirione, 
eines  geborenen  Kalabresen,  die  Schiffe  des  Freibeuters  bei  Sestos  und  ver- 
nichtete sie  bis  auf  vier.  Gafforio  wurde  getötet,  und  auch  über  die  Genuesen 
in  Konstantinopel  erging  ein  Strafgericht;  Balduino  Guercio  z.  B.  wurde 
seines  Lehns  für  verlustig  erklärt'-^),  der  genuesischen  Kolonie  der  Palast  des 
Kalamanos,  den  Kaiser  Isaak  1192  geschenkt,  mit  allem  Zubehör  wieder 
entzogen,  und  die  Genuesen  von  allem  Handel  mit  der  »Königin  der  Städte« 
ausgeschlossen.  Nun  suchten  die  Genuesen  doch  wieder  anzuknüpfen;  sie 
sandten  den  Arzt  Nicolaus  mit  einem  entschuldigenden  Schreiben  an  den 
Kaiser,  und  obwohl  genuesische  Schiffe  fortfuhren,  ihre  Fehden  mit  den 
Pisanern  in  den  griechischen  Gewässern  auszufechten  und  die  Griechen 
selbst  dabei  zu  schädigen,  forderte  der  Kaiser  im  März  1199  in  dem  Briefe, 
den  er  dem  Arzte  mitgab,  die  Stadt  auf,  eine  solenne  Gesandtschaft  zu 
w^eiteren  Verhandlungen  an  ihn  abzuschicken.  3)  Doch  erst  im  Jahre  1201 
kam  es  zu  einem  neuen  Vertrage,  Als  im  Frühjahr  dieses  Jahres  genuesi- 
sche Piratenschiffe  im  Begriff  waren,  die  griechischen  Küsten  von  den  sizi- 
hschen  Gewässern  aus  anzugreifen,  sandte  der  Kaiser  im  April  den  Genuesen 
Guilelmus  Cavalarius^),  dem  er  sein  kaiserliches  Siegel  übergab,  mit  abso- 
luter Vollmacht  an  sie,  um  sie,  wo  er  sie  finde,  gegen  den  für  die  Lateiner 
üblichen  Sold  in  seine  Dienste  zu  ziehen.  Offenbar  hatte  sich  eine  ent- 
schiedene Wendung  der  kaiserlichen  Politik  zugunsten  der  Genuesen  voll- 
zogen. Der  genuesische  Gesandte  Ottobonus  de  Cruce,  der  nach  seiner 
Instruktion  vom  Mai  1201°)  außer  völliger  Restitution  und  der  Überweisung 
der  seit  7  Jahren  rückständigen  Ehrengeschenke  auch  eine  Herabsetzung 
des  Wertzolls  auf  2  oder  doch  wenigstens  S^/o  zu  fordern  hatte,  fand  die 
beste  Aufnahme;  ein  erhaltenes  Übergabeprotokoll  vom  13.  Oktober  12016) 
beweist  uns,  daß  in  dieser  Zeit,  unmittelbar  vor  dem  Ende  der  Griechen-- 
herrschaft,  noch  eine  Erweiterung  des  genuesischen  Quartiers  eingetreten  ist. 

198.  Vened-ig  behauptete  in  Ruhe  die  durch  den  Vertrag  von  1187 
gewonnene  Stellung,  wenn  ihm  auch  der  neue  Kaiser  wenig  günstig  gesinnt 
war.  Wahrscheinlich  im  zeitigen  Frühjahr  1196  sandte  der  Doge  Heinrich 
Dandolo   den   Heinrich   Navigajoso    und  Andrea  Donati   als   Legaten  nach 


')  Geht  aus  der  pisaniscben  Gesandtschafts-Instruktion  vom  6.  September 
hervor,  Müller  p.  72.     Im  übrigen  s.  Heyd  I,  238  ff.,  Hertzberg  347. 

*)  Über  seine  wechselnden  Schicksale  s.  besonders  die  Instruktion  von  1201 ; 
Bertolotto  p.  471. 

^)  Bertolotto  no.  14  p.  464  ^.     Manfroni,  relazioni  p.  640. 

*)  Miklosich  et  Müller  IIl  no.  10  p.  48.  Bertolotto  no.  15  p.  467  mit  Faksimile. 
Des  Letzteren  Bedenken  gegen  den  chronologischen  Ansatz  (s.  auch  seinen  Auf- 
satz: un  Genovese  a  Bisanzio  im  Giorn.  ligust.  XXII  (1897),  347  f.)  kann  ich  nicht 
teilen ;  vgl.  Manfroni  relazioni  p.  640  Anm.  3.  Daß  Cavalarius  Name  und  nicht 
Standesbezeichnung  ist,  geht  schon  aus  der  Instruktion  Grimaldis  hervor,  wo  mehr- 
fach Rubaldus  Cavalarius  begegnet ;  Bertolotto  p.  379  ff. 

6)  Bertolotto  no.  16  p.  469  ff.     Heyd  I,  240  f. 

*)  Miklosich  et  Müller  III,  49  f.  Bertolotto  no.  17  p.  475  ff",  (mit  irrigem  An- 
satz zu  1202,  der  durch  ind.  V  widerlegt  wird).  Über  die  irrigen  Datierungen  im 
Lib.  jur.  I  no.  457  und  Chart.  II  no.  1716  s.  Heyd  I,  241. 


256  Neunzehntes  Kapitel. 

Konstantinopel ;  sie  waren  angewiesen,  den  Kaiser  zu  seiner  Thronbesteigung 
zu  beglückwünschen  und  wenn  angängig,  die  Bestätigung  der  Privilegien 
zu  erwirken ;  in  eine  vom  Kaiser  verlangte  Änderung  der  den  deutschen 
Kaiser  und  das  sizilische  Königreich  betreffenden  Bestimmungen  in  dem 
Sinne,  daß  sie  sich  ausdrücklich  zur  Unterstützung  der  Griechen  gegen  diese 
Mächte  verpflichteten,  sollten  sie  indessen  keinesfalls  willigen,  während  sie 
auf  die  für  zwei  Jahre  geforderte  Geldzahlung  von  400  Pfd.  Hyp.  unter 
Umständen  verzichten  durften.  Wegen  des  feindlichen  Verhältnisses  zu  den 
Pisanern  wurden  sie  ermächtigt  unter  Zuziehung  eines  besonders  zu  ver- 
eidenden Beirates  aus  den  angesehensten  Männern  der  Kolonie  in  Konstan- 
tinopel die  erforderlichen  Ausgaben  anzuordnen  oder  auch,  falls  Geneigtheit 
dazu  vorhanden,  in  Gemeinschaft  mit  diesem  Friedensverhandlungen  mit 
den  Pisanern  zu  eröffnen ;  nur  sollten  sie,  falls  sie  die  venezianische  Flotte 
noch  in  jenen  Gewässern  anträfen,  auch  ihre  Führer  (capitaneos  stoli)  zu 
den  Verhandlungen  zuziehen,  i)  Diese  Flotte  muß  im  Herbst  1195  von  Ve- 
nedig abgegangen  sein;  Anfang  1196,  als  die  Gesandtschaft  noch  unterwegs 
war,  hatte  sie  ihr  Standquartier  in  der  so  überaus  günstig  gelegenen  Wasser- 
straße des  Hellespont,  wo  vorher  pisanische  Korsaren  und  später  der  Ge- 
nuese Gafforio  ihren  Stützpunkt  hatten;  hier  beschlossen  im  März  1196  ihre 
Admirale  Rogerio  Premarini  und  Jacopo  Quirini  im  Einverständnis  mit  den 
beiden  Richtern,  den  vier  Ratsherrn  und  dem  Kämmerer,  die  sie  an  Bord 
hatten,  sowie  allen  Schiffskapitänen  und  der  Mannschaft  der  Flotte,  bei 
Abydos  zu  bleiben;  die  erforderlichen  Geldmittel  sollten  durch  eine  Anleihe 
bei  den  Teilnehmern  des  Seezuges  selbst  aufgebracht  werden;  178  Personen 
zeichneten  sofort  8287  Hyperpern  2),  darunter  der  Admiral  Quirini  62  Hyp., 
die  Opera  S.  Marci  allein  915  Hyp.  Man  faßte  diesen  Beschluß  im  Ver- 
trauen auf  die  Güte  des  Dogen  Enrico  Dandolo  —  offenbar  näherte  sich 
die  Zeit,  für  die  die  Flotte  in  Dienst  gestellt  war,  ihrem  Ende  —  und  ver«j 
sprach  den  Anteilzeichnern  spätere  Erstattung  ihres  Darlehens  in  Venedig  mit" 
2  1.  ven.  pro  Hyperper,  so  daß  die  Kapitalsanlage  bei  dieser  Unternehmung 
.als  eine  recht  günstige  gelten  konnte.  Das  Vorgehen  der  Flotte  richtete 
sich  wohl  zunächst  gegen  die  Pisaner,  mit  denen  die  Venezianer  seit  1194 
in  Fehde  lagen  3);  doch  liegt  die  Vermutung  nicht  ganz  ferne,  daß  es  schließ- 
lich auch  gegen  Konstantinopel  selbst  gemünzt  war. 


I 


^)  Die  Instruktion  steht  bei  J.  Armingaud:  Venise  et  le  Bas-Empire  in:  Ar;j 
chives  des  missions  scientifiques  et  ütt.,  ser.  2,  IV  (Paris  1867),  426  A.  1 ;  vgl 
Lenel  48  A.  3.  Armingaud  hat  die  undatierte  Instr.  zu  1198  angesetzt  p.  424  (akzep* 
tiert  von  Heyd  I,  238,  257) ;  Neumann  aber  dies  Datum  für  unrichtig  erklärt  p.  374 
A  1.  In  der  Tat  widerspricht  diesem  Ansatz  schon  die  Bezugnahme  auf  den  deut- 
schen Kaiser,  der  ja  schon  im  September  1197  gestorben  war;  und  die  Wendung 
vom  Regierungsantritt  des  AI.  (facto  sermonis  exordio  de  introitu  eius^  nötigt  ge- 
radezu, sie  möglichst  zeitig  anzusetzen  und  als  die  erste  Gesandtschaft  zu  betrachten, 
die  an  den  Kaiser  ging.  Nur  empfiehlt  sich  das  Jahr  1195  selbst  aus  dem  Grunde 
nicht,  weil  man  in  Venedig  im  ungewissen  war,  ob  die  Gesandten  die  im  Herbst 
1195  abgesandte  Flotte  noch  antreffen  würden ;  doch  ist  es  möglich,  daß  die  In- 
struktion Ende  1195  abgefaßt  ist,  während  die  Gesandtschaft  selbst  erst  1196  abging. 

^)  Tafel  und  Thomas  I,  217  f.     Romanin  11,  415  f.     Die   Gesamtsumme   habe 
ich  dadurch  gewonnen,  daß  ich  drei  Personen,  bei  denen  die  Zahlenangaben  fehlen,^ 
mit  dem  ungefähren  Durchschnitt  von  46.Hyp.  angesetzt  habe.  HJ 

**)  Nahe  bei  Konstantinopel  brachte  im  Jahre  1195  eine  venezianische  Flotte^' 
zwei  pisanische  Schiffe  auf  (bei  Natura,  dem  alten  Athyra,  über  dessen  Lage  s.  Ann. 
Herbipol.,  SS.  XVI,  4.     Das  castellum  de  Natura  auch  bei  Alb.  von  Achen  VIII,  2  ;j 
Reo.  Crois.  Occ.  IV.  560.     Unten  §  523). 


Von  der  Verfolgung  des  Andronikos  bis  zur  Eroberung  Konstantin opels.      257 

Mit  Pisa  wurde  im  Herbst  des  Jahres  (1.  September  1196)  unter  Ver- 
mittelung  des  deutschen  Kaisers  der  Friede  zu  Rialto  geschlossen  i) ;  indessen 
war  man  sich  auf  Seiten  der  beiden  Regierungen  nicht  ganz  sicher,  daß 
ihre  Kolonisten  am  Bosporus  in  ihrer  Eifersucht  den  Friedenszustand  immer 
respektieren  würden ;  deshalb  erteilte  die  pisanische  Regierung  in  der  In- 
struktion für  ihre  Gesandten  vom  6.  September  1197  diesen  von  vornherein 
ihr  Placet,  falls  sie  mit  den  venezianischen  Autoritäten  in  Konstantinopel 
eine  Vereinbarung  dahin  treffen  sollten,  den  geschlossenen  Frieden  durch 
die  beiderseitigen  Kolonisten  daselbst  noch  besonders  beschwören  zu  lassen 
(de  pace  facienda  firmari). 2)  Ob  es  zu  einer  solchen  Vereinbarung  kam, 
ist  zweifelhaft;  die  Gesandten  sind  ja  auch  erst  in  der  zweiten  Hälfte  1198 
in  Konstantinopel  eingetroffen.  Jedenfalls  dauerten  die  Reibungen  unter 
den  Kolonisten  fort;  im  Frühjahr  1199  (zwischen  1.  März  und  Ende  Juni) 
kam  es  einmal  zu  einem  argen  Tumult  zwischen  den  Angehörigen  der  beiden 
Handelsnationen,  der  eine  Nacht  hindurch  eine  verschärfte  Bewachung  des 
pisanischen  Quartiers  notwendig  machte.  3)  Auch  der  griechische  Ge- 
schichtsschreiber Niketas  weiß  von  Kämpfen  zwischen  ihnen  in  der  Stadt 
wie  zur  See  zu  berichten ;  er  fügt,  und  das  erscheint  durchaus  nicht  un- 
glaubwürdig, hinzu,  daß  der  Kaiser  selbst  sie  gegeneinander  gehetzt  habe.  4) 

199.  Inzwischen  hatte  Alexius  allerdings  mit  den  venezianischen  Ge- 
sandten Petrus  Michael  und  Oktavianus  Quirini,  da  Venedig  nunmehr  nach 
Heinrichs  VI.  Tode  bereit  war,  seine  Hilfe  auch  für  den  Fall  eines  Angriffes 
des  deutschen  Königs  zu  versprechen,  einen  Vertrag  geschlossen  (27.  Sep- 
tember 1198)  und  ihnen  im  November  ein  großes  Chrysobull  über  ihre 
Privilegien  ausgefertigt.  5)  Die  vollständige  Abgabenfreiheit  der  Venezianer 
nicht  nur  persönlich,  sondern  auch  aller  Handelsgeschäfte,  die  mit  einem 
Venezianer  abgeschlossen  wurden,  wurde  von  neuem  festgestellt;  sorgfältig 
zählte  man  alle  Teile  des  Reiches,  wo  sie  Geltung  haben  sollte,  auch  sehr  kleine 
und  entlegene  Orte,  auf  —  ein  neuer  Beweis,  wie  sehr  der  venezianische  Handel 
alle  Gebiete  des  Reiches  durchdrangen  hatte ;  auch  auf  den  Transitverkehr, 
auf  alle  Saumtiere  und  Lastwagen  der  Venezianer,  sowie  auf  die  Führer 
dieser  Wagen  und  Tiere  sollte  sich  diese  Exemption  erstrecken.  Der  Nach- 
laß eines  im  Reiche  verstorbenen  Venezianers  sollte  von  keiner  kaiser- 
lichen Behörde  oder  einem  griechischen  Untertanen  auch  nur  im  geringsten 
angetastet  werden  dürfen.  Die  selbständige  Jurisdiktion  der  Venezianer  in 
Konstantinopel  sollte  gegen  alle  Belästigungen  und  Übergriffe  geschützt 
werden ;  insbesondere  sollte  im  Zivilprozeß  bei  Streitigkeiten  zwischen  Griechen 
und  Venezianern  der  Grundsatz  zu  allgemeiner  Durchführung  gelangen, 
daß  der  Kläger  sich  an  das  Forum  des  Beklagten  zu  wenden  hatte. 

Deutlich  erkennen  wir,  daß  auch  jetzt,  wie  wir  das  schon  für  das 
Jahr  1150  haben  feststellen  können,  die  Gerichtsbarkeit  in  der  Hand  von 
Legaten  lag,  die  Venedig  ständig  in  Konstantin opel  unterhielt,  von  Legaten, 
die  gleichzeitig  bei  Hofe  beglaubigt  waren  und  wahrscheinlich  ziemlich 
häufig  (hauptsächlich  wohl,  wie  es  das  Bedürfnis  diplomatischer  Verhand- 
lungen  wünschenswert   erscheinen   ließ),    wenn   nicht   jährHch,    wechselten; 

0  Heyd  I,  238.     Unten  §  523. 

')  Heyd  I,  236  deutet  das  durch  ein  Versehen  auf  einen  erst  abzuschließenden 
Frieden.     Müller  p.  72. 

^)  Rechnungslegung  des  pisanischen  Vicecomes  Sigerius;  Müller  p.  78. 
*)  Niketas  Akominatos  ed.  Bekker  (Bonn  1835),  p.  713. 
»)  Tafel  und  Thomas  I,  246  f.     Heyd  I,  227  f.     Manfroni  305  f. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  17 


258  Neunzehntes  Kapitel. 

ausnahmslos  scheinen  es  in  dieser  Zeit  zwei  gewesen  zu  sein.  Für  technisch- 
juristische Fragen  stand  ihnen  die  Mitwirkung  rechtsgelehrter  Richter  (judices) 
zur  Seite.  Auch  die  Oberleitung  der  Finanzverwaltung  der  Kolonie  im 
Interesse  der  Mutterstadt  stand  ihnen  zu ;  wir  wissen  z.  B.,  daß  die  Ablieferung 
der  im  Vertrage  von  1189  festgesetzten  Entschädigungsraten  durch  ihre 
Hand  ging,  i)  Im  übrigen  stand  ihnen  auf  diesem  Gebiet  ein  procurator 
super  redditibus  Communis  Venetiae  in  Constantinopoli  zur  Seite;  im 
November  1195  zieht  Johann  Barastro  als  solcher  die  Pacht  für  ein  Grund- 
stück in  Konstantinopel  mit  6  Hyperpern  für  das  Jahr  vom  März  1195  bis 
Ende  Februar  1196  ein. 2)  Die  Stellung  des  (oder  der)  venezianischen  Legaten 
entspricht  also  der  des  pisanischen  Vicecomes,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
daß  die  Gesandten,  die  Venedig  schickte,  jederzeit  sofort  die  ständige  Legation 
übernahmen,  während  die  pisanischen  Gesandten  über  dem  Vicecomes  standen 
und  in  ihren  Funktionen  z.  T.  mit  den  seinen  konkurrierten. 

200.  Trotz  seines  großen  Privilegs  fuhr  Alexius  III.  fort,  sich 
die  Venezianer  durch  eine  Politik  der  Nadelstiche  zu  entfremden. 
Gerade  in  ihnen  aber  schuf  er  sich  Gegner,  die  seit  den  unver- 
gessenen Vorgängen  von  1171  und  1182  und  bei  der  notorischen 
UnZuverlässigkeit  und  Unfähigkeit  der  byzantinischen  Regierung  auf 
alles  gefaßt,  aber  unter  ihrem  Dogen  Enrico  Dandolo  zugleich  auch 
entschlossen  waren,  alles  daran  zu  setzen,  die  erste  Stelle  auf  dem 
Welthandelsplatze  an  der  Schwelle  nach  Asien  zu  behaupten.  Und 
nun  geriet  der  Kaiser  auch  mit  seinen  bisherigen  Freunden,  den 
Pisanern,  die  jetzt  mit  Venedig  wieder  im  Einvernehmen  waren,  in 
Differenzen  —  er  suchte  jetzt  an  den  mit  Pisa  im  Kriege  befindlichenÄi 
Genuesen  eine  Stütze  —  ob  das  die  Folge  oder  eine  Ursache  dieser 
Differenzen  war,  vermögen  wir  freilich  nicht  zu  entscheiden.  Jeden- 
falls mußte  es  ihn  recht  empfindlich  treffen,  als  der  ThronprätendentjHl 
Alexios  im  Sommer  1201  auf  einem  pisanischen  Schiffe  entführt 
wurde.  ^)  Mittlerweile  hatte  das  zähe  und  energische  Drängen  Inno- 
zenz' III.  eine  neue  große  Kreuzzugsbewegung  hervorgerufen ;  nach 
der  Absicht  des  Papstes  war  ihr  Ägypten  als  nächstes  Ziel  gesetzt. 
Da  gelang  es  der  ebenso  kühnen  wie  klugen  Politik  des  greisen 
Dandolo,  die  militärische  Kraft  der  Kreuzfahrer  den  besonderen* 
Interessen  Venedigs ,  die  in  erster  Linie  Handelsinteressen  waren, 
dienstbar  zu  machen.'*)     So  wußte    er  die  Absichten   des  Papstes   auf 

II 

1)  Sacerdoti  p.  36  »de  perperis  auri,  quos  .  .  .  Imperator  mandavit  in  Vene- 
tiam  per  nostros  legatos«  in  der  Quittung  vom  April  1190  und  ganz  analog  in  der 
Quittung  vom  Juli  1193  ib.  37.  Heyd  I,  258  hält  die  Anwendung  des  Wortes  Ae- 
gatus«  in  dem  Diplom  von  1190  (recte  1198)  für  einen  Irrtum,  was  ganz  ausge- 
schlossen ist ;  er  rechnet  in  seinen  Ausführungen  p.  257  f.  gar  nicht  mit  der  Mög- 
lichkeit, daß  das  Institut  der  legati  trotz  häufigen  AVechsels  der  Personen  ein  stän- 
diges sein  konnte. 

*)  Tafel  und  Thomas  I  p.  215  mit  dem  falschen  Datum  1194;  Indiktion  und 
Inhalt  Taeweisen  gleichmäßig  für  1195.     Schmeidler  51. 

s)  Bonaini  I,  267.    Heyd  I,  265. 

*)  Zum  folgenden:  L.  Streit:  Venedig  und  die  Wendung  des  vierten  Kreuz 
zugs  gegen  Konstantinopel.     Anklam  1877  (Gymn.-Progr.).    Riant  (Comte) :  Le  chan- 


Von  der  Verfolgung  des  Andonikos  bis  zur  Eroberung  Konstantinopels.     259 

Ägypten  geschickt  zu  durchkreuzen,  da  er  von  einem  solchen  Unter- 
nehmen eine  verhängnisvolle  Störung  des  gewinnbringenden  venezia- 
nischen Handels  mit  diesem  Lande  befürchtete.  Die  finanzielle  Not 
der  Kreuzfahrer  benutzte  er  zum  Zuge  gegen  Zara,  das  schon  im 
November  1202  niedergeworfen  wurde;  und  im  folgenden  Frühjahr 
wurde  das  Heer,  unter  dem  der  flüchtige  Prinz  Alexios  mit  großen 
Versprechungen  erschienen  war,  für  den  Zug  gegen  die  verhaßten 
Griechen  gewonnen.  Als  kein  Zweifel  mehr  über  die  wahren  Ab- 
sichten des  Kreuzheeres  bestehen  konnte,  brach  ein  Tumult  in  Kon- 
stantinopel aus,  der  sich  in  erster  Linie  natürlich  gegen  die  Vene- 
zianer richtete;  aber  der  Haß  der  in  ihren  materiellen  Interessen 
vielfach  geschädigten  griechischen  Bevölkerung,  die  von  dem  reichen 
Strande  des  Goldenen  Horns  immer  mehr  ab-  und  in  das  Innere  der 
Stadt  zurückgedrängt  worden  war  und  Handel  und  Industrie  immer 
mehr  in  die  Hände  der  Fremden  übergehen  sah,  wandte  sich  schon 
jetzt  vielfach  gegen  die  Abendländer  überhaupt,  so  daß  auch  die 
Pisaner  und  selbst  die  fast  gräzisierten  Amalfitaner  vielfach  geschädigt 
wurden.  Trotzdem  leisteten  die  Pisaner  bei  der  Verteidigung  des 
Hafenturms  von  Galata,  der  die  Einfahrt  in  das  Goldene  Hörn  sperrte, 
gegen  die  Venezianer  gute  Dienste,  ohne  indessen  die  Einnahme  der 
Stadt  hindern  zu  können  (Mitte  Juli  1203).  Der  unfähige  Kaiser  war 
rechtzeitig  geflohen,  und  der  befreite  Isaak  bestieg  nun  noch  einmal, 
zugleich  mit  seinem  jugendlichen  Sohne  Alexios,  den  Thron.  Auf 
seine  Vermittelung  hin  versöhnten  sich  nunmehr  die  bisherigen  Ri- 
valen, Pisaner  und  Venezianer;  doch  blieb  das  auch  sein  einziger 
Erfolg.  Die  gewaltigen  finanziellen  Anforderungen  der  beiden  Kaiser 
an  das  griechische  Volk,  zu  denen  sie  sich  durch  ihre  Versprechun- 
gen gegenüber  den  Kreuzfahrern  genötigt  sahen,  der  Fremdenhaß, 
die  fortdauernde  Unfähigkeit  der  eigenen  Regierung,  die  Zuchtlosig- 
keit  vieler  fränkischer  Scharen,  —  alles  vereinigte  sich,  die  glänzende 
Hauptstadt  des  Rhomäerreiches  einer  furchtbaren  Katastrophe  ent- 
gegenzuführen. Eine  Feuersbrunst,  von  plündernden  Horden  ange- 
legt, nahm  einen  entsetzlichen  Umfang  an  und  zerstörte  die  reichen 
Kaufmannsstraßen ;  1 5  000  Lateiner  verließen  die  Stadt  und  suchten 
bei  dem  Kreuzheere,  das  jenseits  des  Goldenen  Horns  bei  Pera  lagerte, 
eine  Zuflucht.  In  der  Stadt  aber  vollendete  sich  das  Unheil;  der 
Doge  brach  mit  den  unfähigen  Herrschern  und  der  Krieg  entbrannte 
von  neuem;  eine  Revolution  fegte  die  Kaiser  hinweg  und  bereitete 
ihnen  ein  jämmerliches  Ende.  Ein  Usurpator,  der  wilde  Alexios  V. 
Ducas  Murtzuphlus,  riß  die  Herrschaft  in  der  Stadt  an  sich  und  trieb 
den  Rest  der  Fremden  gewaltsam  aus,    bis    dann    endlich  unter  dem 


gement  de  direction  de  la  4.  croisade.  Paris  1878.  Heyd  I,  266  f.  Hertzberg  349  f. 
W.  Norden :  Der  4.  Kreuzzug  im  Rahmen  der  Beziehungen  des  Abendlands  zu  By- 
zanz.  Berlin  1898 ;  dazu  besonders  K  Neumann  in  Byz.  Zeitschr.  IX  (1900),  546  ff. 
Manfroni  308,  319—359.  Norden,  Papsttum  und  Byzanz  152  f.,  156  tt".  Gerland  in 
Neue  Jahrb.  f.  d.  Klass.  Alt.,  1.  Abt.,  XIII  (1904),  505  tf. 

17* 


260  Zwanzigstes  Kapitel. 

schonungslosen  Wüten  der  stürmenden  Abendländer  Reich  und  Stadt 
in  Trümmer  sank  (13.  April  1204).  Die  kommerzielle  Herrschaft,  die 
die  Romanen  an  dieser  für  den  Weltverkehr  so  wichtigen  Stätte  er- 
rungen, hatte  nun  auch  die  politische  Herrschaft  nach  sich  gezogen. 


Zwanzigstes  Kapitel. 

Zeit  des  lateinischen  Kaisertums. 

201.  Venezianer  und  Kreuzfahrer  verfügten  nun  über  das  ge- 
wonnene Reich;  je  sechs  Wahlherren  aus  beiden  Parteien  erkoren 
Balduin  von  Flandern  zum  ersten  Herrscher  des  lateinischen  Kaiser- 
reichs.^) Wie  der  Traktator  einer  großen  Handelsgesellschaft  erhielt 
er  ^/4  des  Gewinns;  die  übrigen  ^j^  teilten  die  beiden  anderen  Sozii 
je  zur  Hälfte;  so  wurde  der  Doge  zum  »dominator  quartae  partis  et 
dimidiae  totius  imperii  Romaniae«.  Der  Venedig  zufallende  Anteil^) 
wurde  seinen  Handelsinteressen  gemäß  ausgewählt ;  die  ganze  West- 
küste der  Balkanhalbinsel  einschließlich  der  Jonischen  Inseln,  der 
Peloponnes,  der  Archipel,  dazu  reiche  Besitzungen  in  Thracien  soll- 
ten ihm  zufallen.  Kreta,  auf  das  Bonifaz  von  Montferrat  schon  vor 
der  zweiten  Eroberung  Konstantinopels  von  Alexius  eine  Anwartschaft 
erhalten  hatte,  wurde  ihm  gegen  die  geheime  Garantie  Macedoniens 
mit  Saloniki  durch  besonderen  Vertrag  von  diesem  überlassen^)  —  in 
der  Tat  ein  gewaltiges  Kolonialgebiet,  das  zweckmäßig  zu  beherrschen 
und  auf  die  Dauer  zu  behaupten  auch  für  die  klugen  Staatsmänner 
an  der  Adria  eine  Aufgabe  von  außerordentlicher  Schwierigkeit  sein 
mußte;  jedenfalls  kam  es  auch  den  Venezianern  von  vornherein 
weniger  auf  die  unmittelbare  politische  Herrschaft  in  allen  diesen  Ge- 
bieten, als  auf  die  Sicherung  ihrer  unbedingten  Handelsvorherrschaft 
in  denselben  an. 

Von  Konstantinopel  selbst  sollten  ihnen  ebenfalls  3  Achtel  zufallen^), 
und  in  der  Tat  wurde  ihr  Besitz  am  Goldenen  Hörn  und  nach  dem  Stadt- 
innern  zu  beträchtlich  erweitert;  zur  Sicherung  desselben  erhob  sich  bald 
ein  festes  Kastell  und  unter  dem  Podestä  Jacopo  Tiepolo  begann  man  (1220) 
mit  dem  Bau  eines  neuen  geräumigen  Fondaco.  Wichtig  war  auch,  daß 
die  Venezianer  durchgesetzt  hatten,  daß  zum  ersten  lateinischen  Patriarchen 
von  Konstantinopel  ein  Venezianer,  Thomas  Morosini,  erkoren  wurde; 
Venezianer  waren   auch   die   Kanoniker  der  Hagia  Sophia.  0)     Das  venezi- 


1)  Gerland  p.  1  ff.,  19. 

«)  Ebd.  30.     Heyd  I,  269  f. 

»)  Vertrag  von  Adrianopel  (12.  Aug.  1204):  Chart.  I  no.  795  p.  1112.  Tafel  u. 
Thomas  U,  512.     Heyd  I,  270,  275.     Gerland  25  f. 

*)  Gerland  31.     Vgl.  Heyd  I,  285  ff. 

»)  Gerland  p.  10 — 16.  Über  die  Wichtigkeit  dieser  kirchlichen  Verhältnisse] 
8.  auch  das  Schreiben  des  Podesta  Jac.  Tiepolo  vom  10.  XH.  1219  nach  Morosinis  Tode 
an  den  Dogen,  Tafel  und  Thomas  11,  219  f.  Norden  239  f.  Auvray  no.  944  f., 
1184,  1893. 


1 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  261 

anische  Konstantinopel  erhielt  eine  Verfassung,  die  derjenigen  der  Mutter- 
stadt durchaus  nachgebildet  war.  Die  erste  Entwickelung  der  Kolonie  leitete 
der  greise  Doge  Dandolo  selbst;  als  er  am  1.  Juni  1205  an  der  Stätte  seiner 
Triumphe  starb,  wählten  die  Venezianer  in  Konstantinopel  aus  eigener  Macht- 
vollkommenheit zu  ihrem  »Podestä«  den  Marino  Zeno  i)  —  ein  selbständiges 
Vorgehen,  das  daheim  anfangs  verstimmte;  doch  gab  man  sich  schließlich 
damit  zufrieden ,  daß  in  Zukunft  jedesmal  die  heimische  Regierung  den 
Podestä  zu  entsenden  habe.  2)  Ein  kleiner  und  ein  großer  Rat,  2  Kämmerer 
und  ein  Syndikus  standen  ihm  zur  Seite.  Sechs  Judices  dienten  der  Rechts- 
pflege; ein  besonderer  Vertrag,  den  Marino  Zeno  mit  dem  neuen  Kaiser 
Heinrich  schloß  (Balduin  war  schon  im  Jahre  1205  in  der  Schlacht  bei 
Adrianopel  gefangen,  nach  Trnovo  gebracht  und  dort  getötet  worden),  regelte 
das  Verfahren  in  den  Fällen,  wo  die  Parteien  nicht  bloß  dem  venezianischen 
oder  kaiserlichen  Anteil  angehörten.  3)  Da  die  alte  Abgabenfreiheit  der 
Venezianer  selbstverständlich  fortdauerte,  so  waren  für  den  venezianischen 
Handel  in  Konstantinopel  die  denkbar  günstigsten  Verhältnisse  geschaffen ; 
hing  doch  selbst  die  Zulassung  anderer  Handelsnationen  wesentlich  von  dem 
Verhältnis  ab,  in  dem  sie  zu  den  Venezianern  standen ;  vertragsmäßig  waren 
die  Kaiser  verjjflichtet,  Angehörige  solcher  Nationen,  die  sich  mit  Venedig 
im  Kriege  befanden,  vom  Handel  mit  der  Romania  ebenso  auszuschließen, 
als  wenn  sie  mit  dem  Reiche  selbst  Krieg  führten.  4) 

Dennoch  wird  man  nicht  annehmen  dürfen,  daß  der  Handel  Venedigs 
mit  Konstantinopel  selbst  in  dieser  Zeit  einen  größeren  Umfang  angenommen 
hat,  als  es  schon  im  12.  Jahrhundert  der  Fall  gewesen.  Die  Verwüstung 
von  1204  war  doch  zu  gewaltig,  als  daß  ihre  Folgen  so  bald  hätten  über- 
wunden werden  können.  Dazu  war  an  Stelle  des  prachtliebenden  Hofes 
der  Komnenen  mit  seiner  großen  Schar  von  hohen  und  niederen  Beamten, 
der  dem  Handel  die  mannigfachsten  Impulse  gab,  ein  recht  bescheidener 
Hofhalt  getreten,  der  fast  fortwährend  mit  sehr  empfindlichen  Geldnöten  zu 
kämpfen  hatte.  Endüch  hatte  Konstantinopel  für  weite  Kreise  aufgehört, 
der  politische  Mittelpunkt  zu  sein  —  alles  Momente,  die  den  Handel  der 
Großstadt  schädigen  mußten,  wenn  sie  auch  die  Bedeutung  ihrer  so  über- 
aus günstigen  kommerziellen  Lage  nicht  aufhoben. 

202.  Dafür  entwickelte  sich  der  Handel  Venedigs  mit  den  kleineren 
Handelszentren  des  ehemaligen  griechischen  Reiches  vielfach  um  so  lebhafter. 

Besonders  wichtig  war  für  Venedig  auch  jetzt  der  Besitz  von  Rodosto. 
Wenn  Venedig  in  den  zwanziger  Jahren  eine  Prämie  von  2  sol.  für  den 
Scheffel  (stajo)  auf  die  Einfuhr  von  Getreide  aus  den  Gegenden  jenseits 
des  C.  Malea  setzte  s),  so  wird  man  in  erster  Linie  an  diesen  Hafen  zu 
denken  haben.  Die  starke,  auch  militärisch  sehr  bedeutsame  Kolonie  strebte 
nach  kommunaler  Selbständigkeit;  die  Milites  der  einzelnen  Stadtteile  (sex- 
tariorum)  hatten  sich  zu  einer  Kommune  zusammengeschlossen  und  die  Ein- 
nahmen  aus  Landungstreppen,   Handelsabgaben   und  sonstigen  Einkünften 

^)  >Venetorum  in  Romania  Potestas  eiusdemque  Imperii  super  quartam  par- 
tem  et  dimidiam  dominator«  :  Tafel  und  Thomas  I,  559  (mit  dem  irrigen  Datum 
2.  Juni  statt  29.  Juni  1205). 

*)  Ebd.  567  f.  (wieder  irrtümlich  2.  September  statt  29.  September  1205). 

3)  Die  Forma  Justitiae  vom  März  1207  ebd.  11,  49  f. 

♦)  Tafel  und  Thomas  I,  448,  573 ;  II,  229.  Heyd  I,  289.  Manfroni,  relazioni 
[,.  648. 

»)  Minotto  IV,  1,  32. 


262  Zwanzigstes  Kapitel. 

der  Stadt  an  sich  gezogen,  bis  auf  Befehl  des  Dogen  im  Jahre  1219  der 
Podestä  von  Konstantinopel,  Jacopo  Tiepolo,  eingriff,  die  Milites  zum  Ver- 
zicht auf  diese  Einnahmen  nötigte  und  eine  Neuwahl  der  an  der  Spitze  der 
Stadt  stehenden  Capitanei  und  ihrer  Ratsherren  sowie  der  Kastellane  vor- 
nehmen und  diese  den  von  dem  Dogen  vorgeschriebenen  Amtseid  leisten 
ließ.i)  Weiterhin  wurden  dann  die  Capitanei  der  Stadt  in  Venedig  selbst 
ernannt  und  zwar  durch  dieselben  Wähler,  denen  auch  die  Wahl  des  Podestä, 
von  Konstantinopel  oblag.  2) 

Dieselben  Anordnungen  wurden  gleichzeitig  auch  für  die  Capitanei 
von  Gallipoli  getroffen;  die  beiden  ursprünglichen  Okkupanten,  Marco 
Dandolo  und  Giacomo  Viaro,  hatten  die  Stadt  doch  nicht  behaupten  können 
und  auf  ihre  Lehen  zugunsten  der  Republik  resigniert. 

Im  thracischen  Binnenlande  hatte  Venedig  zuerst  versucht,  Adrian - 
opel  unter  eigener  Herrschaft  zu  behalten;  schon  1206  aber  begnügte  es 
sich  damit,  den  ihm  befreundeten  Griechen  Theodor  Branas  als  erblichen 
Herrn  daselbst  einzusetzen ,  der  für  sich  und  seine  Nachfolger  mit  dem 
ganzen  Volke  von  Adrianopel  gelobte,  die  Venezianer  gegen  jedermann  zu 
verteidigen  und  an  den  Dogen  als  Anerkennung  seiner  Hoheit  jährlich 
25  Pfund  Hyp.  (Manuelaten)  zu  entrichten.  ^) 

Auf  der  asiatischen  Seite  war  der  Besitz  von  Lampsakos  für  die 
Venezianer  von  hoher  Wichtigkeit;  mit  Gallipoli  zusammen  sperrte  es  den 
Hellespont  und  machte  so  die  Beherrschung  der  Meerengen  durch  die 
Venezianer  vollständig.  Im  Jahre  1219  hat  Jacopo  Tiepolo,  von  dem  über- 
haupt eine  energische  Initiative  im  Sinne  einer  strafferen  Anziehung  der 
Zügel  gegenüber  den  venezianischen  Kolonien  ausging,  auch  hier  eingegriffen ; 
die  drei  venezianischen  Edlen,  die  den  Ort  innehatten,  G.  und  Jac.  Querini 
sowie  J.  Succugullo,  wurden  verpflichtet,  fortan  in  Höhe  der  von  ihnen  aus 
Lampsakos  gezogenen  Reineinnahmen,  die  auf  jährlich  1670  Hyp.  (ein- 
schließlich der  Einnahmen  aus  Landungstreppen  und  Markt)  ermittelt 
wurden,  zu  den  Zwangsanleihen  Venedigs  beizutragen  und  veranlaßt,  sogleich 
einen  Anteil  von  1000  Hyp.  von  der  zuletzt  aufgelegten  Anleihe  zu  über- 
nehmen.^) 

203.  Mit  dem  angrenzenden  Reste  der  Griechenherrschaft,  dem  Kaiser- 
reich Nicaea^),  standen  die  Venezianer  naturgemäß  in  sehr  gespanntem 
Verhältnis.  Doch  führte  die  Heirat  des  tüchtigen  Theodor  Laskaris  mit 
Kaiser  Heinrichs  Schwester  Maria  eine  Besserung  herbei;  einem  längeren 
Waffenstillstand  folgte  im  August  1219  ein  Friede  auf  5  Jahre,  in  dem  die 
Venezianer  volle  Handelsfreiheit  und  Freiheit  von  Abgaben  im  Reiche  zu-__ 
gesichert  erhielten;  die  seit  dem  Beginn  der  eben  abgelaufenen  TreugaÄ| 
geschädigten  Kaufleute  sollten  Ersatz  erhalten;  auch  wollte  man  sich  beider- 
seits der  Nachprägung  der  Münzen  des  anderen  Teils  enthalten.  Kriegs- 
und Kaperschiffe  durfte  der  Kaiser  nur  mit  besonderer  Erlaubnis  des  Podestä, 
Konstantinopel  passieren  lassen  (seit  1215  reichte  sein  Gebiet  bis  an  das^ 
Schwarze  Meer),  und  nur  mit  der  gleichen  Erlaubnis  Söldner  avis  dem  vene| 

')  Tafel  und  Thomas  II,  218  f. 

2)  Lib.  pleg.  no.  159  von  1224. 

»)  Tafel  und  Thomas  II,  17  f.     Heyd  I,  285. 

*)  Tafel  und  Thomas  II,  208  ff.  (für  propriis  und  propriorum  p.  210  ist  pei 
peris  und  perperorum  zu  lesen).     Heyd  I,  301. 

')  Eine    eingehende  Geschichte   desselben   bietet   MijXia^äxrjs  '^.  '  laxoQia  rotT 
ßaadeiov  rrje  Nixniag  xai  rov  SeanoTtirov  rrjs  ^ Hnti^ov  (1204 — 1261).  Athen  u.  Leipzig  1898. 


A 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  263 

zianischen  Gebiet  anwerben,  i)  Theodors  Nachfolger ,  Johannes  Vatatzes 
(1222 — 1255),  war  den  Venezianern  wieder  sehr  wenig  freundUch  gesinnt; 
er  untersagte  seinen  Untertanen  zum  Schaden  des  abendländischen  Handels 
den  Gebrauch  von  Stoffen,  die  außer  Landes  erzeugt  waren ;  es  war  ein 
Vorspiel  des  Kommenden,  daß  er  im  Jahre  1235/36  im  Bunde  mit  den  Bul- 
garen sogar  Konstantinopel  angreifen  konnte,  wie  er  denn  in  der  Regel  mit 
den  Feinden  Venedigs  auf  bestem  Fuße  stand.  2) 

Sein  kräftiges  Umsichgreifen  hatte  auch  den  Herrn  von  Rhodos  und 
Karpathos,  Leo  Gabalas,  bedroht,  so  daß  dieser  1234  in  einem  mit  dem  Ge- 
sandten des  nunmehrigen  Dogen  Jacopo  Tiepolo,  Marsiglio  Zorzi,  geschlos- 
senen Vertrage  sein  Gebiet  vom  Dogen  zu  Lehen  nahm  und  den  Venezianern 
an  günstig  gelegenem  Platze  Kirche,  Fondaco  und  Amtshaus  einräumte  und 
ihnen  vollständige  Abgabenfreiheit  und  den  Gebrauch  eigener  Maße  und 
Gewichte  gewährte.  Auch  versprach  er  gute  Freundschaft  mit  dem  Duka 
von  Kreta  zu  halten  und  ihn  gegen  Vatatzes  zu  unterstützen.  Seinen  Unter- 
tanen wurde  dafür  Abgabenfreiheit  beim  Handel  mit  Kreta  zugestanden. 
Schon  Gabalas'  (f  1246)  Nachfolger  aber  zog  es  vor,  sich  Vatatzes  zu  unter- 
werfen. 3) 

204.  Eine  dauernde  Erwerbung  von  höchster  Bedeutung  machte  Ve- 
nedig in  der  »am  Kreuzwege  zwischen  drei  Erdteilen «  gelegenen,  das  Ägäisehe 
Meer  wie  ein  Querriegel  abschließenden  Insel  Kreta.^)  Erst  nach  beträchtlichen 
Anstrengungen  gelang  es  den  Venezianern,  sich  den  Besitz  der  ihnen  von 
Bonifaz  von  Montferrat  zedierten  Insel  zu  sichern.  Graf  Heinrich  von  Malta, 
uns  von  seiner  Unternehmung  nach  Tripolis  schon  bekannt,  hatte  sein  Auge 
auf  Kreta  geworfen  und  setzte  sich  1206  hier  fest.  Bei  der  Expedition,  die 
die  Venezianer  im  selben  Jahre  unter  Rainerio  Dandolo  (dem  Sohne  des 
verstorbenen  Dogen)  und  Ruggerio  Premarini  gegen  ihn  unternahmen,  fand 
ersterer  seinen  Tod;  aber  die  Venezianer  ließen  nicht  nach;  auch  die  Unter- 
stützung, die  der  Graf  1210  bei  den  Genuesen  nachsuchte  und  erhielt, 
vermochte  die  Unzulänghchkeit  seiner  Mittel  nicht  aufzuheben;  Venedig 
konnte  1211  mit  der  systematischen  Aufteilung  der  Insel  in  Lehen  gegen  die 
Verpflichtung  zum  Heeresdienst  zu  Roß  und  zu  Fuß  beginnen  und  so  den 
größten  Teil  der  Insel  als  Militärkolonie  organisieren.  ^)  Trotz  aller  äußeren 
und  inneren  Schwierigkeiten  gelang  es,  die  Herrschaft  Venedigs  an  diesem 
für  seinen  Handel  so  wichtigen  Stützpunkt  völhg  zu  festigen  und  dauernd 
zu  behaupten. 


»)  Tafel  und  Thomas  H,  205  ff.     Heyd  I,  304  f.     Manfroni  385  f. 

*)  Hopf  > Griechenland«  (bei  Ersch  u.  Gruber)  253.  Dringende  Schreiben 
Gregors  IX.  um  Hilfe  nach  Ungarn  und  Frankreich  vom  16.  Dezember  1235  (Auvray 
no.  2872—2879) ;  vom  16.  Jan.  1236  (Auvray  no.  2909 :  cum  Dux  Venetorum  Omni- 
bus gratis  dare  passagium  esset  paratus  ;  2910/11).  Interessanter  Brief  des  Johannes 
Vatatzes  an  Gregor  IX.  1237  bei  MrjLa^äxrig  1.  c.  276  ff. 

»)  Tafel  und  Thomas  II,  319  f.     Heyd  I.  307. 

*)  Ausführiiche  Darstellung  bei  Heyd  I,  275  ff.  S.  Manfroni,  relazioni  650  f. 
Gerland  26. 

»)  Tafel  und  Thomas  II,  129  (Sept.  1211),  145  (1212:  Sexteriorum  Cretensium 
in  militias  divisio,  zur  Zeit,  als  Jac.  Tiepolo  Duka  von  Kreta  war).  Ein  Eid  auf 
das  Capitulare  der  milites  von  Candia  im  Lib.  pleg.  no.  177  (12.  VIII  1224).  Eine  aug- 
mentatio  militiarum  (der  Ritteriehen)  1222  Tafel  und  Thomas  II,  235  ff.  Jeger- 
lehner  J.,  Beiträge  zur  Verwaltungsgesch.  Kandias  im  14.  Jahrb.,  in  ßvzant.  Z.  XHI 
(1904),  436  f. 


264  Zwanzigstes  Kapitel. 

Für  den  an  der  Spitze  der  Verwaltung  stehenden  Beamten  behielt 
Venedig  den  griechischen  Titel  des  Duka  bei,  nur  daß  dies  Amt  jetzt  in 
kurzen  Perioden  seinen  Träger  wechselte ;  zwei  Consiharii,  wie  er  selbst  von 
Venedig  entsandt,  standen  ihm  zur  Seite;  wir  wissen,  daß  jeder  von  ihnen 
350  Goldhyp.  und  50  1.  Reisekosten  erhielt  und  sich  zwei  Pferde  und  drei 
Diener  halten  mußte,  i)  Der  Duka  residierte  in  der  Stadt  Kandia,  deren 
unmittelbaren  Besitz  mit  Umgebung  Venedig  sich  vorbehalten  hatte ;  nächst 
dem  Podestä  von  Konstantinopel  war  er  der  angesehenste  unter  den  Kolo- 
nialbeamten Venedigs ;  ein  weiterer  Rat,  der  aus  den  in  Kandia  angesessenen 
Venezianern  hervorging,  stand  ihm  zur  Seite. 

Nachrichten  über  den  Handel  selbst  besitzen  wir  nur  in  sehr  geringem 
Umfange.  Die  staatlichen  Schiffe,  die  zur  Beförderung  der  Beamten  nach 
Kreta,  zur  Übermittelung  von  Botschaften  u.  dgl.  erforderlich  waren,  wurden 
zugleich  auch  dem  privaten  Handelsverkehr  dienstbar  gemacht;  so  können 
wir  einmal  die  Einfuhr  von  über  200  Ztr.  Wolle  aus  Kreta  nach  Venedig 
auf  einem  solchen  Schiffe  nachweisen.  2)  Jedenfalls  spielte  im  Handel 
Kretas  auch  damals  schon  der  Wein  eine  wichtige  Rolle.  Aber  auch  mit 
der  Ausfuhr  verbotener  Waren  nach  dem  so  nahe  gelegenen  sarazenischen 
Afrika  beschäftigten  sich  die  Venezianer  von  Kreta;  im  Jahre  1232  wurde 
der  Erzbischof  von  Kreta  bei  dem  Papste  u.  a.  angeklagt,  daß  er  die  in 
dieser  Beziehung  schuldig  Gewordenen  ohne  Schwierigkeit  absolviere.  ^)  Im 
Mai  1225  hielt  man  in  Venedig  für  notwendig,  die  Aufbruchszeit  für  die  im 
Becken  der  Adria  weilenden  Schiffe,  die  an  der  mudua  S.  Petri  teilnehmen 
wollten,  genau  zu  regeln ;  es  ergibt  sich,  daß  die  äußersten  Zielpunkte  dieser 
regelmäßig  verkehrenden  Schiffskarawane  einerseits  Kreta,  andererseits  Euboea 
waren.  4) 

Von  den  kleinen  Inseln  des  Archipels  ergriff  Venedig  nicht  direkt 
Besitz,  vielmehr  überließ  es  seinen  Edlen  die  Okkupation.  Im  Jahre  1207 
ging  von  Konstantinopel  aus  eine  Expedition  unter  Marco  Sanudo  nach  dem 
Archipel;  er  selbst  nahm  die  mittleren  der  Cycladen  und  wurde  Duka  von 
Naxos,  Andros  kam  an  Marino  Dandolo,  Tenos  und  Mykonos  an  die  Ghisi, 
Kythera  an  Marco  Venier,  Lemnos  im  Norden  an  Filocaro  Navigajoso  Me- 
gaduca  u.  s.  f.  Natürlich  mußten  sie  sämtlich  ihren  Besitz  von  der  Sig- 
norie  zu  Lehen  nehmen ;  der  gesamte  Archipel  ward  so  eine  venezianische 
See.5) 


1)  Dekret  vom  26.  11.  1224  Lib.  pleg.  no.  59.  Der  Amtswechsel  erfolgte  zu 
Michaeli. 

»)  »Corabiopublico«.  Lib.  pleg.  no.  341,  343,  346  —  9  (Dez.  1225).  Aus  den- 
Akten  des  verst.  Notars  Pietro  Greco  schien  sich  zu  ergeben,  daß  die  sechs  be- 
teiligten Venezianer  die  Fracht  (3  Hyp.  pro  migliajo)  schuldig  geblieben  waren; 
sie  erboten  sich  indessen  zur  Beibringung  eines  Zeugnisses  des  Duka  oder  des 
Sohnes  des  verst.  Notars  und  zum  eigenen  Eide,  daß  sie  die  Fracht  schon  in  Kan- 
dia erlegt  hätten ;  offenbar  hatte  also  der  Notar  unterlassen,  einen  entsprechenden 
Vermerk  zu  machen.  Ein  »asiro  publico«,  das  nach  Kreta  geht,  ib.  no.  543  (Mai  1227). 

")  Auvray  no.  1013. 

*)  Lib.  pleg.  no.  274.  Im  allgemeinen  noch  zu  vergleichen :  Gerland  E.  Kreta 
als  venezianische  Kolonie  (Hist.  Jahrbuch  XX,  1899,  p.  6  ff.).  Derselbe :  Das  Archiv 
des  Herzogs  von  Kandia  im  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Venedig.  Straßburg  1899.  Mehr 
populär :  Gerola  G.,  Candia  all'epoca  Veneziana ;  in :  La  Kassegna  Internaz.,  anno 
II,  vol.  VII,  fasc.  3  u.  4.     Florenz  1901. 

»)  Heyd  I,  273  f. 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  265 

205.  Die  bisher  wichtigsten  Handelsniederlassungen  der  Venezianer 
im  Westen  des  Ägäischen  Meeres,  in  Almyro  sowohl  wie  in  Saloniki^), 
bestanden  natürlich  fort;  doch  trat  namentlich  die  erstere  allmählich  an 
Bedeutung  weit  zurück  hinter  dem  neuen  Mittelpunkte,  den  Venedig  sich 
für  seine  politische  und  kommerzielle  Herrschaft  an  der  Ostküste  Griechen- 
lands und  im  ganzen  Archipel  an  Negroponte  schuf,  dem  alten  Chalkis, 
an  der  schmälsten,  leicht  zu  überbrückenden  Stelle  des  Sundes,  der  die  Insel 
Euboea  von  Mittelgriechenland  trennt.  2)  Ein  edles  Geschlecht  von  Verona, 
dem  Dogen  Heinrich  Dandolo  nahestehend,  die  dalle  Carceri,  hatten  in  der 
ersten  Zeit  des  lateinischen  Kaiserreichs  sich  auf  der  Insel  festgesetzt.  Ra- 
vanus  de  Carceribus  nahm  im  März  1209  seinen  Besitz  förmlich  von  Venedig 
zu  Lehen,  ließ  seine  Untertanen  dem  Dogen  Treue  schwören  und  verpflich- 
tete sich,  an  Venedig  jährlich  2100  Goldhyp.  und  ein  Geschenk  in  seidenen 
Stoffen  abzuliefern.  Die  Venezianer  sollten  Fondaco  imd  Kirche  in  Negro- 
ponte selbst  und  an  allen  Orten  der  Insel,  wo  sie  es  wünschen  würden, 
erhalten ,  unter  ihren  eigenen  Richtern  stehen  und  volle  Handelsfreiheit 
zugleich  mit  Freiheit  von  Handelsabgaben  genießen.  3)  Wenig  später  beschloß 
Venedig,  mit  der  Wahrnehmung  seiner  Interessen  und  Rechte  auf  der  Insel 
und  in  ihrer  Nachbarschaft  einen  bajulus,  dem  zwei  Ratsherren  an  die  Seite 
gestellt  wurden,  zu  betrauen;  der  erste,  den  wir  mit  Namen  kennen,  ist 
Petrus  Barbo;  die  Insel  war  mittlerweile  unter  Mitglieder  des  herrschenden 
Geschlechts  in  drei  Teile  verteilt  worden;  er  belehnte  im  Jahre  1216  im 
Auftrage  des  Dogen  die  »Dreiherren«  feierlich  mit  ihrem  Gebiete  und  nahm 
ihre  Huldigung  und  ihre  den  Abmachungen  von  1209  analogen  Verspre- 
chungen entgegen.  4)  Ein  Dekret  der  Signorie  vom  26.  Febr.  1224  setzte  die 
Kompetenzen  des  Bailo  auf  450  Goldhyp.  jährlich  und  100  1.  Reisekosten 
fest;  dafür  mußte  er  einen  venezianischen  Notar,  vier  servitori  und  drei 
Pferde  halten.  Handelsgeschäfte  zu  treiben  war  ihm  im  allgemeinen  unter- 
sagt, doch  durfte  er  Gelder  und  ungemünzte  Edelmetalle  in  beliebiger  Menge 
nach  Euboea  mit  sich  führen  und  diese  daselbst  in  Seidenwaren,  Edelsteinen 
oder  Perlen  anlegen.  5) 

Von  den  Handelsbeziehungen  Venedigs  zu  dem  gegenüberliegenden 
Festlande,  wo  burgundische  Barone  aus  dem  Hause  de  la  Roche  herrsch- 
ten, haben  wir  für  diese  Zeit  keine  Kunde;  der  politische  Gegensatz,  der 
zwischen  diesen  und  den  Dreiherrn  von  Euboea  und  somit  auch  Venedig 
bestand,  ist  hier  sicher  hinderlich  gewesen,  wenn  auch  die  alte  venezianische 
Kolonie  in  Theben  fortbestanden  haben  wird. 


1)  In  Saloniki  schließen  im  Oktober  1206  Filocarus  Navigajoso  megaduca  de 
Oonstantinop.  und  Gilius  de  Foligno  habitator  de  Const.  mit  zusammen  1000  Gold- 
hyp. Einlage  eine  collegantia  mit  Fuscari  Raguseo,  der  500  Hyp.  einlegt.  Sacer- 
doti  p.  40.  Bestätigung  des  Besitzes  von  S.  Giorgio  in  Armiro  Juli  1206;  Tafel  und 
Thomas  II,  15  f.     Heyd  I,  284,  290,  307  f. 

«)  Heyd  I,  281  S. 

*)  Tafel  und  Thomas  II,  89  ff.  Von  den  panni  ad  aurum,  qui  solent  dari  .  .  . 
a  dominatoribus  Nigroponti,  erhielten  der  Doge  und  die  Markuskirche  je  die  Hälfte; 
vgl.  die  Promissio  des  Dogen  Jac.  Tiepolo  von  1229.    Ljubic  I  no.  73. 

*)  Tafel  und  Thomas  II,  175  u.  180. 

^)  Lib.  pleg.  no.  58.  Von  dem  Bailo  des  Jahres  1223,  Benedetto  Falier,  er- 
fahren wir,  daß  er  den  Guglielmo  Porco  zur  Herausgabe  eines  Segels  und  zweier 
Taue  zwang,  die  er  als  Korsar  dem  Schiffe  S.  Donato  abgenommen  hatte.  Ebd. 
no.  143. 


266  Zwanzigstes  Kapitel. 

.206.  Obwohl  der  Teilungsvertrag  den  Venezianern  den  ganzen  Pelo- 
ponnes  zusprach,  begnügten  sie  sich  doch  damit,  durch  die  Expedition,  die 
1206  nach  Kreta  ging,  M  o  d  o  n  und  K  o  r  o  n  erobern  zu  lassen,  während 
Gottfried  von  Villehardouin  in  Gemeinschaft  mit  Wilhelm  von  Champlitte 
das  Herzogtum  Achaia  gründete,  i)  Beide  Plätze,  zu  starken  Festungen  aus- 
gestaltet, flankierten  den  Peloponnes  im  Südwesten  in  ähnlicher  Weise,  wie 
es  gerade  gegenüber  Negroponte  in  bezug  auf  Mittelgriechenland  tat;  für 
alle  Schiffe,  die  sich  vom  Jonischen  Meere  aus  ostwärts  wandten,  bildeten 
sie  hervorragend  wichtige  Stützpunkte  und  beherrschten  eine  der  wichtig- 
sten Passagen  des  Mittelmeers;  durch  den  gleichzeitigen  Besitz  von  Kreta 
wurde  die  Stärke  dieser  Position  noch  wesentlich  erhöht.  Modon  und  Koron 
wurden  der  Obhut  zweier  jährlich  wechselnder  Kastellane  anvertraut,  deren 
Salär  je  250  Hyp.  pro  Jahr  betrug. 2)  Auch  für  den  Handel  erlangten  die 
beiden  Orte  und  besonders  Modon,  der  wichtigere  unter  ihnen,  rasch 
Bedeutung,  wozu  neben  der  allgemeinen  Gunst  der  Lage  auch  die  hohe 
Fruchtbarkeit  des  besonders  an  Oliven  reichen  messenischen  Landes  3)  bei- 
trug; in  einem  Falle  wenigstens  ist  uns  für  diese  Zeit  der  Einkauf  von 
Seidenzeugen  und  zahlreichen  andern  Kostbarkeiten,  Ringen,  Reliquiarien. 
u.  dgl.  in  Modon  bezeugt.  4) 

Im  selben  Jahre  wie  Ravano  dalle  Carceri  nahm  auch  Gotfried  von 
Villehardouin  (Juni  1209)  sein  Fürstentum  vom  Dogen  unter  den  gleichen 
Zusicherungen  für  den  venezianischen  Handel  zu  Lehen ''');  immerhin  ist  bei 
seiner  größeren  Macht  die  Stellung  dieses  Fürstentums  doch  eine  freiere 
und  selbständigere  geblieben  als  die  jener  Insel,  und  Venedig  hatte  nicht 
selten  Grund,  die  Haltung  der  Fürsten  mißtrauisch  zu  überwachen.  6)  Natur- 
gemäß war  der  Seehandel  mit  dem  Fürstentum  vorwiegend  in  veneziani- 
schen Händen;  aus  dem  Jahre  1218  erfahren  wir  einmal  zufällig  von  einem 
Venezianer  Pietro  Abramo,  dessen  Fahrzeug  (platus)  mit  zwei  französischen 
Streitrossen  und  einer  Ladung  von  Eisen  und  Tuchen  vom  Hafen  von  An- 
cona  aus  nach  Morea  in  See  ging.  7)  In  dieser  Zeit  gelangte  auch  schon 
der  Hafen  von  Andreville  (Andravida)  in  Elis,  das  spätere  Chiarenza,  als 
dem  Westen  zunächst  gelegen,  zu  einiger  Bedeutung;  wenigstens  können 
wir  seinen  Besuch  durch  Venezianer  zu  Handelszwecken  nachweisen.  8) 

207.  Im  Westen  des  Rumpfes  der  Balkanhalbinsel  gelang  es  einem 
Mitgliede  des  entthronten  Kaiserhauses,  dem  Komnenen  Michael,  ein  eigenes- 
Despotat  Arta  oder  Epirus  zu  gründen. 9)  Im  Jahre  1210  sicherte  er^ 
unter  teilweiser  Anerkennung  der  venezianischen  Lehnshoheit,  den  Vene- 
zianern in  seinem  ganzen  Gebiet  an  allen  Orten,  wo  sie  es  wünschen  wür- 
den, Fondaco,  Kirche  und  eigenes  Amtshaus  mit  allen  Ehrep  und  Rechten,, 
wie  sie  sie  zur  Zeit  Kaiser  Manuels  genossen  hätten,  zu;   insbesondere  ver- 


1)  Heydl,  271  1     Gerland  31. 

2)  Lib.  pleg.  no.  379. 

*)  Gesta  Regis  Rice.  ed.  Stubbs  II,  199. 

*)  Lib.  pleg.  no.  29  (etwa  Dezember  1223). 

6)  Tafel  und  Thomas  II,  96  S, 

6)  Nie.  Calbani  wird  1227  beschuldigt,  eine  Galeere  an  Gottfried  contra  ho- 
norem Venecie  verkauft  zu  haben.     Lib.  pleg.  no.  525  f. 

')  Minotto  IV,  1  p.  26  f.     Lib.  pleg.  no.  56. 

^)  Lib.  pleg.  no.  616. 

®)  Eingehend  behandelt  in  dem  schon  angeführten  Werke  von  Mr,XiaQaxr,5^ 
p.  48  ff. 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  267 

sprach  er,  ihre  Getreideausfuhr  in  keiner  Weise  behindern  zu  wollen,  i)  Das 
wichtige  Durazzo  hatten  die  Venezianer  schon  1205  besetzt,  die  bedeutendste 
miter  den  Jonischen  Inseln,  Korfu,  hatten  sie  im  Jahre  darauf  durch  die 
kretensische  Expedition  einnehmen  lassen  und  1207  an  zehn  einheimische 
Edle  vergeben;  indessen  wurden  diese  beiden  wichtigen  Positionen  den  Ve- 
nezianern schon  im  Jahre  1215  durch  Michaels  Nachfolger,  Theodor,  ent- 
rissen, mid  der  Versuch,  den  der  von  Honorius  III.  zum  Kaiser  gekrönte 
Peter  von  Courtenay  im  Dienste  der  Venezianer  machte,  Durazzo  zurück- 
zuerobern (1217),  mißlang  völlig.  2)  So  fanden  sidi  die  Venezianer  mit  der 
Tatsache  ab  und  verkehrten  an  den  Handelsplätzen  des  Despotats,  das  auch 
das  Königreich  Thessalonich  eroberte  3),  wieder  in  der  alten  Weise.  Im 
Jahre  1224  hören  wir  von  einer  Sendung  des  Marino  Tiepolo,  »in  Sachen 
der  Schiffe«  nach  Durazzo;  er  hatte  von  der  venezianischen  Kolonie  da- 
selbst eine  Auflage  einzuziehen,  deren  Betrag  er  zu  ^/^  den  Geschädigten, 
zu  V4  dem  Staat  zu  überweisen  hatte  —  nur  diese  Andeutungen  sind  uns 
bekannt.  Als  verschiedene  Venezianer  im  Herbst  1227  ein  staatliches  Fahr- 
zeug für  die  Fahrt  nach  Durazzo  mieteten,  wurde  ihnen  die  Verpflichtung 
auferlegt,  in  Durazzo  für  Rechnung  des  Staats  so  viel  Weizen  zu  einem 
Preise  von  höchstens  25  sol.  ven.  für  den  stajo  einzukaufen,  daß  damit  die 
Hälfte  der  Schiffsladung  gedeckt  war.  Ein  andermal  hören  wir,  daß  20  Ztr. 
Wachs  in  8  »Broden«  auf  einem  Fahrzeuge  (banzone)  des  Michele  de  Sal- 
maza  von  Durazzo  nach  Venedig  importiert  wurden.  4)  Vorübergehend  kam 
es  dann  im  Jahre  1228  noch  einmal  zum  Abbruch  der  Handelsbeziehungen, 
als  sich  der  Duka  von  Korfu  einer  besonders  schnöden  Beraubung  schiff- 
brüchiger Venezianer  schuldig  gemacht  hatte.  Als  die  Kunde  davon  nach 
Venedig  kam,  war  eben  das  Schiff  Rana  im  Begriff,  mit  einem  Transport 
von  Pferden  an  die  Küste  des  Despotats  abzugehen ;  der  Doge  inhibierte 
sofort  den  Transport  und  ließ  sich  am  9.  August  eine  Kaution  in  Höhe 
von  2000  1.  ven.  dafür  stellen,  daß  das  Schiff  bis  zur  nächsten  Mudua  von 
S.  Peter  nicht  nach  der  Küste  des  Despotats  gehen  werde,  ß)  Zehn  Tage 
darauf  verhängte  die  Signorie  die  allgemeine  Handelssperre  über  das  Gebiet 
des  Fürsten ;  nur  mit  besonderer  Erlaubnis  und  unter  genauester  Beachtung 
der  von  ihr  zu  erteilenden  Weisungen  sollten  in  einzelnen  Fällen  Ausnahmen 
von  dieser  Sperre-  gemacht  werden  dürfen.  Die  Maßregel  hat  denn  auch 
ihre  Wirkung  auf  den  Fürsten  nicht  verfehlt,  ß) 

Gerade  im  Westen  des  mittleren  und  südlichen  Teiles  der  Balkan- 
halbinsel entbehrte  somit  die  allerdings  übermächtige  Handelsstellung 
Venedigs  nach  wie  vor  der  territorialen  Stützpunkte,  die  Venedig 
hier  zu  erringen  gehofft  hatte.     In  Macedonien   wie  in  der  Nachbar- 


1)  Tafel  und  Thomas  H,  120  ff.  Heyd  I,  270  ff.  Eine  in  Brindisi  im  No- 
vember 1211  vor  der  kaiserlichen  Kurie  verhandelte  Klage  des  Bevollmächtigten 
des  Komnenen  gegen  den  Venezianer  Nie.  de  Aybolo,  der  mit  seinem  Schiff"  den 
Transport  von  40  Rittern  usw.  von  Ancona  aus  nach  dem  Despotat  übernommen 
hatte,  bei  Minotto  IVi  p.  21  f. 

*)  Norden  269.     Manfroni  384. 

»)  Winkelmann  I,  228. 

*)  Lib.  pleg.  no.  564  (24.  Sept.  1227;  vgl.  566);  no.  461  (2.  Dez.  1226). 

»)  Ebd.  no.  616. 

«)  Ebd.  no.  635  f.,  642.  Vgl.  Norden  268.  Gregor  IX.  erneuert  im  August 
1229  den  Bann  gegen  ihn,  seine  Helfer  und  alle,  die  ihm  Pferde,  Waffen,  Eisen 
oder  Holz  zuführen  >quibus  impugnat  Latinos«.     Rodenberg  I,  320  no.  399. 


268  Zwanzigstes  Kapitel. 

Schaft  Konstantinopels  machte  sich  ein  die  Stellung  der  Venezianer 
allmählich  immer  stärker  bedrohendes  Vordringen  des  griechischen 
Elements  bemerkbar,  dem  das  lateinische  Kaiserreich  aus  eigener 
Kraft  die  Stirn  zu  bieten  nicht  mehr  imstande  war.  Dagegen  hatte 
Venedig  in  Messenien,  Negroponte  und  Kreta  Stellungen  von  solcher 
Stärke  gewonnen,  daß  sie  auf  Jahrhunderte  hinaus  durchaus  gesicherte 
Stützpunkte  des  venezianischen  Seehandels  geblieben  sind. 

208.  Von  den  kleineren  Seemächten  der  Adria  stand  natürlich  Ra- 
gusa mit  den  angrenzenden  Gebieten  des  ehemaligen  griechischen  Reiches, 
also  namentlich  mit  dem  Despotat  Epirus,  in  vielfachen  Handelsbeziehungen; 
für  Korfu  können  wir  es  einmal  zum  Jahre  1231  direkt  nachweisen,  i)  Mit 
dem  Komnenen  Michael  schloß  es  schon  1206  einen  Vertrag,  der  1234  und 
1237  erneuert  worden  ist^) ;  mit  den  Korfioten  tauschte  es  um  1239  Zu- 
sicherungen engster  Freundschaft  und  völlig  unbehinderten  Handelsver- 
kehrs. 3)  Aber  auch  die  ersten  lateinischen  Kaiser  bestätigten  den  Ragusanern 
die  ihnen  einst  von  Kaiser  Manuel  verliehenen  Privilegien ;  nach  ihren  Ver- 
trägen mit  Venedig  hatten  sie  für  die  Einfuhr  von  Waren  der  Romania 
nach  Venedig  den  mäßigen  Zollsatz  von  5  Prozent  zu  entrichten.  *) 

Den  entsprechenden  Verkehr  Anconas  haben  wir  in  mehreren  Fäl- 
len durch  venezianische  Schiffe  vermittelt  gesehen;  natürlich  waren  die  An- 
conitaner  an  diesem  Verkehr  auch  direkt  beteiligt;  es  spricht  für  eine  ziem- 
lich enge  Verbindung,  wenn  sich  der  Komnene  Manuel  1232  des  Priors  von 
S.  Maria  del  Porto  von  Ancona  als  Gesandten  an  die  Kurie  bedient.  6)  Auch 
ihre  Kolonie  in  der  Hauptstadt  muß  sich  leidlich  entwickelt  haben,  da  wir 
hören,  daß  sich  die  Anconitaner  von  Konstantinopel  im  Jahre  1215  zusam- 
men mit  den  Venezianern  und  Pisanern  an  der  Ausrüstung  von  Kaper- 
schiffen gegen  die  die  Sicherheit  des  Handels  gefährdenden  Genuesen  be- 
teiligt haben.  6) 

Auch  für  A  p  u  1  i  e  n  wurde  ein  beträchtlicher  Teil  des  Handels  mit 
der  Balkanhalbinsel  durch  die  Venezianer  vermittelt.'^)  Doch  fehlte  auch 
der  direkte  Handel  keineswegs.  Im  Frühjahr  1228  sehen  wir  z.  B.,  wie  das 
Schiff  des  Uberto  Rosso  und  Genossen  aus  Brindisi  mit  Pilgern  sowie  Kauf- 
leuten aus  Brindisi  und  einigen  Venezianern  an  Bord  von  Andre ville  aus 
die  Heimreise  antrat,  auf  der  es  in  der  Nähe  von  Korfu  Schiffbruch  litt. «) 


')  Ljubic  I  no.  74. 

2)  Mr,hnoäxTjs  1.  c.  55  f.,  322.     Miklosich  et  Müller  III,  58  u.  66  f. 

3)  j)as  merkwürdige,  an  D.  Nie.  Tonisto,  den  venez.  Comes  von  Ragusa  (Juli 
1238  bis  Sept.  1240)  sowie  Richter,  Ratsherrn  und  Volk  von  Ragusa  gerichtete 
Schreiben  bei  Jirecek :  Eine  Urkunde  zur  Geschichte  von  Korfü ;  in  Byz.  Zeitschr.  I 
(1892),  336  f.     Ein  Privileg  Isaaks  von  1192:  Lib.  Stat.  Rag.  p.  LXII  f. 

*)  Ljubi6  I  no.  75  (p.  48).  80.     Tafel  und  Thomas  H,  307,  328.    Heyd  I,  309  f. 

6)  Auvray  no.  786.  Im  Juni  1247  weist  Innozenz  IV.  den  Bischof  von  Arezzo, 
Rektor  der  Mark  Ancona,  an,  den  Anconitanern  die  Fahrt  nach  Durazzo  zum  Zweck 
des  Ankaufs  von  Lebensmitteln  zu  gestatten.     Berger  2861. 

^)  Ann.  genov.  II,  136. 

')  Ein  interessantes  Beispiel  hierfür  bietet  ein  in  Konstant,  im  September 
1207  für  die  Fahrt  des  Schilfes  Urso  von  Konstant,  nach  Venedig  aufgenommener 
Kontrakt;'  die  Rückreise  nach  Konstant,  mrd  freigestellt  von  Venedig  aus  oder 
>de  Ancona  sive  de  partibus  Apuliae«.     Sacerdoti  p.  40. 

«)  Lib.  Pleg.  no.  616.  Rundschreiben  Honorius'  III.  vom  11.  Dez.  1220  an 
zahlreiche  Bischöfe,  den  ad  portum  Brundusii  Kommenden  zu  verbieten,    mit  dem 


Zeit  des  lateinischen  KaisertumB.  269 

Und  aus  Apulien  stammten  zweifellos  die  »Longobardi«  in  den  dem  latei- 
nischen Patriarchen  von  Konstantinopel  unterworfenen  Farochien,  von 
denen  in  einer  den  Kirchenzehnten  betreffenden  Bulle  Innozenz'  III.  vom 
8.  März  1208  zugleich  mit  den  Amalfitanern,  deren  kleine  Kolonie  in  Kon- 
stantinopel also  auch  noch  fortbestand,  die  Rede  ist.  *) 

208.  Wenn  dieselbe  Bulle  außer  diesen  und  neben  den  Pisanern  auch 
noch  die  »Lombardi«  aufführt,  so  ist  das  ein  lehrreiches  Zeugnis  nicht 
nur  für  den  Sprachgebrauch  der  Zeit,  sondern  auch  dafür,  daß  die  Bewohner 
des  Binnenlandes  von  Ober-Italien  ebenfalls  ihren  Anteil  an  diesem  Ver- 
kehr hatten.  Darauf  deutet  ja  schon  die  Festsetzung  jener  Edlen  von  Ve- 
rona auf  Euboea  und  des  Bonifaz  von  Montferrat  in  Saloniki;  ein  Beispiel 
für  die  kommerzielle  Betätigung  dieser  Elemente  ist  es,  daß  wir  den  Gilius 
'Von  Foligno,  Einwohner  von  Konstantinopel,  in  den  Jahren  1206 — 1210  in 
Gemeinschaft  mit  einem  Venezianer  mehrfach  in  Handelsgeschäften  daselbst 
tätig  finden.  2) 

210.  Auch  zur  Zeit  des  lateinischen  Kaiserreiches  nahmen  unter 
den  abendländischen  Handelsnationen  in  Konstantinopel  die  Pisaner 
den  zweiten  Rang  ein,  freilich  jetzt  in  bei  weitem  größerem  Abstände 
von  den  Venezianern  als  früher. 

Bald  nach  der  Eroberung  erhielten  sie  eine  Erweiterung  ihres  Quar- 
tiers durch  die  Überweisung  der  anstoßenden  Erlöserkirche  mit  allem  Zu- 
behör (Sept.  1205),  da  ihre  beiden  Kirchen  bei  dem  Brande  der  Stadt  stark 
gelitten  hatten;  auch  jenseits  des  Bosporus,  in  den  Diözesen  von  Chalkedon 
und  Nikomedien,  hatte  diese  Kirche  Besitzungen.  ^)  Der  kirchliche  Apparat 
scheint  über  das  Bedürfnis  der  Kolonie  hinausgegangen  zu  sein;  wenigstens 
erklärte  der  Prior  Benenatus  im  Jahre  1223,  daß  die  Einnahmen  der  Kirchen 
einschließlich  der  ihnen  zugewiesenen  Maß-  und  Gewichtsgefälle  zur  Unter- 
haltung der  Kirchen  und  ihres  Inventars  sowie  des  zugehörigen  Personals 
nicht  ausreichten;  seit  der  Eroberung  habe  er  dafür  aus  eigenen  Mitteln 
300  Hyp.  zuschießen  müssen.^)  Im  übrigen  blieben  die  pisanischen  Kirchen 
in  Konstantinopel ,  trotz  gelegentlicher  Versuche  des  Patriarchen,  in  einer 
eximierten  Stellung.  5)  Mit  den  Venezianern  dauerte  das  vor  der  zweiten 
Eroberung  der  Hauptstadt  hergestellte  gute  Einvernehmen  zunächst  fort; 
1206  entstand  sogar  der  Plan  eines  engen  Kriegsbündnisses  und  1214  wurden 
die  alten  Verträge  von  1180  und  1196  unter  einfacher  Herübernahme  der 
auf  die  Romania  bezüglichen  Abschnitte  auf  10  Jahre  erneuert.  0)  Im  Jahre 
darauf   unternahmen   die   in  erster  Linie  von  den  venezianischen  und  pisa- 


Lande  Theodors  von  Epirus  zu  verkehren.  Pressutti  2858.  Die  politische  Verbin- 
dung Friedrichs  U.  mit  dem  Komnenen  in  der  Zeit  seiner  Feindschaft  mit  Venedig 
begünstigte  unzweifelhaft  diesen  Nachbarschaftsverkehr.  Huillard-Bröholles  V,  586, 
630.     Winkelmann  II,  155  A.  2. 

>)  Tafel  und  Thomas  H,  68. 

2)  Sacerdoti  39  f. 

3)  Müller  84  f.,  86  f.     Heyd  I,  287  ff. 
*)  Bonaini  I,  267. 

*)  Versuche  Morosinis,  sie  von  sich  abhängig  zu  machen :  Tafel  u.  Thomas  11, 
22,  68,  73.  Bestätigung  der  kirchlichen  Vorrechte  28.  V.  1230  durch  Gregor  IX.  >Cai- 
tano,  priori  ecclesie  Campi  Pisanorum  apud  Const.  constituto«,  Auvray  no.  461. 
Müller  p.  98. 

»)  Müller  p.  88  ff. 


270  Zwanzigstes  Kapitel. 

nischen  Kolonisten  Konstantinopels  ausgerüsteten  vier  Kaperschiffe  (zwei 
naves  und  zwei  galeae)  einen  erfolgreichen  Beutezug  gegen  die  Genuesen; 
in  Genua  glaubte  man  im  nächsten  Jahre  ein  gleiches  Vorgehen  der  beiden 
Kolonien  befürchten  zu  müssen,  i)  Auch  mit  den  Kaisern  selbst  standen 
die  Pisaner,  soviel  wir  sehen  können,  in  gutem  Verhältnis.  Auf  ein  Schreiben 
Pisas  dankte  der  zweite  Kaiser  Heinrich  in  einem  Briefe,  den  er  dem  pisa- 
nischen  Vicecomes  Rainerius  Federici  in  die  Heimat  mitgab  2),  den  Pisanern 
für  die  ihm  bisher  geleisteten  Dienste  und  versprach  Aufrechterhaltung  aller 
ihrer  Freiheiten  und  Rechte;  wenn  sie  ihm  den  gleichen  Eid  wie  seinen 
Vorgängern  leisten  wollten,  werde  er  einen  geeigneten  Bevollmächtigten 
senden ;  im  übrigen  möchten  sie  seinen  mündlichen  Aufträgen  an  den  Vice- 
comes Glauben  schenken.  Und  aus  der  kritischen  Zeit  nach  dem  Tode 
Kaiser  Roberts  ist  uns  ein  Dankschreiben  seiner  Schwester  Maria,  der  Kai- 
serin-Witwe von  Nicaea,  die  für  kurze  Zeit  die  Regentschaft  in  Konstantin- 
opel führte,  erhalten  (1228)3),  [^i  dem  sie  sich  in  den  anerkennendsten  Aus- 
drücken über  die  Dienste  ausspricht,  die  der  pisanische  Vicecomes  Jacobus 
Scarlate  ihrem  Bruder  und  ihr  selbst  erwiesen  habe  und  die  Bitte  hinzu- 
fügt, ihn  durch  ein  Anerkennungsschreiben  in  seiner  Haltung  zu  bestärken, 
»cum  nullus  utilior  aut  necessarior  nobis  et  Imperio  esse  possit.«  Die  ganze 
Fassung  des  Schreibens  deutet  darauf  hin,  daß  das  Amt  des  pisanischen 
Vicecomes  in  Konstantinopel  in  dieser  Zeit  nicht  mehr  ein  jährlich  wech- 
selndes, sondern  ein  ständiges  gewesen  ist. 

Wie  anderwärts  begegnen  wir  auch  in  Konstantinopel  neben  den  Pi- 
sanern selbst  den  Toskanern  des  Binnenlandes.  Kaiserin  Maria,  die  Ge- 
mahlin des  letzten  lateinischen  Kaisers,  hat  in  der  finanziellen  Bedrängnis, 
in  der  sich  das  Reich  fast  beständig  befand"*),  bei  den  Toskanern  Scotto 
und  Buondelmonte,  Bürgern  von  Konstantinopel,  die  beide  wohl  aus  Florenz 
stammten,  in  Konstantinopel  Darlehn  aufgenommen,  zu  deren  Begleichung 
sie  Ende  Januar  1249  in  Negroponte  Tratten  in  Höhe  von  550  und  680  1. 
tur.  auf  Bianca,  die  Mutter  des  französischen  Königs,  gezogen  hat;  im  Mai 
des  Jahres  haben  die  Gläubiger  persönlich  ihr  Guthaben  in  Paris  abgehoben.^) 

Auch  im  Kaiserreich  Nicaea  waren  die  Pisaner  und  die  Toskaner  über- 
haupt kommerziell  tätig.  Aus  Anlaß  der  in  der  Heimat  erfolgenden  Be- 
kundung des  Todes  des  Gregorius  von  San  Gimignano  erfahren  wir,  daß  er 
um  1240  in  Adramyttion  (Lendermite),  umgeben  von  seinen  Söhnen  und 
andern  Verwandten,  verstorben  war  und  in  der  dortigen  Jakobikirche  seine 
letzte  Ruhestätte  gefunden  hatte;  verschiedene  Pisaner,  Ranuccius  Bonac- 
cursi  und  Castello,  der  Sohn  des  Franciscus  Guidonis  Grassi,  werden  als 
bei  seinem  Begräbnis  gegenwärtig  erwähnt. ") 

>)  Ann.  genov.  II,  136,  139. 

2)  Undatiert ;  Müller  86  f.  Der  Herausgeber  setzt  ihn  p.  437  zu  1207,  in  der 
Tabelle  der  überseeischen  Konsuln  zu  1211 ;  beides  ohne  Gründe.  Der  Lanfrancus 
Vicecomes  judex  Furisterorum,  der  im  März  1210  als  Zeuge  in  einer  Urkunde  auf- 
tritt (Sacerdoti  p.  40),  nach  dem  Namen  zu  schließen  ein  Pisaner,  fungierte  als 
Fremdenrichter  wohl  im  kaiserlichen  Dienste. 

*)  Vgl.  meine  Abhandlung :  Eine  bisher  unbekannte  Regentin  des  lat.  Kaise: 
reichs;  MIÖG.  VIIJ  (1887),  p.  587  ff. 

*)  Für  die  Rückzahlung  eines  Darlehns,  das  die  Prokuratoren  des  Kaisers  a 
der  Kurie  bei  dem  römischen  Kaufmann  Nie.  Deutesalve   aufgenommen  hatten,' 
sorgt  am  17.  Sept.  1243  der  Papst.     Berger  no.  122  f. 

6)  S.  »Anfänge  der  Tratte«  in  Z.  f.  Handelsr.  43,  p.  43  u.  48. 

*)  Aussagen  vom  27.  April  1245  in  Pisa.     Davidsohn,  Forsch.  H  no.  2306 


] 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  271 

211.  Für  die  Genuesen  war  das  Ereignis  von  1204  nach  den 
Erfolgen  ihrer  letzten  Gesandtschaft  nach  Konstantinopel  ein  beson- 
ders empfindlicher  Schlag;  und  es  ist  begreiflich,  daß  sie  wenigstens 
das  eine  oder  andere  Stück  der  wertvollen  Beute  an  sich  zu  bringen 
suchten,  zumal  sie  ihre  feindselige  Haltung  gegen  Venedig  von  Kon- 
stantinopel selbst  zunächst  völlig  ausschloß. 

So  traten  sie  sogleich  bei  der  Gründung  des  Königreichs  Thessalonich 
mit  Bonifaz  von  Montferrat  in  Verbindung ;  einer  Galeere  von  Porto  Venere, 
die  sich  im  Hafen  von  Saloniki  befand,  vertraute  Bonifaz  1205  den  in  seine 
Gewalt  geratenen  ehemaligen  Kaiser  Alexios  an,  damit  ihn  Henricus  de 
Carmadino  über  Genua  auf  seine  Besitzungen  brächte,  und  im  folgenden 
Jahre  rüstete  Genua  vier  Galeeren  für  Bonifaz'  Tochter  aus,  die  mit  dem 
Kaiser  von  Konstantinopel  vermählt  werden  sollte,  i)  Genuesische  Korsaren 
hatten  schon  im  Sommer  1204  im  Hafen  von  Modon  die  Geschenke,  die 
Kaiser  Balduin  auf  einem  venezianischen  Schiffe  an  den  Papst  geschickt 
hatte,  geraubt.  2)  Ein  anderer  Genuese,  Leo  Vetrano,  setzte  sich  auf  eigene 
Hand  auf  Korfu  fest  und  suchte  die  Insel  in  Gemeinschaft  mit  den  grie- 
chischen Einwohnern  zu  behaupten;  im  Kampfe  mit  der  großen  veneziani- 
schen Expedition  von  1206  aber  unterlag  er  und  wurde  von  den  Siegern 
als  Pirat  hingerichtet.  ^)  Am  meisten  aber  schädigte  der  Freund  und  Bundes- 
genosse der  Genuesen,  Graf  Heinrich  von  Malta,  von  dem  Grafen  von 
Syrakus  unterstützt,  die  Venezianer.  Im  Jahre  1205  kaperte  er  zwei  reich- 
beladene  venezianische  Schiffe,  die  Rosa  und  den  Falco,  die  nach  Konstan- 
tinopel wollten;  mehr  als  200  Ballen  Tuche  (scarlatarum  videlicet  et  aliorum 
pannorum  et  fustaneorum)  erbeuteten  die  Genuesen  von  dem  kleineren 
Schiffe  allein.  4) 

Im  folgenden  Jahr  warf  sich  der  Graf  mit  seinem  Geschwader  auf  die 
Insel  Kreta  und  behauptete  sich  als  »Dominus  Cretae«  nicht  ohne  Glück 
auf  der  Insel  gegen  die  Venezianer,  die  sie  ihm  mit  Übermacht  zu  entreißen 
suchten,  mehrere  Jahre  hindurch.  5)  Genua  sandte  ihm  1208  eine  erste 
Hilfe,  und  als  er  1210,  da  er  zu  erliegen  drohte,  selbst  nach  Genua  kam, 
wurde  mit  einem  Kostenaufwande  von  20000  1.  jan.  eine  Hilfsexpedition 
von  acht  Galeeren  und  drei  Transportschiffen  (naves)  für  ihn  ausgerüstet.  ^) 
Im  Vertrage  vom  25.  Juli'')  versprach  er  den  Genuesen  volle  Freiheit  von 
Handelsabgaben,  einen  Jahrestribut  von  1000  Hyp.,  in  jeder  Stadt  Kretas 
ein  vollständig  ausgestattetes  Quartier,  dazu  an  den  vier  Hauptorten  der 
Insel  Konsulate  mit  eigenen  Amtshäusern;  falls  er  ohne  männliche  Erben 
stürbe,  sollte  sein  Besitz  auf  Genua  übergehen.     Die  Anleihe   von    18000  1. 


')  Ann.  genov.  IT,  95,  104.  Über  die  Geschichte  des  schwachen  Königreichs 
vgl.  L.  Usseglio:  II  regno  di  Tessaglia  (1204 — 1227).  Alessandria  1898  (auch  in: 
Riv    di  storia  e  archeol.  della  prov.  d'Aless.  XII,  1898,  fasc.  22). 

2)  Heydl,  291.     Gerland  12. 

8)  Heyd  I,  272.     Manfroni,  relazioni  649. 

*)  Ann.  genov.  LI,  99. 

')  Heyd  I,  275  ff.  Manfroni,  relaz.  650  f.  Vgl.  Gerola  G.,  La  dominazione 
genovese  in  Greta.  Rovereto  1902.  (Aus:  Atti  dell'  J.  R.  Acc.  etc.  degli  Agiati  in 
Rovereto,  ser.  3,  VIII,  1902,  p.  134  ff.) 

*)  Ann.  genov.  II,  110,  114  f.  Eine  Schuldurkunde  des  comes  Malte  et  Do- 
minus Creti  über  2000  Hyp.  vom  22.  Mai  1210  gegenüber  Guil.  Embriacus  gibt 
Gerola  im  Anhang. 

^)  Lib.  Jur.  I  no.  500  p.  554  ff.  " 


272  Zwanzigstes  Kapitel. 

Jan.,  die  er  bei  Bürgern  Genuas  aufnahm,  versprach  er  in  Raten  zu  tilgen 
und  verpfändete  dafür  die  Einkünfte  seiner  Insel  Gozzo.  Genua  suchte  nun 
zunächst  mit  Venedig  zu  einer  Verständigung  zu  kommen;  als  dies  nicht 
gelang,  unterstützte  es  den  Grafen  zwar,  aber,  da  es  gleichzeitig  auch  mit 
Pisa  und  Marseille  in  Kampf  verwickelt  war,  sehr  wenig  energisch.  Im 
Juli  1212  schlössen  seine  Gesandten  Nicolaus  de  Mari  und  Simon  Bufferius 
einen  dreijährigen  Waffenstillstand  mit  Venedig,  dem  auch  die  Grafen  von 
Malta  und  Syrakus  beitreten  mußten,  i)  Wohl  erneuerten  sich  dann  die 
Feindseligkeiten  noch  einmal,  und  1217  benutzte  Graf  Alamannus  von  Syra- 
kus die  auf  Kreta  ausgebrochenen  Unruhen,  um  noch  einmal  auf  der  Insel 
zu  erscheinen.  Bald  aber  wurde  er  gefangen  und  blieb  bis  zum  Frieden, 
der  im  Mai  1218  auf  10  Jahre  abgeschlossen  wurde,   in  Gefangenschaft.  2) 

212.  Mit  diesem  Frieden  3)  gaben  die  Genuesen  ihre  Anschläge  auf 
Teile  des  ehemaligen  griechischen  Reiches  auf;  sie  wurden  nunmehr  zum 
Handel  mit  der  Romania  wieder  zugelassen  unter  genau  denselben  Bedin- 
gungen, unter  denen  sie  zur  Zeit  Kaiser  Alexius'  IIL  mit  Konstantinopel 
Handel  getrieben;  nur  der  Ehrengeschenke  gingen  die  verlustig.  Auch  die 
Erben  des  Balduino  Guercio  sollten  in  die  Lehen,  die  dieser  außerhalb  Kon- 
stantinopels zur  Zeit  Manuels  besessen,  soweit  sie  im  venezianischen  Anteil 
lagen,  wieder  eingesetzt  oder  doch  entschädigt  werden.  Nach  Ablauf  der 
10  Jahre  wurde  der  Vertrag  erneuert'^);  und  daß  die  Genuesen  den  Handel 
mit  Konstantinopel  wieder  aufgenommen  haben,  geht  schon  daraus  hervor, 
daß  sie  sich  1236  an  der  Verteidigung  der  Hauptstadt  beteiligt  haben;  1238 
ist  es  dann  sogar  aus  Gründen  der  allgemeinen  Politik  zu  einer  Allianz 
zwischen  Genua  und  Venedig  gekommen.  Sehr  umfangreich  wird  der  Han- 
del der  Genuesen  mit  Konstantinopel  allerdings  schwerlich  geworden  sein; 
wo  eine  andere  Macht  derart  dominierte,  fühlten  sie  sich  nicht  in  ihrem 
Element.  Immerhin  ergibt  sich  aus  der  Fassung  der  Erneuerung  des  ge- 
nuesisch-venezianischen Vertrages  von  1251,  daß  es  auch  wieder  besondere 
Vorsteher  der  genuesischen  Kolonialgemeinde  in  Konstantinopel  gab  (con- 
sules  et  vicecomites  atque  rectores^);  auch  macht  Innozenz  IV.,  als  er  sich 
1246  darüber  beschwert,  daß  christliche  Griechen,  Bulgaren,  Ruthenen  und 
Walachen  aus  dem  griechischen  Reiche  ausgeführt  und  als  Sklaven  auch 
an  die  Sarazenen  verkauft  würden,  zwischen  den  genuesischen,  pisanischen 
und  venezianischen  Kaufleuten  keinen  Unterschied.  ^) 

213.  Außerhalb  Konstantinopels  haben  die  Genuesen  in  dieser  Zeit, 
wie  es  schon  früher  ihr  Bestreben  gewesen,  besonders  in  Theben  festen  Fuß 
gefaßt ;  die  ßoeotien  und  Attika  umfassende  Baronie  der  Herren  de  la  Roche 
hatte  offenbar  an  ihnen  ein  willkommenes  Gegengewicht  gegenüber  den 
Venezianern  gefunden.     In  Theben   unterhielten  sie   für  ihre  Landsleute 


1)  Ann.  genov.  H,  116,  125  f.     Gerola  1.  c.  im  Anhang. 

=')  Ebd.  144  f.     Manfroni  365. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  535  p.  609  fE. 

*)  Ebd.  I  no.  656  p.  815  f.  (Tafel  und  Thomas  II,  197  f.  mit  unrichtiger  Da- 
tierung). 

»)  Ebd.  p.  1093.  Heyd  I,  292.  Zwei  Seedarlehn  auf  die  Fahrt  der  Damiceila, 
die  Kitter  mit  ihrer  Ausrüstung  nach  der  Romania  transportierte,  vom  20.  Juli  und 
29.  August  1251  bei  Canale  n,  626. 

^)  Berger  2122  (1.  Oktober;  an  den  Patriarchen  von  Jerusalem  und  die  Bi- 
schöfe des  Königreichs). 


I 


Zeit  des  lateinischen  Kaisertums.  273 

in  der  Baronie  ein  Konsulat,  das  im  Jahre  1240  von  Riccius  de  S.  Donato 
verwaltet  wurde;  nur  die  schwersten  Kriminalverbrechen  waren  von  seiner 
Gerichtshoheit  ausgenommen,  und  nur,  wenn  ein  Nicht-Genuese  einen  Ge- 
nuesen vor  dem  Konsul  belangte,  war  Berufung  an  die  Landesgerichte  zu- 
lässig. Zu  Weihnachten  1240  bestätigte  Guido  de  la  Roche  diese  Rechte 
der  Genuesen  in  einem  Privileg;  außer  in  Theben  sollten  sie  fortan  auch 
in  Athen  ein  Quartier  (campum)  und  ein  eigenes  Amtshaus  haben,  das 
er  ihnen  anweisen  werde;  in  bezug  auf  ihren  Handel  sollten  sie  völlig  ab- 
gabenfrei sein  und  sich  der  gleichen  Immunität  wie  in  Accon  oder  an  an- 
deren Orten,  wo  sie  besonders  privilegiert  seien,  erfreuen;  nur  von  den  sei- 
denen Tüchern  (pannis  sericis),  die  von  Genuesen  oder  für  sie  im  Gebiet 
der  Baronie  verfertigt  würden,  sollten  die  herkömmlichen  Abgaben  ebenso 
wie  von  allen  anderen,  auch  von  ihnen  entrichtet  werden  müssen  —  inter- 
essant jedenfalls,  daß  danach  auch  Genuesen  selbst  an  dieser  alten  Stätte  der 
Seidenfabrikation  zu  eigener  Ausübung  der  Industrie  sich  niedergelassen 
haben ;  damit  war  die  Verpflanzung  dieser  Industrie  auch  nach  der  Heimat 
von  selbst  gegeben,  i) 

Verhältnismäßig  spät  erst  haben  die  Genuesen,  soviel  wir  wissen,  mit 
dem  Kaiserreich  Nicäa  angeknüpft.  1231  schickten  sie  eine  Gesandt- 
schaft nach  derRomania  an  Johannes  Vatatzes,  und  1239  bemerken  wir  ein 
Hin-  und  -Her  diplomatischer  Missionen,  ohne  daß  wir  Bestimmteres  über  sie 
erfahren  2);  offenbar  suchte  Genua  den  Kaiser  von  seiner  Verbindung  mit 
Friedrich  II.  abzuziehen,  was  aber  nicht  gelang.  Als  die  Genuesen  nach  dem 
Tode  des  Herrn  von  Rhodus,  Leo  Gabalas,  einen  Versuch  machten,  sich 
dieser  wichtigen  Insel  zu  bemächtigen  (1248),  trat  ihnen  Vatatzes  kräftig 
entgegen  und  verleibte  die  Insel  1250  seinen  Besitzungen  ein.  3) 

214.  Erst  in  der  Zeit  des  lateinischen  Kaiserreichs  hören  wir 
von  einem  besonderen  proven^alischen  Quartier  (campus)  in  Kon- 
stantinopel; nicht  nur  alle  Südfranzosen,  sondern  auch  die  Katalanen 
hatten  Anteil  an  demselben. 

Im  Jahre  1223  schlössen  die  Venezianer  mit  Kaiser  Robert  eine  Kon- 
vention bezüglich  der  Ausübung  der  Hoheitsrechte  gegenüber  den  in  Kon- 
stantinopel bestehenden  Quartieren  der  Lateiner  ab*);  in  Ausführung  der- 
selben vmrden  am  20.  Februar  1224  ^/g  des  pro ven galischen  Quartiers  der 
venezianischen  Oberhoheit,  speziell  in  richterlicher  und  finanzieller  Bezie- 
hung, zugewiesen.  An  der  Ausrüstung  jener  vier  gegen  die  Genuesen  be- 
stimmten Kaperschiffe  von  1215  sehen  wir  neben  Venezianern,  Pisanern  und 
Anconitanern  auch  die  Provengalen  von  Konstantinopel  beteiligt,  und  auch 
die  Verträge,  die  Genua  1225  und  1232  mit  Montpellier  und  S.  Gilles  ge- 
schlossen hat,   setzen   den  Verkehr  von  Kaufleuten  dieser   Städte   mit  den 

*)  Lib.  Jur.  no.  757.  Heyd  I,  293.  Gregorovius  F.,  Geschichte  der  Stadt  Athen 
im  Mittelalter  I,  382  f.     Broglio  d'Ajano  p.  7. 

*)  Ann.  Jan.  zu  1231  und  1239.  Heyd  I,  306.  MrjhaQAxrjs  1.  c.  284.  Manfroni 
relazioni  654,  657. 

*)  Heyd  I,  307.  Die  Gesandtschaft,  die  1231  an  Vatatzes  ging,  hatte  auch 
mit  dem  Komnenen  Michael,  dem  Despoten  von  Epirus,  in  Verbindung  zu  treten. 
Ann.  Jan.,  SS.  XVIII,  177. 

*)  »de  facto  omnium  camporum  gentium  Latinarum  Cop.  lis<;  Tafel  und  Tho- 
ma.s  II,  253,  255.  Venezianischer  Podestä  in  Konstantinopel  war  damals  Jacopo 
Tiepolo. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  18 


274  Zwanzigstes  Kapitel.     Zeit  des  lateinischen  Kaisertums. 

Gebieten  der  Romania  voraus,  i)  Sehr  erheblich  kann  dieser  Verkehr  in- 
dessen schwerhch  gewesen  sein,  da  die  uns  in  so  großer  Fülle  vorliegenden 
Handelskontrakte  von  Marseille  aus  dieser  Zeit  auch  nicht  eine  auf  solchen 
Verkehr  bezügliche  Nummer  enthalten.  Wir  hören  im  Frühjahr  1248  zwar 
von  Beraubungen,  die  Giraudus  Boquerius  und  andere  Marseiller  Kaufleute 
durch  den  Genuesen  Johannes  de  Nigra  im  Meer  von  Kreta  erlitten  haben^); 
aber  es  ist  wahrscheinHcher,  daß  sich  diese  Kaufleute  auf  dem  Wege  von 
oder  nach  Syrien  befanden,  als  daß  etwa  Kreta  selbst  oder  Konstantinopel 
als  Ziel  ihrer  Handelsreise  anzunehmen  wäre.  Und  wenn  wir  Mastix  ein- 
mal auf  dem  Marseiller  Markt  in  dem  beträchtlichen  Quantum  von  50  Ztr. 
den  Besitzer  wechseln  sehen  3),  so  würde,  auch  wenn  der  Verkäufer  Mar- 
seiller wäre,  damit  auch  noch  kein  Beweis  für  den  direkten  Import  dieser 
Ware  aus  Chios  oder  der  Romania  überhaupt  durch  Marseiller  Kaufleute 
geliefert  sein ;  im  vorliegenden  Falle  ist  der  Verkäufer  zudem  ein  Kaufmann 
von  Piacenza,  Jordanus  de  Chilena. 

Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  konnte  die  Unmöglichkeit 
des  Fortbestandes  des  in  sich  haltlosen  Lateinerreichs  am  Bosporus 
schon  entschieden  erscheinen ;  dem  Vertrage  von  Nymphäum  zwischen 
Genua  und  Michael  Paläologus  (13.  März  1261)  folgte  rasch  die  Rück- 
kehr Konstantinopels  unter  die  Griechenherrschaft.*)  Die  Handels- 
stellung der  Lateiner  am  Goldenen  Hern  aber  war  damit  keineswegs 
erschüttert;  ja,  mittlerweile  hatten  sich  im  Zusammenhange  mit  der 
Ausbreitung  des  Mongolenreiches  für  den  Handel  der  Romanen  mit 
den  Küstenländern  des  Schwarzen  Meeres  und  darüber  hinaus  mit 
Inner-  und  Ostasien  ganz  neue  Wege  und  Aussichten  eröffnet.^) 


1)  Heyd  I,  295  f.     Lib.  Jur.  I  no.  624  u.  694. 

*)  Amalric  no.  23. 

8)  Ebd.  no.  946. 

*)  Caro  I,  105  ff.     Heyd  I,  428  ff. 

»)  Heyd  H,  64  ff.,  156  ff.,  215  ff. 


Abschnitt  III: 

Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den 
Sarazenen  des  Westens. 


EinTindzwanzigstes  Kapitel. 

Handel  mit  den  Sarazenen  IN^ord-Afrikas  bis  zum  Ende 
der  Herrscliaft  der  Almoraviden. 

215.  Wenn  sich  von  jedem  Seeplatz  Italiens  aus  die  mittleren 
Teile  Nord-Afrikas  erreichen  ließen,  ohne  daß  der  Schiffer  irgendwo 
das  Land  völlig  aus  dem  Gesichtskreise  zu  verlieren  brauchte,  so  lag 
doch  kein  von  Romanen  bewohntes  Gebiet  den  Sarazenen  Nord-Afrikas 
näher  als  der  italienische  Normann en st aat,  der  zudem  noch  durch 
seine  speziell  auf  Sizilien  in  nicht  geringer  Stärke  zurückgebliebene 
arabische  Bevölkerung  auf  Handelsbeziehungen  mit  dem  afrikanischen 
Gegengestade  hingewiesen  war.  Aber  auch  die  Christen  Unter-Italiens 
lehnten  diesen  Verkehr,  den  einst  Amalfi  besonders  eifrig  gepflegt 
hatte,  keineswegs  ab,  so  oft  er  auch  durch  Feindseligkeiten,  die  bald 
von  der  einen,  bald  von  der  anderen  Seite  kamen,  gehemmt  und 
unterbrochen  wurde. 

So  machte  1105  eine  sizilische  Flotte  einen  vergeblichen  Angriff  auf 
El-Mehdia,  das  die  Pisaner  18  Jahre  zuvor  vorübergehend  eingenommen 
hatten,  1113  plünderten  die  Sarazenen  Lncanieni),  1118  erschien  ein  Ge- 
sandter Rogers  bei  dem  Emir  Ali,  um  Waren  und  Gelder  zu  reklamieren,  die 
in  El-Mehdia  beschlagnahmt  worden  waren  —  ein  deutlicher  Beweis  für  die 
bestehenden  kommerziellen  Beziehungen ;  das  brüske  Auftreten  des  Gesandten 
rief  unter  den  Sarazenen  von  El-Mehdia  eine  sehr  gereizte  Stimmung  her- 
vor. Die  Erneuerung  des  Friedensvertrages  zwischen  Roger  und  dem  Be- 
herrscher von  Kairwan,   die  1121   zustande  kam,   hielt  nur  für  kurze  Zeit 


*)  Hist.  de  l'Afrique  et  de  l'Espagne,  intitul^e  Al-Bayano'1-Moghrib,  trad.  par 
E.  Fagnan  I  (Algier  1901),  p.  452.     Ann.  Cavenses,  SS.  IH,  191. 

18* 


276  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

vor;  denn  schon  im  folgenden  Jahre  unternahm  Abu  Abdallah  ben  Mei- 
mün  im  Dienste  des  Almoraviden  -  Herrschers  eine  Expedition  gegen  den 
Normannenstaat,  auf  der  er  Nicotera  eroberte  und  zahlreiche  christliche 
Sklaven  fortführte;  ein  Rachezug,  den  Roger  1123,  nachdem  er  jeglichen 
Handelsverkehr  nach  Afrika  hin  gesperrt,  unter  Gregor  von  Antiochien  gegen 
El-Mehdia  richten  ließ,  scheiterte,  i)  Aber  auch  in  diesen  stürmischen  Zeit- 
läuften ruhte  der  Handel  nicht.  So  können  wir  gerade  damals  Bürger  von 
Gaeta  und  Salerno  im  Handelsverkehr  mit  Tunis  nachweisen;  Petrus  Sfa- 
gilla  von  Salerno  hatte  hier  53  Häute  (coria)  und  7  Kantär  Wachs  einge- 
kauft und  sie  dem  Petrus  diaconus,  einem  Einwohner  von  Gaeta,  zum  Trans- 
port nach  dieser  Stadt  übergeben,  wo  sie  aber  wegen  der  damals  zwischen 
Salerno  und  Gaeta  bestehenden  Zwietracht  von  den  Konsuln  der  Stadt 
beschlagnahmt  wurden ;  nach  erfolgter  Versöhnung  wurde  die  Beschlagnahme 
indes  im  Jahre  1125  aufgehoben.  2)  Zur  selben  Zeit  pflegte  das  Klosterschiff 
von  La  Cava  die  afrikanische  Küste,  speziell  El-Mehdia,  zum  Zweck  des 
Wareneinkaufs  zu  besuchen,  wie  wir  aus  der  von  einem  Zeitgenossen  ver- 
faßten Biographie  des  hl.  Constabilis,  der  1118 — 1124  Abt  des  Klosters  ge- 
wesen, ersehen;  der  Mönch  Johannes,  später  selbst  Abt  des  Klosters,  der 
das  Schiff  auf  einer  solchen  Fahrt  nach  dem  Tode  des  Constabilis  führte, 
schrieb  die  Rettung  desselben  aus  einem  furchtbaren  Sturm  zwischen  Sizi- 
lien und  Afrika  und  die  ungewohnte  Milde,  mit  der  der  Herrscher  von  El- 
Mehdia  die  Abfahrt  gerade  dieses  Schiffes  gestattet  hatte,  während  er  alle 
anderen  Christen  auf  das  Gerücht  von  einem  neuen  gegen  ihn  bevorstehen- 
den Seezuge  zurückhielt,  der  wunderbaren  Intervention  dieses  Heiligen  zu.  3) 
Mehrfach  hören  wir  auch  von  einem  lebhaften  Getreideaustausch,  der  je 
nach  der  Konjunktur  und  dem  Ausfall  der  Ernte  in  beiden  Ländern  zwischen 
Sizilien  und  Afrika  stattfand.*) 

Besonders  günstige  Aussichten  schienen  sich  für  den  romanischen 
Handel  zu  eröffnen,  als  es  der  mächtig  um  sich  greifenden  Energie  König 
Rogers  H.  gelang,  einen  erheblichen  Teil  der  Nordküste  Afrikas  unter  seine 
Botmäßigkeit  zu  bringen.  Zunächst  wurden  die  an  der  Küste  der  Kleinen 
Syrte  gelegenen  Inseln  Dscherba  (um  1135)  und  die  Gruppe  Karkenah  er- 
obert; im  Jahre  1143/44  fiel  Sfax,  1146  Tripoli,  2  Jahre  später  endlich  das 
schon  oft  angegriffene  El-Mehdia  mit  Gabes  und  Susa;  alle  Seestädte  von 
den  Syrten  an  bis  Bona,  das  sich  um  1152  ergab,  gehorchten  in  der  letzten 
Zeit  Rogers  IL,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  Tunis  selbst,  seinem  kraftvollen 
Regimente,  das  zugleich  mit  Toleranz  und  weiser  Mäßigung  vorging,  die  ge- 
wonnenen Orte  durch  einheimische  Gouverneure  verwalten  ließ  und  sich 
mit  einem  Tribut  begnügte,  s)     Von  Tripoli  hebt  ein  arabisch  er  Schriftsteller 

1)  Al-Bayano  1.  c.  460  —  462.  Ibn  el-Athir  XLIV,  381.  Amari,  Musulm.  HI, 
380  ff.,  386.     Mas  Latrie,  Introd.  p.  33.     Manfroni  183.     Caspar  43  ff. 

2)  Cod.  Caiet.  n  no.  308,  p.  227  f.,  Juli  1195 ;  Bescheinigung  des  Salernitaners 
über  die  Rückgabe.  Federici  G.  B.,  Degli  antichi  duchi  e  consoli  o  ipati  della 
cittä  di  Gaeta.  Neapel  1791,  p.  488  f.,  meinte,  daß  die  Stadtkonsuln  Gaetas,  von 
denen  in  dieser  Urkunde  die  Rede  ist,  Konsuln  der  Kaufleute  gewesen  sein  müßten, 
und  daraus  hat  man  dann  wieder  gaetanische  Konsuln  in  der  Berberei  gemacht; 
Pardessus  in  p.  LXIII. 

»)  Acta  SS ,  Februar  III,  p.  45.  Mas  Latrie,  Introd.  34  bezieht  den  Vorgang 
irrtümlich  auf  Tunis. 

")  Amari  Musulm.  III,  188  f ,  332,  403,  783.     Ibn  el-Athir  XLV  p.  74. 

»)  Al-Bayano  1.  c.  469  —  471.  Ibn  el-Athir  XLV  p.  71,  74—79,  114.  Amari 
Musulm,    m,    399    ff.,    406   ff.,    413    ff.,    422,   425.    Falcandus   p.  5.     Mas  Latrie, 


I 


4 


Handel  m.  d.  Sarazenen  Xord-Afrikas  bis  z.  Ende  d.  Herrschaft  d.  Almoraviden.     277 

selbst  hervor,  daß  es  unter  Roger  von  sizilischen  und  christlichen  Schiffen  über- 
haupt viel  besucht  wurde  und  rasch  zu  neuer  Blüte  gedieh.^)  Wie  eng  Rogers 
Verbindung  mit  den  Sarazenen  war,  zeigt  am  besten  der  Aufenthalt  des  be- 
rühmten Geographen  Idrisi  am  Hofe  von  Palermo,  der  um  1100  in  Spanien 
oder  Ceuta  geboren  war;  im  Auftrage  des  Königs  schuf  er  die  bekannte 
Erdkarte  und  schrieb  zu  ihrer  Erklärung  1154  sein  Werk:  »Die  Freude  des 
Reisenden«,  das  unter  den  arabischen  Gelehrten  unter  dem  Titel :  »Das  Buch 
Rogers«  bekannt  war  und  als  die  bedeutendste  Leistung  der  arabischen  Lite- 
ratur auf  geographischem  Gebiete  anzusehen  ist.  2) 

Aber  freilich,  allzu  fest  waren  die  Grundlagen  der  Normannenherrschaft 
in  Afrika  nicht.  Wenn  ihr  die  Erhebung  der  Almohaden  gegen  die  Almo- 
raviden anfänglich  wesentlich  zustatten  gekommen  war,  so  machte  gerade 
dieselbe  neue  Macht  auch  dieser  Herrschaft  rasch  ein  Ende,  zumal  Roger 
in  Wilhelm  I.  keinen  ebenbürtigen  Nachfolger  fand.  Noch  im  Todesjahre 
Rogers  (f  Februar  1154)  wagten  es  wieder  sarazenische  Kriegsschiffe  in  der 
Nähe  von  Salerno  und  Neapel  zu  plündern  s);  1156  begann  der  Aufstand 
mit  der  Erhebung  von  Sfax,  und  am  Ende  des  Jahrzehnts  fegte  der  Er- 
oberer Abd-el-Mumen  in  raschem  Siegeszuge  die  sizilische  Herrschaft  vom 
afrikanischen  Boden  wieder  hinweg;  nur  El-Mehdia  hatte  einen  längeren 
Widersta,nd  geleistet,  mußte  aber  auch  im  Januar  1160  gegen  freien  Abzug 
der  Besatzung  nach  Sizilien  kapitulieren.  *)  Ganz  Nord-Afrika  bis  zum  Pla- 
teau von  Barka  war  in  der  Hand  des  siegreichen  Almohaden ;  vereinzelte 
glückliche  Unternehmungen  der  Normannen  vermochten  an  diesem  Ergebnis 
nichts  mehr  zu  ändern.  0) 

216.  Von  den  Beziehungen  Pisas  zu  dem  Herrschergeschlecht 
der  Almoraviden  haben  wir  nur  eine,  allerdings  sehr  bedeutsame 
Nachricht,  die  uns  beweist,  wie  groß  das  Ansehen  der  Arnostadt  bei 
den  Sarazenen  des  Westens  war:  im  Sommer  1133  erschienen  auf 
zwei  Kriegsschiffen  die  Gesandten  des  Sultans  von  Marokko,  Jahya, 
des  Sohnes  des  El-Aziz,  und  seiner  Vasallen,  des  »Königs«  von  Tlemsen 
und  des  Kaid  Maimun  (Mohammed-ibn-Meimün)  von  Alrneria,  in  Pisa 
und  schlössen  am  2.  Juli  mit  der  Seestadt  einen  Friedens-  und  Freund- 
schaf tsvertrag  auf  zehn  Jahre  ab.^) 

Besonders  eifrig  aber  pflegten  die  Pisaner  in  dieser  Zeit  schon 
den  Handel  mit  Tunis. 


Introd.  42  f.  Manfroni  198  f.  Caspar  415  ff.  In  Urkunden  von  1157  und  1158  nennt 
sich  Eoger  sogar  König  von  Sizilien,  Italien  und  Afrika;  Gregorio  I,  232;  prove 
p.  84. 

»)  Ihn  el-Athir  XLV,  78. 

»)  Amari  1.  c.  452,  454  ff.,  662  ff.  Flückiger  1062.  Brockelmann,  Geschichte 
der  arabischen  Literatur  I,  477.     Caspar  449  ff. 

^)  Aussage  des  Medica  Coffus  bei  Camera  II,  545.     Siragusa  I,  47. 

*)  Al-Bayano  p.  476  f.  Ibn  el-Athir  XLV  p.  116  ff,  122  ff.  Amari  Musulm. 
in,  468,  471  ff.  Siragusa  I,  56  f.,  81  ff.,  91.  Manfroni  223  f. ;  225  über  den  Bericht 
des  Falcandus  p.  24  ff.     Romuald  Sal.,  SS.  XIX,  429.     Mas  Latrie,  Introd.  45  f. 

*)  Plünderung  von  Susa  1163;  Einnahme  von  El-Mehdia  im  Jahre  573 
(29.  Juni  1177  beginnend)  der  Hidschret,  das  aber  sogleich  wieder  verloren  ging. 
Al-Bayano  1.  c.  477. 

*)  Ann.  pis.  des  Bern.  Marago  zu  1134  (calc.  pis.);  Heyd,  Afrika  p.  622  irrig: 
1134.  Mas  Latrie,  Introd.  p.  36  identifiziert  den  Kaid  unrichtig,  indem  er  an  den 
Emir  der  Balearen  denkt.     Manfroni  194. 


278  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

Diesem  Verkehr  entstammt  auch  das  älteste  erhaltene  Privileg  (10.  Juli 
1157),  das  ein  sarazenischer  Staat  in  Nord- Afrika  (von  Ägypten  abgesehen) 
einer  christhchen  Stadt  verliehen  hat.  i)  Es  hat  die  Form  eines  Briefes  des 
Herrschers  aus  dem  Hause  der  in  Tunis  damals  noch  regierenden  Beni- 
Khorasan,  des  Abu- Abdallah  Ibn-Abd-el-Aziz,  der  zunächst  die  Freundschaft, 
die  beide  Staaten  seit  alter  Zeit  verband,  hervorhebt  und  den  Freunden  mit- 
teilt, daß  Gott  ihn  und  sein  Land  glücklich  aus  den  Händen  der  Almo- 
haden  errettet  habe.  Den  besonderen  Anlaß  hatte  der  Umstand  gegeben, 
daß  ein  ägyptisches  Kriegsschiff,  das  in  den  tunesischen  Häfen  Aufnahme 
gefunden,  in  den  Gewässern  von  Tunis  ein  pisanisches  Handelsschiff  über- 
fallen und  beraubt  und  einen  Teil  der  auf  demselben  vorgefundenen  Pisaner 
in  tunesischem  Gebiet  als  Sklaven  verkauft  hatte.  Dem  pisanischen  Ge- 
sandten Moimo2)  gegenüber  brachte  der  König  allerlei  Entschuldigungen 
vor;  schließlich  versprach  er,  in  Zukunft  kein  fremdes  Kriegsschiff  mehr 
aufzunehmen,  das  nicht  volle  Sicherheit  dafür  gebe,  keinen  Pisaner  zu  schä- 
digen; ferner  wollte  er,  wo  immer  in  seinem  Gebiet  ein  Pisaner  oder  wer 
sich  zu  den  Pisanern  rechne  3),  als  Gefangener  gehalten  werde,  sofort  nach 
Benachrichtigung  durch  ein  amtHches  Schreiben  der  pisanischen  Regierung 
oder  auf  den  mündlichen  Vortrag  angesehener  Pisaner  (per  bonos  homines 
civitatis  pisane)  für  die  Befreiung  desselben,  nötigenfalls  durch  Loskauf, 
und  seine  Beförderung  nach  Pisa  Sorge  tragen.  Das  gleiche  versprachen 
übrigens  auch  die  Pisaner  bezüglich  gefangener  Tunesen  in  ihrem  Gebiete. 
Ln  Anschluß  daran  gewährte  der  König  eine  teilweise  Erleichterung  der 
Handelsabgaben :  importierte  Waren,  die  unverkauft  wieder  zur  Ausfuhr  ge- 
langten, wurden  von  dem  Wertzoll  von  10%  befreit;  die  an  den  Zollstätten 
pro  Sack  Getreide  übliche  Naturalabgabe,  wonach  der  Zollbeamte  sich 
soviel  aneignen  durfte,  als  er  5  mal  mit  beiden  Händen  fassen  konnte  (per 
singulos  saccos  hiomellas  5),  wurde  auf  4  Handvoll  (quod  pugno  quater  po- 
terit  comprehendi)  herabgesetzt;  vor  allem  aber  wurde  die  Ausfuhr  des 
für  die  hochentwickelte  pisanische  Lederindustrie  wichtigen  Alaun,  von 
dem  bisher  38  Vs  miliarenses  pro  Kantär  zu  entrichten  waren,  für  zollfrei 
erklärt.  Endlich  versprach  der  König  noch,  daß  die  pisanischen  Kaufleute 
einschließhch  ihrer  Angehörigen  und  ihres  Personals,  die  sich  in  dem  Ge- 
biet zwischen  der  Stadtmauer  und  den  Häusern  von  Tunis  aufhielten,  mit 
aller  Rücksicht  behandelt  werden  sollten  —  es  bestand  also  damals  schop 
eine  ständige  Handelsniederlassung  von  Pisanern  in  Tunis. 

Ob  dies  pisanische  Privileg  in  vollem  Umfange  lange  in  Wirksamkeit 
blieb,  steht  dahin;  schon  nach  2  Jahren  mußte  Ali,  Abdallahs  Neffe  und 
Nachfolger,  dem  siegreichen  Almohaden  die  Tore  von  Tunis  öffnen. 

217.  Die  älteste  Kunde,  die  wir  von  den  Beziehungen  der  Ge- 
nuesen zu  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  in  dieser  Zeit  besitzen,  be- 
trifft einen  Seezug,  den  sie  1136  mit  12  Galeeren  gegen  Bugia  unter- 
nahmen; ein  großes,  reichbeladenes  Schiff,  das  sie  als  willkommene 
Prise   nach  Genua  führten,   brachte  jeder  Galeere  einen   Beuteanteil 


*)  Amari  p.  1  und  255.  Mas  Latrie,  Doc.  p.  23  und  Introd.  p.  37.  Bonaini, 
Suppl.  p.  34. 

*)  Die  arabische  Ausfertigung  nennt  ihn  Abu-Tamim  Meimün,  Wilhelms  Sohn ; 
wahrscheinlich  war  er  also  sarazenischer  Abkunft  und  sicher  beider  Sprachen  mächtig. 

')  >qui  se  Pisanum  esse  proflteatur.« 


Handel  m.  d.  Sarazenen  Nord-Afrikas  bis  z.  Ende  d.  Herrschaft  d.  Almoraviden.     279 

von  700  1.  Jan.  ein.^)  Zwei  Jahre  darauf  enthüllt  sich  uns  Genua  als 
Schutzmacht  der  Seestädte  der  Provence  gegenüber  den  Sarazenen, 
unter  denen  sie  einst  so  furchtbar  zu  leiden  gehabt  hatten. 

In  den  Friedensvertrag,  den  Genua  damals  mit  dem  Almoraviden- 
herrscher  auf  zehn  Jahre  schloß,  ließ  es  auch  die  Bewohner  der  provengali- 
schen  Seestädte  Marseille,  Fos,  Hyeres,  Frejus  sowie  den  Herrn  von  Antibes 
und  seine  Leute  einbeziehen  und  sicherte  ihnen  seinen  Schutz  gegen  einen 
etwaigen  Friedensbruch  zu.  Dafür  ließ  es  sich  seinerseits  im  Juli  1138  von 
den  genannten  Seeplätzen  einen  Friedens-  und  Sicherheitseid  leisten  2),  in 
dem  sie  u.  a.  versprachen,  den  Frieden  mit  Marokko  zehn  Jahre  lang  sorg- 
fältig zu  halten  und  die  Sicherheit  von  Person  und  Eigentum  der  Unter- 
tanen Marokkos  zu  Wasser  und  zu  Lande  zu  respektieren,  auch,  falls  in 
ihrem  Gebiet  ein  Korsarenschiif  gegen  die  Sarazenen  ausgerüstet  werden 
sollte,  die  Bemannung  vor  dem  Auslaufen  schwören  zu  lassen,  die  Unter- 
tanen des  Königs  von  Marokko  keinenfalls  zu  schädigen.  FaUs  Genua  er- 
wirkte, daß  Marokko  ihnen  auch  nach  Ablauf  der  zehn  Jahre  den  Frieden 
hielt,  oder  wenn  Genua  ihre  Verteidigung  gegen  Marokko  auch  weiterhin 
übernahm,  so  blieben  die  genannten  Gemeinden  so  lange  zu  den  von  ihnen 
übernommenen  Leistungen  verpflichtet,  als  Genua  seiner  Schutzpflicht  nach- 
kam. 3)  Es  ist  also  ein  vollständiges  Protektorat,  das  Genua  über  die  See- 
städte der  Provence  ausübt,  von  deren  Beziehungen  zu  Nord-Afrika  wir  in 
dieser  Zeit  sonst  keinerlei  Kunde  haben,  —  ein  Protektorat,  das  uns  zugleich 
auf  die  engen  Beziehungen  hinweist,  in  denen  Genua  zu  dem  Sultan  von 
Marokko  damals  gestanden  haben  muß.  Die  Herrschaft  der  Almoraviden 
freilich  ging  ihrer  Auflösung  mit  raschen  Schritten  entgegen ;  ihr  letzter  Sul- 
tan, aus  Marokko  vertrieben,  kam  bei  der  Verteidigung  von  Orän  1147  um; 
der  Almohade  Abd-el-Mumen  unterwarf  Tlemsen  und  Algier,  machte  schon 
1152  auch  der  selbständigen  Herrschaft,  die  vor  mehr  als  140  Jahren  Ham- 
mad  in  Bugia  begründet  hatte,  ein  Ende  und  wurde  bis  zum  Ende  des  Jahr- 
zehnts Herr  von  ganz  Nord-Afrika. 


^)  Ann.  genovesi  I  p.  28. 

*)  Der  Eid  von  Marseille  Chart.  II  no.  182,  danach  bei  Mas  Latrie,  Docum. 
p.  88  (unrichtig  bemerkt  er  Introduction  p.  37,  daß  Genua  den  Marseillern  seine 
Hilfe  versprochen  hätte,  >ä  nögocier  un  traitö  direct  avec  le  roi  de  Maroe«);  am 
besten,  hier  auch  mit  dem  sonst  fehlenden  Monatsdatum  Lib.  Jur.  I  no.  45.  An 
dieser  Stelle  auch  die  übrigen  von  Mas  Latrie  übersehenen  Eide  no.  41  —  44  (die 
Langer  S.  17  irrig  zu  1137  ansetzt  und  ohne  jeden  Zusammenhang  mit  dem  Ver- 
trage mit  Marseille  erwähnt). 

*•)  Si  vero  ultra  10  annos  a  Saracenis  Regis  Murochi  pacem  nobis  teuere  fe- 
cerint  vel  nos  defendere  dicent,  quae  supra  diximus,  observabimus. 


280  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Handel  der  Mittelmeer-ßomanen  mit  den  Sarazenen 
Nord-AMkas  zur  Zeit  der  Almoliaden 

bis  zur  Mitte  des  13.  Jalirliunderts. 

218.  Obwohl  dem  Stamme  der  Almoliaden  der  Ruf  besonderer 
Wildheit  voraufging,  gelang  es  den  italienischen  Seestädten  doch 
ziemlich  leicht,  auch  mit  ihrem  Reiche  in  gute  Handelsbeziehungen 
zu  treten.  Zuerst  taten  es  die  Genuesen,  veranlaßt,  wie  es  scheint, 
dadurch,  daß  1152  das  für  den  abendländischen  Handel  damals  be- 
sonders wichtige  Bugia  erobert  worden  war. 

Ihre  Annalen  wissen  zu  berichten,  daß  es  schon  1154  zum  Abschluß 
eines  Vertrages  mit  der  barbara  gens  quae  vocabatur  Mussemutorum  (von 
Masmuda)  gekommen  sei,  der  freilich  noch  im  selben  Jahre  in  Frage  ge- 
stellt wurde.  1)  Ein  großer  von  Ägypten  kommender  genuesischer  Kauffahrer 
wurde  bei  Sardinien  von  neun  almohadischen  Galeeren  angesprochen,  wo 
er  beheimatet  wäre.  Die  Genuesen  empfanden  das  als  Insolenz,  griffen 
kühn  die  Galeeren  an  und  töteten  viele  Sarazenen ;  schließlich  aber  erlagen 
sie  der  Übermacht  und  wurden  fast  sämtlich  getötet.  Zu  spät  erkannten 
die  Sieger,  mit  wem  sie  es  zu  tun  gehabt;  von  Reue  erfaßt,  schickten  sie 
das  Schiff  mit  seiner  ganzen  Ladung  durch  Vermittelung  des  Judex  von 
Cagliari  den  Genuesen  zurück. 

Als  Abd-el-Mumen  am  Ende  des  Jahres  1160' als  nunmehriger  alleiniger 
Beherrscher  ganz  Nord- Afrikas  vom  Atlantischen  Ozean  bis  zur  Großen  Syrte 
nach  Marokko  zurückgekehrt  war,  beschloß  man  in  Genua  eine  solenne  Ge- 
sandtschaft an  den  mächtigen  Herrscher  zu  senden,  die  im  Frühjahr  oder 
Sommer  1161  unter  Führung  des  in  Genua  hochangesehenen,  in  Handels- 
sachen wohl  erfahrenen  Ottobonus  de  Albericis  Genua  verließ.  2)  In  allen 
Ländern  der  Almohaden,  die  er  berührte,  mit  großen  Ehren  aufgenommen, 
erwirkte  er  in  Marokko  in  dem  auf  15  Jahre  geschlossenen  Vertrage  die 
Zusicherung  voller  Sicherheit  aller  Genuesen  mit  ihren  Waren  im  gesamten 
Machtbereich  Abd-el-Mumens  zu  Wasser  und  zu  Lande  sowie  die  allgemeine 
Herabsetzung   des   von   ihnen   zu  entrichtenden  Wertzolls  von  10  auf  8%; 


^)  Ann.  genov.  I,  39  f.     Mas  Latrie,  Introd.  p.  41  f. 

*)  Ann.  genov.  I,  62  zu  1161.  Caifaro  nennt  ihn  hier  Otto  Bonus  Nuvoloni 
frater,  nobilis  et  sapiens  vir.  Die  Geschlechtszugehörigkeit  ergibt  sich  besonders 
deutlich  aus  Chart.  11  no.  621  (28.  Juni  1158),  wo  Ottobonus  de  Albericis  ein  Sce- 
darlehn  nach  Sizilien  gibt  und  Nuvolonus  de  Albericis  als  erster  Zeuge  fungiert. 
Mas  Latrie  rechnet  ihn  zu  der  edlen  Familie  de  Camilla;  in  Wahrheit  aber  war 
ein  Angehöriger  dieser  Familie,  Angelerius  de  Camilla,  Schwiegersohn  des  Nuvolo- 
nus. Die  Zeit  der  Gesandtschaft  wird  etwas  näher  dadurch  bestimmt,  daß  beide 
Brüder,  die  häufig  in  enger  Gemeinschaft  miteinander  auftreten,  am  23.  Februar 
1161  noch  nebeneinander  in  Genua  nachweisbar  sind  (Chart.  II  no  1021),  während 
Nuvolonus  am  12.  August  als  Bevollmächtigter  seines  Bruders  handelt  (no.  1091). 
Mas  Latrie  (Doc.  p.  108)  setzt  die  Gesandtschaft  irrig  in  das  Jahr  1160;  auch  hat 
er  nach  der  schlechten  Ausgabe  Caffaros  bei  Muratori  den  Namen  Nicolini  statt 
Nuvoloni  und  (bezüglich  Bugias)  quartam  statt  quintum,  was  um  so  wunderbarer 
ist,  als  er  die  richtigen  Lesarten  nach  dem  Pariser  Cod.  kennt. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord- Afrikas  zur  Zeit  der  Alraohaden.         281 

nur  in  Bugia,  wo  bisher  schon  1/5  des  Zehntens  an  die  Gemeinde  Genua 
zurückgefallen  war,  sollte  es  beim  alten  bleiben,  da  ja  die  Duane  hier  tat- 
sächlich schon  nur  8%  bezog  und  Genua  offenbar  auf  die  ihm  hier  zu- 
stehende Einnahme  nicht  verzichten  wollte.  Zwei  Jahre  nach  Gewährung 
dieses  Privilegs,  im  Mai  oder  Juni  1163,  ist  Abd-el-Mumen  in  seiner  Haupt- 
stadt Saleh  an  der  Westküste  Marokkos  gestorben. 

219.  Es  ist  diese  interessante  Zeit  des  mächtigen  Aufschwunges  der 
Almohaden,  für  die  wir  durch  das  Notularium  des  Johannes  Scriba  einen 
wertvollen  Einblick  in  die  Handelstätigkeit  der  Genuesen  in  dem 
weiten  Gebiete  Nord-Afrikas  vom  Ozean  bis  zu  den  Syrten  erhalten 

Das  Stammland  der  Almohaden,  Marokko,  erscheint  als  Ziel  genuesi- , 
scher  Handelsfahrten  in  diesen  Akten  nicht  weniger  als  31  mal.  Dabei  be- 
ziehen sich  alle  diese  Urkunden  nur  auf  die  Zeit  von  1160  bis  1164.  Als 
wichtigster,  schon  wegen  seiner  Lage  von  den  Abendländern  bevorzugter 
Handelsplatz  erscheint  Genta  (Septa,  Seta)i),  das  in  unseren  Akten  21  mal 
begegnet,  darunter  mit  vier  Fällen  gleich  im  ersten  Jahre.  Den  ersten  dieser 
Verträge  schließt  Obertus  Spinola  am  11.  Juli  1160  mit  Wilhelm  Fischaug 
(Oculus  Piscis)  ab^);  dieser  verspricht  mit  dem  Gesellschaftskapital  von  501. 
Jan.  »laboratum  apudSetam«  zu  gehen;  die  Rückreise  soll  nach  Genua  oder 
der  Provence  erfolgen  oder  Avohin  sonst  das  Schiff  nach  Mehrheitsbeschluß 
der  Mitreisenden  fahren  würde.  Falls  Bonusvassallus  de  Mastaro ,  der 
ebenfalls  mitreist,  seine  Zustimmung  dazu  gibt,  darf  er  unterwegs  mit  dem 
Gesellschaftskapital  noch  weitere  Sozietätsverträge  eingehen;  im  übrigen 
soll  er  für  Handelsgeschäfte  bezüglich  seiner  Rückreise  an  briefliche  Wei- 
sungen, soweit  ihn  solche  erreichten,  gebunden  sein.  Die  anderen  drei 
Kontrakte  dieses  ersten  Jahres  rühren  aus  dem  September  her^),  und  es 
ist  bemerkenswert,  daß  wir  in  einem  derselben  dem  Nuvolonus,  dem  Bruder 
des  Gesandten  von  1161,  begegnen,  der  demThebald  von  Savona  für  die  Fahrt 
nach  Genta  »et  quo  major  pars  sociorum  concordaverit«  80  1.  jan.  anver- 
traut, die  seinem  Schwiegersohn  Angelerius  gehörten.  Im  folgenden  Jahre, 
dem  Jahre  der  Gesandtschaftsreise  des  Ottobonus,  ist  eine  ganze  Reihe  von 
Verträgen  für  die  gleiche  Fahrt  ebenfalls  im  September  abgeschlossen 
worden ;  wir  lernen  aus  ihnen  die  Schiffe  des  Tantus  und  Nicola  Aguxinus 
als  an  der  Fahrt  beteiligt  kennen  und  erfahren,  daß  ihre  Rückkehr  für 
den  folgenden  Sommer  in  Aussicht  genommen  war.  ■*)  Ich  hebe  unter  diesen 
Verträgen  nur  den  hervor,  den  Bonus  Johannes  Malfuaster  am  21.  Sept. 
1161  mit  Ribaldus  de  Costa  abschloß ;  während  dieser  als  tractator  wie  üb- 
lich die  Hälfte  beitrug,  legte  er  62  1.  2  sol.  ein  und  vertraute  seinen  Sohn 
mit  einem  Kapital  von  33  1.,  das  besonders  zu  verwalten  war,  der  Fürsorge 
und  dem  Rate  des  Ribaldus  an.  Auch  sei  erwähnt,  daß  Guilelmus  Buronus 
und  Ido  Mallonus  gelegentlich  einer  anderen  Abmachung  erklären,  bei  Gui- 
lelmus Ehe  in  Genta  6  1.  jan.  stehen  zu  habend),  was  auf  dauernde  An- 
wesenheit von  genuesischen  Geschäftsleuten  an  diesem  Platze  schließen  läßt. 


*)  Über  Ceuta  vgl.  L'Afrique  septentr.  au  Xlle  siecle  de  notre  ere  d'apres  le 
Kitab-el-Istibqar,  trad.  par  E.  Fagnan.  Constantine  1900  (Reo.  des  Notices  et  möm. 
de  la  Sog.  archöol.  du  döp.  de  Constantine;  annee  1899)  p.  47  f. 

=*)  Chart.  II  no.  911. 

3)  No.  980  (für  a  presetam  ist  aput  setam  zu  lesen),  984,  988. 

*)  No.  1103.     Im  übrigen  vgl.  no.  1117—1119. 

»)  No.  1127,  1115. 


282  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Ceuta  war  indessen  nicht  immer  der  Endpunkt  dieser  Handelsfahrten ; 
die  Genuesen  fuhren  auch  über  die  Straße  von  Gibraltar  hinaus  nach  der 
Westküste  Marokkos.  Saleh  ^),  die  blühende  Residenz  des  Sultans,  einst  die 
südwesthchste  Stadt  des  römischen  Kaiserreichs,  rechts  von  der  Mündung 
des  Bu  Regreg  gelegen,  in  den  die  Handelsschiffe  mit  der  Flut  einzufahren 
pflegten,  erscheint  in  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  als  das  Hauptziel  ge- 
nuesischer Geschäftsspekulationen  ;  von  hier  aus  war  Fez  in  vier  Tagereisen 
zu  erreichen.  Es  ist  sicher  nicht  ganz  zufällig,  daß  der  erste  der  Gesell- 
schaftsverträge, der  Saleh  ausdrücklich  als  Ziel  nennt,  von  dem  Gesandten 
des  Jahres  1161  abgeschlossen  ist;  am  13.  Juni  1162  hat  Ottobonus  dem 
Lanfrancus  Pes  Caballi  Waren  im  Wert  von  50  1.  jan.  für  die  Fahrt  nach 
Saleh  und  weiter,  wohin  es  ihn  gut  dünken  würde,  übergeben,  während  er 
für  eine  andere  Commenda  von  40  arabischen  Goldstücken  (messemutini) 
und  Waren  im  Werte  von  18  1.  8I/3  sol.,  die  er  am  22.  Juli  dem  Bonus 
Johannes  Bucius  anvertraute,  als  Reiseroute  Ceuta  und  zurück  vorschrieb.  2) 
Während  diese  Fahrt  wohl  Ende  Juli  oder  Anfang  August  angetreten  wurde, 
ging  ein  anderes  Schiff  noch  im  Oktober   dieses  Jahres  nach  Ceuta  ab.  3) 

Im  Jahre  1163  erscheint  Saleh  in  unseren  Akten  als  das  Hauptziel 
der  Marokkofahrt,  auf  das  sich  zehn  in  dem  kurzen  Zeitraum  vom  15.  bis 
26.  September  aufgenommene  Verträge  beziehen.  Selbstverständlich  wurde 
Ceuta  unterwegs  angelaufen,  und  auch  an  der  Westküste  Marokkos  wird 
Saleh  schwerlich  der  einzige  Platz  geblieben  sein,  der  von  den  Genuesen 
auf  dieser  Reise  besucht  wurde.  Darauf  deutet  bei  der  Bezeichnung  des 
Reiseziels  einmal  der  mehrfach  sich  findende  Beisatz :  »Säle  aut  quo  iverit«, 
zweitens  der  Umstand,  daß  das  spezielle  »Säle«  öfter  mit  dem  allgemeinen 
»Gharb«  (=  Marokko)  wechselt,  und  zwar  ohne  daß  etwa  an  ein  anderes  Reise- 
ziel gedacht  werden  könnte,  da  beide  Bezeichnungen  für  die  Fahrt  mit  ein 
und  demselben  Schiffe  gebraucht  werden.  4)  Zwei  Schiffe  können  wir  für 
die  Marokkofahrt  dieses  Herbstes  nachweisen,  das  des  Marchio  Englesii, 
auf  das  sich  indessen  nur  ein  Vertrag  in  unseren  Akten  bezieht  5),  und  das 
des  Rufinus.  An  der  Fahrt  des  letzteren  finden  wir  u.  a.  wiederum  Otto- 
bonus und  seine  Sippe  interessiert;  als  sein  Bevollmächtigter  übergab  Nuvo- 
lonus  diesmal  seinem  Sozius  vom  vorhergehenden  Jahre,  Lanfrancus,  den 
doppelten  Betrag  (100  1.  jan.)  in  Commenda,  und  Rainaldus  Strugno  erhielt 
von  Angelerius  de  Camilla  105  1.  17  sol.  in  Waren  und  47  Goldstücke  (ma- 
rabutinos)  anvertraut,  während  dieser  zusammen  mit  seinem  Schwiegervater 

^)  Über  seine  Lage  und  die  des  phönizischen  Sala  sowie  über  die  heutige 
Doppelstadt  Saleh-Rabat  vgl.  Fischer  Th.,  Wissenschaftliche  Ergebnisse  einer  Reise 
im  Atlas- Vorlande  von  Marokko  (1899).  Erg.-Heft  no.  133  der  Petermannschen  Mit- 
teilungen. Gotha  1900,  S.  38  f.,  44,  48  f.  und  Tafel  4 ;  dazu  Edrisi,  Afrique  et  Esp. 
p.  83,  86.     Kitab-el-Istib9ar  1.  c.  52  f. 

'^)  No.  1165,  1171.     Vgl.  no.  1172  u.  1174  (wo  für  sextam  zu  lesen  ist  septam). 

3)  No.  1192/93  (3.  Oktober). 

*)  No.  1319:  >quas  in  navi  Rufini  portat  in  Garbo«,  und  no.  1338:  »in  navi 
Rufini  .  .  .  apud  Säle  vel  quo  ierit.«  Damit  ist  auch  die  Bedeutung,  die  man  spe- 
ziell in  Genua  damals  mit  dem  Begriff  »Garbum«  verband,  festgestellt.  An  sich 
bezeichnet  der  Ausdruck  ja  nur  das  lAbendland*  des  Islam;  in  den  Landschafts- 
namen El  Gharb  (nordwestlich  von  Fez)  und  Algarve  (Südprovinz  von  Portugal)  hat 
er  sich  lokalisiert  bis  heute  erhalten.  Daß  die  von  den  Italienern  eingeführte  Wolle 
aus  Algarve  kam,  wie  Schulte  I,  129  annahm,  hat  er  mittlerweile  selbst  berichtigt 
(Garbo  und  Florenz  in  Z.  f.  Staatsw.  58,  1902  p.  39—47). 

6)  No.  1314. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         283 

versprach,  die  Waren,  die  Rainald  in  Genua  zurückließ  oder  noch  zu 
erwarten  hatte,  in  Verwahrung  zu  nehmen  und  bestens  für  ihn  zu  ver- 
werten. 1) 

Auch  für  das  folgende  Jahr  1164  enthalten  unsere  Akten,  obwohl  sie 
den  September  nicht  mehr  mit  umfassen,  noch  einige  Daten  für  die  Ma- 
rokkofahrt. So  führt  Martinus  de  Mari  nach  einem  Vertrage  vom  4.  August 
ein  Kapital  von  120  l.jan.  für  die  bevorstehende  Geschäftsreise  »apud  Sep- 
tam  et  quo  maluerit«  mit  sich;  am  8.  August  wird  ein  Seedarlehn  für  die 
Fahrt  nach  Tunis  oder  dem  Gharb  und  zurück  aufgenommen,  und  ein  Ver- 
trag vom  10.  August  über  eine  Handelsfahrt  nach  Alexandrien  läßt  für  die 
Rückreise  die  Wahl  zwischen  den  Zielen :  Bugia,  Ceuta,  dem  Gharb  und 
Spanien  offen.  2)  Zur  Ergänzung  dieser  Nachrichten  kann  es  dienen,  daß 
noch  im  selben  Jahre  ein  von  Ceuta  kommendes  genuesisches  Schiff  bei 
Asinaria  (nordwestlich  von  Sardinien)  Schiffbruch  litt  und  von  den  Pisanern 
aufgebracht  wurde,  während  in  den  beiden  folgenden  Jahren  drei  »de  Garbo« 
kommende  genuesische  Schiffe  einzeln  eine  Beute  der  Pisaner  wurden ; 
zwei  davon  wurden  an  der  Küste  von  Süd-Frankreich  abgefangen,  das  dritte 
wurde  super  caput  Albi  gekapert  3) ;  mit  einem  fast  gleichzeitig  erbeuteten 
Schiff,  das  die  Genuesen  mit  Waren  nach  Sardinien  gesandt,  repräsentierte 
es  einen  Wert  von  über  8000  1.  pis.  Genua  befand  sich  ja  seit  1162  im 
Kriegszustand  mit  Pisa,  und  es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  der  Handel 
mit  den  Sarazenen  des  Westens  trotzdem  seinen  Fortgang  nahm,  ja  gerade 
in  dieser  Zeit  erst  recht  aufblühte,  während  der  Levantehandel  in  den  beiden 
ersten  Kriegsjahren  den  Genuesen  von  ihrer  Regierung  verboten  wurde. 

220.  So  wertvoll  uns  die  Akten  des  Johannes  Scriba  für  die  Kenntnis 
der  genuesischen  Marokkofahrten  dieser  Zeit  sind,  über  die  Waren,  die  den 
Gegenstand  dieses  Handels  bildeten,  erhalten  wir  nur  unzureichenden  Auf- 
schluß. Nach  Ceuta  (und  ev.  weiter)  gehen  im  Sommer  1162  zehn  Zentner 
Kupfer,  deren  Wert  einschließlich  der  Fracht  auf  16 V2  1-  ja^n.  taxiert  wird; 
ebendahin  zur  selben  Zeit  als  Commenda  des  Ottobonus  28 1/2  Scheffel  (minae) 
fegie*)  (?).  Im  Herbst  1160  führt  Botarolius  neben  anderen  Waren  vier 
Teppiche  von  Bagdad  (panni  deBagadello)  in  Commenda  mit  sich 
nach  Ceuta,  während  im  folgenden  Jahre  der  Reeder  Tantus  dem  Mitrei- 
senden Ugo  Lupi  für  ein  Seedarlehn,  das  er  ihm  in  Ceuta  mit  300  bizantii 
messemutini  zu  erstatten  hatte,  10  Pfund  S  a  f  r  a  n ,  II/2  Unzen  Moschus  und 
ein  Quantum  Perlen  als  Pfand  bestellte.  Die  mit  100  1.  jan.  bewertete 
Commenda,  die  Guilelmus  Licius  im  Herbst  1163  neben  eigenen  Waren  von 
Wilelmus  Filardi  zum  Transport  nach  Saleh  übernahm,  bestand  außer  aus 
Safran  noch  aus  Gummilack,  Salmiak  (nixadra)  und  Auripigment.^) 
Unter  den  abendländischen  Exportartikeln  begegnen  wir  also  auch  hier 
neben  Metallen  dem  hochbewerteten  und  leicht  zu  transportierenden  Safran ; 
daneben  aber  sehen  wir  die  Waren  der  Levante  bei  diesem  Handel  der  Ge- 
nuesen eine  sehr  bemerkenswerte  Rolle  spielen. 

Über  die  aus  Marokko  zur  Ausfuhr  gelangenden  W^aren  gibt  uns  das 
Notularium  nur  eine  einzige  Notiz;  am  15.  August  1164  wird  erwähnt,  daß 

»)  No.  1331,  1319—1321,  1333.     Außerdem  no.  1329,  1334,  1338,  1312. 

2)  No.  1475,  1485,  1487. 

')  Ann.  genov.  I,  170 ;  ann.  pis.,  SS.  XIX,  253  f.  Capalbi  lag  im  NW.  Sardiniens. 

*)  Chart.  U  no.  1172,  1171.  »)  Ib.  no.  980,  1124,  1312.  Nixadra  ist  jedenfalls 
das  arabische  nüchädar,  das  huxader  in  Serapions  Lib.  de  simplici  medicina ;  Journ. 
asiat.,  8. 10,  V  (1905),  539. 


284  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

bei  Ansaldo  Ite  2V2  Zentner  Indigo  vonCeuta  lagerten i);  aber  ist  unsere 
Quelle  hier  auch  stumm,  so  dürfen  wir  doch  mit  Sicherheit  annehmen,  daß 
die  Produkte  der  Viehzucht,  Häute,  FeUe  und  Wolle,  den  Hauptteil  dieser 
Ausfuhr  gebildet  haben  werden. 

221.  Häufiger  noch  als  Ceuta  erscheint  im  Notularium  des  Johannes 
der  Handelsplatz  Bugia,  dessen  damalige  Bedeutung 2)  der  des  heutigen 
Algier,  von  dem  es  etwa  25  Meilen  östlich  liegt,  entsprach;  von  En-Nacer 
1067  gegründet,  war  es  1090  zur  Hauptstadt  der  Hammaditen  erhoben  worden. 
Nur  120  Meilen  in  direkter  Linie  über  See  von  Genua  entfernt,  war  kein 
nennenswerter  Hafen  Nord-Afrikas  von  hier  aus  rascher  und  leichter  zu  erreichen 
als  dieser,  zumal  während  eines  langen  Teiles  der  Fahrt  die  Inseln  Korsika 
imd  Sardinien  in  geringer  Entfernung  blieben.  Von  den  36  Nummern,  die 
sich  über  die  Jahre  1156 — 1164  verteilen,  hebe  ich  hauptsächlich  diejenigen 
heraus,  die  bestimmtere  Angaben  über  den  Warenaustausch  enthalten. 

Unter  den  Artikeln,  die  die  Genuesen  nach  Bugia  exportierten,  wird 
am  häufigsten  Baumwolle  erwähnt,  die  jedenfalls  überwiegend  aus  Sizilien 
kam.  Im  Herbst  1158  führt  Lambertus  de  Balneo  53^/4  1.  jan.  seines  Sozius 
Wilelmus  de  Rufino  mit  sich,  die  »in  bombacis«  angelegt  sind,  und  zur  selben 
Zeit  schließt  Raimund  von  Nervi  für  seine  Handelsreise  nach  Bugia  mit 
Ismael  und  Surleon  eine  Handelsgesellschaft,  bei  der  diese  13,  er  selbst 
7  Sack  Baumwolle  einlegen. s)  Flachs  exportierte  im  Sommer  1161  An- 
fossus  Nata  nach  Bugia^);  außer  seinem  eigenen  Anteil  führte  er  40  seinem 
Verwandten  Blancardus  gehörige  »chilmas  lini«  mit  sich;  den  Erlös  aus  seinem 
eignen  Flachse  hatte  er  mit  dem  doppelten  Betrage  aus  dem  Erlöse  des 
Blancardschen  Flachses  zu  einem  Gesellschaftskapital  zu  vereinigen  und  sich 
beim  Wareneinkauf  an  den  Beirat  des  Bonus  Johannes,  der  Sozius  Blancards 
in  Bugia  war,  zu  halten.  Den  Überschuß  aus  dem  Erlöse  der  Ware  Blan- 
cards hatte  er  abgesondert  anzulegen. 

Außer  diesen  Rohstoffen  finden  wir  im  Jahre  1164  einen  Betrag  von 
44  1.  in  Garnstoffen  (in  c  a  n  a  p  i  c  i  i  s),  die  nach  Bugia  gingen,  angelegt ;  und 
am  16.  April  1161  übergibt  Wilelmus  Mallonus  dem  Bonus  Johannes  Ler- 
carius  zum  Verkaufe  in  Bugia  10  Stück  spanischer  Leinwand  (detelalspa- 
n  i  e)  in  Länge  von  43  Ellen  sowie  94  Pfund  Seide,  die  zusammen  auf  32  1. 
jan.  Wert  geschätzt  wurden.  0)  Als  im  Sommer  1164  Bonus  Johannes  als 
Zollschreiber  nach  Bugia  ging,  legte  er  21  1,  8  sol.  jan.  in  silbernen  Gefäßen 
(in  enapis  argenteis)  an,  die  er  daselbst  zu  verwerten  gedachte;  gleich- 
zeitig nahm  er  von  Wilelmus  Ventus  6  Zentner  85  Pfund  Pfeffer  zum  Ver- 
kaufe in  Bugia  mit;  als  Entgelt  für  seine  Mühe  durfte  er  sich  von  dem  Er- 
löse des  Pfeffers  die  gleichen  Gewinnprozente  zurückbehalten,  wie  er  sie 
von  seiner  eigenen  Anlage  erzielen  würde.  Außerdem  hatte  er  15^/2  By- 
zantien  abzusondern  und  zum  Nutzen  des  Johannes  Scriba  (also  unseres  No- 
tars selbst)  anzulegen.  ^)  Pfeffer  begegnet  noch  ein  zweites  Mal  in  einer  Com- 
menda  für  Bugia  von  25  1.  11 V2  sol.,  die  außerdem  noch  in  Azurblau  (azurio), 
Röhrenkassie   (caxia  fistula)  und  Muskatnüssen  angelegt  war.'^) 


1)  Nr.  1497. 

2)  Edrlsi,  Afrique  p.  104  f.     Kitab-eMstib9ar  1.  c.  p.  35  f. 

3)  Chart,  n  no.  778  und  779  (13.  Oktober);  weiteres  Beispiel  826. 
*)  No.  1065  (10.  Juli). 

»)  No.  1443  (30.  Juni) ;  1031. 

*)  >pro  alfanetis  (?)  eins  quas  habuit  ipse  W.« ;  no.  1436  (23.  Juni). 

')  No.  778. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         285 

So  begegnen  wir  also  auch  hier  nicht  selten  Waren,  die  aus  der  Le- 
vante oder  dem  arabischen  Spanien  kamen  und  den  Umweg  über  Genua 
machten,  um  nach  Bugia  zu  gelangen ;  andererseits  vermittelten  genuesische 
Kaufleute  in  großem  Umfange  den  Handelsverkehr  zwischen  Bugia  und  dem 
nahen  Sizilien. 

Unter  den  Artikeln,  die  von  Bugia  aus  in  Genua  eingeführt  wurden, 
treten  uns  Alaun,  Kalb-  und  Schafleder,  Wachs  und  Gold  entgegen.  Der 
Erlös  jener  aus  spanischer  Leinwand  und  Seide  bestehenden  Commenda 
sollte,  je  nachdem  am  meisten  Gewinn  zu  erzielen  war,  in  Wachs,  Alaun 
oder  Gold  angelegt  werden i);  und  als  der  neuernannte  Zollschreiber  von 
Bugia  im  Sommer  1164  Genua  verließ,  lagerten  daselbst  als  Eigentum  der 
Handelsgesellschaft,  die  er  mit  Blancard  hatte,  noch  107 2/3  Kantar  Alaun 
sowie  feines  Kalbs-  und  Schafleder  (de  becunis)  im  Werte  von  19  1.  8  sol. 
1  den.  Blancard  schoß  auf  diese  Waren  148  1.  13  sol.  vor;  dieser  Betrag, 
auf  200  1.  ergänzt,  bildete  nun  das  neue  Kapital  der  Gesellschaft,  das  der 
Zollschreiber  ganz  nach  seinem  Ermessen  in  Bugia  zu  Handelszwecken  zu 
verwerten  hatte.  2) 

Dieser  »scriba  Buzee«  Bonus  Johannes  ist  der  erste  abendländische  Funk- 
tionär, den  wir  in  einem  sarazenischen  Lande  mit  Namen  nachweisen  können. 
Aus  späterer  Zeit  wissen  wir,  daß  die  Sarazenen  an  den  Duanen  größerer 
Handelsplätze  Sekretäre  der  christlichen  Handelsnationen  zuließen,  deren 
Aufgabe  es  war,  den  Geschäftsverkehr  am  Zoll  zu  überwachen  und  ihre 
Landsleute  vor  Übervorteilungen  zu  schützen ;  in  Bugia  war  das  Vorhanden- 
sein eines  solchen  Beamten  schon  deshalb  erforderlich,  weil  hier  1/5  des  von 
den  Genuesen  zu  entrichtenden  Wertzolls  für  die  Kommune  Genua  erhoben 
wurde.  Kein  Zweifel,  daß  die  scribania  Buzee  mit  ihren  besonderen  Ein- 
künften und  diesem  Anteil  am  Zollertrage  verpachtet  war ;  die  Stelle  mochte 
um  so  begehrenswerter  erscheinen,  als  der  Zollschreiber,  wie  wir  gesehen 
haben,  seinen  eigenen  Handelsgeschäften  3)  dabei  nachgehen  durfte,  bei  denen 
ihm  seine  amtliche  Stellung  wesentlich  zustatten  kommen  mußte. 

Daß  Bugia  auch  von  Alexandrien  und  Syrien  her  direkt  von  genuesi- 
schen Schiffen  besucht  wurde,  wissen  wir  schon ;  wenn  es  sich  lohnte,  Pfeffer 
von  Genua  aus  nach  Bugia  zu  importieren,  so  mußte  der  direkte  Import 
sich  noch  weit  gewinnbringender  gestalten.  Nach  der  Natur  der  Akten,  aus 
denen  wir  unsere  Kenntnis  schöpfen,  können  wir  von  diesem  Zwischenhandel 
nur  zufälhg  und  gelegentlich  eine  Kunde  erwarten.  Auch  von  westlich 
gelegenen  Plätzen  aus  kamen  genuesische  Schiffe  nach  Bugia;  ein  Fall  dieser 
Art  ist  uns  für  die  Insel  Iviza  bezeugt.^) 

222.  Erheblich  seltener  als  Bugia  begegnet  Tunis  in  unseren  Akten, 
nur  mit  19  Nummern,  von  denen  7  auf  die  letzte  Zeit  der  Beni  -  Khorasan 
entfallen,  die  im  Jahre  1159  dem  Eroberer  Abd-el-Mumen  weichen  mußten. 
Von  diesen  7  betreffen  4  die  Aufbringung  eines  Lösegeldes  von  etwa  80  By- 
zantien,  das  für  die  Genuesen  Drudo  und  Bonus  Johannes  Sagonis  verlangt 
wurde,  die  in  Tunis,  wir  wissen  nicht  aus  welchem  Grunde,  gefangen  gehalten 


>)  No.  1031. 

2)  No.  1440  (28.  Juni). 

')  Auch  der  scriba  Ogerius  iiatte  ihm  in  Genua  eine  Commenda  von  10  1. 
Jan.  übergeben  und  es  ganz  seinem  Ermessen  überlassen,  ihm  aus  dem  Ertrage 
derselben  von  Bugia  aus  Waren  zu  übersenden  oder  sie  zu  weiterer  Verwertung 
bis  zu  seiner  Rückkehr  zu  behalten.     No.  1433  (19.  Juni  1164). 

*)  No.  1487,  484 ;   1296. 


286  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

wurden;  verschiedene  Personen  verbürgen  sich  im  Mai  1156  dafür,  dem 
Bonifacius  de  Segnorando,  wenn  er  die  Auslösung  in  Tunis  bewirkte,  be- 
stimmte Anteile  der  Entschädigungssumme  nach  seiner  Rückkehr  mit  10  sol. 
Jan.  auf  den  Byzantius  zu  ersetzen.  Derselbe  Bonifacius  ist  auch  im  fol- 
genden Jahre  mit  einem  Gesellschaftskapitale  von  224  1.  jan.  nach  Tunis 
gegangen,  i) 

Die  Umwälzung  scheint  dann  eine  fast  vollständige  Stockung  des  ohne- 
hin damals  nicht  sehr  belangreichen  Verkehrs  der  Genuesen  mit  Tunis  her- 
beigeführt zu  haben;  aus  den  drei  Jahren  1159 — 1161  bezieht  sich  nur  ein 
Vertrag  auf  diesen  Verkehr.  2)  Erst  infolge  der  glücklichen  Mission  des 
Ottobonus  trat  hierin  ein  Wandel  ein,  so  daß  für  die  Jahre  1162 — 1164  noch 
elf  den  Handel  mit  Tunis  betreffende  Verträge  zu  verzeichnen  sind.  Be- 
merkenswert ist  unter  ihnen  besonders  eine  Commenda  von  Indigo  im 
Werte  von  35  1.,  die  Obertus  von  Lucca  aus  dem  Kapital  der  Gesellschaft, 
die  er  mit  Bartolomeus  Ususmaris  hatte,  dem  Reeder  Bonifacius  CoUo  im 
Herbst  1162  für  die  Fahrt  nach  Tunis  anvertraute,  und  eine  andere  im  Werte 
von  41  1.  6  sol.  jan.  vom  Oktober  1163,  die  in  Seide  und  Papyrus  (in  seta  et 
papiris)  bestand,  in  Artikeln  also,  die  wohl  beide  aus  Spanien  kamen.^) 

Für  die  östlich  von  Tunis  gelegenen  Handelsplätze  weisen  unsere  Akten 
im  ganzen  noch  neun  Nummern  auf.  In  zwei  derselben  ist  die  Berberei 
im  allgemeinen  (Barbaria)  als  Ziel  der  Handelsfahrt,  die  in  dem  einen 
Falle  zuerst  nach  Sardinien  geht,  bezeichnet *);  in  drei  anderen  ist  Gab  es 
an  der  Kleinen  Syrte,  dessen  Hauptindustrie  damals  in  der  Herrichtung  von 
Häuten  für  die  Ausfuhr  bestand  s),  während  es  früher  besonders  kostbare 
Seide  und  schöne  Seidenstoffe  produzierte,  das  nächste  Ziel.  Vier  Verträge  end- 
lich beziehen  sich  auf  T  r  ip  o  li.  ß)  Auch  hier  gehört  einer  noch  der  Zeit  der  sizi- 
lischen  Herrschaft  an ;  von  besonderem  Interesse  aber  ist  der  letzte  derselben, 
weil  er  uns  einmal  —  bei  der  Art  dieser  Kontrakte  natürlich  eine  große  Selten- 
heit —  einen  sarazenischen  Kaufmann  in  seinen  geschäftlichen  Beziehungen 
zu  einem  Genuesen  zeigt.  Xecha  Bohahia  (Abu  Jahya)  von  Tripoli  hatte 
dem  Genuesen  Amico  Zostro  einen  Geldbetrag  (40  bisantii  roxaldini  und 
10  tripulati)  anvertraut,  den  dieser  dem  Bruder  oder  Sohne  Xechas,  die  sich 
des  Handels  wegen  in  Sizilien  aufhielten,  übergeben  sollte.  Amico  hatte 
den  Betrag  wohl  einer  dritten  Person  übergeben;  jedenfalls  erklärte  Xecha, 
daß  die  Ablieferung  nicht  erfolgt  sei,  und  verlangte  die  Summe  von  Amico 
zurück.  Um  ihn  zu  befriedigen,  schickte  Amico  am  22.  Juli  1164  6  Kaiitär 
Kupfer  (rame)  nach  Tripoli,  aus  deren  Erlös  Baldezonus  Grassus,  dem  die 
Beförderung  übergeben  war,  Zahlung  zu  leisten  hatte,  falls  Xecha  bei  Allah 
schwor  (si  sub  lege  sua  promiserit),  weder  mündhch  noch  schriftlich  von 
der  Ablieferung  jener  Summe  in  Sizilien  in  Kenntnis  gesetzt  zu  sein  und 
nach  erfolgter  Begleichung  den  Amico  und  seine  Landsleute  wegen  dieser 
Schuld  nicht  weiter  behelligen  zu  wollen.  Sollte  Xecha  indessen  anerkennen, 
daß  die  Summe  mittlerweile  abgeliefert  sei,  so  hatte  Baldezonus  den  Erlös  in 
Waren  anzulegen  und  diese  auf  Amicos  Gefahr  nach  Genua  zu  schaffen. 


1)  No.  310— 312;  434. 

^)  No.  981  (9.  September  1160). 

3)  No.  1189  und  1345.      Über  die  Papierfabrikation  in  Spanien    s.  Blanchet- 
47  f. 

*)  No.  1026  (9.  März  1161);  1198  (6.  Oktober  1162). 

0)  Edrist,  Afr.  et  Esp.  p.  124.     Kitab-el-Istib9ar  1.  c.  p.  7. 

8)  No.  410  (6.  Juni  1157),  987,  1450,  1457. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         287 

223.  Die  lebhafte  Handelstätigkeit  der  Genuesen  im  Reiche  der 
Almohaden,  von  der  uns  die  Akten  des  Notars  Johannes  ein  für 
diese  Zeit  ungewöhnlich  deutliches  Bild  geben,  dauerte  auch  in  der 
folgenden  Zeit  ohne  erkennbare  Unterbrechung  fort. 

Was  der  besondere  Zweck  der  Gesandtschaften  des  Grimaldus  und 
des  Otto  de  Caffaro,  die  1169  und  1170  aus  Marokko  zurückkehrten i),  ge- 
wesen sein  mag,  wissen  wir  freilich  nicht;  vermutlich  hingen  sie  mit  dem 
damaligen  genuesisch-pisanischen  Kriege  zusammen,  der  die  Gegner  ver- 
anlaßte,  sich  auch  an  den  Küsten  des  Almohadenreiches  aufzusuchen.  2)  Im 
Jahre  1176  ist  der  Vertrag  von  1161  wahrscheinhch  auf  weitere  15  Jahre 
gerade  so  erneuert  worden,  wie  es  nach  abermals  15  Jahren  im  Jahre  1191 
geschah,  als  Genua  den  Wilelmus  Zerbinus  und  Obertus  de  Nigro  nach 
Marokko  sandte.  3)  Der  Gesandtschaft  des  Nicolaus  Mallonus  und  Enricus 
Detesalve,  von  denen  der  erstere  in  Marokko  starb,  gelang  das  gleiche  im 
Jahre  1208  nur  für  einen  Zeitraum  von  zwei  Jahren,  nach  deren  Ablauf 
Lanfranchus  de  Turcha  die  Mission  übernahm.  4)  Die  damals  bestehende 
Spannung  äußerte  sich  auch  darin,  daß  der  Kaid  von  Oran  kurz  zuvor  eine 
Galeere  von  einem  an  der  spanischen  Küste  gegen  Pisaner  und  Marseiller 
kreuzenden  genuesischen  Geschwader,  die  ein  Sturm  an  Land  zu  gehen  ge- 
nötigt hatte,  festhielt  5);  doch  hatte  Lanfranchus  schließlich  Erfolg,  und  noch 
1223  wurde  der  bestehende  Vertrag  der  Gesandtschaft  des  Henricus  Mola- 
zanus  und  Nicolaus  Embronus  erneuert.  6) 

Wie  früher,  so  blieb  auch  jetzt  der  Handelsverkehr  der  Genuesen  in 
besonderer  Stärke  den  westhchen  Teilen  des  Almohadenreiches,  insbesondere 
Ceuta,  zugewandt ;  es  ist  bezeichnend,  daß  auch  die  Damen  der  genuesischen 
Aristokratie  sich  an  den  Handelsspekulationen,  die  diesen  Platz  betrafen, 
beteiligten:  Adele,  die  Gemahlin  des  Oberto  Spinola,  und  die  Gemahlin  des 
Guglielmo  de  Fontana  Morosa  haben  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  dem 
Obertus  de  Monegio  10  und  25  1.  jan.  für  die  Fahrt  nach  Ceuta  in  Com- 
menda  gegeben.  '^)  Am  30.  Dezember  1206  erlitten  vier  genuesische  Schiffe, 
die  nach  Ceuta  fuhren,  unter  großem  Verlust  an  Menschenleben  und  Waren 
in  der  Gegend  von  Gibraltar  Schiffbruch  ^) ;  und  nicht  minder  ist  es  ein 
Beweis  für  die  Intensität  dieses  Verkehrs,  wenn  es  im  Jahre  1215  den  von 
den  lateinischen  Kolonisten  in  Konstantinopel  ausgerüsteten  Kaperschiffen 
gelang,  in  den  spanischen  Gewässern  ebenfalls  vier  genuesische  Schiffe,  die 
von  Ceuta  heimkehren  wollten,  abzufangen.  ^)    Auch  von  sarazenischer  Seite 

^)  Ann.  genov.  I  p.  228,  237 ;  von  Grimaldus  hebt  der  Annalist  Obert  be- 
sonders hervor  :   »sospes  rediitc,  was  zu  denken  gibt. 

2)  Seezüge  der  feindlichen  Seemächte  nach  dem  Gharb  1167;  ann.  genov.  I, 
202 ;  ann.  pis.  zu  1168.  Fortnahme  genuesischer  Handelsschiffe,  die  aus  Ceuta  oder 
Bugia  kamen,  ib.  zu  1172  und  1175  (ein  erbeutetes  von  Ceuta  kommendes  Schiff 
wird  auf  mehr  als  3000  1.  pis.  bewertet).     Ann.  genov.  I,  255  (1172). 

'^)  Ann.  genov.  n,  41. 

")  Ebd.  110,  116. 

")  Ebd.  115.  Der  Herausgeber  hat  mit  dem  caitus  Garant  nichts  anzufangen 
gewußt. 

«)  Ebd.  192. 

')  Doneaud  76  Anm.  21.  Quittungen  vom  2.  Januar  1198  über  Rückempfang 
des  Kapitals  mit  Gewinn. 

^)  Ann.  genov.  II,  104. 

»)  Ebd.  136. 


288  Zweiundzwanzigötes  Kapitel. 

engagierte  man  sich  mit  beträchtlichen  KapitaUen  an  diesen  Handelsfahrten 
der  Genuesen,  die  die  Einheimischen  immer  mehr  aus  dem  Seeverkehr 
großen  Stils  verdrängten;  als  am  11.  Oktober  1204  ein  furchtbarer  Sturm 
im  Hafen  von  Genua  wütete,  fiel  ihm  auch  das  Schiff  Falco,  das  im  Begriff 
war,  nach  Ceuta  zu  gehen,  »cum  magna  pecunia  Saracenorum«  zum  Opfer.i) 
Nach  wie  vor  vermittelten  die  Genuesen  auch  den  Verkehr  zwischen  diesem 
westlichsten  Punkt  des  Mittelmeers  und  dem  äußersten  Osten;  1194  bemäch- 
tigten sich  die  Pisaner  eines  genuesischen  Schiffes,  das  von  Ceuta  direkt 
nach  Alexandrien  segelte,  und  im  Jahre  1209  stieß  ein  pisanisches  Geschwader 
bei  der  Insel  Galita  auf  mehrere  genuesische  Schiffe,  die  von  Syrien  nach 
Ceuta  fuhren,  und  nahm  eins  derselben,  die  Stelleta.  2) 

Als  Genua  im  Jahre  1214  die  Verpachtung  staatlicher  Einkünfte  auf 
länger  als  ein  Jahr  gesetzlich  untersagte,  ließ  es  doch  für  die  besonders 
wichtigen  Zollschreiberstellen  an  den  Duanen  von  Ceuta  und  Bugia  (scri- 
bania  Septe  et  Buzee)  die  Verpachtung  auf  zwei  Jahre  zu.  ^)  Auch  der  christ- 
lichen Mission  diente  die  genuesische  Kolonie  in  Ceuta  als  Stützpunkt;  die 
Franziskanermönche,  die  in  Marokko  ihren  Märtyrertod  gefunden,  wurden 
1220  im  Vicus  der  Genuesen  zu  Ceuta  beigesetzt;  Fez  hatte  einen  christ- 
lichen Bischof,  und  christhche  Söldner  standen  in  beträchtlicher  Zahl  im 
Dienste  des  Sultans.  ■*) 

224.  Schon  aber  war  das  Reich  der  Almohaden  in  vollem  Zer- 
fall begriffen,  und  diese  Zeit  führte  auch  für  die  genuesische  Kolonie 
in  Ceuta  zu  einer  schweren  Krisis. 

Als  im  Jahre  1231  die  Genuesen  von  den  spanischen  Sarazenen,  spe- 
ziell von  dem  Beherrscher  von  Murcia,  geschädigt  wurden,  hatte  Genua  eine 
Flotte  von  10  Galeeren  und  5  Transportschiffen  (barchetae)  unter  Carbonus 
Malocellus  und  Nicolinus  Spinola  abgesandt,  die  in  Ceuta  um  so  besser  auf- 
genommen wurde,  als  dieses  selbst  von  dem  Herrn  von  Murcia  bedroht 
wurde.  5)  Als  zwei  Jahre  darauf  Jacobus  de  Marino,  wahrscheinlich  wegen 
des  inzwischen  im  Hause  der  Almohaden  eingetretenen  Regierungswechsels 
(El-Raschid  1232 — 1242  Nachfolger  El-Mamuns),  nach  Ceuta  kam,  hatte  sich 
hier  schon  ein  eigener  »Sultan«  der  Herrschaft  der  Stadt  bemächtigt,  der 
nicht  mehr  den  Almohaden,  sondern  den  König  von  Murcia  als  sein  Ober- 
haupt anerkannte.  6)  Im  Jahre  1234  erschienen  plündernde  Kreuzfahrer- 
schiffe (wohl  Basken,  Niederländer,  Engländer)  vor  der  Stadt.  7)  Da  sie  schon 
vor  Cadix  und  in  der  Meerenge  sich  gegen  die  Genuesen  feindlich  gezeigt 
hatten,  rüsteten  diese  zehn  ihrer  besten  Schiffe  in  Ceuta  kriegsmäßig  aus, 
die  sich  auch  am  Kampfe  gegen  die  Kreuzfahrer  beteiligten,  schließlich  aber 
nach  Malaga   entweichen   mußten.     In    seiner   Bedrängnis   wandte   sich   der 


^)  Ebd.  92.  Nicht  ohne  Interesse  ist  auch,  daß  die  einzigen  Juden,  die  Ben- 
jamin von  Tudela  in  Genua  erwähnt,  zwei  Juden  aus  Ceuta  sind;  I  p.  37. 

^)  Ann.  genov.  n,  49,  112. 

8)  Ebd    132. 

")  Heyd,  Afrika  655.  Mas  Latrie,  Doc.  p.  10.  Im  August  1237  nahm  der 
Bischof  für  Marokko,  D.  Vilascus  de  ordine  fratrum  minorum,  an  einer  kirchlichen 
Einweihungsfeier  in  Genua  teil ;  Chart.  I  no.  893  p.  1335. 

6)  Ann.  Jan.  SS.  XVIII  p.  177.     Heyd,  Afrika  655. 

*)  Ann.  Jan.  p.  181. 

')  Für  das  Folgende:  Ann.  jan.  des  Barthol.  Scriba  183  f.,  185.  Canale  II, 
348.  Amari:  Nuovi  ricordi  arabici  in  Atti  Hg.  V,  570  ff.  Heyd,  Afrika  655  ff.  Mas 
Latrie,  Introd.  82.     Manfroni  382  f.     Sieveking  I,  43  f. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         289 

Siiltan  nunmehr  nach  Genua  selbst  um  Hilfe,  indem  er  sich  erbot,  mindestens 
die  Hälfte  der  Kriegskosten  zu  tragen ;  und  in  der  Tat  schickte  Genua  sofort 
eine  Flotte  von  18  Galeeren  ab.  i)  Unterdessen  hatten  die  nach  Malaga  Ent- 
wichenen in  der  Nähe  von  Ceuta  Mannschaften  gelandet  und  so  die  Ver- 
teidiger der  Stadt  gestärkt ;  die  Flotte  der  Kreuzfahrer  aber  war,  ohne  weiteres 
Unheil  anzurichten,  abgezogen.  Als  nun  die  18  Galeeren  die  versprochene 
Zahlung  verlangten,  weigerte  sich  der  Sultan ;  es  kam  schließlich  zum  offenen 
Kampfe  und  die  Leute  des  Sultans  verbrannten  und  plünderten  in  ihrer 
Wut  die  Häuser  und  Magazine  des  genuesischen  Quartiers.  Daraufhin  er- 
klärte Genua  im  Jahre  1235  den  Krieg.  Da  der  Staat  aber  ohne  ausreichende 
Mittel  war,  so  übernahm  es  eine  Gesellschaft  von  Interessenten,  durch  Zeich- 
nung von  Anteilen  die  für  die  Ausrüstung  und  Bemannung  der  Schiffe 
sowie  für  die  Führung  des  Krieges  überhaupt  erforderhchen  Mittel  auf- 
zubringen, wogegen  ihr  aller  Gewinn,  der  nach  Ersatz  der  Schäden  von  der 
Unternehmung  übrig  blieb,  zufallen  sollte.  Dies  ist  die  Maona  von  Ceuta  ^), 
das  Vorbild  mancher  späteren  Bildung  ähnlicher  Art,  ein  Beweis,  wie  sehr 
man  auch  den  Seekrieg  oft  als  Handelsunternehmung  großen  Stils  auffaßte. 
Zum  Führer  wurde  Carbonus  Malocellus  erkoren ;  es  gibt  uns  eine  Vorstellung 
von  der  Bedeutung  der  Handelsinteressen,  die  hier  auf  dem  Spiele  standen, 
wenn  wir  hören,  daß  er  die  Stadt  mit  20  Galeeren,  70  großen  kriegsmäßig 
armierten  Handelsschiffen  und  30  kleinen  Schiffen,  abgesehen  von  den 
kleineren  Fahrzeugen,  blokierte.  Als  nun  Hugo  Lercari  noch  Belagerungs- 
türme auf  zusammengekoppelten  Schiffen  errichtete  und  von  ihnen  aus 
Steine  gegen  die  Mauern  und  in  die  Stadt  schleudern  ließ,  so  verstand  sich 
der  Sultan  zu  einem  Vertrage,-  der  den  Genuesen  vollen  Ersatz  der  erlittenen 
Schäden  und  aller  aufgewandten  Kosten  gewährte ;  zum  definitiven  Abschluß 
des  Friedens  sandte  Genua  1236  den  Surleonus  Piper  nach  Ceuta.  Den 
Genuesen  wurden  die  Zollerträge  Ceutas  in  bestimmter  Höhe  zur  Erhebung 
durch  besondere  Einnehmer,  die  sie  selbst  zu  bestellen  hatten,  überwiesen; 
die  Beträge,  auf  die  die  geschädigten  Genuesen  und  die  Mitglieder  der  Maona 
Anspruch  hatten,  waren  genau  registriert.  3)  Sicher  hat  die  Abzahlung  der 
Entschädigungssumme,  die  in  einer  allerdings  späteren  Quelle  auf  400000  Gold- 
stücke (Dinars)  angegeben  wird,  Jahre  in  Anspruch  genommen. 

Genua  hatte  so  für  einen  längeren  Zeitraum  die  vollständige 
Kontrolle  über  den  Schiffs-  und  Handelsverkehr  in  Ceuta;  es  blieb 
in  diesen  westlichen  Gewässern   in   jeder  Beziehung   die  herrschende 


*)  Am  21.  September  war  das  Geschwader  noch  in  Genua;  s.  den  Kontrakt 
bei  Ferretto  I,  224  A.  2. 

')  Von  dem  arabischen  ma'-ünah  =  Beihilfe ;  dann  =  Gesellschaft  zu  gemein- 
samen Unternehmungen.     Amari  p.  XXV. 

•■')  Zwei  Savonesen,  deren  Schiff  apud  Septam  per  Calculinos  (das  sind  doch 
wohl  Leute  im  Dienste  des  Sultans)  verbrannt  worden  war,  zedieren  ihren  Gläu- 
bigern in  Genua  alle  Rechte,  die  sie  haben  versus  regem  Septae  et  Saracenos  et 
universitatem  Septae  et  versus  collectores  qui  constituti  sunt  et  pro 
tempore  erun t  ad  coUigendum  bisancios  pro  res tauratione  dampni 
...  illati  Januensibus  apud  Septam.  Mas  Latrie  Doc.  p.  115  aus  den  Pan- 
dette  Richer.,  vom  26.  Febr.  1-236  oder  1237.  Eine  ähnliche  Zession  von  58  byz. 
aus  derselben  Quelle  bei  Sieveking  I,  44  (1236).  Ottobono  della  Croce  bestellt  am 
16.  Mai  1236  einen  Bevollmächtigten,  um  vom  Sultan  1516  byz.  für  Getreide  zu 
verlangen,  das  er  occasione  rixe  facte  inter  Christ,  et  Saracenos  apud  Septam  ge- 
liefert ;  Ferretto  I,  24  A.  1. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  19 


290  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Seemacht.  Zur  ständigen  Wahrnehmung  seiner  Interessen  bestellte 
es  auch  in  diesen  Hauptseeplätzen  des  Westens  Konsuln ,  die  für 
Ceuta  in  den  Jahren  1237  und  1239  positiv  nachweisbar  sind^);  für 
Bugia  kennen  wir  die  beiden  genuesischen  Konsuln  des  Jahres  1233,' 
Obertus  Mazarus  und  Johannes  de  Carmadino,  mit  Namen.^).  Die 
nach  Bugia  gehenden  Schiffe  pflegten,  namentlich  in  kriegerischen 
Zeitläuften,  mit  den  nach  Ceuta  bestimmten  zusammenzufahren  und 
ebenso  mit  ihnen  zusammen  heimzukehren;  im  Jahre  1242  wurde 
eine  solche  heimkehrende  Schiffskarawane  von  dem  kaiserlichen  Ad- 
miral  und  den  Pisanern  schwer  bedroht,  indessen  durch  eine  rasch 
ausgerüstete  Flotte  von  32  Galeeren  glücklich  heimgeleitet.^) 

225.  Weniger  dominierend  war  die  Handelsstellung  der  Genuesen  in 
Tunis,  wo  der  Wettbewerb  der  Pisaner  ein  besonders  starker  war.  Im  Jahre 
1200  wurde  das  große  genuesische  Schiff  Boccanera,  das  des  Handels  wegen 
vor  Tunis  lag,  von  Pisanern  angegriffen ;  zur  selben  Zeit  stellten  die  tunesischen 
Behörden  das  energische  Vorgehen  der  Genuesen  heimischen  Seeräubern 
gegenüber  den  Pisanern  als  Muster  vor  Augen.  4)  Für  die  Handelsbeziehungen 
Genuas  zu  Tunis  ist  namentlich  ein  Vorgang  aus  dem  Jahre  1223  lehrreich. 
Der  Genuese  Rainaldus  Archantus  hatte  in  Tunis  Waren  von  Christen  und 
Sarazenen  für  Spanien  geladen;  der  Gouverneur  von  Tunis  selbst,  Abu-l'Ola, 
hatte  ihm  für  diese  Handelsfahrt  eine  beträchtliche  Summe  Geldes  anvertraut. 
Da  das  Schiff  unterwegs  leck  wurde,  wandte  sich  Rainald  zunächst  nach 
Marseille.  Hier  aber  erwachte,  nach  dem  genuesischen  Annalisten  durch 
die  Marseiller  hervorgerufen,  bei  den  mitfahrenden  Sarazenen  der  Verdacht, 
Rainald  wolle  sie  töten  und  sich  ihrer  Habe  bemächtigen ;  sie  klagten  beim 
Podestä,  der  den  Rainald  gefangen  setzen  ließ  und  einen  Gesandten  mit 
der  Meldung  von  dem  Geschehenen  an  Abu-TOla  schickte.  Die  Genuesen 
aber  stachelten  die  Bewohner  von  Vintimiglia,  die  mit  Marseille  noch  in 
Feindschaft  lebten,  dazu  an,  sich  mit  ihren  zwei  Galeeren  im  Hafen  von 
Tunis  des  Schiffes  des  Marseiller  Gesandten  zu  bemächtigen.  Diese  Vor- 
gänge veranlaßten  den  Gouverneur,  die  Genuesen  in  Tunis  übel  zu  behandeln; 
doch  gelang  es  der  Mission  des  Gesandten  Simon  de  Bulgaro  und  des  Stadt- 
sekretärs Marchesius  ^),  die  Erneuerung  des  Friedensvertrages  und  die  Rück- 
gabe von  Fondaco,  Backofen  und  Bad  an  die  genuesische  Kolonie  in  Tunis 
zu  erwirken.  Schon  1227  begegnen  wir  dann  wieder  zwei  tunesischen  Sara- 
zenen, die  ihr  Recht  suchend  nach  Genua  gingen,  ß) 

Auch  als  sich  im  Jahre  1228  der  Hafside  Abu  Zakaria  in  Tunis  selb- 
ständig machte,  trat  dadurch  eine  Änderung  in  den  Beziehungen  Genuas 
zu  Tunis  nicht  ein.  Bald  sehen  wir  einen  Genuesen,  Oddo  Adelardi,  in  den 
Diensten  des  Hafsiden  stehen ;  durch  ihn  und  seinen  Landsmann  Simon  Mele 
hat  Gregor  IX.  im  Jahre  1235  mit  dem  Beherrscher  von  Tunis  verhandelt. '') 


')  Notiz  aus  dem  Index  foliat.  bei  Mas  Latrie,  Doc.  p.  115  Anm.  2. 

2)  Manduel  no.  45  (Blancard  I,  60) :  consules  constituti  apud  Bogiam    a  Pote- 
state  seu  comuni  vel  consilio  Janue. 

3)  Ann.  Jan.  p.  207. 
*)  Unten  §  228. 
*)  Des  Annalisten,    der  uns   diese  Dinge    erzählt;   ann.  genov.  II,  189  —  192 

Heyd,  Afrika  629. 

«)  Unten  §  230. 

'')  Mas  Latrie,  Doc.  p.  11. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord- Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         291 

Zum  Abschluß  eines  besonderen  Vertrages  mit  dem  Vertreter  des  neuen 
Herrschergeschlechts  kamen  die  Genuesen  erst  zwei  Jahre  nach  den  Pisanern; 
am  10.  Jmii  1236  gelang  dem  Gesandten  Conradus  de  Castro  der  Abschluß 
eines  solchen  auf  zehn  Jahre,  nachdem  im  Herbst  zuvor  der  Gesandte 
Guilelmus  de  Nigrono  wegen  Unwetters  unterwegs  umgekehrt  war.i)  Der 
Vertrag  scheint  im  wesentlichen  eine  Wiederholung  des  nicht  erhaltenen, 
durch  die  Vorgänge  von  1223  veranlaß ten  Vertrags  zu  sein,  da  sich  in 
manchen  seiner  Bestimmungen  ein  kaum  verhülltes  Mißtrauen  gegen  die 
Genuesen  ausspricht.  Zunächst  wurde  ihr  Handelsverkehr  auf  diejenigen 
Orte  beschränkt,  an  denen  sie  bisher  zum  Zwecke  des  Handels  zu  verkehren 
gewohnt  gewesen  (leider  werden  sie  nicht  genannt) ;  an  diesen  wurde  ihnen 
je  ein  allein  für  sie  bestimmtes  Fondaco  zugesichert;  an  allen  anderen  Orten 
aber  sollten  sie  nur  in  Fällen  dringender  Not  landen,  nicht  aber  Handel 
treiben  dürfen.  Ausdrücklich  wurde  ihnen  verboten,  in  einem  Hafen  oder 
an  der  Küste  des  Reiches  Angehörige  eines  Staates,  der  mit  Tunis  in  Frieden 
lebte,  zu  schädigen  oder  mit  Korsarenschiffen  an  der  Küste  zu  erscheinen ; 
Sarazenen  sollten  sie  auf  ihren  Schiffen  nicht  transportieren  dürfen.  Feind- 
lich gegen  Tunis  auftretende  Genuesen  sollten  von  Genua  gefangen  gesetzt 
und  ihr  Vermögen  zur  Deckung  des  angerichteten  Schadens  ausgeliefert 
werden;  dagegen  sollten  Unschuldige  wegen  solcher  Taten  nicht  haftbar 
gemacht  werden  dürfen.  Auch  bezüglich  der  Handelsabgaben  hatten  die 
Genuesen  einen  Rückgang  zu  verzeichnen;  der  frühere  Nachlaß  von  2% 
bestand  nicht  mehr;  sie  sollten  das  Gleiche  zu  bezahlen  haben  wie  die 
Pisaner.  Die  an  die  Dragomane  zu  entrichtende  Gebühr  wurde  auf  ^/a^/o 
fixiert;  alle  »turcimani  dogane«  bildeten  eine  Korporation,  derart,  daß  die 
von  Kauf  und  Verkauf  zu  entrichtenden  Gebühren  in  eine  gemeinsame 
Kasse  flössen  und  dann  erst  zur  gleichmäßigen  Verteilung  gelangten.  Für 
die  Bezahlung  aller  genuesischen  Waren,  die  an  der  Duane  zur  Versteige- 
rung kamen  oder  durch  Vermittlung  der  von  der  Duane  bestellten  Drago- 
mane verkauft  wurden,  war  die  Duane  verantwortlich. 

Auffällig  ist,  daß  Konsuln  der  Genuesen  in  dem  Vertrage  nicht 
erwähnt  werden;  dagegen  wird  jedem  einzelnen  Genuesen  das  persönliche 
Beschwerderecht  bei  Hofe  zugesprochen.  Von  den  Schiffen  der  Genuesen 
hatte  der  Herrscher  das  Recht,  gegen  Zahlung  der  Schiffsmiete  den  dritten 
Teil  für  seine  Dienste  in  Anspruch  zu  nehmen.  Eine  besondere  Vergünsti- 
gung für  die  Genuesen  war  es  endlich,  daß  sie,  wenn  Teuerung  in  Genua 
herrschte,  fünf  Schiffsladungen  mit  Lebensmitteln  unverzollt,  aber  gegen 
Kaution,  daß  sie  wirklich  nur  nach  Genua  gebracht  wurden,  ausführen 
durften ;  Voraussetzung  war  dabei ,  daß  der  Preis  des  Getreides  in  Afrika 
nicht  31/2  byz.  »pro  caffexeto«  überstieg,  also  in  Tunis  nicht  selbst  Mangel 
herrschte. 2) 

Wohl  zur  Bekräftigung  des  Friedens  kam  im  Jahre  darauf  eine  solenne 
Gesandtschaft  des  Königs  auf  einer  mit  Sarazenen  bemannten  Galeere 
nach  Genua. 

Wie  umfangreich  die  Interessen  der  Genuesen  in  Tunis  geworden 
waren,  ergibt  sich  daraus,  daß  sie  im  Jahre  1232  ein  Geschwader  von  fünf 
Galeeren  nach  den  tunesischen  Gewässern  (ad  partes  Tunesi)  schickten,  um 


»)  Ebd.  116  f.     Ann.  jan.  185. 

')  Im  Winter  1239  zu  1240  haben  genuesische  Kaufleute  im  Auftrage  des 
Königs  von  Tunis  große  Mengen  sizilischen  Getreides  angekauft.  Huillard-Br6- 
holles  V,  793. 

19» 


292  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

ihre  dort  weilenden  Landsleute  mit  ihren  Schiffen  gegen  die  sizilische  Flotte 
zu  schützen;  12  Jahre  später  kreuzte  der  Admiral  des  Kaisers,  Ansaldus 
de  Mari,  mit  20  Galeeren  in  den  Gewässern  von  Tmiis  und  Bugia  gegen 
diejenigen  Genuesen,  die  sich  nicht  der  kaiserlichen  Partei  zuwenden  wollten.^) 
Im  Jahre  1245  verletzten  die  Genuesen  die  Neutralität  des  tunesischen 
Gebiets  auf  das  gröblichste,  indem  sie,  von  Rachedurst  getrieben,  ihre 
pisanischen  Gegner  im  Hafen  von  Bugia  selbst  überfielen  2);  es  scheint,  daß 
dieser  Vorgang  die  rechtzeitige  Erneuerung  des  bestehenden  Vertrages  ver- 
hindert hat.  Erst  mit  dem  Nachfolger  Abu  Zakarias,  Abu  Abdallah  el 
Mostanser,  wurde  am  18.  Oktober  1250  der  Vertrag  durch  den  Gesandten 
Guilelmus  Cibo  erneuert;  bemerkenswert  ist  nur  die  Modifikation,  daß  der 
Transport  von  Sarazenen  auf  genuesischen  Schiffen  nur  dann  untersagt  blieb, 
wenn  diese  in  Gemeinschaft  mit  Korsarenschiffen  fuhren.  Beim  Abschluß 
des  Vertrages  wirkte  auch  der  genuesische  Konsul  von  Tunis,  Rubaldus  Macia, 
mit,  der  erste,  den  wir  hier  mit  Namen  nachweisen  können;  der  Sekretär 
(scriba)  des  Konsulats,  Michael,  hat  die  lateinische  Ausfertigung  des  Ver- 
trages aufgenommen.^) 

226.  Mit  der  neuen  Dynastie  der  Almohaden  haben  es  die 
Pisaner,  wie  es  scheint,  erst  1166  zu  einem  förmlichen  Vertrage 
gebracht. 

Doch  waren  sie  darum  von  dem  Handel  mit  ihrem  Reiche  nicht  aus- 
geschlossen, wie  schon  daraus  hervorgeht,  daß  im  Spätherbst  1165  ein  von 
Bugia  kommendes  pisanisches  Schiff  mit  einer  Ladung  im  Werte  von 
1400  1.  Jan.  den  bei  Marseille  lauernden  genuesischen  Kriegsschiffen  in  die 
Hände  fiel.'*)  Als  bald  darauf  eine  an  der  Küste  Südfrankreichs  kreuzende 
pisanische  Flotte  von  31  Galeeren  von  einem  furchtbaren  Unwetter  (29.  Oktober) 
heimgesucht  wurde,  wurde  eines  der  Schiffe  nach  Nordafrika  verschlagen 0) 
und  ging  bei  Dschidschelli  (östHch  von  Bugia)  vor  Anker.  Die  Eingeborenen 
aber  hielten  die  Pisaner  für  Seeräuber  und  brachten  die  Mannschaft  nach 
Bugia,  wo  alle  bis  auf  20  Erwachsene  und  4  Kinder  getötet  wurden.  In 
der  Hoffnung,  daß  sich  vielleicht  eine  größere  Anzahl  von  Schiffen  nach 
Nordafrika  gerettet  haben  könnte,  sandten  die  Pisaner  am  6.  Mai  1166 
ihren  besten  Mann,  Cocco  Grifft,  auf  einem  Kriegsschiff  an  Abu-Jakub-Jusuf, 
den  Nachfolger  Abd-el-Mumens.  Zu  seinem  Schmerze  konnte  er  nur  die 
Befreiung  der  24  Überlebenden  erwirken;  im  übrigen  aber  benutzte  er  die 
Gelegenheit,  mit  dem  Herrscher  einen  günstigen  Friedens-  und  Freundschafts- 
vertrag zu  schließen,  der  für  dessen  Lebenszeit  Geltung  haben  sollte.  Vo]h| 
seinem  Inhalt  hebt  der  pisanische  Annalist  nur  hervor  ß),  daß  es  dei^ 
Pisanern  gestattet  wurde,  »in  Subilia«  ein  Fondaco  zu  haben;  im  übrigen 
wissen  wir,    daß   er  den  Pisanern  Handelsfreiheit   im   ganzen  Reiche  der 


1)  Ann.  Jan.  186,  179,  213.  Einzelbelege  für  den  Handel :  Albertus  Lercarius 
empfängt  1237  von  Bovarello  Grimaldi  50  1.  jan.  in  Commenda  nach  Tunis,  die  er 
in  »frustaneis,  bombaciis  et  porporis«  anlegt.  Doneaud  p.  73  A.  16.  Ein  Fracht- 
vertrag vom  selben  Jahre  bei  Jal  in  den  Ann.  marit.  et  colon.,  annee  27,  3e  s^rie, 
partie  non  officielle.  T.  I  (Paris  1842),  759  A.  1.  Ein  Seedarlehn  vom  18.  Februar 
1243  auf  den  Cignus:  Canale  II,  342. 

»)  Ann.  jan.  217  f.     Unten  §  232. 

8)  Mas  Latrie,  doc.  p.  118  ff. 

*)  Ann.  genov.  I,  186. 

")  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  254. 

8)  Ebd.  255.     Wegen  Subilia  s.  unten  §  250. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         293 

Almohaden  gegen  Erlegung  eines  Wertzolles  von  10%  auf  von  ihnen  ge- 
kaufte Waren  zugesichert  hat^),  so  daß  die  Pisaner  also  etwas  ungünstiger 
gestellt  waren  als  die  Genuesen.  Am  11.  November  traf  Cocco  mit  reichen 
Geschenken  in  Pisa  wieder  ein. 

Ist  uns  dieser  Vertrag  auch  nicht  erhalten,  so  zeigt  uns  wenigstens 
die  ungefähr  aus  dieser  Zeit  stammende  pisanische  Seezinstabelle,  welche 
Orte  des  weiten  Almohadenreiches  die  Pisaner  des  Handels  wegen  vorzugs- 
weise aufzusuchen  pflegten.  Im  Gebiet  der  Syrten  waren  es  Tripoli,  Gabes 
(Kapsi)  und  das  ölreiche  Sfaks  (Soaxi)^)  mit  einem  usuellen  Seezins  für 
Hin-  und  Rückfahrt  von  30%;  dann  mit  nur  25%  Seezins  (demselben 
Satze,  der  auch  für  Sizilien  galt)  El-Mehdia  (Afrika),  Tunis,  Bugia  sowie 
überhaupt  das  Gebiet  des  Gharb ;  endlich  mit  35  %,  dem  für  Levantefahrten 
gültigen  Satze,  Ceuta  (Septi).^) 

Gegen  Ende  der  Regierung  Jusufs  kam  es  zu  mannigfachen  Differenzen 
zwischen  beiden  Staaten.  Ein  pisanisches  Schiff  hatte  im  Jahre  1180  in 
Sizilien  Getreide  für  Tripoh  geladen,  war  aber  durch  einen  Sturm  zum 
Hafen  »Makri«  verschlagen  worden  und  hatte  dort  Trinkwasser  eingenommen, 
was  der  eingeborene  Berberstamm  indes  erst  gestattete,  nachdem  ihm  Ge- 
treide verkauft  worden  war. 

Damit  hatten  die  Pisaner  einem  Verbot  zuwidergehandelt,  das  offenbar 
im  Interesse  der  Zollerhebung  erlassen  worden  war ;  ein  in  Tripoli  armiertes 
Kriegsschiff  schritt  ein  und  nahm  das  pisanische  Schiff  nächtlicherweile  fort, 
während  die  Mannschaft,  die  es  für  ein  Piratenschiff  gehalten,  auf  einer 
Barke  nach  Tripoh  floh,  wo  sie  ins  Gefängnis  geworfen  und  auf  das  übelste 
behandelt  wurde.  Die  pisanische  Regierung  reklamierte  in  einem  Schreiben 
an  den  Sultan  vom  23.  April  1181 4);  sie  betonte,  daß  die  Pisaner  jenes 
Getreide  nur  gezwungen  verkauft  hätten  und  verlangte  Rückgabe  des 
Schiffes  sowie  Befreiung  der  zehn  namentlich  aufgeführten  Gefangenen, 
unter  denen  wir  drei  Faktoren  angesehener  Männer  (z.  B.  Bosus  qui  stetit 
cum  Alberto  de  Bulso)  bemerken.  Das  Schreiben  konnte  noch  keine  Wir- 
kung getan  haben,  als  Pisa  sich  (nur  vier  Wochen  später)  zu  einer  zweiten 
Beschwerde  veranlaßt  sah  (19.  Mai),  weil  man  den  Pisanern  den  Einkauf 
von  Häuten  und  feinem  Leder  (coria  vel  beccunae)  im  Königreich  Bugia 
untersagt  und  Pisaner,  die  das  Land  verlassen  wollten,  mehrfach  wider 
ihren  Willen  zurückgehalten  hatte;  ja  noch  eine  dritte  Beschwerde  mußte 
Pisa  nach  weiteren  sechs  Wochen  (1.  Juli)  an  den  Sultan  richten,  weil  die 
Abfertigungsbeamten  an  der  Duane  in  Bugia  plötzlich  auf  höheren  Befehl 
erklärt  hatten,  nur  diejenigen  Pisaner  zum  Handel  zulassen  zu  können,  die 
über  ein  Kapital  von  mindestens  500  dinär  verfügten,  die  als  Kaution  für 
die  loyale  Betreibung  ihrer  Geschäfte  dienen  müßten.  0)  Welchen  Erfolg 
die  Pisaner  mit  diesen  Beschwerden  über  Verletzung  der  ihnen  Vertrags-' 
mäßig  zustehenden  Handelsfreiheit  bei  Sultan  Jusuf  erzielten,    wissen   wir 

*)  Geht  aus  den  Reklamationen  der  Pisaner  im  Jahre  1181  hervor;  Amari 
p.  7  und  269 ;  12. 

*)  Edrisi,  Afrique  et  Esp.  p.  125,  der  hinzufügt,  daß  es  seit  der  Eroberung 
durch  Roger  nicht  mehr  so  blühend  sei  wie  zuvor. 

')  Bonaini  II,  905.  Der  pisanische  Begriff  des  Gharb  deckte  sich  also  damals 
nicht  mit  dem  genuesischen ;  er  bezeichnete  in  Pisa  das  mohammedanische  Abend- 
land ganz  im  allgemeinen,  während  gerade  Marokko,  wie  der  weit  höhere  Seezins 
für  Ceuta  beweist,  von  den  Pisanern  nicht  ohne  weiteres  mit  dazu  gerechnet  wurde. 

*)  Amari  p.  7  und  269;  Bonaini  Suppl.  p.  81. 

')  Amari  p.  10,  12.     Mas  Latrie  Doc.  p.  27,  Introd.  p.  49. 


294  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

nicht;  jedenfalls  kam  es  nicht  zum  offenen  Bruch.  Jusuf  starb  am  28.  Juli  1184 
bei  der  Belagerung  von  Santarem;  sein  Sohn  Jakub  fand  bald  Anlaß,  sich 
seinerseits  über  die  Pisaner  zu  beschweren.  »1 

227.  Der  Pisaner  Magiulinus  hatte  das  Schiff  eines  sarazenischen 
Kaufmanns,  des  Abu  Omar  von  Gabes,  bei  Malta  überfallen,  die  Sarazenen 
auf  dem  Schiffe  beraubt  und  ins  Meer  geworfen  und  das  Schiff  selbst 
schließlich  an  den  pisanischen  Edlen  Albertus  Bulsi  (es  ist  der  Konsul  von 
1168  und  Gesandte  nach  Constantinopel)  verkauft.  Abu  Omar  begab  sich, 
von  einem  amtlichen  Schreiben  Abdeloas,  Abdallahs  Sohn,  des  Rektors*) 
von  Tunis,  unterstützt,  selbst  nach  Pisa  und  erzielte  auch  Rückgabe  des 
Schiffes  und  der  gesamten  Ausrüstung,  wahrscheinlich  auch  Schadenersatz 
und  Bestrafung  der  Frevler;  wir  haben  von  dem  ganzen  Vorgang  nur 
Kunde  durch  ein  Erkenntnis  der  Konsuln  Pisas  vom  9.  Februar  11852), 
die  den  Albertus  Bulsi,  der  das  Schiff  hatte  herausgeben  müssen,  in  den 
Besitz  des  wegen  seiner  Schandtat  offenbar  verbannten  Magiulinus  bis  zur 
Höhe  des  von  ihm  gezahlten  Kaufpreises  (200  1.  pis.)  einweisen.  Hatte 
sich  Pisa  somit  willfährig  gezeigt,  so  kam  doch  die  Erneuerung  des  Friedens- 
und Freundschafts  Vertrags  mit  dem  neuen  Herrscher  erst  am  15.  November  1186 
zustande  3);  die  Dauer  desselben  wurde  diesmal  nicht  auf  seine  Lebenszeit, 
sondern  auf  den  festen  Zeitraum  von  25  Jahren  bemessen.  Es  hängt  sicher 
mit  den  voraufgegangenen  Mißhelligkeiten  zusammen,  daß  die  Pisaner  nun- 
mehr in  eine  Beschränkung  ihres  Handels  auf  die  vier  Hauptorte  Tunis, 
Bugia,  Oran  und  Genta  willigen  mußten;  an  allen  anderen  Orten  sollten 
sie  nur  bei  Unwetter  landen  und  keinerlei  kommerziellen  Verkehr  suchen 
dürfen,  widrigenfalls  sie  mit  Leben  und  Gut  dem  Ermessen  der  Regierung 
des  Sultans  preisgegeben  sein  sollten.  In  den  vier  Vertragshäfen  hatten  sie 
den  gewohnten  Zehnten  bei  jedem  Warenumsatz  zu  entrichten ;  nur  Aus- 
tausch von  Waren  oder  Verkauf  von  Schiffen  unter  den  Pisanern  selbst 
war  abgabenfrei.  Seeraub  oder  sonstige  Akte  der  Feindseligkeit  von  Pisanern 
gegen  Untertanen  des  Sultans  sollten  von  der  pisanischen  Regierung  nach 
den  bestehenden  Gesetzen  ohne  jede  Nachsicht  verfolgt  werden;  träfen 
pisanische  Schiffe  ein  Geschwader  des  Sultans  auf  See,  so  sollten  sie  es 
nicht  hindern  oder  gar  angreifen;  endlich  sollten  die  Pisaner  auf  ihren 
Schiffen  keine  Sarazenen  transportieren  dürfen ;  auch  das  eine  Bestimmung, 
die  in  erster  Linie  den  Raub  von  Sarazenen  durch  die  Pisaner  zu  ver- 
hindern bezweckte. 

In  der  Tat  war  die  gerade  damals  unter  den  Pisanern  immer  mehr 
überhandnehmende  Piraterie  die  schwerste  Gefahr,  die  die  Handels- 
beziehungen der  beiden  Staaten  bedrohte.  Im  Jahre  1189  richtete  sich  ein 
scharfes  Dekret  der  pisanischen  Regierung  gegen  diejenigen  Pisaner  »in  navi 
Angeli  vel  Leopardi«,  die  ohne  Rücksicht  auf-  Frieden  und  Verträge  und 
die  Gefahren,  die  sie  über  ihre  Vaterstadt  heraufbeschworen,  in  schimpf- 
licher Weise  Seeraub  getrieben  und  gegen  Christen  und  mit  Pisa  verbündete 


^)  Wahrscheinlich  bekleidete  er  das  Amt  eines  rector  omnium  Christianorum 
in  Afrika,  das  uns  im  Jahre  1200  in  Tunis  entgegentritt ;  s.  unten  §  228. 

*)  Nicht  1184,  wie  Amari  p.  271  irrig  in  der  Überschrift  hat  (nach  ihm  Heyd, 
Afrika  S.  627  und  Mas  Latrie,  Introd.  p.  50). 

3)  Amari  p.  17  f.,  Mas  Latrie,'  Doc.  p.  28  f.  Das  nur  in  arabischer  Sprache 
erhaltene  Dokument  nennt  den  pisanischen  Gesandten  nach  Amaris  Umschrift 
At.r  ,  .  wann,  figlio  di  Tedesco ;  vielleicht  ist  es  Albertus  Walandi  (Gualandi),  der 
1187/88  in  Pisa  Konsul  war. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         295 

Sarazenen  abscheulichsten  Frevel  (nefandissimum  scelus)  verübt  hätten.  Der 
Podestä  Graf  Tedicio  von  Donoratico  (1190 — 1192  im  Amt)  ließ  allen  Besitz 
der  Schuldigen ,  die  entflohen  waren ,  konfiszieren  und  verkaufen ;  es  ist 
bezeichnend  für  vorhandene  Gegenströmungen,  daß  man  nach  einigen  Jahren 
die  Aufnahme  einer  besonderen  Bestimmung  in  das  pisanische  Gesetzbuch 
für  notwendig  hielt,  daß  die  vorgenommenen  Verkäufe  der  Güter  »eorum 
qui  fuerunt  in  navi  Angeli  vel  Leopardi«  ebenso  wie  ähnliche  Straf  maßregeln 
unabänderlich  in  Geltung  verbleiben  sollten.i) 

228.  Mit  welchem  Übermut  und  welcher  Nichtachtung  des  Völker- 
rechts diese  christlichen  Seefahrer  in  den  sarazenischen  Gewässern  auftraten, 
zeigen  die  Vorgänge  des  Jahres  1200  im  Hafen  von  Tunis,  die  freiüch  auch 
die  Schwäche  des  sarazenischen  Regiments  offenbaren.  Zunächst  griffen 
drei  armierte  pisanische  Schiffe,  die  Castellana,  die  Diana  und  der  »Pfau« 
das  große  genuesische  Schiff  Boccanera  an,  offenbar  besonders  gereizt  da- 
durch, daß  dieses  Schiff  erst  im  Jahre  vorher  den  Pisanern  abgenommen 
worden  war;  der  im  neutralen  Hafen  erfolgende  Angriff  bekam  ihnen  frei- 
lich recht  übel;  sie  wurden  genommen  und  mit  ihrer  Ladung  nach  Genua 
geführt.  2) 

Daraufhin  überfielen  im  August  zwei  große,  von  je  einer  Galeere 
begleitete  pisanische  Schiffe,  die  Orgogliosa  und  Incoronata,  drei  in  der 
Goletta  liegende  tunesische  Schiffe,  plünderten  sie  vollständig  aus  und 
richteten  die  Bemannung  übel  zu.^)  Aus  Furcht  vor  Rache  ergriffen  die 
Pisaner  in  der  Stadt  eiligst  die  Flucht;  der  Gouverneur  von  Tunis  aber 
begnügte  sich  damit,  zur  Deckung  des  Schadens  das  zum  Export  bestimmte 
Getreide  der  Pisaner  und  Lucchesen  zu  verkaufen  und  ihre  sonstigen  Waren 
mit  Beschlag  zu  belegen.  Gleichzeitig  verlangte  Abd-er-Rahman,  der  Zoll- 
direktor von  Tunis  und  »rector  omnium  Christianorum  qui  veniunt  in  tota 
provincia  de  Affrica«  in  einem  Schreiben  strengstes  Einschreiten  der  pisani- 
schen  Regierung  gegen  die  Schuldigen,  zumal  diese  vor  ihrem  Auslaufen 
aus  Pisa  hätten  schwören  müssen,  keinen  der  Untertanen  des  Sultans  zu 
schädigen;  Pisa  sollte  sich  ein  Beispiel  an  Genua  nehmen,  das  gegen  der- 
artige Übeltäter  mit  Zerstörung  ihrer  Häuser,  Weinberge  und  sonstigen 
Besitzungen  und,  falls  sie  ergriffen  würden,  auch  schweren  persönlichen 
Strafen  vorginge.  Einen  Bruch  aber  wünschte  man  in  Tunis  selbst  durchaus 
zu  vermeiden;  schon  am  9.  September  1200  stellte  der  Gouverneur  einen 
Sicherheitsbrief  aus,  den  er  »der  Gemeinschaft  der  christlichen  Kaufleute 
Pisas«  mit  der  Aufforderung,  den  friedlichen  Handelsverkehr  mit  Tunis 
unbesorgt  wieder  aufzunehmen,  übersandte.  Ihren  offiziellen  Abschluß  fand 
die  Angelegenheit  nach  längeren  Verhandlungen  dadurch,  daß  Pisa  in  der 
Person  des  Gerardus  Bottaibus  (Abu-Taib  nennt  ihn  ein  arabisches  Dokument) 
einen  Gesandten  nach  Tunis  schickte  *),  der  u.  a.  Mitteilung  von  den  Ge- 
setzen machen  sollte,  die  man  in  Pisa  aus  diesem  Anlaß  erlassen  hatte;  in 
dem  vom  23.  März  1202  datierten  Antwortschreiben,  das  der  Gouverneur 
Abu-Zeid  dem  Gesandten  für  den  Podestä  Gherardo  Visconti  mitgab,  nahm 

')  Constitutum  Usus  bei  Bonaini  U,  988  und  997. 

*)  Ann.  genov.  11  p.  79. 

»)  Näheres  Konsulat  d.  M.  4  ff.  Amari  no.  VI— XIH  p.  23  f.,  276  f.  Heyd, 
Afrika  627  f. 

*)  Einer  auf  Befehl  des  Almohadenherrschers  durch  den  Gouverneur  von 
Ceuta  an  sie  gerichteten  Aufforderung  vom  11.  Februar  1201,  die  ihnen  Ang.  Spi- 
nola   (doch  wohl   ein  Genuese  im  Dienste  des  Gouverneurs)   mit  mündlichen  Auf- 


296  Zweiundzwanzigstes   Kapitel. 

er  Kenntnis  davon  und  forderte  die  Pisaner  unter  den  beruhigendsten  Zu- 
sicherungen erneut  zu  eifrigem  Besuch  der  Länder  des  Sultans  auf;  nur 
verlangte  er,  daß  sie  sich  des  Besuchs  von  El-Mehdia  enthielten,  wo  seit 
einiger  Zeit  ein  Usurpator,  Ibn-Abd-el-Kerim,  herrschte  i),  und  daß  sie  ernst- 
liche Mahnungen  an  den  Iudex  von  Torres,  Comita  II,  richteten,  von  dem 
es  heiße,  daß  er  neuerdings  Piraten schi^e  ausgerüstet  habe;  er  droht  mit 
Bestrafung  durch  die  (offenbar  sehr  wenig  furchtbare)  sarazenische  Flotte 
und  hebt  das  lobenswerte  Verhalten  seines  Nachbarn,  des  Markgrafen 
Wilhelm  von  Massa,  Iudex  von  Cagliari  und  Arborea,  gegenüber  den  Sara- 
zenen hervor.2) 

229.  Wenn  selbst  Vorgänge  der  geschilderten  Art  die  kommer- 
ziellen Bande  nur  ganz  vorübergehend  zu  lösen  vermochten,  so  ist 
das  gewiß  ein  Zeichen,  wie  festgeknüpft  und  vielverzweigt  diese  waren, 
so  daß  trotz  allen  Seekriegs  zwischen  den  großen  italienischen  See- 
städten und  trotz  aller  Piraterie  der  gewinnbringende  friedliche  Han- 
delsverkehr seinen  Fortgang  nahm.  Einen  besonderen  Beleg  dafür 
haben  wir  gerade  für  diese  Zeit  an  einer  Anzahl  von  Privatbriefen, 
die  bald  nach  jenem  Ereignis  an  geflüchtete  pisanische  Kaufleute  von 
ihren  arabischen  Geschäftsfreunden  in  Tunis  gerichtet  worden  sind.^) 

Sie  alle  geben  dem  dringenden  Verlangen  nach  baldiger  Rückkehr 
der  Pisaner,  die  bei  ihrer  eiligen  Flucht  natürlich  auch  ihre  Verbindlich- 
keiten nicht  hatten  regeln  können,  Ausdruck;  sie  könnten  ganz  unbesorgt 
kommen;  dem  Gouverneur  seien  die  Vorkommnisse  im  höchsten  Grade  leid; 
ihre  mit  Beschlag  belegten  Waren  seien  völlig  sicher  beim  Kaid  in  Ver- 
wahrung, keiner  dürfe  sie  auf  Befehl  der  Regierung  irgendwie  antasten; 
bei  ihrem  Erscheinen  würden  sie  ihnen  unverzüglich  ausgeliefert  werden. 
Die  Mehrzahl  dieser  sieben  Briefe  ist  an  den  pisanischen  Kaufmann  Pace, 
Sohn  des  Corso,  gerichtet;  deutlich  geht  sein  großes  persönliches  Ansehen 
und  der  hohe  kaufmännische  Ruf,  dessen  er  sich  bei  der  tunesischen 
Handelswelt  erfreute,  aus  diesen  Briefen  hervor. 4)  Der  spezielle  Inhalt 
dieser  Briefe  betrifft  natürlich  die  noch  nicht  abgewickelten  Geschäfte;  es 
ergibt  sich,  daß  Pace  namentlich  den  Export  von  Häuten  und  Fellen  jeder 
Art  aus  Tunis  im  großen  betrieb.  So  erfahren  wir  z.  B. ,  daß  Menäd  ihm 
1324  Felle  (zu  13  Dinar  das  Hundert)  durch  Vermittelung  des  Kürschners 
Tamim,  der  als  Sozius  Pace's  bezeichnet  wird,  und  dreier  Dragomane,  des- 
gleichen Ibrahim  in  zwei  Fällen  800  und  750  Felle  verkauft  hat,  und  daß 
er  dem  Mohriz  Kabesi  noch  für  909  Felle  73V2  Dinar  schuldet.    Die  Preise 


trägen  des  Gouverneurs  zu  überbringen  hatte,  so  schleunig  wie  möglich  einen  Ge- 
sandten an  ihn  zu  schicken,  haben  die  Pisaner  offenbar  keine  Folge  geleistet,  zu- 
mal es  ihnen  in  diesem  Jahre  an  einer  anerkannten  Regierung  fehlte.  Amari 
no.  X  p.  86. 

•    1)  Heyd,  Afrika  628 ;  Amari  no.  XXIV. 

2)  Amari  no.  XXI  p.  65. 

2)  Amari  no.  XIV— XX  p.  48  f.  Eine  Analyse  der  Briefe  gibt  auch  Mas  Latrie 
ntrod.  p.  58  f. 

*)  In  dem  Briefe  des  Dragoman  Othman  ist  die  Rede  davon,  daß  der  neue 
Vorsteher  der  Duane  in  Tunis,  Abu-Heggiag,  außer  an  die  pisanischen  Kaufleute 
im  allgemeinen  an  ihn  noch  ein  besonderes  Schreiben  gerichtet  habe  (no.  XVI 
p.  54);  es  ist  nicht  erhalten,  wohl  aber  eins  des  alten  Vorstehers  Jusüf-ibn-Moham- 
med  an  Pace  (no.  VIII  p.  31). 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord -Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         297 

für  die  Felle  bewegen  sich  je  nach  ihrer  Art  zwischen  7  und  16  Dinar  auf 
das  Hundert.  Auch  hatte  er  für  einen  Landsmann  Bürgschaft  übernommen, 
der  1600  Lammfelle  von  Mohriz  für  210  Dinar  gekauft,  davon  aber  erst  10 
angezahlt  hatte.  Geradezu  als  arabischer  Sozius  Pace's  in  Tunis  erscheint 
Ibn-Kasüm,  von  dessen  Verhalten  die  Briefschreiber  allerdings  nicht  sehr 
erbaut  sind;  Mohriz  teilt  ihm  mit,  daß  dieser  behaupte,  Face  habe  bei  ihm 
nur  noch  6  Dinar  gut,  und  der  Lederhändler  Ibrahim  schreibt,  er  erzähle 
öffentlich,  daß  Face  nichts  mehr  auf  der  Duane  stehen  habe ;  er  zahle  nicht, 
was  er  schulde,  schreibt  ein  Dritter,  verlange  aber  selbst  Begleichung  der 
Außenstände;  der  Refrain  ist  immer:  Face  möge  nur  so  rasch  wie  möghch 
selbst  kommen.  Wenn  die  Bedürfnisse  der  pisanischen  Lederindustrie  bei 
diesen  Briefen  durchaus  im  Vordergrunde  stehen,  so  erscheint  doch  unter 
den  Ausfuhrartikeln  auch  ein  Fosten  Wolle,  wovon  Face  9  Zentner  für 
291/2  Dinar  ebenfalls  von  Mohriz  erstanden  hatte.  Als  Einfuhrartikel  begegnet 
mehrfach  Kupfer^);  er  möge  sich  mit  seiner  Herkunft  beeilen,  meint  der 
eine  Brief  Schreiber,  da  Othman  von  El-Mehdia,  der  ihm  noch  den  Freis 
des  gelieferten  Kupfers  schulde,  vorhabe  nach  Alexandrien  abzureisen. 
Aber  auch  die  Einfuhr  direkt  verbotener  Waren  unterließ  man  «nicht;  in 
dem  einen  der  Briefe  an  Face  ist  von  Sabi  und  Genossen  die  Rede,  die 
heimlich  Stahl  eingeführt  hätten.^)  Offenbar  um  nicht  Denunziationen 
ausgesetzt  zu  sein,  hatte  Face  den  von  ihm  importierten  Stahl  nicht  direkt 
an  die  Duane  gebracht,  sondern  sich  dazu  der  genannten  Mittelspersonen 
bedient,  die  den  Stahl  heimlich  an  Land  schafften  und  unter  eigenem 
Namen  an  der  Duane  zur  Versteigerung  brachten.  Der  Verfasser  des  Briefes 
hat  an  der  Duane  9  Zentner  davon  zum  Freise  von  7  Dinar  den  Zentner 
gekauft,  hat  aber  noch  ein  Guthaben  bei  Sabi,  der  mittlerweile  verschollen 
ist;  er  gibt  sich  der  Hoffnung  hin,  daß  er  möglicherweise  vor  seinem  Tode 
seinen  Geschäftsfreund  Face  mit  der  Begleichung  beauftragt  haben  könnte. 
Einmal  endlich  wird  auch  die  Einfuhr  von  Mastix,  dem  gesuchten  Fro- 
dukt  der  Insel  Chios,  erwähnt;  bei  einem  Einkauf  von  125  Fellen  zum 
Freise  von  16  Dinar  6  Dirhem,  bei  dem  Sabi  von  Gabes  als  Vermittler 
(turcimanno)  fungierte,  hat  der  Fisaner  Fanevino  6  Dirhem  angezahlt  und 
sich  bezüglich  der  Hauptsumme  vorbehalten,  seinen  Gläubiger  Abdallah 
durch  Lieferung  von  Mastix  zu  befriedigen.  3) 

Zur  Ergänzung  dieser  Nachrichten  können  einige  Stellen  des  Liber 
Abaci  Leonardos  dienen,  dessen  erste  Redaktion  genau  derselben  Zeit  ent- 
stammt wie  diese  Briefe.  Besonders  sind  seine  Angaben  über  die  beim 
Beladen  der  Schiffe  im  Gharb  übliche  Raumberechnung  wegen  der  dadurch 
veranlaßten  Aufzählung  der  Hauptexportartikel  sehr  lehrreich.  Von  dem 
häufigsten  Ausfuhrartikel,  den  Häuten  (coria),  ging  man  aus ;  einem  Kantär 
an  Häuten  rechnete  man  gleich  2/jj  Kantär  Kalbs-  oder  Lammfelle  (de 
beccunis,  quia  sunt  leviores  coriis),  1/2  Kantär  Kaninchenfelle  oder  Zucker- 
rohr (de  coniliis  vel  de  succaro),  und  2  Kantär  Alaun,  der  im  Schiffe  zu 
Unterst  zu  laden  war.'*)     Und   wo    er   an   anderer  Stelle   Beispiele  für  die 

*)  p.  51  und  p.  58  (wo  nach  der  Verbesserung  auf  S.  407  für  piombo  zu  lesen 
ist  rame). 

')  No.  15  p.  51.  Ob  er  mit  Sabi  von  Gabes,  der  in  einem  anderen  Briefe 
(no.  XX  p.  63)  als  Dragoman  erscheint,  identisch  ist,  bleibt  fraglich. 

')  No.  20  p.  64.  Die  Auflösung  des  Namens  Ban  Fin  in  Panevino  halte  ich 
für  wahrscheinlicher  als  die  von  Amari  vorgeschlagene  Benvieni,  Bentivegna. 

*)  Leon.  Pis,  I  p.  117.  Dazu  p.  118 :  de  becunarum  redutione  ad  cantaria 
carici  in  Garbo. 


298  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Rechnung  mit  den  Münzen  des  Gharb  (Byzantien  zu  10  miliarenses)  anführt, 
redet  er  außer  von  beccunae  von  pannelli,  deren  Wert  er  mit  34^/2  byz.  für 
10  Stück  ansetzt,  also  Erzeugnissen  der  nordafrikanischen  Textilindustrie, 
ferner  von  Muskatnüssen,  so  daß  also  auch,  wie  von  vornherein  anzunehmen, 
die  Pisaner  ebenso  wie  die  Genuesen  Waren  der  Levante  nach  dem  moham- 
medanischen Abendlande  brachten,  endlich  von  Safran,  der  sicher  aus 
Toscana  selbst  stammte.^)  Merkwürdig  ist,  daß  auch  Öl  aus  dem  Nord- 
westen Toscanas,  der  Versilia,  durch  die  Pisaner  nach  Afrika  ausgeführt 
wurde. 2)  Sehr  häufig  auch  brachten  die  Pisaner,  geradeso  wie  die  Genuesen, 
nicht  Waren  zum  Umtausch  mit,  sondern  Miliarenses;  in  Mengen  wurde 
dies  Silbergeld  in  Pisa  und  sonst  in  Toscana  sowie  in  Genua  nachgeprägt, 
exportiert  und  mit  erheblichem  Vorteil  gegen  die  Produkte  Afrikas  ein- 
getauscht.3) 

230.  Seit  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  gelang  es  in  Pisa  doch, 
das  Unwesen  der  Piraterie  mehr  und  mehr  einzudämmen;  in  einem  Schreiben 
an  den  Podestä  Gotfried  Visconti  vom  9.  September  1211 4)  spricht  der 
Gouverneur  von  Tunis  seine  Befriedigung  über  die  Mitteilung  des  pisani- 
schen  Gesandten  Gerhard  aus,  daß  jedem  Pisaner  vor  seiner  Ausreise  zur 
strengsten  Pflicht  gemacht  werde,  die  Sarazenen  und  ihre  Habe  zu  respek- 
tieren ;  er  konstatiert ,  daß  das  Verhalten  der  Pisaner  dem  in  der  Tat  ent- 
spreche und  versichert  im  Namen  seines  Herrn  die  pisanischen  Kaufleute 
der  besten  Aufnahme. 

Wie  eng  sich  die  Beziehungen  zwischen  Pisa  und  Tunis  in  dieser  Zeit 
gestaltet  haben,  zeigen  uns  zwei  Briefe,  die  im  Jahre  1227  von  tunesischen 
Sarazenen  an  den  Podestä  Ubaldo  Visconti  gerichtet  worden  sind.^)  In  dem 
einen  machen  zwei  Sarazenen,  Bec  und  Bei,  »homines  magni  regis  Tunesi«, 
von  Genua  aus,  wohin  sie  sich  aus  Anlaß  eines  Rechtsstreits  begeben,  dem 
Podestä  der  Pisaner,  deren  Freundschaft  für  ihren  König  sie  kennten,  Mit- 
teilung von  den  Schritten,  die  sie  bisher  in  Genua  unternommen  und  bitten 
ihn,  die  beigegebenen  Briefe  demnächst  an  ihren  Herrn  zu  befördern;  zum 
Schluß  verwenden  sie  sich  für  einen  tunesischen  Juden,  der  sein  Recht 
suchend  nach  Pisa  gekommen  sei.  Das  zweite  Schriftstück  ist  ein  diesem 
Juden  mitgegebener  Empfehlungsbrief  eines  angesehenen  Arabers  von  Tunis ; 
es  ergibt  sich ,  daß  der  Jude  gegen  einen  Glaubensgenossen  in  Pisa  und 
dessen  zum  Christentum  übergetretenen  Schwiegersohn  urkundlich  be- 
gründete Geldforderungen  hatte. 

War  Tunis  offenbar  der  Handelsplatz,  an  dem  die  Pisaner,  wie  in 
Ceuta  die  Genuesen,  die  erste  Rolle  spielten,  so  scheint  in  Bugia  mehr  ein 
Gleichgewicht  der  beiden  Handelsnationen   bestanden   zu  haben.     Hier  be- 


»)  Ebd.  93. 

"0  Hartwig  n,  121. 

'')  Winkelmann,  Acta  11  no.  37  p.  41.  Im  genuesischen  Vertrage  von  1236 
heißt  es  (Mas  Latrie,  Doc.  116  1):  de  eo  quod  deferent  in  milliarensibus  et 
argento,  in  auro  de  paiola  et  virgis  aureis  solvant  vinctenum  ut  consueverunt; 
also  auch  ungemünzte  Edelmetalle  wurden  vielfach  eingeführt  und  oft,  wie  der 
Vertrag  von  1250  zeigt  (p.  118  f.),  an  die  Münzstätten  in  Tunis  oder  Bugia  verkauft 
(de  auro  vendito  in  ceccha  Tunesis  et  Bucee  non  solvatur  drictum,  nisi  sicut 
consuetum  est). 

*)  Konsulat  d.  M.  p.  12,  83.     Amari  p.  78  f.  no.  26.     Heyd,  Afrika  629. 

*)  Mas  Latrie,  Doc.  p.  30  (mit  dem  unrichtigen  Datum  1237).  Amari  p.  8| 
(no.  28). 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.  299 

kleidete  etwa  um  1175  Bonacci,  der  Vater  Leonardos,  das  Amt  eines  pisani- 
schen  Sekretärs  an  der  Duane;  er  ließ  seinen  Sohn,  der  damals  noch  ein 
Knabe  war,  zu  sich  kommen  und  ihn  hier,  »in  der  Erkenntnis  des  Nutzens 
und  der  Bequemlichkeit  der  Sache«,  eine  Zeitlang  im  Studium  des  Abacus, 
d.  h.  des  arabischen  Zifferrechnens,  unterweisen,  i)  So  können  wir  hier  ein- 
mal nachweisen,  wie  die  Wissenschaft  durch  den  lebhaften  Handel  der 
Christen  mit  den  Sarazenen  eine  direkte  Förderung  erfahren  hat.  Hing  die 
Bestellung  dieser  Zollschreiber  naturgemäß  ganz  von  den  Pisanern  ab  2),  so 
durfte  nach  altem  Herkommen  auch  als  Dragoman  oder  Sensal  für  die 
Pisaner  nur  fungieren,  wer  ihnen  genehm  war;  das  ergibt  sich  aus  der 
Begründung  der  Bitte,  die  Ahmed-ibn-Tamim  von  Bugia  im  November  1207 
an  den  einflußreichen  Pisaner  Lamberto  del  Vernaccio  richtete,  damit  dieser 
die  pisanischen  Behörden  bestimmte,  ihn  für  die  Pisaner  zum  Dragoman 
(turcimanno)  an  der  Duane  und  Sensal  für  die  öffentlichen  Versteigerungen 
zu  ernennen  und  dem  Kaid  davon  Mitteilung  zu  machen.^) 

231.  Als  sich  im  Jahre  1228  der  bisherige  Gouverneur  von  Tunis, 
Abu  Zakaria  Jahya,  selbständig  machte  und  die  Dynastie  der  Haf- 
siden  begründete,  die  bald  auch  die  Herrschaft  über  Tripolitanien 
und  den  östlichen  Teil  Algeriens  gewann,  änderte  das  nichts  an  der 
bevorzugten  Stellung  der  Pisaner ;  vielmehr  erhielt  sie  eine  neue  feste 
Basis  durch  den  Vertrag,  der  Ende  August  1234  zwischen  dem  Haf- 
siden  und  dem  Gesandten  Tedicio,  dem  Sohne  des  Uguccione  Lam- 
berti,  auf  30  Jahre  abgeschlossen  worden  ist."*) 

Hier  zum  erstenmal  treten  uns  die  pisanischen  Konsuln  (der 
Vertrag  redet  stets  in  der  Mehrzahl  von  ihnen)  entgegen.  Als  Ver- 
treter ihrer  Landsleute  haben  die  pisanischen  Konsuln  in  Tunis  das 
Recht,  einmal  in  jedem  Monat  vor  dem  Könige  zu  erscheinen;  das 
gleiche  Recht  haben  die  Konsuln,  soweit  solche  an  anderen  Orten 
vorhanden  waren,  gegenüber  dem  obersten  Beamten  des  betreffenden 
Bezirks  (dominus  terrae).  Bei  Differenzen  der  Pisaner  untereinander 
waren  allein  die  Konsuln  zuständig ;  bei  Streitigkeiten  zwischen  Christen 
und  Sarazenen  sollte  die  Autorität  der  Dragomane  eintreten.  ^)  Gegen 
Korsaren,  die  die  Küste  des  Reichs  beunruhigten,  versprachen  die 
pisanischen  Behörden    nach    der   ganzen  Strenge  des  Gesetzes  vorzu- 


')  Leon.  Pis.  I,  1  (Vorrede):  >Cum  genitor  mens  a  patria  publicus  scriba  in 
duana  Bugee  pro  Pisanis  mercatoribus  ad  eam  confluentibus  constitutus  preesset  etc.« 
Heyd,  Afrika  649  f.  Giesing  J.,  Leben  und  Schriften  Leonardos  von  Pisa.  Döbeln  1866 
Progr.)  p.  7.     Cantor  M.,  Vorlesungen  über  die  Gesch.  der  Math.  II*,  p.  5  ff. 

*)  In  Tunis  kennen  wir  1200/01  den  Pisaner  Cino  {=  Saracino)  in  dieser 
Stellung.     Amari  p.  41  no.  11. 

3)  Ebd.  75  no.  25. 

■•)  Mas  Latrie,  Doc.  p.  31  fi.  Der  Herausgeber  läßt  es  zweifelhaft,  ob  der 
Vertrag  zu  1229  oder  1234  anzusetzen;  indessen  wird  jeder  Zweifel  dadurch  be- 
hoben, daß  im  Vertrage  der  pisanische  Podestä  von  1234,  Torello  de  Strada,  ge- 
nannt ist.  Chone  p.  34  folgt  noch  der  falschen  Datierung  zu  1230  bei  Tafel  und 
Thomas  n,  299  f.     Heyd,  Afrika  630. 

')  >turcimanni  debent  ponderare  eos« ,  doch  wird  in  ernsteren  Fällen  die 
eigentliche  richterliche  Entscheidung  wohl  der  Landesbehörde  zugestanden  haben, 
obwohl  der  Vertrag  darüber  nichts  enthält. 


300  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

gehen.  Das  Fondaco  der  Pisaner  in  Tunis  sollte  vergrößert  und  durch 
eine  Scheidemauer  von  dem  genuesischen  getrennt,  das  in  Bugia  re- 
pariert werden;  weitere  Fondachi  sollten  sie  in  Bona,  El-Mehdia, 
Sfaks,  Gabes  und  Tripoli  erhalten,  wobei  zu  jedem  Fondaco  auch 
Kirche,  Friedhof  und  eigener  Backofen  gehören  sollte;  außerdem  war 
ihnen  in  jeder  Stadt  wöchentlich  einmal  die  Benutzung  des  öffent- 
hchen  Bades  gestattet.  Die  starken  Beschränkungen  ihres  Handels- 
verkehrs, die  der  Vertrag  von  1186  ausgesprochen  hatte,  sind  also 
völlig  in  Wegfall  gekommen. 

An  Zöllen  sollten  sie  wie  bisher  107o>  von  Gold  und  Silber  nur  5% 
entrichten;  Fremde,  die  auf  ihren  Schiffen  mitkamen,  sollten  keinesfalls 
weniger  zahlen  dürfen.  Frachtgelder  waren  abgabenfrei,  ebenso  der  Ver- 
kauf von  Schiffen;  doch  durfte  er  nur  an  solche  erfolgen,  die  mit  der 
tunesischen  Regierung  in  Frieden  lebten.  Die  an  die  Beamten  und  Be- 
diensteten der  Duane  sowie  an  die  Dragomane  zu  zahlenden  Gebühren 
sollten  nicht  über  das  herkömmliche  Maß  erhöht  werden  dürfen.  Um  un- 
gebührliche Verzögerung  des  Aufenthalts  der  pisanischen  Kaufleute  zu  ver- 
meiden, wurde  bestimmt,  daß  die  übliche  öffentliche  Versteigerung  (halka, 
caliga)  der  Waren  nicht  verhindert  werden  dürfte;  auch  sollte  die  Abrech- 
nung an  der  Duane  auf  ihr  Verlangen  unverzüglich  vorgenommen  werden. 
Hatten  sie  ihre  Ware  einmal  verzollt,  so  konnten  sie  diese  im  ganzen  Lande, 
wo  immer  sie  wollten,  also  auch  landeinwärts,  vertreiben;  ebenso  sollten 
sie  überall  uneingeschränkte  Freiheit  des  Kaufs  genießen ;  es  ist  interessant, 
daß  die  Pisaner  sich  zusichern  ließen,  daß  sie  diese  Freiheit  auch  gegenüber 
genuesischen  Verkäufern  haben  sollten.  Dem  Könige  wurde  endlich  noch 
das  Recht  eingeräumt,  1/3  der  in  den  Häfen  seines  Reichs  liegenden  pisani- 
schen Schiffe  gegen  Frachtzahlung  zum  Transport  eigener  Waren  (res  maga- 
zeni)  in  Anspruch  nehmen  zu  dürfen ;  doch  stand  die  Auswahl  dieser  Schiffe 
den  pisanischen  Konsuln  zu. 

Auf  lange  Zeit  hinaus  ist  dieser  Vertrag  die  rechtliche  Grund- 
lage der  Beziehungen  zwischen  Pisa  und  Tunis  geblieben. 

232.  Die  pisanische  Regierung  pflegte  ihre  Fondachi  zu  verpachten ;  im 
Jahre  1240  geriet  die  Handelsgesellschaft  (Rubertinus  de  Curte,  Bernardus 
Guitti,  Nie.  Rubeus  und  Sozii),  die  das  Fondaco  von  Tunis  gepachtet  hatte, 
mit  dem  Priester  der  pisanischen  Marienkirche  in  Tunis  wegen  seines  Ge- 
lasses (apotheca)  in  Streit,  da  sie  auf  Grund  ihres  Privilegs  die  Zugehörig- 
keit desselben  zum  Fondaco  behauptete.i)  Da  sich  die  pisanischen  consules 
mercatorum  de  Tunithi  für  unzuständig  erklärten,  wurde  die  Sache  auf  ihren 
Bericht  hin  schließlich  durch  einen  Schiedsspruch  am  8.  Mai  1240  dahin 
geregelt,  daß  dem  Priester  nicht  nur  das  volle  persönHche  Recht  auf  eine 
Wohnung  im  Fondaco,  wie  sie  die  Kaufleute  innehatten,  sondern  auch  das 
Recht,  die  Gelder,  die  er  durch  etwaige  Vermietung  derselben  erzielte,  nach 
eigenem  Ermessen  zu  verwenden  zustehen  sollte.  Der  Titel,  den  die  Konsuln 
in  dieser  Urkunde  tragen,  deutet  ebenso  wie  ihr  Verhalten  darauf  hin,  daß 
sie  nicht  von  der  pisanischen  Regierung  direkt  bestellt,  sondern  von  den 
in  Tunis  verkehrenden  pisanischen  Kaufleuten  erwählt  waren.  In  diese 
Zeit  gehören  die  Anfänge  einer  tunesischen  Hafengilde  in  Pisa,   d.  h.  der 


')  . .  .  ex  forma  privilegii  de  jamdicta  venditione  eis  a  comuni  Pis.  concessi. 
Latrie,  doc.  p.  35  f. 


i 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         301 

korporativen  Zusammenfassung  aller  derjenigen  Elemente,  die  den  Handels- 
verkehr mit  Tunis  vorzugsweise  pflegten.^) 

Der  1241  zwischen  Pisa  und  Genua  neu  ausbrechende  Krieg  zog  auch 
ihre  afrikanischen  Handelsniederlassungen  in  Mitleidenschaft,  obwohl  eine 
Sonderkonvention  zwischen  den  beiderseitigen  Kolonien  in  Tunis  bestand, 
von  deren  Inhalt  wir  freilich  nichts  Näheres  wissen.  Aber  der  Umstand, 
daß  im  Jahre  1245  ein  von  Spanien  nach  Tunis  fahrendes  genuesisches 
Schiff  unterwegs  durch  eine  in  Cagliari  armierte  pisanische  Galeere  auf- 
gebracht wurde,  versetzte  die  Genuesen  in  solche  Wut,  daß  sie  in  Bugia 
ein  pisanisches  Schiff,  die  Sponsaella,  mit  seiner  Ladung  fortnahmen  und 
mehrere  andere  pisanische  Fahrzeuge  im  Hafen  von  Bugia  verbrannten. 
Die  Pisaner  erklärten  darauf  die  Konvention  für  gebrochen  und  schickten 
1246  eine  Protestgesandtschaft  an  den  Beherrscher  von  Tunis 2);  näheres 
über  ihren  Erfolg  wissen  wir  nicht;  doch  hängt  es  wohl  damit  zusammen, 
daß  der  1246  abgelaufene  genuesisch -tunesische  Vertrag  erst  1250  erneuert 
worden  ist. 

233.  Bei  dem  regen  Verkehr  der  Pisaner  mit  Tunis  kann  es  nicht 
wundernehmen,  daß  auch  Angehörige  des  toskanischen  Binnenlandes 
sich  im  Anschluß  an  die  Pisaner  an  diesem  Handel  beteiligten.  Als  der 
Gouverneur  Abu-Zeid  im  Jahre  1200  das  für  die  Pisaner  in  den  Magazinen 
lagernde  Getreide  represalienhalber  verkaufen  ließ,  tat  er  das  Gleiche  mit 
dem  Eigentum  der  lucchesischen  Kaufleute,  die  er  also  in  jeder  Beziehung 
als  Pisaner  ansah  und  behandelte.^)  Aus  einem  1221  in  San  Gimignano 
verhandelten  Zivilprozeß  erfahren  wir,  daß  Ildebrandinus ,  der  mit  seinem 
Landsmann  Andreas  und  verschiedenen  Pisanern  in  Sozietät  stand,  in  Tunis 
feines  Kalb-  und  Schafleder  im  Werte  von  120  1.  pis.  eingekauft  hatte,  das 
er  dann  in  Pisa  für  einen  Preis  von  13  1.  zu  Korduan  verarbeiten  ließ.*) 
Auch  wissen  wir,  daß  Ugolino  Burnetti  von  San  Gimignano,  der  eine  Handels- 
fahrt nach  Syrien  unternommen  hatte,  auf  der  Rückreise  erst  von  Messina 
aus  nach  Tunis  gegangen  und  von  da  aus  zur  Fastenzeit  1246  nach  Pisa 
zurückgekehrt  ist,  von  wo  er  zehn  Tage  vor  Ostern  in  seinem  Heimatorte 
wieder  eintraf.  0) 

Aber  auch  von  Genua  aus  pflegten  die  Toskaner  des  Binnenlandes 
diesen  Handel.  Aus  den  Jahren  1225  und  1233  wissen  wir  von  Kontrakten, 
die  Florentiner  und  Lucchesen  in  Genua  für  Handelsreisen  nach  Tunis 
geschlossen  haben,  und  schon  im  Jahre  1216  nahmen  zwei  Kaufleute  von 
San  Gimignano,  Recordato  und  Buonsignore,  von  ihrem  Landsmann  Ber- 
nardino  Pancono  39  1.  jan.  für  eine  Handelsreise  nach  Ceuta  und  Bugia 
in  Genua  in  Commenda.ß) 

234.  Das  sizilische  Königreich  kam  erst  geraume  Zeit  nach 
dem  Verlust  seiner  afrikanischen  Besitzungen  wieder  in  bessere  Be- 
ziehungen zu  seinem  südlichen  Nachbarn. 


1)  Vgl.  mein  Konsulat  d.  M.  199. 

«)  Ann.  jan.  217  f.     Roncioni  p.  519.     Heyd,  Afrika  631. 

')  Oben  §  228. 

*)  . . .  pro  aptandis  illis  beccuniis  in  cordovano.  Davidsohn,  Forsch.  11  no.  2302 
p.  294. 

»)  Ebd.  no.  2308  p.  299, 

8)  Ferretto  I  p,  5  A.  3.  Am  21.  Sept.  1234  verspricht  ein  Florentiner  einem 
Lucchesen,  der  auf  einer  der  nach  Ceuta  gehenden  genuesischen  Galeeren  Dienste 
genommen,  an  seiner  statt  an  Bord  zu  gehen.     Ebd.  224  A.  2. 


302  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Als  König  Wilhelm  II.  die  Tochter  des  Almohadenherrschers ,  die 
ihrem  Verlobten  über  Meer  zugesandt  werden  sollte  und  einer  sizilischen 
Flotte  in  die  Hände  gefallen  war,  ungekränkt  zu  ihrem  Vater  entließ,  kam 
es  im  August  1181  zu  Palermo  zu  einem  zehnjährigen  Frieden. i)  Und  das 
Privileg  Tancreds  für  Gaeta  vom  Jahre  1191  setzt  Handelsfahrten  der  Gaetaner 
nach  »Barbaria«  als  etwas  ganz  Gewöhnhches  voraus.^) 

Besonders  intensiv  Aber  gestalteten  sich  die  Beziehungen  des 
sizilischen  Königreichs  zu  Tunis  unter  Kaiser  Friedrich  II. 

Anfangs  freilich,  als  Friedrich  mit  dem  Aufstande  der  Sarazenen  auf 
Sizilien  zu  kämpfen  hatte,  war  das  Verhältnis  ein  gespanntes  und  der  Kaiser 
hat  sogar  im  Jahre  1223  eine  Expedition  gegen  die  Küsten  von  Tunis  aus- 
gesandt, die  die  fruchtbare  Insel  Dscherba  ausplünderte  und  ihre  Einwohner 
nach  Sizihen  überführte ;  die  Juden  von  Dscherba  bildeten  in  Palermo  eine 
besondere  Gemeinde,  der  der  Kaiser  im  Jahre  1239  auf  ihre  Bitte  einen 
Vorsteher  aus  ihrer  Mitte  und  die  Anlage  eines  Hains  von  Dattelpalmen 
bei  Palermo  zugestand ;  sie  sollten  angehalten  werden,  verschiedene  auf  ihrer 
heimatlichen  Insel  kultivierte  Pflanzen ,  wie  Henna  und  Indigo ,  an  ihrem 
neuen  Wohnsitze  einzubürgern. 3)  Bald  nach  seinem  Vertrage  mit  dem 
Sultan  von  Ägypten  aber  trat  er  auch  mit  dem  Hafsiden  in  ein  freund- 
schaftliches Verhältnis;  der  erste  Vertrag,  den  der  neue  Herr  von  Tunis 
mit  einer  abendländischen  Macht  eingegangen  ist,  ist  der  Gegenseitigkeits- 
vertrag, den  der  Abgesandte  des  Kaisers,  Wibald,  am  20.  April  1231  mit 
Abu  Zakaria  auf  zehn  Jahre  abgeschlossen  hat.^)  Zunächst  sicherte  man 
sich  gegenseitig  Freilassung  aller  in  Friedenszeiten  in  Gefangenschaft  ge- 
ratenen und  an  ihrem  Glauben  festhaltenden  Christen  und  Mohammedaner  zu. 
Der  Kaiser  erklärte,  sich  die  Sicherung  der  Küsten  Afrikas  zur  besonderen 
Aufgabe  gemacht  zu  haben;  bisher  von  christlichen  Piraten  Geraubtes 
werde  er  zurückerstatten  lassen,  wobei  indessen  die  Genuesen,  Pisaner, 
Marseiller  und  Venezianer  ausgenommen  seien,  da  deren  Beziehungen  zu 
Tunis  durch  besondere  Verträge  geregelt  wären.  Die  Insel  Pantellaria, 
zwischen  beiden  Mächten  streitig,  sollte  bei  Sizilien  verbleiben;  doch  hatte 
Friedrich  für  die  mohammedanischen  Einwohner  der  Insel  einen  Präfekten 
ihres  Glaubens  zu  bestellen  und  die  Hälfte  des  herkömmlichen  Tributs  der 
Insel  an  den  Beherrscher  von  Tunis  abführen  zu  lassen.  Vor  allem  aber 
sollten  die  gegenseitigen  Vexationen  der  von  Sizilien,  Kalabrien,  dem  Prin- 
zipat und  Apulien  nach  Afrika  und  umgekehrt  segelnden  Kaufleute  völlig 
aufhören  und  kein  sarazenischer  Kaufmann,  der  des  Handels  wegen  nach 
dem  sizilischen  Königreich  käme,  irgendwie  behindert  werden;  an  Zoll- 
abgaben sei  beiderseits  der  Zehnte  zu  entrichten. 

Die  so  angebahnten  freundlichen  Beziehungen  wurden  auch  dadurch 
nicht  gestört,  daß  sich  ein  Neffe  des  Herrschers  von  Tunis  in  das  sizilische 
Königreich  flüchtete ;  der  Kaiser  sorgte  für  seine  Bedürfnisse,  hielt  ihn  aber 

1)  Mas  Latrie,  Introd.  p.  52.  Abd  el-Wähid  Merräkechi:  Hist.  des  Almohades, 
trad.  p.  E.  Fagnan  (Alger  1893)  p.  218.     Amari  Musulm.  III,  516  f.     Manfroni  267. 

2)  Cod.  Caiet.  II  p.  314. 

«)  Winkelmann  I,  207.  Huillard-Breholles  V,  571  f.:  ...  debent  in  eis  Semi- 
nare alchanam  et  indicum  et  alia  diversa  semina  que  creseunt  in  Garbo  (womit 
hier  nur  die  Insel  Dscherba  gemeint  ist)  nee  sunt  in  partibus  Sicilie  adhue  visa 
crescere. 

*)  Const.  et  acta  11  no.  153  p.  187  f.  Mas  Latrie  Doc.  p.  153  ff.  Huillard- 
Bräholles  HI,  276.     Amari  Musulm.  m,  623  ff.    Winkelmann  II,  278.    Manfroni  386. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         303 

unter  Bewachung  und  lehnte   die  Mahnung  des  Papstes,    den  Prinzen   an 
die  Kurie  gehen  zu  lassen,  ab.i) 

235.  Dem  Beispiele  der  Seestädte  folgend,  ist  der  Kaiser  in  dieser 
Zeit  auch  zur  Ernennung  besonderer  Konsuln  für  Tunis  geschritten  —  es 
sind  die  ersten  von  einer  monarchischen  Macht  ernannten  überseeischen 
Konsuln ,  von  denen  wir  wissen.  Indessen  weilten  sie  keineswegs  immer 
auf  ihrem  Posten;  danach  hatten  sie  offenbar  die  Befugnis,  mit  der  Wahr- 
nehmung der  Konsulargeschäfte  in  Tunis  und  der  Erhebung  der  ihnen  in 
dieser  Stellung  zufließenden  Einnahmen  besondere  Stellvertreter  zu  betrauen. 
Das  gilt  namentlich  von  dem  ersten  dieser  Konsuln,  Henricus  Abbas  von 
Trapani,  den  wir  in  den  Jahren  1239  und  1240  mit  diesem  Titel  nach- 
weisen können.  Eifrig  ist  er  während  seines  Konsulats  im  Dienste  des 
Kaisers  tätig  gewesen;  im  Winter  1239  zu  1240  finden  wir  ihn  im  Auftrage 
des  Kaisers  in  Pisa  und  im  Königreich  mit  der  Beschaffung  der  für  den 
Unterhalt  der  Truppen  erforderlichen  Geldmittel  beschäftigt.^)  Erst  aus 
besonderer  Veranlassung  ging  er  dann  auch  nach  Tunis.  Der  Kaiser  erblickte 
eine  Verletzung  seines  Vertrags  mit  Tunis  darin,  daß  die  Genuesen  und 
Venezianer,  mit  denen  er  seit  1239  im  Kriege  lebte,  in  Tunis  nach  wie  vor 
Aufnahme  und  Vergünstigungen  fanden;  in  einem  Schreiben  an  seinen 
Admiral  Nicolinus  Spinola  vom  23.  Januar  1240  äußerte  er  deshalb  die 
Absicht,  deswegen  eine  Spezialmission  nach  Tunis  zu  schicken.^)  Mit  dieser 
Mission  betraute  er  nun  am  6.  Februar  1240  von  Foligno  aus  den  Konsul, 
indem  er  ihm  als  Notar  den  Magister  Johann  von  Palermo  beigab  und  ihn 
bezüglich  des  Näheren  auf  die  Mitteilungen  des  Überbringers,  Alberius  von 
Pontremoli,  verwies;  gleichzeitig  erhielt  der  Magister  Theodor,  der  »Philo- 
soph«, den  Auftrag,  ein  Geleitschreiben  für  Heinrich  in  arabischer  Sprache 
zu  verfassen. 4)  Zum  Haupte  der  Gesandtschaft  muß  dann  nachträglich 
Obertus  Fallamonachus  bestimmt  worden  sein ,  wie  aus  einer  dem  Kaiser 
eingereichten  Liquidation  hervorgeht;  Anfang  Mai  1240  war  die  Gesandt- 
schaft schon  wieder  zurück,^)  Von  ihren  Ergebnissen  wissen  wir  nichts 
Positives;  es  wäre  wohl  möglich,  daß  der  Vertrag  von  1231  damals  erneuert 
und  in  manchen  Beziehungen  schärfer  gefaßt  worden  ist.  Nachfolger  des 
.Henricus  Abbas  im  Konsulat  von  Tunis  wurde  Petrus  Capuanus  aus  Amalfi, 
des  Johannes  Capuanus  Sohn;  für  die  Verleihung  dieses  Amtes  hatte  er 
100  Goldunzen  (über  5000  M.)  pro  anno  zu  zahlen  und  Bürgschaft  dafür 
zu  stellen,  daß  er  diese  Summe  pünktlich  in  drei  Jahresraten  an  den  Fiskus 
abführen   würde. ß)     Im  Jahre  1244    kreuzte    die    kaiserliche   Flotte   in   den 


. ')  Mahnung  des  Papstes  24.  Juni  1236:  Huillard-Bräholles  IV,  872;  kaiser- 
liches Mandat  an  den  Justitiar  der  Capitanata  Weihnacht  1289 ;  ib.  V,  626.  Amari 
Musulm.  III,  628  f. 

2)  Huillard-Bröholles  V,  548,  567,  636  (Dezember  1239). 

«)  Ebd.  686.     Mas  Latrie,  Doc.  p.  155. 

♦)  Huillard-Bröholles  V,  726  f.,  745  f.  (Ein  servus  camerae  Abdolla,  qui  mit- 
titur  ad  discendum  legere  et  scribere  litteras  Saracenicas  ib.  603 ;  24.  Dez.  1239). 
Amari,  Musulm.  III,  629. 

")  Huillard  -  Breholles  V,  966;  3.  Mai  1240  betr.  Anspruch  des  Ob.  F.  auf 
43^/4  Goldunzen,  die  er  ausgegeben  pro  persona  sua,  H.  Abbatis  consulis  T.,  seu- 
teriis  et  equitaturis  suis  et  pro  camelis  nostris,  quos  duxerat  ad  nos  veniendo  de 
Tunisi  ad  presentiam  nostram. 

*)  Winkelmann  Acta  I  no.  878  p.  669  (undatiert;  aber  jedenfalls  vor  Septem- 
ber 1242  und  frühestens  1241  verfaßt). 


304  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

tunesischen  Gewässern  gegen  die  Genuesen;  es  ist  ein  Beweis  des  fort- 
dauernden Einvernehmens  der  beiden  Herrscher,  daß  der  kaiserUche  Admiral 
Andriolus  de  Mari  im  folgenden  Jahre  mit  einer  Flotte  von  zehn  Galeeren 
einen  tunesischen  Gesandten  nach  Spanien  überführte.i) 

236.  Bei  dem  Austausch  der  Produkte  der  beiden  Länder  spielte  wie 
schon  früher  das  Getreide  eine  besonders  wichtige  Rolle.  Als  der  Kaiser 
im  Spätherbst  1239  Lebensmittel  hauptsächlich  zur  Verproviantierung  der 
Befestigungen  aus  Sizilien  nach  Malta  schicken  ließ,  wies  er  den  Statthalter 
der  Insel  an,  einen  etwaigen  Überschuß  zum  Verkauf  nach  der  Berberei  zu 
senden,  und  zu  Weihnachten  desselben  Jahres  genehmigte  er  von  Pisa  aus 
den  Vorschlag  seines  Hafenmeisters  für  das  östliche  Sizilien,  die  zur  Ver- 
fügung der  Krone  stehenden  Lebensmittel  seines  Bezirks  nach  der  Berberei 
oder  nach  Spanien  zu  schicken,  je  nachdem  sie  da  oder  dort  mit  größerem 
Nutzen  verkauft  werden  könnten. 2) 

Wenig  später  berichtete  derselbe  Hafenmeister,  Angelus  Frisarius,  daß 
in  der  Berberei  Teuerung  herrsche,  und  daß  die  rührigen  Genuesen  Lebens- 
mittel in  Sizilien  mit  Geldern  des  Königs  von  Tunis  aufkauften  und  unter 
großem  Gewinn  nach  Afrika  transportierten,  während  es  richtiger  scheine, 
diesen  Gewinn  dem  Fiskus  zuzuwenden;  aus  demselben  Grunde  schlug  der 
Admiral  Spinola  vor,  in  Schiffen  der  Krone  von  den  verschiedenen  siziH- 
schen  Häfen  aus  im  ganzen  50000  Last  (salmae)  Lebensmittel  zum  Preise 
von  40000  Goldunzen  (über  2  Mill.  M.)  nach  Tunis  zu  transportieren.  Gern 
genehmigte  der  Kaiser  am  29.  Februar  1240  von  Viterbo  aus  diesen  Vor- 
schlag, der  dem  Fiskus  reichen  Gewinn  verhieß.^) 

Bei  dem  offenbaren  Bestreben  der  Krone,  für  ihre  vielfachen  Bedürf- 
nisse möglichst  viel  Barmittel  in  die  Hand  zu  bekommen,  ist  es  begreiflich, 
daß  sie  auf  den  Import  von  Tunis  her  weniger  Gewicht  legte.  Doch  sehen 
wir,  daß  der  Kaiser  auf  die  Einfuhr  von  Pferden  der  edlen  Berberrasse 
bedacht  war"*);  auch  Kamele  ließ  er  häufig  von  Afrika  herüberkommen^ 
wobei  er  auch  die  Absicht  verfolgte,  sie  in  seinem  Königreich  zu  akklimati- 
sieren 0);  in  Luceria  unterhielt  er  einen  besonderen  Leopardenzwinger,  der 
nicht  bloß  durch  Geschenke  afrikanischer  Fürsten,  sondern  auch  durch  An- 
kauf ergänzt  wurde  ^)  und  der  Kaiser  liebte  es,  auf  seinen  Zügen,  abgesehen 
von  zahlreichen  Geiern  und  Falken,  eine  förmliche  Menagerie  besonders 
von  Kamelen,  Dromedaren  und  Leoparden,  deren  Hauptschaustück  ein 
Elefant  bildete,  mit  sich  zu  führen.'') 


»)  Ann.  Jan.  213  f.,  218. 

«)  Huillard-Bröholles  V,  525  (Lodi  21.  Nov.  1239);  633  (Pisa  25.  Dez.  1239.) 

3)  Ebd.  782,  793.  Vgl.  Naude  160  f.  Winkelmann  II,  279.  Chone  96.  Unten  §  398. 

*)  Auftrag  an  Paulinus  von  Malta,  ev.  für  ihn  zu  kaufen  >pullo8  equinos  de 
Barcha  bene  alliniatos« ;  Huillard-Breholles  V,  525  (1239).  Weisung  an  den  Mar- 
schall von  Sizilien  betr.  zweier  >equi  nostri  de  Barbaria< ;  ebd.  858  (1240). 

*)  Paulinus  von  Malta  hat  8  Kamele  »ad  opus  curie  nostre«  an  den  Justi- 
tiar der  Capitanata  gesandt  und  zwei  männliche  und  ein  weibliches  in  Malta  zur 
Zucht  zurückbehalten  (1.  c.) ;  die  Gesandtschaft  von  1240  bringt  Kamele  von  Tunis 
zurück  (ebd.  966). 

*)  Derselbe  hat  zwei  Leoparden  leoparderiis  nostris  Lucerie  morantibus  über- 
wiesen und  wird  beauftragt,  von  dem  Erlöse  des  ev.  in  der  Berberei  zu  verkaufen- 
den Getreides  auch  Leoparden  anzukaufen  (1.  c). 

')  SchefEer-Boichorst  p.  282.  In  privaten  Handelsgeschäften  vermögen  wir  int 
Jahre  1248  Mathaeus  Bocamosca  von  Neapel  und  Angelus  Judex  von  Ravello  in. 
Bugia  nachzuweisen.     Amalric  no.  926. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord- Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.  305 

237.  Auch  Venedig  nahm  seit  der  Zeit  der  Almohaden  in 
wachsendem  Maße  an  dem  Handelsverkehr  mit  Nord-Afrika  teil. 

Wir  wissen,  daß  der  Doge  Sebastiano  Ziani  (1172 — 1178),  wie  mit 
Ägypten,  so  auch  mit  dem  Almohadenherrscher  bald  im  Anfang  seines 
Regiments  einen  Friedens-  und  Freundschaftsvertrag  (pacem  firmissimam) 
abgeschlossen  hat.i)  Eine  verwitwete  Venezianerin,  die  in  Palermo  wohnte, 
gedenkt  im  Jahre  1165  in  ihrem  Testament  der  Söhne  ihres  Bruders,  die 
auf  der  Insel  Dscherba  weilten 2);  ein  sicheres  Zeichen,  daß  der  schon  in 
weit  früheren  Zeiten  nachweisbare  Handelsverkehr  der  Venezianer  im  Gebiet 
der  Syrten  fortdauerte.  Das  wird  um  so  unzweifelhafter,  als  auch  die 
Venezianer  ihre  Handelsfahrten  gelegentlich  bis  in  den  äußersten  Westen 
des  Mittelmeeres  ausdehnten.  Der  uns  schon  mehrfach  bekannt  gewordene 
unternehmende  venezianische  Seemann  und  Reeder  Romanus  Mairanus 
nimmt  am  9.  Juni  1177  von  Petrus  Barbani  für  sein  auf  dem  Rialto  eben 
neu  erbautes  Schiff,  als  dessen  Nauclerus  Johannes  Daponte  mit  der  nächsten 
Schiffskarawane  nach  Ceuta  (Sitam)  oder  nach  Bugia  fahren  soll,  ein  See- 
darlehn  in  Waren  auf  ^) ,  indem  er  verspricht ,  dem  Gläubiger  oder  seinem 
Bevollmächtigten  binnen  zwei  Monaten  nach  behaltener  Ankunft  an  jenem 
der  beiden  Plätze,  an  dem  man  zuerst  des  Handels  wegen  vor  Anker  gehen 
würde,  1333  vollwichtige  almohadische  Goldstücke  zu  erstatten.  Zu  seiner 
Sicherheit  bestellt  er  ihm  dafür  1/5  seines  Schiffs  mit  Ausrüstung  als  Spezial- 
pfand.  Es  sind  bisher  für  diese  Zeit  ganz  unbekannte  Handelsbeziehungen, 
die  uns  diese  eine  Urkunde  enthüllt. 

Wie  regelmäßig  diese  venezianischen  Handelsfahrten  selbst  bis  zum 
äußersten  Westen  des  Mittelmeers  stattfanden,  zeigt  besonders  die  Ver- 
ordnung der  Signorie  vom  Mai  1225^),  die  den  Schiffsverkehr  nach  dem 
Regnum,  nach  Tunis,  Bugia  5)  und  Ceuta  allen  Venezianern  in  der  Weise 
freigab,  daß  die  Fahrt  dahin  von  Venedig  selbst  aus  von  S.  Peter  (29.  Juni) 
an,  von  einem  der  Häfen  zwischen  Venedig  und  Brindisi  von  Mitte  Juli  an, 
von  Brindisi  oder  einem  noch  jenseits  gelegenen  Hafen  aber  erst  vom 
1.  August  an  angetreten  werden  durfte ,  so  daß  also  die  näher  am  Ziel 
liegenden  Schiffe  die  anderen  aufzunehmen  hatten;  offenbar  sollte  damit 
auch  für  die  aus  Venedig  selbst  aufbrechenden  Schiffe  der  mit  einer  späteren 
Ankunft  verbundene  Handelsnachteil  vermieden  werden.  Das  Seestatut  vom 
1.  Juni  1229  enthält  besondere  Ladevorschriften  für  die  venezianischen 
Schiffe,  die  an  der  afrikanischen  Küste  auf  der  ganzen  Strecke  vom  Plateau 
von  Barka  an  bis  Ceuta  Ladung  einnahmen  ß)   und  bestimmt   das   auf  der 


1)  Hist.  Ducum  Ven.,  SS.  XIV,  81.  Streit  L ,  Venedig  und  die  Wendung  des 
4r.  Kreuzzuges,  hat  unter  dem  Dominus  Massamutorum  den  Khalifen  von  Bagdad 
verstehen  wollen;  p.  41. 

*)  Mortillaro,  V.  Opere  I  p.  382,  »in  partibus  insularum  Gerbarum«.  Die  Be- 
wohner der  an  Fruchtbäumen  reichen  Insel  zeichneten  sich  durch  eifrigen  Betrieb 
der  Wollenweberei  aus;  vgl.  Bertholon  L.,  Exploration  anthropologique  de  l'ile  de 
Gerba.     Paris  1897. 

3)  Sacerdoti  p.  32  f. 

*)  Lib    pleg.  no.  274. 

')  Den  Verkehr  venezianischer  Kaufleute  in  Bugia  berührt  auch  der  erwähnte 
arabische  Brief  eines  Dragomans  (von  1207)  an  den  Pisaner  Lamberto  del  Vernac- 
cio ;  Amari  p.  76  no.  25. 

")  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  IV  p.  276  rub.  28 :  naves  que  caricabuntur  a  Montibus 
de  Barchis  in  antea  usque  Setam;  wiederholt  in  den  Stat.  navium  von  1255  ib.  V 
(1903),  219  rub.  71. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  20 


306  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Reise  »per  totam  Barbariam«  für  jede  Person  auf  dem  SchifJe  mitzuführende 
Quantum  von  Wasser  und  Wein  i) ;  als  besonders  wichtiger  Handelsartikel 
tritt  uns  die  Wolle  aus  Tunis  und  der  Berberei  entgegen.^)  In  den  tunesi- 
schen Gewässern  war  es,  wo  Graf  Alamanno  von  Syrakus  einmal  vene- 
zianische Kaufleute  überfiel  und  ausplünderte;  im  Mai  1228,  als  Genua  und 
der  Graf  des  Friedens  wegen  mit  Venedig  unterhandelten,  gab  Marco  Con- 
tarini  vor  der  Signorie  die  von  ihm  und  seinen  Genossen  dabei  erlittenen 
Verluste  auf  2650  byz.  an.^)  Im  Jahre  zuvor  war  Andrea  Michiel  als  Ge- 
sandter Venedigs  nach  Tunis  gegangen ;  wir  wissen  von  seiner  Mission  nur, 
daß  die  Signorie  am  13.  April  1227  versprach,  falls  die  ihm  mitgegebenen 
Gelder  nicht  genügen  sollten,  für  ein  von  ihm  aufzunehmendes  Darlehn 
aufzukommen."^) 

238.  Kurz  darauf  machte  sich  Abu  Zakaria  in  Tunis  selbständig ; 
Venedig  hat  als  die  erste  unter  den  Seestädten  einen  besonderen  Ver- 
trag mit  ihm  geschlossen,  den  der  Gesandte  Petrus  Delphini  am 
5.  Oktober  1231  auf  40  Jahre  zustande  brachte.^) 

Den  Venezianern  wurde  das  Recht  eingeräumt,  Konsuln  in  Tunis  zu  haben, 
die  in  ihrem  Fondaco  wohnten;  außer  den  Streitigkeiten  der  Venezianer 
untereinander  gehörten  vor  ihr  Forum  auch  ihre  Streitigkeiten  mit  andern 
Christen,  wenn  der  Beklagte  ein  Venezianer  war,  während  im  anderen  Fall 
der  Konsul  des  Beklagten  zuständig  war.  Die  Eigentumsrechte  der  Vene- 
zianer sollten  auch  in  Nachlaßsachen  und  bei  Schiffbruch  nicht  verletzt  wer- 
den dürfen ;  schädigte  ein  sarazenischer  oder  ein  christlicher  Kaufmann,  der 
einer  der  mit  Tunis  in  Frieden  lebenden  Handelsnationen  angehörte,  einen 
Venezianer  in  einem  der  Häfen  des  Reiches,  so  war  die  Duane  des  betref- 
fenden Ortes  zum  Einschreiten  und  zur  Rückgabe  des  Wiedererlangten  ver- 
pflichtet. Lag  Schädigung  durch  einen  Venezianer  vor,  so  sollte  nur  gegen 
den  Schädiger  selbst  oder  dessen  Bürgen  vorgegangen  werden  dürfen ;  falls 
ein  Venezianer  mit  Waren  oder  sonstiger  Habe  eines  Sarazenen  flüchtig 
würde,  so  versprach  der  Doge  mit  allen  Rechtsmitteln  gegen  den  Schuldigen 
einzuschreiten.  Im  Fondaco  der  Venezianer  durfte  niemand  ohne  ihre  Er- 
laubnis Wohnung  nehmen;  auch  einen  eigenen  Backofen  (clibanum)  hatten 
sie,  und  das  öffentliche  Bad  sollte  ihnen  jedesmal,  wenn  sie  dessen  bedürften, 
vermietet  werden. 

An  der  Duane  durften  sie  sich  einen  christlichen  Schreiber  bestellen ; 
Zölle  und  Vermittelungsgebühren  hatten  sie  in  gleicher  Höhe  wie  die  Pisaner 
zu  entrichten.  Zum  Zwecke  des  Handels  war  ihnen  der  Besuch  eines  jeden 
Ortes  gestattet,  an  dem  sich  eine  Zollstätte  (doana)  befand;  auch  sollten 
ihnen  keine  Schwierigkeiten  gemacht  werden,  wenn  sie  zum  Löschen  ihrer 
Waren  Träger  oder  anderes  Personal  nötig  hatten.  Endlich  wurde  ihnen 
unter  den  gleichen  Bedingungen  wie  5  Jahre  später  den  Genuesen  die  zoll- 
freie Ausfuhr  von  Getreide  und  zwar,  von  8  Schiffsladungen  gestattet.    Dieser 


1)  rub.  33  1.  c.  p.  277. 

2)  Stat.  navium  1255  1.  c.  210  rub.  54. 

^)  Lib.  pleg.  no.  613.  Ob  die  no.  614  angeführte  Beraubung  von  Venezianern 
auf  dem  Schiffe  Paradisus  durch  Alamannus  ebenda  erfolgt  ist,  ist  nicht  ersichtlich. 
Vgl.  auch  no.  633. 

*)  Ebd.  no.  527. 

6)  Mas  Latrie,  Doc.  p.  196  f.     Tafel  und  Thomas  II,  303  f.     Chone  p.  68  läü 
diesen  Vertrag  durch  Genua  und  Venedig  gemeinsam  abgeschlossen  werden! 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.         307 

für  die  Beziehungen  Venedigs  zu  Tunis  grundlegende  Vertrag  wurde  im 
Jahre  1251  mit  geringen  Abänderungen  erneuert;  wiederum  sollte  er  40  Jahre 
in  Kraft  bleiben,  i) 

Daß  endlich  auch  die  Rag  usaner  an  dem  Handelsverkehr  mit  Nord- 
Afrika  beteiligt  waren,  geht  aus  ihrem  Vertrage  mit  Venedig  von  1232  her- 
vor, nach  dem  sie  für  Waren,  die  sie  aus  dem  Tunesischen  oder  aus  der 
Berberei  nach  Venedig  importierten,  einen  Zollsatz  von  20  Prozent  zu  ent- 
richten hatten.  2) 

239.  Erst  seit  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  treten  die  Han- 
delsbeziehungen Südfrankreichs  zu  Nord -Afrika  allmählich  ans 
Licht;  der  früher  so  lebhafte  Zwischenhandel  der  Italiener  zwischen 
diesen  Gebieten  tritt  mehr  und  mehr  zurück^),  während  der  Handel 
insbesondere  von  Marseille  mit  den  Sarazenen  des  Westens  bis  zur 
Mitte  des  Jahrhunderts  einen  überraschend  großen  Umfang  annimmt. 

Handelsverträge  von  Marseille  mit  den  sarazenischen  Herrschern  dieses 
Gebiets  sind  freilich  nicht  erhalten;  daß  sie  aber  vorhanden  waren,  geht 
nicht  bloß  aus  dem  Vertrage  Kaiser  Friedrichs  H.  mit  Abu  Zakaria  von 
1231  hervor,  sondern  namentlich  aus  dem  Abkommen  zwischen  Marseille 
und  Genua  vom  Jahre  1211:  falls  der  Beherrscher  der  Sarazenen  (also  der 
Almohade)  oder  ein  Statthalter  desselben  dem  Friedensvertrage  mit  den 
Marseillern  zuwiderhandelte  (contra  pacem  Marsiliensium)  und  ihre  Be- 
schwerden nicht  abstellte,  so  daß  Marseille  zum  Erlaß  eines  Handelsverbots 
schreiten  müßte,  sollte  Genua  auf  ergehende  Aufforderung  zum  Erlaß  einer 
gleichen  Sperre  verpflichtet  sein  mid  diese  nicht  eher  aufheben  dürfen  als 
Marseille  selbst  —  die  gleiche  Verpflichtung  übernahm  natürlich  auch  Mar- 
seille für  den  umgekehrten  Fall.*) 

Besonders  lehrreich  für  den  Umfang  und  die  Bedeutung  des  Marseiller 
Handelsverkehrs  mit  dem  Gharb  ist  die  in  dem  Statut  vom  14.  Januar  1229 
enthaltene  Fondacatsordnung^),  die  in  ihrer  Überschrift  Ceuta  und  Bugia, 
im  Text  außerdem  noch  Tunis  und  Gran  besonders  namhaft  macht  und 
damit  zugleich  die  Bedeutung  der  Hauptplätze  Nord-Afrikas  für  den  Mar- 
seiller Handel  scharf  kennzeichnet.  In  dem  für  die  Unterkunft  der  Kauf- 
leute und  ihrer  Waren  bestimmten  Fondaco  stand  dem  von  Marseille  be- 
stellten Fundacarius  wie  seinem  Sekretär  (scriptor)  je  ein  Gelaß  als  Wohnung 
zur  Verfügung;  von  den  verfügbaren  Räumen  durfte  er  je  einen  Laden  an 
einen  Schneider  und  Schuster,  zwei  an  Kürschner  (pelliparii),  aber  immer 
nur  auf  ein  Jahr,  vermieten,  außerdem  mußte  sich  in  jedem  Fondaco  ein 
Backofen  befinden.  Unzüchtige  Frauenspersonen  durfte  er  im  Fondaco  nicht 
dulden,  auch  das  Halten  von  Schweinen,  als  den  Sarazenen  anstößig,  nicht 
gestatten.  Jeder  Fundacarius  hat  zum  Verwiegen  der  zur  Löschung  oder 
zur  Verladung  kommenden  Waren  die  notwendigen  amtlichen  Gewichte 
bereit  zu  halten;  für  die  Hergabe  derselben  darf  er  vom  Schiff  nicht  mehr 


')  Tafel  und  Thomas  II,  450. 

2)  Ebd.  307  f.     Ljubic  I  p.  48. 

')  Im  Jahre  1205  fiel  ein  genuesisches  Schiff,  die  Viola,  die  von  der  Provence 
nach  Bugia  wollte,  den  Pisanern  in  die  Hände.     Ann.  genov.  11,  96. 

*)  Lib.  Jur.  I  no  491  p.  853,  856  (erneuert  1229). 

')  Mery  et  Guindon  I,  350  ff.,  daraus  bei  Mas  Latrie,  Doc.  p.  89  f.  Damit  be- 
rühren sich  die  späteren  Statuten  lib.  I,  18  bei  Möry  et  Guindon  U,  205  f.  Fag- 
niez  I,  177. 

20* 


308  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

als  1  Byz.  erheben,  während  sein  Sekretär  die  übhche  Schreibgebühr  (scriva- 
niam)  für  die  Ausstellung  der  Verwiegungsscheine  zu  fordern  hatte.  Be- 
sonders ausführlich  wird  der  Weinhandel  geregelt,  der  allein  den  Marseiller 
Bürgern  vorbehalten  war  und  sich  nur  auf  den  von  diesen  selbst  ausgeführten 
Marseiller  Wein  erstrecken  durfte ;  auch  durfte  er  nicht  mit  den  zum  Trans- 
port benutzten  Gebinden  verkauft,  sondern  mußte  zuvor  mit  den  vom  Fun- 
dacarius  geführten  amtlichen  Maßen  abgemessen  werden,  i)  Im  Fondaco 
selbst  durfte  zum  Zwecke  des  Weinverkaufs  en  detail  oder  en  gros  nur  ein 
Laden  verpachtet  sein;  hier  durfte  nur  an  Christen  verkauft  werden.  Im 
übrigen  waren  die  Marseiller  Händler  bezüglich  des  Weinverkaufs  auf  be- 
sondere herkömmlicherweise  diesem  Zweck  dienende  Lokale  angewiesen'-^), 
in  denen  die  Fundacarii  sich  einen  Raum  (magazenum)  zum  Weinverkauf 
an  die  Sarazenen  reservieren  durften ;  die  Zahl  der  Gläubigen,  die  das  Wein- 
verbot des  Koran  auf  ihre  Weise  auslegten,  scheint  danach  nicht  gering 
gewesen  zu  sein.  Dieselben  Statuten  legten  allen  Fremden,  die  zur  See  aus 
dem  Gharb  nach  Marseille  kamen,  von  aller  mitgeführten  Habe  einen  be- 
sonderen Wertzoll  von  1  Denar  pro  libra  (etwa  1/4  Prozent)  auf,  wobei  3^/2  By- 
zantien   des  Gharb   einer  libra  reg.  coron.  gleichgerechnet  werden  sollten,  3) 

240.  Außer  diesen  Statuten  allgemeineren  Inhalts  sind  es  namentlich  die 
aus  der  Handelstätigkeit  selbst  hervorgegangenen  Urkunden  der  Familie  Man- 
duel  und  die  Akten  des  Notars  Amalric  von  1248,  die  uns  über  den  Handels- 
verkehr von  Marseille  mit  Nord-Afrika  die  wichtigsten  Aufschlüsse  gewähren ; 
von  den  114  aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erhaltenen  Handels- 
urkunden der  Familie  Manduel  beziehen  sich  nicht  weniger  als  52  auf  dieses 
Gebiet.  Wenn  nur  5  davon,  den  Jahren  1230 — 1249  angehörig,  den  Handel 
mit  Tunis  betreffen,  so  scheint  in  der  Tat  der  Handel  von  Marseille  nach 
diesem  Platze  nicht  besonders  erheblich  gewesen  zu  sein ;  im  übrigen  kennen 
wir  schon  den  Fall,  wo  die  Marseiller  im  Jahre  1223  durch  einen  beson- 
deren Gesandten  das  von  dem  Genuesen  Rain.  Archantus  vermeintlich  auf 
die  mit  ihm  reisenden  Sarazenen  geplante  Attentat  dem  Statthalter  von  Tunis 
melden  ließen.  *) 

Sehr  viel  lebhafter  war  mizweifelhaft  der  Handel  von  Marseille  mit 
Bugia,  dem  afrikanischen  Seeplatz,  der  ihm  mit  seiner  noch  nicht  IfiO  Meilen 
betragenden  Entfernung  von  allen  am  nächsten  lag.  Aus  dem  Jahre  1210 
haben  wir  die  ersten  Nachrichten  von  dem  Schiffsverkehr  von  Marseille  nach 
Bugia;  ein  dahin  bestimmtes  Schiff  fiel  bald  nach  seiner  Ausreise  vier  ge- 
nuesischen Galeeren  unter  Guil.  Embriaco  in  die  Hände ;  im  gleichen  Jahre 
erschienen  zwei  »de  Barbaria«  zurückkehrende  Marseiller  Galeeren  vor  dem 
Hafen  von  Genua;  und  auch  die  älteste  der  24  auf  Bugia  bezüglichen  Handels- 
urkunden der  Familie  Manduel,  ein  Commendavertrag  auf  das  Schiff  Estella, 
gehört  diesem  Jahre  an.^)  Aus  Amalrics  Notularium  können  wir  für  das 
Frühjahr  1248  die  Ausreise  zweier  Busen  (bucius  navis),  S.  Franciscus  (Eigen- 
tümer Bertrandus  Davini^)  und  S.  Egidius'^)  (Eig.  Raimundus  de  Mossono), 


')  cum  mellairolis  et  quartinis  communis  Massiliae. 

*)  in  parvis  funditis,    in    quibus    consuetum  est  in  dictis  terris  vinum  vendi. 
«)  Mary  et  Guindon  I,  329. 

*)  Manduel  no.  25,  48,  69,  82,  107.     Ann.  genov.  II,  191.     Oben  §  225. 
*)  Ann.  genov.  11,  116.     Manduel  no.  4. 
*)  Das  Schiff  ging  auch  im  folgenden  Jahre  nach  Bugia;  Manduel  no.  108. 
'')  In  einigen  Nummern    des  Notulariums  S.  Nicolaus  genannt;   an   der  Iden- 
tität ist  nicht  zu  zweifeln,  da  die  gleichen  Personen  hier   wie  dort  als  Mitreisende 


A 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.  309 

nach  Bugia  nachweisen,  für  die  uns  je  26  Kontrakte  vorliegen.  Bemerkens- 
wert erscheint  dabei  die  starke  Beteiligung  der  Juden;  an  den  Kontrakten 
für  die  Reise  des  S.  Franciscus  ist  nur  in  7  Fällen  kein  Jude  beteiligt, 
während  in  den  meisten  beide  Kontrahenten  Juden  sind;  am  häufigsten 
begegnet  Josef,  des  verstorbenen  Moses  aus  Palermo  Sohn,  daneben  ein 
Moses  von  Alexandrien  und  Moses  von  Accon,  der  sich  als  Bürger  von  Mar- 
seille bezeichnet.!)  In  Bugia  unterhielt  Marseille  auch  ein  Konsulat;  im 
Jahre  1233  hat  Guillelmus  Charuel  dieses  Amt  bekleidet  2) ;  die  etwa  20  Jahre 
später  redigierten  Statuten  heben  außer  Bugia  auch  Ceuta  als  Sitz  eines 
Marseiller  Konsuls  hervor.  3) 

241.  Für  Marseille  gerade  haben  wir  auch  Nachrichten  über  seinen 
Handelsverkehr  mit  manchen  kleineren  Seeplätzen,  wie  sie  uns  für  alle 
anderen  Handelsnationen  in  dieser  Zeit  noch  fehlen.  So  hören  wir  im 
Sommer  1248  von  dem  Fahrzeug  (lignum)  des  Dominicus  de  Fönte,  das 
über  Mallorka  nach  Algier  oder  Tenes  gehen  wollte;  verschiedene  Com- 
menden  werden  für  diese  Fahrt  von  Marseiller  Bürgern  dem  Juden  Bonusi- 
saac  Ferrusol  anvertraut.  *) 

Mit  Oran  und  seiner  weiteren  Umgebung  standen  besonders  die  Man- 
duel  in  Geschäftsverbindung.  Schon  am  2.  April  1211  hat  Stephanus  de 
Mandoho  einem  Geschäftsfreunde,  dem  Bernardus  de  Gardia,  für  seine 
Handelsreise  nach  Oran,  die  er  nach  Ermessen  weiter  ausdehnen  durfte, 
einen  Betrag  von  nachgeprägten  Miliarenses  (25  Byz.)  zur  Verwertung  über- 
geben 0);  1227  tat  er  das  Gleiche  gegenüber  Stephanus  de  Fönte  und  dem 
Juden  Bonus  Judas,  die  auf  dem  Schiffe  S.  Michael  nach  Unen  und  von 
da  weiter  nach  Tlemsen,  das  von  je  ein  wichtiger  Handelsmittelpunkt 
war,  gingen.  6)  Am  Anfang  der  dreißiger  Jahre  hat  dann  sein  Sohn  Bern- 
hard auf  dem  neuen  Schiffe  S.  Salvator  eine  Handelsreise  nach  Oran  und 
Tlemsen  angetreten."^)  In  Oran  hat  er  bei  Lanfrancus  Botar  und  Sylus 
de  Sylo  ein  Darlehn  aufgenommen,  das  er  später  (am  27.  Januar  1232)  dem 
Bevollmächtigten  der  Gläubiger,  Bedonus  Cigala,  m  Marseille  mit  50  Byz. 
mihar.  erstattet  hat;  den  Namen  nach  zu  urteilen,  scheinen  die  Geldgeber 
und  ihr  Vertreter  Genuesen  zu  sein.  Ein  Mißgeschick  traf  ihn  in  Oran  in- 
sofern, als  ihm  hier  ein  Teil  seiner  Waren  durch  Carrocinus,  einen  natür- 
lichen Sohn  des  Grafen  Alamannus,  der  sich  wie  sein  verstorbener  Vater 
auf  den  Seeraub  geworfen  hatte  ^),  abgenommen  wurde ;  darunter  befand  sich 
auch  ein  Pack  Häute,  die  ihm  der  Barcelonese  Johannes  Ruffus  übergeben 

genannt  werden.  Vgl.  Amalric  no.  451,  464  mit  535,  536,  567 ;  466  und  474  mit  618 ; 
477  mit  605  und  606.  Es  scheint,  daß  der  S.  Mcolaus  am  14.  oder  15.  April  in 
S.  Egidius  umgetauft  worden  ist. 

1)  Amalric  no.  657,  577. 

*)  Manduel  no.  45  »consul  tunc  in  Bogia  pro  comuni  Massiliae.*  In  den 
Jahren  1211 — 1228  ist  er  mehrfach  als  publicus  notarius  in  Marseille  nachweisbar; 
ebd.  no.  5,  7,  16  u.  18;  1226  reiste  er  in  Handelsgeschäften  nach  Bugia;  ebd.  no  12. 

5)  Mery  et  Guindon  II,  205.     Fagniez  I,  177. 

*)  Amalric  no.  807,  810,  814,  815. 

')  Manduel  no.  5. 

")  Ebd.  no.  17:  in  hoc  viagio  de  Unen  et  inde  apud  Tremesinum.  Zeugnisse 
für  die  kommerzielle  Bedeutung  Tlemsens  bei  Heyd,  Afrika  653. 

^)  Manduel  no.  28,  30,  32  (am  20.  Juli  1230  war  Bernhard  noch  in  Marseille ; 
no.  26). 

^)  Ann.  Jan.  zu  1229  p.  172  f. :  »more  patris  volens  pyraticam  exercere  .  .  ., 
qui  .  .  .  plurima  mala  fecit.< 


310  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

hatte ;  um  ihn  in  etwas  zu  entschädigen,  Heh  ihm  Bernhard  am  28.  Februar 
1232  in  Marseille  den  Betrag  von  3  1.  reg.  cor, ,  zu  deren  Rückgabe  der 
Schuldner  bis  zum  4.  August  verpflichtet  bleiben  sollte,  falls  er  seine  Habe 
wiedererlangte. 

242.  Sehr  beträchtlich  war  der  Handel  von  Marseille  mit  Ceuta;  nur 
hinter  dem  mit  Bugia  stand  er  wohl  an  Intensität  etwas  zurück.  Auch  für 
diesen  Verkehr  liegt  uns  die  älteste  Nachricht  aus  dem  Jahre  1211  vor,  in 
dem  zwei  von  Ceuta  kommende  Marseüler  Schiffe,  die  Barra  und  Guasta- 
vinum,  mit  reicher  Ladung  bei  C.  Palo  von  zwei  genuesischen  Kaperschiffen 
des  Grafen  von  Syrakus  und  des  Admirals  Porcus  aufgebracht  und  nach 
Sizilien  geschafft  wurden,  i)  Von  den  Handelsurkunden  der  Manduel  be- 
ziehen sich  16,  den  Zeitraum  von  1212 — 1240  umfassend,  auf  diesen  Ver- 
kehr; eine  derselben  ist  in  Ceuta  selbst  im  dortigen  Fondaco  der  Marseiller 
vom  Notar  Mattheus  Wilelmi  in  recht  barbarischer  Sprache  aufgenommen.  2) 
Es  lassen  sich  aus  denselben  15  weitere  Marseiller  Schiffe,  die  nach  Ceuta 
verkehrten,  mit  Namen  nachweisen  3) ;  auch  erscheint  bemerkenswert,  daß 
in  diesen  Kontrakten  für  den  reisenden  Kaufmann  mehrfach  ein  längerer 
Aufenthalt  in  Ceuta  in  Aussicht  genommen  ist  *),  der  dann  zu  weiteren  Ge- 
schäftsreisen benutzt  werden  konnte.  Im  Notularium  Amalrics  beziehen  sich 
22  Kontrakte  auf  den  Verkehr  mit  Ceuta,  davon  17  auf  die  Fahrt  der  Bona- 
ventura, Eig.  Arnaudus  Gascus,  die  im  April  1248  Marseille  verließ. 

243.  Marseiller  Schiffe  vermittelten  gelegentlich  auch  den  Verkehr 
anderer  südfranzösischer  Häfen  mit  Nord- Afrika ;  so  ging  das  Schiff  Angelus 
1229  zuerst  von  Marseille  nach  den  Hyerischen  Inseln  und  von  da  erst 
nach  Bugia,  und  das  nach  Ceuta  bestimmte  Schiff  der  Garnerii  lief  1233 
den  Hafen  von  Narbonne  an,  um  hier  seine  Ladung  zu  vervollständigen.^) 

Aber  auch  sonst  waren  südfranzösische  Städte  an  dem  Handelsverkehr 
mit  Nord- Afrika  beteiligt.  Für  A  r  1  e  s  deutet  ein  etwa  aus  dem  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts  stammendes  Statut  darauf  hin,  wonach  Miliarenses  im  Ge- 
biet von  Arles  von  Arelatensern  oder  Fremden  nur  mit  Erlaubnis  des  Erz- 
bischofs und  der  Konsuln  von  Arles  geprägt  werden  durften.  *')  Bürger  von 
Saint-Gilles  finden  wir  in  den  Marseiller  Akten  Amalrics  zweimal  im 
Handel  mit  Bugia  vertreten. '^)  R.  Parator  empfängt  am  23.  April  1248  eine 
Commenda  dorthin  von  einem  Bürger  von  Alais,  Petrus  de  Ripa,  und 
W.  Manent  vertraut  im  selben  Monat  dem  Juden  Crescas  Ferrusol  eine 
solche  für  die  gleiche  Handelsreise  an.  Wenn  wir  sonst  in  den  Marseiller 
Dokumenten  Personen  aus  Millau,  Agde,  Beaucaire,  Figeac,  Car- 
cassonne  an  diesem  Handel  beteiligt  finden,  so  handelt  es  sich  nach  den 
Umständen,  unter  denen  sie  erwähnt  werden,  um  Leute,  die  sich  in  Mar- 
seille   ansässig    gemacht    hatten;    immerhin    auch   das   bezeichnend  für  den 


1)  Ann.  genov.  11,  118  f. 

«)  Manduel  no.  73  (1.  Nov.  1236). 

2)  Mit  Ausnahme  von  3  bucii  naves  sämtlich  als  naves  bezeichnet. 

*)  Ebd.  no.  26:  ...  tibi  transmittere,  si  viagium  mutabo  vel  in  terra  illa  mo- 
ram  fecero ;  vgl.  no.  18 ;  ...  si  vero  illic  remanerem,  no.  54  vgl.  no.  70.  Bernardus 
Gascus  de  Condomio  erhält  1248  von  seinem  in  Ceuta  weilenden  Sohne  Geld  durch 
einen  Geschäftsfreund  übersandt;  Amalric  no.  1026. 

**)  Manduel  no.  19  und  40. 

*)  Giraud  II,  198  rub.  30  (doch  ist  sicher  nicht  recii)iatur,  sondern  fiat  oder 
cudatur  zu  ergänzen). 

')  Amalric  no.  579,  466. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohaden.  311 

Anteil,  den  weite  Kreise  Süd-Frankreichs  an  diesem  Handel  nahmen.  Wie 
auf  anderen  Handelsgebieten,  so  sehen  wir  endlich  auch  auf  diesem  nächst 
Marseille  die  Kaufleute  von  Montpellier  am  meisten  vertreten.  Einen 
nicht  seltenen  Verkehr  derselben  in  sarazenischen  Ländern  setzt  schon  das 
Statut  vom  1.  August  1223  voraus,  das  für  den  Fall  des  Todes  eines  Lands- 
manns in  einem  sarazenischen  Gebiet  vorschreibt,  daß  der  Nachlaß  nach 
genauer  Inventaraufnahme  auf  der  Duane  so  lange  zu  deponieren  sei,  bis 
besondere  Verfügung  über  denselben  ergehe,  i)  Im  Jahre  1230  ist  Petrus 
Silvester  von  Montpellier  mit  einer  Commenda  von  Stephanus  de  Mandolio 
von  Marseille  aus  auf  die  Handelsreise  zunächst  nach  Genua  und  von  da 
weiter  nach  Tunis  gegangen.  2)  Nach  Bugia  gingen  1248  auf  dem  S.  Fran- 
ciscus  ein  Kaufmann  von  Montpellier  und  einer  von  A 1  b  i ,  die  als  Sozii  die 
Commenda  eines  Marseillers  mitführten.  3)  Im  selben  Jahre  fuhr  Johannes 
de  Villaforti  von  Montpellier  auf  der  Bonaventura  von  Marseille  nach  Ceuta; 
wir  kennen  fünf  Fälle,  in  denen  ihm  von  speziellen  Landsleuten  Commendae 
für  diese  Reise  anvertraut  wurden;  der  an  diesen  Geschäften  hauptsächlich 
beteiligte  W.  Rocadu  von  Montpellier  hat  für  die  gleiche  Reise  noch  eine 
weitere  in  Drogen  bestehende  Commenda  vergeben,  von  der  die  Hälfte 
seinem  Landsmann  Bernardus  Ruffus  gehörte.*) 

244.  Verhältnismäßig  gut  sind  wir  endlich  gerade  für  Süd-Frank- 
reich über  die  Gegenstände  seines  afrikanischen  Handels,  namentlich 
seiner  Ausfuhr  unterrichtet. 

Von  den  statutarischen  Bestimmungen  über  den  W  e  i  n  h  a  n  d  e  1  ist  schon 
die  Rede  gewesen ;  zur  Ergänzung  können  einige  Belege  aus  der  Praxis  des 
Bernardus  de  Mandolio  dienen.  Zu  einer  Commenda,  die  er  im  November 
1235  dem  Andreas  Johannes  für  die  Fahrt  nach  Ceuta  anvertraute,  gehörten 
auch  50  Faß  (millarolae)  Wein;  für  ein  Seedarlehn  von  35  1.  reg.,  das  er 
dem  Johannes  Gandulphus  im  März  1236  mit  der  Verpflichtung  zur  Rück- 
erstattung von  182  Byz.  mil.  binnen  14  Tagen  nach  behaltener  Ankunft  in 
Ceuta  gewährte,  bestellte  ihm  dieser  100  Faß  Wein  als  Spezialhypothek ; 
Bernhard  selbst,  der  die  Reise  auf  dem  Schiffe  des  Falconus  Janoynus  mit- 
machte, verkaufte  in  Ceuta  an  W^il.  Arnaudus  ein  Quantum  Wein  für  240  byz. 
mil.,  von  denen  dieser  100  byz.  anzahlte,  während  er  den  Rest  je  zur  Hälfte 
Ende  November  und  Weihnachten  1236  zu  begleichen  versprach.  &)  Es  ist 
also  ein  Weinexport  im  großen,  den  das  Haus  Manduel  von  Marseille  aus 
nach  Ceuta  betrieb. 

Was  den  Lebensmittelhandel  anbetrifft,  so  begegnen  wir  dreimal  dem 
Export  von  Kastanien  von  Marseille  nach  Bugia ß),  während  Bernardus 
de  Mandolio  im  Jahre  1233  einmal  20  Roussilloner  Scheffel  Bohnen  in 
Narbonne  zur  Ausfuhr  nach  Ceuta  verladen  ließ. '^)  Häufig  ging  Seh me er 
von  Marseille  namentlich  nach  Bugia;  1248  kennen  wir  fünf  Fälle,    wo  die 

')  Germain,  commune  I,  333.     Fagniez  I,  186. 

*)  Manduel  no.  25. 

»)  Amalric  no.  672. 

*)  Ebd.  no.  6,  13,  24,  32,  38,  39,  257. 

»)  Manduel  no.  70,  72,  73. 

«)  Amalric  no.  354,  601,  657  (40  Sack  als  Spezialhypothek  für  ein  Seedarlehn 
von  12  1.  misc). 

'')  Von  einem  Narbonneser  Notar  aufgenommener  Kontrakt  vom  31.  August 
1233  bei  Manduel  no.  40:  13  1.  melg.  .  .  .  esmerciatas  in  10000  boixiis  (Holzscheite?) 
et  in  20  eminiis  favarum  ad  mensuram  Eossilionis. 


312  Zweiundzwanzigstes  KapiteL 

Empfänger  einer  in  diesem  Artikel  bestehenden  Commenda  Juden  sind; 
nach  Ceuta  gingen  im  Jahre  1235  einmal  27^/3  Ztr.  davon,  i) 

Der  hochwertige  Safran  erscheint  1248  unter  den  Gegenständen  der 
Ausfuhr  zweimal  auf  der  Bonaventura  für  Ceuta,  siebenmal  auf  dem  S.  Fran- 
ciscus  nach  Bugia,  im  Maximum  mit  einem  Quantum  von  35  Pfund ;  der 
Preis  pro  Pfund  stellte  sich  etwas  niedriger  als  1  1.  misc. '^) 

Ein  sehr  beträchthcher  Teil  der  Ausfuhr  entfiel  auf  Edelmetalle, 
namentlich  in  gemünztem  Zustande.  Von  einer  Commenda  nach  Bugia  im 
Jahre  1227  heißt  es  einfach,  daß  sie  in  Gold  und  Silber  bestand,  bei  einer 
anderen  handelt  es  sich  um  Silberbarren  im  Gewicht  von  7  Mark  2  Sterling 
bei  einem  Werte  von  20  1.  reg.  cor.  ^)  Um  arabische  Goldmünzen,  die  durch 
den  Handel  nach  Marseille  gekommen,  handelt  es  sich  wohl  bei  den  50  Gold- 
dublonen, die  1248  nach  Bugia  und  den  63,  die  1230  nach  Tunis  in  Com- 
menda gegeben  wurden.  4)  Am  häufigsten  aber  begegnet  die  Ausfuhr  der 
eigens  zu  diesem  Zwecke  nachgeprägten  Silber-Miliarenses,  die  in  der  Zeit 
von  1210  — 1247  durchschnittlich  zu  einem  Kurse  von  4 — 6  Byzantien  (zu 
10  miliarenses)  auf  die  libra  reg.  cor.  angerechnet  zu  werden  pflegten^),  während 
1248  dieser  Kurs  mit  ungefähr  31/3  Byz.  auf  ein  Pfund  des  damaligen '^ar- 
seiller  Kurants  (moneta  miscua)  berechnet  wurde.  ^) 

Von  unedlen  MetaUen  begegnet  nur  Kupfer  einmal  im  Jahre  1248 
mit  einem  Quantum  von  56  Ztr.,  in  dem  eine  Commenda  von  etwas  über 
100  1.  melg.  von  Marseille  nach  Bugia  angelegt  wurde. '^) 

Auch  die  Korallen  der  provenyalischen  Küste  gingen  nach  Nord- 
Afrika,  auffallend  genug,  da  die  reichen  Korallenbänke  an  der  afrikanischen 
Küste,  speziell  bei  der  Insel  Tabarka  und  Mersa'l  Kharez  schon  seit  alter 
Zeit  viel  ausgebeutet  und  nach  Idrisi  zum  Zwecke  der  Ausfuhr  von  Kauf- 
leuten aus  aller  Welt  viel  besucht  wurden.  ^)  Aber  wir  vermögen  in  zwei 
Fällen  die  Ausfuhr  von  je  2  Ztr.  Korallen  von  Marseille  nach  Bugia  und 
Ceuta,  in  einem  dritten  von  4  Ctr.  37  Pfd.  im  Werte  von  25  1.  reg.  cor.  nach 
Tunis  nachzuweisen.^)  Ausgeschlossen  ist  es  jedenfalls  nicht,  daß  diese  Ko- 
rallen in  bearbeitetem  Zustande  die  Heimat  als  echt  afrikanische  Korallen 
wiedersahen. 

245.  Einen  beträchtlichen  Teil  der  Ausfuhr  nach  Afrika  bildeten  die 
Rohprodukte  und  Fabrikate  der  Textilindustrie.  Flachs  können  wir 
in  zwei  Fällen  in  Mengen  von  135  und  550  Pfund  als  Ausfuhrgegenstand 
nach  Bugia  nachweisen;  eine  Last  bürg undi sehen  Garns  im  Wert  von 
12  1.  reg.  exportierte  Bernardus  de  Mandolio  im  Jahre  1230  nach  Ceuta.  i") 
Häufiger  gelangte   Leinwand  zur  Ausfuhr.    Von   einem  Ballen  Leinwand, 


1)  Manduel  no.  64  (20  Ztr.  nach  Bugia),  70;  Amalric  no.  125,  341,  474,  500,  581. 

^)  Viermal  sind  sowohl  Commenda- Geber  wie  Empfänger  Juden:  Amalric 
no.  572,  586,  594,  618.     Außerdem  no.  552,  621,  676;  für  Ceuta  no.  49,  50. 

»)  Manduel  no.  16,  8. 

*)  Amalric  no.  595  (in  50  duplis  drictis  auri  recti  ponderis,  angerechnet  zu 
46^/3  1.  mon.  misc).     Manduel  no.  25. 

ö)  Zu  5  byz.  z.  B.  Manduel  no.  18—21,  33,  37  (nach  Bugia  wie  Ceuta). 

6)  Z.  B.  Amalric  no.  577,  678. 

')  Ebd.  579. 

«)  Heyd,  Afrika  644.     Kitab-el-Istib9ar  p.  28  f. 

»)  Amalric  no,  591  (auch  in  no.  660,  wo  ein  Korallenhändler  8  1.  16  sol.  misc. 
in  Commenda  nach  Bugia  gibt,  angelegt  >in  communibus  implicitis«,  wird  es  sich 
wohl  um  diesen  Artikel  handeln).     Manduel  no  14,  69. 

»")  Manduel  no.  50,  64,  26. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  znr  Zeit  der  Almohaden.  313 

der  66  Fäden  (cordae)  im  Gesamtwerte  von  42.18  1.  misc.  umfaßte  und  am 
18.  Mai  1248  in  Marseille  in  Verwahrung  gegeben  wurde,  heißt  es,  daß  ihn 
der  Depositär  in  Commenda  mitzunehmen  habe,  falls  er  bis  Ende  August 
eine  Handelsreise  nach  Ceuta,  Bugia  oder  Syrien  antrete ;  füt  die  Fahrt  nach 
Algier  oder  Tenes  ist  auch  Leinwand  unter  den  Exportartikeln  i) ,  während 
sie  uns  in  fünf  weiteren  Fällen  als  Ausfuhrgegenstand  nach  Bugia  begegnet; 
in  einem  dieser  Fälle  sind  50  1.  reg.  cor.  »in  teils«  angelegt.  2) 

»Vintenae«  begegnen  uns  in  zwei  Fällen  (einmal  zu  30  Stück,  das 
andere  Mal  zu  30  Fäden)  unter  der  Ausfuhr  nach  Ceuta;  ebendahin  gehen 
einmal  100  Stück  leichter  Baumwollstoffe  im  Werte  von  43  1.  misc,  die  ihren 
Namen  nach  Buchara  trugen  (boqueranni),  aber  längst  schon  auch  im  Abend- 
lande hergestellt  wurden.  3)  Unter  der  Ausfuhr  nach  Bugia  erscheinen  zwei- 
mal die  Stamfords  von  Arras  (in  dem  einen  Falle  vier  mit  34  1.  reg.  cor.  be- 
wertete Stück) ,  ein  drittes  Mal  ein  Stück  Tuch  von  Chalons  zusammen  mit 
9  Stück  jener  leichten  Baumwollstoffe  (baccarani)  jedenfalls  der  gleichen 
Provenienz.  4) 

Baumwolle  wurde  aber  auch  als  Rohprodukt  von  Marseille  nach 
den  nordafrikanischen  Häfen  ausgeführt,  wahrscheinlich  auf  dem  Umwege 
von  Sicilien  her.  Nach  Ceuta  gab  im  Jahre  1218  Stephanus  de  Mandoho 
32^/4  1.  reg.  in  Commenda,  die  »in  cotone«  angelegt  waren,  und  solcher 
Fälle  kennen  wir  aus  dem  Notularium  Amalrics  noch  drei.^)  Auf  seiner 
Reise  nach  Oran  und  Tlemsen  nahm  dessen  Sohn  Bernhard  u.  a.  6  Last 
Baumwolle  im  Wert  von  60  1.  reg.  in  Commenda  mit  6),  während  er  im 
Frühjahr  1233  dem  Jacobus  Raterius  für  die  Handelsfahrt  auf  der  Roseta 
nach  Bugia  23  Last  in  Commenda  gab  und  gleichzeitig  den  Führern  des- 
selben Schiffs  19  Sack  Baumwolle  zum  Transport  anvertraute,  die  in  Bugia 
an  ihn  selbst  oder  seine  Order  abzuliefern  waren.  Wegen  dieser  Sendung 
kam  er  mit  den  Genuesen  in  Differenzen;  trotz  der  Reklamation  des  Mar- 
seiller  Konsuls  ließen  die  genuesischen  Konsuln  in  Bugia  diese  19  Sack  für 
1980  byz.  mil.  verkaufen  und  den  Erlös  nach  Genua  schicken.'^) 

Derselbe  Bernardus  de  Mandolio  sandte  im  Mai  1233  auch  zwei  Posten 
Baumwollgarn  (cotonum  filatum),  in  dem  einen  Fall  IV2  Last,  auf  dem 
Schiff  S.  Nikolaus  nach  Bugia.  8)  Ln  Anschluß  daran  sei  erwähnt,  daß 
ebendahin  auch  einmal  10  Stück  Wollvliesse  (boudronorum)  in  Commenda 
gegeben  wurden  und  in  drei  Fällen  »pelonum«;  das  eine  Mal  handelt  es 
sich  dabei  um  ein  Quantum  von  105  Ztr.  60  Pfd.,  das  mit  103.14.6  1.  misc. 
bewertet  wurde.  9) 

Endlich  gelangten  auch  Seide  und  Seidenwaren  von  Marseille 
zur  Ausfuhr  nach  Afrika.  Nach  Bugia  wurden  im  Jahre  1248  einmal  10  Pfd. 
Rohseide   in    Commenda   gegeben    und   zu   der   Commenda   im  Werte   von 


1)  Amalric  no.  731,  810. 

*)  Manduel  no.  42,  31,  34.  Amalric  no.  671,  451  (ein  Ballen  Leinwand  von 
60  Fäden  und  9  Ellen  im  Werte  von  40  1.  misc.). 

3)  Amalric  no.  3,  257,  36. 

*)  Manduel  no.  88,  64.     Amalric  354. 

»)  Manduel  no.  10.     Amalric  no.  1,  50,  270. 

«)  Manduel  no.  30. 

')  Ebd.  no.  31,  45.  Der  Rechtsstreit,  der  sich  darüber  entspann,  zog  sich 
lange  hin ;  vgl.  no.  49  u.  76. 

8)  Ebd.  no.  34,  35. 

•)  Amalric  no.  474;  500,  603,  631.  Pelonum  scheint  Pelzwerk  zu  bedeuten, 
oder  ist  es  =  ital.  pelone,  derbes  Tuch  ? 


314  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

300  1.  reg.,  die  Bernardus  de  Mandolio  im  Frühjahr  1233  dem  Jacobus  Ra- 
terius  zur  Verwertung  in  Bugia  anvertraute,  gehörten  außer  23  Last  Baum- 
wolle und  1  Ballen  Leinwand  auch  II/2  Dutzend  Seidentücher  (opere  serice).i) 
Unter  den  Commendae,  die  Johannes  de  Villaforti  von  Montpellier  im  Früh- 
jahr 1248  von  seinen  Landsleuten  für  seine  Handelsfahrt  von  Marseille  nach 
Ceuta  anvertraut  erhielt,  bestanden  drei  in  Seidenwaren  (opera  setae)  im 
Gesamtwerte  von  76  1.  melg.2),  und  im  Frühjahr  1234  gab  Bernardus  de 
Mandolio  35  1.  melg,  seinem  Landsmann  Wilhelm  von  Clermont  für  eine 
Handelsreise  nach  Tunis  in  Commenda,  die  »in  opere  serico  Savenarum« 
angelegt  waren  ^) ;  wenn  dieser  Ausdruck  mit  dem  Herausgeber  auf  die  Ce- 
vennen  zu  beziehen  ist,  so  würde  nicht  bloß  Montpellier  selbst,  sondern 
auch  seine  weitere  Umgebung  schon  für  die  damalige  Zeit  als  ein  für  die 
Seidenindustrie  besonders  wichtiges  Gebiet  anzusehen  sein. 

246.  Häufig  genug  sehen  wir  endlich  auch  Waren  der  Levante 
ihren  Weg  von  Marseille  aus  nach  den  Seeplätzen  des  Gharb  nehmen.  Das 
ist  der  Fall  mit  Pfeffer,  der  nach  Ceuta  geht,  V-j^  Last  Ingwer  im  Wert  von 
40  1.  12  sol,  misc,  der  nach  Bugia  bestimmt  ist,  Muskatnüssen,  die  nach 
Algier  oder  Tenes  zusammen  mit  Gewürznelken  in  Commenda  gegeben 
werden.  4)  Ein  Posten  von  60  Pfd.  Gewürznelken  geht  ferner  1248  nach 
Ceuta,  vier  weitere  desselben  Artikels  zur  gleichen  Zeit  nach  Bugia.  ^)  Auch 
Zimt  sehen  wir  je  zweimal  nach  Bugia  und  Ceuta  gehen;  die  Sendung 
nach  Ceuta  erreicht  in  dem  einen  Falle  ein  Quantum  von  IOV3  Ztr.  im 
Wert  von  52  1.  misc.  6)  Ebendahin  gab  Johannes  de  Mandolio  im  Jahre 
1240  zusammen  mit  Pfeffer  und  Brasilholz  auch  40  pondera  farinae  (Staub- 
zucker) in  Commenda.  '^) 

Und  neben  den  Gewürzen  stehen  die  Farbhölzer  und  Drogen.  Brasil- 
holz befindet  sich  unter  den  Artikeln,  die  für  die  eine  uns  bekannte  Reise 
über  Mallorka  nach  Algier  oder  Tenes  in  Commenda  gegeben  werden;  ein 
Posten  von  4  Ztr.  63  Pfd.  (dolillarum  bresilli)  im  Wert  von  30  1.  13  sol.  misc. 
geht  1248  nach  Bugia,  ein  anderer  von  II/4  Ztr.  (de  mondiliis  brezili)  im 
Jahre  1240  nach  Ceuta.  s)  Nach  Bugia  gehen  im  Frühjahr  1248  2  Ztr.  24  Pfd. 
cyprischen  Indigos  im  Werte  von  22  1.  misc.  9) 

Von  Drogen,  die  im  Frühjahr  1248  von  Marseille  nach  Bugia  gingen, 
können  wir  nachweisen  in  zwei  Fällen  Weinstein,  einmal  Kampfer, 
einmal  18  Pfd.  1  Unze  Skammonium  im  Wert  von  14^/4  1.  misc.  und 
2  Ztr.  13  Pfd.  Weihrauch.  10)  Reichhaltiger  ist  die  Liste  solcher  Artikel, 
die  nach  Ceuta  gingen.  Da  begegnen  wir  einer  Commenda  von  20  1.  melg., 
die  in  Kampfer  und  Myrobalanen,  je  einer  von  61  und  33^/2  1-  misc, 
die  in  Gummi  lack  und  Galläpfeln  angelegt  waren.  In  2  Fällen  bildet 
Spikanarde   den  Bestandteil  einer  Commenda. ii)    Im   Jahre  1227   kauft 


1)  Ebd.  598.     Manduel  no.  31. 

2)  Amalric  no.  6,  13,  38. 
s)  Manduel  no.  48. 

^)  Manduel  no.  90.    Amalric  no.  517,  807,  815. 
6)  Amalric  no.  50;  341,  568,  597,  613. 
«)  Ebd.  535,  569 ;  32,  272. 
">)  Manduel  no.  90. 

8)  Amalric  no.  S15,  690 ;  Manduel  no.  90. 
*)  Amalric  no.  605. 
10)  Ebd.  645,  674,  466,  637. 
")  Ebd.  24;  400,  49;  50,  270. 


Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas  zur  Zeit  der  Almohadeu.  315 

ein  Sarazene  von  Alexandrien,  Alfaquim,  von  Bernardus  de  Mandolio  in 
Marseille  neben  2  Ztr.  Korallen  2  Ztr.  Aloe  (de  aloe  cicotrino)  und  180  Pfd. 
Röhrenkassie  (de  cassalina)  zum  Zwecke  des  Exports  nach  Ceuta  für 
einen  dort  zu  erlegenden  Gesamtpreis  von  135  alten  byz.  miliar,  i)  Im  Früh- 
jahr 1248  sehen  wir  ferner  1  Ztr.  Galanga  würze  In  im  Werte  von  35  und 
3  Ztr.  Mastix  im  Werte  von  54  1.  misc.  von  Marseille  nach  Ceuta  gehen ; 
dazu  tritt  endlich  noch  »lissadra«   (Salmiak)   im  Werte  von  8^/4  1.  melg.2) 

247.  Der  Mannigfaltigkeit  des  Exports  gegenüber  beschränkt  sich  das, 
was  wir  von  der  Einfuhr  aus  dem  Gharb  nach  Marseille  erfahren,  auf 
wenige  Hauptartikel:  Häute  und  Felle,  Wolle,  Wachs  und  Mandeln.  So 
wird  in  zwei  für  die  Handelsreise  nach  Bugia  geschlossenen  Commenda- 
verträgen  von  1229  und  1242  die  Rückanlage  in  Wachs,  in  einem  dritten 
Vertrage  dieser  Art  vom  Jahre  1234  in  Mandeln  vorgesehen.  S)  Von  dem 
Pack  Häute,  das  der  Pirat  Carrocinus  dem  Bernardus  de  Mandolio  in  0  r  a  n 
abnahm,  ist  schon  die  Rede  gewesen.  Ein  beträchtlicher  Posten  solcher 
Häute  sowie  von  feinen  Kalb-  und  Schaffellen  (beccunae)  und  von  Wachs, 
den  Bernardus  Gombaudi  im  Jahre  1247  von  Ceuta  nach  Marseille  zu  im- 
portieren im  Begriff  war,  wurde  von  dem  damaligen  Herrn  von  Ceuta, 
Benkalas,  der  mit  zwei  anderen  Marseillern  in  Differenzen  geraten  war,  be- 
schlagnahmt, so  daß  er  bei  seiner  Heimkehr  im  Mai  1248  seinen  Commenda- 
gebern  nur  einen  Teil  des  anvertrauten  Geldes  zu  erstatten  vermochte  und 
sie  im  übrigen  auf  den  Fall  der  Wiedererlangung  jener  Waren  vertrösten 
mußte. '^)  In  Wachs  versprach  Arnaudus  Gascus,  der  Reeder  der  Bonaven- 
tura, die  im  Frühjahr  1248  nach  Ceuta  ging,  den  Erlös  der  ihm  von  einem 
Marseiller  Juden  in  Commenda  gegebenen  Baumwolle  im  Werte  von  120  1. 
misc.  anzulegen,  während  Jacobus  Guilelmi,  der  im  Herbst  1234  von  Ber- 
nardus de  Mandolio  160  Byz.  miliar,  im  Werte  von  33  1.  reg.  für  die  gleiche 
Reise  in  Commenda  nahm,  den  Betrag  in  Mandeln  anzulegen  und  mit  dem 
ersten  nach  Marseille  fahrenden  Schiffe  mitzusenden  hatte,  falls  er  selbst  es 
vorzog  in  Ceuta  zu  bleiben  oder  ein  anderes  Reiseziel  zu  wählen.  5)  Aus 
einem  der  nordafrikanisQhen  Seeplätze  stammten  sicher  auch  die  31  Pack 
Schafleder  (fasces  beccunarum),  wegen  deren  Bernhardus  de  Mandolio  mit 
Martinus  Castanea,  dem  Padrone  des  Falconetus,  in  einen  Rechtsstreit  über 
die  Fracht  geriet,  ferner  die  400  beccunae,  die  Johannes  de  Mandolio  1238 
in  Marseille  für  108^/2  1.  reg.  verkaufte,  sowie  ein  anderer  Posten  des  gleichen 
Artikels,  den  Jacob  von  Avignon  im  Juni  1233  für  23  1.  reg.  von  dem  ge- 
nannten Bernhard  in  Marseille  erstand.  ^)  Daß  endlich  Wolle  ein  nicht  un- 
wichtiger Einfuhrartikel  aus  Nord-Afrika  nach  Marseille  war,  geht  daraus 
hervor,  daß  in  dem  den  Statuten  von  1229  angehängten  Tarif  über  die  von 
Fremden  zu  zahlenden  Zollsätze  an  zwei  Stellen  die  Berberwolle  (lana  de 
Barbaria)  begegnet. '') 

248,  Wie  die  Südfranzosen,  standen  auch  ihre  westlichen  Nachbarn, 
die  Catalanen,   mit  Nord- Afrika  im  Handelsverkehr.     Das  beweist  schon 


1)  Manduel  no.  14. 

«)  Amalric  no.  441,  425,  39. 

')  Manduel  no.  20,  93,  50. 

*)  Amalric  no.  673,  729,  732. 

»)  Ebd.  No.  1.     Manduel  no.  54. 

»)  Manduel  no.  23  (18.  Febr  1230  Schiedspruch   zugunsten  Bernhards),  79,  39. 

')  Mary  et  Guindon  I,  343  u.  347. 


316      Zweiundzwanzigstes  Kapitel.     Handel  mit  den  Sarazenen  Nord-Afrikas. 

die  erwähnte  im  Interesse  der  nationalen  Schiffahrt  erlassene  Verordnung 
König  Jaymes  von  1227,  wonach  im  Verkehr  zwischen  Barcelona  und  Ceuta 
nur  barcelonesische  Schiffe  benutzt  werden  durften,  wenn  solche  zur  Ver- 
fügung standen;  ebenso  setzt  der  Schiedspruch  vom  August  1243  bezüglich 
der  im  Hafen  Tamarite  zu  zahlenden  Abgaben  den  gewohnheitsmäßigen  Ver- 
kehr gedeckter  und  ungedeckter  Schiffe  Barcelonas  mit  der  »Barbaria«  voraus. i) 
Seeräuber  von  Mallorka  kaperten  im  Jahre  1227  ein  Kaufmannsschiff,  das 
von  Barcelona  nach  Ceuta  und  ein  zweites,  besonders  reich  beladenes,  das 
von  Bugia  nach  Barcelona  fuhr.  '^)  Ein  Kaufmann  von  Barcelona,  Johannes 
Ruffus,  der  im  Häutehandel  tätig  war  und  mit  dem  Marseiller  Bernardus  de 
Mandolio  in  Geschäftsverbindung  stand,  kam  1231  in  Oran  durch  den  ge- 
nuesischen Piraten  Carrocino  zu  Schaden.  3)  Als  die  Balearen  von  Jayme 
erobert  waren,  setzten  die  Bewohner  naturgemäß  den  Handel  mit  Nord-Afrika 
fort ;  es  bezieht  sich  sicher  mit  in  erster  Linie  auf  diesen  Handel,  wenn  die 
Päpste  Gregor  IX.  und  Innozenz  IV.  den  Bürgern  von  Mallorka  den  Handel 
mit  den  Sarazenen,  ausgenommen  Pferde,  Maulesel,  Waffen,  Eisen  und  Holz, 
in  Friedenszeiten  formell  gestatteten,  wobei  in  erster  Linie  auf  den  Lebens- 
mittelhandel Bezug  genommen  wird.  4)  Die  Sendung  des  Grafen  von  Am- 
purias  an  den  Beherrscher  von  Tunis  durch  den  König  von  Aragon  im 
Jahre  1246  ist  mit  Sicherheit  auch  auf  Handelsbeziehungen  der  beiden  Länder 
zu  deuten ;  der  Graf  ließ  damals  den  in  Lyon  weilenden  Papst  durch  seinen 
Gesandten,  den  Genuesen  Nicolaus  Cigala,  bitten,  dem  Hafsiden  Sicherheit 
dafür  leisten  zu  dürfen,  daß  der  bevorstehende  Kreuzzug  sich  nicht  gegen 
ihn  richten  werde,  worauf  der  Papst  jedoch  nicht  einging,  ö)  Ebenso  erklärt 
es  sich  aus  den  zwischen  Aragon  und  Marokko  bestehenden  Handelsbezie- 
hungen, daß  Jayme  am  11,  Juni  1247  die  Übersiedelung  eines  Juden  von 
Sigilmessa  (Sujulmesa,  Cigilmensa  im  Königreich  Fez)  mit  seiner  ganzen 
Familie  nach  Catalonien  gestattete  und  ihm  einen  besonderen  Schutz-  und 
Sicherheitsbrief  ausstellte.  6)  Zu  welchen  weitschweifenden  Hoffnungen  die 
Zeit  des  Zusammenbruchs  der  Almohadenherrschaft  bei  den  Christen  Spaniens 
Anlaß  gab,  zeigt  z.  B,  die  Bulle  Innozenz'  IV.  vom  24.  September  1245,  die 
die  Genehmigung  dazu  erteilte,  daß  der  »König«  von  Saleh,  Seid  Aazon,  der 
sich  taufen  lassen  wolle,  dem  Ritterorden  von  San  Jago  sein  Reich  über- 
lasse, von  dem  aus  die  benachbarten  Länder  der  Sarazenen  mit  leichter 
Mühe  unterworfen  werden  könnten.'^) 


1)  Capmany  II,  11  u.  16. 

'^)  Ebd.  I,  2  p.  80.     Die  Seereise  zwischen  Bugia  und  Bare,  pflegte  in  4  Tagen 
zurückgelegt  zu  werden ;  Edrisi,  Afr.  et  Esp.  p.  266. 
8)  Manduel  no.  28. 
*)  Berger  no.  3731. 

6)  Ebd.  2011  f.     Berger,  S.  Louis  et  Inn.  IV,  p.  180. 
«)  Boleti'n  36  (1900),  p.  19. 
')  Mas  Latrie,  doc.  p.  12.     Berger  no.  1511. 


Dreiundzwanzigstes  Kapitel.     Handel  mit  den  Sarazenen  Spaniens.         317 

Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

Handel  der  Mittelmeer-ßomaneii  mit  den  Sarazenen 

Spaniens. 

249.  Ähüliche  Bedingungen  wie  in  Nord- Afrika  fanden  die  Mittel- 
meer-Romanen für  ihren  Handel  in  dem  gegenüberliegenden  sarazeni- 
schen Spanien  vor,  das  mit  Afrika  in  vielfacher  politischer  und  kom- 
merzieller Verbindung  stand. 

In  dem  Afrika  zunächst  gelegenen  Teile  Spaniens,  dem  blühenden 
Andalusien,  übte  Almeria  in  der  älteren  Zeit  eine  besonders  große 
Anziehungskraft   auf   die  romanischen  Seefahrer   und  Kaufleute    aus. 

Idrisi  hebt  die  Lebhaftigkeit  seines  Handels  und  den  Reichtum  seiner 
Einwohner  stark  hervor ;  neben  der  Fabrikation  von  kupfernen  und  eisernen 
Geräten  genoß  die  Seidenweberei  Almerias  einen  ganz  besonders  hohen  Ruf.i) 
Seine  hohe  Wichtigkeit  für  den  genuesischen  Handel  ergibt  sich  schon  da- 
raus, daß  es  der  einzige  spanische  Platz  ist,  den  der  1143  aufgezeichnete 
Zehntentarif  Genuas  mit  Namen  hervorhebt  2),  und  bezeichnend  ist  auch  eine 
Erzählung  des  Mönchs  Petrus  Guillelmus  von  Saint-Gilles,  die  aus  einem 
der  ersten  Jahrzehnte  des  12.  Jahrhunderts  stammt;  danach  ließen  sich  ge- 
nuesische Kaufleute,  die  zur  See  nach  Almeria  gekommen  waren  und  dort 
ihre  Waren  mit  Nutzen  umgesetzt  hatten,  bestimmen,  einen  gefangenen  süd- 
französischen Ritter  heimlich  mit  fortzuführen,  indem  sie  ihn  im  untersten 
Schiffsraum  unter  der  Ladung  verbargen ;  und  wirklich  sei  es  gelungen,  die 
Wachsamkeit  der  custodes  portus,  die  nach  ihrer  Gewohnheit  das  Schiff 
genau  durchsuchten,  zu  täuschen.  3)  Indessen  auch  an  kriegerischen  Ver- 
wickelungen fehlte  es  nicht.  Gegen  Mohammed-ibn-Maimün,  den  Kaid  von 
Almeria,  der  sich  unter  den  Almoraviden  großer  Selbständigkeit  erfreute, 
unternahmen  die  Genuesen  ein  Jahr  nach  ihrer  Expedition  gegen  Bugia 
einen  Seezug  mit  22  Galeeren  (1137),  dessen  Ergebnis  freilich  nur  in  der 
Wegnahme  einiger  sarazenischer  Kauffahrer  bestand.^)  Neun  Jahre  später 
aber  veranlaßten  sie  die  vielfachen  Piratenzüge,  die  von  hier  ausgingen,  zu 
ihrer  großen  Unternehmung  gegen  Almeria.  ß)  Mit  32  Schiffen  überraschten 
sie  im  Jahre  1146  den  Hafen,  wo  sie  sich  der  Waren  auf  den  vielen  be- 
ladenen  Schiffen  bemächtigten;  gegen  das  Versprechen,  113000  Maravedi 
(marabotinos)  zu  zahlen,  suchte  der  »König«  von  Almeria  einen  Waffen- 
stillstand nach.  Doch  waren  erst  25000  gezalilt,  als  er  mit  seinen  großen 
Schätzen  auf  zwei  Galeeren  entfloh;  der  an  seiner  Statt  gewählte  Herrscher 
verschleppte  die  Zahlung,  so  daß  die  Genuesen  den  Kampf  erneuerten ;  bald 
aber  nötigte  sie  das  Herannahen  des  Winters  zur  Aufhebung  der  Belagerung. 
Doch  war  damit  das  Unternehmen  keineswegs  aufgegeben;  im  September 
1146  schon  hatten  sie  ein  Bündnis  zum  Zweck  der  Eroberung  der  Stadt  mit 

1)  Edrlsi,  Afr.  et  Esp.  p.  239  f.     Dazu  Schirrmacher  p.  139. 

")  Reg.  Curiae  Arch.  in  Atti  Lig.  11,  2  p.  9. 

»)  Mirac.  b.  Egidii ;  SS.  XII,  321. 

*)  Ann.  genov.  I,  28  f.     Amari  Musulm.  HI,  379. 

^)  Sonderbericht  Caffaros  über  diese  Expedition :  Ann.  genov.  I,  79  ff.  Ibn- 
el-Athir  XLV  p.  81.  Vgl.  Schirrmacher  p.  143  ff.  Langer  24  f.  Manfroni  207  f. 
Codera,  Decadencia  135. 


318  Dreiundzwauzigstes  Kapitel. 

dem  »Kaiser«  Spaniens,  Alfons  von  Castilien  und  Leon,  geschlossen  i) ;  2/3 
der  Stadt  sollten  Alfons,  1/3  ihnen  zufallen;  für  die  von  ihnen  zu  verwen- 
denden Belagerungsmaschinen  sollten  sie  von  Alfons  mit  20000  Maravedi 
entschädigt  werden.  Mit  dem  Grafen  von  Barcelona  verständigten  sie  sich 
dahin,  daß  sie  ihm  nach  erfolgter  Bezwingung  Almerias  ihre  Hilfe  gegen 
Tortosa  versprachen.  Nach  großen  Rüstungen  und  der  Beilegung  innerer  Zwi- 
stigkeiten  ging  im  Sommer  1147  eine  mächtige  Flotte  von  63  Galeeren  und 
vielen  kleinen  Fahrzeugen  unter  Führung  von  vier  Konsuln  des  Comune 
und  zwei  Gerichtskonsuln  von  Genua  in  See.  Weit  weniger  Anstrengungen 
machten  die  Verbündeten;  hauptsächlich  der  Initiative  der  Genuesen,  die 
schließlich  mit  12  Sturmkolonnen  in  Stärke  von  je  1000  Mann  vorrückten, 
war  die  Einnahme  der  Stadt  am  17.  Oktober  zu  danken.  Ein  furchtbares 
Blutbad  richteten  die  Sieger  in  der  eroberten  Stadt  an,  die  großenteils  zer- 
stört wurde ;  die  Zahl  der  gefangen  nach  Genua  fortgeführten  Weiber  und 
Kinder  gibt  Caffaro  auf  10000  an.  Auch  gewaltige  Beute  brachte  die  Plün- 
derung. Für  das  Comune  behielt  man  von  derselben  soviel  zurück  (60000 
Maravedi  an  Wert),  um  davon  die  für  die  Expedition  aufgenommene  An- 
leihe mit  17  000  1.  Jan.  tilgen  zu  können;  das  übrige,  einschließlich  der 
30000  Maravedi,  die  die  Besatzung  der  Burg  vier  Tage  nach  Eroberung  der 
Stadt  zahlte,  um  ihr  Leben  zu  retten,  wurde  nach  den  Schiffen  verteilt.^) 
Das  genuesische  Drittel  der  Stadt  wurde  der  Obhut  des  Otto  Bonivillani, 
der  nach  der  Ankunft  der  Flotte  als  Gesandter  zu  Alfons  nach  Baeza  ge- 
gangen war,  um  ihn  herbeizuholen,  anvertraut;  am  5.  November  wurde  er 
feierlich  auf  30  Jahre  damit  belehnt,  wofür  er  jährlich  zwei  Pallien  an  den 
Dom  zu  liefern  hatte;  erst  nach  15  Jahren  sollte  er  die  Hälfte  der  Zoll- 
einnahmen an  Genua  abzuführen  haben.  Alle  Genuesen  sollten  für  immer 
in  Almeria  zollfrei  sein.  ^) 

So  glänzend  aber  diese  Ruhmestat  von  Almeria*)  war,  und  so  wertvoll 
die  Züchtigung  der  Sarazenen  für  die  Machtentfaltung  Genuas  zur  See  er- 
scheinen mochte,  ihre  Stellung  in  Almeria  selbst  ist  den  Genuesen  nicht 
allzulange  verblieben.  Nur  10  Jahre  0)  vermochten  es  die  Christen  zu  be- 
haupten, dann  ging  es  wieder  an  die  Sarazenen,  und  zwar  nunmehr  an  die 
Almohaden  Afrikas,  verloren.  6)  Im  Notularium  des  Johannes  Scriba  (1155 
bis  1164)  begegnet  Almeria  nicht  ein  einziges  Mal;  der  Haß  der  Einwohner 
gegen  die  Zerstörer  ihrer  Stadt  nötigte  die  Genuesen  wohl  auch  nach  dem 
von  Ottobonus  mit  den  Almohaden  geschlossenen  Vertrage,  den  Platz  zu  meiden. 
Dafür  vermögen  wir  sie  seitdem  im  Verkehr  mit  Sevilla  nachzuweisen,  das 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  125,  126.     Imperiale,  not.  26  p.  398  f. 

*)  Ann.  genovesi  I  p.  84.  SS.  XVIII  p.  36  f.  Schirrmacher  150  fE.  Langer  30  f. 
Das  von  Belgrano  (Atti  lig.  XIX  p.  395  ff.)  veröffentlichte  Gedicht  über  die  Erobe- 
rung Almerias  verherrlicht  allein  die  spanische  Beteiligung. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  135  und  136 ;  Imperiale,  nota  29  p.  408. 

*)  Vgl.  den  Bericht  Ottos  von  Freising  über  die  Gesandtschaft  der  Genuesen 
an  Barbarossa  auf  seinem  ersten  Römerzug  (SS.  XX,  398) :  qui  .  .  .  captis  in  His- 
pania  inclytis  civitatibus  et  in  sericorum  pannorum  opificio  praenobilissimis  Almaria 
et  Ulyxibona,  Saracenorum  spoliis  onusti  redierant,  leones,  struthiones,  psitacos  cum 
ceteris  preciosis  muneribus  principi  presentantes. 

6)  In  dieser  Zeit  schrieb  Edrisi:  Die  Annehm hchkeiten  Almerias  sind  ver- 
schwunden, die  Einwohner  in  die  Sklaverei  geführt,  Wohnungen  und  öffentUche 
Gebäude  zerstört.     Afr.  et  Esp.  241. 

6)  Roberti  de  Monte  Cronica  zu  1157.  (SS.  VI  p.  506.)  Ibn-el-Athir  XLV 
p.  120  f.     Langer  33.  Codera  Decad.  137,  314  ff.     Schirrmacher  163. 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  319 

schon  seit  1147  ebenfalls  zum  Reiche  der  Almohaden  gehörte  und  besonders 
mit  Saleh  in  lebhaftem  Schiffsverkehr  stand,  i)  Am  2.  August  1161  schloß 
Gandulfus  de  Bulgaro,  der  schon  mit  Oliverius  Nivecelle  assoziiert  war,  einen 
Gesellschaftsvertrag  mit  Wilelmus  Ventus,  der  etwas  über  100  1.  Kapital 
einlegte,  für  eine  Handelsreise,  die  ihn  nach  Sevilla  oder  Ceuta  oder  sonst 
nach  dem  Westen  und  zurück  nach  Genua  oder  der  Provence  führen  sollte. 
Und  im  Sommer  1164  nahmen  Fulco  und  Vassallus  Raviol  außer  einem 
eigenen  kleineren  Kapital  von  etwa  18  1.  jan.  verschiedene  Commendae 
(80 1.  von  Ansaldus  Aurie  und  Blancardus,  35 1/2  von  Oionus,  25  2/3  von  Ansal- 
dus  Balbi)  für  ihre  bevorstehende  Geschäftsreise  mit,  die  nach  Sevilla  gehen* 
sollte  und  nach  ihrem  Ermessen  auch  anderweit,  außer  nach  verbotenen  Ge- 
bieten, fortgesetzt  werden  durfte.  2)  Namentlich  der  große  Reichtum  des 
Landes  an  Öl  war  es,  der  die  Genuesen  auch  in  der  sarazenischen  Zeit  nach 
Sevilla  zog,  wie  die  genuesischen  Annalen  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
ausdrücklich  hervorheben.  3) 

250.  Daß  auch  die  Pisaner  zu  gleicher  Zeit  wie  die  Genuesen  in  Handels- 
beziehungen zu  Andalusien  standen,  wird  besonders  durch  den  Umstand 
bewiesen,  daß  sich  jener  Gesandtschaft  des  Almoraviden-Sultans,  die  1133 
nach  Pisa  kam,  auch  besondere  Abgesandte  des  Kaid  von  Almeria,  Maimün, 
angeschlossen  hatten.^)  Nach  der  Eroberung  Almerias  behielt  sich  die  ge- 
nuesische Regierung  bei  der  Belehnung  Bonovillanos  ausdrücklich  vor,  die 
von  den  Pisanern  in  Almeria  zu  erhebenden  Abgaben  nach  ihrem  Ermessen 
zu  regeln ö)  —  ein  Beweis,  daß  der  Handel  Pisas  mit  dieser  Seestadt  nicht 
unbedeutend  gewesen  sein  kann.  Auch  die  pisanische  Seezinstabelle  führt 
Almeria,  und  zwar  mit  einem  usuellen  Satze  von  30%  ^^^'^  ™it  demselben 
Satze  erscheint  in  ihr  auch  Malaga,  der  andere  bedeutende  Hafen  Gra- 
nadas, der  besonders  viel  Feigen  exportierte  und  hier  zum  erstenmal  in  der 
romanischen  Handelsgeschichte  begegnet.  ^)  Auch  die  Pisaner  sind  damals 
schon  über  die  Säulen  des  Herkules  hinausgelangt ;  ich  trage  kein  Bedenken, 
unter  dem  Ort  Subilia,  an  dem  der  Almohaden-Sultan  den  Pisanern  in  dem 
Vertrage  von  1166  ein  Fondaco  einräumte,  Sevilla  zu  verstehen;  nur  so  er- 
scheint es  als  eine  bedeutsame  Konzession,  deren  alleinige  Hervorhebung 
unter  aUen  Bestimmungen  des  Vertrages  durch  den  Annalisten  verständlich 
wird.  "^  Der  Rückschlag,  der  in  den  Beziehungen  der  Pisaner  zu  den  Almo- 
haden im  vorletzten  Jahrzehnt  des  12.  Jahrhunderts  eintrat,  übte  dann  seine 
Wirkung  auch  in  ihren  spanischen  Besitzungen;  der  Vertrag  von  1186  ge- 
stattete den  Pisanern  auf  der  spanischen  Seite  nur  die  Benutzung  von 
Almeria  und  zwar  als  bloße  Schiffahrtsstation ;  nur  Lebensmittel  durften  sie 
hier   kaufen,    Wasser  einnehmen    und   wenn    notwendig    ihre    Schiffe   aus- 


»)  EdrM  1.  c.  215  u.  83. 

»)  Chart.  II  no.  1085,  1480  (7.  August). 

')  Ann.  jan.  (zu  1249)  p.  226.  Über  genues.  Schiffsverkehr  in  den  Gewässern 
des  sarazen.  Spaniens  s.  noch  p.  208  u.  216  f.  (zu  1242  u.  1246). 

*)  §  216. 

6)  Lib.  Jur.  I  no.  136. 

*)  A  Malica  et  Almaria  sol.  6 ;  Const.  Usus  rub.  25  bei  Bonaini  11,  905.  Edrtsi, 
Afr.  et  Esp.  p.  244. 

')  Oben  §  226.  Heyd,  Afrika  S.  626  und  Mas  Latrie,  Introd.  p.  49  beziehen 
es  auf  die  Vorstadt  von  El-Mehdia ;  Langer  S.  125  f.  will  darunter  die  Unterstadt  von 
Bugia  verstanden  vdssen  (durch  ein  Versehen  spricht  er  hier  von  Genua  und  den  Ge- 
nuesen, während  er  Pisa  und  die  Pisaner  meint). 


320  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

bessern,  i)   Doch  wird  ihr  Ausschluß  von  der  Südküste  Spaniens  bei  der  rasch 
sinkenden  Macht  der  Almohaden  schwerhch   von  Dauer   gewesen   und  ihr^ 
Konkurrenz  den  Genuesen  schwerlich  erspart  geblieben  sein.  jH 

251.  Wenn  man  unter  »Hispania«  im  12.  Jahrhundert  im  all- 
gemeinen auch  den  ganzen  mohammedanischen  Teil  der  Pyrenäen- 
Halbinsel  verstand,  so  bezog  man  nach  genuesischem  Sprachgebrauch 
diesen  Namen  doch  in  erster  Linie  auf  die  mohammedanische  Ostküste, 
das  Königreich  Valencia  und  Murcia.  Im  Vertrage  mit  dem  Grafen 
von  Barcelona  vom  November  1127  werden  genuesische  Handels- 
schiffe, die  an  dem  Küstengebiet  des  Grafen  vorbei  nach  »Spanien« 
fuhren^),  zuerst  erwähnt;  das  fruchtbare,  hochkultivierte  Valencia  übte 
auf  den  Handel  naturgemäß  eine  große  Anziehungskraft  aus. 

Als  die  Genuesen  in  den  Jahren  1147  und  1148  im  Süden  und  im 
Norden  des  Königreichs  die  Positionen  von  Almeria  und  Tortosa  gewannen, 
schien  das  für  Mohammed-ibn-Sa'ad-ibn-Mardenisch,  der  sich  gerade  damals 
(1147)  zum  selbständigen  Herrscher  von  Valencia  aufgeschwungen  hatte, 
eine  bedenkliche  Lage;  um  so  bereitwilliger  zeigte  er  sich,  sich  mit  ihnen, 
wenn  auch  unter  beträchtlichen  Opfern,  zu  verständigen.  Der  Friedens-  und 
Freundschaf  tsvertrag,  den  er  im  Juni  1149  auf  10  Jahre  mit  dem  genuesischen 
Gesandten  Wilelmus  Lusius  abschloßt),  gewährte  den  Genuesen  in  den  Städten 
Valencia  und  Denia  für  ihre  Unterkunft  und  die  Zwecke  ihres  Handels  Je 
ein  Fondaco  zu  ihrer  ausschließlichen  Benutzung  und,  in  einem  sarazenischen 
Gebiete  für  diese  Zeit  ein  ganz  ungewöhnliches  Zugeständnis,  vollständige 
Abgabenfreiheit  im  ganzen  Gebiete  des  Herrschers.  Außerdem  versprach  er 
ihnen,  was  den  Genuesen  bei  der  Erschöpfung  ihrer  Finanzen  sehr  will- 
kommen war,  10000  Marabotini  in  zwei  Jahren  zu  zahlen;  2000  davon 
konnte  der  Gesandte  sogleich  mitnehmen ;  der  Rest  der  ersten  Rate  war  mit 
3000  Mar.  binnen  zwei  Monaten  an  den  von  ihm  zurückgelassenen  Bevoll- 
mächtigten abzutragen.  Dafür  verpflichteten  sich  die  Genuesen,  sich  während 
der  Dauer  des  Vertrages  jedes  Angriffs  und  jeder  Schädigung  des  Herrschers 
von  Valencia  und  seiner  Untertanen  zu  Wasser  und  zu  Lande  zu  enthalten ; 
ausdrücklich  wurde  bestimmt,  daß  diese  Verpflichtung  auch  für  ihre  Lands- 
leute in  Almeria  und  Tortosa  gelten  sollte. 

Die  gewonnene  günstige  Position  verstanden  die  Genuesen  für  ihren 
Handel  wohl  auszunutzen;  im  Notularium  des  Johannes  geben  15  Kontrakte, 
die  »Ispania«,  einige  auch  bestimmter  Valencia  und  Denia  als  Ziel  nennen'*), 
seit  dem  April  1156  davon  Kunde.  Mit  dem  April  des  Jahres  1160  aber 
hören  diese  Verträge  plötzlich  auf;  damals  muß  die  Kunde  nach  Genua 
gelangt  sein,  daß  Mardenisch  nicht  gewillt  sei,  den  bisherigen  Vertrag  zu 
erneuern,  und  daß  er  sein  Land  für  den  Handel  der  Genuesen  gesperrt  habe. 
Hatte  sich  mittlerweile  doch  auch  die  Lage  völlig  geändert;  die  Bedrohung 
seines  Königreichs    durch    die    doppelte   Flankenstellung   der   Genuesen   in 


1)  Mas  Latrie,  Doc.  p.  29, 

2)  Capmany  IV  p.  3. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  167;  Mas  Latrie,  Introd.  p.  35.  Langer  S.  41.  Der  Ansatz 
des  Herausgebers  zu  1150  ist  mit  der  Datierung  der  Urkunde  »mediante  mense  Safar 
544«  nicht  vereinbar,  so  gut  er  zu  dem  Abbruch  der  Beziehungen  im  Jahre  1160 
passen  würde.     Codera,  Decadencia  p.  122  f. 

*)  Valencia:  no.  302,  368,  511;  Denia:  no.  706;  seitdem  Ispania:  no.  718  bis 
720,  760,  766,  819,  835,  842,  844/45,  850  (17.  April  1160). 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  321 

Almeria  und  Tortosa  hatte  aufgehört.  Vier  Galeeren  von  Denia  kaperten 
einen  großen  genuesischen  Ägyptenfahrer,  der  ihnen  allerdings  von  einem 
pisanischen  Geschwader  wieder  abgejagt  und  den  Genuesen  zurückgegeben 
wurde  (Juli  1160).^)  Die  Genuesen  schickten  nunmehr  eine  Gesandt- 
schaft unter  Obertus  Spinola  an  den  König  »Lupus  von  Spanien«,  wie  ihn 
die  Annalen  nennen  2) ;  sicher  war  die  galea  comunis,  von  deren  bevorstehender 
Abfahrt  nach  Spanien  ein  Kontrakt  vom  13.  Juli  redet,  für  ihn  bestimmt.^) 
Da  er  indessen  nichts  ausrichtete,  ließen  die  Genuesen  im  folgenden  Jahre 
denselben  Spinola,  der  inzwischen  auch  zum  Stadtkonsul  erwählt  war,  mit 
5  Galeeren  zum  Schutze  ihrer  Handelsschiffe  in  den  Gewässern  von  Corsica 
und  Sardinien  bis  Denia  hin  kreuzen.  Als  er  mit  seinem  Geschwader  drohend 
an  der  spanischen  Küste  erschien,  eröffnete  Mardenisch  selbst,  der  seiner- 
seits keine  Galeeren  auszurüsten  wagte,  neue  Verhandlungen ;  nachdem  Spi- 
nola sich  mit  den  beiden  Gerichtskonsuln,  die  ihn  begleiteten,  und  den 
Schiffskapitänen  beraten  hatte,  gelangte  man  zu  einem  vorläufigen  Ein- 
verständnis darüber,  daß  der  König  wieder  10000  marab.  zahlen  und  den 
Genuesen  die  Handelsabgaben  in  seinem  ganzen  Königreiche  erlassen  sollte 
(comercium  totius  regni  sui  Januensium  mercatoribus  dimittei'e).  Auf  seinen 
brieflich  ausgedrückten  Wunsch  schickte  Genua  darauf  einen  Sohn  Ingos  de 
Volta,  Wilelmus  Caxicus,  als  solennen  Gesandten  an  ihn*);  doch  die  beidersei- 
tige Ratifikation  des  Vertrages  muß  sich  bis  tief  in  das  Jahr  1162  verzögert 
haben;  noch  am  9.  Juni  1162  versprachen  die  Genuesen  dem  Kaiser  Bar- 
barossa, ihn  bei  einem  etwaigen  Kriegszuge  gegen  die  Herrscher  von  Valencia 
und  Mallorka  mit  ihrer  gesamten  Macht  zu  unterstützen,  wobei  sie  nur  be- 
züglich Mallorkas  die  Zeit  bis  zum  Ablauf  ihres  Vertrages  ausnahmen  —  ein 
Beweis,  daß  bezüglich  Valencias  damals  noch  kein  sie  bindender  Vertrag 
vorlag,  ö)  In  der  Tat  sehen  wir  auch  aus  unseren  Notariats- Akten,  daß  die 
Wiederaufnahme  des  genuesischen  Handelsverkehrs  mit  »Ispania«  erst  im 
Herbst  1162  erfolgt  ist.  6)  Wie  lebhaft  sich  dieser  Verkehr  von  neuem  ge- 
staltete, trotz  des  Seekrieges  mit  Pisa,  bcAveist  uns  auch  die  Nachricht  der 
pisanischen  Annalen,  daß  es  im  Juli  1165  drei  pisanischen  Kriegsschiffen, 
die  an  der  Küste  der  Provence  kreuzten,  glückte,  den  Genuesen  ein  großes 
beladenes  Schiff,  viele  kleinere  Fahrzeuge  und  7  buthetti,  die  alle  aus  Spanien 
kamen,  wegzunehmen.'^) 

Im  Jahre  1172  erlag  das  Königreich,  nachdem  Mardenisch  bis  zu  seinem 
Tode  (1171)  energischen  Widerstand  geleistet,  dem  großen  Reiche  der  Almo- 
haden^);  die  in  diesem  für  den  Handel  der  Genuesen  geltenden  Bedingungen 
traten  auch  für  das  neu  erworbene  Gebiet  in  Kraft. 


1)  Ann.  pis.,  so.  XIX,  245. 

*)  Ann.  genov.  I,  60  (1160).  Spinola  war  selbst  geschäftlich  interessiert ;  am 
16.  Januar  1160  hatte  er  mit  einem  nach  der  Provence  gehenden  Sozius  vereinbart, 
daß  dieser  die  Reise  usque  Ispaniam,  unter  Umständen  auch  weiter  ausdehnen 
dürfe.  Chart.  II  no.  819.  Der  Name  Lupus  für  Mardenisch  rührt  von  seinem  von 
den  Spaniern  oft  gebrauchten  Beinamen  Abenlob  her ;  Langer  S.  41,  Anm.  1. 

8)  Chart,  n  no.  912. 

*)  Ann.  genovesi  I  p.  61  f.  (1161). 

")  Const.  et  acta  I  p.  296.  Mit  Unrecht  beschuldigt  also  Langer  S.  90,  Anm.  7 
die  Genuesen  des  Vertragsbruchs. 

«)  Erster  Vertrag  wieder  vom  8.  September  1162.     Chart.  11  no.  1181. 

^)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  253. 

*)  Mas  Latrie,  Introd.  p.  48. 

Schau be,  Handelsgeschlcbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  21 


322  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

252.  Was  wir  aus  den  im  Notularium  des  Johannes  erhaltenen  Kon- 
trakten über  den  genuesischen  Warenhandel  mit  Valencia  entnehmen 
können,  ist  ziemlich  dürftig.  Für  den  Einfuhrhandel  nach  Genua  ergibt 
sich  nur  eine  einzige  Notiz:  als  Soliman  von  Salerno  seinen  Faktor  Oliver 
von  Pavia  mit  Waren  im  Werte  von  103  1.  jan,  nach  Spanien  entsendet, 
gestattet  er  ihm,  die  6  Byzantien,  die  er  von  dem  Erlöse  als  sein  Entgelt 
für  sich  behalten  dürfe,  in  Waren  anzulegen,  ausgenommen  »in  restibus«.i) 
Sicher  kam  aber  auch  castilischer  Alaun  über  Valencia 2),  und  daß  seidene 
Tücher  ein  begehrter  Exportartikel  waren,  beweist  schon  der  Umstand,  daß 
der  Gesandte  Lusius  den  Betrag  von  2000  marab.  in  Gold  und  »panni  de 
seta«  erhielt.  3)  Jedenfalls  hat  auch  das  Papier  von  Xativa  (San  Felipe  bei 
Valencia),  das  nach  dem  Zeugnis  Idrisis  seinesgleichen  in  der  Welt  nicht 
hatte  und  nach  Ost  und  West  ausgeführt  wurde,  zu  den  Gegenständen  des 
italienischen  Handels  gehört;  von  hier  stammte  wohl  das  Papier,  das  ge- 
nuesische Kaufleute  im  Herbst  1163  in  Tunis  eingeführt  haben.  4)  Für  die 
Ausfuhr  Genuas  nach  dem  Königreich  ist  ein  Gesellschaftsvertrag  besonders 
interessant,  den  Jordanus  de  Michaele  mit  dem  auf  die  Handelsfahrt  nach 
Spanien  gehenden  Albertus  Judex  im  April  1160  abgeschlossen  hat;  Albert 
hat  seinen  Anteil  am  Gesellschaftskapital  mit  39  1.  jan.  und  7  1.  eigenes 
Kapital  in  Pfeffer  angelegt,  und  hofft,  für  jedes  so  angelegte  Pfund  ge- 
nuesisch 3  Byzantien  zu  lösen,  während  von  Jordans  Anteil  59  1.  jan.  teils 
in  panni  de  bagadellis,  teils  in  calabratiles  angelegt  sind.s)  Um 
sehr  feine,  kostbare  Seide  handelt  es  sich  in  dem  Vertrage,  den  Enricus 
Nivecella  am  14.  Dezember  1162  mit  dem  Juden  Josef  abgeschlossen  hat. 
Dieser  hat  ihm  gegen  Erlegung  von  12  1.  jan.  »libram  unam  sevete«  zum 
Verkauf  in  Valencia  übergeben ;  erzielt  er  mehr  als  36  Byzantien,  so  hat  er  den 
Überschuß  zum  besten  Josefs  anzulegen  und  ihm  zuzustellen,  erzielt  er  weniger, 
so  wird  ihm  der  Minderbetrag  binnen  einem  Monat  nach  seiner  Rückkehr 
mit  1/2  1.  jan.  pro  Byzantius  ersetzt.  Das  Risiko  des  Transports  trug  der 
Transporteur,  das  des  Verkaufs  der  anfängliche  Verkäufer,  ß)  Mit  der  Er- 
scheinung, daß  es  hauptsächlich  Waren  der  Levante  waren,  die  die  Genuesen 
hierher  brachten,  stimmt  es  wohl  überein,  daß  uns  in  diesen  Urkunden  auch 
der  Zwischenhandel,  den  die  Genuesen  von  und  nach  Valencia  trieben,  häufig 
entgegentritt.  So  nimmt  der  Commendavertrag  vom  26.  April  1156  die  Fahrt 
von  Valencia  nach  Alexandrien  in  Aussicht,  wenn  es  die  Mehrheit  der  auf 
dem  gleichen  Schiffe  wie  der  Commendaempfänger  mitreisenden  Kaufleute 
so  beschließt,  und  umgekehrt  wird  bezüglich  einer  Handelsfahrt  von  Genua 
nach  Ägypten  unter  den  weiteren  Reisezielen  Ispania  genannt."^)  Wenn 
einmal  im  Sommer  1160  ausdrücklich  untersagt  wird  8),  von  Alexandria  aus 
nach  Hispanien  zu  fahren,   sei  es  auf  dem  Wege  über  Barcelona  oder  über 


1)  Chart,  n  no.  719  (26.  Sept.  1158) ;  ital.  resta  ■=  Schnur  von  Zwiebeln. 

*)  Im  Nachlaß  des  W.  Scarsaria  fanden  sich  3  Kantär  14  rot.  aluminis  de  Ca- 
stilia,  der  von  den  Nachlaßpflegern  mit  46  sol.  jan.  pro  Kantär  berechnet  wurde; 
selbst  die  Auszahlung  einer  Mitgift  in  Genua  wurde  teilweise  in  castilischem  Alaun 
versprochen.     Chart.  II  no.  415  (1157),  1427  (1164).     Unten  §  261. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  167. 

♦)  Chart,  n  no.  1345.     Edrisi  1.  c.  233.     Blanchet  p.  47  f.    Oben  S.  286. 

6)  Chart.  U  no.  845. 

«)  No.  1224  >ad  meum  resecum  portare,  sed  ad  tuum  (so  für  tuam  zu  lesen) 
vendere  promitto»,  sagt  Nivecella. 

»)  No.  302,  1487. 

8)  No.  923  (28.  Juli). 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  323 

Bugia  hinaus,  so  hat  das  natürlich  in  dem  damals  ausgebrochenen  Konflikt 
mit  König  Lupus  seinen  Grund,  und  beweist  gerade,  daß  genuesische  Schiffe 
häufig  genug  den  direkten  Import  der  Waren  des  Orients  von  Ägypten  nach 
dem  Königreich  Valencia  vermittelten.  Mehrfach  wird  die  Fortsetzung  ge- 
nuesischer Handelsfahrten  von  hier  nach  Sizilien  in  Aussicht  genommen  i); 
und  wie  Genuesen  von  der  Küste  Süd-Frankreichs  aus  nach  Valencia  gingen  2), 
so  geschah  es  auch  umgekehrt;  einmal  wird  bei  einer  Handelsfahrt  nach 
Valencia  dem  Reisenden  die  Wahl  gelassen,  direkt  nach  Genua  zurückzu- 
kehren, oder  vorher  Süd-Frankreich  oder  Sizilien  oder  auch  beide  Gebiete 
aufzusuchen,  oder  endlich  von  Sizilien  aus  noch  eine  Geschäftsreise  nach 
der  Romania  anzuschließen.  3) 

253.  Ungefähr  zur  selben  Zeit  wie  die  Genuesen  traten  auch  die 
Pisaner  mit  Mardenisch  in  ein  festes  Vertragsverhältnis. 

Sarazenische  Galeeren  aus  dem  Hafen  Murcias,  Cartagena,  hatten 
Feindseligkeiten  gegen  die  Pisaner  verübt  und  eine  Anzahl  Gefangener  ge- 
macht; der  pisanische  Gesandte,  Uberto  de  Botacia,  der  im  Jahre  1149  in 
Begleitung  einer  ganzen  Reihe  angesehener  Pisaner  mit  einem  Schreiben 
seiner  Regierung  vor  dem  Herrscher  erschien,  erwirkte  die  Freilassung  der 
13  Gefangenen  und  schloß  mit  dem  Herrscher  am  16.  Januar  1150  einen 
Friedens-  und  Freundschaf  tsvertrag  auf  10  Jahre.*)  Gegenseitig  versprach 
man  sich  Sicherheit  der  Person  und  des  Eigentums  zur  See  und  zu  Lande 
in  den  beiderseitigen  Gebieten ;  auf  gerechtfertigte  Beschwerden  sollte  binnen 
40  Tagen  Remedur  eintreten.  Von  jeder  Abgabe,  insbesondere  von  dem 
Fünften,  der  bisher  zu  entrichten  gewesen,  wurden  die  Pisaner  für  die  Einfuhr 
wie  die  Ausfuhr  befreit;  auch  Sklaven,  die  sie  loskauften,  durften  frei  aus- 
geführt werden,  und  das  Strandrecht  wurde  zu  ihren  Gunsten  außer  Kraft 
gesetzt.  Kamen  Fremde  mit  den  Schiffen  der  Pisaner  ins  Land,  so  galt 
zwar  für  diese  auch  die  versprochene  Sicherheit,  doch  blieben  sie  dem 
»drictus  quinte«  unterworfen.  Endlich  erhielten  die  Pisaner  in  Valencia  wie 
in  Denia  je  ein  Fondaco;  sie  erfreuten  sich  also  in  dem  Königreich  genau 
der  gleichen  bevorzugten  Stellung  wie  die  Genuesen  und  besuchten  es  offen- 
bar nicht  minder  häufig  wie  diese;  die  Seezinstabelle  führt  beide  Orte,  Va- 
lencia wie  Denia,  mit  dem  usuellen  Satze  von  25%  auf.  ^) 

Nach  Verlauf  der  10  Jahre  erneuerte  Mardenisch  auch  mit  den  Pisanern 
den  Vertrag  nicht;  auch  mit  ihnen  trat  Kriegszustand  ein;  aus  diesem  er- 
klärt es  sich,  daß  die  Pisaner  im  Sommer  1160  einem  von  Denia  ausgesandten 
sarazenischen  Geschwader  ihre  Beute,  ein  genuesisches  Schiff,  wieder  abjagten. 
Und  während  die  Genuesen  im  Jahre  1162  zu  einem  neuen  Vertrage  mit 
Mardenisch  gelangten,  scheint  das  ihren  Rivalen,  die  in  diesem  Jahre  wieder 
in  einen  lange  Zeit  dauernden  Krieg  mit  Genua  gerieten,  nicht  mehr  ge- 
lungen zu  sein;  wenigstens  sahen  sich  die  Pisaner  im  August  1166  genötigt, 
gegen   7  sarazenische   Galeeren    von   Denia,    die    die    pisanischen   Gewässer 


1)  No.  706,  719. 

2)  No.  819,  820. 

3)  No.  720 ;  vgl.  1085. 

'')  Amari  p.  239  f.  (ser.  11  no.  1);  das  hier  angegebene  Jahr  1149  hat  er  p.  451 
richtig  in  1150  korrigiert.  Langer  S.  42  hat  irrig  den  27.  Januar.  Codera,  Deca- 
dencia  p.  122  behält  das  Jahr  1149  bei  und  verschiebt  damit  die  Folge  der  Verträge 
mit  Genua  und  Pisa. 

")  Bonaini  U,  905. 

21» 


324  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

beunruhigten,  einen  Streifzug  zu  unternehmen  i);  sie  jagten  ihnen  bis  in  römi- 
sches Gebiet  nach ,  ohne  sie  indessen  noch  anzutreffen.  Ihr  feindseüges 
Verhältnis  zu  Mardenisch  konnte  ihnen  in  den  Augen  des  Almohaden- 
herrschers,  mit  dem  sie  in  demselben  Jahre  einen  Vertrag  schlössen,  nur 
nützen,  da  er  selbst  nach  dem  Besitze  Valencias  strebte,  den  er  im  Jahre 
1172  auch  errang. 

254.  Aus  der  folgenden  Zeit  sind  die  Nachrichten,  die  sich  auf  den 
Handelsverkehr  der  Genuesen  und  Pisaner  mit  diesem  sarazenischen  Gebiet 
beziehen,  nur  sehr  dürftiger  Natur. 

Aus  dem  Jahre  1191  kennen  wir  einen  Kontrakt,  nach  dem  der  Ge- 
nuese Lanfrancus  Ricerius  eine  ihm  gehörige  Galeere  gegen  die  Hälfte  des 
Reingewinns  zu  Kaperzügen  an  der  spanischen  Küste  an  Guilelmus  von  Lodi 
vermietete.  2)  Während  ihres  Krieges  mit  Pisa  und  Marseille  sandten  die 
Genuesen  im  Jahre  1210  zwei  armierte  Handelsschiffe  mit  zwei  Galeeren  »in 
Ispaniam«;  eine  der  Galeeren  mußte  wegen  Unwetters  in  dem  gegenüber- 
liegenden Oran  an  Land  gehen,  wo  sie  zunächst  festgehalten  wurde.  3)  Schädi- 
gungen, die  sie  im  Jahre  1231  im  arabischen  Spanien  erlitten,  veranlaßten 
die  Genuesen  eine  Expedition  von  10  Galeeren  mit  5  Begleitschiffen  (bar- 
chettae)  dorthin  zu  entsenden,  die  sich  ihrer  Aufgabe  mit  Glück  entledigte *); 
die  folgende  Krisis  in  Ceuta  brachte  sie  auch  mit  dem  Herrn  von  Murcia, 
der  vorübergehend  die  Oberhoheit  in  Ceuta  erlangte,  in  Differenzen.  Ihr 
trotz  aller  gelegentlichen  Mißhelligkeiten  und  Kämpfe  fortdauernder  Handels- 
verkehr mit  den  Sarazenen  war  einem  Teil  der  Minoriten  ein  Dorn  im  Auge, 
so  daß  sie  Gregor  IX.  gegen  [ihren  Fanatismus  in  Schutz  nahm;  auf  eine 
Beschwerde  Genuas  untersagte  ihnen  der  Papst  am  10.  Juli  1233  die  Ex- 
kommunikation solcher  Genuesen,  die  mit  erlaubten  Wären  nach  dem  ara- 
bischen Spanien  ö)  gingen,  da  in  Friedenszeiten  nur  die  Lieferung  von  Waffen, 
Eisen,  Holz  und  ähnlichen  Dingen,  die  zur  Bekämpfung  der  Christen  dienen 
könnten,  an  die  Sarazenen  verboten  sei.  Nur  kurze  Zeit  aber  noch,  und  Va- 
lencia wurde  durch  Jayme  den  Eroberer  den  Arabern  entrissen  und  trat  so 
dem  eigenen  Gebiete  der  Mittelmeer-Romanen  hinzu. 

255.  Nach  den  Balearen,  wo  noch  die  Nachkommen  des 
100  Jahre  zuvor  von  Sardinien  vertriebenen  Mogehid  herrschten,  rich- 
tete sich  die  berühmte  Expedition  der  Pisaner  im  Jahre  1113,  die 
als  eine  direkte  Fortsetzung  ihrer  Seezüge  gegen  die  Sarazenen  im 
11.  Jahrhundert  erscheint.^) 

Von  zahlreichen  Toskanern  des  Binnenlandes  auf  die  ergangene  Kreuz- 
predigt hin  unterstützt,  denen  es  unentgeltlich  die  Schiffe  stellte,  ließ  Pisa 
am  6.  August  1113  eine  Flotte  von  300  Fahrzeugen  in  See  gehen,  die  in- 
dessen im  ersten  Jahre  ihr  Ziel  noch  gar  nicht  errreichte,  sondern  in  Cata- 
lonien   überwintern   mußte.     Während   nicht   wenige   Toskaner,    und   unter 


1)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  245.  255. 

«)  Cais  de  Pierlas  in  Ann.  Alpes-Marit.  XII  (1890),  11  f. 

')  Ann.  genov.  II,  115. 

*)  Ann.  Jan.  p.  177. 

^)  ...  ad  partes  Ispanie  et  ineule  que  Garbum  dicitur  (Lib.  Jur.  I  no.  711). 
Mit  der  sog.  insula  kann  hier  schwerlich  etwas  anderes  als  Marokko  gemeint  sein. 

«)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  240.  Liber  Maiolich.  ed.  Calisse.  Darstellung  bei 
Amari  praef.  XXIIf.;  ausführlich  auch  Davidsohn  I,  S.  373— 378;  dazu  dessen  For- 
schungen I,  S.  82  f.     Manfroni  169  ff. 


Handel  der  Mittelmeer-Eomanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  325 

ihnen  besonders  die  Lucchesen,  das  Unternehmen  aufgaben  und  zu  Lande 
zurückkehrten,  schloß  sich  jetzt  der  Graf  von  Barcelona  an,  und  es  gelang 
am  10.  August  1114  zuerst  die  Insel  Iviza  mit  ihrem  festen  Hauptort,  und 
nach  einer  sechsmonatlichen  Belagerung,  bei  der  beide  Teile  ihre  Kriegs- 
kunst wie  ihren  Heldenmut  bewährten,  auch  die  feste  Hauptstadt  von  Mal- 
lorka  einzunehmen  (Februar  1115,  die  Burg  mit  dem  Königspalast  erst  am 
3.  April).  Wohl  war  die  Beute  der  Sieger,  die  zu  nicht  geringem  Teile  von 
den  räuberischen  Seezügen  der  Inselbewohner  herstammte,  sehr  reich;  groß 
aber  waren  auch  die  Verluste  der  Pisaner  gewesen.  An  eine  dauernde  Be- 
hauptung der  Inselgruppe,  die  zunächst  in  den  Besitz  der  Almoraviden  über- 
ging und  bald  von  neuem  selbständig  wurde,  war  nicht  zu  denken ;  den  hier 
heimischen  Seeräubern  war  allerdings  das  Handwerk  zunächst  gründlich  ge- 
legt und  ein  dauernder  Gewinn  für  den  Handel  der  Pisaner  war  es  auch, 
daß  sie  seitdem  auf  den  Balearen  immer  in  besonderem  Ansehen  standen. 

Noch  lange  leitete  Pisa  aus  diesem  Zuge,  der  ihm  hohen  Ruhm  in 
der  Welt  eintrugt),  Ansprüche  auf  eine  Art  Schutzrecht  über  diese  Inseln 
her;  vor  allem  wollte  es  nicht  dulden,  daß  die  für  seinen  Verkehr  mit 
Spanien  und  Marokko  so  günstig  gelegene  Inselgruppe  einer  fremden  Macht 
anheimfiel.  Als  die  Genuesen  auf  ihrem  Zuge  gegen  Almeria  (1146)  zunächst 
Menorka  angriffen,  ließen  die  Pisaner,  die  eine  dauernde  Festsetzung  ihrer 
Rivalen  auf  der  Inselgruppe  befürchteten,  durch  amtliche  Schreiben  und 
Gesandte  die  Genuesen  wissen,  daß  solches  Vorgehen  von  ihnen  als  Kriegs- 
fall betrachtet  werden  würde  und  wandten  sich  gleichzeitig  mit  Vorstellungen 
an  den  Grafen  von  Barcelona,  daß  er,  dessen  Vater  einst  mit  ihnen  zu- 
sammen Mallorka  erobert,  das,  obwohl  von  Sarazenen  bewohnt,  seitdem 
unter  seinem  und  ihrem  Schutze  verblieben  sei,  unmöglich  zugeben  könne, 
daß  die  Unabhängigkeit  der  Balearen  jetzt  angetastet  werde.  2)  Natürlich 
wußten  sie  sehr  wohl,  daß  diese  Unabhängigkeit  von  niemandem  mehr  be-' 
droht  war  als  von  Raimund  Berengar.  Einige  Jahre  darauf  machte  dieser 
den  Versuch,  sein  Ziel  mit  Hilfe  der  Pisaner  zu  erreichen,  indem  er  durch 
den  Judex  von  Arborea,  ihren  eigenen  Erzbischof  und  den  Papst  Eugen  III. 
(einen  Pisaner)  auf  sie  einzuwirken  suchte^);  indessen  mochte  schon  das  Bei- 
spiel, das  die  Pisaner  an  der  Behandlung  der  Genuesen  in  Tortosa  vor  Augen 
hatten,  genügen,  sie  gegen  solche  Lockungen  zu  feien.  So  sicher  es  ist, 
daß  sie  mit  den  Herrn  der  Balearen,  den  Ibn-Ghania,  die  ihre  Selbständig- 
keit auch  gegenüber  den  Almohaden  behaupteten,  in  einem  Vertragsverhält- 
nis standen,  so  stammt  doch  der  erste  erhaltene  Vertrag  erst  aus  dem  vor- 
letzten Jahrzehnt  des  Jahrhunderts ;  aus  der  vorhergehenden  Zeit  hören  wir 
nur  von  einer  Gesandtschaft  der  Pisaner,  die  im  Mai  1161  unter  Ardecasa 
auf  einer  Galeere  nach  Mallorka  ging,  und  wissen,  daß  der  Gesandte  Teperto 
Dodone,  der  Pisa  am  10.  Juli  1173  verließ  und  schon  am  16.  August  wieder 
in  Pisa  eintraf,  nachdem  er  unterwegs  mit  seiner  Galeere  den  Genuesen 
manchen  Schaden  zugefügt,  mit  dem  Herrscher  der  Balearen  einen  für  die 
Pisaner  günstigen  Vertrag  abgeschlossen  hat.  *)     Am  28.  Februar  1184  nahm 


*)  S.  den  Eingang  des  Privilegs  Barbarossas  vom  August  1155  bei  SchefEer- 
Boichorst  p.  404  f. 

*)  Coleccion  IV  p.  371 ;  undatiert,  aber  nach  dem  Inhalt  sicher  ins  Jahr  1146 
zu  setzen. 

^)  Ib.  no.  128;  vgl.  Langer  S.  44  Anm.  3,  der  diesen  Brief  Barisos  in  den 
Sommer  1151  setzt;  die  Bulle  Eugens  vom  24.  Juni  1152  ib.  no.  151  p.  365  f. 

*)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  246  u.  265. 


326  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

die  pisanische  Regierung  eine  Anleihe  von  300  1.  für  die  Kosten  einer  neuen 
Gesandtschaft  auf  i),  deren  Führung  man  dem  Sigerius  Gualandi  anvertraute; 
der  erneuerte  Friedensvertrag,  den  er  am  1.  Juni  mit  Abu-Ibrahim-Isaak, 
dem  Herrn  der  vier  Inseln  Mallorka,  Menorka,  Iviza  und  Formentera  im 
Namen  Pisas  und  Luccas,  das  damals  den  Pisanern  eng  verbündet  war,  auf 
den  Zeitraum  von  10  Jahren  und  6  Monaten  nach  dem  Mondzyklus  zustande 
brachte,  beschränkte  sich  darauf,  die  volle  Sicherheit  der  beiderseitigen  Unter- 
tanen in  den  Gebieten  der  Kontrahenten  gegenseitig  zu  gewährleisten ;  auch 
bei  Schiffbruch  versprach  man  sich,  unter  Verzicht  auf  das  Strandrecht, 
gegenseitige  Hilfe;  nur  wer  auf  feindlichem  Schiffe  betroffen  wurde,  mußte 
sich  gefallen  lassen,  auch  als  Feind  behandelt  zu  werden.  2)  Bis  zum  Unter- 
gange  der  Sarazenenherrschaft  hat  sich  an  der  günstigen  Stellung  der  Pisaner 
auf  den  Balearen  nichts  geändert. 

256.  Von  dem  pisanischen  Kreuzzuge  gegen  die  Balearen  hatten  sich 
die  Genuesen  ganz  ferngehalten 3);  als  sie  1146  ihren  Zug  gegen  Almeria 
unternahmen,  landeten  sie  unterwegs  unter  Caffaros  Führung  auf  Menorka, 
unternahmen  einen  viertägigen  Verwüstungszug  durch  die  Insel  und  zer- 
störten Ciudadela  an  der  Westseite  derselben.  4)  In  dem  Präliminar  vertrage, 
den  sie,  um  sich  den  Rücken  zu  decken,  im  Herbst  dieses  Jahres  mit  dem 
Grafen  von  Barcelona  schlössen,  war  außer  der  Bezwingung  Tortosas  auch 
die  gemeinsame  Eroberung  Mallorkas  in  Aussicht  genommen;  der  entschie- 
dene Einspruch  der  Pisaner  war  es  wohl,  der  die  Kontrahenten  veranlaßte, 
diesen  Plan  fallen  zu  lassen,  so  daß  der  Vertrag  selbst  nichts  mehr  davon 
enthält,  ö)  Als  die  Genuesen  im  nächsten  Jahre  ihren  Zug  gegen  Almeria 
erneuerten,  haben  sie  eine  Zeitlang  den  trefflichen  Hafen  Mahon  (Portus 
magnus)  an  der  Ostseite  Menorkas  als  Stützpunkt  für  ihre  mächtige  Flotte 
benutzt ;  vielleicht  ist  es  in  dieser  Zeit  schon,  wo  die  Genuesen  auf  ihre  Ab- 
•weisung  der  Eroberungsgelüste  des  Grafen  hinweisen  konnten,  zum  Abschluß 
eines  Vertrages  mit  dem  Herrn  der  Balearen  gekommen.  Positiv  wissen  wir 
nur,  daß  im  Sommer  1162  ein  Vertragsverhältnis  zwischen  beiden  Mächten 
bestand,  das  damals  noch  8  Jahre  lief.*')  Das  älteste  erhaltene  Privileg 
stammt  auch  hier  erst  aus  den  achtziger  Jahren  des  12.  Jahrhunderts.  Der 
Vertrag,  den  Rodoanus  de  Mauro  im  Juni  1181  auf  10  Jahre  bei  Abu-Ibra- 
him-Isaak erwirkte,  ist  dem  pisanischen  von  1184  völlig  analog;  reichhaltiger 
dagegen  ist  das  Privileg,  das  dessen  Nachfolger  Abu-Mohammed- Abdallah  im 
August  1 188  der  Gesandtschaft  Niccolös,  des  Sohnes  Filippos  de  Lamberto, 
auf   20  Jahre   gewährte.     Den  Genuesen   wurde   ein  Fondaco,   wo  es  ihnen 

^)  Bonaini,  Suppl.  p.  87  mit  dem  irrigen  Datum  29.  April  1185;  vgl.  hierüber 
Deutsche  Z.  f.  G  IX  (1893),  237  Anm.  4. 

**)  Amari  p.  230  und  274  (freundschaftliches  Schreiben  des  Herrschers  an  Pisa 
vom  folgenden  Tage);  Mas  Latrie,  Suppl.,  Doc.  p.  367  und  373;  Bonaini  Suppl.  p.  91. 
Deutsche  Z.  f.  G    1.  c.  243  f.     Codera,  Decad.  178. 

')  Das  Chron.  breve  von  Barcelona  beschuldigt  sogar  die  Genuesen,  daß  Mal- 
lorka durch  ihren  Verrat  wieder  an  die  Sarazenen  verloren  gegangen  sei;  David- 
sohn I,  380;  dessen  Forschungen  I,  83. 

■*)  Ann.  genovesi  I  p.  33  f.  (1146);  Langer  S.  24. 

»)  Coleccion  IV  no.  141  und  144  p.  337  f.,  Lib.  Jur.  I  no.  127  not.  1,  Langer 
S.  28  Anm.  2. 

^)  §  251.  Im  Notularium  des  Johannes  beziehen  sich  je  3  Verträge  auf  Mal- 
lorka (Chart,  n  no.  366,  709,  714;  im  Herbst  1158  ist  Soliman  von  Salerno  beteiligt; 
die  Commenda  von  1156  besteht  z.  T.  in  Flachs)  und  Iviza  (1296,  1299  f.  Das  Schiff 
des  Timonerius  ging  von  hier  weiter  nach  Bugia). 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  327 

beliehen  würde,  eine  Kirche,  ein  Backofen  und  der  wöchentlich  einmalige 
Gebrauch  des  Bades,  alles  ohne  irgendwelche  Abgabe,  zugestanden ;  vor  allem 
aber  erhielten  sie  Zollfreiheit,  gleichgültig,  ob  sie  von  Osten  her  oder  von 
Spanien  oder  Marokko  nach  Mallorka  kämen,  i)  Im  Jahre  1191  ging  der 
Gerichtskonsul  Angelotus  Vicecomes  als  Gesandter  nach  Mallorka,  aus  welchem 
Grunde  wissen  wir  nicht.  2) 

Für  die  letzten  40  Jahre  der  sarazenischen  Herrschaft  auf  den  Balearen 
fehlt  es  uns  durchaus  an  Nachrichten  über  die  Handelstätigkeit  der  Genuesen 
auf  den  Inseln ;  indessen  hat  sie  zweifellos  auch  in  dieser  Zeit  fortbestanden. 

257.  Wenn  bisher  nur  von  den  Handelsbeziehungen  der  Genu- 
esen und  Pisaner  zu  den  spanischen  Sarazenen  die  Rede  gewesen  ist, 
so  entspricht  das  der  Tatsache,  daß  von  den  anderen  italieni- 
schen Handelsnationen  die  Venezianer  auf  diesem  Gebiete  für 
unsere  Zeit  gar  nicht  und  auch  die  Süd-Italiener  nur  in  geringem 
Umfange  nachweisbar  sind. 

Wenn  sich  Genua  nach  der  Eroberung  Almerias  Otto  de  Bonovillano 
gegenüber  die  Festsetzung  der  von  den  homines  Regis  Sicilie  hier  zu  er- 
hebenden Abgaben  (wie  bei  den  Pisanern)  selbst  vorbehielt  3),  so  ist  das  ein 
Beweis,  daß  doch  ein  nicht  unbedeutender  Handelsverkehr  von  Sizilien  und 
vielleicht  auch  von  Amalfi  und  Gaeta  aus  hierher  bestanden  haben  muß; 
wahrscheinlich  hatte  das  arabische  Element  Siziliens  daran  einen  nicht  ge- 
ringen Anteil.  Im  übrigen  hören  wir  nur  mehrfach  von  Seezügen  der  nor- 
mannischen Flotte,  die  in  feindlicher  Absicht  gegen  die  Sarazenen  Spaniens 
unternommen  wurden  4) ;  ein  freundliches  Verhältnis  dagegen  bestand  zur  Zeit 
Heinrichs  VI.,  dem  AI  Mansur  reiche  Geschenke  schickte  0),  und  Friedrichs  II., 
der  sogar  einmal  einen  tunesischen  Gesandten  mit  seiner  Flotte  nach  dem 
arabischen  Spanien  überführen  ließ  und  gelegentlich  auch  dieses  Gebiet 
mit  dem  Überschuß  der  Getreideproduktion  seines  Königreichs  versorgte, 
wenn  die  Konjunktur  den  Absatz  dahin  lohnend  erscheinen  ließ*');  im  Sep- 
tember 1244  urkundet  der  Sekretus  Siziliens,  Obertus  Fallamonaca,  nach 
seiner  Rückkehr  aus  Spanien,  wohin  er  als  Gesandter  des  Kaisers  an  den 
»Beherrscher  der  Gläubigen«  gegangen  war.'') 

>)  Mas  Latrie,  Doc.  p.  110  f.,  Atti  Lig.  V,  593  f.  Der  Gesandte  Nicolaus  wird 
im  Vertrage  nur  mit  seinem  Beinamen  Leccans  nuptias  (=  Leccanozze)  genannt; 
sein  oben  gegebener  wirklicher  Name  stammt  aus  den  Ann.  Jan.  zu  1188  (ann.  ge- 
novesi  II,  26). 

«)  Ann.  genov.  II,  38. 

')  Lib.  Jur.  I  no   136. 

*)  Als  1160E1-Mehdia  von  Abd-el-Mumen  belagert  wurde,  ließ  König  Wilhelm 
schleunig  »stolium  suum  quod  in  Ispaniam  miserat«  zurückrufen.  Romuald  von  Sa- 
lerno,  SS.  XIX,  429;  Falcandus  p.  24  f.  1170  tritt  der  gegen  Spanien  entsandte 
stolus  Regis  Sicilie  feindlich  gegen  die  Genuesen  auf;  ,und  1181  überwintert 
eine  starke  zur  Eroberung  Mallorkas  bestimmte  sizilische  Flotte  an  der  genuesischen 
Riviera  (apud  Vadim)  Ann  genov.  ad  a.  Amari  Musulm.  III,  518  f.  Wenn  in 
einem  sizilischen  Kircheninventar  des  12.  Jahrhunderts  einmal  ein  kostbares  Ge- 
wand spanischer  Arbeit  aufgeführt  wird  (Siragusa  in  seiner  Ausgabe  Falcandos 
p.  179  A.  1 :  una  est  casubla  cum  listis  et  est  operis  Hispanie),  so  beweist  das  noch 
nicht,  daß  die  Einfuhr  solcher  Artikel  durch  die  Sizilier  selbst  erfolgt  ist. 

»)  Toeche  367. 

8)  Oben  §  236.     Huillard-Bräholles  V,  633. 

')  Winkelmann,  acta  I,  561  u.  707.  Die  Ann.  Sic.  (SS.  XIX,  447)  reden  von 
seiner  Reise  ad  Maroccum. 


328  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

258.  Auch  für  den  Handelsverkehr  der  Südfranzosen  mit  dem 
arabischen  Spanien  hegen  nicht  gerade  viel  Nachrichten  vor. 

Wir  wissen,  daß  im  Jahre  1127  in  Barcelona  ein  besonderer,  vom  Grafen 
festgesetzter  Zolltarif  bestand,  der  auf  die  Bewohner  von  Montpellier  An- 
wendung fand,  wenn  sie  mit  ihren  Schiffen  an  der  katalanischen  Küste 
entlang  oder  an  ihr  vorbei  nach  dem  mohammedanischen  Spanien  fuhren. i) 
Und  der  Handel  Montpelliers  nach  diesem  Gebiet  gerade  muß  ein  beson- 
ders festgewurzelter  gewesen  sein;  denn  als  die  Bewohner  Montpelliers  sich 
in  der  Mitte  des  Jahrhunderts  den  Genuesen  gegenüber  verpflichten  mußten, 
keine  Schiffahrt  auf  hoher  See  zu  treiben,  wurde  ihnen  doch  ausdrücklich 
zugestanden,  daß  dies  Verbot  für  die  Schiffahrt  »in  Hispaniam«  keine  Gel- 
tung haben  sollte;  vielmehr  versprachen  die  Genuesen,  alles  zu  tun,  was  in 
ihrer  Macht  stehe,  um  die  Sicherheit  derer  von  Montpellier  und  ihrer  Waren 
auf  diesem  Wege  zu  gewährleisten.  2)  Das  gleiche  Zugeständnis  wie  Mont- 
pellier machten  die  Genuesen  auch  den  Bewohnern  von  Arles^)  und  Saint- 
Gilles,  so  daß  auch  von  diesen  Städten  aus  ein  lebhafter  Seehandel  mit 
Spanien  bestanden  haben  muß.  Noch  im  Jahre  1231  ließ  sich  Montpellier 
von  König  Jayme  ein  Privileg  ausstellen,  wonach  seine  Kaufleute,  selbst 
wenn  sich  der  König  mit  einem  sarazenischen  Gebiete  in  Krieg  befinde,  das 
Recht  haben  sollten,  sich  zu  Handelszwecken  von  diesen  Sarazenen  Sicher- 
heitsbriefe zu  erwirken,  vorausgesetzt,  daß  sich  ihr  Handel  nicht  auf  ver- 
botene Waren  erstreckte,"^)  Die  Provence,  die  von  spanischen  Sarazenen 
einst  so  furchtbar  zu  leiden  gehabt  hatte,  ist  ein  letztes  Mal  noch  im  Jahre 
1178  von  ihnen  heimgesucht  worden,  wo  der  Beherrscher  der  Balearen  auf 
einem  kühnen  Streifzuge  Toulon  einnahm  und  viele  Vornehme,  unter  ihnen 
Ugo  Gaufredus,  Vicecomes  von  Marseille,  gefangen  nach  Mallorka  abführte.^) 
Daß  sie  auch  in  friedlichem  Handelsverkehr  mit  dem  arabischen  Spanien 
stand,  wird  durch  einen  Marseiller  Kontrakt  aus  dem  Jahre  1235  bewiesen, 
in  dem  Petrus  de  Causaco  500  Byz.  miliar,  von  Bernardus  de  Mandolio  für 
eine  Handelsfahrt  in  Commenda  nahm,  die  erst  nach  Sizilien  und  dann  »in 
Garbum  vel  in  Ispaniam«  gehen  sollte,  ß) 

Naturgemäß  standen  auch  die  Katalanen  trotz  häufiger  Kämpfe 
ihrer  kriegslustigen  Herrscher  mit  den  Sarazenen  in  den  doch  auch  nicht 
fehlenden  Friedenszeiten  mit  dem  arabischen  Spanien  in  Handelsbeziehungen. 
Aus  dem  Jahre  1227  hören  wir  von  einem  reichbeladenen  katalanischen 
Schiffe,  das  von  Sevilla  kam;  es  fiel  mallorkanischen  Seeräubern  in  die 
Hände.  '^)  Und  aus  der  Entscheidung  König  Jaymes  in  dem  Zollstreit  zwischen 
Barcelona  und  der  Herrin  des  Hafens   von  Tamarite   vom  Jahre  1243   geht 


^)  Capmany  IV  p.  4. 

«)  Lib.  Jur.I  no.  83  (1150)  und  211  (1155);  unten  §  439.  Langer  S.  68  deutet 
die  Bestimmung  irrtümlich  dahin,  daß  sie  nur  bis  Barcelona  hätten  fahren  dürfen. 

^)  Lib.  Jur.  n  no.  5. 

*)  .  .  .  possint  habere  et  percipere  securitatem  a  Sarracenis  causa  mercimonii 
exercendi,  licet  nos  cum  Sarracenis  illis  guerram  habuerimus.  Aus  dem  Grand 
Thalamus  bei  Fabrege  II,  283  A.  3.  In  dem  Zolltarif  Montpelliers,  etwa  aus  dem 
Anfang  des  13.  Jahrhunderts,  ist  die  libra  de  seda  Ispanie  mit  1  den.,  die  heimische 
mit  Vs  den.  verzeichnet.     Lib.  Instrum.  p.  438. 

0)  Codera,  Decadencia  p.  177,  331.  Ann.  S.  Victoris,  SS.  XXIII,  3.  Schenkungs- 
urkunde eines  Gefangenen  in  Mallorka  an  die  Kirche  von  Toulon  bei  Lambert  G., 
Leg  seigneurs  de  Toulon  im  Bull,  de  l'Acad.  du  Var.,  n.  s.,  XX  (Toulon  1897)  p.  83. 

*)  Manduel  no.  67. 

')  Capmany  I,  2  p.  87. 


Handel  der  Mittelmeer-Romanen  mit  den  Sarazenen  Spaniens.  329 

hervor,  daß  die  Schiffe  Barcelonas  häufig  das  arabische  Spanien  zum  Ziel- 
punkt ihrer  Fahrten  wählten:  Barcelona  behauptete,  zur  Zahlung  des  See- 
zoUs  in  Tamarite  nur  für  solche  Waren  verpflichtet  zu  sein,  die  »in  lignis 
planis«  bis  Murcia  gingen  und  nicht  für  solche,  die  nach  Andalusien  be- 
stimmt waren ;  der  König  aber  entschied,  daß  Ruderschiffe,  die  nach  Anda- 
lusien gingen  oder  von  da  zurückkehrten,  zur  Zahlung  von  Zöllen  nach 
Maßgabe  des  beigefügten  Tarifs  verpflichtet,  Segelschiffe  aber  davon  frei- 
zulassen wären.  1) 


^)  Ebd.  n  p.  15  f.  Über  den  Handelsverkehr  zwischen  spanischen  Christen 
und  Sarazenen  s.  auch  Auvray  2290  (7.  Nov.  1234)  u.  3491  (5.  Febr.  1237).  Für  die 
Zeit  nach  der  Eroberung  dieser  Gebiete  durch  die  Christen  s.  Kap.  36. 


n 


Abschnitt  IV: 

Handel  der  Mittelmeer-ßomanen  mit  den 
übrigen  Romanen. 


Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

Mit  den  ßomaneii  des  atlantischen  Küstengebiets. 

259.   Jenseits   der   Säulen    des   Herkules   erscheinen   auf    damals  sarai 
zenischem  Boden  Saleh  und  Sevilla  als  die  äußersten  Punkte,  bis  zu  denen' 
der  italienische  Handel  schon  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  vordrang. 
Früh   auch   hören   wir   von   einer  Beteiligung  von  Italienern  an  den  Unab- 
hängigkeitskämpfen der  spanischen  Christen  an  der  Westküste  der  iberischen 
Halbinsel;   ein   erfahrener  genuesischer  Schiffsbaumeister  namens  Angerius 
erbaute  1120   im  Auftrage   und   auf  Kosten   des  tüchtigen   Bischofs   Diego 
Gelmirez,    der   gerade  damals  zum  Erzbischof  von  Santiago  erhoben  wurde, 
im  Hafen  von  Santiago,  dem  alten  Iria  (Padrone  an  der  Mündung  des  Ulla)^j 
zwei  Galeeren,   mit   denen  es  unter  Führung  des  Angerius  gelang,    die  räu™' 
berischen    Sarazenen    zurückzuschlagen;    schon    einige   Jahre    zuvor   hatten 
sich  die  Bewohner  von  Iria  in  ihrer  Bedrängnis   außer   an  Genua   auch    an 
Pisa  und  Arles  gewandt,  um  des  Schiffsbaus  kundige  Personen  in  ihre  Dienste 
zu  ziehen.  1)     Auch  bei  der  Belagerung  von  Lissabon  wirkte  ein  pisanischer 
Ingenieur  (vir  magnae  industriae)  in  hervorragender  Weise  mit  2);  er  erbaute^, 
den  hölzernen  Belagerungsturm  von  wunderbarer  Höhe,  den  die  EngländedB 
und  die  Leute  des  Königs  von  Portugal  am  19.  Oktober  1147  in  Bewegun^^ 
setzten  und  am  21.  Oktober  so  nahe  an  die  Mauer  heranbrachten,    daß  die 
Mohammedaner  Verhandlungen  einleiteten,    die  drei  Tage  darauf  zur  Kapi- 
tulation  von  Lissabon  führten.     Es  war  eine  Zeit  energischen  Vordringens 
der  Christen,   an  dem  auch  die  italienischen  Handelsnationen  ihren  Anteil 
hatten;   der  Vertrag,   den  Genua  im  September  1146  mit  dem  Beherrscher 
von  Castilien  und  Leon,  dem  »Kaiser«  Alfons  zunächst  in  bezug  auf  Almeria 


*)  Hist.  Compostellana  1.  I  c.  103,  II  c.  20  (Flores,  Espaöa  Sagrada  t.  XX). 
«)  Ann.  Magdeb.,  SS.  XVI,  189.     Bernhardi,  Konrad  III  p.  585  f.     Langer  5{ 
Anm.  1.  •  Volpe  p.  291  A.  2. 


Vierundzwanzigstes  Kapitel.  Handel  m.  d.  Romanen  des  Atlant.  Küstengebiets.     331 

schloß,  faßte  auch  die  gemeinsame  Eroberung  anderer  mohammedanischer 
Orte  ins  Auge,  die  in  derselben  Weise  wie  Almeria  unter  die  beiden  Ver- 
bündeten geteilt  werden  sollten,  und  verlieh  den  Genuesen  noch  darüber 
hinaus  Rechte,  die  für  Alfons  und  seine  Erben  allezeit  bindend  sein  sollten: 
auch  an  allen  Orten,  die  er  allein  erobern  würde,  sollten  sie  eine  Kirche 
mit  den  nötigen  Einkünften,  ein  gutes  Fondaco  (alfondegam  de  melioribus), 
Backofen,  Bad  und  Garten  erhalten.  Die  Hauptsache  aber  war,  daß  den 
Genuesen  volle  Freiheit  und  Sicherheit  des  Handels  in  beiden  Königreichen 
und  vollständige  Befreiung  von  Handelsabgaben  zu  Lande  wie  zur  See  zu- 
gesichert wurde  1)  (nulluni  enim  portaticum  neque  pedaticum  neque  ribati- 
cum  dabitis  in  tota  mea  terra  vel  mari).  Inwieweit  die  Genuesen  hiervon 
Gebrauch  gemacht  haben,  vermögen  wir  freilich  nicht  festzustellen. 

260.  Eine  weitere  Veranlassung  für  die  Italiener,  mit  dem  atlantischen 
Küstengebiet  Spaniens  vertraut  zu  werden,  boten  die  im  ganzen  christlichen 
Abendlande  überaus  hoch  geschätzten  Wallfahrten  zum  Grabe  des  Apostels 
Jacobus  in  Santiago  de  Compostella.  2)  War  auch  der  fromme  Zweck  bei 
diesen  Wallfahrten  die  Hauptsache,  so  verfolgten  doch  manche  Pilger  neben- 
her auch  Handelszwecke  und  unzweifelhaft  ist  durch  die  Bewegung  und 
Völkormischung,  die  diese  Wallfahrten  hervorbrachten,  auch  der  Handel 
gefördert  worden.  Konzilsbeschlüsse  der  Kirchenprovinz  Santjago  aus  dem 
2.  Jahrzehnt  des  12,  Jahrhunderts  nennen  Kaufleute  und  Pilger,  als  unter 
dem  besonderen  Schutz  der  Kirche  stehend,  in  einem  Atem^)  und  schreiben, 
um  die  Legalität  des  Handels  zu  sichern,  bei  Kauf  und  Verkauf  den  Ge- 
brauch der  amtlichen  Normalmaße  vor.  4)  Als  der  Genuese  Johannes  Fili- 
ardus  nach  seiner  Rückkehr  von  einer  Handelsfahrt  nach  dem  Orient  im 
Sommer  1158,  offenbar  in  Erfüllung  eines  auf  dieser  Fahrt  getanen  Gelübdes, 
sich  anschickte,  nach  Santjago  zu  pilgern,  nahm  er  von  seinem  bisherigen 
Sozius  Willelmus  Filiardus  eine  Commenda  von  ungefähr  5  Pfund  Gewürz 
nelken  auf  die  Wallfahrt  mit.  ^)  Solche  Vereinigung  einer  materiellen  Neben- 
absicht mit  dem  frommen  Hauptzweck  war  gewiß  keine  Seltenheit,  wenn 
sie  auch  nur  ausnahmsweise  einmal  nachweisbar  ist ;  auch  die  beiden  anderen 
genuesischen  Kaufleute,  die  nach  Ausweis  des  Notulariums  des  Johannes  in 
dieser  Zeit  nach  Santjago  gepilgert  sind,  Marchio  Castaneae,  der  schon  er- 
wähnte Sozius  Solimans  von  Salerno  (ebenfalls  im  Sommer  1158),  und  Bonus 
Johannes  Guaracus  im  Jahre  1163,  der  in  den  sizilischen  Gewässern  Schiff- 
bruch erlitten  hatte  6),   sind  schwerlich  mit  leeren  Händen   dahin  gegangen. 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  126  p.  123      Schirrmacber  143  ff. 

*)  S.  besonders  Ferreiro  A.  L.,  Historia  de  la  santa  a.  m.  Iglesia  de  Santjago 
de  C.  3  Bde.  Santjago  1898  — 1900.  Haristoy  P.,  Pelerinage  de  Saint-Jacqiies  de 
C.  Pau  1900  (aucb  in:  Etudes  bist,  et  r^lig.  du  diocese  de  Bayonne;  annee  1899 
und  1900).  Häbler  K.,  Das  Wallfabrtsbucb  des  Hermannus  König  von  Vacb.  Straß- 
burg  1899.  (Drucke  u.  Holzscbnitte  des  15.  u.  16.  Jahrhunderts  in  getreuer  Nachbildung 
no.  1)  mit  trefflicher  allgemeiner  Einleitung  über  diese  Wallfahrten. 

^)  Ferreiro  1.  c.  III  App.  no.  30  p.  91  f  Concilio  Compostelano  1112  (era  1150) 
rub.  23:  Mercatores,  romarii  et  peregrini  non  pignorentur;  et  qui  aliter  egerit,  du- 
plet  quae  tulerit  et  sit  excommunicatus  et  solidos  60  persolvat  Domino  illius  honoris  ; 
vgl.  damit  no.  31  p.  93  (1114). 

*)  Ebd.  p.  92  rub.  25  de  mensuris.  Kauf  und  Verkauf  nur  ad  mensuram  illius 
petrae  quae  stat  in  campo  Compostellae. 

»)  Chart.  II  no.  644. 

«)  Ebd.  no.  1342.  Oben  §  111.  Ferretto  I,  120  A.  1  führt  Testamente  von 
1213  und  1233  von  Genuesen  an,  die  im  Begriff"  waren,   nach  Santjago  zu  pilgern. 


332  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

Selbstverständlich  haben  die  aus  Italien  oder  Südfrankreich  kommen- 
den Pilger  durchweg  den  Landweg  nach  Santjago  benutzt,  der  in  bezug 
auf  Beschwerlichkeit  den  Erfordernissen  einer  rechten  Wallfahrt  gewiß  durch- 
aus Genüge  tat.  Auf  solchen  Pilgerverkehr  ist  wohl  in  erster  Linie  das 
Schreiben  zu  beziehen,  das  König  Sancho  von  Navarra  im  Jahre  1166  den 
Genuesen  durch  den  Ritter  Bernardus  de  Orta  übersandte.  In  demselben 
bot  er  ihnen  seine  Freundschaft  an  und  sicherte  den  Genuesen  ungehin- 
derten Durchzug  durch  sein  Land  und  ungestörten  Aufenthalt  in  demselben 
zui),  falls  sie  das  Gleiche  seinen  Untertanen  gegenüber  versprächen.  Zu- 
gleich verhieß  er,  sich  bei  seinem  Neffen  Alfons  III.  von  Castilien  und  seinem 
Schwager  Fernando  IL  von  Leon  (seit  1157  waren  die  Königreiche  getrennt) 
für  die  Genuesen  wie  für  die  eigenen  Untertanen  verwenden  zu  wollen, 
falls  ihnen  in  diesen  Reichen  irgend  ein  Hindernis  bereitet  werden  sollte 
—  es  ist  deutlich  genug,  daß  es  sich  bei  diesem  Anerbieten  hauptsächlich 
um  den  Weg  nach  Santjago  handelte.  Sancho  wünschte  endlich  auch, 
zwischen  ihnen  und  seinem  eben  zur  Regierung  gekommenen  Neffen,  Wil- 
helm IL  von  Sizilien,  zu  vermitteln;  durch  seine  Gesandten  habe  er  sich«, 
schon  für  sie  verwendet  und  sei  bei  entgegenkommender  Antwort  gern  zimI 
weiteren  Botschaften  geneigt.  Wenn  dieser  Vermittel ungs versuch  auch  ohne 
Ergebnis  blieb,  so  ist  uns  dies  Schreiben  doch  ein  interessantes  Zeugnis  für 
den  frühen  Verkehr  der  Genuesen  auch  in  den  entlegeneren  Teilen  der«! 
Pyrenäen-Halbinsel.  *  "■ 

261.  Als  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  die  Sarazenen  Spa- 
niens  immer   weiter   zurückgedrängt   wurden ,   als   nicht   bloß   Cordova   fiel, 
sondern  auch  Sevilla  den  Angriffen  König  Ferdinands  III.  von  Castilien  und 
Leon  erlag,  mußte  den  Genuesen  um  so  mehr  daranliegen,   mit  den  neuen 
Machthabern  in  ein  gutes  Verhältnis  zu  kommen,  als  sie  speziell  mit  Sevilla 
von  der  sarazenischen  Zeit  her  schon  altgewohnte  Handelsbeziehungen  hatten ; 
das   Öl  Andalusiens,    das   Quecksilber  Almadens 2),   der  Alaun   Castiliens^) 
stellten  für  ihren  Handel  höchst  wertvolle  Produkte  dar.     Da  außerdem  für     . 
sie    noch    ein   besonderer  Anlaß   dadurch   eintrat,    daß  Rodrigo  Garcia,    de^fll 
Königs  Vasall,   mit  seinen  Komplicen   an   einem   genuesischen  Schiffe  See-     ' 
raub  verübte,    so  schickten   sie  im  Jahre  1249  die  Edlen  Guglielmo  BoUeto 
und   den  Richter  Ugone    de'Fieschi   an   König  Ferdinand,    der  sie  zwar  gut 
aufnahm,  an  ihren  Hauptforderungen  aber:  Gewährung  des  freien  Konsulats ^^ 
und  Herabsetzung  der  Zollsätze  auf  die  Hälfte,  doch  Anstoß  nahm,   so  daßjfll 
die  Gesandten,  ohne  abzuschließen,  heimkehrten;  erst  1251  ist  der  auf  lange 
hinaus  grundlegende  Vertrag  zustande   gekommen,  der  den  Genuesen  einen 
weitgehenden  Einfluß  sicherte  *);  sind  sie  doch  in  der  Folgezeit  vornehmlich 
die  Lehrmeister   der   atlantischen  Nationen   der  Halbinsel,    der  Castilianer  0) 
imd  der  Portugiesen,  auf  maritimem  Gebiet  geworden. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  250  .  .  .  quod  si  forte  vestri  homines  per  terram  nostram 
transitum  fecerint  vel  ibi  aliquantulum  morari  voluerint. 

*)  Über  den  ölreichtum  Sevillas  s.  oben  §  249.  Am  16.  Febr.  1249  vergab 
der  König  an  den  Ritterorden  von  Calatrava  >medietatem  illius  minere  mee  argenti 
vivi  en  Chilon,  que  vocatur  vulgariter  Almadenc.  F.  R.  de  Uhagon  im  Boletin  35 
(1899)  p.  17  no.  73.  Quecksilber  im  Export  der  Genuesen  nach  der  Romania  oben  §  190. 

*)  Oben  §  252.     Der  castilische  Alaun  erscheint  ferner  im  Tarif  von  Narbonnej 
(Mouynes  p.  4)  und  1229  im  Tarif  von  Marseille.     Möry  et  Guindon  I,  343,  346. 

*)  Ann.  Jan.  p.  226  f. 

*)  Duro  Ces.-F.,  La  Marina  de  Castilla  (Madrid  1894  in  der  Hist.  general  de| 
Espaöa  der  R.  Acad.  de  la  Historia). 


Handel  mit  den  Romanen  des  atlantischen  Küstengebiets.  333 

262.  Aber  auch  an  der  atlantischen  Küste  Frankreichs  vermögen  wir, 
wenigstens  in  einem  Falle,  italienischen  Seehandel  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  nachzuweisen;  wir  würden  auch  von  diesem  Fall  nichts 
wissen,  wenn  nicht  besondere  widrige  Umstände  das  Eingreifen  geistlicher 
und  weltlicher  Autoritäten  veranlaßt  hätten.  Der  Genuese  Gerardus  de  Pes- 
sagno  und  sein  Bruder  befanden  sich  im  Jahre  1232  mit  ihrem  Schiffe,  zu 
dessen  Ladung  u.  a.  neun  Ballen  Tuch  gehörten,  an  der  Westküste  Frank- 
reichs auf  dem  Wege  nach  Spanien,  als  schwere  See  sie  veranlaßte,  den 
Hafen  von  La  Rochelle  aufzusuchen,  den  das  Schilf,  wenn  auch  mit  Mühe, 
so  doch  im  ganzen  unversehrt,  erreichte.  Der  Seneschall  des  englischen 
Königs  aber,  sein  Sohn  und  die  Leute  von  der  Insel  Oleron  behaupteten, 
das  SchifE  habe  Schiffbruch  gehtten  und,  sich  auf  das  Strandrecht  stützend, 
zwangen  sie  die  Genuesen,  sich  mit  einer  beträchtlichen  Summe  Geldes  und 
einem  Teil  ihrer  Waren  loszukaufen.  Doch  die  Genuesen  wollten  solche 
Vergewaltigung  nicht  ruhig  hinnehmen.  Sie  fanden  auch  die  Unterstützung 
der  Bürger  von  La  Rochelle  (das  den  Engländern  von  den  Franzosen  1224 
entrissen  worden  war),  die  durch  Augenzeugen  beschwören  ließen,  daß  kein 
Schiffbruch  erfolgt  sei  und  am  24.  August  1232  einen  Brief  an  Genua  rich- 
teten, in  dem  sie  das  Geschehene  wahrheitsgetreu  schilderten  und  Genua 
aufforderten,  Gegenmaßregeln  zu  ergreifen.  Die  Sache  kam  schließlich  vor 
den  Papst;  wir  besitzen  das  Schreiben  Gregors  IX.  vom  15.  Dezember  1233 
an  den  Archipresbyter  von  La  Rochelle,  er  möge,  wenn  sich  die  Sache  wie 
geschildert  verhalten,  den  Seneschall  und  seine  Mitschuldigen,  wenn  nötig 
durch  kirchhche  Zensuren,  zur  Restitution  veranlassen,  da  es  unwürdig  sei, 
daß  diejenigen,  die  die  Hand  des  Erlösers  vor  dem  Untergange  bewahrt 
habe,  deswegen  unter  den  ungerechten  Bedrückungen  der  Menschen  leiden 
sollten.  1)  Welchen  Erfolg  die  päpstliche  Intervention  gehabt  hat,  wissen 
wir  nicht.  Von  besonderem  Interesse  aber  ist  es,  daß  wir  in  diesem  ver- 
einzelt aus  voUem  Dunkel  ans  Licht  tretenden  Fall  vom  Jahre  1232  gerade 
Mitgliedern  jener  genuesischen  Familie  im  Atlantischen  Ozean  begegnen, 
die  später  in  Spanien  sowohl  wie  in  England  zu  besonders  hohen  Ehren 
emporgestiegen  ist.  2) 

Daß  auch  der  eine  bequeme  Verbindung  zwischen  dem  Atlantischen 
Ozean  und  der  südfranzösischen  Küste  bildende  Handelsweg  von  der  Gi- 
ronde  her  damals  schon  gelegentlich  von  den  Mittelmeer-Romanen  benutzt 
wurde  und  auch  dem  Transport  englischer  Waren  diente,  darauf  deutet  die 
im  Jahre  1248  für  Marseille  nachweisbare  Einfuhr  von  Zinn  und  Kupfer 
von  Toulouse  her;  am  25.  Mai  1248  hat  der  Marseiller  R.  de  Narbona  in 
Marseille  158  V2  Ztr.  Zinn  »in  clocha«  von  dem  Tolosaner  Poncius  Boquerius 
und  gleichzeitig  ein  Quantum  Kupfer  von  dessen  Landsmann  Bernardus 
Armanus,  Ende  August  zahlbar,  erstanden.^) 

263.  Im  Dienste  des  englischen  Königs  befand  sich  im  Jahre  1242 
ein  Genuese  Bonifacius,   Sohn  des  mag.  Nicolaus,  in  Bordeaux;  am  7.  Juli 

^)  Canale  11  p.  530  auf  Grund  des  Briefes  von  La  Roch  eile  im  Lib.  Instrum., 
an.  1232.  Das  Schreiben  des  Papstes  bei  Auvray  I,  901  no.  1635  (im  Regest  des- 
selben im  Calendar  of  Papal  Registers,  Papal  Letters  I,  London  1893,  p.  137  steht 
gänzlich  irreführend  Devon  an  Stelle  von  Ol^ron).  Canale  stellt  den  Vorgang  so 
dar,  als  wenn  das  Schiff  von  La  Rochelle,  wo  es  seine  Ladung  eingenommen,  ab- 
gefahren und  durch  das  Unwetter  nach  Ol^ron  geworfen  worden  sei.  Seine  Quelle 
liegt    uns    nicht  vor;    aber  das  päpstliche  Schreiben  widerspricht  dem  entschieden. 

*)  Über  die  Handelsreise  des  Guill.  de  Pess.  1248  nach  Oypern  ob.  §  166. 

»)  Amalric  no.  779,  780. 


334  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

befahl  der  König  von  Saintes  aus  dem  Seneschall  von  Gascogne,  das  große 
Zelt  (magnum  pampilionem  nostrum),  das  sich  noch  auf  dem  Schiffe 
im  Hafen  von  Bordeaux  befinde,  ausladen  und  im  Kastell  von  Bordeaux 
aufstellen  zu  lassen;  alles  was  der  Genuese  mit  seinen  Gefährten,  denen 
die  Obhut  über  dasselbe  obliege,  für  erforderlich  erklären  werde,  solle  er 
auf  des  Königs  Kosten  besorgen.  Handelt  es  sich  auch  hier  wie  sonst  i) 
um  Heranziehung  von  Genuesen  aus  militärischen  Gründen,  so  sind  damit 
doch  bedeutsame  Anknüpfungen  erfolgt,  die  schließlich  die  Veranlassung 
wurden,  daß  Kriegsschiffe  der  Seemächte  des  Mittelmeers  in  die  Dienste  der 
atlantischen  Seemächte  traten.  Dann  aber  ließ  sich  auch  die  Trennung  des 
mittelländischen  Seehandelsgebiets  von  dem  atlantischen  nicht  länger  auf- 
recht erhalten.  Denn  daß  diese  so  lange  gedauert  hat,  war  keineswegs  in 
irgendwelchem  nautischen  Unvermögen  begründet,  sondern  allein  darin,  daß 
man  die  Konkurrenz  der  Handelsnationen  eines  fremden  Meeres  im  Fest- 
halten an  eingewurzelter  Tradition  und  aus  Handelseifersucht  nicht  zuließ.^) 
Auch  jene  niederdeutschen  und  englischen  Schiffe,  die  zu  wiederholten  Malen 
während  der  Kreuzzüge  nach  dem  Mittelmeer  gekommen  sind,  hätte  man 
in  den  italienischen  Häfen  einen  Handelsbetrieb  einfach  nicht  ausüben 
lassen.  Der  Seekrieg  in  fremdem  Solde  ist  in  diesem  Falle  bahnbrechend 
auch  für  den  Handel  gewesen;  Gründe  der  Handelspolitik  traten  hinzu. 

Die  Genuesen,  von  denen  in  diesem  Abschnitt  fast  allein,  und 
keineswegs  zufällig,  die  Rede  gewesen  ist,  sind  auch  die  Pioniere  des 
direkten  Seehandels  der  Italiener  nach  England  und  den  Niederlanden 
geworden,  der  im  14.  Jahrhundert  für  den  Welthandel  eine  so  große 
Bedeutung  erlangen  sollte.  Zunächst  aber  fand  die  Handelsverbin- 
dung zwischen  Italien  und  allen  jenseits  der  Alpen  gelegenen  Gebieten 
so  gut  wie  ausschließlich  auf  dem  Landwege  statt. 


i 


Fünfundz wanzigstes  Kapitel. 

Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen 

Frankreich.  f  | 

264.  Das  große  Verkehrshindernis  der  Alpen  wurde  von  den 
italienischen  Kaufleuten,  die  nach  dem  mittleren  und  nördlichen 
Frankreich  wollten,  ganz  überwiegend  auf  zwei  Haupthandels- 
wegen überwunden,  der  Straße  über  den  Mont  Cenis  und  der  über 
den  großen  St.  Bernhard. 

Der  Simplon  konnte  trotz  seiner  verhältnismäßig  geringen  Höhe 
(2009  m)  wegen  der  außerordentlichen  Schwierigkeiten,  die  Auf-  und  Abstieg 
boten,  auf  den  Handel  eine  größere  Anziehungskraft  noch  nicht  üben 3),  und—« 

')  Roles  gascons  I  p.  6  no.  29.     Unten  §  321.  •H 

^)  Beazley  C.  Raym. :  The  Dawn  of  modern  Geography  11   (history  of  explo- 
ration  etc.  900—1260)  London  1901,  p.  425  A.  1  irrt  sich  um  ein  Jahrhundert,  wenn 
er  aus  archivalischen  Notizen  die  Nachweisbarkeit  eines  genuesischen  Schiffskapitäni 
in  Sluys  zum  Jahre  1224  behauptet. 

*)  Schulte  I,  5  f.  Im  13.  Jahrhundert  wnrde  die  Straße  wesenthch  verbessert, 
gewann  aber  erst  nach  der  Mitte  desselben  für  den  Handel  nachweisbare  Bedeu 
tung ;  seit  1235  begegnet  ein  Johanniterhospiz  auf  dem  Simplon.     Ebd.  212  ff 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       335 

der  Weg  über  den  M.  Genevre,  der  das  Tal  der  Dora  Riparia  mit  dem  der  Du- 
rance  verbindet,  kam  in  der  Hauptsache  für  den  Verkehr  Ober-Italiens  mit 
Süd-Frankreich  in  Betracht;  über  ihn  führte  der  »Iliansweg«  der  Nordländer 
von  Saint-Gilles  nach  Piacenza^);  er  ist  der  mons  Januae,  den  Innozenz  II. 
1132  auf  dem  Wege  von  diesem  berühmten  südfranzösischen  Wallfahrtsort 
nach  Asti  überschritten  hat.  2)  Nur  wenn  der  Mont  Cenis  gesperrt  war,  ge- 
wann er  als  Hilfsweg  auch  für  den  Verkehr  mit  den  nördlicheren  Gebieten 
Bedeutung.  So  geschah  es  z.  B.,  als  am  13.  Juli  1228  Turin,  Pinerolo,  Te- 
stona  (Moncalieri)  und  einige  kleinere  Orte  mit  dem  Dauphin  Andreas  von 
Vienne  eine  hauptsächlich  gegen  die  Annexionsgelüste  des  Grafen  Thomas 
von  Savoyen  gerichtete  Allianz  eingingen.  Susa  war  in  der  Hand  des 
Grafen ;  der  dem  Erzbischof  von  Turin  bisher  bei  dem  castrum  Montexulum 
zustellende  Zoll  wurde  nach  Testona  verlegt,  und  die  Straße  ging  nun  über 
Pinerolo  am  Chisone  aufwärts  zum  M.  Genevre  und  dann  durch  das  Gebiet 
des  Dauphins,  der  seinerseits  versprach,  allen  Feinden  Turins  und  allen,  die 
nicht  den  Weg  über  Turin — Testona — Pinerolo  nehmen  würden,  den  Durch- 
zug zu  versagen,  so  lange  die  durch  die  bestehenden  Zwistigkeiten  in  der 
Lombardei  veranlaßte  Veränderung  in  den  Straßenzügen  andauerte.^) 

Dagegen  ist  sicher  die  Mont  Cenisstraße  zu  verstehen  unter  der  »pub- 
lica strata,  quae  de  ultramontanis  partibus  per  burgum  S.  Ambrosii  Romam 
tendit«4),  deren  Besitz  mit  den  von  den  vorüberziehenden  Pilgern  und  Kauf- 
leuten zu  erhebenden  Abgaben  (Justitiam  transeuntium  peregrinorum  ac  ne- 
gociatorum)  Kaiser  Heinrich  V.  am  23.  März  1111  den  Turinern  bestätigte, 
während  Kaiser  Lothar  1136  noch  hinzufügte,  daß  die  Straße  ihnen  für 
immer  verbleiben  und  niemand  sich  unterfangen  sollte,  sie  zu  ihrem  Schaden 
anderswohin  zu  verlegen,  s)  Wenn  in  diesen  Privilegien  nur  allgemein,  ohne 
Unterscheidung  der  Nationalität,  von  den  passierenden  Kaufleuten  die  Rede 
ist,  so  nimmt  dagegen  das  Statut,  das  Markgraf  Thomas  von  Savoyen  seiner 
Stadt  Susa  im  Februar  1198  verlieh  ß),  auf  den  Durchgangsverkehr  der  Ita- 
liener ausdrücklich  Bezug.  Da  seine  Untertanen,  so  erklärt  er,  in  ganz 
Italien  bis  zum  Calabrischen  Meere  Immunität  genössen,  so  hätten  auch  die 
Italiker,  die  über  Susa  kämen,  auf  der  Hinreise  daselbst  keinen  Durchgangs- 
zoll    und    auf  der  Rückreise   nur  die  Hälfte  desselben   zu   zahlen.'^)     Kein 


1)  Ebd.  100. 

«)  Watterich  11,  17G.     Bernhardi,  Lothar  446. 

')  .  .  .  hoc  addito  ...  in  eodem  pres.  capitulo  strate  prohibende,  quod  strata 
incedens  per  Pinairolum  eat  (so  für  est  zu  lesen)  postea  per  terram  D.  comitis  Dal- 
fini,  dum  discordia  fuerit  in  Lombardia,  donec  strate  Lombardie  redigan- 
tur  in  pristinam  formam.  Chart.  I  no.  872  p.  1296  ff.  Winkelmann  II,  26. 
Das  pedagium  castri  Montoxoli  wurde  1239  im  Jahresdurchschnitt  auf  einen  Wert 
von  24  1.  segus.  veranschlagt.     Chart.  I  no.  900  p.  1345..    Hellmann  p.  120  f. 

*)  Chart.  I  no.  444  p.  737.  Das  Ambrosiuskloster  lag  halbwegs  zwischen  Turin 
und  Susa. 

')  Chart.  I  no.  475  p.  776.  Im  Vertrage  von  1239  versprachen  die  Herren  von 
Piossasco,  die  Straße  dem  Willen  von  Turin  gemäß  zu  bewachen  und  zu  verhüten 
>ne  mercatores  seu  troselli  vel  alie  negociaciones,  ex  quibus  consuetum  est  capi 
pedagium  in  T.,  illinc  debeant  pertransire« ;  ebd.  no.  898  p.  1340  ff. 

*)  Leges  Munic.  I  p.  5  ff.  Datiert  anno  1197,  ind.  XV,  post  mortem  Hen- 
rici  Imperatoris  5  Kai.  Marcii,  also  trotz  der  Indiktion  vom  25.  Februar  1198 
und  nicht  26.  Febr.  1197,  wie  der  Herausgeber  ansetzt. 

')  liiberalitas  nostra  est  quousque  ad  mare  Calabricum  nullum  transitum  vel 
usum  reddere   debemus.     (In  der  Erneuerung   des  Privilegs  von  1233  heißt   es   ib. 


336  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Lombarde  sollte,  vom  Mont  Cenis  an  gerechnet,  in  dem  Gebiete  von  Susa 
oder  in  der  Bergwildnis  Schafe  oder  Schaffelle  kaufen  dürfen,  widrigenfalls 
Konfiskation  erfolgte  und  ihm  der  Schutz  der  Privilegien  entzogen  würde  i) ; 
das  Verbot  hatte  wohl  den  Sinn,  daß  die  Untertanen  des  Grafen  sich  nicht 
verlocken  lassen  sollten,  sich  vorzeitig  ihres  bescheidenen  Reichtums  an  Vieh 
zu  entäußern,  vielmehr  sollten  sie  den  lombardischen  Händlern  nur  das 
Produkt  ihrer  Viehzucht,  die  Wolle,  verkaufen,  was  für  sie  unzweifelhaft 
vorteühafter  war.  Im  übrigen  bezog  die  Stadt  Susa  von  jedem  Fremden 
eine  Herbergsgebühr  von  2  Denaren.  2)  Endlich  wurde  in  diesem  Statut  den 
fremden  Wechslern,  unter  denen  dem  Zusammenhange  nach  nur  durch- 
reisende italienische  Wechsler  verstanden  werden  können,  untersagt,  Geld- 
wechselgeschäfte mit  anderen  Personen  als  den  heimischen  Wechslern  zu 
machen.  3) 

In  Susa  verließ  man  das  Tal  der  Dora  Riparia  und  stieg  in  nordwest- 
licher Richtung,  an  den  Ruinen  von  Novalese  vorbei,  zur  Paßhöhe  (2118  m) 
empor,  unterhalb  deren  das  vielbesuchte  und  reichbegüterte,  einst  von  Ludwig 
dem  Frommen  gegründete  Berghospiz  Unterkunft  bot,  das  auch  in  Susa 
selbst  eine  Filiale  hatte.  *)  Der  Abstieg  vollzog  sich  nach  Lanslebourg  und 
folgte  dann  dem  Bogen  des  Are  durch  das  Tal  Maurienne  bis  zur  Isere,  an 
der  in  Chambery  der  erste  bedeutendere  Ort  erreicht  wurde.  Von  dem  ihm 
in  Chambery  zustehenden  Zoll  befreite  Graf  Amadeus  IV.  von  Savoyen  durch 
Privileg  vom  22.  April  1241  die  Bewohner  von  Susa;  das  dem  Ortsherrn  zu- 
stehende pedagium  in  Höhe  von  3  den.  fortes  mußten  allerdings  auch  sie 
entrichten.^)  Von  Chambery  aus  ging  der  Weg  entweder  im  allgemeinen 
in  westlicher  Richtung  südlich  von  der  Rhone  nach  Lyon ;  unter  Umständen 
wurde  auch  teilweise  die  Rhone  benutzt,  wie  es  Innozenz  IV.  1244  tat,  der 
von  Varazze  am  Golf  von  Genua  über  Asti  und  Susa  gekommen  war.  6) 
Oder  man  zog  in  nordwestlicher  Richtung  weiter,  überschritt  die  Rhone 
südlich  von  Belley,  kreuzte  den  südlichen  Teil  des  Jura  und  erreichte  die 
Saöne  und  damit  den  von  Lyon  her  kommenden  Weg  bei  Mäcon ;  bei  Dijon 
vereinigte  sich  dann  der  Weg  mit  der  vom  Großen  S.  Bernhard  her  fühai 
renden  Straße.  '^)  xl 

265.   Diese  zweite   große  Alpenstraße   wurde  trotz  der  fast  um  400  m 
größeren  Paßhöhe   (2491  m)   und   der   erheblich  größeren  Schwierigkeiten ») 


p.  12 :  Liberias  Secusiensium  usque  ad  mare  Cal.  est  et  nuUum  transitum  vel  usum 
reddere  debent).  Hac  de  causa  fuit  omnibus  Italicis  datum,  ut  nuUum  transitum 
huc  veniendo  reddant,  in  redeundo  dimidium  transitus. 

*)  Ebd.  p.  7:    Nulli  Lombardia  Monte  Cenisio  in  ultra  per  terram  meam   ne 
eciam  per  desertum  oves  vel  pellatas  nullo  modo  emere  presumant  etc. 

*)  Pro  hospitalitate.     Im  Privileg  von  1233  sind  es  3  den.  secusienses. 

5)  Cambitores  extranei  cambisionem  non  accipiant  nisi  ab  indigenis  cambi- 
toribus;  ebd.  p.  8. 

*)  Näheres  über  die  Mont-Cenisstraße  und  ihre  Geschichte  bei  öhlmann  in, 
186  S.  Eine  Urkunde  über  Verpfändung  von  Grundstücken  an  die  domus  M.  Ci- 
nisii  wird  1192  aufgenommen  apud  Secusiam  in  domo  M.  Cenisii.     Chart.  I  no.  655. 

^)  Leges  Municip.  I  p.  13.     Chart.  II  no.  1848;  dazu  no.  1863  v.  25.  Mai  1245. 

8)  Berger  E.,  Saint  Louis  et  In.  IV.    Paris  1893  p.  30. 

')  Vgl.  die  treffliche  Wegekarte  bei  Schulte,  Bd.  11. 

*)  Schilderung  der  Schrecken  des  Gebirgsübergangs  im  Winter  in  den  Kloster- 
geschichten von  S.  Trond  bei  Ltittich  (1128) :  SS.  X,  306  f.  (öhlmann  IH,  254. 
Schulte  I,  98)  und  durch  den  Mönch  von  Canterbury,  Joh.  von  Bremble  (1188):  Car 
tellieri  in  den  Neuen  Heidelb.  Jahrb.  XI,  1902,  177  f. 


a 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        337 

auch  von  den  Kaufleuten  kaum  weniger  begangen  als  die  Straße  über  den 
M.  Cenis.  Graf  Humbert  von  Savoyen  verlieh  dem  Ursuskloster  in  Aosta 
die  Einkünfte  von  dieser  Straße,  und  Papst  Anastasius  (1153/54)  bestätigte 
diese  Schenkung,  i)  Ein  anderes  Privileg,  das  sein  Nachfolger  Markgraf 
Thomas  von  Savoyen  der  Stadt  Aosta  verlieh  2),  traf  Bestimmungen,  um  zu 
verhindern,  daß  auf  die  fremden  Kaufleute  und  sonstigen  durchreisenden 
\\'anderer,  ob  sie  nun  aus  der  Lombardei  durch  das  Ursustor,  oder  vom 
Jupitersberge  her  durch  das  Stephanstor  kamen,  in  bezug  auf  die  Wahl 
ihrer  Herberge  in  Stadt  oder  Vorstadt  irgendein  Zwang  ausgeübt  würde. 
Oben  auf  der  Paßhöhe,  die  mit  Hilfe  besonderer  Bergführer,  der  marrones, 
erreicht  wurde  3),  winkte  den  Kaufleuten  das  Hospiz,  das  urkundlich  zuerst 
im  Jahre  1125  bezeugt  und  wahrscheinlich  von  einem  Erzdiakon  Bernhard 
von  Aosta  begründet  ist.  *)  Von  Päpsten  und  Kaisern  privilegiert,  von  welt- 
lichen und  geistlichen  Großen  reich  beschenkt,  gewann  es  schon  im  12.  Jahr- 
hundert Besitzungen,  die  sich  vom  Süden  Italiens  bis  nach  England  er- 
streckten und  es  in  den  Stand  setzten,  den  Wanderern  auch  jenseits  der 
Alpen  in  zahlreichen  Filialen  Unterkunft  zu  bieten,  s)  Über  Martigny  am 
Rhöneknie  führte  den  Kaufmann  seine  Straße  zum  Genfersee ;  von  Lausanne 
stieg  er  zum  Jurazuge  empor,  dessen  Wasserscheide  er  bei  Jougne  (in  der 
Nähe  die  Ortschaften  Hopitaux!)  überschritt,  um  dann  durch  die  Klause 
von  Pontarlier  diesen  Ort  und  damit  das  Ende  der  eigentlichen  Gebirgs- 
wanderung zu  erreichen.  Von  hier  ging  die  Straße  westwärts  nach  Salins; 
bei  S.  Jean  de  Losne  oder  Auxonne  wurde  die  Saöne  und  damit  die  Grenze 
des  französischen  Königreichs  überschritten  und  bald  langte  man  in  Dijon 
an.  Vorteilhaft  war  es,  daß  von  Pontarlier  aus  auch  ein  zweiter  Weg,  der 
nordwestlich  über  Besan§on  nach  Langres  führte,  zur  Verfügung  stand.  Der 
weitere  Weg  nach  der  Champagne  bot  keine  Schwierigkeiten  mehr,  und  je 
nach  den  Umständen  konnte  der  italienische  Kaufmann  seine  Schritte  von 
hier  aus  nach  Paris,  Nordfrankreich,  England,  Flandern  oder  den  Rhein- 
landen lenken.  Das  besondere  Interesse  aber,  das  man  in  der  Champagne 
an  der  Straße  über  den  Großen  S.  Bernhard  nahm,  geht  schon  daraus  her- 
vor, daß  Graf  und  Bischof  von  Troyes  das  Hospiz  dieser  Stadt,  das  den 
Namen  »Haus  Gottes«  führte,  mit  allem  Zubehör  dem  Paßhospiz  übertrugen, 
eine  Schenkung,  die  Papst  Hadrian  IV.  am  7.  März  1159  feierlich  bestätigte 
und  Graf  Heinrich   etwas   später  noch   dadurch  erweiterte,   daß  er  ihm  die 


1)  Chart.  I  no.  498  p.  804. 

*)  Eingerückt  in  das  Privileg  vom  24.  August  1253 :  Leges  Municip.  I  p.  33  f. 
Vom  Herausgeber  Cihrario  p.  32  (dem  Schulte  I,  98  folgt)  ins  Jahr  1188  gesetzt. 
Der  neueste  Herausgeber  Tibaldi  T.,  La  regione  d'Aosta  attraverso  i  secoli,  t.  II 
(Turin  1902),  p.  525  ff.  nimmt  1191  an.  Ich  sehe  keinen  Anhalt  für  ein  bestimmtes 
Jahr. 

')  Vgl.  über  diese  Dösormaux :  Marrons  et  marrons,  in  Revue  Savoisienne, 
anö^e  43  (1902),  p.  9—14.     öhlmann  III,  255. 

*)  Hierüber  und  zum  Folgenden  s.  öhlmann  IH,  231  ff.  Schulte  I,  80  ff.,  96 
bis  100.  Hoppeler  R.,  Das  Unterwallis  und  dessen  Beziehungen  zum  Hochstift 
Sitten  während  des  13.  Jahrhunderts  (Zürich  1897)  p.  283  ff.  Dazu  jetzt  Pivano  S., 
Le  carte  delle  case  del  grande  e  del  piccolo  S.  Bernardo  esistenti  nell'archivio  dell' 
ordine  Mauriziano  in :  Miscellanea  Valdostana  (Pinerolo  1903),  wo  aber  die  Urkunde 
vom  2.  Mai  1087  (p.  82  no.  2)  über  den  Verkauf  eines  Grundstückes  an  die  domus 
S.  Bemardi  M.  Jovis  vielmehr  ins  13.  Jahrhundert  zu  setzen  ist,  trotz  der  Ausfüh- 
rungen von  J.  A.  Duo:  S.  Bernard  de  Menthon  et  une  charte  de  1087. 

»)  Schulte  I,  82. 
Schau be,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  22 


338  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Hälfte  der  Abgabe  anwies,  die  in  Provins  von  der  daselbst  zum  Verkauf  ge-^,| 
langenden  Leinwand  erhoben  wurde.  ^) 

266.  Neben  den  Alpenstraßen  aber  stand  der  Riviera  sowie  dem  mitt-'^ 
leren  und  südlichen  Italien  noch  der  Seeweg  nach  der  südfranzösischen 
Küste  zu  Gebote,  von  der  aus  der  Landweg  nordwärts  an  Rhone  und  Saone 
entlang  keine  Schwierigkeiten  bot.  In  Zeiten  kriegerischer  Verwickelungen 
in  der  Lombardei  gewann  dieser  Weg  besonders  an  Bedeutung;  im" Jahre 
1248  sehen  wir  z.  B.  zahlreiche  Toskaner  von  Pisa  aus  zur  See  nach  Mar- 
seille und  von  da  über  Arles  nach  dem  Norden  gehen.  2)  Für  Binnenstädte 
wie  Siena  und  Florenz  schloß  dieser  Weg  freilich  einen  Nachteil  in  der  Not- 
wendigkeit mehrfachen  Wechseins  der  Transportart  in  sich,  womit  natur-.| 
gemäß  auch  eine  erhebliche  Verteuerung  des  Transports  verbunden  war. 

267.  Wenn  der  Besuch  französischer  Märkte  durch  italienische^ 
Kaufleute  auch  schon  für  die  Zeit  Gregors  VII.  bezeugt  ist^),  so  hat 
dieser  Handelsverkehr  doch  erst  etw^a  seit  der  Zeit  des  dritten  Kreuz- 
zuges mit  wachsender  Schnelligkeit  an  Stärke  zugenommen.  Es  ist 
das  erste  deutliche  Zeichen,  daß  dieser  Handel  in  seiner  Bedeutung 
auch  von  französischer  Seite  gewürdigt  wurde,  daß  König'  Philipp  II. 
August  im  Dezember  1209  in  dem  offenen  Briefe,  in  dem  er  allen 
Kaufleuten,  die  sich  zu  den  Messen  seiner  Getreuen,  der  Gräfin  Blanche 
von  Champagne,  begeben  würden,  auf  dem  Hin-  wie  Rückwege  Schutz 
und  Geleit  wie  den  Kaufleuten  seines  eigenen  Landes  zusicherte,  ge- 
rade die  Kaufleute  Italiens  besonders  hervorhob.^)  Nur  die  herge- 
brachten Abgaben  sollten  sie  entrichten  müssen ;  auch  für  den  Fall,  daß 
ihnen  dieser  Schutz  gekündigt  würde,  sollte  ihnen  mit  ihren  Waren 
eine  Abzugsfrist  von  3  Monaten  gewährt  sein.  Und  bis  zur  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  hat  dann  der  italienische  Handelsverkehr  in 
Frankreich  und  besonders  auf  den  Messen  der  Champagne  einen 
hohen  Grad  von  Lebhaftigkeit  erreicht.  fl| 

Ganz    überwiegend    war    dieser    Landhandel    die    Domäne    der"' 
Binnenstädte  Ober-  und  Mittel-Italiens. 

268.  Unter  den  lombardischen  Städten  tritt  uns  Asti  auch  jetzt  am 
frühesten  entgegen.  Am  25.  Juli  1098  schlössen  die  Konsuln  von  Asti  zu- 
gleich mit  ihren  Vasallen  »zum  gemeinen  Nutzen  und  zum  Vorteil  ihrer 
Marienkirche«  auf  ewige  Zeiten  ein  Bündnis  mit  dem  »großen  Herzog«, 
Grafen  Humbert  von  Maurienne  (Savoyen).  Er  versprach,  die  Straße  für 
immer  auf  Asti  zu  leiten  (stratam  ad  eos  dirigere  in  sempiterna  secula), 
wonach  also  für  die  über  die  Westalpen  Kommenden  der  Weg  nördlich  vom 
Po   über  Vercelli   ausgeschlossen    sein    sollte;   vor  allem   aber  erließ  er  den 

1)  Chart.  II  no.  741  p.  570.  Gremaud  J.,  Documents  relatifs  ä  l'hist.  du  Val- 
lais  in :  Mem.  et  doc.  publ.  par  la  soc.  d'hist.  de  la  Suisse  romande ;  XXIX,  93  f., 
512.     Schulte  I,  161. 

2)  In  Vienne  wurde  von  den  zu  Lande  oder  zu  Wasser  passierenden  Kauf- 
leuten ein  Durchgangszoll  von  12  den.  für  die  Last  (pro  singulis  chargiis)  für  den 
Erzbischof  erhoben.     Priv.  Friedrichs  IL  (23.  Nov.  1214):  Huillard-ßräh.  I,  328.         ^1 

3).  §67.  '■! 

*)  ».  .  .   tarn    de   Italia   quam   de    aliis  terris  venientes   ad  nundinas.«     Höhl- 
baum K.,  Hansisches  Urkundenbuch  III  (Halle  1882  f.)  p.  457  A.     DeUsle  L.,  Cata- , 
logue  des  actes  de  Phil.  Aug.  p.  272  no.  1181.     Bourquelot  I,  174. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        339 

Astesanen  alle  Zoll-,  Markt-  und  Durchgangsabgaben  in  seinem  ganzen  jetzigen 
wie  zukünftigen  Gebiet  diesseits  wie  jenseits  der  Alpen  i),  wobei  er  zugleich 
allen  Astesanen  und  ihren  Waren  seinen  besonderen  Schutz  verhieß.  Wenn 
die  Kaufleute  von  Asti  bei  diesem  Transitverkehr  naturgemäß  vorzugsweise 
den  M.  Cenis  benutzten,  so  deutet  doch  der  Umstand,  daß  der  Astesane 
Albertus  de  S.  Martino  1170  dem  hospitale  de  M.  Jovis  ein  Legat  aussetzte, 
darauf  hin,  daß  ihnen  auch  der  Weg  über  den  Großen  S,  Bernhard  nicht 
fremd  war;  gelegentlich  waren  sie  allein  auf  diesen  angewiesen,  so  1228,  wo 
ihnen  das  Bündnis  von  Turin,  Testona  und  Pinerolo  mit  dem  Dauphin  von 
Vienne  den  Weg  über  die  Westalpen  völlig  sperrte.  2)  Von  größter  Wichtig- 
keit für  die  Erkenntnis  des  transalpinen  Handelsverkehrs  der  Astesanen  ist 
das  Privileg,  das  Herzog  Hugo  von  Burgund  am  15.  Februar  1190  bei  seiner 
durch  den  Kreuzzug  veranlaßten  Anwesenheit  in  Genua  den  Genuesen  ver- 
lieh, wonach  er  diesen  die  gleiche  Zollbehandlung  in  seinem  Lande  zu- 
sicherte, wie  sie  den  Astesanen  zu  teil  wurde  und  zugleich  versprach,  jede 
weitere  Begünstigung  der  Astesanen  in  seinem  Lande  auch  den  Genuesen 
einzuräumen.  ^)  Die  Handelsstellung  der  Astesanen  in  Burgund  erscheint 
also  als  vorbildlich  und  bevorzugt;  auch  das  ein  Beweis,  daß  sie  mit  diesem 
Lande  in  längst  eingebürgertem  Verkehr  standen.  Von  Wichtigkeit  ist, 
daß  wir  auch  die  Zollsätze  erfahren,  die  für  die  Astesanen  in  Burgund  Gül- 
tigkeit hatten  und  nunmehr  auch  auf  die  Genuesen  Anwendung  finden 
sollten.  Sie  betrugen  an  den  beiden  Grenzstationen  im  Süden  und  im  Nor- 
den, in  Chalon  an  der  Saone  und  dem  an  der  Grenze  der  Champagne  ge- 
legenen Chätillon  an  der  Seine  auf  der  Hin-  w^e  auf  der  Rückreise  je  6  Denar 
von  Dijon  für  die  Last,  in  der  Hauptstadt  Dijon  je  10  den.,  in  Chagny 
(nw.  von  Chalon)  je  2,  in  Beaune  8  den.  auf  der  Hinreise,  während  auf 
der  Rückreise  hier  kein  Zoll  erhoben  wurde.  Die  Astesanen  also,  die  über 
den  Mont  Cenis  gekommen  waren  und  das  Herzogtum  auf  dem  Wege  nach 
der  Champagne  oder  weiter  in  der  Richtung  von  Süden  nach  Norden  durch- 
zogen, zahlten  in  Burgund  im  ganzen  32  den.,  und  wenn  sie  auf  demselben 
Wege  zurückkehrten,  24  den.  für  die  Last.  Wählten  sie  den  an  sich  für 
sie  erheblich  unbequemeren  Weg  über  den  Großen  S.  Bernhard,  so  hatten 
sie  von  den  burgundischen  Zollstätten  nur  Dijon  und  Chätillon  zu  passieren 
und  16  den.  zu  zahlen.  Wenn  in  Beaune  auf  der  Rückreise  kein  Zoll  er- 
hoben wurde,  so  hatte  das  vielleicht  die  Bedeutung  eines  kleinen  Lock- 
mittels, das  die  Astesanen  veranlassen  konnte,  von  Dijon  aus  ihren  Weg 
durch  das  Gebiet  des  Herzogtums  fortzusetzen  und  über  Chalon  zu  ziehen. 
Jedenfalls  hatte  also  der  Handel  mit  Frankreich  für  Asti  schon  vor 
dem  3.  Kreuzzuge  eine  hohe  Bedeutung  und  nahm  seitdem  weiter  zu.  Am 
28.  Juni  1193  sehen  wir  den  Astesanen  R.  Tortello  in  Genua  ein  Darlehn 
in  genuesischer  Münze  vergeben,  das  auf  der  Johannismesse  von  Troyes  mit 

')  .  .  .  pedaggium  et  clusagium  atque  curadiam  et  quicquid  datur 
pro  transitu  itineris  omnem  per  terram  quam  habet  et  habiturus  est  ultra 
montes  et  ex  hac  parte  montium.  San  Quintino,  Osservazioni  11  no.  48  p.  33  f. 
Cod.  Ast.  II  no.  707  p.  747 ;  I  p.  216. 

*)  Chart.  I  no.  550  u.  872.  Die  von  Humbert  von  Maurienne  gefangenen  Aste- 
sanen, für  deren  Freilassung  Wilhelm  von  Montferrat  in  seinem  Frieden  mit  Asti 
(1173  oder  1174)  zu  wirken  verspricht,  sind  jedenfalls  auch  im  Handelsverkehr  mit 
Frankreich  tätige  Kaufleute  gewesen.  Cod.  Ast.  UI  p.  638.  Hellmann  p.  59  f.  Ebd. 
99  ft".  näheres  über  das  vielfach  durch  seine  transalpinen  Handelsinteressen  be- 
dingte Verhältnis  Astis  zu  seinen  Nachbarn. 

»)  Lib.  Jur.  1  no.  371. 

22* 


340  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

28  1.  prov.  zu  erstatten  war^),  und  unter  jenen  durchreisenden  Wechslern,«B 
von  denen  im  Statut  für  Susa  von  1198  die  Rede  ist,  standen  sicher  die 
Astesanen  in  erster  Reihe.  2)  Im  Jahre  1211  vertraute  Gandolfo  Saracco  von 
Asti  einem  Geschäftsfreunde  in  Genua  2  Ballen  Korduan  für  seine  Handels- 
reise zur  Maimesse  von  Provins  an  ^) ;  10  Jahre  später  wirft  ein  Bürger  von 
S.  Gimignano  in  einem  Prozeß  seinem  früheren  Sozius  vor,  daß  er  auf  seiner 
Handelsreise  in  Frankreich  einem  Astesanen  27  1.  geliehen  habe.  4)  Wenn 
schon  dieser  Astesane  darnach  vornehmlich  das  Geldgeschäft  betrieben  zu 
haben  scheint,  so  ist  es  sicher  der  Fall  bei  Petrus  Galterus,  Lumbarclus  von 
Asti,  dem  Graf  Thibaut  im  Jahre  1235  gegen  Zahlung  eines  jährlichen  Schutz- 
geldes von  54  sol.  tur.  für  10  Jahre  das  Aufenthaltsrecht  in  Provins  oder 
einem  andern  Orte  seines  Gebiets  verlieh.  5)  Seine  Absicht  war  sicher  »ca- 
sanam  facere«,  Geld  auf  Pfänder  zu  leihen,  was  mit  Aussicht  auf  Erfolg 
nur  bei  längerem  Aufenthalt  möglich  war ;  bemerkenswert  ist  auch,  daß  ihm 
Darlehn  auf  Wochenzins  nicht  verboten  sind.  Er  ist  der  erste  der  uns  be- 
kannten »Kawertschen«  von  Asti,  die  später  in  so  großer  Zahl  nachweisbar 
sind.  ^)  Lange  aber  spielte  der  Warenhandel  auch  bei  den  Astesanen  noch 
eine  große  Rolle.  In  der  Zeit  der  Wirren  in  der  Lombardei  wußten  sie 
ihren  Handel  mit  Frankreich  und  der  Champagne  auf  dem  Umwege  über 
Marseille  aufrechtzuerhalten.  Am  24.  März  1248  übergab  Willelminus  Gar- 
cetus ')  von  Asti  5  Lasten  Ingwer  und  1  Ballen  Kamelot  einem  Frachtfuhr- 
mann in  Marseille  zum  Transport  zur  Messe  von  Bar,  und  am  18.  April 
sandte  sein  Landsmann  Obertus  Macalufus  auf  dieselbe  Weise  71/2  Lasten 
Wachs  zur  Maimesse  nach  Provins ;  auch  die  Frachtfuhrleute ,  denen  er 
diese  Ware  anvertraute,  Petrus  de  Ainela  von  Alba  und  Othacius  von  Casale, 
waren  Piemontesen.^)  Am  11.  Mai  nahm  Johannes  de  Monterubeo  von  Asti 
für  die  gleiche  Handelsreise  Geld  auf;  den  schuldigen  Betrag  (82  1.  prov.) 
versprach  er  auf  derselben  Messe  in  Tuchen  oder  anderen  Waren  anzulegen 
und  dem  Gläubiger  nach  Marseille  zuzuschicken.  9) 

Wenn  Angehörige  der  Familie  de  Castagnola  von  Asti  im  Jahre  1253 
einen  im  HeiUgen  Lande  ausgestellten  Wechselbrief  König  Ludwigs  über  925 1. 
tur.  in  Genua  ankauften,  so  hat  auch  das  natürlich  in  ihrem  Handelsverkehr 
mit  Frankreich,  insbesondere  mit  Paris,  seinen  Grund ;  ein  anderer  Astesane, 
Guilelmus  de  Platea,  erscheint  zu  gleicher  Zeit  unter  den  Personen,  die  eine 
genuesische  Bankfirma  zur  Erhebung  der  Valuta  eines  solchen  Königsbriefs 
in  Paris  bevollmächtigt,  i^)  Es  ist  der  beste  Beweis  für  die  Stärke  des 
französischen  Verkehrs  der  Astesanen  auch  schon  in  früherer  Zeit,  daß 
Ludwig  IX.  im  Jahre  1256,  um  Vergeltung  für  die  Gefangenhaltung  des 
Grafen  Thomas  von  Savoyen  durch  Asti  zu  üben,  alle  in  den  Ländern  der 
französischen  Krone  weilenden  Bürger  von  Asti  festnehmen  und  ihre  Habe 
mit  Beschlag  belegen  ließ;  an  etwa  150  Personen,  denen  gegen  300001.  ab- 

1)  Ferretto  I,  100  A.  1. 
.  «)  §  264. 
«)  Davidsohn  Forsch,  n  no.  2302  u.  2321. 
*)  Ferretto  1.  c. 
6)  Koch  p.  9. 

6)  Quintino  Sella  im  Cod.  Ast.  II,  228  ff.     Schulte  I,  308  f.,  311.     Koch  11  ff.«j 
')  Koch  p.  50  u.  13  nimmt  an,  daß  er  der  Familie  Garetti  angehörte.  Hj 

8)  Amalric  no.  133,  550  f.;  vgl.  no.  151. 

8)  Ebd.  no.  685.     Ein  Astesane,  Ubertus  de  Mercato,   fungiert  im  Jahre  1239 
in  Troyes  als  öffentUcher  Notar.     Urk.-Buch  von  S.  Gallen  III  (1882),  94  no.  879. 
'0)  Belgrano  no.  187.     Conrads  Jahrbücher  70,  607 ;  73,  150  u.  155. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        341 

genommen  wurden,  wurde  der  Befehl  ausgeführt;  die  meisten  derselben  weil- 
ten in  Paris  und  in  der  Champagne,  besonders  in  Troyes.i) 

269.  Unter  den  kleineren  Nachbarorten  Astis  sehen  wir  Alba  ver- 
hältnismäßig früh  im  Handelsverkehr  mit  Frankreich.  Im  Sommer  1181 
wurde  eine  Karawane  von  15  albensischen  Kaufleuten,  Henri cus  Cunraengus 
mit  4  Söhnen,  Anselm  von  Bra  mit  Bruder  und  2  Söhnen  und  5  einzelne 
Personen,  die  mit  ihren  Lasttieren  und  Waren  von  jenseits  der  Alpen  kamen, 
als  sie  nur  noch  wenige  Meilen  von  der  Heimat  entfernt  waren,  in  Racconigi 
das  Opfer  einer  Gewalttat,  indem  der  Markgraf  Manfred  von  Saluzzo  den 
gesamten  Warenzug  mit  Beschlag  belegen  und  nach  Saluzzo  abführen  ließ.  2) 
Die  kirchliche  Behörde  belegte  ihn  dafür  auf  die  Klage  der  Konsuln  von 
Alba  und  der  Kaufleute,  die  ihr  Hab  und  Gut  verloren  sahen,  mit  Bann 
und  Interdikt,  und  der  Markgraf,  dem  es  wohl  von  vornherein  nur  um  die 
Erpressung  eines  möglichst  hohen  Lösegeldes  zu  tun  gewesen,  lenkte  ein. 
Er  erklärte  den  Albensern,  daß  er  ihre  Waren  ja  nur  vor  den  Nachstellungen 
der  ihnen  feindlich  gesinnten  Astesanen  habe  in  Sicherheit  bringen  wollen, 
so  daß  sie  allen  Grund  hätten,  ihm  dankbar  zu  sein ;  als  Lohn  für  seine  Mühe- 
waltung beanspruche  er  eine  Summe  von  315  1.  astensischer  Denare.  In 
dem  darüber  in  Alba  aufgenommenen  Vertrage  suchte  er  sich  diesen  Lohn 
gegen  etwaige  zukünftige  Anfechtung  auf  alle  Weise  zu  sichern.  Er  ließ 
die  Summe  als  ein  freiwilliges  Angebot  der  Albenser  dafür,  daß  er  ihre 
Waren  behütet  und  vor  den  Leuten  von  Asti  gerettet,  hinstellen,  ließ  die 
Konsuln  von  Alba  und  die  Geschädigten  schwören,  das  Geld  unter  keinen 
Umständen  zurückzufordern  oder  ihn  sonst  deswegen  belästigen,  vielmehr 
beim  Erzbischof  darauf  hinwirken  zu  wollen,  daß  er  ihn  von  den  kirchlichen 
Zensuren  befreie.  Sollte  Asti  wegen  dieses  Handels  einen  der  Kontrahenten 
mit  Krieg  überziehen,  so  sollten  beide  zu  gegenseitiger  Unterstützung  ver- 
bunden sein.  Leider  erfahren  wir  weder  über  die  Art  der  Waren  noch  über 
die  Herkunft  dieser  Karawane  etwas  Näheres.  Die  Lage  von  Racconigi  aller- 
dings scheint  darauf  hinzuweisen,  daß  sie  über  den  Mont  Genevre  gezogen 
war;  möglich  also,  daß  sie  von  einem  der  südfranzösischen  Märkte  kam, 
möglich  aber  auch,  daß  sie  die  Messen  der  Champagne  besucht  hatte.  Mit 
größerer  Sicherheit  können  wir  annehmen,  daß  die  auf  dem  Rücken  der 
Lasttiere  transportierten  Waren  überwiegend  aus  wertvollen  Tuchballen  be- 
standen haben  werden,  die  schließlich  auch  den  hohen  Aufschlag  noch  ver- 
trugen, den  ihr  »Beschützer«  sich  ausbedungen. 

Für  Chieri  geht  die  Teilnahme  am  transalpinen  Handelsverkehr  aus 
der  Sperre  hervor,  die  in  dem  1228  von  Turin  und  Pinerolo  mit  dem  Dau- 
phin von  Vienne  geschlossenen  Bündnis,  wie  über  die  Bewohner  von  Genua 
und  Asti,  so  auch  über  die  von  Chieri  verhängt  wird 3);  für  Turin  und 
Cuneo  ergibt  sich  das  Gleiche  daraus,  daß  ihre  Kaufleute  von  der  1256  von 
der  französischen  Krone  gegen  die  Astesanen  beschlossenen  Maßregel  mit- 
betroffen worden  sind  4);  sicher  waren  sie  also  auch  schon  früher  in  Gemein- 
schaft mit  den  Astesanen  im  Handel  mit  Frankreich  und  der  Champagne 
tätig. 


1)  Schulte  I,  312  f.     Vgl.  den  Vertragsentwurf  Chart.  K  no.  1931  p.  1550  fE. 
«)  Chart,  n  no.  1587  p.  1090. 
«)  Chart.  I  no.  872.     S.  auch  §  327. 

*)  Geht    aus    dem    Vertragsentwurf   vom   November   1256   hervor:    Chart.  11 
no.  1931  p.  1553. 


342  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

270.  Für  den  Handelsverkehr  der  Genuesen  nach  den  Gebieten  jen- 
seits der  Alpen  liegen  die  ersten  Zeugnisse  gerade  aus  der  Zeit  des  3.  Kreuz- 
zuges vor.  Am  15.  Februar  1190  gewährte  Herzog  Hugo  von  Burgund,  der 
als  Unterhändler  des  französischen  Königs  tags  darauf  den  Vertrag  wegen 
der  Überfahrt  nach  Syrien  abschloß,  den  Genuesen  jenes  Privileg,  in  dem 
er  ihnen  völlig  unbehinderten  Handelsverkehr  in  seinem  ganzen  Gebiete  zu- 
sicherte und  gegen  etwaige  Übeltäter,  die  sich  an  ihnen  oder  ihren  Waren 
vergreifen  sollten,  wirksam  einzuschreiten  versprach  und  sie  im  übrigen  den 
Astesanen  völlig  gleichstellte,  i)  Daß  es  sich  hierbei  in  erster  Linie  um  einen 
Durchgangsverkehr  handelte,  geht  aus  einem  anderen  wichtigen,  fast  gleich- 
zeitigen Zeugnisse  hervor.  '^)  Während  der  Überfahrt  nach  dem  Heiligen  Lande 
nahm  eine  ganze  Gruppe  von  kreuzfahrenden  Rittern  aus  der  Champagne 
unter  Bürgschaft  des  Grafen  von  Bar  in  Messina  im  Dezember  1190  bei  den 
Genuesen  Conradus  Ususmaris,  Quilicus  de  Goarco,  Lazarinus  de  Niela  und 
ihren  Sozii,  sowie  mehreren  Bürgern  von  Messina  3)  Darlehn  auf,  die  mit  ins- 
gesamt 1000  Mark  Silber  (zu  50  sol.  tur.)  und  600  Unzen  Goldes  im  Jahre 
1191  auf  der  Ostermesse  von  Bar  an  die  Gläubiger  oder  ihre  Order  zurück- 
zuerstatten waren.  *)  Und  wenn  die  Genuesen  zum  Zwecke  des  Inkassos  auf 
der  Messe  erschienen,  so  haben  sie  sicher  auch  wenigstens  einen  Teil  des 
Geldes  zum  Warenexport  von  der  Messe  benutzt;  schon  für  den  September 
1191  wird  uns  der  Abschluß  von  Kontrakten  in  Genua  auf  die  S.  Aigulfs- 
messe  und  die  Messe  von  Lagny  bezeugt.  ^)  Mehrfach  kennen  wir  auch  aus 
der  folgenden  Zeit  genuesische  Wechsel  auf  Messen  der  Champagne^);  und 
nicht  ohne  Bedeutung  ist  es  auch,  daß  der  erwähnte  Vertrag  von  1228  an 
erster  Stelle  die  Genuesen  als  diejenigen  nennt,  gegen  die  die  Verkehrssperre 
des  Dauphins  von  Vienne  sich  richten  sollte.  Auch  über  Marseille  standen 
die  Genuesen  gelegentlich  mit  den  Champagner  Messen  in  Verbindung.  An- 
saldino  Mangiavacca,  Bevollmächtigter  seines  Landsmanns  Andrea  de  Orto, 
erscheint  am  25.  Mai  1248  in  Marseille  als  Valutageber  in  einem  Wechsel 
auf  die  Maimesse  von  Provins,  der  mit  300  1.  prov.  an  einen  der  Genannten 
oder  anderweite  Order  Andreas  zahlbar  war. '^)  In  dieser  Zeit  hatten  sich 
die  Beziehungen  Genuas  zu  Frankreich  im  Zusammenhange  mit  dem  Kreuz- 
zuge König  Ludwigs  ganz  besonders  eng  gestaltet.  Auf  Jahre  hinaus  sind 
die  Genuesen  damals  fast  die  einzigen  Vermittler  zwischen  den  französischen 
Kreuzfahrern  und  ihrer  Heimat  gewesen,  diejenigen,  mit  deren  Hilfe  ganz 
überwiegend  der  König  und  seine  Barone  die  reichen  Mittel  der  Heimat  zur 
Verwendung  im  Orient  flüssig  gemacht  haben.    Die  hohen  Summen,  die  der 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  371  (no.  372  der  Passagevertrag). 

*)  Papa  d'Amico  p.  343  f. 

^)  Ihre  Namen :  Cathaneus  de  Ponsola,  Peregrinus  Pancia,  Antonius  de  Bozolo 
lassen  vermuten,  daß  es  sich  bei  diesen  cives  Messinenses  um  in  Messina  ansässig 
gewordene  Genuesen  handelt.  Nur  die  vom  Grafen  ausgestellte  Bürgschaftsurkunde 
ist  erhalten. 

*)  Auch  der  vom  Bischof  von  Paris,  Maurice  de  SuUy,  1191  zugunsten  seiner 
Ritter,  die  den  Kreuzzug  mitmachten,  ausgestellte  Kreditbrief,  der  Rückerstattung 
in  Paris  verhieß,  ist  nach  einem  Dorsal  vermerk  von  einem  genuesischen  Gläubiger,! 
Corsaiis,  zur  Einlösung  präsentiert  worden.  Papa  d'Amico  p.  69  not.  1.  Anleihen j 
französischer  Ritter  auf  dem  Kreuzzuge  bei  Genuesen  ebd.  344  ft".     Oben  §  123. 

6)  Ferretto  I,  98  A.  1. 

8)  Canale  registriert  solche  von  1193,  1227,  1241:  II  p.  527  u.  554;  s.  auch] 
Ferretto  1.  c.  (zu  1 198  u.  1227). 

')  Amalric  no.  782.     Conrads  Jahrb.  65  (1895),  512., 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       343 

König  in  der  Ferne  bei  genuesischen  Geldgebern  gegen  Ausfertigung  von 
Wechselbriefen,  die  auf  das  königliche  Schatzamt  im  Temple  zu  Paris  aus- 
gestellt wurden,  aufnahm,  mußten  ihre  befruchtende  Wirkung  auch  auf  den 
Handel  Genuas  mit  Frankreich  ausüben,  wenn  die  genuesischen  Geldgeber 
auch  die  Einlösung  dieser  Königsbriefe  an  Ort  und  Stelle  nur  zum  Teil  selbst 
oder  durch  Bevollmächtigte  bewirkten  und  nicht  selten  eine  Veräußerung 
derselben  schon  in  Genua  an  andere  Frankreich  besuchende  Kaufleute  vor- 
zogen, i)  Mehrfach  aber  wird  die  Anlegung  der  zu  erhebenden  Summen  in 
Waren,  die  nach  Genua  heimzusenden  waren,  geradezu  vorgeschrieben,  und 
besonders  das  Geschlecht  der  Lercari,  dem  auch  der  eine  der  genuesischen 
Admirale  des  Königs  angehörte,  hat  damals  in  den  engsten  und  vielseitigsten 
Beziehungen  zu  den  Mittelpunkten  des  französischen  Handels-  und  Geld- 
verkehrs gestanden.  '■^)  Unter  den  Seemächten  Italiens  sind  die  Genuesen  die 
einzigen  gewesen,  die  schon  in  dieser  Zeit  auch  den  Landhandel  mit  Frank- 
reich und  den  Messen  der  Champagne  kräftig  und  erfolgreich  gepflegt  haben. 
271.  Unter  den  Binnenstädten  der  Lombardei  aber  finden  wir  keine 
in  so  regem  Verkehr  mit  Frankreich  und  den  Messen  der  Champagne  als 
Piacenza.  Schon  im  Jahre  1169,  als  in  Piacenza  eine  neue  Messe  ein- 
gerichtet wurde,  legte  die  Stadt,  um  ihren  Besuch  zu  fördern,  den  Konsuln 
der  Kaufleute  die  Verpflichtung  auf,  diese  Neuerung  auf  den  Messen  jenseits 
der  Alpen  bekanntmachen  zu  lassen.  3)  Und  als  Ende  1197  der  aus  den 
slavischen  Landen  zurückkehrende  Kardinal-Legat  Peter  von  S.  Maria  in  via 
lata  von  einem  Markgrafen  Pallavicini  überfallen  und  beraubt  wurde  und 
Innozenz  III.  in  dieser  ersten  weltlichen  Sache,  die  an '  ihn  gelangte,  mit 
größter  Entschiedenheit  vorging,  suchte  er  Piacenza  und  Parma,  denen  er 
die  Schuld  an  diesem  Vorgange  beimaß,  schließlich  dadurch  gefügig  zu 
machen,  daß  er  dem  Grafen  von  Savoyen,  dem  Herzoge  von  Burgund,  dem 
Grafen  von  Champagne  und  den  Königen  von  Frankreich  und  England  be- 
fahl, die  Waren  aller  Kaufleute  aus  diesen  Städten  mit  Beschlag  zu  belegen. 
Ihr  Handel  nach  diesen  Gebieten  kann  also  nicht  mehr  ganz  unbedeutend 
gewesen  sein,  wenn  sich  der  Papst  von  einer  solchen  Maßregel  Erfolg  ver- 
sprach. In  der  Tat  hat  Parma  schließlich  die  geraubte  Summe  zurück- 
erstattet, wahrscheinlich  weil  sich  herausstellte,  daß  der  Raub  auf  seinem 
Gebiete  erfolgt  war.  ■^)  Mit  Savoyen  hatte  Piacenza  in  bezug  auf  seinen 
Transitverkehr  einen  günstigen  Vertrag,  von  dessen  Abschluß  wir  freilich 
nichts  Näheres  wissen;  wir  wissen  nur,  daß  er  im  Jahre  1215  vorhanden 
,war.5) 

')  Eingehend  habe  ich  diese  Verhältnisse  in  meiner  Abhandlung  über  die 
Wechselbriefe  König  Ludwigs  von  seinem  ersten  Kreuzzuge  und  ihre  Rolle  auf 
dem  Geldmarkte  von  Genua  besprochen :  Conrads  Jahrb.  70  p.  603  ff. ,  730  ff".  ; 
73  p.  145  ff. 

*)  Ebd.  70  j).  746,  748.  Agenten  genuesischer  Bankfirmen  in  Paris:  73  p.  154  f. 

^)  Et  consulibus  negociatorum  ad  expensas  eorum  comunis  per  ultramon- 
tanas  ferias  istam  feriam  denunciare  faciam  ad  comunem  istius  ferie  hutilitatem. 
Statut  von  1169  bei  Boselli  I,  329. 

*)  BFW.  5623  (an  Piacenza  aus  dem  Anfang  des  Pontifikats;  am  8.  Jan.  1198 
ist  In.  geweiht  worden);  5637  (Mitteilung  der  getroffenen  Maßregeln  21.  April  1198). 
Winkelmann,  Philipp  346. 

»)  Mandelli  II,  125.  Die  zu  1211,  ind.  decima  datierte  Stelle  der  Stat.  antiqu. 
Merc.  Plac.  ed.  Bonora  p.  21  (Zusatz  zu  rub.  66),  die  von  mercatores,  qui  utuntur 
ultra  montes,  redet,  ist  der  Indiktion  wegen  wahrscheinlich  auf  1311  zu  beziehen, 
wie  ja  diese  Statuten  erst  dem  Jahre  1321  angehören. 


344  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Aber  erst  gegen  Ende  unserer  Periode  häufen  sich  die  Zeugnisse  für 
diesen  Verkehr  und  stellen  seine  ungewöhnliche  Stärke  außer  Zweifel.  Nicht 
zum  wenigsten  geschieht  das  durch  Vorgänge,  die  sich  an  eine  diesen  Ver- 
kehr bedrohende  Störung  knüpften,  i)  Im  Sommer  1242  waren  toskanische 
Kaufleute,  die  zur  Septembermesse  von  Provins  wollten,  im  Gebiet  von 
Piacenza  beraubt  worden ;  im  Oktober  hatte  Graf  Thibaut  IV.  von  Cham- 
pagne, König  von  Navarra,  deswegen  die  ersten  Vorstellungen  an  Piacenza 
gejichtet.  Er  erneuerte  dieselben  im  Februar  1243,  indem  er  zugleich  darauf 
hinwies,  daß  auf  seine  Fürsprache  die  mit  Beschlag  belegten  Waren  placen- 
tinischer  Kaufleute  in  Lyon  freigegeben  seien.  Doch  hatten  beide  Schreiben 
so  wenig  Erfolg  wie  ein  drittes,  das  Johann,  der  Kastellan  von  Nogent,  im 
Namen  des  Königs  an  sie  richtete.  Im  Juni  1243  drohte  der  Kastellan  nun 
in  einem  schärferen  Schreiben  an  Podestä  und  Volk  von  Piacenza,  das  er 
durch  einen  besonderen  königlichen  Boten  mit  dem  Ersuchen,  diesem  die 
Antwort  mitzugeben,  überreichen  ließ,  mit  dem  Ausschluß  der  Placentiner 
von  den  Messen,  der  auf  der  nächsten  Septembermesse  verkündet  werden 
würde,  falls  Piacenza  nicht  bis  dahin  nachgegeben  hätte.  Indessen  Piacenza 
verstand  die  Sache  auch  jetzt  noch  hinzuziehen;  man  sieht  deuthch,  daß 
der  Kastellan  nicht  recht  wagte,  gegen  die  einflußreichen  Placentiner  ener- 
gisch vorzugehen;  das  Drängen  der  Toskaner,  die  ihm  vorhielten,  daß  er 
mit  Unrecht  nicht  zur  Gefangensetzung  der  Placentiner  schritte,  bewirkte 
schließlich  nur,  daß  er  im  Dezember  ihre  Klage  mit  dem  gesamten  Material —g 
an  den  König  selbst  zur  Entscheidung  abgab.  ■1 

Wie  diese  ausfiel,  wissen  wir  nicht;  zu  einer  Aussperrung  der  Placen- 
tiner von  den  Messen  ist  es  sicher  nicht  gekommen.  Im  Januar  1246  sehen 
wir  mehr  als  30  angesehene  Kaufleute  von  Piacenza  auf  der  Messe  von 
Lagny  vor  dem  Abt  des  dortigen  Petriklosters  feierlich  versammelt;  im 
Namen  aller  ihrer  in  Champagne  und  Brie  verkehrenden  Landsleute  bestellen 
sie  drei  Bevollmächtigte  aus  ihrer  Mitte,  Christianus  Angasola  (Angossola), 
Guilelmus  Senengus  und  Bernardus  Scotus,  die  mit  dem  Könige  von  Na- 
varra in  Verhandlungen  treten  sollten  2)  —  leider  sind  wir  auch  hier  überij 
Zweck  und  Ergebnis  dieser  Verhandlungen  nicht  unterrichtet. 

Dafür  aber  lernen  wir  in  dieser  Zeit  eine  große  Zahl  placentinischer| 
Kaufleute  in  ihren  Handelsbeziehungen  zu  den  Messen  selbst  kennen;  von 
Marseille  und  von  Genua  aus  sehen  wir  sie  mit  den  Messen  und  mit  Paris 
in  lebhaftester  Verbindung.  Das  liegt  sicher  zum  Teil  an  unserem  Quellen- 
material, das  uns  für  Piacenza  selbst  nichts  Ähnliches  wie  für  die  genannten 
beiden  Städte  bietet ;  indessen  ist  auch  an  die  innere  Zerrüttung  in  Piacenza 
zu  denken,  die  seit  geraumer  Zeit  eine  besondere  Außenpartei  geschaffen 
und  offenbar  nicht  wenige  Kaufleute  veranlaßt  hatte,  sich  für  ihre  Handels- 
tätigkeit außerhalb  einen  Boden  zu  suchen;  dazu  kamen  in  den  letzten 
Zeiten  Kaiser  Friedrichs  die  Kämpfe  in  der  Lombardei,  die  die  Benutzung^ 
der  bisher  gewohnten  Handelsstraßen  mindestens  sehr  erschwerten.  fl| 

Als  der  Kastellan  Johann  die  Placentiner  im  Sommer  1243  mit  Aus- 
sperrung von  den  Messen  bedrohte,  wies  er  auch  darauf  hin,  daß  die  gleiche 
Maßregel  vor  kurzem  (nuper)  auf  ihr  Verlangen  den  Marseillern  gegenüber 
in  Anwendung  gebracht  worden  sei ;  es  müssen  also  damals  Placentiner  auf 
dem  Wege  nach  oder  von  den  Messen   in  Marseille  Schädigungen   erfahren 


I 

41 


')  Davidsohn  Forsch.  III   no.  24  p.  7  f.     Analysiert   schon  von  Bourquelot  I, 
178  f. 

2)  Bourquelot  I,  164  f.,  182  A.  1. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        345 

haben.  Jedenfalls  aber  hat  die  damals  entstandene  Irrung  die  Placentiner 
nicht  lange  gehindert,  ihre  Handelstätigkeit  über  Marseille  wieder  aufzunehmen. 
Das  Marseiller  Notularium  Amalrics  vom  Frühjahr  und  Sommer  1248  zeigt 
uns  Angehörige  der  angesehensten  Geschlechter  Piacenzas  in  dieser  Tätigkeit; 
abgesehen  von  Otto  Angossola,  der  sich  wie  noch  mancher  Landsmann  von 
ihm  in  Marseille  fest  niedergelassen  hatte,  treten  besonders  Oberto  Bagaroti, 
Oberto  und  Pietro  Speroni,  Giovanni  Negroboni,  ferner  Rainerio  ViUani, 
Rainaldo  Bracciaforte,  Ruffino  de  Stravillano,  Rainerio  Malano  hervor.  Wir 
sehen  sie  Waren  von  Marseille  aus  nach  den  Messen  vertreiben  und  darüber 
mit  den  Frachtfuhrleuten  abschließen,  sehen  sie  \\'aren  von  den  Messen  emp- 
fangen und  im  Zusammenhange  mit  diesem  Warenhandel  in  lebhaftestem 
Wechselverkehr  mit  den  Messen  stehen.  In  der  Champagne  hatten  sie  zur 
Erledigung  ihrer  Handels-  und  Geldgeschäfte  ihre  Sozii  oder  Agenten  und 
begaben  sich  auch  öfter  selbst  dahin;  auch  untereinander  standen  sie  be- 
züghch  dieses  Handels  mit  den  Messen  in  vielverzweigter  Geschäftsverbin- 
dung.^) 

In  Genua  können  wir  schon  im  Jahre  1227  einen  Placentiner,  Airoldo 
di  Lantelmo,  nachweisen,  der  mit  einem  genuesischen  Bankier  zusammen 
am  27.  Juni  für  eingezahlte  Valuta  einen  Wechsel  über  426  1.  prov.  auf  die 
Johannismesse  von  Troyes  in  Empfang  nimmt;  und  am  23.  Mai  1248  weist 
ein  genuesischer  Reeder  seinen  Vertreter  in  Paris  an,  an  den  Placentiner 
Mussus  Calderarius,  der  uns  aus  den  Marseiller  Akten  als  Sozius  des  Rai- 
naldus  Bracciaforte  bekannt  ist,  zur  Zahlzeit  der  Maimesse  von  Provins 
600  Mark  Silbers  zu  zahlen.  2)  In  besonders  zahlreichen  Fällen  und  mit  sehr 
beträchtlichen  Summen  sehen  wir  dann  im  Jahre  1253  placentinische  Kauf- 
leute in  Genua  als  Käufer  der  Wechselbriefe  König  Ludwigs  auftreten,  die 
ihnen  zur  Geldübermittelung  nach  Frankreich  für  ihre  Handelsgeschäfte 
äußerst  bequem  waren.  Besonders  der  in  Genua  etablierte  Bankier  Guilel- 
mus  Leccacorvus  und  Johannes  Paganus,  neben  ihnen  Jacobus  Nigrobonus 
und  Albertus  Speronus  treten  unter  diesen  Käufern  hervor.  Aus  den  von 
ihnen  zum  Zwecke  der  Abhebung  im  Pariser  Temple  ausgestellten  Voll- 
machten lernen  wir  eine  ganze  Reihe  von  damals  in  Frankreich  tätigen 
placentinischen  Kaufleuten  kennen:  Ruffus  Lavandarius,  Guil.  Quatuorocu- 
los,  Albertus  Dianus,  Rogerius  de  Rogeriis  u.  a.  s)  Aber  auch  den  Verkehr 
über  die  Alpen  hatten  die  Placentiner  in  dieser  Zeit,  wenn  sie  ihn  je  ganz 
unterbrochen  hatten,  wieder  aufgenommen;  im  Jahre  1251  schlössen  sie  mit 
Peter,  dem  Herrn  von  Waadt,  Bruder  des  Grafen  von  Savoyen,  einen  Ver- 
trag, in  dem  sie  ihm  zur  Entschädigung  für  mancherlei  ihm  zugefügte  Unbill 
das  Recht  einräumten,  von  jedem  transitierenden  Warenballen,  jeder  Last 
und  jedem  Pferde  außer  den  bisher  üblichen  Abgaben  einen  Zuschlagszoll 
von  12  den.  zu  erheben,  während  er  versprach,  die  Placentiner  und  ihre 
Waren  auf  ihrem  Zuge  über  seine  Straße  (per  chaminum  nostrum)  nach 
Kräften  zu  beschützen.     Auch   die  florentinische  Gesellschaft  des  Clarus  de 


*)  Ich  verweise  auf  den  Index  bei  Blancard  II  und  meine  »Studien  zur  Ge- 
schichte und  Natur  des  ältesten  Cambium<  in  Conrads  Jahrb.  65  (1895),  166  f. 
(Tabelle  172  ff.),  513  f. 

«)  Ferretto  I,  98  A.  1.  Canale  11  p.  527.  Belgrano  no.  18.  Conrads  Jahrb.  73 
p.  155  f. 

')  Näheres  in  meinen  »Wechselbriefen  König  Ludwigs  etc.«,  Conrads  Jahr- 
bücher 73  (1889),  p.  150,  152  f.  (Tabelle  174  ff.),  155  ff. 


II 


346  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Perazolo  sollte  ihre  Ansprüche  wegen  etwaiger  Schädigungen  durch  die  Pla- 
centiner  nur  außerhalb  seines  Gebiets  verfolgen  dürfen,  i) 

272.  Von  dem  transalpinen  Handel  Parmas,  den  uns  jenes  Vorgehen 
des  Papstes  bezeugt,  wissen  wir  sonst  nur  noch,  daß  seine  Kaufleute  einmal 
durch  Gewalttat  schwere  Verluste  erlitten,  so  daß  der  Podestä  Torello  de 
Strada,  der  1221  und  1227  dieses  Amt  bekleidete,  den  Geschädigten  die  Er- 
laubnis zu  Represalien  gewährte ;  indessen  war  der  Verlust  noch  1243  nicht 
ersetzt,  so  daß  die  Statuten  in  diesem  Jahre  dem  Podestä  vorschrieben,  auf 
Verlangen  der  Kaufleute  Gesandte  an  den  Grafen  von  Chalon,  den  König 
von  Frankreich  und  den  Grafen  der  Champagne  zu  schicken,  um  Schaden- 
ersatz zu  erlangen.  2)  Wenig  bedeutend  scheint  der  transalpine  Handel  C  r  e  - 
monas  gewesen  zu  sein.  Anseimus  Silvaticus  von  Cremona  wurde  im  Februar 
1223  vom  Grafen  Thibaud  mit  verschiedenen  Einnahmequellen  in  Provins,  so 
mit  der  öffentlichen  Wage  und  allerlei  Einkünften  von  dem  Martinsmarkt  da- 
selbst (der  nicht  zu  den  großen  Messen  gehörte) ,  belehnt 3) ;  jedenfalls  sind 
dieser  Belehnung  beträchthche  Geldleistungen  an  den  Grafen  vorausgegangen. 
Und  dauernd  in  der  Champagne  ansässig  gemacht  hat  sich  in  dieser  Zeit  Gui- 
chardus  von  Cremona;  er  hatte  sich  mit  einer  Eingeborenen  verheiratet  und 
erscheint  im  Besitz  von  fünf  Lehen  in  der  Kastellanei  Villemaur  (Dep.  Aube.*) 

Von  Pavia  wissen  wir  nur  so  viel,  daß  zwei  Brüder,  Leonardo  und  Ro- 
landino  Alberuzzi,  in  Gemeinschaft  mit  lucchesischen  Kaufleuten  zur  Zeit 
Honorius'  HL  dem  Bischof  von  le  Puy  eine  beträchtliche  Geldsumme  vor- 
gestreckt haben;  eine  Forderung,  die  sie  schließlich  einem  römischen  Kauf- 
mann, der  ebenfalls  mit  ihnen  assoziiert  gewesen,  zedierten.  ^)  Mt 

Erheblich  stärker  war  der  transalpine  Verkehr  Vercellis.  Am  21.  No-** 
vember  1215  schloß  es  mit  Thomas  von  Savoyen  und  seinem  Sohne  Amadeus 
einen  Vertrag,  in  dem  diese  zusagten,  keine  höheren  Zölle  von  den  Ver- 
cellesen  zu  fordern,  als  die  Bolognesen,  Placentiner  oder  andere  bevorzugte 
Lombarden  zahlten;  jeder  diesen  gewährte  Nachlaß  sollte  ohne  weiteres  auch 
ihnen  zugute  kommen ;  in  den  Jahren  1219  und  1224  ist  dieser  Meistbegünstigungs- 
vertrag erneuert  worden.  '^)  Aus  der  Praxis  des  Handels  hervorgegangen  ist 
sicher  auch  der  Brief  in  dem  1226  veröffentlichten  Formelbuch  des  Bon- 
compagnus,  der  sich  auf  einen  Kontrakt  bezieht,  den  R.  Monaldi  wegen 
eines  von  ihm  übernommenen  Transports  von  Warenballen  (torselli)  von 
Provins  nach  Vercelli  abgeschlossen  hatte''),  und  schon  aus  dem  Jahre  1198 


1)  Schulte  11  no.  250  p.  149.  Aus  Roles  gascons  I,  241  no.  1870  geht  hervor, 
daß  genannte  Gesellschaft  eine  flor.  war. 

2)  Stat.  Parm.  56  f. 

*)  Bourquelot  I,  103;  II,  91.  In  einer  Streitsache  über  das  hospitale  Mormenti 
(Diöz.  Langres)  erscheint  er  als  Prokurator  einer  der  Parteien  bei  der  Kurie :  Auvray 
161  (16.  Sept.  1227);  Entscheidung  derselben  ebd.  402  (1230). 

*)  Longnon  I,  152  no.  3943.  Sicher  ist  er  mit  Guich.  de  Placentia,  lombardus 
(no.  3838),  identisch,  da  dessen  Lehen  (eine  Mühle  und  Wiese)  unter  den  5  Lehen 
von  3943  wiederkehrt.  Beide  Nummern  stehen  in  Teil  6  der  Feoda  Campaniae,  der 
der  Zeit  zwischen  1222  und  1243  angehört.  S.  noch  Role  des  fiefs  du  comte  de 
Champ.  sous  le  regne  du  Thibaiid  le  Chansonnier  (1249—1252);  Paris  1877  no.  87 
und  1093. 

*)  Pressutti  no.  5979  und  Auvray  no.  2492  mit  den  vorhergehenden  und  nach- 
folgenden Nummern. 

6)  Mandelli  n,  125  f. 

'')  Tit.  6  de  testibus;  Quellen  und  Erört.  zur  bayer.  u.  deutschen  Gesch.  IXj^ 
(München  1863),  171. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.      347 

kennen  wir  einen  Kontrakt,  in  dem  einem  Vercellesen  in  Genua  für  seine 
Reise  zur  Messe  von  Bar  ein  Posten  Gewürznelken  anvertraut  wird.i) 

Am  meisten  haben  wir  die  Ungunst  der  Überlieferung  bezüglich  Mai- 
lands zu  beklagen,  für  dessen  transalpinen  Handel  uns  nur  in  dem  eid- 
lichen Versprechen  des  Markgrafen  von  Montf errat,  als  er  am  27.  Mai  1193 
der  Allianz  gegen  Mailand  beitrat,  ein  sicheres  Zeugnis  vorliegt.  2)  Der  Mark- 
graf versprach  damals,  alle  durch  sein  Gebiet  führenden  Straßen  den  Mai- 
länder Kaufleuten  und  allen  Waren ,  die  von  Genua,  Savona  oder  einem 
anderen  Seeplatz  aus  nach  Mailand  oder  in  umgekehrter  Richtung  trans- 
portiert werden  sollten,  völlig  zu  sperren.  Er  versprach  ferner,  allen  Kauf- 
leuten ohne  Unterschied  der  Nationalität,  die  sein  Gebiet  zum  Zwecke  einer 
Handelsreise  über  die  Alpen  durchziehen  würden  3) ,  einen  Eid  abzunehmen, 
daß  an  den  von  ihnen  mitgeführten  Waren  Mailänder  in  keiner  Weise  be- 
teiligt seien.  Nach  der  Lage  von  Montferrat  muß  es  sich  dabei  in  erster 
Linie  um  die  Straßen  über  den  Mont  Cenis  und  den  Großen  S.  Bernhard 
gehandelt  haben ;  und  wenn  man  für  notwendig  hielt,  in  solcher  Form  einer 
Handelsbeteiligung  der  Mailänder  entgegenzutreten,  so  folgt  daraus  mit  Sicher- 
heit, daß  in  gewöhnlichen  Zeiten  die  Mailänder  selbst  den  Handel  mit  den 
Gebieten  jenseits  der  Berge  in  nicht  geringem  Umfange  gepflegt  haben. 

273.  Sehr  bemerkenswert  ist  nun,  daß  alle  Binnenstädte  der 
östlichen  Lombardei  und  Venetiens  an  diesem  Handel  mit  Frankreich 
und  den  Messen  der  Champagne  keinerlei  Anteil  genommen  haben, 
selbst  Brescia,  Mantua,  Verona  und  Ferrara  nicht.  Nur  Venedig 
selbst  macht  eine  Ausnahme,  wie  wir  wenigstens  an  einem  Fall  nach- 
weisen können. 

Als  der  des  Kreuzzugs  wegen  in  Venedig  weilende  Graf  Balduin  von 
Flandern  bei  den  venezianischen  Edlen  Marchesino  Soranzo,  Pietro  Zulian, 
Marino  Gradonigo  und  Luca  Ardit  Anfang  Oktober  1202  ein  Darlehn  auf- 
nahm, verpflichtete  er  sich,  dasselbe  mit  118  M.  3  Unzen  Sterl.  an  die 
Gläubiger  oder  ihre  Bevollmächtigten  auf  der  nächsten  Messe  von  Lagny 
erstatten  zu  lassen 4) ;  hätten  venezianische  Geschäftsleute  nicht  damals  schon 
gelegentüch  auch  die  Champagner  Messen  besucht,  so  hätte  es  näher  ge- 
legen, die  Heimat  des  Grafen  als  Erfüllungsort  zu  bestimmen. 

1)  Ferretto  I,  98  A.  1. 

*)  Der  Nachricht  des  Chronisten  Galvano  Fiamma,  daß  Petrus  de  la  Blava 
und  Jordan  US  de  la  Fiamma  die  ersten  Mailänder  gewesen  seien,  die  jenseits  der 
Alpen  feine  Wolle  und  Tuche  eingekauft  hätten  (Chron.  majus  ed.  Ceruti  in  Mise, 
it.  Vn  (1869),  716.  Schulte  I,  108  u.  1.31),  vermag  ich  kein  Gewicht  beizumessen. 
Die  im  Zusammenhange  mit  einer  auf  das  Jahr  1172  bezüglichen  Darstellung  nach 
der  Erzählung  eines  Karmeliterpriors  de  Blava  gegebene  Notiz  ist  in  sich  unwahr- 
scheinlich, und  schon  der  Umstand,  daß  sie  gerade  Angehörigen  der  Familie  des 
Chronisten  und  des  Erzählers  einen  besonderen  Ruhm  vindizieren  will,  würde  sie 
verdächtig  machen.  Dazu  schreibt  der  Chronist  etwa  IV2  Jahrhunderte  später.  Über 
die  oft  sehr  fragwürdige  Natur  seiner  Quellen  vgl.  L.  A.  Ferrai:  Le  cronache  dl 
G.  Fiamma  im  Bull.  stör.  it.  no.  10  p.  93  ff.  und  Simonsfeld :  Einige  kunst-  und 
lit.-ge8ch.  Funde  in :  Sitz.-B.  d.  philos.  Kl.  d.  bayer.  Ak.  d.  Wiss. ;  1902  p.  527. 

")  .  .  .  >ultramoni;anos  negotiatores  et  alios  cum  eunt  ultra  montes.«  Cod. 
Laud,  II,  198  no.  175.  Schulte  I,  106  meint  die  Stelle  vorzugsweise  auf  deutsche 
Kaufleute  beziehen  zu  müssen. 

*)  S.  Cognetti  de  Martiis :  un  obbligazione  cambiaria  per  la  4.  crociata  in:  Atti 
Torin.  29  (1893/4),  778,  783  f.  Der  Abdruck  bei  Tafel  u.  Thomas  I,  385  (darnach  Gold- 
schmidt 422,  der  irrig  annimmt,  daß  an  zwei  Stellen  etwas  fehle)  ist  mangelhaft. 


348  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

274.  Dagegen  pflegte  der  Hauptort  der  Emilia,  Bologna,  diesen 
Verkehr  mit  Eifer,  wie  schon  aus  dem  erwähnten  Vertrage  Vercellis 
mit  Savoyen  vom  Jahre  1215  hervorgeht. 

Die  älteste  Kunde  hiervon  finde  ich  in  seinem  Handelsvertrage  mit 
Ferrara  von  1193,  der  u.  a.  Abgaben  für  die  auf  dem  Po  aus  der  Lombardei 
oder  von  jenseits  der  Alpen  nach  Ferrara  kommenden  Bolognesen  fest- 
setzt i);  natürlich  kann  das  nur  so  verstanden  werden,  daß  die  von  Frank- 
reich kommenden  Waren  der  Bolognesen  unterwegs  (frühestens  in  Pavia) 
auf  den  Wasserweg  überzugehen  pflegten.  Eine  ganze  Reihe  von  Nach- 
richten beweist  uns  ferner  den  regelmäßigen  Verkehr  der  Bolognesen  auf 
den  Champagner  Messen.  Als  Bischof  Girald  von  Mynyw  (Wales)  im  Jahre 
1202  seine  dritte  Reise  nach  Rom  machte,  suchte  er  den  Gefahren  eines 
längeren  Geldtransports  dadurch  zu  entgehen,  daß  er  auf  der  Messe  von 
Troyes  bei  dort  verkehrenden  Bolognesen  einen  Wechsel  über  20  Mark  Gold 
(ca.  10000  M.),  in  Massamutini  (den  Goldstücken  der  Almohaden)  zahlbar, 
erstand.  2)  Natürlich  hängt  das  Zustandekommen  dieses  Geldgeschäfts  wesent- 
hch  damit  zusammen,  daß  Bologna  an  einer  der  Hauptverkehrsstraßen  nach 
dem  Sitz  der  Kurie  lag.  Daraus  erklärt  es  sich  auch,  daß  päpstliche  Gelder, 
die  in  Paris  deponiert  waren,  bolognesischen  Kaufleuten  zur  Übermittelung 
anvertraut  wurden;  Honorius  IH.  drückt  einmal  im  Jahre  1220  sein  Miß- 
vergnügen darüber  aus,  daß  es  ohne  seinen  besonderen  Auftrag  geschehen. 3) 
Am  Sitz  der  Kurie  selbst  ist  im  Jahre  1209  für  den  Erzbischof  von  Mainz 
ein  Darlehn  aufgenommen  worden,  das  mit  150  M.  Silber  auf  der  nächsten 
Messe  von  Bar  zu  erstatten  war;  einer  der  beiden  Gläubiger  war  der  bolog- 
nesische  Kaufmann  Jacobus  de  Drudal.  *)  Andere  Geldgeschäfte  der  Bolog- 
nesen beruhen  auf  dem  Vorhandensein  der  berühmten,  stark  frequentierten 
Hochschule  in  ihrer  Stadt.  In  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  gehört  der 
auf  100  1.  tur.,  zahlbar  auf  der  nächsten  Messe  von  Provins,  lautende  Wech- 
sel, den  zwei  in  Bologna  studierende  Scholaren,  aus  Bordeaux  und  der  Diözese 
Gerona  stammend,  zwei  Kaufleuten  von  Bologna  und  ihren  Sozii  ausgestellt 
haben;  als  Muster  für  solche  offenbar  recht  häufig  vorkommende  Urkunden 
hat  ihn  Rolandinus  in   seine   Summa  artis  notariae   aufgenommen.  0)     Ein 


11 


*)  .  .  .  sive   veniat  navis   de    sursum,    scilicet   de   Lombardia    et  ultra  monte. 
Murat.  Antiqu.  IV,  449.     Der  Abdruck  bei  Savioli  II,  2  p.  172    läßt  diese  Stelle  will- 
kürlich ganz  fort.     Sicher  ist  auch  in  der  Zollordnung  von  Ferrara  von  1228  (Murat. 
Ant.  II,  31)   statt:    »si   veniunt   de    ultra   mare   aut   de   Lomb.,   solvant  de   somal 
imp.  8«  zu  lesen:   de   ultra   monte,    zumal   die    Sätze    einander   genau   entsprechen] 
(8  den.  imp.  =  2  sol.  ferr.  vel  bon.  des  Vertrags  von  1193). 

*)  Giraldi  Cambrensis,  De  jure  et  statu  Menevensis  ecclesiae  ;  Auszug  SS.  XXVII, 
417.  Die  an  den  Band  gesetzten  Zahlen  des  Herausgebers  1199  u.  1200  stehen  in 
Widerspruch  mit  seinen  eigenen  Angaben  in  der  Vorrede  p.  396  f.,  aus  denen  sich 
ergibt,  daß  nicht  die  erste,  sondern  die  dritte  Reise  Giralds  gemeint  ist,  auf  der  er 
am  23.  Dezember  1202  in  Faenza,  am  5.  Januar  1203  in  Rom  ankam.  Statt  des 
sinnlosen:  20  marcatas  auri,  quod  in  obolis  Mutinis  a  civibus  Bon.  in  nun- 
dinis  Trecensibus  emerat,  ist  obolis  massamutinis  zu  lesen;  vgl.  z.  B,  die 
Stelle  im  Briefe  Honorius'  IH.  (Rodenberg  I,  90) :  754  obolos  maximutinos. 

3)  Pressutti  no.  2710  (22.  Sept.  1220). 

*)  Schunk  III,  102  f.     Schulte  I,  244.     Jac.  Drudoh   Ursolinus   ist    1204    unter| 
den  kaufmännischen  Konsuln  Bolognas.    Stat.  Soc.  Bol.  H,  485. 

»)  Goldschmidt  427  mit  Anm.  100 ;  nur  scheint  mir  zweifellos,  daß  es  ein  tat- 
sächlicher  und    kein   fingierter  Wechsel  gewesen   ist,   den   Rol.   als   Formular  be-J 
nutzt  hat. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       349 

solcher  studierender  Kleriker  war  wohl  auch  G.  Jordani  von  Chartres,  der, 
wie  wir  im  Jahre  1226  hören,  unter  Bürgschaft  eines  Kanonikus  von  Chartres 
bei  bolognesischen  Kaufleuten  ein  Darlehn  aufgenommen  hatte,  i) 

Am  Anfang  der  vierziger  Jahre  des  13.  Jahrhunderts  begegnete  es  den 
Bolognesen  einmal,  auf  Antrag  der  Florentiner  und  Sienesen  von  den  Messen 
ausgeschlossen  zu  werden  2);  doch  wurde  die  Differenz  jedenfalls  rasch  bei- 
gelegt. Denn  aus  den  Jahren  1243  und  1246  kennen  wir  zwei  kaufmännische 
Wechsel  über  700  und  400  1.  prov.,  in  Bologna  auf  die  Johannismesse  von 
Troyes  und  die  Messe  von  Bar  ausgestellt,  in  denen  Bologneser  Kaufleute 
als  Wechselgeber  (Valutanehmer)  gegenüber  florentinischen  Kaufleuten  er- 
scheinen ;  in  beiden  Fällen  ist  der  einem  durch  seinen  Reichtum  berühmten 
bologneser  Geschlecht  angehörige  Albergittus  de  Peppolis  beteiligt.  3)  Auf 
die  Johannismesse  von  Troyes  des  Jahres  1221  sehen  wir  endlich  auch  die 
Darlehnsschuld  abgestellt,  die  für  Erzbischof  Engelbert  von  Köln  in  Rom 
bei  einer  Gesellschaft  von  Kaufleuten  aus  Bologna  kontrahiert  worden  war; 
auch  als  es  zur  Prolongation  der  auf  258  Mark  Kölnischer  Münze  festgesetzten 
Schuld  und  ihrer  Umwandlung  in  35  Mark  Barrengold  Kölnischen  Gewichts 
kam,  wurde  für  die  Erfüllung  wiederum  eine  der  Champagner  Messen,  dies- 
mal die  Septembermesse  von  Provins  des  Jahres  1222,  bestimmt.  4)  So  wurden 
diese  Messen  für  den  Geldverkehr  der  Italiener  ein  Mittelpunkt  von  immer 
zunehmender  Wichtigkeit.  Daß  die  Bolognesen  daneben  nach  wie  vor  auch 
den  Warenhandel  mit  Frankreich  pflegten,  geht  schon  daraus  hervor,  daß 
in  den  vierziger  Jahren  des  13.  Jahrhunderts  von  einer  besonderen  Einung 
der  bolognesischen  mercatores  drapariae  Franciae  die  Rede  ist.  ^) 

275.  Neben  der  Westliälfte  Ober-Italiens  und  Bologna  sehen  wir 
auch  Toskana  und  Rom  lebhaft  an  dem  Handel  mit  Frankreich  und 
den  Messen  der  Champagne  beteiligt.  Zeitlich  stehen  an  erster  Stelle 
hier  die  Luc  che  sen,  die  wahrscheinlich  schon  vor  dem  1.  Kreuz- 
zuge im  französischen  Handel  tätig  waren. ^)  Am  10.  Juli  1153  schloß 
Lucca  mit  Genua  eine  für  die  Handelsgeschichte  höchst  interessante 
für  10  Jahre  gültige  Konvention  ab''),  die  den  lucchesischen  Transit- 
verkehr nach  und  von  den  Messen  jenseits  der  Alpen  (feriae  ultra- 
montanae)  durch  das  Gebiet  Genuas  betraf. 

Genua   gestattete   den   Lucchesen^),    durch   sein   Gebiet   nach    diesen 


1)  Pressutti  no.  6040. 

^)  Bezugnahme  darauf  in  der  Klage  der  Toskaner  gegen  Piacenza  vom  Sept. 
oder  Oktober  1242 ;  Davidsohn  Forsch.  IH,  p.  8. 

«)  Ebd.  no.  23  u.  30,  p.  7  u.  10. 

*)  Ficker,  Engelbert  p.  339  f.  no.  26.  Ennen  u.  Eckertz :  Quellen  z.  Gesch. 
der  Stadt  Köln,  n  (1863)  no.  73. 

»)  Stat.  Camps,  rub.  81  (Stat.  Soc.  Bol.  U). 

«)  Oben  §  67. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  188  p.  167.  Davidsohn  I  p.  449  setzt  den  "Vertrag  in  das 
Jahr  1152,  vielleicht  durch  die  indictio  XV  dazu  veranlaßt.  Aber  die  genuesische 
Ind.  XV  paßt  gerade  zum  Jahre  1153,  das  überdies  durch  die  Nennung  der  ge- 
nuesischen Konsuln  (vgl.  ann.  jan.  zu  1153)  außer  allen  Zweifel  gestellt  wird.  Der 
Irrtum  ist  auch  für  Davidsohns  Darstellung  des  Zusammenhangs  der  Ereignisse 
nicht  ohne  Folgen  geblieben. 

^)  Für  promittemus  adducere  und  reducere  ist  permittemus  etc.  zu  lesen. 
Mit  einem  Transportversprechen  der  Genuesen  ist  schon  der  Anfang  der  Konvention  : 
salvabimus  Lucenses  et  res  ipsorum  a  Vultabio  et  a  Sagona  etc.  unvereinbar. 


350  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Messen  alle  Waren  zu  führen  mit  Ausnahme  derjenigen,  die  mit  den  von 
Genua  selbst  ausgeführten  in  direkte  Konkurrenz  traten  (quae  sint  contrariae 
nostris  mercibus) ;  für  den  Rückweg  von  den  Messen  erlaubte  es  die  Durch- 
fuhr von  weißen,  blauen  und  pfirsichfarbenen  Tuchen,  auf  die  es  den  Luc- 
chesen  offenbar  hauptsächlich  ankam,  verlangte  aber  den  auf  Erfordern 
durch  einen  Eid  zu  führenden  Nachweis,  daß  die  Tuche  Lucchesen  gehörten i), 
diese  also  nicht  als  Kommissionäre  handelten  und  so  die  Vorteile  der  Kon- 
vention anderen  zuwendeten.  Auch  der  Weg,  den  dieser  Transitverkehr 
nahm,  geht  aus  dem  Vertrage  deutlich  hervor.  Die  von  der  Messe  Zurück- 
kehrenden erreichten  das  genuesische  Gebiet  entweder  in  Savona  oder  in 
Voltaggi;  in  letzterem  Falle  hatte  sie  ihr  Weg  aus  Frankreich  über  den 
Großen  S.  Bernhard  oder  über  den  Mont  Cenis,  in  ersterem  über  einen  der 
südlicheren  Pässe,  möglicherweise  aber  ebenfalls  über  den  Mont  Cenis  ge- 
führt. Von  Savona  oder  Voltaggi  aus  setzten  sie  nun  entweder  ihren  Weg 
zu  Lande  über  Genua,  das  sie  in  jedem  Falle  berühren  mußten,  fort;  dann 
begleitete  sie  der  Schutz  des  genuesischen  Staates  bis  Sestri  (Levante);  oder 
sie  schlugen  von  Savona  aus  den  Seeweg,  ebenfalls  über  Genua  ein;  dann 
verließ  sie  der  genuesische  Schutz  erst  bei  C.  Corvo,  am  Golf  von  Spezzia, 
der  Grenze  der  maritimen  Machtsphäre  Pisas.  Auch  die  Kombination  von 
See-  und  Landweg  war  möglich,  wenn  die  Umstände  sie  den  Lucchesen 
vorteilhaft  erscheinen  ließen;  von  Savona  auf  dem  Seewege  kommend, 
konnten  sie  in  Genua  auf  den  Landweg,  und  umgekehrt  von  Voltaggi 
kommend,  in  Genua  auf  den  Seeweg  übergehen;  in  jedem  Falle  aber  lehnten 
die  Genuesen  die  Übernahme  irgendwelcher  Schutzpflicht  über  die  ange- 
gebenen Grenzpunkte  hinaus  ab;  schon  die  Rücksicht  auf  das  ihnen  damals 
verbündete  Pisa  mußte  ihnen  das  unmöglich  machen.  Eine  besondere 
Transitgebühr  hatten  die  Lucchesen  nur  für  die  gedachten  Tuche  zu  ent- 
richten; sie  betrug  5  sol.  jan.  für  den  Ballen  (pro  torsello).  Für  Lucca  be- 
stand die  Bedeutung  der  Konvention  offenbar  hauptsächlich  darin,  daß  sie 
seinem  Handel  einen  neuen  Weg  nach  Frankreich  hin  öffnete,  den  es  neben 
dem  anderen  über  den  Paß  La  Cisa  und  durch  die  Lombardei,  unter  Um- 
ständen auch  ganz  an  Stelle  desselben  benutzen  konnte,  so  daß  es  dadurch 
größere  Unabhängigkeit  und  freiere  Bewegung  für  seine  Handelstätigkeit 
erlangte.  Daß  dieser  Verkehr  über  den  Mont  Cenis  ging,  ist  von  vornherein 
sehr  wahrscheinlich  ;  bezeichnend  hierfür  ist  auch,  daß  in  einem  lucchesisch- 
pisanischen  Vertragsentwurf  von  1155   als   maßgebender  Ort   für  die  Unter- 


^)  Der  sonst  sehr  sorgfältig  arbeitende  Davidsohn  hat  diesen  Vertrag  völlig 
mißverstanden  (S.  449),  wenn  er  meint,  die  Genuesen  hätten  sich  verpflichtet,  gegen 
eine  vereinbarte  Abgabe  die  feinen  Luccheser  Tuche  zu  den  ausländischen  Messen 
zu  transportieren.  Nicht  um  Luccheser  Tuche,  sondern  um  panni  ultramontani 
handelt  es  sich ;  nicht  die  Genuesen  waren  die  Transporteure,  sondern  die  Lucchesen 
selbst,  die  sich  natürlich,  soweit  der  Transport  auf  dem  Seewege  vor  sich  ging, 
genuesischer  Schiffe  bedienen  mußten;  nicht  die  Höhe  der  Frachtkosten  erfahren 
wir,  sondern  nur  die  Höhe  der  Transitgebühr.  Auch  das  ist  ein  Irrtum,  daß  in 
dieser  •Konvention  zuerst  der  Begriff  eines  Ursprungszeugnisses  oder  Affidavit 
hervortrete  (Anm.  3) ;  die  Lucchesen  hatten  gar  nicht  zu  beschwören,  daß  die  zu 
transportierenden  Waren  aus  ihrer  Stadt  stammten,  sondern  daß  die  durch  sie  von 
den  Messen  her  eingeführten  Waren  ihnen  gehörten  (pannos  .  .  .  quos  cognos 
cerimus  suos  esse  per  sacramentum  illorum).  Damit  entfallen  dann  auch  die 
weiterhin  von  Davidsohn  (S.  792  und  Anm.  4)  gezogenen  Folgerungen  über  die  Aus- 
fuhr toskanischer  Tuche  nach  französischen  Märkten.  Schulte  I,  136  hat  den  Irrtum^ 
Davidsohns  übernommen. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        351 

Scheidung  der  diesseits  und  jenseits  der  Alpen  Wohnenden  Susa  benutzt 
isti),  das  den  Kontrahenten  also  als  nördlicher  Grenzpunkt  Italiens  galt. 
Die  Konvention  ist  uns  ein  höchst  wertvolles  Zeugnis  dafür,  daß  die  Italiener 
des  Binnenlandes  schon  verhältnismäßig  früh  jene  nordfranzösischen  und 
flandrischen  Tuche,  die  im  Handel  der  Zeit  eine  so  große  Rolle  spielten, 
von  den  französischen  Messen  her  direkt  und  selbsttätig  importiert  haben. 
Mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert  hören  wir  dann  von  diesem  Handelsbetrieb 
der  Lucchesen  nichts.  Aus  dem  Jahre  1222  aber  kennen  wir  ein  Privileg 
des  Grafen  Thibaut  von  Champagne,  in  dem  er  die  Kaufleute  von  Lucca 
in  seinen  besonderen  Schutz  nahm,  sie  von  allen  militärischen  Verpflich- 
tungen eximierte  (das  deutet  darauf  hin,  daß  ein  Teil  von  ihnen  längere 
Zeit  in  seinem  Lande  zu  verweilen  gewohnt  war)  und  ihnen  gestattete, 
Geldgeschäfte  jeder  Art,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  Darlehnsgeschäften 
auf  Wochenfrist,  zu  betreiben.  Als  Gegenleistung  hatten  sie  dem  Grafen 
jährlich  ein  silbernes  Gefäß  von  einer  Mark  Troyes-Gewicht  (1/4  kg)  abzu- 
liefern. 2) 

Auch  von  ihrer  Handelspraxis  in  dieser  Zeit  erhalten  wir  im  Zusammen- 
hange mit  Schwierigkeiten,  auf  die  dieselbe  stieß,  in  einigen  Fällen  Kenntnis. 
Buonincontro  Federici  und  seine  Sozii  hatten  einst  zur  Zeit  des  Papstes 
Honorius'  III.  mehreren  Bürgern  von  Lagny  eine  größere  Geldsumme  an- 
vertraut, die  sie  dann  nicht  wiederzuerlangen  vermochten.  Daraufhin  er- 
wirkten sie  Verfügungen  des  Papstes  an  den  Dekan  und  den  Archidiakon 
von  Paris,  die  die  Exkommunikation  über  die  Schuldigen  verhängten, 
während  Graf  Thibaut  sie  mit  ihren  Bürgen  aus  seinem  Lande  vertrieb. 
Doch  nun  begaben  sich  diese  einfach  in  das  Gebiet  des  Klosters  von  Lagny, 
und  obwohl  der  Papst  dem  Abte  auftrug,  sie  zur  Zahlung  zu  zwingen  und 
den  Dekan  von  S.  Stephan  in  Troyes  mit  der  Überwachung  der  Ausführung 
betraute,  verstand  es  der  Abt  doch,  die  Sache  hinzuziehen,  bis  endlich 
Gregor  IX.  am  9.  August  1230,  nachdem  mittlerweile  die  Lucchesen  als  An- 
hänger des  Kaisers  mit  der  Kirche  völlig  zerfallen  waren,  dahin  entschied, 
daß  die  Lucchesen  nicht  eher  befriedigt  werden  dürften,  als  bis  sie  zum 
Gehorsam  gegen  die  Kirche  zurückgekehrt  seien.  Nun  nahm  Buonincontro 
(vielleicht  nur  zum  Schein)  das  Kreuz ;  er,  Turkius  und  ihre  Sozii  verkauften 
ihre  Forderung  an  zwei  römische  Bürger,  denen  es  sphließlich  auch  gelang, 
ein  neues  Mandat  des  Papstes  an  den  Abt  (vom  1.  Februar  1234)  zu  er- 
wirken, wonach  er  die  Schuldigen  oder  ihre  Bürgen  zur  Zahlung  zwingen 
sollte.3)  Mit  jener  Haltung  des  Papstes  hängt  es  jedenfalls  auch  zusammen, 
daß  auch  Guidarellus  Vulpelü  und  Fredericus  Gangii  die  Forderung,  die 
sie  in  Gemeinschaft  mit  Pavesen  an  den  Bischof  von  le  Puy  hatten,  an 
einen  römischen  Bürger  zediert  haben.^) 

Für  die  fortgesetzte  Beteiligung  der  Lucchesen  am  Warenhandel  mit 
den  Messen  haben  wir  endlich  ein  Zeugnis  daran,  daß  sich  unter  den  Tos- 
kanern,  die  im  Jahre  1242  auf  ihrem  Wege  nach  der  Aigulf -Messe  von  Pro- 
vins  von  den  Placentinern  überfallen  wurden,  auch  Kaufleute  aus  Lucca 
befanden. 6) 


')  >.  .  .  Lombardi  omnes  ex  hac  parte  Seusae<.     Bonaini  Suppl.  28  £. 

«)  Bourquelot  I,  175. 

»)  Auvray  484,  1750. 

*)  Ebd.  2492  ff.     Pressutti  5979. 

')  Davidsohn  Forsch.  III  p.  7. 


352  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

276.  Außer  der  Konvention  Luccas  mit  Genua  von  1153  besitzen 
wir  für  den  Handel  der  Toskaner  nach  Frankreich  nur  noch  ein  be- 
stimmtes Zeugnis  aus  dem  12.  Jahrhundert.  Als  Florenz  und  Siena, 
die  1176  ein  enges  Bündnis  geschlossen  hatten,  sich  am  6.  Mai  1178 
von  Markgraf  Wilhelm  von  Montferrat  und  seinem  Sohne  Konrad 
ihre  kurz  zuvor  auf  Poggibonzi  erworbenen  Rechte  gegen  eine  Zah- 
lung von  4000  1.  abtreten  ließen,  wußten  sie  das  zugleich  im  Interesse 
ihres  transalpinen  Handels  auszunutzen. 

Markgraf  Wilhelm  gewährte  nämlich  dem  Unterhändler  des  Vertrages, 
dem  Sienesen  Thomas,  seinem  abwesenden  Sozius  Bragalis  und  allen  seinen 
sonstigen  Sozii,  wie  endlich  auch  allen  Bewohnern  von  Siena  und  Florenz 
überhaupt,  falls  einer  von  ihnen,  den  sein  Weg  durch  das  Gebiet  des  Mark- 
grafen führte,  auf  dem  Hin-  oder  Rückwege,  diesseits  oder  jenseits  der  Alpen 
oder  im  Gebirge  selbst,  beraubt  oder  sonst  um  einen  Teil  seiner  Habe  ge- 
bracht würde,  das  Recht,  sich  in  Chivasso  oder  sonst  an  einem  beliebigen 
Orte  des  markgräflichen  Gebiets  an  dem  Übeltäter  oder  seinen  Landsleuten 
in  Höhe  des  erlittenen  Verlustes  durch  Represalien,  die  sie  in  seinem  Namen 
vornehmen  könnten,  schadlos  zu  halten,  i)  Wenn  die  Toskaner  in  erster 
Linie  in  Chivasso  Gelegenheit  zu  Represalien  zu  finden  hofften,  so  rechneten 
sie  dabei  einmal  auf  den  nördlichen,  über  Vercelli  führenden  Weg  Susa- 
Piacenza  (bzw.  Mailand),  zum  anderen  auf  die  vom  Großen  S.  Bernhard  her- 
kommende Straße  Ivrea — Asti — Genua.  Die  Persönlichkeit  des  Unterhändlers 
und  die  Form  der  in  erster  Linie  ihm  und  seinen  Sozii  erteilten  Konzession 
weist  darauf  hin,  daß  die  Sienesen  in  erster  Linie  interessiert  waren,  während 
die  ganze  Abmachung  ein  Zeugnis  dafür  ist,  daß  Siena  und  Florenz  mit  den 
französischen  Gebieten  schon  recht  erhebliche  Handelsbeziehungen  unter- 
hielten, deren  Schädigung  durch  Gewalttaten  sie  ernstlich  zu  fürchten  hatten 
und  deren  Schutz  ihnen  wichtig  genug  erschien,  um  sich  in  einem  fremden 
Territorium  Ober-Italiens  ein  so  außergewöhnliches  Recht,  dem  übrigens  eine 
große  praktische  Bedeutung  sicher  nicht  zuzuerkennen  ist,  einräumen  zu 
lassen. 

277.  Längere  Zeit  hören  wir  nun  auch  von  einem  Verkehr  der 
Sienesen  in  Frankreich  nichts;  erst  1216  setzt  eine  Reihe  fortlau- 
fender Nachrichten  über  diesen  Verkehr  ein,  die  allmählich  zu  einer 
wahren  Fülle  von  Zeugnissen  anschwillt,  so  daß  die  Sienesen  seit  dem 
3.  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts  als  diejenige  italienische  Handels- 
nation erscheinen,  die  an  dem  Handelsverkehr  mit  Frankreich  und 
den  Messen  von  allen  am  stärksten  beteiligt  war. 

Im  selben  Jahre  wie  die  Lucchesen  (1222)  erlangten  auch  sie  vom 
Grafen  Thibaut  ein  völlig  gleichartiges  Privileg;  nur  sollte  das  jährlich  von 
ihnen  darzubringende  Silbergefäß  doppelt  so  schwer  sein  wie  bei  jenen.  2) 
Eine  besonders  umfassende  Tätigkeit  haben  die  Sienesen  in  Frankreich  und 
auf  den  Messen  als  Geldleiher  entwickelt;  häufig  sehen  wir  französische 
Große  und  Barone  in  ihrer  Schuld.  So  im  Juni  1216  Gauthier  d'Ardillieres, 
im  Januar  1219  Anseau   de  Garlande,   der  seine  Schuld  in  drei  Jahresrate 


^1 


1)  Ficker  IV  no.  151  p.  192.    CJiesebrecht  VI,  554.   Davidsohn  I,  551.   Schulte 
I,  136. 

2)  Bourquelot  I,  175. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        353 

auf  den  Messen  von  Lagny  zu  erstatten  hatte  i),  im  November  1221  Graf 
Heinrich  von  Bar-le-Duc  und  im  April  1222  Herzogin  Ahx  von  Burgund, 
für  die  der  Graf  von  Champagne  die  Bürgschaft  übernahm.  2)  Aber  auch 
Graf  Thibaut  selbst  nahm  bei  ihnen  solche  Anleihen  auf;  am  6.  Dezember 
1231  hat  er  1446  1.  prov.  zur  Zahlung  an  sienesische  Bürger  am  nächsten 
Remigiusfeste  angewiesen.  3)  Nicht  immer  wickelten  sich  diese  Geldgeschäfte 
glatt  ab.  So  lag  Ugolino  Bonaparte  mit  der  Gräfin  von  Vienne  wegen  eines 
Darlehns  an  ihren  verstorbenen  Gemahl  im  Streit;  als  er  von  Sens  zurück- 
kehrte, wo  der  Prozeß  vor  Richtern,  die  die  Kurie  delegiert  hatte,  verhan- 
delt worden  war,  wurde  er  von  Leuten  aus  den  Diözesen  Sens,  Troyes  und 
Langres  überfallen  und  zur  Zahlung  eines  Lösegeldes  gezwungen ;  am  5.  Ok- 
tober 1232  beauftragte  der  Papst  den  Dechanten  von  Troyes,  die  Schuldigen 
zur  Rückgabe  zu  zwingen.  *) 

Auch  auf  ihren  Kreuzfahrten  begleitete  die  französischen  Großen  die 
finanzielle  Hilfe  der  sienesischen  Bankiers.  So  hat  Savaricus  de  Maloleone 
»in  ultramarino  peregrinationis  itinere  constitutus«  1219  bei  vier  Kaufleuten 
von  Siena,  Boncompagno  Tornampollensi,  Raynuccio  Curtabrane,  Aldebran- 
dino  und  SpicinelKo,  und  einem  römischen  Bankier  eine  Schuld  von  1200  M. 
Silbers  (Troyes  -  Gewicht ;  gegen  70000  M.)  unter  eifriger  Verwendung  des 
Papstes  Honorius  aufgenommen.  Offenbar  um  dem  Verlangen  der  Gläubiger 
.  nach  möglichster  Sicherstellung  zu  entsprechen,  befahl  der  Papst  dem  Bischof 
von  Poitou,  dafür  zu  sorgen,  daß  der  dem  Schuldner  auf  3  Jahre  bewilligte 
Zwanzigste  und  seine  sonstigen  Einkünfte  daheim  in  erster  Linie  zur  Er- 
stattung dieses  Darlehns  verwandt  würden;  mit  der  Überwachung  betraute 
er  den  Dekan  von  S.  Stephan  zu  Troyes,  indem  er  ihn  gleichzeitig  ermäch- 
tigte, gegebenenfalls  gegen  den  Schuldner  mit  kirchlichen  Strafen  vorzu- 
gehen. 5) 

278.  Aber  auch  die  kirchlichen  Würdenträger  Frankreichs  fanden  an 
den  Sienesen  häufig,  wenn  auch  keineswegs  uneigennützige,  Helfer  in  der 
Not;  die  Natur  unserer  Quellen  bringt  es  mit  sich,  daß  wir  fast  nur  die 
schlechten  Zahler  unter  ihnen  kennen  lernen.  So  mußte  der  Bischof  von 
Viviers,  dessen  Prokuratoren  an  der  Kurie  bei  einem  Konsortium  von  sienesi- 
schen und  römischen  Kaufleuten  in  einwandfreier  Form  ein  Darlehn  auf- 
genommen hatten,  erst  im  Auftrage  des  Papstes  (1217)  durch  den  Abt  von 
S.  Lupus  in  Troyes  zur  Zahlung  gezwungen  werden;  fast  gleichzeitig  erhielt 
derselbe  Abt  den  gleichen  Auftrag  gegenüber  dem  Bischof  von  le  Puy,  falls 
dieser  die  Rückgabe  der  geliehenen  Summe  an  die  Kaufleute  von  Sienä 
verabsäumen  sollte,  ß)  Bald  geriet  dies  Bistum  immer  tiefer  in  Schulden, 
so  daß  Honorius  IH.  am  5.  Juni  1226  eine  besondere  Kommission  zur  Sa- 
nierung seiner  finanziellen  Verhältnisse  ernannte;  unter  den  italienischen 
Gläubigern  des  Bistums,  die  bei  dieser  Gelegenheit  genannt  werden,  erscheint 
auch  der  Sienese  Ranuccio   Spicinelli   mit  seinen  Sozii. '^)     Die  Kirche   von 


»)  Ebd.  I,  189;  n,  125. 

*)  Ebd.  II,  121  (Rückzahlung  cum  costamentis  inde  provenientibus  versprochen); 
I,  189  A.  4.     Petit,  E.,  Hist.  des  Ducs  de  Bourgogne  (Dijon  1894)  IV  p.  201. 

')  Longnon  I,  177  no.  5130 

*)  Auvray  886. 

»)  Reo.  des  Hist.  des  Gaules  XIX,  689  (6.  Juli  1219).  Potthast  6095.  Pres- 
sutti  2133,  2158. 

«)  Pressutti  939  (23.  Dez.  1217),  935  (20.  Dez.). 

"<)  Pressutti  5979. 

Sc  ha  übe,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  23 


354  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Valence  hatte  im  Jahre  1239  bei  sienesischen  Kaufleuten  Schulden  im  Be- 
trage von  8000  1.  tur.,  zu  deren  Begleichung  der  Papst,  da  sie  für  Valence 
allein  in  absehbarer  Zeit  nicht  möglich  war,  eine  ganze  Reihe  von  Nachbar- 
diözesen mit  heranzog.  ^)  Mit  dem  Bischof  von  Chalons  s./M.  gerieten  zwei 
Handelsgesellschaften  von  Siena,  Bonincontrus  Rogerii  und  Mateguerra  Jo- 
hannis  und  Genossen  sowie  Bonaventura  und  Guido  Encontri  und  Genossen 
in  finanzielle  Streitigkeiten ;  nach  mancherlei  Weiterungen  übertrug  der  Papst 
im  Frühjahr  1231  die  Entscheidung  einem  von  ihm  ernannten  kirchlichen 
Gerichtshof  von  drei  Mitgliedern  in  Paris.  2)  Dem  Bischof  von  Beauvais 
hatten  die  sienesischen  Kaufleute  Caponero,  Montanino,  Rainerio  Rolandi, 
Contadino  Aldobrandini  mit  ihren  Sozii  an  der  Kurie  ein  Darlehn  gewährt, 
das  er  auf  der  Messe  von  Lagny  mit  580  M.  Sterl.  zu  erstatten  versprochen; 
am  31.  Juli  1232  beauftragt  der  Papst  einen  Kanonikus  von  Troyes,  den 
Bischof  zur  Befolgung  des  apostolischen  Mandats,  das  ihm  die  Zahlung  be- 
fohlen, zu  zwingen.  Später  nahm  sich  der  Papst  des  von  zahlreichen  Gläu- 
bigern schwer  bedrängten  Bischofs,  gegen  den  auch  der  König  einschritt, 
möglichst  an;  als  eine  Gesellschaft  von  sienesischen  Kaufleuten  bei  dem 
Bischof  von  Chalons  einen  Zahlungsbefehl  gegen  ihn  erwirkte,  beauftragte 
der  Papst  1.  August  1234  den  Dechanten  und  zwei  Archidiakone  von  Soissons, 
ihn  zu  schützen,  da  er  sich  dem  von  ihm  getroffenen  Arrangement  gefügt 
habe.  3) 

Von  französischen  Klöstern  erfahren  wir,  daß  die  Äbtissin  von  Fonte- 
vrault  sienesischen  Kaufleuten  im  Oktober  1225  das  entliehene  Kapital,  zu- 
züglich 2  Mark  Silbers  »pro  penis  et  expensis«  zurückerstattet  hat*);  dagegen 
fand  das  Kloster  Columba  (Diözese  Chartres),  das  infolge  von  Streitigkeiten 
bei  der  Abtwahl  genötigt  gewesen,  bei  den  sienesischen  Kaufleuten  Angel erius, 
Massarius,  Jacobus  Petri,  Guido  Cacciaconti,  Fredericus,  Rolandus  und  ihren 
Sozii  ein  Darlehn  aufzunehmen,  die  Rückzahlung  schwierig;  der  Papst  be- 
auftragte am  30.  Juli  1235  den  in  Paris  weilenden  Kantor  der  Kirche  von 
Pisa,  Magister  Hugo,  für  die  Befriedigung  der  Gläubiger  Sorge  zu  tragen, 
wenn  nötig  dadurch,  daß  er  die  Einnahmen  des  Klosters  in  Höhe  der  Schuld 
mit  Beschlag  belegte.^) 

Die  Bedeutung,  die  insbesondere  die  Champagner  Messen  für  den 
Geldhandel  der  Sienesen  hatten,  wurde  noch  dadurch  erhöht,  daß  vielfach 
auch  Schulden,  die  von  Nichtfranzosen  bei  ihnen  kontrahiert  wurden,  auf 
diese  Messen  abgestellt  wurden ;  insbesondere  sind  deutsche  Bistümer,  Klöster 
und  Städte  in  dieser  Weise  seit  dem  dritten  Dezennium  des  13.  Jahrhunderts 
Schuldner  sienesischer  Kaufleute  geworden.  ^) 

279.  Auf  die  Ausdehnung,  die  die  Geldgeschäfte  der  Sienesen  in 
Frankreich  schon  damals  erreicht  hatten,  werfen  auch  einige  erhaltene 
Testamente  sienesischer  Kaufleute  aus  dieser  Zeit  ein  helles  Licht.  So 
regelt  das  des  Aringhieri  Magiscolo  vom  Frühjahr  1232  die  Begleichung 
seiner  Schulden  für  den  Fall,   daß   sie  nicht  aus  seinen  Außenständen  in 


1)  BernouUi  J.:   Acta  Pontificum   Helvetica  I   (Basel  1892),   p.  138  no.  205  f., 
dazu  p.  125  no.  186  vom  21.  Aug.  1236. 

2)  Auvray  549,  592. 

3)  Ebd.  844  (am  9.  Juli  1232  ist  die  Rede  von  3000  1.  paris.,  die  dieser  Bischol( 
in  vier  Jahresraten  abzutragen  hatte ;  no.  827,  vgl.  884) ;  2039. 

-•)  Bourquelot  n,  121. 
«>)  Auvray  2727. 
«)  Unten  §  336  ff. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       355 

Frankreich  getilgt  werden  könnten  i);  offenbar  bewegten  sich  die  Sienesen 
mit  ihren  Leihgeschäften  vielfach  auch  in  weniger  hochstehenden  Kreisen, 
als  wir  es  bisher  kennen  gelernt  haben.  Aus  dem  Testament  des  Ugolino 
Quintavalle  vom  24.  Februar  12272)  ergibt  sich,  daß  er  bei  einer  Handels- 
gesellschaft, deren  Haupt  Federico  Rimpretti  war,  1500  1.  stehen  hatte. 
Über  dieses  Guthaben  entbrannte  zwischen  dem  zum  Testamentsvollstrecker 
bestimmten  Federico  und  der  "Witwe  Ugolinos  ein  Rechtsstreit;  Federico 
hob  die  große  Schwierigkeit  hervor,  die  es  machte,  die  vielen  Schulden,  die 
»Kleriker  wie  Laien  in  verschiedenen  und  entfernten  Ländern«  gegenüber 
Ugolino  hätten 3),  einzuziehen,  zumal  manche  die  Schuld  leugneten  und  die 
Rückgabe  verweigerten ;  ein  Schiedspruch  vom  10.  Januar  1229  setzte  ihm 
daraufhin  eine  Frist  von  3  Jahren,  um  die  1500  1.  »a  debitoribus  undecum- 
que«  beizutreiben. 

Besonders  interessant  aber  ist  das  Testament,  das  eben  dieser  Federico 
Rimpretti  am  27.  August  1238  während  einer  schweren  Erkrankung  gemacht 
hat,  als  er  auf  einer  Geschäftsreise  in  Cremona  unterwegs  war.  4)  Er  ver- 
fügte darin  die  Rückgabe  aller  wucherisch  und  zu  Unrecht  erworbenen 
Gelder,  die  er  selbst  in  seinen  Besitz  gebracht  oder  von  Vater  und  Brüdern 
ererbt  hatte.  0)  Unter  den  von  ihm  aufgezählten  Bewucherten  erscheinen 
mit  Ausnahme  eines  Landsmanns  nur  geistüche  und  weltliche  Große  und 
Kommunen,  und  zwar  der  Graf  von  Champagne  mit  rund  500  1.  prov.,  die 
Kommunen  der  Meßplätze  Provins,  Bar  und  Lagny  mit  rund  100,  25  und 
50  1.  prov.,  der  Abt  von  Lagny  mit  100,  der  von  Flavigny^)  mit  rund  200  1., 
endlich  der  Bischof  von  Toul  mit  50  1.  prov.,  so  daß  im  ganzen  etwas  über 
1000  1.  prov.  (gegen  25000  M.)  wiederzugeben  waren.  Der  genauere  Betrag 
sollte  in  jedem  Falle  von  den  mit  der  Ausführung  dieses  Teiles  des  Testa- 
ments betrauten  Personen,  dem  Rektor  des  Marienhospitals  in  Siena,  Caccia- 
conte,  und  dem  Archidiakon  Hugo  ebendaselbst  auf  Grund  des  von  Ugolino 
Gentile  Grimaldi,  seinem  Sozius,  geführten  Geschäftsbuches  der  Handels- 
gesellschaft festgestellt  werden.  Daß  Privatpersonen  unter  den  Bewucherten 
gar  nicht  erwähnt  werden,  glaube  ich  so  erklären  zu  müssen,  daß  der  Graf 
von  Champagne  und  die  Meßkommunen  vielfach  nur  formell  als  Darlehns- 
nehmer  figurierten,  während  sie  in  Wahrheit  nur  durch  Verpfändungen  ge- 
sicherte Garanten  für  die  eigentlichen  Darlehnsnehmer  waren. 

280.  Für  den  Betrieb  ihrer  Geldgeschäfte,  namentlich  mit  der  Geist- 
lichkeit, war  für  die  Sienesen  die  Gunst  des  Papstes  von  höchster  Wichtig- 

1)  ».  .  .  si  solvi  non  possent  ex  denariis  mihi  debitis  in  Francia.«  Zdekauer, 
Mercante  33  A.  1. 

^)  Sanesi  G.,  H  testamento  di  un  prestatore  Senese  nella  Champagne  im 
Bull,  senese  TV  (1897)  p,  116  f.  S.  auch  den  Vortrag  von  Ces.  Paoli :  Siena  alle 
fiere  di  Sciampagna  (Conferenze  della  Commissione  sen.  di  storia  patria  nella  R. 
Acc.  dei  Rozzi  IV,  1898,  p  53  ff.),  der  sich  allerdings  ganz  überwiegend  auf  die 
Zeit  nach  1250  bezieht. 

*)  »tarn  clerici  quam  laici,  in  diversis  et  longinquis  partibus  et  provinciis 
commorantes.t     Sanesi  1.  c.  117  f. 

♦)  Sanesi  1.  c.  123.     Paoli  1.  c.  69. 

•)  Aller  >u8ure  et  male  ablata  omnibus  modis  et  in  omni  parte  que  haberet 
per  se  vel  per  fratres  vel  per  patrem  eius.« 

8)  Flavayni,  das  Sanesi  nicht  erklären  konnte  (p.  120  A.  3),  ist  zweifellos  dieses 
Kloster  im  Bistum  Autun,  westl.  Dijon.  Auf  die  besonders  groß  gewordene  Schulden- 
last desselben  bezieht  sich  das  Dekret  Gregors  IX.  vom  8.  Juni  1241.  Rodenberg  I, 
719  no.  819. 

23* 


356  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

keit;  eine  ganze  Reihe  von  Fällen  haben  wir  schon  kennen  gelernt,  in  denen 
Honorius  III.  und  Gregor  IX.  zugunsten  der  sienesischen  Gläubiger  einge- 
schritten sind.  Umgekehrt  leisteten  diese  Kaufleute  auch  der  Kurie  ihre 
Dienste;  von  Angelerius  Solafiche,  der  mehrfach  (vor  1233  und  1235)  Bankier 
des  Papstes  war,  wissen  wir  z.  B.  bestimmt,  daß  er  mit  seinen  Sozii  auch 
in  Frankreich  in  Geldgeschäften  der  Kurie  tätig  gewesen  ist.i)  So  tat 
Gregor  IX.  am  26.  November  1235  auf  die  Bitten  sienesischer  Kaufleute 
einen  weiteren  Schritt  zu  ihren  Gunsten;  er  befahl  dem  Erzbischof  von  Sens 
und  den  Bischöfen  von  Troyes,  Langres,  Chalons,  Meaux  und  Paris,  also 
des  ganzen  oberen  und  mittleren  Seinegebiets,  in  dem  die  Sienesen  offenbar 
ihre  Haupttätigkeit  entfalteten,  in  allen  Fällen,  in  denen  Kaufleute  von 
Siena  bereit  seien,  ihren  Parochianen  vor  ihnen  Recht  zu  geben,  auch  tat- 
sächlich das  Richteramt  zu  übernehmen,  falls  nicht  besondere  Gründe  für 
eine  Verlegung  des  Forums  vorhanden  seien.  Die  Sienesen  beschwerten 
sich  nämlich  darüber,  daß  sie  aus  Schikane  oft  an  entfernte  und  weit  aus- 
einanderliegende Orte  vor  Gericht  gezogen  würden ;  vor  unbekannten  Richtern 
wären  sie  hier  schon  von  vornherein  im  Nachteil  und  sähen  sich  oft  schon 
aus  Überdruß  veranlaßt,  auf  für  sie  schädliche  Bedingungen  einzugehen;  ja 
es  käme  sogar  vor,  daß  sie  auf  dem  Wege  nach  solchen  Orten  gefangen, 
beraubt  und  mißhandelt  würden. 2)  Und  am  if.  Juli  1236  verlieh  der  Papst 
aus  den  gleichen  Gründen  den  sienesischen  Kaufleuten  Montanino,  seinem 
»devotus«,  Spinello  Cavalca,  Caponero,  Rainerio  Rolandi,  Crescentio  Bonac- 
cursi,  Thomasino  Ancontan  und  ihren  Sozii  auf  5  Jahre  das  besondere 
Privileg,  daß  sie  bei  ihrem  Aufenthalt  im  französischen  Königreich  auf 
Grund  päpstlicher  Schreiben  außerhalb  der  Städte  Paris  und  Beauvais  nur 
dann  belangt  werden  dürften,  wenn  in  diesen  Schreiben  dies  Privileg  für 
den  einzelnen  Fall  ausdrücklich  außer  Kraft  gesetzt  würde.  3) 

Nach  wenigen  Jahren  aber  trat  ein  völliger  Umschwung  ein;  am 
28.  April  1239  untersagte  Gregor  IX.  wegen  der  ghibellinischen  Haltung  der 
Sienesen,  dieser  »Söhne  der  Verwünschung«,  wie  er  sie  nunmehr  nennt, 
allen  Erzbischöfen,  Bischöfen,  Prälaten,  edlen  Herren  usw.  in  ganz  Frank- 
reich, Deutschland  mid  England,  an  sienesische  Kaufleute  auf  ihre  Geld- 
forderungen ohne  seine  besondere  Erlaubnis  irgend  etwas  zu  zahlen,  damit 
sie  aus  Erfahrung  lernten,  daß,  so  viel  Gutes  ihnen  aus  ihrer  früheren  Er- 
gebenheit gegen  die  Kirche  erwachsen  sei,  ihre  Undankbarkeit  gegen  sie 
ebensoviel  Übles  für  sie  im  Gefolge  habe.'^)  Naturgemäß  bedeutete  ein 
solches  päpstliches  Gebot,  das  der  allgemeinen  Befolgung  sicher  war,  für 
die  Sienesen  einen  schweren  Schlag.  Von  Darlehnsgeschäften  mit  Geistlichen  ll 
haben  sie  sich  seitdem  lange  ferngehalten;  erst  aus  dem  Jahre  1253  kenne 
ich  wieder  ein  zugunsten  der  sienesischen  Gläubiger  eines  französischen 
Bischofs  an  den  Abt  von  Troyes  ergangenes  päpstliches  Schreiben,  s) 


1)  Murat.  Antiqu.  I,  889.     Mengozzi  I,  13  A.  5. 

2)  Auvray  2842,  2843.     Gottlob,  Prälatenanleihen  p.  358  f. 
^)  Auvray  3242. 

*)  Rodenberg  I,  642  no.  744. 

»)  Berger  6264  (11.  Jan.  1253);  Schuldner  ist  der  ep.  Morinensis,  Gläubiger 
sind  Bonifacio  und  Rolando  Bonsignori  und  Genossen,  die  Vertreter  der  später  so 
berühmten  großen  Handelsgesellschaft,  die  im  selben  Jahre  noch  in  ähnlicher  Weise 
als  Gläubiger  des  Klosters  S.  Germain  von  Auxerre  erscheinen;  ebd.  6386.  Die 
ersten  mir  bekannten  Erwähnungen  dieser  Gesellschaft  sind  vom  Jahre  1250 ;  unten 
§  518  und  Berger  4815  (2.  September). 


11 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       357 

281.  Auf  die  weltlichen  Großen  war  da  doch  eher  zu  bauen.  Wir  be- 
sitzen die  vor  dem  Abt  der  Peterskirche  von  Lagny  auf  den  Messen  von 
1241  und  1243  aufgenommenen  Anerkenntnisse  des  Roberto  Oltremonte, 
seines  Bruders  Piccolomini  und  ihrer  Sozii  über  die  in  zwei  Raten  von  je 
1150  1.  prov.  erfolgte  Tilgung  der  Schuld,  die  Graf  Guido  von  Nevers  und 
Forez  und  seine  Gemahlin  Mathilde  an  sie  hatten,  i)  Letztere  hat  außerdem 
eine  eigene  Schuld  von  170  1.  prov.  an  den  sienesischen  Kaufmann  Hugue- 
linus  Johannis,  die  auf  der  Maimesse  1242  fällig  war,  im  Juli  mit  100  1. 
vor  dem  Dekan  von  Provins  und  mit  dem  Rest  von  70  1.  im  August  1242 
vor  dem  Dekan  von  Troyes  abgetragen.  2)  Als  Graf  Raimund  VII.  von 
Toulouse  im  Jahre  1243  bei  sienesischen  Bankiers  ein  Darlehn  von  1600  M. 
Sterl.  (gegen  100000  M.)  aufnahm,  lieh  der  neue  Papst  Innocenz  IV.  dazu 
seine  Unterstützung  insoweit,  als  er  zur  Sicherung  der  Gläubiger  den  Kantor 
der  Kathedrale  von  Troyes  mit  der  Sorge  für  die  vertragsmäßige  Rück- 
erstattung des  Darlehns  betraute  und  ihn  zur  eventuellen  Anwendung  kirch- 
Hcher  Zensuren  ermächtigte  s);  unter  den  Gläubigern  begegnen  uns  u.  a. 
Montaninus  Deutesalve,  Bartholomaeus  Comitis  und  Ugolinus  Gentilis,  der 
einstige  Sozius  Rimprettis.  So  eng  war  die  finanzielle  Verbindung  zwischen 
den  französischen  Großen  und  der  Finanzwelt  Sienas  schon  geworden,  daß 
Sienesen  nun  auch  das  Kreuzheer  König  Ludwigs  nach  dem  Orient  be- 
gleiteten; im  Mai  1249  haben  vor  Limassol  die  Ritter  Raoul  de  Couci  und 
Erard  de  Chassenay  unter  Bürgschaft  des  Königs  die  Rückerstattung  der 
ihnen  von  sienesischen  Kaufleuten  gewährten  Darlehn  mit  3500  und  10001. 
tur.  auf  den  Messen  von  Lagny  und  Bar  des  folgenden  Jahres  versprochen; 
ebenso  sind  dann  im  Lager  vor  Damiette  zahlreiche  Darlehn  bei  den  Sie- 
nesen Rossus  Consilii,  Bossulus  Albertini,  Bonaventura  de  Marcy  und  ihren 
Sozü  unter  Garantie  des  Königs  oder  seines  Bruders  Alfons  von  Poitiers 
aufgenommen  worden ;  in  einigen  Fällen,  so  für  Graf  Guido  V.  von  Forez  und 
Gaucher  von  Chätillon,  wies  der  König  selbst  sein  Schatzamt  im  Temple 
zur  Erstattung  der  Schuldsummen  (von  1000  und  3750  1.  tur.)  an.  Graf 
Guido  ist  dann  seinerseits  wieder  als  Garant  für  geringere  Beträge,  die  seine 
Vasallen  bei  denselben  Kaufleuten  aufnahmen,  eingetreten.  *) 

282.  Einen  interessanten  Einblick  in  ihre  geschäftlichen  Beziehungen 
zu  den  Messen  gewährt  uns  endlich  noch  das  Notularium  Amalrics,  das  uns 
eine  Anzahl  sienesischer  Kaufleute  im  Frühjahr  und  Sommer  1248  in  Mar- 
seille, damals  ihrer  wichtigsten  Zwischenstation  zwischen  der  toskanischen 
Heimat  und  ihrem  Hauptarbeitsfelde  in  Frankreich,  tätig  zeigt,  s)  Zwei 
Handelsgesellschaften  treten  uns  dabei  besonders  entgegen;  ständiger  Ver- 
treter der  einen  in  Marseille  ist  Guidalotto  Guidi,  dem  zuerst  Dietaviva 
Alberto,  dann  Bartolommeo  Aldobrandini  zur  Seite  stehen,  während  als  ihr 
Vertreter  auf  den  Messen  Dono  de  Piloso  erscheint;  die  zweite  gruppiert 
sich  um  Rainerio   Rolandi,    neben    dem    besonders  Brunetto   Turpini   und 


')  Layettes  11  no.  2886,  2952. 

«)  Ebd.  2979,  2991. 

«)  Berger  no.  347  (24.  Dez.  1248).     Derselbe:  Saint  Louis  etc.  p.  19. 

*)  Näheres :  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in :  Conrads  Jahrb.  70  p.  619  f.  u. 
733  f. 

*)  Studien  z.  Gesch.  u.  Natur  des  ältesten  Cambium ;  ebd  65  p.  167  f.,  172  f., 
516  ff.  Einen  am  26.  .Januar  1241  in  Genua  von  Guido  von  Siena  gegen  empfan- 
gene Valuta  von  200  M.  Sterling  auf  die  Messe  von  Bar  ausgestellten  Wechsel 
über  540  1.  prov.  registriert  Canale  11,  554. 


358  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

später  Rainerio  Colradi  tätig  sind,  während  wir  als  einen  ihrer  Sozii  in 
Paris  gelegentlich  Raimacho  de  Balci  kennen  lernen.  Diese  Sienesen  sehen 
wir  nun  von  Marseille  aus  im  regsten  Wechselverkehr  mit  den  Champagner 
Messen  stehen,  untereinander,  mit  anderen  Toskanern,  mit  Kaufleuten  aus 
Piacenza  oder  aus  Südfrankreich  selbst ;  öfter  erscheint  dabei  Marseille  auch 
nur  als  Durchgangsplatz  in  dem  Wechselverkehr  zwischen  Pisa  oder  Siena 
selbst  und  den  Messen  der  Champagne ;  einer  dieser  Wechsel,  für  den  Valuta 
in  Pisa  gegeben  ist,  ist  nicht  auf  der  Messe,  sondern  in  Paris  fällig. 

283.  Wenn  es  nach  diesen  zahlreichen  Marseiller  Kontrakten  und  den 
sonst  angeführten  Tatsachen  den  Anschein  gewinnen  könnte,  als  ob  die 
sienesischen  Kaufleute  im  Verkehr  mit  Frankreich  fast  ausschließlich  das 
Geldgeschäft  gepflegt  hätten,  so  müßte  eine  solche  Auffassung  doch  als  irr- 
tümlich bezeichnet  werden.  Hinter  diesem  Wechselverkehr,  ihn  unterhaltend 
und  belebend,  steht  der  Warenhandel.  Den  besten  Beweis  dafür  liefert  es, 
daß  die  beiden  genannten  sienesischen  Gesellschaften  im  März  1248  zusammen 
mit  einem  weiteren  Teilhaber  (Salvano  Salvani)  drei  Marseiller  Galeeeren 
zum  Transport  ihrer  Waren  nach  Pisa  gemietet  habend),  daß  ferner  Guida- 
lotto Guidi  am  20.  Juli  im  Namen  seiner  Gesellschaft  zusammen  mit  zwei 
anderen  toskanischen  Gesellschaften  wiederum  zwei  armierte  Marseiller  Ga- 
leeren gechartert  hat,  die  nach  Arles  zu  gehen  und  von  da  die  Waren  dieser  __ 
Gesellschaften  über  Marseille  nach  Pisa  zu  transportieren  bestimmt  waren.^)'«! 
Wenn  damals  der  Verkehr  über  die  Alpen  für  die  Sienesen  unterbrochen 
war,  so  geht  ihre  Beteiligung  an  demselben  für  eine  etwas  frühere  Zeit  doch 
schon  daraus  hervor,  daß  unter  den  Kaufleuten  der  toskanischen  Handels- 
karawane, die  auf  ihrem  Zuge  zur  Aigulf messe  von  Provins  im  Jahre  1242 
von  Placentinern  überfallen  wurde,  die  Sienesen  an  zweiter  Stelle  genannt 
werden.  3)  Auch  ist  es  nicht  bedeutungslos,  daß  Gregor  IX.  in  dem  oben 
erwähnten  Mandat  an  die  sechs  mittelfranzösischen  Bischöfe  vom  November 
1235  ausdrücklich  von  den  Sienesen  redet,  die  mit  ihren  Waren  nach  Frank- 
reich kämen  und  dort  eine  Zeitlang  verweilten.  4)  Aus  etwas  späterer  Zeit, 
dem  7.  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts,  geben  dann  einige  erhaltene  siene- 
sische  Geschäftsbriefe  auch  über  den  Warenhandel  dieser  Kaufleute  auf  den 
Champagner  Messen  den  erwünschtesten  Aufschluß.  5) 

Die  gewaltige  Bedeutung,  die  der  Handel  mit  den  französischen  Ge- 
bieten in  dieser  Zeit  für  Siena  hatte,  spricht  sich  auch  in  der  Bestimmung 
seiner  Statuten  aus,  daß  die  Stadt  verpflichtet  sein  sollte,  auf  ihre  Kosten  Ge- 
sandtschaften an  den  Papst,  den  Kaiser  oder  den  König  von  Frankreich  zu 
entsenden,  wenn  die  beiden  Kaufmannschaften  Sienas  oder  auch  nur  eine 
derselben  es  im  Interesse  der  Förderung  des  Handels  oder  zum  Zwecke  der 


I 


')  Amalric  no.  360.  Wir  kennen  nur  den  Mietvertrag  (vom  3.  April)  über 
eine  der  Barken,  die  den  drei  Galeeren  zu  dienen  bestimmt  war.  Die  Miete  der 
Galeeren  selbst  fällt  also  entweder  in  die  Zeit  vor  Beginn  des  erhaltenen  Xotu- 
lariums  (13.  März)  oder  ist  vor  einem  anderen  Notar  erfolgt. 

*)  Ebd.  no  1000  u.  1001.  Wenn  Kontrakte  über  den  Warenhandel  der  Sie- 
nesen in  Marseille  selbst  fehlen,  so  beweisen  diese  Mietkontrakte  nur  um  so  mehr, 
daß  sie  dem  Transithandel  zwischen  den  Messen  und  Pisa-Siena  dienen  sollten. 

^)  Davidsohn,  Forsch.  III  p.  7. 

*)  Auvray  2842 :  cum  eos  contingat  cum  suis  mercimoniis  ad  partes  Gallicanas 
accedere  et  aliquamdiu  ibi  commorari. 

*)  Näheres  in  meiner  Abhandlung:  Ein  ital.  Kursbericht  von  der  Messe  von 
Troyes  in :  Zeitschr.  f.  Social-  u.  Wirtschaf tsgesch.  V  (1897),  248  ff. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        359 

Wiedererlangung  von  Waren  oder  Geld,  die  in  Frankreich  oder*  sonst  einem 
Gebiet  jenseits  der  Alpen  zurückgehalten  würden,  für  erforderlich  erachteten.^) 

284.  Geraume  Zeit  haben  die  transalpinen  Handelsbeziehungen 
von  Florenz  hinter  denen  von  Siena  zurückgestanden.  Daß  solche 
bestanden,  hat  uns  jener  Vertrag  mit  Wilhelm  von  Montf errat  vom 
Jahre  1178  gezeigt;  auf  solchen  wird  es  auch  zum  Teil  beruhen,  daß 
Florenz  zur  selben  Zeit  einen  Freundschafts-  und  Handelsvertrag  mit 
Piacenza  hatte,  an  dessen  Aufrechterhaltung  ihm  viel  gelegen  war. 

Als  im  Jahre  1181  placentinische  Kaufleute  auf  dem  Gebiet  von 
Florenz  durch  den  Markgrafen  von  Ancona,  Konrad  von  Lützelhard  (La- 
tinerius),  ausgeplündert  wurden,  schickte  Florenz  sogleich  den  Oberto  Ber- 
gognone  als  Gesandten  nach  Piacenza,  der  auch  am  12.  Dezember  die  erneute 
Zusicherung  sicheren  Geleites  für  alle  Florentiner  und  ihre  Waren  im  Ge- 
biet von  Piacenza  erlangte,  wogegen  er  dem  Ersatz  des  Schadens  durch  Er- 
hebung eines  Zuschlagszolls  von  den  Florentinern  in  Höhe  von  1  sol.  imp. 
von  jeder  Tasche  und  des  Doppelten  von  jedem  Warenballen 2)  zustimmte; 
im  übrigen  sollte  der  bestehende  Vertrag  in  Kraft  bleiben.  Über  50  Jahre 
hindurch  bleiben  aber  in  der  Folgezeit  die  Nachrichten  über  solche  Handels- 
beziehungen der  Florentiner  noch  sehr  spärlich.  Im  Jahre  1217  hören  wir 
von  einem  Zoll,  der  an  der  La  Futastraße  bei  Pietramala  von  Warenballen 
und  Lasten  erhoben  wurde,  die  von  jenseits  der  Alpen  (de  ultramonte) 
kommend  in  der  Richtung  auf  Florenz  passierten  s) ;  zu  gleicher  Zeit  etwa 
sehen  wir  florentinische  Kaufleute  bei  einer  Anleihe  beteiligt,  die  der  Bischof 
Walther  von  Chartres  an  der  Kurie  vorwiegend  bei  römischen  Kaufleuten 
aufgenommen  hatte.  *) 

•  285.  Seit  dem  4.  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts  aber  fließen  die  Quellen 
reichlich.  Es  deutet  auf  den  Verkehr  der  Florentiner  auch  mit  der  Cham- 
pagne, wenn  sie  1232  mit  römischen  und  sienesischen  Kaufleuten  zusammen 
als  Gläubiger  des  Bischofs  des  benachbarten  Verdun  erscheinen.  &)  Wenig 
später  führten  über  die  unredliche  Geschäftsgebahrung  eines  Florentiners, 
des  Tiniosus,  vornehme  römische  Bürger,  die  sich  mit  ihm  in  eine  Handels- 
gesellschaft eingelassen  hatten,  lebhafte  Klage;  in  Frankreich  und  England 
habe  er  Schulden  kontrahiert,  die  sie  hätten  bezahlen  müssen;  er  selbst 
entziehe  sich  der  Rechenschaftslegung  und  jeder  Zahlung  durch  allerlei  Aus- 
flüchte —  so  habe  er  seine  Güter  zum  Schein  verschenkt  und  zum  Schein 
das  Kreuz  genommen.  Im  Interesse  der  Geschädigten  wandte  sich  der  Papst 
schließlich  im  Februar  1234  an  den  Bischof  von  Troyes,  den  französischen 
König  und  den  Grafen  der  Champagne,    damit   diese  endlich   den  betrüge- 

')  »pro  providendis  negociis  mercantiae  et  eorum  suppositorum  et  avere  vel 
pecunia  ipsorum  recuperanda  vel  rehabenda  in  Francia  vel  ultra  montes  detenta«. 
Zdekauer,  Constituto  I  rub.  486  p.  174.  Die  uns  vorliegende  Redaktion  der  Statuten 
ist  zwar  erst  von  1262;  da  aber  in  dieser  Rubrik  vom  Imperator  die  Rede  ist,  so 
rührt  sie  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  der  Zeit  Friedrichs  IL  her. 

*)»...  de  unaqua({ue  tascha  (in  erster  Linie  diente  sie  der  Mitführung  von 
Barmitteln,  war  also  das  Hauptgepäck  der  Geldwechsler)  und  de  unoquoque  torsello*. 
Poggiali  IV,  337.  Bezugnahme  auf  den  Vertrag  im  Statut  von  Piacenza  ca.  1182 
bei  Boselli  I,  333.     Davidsohn  I,  565. 

«)  Schiedspruch  vom  3.  Mai  1217;  Davidsohn  Forsch.  III,  2  no.  4. 

*)  Am  16.  Januar  1219  bezeugt  der  Papst  die  Ernennung  eines  Prokurators 
des  Bischofs  für  seinen  Prozeß  mit  den  Gläubigern.   Pressutti  1802.    Davidsohn  I,  798. 

»)  Auvray  998. 


360  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

rischen  Florentiner  zur  Befriedigung  zwängen,  i)  Von  anderen  florentinischen 
Kaufleuten  hören  wir,  daß  sie  damals  in  Frankreich  in  den  Ruf  der  Ketzerei 
geraten  waren.  2)  Doch  das  waren  einzelne  Vorkommnisse,  die  nicht  hin- 
derten, daß  die  Kurie  gerade  in  dieser  Zeit  den  Florentinern  ihre  ganz  be- 
sondere Gunst  zuwandte  und  sie  bei  der  Verfolgung  ihrer  Handelsinter- 
essen in  Frankreich  in  jeder  Beziehung  zu  fördern  suchte.  Im  Jahre  1235 
brachten  sie  bei  Gregor  IX.  ähnliche  Beschwerden  vor  wie  die  Sienesen; 
außerdem  aber  klagten  sie  namenthch  darüber,  daß  die  Kreuzzugsprediger 
allen  denen,  die  das  Kreuzzugsgelübde  ablegten,  eine  vierjährige  Stundung 
aller  ihrer  Schulden  gewährten.  Der  Papst  willfahrte  ihren  Bitten;  er  be- 
lehrte am  11.  September  die  Kreuzzugsprediger,  daß  diese  Stundung  nur 
gegenüber  jüdischen  Gläubigern  zulässig  sei.  3)  Dabei  war  es  freilich  sehr 
übel,  daß  der  Papst  erst  im  April  desselben  Jahres  an  den  König  und  den 
Grafen,  alle  französischen  Barone,  die  Gräfin  von  Flandern  und  den  Edlen 
von  Montfort  Schreiben  gerichtet  hatte,  wonach  sie  nicht  zulassen  sollten, 
daß  die  crucesignati  zur  Bezahlung  ihrer  Schulden  von  den  Gläubigern 
binnen  einer  Frist,  die  erst  3  Jahre  nach  dem  Beginn  des  von  der  Kirche 
festzusetzenden  generale  passagium  ablaufen  sollte,  gezwungen  würden *); 
daß  er  ferner  allen  Erzbischöfen  und  Bischöfen  befohlen  hatte,  kirchliche 
Zensuren  anzuwenden,  damit  die  crucesignati  von  einem  etwaigen  eidlichen 
Versprechen,  Zinsen  zu  zahlen,  gelöst  würden  und  Zinsen,  die  sie  schon 
gezahlt  hätten,  zurückerhielten.  5)  In  seinem  Bestreben,  den  Florentinern 
zu  nützen,  empfahl  sie  der  Papst  ferner  in  einem  besonderen  Schreiben  vom 
13.  September  an  den  Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris,  das  allen  französischen 
Bischöfen  und  Prälaten  mitgeteilt  wurde,  seinem  Schutze,  indem  er  zugleich 
verbot,  sie  auf  Grund  päpstlicher  Briefe  außerhalb  der  Diözesen  Paris,  Meaux, 
Chalons  und  Langres  vor  Gericht  zu  ziehen,  falls  nicht  besondere  Gründe 
dafür  vorlagen.  6)  Und  als  die  Sienesen  jenes  ihren  Gerichtsstand  betreffende 
Dekret  an  die  mittelfranzösischen  Bischöfe  vom  26.  November  desselben 
Jahres  erwirkt  hatten,  wurde  nur  einen  Tag  später  ein  entsprechendes  De- 
kret auch  zugunsten  der  Florentiner  an  den  Erzbischof  von  Reims  und 
die  Bischöfe  von  Paris  und  Arras  gerichtet '^) ,  woraus  hervorgeht,  daß  der 
florentinische  Handel  damals  auch  schon  in  den  nördlicheren  Gegenden 
Frankreichs  von  Bedeutung  war.  Aber  bald  erneuten  sich  die  Klagen  der«, 
florentinischen  Kaufleute ;  vielfach  vermöchten  sie  von  ihren  Schuldnern  imBI 
französischen  Königreich,  obwohl  die  Zahlungsfrist  längst  verstrichen  sei, 
keinerlei  Befriedigung  zu  erlangen ;  um  zu  ihrem  Gelde  zu  kommen,  müßten 
viele  von  ihnen  soviel  Mühe  und  Kosten  aufwenden,  daß  sie  völliger  Ver- 
armung anheimfielen.  Auf  diese  Klagen,  die  Florenz  amtlich  durch  besonderOj 
Briefe  und  Boten  bei  Gregor  IX.  vorbrachte,  verfügte  der  Papst  am  28.  Fe|^ 
bruar  1237  an  seinen  Sekretär  Benedictus  de  Guarcino,  den  er  hauptsächlicl 


•    ^)  .  .  .  ne  Jura  subveniant  decipientibus,  sed  deceptis.     Ebd.  1760 — 1762 

2)  Ebd.  2216  (20.  Nov.  1234  betr.  die    flor.  Kauft.  Feriabante  u.  Capsus),    2221 
(23.  Nov.  betr.  Accurri  Aldebrandini,  der  sich  aufs  ängstlichste  bedacht  zeigt,  jede 
Verdacht  ketzerischen  Verkehrs  von  sich  abzuweisen ;  vgl.  3006.) 

s)  Ebd.  2765.     Davidsohn  Forsch.  III  p.  5. 

*)  Auvray  2512—2517  ;  vgl.  noch  2745.     Von  den  Juden  war  dabei  mit  keine 
Wort  die  Rede. 

6)  Ebd.  2511.    Hier  heißt  es  am  Schlüsse,  daß  die  Juden  gezwungen   werde 
sollten,  den  Erlös  von  Pfändern  auf  das  Schuldkapital  anzurechnen. 

«)  Ebd.  2764,  2766.     Gottlob,  Prälatenanleihen  p.  358  f. 

')  Auvray  2857. 


1 
1 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       361 

wegen  dieser  Angelegenheit  nach.  Frankreich  geschickt  hatte,  daß  er  alle  der 
geistlichen  Jurisdiktion  unterstehenden  Schuldner  zu  unverzüglicher  Zahlung 
an  die  Florentiner  oder  zur  Entsendung  besonderer  Prokuratoren  zu  ihrer 
Rechtfertigung  an  die  Kurie  zu  veranlassen  habe;  gleichzeitig  schrieb  er  an 
den  König  von  Frankreich  und  den  Grafen  der  Champagne,  dafür  zu 
sorgen,  daß  ihre  Untertanen  mit  der  Bezahlung  dieser  Schulden  weiter  keine 
Schwierigkeiten  machten ;  auch  an  die  Statthalter  (balivi)  des  Königs  rich- 
tete er  entsprechende  Schreiben,  i)  Ein  halbes  Jahr  darauf  empfahl  der 
Papst  nochmals  die  florentinischen  Kaufleute  dem  besonderen  Schutze  des 
Grafen  Thibaut,  da  sie  mancher  Unbill  von  selten  seiner  Untertanen  aus- 
gesetzt seien  und  sich  nicht  voller  Sicherheit  in  seinem  Gebiete  zu  erfreuen 
hätten. 2)  Aber  alles  schien  vergeblich;  insbesondere  hielten  die  »cruce- 
signati«,  die  also  gerade  bei  florentinischen  Geldleihern  besonders  häufig 
Vorschüsse  erhalten  haben  müssen,  an  ihrem  vermeintlichen  Anrecht  auf 
längere  Stundung  fest.  Am  23.  März  1238  wandte  sich  der  Papst  wiederum 
mit  lebhaften  Vorstellungen  an  den  Grafen  von  Champagne,  den  französi- 
schen König  und  verschiedene  Bischöfe;  schon  hätten  die  Florentiner,  um 
ihr  Geld  wieder  zu  erlangen,  soviel  Mühe  und  Kosten  ohne  jeden  Nutzen 
aufgewandt,  daß  sie  in  ihrer  Verzweiflung  über  die  Erfolglosigkeit  jedes 
Rechtsmittels  sich  schon  berechtigt  glaubten,  nun  auch  jedes  unrechte  Mittel 
anzuwenden,  um  zu  ihrem  Gelde  zu  kommen.  3)  König  und  Graf  sollten 
nunmehr  endlich  für  Zahlung  durch  die  Schuldner,  soweit  sie  Laien  seien, 
sorgen;  er  habe  dem  Nachfolger  Benedikts,  dem  schon  in  Paris  weilenden 
Kanonikus  von  Treviso,  Warnacius,  befohlen,  nunmehr  die  kirchlichen  Vor- 
gesetzten der  mit  der  Zahlung  noch  rückständigen  crucesignati ,  falls  sie  die 
Schuldner  nicht  binnen  4  Monaten  nach  ergangener  Mahnung  zur  Zahlung 
veranlaßt  oder  die  Sache  beim  Papst  anhängig  gemacht  hätten,  selber  zur 
Zahlung  der  betreffenden  Summen  zu  zwingen.  4) 

Das  scheint  nun  doch  einigermaßen  gefruchtet  zu  haben.  Am  12.  April 
schreibt  der  Papst  an  den  Archidiakon  von  Rouen,  Magister  Hugo  von  Pisa, 
er  möge  dafür  sorgen,  daß  gewisse  Vereinbarungen,  die  nunmehr  zwischen 
Gläubigern  und  Schuldnern  zustande  gekommen  seien ,  auch  beobachtet 
würden;  und  es  erscheint  wie  ein  Nachklang  jener  allgemeinen  Rekla- 
mationen, wenn  der  Papst  am  1.  April  des  folgenden  Jahres  den  Grafen 
Thibaut  auffordert,  die  Zahlung  einer  bestimmten  Summe  an  florentinische 
Kaufleute  zu  veranlassen.^) 

286.  Gerade  damals  hatten  die  Sienesen  den  Zorn  des  Papstes  zu  emp- 
finden; es  mußte  dem  Fortbetrieb  des  florentinischen  Geldgeschäftes  in 
Frankreich  wesentlich  förderlich  sein,  daß  die  Florentiner  ihrer  politischen 
Haltung  wegen  fortdauernd  in  der  Gunst  des  Papstes  blieben,  zumal  als 
Innocenz  IV.  selber  seine  Residenz  wegen  des  Kirchenstreites  nach  Lyon 
verlegte.  Zeugnisse  dieser  Tätigkeit  sind,  daß  der  florentinische  Kaufmann 
Benchius   GualduchiF,   Sozius   des   D.  Johannes   Gualfredi   von  Florenz,    als 


')  Ebd.  3534 — 3537 ;  am  10.  Februar  hatte  er  den  französischen  Bischöfen  be- 
fohlen, wegen  verschiedener  Schandtaten  der  crucesignati  einzuschreiten.  3502. 

')  DavidHohn,  Forsch.  III,  5  no.  16  (27.  August).  Auch  von  Bourquelot  I,  183 
schon  erwähnt,  aber  zum  September  1237. 

")  >.  .  .  affecti  taedio  et  quasi  de  juris  auxilio  desperati  fas  reputant,  quod- 
cunque  nefas  adhibeant  ad  inveniendum  super   hoc   sibi   remedium   opportunum.c 

*)  Davidsohn  Forsch.  III,  6  no.  19.   Jubainville  V,  360  no.  2448.    Potth.  10547. 

*)  Davidsohn  1.  c.  und  Bourquelot  I,  184. 


362  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Bevollmächtigter  des  Kardinals  Rainerius  Im  Dezember  1244  zu  Troyes  dem 
Bevollmächtigten  des  Königs  von  Navarra  (Grafen  Thibaut)  über  den  Emp- 
fang einer  Summe  von  200  1.  prov.  quittiert;  daß  der  Papst  im  Jahre  1248 
für  Manettus  Alberti,  der  bezüglich  seiner  Geldforderung  an  den  Rektor  der 
Kirche  der  hl.  Radegunde  (Poitiers)  ein  obsiegendes  Urteil  an  der  Kurie  er- 
stritten hatte,  an  den  Bischof  von  Poitiers  das  Gebot  ergehen  ließ,  das  Urteil 
auszuführen  1) ;  daß  er  am  17.  Februar  1249  den  Abt  von  S.  Jacob  zu  Pro- 
vins  zum  Einschreiten  gegen  den  Bischof  von  Palencia  aufforderte,  der  im 
Jahre  zuvor  in  Lyon  bei  den  Florentinern  Folcarinus  Jacobi ,  Jacobus 
Scambii  und  ihren  Sozii  ein  auf  der  Aigulfs-Messe  von  Provins  fälliges  Dar- 
lehn aufgenommen  hatte,  seiner  Verpflichtung  aber  nicht  nachgekommen  war.2) 
Darlehn  der  Florentiner  an  weltliche  Große  Frankreichs  kennen  wir 
aus  dieser  Zeit  nicht;  doch  begleiteten  auch  florentinische  Geldleute  das 
Kreuzheer  König  Ludwigs  und  fünf  von  ihnen  streckten  im  Lager  vor  Da- 
miette  im  November  1249  dem  Ritter  Guillaume  de  Chauvigny  eine  Summe 
vor,  die  nach  Anweisung  des  Königs  das  Schatzamt  im  Temple  zu  Paris 
zur  Zeit  der  nächsten  Johannismesse  von  Troyes  mit  400  1.  tur.  zu  erstatten 
hatte,  f')  Auch  die  Tratten  der  lateinischen  Kaiserin  Maria,  die  im  Mai  1249 
durch  zwei  Florentiner,  die  Bürger  von  Konstantinopel  geworden  waren, 
präsentiert  wurden,  haben  hier  ihre  Einlösung  gefunden.  4) 

287.  Abgesehen  von  diesen  Geldleihgeschäften  besitzen  wir  auch  für 
den  rein  kaufmännischen  Geldverkehr  der  Florentiner  auf  und  mit  den 
Messen  der  Champagne  aus  dieser  Zeit  eine  Reihe  von  Belegen.  Dem  Flo- 
rentiner Dietaiuti  Ranieri  Ambrosii  und  seinen  sieben  genannten  Sozii  wird 
am  19.  Juni  1235  auf  der  Messe  zu  Provins  von  der  Handelsgesellschaft  des 
Francesco  Galitiani  von  Pistoja  auf  Grund  eines  Darlehns  ein  Wechsel  über 
153^4  1-  prov.  auf  die  nächste  der  Champagner  Messen  ausgestellt;  fünf 
andere  Florentiner  sind  als  Zeugen  zugegen.  Li  Bologna  kaufte  am  27.  Mai 
1243  der  Florentiner  Clarissimus  Jacobi  de  Aloco  von  Bolognesen  einen 
Wechsel  über  700  1.  prov.  auf  die  nächste  Johannismesse  von  Troyes,  zahl- 
bar an  ihn  selbst  oder  seinen  Sozius  Clarissimus  Falconerii  oder  Order ;  und 
am  8.  März  1246  war  derselbe  Clarissimus  wiederum  in  Bologna  für  den  Be- 
trag von  400  1.  prov.  Wechselnehmer  auf  die  Messe  von  Bar.  0) 

Sicher  stehen  diese  Wechselgeschäfte  der  Florentiner  mit  ihrem  Waren- 
handel nach  und  von  den  Messen  in  engstem  Zusammenhang.  Es  ermög- 
licht einen  Rückschluß  auf  den  relativen  Umfang  desselben,  daß  unter  den 
Teilnehmern  an  jener  toskanischen  Karawane,  die  im  Sommer  1242  auf 
ihrem  Wege  nach  der  Champagne  von  Placentinern  überfallen  wurde,  die 
Florentiner  an  erster  Stelle  genannt  werden ;  sie  waren  es  auch,  die  in  erster 
Linie  die  Sache  der  Geschädigten  vor  dem  Grafen  und  seinem  Vertreter 
führten.  6) 


1)  Davidsohn,  Forsch.  III,  8  no.  25.     Berger  3921  (Lyon  14.  Febr.). 

^)  Berger  4642.  Derselbe :  Saint-Louis  etc.  p.  112.  Rodenberg  II  p.  544,  A.  2. 
Bourquelot  I,  185  (mit  dem  Irrtum  Palestrina  für  Palencia).  Die  licentia  mutuandi 
für  den  electus  Fal.  vom  7.  Mai  1247 :  Berger  2728 ;  dazu  2775.  Ein  weiteres  Bei- 
spiel von  1250,  wo  Arengus  Abadingi  und  Comp.  Gläubiger  sind,  ebd.  5364. 

^)  Layettes  no.  3821,  3823.  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in  Conrads  Jahrb. 
73  p.  620. 

')    Oben  S.  270. 

*)  Davidsohn  Forsch,  ni,  p.  3  ff.,  no.  11,  23,  30. 

8)  Ebd.  p.  7  f.  no.  24. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.       363 

Wenig  später  sehen  wir  auch  die  Florentiner  für  diesen  Handel  den 
Weg  über  Marseille  wählen,  i)  Am  20.  März  1248  gewähren  Riccurus  Oli- 
varii  und  Tenchenerius  Garnerii,  die  auf  dem  Wege  nach  der  Messe  von 
Bar  begriffen  sind,  dem  Aretiner  Azatus  Rainerii  ein  auf  dieser  Messe  rück- 
zahlbares Darlehn  von  20  1.  tur.,  während  dieser  ihnen  für  die  Reise  ein 
Reitpferd  borgt,  für  das  die  Florentiner,  falls  es  unterwegs  eingehen  sollte, 
nach  seinem  auf  12  1.  tur.  abgeschätzten  Werte  Ersatz  zu  leisten  versprachen. 
Und  am  28.  Juli  1248  übernahm  Riccus  Boneguide  Bardi ,  ein  Angehöriger 
des  späteren  Welthauses,  in  Marseille  Bürgschaft  für  die  Innehaltung  der 
Abmachungen,  die  mehrere  Kaufleute  aus  kleineren  Orten  Toskanas  für  die 
kommende  September-Messe  von  Provins  und  kalte  Messe  von  Troyes  un- 
tereinander getroffen  hatten.  2) 

Auf  einen  umfangreichen  Warenverkehr  von  den  Messen  her  aber 
deutet  es,  daß  der  Florentiner  Enguelmerius  Mainerii  für  seine  Gesellschaft 
im  Juli  1248  mit  Sienesen  und  Pistojesen  an  der  Miete  jener  zwei  armierten 
Galeeren  für  die  Fahrt  Arles — Marseille — Pisa  beteiligt  ist,  während  sein 
Landsmann  Jacobus  Riccomanni  zugleich  im  Namen  seines  Sozius  Jacobus 
Pretorssi  schon  im  Frühjahr  (19.  März)  die  armierte  Galeere  Boreata  für  die 
gleiche  Fahrt  gechartert  hatte,  s) 

288.  Unter  den  kleineren  Kommunen  Toskanas  war  Pistoja 
verhältnismäßig  stark  am  französischen  Handel  beteiligt. 

Am  29.  Mai  1248  sind  in  Marseille  drei  Doppelwechsel  ausgestellt 
worden,  durch  die  sich  Anseimus  Clarenti  und  Albertus  Donosdei  von  Pistoja, 
die  auf  der  Handelsreise  von  Pisa  her  nach  der  Champagne  begriffen  waren, 
den  Bezug  einer  Wechselsumme  von  800  1.  prov.  von  drei  sienesischen 
Handelsgesellschaften  auf  der  Maimesse  von  Provins  gesichert  haben. 4)  An 
der  Miete  der  erwähnten  beiden  Marseiller  Galeeren  zum  Warentransport 
von  Arles  nach  Pisa  im  Sommer  1248  war  Olrigo  Delchantor  von  Pistoja 
zu  einem  Drittel  beteiligt s);  ebenso  hatten  Pistojesen  auch  an  jener  großen 
Meßkarawane  Anteil,  die  im  Sommer  1242  von  Placentinern  überfallen 
wurde. 

Um  kleine  Leute,  wie  sie  offenbar  auch  vielfach  von  Italien  nach 
Frankreich  gingen,  um  dort  ihr  Glück  zu  versuchen,  handelt  es  sich  endlich 
in  dem  Marseiller  Kontrakt  vom  28,  Juli  1248,  nach  dem  die  Pistojesen 
Olricus  Dulcisamor  und  Rainaldus  Enguilberti  von  Guecho  Ugolino  von 
Prato  und  seinem  Sozius  Azatus  von  Arezzo  je  einen  Wechsel  über  16 
und  10  1.  tur.,  auf  die  Zahlzeit  der  nächsten  S.  Aigulf-Messe  lautend,  kaufen 
und  sich  gleichzeitig  verbürgen  lassen,  daß  ihnen  die  Wechselgeber  auf 
dieser  Messe  je  ein  Darlehn  in  gleicher  Höhe  bis  zur  nächstfolgenden  Messe, 
der  Wintermesse  von  Troyes,  gewähren  wollen.  Unter  den  Zeugen  ist  ein 
weiterer  Kaufmann  aus  Pistoja:  Foresius  Bondia  und  einer  aus  Prato: 
Deodat  Rustichello.  ß) 

')  Am  21.  Januar  1246  schreibt  Innocenz  IV.  aus  Lyon,  er  hätte  gern  Ge- 
sandte an  sie  geschickt ;  es  sei  aber  nicht  möglich  gewesen  »quod  viae  non  solum 
dubiae,  sed  horrendis  etiam  sint  periculis  impeditae.«     Santini  p.  492. 

«)  Amalric  no.  74,  75 ;  1028,  1029. 

8)  Ebd.  no.  1000,  1001 ;  57. 

*)  No.  816  f.,  821  f.,  825  f.  Den  Meßwechsel  der  Gesellschaft  Galitiani  von 
1235  8.  §  287. 

6)  Ebd.  1000  f. 

«)  Ebd.  1028  f.,  vgl.  926. 


364  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Auch  San  Gimignano  stellte  zum  Handelsverkehr  mit  Frankreich 
sein  Kontingent.  Aus  einem  Zivilprozeß,  in  den  zwei  frühere  Sozii  aus 
diesem  Ort,  Andrea  und  Ildebrandino,  1221  miteinander  gerieten,  ergibt 
sich,  daß  Andrea  im  Jahre  1219  mit  Waren  der  Handelsgesellschaft  über 
Pisa  nach  Frankreich  gegangen  war,  daß  insbesondere  die  »feriae  de  Landi« 
sein  Reiseziel  gewesen  i), .  und  daß  er  mit  wertvollen  Tuchen  nach  Pisa  und 
San  Gimignano  zurückgekehrt  ist. 

So  wichtig  danach  Pisa  als  häufiger  Ausgangspunkt  toskanischer  Han- 
delsreisen nach  dem  Innern  Frankreichs  und  den  Messen  erscheint  —  die 
Pisaner  selber  waren  an  diesem  Landhandel  nur  in  geringem  Maße  be- 
teiligt. Zwar  weist  der  Umstand,  daß  der  Pisaner  Waleranus  de  Casanova  1191 
vor  Accon  mehreren  französischen  Rittern  Darlehn  im  Betrage  von  350  Mark 
Silbers  gewährte,  für  deren  Rückerstattung  Bischof  Philipp  von  Beauvais 
Bürgschaft  übernahm 2),  auf  den  frühen  Verkehr  von  Pisanern  in  Frankreich 
hin;  später  aber  treten  sie  ganz  zurück;  nur  an  jener  1242  von  Placentinern 
Überfallenen  Meßkarawane  werden  auch  Pisaner  als  beteiligt  genannt,  aber, 
und  das  ist  sicher  nicht  zufällig,  neben  Florentinern,  Sienesen,  Pistojesen, 
Lucchesen  auch  nur  an  letzter  Stelle.  3) 

289.  Wenn  es  bei  Lombarden  und  Tüskanern  unzweifelhaft  ist, 
daß  sie  zunächst  der  Warenhandel  nach  Frankreich  geführt  hat,  so 
gilt  das  nicht  von  den  Römern,  die  erst  im  13.  Jahrhundert  auf 
dem  Schauplatz  des  französischen  Handels  nachzuweisen  sind.^)  Für 
den  Außenhandel  ursprünglich  von  sehr  geringer  Initiative,  sind  sie 
durch  die  kurialen  Prälatenanleihen,  die  naturgemäß  zuerst  bei  den 
Geldleuten  von  Rom  selbst  aufgenommen  wurden,  auch  in  die  Ferne 
geführt  worden,  besonders  als  es  mehr  und  mehr  üblich  wurde,  diese 
Darlehnsschulden  auf  eine  der  Messen  der  Champagne  abzustellen. 

Dieser  Brauch  hat  sich  sehr  früh  auch  auf  die  benachbarten  deutschen 
Gebiete  ausgedehnt;  der  Zufall  will,  daß  gerade  Fälle  dieser  Art  die  ältesten 
bisher  nachweisbaren  sind:  der  Bevollmächtigte  des  Erzbischofs  von  Mainz, 
Siegfried  von  Eppenstein,  hat  im  Jahre  1209  bei  dem  römischen  Kaufmann 
Gerhardus  Johannis  de  Nicoiao  und  einem  Bolognesen  auf  einen  Kreditbrief 
des  Erzbischofs  ^ hin  eine  Summe  aufgenommen,  die  auf  der  nächsten  Messe 
von  Bar,  14  Tage  vor  Ostern,  mit  150  M.  Silber  Kölnisch  erstattet  werden 
sollte,  und  ähnliche  auf  eine  der  Messen  abgestellte  Schuldurkunden  für 
römische  Bürger  finden  sich  bei  dem  Erzstift  Köln  im  2.  und  3.  Jahrzehnt 
des  13.  Jahrhunderts  in  beträchtlicher  Zahl.^)  So  machte  schon  das  bloße 
Einkassieren  der  Schuldsummen  den  häufigen  Besuch  der  Champagner  Messen 
durch  römische  Kaufleute  erforderlich;  es  kam  hinzu,  daß  dies  Geschäft 
sich  häufig  nicht  glatt  abwickelte,  daß  Prolongationen  notwendig  wurden, 
die  in  der  Regel  auch  auf  eine  spätere  Messe  erfolgten,  daß  Teilzahlungen 
auf  eine  Reihe  von  Messen  verabredet  wurden,  daß  Streitigkeiten  entstanden, 

')  Davidsohn  Forsch.  II,  294  und  304,  no.  2802  u.  2321.  Es  ist  mir  zweifel- 
haft, ob  die  Messe  von  Lagny  oder  die  Lenditmesse  von  Paris  gemeint  ist.  ^H 

2)  Bibl.  de  FEcole  des  Charles  V  (1843  f.),  35  f.     Blancmesnil  p.  118.  ^ 

'')  Davidsohn  Forsch.  III  p.  7. 

*)  Doch  erwirkte  schon  1173  oder  1174  ein  Bürger  von  Anagni,  Alagrinus, 
ein  päpstl.  Mandat  an  den  Erzbischof  von  Reims  gegen  2  Bürger  von  Reims  und 
ihren  geistlichen  Bürgen,  um  eine  kuriale  Schuld  von  16  1.  prov.  von  ihnen  ein- 
treiben zu  können.     Migne  200,  946.    J.-L.  12283. 

>)  Seh  unk  ni,  102  f.  no.  4.     S.  §§  274  und  329. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        365 

die  zunächst  oder  auch  auf  päpsÜiche  Anweisung  vor  den  geisthchen  Autori- 
täten an  den  Meßplätzen  selbst  auszutragen  waren.  Auch  direkte  Geld- 
aufnahme auf  den  Messen  selbst  kam  vor;  im  Jahre  1222  bat  Erzbischof 
Engelbert  von  Köln  den  Abt  von  S.  Lupus  in  Troyes  um  seine  Vermittelung 
behufs  Aufnahme  einer  neuen  Anleihe  bei  einer  römischen  Gesellschaft; 
alle  Abmachungen,  die  er  mit  dieser,  auch  bezüglich  ihrer  älteren  Guthaben, 
treffen  würde,  werde  er  ohne  weiteres  anerkennen,  i)  Danach  müssen  wir 
annehmen,  daß  die  hervorragenden  unter  den  römischen  Geldleuten  in 
dieser  Zeit  schon  ständig  ihre  Vertreter  auf  den  Messen  der  Champagne 
gehabt  haben. 

290.  Aber  auch  der  französische  Klerus  fehlte  in  der  Schuldnerliste 
der  römischen  Kaufleute  nicht.  Der  Bischof  von  Viviers,  der  bei  einem 
Konsortium,  das  aus  den  Römern  Gregorius  Alexii,  Petrus  de  Centio,  Petrus 
de  Bove  und  Matthaeus  Johannis  Darie  und  einer  Anzahl  Sienesen  bestand, 
Geld  auf  eine  der  Messen  aufgenommen  hatte,  sollte  laut  Mandat  des  Papstes 
an  den  Abt  von  S.  Lupus  in  Troyes  vom  23.  Dezember  12172)  gemäß  der 
Entscheidung  einer  päpstlichen  Kommission  eventuell  durch  kirchhche  Zen- 
suren zur  Zahlung  gezwungen  werden,  während  wir  den  Bischof  von  Chartres 
im  Januar  1219  noch  im  Streit  mit  den  römischen  Kaufleuten  Angelus 
Johannis  Judei,  Jacobus  Scarsus  und  ihren  Sozii  über  ihre  Geldforderungen 
sehen.  3)  Am  10.  August  1218  hat  der  Abt  von  S.  Remi  in  Reims  ein  Meß- 
darlehn  bei  römischen  Kaufleuten  aufgenommen;  und  auch  das  Kloster 
S.  Riquier  stand  bei  solchen  in  Schuld;  wenigstens  behauptete  Johannes 
Alexii,  daß  ein  von  dem  römischen  Abt  Oliverius  de  Monte  dem  Vorgänger 
des  gegenwärtigen  Abts  von  S.  Riquier  gewährtes  Darlehn  an  ihn  zu  erstatten 
sei;  der  Papst  schrieb  allerdings  am  8.  August  1219  nach  S.  Riquier,  daß 
Zahlung  erst  nach  Empfang  eines  besonderen  päpstlichen  Mandats  in  dieser 
Sache  zu  leisten  sei. 4)  Unter  den  Gläubigern,  die  den  Bischof  von  le  Puy 
hart  bedrängten,  befanden  sich  auch  die  Römer  Johannes  Girardi  und 
Matthias  Guidonis  Marronis^),  letzterer  mit  Pavesen  und  Lucchesen  assoziiert, 
die  ihm  später  ihre  Gläubigerrechte  abtraten.  Selbst  der  Bischof  der  Geld- 
stadt Gabors,  Wilhelm,  stand  mit  seinem  Domkapitel  in  der  Schuld  einer 
römischen  Gesellschaft,  Juvenalis  Manetti  u.  Comp.;  um  sie  zu  tilgen,  hat 
er  am  27.  März  1230  ein  Darlehn  von  200  Mark  Silbers  aufgenommen,  ß) 

Sehr  wichtig  war  es  natürlich  für  die  römischen  Geldleute,  daß  sie  im 
allgemeinen  bei  ihren  Geldgeschäften  mit  der  fremden  Geistlichkeit,  die  oft 
zugleich  im  finanziellen  Interesse  der  Kurie  lagen,  der  Unterstützung  des 
Papstes  sicher  sein  konnten.  Aber  die  Päpste  waren  auch  sonst  bereit,  die 
römischen  Finanziers  bei  ihren  Geschäften  zu  fördern.  Das  zeigt  der  Fall 
des  Savaricus  de  Malo  Leone  vom  Jahre  1219,  der  in  Rom  bei  dem  Römer 
Philippus  Falconus  und  vier  Sienesen  ein  für  seine  Kreuzfahrt  bestimmtes 
Darlehn  aufnahm,  das  zeigt  auch  noch  die  Art  und  Weise,   wie  Gregor  IX 


»)  Ficker,  Engelbert  341  no.  27.     Vgl.  Schulte  I,  238.     Unten  §  330. 

»)  Pressutti  939. 

»)  Ebd.  1802.     Davidsohn  T,  798. 

*)  Bourquelot  II,  125.     Pressutti  2173. 

»)  Pressutti  5979  f.     Oben  §  278. 

*)  Bourquelot  II,  153;  debitum  quo  tenebamur  Lumbardis,  seil.  Juvenali 
et  eins  societati  etc.  Bei  der  Seltenheit  des  Namens  kann  keine  andere  als  die  ge- 
nannte römische  Handelsgesellschaft  gemeint  sein,  die  uns  ib.  II,  57  und  Auvray 
998  u.  3149  entgegentritt. 


366  Ftinfundzwanzigstes  Kapitel. 

im  Februar  1234  sich  darum  bemühte,  daß  dem  Florentiner  Tiniosus  sein 
betrügerisches  Handwerk  gelegt  wurde,  durch  das  er  mächtige  römische  Vor- 
nehme, den  Ritter  Otto  Manetti  und  seinen  Bruder  Stephan,  schwer  ge- 
schädigt hatte.  1)  Bald  darauf  aber  änderte  sich  die  Sachlage;  ein  voll- 
ständiger Bruch  zwischen  dem  Papste  und  der  Stadt  Rom  trat  ein.  Dem- 
gemäß ließ  der  Papst  am  1.  Juli  1234  von  Rieti  aus  an  sämtliche  Erzbischöfe, 
Bischöfe  und  Prälaten  im  Königreich  Frankreich  das  Mandat  ergehen,  alle 
vor  ihnen  zugunsten  eines  Klerikers  oder  Laien  der  Stadt  Rom  schwebenden 
Sachen  sofort  zu  sistieren ;  bis  auf  weitere  Order  sollte  keine  Forderung  eines 
Römers  beglichen  werden  dürfen ;  die  Berechnung  von  Kosten  und  Schaden- 
ersatz und  Konventionalstrafen  käme  für  die  Dauer  dieser  Sistierung  in 
Wegfall.  2)  Am  5.  Dezember  wandte  sich  der  Papst  an  alle  französischen 
und  spanischen  Bischöfe  mit  der  Bitte,  gegen  die  rebellischen  Römer,  die 
die  kirchliche  Freiheit  umstürzen  wollten,  kriegerische  Hilfe  zu  schicken.  3) 
Zwar  kam  im  April  1235  der  Friede  zwischen  dem  Papst  und  der  Stadt 
zustande  ^) ;  aber  es  scheint  doch,  daß  es  zu  einer  Wiederaufnahme  der  früher 
so  engen  finanziellen  Beziehungen  zwischen  dem  französischen  Klerus  und 
den  römischen  Bankiers  in  größerem  Umfange  nicht  mehr  gekommen  ist  0) ; 
auch  die  Verlegung  des  Sitzes  der  Kurie  nach  Lyon  durch  Innocenz  IV. 
mußte  hierauf  sehr  nachteilig  wirken;  in  die  Lücke  traten  in  erster  Linie 
die  Florentiner  ein. 

291.  Das  Geldgeschäft  mit  den  weltlichen  Großen  Frankreichs  scheinen 
die  römischen  Kaufleute  von  vornherein  weniger  gepflegt  zu  haben;  doch 
wissen  wir,  daß  an  dem  Darlehn  Anseaus  de  Garlande  im  Januar  1219 
römische  Gläubiger  beteiligt  waren  6),  und  daß  Graf  Walther  von  Brienne 
von  dem  Römer  Paulus  Johannis  Mocerii  eine  Summe  erhalten  hatte,  deren 
Erstattung  Gräfin  Bianca  von  Champagne  an  seiner  Statt  übernommen ;  am 
23.  Juli  1222  ist  ein  Mandat  Honorius'  III.  an  seine  Organe  in  Paris  ergangen, 
die  Gräfin  durch  kirchliche  Zensuren  zur  Zahlung  zu  zwingen.'')  In  sehr 
ärgerliche  und  langdauernde  Differenzen  aber  gerieten  römische  Kaufleute 
mit  dem  mündig  gewordenen  Grafen  Thibaut.  Ein  römisches  Konsortium, 
dem  u.  a.  Paulus  Johannis  Parentii,  G.  Alexii,  die  Brüder  Angelus  und  Jo- 
hannes Judaei  und  zwei  Brüder  Alperini,  Petrus  Johannis  und  Angelus,  an- 
gehörten, hatte  eine  größere  Forderung  an  den  Grafen  (super  quadam  summa 
pecuniae  ac  rebus  aliis).    Differenzen  über  dieselbe  wurden  durch  Vergleich 


1)  Eec.  des  Hist.  des  Gaules  XIX,  689.     Auvray  1760  f.     Oben  §  285. 

*)  Auvray  1991. 

'')  Ebd.  2344—2364.  Mit  dem  Bruch  hängt  auch  zusammen,  daß  der  Papst 
am  12.  Oktober  1234  die  Beschlagnahme  von  Einkünften  eines  Kanonikers  von 
Noyon,  die  Honorius  III.  und  er  selbst  einst  wegen  seiner  Geldschuld  an  den  mitt- 
lerweile verstorbenen  Römer  Robertus  dictus  Male  in  Capite  verfügt  hatten,  auf- 
hob; ebd.  2117. 

*)  Ebd.  3018  ff.     Rodenberg  I  p.  520  ff. 

^)  Es  ist  vielleicht  auch  eine  Nachwirkung  jener  Krisis,  wenn  die  Brüder 
Alexius  und  Andreas,  Söhne  des  Petrus  Cencii  de  Lavinia,  in  Gemeinschaft  mit 
ihrem  Neffen  Petrus  am  23.  Juni  1236  einen  Generalbevollmächtigten  in  der  Person 
ihres  Landsmanns  Barth.  Simont  zur  Führung  aller  ihrer  Geschäfte,  insbesondere 
zur  Einziehung  aller  ihrer  Außenstände  jenseits  der  Alpen,  in  Frankreich,  Deutsch- 
land und  England,  bestellen.  Schunk  III,  114  f.  no.  8.  Abschrift  davon  beglaubigte 
ein  Jahr  darauf  der  Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris. 

8)  Bourquelot  U,  125.     Oben  §  277. 

7)  Pressutti  4097. 


Handel  der  Italiener  mit  dem  mittleren  und  nördlichen  Frankreich.        367 

beigelegt,  den  der  Graf  aber  nicht  hielt.  Das  Konsortium  erwirkt  Mandate 
des  Papstes  Honorius  und  nach  dessen  Tode  Gregors  IX.  an  den  Abt  von 
S.  Genovefa  in  Paris,  den  Grafen  zur  Zahlung  zu  zwingen.  Doch  gegen 
das  Vorgehen  des  Abts  erhebt  der  Abt  von  S.  Johann  in  Soissons  mit 
seinen  Kollegen  Einspruch;  er  stützt  sich  auf  andere  früher  vom  Grafen 
erwirkte  päpstliche  Briefe,  die  gegen  das  wucherische  Treiben  gewisser  Kauf- 
leute gerichtet  waren,  die  dem  Grafen  eine  Menge  Zinsen  und  einen  Eid, 
diese  niemals  zurückzufordern,  abgepreßt  hätten.  Der  Papst  aber  verwarf 
den  Einspruch  und  gebot  den  Protesterhebern  vielmehr,  den  Grafen  durch 
Exkommunikation  und  Interdikt  zur  Zahlung  zu  zwingen;  Abt  und  Prior 
von  S.  Genovefa  in  Paris  wurden  am  22.  Juni  1231  mit  der  Überwachung 
der  Ausführung  beauftragt,  i)  Der  Graf  muß  nun  eingelenkt  und  irgend- 
welche Versprechungen  gemacht  haben,  so  daß  die  Sache  in  der  Schwebe  blieb ; 
am  27.  August  1233  bat  der  Papst  den  Grafen  ganz  freundschaftlich,  den 
römischen  Bürger  Jacobus  Scarsus,  der  in  Frankreich  Handel  treiben  wolle, 
in  seinen  besonderen  Schutz  zu  nehmen. 2)  Aber  bald  lief  beim  Papst  eine 
neue  Beschwerde  ein.  Ein  dritter  Bruder  der  Alperini,  der  in  der  Cham- 
pagne tätig  war,  hatte  einem  vermeintlichen  Prokurator  des  Bischofs  von 
Laon  auf  Grund  gefälschter  Schriftstücke  ein  Darlehn  gegeben ;  Bevollmäch- 
tigte des  Bischofs  hatten  ihn  dann  vor  dem  gräflichen  Gericht  auf  Heraus- 
gabe aller  diese  Sache  betreffenden  Dokumente  verklagt.  Da  er  sich  wei- 
gerte, das  ohne  irgendwelchen  Ersatz  zu  tun,  zwangen  ihn  die  gräflichen 
Beamten,  vor  dem  Grafen  zu  erscheinen ;  und  dieser,  der  Rache  nehmen 
wollte  dafür,  daß  die  Brüder  Alperini  bisher  ihr  Recht  so  hartnäckig  gegen 
ihn  verfochten,  ließ  ihn  mit  eisernen  Ketten  fesseln  und  gefangen  setzen 
und  erpreßte  durch  die  Drohung,  ihn  hängen  zu  lassen,  1000  1.  prov.  für 
sich  und  200 1.  für  seinen  Staatsrat  von  ihm,  indem  er  ihn  außerdem  zwang, 
Kaution  dafür  zu  stellen,  daß  er  das  Geld  nicht  zurückfordern  würde.  Der 
Papst  griff  die  Sache  energisch  an;  am  20.  Dezember  1233  gebot  er  dem 
Grafen,  das  erpreßte  Geld  unverzüglich  zurückzugeben  und  Schaden  und 
Kosten  zu  ersetzen;  gehorche  er  nicht,  so  sei  der  Bischof  von  Beauvais,  an 
den  gleichzeitig  ein  entsprechendes  Mandat  erging,  autorisiert,  ihn  zu  ex- 
kommunizieren und  seinen  Aufenthaltsort  mit  dem  Interdikt  zu  belegen. 
Am  selben  Tage  noch  bat  der  Papst  den  König  und  die  Königin  von  Frank- 
reich unter  Hinweis  darauf,  daß  die  Geschädigten  zu  den  Mächtigsten  in 
der  Stadt  gehörten  und  daß  viele  Franzosen  nach  Rom  kämen,  ihren  Ein- 
fluß in  dieser  Sache  beim  Grafen  geltend  zu  machen;  ebenso  wurden  die 
Erzbischöfe  von  Reims  und  Sens  und  viele  weltliche  Großen  Frankreichs 
aufgefordert,  im  Sinne  des  Papstes  tätig  zu  sein.  3)  Am  13.  Januar  1234 
erneuerte  der  Papst  auch  die  Forderung  an  den  Grafen,  seine  alte  Schuld 
an  das  römische  Konsortium  endlich  zu  tilgen.  '^)  Indessen  hatte  der  Bischof 
von  Beauvais  das  Verfahren  gegen  den  Grafen  eingeleitet  und  schließlich, 
da  der  Graf  hartnäckig  blieb,  die  angedrohten  kirchlichen  Strafen  über  ihn 
verhängt.  5)  Nun  aber  kam  im  Sommer  1234  der  Bruch  des  Papstes  mit 
Rom,  und  die  verhängten  kirchlichen  Strafen  wurden   unter  nichtigen  Vor- 


»)  Auvray  675  ;  dazu  3222. 

«)  Potthast  9282.     Jubainville,    Comtes   de   Champ.   V,   329  no.  2277.     Bour- 
quelotl,  183. 

3)  Auvray  1639—1644.     Jubainville  V,  331  no.  2289. 

*)  Bourquelot  I,  184. 

*)  Ergibt  sich  aus  Auvray  3222  f. 


368        Fünfundzwanzigstes  Kapitel.     Handel  der  Italiener  mit  Frankreich. 

wänden  widerrufen.  Nach  Herstellung  des  Friedens  im  April  1235  indessen 
drangen  die  Brüder  von  neuem  in  den  Papst,  ihnen  zu  ihrem  Rechte  zu 
verhelfen  und  verlangten  vor  allem  Aufhebung  jenes  Widerrufs.  Der  Papst 
fühlte  sich  in  um  so  mißlicherer  I^age,  als  Graf  Thibaut  mittlerweile  das 
Kreuz  genommen  hatte.  Wie  um  einem  etwaigen  energischen  Vorgehen 
gegen  den  Grafen  von  vornherein  die  Spitze  abzubrechen,  gewährte  ihm  der 
Papst  am  10.  Oktober  1235,  daß  niemand  Exkommunikation  oder  Interdikt 
über  ihn  oder  sein  Land  ohne  besonderen  päpstlichen  Auftrag  verhängen 
dürfe,  bis  sichere  Kunde  von  seiner  Rückkehr  oder  seinem  Tode  eingetroffen 
sei,  vorausgesetzt,  daß  er  bereit  sei,  bei  Klagen  gegen  ihn  durch  geeignete 
Vertreter  vor  den  Bischöfen  von  Langres  und  Paris  Recht  zu  geben;  am 
14.  Juli  1236  wurde  diese  Indulgenz,  unter  Ersetzung  der  Bischöfe  durch 
die  Äbte  von  S.  Denis  und  Clairvaux,  erneuert,  i)  Das  geschah  am  selben 
Tage,  an  dem  er  den  Propst  von  S.  Omer  mit  dem  weiteren  Vorgehen  gegen 
den  Grafen,  falls  er  sich  noch  immer  halsstarrig  erweisen  sollte,  beauftragte ; 
die  von  ihm  über  die  Guthaben  der  Römer  verhängte  Sperre  habe  keine 
Geltung  mehr 2) ;  insbesondere  solle  er,  wenn  nötig,  zur  Verhängung  des  Inter- 
dikts über  Provins  und  Bar  schreiten.  Und  gleichzeitig  wandte  sich  der 
Papst  persönlich  an  seinen  in  Frankreich  weilenden  Subdiakon  Gregorius 
de  Montelongo  in  einem  fast  demütig  klingenden  Schreiben;  er  möge  doch 
den  Grafen  zu  endlicher  Zahlung  bewegen,  der  Graf  werde  sich  ihn  dadurch 
in  hohem  Grade  verpflichten;  es  sei  für  ihn  unmöglich,  den  Römern  noch 
länger  ihr  Recht  vorzuenthalten  (justitiam  denegare).  3)  Leider  ist  es  uns 
nicht  möglich,  die  Entwickelung  der  Sache  weiter  zu  verfolgen;  am  9.  De- 
zember 1237  mußte  der  Papst  seine  Zahlungsaufforderung  an  Thibaut  er- 
neuern'*); nach  einer  Nachricht  wäre  das  angedrohte  Interdikt  am  8.  Sep- 
tember 1238  durch  den  Official  von  Beauvais  wirklich  verhängt  worden  s); 
im  August  1239  trat  der  Graf  seinen  Kreuzzwg  an. 

Gegen  Ende  des  folgenden  Jahrzehnts  verfiel  der  Graf  wegen  einer 
Verletzung  der  Handelsinteressen  der  Römer  noch  einmal  der  Exkommuni- 
kation. Nach  längeren  Streitigkeiten  zwischen  römischen  Kaufleuten  und 
zwei  assoziierten  Bürgern  und  Wechslern  von  Provins  war  es  im  April  1247 
vor  den  custodes  nundinarum  zu  einem  Vergleich  gekommen,  wonach  die 
Wechsler  anerkannten,  den  Römern  370  1.  prov.  reinen  Kapitals  zu  schulden 
und  sich  verpflichteten,  diese  Summe  in  elf  Raten  mit  je  einem  Drittel  von 
100  1.  prov.  an  den  Zahlungsterminen  der  nächsten  aufeinanderfolgenden 
elf  Messen  und  einem  Zuschlag  von  1  1.  auf  100  1.  pro  Messe  (also  6  %  ^ufs 
Jahr)  »pro  expensis«  zurückzuerstatten.  6)  Der  Graf  wurde  beschuldigt,  nicht 
für  die  Ausführung  dieses  Abkommens  gesorgt  zu  haben;  im  Januar  1249 
aber  wurde  die  Exkommunikation  von  Innocenz  IV.  annulliert.  '^) 


1)  Ebd.  2805  f.,  3236  f. 

*)  >prohibitio  a  nobis  edita  super  debitis  Romanorum«.     Ebd.  3222. 

»)  Ebd.  8223. 

*)  Jubainville  V,  359  no.  2443.     Potth.  10487. 

^)  So  Bourquelotl,  184,  der  freilich  irrig  das  Interdikt  am  1.  JuU  1236  ver- 
hängt und  am  14.  Juli  1237  suspendiert  werden  läßt. 

8)  Bourquelot  11,  126  u.  I,  187  A.  1.  Irrig  ist  II,  58,  wo  dieselbe  Urkunde 
behandelt  ist,  der  7.  April  1240  angegeben. 

')  Ebd.  I,  184.  Im  August  1251  schrieb  der  Papst  von  neuem  an  den  Grafen 
wegen  eines  Vergleichs  in  dieser  Sache  und  bat  ihn,  das  getroffene  Abkommen 
mit  seinem  Siegel  zu  bekräftigen ;  ebd.  183. 


Sechsundzwanzigstes  Kapitel.     Handel  d.  Provencjalen  u.  Katalanen  etc.     369 

292.  Daß  sich  die  römischen  Kaufleute  indessen  bei  ihrem  regen  Ver- 
kehr auf  den  Messen  doch  keineswegs  ausschheßhch  mit  dem  Geldhandel 
beschäftigten,  dafür  haben  wir  wenigstens  ein  und  zwar  ein  besonders  lehr- 
reiches Zeugnis.  Als  Andreolus  de  Mari,  der  in  den  letzten  Jahren  Kaiser 
Friedrichs  II.  sein  Admiral  war,  ein  aus  der  Provence  kommendes  Schiff 
kaperte,  fielen  auf  ihm  fünf  römische  Kaufleute,  die  mit  Tuchen  von  Frank- 
reich zurückkehrten,  in  seine  Hände;  es  waren  Petrus  Neri,  Bonagura  de 
Mercato,  Nicolaus  Signorilis,  Bartholomaeus  Moscompagno  und  Andreas  In- 
ghilbardi.  Er  konfiszierte  ihnen  im  ganzen  300  Unzen  Goldes  und  34  V2  Ballen 
(torsellos)  französischer  Tuche,  die  er  dann  besonders  an  Sienesen  ver- 
kaufen ließ.i) 


Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

Handel  der  Proven^jalen  und  Katalanen  mit  dem 
mittleren  und  nördlichen  Frankreich. 

293.  Als  Graf  Thibaut  IV.  im  September  1245  allen  Kaufleuten, 
die  die  S.  Aigulfmesse  von  Provins  besuchten  und  in  seinem  für  die- 
selbe neu  erbauten  Fondaco  (in  domo  nostra  de  Valle  Pruvinensi) 
in  der  Unterstadt  Aufenthalt  nehmen  würden,  in  einem  offenen  Pri- 
vileg seinen  Schutz  und  besondere  Vorrechte,  speziell  bezüglich  der 
öffentlichen  Wage,  die  in  diesem  Hause  aufgestellt  war,  versprach, 
machte  er  unter  diesen  Besuchern  die  Römer,  Toskaner  und  Lom- 
barden, neben  ihnen  aber  auch  die  Proveii9alen  besonders  namhaft.^) 

Unter  diesen  sind  die  Kaufleute  von  Montpellier  zuerst  im 
französischen  Handel  nachweisbar.  König  Philipp  H.  August  stellte 
im  April  1214  die  Leute  von  Montpellier  und  ihre  Waren  auf  fünf 
Jahre  in  seinen  Schutz  und  unter  sein  Geleit;  sie  sollten  in  dieser 
Beziehung  seinen  eigenen  Untertanen  völlig  gleichstehen.^)  Das  Gleiche 
tat  Ludwig  VIII.  im  Juni  1226,  als  er  Avignon  belagerte,  für  sein 
ganzes  Reich  unter  der  Voraussetzung,  daß  sie  die  gewohnten  Ab- 
gaben und  Zölle  zahlten^) ,  und  1248  verlieh  ihnen  Ludwig  IX.  ein 
Privileg,  das  unter  der  gleichen  Voraussetzung  ihre  Kaufleute  vor 
jeder  Belästigung  um  fremder  Schuld  willen  sicherstellte  und  die  un- 
behinderte Ausfuhr  von  Lebensmitteln  aus  dem  Königreiche  nach 
Montpellier,  Fälle  großer  Teuerung  und  dringender  Not  ausgenommen, 

0  Docum.  dei  secoli  XIII  e  XIV  riguardanti  il  comane  di  Roma  (A.  u.  d. 
T. :  Siena— Roma.  Omaggio  al  VI  Congresso  stör,  ital.,  Siena  1895)  in:  Mise.  stör, 
senese  HI  (1895),  146  ff.  no.  23—27.  Im  Jahre  1256  gewährte  Siena  den  Geschä- 
digten, denen  Represalien  gegen  die  Stadt  und  die  anderen  terras  Imperii  bewilligt 
worden  waren,  auf  ihre  Forderungen  die  verhältnismäßig  bescheidene  Summe  von 
100  1.  prov.,  womit  sie  sich  auch,  was  Siena  betraf,  zufriedengestellt  erklärten. 

*)  Layettes  II  no.  3386.  Pigeonneau  I,  253  A.  3.  Bourquelot  11,  89.  Gold- 
Bchmidt  195. 

')  .  .  .  in  nostro  conductu  et  protectione  .  .  .  sicut  alü  burgenses  nostri.  Ger- 
main, commune  II  p.  3  A.  1. 

*)  Germain,  commerce  I,  189  no.  7. 
Scbaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  24 


370  SechBundzwanzigstes  Kapitel. 

zusagte.^)  Wie  lebhaft  der  Handel  Montpelliers  nach  Frankreich  und 
den  Messen  sich  gestaltete,  ergibt  sich  besonders  daraus,  daß  gegen 
Ende  unseres  Zeitraums  eine  feste  Organisation  der  diesen  Handel 
pflegenden  Kaufleute,  eine  »societas  et  communitas  mercatorum  in 
Francia  utentium«  vorhanden  war,  an  deren  Spitze  ein  im  Einver- 
nehmen zwischen  dieser  Organisation,  dem  Könige  von  Aragon  als 
Landesherrn  und  den  Stadtkonsuln  von  Montpellier  ernannter  Vor- 
steher stand. 

Für  die  Ernennung  eines  dieser  Vorsteher  sind  uns  die  Hauptvorgänge 
bekannt.  König  Jayme  fertigte  am  17.  Juni  1246  zu  Barcelona  ein  Dekret 
aus,  durch  das  er  den  Stephan  Loubet,  der  damals  einer  der  Stadtkonsuln 
von  Montpellier  war,  für  die  Zeit  bis  zum  1.  März  und  von  da  auf  weitere 
3  Jahre,  also  bis  zum  1.  März  1250,  zum  Konsul  von  Montpellier  in  Frank- 
reich 2)  mit  allen  den  Rechten  ernannte,  wie  sie  irgend  einer  der  bisher  be- 
stellten Konsuln  besessen  habe.  Offenbar  hatte  Montpellier  durch  eine  Ge- 
sandtschaft diese  Ernennung  erbeten  und  für  dieselbe  entsprechend  bezahlt; 
es  betrachtete  den  königlichen  Akt  zunächst  nur  als  eine  Designation  (das 
Amt  war  wohl  noch  anderweit  besetzt)  und  schritt  seinerseits  erst  am  Ende 
des  Jahres  1246  zur  definitiven  Ernennung  Loubets.  Am  27.  Dezember  er- 
wählen die  Konsuln  von  Montpellier,  dem  Verlangen  jener  Societas  ent- 
sprechend, ihren  Mitbürger  und  Kollegen  zum  »capitaneus  consul  de  Francia 
et  mercatorum  in  Francia  utentium  quocumque  modo  causa  negociationis« 
mit  der  Vollmacht,  alles  zu  tun,  was  er  dem  Nutzen  der  Kaufleute  und  der 
Societas  für  dienlich  erachten  werde;  zugleich  befehlen  sie  allen  Kaufleuten 
von  Montpellier  und  allen,  die  sonst  zur  Societas  gehörten  (also  den  ange- 
stellten, abhängigen  Personen),  ihm  als  ihrem  Konsul  zu  gehorchen  und  ver- 
eiden ihn  auf  sein  neues  Amt.  Endlich  bringen  sie  in  einem  offenen  Briefe 
zur  allgemeinen  Kenntnis,  daß  sie  ihren  Mitbürger  Loubet  zum  capitaneus 
et  consul  in  nundinis  Campaniae  et  Franciae  erwählt  haben  und  fügen  die 
Bitte  hinzu,  ihn  gut  aufzunehmen  und  ihm  in  seiner  Stellung  Gehorsam  zu 
verschaffen^);  es  ist  dieser  Passus,  der  den  Beweis  liefert,  daß  bei  dem 
Handelsverkehr  Montpelliers  mit  Frankreich  doch  die  Messen  der  Champagne 
die  Hauptrolle  spielten.*) 

294.  Auch  aus  der  Praxis  haben  wir  dafür  einige  Belege.  Am  16.  Mai 
1248  hat  Raimundus  Lambertus  von  Montpellier  dem  Otto  Angossola  in 
Marseille  ein  angeblich  zinsfreies  Darlehn  von  300  1.  tur.  gewährt,  das  dieser 
dem  Gläubiger  in  bar  auf  der  Maimesse  in  Provins  vor  dem  Zahltage  (ante  . 
pagamentum)  zu  erstatten  versprach;  wenige  Tage  vorher  hatte  Guilelmus 
Petrus  Salvi  von  Montpellier  sich  von  der  sienesischen  Handelsgesellschaft 
des  Rainerius  Rollandi  in  Marseille  für  Valuta  im  Betrage  von  1012  1.  melg., 
die  er  und  sein  Bruder  Stephan  in  Montpellier  gezahlt  hatten,  einen  zur 
Zahlzeit  auf  derselben  Messe  an  ihn,  seinen  Bruder  oder  an  Order  zahlbaren 
Wechsel  über  1000  1.  prov.,   also   einen  sehr  bedeutenden  Betrag,  ausstellen 

i)  Devic  et  Vaiss.  VIII  p.  213;    dazu  V.  der  Königin  Bianca    von  1250,    ^eifli 
main,  commerce  I,  213  no.  20.  VI 

ä)  ...  in  consulem  Francie  pro  villa  Montispessulani ;  ebd.  201  no.  14. 

')  .  .  .   eidem  tamquam   capitaneo   et   consuli  obedire  curetis;   ib.  202  no.  15^, 
(auch  bei  Fagniez  I,  155  no.  168)  und  203  no.  16.  Ml 

*)  Den  Charakter  einer  proven^alischen  Gemeinschaft,  den  Goldschmid^"' 
p.  194  ihr  beilegt  (1296  ist  Druckfehler  für  1246),   hatte  jene  Societas  also   damals- 
noch  keineswegs. 


4 


Handel  d.  Proven^alen  u.  Katalanen  m.  d.  mitt.1.  u.  nördl.  Frankreich.     371 

lassen.  1)  Auch  wissen  wir,  daß  ein  Kaufmann  von  Montpellier,  Johannes 
Aymal,  ein  Jahr  später  vor  Limassol  auf  Cypern  einem  französischen  Kreuz- 
fahrer ein  Darlehn  gewährt  hat,  das  mit  650  I.  tur.  auf  der  nächsten  Messe 
von  Lagny  zurückzuerstatten  war.  2) 

Sehr  bemerkenswert  ist  endlich,  daß  Montpellier  gelegentUch  auch  den 
Warenverkehr  zwischen  dem  nördhchen  Frankreich  und  Genua  vermittelte. 
Als  der  Kaufmann  Bernardus  de  Casa  von  Montpellier  mit  6  Genossen  am 
25.  August  1236  in  Genua  beantragte,  den  Einnehmern  des  Zolls  von  Gavi  und 
Voltaggi  (des  Grenzzolls  zu  Lande)  die  Zollerhebung  von  Waren,  die  sie  auf 
dem  Seewege  nach  Genua  importierten  oder  von  da  exportierten,  zu  unter- 
sagen, erging  am  17.  Dezember  eine  richterliche  Entscheidung  dahin,  daß 
die  Freilassung  von  diesem  Zoll  nur  dann  zu  erfolgen  habe,  wenn  Importeur 
oder  Exporteur  beeiden  könnten,  daß  ihre  Waren  nicht  aus  dem  Inneren 
.  Frankreichs  (de  ultra  montibus)  kämen  oder  dahin  bestimmt  seien ;  andern- 
falls sei  in  der  Wahl  des  Seeweges  über  Montpellier  an  Stelle  des  Landwegs 
eine  Umgehung  jener  Zollstätten  zu  erblicken  und  die  Zollerhebung  somit 
gerechtfertigt.  Die  Berufungsinstanz,  an  die  sich  die  Kaufleute  von  Mont- 
pellier noch  wandten,  bestätigte  lediglich  diese  Entscheidung.  3) 

295.  Gegen  Ende  unseres  Zeitraums  vermögen  wir  auch  die  Kauf- 
leute von  Marseille  in  sehr  regem  Verkehr  mit  den  Champagner 
Messen  nachzuweisen. 

Am  23.  Dezember  1233  nahm  Guilelmus  Blancardus  von  den  Brüdern 
Bernhardus  und  Johannes  de  Mandolio  14  kleine  Last  Alaun  und  einen 
Posten  Korduan  im  Werte  von  zusammen  1120  1.  reg.  cor.  gegen  den  üb- 
lichen Gewinnanteil  von  1/4  für  die  bevorstehende  Messe  von  Lagny  in 
Gommenda;  den  Erlös  hatte  er  anzulegen  und  damit  nach  Marseille  zurück- 
zukehren. 4)  Das  geschah  so  rechtzeitig,  daß  er  zur  nächsten  Messe,  der 
von  Bar,  schon  wieder  von  Marseille  aufbrechen  konnte;  am  11.  April  1234 
hat  er  für  diese ^)  von  dem  einen  der  Brüder,  Bernhard,  neben  einem  Bar- 
betrag von  40  1.  tur.  6  Zentner  Alaun  von  Aleppo  und  17  Ballen  Korduan 
in  Gommenda  erhalten;  dazu  traten  noch  5  Last  Alaun  derselben  Art,  die 
erst  zur  Verwertung  auf  der  Maimesse  von  Provins  bestimmt  waren;  alles 
in  allem  erreichte  das  ihm  anvertraute  Gut  diesmal  einen  Wert  von  985  1. 
reg.  cor.  Auch  aus  dem  folgenden  Jahre  wissen  wir,  daß  er  mit  einer  Gom- 
menda Bernhards,  zu  der  19  Zentner  20  Pfund  Alaun  gehörten,  auf  der 
Maimesse  gewesen  ist.^)  Der  Export  in  Korduan  und  Alaun  von  Marseille 
nach  den  Messen  durch  das  Haus  Manduel  war  also  sehr  bedeutend.  Kurz 
vor  1242  wurden  die  Marseiller  einmal  auf  Antrag  der  Placentiner  von  den 
Messen  ausgesperrt,  doch  jedenfalls  nur  für  kurze  Zeif);  im  Jahre  1244 
sehen  wir  Johannes  de  Mandolio  dem  Jacobus  de  Benedictus  für  die  Handels- 


>)  Amalric  no.  721,  691  (11.  Mai), 

*)  Layettes  n  no.  3770.  Wechselbriefe  König  Ludwigs  in  Conrads  Jahr- 
buch. 70,  619. 

')  Germain,  commerce  I,  196  f.  no.  13.  Vgl.  Sieveking  I,  27.  Ein  Beispiel 
dieses  Verkehrs  unten  §  463. 

*)  Manduel  no.  43.  Mit  den  nundinae  de  Landico  kann  die  Lenditmesse  (wie 
der  Herausgeber  will)  deshalb  nicht  gemeint  sein,  weil  sie  im  Juni  stattfand;  vgl. 
Fagniez  I,  171  A.  1. 

")  .  .  .  in  hoc  viagio  Franciae  ad  nundinas  Barri  proximas.     Manduel  no.  47. 

•)  Ebd.  no.  65  p.  97.     Am  22.  Juni  war  er  noch  nicht  zurück. 

^  Davidsohn  Forsch.  III  p.  7. 

24* 


372  Sechsundwanzigstes  Kapitel. 

reise  zur  Maimesse  wieder  5  Pack  Korduan  im  Taxwert  von  220  1.  reg. 
cor.  anvertrauen;  nach  seiner  Kückkehr  reiste  er  mit  einer  neuen,  in  Tuchen 
und  sarazenischen  Byzantien  von  Accon  bestehenden  Commenda  Johanns 
auf  dem  Hospitahterschiö  Grifona  nach  Accon,  um  auch  hier  wieder  neue 
Waren  einzukaufen  und  nach  Marseille  zu  transportieren.!) 

Im  Jahre  1248  können  wir  den  Marseiller  Petrus  de  Falguiers  bei 
seinen  geschäftlichen  Vorbereitungen  für  seine  Handelsreise  zur  Maimesse 
von  Provins  beobachten.  Am  31.  März  schon  übergab  er  zwei  Frachtfuhr- 
leuten 2  Lasten  Brasilholz  zum  Transport,  die  bei  Beginn  der  Messe  abzu- 
liefern waren;  wegen  des  Haupttransportes  aber,  der  in  15  Ballen  Korduan, 
2  Last  Staubzucker  und  je  einer  Last  Lack,  Baumwollstoffe  und  Lammfelle 
bestand,  schloß  er  erst  am  26.  Mai  mit  zwei  anderen  Frachtfuhrleuten  ab; 
die  Fracht  erlegte  er  mit  80  1.  vian.  im  voraus.  2)  Am  4.  April  stellte  er  in 
Gemeinschaft  mit  Stephanus  Civate  einen  Meßwechsel  über  200  1.  prov.,  am 
13.  Mai  allein  einen  zweiten  über  80  1.  paris.  (=:  100  1.  prov.)  aus,  der  drei 
Tage  vor  der  Tuchmesse  fällig  war,  und  am  26.  Mai  nahm  er  bei  dem  Weiß- 
gerber (blanquerius)  Hugo  Beaumont  ein  Darlehn  auf,  das  er  mit  100 1.  prov. 
auf  der  Messe  zurückzugeben  versprach. 3)  Er  hatte  also,  wenn  wir  an- 
nehmen, daß  er  am  ersten  Wechsel  mit  der  Hälfte  beteiligt  war,  im  ganzen 
300  1.  prov.  auf  der  Messe  zu  decken.  In  Commenda  nahm  er  auf  die  Reise 
mit:  16  Stück  tripolitanischen  Tafts  im  Werte  von  34  1.  misc,  die  ihm 
Guilelmus  von  Jerusalem,  des  Marchesius  von  Jerusalem  Sohn,  am  29.  April 
anvertraute,  ferner  25  1.  misc.  in  Wechselgeld,  das  ihm  der  campsor  Petrus 
Martinus  am  26.  Mai  übergab,  und  140  1.  misc,  die  ihm  am  27.  Mai,  also 
wohl  kurz  vor  dem  Aufbruch,  Guilelmus  Saonesius  zur  Anlage  nach  eigenem 
Ermessen  überließ.  *) 

Wir  können  ferner  eine  Reihe  von  Transporten  nachweisen,  die  gleich- 
zeitig mit  denen  des  Petrus  de  Falguiers  zur  Maimesse  von  Provins  abge- 
gangen sind.  Dieselben  Frachtführer,  die  Piemontesen  Petrus  de  Ainela 
von  Alba  und  Ostachius  von  Casale,  denen  er  am  31.  März  2  Lasten  Brasil- 
holz übergab,  übernahmen  am  24.  April  von  Falco  von  Accon  und  Johannes 
de  Confortancia  von  Accon  38^/2  große  Lasten  zum  Transport,  davon  12 
Brasilholz,  I7V2  Ingwer  und  9  Pfeffer;  der  Transport  sollte  von  Toulon 
aus  erfolgen;  die  Fracht  betrug  4V4  1-  vian.  für  die  große  Last;  in  der  Vor- 
woche der  Messe  (ad  intratam)  waren  die  Waren  abzuliefern.  Noch  am 
2.  Mai  übernahm  Bonaviade  Comago^)  zum  Transport  für  denselben  Termin 
von  dem  Marseiller  Bernardus  de  Casellis  5  Lasten  Pfeffer,  4  Ingwer  und 
1  Lack  zum  Preise  von  4V2  1-  vian.  die  Last,  ß)  Zusammen  mit  dem  Haupt- 
transport, den  Petrus  de  Falguiers  zur  Maimesse  schickte,  gingen,  wie  wir 
aus  vier  verschiedenen  Frachtverträgen"^)  nachweisen  können,  noch  27  Ballen 
Korduan  (in  Posten  zu  9,  7,  6  und  5  Ballen)  ab,  die  zur  Korduanmesse 
(ad  oder  infra  mmdinas  cordoani)  abzuliefern  waren ;  unter  den  Eigentümern 


1)  Manduel  no.  100,  101. 

ä)  Amalric  no.  316,  791. 

»)  Ebd.  377,  707,  798. 

*)  Ebd.  629,  797,  805. 

^)  Ebd.  376  irrig  Bonavia  de  Oomo  genannt. 

«)  Ebd.  585,  642.  Ostern  war  in  diesem  Jahre  sehr  spät,  erst  am  19.  April; 
demgemäß  fiel  die  intrata  der  Maimesse  erst  auf  den  26.  Mai,  das  Ende  der  Tuch- 
messe auf  den  11    Juni,  das  Ende  der  Zahlzeit  auf  den  25.  Juni.     Unten  §  299. 

7)  Ebd.  788,  796,  801  (vgl.  800),  803-805. 


Handel  d.  Proven^alen  u.  Katalanen  m.  d.  mittl.  u.  nördl.  Frankreich.     373 

sind  Josep  Quatuoroculos  und  Olricus  Cassete,  naturalisierte  Placentiner, 
mit  5  Ballen  und  der  Bürger  von  Marseille,  Guilelmus  de  Accone,  mit 
6  Ballen  vertreten,  während  unter  den  Frachtführern  Jacobus  Pascalis  von 
Brian9on  erscheint.  Wenn  W.  Saonesius  endlich  am  27.  Mai  dem  Stephan 
Civate  7  Zentner  7  Pfund  Kermes  zur  Verwertung  auf  derselben  Messe  in 
Commenda  gab,  so  wird  auch  diese  Ware  sicher  mit  demselben  großen 
Transport,  der  sich  bald  darauf  in  Marseille  in  Bewegung  gesetzt  haben 
muß,  abgegangen  sein.i) 

Leider  besitzen  wir  für  die  Transporte,  die  von  den  Messen  zurück 
erfolgten,  kein  entsprechendes  Material;  gelegentlich  verspricht  einmal  ein 
Schuldner  in  Marseille,  seine  Schuld  von  82  1.  prov.  auf  der  Maimesse  im 
Interesse  des  Gläubigers  in  Tuchen  oder  auch  in  anderen  Waren  anzulegen 
und  die  Waren  dem  Gläubiger  nach  Marseille  zu  schicken.  2) 

296.  Naturgemäß  ging  neben  dem  Warenhandel  auch  ein  reger 
Wechselverkehr  der  Marseiller  mit  den  Messen  her.  Überwiegend  treten 
dabei  die  Marseiller  Kaufleute  als  Valutanehmer  (Wechselgeber)  auf;  sie 
brauchten  Geld  zum  Einkauf  ihrer  Waren  oder  doch  zur  Vervollständigung 
der  Waren,  mit  denen  sie  die  Messe  beziehen  wollten;  vom  Erlöse  fand 
dann  zur  Zahlzeit  der  Messe  die  Rückzahlung  statt.  In  der  Regel  erscheinen 
in  diesen  Fällen  Italiener  (Sienesen  und  Placentiner),  die  ihre  Vertretung 
auf  der  Messe  hatten,  als  Wechselnehmer  3) ;  doch  erscheinen  auch  Mar- 
seiller in  dieser  Rolle,  wie  uns  zwei  Beispiele  in  dem  Falle  des  Petrus  de 
Falguiers  gezeigt  haben.  So  läßt  sich  auch  der  draperius  Petrus  Guilelmus 
am  27.  Mai  von  Stephanus  Civate  für  480  1.  misc,  die  er  diesem  gegeben, 
einen  Wechsel  über  300  1.  tur.  auf  die  Zahlzeit  der  Maimesse  ausstellen; 
für  die  Ostermesse  von  Bar  hatte  er  in  gleicher  Weise  von  seinem  Berufs- 
genossen Hugo  Champonus  einen  Wechsel  über  35  1.  prov.  (für  59  V2  1- 
misc.  Valuta)  erhalten,  der  an  ihn  selbst  oder  Bernardus  Raimundus  Ra- 
bastenc,  der  als  sein  Vertreter  zur  Messe  zu  gehen  im  Begriff  war,  zahlbar 
war.  4)  Für  dieselbe  Messe  hatte  der  draperius  Hugo  Champonus  übrigens 
schon  zwei  in  Marseille  naturalisierten  Italienern,  Otto  Angossola  und  Gi- 
rardus  Amicus,  einen  Wechsel  über  200  1.  prov.  ausgestellt.  0) 

297.  Von  dem  Anteil  anderer  südfranzösischer  Orte  an  dem 
Handel  mit  den  Messen  wissen  wir  wenig. 

Wir  haben  T  o  u  1  o  n  als  Ausgangspunkt  eines  beträchtlichen  Waren- 
transports nach  der  Champagne  kennen  gelernt  und  können  das  Gleiche 
auch  für  Saint-Gilles  nachweisen.  Am  11.  Mai  1248  hat  der  vecturarius 
Surleo  de  Celano   dem    Bonaventura  Bibeaquam   von  Accon   zu   Marseille 


>)  Ebd.  811. 

*)  .  .  .  implicare  tibi  in  p  a  n  n  i  s  vel  in  alüs  mercibus  et  implicatas  tibi  mit- 
tere  apud  Massiliam;  ebd.  685.  Marseiller  Galeeren  transportierten  1247  nordfran- 
zösische Tuche  für  Genuesen  und  Placentiner  von  Marseille  nach  Genua;  unten 
§473. 

»)  Einige  Beispiele :  14,  92,  159,  351,  375  usw. 

*)  Ebd.  806,  100.  Am  24.  März  übergab  er  zwei  Frachtfuhrleuten  4  Ballen 
Korduan,  4  große  I.ast  Pfeffer  und  einen  dem  Barthol.  de  Rabastenc  gehörigen  Posten 
Pfeffer  von  3  Vj  Zentnern,  die  per  8  dies  infra  rectum  pagamentum  an  ihn  selbst 
oder  den  (damals  in  Marseille  noch  anwesenden)  B.  R.  Rabastenc  abzuliefern  waren ; 
«bd.  149  vgl.  148. 

»)  Ebd.  101. 


374  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

kontraktlich  zugesichert,  für  ihn  von  S.  Gilles  aus  70 — 80  Lasten  Alaun  von 
Aleppo  und  Ingwer  je  zur  Hälfte  zur  Johannismesse  von  Troyes  und  zur 
Aigulfsmesse  von  Provins,  oder,  falls  der  Eigentümer  das  vorziehen  sollte, 
den  ganzen  Transport  zur  Vorwoche  der  letzteren  Messe  für  einen  Preis 
von  3  1.  vian.  für  die  Last  zu  transportieren,  i)  Es  scheint  sich  hier  wirklich 
um  einen  burgensis  von  Accon  zu  handeln,  der  die  Ankimft  seiner  Waren 
aus  Syrien  in  S.  Gilles  erwartete  und  schon  beizeiten  für  den  Weitertrans- 
port derselben  zu  den  Messen  Vorsorge  traf. 

Von  einem  Kaufmann  aus  Nim  es,  Chautardus  de  Ponte,  wissen  wir, 
daß  er  1248  auf  der  Messe  von  Bar  tätig  war.  Von  dem  Marseiller  Tuch- 
händler W.  Bernardus  und  seinem  Sozius,  Petrus  Bartolomei  von  Nimes, 
hat  er  am  23.  März  für  seine  Handelsreise  zu  dieser  Messe  300  1.  prov.  in 
Commenda  erhalten  und  zwar  derart,  daß  ihm  je  1/3  dieses  Betrages  erst 
auf  der  Messe  selbst  von  Bartolomeus  Pisanus,  W.  Canianus  und  der  siene- 
sischen  Handelsgesellschaft  des  Rainerius  RoUandi  ausgezahlt  werden  sollte ; 
ein  Pferd  für  die  Reise,  das  auf  18  V2  1-  prov.  Wert  abgeschätzt  war,  kam 
zu  dieser  Commenda  hinzu.  2) 

Auch  für  den  Verkehr  der  Katalanen  mit  den  Messen  sind  die 
Nachrichten  bis  1250  nur  spärlich.  Doch  begegnet  ein  Haus  der  Spanier 
(domus  illorum  de  Hispania)  schon  1224  in  Provins;  auch  einzelne  Spanier 
erscheinen  im  Besitz  von  Häusern,  und  in  den  Jahren  1229  und  1230  er- 
halten Arnaudus  Bernardi  von  Pamplona  und  Petrus  de  Ispania  vom  Grafen 
die  dauernde  Aufenthaltserlaubnis  für  sein  Gebiet,  wobei  sie  sich  verpflichten, 
sich  des  Wuchers  zu  enthalten  und  jährlich  ein  Gefäß  von  vergoldetem 
Silber  im  Gewicht  von  einer  Mark  von  Troyes  an  den  Grafen  abzuliefern.  ^) 
Eine  Verordnung  König  Jaymes*)  vom  1.  September  1259  gestattet  den 
Rückschluß,  daß  auch  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  schon  Korduan 
in  beträchtlichem  Umfange  von  den  Kaufleuten  Barcelonas,  Leridas  und 
Valencias  auf  den  Messen  der  Champagne  zu  Markt  gebracht  worden  ist. 


Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Einrichtung  und  Art  des  Handels  der  Mittelmeer- 
Eomanen  mit  den  Messen  der  Cliampagne. 

298.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  die  Messen  der 
Champagne  ihre  allgemeine  Bedeutung  erst  durch  ihre  wachsende  Be- 
nutzung durch  die  Mittelmeer-Romanen  erlangt  haben.  Wohl  teilte 
der  Schauplatz  dieser  Messen  die  Gunst  der  Weltlage  von  Paris;  für 

^)  Ebd.  681.  Ausfuhr  wahrscheinlich  nordfranzösischer  Tuche  aus  S.  Gilles 
nach  Genua  (1174)  unten  §  441. 

*)  Ebd.  98.  Wenn  die  genannte  sienesische  Gesellschaft  dem  Chautardus 
am  20.  März  einen  zur  Zahlzeit  der  Messe  fälligen  Wechsel  über  100  1.  prov.  aus- 
gestellt hat,  für  den  sie  angeblich  von  ihm  Valuta  mit  170  1.  misc.  empfangen 
hatte,  so  scheint  es  sich  nur  um  eine  formelle,  die  Abhebung  erleichternde  Aus- 
stellung auf  seinen  Namen  und  nicht  um  ein  anderes  Geschäft  zu  handeln.  Ebd.  79 
(nur  Regest;  Text  in  der  Bibl.  de  l'Ecole  des  Chartes,  ann^e  1878  p.  126  no.  10). 

')  Bourquelot  I,  196  f.  Erwähnt  sei,  daß  wir  auch  die  Kirche  von  Pamplona 
einmal  bei  römischen  Kaufleuten  verschuldet  finden.     Pressutti  6006. 

*)  Capmany  IV,  5. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       375 

Italiener  und  Deutsche  lagen  sie  sogar  etwas  näher  als  dieses  und 
für  die  Italiener  zugleich  auf  dem  Wege  nach  Flandern  und  England; 
und  die  politische  Unabhängigkeit  der  Champagne  von  Frankreich, 
die  andererseits  doch  sehr  enge  Beziehungen  zu  dem  Königreich  zu- 
ließ ,  kam  dem  Interesse  der  Landesherren  für  die  Entwickelung  dieser 
Messen  unzweifelhaft  wesentlich  zu  gute.^)  Daß  diese  Momente  wirk- 
sam werden  konnten,  ist  aber  doch  vor  allem  dem  Unternehmungs- 
geiste der  italienischen  Kaufleute,  in  diesem  Falle  zunächst  der  west- 
lombardischen  und  toskanischen  Binnenstädte,  zuzuschreiben.  Für 
die  Zeit  des  3.  Kreuzzuges  (1188)  redet  der  Mönch  Robert  schon  von 
den  mannigfachen  Schätzen,  die  auf  den  Messen  von  Troyes  durch 
die.  aus  den  verschiedenen  Ländern  herbeiströmenden  Kaufleute  zu- 
sammengebracht würden.  ^)  Aber  erst  seit  dem  zweiten  Jahrzehnt  des 
13.  Jahrhunderts  sehen  wir  den  Verkehr  der  Italiener  und  nun  auch 
der  Südfranzosen  auf  den  Messen  jenen  Grad  von  Lebhaftigkeit  an- 
nehmen, den  wir  für  die  einzelnen  Handelsnationen  nachzuweisen 
uns  bemüht  haben;  erst  seit  dieser  Zeit  zugleich  beginnen  die  Cham- 
pagner Messen  der  Mittelpunkt  eines  wirklich  internationalen  Geld- 
verkehrs zu  werden. 

299.  Etwa  um  diese  Zeit  muß  auch  jener  für  die  Champagner 
Messen  charakteristische  feste  Turnus  von  sechs  Hauptmärkten,  die 
im  Kreis  des  Jahres  aufeinanderfolgten  und  das  Jahr  so  ziemlich  aus- 
füllten, geschaffen  worden  sein.^) 

Am  Tage  nach  Neujahr  begann  die  Messe  des  in  geringer  Entfernung 
von  Paris  an  der  Marne  gelegenen  Lagny.*)  Der  Zeit  nach  beweglich,  weil 
vom  Osterfest  abhängig,  waren  die  beiden  nächsten  Messen;  am  Dienstag 
vor  Mittfasten  wurde  die  Messe  von  Bar  s./A.  eröffnet,  so  daß  ihr  Beginn 
zwischen  dem  24.  Februar  und  30.  März  schwankte,  am  Dienstag  vor  Christi 
Himmelfahrt  die  in  der  Oberstadt  von  Provins  stattfindende  Maimesse,  deren 
Anfang  also  zwischen  den  28.  April  und  1.  Juni  fallen  konnte.  In  gerin- 
gerem Grade,  nur  innerhalb  des  Spielraums  einer  Woche  beweglich  war  die 
nun  folgende  sog.  Johannismesse,  die  in  Troyes  abgehalten  wurde  und  am 
dritten  Dienstag  nach  dem  Johannistage,  also  zwischen  dem  9.  und  15.  Juli, 
begann.     Die  beiden  noch  folgenden  Messen  hatten  wieder  feste  Termine; 


0  Schulte  I,  lf)6  f. 

*)  Über  die  ältere  Geschichte  der  Messen  s.  Bourquelot  I,  72  ff.  Englischer 
Verkehr  auf  den  Messen  1188:  Epist.  Cantuar.  no.  275  p.  257  f. 

')  Die  älteste  erhaltene  Aufzeichnung  über  die  Meßanfänge  liegt  in  einem 
MS.  von  Douai  vom  Mai  1248  vor.  Fagniez  I,  170  no.  177.  Inhaltlich  stimmen 
damit  die  sonst  erhaltenen  MSS.  überein ;  s.  Bourquelot  I,  80  f.  Goldschmidt,  Ge- 
schäftsoperationen p.  4  f.  Huvelin  247  ff.,  600.  Pierre,  Notes  sur  les  foires  de 
Champ.  et  de  Brie  in:  Congres  archeol.  de  France.  69e  Session.  Söances  gen. 
tenues  ä  Troyes  et  Provins  en  1902  (Caen  1903),  p.  423  ff. 

*)  Am  9.  August  1230  bestätigt  Papst  Gregor  IX.  nach  dem  Beispiel  seines 
Vorgängers  Hadrian  dem  Abt  und  Kloster  von  Lagny  die  »nundinas  apud  Latiniacum 
in  festivitate  Innocentum  institutasc  für  alle  Zeiten.  Auvray  483.  Es  ist  mir  zweifel- 
haft, ob  damit  ein  von  der  Hauptmesse  unabhängiger  Markt  am  28.  Dezember  ge- 
meint ist,  oder  ob  der  Beginn  der  Hauptmesse  ursprünglich  an  diesem  Tage  statt- 
fand und  später  nur  verlegt  wurde. 


376.  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

die  S,  Aigulfsmesse  von  Provins  begann  am  14.  September,  dem  Tage  von 
Elreuzerhöhung,  die  S.  Remigiusmesse  von  Troyes,  auch  kalte  Messe  ge- 
nannt, am  Totentage,  dem  2.  November.  Fanden  diese  beiden  Messen  also 
an  denselben  Orten  wie  die  dritte  und  vierte  statt,  so  war  doch  ihr  Schau- 
platz nicht  genau  derselbe;  die  Aigulfsmesse  wurde  in  der  Unterstadt  von 
Provins,  die  kalte  Messe  in  einer  Vorstadt  von  Troyes  i)  abgehalten.  Schon 
die  Namen  der  Messen  von  Troyes  und  Provins  weisen  z.  T.  darauf  hin, 
daß  eine  Verlegung  ihrer  ursprünglichen  Termine  stattgefunden  haben  muß ; 
die  Johannismesse,  die  Aigulfs-  und  die  Remigiusmesse  haben  sicher  ursprüng- 
lich an  die  Feste  ihrer  Heiligen  (24.  Juni,  3.  September  und  1.  Oktober) 
unmittelbar  angeknüpft;  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  die  Verlegung 
vom  Landesherrn  im  beiderseitigen  Interesse  von  Provins  und  Troyes  und 
mit  Rücksicht  auf  die  fremden  Kaufleute  vorgenommen  worden,  um  Kolli- 
sionen ihrer  allmählich  zu  allgemeinerer  Bedeutung  emporgestiegenen  Jahr- 
märkte zu  verhindern;  die  alten  Namen  behielf  man  trotz  der  Verlegung 
bei.  2)  Die  neue  feste  Organisation  drückte  natürlich  die  sonst  an  diesen 
Meßplätzen  oder  an  anderen  'Orten  der  Champagne  noch  bestehenden  Jahr- 
märkte 3)  zu  rein  lokalen  Einrichtungen  herab. 

Auch  die  Gliederung  jeder  der  sechs  Messen  zeigt  in  unserer  Zeit  eine 
feste  Ordnung,  die  in  ihrer  Gleichmäßigkeit  ebenfalls  nur  aus  dem  Ein- 
greifen des  Gesetzgebers,  in  diesem  Falle  also  des  Landesherrn,  erklärlich 
ist.  Alle  sechs  Messen  begannen  mit  einer  Vorwoche,  während  welcher  die 
Waren  unverzollt  ein-  und  ausgehen  konnten  (intrata,  huit  jors  dentree).*) 
Es  folgte  die  10  Tage^)  umfassende  Tuchmesse,  deren  Ende  einen  Mark- 
stein in  der  Messe  bildete  und  durch  amtliche  Ausrufer  mit  dem  solennen 
Gerüft:  »hare,  hare«  verkündet  wurde  (bare  de  dras,  ara  pannorum).  6)  Zwei 
Wochen  später  war  das  Ende  der  Zahlzeit  (droit  paiement,  rectum  paga- 
mentum);  es  war  Sitte,  daß  die  Kaufleute  sich  gegenseitig  alle  aus  Kauf- 
oder anderen  Geschäften  auf  der  Messe  entstandenen  Geldverbindlichkeiten 
bis  zu  diesem  Termine  stundeten ;  an  ihm  fand  die  allgemeine  Begleichung 
statt,  die  natürlich  vielfach  durch  Kompensation  und  gegenseitige  Über- 
tragung von  Forderungen  erfolgen  konnte.  7)  Bestimmte  Tage  waren  außer 
für  den  Tuchhandel  auch  für  den  Korduanhandel  vorgeschrieben ;  die  Kor- 
duanmesse  (nundinae  cordoani)  begann  11  Tage  nach  dem  Ende  der  Tuch- 


^)  Troieces  im  MS.  von  Douai,  Tresetto  in  den  späteren  italienisclien  Quellen. 

*)  Eine  andere  Erklärung  versucht  Oppermann  in  seiner  Besprechung  von 
Schultes  Werk :  Westdeutsche  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Kunst  XX  (1901),  249. 

=•)  Martinimesse  von  Provins:  Bourquelot  I,  102  f.  Oben  §  272.  Andere 
Messen:  Huvelin,  246. 

*)  Goldschmidt,  Geschäftsoperationen  p.  10.  Auch  der  Ausdruck  marca  kommt 
für  intrata  oder  introitus  vor.     Amalric  no.  316. 

')  Bei  der  S.  Aigulfsmesse  nur  9  Tage.     Devisions  des  foires  bei  Huvelin  603. 

«)  Über  dieses  Goldschmidt  1.  c.  17.  Huvelin  515  f.  A.  Del  Vecchio :  sul 
significato  del  grido,  »hare  1  hare!«  im  Arch.  it.,  s.  V,  24  (1899),  337  fE. 

')  Poenitentiale  des  Robert  von  Flamesbury,  Kanonikus  von  Paris,  zwischen 
1207  und  1215  verfaßt :  In  nundinis  mercatorum  consuetudo  est,  ut  sibi  ad  invicem 
credant  debita  sua  usque  ad  generalem  solutionem,  quae  est  in  fine  nundinarum 
et  gallice  dicitur  pagiement.  Schulte  J.  F.  v.,  Gesch.  d.  Quellen  u.  Lit.  des  Ka- 
nonischen Rechts  I  (Stuttg.  1875),  209  A.  5.  Goldschmidt,  Geschäftsop.  30.  Huvelin 
560.  Dietterle :  Die  Summae  confessorum,  in  Zeitschr.  f.  Kirchengesch.  24  (1903), 
357,  363  £E. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       377 

messe  1)  und  umfaßte  die  3  Tage  bis  zum  Schlüsse  der  Zahlzeit,  während 
der  Handel  mit  Gewichtswaren  (avoir  de  pois)  und  allen  anderen  Waren 
an  derartige  zeitliche  Beschränkungen  nicht  gebunden  war  und  erst  mit 
dem  Ende  der  Zahlzeit  aufhörte.  2)  Noch  2  Wochen  länger  dauerten  die  Ge- 
schäfte der  Wechsler,  die  erst  4  Wochen  nach  hare  de  dras  ihre  Stände  ab- 
schlugen 3)  ;  erst  4  Tage  nach  Beendigung  des  Wechslergeschäfts  konnte  man 
die  Ausstellung  von  Meßbriefen  gegen  säumige  Schuldner  durch  die  Meß- 
behörde verlangen.  Rechnet  man  diese  Tage  mit,  so  erstreckte  sich  jede 
Messe  über  einen  Zeitraum  von  genau  50,  sonst  46  Tagen.  "*) 

Neben  den  sechs  Champagner  Messen  war  die  noch  im  12.  Jahrhundert 
bedeutende  Lenditmesse  von  Paris  in  entschiedenem  Rückgange  begriffen; 
in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  zeigten  die  Tucher  von  Paris  schon  keine 
Neigung  mehr,  diese  Messe  zu  beschicken,  sondern  zogen  es  vor,  in  ihren 
Geschäftslokalen  in  Paris  selbst  zu  bleiben  0),  das  ja  an  kommerzieller  Be- 
deutung mehr  und  mehr  zunahm  und  als  ständiger  Meßplatz,  auf  dem  alle 
Bedürfnisse  leicht  zu  befriedigen  waren,  angesehen  werden  konnte. 

300.  Mit  der  Oberaufsicht  über  die  Messen  der  Champagne  waren  vom 
Landesherrn  die  custodes  nundinarum,  gardes  des  foires,  betraut,  ß)  Im 
Jahre  1174  ist  ihr  Amt  zuerst  nachweisbar,  wo  Graf  Heinrich  (le  Liberal) 
»seinen  Ministerialen  und  Hütern  seiner  Messen«  befiehlt,  bei  Beginn  der 
Messen  ein  gräfliches  Edikt  durch  öffentlichen  Ausruf  zur  Kenntnis  der 
Meßbesucher  zubringen;  weitere  urkundliche  Erwähnungen  von  1190,  1213, 
1225  schließen  sich  an.   In  der  Regel  ernannte  der  Graf  zwei  Custodes,  die  ein 

*)  Die  Worte  der  MSS.  >XI  jors  apres  hare  de  dras  vent  on  cordoan«  glaubte 
ich  in  meinem  »Coiirsbericht«  [Zeitschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  V  (1897)  255 
A.  18]  auf  die  Dauer  der  Ledermesse  beziehen  zu  müssen.  Daß  das  irrig  ist,  er- 
gibt sich  aus  folgendem :  Am  24.  März  1248  wird  in  Marseille  Ablieferung  eines  Postens 
Korduan  infra  nundinas  cordoani  in  vigilia  Pasche  Resurr,  versprochen  (Amalric 
no.  129),  also  für  den  18.  April.  Nach  meiner  ursprünglichen  Auffassung  hätte  die 
Ivedermesse  am  Tage  nach  hare  de  dras  begonnen  und  also  vom  11.  bis  21.  April 
gedauert.  Die  letzten  3  Tage  wären  dann  die  Osterf eiertage  gewesen ;  daß  man  dann 
Lieferung  für  den  Vorabend  derselben  abgemacht  haben  sollte,  ist  sehr  unwahr- 
Bcheinlich.  Anders,  wenn  die  Ledermesse  erst  am  21.  April  begann ;  dann  war 
Lieferung  am  Sonnabend  vor  Ostern  ganz  natürlich. 

*)  Coursbericht  1.  c.  255. 

^)  .  .  .  un  mois  apres  hare  de  dras,  sagen  die  MSS.  der  devisions  allerdings 
und  ich  habe  das  bisher  auch  wörtlich  verstehen  zu  müssen  geglaubt.  Indessen 
habe  ich  mich  überzeugt,  daß  Huvelin  p.  515  recht  hat,  wenn  er  unter  diesem 
Monat  nicht  den  Kalendermonat,  sondern  einen  Zeitraum  von  4  Wochen  versteht. 

*)  Die  Extenta  Comitatus  Campanie  (1276 — 1278  bei  Longnon  II,  69)  rechnen 
diese  4  Tage  nicht  ein,  wenn  sie  die  Dauer  der  Maimesse  mit  46  Tagen  angeben, 
rechnen  sie  aber  bei  der  S.  Aigulfsmesse  mit,  die  nach  ihnen  vom  14.  Sept.  bis 
1.  Nov.  dauerte  (49  Tage),  also  einen  Tag  weniger,  da  hier  die  Tuchmesse  statt  10 
nur  9  Tage  hatte ;  offenbar  auch  das  eine  vom  Gesetzgeber  seinerzeit  getroffene 
Einrichtung,  die  auf  den  Beginn  der  kalten  Messe  am  2.  November  Rücksicht  nahm. 
Übrigens  folgten  nur  diese  beiden  Messen  unmittelbar  aufeinander.  Wenn  Salim- 
bene,  der  1247  in  Troyes  war,  die  Dauer  der  Messen  auf  2  Monate  angibt  (p.  88), 
so  hat  er  ziemlich  stark  nach  oben  abgerundet.  Schulte  I,  160.  Den  Ausdruck  »in 
termino  nundinarum,  si  .  .  .  nundinae  vaoarent«  hat  Huvelin  p.  535  mißverstanden ; 
er  bedeutet  nur,  daß  im  Fall  eines  Ausfallens  der  Messe  Zahlung  genau  zur  selben 
Zeit  zu  leisten  war,  als  wenn  die  Messe  wirklich  stattgefunden  hätte. 

»)  Fagniez  I,  171  no.  178. 

«)  Bourquelot  U,  211,  225  ff.     Huvelin  390  ff. 


378  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Jahr  im  Amt  blieben;  gelegentlich  aber  ließ  er  auch  früher  einen  Wechsel 
eintreten  oder  verlängerte  die  Amtsperiode.  Die  Aufrechterhaltung  der  Ord- 
nung und  Sicherheit  bei  den  Messen  war  ihre  Hauptaufgabe;  demgemäß 
hatten  sie  die  oberste  polizeiliche  und  eine  mit  ihr  verbundene  strafrichter- 
liche Gewalt^),  die  ihre  natürhche  Schranke  an  der  Gerichtshoheit  des  Grafen 
fand.  Gelegentlich  ließen  sie  auch  ihre  vermittelnde  Tätigkeit  eintreten; 
sie  waren  es,  die  im  Jahre  1247  den  Vergleich  zwischen  den  römischen  Kauf- 
leuten  und  den  Wechslern  von  Provins  zustande  brachten.  2)  Der  Landes- 
herr betrachtete  sich  als  den  Schützer  des  Meßfriedens  nicht  nur  während 
der  Dauer  der  Messen  und  an  den  Meßplätzen  selbst,  sondern  auch  für 
alle  diejenigen,  die  auf  der  Reise  zu  oder  von  einer  der  Messen  begriffen  waren.  ^) 
Ein  wirksames  Mittel,  die  Beobachtung  dieses  Meßfriedens  auch  in  fernen 
Gegenden  zu  erzwingen,  bot  sich  den  Grafen,  nachdem  erst  einmal  die 
Messen  zu  größerer  und  allgemeinerer  Bedeutung  gelangt  waren,  in  der  Ver- 
hängung der  Meßsperre,  die  entweder  einzelne  schuldige  Personen  oder  em 
bestimmtes  Gebiet  traf,  innerhalb  dessen  oder  durch  dessen  Angehörige  der 
Meßfrieden  verletzt  war.  Früh  hat  sich  in  dieser  Beziehung  ein  festes  Ge- 
wohnheitsrecht gebildet,  auf  das  sich  die  im  Sommer  1242  trotz  des  ihnen 
von  den  Königen  von  Frankreich  und  Navarra  gewährten  Geleits  von  den 
Placentinern  Überfallenen  Toskaner  in  ihrer  bei  dem  Grafen  angebrachten 
Klage,  in  der  sie  den  Ausschluß  der  Placentiner  von  der  Messe  verlangten, 
berufen.'')  Daß  man  mit  diesem  Ausschluß  nicht  leicht  bei  der  Hand  war, 
namentUch  wenn  eine  ganze  angesehene  Handelsnation  in  Betracht  kam, 
zeigen  die  langwierigen  Verhandlungen  gerade  in  dieser  Sache  ß),  von  der 
wir  nicht  einmal  wissen,  ob  es  zur  Aussperrung  oder  zu  einem  Nachgeben 
der  Placentiner  gekommen  ist  oder  nicht.  Wohl  aber  erfahren  wir  bei  dieser 
Gelegenheit  von  Präcedenzfällen,  die  in  letzter  Zeit  vorgekommen  waren,  von 
der  Verhängung  des  Meßbanns  über  bestimmte  Kaufleute  von  Toulouse  und 
Metz  auf  Antrag  der  Wechsler  von  Lyon  sowie  von  der  Aussperrung  der 
Marseiller  auf  Antrag  der  Placentiner,  der  der  Bolognesen  auf  Antrag  von 
Siena  und  Florenz.  Je  größer  die  Bedeutung  der  Messen  für  den  Handel 
wurde,  um  so  empfindlicher  mußte  ein  solcher  Ausschluß  von  den  Messen 
werden;  Kommunen  und  Korporationen  hatten  allen  Anlaß,  ihren  Ange- 
hörigen gegenüber  scharfe  Disziplin  zu  üben,  damit  diese  nicht  gegen  Meß- 
recht und  Meßfrieden  verstießen  und  unter  Umständen  die  Gesamtheit  in 
Mitleidenschaft  zogen,  ß) 

*)  Eine  Urkunde  vom  Dezember  1210  redet  von  den  stalla  (Buden,  Läden) 
Sita  in  foro  Trecensi,  coram  logia  placitoria  que  sedet  in  nundinis.  Bour- 
quelot  n,  10. 

«)  Oben  §  291. 

^)  Die  Einnahmen  des  Grafen  aus  den  Messen  wurden  im  7.  Jahrzehnt  amt- 
lich bei  der  kalten  Messe  auf  700,  der  Maimesse  auf  800  und  bei  der  Johannis- 
und  S.  Aigulfmesse  auf  je  1000  1.  prov.  jährlich  geschätzt.  Extenta  Comit.  Camp, 
bei  Longnon  11,  10  u.  69. 

*)  •  .  .  jus  et  usagium  nundinarum  Campanie  tale  est,  daß,  wenn  ein  Kauf- 
mann >de  robaria  vel  vi  sibi  facta  corporis  vel  rerum  in  Camino  veniendo  ad  dictas 
nundinas  seu  redeundo«  klage,  der  Graf  malefactorem,  requirere  und  wenn  die  Re- 
quisition ohne  Erfolg,  von  der  Champagne  und  ihren  Messen  ausschließen  müsse^ 
Davidsohn,  Forsch.  III  no.  24  p.  8. 

»)  Oben  §  271. 

•)  Über  die  hohe  rechtsgeschichtlicbe  Bedeutung  der  Institution  s.  besonders] 
Goldschmidt  234. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       379 

301.  Neben  dem  Landesherrn  und  seinen  Organen  spielten  aber  auch 
die  geistlichen  Autoritäten  auf  den  Messen  eine  wichtige  Rolle.  Nicht  nur, 
daß  ein  Teil  der  Meßabgaben  und  Gebühren  in  geisthchen  Händen  war, 
es  waren  in  der  Regel  geistliche  Behörden,  die  Dechanten  von  Troyes  oder 
Provins,  die  Äbte  von  S.  Peter  in  Lagny,  S.  Jacob  in  Provins,  S.  Lupus  in 
Troyes,  vor  denen  man  Schuld-  oder  Rückzahlungs- Anerkenntnisse  abgab 
und  ihre  urkundliche  Ausfertigung  begehrte,  i)  Bei  großen  Darlehn  suchte 
man  die  Sicherheit  des  Gläubigers  dadurch  zu  erhöhen,  daß  man  durch  den 
Papst  einen  dieser  Geistlichen  mit  der  Überwachung  der  vertragsmäßigen 
Erfüllung  der  vom  Schuldner  übernommenen  Verpflichtungen  betraute.  2) 
Im  Zusammenhange  damit  stand  ihnen  in  solchen  und  ähnlichen  Dingen 
die  Gerichtsbarkeit  zu  3);  oft  wurde  sie  ihnen  vom  Papst  in  bestimmten 
Fällen  übertragen,  oft  auch  erhielten  sie  in  klarliegenden  Sachen  den  Auf- 
trag, mit  kirchlichen  Zensuren  gegen  die  säumigen  oder  böswilligen  Schuldner 
vorzugehen.  *) 

So  übte  der  Papst  vermöge  einer  weiten  Ausdehnung  der  geistlichen 
Gerichtsbarkeit  gerade  in  finanziellen  Dingen  auf  den  Messen  der  Cham- 
pagne einen  bedeutenden  Einfluß  aus.  Dazu  kam,  daß  der  Papst,  wie  er 
das  Recht  für  sich  in  Anspruch  nahm,  allgemeine  Handelssperren  gegen 
bestimmte  Städte  oder  Länder  zu  verhängen ,  so  nun  auch  gegen  wider- 
spenstige, besonders  den  Geldhandel  pflegende  Nationen  das  weit  einfachere 
und  viel  wirksamere  Mittel  in  Anwendung  brachte,  die  Bezahlung  von 
Schulden  an  Angehörige  dieser  Nationen  zu  verbieten,  wie  es  1230  in  be- 
schränktem Umfange  den  Lucchesen,  dann  allgemein  1234  den  Römern, 
5  Jahre  später  den  Sienesen  gegenüber  geschehen  ist.  ß)  Wie  der  Ausschluß 
von  den  Messen  die  ultima  ratio  des  Grafen,  so  war  ein  solches  Schulden- 
zahlungsverbot die  des  Papstes;  und  es  bestand  nur  der  Unterschied,  daß 
jener  im  Interesse  des  Handels  und  der  Gesamtheit  der  Handeltreibenden 
zur  Anwendung  kam,  während  dieses  kommerzielle  Gründe  überhaupt  nicht 
hatte  und  nur  geeignet  war,  die  Handelsinteressen  auf  das  schwerste  und 
auf  lange  Zeit  hinaus  zu  schädigen,  da  es  zu  einer  Untergrabung  des  Ver- 
trauens und  des  Rechtsbewußtseins  und  einer  Zerstörung  jeglichen  Gefühls 
der  Sicherheit  führen  mußte. 

302.  An  eigenen  Organen  der  fremden  Meßbesucher  können  wir  mit 
Sicherheit  für  die  Zeit  bis  1250  nur  die  Konsuln  von  Montpellier  nach- 
weisen ß),  und  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  ist  es  auch,  daß  die  eigenen 
Konsuln,  die  die  Einung  der  mercatores  drapariae  Franciae  von  Bologna 
im  Jahre  1245  besaß,  ihre  Haupttätigkeit  auf  den  Messen  der  Champagne 
entfaltet  haben  werden.')  Darnach  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  auch  an- 
dere italienische  Handelsnationen  schon  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
ihre   besonderen  Meßkonsuln    bestellt   haben   mögen,    obwohl  gewisse   Er- 


*)  Einige  Beispiele:  Layettes  II,  2886,  2952,  2979  (vor  Haymericus,  decanus 
christianitatis  Pruvinensis),  2991  ;  Schulte  11,  286  no.  425. 

»)  Beispiele  oben  §  277  ff. 

')  Einleitung  eines  Prozesses  auf  Klage  eines  Sienesen  1238  bei  dem  De- 
chanten und  dem  Kapitel  von  Troyes :  Schulte  II  no  426. 

*)  Oben  §  278  ff.,  besonders  häufig  wurde  auch  der  Abt  von  S,  Genovefa  in 
Paris  mit  solchen  Aufträgen  bedacht ;  Schulte  II,  no.  424. 

»)  Oben  §  275,  290,  280. 

«)  Oben  §  293. 

^)  Stat.  Camps.  (1245)  rub.  81  (Stat.  Soc.  Bol.  U). 


380  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

seheinungen  zur  Vorsicht  mahnen ;  bei  Gelegenheiten,  wo  man  mit  Sicher- 
heit das  Auftreten  von  Konsuln  erwarten  müßte,  wenn  solche  vorhanden 
gewesen  wären,  fehlen  dieselben,  i)  Jedenfalls  aber  hat  ein  allgemeiner  Ver- 
band der  italienischen  Kaufleute  auf  den  Messen  unter  einem  besonderen 
Capitaneus  damals  noch  nicht  bestanden  2);  diese  Organisation  gehört  erst 
einer  etwas  späteren  Zeit  an. 

303.  Der  periodische  Handel,  wie  er  in  den  Messen  der  Cham- 
pagne gipfelte,  erleichterte  mit  seiner  Konzentrierung  nach  Ort  und 
Zeit  die  Bildung  von  Handelskarawanen,  die  gemeinsam  demselben 
Ziele  zustrebten. 

Fehlte  es  auch  keineswegs  an  einzeln  reisenden  Kaufleuten,  die  in- 
dessen auch,  wenn  es  anging,  Anschluß  z.  B.  an  das  Gefolge  reisender 
Großen  suchten,  so  bot  doch  ein  solcher  mehr  oder  minder  große  Handels- 
zug eine  verhältnismäßig  hohe  Sicherheit  —  daß  uns  doch  Ausnahmen  davon 
bekannt  sind,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge  und  darf  nicht  täuschen  — ; 
Verträge  mit  den  Beherrschern  der  Territorien,  die  man  zu  durchziehen 
hatte  oder  besondere  Geleitsbriefe  dienten  dazu,  diese  Sicherheit  noch  zu 
erhöhen.  ^)  Natürlich  stellten  solche  Handelskarawanen  sehr  erhebüche  Werte 
dar;  in  ihrer  Klage  von  1242  gaben  die  beraubten  Toskaner  an,  daß  fünf 
von  ihnen  mit  der  ihnen  selbst  und  anderen  gehörigen  Habe  in  die  Gewalt 
der  Placentiner  geraten  seien,  und  daß  der  Wert  des  in  bar  sowie  an  Pferden 
und  Waren  Geraubten  sich  auf  140001.  tur.  belaufen  habe;  der  Graf  selbst 
spricht  in  seinem  Schreiben  an  Piacenza  vom  Oktober  1242  allerdings  nur 
von  12000  1.  tur.  und  mehr  (also  gegen  300000  M.)*) 

Als  Transportmittel  dienten  von  Italien  aus,  soweit  nicht  der  Weg 
über  Südfrankreich  gewählt  wurde,  schon  des  Übergangs  über  die  Alpen 
wegen  ausschließlich  Lasttiere;  auch  von  der  südfranzösischen  Küste  aus 
war  die  Benutzung  von  Wagen  zum  Warentransport  nach  den  Messen,  offen- 
bar wegen  der  mangelhaften  Beschaffenheit  der  Wege  trotz  der  nicht  erheb- 
lichen Terrainschwierigkeiten,  der  weit  seltenere  Fall;  ohnehin  handelte  es 
sich  nur  um  zweiräderige  Karren.  Nur  bei  Alaun  und  Wachs  finde  ich, 
daß  die  Frachtverträge  den  Karrentransport  nicht  ausschließen.  0) 

Zu  jeder  Karawane  vereinigte  sich  eine  größere  Zahl  von  Transport- 
unternehmern, vecturarii,  jeder  Eigentümer  einer  ganzen  Anzahl  von  Last- 
tieren; häufig  waren  sie  paarweise  und  solidarisch  zur  gemeinsamen  Durch- 
führung ihrer  Unternehmungen  verbunden.  Kaufleute  auf  ihren  Reitpferden, 
Bargeld  und  besonders  wertvolle  Waren  mit  sich  führend,  mit  einem  oder 
zwei  Dienern  zur  Seite,  begleiteten  den  Zug. 

Besondere  Kontrakte  regelten  das  Verhältnis  des  Kaufmanns  zu  den 
Frachtfuhrleuten.     Der  Vecturarius   versprach,   die  nach  Art  und  Quantum 

^)  Vgl.  besonders  die  Zusammenkunft  der  Placentiner  1246  zu  Lagny  zur  Be- 
stellung besonderer  Bevollmächtigter  zum  Zwecke  von  Verhandlungen  mit  dem  Gra- 
fen; oben  §271. 

')  Anders  Schulte  I,  160.  Aber  die  Urkunde  von  1245  hat  keinen  anderen 
Inhalt  als  den  oben  §  293  angegebenen. 

*)  Verträge  von  Städten  mit  Savoyen,  Burgund,  Champagne:  oben  §  272,  268, 
275,  277.  Die  toskanische  Karawane  von  1242  reiste  >cum  conducta«  des  französi- 
schen Königs  und  des  Grafen. 

*)  Davidsohn,  Forsch.  III  p.  8. 

')  Amalric  no.  132,  376,  551.  Der  Ausschluß  erfolgt  mit  der  Formel:  cum 
bestiis,  absque  carretis. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       381 

genau  bezeichneten  offenbar  auf  ihrer  Verpackung  das  Handelszeichen  des 
Kaufmanns  tragenden  Waren  zu  einem  bestimmten  Meßtermin  getreulich 
abzuliefern,  sie  unterwegs  zu  bewachen  und  alles  zu  erfüllen,  wozu  die 
Frachtfuhrleute  herkömmlich  den  Kaufleuten  gegenüber  verpflichtet  wären. 
Alle  unterwegs  erwachsenden  Spesen,  einschließlich  der  Zölle,  trug  der  Vec- 
turariusi),  der  den  Frachtpreis  im  voraus  zu  erhalten  pflegte;  im  Jahre  1248 
wurden  für  den  Transport  von  Marseille  nach  Bar  s./A.  oder  Provins  durch- 
schnittlich 4  1.  vian.  (im  Minimum  3 1/2 ,  im  Maximum  4 1/2)  ^)  für  die  Last 
(carica)  oder  den  Ballen  (trosellus)  gezahlt. 

304.  Die  Dauer  eines  solchen  Transports,  mit  der  man  in  den  Fracht- 
verträgen zu  rechnen  gewohnt  war,  vermögen  wir  wenigstens  für  die  Relation 
Marseille-Provins  zu  bestimmen,  während  uns  für  den  Landweg  von  Italien 
nach  den  Messen  entsprechende  Quellen  fehlen.  Der  letzte  Frachtvertrag 
im  Notularium  Amalrics,  der  Lieferung  »ad  intratam«  der  Maimesse  vor- 
sieht 3),  ist  vom  Sonnabend,  den  2.  Mai;  da  der  vecturarius  jedenfalls  erst 
am  Montag  aufgebrochen  ist  und  die  Vorwoche  der  Maimesse  des  Jahres 
1248  am  26.  Mai  begann,  so  standen,  den  Tag  der  Eröffnung  der  Messe 
nicht  eingerechnet,  dem  vecturarius  22  Tage  zur  Verfügung.  Zu  dem  gleichen 
Resultat  gelangen  wir  bezüglich  der  zweiten  zu  derselben  Messe  abgegan- 
genen Karawane.  Lieferung  »infra  nundinas  cordoani«  ist  zuletzt  in  einem 
Vortrage  vom  27.  Mai  ausgemacht  4);  am  11.  Juni  war  ara  pannorum  und 
11  Tage  darauf  begann  die  Korduanmesse ;  am  Tage  vorher  also,  am  21.  Juni, 
mußte  die  Ware  spätestens  zur  Stelle  sein.  Somit  blieben,  wenn  man  den 
Tag  des  Vertragsschlusses  und  den  Lieferungstag  nicht  einrechnet,  24  Trans- 
porttage übrig.  Indessen  sind  noch  am  29.  Mai  in  Marseille  die  letzten 
Wechsel  auf  die  Zeit  vor  dem  Zahltage  der  Maimesse  ausgestellt  worden  0), 
und  es  ist  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  daß  sie  nicht  besonders,  sondern 
schon  der  Sicherheit  wegen  zugleich  mit  der  großen  Karawane  befördert 
worden  sind.  Damit  schränkt  sich  auch  hier  die  zur  Verfügung  stehende 
Zeit  auf  22  Tage  ein. 

In  einem  Falle  (bei  Karrentransport)  wird  das  Interesse  der  recht- 
zeitigen Lieferung  durch  Festsetzung  einer  besonderen  Buße  von  2  1.  vian. 
gewahrt;  in  anderen  Fällen  verspricht  der  Vecturarius  ausdrücklich  Ersatz 
von  Schäden  und  Kosten,  die  dem  Kaufmann  aus  verspäteter  Lieferung  er- 
wachsen könnten  ^),  und  es  scheint,  daß  diese  Verpflichtung,  auch  wenn  nicht 
besonders  ausgesprochen,  dem  Frachtfuhrmann  allgemein  oblag,  falls  ihn 
nicht  höhere  Gewalt  an  der  Erfüllung  des  Vertrages  verhinderte. 

Hier  und  da  begegnet  auch  eine  Abwälzung  des  Transport-Risikos  von 
dem  Eigentümer.     Genau   wie  beim  Seedarlehn  nahm   er   eine  Geldsumme 

*)  Er  versprach  die  Waren :  reddere  .  .  .  mundas  (oder  immunes)  de  omnibus 
dacitis  (oder  de  pedagiis  et  dacitis)  et  avariis  et  omnia  tibi  attendere  et  complere, 
que  vecturarii  tenentur  mercatoribus  attendere  et  complere.    Ebd.  585,  642,  682  etc. 

*)  Ebd.  983  u.  642.  Beim  Abgang  des  Transports  von  Toulon  aus  (585)  sind 
A^|^  1.  vian.,  von  S.  Gilles  aus  nur  3  1.  berechnet  (681).  Eine  Besonderheit  ist  es, 
wenn  Oberto  Bagaroto  von  Piacenza  am  17.  Juli  einem  Frachtfuhrmann  ein  Pferd 
überläßt  und  dieser  ihm  dafür  kostenfreien  Transport  von  6  Ballen  Ware  in  der 
Zeit  bis  Weihnachten  von  Marseille  nach  Troyes  verspricht  (992). 

')  Amalric  no.  642. 

*)  Ebd.  803. 

»)  Ebd.  817,  819,  822,  828;  alle  »infra  rectum  pagamentum.c 

«)  Ebd.  551 ;  316,  376. 


382  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

auf,  für  deren  Sicherheit  er  dem  Darlehnsgeber  bestimmte,  einem  Vecturarius 
übergebene  Waren  als  Spezialpfand  bestellte;  damit  ging  das  Transport- 
Risiko  bis  zur  Höhe  des  gewährten  Darlehns  an  ihn  über.  Dieses  von  dem 
bekannten  Dekretale  Gregors  IX.  »Naviganti  sive  ad  nundinas  eunti«  mit- 
verurteilte Quasi-Seedarlehn  begegnet  im  Notularium  Amalrics  in  drei  Fällen, 
wobei  die  verpfändete  Ware  jedesmal  in  Korduan  besteht,  i) 

In  anderen  Fällen  scheinen  Kauf-  oder  Lieferungsgeschäfte  die  Ver- 
anlassung zu  besonderen  Abmachungen  über  das  Transport-Risiko  gegeben 
zu  haben.  So  hat  der  Kaufmann  Stephanus  Gaschetus  von  le  Puy^)  am 
24.  März  1248  von  seinem  Landsmann  Petrus  Cambafort  den  Transport  von 
35  Last  (ä  41/4  Ztr.)  Alaun  (aluminis  glasse)  je  zur  Hälfte  zur  Maimesse  und 
zur  Johannismesse  auf  sein  Risiko  (ad  meum  resegum  et  f ortunam)  über- 
nommen ;  die  Ablieferung  hatte  vor  Beginn  der  Messen  (ante  introitum)  an 
den  Eigentümer  oder  Order  zu  geschehen,  während  die  Zahlung  der  Fracht 
mit  je  2  1.  prov.  und  2  1.  vian.  für  die  Last  erst  auf  der  Messe  selbst  zu  er- 
folgen hatte.  Ich  vermute,  daß  es  sich  um  einen  Verkäufer  handelt,  der 
die  Lieferung  bis  an  den  Erfüllungsort  besorgt  und  dementsprechend  auch 
die  Gefahr  der  Lieferung  auf  sich  genommen  hat.  Ähnlich  wird  es  in  dem 
Falle  gelegen  haben,  den  Boncompagnus  in  sein  Formelbuch  übernommen 
hat,  wo  zwei  Kontrahenten  mit  einem  dritten  auf  der  Messe  von  Provins 
abmachen,  daß  dieser  den  Transport  einer  Anzahl  Warenballen  von  Provins 
nach  Vercelli  unter  voller  Übernahme  jegHchen  Risikos  3)  zu  besorgen  habe. 

Der  den  Frachtfuhrleuten  übergebene  Transport  wurde  keineswegs 
immer  von  dem  Kaufmann  oder  einem  Sozius  oder  Angestellten  desselben 
begleitet,  wenn  sich  das  in  der  Regel  auch  noch  aus  den  Verhältnissen  er- 
gab. Petrus  de  Falguiers  hat  den  Haupttransport  zum  Korduanmarkt  der 
Maimesse  von  Provins  selbst  begleitet,  aber  schon  mehrere  Wochen  vorher 
hat  er  Waren  abgesandt,  die  bei  Beginn  der  Maimesse  eintreffen  sollten.*) 
Die  Abnahme  der  unbegleiteten  Ware  am  Bestimmungsorte  erfolgte  eben 
nicht  selten  durch  einen  daselbst  weilenden  Sozius  oder  Geschäftsfreund  der 
absendenden  Firma;  so  haben  am  17.  Juli  1248  zwei  Placentiner  2  Lasten 
Pfeffer  von  Marseille  abgeschickt,  die  der  Vecturarius  spätestens  am  6.  Tage 
nach  dem  Ende  der  Tuchmesse  an  sie  oder  den  auf  der  Messe  weilenden 
Musso  Caldairac  oder  ihre  Sozii  in  Troyes  abzuliefern  versprach.  0)  Und  am 
23.  März  verpflichtete  sich  Bernardus  Gascus  von  Condom  dem  Aicardus  de 
Barrio  gegenüber,  auf  des  letzteren  Risiko  2  Ballen  Korduan  im  Werte  von 
33  1.  16  sol.  misc.  zur  Messe  von  Bar  an  Ebrardus  Sarracenus  von  Reims  zu 
schicken,  damit  dieser  sie  dort  umsetze.  Am  folgenden  Tage  wird  von  den 
beiden  Kontrahenten  ein  entsprechender  Frachtvertrag  mit  zwei  Vecturarii 
über  den  Transport  von  4  Ballen  Korduan  (zu  denen  also  jene  zwei  offenbar 
mitgehörten)  geschlossen,  die  diese  vor  Beginn  der  Ledermesse  an  sie  selbst 
oder  an  Elzardus   Sarracenus    an    ihrer  Statt  abzuliefern  haben.  6)     Dieser 


»)  Ebd.  14,  800—804.  Studien  z.  Gesch.  u.  Natur  des  ältesten  Cambium  in 
Conrads  Jahrb.  65  (1895),  511 ;  vgl.  514,  172. 

«)  Amalric  no.  132.  Daß  er  kein  Vecturarius  ist,  geht  aus  no.  212  und  251 
unzweifelhaft  hervor. 

')  .  .  .  sub  omni  periculo  et  eventu  fortunae.  Quell,  u.  Erört.  z.  bayr.  Gesch.  IX 
(1863),  171. 

*)  Oben  §  295. 

6)  Amalric  983;  oben  §  271. 

«)  Ebd.  117,  129. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.        383 

Elzardus  muß  ein  naher  Verwandter  des  Ebrardus  gewesen  sein,  der  selbst 
in  Marseille  weilte  und  noch  am  4.  April  mit  einem  Frachtführer  über  den 
Transport  einer  Sendung  kastilischen  Alauns  akkordierte.  i) 

Eine  Probe  umfangreicher  kaufmännischer  Korrespondenz  zwischen 
Siena  und  den  Champagner  Messen,  die  von  den  auf  den  Messen  weilenden 
Sozii  mit  der  heimischen  Firma  gepflogen  und  sicher  auch  schon  vor  der 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  geübt  wurde,  ist  uns  aus  den  sechziger  Jahren 
des  13.  Jahrhunderts  erhalten.  2)  Fraglich  dagegen  erscheint  es,  ob  der  or- 
ganisierte Kurierdienst,  der  zwischen  Siena  und  den  Messen  ebenfalls  in  den 
sechziger  Jahren  nachweisbar  ist  3),  auch  in  unserer  Zeit  schon  bestanden  hat. 

305.  Unter  den  Gegenständen  der  Einfuhr  durch  die  Mittelmeer- 
Romanen  spielten  die  Gewürze  des  Orients  naturgemäß  eine  wichtige 
Rolle,  besonders  die  beiden  damals  massenhaft  konsumierten  Hauptwaren 
Pfeffer  und  Ingwer.  In  einem  Frachtvertrage  von  1248  begegnen  ein- 
mal 17^/2  große  Last  Ingwer  und  9  Last  Pfeffer  nebeneinander,  die  von 
Toulon  zur  Maimesse  gehen  sollen ;  4  Ztr.  37  V2  Pfd.  Ingwer  Commendagut 
wurden  zur  selben  Zeit  in  Marseille  auf  53 1/3  1.  reg.  cor.  Wert  einschließlich 
der  Fracht  und  sonstigen  Spesen  bis  zur  Messe  geschätzt.  4)  Aus  der  Levante 
(Syrien)  stammten  sicher  auch  die  beiden  Lasten  Staubzucker,  die  einen 
Teil  eines  Transports  zur  Maimesse  büdeten.s) 

Neben  diesen  Gewichtswaren  war  die  Einfuhr  von  Korduan  von 
hervorragender  Bedeutung;  war  doch  ein  besonderer  Meßabschnitt  dem 
Handel  mit  diesem  Artikel  gewidmet.  Der  Name  verbürgte  längst  nicht 
mehr  die  spanisch-arabische  Herkunft ;  in  großen  Mengen  wurde  er  nament- 
lich auch  von  der  hochentwickelten  pisanischen  Lederindustrie  hergestellt 
xmd  dem  Exporthandel  zugeführt.  Wir  kennen  schon  die  Handelsgesellschaft 
von  San  Gimignano,  die  feines  Schafsleder  (beccunas)  im  Werte  von  1201. 
pis.  von  Tunis  nach  Pisa  bringen  und  hier  mit  13  1.  Kosten  zu  Korduan 
herrichten  ließ;  ein  Mitglied  der  Gesellschaft  begab  sich  dann  1219  nach 
Frankreich,  um  diesen  Korduan  auf  der  Messe  zu  verwerten,  ß)  Von  Mar- 
seille aus  können  wir  in  elf  Fällen  den  Transport  von  Korduan  nach  den 
Messen  nachweisen,  unter  denen  sich  Posten  von  17  und  15  Ballen  (troseUi) 
befinden ;  da  ein  Ballen  im  Jahre  1244  einen  Wert  von  44  1.  reg.  cor.  hatte, 
so   repräsentierten   diese  Transporte  Werte  von   etwa   16000  und  14000  M. 


')  Ebd.  376. 

»)  Coursbericht  in :  Zeitschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  V  (1897),  251  ff. 

')  Vgl.  hierüber  meine  Abhandlung:  Der  Kurierdienst  zwischen  Italien  und 
-den  Messen  der  Champagne,  im  Archiv  für  Post  und  Telegr.  1896  p.  542  ff.  Dazu 
den  zwei  Jahre  später  in  den  Ann.  de  Droit  commercial  frangais,  ötranger  et  inter- 
national erschienenen  Aufsatz  Huvelins:  Les  courriers  des  foires  de  Champagne, 
der  zu  den  gleichen  Ergebnissen  wie  meine  Abhandlung  gekommen  ist,  ohne  sie 
zu  kennen. 

*)  Amalric  no.  585,  162.  Einmal  begegnet  piper  longum,  no.  225.  Ein  pipe- 
rarius  in  Dijon  schon  1170:  Delaville  le  Roulx  I,  287  no.  413. 

')  Amalric  791.  Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  hat  sich  Albert  v.  Beham 
in  Lyon  Notizen  über  den  Preis  einiger  Spezereien  gemacht  (Höfler  p.  XXIII) ;  dar- 
nach galt  die  Unze  Muskatnuß  3,  grana  paradisi  7,  Gewürznelken  20  den.  vien., 
während  für  das  Pfund  feinsten  Ingwers  32  den.  und  das  Pfund  Kubeben  20  sol. 
vien.  gezahlt  worden  seien.  Bei  der  Preisangabe  von  22  den.  für  das  Pfund  Safran 
liegt  ein  offenbarer  Fehler  vor  und  ist  jedenfalls  22  sol.  zu  lesen. 

«)  Davidsohn,  Forsch.  H,  294  no.  2302. 


384  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Da  die  Absender  in  diesen  elf  Fällen  sämtlich  Südfranzosen  sind,  so  ist  es 
wahrscheinlich,  daß  wenigstens  ein  Teü  der  Ware  in  Südfrankreich  selbst, 
in  Städten  wie  Marseille  und  Montpellier,  hergestellt  wurde. 

Sehr  beträchtlich  war  auch  die  Einfuhr  des  den  Bedürfnissen  der 
Leder-  wie  der  Textilindustrie  dienenden  Alauns.  Die  beste  Sorte  war  der 
Eisalaun  (alumen  glassae  =  glaciale,  mit  alumen  roccae  identisch),  von  dem 
1248  in  einem  Transport  35  Last  (=  148  8/4  Ztr.)  zu  der  Mai-  und  Johannis-Ä 
messe  gingen,  i)  Sicher  stammte  er  aus  dem  Orient  ebenso  wie  der  Alaun ^' 
von  Aleppo,  von  dem  Bernhardus  de  Mandolio  1234  gegen  27  Ztr.  zu  den 
Messen  in  Commenda  gab;  und  von  den  70  bis  80 Last  Alaun  von  Aleppo 
und  Ingwer,  die  ein  Vecturarius  im  Mai  1248  zum  Transport  von  Saint- 
Gilles  aus  zu  den  Messen  übernahm,  wird  wohl  der  größere  Teil  auf  den 
Alaun  zu  rechnen  sein.  2)  Kastilischer  Alaun  begegnet  im  selben  Jahr  mit 
einem  Transport  von  18  Ballen  (balae)  zu  den  Messen,  während  bei  zwei 
weiteren  Transporten,  die  wir  kennen  (von  14  kleinen  Last  im  Jahre  1233' 
und  191/5  Ztr.  im  Jahre  1235)  die  Sorte  des  Alauns  nicht  bezeichnet  ist.  3) 
Der  Marseiller  Tarif  von  1229  unterscheidet:  aluns  cequerin  (=  it.  zuccarino, 
der  durch  dickes  Einkochen  des  Alauns  mit  Eiweiß  und  Rosenwasser  ent- 
stand), alun  de  Castilha,  alun  blanc  und  alun  Dalap  (d' Aleppo) ;  an  anderer 
Stelle  ist  noch  alun  de  bolcan  genannt,  von  der  liparischen  Insel  Volcano, 
die  indes  nur  eine  geringe  Sorte  lieferte.  *) 

Dem  Bedürfnis  besonders  der  Textilindustrie  nach  Farbstoffen  diente 
ferner  die  Einfuhr  von  Gummilack,  die  zweimal  mit  einem  Posten  von 
je  einer  Last  begegnet 5),  und  die  von  Brasilholz,  das  also  auch  bei  der 
Tuchfabrikation  der  nördlichen  Länder  Verwendung  fand;  wir  kennen  zwei 
Transporte  von  2  Last  und  12  großen  Last  (über  50  Ztr.),  die  im  Jahre  1248 
zur  Maimesse  von  Provins  gingen.  ^)  Stammten  diese  Farbstoffe  aus  dem 
Orient,  so  handelte  es  sich  um  ein  wertvolles  südfranzösisches  Landesprodukt 
bei  dem  ein  prächtiges  Rot  liefernden  K  e  r  m  e  s ,  der  in  einem  Quantum  von 

7  Ztr.  7  Pfd.  in  Marseille   zur  selben  Messe  in  Commenda  gegeben  wurde.  '^ 

Auch  die  Einfuhr  von  Rohstoffen  für  die  Textil-  und  Lederindustrie 
kommt  gelegentlich  vor,  wenn  auch  in  geringem  Umfange;  zur  Maimesse 
von  1248  gingen  von  Marseille   aus  auch   eine  Last  Lammfelle,    ferner 

8  Sack  Baumwolle,  die  Otto  Angossola  am  12.  Mai  in  Marseille  kaufte 
und  mit  126  1.  prov.  auf  der  Messe  zu  bezahlen  versprach.  8)  Ja,  Andrea  von 
San  Gimignano  hat  sogar  einmal  einen  Ballen  Wolle  im  Werte  von  13  Vs  1- 
pis.  von  Toskana  aus  nach  den  Messen  importiert.  ^) 

Aber  auch  Fabrikate  der  Textilindustrie  wurden  von  den  Mittelmeer- 
Romanen  auf  den  Messen  abgesetzt.  Als  Vertreter  der  Gewebe  der  Levante 
erscheinen  16  Stück  Taft  (cendati)  aus  Tripolis,  die  1248  von  Marseille  aus 
zu  den  Messen  gingen ;  von  dem  Ballen  Kamelot  (de  camelotis)  Und  der 
Last  von  Baumwollstoffen   (boucarans),   die   zur  gleichen  Zeit  den  gleichen 


»)  Amalric  no.  132;  dazu  Heyd  II,  568  f. 

*)  Manduel  no.  47;  Amalric  681. 

3)  Amalric  376;  Manduel  no.  43  u.  65  p.  97. 

*)  Möry  et  Guindon  I,  346  f.  u.  343.     Dazu  Heyd  H,  569  u.  565. 

»)  Amalric  no.  642,  791. 

«)  Ebd.  316,  585. 

')  Ebd.  811. 

8)  Ebd.  791 ;  698  (vgl.  685). 

«)  Davidsohn  Forscb.  n,  304  no.  2321.     Vgl.  unten  bei  Safran. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       385 

Weg  gingen,  muß  es  zweifelhaft  erscheinen,  ob  sie  nicht  im  Abendlande 
hergestellte  Imitationen  waren.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  Süd-Frank- 
reich selbst  hergestellt  waren  die  100  Stück  Barchent  (baracans)  im  Werte 
von  42 1/2  1.  misc,  die  Alasacia,  die  Witwe  des  Bernhard  von  Carcassonne, 
am  1.  April  1248  dem  Petrus  Peguelerius  zur  Verwertung  auf  der  Messe  von 
Bar  oder  der  folgenden  Maimesse  in  Commenda  gab.  i) 

Von  sonstigen  Einfuhrartikeln  begegnen  noch  Wachs,  von  dem  ein 
Quantum  von  7^/2  Last  1248  von  Marseille  aus,  wohin  es  wahrscheinhch  von 
Nord- Afrika  gekommen  war,  zur  Maimesse  ging 2),  und  Safran.  Andrea 
von  S.  Gimignano  hat  auf  seine  Handelsreise  zu  den  Messen  (1217  oder 
1218)  Safran  im  Werte  von  298  1.  pis.  mitgenommen;  in  einen  Beutel  ge- 
packt, wurde  das  kostbare  Produkt  in  dem  Ballen  Wolle  geborgen,  den  er 
wohl  hauptsächlich  zu  diesem  Zwecke  mit  nach  Frankreich  geführt  hat. 
Sicher  ist  Safran  schon  der  Leichtigkeit  des  Transports  wegen  namentlich 
von  toskanischen  Kaufleuten  als  wertvollstes  Produkt  ihrer  Heimat  sehr 
häufig  zu  den  Messen  mitgenommen  worden.^) 

306.  Im  Export  der  Mittelmeer-Romanen  von  den  Messen  her  stellten 
die  Erzeugnisse  der  Textil-Industrie  alle  anderen  Artikel  völhg  in  den  Schatten ; 
das  treffliche  Rohmaterial  der  Heimat  und  namentlich  des  benachbarten 
England  hatte  dieser  Industrie  in  den  mittleren  und  nordöstlichen  Teilen 
von  Frankreich  und  dem  benachbarten  Flandern  einen  großen  Vorsprung 
vor  Italien  und  Südfrankreich  verschafft*),  so  daß  ihre  Produkte  fast  aus- 
schließlich den  Gegenwert  im  Handel  mit  diesen  Ländern  bildeten.  Das 
geht  schon  aus  dem  Vertrage  Luccas  mit  Genua  von  1153  hervor,  der  nur 
auf  den  Transit  solcher  von  den  feriae  ultramontanae  her  exportierten  Tuche 
durch  genuesisches  Gebiet  Bezug  nimmt 0);  von  Genua  aus  werden  schon 
1160  Tuche  von  Saint-Riquier  nach  Sizilien,  1163  Tuche  von  Saint-Quentin 
nach  Pisa  exportiert,  und  1164  begegnet  in  Genua  ein  »torseUus  Parisinorum«, 
der  bei  einer  Länge  von  60  Ellen  einen  Preis  von  16  1.  jan.  hatte.  ^) 

Für  die  aus  Toskana  mitgeführten  Waren,  Safran  und  Korduan,  tauschte 
Andrea  von  S.  Gimignano  auf  den  Messen  wertvolle  Tuche  ein;  nach  der 
Rückkehr  (1219)  verkaufte  er  mit  seinem  Sozius  zusammen  in  Pisa  Stam- 
fords,  die  in  Cambrai  verfertigt  waren;  ein  besonders  kostbares  Stück  roten 
Tuches  erstand  in  S.  Gimignano  der  comes  de  Certaldo  von  ihnen. '^)  Mit 
Vorliebe  trugen  die  bemittelteren  Klassen  Toskanas*)  und  Italiens  über- 
haupt diese  französischen  und  flandrischen  Stoffe;  diese  Vorliebe  ging  so 
weit,  daß  man  sogar  Kleider  in  Frankreich  selbst  arbeiten  ließ ;  der  sienesische 
Kaufmann  Aringhieri  di  Magiscolo,  der  mit  Frankreich  in  Geschäftsbeziehungen 
stand,  vermachte  in  seinem  Testament  vom  Frühjahr  1232  seiner  Frau  u.  a. 

1)  AmaMc  629,  133,  791,  349. 

»)  Ebd.  551.     Vgl.  Coursbericht  in  Z.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  V  (1897),  281. 

')  Davidsohn,  Forsch.  11  no.  2321 ;  wichtig  die  Stelle :  dixit  quod  crocum  juvit 
mitti  in  tasca  cum  ipsa  lana.     Vgl.  Coursbericht  1.  c.  280. 

*)  Doren  p.  18. 

»)  Oben  §  275. 

•)  Chart.  II  no.  859,  1285,  1427. 

")  »astanfortes  facti  Chameraci«  u.  »petiam  panni  sanguineam<.  Davidsohn, 
Forsch,  n,  304  no.  2321. 

*)  Die  Auffassung  Dorens  (S.  21),  der  es  für  wahrscheinlicher  hält,  daß  der 
florentinische  Tuchhandel  von  Anfang  an  vor  allem  ein  Durchgangshandel  gewesen, 
der  die  Länder  des  Orients  .  .  .  versorg'te,  vermag  ich  nicht  zu  teilen. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  25 


386  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

ein  Kleid  aus  Scharlachtuch,  das  er  von  Siena  aus  in  Frankreich  für  sie 
bestellt  hatte  und  in  Kürze  erwartete;  für  den  Fall,  daß  es  nicht  geliefert 
werden  sollte,  bestimmte  er  als  Ersatz  für  seine  Frau  eine  Summe  von  25  I. 
sen.  (über  250  M.)^) 

Einige  weitere  Beispiele  mögen  zeigen,  wie  verbreitet  diese  Tuche  auch 
sonst  in  Ober-  und  Mittel-Italien  waren.  Der  Brückenzolltarif  von  Lodi  von 
1210  oder  1211  führt  neben  den  lombardischen  und  toskanischen  die  fran- 
zösischen Ballen  farbiger  Tuche  (torselli  francisci  de  colore)  als  besonderen 
Posten  auf ;  die  Statuten  von  Brescia  reden  neben  den  mailändischen  Tuchen 
von  denen  aus  Frankreich,  in  der  Adria  raubten  gegen  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts Seeräuber  von  Cervia  von  einem  venezianischen  Fahrzeug  ein  Stück 
roten  Tuches  von  S,  Quentin,  und  um  1247  fielen  auf  dem  Tyrrhenischen 
Meere  dem  Admiral  Kaiser  Friedrichs  u,  a.  34 V2  Ballen  französischer  Tuche  in 
die  Hände,  die  römische  Kaufleute  in  ihre  Heimat  zu  führen  im  Begriff  waren.2) 

In  seinen  Verträgen  mit  Arles  und  Siena  von  1237  und  1241  behielt 
Genua  die  Ausfuhr  französischer  Tuchwaren  sowie  Reimser  und  Champagner 
Leinwand  den  eigenen  Kaufleuten  vor  3);  ein  Beweis,  in  wie  beträchtlicher 
Menge  diese  Waren  nach  Genua  kamen  und  wie  wichtig  und  gewinnbringend 
ihre  Weiterausfuhr  für  die  Genuesen  gewesen  sein  muß.  Auch  der  Vertrag 
Genuas  mit  Asti  von  1251  ist  für  diesen  Handel  lehrreich;  er  setzt  für  den 
Fall  von  Streitigkeiten  fest,  daß  auf  den  torsellus  zu  rechnen  seien  bei  den 
Tuchen  von  Montreuil  (pannorum  mosteriolorum)  8  Stück  (peciae),  bei  Stam- 
fords  11,  bei  Tuchen  von  Cambrai  12,  bei  denen  von  Chalons  13,  den  un- 
gestreiften (non  vergati)  von  Provins  14,  den  gestreiften  16  Stück,  und  daß 
bei  anderen  Stoffen  die  Berechnung  auf  Grundlage  des  Gewichts  nach  diesem 
Maßstabe  zu  erfolgen  habe.  4) 

Etwas  mehr  Detail  bieten  uns  auch  hier  die  Marseiller  Quellen.  Wenn 
wir  Placentiner  oder  Marseiller,  von  denen  wir  wissen,  daß  sie  mit  den 
Champagner  Messen  in  Handelsverbindung  standen,  in  Marseille  als  Verkäufer 
von  Stamfords  und  anderen  Tuchen  von  Arras  oder  von  grünen  Tuchen  von 
Chalons  finden  ß),  wenn  in  einem  anderen  Falle  graues  Tuch  von  Provins  in 
Marseille  als  Spezialpfand  bestellt  wird,  wenn  wir  in  einem  Schiedspruch 
zwischen  zwei  bisherigen  Geschäftsfreunden  vom  Jahre  1235  neben  10  Stam- 
fords von  Arras  4  Tuchen  von  Metz,  2  Mänteln  (capae)  und  3  Tuchen  von 
Douai  und  7  Stück  Tuchen  von  Ypern  begegnen  6),  so  wird  man  schwerlich 
bezweifeln  wollen,  daß  alle  diese  Artikel  von  den  Champagner  Messen  nach 
Marseille  exportiert  worden  sind.  Von  besonderem  Interesse  ist  hierfür  auch 
der  Abschnitt  des  Marseiller  Zolltarifs  von  1229,  der  die  von  Käufern  und 
Verkäufern  zu  entrichtenden  Abgaben  für  die  von  Fremden  in  Marseille 
eingeführten  Tuche  enthält')  und  demnach  sicher  diejenigen  Tuche  aufführt, 
die  am  häufigsten  zur  Einfuhr  gelangten.  Nach  dem  allgemeinen  Satze  für 
Tuche,  die  mit  Kermes  oder  einfach  gefärbt  waren  (draps  de  grana  und  de 


*)  Zdekauer,  Mercante  33  A.  1. 

*)  Cod.  Laud.  HI,  556  ff.  (Stat.  vet.  Land.,  1.  III  rub.  54).  Leges  Munic.  II, 
1584  (109).     Minotto  HI  1  p.  11.     Oben  S.  869. 

^)  Chart.  II,  1399  no.  1835 :  tele  de  Campania  et  draparia  Francie.  Ferretto  I,  158, 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  812. 

»)  Amalric  no.  741,  911,  768. 

«)  Ebd.  692.     Manduel  no.  65  p.  96. 

')  Mary  et  Guindon  I,  345:  de  leusdis  pannorum.  Im  Tarif  von  Saint- Gilles 
begegnen  Tuche  von  Beauvais,  Arras  und  Chäteau-Landon.     Bondurand  p.  280  f. 


I 


4 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       387 

color)  mit  2  und  1  sou  begegnen  uns  Stamf ords  von  Saint-Omer  i)  mit  1  sou, 
solche  von  Arras  und  grüne  Tuche  von  Arras  mit  der  Hälfte,  Tuche  von 
Louviers  (Loiers)  mit  1/3  dieses  Satzes ;  die  Stoffe  (Cordat)  von  ifitampes  und 
Chartres  mit  2/3  sou;  die  Barchentstoffe  (barracans)  von  Rohan  mit  1/3,  die 
saillas  und  barracans  von  Beauvais  mit  1/2  sou  das  Stück. 

Endlich  sei  an  die  Fälle  erinnert,  in  denen  uns  diese  französischen 
und  flandrischen  Tuche  im  Export  von  Genua  oder  Marseille  aus  namentlich 
nach  der  Levante  begegnet  sind.  2)  Kümmerlich  erscheint  demgegenüber, 
was  wir  von  sonstiger  Ausfuhr  von  den  Messen  her  durch  die  Mittelmeer- 
Romanen  für  unsere  Periode  wissen.  Außer  Tuchen  führten  jene  von  dem 
Admiral  Kaiser  Friedrichs  II.  gefangenen  Römer  auch  Barrengold  aus  Frank- 
reich mit  sich ;  und  unter  den  Waren,  die  nach  einer  Feststellung  von  1224 
einem  Venezianer  bei  Codigoro  (Pomündung)  geraubt  worden  waren,  be- 
fanden sich  auch  12  Gürtel  (centae)  von  Paris  s),  ein  vereinzeltes  Zeugnis, 
das  aber  den  Schluß  erlaubt,  daß  schon  damals  gar  manche  Artikel  der  ge- 
werbfleißigen  französischen  Hauptstadt  im  Handelswege  nach  dem  Mittel- 
meergebiet gewandert  sind. 

307.  Es  beweist  die  allgemeine  Bedeutung,  die  die  Messen  der 
Champagne  schon  erlangt  hatten  und  ist  seinerseits  wieder  von  größter 
Wichtigkeit  für  die  Entwickelung  dieser  Messen  gewesen,  daß  es  üblich 
wurde,  auch  für  die  in  der  Ferne  bei  italienischen  Gläubigern  kon- 
trahierten Anleihen  Rückzahlung  auf  einer  der  Messen  der  Champagne 
zu  vereinbaren. 

Bei  dem  ersten  bekannten  Fall  dieser  Art,  den  zu  Messina  unter  Bürg- 
schaft des  Grafen  Heinrich  von  Bar  s./S.  im  Jahre  1190  aufgenommenen 
Darlehn  4),  waren  die  Darlehnsnehmer  noch  sämtlich  Kreuzfahrer  aus  der 
Champagne  selbst,  so  daß  die  Abstellung  auf  die  Messe  von  Bar  als  etwas 
durchaus  Natürliches  erscheint.  Als  ein  wesentlicher  Fortschritt  aber  ist  es 
zu  betrachten,  wenn  12  Jahre  später  auch  Graf  Balduin  von  Flandern  bei 
dem  Darlehn,  das  er  in  Venedig  aufnahm,  das  gleiche  Verfahren  einschlug.  ^) 
Und  bald  adoptierten  die  im  Interesse  ihrer  Person  oder  ihres  Sprengeis  an 
der  Kurie  weilenden  auswärtigen  Bischöfe  und  sonstigen  Prälaten  oder  ihre 
Prokuratoren,  die  zu  sofortiger  Geldbeschaffung  genötigt  waren,  diesen  Brauch, 
der  bei  den  rheinischen  Bischöfen,  dem  Erzbischof  von  Mainz  (1209)  und 
dem  von  Köln  zuerst  nachweisbar  ist^),  und  rasch  eine  außerordentliche 
Verbreitung  erlangte.  Nahm  doch  die  Zahl  der  vor  die  Entscheidung  der 
Kurie  gehörigen  Sachen,  wie  man  schon  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts 
klagte'),  beständig  zu,   und  mit  leeren  Händen   war  in  Rom  nichts  auszu- 

*)  »Estan  forz  (pro  stamine  forti)  de  sant  tomer.« 

»)  Oben  §  112,  152. 

-)  Oben  §  292.  Lib.  pleg.  I  p.  176  (13.  Januar  1224).  In  dem  etwa  aus  dem 
Anfang  des  13.  Jahrhunderts  stammenden  Zolltarif  von  Montpellier  (Lib.  Instrum. 
no.  275  p.  438)  begegnen  Schwerter  aus  Poitou  (espaza  de  Peitous). 

*)  §  270. 

»)  §  273. 

•)  §  289  u.  330. 

»)  Burkhard  Ursperg.,  SS.  XXin  p.  367  zu  1198 :  Vix  enim  remansit  aliquis 
episcopus  et  dignitas  ecclesiastica  vel  etiam  parochialis  ecclesia  quae  non  fieret 
litigiosa  et  Romam  deduceretur  ipsa  causa,  sed  non  manu  vacua;  mit  der  ironischen 
Hinzufügung:  Gaude,  mater  nostra  Roma,  quoniam  aperiuntur  kataraktae  thesau- 
rorum  in  terra,  ut  ad  te  confluant  rivi  et  aggeres  nummorum  in  magna  copia. 

25* 


388  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

richten.  Natürlich  führte  man  Geld  und  Geldeswert,  soweit  angängig,  mit 
sich;  mid  einmal  haben  wir  auch  den  Fall  kennen  gelernt,  daß  ein  Bischof 
von  Wales,  um  sich  Mühen  und  Risiko  des  Geldtransports  wenigstens  zum 
Teil  zu  ersparen,  einen  großen  Teil  seiner  Barmittel  bei  Bologneser  Kauf- 
leuten  auf  der  Messe  von  Troyes  (1202)  einzahlte,  um  sich  dafür  einen 
Wechsel  ausstellen  zu  lassen;  aber  wir  hören  auch,  daß  er  nur  mit  Mühe 
an  Ort  und  Stelle  zu  seinem  Gelde  kami),  und  es  scheint  nicht,  daß  diese 
Methode  der  Geldübermittelung  damals  schon  irgendwie  zu  allgemeinerer 
Anwendung  gelangt  wäre.  Abgesehen  von  wirkUchem  Mangel  an  Geldmitteln 
—  man  vermied  jedes  Risiko,  wenn  man  sich  den  noch  dazu  auch  erst  an 
Ort  und  Stelle  recht  zu  übersehenden  Geldbedarf  erst  an  der  Kurie  selbst 
durch  Anleihen  beschaffte.  In  erster  Linie  boten  sich  hierfür  natürlich  die 
römischen  Geldleute  2)  dar,  auch  die  Bolognesen  empfahlen  sich  schon  wegen 
des  vielseitigen  Verkehrs,  den  ihre  Hochschule  mit  sich  brachte  und  des 
Geldverkehrs,  den  sie  mit  Rom  unterhielten.  Bei  dem  wachsenden  Bedarf 
mochte  das  Kapital  der  Römer  nicht  mehr  ausreichen;  es  kam  dazu,  daß 
die  Kurie  gelegentlich  Differenzen  mit  Rom  hatte  und  deshalb  oder  aus 
anderen  Gründen  außerhalb  Roms,  namentlich  in  Viterbo,  weilte.  Das  ver- 
anlaß te  die  Sienesen,  sich  ebenfalls  diesem  Anleihegeschäft  zuzuwenden, 
teils  mit  Römern  assoziiert,  teils  allein ;  schon  im  dritten  Dezennium  nimmt 
auch  ihre  Tätigkeit  auf  diesem  Gebiet  einen  großen  Umfang  an^),  während 
die  Bolognesen  wohl  wegen  der  größeren  Entfernung  von  der  Kurie  mehr 
und  mehr  zurücktraten.  Dagegen  verstanden  es  die  Florentiner,  seit  dem 
vierten  Dezennium  einen  rasch  wachsenden  Anteil  an  diesem  Anleihegeschäft 
zu  gewinnen  4),  wobei  ihnen  die  Gunst  der  Päpste  sehr  zustatten  kam,  die 
1234  mit  Rom,  1239  mit  Siena  in  schwere  Zerwürfnisse  gerieten.  In  dieser 
Zeit  fanden  die  kurialen  Prälatenanleihen,  die  auf  die  Champagner  Messen 
abgestellt  wurden,  schon  bis  nach  Schottland  und  Spanien  hin  Anwendung.^) 

308.  Wie  es  bei  den  Geld-  und  Zinsverhältnissen  der  Zeit  nicht  anders 
zu  erwarten  ist,  waren  die  Bedingungen,  die  die  italienischen  Gläubiger  bei 


')  Giraldus  Cambrensis,  SS.  XXVII,  417:  vix  et  cum  difficultate  (in  Faenza) 
recuperavit.     Oben  §  274. 

*)  Der  älteste  sicher  bekannte  Fall  einer  kurialen  Anleihe  von  Franzosen  bei 
Italienern  zeigt  folgendes  Verfahren:  Paganus  und  Rainaldus,  Bürger  von  Reims, 
nehmen  unter  Bürgschaft  des  Presbyters  Galterus  von  Epernay  bei  Alagrinus  von 
Anagni  ein  Darlehn  von  16  1.  prov.  auf ;  vor  einem  Kardinal  beschwören  alle  drei, 
die  Kurie  vor  erfolgter  Rückerstattung  nicht  zu  verlassen.  Da  sie  den  Eid  nicht 
hielten,  schritt  Papst  Alexander  III.  zugunsten  des  Gläubigers  ein;  dem  Bevoll- 
mächtigten, den  dieser  nach  Reims  schickte,  gab  er  ein  Schreiben  (vom  18.  Mai  1173 
oder  1174)  an  den  Erzbischof  von  Reims  mit,  der  die  Schuldner  zur  Zahlung  (auch 
der  Reisekosten)  binnen  14  Tagen  zu  zwingen  hatte;  die  von  ihnen  erwirkten  päpst- 
lichen Briefe  wurden  so  lange  für  kraftlos  erklärt,  bis  die  Begleichung  erfolgt  war, 
Migne  200  p.  946.  J.-L.  12283.  Im  übrigen  s.  Gottlob,  Prälatenanleihen  p.  361; 
bei  der  ältesten  von  ihm  angeführten  Anleihe  dieser  Art  (Hadrian  IV.  beauftragt 
den  Bischof  von  Beauvais  12  Juni  1155,  zwei  Schuldner  qui  in  curia  tua  consistant 
zur  Zahlung  ihrer  Schuld  von  41  Mark  Silber  zu  zwingen;  Migne  188,  1430)  bleibt 
es  zweifelhaft,  ob  der  Gläubiger  Italiener  war;  in  einem  zweiten  Falle  von  1173 
oder  1174  sind  die  Gläubiger  des  Abts  von  Dervum  zwei  flandrische  Kaufleute. 
J.-L.  12  272. 

3)  §  278. 

*)  §  285  f. 

6)  §  319  n.  286. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       389 

der  Aufnahme  solcher  Anleihen  stellten,  nicht  leicht.  Zunächst  suchten  sie 
sich  die  pünktliche  Rückzahlung  des  Darlehns  zum  vereinbarten  Meßtermin 
durch  Festsetzung  hoher  Bußen  möglichst  zu  sichern;  blieb  der  Schuldner 
im  Verzuge,  so  verpflichtete  er  sich,  von  Messe  zu  Messe  10%  der  Schuld- 
summe als  Schadenersatz  zu  zahlen  ^) ;  wohnte  er  in  größerer  Entfernung 
von  der  Champagne,  so  daß  Verhandlungen  mit  ihm  erhebliche  Umstände 
machten,  so  wurde  er  außerdem  verpflichtet,  bis  zur  Zahlung  die  vollen 
Reise-  und  Unterhaltungskosten  für  einen  Kaufmann  mit  Pferd  und  Diener, 
nicht  selten  sogar  für  zwei  Kaufleute  mit  Pferden  und  Dienern  zu  tragen.  2) 
Ließ  der  Schuldner  also  über  den  Zahlungstermin  ein  Jahr  hingehen,  so 
hatte  er  volle  60%  Zinsen  und  jene  auch  nicht  ganz  geringen  persönlichen 
Kosten  zu  der  Schuldsumme  zuzuschlagen.  In  wenig  Jahren  konnte  ein 
etwas  leichtsinniger  Schuldenmacher  und  schlechter  Zahler  auf  diese  Weise 
zu  einer  wahrhaft  ungeheuren  Schuldenlast  kommen. 

Indessen  muß  betont  werden,  daß  es  sich  hierbei  in  der  Tat  um  Kon- 
ventionalstrafen handelt,  die  abzuschrecken  bestimmt  waren  und  kaum 
jemals  in  solcher  Höhe  wirklich  zur  Einziehung  gelangt  sind.  Der  Gläubiger 
wollte  nicht  etwa,  daß  der  Schuldner  den  Zahlungstermin  verstreichen  und 
die  Schuld  sich  rasch  vergrößern  ließ ;  vielmehr  kam  ihm  alles  auf  die  pünkt- 
liche Zahlung  der  festgesetzten  Schuldsumme  an.  Der  Vorteil,  auf  den  er 
rechnete,  lag  nicht  in  jenen  exorbitant  hohen  Verzugszinsen,  sondern  darin, 
daß  die  Rückzahlung  einer  höheren  Summe  als  der  wirklich  gezahlten  ver- 
einbart war.  Die  wirklich  zur  Auszahlung  gelangte  Darlehnssumme  wird 
ausnahmslos  verschwiegen.  Wendungen  in  den  Schuldurkunden  deuten 
wohl  auf  diese  Tatsache  hin  3),  aber  nur  einmal  erfahren  wir  die  volle  Wahr- 
heit durch  die  eidlichen  Aussagen  zweier  römischer  Gläubiger  in  einem 
Prozeß,  den  sie  an  der  Kurie  1238  wegen  einer  Anleihe  führten,  die  Erz- 
bischof Dietrich  von  Köln  vor  mehr  als  20  Jahren  bei  ihnen  aufgenommen 
hatte*);  sie  geben  zu,  daß  die  »principalis  et  vera  sors«  einer  über  1150  M. 
Sterl.,  zahlbar  auf  der  S.  Aigulfsmesse  von  Provins  4  Tage  vor  dem  Ende 
der  Tuchmesse,  ausgestellten  Schuldurkunde  nur  983  M.  Sterl.  betragen  habe. 
Sie  haben  also  162/3%  Zinsen  dem  Kapital  von  vornherein  zugeschlagen. 
Leider  können  wir  nicht  sagen,  wann  die  Anleihe  aufgenommen  worden 
ist,  wie  lange  also  die  Schuld  lief.  Nach  diesem  Falle  aber  haben  wir  die 
Anleihen  dieser  Art  allgemein  zu  beurteilen. 

Interessant  ist  jener  Prozeß  auch  darum,  weil  die  Gläubiger  die  von 
ihnen  für  die  Wiedererlangung  ihres  Kapitals  aufgewandten  Kosten  eidlich 
auf  280  M.  Sterl.,  und  sonstige  Schäden,  die  sie  erlitten  hätten,  auf  mindestens 
37  M.  Sterl.   berechnen.     In   dieser  Höhe  wird  auch  von  dem  erkennenden 


')  .  .  .  de  singulis  nundinis  in  nundinas  pro  singulis  100  libris  10  libras  pro 
recompensatione  damnorum  et  expensarum.  So  in  der  Schuldurkunde  des  Anseau 
de  Garlande  von  1219,  der  900  1.  in  drei  Jahresraten  auf  der  Messe  zu  Lagny  zu 
zahlen  hatte.     Bourquelot  II,  125. 

*)  Ebd.  126.  Schuldurkunde  des  Erzbischofs  von  Ronen:  pro  dampnorum  et 
Interesse  recompensatione  de  singulis  nundinis  in  nundinas  pro  singulis  1.  10  pre- 
dictis  1  1.  tur.,  et  expensas  unius  mercatoris  cum  equo  et  serviente  ubicunque 
fuerit,  usque  ad  rectum  pagamentum  pecunie  predicte.  Mit  den  Kosten  für  zwei 
Kaufleute:  Urk.  des  Erzb.  von  Köln  1213:  Ennen  u.  Eckertz  11,  45  no.  40;  des  Erzb. 
von  Mainz  1233 :  Schunk  m  p.  106. 

')  So  in  der  ersten  Urk.  für  Mainz:  Schunk  HI,  101. 

*)  Rodenberg  I  no.  723  p.  621  f.     Vgl.  Schulte  1,  236  f. 


390  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Kardinal  ein  Zuschlag  zu  dem  ursprünglichen  Schuldkapital  für  berechtigt 
erklärt  und  demgemäß  der  Rechtsnachfolger  des  Erzbischofs  zur  Zahlung 
von  1300  M.  Sterl.  verurteilt.  Wenn  die  Klage  der  Gläubiger,  den  formellen 
Verpflichtungen  des  Schuldners  entsprechend,  auf  1150  M.  Sterl.  Kapital  und 
12000  M.  Sterl.  Verzugszinsen  lautete,  so  werden  sie  vermutlich  noch  sehr 
vergnügt  gewesen  sein,  wenn  sie  in  diesem  Falle  wirklich  dem  Spruche  des 
Kardinals  gemäß  Kapital  und  eigene  Auslagen  gerettet  haben  sollten.  Aber 
man  sieht,  was  in  der  Praxis  aus  den  hohen  Verzugszinsen  wurde.  Und 
auch  sonst  fehlt  es  nicht  an  Beispielen  dafür,  daß,  wo  sich  infolge  von  be- 
sonderen Verhältnissen  Schwierigkeiten  ergaben  und  die  Bezahlung  rück- 
ständig blieb,  die  italienischen  Gläubiger  zu  neuen  Vereinbarungen  unter 
verhältnismäßig  maßvollen  Bedingungen  bereit  waren,  i) 

In  wirtschaftlicher  Beziehung  mußten  diese  auf  die  Messen  ab- 
gestellten Anleihen,  die  sich  in  ihrer  großen  Mehrzahl  natürlich  glatt 
abwickelten,  während  wir  vorzugsweise  von  den  Ausnahmen  Kenntnis 
haben,  auf  den  Handel  der  Italiener  mit  den  Messen,  insbesondere 
auf  ihren  Export  von  denselben,  außerordentlich  belebend  einwirken. 
Daß  es  den  Gläubigern  darauf  ankam,  die  erstattete  Schuldsumme 
wenn  möglich  noch  auf  derselben  Messe  zur  Anlegung  in  Waren  be- 
nutzen zu  können,  ergibt  sich  schon  daraus,  daß  als  Zahlungstermin 
häufig  nicht  die  »rechte  Zahlzeit« ,  sondern  ein  früherer  Zeitpunkt, 
insbesondere  der  vierte  Tag  vor  dem  Ende  der  Tuchmesse» 
vereinbart  worden  ist. 

Daß  auch  die  im  Temple  zu  Paris  zahlbaren  Wechselbriefe,  die 
König  Ludwig  auf  seinem  Kreuzzuge  im  Orient  seinen  genuesischen 
Gläubigern  ausstellte  ^),  eine  ähnlich  befruchtende  Wirkung  auf  den 
Handel  üben  mußten,  sei  hier  nur  kurz  erwähnt. 

309.  Es  bleibt  uns  ein  Wort  zu  sagen  über  den  kaufmännischen 
Geldverkehr  auf  und  mit  den  Messen.  Von  einer  Messe  selbst  rührt 
nur  die  Schuldurkunde  her,  die  eine  pistojesische  Handelsgesellschaft 
am  19.  Juni  1235  zu  Provins  einer  fiorentinischen  über  153%  1.  prov., 
zahlbar  8  Tage  vor  dem  Zahltage  der  nächsten  Johannismesse,  aus- 
gestellt hat.  Bei  Nichteinhaltung  des  Termins  sollte  Zahlung  des 
Doppelten  und  Kostenersatz  verwirkt  sein.  ^) 

In  beträchtlicher  Zahl  dagegen  sind  uns  außerhalb  ausgestellte 
»Meßwechsel«  erhalten.  Der  älteste,  freilich  bis  jetzt  nur  im  Regest 
vorliegende^),  ist  am  28.  Juni  1193  in  Genua  ausgestellt. 

Arduino  von  Comago  erklärt  darin,  von  Rod.  Tortello  von  Asti  einen 
Geldbetrag  in  genuesischer  Münze  erhalten  zu  haben,  für  den  er  ihm  auf 
der  Johannismesse  von  Troyes  28  1.  prov.  zu  erstatten  verspricht.  Die  ältesten 


»)  Schulte  I,  236.     Oben  §  274. 

•)  Näheres  in  meiner  Abhandlung  über  diese:    Conrads  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  70 
p.  603  ff. ;  73,  145  ff. 

3)  Davidsohn,  Forsch.  HI,  3  f.  no.  11.     Oben  §  287.  fll 

*)  Ferretto  1,  98  A.  1.     Andere,  jüngere  bei  Canale  11  527;  vgl.  meine  Studien«! 
z.  Gesch.  d.  Cambium,  Conrads  Jahrb.  65,  161.     Es  wäre  wichtig,  diese  und  andere 
von  Ferretto  und  Canale  (1.  c.  und  554)  im  Regest  gegebenen  Stücke  im  Original  zu 
veröffentlichen. 


Einrichtung  und  Art  des  Handels  mit  den  Messen  der  Champagne.       391 

bis  jetzt  im  Wortlaut  bekannten  sind  jene  Bologneser  Wechsel  von  1243 
und  1246  über  700  und  400  1.  prov.,  bei  denen  Florentiner  Kaufleute  die 
Wechselnehmer  sind;  der  erste  ist  vier  Tage  nach  ara  pannorum  auf  der 
Johannismesse  von  Troyes,  der  zweite  acht  Tage  nach  demselben  Termin 
auf  der  Messe  von  Bar  fällig,  i)  An  diese  schließen  sich  dann  die  Meßwechsel 
in  den  Marseiller  Akten  des  Notars  Amalric  von  1248,  die  in  ihrer  beträcht- 
lichen Zahl  die  Möglichkeit  zu  genauerer  Untersuchung  geben.  2)  Fast  sämt- 
lich sind  sie  auf  die  »rechte  Zahlzeit«  gestellt,  nur  einer,  den  Petrus  de  Fal- 
guiers  ausgestellt  hat,  ist  3  Tage  vor  der  Tuchmesse  fällig.  Der  höchste 
Betrag,  auf  den  ein  solcher  Wechsel  lautet,  sind  1000  1.  prov.  (24000  M.)  3) 
Ihrem  inneren  Charakter  nach  erscheinen  diese  Wechsel  noch  als 
Wechseldarlehn ;  noch  hat,  wer  die  Valuta  in  Marseille  hergibt,  Anspruch 
auf  Zins.  Frachtfuhrleute,  Kaufleute,  die  die  Vecturarii  wie  üblich  im  voraus 
entlohnen  wollen  oder  solche,  die  Waren  zum  Transport  nach  der  Messe 
einkaufen  wollen,  decken  in  solcher  Form  ihren  Geldbedarf.  So  zahlte,  wer 
das  Bedürfnis  zu  remittieren  hatte,  nicht  Provision  für  den  Wechsel,  der 
ihm  ausgestellt  wurde,  vielmehr  erhielt  er  auf  der  Messe  außer  dem  ein- 
gezahlten Kapital  noch  einen  Zins.  Auf  die  Höhe  dieses  kaufmännischen 
Zinses  allerdings  wirkte  das  mehr  oder  minder  stark  hervortretende  Remit- 
tierungsbedürfnis  des  Valutagebers  ein,  wie  natürhch  auch  die  Stärke  des 
Geldbedürfnisses  des  Valutanehmers  darauf  nicht  ohne  Wirkung  war;  mir 
ist  kein  Fall  eines  »Meß wechseis«  aus  unserer  Zeit  bekannt,  in  dem  das 
ims  geläufige  Verhältnis  schon  vorkäme  und  der  Zins  in  eine  Provision  um- 
geschlagen wäre.  In  mehreren  Doppelwechseln  *)  begegnen  wir  dem  Fall, 
daß  toskanische  Kaufleute  in  Marseille  untereinander  wechselseitig  als  Valuta- 
geber und  -Empfänger  für  die  Champagner  Messen  einerseits,  für  Pisa  (in 
einem  Falle  Siena)  andererseits  erscheinen ;  beide  Parteien  sind  Remittenten, 
die  eine  nach  der  Champagne,  die  andere  nach  Toscana;  beide  zugleich  aber 
auch  Wechselgeber  für  die  umgekehrte  Relation.  Offenbar  ist  hier  ein  Gleich- 
gewicht der  Bedürfnisse  hergestellt,  so  daß  in  diesen  Fällen  weder  von  Zins 
noch  von  Provision  die  Rede  sein  kann. 


>)  Davidsohn,  Forsch.  UI  no.  23  u.  30.     Oben  §  274  u.  287. 
*)  Vgl.  die  oben  zitierten  Studien  p.  153  ff.  u.  511  ff.,  insbesondere  die  Tabelle 
1721 

»)  Amalric  no.  691  (11.  Mai  1248). 
*)  Studien  1.  c.  517  f. 


Abschnitt  V: 

Handel  der  Mittelmeer-Eomaneii  mit  den  germanischen 
Ländern  nnd  den  östlichen  Nachbargebieten. 


Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

Handel  mit  England. 

310.  Erst  seit  der  Zeit  des  3,  Kreuzzuges  etwa  können  wir  die 
Italiener  auch  im  Handel  mit  England  nachweisen. 

Die  Nachricht,  daß  das  Geschlecht  der  Fitzgerald  auf  einen  Florentiner 
Otto  de'Gherardini  zurückgehe,  der  sich  Ende  des  11.  Jahrhunderts  in  Eng- 
land niedergelassen  1),  ist  nichts  als  eine  Familienlegende.  Und  wenn  nam- 
hafte englische  Forscher  von  zwei  führenden  Londoner  Famüien  zur  Zeit 
König  Stephans,  den  Buchuinte  und  den  Bukerei,  italienische  Abkunft  be 
haupten^),  so  geben,  wie  sich  die  Sache  auch  sonst  verhalten  möge,  die 
Quellen  jedenfalls  keinerlei  Anhalt  dafür,  daß  es  Handelsinteressen  gewesen 
sind,  die  die  Ahnherren  dieser  Familien  zur  Übersiedelung  nach  England 
veranlaßt  haben.  Auch  war  es  kaum  für  den  Handel  von  größerer  Bedeu- 
tung, daß  gelegentlich  auch  italienische  Pilger  nach  England  kamen ;  Wilhelm 
von  Canterbury,  der  17  Monate  nach  der  allerwärts  das  größte  Aufsehen 
hervorrufenden  Ermordung  des  Erzbischofs  Thomas  (29.  Dezember  1170)  mit 


*)  Schanz  I,    112   aus:   The   Marquis   of  Kildare,    the   earls   of  K.    and  their 
ancestors  1858  p.   2.     Goldschmidt  186.     Doren  16  (nach  dem  Otto   um  1100  sogar 
päpstlicher  Kollektor  in  England  gewesen  sein  soll).  Dagegen  Davidsohn  I,  799  A.  2.  ^. 
J.  H.  Eound :  The  origin  of  the  Fitzgeralds  in :  The  Ancestor  I  (Lond.  1902).  fll 

*)  Stubbs  W.,  Constitutional  History  I,  631.  J.  H.  Round :  The  Commune  of  ^' 
London  and  other  Studies.  Westminster  1899  p.  101,  110  f,  120  1  Um  nur  eins 
hei  vorzuheben,  die  Etymologie  Buchuinte  =  Bucca-uncta  scheint  mir  durchaus  nicht 
zwingend  und  die  Herleitung  des  Namens  aus  dem  Germanischen  keineswegs  un- 
möglich; jedenfalls  darf  man  aus  der  Latinisierung  der  Namen  besondere  Schlüsse 
nicht  ziehen.  W.  Cunningham:  Die  Einwanderung  von  Ausländern  nach  England 
im  12  Jahrh.  (Z.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  HI  (1895),  177  ff.),  handelt  von  Italienern 
überhaupt  nicht,  sondern  hauptsächlich  von  den  Flamländern,  die  besonders  die 
Weberei  nach  England  gebracht  und  sich  in  Gilden  konstituiert  hätten. 


Achtundzwanzigstes  Kapitel.     Handel  mit  England.  393 

der  Aufzeichnung  der  Wunder  begann,  die  am  Grabe  des  jetzt  schon  als 
heilig  geltenden  Märtyrers  geschahen,  erzählt  unsi)  von  einem  genuesischen 
Jüngling  Petrus,  der  dem  Heihgen  ein  silbernes  Bild  im  Gewicht  von  13  So- 
lid! darbrachte  und  von  einem  Kaufmann  Francus  aus  Brindisi,  der  nach 
•Canterbury  gepilgert  sei  und  im  Auftrage  eines  Lucchesen  dem  Heihgen 
■ein  paar  silberne  Augen  als  Weihgeschenk  überbracht  habe. 

Der  3.  Kreuzzug  brachte  die  englische  Krone  zum  erstenmal  mit 
•der  italienischen  Handelswelt  in  Verbindung. 

Im  Heiligen  Lande  sah  sich  König  Richard  genötigt,  bei  seinen  nächsten 
politischen  Freunden,  den  Pisanern,  aber  auch  bei  anderen  Italienern,  wie 
den  Bolognesen,  Anleihen  aufzunehmen;  auch  für  die  pünktliche  Rück- 
zahlung von  Darlehn,  die  manche  seiner  Ritter  damals  bei  pisanischen  Geld- 
gebern wie  Andriolo  Conte  und  Jacobo  de  Jhota  kontrahierten,  übernahm 
er  mehrfach  die  Garantie.  2)  Vor  allem  aber  ist  der  Kreditbrief  bemerkens- 
wert, den  der  König  am  3.  August  1191  zugunsten  von  vier  seiner  Getreuen, 
die  er  mit  Rücksicht  auf  die  gleichzeitige  Abreise  des  französischen  Königs 
damals  nach  dem  Abendlande  zurücksandte,  ausgestellt  hat.  Darin  bevoll- 
mächtigte er  den  Pisaner  Jacobus  de  Jhota,  den  vier  Genannten  Darlehn 
bis  zur  Höhe  von  500,  600,  700  und  1000  M.,  insgesamt  also  von  2800  M. 
Sterl.  zu  beschaffen  und  verpflichtete  sich,  alle  Abmachungen,  die  Jacobus 
und  seine  Getreuen  bezüglich  der  Rückerstattung  dieser  Darlehn  treffen 
würden,  getreulich  zu  erfüllen.^)  So  mußte  die  Notwendigkeit,  die  Schuld- 
summen beim  königlichen  Schatzamt  in  England  zu  erheben,  die  italienischen 
Gläubiger  oder  ihre  Bevollmächtigten  über  den  Kanal  nach  dem  Inselreiche 
führen.  Freilich  war  die  auf  der  Heimkehr  erfolgende  Gefangennahme  des 
Königs  der  Erledigung  ihrer  Ansprüche  sicher  nicht  günstig.  Bei  der  Be- 
schaffung des  hohen  Lösegeldes  für  den  König  "i)  sind  Italiener  schwerlich 
beteihgt  gewesen ;  es  lag  weit  näher,  sich  hierfür,  soweit  Fremde  in  Betracht 
kamen,  flandrischer  und  rheinischer  Geldleute  zu  bedienen.  Aber  König 
Richard  hat  doch  selbst  noch  wieder  mit  Italienern,  diesmal  Kaufleuten  von 
Piacenza,  angeknüpft,  und  die  finanziellen  Beziehungen  der  Krone  zu  ihnen 
haben  seitdem,  wenn  auch  mit  einigen  Unterbrechungen,  Jahrhunderte  hin- 
durch fortgedauert. 

311.  Der  Hauptgrund  hierfür  lag  in  den  Beziehungen  des  Landes  zur 
Kurie.  Die  Reisen  englischer  Prälaten  zur  Kurie  und  ihr  Verweilen  daselbst 
machten  schon  früh  die  gelegentliche  Aufnahme  von  Darlehn  erforderlich. 
Von  seinem  Gegner  Roger,  dem  erwählten  Abt  des  Augustiner-Klosters  von 
Canterbury,  erzählt  Peter  von  Blois  (1176)  sogar,  daß  er  nach  seiner  Ankunft 
in  Rom  bei  römischen  Kaufleuten  eine  unendliche  Menge  Goldes  entliehen 
habe.  5)    Zur  selben  Zeit  hatten  Mönche  von  Malmesbury  bei  Kaufleuten, 

»)  SS.  XXVn  p.  39  c.  51  u.  44. 

')  Beispiele  vom  Mai  und  Juni  1191 :  Papa  d'Amico  p.  351,  355,  358,  362,  auch 
Blancmesnil  243  f.,  446.     Der  König  wird  durch  Landverpfändung  gesichert. 

8)  Blancmesnil  p.  119  u.  252.  G^raud  H.,  Le  Comte-Eveque  in:  Bibl.  de  l'Ec. 
des  Chartes  V  (1843/4)  p.  36. 

*)  Hierüber,  insbesondere  über  die  Heranziehung  der  Wolle  der  Cisterzienser- 
klöster,  Whitwell  R.  J.,  English  Monasteries  and  the  Wool  Trade  in  the  13*  Cen- 
tury, in :  Vierteljahrsschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch  -Gesch.  H  (1904),  p.  1  fE. 

*)  Migne  207  p.  453  no.  158 :  exhaustis  itaque  Flandriae  mercatoribus  in  ar- 
gento,  a  Romanis  tandem  infinitam  multitudinem  auri  mutuavit.  Whitwell,  It.  Ban- 
kers p.  321. 


394  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

die  die  Kurie  frequentierten,  Gelder  aufgenommen;  Abt  und  Konvent  be- 
stritten aber,  daß  es  mit  ihrer  Ermächtigung  geschehen  sei,  so  daß  Ale- 
xander III.  den  Bischöfen  von  London  und  Worcester  am  25.  Februar  1177 
auftrug,  die  Sache  zu  untersuchen  und,  falls  sich  die  Behauptung  des  Abts 
bewahrheite,  eine  Belästigung  des  Klosters  nicht  zu  dulden,  i)  Während  des 
Lateranischen  Konzils  (1179)  nahm  Peter  als  Kanzler  des  Erzbischofs  von 
Canterbury  unter  Bürgschaft  des  Magisters  Stephan  bei  Kaufleuten  aus  Bo- 
logna ein  mit  15  M.  Sterling  rückzahlbares  Darlehn  auf;  da  er  nicht  zahlte, 
wuchs  die  Schuld  fortwährend  an,  so  daß  sich  der  von  den  Gläubigern  hart 
bedrängte  Magister  an  den  Papst  Lucius  IIL  wandte.  Dieser  befahl  dem 
Erzbischof 2),  die  Sache  zu  erledigen;  da  es  für  den  Bürgen  schwierig  sein 
würde,  seine  Zeugen  zur  Vernehmung  nach  England  zu  schicken,  solle  er 
sich  die  beglaubigten  Zeugenaussagen  von  bolognesischen  Richtern  über- 
senden lassen.  Aus  einer  Bulle  desselben  Papstes  vom  9.  Dezember  1181 
ergibt  sich,  daß  zwei  Londoner  Kleriker  ebenfalls  bei  Kaufleuten  von  Bo- 
logna Geld  geborgt  hatten ;  der  Prokurator  eines  anderen  englischen  Klerikers 
hatte  für  sie  gebürgt  und  schließlich  für  sie  bezahlt;  der  Papst  beauftragt 
nun  den  Bischof  von  Ely  und  den  Archidiakon  von  Norwich,  die  Schuldner 
zur  Erstattung  des  Geldes  an  den  Prokurator  zu  veranlassen;  der  Bischof 
von  Bologna  werde  beglaubigte  Abschrift  von  den  Schuldurkunden,  die  bei 
den  Gläubigern  beruhten,  übersenden.^) 

So  war  die  durch  die  Bürgschaft  von  kurialen  Klerikern  und  schließ- 
lich durch  die  Autorität  des  Papstes  gesicherte  Rückerstattung  die  Vor- 
bedingung, unter  der  die  Geldleute  an  der  Kurie  noch  am  ehesten  zur  Ge- 
währung von  Darlehn  bereit  waren ;  auf  Einziehung  der  Schulden  in  der 
Fremde  ließen  sie  sich  für  gewöhnlich  nicht  ein.  Im  Jahre  1188  klagen 
die  Mönche  von  Canterbury  bitter  über  das  Mißtrauen  der  römischen  Kauf- 
leute, die  nur  bei  Bürgschaft  von  Römern  selbst  zu  Darlehn  bereit  seien,  *) 

Etwas  anderes  war  es,  wenn  die  höchste  Autorität  des  Landes, 
der  König  selbst,  sich  für  die  Rückerstattung  solcher  Darlehen  ver- 
bürgte. Die  besonders  engen  Beziehungen  gerade  der  englischen  Krone 
zur  Kurie  hatten  die  häufige  Entsendung  königlicher  Gesandten  und 
Prokuratoren  nach  Rom  zur  Folge.  Seit  dem  Ende  der  Regierung 
König  Richards  können  wir  nun  nachweisen,  daß,  wie  es  wohl  auch 
schon  vorher  vorgekommen,  den  Gesandten  und  Prokuratoren  des 
Königs  die  Beschaffung  der  an  der  Kurie  erforderlichen  Geldmittel 
durch  Mitgabe  von  Generalkreditbriefen  ermöglicht  wurde.  ^)  jl| 

Auf  eine  bestimmte  Summe  lautend,  waren  sie  entweder  allgemein 
an  alle  Kaufleute  oder,  und  dies  ist  die  Regel,  an  alle  römischen  und  ita- 
lienischen Kaufleute  gerichtet  und  sprachen  die  Verpflichtung  des  Königs 
aus,  den  Darlehnsgebem,  die  sich  durch  Vorweis  des  Generalkreditbriefs 
selbst  und  einer  über  die  erfolgte  Hergabe  des  Darlehns  aufgenommenen 
Urkunde   (gelegentlich  wurde  das  Zeugnis  des  Papstes  oder  doch  eines  der 


»)  J.-L.  12  787.     Whitwell  1.  c. 

>)  Zwischen  1181  u.  1184;  J.-L.  14963;  c.  3  X  de  fidejuss.  (3,  22).     Ganz  unbe- 
fangen redet  der  Papst  von  dem  antiquum  debitum  plurimum  augmentatum. 

s)  J.-L.  14532;  c.  2  X  de  fidej.  (3,  22)  und  c.  5  X  de  juram.  cal.  (2,  7).   Whit-    ^ 
well  p.  223.  M 

*)  Epp.  Cantuar.  p.  212  no.  230.  "■ 

*)  Geht  aus  den  Rotuli  claus.  König  Johanns  (I  p.  81)  hervor.    Unten  §  315. 


Handel  mit  England.  395 

Kardinäle  dafür  erfordert)  legitimieren  würden,  die  gedachte  Summe  zu  dem 
iwischen  dem  Kreditnehmer  und  Kreditgeber  vereinbarten  Termin  zurück- 
«uerstatten.  Selbstverständlich  hat  der  "wirklich  zur  Auszahlung  gelangte  Be- 
trag des  Darlehns  die  Höhe  der  im  Kreditbrief  angegebenen  Summe  niemals 
erreicht;  in  dieser  Differenz  lag  der  Vorteil  des  Gläubigers. 

312.  Solche  Generalkreditbriefe  sind  uns  von  König  Johann  seit  dem 
Jahre  1200^)  in  größerer  Zahl  erhalten;  offenbar  zur  Erleichterung  der  Geld- 
aufnahme waren  sie  häufig  in  kleineren  Abschnitten  zu  je  100  und  50  Mark 
Silbers  ausgestellt.  2)  Einen  ungewöhnlich  hohen  Betrag  erreichten  sie  im 
Jahre  1206,  wo  der  König  am  26.  Mai  3)  seinen  Gesandten,  die  die  Bestätigung 
der  kirchlichen  Gerechtsame  des  Königs  erwirken  sollten,  Kreditbriefe  an 
alle  römischen  und  italienischen  Kaufleute  über  3000  M.  Silber  im  ganzen 
mitgab. 

Mit  solchen  Kreditbriefen  trat  der  König  aber  auch  für  die  Großen 
seines  Landes  ein,  die  an  der  Kurie  Geschäfte  zu  erledigen  hatten  und  auf 
die  Erlangung  eigenen  Kredits  im  fremden  Lande  nicht  rechnen  konnten; 
durch  die  Verpfändung  ihrer  Besitzungen  völlig  gesichert,  trat  der  König 
auch  in  solchen  Fällen  den  italienischen  Gläubigern  gegenüber  als  Selbst- 
ßchuldner  auf.  Das  ist  der  Sachverhalt,  der  dem  Kreditbrief  des  Königs 
über  500  M.  Silber  vom  6.  Januar  1202  zugrunde  liegt;  in  Wahrheit  ist  er 
für  des  Königs  Getreuen,  Radulf  Vicec.  S.  Susannae  ausgestellt,  für  den 
dessen  Bruder  Wilhelm  de  Rupibus  außerdem  dem  Könige  gegenüber  die 
Bürgschaft  übernahm;  das  Gleiche  ist  der  Fall  bei  vier  Kreditbriefen  des 
Königs  vom  17.  April  desselben  Jahres  über  im  ganzen  300  M.  Silber,  die 
dem  im  Interesse  seines  Sohnes  an  die  Kurie  gehenden  Radulfus  Le  Abbe 
die  Geldaufnahme  zu  ermöglichen  bestimmt  waren.  4) 

Umgekehrt  wirkte  der  König  auch  dem  Kredit  ihm  feindlicher  Per- 
sonen entgegen.  In  einem  solchen  offenen  »Antikreditbriefe«  vom  30.  März 
1202  warnt  er  von  Ronen  aus  alle  italienischen  Kaufleute,  dem  Prior  von 
Seez  (nördl.  Alengon),  der  gegen  ihn  arbeite,  auf  den  Kreditbrief  seines  Ka- 
pitels hin  etwas  zu  borgen ;  auf  irgendwelche  Zahlung  von  selten  des  könig- 
lichen Schatzamts  habe  ein  etwaiger  Darlehnsgeber  in  keinem  Falle  zu  rechnen,^) 
Immerhin  ersehen  wir  daraus,  daß  kirchHche  Würdenträger  in  dieser  Zeit, 
wo  sich  der  Generalkreditbrief  schon  eingebürgert  hatte,  auch  schon  hoffen 
konnten,  auf  dieselbe  Art  und  Weise  an  der  Kurie  Gelder  flüssig  zu  machen, 
zumal  dann,  wenn  die  Kurie  mit  ihrer  Fürsprache  für  sie  eintrat,  die  dann 
freihch  auch  den  kirchlichen  Zahlungszwang  in  sich  schloß.  Ja,  auch  ohne 
einen  solchen  Kreditbrief  erachtete  man  es  später  für  ausreichend  ^) ,  wenn 
ein  Prälat  oder  auch  ein  bloßer  Prokurator  im  Falle  des  Geldbedürfnisses  die 
Ermächtigung  von  selten  des  Papstes  erhielt,   ein  Darlehn  für  die  Bedürf- 


»)  Rotuli  Chart,  p.  98  (15.  Okt.  1200),  99  (28.  Nov.  1200).     Whitwell  p.  189. 

«)  Rotuli  pat.  p.  5  (21.  Jan.  1202  über  50  M.  Silber),  p.  10  (16.  Mai  1202  fünf 
Kreditbriefe  über  je  100  M.  Sterl.  und  einer  zu  60  M.  ad  expensas  faciendas),  p.  26 
(26.  Febr.  1203  drei  Briefe  desgl.  und  einer  zu  40  M.  ad  expensas). 

')  Ebd.  65.  Zu  den  vier  Kreditbriefen  über  je  500  M.  vom  20.  Febr.  1207  s. 
R.  Pauli,  Gesch.  von  England  lU,  327. 

*)  Rot.  pat.  p.  4  (vgl.  Goldschmidt  399),  drei  Urkunden ;  p.  9  (zwei  Kreditbriefe 
zu  100,  zwei  zu  50  M.  Silber):  et  ista  4  paria  litterarum  liberata  sunt  Rad.  Le  Abbe 
pro  negotio  filii  sui. 

»)  Ebd.  p  8.     Vgl.  Davidsohn  I,  798. 

*)  Vgl.  Berger,  Saint-Louis  etc.  p.  110. 


396  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

nisse  seiner  Kirche  oder  seines  Klosters  gegen  Verpfändung  ihrer  Besitzungen 
bis  zu  einer  bestimmten  Höhe  aufzunehmen,  da  die  Anwendung  kirchhcher 
Zwangsmittel  für  die  Rückerstattung  genügende  Bürgschaft  zu  bieten  schien. 
Immerhin  war  es  auch  in  solchen  Fällen  sehr  erwünscht,  wenn  auch  der 
König  seine  Autorität  einsetzte;  so  gab  in  einem  offenen  Brief  an  alle  Kauf- 
leute König  Johann  am  7.  Dezember  1204  seine  Genehmigung  dazu,  daß 
Anleihen,  die  die  an  die  Kurie  gehenden  Boten  der  Kirche  von  Gladstone 
im  Interesse  ihrer  Kirche  bis  zur  Höhe  von  700  Mark  aufnehmen  würden, 
aus  den  Mitteln  des  Priors  und  Konvents  von  Gladstone  gedeckt  würden; 
gleichzeitig  sicherte  er  den  Kaufleuten  oder  ihren  Bevollmächtigten,  die  zur 
Empfangnahme  des  Geldes  nach  England  kommen  würden,  sicheres  Geleit 
für  Hin-  und  Rückreise  zu.  i) 

313.  Auf  diese  Weise  kamen  also  italienische  Kaufleute  in  nicht 
ganz  geringer  Zahl  nach  England,  und  zwar  Leute  von  finanzieller 
Leistungsfähigkeit,  für  die  beträchtliche  Kapitalien  in  England  selbst 
flüssig  wurden.  Nichts  scheint  natürlicher,  als  daß  sie  diese  Kapi- 
talien in  Waren  anlegten ;  es  wird  dem  Wunsche  der  Krone  und  des 
Landes  selbst  entsprochen  haben,  wenn  sie  nicht  das  bare  Geld  aus 
England  mit  sich  fortführten. 

In  einem  Falle,  wo  der  König  für  ein  vom  Bischof  von  London  in 
Köln  aufzunehmendes  Darlehn  gutsagte,  fügte  er  für  den  Darlehnsgeber  aus- 
drücklich die  Erlaubnis  hinzu,  das  Geld  in  England  zum  Ankauf  von  Waren 
unter  Befreiung  von  der  Zahlung  des  sonst  in  England  übUchen  Fünfzehnten 
verwenden  zu  dürfen.'-^)  Auch  wenn  solche  Befreiungen  für  italienische 
Kaufleute  nicht  statthatten,  wird  sich  der  Warenexport  für  sie  gewinnbringend 
genug  gestaltet  haben ;  dabei  ist  noch  nicht  gesagt,  daß  sie  diese  Waren  den 
langen  Weg  bis  in  ihre  Heimat  führten ;  schon  in  Flandern  bot  sich  ihnen 
namentlich  für  den  Absatz  der  englischen  Wolle  die  günstigste  Gelegenheit. 
Sicher  haben  die  Kaufleute,  die  zum  Zwecke  des  Inkassos  nach  England 
reisten,  sehr  früh  und  sobald  erst  einmal  feste  Anknüpfungspunkte  gegeben 
waren,  auch  mit  dem  Import  von  Waren  nach  England  begonnen,  um  auf 
solche  Weise  ihren  Gewinn  zu  steigern.  Einige  Spuren  wenigstens  von 
solcher  Tätigkeit  haben  sich  in  unseren  Quellen  schon  für  diese  Zeit  er- 
halten. Der  Pfarrer  Lambert  von  Ardre  (südl.  Calais),  dessen  historia  comi- 
tum  Ghisnensium,  die  er  als  Zeitgenosse  geschrieben,  bis  1203  reicht,  spricht 
bei  der  Namenserklärung  seines  Pfarrortes  ganz  beiläufig  von  Italienern,  die 
den  Ort  passiert  hätten,  um  in  England  dem  Handel  nachzugehen.  3)  Und 
wir  wissen  schon,  daß  sich  Innocenz  IH.  1198,  als  er  wegen  jenes  Überfalls 
durch  einen  Pallavicini  die  Placentiner  und  Parmesanen  strafen  wollte,  auch 
an  den  König  von  England  mit  der  Aufforderung  wandte,  die  Waren  ihrer 
Kaufleute  mit  Beschlag  zu  belegen.  4)  Es  ist  mindestens  ein  Zeichen  des 
gesteigerten  Verkehrs  fremder  Kaufleute  in  England,  wenn  König  Johann 
am  5.  April  1200  als  seinen  Willen  kundtat,  daß  alle  Kaufleute,  von  welchem 
Lande  auch  immer  sie  wären,  ungefährdet  mit  ihren  Waren  nach  England 


')  Rotuli  pat.  p.  56. 

2)  Ebd.  39. 

•)  SS.  XXIV,  609 :  transitum  per  eundem  locum  f acientes  quidam  Italici,  ut 
in  Angliam  suam  facerent  negociationem. 

«)  Innoc.  III  Epp.  I,  121  ff.  (zuerst  21.  April  1198).  Winkelmann,  Philipp  346. 
Oben  §  271. 


I 


4 


Handel  mit  England.  397 

kommen  und  das  Land  wieder  verlassen  dürften;  sie  sollten  in  England 
denselben  Frieden  genießen,  den  die  Engländer  in  der  Heimat  der  betreffenden 
Kauflaute  genössen  und  nicht  mehr  als  die  herkömmlichen  Abgaben  zahlen.^) 
Daß  dabei  auch  an  italienische  Kaufleute  gedacht  ist,  ist  nach  Lage  der 
Sache  gar  nicht  abzuweisen.  Eine  Unterbrechung  erlitten  die  italienischen 
Handelsbeziehungen  zu  England,  als  König  Johanns  Sendung  nach  Rom 
(1207)  sich  erfolglos  erwies  und  es  zu  einem  Bruche  zwischen  England  und 
der  Kurie  kam;  der  Tätigkeit  der  italienischen  Kaufleute  war  damit  der 
Boden  großenteils  entzogen;  nicht  wenige  wurden  ausgeplündert;  was  noch 
außen  stand,  schien  verloren.  Nach  etwa  6  Jahren  aber  trat  eine  völlige 
Wendung  ein,  da  König  Johann  sich  am  13.  Mai  1213  genötigt  sah,  sich 
als  tributpflichtigen  Vasallen  des  Papstes  zu  bekennen.  2) 

Damit  gewannen  auch  die  italienischen  Kaufleute  wieder  freie  Hand ; 
die  rückständigen  Forderungen,  namentlich  der  römischen  Kaufleute,  wurden 
nunmehr  auf  die  dringende  Fürsprache  des  Papstes  befriedigt.  Zu  der  Auf- 
nahme neuer  Anleihen  boten  die  Verhältnisse  reichHch  Anlaß ;  die  Prälaten, 
die  am  Ende  des  vierten  Lateran- Konzils  (1215)  Rom  verließen,  wurden  zu 
beträchtlichen  Spenden,  die  sie  durch  Anleihen  bei  den  Kaufleuten,  die  mit 
der  Kurie  in  Verbindung  standen,  beschaffen  mußten,  förmlich  gezwungen.^) 
Daß  die  Bewegungsfreiheit  der  italienischen  Kaufleute  in  England  fort- 
bestand, ergibt  sich  daraus,  daß  König  Johann  in  der  Magna  Charta  von 
1215  die  schon  in  dem  Erlasse  von  1200  ausgesprochenen  Grundsätze  er- 
neuerte, gerade  so  wie  es  wenig  später  von  seiten  seines  Sohnes  Heinrich  HI. 
geschah.  *) 

314.  Heinrich  IH.  zeigte  sich  während  seiner  Regierung  den 
Fremden  durchaus  freundlich  gesinnt;  namentlich  seit  1224  erlauben 
uns  zahlreiche  königliche  Licenzbriefe,  ein  häufiges  Gehen  und  Kommen 
der  italienischen  Kaufleute  in  England  zu  beobachten. 

Einen  starken  Impuls  erhielt  speziell  der  italienische  Geldhandel 
in  England  durch  die  von  Gregor  IX.  in  seinen  finanziellen  Nöten 
wegen  seines  Kampfes  mit  dem  Kaiser  1228  beschlossene  und  1229 
ins  Werk  gesetzte  Besteuerung  des  Klerus. 

Der  Zehnte,  der  damals  der  Geistlichkeit  des  gesamten  Abendlands 
auferlegt  wurde,  hätte  in  England  allein,  wie  Matthaeus  Paris  gelegentlich 
angibt,  über  200000  1.  sterl.  jährlich  einbringen  müssen.^)  Im  Jahre  1229 
erschien  der  Kapellan  des  Papstes,  Magister  Stephan,  mit  einem  Gefolge 
von  italienischen  Kaufleuten  zur  Eintreibung  des  Zehnten  in  England  —  es 


*)  Rotuli  Chart,  p.  60.  Kunze  K.,  Hanseakten  aus  England  (Halle  1891),  p.  V 
polemisiert  gegen  Schanz  (I,  381  f.),  daß  er  in  diesem  Erlaß  einen  Umschwung  gegen 
früher  sehe ;  dazu  sei  der  Inhalt  zu  dürftig,  die  praktische  Durchführung  sehr  frag- 
lich. Für  die  italienischen  Kaufleute  indessen  ist  sie  sicher  nicht  fraglich  und  ein 
Symptom  für  die  allmählich  eingetretene  Veränderung  in  den  kommerziellen  Ver- 
hältnissen ist  der  Erlaß  jedenfalls. 

«)  PauU  m,  374  ff. 

')  Papa  .  .  .  a  singulis  auxilium  in  pecunia  postulavit,  quam  recessuri  cum 
viaticis  cogebantur  a  mercatoribus  curie  Romane  duris  conditionibus  mutuare.  Matth. 
Paris.  Histor.  minor  ed.  Madden  TL,  174.     Chron.  maj.  ed.  Luard  II,  635. 

*)  Schanz  I,  381  f.  Huvelin  376.  Heinrichs  Charta  libertatum  et  consuet. 
(12/XI.  1216) :     Layettes  I,  436  no.  1194. 

*)  Chron.  maj.  ed.  Luard  V  p.  282.     Berger,  Saint-Louis  199  A.  1. 


398  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

war  das  erstemal,  daß  die  Kurie  in  solcher  Form  die  Erhebung  der  in  den 
einzelnen  Diözesen  gesammelten  Gelder  und  ihre  Überführung  nach  Rom 
vornehmen  ließ,  während  früher  besondere  Boten  oder  die  Ritterorden  zur 
Übermittelung  der  in  den  einzelnen  Diözesen  aufgebrachten  Summen  gedient 
hatten,  i)  Diese  Kauf leute  zeigten  sich  nun  nur  zu  sehr  bereit,  wo  Barmittel 
fehlten,  die  erforderlichen  Vorschüsse,  natürlich  unter  sehr  erheblichen  Vor- 
teilen für  sich,  selber  zu  leisten.  Matthaeus  Paris  bezeichnet  sie  geradezu 
als  nichtswürdige  Wucherer,  die  ihr  wahres  Gewerbe  mit  dem  Scheine  des 
Handels  bemäntelt  hätten ;  auf  diese  Zeit  führt  er  den  Aufenthalt  jener  sich 
selbst  fälschlich  als  Kaufleute  gebärdenden  Wucherer  von  jenseits  der  Berge 
im  englischen  Königreiche  zurück,  die  darauf  lauerten,  namentlich  diejenigen, 
die  die  Kurie  mit  ihren  Geldansprüchen  bedränge,  in  ihre  Netze  zu  ver- 
stricken. 2)  Diese  Kawertschen  (Caursini),  wie  er  sie  mit  einem  dem  Volke 
geläufigen  Gattungsbegriff  nennt 3),  die  sich  selbst  zuerst  als  Geldkaufleute, 
nachher  sogar  als  Kaufleute  oder  Wechsler  des  Papstes  bezeichnet  hätten, 
hätten  bald  das  ganze  Land  verpestet ;  auch  der  König  schuldete  ihnen  un- 
geheure Summen;  schlimmer  als  die  Juden,  zwängen  diese  päpstlichen 
Wucherer  die  Leute,  sich  höherer  Summen  schuldig  zu  bekennen,  als  sie  in 
Wahrheit  erhalten,  beispielsweise  für  100  Mark  Sterl.  100  Pfund  Sterl.  (50  % 
mehr)  zu  schreiben;  wolle  einer  vor  Ablauf  des  Jahres  zahlen,  so  verlange 
der  Kawertsche  doch  die  ganze  in  der  Urkunde  angegebene  Summe,  während 
der  Jude  den  Zins  nur  nach  der  verstrichenen  Zeit  berechne*) 

Es  ist  kein  Zweifel,  daß  diese  Geldleute  und  ihre  Helfer  sich  in  kurzer 
Zeit  den  Haß  des  englischen  Klerus  und  Volkes  zuzogen,  dem  weitere  Nah- 

^)  Quellen  bei  Winkelmann  11,  41  A.  2.  Gottlob,  Kreuzzugssteuern  p.  248.  Im 
Jahre  1189  z.  B.  Auftrag  des  Papstes  an  seinen  Legaten,  den  englischen  Peters- 
pfennig zunächst  nach  Paris  in  das  S.  Viktorkloster  zu  schaffen.  Epist.  Cantuar. 
p.  321  no.  333. 

2)  Chron.  maj.  ed.  Luard  HI,  188  f.  (auch  SS.  XXVUI,  126).  Patteta  314.  Darnach 
kann  man  nicht  mit  Schanz  I,  551  sagen,  daß  M.  Paris  ihren  Einzug  erst  auf  1235 
datiere;  seine  eigene  Darstellung  (Chr.  maj.  ni,  332)  würde  dem  entschieden  wider- 
sprechen. Hist.  Angl.  (1235)  SS.  XXVIU,  408;  Hist.  minor  ed.  Madden  IH,  272; 
Ohron.  maj.  ni,  328  f.     Patetta  321. 

2)  Chron.  maj.  V,  245:  usurarii  transalpini,  quos  Caursinos  appellamus.  Außer 
dieser  Hauptstelle  noch  andere  bei  Patetta  314  A.  1.  Einen  interessanten  Beleg 
für  die  Tätigkeit  der  eigentlichen  Cahorsiner  besitzen  wir  aus  dem  Jahr  1216.  Die 
Kaufleute  Hubert  und  Reginaldus  Willelmi  von  Cahors  hatten  dem  Erzbischof  von 
Dublin  Geld  geliehen  und  dieser  hatte  mit  dem  Verkauf  von  51  Sack  Wolle  an  sie 
gezahlt.  König  Johann  gewährt  ihnen  nun  am  30.  Juli  sicheres  Geleit  durch  sein 
Gebiet  für  ihre  Person  und  diese  Wolle.  Rotuli  pat.  p.  191.  Der  an  zweiter  Stelle 
Genannte  erhielt  am  30.  Juli  1224  eine  bis  nächste  Ostern  geltende  königl.  Licenz, 
mit  seinen  Waren  nach  England  zu  kommen,  wozu  am  24.  Sei)t.  die  bis  Martini 
gültige  Erlaubnis  trat,  sich  zur  S.  Aigulfsmesse  nach  Provins  zu  begeben  und  von 
da  nach  England  zurückzukehren.  Patent  Rolls  I,  p.  457,  472 ;  dazu  11,  2,  144,  336. 
Der  amtliche  Sprachgebrauch  verstand  unter  mercatores  Caurcini  durchaus  nur  die 
Kaufleute  aus  Cahors  selbst;  s.  Close  Rolls  p.  458  und  576  (zu  1230  und  1231). 

*)  Chron.  maj.  ed.  Luard  V,  404.  Gottlob,  Kreuzzugssteuern  249.  Die  »forma 
Caursinorum  obligandi  debitores«  (Chr.  maj.  IH,  329)  zeigt  rein  italienischen  Cha- 
rakter ;  Goldschmidt  391  A.  30  a.  Das  Darlehn  erschien  für  eine  gewisse  Zeit  ganz 
in  der  uns  schon  bekannten  Weise  als  zinslos  (in  dem  von  M.  Paris  angeführten 
Falle  vom  24.  April  bis  1.  August);  dann  wurden  für  je  zwei  Monate  10  Proz.  Ver- 
zugszinsen berechnet.  Cunningham :  The  growth  of  english  industry  and  commerce 
(Cambridge  1890)  p.  194;  Ashley  W.  J.,  Engl.  Wirtschaftsgesch.,  übers,  v.  R.  Oppen- 
heim I  (Leipzig  1896),  p.  203  f.     Patetta  328.     Oben  §  308. 


Handel  mit  England.  399 

rung  auch  dadurch  zugeführt  wurde,  daß  seit  geraumer  Zeit  schon  eine 
große  Menge  von  enghschen  Pfründen  an  itaUenische  Kleriker  vergeben 
wurde.  Schon  1232  fand  Gregor  IX.  Grund  zu  bitterer  Klage  darüber,  daß 
seine  Kuriere  sowohl  wie  italienische  Geistliche  selbst  von  den  Vasallen  und 
Hausgenossen  des  Königs  auf  das  schwerste  mißhandelt  worden  seien  i), 
ohne  daß  sich  die  Krone  oder  die  hohe  Geistlichkeit  zum  Einschreiten  ver- 
anlaßt gesehen  hätte.  Aber  statt  einer  Abhilfe  zu  begegnen,  vermehrte  sich 
das  Übel  fortwährend;  1235  fühlten  sich  jene  Geldleute  schon  so  mächtig, 
daß  sie  die  Mahnungen  des  Bischofs  von  London  verlachten ;  als  er  zur  Ex- 
kommunikation schritt,  mußte  er  gegenüber  der  offenen  Protektion,  die  ihnen 
die  Kurie  zu  teil  werden  ließ,  zurückweichen ;  ja  er  selbst  wurde  außerhalb  des 
Königreichs  vor  Richter,  die  den  Caorsini  günstig  gesinnt  waren,  zitiert,  um 
sich  wegen  des  den  Kaufleuten  des  Papstes  zugefügten  Unrechts  zu  verant- 
worten. 2) 

Ist  nach  alledem  eine  starke  finanzielle  Ausbeutung,  speziell  des 
englischen  Klerus,  durch  jene  italienischen  Geldleute  nicht  zu  be- 
zweifeln, so  gewann  doch  auch  der  legitime  Handel  der  Italiener  mit 
England  in  dieser  Zeit  eine  wachsende  Ausdehnung.  Es  wird  unsere 
Erkenntnis  nach  mehr  als  einer  Richtung  fördern,  wenn  wir  nunmehr 
den  Anteil  der  einzelnen  Handelsplätze  am  englischen  Handel  bis 
zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  festzustellen  suchen. 

315.  Kaufleute  von  Piacenza,  Bologna  und  Rom  sind  es,  die 
wir  am  frühesten  in  kommerziellen  Beziehungen  zu  England  positiv 
nachweisen  können. 

Piacenza  war  eine  Hauptstation  der  Briten  auf  dem  so  häufig  von 
ihnen  eingeschlagenen  Wege  nach  Rom;  Johann  von  Salisbury,  der  von  sich 
erzählt,  daß  er  zehnmal  die  Alpen  überschritten,  weiß  uns  mancherlei  von 
seinem  edelgebornen  Gastfreunde  in  Piacenza  zu  berichten.  ^)  Gerade  in  der 
Zeit,  als  Innocenz  III.  auch  den  König  Richard  Löwenherz  zur  Beschlag- 
nahme aher  Waren  der  Placentiner  in  seinem  Königreiche  auf  forderte  *), 
lernen  wir  die  Placentiner  zuerst  auch  in  engen  finanziellen  Beziehungen 
zur  englischen  Krone  kennen.  Aus  Anlaß  des  deutschen  Thronstreits  hatte 
noch  König  Richard  die  Bischöfe  Wilhelm  von  Angers  und  Robert  von 
Bangor  sowie  den  Deutschen  Stephan  Riedel  an  die  Kurie  entsandt,  um 
dort  für  seinen  Neffen  Otto  IV.  zu  wirken ;  auf  Kreditbriefe,  die  er  ihnen 
mitgegeben,  hatten  diese  Gesandten  bei  einem  Konsortium  von  Kaufleuten 
aus  Piacenza,  das  aus  Speronus,  Bagarotus,  Isanbertus  Salvagii  und  Gerardus 
Spandorii^)  und  ihren  Sozii  bestand,  ein  Darlehn  aufgenommen,  das  mit 
2125  Mark  Sterling  rückzahlbar  war.  Darüber  starb  der  König.  Richards 
Nachfolger  Johann  aber  wies  in  einem  aus  Rouen  vom  25.  August  1199 
datierten,  an  das  Konsortium  gerichteten  Schreiben  zunächst  625  Mark  zur 
Zahlung  am  nächsten  Michaelistermin  durch  das  könighche  Schatzamt  in 
England   an  und  versprach  in  gleicher  Weise  nächste  Ostern   und  von  da 


»)  Auvray  806—808  (7.  Juni  1232);  Haller,  Hist.  Zeitschr.  91,  208. 

«)  Chron.  maj.  IH,  382.     Patetta  317. 

8)  Metalogicum'  1.  3  (Ende  1159  oder  Anfang  1160  geschrieben),  SS.  XXVII,  51 
und  Policraticuin  1.  4,  ebd.  46. 

*)  Oben  §  271. 

*)  Namensschreibung  der  Urkunden  Salvag  und  Spandof.  Letzterer  Name 
scheint  verderbt;  ich  möchte  an  den  sonst  in  Piac.  vorkommenden  Sperandio  denken. 


400  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

ab  halbjährlich  je  500  Mark  zur  Zahlung  an  die  Gesellschaft  anzuweisen^ 
was  tatsächlich  auch  geschehen  ist.  i)  So  sind  also  Vertreter  dieses  Kon- 
sortiums von  placentinischen  Geldleuten  unzweifelhaft  am  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts auf  englischem  Boden  tätig  gewesen ;  es  war  ein  Kapital  von  etwa. 
130000  M.,  das  damals,  wenn  auch  in  einzelnen  Raten,  an  sie  zur  Aus- 
zahlung gelangte  und  sicher  nicht  unverwertet  geblieben  ist.  Das  Interesse,, 
das  König  Johann  an  seinem  Neffen  nahm,  ließ  seine  Beziehungen  zu  den 
placentinischen  Kaufleuten  auch  in  der  Folge  fortbestehen;  am  3.  Juli  1203 
wies  er  den  Schatzmeister  zu  sofortiger  Zahlung  von  300  Mark  Silbers  aua 
den  bereiten  Mitteln  oder  doch  den  ersten  Eingängen  des  Schatzamts  an 
placentinische  Kaufleute  an,  die  König  Otto  ein  Darlehn  gewährt  hatten 
auf  die  feierliche  Zusage  des  Erzbischofs  von  Canterbury  hin,  daß  der  eng- 
Hsche  König  die  Rückzahlung  übernehmen  werde.  2)  Durch  diese  Beziehungen 
wurden  gerade  die  Kaufleute  von  Piacenza  auch  während  des  Bruchs  zwischen 
England  und  der  Kurie  nach  England  geführt,  zumal  in  der  Zeit,  wo  König 
Otto  in  Italien  weilte  und  seine  Kaiserkrönung  erlangt  hatte.  Anfang  1210 
waren  Paganus  Plangburni,  Guidotto  Pastorelli,  Gerhard  und  noch  ein  vierter 
Kaufmann  aus  Piacenza  in  England,  um  die  Rückerstattung  eines  Darlehns 
zu  erwirken,  das  sie  dem  Kaiser  auf  den  Namen  und  die  Gutsage  des  eng- 
lischen Königs  hin,  jedenfalls  in  Italien,  gegeben  hatten.  3)  Offenbar  sind 
es  nur  einzelne  Trümmer,  die  uns  die  Kenntnis  der  durch  die  Placentiner 
vermittelten  finanziellen  Beziehungen  zwischen  Johann  und  Otto  IV.  erhalten 
haben.  Aus  späterer  Zeit  haben  wir  für  den  Handel  der  Placentiner  in 
England  nur  noch  einen,  aber  bemerkenswerten  Beleg;  ein  mit  den  Waren 
der  placentinischen  Kaufleute  Isembardus,  Johannes,  Willelmus  und  Bere- 
gundus  befrachtetes  Schiff  erhält  am  24.  September  1224  die  königliche  Licenz 
zur  Überfahrt  über  den  Kanal.  4) 

316.  Die  Anknüpfung  von  Handelsbeziehungen  mit  England  wurde  den 
Bolognesen  schon  dadurch  nahegelegt,  daß  zahlreiche  englische  Scholaren 
in  Bologna  ihre  Studien  machten ;  früh  auch  haben  englische  Kleriker  an  der 
Kurie  gerade  bei  bolognesischen  Kaufleuten  Darlehn  aufgenommen.  ^)    Damit 

')  Schreiben  Johanns  vom  25.  August  1199  bei  Rymer,  Foedera  I  p.  78  (Record 
Edition)  und  Rotuli  Claus.  I  p.  31.  Außerdem  besitzen  wir  die  Anweisung  des  König» 
an  das  Schatzamt  selbst  auf  Zahlung  der  dritten  Rate  binnen  14  Tagen  nach  Michaeli 
1200,  datiert  Falaise  5.  Juni  1200;  Rotuli  Chart,  p.  96.  Whitwell  194.  Gegen  Ab- 
lieferung dieser  Anweisung  war  beim  Schatzamt  schon  die  Anweisung  auf  Zahlung 
der  letzten  Rate  zu  entnehmen.  Doch  scheint  das  Schatzamt  am  Michaelistermin 
nicht  zahlungsfähig  gewesen  zu  sein,  da  der  König  seine  Anweisung  am  HO.  Okt. 
in  Gloucester  erneuerte ;  Rotuli  de  Liberate  p.  8.  Jedenfalls  aber  irrt  Winkelmann, 
Philipp  160,  mit  der  Annahme,  daß  König  Johann  diese  Schuld  Richards  nicht  ge- 
tilgt habe. 

«)  Rotuli  Lib.  p.  46. 

')  Ebd.  148.  Der  König  weist  am  5.  Februar  20  M.  Sterl.  als  Geschenk  für 
sie  an.  Im  Jahre  vorher  findet  sich  (p.  143)  eine  Anweisung  auf  38  7j  Solidi  >in 
expensis  mercatorum  de  Plac.  per  6  dies  preteritos« ;  es  handelt  sich  wohl  um  an- 
dere Kaufleute,  aber  um  dieselben  Beziehungen.  Winkelmann  Philipp  160  A.  3  hat 
die  Natur  derselben  durchaus  verkannt,  wenn  er  die  Anwesenheit  der  plac.  Kauf- 
leute von  1210  mit  der  Schuld  von  1203  (die  er  irrig  mit  3000  M.  Sterl.  angibt)  in 
Verbindung  bringt.  Noch  im  Jahre  1214  verwendet  Otto  neben  Heinrich  von  Köln 
und  einem  Magister  Jacobus  den  Placentiner  Presbyter  zu  einer  Mission  nach  Eng- 
land ;  Rotuli  Claus.  I,  177.     Winkelmann,  Otto  383  A.  4. 

*)  Patent  Rolls  I,  472. 

6)  Oben  §  311. 


Handel  mit  England.  401 

mag  auch  zusammenhängen,  daß  König  Richard  während  seines  Kreuzzuges 
über  See  auch  bei  einem  Konsortium  von  Kaufleuten  aus  Bologna  eine  An- 
leihe kontrahiert  hat,  von  der  wir  allerdings  nur  durch  eine  Forderung 
Kenntnis  haben,  die  fast  30  Jahre  später  erhoben  wurdet)  Im  Jahre  1220 
präsentierte  Petrus  Guibertini  als  Bevollmächtigter  dieses  Konsortiums  dem 
Könige  Heinrich  III.  Urkunden,  aus  denen  sich  eine  von  jenem  Anlaß  her- 
rührende Schuld  der  Krone  von  300  M.  Sterl.  imd  100  1.  tur.  ergab.  Der 
König  hegte  erhebliche  Bedenken  an  der  Richtigkeit  dieser  alten  Forderung ; 
auf  Fürsprache  des  apostolischen  Legaten  aber  erklärte  er  sich  schließlich 
am  20.  November  gegen  Auslieferung  sämtlicher  die  Forderung  betreffenden 
Urkunden  zur  Zahlung  einer  Summe  von  150  M.  Sterl.  bereit,  womit  sich 
die  Gläubiger  auch  zufrieden  gaben.  Der  Bevollmächtigte  erhielt  seinen 
Anteil  von  25  M.  sogleich  ausbezahlt;  die  übrigen  125  M.  wurden  einem  andern 
Bolognesen,  Gerardus  Adalardi,  übergeben,  damit  er  sie  am  nächsten  1.  Mai 
beim  Bischof  von  Bologna  so  lange  deponiere,  bis  jeder  der  Gläubiger  seine 
Urkunden  ausgeliefert  und  sich  eidlich  für  völlig  abgefunden  erklärt  hätte; 
zu  seinem  Bevollmächtigten  in  dieser  Angelegenheit  ernannte  der  König  den 
in  Bologna  weilenden  Archidiakon  von  Winchester. 

Wir  dürfen  annehmen,  daß  diese  Geldangelegenheit  die  Bolognesen 
schon  zur  Zeit  König  Richards  nach  England  geführt  hat.  Während  der 
Regierung  König  Johanns  erscheinen  sie  in  Gemeinschaft  mit  römischen 
Kaufleuten  im  Jahre  1205  als  Gläubiger  des  Erwählten  von  Winchester;  der 
König  ordnet  am  29.  August  die  Verpfändung  der  verfügbaren  Einkünfte 
des  Bistums  für  das  laufende  Jahr  zum  Zwecke  ihrer  Befriedigung  an.  Daß 
sie  auch  mit  dem  Könige  selbst  in  finanziellen  Beziehungen  standen,  geht 
daraus  hervor,  daß  Johann  nach  seiner  Aussöhnung  mit  der  Kurie  am 
25.  Juli  1213  zur  endgültigen  Abfindung  einer  bolognesischen  Handelsgesell- 
schaft 240  M.  Sterl.  zur  Zahkmg  an  ihren  bevollmächtigten  Sozius  anwies.  2) 
Zur  Zeit  König  Heinrichs  III.  gerieten  die  Bologneser  Kaufleute  Albergitto 
und  Pigalotto  mit  dem  Bischof  von  Winchester  in  Differenzen ;  er  bean- 
spruchte 400  M.  Sterl.  von  ihnen,  die  sie  nach  seiner  Behauptung  für  ihn 
an  den  Bischof  von  Norwich  zu  zahlen  schuldig  gewesen  wären.  Der  Bischof 
erwirkte  am  26.  Juni  1222  einen  für  die  Messe  von  Hoyland  gültigen  könig- 
lichen Befehl  zu  Represalien  gegenüber  allen  Bolognesen  in  Höhe  von 
400  M. ;  die  Bolognesen  vermieden  wohl  einfach  die  Messe,  denn  am  17.  Juli 
1224  wurde  ein  gleicher  Befehl,  nunmehr  mit  Gültigkeit  für  London,  Bristol, 
Oxford,  Lyon  und  Stamford  erlassen.  Auch  jetzt  fanden  die  Bolognesen 
Mittel  und  Wege,  die  Ausführung  zu  verhindern ;  denn  nach  1 1/2  Jahren 
(30.  Dez.  1225)  erging  ein  neuer,  milderer  Befehl  an  die  Behörden  von  Ijon- 
don  und  Stamford,  alle  Waren  und  alle  Habe  bolognesischer  Kaufleute  in 
ihrem  Bezirk  so  lange  mit  Beschlag  zu  belegen,  bis  sie  ausreichende  Kaution 
dafür  gestellt,  daß  sie  Albergitto  und  Pigalotto  zur  rechtlichen  Verantwortung 
gegenüber  dem  Bischof  wegen  der  400  M.  Sterl.  nach  England  kommen 
lassen  würden  3);  und  am  13.  September  1226  bat  der  König  den  Podestä. 
von  Bologna  dringend,  Befriedigung  des  Bischofs  zu  veranlassen,   damit  er 


•)  Patent  Rolls  I  260.     Whitwell  193. 

*)  Rotuli  Claus.  I,  48  u.  146.  Der  Bevollmächtigte,  Petrus  homo  Joliannis,  war 
ein  Römer,  wie  das  unmittelbar  vorhergehende  Mandat  zeigt. 

')  Ebd.  I,  501,  611;  n,  91.  Die  Formen  der  Namen  schwanken:  Pichelotus, 
Pagalettus;  Albergetto  gehört  jedenfalls  der  bekannten  Familie  Pepoli  an. 

Schaube,  Handelsgescbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  26 


402  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

nicht  genötigt  sei,  gegen  die  bolognesischen  Kaufleute  und  ihre  Waren  in 
England  Gewalt  anzuwenden,  i) 

Geht  schon  aus  diesen  königlichen  Befehlen  hervor,  daß  die  Bolog- 
nesen  in  England  auch  einen  lebhaften  Warenhandel  trieben,  so  besitzen 
wir  dafür  auch  eine  Reihe  unmittelbarer  Zeugnisse.  Am  9.  September  1208, 
in  der  Zeit  also;  die  den  italienischen  Kaufleuten  in  England  sonst  nicht 
günstig  war,  gestattete  König  Johann  den  Kaufleuten  Eleasar,  Bonromanus 
und  Victorinus  von  Bologna,  die  820  M.  Sterl.,  die  ihnen  sein  Getreuer 
Robert,  Rogers  Sohn,  für  ein  Darlehn  zurückerstattete,  zum  Einkauf  von 
Tuchen  von  Stamford  zu  verwenden  2)  und  diese  Tuche  unbehindert  zu 
exportieren ;  bis  zum  30.  November  wurde  ihnen  zu  diesem  Zwecke  sicheres 
Geleit  gewährt.  Und  für  diesen  Tuchexport  schon  zu  König  Johanns  Zeit 
aus  England  haben  wir  noch  einen  zweiten  Beleg;  der  Hafenmeister  von 
Dover  erhält  im  Jahre  1214  einmal  von  König  Johann  den  Befehl,  den 
Kaufmann  Johann  von  Bologna  mit  einem  Ballen  Tuche  (cum  uno  tursello 
pannorum)  übersetzen  zu  lassen.  3) 

Am  15.  September  1220  wurden  den  Bologneser  Kaufleuten  Armeninus, 
des  Julius  Sohn,  und  Hugolinus  königliche  Schutzbriefe  auf  die  Dauer  von 
2  Jahren,  von  Michaeli  an  gerechnet,  für  das  ganze  Königreich  für  ihre 
Person  und  ihre  Waren  ausgestellt.  Hugolinus  war  noch  über  diese  Zeit 
hinaus  in  England  tätig;  im  Jahre  1224  gehörte  er  mit  seinen  Landsleuten 
Pelerinus,  Bonamicus  und  Henricus  de  Clarissimis  einer  Handelsgesellschaft 
an,  die  am  24.  September  für  das  mit  ihren  Waren  befrachtete  Schiff  die 
Überfahrtserlaubnis  erhielt*)  (also  trotz  der  damaligen  Differenzen  der  Bolog- 
nesen  mit  dem  Bischof  von  Winchester) ;  und  im  Jahre  1226  erhielt  er  mit 
seinem  Landsmann  Roaldus  und  mehreren  florentinischen  Kaufleuten  zu- 
sammen die  Licenz,  im  Hafen  von  Sorham  10  Ballen  (truscellos)  zu  ver- 
laden und  gegen  Leistung  der  üblichen  Sicherheit^)  über  den  Kanal  zu 
führen.  Eine  ähnliche  Licenz  erhielten  am  26.  September  1229  auch  die 
Kaufleute  Petrus  Salo  und  Aldobrandino,  die  ebenfalls  mit  zwei  Florentinern 
assoziiert  waren,  für  ihre  Habe  und  ihre  Waren  (res  et  mercandisas  suas); 
doch  durfte  die  Überfahrt  nur  auf  einem  Schiffe  erfolgen,  das  höchstens 
15  Pferde  zu  transportieren  vermochte ;  die  Hafenbehörde  von  Sorham  wurde 
angewiesen,  ihnen  die  Benutzung  eines  solchen  Schiffes  zu  gestatten,  ß)  Solche 
Tatsachen  machen  es  begreiflich,  daß  die  bolognesischen  mercatores  drapariae 
Anghae  um  1245  eine  eigene  unter  besonderen  Konsuln  stehende  Korpo- 
ration büdeten.  7) 

»)  Patent  Rolls  U,  85. 

*)  .  .  .  implacare  possint  in  haubergerio  de  Stamford  emendo  820  m.,  quas .  . 
Rob.  eis  reddidit  de  prestito  quod  ei  fecerunt,  et  illud  haubergerium  libere  et  sine 
impedimento  educere  de  terra  nostra  Anglie.  Rotuli  pat.  p.  86.  Haubergerium  offen- 
bar =  haubergetti,  haberjects ;  vgl.  Magna  Charta  rub.  35 :  una  latitudo  (sit)  per 
totum  regnum  pannorum  tinctorum  et  rusettorum  et  halbergettorum  seil.  2  ulnaei 
infra  listas. 

2)  Rotuli  Claus.  I,  213. 

*)  Patent  Rolls  I,  248  u.  472. 

*)  .  .  .  accepta  ab  eis  debita  et  consueta  securitate,  et  non  obstante  mandato 
D.  Regis,  quod  D.  Rex  eis  fecit  de  navibus  in  portu  suo  arestandis.  Rotuli  claus.  II, 
137.  Diese  Maßregeln  hängen  wohl  mit  den  kriegerischen  Verwicklungen  in  Frank 
reich  zusammen. 

«)  Close  Rolls  p.  212. 

">)  Stat.  Camps,  rub.  81  in :  Stat.  Soc.  Bol.  II. 


II 


Handel  mit  England.  403 

317.  Mehrfach  sind  die  Generalkreditbriefe  König  Johanns  in 
erster  Linie  an  die  römischen  Kaufleute  gerichtet^);  lag  es  doch 
auch  am  nächsten,  sich  an  der  Kurie  an  diese  zu  wenden. 

So  hatte  Abt  Roger  von  S.  Edmund  1201  oder  1202  bei  acht  römi- 
schen Kaufleuten  mit  päpstlicher  Genehmigung  eine  Anleihe  zu  Kreuzzugs- 
zwecken gemacht;  nach  seinem  Tode  trat  Innocenz  III.  auf  das  entschie- 
denste dafür  ein  (Januar  1203  und  2.  Mai  1204),  daß  seine  als  Pfand  be- 
stellten Pfründen  zunächst  zur  vollen  Befriedigung  der  Gläubiger  Verwendung 
zu  finden  hätten.  2)  Während  eines  Prozesses  an  der  Kurie  hatte  ferner  der 
Prokurator  der  Abtei  Evesham  bei  römischen  Kaufleuten  eine  Schuld  von 
500  M.  Sterl.  kontrahiert;  als  er  nun  nach  glücklicher  Erledigung  seiner 
Sache  im  Jahre  1206  Rom  verlassen  wollte,  erhoben  die  nicht  befriedigten 
Gläubiger  Einspruch  und  belegten  mit  Erlaubnis  des  Papstes  die  von  ihm 
erwirkten  Dokumente  mit  Beschlag.  Mit  diesen  Dokumenten  reisten  sie 
selbst  nach  England,  um  sie  dort  gegen  Erstattung  der  Schuldsumme  ein- 
zutauschen; doch  nun  brach  der  Konflikt  zwischen  dem  Könige  und  dem 
Papste  aus;  bei  der  Ausplünderung  der  italienischen  Kaufleute  gingen  auch 
sie  ihrer  Dokumente  verlustig  und  wurden  aus  dem  Lande  getrieben.  Nach 
der  Wiederaussöhnung  Johanns  mit  der  Kirche  im  Jahre  1213  nahm  sich 
der  Papst  ihrer  an ;  Kardinal  Pandulf  sollte  den  Abt  zur  Zahlung  der  500  M. 
Sterl.  zwingen.  Als  der  Abt,  offenbar  weil  die  Gläubiger  keine  Beweisstücke 
hatten,  die  Schuld  nicht  anerkennen  wollte,  wurde  er  schließlich  abgesetzt; 
sein  Nachfolger  hat  dann  im  Jahre  1214  die  Schuld  getilgt.  3) 

Auch  diejenigen  römischen  Kaufleute,  die  vor  Ausbruch  des  Konflikts 
auf  königliche  Kreditbriefe  Darlehn  gewährt  hatten,  wurden  jetzt  befriedigt; 
im  Juh  1213  wies  der  König  3025  M.  Sterl.  (185000  M.)  zur  Zahlung  an 
Romanus  Nicolai,  Lucas  Scarsus,  Petrus  Bobonis,  Joeclenc  Petri,  Petrus  homo 
Johannis,  Baldwinus  und  ihre  Sozii  an.  Dazu  traten  für  Romanus  Nicolai 
weitere  325  M.  zur  Tilgung  der  Schuld,  die  die  letzte  Gesandtschaft  des 
Königs  an  die  Kurie  bei  ihm  kontrahiert  hatte.  4) 

Um  diese  Zeit  war  ein  vornehmer  Römer,  Petrus  Sarracenus  de  An- 
dreottis,  in  die  Dienste  der  enghschen  Krone  getreten,  in  denen  er  lange 
Zeit  verblieb.  Der  König  bewilhgte  ihm  eine  erbliche  Jahresrente  von  20  M. 
Sterl.  und  stattete  seinen  Sohn  Johann  mit  einer  reichen  Pfründe  aus^); 
des  Königs  Kanzler  Richard,  Bischof  von  Durham,  fügte  im  Jahre  1218  für 
treu  geleistete  Dienste  eine  erbliche  Rente  von  40  1.  Sterl.  hinzu,  die  später 
in  Grundbesitz  umgewandelt  werden  soUte.  ß)  Im  selben  Jahre  schickte 
König  Heinrich  III.  ihn  zusammen  mit  dem  Bischof  von  Chichester  und 
zwei  anderen  Gesandten  an  die  Kurie ;  der  Generalkreditbrief,  den  er  ihnen 


*)  Z.  B.  Rotuli  pat.  p.  65 ;  auch  der  Antikreditbrief  Rot.  claus.  I,  8. 

^)  Potth.  2419.  Migne  215  p.  223,  298.  Luchaire  A. :  Innocent  HL.  et  le  peuple 
romain  in  Revue  Hiat.  81  (1903),  253.  Über  Schulden  des  Erwählten  von  Winchester 
bei  römischen  und  bolognes.  Kaufleuten  oben  S.  401.    Rot.  claus.  I,  48. 

')  Chron.  abbatiae  de  Evesham  (in  Rer.  Brit.  SS.)  p.  198,  225,  256.   Luchaire  1.  c. 

*)  Rotuli  Claus.  I,  146. 

*)  Erste  Bewilligung  der  Rente  13.  August  1212,  Rot.  chart.  187  ;  dazu  p.  202, 
212,  216  u.  Rotuli  pat.  126,  135,  193.  Auch  die  Römer  Petrus  Aniballi  und  Octa- 
vianus  erscheinen  1213/14  im  königlichen  Dienst.  Rot.  pat.  108,  117.  Rot.  claus.  I, 
140,  180. 

•)  Auvray  1351  (4.  Nov.  1218).  Bestätigung  durch  Honorius  IH.  (13.  II.  1219), 
Pressutti  1876;  durch  Gregor  IX.  (1.  VI.  1233),  Auvray  1350. 

26* 


404  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

mitgab,  ermöglichte  ihnen  die  Aufnahme  von  Darlehn  bis  zum  Betrage  von 
6000  M.  Sterl.  1)  Die  ständige  Anwesenheit  des  bei  Hofe  einflußreichen 
Mannes  kam  natürlich  seinen  Landsleuten  wesentlich  zustatten;  in  den 
ersten  beiden  Jahrzehnten  der  Regierung  Heinrichs  IH.  sehen  wir  sie  noch 
häufig  in  Geldgeschäften  in  England  tätig. 

Am  27.  April  1221  trug  Honorius  HI.  dem  Legaten  Pandulf,  Erwähltem 
von  Norwich,  auf,  von  den  250  M.  Sterl.,  die  der  König  bei  ihm  deponiert 
habe,  150  M.  für  den  römischen  Bürger  Jacobus  Siccaficorus  anzuweisen. 
Drei  Jahre  später,  am  15.  Juni  1224,  sandte  der  König  durch  einen  ergebenen 
Londoner  Bürger  3300  M.  Sterl.  über  den  Kanal,  um  damit  römischen  Kauf- 
leuten ein  Darlehn  zurückzuerstatten,  das  sie  dem  Könige  zur  Förderung 
seiner  Angelegenheiten  an  der  Kurie  gewährt  hatten  2);  die  Erstattung  sollte 
wohl  auf  der  Maimesse  von  Provins  erfolgen.  Auch  ein  Darlehn,  das  Bischof 
Richard  von  Durham  bei  den  Römern  Juvenalis  Manetti  und  Angelus  Mai- 
lardi  aufgenommen  hatte,  war  auf  eine  der  Champagner  Messen  abgestellt; 
da  der  Nachfolger  Richards  dem  vom  Papst  mit  dem  Einschreiten  beauf- 
tragten Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris  gegenüber  eingewandt  hatte,  daß  ein 
päpstliches  Privileg  alle  Engländer  von  der  Verpflichtung,  in  Geldsachen 
diesseits  des  Meeres  Recht  zu  geben,  entbunden  habe,  wies  der  Papst  am 
23.  Januar  1231  darauf  hin,  daß  das  für  diejenigen,  die  Zahlung  an  einem 
außerenglischen  Orte  versprochen,  nicht  Geltung  habe;  am  20.  Juli  mahnte 
er  den  König  noch  besonders,  seine  Großen  und  Barone  darauf  aufmerksam 
zu  machen.  ^)  In  der  Tat  findet  sich  die  Abstellung  von  Zahlungen  auf  die 
Messen  der  Champagne  von  England  aus  nur  verhältnismäßig  selten.  Am 
1.  Juni  1225  wies  Heinrich  lU.  den  Vorsteher  des  Wechsleramts  in  London 
an,  den  römischen  Kaufleuten,  die  ihm  diese  Anweisung  überbrächten,  aus 
den  Einkünften  des  Wechsels  1100  M.  Sterl.  zu  zahlen;  auch  diese  Summe 
war  zur  Förderung  seiner  Geschäfte  an  der  Kurie  bestimmt.'*) 

Bis  nach  Irland  haben  sich  die  Geldgeschäfte  der  römischen 
Kaufleute  in  dieser  Zeit  ausgedehnt.  Als  Gregorius  Alexii,  Carazon, 
Leo  des  Petrus  Bobonis  Sohn,  Radulfus  Alexii  und  Johannes  Millarus 
und  ihre  Sozii  am  12.  Mai  1229  die  bis  Ostern  1230  gültige  königliche 
Licenz  erhielten,  zum  Zwecke  der  Einziehung  der  ihnen  geschuldeten 
Gelder  nach  England  zu  kommen,  erhielten  zwei  von  ihnen,  Radulfus 
Alexii  und  Carauzon,  für  sich  und  ihre  Sozii  dieselbe  Licenz  zugleich 
auch  für  Irland^)  —  der  einzige  Fall,  in  dem  wir  bis  1250  italienische 
Kaufleute  in  geschäftlichen  Beziehungen  zu  der  grünen  Insel  nach- 
weisen können. 

Als  Gregor  IX.,  um  die  auf  ständigen  Römer  zu  strafen,  jenes 
Schuldentilgungsverbot  ^)  erließ,  hat  das  sicher  auf  die  Stellung  der 
römischen  Geldleute  in  England  ungünstig  gewirkt.  Einige  Jahre 
darauf  verloren  sie  auch  die  Stütze,  die  sie  an  Petrus  Sarracenus  ge- 


»)  Patent  Rolls  I,  181.   Brief  des  Königs  an  Hon.  IH.,  6.  Nov.  1217;  Shirley  I,  sMu 
«)  Pressutti  3293.     Patent  Rolls  I,  535  f.  ^" 

')  Auvray  538,  690  f.     Über  Angelus  Magalottus,  Generalbevollmächtigten  des 
Leonardus,  Kanonikers  von  York,  für  England  und  Frankreich  s.  ebd.  1398  (3.  Juni  1233). 
*)  Rotuli  Claus.  II,  42. 
»)  Pat.  Rolls  II,  248. 
«)  Oben  §  290. 


Handel  mit  England.  405 

habt.  In  den  Jahren  1232  bis  1237  sehen  wir  ihn  noch  mehrfach  als 
Gesandten  des  Königs  an  der  Kurie  tätig,  zugleich  in  der  üblichen 
Weise  die  erforderlichen  Geldmittel  beschaffend^);  bald  darauf  aber 
fiel  er  in  die  Gewalt  des  Kaisers,  der  in  ihm  einen  gefährlichen  Gegner 
seiner  Politik  erblickte;  vergebens  forderte  Gregor  IX.  im  Jahre  1238 
wiederholt  seine  Freilassung;  in  den  Beschwerden  des  Papstes  über 
den  Kaiser  vom  7.  April  1239  wird  die  Gefangenhaltung  dieses  Petrus 
Sarracenus  und  seines  Sohnes  besonders  betont.^) 

Jedenfalls  treten  seit  dieser  Zeit  die  römischen  Kaufleute  im 
englischen  Geldverkehr  mit  Italien  stark  in  den  Hintergrund;  es  be- 
zeichnet in  der  Tat  eine  veränderte  Sachlage,  wenn  der  König  in 
einem  Antikreditbrief  von  1242  zuerst  die  Florentiner,  dann  die  Sie- 
nesen  und  erst  an  dritter  Stelle  die  römischen  Kaufleute  nennt.') 

318.  Wenn  der  Antikreditbrief  König  Johanns  von  1202  als  in 
Betracht  kommende  Geldgeber  neben  den  römischen  und  italienischen 
Kaufleuten  auch  die  toskanischen  namhaft  macht,  so  ist  dabei  in 
erster  Linie  an  die  Sienesen  zu  denken.  Das  geht  schon  daraus 
hervor,  daß  der  König  bei  der  Herstellung  des  Friedens  mit  der  Kurie 
auch  die  Kaufleute  Sienas  wegen  ihrer  älteren  Forderungen  abgefunden 
hat;  am  25.  Juli  1213  hat  er  325  M.  Sterl,  zu  diesem  Zweck  zur  Zah- 
lung an  den  Römer  Petrus  Bobonis,  den  Bevollmächtigten  der  siene- 
sischen  Kaufleute,  angewiesen.*) 

Unter  Heinrich  III.  treten  uns  die  Sienesen  zuerst  im  Waren- 
handel mit  England  entgegen.  Ranuchius  Spinelli  und  Restorus 
Gregorii  erhalten  am  9.  Juli  1224  zusammen  mit  zwei  Florentinern 
einen  bis  Weihnachten  gültigen  Schutzbrief,  der  sie  ermächtigt,  mit 
ihren  Waren  gegen  Leistung  der  herkömmhchen  Abgaben  zum  Zwecke 
des  Handels  nach  England  zu  kommen,  während  ein  dritter  Sienese, 
Edmund,  am  24.  September  zusammen  mit  Bolognesen  für  das  von 
ihnen  gemeinsam  befrachtete  Schiff  die  königliche  Licenz  zur  Über- 
fahrt über  den  Kanal  erhält.^) 

Im  Jahre  1227  sehen  wir  den  Sienesen  Gregor  Palmerio  im 
Pfandbesitze  der  Ländereien  und  Einkünfte  des  Robert  Passelewe,  der 
während  eines  Aufenthalts  an  der  Kurie  beträchtliche  Summen  von 
ihm  entliehen  hatte;  im  JuH  des  Jahres  hat  ihm  der  König  besondere 
Schutzbriefe  für  diesen  Pfandbesitz  ausgestellt.^)  Es  entspricht  das 
der  wichtigen  Rolle,  die  die  Sienesen  damals  in  den  finanziellen  An- 
gelegenheiten der  Krone  zu  spielen  begonnen  hatten. 

Am  22.  März  1226  weist  der  König  im  Interesse  seines  in  der  Gas- 
cogne  tätigen  Bruders  Richard  den  Bischof  von  Salisbury  zur  Zahlung  von 

»)  Pat.  Rolls  n,  471  (8.  auch  200,  452,  462).    Bond  261  f.  no.  5  und  7.    Shirley 
II,  12  f.  Auch  zum  Könige  von  Aragon  trat  er  1236  in  enge  Beziehungen  ;  Auyray  3299. 
«)  Rodenberg  I,  629  u.  638  (no.  730  u.  741.) 
")  Röles  gascons  I,  161  no.  1207. 
*)  Rotuli  Claus.  I,  146. 
»)  Patent  Rolls  I,  448,  472. 
•)  Ebd.  n,  135  ff. 


406  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

1680  M.  Sterl.  aus  den  Erträgen  des  Fünfzehnten  an  die  sienesischen  Kauf- 
leute Jacopo  Pieri,  Bartolommeo  Cirioli  und  Baroncino  Alamanni  an^)  und 
aus  den  nächsten  Jahren  liegt  uns  eine  ganze  Reihe  von  Zahlungsanweisungen 
des  Königs  an  sienesische  Handelsgesellschaften  vor^),  die  seinen  Bevoll- 
mächtigten an  der  Kurie  auf  Kreditbriefe  Gelder  vorgestreckt  hatten;  unter 
ihren  Mitgliedern  begegnen  wir  den  bekannten  Namen  der  Rainerio  Rolandi, 
Ugolino  Gentile,  Restoro  di  Jacopo,  Piccolomini  Ultramonte,  Turchio  Clar- 
montesi  u.  a.  Der  König  selbst  nahm  im  März  1232  bei  zwei  sienesischen 
Konsortien  in  London  Anleihen  von  360  und  860  M.  Sterl.  auf;  den  An- 
gehörigen derselben  sowie  dem  Einzelkaufmann  Contadino  stellte  er  gleich- 
zeitig 3)  bis  Weihnachten  gültige  Licenzen  aus,  mit  ihren  Waren  in  England 
unbehindert  Handel  treiben  zu  dürfen.  Daß  die  Sienesen  sich  in  dieser  Zeit 
gerade  in  solcher  Zahl  mit  dem  englischen  Geldgeschäft  befaßten,  macht 
es  sehr  wahrscheinlich,  daß  sich  auch  im  Gefolge  des  Magisters  Stephan, 
der  im  April  1229  auf  dem  Reichstage  zu  Westminster  erschien  und  die  Er- 
hebung des  päpstlichen  Zehnten  vom  englischen  Klerus  durchsetzte,  vorzugs- 
weise sienesische  Kaufleute  befunden  haben  werden.  ^)  Ist  doch  der  Sienese 
Angelerius  Solaficus  als  Bankier  des  Papstes  am  Anfang  der  dreißiger  Jahre 
auch  in  England  tätig  gewesen^);  auch  später  setzte  er  seine  finanziellen 
Beziehungen  zu  England  fort,  indem  er  mit  seinen  Sozii  dem  Prokurator 
des  Königs  an  der  Kurie,  Robert  de  Sumercot,  in  der  üblichen  Weise  Geld 
lieh,  das  ihm  auf  Anweisung  des  Königs  vom  8.  November  1237  mit  400  M. 
Sterl.  erstattet  wurde,  ß)  Noch  mehrere  solche  Anweisungen  für  sienesische 
Kaufleute  besitzen  wir  aus  dieser  Zeit  (1237  und  Anfang  1239)'^)  und  selbst 
als  der  Zorn  des  Papstes  sich  über  den  Sienesen  wegen  ihrer  ghibellinischen 
Haltung  entlud  und  sein  Zahlungsverbot  auch  an  alle  geistlichen  Würden- 
träger und  edlen  Herren  im  englischen  Königreiche  ergingt),  scheint  das 
ihre  Stellung  in  England  kaum  vorübergehend  erschüttert  zu  haben.  Zwar 
verbot  der  König  nach  dem  Bericht  des  Matthaeus  Paris  Anfang  1240  den 
Caursini,  insbesondere  den  Sienesen,  wegen  ihres  wucherischen  Treibens  das 
Land,  aber  er  fügt  sogleich  hinzu,  daß  sie,  um  so  guter  Weide  nicht  ver- 
lustig zu  gehen,  durch  Geldzahlungen  erreicht  hätten,  ihren  Aufenthalt  in 
England  heimlich  fortsetzen  zu    dürfen  y),   und  bald  genug  muß  auch  jede 


^)  Ebd.  24.  Vier  Monate  zuvor  hatte  der  König  seinem  Bruder  alle  Einnahmen 
aus  der  Zinnproduktion  von  Cornwall  übertragen  (ebd  3);  ea»  liegt  nahe  anzunehmen, 
daß  sich  auch  die  Sienesen  an  der  Zinnausfuhr  beteiligt  haben. 

ä)  Bond  261  f.  no.  1—4.     Whitwell  190,  208  und  die  Tabelle  226  ff. 

s)  Pat.  EoUs  11,  515,  466.  Whitwell  194.  Im  selben  Jahr  begegnen  Rainer 
und  Sozii   von  Siena   als  Geldleiher  in  England.     Calendar  of  Charter  Rolls  I,  169. 

*)  Oben  §  314. 

')  Mengozzi  I,  13  A.  5. 

«)  Bond  262  no.  6. 

")  Ebd.  no.  7 — 9.  In  Anweisung  no.  7  heißt  es  zwar :  Vermeyo  Laurencii  et 
Reynero  Orlandi,  mercatoribus  Romanis;  der  an  zweiter  Stelle  Genannte  ist  aber 
unzweifelhaft  der  uns  bekannte  Sienese  Rain.  Rolandi.  Die  juristische  Seite  dieser 
Anweisungen  ist  behandelt  von  H.  Brunner:  Die  fränkisch-romanische  Urkunde 
als  Wertpapier  in :  Forsch,  z.  Gesch.  des  deutschen  u.  französ.  Rechts  (Stuttgart  1894)j 
p.  543  A.  1. 

8)  Oben  §  280. 

»)  Chron.  maj.  ed.  Luard  IV,  8.  Patetta  311.  Patetta  kennt  das  Dekret  dei 
Papstes  gegen  die  Sienesen  nicht ;  daher  will  er  das  Verbot  mit  der  Verabschiedung 
des  päpstlichen  Legaten  durch  den  König  (Chr.  maj.  IV,  5)  zusammenbringen,  p.  329  f. 


Handel  mit  England.  407 

Heimlichkeit  wieder  geschwunden  sein;  für  Ranuccio  Barbotti  und  seinen 
Sozius  Hugo  mag.  Pagani  werden  schon  am  26.  Dezember  1240  wieder  50  M. 
und  100  sol.  zur  Erstattung  eines  Vorschusses  angewiesen,  den  sie  zur  För- 
derung der  Geschäfte  des  Königs  an  der  Kurie  zweien  seiner  Prokuratoren 
gewährt  hatten,  i)  Ranuccio  Barbotti  erscheint  überhaupt  in  dieser  Zeit  als 
eine  Art  Bankier  des  Königs;  schon  1238  hatte  er  dem  Alexander  le  Setuler, 
der  längere  Zeit  als  englischer  Prokurator  an  der  Kurie  gewirkt  hat,  ein 
Darlehn  gegeben  2),  und  1242  gab  er  200  Mark  Vorschuß  zum  Ankauf-  von 
Perlen  und  anderen  Gegenständen  zu  Lasten  der  königlichen  Garderobe. 
1244  sehen  wir  ihn  zusammen  mit  Hugo  Pagani  und  zwei  florentinischen 
Kaufleuten  wieder  mit  der  Geldübermittelung  an  den  Prokurator  Alexander 
und  seinen  Kollegen  Heinrich  von  Susa  befaßt;  der  König  hat  zu  diesem 
Zweck  1300  M.  Sterl.  angewiesen.  ^)  Auch  von  dem  englischen  Jahrestribut 
an  den  Papst  vom  Jahre  1248  wissen  wir,  daß  er  in  Höhe  von  1000  M.  Sterl. 
je  zur  Hälfte  durch  eine  sienesische  und  eine  florentinische  Gesellschaft  an 
die  Kurie  gezahlt  worden  ist.  4) 

Bringt  es  die  Natur  der  bis  jetzt  bekannten  Quellen  mit  sich,  daß  wir 
hauptsächlich  von  den  finanziellen  Beziehungen  der  Sienesen  zur  englischen 
Krone  erfahren,  so  kann  ims  ein  Beispiel  anderer  Art  lehren,  daß  auch  so  manche 
Kirche  und  manches  Kloster  in  finanzielle  Abhängigkeit  von  ihnen  geraten 
sein  wird.  Im  Jahre  1250  nahm  ein  Kloster  der  Diözese  Lincoln  bei  Jacopo 
Uguccione  und  Godefredo  Reynerii  als  den  Vertretern  ihrer  Handelsgesell- 
schaften ein  Darlehn  auf,  das  im  nächsten  Jahre  in  zwei  Raten  mit  188  M. 
Sterl.  im  »Neuen  Tempel«  zu  London  zu  erstatten  war;  im  Nichtzahlungs- 
falle traten  die  uns  bekannten  Bußen  ein:  je  10%  der  Schuldsumme  für 
jeden  Zeitraum  von  2  Monaten  (also  entsprechend  dem  von  Messe  zu  Messe 
laufenden  Termin  in  der  Champagne)  und  Erstattung  der  vollen  Auslagen 
für  einen  Kaufmann  (mit  Pferd  und  Diener),  dem  die  Beitreibung  der  Schuld 
aufgetragen  war.^) 

319.  Später  als  die  bisher  genannten  Handelsnationen  treten  die 
Florentiner  auf  dem  englischen  Schauplatz  auf;  dennoch  sind  sie 
schon  am  Ende  unserer  Periode  im  Begriff,  alle  anderen,  auch  die 
Sienesen,  zu  überflügeln. 

Zur  Zeit  König  Johanns  waren  sie  an  den  kurialen  Anleihen  Englands 
noch  nicht  beteiligt;  die  einzige  mir  bekannte  Beziehung  von  Florenz  zu 
England  aus  dieser  Zeit  besteht  darin,  daß  Compaignus,  dessen  sich  König 
Otto  im  Jahre  1209  zur  Ausrichtung  einer  Botschaft  an  den  englischen  König 
bediente,  ein  Florentiner  war.  ß) 

Nicht  eher  als  1224  können  wir  die  Beteihgung  von  Florentinern  an 
einer  der  bekannten  englischen  Anleihen  in  Rom  nachweisen;  sie  ist  für 
uns  noch  darum  von  besonderem  Interesse,  weil  wir  in  diesem  Fall  sogleich 
auch  den  engen  Zusammenhang  dieser  Darlehn  mit  dem  Warenhandel  genau 
erkennen.     In  Verfolgung  der  Geschäfte   des  Königs   an   der  Kurie  hatten 

1)  Bond  263  no.  10. 

')  Am  10.  Januar  1239  zur  Rückerstattung  angewiesen;  ebd.  no.  9.  • 

»)  Ebd.  no.  12—14. 

*)  Ebd.  265  no.  21.     Anweisung  zur  Rückerstattung  vom  9.  Mai  1249. 
»)  Patetta  322  ff. 

*)  König  Johann  läßt  ihm  ein  Geschenk  von  20  sol.  anweisen.  Rotuli  lib. 
p.  133. 


408  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

Stephanus  de  Lucy  und  Godefredus  de  Crawecombe  bei  der  Gesellschaft 
des  florentinischen  Kaufmanns  Johannes  Galfredi  und  dem  Römer  Gerhardus 
Johannis  Nicolai  ein  Darlehn  aufgenommen,  das  mit  500  M.  Sterl.  zurück- 
zuerstatten war.  Die  florentinische  Gesellschaft  schickte  ihre  Sozii  Guido 
della  Spata  und  Simonettus  Paganelli  zum  Inkasso  nach  England ;  am  9.  Juli 
1224  wurde  für  sie,  ihren  Landsmann  Donatus  und  verschiedene  sienesische 
Kaufleute  ein  bis  Weihnachten  gültiger  königlicher  Geleitsbrief  ausgestellt, 
der  ihnen  gestattete,  mit  ihren  Waren  nach  England  zu  kommen.  Die  Ver- 
zögerung, die  in  der  Rückzahlung  eintrat,  nutzten  die  beiden  Sozii  zu  Handels- 
zwecken aus ;  am  24.  September  erhielten  sie  mit  ihren  Landsleuten  Michael, 
Cambio  und  Marinello  für  ein  von  ihnen  befrachtetes  Schiff  die  Licenz,  von 
einem  englischen  Hafen  aus  den  Kanal  zu  kreuzen.  Am  22.  Oktober  wurden 
dann  die  500  M.  Sterl.  zur  Zahlung  angewiesen ;  der  König  gewährte  ihnen 
zur  Deckung  der  Unkosten  wegen  der  Verzögerung  am  25.  Oktober  noch 
4  M.  Sterl.  (etwa  250  M.)  außerdem,  und  gestattete  ihnen  gleichzeitig,  mit 
ihrer  Habe  und  ihren  Waren  nach  der  Normandie  überzufahren,  i) 

Aus  dem  Jahre  1226   kennen   wir  zwei  königliche  Anweisungen  vom 

8.  Juli  und  8.  Oktober  in  Höhe  von  30  und  60  M.  Sterl.  für  die  florentini- 
schen Kaufleute  Manerius  Dedy  Guascone,  Manuellus  und  Cambius,  die  dem 
Magister  Philipp  von  Hatham  an  der  Kurie  Geld  vorgestreckt  hatten  2) ;  am 

9.  Oktober  erhält  Cumpaignus,  der  Faktor  (homo)  Cambios,  die  Erlaubnis, 
auf  einem  kleinen  Schiffe  (innavicula  quadam)  von  Sorham  aus  mit  den 
Waren  Cambios  überzusetzen.  ^)  Die  gleiche  Licenz  hatten  im  Juli  Donatus 
de  Saffre,  Lazarus  fil.  Radulfi,  Manuellus  Bonaccorsi  erhalten  und  am  14.  Sep- 
tember begegnen  wir  dem  Donatus  und  Eleazar  (=  Lazarus)  wiederum,  wie 
ihnen  mit  drei  anderen  italienischen  Kaufleuten  gestattet  wird,  von  Sorham 
aus  10  Ballen  über  den  Kanal  zu  führen.  Zwei  anderen  Florentinern  mit 
ihren  beiden  Dienern  (gar§ones)  ist  endlich  im  selben  Jahre  eine  solche 
Überfahrtserlaubnis  für  den  Hafen  von  Dover  erteilt  worden-*),  und  am 
12.  Juh  des  nächsten  Jahres  haben  Abbate  Stoldi  und  Simonetto  Paganelli 
die  Erlaubnis  erhalten,  bis  MichaeU  1228  mit  ihren  Waren  in  England  Handel 
zu  treiben.  5) 

Im  Jahre  1229  kam  es  in  London  zu  einer  Ausschreitung,  indem  ein 
Angestellter  eines  florentinischen  Kaufmanns  einen  Mann  des  Bernhard  von 
Grimsby  schwer  verwundete,  worauf  Major  und  Vicecomites  von  London 
den  Stephanus  Manotti,  Sillate,  Jacobus,  Tancredus  und  andere  florentinische 
Kaufleute  mit  ihrem  Personal  gefangensetzen  und  ihre  Habe  mit  Beschlag 
belegen  ließen.  Doch  befahl  der  König  am  31.  August  die  Aufhebung  dieser 
Maßregeln,  sobald  sie  ausreichende  Bürgschaft  dafür  leisteten,  sich  dem  Ge- 
richt des  Königs  auf  Erfordern  prompt  zu  stellen.  Das  geschah,  indem 
die  Gefangenen,  jedenfalls  mit  beträchtlichen  Summen,  am  3.  September 
gegenseitig  für  sich  die  Bürgschaft  übernahmen  und  zur  größeren  Sicherheit 
noch  vier  andere  Florentiner  (Guido,   Aumerus,  Vaillandus  und  Bonzelacus 


')  Eotuli  Claus  I,  627,  652;  628,  654.     Patent  Rolls  I,  448,  472. 
•  2)  Rotuli  Claus.  H,  128,  141. 

')  Ebd.  141. 

*)  Ebd.  128,  137  (decem  truscellos  suos  in  una  navi  ducendos  usque  in  partes 
transmarinas).  In  diesen  Fällen  von  1226  sind  uns  nicht  die  Licenzen  selbst,  sondern 
die  an  die  baillivi  der  betreffenden  Häfen  gerichteten  Mandate  erhalten. 

»)  Patent  Rolls  11,  133. 


Handel  mit  England.  409 

werden  sie  genannt)  für  die  Wirksamkeit  dieser  Bürgschaft  garantierten,  i) 
Mehrere  der  Genannten  haben  noch  im  September,  Jacobus  am  18.,  Aimerus 
und  Spilatus  (offenbar  identisch  mit  Sillate)  am  26.  die  Erlaubnis  erhalten, 
mit  ihren  Waren  und  denen  ihrer  Sozii  von  Sorham  aus  auf  kleinen  Schiffen, 
die  den  Transport  von  höchstens  15  Pferden  gestatteten,  über  den  Kanal  zu 
setzen.  2)  Im  Jahre  1231  schritt  der  König  auf  eine  Beschwerde  des  Kar- 
dinals Thomas  von  S.  Sabina  gegen  den  florentinischen  Kaufmann  Deute- 
salve ein,  der  44  M.  Sterl.,  die  ihm  von  dem  Prokurator  des  Kardinals  in 
England  zur  Übermittelung  von  England  nach  Rom  anvertraut  waren,  nicht 
abgeliefert  hatte;  Major  und  Vicecomites  von  London  sollten  einen  ent- 
sprechenden Teil  seiner  Habe  beschlagnahmen  und,  wenn  nötig,  versteigern 
lassen,  um  den  Kardinal  zu  befriedigen.  Einen  anderen  ungetreuen  Flo- 
rentiner aus  dieser  Zeit,  Tignosus,  den  Sozius  zweier  vornehmer  Römer,  der 
auch  in  England  Schulden  machte,  haben  wir  bei  anderer  Gelegenheit  schon 
erwähnt. 2)  Umgekehrt  ließ  sich  ein  florentinisches  Konsortium,  Ubertus, 
Willelmus  Clarissimi  u.  a.  durch  das  betrügerische  Vorgehen  eines  Klerikers 
von  Glasgow  verleiten,  auf  einen  schon  einmal  benutzten  Kreditbrief  des 
Bischofs  und  Kapitels  von  Glasgow  hin  ein  Darlehn  von  mehr  als  1000  M. 
Sterl.  zu  gewähren.  4) 

320.  Die  ziemlich  zahlreichen  Nachrichten,  die  wir  sonst  aus  dieser 
und  der  nächsten  Zeit  über  die  florentinischen  Kaufleute  in  England  haben, 
betreffen  sämtlich  ihre  finanziellen  Beziehungen  zur  Krone.  Im  März  1232  5) 
nahm  Heinrich  HI.  bei  einem  florentinischen  Konsortium  ein  Darlehn  von 
1200  M.  Sterl.  auf,  und  im  folgenden  Jahre  wies  er  für  den  uns  schon  be- 
kannten Compaignus  und  seine  Sozii  600  1.  St,  an,  die  dieser  (wie  es  scheint, 
ohne  Kreditbrief),  an  der  Kurie  dem  Petrus  Sarracenus  und  seinem  Mit- 
gesandten vorgestreckt  hatte;  eine  weitere  Zahlung  von  50  Pfund  Sterl.  als 
»Geschenk«  sollte  als  Ersatz  für  Schäden  und  Kosten  dienen.  6)  Im  Jahre 
1242  erregte  die  Gesellschaft  des  Franchettus  den  Zorn  des  Königs  dadurch, 
daß  sie  dem  Mönch  Richard  von  Winchester  und  seinen  Komplicen,  die  dem 
Könige  an  der  Kurie  entgegenarbeiteten,  ein  Darlehn  gewährt  hatte;  er  be- 
fahl dem  Erzbischof  von  York,  den  Prior  und  seine  Kirche  vor  jeder  Be- 
lästigung von  dieser  Seite  zu  schützen  und  alle  Habe  der  Gesellschaft  bis 
auf  weiteres  mit  Beschlag  zu  belegen. '') 

Dagegen  war  damals  ein  anderer  Florentiner,  Clarius  (oder  Claras) 
Hugolini,  mit  seiner  Gesellschaft  "vielfach  als  Bankier  des  Königs  tätig.  Vor 
dem  päpstlichen  Legaten  gewährt  er  am  13.  August  1240  zusammen  mit 
seinen  Landsleuten  Felinus  Guilelmi  und  Renuchitius  Bonaccursi  dem 
Könige  ein  Darlehn  von  600  M.  Sterl.,  das  15  Tage  nach  Michaeli  im  Neuen 
Tempel  zu  London  zu  erstatten  war;  und  im  Oktober  des  Jahres  erhält  er 
ein  Geschenk  des  Königs  wegen  der  Mühewaltung,   die  er  bei  der  Beschaf- 

*)  Close  Rolls  202,  205.  Die  Florentiner  werden  hier  auch  als  >mercatores  de 
Ivumbardiac  bezeichnet. 

«)  Ebd  209,  212. 

»)  Ebd.  528.     Oben  §  285. 

*)  Auviay  2325.  Da  Gregor  IX.  in  dieser  Sache  an  die  Äbte  von  S.  Denis  und 
S.  Genovefa  und  den  Kanzler  in  Paris  schreibt  (22.  Dez.  1234),  so  war  jedenfalls 
eine  der  Champagner  Messen  oder  Paris  selbst  als  Erfüllungsort  bestimmt. 

»)  Patent  Rolls  n,  514.     Whitwell  194. 

«)  Bond  261  no.  5.     Whitwell  228  f.     Shhley  I,  403  f. 

»)  Röles  gascons  I,  115  no.  865  (Bordeaux  22.  H.  1242). 


410  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

fung  von  Geldmitteln  für  die  Prokuratoren  des  Königs  an  der  Kurie  ge- 
habt, i)  Den  Gesandten,  die  der  König  1241  an  Kaiser  Friedrich  IL  nach 
Italien  schickte,  hatte  er  nach  ihrer  Ankunft  300  M.  Sterl.  auszahlen  zu  lassen  ^), 
und  mehrere  kleinere  Beträge  sollte  er  im  folgenden  Jahre  von  einer  Summe, 
die  der  König  von  Bordeaux  aus  auf  das  Schatzamt  für  ihn  anwies,  ver- 
schiedenen an  der  Kurie  weilenden  Engländern  übermitteln.  ^)  Das  Ersuchen 
des  Königs  vom  5.  Juli,  dem  Abt  von  Hautecombe  und  dem  Mag.  Bernardus 
de  Romaunz,  die  er  an  die  Kurie  sende,  ein  Darlehn  von  1000  M.  Sterl.  zu 
geben,  muß  Clarus  allerdings  wohl  abgelehnt  haben,  da  der  König  für  die 
Genannten  am  12.  August  einen  Generalkreditbrief  in  gleicher  Höhe  aus- 
gestellt hat  4);  dagegen  hat  er  im  Jahre  1244  wieder  mit  seinem  Landsmann 
Felinus  Guillelmi  und  der  sienesischen  Gesellschaft  des  Ranuccio  Barbotti 
die  Übermittelung  von  1300  M.  Sterl.  an  die  königlichen  Prokuratoren  an 
der  Kurie  besorgt  0)  und  in  den  Jahren  1246  und  1247  ist  die  Auszahlung 
der  Jahresrente  von  500  M.  Sterl.,  die  der  König  dem  Grafen  Thomas  von 
Savoyen  ausgesetzt  hatte,  durch  seine  Vermittelung  vor  sich  gegangen.  6) 

Dem  erwähnten  Felinus  Guillelmi  begegnen  wir  auch  sonst  noch  mehr- 
fach als  Bankier  des  Königs;  in  den  Jahren  1247  und  1248  gab  er  Vor- 
schüsse zur  Bezahlung  der  Söldner  und  für  den  Hüter  der  königlichen  Gar- 
derobe, wie  wir  aus  Anweisungen  über  500  Mark  und  350  Pfund  Sterl.,  die 
auf  seinen  Namen  lauten,  erfahren.'^)  In  dieser  Stellung  am  Hofe  des 
Königs  ist  er  gestorben;  für  seinen  Bruder  Deutajuti  wies  der  König  am 
27.  April  1250  eine  Summe  von  100  Pfund  Sterl.  an,  die  er  dem  Verstor- 
benen aus  verschiedenen  Teilbeträgen  noch  schuldete.  8)  Wenige  Monate 
später  sehen  wir  den  Florentiner  Tolosanus  die  Stelle  des  Felinus  einnehmen ; 
er  streckt  für  den  Grafen  von  Leicester,  Simon  von  Montfort,  zu  mihtäri- 
schen  Zwecken  in  der  Gascogne,  aber  auch  für  die  Verwaltung  der  Gar- 
derobe der  Königin  beträchtliche  Summen  vor,  die  der  König  später  durch 
Anweisungen  auf  das  Schatzamt  deckt.  9) 

Auch  noch  anderer  florentinischer  Gesellschaften  hat  sich  der  König 
gelegentlich  bedient;  so  sind  an  der  Zahlung  des  englischen  Jahrestributs 
von  1248  an  den  Papst  zusammen  mit  fünf  Sienesen  die  Florentiner  Mai- 
netto  Spinetti,  Benvenuto  GuiUelmi,  Hugo  Gilberti,  Hugo  Simonetti  und 
Gherardo  Riccobaldi,  jeder  wahrscheinlich  mit  100  M.  Sterl.,  beteiligt  ge- 
wesen. 10)  Im  ganzen  ergibt  sich,  daß  in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  die 

•  i 

»)  Whitwell  p.  230  u.  197.  »■ 

*)  Bond  263  no.  11.  Über  Weiterungen  betr.  ein  Darlehn,  das  ein  englischer 
Gesandter  beim  Kaiser,  Barthol.  Pesce,  im  Jahre  1243  in  Höhe  von  20  M.  Sterl.  bei 
florentiner  Kaufleuten  aufnahm  (er  hatte  die  Zahlungsfrist  nicht  innegehalten,  wes- 
halb sie  >expensae<  für  einen  Kaufmann  fordern,  die  schließlich  auch  mit  2  M.  Sterl. 
gewährt  werden):  Röles  gascons  no.  1477  u.  1870. 

*)  Röles  gascons  no.  882  (966  zurückgenommen),  969,  1118. 

*)  Ebd.  1057,  1116. 

*)  Bond  no.  13,  14. 

8)  Ebd.  p.  264  no.  16,  17. 

')  Ebd.  no.  18,  19. 

*)  Ebd.  265  no.  20.  Der  auch  sonst  oft  verstümmelte  Name  Deutajuti  (Gott- 
helfedir)  lautet  hier :  Dentaduitus.  nl 

«)  Ebd.  no.  22.    Shirley  II,  382.  ^1 

^°)  Bond  no.  21.  Für  ein  Darlehn,  das  Spilettus  und  seine  Sozii  einem  Magi- 
ster an  der  Kurie  in  Lyon  gewährt  hatten,  weist  der  König  am  13.  Juni  1245  100  Pfd. 
Sterl.  zur  Zahlung  an  Aymericus  Cosse  und  Mainettus  Robertini  an ;  ebd.  no.  15. 


4 


Handel  mit  England.  411 

florentmischen  Bankiers  am  englischen  Hofe  den  sienesischen  schon  den 
Rang  abgelaufen  hatten;  auf  ihre  ganze  Stellung  im  Lande  und  auch  ihren 
Warenhandel  konnte  das  nur  günstig  zurückwirken.  Wenn  ein  Kloster  im 
Bezirk  Winchester  im  Jahre  1259  an  florentinische  Kaufleute  400  Sack 
Wolle  für  1414  M.  Sterl.  verkauft  hat^),  so  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen, 
daß  ähnUche  Geschäfte  auch  schon  vor  der  Mitte  des  Jahrhunderts  gemacht 
worden  sind,  zumal  einer  der  beiden  Käufer,  Hugo  Simonetti  genannt  »Mace« 
(Mazzi),  uns  schon  bei  der  Übermittelung  des  englischen  Jahrestributs  an 
den  Papst  begegnet  ist.  Man«  zahlte  an  der  Kurie  und  legte  das  in  Eng- 
land flüssig  werdende  Kapital  in  weiteren  Handelsgeschäften  an.  Als  ein 
bescheidenes,  aber  darum  doch  lehrreiches  Zeugnis  für  solche  Wareneinfuhr 
aus  England  werden  wir  auch  die  »gonella  de  stanforte  de  Inghil terra  de 
Ron  tone«  im  Werte  von  44  sol.  pis.  anzusehen  haben,  die  im  Jahre  1248  als 
Begräbnisgewand  in  San  Gimignano  begegnet.  2) 

321.  Von  Handelsbeziehungen  anderer  Städte  Ober-  und  Mittel- 
Italiens  zu  England  hören  wir  nur  sehr  wenig. 

Die  beiden  Gesandten  Mailands  aus  dem  Ritterstande,  denen  Hein- 
rich HI.  im  Juli  1221  bei  ihrer  Rückreise  als  Geschenk  40  M.  Sterl.  über- 
weisen ließ,  sind  sicher  aus  politischen  Gründen  nach  England  gekommen ; 
auch  der  Mailänder,  dem  der  König  im  November  1223  bei  seiner  Heim- 
kehr 10  M.  Sterl.  schenkte,  wird  ein  Bote  seiner  Vaterstadt  gewesen  sein.  3) 
Dagegen  sehen  wir  im  Jahre  1214  zwei  Brüder  aus  Parma,  Jakominus  und 
Albertus,  dem  Könige  Johann  wertvolle  Pferde  verkaufen ;  auch  einen  Remo- 
votto  von  Lucca  finden  wir  im  Jahre  1243  in  England  im  Pferdehandel 
tätig*);  wichtiger  aber  ist,  daß  in  dieser  Zeit  (1244  und  1246)  die  ersten 
Vertreter  der  großen  lucchesischen  Gesellschaft  der  Ricciardi  als  Händler 
mit  seidenen  und  kirchlichen  Gewändern  nachgewiesen  sind,  s) 

Auch  die  Seestädte  Italiens  hatten  in  unserer  Zeit  noch  keine 
näheren  Handelsbeziehungen  zu  England. 

Die  Verbindung,  die  sich  zur  Zeit  des  3.  Kreuzzuges  zwischen  Pisa 
und  England  durch  seine  finanziellen  Beziehungen  zu  König  Richard  an- 
gesponnen hatte  6),  hat  weiteren  Fortgang  nicht  gefunden,  zumal  die  Pisaner 
den  Geldhandel  nur  in  geringem  Maße  pflegten.  Genuesen  treffen  wir 
am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  zwar  mehrfach  in  England  (in  den  Jahren 
1204 — 1210),  aber  die  Waren,  die  sie  nach  England  brachten,  bestanden  aus- 
schließlich in  Armbrüsten,  die  sie  an  den  König  Johann  verkauften.')  Im 
Jahre  1224  trat  der  genuesische  Kaufmann  Anseimus  (Ansaldus)  de  Mallono 
in  die  Dienste  Heinrichs  III. ;  der  König  wies  ihm  nach  seiner  Ankunft  am 
7.  Dezember  5  M.  Sterl.  Reisekosten  an  und  verlieh  ihm  am  26.  Januar  1225 


*)  Genehmigung  des  Papstes,  Anagni  21.  August  1259.  Calendar  of  Papal  Re- 
gisters.    Papal  Letters  I  (London  1893)  p.  366. 

*)  Davidsohn  Forsch.  11  no.  2446. 

»)  Rotuli  Claus.  I,  465,  574.     Dazu  Shirley  1,  215,  274  f. 

*)  Rot.  Claus.  I,  180.     Röles  gascons  no.  2057. 

»)  Durch  Whitwell  (Viertel jahrschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch.-Gesch.  n,  1904  p.  26), 
aus  den  ungedruckten  Liberate  Rolls  (Chane.)  28  H.  III  m.  7,  30  H.  in  m.  8, 

«)  Oben  §310. 

')  Rotuli  lib.  p.  78  von  1207:  Johannes  balisterius  de  Genua;  p.  100:  RufEus 
archerius  von  Genua  (noch  1210  im  Dienste  des  Königs,  p.  229).  Rotuli  claus.  I, 
39  (1205),  76  (Zahlung  von  160  M.  Sterl.  an  den  mag.  Benedictus  von  Genua  pro 
balistis  quas  ab  eo  emimus  und  von  40  M.  Sterl.  als  Geschenk). 


412  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

eine  erbliche  Jahresrente  von  30  M.  Sterl.,  die  in  mindestens  gleichwertigen 
Grundbesitz  umgewandelt  werden  sollte  i);  wir  wissen,  daß  sich  der  König 
seiner  zu  einer  Gesandtschaft  an  den  Sultan  von  Damaskus  bedient  hat.  2) 
Dagegen  finden  wir  einen  Kaufmann  Raimund  von  Venedig  wirk- 
lich im  englischen  Handel  tätig;  er  hatte  sich  vier  Kaufleuten  aus  Piacenza 
angeschlossen  und  erhielt  mit  ihnen  zusammen  am  24.  September  1224  eine 
Licenz  für  die  Überfahrt  des  mit  ihren  Waren  befrachteten  Schiffes  nach 
dem  Festlande.  ^)  Wahrscheinlich  ist  er  mit  dem  in  Venedig  naturalisierten 
Engländer  gleichen  Namens  identisch  4),  dessen  Sohn  Gilius  (Aegidius)  mit 
der  Tochter  einer  in  Venedig  lebenden  Marseillerin  Agnes  verlobt  war.  Eine 
ganz  besondere  Bewandtnis  hat  es  mit  dem  Johannes  fil.  Leonardi  SucuhuU 
de  Venecia,  der  in  den  Rotuli  von  1201  als  reich  mit  Grundbesitz  ausgestat- 
teter Lehnsmann  der  englischen  Krone  erscheint  5)  und  deshalb  als  erster 
in  England  nachweisbarer  in  hochangesehener  Stellimg  befindlicher  Vene- 
zianer betrachtet  wird.^)  Seinen  Beinamen  »de  Venetia«  trägt  er  aber  gar 
nicht  von  Venedig,  sondern  seinem  in  der  Grafschaft  Norfolk  belegenen 
Stammgute  Venuz  (auch  die  Formen  Venoz,  Venuiz,  Venoit  u.  a.  kommen 
vor.)'^)  Sehr  merkwürdig  ist  es  nun,  daß  wir  diesen  Engländer  später  wirk- 
lich in  Venedig  eine  große  Rolle  spielen  sehen,  wo  er  in  der  Tat  mit  seiner 
angeblich  venezianischen  Herkunft  Eindruck  gemacht  zu  haben  scheint; 
1219  erscheint  er  als  Mitbesitzer  von  Lampsakus  und  hat  1229  als  Gesandter 
von  den  Beherrschern  von  Aleppo  und  Sahjan  Privilegien  für  Venedig  er- 
langt. 8) 

Von  einer  kommerziellen  Initiative  Venedigs,  die  sich  nach  Eng- 
land gerichtet  hätte,  kann  also  in  unserer  Zeit  noch  nicht  die  Rede  sein. 

322.  Wohl  aber  ist  eine  solche  bei  den  südfranzösischen  Handels- 
plätzen, die  für  den  Verkehr  mit  England  ja  auch  weit  günstiger 
lagen,  bemerkbar. 

Ein  Marseiller  Achardus  verkauft  1223  eine  Anzahl  Balisten  an  den 
englischen  König  und  1243  nahm  Bartholomaeus  Peche,  der  Gesandte  des 
Königs  an  den  Kaiser,  auf  seiner  Durchreise  durch  Marseille  bei  einem  Mar- 
seiller Kaufmann  ein  Darlehn  von  10^/2  M.  Sterl.  auf.  ^)  Die  Hauptsache 
aber  ist,  daß  wir  das  Marseiller  Handelshaus  Manduel  in  dieser  Zeit  Waren 
(und  zwar  auf  dem  Landwege)  nach  England  exportieren  sehen.  Für  die 
Handelsreise  nach  England  (in  viagium  Angliae)  hatte  Johannes  de  Mandolio 
dem  Petrus  Peguarerius  (=  Peguelerius)  13  große  Lasten  Alaun  und  3  kleine 


1)  Eotuli  Claus.  H,  9.  Patent  Rolls  I,  502.  Erneuert  13.  März  1228  (er  führt 
hier  den  Beinamen  Soldanus),  Cal.  of  Charter  Rolls  I,  70 ;  vgl.  Pat.  Rolls  II,  180. 

«)  Oben  §  164. 

3)  Patent  Rolls  I,  472. 

*)  Raimondus  qui  fuit  Anglie  et  est  habitator  Veneciarum.  Faksimile  no.  1 
bei  Rawdon  Brown,  Calendar  of  State  papers  preserved  in  the  Archives  of  Venice  I 
(London  1864) ;  Dokument  vom  September  1224. 

6)  Rotuli  Chart,  p.  84,  100. 

^)  Haziitt  W.  C.  The  history  of  the  origine  and  rise  of  the  republic  of  Ve- 
nice (London  1858  ff)  IV,  240.     Schanz  I,  117  f. 

T)  Z.  B.  Patent  Rolls  I,  121,  262,  305  usw. 

8)  Oben  §  202  u.  162.  Er  blieb  seitdem  in  Venedig ;  im  Vertrage  Venedigs 
mit  Ravenna  von  1234  werden  Romeo  Quirini  und  Johannes  Sucugullus  mit  ihrer 
Societas  als  im  Ravennatischen  geschädigt  genannt.     Minotto  IV,  1  p.  58. 

^)  Rotuli  Claus.  I,  558.     Röles  gascons  p.  242  no.  1871. 


1 


Handel  mit  England.  413 

Last  Zucker  in  Commenda  gegeben,  nach  seiner  Rückkehr  aber  entstanden 
DifEerenzen  zwischen  den  beiden  Sozii  über  die  Höhe  der  Frachtkosten  und 
sonstigen  Ausgaben  des  Petrus  und  über  das  Verhältnis  der  Marseiller  Lasten 
zum  englischen  Gewicht,  deren  Erledigung  durch  freundschaftliches  Über- 
einkommen zwei  Schiedsrichtern  übertragen  wurde.  Nach  Zuziehmig  sach- 
verständiger Kaufleute  entschieden  diese  am  29.  April  1244  dahin,  daß  Petrus 
für  die  Last  pro  vettura  et  expensis  56  sol.  melg.  zu  fordern  habe,  und 
daß  die  Marseiller  Last  Alaun  2^/2  enghschen  Zentnern,  die  Last  Zucker 
2  Zentnern  40  Pfd.  englisch  entspreche,  i) 

Was  die  übrigen  südfranzösischen  Handelsplätze  betrifft,  so  kennen 
wir  aus  dem  Jahre  1224  eine  Licenz,  die  drei  Kaufleute  »de  terra  co- 
mitis  S.  Egidii«  zusammen  mit  Petrus  Cuku  von  Cahors  für  ein  Schiff 
mit  Ladung  zur  Abfahrt  von  England  erlangt  haben.  2)  Näheres  über  che 
Heimat  dieser  drei  erfahren  wir  nicht ;  es  liegt  am  nächsten,  an  Saint-Gilles 
selbst  oder  Toulouse  zu  denken.  Jedenfalls  ging  ihre  Fahrt  nach  der  Gi- 
ronde;  die  politische  Verbindung  des  Südwestens  von  Frankreich  mit  Eng- 
land ist  es  sicher  gewesen,  die  die  Kaufleute  von  Cahors  in  großer  Zahl 
nach  England  geführt  hat.  Aber  auch  Montpellier  war  an  dem  eng- 
lischen Handel  beteiligt.  Am  20.  Mai  1226  erhielten  die  Kaufleute  Petrus 
Boneface  und  Wilelmus  Audiberd  die  bis  Michaeli  1227  gültige  Licenz,  mit 
ihren  Waren  nach  England  zu  kommen  und  hier  Handel  zu  treiben,  wobei 
sie  sich  ebenso  wie  verschiedene  Kaufleute  von  Cahors  verpflichten  mußten, 
keinerlei  Handelsverkehr  mit  La  Rochelle  und  Poitou  überhaupt  zu  unter- 
halten.3)  Am  13.  Oktober  1227  wurde  die  Licenz  um  ein  Jahr  verlängert 
und  ähnliche  Licenzen  hat  Petrus  Boneface  auch  1229  und  1230,  diesmal 
zusammen  mit  Ernaldus  Giroldi  von  Montpellier,  erhalten. *)  Im  Jahre  1232 
beauftragte  der  König  den  Gailardus  Cola,  in  Montpellier  für  ihn  20  seidene 
und  4  Scharlach tuche,  sowie  3  »curdas  de  gyngibraco«  (Ingwerbrod)  ein- 
zukaufen; auch  erscheint  im  Jahre  1243  ein  Kaufmann  Robert  von  Mont- 
pellier als  »speciarius«  des  Königs.  0) 

323.  Nach  den  beigebrachten  Zeugnissen  erscheint  die  Auffassung, 
daß  »die  Italiener  den  ersten  Eingang  auf  der  nordischen  Insel  in- 
folge der  kirchlichen  Schätzungen  gefunden  hätten«,  ebenso  irrig  wie 
ihr  Gegenspiel,  >daß  die  Wolle  die  Italiener  bis  England  gebracht 
und  daß  sie  aus  ihnen  die  Bankiers  gemacht  habe«.^)  Vielmehr  war 
es  das  Bedürfnis  der  englischen  Krone,  Geldmittel  im  Auslande,  ins- 
besondere an  der  Kurie,  flüssig  zu  machen,  das  die  italienischen  Kauf- 
leute, die  dieses  Bedürfnis  befriedigten,  seit  dem  letzten  Jahrzehnt  des 
12.  Jahrhunderts  in  größerer  Zahl  auf  englischen  Boden  geführt  hat. 
Daraus,  daß  infolge  der  von  ihnen  im  Auslande  gewährten  Darlehen 
beträchtliche  Kapitalien  in  England  für  sie  verfügbar   wurden,   ergab 

')  Manduel  no.  99.  Sehr  mit  Unrecht  hat  Marchand  p.  89  aus  diesem  Do- 
kument geschlossen,  daß  Marseiller  Schiffe  damals  selbst  bis  nach  England  ge- 
fahren sind 

*)  Patent  Rolls  I,  473. 

»)  Ebd.  n,  35  f. 

*)  Ebd.  147,  258,  336.  Im  Mai  1248  fährt  die  Galeere  eines  Petrus  Bonifacü 
von  Marseille  nach  Montpellier  (Amalric  no.  650). 

»)  Germain,  commerce  II,  18  A.  1.     Röles  gascons  no.  1670  u.  1902. 

•)  Schanz  I,  111.     Schulte  I,  126. 


414  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

sich  für  diese  Kaufleute  die  Beteiligung  am  englischen  Warenhandel 
ohne  weiteres;  einmal  in  Fluß  gekommen,  hat  sich  dieser  Waren- 
handel dann,  auch  ohne  im  einzelnen  Fall  die  Stütze  jener  Anleihen 
zu  besitzen,  weiter  entfaltet.  Es  ist  eine  zweite  Stufe  der  Entwicke- 
lung,  daß  die  Italiener  anfingen,  sich  in  wachsendem  Maße  dem  Geld- 
handel im  Lande  selbst  zu  widmen.  Diese  Wendung  ist  auf  das  dritte 
Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts  zurückzuführen;  durch  die  päpstliche 
Besteuerung  des  englischen  Klerus  hat  dieser  Geldhandel  unzweifel- 
haft eine  sehr  wesentliche  Förderung  erfahren.  Die  Realisierung  der 
erzielten  Gewinne  ist  sicher  auch  hier  häufig  auf  dem  Wege  des 
Warenexports  erfolgt.  Auf  dieser  zweiten  Stufe  der  Entwickelung  des 
italienischen  Handels  in  England  haben  die  Toskaner,  Sienesen  und 
Florentiner,  das  entschiedene  Übergewicht  erlangt,  während  in  den 
ersten  beiden  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts  Placentiner,  Bolog- 
nesen  und  besonders  Römer  im  Vordergrunde  standen;  das  dritte 
Jahrzehnt  erscheint  bezüglich  der  Art  des  Handels  wie  der  Beteiligung 
der  einzelnen  Handelsnationen  als  ein  Jahrzehnt  des  Überganges. 

Wie  rasch  der  Geldhandel  der  Italiener  in  England  um  sich  griff, 
haben  wir  der  Darstellung  des  Matthaeus  Paris  schon  entnehmen  können ; 
einige  weitere  Zeugnisse  mögen  folgen,  um  die  Höhe  der  Entwickelung 
zu  veranschaulichen,  die  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  erreicht  worden 
ist.  Schon  im  Jahre  1245  hielt  es  der  König  für  notwendig,  seinen  Unter- 
tanen zu  verbieten,  von  fremden  Kaufleuten  Geld  zu  leihen  i);  daß  das 
Verbot  irgendwelche  dauernde  Wirkung  gehabt,  ist  nicht  anzunehmen. 
Selbst  das  reiche  Erzbistum  Canterbury  seufzte  unter  schwerer  Schuldenlast. '-ä) 
So  fest  saßen  diese  »Caorsiner«  insbesondere  in  London,  daß  sie  von  diesem 
Mittelpunkte  aus  selbst  mit  fernen  Ländern  in  finanzielle  Beziehungen  traten ; 
Matthaeus  Paris  erzählt  unter  dem  Jahre  1248,  daß  das  norwegische  Kloster 
Nidarholm  bei  den  Caorsini  von  London  eine  Geldschuld  hatte.  3)  Und  zu 
1251  berichtet  er,  daß  Zahl  und  Reichtum  der  italienischen  Wucherer,  die 
man  Caorsini  nenne,  so  gewachsen  gewesen  sei,  daß  sie  sich  in  London 
vornehme  Paläste  gekauft  und  wie  die  einheimischen  Bürger  hier  ihren  stän- 
digen Wohnsitz  genommen  hätten.  Die  Geistlichkeit  hätte  nichts  gegen 
sie  tun  können,  weil  sie  sich  darauf  beriefen,  Kaufleute  des  Papstes  zu 
sein;  die  Bürgerschaft  nichts,  weil  sie  von  einigen  Vornehmen,  die  ihre 
Kapitalien  bei  ihnen  auf  hohen  Gewinn  angelegt  hätten,  in  Schutz  genom- 
men würden.  4) 

324.  Der  Mönch  von  S.  Alban  faßt  bei  seiner  Darstellung  einseitig  nur 
den  Geldhandel  der  italienischen  Kaufleute  und  seine  Auswüchse  ins  Auge ; 
um  so  mehr  bedürfen  seine  Ausführungen  einer  Ergänzung.  Das  englische 
Gewohnheitsrecht  unterwarf   den   Handel   der  Fremden   mancher  empfind- 


')  Schanz  I,  551  (Rot.  Pari.  29  H.  m  m.  6). 

»)  Berger  3369—3371  (23.  Oktober  1247);  vgl.  die  licentia  mutuandi  von  1243, 
ebd.  no   142. 

«)  Chron.  maj.  ed.  Luard  V,  43  (SS.  XXVIH,  302).  Unter  demselben  Jahre 
beschuldigt  er  sie  gleich  den  Juden  und  gewissen  flandrischen  Kaufleuten  des  Be- 
schneidens  der  englischen  Münzen ;  ebd.  16  (SS.  XXVHI,  298).     Patetta  330. 

*)  .  .  .  quorum  ut  dicebatur  pecuniam  ad  multiplicandum  seminabant.  Chron. 
maj.  V,  245. 


Handel  mit  England.  415 

liehen  Beschränkung;  in  London  war  den  fremden  Kaufleuten  der  eigent- 
liche Kleinhandel  untersagt;  Tuche,  ob  aus  Seide,  Wolle  oder  Leinen, 
sollten  sie  nur  im  ganzen  Stück,  Pfeffer,  Ingwer  und  Kümmel,  Alaun,  Brasil- 
holz und  Gummilack,  Weihrauch  und  Wachs  nur  in  Mengen  von  mindestens 
25  Pfund  (1  Quarter),  Barchentzeuge  (fustayn)  und  Korduan  nur  im  Dutzend 
auf  einmal  verkaufen  dürfen  u.  dgl.  Für  den  Verkauf  leinener  und  wollener 
Tuche  waren  sie  außerdem  auf  die  Tage  von  Montag  bis  Mittwoch  beschränkt; 
die  übrige  Zeit  mußten  sie  ihre  Tuchballen  verpackt  halten.  Herbergen 
durften  sie  in  der  Stadt,  wo  sie  wollten;  doch  durften  sie  sich  nicht  über 
3  Meilen  aus  der  Stadt  zum  Zwecke  des  Besuchs  eines  Marktes  oder  einer 
Messe  entfernen.  Endlich  war  ihnen  untersagt,  ihren  Aufenthalt  in  London 
über  40  Tage  auszudehnen,  außer  in  Krankheitsfällen  oder  wenn  sie  nach- 
weisen konnten,  daß  sie  trotz  Anrufung  der  zuständigen  Behörden  von  einem 
Londoner  Bürger  noch  Geld  zu  fordern  hatten,  i) 

Es  ist  anzunehmen,  daß  die  italienischen  Kaufleute,  die  der  Natur  der 
Sache  nach  bei  ihrer  Einfuhr  mehr  auf  Absatz  im  großen  rechneten,  die 
auf  das  Quantum  der  zu  verkaufenden  Waren  gerichteten  Beschränkungen 
kaum  als  solche  empfunden  haben  werden;  sie  richteten  sich  auch  sicher 
zimächst  an  die  Adresse  der  Kaufleute  vom  Rhein,  aus  Flandern  und  der 
Gascogne,  die  ja  lange  Zeit  auf  dem  englischen  Markt  eine  weit  größere 
Rolle  gespielt  haben  als  die  Italiener.  Dem  Detaillisten  Konkurrenz  zu  be- 
reiten, lag  diesen  im  allgemeinen  sicher  fern.  Im  übrigen  verstanden  sie 
es  allmählich  volle  Bewegungsfreiheit  zu  gewinnen,  zumal  die  Einschrän- 
kung der  Aufenthaltsdauer  sich  verhältnismäßig  leicht  umgehen  ließ. 

Eine  mit  Matthaeus  Paris  ungefähr  gleichzeitige  Londoner  Chronik 
gibt  von  der  Entwickelung  des  Einfuhrhandels  der  Fremden  eine  an- 
schauliche Darstellung.  ^) 

Ursprünglich  hätten  alle  fremden  Kaufleute,  die  nach  London  kamen, 
mit  ihren  Waren  in  den  Herbergen  der  Bürger  Unterkunft  gesucht ;  beim 
Verkauf  seien  gewohnheitsmäßig  nach  Zentnern  gehandelte  Waren  wie 
Wachs  und  Alaun,  mit  der  Wage  des  Königs,  pfundweise  gehandelte  Waren 
wie  Pfeffer,  Ingwer,  Brasilholz,  Kermes  mit  den  Wagen  der  Herbergswirte 
selbst  gewogen  worden.  Als  dann  Kaufleute  aus  Italien,  Gabors  und  der 
Provence,  wenn  auch  anfangs  nur  in  geringer  Anzahl,  mit  ihren  Waren 
nach  London  gekommen  seien,  hätten  sie  sich  zuerst  ebenso  verhalten  3) 
im  Laufe  der  Zeit  aber,  als  zahlreiche  sehr  reiche  Kaufleute  aus  diesen  Ge- 
bieten Waren  in  sehr  großer  Menge  in  London  einführten,  hätten  sie,   um 


*)  Customs  o£  London  (wohl  noch  aus  dem  12.  Jahrhundert)  rub.  11—15  bei 
Cunningham  W.,  The  growth  of  english  industry  and  commerce  during  the  early 
and  middle  ages ;  (Cambridge  1890)  p.  541  f.  Dazu  die  etwas  jüngeren  Aufzeich- 
nungen über  die  Londoner  Vorschriften  für  den  Verkehr  der  fiemden  Kaufleute 
bei  Höhlbaum,  Hans.  Urk.-Buch  III,  382  no.  600  und  die  wohl  noch  aus  der  Mitte 
des  12.  Jahrhunderts  stammende  Verordnung  über  Aufenthalt  und  Handel  der  Loth- 
ringer usw.  in  England ;  ebd.  no.  602  p.  392. 

')  De  antiquis  legibus  liber.  Cronica  Majorum  et  Vicecomitum  Londoniarum 
(1178—1274)  ed.  Th.  Stapleton  (London  1846),  p.  118  f.     Schanz  I,  386. 

')  Postea  Itallici,  Kaurcini  et  mercatores  de  Provincia,  imprimis  vero  perpauci, 
venientes  in  Civitatem  cum  mercimoniis  suis,  eodem  modo  se  gerebant.  Am  30.  Sep- 
tember 1229  eriieß  Heinrich  m.  dem  Pächter  des  kgl.  Wechselamts  von  London  und 
Canterbury,  Richard  Renger  (Bruder  von  Math.  Bukerei),  von  der  fälligen  Halb- 
jahrspacht in  Höhe  von  350  M.  Steri.  die  Summe  von  100  1.  Sterl.    >quia   idem  R. 


416  AchtundzwanzigBtes  Kapitel.     Handel  mit  England. 

den  Bürgern  die  Massenhaftigkeit  dieser  Einfuhr  verheimlichen  zu  können, 
nicht  länger  bei  diesen  Herberge  nehmen  wollen,  sondern  hätten  sich  eigene«! 
Häuser  in  der  Stadt  gebaut,  die  nur  für  sie  selbst  und  ihre  Waren  bestimmt Jl 
gewesen  seien ;  auch  hätten  sie  sich  nur  noch  eigener  Wagen,  auch  für  die 
zentnerweise  gehandelten  Waren,  bedient.  Auch  mit  den  Hauptartikeln  der 
Einfuhr  macht  uns  diese  Darstellung  bekannt;  es  sind  dieselben,  die  auch 
nach  den  Messen  der  Champagne  gingen,  und  es  ist  von  besonderem  In- 
teresse, daß  sich  auch  die  für  die  Textilindustrie  wichtigen  Farbstoffe,  wie 
Brasilholz  und  Kermes,  darunter  befinden ;  für  die  Einfuhr  von  Alaun  haben 
wir  auch  ein  Beispiel  aus  der  Praxis  beibringen  können,  i) 

Mit  keinem  Wort  gedenkt  die  Darstellung  der  Ausfuhr.  Um  sa 
wichtiger  ist  es,  daß  wir  in  zwei  Fällen  die  Ausfuhr  zum  Teil  recht 
beträchtlicher  Mengen  von  Tuchen  durch  bolognesische  Kaufleute 
schon  in  den  Jahren  1208  und  1214  haben  nachweisen  können.  2)  Die 
Auffassung,  daß  England  in  dieser  Zeit  noch  nicht  für  den  Export 
gearbeitet  habe,  ist  damit  beseitigt.^)  Daß  diese  Tuche  wegen  der 
noch  auf  einer  primitiven  Stufe  stehenden  Technik  verhältnismäßig 
geringwertig  waren,  ist  eine  andere  Sache ;  da  sie  bei  der  Beschaffen- 
heit der  englischen  Wolle  von  trefflichem  Rohmaterial  waren,  so  war 
ihre  Veredelung  um  so  lohnender.  Im  übrigen  bot  die  englische 
Wolle  selbst  das  nächstliegende  Ausfuhrprodukt;  es  ist  ohne  weiteres 
anzunehmen,  daß  sie  den  Hauptbestandteil  der  »Waren«,  deren  Aus- 
fuhr die  uns  seit  1224  erhaltenen  Licenzen  gestatten,  gebildet  haben 
wird.*)  Nicht  selten  wird  diese  Ausfuhr  über  den  Kanal  nur  nach 
Flandern  und  zu  den  Messen  gegangen  sein,  zumal  die  italienischen 
Kaufleute  durch  ihre  Geschäfte  in  England  oft  längere  Zeit  festgehalten 
wurden;  sicher  wurde  das  Rohprodukt  oder  das  minderwertige  eng- 
lische Fabrikat  hier  häufig  gegen  die  wertvollen  Tuche  der  flandrischen 
und  nordfranzösischen  Industrieplätze  umgesetzt.  Aber  von  Bolog- 
nesen,  Sienesen  und  Florentinern  dürfen  wir  mit  voller  Sicherheit 
annehmen,    daß   sie   seit  dem  dritten  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts 


in  predicto  cambio  negotiari  non  potest  ut  consuevit  propter  impedimentum  mer- 
catorum  qui  de  partibus  transmarinis  venire  solent  in  Angliam  cum  mercandisis 
suis  ad  negociandum  in  eodem  cambio.c  Cloae  Rolls  p.  214  (vgl.  185).  Darnach 
scheint  der  König  einen  Teil  der  für  das  Wechselgeschäft  bestimmten  Räume  den 
fremden  Kaufleuten  überlassen  zu  haben. 

^)  Auch  die  drei  Paar  seidener  Gürtel  mit  eingelegtem  Silber  und  die  sechs 
bursulae  de  serico  de  opere  Saracenorum,  die  1224  erwähnt  werden  (Patent 
Rolls  I,  449),  werden  wir  der  Einfuhr  durch  Italiener  zurechnen  dürfen.  Im  Jahre 
1235  hat  Kaiser  Friedrich  II.  dem  Könige  durch  Petrus  de  Vineis  ein  »pannum  ad 
aurum  cum  aquilis«  als  Geschenk  überreichen  lassen.  C.  Johnson  in:  Engl.  Hist^ 
Rev.  XIX  (1904),  p.  506. 

»)  Oben  §  316. 

')  Schulte  I,  126 :  England  selbst  stellte  keine  Tuche  für  die  Ausfuhr  her. 

♦)  Über  die  Wollausfuhr  aus  England  durch  englische  Klöster  selbst  und 
durch  fremde  Kaufleute  im  allgemeinen,  wobei  in  erster  Linie  an  solche  aus  Flan-; 
dem  und  dem  nordöstlichen  Frankreich  zu  denken  ist,  s.  Whitwell  in :  Viertele 
jahrschr.  f.  Soz.  u.  Wirtsch. -Gesch.  II  (1904),  p.  17  f. 


Neunundzwanzigstes  Kapitel.    Handel  mit  Flandern  u.  d.  Niederlanden.     417 

die  edle  englische  Wolle  gelegentlich  auch  bis  in  ihre  Heimat   trans- 
portiert haben.  ^) 

Eine  erste  Reaktion  gegen  die  Machtstellung  der  italienischen 
Kaufleute  trat,  anknüpfend  an  ihre  ungesetzhche  Benutzung  eigener 
Wagen,  die  auch  das  finanzielle  Interesse  des  Königs  und  der  Bürger 
schädigte,  die  man  aber  trotzdem  eine  Reihe  von  Jahren  hatte  hin- 
gehen lassen,  gerade  am  Ende  des  von  uns  behandelten  Zeitabschnitts, 
im  Jahre  1251  ein^);  wie  manche  spätere  Reaktion  hatte  auch  sie  nur 
vorübergehend  Erfolg. 


Neunundz-wanzigstes  Kapitel. 

Handel  mit  Flandern  und  den  Mederlanden. 

325.  Italienischen  Kaufleuten  (ex  Langobardorum  regno)  begegnen 
wir  schon  im  Jahre  1127  auf  der  großen  Messe  von  Ypern,  die  sich 
an  das  Fest  von  Petri  Stuhlfeier  (22.  Februar)  anschloß ;  der  bald 
darauf  (2.  März)  noch  während  dieser  Messe  in  Brügge  ermordete 
Graf  Karl  der  Gute  hatte  diesen  Lombarden  eine  silberne  mit  wunder- 
barer Kunst  gearbeitete  Vexierkanne  für  den  Preis  von  21  Mark  Silber 
abgekauft.  ^) 

Darnach  ergibt  sich  die  Möglichkeit,  unter  den  »feriae  ultra- 
montanae«  des  lucchesischen  Vertrages  mit  Genua  von  1153  und  des 
Statuts  von  Piacenza  von  1169*)  auch  die  flandrischen  Messen,  die 
in  Thourout,  Ypern,  Messines,  Lille  und  Brügge  abgehalten  wurden^), 
nütz u verstehen.  Wenn  wir  am  Ende  des  Jahrhunderts  italienische 
Kaufleute  mit  ihren  Waren  nach  England  hinübergehen  sehen  ^),  so 
würde  auch  das  für  ihren  Verkehr  mit  dem  ihnen  fast  auf  dem  Wege 
gelegenen  Flandern  sprechen.  Auf  den  Boden  der  Tatsachen  stellt 
es  uns,  daß  eine  Schuld,  die  Bischof  Dietrich  von  Utrecht  in  dieser 
Zeit  (wahrscheinlich  im  Jahre  1197)  bei  italienischen  Kaufleuten  an  der 
Kurie  kontrahiert  hat,  auf  Ypern  abgestellt  gewesen  ist. 

Es  waren  1250  Mark  Silber,  zu  deren  Erstattung  sich  der  Bischof 
gegenüber  einem  Konsortium  von  vier  römischen  (Parentius,  Jac.  de  Tosto, 
J.  Petrinius  und  Belushomo)  und  zwei  sienesischen  (Alexius  Vincecastri  und 
Gamelottus)  Kaufleuten  gegenüber  verpflichtet  hatte.  Als  Papst  Innocenz  III. 

1)  Vgl.  Doren  74. 

»)  De  antiqu.  legibus  über,  1.  c.  p.  119.     Whitwell,  Ital.  Bankers  p.  209. 

»)  Passio  Karoli  Comitis  auctore  Galberto  (SS.  XII  p.  569  f.).  Galbert  de  Bruges : 
Histoire  du  meurtre  de  Charles  le  Bon,  comte  de  Flandre  (1127 — 1128)  äd.  H.  Pi- 
renne  (Paris  1891)  p.  28  f.:  >argenteam  kannam  .  .  .,  quae  miro  opere  fabricata  suis 
spectatoribus  potum  quam  in  se  continebat  furabatur.« 

*)  Oben  §  275  u.  271. 

')  Über  diese  Pirenne,  Gesch.  Belgiens  I,  300.  Stein  W.,  Über  die  ältesten 
Privilegien  der  deutschen  Hansa  in  Flandern,  in :  Hansische  Geschichtsblätter  1902 
p.  107. 

•)  Oben  §  313. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  27 


418  Neunundzwanzigstes  Kapitel. 

nach  langen  Weiterungen  dem  Nachfolger  des  1199  verstorbenen  Bischofs 
im  Jahre  1204  durch  den  Bischof  von  Lüttich  unter  Androhung  schwerer 
kirchlicher  Strafen  gebieten  ließ ,  die  Schuld  nun  endlich  binnen  Jahres- 
frist zu  tilgen,  wurde  wiederum  Ypern  als  Erfüllungsort  bestimmt  i),  sicher 
ein  Beweis,  daß  dieser  wichtige,  starkbevölkerte  Meßplatz  2)  von  italienischen 
Kaufleuten  aufgesucht  zu  werden  pflegte.  Der  uns  gerade  aus  dieser  Zeit 
(1202)  erhaltene  Zolltarif  von  Bapaume^),  damals  dem  südöstlichsten  Grenz- 
orte der  Grafschaft  Flandern,  erwähnt  die  Italiener  freilich  nicht  besonders^); 
er  zeigt  uns  nur,  wie  die  Gewürze,  Spezereien  und  Drogen  der  Levante, 
wie  Seide  und  Goldfäden,  ferner  Alaun,  Brasilholz  und  Kernaesbeeren  für 
die  Bedürfnisse  der  flandrischen  Textilindustrie  die  Zollstätte  von  Süden 
her  passierten,  während  die  Tuche  von  Brügge  und  Gent,  von  Ypern  und 
Lille  und  der  anderen  flandrischen  Tuchorte  in  umgekehrter  Richtung  das 
Land  verließen.  0)  Aber  bei  der  großen  Anleihe  der  Gräfin  Johanna  von 
Flandern  und  Hennegau  im  Jahre  1221,  mit  deren  Hilfe  sie  den  Loskauf 
ihres  nun  schon  7  Jahre  im  Kerker  zu  Paris  schmachtenden  Gemahls  Fer- 
rand  zu  bewirken  hoffte,  finden  wir  wieder  auch  Italiener  beteiligt.  Von 
den  35  610  1.  tur.,  die  sie  dem  französischen  Könige  geboten  hatte,  sollten 
29 194  1.  auf  dem  Wege  des  Darlehns  aufgebracht  und  mit  34  626  1.  (also 
fast  20%  Zinsen)  zurückerstattet  werden.  Davon  haben  Cortabragne  und 
Comp,  über  ein  Drittel  (11040  1.,  mit  13040  rückzahlbar)  übernommen  6), 
unzweifelhaft  die  sienesische  Gesellschaft  des  Raynucius  Curtabrane,  den 
wir  im  Jahre  1219  schon  als  Geldgeber  einem  französischen  Großen  gegen- 
über kennen  gelernt  haben.  '^) 

326.  Als  die  Messen  der  Champagne  sich,  wie  es  in  dieser  Zeit 
geschah,  zu  einem  Markt  von  universaler  Bedeutung  für  ganz  Nord- 
west-Europa  erhoben   hatten^),    als   sich   für  den  Verkehr  mit  diesen 


1)  Epist.  Innoc.  III,  lib.  VI  ep.  215.  Br^quigny,  Diplomata  II  1  p.  413.  Ficker, 
Engelbert,  p.  223.  Schulte  I,  247  f.  Auf  eine  Anfrage  des  Bischofs  von  Cambrai, 
ob  er  für  Schulden,  die  seine  Vorgänger  ohne  Genehmigung  des  Kaisers  und  des 
Domkapitels  bei  gewissen  Kaufleuten  gemacht  haben,  aufkommen  müsse,  gab  der 
kaiserliche  Hoftag  zu  Mailand  1 184  eine  verneinende  Antwort.    M.  G.  Leg.  sect.  IV,  1 

p.  425.     Giesebr.  VI,  88.  jfll 

2)  Innocenz  IV.  gibt  die  Bevölkerung  Yperns  im  Jahre  1247,  offenbar  gestützt" 
auf  einen  Bericht  der  Schöffen  der  Stadt  selbst,  die  eine  Vermehrung  der  Zahl  der 
Parochialkirchen    (bis    dahin    nur   4)    wünschten,    auf   fast    200000   Menschen   an. 
Berger  2712. 

»)  TailUar  no.  6  p.  13—28 ;  vgl.  besonders  p.  20  ff. 

*)  Wohl   aber   die  Proven9alen ;   p.  24  heißt  es :    Chil   de  Franche  u.  de  Bo 
goigne  u  de  Provenche  ou  de  la  de  bos  et  autre  poroec   quil   ne   soient  de 
Flandres  (die  vorher  behandelt  sind),  doivent  de  chascun  dras  en  carete  ou  en  car 
1  d.  et  del  Kentil  1  d. 

*)  Über  die  wichtige  flandrische  Tuchindustrie  Schulte  I,  117  ff.,  124  ff.  Die 
Maklerrolle  für  Flandern  von  1252  führt  unter  den  Importartikeln  auch  Cottoen  garne 
und  CottoenwoUe  sowie  Brizilien  (Brasilholz)  auf.  Hans.  Urkundenbuch  I  no.  436 
p.  158. 

«)  Martene  et  Durand,  Thesaurus  Anecdot.  I,  886.    Bourquelot  II,  126. 

7)  Oben  §  277. 

*)  Ein  Ypern  betreffendes  Beispiel :  König  Johann  von  England  erneuert  am 
14.  April  1216  sein  Verlangen  an  die  Stadt,  eine  von  ihr  geschuldete  Summe  auf 
der  bevorstehenden  Messe  von  Provins  an  den  Bischof  von  Winchester  zu  zahlen,^ 
Eotuli  pat.  p.  177. 


I 

r 

3 

3 

i 


Handel  mit  Flandern  und  den  Niederlanden.  419 

Messen  die  flandrische  »Hansa  der  17  Städte«  bildete^),  die  besonders 
den  Tuchhandel  nach  diesen  Messen  organisierte,  da  konnte  es  nicht 
ausbleiben,  daß  auch  ein  sehr  bedeutender  Teil  des  Waren-  und  Geld- 
verkehrs zwischen  Italien  einerseits  und  Flandern  und  den  Nieder- 
landen andererseits  der  Vermittelung  durch  die  Messen  der  Cham- 
pagne anheimfiel. 

Besonders  bezeichnend  für  diese  Veränderung  ist  es,  daß  dasselbe  Bis- 
tum Utrecht,  das  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  für  seine  Anleihe  bei  ita- 
lienischen Kaufleuten  Ypern  als  Erfüllungsort  gewählt  hatte,  wenige  Jahr- 
zehnte später  sich  zu  gleichem  Zweck  der  Messen  der  Champagne  bediente. 
Die  Urkunde  über  die  bei  den  Sienesen  Angelerius  Solaficus,  dem  Bankier 
des  Papstes,  Jacobus  Petri,  Gaufridus  Ahfonsi,  Fredericus  Rolandi  und  ihren 
Sozii  aufgenommene  Schuld  des  Bischofs  besitzen  wir  allerdings  selbst  nicht ; 
daß  sie  aber  auf  eine  der  Messen  abgestellt  war,  geht  mit  Sicherheit  daraus 
hervor,  daß  die  Gläubiger  gegen  den  säumigen  Schuldner  einen  päpstlichen 
Brief  an  den  Abt  von  S.  Lupus  in  Troyes  erwirkt  haben.  2)  Der  Bischof 
erwies  sich  als  ein  besonders  hartnäckiger  Nichtzahler;  weder  Suspension 
noch  Exkommunikation,  die  der  Abt  über  ihn  verhängte,  fruchteten.  Da- 
rüber starb  der  Abt;  sein  Nachfolger  sprach  nun  das  Interdikt  über  das 
Land  des  Bischofs  aus.  Endhch  erschien  in  Troyes  als  Bevollmächtigter 
des  Bischofs  ein  Bürger  von  Köln,  und  es  kam  ein  Abkommen  zwischen 
Schuldner  und  Gläubigern  zustande.  Aber  der  Bischof  hielt  auch  dies  Ab- 
kommen nicht.  Da  befahl  Gregor  IX.  dem  Dechanten  von  Troyes,  den 
Bischof  zu  zwingen,  entweder  in  drei  Monaten  zu  zahlen  oder  persönlich 
zur  Verantwortung  vor  der  Kurie  zu  erscheinen.  Darüber  starb  auch  der 
Bischof,  und  der  Papst  beauftragte  nun  am  16.  Januar  1235  den  Abt  von 
S.  Lucian  in  Beauvais,  den  Elektus  von  Utrecht  zur  Befriedigung  der  Gläu- 
biger zu  veranlassen,  die  nun  wohl  auch  erfolgt  sein  wird. 

Auch  das  Darlehn,  das  eine  andere  sienesische  Gesellschaft,  von  der 
uns  Bonencontrus  Rogerii,  Scotus  Bonidomini,  Bonventura  und  Boncompan- 
nus  genannt  werden,  dem  Grafen  von  Namur  gewährt  hatte,  sollte  auf  einer 
der  Messen  zurückerstattet  werden;  da  er  starb  und  seine  Schwester  und 
Erbin  nicht  zahlte,  wurde  sie  von  den  Sienesen  auf  Grund  päpstlicher  Briefe 
vor  dem  Dechanten  von  Troyes  verklagt;  von  der  weiteren  Entwickelung 
des  Rechtsstreites  wissen  wir  nur,  daß  der  Papst  die  Sache  am  22.  April  1231 
an  drei  Geistliche  von  Provins  zur  Entscheidung  verwiesen  hat.  ^)  Ein  solches 
Meßdarlehn  war  es  endlich  auch,  das  für  das  Marienkloster  von  Middelborg 
(Diözese  Utrecht)  an  der  Kurie  bei  den  Florentinern  Mainetto  Alberti  und 
Tinioso  Acconcii  aufgenommen  war;  als  gemäß  dem  von  den  Gläubigern 
erwirkten  päpstlichen  Schreiben  die  Schuldner  vor  das  geistliche  Gericht  in 
Troyes  zitiert  wurden,  wurde  der  Bote  geschlagen  und  das  päpstliche  Schrei- 
ben  ihm  mit  Gewalt  entrissen,   so   daß  Papst  Innocenz  IV.  am  29.  Januar 

*)  Über  diese  Hansa,  von  der  die  flandrische  Hansa  für  London,  wie  schon 
Höhlbaum  bemerkt  hat,  wohl  zu  unterscheiden  ist,  s.  z.  B.  Pirenne,  Hist.  Zeitschr. 
84  (1899),  173  f.  Aufzählung  der  22  Mitglieder,  die  sie  in  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts zählte  (außer  flandrischen  auch  nordfranzösische),  bei  Fagniez  I,  no.  190 
p.  205  f. 

*)  Auvray  2391. 

»)  Ebd.  626. 

27» 


420     Neunundzwanzigstes  Kapitel.  Handel  mit  Flandern  und  den  Niederlanden. 

1246  dem  Offizial  von  Troyes  befahl,  Abt  und  Kloster  zu  bestrafen  und  zur 
Bezahlung  der  Schuldsumme  an  die  Florentiner  zu  zwingen,  i) 

327.  Aber  wenn  es  auch  üblich  wurde,  die  Tilgung  größerer  An- 
leihen, insbesondere  der  kurialen  Anleihen  von  Bischöfen  und  Klöstern 
bei  italienischen  Kaufleuten,  auf  den  Messen  der  Champagne  zu  ver- 
einbaren, so  haben  sich  doch  gerade  in  dieser  Zeit  italienische  Geld- 
leiher  auch  im  Lande  selbst  festgesetzt. 

Am  30.  Januar  1230  richtete  Gregor  IX.  ein  scharfes  Schreiben  an 
den  Bischof  von  Tournai,  damit  er  die  Beschlüsse  des  vierten  Laterankonzils 
gegen  verschiedene  Leute  von  Cahors  und  andere  in  Ypern  wohnende  Fremde 
in  Anwendung  brächte,  die  sich  herausnähmen,  in  Ypern  öffentlich  Wucher 
zu  treiben  2),  während  es  den  Einheimischen  verboten  sei.  Daß  unter  den 
anderen  Fremden  Italiener  zu  verstehen  sind,  ist  freilich  nicht  sicher,  zumal 
auch  die  Leute  von  Arras  ihrer  Wuchergeschäfte  wegen  bekannt  waren  3); 
aber  es  wird  doch  ziemlich  wahrscheinlich  durch  das,  was  wir  etwas  später 
aus  Douai  hören.  Am  1.  August  1247  wurden  Othes  Boule  (Otto  Bolla)  von 
Asti  und  Eubers  Porcelet  von  Chieri  in  das  Bürgerrecht  von  Douai  aufge- 
nommen, und  Mitte  Oktober  desselben  Jahres  geschah  das  Gleiche  mit  Qui- 
tremius  dem  Kawertschen  von  Asti  und  Jean  del  Solier,  der  sicher  eben- 
falls aus  Asti  war.  4)  Alle  diese  »Cahoursins«,  wie  sie  in  dem  offiziellen 
darüber  aufgenommenen  Aktenstück  genannt  werden,  hatten  vor  den  Schöffen 
der  Stadt  einen  Eid  zu  leisten,  die  Gewohnheiten  der  Stadt  zu  beobachten 
und  von  allem  ihren  Besitz,  auch  von  den  ihnen  nur  anvertrauten  Geldern, 
alle  Abgaben  gleich  den  übrigen  Bürgern  zu  entrichten.  Speziell  wurden 
sie  verpflichtet,  bei  ihren  Geldleihgeschäften  an  Zinsen  oder  auf  einem  an- 
deren Wege  unter  keinen  Umständen  mehr  zu  nehmen  als  der  Wert  des 
ihnen  übergebenen  Pfandes  betrug.  5)  In  denselben  Akten  ist  am  Anfang 
des  folgenden  Jahres^)  von  einer  Anzeige  Notiz  genommen,  wonach  der 
Diener  des  Sohnes  des  Kastellans  von  Douai  bei  den  Kawertschen  Geld  auf 
Tuche  entliehen  hatte,  die  er  unrechtmäßigerweise  in  seinen  Besitz  gebracht 
hatte. 

So  sind  also  die  Astesanen  mit  ihren  Nachbarn  von  Chieri  in  der 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  in  ihrer  Tätigkeit   als  für  längere  Zeit  seßhafte 


^)  Berger  1698.  Vgl.  Schulte  I,  259.  Für  Tmeosus  ist  Tineosus  zu  lesen. 
Einige  Jahre  zuvor  hatte  Martinus  monachus  monasterii  Altimontis  (Diöz.  Cambrai) 
mit  Ermächtigung  seines  Abts,  jedenfalls  an  der  Kurie,  ein  Meßdarlehn  bei  den. 
Florentinern  Franchettus,  Bentevegna,  Castro,  Valfrido  und  ihren  Sozii  aufgenom- 
men ;  am  29.  Dez.  1243  beauftragt  der  Papst  den  Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris,  das 
Kloster  zur  Zahlung  zu  veranlassen.  Berger  387. 

*)  .  .  .  quod  nonnulli  Caturcenses  et  quidam  alii  alienigenae  villam  Iprensem 
inhabitantes  in  eadem  presumant  publice  fenerari ;  Auvray  392. 

3)  Auvray  2011  (11.  Juli  1234),  2317.     Vgl.  Berger  3918. 

*)  Tailliar  p.  143  no.  82.     Koch  p.  9.     Die  Solari  waren   später   das  führende 
guelfische  Geschlecht   in  Asti.     Schulte  I,  313;    schon  Mitte   des   12.  Jahrhunderts«! 
sind  sie  im  genues.  Handel  tätig.     Unten  §  504.  fll 

*)  Tailliar  p.  144  no.  83 :  Et  si  eurent  en  covent  li  cahoursin  sor  lor  fiance, 
ke  11  ne  presteroient  nient  a  usures  ne  demanderoient  nul  denier  de  usure  ne  en 
autre  maniere  por  cose  ke  il  prestaissent  plus  ke  lor  catel.  (>Catel<  =  catallum, 
bewegliche  Habe,  hier  das  verpfändete  Gut). 

•)  En  lan  47  devant  le  candeler  (also  1.  Februar  1248  unseren  Stils) ;  ebenda 
149  f.  no.  89. 


4 


Dreißigstes  Kapitel.     Handel  mit  West-  und  Norddeutschland.  421 

Geldleiher  auch   schon  jenseits   der  Grenzen   des    eigentlichen  Frankreichs 
nachzuweisen.  ^) 

328.  Aber  auch  an  der  Gegenströmung,  der  Tätigkeit  flandrischer  Kauf- 
leute in  Italien,  fehlte  es  nicht.  Ein  im  Jahre  1226  zur  Förderung  der  städti- 
schen Messen  in  Parma  erlassenes  Statut  verpflichtet  den  Podestä,  dahin  zu 
wirken,  daß  Flamländer  und  Nordfranzosen  (Flamenghi  und  Francigenae) 
nach  Parma  kämen,  um  hier  ihre  Tuche  en  gros  oder  en  detail,  wie  es  ihnen 
beliebte,  zu  verkaufen.  2)  Wenige  Jahre  zuvor  waren  zwei  Kaufleute  aus 
Lille  auf  der  Straße  am  M.  Surdo  im  Bistum  Como  beraubt  -worden;  ihre 
Frachtfuhrleute  hatten  dabei  einen  Posten  Tuche,  bestehend  aus  6  camelini 
von  Lille,  7  blaveti  von  Ypern,  2  vergati  von  Beauvais  und  12  Paar  Zeug- 
stiefeln (caügarum  sagye)  von  Brügge  in  den  Händen  der  Räuber  lassen 
müssen.  In  einem  Vergleich  mit  den  Kaufleuten  erkannte  Como  seine 
Ersatzpflicht  am  10.  März  1222  an  und  zahlte  gegen  Abtretung  der  Ansprüche 
auf  die  geraubten  Waren  96  1.  11  sol.  imp.  Entschädigung.  3)  Das  Faktum 
sowohl  wie  die  Bereitwilligkeit  der  Behörden  zum  Schadenersatz  lassen  auf 
einen  nicht  geringen  Verkehr  der  Flamländer  über  den  Septimer  schließen. 
Als  ein  besonders  wichtiger  Ausfuhrartikel  der  Niederlande  sei  noch  die 
Lütticher  Leinwand  erwähnt;  im  genuesischen  Maklertarif  von  1204  erscheint 
sie  neben  der  deutschen  (telae  Allamanie  et  de  Leges)  und  auch  im  Ver- 
trage Genuas  mit  Siena  (1241)  erscheint  sie  unter  den  Leinwandsorten,  deren 
Ausfuhr  aus  Genua  den  Genuesen  vorbehalten  wird.  4)  Daneben  waren  die 
roten  Tuche  von  Lüttich  beliebt,  denen  wir  neben  der  Sarsche  von  Tournai 
um  1225  in  dem  Inventar  eines  Tuchladens  vom  Rialto  begegnen,  s)  Die 
Tuche  von  Brügge  erscheinen  im  Zolltarif  von  Saint- Gilles ;  die  von  Douai 
werden  im  Frühjahr  1248  von  einem  Kaufmann  der  Stadt,  Rodulfo  lo  Peire, 
in  Marseille  zum  Verkauf  gebracht  ß);  am  häufigsten  aber  von  den  flandri- 
schen Tuchen  sind  wir  im  Handel  der  Italiener  wie  der  Südfranzosen  den 
Stoffen  von  Ypern  begegnet. 


Dreißigstes  Kapitel. 

Handel  mit  West-  und  Norddeutschland. 

329.  Die  geschäftlichen  Beziehungen  italienischer  Kaufleute  zu 
diesen  Gebieten  hängen  auf  das  engste  mit  den  kurialen  Anleihen 
zusammen.  Aber  diese  Anleihen  wurden  nicht  nur  im  Auslande  auf- 
genommen, auch  ihre  Tilgung  sollte  nach  der  Absicht  der  Parteien 
im  Auslande,  und  zwar  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  auf 
den  Messen  der  Champagne  erfolgen.     Indem  sie   das  deutsche  Geld 


')  S.  über  diese :  Quintino  Sella  im  Cod.  Ast.  II,  228  fif.     Schulte  I,  308  f.,  311. 

»)  Stat.  Parm.  p.  61. 

«)  Schulte  U,  105  no.  188 ;  I,  108. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  475.     Ferretto  I,  158  A.  2. 

»)  Lib.  pleg.  no.  352:  2  pezze  di  sanguigno  >de  drapis  de  lezec  und  4  braccia 
di  sanguigno  >de  leze«  ;  1   >calosum*  grande  de  >saga  de  torneo«. 

«)  Bondurand  p.  281:  draps  de  Burges.  Amalric  no.  136,  137,  Auch  1235  be- 
gegnen Tuche  von  Douai  zusammen  mit  denen  von  Ypern  in  Marseille.  Oben 
§306. 


422  Dreißigstes  Kapitel. 

auf  dem  Umwege  über  die  Champagne  nach  Italien  abströmen  ließen, 
hatten  sie  also  die  Wirkung,  in  erster  Linie  den  italienischen,  zum 
Teil  auch  den  deutschen  Handelsverkehr  mit  den  Messen  der  Cham- 
pagne zu  befruchten,  während  sie  den  direkten  Handelsverkehr  zwischen 
Italien  und  Deutschland  zunächst  unberührt  ließen. 

Indessen  wurden  auf  diese  Weise  doch  eine  Menge  Beziehungen 
zwischen  italienischen  Kaufleuten  und  den  hohen  geistlichen  Würden- 
trägern und  anderen  einflußreichen  Persönlichkeiten  in  Deutschland 
geschaffen,  die  gegebenenfalls  auch  zur  Anknüpfung  kommerzieller 
Verbindungen  Veranlassung  geben  konnten,  zumal  auch  die  Abwicke- 
lung der  Geldgeschäfte  keineswegs  immer  glatt  verlief  und  die  Ver- 
folgung seiner  Ansprüche  doch  auch  manchen  italienischen  Kaufmann, 
sei  es  von  der  Heimat,  sei  es  von  der  Champagne  her,  nach  dem 
Rheine  geführt  hat.  Wenn  aber  für  irgend  eine  Stadt  des  westlichen 
und  nördlichen  Deutschlands  Aussicht  für  den  Nachweis  des  Handels 
italienischer  Kaufleute  mit  oder  in  ihr  besteht,  so  muß  das  bei  Köln 
der  Fall  sein,  das  damals  die  erste  und  größte  Stadt  Deutschlands 
war,  das  sich  zudem  einer  reich  entwickelten  Textilindustrie  erfreute^), 
während  uns  andererseits  eine  Fülle  von  Urkunden,  wie  sie  für  keinen 
anderen  Bischofssitz  auch  nur  annähernd  vorliegt,  gerade  für  Köln 
über  seine  bei  den  Geldleuten  Italiens  aufgenommenen  Anleihen  Auf- 
schluß gibt.  ^1 

330.  Besonders  zahlreich  waren  diese  Anleihen  bei  römischen  Kauf- 
leuten in  der  Zeit  des  Kölner  Schismas,  das  erst  durch  die  Wahl  Erzbischof 
Engelberts  (29.  Februar  1216)  beseitigt  worden  ist ;  die  meisten  derselben 
knüpfen  sich  an  den  Namen  des  Erzbischofs  Dietrich  von  Hengebach 
(Elektus  1208—1212,  Erzbischof  bis  1216),  der  seine  durch  den  Erzbischof 
Siegfried  von  Mainz  ausgesprochene  Absetzung  in  Rom  rückgängig  zu  machen 
suchte. 2)  Folgende  sind  uns  bekannt:  1.  bei  Matthaeus  Guidonis  Marronis, 
Angelus  Johannis  Judaei,  Jacobus  Scarsus  und  ihren  Sozii  eine  ältere  An- 
leihe Dietrichs  von  260  Mark,  die  im  Februar  1214  mit  einer  neuen  Anleihe 
bei  denselben  Kaufleuten  verschmolzen  wurde,  so  daß  nunmehr  500  Mark 
Sterl.  auf  der  nächsten  Aigulfsmesse  von  Provins  zu  erstatten  waren.  ^)  2.  Bei 
Petrus  Sarracenus,  Petrus  de  Paulo  und  seinem  Sohne  Angelus  und  Johannes 
Pantaleonis  850  M.  Sterl. ;  da  Petrus  Sarracenus  seit  Ende  1212  in  englischen 
Diensten  am  Hofe  Johanns  nachweisbar  ist,  muß  diese  Anleihe  spätestens 
1212  aufgenommen  sein.  4)  3.  Bei  Petrus  de  Centio  de  Lavinia,  Johannes 
Romani  Deuteguardae,  Johannes  Cencii,  Petrus  de  Johanne  Romani  625  Mfll 
Sterl.;  zu  diesem  im  Mai  1213  aufgenommenen  Darlehen  kam  ein  weiteres"" 
mit  700  M,  Sterl.  rückzahlbares  hinzu;  da  er  auch  dieses  nicht  bezahlen 
konnte,   stellte  Dietrich  schließlich  eine  Schuldurkunde  über  2000  M.  Sterl. 


')  Vgl.  z.  B.  die  Bestimmungen  des  Erzb.  Heinrich  II.  für  das  Wollenamt  von 
Deutz  gemäß  der  Ordinatio,  die  die  Kölner  >exercentes  officium  lanei  operis  diutius 
observaverunt.  *     Ennen  u.  Eckertz  11  no.  117.     Schulte  I,  123  ff. 

*)  Winkelmann,  Otto  432  ff. 

8)  Lacomblet  Th.  J.,  Urkundenbuch  für  die  Gesch.  des  Niederrheins  11  (Dussel 
dorf  1846),  p.  24  no.  47.     Schulte  I,  236. 

*)  Ennen  u.  Eckertz  U  no.  58.     Ficker,  Engelbert  p.  324  no.  13.     Oben  §  3171 


Handel  mit  West-  und  Norddeutschland.  423 

aus.  1)  4.  Bei  Johannes  Bobonis  160  M.  Silber.  2)  5.  Bei  Lucas  Scarsus  und 
Petrus  Judaei  550  M.  Sterl.^)  •  6.  Bei  den  Brüdern  Huguicio  und  Leo  Jo- 
hannis  Icte  1150  M.  Sterl.^)  7.  Eine  kleinere  Schuld  von  17  M.  Sterl.,  bei 
der  auch  Frauen  beteiligt  waren;  außer  Guilelmus  de  S.  Antonio  nämlich 
die  Mutter  des  Johannes  Zacha,  Beneincasa,  und  Martina,  die  Witwe  Scar- 
lattos.  5) 

Selbstverständlich  ist  die  Anzahl  der  wirklich  in  dieser  Zeit  aufge- 
nommenen Anleihen  mit  diesen  einen  Gesamtbetrag  von  mehr  als  3300  M. 
Sterl.  erreichenden,  deren  Kenntnis  auf  uns  gekommen  ist,  nicht  erschöpft ; 
es  kann  wohl  der  Wahrheit  nahekommen,  wenn  Caesarius  von  Heisterbach 
die  Summe  der  zur  Zeit  des  Schismas  von  den  Erzbisch  Öfen  Adolf,  Bruno 
und  Dietrich  an  der  Kurie  kontrahierten  Schulden,  die  Engelbert  zahlen 
sollte,  auf  mehr  als  16000  Mark  Kölnisch  angibt.  6)  Denn  nicht  eher  wollte 
Papst  Honorius  IIL  ihm  das  Pallium  geben,  als  bis  er  die  römischen  Gläu- 
biger befriedigt  hätte.  Von  Johannes  Bobonis  wissen  wir  auch,  daß  er  am 
8.  April  1217  befriedigt  worden  isf^)  und  mit  den  anderen  oben  genannten 
Gläubigern  (mit  Ausnahme  von  Nr.  6)  kam  es  im  Mai  1218,  zur  selben  Zeit, 
als  Engelbert  das  Pallium  wirklich  erhielt,  zu  gütlichen  Vergleichen  8),  in 
denen  sich  die  Gläubiger  allerdings  zu  teilweise  sehr  erheblicher  Ermäßigung 
ihrer  Forderungen  genötigt  sahen.  So  mußten  sich  Petrus  de  Centio  und 
Genossen  an  Stelle  der  beanspruchten  2000  M.  Sterl.  mit  1200  zufrieden 
geben,  die  ihnen  in  drei  gleichen  Raten  auf  der  Aigulfsmesse  von  1218,  der 
Messe  zu  Bar  und  der  Johannismesse  von  Troyes  des  folgenden  Jahres  ge- 
zahlt werden  sollten.  9)  Der  Dechant  von  Troyes,  in  anderen  Fällen  der 
Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris,  wurden  vom  Papst  mit  der  Überwachung  der 
Durchführung  dieser  Vergleiche  betraut,  die,  wie  sich  denken  läßt,  auch  nicht 
ohne  Schwierigkeiten  vor  sich  ging.  Merkwürdig  ist,  daß  wir  von  der  For- 
derung der  Söhne  des  Johannes  Icta  erst  durch  einen  Prozeß  im  Jahre  1238 
erfahren  10);  wir  müssen  wohl  annehmen,  daß  sie  zur  Zeit  jener  Vergleiche 
mit  der  Kurie  zerfallen  waren  und  so  des  notwendigen  Rückhalts  entbehrten. 
Denn  im  allgemeinen  müssen  die  römischen  Gläubiger  doch  mit  dem,  was 
sie  schließHch  erhielten,  zufrieden  gewesen  sein,  sonst  hätten  sie  und  ihre 
Landsleute  sich  sicher  nicht  wieder  mit  Köln  in  ähnliche  Geschäfte  ein- 
gelassen. 

Denn  im  Okt.  1221  hören  wir  wieder  von  einem  Abkommen,  das  zwi- 
schen Matthaeus  Guidonis  Marronis,  Johannes  Judaei  und  Lucas  Marqui- 
sanus (also   offenbar  der  unter  no.l  genannten  Gesellschaft)   und   dem  Be- 


*)  Korths  Regesten  in  den  Mitteil.  a.  d.  Stadtarch.  von  Köln,  Heft  3,  p.  14, 
no.  59/60  (Köln  1883).     Ennen  u.  Eckertz  II  p.  45  u.  70.     Vgl.  Schulte  I,  235. 

»)  Schulte  II  no.  422. 

«)  Ficker,  Engelbert  no.  17  p.  329. 

*)  Rodenberg  I,  621  f. 

')  Ficker,  Engelbert  no.  16.     Ennen  u.  Eckertz  H  no.  63. 

«)  Vita  8.  Engelberti  1.  I  c.  4  (Böhmer,  Fontes  H  p.  299). 

'')  Schulte  II,  285  n-o.  422 ;  Quittung  Honorius'  HI.  Dennoch  glaubt  Schulte  I, 
236  die  Schuld  erst  1221  zurückgezahlt;  es  ist  ihm  entgangen,  daß  Ficker,  Engel- 
bert no.  18  mit  der  von  ihm  selbst  beigebrachten  Urkunde  identisch  ist.  Schon 
Ficker  hatte  in  seiner  V^orlage  einen  Fehler  im  Pontifikatsjahr  vermutet,  Was  nun 
durch  Schuttes  Veröffentlichung  klar  wird  (quinto  statt  primo). 

8)  Ficker  Engelbert,  no.  13,  16.     Schulte  H  no.  423. 

»)  Ennen  u.  Eckertz  II  no.  67.     Ficker  1.  c.  no.  12.     Schulte  I,  236. 

1»)  Rodenberg  I,  621  f.     Oben  §  308. 


424  Dreißigstes  Kapitel. 

Vollmacht] gten  Engelberts,  Gerhard,  getroffen  worden  isti);  im  Auftrage; 
Gerhards  hatten  sie  an  einen  anderen  Gläubiger  des  Erzbischofs,  den  römi- 
mischen  Bürger  Bartholomaeus  Mallalardus,  92  M.  Sterl.  gezahlt  und  da  auch 
von  der  alten  Schuld  noch  ein  Restbetrag  verblieben  war,  ,so  wurde  die  vom 
Erzbischof  auf  der  nächsten  Messe  von  Bar  an  sie  noch  abzutragende  Summe 
auf  235  M.  Sterl.  festgesetzt.  Im  folgenden  Jahre  hat  dann  Engelbert  den- 
selben Gerhard  zur  Aigulfsmesse  nach  Provins  geschickt,  um  zur  Erstattung 
der  Vorschüsse,  die  ihm  Kölner  Bürger  zur  Entrichtung  des  Zwanzigsten 
an  die  Boten  des  Papstes  gewährt  hatten,  bei  derselben  römischen  Gesell- 
schaft ein  neues  Darlehn  bis  zur  Höhe  von  300  M.  Sterl.  aufzunehmen.  2) 
Wir  wissen  ferner  von  einem  Schuldkapital  von  100  M.  Silber,  das  Johan- 
nes de  Maroza  von  Engelbert  beanspruchte 3)  und  einer  weiteren  uns  in 
ihrer  Höhe  nicht  bekannten  Anleihe,  die  er  bei  dem  römischen  Bürger  Ju- jB 
venal  Manetti  kontrahiert  hatte, 4)  Die  Bezahlung  dieser  Schuld  mußte  er*" 
allerdings  seinem  Nachfolger  Heinrich  überlassen,  da  er  im  November  1225 
ermordet  wurde;  im  April  1236  hatte  dieser  die  Schuld  noch  nicht  getilgt, 
80  daß  der  Papst  dem  Erzbischof  von  Mainz  einzugreifen  befahl.»)  Ein 
wie  übler  Zahler  er  war,  geht  am  besten  daraus  hervor,  daß  Gregor  IX.  am 
30.  März  1233  den  Erzbischof  von  Trier  beauftragte,  auf  allen  Messen  und 
an  allen  Orten,  wo  er  es  für  zweckmäßig  erachten  würde,  bekanntmachen 
zu  lassen,  daß  dem  Erzbischof  von  Köln  die  Aufnahme  jeglichen  Darlehns 
bei  Strafe  der  Suspension  verboten  sei.  ^)  Auch  bei  einer  Anleihe  von 
350  M.  Sterl.,  die  der  Domdechant  Gozwinus  als  Prokurator  des  Kölner 
Domkapitels  im  Jahre  1234  an  der  Kurie  aufnahm,  waren  neben  4  Sienesen 
3  römische  Kaufleute:  der  damalige  Bankier  des  Papstes  Bobo,  des  Johan- 
nes Bpbonis  Sohn,  Paulus  Johannis  und  Bartholomaeus  Anazulus  beteiligt.'^) 

331.  Um  wesentlich  geringere  Summen  handelt  es  sich  bei  den  An- 
leihen, die  die  Prokuratoren  des  Kölner  Stifts  S.  Severin  bei  der  Kurie  auf- 
nahmen; sie  führen  uns  in  interessanter  Weise  die  regelmäßige  Art  des 
Geldbezugs  dieser  Prokuratoren  vor  Augen.  Bei  den  römischen  Kaufleuten 
Saxo  Johannis  Alberici,  Johannes  Alberici  und  Petrus  de  Romanis  nimmt 
der  Kanoniker  Albert  als  Prokurator  des  Stifts  am  4.  Juni  1224  ein  mit 
20  M.  Sterl.  am  22.  Juli  auf  der  Johannismesse  von  Troyes  rückzahlbares 
Darlehn  auf;  die  Zahlung  sollte  an  einen  der  Genannten  oder  einen  Bevoll- 
mächtigten, der  die  Schuldurkunde  selbst,  den  Kreditbrief  des  Domkapitels 
und  das  Zeugnis  eines  Kardinals  über  die  erfolgte  Hergabe  des  Darlehns 
beizubringen  hatte,  erfolgen;  bei  Nichtzahlung  sollten  die  üblichen  Bußen 
(10%  für  je  2  Monate  und  die  Kosten  für  die  Unterhaltung  eines  Kauf- 
manns mit  Pferd  und  Diener  bis  zur  vollen  Zahlung)  eintreten.  ^)    Unzweif el- 

»)  Ennen  u.  Eckertz  II  no.  70.    Ficker  1.  c.  no.  19  p.  331.    Vgl.  Schulte  I,  237  f. 

2)  Ficker  1.  c.  no.  27  p.  ,341  (11.  Sept.  1222).  Oben  §  289.  Lucas  Marquisanus 
wird  hier  Lucas  Scarsus  genannt. 

»)  Schulte  II  no.  424  (irrig  zu  1223;  richtig  zu  1222  im  Text  I,  238). 

*)  Ergibt  sich  aus  dem  Schreiben  des  Papstes  an  Erzbischof  Heinrich  vom 
18.  Januar  1227 ;  Pressutti  6185. 

')  Auvray  3149.     Potth.  10146. 

*)  Auvray  1214. 

»)  Schulte  n  no.  426. 

8)  Hess  J.  Die  Urkunden  des  Pfarrarchivs  von  St.  Severin  in  Köln  (Köln 
1901)  no.  14  p.  26.  Für  Duas  pretaxatas  20  m.  ist  Quas  zu  lesen.  Wenn  bei 
Nichtzahlung  hier  10  °/o  per  singulos  menses  festgesetzt  scheinen,  so  fehlt  hier  nur 
das  duos;  vgl.  no.  15:  de  singulis  videlicet  duobus  mensibus. 


■ 


Handel  mit  West-  und  Norddeutschland.  425 

liaft  ist  die  Zahlung  ebenso  rechtzeitig  erfolgt,  wie  wir  es  für  den  folgenden 
Fall  bestimmt  wissen.  Am  25.  Juli  nahm  der  Prokurator  nämlich  ein  wei- 
teres Darlehn  im  rückzahlbaren  Betrage  von  9  M.  Sterl.  bei  dem  Gewürz- 
händler (speciarius)  Bonagura  auf,  diesmal  kein  Meßdarlehn ;  vielmehr  sollte 
die  Rückzahlung  bis  zum  2.  Februar  in  Rom  oder  wo  sonst  die  Kurie  ihren 
Sitz  haben  würde,  erfolgen ;  bei  Nichtzahlung  wurde  außer  den  Verzugs- 
zinsen Zwangsaufenthalt  des  Schuldners  an  der  Kurie  vorgeschrieben,^)  In- 
dessen zahlte  der  mittlerweile  eintreffende  Nachfolger  Alberts,  der  Proku- 
rator Markmann,  schon  6  Wochen  vor  Fälligkeit,  am  18.  Dezember  1224, 
um  dann  seinerseits  wieder  am  5.  Januar  1225  bei  Saxo  Johannis  Alberici, 
Anglerus  Johannis  Alberici  und  Johannes  Romani  Deuteguarde  ein  2  Tage 
vor  Pfingsten  mit  24  M.  Sterl.  auf  der  Maimesse  von  Provins  rückzahlbares 
Darlehn  aufzunehmen,  2)  Es  sind  ersichtlich  ganz  regulär  sich  abwickelnde, 
sich  häufig  wiederholende  Kreditgeschäfte,  von  denen  wir  hier  einmal  einen 
Ausschnitt  vor  uns  haben. 

332.  Wenn  diese  Geschäfte  dem  römischen  Kaufmann  für  gewöhnlich 
keinerlei  Veranlassung  boten,  Deutschland  aufzusuchen,  so  war  das  doch 
anders,  wenn  eine  Stockung  in  den  Zahlungen  eintrat,  besonders  wenn  es 
eich  um  hohe  Summen  handelte.  Auch  auf  den  Messen  waren  Vertreter 
der  Schuldner  nicht  immer  zu  erlangen.  Dann  trat  die  Notwendigkeit  der 
Verhandlung  an  Ort  und  Stelle  an  die  Gläubiger  heran;  für  den  Fall  der 
Nichtzahlung  waren  ja  auch  Unterhaltungskosten  für  mindestens  einen  Kauf- 
mann mit  Pferd  und  Diener  vorgesehen  und  diese  Kosten  wurden  auch 
von  den  geistUchen  Gerichtshöfen  immer  anerkannt.  Bei  den  großen  Schwie- 
rigkeiten, die  die  Bezahlung  der  vielfachen  Schulden  namentlich  des  Erz- 
stifts machte,  sind  darnach  sicher  römische  Kauf  leute  nicht  selten  auch  nach 
Köln  selbst  gekommen.  Das  wird  ganz  unzweifelhaft  in  einem  Falle  wie 
dem  des  Juvenal  Manetti,  von  dem  Gregor  IX.  am  26.  April  1236  sagt,  daß 
er  lange  Zeit  sich  um  die  Wiedererlangung  des  Darlehns,  das  er  dem  Erz- 
bischof vor  mehr  als  10  Jahren  gegeben,  bemüht  habe  3) ;  auch  wenn  nun 
seine  allmähliche  Befriedigung  aus  den  Einkünften  der  erzbischöflichen  Mensa 
angeordnet  wird,  macht  das  die  gelegentliche  Anwesenheit  von  Vertretern 
des  Gläubigers  in  Köln  wahrscheinlich.  Zur  weiteren  Bestätigung  kann  es 
dienen,  wenn  wir  sehen,  daß  am  23.  Juli  desselben  Jahres  die  Söhne  des 
Petrus  Centius  de  Lavinia,  Alexius  und  Andreas,  und  ihr  Neffe  Petrus  einen 
Bevollmächtigten  ernennen,  der  die  Außenstände  der  Gesellschaft  nicht  nur 
in  Frankreich  und  England,  sondern  auch  in  Deutschland  einziehen  sollte.*) 

Wenn  wir  nun  fragen,  ob  denn  der  Verkehr  römischer  Kaufleute  in 
Köln  nicht  auch  aus  anderen  Quellen  nachweisbar  ist,  so  können  wir  freiUch 
nicht  gerade  viel  Positives  bieten.  Das  Vorkommen  von  Personen  mit  dem 
Beinamen  Romanus  in  den  Kölnischen  Gilde-  und  Bürgerlisten  schon  des 
12.  Jahrhunderts ö)  beweist  nur,   daß  der  und  jener  gute  Kölner  Bürger  aus 

')  Ebd.  no.  15.  Unter  den  Zeugen  befinden  sieb  der  Prokurator  des  Bischofs 
von  Hildesheim,  der  von  Paderborn  und  zwei  der  Äbtissin  von  Quedlinburg. 

»)  Ebd.  no.  16,  17  p.  29  f. 

')  Auvray  3149 :  pro  cuius  recuperatione  diu  laboraverat.  Für  die  Geschichte 
der  Anläufe,  die  im  fünften  Jahrzehnt  zur  Deckung  der  Schulden  des  Kölner  Erz- 
stifts gemacht  wurden,  s.  Schulte  I,  241. 

*)  Schunk  m,  114.     Schulte  I,  245. 

*)  H.  v.  Lösch:  Die  Kölner  Kaufmannsgilde  im  12.  Jahrh.  (Westd.  Zeitschr. 
f.  Gesch,  und  Kunst,     Erg,-H,  12,  Trier  1904)  p,  53   (Alart  Romanus,  zwischen  1130 


426  Dreißigstes  Kapitel. 

irgendwelcher  Veranlassung  diesen  Beinamen  erhalten  hat,  keineswegs  aber 
die  Aufnahme  von  Römern  unter  die  Kölnische  Bürgerschaft.  Von  großer 
Wichtigkeit  dagegen  ist,  daß  die  1209  verfaßte  Aufzeichnung  über  den  zu 
Koblenz  für  das  Trierer  Simeonsstift  erhobenen  Rheinzoll,  der  sich  wie  der 
genuesische  Tarif  vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts  nach  der  Herkunft  der 
Händler  richtet,  die  Römer  besonders  aufführt,  während  die  Italiener  in  der 
analogen  Aufzeichnung  von  1104  noch  ganz  fehlen;  wenn  die  Römer  be- 
sonders begünstigt  sind,  insofern  sie  nur  Vs  des  von  den  Zürichern  und 
allen  andern  südwärts  bis  Rom  wohnenden  Kaufleuten  zu  zahlenden  Zolls 
zu  entrichten  haben  i),  so  ist  hierin  sicher  eine  Wirkung  des  Einflusses,  den 
gerade  die  römischen  Geldleute  in  dieser  Zeit  zu  üben  in  der  Lage  waren, 
zu  erblicken.  Bemerkt  sei  noch,  daß  eine  jüngere,  aber  noch  demselben 
Jahrhundert  entstammende,  etwas  wortreichere  Redaktion  desselben  Tarifs 
ausdrücklich  von  den  mit  ihren  Waren  zu  Schiffe  ankommenden  Römern 
redet.  2)  Als  ein  indirektes  Zeugnis  endlich  kann  es  angesehen  werden,  daß 
wir  Petrus,  einen  Sohn,  des  uns  vom  Jahre  1213  als  Gläubiger  des  Erzstifts 
bekannten  Johannes  de  Romano  Deuteguarda,  auf  der  deutschen  Seite  der 
Alpen  nachweisen  können ;  auf  seinem  Wege  durch  die  Diözese  Chur  wurde 
er  überfallen  und  obwohl  er  dem  Beamten  des  Bischofs  seinen  Zoll  ent- 
richtet hatte,  beraubt,  so  daß  er  den  Bischof  Rudolf  beim  Papst  auf  Schaden- 
ersatz in  Höhe  von  140  1.  prov.  sen.  verklagte;  am  30.  Oktober  1226  be- 
zeugte Honorius  III.  in  einem  Schreiben  an  Petrus,  daß  sich  der  mittler- 
weile (18.  Sept.)  in  Rom  verstorbene  Bischof  zur  Zahlung  für  den  Fall,  daß 
der  Kaiser  nicht  inzwischen  für  Schadenersatz  gesorgt  hätte,  bereit  erklärt 
habe.  ^)  Daß  Köln  zu  seinen  Reisezielen  gehört  habe,  werden  wir  allerdings 
nicht  ohne  weiteres  anzunehmen  haben,  da  Petrus  offenbar  über  den  Sep- 
timer gegangen  ist ;  die  römischen  Kaufleute  hatten  eben  noch  an  manchei^i 
anderen  Orten  Deutschlands  ihre  Interessen  wahrzunehmen.  ^j 

Hat  doch  selbst  der  Propst  von  Lebus  (Lubicensis)  als  Proku- 
rator der  Stadt  Magdeburg  ein  Meßdarlehen  bei  den  Römern 
Bonagura,  Jacobus  und  Paulus  Subectarii  aufgenommen,  dessen  pünkt- 
liche Rückzahlung  mit  350  M.  Sterl.  laut  Auftrag  Gregors  IX.  vom 
1.  März  1239  von  dem  Abt  von  S.  Genovefa  in  Paris  zu  überwachen  war.*) 

333.  Im  übrigen  waren  es  besonders  die  Bistümer  vom  Mittel- 
rhein und  von  Lothringen,  die  sich  bei  ihren  kurialen  Anleihen  der 
römischen  Kaufleute  bedienten.  ^i 

und  1140   u.  Hugo  K.),  p.  60   (Gozwin   E,.,    ca.  1180).     Auch   bei   Höniger:   Kölner 
Schreinsurkunden  U.     Vgl.  Schulte  I,  303. 

')  Mittelrhein.  XJrkundenb.  II  no.  242.  Der  Tarif  setzt  für  die  usque  Eomam 
Wohnenden  fest  XTE  den.  librales  vel  VI  den.  Colonienses  und  fährt  dann  fort: 
Romani  vero  IV  den.  vel  VI  den.  Colon.,  was  bei  dem  angegebenen  Wertverhältnis 
unmöglich  ist.  Auch  die  von  Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  II,  336  vor- 
geschlagene Umstellung  der  Ziffern  IV  und  VI  entspricht  diesem  Verhältnis  nicht ; 
wenn  die  Verderbnis,  wie  anzunehmen,  sich  nur  auf  eine  Ziffer  erstreckt,  so  kann 
sie  nur  dadurch  geheilt  werden,  daß  IV  den.  vel  II  den.  Col.  gelesen  wird.  D: 
ältere  Zollrolle  steht  Hans.  XJrkundenb.  I  p.  3. 

*)  Baer  M.,  Urkunden  und  Akten  z.  Gesch.  der  Verf.  u.  Verw.  der  StadI 
Koblenz  (Bonn  1898),  p.  154.     Schulte  I,  109. 

3)  BernouUi  J.,    Acta  pontificum  Helvetica  I  (Basel  1891)  no.  138,  p.  98.    Pre 
sutti  6036.    Vgl.  Schulte  I,  248. 

*)  Rodenberg  I,  636  no.  740.     Vgl.  Schulte  I,  249  f. 


Handel  mit  West-  und  Norddeutschland.  427 

Für  Mainz  wissen  wir,  daß  Erzbischof  Siegfried  außer  jenem  ältesten 
Darlehn  vom  Jahre  1209  bei  Gerhardus  Johannis  de  Nicoiao  auch  bei  drei 
anderen  römischen  Kaufleuten,  den  Brüdern  Gerhard,  Andreas  und  Nicolaus, 
Meßschulden  kontrahiert  hat,  deren  Höhe  am  29.  Mai  1220  im  Verfahren 
vor  einem  vom  Papst  bestellten  geistlichen  Gericht  in  Troyes  auf  490  M. 
Silber  (kölnisch)  festgesetzt  wurde.  Davon  waren  334  M.  auf  der  Maimesse 
schon  bezahlt,  wie  der  Bevollmächtigte  der  Gläubiger,  Johannes,  Gerhards 
Sohn,  selbst  bezeugt :  der  Rest  sollte  in  5  Wochen  getilgt  werden,  widrigen- 
faUs  das  Gericht  die  bei  ihm  deponierten  Schuldurkunden  den  Gläubigern 
zu  weiterem  Vorgehen  wieder  herausgeben  wollte.  Daß  auch  in  Mainz  später 
finanzielle  Mißstände  eingetreten  sind,  geht  am  sichersten  daraus  hervor, 
daß  das  Diözesankonzil  vom  Juni  1233  dem  Erzbischof  Siegfried  III.  den 
Zwanzigsten  auf  alle  Pfründen  des  Sprengeis  erst  bewilligte,  als  er  geschworen 
hatte,  fortan  Schulden  in  Italien  nur  noch  mit  besonderer  Zustimmung  des 
Domkapitels  zu  machen.  Im  folgenden  Monat  kam  dann  auch  ein  Ver- 
gleich zwischen  dem  Erzbischof  und  der  römischen  Gesellschaft  Albrizzi  zu- 
stande, der  die  Schuld  des  Erzbischofs  auf  1000  M.  Sterl.,  zahlbar  auf  der 
Messe  von  Lagny  im  Jahre  1234,  ermäßigte.  Aber  noch  1237  wurde  an  der 
Kurie  zwischen  ihm  und  seinen  römischen  Gläubigern  prozessiert,  i) 

Für  die  Wormser  Kirche  erscheinen  Matthaeus  Guidonis  Marronis  und 
seine  Sozii  als  die  Hauptgläubiger.  Da  Worms  nicht  zahlte,  befahl  Hono- 
rius  III.  dem  Erzbischof  von  Mainz,  alle  Einkünfte  der  Wormser  Kirche 
zu  sammeln  und  zur  Befriedigung  der  genannten  Gläubiger  nach  Troyes 
schicken  zu  lassen.  Indessen  war  bei  der  Dürftigkeit  der  Einkünfte  des 
Bistums  den  Gläubigern  damit  wenig  gedient.  Deshalb  beauftragte  der  Papst 
am  8.  Juli  12252)  den  Mainzer,  diese  Einkünfte  zu  verpfänden  und  den 
Klerus,  die  Bürgerschaft  und  die  Vasallen  der  Wormser  Kirche  sowie  die 
Juden  der  Diözese  zu  bestimmen,  der  Wormser  Kirche  beizuspringen,  damit 
bis  nächste  Ostern  1620  Mark  (einschließlich  schon  gesammelter  430  M.)  ge- 
sammelt seien,  die  für  die  Gläubiger  an  einem  sicheren  Orte  bereitzustellen 
wären.  Den  Ausgang  der  Sache  kennen  wir  nicht;  wir  wissen  nur,  daß  die 
Exkommunikation,  die  der  Erzbischof  über  die  widerspenstigen  Wormser 
verhängte,  fruchtlos  blieb  und  daß  der  Papst  am  4.  Juni  1226  den  Erzbischof 
auf  seinen  Bericht  beauftragte,  die  Exkommunikation  unverbrüchlich  durch- 
führen zu  lassen.  3)  Im  September  1234  hat  dann  das  Wormser  Domkapitel 
den  Beschluß  gefaßt,  von  dem  neuen  Bischof  das  feierliche  Versprechen  zu 
verlangen,  bei  römischen,  italienischen  oder  sonstigen  Kaufleuten,  die  auf 
Urkunden  liehen,  kein  Darlehn  aufzunehmen.  Wenn  Bischof  Landulf  für 
den  Prokurator,  den  er  an  die  Kurie  an  Lyon  schickte,  am  31.  August  1246 
einen  Kreditbrief  bis  zur  Höhe  von  30  M.  Silber  ausstellte,  so  mochte  er 
in  dieser  Form  der  Geldübermittelung  einen  Bruch  seines  Versprechens  nicht 
erblicken.  4)  Wenn  wir  im  Jahre  1235  von  der  schweren  Verschuldung  des 
Bistums  Spei  er  hören,  dessen  schmale  Einkünfte  von  den  Wucherzinsen 
fast  aufgezehrt  wurden  &),   so  hat  es  alle  Wahrscheinhchkeit  für  sich,  daß 


')  Schunk  m,  p.  104  ff.,  no.  5  u.  6.  Oben  §  289.  Ann.  Erphordens.,  SS.  XVI, 
28.     Schulte  I,  244  f.     Will  H,  245  no.  234. 

»)  Rodenberg  I,  195  no.  273.     Will  H,  190  no.  490. 

»)  Rodenberg  I,  226  no.  298.     Schulte  I,  249. 

♦)  Boo8  H.  Quellen  zur  Gesch.  der  Stadt  Worms,  I  (Berlin  1886)  no.  176  p.  128. 
Schulte  1.  c.  Höfler  p.  117  no.  34. 

»)  Auvray  2542  (14.  Mai  1235).     Am  17.  April  1244   fordert   Innocenz  IV.  alle 


428  Dreißigstes  Kapitel. 

auch  hier  die  römischen  Geldleute  die  Hauptgläubiger  gewesen  sind;  denn 
auch  in  Straßburg  begegnen  wir  ihnen  wieder;  wieder  ist  es  der  uns  schon 
bekannte  Saxo  Johannis  Alberici,  an  den  Bischof  Heinrich  im  Jahre  1247 
eine  Meßschuld  von  600  M.  Sterl.  abträgt,  i) 

334.  Auch  in  Metz  hatten  neben  den  wohlhabenden  einheimischen 
Kaufleuten  und  den  Bürgern  von  Siena  die  römischen  Gläubiger  an  den 
Schulden  der  Kirche  ihren  erheblichen  Anteil.  Im  Januar  1227  tritt  Hono- 
rius  in.  für  die  Befriedigung  des  Juvenal  Manetti  durch  den  Bischof  ein  2) ; 
10  Jahre  später  wird  sein  Guthaben  bei  dem  Bischof  auf  2300  M.  Sterl.  an- 
gegeben, während  gleichzeitig  andere  römische  Kaufleute,  unter  denen  An- 
gelus  Romani  de  Sposa  hervortritt,  eine  Forderung  von  etwas  über  3890  M. 
Silber  erhoben.  3)  Der  Gesamtbetrag  der  Schuld  wurde  schließlich  auf 
13000  M.  Sterl.  festgesetzt,  wovon  1/3  auf  die  römischen  Kaufleute  entfiel; 
jährlich  sollten  1000  M.  abgezahlt  werden;  der  mit  der  Durchführung  des 
Abkommens  beauftragte  Abt  von  Dervum  (Diöz.  Chalons)  erhielt  am  17.  Aug. 

1243  von  Innocenz  IV.  den  Befehl,  alle  auf  diese  Schuld  bezüglichen  Ur- 
kunden der  römischen  Gläubiger  nach  Abtragung  des  ihnen  zustehenden 
Drittels  unverzüglich  dem  Bischöfe  zurückzugeben,  während  am  23.  Januar 

1244  der  Erzbischof  von  Mainz  die  Ermächtigung  erhielt,  den  Bischof  von 
der  über  ihn  verhängten  Exkommunikation  loszusprechen,  vorausgesetzt, 
daß  er  die  1000  Mark  jährlich  bis  zur  vollen  Tilgung  der  Schuld  pünktlich 
zahle.  4) 

Der  römische  Kaufmann  Juvenal  Manetti  war  endhch  auch  Gläubiger 
des  Bischofs  Raoul  von  Verdun,  der  ihm  die  hohe  Summe  von  1720  M. 
Sterl.  zu  schulden  bekannte ;  die  Weisung  Gregors  IX.  vom  Dezember  1228 
an  den  Abt  von  S.  Martin  in  Troyes,  den  Bischof  zur  Zahlung  der  von  ihm 
bei  einem  römischen  Kaufmann  geliehenen  Summe  zu  veranlassen,  bezieht 
sich  jedenfalls  auf  diese  Schuld.  ^)  Doch  verfiel  der  Bischof  der  Exkommu- 
kation  und  sein  Gebiet  dem  Interdikt,  weil  er  den  Juvenal  und  seine  übrigen 
römischen,  sienesischen  und  florentinischen  Gläubiger  nicht  befriedigt  hatte ; 
erst  am  18.  Dezember  1232,  als  er  die  Gläubiger  zufriedenzustellen  geschworen 
hatte,  erfolgte  Aufhebung  dieser  Strafen,  ß)  Der  Bischof  ging  dann  selbst 
nach  Rom  und  es  gelang  ihm,  ein  Jahr  später  ein  Versäumnisurteil  gegen 
seine  Gläubiger  zu  erzielen.  '^)  Wie  die  Sache  endete,  ist  nicht  bekannt ;  nur 
soviel  wissen  wir,  daß  das  Bistum  auch  im  Jahre  1245  noch  unter  einer 
großen  Schuldenlast  seufzte  und  daß  der  Papst  dem  Erwählten  von  Verdun 
damals  für  3  Jahre  die  Erhebmig  von  je  2000  1.  tur.  von  den  Kirchen  seines 
Sprengeis  zur  Tilgung  der  Schulden  der  Kirche  von  Verdun  gestattete. ») 


i 


Geistlichen  der  Diözese   auf,   dem  Bischof   in  seiner  Schuldenlast   (penitus  excrei 
cente  voragine  usurarum)  beizustehen.     Berger  no.  613. 

1)  Urkundenb.  d.  Stadt  Straßburg  I  (Straßb.  1879),  p.  237  no.  315.  Schulte  I,  250, 
*)  Pressutti  6184  (18.  Januar).  Wiegand,  Vatikanische  Reg.  z.  Gesch.  d.  Metzer 
Kirche,  im  Jahrb.  d.  Ges.  f.  lothr.  Gesch.  IVi  (Metz  1892)  p.  156  no.  81.  ^1 

")  Wiegand  no.  42,  43.  '^I 

*)  Ebd.  no.  44—51  p.  166  fiE.  u.  214.     Berger  60  u.  398.      Vgl.  Schulte  I,  250. 
6)  Bourquelot  II,  57  (undatiert) ;  I,  184.  .^ 

«)  Auvray  998.  Ml 

')  Ebd.  1671  (23.  Dez.  1233).  «■ 

8)  Berger  1451,  1453.     Im  Jahre  1235  hat  sich  der  Bischof  wegen  seiner  Schul- 
den  bei  Metzer   Bürgern   im   Zwangsaufenthalt  in  Metz   befunden.     "Wiegand  1. 
p.  159  no.  40. 


Handel  mit  "West-  und  Norddeutschland.  429 

335.  Bolognesischen  Kaufleuten  begegnen  wir  außer  bei  jener 
ersten  bekannten  kurialen  Anleihe  des  Erzstifts  Mainz  von  1209  nur 
noch  einmal  auf  diesem  Gebiet;  und  gerade'  in  diesem  Fall  steht  die 
Anwesenheit  eines  bolognesischen  Kaufmanns  in  Köln  positiv  fest. 

Ein  Darlehn,  das  in  Rom  bei  einem  Konsortium  von  bolognesischen 
Kaufleuten  aufgenommen  war,  hatte  mit  258  Mark  Kölnisch  auf  der  Jo- 
hannismesse von  Troyes  1221  erstattet  werden  soUen;  da  die  Zahlung  aus- 
blieb, erschien  einer  der  Gläubiger,  Amadeus,  als  Bevollmächtigter  des  Kon- 
sortiums in  Köln  und  traf  mit  dem  Erzbischof  am  13.  Juli  1222  das  Ab- 
kommen, daß  die  Schuld  einschließlich  des  Ersatzes  von  Schaden  und  Kosten 
auf  der  kommenden  Aigulfsmesse  von  Provins  mit  35  Mark  Barrengold  (auri 
de  paiola)  Kölner  Gewichts  getilgt  werden  sollte;  die  Urkunde  trägt  das 
Siegel  Amadeos  neben  den  Siegeln  des  Erzbischofs,  des  Dompropstes  und 
des  Domdechanten.  1) 

336.  Erheblich  größere  Konkurrenz  auf  diesem  Gebiete  machten 
den  Römern  *die  Sienesen,  allerdings  erst  im  zweiten  Viertel  des 
13.  Jahrhunderts. 

Engelberts  Nachfolger,  Erzbischof  Heinrich,  trat  zuerst  mit  ihnen  in 
Verbindung,  offenbar  durch  das  Beispiel  der  Stadt  Köln 2)  dazu  veranlaßt. 
Als  sein  Bevollmächtigter  nahm  der  Ritter  Gerhard  Scarfinus  auf  der  Winter- 
messe zu  Troyes  im  November  1226  bei  den  Kaufleuten  Alamanno  Ugonis, 
Caponero,  Ugo  Bencivegni,  Spinello  Cavalca,  Piccolomini  Oltramonte,  Rai- 
nerio  Pontii  und  deren  Sozii  ein  Darlehn  auf^),  das  auf  der  nächsten  Jo- 
hannismesse mit  650  M.  Sterl.  zu  erstatten  war. 

Um  eine  sehr  bedeutende  Summe  handelte  es  sich  bei  der  Anleihe, 
die  Heinrichs  Nachfolger,  Konrad  von  Hochstaden,  bei  sienesischen  Kauf- 
leuten aufnahm,  als  er  nach  seinem  Amtsantritt  in  Rom  weilte.  Am  28.  März 
1239  ließ  er  zwar  den  Sienesen  Erminio  Bentivegni,  Turchio  Chiarmontesi 
und  ihren  Sozii  110  M.  Sterl.  zurückzahlen  4) ,  eine  Schuld,  die  jedenfalls 
noch  auf  seinen  Vorgänger  zurückging;  diese  Rückzahlung  war  ihm  aber 
offenbar  nur  dadurch  möglich,  daß  er  gerade  damals  bei  ihren  Landsleuten 
Bartolommeo  Ugonis  Piccolomini,  Bonaventura  Lupelli  und  ihren  Sozii 
seine  Hauptanleihe  kontrahierte.  Bonaventura  hatte  noch  eine  ältere  For- 
derung von  40  M.  Sterl.,  zu  deren  Zahlung  sich  ein  Prokurator  des  Vor- 
gängers Konrads  verpflichtet  hatte,  die  nunmehr  anerkannt  wurde;  dazu 
trat  eine  Anleihe  von  100  M.  Sterl.,  die  Konrad  bei  der  Gesellschaft  wahr- 
scheinlich bald  nach  seiner  Ankunft  in  Rom  aufgenommen  hatte  und  end- 
lich die  Hauptschuld  im  nominellen  Betrage  von  4600  M.  Sterl.,  die  großen- 
teils zur  Deckung  der  hohen  Servitiengelder,  die  der  Erzbischof  für  seine 
Konfirmation  an  die  Kurie  zu  zahlen  hatte,  bestimmt  war,  während  ihre 
Erstattung  an  die  sienesische  Gesellschaft  dadurch  gesichert  schien,  daß  der 
Papst  dem  Erzbischof  die  Erhebung  von  8000  Mark  Silber  innerhalb  eines 
Zeitraums  von  6  Jahren  von  dem  Klerus  seiner  Diözese  erlaubte,  ö)  Kurze 
Zeit  darauf  aber,  am  28.  April  1239,  erließ  Gregor  IX.  sein  auch  nach  Deutsch- 


')  Oben  §  274.     Ennen  u.  Eckertz  II  no.  73.    Ficker,  Engelbert  no.  26  p.  339  f.. 

»)  Unten  §  337. 

»)  Schulte  n,  286  no.  425 ;  I,  239. 

*)  Regest  der  Quittung :  Mitteil.  a.  d.  Stadtarch.  Köln,  Heft  22  p.  88. 

»)  Rodenberg  I  p.  644  (April  1239). 


430  Dreißigstes  Kapitel, 

land  gerichtetes  Zahlungsverbot  gegen  die  Sieneseni),  ein  Verbot,  das  sich 
Erzbischof  Konrad  in  solchem  Umfange  zunutze  machte,  daß  er  ihnen  über 
18  Jahre  lang  nicht  einen  Heller  zahlte.  Erst  am  14.  August  1258  kam  es 
an  der  Kurie  zu  einem  gütlichen  Abkommen  zwischen  den  Vertretern  der 
Gesellschaft  und  Wolfhard,  dem  Prokurator  des  Erzbischofs,  wonach  die 
Hauptschuld  von  4600  M.  Sterl.  binnen  10  Jahren  in  je  2  Jahresraten  von 
230  M.  in  Provins  und  Troyes  zu  erstatten  war.  2)  Daß  der  Erzbischof  in 
der  Zwischenzeit  eine  neue  Anleihe  bei  italienischen  Kaufleuten  nicht  hat 
kontrahieren  können,  ist  begreiflich. 

337.  Im  Jahre  1232  hatte  Gregor  IX,  verordnet,  daß  um  der  Schulden 
der  Erzbischöfe  willen  das  Kölner  Domkapitel  nicht  belangt  werden  dürfe, 
da  beider  Güter  getrennt  seien  und  die  Erzbischöfe  in  eigenen  Angelegen- 
heiten ohne  Wissen  des  Kapitels  große  Summen  bei  Kaufmannsgesellschaften 
aufgenommen  hätten.  3)  Aber  das  Kapitel  machte  auch  auf  eigene  Rech- 
nung Schulden  dieser  Art.  Auf  der  Aigulfmesse  von  Provins  des  Jahres 
1231  hatte  es  einer  sienesischen  Gesellschaft  eine  Schuld  zu  tilgen  versprochen; 
da  es  seiner  Verpflichtung  indes  nicht  nachgekommen  war,  forderte  ein  Be- 
vollmächtigter der  Gesellschaft,  Rainerius  Petri,  am  4,  Mai  1232  zu  Provins 
die  Vorladung  des  Kapitels  auf  den  16.  August  zur  Verhandlung  nach  Troyes.'*) 
Eine  weitere  Schuld  dieser  Art  in  Höhe  von  350  M.  Sterl.  kontrahierte  der 
Domdechant  Goswin  als  Prokurator  des  Kapitels  an  der  Kurie  im  Jahre 
1234  bei  einem  Konsortium  von  vier  sienesischen  und  drei  römischen  Kauf- 
leuten; nach  4  Jahren  war  noch  nichts  davon  bezahlt,  so  daß  Willelmus 
Benoqui  als  Vertreter  des  sienesischen  Kaufmanns  Marcellus  Ugolini  im 
November  1238  bei  dem  Dechanten  und  dem  Kapitel  von  Troyes  Klage  auf 
Erstattung  des  Kapitals  und  der  inzwischen  aufgelaufenen  Verzugszinsen  und 
Kosten  einreichte;  auf  Montag  nach  Epiphanias  1239  wurde  der  erste  Termin 
angesetzt,  ö)  Es  ist  als  sicher  anzusehen,  daß  in  diesem  Falle  wie  in  ähn- 
lichen Fällen  sienesische  Vertreter  ihrer  Gesellschaften  auch  nach  Köln  ge- 
kommen sind ;  bürdete  doch  gerade  in  diesem  Falle  der  Vertrag  dem  Schuldner 
im  Falle  des  Verzuges  die  Unterhaltung  von  zwei  Kaufleuten  mit  je  einem 
Pferd  und  Diener  bis  zur  vollen  Tilgung  der  Schuld  auf,  wofür  in  der  Klage 
nicht  weniger  als  200  M.  Sterl.  in  Ansatz  gebracht  sind. 

Noch  mehr  deutet  es  auf  das  Bestehen  auch  sonstiger  kommerzieller 
Beziehungen,  daß  auch  die  StadtKöln  solche  Anleihen  aufgenommen  hat 
und  zwar  ist  sie  es,  soviel  wir  sehen  können,  zuerst  gewesen,  die  sich  an 
eine  sienesische  Gesellschaft  gewandt  hat.  Zur  Hälfte  auf  der  Aigulfsmesse 
von  1226,  zur  anderen  auf  der  Messe  von  Bar  von  1227  fähig  war  eine  Schuld 
von  300  M.  Sterl.,  die  Richter,  Schöffen  und  Gemeinde  von  Köln  bei  den 
Sienesen  Palmerius  Donati,  Bonencontrus  Rogerii,  Rogerius  Aringerii,  Alde- 


>)  Oben  §  280. 

2)  Nur  dieses  erhalten;  Schulte  II,  175  no.  278.  Vgl.  I,  240  f.  Wichtig  für  die 
Datierung  der  Anleihe  ist  das  Schulte  entgangene  Zahlungs verbot  des  Papstes;  wenn 
der  Spruch  des  Kardinals  vom  August  1258  auch  nur  von  18  annis  et  amplius  jam 
elapsis  redet,  so  ist  zu  bedenken,  daß  diese  Zeitangabe  sicher  aus  der  weit  früher 
eingereichten  Klageschrift  der  Sienesen  herrührt. 

3)  Lacomblet:  Urkdbuch  f.  d.  Gesch.  d.  Niederrheins  n,  92.  Ficker,  Engel- 
bert p.  222. 

*)  Korth,  Regesten  in  Mitteil.  a.  d.  Stadtarch.  v.  Köln,  H.  4  (Köln  1884)  p.  49. 

»)  Schulte  II,   287   no.  426.     In   der   Darstellung  bringt   Schulte  I,  239   dies« 

Schuld  mit  der  früheren  von  1231  zusammen,  was  schwerlich  begründet  ist. 


Handel  mit  West-  und  Norddeutscliland.  431 

brandinus  Galerani,  Berengerius  Guadagnoli,  Rainerius  Salimbene  und  Ber- 
nardinus  Alamanni  aufgenommen  hatten.  Doch  ist  die  Erstattung  erst  im 
Oktober  1228  auf  der  Aigulfsmesse  durch  Johannes,  Notar  der  Kölner  Bürger- 
schaft, gegen  Rückgabe  aller  die  Schuld  betreffenden  Urkunden  erfolgt,  i) 
Ein  weiteres  Darlehn,  das  die  Stadt  bei  Ugo  Bencivegni,  Piccolomini  Oltra- 
monte  und  Rainerio  Rolandi  aufnahm,  ist  vertragsgemäß  mit  312  M.  Sterl. 
auf  der  Ostermesse  von  Bar  im  Jahre  1229  zurückerstattet  worden.  2)  Be- 
merkenswert erscheint  auch  hier  die  zugunsten  der  Schöffen  und  Bürger 
von  Köln  am  19.  Januar  1231  von  König  Heinrich  durch  förmlichen  Rechts- 
spruch zu  Worms  gefällte  Entscheidung,  daß  sie  wegen  der  Schulden  oder 
Versprechungen  des  Erzbischofs  oder  einer  anderen  Person  in  keiner  Weise 
sollten  behelligt  werden  dürfen.  3)  Anderweitig  nachzuweisen  vermögen  wir 
die  Sienesen  in  Köln  nicht;  aber  schon  in  Anbetracht  ihres  starken  Ver- 
kehrs mit  dem  östlichen  Frankreich  und  England  wäre  es  wunderbar,  wenn 
sie  nicht  auch  Köln  öfters  besucht  haben  sollten. 

338.  Im  übrigen  zogen  sich  die  finanziellen  Beziehungen  der  Sienesen 
zu  den  Bistümern  und  Klöstern  in  ununterbrochener  Kette  von  der  Cham- 
pagne bis  zum  Rhein.  Den  Bischof  von  Toul  haben  wir  schon  als  Schuldner 
des  Sienesen  Rimpretti  kennen  gelernt;  Sienesen  waren  1232  unter  den 
Gläubigern  des  Bischofs  von  Verdun^)  und  schon  1221  unter  denen  des 
Primicerius  von  Metz.  ^)  Als  es  sich  im  Jahre  1218  um  die  Entrichtung  des 
Zwanzigsten  zu  Kreuzzugszwecken  an  die  Kurie  handelte,  haben  die  neun 
Benediktinerklöster  der  Diözese  Metz,  Gorze  usw.  die  Zahlung  in  der  Weise 
bewirkt,  daß  sie  ihren  Prokurator  an  der  Kurie,  den  Prior  von  Glandiere, 
bei  den  Sienesen  Altavilla,  Boncompagnus  Aldemaris  und  Guido  Picolinus 
und  ihren  Sozii  ein  Darlehn  aufnehpaen  ließen,  das  auf  der  Maimesse  von 
Provins  mit  323  M.  Sterl.  erstattet  wurde.  ^)  Eine  Anzahl  von  sienesischen 
Kaufleuten  fiel  später  dem  Betrüge  eines  Kanonikers  von  Metz,  Vivianus, 
zum  Opfer ;  er  hatte  Generalkreditbriefe  auf  den  Namen  der  Abtei  von  Gorze 
gefälscht  und  auf  Grund  derselben  verschiedene  Meßdarlehn  bei  Rustichino 
Rogerii  und  Comp.,  Contadino  Rainaldi  und  Comp,,  Bonico  Bonici  und 
Comp.,  die  den  Betrag  von  1400  1.  prov.  überstiegen,  aufgenommen.  Die 
Abtei  kam  zunächst  in  die  schwerste  Verlegenheit,  da  die  Gläubiger  päpst- 
hche  Briefe  gegen  sie  erzielten;  auf  ihren  Appell  an  den  Papst  überwies 
dieser  am  17.  Juni  1236  die  Sache  zu  genauer  Untersuchung  an  einen  be- 
sonderen geistlichen  Gerichtshof.  '^)  Im  Jahre  1235  erscheinen  Rainerio  Ro- 
landi und  Bernardino  Prosperini  mit  1150  M.  Sterl.  als  Gläubiger  des  Erz- 
bischofs von  Mainz,  der  im  Mai  zu  Provins  einen  Teil  dieser  Schuld  be- 
gleichen  und  für  den  Rest  mit  ihnen  ein  neues  Abkommen  treffen  ließ  ^) ; 


')  Ennen  u.  Eckertz  H  no.  108.     Hans.  Urkb.  III,  32  A.     Vgl.  Schulte  I,  238. 

*)  Ennen  u.  Eckertz  11  no.  107,  irrig  zu  1228  gesetzt.  Richtig  datiert  im  Re- 
gest von  Korth  1.  c.  Heft  3  (1883)  p.  19  (wo  aber  irrtümlich  Bar-le-duc  für  Bar-sur- 
Aube  steht). 

»)  Ennen  u.  Eckertz  H  no.  122  (Erzbischof  Heinrich  ist  selbst  unter  den  Zeugen), 
bestätigt  im  Privileg  Friedrichs  H.  von  1236,  ebd.  no.  159.     Schulte  I,  238. 

*)  Oben  §  279  u.  334. 

»)  Wiegand  im  Jahrb.  d.  Ges.  f.  lothr.  Gesch.  IV,  no.  22  p.  153. 

')  H.  V.  Sauerland  in  der  Festschrift  zum  Jubiläum  des  deutschen  Campo 
Santo  in  Rom  (Freiburg  i.  B.  1897),  p.  153.     Schulte  I,  251. 

')  Auvray  3192.     Wiegand  1.  c.  no.  41  p.  159. 

«)  Schunk  in,  110  no.  7.     Vgl.  Schulte  I,  245. 


432  Dreißigstes  Kapitel.     Handel  mit  West-  und  Norddeutschland. 

es  scheint,  daß  sie  durch  Zession  an  die  Stelle  römischer  Gläubiger  getreten 
sind ;  das  wegen  des  Konflikts  der  Stadt  Rom  mit  Gregor  IX.  (1234/35)  er- 
gangene päpstHche  Zahlungsverbot  würde  eine  solche  Zession  leicht  erklär- 
lich machen. 

Außerhalb  des  Rheingebiets  sehen  wir  endlich  noch  das  Bistum  Osna- 
brück in  der  Reihe  der  Schuldner  sienesischer  Kaufleute;  auf  Klage  der 
Sienesen  Tolomeo  Ranuccii,  Spinello,  Leonardo,  Jordano  und  Servideo  wurde 
der  ehemalige  Erwählte  Engelbert  von  dem  päpstlichen  Auditor  im  Jahre 
1236  wegen  einer  von  ihm  als  Erwähltem  aufgenommenen  Meßschuld  ein- 
schließlich Schäden  und  Kosten  zur  Zahlung  von  74  M.  11  sol.  Sterl.  bis  zum 
30.  November  verurteilt;  am  27.  Juni  1236  erteilte  der  Papst  dem  Kantor 
von  Troyes  den  Befehl,  die  Ausführung  zu  überwachen,  i) 

339.  Den  Florentinern  begegnen  wir  erst  ganz  am  Ende 
unseres  Zeitraums  als  Gläubigern  des  Erzstifts  Köln. 

Aringus  Abadinghi  und  Comp,  hatten  sich  durch  die  Verwendung  des 
apostolischen  Legaten  bestimmen  lassen,  dem  Kanoniker  Gottschalk  als  Pro- 
kurator des  Erzbischofs  an  der  Kurie  in  Lyon  auf  seinen  Kreditbrief  hin 
ein  Darlehn  zu  gewähren;  indessen  Konrad  von  Hochstaden  kam  auch  in 
diesem  Falle  seiner  Zahlungspflicht  nicht  nach,  so  daß  Innocenz  IV.  ihn  am 
4.  Oktober  1250  mahnen  und  den  Archidiakon  von  Lüttich,  Markwald,  be- 
auftragen mußte,  den  Erzbischof  bei  weiterer  Säumnis  vor  den  päpstlichen 
Stuhl  zu  zitieren.  2)  Im  übrigen  haben  wir  die  Florentiner  schon  im  Jahre 
1232  als  Gläubiger  des  Bischofs  von  Verdun  kennen  gelernt.  3)  «I 

Andere  italienische  Handelsnationen  können  wir  in  unserem  Ge- 
biete nicht  mit  Sicherheit  nachweisen. 

Der  Mailänder  Rechtskundige  Monachus  de  Villa,  der  bei  König  Ottos 
Krönung  1198  in  Aachen  zugegen  war,  hatte  auch  im  Jahre  1200  nur  eine 
rein  politische  Mission.  ■*)  Und  wenn  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  in 
den  Kölner  Schreinsurkunden  öfter  ein  Petrus  Longobardus  genannt  wird, 
so  ist  damit  noch  keineswegs  erwiesen,  daß  es  sich  um  einen  wirklichen 
Lombarden  handelt.  0)  Dagegen  hat  es  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit,  daß 
unter  den  Kawertschen,  die  im  Jahre  1227  in  Trier  genannt  werden,  auch 
Lombarden  zu  verstehen  sind,  wobei  in  erster  Linie  an  Astesanen  zu  denken 
wäre,  wie  wir  sie  20  Jahre  später  für  Douai  kennen  gelernt  haben.  6)  Am 
1.  März  dieses  Jahres  nämlich  faßte  das  Trierer  Provinzialkonzil  einen  Be- 
schluß, der  sich  gegen  diejenigen  richtete,  die  ihr  Geld  auf  Gewinn  bei 
Kawertschen  oder  Juden  anlegten;  gerade  damals  kann  auch  hier  an  der 
Mosel  schon  die  Konkurrenz  der  Astesanen  mit  den  eigentlichen  Cahorsinern, 


11 


>)  Auvray  3202.     Engelbert   war   electus  1224 — 1226;  wirklich  Bischof  wurde 
er  erst  1239;  s.  Philipp!  F.,  Osnabrücker  Urkdbuch  II  (Osn.  1896). 

»)  Berger  5361. 

»)  Oben  §  334. 

*)  Über  ihn  Winkelmann,  Philipp  87  f.,  342  f.  u.  Otto  190  A.  2,  213  A.  2.  Vgl. 
Schulte  I,  108.  . 

»)  Schulte  I,  303.  11 

*)  Aronius  J.,  Regesten  z.  Gesch.  der  Juden  (Berlin  1887  f.)  no.  439.    Liebe  G.,«" 
Die  Anfänge    der   lombardischen  Wechsler  im   deutschen  Mittelalter   (Zeitschr.   für 
Kulturgesch.,  N.  F.  I,  1894,  276)  nimmt  ohne  weiteres  die  Identität  dieser  Kawertscheuj 
von  Trier  mit  den  Lombarden  an. 


Einunddreißigstes  Kapitel.     Handel  mit  Ober-Deutschland  etc.  433 

die  dem  Gewerbe  den  Namen  gegeben  i),  bestanden  haben.  Sehr  merkwürdig 
ist  es  dabei,  daß  wir  gerade  für  das  Erzstift  Trier  bis  zur  Mitte  des  Jahr- 
hunderts auch  Aicht  eine  Anleihe  nachweisen  können,  die  es  an  der  Kurie 
oder  auf  den  Messen  bei  itahenischen  Kaufleuten  aufgenommen  hätte.  Es 
scheint  fast,  als  ob  hier  ein  Zusammenhang  bestände,  so  daß  das  Geld- 
bedürfnis und  Geldübermittelungsbedürfnis  der  Trierer  Kirche  in  dieser  Zeit 
eben  durch  die  ansässigen  Kawerschen  befriedigt  worden  wäre. 

Ein  stärkerer  direkter  Handelsverkehr  der  Italiener  mit  den 
Rheinlanden  —  das  ergibt  sich  mit  Sicherheit  aus  unseren  Quellen  — 
bestand  jedenfalls  nicht.  Wohl  aber  zeigen  uns  die  Zahlungsbedin- 
gungen in  jenen  zahlreichen  kurialen  Anleihen,  daß  ein  starker  Ver- 
kehrsstrom von  der  Rheinhnie  her,  von  Köln  bis  Straßburg,  nach  den 
Messen  der  Champagne  sich  ergoß,  der  hier  mit  dem  noch  stärkeren 
italienischen  zusammentraf ;  bis  zur  Elbe  und  zum  Obermain  hat  dieses 
große  damahge  Handelszentrum  seine  Anziehungskraft  geäußert. 


Einunddreißigstes  Kapitel. 

Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen 
Nachbargebieten. 

340.  Auch  bei  den  kommerziellen  Beziehungen  der  Italiener  zu  Ober- 
Deutschland  spielten  die  kurialen  Anleihen  eine  wichtige  Rolle.  Nur 
standen  hier  die  Sienesen  durchaus  im  Vordergrunde;  neben  ihnen 
kommen  die  römischen  Geldleute,  ausnahnasweise  auch  einmal  die 
Bolognesen  in  Betracht. 

Im  Jahre  1234  verkaufte  das  Kloster  Hirsau  zahlreiche  Besitzungen, 
um  sich  »a  gravissimis  usuris  Romanorum«  zu  befreien 2);  zur  selben  Zeit 
erscheinen  sienesische  Kaufleute  als  Gläubiger  des  Klosters  Disentis  am 
Vorderrhein;  am  17.  Januar  1233  beauftragte  Gregor  IX.  den  Bischof  von 
Como,  die  Schuldner  zur  Zahlung  zu  veranlassen.^)  Bei  sienesischen  und 
römischen  Kaufleuten  hatte  Abt  Rudolf  von  S.  Gallen  (seit  1219),  bevor 
er  auch  das  Bistum  Chur  erhielt,  das  er  1222 — 1226  innehatte,  eine  Schuld 
von  500  M.  Silber  teils  in  der  Lombardei,  teils  in  Rom  kontrahiert,  die  er 
indessen  nicht  bezahlte.  Erst  am  1.  Mai  1230  kam  es  zwischen  seinem  Nach- 
folger Konrad  und  dem  Vertreter  der  Gläubiger,  dem  Sienesen  Uberto  Gui- 
donis  Bacchi,  der  selbst  nach  St.  Gallen  gereist  war,  zu  einem  Abkommen, 
das   den  Gläubigern  Befriedigung  in   zwei  Raten   bis  Martini  des  nächsten 

*)  Bezeichnend  die  Gleichsetzung:  Cauwercini  vel  Cristiani  qui  manifeste 
prestant  ad  usuras  in  dem  Kölner  Judenprivileg  von  1266,  das  die  Kawerschen  zu- 
gunsten der  Juden  ausschließt.     Ennen  u.  Eckertz  II  no.  495. 

*)  Boos  H.,  Quellen  z.  Gesch.  v.  Worms  I,  no.  174. 

»)  Mohr  I  p.  322  no.  210.  Potthast  9075.  In  früherer  Zeit  scheinen  die  Bürger 
von  Como  selbst  das  Geldbedürfnis  des  Klosters  befriedigt  zu  haben ;  im  Mai  1213 
hat  der  Abt  Burkhard  alle  Güter  des  Klosters,  besonders  die  in  Italien,  an  Godo- 
fredus,  Edlen  von  Como,  verpfändet.  Mohr  I  no.  180.  In  dem  Frieden  von  1219 
zwischen  Como  und  Chur  ist  Disentis  einbegriffen;  ebd.  p.  261. 

Schaube,  HaDdelsgescbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  28 


434  Einunddreißigstes  Kapitel. 

Jahres  zusicherte  i) ;  die  Zahlung  sollte  in  Como  erfolgen.  Der  Bischof  von 
Bologna,  den  der  Papst  mit  der  Erledigung  der  Streitsache  beauftragt  hatte, 
ließ  sich,  leicht '  bestimmen,  seine  Einwilligung  zu  dem  Vertrage  zu  geben 
(25.  Mai"  1230). 

Bei  einem  römischen  Bürger  allein,  Bobo  Johannis  Bobonis,  der  uns 
schon  als  zeitweiliger  Bankier  des  Papstes  entgegengetreten  ist,  hat  der  neue 
Abt  seinerseits  später  ein  Darlehn  aufgenommen,  das  auf  einer  der  Messen 
der  Champagne  erstattet  werden  sollte.  In  dem  Prozeß,  der  wegen  Nicht- 
zahlung dieses  Darlehns  vor  der  Kurie  geführt  wurde,  wurde  die  von  dem 
Abt  zu  zahlende  Summe  im  Januar  1239  auf  284  M.  Sterl.  festgesetzt,  die 
dann  tatsächUch  am  27.  September  des  Jahres  in  Troyes  an  den  Vertreter 
des  Gläubigers,  Paulus  Soguatarius,  gezahlt  worden  ist.  2) 

341.  Unter  den  bayrischen  Bistümern  erscheint  Passau  besonders  stark 
bei  italienischen  Gläubigern  verschuldet ;  die  Römer  Radulfus  Alexii,  Angelus 
Johannis  Alperini,  Jacobus  Scarsus,  Cinthius  Stephani  Philippi  und  die  Siene- 
sen  Bonaventura  Lupelli,  Turchio  Claromontensis,  Spinellus  Cavalca,  Massarius 
und  Caponero  sehen  wir  unter  ihnen  vertreten.  Da  Bischof  Gebhard  suspen- 
diert war  und  1232  resignierte,  beauftragte  der  Papst  am  30.  Juli  1232  den  Bi- 
schof Rüdiger  von  Chiemsee^),  alle  Überschüsse  aus  den  Einkünften  der  Diözese 
Passau  zu  sammeln  und  zur  Befriedigung  der  Gläubiger  zu  verwenden.  Die  Dar- 
lehn waren  in  Bologna  rückzahlbar ;  je  einen  Kanoniker  seines  Stifts  hatte  Geb- 
hard seinen  Gläubigern  in  Rom  und  Siena  als  Geiseln  gestellt.  Aber  der 
Bischof  von  Chiemsee,  der  Gebhards  Nachfolger  wurde  ^),  entledigte  sich 
seines  Auftrags  nicht,  so  daß  der  Papst  am  11.  Juli  1233  neue  Mahnungen 
an  ihn  richtete  und  ihm  damit  drohte,  den  Bischof  von  Bologna  mit  dem 
Einschreiten  gegen  ihn  zu  betrauen.  ^)  Besonders  gefährlich  klang  das  gerade 
nicht,  so  daß  es  nicht  weiter  wundernimmt ,  daß  3  Jahre  später  noch  alles 
beim  alten  war.  Energischer  trat  der  Papst  dann  in  seinem  Schreiben  vom 
2.  Mai  1236  an  Bischof  und  Domkapitel  von  Passau  auf;  schamrot  sollten 
sie  werden,  die  beiden  Kanoniker  um  ihretwillen  so  lange  in  der  Gefangen- 
schaft der  Kaufleute  schmachten  zu  lassen;  da  das  nicht  länger  zu  dulden 
sei,  ergehe  nunmehr  der  strenge  Befehl  an  sie,  bis  spätestens  Michaeli  die 
Schuld  einschließlich  der  in  mäßigen  Grenzen  zu  berechnenden  Kosten  und 
eines  Schadenersatzes,  ohne  Zahlung  eines  Zinses,  abzutragen;  anderenfalls 
solle  der  Bischof  selbst  mit  einem  Prokurator  des  Kapitels  zur  Rechtfertigung 
vor  dem  Forum  der  Kurie  erscheinen ;  der  Bischof  von  Modena  sei  beauf- 
tragt,  sie  zur  Erfüllung   seines  Befehls  zu  zwingen.  6)     Im  August  des  fol- 

1)  Urkundenb.  der  Abtei  S.  Gallen,  her.  v.  H.  Wartmann  m  (S.  Gallen  1882) 
no.  868  p.  81.  Schulte  I,  248.  Die  Gläubiger  hatten  noch  eine  weitere  Forderung 
von  700  M.  Silber;  doch  bezieht  sich  das  uns  vorliegende  Abkommen  nur  auf  die 
500  Mark. 

*)  Ebd.  p.  94,  no.  879.  Gegen  die  von  Schulte  angenommene  Identität  dieser 
Schuld  mit  der  vorigen  spricht  u.  a.  die  Verschiedenheit  der  Erfüllungsorte,  der 
Zahlungsmittel  und  der  Gläubiger  (hier  ein  Römer,  dort  ein  Konsortium  von  Römern 
und  Sienesen). 

3)  Auvray  845 ;  dazu  856—859. 

■*)  Rodenberg  I  no.  544. 

')  Hauthaler  W.,  Aus  den  vatikanischen  Registern ;  im  Arch.  f.  österr.  Gesch. 
71  (1887),  261  f.  no.  38,  39.  Auvray  1462,  1465.  Vgl.  Schulte  I,  251  f.  Gottlob,  Prä- 
latenanleihen p.  367. 

•)  Auvray  3124.  Am  28.  Febr.  1236  hatte  der  Papst  dem  einen  Kanoniker  ge- 
stattet, seine  kirchlichen  Einkünfte  zur  Tilgung  des  Teils  der  Schuld,   um  dessent- 


I 


J 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östl.  Nachbargebieten.  435 

genden  Jahres  gelang  es  dann  dem  Bischof  Rüdiger,  sich  dadurch  aus  der 
dringendsten  Not  zu  befreien,  daß  er  eine  Reihe  von  Besitzungen  seiner 
Kirche  an  den  Kaiser  verpfändete,  wofür  ihm  dieser  ein  Darlehn  von  1400  M. 
Silber  gewährte,  i)  Aus  dem  nächsten  Jahrzehnt  (21.  Aug.  1246)  haben  wir 
einen  interessanten  Brief  des  Albert  von  Beham,  der  in  Lyon  an  der  Kurie 
weilte,  über  den  Leichtsinn,  mit  dem  die  Kanoniker  von  Passau  in  Geld- 
sachen verführen.  Einem  gewissen  Fuchszagl  hätten  sie  vier  mit  ihrem 
Siegel  versehene  Blanketts  anvertraut ;  das  eine  habe  er  zur  Aufnahme  eines 
Darlehns  von  nominal  100  M.  Sterl.  bei  einem  Römer  benutzt,  während  er 
in  Wahrheit  nur  einen  geringen  Teil  davon  erhalten  habe  2);  dabei  seien 
die  100  M.  in  4  Monaten  zu  zahlen ;  die  drei  anderen  seien  in  den  Besitz 
von  Kaufleuten  von  Troyes  übergegangen,  für  welchen  Preis  wisse  er  nicht. 
Fuchszagl,  den  er  vor  den  Papst  zitiert  habe,  sei  inzwischen  entflohen;  die 
100  M.  Sterl.  aber  würden  bezahlt  werden  müssen ;  man  habe  ihm  an  der 
Kurie  gesagt,  daß,  wer  so  vertrauensselig  sei,  auch  die  Folgen  seines  Leicht- 
sinns tragen  müsse.  3) 

342.  Für  sich  selbst  erbat  sich  Albert  am  21.  August  1246  vom  Erz- 
bischof von  Salzburg,  als  dessen  Prokurator  er  fungierte,  ebenfalls  die 
Zustellung  von  drei  bis  vier  Blanketts,  die  zweckmäßig  außer  mit  dem  Siegel 
des  Erzbischofs  auch  mit  dem  des  Kapitels  zu  versehen  wären  4);  und  als 
es  sich  um  die  Aufnahme  einer  größeren  Anleihe  handelte,  empfahl  er  dem 
Erzbischof,  zwei  Cisterzienseräbte  mit  der  Vermittelung  der  Darlehnsaufnahme 
bei  römischen  oder  sienesischen  Kaufleuten  (andere  pflegten  also  diese  Geld- 
geschäfte mit  Oberdeutschland  offenbar  so  gut  wie  gar  nicht)  zu  betrauen; 
Äbten  dieses  Ordens  gäben  die  Kaufleute  an  der  Kurie  lieber  20000  Mark 
Silber  als  einem  anderen  2000  Mark  und  noch  dazu  30%  billiger  —  eine 
Wendung,  die  trotz  ihrer  offenbaren  Übertreibung  ein  glänzendes  Zeugnis  für 
die  wirtschaftliche  Leistungsfähigkeit  dieses  Ordens  in  damaliger  Zeit  enthält.^) 

Demselben  Albert  Beham  verdanken  wir  auch  die  Kunde,  daß  das 
Bistum  Regensburg  damals  bei  sienesischen  Kaufleuten  (Rainerius  Ro- 
landi  wird  an  ihrer  Spitze  genannt)  stark  verschuldet  war;  da  der  Bischof 
nicht  zahlte,  wurde  der  Propst  von  Eichstätt  im  November  1238  mit  der 
Verhängung  der  Exkommunikation  gegen  ihn  beauftragt ;  aus  dem  Umstände, 
daß  der  Papst  die  Sache  vor  ein  geistliches  Gericht  in  Troyes  verwiesen 
hatte,  geht  hervor,  daß  es  sich  um  Schulden  auf  die  Messen  der  Champagne 
gehandelt  hat.  ß) 

Schon  am  17.  September  1231  hat  der  Papst  um  solcher  Meßschulden 
bei  sienesischen  Kaufleuten  wiUen  den  Abt  von  S.  Martin  in  Troyes  auch 
dem  Bischof  von  Bamberg  gegenüber  mit  dem  Einschreiten  beauftragt'); 

willen  er  gefangen  gehalten  wurde,  zu  verpfänden ;  ebd.  2990.  Wenn  beide  Kano- 
niker jetzt  in  Siena  im  Zwangsaufenthalt  erscheinen,  so  mag  das  wohl  mit  dem 
vorhergegangenen  Abfall  Roms  vom  Papste  einen  Zusammenhang  haben. 

»)  Huillard-Br^hoUes  V,  104.     B.-F.  2274,  2277.     Gottlob  1.  c. 

*)  Für  je  1  Mark  Sterl.  nom.  (=  160  den.)  nur  24  den.  vien.         ' 

«)  Höfler  p.  103  no.  19.     Gottlob  1.  c.  364  f. 

*)  Höfler  p.  111  f.  no.  28.     Gottlob  1.  c. 

»)  Ebd.  no.  30  p.  115.  Schulte  I,  267.  Über  die  Häufigkeit  von  Depots  ge- 
rade bei  Cisterzienseräbten  s.  das  Erkenntnis  vom  8.  Febr.  1286,  Const.  et  acta  TL 
no.  456  p.  628. 

•)  Höfler  p.  3.     Vgl.  Schulte  I,  252. 

^  Zdekauer,  Mercante  97  App.  no.  4.  . 

2S* 


436  Einunddreißigstes  Kapitel. 

als  aber  Bischof  Egbert  sich  während  des  Abfalls  von  Rom  bereit  zeigte, 
dem  Papste  militärische  Hilfe  zu  leisten,  dabei  jedoch  auf  seine  finanzielle 
Bedrängnis  durch  Kaufleute  von  Siena  hinwies,  gewährte  ihm  Gregor  IX.  am 
16.  Januar  12351)  eine  vom  Tage  des  Aufbruchs  an  zu  rechnende  einjährige 
Frist,  innerhalb  deren  er  selbst  auf  päpstliche  Briefe  hin  wegen  Schulden 
nicht  sollte  belangt  werden  dürfen,  es  wäre  denn,  daß  ein  solcher  Brief  sich 
ausdrücklich   als  Ausnahme   von   der  gegenwärtigen  Indulgenz  bezeichnete. 

Bei  einer  Gesellschaft  von  sienesischen  und  bolognesischen  Kaufleuten 
(Bonagratia  Rusticelli,  Gratiano  de  Cazentio  und  Squarzalupo  werden  mit 
Namen  genannt)  hatten  auch  Geistliche  aus  der  böhmischen  Hauptstadt  im 
Interesse  der  Prag  er  Kirche  eine  kuriale  Anleihe  gemacht;  wegen  der 
Zahlung  war  es  auch  hier  zu  Weiterungen  gekommen;  am  13.  März  1231 
hat  Gregor  IX.  zwei  Kanoniker  von  Mantua  beauftragt,  für  die  Durchfüh- 
rung des  in   dieser  Angelegenheit  ergangenen  Spruches  Sorge  zu  tragen,  2) 

Wenn  wir  bedenken,  daß  wir  fast  nur  von  solchen  Fällen  er- 
fahren, wo  sich  bei  der  Tilgung  dieser  Anleihen  Schwierigkeiten  er- 
gaben, daß  diese  Fälle  aber  doch  nur  die  Ausnahmen  darstellen  können, 
da  sich  sonst  keine  Gläubiger  mehr  gefunden  haben  würden,  so  werden 
wir  daraus  einen  Schluß  auf  den  Umfang  ziehen  dürfen,  in  dem  die 
italienischen  Geldleute,  vor  allem  die  von  Siena,  namentlich  im  dritten 
bis  fünften  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts  die  Gläubiger  von  Bis- 
tümern und  Klöstern  im  ganzen  südlichen  Deutschland,  einschließlich 
Böhmens,  gewesen  sind.  Nicht  selten  erscheint  ein  günstig  gelegener 
italienischer  Platz  wie  Bologna,  Mantua,  Como  als  Erfüllungsort,  nicht 
selten  aber  auch  für  dieses  Gebiet,  besonders  seit  die  Kurie  in  Lyon 
weilte,  eine  der  Messen  der  Champagne ;  bis  Bamberg,  Regensburg 
und  S.  Gallen  haben  wir  die  Ausdehnung  ihres  Verkehrskreises  nach- 
weisen können. 

343.  Unsere  sonstigen  Nachrichten  über  den  Handelsverkehr  von 
Italienern  nach  diesem  Gebiet  sind  auffallend  dürftig,  scheinen  damit 
aber  nur  der  tatsächlichen  Dürftigkeit  dieses  Verkehrs  zu  entsprechen. 

Aus  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  wissen  wir  von  zwei  Bürgern  von 
Lodi,  Albernandus  Alamanus  und  Homobonus  Magister,  die  auf  Einladung 
des  Bischofs  von  Konstanz  »pro  quodam  servitio  episcopi«  dorthin  gekommen 
waren;  Albernandus  war  imstande,  dem  deutschen  Könige,  der  im  März 
1153  in  Konstanz  erschien,  die  Beschwerden  seiner  Vaterstadt  über  Mailand 
in  deutscher  Sprache  vorzutragen.  ^)  Wenn  er  ein  Kaufmann  war,  was 
freihch  nicht  ganz  sicher  ist,  so  hat  er  jedenfalls  einen  lebhaften  Handels- 
verkehr mit  Ober-Deutschland  unterhalten.  Im  Jahre  1208  wurden  Kaufleute 
aus  Piacenza  vom  Grafen  Hugo  von  Montfort  (das  Geschlecht  hatte  seine 
Besitzungen  in  der  Gegend  um  den  Bodensee;  Feldkirch  war  ein  Haupt- 
punkt derselben)  ihrer  Waren  beraubt;  war  doch  die  Ermordung  Philipps 
von  Schwaben  allen  Wegelagerern   günstig.     Auf  dem  Heimwege  baten  sie 

1)  Rodenberg  I,  510  no.  622.     Auvray2409.  '^| 

*)  Auvray  569.  Am  4.  März  1245  haben  die  Prokuratoren  der  Olmützer  Kirche 
eine  päpstUche  licentia  mutuandi  bis  zum  Betrage  von  460  M.  Sterl.  zum  Zwecke 
der  Betreibung  der  Wahl  des  neuen  Bischofs  erlangt.     Berger  1210. 

')  Otto  Morena,  SS.  XVIII,  588:  qui  linguam  Theotonicam  optime  didicerat. 
Daher  wohl  auch  sein  Beiname  Alamanus.     Schulte  I,  108. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         437 

einen  bekannten  Prälaten,  den  sie  in  Mantua  trafen,  um  Empfehlungsbriefe 
an  den  Bischof  von  Chur  und  den  Abt  von  S.  Gallen,  damit  diese  ihnen 
zum  Ersatz  ihres  Schadens  verhülfen,  i)  Wenn  wir  uns  der  Verbindung  er- 
innern, in  der  gerade  die  Placentiner  damals  mit  Otto  IV.  und  der  eng- 
lischen Krone  standen,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  auch  diese  Placen- 
tiner das  Gebiet  zwischen  Chur  und  dem  Bodensee  nur  auf  dem  Wege  nach 
Nieder-Deutschland  oder  England  durchzogen  haben;  da  sie  französisches 
Gebiet  vermeiden  mußten,  bedeutete  der  Weg  über  den  Septimer  keinen 
Umweg  für  sie.  Von  dem  Römer,  der  1226  auf  dem  gleichen  Wege,  als  er 
das  Bistum  Chur  durchzog,  beraubt  worden  ist,  ist  oben  schon  die  Rede 
gewesen.  2)  Eine  zeitgenössische  Quelle  gibt  als  Grund  für  die  am  Ende 
des  Jahres  1226  bei  den  Lombarden  hervortretende  Geneigtheit  zu  einer 
Verständigung  mit  dem  Kaiser  die  Rücksicht  darauf  an,  daß  sie  ohne  sein 
Geleit  und  seine  Erlaubnis  ihre  Waren  nicht  durch  das  Reich  hätten  führen 
können.  Bischof  Heinrich  von  Basel  verpfändete  1223  seine  Zolleinnahmen 
von  allen  Warenballen,  Maultieren  und  Pferden,  die  von  Frankreich  oder 
der  Lombardei  her  Basel  passierten.  ^)  Erwähnung  verdient  auch  der  Zoll, 
der  dem  Grafen  Rudolf  von  Habsburg  1249  von  Konrad  IV.  in  Freudenau 
(an  der  Aar,  unterhalb  des  Einflusses  von  Reuss  und  Limmat)  verliehen 
wurde,  da  er  »für  jedes  welsche  Saumtier«  eine  Abgabe  von  3  Solidi  fest- 
setzt*); der  Ort  muß  also  damals  schon  seit  längerer  Zeit  eine  wichtige 
Station  auf  dem  Wege  der  italienischen  Vecturarii  nach  Basel  und  weiter 
gewesen  sein.  Für  einen  stärkeren  Handelsverkehr  von  Italienern  in  Ober- 
Deutschland  könnte  man  ferner  das  Privileg  Kaiser  Friedrichs  vom  17.  August 
1177  geltend  machen,  in  dem  er  die  Venezianer  für  den  gegenwärtigen  wie 
künftigen  Umfang  des  gesamten  Reichsgebiets  von  allen  Handelsabgaben  be- 
freite, ö)  Eine  entsprechende  Handelsbetätigung  der  Venezianer  ist  indessen 
zur  selben  Zeit  nicht  nachweisbar;  als  die  Venezianer,  die  Gunst  der  Um- 
stände benutzend,  die  Aufnahme  dieses  Passus  in  das  kaiserliche  Privileg 
erwirkten,  scheint  es  ihnen  ausschließlich  auf  die  Reichsgebiete  in  ihrer 
Nachbarschaft  (Gebiete  des  Patriarchen  von  Aquileja,  der  Grafen  von  Görz, 
Südtirol)  angekommen  zu  sein.  Allmählich  freilich  unternahmen  auch  die 
Venezianer  größere  Handelsreisen  zu  Lande.  Das  Hauptzeugnis  dafür  ist 
der  Zolltarif  vom  28.  Mai  1244,  den  Herzog  Friedrich  II.  von  Österreich  für 
Wiener- Neustadt  erlassen  hat.  Die  Sätze  nach  der  Herkunft  der  Kaufleute 
bemessend,  führt  er  auch  die  Venezianer  auf ;  als  die  am  weitesten  entfernten 
hatten  sie  das  meiste  zu  zahlen ;  wenn  sie  den  Verdienst  des  Zwischenhänd- 
lers mit  einstreichen  wollten,  so  sollten  sie  einen  Teil  dieses  Mehrverdienstes 

*)  Reg.  Inuoc.  III  de  negotio  imperii  ep.  152.  Baluze  I,  752.  Schulte  T,  108  f. 
Aus  den  engen  Beziehungen  der  Kaufleute  Piacenzas  zu  Genua  erklärt  sich  wohl 
die  Notiz  der  Ann.  gen.  (11  p.  109)  über  die  Folgen  der  Ermordung  Philipps  durch  einen 
>  sceleratissimus  homo  nomine  Falsusgradu8< :  unde  accidit,  quod  uni versa  terra  Teu- 
tonica  in  tantum  fuit  perturbata,  quod  mercatores  et  iter  agentes  per  par- 
tes i  1 1  a  8  secure  ire  non  poterant,  et  quod  deterius  fuit,  qui  tunc  inventi  f uerunt, 
bonis  Omnibus  fuerunt  penitus  expoliatü 

«)  Oben  §  315  u.  332. 

')  Chron.  S.  Martin.  Turon.,  SS.  XXVI,  475.  Urkundenb.  der  Stadt  Basel  I 
(Basel  1990),  74  no.  103. 

*)  B.-F.  4557  (Neuausfertigung  1251).     Schulte  F,  177. 

*)  Const.  et  acta  I  no.  274.  Das  Gleiche  war  schon  1162  den  Pisanern  gegen- 
über geschehen ;  doch  haben  wir  sonst  keinerlei  Anhalt,  eine  Handelstätigkeit  der 
Pisaner  in  Deutschland  anzunehmen. 


438  Einunddreißigstes  Kapitel. 

in  Gestalt  von  höheren  Abgaben  an  die  Zollbehörden  wieder  abliefern.  Bei 
der  Ankunft  hatten  sie  wie  die  Kaufleute  von  Friesach  24  den.  fris.  von 
der  Last  (sarcina  =  saura),  auf  dem  Rückwege  aber  außer  der  Hälfte  dieses 
Betrages  noch  eine  besondere  »Ehrung«  in  Höhe  von  30  Wiener  Pfennigeji 
an  den  Herzog  zu  entrichten,  i)  Wohl  mochten  solche  Abgaben  den  direkten 
Handel  der  Venezianer  nach  Deutschland  hin  erschweren  —  das  Entschei- 
dende ist  doch,  daß  in  den  Handelsbeziehungen  nicht  nur  Venedigs,  sondern 
Italiens  überhaupt  mit  den  deutschen  Alpenländern  und  ganz  Oberdeutsch- 
land in  unserer  Periode  nicht  die  Italiener,  sondern  die  deutschen  Kauf- 
leute als  der  aktive  Teil  erscheinen ;  die  sonst  nach  allen  Seiten  so  rührigen 
Italiener  sind  gerade  nach  dieser  einen  Richtung  hin  überwiegend  passiv 
gewesen.  2)  Es  erscheint  danach  zur  Vervollständigung  des  Bildes  geboten, 
auch  die  Gegenströmung,  den  Handel  der  Deutschen  in  Italien,  in  den 
Kreis  der  Darstellung  zu  ziehen,  wobei  dem  Handel  der  Grenzgebiete  eine 
besondere  Bedeutung  zukommt.  2) 

344.  Während  die  alpine  Begrenzung  Italiens  vom  Col  di  Tenda 
bis  zu  den  Julischen  Alpen  im  großen  und  ganzen  zugleich  auch  italie- 
nisches Volkstum  von  fremdem  Volkstum  scheidet,  fehlt  eine  solche 
Scheidewand  in  der  Richtung  der  Brennerlinie;  nicht  bloß  wie  bei 
Pontafel  —  Pontebba  auf  schmalem  Talübergange,  sondern  mit  ver- 
hältnismäßig breiter  Fläche  stoßen  hier  im  Etschgebiet  deutsche  und 
italienische  Nationalität  unmittelbar  aufeinander.  Dieses  Grenzgebiet 
ist  in  unserer  Zeit  der  Schauplatz  eines  nicht  geringen  Handelsverkehrs 
der  Oberdeutschen  gewesen. 

Vor  allem  treten  uns  hierbei  die  beiden  Messen  von  M  e  r  a  n  schon  in 
der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  als  völlig  eingebürgerte,  vielbesuchte 
Märkte  von  mindestens  achttägiger  Dauer  entgegen.  Wie  auch  sonst  nicht 
selten,  wurden  sie  an  räumlich  getrennten  Örtlichkeiten  abgehalten,  die 
Pfingstmesse  oberhalb  von  Meran  bei  Schloß  Tirol,  die  Martinimesse  unter- 
halb bei  Mais.  '^)    Die  Straßen  von  Trient  und  Bozen  her,  aus  dem  Vintsch- 


^)  Hormayr  Jos.  v.,  Taschenbuch  für  die  vaterländische  Gesch.,  II  (Wien  1812), 
p.  77.  Erdmannsdörffer  p.  28.  Luschin  von  Ebengreuth  in:  Gesch.  der  Stadt  Wien, 
hersg.  vom  Altertums- Verein  zu  Wien  I  (1897),  p.  413  f.  ^| 

*)  Die  Beobachtung  Hüllmanns:  Städtewesen  des  Mittelalters  I  (Bonn  182^^1 
346,  daß  in  der  früheren  Zeit  der  Landhandel  Venedigs  nicht  aktiv,  sondern  passiv 
gewesen  sei,  war  also,  soweit  sie  sich  auf  den  Verkehr  mit  Deutschland  bezieht, 
durchaus  richtig;  nur  die  Begründung  mit  der  Lage  der  Stadt  trifft  nicht  zu.  Es 
hatte  nur  die  Bedeutung  einer  reinlichen,  den  Tatsachen  der  kommerziellen  Ent- 
wickelung  im  allgemeinen  entsprechenden  Scheidung,  nicht  die  eines  besonderen 
Opfers,  wenn  Venedig  später  (1279)  seinen  Kaufleuten  den  Handelsverkehr  in 
Deutschland  geradezu  untersagte  und  ihnen  nur  den  Durchzug  durch  Deutschland 
nach  Frankreich  oder  Ungarn  gestattete.     Simonsfeld  II  p.  31.     Schulte  I,  353.        ^1 

')  Voltelini  p.  106  Anm.  nennt  sie  nur  Vorläufer  der  späteren  Meraner  Märkto"! 
mir  erscheinen  sie  mit  ihnen  völlig  identisch.  Der  Tridentiner  Notar  Obert  nennt 
sie  1236  nach  der  speziellen  örtlichkeit :  >hinc  ad  octavam  pasce  de  madio  in  mer- 
cato  de  Tyrol«  (no.  43);  >usque  ad  festum  s.  Martini  in  mercato  de  Mai  sc 
(no.  221),  während  der  gleichzeitige  Bozener  Notar  Haas  dieselben  Messen  direkt 
als  Meraner  Messen  bezeichnet:  >hinc  ad  proximum  festum  pentecostes  supra 
forum  Mairani<  (Haas  no.  875,  879,  896,  931)  und  »hinc  ad  prox.  festum  s.  Ma 
tini  ßupra  forum  Mairani«  (no.  651,  684,  739). 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         439 

gau  und  dem  Passeiertal  trafen  hier  zusammen;  durch  letzteres  führte  der 
in  jener  Zeit  weit  öfter  als  heut  benutzte  direkte  Weg  von  Sterzing  und  dem 
Brenner  über  den  Jaufen^),  während  aus  dem  Vintschgau  die  wichtige  von 
Reschen-Scheideck ,  Finstermünz  und  Landeck  herführende  Handelsstraße 
kam,  die  in  Landeck  die  nördliche  Straße  Augsburg — Füssen — Fernpaß  und 
die  westhchen  Straßen  vom  Rhein  und  Bodensee  her  über  den  Arlberg  in 
sich  vereinigte.  Die  gleichen  von  der  unteren  und  oberen  Etsch  kommen- 
den Straßen  begegneten  sich  in  Bozen,  nur  daß  hier  von  Norden  her  die 
Straße  von  Brixen  einmündete,  die  die  Wege  von  Innsbruck  her  (Augsburg — 
Schongau — Partenkirchen — Scharnitz  und  den  Innweg)  und  von  Osten  aus 
dem  Pustertal  in  sich  aufnahm  2) ;  noch  war  der  Kuntersweg  durch  die  Klamm 
des  Eisack  oberhalb  von  Bozen  nicht  vorhanden,  so  daß  die  Straße  von 
Waidbruck  aus  das  Plateau  des  Ritten  überstieg,  um  in  den  Talkessel  von 
Bozen  zu  gelangen. 3)  Die  erste  Erwähnung  der  Bozener  Jahrmärkte  zu- 
gleich mit  denen  des  Brixener  Bistums  liegt  aus  dem  März  1202  vor  in 
einem  Zollabkommen,  das  der  Bischof  von  Brixen  damals  mit  dem  Bischof 
Konrad  von  Trient  und  den  Bozenern  traf.  4)  Es  ist  ferner  von  ihnen  (den 
foribus  Bozani)  die  Rede  in  einer  Verordnung  des  Grafen  von  Tirol  vom 
24.  Juli  1234,  in  der  u.  a.  den  Bürgern  von  Bozen  geboten  wird,  sich  der 
alten  Bozener  und  nicht  der  Tridentiner  Elle  zu  bedienen.^)  Eine  spätere 
Urkunde  von  1274  macht  als  die  Termine  der  beiden  Bozener  Messen  den 
S.  Genesiustag  imd  Mittfasten  namhaft.  ^)  Nun  ergibt  sich  aus  den  Nota- 
riatsakten von  1237,  daß  damals  der  Sonntag  Quadragesimae  und  der  Ge- 
nesiustag (25.  August)  feststehende  Markt-  und  Zahlungstermine  in  Bozen 
waren,  zu  denen  sich  noch  ein  dritter  in  dem  Sankt  Thomastage  (21.  De- 
zember) gesellte.')  Letzterer  mag  mit  seinem  Wintertermin  von  geringerer 
Bedeutung  gewesen  sein;  immerhin  ist  von  Interesse,  daß  wir  31/2  Jahr- 
hunderte später  wieder  drei  Märkten  in  Bozen  zu  Mittfasten,  am  S.  Gilgen- 
tag und  nunmehr  am  Andreastage  (30.  November)  begegnen. »)  Mit  der 
Tridentiner  Messe,  die  im  St.  Galhtage  (16.  Oktober)  ihren  Mittelpunkt 
hatte  9),  bildeten  diese  Messen  darnach  eine  das  Jahr  hindurch  sich  ablösende 


»)  öhlmann  IV,  213. 

*)  S.  die  Karte  der  Verkehrswege  nach  Österreich  bis  gegen  Schluß  des  18.  Jahr- 
hunderts; entworfen  durch  A.  Luschin  von  Ebengreuth,  in  der  Gesch.  der  Stadt 
Wien,  her.  vom  Altertumsverein  I  (Wien  1897),  Tafel  XXI. 

')  Erst  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  ist  der  Kuntersweg  angelegt  worden. 

*)  Hormayr  J.  v.,  Gesch.  der  gef ürsteten  Grafschaft  Tirol,  I,  (Tübingen  1808) 
no.  74  p.  185.     Cod.  Wang.  p.  147  no.  68. 

*)  V.  Hormayr,  Beyträge  no.  93. 

«)  Ebd.  no.  148.  öhlmann  IV,  213.  Wanka  0.,  Edler  v.  Rodlow :  Die  Brenner- 
straße in  Altertum  und  Mittelalter  (Prager  Studien  a.  d.  Geb.  der  Gesch.-Wiss., 
H.  7),  Prag  1900,  p.  100.  Bezüglich  des  allgemeinen  Verkehrs  auf  dieser  Straße  ver- 
weise ich  auf  diese  beiden  Schriften. 

')  Haas  bei  Voltelini  no.  886  u.  910  für  den  Sonntag  Quadrag. ;  no.  578  und 
686:  hinc  ad  prox.  festum  s.  Genesii;  no.  827  wird  am  1.  Nov.  1237  Zahlung  ver- 
sprochen teils  in  prox.  festo  Mairani  (also  auf  der  Martinimesse),  teils  hinc  ad 
prox.  festum  s.  Thomei. 

8)  Silberschmidt  W.,  Die  Entstehung  des  deutschen  Handelsgerichts  (Leipzig 
1894),  p.  100. 

»)  Obert  bei  Voltelini  no.  487.  Zahl  ungs versprechen  vom  14.  Oktober  1236 
mit  48  1.  >in  f  ine  mercati  de  Gallo  presenti  veniente< ;  der  Markt  war 
also  im  Gange  und  dauerte  offenbar  über  den  Gallitag  hinaus. 


440  Einunddreißigstes  Kapitel. 

Reihe  von  Märkten:  1.  die  Quadragesimä-Messe  von  Bozen  im  März,  2.  die 
Pfingstmesse  von  Meran,  3.  die  Genesiusmesse  von  Bozen  im  August,  4.  die 
Gallimesse  von  Trient  Mitte  Oktober,  5.  die  Martinimesse  von  Meran,  6.  der 
S.  Thomasmarkt  in  Bozen  vor  Weihnachten. 

345.  Unter  den  Besuchern  der  Messen  von  Meran  und  Bozen  treten 
die  Schwaben  und  Ober-Baiern  besonders  hervor;  Augsburg  erscheint  als 
die  nördhchste,  Schaffhausen  als  die  westlichste,  Villach  als  die  östlichste 
der  Städte,  die  ihre  Kaufleute  zu  diesen  Messen  entsendeten.  Unter  den 
von  ihnen  eingeführten  Waren  spielten  die  Erzeugnisse  der  Textilindustrie 
die  wichtigste  Rolle.  So  verkauft  am  12.  September  1237  ein  Deutscher, 
Hermann,  der  im  Dienste  des  Herrn  Adalbert  Schieb  von  Beuern  (de  Bowren) 
stand,  vier  Stück  farbige  Tuche  für  110  1.  veron.  an  Egino  Klein  und  zwei 
weitere  Stück  für  den  halben  Preis  an  Heinrich  Schongauer  in  Bozen  i), 
wobei  der  Kaufpreis  in  beiden  Fällen  auf  der  Martinimesse  von  Meran  fällig 
ist.  Vielleicht  ist  dieser  Hermann  mit  Hermann  von  Kempten  identisch, 
der  am  19.  November  wiederum  zwei  Stück  farbigen  Tuches  zu  gleichem 
Preise  (diesmal  auf  der  Pfingstmesse  von  Meran  fällig),  an  Heinrich  Schon- 
gauer und  Abraham  Valisius  von  Bozen  verkauft  hat;  am  selben  Tage  hat 
Egino  Klein  auch  farbige  Tuche  von  zwei  Kemptener  Kaufleuten,  Hilde- 
brand Moizo  und  Hildebrand  de  Pruke  zum  Preise  von  70^/4  1.  veron.,  auf 
der  gleichen  Messe  zahlbar,  erstanden;  ein  dritter  Kemptener,  Heinrich,  ist 
Zeuge  dieses  notariellen  Kaufkontrakts.  2)  So  waren  wohl  auch  die  24  Ellen 
grünen  Tuches,  die  die  beiden  Bozener  Tuchhändler  Schongauer  und  Va- 
lisius zwei  Tage  darauf  an  ihren  Landsmann  Konrad  von  Sumersberg  ver- 
kauft haben,  oberdeutscher  Herkunft ;  unter  Verpfändung  eines  Grundstücks 
versprach  der  Käufer  den  Preis  mit  28  1.  veron.  bis  zum  Sonntag  Quadra- 
gesimae  zu  zahlen.  ^)  Auch  der  Kaufmann  Wilhelm  aus  Schaffhausen  scheint 
im  Tuchhandel  in  Bozen  tätig  gewesen  zu  sein.  4) 

Nicht  minder  wurde  deutsches  Leinen  eingeführt.  Ein  Innsbrucker 
Kaufmann  hat  am  4.  Dezember  bei  einem  Einkauf  von  Wein  in  Bozen  einen 
Sack  »cum  4  centis  panni  linei«,  die  er  in  dem  Hause  des  Alban  von  Spil- 
hoven,  wo  auch  der  Kauf  vertrag  abgeschlossen  wurde,  lagern  hatte,  als  Pfand 
bestellt,  und  der  Augsburger  Hermann  Rossarcetus  hat  am  29.  November 
dem  Krämer  (cramarius)  Arnold  in  Bozen  Kramwaren  (merces),  Gürtel  (cin- 
gula)  und  Leinwand  für  30  1.  veron.  verkauft,  die  auf  der  Meraner  Pfingst- 
messe zahlbar  waren.  0)  Von  dem  Handschuher  (cirothecarius)  Marquard 
von  Augsburg  kaufen  ferner  die  Schildmacher  Gottfried  und  Hesse  von 
Bozen  am  5.  Juli  Leder  für  6  1.  veron.,  am  Genesiusmarkte  zahlbar,  während 
der  Goldschmied  Reicholf  und  seine  Frau  Herrad  am  9.  Oktober  von  ihm 
nicht  näher  bezeichnete  Waren  erstehen,  die  sie  mit  16  1.  ver.  auf  der  Me- 
raner Martinimesse  zu  bezahlen  versprechen.  Einmal  sehen  wir  auch 
Schwerter,   die   von  Villach  her  kamen,   in  Bozen  zum  Verkauf  gelangen,  ß) 


»)  Voltelini  no.  684,  685. 

■")  Ebd.  no.  879,  875. 

»)  No.  886.  Auch  bei  dem  pannus  coloris  in  no.  602  u.  603  (14.  Juli  1237) 
handelt  es  sich  .jedenfalls  um  oberdeutsches  Tuch. 

*)  Am  12.  September  ist  er  Zeuge  bei  Tuchkäufen;  no,  684  u.  685;  derselbe 
no.  925  (9.  Dezember)  als  Willialmus  negociator  de  Schafhousen. 

6)  No.  910,  897. 

«)  No.  586,  739,  962. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         441 

Wenn  diese  Kaufgeschäfte  so  besonders  häufig  auf  die  Meraner  Messen 
abgestellt  sind,  so  ist  es  uns  doch  nicht  möglich,  positiv  nachzuweisen,  welche 
Waren  aus  dem  Erlöse  hier  von  den  Deutschen  zum  Export  nach  der  Hei- 
mat angekauft  sein  mögen.  In  Bozen  selbst  sehen  wir  nur,  daß  sie  sich 
mit  Wein,  offenbar  Südtiroler  Landesgewächs,  versorgten.  Ein  Parten- 
kirchner Heinrich  Ratgebe  ^)  kauft  am  18.  Oktober  zusammen  mit  Konrad 
Teufelsschlag  von  Murnau  von  Wulfing  in  Bozen  41/2  Karrenlasten  (car- 
radas)  Wein  für  52  1.  veron. ;  derselbe  Wulfing,  in  einem  Hause  der  Herren 
von  Wangen  in  Bozen  wohnhaft,  quittierte  am  9.  Dezember  dem  genannten 
Murnauer  sowie  dem  Weilheim  er  Rudolf  Ungleich  und  dem  Münchener 
Rudolf  über  den  vollen  Empfang  alles  dessen,  was  sie  ihm  noch  geschuldet 
hätten  2);  wahrscheinlich  hat  er  also  auch  an  diese  Wein  auf  Kredit  ver- 
kauft. Und  am  4.  Dezember  hat  Konrad  Rumer  von  Rum  bei  Innsbruck 
8  Karrenlasten  und  3  Eimer  Wein  für  100 1.  ver.  erstanden  und  für  vertrags- 
mäßige Zahlung  außer  einem  Pfände  in  Waren  noch  einen  Bürgen  in  der 
Person  des  Innsbruckers  Otto,  Sohnes  des  Herrn  Ulricus  Hallarius,  gestellt.  ^) 
Wein  wird  auch  in  dem  Zollabkommen  von  1202  als  erster  und  offenbar 
wichtigster  Artikel  genannt;  während  Bozener  undBrixener  im  gegenseitigen 
Verkehr  in  den  Städten  selbst  von  Zollabgaben  befreit  waren,  zahlten  sie 
von  Waren,  die  an  Fremde  verkauft  waren  oder  von  ihnen  zum  Zwecke  des 
Verkaufs  ausgeführt  wurden,  an  der  Klause  bei  Sähen  für  die  Last  Weines  *) 
1  Augsburger  Heller,  für  die  Last  Fische,  Öl  oder  Honig  das  Doppelte,  für 
jede  andere  Last  aber  ebenfalls  1  Heller.  Für  die  engen  Handelsbeziehungen 
zwischen  Oberdeutschen  und  Bozenern  spricht  es  auch,  daß  wir  unter  der 
Bozener  Bürgerschaft  Namen  wie  Schongauer,  Dachauer  u.  ähnl.  mehrfach 
begegnen,  die  mit  Sicherheit  auf  eine  nicht  selten  vorkommende  dauernde 
Niederlassung  von  Oberdeutschen  in  Bozen  zu  deuten  sind.  Für  ihren 
Handelsverkehr  mit  Tridentinern  haben  wir  nur  ein  bestimmtes  Zeugnis; 
der  schon  erwähnte  Wilhelm  von  Schaffhausen  bestellt  am  9.  Dezember  1237 
seinen  in  Bozen  anwesenden  Landsmann,  Herrn  Burkhard,  zu  seinem  be- 
vollmächtigten Vertreter  bei  der  Einziehung  aller  seiner  Außenstände  von 
Bozener  und  Tridentiner  Schuldnern.  0)  Ist  schon  dieses  Zeugnis  sehr  be- 
zeichnend, 80  ist  weiter  zu  bedenken,  daß  uns  für  Trient  nur  die  Akten 
eines  rein  italienischen  Notars  vorliegen,  der  auf  oberdeutsche  Kundschaft 
nicht  zu  rechnen  hatte.  Bemerkenswert  ist  auch,  daß  wir  einen  Bertoldus 
Teotonicus  als  Hausbesitzer  in  Trient  nachweisen  können,  ß) 

346.  Tridentiner  und  deutsche  Südtiroler  sehen  wir  dagegen  häufig 
genug  untereinander  im  Handelsverkehr.  Wolf  er  von  Altenburg  (de  Castro- 
veteri)  kauft  in  Trient  von  dem  dortigen  Bürger  Mercadantus  ein  Pferd, 
dessen  Preis  er  auf  der  Pfingstmesse  von  Meran  zahlen  will;  ein  Eppaner 
kauft  in  Bozen  von  einem  Tridentiner  Viehhändler  zwei  Ochsen,  für  die  er 


^)  In  dem  Testament  des  Morhard  von  Bozen  vom  16  September  (no.  689) 
erscheint  er  als  Gläubiger;  jedenfalls  hatte  er  also  diesem  einen  Teil  der  von  ihm 
aus  Bayern  mitgeführten  AVaren  verkauft. 

*)  No.  760,  924. 

')  No.  910.  Ein  anderer  Innsbrucker,  Berthold,  ist  bei  einem  Tuchkauf  in 
Bozen  Zeuge ;  no.  880. 

*)  De  qualibet  summa  (=  sauma)  vini  1  augustensem ;  v.  Hormayr,  Gesch.  d. 
Grafschaft  Tirol  I,  2  p.  185.  Wanka,  Brennerstraße  101  f.  über  die  alte  Zollstätte 
bei  Sähen.     Cod.  Wang.  1.  c.  und  no.  82  (1210). 

»)  No.  925. 

9)  No.  387. 


442  Einunddreißigstes  Kapitel. 


t  oder 


den  Kaufpreis  mit  18  1.  ver.  entweder  auf  dem  S.  Gallimarkt  in  Trient 
zur  Zeit  desselben  in  Bozen  zu  erlegen  verspricht,  i)  Der  Tridentiner  Ulricus 
Pasce  wieder  kauft  in  Bozen  von  den  Gewandschneidern  Berthold  und  seinem 
Sozius  Ulrich  einen  Posten  grauen  (also  ungefärbten)  und  leinenen  Tuches 
für  34  1.  ver.,  die  er  ebenfalls  auf  dem  Gallimarkte,  und  zwar  mit  24  1.  in 
bar,  mit  10  1.  in  Waren  (in  mercato)  erstatten  will.  Zweifellos  handelt  es 
sich  bei  diesen  Tuchen  um  heimisches  Fabrikat;  denn  in  der  Verordnung 
des  Grafen  von  Tirol  vom  24.  Juli  1234  wird  allen  Bauern  gerade  in  bezug 
auf  solche  Tuche  untersagt,  sie  in  Bozen  zum  Verkauf  zu  stellen  2) ;  offenbar 
standen  sich  die  Gewandschneider  besser,  wenn  sie  die  Erzeugnisse  der  länd- 
lichen Industrie  an  Ort  und  Stelle  selbst  aufkauften.  Welcher  Art  »Waren« 
bei  dem  zuletzt  erwähnten  Kaufgeschäft  in  Zahlung  gegeben  werden  sollten, 
können  wir  daraus  schließen,  daß  der  Bozener  Gewandschneider  Eberlein 
und  Frau  von  Lanfranchinus  Bonusnepos  von  Trient  am  17.  August  in 
Bozen  außer  italienischen  Baumwollstoffen  (pignolato)  auch  Wachs,  Pfeffer, 
Seife  und  andere  Waren,  im  ganzen  für  99  1.  ver.,  gekauft  hat,  von  denen 
er  58  1.  auf  der  S.  Gallimesse  in  Trient,  den  Rest  mit  41  1.  auf  der  Martini- 
messe von  Meran  erstatten  will.  3)  Ähnhche  Waren  wird  Heinrich  von  Na- 
turns  (bei  Meran)  von  dem  Ladeninhaber  (stagonerius)  Gislold  in  Trient 
gekauft  haben,  so  daß  er  ihm  188  1.  ver.  schuldig  geworden  war;  für  die 
Bezahlung  trat  der  Gewandschneider  Gambarinus  von  Trient  bürgend  und 
vermittelnd  ein;  dieser  versprach  am  21.  Januar  1236  seinem  Landsmann, 
ihm  die  188  1.  nach  seiner  Wahl  auf  der  Meraner  Pfingstmesse  oder  zur 
selben  Zeit  in  Trient  selbst  zu  erstatten,  während  Heinrich  gleichzeitig  in 
Trient  die  Erstattung  derselben  Summe  an  Gambarinus  auf  der  Pfingstmesse 
und  nur,  falls  diese  etwa  nicht  stattfinden  sollte ,  in  Trient  versprach.  *) 
Übrigens  spielten  neben  den  deutschen  Tuchen  auch  von  Italien  her  ein- 
geführte Stoffe  im  Bozener  Handel  eine  nicht  geringe  Rolle.  Neben  Ver- 
käufen von  pignolato  begegnen  mehrfach  auch  solche  von  santellarino,  was 
wohl  auf  Tuche  aus  San  Ilario  (bei  Venedig)  zu  deuten  ist.  s)  Leider  erfahren 
wir  über  die  Einfuhr  dieser  Stoffe  nach  Bozen  nichts  Näheres.  Dagegen 
sehen  wir  einen  Tridentiner  auch  in  Geldgeschäften  in  Bozen  tätig;  die 
Söhne  des  verstorbenen  Albero  von  Wangen,  Friedrich  und  Beral,  weisen 
am  22.  September  1237  für  Hermannus  de  Abato  von  Trient  100  M.  Silbers 
auf  ihre  beim  Kaiser  in  der  Lombardei  befindlichen  Schuldner  an.  6) 

*)  No.  221  (Obert),  661  (Haas):  hinc  ad  prox.  festum  s.  Galli  et  in  dicto  foro 
(seil.  Trient)  vel  hie  Bozano  ista  parte  Athesis. 

*)  No.  699 :  pro  panno  griseo  et  panno  lino.  v.  Hormayr,  Beyträge  no.  93 
p.  205 :  quod  nullus  (rusticus)  hie  in  B.  pannum  vendat,  si  sit  pannum  lineum  vel 
griseum  coram  aliquo  domo  nee  in  foribus  Bozani.  Über  solche  Landweberei  s. 
Schulte  I,  115,  119  f. 

*)  Voltelini  no.  651  (Haas). 

*)  Ebd.  43,  44  (Obert). 

*)  Käufe  von  pignolato :  no.  877,  880  —  882,  von  panno  santellarino  no.  679. 
Für  4  peciae  santellari  werden  im  November  1237  nur  27  1.  ver.  gezahlt  (876). 
Schon  dieser  niedrige  Preis  macht  es  unmöglich,  mit  dem  Herausgeber  an  Zändel 
(cendal,  das  bekannte  taftartige  Seidenzeug)  zu  denken.  In  dem  Inventar  eines 
venezianischen  Tuchladens  von  c.  1225  (Lib.  pleg.  no.  352)  erscheint  »sentelarexio« 
mehrfach  als  bianco,  giallo  e  sanguigno  und  vergato ;  als  besonderer  Posten  stehMI 
zendado  daneben.  «■ 

•)  No.  701  (Haas).  'Am  6.  September  hatte  ein  »mulaterius<  dem  Grafen  Albert 
von  Tirol  einen  Brief  des  Kaisers  aus  der  Lombardei  nach  Bozen  überbracht  ;^ 
no.  678. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         443 

Schon  diese  Urkunde  weist  uns  auf  die  engen  Handelsbeziehungen 
hin,  die  die  Tridentiner  naturgemäß  auch  mit  der  anderen,  der  itahenischen 
Seite,  unterhielten.  Außer  ihren  nächsten  Nachbarn  im  Süden,  den  Vero- 
nesen,  die  namentlich  Öl  nach  dem  Tridentinischen  exportierten  i),  und  den 
Venezianern  verkehrten  besonders  die  Brescianer,  deren  Weg  über  den  Garda- 
see  führte,  in  Trient ;  speziell  hören  wir,  daß  sie  Eisen  nach  Trient  brachten,  2) 
Aus  Cremona  begegnen  uns  Angehörige  des  Geschlechts  der  Sitaclerici  in 
langdauerndem  Pachtbesitz  von  Torzöllen  in  Trient ;  und  aus  Piacenza  stammt 
der  Notar  Obert  und  sein  Vetter  und  Berufsgenosse  Matthaeus.^) 

Nördlich  von  Trient  aber  vermögen  wir  von  diesen  Italienern  nur  noch 
die  Veronesen  im  Handelsverkehr  mit  Deutschen  nachzuweisen.  Am  13.  Mai 
1236  gebot  der  Richter  Jordanus  in  Trient  dem  anwesenden  Bonus  von 
Verona,  noch  am  selben  Tage  den  Tegna  von  Neumarkt  (Egna)  wegen  der 
6  1.  18  sol.  ver.  zu  befriedigen,  die  er  ihm  im  Auftrage  von  Deutschen  zu 
zahlen  hatte.  *)  Und  häufig  begegnen  die  Veronesen  in  Bozen.  Dem  Egino 
Klein  gegenüber  erklärt  sich  am  30.  Juni  1237  Bonaventura,  Sohn  des  Kauf- 
manns Musketus  von  Verona,  wegen  einer  Forderung  für  befriedigt  und  ver- 
spricht ihm  ein  Darlehn  am  nächsten  Genesiusmarkt  zu  erstatten ;  ein  anderer 
Veronese,  Falkus,  ist  als  Zeuge  zugegen.  0)  Als  Hausbesitzer  in  Bozen  er- 
scheinen die  Söhne  des  weiland  Facinus  von  Verona,  als  Häuserspekulant 
der  veronesische  Campsor  Bovetus^),  den  wir  zugleich  auf  schlimmen 
wucherischen  Praktiken  betreffen.  Er  nahm  Wochenzinsen  von  2^/2%  (also 
130  "/o  pro  anno)  und  arbeitete  sich  bei  seinen  Wuchergeschäften  mit  seinem 
Berufsgenossen  und  Landsmann  Belletus  in  die  Hände.') 

347,  Wenn  uns  die  Notariatsakten  von  Bozen  und  Trient  die 
oberdeutschen  Kaufleute  an  der  Schwelle  Italiens  zeigen,  so  liegt  der 
Schluß  nahe,  daß  diese  Kaufleute  zur  selben  Zeit  vielfach  auch  nach 
Italien  selbst  weitergezogen  sind,  um  sich  dort  mit  den  Waren  zu  ver- 
sorgen^), die  ihnen  der  Süden  zu  bieten  hatte.  Und  in  der  Tat  sind 
Zeugnisse  genug  vorhanden,  die  die  Richtigkeit  dieses  Schlusses  be- 
stätigen. 

Eine  Hauptstation  auf  diesem  Wege  der  deutschen  Kaufleute 
mußte  Verona  sein. 


')  Lib.  Jur.  Civ.  rub.  231  p.  176..  Über  Schulden  der  Tridentiner  bei  Vero- 
nesen ebd.  rub.  243  (vor  1225). 

2)  No.  60,  91,  137,  243  u.  öfter  (Obert).  Stat.  Bresc,  Leges  Munic.  H,  1584 
(111).  Urkunde  von  1211  über  den  Eisentransport  von  Br.  nach  Trient  bei  v.  Hor- 
mayr,  Gesch.  v.  Tirol  I,  2  no.  91  p.  224. 

^)  Voltelini  no.  398  (Obert)  und  Anm.  des  Herausgebers  p.  183  f. ;  no.  19.  Der 
Zoll  war  an  einen  Einnehmer  weiterverpachtet,  der  1240  diese  Maut  schon  10  Jahre 
innehatte. 

*)  No.  276 :  quas  ei  stetit  dare  pro  Teotonicis. 

6)  No.  578,  579  (Haas). 

6)  No.  639,  663,  664. 

•')  No.  645,  652,  799,  807,  683. 

8)  In  Kürze  sei  hier  auf  das  1276  redigierte  Augsburger  Stadtrecht  hinge- 
wiesen, das  von  »Venediger  Gut<  und  den  >Kaufleuten<  (im  Unterschiede  von  Ge- 
wandschneidern und  Krämern')  redet,  die  »durch  die  Berge*  oder  »von  Venedic<: 
nach  Augsburg  kommen.  Keutgen  F.  Der  Großhandel  im  Mittelalter,  in :  Hansische 
Geschichtsblätter,  Jahrg.  1901  (Leipzig  1902),  p.  103  f. 


444  Einunddreißigstes  Kapitel. 

Nach  einer  zuerst  1173  aufgezeichneten  Zollordnung  hatte  der  Vice- 
comes  von  Verona  von  den  deutschen  Kaufleuten,  die  die  Stadt  passierten 
{die  Romfahrer  und  Pilger  werden  ausdrücklich  von  ihnen  unterschieden), 
5  den.  ver.  für  die  Last  zu  erheben;  bei  Schwertern  wurde  die  Abgabe  in 
natura  mit  einem  Schwert  durchschnittlicher  Güte  von  der  Last  geleistet; 
die  nur  zum  Reiten  benutzten  Pferde  blieben  abgabenfrei,  i)  Und  dieser 
Handelsverkehr  der  Deutschen  war  für  die  Veronesen  von  großer  Wichtig- 
keit, eine  Ablenkung  desselben,  wie  sie  leicht  genug  möglich  war,  für  sie 
sehr  empfindlich.  '^)  Darum  legte  Verona  so  großes  Gewicht  darauf,  daß  der 
Kaiser  im  Frieden  von  Konstanz  1183  versprach,  »die  Straße  den  Veronesen 
zurückzugeben«.  3)  Und  darum  verpflichtete  es  in  seinen  Statuten  aus  den 
ersten  Zeiten  des  13.  Jahrhunderts  den  Podestä,  dafür  zu  sorgen,  daß  die 
von  den  deutschen  Kaufleuten  und  Pilgern  benutzte  Straße,  die  von  jenseits 
der  Berge  kommend  durch  das  Etschtal  führe,  nach  Verona  gehe.'*) 

Wenn  Verona  für  den  Verkehr  mit  Venedig  als  besonderen  Vor- 
zug den  Wasserweg  zu  bieten  hatte,  so  war  es  doch  für  den  Handels- 
verkehr der  Deutschen  Tirols  und  seiner  nördlichen  Vorlande  ein  sehr 
wesentlicher  Vorteil,  daß  sie  nicht  allein  auf  den  Weg  über  Verona 
angewiesen  waren  und  von  Trient  aus  den  Weg  durch  Val  Sugana 
und  weiter  entweder  die  Brenta  entlang  über  Bassano  auf  Padua  zu 
oder  über  Feltre  zum  Piave  nach  Treviso  wählen  konnten.  Wer  von 
Sterzing  kam,  konnte  auch  gleich  ins  Pustertal  abbiegen  und  vom 
Toblacher  Feld  südwärts  über  Peutelstein  und  Cortina  den  Weg  nach 
Treviso  ziehen,  den  wir  schon  um  das  Jahr  1000  von  den  Deutschen 
begangen  gefunden  haben.  ^)  In  unserer  Zeit  weiß  Albert  von  Stade, 
der  1236  seine  Romreise  gemacht  hat,  diese  Straße  allerdings  wenig 
zu  rühmen,  da  es  im  Pustertal  sehr  teuer  sei  und  dabei  schlechte 
Wirtshäuser  gebe  ^) ;  freilich  berichtet  er  nicht  aus  eigener  Erfahrung, 
da  er  selbst  von  Ravenna  aus  den  Weg  über  Ferrara  und  Padua  nach 
Bassano  und  durch  Val  Sugana  gemacht  hat. 

348.  Für  den  Handelsverkehr  der  östlicheren  Alpenländer  mit  Italien 
kam  vor  allem  der  das  Gebiet  der  Drau  (Gail)  mit  dem  des  Tagliamento  ver- 
bindende Weg  durch  das  Canaltal,  von  Tarvis  über  Pontebba  und  Chiusa- 
forte  nach  Venzone-Gemona  in  Betracht ;  von  hier  erreichte  er  auf  dem  kür- 
zesten Wege  direkt  nach  Süden  bei  Aquileja  die  See,  während  er  in  süd- 
westlicher Richtung  über  San  Daniele   und  Pordenone   in    Conegliano  den 


*)  Aussage  des  Renoardus  de  Portenariis  von  1173;  Atti  ven.  (Anhang  zum 
N.  Arch.  ven.  X,  1895),  p.  471  ff.     Unten  §  590. 

8)  Vgl.  unten  §  548. 

■)  Oonst.  et  acta  I,  403  (Vorvertrag),  416:  restituimus  stratam  Veronensibus ; 
D.  Imperator  restituet  stratam  Veronensibus. 

*)  Lib.  Juris  civ.,  rub.  230  p.  175.     Lenel  39  A.  3. 

*)  Näheres  öhlmann  IV,  245  ff.  Oben  §  69.  Nach  dem  Vertrage  Trevisos  mit 
den  Brüdern  Wecilo  und  Gabriel  de  Camino  von  1183  hatten  20  Vertreter  von  Ca- 
dore  für  die  Trevisaner  und  ihre  Waren  einen  Sicherheitseid  zu  leisten.  Murat. 
Antiq.  IV,  169  f.  Erneuert  1199,  wo  die  Brüder  sich  gleichzeitig  zu  Bürgern  von 
Treviso  erklärten  p.  171  ff.  Im  selben  Jahre  versprach  Ceneda  den  Trevisanern, 
stratas  securas  facere  et  mercata  in  tota  nostra  forcia  (15.  Juni  1199  ebd.  177;  bei 
Minotto  II  1  p.  15  irrig  zu  1190) 

o)  SS.  XVI,  399 :  Sed  per  Pusterdal  carissima  sunt  tempora  et  mala  hospitia. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         445 

Anschluß  an  die  Hauptstraße  nach  Treviso  und  Venedig  fand.  Für  das 
westhchere  Draugebiet  stellte  der  von  Lienz  und  Oberdrauburg  kommende 
Weg  über  Mauten  und  den  Plöcken  (Mons  Crucis)  die  kürzere  Verbindung 
mit  Italien  dar;  über  Tolmezzo  führend,  vereinigte  er  sich  bei  Venzone  mit 
der  Pontebbastraße.  1)  So  war  das  diesem  Knotenpunkt  nahe  gelegene  Ge- 
mona  für  den  Handelsverkehr  mit  den  deutschen  Alpenländern  ein  wichtiges 
Zentrum;  seine  Bedeutung  wurde  durch  den  Vergleich,  den  der  Patriarch 
Gotfried  von  Aquileja  mit  dem  Grafen  Heinrich  von  Görz  und  Tirol  im 
Jahre  1184  schloßt),  noch  gesteigert.  Darnach  wurde  dem  Grafen  die  Be- 
lehnung mit  der  Hälfte  der  Zolleinkünfte  von  Gemona  nur  zugestanden  unter 
der  Bedingung,  daß  in  dem  ganzen  Gebiete  oberhalb  von  Gemona  bis  Pon- 
tafel  einerseits  und  zum  Plöcken  andererseits  sowie  im  Umkreise  einer  Meile 
unterhalb  Gemonas  kein  Markt  für  Salz  noch  sonst  ein  öffentlicher  Markt 
eingerichtet  werden  dürfte. 

Positive  Nachrichten  über  die  Benutzung  dieser  Straßen  zu  Handels- 
'  zwecken  von  Deutschland  her  liegen  für  die  ältere  Zeit  hauptsächlich  nur 
in  den  Vergünstigungen  vor,  die  die  Patriarchen  von  Aquileja  einer  Anzahl 
von  kirchlichen  Instituten  in  den  Alpenländern  gewährt  haben.  So  erließ 
Patriarch  Pihgrin  1151  dem  Domkapitel  von  Salzburg  für  die  diesem  selbst 
gehörigen  Saumtiere  den  Zoll  in  Chiusaf orte  ^) ;  unzweifelhaft  haben  diese  also 
von  Salzburg  aus  den  Weg  über  Radstadt,  Gmünd  und  Spittal  nach  Tarvis 
und  weiter  durch  das  Canaltal  genommen  und  sich  wohl  in  Aquileja  selbst 
mit  den  Waren  Italiens  versorgt.  Das  wird  bestätigt  dadurch,  daß  derselbe 
Patriarch  den  Chorherren  von  Gurk  am  Markte  von  Aquileja  einen  Freihof 
überwiesen  hat^) ;  auch  ihnen  wurde  Zollfreiheit  an  der  Klause  (Chiusaforte) 
bewilligt.  In  etwas  beschränkterem  Umfange  erhielten  diese  Mautfreiheit  auch 
die  Kärntner  Klöster  von  Sankt-Paul  und  Ossiach,  jenes  für  je  20,  dieses  für 
je  10  Saumpferde  im  Jahre.  ^) 

349.  Von  besonderem  Interesse  für  den  Handelsverkehr  auf  beiden 
Straßen  ist  der  Vergleich,  den  Patriarch  Berthold  mit  seinem  Neffen  Mein- 
hard  von  Görz  auf  Grund  eines  Schiedspruches  am  27.  November  1234  zu 
Cividale  geschlossen  hat,  insofern  er  jedem  der  beiden  Pässe  sein  natür- 
Uches  Verkehrsgebiet  erhalten  und  Umgehungen  zum  Zwecke  der  Zollerleich- 
terung möglichst  ausgeschlossen  wissen  will.  So  sollte  dem  Grafen  Meinhard 
für  alle,  die  oberhalb  von  Niederwoelz,  also  im  oberen  Murgebiet,  oberhalb 
von  der  Stelle,  wo  die  von  Pontafel  über  Villach  und  Friesach  führende 
Straße  die  Mur  erreicht,  wohnten  und  alle,  die  über  die  Tauern  von  Bayern 

*)  Beides  alte  Römerstraßen.  S.  die  oben  zitierte  Karte  Luschins.  öhlmann 
IV,  240.  Wanka  O.,  Edler  v.  Rodlow.  Der  Verkehr  über  den  Paß  von  Pontebba- 
Pontafel  und  den  Predil  im  Altertum  und  Mittelalter.  Prag  1899  (Prager  Studien 
a.  d.  Gebiete  der  Gesch.-Wiss.,  H.  3) ;  dazu  die  Besprechung  von  Jaksch  in  MIÖG. 
XXI,  177  ff. 

*)  V.  Hormayr,  Beyträge  II  no.  71  p.  149.     Wanka  30  f. 

')  Theloneum  quod  in  canali  ad  clusam  nostram  de  propriis  somaiiis  per- 
solvere  consueverant.  Archiv  f.  Gesch.,  Statistik,  Litt.  u.  Kunst;  Jahrg.  18  (Wien 
1827),  711.     Wanka  31. 

*•)  Nur  in  der  Bestätigung  Ulrichs  vom  14.  März  1169  erhalten ;  Archiv  für 
vaterl.  Gesch.  u.  Topogr.,  hersg.  v.  Hist.  Ver.  f.  Kärnten,  11  (Klagenfurt  1850),  129 
no.  382. 

')  Ebd.  p.  124  no.  329  für  Ossiach  im  Jahre  1159;  für  S.  Paul  liegen  nur  die 
Erneuerungen  von  1162  und  1194  vor;  ebd.  no.  358  u.  524.  Archiv  f.  Gesch.,  Sta- 
tist., 13.  Jahrg.  (Wien  1822)  p.  416.     Wanka  31.     Bianchi  p.  179,  188,  205. 


446  Einunddreißigstes  Kapitel. 

her  kamen,  das  Geleits-  und  Zollrecht  ungeschmälert  bleiben,  da  für  diese 
der  Weg  über  den  Plöcken  als  der  natürliche  erschien;  gegenüber  den  aus 
Kärnten,  Steiermark  und  Österreich  Kommenden  aber,  die  seit  alten  Zeiten 
immer  durch  das  Canaltal  gezogen  waren,  in  neuerer  Zeit  aber,  um  die  Maut 
von  Chiusaforte  zu  umgehen  i),  mehrfach  auch  den  Weg  über  den  Plöcken 
eingeschlagen  hatten,  behielt  sich  der  Patriarch  das  Recht  vor,  2/3  der  Zoll- 
sätze von  Chiusaforte  an  einem  anderen  Orte  seines  Gebiets  (es  wird  in  erster 
Linie  an  Tolmezzo  oder  Gemona  zu  denken  sein)  zu  erheben.  Seit  dem 
Ende  unseres  Zeitraums  können  wir  die  Verpachtung  dieser  Zölle  nachweisen ; 
noch  Patriarch  Berthold  zog  dazu  sienesische  Kaufleute  heran  (25.  Januar 
1250)^);  nach  seinem  Tode  hat  Gregor,  der  Erwählte  von  Aquileja,  im 
Sommer  1253  an  eine  sienesische  Handelsgesellschaft  den  alten  Zoll  von 
Tolmezzo  auf  ein  Jahr  für  10  Mark  Aquilejer  Münze  und  den  weit  einträg- 
licheren neuen  Zoll  von  Chiusaforte  und  Tolmezzo,  der  auf  Wein,  Salz  und 
Eisen  gelegt  war,  auf  9  Monate  für  150  Mark  verpachtet  3);  wesenthch  höhere 
Erträge  erzielte  der  Patriarch  2  Jahre  darauf,  wo  dieselbe  Gesellschaft  ihm 
für  den  alten  und  neuen  Zoll  von  Chiusaforte  für  einen  Zeitraum  von  2  Jahren 
einen  Pachtschilling  von  600  Mark  zahlte.  4)  In  erwünschter  Weise  erhalten 
wir  so  auch  die  Gewißheit,  daß  das  Eisen  der  deutschen  Alpenländer  den 
Hauptgegenwert  bildete  gegenüber  dem  italienischen  Wein  und  dem  Salz, 
das  für  einen  beträchtlichen  Teil  des  Alpengebiets  leichter  aus  Italien  als 
von  den  Salinen  der  Tiroler  und  Salzburger  Alpen  her  zu  beziehen  war. 

Der  Pachtvertrag  vom  8.  Juli  1253  enthält  auch  die  Bestimmung,  daß 
die  Pächter  Anspruch  auf  Schadenersatz  hätten,  falls  wegen  eines  Zwistes 
mit  Venedig  oder  aus  einem  anderen  Grunde  der  Verkehr  auf  der  Straße 
behindert  oder  eine  Herabsetzung  oder  Beseitigung  der  Zölle  vorgenommen 
werden  sollte.  Damit  ist  auf  das  DeutHchste  dargetan,  daß  Venedig  ein 
Hauptzielpunkt  auch  des  Verkehrs  über  diese  Alpenstraßen  war,  ob  nun  der 
Weg  über  Aquüeja  oder  der  direkte  Landweg  gewählt  wurde.  Den  Vene- 
zianern selbst  war  der  Weg  über  Aquileja,  der  einen  längeren  Transport  zu 
Wasser  ermöglichte  und  damit  offenbar  auch  der  billigere  war,  der  erwünsch- 
tere; darum  haben  sie  sich  auch  in  ihrem  Vertrage  mit  dem  Patriarchen  vom 
14.  September  1248  die  Zurückverlegung  des  Stapels,  der  während  des  vor- 
hergegangenen Streites  nach  Gemona  verlegt  worden  war,  nach  Aquileja 
ausbedungen.  ^) 

Wir  haben  nunmehr  die  Deutschen,  auf  welchem  Wege  auch  immer 
sie  über  die  Alpen  gekommen  sein  mochten,  in  Venedig  selbst  aufzu- 
suchen. 

350.  Man  hat  die  Darstellung  Martine  da  Canals,  daß  schon  zur 
Zeit  des  Dogen  Domenico  Morosini,   also  in   der  Mitte   des  12.  Jahr- 


*)  Quod  mutam  de  Clusa  effugere  vellent.  Hormayr,  Beyträge  II,  391  no.  164. 
Zahn  J.  V.,  Urkundenbuch  des  Herz.  Steiermark,  11  (Graz  1879)  no.  317  p.  419  fif. 
Wanka  32. 

«)  Levi  p.  176  Anm.  1;  zugleich  über  die  damahge  Verschuldung  des  Pa- 
triarchen. 

3)  Zdekauer,  Mercante ;  Doc.  no.  5  p.  99  ff.,  24.  Juni  u.  8.  Juh ;  die  erste  Ver- 
pachtung erfolgte  in  Cividale,  die  zweite  in  Venedig.  Pächter  sind  Raynaldus  Ray 
naldi  und  Raynerius  (Gabriel)  Rusticini  pro  se  et  sociis  suis. 

*)  Ebd.  p.  102  (nur  Regest).   Vollständig  bei  Bianchi  p.  394  no.  200.  Wanka  32. 

')  Kandier:  Item  ut  portus  qui  est  Glemonae  removeretur  inde  et  fieret  ipse 
portus  in  Aqu.,  ut  ante  erat. 


4 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         447 

hunderts,  sich  Schwaben  und  Bayern,  Franzosen  und  Lombarden, 
Toskaner  und  Ungarn  des  Handels  wegen  in  Venedig  zusammen- 
gefunden hätten,  bezweifelt,  da  seine  cronique  des  Veniciens  erst  ein 
Jahrhundert  später  verfaßt  ist^);  aber  wenn  wir  uns  erinnern,  daß 
schon  der  Vertrag  Venedigs  mit  dem  Bischof  von  Treviso  vom  Jahre 
1001  auf  die  Deutschen  besonders  Bezug  nimmt,  so  wird  sich  kaum 
bezweifeln  lassen,  daß  diese  Darstellung,  was  wenigstens  die  Deutschen 
betrifft,  den  Tatsachen  entspricht.  Und  so  ist  es  auch  von  den 
Deutschen  mit  zu  verstehen,  wenn  Kaiser  Friedrich  I.  in  seinem  für 
das  gesamte  Reichsgebiet  geltenden  Privileg  für  Venedig  vom  17.  Aug, 
1177  ausdrücklich  erklärt,  daß  die  Untertanen  des  Reichs  bei  ihrem 
Verkehr  mit  Venedig  zu  der  herkömmlichen  Entrichtung  des  Ufer- 
zolls und  des  Vierzigsten  verpflichtet  bleiben  sollten.^)  Auch  das  da- 
mahge  Vorhandensein  eines  kaiserlichen  Hospes  in  Venedig  läßt  auf 
weiteren,  nicht  bloß  politischen ,  deutsch  -  venezianischen  Verkehr 
schließen.^)  Und  wenn  Verona  in  dem  Vertrage  von  1192  verspricht, 
den  Fremden,  die  mit  ihren  Waren  Venedig  aufsuchen  wollten,  keinerlei 
Hindernis  zu  bereiten*),  so  liegt  es,  zumal  wenn  wir  an  die  Zollordnung 
von  1173  denken,  nahe,  unter  diesen  Fremden  in  erster  Linie  die 
Deutschen  zu  verstehen. 

Daß  dieser  Verkehr  der  Deutschen  in  Venedig  aber  von  beträcht- 
licher Stärke  gewesen  sein  muß,  wird  dadurch  über  allen  Zweifel  er- 
hoben, daß  uns  im  Jahre  1228  ein  für  die  Deutschen  bestimmtes  staat- 
liches Fondaco  in  Venedig  (fonticum  comunis  Venetiarum  ubi  Teu- 
tonici  hospitantur)  entgegentritt. 

Marco  Alberti  führte  damals  die  Verwaltung  dieses  Fondaco  im  Namen 
eines  Bruders  und  eines  Verwandten,  die  am  1.  Dezember  1228  das  Fondaco 
vom  Staate  auf  ein  Jahr  für  1100  1.  ven.  derart  pachteten,  daß  der  Pacht- 
preis in  viermonatüchen  Raten  zu  erlegen  war;  für  die  richtige  Erlegung 
der  Pacht  leisteten  am  7.  Dezember  Domenico  Arimondi  und  Simeon  Foscari 
Bürgschaft.  ^) 

Es  fragt  sich,  ob  man  annehmen  darf,  daß  dieses  Fondaco  de'  Tedeschi 
schon  geraume  Zeit  vor  1228  bestand.  Nun  erfahren  wir,  daß  es  im  selben 
Jahre  auch  andere  staatliche  Fondachi  gab;  Abelino  di  San  Bartolommeo 
hat  unter  gleichen  Bedingungen  für  die  Zeit  vom  1.  Januar  1229  ab  das 
»fonticum  comunis  novum«  und  ein  drittes  »fonticum  quod  factum  est  in 
domo  Johannis  Michaelis«  gepachtet.  6)  In  beiden  Fällen  handelt  es  sich 
also  offenbar  um  seit  kurzem   eingerichtete  Fondachi.     Im  Jahre  1225  aber 


»)  So  Simonsfeld  U,  8  und  Lenel  39  A.  3.  Die  Stelle  da  Canals  (Arch. 
it.  Vin,  1845  p.  310) :  Alemans  et  Baivers,  Franceis  et  Lombars,  Toscans  et  Ongres 
et  totes  gens  qui  vivent  de  merchandies.  ^ 

•)  Const.  et  acta  I,  356  no.  274.  Auch  die  Vermittlerrolle,  die  Venedig  unter 
den  früheren  Kaisern  zwischen  Deutschland  und  Byzanz  spielte,  ist  für  die  Beur- 
teilung deutsch -venezianischer  Handelsbeziehungen  nicht  ohne  Gewicht;  s.  Bern- 
hardi,  Lothar  p.  575  ;  Konrad  III  p.  268. 

')  Giesebrecht  VI,  242  u.  704. 

*)  Cipolla  p.  309. 

*)  Lib.  pleg.  no.  685.     Simonsfeld  I,  1  no.  2. 

•)  Lib.  pleg.  no.  698.     Simonsfeld  H,  9  A.  1. 


448  Einunddreißigstes  Kapitel. 

ist  einmal  von  einem  fontecum  communis  ohne  jeden  unterscheidenden 
Beisatz  die  Rede;  vom  1,  April  ab  ist  es  damals  auf  ein  Jahr  für  1360  1.  ven. 
an  Marco  Albaregno  verpachtet  worden,  für  den  Pietro  und  Giovanni  Ari- 
mondo  mit  einem  Teilbetrage  Bürgschaft  übernommen  haben,  i)  Somit  muß 
also  dieses  Fondaco  mit  jenem,  in  dem  nach  dem  Pacht  vertrage  vom  1.  De- 
zember 1228  die  Deutschen  herbergten,  identisch  sein.  Ich  halte  auch  die 
Pächter  Alberti  und  Albaregno  für  identisch,  zumal  der  Vorname  derselbe 
ist  und  sich  Angehörige  der  Familie  Arimondi  in  beiden  Fällen  unter  den 
Bürgen  befinden.  Der  Rückgang  in  dem  Pachtertrage  von  1360  auf  1100  L 
würde  sich  leicht  aus  der  inzwischen  erfolgten  Neuerrichtung  zweier  staat- 
licher Fondachi  erklären;  diese  Errichtung  selbst  aber  würde  veranlaßt  sein 
durch  das  Zuströmen  von  Fremden,  besonders  von  Deutschen  nach  Venedig, 
das  durch  das  damalige  Kreuzzugsprojekt  dss  Kaisers  eine  starke  Steigerung 
erfahren  haben  muß. 

Somit  halte  ich  für  das  Wahrscheinlichste,  daß  das  staatliche  Fondaco 
de'  Tedeschi  von  1228  mit  dem  staatlichen  Fondaco  von  1225  räumlich 
identisch  ist,  daß  dieses  Fondaco  aber  1225  noch  keineswegs  ausschließlich 
für  die  Deutschen  bestimmt  war,  wenn  es  auch  vielfach  von  ihnen  aufge- 
sucht worden  sein  mag,  daß  man  aber  bald  darauf,  wohl  durch  den  besonders 
starken  Zufluß  von  Deutschen  aus  Anlaß  des  Kreuzzuges  bestimmt,  sich  dazu 
entschloß,  dies  Fondaco  dem  Verkehr  der  Deutschen  vorzubehalten  und  für 
den  anderweiten  Verkehr  neue  Fondachi  von  Staatswegen  einzurichten. 

Wenn  die  Verwaltung  des  Fondaco  der  Deutschen  zunächst  in  der 
Hand  des  Pächters  oder  der  Pächter  lag,  so  zog  es  doch  der  Staat  bald  vor, 
dieselbe  in  eigene  Regie  zu  nehmen;  im  Jahre  1231  sind  Pietro  Contarini 
und  Marco  Corner  als  die  ersten  visdomini  al  fondaco  nachweisbar  2).  Es 
wurde  also  damit  eine  neue  Kategorie  von  Vicedomini  geschaffen,  während 
das  Amt  selbst  schon  seit  alter  Zeit  die  Zollverwaltung  und  alle  sonst  mit 
dem  Fremdenverkehr  zusammenhängenden  Angelegenheiten  unter  sich  hatte. 
Allmählich  sind  nun  auch  jene  strengen  Ordnungen  des  Fondaco  dei 
Tedeschi  geschaffen  worden,  die  uns  Simonsfeld  so  eingehend  geschildert 
hat;  was  davon  etwa  noch  bis  auf  die  Zeit  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
zurückgehen  mag,  läßt  sich  nicht  sagen. 

351.  Im  übrigen  sind  unsere  Nachrichten  über  den  Handelsverkehr  der 
Deutschen  in  Venedig  aus  dieser  Zeit  dürftig  genug.  Ein  in  Venedig  an- 
gesessener Deutscher  war  Bernhard,  der  in  San  Bartolommeo  in  einem  Hause 
des  Dogen  Pietro  Ziani  wohnte  und  im  Dezember  1213  sein  Testament 
machte  3).  In  diesem  hinterließ  er  u.  a.  seinem  Neffen  Enrico  Tedesco  300, 
seiner  Nichte  Engeltrud,  Frau  des  Pietro  Lombardo  500  1.  ven.,  seinem  Ver- 
wandten Konrad  Paier  ein  Haus  und  ein  Lehen  des  Patriarchen  in  Aquileja, 
während   er  für  die   Kranken  in   München   50,   in  Aquileja  25  1.   aussetzte 


')  Lib.  pleg.  no.  249.     Simonsfeld  1.  c. 

*)  N^h  einer  Notiz  im  Lib.  pleg.  no.  232  zahlen  sie  im  Juni  1231  auf  Befehl 
des  Dogen  150  1.  an  Marco  Trevisan,  womit  sich  der  Staat  befriedigt  erklärt  wegen 
einer  Summe,  die  er  vor  geraumer  Zeit  wegen  einer  in  kaufmännischem  Interesse 
nach  Ungarn  geschickten  Gesandtschaft  vorgestreckt  hatte.  Die  Stelle  liegt  bei 
Ljubic  in,  895  im  Wortlaut  vor.  Die  Vicedomini  in  dem  von  Simonsfeld  an  erster 
Stelle  abgedruckten  Dokument  (I  p.  1 ;  II,  9  A.  1)  als  Viced.  des  Fond,  de'  Ted.  zu 
betrachten,  liegt  kein  ausreichender  Grund  vor. 

*)  Cecchetti  B.  Appunti  suUe  finanze  antiche  della  Rep.  ven.  im  Arch.  ven. 
35  (1888)  p.  42. 


d 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         449 

und  dem  Bernhard  von  München  und  seinen  Erben  200  1.  vermachte.  Im 
Jahre  1224  übernahm  der  genannte  Enrico  Bürgschaft  in  Höhe  von  40  1. 
für  Marcoardo  da  Vinimorco  (dem  Namen  nach  sicher  auch  ein  Deutscher), 
der  sein  Eigentumsrecht  an  500  Eichhörnchenfellen,  die  bei  zwei  Venezianern 
deponiert  waren,  geltend  machte,  i)  Im  Jahre  1228  hören  wir  ferner  von 
einem  Raube,  den  Walther  von  Aquileja  und  Genossen  an  Deutschen  ver- 
übt haben  2).  Öfter  kam  es  vor,  daß  deutsche  Ritter  und  Große  bei  ihrem 
Aufenthalte  in  Venedig,  namentlich  in  Kreuzzugszeiten,  Schulden  bei  Vene- 
zianern kontrahierten^).  Und  wenn  wir  Waren  deutscher  Herkunft,  wie 
Tuchen  von  Mainz  und  von  Köln,  mehrfach  in  Venedig  begegnen,  *)  so  be- 
weist das  an  sich  freilich  noch  nichts  für  den  Verkehr  der  deutschen  Kauf- 
leute in  Venedig;  da  dieser  aber  nachgewiesen  ist,  so  wird  es  auch  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich,  daß  solche  Waren  auch  direkt  durch  die  deutschen 
Kaufleute  nach  Venedig  gebracht  worden  sind. 

352.  So  groß  die  Anziehungskraft  Venedigs  auf  die  deutschen 
Kaufleute,  die  über  die  Ostalpen  nach  Italien  herabstiegen,  sein  mochte, 
so  war  ihr  Verkehr  doch  nicht  auf  Venedig  beschränkt.  Die  Zoll- 
ordnung von  Ferrara  vom  Jahre  1228  führt  auch  die  Deutschen  auf, 
die  mit  Waren  von  unterhalb  oder  oberhalb  des  Po  nach  Ferrara 
kämen ;  im  Jahre  1223  wurde  ein  Deutscher  Bernhard,  der  in  Venedig 
in  San  Pantaleone  wohnte  und  mit  dem  ebenfalls  dort  wohnhaften 
Johann  von  Feltre  nach  Ferrara  gegangen  war,  bei  der  Rückkehr  von 
Leuten  des  Markgrafen  von  Este  beraubt;  ein  Wiener  Kaufmann, 
Heinrich  Baum,  ist  1240  im  apulischen  Getreidehandel  tätig.  ^)  Von 
Verona  —  Mantua  her  kamen  wohl  die  Deutschen ,  die  im  Jahre 
1220  in  der  Gegend  von  Gonzaga  ausgeplündert  worden  waren;  Ver- 
treter von  Luzzara  mußten  damals  schwören,  daß  der  Ort,  wo  der 
Überfall  erfolgt  war,  weder  zu  dem  Gebiet  von  Luzzara  noch  über- 
haupt zum  cremonesischen  Gebiet  gehöre.^)  Wenn  diese  Deutschen 
bei  Borgoforte  den  Po  überschritten  haben  mögen,  wohl  um  auf  Bo- 
logna weiter  zu  ziehen,  so  lag  für  diejenigen,  die  von  Verona — Man- 
tua her  nach  Parma  und  zur  La  Cisastraße  weiter  wollten,  der  Haupt- 
übergang bei  Brescello;  die  hier  den  Po  kreuzende  Straße  führte  ge- 
radezu den  Namen  der  deutschen ,  wie  wir  aus  dem  Privileg  des 
Papstes  Anastasius'  IV.  vom  Jahre  1153  für  das  Kloster  San  Genesio 
von  Brescello  erfahren,  in  dem  er  diesem  seine  Rechte  im  Hafen  von 


»)  Lib.  pleg.  no.  69. 

2)  Ebd.  p.  173  u.  no.  606. 

2)  Ebd.  no.  299,  318.  Vom  Erzbischof  von  Salzburg  verlangte  der  Papst  im 
Jahre  1246  Überweisung  einer  ihm  versprochenen  Geldsumme  nach  Venedig  an  den 
dortigen  Bischof.     Höfler  p.  109. 

*)  Gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  werden  durch  Seeräuber  aus  Cervia  von 
einem  venezianischen  Schiffe  geraubt  u.  a. :  peciae  2  de  Mensa  et  pecia  1  de  Co- 
logna;  Minotto  IIIi  p.  11.  Das  Inventar  eines  Tuchladens  am  Rialto  weist  um  1225 
auch  auf  6  braccia  dl  »men8a.<     Lib.  pleg.  no.  352. 

0)  Muratori  Antiqu.  U,  29.     Lib.  pleg.  p.  173.     Unten  §  398. 

«)  Cod.  Cremonae  I,  239.  Schulte  I,  108  meint,  es  sei  wohl  auf  dem  Wege 
von  Cremona  nach  Ferrara  geschehen ;  Sicherheit  läßt  sich  darüber  natürlich  nicht 
erlangen. 

Schaube,  Handelsgeschlchte  der  roman.  Völker  Im  Mittelalter.  29 


450  Einunddreißigstes  Kapitel. 

Brescello  sowie  die  deutsche  Straße  mit  ihrem  Zoll  und  sonstigen  Ein- 
künften bestätigte.^)  Fast  genau  zur  selben  Zeit  (1155)  zeigen  uns 
Vertrags  Verhandlungen  zwischen  Lucca  und  Pisa,  welche  Wichtigkeit 
der  Verkehr  der  Deutschen  auf  der  Frankenstraße  für  diese  Städte 
hatte.  ^)  Darnach  kann  es  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  auch 
die  deutschen  Kaufleute  unter  den  »ultramontani  negotiatores«  mit  zu 
verstehen  sind,  denen  nach  dem  Dekret  Alexanders  III.  vom  24.  März 
1170^)  die  Konsuln  des  lombardischen  Bundes  den  Weg  nach  Tus- 
cien  ebenso  wie  den  eigenen  Kaufleuten  sperren  sollten,  um  durch 
diese  Handelssperre  die  Toskaner  dem  Willen  des  Papstes  gefügig  zu 
machen. 

353.  Ein  beträchtlicher  Teil  des  Handelsverkehrs  der  Deutschen 
auf  der  Frankenstraße  wie  auf  der  Via  Aemilia  kam  natürlich  nicht 
von  den  Ostalpen,  sondern  von  den  Schweizerpässen  her*),  unter  denen 
der  Septimer  seine  für  den  deutsch-italienischen  Handel  überragende 
Bedeutung  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  noch  voll  behauptet  hat. 

Ein  von  Bischof  Guido  von  Chur  gegen  Anfang  des  12.  Jahrhunderts 
wenn  nicht  begründetes,  so  doch  ausgebautes  und  reich  ausgestattetes  Hos- 
piz zu  Ehren  des  hl.  Petrus  erleichterte  diesen  Verkehr,  ö)  Wohl  hatte  die 
Anlegung  der  »stäubenden  Brücke«  (zwischen  1218  und  1225)  im  wilden 
Quertal  der  Reuß  den  Weg  vom  Vierwaldstättersee  nach  dem  Urserental 
gangbar  gemacht  und  damit  für  große  Teile  des  Rheingebiets  den  kürzesten 
Weg  nach  Italien  über  den  Sankt  Gotthard  ermöglicht ;  indessen  ist  geraume 
Zeit  vergangen,  ehe  sich  der  große  Verkehr  wirklich  der  neuen  Straße  zu- 
gewandt und  damit  eine  neue  Periode  in  der  Geschichte  der  deutsch-italie- 
nischen Handelsbeziehungen  eingeleitet  hat.  ß)  Und  dasselbe  gilt  von  dem 
Pfade  über  den  Simplon,  der  am  Anfang  des  Jahrhunderts  wesenthch  ver- 
bessert worden  war. '^)  Noch  waren  die  westlichsten  Gebiete  Deutschlands, 
soweit  sie  nicht  auch  den  Weg  über  den  Septimer  wählten,  auf  die  Straße 
über  den  Großen  Sankt  Bernhard  angewiesen. 

Unter  den  lombardischen  Städten  im  Süden  der  Schweizer  Alpen  ist 
es  Como,  wo  wir  den  meisten,  freilich  zunächst  auch  nur  indirekten  Zeug- 
nissen für  den  Handelsverkehr  der  Deutschen  in  unserer  Zeit  begegnen.  Als 
die  Stadt,  die  erst  1164  vom  Kaiser  den  Sperrturm  von  Ologno  an  der  nach 


*)  Muratori  Antiqu.  V,  1002:  jura  quoque  vestra  quae  in  Brixellensi  portu 
habetis  atque  stratam  Teutonicam  et  theloneum  et  usum  qui  de  ea  exire  solet. 

»)  Unten  §  510. 

»)  Vignati  201  ff.  Cod.  Land.  H  no.  48.  J.-L.  11  747.  Giesebrecht  V,  651 ; 
VI,  491  f. 

*)  Über  den  Verkehr  auf  denselben  verweise  ich  auf  Schultes  großes  Werk. 
Auf  diesem  beruht,  was  den  historischen  Teil  anbetrifft,  wesentlich  auch  R.  Rein- 
hard :  Pässe  u.  Straßen  in  den  Schweizer  Alpen.  Topogr.-histor.  Studien.  Luzern  1903. 

8)  Otto  IV.  gewährte  1209  der  familia  hospitalis  montis  Septimi  Abgaben- 
freiheiten,    öhlmann  IV,  175.     Schulte  I,  84  ff.     Reinhard  1.  c.  165  ff. 

•)  Deshalb  ist  hier  nicht  näher  darauf  einzugehen.  S.  öhlmann  IH,  283. 
Oechsli:  Die  Anfänge  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft  (Zürich  1891)  p.  225, 
246  ff.  Winkelmann  H,  253  f.  Schulte  I,  32  ff.  und  Kapitel  15  p.  169  ff.  von  Below 
in  Hist.  Zeitschr.  89  (1902),  218  ff.  Entgegnung  Schultes  in  Schmollers  Jahrbuch 
1903  p.  255  ff.     Kurze  Replik  v.  Belows  Hist.  Z.  90,  540  f.     Reinhard  I.  c.  107  ff, 

»)  Schulte  I,  101  f.,  212  f. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         451 

Chiavenna  und  von  da  weiter  durch  das  Bergello  zum  Septimer  führenden 
Straße  geschenkt  erhalten  hatte  i),  im  Jahre  1168  dem  lombardischen  Bunde 
beitreten  mußte,  ließ  sie  sich  von  Mailand  die  besondere  Zusicherung  geben, 
daß  die  Mailänder  nicht  nach  Como  kommen  würden,  um  den  dortigen 
Herbergswirten  die  fremden  Kaufleute  abspenstig  zu  machen,  während  sie 
ihrerseits  den  Mailändern  versprach,  solche  Kaufleute,  die  die  Absicht  hätten, 
nach  Mailand  weiterzuziehen,  nicht  zum  Verkauf  ihrer  Waren  in  Como  zu 
zwingen.  Zugleich  erklärte  Como  bei  seinem  Versprechen,  dem  Kaiser  und 
seinen  Anhängern  Straße  und  Markt  wie  die  anderen  Städte  zu  sperren,  daß 
bloße  Kaufleute  davon  nicht  betroffen  werden  sollten.  2)  Daß  es  sich  bei 
diesen  Abmachungen  um  von  Norden  kommende  deutsche  Kaufleute  handeln 
muß,  kann  bei  der  Lage  Comos  nicht  zweifelhaft  erscheinen.  So  wird  es 
sich  zum  Teil  wenigstens  auch  auf  diesen  Verkehr  beziehen,  wenn  Pavia 
im  Jahre  1186  sich  verpflichtete,  jede  gegen  Como  gerichtete  Handelssperre 
oder  Handelsbeschränkung,  z.  B.  wenn  Mailand  Fremden  den  Durchzug  nach 
Como  untersage,  auf  Anzeige  Comos  mit  der  gleichen  Maßregel  gegen  Mai- 
land zu  beantworten.  3)  Mit  der  Reichsgewalt  stand  Como  damals  wieder  in 
bestem  Einvernehmen;  in  seinem  Privileg  von  1191  gebot  Heinrich  VI.'*) 
Sicherheit  und  Freiheit  des  Verkehrs  auf  den  nach  Como  führenden  Handels- 
straßen und  versprach,  die  Chiavenna-  und  Bellinzonastraße,  also  die  Wege 
vom  Tessin  und  der  Maira  her,  nicht  verlegen  und  keinem  anderen  ver- 
leihen zu  wollen.  Nach  einem  Statut  von  1199  durfte,  wer  sich  von  jenseits 
der  Berge  in  Como  oder  Gebiet  niederließ,  nach  fünfjährigem,  unangefoch- 
tenem Aufenthalt  wegen  eines  früheren  Abhängigkeitsverhältnisses  nicht  mehr 
beheUigt  werden;  die  besonderen  Abmachungen  des  mit  Chur  bestehenden 
Vertrages  wurden  dabei  vorbehalten.  &)  Nach  langen  Streitigkeiten  mit  diesem 
Bistum  stellte  der  Friede  vom  18.  August  1219  die  Grenze  der  beiden  Ge- 
biete an  der  Maira  da  fest,  wo  noch  heute  die  schweizerisch  -  italienische 
Grenze  liegt,  so  daß  also  Chiavenna  und  Plurs  bei  Como  verblieben,  wäh- 
rend Castasegna  zu  Chur  gehörte,  ß)  Durch  möghchste  Sicherstellung  der 
Gläubiger  suchte  man  den  Handelsbeziehungen  beider  Gebiete  einen  festen 
Rückhalt  zu  geben  und  versprach,  die  Freiheit  des  Handelsverkehrs  nicht 
zu  beschränken;  nur  Getreide  und  Gemüse  nahm  Como  davon  aus,  da  es 
in  diesen  Artikeln  selber  der  Zufuhr  bedurfte."^)  Von  den  Gegenständen 
dieses  Handels  können  wir  positiv  nur  den  Wein  nachweisen,  der  im  Bergell 
aufwärts  und  offenbar  über  den  Septimer  weiter  ging;  die  Statuten  Comos, 
die  hiervon  reden,  enthalten  auch  eine  vom  November  1209  datierte  Bestim- 


1)  Ebd.  104. 

»)  Cod.  Laud.  n  no.  36  p.  46.     Vignati  p.  168  f. 

')  Sacchetti :  un'  alleanza  tra  Pavia  e  Como  im  BoU.  della  Soc.  Pavese  di  st. 
patr.  I  (1901),  257  f. 

*)  Hidber  n  (Beilage),  p.  99.     Schulte  I,  103  f. 

»)  Leg.  Munic.  II,  210  rub.  324. 

6)  Rovelli  G.,  Storia  di  Como  (Mailand  1794  ff.)  H,  374.  Mohr  I,  257  ff. 
no.  186.     öhlmann  IV,  185.     Schulte  I,  87,  96. 

')  Als  sich  Como  und  Mailand  1195/96  gegenseitig  unbeschränkten  Markt  in 
Getreide  usw.  gewährten,  hatte  Mailand  natürlich  ein  Interesse  daran,  daß  diese 
Freiheit  nicht  zur  Ausfuhr  nach  dem  Norden  benutzt  wurde.  Deshalb  erhielt  es 
die  Erlaubnis,  sowohl  in  Bellinzona  wie  am  Turm  von  Ologno  den  von  Como  zu 
entsendenden  Wächtern  eigene  Wächter  zur  Verhütung  der  Ausfuhr  von  blava  et 
legumina,  soweit  sie  nicht  von  beiden  Städten  übereinstimmend  gestattet  wurde, 
an  die  Seite  zu  stellen.     Hidber  II,  Beilage  p.  107  u.  116.     Schulte  I,  104. 

29» 


452  Einunddreißigstes  Kapitel. 

mung,  die  mit  Sicherheit  auf  einen  lebhaften  Verkehr  der  deutschen  Kauf- 
leute  in  Como  schließen  läßt,  da  sie  von  der  Kreditgewährung  und  Bürg- 
schaftsleistung an  Leute  von  jenseits  der  Berge  durch  Comasken  handelt,  i) 
Die  hohe  Wichtigkeit,  die  Como  für  die  Verbindung  mit  dem  Keiche,  vor 
allem  mit  Schwaben,  zunächst  in  militärischer,  wie  so  oft  aber  zugleich  auch 
in  kommerzieller  Beziehung  besaß,  hat  Kaiser  Friedrich  II.  in  seinem  Schreiben 
an  seinen  Sohn  Konrad  vom  Jahre  1239  besonders  scharf  gekennzeichnet, 
als  er  die  Stadt,  über  ihre  Rückkehr  zur  kaiserlichen  Partei  hocherfreut,  den 
»Schlüssel  zum  Eingange  nach  Italien  von  Deutschland  her«  nannte.  Ob 
er  dabei  außer  an  die  Septimer-,  auch  schon  an  die  Gotthardstraße  gedacht 
hat,  steht  dahin  und  ist  nicht  eben  wahrscheinlich.  Wenn  er  zwei  Jahre 
darauf  die  Bitte  Comos,  ihm  das  Tal  Leventina  zu  verleihen,  nicht  gewährte, 
so  genügt  zur  Erklärung  vollkommen  der  Umstand,  daß  der  Kaiser  keinerlei 
Ursache  hatte,  Como  schon  jetzt  Geschenke  zu  machen,  wo  es  in  der  Treue 
durchaus  noch  nicht  erprobt  war.  2) 

354.  Wenn  Como  ein  von  den  deutschen  Kaufleuten  vielbesuchter  Platz 
war,  so  ist  damit  schon  ohne  weiteres  gegeben,  daß  auch  das  nahegelegene 
Zentrum  der  Lombardei,  Mailand,  von  ihnen  aufgesucht  wurde,  wie  das  ja 
auch  der  Vertrag  beider  Städte  von  1168  außer  Zweifel  stellt.  Demgegen- 
über verliert  es  an  Bedeutung,  ob  unter  den  mit  den  Mailändern  verkeh- 
renden »ultramontanen  Kaufleuten«  in  dem  Versprechen  des  Markgrafen 
von  Montf errat  von  1193  auch  deutsche  Kaufleute  zu  verstehen  sind  oder 
nicht.  ^)  Das  auf  der  anderen  Seite  Mailand  benachbarte  Lodi  hat  im  Jahre 
1210  in  seine  Statuten  eine  Notiz  aufgenommen,  wonach  sich  das  normale 
Gewicht  eines  »pensum  tili  teutonici«  nach  den  an  der  Stadtwage  vorge- 
nommenen Proben  auf  30  kleine  Pfund  weniger  3  Unzen  ergeben  habe  *) ;  es 
scheint  also,  daß  gerade  damals  deutsches  Garn  bei  der  Einfuhr  nach  Lodi 
eine   wichtigere  Rolle   für  die  Textilindustrie  der  Stadt  zu  spielen  begann. 

Für  nicht  wenige  der  deutschen  Kaufleute,  die  über  den  Septimer 
oder  den  großen  Sankt  Bernhard  kamen,  ist  sicher  schon  früh  die  ligu- 
rische  Seestadt  das  Ziel  ihrer  Handelsfahrt  gewesen ;  für  das  12.  Jahr- 
hundert werden  sie  für  uns  noch  durch  den  allgemeinen  Begriff  der 
»ultramontanen  Kaufleute«  verdeckt.^)  Auf  völlig  sicheren  Boden 
gelangen  wir  erst  im  13.  Jahrhundert.  Wenn  der  Vertrag  zwischen 
Genua  und  Marseille  von  1211  die  Deutschen  von  der  Teilnahme  an 
überseeischen  Handelsfahrten  ausdrücklich  ausschließt^),  so  beweist  er 
gerade  damit  doch,  daß  deutsche  Kaufleute  in  beiden  Seestädten  ver- 
kehrten. Und  für  Genua  wenigstens  liegt  uns  dafür  auch  ein  un- 
zweifelhafter Beleg  vor. 

Am  24.  Juli  1216  hat  ein  Kaufmann  aus  Basel,  Arnulf,  dem  Arzt 
Heinrich  in  Genua  versprochen,  für  ihn  3  Zentner  des  schönsten  und  besten 
Glases,  das   er  in  einer  deutschen  Glashütte  aufzutreiben  imstande  sei,  zum 


»)  Leg.  Munic.  n,  157  u.  212;  rub.  129  n.  331.     Schulte  I,  107. 

«)  öhlmann  IV,  179.  Oechsli   1.  c.  247.  v.  Below,  Hist.  Zeitschr.  89  (1902),  220. 

3)  Oben  §  272.     Schulte  I,  106. 

♦)  Stat.  vet.  Laudae  1.  3,  rub.  56  im  Cod.  Laud.  III,  556  ff.  Die  folgende 
Rubrik  (57)  beginnt:  1210,  8.  Aug.  Comune  Laude  tale  fecit  statutum.  Schulte  I,  121. 

*)  Oben  §  70  u.  272.  Die  Kaufleute  aus  Verdun,  die  damals  schon  mehrfach 
in  Genua  begegnen  (§  365  f.),  rechnete  man  in  Genua  jedenfalls  den  Francigenae  zu. 

•)  Unten  §  471. 


I 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         453 

Zwecke  der  Spiegelfabrikation  nach  Genua  zu  transportieren,  i)  Wenn  nun 
der  1204  aufgezeichnete,  durchaus  nicht  sehr  umfangreiche  Tarif  für  die 
Sensale  Genuas  auch  die  für  den  Zentner  deutscher  Leinwand  mit  je 
3  den.  jan.  von  Käufer  und  Verkäufer  zu  entrichtende  Maklergebühr  auf- 
führt^),  so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  daß  es  hauptsächlich  die  deutschen 
Kaufleute  selbst  gewesen  sind,  die  diese  Leinwand  nach  Genua  gebracht 
haben.  Gerade  der  Leineneinfuhr  von  jenseits  der  Alpen  legten  die  Genuesen 
eine  besondere  Wichtigkeit  bei;  in  ihren  Verträgen  mit  Arles  (1237)  und 
Siena  (1241)  wurde  den  Bewohnern  dieser  Städte  wie  die  Ausfuhr  anderer 
Leinwandsorten  so  auch  die  deutscher  Leinwand  aus  Genua  ausdrücklich 
untersagt.  =*)  Aus  dem  Vertrage  Genuas  mit  Asti  (1251)  lernen  wir  auch  die 
braunen  Tuche  von  Mainz  (bruni  de  menso)  als  einen  gangbaren  Artikel  der 
Einfuhr  nach  Genua  kennen.  *) 

Erwähnt  sei  endlich  noch,  daß  auch  nach  den  südfranzösischen  Häfen 
deutsche  Waren  kamen;  deutsche  Schwerter  begegnen  am  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts  in  Montpellier,  Tuche  aus  Metz  1235  in  Marseille  ß),  ebenda 
1248  Mäntel  (capae)  aus  Metz  auf  dem  Wege  nach  Sizilien,  deutsche  Lein- 
wand in  vier  Posten  auf  dem  Wege  nach  Accon.  16 1/2  cordae  telarum 
Alamanniae  galten  20,  drei  peciae  telarum  von  Basel  8  1.  Marseiller  Kurant.  ^) 
Der  zur  selben  Zeit  in  Marseille  begegnende  Augerius  Vaidenuecgz  (Weiten- 
wegs), ein  Schwager  des  jüngeren  Petrus  Ebrardi,  ist  sicher,  wenn  nicht  ein 
Deutscher,  so  doch  deutscher  Abkunft.'^) 

355.  Als  König  Andreas  IL  von  Ungarn  im  Frühjahr  1217  wegen 
seiner  Überfahrt  nach  dem  Heiligen  Lande  einen  Vertrag  mit  dem 
Dogen  Peter  Ziani  schloßt),  in  dem  er  gleichzeitig  endgültig  auf  Zara 
verzichtete,  wurden  auch  die  Handelsbeziehungen  zwischen  beiden 
Staaten  auf  der  Grundlage  voller  Gegenseitigkeit  gerogelt. 

Beiderseits  versprach  man  den  Kaufleuten  des  anderen  Teils  volle 
Sicherheit  und  beschränkte  die  von  ihnen  zu  erhebenden  Zollabgaben  auf  i/so 
(1^/4  %)  des  Wertes,  wobei  ausdrücklich  festgesetzt  wurde,  daß  diese  Abgabe 
von  den  venezianischen  Kaufleuten  nur  einmal,  und  zwar  bei  ihrem  Eintritt 
in  das  Königreich,  eingezogen  werden  dürfe ;  Gold,  Edelsteine,  seidene  Tücher, 


1)  Ferretto  II,  139  A.  2:  deferre  in  Janua  cent.  3  boni  vi  tri  et  pulchri  de 
meliori  et  pulchriori  quod  invenire  potero  in  Alamannia  ad  faciendum  speculos  et 
<ie  meliori  fornace.  Caro  G. :  Ein  Basler  Kaufmann  in  Genua  1216  in :  Anzeiger 
für  Schweiz.  Gesch.  1903  p.  193  f.  Zu  Caros  Xachweisen  über  Freiburger  in  Genua 
aus  Ferretto  treten  die  von  mir  aus  Belgrano  schon  für  1253  (u.  1262)  gegebenen : 
Wechselbriefe  Ludwigs  des  Heil,  in :  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  73  (1899),  157  u.  Anm.  4. 
Nebenbei  bemerkt,  findet  sich  Glas  (sarcina  vitrorum  in  curru  locata)  auch  im  Zoll- 
privileg von  Wiener- Neustadt  (1244).     Hormayr,  Taschenbuch  1.  c.  p.  78. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  475  p.  520  f.     Schulte  I,  116. 

^)  Chart.  II,  1399  no.  1835:  exceptis  telis  Alemannie  etc.  und  Ferretto  I,  158. 
Anm.  2.     Oben  §  306. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  812. 

fi)  Lib.  Instrum.  p.  438  no.  275.     Manduel  no.  65. 

«)  Amalric  no.  576,  126,  260,  271,  326.     Schulte  I,  116  A.  5. 

'')  Amalric  no.  440—442.  Er  schließt  mit  seinem  Schwager,  der  nach  Rsa  auf 
die  Handelsreise  geht,  eine  Societas,  bei  der  jeder  2201.  8  sol.  misc.  einlegt;  der 
Gewinn  soll  geteilt  werden.  Deutscher  Herkunft  ist  wohl  auch  W.  Saillenbarcha, 
der  mit  W.  de  Banco  eine  Handelsgesellschaft  eingeht;  no.  467. 

8)  Ljubic  I,  29  f.  no.  38.     Röhricht,  Studien  24  u.  30,  A.  9. 


454  Einunddreißigstes  Kapitel. 

Seide  und  Spezereien  (specimina)  waren  beiderseits  von  jedem  Zoll  befreit.  So 
waren  also  die  den  Handel  belastenden  Abgaben  zwischen  beiden  Staaten  unge- 
wöhnlich niedrig  normiert,  so  daß  sie  jedenfalls  einem  Aufschwung  des  Handels 
nicht  hinderlich  waren.  In  der  Tat  erfahren  wir  aus  der  nächsten  Zeit 
manches,  was  auf  die  Handelstätigkeit  der  Venezianer  in  Ungarn  ein  Licht 
wirft.  So  hören  wir  von  Andrea  Vallaresso,  der  am  Anfang  der  zwanziger 
Jahre  in  Ungarn  starb  und  vor  seinem  Tode,  ohne  ein  Testament  machen 
zu  können,  in  Gegenwart  seines  Verwandten  Emanuel  Vallaresso  seine  Frau 
zur  Vormünderin  seines  Sohnes  bestellt  und  der  Republik  eine  Summe  von 
100  1.  ven.  vermacht  hatte ;  auf  den  Eid  Emanuels  hin  verliehen  Doge  und 
Richter  dem  darüber  aufgenommenen  Notariatsakt  Testamentskraft,  i)  Da- 
rüber, daß  die  Vallaresso  in  Handelsgeschäften  in  Ungarn  weilten,  wird  ein 
Zweifel  nicht  bestehen  können.  Wir  wissen  ferner,  daß  ein  Teil  des  Witwen- 
gutes der  Kaiserin  Constanze,  die  eine  Schwägerin  Andreas'  H.  (Witwe  König 
Emmerichs)  war,  bei  den  venezianischen  Kaufleuten  Quirino  Vendelino  und 
Pangrazio  Doro  angelegt  war;  Giacomo  di  s.  Andrea  stellte  den  Mittelsmann 
zwischen  ihnen  und  der  in  Ungarn  reich  begüterten  Fürstin  dar.  Und  von 
dem  Könige  selbst  hören  wir,  daß  Mitglieder  der  venezianischen  Familie 
Ghisi  bei  ihm  ein  Guthaben  hatten.  2) 

356.  Diese  Beziehungen  wurden  im  Jahre  1223  durch  eine  Gewalttat 
empfindlich  gestört,  indem  Ritter  aus  der  Gefolgschaft  des  Königs  (öster- 
reichische und  steirische  werden  unter  ihnen  besonders  hervorgehoben)  mehrere 
venezianische  Kaufleute  ihrer  Habe  beraubten ;  Pietro  Alberti  erlitt  dabei 
einen  Verlust  von  600  Mark  Silber  in  Edelsteinen  und  Edelmetallen,  Donato 
Olivo  einen  solchen  von  200  Mark  Silber,  während  Guido  Pentulo  14  Mark 
Silber  und  4  Mark  Gold  einbüßte.  Auf  die  Kunde  hiervon  belegten  Doge 
und  Rat  zunächst  die  bei  den  genannten  Venezianern  stehenden  und  ein- 
gehenden Gelder  der  Kaiserin  am  20.  November  1223  mit  Beschlag,  hoben 
aber  die  Maßregel  bald  wieder  auf  ^),  zumal  die  Kaiserin  mit  ihrem  Schwager 
auf  sehr  gespanntem  Fuße  stand,  dieser  also  dadurch  in  keiner  Weise  ge- 
troffen wurde.  Zur  Zeit  der  Tat  war  der  Titularkönig  von  Saloniki,  Deme- 
trius,  in  Ungarn  gewesen;  als  er  von  hier  nach  Venedig  kam,  ließ  sich  die 
Regierung  von  ihm  im  März  1224  authentische  Angaben  über  den  Vorfall 
machen 4)  und  schickte  dann  den  Jacopo  Bresciani  nach  Ungarn,  um  bei 
dem  Könige  zu  reklamieren;  da  die  Sendung  erfolglos  blieb,  gewährte  man 
im  September  1224  den  Gläubigern  des  Königs,  Giovanni  Ghisi  und  den 
Söhnen  des  Natale  Ghisi,  gegenüber  allen  Ungarn  das  Pfändungsrecht  bis 
zum  Betrage  von  201  Mark  Silber,  ß)  Auch  die  weitere  Sendung  des  Domenico 
Pampulo  scheint  einen  besonderen  Erfolg  nicht  erzielt  zu  haben;  zur  Be- 
streitung der  Kosten  hatte  man  ihm  150  1.  ven.  unter  der  Bedingung  mit- 
gegeben, daß  der  Staat  aus  dem  Wiedererlangten  entschädigt  würde.  ^)  Trotz- 
dem vermied  die  Signorie  einen  offenen  Bruch  mit  Ungarn;  am  30.  Mai  1226 


')  Lib.  pleg.  no.  105. 

*)  Ebd.  no.  10  u.  189.  Vgl.  Winkelmann  I,  118.  Über  Handelswege  nach 
TJngai-n,  besonders  jenen  über  den  Birnbaum  er  Wald,  Laibach,  Cilli  und  Pettau  s. 
öhlmann  IV,  280. 

2)  Ljubi6  ni,  392.     Lib.  pleg.  no.  10 ;   mit  dem  Vermerk :   il  Doro  fu  assolto. 

*)  Ljubi6  III,  393  (mit  dem  irrigen  Datum  1223).     Lib.  pleg.  no.  96.     Faksimil©^ 
in  Sickels  Monum.  graphica  medii  aevi,  Heft  2,  Tafel  4. 

»)  Ljubi6  in,  396.     Lib.  pleg.  no.  189. 

«)  Lib.  pleg.  no.  232,  s.  d. 


Handel  mit  Ober-Deutschland  und  den  östlichen  Nachbargebieten.         455 

verhieß  sie  in  einem  besonderen  Patent  allen  ungarischen  Kaufleuten  im 
Gebiete  von  Venedig  volle  Sicherheit,  nur  erklärte  sie,  daß  zur  Entschädigung 
der  Venezianer  für  die  ihnen  in  Ungarn  geraubten  Sachen  außer  den  regel- 
mäßigen Abgaben  ein  Wertzoll  von  lV2''/o  als  Zuschlag  erhoben  werden 
müsse.  1)  Am  9.  Februar  des  folgenden  Jahres  traf  dann  auch  ein  Brief 
des  ungarischen  Königs  in  Venedig  ein,  in  dem  er  jede  Mitwissenschaft  an 
jenem  Raube  in  Abrede  stellte ;  Venedig  möge  ihm  die  Namen  der  Schuldigen 
durch  den  Bischof  von  Raab  mitteilen  und  ihm  die  Geschädigten  zuschicken, 
damit  er  ihnen  ihr  Recht  verschaffe ;  der  Doge  möge  für  jene  Tat  nicht  die 
Ungarn  verantwortlich  machen.  2)  Damit  waren  äußerlich  gute  Beziehungen 
wiederhergestellt;  die  Erhebung  des  Zuschlagszolls  nahm  bis  zur  vollen 
Befriedigung  der  Ansprüche  Venedigs  im  Jahre  1232  ihren  Fortgang.^)  Der 
Vertrag,  den  Venedig  im  Jahre  1244  nach  dem  Abfall  Zaras  mit  König 
Bela  von  Ungarn  schloß,  beschäftigt  sich  nur  mit  den  Verhältnissen  Zaras  *); 
in  den  Handelsbeziehungen  der  beiden  Staaten  ist  also  eine  Veränderung 
ofEenfcar  nicht  eingetreten. 

357.  Auch  im  Königreich  Ungarn  begegnen  wir  endlich  noch 
den  Sienesen,  und  zwar  wieder  in  ihrer  uns  schon  bekannten  Rolle, 
derart  aber,  daß  uns  auch  die  persönliche  Anwesenheit  dieser  siene- 
sischen  Kaufleute  in  Ungarn  direkt  bezeugt  ist. 

Der  Prokurator  des  Sankt  Helena-Klosters  in  Földvär  (an  der  Donau 
südlich  von  Budapest)  hatte  seinerzeit  an  der  Kurie  bei  den  Sienesen 
Bonagratia  (jedenfalls  der  uns  von  Prag  her  bekannte),  Bartolommeus  Cirioli, 
Crescentius,  Bonaccursus  und  ihren  Sozii  ein  Darlehn  von  uns  nicht  bekannter 
Höhe  aufgenommen.  Nun  behaupteten  die  Vertreter  des  Klosters,  die  Schuld 
sei  am  Sitze  des  Primas  von  Ungarn,  in  Gran,  an  die  Kaufleute  berichtigt 
worden,  diese  aber  hätten  die  Rückgabe  der  betreffenden  Urkunden  unter- 
lassen und  dadurch  eine  Konventionalstrafe  von  100  Mark  Silber  verwirkt. 
Die  Sache  wurde  durch  den  Prokurator  des  Abtes  an  der  Kurie  anhängig 
gemacht  und  durch  den  päpsthchen  Auditor  in  der  Tat  dahin  entschieden, 
daß  Bonagratia  und  Genossen  die  100  Mark  Buße  und  8  Mark  Silber  an 
Kosten  außerdem  an  das  Kloster  zu  zahlen  hätten;  am  18.  August  1235 
wandte  sich  der  Papst  an  den  Bischof  und  den  Podestä,  von  Siena,  sie  möchten 
die  Verurteilten  zur  Zahlung  an  das  Kloster  veranlassen.  0)  In  diesem  Falle 
haben  sich  also  einmal  die  Schuldner  in  hartherzige  Gläubiger,  die  auf  ihrem 
Schein  bestanden,  verwandelt. 


»)  Erdmannsdörffer  p.  17.  Lib.  pleg.  no.  392.  Ljubi6  liest  (I,  83  no.  54):  »ita 
duntaxat,  quod  fisco  nostro  persolvatis  ad  racionem  cujusquam  centenarii 
libras  nostre  monete  seil.  30  de  his  que  vobiscum  visi  fueritis  aportare*.  Das 
wäre  also  ein  Zuschlagszoll  von  vollen  30  "/o  ad  valorem.  Aber  er  hat  die  Abkür- 
zungen lib.  und  s.  für  librarum  nostre  monete  sol.  30  nur  falsch  aufgelöst. 

2)  Ljubic  I,  41  no.  63.     Lib.  pleg.  no.  502. 

*)  Notiz  im  Lib.  pleg.  no.  232  vom  Juni  1232 ;  oben  S.  448  A.  2.  S.  auch  die 
Erklärung  des  Donato  Olivo  und  der  Erben  des  Pietro  Alberti  vom  November  1226. 
Ljubi6  I,  no.  62.     Lib.  pleg.  no.  456. 

*)  Ljubi6  I,  65  f.  no.  91,  92. 

6)  Auvray  2740  f. 


n 


B.  Handel  der  Mittelmeer-Romanen  untereinander. 


Abschnitt  VI: 

Die  kommerziell  überwiegend  passiven  Gebiete 

Italiens. 


Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der 
normannischen  Dynastie. 

358.  Unter  -  ItalieD  mit  Sizilien,  erst  von  den  Normannen  auf 
eigene  Füße  gestellt  und  durch  Roger  IL  1130  zu  einem  einheitlichen 
Königreiche  erhoben,  war  für  die  großen  aktiven  Handelsnationen  von 
hervorragender  Bedeutung  nicht  nur  wegen  seines  Reichtums  an 
eigenen  Erzeugnissen,  sondern  namentlich  auch  als  wichtiges,  nur 
schwer  zu  umgehendes  Passageland  für  ihren  Fernhandel.  Für  Ve-™j 
nedig  war  zunächst  die  ganze  adriatische  Küste  Unter-Italiens  in^| 
dieser  Beziehung  von  höchster  Bedeutung. 

Im  Februar  1119  sehen  wir  Venezianer,  die  auf  der  Handelsfahrt 
nach  Ägypten  begriffen  sind,  unterwegs  in  Bari  für  diese  Fahrt  kontra- 
hieren i)  und  im  Mai  1122  schloß  Venedig  mit  Bari  einen  Vertrag,  in  dem 
sich  die  Parteien  versprachen,  sich  gegenseitig  nicht  zu  schädigen  und  wo 
dennoch  eine  Schädigung  erfolgt  sei,  binnen  14  Tagen  nach  eingegangener 
Beschwerde  für  Abhilfe  Sorge  zu  tragen.^) 


')  G.  Monticolo  im  N.  Arch.  ven.  XIX  (1900),  71  f.  Handelsfahrt  des  Schiffea 
des  Joh.  Vienzo  1133  nach  Bari:  Sacerdoti  25  f. 

*)  Monticolo:  II  testo  del  patto  giurato  del  doge  Domenico  Michiel  al  Co- 
mune  diBari;  N.  Arch.  ven.  XVIII  (1899)  p.  96—156.  Cod.  Barese  V,  116  no.  68. 
Auch  bei  ZamVjler  A.  e  F.  Carabellese :  Le  relazioni  commerciali  fra  la  Puglia  e  la 
repubbUca  di  Ven.  dal  secolo  X  al  XV.  (Ricerche  e  documenti  II ;  Trani  1898)  p.  127  ,- 
App.  no.  47.     Dem    allein  überlieferten  Versprechen    der  Venezianer   hat   natürlich 


I 


Zweiunddreißigstes  Kapitel.  Unter-Italien  u.  Sizilien  b.  z.  Ende  d.  norm.  Dynastie.   457 

Im  Jahre  1127  wurde  Roger  II.  auch  Herzog  von  Apulien;  sein  feind- 
liches Verhältnis  zu  den  Griechen  beeinflußte  naturgemäß  auch  seine  Be- 
ziehungen zu  Venedig.  Auf  dem  Reichstage  zu  Merseburg  erschienen  im 
Jahre  1135  vor  Lothar  neben  griechischen  Gesandten  auch  venezianische, 
die  Klage  darüber  führten,  daß  ihnen  vom  Könige  Waren  im  Werte  von 
40000  1.  geraubt  worden  seien.i)  Indessen  hat  der  Vorgang  zu  einer 
längeren  Entfremdung  nicht  geführt;  im  August  1138  sehen  wir  zwei  edle 
Venezianer,  Oderico  Malipieri  und  Pietro  Orsi,  eine  Handelsgesellschaft  für 
eine  Fahrt  nach  Sizilien  auf  dem  Schiffe,  dessen  Führer  (nauclerus)  Marino 
Michiel  war,  eingehen.^)  Wissen  wir  doch  auch,  daß  um  diese  Zeit  schon 
eine  größere  venezianische  Kolonie  in  Palermo  vorhanden  war,  der  es  im 
Februar  1144  gelang,  von  Roger  die  Einräumung  einer  ursprünglich  griechi- 
schen, später  von  den  Sarazenen  verwüsteten  Kirche  im  Stadtviertel  Seral- 
kadi  zu  erwirken,  die  nunmehr  zu  einer  Markuskirche  ausgebaut  wurde,  die 
aber  der  Kirche  von  Palermo  unterstellt  blieb.-^)  Ob  indessen  schon  zu  dieses 
Königs  Zeit  ein  förmlicher  Vertrag  das  Verhältnis  zu  den  Venezianern,  die 
mit  dem  Könige  mehr  als  einmal  feindlich  zusammenstießen,  regelte,  muß 
dahingestellt  bleiben.*) 

359.  Sicher  dagegen  kam  es  zu  einem  solchen  Vertrage  zu  Wilhelms  I. 
Zeit  (1154 — 1166);  wahrscheinlich  hängt  er  mit  der  Sendung  des  Kanonikers 
von  Palermo,  Robertus  de  S.  Johanne,  zusammen  und  ist  in  das  Jahr  1155 
zu  setzen.  Andrea  Dandolo  skizziert  seinen  Inhalt  sehr  allgemein,  aber 
jedenfalls  zutreffend  dahin,  daß  der  König  allen  Venezianern  mit  Ausnahme 
derjenigen,  die  sich  einer  Begünstigung  des  griechischen  Kaisers  schuldig 
machen  w^ürden,  Sicherheit  und  Handelsfreiheiten  in  seinem  Reiche  zuge- 
standen habe.»)  Der  dreißigjährige  Waffenstillstand,  den  der  König  1158 
mit  den  Griechen  schloß,  beseitigte  dann  für  einige  Zeit  eine  fortwährend 
drohende  Ursache  zu  Konflikten.  In  so  hohem  Maße  erregte  die  unge- 
hemmte Entwickelung  des  venezianischen  Handels  mit  dem  Königreiche  die 
Eifersucht  der  Genuesen,  daß  sie  sich  in  dem  praktisch  ja  völlig  bedeutungslos 


ein  analoges  der  Baresen  entsprochen.  Im  allg.  s.  die  Besprechung  Luzzattos  im 
N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  VII  (1904),  174  ff.  über  die  Studi  sulle  relazioni  comm.  tra  Ven. 
e  la  Puglia. 

»)  Ann.  Erphesford.,  SS.  VI,  540.     Bernhardi,  Lothar  p.  575  A.  34. 

*)  Geht  aus  der  Auseinandersetzung  der  beiden  Söhne  des  P.  Orsi  im  März 
1160  hervor.     Baracchi  VII  (1874),  366  f. 

3)  Garufi  I,  44  no.  18;  dazu  p.  149  u.  209.  Mortillaro  V.  Opere  I,  379  f.  Vgl. 
Carini  J.,  I  Veneziani  in  Sicilia  im  Arch.  sicil.  I  (1876),  353.  V.  di  Giovanni,  ebd. 
XI  (1886),  49.  Carabellese :  La  colonia  dci  Venez.  a  Palermo  nel  sec.  XII  in  Ras- 
segna  pugliese  XVII  (1900),  325  ff.  Dazu  Schmeidler  p.  34  A.  29  u.  p.  41  f.  Eine 
venezianische  Witwe  in  Palermo  wählt  im  April  1165  diese  Kirche,  in  der  schon 
ihr  Mann  und  ihr  Vater  ruhten,  zur  Begräbnisstätte :  Mortillaro  I,  382  f. 

*)  Die  Ausdrücke  des  Vertrages  von  1175  beweisen  nichts  hierfür.  Manfroni 
189  nimmt  das  Jahr  1136  für  einen  solchen  Vertrag  an,  durch  den  es  Roger  ge- 
lungen sei,  die  Venezianer  von  der  gegen  ihn  gerichteten  Allianz  zu  trennen. 

*)  Muratori  SS.  Xll,  286.  Grabschrift  des  Dogen  Domenico  Morosini:  Iste 
Dux  fecit  pacem  cum  Rege  Sic.  W.,  ideo  quia  in  magna  discordia  erant  Veneti  pro 
Imperatore  Emanuele.  Da  der  Doge  im  Februar  1156  gestorben,  Wilhelm  aber  am 
26.  Febr.  1154  zur  Regierung  gekommen  ist,  so  ist  damit  die  Zeit  des  Vertrages  ge- 
nügend genau  bestimmt.  Vgl.  Langer  63 ;  über  die  Gesandtschaft :  Falcandus  p.  67. 
Die  Inschrift  bei  Cicogna :  Iscrizioni  Veneziane  I,  240  f.  Vgl.  Siragusa  I  p.  38  A.  2 
u.  118.     Manfroni  220. 


458  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

gebliebenen  Privileg  Kaiser  Friedrichs  von  1162  die  Erlaubnis  geben  ließen, 
die  Venezianer  aus  dem  Königreiche  zu  vertreiben,  falls  sie  nicht  inzwischen 
die  Gnade  des  Kaisers  erlangt  hätten. i)  Aber  gerade  durch  ihre  Allianz 
mit  dem  Kaiser  schlössen  sich  Genuesen  und  Pisaner  damals  eine  Zeitlang 
von  dem  Handel  mit  dem  Normannenstaate  aus  und  überließen  den  Vene- 
zianern allein  das  Feld.  Auch  die  Regierung  Wilhelms  II.  war  der  Ent- 
wickelung  des  venezianischen  Handels  durchaus  günstig,  zumal  die  Gewalttat 
Kaiser  Manuels  von  1171  die  Venezianer  für  längere  Zeit  von  jeder  Rück- 
sicht auf  die  griechische  Politik  zu  entbinden  schien.  Wenn  es  dennoch 
erst  im  September  1175,  als  sich  das  Verhältnis  Venedigs  zu  Kaiser  Manuel 
schon  wieder  friedlich  gestaltet  hatte  2),  zu  einem  neuen  Vertrage  zwischen 
Venedig  und  dem  sizilischen  Königreiche  gekommen  ist,  so  scheint  das  zu- 
nächst in  dem  Ablauf  des  alten  Vertrages  seinen  Grund  zu  haben,  der  wohl 
gerade  so  auf  20  Jahre  abgeschlossen  gewesen  ist,  wie  es  bei  dem  neuen, 
dem  ersten  uns  erhaltenen,  der  Fall  ist.  Von  selten  des  Königs  werden  in 
diesem  Vertrage  3)  außerhalb  des  Königsschutzes  gestellt  alle  Venezianer,  die 
Piraterie  treiben,  das  sizilische  Königreich  schädigen  oder  bei  der  Verteidigung 
des  griechischen  Reiches  helfen;  bei  Schädigung  anderer  Venezianer  durch 
seine  Untertanen  wird  Remedur  binnen  drei  Monaten  nach  eingegangener 
Beschwerde  verheißen.  Durch  besondere  Verleihung  wurden  gleichzeitig  die 
Handelsabgaben  der  Venezianer  für  Messina,  Palermo  und  die  ganze  Insel 
auf  die  Hälfte  des  Satzes,  den  sie  zur  Zeit  in  Messina  zahlten,  herabgesetzt; 
und  in  analoger  Weise  wurde  auch  für  den  festländischen  Teil  des  König- 
reichs bestimmt,  daß  Schiffe  und  Waren  der  Venezianer  fortan  nur  die 
Hälfte  der  bei  Ein-  und  Ausfuhr  zur  Zeit  König  Rogers  und  Wilhelms  I. 
üblichen  Abgaben  zu  entrichten  hätten.  Der  die  Venezianer  verpflichtende 
Teil  des  Vertrags  ist  nicht  erhalten;  doch  erkennen  wir  deutlich,  daß  die 
Gegenleistung  der  Venezianer  vor  allem  darin  bestand,  daß  sie  den  Griechen 
fortan  ihre  Unterstützung  entzogen;  nur  die  Verpflichtung  der  augenblick- 
lich im  Dienste  des  Kaisers  stehenden  venezianischen  Schiffe  blieb  davon 
unberührt;  selbst  Feindseligkeiten  zwischen  diesen  von  den  Venezianern 
im  Vertrage  genau  bezeichneten  Galeeren  und  den  Untertanen  des  Königs 
sollten  einen  Bruch  des  eben  geschlossenen  Friedens  nicht  zur  Folge  haben.'*) 
Durch  eine  kluge  Neutralitätspolitik  hatte  Venedig  so  recht  wesentliche 
Vorteile  für  seinen  Handel  mit  dem  Königreiche  erlangt.  Wie  wichtig 
dieser  für  Venedig  war,  zeigt  uns  besonders  der  Bericht  des  Erzbischofs 
Romuald  von  Salerno,  der  als  Gesandter  des  Königs  dem  Friedenskongreß 
von  Venedig  (1177)  beigewohnt  hat;  darnach  war  das  Volk  von  Venedig 
während  der  Verhandlungen  in  lebhafter  Besorgnis,  daß  es  zum  Bniche  mit 


^)  Const.  et  acta  I,  293.     Mißverstanden   von  Langer  p.  90   und   noch   mehr, 
durch  V.  Kap -Herr:   Die  abendländische  Politik  Kaiser  Manuels   (Straßburg  1881 
p.  81. 

«)  Oben  §  172. 

8)  Tafel  u.  Thomas  I,  173  f.     Siragusa  I,  173  ff.     Carabellese  47  f. 

*)  Entscheidend  vor  allem  die  Stelle,  wo  der  König  von  seinem  Schutze  aus- 
nimmt diejenigen  >qui  fuerint  cum  auxilio  Imperatoris  Const.  ad  defen- 
dendum  eins  Imperium  in  galeis  illis,  quae  continentur  in  pacto  a 
Duce  et  commune  Venetiae  nobis  facto.<  Durch  Mißverständnis  dieser 
Stelle  ist  Schmeidler  p.  89  ff.  (daselbst  auch  Literatur)  zu  seiner  Auffassung  gelangt, 
daß  sich  Venedig  die  Unterstützung  des  Kaisers  auch  gegen  Sizilien  vorbehalten 
habe.  Ebensowenig  allerdings  bedeutet  der  Vertrag  eine  Allianz  gegen  den  Kaiser, 
wie  mit  anderen  auch  Manfroni  p.  257  annimmt. 


I 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  459 

Sizilien  und  zur  Gefangensetzung  der  Venezianer  im  Königreiche  kommen 
könnte ;  viele  Männer  und  Frauen,  deren  Angehörige  mit  einer  Menge  Waren 
und  beträchtlichen  Geldmitteln  nach  Apulien  gegangen  seien,  um  dort 
Lebensmittel  einzukaufen  und  nach  Venedig  zu  bringen,  hätten  den  Dogen 
beschworen,  sich  nachgiebig  zu  zeigen. i)  Auch  aus  einzelnen  Privaturkunden 
der  Zeit  ergibt  sich,  daß  ganze  Schiffskarawanen  der  Venezianer  zunächst 
nach  dem  getreide-,  wein-  und  ölreichen  Apulien  und  zum  Teil  noch  weiter 
nach  Sizilien  zu  gehen  pflegten.^) 

360.  Daß  auch  die  Seestädte  Dalmatiens  mit  dem  apulischen  Gegengestade 
Handelsbeziehungen  unterhielten,  würden  wir  auch  ohne  besonderen  Beleg 
anzunehmen  haben.  Von  besonderem  Interesse  aber  ist,  daß  Ragusa  und 
Molfetta  im  Jahre  1148  einen  Handelsvertrag  miteinander  schlössen,  in  dem 
sich  beide  Städte  gegenseitig  Befreiung  von  allen  Handels-  und  Schiffahrts- 
abgaben zusicherten;  jede  Stadt  stellte  der  anderen  ein  Privileg  darüber 
aus ;  das  für  Ragusa  bestimmte  wurde  von  dem  Grafen  Robert  von  Conver- 
sano  als  Stadtherrn  Molfettas  gezeichnet.^)  Als  durch  die  Expedition  Wil- 
helms n.  gegen  Byzanz  (1185)  auch  Ragusa  unter  normannische  Hoheit 
kam,  kam  das  natürlich  den  Handelsbeziehungen  sehr  zustatten;  im  Jahre 
1190  ließ  sich  Graf  Gervasius  von  den  Kazici,  dem  seeräuberischen  Fürsten- 
geschlecht von  Almissa,  schwören,  die  nach  Ragusa  kommenden  apulischen 
Schiffe  nicht  anzutasten  .*) 

361.  Wie  die  Venezianer  mit  der  Ostküste,  so  verbanden  die 
Pisaner  mit  der  Westküste  Unter-Italiens  besonders  enge  Handels- 
beziehungen. 

Wie  jene  1122  mit  Bari,  so  schlössen  diese  am  1.  Oktober  1126  mit 
Amalfi  einen  Freundschafts-  und  Handelsvertrag,  der  uns  nur  einseitig,  in 
dem  Schwur,  den  das  Volk  von  Pisa,  Kinzica  (der  Stadt  links  vom  Arno), 
Fuoriporta  (der  Neustadt  auf  dem  rechten  Ufer)  und  den  Vorstädten  (de 
burgis)  dem  Volke  von  Amalfi,  Atrani,  Scala  und  Ravello  sowie  allen  Leuten 
des  Dukats  von  Amalfi,  die  sich  zu  den  Amalfitanern  hielten,  leistete,  er- 
halten ist.  5)  Den  Amalfitanern  wurde  samt  ihren  Schiffen  und  Waren  aller- 
wärts  zu  Wasser  und  zu  Lande  Schutz  und  Sicherheit  von  selten  der  Pisaner 
zugesagt;  insbesondere  sollten  sie  in  Pisa  nicht  ohne  Grund  verhaftet  oder 
festgehalten  werden  und  ihre  Läden  in  Pisa  unter  keinen  Umständen  ge- 
schlossen werden  dürfen.  Falls  ihnen  Schiffsausrüstungsgegenstände  ab- 
handen  kämen,  sollte  ihnen  zu  ihrem  Rechte  verhelfen  werden;  bei  ihren 


»)  SS.  XIX,  450. 

*)  Domenico  Corner  im  November  1190  >in  taxegio  de  Apulia«  und  mit  der 
Karawane  des  nächsten  Frühjahrs  zurück:  Baracchi  XX  (1880),  74  u.  75.  Derselbe 
im  Frühjahr  1182  nach  Messina  und  mit  der  >mudua  natalis«  (wohl  auf  Mariae 
Geburt,  8.  Sept.,  bezüglich)  zurück;  ebd.  IX  (1875),  114  (Quittung  vom  Januar  1183). 

')  Ljubi6  I,  26  no.  34  (Erneuerung  von  1208,  da  die  Ragusaner  ihre  Urkunde 
verloren  hatten).  Jirecek  53  A.  35.  Behandelt  auch  von  Carabellese  F. :  II  sorgere 
del  Comune  marittimo  pugliese  (Discorso  inaug.  dell'  anno  accad.  1900/01  della 
scuola  superiore  di  Bari). 

*)  L]ubi6  I,  14  no.  22.  Jirecek,  Anm.  26  p.  50.  Über  Cattaro  als  SufEragan- 
bistum  von  Bari  im  12.  Jahrhundert  s.  Caspar :  Kritische  Untersuchungen  in :  Quel- 
len u.  Forsch,  aus  ital.  Arch.  des  preuß.  bist.  Inst.,  VI  (Rom  1903),  242  ff. 

')  Bonaini:  Due  carte  Pisano-Amalfitane  im  Arch.  ital.,  ser,  3,  Vin,  1  (1868)) 
p.  5  f.  Der  Erzbischof  und  ein  Judex  von  Amalfi  gingen  1110  als  Bevollmächtigte 
des  griechischen  Kaisers  nach  Pisa.     Müller  p.  43  f.     Oben  §  173. 


460  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Handelsgeschäften  mit  Pisanern  sollte  die  Abgabenerhebung  nur  einmal  er- 
folgen dürfen.  Bei  Zivilstreitigkeiten  sagten  die  Pisaner  rechtes  Gericht  nach 
ihrem  Gewohnheitsrecht  (secundam  nostram  consuetudinem)  zu,  während 
Reklamationen  wegen  erlittener  Schädigung  binnen  30  Tagen  zu  erledigen 
waren.  Kam  eine  Schädigung  der  Pisaner  durch  einzelne  Amalfitaner  vor, 
so  sollte  dadurch  die  Sicherheit  der  übrigen  in  Pisa  nicht  beeinträchtigt 
werden ;  endhch  sollten  Kriegs-  und  Kaperschiffe  Amalfis  mit  ihrer  Be- 
mannung in  Pisa  jederzeit  auf  sichere  Aufnahme  rechnen  können.  Natürlich 
hat  Amalfi  die  entsprechenden  Verpflichtungen  auch  seinerseits  den  Pisanern 
gegenüber  übernommen,  was  für  diese  wegen  ihres  damaligen  Krieges  mit 
Genua  von  besonderer  Wichtigkeit  war.  Hat  dieser  sich  doch  auch  bis 
Sizilien  hinübergespielt;  in  einem  Kampfe,  den  die  beiden  Rivalen  1129  in 
und  bei  Messina  ausfochten,  fanden  die  Pisaner  die  Unterstützung  der  Bürger 
von  Messina,  und  im  selben  Jahre  fiel  ein  mit  Waren  im  Wert  von  10  000 1. 
Jan.  ^beladener  pisanischer  Kauffahrer  den  Genuesen  bei  den  liparischen 
Inseln  in  die  Hände,  i) 

Während  des  Krieges,  der  sich  bis  1133  hinzog,  gingen  in  Unter- 
Italien  die  wichtigsten  Veränderungen  vor  sich.  Nach  dem  Tode 
Wilhelms  von  Apulien  {26.  Juli  1127)  trat  sein  Oheim  Roger  als  sein 
Erbe  auf  und  wußte  noch  im  selben  Jahre  durch  Stellung  günstiger 
Bedingungen  die  Hoheit  über  Salerno  und  Amalfi  zu  gewinnen;  1130 
von  Anaklet  IL  zum  Könige  gekrönt,  nahm  er  schon  im  folgenden 
Jahre  das  Amalfi  beherrschende  Kastell  mit  Gewalt^);  der  Augenblick 
schien  nahe,  wo  et  die  gesamte  Seemacht  von  Amalfi,  Salerno,  Neapel 
und  Gaeta  in  seiner  starken  Hand  vereinigte.  Nicht  zum  wenigsten 
die  Rücksicht  auf  diese  seiner  Handelsstellung  in  Unter-Italien  und 
besonders  in  Neapel  drohende  Gefahr  scheint  es  gewesen  zu  sein,  die 
Pisa  unmittelbar  nach  Beendigung  seines  Krieges  mit  Genua  zum 
engsten  Anschluß  an  die  Gegner  des  »sizilischen  Tyrannen«  bestimmte.') 

Im  Frühjahr  1134  führten  die  Konsuln  von  Pisa,  Assopardo  und  Cane, 
mit  ungefähr  1000  Mann  Robert  von  Capua,  der  persönlich  die  Hilfe  Pisas 
nachgesucht  und  Subsidien  in  Höhe  von  3000  Pfund  Silber  zugesagt  hatte, 
in  sein  Fürstentum  zurück*),  freilich  nur  für  kurze  Zeit;  und  alß  im  folgenden 
Jahre  das  im  Mai  und  Juni  zu  Pisa  tagende  Konzil  unter  Leitung  Innozenz'  IL 
die  Handelssperre  über  das  Gebiet  König  Roberts  verhängt  und  den  Kreuz- 
zug gegen  ihn  verkündet  hatte 5),  unternahmen  die  Pisaner  jenen  Seezug,  der 
das  von  seiner  früheren  Blüte  längst  herabgesunkene  Amalfi  auf  das  schwerste 
heimsuchte;  am  4.  August  1135  erschienen  sie  mit  46  Galeeren*  im  Hafen 
Amalfis,  verbrannten  7  Galeeren,  2  Kauffahrer  und  viele  kleinere  Fahrzeuge, 
eroberten  dann  die  Stadt,  zündeten  sie  an  und  plünderten  sie  völlig  aus. 
Doch  erlitten  sie  bei  Fortsetzung  ihres  Plünderungszuges  landeinwärts  vor 
der  Feste  Fracta  bei  Ravello  eine  empfindüche  Niederlage,  die  sie  zur  Flucht 


')  Ann.  genov.  I,  24;  »in  Varrigatore«  ist  wohl  die  Insel  Alicudi  (bei  Edrtsl, 
ed.  Amari  p.  15 :  'Arküdah). 

")  Näheres  ßernhardi,  Lothar  275  f.,  452  f.     Caspar  61  ff. 

*)  Bernhardi  633  A.  1.     Brief  des  hl.  Bernhard  von  Clairvaux,  no.  130. 

*)  Falco  Benevent,  bei  Muratori  SS.  V,  118,  134;  Bernhardi,  Lothar  493,  620  ff 
Caspar  144  f. 

»)  Const.  et  acta  I,  579  no.  402. 


« 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  461 

auf  die  Schiffe  und  eiligen  Rückkehr  nach  Neapel  zwang,  i)  In  Neapel,  mit 
dem  sie  ein  enges  Bündnis  geschlossen  hatten,  hatten  sie  damals  ihren  Haupt- 
stützpunkt; als  Neapel  im  August  1129  mit  Gaeta  einen  Friedensvertrag 
schloß,  erscheint  unter  den  fünf  leitenden  Männern  Neapels  ein  Pisaner, 
Constantinus  de  Ranuzzu ;  und  jetzt  wandten  sich  die  in  Neapel  anwesenden 
pisanischen  Konsuln  Gerardo  Gaetano,  Enrico  und  Rodolfo  auf  die  Nach- 
richt, daß  die  Gaetaner  eine  Anzahl  von  Neapolitanern  gefangen  hielten  und 
ihrer  Habe  beraubt  hätten,  unter  der  Betonung,  daß  das  Volk  von  Pisa  und 
das  von  Neapel  eins  seien,  mit  freundschaftlichen,  aber  sehr  nachdrücklichen 
Vorstellungen  zum  Schutze  ihrer  »Brüder  und  Bundesgenossen«  an  Konsuln 
und  Volk  von  Gaeta.  2) 

Zwei  Jahre  darauf  erneuerten  sie,  diesmal  in  Unterstützung  Kaiser  Lothars, 
ihren  Seezug,  nahmen  zunächst  Rache  an  Ravello,  erzwangen  von  Sorrent, 
Amalfi  und  der  Insel  Ischia  Geiseln  und  einen  Tribut^),  entsetzten  dann 
das  von  Roger  hart  bedrängte  Neapel  und  nötigten  endlich  im  Bunde  mit 
dem  Kaiser  am  8.  August  1137  Salerno  zur  Übergabe.*)  Aber  gerade  dieser 
wichtige  Erfolg  führte  zu  ihrer  Entzweiung  mit  dem  Kaiser;  da  er  Salerno, 
dem  die  Pisaner  wohl  das  Schicksal  Amalfis  zugedacht  hatten,  mit  großer 
Schonung  behandelte  und  ihre  Wünsche  nicht  so  berücksichtigte,  wie  sie  es 
gehofft,  wandten  sie  sich  kurz  entschlossen  der  Gegenseite  zu,  schlössen 
Frieden  mit  Roger^)  und  kehrten  im  September  1137  nach  Pisa  heim.  Es 
ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  daß  sie  das  nicht  getan  haben  würden,  wenn 
ihnen  nicht  König  Roger  für  ihren  Handel  mit  seinen  Gebieten  wichtige 
Zugeständnisse  gemacht  hätte. 

362.  Erst  nach  25  Jahren  kam  es  erneut  zum  Bruche,  da  Pisa  sich 
wohl  hütete,  trotz  der  Verhandlungen,  die  Konrad  III.  und  Kaiser  Friedrich 
während  seines  ersten  Römerzuges  wegen  einer  Expedition  nach  Sizilien  mit 
ihm  führten  und  trotz  der  Plünderung  seiner  Kolonie  in  Almyro  durch*  die 
Normannen  (1157),  die  Brücke  zu  früh  abzubrechen.  Mit  dem  Falle  Mailands 
aber  schien  die  Stunde  der  Entscheidung  gekommen;  am  6.  April  1162  wurde 
den  Pisanern  das  große  Privileg  ausgefertigt  0),  das  ihnen  für  den  Fall  der 
Eroberung  des  Normannenstaates  unerhörte  Vorteile  in  Aussicht  stellte.  Nicht 
nur  volle  Handels-  und  Abgabenfreiheit  sollten  sie  im  ganzen  Königreiche 
genießen,  nicht  nur  in  jeder  Stadt,  die  gegenwärtig  König  Wilhelm  innehabe, 
eine  Handelsstraße  (ruga  cum  domibus),  wie  sie  ihren  Kaufleuten  geeignet 
erscheine,  erhalten,  —  es  sollte  ihnen  auch  von  den  Hauptorten  Palermo 
und  Messina,  Neapel  und  Salerno  je  die  Hälfte  der  Stadt,  des  Hafens  und 
des  Stadtgebiets,  und  dazu  ganz  Gaeta  und  auf  Sizilien  ganz  Trapani  und 
Mazzara  zu  Lehen  gegeben  werden.  Alle  vom  Kaiser  in  den  eroberten  Ge- 
bieten einzusetzenden  Beamten  soUten   darauf   vereidet  werden,    diese  Ver- 

>)  Bernhard],  Lothar  628  f.     Vgl.  Manfroni  186  ff.     Caspar  155  ff. 

»)  Cod.  Cajet.  H,  244  no.  319,  264  no.  331. 

')  Gesandte  der  Leute  von  Atrani  nach  Pisa  zur  Einlösung  ihrer  Geiseln 
wurden  unterwegs  in  Gaeta  um  8  Goldunzen  geschädigt.  Verständigung  darüber  vom 
15.  II.  1138:  Cod.  Caiet.  II,  265  no.  332. 

")  Bernhardi,  Lothar  736  ff.  Vgl.  den  Brief  Barbarossas  vom  25.  VIII.  1155 
über  den  Ruhm  der  Pisaner ;   bei   Scheffer  -  Boichorst   p.  404  f.     Caspar  198  ff. 

»)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  241 ;  Romuald  ebd.  422.  Bernhardi,  Lothar  740  ff. 
Manfroni  192.     Caspar  202  f. 

•)  Const.  et  acta  I,  282  no.  205.     Siragusa  II,  App.  p.  IV  ff. 


462  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

leihungen  des  Kaisers  zu  respektieren ;  umgekehrt  wollten  die  Pisaner  die  Vor- 
steher (rectores),  die  sie  an  den  genannten  Orten  bestellen  würden,  eidlich 
verpflichten,  die  kaiserlichen  Beamten  zu  unterstützen.  Man  wird  sich  kaum 
dazu  verstehen,  zu  glauben,  daß  der  Kaiser  derartige  Verleihungen  ernsthch 
ins  Auge  gefaßt  haben  kann ;  und  so  lehrreich  für  die  alles  Maß  übersteigenden 
Ansprüche  dieser  Handelsstädte  und  ihre  hochfliegenden  Pläne  diese  Urkunde 
ist,  auch  die  klugrechnenden  Kaufleute  können  schwerhch  an  die  Erfüllung 
all  dieser  Verheißungen  geglaubt  haben.  Man  forderte  viel  und  versprach 
viel,  beiderseits  in  der  Erwartung,  sich  in  Wirklichkeit  schließlich  auf  einer 
mittleren  Linie  zu  verständigen. 

An  den  Pisanern  lag  es  nicht,  wenn  der  Zug  gegen  Sizilien  nicht  noch 
im  selben  Jahre  zur  Ausführung  kam.  Eine  große  Zahl  von  Kriegsschiffen 
rüsteten  sie  aus,  deren  Ziel  nicht  verborgen  bleiben  konnte,  und  zogen  da- 
durch die  Rache  des  Königs  auf  sich  herab ;  im  Oktober  ließ  er  alle  Pisaner, 
die  sich  trotz  der  offenkundigen  Gefahr  in  seinem  Gebiete  aufhielten,  ge- 
fangensetzen und  ein  gerade  von  Konstantinopel  zurückkehrendes  pisanisches 
Schiff  kapern.  1)  Es  ist  begreiflich,  daß  man  in  Pisa  seitdem  auf  die  sizi- 
lischen  Pläne  des  Kaisers  stets  auf  das  bereitwilligste  einging.  Als  mit  Wil- 
helm II.  ein  Knabe  auf  den  sizilischen  Thron  kam  (15.  Mai  1166),  waren  die 
Aussichten  noch  günstiger  geworden  und  im  Jahre  1167  schien  die  Expedition 
gesichert.  50  pisanische  Galeeren,  35  Pfeilschiffe  (sagittariae)  und  zahlreiche 
Transportschiffe 2)  setzten  sich  Anfang  August  in  Bewegung.  Da  brach  die 
furchtbare  Seuche  über  das  vor  Rom  lagernde  Heer  des  Kaisers  herein,  und 
das  ganze  Gebäude  der  Entwürfe  und  Hoffnungen  des  Kaisers  wie  der 
Pisaner  stürzte  zusammen. 

363.  Noch  im  Spätherbst  versuchte  Pisa,  im  Interesse  seines  Handels 
mit  dem  Normannen  Staate  zu  einer  Verständigung  zu  gelangen,  doch  ver- 
mochte die  am  16.  November  unter  Führung  des  Konsuls  Bulgarino  Anfossi 
an  den  sizilischen  Hof  abgehende  Gesandtschaft  auf  die  Bedingungen  des 
Königs  nicht  einzugehen.  Anderthalb  Jahre  später  aber,  als  Pisa  sich  der 
Obedienz  Alexanders  III.  anschloß,  hatte  Gherardo  Cortevecchia,  der  Pisa 
am  26  Juni  1169  verließ,  besseren  Erfolg;  er  brachte  einen  ehrenvollen 
Frieden  »auf  ewige  Zeiten«  zu  stände 3),  nachdem  die  Unterbrechung  der 
Handelsbeziehungen  diesmal  7  Jahre  gedauert.  Rasch  genug  stellte  sich 
wieder  ein  freundschaftliches  Verhältnis  her;  schon  im  folgenden  Jahre 
jagte  ein  sizilisches  Geschwader,  das  auf  dem  Wege  nach  Spanien  war,  in 
den  Gewässern  der  Insel  Giglio  den  Genuesen  eine  pisanische  Galeere,  die 
sie  genommen  hatten,  wieder  ab.  4)  Der  Friede,  der  seitdem  bis  zum  Er- 
löschen des  Königshauses  fortbestand,  konnte  auch  durch  einzelne  unlieb- 
same Vorfälle  nicht  gestört  werden,  so  durch  die  Wegnahme  eines  von 
Venedig  kommenden  pisanischen  Kauffahrers  im  Hafen  von  Alexandrien 
durch  die  sizilische  Flotte  (1174)^),  oder  durch  die  Übergriffe  pisanischer 
Korsaren,  die,  wie  wir  aus  einem  scharfen  pisanischen  Dekret  von  1189  er 
fahren,  ein  salernitanisches  Schiff  gekapert  hatten.  6) 


*)  Ann.  pis.  des  Bernardus  Marago ;  SS.  XIX,  249. 

»)  Ebd.  256. 

*)  »pacem  honorifice  cum  eis  perpetuo  firmavitc,  ebd.  259.    Manfroni  243,  542, 

*)  Ann.  genov.  I,  236  f. 

")  Schlußsatz  der  Annalen  des  Marago  ;  vgl.  Langer  p.  200  Anm.  3. 

•)  Constitutum  Usus  bei  Bonaini  11,  989. 


dl 


Unter-Italieu  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  463 

Speziellere  Nachrichten  über  die  Art  der  Handelstätigkeit  der  Pisaner 
im  Königreich  sind  nur  sehr  spärlich  vorhanden.  Doch  gibt  uns  wenigstens 
über  die  am  meisten  von  ihnen  besuchten  Handelsplätze  die  um  die  Mitte 
des  Jahrhunderts  aufgezeichnete  pisanische  Seezinstabelle  guten  Aufschluß. 
Nach  ihr  betrug  der  usuelle  Zins  beim  Seedarlehn  für  die  Fahrt  nach 
Neapel  und  zurück  15,  nach  Amalfi  und  Salerno  I7V2  und  nach  Policastro 
(Panicastro)  am  gleichnamigen  Golf,  von  dessen  Handel  wir  sonst  gar  nichts 
wissen,  das  aber  Edrisi  eine  große  und  bevölkerte  Feste  nennt,  20%.!)  Im 
eizilischen  Verkehr  betrug  der  Seezins  gleichmäßig  25%;  wenn  die  Tabelle 
gleichwohl  eine  ganze  Anzahl  von  Orten  besonders  aufführt,  so  ist  das  ein 
um  so  besserer  Beleg  dafür,  daß  tatsächlich  ein  beträchtlicher  Schiffahrts- 
verkehr der  Pisaner  nach  denselben  bestanden  haben  muß.  Sie  nennt  in 
erster  Linie  Messina,  in  zweiter  die  Hauptstadt  Palermo  (nebenbei  bemerkt 
hieß  der  der  Aufbewahrung  des  königlichen  Schatzes  dienende,  noch  heute 
wohl  erhaltene  Turm  am  Neuen  Palais  daselbst  der  pisanische)  2),  weiter  das 
Tunis  zunächst  gelegene  Mazzara,  das  Edrisi^)  an  Eleganz  und  Schönheit 
unübertrefflich  nennt,  mit  Märkten,  die  mit  Waren  und  Manufakturen  ge- 
füllt seien,  so  daß  ein  beträchthcher  Ausfuhrhandel  stattfinde.  Es  folgen 
an  der  Ostküste  Syrakus  mit  reicher  Getreideausfuhr:  Lentini,  6  Miglien 
vom  Meer,  aber  auf  dem  gleichnamigen  Flüßchen  für  kleinere  Schiffe  er- 
reichbar, mit  starker  Bevölkerung  und  besuchten  Märkten  und  Bazaren; 
Lampieda'*)  (=  Licata)  am  fischreichen  Salso,  in  fruchtbarer  und  volkreicher 
Umgebung,  mit  Hafen  und  Markt;  Girgenti,  das  jedem  Käufer  die  reichste 
Auswahl  an  Waren  bot;  endlich  Sciacca,  dessen  Hafen  namentlich  von 
den  aus  El  Mehdia  und  Tripoli  koinmenden  Fahrzeugen  viel  besucht  wurde. 
Auch  wissen  wir  schon,  daß  pisanische  Schiffe  im  Zwischenhandel  Getreide 
von  Sizilien  nach  Tripolitanien  zu  transportieren  pflegten.^)  Im  Jahre  1189 
ist  zuerst  ein  pisanisches  Konsulat  auf  Sizilien,  und  zwar  in  Messina,  nach- 
weisbar. 6) 

364.  Wie  die  Genuesen  das  älteste  Privileg  eines  normannischen 
Fürsten  im  Orient  aufweisen  können,  so  liegt  auch  das  älteste  von 
den  Normanen  Siziliens  für  eine  italienische  Seestadt  ausgestellte  Do- 
kument in  dem  recht  altertümlich  anmutenden  Privileg  vor,  das  der 
Konsul  Oglerius  Capra  und  sein  Bruder  Amicus  im  September  1116 
vom  Grafen  Roger  erwirkten.^) 

*)  Const.  Usus  tit.  25  bei  Bonaini  II,  905.  Edrisi  ed.  Aman  p.  97.  Über  Edrisi 
8.  C.  Brockelmann,  Gescb.  d.  arab.  Literatur.  (Weimar  1897)  I,  427  f.  Caspar  p.  449  ff. 

«)  Romualdi  Salem,  ann.  zu  1161,  SS.  XIX,  431  f.     Falcandus  p.  177. 

')  Zu  dem  folgenden  Edrisi  ed.  Amari  p.  33 — 37. 

*)  Bonaini  hielt  es  für  die  Insel  Lampedusa;  aber  es  ist  unzweifelhaft  das 
1.  nbiyädah  Edrlsls,  das  Olympias  des  Altertums.  Vgl.  besonders  die  Stelle  eines 
griechischen  Diploms  von  1141  (Amari  in  seiner  Ausgabe  Edrisis  p.  36  A.  2): 
^OXvfiniaSoe  TTJe  Isyovfie'vrje  yiixarag  und  die  Urkunde  Rogers  für  Girgenti  von  1093 
(Garufi  im  Arch.  sicil.,  n.  s.,  XXVIII  p.  141):  ex  hoc  flumine  (Salso),  sicut  ipsum 
descendit  ad  Limpiadum  qui  locus  dividit  Agrigentum  et  Butheriam. 

»)  Für  1180  bezeugt.     Oben  §  226. 

*)  Volpe  221  Anm.  2 ;  im  hospitium  der  Konsuln  wird  9.  Oktober  1190  (pis. 
Stils)  eine  Urkunde  aufgenommen. 

')  Mortillaro  V.  Opere ;  vol.  IV,  Palermo  1848 ;  p.  7  (griechisch) ;  p.  8  (lateinisch). 
Irrig  ist  es,  in  Oglerius  einen  überseeischen  Konsul  Genuas  zu  erblicken,  wie  es,  von 
anderen  abgesehen,  auch  Heyd  (I,  183:  >In  Sizilien  besaßen  sie  schon  Anfang  des 


464  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Mit  Rücksicht  auf  ihre  Verchenste  um  ihn  schenkte  ihnen  der  Graf 
in  Messina  ein  in  der  Nähe  des  königUchen  Schlosses  hegendes  Grundstück 
am  Meeresstrande  zur  Erbauung  eines  Hauses,  überwies  jedem  der  Brüder 
eine  Jahresrente  von  1  Pfund  Gold  und  erließ  ihnen  und  ihren  Leuten  den 
Ausfuhrzoll  beim  Warenexport  aus  Sizilien  bis  zur  Höhe  von  60  Goldtari. 
Im  übrigen  sollte  ihnen  der  Zoll  von  der  Duane  nur  nach  Ortsgebrauch 
berechnet  werden  dürfen.  Obwohl  das  Privileg  durchaus  in  der  Form  der 
persönlichen  Verleihung  gehalten  ist,  wird  doch  ein  Zweifel  darüber  nicht 
bestehen  können,  daß  das  zu  errichtende  Haus  als  Warenniederlage  und 
Kaufhaus  für  alle  Genuesen  in  Messina  dienen  sollte,  und  es  erscheint  wohl 
gerechtfertigt,  es  mit  dem  in  späterer  Zeit  genannten  genuesischen  fundicum 
S.  Johannis  daselbst  zu  identifizieren. i) 

Als  während  des  genuesisch-pisanischen  Krieges  ein  savonesisches 
Schiff  wegen  Seeräuberei  von  den  Siziliern  genommen  und  seine  Mannschaft 
gefangen  gesetzt  war,  trat  Genua  als  Schutzmacht  Savonas  vermittelnd  auf. 
Es  ließ  die  Savonesen  schwören,  sich  fortan  jeder  Seeräuberei  gegen  das- 
Gebiet  und  die  Untertanen  Rogers  zu  enthalten  —  Avobei  indessen  die  bei 
Kaperschiffen  herkömmliche  Forderung  von  Rudern  und  Segeln  in  billigen 
Grenzen  (moderate  et  cum  ratione)  nicht  als  Seeraub  gelten  sollte  —  und 
für  jede  etwa  vorfallende  Schädigung  binnen  30  Tagen  nach  eingegangener 
Beschwerde  Ersatz  zu  leisten;  auch  verpflichteten  sich  die  Savonesen,  dem 
Herzog  im  laufenden  Jahre  mit  einer  Galeere  40  Tage  hindurch  Dienste 
zu  leisten.  Daraufhin  erbaten  die  Gesandten  Genuas  die  Nachsicht  Rogers, 
der  nun  die  Gefangenen  freiließ  und  am  13.  Mai  1128  eine  Urkunde  aus- 
stellte, die  den  Savonesen,  Seeräuber  ausgenommen,  sicheres  Geleit  und  ge- 
rechte Erledigung  etwaiger  Beschwerden  binnen  4  Monaten  zusagte.^)  Im 
folgenden  Jahre  fochten  die  Genuesen  in  Messina  gegen  die  Pisaner,  die 
von  den  Messinesen  unterstützt  wurden,  einen  Kampf  aus  und  vertrieben 
die  Unterlegenen  aus  der  Stadt  bis  an  den  Palast  des  Herzogs;  doch  gaben 
sie  auf  sein  Verlangen  die  den  Messinesen  entrissene  Habe  wieder  zurück.^) 
Charakteristisch  jedenfalls,  daß  die  Genuesen  im  fremden  Lande,  noch  dazu 
in  Anwesenheit  eines  Herrschers,  der  es  an  durchgreifender  Energie  sonst 
nicht  fehlen  ließ,  in  solcher  Weise  aufzutreten  wagen  durften. 

Ungleich  den  Pisanern,  hielten  sich  die  Genuesen  von  dem  Kriege 
gegen  König  Roger  in  den  dreißiger  Jahren  trotz  der  Mahnungen  des 
hl.  Bernhard  4)  fern ;  auch  ihr  lange  Zeit  wenig  freundliches  Verhältnis  zum 
griechischen  Reiche  konnte  ihrem  kräftig  aufblühenden  Handel  mit  dem 
Normannenstaate  nur  förderlich  sein.  Ein  neues  Privileg  schien  ihnen  erst 
unter  dem  neuen  Könige  Wilhelm  I.  erforderlich,  als  die  Anknüpfung  ver- 
tragsmäßiger Beziehungen  zu  Konstantinopel  ihnen  eine  bessere  Fixierung 
ihrer  Stellung  und  Vorrechte  im  sizilischen  Königreiche  wünschenswert  errjBl 

12.  Jahrh.  ein  Konsulat  etc.)  und  Caspar  p.  54  tun.  In  ^Oys^ico  rqJ  xovvaoXtp  revovae 
haben  wir  vielmehr  Oglerius  Capra  vor  uns,  der  1114 — 1117  dem  Kollegium  der 
städtischen  Konsuln  angehörte ;  ann.  genov.  I,  15  f.  Vgl.  noch  Gregorio,  prove  11, 
no.  74  p.  82  u.  p.  225;  Vinc.  di  Giovanni  im  Arch.  sie.  XI  (1886)  p.  51.  Olivieri  in 
Atti  Lig.  I,  290  not.  Langer  p.  64. 

»)  Ann.  genovesi  II  p.  48  (1194);  Heyd  I,  183. 

«)  Filippi  G.,  Studi  di  storia  Ligure  (Rom  1897),  p.  3  if.  Vgl.  Caspar  77  £.| 
136,  499  f. 

')  Ann.  genov.  I,  24. 

*)  Bernhardi,  Lothar  627  f. 


m 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  465 

scheinen  ließ.  Im  November  1156  stellte  der  König  ihren  Gesandten  An- 
saldus  Auriae  und  Wilelmus  Ventus  zwei  Privilegien  aus ,  von  denen  das 
erste  die  Genuesen  mit  ihren  Waren,  Seeräuber  und  Feinde  des  Königs 
ausgenommen,  unter  Königsschutz  stellte  und  das  Verfahren  bei  vorkom- 
menden Verfehlungen  gegen  den  zwischen  beiden  Staaten  bestehenden 
Rechtszustand  regelte  i),  während  in  dem  andern  2)  auf  Wunsch  der  Ge- 
sandten eine  Aufzeichnung  und  Bestätigung  der  seit  den  Zeiten  Rogers  im 
Handelsverkehr  der  Genuesen  mit  dem  Königreiche  entwickelten  Gewohn- 
heiten, einschließlich  der  Zugeständnisse  des  neuen  Königs,  vorgenommen 
wurde.  Das  wichtigste  dieser  Zugeständnisse  war  der  von  den  Genuesen 
gewünschte  Ausschluß  aller  Franzosen  vom  direkten  Handel  mit  dem  sizi- 
lischen  Königreiche ;  im  übrigen  mußten  sie  sich  in  eine  Beschränkung  der 
freien  Bewegung  ihrer  Handelsschiffe  insoweit  finden,  als  sich  der  König 
die  zeitweilige  Zurückhaltung  derselben  während  der  Vorbereitung  für  einen 
Seezug  im  militärischen  Interesse  vorbehielt.  Rechtliche  Geltung  erhielten 
diese  Privilegien  erst  im-  Januar  1157,  als  die  Konsuln  und  300  der  ange- 
sehensten Männer  von  Genua  vor  den  sizilischen  Gesandten,  unter  denen 
sich  der  Erzbischof  von  Syrakus  und  ein  Genuese,  Ansaldo  de  Nigrone, 
offenbar  ein  Vasall  des  Königs,  befanden,  den  vom  Könige  geforderten  Eid 
geleistet  hatten,  daß  kein  Genuese  gegen  ihn  oder  seine  Erben  beim 
griechischen  Kaiser  Dienste  nehmen  würde.^)  Zeigt  sich  darin  ein,  wie  wir 
wissen,  nicht  unbegründetes  Mißtrauen  des  Königs,  so  kam  die  Ursache, 
die  zu  einer  plötzlichen  und  langdauernden  Störung  des  mächtig  entwickelten 
genuesischen  Handels  mit  Sizilien  führen  sollte,  von  einer  ganz  anderen 
Seite :  nach  dem  Falle  Mailands  glaubte  auch  Genua  sich  den  Forderungen 
des  deutschen  Kaisers  nicht  länger  entziehen  zu  können;  sein  Bund  mit 
Barbarossa  hatte  den  Abbruch  seiner  politischen  wie  kommerziellen  Be- 
ziehungen mit  dem  Normannen  Staate  für  geraume  Zeit  (1162 — 1174)  zur  Folge. 

365.  Um  so  erwünschter  ist  es  uns,  über  den  genuesischen  Handel 
mit  dem  Königreich  für  die  vorhergehende  Zeit  verhältnismäßig  reichhaltige 
Nachrichten,  namentlich  in  dem  erwähnten  zweiten  Privileg  und  dem  Notu- 
larium  des  Johannes  Scriba,  zu  besitzen.  Mit  dem  festländischen  Teil  des 
Königreichs  war  der  Verkehr  Genuas  wesentlich  geringer  als  mit  Sizilien ;  für 
ihn  wurden  auch  die  schon  zur  Zeit  Rogers  geltenden  Gewohnheiten  lediglich 
bestätigt.  Aus  Calabrien  kam  Getreide  nach  Genua;  aus  dem  1143  aufge- 
zeichneten erzbischöflichen  Zehntentarif  erfahren  wir,  daß  von  jeder  Person 
auf  einem  aus  Calabrien  kommenden  Getreideschiffe  ein  Quartinus  grani  zu 
erheben  war.^)  Neapel  erscheint  in  dem  Notularium  nur  ein  einziges  Mal 
als  Ziel   einer  Geschäftsreise  s) ;   dieser  Platz  war  offenbar   die  Domäne   der 


»)  Lib.  jur.  I,  190  no.  218.     Vgl.  Siragusa  II,  71  u.  XXXV  f.  Imperiale  p.  414  f. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  230;  mit  dem  irrigen  Datum  1157.  Zuerst  bemerkt  von  Oli- 
vieri,  Atti  Lig.  I,  290,  der  aber  irrig  annimmt,  daß  beides  Teile  einer  Urkunde 
seien;  ebenso  Langer  p.  64  und  Heyd  I,  182  Anm.  3  Es  liegt  vielmehr  genau  das- 
selbe Verfahren  vor  wie  in  den  Privilegien  für  Venedig  vom  September  1175. 

')  Bei  Olivieri,  Atti  Lig.  I,  292  f.  Dazu  die  ann.  des  Caffaro  zu  1156  (ann. 
genovesi  I  p.  46  f.),  der  stark  hervorhebt,  daß  die  in  ungewöhnlicher  Form  ver- 
sprochene Leistung  des  Königs  weit  über  die  Gegenleistung  der  Genuesen  hinaus- 
gehe, wobei  er  freilich  den  Passus  bezüglich  des  griechischen  Kaisers  ganz  ver- 
schweigt. 

*)  Registrum  Curiae  Archiep.  Jan.  in  Atti  Lig.  II,  2  p.  10. 

*)  Chart.  II  no.  429  (Gesellschaftskapital  nur  6  1.  Jan.). 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  80 


466  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Pisaner.  Dagegen  konzentrierte  sich  der  genuesische  Handel  mit  der  West- 
küste Unteritaliens  in  Salerno,  das  uns  in  den  Notariatsakten  des  Johannes 
21  mal,  sei  es  in  Gesellschafts-  oder  in  Seedarlehnsverträgen,  begegnet.  Aus 
den  Kreisen  der  Nobili  pflegte  besonders  Ottobonus  de  Albericis  mit  seiner 
Sippe  diesen  Verkehr,  bei  dem  die  Ausfuhr  von  Tuchen  eine  Hauptrolle 
spielte.  Einmal  wird  ein  kostbares  Stück  Scharlachtuch  (pecia  scarlate)  im 
Werte  von  22  1.  jan.  nach  Salerno  in  Commenda  gegeben,  ein  andermal 
handelt  es  sich  um  geringere  Tuche,  78  Stück  Barchent  (fustaneorum), 
offenbar  aus  der  Lombardei,  und  40  Ellen  einheimische  (genuesische)  Tuche, 
zu  denen  noch  eine  ,cultra  de  pallio'  hinzukam.i)  Von  Salerno  aus  suchten 
dann  die  genuesischen  Händler  auch  die  kleineren  Orte  an  der  Küste  auf; 
bei  einem  Seedarlehn,  das  Braidenus  am  2.  September  1158  im  Betrage  von 
48  1.  jan.  von  Ottobonus  aufnahm  2),  umfaßte  das  Risiko  1.  behaltene  Fahrt 
des  Kauffahrers  (navis),  auf  dem  er  reiste,  von  Genua  nach  Salerno,  2.  des 
kleinen  Fahrzeugs  (lignum  subtile),  auf  dem  er  von  Salerno  aus  weiter  reisen 
würde,  bis  zum  Zielpunkte  und  zurück,  3.  des  Fahrzeugs  (lignum),  auf  dem 
er  im  nächsten  Sommer  die  Rückreise  nach  Genua  antreten  würde.  Zöge 
er  es  vor,  zu  diesem  Zeitpunkte  noch  nicht  zurückzukehren,  so  sollte  das 
Risiko  auf  das  erste  Fahrzeug  übergehen,  das  im  nächsten  Sommer  von 
Messina  aus  nach  Genua  unter  Segel  gehen  würde ;  offenbar  hatte  Braidenus 
die  Absicht,  für  diesen  Fall  Waren  mit  diesem  Schiff  nach  Genua  zu  senden, 
aus  deren  Erlös  dann  die  Befriedigung  seines  Gläubigers  zu  erfolgen  hatte. 
Auch  in  seiner  Bedeutung  als  genuesische  Handelsstation  für  den  Weg  nach 
der  Levante  tritt  uns  Salerno  einigemal  entgegen;  so  wird  dem  Reisenden 
Gotoerrus,  der  von  Obertus  Spinola  eine  Commenda  im  Werte  von  100 1.  jan. 
empfangen  hat,  die  Fortsetzung  seiner  zuerst  nach  Salerno  gehenden  Han- 
delsfahrt nach  Alexandrien  vorgeschrieben;  und  ein  andermal,  wo  zwei 
Reisende  gemeinschaftlich  verschiedene  Tuche  (8  pecias  sagre  et  volgia)  im 
Werte  von  25  1.  für  die  Reise  nach  Salerno  anvertraut  erhalten  haben, 
heißt  es,  daß,  wenn  auch  nur  einer  von  ihnen  die  Reise  nach  Alexandrien 
fortsetzen  wollte,  diesem  die  ganze  Commenda  (also  der  Erlös)  zu  übergeben 
8ei.3)  Häufiger  noch  wird  die  Fortsetzung  der  Geschäftsreise  von  Salem 
nach  der  Insel  Sizilien  in  Aussicht  genommen.*) 

■  366.  Kein  anderes  Handelsgebiet  begegnet  so  häufig  in  den  vom  Notar 
Johannes  aufgenommenen  Verträgen,  als  diese  Insel s);  neben  zahlreichen 
Gesellschaftsverträgen   finden   sich   hier   sehr   viel   häufiger  als  für  den  Ver- 


II 


*)  Ib.  no.  321  und  894,  wo  ich  für  40  cannas  de  naturis  lese  de  nativi 
Um  den  Tuchhandel  handelt  es  sich  sicher  auch,  wenn  von  zwei  Sozii  der  eine 
sogleich  nach  Salerno  geht,  während  der  andere  sich  zunächst  nach  der  Lombardei 
zu  begeben  und  dann  auf  dem  ersten  von  Genua  abgehenden  Schiffe  nach  Salerno 
zu  folgen  hat  (no.  1137),  ferner  bei  der  Handelsreise,  die  Hospinel  von  Verdun  als 
Sozius  des  Kapellans  Raimund  mit  120  1.  jan.  Kapital  im  Sommer  1157  zunächst 
nach  Salerno  angetreten  hat ;  bei  seiner  Rückkehr  hatte  er  im  Falle  der  Abwesen- 
heit Raimunds  dessen  Gewinnanteil  an  den  Tuchhändler  Blancard  abzuliefern 
(no.  427).  Übrigens  waren  Hospinel  und  sein  Oheim  Oliver  von  Verdun  in  Gen 
ansässig;  vgl.  no.  1057,  1369,  1403. 

«)  No.  698. 

»)  No.  430,  306. 

♦)  No.  243,  244,  333,  547,  690,  1057,  1129. 

»)  Nicht  weniger  als  114 mal;  für  die  Jahre  1157,  1158  und  1160  allein  26, 
und  22  Nummern. 


II 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  467 

kehr  nach  der  Levante  Seedarlehn,  nicht  selten  über  verhältnismäßig  nied- 
rige Beträge,  ein  Beweis,  daß  mit  Handelsuntemehmungen  nach  Sizilien  sich 
vielfach  auch  kleinere  Geschäftsleute  befaßten.  Was  das  pisanische  Gesetz- 
buch fixiert,  sehen  wir  hier  durch  die  Praxis  bestätigt;  in  der  großen  Mehr- 
zahl der  Fälle  beläuft  sich  der  Seezins  für  behaltene  Hin-  und  Rückfahrt 
auf  25%.  Für  die  Ausreise  bevorzugte  man  den  Herbst,  den  September 
am  meisten  und  demnächst  den  Oktober;  während  die  im  Sommer  oder 
Frühjahr  abgehenden  Schiffe  noch  im  selben  Jahre  zurückzukehren  pflegten, 
blieben  diese,  ähnUch  wie  es  die  große  Mehrzahl  der  Levantefahrer  tat,  den 
Winter  über  in  einem  sizilischen  Hafen  vor  Anker  oder  wechselten  den 
Hafen  nach  Beschluß  der  Interessenten  auch,  während  die  Kaufleute  ihren 
Geschäften  keineswegs  bloß  an  dem  Landungsplatz  selbst,  sondern  auch  im 
Innern  und  an  anderen  Küstenplätzen  nachgingen,  i)  Erst  bei  Beginn  des 
nächsten  Sommers  wurde  die  Heimreise  angetreten,  die  vor  Johanni  beendet 
zu  sein  pflegte  2),  so  daß  für  Schiffe  und  Kaufleute  Zeit  genug  bis  zum  An- 
tritt einer  neuen  Reise  im  gleichen  Jahre  übrig  blieb.  Einzelne  Großkauf- 
leute, wie  Gull.  Buronus,  unterhielten  auch  dauernd  Bevollmächtigte  auf 
der  Insel.  3) 

Als  Reiseziel  nennen  die  Verträge  des  Notulariums  in  den  meisten 
Fällen  nur  Sizilien  im  allgemeinen ;  wo  einzelne  Orte  namhaft  gemacht  wer- 
den, begegnet  am  häufigsten  Palermo,  erhebHch  seltener  Messina,  und  nur 
vereinzelt  Mazzara  und  Trapani*);  im  Abgabentarif  wird  außer  den  drei  erst- 
genannten Orten  noch  Girgenti  besonders  aufgeführt. 

Unter  den  Waren,  die  von  den  Genuesen  nach  SiziHen  ausgeführt 
wurden,  spielten,  wie  bei  Salerno,  Tuche  die  Hauptrolle;  in  Gesellschafts- 
verträgen für  die  Geschäftsreise  nach  Sizilien  begegnen  einmal  40,  einmal 
41  peciae  fustaneorum  von  Mailand,  und  mit  letzteren  zusammen  fustanei 
von  Piacenza  im  Werte  von  32  1.  Jan.,  während  bei  weiteren  70  peciae  fu- 
staneorum, die  einen  Wert  von  86^/4  1.  jan.  repräsentierten,  die  Herkunft 
nicht  angegeben  ist.  Außer  diesen  letzteren  führte  Mussus  Scalcaveia  als 
Sozius  des  Marchio  de  Volta  auch  150  Ellen  heimischen  Tuches  (nativi)  im 
Preise  von  30 1.  bei  sich,  die  er  in  Sizilien  zu  verwerten  hatte,  um  dann 
nach  Ermessen  nach  Ägypten  weiter  zu  gehen.  0)  Wolltücher  setzten  die 
Genuesen  in  Sizilien  offenbar  in  beträchtlichem  Umfange  ab,  da  sie  im  Tarif 
für  Palermo  als  besonderer  Posten  erscheinen,  und  zwar  als  einziger,  von 
dem  die  Zollbehörde  beim  Verkauf  nur  den  20ten  Teil  in  natura  erhob. 
Von  7  Stück  derselben  (peciae  pannorum  laneorum),  die  Armannus  dem 
Tuchhändler  Blancardus  am  10.  Januar  1162  verkaufte,  erwartete  man  einen 


*)  Einigemal  heißt  es  in  den  Verträgen' ausdrücklich :  laboratum  portare  Paler- 
mum  et  per  Siciliam  (no.  873 — 875);  im  Herbst  1161  soll  Vassallus  Manjavacca 
nach  Palermo  und  Sizilien  gehen,  sich  aber,  falls  ein  sicheres  Reisen  durch  die 
Insel  nicht  möglich,  anderswohin  wenden  (si  impedita  erit  terra,  ut  ibi  ad  com- 
modum  societatis  se  expedire  non  possit)  no.  1121. 

*)  Einmal  wird  ein  einfaches  Darlehn  von  10  1.  jan.  (am  15.  April  1159)  auf- 
genommen, das  mit  20  "/o  Zins  14  Tage  nach  Ankunft  des  ersten  von  Sizilien  kom- 
menden Schiffes  rückzahlbar  ist,  wenn  dieses  vor  Johanni  eintrifft,  sonst  14  Tage 
nach  Johanni.     No.  749. 

')  No.  882;  sein  munciust  Jonathas  Cerriolus. 

*)  No.  267,  759.  Masale  in  no.  470  doch  wohl  gleich  Mazzara.  Dazu  würde 
Licata  treten,  wo  Kanzler  Stephan  für  seine  Flucht  nach  Syrien  einen  genuesischen 
Kauffahrer  ankaufte   und   die  genuesische  Bemannung  anwarb     Falcandus  p.  161. 

6)  No.  602,  897,  604. 

30* 


468  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Erlös  von  30  Goldunzen  in  Sizilien.  Um  wertvolle  Stoffe  handelte  es  sich 
ferner  bei  den  11  cendati,  die  dem  Commendaempfänger  für  die  Herbstfahrt 
nach  der  Insel  im  Jahre  1157  mit  28  1.  jan.  angerechnet  wurden  und  bei 
dem  Stück  von  Saint- Riquier  im  Preise  von  5^/4  1.,  das  in  einem  Vertrage 
des  nächsten  Jahres  für  die  Fahrt  nach  Messina  neben  dem  GeseUschafts- 
kapital  besonders  erwähnt  wird,  i)  Elf  Stücken  Tuch  von  Saint-Riquier  und 
20  jedenfalls  auch  aus  Nordfrankreich  stammenden  Stücken  Sarsche  (sagie) 
begegnen  wir  unter  den  Waren,  die  Sulpice  von  Verdun  und  sein  Sozius 
Thibaud  nach  Sizilien  exportierten;  am  24.  April  1160  nahmen  sie  auf  diese 
bei  Blancard  ein  Seedarlehn  von  70  1.  jan.  auf,  das  sie  aus  ihren  ersten  Ein- 
nahmen auf  Sizilien  an  Blancards  Bruder  oder  seine  sonstige  Order  mit 
40  Goldunzen  Messineser  Gewichts  zu  erstatten  versprachen.  Und  friesische 
Tuche  endlich  führte  Oger  von  Tours  auf  seiner  Handelsreise  nach  Sizilien 
mit  sich ;  einen  Teil  derselben  bestellte  auch  er  Blancard  für  ein  Darlehn 
als  Sicherheit,  während  er  außerdem  noch  eine  Commenda  Blancards  zu  ver- 
werten übernahm.  2)  Als  genuesische  Ausfuhrartikel  begegnen  ferner :  Balken 
(trabes)  im  Werte  von  41/2  1.  für  Palermo,  Seide,  Eisen  und  Zinn  für  Mes- 
sina, dünne  Stahlstäbe  aus  Mailand  (11  sacci  azarii,  in  quibus  sunt  3800  virgae)^), 
sowie  Kupferwaren.  Letztere  in  einem  besonders  bemerkenswerten  Vertrage 
vom  20.  September  1157,  in  dem  Boemund  Johannis  Chrispiani  dem  Schiffs- 
eigentümer Gandulfus  de  Gotizone  außer  dem  ihm  gehörigen  Anteil  von 
V24  seines  Schiffs  eine  große  Zahl  von  einzelnen  Gegenständen  für  die  Fahrt 
nach  Palermo  in  Commenda  gab.  Es  befinden  sich  darunter  besonders 
Drogen  und  Spezereien,  u.  a.  2V2  Pfund  Sandelholz,  ein  Behälter  mit 
92  Pfund  Ammoniak,  das  am  Ätna  gewonnen  zu  werden  pflegte*)  und  nun 
über  Genua  nach  Sizilien  zurückkehrte,  zwei  Sorten  Myrobalanen  (4^/2  Pfd. 
emblici  und  3  Pfund  chebuli)^),  16  Pfund  euforbii,  ein  Korb  Kokeiskörner 
(sporta  cuculli)  im  Gewicht  von  65  Pfund  und  auch  5  Pfund  weißen  Pfeffers, 
endlich  merkwürdigerweise  sogar  sarazenische  Bücher.  Wie  nicht  wenige 
der  hier  genannten  Waren  sind '  offenbar  auch  diese  aus  Ägypten  gekommen 
und  wurden  nun  durch  Christen  an  die  Sarazenen  Siziliens  vertrieben  —  ein 
sprechendes  Zeugnis  dafür,  wie  sehr  diese  romanischen  Kaufleute  es  ver- 
standen hatten,  auch  den  Handelsverkehr  zwischen  den  von  Sarazenen  be- 
wohnten Ländern  am  Mittelmeer  an  sich  zu  reißen.  Noch  in  zwei  anderen 
Fällen  enthüllen  mis  unsere  sonst  keineswegs  gesprächigen  Verträge  diese 
Demerkenswerten  Beziehungen;  im  Herbst  des  Jahres  1158  wurden  10  Zentner 
Pfeffer,  die  also  auch  den  Umweg  über  Genua  gemacht  hatten,  auf  dem 
Schiffe  des  Martinus  Eriberti  nach  Sizilien  exportiert;  Wilelmus  Aradellus 
hatte  die  Ware  unter  selbstschuldnerischer  Bürgschaft  des  Wilelmus  de  Volta 
von  Bonus  Johannes  Malfuaster  als  Seedarlehn  empfangen  und  Zahlung  des 
Kaufpreises  mit  57^/2  1.  jan.  bei  behaltener  Ankunft  des  genannten  Schiffes 

1)  No.  1153,  506,  634. 

*)  No.  859,  857.  Im  Sommer  1164  ging  Sulpice  als  Sozius  Blancards  nach 
Syrien;  no.  1499. 

»)  No.  622,  1073,  602. 

*)  Amari:  Musulmani  II  p.  442. 

*)  No.  508.  Für  eliebuli  glaube  ich  chebuli  lesen  zu  müssen  (über  myro 
balanum  Heyd  II,  640,  Flückiger  269).  Nicht  zu  deuten  weiß  ich:  paliadeessa  lib- 
ras  5  und  memirem  libras  2.  Vgl.  das  Verzeichnis  des  Matthaeus  Platearius  von 
Salerno  (liber  de  simplici  medicina  sive  Circa  instans),  enthaltend  273  Droguen,  bei 
Choulant  J.  L.,  Handbuch  der  Bücherkunde  für  die  ältere  Medizin.  Leipzig  *1841 
p.  297  ff.     Dazu  jetzt  Guigues  im  Journ.  asiat.,  s^r.  10,  t.  V,  473  ff.,  VI,  49  ff. 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  469 

in  Sizilien  bis  zum  1.  Juli  des  nächsten  Jahres  verheißen,  i)  Und  als  am 
14.  September  1161  Ogerius  Ventus  und  Marinus  von  Nervi  eine  Handels- 
gesellschaft über  75  1.  Kapital  miteinander  eingingen,  setzte  sich  das  von 
Marinus  eingebrachte  Drittel  aus  6V2  1-  in  bar  und  1^/5  Zentner  Indigo 
von  Bagdad  zusammen,  die  er  in  Palermo  zu  verkaufen  gedachte.  2) 

367.  Unter  den  Waren,  die  Genua  aus  Sizilien  einführte,  stehen  Getreide 
und  Baumwolle  obenan.  Getreide  ist  der  einzige  Artikel,  der  im  Privileg 
von  1156  bei  allen  vier  namentlich  genannten  Orten  aufgeführt  wird.  In 
Palermo,  Mazzara  und  Girgenti  war  für  je  2  Scheffel,  in  Messina  für  je 
4  Lasten  Getreide,  das  nach  Genua  selbst  exportiert  wurde,  ein  Ausfuhrzoll 
von  1  Tari  zu  entrichten,  während  bei  der  Einfuhr  in  Genua  von  jedem  aus 
Sizilien  kommenden  Schiffe,  das  zum  größeren  Teil  mit  Getreide  beladen  war, 
für  die  Stadt  durch  den  Cintraco  2  Minen,  außerdem  aber  von  jeder  Person 
-auf  dem  Schiffe,  für  den  Erzbischof  ein  Zehent  von  1  Mine  Getreide  in 
natura  erhoben  wurden. '■^)  Sizilische  Baumwolle  erscheint  als  erster  Posten 
in  deüi  um  1140  aufgezeichneten  genuesischen  Wägelarif*);  es  ist  der  einzige 
Artikel  der  Einfuhr,  der  in  dem  Notularium  des  Johannes  mehrfach  Er- 
wähnung findet.  Mitglieder  von  Handelsgesellschaften,  die  das  sizilische 
Geschäft  pflegten,  geben  die  notarielle  Erklärung  ab,  daß  bestimmte  Quan- 
titäten sizilischer  Baumwolle  für  die  betreffende  Gesellschaft  in  Genua  lagerten, 
so  Rainald  Albissola  gegenüber  Ingo  de  Volta,  dem  Vertreter  seines  mit  ihm 
assoziierten  Sohnes  Wilhelm  bezüglich  IIV2  Sack  im  Gewicht  von  16  Kantär 
und  eines  weiteren  Sackes  im  Werte  von  2  1.  jan.,  so  ferner  Aliadar,  die 
Frau  Solimans  von  Salerno,  gegenüber  ihrem  Sozius  Donatus  de  s.  Donato 
•einmal  (1158)  bezüglich  14  Kantär  und  ein  zweites  Mal  (1161)  bezüglich 
14  Kantär  40  rotuli,  von  denen  6  Kantär  14  rot.  ihr,  der  Rest  dem  Donato 
gehörten.  5)  Für  die  Ausfuhr  von  Baumwolle,  deren  Kultur  von  der  arabi- 
schen Bevölkerung  besonders  gepflegt  wurde,  hatten  die  Genuesen  in  Mazzara 
pro  Sack  1/2  Tari  zu  zahlen,  ebensoviel  in  Girgenti  für  den  Kantär,  wenn  die 
Baumwolle  in  der  Stadt  selbst  gekauft  ward,  war  sie  außerhalb  gekauft,  das 
Doppelte;  ähnlich  in  Palermo  vom  Kantär  Baumwolle,  den  sie  aus  dem 
Innern  nach  der  Stadt  brachten,  IV2  Tari,  wogegen  sie  dann  einen  besonderen 
Ausfuhrzoll  nicht  mehr  zu  zahlen  hatten.  Auch  aus  Malta  wurde  damals 
schon  Baumwolle  nach  Genua  importiert.  6) 


1)  No.  680/81  (26.  August). 

«)  No.  1120. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  75  (Aufzeichnung  von  1142) ;  Registrum  Curiae  Arch.  in  Atti 
Lig.  n,  2  p.  10.     Dazu  p.  127. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  66. 

»)  Chart.  II  no.  501,  639,  1126, 

•)  Im  Nachlaßinventar  des  W.  Scarsaria:  Vj  unius  sacci  bombicine  de  Malta; 
ib.  no.  1427.  Vgl.  Aman,  Musulm.  II,  447  f.  Leonardo  Pisano  teilt  uns  mit  (p.  117), 
daß  in  Sizilien  beim  Laden  der  Schiffe  das  >Collo<  den  Maßstab  bildete,  auf  das 
man  bei  Baumwolle  1  '/s  Kantär  rechnete  (bei  Kupfer  3  Kantär).  Übrigens  heißt  es 
in  dem  Privileg  (Lib.  Jur.  I  no.  230)  stets:  pro  cantario  cuttonis,  pro  sacco  de 
cuttone;  es  ist  also  ein  Irrtum,  was  seit  Heyd  (II,  614  f.)  allgemein  behauptet' 
wird,  daß  dieses  arabische  Wort  für  Baumwolle  erst  seit  dem  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts in  den  abendländischen  Quellen  vorkomme.  Die  Marseiller  Urkunden 
haben  das  Wort  sehr  häufig :  Manduel  no.  10  (implicatas  in  cotone,  1218),  no.  33 
(1233),  Amalric  no.  1  und  oft.  Selbst  in  Flandern  begegnet  das  Wort  schon  in  der 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts.  Oben  §  325.  VölUg  unzutreffend  ist,  was  Oppel  p.  24 
und  217  über  die  Geschichte  der  Verarbeitung  der  Baumwolle  in  Italien  sagt. 


470  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

Wolle  erscheint  nur  im  Abgabentarif  unter  Palermo;  unter  denselben - 
Modalitäten  wie  bei  Baumwolle  war  hier  für  den  Kantar  V2  Tari  zu  ent- 
richten. Für  Lammfelle  und  andere  Felle  und  Häute  zahlten  die 
Genuesen  bei  der  Ausfuhr  aus  Girgenti  und  Mazzara  1  Tari  pro  Last  (sauma), 
in  Palermo  für  das  Hundert  Lammfelle  beim  Einbringen  in  die  Stadt  V-j^  Tari, 
während  die  Ausfuhr  frei  war.  Einmal  begegnen  auch  in  Genua  aus  sizi- 
lischer  Einfuhr  2  pelles  de  ventribus  cUnicolorum,  also  Pelze,  die  aus  den 
besonders  zarten  und  weichen  Bauchfellen  der  Kaninchen  zusammengesetzt 
waren.  1)  La  Palermo  war  endlich  noch  für  Schweine  ein  Torzoll  von  1  Tari 
auf  4  Stück  zu  entrichten ;  sie  dienten  wohl  nicht  bloß  dem  unmittelbaren 
Verbrauch  der  Kolonisten,  sondern  wahrscheinlich  in  größerem  Umfange 
dem  Export  nach  Genua  in  Gestalt  von  Schinken  und  eingesalzenem 
Fleisch. 

368.  Die  von  den  Genuesen  in  Sizilien  zu  entrichtenden  Handels- 
abgaben weisen,  auch  abgesehen  von  den  schon  angeführten  Artikeln,  für 
die  einzelnen  Plätze  Siziliens  manche  interessante  Verschiedenheiten  auf. 
Li  Mazzara  hatte  jeder  genuesische  Kaufmann,  der  von  See  eintraf,  eine 
Abgabe  von  10  Tari  zu  zahlen.  In  Palermo  waren  von  allen  zur  See  ein- 
geführten Waren  beim  Verkauf  10%  in  natura  abzugeben;  xmverkauft 
gebliebene  durften  unverzollt  wieder  ausgeführt  werden.  In  Messina  hatten 
die  Genuesen,  wenn  sie  aus  der  Heimat  kamen,  beim  Eintritt  pro  Person 
1  sol.  Jan.,  und  wenn  sie  eine  offene  Handelsverkaufsstelle  (apothecam)  da- 
selbst einrichteten,  das  Doppelte  zu  zahlen.  Im  übrigen  waren  sie  wesentlich 
günstiger  gestellt  als  in  Palermo,  da  die  Verkaufsabgabe  hier  nur  3  %  für  sie 
betrug.  Dabei  hatten  sie  für  die  amtliche  Verwiegung  ihrer  Waren  keinerlei 
Abgabe  zu  entrichten,  durften  auch  im  Verkehre  untereinander  ihre  eigene 
Wage  haben ;  auch  sollten  Klagen,  die  sie  bei  dem  königlichen  Gericht  zum 
Zwecke  der  Wiedererlangung  abhanden  gekommener  oder  ihnen  entfrem- 
deter Waren  anbrachten,  gebührenfrei  sein.  Der  Ausfuhrzoll  wurde  in  Höhe 
von  1  Tari  von  je  zwei  Warenballen  (de  2  coUis)  erhoben.  Schiffe  durften 
sie  [in  Messina  nur  mit  besonderer  königlicher  Erlaubnis  ankaufen  oder 
mieten. 

Daß  bei  der  zentralen  Lage  Siziliens  im  Mittelmeer  die  Genuesen  gerade 
diese  Insel  oft  zum  Ziele  oder  doch  Durchgangspunkt  für  ihre  Handelsfahrten 
auch  von  anderen  Plätzen  als  Genua  aus  machten,  kann  nicht  wundernehmen. 
Erwähnt  ist  schon,  daß  sie  häufig  von  Salerno  herüberkamen;  in  anderen 
Fällen  ist  die  Fortsetzung  von  Geschäftsreisen  von  Spanien  nach  Sizilien  in 
Aussicht  genommen^);  einmal  schreibt  Frau  Aliadar  ihrem  Sozius  die  Fort- 
setzung einer  zunächst  nach  Frejus  auf  ihrem  Schiffe  gehenden  Handelsfahrt 
nach  Palermo  vor;  ein  anderes  Mal  ermächtigt  ein  Sozius  den  andern,  von 
Saint-GiUes  aus  nach  Sizilien  und  gegebenenfalls  nach  der  Levante  weiter- 
zugehen. 3)  Für  alle  genuesischen  Levantefahrer  aber  bot  sich  natürlich  in 
Messina  auf  der  Hin-  wie  Rückfahrt  die  bequemste  Station ;  schon  hier  fanden 
sie  für  die  aus  Ägypten  und  Syrien  exportierten  Waren  reichen  Absatz,  wie 
denn  auch  der  Abgabentarif  von  1156  für  Messina  die  ^aus  Alexandrien 
oder  Syrien  kommenden  genuesischen  Verkäufer  in  erster  Linie  erwähnt*); 


')  Chart,  n  no.  501. 
»)  No.  706,  719,  720. 

3)  No.  446,  792,  822.  _ 

••)  Et  a  quacunque  parte  venerint,  sive  ab  Alex,  sive  a  Suria  etc.     Lib.  Jur. 
no.  230. 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  471 

und  umgekehrt  ging  man  oft,   nachdem  man  hier  längeren  Aufenthalt  ge- 
nommen, nach  der  Levante  weiter,  i) 

369.  Als  die  durch  die  Eroberung  Mailands  gewonnene  Macht- 
stellung des  Kaisers  die  Genuesen  zwang,  sich  zu  entscheiden,  mochte 
ihnen  die  Rücksicht  auf  ihre  Handelsinteressen  in  Sizilien  die  Wahl 
schwer  genug  machen,  zumal  sie  Pisa  schon  in  engem  Bunde  mit 
dem  Kaiser  sahen;  indessen  zu  dem  augenblicklichen  Druck  der  kaiser- 
lichen Macht  gesellte  sich  die  Hoffnung,  im  Falle  des  Gelingens  der 
sizilischen  Expedition  noch  größere  Handelsvorteile  zu  erringen. 

Denn  mit  Versprechungen  kargte  der  Kaiser  auch  ihnen  gegenüber 
nicht :  in  jeder  Stadt  sollten  sie  eine  ihren  Kaufleuten  passende  Geschäfts- 
straße mit  Kirche,  Fondaco,  Bad  und  Backofen  erhalten,  sollten  überall  Per- 
sonen in  beliebiger  Zahl  einsetzen  können,  die  die  Jurisdiktion  über  die 
Genuesen  auch  dann  auszuüben  hatten,  wenn  ein  Nicht-Genuese  als  Kläger 
gegen  sie  auftrat,  sich  überall  untereinander  eigener  Maße  und  Gewichte 
bedienen  dürfen.  Ferner  sollten  sie  in  jedem  mit  ihrer  Hilfe  eroberten  Ge- 
biete völlige  Abgabenfreiheit  genießen ;  außerdem  versprach  ihnen  der  Kaiser, 
sie  für  die  Konfiskation  von  Waren  durch  den  sizilischen  König  wegen  ihres 
Bündnisses  mit  ihm  aus  der  Kriegsbeute  (bis  zum  Maximum  von  1/20  der- 
selben) zu  entschädigen  und  ihnen  1/4  des  Schatzes  König  Wilhelms,  mit 
Ausnahme  der  Edelsteine,  zu  überlassen,  während  sie  selbst  versprachen, 
dem  Kaiser  von  der  eigenen  Beute,  soweit  sie  in  Gold,  Silber,  Münzen  und 
Öeidenzeugen  (panni  serici)  bestand,  die  Hälfte  abzutreten.  So  umfangreiche 
lokale  Verleihungen  wie  den  Pisanern  konnten  ihnen  allerdings  nicht  mehr 
gewährt  werden;  doch  verhieß  ihnen  der  Kaiser,  sie  mit  ganz  Syrakus  und 
Zubehör  zu  belehnen  und  ihnen  im  Südosten  der  Insel  außerdem  250  Ritter- 
lehen zu  geben.  Am  9.  Juni  1162  stellte  der  Kaiser  den  genuesischen  Unter- 
händlern, an  deren  Spitze  die  Konsuln  Ingo  de  Volta  und  Nuvelonus  (der 
Bruder  des  Ottobonus)  standen,  ein  Privileg  darüber  aus;  den  auf  die  Ex- 
pedition bezüglichen  Treueid  sollten  auch  diejenigen  Genuesen  leisten,  die 
zum  Könige  von  Sizilien  in  einem  Vasallenverhältnis  standen;  falls  sie  es 
nicht  taten,  sollten  sie  für  die  pauer  der  Expedition  von  der  staatlichen 
Gemeinschaft  mit  Genua  ausgeschlossen  sein.2) 

Von  dem  Privileg  verwirklichte  sich  nichts;  dagegen  hat  die  damit 
eingeleitete  Unterbrechung  der  geregelten  Handelsbeziehungen  der  Genuesen 
mit  dem  sizilischen  Königreich  über  12  Jahre,  also  beträchtlich  länger  als 
bei  den  Pisanern,  gedauert;  diplomatische  Verhandlungen,  die  der  Konsul 
Bellamutus  1168  führte,  blieben  ergebnislos.^)  Auf  allerlei  Umwegen  suchten 
die  Genuesen,  wie  es  scheint,  auch  in  dieser  Zeit  sich  einen  Anteil  am 
sizilischen  Handel  zu  erhalten;  so  hören  wir  1165  von  einem  mit  Ladung 
aus  Ägypten  zurückkehrenden  Schiff,  das  Genuesen  und  Bürgern  von  Palermo 

•)  Z.  B.  für  1158  Chart.  U  no.  632  (nach  Alexandrien),  641  (wo  ein  Seedarlehn 
auf  einem  nach  Syrien  bestimmten  Schilfe  nur  bis  Sizilien  läuft,  offenbar  weil  die 
Waren  des  Schuldners  schon  hier  gelöscht  wurden). 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  236,  238;  Imperiale  p.  421  f.  Const.  et  acta  I  no.  211.  Sira- 
gusa  II  App.  p.  XVni.  Giesebrecht  V,  311  f.  Grundbesitz  in  Sizilien  hatte  z.  B. 
der  Genuese  Wil.  Scarsaria,  der  in  seinem  Testament  von  der  vinea  et  terra  quam 
Sicilie  habeo  spricht,  Chart.  II  no.  1054  (16.  Juni  1161);  Joh.  de  Cicala  ist  bnrgensis 
des  Königs  1159  (Garufi  no.  35). 

')  Ann.  penov.  I.  213. 


472  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

gemeinsam  gehörte  und  bei  Elba  von  den  Pisanern  gekapert  wurde ;  und  '^M 
wenn  im  November  1170  ein  von  Sizilien  kommendes  Schiff  der  Genuesen 
und  Lucchesen  demselben  Schicksal  verfiel,  so  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen, 
daß  die  Genuesen  die  Kaufleute  des  mit  ihnen  damals  eng  befreundeten 
Lucca  vorgeschoben  haben,  um  unter  ihrer  Flagge  Handel  auf  der  Insel 
zu  treiben.!)  Endlich  im  November  1174  brachte  Ottobono  de  Albericis, 
damals  Stadtkonsul  von  Genua,  der  zweimal  als  Gesandter  nach  Sizilien 
gegangen  war,  den  Frieden  mit  Wilhelm  IL  zustande,  der  am  Anfang  des 
folgenden  Jahres  in  Genua  beschworen  und  ratifiziert  wurde;  er  stellte 
lediglich  den  Status  quo  wieder  her.^)  Bis  zum  Erlöschen  des  normannischen 
Königshauses  sind  die  Beziehungen  Genuas  zu  Sizilien  seitdem  ungetrübt 
geblieben  3);  in  dieser  Zeit  war  es  auch,  wo  sie  im  Königreich  das  Recht, 
unter  selbstgewählten  Konsuln  zu  leben,  gewannen,  wie  es  scheint,  durch 
bloße  Usurpation,  aber  doch  unter  Duldung  des  Königs.'*) 

370.  Für  den  Handelsverkehr  der  Südfranzosen  mit  Sizilien  ist  die 
Bestimmung  des  genuesischen  Privilegs  vom  November  1156  besonders  be- 
merkenswert, in  der  König  Wilhelm  I.  versprach,  proven§alische  Handels- 
schiffe in  seinem  Königreiche  überhaupt  nicht  zuzulassen  und  auch  nicht 
zu  gestatten,  daß  proven^alische  Kaufleute  sich  sizilischer  Schiffe  zum  Trans- 
port ihrer  Waren  nach  der  Heimat  bedienten.^)  Unzweifelhaft  wird  durch 
dies  von  den  Genuesen  bewirkte  Verbot  bewiesen,  daß  ein  derartiger  Schiffs- 
verkehr zwischen  der  Mittelmeerküste  Frankreichs  und  Sizilien  bestanden 
hat,  und  er  kann  auch  nicht  ganz  unbedeutend  gewesen  sein,  wenn  die 
Genuesen  im  Interesse  ihres  Handels  eine  solche  Bestimmung  forderten. 
Wenn  uns  im  März  1155  ein  Petrus  von  Toulouse  in  Genua  begegnet,  der 
von  Ottobonus  de  Albericis  für  eine  Handelsreise  nach  Salerno,  die  er  bis 
Sizilien  weiter  fortsetzen  darf,  eine  Commenda  von  127  1.  jan.  erhält  ß),  so 
zeigt  uns  das  das  eigentliche  Ziel  der  Genuesen,  das  weniger  in  dem  abso- 
luten Ausschluß  der  ProvenQalen  vom  sizilischen  Handelsverkehr,  als  viel- 
mehr darin  bestand,  diesen  Verkehr  über  Genua  oder  doch  auf  genuesische 
Schiffe  zu  leiten;  inwieweit  den  Provengalen  noch  eine  Beteiligung  an 
Handelsreisen  nach  Sizilien  oder  Unteritalien  zu  gestatten  sei,  sollte  ganz 
von  dem  Willen  der  Genuesen  abhängerf.  Diese  Politik  entsprach  genau 
den  Zugeständnissen,  die  sich  Genua  in  dieser  Zeit  überall,  wo  es  die  Ge- 
legenheit dazu  hatte,  von  den  südfranzösischen  Seestädten  selber  machen 
ließ.'^)  Neu  war  nur,  daß  nun  auch  das  sizilische  Königreich  eine  ent- 
sprechende Verpflichtung  übernahm.     Diese  entfiel  freilich  schon  mit  dem 


1)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  253  u.  260. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  311.     Ann.  genovesi  II  p.  5. 

3)  Im  Januar  1185  nimmt  der  König  den  genuesischen  Nobile  Bubonosus  als 
seinen  Lehnsmann  an,  schenkt  ihm  ein  Haus  in  der  Hauptstraße  (Magistra  Ruga) 
von  Messina  und  weist  ihm  eine  Jahresrente  von  1  Pfund  Gold  auf  den  königlichen 
Schatz  an.     Garufi  no.  76  p.  188. 

*)  S.  unten  §  377. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  230.  Caffaro  hat  diese  Vertragsbestimmung  in  seiner  Dar- 
stellung stark  vergröbert,  wenn  er  behauptet,  der  König  hätte  versprochen,  alle 
proven9ali8chen  und  französischen  (Francigenas)  Kaufleute  aus  seinem  Reiche  zu 
vertreiben  (a  regno  suo  expellere;  ann.  genov.  I,  46  f.)  Vgl.  Heyd  I,  188  und  Lan- 
ger 64. 

«)  Chart.  II  no  243. 

^  Unten  §  439. 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  473 

Jahre  1162,  als  es  zum  Bruche  mit  Genua  kam;  wenn  sich  Genua  gleich- 
zeitig von  Barbarossa  in  seinem  Privileg  die  Erlaubnis  geben  ließ,  die  Pro- 
venyalen  und  Franzosen,  die  sich  des  Handels  wegen  zur  See  nach  dem 
Königreich  begeben  oder  aus  demselben  zurückkehren  würden  *),  zu  ver- 
treiben, so  war  das  praktisch  völlig  bedeutungslos.  Der  gleichzeitig  aus- 
brechende langjährige  Krieg  Genuas  mit  Pisa  erschwerte  zudem  die  Auf- 
rechterhaltung des  genuesischen  Anspruchs  ungemein  2),  und  schließlich  mußte 
Genua  doch  auf  die  fernere  Bevormundung  des  südfranzösischen  Handels 
mit  dem  sizilischen  Königreich  verzichten. 

371.  Für  die  Entwickelung  des  internen  Handels  war  durch 
die  verhältnismäßig  gute  Ordnung,  die  unter  dem  Regiment  der  nor- 
mannischen Könige  herrschte,  eine  günstige  Grundlage  geschaffen; 
Abt  Peter  von  Cluny  rühmt  die  allgemeine  Sicherheit,  deren  sich 
Geistliche,  Ritter,  Bauern,  die  mit  Geld  und  mannigfachen  Waren  be- 
ladenen  Kaufleute  und  alle  in  Rogers  Lande  weilenden  oder  dasselbe 
durchziehenden  zu  erfreuen  hätten.^) 

Dazu  kam  die  für  ihre  Zeit  vorgeschrittene  städtische  Kultur  des 
Landes.  Die  Hauptstadt  Palermo  war  nach  den  Begriffen  der  Zeit  eine 
richtige  Großstadt,  die  Edrisi'*)  nicht  genug  zu  rühmen  weiß,  deren  Märkte 
und  Basare  ein  reger  Handelsverkehr  durchflutete,  während  sie  zugleich 
eine  starke  industrielle  Bevölkerung  beherbergte.  Durch  die  Verpflanzung 
griechischer  Seidenweber  aus  Theben,  Athen  und  Korinth,  die  er  auf  seinem 
Kriegszuge  gegen  Byzanz  gefangen  nehmen  ließ,  schuf  Roger  der  Fabrikation 
kostbarer  Seidenstoffe  in  Palermo  eine  Stätte  ö);  in  seinem  Briefe  vom  An- 
fang des  Jahres  1190  schildert  Falcandus  eingehend  die  hochentwickelte 
Textilindustrie  Palermos,  wie  sie  in  den  Werkstätten  am  königlichen  Palast 
betrieben  wurde  und  sich  von  der  Fabrikation  einfacherer  Gewebe  bis  zu 
der  mühevollen  Herstellung  der  schwersten  und  wertvollsten  Stoffe,  die  mit 
Gold  oder  Perlen  durchwirkt  wurden,  erstreckte.  Daneben  gedenkt  er  ge- 
bührend des  Reichtums  der  Umgebung  an  Naturprodukten,  unter  denen  er 
neben  Nüssen,  Mandeln,  Feigen  und  Oliven  das  Zuckerrohr  besonders  her- 
vorhebt.6) 

Messina  mit  seinem  trefflichen  Hafen  erhielt  seine  Signatur  durch 
seine  Lage  an  einer  der  wichtigsten  Welthandelsstraßen  der  Zeit,  als  eine 
Durchgangs-  und  Umschlagsstation  ersten  Ranges,  deren  Bevölkerung  übrigens 
am  Fernhandel  selbst  nur  wenig  aktiven  Anteil  nahm.  Mit  der  Nachbar- 
schaft verband  es  ein  reger  Lebensmittelhandel.  Als  die  Stadt  sich  einmal 
aufrührerisch    zeigte,    gebot   Wilhelm  IL    den   Bewohnern    von    Catania'), 

*)  Const.  et  acta  I  p.  293. 

*)  Bezeichnend  ist,  daß  die  Mutter  Wilhelms  II.  als  Regentin  während  dieses 
Krieges  einmal  7  Galeeren  ausrüsten  ließ,  die  Odo  Quarellus  auf  seiner  Reise  nach 
Frankreich  bis  Arles  geleiten  sollten.     Falcandus  143. 

')  Petr.  venerab.,  epp.  III,  3  (von  1140  oder  1141).  Bernhardi,  Konrad  III, 
p.  347.     Über  Handelsabgaben  im  Binnenverkehr  unter  Roger  II  s.  Caspar  326  f. 

*)  Edrisi  ed.  Amari  p.  25  ff.  Benjamin  von  Tudela  gibt  die  Zahl  der  Juden,  die 
die  Stadt  neben  vielen  Christen  und  Sarazenen  bewohnten,  auf  etwa  1500  an;  1,  160. 

*)  Otto  von  Freising,  Gesta  1.  I  c.  33.     Bernhardi,  Konrad  III  p.  618. 

«)  Falcandus  epistola  p.  178  ff.,  186. 

')  Falcandus  p.  154.  S.  auch  die  Privilegien  Rogers  für  den  Bischof  von  Ca- 
tania  (Dez.  1125)  und  den  Archimandriten  Lucas  von  S.  Salvatore  in  Messina  (Mai 
1134),  Caspar  p.  496  u.  523  f. 


474  Zweiunddreißigstes  Kapitel. 

keinerlei  Lebensmittel  nach  Messina  zu  transportieren,  auch  keine  Schiffe 
der  Messinesen  in  Catania  Ladung  einnehmen  zu  lassen  und  alle  eigenen 
Schiffe  an  Land  zu  ziehen,  so  daß  sehr  bald  Not  in  Messina  entstand,  zumal 
Calabrien  eine  schlechte  Ernte  gehabt  hatte.  Seit  .dem  Mai  1160  genoß  die 
Stadt  durch  königliches  Privileg  bei  der  Ein-  und  Ausfuhr  von  Lebensmitteln 
Zollfreiheit;  auch  das  Hafengeld,  das  die  Messinesen  zu  entrichten  hatten, 
ist  damals  von  10  auf  3  Prozent  herabgesetzt  worden.^)  Erwähnt  sei  noch,, 
daß  König  Roger  der  Kirche  von  Girgenti  die  Erlaubnis  verlieh,  jährlich 
300  Last  Getreide  abgabenfrei  aus  dem  Hafen  von  Girgenti  auszuführen.'-^) 

372.  Am  meisten  Rührigkeit  im  Handel  zeigte  von  allen  Städten  des 
Königreichs  noch  immer  Amalfi.  Im  Welthandel  war  es  auf  einen  sehr 
bescheidenen  Anteil  zurückgedrängt;  doch  ist  bemerkenswert,  daß  wir  am 
Anfang  des  12.  Jahrhunderts  noch  Amalfitaner  Wolle,  die  sie  aus  Sizilien 
holten,  in  Ravenna  einführen  sehen.  Zwei  vornehme  Amalfitaner,  die  einen 
Landsmann  für  diese  Reise  als  Kapitän  für  ihr  Schiff  in  ihre  Dienste  nahmen,! 
gewähren  ihm  durch  Vertrag  vom  1.  März  1105  als  Entgelt  die  Berechtigung, 
sich  an  der  Ladung  mit  60  sizilischen  Kantär  Wolle  zu  beteiligen  und  stellen' 
ihm  zu  diesem  Zweck  ein  zinsfreies  Darlehen  von  100  Goldsolidi,  dessen 
Risiko  sie  tragen,  zur  Verfügung.^)  Namentlich  aber  spielten  die  Bewohner 
von  Amalfi,  Ravello,  Scala  im  internen  Handel  Siziliens  wie  Unteritaliens 
eine  sehr  wichtige  Rolle.  In  Messina  wie  in  Palermo  hatten  sie  ihre  be- 
sondere Handelsstraße,  wo  sie  nicht  nur  räumlich,  sondern  auch  korporativ 
zusammengeschlossen  imter  einem  Vorsteher  aus  ihrer  Mitte  lebten;  im 
Jahre  1172  begegnet  uns  in  einer  Urkunde  von  Messina  ein  »magister«  der 
Amalfitaner  von  Messina  als  Zeuge  4)  und  die  Niederlassung  von  Palermo 
schildert  uns  Falcandus  zur  Zeit  des  Todes  König  Wilhelms  IL  (November 
1189)  als  ein  mit  fremden  Waren  reich  gefülltes  Quartier  (vicus),  in  dem 
seidene  Gewänder  und  von  französischer  Wolle  gefertigte  Stoffe  (de  Gallico 
contextae  vellere)  in  verschiedenen  Farben  und  Preislagen  den  Käufern  zur- 
Schau  ausgelegt  waren.^) 

Besonders  zahlreich  waren  die  Amalfitaner  in  Apulien.  Im  Jahre  1099 
übergibt  ein  vornehmer  in  Bari  wohnhafter  Amalfitaner  Johannes,  des  Ste- 
phan Sohn,  auch  Graecus  oder  Rabella  genannt,  der  sich  als  kaiserlichen 
Patrizius  bezeichnet,  sich  und  seine  Habe  der  Nicolaikirche  von  Bari^);  in 
der  Nachbarschaft  dieser  Kirche  sehen  wir  im  Jahre  1124  den  Amalfitaner 
Urso,  des  Sergius  de  Finia  Sohn,  die  Pacht  eines  Ladens  zum  Weinverkauf 
unter  den  bisherigen  Bedingungen  erneuern.  '^)  Mit  den  Grundbesitzern  dea 
wein-  und  ölreichen  Landes  machten  namentlich  die  Bürger  von  Ravello 
ihre  Geschäfte,  die  offenbar  nicht  selten  zu  schlimmer  Bewucherung  der  Ein-^ 

*)  Gallo  C.  D.,  Annali  della  cittä  di  Messina  (ed.  11),  II  p.  37.  SchefEer- 
Boichorst  234.  Über  die  falschen  Messineser  Urkunden  s.  mein  Konsulat  d.  M* 
p.  269  ff. ;  Scheffer-B.  p.  238,  241,  243 ;  Kehr  p.  320.  Ebd.  338  ff.  sehr  eingehend 
über  die  großenteils  gefälschten  Urkunden  für  S.  Maria  de  Valle  Josaphat,  die  auch 
Handelsfreiheiten  des  Klosters  für  Messina  enthalten. 

2)  Kehr  493  no.  51. 

')  Camera  I,  208. 

*)  Gregorio  II,  prove  p.  23.     Aman,  Musulm.  IH,  219  A.  1.     Heyd  I,  183  A.  4. 

*)  Falcandus  (epistola)  p.  183. 

•)  Cod.  barese  V,  54  no.  31. 

')  Reg.  Neap.  Archivii  Monum.  VI,  80.  La  Terra  di  Bari  sotto  l'aspetto  stpr 
rico,  economico  e  naturale  (Trani  1900)  I,  18  A.  1.  t 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  475 

heimischen  führten.  Dem  Urso  Castaldo  von  Ravello  wurde  im  Jahre  1185 
zur  Begleichung  einer  Geldschuld  von  17  Goldunzen  eine  Olivenpflanzung 
bei  Terlizzi  zur  Nutznießung  durch  seinen  Sohn  Johannes  überwiesen,  und 
vier  Jahre  später  verspricht  ein  Ritter  aus  Bitonto  demselben  Johannes,  ihm 
übers  Jahr  am  30.  November  34  Maß  (starios)  guten  Olivenöls,'  die  er  ihm 
schuldet,  zu  liefern,  i)  Am  2.  Februar  1159  verkauft  eine  Witwe  in  Bari  dem 
Johannes  Pirontis  aus  Ravello  für  eine  Goldunze  ein  Viertel  aller  Ohven- 
bäume,  die  ihrem  Gatten  gehört  haben;  und  wegen  der  Schulden  ihres 
Mannes  versuchte  der  in  Bari  ansässige  Ravellese  Maurus  Musceta  im  Jahre 
1141  eine  Bareserin  zu  pfänden.^)  Nach  diesen  Proben  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, wenn  im  Jahre  1170  Urso,  der  Sohn  des  Leo  Rogadio,  in  Ravello 
testamentarisch  über  reichen  Mobiliar-  und  Immobiliarbesitz  in  Apulien  ver- 
fügen konnte,  und  wenn  im  Mai  1184  Johann  von  Ravello,  des  Pantaleo 
Sohn,  als  Grundbesitzer  in  Giovenazzo  (bei  Bari)  erscheint.  3) 

Aus  Brindisi  wissen  wir,  daß  die  Amalfitaner  daselbst  am  Hafen  einen 
reichen  Häuserbesitz  hatten.  *)  Für  das  Jahr  1199  lernen  wir  den  Judex  der 
Ravellesen  von  Brindisi,  Maurus  Pirontus,  kennen  ^) ;  sicher  bestand  dieses 
Vorsteheramt  hier  wie  anderwärts  schon  seit  geraumer  Zeit.  Im  Binnen- 
lande Unter-Italiens  waren  die  Amalfitaner  namentlich  in  Benevent  vertreten. 
Der  Zeitgenosse  Falco  von  Benevent  beschreibt  uns,  wie  beim  festlichen 
Einzüge  des  Papstes  Calixtll.  (1120)  die  Amalfitaner  alle  Plätze  der  Stadt 
mit  seidenen  Gewändern,  Teppichen  und  anderen  Prunkgegenständen  ge- 
schmückt und  in  Zwischenräumen  überall  goldene  und  silberne  mit  Zimt 
und  Parfümerien  gefüllte  Gefäße  aufgestellt  hätten.  0)  Im  Jahre  1184  wußten 
sie  einen  Befehl  des  Papstes  Lucius'  III. '^)  an  die  Stadtbehörden  von  Bene- 
vent zu  erwirken,  wonach  diese  die  Scalenser,  Ravellesen  und  übrigen  Amal- 
fitaner, die  in  Benevent  verweilten,  bei  ihren  alten  guten  Gewohnheiten 
erhalten  sollten;  durch  sorgfältige  Zeugenvernehmung  sollte  die  Wahrheit 
darüber  ermittelt  werden.  So  wurde  durch  Aussagen  von  Personen,  deren 
Erinnerung  bis  in  die  Zeit  Innocenz' IL  (1130 — 1143)  zurückreichte,  als  gel- 
tendes Gewohnheitsrecht  festgestellt,  daß  Zivilstreitigkeiten  zwischen  Bene- 
ventanern  und  Amalfitanern  durch  amalfitanische  Richter  völlig  außerhalb 
des  städtischen  Gerichts  zu  erledigen  seien,  daß  Strafsachen  zwar  im  städti- 
schen Gericht  verhandelt,  aber  durch  einen  amalfitanischen  Judex  entschieden 
werden  müßten  8),  daß  endlich  das  Zeugnis  von  Bürgern  gegen  einen  Amal- 
fitaner nicht  anzunehmen  sei  —  eine  Bestimmung,  die  für  die  privilegierte 
ßtellimg  der  Amalfitaner  nicht  minder  wie  für  die  Mißgunst  der  Bevölkerung 


1)  Cod.  barese  III,  167,  175.  Wenn  Carabellese  ebd.  XLIX  sagt,  die  Abliefe- 
rung des  Öls  sei  >alla  prossima  fiera  diS.  Andrea<  versprochen,  so  ist  in  der 
Urkunde  selbst  doch  nur  vom  Andreas  tage  die  Rede. 

«)  Cod.  barese  V,  200  (no.  117),  161  (no.  94). 

3)  Ebd.  II,  182.     Camera  I,  356. 

*)  Geht  aus  der  Urkunde  über  den  Verkauf  eines  Hauses  des  Joh.  Pirontus 
an  Pantaleo  de  Maurone  fil.  Mauri  de  Mauroni  am  14.  X.  1208  deutlich  hervor; 
Camera  11,  341. 

»)  V.  di  Giovanni  im  Arch.  sicil.  XI  (1886),  353.     Winkelmann,  Acta  I.  p.  470. 

6)  Muratori  SS.  V,  96. 

'')  Borgia  Stef.,  Memorie  istoriche  di  Benevento,  parte  III,  vol.  I  (Rom  1769), 
p.  163  f.  (12.  Mai  1184).  Volpicella  L.,  Le  consuetudini  della  citta  di  Amalfi  (Neapel 
1849),  p.  40  f. 

*)  Über  diesen  Punkt  sind  die  Zeugen  sich  nicht  einig ;  mehrere  sagen  aus : 
«nm  de  maleiiciis  agebatur,  compositio  erat  Curie. 


476  Zweiunddreißigstes  Kapitel 

ihnen  gegenüber  bezeichnend  ist.  Von  dem  über  die  Verhandlung  auf- 
genommenen Instrument  wurde  im  August  1186  auf  Verlangen  von  8  Sca- 
lensern  und  7  Ravellesen,  an  deren  Spitze  der  magister  Fuscus  genannt  wird, 
beglaubigte  Abschrift  genommen.  Wie  beliebt  das  Arbeitsfeld  von  Benevent 
bei  den  Amalfitanern  war,  ergibt  sich  auch  daraus,  daß  im  Mai  1177  eine 
Witwe  von  Ravello  gegen  drei  ihrer  Neffen,  die  in  Benevent  weilten,  auf 
Herausgabe  von  5  Goldunzen,  die  sie  einst  ihrem  verstorbenen  Bruder  an- 
vertraut, nebst  dem  auf  dieses  Kapital  entfallenen  Gewinn  eine  Klage  an- 
strengte. 1) 

Aber  auch  an  anderen  Plätzen  des  Binnenlandes  gingen  die  Amalfi- 
taner  ihren  Handelsgeschäften  nach.  Dem  Kloster  M.  Cassino  wurden  im 
März  1140  von  dem  Herrn  von  Teano  die  Einkünfte  von  fünf  Läden  (apo- 
thecae)  der  Amalfitaner  in  San  Germano  überlassen  und  auch  in  Capua  ist 
eine  »Amalfitana«  nachweisbar.  2) 

Selbstverständlich  waren  sie  in  dem  nahen  Neapel  besonders  zahlreich ; 
hier  begegnen  ihre  Vorsteher  zuerst  mit  dem  Konsultitel.  Offenbar  nur  in 
Bestätigung  bestehender  Einrichtungen  verlieh  Neapel,  das  sich  unmittelbar 
nach  dem  Tode  Wilhelms  II.  als  freie  Stadt  organisiert  hatte,  am  9.  Mai  1190 
denen  von  Scala  und  Ravello  sowie  den  übrigen  Kaufleuten,  Wechslern  und 
Geschäftsinhabern  aus  dem  Gebiet  des  alten  Dukats  von  Amalfi,  die  in  der 
Stadt  Neapel  wohnten  oder  ihrer  Geschäfte  wegen  sich  längere  Zeit  daselbst 
aufhielten,  das  Recht,  sich  aus  ihrer  Mitte  und  zwar  aus  den  in  Neapel 
wohnenden,  beliebig  Konsuln  zu  erwählen,  denen  die  Leitung  der  amalfitani- 
schen  Kolonie  und  die  Rechtsprechung  unter  ihren  Mitgliedern  nach  den 
alten  guten  Gewohnheiten  Amalfis  (secundum  veteres  bonos  usus  vestros) 
zustehen  sollte.^) 

373.  Die  aktive  Teilnahme  des  benachbarten  Salerno  am  internen 
Handel  wird  besonders  durch  das  Privileg  Rogers  vom  22.  November  1137 
bewiesen,  in  dem  er  den  Salernitanern  zum  Lohne  ihrer  Treue  die  Abgaben, 
die  ihre  aus  Lucanien,  Calabrien  und  Sizilien  kommenden  Küstenfahrer  bis- 
her hatten  entrichten  müssen,  ebenso  wie  die  Abgaben  vom  Fange  von  See- 
fischen erließ.  ■*)  Schon  seine  Hochschule  gab  Salerno  eine  große  Bedeutung, 
die  ihm  bis  zu  seiner  strengen  Bestrafung  durch  Heinrich  VI.  im  Jahre  1194 
verblieb. ö)  Am  wenigsten  kommerzielle  Aktivität  zeigte  das  volkreiche 
Neapel;  gerade  die  Fülle  der  Produkte  seiner  reichen  Umgebung  bewirkte, 
daß  es  sich  lieber  vom  Handel  aufsuchen  ließ,  als  daß  es  das  Bedürfnis  ge- 
fühlt hätte,  selbst  die  heimatlichen  Erzeugnisse  der  Fremde  zuzuführen,  ß) 
Es  ist  für  die  Bedeutung  der  fremden  Kaufleute  für  die  Stadt  bezeichnend, 
wenn  der  letzte  Herzog,  Sergius  VII.,  bei  Antritt  seiner  Regierung  (1129)  in 

n  Camera  I,  362. 

»)  Muratori  Antiqu.  IV,  811.     Borgia  1.  c.  p.  163  A.  1. 

')  Pardessus  I,  144.  Miltitz  A.  de,  Manuel  des  Consuls  II,  (London  1838), 
p.  502.     Camera  I.  370.     Vgl.  Yver  186. 

*)  TJghelli  VII,  399.     Nach  Benjamin  von  Tudela  I,  43  f.  zählte  Salerno  gegen 
600  Juden,  Neapel  500,  Amalfi  dagegen  mit  seiner  ganz  überwiegend  selbst  handel-  ^_ 
treibenden  Bevölkerung  nur  20.  ^1 

6)  Flückiger  p.  1084.     Toeche  335  f.  "^' 

«)  Den  Reichtum  von  Näb.  l'al  Kattän  (von  Kotn,  coton  =  Baumwolle,  Ge- 
webe), wie  schon  Ibn  Haukai  Neapel  nannte,  an  Waren  der  verschiedensten  Art 
hebt  Edrlsi  (ed.  Amari  p.  95)  besonders  hervor.  Eine  im  Jahre  1140  vorgenommene 
Messung  des  Umfangs  seiner  Mauern  (metiendo  in  gyrum)  ergab  2363  Schritt.  Falco 
Benev.,  Murat.  SS.  V,  132. 


Unter-Italien  und  Sizilien  bis  zum  Ende  der  normann.  Dynastie.  477 

seinem  den  Neapolitanern  beschworenen  »Pactum«  versprach,  niemanden, 
der  zur  See  oder  zu  Lande  mit  oder  ohne  Waren  nach  Neapel  kommen 
würde,  zu  schädigen,  i) 

Weit  größere  Regsamkeit  auf  dem  Gebiete  des  Handels  entfaltete 
Gaeta,  zu  dessen  Gebiet  auch  die  Ponzischen  Inseln  gehörten.  Schon  aus 
dem  Jahre  1129  hören  wir  von  den  Einnahmen  der  Stadt  aus  dem  Seezoll- 
amt (decatia),  dem  Öl-  und  Salzhandel,  sowie  von  der  von  den  Juden  am 
Orte  betriebenen  Färberei.  2)  Im  April  desselben  Jahres  schloß  es  mit  Herzog 
Sergius  von  Neapel  einen  Friedensvertrag  auf  10  Jahre,  wonach  dieser  den 
Gaetanern,  ihren  Waren  und  Schiffen  von  Seiten  seiner  Untertanen  und  auch, 
soweit  seine  Macht  dazu  reichte,  von  Seiten  der  Fremden  in  Neapel  Schutz 
und  Sicherheit  verbürgte;  gleichzeitig  regelte  man  das  bei  vorkommenden 
Differenzen  einzuschlagende  Verfahren 3);  ein  neapolitanisches  Schiff,  das 
von  einer  Galeere  von  Gaeta  gekapert  worden  war,  wurde  zurückgegeben.  4) 
Wenn  auch  sonst  gelegentlich  gaetanische  Piraten  erwähnt  werden  (1140 
fiel  von  zwei  gaetanischen  Korsarenschiffen,  die  ihr  Handwerk  an  der  Küste 
der  Provence  ausgeübt  hatten,  eins  am  M.  Argentaro  in  die  Gewalt  der  Ge- 
nuesen)^), so  beweist  gerade  das  auch  den  kommerziellen  Unternehmungs- 
geist, der  damals  in  Gaeta  herrschte.  Und  zum  Beleg  hierfür  kann  auch 
das  Privileg  Tancreds  vom  Juli  1191  dienen,  so  wenig  praktische  Bedeutung 
ihm  bei  der  wenig  später  eintretenden  politischen  Wendung  beizumessen  ist. 
Darnach  sollten  die  Bürger  von  Gaeta,  die  in  ihren  kommunalen  Freiheiten 
bestätigt  wurden,  in  den  Wäldern  von  Gaeta  bis  Cumae  Holz  zum  Schiffs- 
bau schlagen  dürfen,  sie  durften  Getreide  aus  Sizilien  nach  Gaeta  ausführen, 
außer  zu  Zeiten  eines  allgemeinen  Getreideausfuhrverbots;  ihre  nach  Sizilien 
fahrenden  Schiffe  sollten  nur  im  äußersten  Notfall  zum  Transport  von  Ge- 
treide und  anderen  Lebensmitteln  im  Dienste  des  königlichen  Hofes  ge- 
zwungen werden  dürfen.  Von  der  Entrichtung  der  Pflockgebühr  (falan- 
gagium)  wurden  sie  an  der  ganzen  Küste  des  Königreichs  von  Gaeta  bis 
Palermo  befreit,  ebenso  von  dem  Hafenzoll  und  dem  Wägegelde,  das  die 
von  Sizilien,  Sardinien  und  aus  der  Berberei  kommenden  Bürger  bisher  in 
Gaeta  hatten  entrichten  müssen ;  die  Befreiung  vom  Brückenzoll  am  Garig- 
liano  sollte  wie  zu  den  Zeiten  König  Wilhelms  bestehen  bleiben.  ^) 

374.  Von  den  Städten  des  Ostens  behauptete  sich  Bari  zunächst  noch 
in  der  ersten  Rolle.  Noch  Edrisi  nennt  die  Stadt  groß  und  volkreich,  die 
Hauptstadt  des  Landes  der  Longobarden,  eine  der  Metropolen  des  römischen 
Reiches ;  insbesondere  hebt  er  den  Schiffsbau,  der  hier  betrieben  wurde,  her- 
vor.    Und  Johann  von  Salisbury  schildert,  wie  bei  einem  vornehmen  Gast- 


')  Capasso  im  Arch.  nap.  IX  (1884),  319  f.  Die  Beziehung  des  undatierten 
Pactum  auf  diesen  Herzog  hat  erst  F.  Brandileone  klargestellt;  Riv.  giur.  XXX 
(1900),  163  ff. 

«)  Cod.  Caiet.  H,  240  no.  317. 

»)  Ebd.  242  no.  318.  Capasso  B.,  Monum.  ad  Neap.  Ducatus  historiam  per- 
tinentia  II,  2  (Neapel  1892),  159. 

*)  Die  betroffenen  Bürger  von  Neapel  erklären  sich  im  August  1129  zufrieden 
gestellt.     Cod.  Caiet.  II,  244  no.  319. 

6)  Ann.  genov.  I,  30.     S.  auch  Ferretto  I,  332  A.  2  zu  1179. 

*)  Cod.  Caiet.  II,  311  —  314.  Minieri  -  Riccio  C,  Saggio  di  codice  dipl.  I 
(Neapel  1878),  285.  Toeche  p.  608  u.  197.  Ottendorff  H.  Die  Regierung  der  beiden 
letzten  Normann enkönige  (Bonner  Diss.  1899),  p.  18.  Über  den  Handel  d.  Gaötaner 
mit  Rom  s.  Cod.  Caiet.  H  no.  278,  302,  312,  367. 


4^8  Dreiunddreißigstes  Kapitel. 

mahl,  dem  er  hier  beigewohnt,  die  Genüsse  Konstantinopels,  Kairos  und 
Alexandriens,  des  afrikanischen  Tripoli,  Syriens  und  Phöniziens  auf  der  Tafel 
erschienen  seien,  gleich  als  wenn  Siziliens,  Calabriens,  Apuliens  und  Cam- 
paniens  Erzeugnisse  zur  Herstellung  eines  delikaten  Mahles  nicht  ausreichten.!) 
Mit  Mühe  nur  nahm  Roger  im  Jahre  1139  nach  zweimonatlicher  Belagerung 
die  Stadt,  die  400  Ritter  und  eine  Bevölkerung  von  50000  Menschen  in  sich 
barg.  2)  Ihre  Empörung  aber  gegen  seinen  Nachfolger  hatte  ihre  fast  voll- 
ständige Zerstörung  im  Jahre  1155  zur  Folge,  von  der  sie  sich  nur  sehr  all- 
mählich zu  erholen  vermochte.  Benjamin  von  Tudela  fand  sie  noch  in 
Trümmern  liegend,  so  daß  Trani,  das  Edrisi  als  eine  ummauerte  Stadt  von 
mittlerer  Größe  mit  besuchtem  Markt  beschreibt,  eine  Zeitlang  auch  für  den 
Levanteverkehr  an  die  Stelle  Baris  trat.  Noch  in  den  achtziger  Jahren  be- 
klagt Falcandus  den  Ruin  dieser  mächtigen,  berühmten  und  reichen  Stadt 
mit  ihren  herrlichen  Gebäuden  und  edlen  Bürgern.  3) 


Dreiunddreißigstes  Kapitel. 

Das  sizilische  Königreich  In  der  Zeit  der  Wirren. 

376.  Was  Friedrich  Barbarossa  nur  geplant,  kam  unter  seinem 
Sohne  Heinrich  VI.,  dem  Gemahl  der  Constanze,  der  legitimen  Erbin 
des  Normannenreichs  nach  dem  Tode  Wilhelms  H.  (November  1189) 
zur  Ausführung. 

Gegen  den  Usurpator  Tancred  von  Lecce  bedurfte  auch  er  der  Hilfe 
der  Seestädte  und  so  nahm  er  keinen  Anstand,  sowohl  den  Pisanern  wie  den 
Genuesen  die  maßlosen  Verleihungen  von  1162  gegen  das  Versprechen  der 
Hilfeleistung  zur  See  ohne  jede  Einschränkung  zu  erneuern.  4)  Zwar  der 
Zug  von  1191  mißlang;  trotz  der  Unterstützung  der  Seestädte  mußte  der 
erkrankte  Kaiser  schließhch  unverrichteter  Sache  von  Neapel  abziehen.  Im 
Jahre  1194  aber  wurde  der  Zug  unter  günstigeren  Umständen  wiederholt; 
Tancred  war  im  Februar  gestorben ;  im  Mai  betrat  der  Kaiser  wieder  italieni- 
schen Boden,  machte  im  Juni  den  Genuesen  wieder  große  Verheißungen^), 
und  von  den  Flotten  der  Pisaner  und  Genuesen  eifrig  unterstützt,  bemäch- 
tigte er  sich  nun  ziemlich  mühelos  der  Reihe  nach  der  Seestädte  des  Landes ; 
mit  seinem  Triumpheinzuge  in  Palermo  am  20.  November  konnte  die  Er- 
oberung des  Königreichs  als  vollzogen  gelten.     Pisa   und  Genua  hatten  ihr 

0  Edrisi  ed.  Amari  p.  103.    Joh.  Salisb.  Policraticum  1.  Vm,  7  (SS.  XXVH,  49). 

*)  Falco  Benev.  (Murat.  SS.  V,  128) :  400  enim  milites  princeps  civitatis  secum 
detinebat  preter  cives  quinquaginta  millia  habitantium.     Bernhardi,  Lothar  691. 

8)  Benjamin  Tudel.  I,  44  f.     Edrisi  104.     Falcandus  p.  21. 

*)  Für  die  Pisaner  schon  in  Deutschland  28.  August  1190  (Stumpf  no.  4660), 
in  Italien  1.  März  1191  (Stumpf  III  no.  184  und  Const.  et  acta  t.  I  p.  472  no.  333) 
und  zum  drittenmal  als  Kaiser  am  30.  Mai  1192  zu  Gelnhausen  (Stumpf  4745;  Dal 
Borgo  p.  24  f.);  für  die  Genuesen  vor  Neapel  30.  Mai  1191  (Lib.  .Tur.  I  no.  385/86. 
Constit.  et  acta  I  no.  337).  fli 

')  >Erit  utique  regnum  illud  non  meum  sed  vestrum«,  soll  nach  den  genues.™! 
Annalen  der  Kaiser  damals  in  Genua  gesagt  haben,  als  er  ihnen,  wie  der  Annalist 
rückschauend  bemerkt,  >vana  et  inefficacia  privilegia«  verlieh  (^ann.  genov.  11,  46); 
Urkunde  vom  20.  Juni  1194  Böhmer  175.     St.  4868. 


I 


Das  sizilische  Königreich  in  der  Zeit  der  Wirren.  479 

Teil  an  der  Arbeit  getan  i);  der  Zeitpunkt  war  gekommen,  wo  jene  großen 
Versprechungen  hätten  zur  Wirklichkeit  werden  müssen.  Es  ist  nicht  ver- 
wunderlich, daß  der  Kaiser  an  eine  volle  Erfüllung  nicht  dachte;  aber  wie 
er  die  Städte  behandelte,  ging  doch  wohl  über  das  Maß  des  für  den  Real- 
politiker Gebotenen  hinaus.  Wesentlich  zustatten  kam  ihm  dabei  freilich 
die  Eifersucht  der  beiden  Rivalen.  Schon  während  des  Zuges  war  es  in  dem 
wichtigen  Messina  am  1.  September  zu  einem  erbitterten  Land-  und  Seekampfe 
der  beiden  gekommen ;  die  Pisaner  bemächtigten  sich  des  Fondaco  und  der 
Häuser  der  Genuesen;  die  Genuesen  nahmen  13  pisanische  Galeeren,  —  aber 
die  Pisaner  behielten,  von  Markward  von  Annweiler  begünstigt,  die  Ober- 
hand und  setzten  sich  in  Messina  fest,  während  die  Genuesen  nach  Syrakus 
weiterzogen  und  diese  ihnen  versprochene  Stadt  eroberten,  wobei  auch  einige 
bei  der  Verteidigung  beteiligte  Pisaner  getötet  wurden.  Als  sie  aber  vom 
Kaiser  in  Palermo  die  Realisierung  ihres  Privilegs  verlangten,  verweigerte  er 
dies  nicht  nur  »auf  den  teuflischen  Rat  einiger  genuesischer  Bürger  selbst«, 
wie  die  offiziellen  Annalen  Genuas  sagen  —  Genua  war  damals  von  schweren 
inneren  Parteiungen  zerrissen  —  er  sprach  ihnen  sogar  alle  von  den  nor- 
mannischen Königen  ihnen  verliehenen  Privilegien  ab  und  kassierte  alle 
ihre  Konsulate  im  Königreich.  Und  als  im  folgenden  Jahre  bei  seinem 
Aufenthalte  in  Pavia  der  Erzbischof,  der  Podestä  und  4  Edle  mit  seinem 
Privileg  vor  ihm  erschienen,  herrschte  er  sie  an,  ob  sie  mit  ihm  prozessieren 
wollten;  in  Sizilien  dulde  er  sie  nicht;  aber  Aragon  wolle  er  ihnen  ganz 
geben,  wenn  sie  mit  ihm  einen  Zug  dahin  unternehmen  wollten.  2)  Fügsamer 
haben  sich  offenbar  die  Pisaner  dem  Kaiser  gegenüber  erwiesen  und  dadurch 
sicher  manches  erreicht,  ohne  daß  wir  in  der  Lage  wären,  darüber  bestimm- 
tere Angaben  zu  machen ;  gewiß  ist,  daß  sie  weder  Abgabenfreiheit  noch 
die  Einräumung  ganzer  Städte  und  Stadtteile,  wie  sie  ihnen  verheißen  war, 
erhalten  haben.  Doch  sind  sie  bis  zum  Ende  in  der  Gunst  des  Kaisers  ge- 
blieben, und  schon  die  Verdrängung  ihrer  Feinde,  mit  denen  sie  nun  wieder 
in  offenem  Kriege  lebten,  war  für  sie  von  Vorteil. 

377.  Da  ließ  der  jähe  Tod  des  mächtigen  Kaisers  die  Hoffnungen  imd 
Ansprüche  der  Genuesen  von  neuem  erwachen,  indem  er  zugleich  das  sizi- 
lische Königreich  in  die  schwersten  Wirren  stürzte.  Schon  im  Jahre  1198 
griffen  acht  genuesische  Kriegsschiffe  einen  pisanischen  »Korsaren«  Ricovero, 
einen  erbitterten  Feind  der  Genuesen,  mit  seinen  neun  Galeeren  im  Hafen 
von  Palermo  selbst  mit  Erfolg  an;  doch  nötigte  sie  die  Intervention  der 
Kaiserin  Konstanze,  die  dafür  eine  Anzahl  genuesischer  NobiU  auf  Sizilien 
einkerkern  ließ,  ihre  Beute  wieder  fahren  zu  lassen.^')  In  der  Folge  aber 
boten  die  in  Sizilien  ausbrechenden  Wirren  den  Genuesen  eine  vortreffhche 
Handhabe  zum  Eingreifen ;  daß  zahlreiche  Pisaner  es  mit  Markwald  von 
Annweiler  hielten,  machte  die  Unterstützung  Genuas  nur  noch  wertvoller 
für  die  vom  Papste  gestützte  vormundschaftliche  Regierung.  *)     So  kam  es 

')  Urkunden  über  eine  genuesische  Anleihe  für  diesen  Zug:  Atti  Lig.  I,  396 
bis  398.     Über  den  Zug  selbst  Toeche  334  ff. 

*)  Ann.  genov.  II  p.  50  f. ;  52  >etiam  prohibuit  ne  aliquis  Januensis  in  regno 
suo  Siciliae  se  consulem  presumeret  nominare* ;  p.  58  f.  Zu  berücksichtigen  ist 
immer,   daß   wir  nur  die  einseitige  Berichterstattung  der  Genuesen  vor  uns  haben. 

=>)  Ann.  genov.  H  p.  74  (1198). 

*)  Huillard-BröhoUes  I,  p.  46 ;  im  November  wird  ein  Grundstück  des  als  Hoch- 
verräter bezeicbneten  Pisaners  Simon  Pisanellus  von  der  Regierung  anderweitig  ver- 
geben ;  ib.  63  f.  Vgl.  Winkelm.,  Otto  p.  24  u.  60.  Urkunde  zu  einer  Unternehmung 
des  jüngeren  Gull.  Embriaci  von  Genua  nach  Sizilien  (25.  III.  1200):  Doneaud  p.  77. 


480  Dreiunddreißigstes  Kapitel. 

im  Dezember  1200  in  Palermo  zum  Abschluß  eines  neuen  Vertrages.  Er  be- 
stimmte: 1.  Freilassung  aller  gefangenen  Genuesen;  2.  Gewährung  einer 
Geldzahlung  von  10000  Gold unzen  in  5  Jahresraten ;  3.  Sicherheit  aller  Ge- 
nuesen im  Königreich  mit  Ausnahme  der  Freibeuter,  gegen  welche  die  sizi- 
lische  Regierung  nach  Belieben  einschreiten  darf ;  Beschwerden  von  Genuesen 
sind  binnen  40  Tagen  zu  erledigen ;  eine  Verhaftung  von  Genuesen  darf  nur 
in  Kriminalsachen  erfolgen,  sonst  nur,  wenn  der  Beschuldigte  keinen  Bürgen 
stellen  kann ;  4.  Wiederherstellung  der  genuesischen  Konsulate,  wie  sie  zur 
Zeit  Wilhelms  IL  bestanden ;  5.  Rückgabe  aller  Häuser  und  Ländereien,  die 
die  Commune  Genua  zu  jener  Zeit  im  Königreich  besessen;  außerdem  sind 
ihr  für  ihre  Kaufleute  neu  einzuräumen:  in  Messina  das  Haus  des  verstor- 
benen Admirals  Margarito,  in  Syrakus  das  des  Goffredus  de  Modica,  in  Tra- 
pani  das  Haus,  das  einst  dem  Kaid  Abu-'l-Kasem  gehört  hatte,  endlich  in 
Neapel  das  fiskalische  Fondaco  im  Torbezirk  Morizini  mit  allen  seinen  Ein- 
künften; 6.  als  wichtigste  Konzession:  Abgabenfreiheit,  mit  der  Erlaubnis, 
auch  Getreide  und  Lebensmittel  für  den  eigenen  Bedarf  Genuas  frei  aus- 
zuführen ;  7.  Nichtaufnahme  von  Korsaren  —  eine  offenbar  gegen  die  Pisaner 
gemünzte  Bestimmung;  alle  Ortsbehörden  sollten  darauf  besonders  vereidet 
werden.  ^)  Noch  einmal  schwankte  man  in  Genua,  ob  man  sich  nicht  doch 
lieber  Markwald  zuwenden  wollte^);  doch  die  päpstliche  Partei  siegte  und 
im  Sommer  1201  brachte  der  Konsul  Niccolö  Doria  als  Führer  eines  Ge- 
schwaders von  8  Galeeren  und  einer  Taride,  das  zugleich  die  aus  der  Levante 
heimkehrende  Karawane  decken  sollte,  die  Ratifikation  nach  Sizilien.  Von 
den  lOOüO  Goldunzen  wurde  eine  Rate  von  800  für  ihn  flüssig  gemacht,  und 
der  genuesische  Annalist  hebt  hervor,  daß  er  an  Gold,  Silber  und  Edelsteinen 
soviel  heimgebracht  habe,  daß  die  Staatskasse  über  1500  1.  davon  erhielt.  ^) 
Markwald  aber  rächte  sich ;  er  nahm  den  Admiral  Guilelmus  Grassiis  (Schwie- 
gervater Heinrichs  von  Malta)  gefangen  und  es  war  vergebens,  daß  die  Genuesen 
den  Gull.  Embriacus  aussandten,  um  seine  Befreiung  zu  erwirken;  doch  be- 
freite sie  im  September  1202  der  Tod  von  ihrem  Gegner,  der  eben  nach 
Messina,  das  sich  ihm  unterwerfen  wollte,  zu  ziehen  im  Begriff  war.*) 

378.  Inmitten  der  allgemeinen  Verwirrung,  die  auf  der  Insel  herrschte^ 
gelang  es  nunmehr  pisanischen  Freibeutern,  sich  der  Stadt  Syrakus  zu  be- 
mächtigen ;  sie  vertrieben  die  Bürger,  selbst  die  Geistlichen  und  den  Bischof, 
aus  der  Stadt  und  machten  sie  zum  Stützpunkt  ihrer  Unternehmungen,  s) 
Im  Sommer  1204  aber  faßte  die  aus  der  Levante  heimkehrende  genuesische 
Schiffskarawane  auf  Andrängen  des  Alamannus  de  Costa,  der  in  den  kre- 
tischen Gewässern  zu  ihr  gestoßen  war,  nachdem  er  eben  mit  seinem  Schiff 
Carrocia  das  pisanische  Korsarenschiff  Leopardus  mit  reichen  Waffenvorräten 
erbeutet,  den  Plan,  Syrakus  anzugreifen.  Von  dem  befreundeten  Grafen 
von  Malta,  Enricus  Piscator,  empfing  sie  wichtige  Verstärkungen  und  segelte 
nun  gegen  die  Stadt,  in  deren  Hafen  sie  am  6.  August  einlief  und  sogleich 
zwei   große  pisanische   Kauffahrer    »Florius«    und    »Rosa«   wegnahm.     Ver- 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  437.     Huillard-BröhoUes  I,  64  f. 

')  Vgl.   den   merkwürdigen  Kontrakt  zwischen   dem  Doria   und   dem  älterei 
Guil.  Embriaco  vom  20.  April  1201  bei  Doneaud,  Anm.  24  p.  78  ff. 

^)  Ann.   genov.  II,  80  f.     Mehr   als   diese  800  Goldunzen   sind  von  den  ver-* 
sprochenen  10000  nie  gezahlt  worden;  vgl.  Lib.  jur.  I  no.  506. 

*)  Ann.  genov.  n,  81.     Winkelmann,  Otto  53,  60. 

»)  Ann.  genov.  H,  91.     Heyd  I,  183  f.     Manfroni  303  f. 


Das  sizilische  Königreich  in  der  Zeit  der  Wirren.  481 

gebens  eilte  der  toskanische  Graf  Rainer  de  Manente  (auch  von  Sarteano 
genannt)!),  wohl  von  Messina  her,  mit  einer  Mannschaft  von  Rittern  und 
Fußsoldaten  zum  Entsatz  herbei;  nach  nur  achttägiger  Belagerung  wurde 
die  Stadt  mit  gewaffneter  Hand  genommen.  Die  Vornehmen  auf  den  Schiffen 
traten  nun  unter  dem  Vorsitz  der  gewesenen  Konsuln  von  Alexandrien  und 
Syrien,  die  als  die  Vertreter  der  Staatsgewalt  auf  der  Flotte  galten,  zusammen, 
setzten  den  Alamannus  im  Namen  Genuas  als  »Grafen«  von  Syrakus  in  den 
Besitz  der  Stadt  und  ließen  sich  von  ihm  den  Treueid  schwören.  Noch  vor 
der  Abfahrt  fiel  den  Genuesen  ein  weiteres  großes  pisanisches  Kauffahrtei- 
schiff, der  »Tunnus«,  der  nichtsahnend  in  den  Hafen  einlief,  in  die  Hände.  2) 
So  hatte  Genua  einen  überaus  wertvollen  Stützpunkt  für  seine  Handels- 
fahrten nach  dem  östlichen  Mittelmeer  mit  leichter  Mühe  gewonnen  und 
damit  auf  eigene  Faust  einen  besonders  wichtigen  Punkt  der  kaiserlichen 
Privilegien  realisiert.  Indessen  noch  hatten  die  Pisaner  nicht  verzichtet.  Im 
Jahre  1205  zogen  sie  mit  20  Schiffen  nach  Messina  und  bekämpften  die 
dort  weilenden  Genuesen  mit  Glück ;  dann  wandten  sie  sich,  durch  den  Grafen 
Rainer  und  viele  Toskaner,  die  sie  von  allen  Seiten  zusammengebracht,  ver- 
stärkt, gegen  Syrakus.  Fast  4  Monate  hielten  sie  die  Stadt  eng  umschlossen, 
bis  der  tapfere  Graf  Heinrich  von  Malta  der  Retter  der  Genuesen  wurde. 
Mit  4  Galeeren  und  reichen  Geldmitteln  war  er  zunächst  nach  Messina  ge- 
kommen und  hatte  die  dortige  genuesische  Kolonie  unter  ihren  Konsuln 
und  die  Kaufleute  zweier  soeben  aus  Syrien  anlangender  Schiffe  für  den 
Gedanken  gewonnen,  eine  Entsatzflotte  zu  rüsten.  In  kurzer  Zeit  konnte 
der  zum  Führer  gewählte  Graf  an  der  Spitze  von  16  Galeeren  und  verschie- 
denen kleineren  Schiffen  nach  Syrakus  aufbrechen.  Die  pisanische  Flotte 
verließ  den  Hafen,  um  ihm  entgegenzuziehen,  erlitt  aber  nach  heißem  Kampfe 
eine  vollständige  Niederlage;  ein  Ausfall  des  Grafen  Alamannus  vollendete 
den  Sieg  der  Genuesen  (kurz  vor  Weihnacht  1205).  Eine  von  Genua  am 
12.  Januar  1206  abgesandte  Ersatzflotte  von  13  Galeeren  fand  das  Werk  längst 
getan.  3)  Aber  eine  größere  Gefahr  drohte  noch.  Im  Hochsommer  1206 
kam  es  zwischen  Pisa  und  dem  durch  die  Festsetzung  Heinrichs  von  Malta 
auf  Kreta  bedrohten  Venedig  zu  einem  engen  Kriegsbündnis  auf  2  Jahre  ■*) ; 
mindestens  je  40  Galeeren  der  beiden  Seemächte  sollten  sich  im  nächsten 
Mai  in  Messina  gegen  die  Genuesen  vereinigen.  Falls  auf  dem  Zuge  Orte 
erobert  würden,  die  der  sizilischen  Krone  gehörten,  so  sollten  sie  dieser  gegen 
gehörige  Sicherheit,  daß  der  König  ohne  Zustimmung  der  Pisaner  und  Ve- 
nezianer niemals  Genuesen  in  sie  aufnehmen  würde,  überliefert  werden.  Da 
man  die  spätere  Gestaltung  der  Dinge  nicht  übersehen  könne,  so  sollte  jeder 
der  beiden  Mächte  vorbehalten  bleiben,  bis  14  Tage  nach  Weihnachten  der 
anderen  mitzuteilen,  ob  sie  die  Ausführung  des  Planes  zum  gedachten  Ter- 
min für  angezeigt  halte.  In  der  Tat  ist  es,  wohl  weil  die  Venezianer  auf 
Kreta  genug  zu  tun  bekamen,  zu  der  geplanten  gemeinsamen  Offensive  nicht 
gekommen,  und  so  erschien  im  Jahre  1207  eine  starke  pisanische  Flotte  allein 
auf  Sizilien.     In  Messina  wartete  man  ihrer  in  größter  Besorgnis,   doch  die 


1)  Über  ihn  Araari,  Musulm,  III,  579  ff.  Winkelmann,  Philipp  125  A.  2; 
Otto  59. 

*)  Ann.  genov.  II,  92. 

»)  Ann.  genov.  II,  96—98.     Winkelmann,  Otto  61. 

*)  Am  2.  Juli  1206  in  Venedig  geschlossen,  am  5.  August  in  Pisa  ratifiziert. 
Giorn.  lig.  I  (1874),  69  ff.  Mit  Unrecht  meint  Lenel  37  Anm.  3  gegen  Heyd  I,  289, 
daß  ein  bloßer  Vertragsentwurf  vorliege. 

Schaube,  Handelagescbichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  31 


482  Dreiunddreißigstes  Kapitel. 

Pisaner  wandten  sich  nach  Palermo  und  landeten  hier,  in  der  Hoffnung, 
sich  mit  Hilfe  des  Grafen  Rainer  und  des  Wilhelm  Capparone,  der  seit 
Markwards  Tode  eine  große  Rolle  auf  der  Insel  spielte,  Palermos  und  der 
ganzen  Insel  bemächtigen  zu  können.  Aber  dem  Kanzler  des  Königreichs, 
Walther  von  Palear,  gelang  es,  sie  unversehens  mit  seinem  Heere  zu  über- 
fallen imd  viele  von  denen,  die  sich  nicht  rechtzeitig  auf  die  Schiffe  retteten, 
zu  töten.  1) 

So  blieb  den  Genuesen  auf  der  Insel  doch  das  Übergewicht. 
Mit  dem  Besitz  von  Syrakus,  wo  sich  Alamannus  »von  Gottes  und 
des  Königs  und  der  Gemeinde  Genua  Gnaden  Graf  von  Syrakus  und 
des  Königs  Vertrauter«  nannte  ^j,  mit  ihrer  starken  Kolonie  in  Mes- 
sina ^)  und  mit  Malta,  dessen  Graf  ihr  Landsmann  und  ihnen  ganz 
ergeben  war,  hatten  sie  auf  der  für  den  Welthandel  so  wichtigen  Ver- 
bindungsstelle zwischen  Ost-  und  Westbecken  des  Mittelmeers  eine 
maritime  Position  von  außergewöhnlicher  Stärke  inne.  41 

379.  Immerhin  blieben  die  Pisaner  so  gefährliche  Gegner,  daß  Inno- 
cenz  III.  sie  11.  Mai  1208  dringend  ersuchte,  weitere  Schädigungen  des 
Königreichs  zu  unterlassen,  da  er  Sorge  tragen  werde,  ihren  Beschwerden 
abzuhelfen.4)  Neue  Hoffnungen  eröffneten  sich  für  sie,  als  Kaiser  Otto  IV. 
sich  entschloß,  das  sizilische  Königreich  seinem  jungen  Herrscher  Friedrich 
zu  entreißen.  Gegen  das  Versprechen,  ihm  40  Galeeren  zur  Eroberung 
Siziliens  auf  eigene  Kosten  und  weitere  auf  Kosten  des  Kaisers  zu  stellen, 
sicherte  ihnen  Otto  IV.  in  einem  umfassenden  Privileg  vom  3.  Juni  1210  ö) 
volle  Handels-  luid  Abgabenfreiheit  im  ganzen  siziHschen  Königreiche  zu. 
In  der  Tat  haben  die  Pisaner  auch  im  nächsten  Jahre  im  Dienste  des  ge- 
bannten Kaisers  40  Galeeren  nach  Neapel  geschickt  ß) ;  die  durch  den  Papst 
veranlaßte  Rebellion  in  Italien  und  Deutschland  aber  nötigte  den  Kaiser, 
sein  Unternehmen  aufzugeben  und  im  Februar  1212  nach  Deutschland 
zurückzukehren . 

Folgerecht  fand  sein  vom  Papst  empfohlener  Gegner  die  Unterstützung 
der  Genuesen.  Als  er  auf  seinem  gefährlichen  Wege  nach  Deutschland  in 
Genua  weilte,  hat  er  im  Hause  des  Niccolö  Doria  am  9.  Juli  1212  den 
Genuesen  urkundlich  versprochen,  ihnen,  wenn  er  Kaiser  sein  werde,  alle 
ihre  Privilegien  zu  bestätigen  und  die  ihnen  gemäß  dem  Vertrage  von  1200 
noch  geschuldeten  9200  Goldunzen  in  5  Jahresraten  zu  tilgen.'^)  Und  als 
Graf  Heinrich  von  Malta,  der  im  März  1218  mit  einer  Galeere  nach  Genua 
kam,  zu  dem  mittlerweile  in  Deutschland  zur  Macht  gelangten  Könige  über 


1)  Ann.  genov.  n,  105  f.     Winkelmann,  Otto  69  f. 

«)  Juni  1211 :  Delaville  le  Roulx  II,  130  no.  1365. 

')  Ihre  große  Bedeutung  ergibt  sich  schon  daraus,  daß  für  ihr  dortiges  Fon 
daco  (domus  Messanae  quae  fuit  Margariti),  abweichend  von  der  1214  aufgestellten 
Regel,  zweijährige  Verpachtung  zugelassen  war.     Ann.  genov.  U,  132. 

*)  Cod.  Sard.  I  p.  312.     Winkelmann,  Otto  78. 

*)  Oonst.  et  acta  U  no.  37  p.  46.     Winkelmann,  Otto  234  f. 

•)  Ann.  genov.  II,  120. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  506.  Huillard-Bröh.  I,  213.  Vgl.  Winkelmann,  Otto  320.  Ein 
Genuese  Wilh.  Marino,  der  schon  von  seinem  Vater  her  Lehen  auf  Sizilien  besaß, 
hatte  den  jungen  König  nach  Deutschland  begleitet  und  erhielt  im  Dezember  1212 
zu  Speier  die  Bestätigung  seiner  Lehen.  Schefifer-Boichorst  p.  394.  (Urkunde  Hein- 
richs VI.  für  Marinus  und  Matth.  Marino  vom  25.  Sept.  1197  ebd.  393.) 


il 

Uten 


Das  sizüische  Königreich  in  der  Zeit  der  Wirren.  483 

<Jie  Alpen  nach  Schwaben  ging,  brachte  er  urkundliche  Weisungen  des 
Herrschers  an  die  sizilischen  Behörden  i)  zurück,  die  Abgabenfreiheit  der 
Genuesen  im  Königreiche  in  vollem  Umfange  zu  respektieren,  was  also 
offenbar  keineswegs  überall  geschah.  Auch  die  Pisaner,  die  seit  1212  in 
unsicherem  Waffenstillstand,  seit  1217  im  Frieden  mit  Genua  lebten,  ent- 
behrten der  Stützpunkte  für  ihren  Handel  im  Königreich  nicht  ganz.  Graf 
Rainer  behauptete  sich  auf  Sizilien  noch  immer  2);  in  Neapel,  mit  dem  die 
Pisaner  immer  besonders  lebhaft  verkehrten,  war  sogar  das  starke  Kastell 
dell'  üovo  (Castellum  maris)  noch  1216  in  den  Händen  von  Pisanern,  die 
von  hier  aus  Seeraub  trieben  3)  und  im  Jahre  1214  schlössen  Pisa  und  Gaeta 
einen  Vertrag  auf  25  Jahre*),  in  dem  man  außer  den  übHchen  Bestimmungen 
über  Rechtsschutz  Vorkehrungen  traf,  die  die  Pisaner  vor  den  in  Gaeta 
oder  seinem  Gebiet  in  See  gehenden  Korsaren  sicherstellen  sollten  und  um- 
gekehrt; gegenseitig  gestattete  man  sich,  diejenigen,  die  auf  feindüchen 
Schiffen  fuhren,  ebenfalls  als  Feinde  zu  behandeln. 

Dabei  nahm  inmitten  allen  Kriegs  und  aller  Piraterie  doch  auch  der 
Handel  seinen  Fortgang,  wenn  er  auch  vielfach  selbst  ein  kriegerisches  Aus- 
sehen gewann.  So  haben  die  Kaufleute  Genuas  um  Weihnachten  1204  vier 
Galeeren  armiert,  um  ihre  Waren  nach  Sizilien  zu  schaffen;  eine  Galeere 
unter  Amicus  Mallonus  gab  ihnen  die  Stadt  zum  Geleit  mit.  Unterwegs 
stießen  sie  in  den  Gewässern  von  Neapel  auf  das  pisanische  Schiff  Garofalo, 
das  sich  eben  zu  einem  Korsarenzuge  rüstete,  und  verbrannten  es.^) 

380.  Neben  dem  starken  Hervortreten  der  Genuesen  und  Pisaner 
im  sizilischen  Königreich  erscheint  die  Rolle,  die  die  übrigen  Handels- 
nationen daselbst  spielten,  nur  sehr  bescheiden. 

Doch  kamen  mit  den  Schiffen  der  Pisaner  auch  die  Toskaner  des 
Binnenlandes  in  nicht  geringer  Anzahl.  Noch  kurz  vor  seinem  Tode,  am 
27.  September  1197,  gewährte  Heinrich  VI.  seinen  Getreuen  von  Lucca  und 
aus  dem  übrigen  Tuscien  für  die  guten  Dienste,  die  so  manche  von  ihnen 
ihm  in  seinem  sizihschen  Königreich  erwiesen,  dieselben  Vorteile  bei  der 
Verzollung  ihrer  Waren  in  allen  Häfen  des  Königreichs,  wie  sie  die  Pisaner 
hatten.6)  Früher  schon,  im  Jahre  1193,  ist  eine  besondere  Straße  (ruga) 
der  Florentiner  am  Hafen  und  in  der  Nähe  des  Doms  nachweisbar'),  die 
wahrscheinlich  einen  Bestandteil  des  pisanischen  Handelsquartiers  bildete. 
Und  die  Rolle,  die  Graf  Rainer,  der  selbst  aus  dem  südlichen  Tuscien  war, 
so  lange  auf  der  Insel  spielte,  erscheint  nur  möglich,  wenn  er  sich  auf 
einen  starken  Zulauf  aus  der  toskanischen  Heimat  stützen  konnte. 


*)  Ann.  genov.  11,  145 :  Cartas  retulit  ab  eo  preceptorias,  quod  Januenses  in 
toto  regno  Sicilie  francM  essent  et  nuUum  drictum  nuUamque  exactionem  dare  tene- 
rentur.  Es  handelt  sich  also  nicht  um  ein  Privileg  und  steht  deshalb  nicht  im 
genues.  Liber  Jurium.     Vgl.  Winkelmann  I,  98. 

»)  Näheres  Winkelmann  I,  129 ;  derselbe :  Otto  262,  406. 

^)  Winkelmann,  Otto  406.  Der  Verkehr  von  pis.  Handelsschiifen  in  N.  er- 
gibt sich  auch  aus  der  Hist.  canoniz.  S.  Bemardi  Hildesh.  in  den  Acta  SS.,  26.  Ok- 
tober, XI,  1028  f.  (zu  1192). 

*)  Nur  der  Schwur  der  gaötanischen  Gesandten  ist  erhalten  (8.  Juni  1214). 
Muratori  Ant.  IV,  393. 

*)  Ann.  genov.  II,  94. 

*)  Stumpf,  Acta  p.  600  no.  430. 

»)  Pirro,  SiciUa  sacra  (Palermo  1733)  II,  1281.  Amari  MuBulm.  lU,  218.  David- 
sohn I,  790. 

31» 


484  Dreiunddreißigstes  Kapitel. 

Für  die  Beteiligung  des  lombardischen  Binnenlandes  am  sizilischen 
Handel  vermag  ich  nur  darauf  hinzuweisen,  daß  der  mehrerwähnte  Befehl 
Innocenz'  III.  vom  Jahre  1198,  alle  Waren  der  Placentiner  und  Parmesanen 
zu  beschlagnahmen,  auch  an  die  Regentin  des  Königreichs,  Konstanze,  ge- 
richtet ist.i)  ^ 

381.  Von  den  Venezianern  auf  Sizilien  erfahren  wir  nur,  daß  der 
Kaiser  im  Jahre  1195  den  vor  ihm  erschienenen  »yconomi,  sindici  et  pro- 
curatores«  der  in  Palermo  wohnenden  Venezianer,  Marco  Bembo  und  Ric- 
cardo  Tommasini,  den  Besitz  ihrer  Markuskirche,  so  lange  sie  in  der  Treue 
verharrten,  bestätigte  2) ;  ob  diese  Verwalter  der  venezianischen  Niederlassung 
in  Palermo  auch  richterliche  Befugnisse  hatten,  muß  dahingestellt  bleiben; 
stark  wird  die  Niederlassung  in  dieser  Zeit  schwerlich  gewesen  sein.  Von 
einer  Einmischung  in  die  sizilischen  Wirren  haben  sich  die  Venezianer,  die 
ihre  Aufmerksamkeit  ganz  dem  Osten  zugewandt  hatten,  völlig  fern  ge- 
halten; die  für  1207  in  Gemeinschaft  mit  den  Pisanern  geplante  Offensive 
blieb  Projekt.  Für  sie  war  die  apulische  Küste  wichtiger.  Um  hier  ihrer 
Schiffahrt  die  notwendige  Sicherheit  zu  verbürgen,  haben  im  September 
1199  die  beiden  Befehlshaber  der  damals  gegen  die  Pisaner  operierenden 
Flotte  einen  Vertrag  mit  Brindisi  geschlossen.  Man  griff  auf  einen  älteren 
beschworenen  Vertrag  zurück  und  erklärte,  seitdem  vorgekommene  gegen- 
seitige Verletzungen  der  Vergessenheit  anheimgeben  zu  wollen;  dann  aber 
mußten  die  von  Brindisi  schwören,  keinen  Venezianer  zu  schädigen,  wie 
der  Doge  auch  den  Venezianern  jede  Schädigung  des  sizilischen  Königreichs 
untersagt  habe,  und  vor  allem  keine  jDisanischen,  genuesischen  oder  vene- 
zianischen Korsaren  oder  sonst  jemanden,  der  die  Venezianer  schädigen 
könnte,  in  ihrem  Hafen  oder  Gebiet  aufzunehmen.^)  In  der  kurzen  Zeit, 
als  Otto  IV.  hier  die  Herrschaft  hatte,  sehen  wir  einen  venezianischen 
Reeder,  Nicolaus  de  Aybolo,  vor  dem  kaiserlichen  Gericht  gegenüber  einem 
Bevollmächtigten  des  Herrschers  von  Epirus  Recht  geben.^) 

Das  seit  dem  Ausgang  der  normannischen  Dynastie  wieder  unter 
griechischer  Oberhoheit  stehende  Ragusa  hat  gerade  in  dieser  Zeit  der 
Wirren  eine  Anzahl  von  Verträgen  mit  den  apulischen  Seestädten  geschlossen 
oder  erneuert.  In  dem  Schreiben  von  Monopol!  vom  1.  Februar  1201  handelt 
es  sich  nur  um  allgemeine  Versprechungen  der  Freundschaft  und  Sicherheit^); 
in  dem  zur  selben  Zeit  auf  12  Jahre  geschlossenen  Vertrage  mit  Bari  ver- 
sprachen die  Baresen,  alle  apulischen  Korsarenschiffe,  die  Bari  passierten, 
schwören  zu  lassen,  die  Ragusaner  nicht  zu  schädigen  und,  falls  sie  den 
Schwur  verweigerten,  in  ihrem  Hafen  oder  Gebiet  nicht  aufzunehmen.  In 
dem  Vertrage  mit  Termoli  von  1203  wurde  gegenseitige  Abgabenfreiheit 
(■vom  plateaticum  und  arboraticum)  und  Gleichberechtigung  mit  den  eigenen 
Bürgern  festgesetzt,  1208  der  vor  60  Jahren  mit  Molfetta  geschlossene  Ver- 
trag erneuert.  Im  Jahre  1211  führte  ein  ragusanischer  Padrone  Vitta  in 
Bisceglie  Klage  darüber,  daß  ihm,  altem  Herkommen  zuwider,  Ankergeld, 
Mastbaumgeld  und  Marktgeld  ß)   abgefordert  worden  seien.     Es  wurde  fest- 

»)  Oben  §  271.    'Winkelmann,  Philipp  346. 

«)  Gregorio  H,  226.  Toeche  p.  630.  Oarini  J.  im  Arch.  sicü.  I  (1876),  357. 
Schmeidler  41  Anm.  46. 

••>)  Winkelmann  Acta  I,  470  no.  583 ;  vgl.  derselbe :  Otto  59.     Manfroni  292. 

*)  Im  November  1211 ;  Minotto  IVi  p.  21  f. 

*)  Jirecek  p  49.     Dazu  p    52  f.   (Anm.  35.)  ^^ 

«)  >  Plateaticum  <  =  der  Abgabe  >pro  mercibus  Vigiliis  emptis  aut  venditisc, 
wie  aus  der  Urkunde  deutlich  hervorgeht. 


Das  sizilische  Königreich  in  der  Zeit  der  Wirren.  485 

gestellt,  daß  in  der  Tat  ein  die  gegenseitige  Abgabenfreiheit  verbürgender 
Vertrag  mit  Ragusa  bestehe  und  Vitta  demnach  von  der  Zahlung  freizulassen 
sei ;  die  Feststellung  sei  aufzuzeichnen.^)  Darnach  kann  der  Verkehr  zwischen 
Ragusa  und  Bisceglie  allerdings  nur  gering  gewesen  sein. 

382.  In  dieser  Zeit  sehen  wir  auch  Marseille  den  Handelsverkehr 
mit  dem  sizilischen  Königreich  pflegen;  von  den  Ausschließungsbestrebungen 
der  Genuesen  ist  nun  keine  Rede  mehr.  Im  Februar  1200  weilte  das  Mar- 
ßeiller  Schiff  Incoriata  (=  Incoronata)  in  Messina;  die  Marseiller  Bartolo- 
meus  Macellarius  und  Petrus  Vitalis  nahmen  hier  am  15.  Februar  bei  ihren 
Landsleuten  Stephanus  de  Mandolio  und  Guilelmus  Benlivenga  ein  Seedarlehn 
im  Betrage  von  1600  Goldtari,  der  erstgenannte  Schuldner  außerdem  noch 
€in  weiteres  von  240  Goldtari,  für  die  Fahrt  nach  Marseille  auf  und  bestellten 
■dafür  ihren  Gläubigern  Waren,  die  sie  auf  dem  Schiff  nach  Marseille  ver- 
laden hatten,  als  Spezialhypothek.  Es  waren  im  ganzen  166  Stück  Schinken, 
5  Pack  feine  Schaffelle  mit  324  Stück  Inhalt,  4  Sack  Galläpfel,  nach  Acconer 
Oewicht  1  Ztr.  74  rot.  schwer  und  17  Pack  Süßholz  (faisos  liquiricie),  die 
nach  Acconer  Gewicht  92/3  Ztr.  wogen.  2)  Kein  Zweifel,  daß  die  Marseiller 
Kaufleute  diese  teils,  wie  die  Gewichtsangaben  zeigen,  aus  Syrien  einge- 
führten, teils  aus  Sizilien  selbst  oder  Nord-Afrika  stammenden  Waren  in 
Messina,  diesem  wichtigen  Stapelplatz  aller  möglichen  Handelsartikel,  zur 
Einfuhr  nach  ihrer  Heimat  eingekauft  haben.  Daß  der  genannte  Stephan 
de  MandoHo  mit  Sizilien  in  regelmäßiger  Handelsverbindung  stand,  beweist 
■der  Umstand,  daß  er  am  16.  November  1207  seinem  Landsmann  Guillelmus 
Saquet  ein  Kapital  von  14 1/2  1.  reg.  übergab,  von  dem  er  zunächst  in  Sizi- 
lien eine  Schuld  Stephans  in  Höhe  von  6^/2  Goldunzen  an  Nolascus  Mar- 
tinus  begleichen,  den  Rest  aber  für  die  Heimfahrt  nach  Marseille  in  Waren 
anlegen  sollte,  s)  Sehr  bemerkenswert  ist,  daß  Marseille  im  Januar  1208  mit 
dem  den  Genuesen  feindlich  gesinnten  Gaeta  einen  Vertrag  schloß'*);  alle 
Leute  und  Schiffe  von  Marseille  sollten  von  selten  der  Gaetaner  volle  Sicher- 
heit in  Gaeta  selbst  wie  allerwärts  auf  See  oder  in  fremden  Häfen  genießen ; 
und  bezeichnend  für  den  Marseiller  Verkehr  mit  Sizilien  ist  auch,  daß  Genua, 
als  es  im  Jahre  1211  mit  Marseille  Frieden  schloß,  versprach,  den  Frieden 
auch  von  allen  Genuesen  in  der  Fremde,  insbesondere  von  denen  in  Malta, 
Messina  und  Syrakus  beobachten  zu  lassen.  0) 

383.  Für  den  internen  Handel  des  Königreichs,  der  unter  den 
Wirren  der  Zeit  natürlich  erheblich  litt,  sind  endlich  einige  den 
beiden  Haupthandelsplätzen  von  Sizilien  in  der  ersten  Zeit  des  stau- 
fischen Regiments  verliehene  Privilegien  von  Bedeutung  gewesen. 

Am  11.  Mai  1197  gewährte  Heinrich  VI.,  der  vor  einer  Verschwörung 
nach  Messina  geflüchtet  war,  den  Bürgern  von  Messina  das  Recht  der  un- 
behinderten und  abgabenfreien  Ein-  und  Ausfuhr  für  ihre  Stadt  von  der 
See-  wie  von  der  Landseite  her.  Gleichzeitig  regelte  er  das  Recht  zu  Repre- 
salien.  Wurde  ein  Messinese  beraubt,  so  hatte  er  zunächst  ein  amtliches 
Schreiben  des  königlichen  Admirals  zu  erwirken,  das  Rückgabe  oder  Ersatz 


»)  Ljubifi  I  no.  28  p.  20 ;  no.  29,  34  u.  36. 
*)  Manduel  no.  1.     Fagniez  I  no.  135. 
*)  Manduel  no.  2. 

*)  Mary   et   Guindon  I,   215   (die  Herausgeber   lesen   beständig   ut  statt  vel). 
Marchand  p.  19. 

•)  Ann.  genov.  II,  166  Anm.  3. 


486  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

forderte;  blieb  das  vergeblich,  so  hatte  er,  sobald  die  Übeltäter  oder  Lands- 
leute von  ihnen  nach  Messina  kamen,  dem  Admiral  davon  Mitteilung  zu 
machen,  der  dann  ein  zur  Befriedigung  des  Geschädigten  ausreichendes 
Quantum  ihrer  Habe  mit  Beschlag  belegen  ließ,  i)  Heinrichs  Witwe  Kon- 
stanze bestätigte  das  Privileg  im  Januar  1198,  und  im  Dezember  1199  fügte 
die  vormundschaftliche  Regierung  unbeschränkte  Handelsfreiheit  (nicht  etwa 
auch  Abgabenfreiheit)  im  ganzen  Königreiche  hinzu.  2)  Palermo  stand  dem- 
gegenüber zurück;  erst  im  September  1200  wurde  seinen  Bürgern  für  Ein- 
wie  Ausfuhr  im  Hafen  und  an  den  Stadttoren  Abgabenfreiheit  gewährt  und 
auch  dies  nur  mit  einigen  recht  erheblichen  Einschränkungen :  Wein  imid 
Öl,  die  zur  See  eingingen,  unterlagen  einem  Wertzoll  von  5  und  10%  (nait 
Ausnahme  der  für  den  eigenen  Gebrauch  des  Importierenden  und  seiner 
Familie  eingeführten  Quantitäten);  und  von  Waren,  die  aus  dem  Auslande 
eingeführt  wurden,  mußte,  je  nachdem  sie  grobe  oder  feine  waren  (magna 
oder  subtilia),  ein  Wertzoll  von  2  oder  I^/q  entrichtet  werden,  indessen,  wie 
ausdrücklich  betont  wird,  nur  in  Palermo  selbst  (so  daß  also  Waren  von 
Palermitanern,  die  über  Messina  gingen,  daselbst  zollfrei  waren).  Die  Aus- 
fuhr von  Lebensmitteln  unterlag,  wie  bisher,  besonderer  könighcher  Licenz.^) 
Von  Interesse  ist,  daß  im  Januar  1211  alle  Juden  der  Stadt  mit  ihrer  Fär- 
berei, dem  Warenhause  und  allen  damit  zusammenhängenden  Gebühren  der 
erzbischöflichen  Kirche  von  Palermo  überwiesen  wurden.  *)  Daß  in  dieser 
Zeit  endlich  auch  manche  Klöster  des  Königreichs  mit  Handelsvorteilen 
privilegiert  wurden  ß),  sei  zum  Schlüsse  nur  kurz  erwähnt. 


Yierunddreißigstes  Kapitel. 

Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung 

Friedrichs  II. 


1 


384.  Gegenüber  der  fast  dreißigjährigen  Zeit  der  Wirren  bedeutete 
es  einen  gewaltigen  Umschlag,  als  Friedrich  IL  selbst  die  Regierung 
seiner  Erblande  in  die  Hand  nahm.  Die  meistprivilegierte  unter  den 
fremden  Handelsnationen,  Genua,  hatte  das  naturgemäß  auch  am 
meisten  zu  empfinden.  al 

Als  die  Stadt  ihren  Podestä,  zu  ihm  nach  der  Emilia  entsandte,  ver- 
mochte dieser  nur  eine  Bestätigung  der  Besitzungen  und  Rechte  der  Genu- 
esen, soweit  sie  sich  auf  das  Kaiserreich  bezogen,  zu  erlangen  (4.  Oktober 
1220) ;  bezüglich  des  weiteren  erklärte  Friedrich  nicht  vor  seiner  Anwesenheit 
im  Königreiche  selbst  Bestimmungen  treffen  zu  können.   Grollend  lehnten 


1)  SchefEer-Boichorst  p.  228  ff.     Dazu   p.  234.     (Über   das  gefälschte  Privileg 
von  1194  p.  235  ff.)  Unter  den  Zeugen  ist  Wil.  Grassus,  comes  Malte  et  ammiratus, 

«)  Ebd.  232,  235.     Gallo  1.  c.  U,  79.    Dazu  V.  La  Mantia :  I  privilegi  di  Mes- 
sina (1130 — 1816).     Note  storiche  con  documenti  inediti.     Palermo  1897. 

•)  La  Mantia  V.     Antiche  consuetudini  delle   cittä  di   Sicilia  (Palermo  1900) 
p.  231  f. 

*)  Huillard-BröhoUes  I,  182 :    totam  tinctam  suam  cum  f  undico  et  omni  jure ; 
vgl.  p.  371  f. 

»)  Priv.  für  Casamari,  Mai  1196:  Kehr  483  no.  46;  für  Sancta  Maria  de  Grotta>  ^ 
Nov.  1198 :  Winkelmann  acta  I,  72  no.  77.     Dazu  no.  71,  75,  76,  78. 


II 


Das  aizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  II.  487 

es  die  genuesischen  Gesandten,  die  sich  auch  persönhch  zurückgesetzt  fühlten, 
ab,  den  König  zur  Kaiserkrönung  nach  Rom  zu  begleiten,  i)  Aber  Friedrich 
hatte  ein  festes  Ziel  im  Auge ;  noch  im  Dezember  desselben  Jahres  ließ  der 
Kaiser  durch  den  Hoftag  von  Capua  beschließen  2) ,  daß  Fremde  wie  Ein- 
heimische fortan  in  den  Häfen  und  an  den  Zollstätten  des  Königreichs  an 
die  königlichen  Beamten  die  gleichen  Abgaben  zu  zahlen  hätten  wie  zur 
Zeit  Wilhelms  II. ;  alle  Privilegien  sollten  nur  dann  anerkannt  werden,  wenn 
sie  die  Bestätigung  des  Kaisers  erhielten.  ^)  Wenn  Friedrich  II.  am  3.  März 
1221  dies  Gesetz  »de  resignandis  privilegiis«  dem  Papste  gegenüber  damit 
begründete,  daß  sein  Vater  vielerlei  in  der  Hoffnung  es  später  widerrufen 
zu  können,  verliehen  habe,  was  er  für  das  Königreich  hätte  zurückbehalten 
müssen,  und  daß  während  seiner  eigenen  Minderjährigkeit  von  den  mancherlei 
Machthabern  Privilegien  ausgestellt  seien,  die  dem  ganzen  Königreich  zum 
offenbaren  Verderben  gereichen  müßten  4),  so  paßt  diese  Begründung  nur  zu 
genau  auf  die  Privilegien,  die  Genua  seinerzeit  von  Heinrich  VI.  und  im 
Jahre  1200  im  Namen  des  jungen  Königs  erhalten  hatte.  So  vermochten 
auch  die  genuesischen  Gesandten  Obertus  de  Volta,  Sorleonus  Piper  und 
Ubertus  de  Novaria  das  Schicksal  dieser  einem  Ausnahmezustand  entsprun- 
genen Verbrief ungen  nicht  abzuwenden.  Die  Zollfreiheit  der  Genuesen  wurde 
nicht  weiter  anerkannt,  vielmehr  hatten  sie  Abgaben  zu  zahlen,  deren  Höhe 
nach  der  Behauptung  des  offiziellen  Annalisten  durchschnittlich  einem  förm- 
lichen Zehnten  gleichkam.  Der  Palast  Margaritones  in  Messina  wurde  ihnen 
entzogen,  Graf  Alamannus  verlor  seine  Herrschaft  in  Syrakus,  der  Admiral 
Guilelmus  Porcus  mußte  fliehen.  5)  Nur  Heinrich  von  Malta  behielt  das 
Vertrauen  des  Kaisers  und  wurde  noch  im  Sommer  1221  des  Porcus  Nach- 
folger; doch  fiel  auch  er  zwei  Jahre  darauf  wegen  seiner  mangelhaften  Er- 
folge gegen  die  Sarazenen  Siziliens,  gegen  die  er  mit  geringer  Macht  entsandt 
war,  in  Ungnade  und  wurde  seiner  Grafschaft  in  Malta  beraubt,  die  er  auch 
nicht  zurückerhielt,  als  er  im  folgenden  Jahre  in  seine  Admiralitätswürde 
wieder  eingesetzt  wurde.  ^) 

So  sahen  sich  die  Genuesen  von  dem  jungen  Herrscher  mit  einem 
Schlage  aus  den  wichtigen  Positionen,  die  sie  auf  Sizilien  gewonnen,  heraus- 
gedrängt —  vorläufig  blieb  ihnen  nichts  anderes  übrig,  als  sich  in  die  ver- 
änderte Lage  zu  finden.  Weitere  Schwierigkeiten  legte  der  Kaiser  ihrem 
Handel,  der  auch  für  ihn  gewinnbringend  war,  nicht  in  den  Weg ;  gelegent- 
lich erwies  er  ihnen  auch  kleine  Gefälligkeiten,  so  wenn  er  sie  1224  den 
Bewohnern  von  Accon  empfahl'^);  von  seinem  grundsätzlichen  Verhalten 
aber  ließ  er  sich  weder  durch  die  zwei  Gesandtschaften  des  Jahres  1224  noch 
durch  die  Verhandlungen  vom  Jahre  1226  abbringen;  das  Privileg,  das  er 
ihnen  im  Juli  1226  zu  Pontremoli  ausstellte,  ging  in  keiner  Weise  über  das 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  561.  Huillard-Br.  I,  867  ff.  Ann.  genov.  II,  168  f.  Winkel- 
mann I,  98  ff.     Chone  18  f. 

*)  Rycc.  de  San  Germano  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  102  rub.  10  u.  15. 

ä)  Winkelmann  I,  132  f.  und  Nachschrift  p.  530  ff'.  Über  Vorläufer  dieser 
Konstitution  Scheffer-Boichorst  p.  244  ff.;  Caspar  p.  320  (unter  Roger  U.  1144  und 
1145;  bei  einer  Urkunde,  Reg.  no.  191,  heißt  es:  de  carta  cuttunea  in  perga- 
menum  renovavimus). 

*)  Const.  et  acta  II,  547  no.  417.     B.-F.  1295. 
.  »)  Ann.  genov.  ü,  170  ff.,  178.     Winkelmann  I,  142  f.     Vgl.  Chone  25.     Man- 
froni  374  f. 

•)  Ann.  genov.  II,  192  f.     Winkelmann  I,  159,  206,  242,  337. 

')  Oben  §  141. 


488  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

vom  Oktober  1220  hinaus,  i)  Auch  als  der  Kaiser  für  das  Jahr  1230  eine 
geheimnisvolle  Unternehmung  mit  Hilfe  Genuas  geplant  hatte  2)  und  dem- 
gemäß mit  der  Stadt  auf  bestem  Fuße  stand,  bewirkte  dies  nur,  daß  er  die 
Behörden  seines  Königreichs  anwies,  die  Genueseh  ehrenvoll  zu  behandeln 
und  ihnen  bei  Ein-  und  Ausfuhr  nicht  höhere  Abgaben  aufzuerlegen,  als  es 
zur  Zeit  Wilhelms  II.  üblich  gewesen,  s) 

385.  Im  Jahre  1232  kam  es  zu  einem  scharfen  Konflikt,  einem  Vor- 
spiel des  Kommenden.  Als  Genua  sich  weigerte,  die  schon  vollzogene  Wahl 
eines  Mailänders  zum  Podestä  rückgängig  zu  machen,  befahl  der  Kaiser,  alle 
Genuesen  im  sizilischen  Königreich  zu  verhaften  und  ihre  Waren  mit  Be- 
schlag zu  belegen.  Doch  bald  veranlaßten  ihn  die  üblen  Nachrichten  aus 
der  Levante,  wieder  einzulenken;  durch  ein  Schreiben  vom  18.  Juli,  das  er 
durch  besondere  Gesandte  überbringen  ließ,  verständigte  er  die  Genuesen, 
daß  er  zur  Zurücknahme  jener  scharfen  Maßregeln  geneigt  sei,  wenn  er 
durch  Gesandte  darum  ersucht  würde;  so  war  der  Gesandtschaft  des  Mon- 
tanarius  de  Mari  und  Picamilium  von  vornherein  der  Erfolg  verbürgt.*) 
Zum  offenen  Ausbruch  des  großen  Kampfes  hat  das  gegenseitige  Mißtrauen 
erst  6  Jahre  später  geführt.  Anfang  1238  verlangte  der  Kaiser,  der  nach 
dem  Siege  bei  Cortenuova  seine  lombardischen  Pläne  der  Erfüllung  nahe 
glaubte,  die  Huldigung  von  Genua  und  als  dieses  ablehnte,  ließ  er  in  sein 
sizihsches  Königreich  das  Gebot  ergehen,  jeden  Handels-  und  sonstigen  Ver- 
kehr mit  der  Stadt  Genua  gänzlich  einzustellen.  5)  Noch  einmal  schien  es, 
als  ob  Genua  diesem  Drucke  weichen  würde;  schon  sollte  ein  kaiserlicher 
Gesandter  in  Genua  den  allgemeinen  Treueid  entgegennehmen ;  da  aber  kam 
die  Erbitterung  der  großen  Mehrheit  der  Bevölkerung  gegen  den  Kaiser,  der 
die  vermeintlich  wohlerworbenen  Rechte  Genuas  so  sehr  mißachtet  hatte, 
zum  Ausbruch;  man  rüstete  zum  Kriege  und  schloß  unter  der  Ägide  des 
Papstes  ein  Verteidigimgsbündnis  mit  Venedig  (30.  November  1238),  dem 
am  26.  Juli  1239  ein  förmlicher  Kriegsbund  folgte,  der  im  Oktober  ratifiziert 
wurde.  <*)  Das  Ziel  war  kein  geringeres,  als  dem  Kaiser  sein  Königreich  zu 
entreißen;  Genua  insbesondere  sollte  Syrakus  und  alle  Besitzungen  und 
Rechte,  die  es  früher  im  Königreich  gehabt,  wiedererhalten.  So  war  der 
offene  Krieg  zwischen  Genua  und  dem  Kaiser  ausgebrochen,  der  selbst  den 
Tod  des  Kaisers  noch  überdauern  sollte. 

War  Genua  damit  offiziell  vom  Handel  mit  dem  unteritalischen  König- 
reiche ausgeschlossen,  so  war  das  Gleiche  damit  noch  keineswegs  für  alle 
Genuesen  der  Fall.  Es  galt  nicht  für  die  nicht  geringe  Zahl  der  genuesischen 
Kolonisten  im  Königreich,  so  lange  sie  treu  blieben'^);  es  galt  aber  auch  nicht 

1)  Ann.  genov.  II,  198 ;  ann.  jan.  zu  1226,  SS.  XVIII,  160.  Lib.  Jur.  I  no.  629. 
Huillard-Br.  II,  665. 

')  Ich  vermute,  daß  sie  sich  gegen  Marseille,  das  damals  in  der  Eeichsacht 
war,  richten  sollte. 

')  Winkelmann,  Acta  I,  604  no.  758.  Ein  neues  Privileg  kann  ich  darin  nicht 
sehen.     Vgl.  Winkelmann  H,  277.     Chone  46  fe. 

*)  Ann.  Jan.,  SS.  XVIH,  178—181.  Huillard-Br.  IV,  368.  Winkelmann  II,  398. 
Manfroni  387.     Chone  52,  61  f. 

»)  Huillard-Br.  V,  238.     Chone  72. 

ö)  Ann.  jan.  p.  188  S.  Lib.  Jur.  I,  980  f.,  984  f.  Winkelmann,  Acta  H  no. 
689  f;  p.  1028  fE.     Manfroni  390  ff. 

')  Die  genuesischen  Kolonisten  in  Messina  wagten  es  sogar,  auf  offenem 
Markte  Savonesen  zu  überfallen  und  einen  derselben  in  ihr  Gefängnis  zu  werfen ; 
ein  kaiserliches  Mandat  in  dieser  Sache  (8.  März  1240)  an  den  Sekretus  von  Mes- 
sina: Huillard-Br.  V,  815. 


I 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  II.  489 

für  die  Anhänger  des  Kaisers  in  Genua  selbst,  zu  denen  einige  der  vor- 
nehmsten und  einflußreichsten  FamiHen,  wie  die  Doria,  Spinola,  De  Mari 
u.  a.  gehörten.  Gerade  ihnen  hat  der  Kaiser  seine  Seefeldherrn  entnomnaen; 
1239  wurde  Nicolinus  Spinola  sizilischer  Admiral^),  und  als  er  starb,  folgte 
ihm  1241  Ansaldus  de  Mari,  der  1243  auch  zum  Reichsadmiral  ernannt  wurde 2) 
und  zusammen  mit  seinem  tüchtigen  Sohne  Andriolus  de  Mari  mehr  als 
einmal  seine  Vaterstadt,  namentlich  von  dem  kaiserfreundlichen  Savona 
aus,  in  die  schlimmste  Bedrängnis  gebracht  hat.  Der  genuesische  Kaufmann, 
der  Garantien  bot,  daß  er  nur  seinen  Handelsgeschäften  nachging  und  nicht 
irgendwelche  feindliche  Absicht  verfolgte,  konnte  darauf  rechnen,  einen 
besonderen  Sicherheitsbrief  für  seine  Person  und  seine  Waren  für  das  König- 
reich zu  erlangen;  ja  der  Kaiser  scheint,  namentlich  zu  Anfang,  das  Ver- 
weilen solcher  genuesischer  Kaufleute,  die  er  in  seiner  Hand  hatte,  in 
seinem  Königreich  eher  begünstigt  zu  haben  S);  bedeuteten  sie  doch  auch 
eine  Verstärkung  seiner  Partei  in  Genua.  Die  differentielle  Behandlung  der 
Genuesen  war  wohl  auch  bestimmt,  das  Mißtrauen  ihrer  venezianischen 
Verbündeten  zu  erwecken;  als  die  Genuesen  1240  zum  Angriff  übergingen, 
hat  der  Kaiser  im  Mai  das  Verbot  der  Getreideausfuhr  auch  auf  Genua  aus- 
gedehnt.4)  Als  es  dann  1241  zur  Verbannung  der  Ghibellinen  aus  Genua 
kam^),  waren  es  diese  Verbannten  natürlich  in  erster  Linie,  die  der  Kaiser 
auch  kommerziell  zu  stützen  suchte.  Ein  Beispiel  dafür  ist  uns  aus  dem 
Dezember  1245  bekannt,  wo  Simon  Grillus  für  den  Export  von  Getreide 
aus  dem  Königreich  vorteilhafte  Bedingungen  zugestanden  wurden.^)  Und 
Daniel  Doria,  einen  Sohn  des  bekannten  Ghibellinen  Percival,  sehen  wir  im 
Frühjahr  1248  auf  dem  Marseiller  Schiff  S.  Egidius  eine  Handelsreise  von 
Marseille  nach  Messina  unternehmen,  wohin  er  besonders  Tuche  und  Lein- 
wand exportierte;  sein  Landsmann  Guilelmus  de  Pessagno  hat  ihm  als  Be- 
vollmächtigter des  Nicolaus  Guastavini  Doria  für  diese  Reise  eine  Commenda 
von  125  byz.  sarr.  von  Accon  anvertraut.'^) 

386.  Auch  Kaufleute  aus  dem  lombardischen  Hinterlande  von  Genua 
sehen  wir  in  dieser  Zeit  von  Marseille  aus  am  Handel  mit  dem  sizilischen 
Königreiche  beteiligt.  Daniel  Doria  hat  auf  der  gedachten  Fahrt  auch  von 
dem  Placentiner  Johannes  Nigrobono  Leinwand  und  Tuche  im  Werte 
von  62  1.  misc.   in   Commenda  genommen  8)   und  zur  selben   Zeit   hat   der 


*)  Das  >Capitulum< ,  das  seine  Rechte  und  Pflichten  regelt,  bei  Alianelli: 
Delle  consuetudini  e  statuti  municipali  nelle  prov.  nap.  I  (Neap.  1873),  179  —  186. 
Huillard-Bröh.  V,  577.     Er  erhielt  täglich  1  Goldunze.     Winkelmann,  Acta  I  no.  838. 

ä)  Darüber  G.  Caro  in  MJÖG.  XXIII  (1902),  p.  643  if.  Anweisung  der  Besol- 
dung für  ihn  zuerst  März  1241  vor  Faenza ;  Winkelmann  Acta  I  no.  861. 

')  Mandat  ad  ammiratum  Regni  (15.  Dez.  1239):  Huillard-Br.  V,  576.  Abgabe 
von  Getreide  an  Nicolosus  de  Nigro  und  Ansaldus  de  Mari  Ende  1239,  ib.  507  f., 
548.     Chone  87  ff. 

*)  Huillard-Br.  V,  993  f. 

')  In  diesem  Jahre  gingen  Sorleone  Piper,  Ingo  Doria  und  Roberto  de  Volta 
als  Gesandte  der  »Mascarati*,  wie  man  die  Ghibellinen  in  Genua  damals  nannte, 
über  Pisa  nach  Faenza  zum  Kaiser.     Ann.  jan.  p.  200. 

8)  Winkelmann  Acta  I,  687. 

'')  Amalric  no.  342 ;  vgl.  no.  138.  Für  dieselbe  Reise  hat  Gull,  de  Pessagno 
übrigens  noch  dem  Muaa  de  Claro  ein  seidenes  Obergewand  (supertunicale  sarici) 
im  Werte  von  6  1.  jan.  in  Commenda  gegeben ;  no.  479. 

®)  Ebd.  No.  408.  Dazu  noch  64  1.  misc.  von  dem  in  Marseille  naturalisierten 
Otto  Angossola ;  no.  413. 


490  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

Astesane  Bonif acius  Belser  eine  Handelsreise  auf  dem  Girfalcus  nach  d^ 
Königreich  angetreten;  einem  mitreisenden  Marseiller  gab  er  ein  Seedar- 
lehn  von  50  1.  71/2  sol.  misc,  das  dieser  mit  I51/2  Goldunzen  in  Neapel, 
Gaeta  oder  wo  das  Schiff  sonst  seine  Ladung  löschen  würde,  binnen  14  Tagen 
nach  behaltener  Ankunft  des  Schiffes  zu  erstatten  versprach;  dafür  ver- 
pfändete er  dem  Gläubiger  seine  Waren  und  übernahm  auch  dessen  Be- 
köstigung bis  zum  Tage  der  Bezahlung.^) 

387.  In  vollem  Gegensatz  zu  Genua  hat  Pisa  dem  Kaiser  gegen- 
über allezeit  eine  Politik  der  Fügsamkeit  beobachtet.  Wohl  hatte  es 
bis  zuletzt  zu  Otto  IV.  gehalten;  aber  es  konnte  für  sich  geltend 
machen,  daß  es  auch  damit  nur  seiner  traditionellen  kaiserfreundlichen 
Politik  treu  geblieben  sei. 

Im  Jahre  nach  Ottos  Tode  ging  Henricus  Porcagia  als  Gesandter  Pisas 
zu  Friedrich  und  erwirkte  von  ihm  am  13.  April  1219  zu  Hagenau  ein 
Schreiben  2),  in  dem  der  König  den  Insassen  seines  sizilischen  Königreichs 
mitteilte,  daß  er  die  Pisaner  mit  ihren  Waren  im  ganzen  Königreiche  und 
insbesondere  in  Messina  und  Palermo  in  seinen  königlichen  Schutz  ge- 
nommen habe.  Unmittelbar  nach  seiner  Kaiserkrönung,  am  24.  November 
1220,  verlieh  er  dann  den  Pisanern  in  engem  Anschluß  an  die  Verleihungen 
seiner  Vorfahren  ein  großes  Privileg;  begreif hcherweise  sind  die  das  sizilische 
Königreich  betreffenden  Abschnitte  nun  einfach  verschwunden.  An  eine 
Erneuerung  derselben  konnten  die  Pisaner  unter  den  obwaltenden  Umständen 
auch  gar  nicht  denken,  und  so  haben  sie  der  Assise  de  resignandis  privi- 
legiis  gemäß  einfach  dies  Privileg  zur  Bestätigung  vorgelegt,  die  am  17.  No- 
vember 1221  vollzogen  wurde.^)  Für  sie  lag  schon  ein  erheblicher  Gewinn 
darin,  daß  ihre  genuesischen  Konkurrenten  nun  nicht  mehr  unter  günstigeren 
Bedingungen  im  Königreich  Handel  treiben  konnten  als  sie  selbst.  Und 
so  haben  sie  Friedrich  imter  allen  Umständen  bis  zum  Ende  die  Treue  be- 
wahrt; nur  selten  und  auch  dann  nur  ganz  vorübergehend  ist  ihr  Verhältnis 
zum  Kaiser  getrübt  worden. 

Besondere  Vergünstigungen  genoß  auch  ihr  Handel  nur  soweit,  als 
solche  schon  zur  Zeit  Wilhelms  II.  bestanden  hatten.  Es  entspricht  dem 
autonomen  Zolltarif  des  Königreichs  von  1231,  daß,  wie  wir  für  1232  zufälHg 
erfahren,  die  Pisaner  in  Messina  einen  Ausfuhrzoll  von  3  Prozent  des  Wertes 
zu  entrichten  hatten.  Dagegen  durfte  ihnen  in  Neapel  bei  der  Ausfuhr  von 
Hölzern  und  Fässern  herkömmlich  nur  i/go  (also  12/3  Prozent)  abverlangt 
werden  4);  einen  Versuch  der  Zollbehörde,  den  Zehnten  von  ihnen  zu  er- 
heben, wies  der  Kaiser  auf  eine  Beschwerde  der  Pisaner  durch  ein  Mandat 
vom  8.  Juni  1242  zurück.  Selbstverständlich  brachte  ihr  gutes  Verhältnis 
zum  Kaiser  ihrem  Handel  auch  sonst  mancherlei  Vorteile;  so  kauften  die 
pisanischen  Kaufleute  Petrus  und  Ugolinus  Russus,  Philippus  Alberti  und 
Philippus  Patriculus   einmal  vom  Kaiser   1300  Last  Weizen  für  520  Gold 


II 


»)  Ebd.  no.  418. 

ä)  Winkelmann  Acta  I,  p.  317.  B.-F.  1009.  Huillard-Breh.  IV,  464  mit  dem 
Datum  13.  April  1234  ist  offenbar  identisch  damit,  so  daß  die  Jahreszahl  auf  einem 
bloßen  Versehen  beruht  (gleiche  Indiktion). 

3)  Dal  Borgo  p.  42  ff.  B.-F.  1217,  1368.  Vgl.  Winkelmann  I,  99,  143;  Acta  I 
no.  232.     Manfroni  375. 

*)  Davidsohn  Forsch.  IT,  305  no.  2324  (vom  Jahre  1232).  Winkelmann  Acta  I, 
681  no.  897 ;  Mandat  an  den  Kämmerer  von  Terra  di  Lavoro.     Vgl.  Chone  114  f.   } 


I 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  11.  491 

unzen  (12  Tari  für  die  salma)  zu  beliebiger  Ausfuhr  aus  dem  Königreich 
mit  alleinigem  Ausschluß  von  Venedig;  am  1.  Januar  1240  wies  der  Kaiser 
von  San  Miniato  aus  die  sizihschen  Behörden  an,  das  Getreide  bis  zum 
1.  März  im  Hafen  von  Palermo  oder  von  Trapani  bereitzustellen,  i) 

Wie  lebhaft  sich  der  pisanische  Handel  mit  Sizilien  gestaltet  hatte, 
können  wir  aus  einem  Vorgang  des  Jahres  1245  entnehmen,  als  den  Genuesen 
einmal  eine  empfindliche  Schädigung  desselben  gelang.^)  Auf  die  Nachricht, 
daß  die  Pisaner  eine  Kaperflottille  von  6  Schiffen  gegen  die  aus  der  Levante 
zurückerwartete  genuesische  Schiffskarawane  ausgesandt  hätten,  lief  von 
Genua  am  10.  Juli  eine  gleich  starke  Flottille  aus,  die  der  pisanischen  bei 
Trapani  zu  begegnen  hoffte  (offenbar  vermieden  also  die  Genuesen  damals 
die  Straße  von  Messina).  Diese  weilte  indessen  noch  in  Palermo;  dafür 
aber  trafen  die  Genuesen  im  Hafen  von  Trapani  5  pisanische  Kauffahrer 
(naves)  und  mehrere  kleinere  Fahrzeuge  an,  die  sie  verbrannten.  Nur  ein 
pisanisches  Schiff,  die  Florina,  die  eine  besonders  reiche  Ladung  führte^ 
nahmen  sie  nach  Bonifacio  mit,  wohin  sie  die  mittlerweile  in  Sicht  ge- 
kommene Schiffskarawane  geleiteten ;  hier  teilten  sie  die  auf  der  Florina 
gemachte  Beute,  nachdem  sie  12000  1.  jan.  als  Ersatz  der  Ausrüstungskosten 
für  die  Staatskasse  ausgeschieden  hatten.  Gleichzeitig  erfahren  wir  aber  auch, 
daß  die  Pisaner  in  Trapani  ihre  Konsuln  hatten.  Als  die  Florina  in  Trapani 
aufgebracht  wurde,  hatte  sie  einen  Teil  ihrer  Ladung  schon  gelöscht ;  die  Kon- 
suln des  Meeres  in  Pisa  beauftragten  deshalb  am  2.  Dezember  die  pisanischen 
Konsuln  in  Trapani,  diese  Waren  unverzüglich  entweder  direkt  oder  über 
Palermo  nach  Pisa  zu  schicken,  damit  sie  unter  die  an  der  Schiffsladung 
beteiligten  Handelsgesellschaften  im  Verhältnis  ihrer  Einlagen  verteilt  werden 
könnten ;  sie  hätten  4  Personen  zur  Empfangnahme  des  Frachtgutes  bevoll- 
mächtigt. Gab  es  aber  pisanische  Konsuln  in  Trapani,  so  ist  es  sicher,  daß 
solche  zur  selben  Zeit  mindestens  auch  in  Seestädten  wie  Palermo,  Messina 
und  Neapel  vorhanden  waren.  Tatsächhch  können  wir  für  Neapel  das 
pisanische  Fondaco  und  einen  pisanischen  Notar,  der  vielleicht  zugleich  als 
Sekretär  des  pisanischen  Konsulats  fimgierte,  nachweisen;  ebenso  das  pisa- 
nische Fondaco  in  Messina s);  am  selben  Orte  leiteten  pisanische  Waffen- 
schmiede die  Waffenfabrik,  die  der  Kaiser  hier  besonders  zur  Anfertigung 
von  Panzern  aus  Eisendraht  begründet  hatte.^)  Gelegentlich  verführte  das 
Bewußtsein  der  eigenen  Stärke  auch  die  Pisaner  zu  Ausschreitungen  den 
Einheimischen  gegenüber,  so  daß  der  Kaiser  einmal  (1247  oder  1248)  eine 
Mahnung  an  die  pisanischen  Behörden  ergehen  ließ,  ihre  Mitbürger  besser 
jm  Zaum  zu  halten.^) 

388.  Auch  für  die  Beteiligung  des  toskanischen  Binnenlandes 
am  Handel  mit  dem  sizilischen  Königreiche  haben  wir  einzelne  Nach- 
richten, die  Rückschlüsse  auf  einen  stärkeren  Verkehr  erlauben. 

Im  Jahre  1232  sehen  wir  einen  Kaufmann  von  San  Gimignano 
im  Hafen  von  Messina  an  der  Befrachtung  einer  Galeere   mit  2  Kantär 

»)  Huillard-Br^holles  V,  648. 

*)  Ann.  jan.  p.  217  f.  Urkunde  in  Übersetzung  bei  Eoncioni  R.,  Istorie  pi- 
sane  (Arch.  ital.  VI  parte  1,  1848),  p.  515.     Dazu  mein  Konsulat  d.  M.  208  f. 

«)  Davidsohn  Forsch.  II,  305  no.  2327,  2324. 

♦)  Huillard-BröhoUes  V,  722  (5.  Febr.  1240).  Chone  93.  Auch  an  kleineren 
Orten  begegnen  wir  gelegentlich  den  Pisanern;  so  wird  dem  Pis.  Loteringus  nach 
zehnjährigem  Aufenthalt  in  Castel  vetere  (.Calabrien)  im  Jahre  1242  das  Indigenat 
"verliehen.     Winkelmann  Acta  I,  no.  902. 

»)  Petr.  de  Vin.  V,  33.     B.-F,  3658. 


492  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

12  rot.  Pfeffer  beteiligt;  ein  Landsmann  von  ihm,  Ranuccio  Pantalei,  reist 
im  Jahre  1243  im  Auftrage  seiner  Handelsgesellschaft  über  Neapel  nach 
Palermo;  in  Neapel  dient  er  bei  dem  Abschlüsse  eines  Handelskontrakts 
zwischen  zwei  anderen  Kaufleuten  aus  seinem  Heimatsorte  als  Zeuge.  Auf- 
genommen ist  dieser  Kontrakt  in  dem  Fondaco,  in  dem  die  Florentiner 
zu  herbergen  pflegten,  womit  also  auch  für  diese  ein  größerer  Anteil  an 
dem  Handel  mit  Neapel  erwiesen  ist.i)  Und  mit  Messina  stand  die  uns 
schon  bekannte  sienesische  Handelsgesellschaft  Guidalotto  Guidi  u.  Comp, 
von  Marseille  aus  in  regem  Verkehr;  im  Frühjahr  1248  war  sie  daselbst 
durch  ihren  Sozius  Bellinchonus  Charrenconi  vertreten.  An  ihn  hatte  Daniel 
Doria  die  40  Goldunzen  für  ein  Seedarlehn  zu  erstatten,  das  er  unter  Be- 
stellung eines  Teils  seiner  in  Tuchballen  bestehenden  Ladung  auf  dem  Schiff 
S.  Egidius  in  Höhe  von  117  1.  14  sol.  misc.  am  16.  März  1248  bei  der  Ge- 
sellschaft aufgenommen  hatte.  Und  am  29.  April  desselben  Jahres  gab  die 
Gesellschaft  einem  Marseiller  200  Pfund  Safran  für  die  Fahrt  auf  d«r  Bona- 
ventura nach  Messina  in  Commenda.^) 

Gelegentlich  beteiligten  sich  auch  Kaufleute  aus  Rom  an  dem 
Handel  mit  dem  Königreiche. 

Daß  es  nicht  allzuhäufig  geschah,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  die 
Zoll-  und  Magazin  Verwaltung  zu  Neapel  wegen  der  Zollbehandlung  derselben 
beim  Kaiser  besonders  anfragte,  nicht  minder  aber  auch  daraus,  daß  der 
Kaiser  am  21.  September  1231  darauf  den  gnädigen  Bescheid  gab,  daß  von 
ihnen  nichts  zu  fordern  sei.^)  Sicher  handelt  es  sich  dabei  um  Kaufleute, 
die  dem  Kaiser  Geld  geliehen*)  und  dafür  Anweisungen  an  bestimmte 
Provinzialbehörden  des  Königreichs  erhalten  hatten,  wie  der  Kaiser  z.  B. 
im  Dezember  1239  den  Sekretus  von  Palermo  beauftragte,  die  römischen 
Kaufleute  Petrus  de  Bonfilio  und  Sozii  wegen  ihres  der  kaiserlichen  Kammer 
gewährten  Darlehns  zu  befriedigen. 

389.  Die  Erneuerung  ihres  Vertrages  mit  dem  Kaiserreich,  die 
die  Venezianer  schon  am  20.  September  1220  von  Friedrich  H.  er- 
wirkten, enthält  ebensowenig  eine  Beziehung  auf  das  sizilische  König- 
reich wie  die  früheren  Pacta  oder  die  gleichzeitigen  Privilegien  des- 
selben Herrschers  für  Pisa  und  Genua.  ^) 

Maßgebend  für  ihre  Stellung  im  Königreiche  blieb  der  Vertrag  von 
1175;  eine  kaiserliche  Verordnung  an  die  Hafenämter  Apuliens  vom  Jahre 
1230  redet  ausdrücklich  davon,  daß  der  Ausfuhrzoll  von  den  Venezianern 
in  derselben  Höhe  wie  zur  Zeit  Wilhelms  IL  zu  erheben  sei.^)     Dabei  blieb 

1)  Davidsohn  1.  c. 

«)  Amalric  no.  17,  115,  627. 

')  Winkelmann  Acta  I,  p.  619  no.  793:  De  mercatoribus  Romanis  non  est 
aliquid  requirendum.  Dazu  Winkelmann  II,  p.  277.  Über  die  Wegnahme  eines 
römischen  Schiffs  im  Hafen  von  Cefalü  am  Anfang  der  Regierung  des  Kaisers, 
weil  es  >  Verräter«  an  Bord  hatte,  s.  Wink.  I,  188  A.  1. 

*)  Anleihen  des  Kaisers  bei  römischen  Kaufleuten  im  Jahre  1239  (außerhalb 
des  Königreichs  aufgenommen)  Huill.-Br.  V,  385,  446  ff.,  549  f.  Mandate  betr.  Rück- 
zahlung ebd.  508,  812. 

*)  Const.  et  acta  11,  93.  Chone  p.  17  f.  und  die  Ausführungen  Lenels  da- 
selbst p.  132  f.  Allgemein :  Teza  E.,  Fed.  Hei  Veneziani,  in :  Atti  e  mem.  di  Pa- 
dova,  1901. 

9)  Winkelmann  Acta  I,  604  no.  757:  recepto  ab  eis  jure  quod  olim  tempore 
Regis  W.  II .  .  .  solvere  consueverant.     Vgl.  Chone  27  und  49. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  II.  493 

es  auch  nach  Erlaß  des  autonomen  Zolltarifs  von  1231;  nur  die  Magazin- 
gebühr sollte  nach  den  neu  festgestellten  Sätzen  auch  von  den  Venezianern 
erhoben  werden.^)  Als  der  Kaiser  in  der  Konstitution  von  San  Germano 
(September  1222)  erklärte,  daß  das  Verbot,  sich  beim  Warenhandel  des 
Goldes  als  Zahlungsmittel  zu  bedienen,  auf  die  fremden  Kaufleute  keine 
Anwendung  finde ,  hat  er  als  solche  in  erster  Linie  die  Venezianer  namhaft 
gemacht.2) 

So  hat  Venedig  auch  in  dieser  Zeit  besonders  seinen  Lebensmittel- 
export aus  Apulien  unter  den  altgewohnten  Bedingungen  eifrig  fortgesetzt; 
für  einige  Jahre  des  3.  Jahrzehnts  sind  wir  über  die  Formen,  unter  denen 
sich  der  Getreidehandel  Venedigs  mit  Apulien  vollzog,  etwas  genauer  unter- 
richtet. Im  Dezember  1226  wurde  auf  dem  Rialto  als  Gebot  des  Dogen 
und  seines  Rates  verkündet,  daß  alle  Venezianer,  die  Getreide  in  Apulien 
lüden,  bei  Strafe  der  Konfiskation  von  Schiff  und  Ladung  alles  Getreide 
nur  nach  Venedig  selbst  bringen  dürften;  schon  seit  geraumer  Zeit  war  es 
üblich,  für  jeden  Scheffel  (staio  =  sestarius)  eine  Einfuhrprämie  von  12  den. 
venez.  zu  zahlen.  Bald  aber  ging  die  Signorie  in  ihrer  Fürsorge  für  die 
Verproviantierung  Venedigs  weiter;  am  3.  März  1227  schloß  sie  mit  dem 
Unternehmer  Giovanni  Staniaro  einen  Vertrag,  wonach  dieser  im  Mai  in 
Siponto  und  an  anderen  Orten  Apuliens  20U0  Malter  (moggia)  Getreide  für 
Rechnung  Venedigs  ankaufen  sollte;  Ankäufe  darüber  hinaus  auf  eigene 
Rechnung  zu  machen,  war  ihm  unbenommen;  außerdem  war  er  mit  250  Gold- 
unzen Einlagekapital  Sozius  bei  dem  Getreidegeschäft  des  Staates.^)  Im 
April  übersandte  ihm  die  Regierung  in  3  Raten  rund  8850  1.  ven.  in  Gold- 
barren durch  3  verschiedene  Boten;  diese  Boten  hatten  die  Weisung,  falls 
sie  Staniaro  nicht  antrafen,  für  das  schon  angekaufte  Getreide  selbständig 
Zahlung  zu  leisten  und  das  lagernde  Getreide  in  Quantitäten  von  je  350 
Malter  in  dafür  von  der  Signorie  bereitgestellte  Schiffe  verladen  zu  lassen; 
etwa  überschüssiges  Geld  sollten  sie  nach  Order  der  Signorie  verwenden 
oder,  falls  solche  nicht  eintraf,  bei  den  Templern  oder  Hospitalitern  in  Bar- 
letta  deponieren.4)  In  anderen  Fällen  wurden  die  Schiffsführer  zugleich 
mit  dem  Ankauf  des  Getreides  betraut,  wie  es  im  Oktober  1227  geschah, 
wo  die  Signorie  dem  Michele  di  Orofino  ein  dem  Staat  gehöriges  Fahrzeug 
(asiro)  mit  dem  Auftrage  übergab,  Getreide  in  Siponto  einzukaufen  und 
nach  Venedig  zu  schaffen;  er  erhielt  50  1.  als  Honorar,  450  1.  als  Sold  für 
die  gesamte  Schiffsmannschaft  und  2586  1.  14  sol.  ven.  in  Gold  zum  Ankauf 
des  Getreides.  Vor  Antritt  der  Reise  hatte  er  einen  Eid  zu  leisten,  seinen 
Auftrag  gewissenhaft  zu  erfüllen  und  bei  seiner  Rückkehr  Schiff,  Getreide 
und  nicht  verwendetes  Geld  an  eine  von  der  Regierung  eingesetzte  Kom- 
mission zu  übergeben  und  vor  ihr  Rechnung  zu  legen.  Michele  entledigte 
sich  seines  Auftrages  zur  vollen  Zufriedenheit  der  Signorie,  so  daß  er  im 
Mai  1228  wiederum  zu  gleichem  Zwecke  verwendet  wurde.^) 

Empfindhch  genug  mochte  es  den  Venezianern  sein,  wenn  sich  ihnen 
einmal     die     ergiebigen    Getreidemärkte   ApuUens    verschlossen;     indessen 

*)  Veneti  solvent  jus  dohane  sicut  consueverunt  et  jura  fundici  juxta  presens 
statutum.     Winkelm.  Acta  I,  619  (Sept.  1231). 

*)  Rycc.  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  109.     Chone  28  A.  2. 

=)  Lib.  pleg.no.  483,  510. 

*)  Ebd.  no.  531,  534  (womit  533  identisch),  535. 

*)  Ebd.  no.  578,  580.  Die  gleiche  Aufgabe  hatte  wohl  schon  im  Jahi-e  1226 
Giovanni  Scandellaro;  kurzes  Regest  über  seinen  Eid  vom  2.  Juni  no.  393. 


494  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

scheinen  keineswegs  politische  Gründe,  sondern  die  gebotenen  Rücksichten 
auf  den  eigenen  Landesbedarf  den  Kaiser  im  Jahre  1230  zu  seiner  leider 
nicht  genau  datierten  Verordnung  an  die  Barone  und  Hafenmeister  Apuliens 
veranlaßt  zu  haben  i),  wonach  allen  venezianischen  Kaufleuten  bis  zum 
nächsten  Peter-Paulstage  die  Ausfuhr  von  Käse,  Öl,  Fleisch  und  aUer  son- 
stigen Waren  2)  mit  Ausnahme  von  Getreide  unter  den  üblichen  Zollsätzen 
zu  gestatten  sei.  Der  Termin  weist  deutlich  auf  die  nächste  Ernte  hin; 
wenn  nicht  ein  durch  Teuerung  veranlaßtes  zeitweiliges  Getreideausfuhrverbot, 
sondern  die  Absicht,  den  Handel  oder  die  Verproviantierung  Venedigs  zu 
treffen,  zugrunde  gelegen  hätte,  so  ist  nicht  abzusehen,  weshalb  der  Kaiser 
nicht  zu  einer  allgemeinen  Handelssperre  gegen  die  Venezianer  oder  wenig- 
stens zu  verschärften  Zöllen  gegriffen  haben  sollte. 

Die  Einfuhr  der  Venezianer  nach  Apulien  wird  sicher  zu  einem  erheb- 
lichen Teile  in  Waren  der  Levante  bestanden  haben;  Brindisi  war  auch 
jetzt  der  Hafen,  in  dem  sie  am  häufigsten  verkehrten.^)  Mit  anderen  Ln- 
portartikeln  macht  uns  der  Fall  der  Barke  des  Venezianers  Leonardo  Semi- 
tecolo  bekannt,  die  im  Jahre  1224  mit  einer  Ladung  von  Tuchen,  Eisen, 
Kupfer  usw.  im  Werte  von  1600  1.  auf  dem  Wege  nach  Pescara  war,  als 
sie  jenseits  des  Vorgebirges  von  Ancona  von  dalmatinischen  Seeräubern  ver- 
folgt und  genommen  wurde.*)  Die  Erzeugnisse  des  venezianischen  Kunst- 
handwerks fanden  auch  den  Beifall  des  Kaisers;  so  fertigte  Marino  Nadal 
im  Auftrage  des  Kaisers  eine  Krone  (1225),  und  die  venezianischen  Kauf- 
leute Lambino,  Pietro  Donato  und  Pietro  Caldara  haben  ihm  später  einen 
Thron  und  verschiedene  Schmuckgegenstände  geliefert.^)  Im  übrigen  haben 
die  Venezianer  auch  nicht  selten  ihre  Fahrzeuge  in  dem  holzarmen  ApuUen 
veräußert,  wie  aus  einem  in  den  Jahren  1227  und  1228  wohl  des  Kreuzzugs 
wegen  ergangenen  Verbot  der  Signorie  zu  entnehmen  ist. 6)  Das  Fortbestehen 
eines  regelmäßigen  venezianischen  Handels  auch  mit  der  Insel  Sizilien  ergibt 
sich  aus  einer  Verordnung  vom  Mai  1225,  die  die  Aufbruchszeit  für  die 
venezianischen  Schiffe  von  den  verschiedenen  Plätzen  der  Adria  wie  nach 
Tunis,  Kreta  usw.,  so  auch  nach  Siziüen  regelt');  in  einem  kirchüchen 
Streite  schützte  der  Kaiser  im  Jahre  1228  die  Rechte  der  Markuskirche  von 
Palermo  gegen  die  Ansprüche  des  Erzbischofs.^) 

390.  Die  Absicht,  Venedig,  das  sich  bisher  politisch,  wenn  auch  unter 
Aufrechterhaltung  der  Neutralität,  dem  Kaiser  wenig  freundüch  erwiesen, 
in  einer  Zeit,  wo  er  mit  Genua  vorübergehend  zerfallen  war,  für  sich  zu 
gewinnen,  veranlaßte  Friedrich  II.  im  März  1232  zu  seinem  Besuche  in 
Venedig;  auf  Wunsch  der  Venezianer  verlieh  er  ihnen  bei  dieser  Gelegenheit 
ein  Privileg  für  sein  siziUsches  Königreich,  in  dem,  abgesehen  von  den  üb- 
lichen Bestimmungen  über  Schutz   der  Personen  und  des  Eigentums,   auch 


')  Winkelmann  Acta  I,  604-  no.  757 ;  wahrscheinlich  also  von  Ende  1230.    Vgl. 

Winkelmann  U,  277  und  Chone  49. 

*)  Daß  die  Venezianer  auch  kalabrische  Baumwolle  ausführten,  geht  aus  ihrem 

Stat.  navium  rub.  54  hervor.     N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  V  (1908),  210. 

3)  Lib.  pleg.  no.  146,  386,  575,  605,  616,  621.  ^ 

*)  Ebd.  no.  134.  fll 

»)  Ebd.  p.  86.     Huillard-Bräholles  V,  553.     Chone  36  A.  1  und  91  A.  3.  "■ 

8)  Lib.  pleg.  no.  609.  Bürgschaften  für  Nichtverkauf  no.  529,  530.  Vgl.  Chone 

30  A.  1. 

^)  Lib.  pleg.  no.  274. 

8)  Winkelmann  Acta  I,  270.     Chone  40  A.  1. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  H.  495 

bei  Nachlaßsachen  und  gegenüber  Schiffbrüchigen,  ihre  Handelsvorrechte 
besonders  geregelt  wurden.^)  Darnach  sollten  die  Venezianer  im  ganzen 
Königreich  in  bezug  auf  Ein-  und  Ausfuhr,  Kauf  und  Verkauft)  keinerlei 
Beschränkungen  unterliegen ;  auch  sollte  die  Handelsfreiheit  der  Untertanen 
des  Königs  mit  den  Venezianern  durch  kein  Statut  beschränkt  werden 
dürfen.  Abgabenfrei  waren  allgemein  importierte  Edelmetalle  und  Geld- 
wechselgeschäfte ;  im  übrigen  waren  die  Abgaben  der  Venezianer  wie  bisher 
örthch  verschieden.  Im  festländischen  Teil  des  Königreichs  sollten  sie  fortan 
nur  bei  jedem  Warenumsatz  einen  Wertzoll  von  II/2  Prozent  entrichten, 
also  die  Hälfte  des  allgemeinen  autonomen  Zollsatzes  3) ,  während  sie  auf 
Sizilien  für  jedes  ankommende  Schiff  eine  Goldunze  zu  zahlen  hatten. 
Außerdem  ruhte  auf  ihrem  Handel  in  Palermo  aber  noch  die  örtliche  Ver- 
kaufsabgabe ;  denn  nur  bearbeitete  Steine,  Hermelinfelle  und  ähnliche  Dinge 
wurden  beim  Verkauf  daselbst  für  abgabenfrei  erklärt.  In  Messina  hatten 
sie  für  jedes  Viertelkollo  von  8  Kantär  Gewicht  bei  der  Ausfuhr  1  Tari  zu 
entrichten.  Gegenüber  der  unbeschränkten  Verkehrsfreiheit  der  Venezianer 
im  Königreich  sollte  den  Untertanen  des  Kaisers  nur  gestattet  sein,  Waren, 
die  dem  Königreiche  selbst  entstammten  *),  nach  Venedig  zum  Verkauf  zu 
bringen. 

Es  ist  sehr  bedauerhch,  daß  wir  nicht  klar  beurteilen  können,  wie 
groß  die  von  den  Venezianern  erlangte  Ermäßigung  der  Zollsätze  eigentUch 
gewesen  ist^);  allzuhoch  scheinen  die  Venezianer  selbst  den  Wert  dieser 
Vergünstigungen  nicht  eingeschätzt  zu  haben,  wenn  gerade  von  dieser  Zeit 
eine  entschiedene  Wendung  der  venezianischen  Politik  zuungimsten  des 
Kaisers  datiert. ß)  Seit  1236  trat  sie  der  kaiserlichen  Politik  in  der  Lombardei 
offen  entgegen ;  der  Podestä  von  Mailand,  der  bei  Cortenuova  gefangen  und 
auf  Befehl  des  Kaisers  öffentlich  in  Cremona  an  den  Pranger  gestellt  wurde, 
war  ein  Sohn  des  Dogen;  Ende  November  1238  schloß  Venedig  zu  Rom 
das  Verteidigungsbündnis  mit  Genua.  Im  folgenden  Jahre  gelang  der  könig- 
lichen Flotte  ein  glücklicher  Schlag;  sie  kaperte  4  Getreideschiffe  und 
14  Galeeren  der  Venezianer,  die  von  Apulien  heimwärts  fuhren.')  Im 
Herbst  aber  kam  das  Bündnis  mit  Genua  zur  Eroberung  des  sizilischen 
Königreichs  zustande ;  wie  den  Genuesen  Syrakus,  so  sollten  den  Venezianern 
Barletta  und  Salpi  mit  Zubehör  von  der  Kirche  als  Lehen  überlassen  werden; 
an  jedem  Orte  des  Königreichs,  wo  sie  es  wünschen  würden,  sollten  sie 
Konsuln  aus  ihrer  Mitte  mit  voUer  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Landsleute 
bestellen  dürfen  und  außerdem  volle  Handels-  und  Abgabenfreiheit  im 
ganzen  Königreiche  erhalten. 8)  Sicher  hat  Venedig  seinen  Untertanen  bei 
Ausbruch  des  Krieges  jeden  Handelsverkehr  mit  dem  Königreiche  untersagt 

1)  Huillard-BrähoUes  IV,  310  ff.  Winkelmann  II,  343—346.  Ohone  55  ff.  Man- 
froni  389.     Yver  p.  246. 

*)  In  dem  Ausdruck  »ut  liceat  eis  ubique  per  regnum  vendere  et  emere  res 
venales  et  lanas  et  eas  de  regno  extrahere«  scheint  eine  Textverderbnis  vor- 
zuliegen ;  neben  den  res  venales  müßte  man  animalia  erwarten. 

»)  Unten  §401. 

*)  Die  falsche  Lesung  >mercimonia  que  emuntur  in  regno<  hat  Lenel  51 
A.  3  nach  dem  Original  in  oriuntur  verbessert. 

*)  Fundakatsgebühr  und  Licenzgebühr  (bei  Getreide)  wurden  sicher  beibehalten ; 
mit  seinem  System  hat  der  Kaiser  durch  diesen  Vertrag  keineswegs  gebrochen. 

•)  Baer  94.     Winkelmann  II,  346  A.  3. 

">)  Dandolo  bei  Muratori  SS.  Xn,  351.     Ohone  77. 

8)  Rodenberg  I,  733  ff.  no.  834.     B.-F.-W.  7259.     Ohone  82. 


496  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

■und  auch  der  Kaiser  hat  entsprechende  Verbote  an  die  Einwohner  des 
Königreichs  und  die  fremden  Kaufleute  ergehen  lassen.^)  Um  so  eigentüm- 
licher berührt  es,  daß  er  auch  in  der  ersten  Zeit  des  Kampfes  schon  die 
Hafenbehörden  in  Apulien  und  Calabrien  geradezu  anwies,  den  Untertanen 
des  Königreichs  unter  der  Hand  und  so,  daß  es  nicht  zur  Kenntnis  der 
Venezianer  komme,  die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  und  Vieh  nach  Venedig 
zu  gestatten.2)  Wir  können  nur  annehmen,  daß  der  Kaiser  damit  diesen 
Landschaften  den  Absatz  ihrer  Produkte  ermöglichen  wollte,  zumal  bei  der 
Übermacht  der  Marine  von  Venedig  und  Genua  das  Aufsuchen  anderer 
Absatzgebiete  kaum  möghch  erscheinen  mochte;  bezeichnend  ist  auch,  daß 
bei  dem  Kaiser  der  Gedanke  einer  Erschwerung  der  Verproviantierung 
Venedigs  dabei  offenbar  ganz  zurücktrat.  Von  einer  Zulassung  der  Vene- 
zianer aber  zum  Handel  mit  seinem  Königreich  3)  ist  keine  Rede. 

Inzwischen  nahm  der  Krieg  seinen  Fortgang;  im  Frühjahr  1240  ge- 
lang es  dem  Admiral  Spinola,  in  glückhchem  Überfall  3  große  Kauffahrer 
der  Venezianer  mit  einem  Ladungswert  von  70000  M.  Silber  in  seine  Gewalt 
zu  bringen  4);  aber  die  Venezianer  rächten  sich,  indem  sie,  während  der 
Kaiser  Faenza  belagerte,  die  Küste  von  Termoli  bis  Viesti  in  furchtbarer 
Weise  verheerten,  die  kaiserliche  Flotte  in  die  Flucht  schlugen  und  ein 
aus  Syrien  heimkehrendes  großes  kaiserliches  Schiff  bei  Brindisi  kaperten 
und  verbrannten.^) 

Bald  aber  ließ  die  Heftigkeit  des  Kampfes  nach.  Es  machte  sich 
doch  bemerkbar,  daß  Genua  und  Venedig,  namentlich  im  Orient,  sehr  ver- 
schiedene Interessen  hatten;  und  als  es  dem  Kaiser  gelang,  Zara  und  Pola 
zum  Abfall  von  Venedig  zu  veranlassen  und  damit  seine  Stellung  an  der 
Adria  empfindlich  zu  bedrohen  ß),  wurden  die  Venezianer  des  ihren  Handel 
schwer  schädigenden  Krieges  mehr  und  mehr  überdrüssig.  Als  der  Kaiser 
in  klugem  Entgegenkommen  für  die  Freilassung  der  venezianischen  Ge- 
sandten eintrat,  die  auf  der  Rückreise  vom  Konzil  von  Lyon  durch  den 
Grafen  von  Savoyen  gefangen  worden  waren,  gab  auch  Venedig  den  Wunsch 
nach  Frieden  zu  erkennen,  der  noch  im  selben  Jahre  1245  zustande  kam,'^) 
Seine  Bedingungen  sind  nicht  bekannt;  klarer  noch  als  zuvor  hatte  man 
während  des  Krieges  erkannt,  wie  sehr  das  eigene  Interesse  den  apulischen 
Produzenten  und  den  venezianischen  Kaufmann  aufeinander  hinwies.^) 

^)  Ausschluß  von  den  neu  eröffneten  Häfen  5.  Oktober  1239  (Huillard-Br.  V,. 
420);  für  die  anderen  Häfen  also  jedenfalls  schon  vorher  befohlen;   vgl.  p.  841  ff. 
(16.  März  1240).     Verkäufe  von  Getreide  an  fremde  Kaufleute   unter  Ausschluß  der 
Ausfuhr  nach  Venedig  im  Januar  1240  (p.  648  u.  678),  am  17.  Mai  1240  unter  Aub-^ 
Schluß   von  Venedig   und   Genua  (p.    993  f.).     Die  von   Ohone  97   angeführte  Ver^jH] 
schärfung  des  Verbots  bezieht  sich  auf  die  Landzufuhr.  ^■' 

2)  Huillard-Bröholles  V,  422  (?>.  Oktober  1239),  954  f.  (3.  Mai  1240).  Chone  90 
und  97. 

^)  Wie  Yver  p.  5  annimmt. 

*)  Annal.  S.  Pantal.,  SS.  XXH,  533.     Baer  109.     Chone  94. 

6)  Rycc.  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  152  f.  Da  Canal  p.  386  f.  Baer  114.  Chone  100. 
Manfroni  394.  Um  sich  zu  rächen,  ließ  der  Kaiser  seinen  Gefangenen,  Pietro  Tie- 
polo,  den  Sohn  des  Dogen,  in  Trani  in  einem  Turm  am  Meere  aufhängen.  Güter- 
bock F.  Eine  zeitgenössische  Biographie  Friedrichs  II.  im  Neuen  Archiv  XX^ 
(1904),  58. 

«)  Näheres  Baer  115.     Chone  113. 

7)  Da  Canal  p.  404  f.     Baer  115.     Lenel  69.     Chone  119  f.     Vgl.  Manfroni  418.^ 

8)  Bezeichnend  hierfür  die  Äußerung  von  dem  grant  gaaing  beider  Teile,  die 
da  Canal  p.  406  dem  Kaiser  in  den  Mund  legt. 


er- 

1 

üe 

J 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Solbstregierung  Friedrichs  II.  497 

391.  An  dem  Lebensmittelexport  aus  Unteritalien  war  in  der  Adria 
außer  Venedig  auch  Ravenna  beteiligt;  im  Jahre  1234  versprachen  die 
Venezianer  ausdrücklich,  die  Ravennaten  an  der  Einfuhr  von  Getreide, 
Wein,  Fleisch,  Öl,  Käse  und  Feigen  aus  den  Marken  und  aus  Apulien  in 
ihren  Hafen  (den  portus  Badarenus)  nicht  zu  hindern.^)  Daß  auch  An- 
co na  und  Spoleto  Handelsbeziehungen  mit  Apulien  und  dem  ganzen 
sizilischen  Königreich  unterhielten,  wird  durch  die  praktisch  allerdings  wert- 
losen Privilegien,  in  denen  Innocenz  IV.  ihnen  1245  und  1249  volle  Handels- 
und Abgabenfreiheit  für  diese  Gebiete  verlieh,  dargetan.2)  Ragusa  stand 
mit  seinem  Gegenüber  an  der  Adria  nicht  nur  wie  früher  in  direktem  Ver- 
kehr, sondern  nahm  auch  an  der  Einfuhr  von  da  nach  Venedig  teil;  der 
Vertrag  vom  Mai  1232  setzte  für  Waren,  die  die  Ragusaner  aus  dem  König- 
reich nach  Venedig  importierten,  einen  Eingangszoll  von  2^/2  Prozent  fest; 
gleichzeitig  übernahmen  sie  die  Verpflichtung,  für  den  Fall,  daß  die  Vene- 
zianer vom  Handel  mit  dem  Königreich  ausgeschlossen  werden  sollten,  es 
ebenfalls  zu  meiden.^)  Während  der  ersten  Zeit  des  venezianischen  Krieges 
schlug  der  Admiral  Spinola  dem  Kaiser  vor,  gegen  die  Slaven  Dalmatiens 
wegen  ihrer  Seeräuberei  mit  Gewalt  vorzugehen.*)  Der  Kaiser  aber,  der 
offenbar  in  den  Dalmatinern  mögliche  Bundesgenossen  gegen  Venedig  er- 
blickte, befahl  am  29.  Februar  1240  ein  anderes  Verfahren ;  Ragusa,  Spalato, 
Almissa,  Zara  und  ihre  Nachbarn  sollten  erst  aufgefordert  werden,  Bürg- 
schaft dafür  zu  leisten,  daß  die  königlichen  Untertanen  von  den  Seeraub 
treibenden  Slaven  in  keiner  Weise  belästigt  würden  und  daß,  falls  es  doch 
geschehen  sollte,  Ersatz  geleistet  werden  würde ;  in  diesem  Falle  sollte  ihnen 
der  gewohnte  Verkehr  mit  dem  Königreich 5)  gestattet  sein;  erst  wenn  sie 
das  ablehnten,  sollte  ihnen  der  Krieg  erklärt  werden.  Daß  es  zu  letzterem 
nicht  gekommen  ist,  zeigt  ein  Schreiben  des  Kaisers  vom  13.  März  1244 
an  Almissa,  aus  dem  hervorgeht,  daß  dessen  Bewohner  Geiseln  gestellt  und 
sich  in  mehreren  Fällen  gegen  schiffbrüchige  Untertanen  des  Kaisers 
menschenfreundlich  verhalten  hatten;  neuerdings  aber  hatten  sich  doch 
mehrere  ihrer  Landsleute  wieder  auf  Seeräubereien  an  der  apulischen  Küste 
geworfen,  so  daß  der  Kaiser  die  Abstellung  dieses  Unwesens  binnen  zwei 
Monaten  nach  Empfang  seines  Schreibens  und  Ersatz  für  die  verübten 
Schädigungen,  die  ihnen  sein  Bevollmächtigter  in  Apulien  im  einzelnen 
mitteilen  würde,  von  ihnen  verlangte.^)  Als  den  Bewohnern  von  Zara  nach 
ihrer  Wiederunterwerfung  von  Venedig  die  gleiche  Zollbehandlung  wie  den 
Venezianern  selbst  zugesichert  wurde  (1248),  nahm  man  dabei  auf  den 
Zwischenhandel,  den  sie  aus  dem  sizilischen  Königreich  nach  Venedig  zu 
treiben  gewohnt  waren,  ausdrücklich  Bezug.') 


»)  Minotto  in  1  p.  34.     Lenel  47  A.  1. 

*)  Rodenberg  II  no.  125  u.  730.  Ein  analoges  Privileg  für  eine  dritte,  nicht 
genannte  Stadt  bei  Hampe  in  MJÖG.  XXIV  (1903),  231. 

»)  Tafel  und  Thomas  IE,  311.     Ljubiö  I,  48  no.  75.     Vgl.  Chone  66.    Yver  138. 

*)  Wie  es  der  Kaiser  1232  bei  seiner  Heimkehr  aus  Friaul  getan.  Winkel- 
mann n,  374  A.  3. 

*)  Conversatio  solita  regni  nostri.  Huillard-Bräh.  V,  781.  Trau  erhielt  am 
29.  Dezember  1241  vom  Kaiser  ein  Privileg  für  das  Königreich.  Kukuljevi6  Reg. 
in :  Starine  XXIV  (1891),  210  no.  409. 

•)  Ljubic  I,  64  no.  90. 

')  Ebd.  79  no.  101. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  32 


498  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

392.  Marseille  konnte  nicht  wie  die  großen  italienischen  See- 
städte auf  alte  Verträge  und  Privilegien  im  Königreich  hinweisen. 

Das  Privileg  Barbarossas  vom  Jahre  1164,  das  Friedrich  II.  im  Mai 
1222  zu  Cosenza  dem  Bischof  von  Marseille  einfach  bestätigte^),  enthielt 
naturgemäß  irgendwelche  Beziehung  auf  das  sizilische  Königreich  nicht. 
Immerhin  beweist  es,  daß  Marseille  damals  unbehindert,  wenn  auch  ohne 
irgend  ein  besonderes  Vorrecht,  seinen  Handel  mit  dem  Königreich  fort- 
setzen konnte;  der  Stadt  wurde  es  also  jedenfalls  nicht  zugerechnet,  daß 
sich  zwei  Marseiller  Kaufleute,  Hugo  Ferreus  und  Guilelmus  Porcus,  bei 
dem  aufständischen  Emir  Siziliens  Ben-Abed  befanden,  als  sich  dieser  im 
Sommer  1222  in  seiner  Bergfeste  Jato  endlich  dem  Kaiser  ergeben  mußte; 
sie  hatten  sich  beim  Kinderkreuzzug  von  1212  schändlichen  Verrats  an  den 
Opfern  dieser  Bewegung  schuldig  gemacht,  hatten  deshalb  schließlich  zu 
den  Sarazenen  flüchten  müssen  und  fanden  nun  den  verdienten  Lohn  am 
Galgen.  2)  Wenige  Jahre  darauf  aber  geriet  Marseille  mit  dem  Kaiser  in 
einen  schweren  Konflikt,  da  dieser  für  die  Ansprüche  des  Bischofs  und  gegen 
die  kommunale  Selbständigkeit,  die  Marseille  tatsächhch  errungen,  auftrat; 
am  22.  Mai  1225  wurde  die  Reichsacht  über  Marseille  verhängt.  3)  Im  fol- 
genden Jahre  hoffte  Graf  Thomas  von  Savoyen,  der  kaiserhche  Vikar  in 
der  Lombardei,  der  einige  Marseiller  in  seine  Gewalt  gebracht  hatte,  vom 
Kaiser  mit  der  Schlichtung  der  Differenzen  mit  Marseille  betraut  zu  werden ; 
am  8.  November  1226  schloß  er  mit  der  Stadt  einen  Eventual vertrag,  in 
dem  er  sich  verpflichtete,  gegen  ein  gutes  Stück  Geld  (2000  Mark  Silber) 
in  das  der  Stadt  gegen  Leistung  des  Homagialeides  vom  Kaiser  auszustel- 
lende Privileg  u.  a.  aufnehmen  zu  lassen,  daß  die  Marseiller  in  bezug  auf 
Abgaben,  die  Errichtung  von  Konsulaten  und  die  Ausübung  der  Gerichts- 
barkeit über  ihre  Landsleute  im  sizilischen  Königreich  die  gleiche  Stellung 
haben  sollten,  wie  sie  die  Pisaner  und  Genuesen  de  jure  oder  de  facto  ein- 
nahmen.^) Indessen  der  Graf  hatte  seinem  Einfluß  zu  viel  zugetraut;  selbst 
die  Fürsprache  Honorius'  III.  vom  21.  Februar  1227  fruchtete  nichts  0);  auch 
im  April  1229  war  Marseille  noch  in  der  Reichsacht,  ß)  Wann  es  aus  der- 
selben gelöst  worden,  ist  nicht  genau  bekannt;  als  das  reichstreue  Pisa  am 
18.  Dezember  1233  seinen  Vertrag  mit  Marseille  schloß ''),  wird  der  Reichs- 
bann jedenfalls  nicht  mehr  auf  Marseille  geruht  haben;  ich  vermute,  daß 
die  Lösung  vom  Bann  während  des  Konflikts  des  Kaisers  mit  Genua  1232 
erfolgt  ist. 

393.  Wenig  später  sehen  wir  dann  Marseille  in  lebhaftem  Handels- 
verkehr mit  dem  Königreich,  der  bis  zum  Ende  der  Regierung  des  Kaisers 
ungeschwächt  angehalten  hat.  Für  den  Sommer  1235  können  wir  zwei  Mar 
seiller  Busen,   den  S.  Nicolaus   und   die  Bonaventura  des   Caransonus,   au: 


Yl 


')  Rodenberg  II  no.  236  p.  177. 

2)  Alberich  v.  Trois-Fontaines,  SS.  XXIII,  894.  Winkelmann  I,  188  A.  1  nahm 
an,  daß  der  Name  des  G.  Porcua  auf  einer  Verwechslung  mit  dem  Admiral  aus 
Genua  beruhe;  indessen  ist  der  Familienname  Pprcus  auch  in  Marseille  nachweis- 
bar ;  Manduel  no.  36  u.  84 :  Paschalis  Porcus,  civis  Massilie.  Vgl.  Manfroni  374  A 

»)  Huillard-Bröholles  n,  484,  487. 

*)  Ebd.  687  f.     M6ry  et  Guindon  I,  318  f.     Vgl.  Chone  34. 

»)  Huillard-Bräh.  II,  714 ;  von  Möry  et  Guindon  I,  443  zu  1243  gesetzt !  Stern' 
feld  R.,  Das  Verhältnis  des  Arelats  zum  Kaiserreich  (Berlin  1881)  p.  58. 

«)  "Wie  aus  dem  syrischen  Privileg  des  Kaisers  für  Montpellier  hervorgeht. 

')  Unten  §  472. 


.3--_ 

I 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  11.  499 

der  Handelsfahrt  nach  Sizilien  nach  weisen  i);  Bernardus  de  Mandolio  hat 
für  die  erste  Fahrt  500  byz.  miliar,  im  Werte  von  81 1/2  1.  reg.  cor.,  für  die 
zweite  96  1.  reg.  in  Commenda  gegeben;  im  zweiten  Fall  sollte  der  Emp- 
fänger, ein  Marseiller  Jude,  binnen  3  Wochen  nach  Ankunft  in  Messina 
dem  mitreisenden  Geschäftsfreunde  Bernhards,  Aicardus  Salpe,  die  eine 
Hälfte  des  Gegenwerts  der  Commenda  mit  20  Goldunzen  in  bar  oder  in 
Kümmel  erstatten,  während  er  die  andere  Hälfte  ebenfalls  in  bar  oder  in 
Kümmel  bei  seiner  Rückkehr  an  Bernhard  selbst  abzuliefern  hatte.  2)  Im 
Jahre  1239  verkauften  zwei  provengalische  Kaufleute  dem  Kaiser  eine  große 
Onyxschüssel  und  andere  Kostbarkeiten  (johyas)  für  1230  Goldunzen,  von 
denen  100  sogleich  bezahlt,  die  übrigen  am  4.  November  auf  den  Hafen- 
meister des  östlichen  Siziliens  angewiesen  worden  sind.  3) 

Besonders  häufig  aber  begegnet  das  sizilische  Königreich  als  Reiseziel 
in  den  Akten  des  Marseiller  Notars  Amalric ;  sicher  war  damals  ein  beträcht- 
licher Teil  des  genuesischen  Verkehrs  mit  dem  Königreich  auf  den  Hafen 
von  Marseille  übergegangen.  Aus  ihnen  ergibt  sich,  daß  im  Frühjahr  1248 
die  Schiffe  (naves)  S.  Egidius  (Eigentümer  Bertrandus  Rostagni  und  Barto- 
lomaeus  von  Tortosa,  Bürger  von  Marseille)  und  Bonaventura  (Eigentümer 
Petrus  Cresteng)  nach  Messina  fuhren;  außerdem  gingen  zur  selben  Zeit  die 
Büse  S.  Franciscus  und  das  lignum  S.  Nicolaus  nach  Sizilien.'^)  Auf  den 
S.  Egidius  beziehen  sich  nicht  weniger  als  72  Kontrakte  der  genannten 
Akten,  fast  alles  Commendaverträge^),  aus  denen  wir  26  mitreisende  Kauf- 
leute und  56  an  Land  verbleibende  Ladungsinteressenten  kennen  lernen. 
Als  Commendageber  sind  Gausbertus  Civate  und  Girardus  Civate  darunter 
je  dreimal  vertreten ;  als  Commendaempfänger  begegnet  Nicolaus  Marinerius 
besonders  häufig,  in  14  Fällen,  so  daß  die  ihm  anvertrauten  Güter  einen 
Gesamtwert  von  1142V2  1-  misc.  erreichen  ß);  mit  7  Commendae  im  Gesamt- 
wert von  505  1.  misc.  erscheint  Bernardus  de  Mausaco,  mit  5  im  Gesamt- 
wert von  541  1.  misc.  W.  Albinus.  Auch  ein  campsor,  Hugo  Burgunionus, 
machte  die  Handelsreise  nach  Messina  mit;  ihm  wurden  4  Commendae  im 
Betrage  von  105  1.  misc.  anvertraut;  einen  Betrag  von  42  1.  misc.  überließ 
er  einem  Mitreisenden  als  Seedarlehn. 

Von  anderen  Südfranzosen  sind  an  dieser  Fahrt  beteiligt  zwei  Kauf- 
leute von  Figeac  als  Commendanehmer ;  von  ihnen  hat  Garinus  Faber  in 
drei  Fällen  Tuche  im  Werte  von  224  1.  melg.  in  Commenda  erhalten. '')  Als 
Commendageber  treten  auf  Bertrand  Borel  von  Arles  und  Raimundus  de 
Lobregato  von  Montpellier  8)  und  der  wohl  als  Bürger  von  Marseille  zu  be- 
trachtende 9)  Bernardus  Bessana  von  Montpellier.     Marseiller  sind  vielleicht 

1)  Manduel  no.  61  u.  67  (darauf  bezüglicher  Rechtsstreit  von  1237  no.  75.) 

')  Im  Grunde  erscheint  der  Vertrag  als  Seedarlehn,  obwohl  die  Kontrahenten 
ihn,  wohl  mit  Rücksicht  auf  das  Dekretale  Naviganti,  als  Commenda  darstellen. 

')  Huillard-Br6h.  V,  477.  Am  29.  Februar  1240  nimmt  der  Kaiser  von  Viterbo 
aus  schon  auf  die  mittlerweile  gemeldete  Zahlung  Bezug.     Ebd.  793.    Unten  §  398. 

*)  Amalric  no.  556,  582 ;  702,  703. 

*)  Das  Seedarlehn  ist  nur  dreimal,  die  societas  (unter  Brüdern)  nur  einmal 
vertreten ;  no.  17,  321,  502 ;  348. 

•)  In  no.  69  lies :  S.  Gilles  statt  S.  Esprit.  In  no.  61  findet  sich  ein  Vermerk 
über  die  erfolgte  Befriedigung  des  Commendagebers  vom  11.  Mai  1251,  so  daß  die 
Handelsreise  recht  lange  ausgedehnt  worden  zu  sein  scheint. 

')  No.  338 ;  242,  243,  329. 

»)  No.  218,  73. 

•)  No.  602.     Häufig  erscheint  er  ohne  Ortsbezeichnung  als  Zeuge. 

32* 


500  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

auch  die  beiden  Juden  Bellassenco  von  Palermo  und  Salomon,  des  verstor- 
benen Mosse  von  Palermo  Sohn,  die  beide  als  Commendageber  erscheinen.^) 
Dagegen  ist  sicher  ein  Sizilianer  Fulco  CoUanigra  von  Messina,  der  dem  er- 
wähnten Raimund  von  Montpellier  Mühlsteine  und  Eisen  zum  Preise  von 
18  Goldunzen  abkauft,  die  er  binnen  einem  Monat  nach  behaltener  Ankunft 
dieser  auf  dem  S.  Egidius  verladenen  Waren  an  den  gleichzeitig  von  Rai- 
mund bestellten  Bevollmächtigten  in  Messina  zu  erstatten  verspricht;  für 
den  Fall  der  Nichtzahlung  wurde  eine  an  den  Kaiser  zu  entrichtende  Buße 
von  10  Goldunzen  festgesetzt.  2) 

394.  Besonders  wertvoll  ist  es,  daß  wir  durch  diese  Akten  ziemlich 
genauen  Aufschluß  über  die  Waren  erhalten,  die  von  Marseille  nach  Sizilien 
ausgeführt  wurden.  Obenan  stehen  dabei  wieder  die  Erzeugnisse  der  Textil- 
industrie. Häufig  werden  Tuche  ohne  jede  nähere  Bezeichnung  genannt; 
einmal  begegnen  Stamfords;  ein  andermal  rote  Tuche,  die  ein  Marseiller 
draperius  einem  der  beiden  Reeder  des  S.  Egidius  in  Commenda  gibt,  ein 
drittes  Mal  12  Stück  halbwollener  genuesischer  Tuche  im  Werte  von  94^/2  1. 
misc.  3)  Am  häufigsten  aber  treten  die  nordfranzösischen  Tuche  auf.  Drei- 
mal erscheinen  die  Tuche  von  Arras,  darunter  einmal  6  Stück  im  Werte  von 
751.  7  sol.  misc.  4),  viermal  die  Tuche  von  Chalons^),  darunter  einmal  zwei 
Ballen  im  Werte  von  200  1.  misc.  Zweimal  sind  je  6  Tuche  von  Chalons 
mit  einem  Tuch  von  Louviers  (de  Loerio)  und  einem  barracan  (Gesamtwert 
79  Va  und  61^/2  1.  misc),  die  wohl  zum  Einschlagen  des  Ballens  benutzt 
wurden,  zusammen  in  Commenda  gegeben ;  ein  drittes  Mal  repräsentiert  ein 
Stück  grünen  Tuches  von  Chalons  einen  Wert  von  16  1.  raim.  (=  8  1.  misc). 
Auch  die  Tuche  der  Meßstadt  Provins  begegnen  in  3  Fällen  ^),  einmal  ohne 
weitere  Angaben  als  graue  Tuche;  Bernardus  de  Mausaco  führte  in  Com- 
menda 2  Tuchballen  im  Wert  von  231  1.  misc,  die  12  »pers«  von  Provins 
imd  2  barracani  enthielten  und  einen  Ballen  bunter  Tuche  von  Provins  im 
Wert  von  58  1.  2  sol.  misc.  mit  sich. 


11 


Das  größte  Quantum  von  Textilwaren,  das  ein  Unternehmer  ausführt, 
besteht  in  den  7  Ballen  Tuch  und  13  Ballen  Leinwand,  die  Musa  de  Clario  __ 
zur  Ausfuhr  auf  dem  S.  Egidius  von  Daniel  Doria  für  1380  1.  misc.  kaufte'^);  Vi 
Leinwand  begegnet  sonst  nur  noch  einmal,  und  zwar  mit  der  Angabe  ihres 
Erzeugungsortes  Reims.  Von  fertigen  Gewändern  begegnen  neben  2  Mänteln 
und  einem  seidenen  Obergewand  einmal  40  capae  von  Metz  im  Wert  von 
1421/2  1-  misc  8) 

Zur  Verwendung  bei  der  Herstellung  kostbarer  Tuche  war  wohl  das 
Quantum  von  Goldfäden  von  Montpellier  (400  canones  auri  filati)  im  Werte 
von  641/2  1.  melg.  bestimmt,  die  auf  der  Bonaventura  nach  Messina  aus- 
geführt wurden ;    und  allerlei  Galanteriewaren  sind  wohl  unter  dem  Begriff 


»)  No.  66,  67. 

")  No.  68,  72. 

")  No.  59  (implic.  in  1  stamine  forti,  zusammen  mit  1  bila,  was  Blancard  mit 
biffe  wiedergibt,  so  daß  wohl  bifa  zu  lesen),  347,  245  (12  peciae  pannorum  de  media 
lana  Janue). 

*)  No.  192,  220,  679. 

»)  No.  196,  302,  317,  169. 

«)  No.  135,  56,  85. 

')  No.  138;  leider  nur  Regest. 

»)  No.  307 ;  135,  479,  576. 


« 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  11.  501 

»mersseria«  zusammengefaßt,  die  ein  »burserius«  von  Marseille  im  Taxwerte 
von  9  1.  misc.  ebendahin  in  Commenda  gab.  ^) 

Mühlsteine  und  Eisen  als  Ausfuhrartikel  nach  Sizilien  haben  wir  schon 
erwähnt.  Mehrfach  begegnet  das  Zinn,  einmal  mit  einem  Quantum  von 
10  Ztr.  35  Pfd.  im  Wert  von  beinahe  26  1.  misc,  ein  andermal  ist  nur  der 
Wert  mit  50 1.  misc.  angegeben,  so  daß  hier  auf  ein  Quantum  von  etwa 
20  Ztr.  zu  schließen  ist. 2)  Um  metallene  Kessel  oder  Becken  handelt 
€s  sich  wohl  bei  den  31  concae  im  Wert  von  11^/4 1.  misc,  die  auf  dem 
S.  Franciscus  nach  Sizilien  gingen.  Wie  das  Zinn  wahrscheinhch  aus  Eng- 
land, so  stammte  sicher  aus  Spanien  das  Quecksilber,  das  wir  in  Quan- 
titäten von  275  und  520  Pfd.  (Wert  37  1.  21/2  sol.  und  751/2  1-  misc)  von 
Marseille  nach  Messina  zur  Ausfuhr  kommen  sehen.  3)  Dagegen  waren 
heimischen  Ursprungs  die  ebenfalls  dorthin  gehenden  Korallen;  einmal 
wird  eine  »capsia  plena  coralli«  mit  557  Pfd.  Inhalt  und  einem  Wert  von 
57  Vö  1.  misc.  in  Commenda  gegeben,  ein  zweites  Mal  bilden  893  Pfd.  im  Wert 
von  74  1.  misc  den  Gegenstand  einer  Handelsgesellschaft.  *) 

Von  proven9alischen  Landesprodukten  sehen  wir  in  zwei  Fällen  Man- 
deln, einmal  im  Wert  von  78V2  1-  misc,  in  einem  Falle  50  Pfd.  geschälte 
Nüsse  nach  Messina  gehen.  0)  Dagegen  stammte  wohl  auch  aus  Toskana 
der  von  Sienesen  in  Marseille  in  Commenda  gegebene  Safran,  der  bei 
einem  Gewicht  von  200  Pfd.  mit  190  1.  misc.  in  Anrechnung  gebracht  wurde.^) 

395.  Auch  mit  Neapel  stand  Marseille  zur  selben  Zeit  in  lebhaftem 
Schiffsverkehr.  Noch  im  März  1248  fuhr  das  lignum  »Cervus«  dahin  ab; 
von  den  6  Commendae,  die  wir  für  diese  Fahrt  kennen,  hat  der  Schiffer 
Petrus  Thomasius  von  Nimes,  Bürger  von  Marseille,  fünf  übernommen,  da- 
runter eine  in  Tuchen  von  Petrus  Bartolomaeus  von  Nimes,  der  ebenfalls 
Bürger  von  Marseille  und  Kompagnon  des  Marseiller  draperius  W.  Bernardus 
war. '')  Anfang  April  ging  die  tarida  S.  Antonius  nach  Neapel  8) ;  soweit  wir 
von  ihrer  Ladung  etwas  erfahren  (von  11  auf  diese  Fahrt  bezüglichen  Com- 
mendaverträgen  enthalten  6  eine  Angabe  darüber),  bestand  sie  in  Tuchen. 
Mitte  April  folgte  die  Büse  Girfalcus,  die  der  Eigentümer  Kaimundus  de 
Cadro  am  23.  März  an  eine  Gesellschaft  von  5  Personen  mit  verschiedenen 
Anteilen,  von  denen  er  selbst  sich  V16  vorbehielt,  für  den  Gesamtpreis  von 
150  1.  misc.  vermietete ;  100 1.  davon  waren  sogleich,  der  Rest  nach  der  Rück- 
kehr von  Neapel  fällig,  die  nach  längstens  zehnwöchentlichem  Aufenthalt 
in  Neapel  anzutreten  war;  alle  Kosten  der  Reise,  Besoldung  der  Mannschaft 
u.  dgl.  fielen  der  Gesellschaft  zur  Last.  9)  Von  14  Kontrakten  für  diese  Fahrt 
enthalten  10  Angaben  über  die  Ladung,  die  in  7  Fällen  in  Tuchen  besteht. 
Ende  Mai  ging  noch  ein  anderer  S.  Antonius  von  Marseille  nach  Neapel  in 
See  10)  und   etwas  später  wohl   das  uns  mit  seinem  Namen  nicht  bekannte 

»)  No.  630,  215. 

»)  No.  95,  131 ;  ferner  365 ;  einmal  6  Ztr.  stagni  gitati,  298. 
')  No.  582 ;  259,  632. 
*)  No.  559,  467. 

")  No.  250,  542;  298:  50  Pfd.  nucium  eissartarum. 
«)  No.  627. 
»)  No.  7. 

')  Anfangs  erscheint  sie  zweimal  (no.  16  u.  25)  unter  dem  Namen  S.  Nicolaus; 
in  no.  223  steht  irrig  Acre  für  Naples. 
•)  No.  106. 
'»)  No.  761,  781  usw. 


502  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

Schiff  des  Raimundus  de  Caunis.  i)  Endlich  hören  wir  noch  von  einer  Mar- 
seiller  tarida  »S.  Margarita«,  deren  Schiffer  in  Neapel  Schwierigkeiten  ge- 
habt hatte,  weshalb  mehrere  Schiffspartner  ihre  Schiffsanteile  (1/4  und  ^/g) 
Ende  März  an  Petrus  Poncius  zedierten.  2) 

Es  geht  schon  aus  dem  Angeführten  hervor,  daß  auch  unter  den  Aus- 
fuhrartikeln nach  Neapel  die  Tuche  die  erste  Rolle  spielten.  ^)  Stamf ords, 
Tuche  von  Avignon,  die  schwarzen  Tuche  von  Saint-Quentin  werden  je  ein- 
mal genannt  4);  mehrfach  dagegen  die  Tuche  von  Arras,  die  in  zwei  Fällen 
wieder  in  der  Verbindung  mit  Barracans  auftreten.^)  Es  begegnen  uns  ferner 
von  Waren,  die  wir  schon  bei  der  Einfuhr  nach  Sizüien  kennen  gelernt 
haben,  Mühlsteine,  Zinn  und  geschälte  Nüsse;  in  einem  Falle 
können  wir  aus  dem  Geschäft  des  Commendagebers  als  Korallenhändler 
auf  die  von  ihm  zur  Verwertung  übergebene  Ware  schließen.^)  Aber  auch 
weitere  Artikel  lernen  wir  hier  kennen,  die  natürlich  wie  nach  Neapel  so 
auch  nach  Sizilien  gegangen  sein  werden.  Es  befinden  sich  darunter 
3V2  Ztr.  roher  Bernstein  im  Werte  von  20  1.  misc,  V2  Last  Glas  (classe) 
im  Wert  von  10  1.  misc,  während  in  einer  Commenda  im  Werte  von  101  1. 
misc,  die  der  Marseiller  Giraudus  de  Jerusalem  vergibt,  neben  Zinn  auch 
Kupfer  und  eigentümlicherweise  auch  cyprischer  Indigo  erscheinen. 
Einmal  begegnet  endlich  auch  eine  Last  Reis  (carica  de  riso)  im  Werte 
von  4  und  Färber-Sumach  (fustetum)  im  Werte  von  13 V2  1-  misc') 

Von  Waren,  die  aus  Neapel  nach  Marseille  importiert  wurden,  erfahren 
wir  nur  einmal  etwas  durch  eine  Quittung  des  uns  bekannten  Schiffers  Petrus 
Sartor  über  42  V2l-  misc  Fracht  für  425  Fässer,  die  er  von  Neapel  nach  Mar- 
seille transportiert  hatte  8) ;  und  von  jener  aus  Zinn,  Kupfer  und  Indigo  be- 
stehenden Commenda  wissen  wir,  daß  ihr  Erlös,  wenn  möglich,  zum  Schiffs- 
kauf in  Neapel  (es  ist  die  Zeit  des  Kreuzzuges  König  Ludwigs !)  Verwendung  ^_ 
finden  sollte.  9)  fll 

Einmal  sehen  wir  endlich  auch  Neapolitaner  am  Handel  von  Marseille 
nach  Neapel  beteiligt;  Angelus  Judex  von  Ravello,  des  verstorbenen  Geor- 
gius  Judex  Sohn,  der  dem  Matthaeus  Boccamosca  von  Neapel  von  Bugia 
her  1650  byz,  miliar,  schuldete,  versprach  diesem  in  Marseille  am  26.  Juni 
1248,  ihm  dafür  binnen  14  Tagen  nach  ihrer  Ankunft  in  Neapel  194  Gold- 
unzen zu  erstatten;  zu  seiner  Sicherheit  bestellte  er  ihm  als  Spezialpfand 
die  Tuchballen,  die  er  mit  sich  führte,  lo) 

39t5.  Wenn  Friedrich  IL  es  verstand,  die  Handelsprivilegien  der 
seemächtigen  Fremden  auf  ein  erträgliches  Maß  zurückzuführen,  so 
war  er  natürlich  um  so  weniger  geneigt,  zu  weit  gehende  Vorrechte  der 
eigenen  Untertanen  zu  dulden.  ^^) 


II 


»)  No.  754. 

2)  No.  188,  189  (nur  Regest),  219. 

')  Noch  1277  sagt  Karl  von  Anjou:  Regnum  nostrum  singulis  ad  regimen 
homani  generis  habundat,  pannis  laneis  dumtaxat  exceptis.     Yver  84  A.  1. 

")  No.  369,  514,  790. 

')  No.  222  u.  223:  2  Commendae  von  je  3  panni  de  Arras  u.  '/s  barracanu» 
im  Werte  von  je  4075  1-  iJaisc,  dazu  no.  761. 

«)  No.  792,  781,  519,  786. 

')  No.  526,  87,  16. 

8)  No.  909  (nur  Regest). 

*)  Alaun  von  Volcano  im  Marseiller  Tarif,  oben  §  305. 

»")  No.  926,  leider  auch  von  Blancard  nur  im  Regest  gegeben. 

'*)  Rycc.  bei  Gaudenzi,  chron.  p.  102,  Assisen  von  Capua  rub.  10. 


J 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  11.  503 

Am  meisten  begünstigt  war  von  diesen  Messina  durch  das  Privileg 
Heinrichs  VI.  von  1197;  es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  es  bei  der  durch  die 
Assisen  von  Capua  vorgeschriebenen  Vorlegung  der  Privilegien  die  Bestä- 
tigung des  Kaisers  dafür  erlangt  hat.  Und  wenn  ihm  manche  seiner  Ge- 
wohnheiten auch  auf  dem  Gebiete  des  Handels  erhalten  geblieben  sein 
mochten,  so  verlor  es  dieselben  sicher,  als  es  sich  bei  der  Verkündigung 
der  Konstitutionen  von  Melfi  unter  Führung  des  Martinus  Ballon!  im  Sommer 
1232  zu  einem  Aufruhr  hinreißen  ließ,  der  erst  im  folgenden  Jahre  unter- 
drückt werden  konnte,  i)  An  eine  Aufrechterhaltung  der  von  Tancred  her- 
rührenden Privilegien  Neapels  und  Gaetas  war  selbstverständlich  nicht 
zu  denken  ;  in  beiden  Städten  wurden  zur  Sicherung  ihrer  Treue  1223  kaiser- 
liche Schlösser  errichtet.  2)  Als  Gregor  IX.  seinen  Krieg  mit  dem  Kaiser  be- 
gann, schloß  sich  Gaeta  eng  an  den  Papst  an  und  erhielt  von  ihm  im  Juni 
1229  unter  anderen  Vorrechten  für  seinen  auswärtigen  Handel  volle  Ab- 
gabenfreiheit im  ganzen  Königreich,  das  der  Papst  unter  seiner  Herrschaft 
zu  behalten  gedachte,  zugesichert  s);  auch  als  der  Papst  1230  seinen  Frieden 
mit  Friedrich  II.  machen  mußte,  weigerte  eich  Gaeta,  unter  die  Herrschaft 
des  Kaisers  zurückzukehren  und  den  Papst  von  seinen  Verpflichtungen  zu 
entbinden;  nach  langen  Verhandlungen  kam  man  erst  1233  zu  einer  Ver- 
ständigung. Gaeta  kam  nominell  unter  die  Herrschaft  Konrads,  des  Sohnes 
des  Kaisers;  es  erhielt  Amnestie  und  Handelsfreiheit  im  Königreich,  verlor 
aber  doch  sogleich  seine  Selbstverwaltung  und  sein  eigenes  Zollamt.  4)  Die 
Hauptstadt  Palermo  hatte  in  ihrem  Privileg  von  1200  weit  geringere  Vor- 
teile erlangt  wie  Messina;  dafür  wurde  dieses  auch  im  September  1221  vom 
Kaiser  in  vollem  Umfange  bestätigt.^)  Die  späteren  Privilegien,  die  Friedrich 
der  stets  in  seiner  Gunst  verbleibenden  Stadt  gewährte  (1233  und  1243),  ent- 
halten Handelsvorteile  nicht,  wenn  man  es  nicht  als  einen  solchen  ansehen 
will,  daß  kein  Palermitaner  zum  Verlassen  der  Stadt  auf  irgendwelche  Vor- 
ladung der  Behörden  hin  gezwungen  werden  durfte,  ß)  Auch  sonst  hat  der 
Kaiser  manche  ältere  Vorrechte  respektiert,  wie  seine  Bestätigung  des  Pri- 
vilegs für  den  Erzbischof  von  Girgenti  beweist.'^)  Auch  die  Amalfi- 
taner,  die  im  ganzen  Königreich  verstreut.  Handel  trieben,  durften  nach 
ihren  bisherigen  Gewohnheiten  weiter  leben.  So  lernen  wir  im  Jahre  1233 
in  Brindisi  zwei  Judices  Ravellensium  et  Scalensium,  Rogerius  Pirontus  und 
Johannes  Pirontus  Spanus  kennen ;  mit  zwei  kaiserlichen  Richtern  zusammen 
fällen  sie  einen  Schiedspruch,  der  einen  Rechtsstreit  zwischen  Pantaleo  Pi- 
rontus, dem  Sohne  des  verstorbenen  Ravellesen  Johannes  Pirontus,  und  dem 
Ravellesen  Maurus  de  Maurone  über  das  Eigentumsrecht  an  neun  Häusern 
in  Brindisi  beendet;  die  Mitwirkung  kaiserlicher  Richter  erklärt  sich  wohl 
daraus,    daß  Pantaleo  als  Bürger    von   Brindisi    bezeichnet    wird.  8)      Noch 

»)  Näheres  über  den  Abfall  Messinas  Winkelmann  II,  402  f.,  410,  413  ff. 

«)  Rycc.  de  S.  Germ.,  SS.  XIX  p.  348. 

^)  Auviay  no  311.     Winkelmann  II,  54  f. 

*)  Näheres  Winkelraann  II,  183  ff.,  188,  430  ff.  Auvray  1428—1431.  Const.  et 
acta  n  no.  420.  Rodenberg  I  no.  542.  Rycc.  de  S.  Genn.,  SS.  XIX,  370 :  Justitiarius 
Terre  Lavoris  accedens  jussu  Imperatoris  doanam  instituit  in  ea  et  consulatu  pri- 
vavit  eandem. 

')  Vito  La  Mantia :  Antiche  consuet.  delle  citta  di  Sic.  (Palermo  1900),  p.  233  f. 

«^  Ebd.  234  ff. 

')  Garufi:  L'Archivio  Capitolare  di  Girg.  in  Arch.  sicil.,  n.  s.,  XXVIII  p.  128. 
B.-F.  2030. 

8)  Camera  II,  343. 


504  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

unter  Karl  von  Anjou  durften  sich  z.  B.  die  Ravellesen  und  Scalenser 
in  Neapel  ihre  Richter  »nach  ihrer  Gewohnheit«  aus  ihrer  eigenen 
Mitte  wählen.  1)  Auch  in  Melfi  begegnet  jetzt  (1237)  eine  gewiß  schon 
geraume  Zeit  vorhandene  »ruga  Ravellensium« ;  in  Capua  lag  die  »pla- 
tea  Malfitanorum«  bei  dem  Lorenzoki  oster,  sie  wird  später  geradezu  als 
der  Hauptplatz  der  Stadt  bezeichnet ;  und  in  Neapel  gab  es  sogar  eine  be- 
sondere amalfitanische  Kirche,  die  Peterskirche,  an  der  im  Jahre  1242  der 
Amalfitaner  Maurus  als  Presbyter  und  Primicerius  wirkte.  2)  Dem  Bischof 
von  Ravello  bestätigte  der  Kaiser  im  Oktober  1231  die  ihm  nach  alten  Privi- 
legien zustehenden  Einnahmen  aus  der  Marktabgabe  und  dem  »Sporengelde« 
daselbst;  schon  im  April  hatte  er  sich  den  Amalfitanern  insofern  gnädig 
bewiesen,  als  er  ihnen  die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  aus  Sizilien  für  ihren 
eigenen  Bedarf  gestattet  hatte,  •  falls  sie  Sicherheit  stellten,  daß  sie  dieselben 
nicht  anderweitig  veräußern  würden  ^) ;  die  Notwendigkeit  dieser  besonderen 
Erlaubnis  weist  auf  eine  mißratene  Ernte  hin.*)  Im  Januar  1231  sah  sich 
der  Kaiser  zu  dem  Mandat  an  den  Justitiar  der  Terra  di  Lavoro  veranlaßt, 
allen  Ravellesen  in  seinem  Bezirk  bei  Strafe  zu  befehlen,  ihre  Frauen  und 
Kinder  bis  Pfingsten  nach  Ravello  heimzuschicken  ^] ;  es  scheint  also,  daß 
die  Auswanderung  der  Bevölkerung  zu  einer  dauernden  zu  werden  und  den 
heimischen  Ort  zu  veröden  drohte.  Auf  jeden  Fall  sehen  wir,  daß  der  Kaiser 
dem  Handel  Amalfis  und  seiner  Nachbarorte  nichts  in  den  Weg  gelegt  hat. 
Eine  ungewöhnliche  Vergünstigung  gewährte  der  Kaiser  den  Saraze- 
nen, die  er  nach  vollständiger  Niederwerfung  des  sizilischen  Aufstandes  nach 
Luceria  und  Umgebung  verpflanzt  hatte  (1224  oder  1225),  wo  sie  Ackerbau 
und  Viehzucht,  namentlich  auch  Schafzucht,  aber  auch  allerlei  Gewerbe, 
wie  Teppichweberei,  trieben.  6)  Nachdem  sie  in  dem  päpstlichen  Kriege  ihre 
unbedingte  Zuverlässigkeit  erwiesen,  belohnte  sie  der  Kaiser  1230  mit  Freiheit 
von  der  Marktabgabe  sowie  von  Tor-  und  Passierzöllen  für  ihren  Handel 
innerhalb  des  festländischen  Teils  des  Königreichs. '')  Die  Insel  Sizilien  war 
begreiflicherweise  ausgeschlossen ;  als  der  Kämmerer  des  südlichen  Calabriens 
im  Jahre  1239  berichtete,  daß  er  Sarazenen  von  Luceria  und  Girofalco,  die 
des  Handels  wegen  nach  Calabrien  gekommen  waren  und  nach  Sizilien  weiter- 
gehen wollten,  den  Übergang  verwehrt  habe,  billigte  das  der  Kaiser  durchaus 
und  befahl,  ausnahmslos  so  zu  verfahren ;  bei  den  nach  Calabrien  kommenden 
sei  sorgfältig  darüber  zu  wachen,  wohin  sie  gingen ;  auch  sonst  hat  der  Kaiser 
damals   die  Bewegungsfreiheit  seiner  apulischen  Sarazenen  eingeschränkt.  8) 


')  Aus  dem  Registrum  von  1272  bei  Yver  186  A.  6. 

»)  Camera  H,  341  A.  3 ;  I,  205  mit  A.  6. 

^)  Totum  plateaticum  et  calcaraticum.  Winkelmann,  Acta  I,  620  no.  794;  610 
no.  774.  S.  auch  Auvray  634  (17.  April  1231)  zugunsten  von  Erzbischof  und  Kapitel 
von  Amalfi. 

*)  Wie  jene  Verordnung  bezüglich  der  Venezianer ;  oben  §  389. 

*)  Camera  n,  345. 

«)  Näheres  Winkelmann  I,  208  f.,  537.  Ich  bemerke  nur,  daß  doch  sehr  wahr- 
scheinlich die  Verpflanzung  nicht  in  einem  Zuge  erfolgt  ist.  Die  von  den  Sarazenen 
Lucerias  jährlich  abzuliefernden  Schafe  waren  auf  die  kaiserlichen  Massarien  zu 
verteilen.     Acta  I  no.  940. 

'')  Winkelmann,  Acta  I,  606  no.  763 :  sine  aliquo  jure  plateatici,  dohane  vel 
passagii.  Vgl.  Winkelmann  II,  280.  Wenn  damit  auch  die  Befreiung  von  den  Grenz- 
zöllen ausgesprochen  sein  sollte,  so  fiel  diese  doch  schon  im  folgenden  Jahre  bei 
Erlaß  des  Zolltarifs  fort. 

8)  Huillard-Br6h.  V,  590  (16.  Dez.  1239).     Winkelmann  I,  209. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregiening  Friedrichs  11.  505 

397.  Für  einen  Staat  mit  Gebieten  von  so  reicher  natürlicher 
Fruchtbarkeit,  wie  es  Sizihen,  Apuhen  und  Campanien  waren,  mußte 
der  Getreidehandel  von  außerordentlicher  Bedeutung  sein;  ihm  hat 
der  Kaiser  seine  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet  und  aus  ihm 
die  reichsten  Einnahmen  für  seinen  Staat  zu  ziehen  verstanden.  Ein 
Getreidehandelsmonopol  hat  er  zu  keiner  Zeit,  auch  für  den  Ausfuhr- 
handel nicht,  eingeführt;  wohl  aber  war  die  Krone  die  bei  weitem 
größte  Getreideexportfirma  des  Königreichs. 

Das  Getreide,  über  das  die  Krone  direkt  verfügte,  setzte  sich  zu- 
sammen 1.  aus  den  Erträgnissen  der  von  ihr  selbst  bewirtschafteten  Län- 
dereien (massariae),  2.  dem  von  den  Gebieten  des  königlichen  Demaniums 
abzuliefernden  Anteil  der  Erträgnisse,  der  am  12.  Juni  1231  für  Getreide, 
Gemüse,  Flachs  und  Hanf  auf  ein  Zwölftel  festgesetzt  wurde,  das  jährlich 
in  die  kaiserlichen  Getreidemagazine  (orrea  imperialia)  abzuliefern  war^), 
3.  dem  an  den  Fiskus  abzugebenden  beträchtlichen  Anteil  des  zum  Export 
bestimmten  Getreides,  falls  der  Fiskus  es  nicht  vorzog,  entsprechende  Geld- 
zahlung zu  verlangen.  Außerdem  hatte  die  Krone  natürlich  die  Möglichkeit, 
Getreide  von  Privaten  zum  Export  zuzukaufen;  aber  auch  ohne  das  blieb 
ihr  sicher  nach  Befriedigung  aller  eigenen  Bedürfnisse  (besonders  zu  mili- 
tärischen Zwecken)  in  Jahren,  wo  nicht  Mißwachs  eintrat,  ein  bedeutender 
Überschuß  zur  freien  Verwendung.  Leider  können  wir  nicht  behaupten, 
über  alle  Phasen  der  Getreidehandelspolitik  des  Kaisers  ausreichend  unter- 
richtet zu  sein;,  vielfach  bleibt  unser  Wissen  auch  auf  diesem  besonders 
interessanten  Gebiete  ein  fragmentarisches.  Aus  dem  Jahre  1224  hören  wir, 
daß  der  Kaiser  ein  Verbot  erlassen  habe,  Lebensmittel  oder  sonstige  Erzeug- 
nisse des  eigenen  Haushalts  nach  dem  Auslande  zu  verkaufen.  Der  Chronist, 
der  das  berichtet,  fügt  hinzu,  daß  Lebensmittel  und  Vieh  infolgedessen  so 
billig  geworden  seien,  daß  die  Preise  die  Gestehungskosten  nicht  mehr  deckten. 
Nur  der  Kaiser  habe  davon  Vorteil  gehabt;  er  habe  büliger  eingekauft  und 
teurer  verkauft,  an  wen  er  wollte.  2)  Das  sieht  in  der  Tat  so  aus,  als  ob 
der  Kaiser  den  Getreidehandel  nach  dem  Auslande  ganz  in  seine  Hände 
habe  bringen  wollen,  daß  er  also  aus  rein  fiskalischem  Interesse  gehandelt 
habe.  Indessen  ist  zu  bedenken,  daß  der  Getreideexport  bis  dahin  fast  ganz 
in  den  Händen  der  auswärtigen  Seemächte  Venedig,  Genua,  Pisa  lag,  die 
auf  Grund  ihrer  alten  Verträge  zu  weit  günstigeren  Bedingungen  exportieren 
konnten,  als  es  den  Inländern  möglich  war.  Erließ  der  Kaiser  aber  ein 
solches  Verbot,  so  verletzte  er  die  alten  Verträge  nicht  und  konnte  doch 
damit  die  Bevorzugung  der  Ausländer,  die  zudem  dem  Fiskus  in  hohem 
Grade  nachteilig  war,  illusorisch  machen.  Wenn  er  selbst  verkaufte,  so 
konnte  er  den  Preis  so  hoch  normieren,  daß  jede  Zollbegünstigung  dagegen 
verschwand.  Und  wo  er  nicht  selbst  verkaufte,  konnte  er  sich  jede  Aus- 
nahme,  die   er  von   dem  Verkaufsverbot  zuließ,   mit  der  gleichen  Wirkung 


')  Winkelmann  Acta  I,  615  no.  787 ;  für  das  übrige  sollte  Verkaufsfreiheit 
bestehen.  Winkelmann  U,  276.  Die  Beziehung  nur  auf  das  Getreide  tam  in  terris 
demanii  quam  in  terris  aliis  ad  demanium  devolutis  hat  Naudö  159  A.  4  übersehen. 

*)  Chron.  S.  Mariae  de  Ferraria  (Kloster  bei  Teanum)  bei  Gaudenzi  Chron. 
p.  38.  Als  im  Januar  1227  in  Rom  eine  solche  Teuerung  herrschte,  daß  der  rubus 
tritici  kaum  für  1  1.  prov.  senatus  zu  haben  war,  entsprach  der  Kaiser  sogleich  der 
Bitte  des  Pai)ste8,  Getreide  nach  Rom  schicken  zu  lassen.  Huillard  -  Bröh.  II,  710. 
Winkelmann  I,  313. 


506  Vierunddreißiggstes  Kapitel. 

teuer  bezahlen  lassen.  Das  scheinen  die  Ziele  gewesen  zu  sein,  denen  der 
Kaiser  mit  dem  Verbot  des  Jahres  1224  zustrebte;  der  Chronist  übersah 
seine  Ziele  nicht  und  die  Folgen,  die  er  der  Maßregel  zuschreibt,  scheinen 
Schwierigkeiten  der  Übergangsperiode  gewesen  zu  sein,  ehe  sich  das  neue 
System  eingelebt  hatte.  Denn  daß  der  Kaiser  den  privaten  Getreidehandel 
nicht  ausschalten  wollte,  geht  am  besten  aus  den  venezianischen  Getreide- 
käufen, die  wir  gerade  für  die  nächsten  Jahre  (1226  ff.)  kennen  gelernt 
haben,  hervor;  und  daß  er  mit  seinem  System  den  privaten  Getreidehandel 
seiner  Untertanen  so  wenig  geschädigt  hat  wie  ihren  Getreidebau,  beweisen 
die  Nachrichten  aus  seinen  späteren  Regierungsjahren,  die  uns  den  Getreide- 
export auch  der  Privaten  in  vollem  Flor  zeigen,  i)  Die  außerordentlichen 
Gewinne  allerdings,  die  der  ausländische  Getreidehandel  auf  Kosten  der 
Untertanen  des  Königreichs  zu  machen  gewohnt  war,  hat  der  Kaiser  stark 
beschnitten  und  zu  erhebhchem  Teile  in  die  geldbedürftigen  Kassen  seines 
Staates  zu  leiten  gewußt. 

398.  Den  besten  Einblick  in  das  System  des  Kaisers  gewähren  uns 
seine  Verfügungen,  die  für  das  Winterhalbjahr  von  1239  zu  1240  im  Re- 
gistrum Neapolitanum  erhalten  sind,  für  eine  Zeit  also,  wo  der  Krieg  mit 
Venedig  und  Genua  eben  ausgebrochen  war.  Gerade  damals  ordnete  der 
Kaiser  die  Eröffnung  einer  ganzen  Reihe  von  Hafenplätzen  für  den  über- 
seeischen Verkehr,  zunächst  für  einen  Zeitraum  von  5  Jahren  an,  indem  er 
zugleich  die  für  die  alten  Häfen  bestehenden  Bestimmungen  auf  die  neuen 
übertrug.  2)  Darnach  waren  in  allen  für  den  Handel  eröffneten  Häfen  von 
dem  Handel  mit  Lebensmitteln  jeglicher  Art  und  mit  Kleinvieh  (Schweinen, 
Schafen '  und  Ziegen)  nur  die  Venezianer  ausgeschlossen ;  im  übrigen  aber 
vollzog  er  sich  unter  scharfer  staatlicher  Kontrolle.  Dem  Kontrollbeamten 
hatte  der  Verkäufer  das  Quantum  der  verkauften  Lebensmittel  sowie  die 
Zahl  der  verkauften  Tiere  genau  mitzuteilen,  bevor  die  Überweisung  an  den 
Käufer,  gleichgültig  ob  er  In-  oder  Ausländer  war,  zur  Ausfuhr  erfolgen 
durfte;  ebenso  durfte  die  Verladung  in  die  Schiffe  durch  die  Käufer  oder 
andere  Exporteure  nur  unter  staatlicher  Aufsicht  erfolgen,  nachdem  eine 
genaue  Vermessung  der  Lebensmittel  und  Ermittelung  der  Stückzahl  beim 
Vieh  vorgenommen  war.  Nach  dieser  amtlichen  Feststellung  erfolgte  die 
Ablieferung  des  dem  Staate  für  die  Ausfuhrlicenz  zufallenden  Anteils  ent- 
weder in  natura,  oder  wenn  es  für  den  Fiskus  vorteilhafter  schien,  in  bar 
nach  dem  Verhältnis  des  Kaufpreises.  Dieser  Anteil  war  ein  recht  hoher; 
von  Sizilien  wenigstens  wissen  wir,  daß  er  in  der  Zeit  vor  der  Neuordnung 
im  Jahre  1239  2)  ein  volles  Drittel  betragen  hat  und  früher  noch  höher  ge- 
wesen ist.  Jetzt  wurde  »in  Fürsorge  für  den  Nutzen  der  Untertanen,  den 
er  zugleich  für  eine  Förderung  des  eigenen  Nutzens  halte«,  vom  Kaiser  be- 
stimmt, daß  er  für  die  an  Lebensmitteln  besonders  reichen  Provinzen  Apu- 
lien  und  Sizilien  1/5,  für  alle  übrigen  Gebiete  nur  Vv  betragen  solle;  eine 
kleine  Manipulationsgebühr  von  V3  7o  trat  zu  diesen  20  oder  14,3%  hinzu. 
Über  alles  das  waren  genaue  Aufzeichnungen  zu  machen  und  in  einer  Jahres- 
übersicht der  Krone  mitzuteilen.^) 

*)  Vgl.  die  andere  Auffassung  von  Winkelmann  II,  278  f.  (darnach  Chone  29  f.) 

»)  Huillard-Br^hoUes  V,  418—421  u.  954.     Winkelmann  Acta  I,  647  if.  no.  841. 

')  Nicht  nachher,  wie  Naud^  159  angibt. 

*)  Die  frühere  tertiana  extractionis  victualium  in  dem  Mandat  an  Angelus 
Frisarius,  den  Sekretus  von  Messina,  vom  25.  Dez.  1239;  Huillard-Br^h.  V,  632; 
ebenda  die  Stelle:   in   hoc   enim   utilitati   fidelium  nostrorum   benigne  providimus. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  n.         507 

Daneben  stand  nun  der  Getreidehandel  der  Krone.  Als  der  Kaiser 
etwa  im  August  1239  den  sizilischen  Behörden  befahl,  dem  neu  ernannten 
Admiral  Nicolinus  Spinola  die  SchifEe  der  Krone  zu  übergeben,  wurde  ihnen 
zugleich  aufgetragen,  seinen  Weisungen  bezüglich  der  Verladung  fiskalischer 
Lebensmittel  oder  anderer  fiskalischer  Waren  nachzukommen  und  falls 
solche  nicht  in  zureichender  Menge  vorhanden  seien,  zuzukaufen,  i)  Der 
Sekretus  von  Palermo,  der  beim  Kaiser  angefragt  hatte,  von  welchem  Ge- 
treide der  Kauffahrer,  den  ihm  der  Kaiser  zugeschickt  hatte,  zugleich  mit 
den  beiden  in  seinem  Bezirk  für  die  Krone  verfügbaren  Busen  beladen 
werden  sollte,  erhielt  am  15.  Dezember  von  Sarzana  aus  den  Bescheid,  daß 
er  dazu  das  fiskalische  Getreide  und,  falls  dieses  nicht  reiche,  aus  fiskahschen 
Mitteln  angekauftes  Getreide  zu  verwenden  und  die  Schiffe  dann  dorthin 
zu  schicken  habe,  wo  der  größte  Nutzen  zu  erwarten  sei.  2)  Diesem  Prinzip 
entsprechend  erfolgte  im  Frühjahr  1240  der  große  Transport  von  50000  Last 
Getreide  auf  königlichen  Schiffen  nach  Tunis  zu  einem  Gesamtpreise  von 
40000  Goldunzen  (also  24  Tari  pro  Last)^),  der  dem  Kaiser  um  so  wichtiger 
war,  als  die  Staatskasse  damals  infolge  des  Krieges  leer  war*);  am  29.  Febr. 
erging  die  Weisung,  Privaten  die  Getreideausfuhr  in  diesem  Falle  nicht  eher 
zu  gestatten,  als  bis  die  Verladung  in  die  königlichen  Schiffe  beendet  sei; 
doch  sollten  beladen e  Schiffe,  die  die  Ausfuhrlicenz  schon  bezahlt  hatten, 
am  Auslaufen  nicht  gehindert  werden.  0)  Keineswegs  handelt  es  sich  bei 
dieser  Weisung  um  ein  Prinzip  ß),  sondern  um  eine  Maßregel  ad  hoc,  die 
unter  den  begleitenden  Umständen  durchaus  entschuldbar  war  und  nur  den 
Vorteil  des  eigenen  Landes  wahrte.  Für  den  Staat  ergab  sich  aus  der  Be- 
nutzung der  günstigen  Konjunktur  in  der  Tat  ein  gewaltiger  Gewinn,  wenn 
man  bedenkt,  daß  das  pisanische  Konsortium,  dem  der  Kaiser  am  1.  Januar 
1300  Last  Weizen  verkauft  hatte,  nur  halb  soviel  für  die  Last  zu  zahlen 
brauchte  7),  während  der  Fiskus  sicher  auch  dabei  schon  einen  hohen  Gewinn, 
der  mindestens  auf  1/3  zu  veranschlagen  ist,  gemacht  haben  wird.  Den  Rein- 
gewinn, den  die  Krone  mit  dem  Verkauf  der  50  000  Last  erzielte,  wird  man 
mit  rund  27000  Goldunzen  (ca.  1400000  M.)  annehmen  können.  Mit  fiskaU- 
schem  Getreide  beglich  der  Kaiser  gelegenthch  auch  seine  Schulden,  wie  er 

quorum  commoda  nostris  accrescere  commoditatibus  reputamus.  Ähnliche  Wen- 
dungen schon  in  dem  Mandat  vom  17.  Nov.  1239  an  den  Sekretus  von  Palermo, 
der  Einwendungen  gegen  die  Herabsetzung  der  Abgaben  auf  V3  erhoben  und  die 
Befürchtung  ausgesprochen  hatte,  quod  pro  tam  minori  pretio  universi  amodo  nego- 
ciacionem  victualium  exercebunt.  Diese  Herabsetzung  kann  also  auch  nicht  lange 
vorher  erfolgt  sein;  wie  hoch  die  Abgabe  vorher  gewesen,  wissen  wir  nicht.  Der 
Kaiser  teilt  mit,  daß  er,  bestrebt,  seinen  Untertanen  gratiam  super  gratia  facere,  in- 
zwischen die  weitere  Ermäßigung  auf  Vg  befohlen  habe.     Ebd.  507. 

')  Winkelmann  Acta  I,  646  no.  839  (undatiert;  nach  dem  1.  August  1239). 

*)  Huillard-Br^h.  V,  571 ;  dazu  633  f.  für  den  Sekretus  von  Messina. 

3)  Ebd.  793,  7b2.     Oben  §  236. 

*)  Winkelmann  II,  2H5 ;  Naudö  160.     Huillard-Bräh.  V,  723,  858. 

»)  Huillard-Bröh.  V,  780,  782,  793.     Vgl.  Chone  96. 

"»)  Die  Auffassung  Winkelmanns  11,  278  A.  5,  daß  der  Kaiser  mit  dieser  Ver- 
ordnung nur  etwas  Hergebrachtes  in  Erinnerung  bringe,  kann  ich  nicht  teilen.  Die 
Deutung,  die  er  dem  Verbote  von  1224  gegeben  hat,  ist  weder  mit  dem  überlieferten 
Wortlaut  desselben,  noch  mit  der  Schilderung  des  Chronisten  von  seinen  Folgen 
vereinbar.  Auch  die  Heranziehung  des  Privilegs  für  Genua  von  1157  ist  unglück- 
lich, da  es  sich  an  dieser  Stelle  um  militärische  Expeditionen  des  Königs  handelt ; 
«.  oben  §  364.  • 

')  Oben  §  387.     Vgl.  Naud^  161. 


508  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

es  am  15.  Januar  1240  gegenüber  dem  Wiener  Kaufmann  Heinrich  Baum  tat, 
dem  er  eine  Anweisung  zur  abgabenfreien  Ausfuhr  von  4462  V2  Last,  die 
ihm  mit  nur  10  Tari  pro  Last  angerechnet  wurden,  ausstellen  ließ ;  sie  galt 
erst  für  die  neue  Ernte  und  nur  für  Apulien  und  schloß  Venedig  und  einige 
Monate  darauf  auch  Genua  als  Ziel  der  Ausfuhr  aus ;  die  Übergabe  des  Ge- 
treides sollte  an  die  Bevollmächtigten  des  Kaufmanns,  Josef  von  Brindisi 
und  Dietmar,  die  auch  die  königliche  Anweisung  überbrachten,  erfolgen,  i) 
399.  Ergänzende  Nachrichten,  die  sich  für  das  letzte  Jahrzehnt  der  Regie- 
rung des  Kaisers  aus  dem  Registrum  Massiliense^)  gewinnen  lassen,  zeigen  sein 
System  in  voller  Kraft.  So  gebot  der  Kaiser  in  der  Mitte  des  Jahrzehnts 
den  Hafenmeistern  von  Apulien  streng,  den  eingerissenen  Mißbrauch,  die 
Marktabgabe  (jus  plateatici)  auch  von  Lebensmitteln  und  sonstigen  Waren, 
die  von  der  Krone  angekauft,  verkauft  oder  verschenkt  wurden,  erheben 
zu  lassen,  abzustellen,  s)  Dagegen  genehmigte  er  auf  ihren  Bericht,  daß  in 
den  Getreideausfuhrhäfen  ihres  Bezirkes,  Trani,  Brindisi  und  Siponto  je  zwei 
neue  Hafenbeamte  mit  einem  Monatsgehalt  von  je  einem  Augustalis ^)  an- 
gestellt wurden ;  es  sollte  dadurch  eine  verschärfte  Aufsicht  bei  der  Vermes- 
sung des  Getreides  und  der  Beladung  der  Schiffe,  eine  genauere  Überwachung 
der  Ein-  und  Ausfuhr  sowie  der  im  Hafen  liegenden  Schiffe,  in  die  man 
nächtlicherweile  Getreide  oder  sonstige  Lebensmittel  einzuschmuggeln  ver- 
suchte, ermöglicht  werden.  0)  Wie  wenig  der  private  Getreidehandel  durch 
die  Zollpolitik  des  Kaisers  litt,  zeigt  der  Umstand,  daß  Getreidekaufleute 
sich  den  Hafenmeistern  Siziliens  gegenüber  gern  bereit  erklärten,  eine  höhere 
Ausfuhrlicenz  (exitura)  zu  bezahlen,  falls  ihnen  gestattet  würde,  das  von 
ihnen  angekaufte  Getreide  an  den  nächstgelegenen  Punkten  der  Küste  zu 
verladen,  so  daß  sie  nicht  nötig  hätten,  das  Getreide  erst  unter  großen  Kosten 
und  Gefahren  nach  einem  der  freigegebenen  Häfen  zu  schaffen.  Aber  der 
Kaiser  ließ  sich  darauf  nicht  ein 6),  offenbar  weil  er  Unterschleife  befürchtete; 
vielmehr  schärfte  er  den  beiden  Portulanen  ein,  daß  einer  von  ihnen  durch- 
aus bei  der  Verladung  zugegen  sein  müsse,  und  daß  sie  sich  nur  im  Notfalle 
durch  andere  vertreten  lassen  dürften.  Im  übrigen  zeigte  sich  der  Kaiser 
bei  Notständen  durchaus  gnädig;  als  einmal  in  Terra  di  Lavoro  und  im 
Prinzipat  die  Ernte  mißraten  war,  gewährte  er  den  Bewohnern  für  die  Ge- 
treideausfuhr aus  Sizilien  volle  Abgabenfreiheit.  Der  reichliche  Gebrauch, 
den  sie  von  dieser  Vergünstigung  machten,  veranlaßte  die  Hafenmeister 
Siziliens,  beim  Kaiser  vorstellig  zu  werden,  da  auch  Sizilien  keine  allzureiche 
Ernte  gehabt  habe  und  manche  sich  durch  übermäßigen  Verkauf  künftiger —. 

*)  Huillard-Breh.  V,  677  f.  Am  17.  Mai  erneuert,  da  mittlerweile  der  zustän- 
dige kaiserliche  Beamte  durch  einen  anderen  ersetzt  war ;  ebd.  993  f.  Faraglia  69. 
Proven9alischen  Kaufleuten  wurde  es  vom  Kaiser  am  4.  XI.  1239  freigestellt,  für 
ihre  Forderung  vom  Sekretus  in  Messina  Barzahlung  oder  Getreide  »ad  illam  rationem 
qua  mercatoribus  aliis  victualia  curie  nostre  venduntur  per  eum<  zu  verlangen.  ^1 
Huillard-Breh.  V,  477.  H 

*)  In  der  Zeit  der  Anjous  hergestellte  Auszüge  aus  den  Registerbüchern  der 
kaiserlichen  Kanzlei,  in  Marseille  aufbewahrt,  von  Winkelmann  Acta  I  heraus- 
gegeben. 

")  No.  910  p.  686 ;  dazu  no.  914  betr.  Rückerstattung  des  schon  Gezahlten. 

*)  Auf  den  Tag  erhielten  sie  also  42  Pfennige ;  das  kann  für  die  Beurteilung] 
der  damaligen  Kaufkraft  des  Geldes  einen  Anhalt  geben. 

6)  No.  915  p.  688. 

«)  No.  925  p.  703 :  volumus  quod  «lulla    vassella   nisi   in  portubus  statutis 
notis  debeant  onerari. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  IL  509 

Not  aussetzten,  worauf  der  Kaiser  erwiderte,   daß  einem  Mißbrauch  seiner 
Gnade  allerdings  entgegengetreten  werden  müsse,  i) 

400.  Wenn  von  einem  Getreidemonopol  im  Königreich  nicht  die 
Rede  sein  kann,  so  war  der  Kaiser  dem  Monopolgedanken  an  sich 
doch  keineswegs  abgeneigt;  bei  der  Neugestaltung  der  Verwaltung  im 
Jahre  1231  hat  der  Kaiser  Monopole  auf  Rohseide,  Eisen  und  Stahl^), 
Salz,  sowie  auf  den  Färbereibetrieb  eingeführt. 

Die  Verwaltung  des  Seidenmonopols  wurde  für  große  Bezirke  des 
Königreichs  je  einer  Handelsgesellschaft  von  Juden  aus  Trani  übertragen  ^) ; 
nur  an  sie  durfte  Rohseide  verkauft  werden;  sie  hatten  angemessene  Preise 
zu.  zahlen  und  den  Weiterverkauf  mit  einem  Nutzen  von  33 1/3  %  für  die 
Staatskasse  zu  besorgen.  Natürhch  war  die  Preisdifferenz  oft  erheblich 
größer  und  das  Mehr  floß  in  die  Taschen  der  jüdischen  Gesellschaften.  Die 
Judengemeinde  von  Trani  war  besonders  reich  und  angesehen;  die  Bestäti- 
gung ihrer  alten  Privilegien  hatte  sie  schon  im  AprU  1221  erlangt^);  es  sind 
wohl  griechische  Monopoleinrichtungen,  deren  Übernahme  diese  Juden  dem 
Kaiser  empfahlen.  Auch  an  die  Spitze  des  technischen  und  kaufmännischen 
Betriebs  der  verstaatlichten  oder  für  den  Staat  neu  einzurichtenden  Fär- 
bereien im  ganzen  Königreiche  wurden  Juden  gestellt;  so  erfahren  wir,  daß 
die  beiden  Juden,  die  die  Färberei  in  Capua  einzurichten  hatten,  angewiesen 
waren,  von  den  seidenen,  leinenen,  baumwollenen  und  allen  anderen  Tuchen 
dieselben  Abgaben  für  die  Krone  erheben  zu  lassen,  wie  es  von  der  Färberei 
in  Neapel  geschah,  s) 

Auch  von  einem  Hanfmonopol  hören  wir,  das  aber  nur  mit  rein  ört- 
licher Beschränkung  auf  die  Stadt  Neapel  bestanden  zu  haben  scheint; 
wenigstens  ist  es  nur  die  Zoll-  und  Magazinverwaltung  dieser  Stadt,  die  am 
21.  September  1231  neben  einer  ganzen  Reihe  von  anderen  Weisungen  auch 
die  erhält,  allen  Hanf,  der  in  Neapel  eingeführt  werde,  zu  kaufen  und  nur 
mit  einem  Nutzen  von  80%  zu  verkaufen,  ß) 

Mit  der  Verwaltung  des  staatlichen  Eisenmonopols  wurden  Jacobus  de 
magistro  Milo  und  Urso  de  Fusco  beauftragt ;  sie  hatten  alles  Eisen,  gleich- 
gültig ob  es  sich  um  einheimisches  Produkt  oder  importiertes  handelte,  zu 
angemessenen  Preisen  anzukaufen,  während  die  von  ihnen  bestellten  Ver- 
käufer das  Eisen  ohne  Rücksicht  auf  die  Größe  des  verlangten  Quantums 
nur  50%  teurer  abgeben  durften ;  alle  Beamten  des  Königreichs  wurden  an- 

1)  No.  939  p.  715:  gratia  nostra  volumus  non  abuti.  Naud6  158  A.  3.  Die 
Behauptung  Yvers  p.  3,  Friedrich  11.  habe  die  inneren  Zollschranken  beseitigt,  be- 
ruht nur  auf  einem  Mißverständnis  eines  kaiserlichen  Mandats  (H.-Br.  V,  773);  er 
macht  den  Kaiser  sogar  zum  Freihändler:  »il  comprend  que  le  commerce  vit  avant 
tout  de  libertä.i 

*)  Rycc.  de  S.  Genn.,  SS.  XIX,  365  sagt  allerdings:  ferrum  et  aes;  aber  in 
den  Konstit.  von  Melfi  (Huill.-Br.  IV,  211)  steht  azarium,  und  so  heißt  es  auch 
später:  jus  ferri  et  aczarum  (Winkelm.  Acta  I  no.  999  p.  759),  so  daß  ich  nicht  glaube, 
daß  mit  Winkelmann  n,  281   und  Naud6  159   ein  Kupfermonopol   anzunehmen  ist. 

•)  Für  Apulien  und  Calabrien  dem  Churulia  und  seinen  sozii  Ebrei  de  Trano. 
Winkelm.  Acta  I  no.  785  p.  614.     Dazu  Winkelmann  II,  282. 

■•)  Winkelmann  Acta  I,  no.  221. 

»)  Ebd.  no.  796  p.  621.  Dazu  Winkelmann  II,  283.  Die  Färbereien  auf  Malta 
und  Gozzo  warfen  dem  Staat  um  1245  jährlich  1060  Tari  ab.  Acta  I,  713  no.  938. 

•)  No.  793  p.  620.  Für  diese  Auffassung  spricht  auch,  daß  Rycc.  de  S.  Ger- 
mano  von  diesem  Monopol  nichts  weiß. 


510  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

gewiesen,  die  beiden  Verwalter  des  Monopols  bei  ihren  Geschäften  zu  unter- 
stützen. 1) 

Dieselben  beiden  Personen  wurden  auch  am  11.  April  1231  vom  Kaiser 
mit  der  Einrichtung  des  wichtigsten  dieser  Monopole,  des  Salzhandelsmono- 
pols, betraut.  2)  An  der  Salzgewinnung  änderte  sich  nichts ;  der  Kaiser  teilte 
nur  gleichzeitig  allen  privaten  Salineninhabern  (natürlich  gab  es  auch  damals 
schon  fiskalische  Salinen  in  größerer  Zahl)  der  gesamten  apulischen  Küste 
in  Siponto,  Salpi,  Cannae,  Barletta,  Bari,  Brindisi,  Tarent  und  der  angren- 
zenden Gebiete  mit,  daß  der  gesamte  Salzhandel  auf  den  Fiskus  übergehe, 
der  ihnen  für  jeden  »centenarius«  sipontiner  Maßes  1/5  Goldunze  (etwa  13  M.) 
vergüten  werde  3) ;  auch  die  Kaufleute  hatten  alle  ihre  Salzvorräte  abzuliefern 
und  erhielten  dafür  außer  dem  Einkaufspreise  einen  Zuschlag  von  81/3% 
für  den  ihnen  entgangenen  Gewinn.  Jene  beiden  Vertrauensmänner  des  Kaisers 
hatten  nun  allerwärts  geeignete  Personen  zum  Verschleiß  des  fiskalischen 
Salzes  zu  bestellen  *);  die  Verkaufspreise  wurden  beim  Verkauf  en  gros  auf 
das  Vierfache,  beim  Kleinverkauf  auf  das  Sechsfache  des  Einkaufspreises 
festgesetzt,  ö)  Der  Fiskus  sicherte  sich  damit  allerdings  auch  nach  Abzug 
aller  Verwaltungs-  und  Transportkosten  sehr  erhebliche  Gewinne.  Die  hohen 
Preise  reizten  natürlich  zu  Versuchen,  das  Monopol  zu  umgehen;  im  Sommer 
1238  hatte  der  Kämmerer  der  Abruzzen  zu  berichten,  daß  verschiedene  geist- 
liche und  welthche  Vasallen  seines  Bezirks  das  Salz  nicht  bei  den  fiskali- 
schen Verkaufsstätten  kauften,  sondern  gegen  die  kaiserlichen  Vorschriften 
aus  dem  Reiche  (d.  h.  dem  angrenzenden  Italien)  und  Apulien  einführten; 
der  Kaiser  wies  den  Justitiar  des  Bezirks  an,  gegen  solche  Schädigung  des 
Fiskus  die  bestehenden  Strafbestimmungen  streng  in  Anwendung  zu  bringen.^) 
Bei  den  hohen  Verkaufspreisen  machte  zuweilen  auch  der  Absatz  des  in 
Apulien  in  großen  Mengen  gewonnenen  Salzes  Schwierigkeiten,  so  daß  die 
Provinzialbehörde  im  folgenden  Jahre  (es  war  allerdings  die  Zeit  des  Aus- 
bruchs des  Krieges)  eine  Herabsetzung  derselben,  wenn  auch  nur  auf  einige 
Zeit,  befürworten  zu  sollen  meinte.  Der  Kaiser  aber  fürchtete,  daß  eine 
solche  zeitweilige  Herabsetzung  nur  zu  leicht  übhch  werden  könnte  ^md 
gestattete  den  billigeren  Verkauf  nur  für  ein  bestimmtes  Quantum,  damit 
die  rückständige  Bezahlung  der  Salinenarbeiter  davon  bestritten  werden 
könnte.  7)  Er  muß  also  mit  den  Erträgnissen  des  Monopols  doch  zufrieden 
gewesen  sein. 

M\ 

')  Winkelmann  Acta  I,  614  f.  no.  786.     Dazu  Winkelmann  U,  282.  I^j 

«)  Ebd.  no.  773  p.  609  f.     Dazu  Winkelmann  n,  281  f. 

3)  Die  Preisberechnung,  die  Winkelmann  II,  281  darnach  für  ein  Reichspfund 
Salz  in  unserer  Währung  vorgenommen  hat,  wird  leider  schon  dadurch  hinfällig, 
daß  es  sich  bei  den  >singuli8  centenariis  salis  ad  mensuram  Syponti«  doch 
schwerlich  um  Gewichtszentner  handeln  kann. 

*)  Die  Verwaltung  des  Salz-  und  Eisenmonopols  wurde  vereinigt;  im  Jahre 
1235  war  Petrus  Vulponus  >Magister  SaUs  et  Ferri  Curiae«  für  das  westliche  Sizi- 
lien ;  am  23.  Juni  wies  er  von  Palermo  aus  den  >super  venditione  Salis  et  Ferri 
Curiae«  in  Marsala  bestellten  Beamten  an,  das  dem  Abt  von  S.  Maria  de  Crypta 
in  Palermo  herkömmlich  zustehende  Recht  auf  Bezug  eines  Quantums  Salz  de  sa-  ^. 
lina  insulae  S.  Pantalei  zu  respektieren.  Vorgänger  des  Vulponus  war  Martin  vonÄj 
Montpellier.  Paolucci,  Contributo  in:  Atti  di  Palermo,  ser.  3,  vol.  5  (1900),  p.  17  no.  7.  ^* 

*)  Winkelmann  Acta  1  no.  786  p.  614  (12.  Juni  1231).     Ein  Mandat  etwa  vom 
Juh  (no.  789)   an   den  Protontinus   von  Siponto   befreit   die   bei  der  Salzgewinnung, 
tätigen  Arbeiter  vom  Flottendienst.  ^ 

«)  Ebd.  no.  819  p.  636. 

T)  Mandat  vom  10.  Oktober  1239;  B.-F.  2511.     Winkelmann  n,  281  A.  2. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  II.  511 

401.  Auch  das  für  den  Handel  besonders  wichtige  System  der 
Grenzzölle  wurde  vom  Kaiser  zur  selben  Zeit^)  neu  geordnet  und  mit 
dem  Fondacatswesen  in  die  engste  Verbindung  gebracht. 

Wer,  ob  Einheimischer  oder  Fremder,  auf  dem  See-  oder  Landwege 
Waren  zum  Zwecke  des  Verkaufs  in  das  Königreich  einführte,  hatte  diese 
in  die  staatlichen  Magazine  (fundici  vel  domus  curiae)  einzulagern,  in  denen 
auch  ihr  Verkauf  untei*  Aufsicht  der  staatlichen  Organe  erfolgte.  Erst  nach 
dem  Abschluß  des  Kaufgeschäfts  und  bevor  die  Ware  das  Magazin  verließ, 
waren  Einfuhrzoll  und  Magazingebühr,  diese  vom  Käufer,  jener  vom  Ver- 
käufer zu  entrichten.  Der  Zoll  (jus  dohanae)  war  auf  3  Prozent  des  Ver- 
kauf spreies  festgesetzt;  wenn  die  ausländischen  Sarazenen  10  Prozent  zu 
zahlen  hatten,  so  beruhte  das  auf  Gegenseitigkeit  und  entsprach  den  Be- 
stimmungen des  im  gleichen  Jahr  abgeschlossenen  tunesischen  Vertrages.^) 
Die  Magazingebühr  (jus  fundici,  casaticum)  war  etwas  höher;  sie  betrug 
einen  Tari  von  der  Goldunze,  also  3^/3  Prozent. 

Waren,  für  die  Zoll  und  Fondacatsgeld  gezahlt  war,  waren  für  den 
weiteren  Verkehr  freigegeben^) ;  insbesondere  waren  sie  frei  von  der  Markt- 
abgabe (plateaticum)  und  konnten  auch  abgabenfrei  nach  einem  anderen 
Seeplatz  zum  Verkauf  übergeführt  werden;  wenn  also  beispielsweise  Kauf- 
leute von  Trani  Tuche  oder  andere  Waren  im  Fondaco  von  Barletta  ein- 
kauften, so  konnten  sie  bei  Vorweisung  der  Quittung  über  die  in  Barletta 
erfolgte  Zahlung  von  Zoll  und  Speichergeld  die  Waren  abgabenfrei  nach 
Trani  schafifen  und  dort  verkaufen.^)  Für  Waren,  die  im  Fondaco  unver- 
käuflich blieben,  war  Speichergeld  nur  zu  entrichten,  wenn  der  Eigentümer 
Ausländer  war  und  sie  wieder  ausführen  wollte.^) 

In  analoger  Weise  wurde  die  Verzollung  auch  bei  der  Ausfuhr  ge- 
handhabt. Für  die  Ausfuhr  von  Getreide  und  anderen  Viktualien  sowie 
lebendem  Vieh  galten  die  uns  bekannten  Bestimmungen;  auch  für  die  Aus- 
fuhr von  Öl,  Wein,  Fleisch  und  Käse^)  waren  besondere  Bestimmungen  vor- 
handen,  so    daß   diese  Waren   der  Zwangsmagazinierung  nicht  unterlagen. 


»)  Am  12.  August  1231 :  Wink.  Acta  I  no.  790  p.  616  f.  Dazu  treten  erläu- 
ternde Bescheide  des  Kaisers  vom  Herbst  desselben  Jahres  auf  Anfragen  der  Zoll- 
behörden von  Trani,  Barletta  und  Neapel ;  ebd.  no.  792,  793,  795  p^  619  f.  "Winkel- 
mann n,  276  ff. 

*)  Oben  §  234.  Winkelmann  II,  276  betrachtet  den  Einfuhrzoll  irrig  als  einen 
Gewichtszoll,  der  mit  3  oder  10  Tari  (5  Vi  oder  beinahe  16  M.)  von  jeglicher  Ware 
ohne  Unterschied  erhoben  worden  wäre.  Daß  nur  ausländische  Sarazenen  gemeint 
sind,  sagt  der  Kaiser  ausdrücklich :  Omnes  Saraceni  de  Regno  solvant  jus  fundici 
et  dohane  sicut  Christiani  mercatores ;  Acta  I  p.  619.  Das  hat  Winkelmann  11,  280 
A.  3  übersehen. 

')  Eine  besondere  beim  Übergange  der  Waren  aus  den  Zollspeichern  in  den 
freien  Verkehr  erhobene  Akzise,  von  der  Winkelmann  n,  278  redet,  gab  es  also 
nicht. 

*)  Bescheid  des  Kaisers  no.  795.  Dazu  p.  620;  De  mercibus  de  quibus  solu- 
tum  est  jus  dohane  et  fundici,  in  exitu  plateaticum  non  solvatur. 

6)  H.-Br.  V,  441  (1239).  Gegen  den  Mißbrauch,  daß  in  den  Fondachi  nicht 
selten  zu  großem  Schaden  der  Verkäufer  Tuche  von  Tuchhändlern  und  Campsores 
angekauft  wurden,  bei  denen  sich  dann  an  dem  später  angesetzten  Zahlungstermin 
Zahlungsunfähigkeit  herausstellte,  wandte  sich  der  Kaiser  Anfang  1241 :  Winkel- 
mann Acta  I,  655  no.  853. 

^)  Acta  no.  792 :  quae  in  certis  capitulis  continentur.  Diese  sind  uns  nicht 
erhalten. 


512  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

Die  Magazingebühr  wurde  auch  nicht  erhoben  für  Waren,  die  in  den  am 
Ausfuhrorte  selbst  domiziüerten  Geschäften,  Tuchläden  u.  dgl.  zur  Ausfuhr 
angekauft  wurden.  Alle  sonstigen  Waren  aber,  insbesondere  also  solche, 
die  von  auswärts  kamen  und  zur  Ausfuhr  bestimmt  waren  (die  kaiserliche 
Verordnung  hebt  leinene  und  seidene  Tücher  besonders  hervor),  mußten 
eingelagert  werden  und  hatten  das  Lagergeld  mit  SVs  Prozent  vom  Werte 
zu  zahlen.  Der  Ausfuhrzoll  aber  war  nicht  so  einheitlich  gestaltet  wie  der 
Einfuhrzoll;  von  dem  auch  für  die  Ausfuhr  geltenden  allgemeinen  Satze 
von  3  Prozent  des  Wertes,  dem  z.  B.  außer  allen  Tuchwaren  auch  Pfeffer, 
Weihrauch,  Brasilholz,  Ingwer,  Mastix,  Indigo  unterlagen,  gab  es  einige 
weitere  Ausnahmen.  Auf  feinem  Baumwollgarn  i)  ruhte  ein  Wertzoll  von 
10  Prozent;  syrische  Wolle  zahlte  3,  Flachs  2  Tarl  vom  Kantär.  Früchte 
(Kastanien,  Nüsse,  Haselnüsse,  Mandeln  u.  a.)  zahlten  1  Tari  für  die  Last, 
Käse  ebensoviel  für  den  Zentner,  Tunfische  1/2  Tari  für  das  Faß.  Ausfuhr- 
verbote finden  sich  für  Großvieh  (Pferde,  Maulesel,  Büffel,  Rinder,  Kälber) 
imd  für  Münzsilber.  2) 

Natürlich  mußten  an  allen  für  den  überseeischen  Handel  offenen  Häfen 
nun  staatüche  Fondachi,  wo  solche  nicht  schon  vorhanden  waren,  errichtet 
werden,  die  zugleich  als  Zollämter,  aber  auch  als  Herbergen  für  die  fremden 
Kaufleute  dienten.^)  Für  Sizilien  kennen  wir  die  Anordnung,  die  der  Kaiser 
über  Art  und  Zahl  dieser  Fondachi  getroffen  hat;  in  Palermo  sollte  es  bei 
der  bestehenden  Zahl  bleiben ;  Messina  sollte  4,  Syrakus  2  Fondachi  erhalten, 
während  für  Maremortuum,  Licata,  Sciacca  und  Trapani  mir  je  1  Fondaco 
vorgesehen  war.  Da  in  Neapel  die  staatlichen  Magazine  für  die  Unter- 
bringung der  fremden  Kaufleute  nicht  ausreichten,  so  daß  viele  in  anderen 
Fondachi  Unterkunft  suchen  mußten,  so  bestimmte  der  Kaiser,  daß  diese 
trotzdem  bis  zur  Fertigstellung  der  staathchen  Neu-  und  Erweiterungsbauten 
die  Fondacatsgebühr  an  den  Staat  zu  zahlen  hätten,  während  dieser  die 
Entlohnung  der  privaten  Fondachiinhaber  übernahm,*)  Für  Ischia^)  hatte 
der  Kaiser  schon  einige  Monate  zuvor  verfügt,  daß  das  dortige  Hauptfondaco 
und  ein  kleineres  einer  Dame  namens  Trocca  gehöriges  in  staatlichen  Besitz, 
wie  es  zur  Zeit  Wilhelms  IL  gewesen,  zurückzuführen  seien.  Wo  an  der 
Landgrenze  Zollämter  und  Fondachi  vorhanden  waren ,  wissen  wir  nicht ;  in 
San  Germano,  dem  Wohnsitze  Richards,  gab  es  wohl  ein  solches ;  für  Solmona 
hat  der  Kaiser  im  Jahre  1238  auf  den  Bericht  des  Kämmerers  der  Abruzzen 
den  Bau  eines  Fondaco  genehmigt.^)  In  der  Fondacatsgebühr  war  die 
Bezahlung  für  Betten,  Licht,  Holz  und  Stroh,  die  den  die  Ware  begleitenden 
Kaufleuten  zu  gewähren  waren,  mit  enthalten.'^) 


*)  ,  .  .  pro  cantario  bombicis  filati  subtilis ;  p.  617. 

*)  Acta  I,  no.  841  (5.  Oktober  1239)  und  no.  822  (19.  Juli  1288).  Gaudenzi, 
Chron.  p.  108  (1222), 

^)  Yver  p.  3  hält  diese  Fondachi  für  die  staatlichen  Magazine,  aus  denen  die 
Untertanen    die    schon    von    den    normannischen  Königen   zu  Monopolen  erklärten 
Artikel  zu  beziehen  hatten.     Man  sieht,  welche  Irrtümer  auf  einem  so  interessanten 
Gebiet,  wie  es  die  Handelspolitik  Friedrichs  11.  ist,  auch  bei  einem  sonst  verdienst-,^| 
vollen  Forscher  noch  möglich  sind.  jH 

*)  Acta  I  no.  793  p.  620.  "' 

»)  Ebd.  no.  781  p.  612  (30.  Mai  1231).  Auf  Malta  und  Gozzo  (mit  ca.  6000  Ein- 
wohnern) brachten  die  jura  dohane  terre  et  maris  tam  vendencium  quam  emencium 
jährlich  2400  Goldtari,  bei  einer  Gesamteinnahme  von  14  681  Goldtari,   Ebd.  no.  938. 

«)  Ebd.  no.  818  p.  635. 

')  Wenigstens  nach  den  im  Oktober  1232  zu  San  Germano   publizierten    >a8 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  11.  513 

In  den  Fondachi,  aber  auch  sonst  in  allen  wichtigeren  Orten  des  König- 
reichs waren  öffentliche  Wagen  vorhanden,  für  deren  Benutzung  eine  ziem- 
lich hohe  Verwiegungsgebühr  an  den  Fiskus  zu  entrichten  war.  Auf  eine 
Anfrage  hatte  die  Zollverwaltung  von  Neapel  am  21.  September  1231  den 
Bescheid  erhalten,  daß  sie  vom  Kantar  Messinesischen  Gewichts  (==  80  kg) 
1  Tari  erheben  sollte;  schon  im  Oktober  oder  November  aber  erging  eine 
besondere  Ordnung  der  staatlichen  Verwiegungs-  und  Vermessungsgebühren.i) 
Darnach  waren  vom  Kantar  zu  100  Rotuli  zu  entrichten  bei  Baumwolle, 
Pfeffer,  Zucker,  Wachs,  Indigo,  syrischer  Wolle  und  Spezereien  vom  Käufer 
und  vom  Verkäufer  je  1  Tari,  bei  Käse,  Speck,  Hanf,  grober  Wolle  und 
sonstigen  groben  Waren  (merces  grossae)  je  1/2  Tari,  endlich  bei  Eisen,  Zinn, 
Kupfer  und  Flachs  nur  0,3  Tari.  Für  die  Vermessung  von  Viktualien  betrug 
die  Gebühr,  die  hier  nur  vom  Käufer  zu  entrichten  war,  für  die  Last  (salma) 
0,1  Tari.  Schon  nach  einem  Jahre  wurde  indessen  die  Verwiegungsgebühr 
auf  ^/4  Tari  vom  Kantar  herabgesetzt.^)  Auch  eine  Ellengebühr  ^)  für  die 
Vermessung  von  Tuchen  und  Leinwand  wurde  erhoben,  die  indessen  gegen 
den  herkömmlichen  Satz  nicht  verändert  wurde.  Maß  und  Gewicht  sollten 
nach  einer  Verordnung  vom  Jahre  1231  im  ganzen  Königreich  einheitlich 
sein ;  Normalmaße  und  -Gewichte  wurden  überall  aufgestellt  (rotuli  und  tumini) 
und  mit  Strafe  war  bedroht,  wer  sich  der  neueingeführten  Maße  und  Gewichte 
nicht  bediente  oder  durch  Anwendung  gefälschter  Maße  und  Gewichte  den 
Käufer  schädigte. •*)  Auf  die  Dauer  durchgesetzt  haben  sich  diese  einheit- 
lichen Maße  und  Gewichte  für  das  Königreich  allerdings  nicht. 

Daß  auf  dem  Handel  im  Binnenlande  auch  Marktabgaben  und  Pas- 
eierzölle ruhten,  ist  eine  allgemeine  Erscheinung  der  Zeit  und  war  alther- 
gebracht; es  war  ein  Verdienst  des  Kaisers,  daß  er  in  den  Assisen  von  Ca^ua 
die  Beseitigung  aller  Abgaben  dieser  und  ähnhcher  Art,  soweit  sie  erst  in 
der  Zeit  der  Wirren  nach  seiner  Eltern  Tode  willkürlich  eingerichtet  worden 
waren,  anordnete. 0)  Ebenso  bestanden  an  der  Küste  die  Schiffsgebühren 
unter  verschiedenen  Namen  (ancoraticum,  scalaticum,  jus  portus)  fort.^) 

402.  Für  den  Handelsverkehr  war  natürlich  auch  die  Ordnung 
des  Geldwesens  wichtig. 

Als  der  Kaiser  durch  Edikt  vom  10.  September  1222  die  in  Brindisi, 
neugeprägten  Denare  in  seinem  Königreiche   einführte,    ließ   er   alle  Unter- 

cisie  imperiales«  (SS.  XIX,  639):  De  jure  casatici  remissa  sunt  grana  8  pro  uncia 
ita  quod  mercatoribus  qui  erunt  pro  eis  providebitur  a  eustodibus  fundici  in  lectis, 
luminaribuB,  palea  et  lignis.  Es  war  also  weniger  eine  Ermäßigung  als  eine  Ver 
hinderung  weiterer  Forderungen  der  Fondacatsverwalter. 

')  Acta  I,  620  no.  793;  621  f.  no.  797. 

■■i)  SS.  XTX,  639. 

')  Jus  cannarum  ebd.,  erscheint  bei  Winkelmann  II,  413  als  Akzise  auf 
(Zucker?)  Rohr. 

*)  Nach  Rycc.  de  S.  Germano  im  September  1231  publiziert ;  s.  dazu  den  Be- 
scheid für  den  Kämmerer  der  Abruzzen  von  1238  c  Juli  (Wink.  Acta  I,  635  no.  818) : 
De  hiis  qui  cannas,  mensuras  et  pondera  minuerunt  nee  novis  utuntur  ponderibus 
aut  mensuris  sicut  per  nostram  curiam  est  statutum  usw.     Faraglia  p.  19. 

")  Rycc.  bei  Gaudenzi,  Chron.  p.  102,  rub.  8. 

«)  Winkelmann  II,  278.  Über  Abgaben,  die  auf  der  Landwirtschaft  und  auf 
Gewerben  ruhten,  s.  was  über  Malta  berichtet  wird :  Acta  I  no.  938 ;  die  conzatura 
(=  jus  coriorum)  Rycc,  SS.  XIX,  369. 

Schaube,  Handelsgescbichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  33 


514  Vierunddreißigstes  Kapitel. 

tanen  schwören  i),  alle  Käufe  nur  in  dieser  Münze  abzuschließen  und  die 
neuen  Denare  zu  keinem  höheren  Kurse  als  41  sol.  auf  die  Goldunze  anzu- 
nehmen und  zu  keinem  niedrigeren  als  40  auszugeben ;  an  jedem  Orte  wurden 
sechs  zuverlässige  vereidigte  Leute  bestellt,  die  die  Preise  aller  Waren  in 
den  neuen  Denaren  unter  Berücksichtigung  ihres  Wertverhältnisses  zu  den 
alten  festzusetzen  hatten.  Nur  zu  oft  hat  der  Kaiser  später  noch  aus 
fiskalischem  Interesse  diese  Scheidemünze  verändert,  während  er  im  Jahre  1231 
seinem  Königreiche  in  dem  Augustalis  eine  treffliche  Goldmünze  schenkte. 

Den  Geldwechsel  zog  der  Kaiser  gleich  im  Anfang  seiner  Regierung 
da,  wo  er  in  den  Besitz  geistlicher  und  weltlicher  Großer  übergegangen  war, 
als  Regal  an  sich,  wie  wir  von  M.  Cassino  wissen  2) ;  die  Wechslerbuden  und 
Wechslerbänke  bedurften  im  ganzen  Königreich  der  staatlichen  Konzession 
und  ihre  Verpachtung  brachte  dem  Staate  eine  nicht  geringe  Einnahme. 
Als  wegen  stürmischen  Herbstwetters  viele  fremde  Pilger  genötigt  waren, 
den  Winter  von  1239  zu  1240  in  Messina  zuzubringen,  schützte  sie  der  oberste 
Beamte  des  Kaisers  in  Messina  gegen  Übervorteilungen,  denen  sie  beim  Geld- 
wechsel und  bei  Einkäufen  ausgesetzt  waren,  dadurch,  daß  er  besondere 
Campsores  und  andere  angesehene  Leute  als  Vertrauensmänner  bestellte,  die 
zu  ihrem  Schutze  verpflichtet  waren;  der  Kaiser  sprach  diesem  Verfahren 
seine  Anerkennung  aus.^)  Nicht  selten  kam  es  vor,  daß  die  Kaufleute,  die 
den  in  den  staatlichen  Fondachi  tätigen  Campsores  ein  besonderes  Vertrauen 
entgegenbringen  zu  können  meinten,  um  die  Depots,  die  sie  bei  ihnen  hinter- 
legten, ganz  gebracht  wurden  '^),  da  sich  auch  die  gerichtliche  Exekution  bei 
ihnen  als  fruchtlos  erwies;  so  ordnete  der  Kaiser  am  Anfang  des  Jahres  1241 
an,  derartig  gewissenlose  Personen  unter  keinen  Umständen  zum  Wechsler- 
geschäft zuzulassen,  sondern  nur  solche,  die  wegen  ihrer  Zuverlässigkeit  und 
Sachkenntnis  durch  personenkundige  Männer  der  betreffenden  Orte  empfohlen 
werden  könnten. 

Auch  der  Kaiser  hatte  seinen  besonderen  Campsor;  1224  war  Raynaldus 
Ottoboni  in  dieser  Stellung  und  Ottobonus  stand  ihm  als  Ponderator  Imperialis 
Curiae  zur  Seite.^)  Als  der  Kaiser  im  Dezember  1239  für  seine  in  der  trevi- 
sanischen  Mark  stehenden  Söldner  10000  Goldunzen  brauchte,  gab  er  von 
Parma  aus  dem  Johannes  Girardini  von  Trani,  der  das  Geld  bei  dem  mit 
einem  großen  Geldtransport  aus  dem  Königreich  angekommenen  Henricus 
Abbas  erheben  sollte,  zu  seiner  Abnahme  Gewichte  mit,  die  den  von  der 
kaiserlichen  Kammer  benutzten  genau  entsprachen  ^) ;  mit  denselben  Gewichten 
hatte  er  dann  auch  die  Zuwiegung  des  Goldes  im  Lager  der  kaiserlichen 
Truppen  vorzunehmen.  Dafür,  daß  der  Fiskus  beim  Geldverkehr  mit  dem 
Publikum  nicht  zu  kurz  kam,  wurde  noch  auf  besondere  Weise  gesorgt;  im 


II 


II 


')  Rycc.  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  108.     Im  übrigen  s.  ob.  §  82. 

")  Rycc.   bei  Gaudenzi,  Chron.  p.  101:    mensam   campsoris    et  jus  sanguinis 
Beides  waren  Verleihungen  Heinrichs  VI.  an  den  Abt.     Vgl.  Goldschmidt  162  und 
A.  62. 

»)  Huillard-Breh.  V,  587  und  813. 

*)  Winkelmann   Acta  I   no.  858  p.  655 :    Mercatores    etiam  ad  eorundem  fun^ 
dicos  venientes  de  mercatoribus  in  cambio  nostro   manentibus   puri- 
tatem  omnem  presumentes  et  fidem,  deponunt  pecuniam  suam  cum  conjH 
fidentia  penes  eos  et  alia  bona  sua  etc.  «■ 

*)  In  der  Urkunde  über  das  dem  Markgrafen  von  Montferrat  für  seine  Unter- 
nehmung nach  Thessalonich  vom  Kaiser  gewährte  Darlehn  von  9000  M.  Silber; 
Catania,  März  1224,  Huillard-Br6h.  U,  425. 

«)  Ebd.  V,  548  f. 


Das  sizilische  Königreich  unter  der  Selbstregierung  Friedrichs  n.  515 

Herbst  1231  wurde  bestimmt,  daß  bei  allen  Zahlungen  an  den  Fiskus  pro 
Tari  2  Gran  (also  10%)  mehr  zu  entrichten  seien,  während  der  Fiskus  bei 
Auszahlungen  seinerseits  bei  jedem  Tari  2  Gran  in  Abzug  brachte.^) 

403.  Solche  Bestimmungen  lassen  natürlich  den  fiskalischen  Grund- 
zug in  den  Reformen  des  Kaisers  scharf  hervortreten;  nur  dürfen  sie 
nicht  dazu  verleiten,  die  Verdienste,  die  sich  der  Kaiser  um  die  kom- 
merzielle Entwickelung  seines  Königreichs  erworben  hat,  zu  unter- 
schätzen. Durch  seine  Handelspolitik  hat  er  es  seinen  Untertanen 
überhaupt  erst  ermöglicht,  es  mit  der  bisher  übermächtigen  Konkur- 
renz der  fremden  Kaufleute  auf  zunehmen  ^j ;  freilich  fehlte  es  vielfach 
an  der  rechten  Unternehmungslust  und  wohl  auch  an  den  Kapitalien 
zur  Ausnutzung  der  vom  Kaiser  geschaffenen  günstigeren  Bedingungen. 

Die  strenge  Ordnung,  die  der  Kaiser  überall  im  Reiche  zu  schaffen 
und  zu  sichern  bemüht  war,  konnte  ebenfalls  der  Entwicklung  des  legalen 
Handels  nur  günstig  sein.  Im  Maß-  und  Gewichtswesen  hat  er  Verbesserungen 
eingeführt,  die  Kaufleute  und  Publikum  nach  ihrem  vollen  Werte  zu  schätzen 
allerdings  noch  nicht  reif  waren.  Auch  dem  Marktwesen  wandte  er  seine  Für- 
sorge zu.  Jahr-  und  Wochenmärkte,  die  in  der  Zeit  der  Wirren  durch  Usur- 
pation (in  der  Regel,  um  den  Großen  des  Landes  einen  Gewinn  zu  verschaffen) 
eingerichtet  worden  waren,  beseitigte  er  wieder,  bestätigte  dagegen  diejenigen, 
die  schon  zur  Zeit  Wilhelms  H.  bestanden  hatten.^)  Später  hielt  er  es  für 
zweckmäßig,  eine  Neuordnung  der  Haupt  Jahrmärkte  in  dem  festländischen 
Teil  seines  Königreichs  vorzunehmen  *),  die  im  Januar  1234  publiziert  wurde 
imd  in  erster  Linie  darauf  berechnet  war,  eine  Kollision  derselben  zu  ver- 
meiden, so  daß  den  Händlern  der  Besuch  aller  dieser  Märkte  möglich  war, 
während  es  ihnen  andererseits  untersagt  wurde,  während  der  Dauer  einer 
solchen  Messe  ihre  Waren  an  einem  anderen  Orte  der  betreffenden  Provinz 
zu  Verkauf  zu  bringen.  Das  Winterhalbjahr  war  von  diesen  Messen,  deren 
jede  etwa  14  Tage  dauerte,  frei ;  die  erste  fand  im  Bezirk  Abruzzen  zu  Solmona 
statt  und  begann  am  23.  April,  die  zweite  zu  Capua  begann  am  22.  Mai, 
und  so  folgten  sich  monateweise  nach  Süden  vorrückend  die  Messen  von 
Luceria,  Bari,  Tarent,  Cosenza  bis  zu  der  Messe  des  kalabrischen  Reggio,  die 
am  18.  Oktober  begann  und  mit  dem  1.  November  endete.^)  Wenn  gerade 
die  volkreichste  Stadt,  Neapel,  und  so  wichtige  Seeplätze  wie  Brindisi  und 
Gaeta  nicht  mit  Messen  bedacht  wurden,  so  erklärt  sich  das  wohl  daraus, 
daß  bei  dem  starken  ständigen  Handelsverkehr  an  diesen  Orten  die  Ein- 
richtung besonderer  Meßzeiten  überflüssig  erschien;  aus  demselben  Grunde 
ist  die  Neuordnung  wohl  auch  nicht  auf  Sizilien  mit  seinen  großen  ständigen, 


1)  Winkelmann  Acta  I,  622  no.  797. 

')  Vgl,  die  Bestimmung  von  c.  1247  (Winkelm.  Acta  I,  703)  betr.  die  regni- 
colae  .  ,,  qui  merces  de  regno  extrahunt  in  ultramarinis  partibus  distrahendas. 

')  Rycc.  bei  Gaudenzi  Chron.  p.  102  rub,  9.  Winkelmann  I,  531.  Chone  23, 
Im  Jahre  1239  wurde  die  Einrichtung  eines  Montagswochenmarkts  in  der  Altstadt 
von  Termoli,  für  die  die  Einwohner  50  Goldunzen  versprochen,  genehmigt.  Huill. 
Bröh.  V,  442, 

*)  Rycc.  1,  c.  p,  146.     Winkelmann  U,  416, 

*)  Daß  diese  Messen  wirklich  ins  Leben  getreten  sind,  was  Winkelmann  sehr 
zweifelhaft  erschien,  geht  daraus  hervor,  daß  sie  auch  in  angiovinischer  Zeit,  wenn 
auch  nicht  mehr  mit  dem  ursprünglichen  ausschließenden  Charakter,  noch  fort- 
bestanden.   Yver  71, 

33* 


516     Vierunddreißigstes  Kapitel.     Das  sizilische  Königr.  unter  d.  Selbstregierung  etc. 

an  allen  Waren  Überfluß  bietenden  Märkten  Messina  und  Palermo  ausgedehnt 
worden.i) 

404.  Der  Entwickelung  des  Aktivhandels  seiner  Untertanen  war 
auch  in  erster  Linie  die  Eröffnung  der  elf  neuen  Seehäfen  zu  dienen 
bestimmt,  die  der  Kaiser  angesichts  des  Krieges  mit  Venedig  und 
Genua  am  5.  Oktober  1239  in  seinem  Heerlager  bei  Mailand  verfügte.^) 

Es  befanden  sich  darunter  die  Häfen  von  PozzuoH,  Torre  del  Garig- 
liano,  Vietri,  Pescara,  S.  Cataldo  bei  Bari,  Cotrone  und  auf  Sizilien  das  1231 
neubegründete  3)  Agosta  und  Trapani;  im  selben  Jahre  noch  wurde  auch 
dem  Wunsche  der  Bevölkerung  von  Heraclea  (Nordküste  der  Insel)  statt- 
gegeben, daß  für  die  Barken  der  Küstenschiffahrt  ein  Hafen  geschaffen 
werden  möge  und  dafür  eine  Summe  von  1000  Tari  bewilligt.^)  Und  wenn 
der  Kaiser  damals  seinen  Untertanen  unter  der  Hand  die  Ausfuhr  von 
Lebensmitteln  nach  Venedig  gestatten  ließ^),  so  mußte  auch  das  dazu  bei- 
tragen, ihre  aktive  Betätigung  am  Seehandel  zu  entwickeln.  Wenn  der 
Kaiser  Maßregeln  traf,  um  Ackerbau  und  Viehzucht  (insbesondere  auch  die 
Schafzucht)  zu  fördern,  wenn  er  Kulturpflanzen  wie  Indigo  und  Henna  auf 
Sizilien  einzubürgern  suchte,  die  Einwanderung  begünstigte,  die  Zucker- 
industrie nach  Palermo,  Waffenfabriken  nach  Messina  verpflanzte,  so  sind 
das  nur  einzelne  Zeugnisse  ß)  für  sein  Bestreben,  die  Quellen  der  Landes- 
wohlfahrt zu  vermehren  und  ergiebiger  zu  machen,  Dinge,  die  zuletzt  ebenso 
wie  die  Entwicklung  der  Marine'')  auch  dem  Handel  zugute  kommen 
mußten. 

Sicher  ist  dem  Kaiser  bei  seinem  Regierungssystem  manche  Härte, 
manche  den  Handel  schädigende  Bestimmung  untergelaufen  —  im 
ganzen  aber  bezeichnet  seine  Tätigkeit  auch  für  die  kommerzielle 
Entwickelung  seines  Königreichs  den  früheren  Zeiten  gegenüber  einen' 
wesentlichen  Fortschritt,  der  dadurch  freilich  beeinträchtigt  werden 
mußte  ^),    daß    seine   Regierung  mit   einem   fast   fünfzehnjährigen    ge- 

')  Keinenfalls  ist  die  Messe  von  Reggio  zugleich  die  für  Sizilien,  wie  Winkel- 
mann II,  416  A.  2  annimmt. 

«)  Huillard-Br^h.  V,  418  ff.,  954  f.  Winkelmann  Acta  I  no.  841  p.  647  ff.  Vgl. 
Chone  85  f. 

=•)  Scheffer-Boichorst  p.  250  f. 

*)  Huillard-Bräh.  V,  633. 

»)  Oben  §  390. 

6)  Huillard-Bröh.  IV,  238 ;  V,  423,  571,  574,  722 ;  W.  Acta  I  no.  799,  816,  940. 
Naude  159.  Über  Henna  (Benutzung  der  Blätter  zur  Färberei  in  orange)  s.  Wiesner 
n  (1903)  p.  602. 

")  Wenn  der  Kaiser  Anfang  1240  als  seinen  Willen  kundgibt,  daß  immer 
10  Schiffe  für  seinen  Dienst  zur  Verfügung  ständen,  so  sind  damit  offenbar  Handels- 
schiffe gemeint ;  er  genehmigte  damals  den  Verkauf  eines  abgenutzten  Schiffes  für 
300  Goldunzen  mit  der  Weisung,  unverzüglich  ein  neues  anzukaufen.  Huillard- 
Br6h.  V,  780,  782. 

8)  Es  ist  ein  Zeichen  der  wachsenden  Geldnot,  daß  der  Kaiser  im  Jahre  1244 
dem  Sekretus  des  westlichen  Sizilien  (und  entsprechend  sicher  auch  den  Behörden 
in  den  anderen  Provinzen)  befahl,  die  kaiserlichen  Einkünfte  daselbst  höher  zu 
verpachten.  Der  Sekretus  begann  mit  den  auf  den  öft'entlichen  Plätzen  errichteten 
Häusern,  Läden  und  Buden  in  Palermo,  die  bisher  ein  (fixiertes)  Drittel  ihrer  Ein- 
künfte abzuführen  gehabt.  Im  September  berichtet  er  über  einen  Fall,  wo  ihm  die 
Steigerung  der  bisherigen  Pacht  von  24  Tari  (prout  in  quaternione  doane  apothe- 
carum  continebatur)  auf  32  gelang.     Acta  I  no.  707. 


II 


d 


Fünfunddreißigstes  Kapitel.     Sardinien  und  Korsika.  517 

waltigen  Kriege  schloß,  der  sich  zwar  fast  ganz  außerhalb  der  Grenzen 
der  siziUschen  Monarchie  abspielte,  dafür  aber  fast  ausschließlich  mit 
ihren  Mitteln  geführt  werden  mußte.  ^) 


Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

Sardinien  und  Korsika. 

405.  Je  größer  die  Erfolge  waren,  die  Genua  am  Anfang  des 
12.  Jahrhunderts  im  fernen  Syrien  errang,  um  so  unerträglicher  er- 
schien ihm  die  dominierende  Stellung,  die  Pisa,  auf  die  geistliche  Ge- 
walt seines  Erzbischofs  gestützt,  auf  dem  fast  vor  seinen  Toren  ge- 
legenen Korsika  einnahm. 

Im  Jahre  1119  begann,  äußerlich  um  die  Frage  der  Weihe  der  korsi- 
kanischen  Bischöfe,  im  Grunde  aber  um  sehr  materielle  Macht-  und  Handels- 
interessen, ein  Krieg,  der  mit  geringen  Unterbrechungen  bis  1133  dauerte. 
Interessant  und  bezeichnend  ist  die  Rolle,  die  das  Geld  von  Anfang  an  in 
diesem  Streite  spielte.  Papst  Calixt  II.,  der  noch  im  Mai  1120  bei  seinem 
Zuge  durch  Pisa  die  Privilegien  seiner  Vorgänger  erneuert  hatte  2),  ließ  sich 
mit  der  gesamten  Kurie  durch  genuesisches  Geld  gewinnen;  wie  uns  der 
erhaltene  Bericht  des  damaligen  genuesischen  Gesandten  CafEaro  und  der 
Vertrag  vom  Juni  1120  dartun,  erhielt  der  Papst  selbst  1700  Mark  Silber; 
im  ganzen  haben  Caffaro  und  sein  Mitgesandter  damals  in  Rom  gegen 
2300  Mark  Silber,  350  Goldunzen  und  100  1.  paveser  Denare  für  ihre  Be- 
stechungszwecke aufwenden  müssen.  Und  mit  gewaltigem  Aufgebot  unter- 
stützten die  Genuesen  gleichzeitig  den  neu  gewonnenen  Anspruch :  mit  einer 
Flotte  von  80  Galeeren,  63  kleineren  Schüfen  (gatis  et  golabis)  und  22000 
Mann,  worunter  5000  mit  Panzern  und  Erzhelmen  bewaffneten,  zwangen 
sie  die  Pisaner  zum  Nachgeben  (noch  im  September  1120).^)  Doch  schon 
im  folgenden  Jahre  brach  der  Krieg  wieder  aus,  der  sich  namentlich  um 
das  castrum  S.  Angeli  drehte;  im  Jahre  1126  machte  der  den  Pisanern  ge- 
wogene Honorius  II.  den  Spruch  seines  Vorgängers  wieder  rückgängig.'*) 
Erst  Innocenz  II.  aber  schlichtete  durch  ein  Kompromiß  den  langen  Streit 
(1133)^):  Genua,  zum  Erzbistum  erhoben,  das  dem  pisanischen  im  Range 
gleichstehen    sollte,    erhielt   die    Sprengel  von  Mariano,  Nebbio    und  Accia 


•)  Der  Auffassung  Winkelmanns  II,  286,  daß  des  Kaisers  sizilisches  Walten 
im  Grunde  nur  ein  Raubbau  gewesen,  vermag  ich  mich  nicht  anzuschließen. 

*)  Lib.  jur.  I,  p.  21  ff.  Imperiale  p.  380  ff.  Neuere  Literatur:  Dove  A.,  Kor- 
sika und  Sardinien  in  den  Schenkungen  an  die  Päpste.  München  1894  (S.-B.  d. 
Ak.  d.  Wiss.)  Colonna  de  Cesari  Rocca,  Recherches  sur  la  Corse  au  moyen-äge. 
Origine  de  la  rivalit^  des  Pisans  et  des  Gönois  en  Corse  (1014 — 1174).  Genua  1901. 
Manfroni  172  ff. 

»)  SS.  XVIII,  856.  Pflugk-Harttung,  Iter  p.  456.  Imperiale  nota  22  p.  387.  Zu- 
letzt nach  dem  Original  ann.  genovesi  I  p.  20  not.  1.  Die  Mark  Silber  wurde  mit 
13,  die  uncia  auri  de  tarinis  mit  10  solidi  papiensis  raonete  berechnet. 

«)  J.-L.  no.  7266. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  33  (20.  März) ;  Pflugk-Harttung,  Acta  II  no.  312  p.  273.  Im- 
periale p.  392  f.  u.  395  f. ;  vgl.  Cod.  Sard.  I,  p.  212. 


518  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

(letzteres  aus  Gebietsteilen  von  Mariana  und  Aleria  neu  gebildet),  während 
dem  pisanischen  Erzbischof  die  Weihe  der  drei  anderen  Bischöfe,  von  Aleria, 
Ajaccio  und  Sagona,  verblieb.  Damit  war  der  nordöstliche  Teil  der  Insel, 
ungefähr  1/3  des  Ganzen,  dem  bis  dahin  überwiegenden  p!sanischen  Ein- 
flüsse, soweit  er  auf  der  geistlichen  Autorität  beruhte,  entzogen.  Doch  muß 
man  bei  alledem  immer  festhalten,  daß  von  einer  wirklichen  Beherrschung 
dieses  oder  des  anderen  Teils,  sei  es  durch  die  Genuesen  oder  durch  die 
Pisaner,  nicht  die  Rede  sein  kann;  nur  einzelne  Stützpunkte  besaßen  die 
beiden  Nationen  für  ihren  Handel  auf  der  Insel,  und  die  lokalen  Macht- 
haber änderten  ihr  Verhalten  ihnen  gegenüber  oft  genug  nach  Gelegenheit 
und  Vorteil. 

406.  Für  unsere  Kenntnis  des  Handelsverkehrs  der  beiden  Seestädte 
mit  der  Insel  ist  zunächst  die  pisanische  SeezinstabeUe  beachtenswert,  die 
Corsica  et  Gaulo  usque  ad  Agrile  mit  15,  Balania  et  toto  de  Pomonte  mit 
171/2  Prozent  aufführt.^)  Unter  Korsika  muß  hier  nur  das  in  das  C.  Corso 
auslaufende  Nordhorn  der  Insel  verstanden  sein;  Golo  ist  der  Name  des 
größten  Flusses  der  Insel  im  Nordosten  derselben;  Agrile  ist  vielleicht  mit 
dem  heutigen  Algajola  im  Nordwesten  identisch.  Wie  das  auch  der  ge- 
ringeren Entfernung  entspricht,  galt  also  der  niedrigere  Satz  für  den  nörd- 
lichen, Pisa  etwas  näher  gelegenen  Teil  der  Insel,  größtenteils  also  denselben, 
der  1133  der  Hoheit  des  genuesischen  Erzbischofs  zugesprochen  war.  Mit 
Pomonte  scheint  die  ganze  Ostküste  südlich  vom  Gebiet  des  Flusses  Golo, 
mit  der  Balagna  die  ganze  Westküste  gemeint  zu  sein;  der  Seezins  nach 
diesen  Gebieten  war  gleich  hoch  wie  für  Fahrten  nach  Marseille.  Im  Mai 
1119  wurden,  wie  uns  Caffaro  berichtet,  Pisaner  mit  vielen  Waren  (cum 
magna  pecunia)  von  16  genuesischen  Galeeren  »in  Gaulo«  gefangen  ge- 
nommen, wonach  das  Gebiet  für  den  pisanischen  Handel  besonders  wichtig 
gewesen  sein  muß.  In  demselben  Gebiet  ließen  die  Pisaner  unter  dem 
Sicherheitsversprechen  (sub  fidantia)  des  Markgrafen  im  Jahre  1174  2)  ein 
großes  Schiff  erbauen,  doch  wurde  es  von  6  genuesischen  Galeeren  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  treubrüchigen  Markgrafen  verbrannt.  Diente  so  das 
waldreiche  Korsika  unmittelbar  dem  Schiffbau  der  handeltreibenden  Nationen, 
so  gelangten  auch  Schiffsplanken  und  anderes  Bauholz,  Pech  u.  dgl.  zur 
Ausfuhr,  wofür  wir  eine  ausdrückliche  Bestätigung  in  dem  Gedichte  über 
den  BalearenfeldzugS)  der  Pisaner  besitzen.  Auch  die  pisanischen  fabri 
fanden  in  Korsika  ein  Feld  für  ihre  Tätigkeit.*)  Aus  den  genuesischen 
Quellen  werden  wir  belehrt,  daß  außerdem  Getreide  einen  wichtigen  Aus- 
fuhrartikel bildete,  während  Salz  bei  der  Einfuhr  nach  der  Insel  eine  große 
Rolle  spielte.  Jedes  Schiff,  das  von  Korsika  nach  Genua  kam,  zahlte  an 
die  erzbischöfliche  Kurie  einen  Zehnten  von  7  sol.,  war  es  aber  zum  größeren 
Teil  mit  Getreide  beladen,  so  war  für  jede  Person  auf  dem  Schiffe  eine  Mina 
in  natura  zu  entrichten.  Häufig  war  der  Fall,  daß  genuesische  Schiffe  von 
Genua  selbst  oder  einem  Orte  seines  Gebiets  mit  Salz  nach  Korsika  gingen. 

11 

1)  Bonaini  II  p.  905.  ^1 

»)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  265. 

')  Lib.  Maiolich.  p.  10  v.  98:  Quicquid  tunc  habuit  nemorosi  Corsica  ligni 
Aut  picis  innumeros  ratium  defertur  ad  usus.  Vier  archivalische  Zitate  für  das 
Vorkommen  korsischer  Sklavinnen  in  Pisa  aus  den  .lahren  1117—1158  gibt  Volp©j 
121  A.  1. 

*)  Urkunde   des  Erzbischofs   Roger   für   die   Fabri   von  1129   bei  Bonaini 
p.  891  f.  (>ad  fabrilia  negotia  exercenda«). 


Sardinien  und  Korsika.  519 

und  dort  dafür  Getreide  luden,  häufig  auch,  daß  sie  Salz  von  Sardinien  nach 
Korsika  brachten  und  von  hier  mit  Getreide  nach  Genua  weiter  gingen; 
der  erzbischöfliche  Zehnte  steigerte  sich  in  letzterem  Falle  auf  den  drei- 
fachen Betrag.^)  Auffallend  könnte  es  scheinen,  daß  Korsika  in  dem  Notu- 
larium  des  Johannes  niemals  erwähnt  wird;  doch  ist  daraus  wohl  nur  zu 
schließen,  daß  der  Handelsbetrieb  mit  der  nahe  gelegenen  Insel  sich  in 
kleineren  Verhältnissen  und  altgewohnten  Formen  bewegte,  die  zu  notariellen 
Beurkundungen  weniger  Veranlassung  boten.2) 

Eine  wesentliche  Verstärkung  der  pisanischen  Stellung  auf  der  Insel 
schien  es  zu  bedeuten,  als  die  Pisaner  um  die  Mitte  der  achtziger  Jahre  mit 
geschickter  Wahl  der  Örtüchkeit  nahe  der  Südspitze  eine  Feste,  das  »castrum 
Bonifacii«,  erbauten,  die  zugleich  für  den  Besitz  des  gegenüberliegenden 
Nordens  von  Sardinien  von  hoher  Wichtigkeit  sein  mußte.  Vielleicht  war 
dieser  Bau  auch  erst  die  Antwort  der  Pisaner  auf  den  Vertrag,  den  Genua 
im  November  1186  mit  dem  Judex  von  Torres  geschlossen.  Jedenfalls  brach 
schon  im  folgenden  Jahre,  wegen  der  Vorgänge  in  Syrien  sehr  zur  Unzeit, 
der  offene  Krieg  zwischen  den  beiden  Seestädten  wieder  aus;  trotz  kaiser- 
licher Intervention  zog  Fulco  de  Castello  mit  10  Galeeren  vor  Bonifacio, 
eroberte  das  Kastell  und  zerstörte  es  völlig.^)  Bei  dieser  Zerstörung  behielt 
es  auch  im  FriedÄi  von  1188,  der  den  Pisanern  sonst  manche  Vorteile 
brachte,  sein  Bewenden. 

407.  Erst  mit  dem  12.  Jahrhundert  tritt  die  kommerzielle  Stel- 
lung der  Pisaner  und  Genuesen  auf  der  vorher  wie  nachher  nicht 
minder  wie  Korsika  vielumstrittenen  Insel  Sardinien  in  ein  helleres 
Licht;  Fehden  der  vier  Judikate  untereinander  und  innerhalb  der- 
selben, auf  die  einzugehen  uns  hier  fern  liegt,  bewirkten  immer  wieder 
die  Hereinziehung  der  Seemächte  in  die  sardinischen  Händel,  begün- 
stigten die  Verleihung  von  Besitzungen,  Rechten  und  Handelsprivi- 
legien an  diese,  ließen  aber  auch  die  von  ihnen  gewonnene  Stellung 
oft  genug  unsicher  und  gefährdet  erscheinen.  Was  aber  im  11.  Jahr- 
hundert schon  angebahnt  und  stark  vorbereitet  war,  vollendete  sich 
im  zwölften;  die  kommerzielle  Ausbeutung  der  Insel  lag  vollständig 
in  der  Hand  der  vom  Norden  des  Tyrrhenischen  Meeres  kommenden 
Kaufleute,  der  Pisaner  in  erster  Linie  und  nächst  ihnen  der  Genuesen. 

In  dem  Judikat  des  Südens,  dem  wichtigsten  der  Insel,  erlangten  die 
Pisaner  schon  am  Anfang  des  Jahrhunderts  erhebliche  Zugeständnisse.  Im 
Mai  1103  erließ  der  Judex  Turbinus  von  Cagliari,  um  sich  die  Freundschaft 
der  Pisaner  zu  erhalten  und  zu  verhüten,  daß  sie  ihn  und  sein  »regnum« 
schädigten,  seinen  »getreuesten  Freunden«,  wie  er  die  Pisaner  nennt,  eine 
Reihe  von  ihnen  bisher  entrichteter  Abgaben:  den  Winter-  und  Sommerzoll 


')  Atti  Lig.  II,  2  p.  10  f. ;  vgl.  Lib.  Jur.  I  no.  909  (Ablösung  der  Decima  im 
Jahre  1258).  Auch  der  cintracus  Genuas  erhob  von  jedem  lignum,  das  nach  Kor- 
sika ging,  eine  mina  grani ;  ib.  no.  75. 

*)  Eine  Urkunde  von  1149  erwähnt  die  Einfuhr  von  »lenis  Corsicist  durch 
die  Pisaner  nach  Genua;  Lib.  Jur.  I  no.  151.  Im  Texte  steht  zwar  »de  lenis  et 
corsicis  et  sacris  Sardineec;  da  es  aber  weiter  unten  heißt  >de  lena  et  sacro«,  so 
ist  das  et  offenbar  zu  streichen,  so  daß  es  sich  also  um  die  Einfuhr  von  korsischen 
Bettlaken  handelt. 

^)  Ann.  genovesi  11,  j).  25  (1187)  »castrum  Bonifacii  quod  Pisani  construxerant.« 


520  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

(wohl  Abgaben,  die  von  den  vor  Anker  geehenden  Schiffen  erhoben  wurden) 
und  den  Salzzoll  i);  und  nicht  ganz  5  Jahre  später  erweiterte  sein  Nach- 
folger, der  Judex  Torchitor,  auch  Mariano  genannt,  dies  Privileg  sehr  wesent- 
lich.2)  Die  Pisaner  hatten  ihn  ein  Jahr  lang  mit  3  Galeeren  unterstützt, 
große  Bedrängnis  auf  der  im  Südwesten  seines  Judikats  gelegenen  Isola  di 
8.  Antioco  (genau  genommen  einer  Halbinsel)  mit  ihm  erduldet  und  durch 
ihre  Tapferkeit  das  meiste  zu  seinem  schließlichen  Erfolge  über  einen  Prä- 
tendenten beigetragen.  Dafür  erließ  er  nun  allen  Pisanern  jegliche  Abgabe 
in  seinem  Gebiet,  schenkte  dem  Dom  vier  große  ritterschaftliche  Höfe  und 
verpflichtete  sich  außerdem,  alljährlich  an  den  Dom  1  Pfund  besten  Goldes 
oder  dessen  Wert  sowie  eine  Schiffsladung  guten  Salzes  auf  eigene  Kosten 
nach  Pisa  zu  schicken.^)  Sein  Sohn  und  Nachfolger  Constantin  II.  hat  am 
13.  Februar  1130  alle  diese  Verleihungen  bestätigt.^)  Auf  die  Thronbesteigung 
Torchitors  geht  auch  die  Stellung  der  Genuesen  im  Judikat  zurück.  Zum 
Dank  dafür,  daß  sie  ihn  mit  6  Galeeren  unter  der  Führung  des  Otto  For- 
narius  unterstützt  hatten,  verlieh  er  am  18.  Juni  1107  dem  Dom  von  Genua 
6  Höfe,  verhieß  ihm  einen  jährlichen  Tribut  von  1  Pfund  Gold  und  über- 
wies ihm  alle  bisher  von  den  Genuesen  entrichteten  Abgaben.  Drei  von 
den  6  curtes  wurden  1120  gegen  6  andere  von  geringerem  Werte  einge- 
tauscht, ein  Tausch,  den  der  Freund  der  Genuesen,  Pj^st  Calixt  II.,  am 
5.  Januar  1121  feierHch  bestätigte.^) 

In  dem  den  Pisanern  zmiächst  gelegenen  Judikat  Gallura,  das  den 
größten  Teil  der  steilen,  im  ganzen  wenig  einladenden  Ostküste  der  Insel 
einnahm,  haben  die  Pisaner  im  2.  Jahrzehnt  des  Jahrhunderts  eine  beherr- 
schende Position  erlangt.  Zunächst  belehnte  Padulesa  de  Gunale,  die  Witwe 
Torchitorios,  am  14.  März  1113  den  Bevollmächtigten  der  Dombauverwaltung, 
Richter  Ildebrandus,  mit  einer  »in  curatoria  de  Civita«  (bei  dem  heutigen 
Terranova)  gelegenen  curtis  integra  mit  allem  Zubehör  6);  offenbar  war  sie, 
die  von  dem  Judex  Othocor  heftig  befehdet  wurde  —  aus  Furcht  vor  ihm 
war  bei  der  Beurkundung  der  Schenkung  kein  angesehener  Sarde  als  Zeuge 
zugegen  —  ganz  auf  die  Hilfe  der  Pisaner  angewiesen.  Wenig  später  aber 
zog  es  auch  Othocor  (Orzocorre,  Ithocor)  vor,  sich  mit  den  Pisanern  gut  zu 
stellen ;  er  bestätigte  die  Schenkung  der  Padulesa  nicht  nur  ^),  sondern  leistete 
dem  Dom  und  dem  Comune  von  Pisa  den  Treueid  und  fügte  seinerseits 
am  8.  Mai  1116  4  curtes  mit  Kirchen  und  allem  Zubehör  hinzu;  feierlich 
versprach  er,  die  Sicherheit  der  Bevollmächtigten,  die  der  Dom  zur  Ver-, 
waltung  seiner  Höfe  nach  Gallura  schicken  würde,  zu  garantieren  und  einen 
Jahrestribut  von  1  Pfund  guten  Goldes  zu  zahlen.^) 


*)  >tolineum   de   yberno  et  de  estate  et  de  sale« ;  Chart.  11  no.  150  p.  191  f 
Cod.  Sard.  I  p.  177. 

2)  Bonaini  I  p.  277 ;  Cod.  Sard.  I  p.  181.     Datiert  1108,  ind.  I,  7  Kai  .  .  .,   wo 
nach  die  Urkunde  in  das  Ende  eines  der  Monate  vom  September  1107  bis  Februar' 
1108  gehört.     Über   die  Judices  von  Cagliari   in  dieser  Zeit  s.  Besta:   Nuovi   studi 
im  Arch.  it.,  s.  5,  XXVII  (1901),  51  ff. 

*)  Eine   weitere  Schenkung   (Murat.  Antiqu.  II,   1055)  beziehen   Manno   und 
Bonaini  (1.  c.)  auf  denselben  Judex. 

*)  Bonaini  I  p.  278;  Chart.  II  no.  167;  Cod.  Sard.  I  p.'206. 

")  Cod.  Sard.  I  p.  178  no.  3  (no.  4  p.  179    ein  Verzeichnis   der   servi   und  an- 
cillae  auf  den  curtes);  p.  201  f.  no.  29  und  31. 

«)  Bonaini  I,  280.     Chart.  II  no.  153.     Cod.  Sard.  I  p.  184  f. 

')  Bonaini  I,  281  f.,  Cod.  Sard.  I  p.  191  f. 

8)  Bonaini  I,  280 ;  Chart.  H  no.  157 ;  Cod.  Sard.  I  p.  195.  Ein  Konsul  von  Hsa, 


I 


Sardinien  und  Korsika.  521 

408.  In  Torres,  dem  Judikat  des  Nordwestens,  genossen  die  Pisaner 
schon  seit  der  Zeit  des  Bischofs  Gerhard  Freiheit  von  Handelsabgaben;  im 
Jahre  1131  gesellten  sich  wichtige  Erwerbungen  dazu.^)  Der  Judex  Gon- 
nario  II.  war  damals  in  Krieg  mit  seinem  südlichen  Nachbar,  dem  Judex 
von  Arborea,  verwickelt  und  erschien  selbst  in  Pisa,  um  die  Hilfe  der  Re- 
publik gegen  diesen  nachzusuchen.  Am  6.  März  1131  leistete  er  dem  pisa- 
nischen  Erzbischof  den  Treueid,  versprach  den  Pisanern  Rechtsschutz  in 
seinem  Gebiete,  wie  ihn  seine  eigenen  Untertanen  genössen  (secundum  usum 
Sardinee  terre)  und  schenkte  dem  Dom  2  große  ritterschaftliche  Höfe  mit 
allem  Zubehör  an  Hörigen,  Vieh,  Ländereien  und  Salinen;  der  eine  davon 
lag  in  der  Landschaft  Nurra  im  Nordwesten  des  Judikats,  der  andere  war 
Bosa  an  der  Westküste.  Als  besonders  wertvollen  Besitz  fügte  er  endlich 
noch  die  Hälfte  des  Silberberges  (montis  qui  dicitur  Argenti,  heut  Argen- 
tiera)  hinzu.  Die  Hilfe,  die  der  Judex  von  Torres  bei  Pisa  fand,  veranlaßte 
seinen  Gegner,  sich  den  Genuesen  zuzuwenden.  Auch  in  den  sardinischen 
Gewässern  hatte  der  damalige  Krieg  der  beiden  Seestädte  sich  gelegentlich 
abgespielt,  und  es  ist  ein  Beweis  für  die  Lebhaftigkeit  des  pisanischen 
Handels  mit  der  Insel,  daß  im  Jahre  1124  den  Genuesen  ein  ganzer  Zug 
von  22  reichbeladenen  pisanischen  Schiffen,  der.  von  Sardinien  kam,  nach 
der  Flucht  der  zu  seiner  Deckung  bestimmten  9  Galeeren  in  die  Häilde 
flel.2)  Jetzt  erschien  auf  ein  Gesuch  Comitas  IL  von  Arborea  der  genue- 
sische Konsul  de  comuni  Otto  Gontardus  (von  1131)  in  Sardinien,  und  der 
Judex  leistete  nun  in  der  Hoffnung  auf  Verteidigung  seines  Reiches  durch 
die  Genuesen  im  Dezember  in  seine  Hand  den  Treueid  für  Genua;  der 
Laurentiuskirche  und  dem  Comune  von  Genua  schenkte  er  in  der  Ebene 
von  Arborea  eine  Kirche  (s.  Petrus  de  Claro)  mit  Zubehör,  einen  ritterschaft- 
lichen Hof  mit  100  Hörigen  und  die  Hälfte  aller  Silbererze  führenden  Berge 
in  seinem  ganzen  Judikat  (medietatem  montium  in  quibus  invenitur  vena 
argenti).  Da  er  zugleich  Anspruch  auf  Torres  erhob  und  dieses  mit  Hilfe 
der  Genuesen  zu  erobern  hoffte,  so  erwies  er  sich  in  bezug  auf  dieses 
Judikat  nicht  minder  freigebig ;  2  ihm  selbst  und  2  seinen  Verwandten  ge- 
hörige Höfe  verlieh  er  ihnen  hier  sowie  1/4  aller  Silbererze  führenden  Berge. 
Zunächst  waren  diese  Verleihungen  für  den  Fall  ausgestellt,  daß  es  ihm 
gelänge,  das  »Regnum  Turris«  zu  erwerben;  auf  Wunsch  der  Genuesen 
aber  ließ  er  diese  hypothetische  Fassung  fallen;  die  bedingungslose,  wenn 
auch  nicht  ausführbare  Verleihung  erschien  den  Genuesen  offenbar  als  ein 
für  die  Zukunft  wertvollerer  Rechtstitel.^) 

Die  Hoffnungen  der  Genuesen  gingen  fürs  erste  nicht  in  Erfüllung; 
vielmehr  stärkte  der  Friede  von  1133  die  Stellung  der  Pisaner  auf  Sardinien 
ungemein ;  wenn  sie  auf  Korsika  den  Genuesen  große  Vorteile  lassen  mußten, 
so  konnte  alles  das  wohl  als  aufgewogen  gelten  durch  die  Zugeständnisse,; 
die  ihnen  die  Kurie  in  bezug  auf  Sardinien  machte   und  1138  feierlich  be- 


Albertus, der  Richter  Rainerius  und  der  Operarius  Bellus  sind  bei  der  Schenkung 
zugegen.  Den  undatierten  Treueid  Ithocors  (ib.  279  und  192)  setze  ich  nur  wenig 
früher;  in  ihm  wird  die  Schenkung  der  vier  Höfe  versprochen. 

')  Oben  §  36.     ßonaini  1,  283.     Chart.  II  no.  170.     Cod.  Sard.  I  p.  206  f. 

*)  Ann.  genov.  I,  21 :  naves  22  ex  magna  peccunia  ponderatas. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  28;  no.  30  (hier  fehlen  die  genuesischen  Zeugen  und  ist 
eine  andere  Kirche  benannt),  ersetzt  durch  no.  29  (wo  es  nunmehr  auch  in  bezug 
auf  das  Judikat  Torres  >dono<  und  nicht  mehr  »dabo«  heißt).  Cod.  Satd.  I  no.  41/ 
42  p.  207  f.     Chart.  I  no.  468  p.  767   (irrig  zum  31.  Dezember  datiert). 


522  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

stätigte:  dem  Erzbistum  Pisa  wurden  nunmehr  die  beiden  Bistümer  des 
Judikats  Gallura,  Civita  und  Galtellia,  als  Suffraganbistümer  unterstellt, 
außerdem  erhielt  der  Erzbischof  die  Legation  für  die  ganze  Insel,  die  schon 
Urban  II.  einmal  dem  pisanischen  Erzbischof  verliehen,  und  dazu  den  Primat 
über  das  Erzbistum  Torres,  in  dessen  Sprengel  Pisa  wenige  Jahre  vorher 
so  wichtige  Rechte  erworben  hatte.i) 

409.  Es  folgte  nun  eine  dreißigjährige  Friedenszeit,  innerhalb  deren 
die  beiden  Rivalen  in  friedlichem  Wettbewerb  ihre  kommerzielle  Tätigkeit 
auf  der  Insel  entfalten  konnten.  Schon  aus  der  bisherigen  Darstellung  er- 
gibt sich,  daß  für  den  Export  aus  Sardinien  vor  allem  die  Produkte  der 
Landwirtschaft,  ferner  Salz  und  Metalle,  namentlich  Silber,  in  Betracht 
kamen ;  auch  Edrisi  2)  spricht  von  den  sardischen  Bergwerken  besten  Silbers, 
das  von  hier  zur  Ausfuhr  gelange.  Positive  Nachrichten  über  den  Handel 
mit  Sardinien  liegen  in  etwas  größerer  Zahl  für  Genua  vor.  In  Genua 
zahlte  jedes  von  Sardinien  kommende  Schiff  einen  Zehnten  von  9  sol.  an 
den  Erzbischof;  Getreideschiffe  indessen  hatten  die  übliche  Naturalabgabe 
von  1  Mina  Getreide,  Salzschiffe  eine  solche  von  3  Minae  Salz  für  jede 
Person  auf  dem  Schiffe  zu  entrichten,  wozu  noch  ein  gleicher  Betrag  pro 
Schiff  für  den  cintracus  kam.  Auch  hatte  man  im  Jahre  1134  den  Salz- 
schiffen zum  Zwecke  des  Molobaues  in  Genua  eine  weitere  Abgabe  von 
1  Mina  Salz  auferlegt  3);  überwiegend  kam  wohl  das  von  den  Genuesen  ex- 
portierte Salz  aus  den  ergiebigen  Salinen  am  Golf  von  Oristano  im  Judikat 
Arborea. 

Die  Akten  des  genuesischen  Notars  Johannes  weisen  im  ganzen 
18  Nummern  auf,  die  den  Verkehr  Genuas  mit  Sardinien  betreffen;  einiges 
daraus  sei  hervorgehoben.  Lurussus  von  Lucca,  Garucius  von  Porto  Venere 
und  der  daselbst  naturalisierte  Bolognese  Martin us*)  haben  von  Puella  in 
Genua  3^/2  Zentner  »canapaciorum«  gekauft,  zahlen  aber  laut  Vertrag  vom 
10.  Juli  1161  den  vollen  Kaufpreis  mit  6  1.  1  sol.  4  den.  jan.  erst  innerhalb 
eines  Monats  nach  behaltener  Rückkehr  einerseits  des  Fahrzeugs,  auf  dem 
Martin  mit  2^/2  Zentner  der  Ware  nach  Sardinien  reiste,  anderseits  des  von 
ihnen  selbst  in  Genua  angekauften  lignum,  auf  dem  der  Rest  der  Ware 
eingeschifft  werden  sollte.  Im  Jahre  vorher  war  Puella  selbst  auf  einer 
Handelsreise  in  Sardinien  gewesen,  für  die  er  sich  mit  dem  uns  bekannten 
Tuchhändler  Blancardus  assoziiert  hatte;  er  verfügte  dabei  über  ein  Gesell- 
schaftskapital von  249  1.  jan.ö),  das  höchste,  das  wir  aus  diesen  Akten  für 
eine  Handelsfahrt  nach  Sardinien  nachweisen  können. 


11 


0  Oben  p.  521.  Bestätigungsurkunde  vom  1.  Mai  1138  bei  Ughelli  m,  389  f. 
Cod.  Sard.  I  no.  49  p.  212.  Bernhardi,  Lothar  S.  464  A.  8.  Schon  1135  entscheidet 
Erzbischof  Ubert  von  Pisa  als  Legat  einen  Klosterstreit  auf  Sardinien.  Cod.  Sard.  I 
p.  209  no.  44  (»in  Consilio  apud  Arderam  habito«).     Dove  1.  c.  205  ff. 

»)  Ed.  Amari  p.  18. 

»)  Atti  Lig.  II,  2  p.  10  und  11.     Lib.  Jur.  I  no.  36  und  75. 

*)  Chart.  II  no.  1064.  Daß  Martin  von  Bologna  ständiger  Einwohner  von  Porto 
Venere  war,  geht  aus  einer  Urkunde  von  1173  (Lib.  Jur.  I  no.  300)  hervor.  Im  An- 
schluß an  den  erwähnten  Einfuhrartikel  sei  bemerkt,  daß  in  einem  Nachlaßinventar 
vom  17.  Juni  1164  die  Pfleger  folgenden  Posten  aufführen:  tele  brachia  50  et 
mezenas  4,  quas  dedimus  in  Sardinia  pro  solidis  21.     Chart.  II  no.  1427. 

»)  Chart,  n  no.  866  und  869  (29.  April  und  1.  Mai). 


11 

i 


Sardinien  und  Korsika.  523 

An  ähnlichen  direkten  Nachrichten  über  den  Handel  der  Pisaner  mit 
Sardinien  fehlt  es  uns  nur  zu  sehr.  Recht  bezeichnend  ist  aber,  daß  sie 
unter  Umständen  sardinische  Waren  selbst  nach  Genua  ausführten;  billige 
Erzeugnisse  einer  primitiven  Textilindustrie  sind  wohl  unter  den  »sacris 
Sardinee«  zu  verstehen,  bezüglich  derer  die  Vicecomites  von  Genua  1149 
zeugeneidhch  feststellen  ließen,  daß  die  Pisaner  bei  deren  Einfuhr  seit  alter 
Zeit  eine  Abgabe  von  1  pavesischen  Denar  zu  leisten  hätten.^)  Bessere 
Woll-,  Baumwoll-  und  Leinenstoffe  wurden  natürlich  von  Pisa  aus  nach 
der  Insel  exportiert ;  pisanische  Barsche  (sagu  pisanu)  begegnet  in  Sardinien 
mehrfach  schon  im  11.  Jahrhundert.^)  Umgekehrt  bildete  neben  Silber,  Salz 
und  Getreide  jedenfalls  auch  Wolle  einen  Hauptgegenstand  des  Exports 
der  Pisaner  aus  Sardinien.  Über  die  einzelnen  Ziele  der  pisanischen  Handels- 
fahrten nach  Sardinien  erhalten  wir  im  übrigen  durch  die  oft  erwähnte  See- 
zinstabelle den  zuverlässigsten  Aufschluß;  den  gleichen  Satz  wie  nach  dem 
südlichen  Korsika  (I71/2  Prozent)  hat  sie  für  Civita  und  die  ganze  Bucinaria 
(die  Inselgruppe  im  Nordosten,  zu  der  Maddalena  und  Caprera  gehören); 
der  Seezins  stieg  auf  20  Prozent  bei  Fahrten  nach  Orosei  und  dem  südlichen 
Gallura^)  einerseits  und  Ampurias  (heut  Kastei  Sardo)  sowie  Porto  Torres, 
dem  Hafen  von  Sassari,  an  der  Nordküste  Sardiniens  andererseits;  nach  dem 
dritten  Hafen  des  Judikats  Torres,  Bosa  an  der  Westküste,  belief  er  sich 
auf  221/2  Prozent,  während  er  nach  den  Häfen  der  Judikate  Arborea  und 
Cagliari  gleichmäßig  25  Prozent,  also  ebensoviel  wie  nach  Sizilien  und 
Tunis,  betrug. 

410.  So  wenig  diese  Nachrichten  an  sich  ausreichen,  um  die  damalige 
große  Überlegenheit  des  pisanischen  Handels  mit  Sardinien  gegenüber  dem 
genuesischen  darzutun,  so  wird  diese  doch  durch  unsere  Kenntnis  des  kirch- 
lichen und  politischen  Einflusses,  den  die  Pisaner  in  dieser  Zeit  auf  der 
Insel  übten,  unzweifelhaft  dargetan.  Für  die  wirtschaftliche  Abhängigkeit, 
in  die  GaUura  speziell  von  Pisa  kam,  ist  eine  im  erzbischöflichen  Palast  zu 
Pisa  ausgestellte  Schuldurkunde  vom  15.  Oktober  1142  lehrreich.'*)  Der 
Bischof  Bernhard  von  Galtelli  nimmt  hier  mit  Genehmigung  des  Erzbischofs 
Balduin  bei  den  Operarii  des  Doms  zur  Tilgung  älterer  Schulden  und  zur 
Deckung  der  Kosten  einer  Romreise  ein  Darlehn  von  62  1.  lue.  zu  einem 
Jahreszins  von  15  Prozent  auf ;  die  Zahlung  der  Zinsen  wie  die  Rückzahlung 
des  Kapitals  hat  durch  Übersendung  von  Waren,  die  auf  Schiffen,  die  von 
der  Dombauverwaltung  bezeichnet  wurden,  vor  Zeugen  verladen  werden 
sollten,  auf  Gefahr  des  Schuldners  zu  erfolgen.  Außerdem  wurde  die  Opera 
durch  Verpfändung  zweier  bischöflicher  Höfe  mit  allem  Zubehör  sichergestellt. 
Dagegen  haben  die  Genuesen  die  Stellung,  die  ihnen  durch  das  Privileg 
von  1131  im  Judikat  Arborea  gewährleistet  schien,  nicht  behaupten  können. 
Das  Nähere  ist  uns  freilich  nicht  bekannt ;  doch  wissen  wir,  daß  Erzbischof 

')  Lib.  Jur.  I  no.  151.  It.  saja  (Barsche),  Formen  wie :  peciae  sagiae,  sagrae, 
bilden  den  Übergang  zu  diesen  sacris. 

*)  Aufzeichnung  des  Bischofs  Gavino  von  Bisarcio ;  Cod.  Sard.  I,  159  no.  14. 
Auch  die  ebenda  erwähnten  sagu  und  pannu  paperile  (nach  der  gelungenen  Er- 
klärung von  Besta  1.  c.  p.  79  =  herrschaftlich)  kamen  wahrscheinlich  doch  von  Pisa. 

')  Bonaini  11  p.  905  >a  Galluri  et  ab  Orize  4  sol.<  Dem  Zusammenhange  nach 
kann  unter  Galluri  nur  der  südliche  Teil  des  Judikats  verstanden  sein,  während 
der  Name  gegenwärtig  gerade  an  dem  nördlichen  Teile  des  ehemaligen  Judikats 
haftet. 

*)  Chart,  n  no.  207  p.  251.     Cod.  Sard.  I  p.  213  f. 


524  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

Balduin  von  Pisa  (gest.  1145)  als  Legat  für  Sardinien  den  Bann  über  den 
Judex  Comita  verhängt  und  der  hl.  Bernhard  beim  Papste  im  Jahre  1146  die 
Aufrechterhaltung  dieser  Exkommunikation  befürwortet  hat,  während  er  den 
Judex  von  Torres  dem  Papste  als  einen  guten  Fürsten  empfahl  i);  auch  er- 
scheint Comitas  Sohn  und  Nachfolger,  Bariso,  zunächst  als  guter  Freund 
der  Pisaner;  er  diente  dem  Grafen  von  Barcelona  als  Mittelsmann,  als  dieser 
die  Hilfe  der  Pisaner  für  seine  Expedition  gegen  die  Balearen  gewinnen  zu 
können  hoffte,  und  nicht  minder  beweist  es  sein  enges  Verhältnis  zu  den 
Pisanern,  wenn  die  Urkunde  über  die  Morgengabe,  die  er  seiner  Gemahlin 
Agalbursa  von  Bas,  einer  Nichte  des  Grafen  Raimund,  bestimmte,  in  seiner 
Hauptstadt  Orestano  von  einem  pisanischen  Notar  (keinem  geringeren  als 
dem  berühmten  Rechtsgelehrten  Burgundio)  ausgestellt  wird  (31.  Oktober 
1156)  und  unter  den  Zeugen  ganz  überwiegend  Pisaner  erscheinen,  während 
Genua  nur  durch  den  einzigen  Bonifacius  de  Volta  vertreten  ist. 2) 

Wenn  die  Pisaner  es  bei  dem  Bündnisvertrage,  den  sie  1149  mit 
Genua  schlössen,  auf  das  entschiedenste  abgelehnt  haben,  Sardinien  mit 
den  Genuesen  gemeinsam  zu  besitzen,  wie  diese  es  lebhaft  wünschten^),  so 
beweist  das,  wie  sehr  die  Pisaner  dies  Angebot  als  nachteilig  für  sich  er- 
achteten ;  und  wenn  sie  andererseits  zuließen,  daß  sich  Genua  in  diesem  Ver- 
trage ausdrücklich  vorbehielt,  die  Pisaner  auf  Sardinien  nach  Belieben 
schädigen  zu  dürfen,  so  beweist  das  wiederum,  wie  stark  und  abwehrsicher 
sich  die  Pisaner  auf  der  Insel  fühlten.  Symptome  dafür  sind  es  auch,  daß 
die  Pisaner  im  Juli  1160  den  Judex  Constantin  von  Cagliari,  der  eine  Pilger- 
fahrt nach  Jerusalem  vorhatte,  mit  3  Galeeren  von  Cagliari  einholten  und 
im  folgenden  Monat  mit  seiner  Gemahlin  Sardinea  von  Pisa  aus  nach  Palä- 
stina beförderten  (in  magna  nave),  während  ihre  Tochter  Donnicella  in  Pisa 
zurückblieb,  und  daß  im  Juni  desselben  Jahres  das  pisanische  Geschwader, 
das  4  sarazenische  Piratenschiffe  im  Nordwesten  der  Insel  in  die  Flucht 
schlug,  aus  2  Wachtgaleeren  und  9  Pfeilschiffen,  die  in  Porto  Torres  ge- 
legen hatten,  bestand.^)  Auch  beweist  uns  das  für  das  Jahr  1162  abgefaßte 
Konsularstatut,  daß  Pisa  damals  mit  allen  Judices  Sardiniens  in  gutem, 
durch  Verträge  gesichertem  Einvernehmen  stand.^)  So  hatte  sich  ein  Zu- 
stand entwickelt,  den  die  Kriegserklärung  Genuas  im  Jahre  1162,  wenn 
auch  viel  zu  schroff  und  übertreibend,  mit  dem  Schlagwort  »expulsio  Sar- 
dinie«  charakterisierte  ß) ;  mehr  als  in  dem  Überfall  von  Konstantinopel,  der 
den  äußeren  Anstoß  gab,  lag  in  der  Eifersucht  der  Genuesen  auf  die  mächtige 
Stellung  der  Pisaner  in  Sardinien  die  Ursache  zu  dem  1162  entbrennenden 
Kriege,  der  sich  als  einen  gewaltigen  Ansturm  gegen  die  politische,  wirt- 
schaftliche und  kommerzielle  Vorherrschaft  der  Pisaner  auf  der  Insel  darstellt. 


')  Epist.  I  no.  245,  auch  Cod.  Sard.  I  p.  215.  Vgl.  Langer  S.  23.  Doch  hat 
sich  dieser  durch  Tolas  Ansatz  des  Schreibens  des  Papstes  Lucius  an  Genua  zum 
26.  Oktober  1144  (Cod.  Sard.  I  no.  52)  irreführen  lassen;  in  Wahrheit  gehört  dies 
Schreiben  nicht  Lucius  II,  sondern  Lucius  in.  und  zwar  dem  Jahre  1183  an. 

*)  Coleccion  IV  no.  151 ;  Cod.  Sard.  I,  p.  220.  Daß  Agalbursa  nicht  dem  Hause 
der  Baux,  sondern  dem  der  katalanischen  Vicecomites  von  Bas  angehörte,  hat 
J,  Miret  y  Sans :  Los  Vescontes  de  Bas  en  la  illa  de  Sardenya  (Barcelona  1901); 
eingehend  und  überzeugend  nachgewiesen. 

')  Caffaro  zu  1162  (ann.  genovesi  I  p.  67).     Dal  Borgo  p.  311. 

*)  Bern.  Maragonis  ann  pis.,  SS.  XIX,  245. 

')  Bonaini  I  p.  10:  >Securitate8  quas  habemus  cum  Sardinie  judicibus  ad  ho- 
norem et  salvamentum  Pisani  populi  et  salvamentum  illorum  firmas  tenebo.* 

•)  Ann.  genovesi  I  p.  68. 


Sardinien  und   Korsika.  525 

411.  Ohne  auf  den  Krieg  des  Näheren  einzugehen,  begnügen  wir  uns 
mit  der  Hervorhebung  einiger  für  unsere  Zwecke  bedeutsamer  Momente. 
Im  Jahre  1164  fanden  die  Genuesen  in  Bariso  (Paraso  von  den  Pisanern 
genannt)  von  Arborea  ein  Werkzeug,  das  sie  für  ihre  Pläne  geeignet  glaubten ; 
indem  sie  geschickt  die  Absichten  des  Kaisers  benutzten,  der  schon  1152 
Sardinien  nominell  an  Weif  verliehen  und  1158  einen  Versuch  gemacht 
hatte  1),  den  Interessen  Pisas  zum  Trotz  in  die  Verhältnisse  der  Insel  ein- 
zugreifen, veranlaßten  sie  ihren  Schützling,  sich  gegen  das  Versprechen,  ihn 
zum  Könige  von  ganz  Sardinien  zu  krönen,  als  Lehnsmann  des  Kaisers 
zu  bekennen.  Acht  genuesische  Galeeren  holten  im  Sommer  1164  den  Judex 
von  Sardinien  herüber;  am  3.  August  erfolgte  trotz  des  Einspruchs  der 
Pisaner  beim  Kaiser  2)  seine  Krönung  zu  Pavia.  Die  4000  Mark  Silber,  die 
er  dem  Kaiser  hatte  versprechen  müssen,  brachte  schließlich  Genua  für  ihn 
auf;  da  er  außerdem,  um  den  Erfolg  seiner  Schritte  beim  Kaiser  zu  sichern 
und  sich  Anhänger  und  Vasallen  unter  den  Genuesen  zu  verschaffen,  weitere 
erhebliche  Summen  kontrahierte  3),  so  erreichte  seine  Schuldenlast,  offenbar 
durch  Wucherzinsen  gesteigert,  binnen  kurzem  eine  Höhe  von  mehr  als 
30000  1.  jan.4)  Am  16.  September  verlieh  er  den  Genuesen  ein  mit  Ver- 
sprechungen geradezu  verschwenderisch  ausgestattetes  Privileg;  die  Kastelle 
von  Mormilla  und  Arculento  wollte  er  ihnen  geben,  vollste  Handels-  und 
Abgabenfreiheit  in  ganz  Sardinien,  einen  jährlichen  Tribut  von  400  Mark 
Silber,  sowie  Land  in  Oristano,  soviel  zur  Erbauung  von  100  Häusern  für 
die  genuesischen   Kaufleute   notwendig  war,   während  er   alle   Pisaner  aus 


»)  Gesta  Friderici  (Rahewini)  1.  IV  c.  12 ;  Giesebrecht  V,  183. 

*)  Nach  der  Darstellung  des  genuesischen  Annalisten  Obert  (ann.  genovesi  I 
p.  161)  bezeichneten  die  Pisaner  den  Bariso  als  einen  rusticus  und  als  ihren  Va- 
sallen, worauf  die  Genuesen  erwiderten,  daß  die  Mehrzahl  der  Pisaner  zu  ihm  im 
Vasallenverhältnis  stehe,  daß  sie  alle  Jahre  in  sein  Land  führen,  um  ihnen  unent- 
behrliche Waren  zu  holen  und  daß  sie  ohne  den  Nutzen,  den  sie  aus  seinem  Lande 
zögen,  kaum  zu  leben  vermöchten :  die  Intensität  des  pisanischen  Handels  mit  Ar- 
borea und  die  geringe  Bedeutung  des  eigenen  ist  damit  durch  einen  genuesischen 
Autor  auf  das  beste  bezeugt.  Daß  viele  Pisaner  sardinische  Besitzungen  zu  Lehen 
trugen,  ist  auch  richtig ;  die  pisanischen  Konsularstatuten  für  1164  (noch  nicht  die 
für  1162)  untersagen  den  Konsuln,  ein  Vasallitätsverhältnis  zu  einem  der  sardi- 
nischen Judices  einzugehen.  Bonaini  I  p.  36.  (Nullorum  Sardiniae  judicum  .  .  . 
sum  vel  ero  fidelis  vel  vassallus  aut  donicaliensis ;  auch  keine  Geschenke  durften 
nie  von  ihnen  nehmen  seit  dem  Tode  Constantins  11.  von  Cagliari.) 

')  Auch  hierfür  enthalten  die  Akten  des  Johannes  ein  Beispiel ;  am  28.  Juli 
1164  quittiert  Balduinus  Guercius  als  Vertreter  des  Markgrafen  Opizo  Malaspina 
dem  Bischof  Hugo  von  S.  Justa,  dem  Vertrauten  Barisos,  über  145  1.,  die  er  für 
seine  Bemühungen  im  Interesse  des  Judex  beim  Kaiser  erhalten ;  die  Summe  sollte 
an  den  Bischof  oder  den  Judex  zurückerstattet  werden,  falls  der  Kaiser  den  Judex 
nicht  krönen  und  mit  Sardinien  belehnen  sollte.     Chart.  II  no.  1466. 

*)  Die  ratio  debitorum  Regis  (Cod.  Sard.  I  no.  78  p.  231 ;  neu  aufgestellt  1168) 
üb.  Jur.  I  no.  270  p.  243;  ebenso  no.  292  von  1172,  (wonach  die  Fehler  des  Drucks 
bei  Tola  zu  berichtigen)  beziffert  seine  Schuld  an  die  genuesische  Regierung  auf 
17  474  1.  Jan.,  2000  Mark  und  55  Pfund  Fein ;  dazu  treten  die  Schulden  an  Einzel- 
gläubiger, unter  denen  Simon  Aurie  mit  905  1.  jan.  und  die  uns  bekannten  Wilel- 
mus  Buronus  und  Ido  Mallonus  mit  600  1.  jan.  hervorragen.  Die  genuesischen  An- 
nalen  zu  1164  führen  außer  den  4000  Mark  für  den  Kaiser  1200  1.  jan.  pro  galeis  ar- 
mandis  beim  Staate  und  29000  1.  jan.  Schulden  bei  den  Bürgern  Genuas  an  (ann. 
genovesi  I,  165),  womit  die  Bemerkung  des  pisanischen  Annalisten  (Marago  zu  1165), 
die  Genuesen  hätten  ihm  ultra  30000  libras  dolose  et  fraudulentur  geliehen,  ziem- 
lich übereinstimmt. 


526  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

seinem  Lande  vertreiben  und  ihre  Besitzungen  konfiszieren  wollte.^)  Im 
November  wollten  ihn  die  Genuesen  nach  Sardinien  überführen,  damit  er 
von  da  aus  seinen  finanziellen  Verpflichtungen  nachkäme;  doch  stellte  sich 
eine  sofortige  Abwickelung  derselben  als  unmöglich  heraus ;  dazu  nahte  eine 
starke  pisanische  Flotte;  und  da  man  ihm  mißtraute  und  seinen  Abfall  zu 
den  Pisanern  befürchtete,  zogen  es  die  Genuesen  schließlich  vor,  ihren 
»König«  wenigstens  als  Geisel  mit  nach  Genua  zurückzunehmen,  wo  sie 
am  5.  Februar  1165  wieder  eintrafen.  Die  Pisaner  aber  wußten  durch  eine 
Gesandtschaft,  deren  Führer  der  Konsul  Uguccio,  des  verstorbenen  Lambertus 
Bunonis  Sohn  war,  den  Kaiser  von  ihrem  guten  Eecht  auf  Sardinien  zu 
überzeugen;  am  17.  April  belehnte  er  die  Pisaner  zu  Frankfurt  am  Main 
feierlich  mit  der  ganzen  Insel  und  allen  Hoheitsrechten  auf  derselben  an 
Märkten,  Silberbergwerken,  Ufergebühren  und  Zollabgaben.-)  Lange  blieben 
die  Genuesen  nun  darauf  bedacht,  wenigstens  wieder  zu  ihrem  Gelde  zu 
kommen.  Im  Jahre  1166  schickten  sie  ein  Schiff  mit  Waren  nach  Arborea, 
von  dem  sie  erwarteten,  daß  es  Rückladung  in  Arborea  erhalten  würde,  die 
zur  teilweisen  Deckung  der  Schulden  des  von  ihnen  in  Gewahrsam  gehaltenen 
Judex  dienen  könnte;  indessen  wurde  das  Schiff  von  den  Pisanern  abge- 
fangen.3)  Im  Jahre  1168  machte  Bariso  den  Genuesen  neue  Versprechungen, 
wenn  sie  eine  Expedition  nach  Sardinien  unternehmen  wollten;  sie  sollten 
sogleich  nach  der  Ankunft  in  Sardinien  4000  1.  jan.  in  Gold,  Silber,  Seiden- 
zeugen und  solchen  Waren  erhalten,  die  sich  bequem  auf  Kriegsschiffen  (in 
galeis)  transportieren  ließen.*)  Die  Regierung  wollte  anfänglich  nichts  davon 
wissen;  doch  rüsteten  die  genuesischen  Vasallen  Barisos  4  Galeeren,  zu 
denen  der  Staat  seinerseits  schließlich  eine  fünfte  hinzufügte.  Die  Genuesen 
brachten  Geiseln  und  mehrere  Kastelle  in  ihre  Gewalt,  deren  Hut  sie  dem 
Almerius  de  Porta  anvertrauten ;  auch  trieben  sie  von  den  Einwohnern  einen 
Tribut  ein ;  dann  aber  nahmen  sie  ihren  König,  der  bei  dieser  Gelegenheit 
frei  zu  werden  gehofft  hatte,  wieder  mit  sich  nach  Genua  zurück.  Immerhin 
hatten  die  Genuesen  doch  festen  Fuß  in  Arborea  gefaßt,  wie  der  Krieg 
überhaupt  in  dieser  Zeit  eine  für  sie  günstige  Wendung  genommen  hatte. 
Endlich  entschlossen  sich  die  Genuesen  doch,  ihren  Gefangenen  in  sein 
Reich  zurückzuführen.  Am  17.  Januar  1172  versprach  Bariso,  binnen  1  Monat 
nach  Ankunft  in  Arborea  1000  1.  jan.  und  bis  Johanni  7000  1.  in  den  besten 
und  am  leichtesten  transportablen  Waren,  die  er  in  Sardinien  beschaffen 
könne,  zu  liefern,  auf  sein  Risiko  nach  Genua  befördern  und  hier  verkaufen 
zu  lassen ;  in  derselben  Weise  sollten  alljährhch  4000  1.  bis  zur  vollen  Tilgung 
der  Schuld  abgeführt  werden.  Durch  Übergabe  zahlreicher  Geiseln  und  zweier 
fester  Schlösser  versicherte  er  die  Genuesen  seiner  Treue,  versprach,  die  Pisaner 
gemeinsam  mit  Genua  zu  bekriegen  und  den  genuesischen  Kaufleuten  soviel 
Land  in  Oristano  anzuweisen,  als  zur  Errichtung  von  Häusern  für  ihre  Handels- 
zwecke nötig  war.  Daraufhin  erfolgte  dann  durch  den  Konsul  Otto  de  Caffaro 
die  Wiedereinsetzung  Barisos  nach  fast  8  jähriger  Abwesenheit  in  sein  Judikat.^) 

»)  Cod.  Sard.  I,  no.  76—79  p.  228  f. ;  auch  Lib.  Jur.  II  no.  7—9.    Langer  105. 

»)  Ann.  pis.  p.  252  zu  1166;  Dal  Borgo  p.  40;  Cod.  Sard.  I  p.  232  f.  Von 
Stumpf,  no.  4042,  anfangs  irrig  für  unecht  gehalten ;  berichtigt  S.  548. 

»)  Ann.  pis.  zu  1167 ;  SS.  XIX,  254. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  266.  Cod.  Sard.  I  p.  235  f.  no.  86;  dazu  no.  87—90.  Langer 
S.  144  redet  irrig  von  geprägtem  Gold  oder  Silber  und  von  Wertobjekten,  welche 
leicht  zu  Schiffe  transportiert  werden  könnten.    Vgl.  Ann.  genovesi  I,  212  zu  1168. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  292 ;  Cod.  Sard.  I  p.  241  no.  98.  Ann.  jan.  zu  1171  (reicht 
bis  1.  Februar  1172  unserer  Rechnung)  und  1172. 


I 


Sardinien  und  Korsika.  527 

412.  In  Cagliari  faßten  die  Genuesen  bald  nach  dem  Tode  des  Judex 
Constantin  festen  Fuß.  Im  Juni  1166  bekannte  sich  sein  Nachfolger  Petrus 
als  Vasallen  Genuas.  Die  neun  Galeeren,  die  die  Genuesen  nach  Cagliari 
ent-sandt  hatten,  wurden  zwar  von  einer  fast  doppelt  so  starken  pisanischen 
Flotte  in  die  Flucht  geschlagen;  Petrus  aber  verweigerte  den  Pisanern  die 
Aufnahme,  falls  sie  nicht  seine  volle  Unabhängigkeit  anerkennen  wollten. 
Stolz  können  die  genuesischen  Annalen  vom  nächsten  Jahre  melden,  daß 
ihr  Konsul  Corsus  vom  Oktober  bis  zum  Februar  1168  mit  zwei  Galeeren 
wie  ein  Herrscher  in  den  Judikaten  von  Cagliari  und  Arborea  geboten  habe.i) 
Im  Dezember  stiftete  dann  Nuvelonus  zwischen  Petrus  und  Bariso  von 
Arborea,  der  auf  seine  Hoheitsrechte  über  ganz  Sardinien  verzichtete, 
Frieden.2)  Aber  von  einer  gesicherten  Oberhoheit  der  Genuesen  war  keine 
Rede.  Zum  Frühjahr  1173  reden  die  Annalen  Oberts  von  der  wankenden 
Treue  der  sardischen  Judices,  die  einen  neuen  Seezug  erheischte 3)  und  im 
Mai  1174  machten  alle  Judices  Sardiniens  mit  den  Pisanern  ihren  Frieden; 
bald  aber  traten  die  Genuesen  wieder  mit  überlegener  Macht  auf,  imd  am 
1.  Oktober  1174  schloß  Petrus  mit  ihnen  einen  in  mancher  Hinsicht  bemerkens- 
werten Vertrag.4)  Die  Pisaner  versprach  er  vom  Handel  mit  seinem  Gebiete 
völlig  auszuschließen  und  die  Genuesen  bei  der  Behauptung  des  Königreichs 
Arborea  bis  zur  völligen  Tilgung  der  Schuld  Barisos  zu  unterstützen ;  außer- 
dem verhieß  er  von  Mariae  Himmelfahrt  nächsten  Jahres  ab  auf  fünf  Jahre 
einen  jährlichen  Tribut  von  500  1.  jan.  in  Waren ;  ein  Kaufmann  von  Genua 
und  einer  von  CagHari  sollten  die  Wertabschätzung  derselben  gemeinsam 
vornehmen.  Einer  der  Häfen  von  Cagliari,  der  portus  Grotte,  sollte  mit 
Zubehör  in  den  Besitz  der  Genuesen  in  gleicher  Weise  übergehen,  wie  ihn 
die  Pisaner  bisher  innegehabt  hätten.  Das  Salz  aus  den  Salinen  von  Cagliari 
sollten  sie  abgabenfrei  erhalten  und  die  Abgabe  von  Salz  an  andere  von 
ihrer  Zustimmung  abhängig  sein ;  insbesondere  werde  er  nach  Kräften  (ad 
meum  posse)  nicht  zulassen,  daß  Pisanern  ohne  solche  Erlaubnis  Salz  über- 
lassen würde.  Endlich  wurde  den  Genuesen  Freiheit  von  Handelsabgaben 
zugesichert. 

Der  vom  Kaiser  gebotene  Friede  (6.  November  1175)^)  brachte  den 
Genuesen  die  Erfüllung  dessen,  was  sie  schon  1149  erstrebt  und  mit  dem 
Präliminarvertrage  von  1169  schon  erreicht  zu  haben  glaubten:  die  Insel 
Sardinien  gemeinsam  und  zu  gleichem  Recht  mit  den  Pisanern  zu  besitzen, 
wovon  allerdings  die  kirchlichen  Besitzungen  und  Rechte  ausgenommen 
waren.  Alle  Einnahmen  aber,  die  die  Pisaner  aus  Zöllen,  Gebühren,  Auf- 
lagen von  der  Insel  bezogen,  hatten  sie  mit  den  Genuesen  zu  teilen;  die 
Genuesen  sollten  ferner  eine  ebenso  große  Zahl  von  Lehnsgütern  und  Hörigen 
(donicalienses)   auf  der  Insel  besitzen   wie   die  Pisaner,   die   gegebenenfalls 

»)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  254.     Ann.  genov.  I,  190  f.  206. 

«)  Cod.  Sard.  I  p.  239  f.,  no.  93—96  (dort  irrig  zu  1169  gesetzt.) 

')  Ann.  genov.  I,  259. 

*)  Cod.  Sard.  I  p.  244  f.  no.  102 ;  Chart.  I  p.  877  no.  560  u.  Lib.  Jur.  H  no.  12. 
Der  im  Lib.  Jur.  I  no.  308  (=  Cod.  Sard.  I  p.  249  no.  107)  unter  dem  5.  April  1174 
abgedruckte  Vertrag  Genuas  mit  König  Petrus  gehört  einer  späteren  Zeit  an ;  in 
der  Urkunde  selbst  fehlt  das  Jahr.  Die  neuen  Herausgeber  der  Annalen  des  Otto- 
bonus (11  p.  7  Anm.  1)  haben  die  falsche  Datierung  ebenfalls  übernommen. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  271  (Präliminarvertrag  vom  Mai  1169)  =  Cod.  Sard.  I  no.  92 
p.  238.  Der  Friedensvertrag  selbst  (nur  der  von  den  Pisanern  geleistete  Eid  ist  er- 
halten) steht  Cod.  Sard.  I  no.  106  p.  248  f. 


528  FünfunddreißigBtes  Kapitel. 

zur  Herstellung  der  Gleichheit  eine  entsprechende  Anzahl  an  die  Genuesen 
abzugeben  hatten.  Falls  ein  Höriger,  der  bei  dieser  Ausgleichung  einem 
Genuesen  zufiel,  einem  Pisaner  etwas  schuldete,  so  sollte  entweder  der  Genuese 
die  Schuld  selbst  tilgen  oder  den  Hörigen  bis  zur  vollständigen  Tilgung  der- 
selben dem  Pisaner  überlassen,  —  eine  Bestimmung,  die  auf  die  Bewucherung 
hindeutet,  der  diese  donicalienses  ^)  von  selten  der  Pisaner  wie  der  Genuesen 
ausgesetzt  waren.  Jede  Art  von  Erwerbung  auf  der  Insel  durfte  die  Commune 
Pisa  nur  gemeinsam  mit  der  Commune  Genua  machen ;  endlich  sollten  beide 
Nationen  im  Handelsverkehr  mit  Sardinien  in  jeder  Beziehung  völlig  gleich- 
berechtigt sein.  Ein  Privileg,  das  den  Pisanern  allein  den  Besitz  der  Insel 
zuspräche  (gemeint  ist  das  Privileg  des  Kaisers  von  1165),  sollte  vernichtet 
werden;  in  betreff  aller  anderen  Privilegien  sollten  die  Pisaner  in  einer 
besonderen  Urkunde  Gewähr  dafür  leisten,  daß  sie  sich  derselben  niemals 
in  einer  den  Friedensbestimmungen  zuwiderlaufenden,  den  Interessen  Genuas 
schädlichen  Weise  bedienen  würden.  In  der  Tat  haben  die  pisanischen 
Konsuln  der  genuesischen  Kommission,  die  offenbar  zur  Entgegennahme 
des  von  1000  Pisanern  zu  leistenden  Friedenseides  in  Pisa  erschien,  am 
29.  Januar  1176  eine  solche  Urkunde  ausgestellt  2),  so  daß  damit  erst  das 
Friedenswerk  beendet  war.  Mi 

413.  Nur  wenig  über  zehn  Jahre  hatte  es  Bestand.  Ein  Schreiben  ' 
des  Papstes  Lucius  HI.  vom  26.  Oktober  1183  an  Erzbischof,  Konsuln  und 
Volk  von  Genua  zeigt  uns  beide  Städte  noch  Sardinien  gegenüber  in  Ein- 
tracht; es  ermahnt  die  Genuesen,  von  ihrem  Vorhaben,  gemeinsam  mit  den 
Pisanern  mit  bewaffneter  Macht  nach  Sardinien  zu  gehen,  um  es  nach  ihrem 
Belieben  unter  sich  zu  teilen  3),  mit  Rücksicht  auf  die  Hoheitsrechte  der 
römischen  Kirche  über  die  Insel  abzustehen,  wenn  sie  sich  nicht  den  Zorn 
und  schwere  Strafen  des  Papstes  zuziehen  wollten;  wahrscheinlich  ist  eine 
gleiche  Mahnung  auch  an  die  Pisaner  ergangen. 

Die  Verhältnisse  in  Arborea  waren  es,  die  zu  neuen  Streitigkeiten 
zwischen  den  Seestädten  führten.  Nach  dem  Tode  Barisos  stützte  sich 
sein  Sohn   erster   Ehe,  Petrus,    der  ihm  folgte,   auf  die   Pisaner  4);    Barisos 

^)  Ö.  über  diese  Brandileone  F.,  Note  sull'origine  di  alcune  istituzioni  giurid. 
in  Sard.  im  Arch.  it.,  s.  5,  XXX  (1902),  289  f. 

*)  Abschrift  derselben  findet  sich  als  Anhang  zu  dem  Schiedspruch  der  Kar- 
dinäle von  1188:  Chart.  I  no.  564  p.  881;  Lib.  Jur.  II  no.  13;  Cod.  Sard.  I  no.  104 
p.  247.  Die  Herausgeber  haben  den  wahren  Zusammenhang  allerdings  so  wenig 
erkannt,  daß  sie  diesen  Schiedspruch  von  1188  mit  dem  Datum  des  29.  Januar  1176 
versehen  und  ihn  vor  dem  Friedensschwur  der  Pisaner  vom  6.  November  1175  (1176 
pisanischen  Stils)  eingereiht  haben.  Auch  die  neuen  Herausgeber  der  ann.  geno- 
vesi  haben  den  Sachverhalt  nicht  durchschaut ;  sie  reden  (11,  9  A.  1)  von  einer  Er- 
neuerung des  Eides  der  Parteien  dem  Kaiser  gegenüber  im  folgenden  Jahre  (1176), 
die  auf  Vermittelung  der  beiden  Kardinäle  Pietro  di  Santa  Cecilia  und  Siffredo  di 
Santa  Maria,  die  sie  für  Legaten  Alexanders  III.  halten,  erfolgt  sei. 

*)  »ut  eam  pro  vestre  voluntatis  arbitrio  dividere  valeatis*.  Cod.  Sard.  I 
p.  214  no.  52,  mit  dem  irrigen  Datum  1144,  da  Tola  das  Schreiben  auf  Lucius  11. 
bezog.  Das  Jahr  1183  ergibt  sich  für  Lucius  IH.  aus  dem  Ausstellungsorte  Anagni. 
J.-L.  Reg.  no.  14921.  Bestätigung  der  Privilegien  des  pisanischen  Erzbischofs  in 
Sardinien  und  Korsika  durch  diesen  Papst,  12.  November  1181 ;  ib.  no.  14  514. 

*)  Schenkung  Barisos  und  seiner  Frau  Agalbursa  an  den  Dom  zu  Pisa  Juni 
1184.  Cod.  Sard.  I  p.  254  no.  113  und  Bonaini  Suppl.  p.  92  f.  Unter  dem  Inventar 
eines  Hofes  erscheinen  u.  a.  180  Wollschafe  (berbeges  de  lana).  Schenkung  Peters 
an  den  Dom  von  1186:  Cod.  Sard.  I  p.  260  no.  123;  Bonaini  I  p.  284  f.  Schuldan- 
erkentnis  gegenüber  einem  Pisaner:  Volpe  123  A.  2. 


II 


Sardinien  und  Korsika.  529 

zweite  Frau  aber,  Agalbursa,  strebte  selbst  nach  der  Herrschaft,  indem  sie 
ihren  minderjährigen  Neffen  Poncius  von  Bas  vorschob,  und  fand  für  ihre 
Ansprüche  nicht  nur  die  Unterstützung  ihres  Verwandten,  des  Königs  Alfons 
von  Aragon ,  sondern  auch  die  der  Genuesen.  Zu  Hyeres  schloß  der 
genuesische  Konsul  Guilelmus  Tornellus  am  8.  Oktober  1186  Verträge  mit 
Agalbursa  und  dem  Statthalter  des  Königs  in  der  Provence,  während  dieser 
selbst  den  Vertrag  am  30.  November  ratifizierte ;  auch  der  Judex  von  Torres, 
Bariso,  dessen  Schwiegersohn  der  Genuese  Andrea  Doria  war,  schloß  sich 
am  24.  November  ihnen  an;  sie  alle  verpflichteten  sich,  den  Genuesen  zu 
helfen,  falls  sie  wegen  ihres  Eintretens  für  Agalbursa  von  den  Pisanern 
bekriegt  werden  sollten.^)  NatürHch  hielten  die  Pisaner  diesem  Kriegsbunde 
gegenüber  nicht  still.  Sie  schickten  im  folgenden  Jahre  ein  Heer  nach  Sar- 
dinien und  vertrieben  alle  genuesischen  Kaufleute  aus  dem  Hafen  und  dem 
ganzen  Judikat  von  Cagliari.2)  Mit  Rücksicht  auf  die  Bedrängnis  des  Heiligen 
Landes  machten  die  Päpste  die  größten  Anstrengungen,  den  von  neuem  ent- 
brannten Krieg  möglichst  rasch  zu  beenden.  So  kam  in  der  Tat  schon  An- 
fang 1188  ein  Waffenstillstand  zustande,  dem  am  Ende  des  Jahres  der  Friede 
folgte.  Beide  Städte  hatten  sich  der  Entscheidung  des  Papstes  gefügt,  der  den 
Schiedspruch  seinerseits  zwei  Kardinälen  übertrug.  Am  7.  JuH  wurde  er 
gefällt  mid  von  Clemens  HI.  am  12.  Dezember  feierlich  verkündet.^)  Er 
verwies  beiden  Parteien  die  Auswucherung,  die  sie  auf  Sardinien  trieben  und 
mit  dem  Namen  der  ,donicaliae'  zu  bemänteln  pflegten*),  untersagte  ihnen, 
den  bestehenden  Kontrakten  dieser  Art  etwas  hinzuzufügen  oder  neue  ein- 
zugehen, ließ  aber  die  noch  gültigen  rechtlichen  Verpflichtungen  der  doni- 
caUenses  unberührt.  Keine  Partei  sollte  die  andere  in  dem,  was  sie  auf  der 
Insel  zu  Eigentum  oder  als  Pfand  besitze,  irgendwie  hindern ;  insbesondere 
-wird  dabei  der  von  der  Schuld  Barisos  herrührende  Pfandbesitz  der  Genuesen 
in  Arborea  hervorgehoben.  Den  Pisanern  wurde  endlich  geboten,  nicht  zu 
hindern,  daß  die  Judices  Sardiniens  mit  je  zehn  ihrer  Magnaten  den  Genuesen 
eidlich  Sicherheit  und  Rechtsschutz  in  ihren  Gebieten  versprächen.  Daß 
den  Genuesen  nicht  die  gleiche  Verpflichtung  auferlegt  wurde,  läßt  sich  nur 
dadurch  erklären,  daß  die  Pisaner  trotz  allem  noch  immer  das  Übergewicht 
im  Handelsverkehr  mit  der  Insel  behaupteten.  Von  der  Gleichheit  der 
Besitzungen,  wie  sie  im  Frieden  von  1175  stipuliert  war,  ist  im  Schieds- 
spruch keine  Rede  mehr;  der  Vorbehalt,  der  bezüglich  der  kirchhchen 
Besitzungen  gemacht  .war,  hatte  eine  Umgehung  dieser  Bestimmung  offenbar 
gar  zu  sehr  erleichtert  und  sie  dadurch  illusorisch  gemacht. 

414.  Der  durch  päpstliche  Vermittelung  herbeigeführte  Friede 
von  1188  hatte  nur  kurze  Zeit  Bestand.  Noch  während  Pisaner  und 
Genuesen  im  Heil.  Lande  gemeinsam  kämpften,  nahm  Genua  seine  Be- 
mühungen, sein  Einflußgebiet  auf  Sardinien   zu   erweitern,  eifrig  auf. 


>)  Lib.  Jur.  I  no.  357—361;  Cod.  Sard.  I  no.  117—121  p.  256  ff. 

*)  Ann.  genovesi  II  p.  24  zu  1187:  Pisani  .  .  .  pretermisso  juramento  pacis  .  .  . 
Jan.  mercatores  ...  et  de  Grotis  et  tote  judicatu  Kai.  ejecerunt;  unde  guerra  inter 
J.  et  P.  incepta  fuit.  Der  Handel  mit  Agalbursa  wird  von  dieser  Berichterstattung 
ganz  verschwiegen. 

»)  Cod.  Sard.  I  p.  263  f.  no.  127 ;  Dal  Borgo  p.  139  £.  Atti  Lig.  J  p.  368  ff. 
Der  Schiedspruch  der  Kardinäle  allein  Cod.  Sard.  I  p.  246  f.  (mit  dem  falschen  Da- 
tum 1176);  ebenso  Lib.  Jur.  II  no.  13  und  Chart.  I  no.  565.     S.  ob.  S.  528,  A.  2. 

*)  .  .  .  mercandi,  immo  fenerandi  detestabile  genus,  quod  donnicaliarum  con- 
suevistis  nomine  palliare,  in  Sardinia  penitus  irritamus  etc. 

Scbaube,  Handelsgescbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  34 


530  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 


Mit  Petrus  von  Arborea  schloß  der  genuesische  Gesandte  Nicolaus 
Lecanuptias  (Leccanozze)  schon  am  7.  Februar  1189  einen  Vertrag,  nach 
dem  der  Judex  am  30.  April  unter  Leistung  des  Eides  der  Compagna  imter 
die  Bürger  Genuas  aufgenommen  wurde,  worauf  er  am  29.  Mai  seine  Zu- 
geständnisse an  Genua  in  einer  Reihe  von  Urkunden  verbriefte.^)  Zur  Tilgung 
der  alten  Schulden  seines  Vaters  Avollte  er  jährlich  die  Hälfte  aller  seiner 
Einnahmen  an  die  Genuesen  abliefern,  dazu  als  Mitglied  der  genuesischen 
Compagna  jährlich  50  1.  und  für  den  Verzicht  Genuas  auf  den  Pfandbesitz 
des  Kastells  Asuni  jährlich  80  1.  zahlen;  an  dem  Teil  des  Hafens  von  Ori- 
stano,  der  schon  den  Namen  des  genuesischen  führte,  wies  er  den  Genuesen 
Land  an,  damit  sie  hier  für  ihre  Kaufleute  100  Läden  (butegas,  bottegas) 
mit  dem  erforderlichen  Zubehör  einrichten  könnten;  einen  an  der  Grenze 
dieses  Terrains  belegenen  Hof  hatte  der  Judex  dem  Gesandten  zur  dauernden 
persönlichen  Nutznießung  überwiesen.  Der  Dom  erhielt  eine  Jahresrente 
von  20  1.  Jan.,  während  der  Erzbischof  in  Arborea  einen  ebenso  reich  aus- 
gestatteten Lehnshof  (curia)  erhalten  sollte,  wie  ihn  der  pisanische  schon 
besaß.  Inzwischen  war  Poncius  (Poncetus),  der  sich  jetzt  Hugo  de  Basso  • 
(Bas)  nannte,  mündig  geworden  und  erneuerte  seinen  Anspruch ;  die  strei- 
tenden Parteien  übertrugen  schließlich  den  Genuesen  die  Entscheidung  und 
der  Konsul  Guilelmus  Buronus,  der  mit  Simon  Ventus  und  Ido  de  Carma- 
dino  »pro  stabiliendis  negotiis  Sardinie«  nach  der  Insel  geschickt  wurde, 
fällte  am  20.  Februar  1192  seinen  Spruch  dahin,  daß  beide  zu  völlig  gleichem 
Rechte  an  der  Herrschaft  über  Arborea  teilhaben  und  in  gleicher  Weise 
die  durch  den  Vertrag  von  1189  festgestellten  Pflichten  gegenüber  Genua 
übernehmen  sollten.  Handelte  einer  von  beiden  diesem  Spruch  entgegen, 
so  wollte  Genua  den  andern  mit  aller  Macht  unterstützen.^)  So  überwog 
jetzt  in  Arborea  der  genuesische  Einfluß,  und  das  Gleiche  war  im  Judikat 
Torres  der  Fall.  Hier  hatte  der  genuesische  Gesandte  Streiaporcus  mit  dem 
Judex  Constantin  am  10.  Juni  1191  einen  Vertrag  geschlossen,  der  besonders 
darum  bemerkenswert  ist,  weil  er  —  eine  Ausnahme  unter  diesen  sardinischen 
Verträgen  —  auf  dem  Grundsatz  der  Gegenseitigkeit  beruht^)  —  offenbar  war 
dies  das  Mittel,  durch  das  die  Genuesen  den  Judex  für  sich  gewannen. 
Wie  der  Judex  den  Genuesen  in  seinem  Gebiet  Schutz  gegen  die  Pisaner 
versprach,  so  versprachen  die  Genuesen,  ihn  und  seine  Untertanen  allerorten 
wie  die  eigenen  Landsleute  zu  schützen.  Klagen  von  Genuesen  gegen  Pisaner 
oder  gegen  einen  seiner  Untertanen  waren  vor  dem,  in  Porto  Torres  von 
dem  Judex  eingesetzten  Gerichtshof  *)  binnen  20  Tagen  zu  erledigen,  wobei 
den  Genuesen  Berufung  an   den  Judex  offen  stand,    während  Klagen  vohI 

1)  Lib.  Jur.  I  no.  365—367  =  Cod.  Sard.  I  no.  128—130  p.  265  f. ;  Lib.  Jur.  I 
368—370  =  Cod.  Sard.  I  no.  132  — 134  p.  267  f.  (no.  133  auch  Chart.  H  no.  1646 
p.  1143).  Dazu  die  Schenkung  an  den  Dom:  Cod.  Sard.  I  no.  131.  Ferner  steht  der 
Vertrag  vom  29.  Mai  1189  (no.  132)  irrig  noch  einmal  mit  dem  Datum  29.  Mai  1188 
ib.  no.  125  p.  262.  Endlich  gehört  hierher  der  undatierte,  von  den  Untertanen  Peters 
auf  den  zwischen  ihm  und  dem  Gesandten  Nie.  Leccanozze  geschlossenen  Vertrag 
geleistete  Eid,  den  die  Herausgeber  zum  20.  Februar  1192  angesetzt  haben;  Lib.  Jur.  I 
no.  396.     Cod.  Sard.  I  no.  140  p.  277.  mm 

8)  Ann.  genovesi  I  p.  42  (1192).     Lib.  Jur.  I  no.  395,   397—399.     Cod.  Sard.  lil 
no.  137—139,  141  p.  273  f.     Chart.  H  no.  1653.  *" 

»)  Lib.  .lur.  I  no.  388  und  389.  Cod.  Sard.  I  no.  135  p.  269  (in  eine  Nummer 
zusammengezogen).  Der  Vertrag  vom  24./30.  Nov.  1186  zeigt  schon  die  Anfänge  diesejs 
Prinzips ;  Lib.  Jur.  I  no.  359,  361 ;  Cod.  Sard.  I  no.  119,  120  p.  258  f. 

*)  >ante  majores  de  portu  terre  mee,  quos  propterea  constituam  et  jurare  fa 
ciam  de  plena  eis  justitia  exhibenda.« 


Sardinien  und  Korsika.  531 

Untertanen  des  Judex  gegen  Genuesen  von  den  Gerichten  Genuas  »nach 
dem  römischen  Recht  und  den  guten  Gewohnheiten«  zu  entscheiden  waren. 
Wechselseitig  versprach  man  sich  volle  Handelsfreiheit  und  Freiheit  der 
Kaufleute  von  allen  staatlichen  Abgaben;  die  Genuesen  sollten  nach  Wunsch 
Plätze  angewiesen  erhalten,  auf  denen  sie  Häuser  und  Wohnungen  für  ihre 
Kaufleute  und  zur  Unterbringung  ihrer  Waren  errichten  könnten ;  aber  auch 
die  Turritaner  sollten  in  Genua  einen  Platz  zur  Erbauung  eines  den  gleichen 
Zwecken  dienenden  Hauses  erhalten.  Im  Falle  eines  Krieges  gegen  die 
Pisaner  oder  einen  der  andern  Judices  Sardiniens  sicherte  jede  Partei  der 
anderen  ihre  Unterstützung  zu;  doch  nahm  Constantin  seinen  Freund,  den 
Markgrafen  Wilhelm  von  Massa,  Judex  von  Cagliari,  von  dieser  Verpflichtung 
aus.  Endlich  versprach  Genua,  bei  jedem  Friedensschluß  mit  einer  christ- 
lichen oder  sarazenischen  Macht  den  Judex  von  Torres  einzubeziehen ;  dessen 
Abhängigkeit  von  Genua  aber  kam  besonders  in  seiner  Verpflichtung  zum 
Ausdruck,  in  jedem  Jahre,  wenn  Genua  von  seinen  Bürgern  eine  Umlage 
(coUecta)  erhob,  100  1.  jan.  zu  derselben  beizusteuern. 

415.  Diesen  Fortschritten  der  Genuesen  im  nördlichen  und  westlichen 
Sardinien  suchten  die  Pisaner  dadurch  zu  begegnen,  daß  sie  ihre  Pläne  be- 
züglich Bonifacios  wieder  aufnahmen.  Es  geschah  schwerhch  ohne  Vor- 
wissen der  pisanischen  Regierung,  daß  sich  pisanische  Freibeuter  im  Hafen 
von  Bonifacio  festsetzten  und  daselbst  einen  neuen  Flecken  (oppidum)  er- 
bauten; von  hier  aus  trieben  sie  Seeräuberei  weit  und  breit  und  fügten 
besonders  den  Genuesen  den  größten  Schaden  zu.  Schon  1194  waren  in 
den  sizilischen  Gewässern  neben  den  Pisanern  selbst  die  »cursales  portus 
Bonifacii«  an  der  Wegnahme  eines  nach  Ägypten  fahrenden  genuesischen 
Schiffes  beteiligt!)  un(j  jj^  selben  Jahre  versprachen  die  Pisaner  unter  Über- 
nahme der  Verpflichtung  zum  Schadenersatz  den  Bewohnern  von  Albenga 
ihren  Schutz  vor  den  pisanischen  Korsaren,  insbesondere  vor  den  »homines 
portus  Bonifacii«  2)  —  ein  offenkundiger  Beweis,  daß  sie  genügenden  Einfluß 
auch  auf  diesen  Teil  ihrer  Landsleute  zu  haben  glaubten.  Noch  einmal 
suchte  man  im  folgenden  Jahre  den  Streit  beizulegen.  Als  die  Genuesen 
bei  der  Verhandlung  die  Pisaner  beschuldigten,  den  Seeräubern  heimlich 
Vorschub  zu  leisten,  stellten  diese  jede  Beteiligung  in  Abrede;  Bonifacio 
gehöre  ihnen  nicht  und  seine  Bewohner  seien  nicht  ihre  Bürger ;  sie  hätten 
selbst  unter  ihren  Räubereien  zu  leiden  und  erböten  sich,  gemeinsam  mit 
den  Genuesen  gegen  sie  zu  Felde  zu  ziehen.  Die  Genuesen  fanden  indessen 
die  Gelegenheit  für  ihre  besonderen  Absichten  günstig;  drei  Privatleute 
nisteten,  scheinbar  auch  auf  eigene  Faust,  eine  Expedition,  die  rasch  und 
entschlossen  zu  Werke  ging,  die  wahrscheinlich  nur  notdürftig  wieder- 
hergestellte Burg  imd  den  unterhalb  gelegenen  Flecken  von  der  Landseite 
aus  eroberte  und  Bonifacio  nunmehr  für  Genua  in  Besitz  nahm.  Noch  am 
Tage  der  Eroberung  lief  ein  von  den  Piraten  gekapertes  und  bemanntes 
genuesisches  Getreideschiff  nichtsahnend  in  den  Hafen  ein  und  fiel  so  den 
Genuesen  wieder  in  die  Hände;  spöttisch  änderten  die  Sieger  seinen  Namen 
Oliva  in  Benvenuta.^)  Damit  war  natürlich  jede  weitere  Verhandlung  über- 
flüssig geworden  und  der  Wiederausbruch  des  Krieges  entschieden.  Mit  der 
Eroberung  von  Bonifacio   aber,   in   dessen  nunmehr  wesentlich  verstärkter 

')  Ann.  genov.  II,  49  u.  54. 

*)  Aus  einer  noch  ungedruckten  Urkunde,  ebd.  p.  XXXV  A.  2,  vom  2.  Juni 
1195  (doch  ist  pisanische  Jahreszählung  anzunehmen). 
')  Ann.  genov.  11,  55. 

84* 


532  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

Feste  seit  dieser  Zeit  genuesische  Kastellane  geboten,  hatten  die  Genuesen 
eine  maritime  Position  von  größter  Bedeutung  gewonnen,  die  sie  entschlossen 
waren,  nicht  wieder  aufzugeben.  Wohl  machten  die  Pisaner  jetzt  gewaltige 
Anstrengungen;  aber  die  im  folgenden  Jahre  (1196)  mehrfach  mit  großen 
Mitteln  versuchte  Zurückeroberung  des  Platzes,  dessen  Bedeutung  sie  zuerst 
erkannt  hatten,  gelang  trotz  einzelner  Vorteile,  die  sie  errangen,  dennoch 
nicht.i)  Genua  aber  hütete  seinen  neuen  Besitz  auf  das  sorgfältigste;  in 
seinen  Verträgen  mit  den  Seeplätzen  der  Riviera  ließ  es  deren  Verpflichtung 
»pro  guardia  portus  Bonifacii«  besonders  beschwören.^) 

Der  Krieg  zog  sich  diesmal  unter  vielen  Wechselfällen  lange  hin;  die 
Lage  auf  Sardinien  verwickelte  sich  noch  dadurch,  daß  Innocenz  III.  sehr 
ernsthaft  gemeinte  Ansprüche  auf  die  Insel  erhob  und  schließlich  sogar 
einen  Verwandten,  Trasimund,  dem  er  mit  der  Hand  der  Erbin  von  Gallura 
dieses  Judikat  zugedacht,  mit  bewaffneter  Macht  nach  Sardinien  sandte,  der 
freilich  trotz  der  Unterstützung  des  päpstlichen  Bannstrahls  gegen  den  Pisaner 
Lamberto  Visconti  nicht  aufzukommen  vermochte.^)  Auch  im  Judikat  Torres 
faßten  die  Pisaner  wieder  festen  Fuß.  Als  die  Genuesen  1203  zwei  kleine 
Schiffe,  den  Stern  und  den  Falken,  zur  Abholung  der  für  sie  lagernden 
Waren  unter  dem  Geleit  zweier  Galeeren  nach  Torres  schickten,  fiel  ihnen 
ein  sehr  großes  pisanisches  Schiff,  die  Rosa,  die  zu  gleichen  Zwecken  dorthin  . 
entsandt,  daneben  aber  auch  für  den  Kaperkrieg  ausgerüstet  war,  in  die  mm 
Hände.*)  Auch  erfahren  wir  aus  einem  Schreiben  des  Papstes  an  den  Judex,  "' 
daß  dieser  sich  auf  Andrängen  der  Pisaner  eidlich  verpflichtet  hatte,  solche 
•Forderungen  pisanischer  Kaufleute,  die  durch  notarielle  Urkunden  oder 
amtlich  gesiegelte  Schreiben  der  pisanischen  Regierung  beglaubigt  waren, 
binnen  20  Tagen  befriedigen  zu  lassen ;  der  Papst  behauptete,  daß  auf  diese 
Weise  manchmal  eine  Schuld  zwei-  oder  dreimal  mit  den  schwersten  Zinsen 
bezahlt  werden  müsse  und  untersagt  dem  Judex  streng  jedes  derartige  Vor- 
gehen gegen  Kleriker,  damit  er  nicht  Gott  beleidige,  indem  er  den  Pisanern 
zu  gefallen  wünsche.«)  Als  die  vom  Papst  unterstützten  Genuesen  nach 
ihren  Erfolgen  auf  Sizilien  im  Jahre  1207  einen  großen  Angriff  gegen  die 
pisanische  Flotte  bei  Cagliari  richteten,  endete  dieser  mit  der  völligen  Zer-  ^b 
Streuung  der  genuesischen  Schiffe,  so  daß  der  Papst  einer  Verständigung  al 
mit  den  Pisanern  geneigt  wurde.^)  Mit  verschiedenen  Großen  Korsikas 
schloß  Pisa  am  27.  Juli  1208  einen  Vertrag'^);  auch  Marseille  reihte  sich 
den  Feinden  Genuas  an.  Nach  langen  Verhandlungen,  bei  denen  das 
Schicksal  Bonifacios  die  Hauptrolle  spielte  8),  kam  es  1210  zu  einem  Waffen- 
stillstände; aber  die  Herstellung  des  vollen  Friedens  auf  der  1188  geschaffenen 
Grundlage  scheiterte  immer  wieder  an  dem  Verlangen  der  Pisaner,  daß  auch 
bezüglich  Bonifacios  der  Status  quo  hergestellt  würde. 


1)  Ebd.  63  ff.     Manfroni  300  ff. 

«)  Vertrag  mit  Albenga  (23.  Sept.  1199):  Lib.  Jur.  I  no.  427;  mit  Noli  und  Sa- 
vona  im  April  1202  no.  445,  446.  S.  auch  Chart.  I,  1151  no.  782  (12.  Mai  1208): 
Übergabe  der  custodia  castri  B.  an  zwei  Bürger  von  Reggio. 

3)  Cod.  Sard.  I,  303,  308  f. 

*)  Ann.  genov.  11,  85  f. 

»)  Cod.  Sard.  I,  318. 

«)  Ann.  genov.  II,  105  f.     Manfroni  360  f.     Cod.  Sard.  I,  310,  312. 

»)  Volpe  p.  338. 

«)  Cod.  Sard.  I,  311  ff.  no.  11-17.  Atti  Lig.  I,  419.  Ann.  genov.  II,  108  f., 
111  f.  S.  auch  die  Bestimmung  über  Bonifacio  im  Vertrage  Ottos  IV.  mit  Pisa 
(8,  Juni  1210) :  Const.  et  acta  II,  45. 


Sardinien  und  Korsika.  533 

416.  Endlich  schufen  die  Pisaner  sich  selbst  eine  Kompensation .  für 
Bonifacio.  In  Cagliari  hatten  sie  an  dem  Markgrafen  Wilhelm  von  Massa, 
der  1189  zuerst  an  der  Spitze  des  mit  ihrer  Hilfe  errungenen  Judikats  erscheint, 
einen  sehr  eifrigen  und  zuverlässigen  Bundesgenossen  gehabt  i),  der  auch 
dem  Erzbischof  von  Pisa  den  Treueid  geschworen ;  Innocenz  III.  beruft  sich 
«inmal  auf  ihre  Autorität  über  ihn,  da  er  wie  schon  sein  Vater  und  Groß- 
vater pisanischer  Bürger  sei  und  aus  Pisa  stamme,  wo  er  auch  eine  Wohnung 
habe.  2)  Unter  seinem  Schutze  hatte  sich  Cagliari  zu  einem  Hauptstützpunkt 
der  pisanischen  Seemacht  und  des  pisanischen  Handels  entwickelt,  wie  schon 
der  Angriff  der  Genuesen  von  1207  zeigt;  als  im  Sommer  1212  der  Waffen- 
stillstand verlängert  wurde,  legten  die  Genuesen  ein  besonderes  Gewicht 
darauf,  daß  sofort  ein  Schiff  nach  Caghari  entsandt  wurde,  damit  auch  die 
pisanischen  Konsuln  und  die  Angehörigen  der  pisanischen  Kolonie  daselbst 
auf  den  Waffenstillstand  und  die  damit  verbundene  Pflicht,  die  Genuesen 
und  ihre  Waren  nicht  zu  schädigen,  vereidet  würden;  falls  Mitglieder  der 
Kolonie  diesen  Eid  verweigern  sollten,  so  verpflichtete  sich  Pisa,  diese  zu 
ächten  und  ihre  Häuser  in  Pisa  zu  zerstören  —  gewiß  ein  sprechender  Beweis 
für  die  Bedeutung,  die  die  pisanische  Kolonie  in  Cagliari  schon  gewonnen 
hatte,  zumal  Pisa  auch  die  Ausrüstung  von  Kaperschiffen  gegen  die  Genuesen 
in  der  Kolonie  ausdrücklich  zu  verhindern  sich  verpflichtete.  3)  Nach  Wil- 
helms Tode  aber  folgte  ihm  im  Judikat  seine  Tochter  Benedicta,  die  sich 
mit  Bareso,  dem  Sohn  des  verstorbenen  Peter  von  Arborea,  vermählte  und 
mit  diesem  im  November  1214  *)  dem  Papste  den  Treueid  leistete.  Etwas 
später  ließen  sich  beide  bestimmen,  auch  der  pisanischen  Regierung  den 
Huldigungseid  zu  schwören  und  die  Belehnung  mit  dem  Judikat  auf  das 
Banner  Pisas  aus  der  Hand  eines  Konsuls,  den  die  Pisaner  herübergeschickt, 
anzunehmen;  zugleich  überließ  Benedicta  mit  ihrem  Gemahl  den  Pisanern 
auf  ihren  Wunsch  einen  Hügel  bei  Cagliari  zum  Geschenk.  Auf  dieser  Höhe 
nun  bauten  die  Pisaner,  die  Mahnungen  und  die  Exkommunikation  Inno- 
cenz' III.  mißachtend,  im  Jahre  1216  ein  außerordentHch  festes  Kastell 
(Castello  di  Castro)  ö)  und  im  folgenden  Jahre  erschien  mit  Heeresmacht  ihr 
Podestä,  Ubaldo  Visconti  und  nahm,  um  die  Herrschaft  der  Pisaner  in  Caghari 
gegen  den  Wankelmut  Benedictas  zu  sichern,  auch  den  Hafen  und  alle  Ein- 
künfte desselben  für  Pisa  in  Besitz,  ß) 

417.  So  hatte  sich  Pisa  im  Süden  Sardiniens  in  ähnlicher  Weise 
eine  starke  Position  geschaffen,  wie  sie  Genua  auf  Korsika  besaß, 
eine   Position    zudem,    die   wegen   ihres  Hinterlandes ,  und    der   Nähe 


*)  Näheres  s.  Besta  E. :  Per  la  storia  del  giudicato  di  Cagliari  al  principiato 
del  secolo  XIII,  in :  Studi  Sassaresi  1901 ;  und  B.  Baudi  di  Vesme :  I  diplomi  sardi 
deir  arcivescovado  di  Cagliari,  im  Boll.  stör.  bibl.  Subalpino  VI  (Turin  1901),  244  f. 
Solmi  A. :  Cagliari  pisana,  Cagliari  1904,  konnte  nicht  mehr  benutzt  werden. 

*)  Cod.  Sard.  I,  303,  317.  S.  auch  Luchaire  A.,  Innocent  III.,  Rome  et  l'Italie. 
PariH  1904  p.  135  ff. 

*)  Cod.  Sard.  I,  322  f.  Eine  notariell  aufgenommene  Tratte  eines  Pisaners  in 
Cagliari  auf  Gerardus  Henrici  Medici  in  Pisa  über  24  1.  pis.,  vom  6.  August  1212,  fällig 
14  Tage  nach  Ankunft  eines  bezeichneten  Schiffes  in  Porto  Pisano ;  Bonaini  III, 
200  Anm. 

*)  Cod.  Sard.  U,  App.  p.  489. 

»)  Brief  der  Benedicta,  Cod.  Sard.  I,  330;  Honorius'  III.  ebd.  331.  Breviar. 
pis.  bei  Murat.  SS.  VI,  191.     Volpe  350  ff. 

«)  Klage  der  Benedicta  bei  dem  Papste :  Cod.  Sard.  I,  329  f. 


534  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

von  Tunis  mit  seiner  starken  pisanischen  Kolonie  für  den  Handel 
von  sehr  viel  größerem  unmittelbarem  Werte  war  als  Bonifacio.  Nun 
war  auch  Pisa  zum  Abschluß  des  formellen  Friedens  mit  Genua 
geneigt. 

Da  drohte  im  letzten  Augenblicke  noch  das  Friedenswerk  daran  zu 
scheitern,  daß  die  Genuesen  die  Einbeziehung  des  Judex  von  Torres  in  den 
Frieden  zur  unerläßlichen  Bedingung  machten.  Im  Jahre  zuvor  (1216)  hatten 
sie  nämlich  mit  dem  Judex  Comita  und  seinem  Sohne  Marianus  einen  neuen 
Vertrag  geschlossen,  der  die  Abhängigkeit  des  Judex  von  Genua  wesentlich 
verstärkte,  ^)  Er  und  sem  Sohn  traten  in  die  genuesische  Compagna,  leisteten 
den  Bürgereid  und  versprachen,  von  einem  fest  auf  20000 1.  jan.  eingeschätzten 
Besitz  dieselben  Auflagen  zu  tragen  wie  die  genuesischen  Bürger.  Im  ganzen 
Judikat  durften  die  Genuesen  Konsuln  aus  ihrer  Mitte  mit  voller  Jurisdiktion 
über  ihre  Landsleute  ernennen.  Gegenseitig  versprach  man  sich,  kein  Handels- 
verbot gegeneinander,  auch  in  bezug  auf  Bonifacio  nicht,  zu  erlassen ;  daß  den 
Genuesen  freie  Salzausfuhr  zustehen  sollte,  wurde  noch  besonders  hervor- 
gehoben; von  der  gegenseitig  zugestandenen  Abgabenfreiheit  nahmen  die 
Genuesen  das  cantarium  vicecomitum  und  die  cabella  aus.  Hier  zuerst  findet 
sich  auch  die  Bestimmung,  daß  jede  Verbindung  (rassa)  zum  Zwecke  des 
Preisdrückens  beim  Einkauf  oder  der  Preistreiberei  beim  Verkauf  im  Judikat 
den  Genuesen  gegenüber  wie  in  Genua  den  Turritanern  gegenüber  verboten 
sein  sollte.  Zur  Ratifikation  des  Vertrages  und  gleichzeitig  zur  erstmaügen 
Einhebung  der  collecta  von  den  20000  1.  ging  1217  einer  der  Ritter  des 
Podestä,  Barocius,  zusammen  mit  dem  Notar  Marchisius  (dem  Annalisten) 
nach  Torres;  unterwegs  überbrachten  sie  der  Besatzung  von  Bonifacio  den 
fälhgen  Sold,  2) 

So  ist  es  begreiflich,  daß  die  Genuesen  auf  der  Einbeziehung  von 
Torres  in  den  Frieden  fest  bestanden,  und  dem  entschiedenen  Verlangen  des 
Papstes  gaben  die  Pisaner  in  diesem  Punkte  auch  schließlich  nach. 

Ende  1217  kam  im  Lateran  zu  Rom  der  Friede  auf  der  Grund- 
lage von  1188  zustande;  beide  Mächte  versprachen  dem  Papste  Ho- 
norius  III.,  die  Festen  Bonifacio  und  Castello  de  Castro  seinen  Be- 
vollmächtigten zu  übergeben.^)  Daß  sie  das  wirklich  tun  würden, 
hat  der  Papst  selbst  schwerlich  erwartet,  zumal  der  Kreuzzug  gegen 
Damiette  seine  ganze  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahm.  So  blieben 
beide  Seestädte  in  ihrem  Besitz,  der  ihrer  Seemacht  im  Westbecken 
des  Mittelmeers  eine  ähnliche  Stütze  gab,  wie  sie  Venedig  für  das 
Ostbecken  an  Modon  und  Koron  besaß. 

418.  Die  poHtischen  Verwicklungen  der  folgenden  Jahrzehnte,  bei 
denen  die  Einmischung  der  Päpste  eine  wichtige  Rolle  spielte,  sind  hier  als 
der  Handelsgeschichte  fernliegend  nicht  weiter  zu  verfolgen,  zumal  die  Macht- 


il 


')  Lib.  Jur.  I  no.  522  u.  523.  Undatiert,  aber  durch  die  Namen  der  genues. 
consules  communis  zu  1216  bestimmt  (von  Tola  im  Cod.  Sard.  I,  270  no.  136  zu 
1191  gesetzt).  Nur  wörtliche  Wiederholungen  dieses  Vertrages  sind  der  Vertrag^ 
von  1224  (der  also  nicht  mit  Chone  32  als  ein  besonderer  Erfolg  der  genues.  Poli- 
tik angesehen  werden  darf)  und  der  von  1233 :  Lib.  Jur.  I  no.  612  u.  705. 

*)  Ann,  genov.  II,  143. 

')  Cod.  Sard.  I,  333.  Pressutti  906,  958  betr.  Absolution  der  gebannten  Pfc^ 
saner. 


II 


Sardinien  und  Korsika.  •  535 

Verteilung  zwischen  Pisa  upd  Genua,  wie  sie  sich  als  Ergebnis  des  langen 
Krieges  herausgebildet  hatte,  im  wesentlichen  bestehen  blieb.  Die  Judikate 
Cagliari  und  Gallura  blieben  die  Domäne  der  Pisaner;  Arborea  schwankt, 
doch  überwiegt  auch  hier  der  pisanische  Einfluß,  während  in  Torres  und 
auf  Korsika  der  genuesische  meist  der  überwiegende  ist.  i) 

Die  Hoheitsrechte  Genuas  über  Bonifacio  wurden  in  der  Regel  durch 
drei  Kastellane  ausgeübt;  unter  die  burgenses  castri  Bonifacii  wurden  auch 
angesehene  Einheimische,  wie  im  Jahre  1222  die  korsikanischen  Ritter  Opicio 
de  Cinercha  und  W.  Blancolarius  aufgenommen.  2)  Pisa  schickte  als  seinen 
Vertreter  nur  einen  castellanus  (ursprünglich  capitaneus)  Montis  de  Castro 
oder  Castelli  de  Castro  nach  Cagliari,  dem  bei  der  Ausübung  der  richter- 
lichen Gewalt  ein  Judex  oder  Assessor  zur  Seite  stand ;  der  erste  mit  Namen 
bekannte  Kastellan  ist  Pietro  Scornigiani  im  Jahre  1229.  '^)  Im  September  1234, 
als  Opethinus  von  Ripafratta  Kastellan  war,  riefen  die  Reisenden  auf  dem 
Schiffe  Paradisus,  das  von  Marseille  nach  Accon  unterwegs  war,  seine  Ent- 
scheidung wegen  der  die  Sicherheit  des  Schiffes  gefährdenden  Unterbringung 
einer  Bleiladung  an,  worauf  er  die  Löschung  derselben  in  Cagliari  anordnete.*) 
Die  Parteiungen  der  Mutterstadt  fanden  auch  in  der  starken  pisanischen 
Kolonie  zu  Cagliari  einen  lebhaften  Widerhall;  als  es  sich  1237  um  die  Aus- 
söhnung der  Parteien  der  Conti  und  Visconti  handelte,  stand  auf  selten  der 
Conti  (von  Gherardesca)  auch  die  neue  Compagna,  de  Gamurra  genannt, 
die  sich  in  Cagliari  gebildet  hatte  und  unter  der  Leitung  des  früheren 
Kastellans  Opethinus  sowie  des  Ugolinus  und  Raynerius  von  Sassetta  stand.^) 

Im  übrigen  hatte  sich  in  Pisa  für  den  sardinischen  Handel,  ähnhch 
wie  für  den  tunesischen,  nur  noch  selbständiger  und  kräftiger,  eine  eigen- 
artige Organisation  entwickelt.  Alle  pisanischen  Kaufleute,  die  den  Handel 
mit  einem  der  wichtigeren  sardinischen  Häfen  pflegten,  waren  korporativ  zu 
einer  Hafengilde  zusammengeschlossen ;  sie  bildeten  das  comune  mercatorum 
portus  de  Calari,  de  Arborea,  de  Turri  usw.  ^)  Wie  diese  Korporationen  sich 
aus  den  in  Pisa  und  den  auf  Sardinien  weilenden  Mitgliedern  zusammen- 
setzten, so  hatten  sie  auch  hier  und  dort  ihre  selbstgewählten  Hafenkonsuln 
(consules  mercatorum  portus  de  Calari  etc.),  die  die  gemeinsamen  Interessen 
der  mit  einem  bestimmten  Hafen  Handel  treibenden  Pisaner  in  jeder 
Richtung  wahrzunehmen  hatten.  Dies  geschlossene  Auftreten  erleichterte 
sicher  dem  einzelnen  den  Handelsbetrieb  wesentlich;  namentlich  für  die 
Schiffsverbindung  zwischen  Pisa  und  den  sardinischen  Häfen  mußte  eine 
solche  Organisation  von  Wichtigkeit  sein.  Sache  dieser  Hafenkonsuln  war 
es  auch,  für  die  Beachtung  staatlicher  Vorschriften,   Handelsverbote  u.  dgl. 


^)  In  dem  1241  beginnenden  Kriege  erzielten  die  Pisaner  auf  Korsika  vor- 
übergehende Erfolge ;  sie  nahmen  Aleria  und  schlössen  mit  den  Nobiles  de  Bag- 
naria  1247  einen  Vertrag.  Konsulat  d.  M.  154;  Muratori  Antiqu.  IV,  235—241.  Am 
8.  Oktober  1245  kaufte  der  Reichsadmiral  Ansaldo  de  Mari  in  Pisa  drei  Kastelle 
auf  Capocorso  von  seinem  Landsmann  Sozo  Piper.  Caro  in  MJÖG.  XXIII  (1902), 
645  A.  1. 

2)  Chart.  I,  1151  (zu  1208)  und  Lib.  Jur.  I  no.  575. 

')  Konsulat  d.  M.  171  f.  Volpe  405  f.  Vgl.  Solmi  A.,  La  costituzione  sociale 
etc.  in  Sardegna,  im  Arch.  it.,  ser.  5,  34  (1904),  344. 

*)  Blancard  I  p.  149,  wo  er  Ypechinus  genannt  wird.  Die  Zeit  ergibt  sich  aus 
p.  72  f.  no.  51.     Nach  Volpe  1.  c.  war  er  schon  1233  Kastellan.     Solmi  1.  c. 

6)  Cod.  Sard.  I,  358.     Volpe  406. 

®)  Näheres,  namentlich  für  die  spätere  Zeit,  Konsulat  d.  M.  170  ö".  Vgl. 
Volpe  380. 


536  '  Fünfunddreißigstes  Kapitel. 

zu  sorgen;  die  auf  Sardinien  weilenden  waren  auch  mit  Jurisdiktion  über 
ihre  Landsleute  ausgestattet ;  wenn  der  Wert  des  Streitobjekts  50 1.  pis.  nicht 
erreichte,  war  Berufung  von  ihren  Entscheidungen  unzulässig,  i) 

Positiv  nachweisbar  ist  die  Institution  außer  für  Cagliari,  wo  uns  diese 
Konsuln  schon  im  Jahre  1212  begegnet  sind  und  wo  es  eine  besondere  Kirche 
S.  Maria  del  Porto  gab  2),  für  Torres,  für  das  eine  pisanische  Urkunde  von 
1222  die  ,mercatores  portus  de  Torres'  und  das  ,Comune  portus  de  Torres' 
erwähnt 3),  für  Bosa,  wo  wir  1230  einen  pisanischen  Konsul  Rotus  kennen 
lernen  4),  und  für  Arborea,  wo  1245  Leonardus  de  Ajuti  quond,  Pandulfini 
als  consul  mercatorum  Pisanorum  portus  Arboreae  erscheint.  •'5)  Alle  in  Pisa 
weilenden  Vorsteher  der  Sardinienfahrer  aber  hatten,  wie  für  1247  zuerst 
nachweisbar  ist,  kraft  ihres  Amtes  Sitz  und  Stimme  im  großen  Rate  des 
Comune  *•),  auch  ein  Zeichen,  von  wie  hervorragender  Wichtigkeit  der  Handels- 
verkehr nach  dieser  Insel  mit  ihrem  Überfluß  an  Getreide  und  anderen 
Lebensmitteln,  an  Salz  und  Metallen  für  Pisa  war,  dessen  Kräfte  andererseits 
freilich  auch  zu  einem  sehr  großen  Teile  durch  seine  sardinischen  Interessen 
in  Anspruch  genommen  wurden. 

419.  Mit  den  Pisanern  kamen  auch  Toskaner  des  Binnenlandes  nach 
Sardinien ;  hatte  doch  z.  B.  das  Kloster  Camaldoli  auf  der  Insel  nicht  geringen 
Besitz.'')  Bemerkenswert  ist,  daß  um  1222  Ritter  von  San  Gimignano,  die 
auf  Sardinien  in  pisanischem  Solde  gestanden  hatten  und  nach  ihrer  Ent- 
lassung in  Not  geraten  waren,  sich  zur  Aufbesserung  ihrer  Finanzen  auf  den 
Ankauf  und  Weiterverkauf  von  Pech  und  Wolle  warfen;  einer  von  ihnen 
hat  zu  diesem  Zweck  von  einem  Florentiner  Rodolfesco  ein  Darlehn  von 
etwa  30  1.  jan.  aufgenommen.  Auch  auf  Korsika  begegnen  wir  Florentinern; 
am  7.  März  1247  gewährt  ein  genuesischer  Gläubiger  von  Bonifacio  dem 
Florentiner  Bonella,  dem  Sohne  des  Gherardo  degü  Asini,  sicheres  Geleit.^) 

Auch  das  südliche  Italien  entbehrte  der  Handelsbeziehungen  zu 
Sardinien  nicht  ganz.  So  wissen  wir,  daß  die  Benediktiner  von  Monte  Cassino, 
die  schon  seit  dem  11.  Jahrhundert  auf  der  Insel  reich  begütert  waren,  für 
ihre  Fahrten  von  Gaeta  nach  Sardinien  am  Anfang  des  12.  Jahrhunderts 
das  Stadthaupt  der  Römer,  den  Konsul  Ptolomeus,  zu  ihrem  Beschützer 
erwählt  hatten,   wie  auch  aus  dem  Privileg  Tankreds  vom  Jahre   1191   das 

^)  Const.  Usus  rub.  47  bei  Bonaini  II,  975. 

2)  Erwähnt  1230:  Volpe  346.  Ebenda  werden  verschiedene  Bankiers,  eine 
j)latea  communis  und  eine  ruga  Leofantis  in  Cagliari  archivalisch  nachgewiesen. 

")  Volpe  347  A.  3.  Solmi  1.  c.  p.  339  weist  einen  pisanischen  Konsul  zu  Sas- 
sari  im  Jahre  1233  nach. 

*)  Bonaini  I,  276  A.  Er  ist  Zeuge  in  einer  Urkunde,  die  der  Vertreter  der 
pisanischen  Dombauverwaltung  in  Sassari  über  das  gewaltsame  Eindringen  von 
Leuten  des  Judex  von  Torres  in  ein  Besitztum  des  Domes  aufnehmen  ließ  (11.  Ok- 
tober 1230 ;  die  von  Volpe  346  A.  6  angeführte  Urkunde,  aus  der  er  auf  einen  pis. 
Konsul  in  Sassari  schließt,  ist  damit  identisch).  1235  zieht  der  Papst  die  Bischöfe 
von  Bosa  und  Empurias  zur  Rechenschaft,  weil  sie  den  Erzb.  von  Pisa  zum  Nach- 
teil von  Torres  als  Primas  von  Sardinien  aufgenommen  haben.     Auvray  2798  f. 

»)  Konsulat  d   M.  174. 

*)  Muratori  Antiqu.  IV,  239.  Dal  Borgo  276 :  Consules  et  Capitanei  Portuum 
Sardiniae. 

')  Kehr  P.,  Papsturkunden  im  östUchen  Toskana,  in:  Göttinger  Nachr.,  1904 
p.  148  (1125),  158  ff.  (1154). 

8)  Aussage  vom  18.  Mai  1221  bei  Davidsohn,  Forsch.  II,  304  no.  2319.  Fer- 
retto  I,  108  A.  3. 


11 


II 


II 


Sardinien  und  Korsika.  537 

Bestehen  eines  selbständigen  Handelsverkehrs  Gaetas  mit  Sardinien  erhellt.^) 
Auf  Handelsbeziehungen  zwischen  Sardinien  und  Sizilien  weist  die  am 
Ende  des  Jahrhunderts  gegen  einen  Erzbischof  von  Arborea  erhobene 
Beschuldigung,  daß  er  einen  christlichen  Hörigen  seiner  Kirche  durch  einen 
Nepoten  an  die  Sarazenen  Siziliens  habe  verkaufen  lassen  2)  und  aus  der  Zeit 
Friedrichs  II.  ist  uns  bekannt,  daß  die  Verwaltung  des  Salzmonopols  nach 
den  westlichen  Teilen  des  Königreichs,  namentlich  nach  Terra  di  Lavoro, 
auch  aus  Sardinien  Salz  einführte.  3) 

420.  Auch  Marseille  hatte  zu  Sardinien  durch  das  Benediktiner- 
Kloster  von  Sankt  Victor  alte  Beziehungen.  Am  Ende  des  11,  Jahrhunderts 
erfahren  wir  von  einem  Mönch  Johannes  aus  GaUura,  der  dem  Mutterkloster 
durch  einen  anderen  Mönch  350  SoHdi  lucchesischer  Münze  übersendet.  ■*) 
Ein  richtiger  Handelsverkehr  zwischen  beiden  Gebieten  tritt  allerdings  erst 
ganz  am  Ende  unseres  Zeitraumes  an  das  Licht.  Im  Mai  1248  ging  das 
Fahrzeug  S.  Nicolaus  des  Raimundus  de  Corvo  von  Marseille  nach  Sardinien  ^) ; 
im  folgenden  Monat  führte  der  Marseiller  Raimundus  Cuissardus  seine  Barke 
nach  Cagliari.  Von  einer  Handelsgesellschaft  von  acht  Personen,  der  er 
selbst  angehörte,  war  er  bevollmächtigt,  in  Cagliari  ein  oder  mehrere  Schiffe 
unter  dem  Beirat  zweier  mitreisender  Gesellschafter  anzukaufen  und  die 
dafür  erforderlichen  Mittel  in  Cagliari  als  Seedarlehn  oder  wie  er  es  sonst 
zweckmäßig  finden  würde,  aufzunehmen ;  drei  der  Gesellschafter  haben  ihm 
außerdem  für  die  Fahrt  silberne  Miliarenses  und  Goldtari  im  Gesamtwert 
von  97 1/2  1.  misc.  in  Commenda  gegeben.  ^) 

Deutet  diese  Fahrt  auf  den  damaligen  Kreuzzug,  so  erklärt  es  sich 
aus  dem  Seekriege  zwischen  Genua  und  der  kaiserlichen  Partei,  daß  die  an 
der  genuesischen  Riviera  beheimatete,  dem  Filionus  von  Finale  gehörige 
Galeere  Negretta  ihre  Fahrt  nach  Porto  Torres  von  Marseille  aus  antrat.'^) 
Am  26.  März  1248  hatte  der  Schiffer  mit  einer  Gesellschaft  von  fünf  Personen 
einen  Frachtvertrag  geschlossen;  sie  garantierte  ihm  eine  in  Porto  Torres 
einzunehmende  Ladung  von  200  Ztr.  Gewichts  von  Sassari,  für  die  er,  falls 
die  Ladung  wie  beabsichtigt,  in  Fleisch,  Käse  und  Häuten  bestand,  4  sol.  jan. 
für  den  Zentner  erhalten  sollte,  während  bei  anderen  Waren  die  Fracht 
nach  dem  üblichen  Wertverhältnis  auf  Grund  dieses  Satzes  zu  berechnen 
war.  Die  Abreise  der  mit  35  Personen  bemannten  Galeere  sollte  am  nächsten 
Sonntag  (29.  März)  erfolgen ;  Waren,  die  die  Ladungsinteressenten  ihm  für  die 
Hinfahrt  nach  Sardinien  mitgeben  wollten,  waren  unentgeltlich  zu  befördern ; 
der  Aufenthalt  in  Sardinien  sollte  zwei  Wochen  dauern,  die  Rückreise  je 
nach  Beschluß  der  Mehrheit  der  Ladungsinteressenten  nach  einem  der  Häfen 
auf  der  Küstenstrecke  von  Marseille  bis  Varazze  gerichtet  werden.  Am 
27.  März  trat  noch  ein  sechster  Ladungsinteressent,  Guil.  Blanc  von  Hyeres, 


»)  Petr.  diac.  1.  IV  c.  25  (SS.  VH,  773) ;  Cod.  Caiet.  H  p.  314. 

•)  Cod.  Sard.  I  p.  280  no.  147  (Schreiben  d.  Papstes  Innocenz  III.  vom  11.  Aug. 
1198). 

»)  Huillard-Bröholles  IV,  252.     Winkelmann  H,  281, 

*)  Cod.  Sard.  I,  163  (no.  18). 

')  Amalric  no.  633,  654  usw. 

*)  Ebd.  no,  890  (17.  Juni) ;  894  —  896 ;  dazu  eine  weitere  Commenda  in  byz. 
miliar,  no.  898. 

')  So  erfolgte  auch,  um  Sicherheit  vor  der  genuesischen  Außenpartei  zu  ge- 
winnen ,  am  19.  April  1248  der  Scheinverkauf  der  nach  Sardinien  bestimmten  ge- 
nuesischen sagettia  Bonaventura  an  GafEerius  von  Albenga.     Canale  II,  583  f. 


538 


Fünfunddreißigstes  Kapitel.    Sardinien  und  Korsika. 


der  Vereinbarung  bei;  von  den  übrigen  waren  drei  Marseiller,  darunter  der 
in  Marseille  naturalisierte  Benvenuto  von  Lucca,  und  zwei  Bürger  von  Sassari, 
mag.  Gaufridus  und  Barisonus  (=  Bressonus)  Manco ;  während  die  Anteile 
der  anderen  zwischen  28  und  37  Ztr.  sich  bewegen,  hatte  Gaufridus  die 
Garantie  für  84  quintalia  Ladung  übernommen.  ^)  Hier  zum  erstenmal  tritt 
uns  also  die  aktive  Beteihgung  einheimischer  Sarden  am  Seehandel  entgegen, 
auf  die  die  zwischen  Genua  und  dem  Judikat  Torres  seit  1191  abgeschlossenen 
Gegenseitigkeitsverträge  hinweisen. 

Von  einem  Handel  der  Katalanen  mit  Sardinien  hören  wir  in  dieser 
Zeit  noch,  nichts;  doch  ist  nicht  anzunehmen,  daß  er  ganz  gefehlt  hat,  wenn 
wir  uns  vergegenwärtigen,  daß  die  katalanischen  Vicecomites  von  Bas  seit 
der  Ehe  der  Agalbursa  auf  der  Insel  eine  Rolle  spielten,  und  daß  der  Judex 
Wilhelm  von  Cagliari  bei  seinen  Rüstungen  gegen  die  Genuesen  1196  auch 
Katalanen  in  seine  Dienste  zog.  2)  Es  sind  nur  die  ersten  Vorboten  der 
Entwickelung,  die  die  Katalanen  zur  Herrschaft  über  die  Insel  führen  sollte. 


»)  Amalric  no.  167,  181,  214. 

»)  Oben  §  410  u.  413.     Ann.  genov.  II,  56,  63  f. 


Abschnitt  VII: 

Das  proven^alisch-katalanische  Gebiet. 


Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

Katalonien. 

421.  Vor  dem  dritten  Kreuzzuge  ist  von  kommerziellen  Fort- 
schritten Kataloniens  noch  wenig  wahrzunehmen. 

Wenn  Graf  Raünimd-Berengar  III.  von  Barcelona  im  Jahre  1118,  um 
die  Bürger  Barcelonas  für  die  Dienste,  die  sie  ihm  besonders  bei  der  Belagerung 
des  castrum  Fos  in  der  Provence  geleistet,  zu  belohnen,  ihre  Galeeren  von 
dem  Fünften  befreite,  den  er  von  ihnen  bisher  im  Hafen  von  Barcelona 
erhoben  hatte,  so  handelt  es  sich  dabei  um  eine  Schiffsart.  die  vorwiegend 
lu  Kriegs-  und  Korsarenzügen  diente.  Auf  Handelsschiffe  dagegen  bezieht 
es  sich,  wenn  er  11.32  den  Zehnten  aller  Abgaben  (de  cunctis  leudis  et 
usaticis),  die  ihm  im  Hafen  von  Barcelona  von  allen  ein-  oder  auslaufenden 
oder  transitierenden  Schiffen  zustanden,  der  Kirche  von  Barcelona  überwies.^) 

Benjamin  von  Tudela,  der  von  Saragossa  über  Tortosa  und  Tarragona 
nach  Barcelona  kam,  nennt  es  eine  kleine,  aber  hübsche  Stadt;  aus  allen 
Teilen  der  Welt,  aus  Griechenland,  Pisa,  Genua,  Sizilien,  Alexandrien, 
Palästina  kämen  Kaufleute  hierher.  2) 

In  Wahrheit  waren  die  aus  aller  Welt  hierher  kommenden  Kauf- 
leute in  dieser  Zeit  ganz  überwiegend  Pisaner  oder  Genuesen.  Diese 
waren  es,  die  durch  ihre  Seezüge  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts wesentlich  dazu  beigetragen  haben,  den  Katalanen  gegen- 
über den  Sarazenen  Luft  zu  schaffen ;  ihren  Spuren  folgend,  sind  die 
Kaufleute  Barcelonas  allmählich  zu  weiteren  Handelsfahrten  und 
wachsender  kommerzieller  Selbständigkeit  gelangt. 

Der  Balearenzug  war  es,  der  die  Pisaner  naturgemäß  mit  dem  Grafen 
Raimund  Berengar  IH.  von  Barcelona  in  enge  Beziehungen  brachte;  monate- 
lang haben  sie  in  seinem  Gebiet  zugebracht,  ehe  im  Juni  1114  der  Aufbruch 

»)  Capmany  H  no.  1  u.  2.     Bofarull  II,  403. 
*)  Benj.  Tud.  I,  31. 


540  Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

zum  entscheidenden  Schlage  erfolgte.  Während  dieser  Zeit  erkoren  ihn  die 
Pisaner  zu  ihrem  ständigen  Bannerträger  (vexillifer  atque  guidator)  bei  Kriegs- 
zügen gegen  die  Sarazenen  Spaniens  und  er  selbst  rüstete  ein  Hilfskontingent; 
was  den  Pisanern  aber  das  wichtigste  war,  am  7.  September  1113  verlieh  er 
ihnen  in  S.  Fehu  de  Guixoles  (so.  Gerona)  ein  Privileg,  das  ihnen  Sicherheit 
des  Handels,  Schutz  auch  bei  Schiffbruch,  und  Freiheit  von  Handelsabgaben 
in  allen  seinen  Gebieten  gewährte,  i)  Auch  mit  seinem  gleichnamigen  Sohne 
standen  die  Pisaner  im  allgemeinen  in  gutem  Verhältnis ;  von  einer  lebhaften 
Korrespondenz,  die  sie  mit  ihm  führten,  ist  uns  nur  ein  Schreiben  vom 
Herbst  1146  erhalten,  in  dem  sie  ihn  dringend  ersuchten,  von  einer  Begünsti- 
gung der  genuesischen  Absichten  auf  die  Balearen  Abstand  zu  nehmen,  und 
im  übrigen  auf  Beschwerden  wegen  Vergewaltigung  seiner  Untertanen  durch 
Pisaner,  die  ihrerseits  provociert  zu  sein  behaupteten,  eine  entgegenkommende 
Antwort  gaben.  2)  Und  wenn  sie  auch  in  den  Jahren  1151/52  seinem  Vor- 
schlage einer  neuen  gemeinsamen  Expedition  gegen  die  Balearen  auswichen, 
so  kam  ihnen  andererseits  die  zwischen  ihm  und  Genua  wegen  Tortosas 
bestehende  Spannung  zustatten;  für  ihren  Einfluß  ist  bezeichnend,  daß  in 
der  Urkunde  des  Judex  von  Arborea  über  die  Morgengabe  für  seine  Gemahlin 
Agalbursa,  eine  Nichte  des  Grafen,  sich  unter  den  zehn  von  Raimund  beauf- 
tragten offiziellen  Zeugen  (legati  et  procuratores  D.  Raymundi)  neben  je  einem 
Marseiller,  Genuesen  und  Katalanen  sieben  vornehme  Pisaner  befinden 
(31.  Oktober  1156)^).  Auch  die  pisanische  Seezinstabelle  führt  das  wichtige 
Barcelona  natürlich  auf;  sie  hat  für  ,Barcelona  et  infra'  den  Satz  von  25%.*) 
Einen  Beweis  für  die  kräftige  Entwicklung  des  pisanischen  Handelsverkehrs 
nach  Catalonien  liefert  auch  der  Akt,  der  ihn  zu  unterbrechen  bestimmt 
war:  als  der  Nachfolger  Raimund  Berengars,  zugleich  König  von  Aragon, 
Alfons  IL,  sich  1167  mit  Genua  verband,  versprach  er,  die  Pisaner  in  Zukunft 
weder  in  Tortosa  noch  in  irgend  einem  ihm  gehörigen  zwischen  Tortosa  und 
Nizza  gelegenen  Hafen  aufzunehmen ;  nur  in  Barcelona  wollte  er  die  pisanischen 
Schiffe  noch  zulassen,  aber  auch  nicht  des  Handels,  sondern  ausschließlich  des 
Pilgertransportes  wegen.  Und  sogleich  betätigte  er  auch  seine  feindlichen 
Absichten ;  zwei  gerade  im  Hafen  von  Barcelona  liegende  pisanische  Schiffe 
nahm  er  fort  und  gab  die  Hälfte  der  Waren  den  Genuesen.  0)  Zwar  ver- 
feindeten sich  die  Genuesen  mit  Alfons  bald  wieder;  doch  mußte  Pisa  1175 
in  seinem  Frieden  mit  Genua  darein  willigen,  seinen  Seeverkehr  wie  mit 
Süd-Frankreich  so  auch  mit  Katalonien  bis  zum  Kap  Salou  für  die  Dauer 
von  zehn  Jahren  auf  die  Küstenschiffahrt  zu  beschränken. 

422.  Die  Genuesen  sehen  wir  zuerst  in  der  Zeit  ihres  langdauernden, 
hauptsächlich  Korsikas  wegen  entbrannten  Krieges  gegen  Pisa  mit  der  Graf- 
schaft Barcelona  anknüpfen ;  nach  längeren  Verhandlungen  sind  der  Konsul 
Caffaro  und  Ansaldo  Crispini  am  28.  November  1127  mit  Raimund  Berengar, 

*)  Eingerückt   in   das    dem   Gesandten  Sigerio  Gaetani  6   id.  Aug.  1233   vom 
König  Jayme   gewährte   Privileg,   Liber   Maiolichin.,   App.   no.  1   p.  137  f.     David- 
sohn I,  375.     Urkunde  über  die  Aufnahme  eines  Darlehns    von    100  morab.    durch 
den  Grafen  ad  iter  Majorice  expeditionis  peragendum  bei  Fidel  Fita  im  Boletin  40  _. 
(1902),  p.  68.     Vgl.  BofaruU  II,  398  ff.  fll 

«)  Coleccion  IV,  p.  371  f.  *■ 

«)  Ib.  p.  270  f.,  Cod  Sard.  I,  220  f.  (datiert  1157  ind.  IV ;  da  der  aufnehmende 
Notar  Pisaner  ist,  ist  pisanische  Jahreszählung  anzunehmen;  allerdings  wäre  auch- 
dann  noch  ind.  V  zu  erwarten.) 

*)  Bonaini  II,  905. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  253 ;  ann.  genovesi  I  p.  205  (1167). 


Katalonien.  541 

der  als  Herzog  und  Markgraf  der  Provence  zugleich  über  einen  beträchtlichen 
Teil  der  Südküste  Frankreichs  gebot,  zu  einer  Verständigung  gelangt,  die 
hauptsächHch  den  Anspruch  des  Grafen  betraf,  von  allen  genuesischen 
Schiffen,  die  auf  dem  Wege  nach  dem  mohammedanischen  Spanien  sein 
Küstengebiet  passierten,  eine  Abgabe  zu  erheben,  i)  Man  einigte  sich  dahin, 
daß  nur  diejenigen  genuesischen  Schiffe  zur  Entrichtung  der  Abgabe  (census) 
von  10  Morab.  in  Barcelona  und  S.  Feliu  de  Guixoles  an  die  Beamten  des 
Grafen  oder  Barcelonas  verpflichtet  sein  sollten,  die  während  ihrer  Fahrt 
an  einem  Punkte  der  Küstenstrecke  von  Nizza  bis  zur  Ebromündung  vor 
Anker  gingen ;  diesen  verbürgte  der  Graf  dafür  volle  Sicherheit,  während  er 
bezüglich  der  die  hohe  See  haltenden  Schiffe  (quae  vero  tenuerint  profunda 
pelagi),  die  das  Geleitsgeld  nicht  entrichteten,  jede  Verantwortung  ablehnte. 
Nahmen  genuesische  Schiffe  auf  der  Strecke  von  Nizza  bis  Salod  (C.  Salou, 
w.  Tarragona)  nichtgenuesische  Kaufleute  oder  Waren  für  diese  Fahrt  an 
Bord,  so  war  für  diese  die  gleiche  Abgabe  zu  entrichten  wie  sie  für  die 
Bewohner  von  Montpellier  herkömmUch  war;  bei  entstehenden  Zweifeln  sollte 
auf  den  Eid  zweier  im  Seewesen  erfahrener  Männer  zurückgegriffen  werden. 
Außer  diesen  den  Streitfall  beseitigenden  Bestimmungen  versprachen  sich 
die  Kontrahenten  gegenseitig  volle  Sicherheit  der  Personen,  Waren  und 
Schiffe  (auch  der  gestrandeten)  in  den  beiderseitigen  Gebieten;  bei  Zuwider- 
handlungen hatte  die  angerufene  Partei  binnen  40  Tagen  nach  erfolgter 
Anzeige  Abhilfe  zu  schaffen,  während  der  Vertrag  selbst  dadurch  nicht  in 
Frage  gestellt  werden  sollte.  Die  bestehenden  Handelsabgaben  wurden  auf- 
recht erhalten. 

Ein  besonders  enges  Verhältnis  schien  sich  20  Jahre  nach  diesem 
Vertrage  mit  Raimund  Berengar  IV,  (1131 — 1162)  anzubahnen,  der  zugleich 
Verweser  des  Königreichs  Aragon  war.  Als  die  Genuesen  im  September  1146 
ihren  Vertrag  mit  Alfons  von  Castilien  wegen  Almerias  schlössen,  machten 
sie  sein  Inkrafttreten  davon  abhängig,  daß  ihnen  die  Rückendeckung  durch 
eine  Vereinbarung  mit  dem  Grafen  gelänge,  mit  dem  sie  in  gespannten 
Beziehungen  lebten,  seit  sein  Bruder,  der  Graf  von  Melgueil,  im  Jahre  1144 
im  Seekampfe  gegen  sie  gefallen  war.  Fast  gleichzeitig  brachte  der  Ab- 
gesandte der  Flotte,  der  Konsul  Filippo  Lamberti,  diese  Vereinbarung 
zu  stände  2) ;  die  Genuesen  versprachen,  nach  der  Bezwingung  Almerias  und 
unter  analogen  Bedingungen  dem  Grafen  das  wichtige  Tortosa  an  der  Ebro- 
mündung 3),  nach  dessen  Besitz  er  schon  lange  strebte,  erobern  zu  helfen. 
Da  die  Einnahme  Almerias  erst  im  Spätherbst  1147  (17.  Oktober)  erfolgte, 
überwinterten  die  Genuesen  in  Barcelona  und  brachen  dann  Ende  Juni  1148 
in  Gemeinschaft  mit  dem  Grafen,  den  Tempelrittern  und  zahlreichen  Kreuz- 
fahrern gegen  Tortosa  auf.  Wieder  war  der  Anteil  der  Genuesen  mit  ihrer 
Flotte,  die  in  die  Ebromündung  eingelaufen  war,  ihren  kunstvollen  Belage- 
rungsmaschinen und  ihrer  verhältnismäßig  starken  Mannschaft  an  der  Ein- 
nahme der  Stadt  ein  besonders  rühmlicher;  erst  als  ein  Gesuch,  das  die 
Belagerten    mit  Genehmigung   der  Belagerer   an  den    »König    der  Spanier« 


1)  Capmany  IV  no.  I  p.  3 ;  vgl.  I,  2  p.  24  u.  Bofarull  II,  418. 

«)  Lib.  Jur.  I  no.  124  u.  127.  Imperiale  p.  402.  Über  die  Expedition  s.  den 
Sonderbericht  Caffaros,  SS.  XVm  p.  38;  ann.  genovesi  I  p.  85  jFf.  Langer  S.  33  f. 
liofarull  III  p.  29  ff. 

')  Die  Umgebung  war  reich  an  Schift'sbauholz  (Edrlsi,  Afr.  et  Esp.  282)  und 
Salinen  (Delaville  le  Roulx  I  no.  181). 


542  Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

gesandt  i) ,   ihnen  bis  zu  einer  bestimmten  Frist  Hilfe  zu  schicken,  fruchtlos 
blieb,  ergab  sich  am  30.  Dezember  auch  die  Burg. 

Da  der  Graf  im  Interesse  seines  neuen  Eigentums  jede  Zerstörung 
und  Plünderung  klug  zu  verhüten  wußte,  so  fehlte  diesmal  die  reiche  Beute, 
so  daß  die  Expedition  nach  Tortosa  für  die  Genuesen  auf  eine  Reihe  von 
Jahren  drückende  finanzielle  Verpflichtungen  hinterließ.  Doch  erhielten 
die  Genuesen  dem  Vertrage  gemäß  das  ihnen  zustehende  Drittel  der  Stadt, 
unter  der  Oberhoheit  des  Grafen,  im  übrigen  aber  zu  völhg  freiem  Besitz; 
bei  Streitigkeiten  zwischen  den  Bewohnern  des  gräfhchen  imd  des  genue- 
sischen Anteils  war  bei  Zivil-  wie  Kriminalsachen  das  Forum  des  Beklagten 
zuständig.  Auch  die  gleichfalls  versprochene  Freiheit  der  Genuesen  von 
Handelsabgaben,  vom  Jportaticum,  pedaticum  und  ribaticum,  trat  nunmehr 
für  das  ganze  westlich  von  der  Rhone  gelegene  Gebiet  des  Grafen  in  Kraft; 
durch  besonderes  Privileg  vom  1.  Januar  1149  verlieh  er  ihnen  ausdrücklich 
auch  Befreiung  von  allen  Abgaben,  die  sie  bisher  auf  dem  Wege  nach 
Hispanien  oder  nach  anderen  Gebieten  oder  auf  dem  Rückwege  von  da  in 
Tamarite  zu  entrichten  gehabt  hätten;  auch  für  andere  Personen  als  den 
Grafen  —  und  darin  liegt  der  Kernpunkt  dieses  Privilegs  —  dürften  Ab- 
gaben in  Tamarite  von  ihnen  nicht  gefordert  werden.^)  Auch  jetzt  blieb 
im  übrigen  im  Vertrage  die  Gegenseitigkeit  gewahrt,  da  die  gräflichen 
Untertanen  das  gleiche  Zugeständnis  der  Abgabenfreiheit  für  den  genuesi- 
schen Machtbereich  erhielten. 

423.  Die  Stellung  Genuas  auf  der  pyrenäischen  Halbinsel  konnte  in 
dieser  Zeit  in  kommerzieller  Beziehung  wahrhaft  glänzend  erscheinen;  was 
es  im  syrischen  Tripolis  vergeblich  erstrebt  und  an  anderen  Plätzen  Syriens 
auch  nur  teilweise  gewonnen  und  dazu  mit  anderen  rivalisierenden  Handels- 
mächten teilen  mußte,  besaß  es  hier  allein  —  ein  volles  Drittel  zweier 
Handelsplätze  im  nördlichen  und  südlichen  Teile  der  spanischen  Mittel- 
meerküste, die  bisher  zu  den  bedeutendsten  des  Landes  gehört  hatten. 
Dennoch  aber  trugen  diese  Erwerbungen  weit  mehr  als  die  syrischen  von 
vornherein  den  Charakter  stark  gefährdeter  Außenposten;  die  territorialen 
Gewalten,  die  im  Lande  selbst  wurzelten,  hatten  hier  doch  eine  ganz  andere 
Macht  und  ganz  andern  Rückhalt  als  es  in  den  Kreuzfahrerstaaten  der 
Fall  war. 

Sehr  bald  kamen  die  Genuesen  zu  der  Erkenntnis,  daß  Tortosa  für 
sie  nicht  zu  behaupten  war,  wenn  sie  nicht  ganz  unverhältnismäßige  Kosten 
aufwenden  wollten. 

Die  Verwaltung  seines  Drittels  und  alle  Einkünfte  daraus  hatte  Genua 
zuerst  auf  25  Jahre,  vom  2.  Februar  1149  an  gerechnet,  für  1900  Morab., 
die  jährlich  an  den  Bevollmächtigten  Genuas  zu  zahlen  waren,  zu  Lehen 
vergeben,  wir  wissen  nicht  an  wen ;  doch  ist  uns  der  Lehnseid  erhalten.^) 
Es  scheint,  daß  man  damit  die  wenigstens  für  den  Anfang  zu  erzielenden 
Einnahmen  erheblich  überschätzt  hatte.  Wohl  fanden  auch  im  genuesischen 
Drittel  Landanweisungen,    Belehnungen,    Vermietungen   durch    die  »domini 


*)  Das  ist,  wie  wir  wissen,  Mardenisch  von  Valencia,  nicht  wie  Langer  S.  34 
meint»  der  christliche  König  von  Navarra ;  auch  geschah  die  Sendung  keineswegs 
hinterlistig. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  145.     Imperiale  not.  30  p.  410. 

')  Lib.  Jur.  I  no  165.  Undatiert,  aber  durch  den  Inhalt  bestimmt;  vom  Her- 
ausgeber irrig  zu  1150  gesetzt  und  mitten  unter  den  Urkunden  dieses  Jahres  ab-j 
gedruckt.     Auch  Langer  S.  43  hat  den  Sachverhalt  nicht  erkannt. 


II 


Katalonien.  543 

Tortuose«  statt;  aber  der  gräfliche  Anteil  übte,  dank  der  persönlichen  Be- 
mühungen Raimund  Berengars,  eine  weit  größere  Anziehungskraft.^)  Schon 
im  Dezember  1150  traf  die  genuesische  Regierung  eine  völlig  neue  Verein- 
barung mit  einem  Konsortium  von  sieben  Personen,  dem  u.  a.  Wilelmüs 
liusius,  Ansaldus  Mallonus,  Wilelmüs  Picamilium  angehörten,  nach  welcher 
alle  Besitzungen  und  Rechte  Genuas  in  Tortosa  von  Weihnachten  1150  an 
auf  29  Jahre  an  dies  Konsortium  übergingen,  wofür  es  nur  zu  einer  jähr- 
lichen Zahlung  von  300  1.  Jan.,  allerdings  in  Genua  selbst,  verpflichtet  war; 
auch  versprach  die  Regierung,  alle  von  ihrem  Bevollmächtigten  früher  vor- 
genommenen Verpfändungen  rückgängig  zu  machen.^)  Indessen  auch  mit 
dieser  Verpachtung  wurden  die  Verhältnisse  nicht  gebessert;  und  so  ent- 
schloß sich  die  genuesische  Regierung,  wahrscheinlich  auf  Drängen  des 
Konsortiums  selber,  das  ja  den  regierenden  Kreisen  angehörte,  zur  Über- 
lassung ihres  Anteils  an  den  Grafen.  Enrico  Guercio  hatte  die  wenig  an-- 
genehme  Aufgabe  den  Vertrag  abzuschließen,  der  im  November  1153  zu- 
stande kam  3);  für  den  Preis  von  16640  Morab.,  die  im  ersten  Halbjahr  1154 
in  zwei  Raten  zu  zahlen  waren,  ging  das  genuesische  Drittel  von  Tortosa 
an  den  Grafen  über.  Natürlich  blieben  die  auf  privatrechtlichen  Titeln 
beruhenden  Besitzungen  der  einzelnen  Genuesen  davon  unberührt;  auch 
der  Dom  von  Genua  behielt  die  ihm  früher  überwiesene  Ebroinsel,  und 
der  Graf  versprach  ihm  als  jährliches  Ehrengeschenk  ein  pallium  im  Werte 
von  1  1.  bare.  So  war  Tortosa  noch  früher  verloren  als  Almeria;  es  ist 
bezeichnend  genug,  daß  die  Annalen  Caffaros  über  beide  Verluste  vöUig 
schweigen. 

424.  Da  die  Abgabenfreiheit  Genuas  im  Gebiet  des  Grafen  bestehen 
blieb,  so  müßten  wir  eigentlich  erwarten,  im  Notularium  des  Johannes 
(1155 — 1164)  den  Zeichen  des  regsten  Handelsverkehrs  der  Genuesen  in 
seinen  Ländern  zu  begegnen.  Um  so  überraschender  ist  es  für  uns,  daß 
sich  in  demselben  auch  nicht  ein  einziger  Vertrag  findet,  der  Barcelona  oder 
Tortosa  oder  irgendeinen  der  katalanischen  Häfen  als  Ziel  einer  Handels- 
fahrt namhaft  machte;  die  Genuesen  mieden  also  in  dieser  ganzen  Zeit 
diese  Küste  völlig.  Der  Grund  dieser  auffallenden  Tatsache  kann  nur  in 
einem  Umstände  gefunden  werden:  der  Graf  hat  die  Genuesen  auch  um 
einen  großen  Teil  des  Kaufpreises  gebracht  4);  nachdem  nach  Zahlung  der 
ersten  Rate  die  Übergabe  des  Besitzes  erfolgt  war,  hat  er  weitere  Zahlungen 
eingestellt. 

Erst  im  Jahre  1167  änderte  sich  das  bestehende  feindliche  Verhältnis. 
Der  genuesische  Konsul  Rodoanus  kreuzte  im  Frühjahr  vor  den  Rhone- 
mündungen gegen  die  Pisaner,  während  König  Alfons  von  Aragon,  der 
1162  auch  in  der  Grafschaft  Barcelona  gefolgt  war,  dem  mit  den  Pisanern 
verbündeten  Grafen  von  Toulouse  das  feste  Schloß  Albaron  an  der  unteren 
Rhone  zu  entreißen  suchte.  Das  führte  die  bisherigen  Gegner  zusammen ; 
in  dem  Vertrage    vom  7.  Mai  1167    versprachen    die  Genuesen    ihre  Unter- 


*)  Lib.  Jur.  I  no.  162.  Privileg  des  Grafen  vom  30.  November  1149.  Petrus 
de  Marca  p.  1303.     Coleccion  IV  no.  61  p.  144.     Langer  S.  35. 

>)  Lib.  Jur.  I  no.  162—164;  166.     Imperiale  no.  Vni  zu  nota  13  p.  350. 

«)  Coleccion  IV  no.  78  p.  251  f.     BofaruU  IH  p.  54. 

*)  Bisher  ganz  übersehen,  obwohl  es  aus  den  späteren  Verträgen  deutlich 
hervorgeht.  Vgl.  auch  Lib.  Jur.  I  no.  205  die  Vertröstung  Piacenzas  durch  die  Ge- 
nuesen (1154)  auf  die  Zahlung  von  6000  Byzantien,  die  sie  vom  Grafen  zu  erwarten 
hätten. 


544  Sechsunddreißigstee  Kapitel. 

Stützung  zur  Eroberung  des  Kastells,  während  der  König  versprach,  die 
von  seinem  Vater  herrührende  Schuld  bis  zu  einem  noch  zu  vereinbarenden 
Termin  an  die  Genuesen  zu  zahlen  und  dafür  den  Genuesen  angemessen 
erscheinende  Sicherheit  zu  stellen,  auch  ihre  volle  Abgabenfreiheit  in  seinem 
ganzen  Gebiete  aufrechtzuerhalten.  Die  Gültigkeit  der  mit  den  Genuesen 
geschlossenen  Konvention  war  an  den  Fall  des  Kastells  Albaron  gebunden.^) 
Die  Genuesen  taten  auch  das  Ihre,  indem  sie  vier  Galeeren  unter  Rogerius 
de  Maraboto  zum  Könige  stoßen  ließen.  Doch  hob  der  König,  nachdem 
sein  Verbündeter,  der  Vicomte  von  Beziers,  durch  Verrat  der  Seinen  den 
Tod  gefunden,  die  Belagerung  auf.  Damit  war  auch  der  Vertrag,  soweit 
er  neue  Bestimmungen  enthielt,  hinfällig  geworden;  ihr  Geld  erhielten  die 
Genuesen  auch  jetzt  nicht.  Mochte  schon  infolge  dieses  Umstandes  das 
Verhältnis  wieder  ein  gespanntes  geworden  sein,  so  richtete  sich  das  enge 
kriegerische  Bündnis,  das  die  Genuesen  1174  mit  Raimund  von  Toulouse 
schlössen,  direkt  gegen  Aragon ;  doch  schlössen  Alfons  und  Raimmid  schon 
im  Jahre  1176  wieder  Frieden.^)  Es  setzt  ein  schon  bestehendes  freund- 
schaftliches Verhältnis  voraus,  wenn  König  Alfons,  der  gerade  Rosas 
belagerte,  am  30.  November  1186  den  Genuesen  seinen  Beistand  gegen  die 
Pisaner  und  jedermann,  den  Kaiser  ausgenommen,  verspricht,  falls  sie  wegen 
der  Hilfe,  die  sie  seiner  Verwandten  Agalbursa  zur  Erlangung  des  König- 
reichs Arborea  zugesagt,  in  Krieg  verwickelt  werden  sollten.  Ausdrücklich 
versprach  er  zugleich  den  Genuesen,  die  Pisaner  weder  zu  Lande  noch  zur 
See  in  seinem  Gebiete  aufzunehmen,  und  falls  sie  irgendwo  auf  seinem 
Gebiete  landen  sollten,  sich  ihrer  und  ihrer  Waren  zu  bemächtigen.^)  1187 
brach  der  Krieg  zwischen  Pisa  und  Genua  tatsächlich  aus;  in  dem  Frieden 
aber,  der  schon  1188  (mit  Rücksicht  auf  den  saladinischen  Krieg)  herbei- 
geführt wurde,  mußte  Genua  auf  seine  Versuche,  die  Bewegungsfreiheit  der 
Pisaner  zur  See  einzuschränken,  endgültig  verzichten,  so  daß  Genuesen  und 
Pisaner  in  Katalonien  fortan  wieder  unter  gleichen  Bedingungen  in  Wett- 
bewerb traten. 

425.  Geographische  Lage,  Stammesverwandtschaft  und  politische 
Beziehungen  verknüpften  Katalonien  so  eng  mit  Süd-Frankreich, 
daß    wir   von   vornherein   auch  kommerzielle  Bande   zwischen  beiden.— 
Gebieten  anzunehmen  haben.  llf 

Wenn  der  Vertrag  Raimund-Berengars  mit  Genua  von  1127  auf  die 
nach  Hispanien  transitierenden  Fahrzeuge  von  Montpellier  Bezug  nimmt, 
so  beweist  das  natürlich  nicht  minder  für  den  Schiffsverkehr  zwischen 
Montpellier  und  Katalonien  selbst;  es  spricht  für  die  engsten  Beziehungen, 
wenn  Raimund-Berengar  IV.  schon  1136  einmal  mit  Wilhelm,  dem  Herrn 
von  Montpellier,  einen  Vertrag  geschlossen  hat,  wonach  dieser  Tortosa  zu 
Lehen  erhalten  sollte,  falls  es  in  die  Gewalt  der  Christen  käme.*)  Während 
der  Belagerung  Tortosas  sicherten  sich  die  Narbonnesen,  die  unter  Führung 
ihrer  Herrin  Ermengard  und  mehrerer  Stadtkonsuln  den  Grafen  eifrig 
unterstützten,  den  Lohn  für  ihre  Dienste  dadurch,  daß  sie  sich  vom  Grafen 


II 


1176). 


»)  Ann.  genovesi  I  p.  205  f.  (1167).     Lib.  Jur.  I  no.  253.     Unten  §  443. 

2)  Lib.  Jur.  I  no.  309,  310.    Petrus  de  Marca  p.  1368  f.  (Vertrag  vom  18.  April] 


»)  Lib.  Jur.  I  no.  360 ;  vgl.  no.  358. 
*)  Oben  §  422.     Petrus   de  Marca   p.  1281.     Bofarull  11,  436.     Liber  Instrum. 
p.  284  no.  152.  ' 


Katalonien.  545 

am  24.  September  1148  mit  Zustimmung  der  Genuesen  Einräumung  eines 
Fondaco  und  Freiheit  von  Handelsabgaben  in  der  eroberten  Stadt  versprechen 
ließen.i)  Und  bei  ihren  auf  Beschränkung  des  überseeischen  Handels  der 
Büdfranzösischen  Städte  gerichteten  Bestrebungen  haben  die  Genuesen 
diesen  doch  den  Verkehr  gerade  nach  Spanien  hin  freigegeben.2) 

426.  Als  Kaiser  Heinrich  VI.  im  Jahre  1195  den  Genuesen  erklärte, 
ihnen  zur  Eroberung  des  Königreichs  Aragon  behilflich  sein  zu  wollen, 
müssen  Mißhelligkeiten  zwischen  den  beiden  Mächten  bestanden  haben,  über 
die  wir  nichts  Näheres  wissen;  unter  Alfons'  Nachfolger  aber,  Pedro  H. 
(1196 — 1213),  kam  es  am  3.  September  1198  zu  einem  neuen  Vertrage,  den 
der  Gesandte  Aragons  Raimund  de  Fressia  mit  dem  Podestä,  Alberto  de 
Mandello  abschloß.^) 

Die  Verträge  von  1146  und  1167  wurden  mit  Ausnahme  der  obsolet 
gewordenen  Bestimmungen  bezüglich  Tortosas  und  Albarons  wieder  in  Kraft 
gesetzt,  und  Genua  verzichtete  nunmehr  formell  auf  seine  alte  Schuldforderung. 
Die  gegenseitig  vorgekommenen  Schädigungen  erklärte  man  für  kompensiert  ; 
als  Geltungsgebiet  der  genuesischen  Handelsprivilegien  wurde  die  Grafschaft 
Barcelona  und  das  Königreich  Aragon  bis  Narbonne  bezeichnet.  Der  Friede 
hatte  diesmal  länger  Bestand ;  im  Jahre  1204  erschien  Pedro  selbst  in  Genua 
und  fand  hier  eine  sehr  ehrenvolle  Aufnahme.  4) 

Im  Jahre  1213  aber  kam  es  zu  einem  neuen  Bruch.  Katalanische 
Seeräuber  hatten  eine  Büse  des  Genuesen  W.  Bubeus  bei  Vintimiglia  gekapert ; 
andere  hatten  dem  Guilelmus  de  Caffaro  schweren  Schaden  zugefügt,  so  daß 
diesem  von  der  genuesischen  Regierung  Represalien  in  Höhe  von  2000  1.  jan. 
gegen  die  Katalanen  bewilligt  worden  waren.  Dazu  kam,  daß  sich  der 
König,  als  das  von  Sizilien  mit  reicher  Ladung  zurückkehrende  genuesische 
Schiff  S.  Blasius  um  Ostern  1213  bei  ColUoure  Schiffbruch  litt,  des  Schiffes 
und  der  Ladung  bemächtigte  und  die  Leute  auf  dem  Schiff  gefangen  setzte ; 
nur  mit  Mühe  erwirkte  der  Konsul  Obertus  de  Volta,  den  Genua  an  den 
König  sandte,  wenigstens  die  Freilassung  der  Gefangenen.  0)  Natürlich  führte 
das  zu  Represalien  der  Genuesen,  die  wieder  Gegenrepresalien  hervorriefen 
—  so  war,  ohne  daß  der  offene  Krieg  erklärt  worden  wäre,  ein  Kriegszustand 
eingetreten,  der  17  Jahre  hindurch  dauerte.  Nur  mit  dem  Vasallen  des 
Königs,  Ugo  von  Ampurias,  kamen  die  Genuesen  in  der  Zwischenzeit  in  ein 
besseres  Verhältnis.  Im  Begriff,  aus  dem  Heiligen  Lande  zurückzukehren, 
ßtellte  er  am  1.  Mai  1219  an  Bord  des  Schiffes  S.  Mauricius  in  Accon  den 
Genuesen  einen  Sicherheitsbrief  für  sein  Gebiet  aus,  der  sich  ausdrücklich 
auch  auf  gestrandete  Schiffe  erstreckte.  0)  Trotzdem  beteiligte  er  sich  im 
Jahre  1224  wieder  an  der  Ausrüstung  zweier  proven9alischer  Kaperschiffe 

1)  Mouynes  p.  3.  Devic  et  Vaissöte  in,  379.  Port  136.  Noch  1241  bestätigt 
Guil.  de  Monte  Catano,  Dominus  Tortose,  ihr  Privileg  daselbst.  Mouynes  p.  36  no.  21, 

«)  Unten  §  439. 

3)  Ann.  genov.  H,  59.     Lib.  Jur.  I  no.  420,  421. 

*)  Ann.  genovesi  II,  94.  Ein  Kontrakt  über  Charterung  einer  genues.  Galeere 
vom  10.  Mai  1201  für  die  Handelsfahrt  nach  Barcel.  bei  Jal  in  den  Ann.  maritimes 
et  coloniales,  annöe  28,  s^rie  3.  Partie  non  officielle ;  t.  I  (Paris  1842)  p.  759  note  1 
aus  den  Regesten  Richeris ;  ebenda  ein  Frachtvertrag  von  1214  für  die  gleiche 
Fahrt,  bei  einem  Preise  von  30  sol.  jan.  für  den  Ballen.  (Bei  Canale  IT,  523  mit 
der  seltsamen  Datierung :  addi  10  del  1200). 

*)  Ann.  genov.  II,  127. 

«)  Lib.  Jur.  I  no.  551. 

Sbhaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  35 


546  Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

gegen  die  Genuesen.  Als  diese  aber  abgefangen  wurden,  zeigte  er  sich  zu 
einer  Verständigung  geneigt  und  schloß  am  9.  September  1225  mit  Genua 
einen  Vertrag,  in  dem  man  sich  gegenseitig  Unterlassung  jeder  Art  von 
feindseligen  Handlungen,  Gestattung  der  Getreideausfuhr  und  Belassung  der 
Handelsabgaben  auf  der  früheren  Höhe  zusicherte,  i) 

427.  Nachdem  der  tüchtige  König  Jayme  I.  den  Sarazenen  die  Haupt- 
insel der  Balearen  entrissen  hatte  (31.  Dezember  1229),  schien  es  den  Genuesen 
doch  geraten,  mit  Aragon  wieder  anzuknüpfen;  am  28.  Juni  1230  brachte 
ihr  Gesandter  Andrea  de  Caffaro,  auf  den  die  Forderung  seines  inzwischen 
verstorbenen  Bruders  Wilhelm  übergegangen  war,  den  Vertrag  von  Mallorka 
zustande.^)  Die  älteren  Forderungen  Genuas  wurden  anerkannt,  selbst  (in 
Höhe  von  8000  marab.)  die  alte  Schuld  wegen  Tortosas,  auf  die  Genua  1198 
schon  verzichtet  hatte;  für  das  Schiff  S.  Blasius  wurde  ein  Schadenersatz 
von  fast  14000  1.  jan.  zugebilligt.  .  Über  alle  Schädigungen,  die  seit  der  Weg- 
nahme dieses  SchijSes  von  beiden  Seiten  vorgefallen  waren,  sollte  ein  Schieds- 
gericht entscheiden,  das  zu  Weihnachten  in  Montpellier  zusammentreten  und 
bis  Ostern  seinen  Spruch  fällen  sollte.  Alle  Forderungen  der  Genuesen 
aber  sollten  durch  eine  fünfprozentige  Abgabe  vom  Werte  aller  Waren,  die 
von  Untertanen  des  Königs  in  Genua  oder  seinem  Gebiet  verkauft  wurden, 
allmählich  getilgt  werden;  in  entsprechender  Weise  waren  auch  die 
aragonesischen  Forderungen  aufzubringen.  Im  Prinzip  bewilligte  man  sich 
gegenseitig  Handels-  imd  Abgabenfreiheit;  doch  mußten  die  Katalanen  von 
Ol,  Fleisch,  Käse,  Barchentstoffen  und  Stahl  in  Genua  die  gleichen  Abgaben 
entrichten  wie  die  Genuesen  selbst ;  anderseits  sollten  die  Genuesen  in  bezug 
auf  Kauf  und  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  aus  den  Gebieten  des  Königs 
nur  dieselben  Freiheiten  genießen  wie  seine  Untertanen  und  die  meist- 
begünstigten Fremden. 

Der  Zusammentritt  des  Schiedsgerichts,  dem  auch  der  Statthalter  des 
Königs  in  Montpellier,  Berengar  von  Cervaria,  angehörte,  verzögerte  sich  bis 
zum  April;  am  15.  April  1231  beschlossen  die  vier  Schiedsrichter,  Zeugen 
nur  in  Montpellier  selbst  zu  vernehmen  und  die  Verhandlungen  bis  Pfingsten 
zu  beenden;  jeder  Partei  sollten  über  die  bewilligten  Entschädigungen  hinaus 
7000  1.  jan.  mehr  zur  Verteilung  unter  ihre  perdentes  zugebilligt  werden, 
ein  Modus,  der  offenbar  den  Wünschen  Aragons  besser  entsprach  als  den 
Interessen  der  Genuesen.  °) 

Zwei  Tage  nach  Abschluß  des  Hauptvertrages  fügte  der  König  in  bezug 
auf  die  neugewonnene  Stadt  Mallorka  eine  Reihe  von  Versprechungen  für 
die  Genuesen  hinzu;  zur  Erbauung  eines  Fondaco  (hier  statica  genannt) 
sollten  sie  einen  geeigneten  Platz,  ferner  einen  Garten  und  eine  Kirche  mit 
so  viel  Grundbesitz  erhalten,  daß  der  Unterhalt  von  fünf  Klerikern  davon 
bestritten  werden  konnte.  *) 

Einer  neuen  Gesandtschaft  unter  Obertus  de  Volta  gelang  es,  am 
21.  April  1233  von  Jayme  den  Genuesen  das  Recht  zu  erwirken,  in  allen 
Seestädten  seines  Reichs,  auch  in  Mallorka  und  den  künftig  erst  zu 
erwerbenden,   ihre   eigenen   Konsuln  zu  haben;    allerdings  sollte    sich  ihre 


II 


»)  Eid.  no.  625.     Ann.  genov.  II,  155. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  686,  687.     Chart.  II   no.  1812  (mit  dem  irrigen  Datum  des^ 
1.  Juli). 

')  Lib.  Jur.  I  no.  689,  690.     Ratifikation  durch  den  König  vom  1.  Mai  no.  691^ 
*)  Ebd.  no.  688. 


Katalonienr  547 

Gerichtsbarkeit  nur  auf  Zivilsachen  und  nur  auf  nicht  ortsangesessene 
Genuesen  erstrecken  dürfen  und  auch  da  noch  sollte  Berufung  an  den  könig- 
lichen Statthalter  (vicarius  sive  baiulus)  zulässig  sein.  ^)  Nun  begab  sich  Ober- 
tus  von  Tarragona  aus  nach  Mallorka  zu  Pedro,  den  der  König  zum  Regenten 
der  ßalearen  bestellt  hatte;  am  17.  Mai  überwies  dieser,  wie  es  scheint  in 
Erfüllung  der  schon  1230  gemachten  Versprechungen,  dem  Gesandten  ein 
größeres  Terrain  in  der  Stadt,  auf  dem  sich  u.  a.  verschiedene  zerstörte 
Häuser,  ein  Backofen  und  eine  Moschee,  die  zur  Kapelle  umgewandelt 
werden  sollte,  befanden.  14  Tage  darauf  schlössen  Pedro  imd  der  Gesandte 
einen  Gegenseitigkeitsvertrag,  der  alle  Zugeständnisse  des  Königs  in  bezug 
auf  den  Umfang  der  Herrschaft  des  Regenten  ausdrücklich  wiederholte. 
Auch  der  damals  gerade  in  Mallorka  weilende  Herr  von  Roussillon,  Conflans 
und  Cerdagne,  Nuno  Sancius,  schloß  mit  dem  Gesandten  einen  gleichen 
Vertrag  imd  verzichtete  außerdem  auf  etwaige  besondere  Ansprüche  wegen 
des  früher  von  den  Genuesen  gekaperten  Schiffes  Angelotus.  2) 

Daß  die  Niederlassung  der  Genuesen  auf  dem  als  Schiffahrtsstation 
wichtigen  Mallorka  sich  günstig  entwickelte,  beweist  der  Umstand,  daß  die 
Genuesen  im  Jahre  1246  trotz  des  schweren  Krieges,  in  den  sie  verwickelt 
waren,  an  die  Erbauung  einer  Kirche  zu  Ehren  ihres  Schutzpatrons,  des 
hl.  Laurentius,  gingen;  Innocenz  IV.  wies  am  24.  November  1246  den  Bischof 
von  Mallorka  an,  ihren  Wünschen  bezüglich  der  Grundsteinlegung  zu  ent- 
sprechen. 3) 

428.  Die  erfolgreiche  Sendung  des  Oberto  de  Volta  war  es  wohl,  die 
nun  auch  die  Pisaner  bestimmte,  eine  Gesandtschaft  an  König  Jayme  zu 
schicken ;  am  8.  August  1233  erwirkte  Sigerio  Gaetani  von  ihm  ein  Privileg, 
das  das  alte  den  Pisanern  gelegentlich  ihres  Balearenzuges  gewährte  Privileg 
bestätigte,  sie  unter  den  besonderen  Schutz  des  Königs  stellte  und  ihnen  in 
der  Stadt  Mallorka  Fondaco,  Backofen  und  Kirche  gewährte;  das  Fondaco 
sollten  sie  auf  einem  ihnen  zur  Verfügung  gestellten  geeigneten  Platze  zu 
bequemer  Unterkunft  für  sich  und  ihre  Waren  selbst  erbauen;  von  den 
Kirchen  Mallorkas  sollte  ihnen  eine  dem  Fondaco  möglichst  nahe  gelegene 
mit  soviel  Land  oder  sonstigen  Einkünften  überwiesen  werden,  daß  vier 
Kleriker  davon  unterhalten  werden  konnten.*)  Darnach  scheint  es,  daß  das 
zur  sarazenischen  Zeit  vorhandene  Fondaco  bei  der  christUchen  Eroberung 
zerstört  worden  war.  Wenn  wir  sonst  keine  Nachrichten  über  die  Handels- 
beziehungen Pisas  zu  den  Katalanen  in  dieser  Zeit  haben,  so  scheint  das 
außer  der  Unzulänglichkeit  unserer  Quellen  darauf  zu  beruhen,  daß  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Handelsnationen  damals  wie  noch  einige  Jahrzehnte  dar- 
nach ein  durchaus  gutes  war  5),  während  Katalanen  und  Genuesen  oft  in 
Differenzen  kamen.  Aus  dem  übrigen  Toskana  können  wir  einen  Luc- 
chesen,  Rolandus  Vendemia,  auf  einer  Handelsfahrt  nach  Mallorka  nach- 
weisen, die  er  im  Juni  1248  von  Marseille  aus  auf  dem  Fahrzeuge  des 
Willelmetus  von  Nervi  angetreten  hat.^) 

429.  Deutlicher  tritt  in  dieser  Periode  der  lebhafte  Handelsverkehr 
Südfrankreichs  mit  den  Gebieten  des  Königreichs  Aragon  hervor.     Auf  seiner 

»)  Ebd.  no.  707. 

2)  Ebd.  no.  708,  710,  716;  709,  717. 

')  Ebd.  no.  774. 

*)  Liber  Maiolich.  App.  no.  1  p.  137  S.    Konsulat  d.  M.  40.     Davidsohn  I,  375. 

»)  Näheres  Konsulat  d.  M.  241. 

«)  Amalric  no.  870. 

35* 


548  Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

Heimreise  aus  Palästina  schloß  Graf  Ugo  von  Ampurias  am  24.  Juni  1219 
mit  Marseille  einen  Vertrag,  wonach  dieses  alle  Küstenfahrzeuge  aus  dem 
Gebiet  des  Grafen  gegen  die  altherkömmlichen  Abgaben  und  Seezölle  i)  in 
seinem  Hafen  aufzunehmen  versprach;  außerdem  sollte  der  Graf  jährlich 
von  Marseille  aus  ein  Pilgerschiff  oder  ein  anderes  großes  SchifE  abfertigen 
dürfen.  Dafür  verzichtete  er  den  Marseillern  gegenüber  feierlich  auf  das 
Strandrecht  in  jeder  Form  und  gewährte  ihnen  außer  dem  Recht  gegen  die 
bisher  üblichen  Abgaben  Handel  zu  treiben,  unbeschränkte  Getreideausfuhr 
aus  seinem  Gebiet;  auch  ein  Getreideausfuhrverbot  sollte  sie  nur  bei  offen- 
kundiger sehr  schwerer  Teuerung  treffen.  Die  für  Getreide  herkömmliche 
Abgabe  wurde  dabei  für  Weizen  auf  7,  für  Gerste  auf  5  sol.  barcel.  für  den 
Modius  festgesetzt. 

Im  Frühjahr  1248  holte  das  Fahrzeug  des  Marseillers  Arnaudus  Andreas 
Getreide  aus  Elna ;  am  10,  Juni  quittierte  der  Schiffer  dem  Jacobus  Bernardus 
von  Elna  über  die  Zahlung  der  Fracht  für  64  Sack  Weizen,  die  er  in  Elna 
verladen  hatte.  Zur  selben  Zeit  versprach  ein  Einwohner  von  CoUioure 
6  Anker,  je  6  Zentner  schwer,  bis  zum  15.  Juli  von  Collioure  nach  Mar- 
seille zu  liefern ;  auch  einem  Bürger  von  Perpignan  begegnen  wir  damals  in 
Handelsgeschäften  in  Marseille.^) 

Auch  für  den  Handelsverkehr  von  Marseille  mit  Barcelona  kennen 
wir  einige  Kontrakte  aus  dem  Frühjahr  1248.  Guilelmus  Repelinus  erhielt 
am  27.  April  für  die  Fahrt  dahin  von  drei  Personen  234V2  byz.  miliar,  in 
Commenda,  wobei  ihm  31/3  byz.  mit  1  1.  misc.  angerechnet  wurden;  R.  de 
Gironda,  Bürger  von  Marseille,  fuhr  im  selben  Monat  auf  der  Barke  des 
Gull.  Mosse  und  Genossen  nach  Barcelona,  wobei  er  u.  a.  2  Posten  Indigo 
von  Bagdad  (2V3  Zentner  im  Werte  von  ca.  58I/2  1.  misc.)  zur  Verwertung 
in  Commenda  nahm ;  am  9.  Mai  endlich  sehen  wir  die  Barke  des  Job.  Blanc  j_ 
auf  der  Ausreise  nach  Barcelona.^)  U 

Mit  Mallorka  stand  die  Marseiller  Familie  de  Mandolio  in  besonders 
engen  Beziehungen.  Bernhard  de  Mandolio  gab  im  September  1233  seinem 
Landsmann,  dem  blancherius  Petrus  de  Podio,  von  Narbonne  aus  300  Scheffel 
Weizenmehl  im  Werte  von  60  1.  melg.  und  im  Mai  1235  von  Marseille  aus 
Tuche  im  Werte  von  100  1.  reg.  cor.  für  seine  Handelsreise  nach  Mallorka 
in  Commenda.4)  Auch  Grundbesitz  hatte  die  Familie,  jedenfalls  von  der 
Zeit  der  Eroberung  her,  an  der  sich  auch  Marseille  beteiligt  hatte,  auf  der 
Insel;  die  Verpachtung  desselben  durch  Johannes  de  Mandolio  an  Gull. 
Andreas  im  Jahre  1240  warf  einen  Jahresertrag  von  25  1.  reg.  ab,  der  aller- 
dings bei  der  im  März  1244  erfolgenden  Neuverpachtung  auf  6  Jahre  auf 
15  1.  ermäßigt  werden  mußte.^)  Jl 

*)  Abgabenfreiheit  excepto  usatico  antiquo  et  excepta  dacita  tabulae  Masei- 
liensis  de  mari.  Papon  II,  preuves  no.  XLI.  Layettes  I,  482  no.  1352.  Fagniez  I, 
125  no.  144. 

")  Amalric  no.  868,  887,  756.  Dem  Bernardus  de  Brullano  von  Perp.  werden 
von  Petrus  Giraudus  von  Limoges  im  Namen  eines  Dritten  übergeben  5  >sarrie 
erugue«  und  ein  Geldbetrag  von  25  sol.  misc.  für  einen  schon  verkauften  Posten 
der  gleichen  Ware. 

3)  Ebd.  no.  607  —  610;  443  u.  470;  675.  Der  Tarif  von  Marseille  (Möry  et 
Guindon  I,  345)  führt  auch  Tuche  von  Lerida  auf. 

*)  Manduel  no.  41  u.  63  (dazu  85).  Auf  eine  dritte  Commenda  Bernhards 
nach  Mallorka  bezieht  sich  no.  58  (J235). 

*)  Ebd.  no.  146.     Fahrt  über  Mallorka  nach  Afrika  oben  §  241 . 


I 


Katalonien.  549 

Nach  Valencia,  das  1238  von  Jayme  erobert  worden  war,  fuhr  im 
Frühjahr  1248  die  Barke  des  Petrus  de  Albanea,  die  »ganganella«  des  Gull. 
ügo  Fulcolini,  für  die  wir  3  Kontrakte,  darunter  eine  Commenda  von  1/2  Last 
Pfeffer  im  Werte  von  251/2  L  niisc.  nachweisen  können  i),  und  das  lignum 
»Leopardus«  des  Bertrandus  Belpel.^)  Auf  letzterem  fuhren  3  jüdische 
Bürger  von  Marseille  3),  Bonusinfans,  Bonafos  und  Bonusdominus  über,  die 
am  11.  Mai  1248  eine  offene  Handelsgesellschaft  eingegangen  waren,  derart, 
daß  alle  ihnen  gemeinschafthch  oder  einzeln  anvertrauten  Commendae  auf 
gemeinsame  Rechnung  gehen  sollten,  so  daß  nur  der  Gewinn  aus  ihren  per- 
sönlichen Einlagen  pro  rata  zu  teilen  war.  Vierzehn  solche  von  14  ver- 
schiedenen Personen  herrührende  Commendae,  die  zusammen  einen  Wert 
von  300  1.  misc.  darstellten,  können  wir  nachweisen;  soweit  wir  die  Waren 
kennen  lernen,  bestanden  sie  größtenteils  in  Drogen.  So  begegnen  wir 
12  Pfund  Kampher  und  41/2  Unzen  Moschus  im  Werte  von  zusammen 
341/4  1.  misc,  111/2  Pfund  Spikanarde  und  71/3  Pfund  Skammonium  im  Werte 
von  12  1.,  25  Pfund  Galangawurzel,  34  Pfund  Borax  und  3  Pfund  Rhabarber 
im  Werte  von  10  1.  misc.^),  ferner,  ohne  daß  wir  die  Quantitäten  erfahren, 
Kardamomen  und  Süßholz,  Safran  und  Galläpfeln,  »angelot«  und  Kümmel. 
Dazu  treten  36^/2  Zentner  Schwefel  im  Werte  von  27  1.  8^/3  sol.  misc.^) 
Einer  der  Commendageber,  ebenfalls  ein  Jude,  schreibt  vor,  daß  seine 
Commenda  im  Werte  von  10  1.  misc.  zum  Ankauf  einer  sarazenischen  Sklavin 
zu  verwenden  sei;  daß  gerade  in  Valencia  der  Sklavenhandel  blühte,  geht 
auch  daraus  hervor,  daß  3  Bürger  von  Valencia  am  2.  Juni  1248  einen 
sarazenischen  Sklaven  Azmet  für  8  1.  11  sol.  misc.  in  Marseille  verkauften. ß) 
Auf  dem  Leopard  reiste  endlich  auch  noch  der  Marseiller  W,  Fusterius  mit 
«iner  Commenda  von  Weihrauch  und  Datteln  nach  Valencia.*^) 

430.  In  die  engsten  Beziehungen  zu  den  Ländern  der  Krone  Aragon 
trat  Montpellier,  als  König  Pedro  IL  durch  seine  Heirat  mit  Maria  im 
Jahre  1204  zugleich  Herr  dieser  Stadt  wurde;  sogleich  bei  Übernahme  der 
Herrschaft  gewährte  er  den  Bürgern  von  Montpellier  vollständige  Abgaben- 
freiheit in  seinem  ganzen  Machtbereich  zu  Wasser  und  zu  Lande  (15.  Juni 
1204).8)  In  dem  Vertrage  vom  28.  August  1225  gestanden  die  Genuesen 
-den  Kaufleuten  von  Montpellier  die  Berechtigung  zu,  falls  Genua  gleich- 
zeitig mit  Marseille  und  den  Katalanen  in  Krieg  verwickelt  sein  sollte,  trotz 
ihrer  Freundschaft  mit  Genua  auf  katalanischen  Schiffen  und  in  Gemein- 
schaft mit  Katalanen  fahren  zu  dürfen.^)  An  der  Eroberung  von  Mallorka 
durch  König  Jayme  war  Montpellier  in  ganz  hervorragender  Weise  beteiligt; 
der  König  selbst  fuhr  auf  einer  Galeere  von  Montpellier  über.     Gleich  nach 

1)  Amalric  no.  366,  404 ;  789,  795,  827. 

'*)  So  heißt  der  Schiffer  in  allen  Kontrakten  vom  8.  Mai  an,  während  er  in 
zwei  älteren  Kontrakten  (628  und  647)  Basso  genannt  wird;  es  ist  also  wohl  Be- 
sitzwechsel eingetreten. 

')  Über  die  Rolle  der  Juden  in  Marseille  vgl.  A.  Crömieux:  Les  juifs  de 
Mars,  au  moyen-äge  in:  Rev.  des  ötudes  juives  46  (Paris  1903),  p.  1—47,  246—268; 
fortgesetzt  47  p.  62  ff.,  243  ff. 

*)  Amalric  no.  684,  658,  705. 

»)  Ebd.  696,  759,  693  (dazu  687),  683. 

*)  Ebd.  628,  839  (Marchand  p.  82  bezeichnet  dies  Stück  als  undatiert  und 
macht  ungenaue  Mitteilungen  darüber). 

^)  Ebd.  710. 

8)  Germain,  commune  I,  317  (Doc.  no.  1). 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  624. 


550  Sechsunddreißigstes  Kapitel. 

der  Einnahme  der  Stadt  bedachte  der  König  die  Bürger  von  Montpellier^ 
von  denen  er  erwartete,  daß  sie  sich  in  großer  Zahl  in  der  den  Sarazenen 
entrissenen  Stadt  niederlassen  würden,  mit  umfassenden  Schenkungen;  zu 
Händen  der  beiden  Konsuln,  Petrus  de  Crecio  und  Raimundus  speciarius, 
die  Montpellier  sogleich  für  Mallorca  ernannt  hatte,  ließ  er  nicht  weniger 
als  100  Häuser  in  der  Stadt  abgrenzen  und  formell  an  die  Bürger  von 
Montpellier  überweisen.  Den  Vertrag  mit  Genua  vom  28,  Juni  1230  unter- 
zeichneten außer  den  Großen  seiner  Umgebung  drei  Bürger  von  Montpellier 
imd  einer  von  Marseille.  Am  27.  August  1231,  als  Jayme  zum  erstenmal 
als  König  in  seiner  Geburtsstadt  weilte,  verlieh  er  den  Bürgern  4  Privilegien 
auf  einmal,  die  allerdings  wesentlich  nur  Bestätigungen  enthielten;  diejenigen 
ihrer  Mitbürger,  denen  sie  Anteile  an  ihrem  Besitz  auf  Mallorka  zugewiesen 
hätten,  sollten  diese  zu  völHg  freiem  Eigentum  besitzen. i)  Kurz  zuvor  hatte 
auch  Jaymes  Vasall,  der  Herr  von  Roussillon,  die  Leute  von  Montpellier 
mit  ihren  Waren  in  seinen  Schutz  genommen,  während  zugleich  auch  die 
Einwohner  von  Collioure  für  ihre  Sicherheit  einzustehen  gelobt  hatten  2) ; 
in  einem  etwa  aus  dem  Anfang  des  Jahrhunderts  stammenden  Zolltarif  von 
Montpellier  wird  der  Korduan  von  Roussillon  besonders  aufgeführt.^)  Der 
nachbarliche  Handelsverkehr  zwischen  Narbonne  und  Katalonien  wurde 
durch  Handelseifersucht,  wechselseitige  Kapereien  und  Represalien  vielfach 
gehemmt;  am  13.  Januar  1245  versöhnten  sich  zunächst  Narbonne  und  San 
Feliu  de  Guixoles  und  am  21.  Februar  1246  auch  Narbonne  und  Barcelona^ 
indem  alle  zwischen  den  Städten  bis  dahin  vorgekommenen  Schädigungen 
für  kompensiert  erklärt  wurden.*)  Jl 

431.  Schon  aus  dem  bisher  Angeführten  geht  hervor,  daß  Ka- 
taloniens Marine  und  Seehandel  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts in  lebhaftem  Aufschwünge  begriffen  gewesen  sein  muß ; 
insbesondere  Barcelona  kam  unter  der  Regierung  König  Jaymes^ 
der  der  nationalen  Schiffahrt  jede  Förderung  angedeihen  ließ,  mäch- 
tig empor  ^);  das  wachsende  Selbstgefühl  der  Katalanen  äußerte  sich 
freilich  auch  in  Kaperfahrten,  die  bis  in  die  genuesischen  Gewässer 
ausgedehnt  wurden.^)  Von  besonderer  Wichtigkeit  wurde  es,  daß  es 
der  König  verstand,  die  erstarkenden  Kräfte  seines  Volkes  auf  die 
Eroberung  der  benachbarten  sarazenischen  Gebiete,  der  Balearen  undj 
des  Königreichs  Valencia,  zu  vereinigen. 

Nach  umfassenden  Vorbereitungen  unternahm  Jayme  1229  seinen 
Heereszug  gegen  Mallorka ;  nach  fast  viermonatlicher  Belagerung  gelang  am 
letzten  Tage  des  Jahres  die  Erstürmung  der  Hauptstadt.  '^)  Barcelona  wurde 
für  seinen  Anteil  durch  völlige  Abgabenfreiheit  für  seinen  Handel  im  ganzen 


'fl 


')  Germain,  commune  H,  15,  18  A.  3,  20.   Lib.  Jur.  I  no.  686,  687.  Fabrege  n, 
63.     Lecoy  de  la  Marche  I,  79  f.  ,_ 

^)  Germain,  commerce  II,  pieces  just.  no.  10  p.  191  f.  ,     |H 

=•)  Liber.  Instrum.  p.  437 :  Das  Dutzend  zahlt  nur  2  den.,  während  die  dotzena^™ 
cordoani  sonst  3  den.  zahlte. 

*)  Blanc  II,   311  ff.   (mit  dem   irrigen  Datum  1244  in   der  Aufschrift).     Por 
p.  137.     Ein  Fall  von  Lebensmittelausfuhr  von  Narbonne  nach  Mallorka  §  429. 

")  BofaruU  m,  140  ff.  (c.  4  u.  5). 

«)  Oben  §  426. 

">)  Näheres  Lecoy  de  la  Marche  I  p.  18—68.     Swift  F.  D.     The  Ufe  and  time» 
of  James  the  first,  the  Conqueror  (Oxford  1894)  p.  39  ff. 


4 


Katalonien.  551 

Königreich  Mallorka,  einschließlich  der  erst  noch  zu  erobernden  anderen 
Inseln  belohnt;  dabei  sollte  es  keinen  Unterschied  machen,  ob  die  Bürger 
den  Handel  in  Person  ausübten  oder  durch  ihre  Kommissionäre  ausüben 
ließen;  auch  wurde  ausdrücklich  hervorgehoben,  daß  in  der  gewährten 
Immunität  auch  die  Befreiung  von  Verwiegungs-  und  Vermessungsgebühren 
für  Getreide,  Wein  und  Salz  mit  inbegriffen  sei.  i)  Um  die  Besiedelung 
seiner  neuen  Stadt  Mallorka  zu  fördern  und  die  Ansiedler  zu  selbständiger 
Handelstätigkeit  anzuregen,  gewährte  ihnen  Jayme  am  1.  März  1230  völhge 
Befreiung  von  Zöllen  und  sonstigen  Handelsabgaben  in  allen  seinen  Staaten 
und  dehnte  dies  Privileg  der  Mallorkaner,  um  jeden  Zweifel  auszuschließen, 
am  10.  Mai  1244  ausdrücklich  auch  auf  Valencia  und  Denia,  Collioure  und 
Barcelona  aus.  ^)  Denn  inzwischen  hatte  sich  das  Herrschaftsgebiet  Jaymes 
weiter  beträchtlich  ausgedehnt;  Menorca  war  am  17.  Juni  1231  durch  Vertrag 
mit  dem  Alfaqui  der  Insel  unter  das  Protektorat  des  Königs  gestellt  und 
tributpflichtig  gemacht  worden  3);  das  salzreiche  Iviza  war  1235*),  das  frucht- 
bare Königreich  Valencia  drei  Jahre  darauf  erobert  worden ;  am  28.  September 
hatte  sich  die  Hauptstadt  dem  Sieger  ergeben.  0) 

432.  So  hatte  das  Gebiet  der  romanischen  Nationen  am  Mittel- 
meer auf  Kosten  der  Sarazenen  durch  das  Verdienst  Jaymes  und 
der  Katalanen  eine  sehr  erhebliche  Erweiterung  erfahren,  die  zugleich 
die  Seegeltung  und  den  Seehandel  seines  Reiches  auf  das  günstigste 
beeinflußte.     Die  größten  Vorteile  davon  zog  naturgemäß  Barcelona. 

Das  Privüeg  gänzlicher  Befreiung  von  Handelsabgaben,  das  der  König 
ihm  1 230  f ür  die  Balearen  verliehen,  dehnte  er  schon  am  12.  April  1232  auf 
alle  seine  Länder  aus  '^),  so  daß  Barcelona  den  Wettbewerb  im  Seehandel  unter 
den  günstigsten  Bedingungen  aufzunehmen  vermochte.  Daß  es  die  Gunst 
der  Umstände  zu  nutzen  verstand,  zeigt  uns  der  Schiedspruch  des  Königs 
von  1243  bezüglich  der  von  der  lokalen  Gewalt  in  Tamarite  beanspruchten 
Seezölle,  aus  dem  deutlich  hervorgeht,  wie  häufig  Mallorka  und  das  Küsten- 
gebiet Spaniens  bis  über  die  Straße  von  Gibraltar  hinaus  von  barcelonesischen 
Handelsschiffen  besucht  worden  sein  muß  '^) ;  in  demselben  Jahre  untersagte 
Jayme,  der  im  übrigen  das  Emporkommen  der  städtischen  Selbstverwaltung 
durchaus  nicht  behinderte,  im  Interesse  der  Weiterentwicklung  des  Hafens 
von  Barcelona  innerhalb  bestimmter  Grenzen  die  Bebauung  des  Strandes, 
da  die  Stadt  infolge  des  starken  Schiffsverkehres  an  Ausdehnung  beständig 
zunehme.  8)  Über  die  Objekte  dieses  Handels  geben  uns  zwei  Tarife  besonders 
Aufschluß;  einer  vom  21.  Januar  1222,  der  sehr  eingehend  die  im  Gebiete 
eines  mächtigen  Vasallen  des  Königs,  Guilelmus  de  Mediona,  von  den  ver- 
schiedensten Gegenständen  zu  erhebende  Verkaufs-  oder  Transitabgabe 
behandelt    und    dabei   beständig    die    dem   Könige    und    seinem    Vasallen 


*)  Capmany  11  no.  5  p.  12  f.  (10.  Januar  1230). 

*)  Lecoy  de  la  Marche  I  no.  3  p.  406  für  alle  »populatores  et  habitatores  ci- 
vitatis et  Regni  Majoricarum« ;  no.  6  p.  414. 

»)  Ebd.  p.  73  S.     Mas  Latrie,  Traitös,  Doc.  p.  182. 

*)  Lecoy  de  la  Marche  I,  76.     Auvray  2529,  3093  u.  3094. 

»)  Näheres  Swift  1.  c.  p.  55  flf. 

•)  Capmany  U  no.  6  p.  14. 

')  Ebd.  no.  7  p.  15  ff. 

8)  ...  de  bono  in  melius  quotidie  ampliatur  propter  frequentem  usum  na- 
vium  et  lignorum ;  ebd.  no.  7  (bis)  p.  18. 


552  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

zustehenden  Anteile  an  denselben  feststellt ;  der  andere  der  im  Anschluß  an 
jenen  Schiedspruch  des  Königs  von  1243  aufgezeichnete,  ebenfalls  sehr  reiche 
haltige  Tarif  der  Seezölle  von  Tamarite.i)  Die  Gewürze,  Färb  waren  und 
Drogen  der  Levante,  die  Rauchwaren  des  Nordens^),  die  Erzeugnisse  der 
französischen  Textilindustrie,  die  Barchentstoffe  Italiens,  die  Feigen  Sar- 
diniens stehen  hier  neben  den  Produkten  des  heimischen  Ackerbaues,  der 
Viehzucht  und  des  Bergbaues,  den  sarazenischen  Sklaven,  aber  auch  neben 
dem  spanischen  Korduan  und  den  Tuchen  von  Lerida. 

Wie  sehr  der  selbständige  Außenhandel  Kataloniens  und  vor  allem  der 
seiner  Hauptstadt  Barcelona  in  dieser  Periode  zugenommen  hat,  beweist  am 
besten  der  Umstand,  daß  Genua  gemäß  dem  Vertrage  von  Mallorka  erwartet 
haben  muß,  seine  hohen  Entschädigungsforderungen  durch  jene  Verkaufs- 
abgabe von  den  in  Genua  Handel  treibenden  katalanischen  Kaufleuten^)  in 
absehbarer  Zeit  einzubringen ;  dank  der  Rührigkeit  der  Bevölkerung  und  der 
Tüchtigkeit  und  hohen  wirtschaftlichen  Einsicht  König  Jaymeg*)  ist  um  die 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  die  katalanische  Nation  den  älteren  romanischen 
Handelsnationen  mit  kräftigem  Vorwärtsstreben  an  die  Seite  getreten. 


Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den 
ßliönestädten  bis  zum  dritten  Kreuzzuge. 

433.  Im  Seeverkehr  Südfrankreichs  haben  in  der  Zeit  vor  dem 
dritten  Kreuzzuge  die  Italiener,  und  zwar  so  gut  wie  ausschließlich 
Genuesen  und  Pisaner,  die  maßgebende  Rolle  gespielt. 

Was  zunächst  den  westlichsten  der  südfranzösischen  Seeplätze,  Nar- 
bonne,  anbetrifft,  so  zeigt  uns  der  älteste  erhaltene  genuesisch-narbonnesische 
Vertragt)  deutlich,  daß  Genua  auch  vor  Abschluß  desselben  schon  geraume 
Zeit  einen  lebhaften  Handel  mit  Narbonne  unterhalten  haben  muß.  Im 
Juni  1132  erschienen  zwei  Konsuln  von  Narbonne,  Bernard us  Udolardi  und 
Bardina  Sapte,  im  Auftrage  ihres  Erzbischofs,  des  Vicomte  Aimeric  und  ihrer 
Kollegen  in  Genua,  um  die  zwischen  beiden  Städten  bestehende,  mit  viel- 
facher gegenseitiger  Schädigung  verbundene  Zwietracht  zu  beseitigen  — 
wahrscheinlich  hatte  Narbonne  bis  dahin  in  dem  genuesisch -pisanischen 
Kriege,  der  gelegentlich  auch  an  der  südfranzösischen  Küste  geführt  und 
erst  im   folgenden  Jahre  beendet  wurde,   auf  selten  Pisas  gestanden.     Die 


1)  Ebd.  p.  3—10  und  17  f. 

*)  Diese  begegnen  besonders  auch  in  dem  1235  zu  Tarragona  erlassenen 
Luxusgesetz ;  Cortes  de  Catal.  I,  1  p.  129  f.  rub.  6. 

8)  S.  hierfür  auch  §  490. 

*)  Sie  zeigt  sich  auch  darin,  daß  die  Cortes  von  Tortosa  unter  dem  Vorsitz 
des  jungen  Königs  am  28.  April  1225  beschlossen,  daß  die  Pfändung  eines  fremden 
Kaufmanns  nur  erlaubt  sein  sollte,  wenn  es  sich  um  den  Schuldner  selbst  oder 
seinen  Bürgen  handelte,  oder  wenn  von  dessen  Heimatsbehörde  kein  Recht  zu  er- 
langen gewesen ;  auch  sollte  sie  stets  nur  unter  der  Autorität  der  königlichen  Be- 
hörde vorgenommen  werden  dürfen.     Cortes  de  Catal.  I  p.  105  rub.  15. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  31.     Vgl.  Kohler  275,  278,  284. 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhonestädten  etc.      553 

vorgefallenen  Schädigungen  erklärte  man  für  gegenseitig  ausgeglichen;  nur 
die  Sache  des  Lanfrancus  Avocatus,  in  der  Aimeric  Remedur  versprach,  blieb 
in  der  Schwebe.  Aus  Darlehn  oder  Bürgschaft  entstandene  Privatschulden 
sollten  von  den  narbonnesischen  Gläubigern  vor  dem  genuesischen  Gericht, 
das  sie  wie  Genuesen  zu  behandeln  hatte,  eingeklagt  werden  können;  ande- 
rerseits blieben  die  Represalien,  die  den  Genuesen  gegen  die  Juden  von 
Narbonne  zustanden,  bestehen.  Ausdrücklich  wurde  den  Genuesen  gegenüber 
auch  auf  das  Strandrecht  verzichtet  i),  gleichgültig  ob  sich  der  Schiffbruch  an 
der  Meeresküste,  im  Strandsee  oder  auf  dem  Flusse  ereignete.  Neue  Zuge- 
ständnisse von  erheblicher  Wichtigkeit  aber  waren  1.  die  Zuweisung  eines 
an  der  Aude  gelegenen  Grundstücks,  das  die  Genuesen  sich  selbst  auswählen 
durften,  zum  Zwecke  der  Erbauung  eines  guten,  zum  dauernden  Aufenthalt 
geeigneten  Fondaco  und  zweier  Türme,  2.  der  Erlaß  des  dritten  Teils  der 
von  den  Genuesen  bisher  gezahlten  Handelsabgaben  (totius  usatici  et  lezede), 
mit  Ausnahme  allerdings  der  Gebühren,  deren  Erhebung  zwei  Privatpersonen 
zustand;  zugleich  verzichtete  Narbonne  auch  für  die  Zukunft  darauf,  die 
Genuesen  durch  neue  Auflagen  oder  Erhöhung  schon  bestehender  zu 
beschweren.  Die  Bestimmung  wegen  der  Privatschulden  deutet  auf  eine 
bemerkenswerte  Kapitalkraft  der  Narbonnesen  hin  und  sehr  eigenartig  berührt 
die  bezüglich  der  Juden  gemachte  Ausnahme,  die  im  übrigen,  wie  wir  wissen j 
in  Narbonne  zahlreich  und  angesehen  waren  ;  nach  Benjamin  von  Tudelä 
zählte  die  jüdische  Gemeinde  hier  gegen  300  Mitglieder  und  war  für  die 
Jüdischen  Studien  von  höchster  Bedeutung.  2) 

Aus  der  Zeit  des  30  jährigen  Friedens  zwischen  Genua  und  Pisa  haben 
wir  nur  wenig  bestimmte  Nachrichten  über  den  Verkehr  der  Kaufleute  dieser 
Städte  in  Narbonne.  In  dem  Friedensvertrage,  den  Graf  Alfons  von  Toulouse 
im  September  1143  mit  Genuesen  und  Pisanern  eingehen  mußte,  versprach 
er  auch,  sie  und  ihre  Waren  in  Narbonne  und  wegen  Narbonnes  in  Zukunft 
nicht  mehr  zu  belästigen;  und  einige  Jahre  später  forderte  die  Vizegräfin 
Ermengard  die  Genuesen  auf,  dem  Pisaner  Raymund,  der  am  12.  November  1151 
in  Narbonne  die  Tabaria,  eine  Tochter  des  Genuesen  Ansaldus  Guercius, 
geheiratet  hatte,  die  seiner  Frau  zustehende  Mitgift  auszufolgen ;  andernfalls 
würde  man  sich  an  die  Waren  Ansaldos  halten  müssen.  3)  Darnach  scheint 
es,  als  ob  dieser  Pisaner  seinen  dauernden  Aufenthalt  in  Narbonne  genommei^ 
hatte.  Den  gewohnheitsmäßigen  Handelsverkehr  der  Pisaner  mit  Narbonne 
beweist  auch  die  pisanische  Seezinstabelle  4),  die  Narbonne  mit  dem  die  Mitte 
zwischen  den  Sätzen  nach  Barcelona  und  Montpellier  haltenden  Zinssatze  von 
22^/2%  besonders  aufführt.  Der  älteste  erhaltene  Handelsvertrag,  von  dem 
pisanischen  Gesandten  Ugo  Pagani  abgeschlossen,  datiert  vom  21.  April  1164^); 
er  ist  nur  allgemein  gehalten  und  verbürgt  die  uneingeschränkte  Sicherheit 
des  Handels  zwischen  den  beiderseitigen  Gebieten  sowie  die  ordnungsmäßige 
Erledigung  von  Beschwerden  binnen  40  Tagen  nach  Eingang  derselben;  er 
sollte  für  die  ganze  Lebenszeit  Ermengards  Geltung  behalten.     Wichtig  ist, 

')  Seine  allgemeine  Beseitigung  hatte  Narbonne  unter  erzbischöflichem  Ein- 
fluß schon  1112  beschlossen;  doch  waren  die.  Sarazenen  davon  ausgenommen.  Der 
Ertrag  war  zwischen  dem  Erzbischof  und  dem  Vizegrafen  zu  teilen.     Port  41. 

2)  Benj.  Tudel.  I  p.  32;  Port  p.  170  f.  Saige  G.  Les  juifs  du  Languedoq 
aritärieurement  au  XlVe  siecle   (Paris  1881),  p.  13  (dazu  p.  155). 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  80  u.  177. 

*)  Bonaini  II  p.  905. 

•)  Lünig  I  p.  1057  f.     Tronci  p.  116.     Volpe  157  A.  2. 


554  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

daß  er  durchaus  auf  dem  Prinzip  der  Gegenseitigkeit  beruht,  daß  also  die 
Pisaner  in  vollem  Umfange  die  Gleichberechtigung  Narbonnes  anerkannten. 
Wenn  die  Genuesen  damals  schon  seit  längerer  Zeit  dem  Handel  mit 
Narbonne  fernstanden,  so  ist  der  Grund  hierfür  eben  m  dem  Anspruch  der 
Genuesen  zu  erblicken,  die  Südfranzosen  von  dem  Schiffahrtsverkehr  auf 
hoher  See  möglichst  auszuschließen,  einem  Anspruch,  den  die  Vizegräfin, 
eine  energische  Dame,  keineswegs  anzuerkennen  gewillt  war.  Tatsächlich 
finden  wir  in  dem  Notularium  des  Johannes  Scriba  Narbonne  niemals  als 
Ziel-  oder  Durch gangsp unkt  einer  genuesischen  Handelsfahrt  genannt;  nur 
2  Narbonnesen  begegnen  wir  hier  auf  dein  Markte  von  Genua,  allerdings 
auch  nur  in  der  wenig  rühmlichen  Tätigkeit  als  Sklavenhändler:  Peire  de 
Volta  und  Wilelmus  Moraga  verkaufen  in  den  Jahren  1160  und  1161  ihre 
sarazenischen  Sklaven  Machemet  und  Ali  an  den  Genuesen  Petrus  Caravel- 
lator,  wie  denn  der  Handel  mit  solchen  gerade  in  Narbonne  eine  sehr  gewöhn- 
liche Erscheinung  war.^) 

434.  Dies  gespannte  Verhältnis  wurde  indessen  noch  während  des 
genuesisch-pisanischen  Krieges,  als  Genua  die  Oberhand  zu  gewinnen  schien, 
beseitigt;  Guilelmus  de  S.  Grisanto  brachte  am  12.  November  1166  als 
Gesandter  Narbonnes  einen  Friedensvertrag  mit  Genua,  der  für  fünf  Jahre 
Gültigkeit  haben  sollte,  zustande.  2)  Er  ließ  die  allgemeinen  Bestimmungen 
des  alten  Vertrages  von  1132  in  Kraft  3);  seine  neuen  Bestimmungen  beziehen 
sich  auf  die  Gegner  der  Genuesen  und  die  Seeschiffahrt  Narbonnes.  Die 
Narbonnesen  verpflichteten  sich,  während  der  Dauer  des  Krieges  mit  Genua 
Pisaner  oder  pisanische  Waren,  die  von  der  hohen  See  kamen,  in  ihrem 
Gebiet  nicht  aufzunehmen,  auch  ihrerseits  solche  weder  von  Narbonne  aus 
noch  nach  Narbonne  auf  hoher  See  zu  befördern.  Geschah  letzteres  doch, 
so  sollte  es  nicht  als  Friedensbruch  gelten,  wenn  die  Genuesen  gegen  die 
beteiligten  pisanischen  Kaufleute  mit  Gewalt  vorgingen ;  nur  die  Waren  der 
Narbonnesen  sollten  dabei  unangetastet  bleiben.  Es  war  also  kein  völliger 
Ausschluß  der  Pisaner  von  Narbonne*);  pisanische  Schiffe  durften  auf  der 
Küstenfahrt  in  Narbonne  verkehren  und  ebenso  waren  die  narbonnesischen 
Schiffe  im  Transport  pisanischer  Waren  und  von  Pisanern  in  der  Küsten- 
fahrt (außer  von  Genua  aus)  unbeschränkt;  auch  stand  nichts  im  Wege, 
daß  die  Pisaner  von  anderen  Plätzen  Süd-Frankreichs  oder  Barcelona  aus 
nach  Narbonne  kamen.  Andere  Beschränkungen  richteten  ihre  Spitze  gegen 
die  südfranzösischen  Gegner  Genuas.  ^)  Im  übrigen  waren  die  Narbonnesen 
im  Seetransport  ihrer  Landsleute  und  der  eigenen  Waren  sowie  der  Genuesen 
und  ihrer  Waren  unbehindert.  Doch  sollte  während  der  Dauer  des  Krieges 
die  Aufnahme  von  Genuesen,  die  von  der  hohen  See  kamen,  in  Narbonne 
an  eine  von  diesen  mitgeführte  Licenz  der  genuesischen  Regierung  gebun- 
den sein;  auch  durften  die  Narbonnesen  alljährlich  nur  ein  Pilgerschiff  ab- 
fertigen. 


1)  Chart,  n  no.  1024  u.  1051  ;  Port  p.  71.  Der  Erzbischof  von  Narbonne,  Ar- 
nauld,  vermachte  1149  seine  Sarazenen  dem  Bischof  von  Böziers.     Port  p.  72. 

2)  Devic  et  Vaissete  VIII  (1879)  p.  263  f.  (Ausfertigung  für  die  Genuesen); 
Mouynes  p.  6  (Ausfertigung  für  Narbonne;  mit  vielfach  inkorrektem  Text).  Port 
p.  96  f. 

8)  Wenn   sich   der  Vertrag   zweimal   auf  die  Verhältnisse  seit  36  Jahren   be- 
zieht, so  fragt  sich  doch,  ob  nicht  statt  XXXVI  zu  lesen  wäre  XXX IV. 
*)  So  Langer  S.  119. 
»)  Unten  §  443. 


I 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  555 

Wenn  aber  den  narbonnesischen  SchifEen  so  auch  im  Prinzip  gestattet 
war,  nach  allen  Richtungen  der  Windrose  (per  mare  et  pelagus  versus 
omnes  ventos)  zu  fahren  und  ihnen  volle  Sicherheit  verheißen  ward,  wenn 
sie  auf  der  Fahrt  von  hoher  See  her  nach  Genua  kamen,  so  war  ihnen 
doch  in  diesem  Falle  in  Genua  der  Handelsverkehr  untersagt;  sie  durften 
dann  in  Genua  nur  so  viel  verkaufen,  als  zu  ihrem  Unterhalt  nötig  war; 
Abgaben  hatten  sie  dafür  nicht  zu  zahlen.  Nur  wenn  sie  auf  der  Küsten- 
fahrt nach  Genua  kamen ,  waren  sie  gegen  Entrichtung  der  seit  alters 
übhchen  Abgaben  in  Verkauf,  Kauf  und  Ausfuhr  unbeschränkt,  nur  daß 
die  Ausfuhr  von  Galeeren  und  Waffen  in  sarazenische  Länder  natürlich 
auch  ihnen  untersagt  blieb.  Auf  genuesischen  Schiffen  durften  sie  dagegen 
unbehindert  fahren  und  durften  ebenso  mit  Genuesen  Handelsgesellschaften 
eingehen  (societates  contrahere) ;  natürhch  mußten  sie  sich  dann  auch  nach 
den  von  Genua  erlassenen  Handelsverboten  und  Handelssperren  i)  richten, 
an  die  sie  sonst  nicht  gebunden  waren. 

Hatte  sonach  auch  die  kommerzielle  Bewegungsfreiheit  der  Narbonriesen 
in  mehr  als  einer  Beziehung  eine  empfindhche  Beeinträchtigung  erfahren, 
80  war  doch  auch  Genua  den  Narbonnesen  gegenüber  von  dem  sonst 
befolgten  Grundsatz,  die  Südfranzosen  von  der  Schiffahrt  auf  hoher  See 
möghchst  ganz  auszuschließen,  nicht  unerhebUch  abgewichen. 

435.  Es  scheint  nicht,  daß  dieser  interessante  Vertrag  erneuert  worden 
ist;  vielmehr  hatte  sich  Genua,  das  noch  bis  1175  im  Kriege  mit  Pisa  war, 
bald  nach  Ablauf  der  5  Jahre  über  Seeräubereien  der  Narbonnesen  zu 
beklagen,  wegen  deren  es  am  5.  Dezember  1172  und  21.  Januar  1173  dem 
Bonus vasallus  de  Cartagenia  Represalien  derart  gewährte,  daß  von  jedem 
nach  Genua  kommenden  Narbonnesen  3  sol.  jan.  erhoben  werden  sollten, 
bis  der  gesamte  ihm  zugefügte  Schaden  (im  Werte  von  661  1.  jan.)  ge- 
deckt war.  2)  Auch  ließ  sich  Genua  in  dem  Allianzvertrage,  den  es  im 
August  1174  mit  Raimund  von  Toulouse  schloß,  von  diesem  versprechen, 
ihm  wirksame  Hilfe  zur  Wiedererlangung  alles  dessen  zu  leisten,  was  die 
Narbonnesen  genuesischen  Bürgern  geraubt  hätten.^)  In  engem  Zusammen- 
hange damit  steht  es,  daß  nunmehr  auch  ein  Gesandter  Ermengards  und 
ihres  Neffen  Aimeric,  Petrus  Gualterius,  in  Pisa  erschien  und  am  4.  März 
1174  den  Vertrag  von  1164  erneuerte.*)  Erst  1182  kam  es  wieder  zur  Her- 
stellung eines  Vertragsverhältnisses  zwischen  Genua  und  Narbonne.^)  Die 
Genuesen  hatten  zur  See  Vergeltung  geübt;  speziell  die  Galeere  des  Bel- 
mustus  und  Martinus  Golia  hatte  die  Narbonnesen  empfindlich  geschädigt; 
andererseits  waren  die  Genuesen  nunmehr  geneigt,  auf  alle  Beschränkungen 
der  Bewegungsfreiheit    der  Narbonnesen    im  Seehandel    zu  verzichten.     So 

*)  Statt  pro  devero  quod  Januenses  facient  und  salvis  eorum  deveris 
(Devic  et  Vaissfete  VUI  265  f.)  ist  deveto  und  devetis  zu  lesen.  Vom  juristischen 
Standpunkte  aus  ist  der  Vertrag  neuerdings  behandelt  von  J.  Kohler  p.  279  f. ; 
meine  Darstellung  zeigt,   daß  ich  mehrfach  von  seinen  Auffassungen  abweiche. 

«)  Blanc  n,  I  p.  308  note  1. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  310. 

*)  Blanc  II,  1  p.  290.  Mit  dem  irrigen  Ansatz  zu  1175;  vgl.  Hist.  Z.  87  (1901), 
131.     Port  p.  107  irrig  1173. 

')  Lib.  Jur.  I  no.  333  (Eid  der  Narbonnesen,  in  Zukunft  keine  Genuesen  mehr 
zu  schädigen ;  gehört  natürlich  nicht  in  das  Jahr  1181,  sondern  in  das  Vertragsjahr) 
und  no.  337.     Vgl.  Kohler  281,  284. 


556  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

kam  ein  auf  vollster  Durchführung  des  Prinzips  der  Gegenseitigkeit 
beruhender  Vertrag  zustande,  der  am  1.  Dezember  1182  in  Narbonne,  am 
12.  Dezember  in  Genua  ratifiziert  wurde.  Die  Frist  zur  Erledigung  von 
Beschwerden  wurde  von  40  Tagen  auf  20  herabgesetzt;  den  Geschädigten 
auf  beiden  Seiten  (perdentes)  wurden  im  ganzen  je  1500  1.  jan.  zugebilligt. 
Diese  Entschädigungssumme  sollte  in  Narbonne  erstens  durch  Erhebung 
einer  besonderen  Abgabe  von  5  sol.  jan.  von  jedem  ankommenden  genue- 
sischen Kaufmann  oder  Seemann,  zweitens  durch  Einbehaltung  eines  Drittels 
aller  der  Vizegräfin  aus  dem  Verkehr  der  Genuesen  in  Narbonne  zustehenden 
Einnahmen  aufgebracht  werden,  und  entsprechend  wurde  in  Genua  verfahren. 
Wie  langwierig  sich  dies  Verfahren  oft  gestaltete,  geht  daraus  hervor, 
daß  es  erst  im  Jahre  1254  zur  vollen  Erledigung  der  aus  den  1172/73  ge- 
währten Represalien  stammenden  Forderung  gekommen  isti);  oft  genug 
fanden  ja  Unterbrechungen  des  friedlichen  Handelsverkehrs  statt,  so  daß 
neue  Entschädigungsansprüche  zu  den  alten  hinzutraten.  Jedenfalls  aber 
bezeichnet  es  einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  kommerziellen  Entwicke- 
lung  von  Narbonne  2),  daß  Genua  nunmehr  auf  die  Bevormundung  seines 
Seehandels  verzichten  mußte. 

436.  Für  den  Seeverkehr  des  zentralen  Teils  der  s lid- 
französischen Küste  kamen  damals  drei  Handelsplätze  in  Be- 
tracht :  Montpellier,  Saint  -  Gilles  und  Arles.  Montpellier,  die  Stadt 
der  Wilhelme,  nennt  Edrisi  eine  volkreiche,  blühende  und  von  Rei- 
senden vielbesuchte  Stadt  und  Benjamin  von  Tudela  schildert  es  als 
einen  besonders  lebhaften  Platz,  an  dem  des  Handels  wegen  Christen 
und  Sarazenen  in  Menge  von  überallher  zusammenströmten,  so  daß 
man  hier,  hauptsächlich  infolge  des  lebhaften  Handels  der  Genuesen 
und  Pisaner,  Leute  der  verschiedensten  Sprachen  vorfinde.  ^)  Sicher 
trug  auch  die  berühmte  medizinische  Schule  wesentlich  zum  kosmo-  Jl 
politischen  Charakter  der  Stadt  bei.  *■ 

Mit  dem  Meere  stand  Montpellier  nur  indirekt  in  Verbindung;  zu 
seinem  Haupthafen  bildete  sich  in  dieser  Zeit  Lattes  heraus.  Vom  Meere 
aus  mußte  man  erst  durch  einen  der  Schiffahrtskanäle,  unter  denen  für 
Montpellier  der  gradus  (grau)  von  Maguelone  und  der  gradus  Mercurii  (von 
Melgueil)  in  Betracht  kamen,  in  den  Strandsee  (stagnum);  an  der  dem 
Lande  zugewandten  Seite  desselben  gingen  die  Schiffe  vor  Anker.  Li 
einem  Vertrage,  den  Wilhelm  VI.  im  September  1140  mit  dem  Bischof 
von  Maguelone  schloß ,  wurde  bestimmt,  daß  es  den  Schiffern  freistehen 
sollte,  bei  Tavanum  oder  am  Hafen  von  Lattes,  wo  Wilhelm  eine  Feste 
errichtet  hatte,  zu  landen;  sollten  sie  letzteres  »wegen  der  Sicherheit  des 
Ortes«  vorziehen,  so  durften  sie  in  keiner  Weise  daran  gehindert  werden. 
Auf  Anraten  des  »bajulus  castelli  de  Latis«  gestattete  Wilhelm  VHI.  im 
April  1181  ö),  daß  alle  durchpassierenden  (euntes  et  redeuntes  per  aquam  et 
per  terram)  auch  in  der  außerhalb  der  Befestigungen  am  Strandsee  gelegenen 

1)  Blanc  II  1  p.  308  A.  1.  ll 

*)  Dagegen   läßt   sich  die  Behauptung  Pigeonneaus  (I,  148),   Narbonne   hätte  "■ 
in  dieser  Zeit  eigene  Konsuln  in  Tortosa  (1148),  Ampurias,  Genua  (1168),  Pisa  (1174) 
gehabt,  in  keinem  Punkte  aufrechterhalten. 

3)  Benj.  Tudel.  I,  33  f.     Fabrfege  I,  302. 

■*)  Germain,  commune  I,  5.     Layettes  I  p.  50. 

*)  Germain  1.  c.  p.  187  no.  5. 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  557 

Ortschaft  ihre  Waren  entladen,  verstauen  und  in  Verwahrung  geben  durften. 
Auch  Samt-Gilles,  der  berühmte  Wallfahrtsort  und  Meßplatz,  war  von  See- 
schiffen größeren  Tiefgangs  nicht  unmittelbar  zu  erreichen,  obwohl  Benjamin 
von  Tudela  die  günstige  Lage  seines  Hafens  an  der  Rhone,  3  Wegstunden 
vom  Meere  entfernt,  rühmt');  soweit  nicht  eine  Umladung  auf  Leichter- 
schiffe stattfand,  waren  es  vorzugsweise  Galeeren  und  Galioten^),  die  den 
Rhonearm,  an  dem  Saint-Gilles  lag  (den  gradus  Caprae),  befuhren.  So  fuhr 
Innocenz  IE.  im  Jahre  1130  mit  zwei  Galeeren  von  Rom  aus  über  Pisa  mid 
Genua  nach  Saint-Gilles,  um  von  da  ins  Innere  Frankreichs  weiterzugehen, 
und  hierher  kamen  auch  die  Gesandten  Kaiser  Manuels,  die  1163  mit  dem 
französischen  Könige  Verhandlungen  anknüpfen  wollten.^) 

An  Bedeutung  für  den  Seeverkehr  stand  Arles  damals  hinter 
Saint-Gilles,  von  dem  es  nur  20  km  entfernt  ist,  zurück,  trotz  seiner  Lage 
am  Hauptarm  der  Rhone  nur  wenig  unterhalb  der  Gabelung  des  Stromes; 
die  Beschaffenheit  des  Rhonedeltas  ließ  auch  hier  den  Verkehr  größerer 
Seeschiffe  nicht  zu,  obwohl  sich  die  seit  1131  unter  eigenen  Konsuln 
organisierte  Bürgerschaft  von  Arles  die  Aufrechterhaltung  der  Schiffbarkeit 
der  Rhone  angelegen  sein  ließ.'*) 

Da  diese  drei  Handelsplätze  in  mancher  Beziehung  miteinander 
rivalisierten  und  zudem  politisch  geschieden  waren,  da  Arles  zur  Graf- 
schaft Provence,  Saint-Gilles  zur  Grafschaft  Toulose  gehörte  und  Mont- 
pellier unter  eigenen  Stadtherren  stand,  so  wurde  dadurch  das  Über- 
gewicht des  italienischen  Seehandels  wesentlich  begünstigt,  während 
sich  zugleich  die  Streitigkeiten  zwischen  dem  die  alleinige  Seeherr- 
schaft an  dieser  Küste  erstrebenden  Genua  und  den  Pisanern  vielfach 
mit  den  in  Südfrankreich  selbst  bestehenden  Gegensätzen  verflochten. 

437.  Die  ältesten  Nachrichten,  die  wir  von  dem  Handelsverkehr  der 
Italiener  an  der  südfranzösischen  Küste  haben,  betreffen  die  Genuesen  und 
Saint-Gilles.  Aus  den  ersten  Zeiten  des  12.  Jahrhunderts  hören  wir  von 
genuesischen  Kaufleuten,  die  auf  der  Rückreise  von  Almeria  zwischen 
Barcelona  und  den  Balearen  von  einem  furchtbaren  Sturm  erfaßt  und, 
schließlich  nach  Marseille  gelangt,  von  hier  aus  doch  das  ursprüngliche 
Ziel  ihrer  Handelsfahrt,  Saint-Gilles,  aufsuchten,  um  hier  ihre  Waren  zum 
Verkauf  zu  stellen  und  dem  Heiligen  für  seine  Hilfe  in  Seenot  vier  bunt- 
bemalte Wachskerzen  darzubringen.^)  Besonders  hell  aber  wird  die  Bedeutung, 
die  Saint-Gilles  schon  damals  für  den  Handel  der  Genuesen  hatte,  durch 
eine  in  Syrien  ausgestellte  Urkunde  des  Sohnes  Raimunds  von  Saint-Gilles, 
des  Grafen  Bertram,  beleuchtet.  Als  dieser  mit  Hilfe  der  Genuesen  Tripohs 
erobert  hatte,  verlieh  er  ihnen  zu  Händen  ihres  Konsuls  Iterius  und  anderer 
vornehmer  Genuesen,  wie  des  Guilelmus  Embriaci,  am  Laurentiusfeste 
(10.  August)  1109  ein  Privileg,  in  dem  er  ihnen  für  den  Zeitpunkt,  in  dem 


»)  Benj.  Tudel.  I,  35. 

*)  Über  den  galiotus  vgl.  Heyck  p.  76 ;  s.  außerdem  Chart.  11  no.  568  (8.  Febr. 
1158).  Fahrt  nach  Saint-Gilles,  inde  Januam  vel  quo  galeotus  iverit.  Auch  der  ga- 
leotus  Pilosi  geht  »in  Provinciam<  no.  805  (1159). 

»)  Watterich  H,  175.  Ann.  genov.  I,  25.  Delaville  le  Roulx  I,  229  no.  321  f. 
Giesebrecht  V,  427 ;  VI,  433. 

*)  Stat.  et  leges  munic.  Arel.  rub.  185  bei  Giraud  II,  185  ff. 

»)  Mhac.  b.  Egidii,  SS.  XU,  321. 


558  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

Saint-Gilles  in  seine  Gewalt  kommen  würde,  große  Versprechungen  machte  a), 
Versprechungen,  die  vielleicht  einen  Ersatz  dafür  bieten  sollten,  daß  er  den 
Genuesen  ihr  Drittel  von  TripoHs  nicht  übergeben  wollte.  Ihrer  Laurentius- 
kirche  wollte  er  eine  Jahresrente  von  1000  sol.  gewähren ;  in  Saint-Gilles 
sollten  sie  zum  Bau  von  30  Häusern  (mansiones)  Grundstücke  in  bester 
Lage  erhalten;  dazu  sollten  sie  hier  wie  an  allen  sonstigen  Orten  seines 
gräfhchen  Gebietes  völlig  abgabenfrei  sein,  während  alle  von  der  Seeseite 
kommenden  Kaufleute  anderer  Nationalität  vom  Handel  mit  Saint  Gilles 
und  seinem  Gebiet  ausgeschlossen  sein  sollten.  Blieb  dies  Privileg  auch 
ohne  praktische  Bedeutung,  da  Bertram  1112  in  Tripolis  starb,  ohne  nach 
Frankreich  zurückgekehrt  zu  sein,  während  der  junge  Alfons-Jourdain,  der 
daheim  zur  Herrschaft  gekommen  war,  sich  durch  das  Privileg  seines  Halb- 
bruders in  keiner  Weise  verpflichtet  fühlen  konnte,  so  enthüllt  es  uns 
doch  auf  das  deutlichste  die  Ziele,  denen  die  genuesische  Handelspolitik 
schon  in  so  früher  Zeit  an  dieser  Küste  zustrebte.  Daß  sie  dabei  aber  mit 
einer  starken  Konkurrenz  der  Pisaner  zu  rechnen  hatten,  beweist  uns  das 
Privileg,  das  diese  auf  ihrem  Balearenzuge  am  7.  September  1113  vom  Grafen 
Raimund-Berengar  erwirkten;  Arles  und  Saint-Gilles  werden  dabei  als  die- 
jenigen Orte  besonders  hervorgehoben  2),  auf  die  sich  sein  Versprechen  des 
Schutzes  und  der  vollen  Freiheit  von  Handelsabgaben  beziehen  soUte, 
obwohl  für  Saint-Gilles  auch  nur  ein  leerer  Anspruch  des  Grafen  vorhanden 
war,  während  die  Provence  allerdings  seit  dem  Tode  des  Grafen  Gilbert  (1108) 
infolge  seiner  Heirat  mit  dessen  ältester  Tochter  Douce  zu  seinen  recht- 
mäßigen Gebieten  gehörte. 

Für  mehr  als  30  Jahre  versinken  dann  die  kommerziellen  Bestrebungen 
der  Italiener  im  Gebiete  der  Rhönemündungen  für  uns  im  Dunkel;  nur 
von  Galeeren  der  Pisaner  und  Genuesen,  die  während  ihres  langen  Krieges 
(bis  1133)  auch  an  der  provengalischen  Küste  erschienen,  hören  wir 
gelegentüch.3) 

438.  Erst  mit  dem  Jahre  1143  beginnen  die  Quellen  reichlicher  zu 
fließen.  Zwei  Jahre  vorher  hatten  sich  die  Bewohner  von  Montpellier,  von 
dem  Grafen  Alfons  von  Toulouse  und  Saint-Gilles  unterstützt,  gegen  ihren 
Herrn,  Wilhelm  VI.,  erhoben  und  eine  Commune  gebildet;  Wilhelm  hatte 
aus  der  Stadt  flüchten  und  sich  nach  dem  von  ihm  erbauten  festen  Schloß 
von  Lattes  (dem  castrum  de  Palude)  zurückziehen  müssen.^)  Doch  bald  gelang 
es  ihm,  nicht  nur  die  Sympathien  des  Papstes  Innocenz  11.^),  sondern  auch 
die  tatkräftige  Unterstützung  der  Genuesen  und  Pisaner  zu  finden.  Beide 
waren  wenig  zufrieden  damit,  daß  sie  sich,  wir  wissen  nicht  zu  welcher 
Zeit,  in  MontpeUier  zur  Zahlung  einer  besonderen  Abgabe,  die  Pisaner  von  20, 
die  Genuesen  von  10  sol.  melg.  hatten  verstehen  müssen,  die  zur  Deckung 
des  Schadens,    den  beide    den    Bürgern    von    Montpellier    durch    Seeraub 


II 


•)  Lib.  Jur.  I  no.  12.  Devic  et  Vaissete  V  no.  351.  Imperiale,  nota  19  p.  379. 
Wenn  Port  p.  95  sagt :  er  befreite  die  Genuesen  in  seinem  Territorium  von  Nizza 
bis  Port  Vendres  von  allem  Tribut,  so  ist  das  ein  Mißverständnis  der  Worte :  »a 
Niza  usque  ad  Portum  Veneris«  (Lib.  Jur.  I  no.  11),  die  vielmehr  die  Grenzen  des  ■ 
genuesischen  Machtgebiets  angeben.  Derselbe  Irrtum  bei  den  Benediktinern 
m,  590. 

ä)  Liber  Maiolich.  p.  188. 

«)  Ann.  genov.  I,  22—24  (zu  1125  u.  1127). 

*)  Germain,  commune  I,  11  fE.     Fabrege  I,  250. 

»)  Liber  Instrum.  p.  38  ff.  (,no.  8-10,  13,   14,  16). 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  559 

zugefügt  hatten,  bestimmt  war.  Von  besonderer  Erbitterung  aber  waren  sie 
gegen  den  Grafen  Alfons  von  Saint-Gilles  erfüllt,  weil  dieser  ihnen  Waren 
im  Werte  von  2000  Mark  feinen  Silbers  hatte  wegnehmen  lassen ;  der  junge 
Graf  von  Melgueil,  Bruder  des  Grafen  von  Barcelona,  hatte  mit  ihm  gemein- 
same Sache  gemacht. 

Im  Jahre  1143  setzte  die  Aktion  der  Genuesen  und  der  Pisaner,  die 
hier  in  seltener  Eintracht  zusammenhielten,  ein.  Unter  der  Führung  des 
genuesischen  Konsuls  Lanfrancus  Piper  und  des  pisanischen  Guilelmus  Caym 
eroberten  ihre  Galeeren  Montpellier  und  gaben  es  Wilhelm  VI.  zurück,  der 
dafür  in  überschwänglichen  Schreiben  den  Städten  seinen  Dank  ausdrückte.^) 
Außerdem  gewährte  er  ihnen  vollständige  Abgabenfreiheit  in  seinem  Gebiet 
für  Gegenwart  und  Zukunft,  wobei  er  ihnen  auch  die  besondere  Abgabe 
von  20  und  10  sol.  erließ,  verlieh  ihnen  je  ein  Fondaco  in  Montpellier  (die 
Genuesen  erhielten  das  Haus,  das  bisher  dem  Bruno  von  Toulouse  und 
seinen  Neffen  gehört  hatte)  und  versprachen,  bei  etwaigen  zukünftigen  Schädi- 
gungen durch  Pisaner  oder  Genuesen  immer  nur  gegen  die  Schuldigen  vor- 
gehen zu  wollen.  Endlich  versprachen  er  und  seine  Vasallen  eidlich  Unter- 
stützung gegen  Graf  Alfons;  nur  mit  Genehmigung  der  Konsuln  Genuas 
und  Pisas  würden  sie  mit  ihm  oder  den  Einwohnern  von  Saint-Gilles 
Frieden  schließen.^)  Sein  Sohn  und  Erbe  sollte,  sobald  er  das  15.  Lebens- 
jahr erreicht,  dies  Privileg  (securitatem)  binnen  14  Tagen  nach  ergangener 
Aufforderung   durch   die  Konsuln  Genuas   und   Pisas   ebenfalls  beschwören. 

Auch  der  Graf  von  Toulouse  leistete  nun  keinen  Widerstand  mehr; 
schon  am  5.  September  1143  wurde  der  Friede  von  Graf  Alfons  sowie  dem 
Abt  und  den  Konsuln  von  Saint-Gilles  in  Anwesenheit  der  beiden  oben 
schon  genannten  Konsuln  von  Genua  und  Pisa  feierlich  beschworen.  Die 
Bürger  von  Saint-Gilles  hatten  den  angerichteten  Schaden  in  Höhe  von 
2000  Mark  Feinsilber  im  Laufe  von  10  Jahren  in  halbjährigen  Ratenzahlungen 
zu  ersetzen,  während  die  Genuesen  und  Pisaner  versprachen,  die  Untertanen 
des  Grafen  wegen  dieses  Vorfalls  nicht  weiter  behelHgen  und  das  an  ihre 
Mitbürger  ergangene  Verbot  des  Besuches  des  Hafens  von  Saint-Gilles  zurück- 
nehmen zu  woUen.  Im  übrigen  versprach  man  sich  gegenseitig  volle  Sicher- 
heit der  Personen  und  Waren  in  beiden  Gebieten  und  Erledigung  von  Be- 
schwerden binnen  40  Tagen;  Diebstahl,  Ehebruch  und  Verbrechen  gegen 
das  Leben  sollten  am  Tatorte  nach  den  dort  geltenden  Gesetzen  geahndet, 
niemals  aber  ein  Unbeteiligter  deswegen  zur  Sühne  herangezogen  werden.^) 
Gegen  Ende  des  Jahres   erschien   dann  einer  der  Konsuln  von  Saint-Gilles, 


')  Lib.  Jur.  I  no.  82.  Nur  das  Dankschreiben  an  Erzbischof ,  Konsuln  und 
Volk  von  Genua  ist  erhalten. 

')  Ebd.  no.  84.  Die  Anordnung  der  Urkunden  im  Lib.  Jur.  ist  verkehrt;  die 
chronologische  Folge  wäre:  82,  84,  80,  81,  während  no.  83  überhaupt  nicht  in  das 
Jahr  1143  gehört.  Das  Privileg  no.  84  enthält  die  dem  genuesischen  Konsul  über- 
gebene  Ausfertigung ;  die  für  den  pisanischen  Konsul  ist  nicht  erhalten,  doch  geht 
ihr  Inhalt  auch  aus  der  Ausfertigung  für  Genua  deutlich  hervor.  Der  Eid  Wilhelms 
auch  bei  Germain,  commune  U,  p.  419  und  Liber  Instrum.  no.  203  p.  348,  wo  er 
unrichtig  zu  1177  gesetzt  ist. 

')  Ebd.  no.  80.  Caffaros  Berichterstattung  über  die  geschilderten  Vorfälle 
(ann.  genovesi  I  p.  31  f.  zu  1143)  ist  höchst  ungenau;  die  Beteiligung  der  Pisaner 
verschweigt  er  ebenso  wie  die  Differenz  mit  dem  Grafen  von  Saint-Gilles;  mit  den 
1000  M.  Silber,  von  denen  er  spricht,  kann  nur  die  auf  die  Genuesen  entfallende 
Hälfte  gemeint  sein;  er  erzählt  aber  so,  als  wenn  Wilhelm  von  Montp.  jene  Schä- 
digung der  Genuesen  verübt  hätte. 


560  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

Guiscard,  persönlich  in  Genua  (im  November)  und  in  Pisa,  um  den  Friedenseid 
der  Bürger  dieser  Städte  entgegenzunehmen.i)  Gegen  den  Grafen  von 
Melgueil  aber  dauerte  der  Kampf  noch  fort.  Noch  auf  der  Rückkehr  ge- 
lang es  der  Flotte,  eine  Galeere  der  Seeräuber  zu  kapern;  im  folgenden 
Jahre  aber  (1144)  wurde  der  Graf  im  Seekampfe  mit  den  Genuesen  durch 
einen  Pfeilschuß  getötet.  Mit  furchtbarer  Strenge  gingen  die  Genuesen  nun 
gegen  die  ihren  Handelsverkehr  an  der  Küste  beeinträchtigende  Piraterie 
vor;  der  Bemannung  eines  Seeräuberschiffes,  das  in  ihre  Hände  fiel,  ließen 
sie  die  Augen  ausstechen.^) 

439.  Wilhelm  VI.  von  Montpellier,  der  noch  bei  der  Belagerung  Tor- 
tosas  (1148)  mitwirkte,  starb  im  Jahre  1149;  sein  jugendlicher  Nachfolger 
Wilhelm  VII.  beschwor  nach  anfänglichen  Mißhelligkeiten  im  folgenden  Jahre, 
das  Privileg  von  1143  für  ewige  Zeiten  zu  halten;  gleichzeitig  aber  sah  er 
sich  genötigt,  für  5  Jahre  auf  eine  Sonderkonvention  einzugehen,  die  seine 
Gesandten  Berengarius  Lamberti  und  Guilelmus  Petri  in  Genua  hatten  ab- 
schließen müssen,  eine  Konvention,  die  besonders  dem  Seehandel  Mont- 
pelliers empfindliche  Beschränkungen  auferlegte. 3) 

Nach  der  Levante  durfte  Montpellier  fortan  nur  Pilgerschiffe  ent- 
senden; im  übrigen  wurde  seine  Schiffahrt  in  der  Richtung  nach  Osten 
auf  die  Küstenfahrt  bis  Genua  beschränkt.  Nach  Westen  hin  durften  sie 
ihre  Fahrten  bis  zum  mohammedanischen  Spanien  ausdehnen,  wobei  sie  auch 
den  Weg  über  die  offene  See  (per  pelagus)  wählen  konnten.  Nur  mit 
diesen  Beschränkungen  gestand  Genua  den  Schiffen  von  Montpellier  seiner- 
seits Sicherheit  auf  dem  Meere  zu ;  fuhren  sie  über  die  angegebenen  Grenzen 
einmal  durch  Sturm  verschlagen  oder  sonst  unabsichtlich  hinaus,  so  waren 
sie  verpflichtet,  so  rasch  wie  möglich  in  das  ihnen  erlaubte  Gebiet  zurück- 
zukehren; jedenfalls  aber  durften  sie  in  solchem  Falle  außerhalb  desselben 
keinerlei  Handel  treiben. 


II 


1)  Der  Friedenseid  der  Grenuesen  ist  erhalten ;  Lib.  Jur.  I  no.  81. 

*)  Ann.  genovesi  I  p.  32  zu  1144. 

^)  Lib.  Jur.  1  no.  83.  Undatiert;  vom  Herausgeber,  der  das  Stück  zugleich 
verkehrt  als  ein  Bündnis  der  Genuesen  und  Pisaner  mit  Wilhelm  bezeichnet,  irrig 
zu  1143  angesetzt,  was  bisher  allgemeine  Annahme  gefunden  hat,  obwohl  es  mit 
dem  Inhalt  völlig  unvereinbar  ist.  Wilhelm  redet  hier  von  dem  Vertrage,  den 
sein  Vater  mit  Lanfranco  Piper  geschlossen  (1143),  folglich  haben  wir  es  hier 
mit  dem  1149  zur  Regierung  gekommenen  Wilhelm  VJI.  zu  tun.  Er  verspricht,  das 
Haus,  das  sein  Vater  den  Genuesen  in  jenem  Privileg  von  1143  überlassen,  ihnen 
binnen  2  Monaten,  nachdem  er  den  Vertrag  beschworen,  zurückzugeben ;  es  müssen 
also  zunächst  irgendwelche  Mißhelligkeiten  obgewaltet  haben,  vielleicht  schon  seit 
Ende  der  Regierung  Wilhelms  VI.,  der  bei  der  Unternehmung  gegen  Tortosa  nicht 
auf  seine  Rechnung  gekommen.  Heyd  I,  185  hat  aus  dieser  Stelle  den  Schluß  ge- 
zogen, daß  schon  Wilhelm  V.  (gest.  1121)  den  Genuesen  ein  Fondaco  in  Montpellier 
eingeräumt  habe ;  er  hat  eben  ganz  übersehen,  daß  der  Vertrag  mit  Lanfranco  Piper, 
auf  den  diese  Stelle  Bezug  nimmt,  1143  abgeschlossen  ist.  Daß  dieses  Stück,  das 
die  von  dem  Herrn  und  den  burgenses  von  Montpellier  zu  beschwörende  Seite  des 
pactum  enthält,  in  die  erste  Zeit  der  Regierung  Wilhelms  VII.  gehören  muß,  geht 
schon  daraus  hervor,  daß  er  die  allgemeine  und  dauernd  gültige  Konvention  von 
1143  noch  nicht  beschworen  hatte.  Es  läßt  sich  aber  bestimmt  auf  das 
Jahr  1150  datieren,  da  die  Sonderkonvention,  die  es  enthält,  auf  5  Jahre  ab- 
geschlossen war  und  wir  wissen,  daß  diese  im  Jahre  1105  wiederum  auf  5  Jahre  er 
neuert  worden  ist. 


4 

3ich  II 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  561 

Genuesische  Schiffe,  die  auf  der  Küstenfahrt  nach  Montpellier  kamen, 
sollten  nicht  nötig  haben,  vor  ihrer  Einfahrt  von  der  See  her  um  Geleit 
nachzusuchen;  vielmehr  sollte  ihnen  sowie  allen  Personen,  die  sie  mit- 
führten, auch  Fremden,  mit  ihren  Waren  ohne  weiteres  volle  Sicherheit 
verbürgt  sein.  Auch  versprach  der  Herr  von  Montpellier,  dahin  zu  wirken, 
daß  alle  Machthaber  auf  der  Küstenstrecke  von  Maguelone  bis  Agde  sich 
vertragsmäßig  für  die  volle  Sicherheit  der  Genuesen  innerhalb  und  außer- 
halb der  vom  Meere  aus  zu  den  Strandseen  oder  landeinwärts  führenden 
Schiffahrtskanäle  (gradus),  auch  im  Falle  des  Schiftbruchs,  verbürgten. 

Dieser  Konvention  mit  Montpellier  vom  Jahre  1150  folgten  wenig 
später  Verträge  des  genuesischen  Gesandten  Ido  Gontardus  mit  Arles  und 
Saint-Gilles,  die  in  bezug  auf  Seeschiftahrt  genau  die  gleichen  Bestimmungen 
wie  diese  Konvention  enthielten. i)  Mit  dem  Grafen  Bernhard  von  Melgueil 
schloß  ferner  Genua  im  Mai  1155  einen  Vertrag,  in  dem  man  sich  außer 
gegenseitigem  Rechtsschutz  versprach,  in  der  Forderung  von  Abgaben  über 
die  bisher  übHchen  nicht  hinauszugehen.^) 

Als  gleichzeitig  die  Konvention  mit  Montpellier  für  weitere  5  Jahre 
erneuert  wurde  3),  brachten  die  Genuesen  auch  das  Zugeständnis  bezüglich 
der  Pilgerschiffe  noch  in  Wegfall ;  andererseits  erklärten  sie,  daß  sie  für  den 
Fall,  daß  Arles  oder  Saint-Gilles  die  von  Ido  Gontardus  mit  ihnen  abge- 
schlossene Konvention  nicht  halten  sollten,  die  Handelssperre  über  diese 
Häfen  verhängen  und  allen  Genuesen  gebieten  würden,  statt  diesen  nur 
Montpellier  aufzusuchen.  Kam  den  Genuesen  doch  bei  ihren  Ausschließungs- 
bestrebungen sehr  zustatten,  daß  sie  in  der  Lage  waren,  einen  Hafen  gegen 
den  anderen  auszuspielen.  Dabei  hatten  die  Genuesen  gelegentlich  immer 
noch  mit  Seeraub  an  diesem  Küstengebiet  zu  kämpfen;  im  Jahre  1155 
riefen  sie  die  Intervention  des  Papstes,  wie  gegen  die  Kreuzfahrerstaaten, 
so  auch  gegen  Bernardus  Attonis,  den  Vicomte  von  Nimes,  an,  wahrschein- 
lich weil  dieser  das  auch  durch  kirchliche  Verbote  beseitigte  Strandrecht 
ihnen  gegenüber  in  Anwendung  gebracht  hatte;  in  der  Tat  befahl  der  Papst 
den  Bischöfen  von  Beziers,  Agde  und  Nimes,  jenen  ßernard  wie  die  Be- 
wohner von  Beziers  und  Agde  durch  Androhung  der  Exkommunikation  zur 
vollständigen  Herausgabe  der  genuesischen  Waren  zu  zwingen."^) 

440.  Auch  einige  Nachrichten  über  den  Handelsbetrieb  der  Italiener 
in  diesem  Gebiet  sind  uns  für'  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  erhalten. 
Erzbischof  Raimund  von  Arles  (1142 — 1157)  vermittelte  ein  Abkommen 
zwischen  ihnen  und  den  »portanarii«  von  Arles  ö),  demzufolge  je  nach  der 
Entfernung  von  Arles,  in  der  die  beladen  ankommenden  Schiffe  der  Pisaner, 
Genuesen  oder  anderer  »Lombarden«  vor  Anker  gingen,  10 — 25  sol.  an  den 
Führer  eines  Leichterschiffs  für  die  Fahrt  zu  zahlen  waren,  der  dafür  die 
Verpflichtung  der  sicheren  und  abgabenfreien  Beförderung  der  ihm  anver- 
trauten Güter  bis  Arles  übernahm.  Wollten  die  portanarii  nicht  nach  diesem 
Tarif   fahren,   so   stand   es  den  »Lombarden«  frei,   gegen  Entrichtung  einer 

')  Nur  der  Vertrag  mit  Arles  ist  erhalten,  aber  nicht  datiert;  Lib.  Jur.  II 
no.  5.  Der  Herausgeber  setzt  die  Gesandtschaft  des  Gontardus  in  das  Jahr  1155 
selbst,  was  mit  Rücksicht  auf  den  Vertrag  mit  Montp.  vom  Mai  1155  nicht  angeht; 
sie  muß  in  die  Zeit  von  1151 — 1154  gehören. 

*)  Nur  bruchstückweise  erhalten ;  Atti  Lig.  I  p.  288. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  211. 

*)  Ann.  genovesi  I,  44  f.  (zu  1155). 

*)  Kiener  p.  282  f.  no.  V.     Statt  pontanarii  ist  durchweg  portanarii  zu  lesen. 

Schaube,  Handeiggeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  36 


562  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

Abgabe  von  5  sol.  ihre  Waren  mit  anderen  Fahrzeugen  nach  Arles  zu 
schaffen.  An  Eingangszöllen  wurden  von  jedem  »lombardischen«  Schiffe 
nach  einer  etwas  später  erfolgten  Aufzeichnung  i)  erhoben  für  den  Erzbischof 
von  Arles :  20  sol.  in  bar,  für  seinen  Juden :  4  sol.,  dazu  für  beide  noch  je 
ein  Pfund  Pfeffer  und  ein  Scheffel  Kastanien  oder  deren  Wert  in  Höhe  von 
2  den.  Dazu  trat  der  von  jedem  Seeschiff  in  Arles  erhobene  gräfüche 
Zoll  mit  121/2  sol.,  1  Pfund  Pfeffer  und  2  Scheffeln  Kastanien.  Als  Aus- 
gangszoll  wurde  für  den  Erzbischof  Vis  vom  Wert  der  Waren  entrichtet, 
wovon  dem  Juden  1/9  zustand.  Einzelne  »Lombarden«,  die  auf  einem 
Fischerfahrzeug  oder  einem  ähnlichen  mit  Waren  nach  Arles  kamen,  zahlten 
15  den.  Eintrittsgebühr  für  den  Erzbischof,  einschließlich  der  3  den.,  die 
dem  Juden  zufielen.  Wenn  das  genuesische  Notularium  des  Johannes  keine 
Beziehung  auf  Arles  enthält,  so  hat  jedenfalls  die  zwischen  dem  Grafen  von 
Barcelona,  der  ja  zugleich  (bis  1162)  Graf  von  Provence  war,  Tortosas  wegen 
seit  1153  eingetretene  Spannung  ihre  Rückwirkung  auch  auf  Arles  geäußert, 
so  daß  dieses  sich  an  die  mit  Ido  Gontardus  abgeschlossene  Konvention 
nicht  länger  gebunden  erachtete.  Montpellier  und  Saint-Gilles  dagegen  er- 
scheinen in  dem  Notularium,  einzeln  oder  auch  zusammen,  nicht  selten  als 
Ziel  genuesischer  Handelsreisen;  und  an  sie  ist  in  erster  Linie  auch  zu 
denken  bei  den  häufigeren  Verträgen,  die  nur  die  »Provincia«  im  allge- 
meinen als  Reiseziel  angeben,  da  wir  wissen,  daß  für  den  genuesischen 
Handelsverkehr  gerade  in  jenen  Jahren  Narbonne  und  Marseille  nicht  in 
Betracht  kamen,^) 

441.  Einzelne  dieser  Kontrakte  geben  uns  über  die  genuesische  Ein- 
fuhr nach  diesen  Orten  einigen  Aufschluß.  So  bestand  eine  Commenda, 
die  der  Bankier  Ingo  am  7.  Februar  1157  für  eine  Handelsfahrt  »in  Pro- 
vinciam«  vergab,  zum  Teil  in  Öl,  während  Obertus  Spinola  im  Sommer 
1158  einem  Sozius  eingekochten  Alaun  (zucarinum)  im  Werte  von 
100  1.  Jan.  zum  Umsatz  in  Saint-Gilles  oder  Montpellier  übergab.^)  Am 
25.  Januar  1164  gab  der  Kaufmann  Lavorante  in  Genua  vor  Notar  und 
Zeugen  die  Erklärung  ab,  »in  Provincia«  über  Waren  im  Werte  von  400  1. 
melg.  zu  verfügen ;  teils  in  Montpellier,  teils  in  Saint-Gilles  lagerten  für  ihn 
19  Lasten  Pfeffer,  6  Lasten  Brasilholz,  9  Lasten  de  roca  (feinster 
Alaun^),  85  Pfund  Gummilack  und  »nixadra«  (Salmiak)  und 
38  Pfund  »f  errionorum«  (?),  wozu  in  Genua  noch  Waren  im  Werte  von 
40  1.  Jan.  kämen.  Brasilholz  begegnet  noch  ein  zweites  Mal  in  einer  Com- 
menda, die  Ogerius  Nocentius  im  Spätherbst  1158  für  seine  Handelsreise 
nach  Saint-Gilles  empfing;  außerdem  können  wir  noch  den  Export  von 
32  Pfund  Safran  aus  Genua  nach  Montpellier  nachweisen.^)     Und  wie  jene 


II 


*)  Ebd.  280  f.  no.  III:  Hi  sunt  usus,  quos  habet  D.  Arch.  in  Arelate,  von 
Kiener  zutreffend  um  1470  angesetzt.  Die  »galeda  de  castaneis<  ist  aber  kein  kleines 
Schiff,  wie  K.  meint,  sondern  ein  Maß.     Der  gräfliche  Zoll  von  1176  ebd.  Anm.  3. 

*)  Daß  bei  genuesischen  Geschäftsreisen  nach  der  Levante,  Afrika,  Spanien, 
Sizilien  nicht  selten  die  Rückreise  >in  Provinciam«  ins  Auge  gefaßt  wurde,  ist  bei 
diesen  Ländern  behandelt.  In  Chart.  II  no.  607  (24.  Mai  1158)  ist  ein  bestimmtes 
Ziel  für  die  Hinfahrt  nicht  angegeben;  für  die  Rückkehr  heißt  es:  >inde  reducere 
Januam,  excepto  si  major  pars  nee  Provinciam,  tunc  enim  ibi  posset  ire<.  Für 
nee  ist  iret  zu  lesen. 

8)  Chart.  U  no.  389  u.  652. 

*)  Darüber  Heyd  H,  568  f. 

»)  Chart,  n  no.  734  u.  1161. 


i 


Di«  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  563 

Erkärung  des  Lavorante,  so  zeigen  auch  andere  Akte  des  Notulariums,  daß 
in  diesem  Handelsverkehr  der  ItaUener  mit  Südfrankreich  recht  bedeutende 
Kapitahen  umgesetzt  wurden.  Im  Herbst  1157  ging  Guidoto  Torsello  mit 
einem  Gesellschaftskapital  von  276  1.  Jan.,  zu  dem  sein  Sozius  Marchio  de 
Volta  2/3  beigesteuert  hatte,  nach  Saint-Gilles,  und  Ido  Mallonus,  wie  öfter 
mit  Guilelmus  Buronus  assoziiert,  nimmt  Anfang  1161  ein  Gesellschafts- 
kapital von  fast  415  1.  jan.  auf  die  Handelsreise  nach  Südfrankreich  mit.^) 
Der  in  Genua  naturalisierte  Obertus  von  Lucca  war  mit  Baldezonus  Usus- 
maris zu  einer  Handelsgesellschaft  verbunden,  deren  Kapital  ursprünglich 
264  1.  jan.  betragen  hatte;  als  er  aber  im  Interesse  der  Gesellschaft  im  Spät- 
herbst 1159  nach  Südfrankreich  ging,  wurde  das  Gesellschaftskapital  derart 
erhöht,  daß  er  über  700  1.  jan.  verfügte.  2) 

Für  die  Kenntnis  der  genuesischen  Warenausfuhr  aus  Montpellier  oder 
Saint-Gilles  versagt  das  Notularium ;  einmal  erwähnt  es  Tuche  von  Nimes, 
die  von  Genua  weiter  exportiert  werden^);  ganz  überwiegend  aus  Nord- 
frankreich aber  stammten  jedenfalls  die  vielen  großen  und  teuren  Tuche, 
die  einmal  auf  einem  von  Saint-Gilles  kommenden  genuesischen  >Galiotus« 
den  Pisanern  in  die  Hände  fielen.  *)  Ergänzend  tritt  hier  ein,  was  wir  aus 
etwas  späterer  Zeit  über  die  Messen  von  Frejus  erfahren.  0)  Mehrfach  auch 
begegnen  wir  in  dieser  Zeit  Kaufleuten  aus  Languedoc  in  Genua.  Am 
5.  März  1156  macht  Raimundus  Piccenadus  von  Beziers  in  seinem  ospicium 
zu  Genua  vor  Paul  von  Montpellier,  Lombardus  von  Saint-GiUes  u.  a.  sein 
Testament;  Lombardus  steht  1158  in  Handelsverbindung  mit  dem  genuesischen 
Tuchhändler  Blancardus,  als  dessen  Sozius  im  Sommer  1161  Peire  Draco  nach 
Montpellier  ging,  ß)  Aus  Montpellier  ist  wohl  auch  der  Raimund,  der  1162 
bei  Roger  50  1.  jan.  leiht  und  Erstattung  in  Montpellier  binnen  14  Tagen 
nach  Ankunft  des  Gläubigers  in  Montpellier  zum  Kurse  von  13  V2  in  Denaren 
von  Melgueil  verspricht.'') 

442.  Der  Krieg,  der  im  Jahre  1162  zwischen  Genua  und  Pisa 
ausbrach  und  mit  geringen  Unterbrechungen  bis  1175  gedauert  hat, 
hat  auch  das  südfranzösische  Küstengebiet  stark  in  Mitleidenschaft 
gezogen.  Das  Bestreben  der  Genuesen,  die  Südfranzosen  vom  über- 
seeischen Handel  möglichst  ganz  auszuschließen,  konnte  zu  dem  ge- 
wünschten Ziele  in  vollem  Umfange  erst  dann  führen,  wenn  es  ge- 
lang, auch  die  pisanische  Konkurrenz  in  Südfrankreich  zu  beseitigen. 

Diese  Konkurrenz  muß  stärker  gewesen  sein,  als  es  nach  den  noch 
vorhandenen  Quellen  zunächst  den  Anschein  hat,  die  ganz  überwiegend 
genuesischen  Ursprungs  sind;  es  sei  nur  hingewiesen  auf  die  Vorgänge 
von  1143,  die  uns  beide  Handelsnationen  gleich  beteihgt  und  gleich  berechtigt 

*)  Ebd.  520  (in  no.  521  vergibt  Marchio  de  V.  eine  weitere  Commenda  von 
c.  255  1.,  bei  der  indes  das  Reiseziel  nicht  genannt  ist) ;  1013. 

*)  Ebd.  775.  Über  den  Handel  derselben  Gesellschaft,  auch  von  Südfrank- 
reich aus,  nach  Syrien  ob.  §  118. 

3)  Chart,  n  no.  1046. 

*)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  266  (1174). 

»)  Unten  §  451. 

8)  Chart,  n  no.  279,  834,  1061. 

'')  Für  1-2  den.  jan.  waren  also  13 '/j  >mirgoren8es*  zu  erstatten;  ebd.  1161. 
Als  Faustpfand  wurden  dem  Gläubiger  übergeben  32  Pfd.  Safran,  6  V4  1.  den.  lue, 
8  1.  infortiatorum  engolismorum  (Angoulöme)  et  valencianorum  und  15  sol.  10  Vi  den. 
morlanorum  (von  Morlanum  in  der  Gascogne). 

36* 


564  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

zeigen;  und  es  ist  schwerlich  zufällig,  daß  Erzbischof  Raimund  von  Arles 
zuerst  die  Pisaner  und  dann  erst  die  Genuesen  nennt.')  So  wurde  dieser 
Krieg  für  Genua  zum  Anlaß,  seine  Ausschließungsbestrebungen  bezüglich 
des  Seehandels  mit  Südfrankreich  auch  auf  Pisa  auszudehnen,  während  Pisa 
nunmehr  zugleich  als  Vorkämpfer  für  die  Handelsfreiheit  der  Proven9alen 
erscheint.  In  den  ersten  Jahren  des  Krieges  nahm  der  Handel  mit  Süd- 
frankreich seinen  gewohnten  Gang;  nur  ein  aus  der  Provence  kommendes 
pisanisches  Pfeilschiff  (sagittia)  wurde  im  Sommer  1162  von  den  Genuesen 
genommen.  2)  Im  Jahre  1165  aber  wurde  der  Seekrieg  überwiegend  an  der 
französischen  Südküste,  und  zwar  in  ungewöhnlich  großem  Stile  geführt.^) 
Ein  im  Juli  von  den  Pisanern  nach  dieser  Küste  unternommener  Kaperzug 
ließ  ein  großes  und  viele  kleine  genuesische  Schiffe,  die  aus  Spanien  kamen, 
in  ihre  Hände  fallen,  so  daß  sie  am  22.  Juü  mit  reicher  Beute  und  37  ange^ 
sehenen  Gefangenen  nach  Pisa  zurückkehren  konnten.  Darauf  unternahm 
von  genuesischer  Seite  Amicus  Grillus  mit  14  Galeeren  einen  ähnlichen  Zug, 
der  sich  gegen  die  Pisaner  in  Saint-Gilles  richtete.  Den  östlichen  Mündungs- 
arm der  Rhone  'fuhr  er  hinauf ;  doch  fand  er  in  Marseille  und  auf  der  Rhone 
nur  fünf  leere  pisanische  Schiffe  vor,  die  er  verbrannte,  während  die  Pisaner 
auf  die  Kunde  von  seiner  Annäherung  Saint-GiUes  rechtzeitig  durch  die 
westliche  Rhönemündung  (den  gradus  Capre)  verlassen  hatten.  Er  eilte  ihnen 
zwar  nach  und  kam  auf  der  Verfolgung  bis  Agde,  aber  der  Vicomte  von 
Beziers,  Trencavel,  intervenierte  zu  ihren  Gunsten.  So  ging  er  nach  Mont- 
pellier (ad  gradum  Montispessulani)  zurück,  suchte  das  Rhonedelta  noch 
einmal  ab,  wobei  er  indes  nur  die  den  Genuesen  feindliche  Gesinnung  der 
Bewohner  von  Saint-Gilles  feststellen  konnte,  und  traf  am  21.  August  wieder 
in  Genua  ein. 

Am  selben  Tage  eroberte  eine  inzwischen  ausgerüstete  pisanische  Flotte 
von  31  Galeeren  Albenga,  kaperte  viele  Küstenfahrzeuge  und  machte  bei 
der  Fortsetzung  ihres  Zuges  bis  Montpellier 4)  noch  weitere  reiche  Beute; 
fünf  große  feindliche  Schiffe  verbrannten  die  Pisaner  im  Zufahrtskanal  von 
Melgueil  (ad  gradum  Mergurii),  ein  von  Afrika  gekommenes  führten  sie  als 
gute  Prise  mit  sich  fort.  Nunmehr  fuhren  sie  den  westlichen  Mündungsarm 
der  Rhone  (per  fauces  Capre)  aufwärts  und  gelangten  am  1.  September  glück- 
lich nach  Albaron  in  der  Nähe  von  Saint-Gilles,  gerade  am  Haupttage  der 
großen  Messe;  wohl  möglich,  daß  ihr  Eintreffen  gerade  zu  diesem  Zeitpunkt 
kein  zufälliges  war,  sondern  daß  die  Galeeren  auch  Waren  an  Bord  hatten, 
wie  ja  der  Handelsverkehr  rhoneaufwärts  auf  ähnliche  Schiffe  von  geringem 
Tiefgang  angewiesen  war.  0) 


II 


J 


*)  Kiener  p.  282  f. 

»)  Bern.  Maragonis  ann.  pis.,  SS.  XIX,  248. 

^)  Das  Folgende  beruht  auf  denselben  Annalen  p.  253  ff.    und   den   genuesi- 
schen des  Kanzlers  Obert  (ann.  genovesi  I  p.  178  ff.)-  Ich  gehe  auf  die  kriegerischen    ^ 
Ereignisse  dieses  Jahres  etwas  näher  ein,   weil  sie  vielfach   auch   die  Verhältnisse  ■■ 
des  Handels  beleuchten.  ^™ 

*)  Schiffe  dieser  Flotte,  die  in  Sicht  kamen,  als  Alexander  III.  gerade  auf 
einem  Johanniterschiffe  vom  gradus  Mercurii  aus  in  See  gehen  wollte,  veranlaßten  den 
Papst,  der  einen  feindlichen  Anschlag  fürchtete,  zur  Umkehr  nach  Maguelone,  von 
wo  er  erst  im  Spätherbst  aufbrach.  J.-L.  no.  11238.  Giesebrecht  V,  490  f.,  der  das 
Johanniterschiff  ein  Kriegsschiff  nennt,  wozu  die  Quellen  keinen  Anlaß  geben. 

*)  Auch  eine  Anleihe  haben  die  Pisaner  dahnals  in  Saint-Gilles  aufgenommen ;  11 
dem  Pisaner  Tiniosus,   der  burgensis  von  Saint-Gilles  war,  sind  im  folgenden  Jahre  '  | 
von  den  pisanischen  Konsuln  200  1.  pis.  »pro  debito  Provincie«  zurückgezahlt  wor- 
den.    Bonaini,  Suppl.  p.  43. 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  565 

Mittlerweile  hatten  die  Genuesen  eine  noch  stärkere  Flotte  von 
mindestens  45  Galeeren  i)  ausgerüstet,  die  den  Pisanern  nach  Saint-Gilles 
entgegenzog.  Wieder  ging  sie  den  östlichen  Hauptarm  der  Rhone  aufwärts, 
an  Arles  vorbei  bis  Fourques,  um  von  da  den  westhchen  Arm  abwärts  zu 
fahren  und  so  Saint-Gilles  von  der  anderen  Seite  wie  die  Pisaner  zu  erreichen. 
Zwischen  Fourques  und  Saint-Gilles  traf  die  Flotte  schon  bei  dem  niedrigen 
Wasserstande  ein  Unfall,  doch  konnte  man  am  3.  September,  nur  zwei  Mihen 
vom  pisanischen  Lager  entfernt,  bei  Saint-Gilles  vor  Anker  gehen.  Der 
Admiral  Grillus  verhandelte  mit  den  Konsuln  von  Saint-Gilles;  diese  aber 
bekannten  sich  offen  als  Freunde  und  Verbündete  der  Pisaner.  Gleich- 
zeitig ging  Corsus  Sigismundi  an  der  Spitze  einer  Gesandtschaft  zu  Raimund, 
dem  Grafen  von  Toulouse  und  Saint-Gilles,  der  sich  in  Beaucaire  befand, 
und  es  gelang  ihm  auch,  den  Grafen  zu  dem  Versprechen  zu  bestimmen, 
gegen  Zahlung  von  1.300  1.  melg.  sich  mindestens  neutral  zu  verhalten.  Als 
der  Graf  aber  selbst  nach  Saint-Gilles  kam,  sein  Lager  in  der  Mitte  zwischen 
Genuesen  und  Pisanern  aufschlug  und  nun  sofortige  Zahlung  des  Geldes 
verlangte,  zerschlug  sich  alles  am  gegenseitigen  Mißtrauen  der  beiden  Kon- 
trahenten. So  kam  es  am  Rhöneufer  zwischen  Pisanern  und  Genuesen  am 
14.  September  zu  einem  großen  Kampfe  zu  Lande.  Die  Pisaner  waren  stark 
in  der  Minderzahl ;  verschiedene  Hilfssendungen,  die  man  daheim,  durch  die 
großen  Rüstungen  der  Genuesen  besorgt  gemacht,  abgeschickt  hatte,  hatten 
wegen  ungünstiger  Witterung  ihr  Ziel  nicht  erreichen  können;  aber  die 
Pisaner  fanden  offenbar  bei  den  Einheimischen  vielfache  Unterstützung  und 
behielten  so  im  Felde  die  Oberhand.  Die  genuesische  Flotte  wich  nun  nach 
Arles  zurück,  wo  man  inzwischen  eiligst  eine  Schiffsbrücke  nach  dem  gegen- 
überliegenden Trinquetaille  hergestellt  und  mit  Bewaffneten  besetzt  hatte. 
Die  Genuesen  sahen  darin  eine  Gefährdung  ihrer  Position  und  schickten 
nunmehr  schleunigst  Gesandte  an  den  Grafen  von  Provence,  der  sich  damit 
entschuldigen  ließ,  daß  die  Brücke  in  seiner  Abwesenheit  get)aut  sei;  zur 
Hilfeleistung  gegen  die  Pisaner  aber  ließ  sich  Berengar  Raimund,  der  1162 
seinem  Oheim  gefolgt  war,  nicht  bewegen.  2)  Auf  die  Kunde,  daß  von  Pisa 
weitere  Galeeren  abgesandt  seien,  verließen  die  Genuesen  Arles  nach  20  tägigem 
Aufenthalt  und  fuhren  in  die  See  hinaus;  als  sie  aber  unterwegs  von  Guilelmus 
Ventus,  der  ihnen  mit  zwei  Galeeren  begegnete,  erfuhren,  daß  die  pisanischen 
Hilfsexpeditionen  umgekehrt  seien ,  kehrten  sie  noch  einmal  nach  Arles 
zurück  und  bewogen  nunmehr  den  Grafen  von  Provence  durch  Zahlung  von 
40<J  1.  melg.  zum  Abschluß  eines  Friedensvertrages,  der  sie  freilich  eben  nur 
sicherstellte  und  im  übrigen  ihren  Wünschen  bei  weitem  nicht  entsprach  ^) : 
der  Graf  versprach  nur,  die  Pisaner  nur  dann  in  seinem  Lande  und  seinem 
Machtbereiche  aufzunehmen,  wenn  sie  als  Kaufleute  mit  Waren  oder  doch 
des  Handels  wegen  kämen,  wogegen  die  Genuesen  versprachen,  niemals 
jemanden  irgendwie  zu  unterstützen,  der  die  Besitzungen  oder  Gerechtsame 

•)  Dies  die  Zahl  Oberts;  Marago  gibt  50  an  und  läßt  bei  Saint-Gilles  sogar 
55  genuesische  Galeeren  gegen  31  pisanische  stehen.  Die  Differenz  könnte  sich 
durch  mittlerweile  erfolgte  Verstärkung  erklären. 

*)  Die  ann.  Jan.  nennen  ihn  hier  coraes  de  Miaude;  er  war  zugleich  Graf 
von  Melgueil,  Provence  und  Millau  (Milhaud). 

^)  Lib.  Jur.  I  no.  245,  zu  Arles,  in  capella  palatii  Trolie,  Oktober  1165  ge- 
schlossen. Langer  S.  114  verschiebt  den  Zusammenhang,  indem  er  den  Grafen 
Raimund  von  Toulouse  und  Saint-Gilles  als  Kontrahenten  nennt,  und  verkennt  den 
Sinn  des  Vertrages,  wenn  er  meint,  daß  in  den  Worten :  et  non  recipiam  Pisanos, 
nisi  fuerint  nogotiatores  etc.  das  nisi  in  si  geändert  werden  müßte. 


566  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

des  Grafen  mindern  oder  schädigen  wollte.  Bei  etwaigen  Verletzungen  des 
Friedens  verhieß  man  sich  gegenseitig  Abhilfe  nach  den  Grundsätzen  der 
Gerechtigkeit.  Mit  diesem  mageren  Ergebnis  mußten  die  Genuesen  zufrieden 
sein ;  nachdem  sie  wieder  16  Tage  Arles  gegenüber,  in  Trinquetaille  verweilt, 
entschlossen  sie  sich  zur  Heimkehr  und  fuhren  über  Marseille,  wo  ihnen 
noch  ein  von  Bugia  gekommenes  pisanisches  Schiff  in  die  Hände  fiel,  imd 
Toulon  nach  Genua  zurück  (23.  Oktober).  Erst  jetzt  brach  die  pisanische 
Flotte,  die  offenbar  den  Seekampf  gegen  die  weit  stärkere  genuesische  gescheut 
hatte,  die  ihr  von  ihrer  Position  in  Arles  aus  jeden  Augenblick  auf  der 
Rückfahrt  hätte  entgegentreten  können,  auf;  als  sie  aber  am  29.  Oktober  auf 
der  Höhe  der  Inseln  von  Lerins  (insulae  S.  Honorati)  angelangt  war,  wurde 
sie  von  einem  furchtbaren  Sturm  erfaßt,  der  den  völHgen  Untergang  von 
zwölf  Schiffen  mit  der  gesamten  Mannschaft  zur  Folge  hatte ;  nur  19  kehrten 
schließlich  bis  zum  11.  November  nach  Pisa  zurück.  So  endete  das  Jahr 
trotz  mancher  vorher  errungenen  Erfolge  für  Pisa  höchst  unglücklich. 

443.  Im  nächsten  Jahre  (1166)  blockierten  die  Genuesen  unter  Otto  de 
Caffaro  die  ihnen  feindlichen  Häfen  Südfrankreichs  mit  vier  Galeeren  von 
Mitte  März  an  sieben  Monate  lang,  doch  waren  die  Pisaner  im  Kaperkriege 
glücklich.  Die  Genuesen  aber  verstärkten  ihre  Stellung  gegen  Ende  des 
Jahres  durch  den  Vertrag  mit  Narbonne  (12.  November),  der  bezüglich  der 
anderen  Südfranzosen  einige  sehr  bemerkenswerte  Bestimmungen  enthielt.^) 
Das  den  Narbonnesen  pro  anno  zugestandene  Pilgerschiff  durfte  keine  Pilger 
aufnehmen,  die  aus  Montpellier,  Saint -Gilles  oder  dem  Gebiet  östlich  der 
Rhone  stammten ;  Leute  aus  Saint-Gilles  und  Montpellier  durften  zum  Dienst 
auf  narbonnesischen  Schiffen  nicht  angeworben  und  solche  aus  Saint-Gilles 
selbst  dann  nicht  befördert  werden,  wenn  ihre  Reise  nur  den  Loskauf  von 
Gefangenen  zum  Zweck  hatte,  was  gegenüber  allen  anderen  erlaubt  war.  Mit 
beiden  Städten  war  also  Genua  damals  arg  verfeindet;  seinen  Untertanen 
hatte  es  jeden  Handelsverkehr  mit  ihnen  untersagt,  2) 

Noch  im  selben  Jahre  starb  der  Graf  von  Provence,  mit  dem  sie  im 
Oktober  1165  den  Vertrag  von  Arles  geschlossen;  Alfons,  König  von  Aragon 
und  Graf  von  Barcelona,  wurde  der  Herr  dieses  Landes,  auf  das  allerdings 
auch  Graf  Raimund  von  Toulouse  und  Saint-Gilles  Ansprüche  erhob.  Als 
Alfons  seinem  Gegner  Albaron  zu  entreißen  suchte,  um  dadurch  Saint-Gilles 
vom  Meere  abzuschneiden,  entsprach  dies  ganz  den  eigenen  Bestrebungen 
Genuas,  so  daß  der  Konsul  Rodoanus,  der  zur  Blockade  der  Häfen  der  Pro- 
vence abgesandt  war,  am  7.  Mai  1167  den  uns  schon  bekannten  Vertrag 
schloß,  wonach  der  König  die  Pisaner  von  allen  unter  seiner  Hoheit  stehenden 
Häfen  von  Tortosa  bis  Nizza  auszuschließen  versprach  3)  —  die  Genuesen 
waren  also  ihrem  Ziele  wieder  etwas  näher  gekommen;  die  Eroberung  von 
Albaron  freilich  gelang  nicht,  und  die  Pisaner  behielten  an  Montpellier  und 
Saint-GiUes  starke  Stützpunkte  für  ihren  Handel. 

Im  Frühjahr  1168  schickten  die  Pisaner  11  Galeeren  nach  der  Provence, 
die  den  Genuesen  bis  zum  Kanal  von  Melgueil  empfindlichen  Schaden  zu- 
fügten ;  als  sie  aber  4  Galeeren  nach  Agde  entsandt  hatten,  kam  eine  stärkere 
genuesische  Flotte  von  13  Galeeren  über  sie,  jagte  zunächst  die  7  am  Kanal 
liegenden  in   die  Flucht,   ohne  ihnen   indes  weiteren  Schaden  zufügen   zu 


»)  Devic  et  Vaissete  Vni  p.  265.     Oben  §  434. 

*)  Das  sind  die  deveta  Provincie,   von   denen   der  Vertrag  Genuas  mit  Ro 
von  1166  redet.     Chart.  II  p.  1001. 
»)  Oben  §  424. 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Rhönestädten.  567 

können,  und  brachte  dann  die  vier  anderen,  die  sich,  wie  die  genuesischen 
Annalen  sagen,  rühmend  als  die  Herren  des  Meeres  bezeichnet  hatten,  durch 
einen  nächthchen  Überfall  am  23.  April  bei  Agde  in  ihre  Gewalt.^)  Doch 
gelang  es  den  Pisanern  schon  im  Juni  des  Jahres,  den  Kanzler  Barbarossas, 
Phihpp  von  Heinsberg,  dem  der  Weg  durch  die  Lombardei  verlegt  war, 
den  Genuesen  zum  Trotz  mit  7  Galeeren  mit  seinen  Begleitern  glücklich 
nach  der  Reede  von  Agay  östlich  von  Frejus  zu  bringen.2)  Auch  knüpften 
die  Pisaner  die  freundschaftliche  Verbindung,  in  der  sie  mit  Montpellier 
standen,  durch  kluge  Zugeständnisse  fester.  Wilhelm  VII.  hatte  ein  Schreiben 
an  sie  gerichtet,  in  dem  er  um  Ersatz  der  seinen  Untertanen  von  einzelnen 
Pisanern  geraubten  Waren  ersuchte,  —  ob  dieser  Raub  erst  neuerdings 
während  des  Kaperkriegs  oder  noch  während  der  Zeit  der  engen  Verbindung 
Montpelliers  mit  Genua  erfolgt  war,  steht  dahin  —  die  Pisaner  antworteten 
dem  ihnen  besonders  nahestehenden  Freunde  3)  am  1.  November  1168  sehr 
entgegenkommend  und  billigten  den  Geschädigten  eine  Summe  von  14401. 
melg.  zu,  die  durch  Erhebung  einer  besonderen  Abgabe  von  allen  auf  der 
Küstenstrecke  von  Marseille  bis  Barcelona  zur  Ein-  oder  Ausfuhr  gelangenden 
pisanischen  Waren  allmählich  aufgebracht  werden  sollte  —  Pisa  wollte  zu 
diesem  Zwecke  an  den  dazu  geeigneten  Orten  dieser  Strecke  besondere  amt- 
liche Vertreter  und  Einnehmer  (bajuli  et  recollectores  Pisanorum)  bestellen, 
die  die  betreffenden  Summen  an  die  von  dem  Herrn  von  Montpellier  be- 
zeichneten Personen  abzuführen  hätten.  Von  allen  von  den  Pisanern  ein- 
geführten zweiseitigen  Saumlasten  *) ,  deren  Inhalt  wohl  hauptsächlich  in 
Waren  der  Levante  bestand,  sollten  12  den.  melg.  erhoben  werden,  ebenso 
wie  von  den  zum  See-Export  bestimmten  und  entsprechend  gepackten  Tuch- 
ballen normalen  Umfangs,  die  man  in  Montpellier  mit  feststehendem  Ter- 
minus als  torscelli  marini  legales  bezeichnete  ^) ;  von  Kupfer  und  Zinn  dagegen 
waren  bei  der  Ausfuhr  nur  3  den.  melg.  zu  entrichten.  Letzteres  Metall 
namenthch  wird  schwerlich  anderer  als  englischer  Herkunft  gewesen  sein 
und  wohl  den  Weg  über  die  Garonne  nach  der  Mittelmeerküste  gemacht 
haben.  Im  Anschluß  daran  sei  bemerkt,  daß  die  bei  Fahrten  von  Pisa  nach 
Montpellier  oder  Saint- Gilles  herkömmlich  berechneten  Seezinsen  sich  auf 
20  Prozent  beliefen. 

444.  Der  Friedensvertrag,  der  nach  langwierigen  Verhandlungen  zwischen 
Pisa  und  Genua  im  Mai  1169  zu  Porto  Venere  festgestellt  wurde,  bestimmte, 
daß  die  Pisaner  auf  der  ganzen  Küstenstrecke  von  Noli  (westhch  Savona) 
bis  C.  Salöu  (westlich  Tarragona)  vom  Seehandel  ausgeschlossen  sein  sollten, 
soweit  er  auf  dem  Wege   über  die   offene  See   (per  pelagos)   vor  sich  ging. 

»)  Ann.  genov.  I,  207  f.  zu  1168;  ann.  pis.  des  Marago  (SS.  XIX,  257  f.),  der 
die  Stärke  der  genuesischen  Galeeren  mit  15  angibt. 

')  Die  Genueser  Annalen  1.  c.  p.  209  nennen  den  Erzbischof  mit  einem  lap- 
8US  Christian,  im  übrigen  aber  erzählen  sie  nur  genauer  als  die  pisanischen; 
Langer  S.  142  scheint  den  portus  Agadani  mißverstanden  zu  haben. 

')  >Inter  alios  Pisanae  civitatis  amicos  praecordialissimu8<  nennen  sie  ihn ; 
Germain,  commerce  I,  180  no.  2.  Irrig  setzt  Germain  hier  wie  in  der  Darstellung 
p.  97  die  Urkunde  in  das  Jahr  1169. 

*)  >.  .  .  per  singulas  Pisanorum  duorum  falcium  saumas,  quae  .  .  .  introducen- 
turc,  ebd.  181.  Leonardo  Pis.  p.  91  hat  unter  seinen  Beispielen  für  die  proven- 
^alische  Last  Pfeffer  (die  carica  zu  300  Pfd.)  einen  Preisansatz  von  11  1.  7  sol. 
5  den.  pis. 

*)  Leon.  Pis.  p.  114  nimmt  den  Preis  eines  Ballens  (torcellus)  von  60  proven- 
^alischen  Ellen  (die  canna  zu  8  palmae)  zu  35  1.  pis.  an. 


568  Siebenunddreißigstes  Kapitel. 

Dagegen  war  den  Pisanern  die  Küstenschiffahrt  (juxta  terram)  nach  diesen 
Gebieten  nicht  verboten,  so  daß  also  beispielsweise  pisanische  Schiffe,  die 
Ladung  von  Bugia  aus  nach  Südfrankreich  führten,  entweder  den  Weg  über 
Pisa  und  von  da  an  der  Küste  westwärts  oder  den  Weg  an  der  spanischen 
Küste  entlang  nehmen  mußten,  was  natürlich  durch  die  überall  zu  entrich- 
tenden Seezölle  die  Frachten  wesentlich  verteuerte.  Jährlich  sollten  die 
pisanischen  Konsuln  bei  ihrem  Amtsantritt  diese  Bestimmung  beschwören; 
die  auswärts  weilenden  Pisaner  sollten  durch  amthche  Schreiben  unverzüglich 
davon  in  Kenntnis  gesetzt  werden;  Zuwiderhandelnden  hatten  sie  1/4  ihrer 
Waren  zu  konfiszieren  oder  sie  um  den  entsprechenden  Wert  zu  büßen.i) 
Indessen  dieser  Vertrag  wurde  zunächst  noch  nicht  perfekt  und  der 
Krieg  zwischen  Genua  und  Pisa  nahm  seinen  Fortgang.  Bald  darauf  aber 
vollzog  sich  eine  wichtige  Veränderung  in  der  Stellung  der  südfranzösischen 
Mächte.  Vergebens  zwar  versuchte  Genua  im  Jahre  1170,  durch  Entsendung 
des  Rogerius  de  Justa  den  Herrn  von  Montpellier  wieder  auf  seine  Seite  zu 
ziehen ;  dafür  gelang  es  aber  im  folgenden  Jahre  dem  Konsul  Nicolaus  Roza, 
mit  dem  Herrn  von  Saint-Gilles,  der  sich  mit  Montpellier  verfeindet  hatte, 
einen  Vertrag  zu  schließen  (1.  Mai  1171),  der  29  Jahre  in  Kraft  bleiben 
sollte  und  insbesondere  gegen  Montpellier  gerichtet  war.2)  Während  der 
Dauer  des  pisanischen  Krieges  wollte  Genua  den  Hafen  von  Montpellier 
jedes  Jahr  4  Monate  lang  mit  2  Kriegsschiffen  sperren  (ad  vetandum  portum 
Montisp.);  Graf  Raimund  gab  seine  Zustimmung  dazu,  wenn  die  Genuesen 
außerdem  die  vollständige  Handelssperre  über  Montpellier  verhängen  und 
es  mit  Busen  und  Kaperschiffen  so  lange  bekämpfen  wollten,  bis  es  Genua 
einen  gleich  günstigen  oder  noch  günstigeren  Vertrag  bewilligt  hätte,  wie  er 
selbst  ihn  eben  mit  der  Seestadt  geschlossen,  oder  bis  er  selbst  mit  Wilhelm 
von  Montpellier  seinen  Frieden  gemacht;  indessen  sollte  es  auch  in  letzterem 
Falle  den  Genuesen  unverwehrt  sein,  mit  ihren  Kriegsschiffen  den  Hafen 
von  Montpellier  zu  blockieren.  Keinesfalls  aber  würde  er  ihnen  und  ihren 
Galeeren  um  deswillen  die  Aufnahme  in  seinem  Gebiete  versagen.  Die 
Pisaner  und  ihre  Waren  versprach  Graf  Raimund  von  Toulouse  während 
der  Dauer  ihres  Kriegs  mit  Genua  ganz  von  seinem  Gebiet  auszuschließen, 
mit  alleiniger  Ausnahme  der  Wallfahrer,  die  zu  Lande  nach  Saint-Gilles 
kämen;  wenn  Genua  mit  Pisa  Frieden  schloß,  durfte  er  sie  auch  nur  in 
dem  Falle  aufnehmen,  wenn  sie  nicht  von  der  hohen  See,  sondern  auf  der 
Küstenfahrt  von  Pisa  her  in  sein  Gebiet  kamen.  Im  Zusammenhange  damit 
versprach  er,  in  seinem  ganzen  gegenwärtigen  wie  zukünftigen  Gebiete  von 
und  nach  allen  Küstenplätzen  desselben  die  Schiffahrt  über  das  offene  Meer 
ausnahmslos  zu  verbieten,  ein  Verbot,  von  dem  auch  die  genuesischen 
Schiffe  nicht  ausgenommen  waren,  offenbar  im  Einverständnis  mit  der 
genuesischen  Regierung  selber,  nach  deren  Willen  Genua  der  ausschließliche 
Stapelplatz  für  den  Handel  mit  Südfrankreich  werden  sollte.  Umgekehrt 
versprach  die  genuesische  Regierung,  in  bezug  auf  die  Küstenschiffahrt  mit 
Saint-Gilles  keinerlei  Verbot  zu  erlassen,  es  sei  denn  der  allgemeinen  Wohl- 
fahrt wegen  (eine  Klausel,  die  das  Versprechen  eigentlich  gegenstandslos 
machte);   erlitten  Untertanen  des  Grafen   auf  solcher  Fahrt  nach  oder  von 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  271.  Cod.  Sard.  I  p.  238.  Langer  hat  bei  seiner  Auffassung, 
daß  der  Vertrag  eine  völlige  Verdrängung  der  Pisaner  von  den  südfranzösischen 
Handelsplätzen  bedeute,  das  >per  pelagus«  nicht  genügend  gewürdigt;  S.  150  f. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  281  (Versprechen  des  Grafen),  no.  282  (Versprechen  des  ge- 
nuesischen Gesandten). 


Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  und  den  Bhönestädten.  569 

Genua  Schädigungen  durch  Fremde,  so  würden  die  Genuesen  ebenso  vor- 
gehen, als  wenn  es  sich  um  die  eigenen  Bürger  handelte.  Auch  in  allen 
anderen  Gebieten  würden  sie  für  die  Untertanen  des  Grafen  mit  ihrem 
Schutze  eintreten,  ohne  daß  sich  indessen  diese  Schutzpflicht  bis  auf  die 
Aufwendung  von  Geldmitteln  oder  kriegerisches  Einschreiten  ausdehnen 
dürfte.  Endlich  wurde  den  Leuten  von  Saint-Gilles  gestattet,  alljährlich 
Waren  bis  zum  Werte  von  10000  1.  Jan.  vom  Hafen  von  Genua  aus  zu 
denselben  Frachtsätzen,  wie  sie  für  die  Waren  der  Genuesen  berechnet 
wurden,  auf  genuesischen  Schiffen  zur  überseeischen  Ausfuhr  zu  bringen. 
Die  heftige  Befehdung  Montpelliers  durch  die  Genuesen  veranlaßte 
den  Papst  Alexander  III.,  der  Montpellier  schon  1162  in  seinen  besonderen 
Schutz  genommen  hatte  i),  sich  am  11.  Oktober  1173  in  zwei  Schreiben  an 
den  Erzbischof  sowie  an  Konsuln  und  Volk  von  Genua  zu  wenden;  mit 
ernstlichen  Worten  warf  er  ihnen  vor,  daß  sie,  die  ausschließliche  Seeherr- 
schaft für  sich  in  Anspruch  nehmend,  versucht  hätten,  sich  des  Hafens 
Wilhelms  VII.  zu  bemächtigen,  daß  sie  die  Schiffe  Montpelliers  verbrannten, 
seine  Kaufleute  ausplünderten  und  gewaltsam  seinen  Verkehr  nach  Genua 
ablenken  wollten ;  er  ermahnt  sie  dringend,  davon  abzustehen ;  nicht  einmal 
von  den  Heiden  lese  man,  daß  sie  eine  derartige  Herrschaft  auf  dem  Meere 
erstrebt  hätten.  2) 

445.  Diese  Mahnungen  scheinen  nicht  ohne  Wirkung  geblieben  zu 
sein;  in  dem  engen  Bündnis,  das  Genua  im  August  des  folgenden  Jahres 
mit  dem  Grafen  schloß  ^) ,  richtete  Genua  seine  Eroberungspläne  nunmehr 
gegen  die  Provence.  Dabei  versprach  der  Graf  den  Genuesen,  was  das 
Rhonegebiet  angeht,  in  Arles  eine  Handelsstraße  in  Stadt  oder  Vorstadt 
ganz  nach  ihrer  Wahl;  in  Saint-Gilles  wurde  ihnen  ein  für  den  Handel  und 
den  Aufenthalt  ihrer  Kaufleute  geeignetes  Fondaco,  in  dem  sie  sich  ganz 
nach  ihrem  Belieben  einrichten  könnten,  in  Aussicht  gestellt.  Gegenseitig 
sicherte  man  sich  volle  Handels-  und  Abgabenfreiheit  zu.  Die  den  über- 
seeischen Handel  betreffenden  Bestimmungen  des  Vertrages  von  1171  blieben 
bestehen ;  nur  mit  besonderer  Erlaubnis  der  Konsuln  und  der  Mehrheit  der 
Ratsherrn  Genuas  sollte  davon  eine  Ausnahme  gemacht  werden  können. 
Handelten  Untertanen  des  Grafen  dem  zuwider,  so  sollten  sie  mit  dem  Ver- 
lust eines  Drittels  des  angelegten  Kapitals  und  des  ganzen  etwa  schon  er- 
zielten Handelsgewinnes  bestraft  werden;  auch  die  Genuesen  sollten  die  Be- 
fugnis haben,  diese  Strafe  zu  vollstrecken,  wenn  sie  die  Kontravenienten  in 
ihre  Gewalt  bekamen.  In  allen  Häfen  des  gräflichen  Gebietes  sollte  fortan 
bezüglich  der  Aufnahme  oder  Nichtaufnahme  von  Fremden  allein  der  Wille 
Genuas  entscheidend  sein,  während  die  Genuesen  und  ihre  Waren  sich  einer 
jedem  Einfluß  der  territorialen  Gewalt  entzogenen  Bewegungsfreiheit  in  den- 
selben erfreuen  sollten. 

Zur  Ausführung  sind  die  Pläne  der  Verbündeten  nicht  gekommen; 
doch  werden  die  Genuesen  in  Saint-Gilles  das  versprochene  Fondaco  auch 


*)  Germain  commune  I  p.  XXV.     Lib.  Instrum.  p.  47  no.  19. 

')  .  .  .  quia  non  decet  vos  huiusmodi  proprietates  in  mari  requirere,  quas  pa- 
ganos  etiam  non  legimus  requisivisse.  Germain  commerce  I,  97  zu  1168 ;  Lib.  In- 
strum, p.  49  no.  21  zu  1169;  Fabrege  I,  284  zu  1167  —  alles  wegen  des  Ausstellungs- 
ortes Anagni  unmöglich.  Nach  diesem  bleibt  für  die  mit  einer  Jahreszahl  nicht 
versehenen  Schreiben  nur  die  Wahl  zwischen  1173  und  1174,  und  da  im  Herbst 
1174  die  Pläne  Genuas  schon  eine  ganz  andere  Richtung  hatten,  bleibt  nur  1173  übrig. 

«)  Unten  §  488.     Lib.  Jur.  I  no.  309  u.  310. 


570     Siebenunddreißigstes  Kapitel.    Die  Italiener  im  Verkehr  mit  Languedoc  etc. 

wirklich  erhalten  haben.  Endlich  wurde  nun  auch  der  Krieg  mit  Pisa  durch 
ein  Machtgebot  des  Kaisers  beendet  (1175);  Pisa  mußte  sich  bezüglich  seines 
Seehandels  mit  Südfrankreich  zur  Annahme  der  Beschränkungen  des  Präü- 
minarvertrages  von  Porto  Venere  verstehen;  doch  sollten  sie  nur  10  Jahre 
lang  in  Kraft  bleiben,  während  im  übrigen  der  Friedensvertrag  auf  31  Jahre 
geschlossen  war.i)  Daß  das  keinen  Ausschluß  der  Pisaner  vom  Handel  mit 
der  langen  Küstenstrecke  von  Noli  bis  fast  zur  Ebromündung,  auch  für 
diese  10  Jahre  nicht,  bedeutete,  haben  wir  schon  gesehen;  daß  man  auch 
in  Genua  diesen  Erfolg  nicht  allzuhoch  einschätzte,  geht  schon  daraus  her- 
vor, daß  der  offizielle  Annalist,  der  die  Hauptpunkte  des  Friedensvertrages 
kurz  hervorhebt,  diesen  Punkt  ganz  mit  Stillschweigen  übergeht.'^) 

446.  Wenig  später  schlössen  auch  die  beiden  Hauptmächte  Südfrank- 
reichs Frieden  (April  1176);  wohl  noch  in  demselben  Jahre  ließ  Pisa  eine 
Gesandtschaft  unter  Führung  des  Konsuls  Ildebrando  Sismondi  an  sie  ab- 
gehen. Das  Ergebnis  dieser  Verhandlungen  kennen  wir  nicht;  wohl  aber 
wissen  wir,  daß  der  Gesandte  mit  den  Vormündern  des  neuen  Herrn  von 
Montpellier,  Wilhelms  VIH.  (seit  1172),  und  den  probi-homines  der  Stadt 
am  6.  Februar  1177  einen  Vertrag  geschlossen  hat  3),  in  dem  man  sich 
gegenseitig  volle  Sicherheit  und  Freiheit  des  Handels  und  der  Schiffahrt 
im  beiderseitigen  Machtbereich  verbürgte ;  insbesondere  sollte  die  Einholung 
einer  besonderen  amtlich  bescheinigten  Erlaubnis  bei  der  Ankunft  von 
Schiffen  weder  in  Pisa  noch  in  Montpellier  erforderlich  sein.  Für  »offensio« 
sollte  nur  der  Schuldige  selbst  haftbar  gemacht  werden.  Ort  des  Vertrags- 
schlusses ist  das  Fondaco  (domus)  der  Pisaner  in  Montpellier ;  wie  Saint-Gilles 
die  Hauptstätte  des  genuesischen  Handels,  war  also  Montpellier  die  des 
pisanischen  verblieben.  Jl 

Aus  dem  Vertrage  geht  hervor,  daß  die  Kaufleute  von  Montpellier 
sehr  häufig  nach  Pisa  kamen  und  dessen  Schiffe  benutzten;  die  Pisaner 
versprachen,  sie  auf  ihren  Schiffen  wie  außerhalb  derselben  als  Freunde 
aufzunehmen  und  zu  beschützen. 4)  Sollten  Fremde  die  Leute  von  Mont- 
pellier innerhalb  des  pisanischen  Machtbereichs  schädigen,  so  sollten  sie 
sogar  das  Recht  der  Selbsthilfe  haben  und  dabei  von  den  Pisanern  geschützt 


4i 


*)  Am  6.  November  1175  wurde  der  Friede  von  den  Pisanern  beschworen; 
Cod.  Sard.  I  p.  248.  Mit  Unrecht  meint  Langer  S.  201,  daß  die  Pisaner  als  aus- 
schließliches Herrschaftsgebiet  Genuas  den  Teil  des  Mittelmeers,  dessen  Seeseite 
durch  eine  Linie  von  Kap  Salöu  bis  Noli  begrenzt  werde,  anerkannt  hätten.  Auch 
Manfroni  p.  249  behauptet,  Pisa  habe  auf  die  Schiffahrt  nach  der  Provence  ver- 
zichtet. 

^)  Ann.  genovesi  11  p.  9  zu  1175.  Die  pisanischen  Annalen  Maragos  enden 
schon  1174. 

')  Er  nennt  sich  in  demselben  Pisanorum  consul  et  in  Provincia  legatus  ac 
regi  Aragonum  comitique  S.  Egidii  et  causa  missaticie  missus  in  Montemp.,  bei  Ger- 
main, commune  U,  p.  417  no.  21.  Hier  und  Liber  Instrum.  p.  346  ist  die  Urkunde 
zu  1178  unseren  Stils  gesetzt;  richtig  zu  1177  in  desselben  Verfassers  commerce  I 
p,  107.  Irrtümlich  hält  Heyd  I,  185  diesen  Gesandten  für  den  ersten  bekannten 
pisanischen  Konsul  von  Montpellier;  er  ist  aber  pisanischer  Stadtkonsul  für  dieses 
Jahr,  wie  deutlich  aus  der  Urkunde  selbst  hervorgeht  (am  Schluß:  Jld.,  Pisane  ur- 
bis  consul  ...  confirmavit  ...  pro  se  et  sociis  presentibus  et  futuris). 
Der  Irrtum  auch  bei  Germain,  commune  I  p.  XXXVI  note  1.  Nur  die  eine  Seite^^^ 
des  Gegenseitigkeitsvertrages,  das  Versprechen  der  Pisaner,  ist  erhalten.  ,'|H 

*)  ...  sicut  cum  amicis  et  hominibus  nostre  pacis  in  navibus  et  extra  navea  ™ 
nostri  cum  eis  participent  dilectionem  et  eos  tueantur.    Germain,  commune  H,  418. 


4 


Achtunddreißigstes  Kapitel.     Die  Italiener  im  Verkehr  mit  der  Provence  etc.     571 

werden,  eine  Bestimmung,  die  ihre  Spitze  offenbar  gegen  die  Genuesen 
kehrt.  Die  lästige  Beschränkung,  die  Genua  dem  pisanischen  Seehandel 
mit  Südfrankreich  auferlegt  hatte,  führte  also  zu  einem  besonders  lebhaften 
Verkehr  der  Leute  von  Montpellier  in  Pisa,  da  diese  ihrerseits  an  eine  solche 
Beschränkung  nicht  mehr  gebunden  waren  und  Genua  schon  mit  Rücksicht 
auf  den  Papst  nicht  wagen  konnte,  gegen  Montpellier  mit  Gewalt  vor- 
zugehen. 

Schon  jetzt  ließ  sich  erkennen,  daß  Genua  etwas  auf  die  Dauer 
Unmögliches  unternommen  hatte,  als  es  versuchte,  die  südfranzösi- 
schen Seestädte  an  der  freien  Entfaltung  ihres  Seehandels  zu  hindern. 
Sein  feindliches  Verhalten  gegen  Montpellier  hatte  schließlich  nur  die 
Wirkung,  daß  es  sich  selbst  für  geraume  Zeit  von  dem  Verkehr  mit 
dieser  bedeutendsten  unter  den  Handelsstädten  von  Languedoc  aus- 
schloß. Die  den  Pisanern  auferlegte  Beschränkung  aber  fiel  schon 
im  Jahre  1185  vertragsmäßig  fort,  und  im  Jahre  1188  sicherten  sich 
beide  Seemächte  nach  einem  kurzen  Kriege  gegenseitig  voUe  Freiheit 
des  Seehandels  zu.  ^) 


Achtimddreißigstes  Kapitel. 

Die  Italiener  im  Handelsverkehr  mit  der  Provence 
bis  zum  dritten  Kreuzzuge. 

447.  Während  die  Seestädte  an  der  Flachküste  von  Languedoc 
sämtlich  nur  unter  Schwierigkeiten  mit  dem  Meere  kommunizierten, 
reihte  sich  in  der  Provence  (im  engeren  Sinne)  östlich  vom  Mündungs- 
gebiet der  Rhone  ein  natürlicher  Hafen  an  den  anderen.  Marseille, 
der  westlichste  von  ihnen,  durch  seine  Nähe  am  Rhönegebiet  beson- 
ders bevorzugt,  war  in  unserer  Periode  noch  eine  kleine,  aber  im 
Emporblühen  begriffene  Handelsstadt^),  die  einzige  Südfrankreichs, 
die  vor  dem  dritten  Kreuzzuge  im  Orient  Privilegien,  wenn  auch  nur 
bescheidene,  erlangt  hat.  Es  zerfiel  in  eine  obere,  bischöfliche  Stadt 
und  eine  Unterstadt,  wo  die  vizegräfliche  Familie  die  Stadtherrschaft 
übte,  so  aber,  daß  mindestens  seit  dem  3,  Jahrzehnt  des  12.  Jahr- 
hunderts die  von  Konsuln  geleitete  Bürgerschaft  an  der  Verwaltung 
der  eigenen  Angelegenheiten  einen  allmählich  steigenden  Anteil  nahm. 

Erst  verhältnismäßig  spät  treten  uns  die  Beziehungen  der  Ita- 
liener zu  Marseille  deutlicher  entgegen. 

Auf  einen  lebhaften  und  freundschaftlichen  Verkehr  deutet  es,  wenn 
die  Pisaner  auf  der  Heimkehr  von  ihrem  Balearenzuge  ihre  Toten  in 
Saint- Victor  bei  Marseille  beisetzten,  um  die  Freude  bei  dem  Empfange 
der  Sieger  in  der  Heimat  nicht  zu  stören.^) 


»)  Cod.  Sard.  I,  263. 

»)  Benjamin  Tudel.  I,  36.     Edrlsl  ed.  Amari  p.  85. 

»)  Inschrift  in   der  Kirche   S.  Victor ;    s.  Liber  Maiolich.  p.  143  no.  4.     Dazu 
Roncioni  p.  215  f.     Capmany  II,  Apend.  22  f. 


572  Achtunddreißigstes  Kapitel. 

Aus  dem  Vertrage  Genuas  mit  dem  Grafen  von  Barcelona  vom  Jahre 
1127 1)  läßt  sich  für  seine  Beziehungen  zu  Marseille  nichts  entnehmen. 
Wollte  Genua  aber  seine  Ausschließungspolitik  durchführen,  so  mußte  vor 
allem  Marseille  niedergehalten  werden.  Und  in  der  Tat  tritt  uns  Genua  im 
Jahre  1138  in  überraschender  Weise  als  Schutzmacht  nicht  bloß  kleinerer 
provengahscher  Häfen  wie  Fos,  Hyeres,  Frejus  und  Antibes,  sondern  auch 
Marseilles  selbst  gegenüber  den  Sarazenen  Marokkos  entgegen  ^) ;  Fos  mußte 
für  den  gewährten  Schutz  einen  jährlichen  Getreidezins  von  20  Minen, 
Frejus  und  Hyeres  einen  solchen  von  50  und  60  sextarii  an  Genua  entrichten. 
Alle  Schutzbefohlenen  waren  zur  Heeresfolge  verpflichtet,  die  kleineren  nach 
Anweisung  der  genuesischen  Konsuln  in  jedem  einzelnen  Falle,  Marseille 
zur  Stellung  eines  selbständigen  Kontingents  von  100  Mann,  wenn  es  sich 
um  einen  Zug  zu  Lande  oder  einen  Seezug  gegen  die  Sarazenen  handelte, 
von  100  Mann  auf  genuesischen  Schiffen,  wenn  der  Seezug  gegen  andere 
Gegner  gerichtet  war.  Alle  Schutzbefohlenen  leisteten  ferner  einen  Eid, 
die  Genuesen  zu  Wasser  und  zu  Lande  zu  schützen,  dieselben  Freunde 
und  Feinde  wie  diese  zu  haben  und  von  den  Genuesen  und  denen,  die 
von  den  genuesischen  Konsuln  als  ihre  Freunde  bezeichnet  werden  würden, 
nur  die  rechtmäßigen  altüblichen  Abgaben  zu  erheben ;  sollte  eine  Verletzung 
des  Vertrages  vorkommen,  so  versprechen  sie,  binnen  40  Tagen  3)  nach  Ein- 
treffen eines  Gesandten  oder  eines  amtlichen  Schreibens  der  genuesischen 
Regierung  für  Abhilfe  oder  Genugtuung  zu  sorgen.  Marseille  versprach 
außerdem,  den  Genuesen  für  alle  Übel,  die  es  ihnen  innerhalb  der  letzten 
10  Jahre  zugefügt,  nach  richterlichem  Spruch  Entschädigung  zu  gewähren. 

Läßt  schon  der  letzte  Passus  darauf  schließen,  daß  Marseille  nur 
unter  besonderem  Druck  in  diesen  Schutzvertrag  gewilligt  hat,  so  wird 
schwerlich  anzunehmen  sein,  daß  der  Vertrag  über  die  10  Jahre,  für  die 
er  zunächst  geschlossen  wurde,  hinaus  verlängert  worden  ist,  obwohl  der 
Vertrag  selbst  eine  solche  Verlängerung  in  Aussicht  nahm.  Jedenfalls  hat 
sich  in  der  Folgezeit  Marseilles  Verhältnis  zu  Genua  recht  unfreundlich 
gestaltet,  so  daß  die  Handelsbeziehungen  zwischen  beiden  Städten  geradezu' 
aufhörten;  im  Notularium  des  Johannes  (1155 — 1164)  begegnet  der  Name 
von  Marseille  nicht  ein  einziges  Mal. 

Doch  erscheint  im  Spätherbst  1165  Marseille  mit  der  vorgelagerten 
Insel  Pomegue  als  Stützpunkt  der  genuesischen  Flotte,  die  hier  auch  Lebens- 
mittel einnahm;  und  der  Vertrag,  den  Genua  zur  selben  Zeit  mit  dem 
Grafen  Raimund-Berengar  von  Provence  schloß,  mußte  ebenso  wie  2  Jahre 
später  das  Bündnis  mit  seinem  Nachfolger,  dem  Könige  von  Aragon,  auch 
seinem  Handel  mit  Marseille  zustatten  kommen.  Gegen  Ende  des  genue- 
sisch-pisanischen  Krieges  aber  entbrannte  zwischen  Genua  rnid  Marseille 
erbittertste  Feindschaft.  ,«| 

448.  Mit  dem  Grafen  Raimund  von  Toulouse  schloß  Genua  im 
August  1174  ein  enges  Kriegsbündnis,  dessen  Zweck  es  war,  dem  Könige 
von  Aragon  die  Provence  zu  entreißen.^)  Genua  wollte  zur  Eroberung  der 
Orte  an  der  See  und  rhoneaufwärts  bis  Tarascon  eine  Flotte  von  16  Galeeren 
stellen,    die  es   den   ersten  Monat  völlig   auf  eigene  Kosten    zu  unterhalten 

»)  Oben  §  422. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  41—45 ;  oben  §  217. 

')  In  dem  Druck  Chart.  11  no.  182  (wonach  Mas  Latrie,  Doc.  p.  88)  irrig 
10  Tage. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  309  und  310.     Germain,  commerce  I  p.  98 — 106. 


11 


Die  Italiener  im  Handelsverkehr  mit  der  Provence  bis  z,  dritten  Kreuzzuge.     573 

hatte,  während  der  Graf  für  den  Unterhalt  der  Mannschaft  in  der  folgenden 
Zeit  50  sol.  melg.  pro  Tag  und  Galeere  zahlen  sollte.  Für  diese  Kriegshilfe 
machte  der  Graf  den  Genuesen  die  ausgedehntesten  Versprechungen,  die 
für  die  Ziele  der  genuesischen  Politik  lehrreich  bleiben,  wenn  sie  auch  den 
Boden  der  Wirklichkeit  allzusehr  verlassen :  Genua  sollte  den  vollständigen 
Besitz  von  Marseille  erhalten,  dergestalt,  daß  es  völlig  nach  seinem  Belieben 
damit  schalten  konnte,  desgleichen  den  festen  Ort  (castrum)  Hyeres  mit 
allem  Zubehör;  von  allen  anderen  Orten  an  der  Küste  und  der  unteren 
Rhone  auf  der  ganzen  Strecke  von  la  Turbie  (bei  Monaco)  bis  Arles  sollte 
ihm  die  volle  Hälfte  von  allem  Besitz  wie  allen  Rechten  und  Einkünften 
zufallen.  Doch  wurde  das  feste  Schloß  Fos  auf  Wunsch  der  Genuesen 
selbst  davon  ausgenommen  und  ganz  dem  Grafen  vorbehalten ;  die  Genuesen 
wollten  sich  hier  mit  einem  außerhalb  der  Befestigungen  gelegenen  Fondaco 
und  den  in  der  Nähe  gelegenen  Salinen  von  Bouc  begnügen. 

Dafür  verlieh  ihnen  der  Graf  noch  an  der  Grenze  ihres  Gebietes  zu 
vollem  Eigentum  Ortschaft  und  Berg  von  Monaco  mit  Zubehör  zur  Er- 
richtung eines  Kastells.  Auch  versprach  der  Graf,  während  der  auf  5  Jahre 
berechneten  Dauer  des  Vertrages  den  Genuesen  jedesmal,  wenn  sie  an  der 
Riviera  auf  der  Strecke  von  Albenga  bis  Marseille  einen  Seezug  mit 
mindestens  10  Galeeren  unternähmen  i),  ein  Kontingent  von  100  wohlaus- 
gerüsteten Rittern  stellen  zu  wollen.  Kein  Zweifel,  daß  Handelseifersucht 
gegen  das  trotz  allem  aufblühende  Marseille  die  Haupttriebfeder  für  die 
Genuesen  beim  Abschluß  dieses  Vertrages  war.  Besonders  war  es  der  genue- 
sischen Regierung  ein  Dorn  im  Auge,  daß  vielfach  Genuesen  selbst  die  wach- 
sende Bedeutung  des  Platzes  förderten,  indem  sie,  von  überseeischen  Häfen 
kommend,  es  vorzogen,  statt  nach  Genua,  nach  Marseille  oder  Toulon  oder 
sonst  einem  Hafen  zwischen  der  Ebromündung  und  Genua  »contra  honorem 
et  commodum  patriae  suae«  zu  fahren.^)  Verbote  halfen  bei  dem  recht 
unbotmäßigen  Sinn  der  seefahrenden  Bevölkerung  der  Republik  nicht  all- 
zuviel, und  so  hoffte  man  durch  Anwendung  von  Gewalt  gegen  die  empor- 
strebende proven§alische  Seestadt  ans  Ziel  zu  gelangen. 

Bis  Mitte  Oktober  sollte  der  Kriegszug  angetreten  werden ;  doch  hatte 
man  ihn  für  dies  erste  Jahr,  wie  es  scheint,  selbst  nicht  allzu  ernstlich  ins 
Auge  gefaßt,  denn  die  Genuesen  bedangen  sich,  ganz  abgesehen  von  dem 
Fall  beiderseitigen  Einverständnisses  oder  >  des  Eintretens  unabwendbarer 
Hindernisse,  die  Unterlassung  des  Zuges  auch  aus,  wenn  der  Kaiser  nach 
Italien  käme  und  seine  Anwesenheit  ihnen  als  Hindernis  erschiene,  oder 
wenn  sich  herausstellen  sollte,  daß  die  Zahl  der  in  den  Gebieten  des  Königs 
von  Aragon  weilenden  Genuesen  oder  die  Menge  der  dort  befindlichen 
genuesischen  Waren  so  groß  sei,  daß  ein  sofortiger  Bruch  nicht  ohne 
schweren  Schaden  für  sie  vollzogen  werden  könnte.  In  der  Tat  miterblieb 
der  Zug;    für  diesen  Fall    war  bestimmt,    daß    die    neuen  Konsuln    Genuas 


1)  Langer  S.  199  unrichtig,  daß  er  ihnen  mit  10  Galeeren  Beistand  versprochen 
hätte  (die  Seemacht  fehlte  ihm  ja  gerade!);  auch  ist  es  ein  Mißverständnis,  daß  er 
ihnen  alle  Häfen  an  der  Küste  von  Turbie  bis  Narbonne  zugesagt  hätte. 

*)  Auch  der  Erzbischof  wurde  dadurch  in  seineu  finanziellen  Interessen  ge- 
schädigt, da  er  nur  von  jedem  de  pelago  nach  Genua  kommenden  Schiffe  den 
Zehnten  von  22  Vj  sol.  zu  fordern  hatte.  Deshalb  sprachen  ihm  die  Konsuln  am 
21.  Januar  1175  das  Recht  zu,  den  gleichen  Zehnten  auch  von  jenen  den  Hafen 
der  Vaterstadt  meidenden  Schiffen  zu  erheben :  II  secondo  registro  della  Curia  Ar- 
civescovile  dl  Genova,  ed.  Belgrano  in  Atti  Lig.  X VIII  (1887),  206;   dazu  456. 


574  Achtunddreißigstes  Kapitel. 

vor  Antritt   ihres  Amtes    zu   schwören    hätten,    den  Vertrag   bis   zu  einem 
neuen    mit  dem  Grafen    zu  vereinbarenden  Termin   zu  erfüllen. 

Während  die  Unterhandlungen  bisher  in  Genua  durch  den  Conne- 
table  des  Grafen,  Wilhelm  von  Sabran,  geführt  waren,  schickten  die 
Genuesen  demgemäß  im  nächsten  Frühjahr  ihrerseits  den  Philippus  Bara- 
terius  als  Gesandten  nach  Südfrankreich,  der  noch  weitere  Bundesgenossen 
warb  und  außer  mit  dem  Grafen  von  Toulouse  auch  mit  Sancho,  der  sich 
Graf  der  Provence  nannte,  und  mit  Graf  Wilhelm  von  Forcalquier  eine 
neue  Konvention  vereinbarte.^)  Unverhüllt  zeigte  sich  nun,  was  mit  dem 
Ausdrucke  des  Vertrages  von  1174,  daß  die  Genuesen  mit  Marseille  machen 
könnten,  was  sie  wollten,  eigentlich  gemeint  war;  denn  man  faßte  nun 
nichts  Geringeres  als  die  vollständige  Zerstörung  von  Marseille  ins  Auge. 
Bis  zum  15.  August  sollte  der  kombinierte  Zug  zu  Wasser  und  zu  Lande 
vor  sich  gehen ;  die  Fürsten  verpflichteten  sich,  in  Person  an  der  Spitze  von 
mindestens  10000  bewaffneten  Rittern  im  Felde  zu  erscheinen  und  nach 
Ankunft  der  Genuesen  einen  Monat  oder  so  lange,  bis  die  Stadt  Marseille 
mit  ihrem  Hafen  zerstört  sei,  bei  Marseille  zu  verweilen;  keine  Wieder- 
herstellung der  Stadt  wollten  sie  zulassen  und  keinen  Frieden  oder  Vertrag 
mit  den  Marseillern  ohne  Erlaubnis  der  genuesischen  Konsuln  schließen. 
Indessen,  so  drohend  sich  das  Wetter  über  Marseille  zusammenzuziehen 
schien,  es  verzog  sich,  ohne  irgendwelchen  Schaden  anzurichten.  Vielleicht 
hat  die  Anwesenheit  des  gebietend  auftretenden  Kaisers  im  Zusammenhange 
mit  dem  noch  fortdauernden,  erst  im  November  beendeten  pisanischen 
Kriege  die  Genuesen  veranlaßt,  ihren  Plan,  der  die  Größe  ihres  Hasses 
gegen  Marseille  bekundet,  vorläufig  fallen  zu  lassen.  Aber  schon  am 
18.  April  1176  machte  Graf  Raimund  mit  König  Alfons  seinen  Frieden  2), 
während  die  Genuesen  im  ganzen  Frühjahr  und  Sommer  ihre  Galeeren  an 
der  Küste  der  Provence  gegen  Korsaren  und  »Rebellen«  und  Übertreter 
des  Handelsverbotes  kreuzen  ließen.^)  Das  »devetum  Provinciae«,  das  die 
Bewohner  von  Albenga  1179  zu  beobachten  sich  Genua  gegenüber  ver- 
pflichteten *),  ist  sicher  in  erster  Linie  gegen  Marseille  gerichtet  gewesen. 
Marseille  zu  beugen  aber  gelang  den  Genuesen  nicht ;  es  ist  nach  den  zutage 
getretenen  Plänen  Genuas  begreiflich,  daß  ihre  AusschließungspoHtik  gerade 
hier  eine  besonders  tiefwurzelnde  Abneigung  hinterließ.  ijl 

449.  Derart  unfreundliche  Beziehungen  zu  Genua  lassen  von  vorn- 
herein auf  ein  gutes  Verhältnis  zu  Pisa  schließen;  doch  ist  uns  aus  dieser 
Zeit  nur  sehr  wenig  Positives  darüber  bekannt.  Im  Spätherbst  des  Jahres  1165 
hören  wir  von  einem  pisanischen  Handelsschiff,  das  von  Bugia  kam  und 
nach  Marseille  wollte,  aber  den  Genuesen  in  die  Hände  fiel;  und  es  deutet 
auf  die  Sympathien,  die  man  in  Marseille  trotz  des  Bündnisses,  das  der 
Landesherr  Graf  Raimund-Berengar  damals  mit  Genua  schloß,  für  Pisa  hegte, 
daß  der  Marseiller  Capdole,  ein  Freund  der  Pisaner,  die  Genuesen  durch  die 

1)  Lib.  Jur.  I  no.  313,  undatiert,  von  dem  Herausgeber  irrig  zu  1176  ange- 
setzt (auch  von  Heyd  I,  188  angenommen). 

«)  Petrus  de  Marca  p.  1368  f.  Devic  et  Vaissete  VI  (1879),  68.  Im  Jahre 
1179  brach  der  Krieg  wieder  aus  und  dauerte  bis  Februar  1185.  Devic  1.  c.  87,  110. 
Petrus  de  M.  1375  u.  1378  f. 

')  Ann.  genovesi  II,  10 :  galeas  armatas   in   custodia  Provincie   tenuerunt   ad ' 
capiendos  cursales   et  rebelles   et  illos   qui  contra  devetum  eorum  (seil,  consulum) 
ibant. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  325. 


i 


Die  Italiener  im  Handelsverkehr  mit  der  Provence  bis  z.  dritten  Kreuzzuge.     575 

falsche  Nachricht,  daß  ein  pisanisches  Schiff  in  dem  benachbarten  Hafen 
Aquila  (Bec  de  l'Aigle)  vor  Anker  gegangen  sei,  aus  Marseille  herauszulocken 
wußte.  1)  Der  regelmäßige  Handelsverkehr  der  Pisaner  in  Marseille  endlich 
wird  dadurch  bezeugt,  daß  Marseille  in  der  pisanischen  Tabelle  der  usance- 
mäßigen  Seezinsen  mit  einem  Satze  von  17 1/2%  erscheint.  2) 

Toulon  gehörte  damals  zu  den  Besitzungen  des  vizegräflichen 
Geschlechts  von  Marseille ;  daß  sein  trefflicher  Hafen  auch  von  den  Italienern 
gewürdigt  wurde,  zeigt  uns  der  Umstand,  daß  die  beim  Herannahen  des 
Winters  1165  heimkehrende  genuesische  Flotte  eine  Zeitlang  in  Toulon  ver- 
weilte; auch  klagte  man  in  Genua  darüber,  daß  aus  der  Ferne  kommende 
genuesische  Schiffe  trotz  des  bestehenden  Verbotes  in  direkter  Fahrt  öfter 
auch  den  Hafen  von  Toulon  aufsuchten.^) 

450.  Im  östlichen  Teile  der  Provence  erfreuten  sich  die  vom 
Bischof  gegründeten  Märkte  in  Fr ^  jus  (Forum  Julii,  Frizulium)  und 
dem  benachbarten  Saint-Raphael  im  12.  Jahrhundert  eines  sehr 
regen  Verkehrs. 

Genuesischen  Schiffen,  die  hierher  zu  Markt  fuhren,  begegnen  wir 
schon  im  Jahre  1100  und  seitdem  häufig  an  dieser  dem  Machtbereich  Genuas 
80  nahe  gelegenen  Stätte;  Küstenfahrer,  die  nur  bis  Frejus  fuhren,  hatten 
als  collatio  portus  (Hafengeld  in  Genua)  nur  1  den.  pro  Person  auf  dem 
Schiff  zu  zahlen.  4)  In  dem  Schutzvertrage  von  1138  gaben  die  Bewohner 
von  Frejus  das  besondere  Versprechen  ab,  für  die  Sicherheit  und  den  völlig 
unbehinderten  Handelsverkehr  der  Genuesen  und  ihrer  Freunde  auf  ihren 
Messen  Sorge  tragen  und  keine  weitere  Abgaben  als  die  altüblichen  9  Denar 
von  ihnen  erheben  zu  wollen.  Daß  auch  die  Pisaner  häufige  Besucher  dieser 
Märkte  waren,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  San  Raffaele  in  der  pisanischen 
Seezinstabelle,  und  zwar  mit  dem  verhältnismäßig  sehr  niedrigen  Zinssatze 
von  121/2%.  erscheint,  ö) 

Die  Messe  von  Frejus  (nundinae  Fori  Julii)  hatte  am  10.  August,  dem 
Tage  des  hl.  Laurentius,  die  von  Saint-Raphael  am  Matthäustage,  dem 
21.  September,  ihren  Mittelpunkt;  es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  die 
Messe  von  Saint-Gilles  gerade  in  die  Mitte  zwischen  diese  beiden  Messen 
fiel.  Im  Sommer  1157  ging  Garsia,  ein  Bruder  des  Petrus  Bur,  als  Sozius 
der  Eliadar  zur  Messe  nach  Frejus;  auf  dem  Schiffe  der  EHadar  hatte  er 
die  Handelsreise  durch  seinen  homo,  Olivarius,  nach  Palermo  und  zurück  nach 
Genua  fortsetzen  zu  lassen.  6)  Auf  die  Messe  von  Saint-Raphael  ist  es  zu  be- 
ziehen, wenn  Gandulfus  Lavorantus  am  5.  September  1158  eine  Commenda  von 
106  1.  Jan.  für  seine  Handelsreise  »apud  feriam«  empfängt  und  Soliman  von 
Salerno  und  Donatus  de  s.  Donato  bei  Abschluß  eines  neuen  Sozietätsvertrags 
am  22.  September  1163  die  Erklärung  abgeben,  daß  sich  von  ihrer  bisherigen 

')  Ann.  genov.  I.  186. 

«)  Bonaini  II,  905. 

'•>)  Ann.  genov.  I,  187.  Oben  §  448.  Im  Jahre  1180  schloß  der  Graf  von  Pro- 
vence mit  dem  Marseiller  Vicegrafen  Wilhelm  über  die  Verteilung  des  Reingewinns 
aus  den  Silber-  und  Bleibergwerken  in  der  Nachbarschaft  von  Toulon  einen  Ver- 
trag und  nahm  zugleich  Toulon  und  alle,  die  sich  zur  See  oder  zu  Lande  nach 
jenen  Bergwerken  begaben,  in  seinen  Schutz.  Lambert  G.  im  Bull,  de  l'Acad.  du 
Var,  n.  s.,  XX  (Toulon  1897)  p.  84.     Fagniez  I,  90  no.  116. 

*)  Chart.  II  no.  147  p.  185.     Lib.  Jur.  I  no.  55. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  43.     Bonaini  n,  905. 

»)  Chart.  II  no.  446. 


576  Achtunddreißigstes  Kapitel. 

Sozietät  300  Häute,  130  Stück  Schaffelle  und  5  Stück  Barchent  auf  der  Messe 
befänden,  i)  Wenn  wir  diesen  Messen  im  Notularium  nicht  öfter  begegnen, 
so  kann  das  allein  darin  seinen  Grund  haben,  daß  man  bei  der  Kürze  der 
Fahrt  dahin  die  notarielle  Form  in  der  Regel  nicht  für  erforderlich  erachtete ; 
denn  die  hervorragende  Bedeutung,  die  diese  Messen  für  Genua  hatten,  tritt 
gerade  in  dieser  Zeit  und  gerade  während  seines  großen  Krieges  mit  Pisa 
mehrmals  in  ein  helles  Licht,  Als  die  Pisaner  1165  mit  ihren  31  Galeeren 
Albenga  erobert  hatten  (21.  August)  und  nun  die  Küste  westwärts  weiter 
zogen,  kaperten  sie  28  von  der  Messe  von  Frejus  (de  mercato  de  FrigioH) 
heimkehrende  Schiffe  mit  Genuesen  und  vielem  Gut  2)  —  sind  es  auch 
offenbar  nur  kleinere  Küstenfahrzeuge  gewesen,  so  beweist  das  doch  die 
Lebhaftigkeit  dieses  nach  den  Messen  gerichteten  Schiffsverkehrs.  Im 
Jahre  1169  wurde  Otto  de  Caffaro  an  der  Spitze  von  sieben  genuesischen 
Galeeren  gegen  sechs  pisanische,  die  nach  der  Küste  der  Provence  gegangen 
waren,  geschickt ;  offenbar  befürchteten  die  Genuesen,  daß  sich  der  Vorgang 
von  1165  wiederholen  könnte.  Nachdem  Otto  die  Feinde  zunächst  vergebens 
gesucht,  begab  er  sich  selbst  zur  Messe  nach  Frejus,  um  die  Besorgnisse  der 
Kaufleute  zu  zerstreuen  und  den  Verlauf  des  Meßgeschäfts  zu  schützen.  Vor 
der  großen  Zahl  der  Meßbesucher  leistete  er  hier  einen  Eid,  die  Pisaner  bis 
aufs  äußerste  bekämpfen  zu  wollen ;  und  wirklich  glückte  es  ihm  bald  darauf 
am  Laurentiustage  (10.  August),  drei  von  den  pisanischen  Galeeren  bei  den 
hyerischen  Inseln  in  seine  Gewalt  zu  bringen.  Im  Triumph  kehrte  er  mit 
ihnen  nach  Frejus  und  dann,  die  Kaufmannschiffe  geleitend,  nach  Genua 
zurück.  Bald  aber  hieß-  es,  daß  die  Pisaner  wiederum  Galeeren  zur  Störung 
der  Messe  von  S.  Raphael  ausgesandt  hätten.  Da  erließ  Genua  das  Gebot, 
daß  die  bevorstehende  Messe  nur  auf  Galeeren  besucht  werden  dürfte  und 
rüstete  gleichzeitig  zum  Schutze  der  Meßbesucher  und  der  auf  die  hohe 
See  gehenden  Handelsschiffe  sechs  Galeeren  aus,  die  ihrer  Aufgabe  unter 
Ingo  Tornellus  an  der  Küste  der  Provence  zwei  Monate  lang  oblagen.  ^) 


451.  Besonders  wertvolle  Details  über  diese  Messen  und  die  Art  des 
Verkehres  auf  denselben  bietet  uns  der  Vertrag,  den  Bischof  Florus  von 
Frejus  am  22.  Juli  1190  mit  den  Konsuln  von  Genua  unter  dem  Vorbehalt 
der  Genehmigung  durch  König  Alfons  von  Aragon  abschloß.  Darnach  standen 
die  genuesischen  Meßbesucher  4)  unter  einem  oder  mehreren  besonderen 
Vorstehern,  die  von  der  heimischen  Regierung  ernannt  wurden  und  offenbar 
die  Jurisdiktion  und  die  Aufsicht  über  ihre  Landsleute  zu  üben  hatten; 
wahrscheinlich  haben  sie  schon  damals  den  Konsultitel  geführt.  An  Abgaben 
durften  von  den  Genuesen  während  der  Meßzeiten  nur  erhoben  werden 
12  den.  Ufergeld  für  das  Fahrzeug   —  ein  Beweis,   daß   die  Genuesen  ganz 


i 


*)  Ebd.  no.  703  u.  1323 :  quod  de  societate  quam  insimul  habuere,  sunt  apudj 
feriam  300  coria  etc.  I 

*)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  253. 

')  Ann.  genov.  I,  227  f.  Im  Jahre  1170  schickten  die  Genuesen  wieder,  ohne 
daß  eine  besondere  Beziehung  zu  der  Messe  hervortritt,  9  Galeeren  nach  der  Pro- 
vence zum  Schutze  gegen  die  pisanischen  Kreuzer,  die  ausgesandt  waren  >pro  of- 
fensione  iUis  facienda  qui  civitati  nostre  victualia  aiferebantc,  ebd.  233.  Die  Lebens- 
mittelzufuhr von  der  Provence  her  war  also  für  Genua,  zumal  im  Falle  eines  Kriege 
mit  Pisa,  besonders  wichtig. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  376.  Außer  den  beiden  Hauptmessen  wird  hier  noch  einej 
dritte  genannt,  die  Synodenmesse  (nundinae  Synodi),  die  auf  den  vierten  Sonntagj 
nach  Ostern  fiel;  größere  Bedeutung  scheint  sie  nicht  erlangt  zu  haben 


I 


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Die  Italiener  im  Handelsverkehr  mit  der  Provence  bis  z.  dritten  Kreuzzuge.     577 

überwiegend  kleine  Küstenfahrer  zu  diesen  Messen  entsandten;  gegen  die 
9  den.  von  1138  bedeutet  das  keine  Erhöhung,  da  in  der  Zwischenzeit  eine 
Minderung  des  Metallwerts  der  Denare  eingetreten  war.  Fahrzeuge,  die 
außerhalb  der  Meßzeiten  des  Handels  wegen  nach  dem  Gebiet  von  Frejus 
kamen,  hatten  eine  von  altersher  übliche  Abgabe  von  4  den.  auf  den  Riemen 
(per  remum),  von  der  nur  der  Schiffsführer  (nauclerius)  befreit  war,  zu  leisten. 
Auf  der  Messe  zu  Saint-Raphael  trat  zu  dem  Ufergelde  für  ankommende 
Schiffe  noch  eine  Verkaufsabgabe  für  Tuche  hinzu,  die  in  Höhe  von 
2  sol.  für  den  Ballen,  bei  einzelnen  Stücken  im  entsprechenden  Verhältnis, 
zu  entrichten  war.  Unter  den  Waren,  die  auf  diesen  Messen  gehandelt 
wurden,  spielten  diese  Tuche  für  den  Export  der  Genuesen  eine  besonders 
wichtige  Rolle.  Um  Streitigkeiten,  wie  sie  früher  öfter  entstanden  waren, 
auszuschließen,  stellte  man  im  Vertrage  selbst  nach  dem  Herkommen  fest, 
wieviel  Stück  Tuch  der  Ballen  bei  den  verschiedenen  Sorten  enthalten  mußte. 
So  lernen  wir  als  auf  der  Messe  von  Frejus  gehandelte  Tuche  kennen  aus 
dem  Westen  Frankreichs  die  von  Limoges,  Figeac  und  Gourdon  (nördlich 
von  Cahors),  aus  dem  Norden  westlich  der  Seine  die  von  Chartres  und 
Etampes,  nördlich  der  Seine  die  von  Beauvais  und  Arras,  aus  Flandern  die 
bunten  Tuche  von  Saint  -  Riquier  und  Merris  i)  (bei  Bailleul).  Damit  ist  die 
Zahl  der  hier  vertretenen  Tuchsorten  indessen  noch  keineswegs  erschöpft; 
die  beiden  zuletzt  genannten  flandrischen  Tuche,  bei  denen  14  Stück  auf 
den  torsellus  gingen,  sind  nur  um  dieser  Besonderheit  willen  hervorgehoben, 
da  bei  den  übrigen  farbigen  Tuchen  der  Ballen  nur  12  enthielt,  ebensoviel 
wie  bei  den  Tuchen  aus  dem  Westen  Frankreichs  und  den  großen  Tuchen 
von  Beauvais,  während  der  Ballen  von  Arras  24  Stück  umfaßte.  Das  Extrem 
stellten  die  Tuche  von  Chartres  und  fitampes  mit  nur  6  Stück  auf  den 
Ballen  dar.  Bei  den  als  sagae  (Sarsch)  bekannten  Tuchen  gingen  18,  bei 
den  barrachani  35  auf  den  Ballen.  Der  Ballen  Garntuch  (canapaciorum) 
bestand  aus  112  Stück,  während  von  den  vintenae  (vingtains,  Tuchen  von 
2000  Einschlagfäden)  gerade  100  einen  Ballen  ausmachten.  Das  Messen  der 
Tuche  wurde  von  zwei  Beamten  besorgt,  einem  Pro vengalen,  den  der  Bischof,, 
und  einem  Genuesen,  den  der  genuesische  Meßvorstand  zu  bestellen  hatte; 
in  der  gleichen  Weise  wurden  auch  zwei  Beamte  für  die  öffentHche  Wage 
bestellt.  Alle  diese  Beamten  erhielten  ihre  Besoldung  vom  Bischof  aus  den 
bei  der  Verwiegung  und  Vermessung  zu  entrichtenden  Gebühren  (de  introitu 
canne  et  cantarii),  die  also  nicht  als  Meßabgaben  betrachtet  wurden.  Zu 
einer  näheren  Aufzählung  der  Gewichtswaren,  die  nach  Kantär  oder  Rubbi 
(ad  cantarium  vel  Tubum)  verkauft  wurden,  hatte  der  Vertrag  keine  besondere 
Veranlassung;  diese  »species  et  merces«  umfassen  offenbar  ganz  überwiegend 
die  Artikel,  die  von  den  Genuesen  importiert  wurden.  Streng  zu  verbieten 
versprach  der  Bischof  den  Kauf  von  Waren  zum  Zweck  des  Wiederverkaufs 
auf  der  Messe  selbst  (cabellam  facere  nannte  man  es  in  Frejus) ;  ausgenommen 
von  diesem  Verbot  sollten  nur  die  dem  täglichen  Bedarf  dienenden  Artikel 
sein,  wie  Brot,  Wein,  frisches  Fleisch,  Fische,  auch  getrocknete,  Salz  u.dgl. 
Zuwiderhandelnde  unterlagen,  abgesehen  von  der  Aufhebung  des  Kauf- 
geschäfts,   einer  Strafe,    wie    sie   der  Bischof  im  Einvernehmen    mit    dem 


')  Der  Text  hat  >  torsellus  pannorum  de  mensurac ;  doch  führt  der  Text  des 
Vertrages  von  1204,  der  eine  wörtliche  Erneuerung  des  Vertrages  von  1190  ist,  mit 
der  Lesart:  pannorum  de  mersa  auf  das  Richtige,  wenn  nicht  etwa  mensa  (Mainz) 
zu  lesen  ist. 

Schaube,  Handelsgeschichte  djer  roman.  Völker  im  Mittelalter.  "7 


f)78  Achtunddreißigstes  Kapitel. 

genuesischen  Meßvorstand  (cum  consilio  illius  qui  preerit  nundinis  ipsis  pro 
Januensibus)  zu  verhängen  für  gut  fand. 

Mit  diesen  Messen  war  aber  auch  ein  großer  Getreidemarkt  verbunden, 
auf  dem  die  fruchtbare  Provence  einen  Teil  ihres  Überschusses  an  Weizen 
für  den  Bedarf  namenÜich  der  Genuesen  abgab.  Eine  ganze  Anzahl  von 
Zeugnissen  aus  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  gibt  uns  Kunde  von  der 
Wichtigkeit,  die  dieser  Exportartikel  der  Provence  für  Genua  gehabt  haben 
muß.  Der  Zehnte,  der  dem  Bischof  (seit  1133  Erzbischof)  von  Genua  zu- 
stand, wurde  von  jedem  zum  größeren  Teil  mit  Getreide  beladenen  Fahr- 
zeug, das  von  den  Messen  kam,  bei  einer  Besatzung  bis  zu  8  Mann  mit 
1  Mine  Weizen,  bis  zu  12  Mann  mit  2  Minen,  und  erst  bei  stärkerer  Be- 
mannung mit  dem  sonst  üblichen  Satz  von  einem  Quartino  pro  Mann  in 
natura  erhoben.i)  Durch  den  Vertrag  von  1190  wurde  der  Bischof  ver- 
pflichtet, während  der  Dauer  der  Messen  keine  anderen  Hohlmaße  für  den 
Verkauf  von  Getreide  zuzulassen,  als  die  geeichten  Scheffel  und  Metzen 
Genuas  (sextarios  sive  quartinos  Januenses  marcatos  et  ferratos  et  non  alios). 
Über  das  allgemeine  Versprechen  des  Schutzes  und  der  Erledigung  von  Be- 
schwerden binnen  20  Tagen,  das  man  sich  gegenseitig  gab,  hinaus  über- 
nahm der  Bischof  endlich  noch  für  den  Fall,  daß  genuesischen  Meßbesuchern 
nach  ihrer  Landung  Güter  gewaltsam  entfremdet  werden  sollten,  ohne 
weiteres  die  volle  Ersatzpflicht;  außerdem  versprach  er  einen  offenen  Brief 
des  Königs  von  Aragon  und  seines  Stellvertreters  in  der  Provence  zu  er 
wirken,  der  allen  Meßbesuchern  auf  der  Hin-  wie  Rückreise  zu  Wasser  wii 
zu  Lande  allseitige  Sicherheit  verbürgte.^) 

452.  Auch  das  von  Frejus  nur  etwa  4  Meilen  in  direkter  Linie  erit' 
f ernte  G  r  a  s  s  e  stand  trotz  seiner  Lage  im  Binnenlande  (bis  Cannes  sind  es 
ungefähr  2  Meilen)  mit  den  italienischen  Seestädten  in  lebhaftem  Handels- 
verkehr. Die  pisanische  Seezinstabelle  macht  von  Orten  der  Provence  außer 
Marseille  und  Saint-Raphael  nur  »Grassula«  namhaft;  daß  der  übliche  Zins- 
satz für  Seedarlehn  von  Pisa  hierher  und  zurück  etwas  höher  war  als  nach 
Saint-Raphael  (15  gegen  12 V2  Prozent)^),  hängt  offenbar  mit  dem  für  die 
Fortsetzung  der  Seetransporte  zu  Lande  erforderlichen  Zuschlage  zusammen. 
Auch  die  Leute  von  Grasse  verkehrten  vor  den  anderen  Proven9alen  viel 
in  Pisa;  die  pisanischen  Statuten  für  1162  legen  den  Konsuln  die  eidliche 
Verpflichtung  auf,  die  Forterhebung  der  Herbergsgebühr  (albergaria)  von 
den  in  Pisa  oder  Kinthica  wohnenden  Leuten  von  Grasse  und  den  Proven- 


)i 


IM 


')  Dekret  der  Konsuln  von  1123  unter  Berufung  auf  die  gleichlautende  En' 
Scheidung  der  consules  in  compagna  Lanfranci  Roce  et  Oberti  Maliocelli ;  Chart.  H 
no.  158  und  Atti  Lig.  II,  2  p.  58.  Die  vom  17.  August  1100  herrührende  Entschei- 
dung der  genannten  Konsuln  steht  Chart.  11  no.  147  p.  185,  zeigt  aber  verderbten 
Text.  Vgl.  ferner  das  laudamentum  der  Konsuln  von  1134  ib.  no.  174  p.  220  (ex- 
ceptis  ferüs  de  Frisulio  et  S.  Raphaelis) ;  und  übereinstimmend  mit  dem  Dekret 
von  1123  den  erzbischöflichen  Zehntentarif  von  1143  (Atti  Lig.  II,  2  p.  10)  betrefEenct™ 
die  homines  qui  vadunt  ad  forum  S.  Raphaelis  et  ad  nundinas  Fori  Julii.  1^1 
gleicher  Höhe  bestand  dieser  Zehnte  bis  1258,  wo  er  abgelöst  wurde ;  Lib.  Jur.  r 
no.  909  p.  1277.  Als  Abgabe  für  die  Stadt,  die  durch  den  cintragus  erhoben  wurde, 
kam  für  jedes  Schiff,  das  um  Getreide  zu  holen  über  Frejus  hinausfuhr,  1  Min^ 
hinzu.     Lib.  Jur.  I  no.  75  (von  1142).  fj 

*)  icartam  patentem  et  sigillatam  ...  de  omnimoda  securitate  in  mari  et 
terra  prestanda  .  .  .  universis  qui  ad  nundinas  predictas  iverint  vel  redierint.«  Am. 
3.  August  1204  ist  der  Vertrag  erneuert  worden.     Lib.  Jur.  I  no.  469. 

»)  Bonaini  K  p.  905. 


I 


Die  Italiener  im  Handelsverkehr  mit  der  Provence  bis  z.  dritten  Kreuzzuge.     579 

9alen  überhaupt  durch  Vernaccius,  genannt  der  Sensal,  nur  dann  zu  dulden, 
wenn  sie  für  die  Kommune  Pisa  erfolgte.^)  Während  des  großen  Krieges 
gelang  es  den  Genuesen,  vi^enn  auch  erst  ziemlich  spät,  Grasse  auf  ihre  Seite 
zu  ziehen;  im  Januar  1171 2)  schloß  der  Konsul  von  Grasse,  Isnardus,  als 
Gesandter  in  Genua  einen  Vertrag  auf  29  Jahre,  wonach  die  Stadt  für  die 
Dauer  des  Krieges  die  Pisaner  als  Feinde  betrachten  wollte  und  die  Be- 
wohner von'  Grasse  sich  verpflichteten,  vor  dem  Friedensschlüsse  Pisa  oder 
sein  Gebiet  des  Handels  wegen  nicht  wieder  aufzusuchen. 

Erst  einige  Jahre  nach  dem  Kriege  stellte  sich  das  freundschaftliche 
Verhältnis  zwischen  Pisa  und  Grasse  wieder  her.  In  dem  auf  26  Jahre  ab- 
geschlossenen Friedensvertrage  vom  November  1178  3)  versprachen  die  vier 
Konsuln  von  Grasse  und  ihre  designierten  Amtsnachfolger  in  Gegenwart 
des  Bischofs  von  Antibes,  von  pisanischen  Waren,  die  in  Grasse  eingeführt 
wurden,  nur  die  altherkömmliche  Abgabe  (solita  dirictura)  zu  erheben;  aus 
Kaufgeschäften  und  anderen  Verträgen,  die  in  Grasse  zwischen  Bewohnern 
der  Stadt  und  Pisanern  abgeschlossen  wurden,  sollten  die  Pisaner  in  Grasse 
selbst  belangt  und  Recht  zu  geben  gehalten  werden  können. 

453.  Auch  mit  Nizza  standen  die  Pisaner  schon  früh  in  lebhaftem 
Handelsverkehr.  Schon  aus  dem  Jahre  1114  ist  uns  ein  Schreiben  der 
pisanischen  Behörden  an  Bischof  und  Volk  von  Nizza  erhalten,  in  dem  sie 
ihr  lebhaftes  Bedauern  über  einen  Akt  von  Seeraub  aussprechen,  den  pisa- 
nische  Galeeren  an  Nizzarden  verübt  hatten.  Soviel  sie  konnten,  hätten  sie 
schon  Restitution  veranlaßt;  die  Hauptübeltäter  aber  seien  gegenwärtig  von 
Pisa  abwesend;  nach  ihrer  Rückkehr,  von  der  sie  unverzüglich  nach  Nizza 
Nachricht  geben  würden,  sollten  die  Geschädigten  Bevollmächtigte  nach  Pisa 
schicken,  für  deren  volle  Befriedigung  sie  Sorge  tragen  würden.  Im  übrigen 
sollten  die  Bewohner  Nizzas  völlig  unbesorgt  als  gute  Freunde  und  Nachbarn 
nach  Pisa  kommen,  wo  sie  wie  die  eigenen  Bürger  gehalten  werden  würden. 
Zum  Schluß  erbitten  sie  für  die  Ihrigen  wie  für  den  Überbringer  dieses 
Schreibens  die  gleiche  freundliche  Aufnahme  in  Nizza.*) 

Während  ihres  großen  Krieges  mit  Pisa  gelang  es  den  Genuesen,  sich 
in  Nizza  eine  feste  Stellung  zu  schaffen ;  zur  Niederwerfung  eines  Aufstandes 
gegen  seine  Oberhoheit  bestellte  im  März  1166  Graf  Raimund-Berengar  von 
Provence  den  Admiral  der  Genuesen,  Grimaldo  Grimaldi,  als  seinen  General- 
bevollmächtigten zu  Wasser  und  zu  Lande,  und  aus  dem  Jahre  1170  hören 
wir,  daß  Nizza  auf  Verlangen  Genuas  eine  Galeere  ausrüstete  und  zum  Ge- 
schwader des  Ogerius  Ventus  stoßen  ließ.s)  Wenn  sich  Genua  in  dem  un- 
ausgeführt gebliebenen  Vertrage  von  1174  vom  Grafen  von  Toulouse  ver- 
sprechen ließ,   beim  Papste   für  die   Unterstellung  des  Bischofs  von  Nizza 


')  Jedenfalls  gegen  den  Anspruch  der  pisanischen  Vicecomites  gerichtet. 

*)  Lib.  Jur.  I  ho.  277  und  278.  Wegen  der  Datierung  zu  1171  und  nicht  zu 
1170  (die  Konsuln  wechselten  in  Genua  erst  am  1.  Pebruar)  stimme  ich  Langer 
S.  176  Anm.  1  bei. 

»)  Muratori  Ant.  IV  p.  345  f.,  Papon  II,  preuves  no.  XXIII  p.  XXIII.  Wegen 
der  Indiktion  XII  (bei  Papon  sogar  nur  XI,  wohl  infolge  eines  Versehens)  ist  pi- 
sanische  Jahreszählung  anzunehmen.  Von  dem  Vertrage  ist  nur  der  die  Konsuln 
von  Grasse  verpflichtende  Teil  erhalten. 

*)  Papon  II,  preuves  no.  X  p.  IX.  P.  Gioffredo :  Storia  delle  Alpi  Marittime 
p.  373  (Mon.  Hist.  Patr.,  tom.  11).  Die  Jahreszahl  1115  an  der  Spitze  des  Schreibens 
zeigt  natürlich  den  calculus  pisanus. 

*)  Papon  II,  preuves  no.  XIX  p.  XVIII.     Ann.  genov.  I,  236. 

37* 


580     Achtunddreißigstes  Kapitel.     Die  Italiener  im  Handelsverkehr  m.  d.  Provence. 

unter  das  Erzbistum  Genua  zu  wirken,  so  zeigt  uns  das  deutlich  das  Ziel 
des  genuesischen  Strebens;  die  weitere  Bestimmung,  daß  bei  der  Teilung 
Nizzas  zwischen  Genua  und  dem  Grafen  der  Besitz  des  W.  Richerius  und 
seiner  Neffen  ausgenommen  sein  sollte,  erklärt  sich  daraus,  daß  Genua  mit 
dieser  angesehensten  Familie  Nizzas  in  besonders  engen  Beziehungen  stand ; 
als  im  Jahre  1182  Maria,  eine  Tochter  des  Ottobonus  de  Albericis,  die  mit 
Lanfrancus  Richerii  vermählt  war,  auf  der  Reise  von  Genua  nach  Nizza 
von  den  Bewohnern  von  Linguilia  gefangen  genommen  wurde,  schritten  die 
Genuesen  sofort  mit  aller  Entschiedenheit  gegen  dieses,  »immensum  facinus« 
ein.i)     Seit  dem  Frieden  des  Grafen  von  Toulouse   mit  Alfons  von  Aragon 

1176  erkannte   auch  Nizza   die  Oberhoheit  des  Königs  wieder  an;   im  Juni 

1177  bestätigte  ihm  dieser  gegen  eine  einmalige  Zahlung  von  1250  1.  Jan. 
und  einen  Jahrestribut  von  100  1.  jan.  (pro  albergo)  seine  alten  Gewohn- 
heiten und  Rechte.2)  Auch  mit  den  Pisanern  wurde  wieder  ein  freund- 
schaftliches Verhältnis  durch  den  Vertrag  hergestellt,  den  es  am  29.  März 
desselben  Jahres  mit  Ildebrando  Sismondi  abschloß,  der  7  Wochen  zuvor 
den  Vertrag  mit  Montpellier  zustande  gebracht  hatte.^)  Der  Inhalt  des 
Friedensvertrages  ist  nur  dürftig 4);  falls  Einwohner  Nizzas  in  Zukunft  durch 
Pisaner  geschädigt  werden  sollten,  würden  die  Konsuln  von  Pisa  auf  ein 
beglaubigtes  amtliches  Schreiben  der  Konsuln  von  Nizza  oder  auf  das  Zu- 
geständnis des  Beschuldigten  hin  binnen  40  Tagen  einfache  Restitution  ver- 
anlassen oder  den  Schuldigen,  falls  er  nicht  zahlungsfähig  wäre,  aus  dem 
pisanischen  Machtbereich  ausweisen  und  nicht  eher  wieder  aufnehmen,  bis 
er  Ersatz  geleistet.  Der  zwischen  beiden  Städten  bestehende  Friede  sollte 
um  derartiger  Übergriffe  Einzelner  willen  nicht  als  gebrochen  gelten. 

Bei  alledem  aber  blieb,  offenbar  hauptsächlich  durch  den  Einfluß  der 
Richerii  ö),  die  Stellung  Genuas  in  Nizza  eine  so  maßgebende,  daß  es  als  die 
eigentliche  Schutzmacht  für  Nizza  erschien;  der  genuesische  Vertrag  mit 
dem  Herrscher  der  Balearen  von  1181  läßt  das  genuesische  Gebiet  geradezu 
»a  Corvo  usque  Niciam«  reichen.^)  ^_ 

Im  Zusammenhange  mit  diesem  Streben  der  Genuesen  nach  direkter  |l 
Erweiterung  ihrer  Herrschaft  steht  auch  der  Vertrag,  den  sie  1181  mit  dem 
Abt  von  Lerins'^),  dem  Herrn  der  gleichnamigen,  dem  Strand  von  Cannes  vor- 
gelagerten Inselgruppe  schlössen.  Er  gab  ihnen  die  Hälfte  der  Insel  Sainte- 
Marguerite  zur  Anlegung  eines  Kastells  und  einer  unterhalb  desselben  gele- 
genen Ortschaft  zu  Lehen,  wofür  die  Genuesen  versprachen,  in  die  Friedens- 
verträge, die  sie  in  Zukunft  mit  den  Sarazenen  schließen  würden,  das 
Kloster  Lerins  und  die  Kirchen  der  Inseln  ausdrücklich  mit  aufnehmen  zu 
lassen  8)    und  dem  Abt,    falls  sie   in  der  neuen  Ortschaft  Märkte   einrichten 


^)  Ann.  genov.  II,  17. 

»)  Leges  Munic.  I  p.  82. 

=)  Bonaini,  Suppl.  p.  61  f.     Oben  §  446. 

*)  Überhaupt  steht  die  Wortkargheit  und  wenig  in  das  Detail  gehende  Art 
der  pisanischen  Staatsverträge  dieser  Zeit  in  einem  auffallenden  Gegensatz  zu  der 
genuesischen  Vertragstechnik. 

')  Siehe  hierüber  Cais  de  Pierlas :  Testament  de  Jourdan  Eiquieri  au  Xlle  siecle 
in  Ann.  de  la  Soc.  des  lettres,  sciences  et  arts  des  Alpes-Marit.  XII  (1890),  8  ff.  Ein 
Darlehn  des  Lanfranco  R.  an  den  Bischof  von  Nizza  ebd.  p.  11  und  im  Cartulaire 
de  Nice  desselben  Herausgebers  (Turin  1888)  p.  Xu. 

6)  Mas  Latrie,  Traitös.  Doc.  p.  HO. 

i)  Lib.  Jur.  I  no.  331,  332. 

®)  Eine  Veranlassung  dazu  lag  in  dem  1178  erfolgten  Überfall  von  Toulon  vor 


II 

II 


Neununddreißigstes  Kapitel.  Kommerz.  Verhältnisse  innerh.  d.  südfr.  Küstengeb.   581 

und  Abgaben  einführen  sollten,  die  Hälfte  der  Einkünfte  zu  überlassen; 
die  Genuesen  aber  soUten  auf  jeden  Fall  völlig  abgabenfrei  sein.  In  der 
Tat  sehen  wir,  daß  die  Genuesen  in  ihrem  Vertrage  mit  Mallorka  von  1188 
die  Inselgruppe  als  zu  ihrem  Machtbereich  gehörig  bezeichnet  habend), 
während  für  gewöhnlich  Monaco  als  westlicher  Grenzpunkt  des  genuesischen 
Gebietes  erscheint. 

454.  Als  für  Genua  besonders  wichtiger  Exportartikel  der  Provence 
im  allgemeinen  ist  endlich  noch  das  Salz  zu  erwähnen,  für  dessen  Gewin- 
nung die  Flachküste  westlich  von  Marseille,  aber  auch  große  Teile  der 
östUch  gelegenen  Küste  wie  die  Gegend  von  Hyeres  mit  ihren  Strandseen 
und  abgeschnittenen  Meeresteilen  die  günstigsten  Vorbedingungen  bot.  Nach 
dem  1128  aufgezeichneten  Abgabentarif  mußten  die  aus  der  »provincia« 
kommenden  Salzschiffe  je  eine  »olla«  saus  ablief ern ;  1134  wurde  ihnen  zum 
Bau  des  Molo  eine  Abgabe  von  einem  quartinus  auferlegt,  während  der 
■cintragus  nach  einer  Aufzeichnung  von  1142  von  ihnen  3  quartini  einzog. 
Von  besonderer  Qualität  scheint  das  provengalische  Salz  allerdings  nicht 
gewesen  zu  sein;  im  Jahre  1152  hatte  ein  genuesisches  Konsortium,  dem 
der  Ankauf  des  importierten  Salzes  in  bestimmtem  Umfange  überlassen 
war,  die  Mina  provengalischen  Salzes  mit  7  den.,  anderen  Salzes  dagegen 
mit  9  den.  jan.  zu  bezahlen.^)  Bedeutsam  genug  ist  auch,  daß  Genua  in 
dem  Vertrage  von  1174  den  Besitz  der  Salinen  von  Bouc  erstrebte. 


Neununddreißigstes  Kapitel. 

Kommerzielle  Verhältnisse  innerlialb  des  süd- 
französisclien  Küstengebietes  selbst. 

455.  Von  einem  Seehandel  der  südfranzösischen  Städte  unter- 
einander hören  wir  in  dieser  Periode  noch  fast  nichts. 

Es  geschah  im  Interesse  des  Schiffsverkehrs  von  Montpellier  selbst, 
wenn  der  Herr  der  Stadt  im  Juli  1149  die  Gräfin  Beatrix,  Erbin  Bernhards 
von  Melgueil,  zu  einem  völligen  Verzicht  auf  die  Ausübung  des  Strand- 
rechts, wie  ihn  schon  ihr  Vater  ausgesprochen,  bewog;  sie  erhielt  dafür  eine 
Entschädigung  von  150  1.  melg.  Mit  Bischof  und  Vicomte  des  benachbarten 
Agde  schloß  Wilhelm  VIII.  im  April  1185  einen  Vertrag  auf  10  Jahre,  in 
dem  di*  Herren  von  Agde  versprachen,  alle  christhchen,  sarazenischen  oder 
jüdischen  Kaufleute,  die  nach  Agde  oder  in  sein  Gebiet  kämen,  beschützen 
und  sicher  geleiten  zu  wollen,  während  Wilhelm  seinen  Untertanen  und 
Freunden  den  Besuch  des  Hafens  von  Agde  zu  empfehlen  versprach.^) 

Was  den  Landhandel  Montpelliers  anbetrifft,  so  kennen  wir  einige 
Sätze  des  Zolls,  den  der  Vicomte  Roger  von  Beziers  auf  der  Straße  zwischen 
beiden  Orten  erheben  ließ;   er  betrug  13  d.  melg.  für  jeden  Berittenen  und 


')  Mas   Latrie,   Traitös,  üoc.  p.  114 :    a   Corvo    usque    insulam   S.  Margaretae 
super  Canebam  (Cannes)  sitam. 

«)  Lib.  Jiir.  I  no.  23,  36,  75,  178. 

»)  Liber  Instrum.  ]>.  156  no.  85  u.  649  no.  469. 


582  Neuunddreißigstes  Kapitel. 

jeden  Warenballen  i),  3  d.  für  jede  Last  Eisen  2)  und  31/4  d.  für  jeden  Fuß- 
gänger; der  Vicomte  verpfändete  diesen  Zoll  Anfang  1176  an  Elisarius  de 
Castris  für  ein  Darlehn  von  5000  sol.  melg.,  das  er  bei  diesem  aufgenommen 
hatte.  Der  Pfandinhaber  übernahm  die  Verpflichtung,  die  Straße  zu  be- 
wachen und  die  Benutzer  der  Straße  sicher  von  Beziers  nach  Montpellier 
und  zurück  zu  geleiten. 3) 

Als  in  den  sechziger  Jahren  Bernhard  von  Anduze  und  der  Herr  von 
Alais,  Bernhard  Pelet,  der  durch  seine  Gemahlin  Beatrix  auch  Graf  von 
Melgueil  war,  durch  Einrichtung  eines  neuen  Zolls  an  der  von  Montpellier 
nordwärts  nach  Prankreich  führenden  Straße  den  Handel  empfindlich  be- 
lästigten, wandten  sich  Wilhelm  von  Montpellier,  der  Abt  von  Saint-Gilles, 
der  Bischof  von  Nimes  mit  anderen  Betroffenen  an  König  Ludwig  VIL 
und  den  Papst  und  setzten  schließlich  auch  die  Wiederbeseitigung  des  Zolls 
durch;  Alexander  HI.  richtete  an  den  Erzbischof  von  Narbonne  und  die 
Bischöfe  von  Maguelone,  Nimes,  Uzes  und  Mende  ein  Schreiben,  wonach 
die  Neueinrichtung  von  Zöllen  ebenso  wie  die  Erhöhung  schon  bestehender 
allgemein  verboten,   und  wo  sie  schon  erfolgt,   rückgängig  zu  machen  sei.^) 

456.  Über  die  Höhe  der  auf  dem  Handel  ruhenden  Abgaben  geben 
uns  namentlich  2  Zolltarife  von  Montpellier  Auskunft,  ein  älterer  und  ein 
jüngerer,  der  aber  auch  noch  der  Zeit  der  Wilhelme  (dem  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts, spätestens  dem  Jahre  1201)  angehört.  0)  Einige  Posten  aus  dem 
älteren  seien  hier  angeführt.  Es  waren  an  leusda  (von  licita)  zu  zahlen 
1  Denar  vom  Stück  bei  leinenen  oder  wollenen  Tuchen,  bei  Hemdenstoffen, 
Barchent  6)  und  weißem  Barracan,  2  Denar  bei  rotgefärbtem  Barracan,  bei 
Taft  (cendatum  und  tiretum)j  bei  almucela  und  vom  Dutzend  Toulouser 
Hemden,  3  Denar  vom  Hundert  bei  Hanfgespinst ,  4  Denar  vom  Seiden- 
zeug oder  Teppich  (de  tapeto  grandi  und  de  pallio).  Nächst  den  Textil- 
waren begegnen  am  häufigsten  die  der  Leder-  und  Rauchwarenindustrie.  Bei 
Kaninchenfellen  zahlte  man  vom  Hundert  in  der  Traglast  nur  1/2  Denar, 
bei  Lammfellen  dagegen  als  Käufer  wie  als  Verkäufer  je  1  d. ;  in  beiden 
Fällen  stiegen  die  Sätze  auf  4  den.,  wenn  die  Ware  (offenbar  zum  Export) 
in  Ballen  verpackt  wurde. '^)  Rauh-  und  Grau  werk  zahlte  4  sol.  (also  48  den.) 
vom  Tausend,  Fuchsfelle  16  d.  vom  Hundert,  Hermelinfelle  4  d.  vom  Stück, 
roter  Korduan  3  d.  vom  Dutzend.^)     Gewichtswaren  zahlten  3  d.  vom  Zentner 


*)  Germain,  commerce  I  181  f.  no.  3. 

*)  Eine  Urkunde  des  Vicomte  von  1184  betrifft  die  »mineria«  in  der  Gegend 
von  Pözenas  und  Cabrieres.     Devic  et  Vaissete  VIII  (1879)  p.  379. 

*)  Am  1.  März  1162  hatte  der  Vicomte  von  Böziers  den  Hospitalitern  von 
Boulbonne  freien  Transit  für  10  Lasten  (saumadas)  Salz  jährlich  durch  sein  Gebiet 
gewährt.  Delaville  le  Eoulx  I  no.  303.  Urkunden  von  1179  und  1184  über  Geleits- 
recht und  Zoll  auf  der  Straße  Beziers — Narbonne :  Germain,  commerce  I,  183  ff.  u. 
Devic  1.  c.  338,  378. 

*)  Devic  et  Vaiss.  III,  848  f.     Fabrege  I,  280  f.     Liber  Instrum.  p.  51  no.  23. 

")  Liber  Instrum.  p.  408  i,  no.  245  und  437  ff.  no.  275. 

«)  »de  camsilio  et  fustaneo«.  Fremden  war  der  Detailverkauf  von  Tuchen 
außer  im  Umherziehen  und  das  Buntfärben  wollener  Tuche  (in  grana  vel  aliquo 
colore)  untersagt;  rub.  109  f.,  50  des  Statuts  von  1204  bei  Giraud  I. 

^)  Im  jüngeren  Tarif  (p.  438)  heißt  es:  Trossellus  de  anninis  (=agninis),  si 
defertur  extra  villam,  ille  qui  comparavit  donat  4  d. 

«)  Die  Lederhändler  von  Montp.  bildeten  schon  1176  eine  geschlossene  Körper- 
schaft, die  damals  zur  Errichtung  von  Verkaufsständen  vom  Herrn  der  Stadt  einen 
Platz  gegen  Zahlung  einer  festen  Summe  von  40  sol.  melg.  und  einer  Jahresgebühr, 


I 


Kommerzielle  Verhältnisse  innerhalb  des  Büdfranz.  Küstengebietes  selbst.     583 

(quintal)  mit  Ausnahme  von  Kermes,  bei  dem  vom  Zentner  8  d.  und  ent- 
sprechend von  der  Last  (carga)  2  sol.  zu  entrichten  waren.  In  natura 
wurden  erhoben  bei  Getreide  ^/so,  bei  Stahlwaren  1  vom  Hundert,  bei 
Schwertern,  Geschirr  u.  dgl.  1  Stück  von  der  Last.  Panzer  und  Pferde  zahlten 
4  d.  pro  Stück,  beim  Verkauf  eines  sarazenischen  Sklaven  oder  einer  Sklavin 
aber  waren  3  sol.  zu  entrichten. 

Von  Arles  wissen  wir,  daß  in  dieser  Zeit  bei  der  Ausfuhr  von  Getreide, 
Eisen  und  Zinn  und  beim  Verkauf  der  meisten  hier  zu  Markt  gebrachten 
Waren  für  den  Erzbischof  der  Dreizehnte  erhoben  wurde;  dazu  kam  noch 
1/9  dieser  Abgabe,  das  an  den  »Juden«  des  Erzbischofs  zu  zahlen  war.  Hier 
kennen  wir  auch  die  Abgaben  für  die  Benutzung  der  öffentlichen  Maße 
(corda)  und  Gewichte  (quintale);  vom  Zentner  hatten  die  Fremden  II/2  d., 
die  Einheimischen  nur  den  dritten  Teil  zu  zahlen  und  von  den  Maßabgaben 
waren  sie  ganz  befreit.^) 

457.  Für  Arles  war  natürlich  der  Wasserweg  der  Rhone  von  ganz  be- 
sonderer Wichtigkeit.  Von  dem  Grafen  der  Provence  und  dem  Erzbischof 
von  Arles,  die  sich  in  die  Hoheit  über  die  Stadt  teilten,  privilegierte  Hafen- 
schiffer (portanarii)  vermittelten  nicht  nur  den  Verkehr  mit  dem  rechten 
Rhöneufer,  auf  dem  das  den  Baux  gehörige  Trinquetaille  lag,  sondern 
stellten  auch  die  Leichter  für  die  unterhalb  der  Stadt  vor  Anker  gehenden 
größeren  Handelsschiffe.^)  Unter  den  verschiedenen  Hafenplätzen  von  Arles 
diente  einer  in  der  Nachbarschaft  der  Stadt  dem  Verkehr  mit  Saint-Gilles; 
von  seinen  hier  verkehrenden  Fahrzeugen  erhob  Saint-Gilles  eine  besondere 
Abgabe  ^) ;  in  den  achtziger  Jahren  aber  sehen  wir  die  Baux  vom  Erzbischof 
mit  dem  portus  S.  Egidii  wie  mit  dem  der  Altstadt  von  Arles  belehnt.*) 
Da  auch  die  Vizegrafen  von  Marseille  zu  Arles  enge  Beziehungen  hatten 
und  vom  Erz  bisch  of  u.  a.  mit  der  Hälfte  des  Mercatum  und  dem  linken 
Rhöneufer  bis  zur  Mündung  der  Durance  hinauf  belehnt  waren,  so  ist  an- 
zunehmen, daß  auch  der  Handel  von  Marseille  mit  Arles  aus  diesem  Ver- 
hältnis Vorteile  gezogen  hat.^) 

Besondere  Salzschiffe  führten  das  Seesalz  nach  Arles  und  weiter  die 
Rhone  hinauf;  auch  die  Durance  bot  einen  vielbenutzten  Wasserweg  dar.^) 

von  2  sol.  pro  Stand  erwarb.  Germain,  commerce  I,  186  no.  4.  Nach  dem  Tarif 
hatte  jeder  coiraterius  pro  Woche  ein  Standgeld  von  3  Vb  den.  zu  entrichten.  Lib. 
Instrum.  p.  409 :  (singulis  septimanis  quibus  tabulam  tenet). 

*)  Kiener  p.  280  f.,  vgl.  p.  178  ff.  Ein  von  Mouynes  p.  4  ff.  veröffentlichter 
Zolltarif  von  Narbonne  in  proven(;alischer  Sprache  ist  von  1153  datiert,  er  beginnt : 
Ayso  son  las  leudas  vielhas.  A.  D.  MCLIII.  Form  und  Inhalt  machen  es  in 
gleicher  Weise  unwahrscheinlich,  daß  die  uns  vorliegende  Fassung  des  Tarifs  wirk- 
lich diesem  Jahre  angehört;  er  könnte  dann  nicht  vom  Vesconte  reden.  Frühestens 
könnte  er  m.  E.  aus  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  sein. 

*)  Kiener  282  f.  no.  IV — VII;  vgl.  p.  182.  Nach  einer  Vereinbarung  zwischen 
dem  Erzbischof  und  der  Gemeinschaft  der  portanarii  vom  1.  März  1157  mußte  jeder 
portanarius  mindestens  drei  für  den  Dienst  des  Erzbischofs  oder  des  Grafen  ge- 
eignete Schiffe  besitzen,  sonst  schied  er  aus  der  privilegierten  Korporation  aus ; 
ebd.  no.  VI.     Oben  §  440. 

')  Nach  dem  Vertrage  von  1143  waren  diese  rcdditus  navium  mit  zur  Til- 
gung der  an  Genua  und  Pisa  zu  zahlenden  Summe  von  2000  M.  Silber  zu  verwen- 
den.    Lib.  Jur.  I  no.  80.     Oben  §  438. 

*)  Kiener  284  A.  1. 

»)  Ebd.  275,  279  (no.  1  u.  2) ;  dazu  p.  188. 

•*)  Geht  namentlich  aus  den  Privilegien  der  Hospitaliter  hervor :  Delaville  le 
Eoulx  I  no.  24,  33  (1114),  85  (1129),  884  (um  1190). 


584  Neununddreißigstes  Kapitel. 

Andere  Fahrzeuge  brachten  Wein  nach  der  Stadt;  alle  Arten  von  Lebens- 
mitteln, aber  auch  Hanf,  Tauwerk  und  Tuche  gingen  der  Stadt  auf  dem 
Landwege  wie  stromab  auf  dem  Wasserwege  zu,  wie  andererseits  auch  Ge- 
treide, Eisen  und  Zinn  auf  dem  Wasserwege  exportiert  wurden.  Auch  eine 
lebhafte  Holzflößerei  wurde  auf  dem  Strome  betrieben ;  von  den  Balken  und 
Hölzern,  die  ohne  Arles  selbst  zu  passieren,  die  Rhone  abwärts  kamen  und 
etwas  oberhalb  bei  Fourques  in  den  Arm  von  Saint-Gilles  einbogen,  wurde 
ein  Stromzoll  erhoben,  mit  dem  der  Erzbischof  die  Herren  von  Pourquieres 
belehnt  hatte,  i)  Für  den  Erzbischof  wurde  von  dem  zu  Berg  fahrenden 
Schiffen  die  »montatio«  erhoben,  die  bei  dem  »caupalus«  8  sol.  1  d.^),  bei 
der  »sardina«  die  Hälfte  betrug,  während  kleinere  Fahrzeuge  nach  dem 
Verhältnis  ihres  Fassungsraumes  zahlten.  Zu  Schiff  eingehender  Wein  zahlte 
eine  alte  Eingangsgebühr  (lezda  vetus)  von  Ve  d.  pro  Faß,  die  dem  Juden 
des  Erzbischofs  zufiel,  und  eine  neue  von  3  d.  für  den  Erzbischof  selbst.  3) 
Von  dem  Zoll  für  die  Bergfahrt  der  Salzschiffe  befreite  Erzbischof  Raimund 
1153  die  Hospitaliter  von  S.  Thomas  bei  Trinquetaille,  soweit  es  sich  nicht  um 
von  ihnen  gekauftes,  sondern  aus  ihren  eigenen  Salinen  gewonnenes  oder 
ihnen  von  den  Gläubigen  geschenktes  Salz  handelte*).  Diese  Salinen  wer- 
den wohl  im  Mündungsgebiet  der  Rhone  oder  östlich  davon  gelegen  haben ; 
vom  Bischof  von  Marseille  wissen  wir,  daß  ihm  das  Dominium  über  den 
großen,  für  die  Salzgewinnung  besonders  geeigneten  fitang  de  Berre  (stag- 
num  de  Leonio)  zustand;  von  allem  hier  gewonnenen  Salz  fiel  ihm  der 
Neunte,  außerdem  von  der  Verkaufsabgabe  (in  ledda  de  salibus  venditis  vel 
vendendis)  1/3  zu ;  wenn  er  sein  eigenes  Salz  verkaufen  ließ,  so  hatte  der 
Verkauf  anderen  Salzes  am  See  so  lange  zu  unterbleiben,  bis  das  bischöf- 
liche Salz  vollständig  abgesetzt  war.  5) 

458.  Bei  der  Abgabenerhebung  spielte  überall  in  Südfrankreich  das 
auch  sonst  daselbst  sehr  einflußreiche  jüdische  Element  eine  große  Rolle 
und  betätigte  seine  finanziellen  Talente  in  mannigfacher  Weise.  In  Arles 
war  der  »Jude«  des  Erzbischofs,  wie  ihn  die  Quellen  kurz  und  bündig  immer 
nennen,  sein  finanzieller  Beistand,  sein  Oberzolleinnehmer  und  Bankier.  Alle 
der  erzbischöflichen  Trophimuskirche  zustehenden  Besitzungen  und  Rechte 
fand  »ein  kluger  Jude«  in  einem  hebräisch  abgefaßten  Schriftstück  aufge- 
zeichnet, das  er  dem  Erzbischof  Raimund  (1142 — 1157)  überreichte;  dieser 
ließ  es  in  Gegenwart  von  jüdischen  und  christlichen  Zeugen  ins  Lateinische 
übersetzen.  Die  Juden  von  Arles  bewohnten  ein  besonderes  Quartier,  den 
»mons  judaicus«,  und  hatten  für  den  ihnen  gewährten  Schutz  an  den  Erz- 
bischof sowie  mehrere  andere  Herren,  die  dieser  damit  belehnt  hatte,  Ab- 
gaben in  bar;  z.  T.  auch  in  Pfeffer  und  Lampreten  zu  entrichten.^) 


»)  Kiener,  280  f.  (no.  3  u.  8);  279  (no.  2). 

*)  Kiener  p.  281.  Der  Tarif  bemerkt  bei  diesem  Posten:  et  antequam  census 
ille  elevaretur,  8  nummi  inde  accipiebantur  et  illi  judei  erant. 

»)  Kiener  ebd.;  vgl.  178  ff.  Kaiser  Friedrich  I.  bestätigte  1164  den  Erzbischof 
im  Besitz  der  Hälfte  aller  städtischen  Einkünfte ;  die  andere  stand  dem  Grafen  zu ; 
ebd.  176. 

*)  Delaville  le  Roulx  I  no.  215  p.  165 :  »montationes  de  sale  .  .  .,  excepto  illo 
sale  quem  aliis  hominibus  comparaveritis.« 

*)  Privileg  Kaiser  Friedrichs  I.;  17.  April  1164:  Rodenberg  II  p.  176;  mit  bes- 
serem Text  als  in  (Belzunce  F.  X  de),  L'antiquitö  de  l'^ghse  de  Mars.  I  (Mars.  1747) 
p.  492  A. 

«)  Kiener  277  f.  no.  II,  dazu  p.  187. 


Kommerzielle  Verhältnisse  innerhalb  des  südfrauzös.  Küstengebietes  selbst.     585 

In  Beziers  verpachtete  der  Bischof  im  Jahre  1162  alle  seine  Zollein- 
künfte auf  zwei  Jahre  für  den  Preis  von  50  1.  melg.  an  einen  Kanoniker 
seiner  Kirche  und  den  Juden  Nathan ;  und  demselben  Juden  begegnen  wir 
im  Jahre  1176  als  bajulus  (Oberzolleinnehmer,  Verwalter  der  Finanzen)  des 
Vicomte  Roger  von  Beziers.  i)  In  Montpellier  hatte  Wilhelm  V.  in  seinem 
Testament  von  1121 2)  die  Übertragung  eines  Bajulats  an  einen  Juden  oder 
einen  Sarazenen  als  der  Bevölkerung  schädlich  untersagt;  doch  wurde  das 
Verbot  schwerlich  immer  beachtet,  wenigstens  können  wir  im  Jahre  1201 
den  Juden  Saltellus  als  ständigen  Erheber  des  »census  hominum  Montis- 
pessulani«  nachweisen.^)  Für  den  Handel  von  Wichtigkeit  ist  auch,  daß 
wir  mehrfach  wahrnehmen,  daß  die  Juden  ein  Kermesmonopol  erstrebten; 
kam  doch  die  Scharlacheiche,  auf  deren  Zweigen  die  den  vielbegehrten 
roten  Farbstoff  (grana)  in  sich  bergende  Kermesschildlaus  lebt,  in  Süd-Frank- 
reich häufig  vor.  So  erwarben  am  1.  November  1138  drei  Juden  von  Arles, 
zugleich  für  ihre  Brüder,  Söhne  und  Töchter  von  dem  Abt  Pontius  von 
Montmajour  das  alleinige  Einkaufsrecht  für  Kermes  im  ganzen  Gebiet  von 
Miramar  für  300  Solidi  jährhch;  ausdrücklich  wurde  dabei  bestimmt,  daß, 
faUs  eine  der  beteiligten  Personen  ihren  Anteil  an  diesem  Recht  zu  ver- 
kaufen wünschte,  der  Abt  oder  der  Herr  von  Miramar  das  Vorkaufsrecht 
haben  sollten.'*)  Auch  vom  Erzbischof  Raimund  von  Arles  (1142  — 1157) 
wissen  wir,  daß  er  für  alle  seine  Besitzungen  das  Handelsmonopol  für  Kermes 
jüdischen  Händlern  überlassen  hat.  0) 

459.  Betreffs  des  Marktwesens  in  Süd-Frankreich  können  wir  auf  die 
reichhaltigen  Nachrichten  über  die  Messen  von  Frejus  verweisen;  was  wir 
sonst  darüber  erfahren,  ist  nur  dürftig.  Im  Jahre  1165  ermahnt  Papst  Ale- 
xander III.  den  Erzbischof  von  Narbonne  und  seine  Suffragane,  nicht  zu 
dulden,  daß  die  Besucher  der  Messe,  die  in  Aniane  abgehalten  wurde,  von 
ihren  Diözesanen  belästigt  würden  ß),  und  1168  begegnet  zuerst  ein  Jahr- 
markt in  dem  später  so  berühmten  Meßplatz  Beaucaire ;  im  Mai  dieses  Jahres, 
während  der  Messe,  ist  hier  eine  Schenkungsurkunde  für  die  Abtei  Fran- 
quevaux  aufgenommen  worden.'^)  Carcassonne  hatte  zwei  jährliche  Messen, 
wie  aus  einem  Privileg  für  die  Stadt  vom  Jahre  1158  hervorgeht.  8)  Den 
größten  Ruf  von  allen  diesen  Märkten  aber  behauptete  die  mit  dem  Ägidius- 
fest  verbundene  Messe  von  Saint-Gilles,  die  die  Besucher  von  weither  an- 
zuziehen  pflegte,  wie   uns  die  Annalen  Genuas  und  Pisas  ausdrücklich  be- 


*)  Devic  et  Vaiss.  IV,  724  A.  1.     Germain,  commerce  I,  181  f. 

*)  Liber  instrum.  p.  172  jffi.  no.  94.  Das  Gleiche  taten  die  Nachfolger.  Saige  G. 
Les  juifs  de  Languedoc  (Paris  1881),  p.  16. 

3)  Lib.  instrum.  p.  458  no.  286.     Fabrege  I,  467  u.  Anm.  2. 

*)  D.  Chantelon :  Hist.  de  Montmajour  (Anhang  zur  Rev.  bist,  de  Provence  I, 
1890)  p.  248:  emerunt  .  .  .  comparam  vermiculi  in  quantum  obtinet  territorium  Mi- 
rimaris  tarn  in  garricis  quam  in  pratis,  ut  nemo  alius  preter  ipsos  emat  vermi- 
culum. 

■*)  Kiener  p.  278.  In  Narbonne  gab  der  Erzbischof  1156  der  Vizegräfin  Er- 
mengard  zu  Lehen :  medietatem  liddae  (=  lezdae,  leusdae)  sextarii  de  vermiculo 
quando  colligitur.  Gallia  christiana  VI  p.  40,  preuve  no.  67.  Port  57.  In  Marseille 
wurde  am  1.  Mai  1248  ein  Posten  von  184  Pfd.  grane  für  61  1.  misc,  fällig  zu  Jo- 
hanni,  verkauft.     Amalric  no.  635. 

«)  Oben  §  450  f.     J.-L.  11  228. 

T)  Devic  et  Vaiss.  VI  (1879)  p.  26.     Huvelin  p.  276. 

8)  Devic  et  Vaiss.  HI,  808.     Fabrege  I,  373. 


586  Neununddreißigstes  Kapitel.     Kommerzielle  Beziehungen  etc. 

stätigen  i) ;  ein  beträchtlicher  Teil  des  Austausches  zwischen  den  Waren  der 
Levante  und  den  Erzeugnissen  der  nordfranzösischen  und  flandrischen  In- 
dustrie muß  sich  in  dieser  Zeit,  ehe  die  Messen  der  Champagne  zu  voller 
Blüte  kamen,  hier  in  Saint-Gilles  vollzogen  haben.  Natürlich  stellten  auch 
die  Pilger  zu  den  Fremden,  die  Saint-Gilles  aufsuchten,  ein  sehr  starkes 
Kontingent;  die  Nordländer  kamen  so  häufig  hierher,  daß  sie  von  einem 
besonderen  Ihanswege  (=  Gilleswege)  sprachen;  und  die  Erzählung  der 
Wundertaten  des  Heiligen  aus  den  ersten  Zeiten  des  12.  Jahrhunderts  weiß 
von  Engländern,  Dänen  und  Polen,  die  hierher  wallfahrteten,  zu  berichten.^) 
Mit  dem  großen  Fremdenverkehr  hängt  es  zusammen,  daß  sich  Nordfran- 
zosen und  Flandrer  auch  zu  dauerndem  Aufenthalt  in  Saint-Gilles  nieder- 
ließen; unter  den  burgenses  des  Orts,  die  den  Vertrag  von  1143  mit  Genua 
und  Pisa  beschworen  3) ,  finden  wir  einen  Petrus  Francigena,  Wilhelm  von 
Bayeux,  einen  Rubaldus  von  Flandern  und  Arnaldus  von  Flandern.  Die 
besondere  Wichtigkeit,  die  das  Geld-  und  Wechselgeschäft  an  diesem  von 
Fremden  aus  den  verschiedensten  Gegenden  besuchten  Platze  haben  mußte, 
tritt  uns  namentlich  in  einem  vom  Vikar  des  Grafen  von  Toulouse  in  Ge- 
meinschaft mit  einer  von  den  Konsuln  und  dem  Gerichte  von  Saint-Gilles 
ernannten  Kommission  erlassenen  Statut  vom  Oktober  1178  entgegen.  *)  Dar- 
nach wurde  den  Wechslern  von  Saint-Gilles  streng  verboten,  mit  den  Pilgern 
(romeis)  in  den  Herbergen  oder  in  Privatwohnungen  oder  Läden  Wechsel- 
geschäfte zu  machen ;  außer  an  ihren  öif  entheben  Wechslerständen  sollte  es 
ihnen  nur  im  Kloster  der  Hospitaliter,  der  Templer  oder  dem  Ägidiuskloster 
gestattet  sein.  Sie  wurden  verpflichtet,  bei  dem  Abwägen  des  Goldes,  Silbers 
oder  Geldes  der  Pilger  wie  bei  dem  Abzählen  der  Geldstücke  loyal  vorzu- 
gehen und  ihnen  übergebene  Depots  in  keiner  Weise  zu  veruntreuen  0);  für 
unwissentlichen  Irrtum  waren  sie  bis  zum  Werte  von  1/4  Denar  nicht  haft- 
bar. Alle  Wechsler  von  Saint-Gilles  wurden  mit  ihrem  Geschäftspersonal  auf 
diese  Bestimmungen  für  einen  Zeitraum  von  5  Jahren  vereidet;  im  ganzen 
sind  es  etwa  130  Personen,  die  diesen  Eid  leisteten,  so  daß  also  eine  ganz 
stattliche  Anzahl  von  Leuten  in  Saint-Gilles  vom  Geldgeschäft  lebte.  Gleich- 
zeitig wurden  alle  Herbergswirte  eidlich  verpflichtet,  die  Fremden  zum  Wech- 
seln nur  an  erlaubte  Orte  zu  führen,  nicht  selbst  Wechselgeschäfte  mit 
ihnen  zu  machen  und  nicht  zuzulassen,  daß  sie  beim  Wechseln  betrogen 
würden ;  mit  schwerer  Strafe  wurden  diejenigen  unter  ihnen  bedroht,  die 
durch  Verdächtigungen  der  öffentlichen  Wechslerstände  von  Saint-Gilles  die 
Fremden  von  der  Benutzung  derselben  abhalten  würden. 

Auch  Montpellier  erlangte  für  Bankwesen  und  Geldverkehr  früh  eine 
besondere  Bedeutung.  Silber  in  der  Legierung  von  Montpellier  war  weithin 
bekannt  und  zeichnete  sich  durch  einen  besonders  hohen  Feingehalt  aus.^) 


*)  Ann.  genov.  I,  181  f.  (zu  1165):  quia  nundinae  S.  Egidii  erant,  id  est  feira 
S.  Egidii,  in  quibus  magnus  populus  ex  diversis  partibus  mundi  convenerat.  Bei 
derselben  Gelegenheit  heißt  es  auch  in  den  pis.  Annalen  des  Bern.  Marago  (SS. 
XIX,  253) :  S.  Egidii,  in  quo  est  fiera  magna. 

«)  Schulte  I,  100  f.     Mirac.  b.  Egidii,  SS.  XII,  319  f. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  80. 

*)  Layettes  I  no.  288  p.  119. 

*)  »quod  .  .  .  pecuniam  eorum  neque  furentur  neque  suos  vel  alios  furari 
patiantur. « 

*)  Germain,  commune  I,  278.  Giraud  I,  rub.  27 :  In  M.  non  fiunt  vasa  ar- 
gentea  vel  aurea  nisi  fina. 


Vierzigstes  Kapitel.    Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  u.  Südfranzosen.     587 

Fremde  Münzen  hatten  bei  den  Banken  von  Montpellier  schon  in  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  einen  nach  den  Zeitverhältnissen  wechselnden  Kurs;  in 
mehreren  genuesischen  Urkunden  aus  dieser  Zeit  wird  Zahlung  einer  in  ge- 
nuesischer Münze  angegebenen  Schuldsumme  in  Montpellier,  und  zwar  in 
dortigem  Kurant,  den  Denaren  von  Melgueil,  nach  Bankkurs  versprochen,  i) 


Vierzigstes  Kapitel. 

Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Stid- 
franzosen  seit  dem  dritten  Kreuzzuge. 

460,  Die  durch  die  Verträge  von  1174  und  1182  geregelten  Han- 
delsbeziehungen Narbonnes  zu  Pisa  und  Genua  entwickelten  sich 
mit  verhältnismäßig  geringen  Störungen  in  gedeihlicher  Weise  weiter. 

Wenn  die  Genuesen  im  Jahre  1191  eine  narbonnesische  Galeere,  die  in 
genuesischen  Gewässern  Seeraub  trieb,  im  Hafen  von  Vado  (bei  Savona) 
wegnahmen,  so  konnte  das  als  feindliche  Handlung  nicht  angesehen  werden  2) ; 
sehen  wir  doch  sogar,  daß  die  Genuesen  dem  Kaufmann  Bernardus  de  Rocha 
von  Narbonne  im  Jahre  1202  einen  Posten  Wolle  und  Alaun  3)  auf  richter- 
liche Entscheidung  hin  zurückgaben,  die  sie  auf  einem  von  ihnen  ge- 
kaperten Marseiller  Schiff  konfisziert  hatten.  Ohne  weitere  Folgen  blieb  es 
auch,  daß  sich  die  Genuesen  im  Jahre  1218  einer  narbonnesischen  Galeere 
im  Hafen  von  Faliesa  bemächtigten,  zumal  sich  die  Bewohner  des  benach- 
barten Piombino  ihrer  Fortführung  mit  Erfolg  widersetzten''),  ein  Beweis 
zugleich  für  die  Fortdauer  der  freundschaftlichen  Beziehungen  zwischen 
Pisa  und  Narbonne. 

Im  Jahre  1224  empfanden  die  Narbonnesen  das  Bedürfnis,  ihre  Han- 
delsverträge zu  revidieren ;  im  Auftrage  des  Erzbischofs ,  des  Vicecomes 
Aimeric  und  des  Konsulkollegiums  reisten  zu  diesem  Zweck  die  beiden  Kon- 
suln Guilelmus  Petri  und  Bernardus  Leonis  erst  nach  der  Provence,  dann 
nach  Pisa  und  Genua.  Der  Vertrag  mit  Pisa  kam  am  19.  September  1224 
auf  49  Jahre  (auch  der  vorige  war  50  Jahre  in  Kraft  geblieben)  zustande; 
er  regelte  die  von  den  Narbonnesen  in  Pisa  zu  entrichtenden  Abgaben 
folgendermaßen:  Waren,  die  auf  der  Küstenfahrt  (per  riberiam)  nach  Pisa 
eingeführt  wurden,  zahlten  am  Seezollamt  l^/g,  kamen  sie  von  der  hohen 
See,  10%;  bei  der  Ausfuhr  wurden  für  noch  nicht  verzollte  Waren  unter- 
schiedslos 1^3%  entrichtet.  Waren,  die  von  der  Landseite  her  eingeführt 
wurden  (wonach  also  auch  ein  Verkehr  von  Narbonnesen  mit  Lucca  oder 
Florenz  anzunehmen  ist),  hatten  die  herkömmliche  »ripa«  (d.  h.  jedenfalls 
die  quadragesima  =  21/2%)  zu  tragen.^) 

*)  Chart,  n  no.  1273  f.  »tot  mirgorenses,  que  valebunt  1.  116  jan.  ad  banchum 
illius  terrec;  no.  1291:  »tot  mirgorenses,  quod  ad  bancos  illius  loci  valeant  libras 
100  jan.<  (Juni  und  August  1163).     Oben  §  441. 

')  Ann.  genovesi  U,  41. 

^)  Lib.  Jur.  I,  no.  459:  10  fasces  lanae  und  4  utres  aluminis. 

■•)  Ann.  genov.  II,  149, 

6)  Mouynes  no.  13  p.  16.  Bruchstücke  bei  Port  107,  Devic  et  Vaiss.  VI  (1879), 
590  A.  2.  Bisher  allgemein  (auch  von  Blanc  p.  290  A.  1)  in  das  Jahr  1225  gesetzt, 
da  man  die  pisanische  Jahresrechnung  nicht  berücksichtigte.  Die  andere  Seite  des 
Vertrages,  betr.  den  Verkehr  der  Pisaner  in  Narb.,  ist  nicht  erhalten. 


588  Vierzigstes  Kapitel. 

Von  Pisa  wandten  sich  die  Gesandten  nach  Genua,  wo  der  Vertrag, 
der  den  Gegenseitigkeitsvertrag  von  1182  erneuerte,  am  8.  Oktober  abge- 
schlossen wurde.  1)  Alle  seit  1182  eingeführten  neuen  Auflagen  sollten  für 
beide  Teile  beseitigt  werden;  doch  nahm  man  in  Genua  die  mittlerweile 
auf  Getreide,  Fleisch,  Käse  und  Öl  eingeführte  Abgabe  (dacita  gombetae) 
aus  und  gestand  dafür  den  Narbonnesen  die  zollfreie  Ausfuhr  von  Barchent- 
stofien  (ballae  fustaneorum).  Eisen  und  Stahl  unter  der  Bedingung  zu,  daß 
diese  Waren  weder  direkt  noch  indirekt  an  Leute  von  Marseille,  Montpel- 
lier und  Saint-Gilles  verkauft  würden ;  wer  sich  mit  diesem  Export  befaßte, 
hatte  jährlich  einen  entsprechenden  Eid  zu  leisten.  Die  5  Solidi  des  Ver- 
trages von  1182  sollten  auf  3  herabgesetzt  werden,  falls  sich  herausstellte, 
daß  der  genuesische  Gesandte  Gull.  Streiaporcus  diese  Herabsetzung  seiner- 
zeit vereinbart  hätte  2) ;  die  Bestimmung  wegen  der  Einbehaltung  des  Drittels 
wurde  ganz  in  Wegfall  gebracht, 

461.  Von  allen  Südfranzosen  waren  die  Narbonnesen  mit  diesem 
Vertrage  in  Genua  am  meisten  begünstigt.^)  Gelegentlich  stieß  diese  Be- 
günstigung auf  Anfechtungen  von  selten  der  Zollbehörden ;  doch  die  Ge- 
richte erkannten  zugunsten  Narbonnes ;  so  extrahierte  der  Narbonnese  Gui- 
lelmus  Cultellerii  im  Jahre  1235  in  Genua  eine  richterliche  Entscheidung, 
daß  die  in  dem  Statut  »de  mercibus  contrariis«  vorgesehenen  Strafen  auf 
Narbonnesen  nicht  anwendbar  seien,  da  dies  Statut  jedenfalls  jünger  sei  als 
das  zwischen  Genua  und  Narbonne  bestehende  Vertragsverhältnis.*)  Es 
steht  im  Zusammenhange  mit  solchen  Streitigkeiten,  wenn  der  genannte 
Guilelmus  und  der  Richter  Petrus  de  Cremona  am  9.  Juli  1237  als  Gesandte 
Narbonnes  mit  Genua  eine  den  Vertrag  von  1224  ergänzende  Konvention 
abschlössen,  nach  der  die  Abgabe  für  Fleisch,  Käse  und  Öl  nach  Ablauf  der 
Amtszeit  des  regierenden  Podestä  für  die  Narbonnesen  von  3  sol.  vom  Kan- 
tar  oder  Faß  auf  1  sol.  herabzusetzen  und  die  Abgaben  auf  Wein  (i/se)  und 
Tuche  (dacita  pannorum  mit  1/120  vom  Wert)  als  neu  eingeführt  vollständig 
zu  beseitigen  seien.  Umgekehrt  wurden  auch  die  Genuesen  in  Narbonne 
von  der  Verkaufsabgabe  (leuda)  und  der  Kanalabgabe  für  frei  erklärt.^) 

Aus  den  vierziger  Jahren  besitzen  wir  eine  Reihe  richterlicher  Ent- 
scheidungen, die  sämtlich  zu  gunsten  der  von  den  Narbonnesen  beanspruch- 
ten bevorzugten  Zollbehandlung  ausfielen;  es  ergibt  sich  aus  ihnen,  daß  sie 
auch  in  der  Zeit  des  Krieges  zwischen  Genua  und  der  kaiserlichen  Partei 
ihren  Verkehr  mit  Genua  fortsetzten,  so  daß  sie  sogar  in  dieser  Zeit  (1249) 
Waren  selbst  aus  Pisa  und  dem  pisanischen  Machtbereich  nach  Genua  trans- 
portiert haben  ^) ;  als  Gegenstände  der  Einfuhr  in  Genua  erscheinen  in  diesen 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  613.     Mouynes  no.  11  p.  13.     Port  98  f. 

*)  In  welche  Zeit  diese  Gesandtschaft  gehört,  ist  nicht  bekannt;  vielleicht 
ins  Jahr  1191,  wo  Streiap.  den  Vertrag  mit  Torres  schloß;  die  Fortnahme  der  nar- 
bonnes. Galeere  in  diesem  Jahre  könnte  den  Anlaß  zu  der  Gesandtschaft  gegeben 
haben. 

2)  S.  den  Vertrag  mit  Arles  von  1229 ;  Lib.  Jur.  I  no.  679. 

*)  Mouynes  32  no.  19.  Berufung  auf  den  Vertrag  mit  Ermengard  (von  1166), 
wonach  zu  erheben  nur  ille  drictus  quod  consuevit  accipi  a  36  annis  retro  tempore 
ipsius  pacis ;  s.  oben  §  433  f. ;  et  ita  sunt  anni  105,  quod  oportet  dictum  capitulum 
(de  contr.  mercibus)  factum  fuisse,  quod  nequaquam  credunt. 

6)  Blanc  p.  308  fl.     Port  p.  100. 

«)  Mouynfes  no.  31  p.  45.  Die  Konsuln  des  Meeres  hatten  von  Bern.  Jordano. 
den  Zehnten  verlangt  >de  rebus  delatis  per  d.  Bern,  de  Pizis  et  partibus  Pizarum.« 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  589 

Entscheidungen  Getreide  und  Wolle.i)  Es  entspricht  der  neutralen  Stellung 
Narbonnes  gegenüber  diesen  Kämpfen,  daß  es  am  9.  Dezember  1246  auch 
mit  dem  von  Genua  abgefallenen  Savona  und  seinem  kaiserlichen  Podestä 
einen  Handelsvertrag  abschloß,  der  ihm  Freiheit  von  Handelsabgaben  da- 
selbst sicherte.  2) 

Überall  sehen  wir  in  dieser  Zeit  die  kommerzielle  Initiative  auf 
Seiten  Narbonnes ;  in  Genua  und  Pisa  holten  sich  die  Narbonnesen 
offenbar  die  Waren  der  Levante,  die  sie  mit  eigenen  Schiffen  damals 
noch  nicht  besuchten.  Daß  auch  die  Gegenströmung  diesem  Verkehr 
nicht  fehlte,  mag  außer  der  Konvention  von  1237  ein  Commenda- 
vertrag  beweisen,  den  zwei  Genuesen  1248  in  Marseille  für  die  Fahrt 
nach  Narbonne  miteinander  schlössen.  ^) 

462.  Zwischen  Montpellier  und  Genua  hat  lange  Zeit  hin- 
durch ein  gespanntes  Verhältnis  bestanden;  eine  Änderung  darin  trat 
erst  ein,  als  Genua,  das  sich  seit  1194  wieder  im  Kriegszustande  mit 
Pisa  befand,  seine  Ausschließungsbestrebungen  als  undurchführbar  er- 
kannt hatte. 

Im  Sommer  1201  erschienen  der  Magister  Guido,  Petrus  de  Porta  imd 
Bernardus  Ecclesiae  als  Gesandte  Wilhelms  VIII.  in  Genua  und  schlössen 
mit  den  Konsuln  der  Stadt  am  3.  August  einen  auf  29  Jahre  berechneten 
Vertrag.  4)  Die  Genuesen  versprachen  denen  von  Montpellier  für  ihre  Person 
wie  für  ihre  Waren  Schutz  und  volle  Sicherheit  zur  See,  außer  wenn  sie 
zusammen  mit  Feinden  Genuas  das  offene  Meer  beführen  (quando  cum  ini- 
micis  Januensis  civitatis  per  pelagus  navigabunt)  —  ein  schwacher  Nachhall 
jener  früheren  auf  das  dominium  pelagi  gerichteten  Tendenzen.  Für  die 
Küstenfahrt  sollten  sie  von  dieser  Sicherheit  nur  dann  ausgenommen  sein, 
wenn  sie  während  der  Dauer  des  gegenwärtigen  Krieges  Schiffe  der  Pisaner 
oder  der  Bewohner  von  Vintimiglia,  die  von  Genua  abgefallen  waren,  be- 
nutzten. Die  Besitzungen  und  Rechte  der  Genuesen  in  Montpellier,  ins- 
besondere das  der  genuesischen  Regierung  daselbst  gehörige  Fondaco  ver- 
sprach der  Herr  von  Montpellier  gegen  jedermann  zu  schützen.  Im  übrigen 
sollte  in  bezug  auf  Handelsfreiheit  und  Höhe  der  Abgaben  für  Genua  und 
Montpellier  volle  Gegenseitigkeit  bestehen;  nur  die  von  den  Visconti  in 
Genua  erhobenen  Gebühren,  die  im  Laufe  der  Zeit  einen  privatrechtlichen 
Charakter  angenommen  hatten,  blieben  von  dieser  Bestimmung  unberührt. 
Dafür  genoß  aber  Montpellier  das  Vorrecht,  jedes  Jahr  bis  zu  100  Ballen 
fustagni  völhg  abgabenfrei  aus  Genua  ausführen  zu  dürfen.  Im  September 
wurde  dieser  Gegenseitigkeitsvertrag  von  Wilhelm  VIII.  ratifiziert;  nach 
kurzer  Zeit  aber  starb  er  und  bald  darauf  auch  sein  Sohn,  dessen  Schwester 
Maria  durch  Heirat  im  Jahre  1204  die  Herrschaft  von  Montpellier  auf  Peter  H. 
von  Aragon  übertrug. 

Daß  dieser  Herrschaftsübergang  an  der  bevorzugten  Stellung  der  beiden 
großen  italienischen  Handelsnationen  in  Montpellier  nichts  änderte,  beweist 

*)  Ebd.  no.  23  (1243 ;  Freilassung  von  der  dacita  lecationis  quartinorum) ,  25 
(1244 :  nur  die  gombeta  auf  Getreide  zulässig),  34  (1250).  Die  Konsuln  d.  M.  hatten 
auf  Grund  des  Statuts  »de  contr.  mercibus«  einen  Sack  Wolle  konfisziert.  Dazu 
no.  28  p.  43  (1246/47)  betr.  Represalien. 

^)  Ebd.  no.  27  p.  42.     Port  106. 

')  Amalric  no.  423. 

*)  Germain,  commune  11  p.  422  f.  no.  23. 


590  Vierzigstes  Kapitel. 

ein  Statut  von  1205,  das  Streitigkeiten  oder  Delikte,  die  unter  den  Pisanetn 
oder  Genuesen  in  Montpellier  vorkamen,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Hoch- 
verrats von  der  Zuständigkeit  der  Gerichte  in  Montpellier  eximierte.i) 

463.  Im  Jahre  1225  beschloß  Montpellier,  dem  Beispiele  Narbonnes 
vom  Jahre  zuvor  folgend,  seine  Handelsverträge  zu  erneuern;  seine  Ge- 
sandten Johannes  Boccadocio,  Michael  de  Moresio  und  Guilelmus  de  Gart 
schlössen  am  28.  August  den  Vertrag  mit  Genua  und  nur  5  Tage  später  — 
ein  Beweis,  daß  keinerlei  Schwierigkeiten  zwischen  den  beiden  Städten  vor- 
lagen —  mit  Pisa  ab;  beide  Verträge  wurden  am  26.  November  in  Mont- 
pellier vollzogen  und  gleichzeitig  die  die  Verpflichtungen  Montpelliers  ent- 
haltenden Urkunden  ausgefertigt. 

Der  Vertrag  mit  Pisa  schließt  sich  eng  an  den  von  1177  an  und  ist 
auf  29  Jahre  geschlossen  2) ;  beiderseits  versprach  man  sich  Abgaben  nur  in 
derselben  Höhe  wie  von  den  eigenen  Bürgern  zu  erheben.  Pisa  wurde  im 
Besitze  seines  großen  Hauses  in  Montpellier  mit  Fondaco  und  allem  Zu- 
behör, seiner  gewohnten  Plätze  in  der  Hauptkirche  der  Stadt  und  aUer  an- 
deren ihm  seit  alters  in  Montpellier  zustehenden  Vorrechte  und  Ehren  aus- 
drücklich anerkannt.  Wie  eng  das  Verhältnis  der  beiden  Städte  war,  geht 
auch  daraus  hervor,  daß  Pisa  mit  der  förmlichen  Entgegennahme  der  Ver- 
pflichtungen Montpelliers  einen  der  drei  Gesandten  selbst,  Guilelmus  de 
Gart,  betraute. 

In  ähnlicher  Weise  schließt  si(^  der  Vertrag  mit  Genua  an  den  von 
1201  an;  da  dieser  noch  5  Jahre  lief,  wurde  die  Geltungsdauer  des  neuen 
gleich  auf  34  Jahre  bemessen.  Ergänzend  bestimmte  man  u.  a.,  daß  die 
Kaufleute  von  Montpellier  in  Fällen,  wo  sie  sonst  nur  die  Möghchkeit  hätten, 
auf  einem  Genua  feindlichen  Schilfe  vom  Auslande  aus  in  die  Heimat  zu 
fahren,  das  Recht  haben  sollten,  mit  ihren  Waren  genuesische  Schiffe  ab- 
gabenfrei zur  Fahrt  nach  Genua  zu  benutzen;  nur  falls  sie  diese  Waren 
dann  in  Genua  selbst  verkauften,  sollten  sie  zur  Leistung  des  Zehnten  (de- 
cenum)  verpflichtet  sein,  den  sie  sonst  immer  dann  zu  entrichten  hatten, 
wenn  sie  auf  genuesischen  Schiffen  nach  Genua  kamen.  War  Genua  mit 
Marseille  im  Kriege,  so  sollte  den  Leuten  von  Montpellier  die  Benutzung 
Marseiller  Schiffe  nicht  erlaubt  sein;  auch  sollten  während  eines  Krieges 
Feinde  Genuas  in  Montpellier  keinfe  Aufnahme  finden.^) 

Der  häufige  Verkehr  von  Küstenfahrern  aus  Montpellier  in  Genua 
und  an  der  Riviera  in  dieser  Zeit  geht  auch  aus  dem  Vertrage  Montpelliers 
mit  Marseille  von  1229  hervor^);  doch  wurde  gerade  in  dieser  Zeit  der  Han- 
del Montpelliers  durch  die  genuesischen  Piraten  Ricuperus  und  Durandus 
von  Porto  Venere  empfindhch  gestört,  so  daß  Montpellier  Beschwerdebriefe 


^)  Zusatz  zu  den  Consuetudines  von  1204,  vom  15.  März  1205;  Giraud  II,  74 
mit  besserem  Text  als  Layettes  I,  289  no.  760. 

2)  Germain,  commune  11,  436  S.,  App.  no.  25.  Unter  den  Zeugen  des  Ver- 
trages mit  Genua  figuriert  >Pandolfinus  de  Septivica.  piss.  civitatis«,  also  ein  Pi- 
saner und  wahrscheinlich  doch  in  autoritativer  Stellung.  Ich  vermute,  daß  zu  lesen 
ist:  P.  de  Septi  (=  de  Septimo ,  Name  einer  pis.  Familie,  oder  »von  Oeuta«), 
vicec(omes)  oder  vica(rius)  Pis.  civ.,  und  daß  wir  in  ihm  den  Konsularvertreter  Pi- 
sas in  Montp.  zu  erblicken  haben. 

3)  Ebd.  p.  426  ff.  no.  24.  Lib.  Jur.  I  no.  624  u.  627  (mit  dem  irrigen  Datum 
29.  Nov.). 

*)  Germain,  commune  11,  459.  Petr.  Silvester  von  Montp.  empfängt  1230  von 
Steph.  de  Mandolio  in  Marseille  eine  Commenda  nach  Genua.     Manduel  no.  26. 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  591 

nach  Genua  sandte.  Genua  schritt  diesmal  energisch  und  erfolgreich  ein^); 
als  sich  aber  das  Unwesen  in  den  vierziger  Jahren  erneuerte,  führte  Mont- 
pellier zur  Befriedigung  der  Geschädigten  eine  besondere,  von  den  Waren 
der  Genuesen  zu  erhebend^  Abgabe  ein,  so  daß  also  der  friedliche  Handel 
für  die  Taten  der  Piraten  aufzukommen  hatte.  Der  Statthalter  Jaymes  in 
Montpellier  ernannte  am  29.  Oktober  1248  einen  Juristen,  Petrus  Christo- 
phori,  der  die  Erklärungen  der  seit  dem  letzten  Vertrage  mit  Genua  durch 
Genuesen  beraubten  Kaufleute  entgegenzunehmen  und  ihre  Ansprüche  zu 
untersuchen  hatte;  auch  der  uns  schon  bekannte  Bernard  Loubet  meldete 
im  Jahre  darauf  einen  solchen  Fall  von  Seeraub,  der  sich  bei  Cartagena  er- 
eignet hatte,  an  und  erzielte  die  Aufnahme  seines  Anspruchs  in  die  Liste 
der  Entschädigungsforderungen.  2)  Zu  diesen  Hemmnissen  gesellten  sich  die 
Gefahren  des  Krieges;  im  Jahre  1247  fiel  eine  von  Montpellier  kommende, 
mit  sehr  wertvollen  französischen  Tuchen  beladene  Galeere  auf  ihrem  Wege 
nach  Genua  dem  kaiserlichen  Admiral  Andriolo  de  Mari  in  die  Hände.  ^) 

464.  Mit  Saint-Gilles  schloß  Genua  am  11.  Juni  1232  zu  Mar- 
seille, wohin  sich  die  Bevollmächtigten  beider  Orte  begeben  hatten, 
einen  in  mancher  Beziehung  besonders  interessanten  Handelsvertrag 
auf  35  Jahre.  *)  Wenn  man  nach  mancherlei  vorhergegangenen  Diffe- 
renzen jetzt  von  neuem  anknüpfte,  so  scheint  der  Grund  dafür  darin 
zu  liegen,  daß  Saint-Gilles  nunmehr  in  dem  etwa  3  Meilen  entfernten 
Aigues-Mortes  über  einen  Hafen  verfügte,  der  auch  für  größere 
Seeschiffe  unmittelbar  erreichbar  war.  Darauf  deutet  schon  der  Um- 
stand, daß  in  dem  Schutzversprechen  der  Leute  von  Saint-Gilles  der 
Hafen  von  Aigues-Mortes  jetzt  an  die  Spitze  gestellt  ist. 

Der  Vertrag  enthält  zunächst  Bestimmungen  über  die  Aufbringung 
der  Entschädigung  für  die  perdentes,  die  auf  beiden  Seiten  mit  einem  Pausch- 
quantum von  1000  1.  Jan.  bemessen  wurde.  Bei  jedem  Verkauf  oder  Ein- 
kauf hatten  die  Genuesen  in  Saint-Gilles  und  die  Kaufleute  von  Saint-Gilles 
in  Genua,  auch  wenn  das  Kaufgeschäft  durch  Kommissionäre  besorgt  wurde, 
1V4%  des  Preises  mit  der  Maßgabe  zu  zahlen,  daß  die  Abgabe  bei  Verkauf 
und  entsprechendem  Einkauf  nur  einmal  erhoben  wurde ;  Saint-Gilles  durfte 
ferner  zum  selben  Zwecke  von  jedem  Kantär  Blei,  das  die  Genuesen  see- 
wärts ausführten,  2  den.  jan.  und  von  jedem  Pilger,  mit  dem  die  Genuesen 
in  Saint-Gilles  oder  Gebiet  für  die  Überfahrt  von  Aigues-Mortes  aus  kontra- 
hierten, 6  den.  jan.  erheben. 

Aus  den  weiteren  Vertragsbestimmungen  ergibt  sich,  daß  den  Genuesen 
der  Export  von  Lebensmitteln  aus  Saint-Gilles  besonders  wichtig  war.  Die 
Ausfuhr  von  Weizen,  Gerste,  Spelt,  Hafer,  Bohnen  und  allen  anderen  Ge- 
treide- und  Gemüsearten  aus  Saint-Gilles  und  Aigues-Mortes  sollte,  von  jener 
Auflage  abgesehen,  völlig  abgabenfrei  sein;  ein  Ausfuhrverbot  sollte  nur 
zulässig  sein,  wenn  der  Preis  für  den  Scheffel  (sextarius)  bei  Weizen  auf  10, 


1)  Ann.  Jan.,  SS.  XVm,  175  f. 

*)  Germain,  commerce;  pieces  justif.  no.  18  p.  205  fE,  Über  die  Beförderung 
> ultramontaner«  Waren  durch  Kaufleute  von  Montp.  nach  Genua  auf  dem  See- 
wege oben  §  294. 

')  Ann.  jan.  p.  223:  >.  .  .  galeam  unam  torseleriam  Provincialium,  honustai^i 
torsellis  et  pannis  Francie,  venientem  a  Monte  Pesulano   valde  divitem.« 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  694. 


592  Vierzigstes  Kapitel. 

bei  Gerste  auf  4  sol.  raim.  stieg.  Beim  Einkauf  von  Mandeln  hatten  die 
Genuesen  3  den.  raim.  für  die  Last  zu  zahlen. 

Von  allen  anderen  Waren  zahlten  die  Genuesen  bei  der  Ausfuhr  von 
Saint-Gilles  seewärts  (per  gradum)  3  den.  Jan.  von  der  Last;  ebensoviel  bei 
der  Wareneinfuhr;  erfolgte  Aus-  oder  Einfuhr  in  der  Richtung  auf  oder  von 
Arles  und  Beaueaire,  so  erhob  Saint-Güles  das  altherkömmliche  pedagium 
von  2  den.  turon.  pro  Last. 

Bezüglich  des  Handelsverkehrs  der  Leute  von  Saint-Gilles  in  Genua 
wiederholt  der  Vertrag  zunächst  die  Bestimmungen  des  Vertrages  mit  Mont- 
pellier von  1225  über  den  Schiffsverkehr,  nur  daß  ihnen  die  zollfreie  Aus- 
fuhr nicht  nur  von  100  Ballen  Barchentstoffen,  sondern  auch  von  50  Sack 
Stahlwaren  (sacheti  azarii)  eingeräumt  wurde.  Ferner  wurde  ihnen,  wenn 
sie  von  der  hohen  See  auf  genuesischen  Schiffen  nach  Genua  kamen,  als 
Gegenleistung  für  die  von  ihnen  in  Genua  für  Fracht,  Unterhalt  und  Klei- 
dung usw.  für  sich  oder  ihre  Leute  aufgewandten  Kosten  der  abgabenfreie 
Verkauf  mitgeführter  Waren  bis  zum  Werte  von  200  1.  jan.  im  Jahre  ge- 
stattet; nur  die  »collecta«  hatten  sie  in  gleicher  Höhe  wie  die  Genuesen 
selbst  auch  von  diesen  Waren  zu  zahlen.  Kamen  sie  auf  nichtgenuesischen 
Schiffen,  so  hatten  sie  beim  Verkauf  ihrer  Waren  die  herkömmlichen  Ab- 
gaben zu  entrichten. 

Auch  das  Vorhandensein  eines  genuesischen  Konsulats  in  Saint-Gilles 
oder  Aigues-Mortes  geht  aus  dem  Vertrage  hervor;  der  Nachlaß  eines  ohne 
Testament  verstorbenen  Genuesen  war  ihm  zu  überlassen  und  nur,  wenn 
das  Konsulat  nicht  besetzt  war,  hatten  die  Behörden  von  Saint-Gilles  den 
Nachlaß  in  Verwahrung  zu  nehmen,  wie  es  in  Genua  im  analogen  Falle 
gegenüber  Leuten  von  Saint-Gilles  ohne  weiteres  geschah. 

465.  Aigues-Mortes  erscheint  seitdem  als  ein  für  den  Seeverkehr 
der  Italiener  mit  Frankreich  an  Bedeutung  allmählich  zunehmender  Hafen ; 
das  genuesische  Schiff  Paradisus,  das  im  August  1233  abfuhr,  ist  das  erste 
Schiff,  von  dem  wir  wissen,  daß  es  von  hier  aus  nach  Syrien  ging,  i)  Die 
Wichtigkeit  des  Hafens  mußte  aber  noch  erheblich  wachsen,  als  er  für  die 
französische  Krone  in  Besitz  genommen  wurde  und  somit  der  erste  und 
einzige  Hafen  war,  den  das  französische  Königreich  am  Mittelmeer  besaß. 
Zwar  war  die  erste  Berührung  der  französischen  Behörden  mit  den  Italienern 
auf  diesem  Boden,  von  der  wir  hören,  keine  freundliche;  der  Sene- 
schall  von  Beaueaire  eignete  sich  im  Jahre  1243  das  Schiff  des  Genuesen 
Thomas  de  Pinasca  und  Waren  desselben  im  Wert  von  70  1.  tur.  an,  als 
es  auf  der  Küstenfahrt  von  der  Provence  kommend  hier  gelandet  war; 
Innocenz  IV.  hat  deshalb  am  10.  Dezember  1243  die  Bitte  an  den  König 
gerichtet,  seinen  Seneschall  zur  Rückgabe  oder  zum  Schadenersatz  zu  ver- 
anlassen. 2)  Aber  bald  erkannte  der  König,  wie  wichtig  gerade  gute  Be- 
ziehungen zu  den  Italienern  für  seine  neue  Schöpfung  werden  konnten ;  ist 
er  doch  auch  aus  Anlaß  seines  Kreuzzuges,  den  seine  Flotte  von  hier  aus 
antrat,  mit  den  Genuesen  in  die  engste  Verbindung  getreten.  Freilich  die 
dauernde  Niederlassung  in  Aigues-Mortes  wurde   gerade  den  Genuesen  ver- 


')  Manduel  no.  36.  Oben  §  157.  Daß  auch  die  Pisaner  hier  verkehrten ,  ist 
daraus  zu  schließen,  daß  die  Leute  von  Aigues-Mortes  in  ihrer  Petition  an  den 
König  auf  das  Beispiel  der  Pisaner  in  Syrien  hinwiesen :  oben  §  157.  Pagäzy  ist 
der  für  die  Geschichte  von  Aigues-Mortes  besonders  wichtige  Vertrag  von  1232  ganz 
entgangen. 

«)  Layettes  II  no.  3147.     Handwörterb.  d.  Staatswiss.  III«,  972. 


II 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  593 

wehrt;  auf  die  Vorstellungen  der  Konsuln  von  Montpellier  verordnete  der 
König  1248  zugunsten  der  Bewohner  (veri  habitatores)  von  Aigues-Mortes, 
daß  kein  Genuese  als  Bürger  oder  »wahrer  Einwohner«  daselbst  aufgenommen 
werden  dürfte,  i)  Indessen  das  hinderte  den  Handelsverkehr  der  Genuesen 
in  Aigues-Mortes  in  keiner  Weise;  gerade  aus  dieser  Zeit  besitzen  wir  eine 
Reihe  von  positiven  Zeugnissen  für  diesen  Verkehr.  Nur  wahlweise  wird 
es  als  Zielpunkt  genannt  in  einem  interessanten  Fracht  vertrage,  den  die 
Eigentümer  dreier  genuesischer  Galeeren  am  22.  April  1248  mit  einer  Ge- 
sellschaft von  12  Befrachtern  in  Genua  geschlossen  haben.  2)  Jede  Galeere 
mußte  mit  Rücksicht  auf  die  Kriegszeit  mit  100  bewaffneten  Seeleuten  be- 
mannt und  von  3  Barken  zu  je  8  Riemen  begleitet  sein ;  in  8  Tagen  sollten 
sie  zur  Ausreise  nach  Aigues-Mortes,  Saint-Gilles  oder  Montpellier,  je  nach 
Wahl  der  Ladungsinteressenten,  bereit  liegen.  Die  Hauptmasse  der  Ladung 
bestand  aus  Pfeffer,  von  dem  Lanfranco  Ghisolfo  170,  Pastono  di  Negro 
100 — 125,  Bonvassallo  Nepitella  und  Sozii  70 — 80,  Guilelmo  Lercari  40  bis 
50  Last  zu  laden  sich  verpflichteten ;  der  Frachtsatz  für  die  Last  stellte  sich 
auf  10^/2  sol.  Jan.  Es  sind  also  recht  bedeutende  Mengen  von  Waren  aus 
der  Levante,  die  Genua  auf  diese  Weise  nach  Süd-Frankreich  importierte. 
Im  Sommer  desselben  Jahres  ging  das  genuesische  Handelsschiff  Paradisus 
novus  von  Aigues-Mortes  nach  Syrien,  während  zur  selben  Zeit  der  S.  Vin- 
centius  von  Genua  nach  Aigues-mortes  fuhr^),  und  am  18.  August  1249 
verbodmeten  die  genuesischen  Schiffspartner  Lanfranco  und  Lanfranchino 
Mallono  sowie  Jacopo  und  Guglielmo  Manente  ihr  Schiff  Regina  im  Hafen 
von  Aigues-Mortes  für  600  1.  tur.,  die  dem  Gläubiger,  Johann  von  Valen- 
ciennes,  der  im  Namen  des  Grafen  von  Poitiers  handelte,  binnen  einem  Monat 
nach  Ankunft  in  Syrien  zu  erstatten  waren.  Der  Vertrag  ist  im  Inneren 
des  dem  französischen  Könige  gehörigen  Turmes^)  vor  den  beiden  Konsuln, 
die  Genua  damals  in  Aigues-Mortes  hatte,  Guglielmo  Boccanera  und  Ansaldo 
Straleira,  abgeschlossen.  Dieser  Boccanera  aber  ist  kein  anderer  als  der 
spätere  Volkshauptmann  von  Genua ;  und  es  ist  bemerkenswert,  daß  wir  ihn 
so  schon  vorher  an  derselben  Stätte  tätig  finden,  um  die  er  sich  nach  der 
Entfernung  von  seiner  hohen  Stellung  im  Dienste  des  französischen  Königs 
besondere  Verdienste  erwerben  sollte.^) 

466.  Bald  am  Beginn  des  neuen  Jahrhunderts,  wenige  Monate 
nach  dem  Vertrage  mit  Montpellier,  schloß  Genua  mit  den  Rhöne- 
städten  der  Provence,  die  es  bisher  mit  Pisa  gehalten  hatten,  Frieden 
(ut  precedentia  mala  finem  accipiant). 

Auf  das  von  dem  Podestä  von  Genua,  Guifredotto  Grassello  von  Mai- 
land, durch  Vermittelung  des  Priors  von  Sankt  Michael,  Gull,  de  Stella, 
übersandte  Schreiben  hin  beschworen  der  Erzbischof  von  Arles  zusammen 
mit  Hugo  de  Baux,  Guillaume  Porcelet  und  den  Konsuln  von  Arles  im 
März  1202   den   Frieden   und   versprachen   den  Genuesen  in  ihrem   Gebiet 


')  Devic  et  Vaiss.  Vm,  213. 

*)  Canale  n,  524.    Der  Vertrag  selbst  ist  leider  noch  nicht  veröffentlicht. 

»)  Canale  H,  626. 

*)  Layettes  III,  74  no.  3789:  interius  turris  de  Aquis-mortuis  D.  Regis  Fran- 
corum. 

*)  Für  diese  spätere  Zeit  Pagözy  p.  350  ff.  no.  27 — 32  und  Belgrano :  I  Geno- 
vesi  ad  Acquamorto  im  Giorn.  ligust.  IX  (1882),  326 — 341. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  38 


594  Vierzigstes  Kapitel. 

Schutz  und  Sicherheit  i),  und  das  gleiche  taten  unmittelbar  darauf  die  Kon- 
suln von  Tarascon  sowie  Bischof  Rostagnus  und  die  Konsuln  von  Avig- 
non2);  das  erstemal,  daß  wir  auch  diese  Rhönestädte  in  unmittelbare  Be- 
ziehungen zu  den  Italienern  treten  sehen. 

Handelt  es  sich  hier  um  ein  bloßes  Schutzversprechen,  von  dem  es 
angesichts  des  Krieges,  den  Genua  damals  mit  Pisa  und  später  auch  mit 
Marseille  führte,  durchaus  fraglich  ist,  ob  es  längere  Zeit  in  Kraft  blieb,  so 
kam  es  nach  Abschluß  des  Friedens  zwischen  Marseille  und  Genua  vom 
August  1211,  wiederum  unter  Vermittelung  des  Priors  von  S.  Michael,  zu 
einem  förmlichen  Vertrage,  der  von  Arles  im  Oktober,  von  Genua  im  De- 
zember 1211  beschworen  wurde  und  29  Jahre  in  Kraft  bleiben  sollte.^)  Den 
Genuesen  wurde  gestattet,  Fondachi  in  Arles  zu  besitzen  und  sich  Konsuln 
aus  ihrer  Mitte  zu  bestellen,  denen  die  volle  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Lands- 
leute mit  Ausnahme  der  schwersten  Kriminalverbrechen  zustehen  sollte; 
mit  allen  Mitteln  wollten  die  Arelatenser  für  den  Schutz  der  genuesischen 
Schilfe  (naves  et  galeae),  die  in  ihr  Gebiet  kämen,  Sorge  tragen.  Auch  mit 
Avignon  verhandelte  derselbe  Prior  wieder.  Die  Konsuln  von  Avignon  er- 
klärten sich  auch  prinzipiell  zum  Abschluß  eines  Friedens-  und  Freundschafts- 
vertrages mit  Genua  bereit,  machten  aber  die  Entschädigung  mehrerer  ihrer 
Mitbürger,  die  auf  den  Marseiller  Schiffen  Oliva  und  S.  Martha  bei  ihrer 
Fortnahme  durch  die  Genuesen  zu  Schaden  gekommen  waren,  zur  Bedin- 
gung4);  wenn  die  Genuesen  jetzt  auf  ihre  gesetzliche  Verpflichtung s)  hin- 
wiesen, alle  mit  den  Marseillern  Mitfahrenden  ebenfalls  als  Feinde  zu  be- 
handeln, so  hätten  sie  die  Pflicht  gehabt,  ihnen  das  rechtzeitig  vorher  mit- 
zuteilen. Danach  scheinen  die  Verhandlungen  zu  einem  positiven  Ergebnis 
nicht  geführt  zu  haben,  ß) 

Vielfach  neu  auftauchende  Fragen  bewirkten,  daß  der  Vertrag  zwischen 
Genua  und  Arles  geraume  Zeit  vor  seinem  Ablauf,  am  18.  August  1229, 
erneuert  und  wesentlich  erweitert  wurde '^);  vom  2.  Februar  1230  an  sollte 
er  nunmehr  20  Jahre  in  Kraft  bleiben. 

Die  Genuesen  sollten  in  Arles  nur  zu  den  seit  50  Jahren  bestehenden 
Abgaben  herangezogen  werden  können ;  nur  die  Erhebung  einer  jüngeren 
Auflage  von  1  den.  raim.  vom  Sextar  bei  Gemüse  und  Weizen  und  1/2  den. 
bei  anderem  Getreide  blieb  bis  übernächste  Ostern  noch  gestattet.  Der 
Lebensmittelmarkt  sollte  den  Genuesen  in  vollem  Umfange  offen  stehen,  so- 
lange der  Weizenpreis  nicht  6V2  sol.  pro  Sextar  erreichte;  doch  konnte 
Arles  von  den  Exporteuren  die  Beibringung  eines  amtlichen  Schreibens  for- 
dern,  das  um  die  Exporterlaubnis  für  die  bestimmt  bezeichnete  Person   er- 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  439  vom  März  1201.  Die  Nennung  des  Podestä  stellt  es 
außer  Zweifel,  daß  französische  Jahreszählung  vorliegt. 

«)  Ebd.  no.  410  u.  453  (letztere  datiert:  17  Kalend.  a.  D.  ine.  1202.  Es  ist 
wohl  Madii  zu  ergänzen). 

')  Nur  der  von  den  Konsuln  von  Arles  beschworene  Teil  des  Paktes  ist  er- 
halten ;  ebd.  no.  498,  501.  Das  Datum  1210  in  letzterer  Urkunde  ist  nach  p.  867 
not.  ein  Lapsus  des  Amanuensis. 

*)  Ebd.  no.  492  u.  493.  Ein  Avignonese,  Joh.  Pagesie,  hat  »in  coltellis  et  in 
aliisc  20  1.  reg.  cor.  verloren,  zwei  andere  gaben  ihren  Verlust  auf  200  1.  reg.  an^^ 
ein  Vierter  hat  seinen  Schiffsanteil  an  der  S.  Martha  (V82)  eingebüßt. 

6)  Unten  §  470. 

*)  Sonst  wäre  der  Vertrag  sicher  im  Lib.  Jurium  Genuas  ebenso  erhalten 
wie  die  beiden  die  Forderungen  der  Konsuln  von  Av.  enthaltenden  Schreiben 

^)  Lib.  Jur.  I  no.  679. 


« 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.         ,  595 

suchte.  Während  eines  Krieges  zwischen  Arles  und  Marseille  i)  hatte  Genua 
dafür  zu  sorgen,  daß  kein  Genuese  das  in  Arles  eingekaufte  Getreide  in 
Marseille  löschte  oder  an  jemanden  verkaufte,  der  es  nach  Marseille  brachte ; 
Genua  verpflichtete  sich,  bei  Zuwiderhandlungen  eine  Buße  von  3  sol.  raim. 
für  den  Sextar  solchen  Getreides  auf  sich  zu  nehmen.  Einer  besonderen 
Lizenz  bedurften  die  Genuesen  dann,  wenn  sie  Salz  oder  Wein  rhoneauf- 
wärts  über  Arles  hinaus  transportieren  wollten. 

Umgekehrt  wurden  die  Arelatenser  in  Genua  in  bezug  auf  Handels- 
abgaben prinzipiell  den  meistbegünstigten  Narbonnesen  gleichgestellt.  Doch 
blieben  die  Abgaben  von  3  sol.  jan.  vom  Kantar  Fleisch  und  Käse  2)  und 
vom  Faß  öl  für  sie  noch  bis  zum  2.  Februar  1233,  und  die  Abgaben  von 
in  Genua  gekauftem  Getreide  sowie  die  Ellengebühr 3)  bis  zum  Ablauf  der 
mit  den  Pächtern  geschlossenen  Kontrakte  in  Kraft. 

467.  Diesmal  empfand  man  schon  nach  8  Jahren  das  Bedürfnis,  die 
Handelsabgaben  neu  zu  regeln;  der  Podestä  von  Arles,  Guilelmus  Ebriacus 
Niger,  ein  Genuese  —  wie  denn  in  dieser  Zeit  Arles  und  Avignon  fast  durch- 
weg Italiener  an  die  Spitze  des  Stadtregiments  berufen  haben  4)  —  schickte 
den  Raymundus  Dalmasius  als  Unterhändler  nach  Genua,  der  am  13.  Mai 
1237  einen  neuen  Vertrag  auf  10  Jahre  zustande  brachte,  der  uns  nur  in 
der  Ausfertigung  für  Arles  erhalten  ist.^) 

GrundsätzUch  genossen  danach  die  Arelatenser  in  Genua  Handels- 
freiheit und  Freiheit  von  denjenigen  Abgaben,  die  direkt  der  Stadtgemeinde 
von  Genua  zustanden,  also  nicht  von  denen,  die  z.  B.  für  die  Vicecomites 
von  Genua  oder  den  Erzbischof  erhoben  wurden.  Sie  hatten  ferner  zu 
zahlen  die  Salzsteuer,  die  gombeta  beim  Einkauf  von  Getreide  ß)  und  1  sol. 
vom  Kantar  bei  Fleisch,  Käse  und  vom  Faß  Öl  —  es  sind  also  gerade  die 
Artikel,  die  für  die  Einfuhr  der  Arelatenser  in  erster  Linie  in  Betracht 
kamen.  Wiegegebühren  zahlten  sie  wie  die  Genuesen  selbst;  von  Maß- 
gebühren für  Getreide  und  Gemüse  waren  sie  frei,  da  sie  dabei  ihre  eigenen 
Maße  verwenden  durften.  Falls  sie  Waren  von  Genua  über  die  Alpen  trans- 
portierten oder  umgekehrt,  so  unterlagen  sie  dem  Grenzzoll  von  Gavi  und 
Voltaggi'^,  wie  sie  auch  den  Zoll  von  Porto  Venere  zu  entrichten  hatten, 
sobald  sie  in  dessen  Bereich  kamen.  Importierten  sie,  was  eigentlich  ver- 
boten war,  Waren  aus  einem  der  Häfen  der  Küstenstrecke  von  Nizza  bis 
Salöu  nach  Genua  8),  so  fiel  jede  Zoll  Vergünstigung  für  sie  weg.  Abgaben- 
erleichterungen für  die  Genuesen  sollten  ohne  weiteres  auch  ihnen  zugute 
kommen,   neue  Auflagen   oder  Erschwernisse  ihres  Handels   nicht  zulässig 


*)  Für  >durante  guerra  inter  com.  Janue  et  comune  Arelatis<  IstMarsilie 
zu  lesen.     Zu  dem  Vertrage  vgl.  Chone  45. 

*)  >Pro  cantario  et  casei< ;  es  ist  carnis  zu  ergänzen. 

')  Id  quod  praestatur  de  libra  pro  facto  cannae  pannorum.  .  .  secun- 
dum  formam  venditionis  quam  de  illo  drictu  fecit  comune  Januense. 

*)  Berger,  Saint  Louis  et  Innoc.  IV,  p.  76. 

')  Chart.  II,  1399  f.  no.  1835,  mit  manchen  Mängeln  im  Abdruck ;  der  Text 
bei  Papon  II  p.  LX  no.  51  ist  freilich  noch  schlechter.  Zum  Vertrage  s.  Ani- 
bert  m,  107  f. 

•)  .  .  .  salvis  introitibus  quombery  (1.  gombete)  et  denariis  VI  et  z.  III  (?)  qui 
percipiuntm*  ab  emptore  quo  qualibet  emina  bladi. 

*)  Trotz  der  Verderbnis  >salvi8  pedagys  sany  et  Vulcabic    nicht   zweifelhaft 

^)  So  glaube  ich  das  »merchandiam  que  non  sit  a  solo  usque  ad  Niciam« 
verstehen  zu  müssen. 

38» 


596  Vierzigstes   Kapitel. 

sein.  Doch  unterlag  ihre  Ausfuhr  aus  Genua  einer  Reihe  von  Beschrän- 
kungen, die  offenbar  nicht  ihren  Export  nach  Arles,  sondern  etwaigen  von 
ihnen  betriebenen  Zwischenhandel  zu  treffen  bestimmt  waren.  So  war  ihnen 
die  Ausfuhr  von  Feigen  und  Kastanien  nur  für  den  eigenen  Bedarf  und 
nur  so  lange  gestattet,  als  die  Metze  (emina)  Kastanien  nicht  den  Preis  von 
15  sol.  Jan.  erreichte,  die  Ausfuhr  von  Nutzholz  nur  zum  Häuserbau  und 
zur  Herstellung  von  Fässern  unter  der  Bedingung,  daß  jede  Weiterveräuße- 
rung an  Marseiller  oder  andere  zum  Export  aus  Arles  unterblieb.  Unbedingt 
verboten  war  ihnen  die  Ausfuhr  von  Getreide  und  Gemüse  jeder  Art,  von 
deutscher,  Reimser  und  Champagner  Leinwand  sowie  von  französischen  Tuchen. 
Zeigen  schon  diese  detaillierten  Bestimmungen,  daß  der  Aktivhandel 
der  Arelatenser  mit  Genua  in  dieser  Zeit  nicht  mehr  gering  gewesen  sein 
kann,  so  wird  diese  Tatsache  außer  allen  Zweifel  gestellt  dadurch,  daß  nun 
auch  Arles  dazu  überging,  seinerseits  ein  Konsulat  in  Genua  zu  errichten; 
Genua  versprach  ausdrücklich,  es  nicht  zu  hindern,  vielmehr  seinerseits  zu 
fördern,  daß  die  Arelatenser  in  Genua  und  Gebiet  sich  aus  ihrer  eigenen 
Mitte  Konsuln  bestellten,  denen  die  Jurisdiktion  in  allen  Zivilstreitigkeiten 
der  Arelatenser  untereinander  und  die  Verwaltung  des  Nachlasses  von  Are- 
latensern,  die  ohne  Testament  gestorben,  zustehen  sollte.^) 

468.  Bald  nachdem  Arles  im  Oktober  1211  den  Vertrag  mit  Genua 
beschworen  hatte,  schickte  es  auch  nach  Pisa,  das  damals  gerade  eine  kurze 
Waffenruhe  in  seinem  langen  Kampfe  mit  Genua  hatte;  am  20.  Dez.  des- 
selben Jahres  schlössen  seine  Gesandten  Raym.  de  Farnario  und  Raym.  Ricardi 
einen  Friedensvertrag  auf  25  Jahre  ab.  2)  Man  versprach  sich  das  Geschehene 
gegenseitig  zu  vergessen  und  fortan  auf  den  Schutz  und  die  Verteidigung 
der  beiderseitigen  Untertanen  gegen  jedermann  bedacht  zu  sein  und  regelte 
genau  das  einzuhaltende  Verfahren,  falls  doch  Offensio  vorkäme ;  als  solche 
sollte  es  nicht  gelten,  wenn  sie  Leute  betraf,  mit  denen  sich  Pisa  im  Kriegs- 
zustande befand  (natürlich  sind  die  Genuesen  gemeint),  auch  wenn  diese  auf 
arelatischen  Schiffen  oder  in  Gemeinschaft  mit  Leuten  von  Arles  fuhren. 
Bei  Zivüstreitigkeiten  zwischen  Pisanern  und  Arelatensern  sollten  die  Are- 
latenser, wenn  die  Pisaner  das  vorzogen,  in  Pisa  belangt  werden  dürfen. 

Wie  sich  Arles  bei  Wiederausbruch  des  erst  im  Jahre  1217  endgültig 
beigelegten  Kampfes  zwischen  Pisa  und  Genua  verhielt,  wissen  wir  nicht, 
hören  auch  nichts  über  den  Grund  oder  die  Folgen  der  feindlichen  Hand- 
lung, die  Arles  im  Jahre  1218  Pisa  gegenüber  dadurch  beging,  daß  eine 
arelatische  Galeere  sich  zweier  pisanischer  Leichterschiffe,  die  Waren  von 
Porto  Pisano  nach  Pisa  brachten,  in  der  Arnomündung  bemächtigte;  aller- 
dings ließ  die  Galeere  ihre  Beute  im  Stich,  als  sie  sich  von  genuesischen  Galee- 
ren, die  das  Schiff  von  Arles  für  ein  Seeräuberschiff  hielten,  verfolgt  sah.^) 

Im  Mai  1221  kam  es  dann  zu  einem  neuen  Vertrage,  den  diesmal  die 
Bevollmächtigten  Pisas,  Bertrandvis  Rainaudus  und  Bernardus  Ferreolus,  auf 
25  Jahre   abschlössen.^)     Der  Vertrag  von   1211    wurde   erneuert  und  den 


^)  Die  Fortdauer  des  Handels  zwischen  Arles  und  Genua  auch  in  der  fol- 
genden Kriegszeit  wird  dadurch  bezeugt,  daß  wir  aus  einem  Schiedspruch  vom 
Februar  1248  (Canale  11,  525)  erfahren,  daß  ein  genuesisches  Schiff,  das  in  Arles 
Gerste  geladen,  wegen  eines  Unfalls  40  minas  über  Bord  werfen  mußte. 

*)  Papon  n  p.  XXXIX  no.  37,  mit  vielfach  verderbtem  Text  (so  ist  z.  B.  für 
Curxenerlis   zu  lesen  Curteveteris).     Nur   die   Ausfertigung  für  Arles   ist   erhalten. 

')  Ann.  genov.  II,  148. 

*)  Muratori  Antiqu.  IV,  395  ff. 


II 
11 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  597 

Pisanern,  die  nach  Arles  kamen,  mit  Schiffen  und  Waren  Schutz  gegen 
jedermann,  besonders  gegen  die  Genuesen,  zugesichert.  Die  Arelatenser 
werden  die  Habe  der  Genuesen  oder  anderer  öffentHcher  Feinde  Pisas,  falls 
solche  auf  dem  gleichen  Fahrzeug  mit  ihnen  vorgefunden  wird,  nicht  für 
die  ihre  ausgeben ;  sollten  Arelatenser  während  des  Krieges  auf  genuesischen 
Schiffen  zusammen  mit  Genuesen  betroffen  werden,  so  dürfen  die  Pisaner 
genau  so  gegen  sie  verfahren  wie  gegen  die  Genuesen  selbst.  Den  Feinden 
der  Pisaner  in  der  Provence  und  besonders  denen  in  der  Nachbarschaft  von 
Arles  werden  sie  keinerlei  Vorschub,  auch  durch  Lieferung  von  Lebens- 
mitteln nicht,  leisten  und  insbesondere  auch  das  Auslaufen  von  Kaperschiffen 
aus  der  Rhone  gegen  die  Pisaner  nach  Möglichkeit  verhindern  —  alles  Be- 
stimmungen, die  zu  dem  Frieden,  der  1221  zwischen  Genua  und  Pisa  be- 
stand, nicht  passen  woUen  und  sich  nur  durch  mechanische  Weiterführung 
aus  einem  älteren  Vertrage  erklären,  i)  Den  Arelatensern  sollte  es  erlaubt 
sein,  nach  Belieben  auf  pisanischen  Schiffen  zu  fahren;  sie  sollten  volle 
Handelsfreiheit  in  Pisa  haben  und  nur  verpflichtet  sein,  auf  der  Küsten- 
strecke zwischen  Genua  und  Pisa  Salz  nach  keinem  anderen  Orte  als  nach 
Pisa  selbst  zu  bringen.  Wollten  sie  in  Civitavecchia  oder  einem  näher  an 
Pisa  gelegenen  Hafen  der  Marittima  Getreide  laden,  so  durften  sie  dies  nur 
nach  Pisa  oder  (unter  Ausschluß  der  Wiederausfuhr)  nach  Arles  bringen; 
um  den  Pisanern  eine  Kontrolle  darüber  zu  ermöglichen,  hatte  sich  jedes 
arelatische  Schiff,  das  Getreide  aus  der  Maremma  zu  holen  beabsichtigte, 
bei  seiner  ersten  Fahrt  im  Jahre  auf  der  Hinreise  (in  prima  an  data)  bei  der 
pisanischen  Behörde  in  Porto  Pisano  oder  auf  Verlangen  auch  in  Pisa  selbst 
(inter  duos  pontes)  zu  melden.  Die  Frage  der  Abgaben  war  im  Gegensatz 
zu  Genua  auf  sehr  einfache  Weise  dahin  geregelt,  daß  an  beiden  Orten  von 
der  Ein-  oder  Ausfuhr  beim  Umsatz  der  Ware  ein  Wertzoll  von  1-/3  Vo  er- 
hoben wurde.2) 

Damit  endet,  was  wir  von  Vertragsbeziehungen  zwischen  Pisa  und  Arles 
in  dieser  Zeit  wissen.  Daß  indessen  auch  weiterhin  ein  reger  Handel  zwischen 
beiden  Orten  fortdauerte,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  wir  im  Jahre  1248 
Handelsgesellschaften  des  toskanischen  Binnenlandes  Marseiller  Galeeren 
nach  Arles  schicken  sehen,  damit  diese  dort  ihre  von  Norden  kommenden 
Waren  übernahmen  und  nach  Pisa  brachten,  wo  die  Entladung  zwischen 
den  beiden  Brücken  zu  erfolgen  hatte;  in  Arles  hatten  die  Galeeren  ihre 
kriegsmäßig  ausgerüstete  Mannschaft  für  die  Reise  nach  Pisa  um  mehr  als 
das  doppelte  zu  verstärken''') ;  auch  ist  uns  ein  Kaufmann  von  Arles,  Petrus 
de  Cavaleria,  bekannt,  der  damals  mit  einer  Commenda  von  Tuchen  von 
Marseille  nach  Pisa  ging.^) 

469.  Auch  römische  Kaufleute  sehen  wir  am  Handelsverkehr  in 
Arles  beteihgt.  Innozenz  IV.  hat  sich  am  20.  Februar  1248  zugunsten  des 
Römers  Andreas  de  Romulo  an  die  Behörden  von  Arles  gewandt,  weil  dieser 


*)  Umgekehrt  wie  1211  liegt  uns  hier  nur  die  Verijflichtung  der  Arelatenser 
Pisa  gegenüber  vor ;  sie  war  also  wahrscheinlich  genau  ebenso  in  dem  Vertrage 
von  1211  enthalten;  doch  vermute  ich,  daß  sie  auf  einen  noch  älteren  Vertrag 
zurückgeht. 

*)  Steht  einseitig  als  Abgabe  der  Arelatenser  in  Pisa  auch  schon  im  Vertrage 
von  1211. 

»)  In  zwei  Fällen  von  60  auf  130,  in  einem  Falle  von  50  auf  116  Mann.  Im 
übrigen  s.  oben  §  283,  287. 

*)  Amalric  no.  172, 


598  Vierzigstes  Kapitel. 

von  ihnen  an  der  Ausfuhr  von  Getreide  aus  Arles  nach  Genua  auf  Grund 
eines  allgemeinen  Getreideausfuhrverbots  gehindert  wurde,  obwohl  dies  Ver- 
bot erst  nach  dem  zum  Zwecke  des  Exports  erfolgten  Ankauf  des  Getreides 
erlassen  war.i)  Und  wie  nach  Pisa,  so  gingen  zu  gleichem  Zweck  Marseiller 
Galeeren  auch  über  Arles  nach  Rom,  wie  wir  für  den  Juni  1248  von  der 
Galeere  des  Isnardus  de  S.  Egidio  wissen ;  von  der  Ladung,  die  sie  in  Arles 
einzunehmen  hatte,  kennen  wir  24  Ztr.  Zinn  im  Werte  von  48  1.  misc.  2) 

470.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  der  Aufschwung 
von  Marseilles  Seemacht  und  Seehandel  durch  die  Handelseifer- 
sucht zwischen  Pisa  und  Genua,  insbesondere  auch  durch  den  lang- 
dauernden Krieg,  der  1194  zwischen  beiden  Mächten  entbrannte, 
wesentlich  gefördert  worden  ist. 

Im  allgemeinen  hielt  es  Marseille  in  diesem  Kriege  mit  Pisa;  wenn 
wir  im  Sommer  1200  die  genuesische  Galeere  des  Giovanni  Fornari  auf 
einer  Handelsfahrt  nach  Marseille  nachweisen  können,  so  finden  wir  doch 
zwei  Jahre  darauf  den  Kaperkrieg  zwischen  Genua  und  Marseille  in  vollem 
Gange;  ein  Marseiller  Schiff,  das  besonders  Alaun,  Wolle  und  Wachs  ge- 
laden hatte,  wurde  von  dem  Genuesen  Obertus  Castanea  aufgebracht,  und 
es  half  mehreren  Marseiller  Kauf  lauten  wenig,  daß  sie  die  Vorsicht  gebraucht 
hatten,  ihre  Waren  mit  dem  Handelszeichen  eines  mitreisenden  Narbonnesen 
zu  versehen.  Wenig  später  (1203)  sehen  wir  den  genuesischen  Podestä  in 
Konflikt  mit  Savona,  weil  er  von  einem  Savonesen,  der  dem  bestehenden 
Handelsverbot  zuwider  Waren  nach  der  Provence  geschafft  hatte,  eine  Geld- 
buße eintrieb.^)  Nach  einem  im  Dezember  1208  geschlossenen  kurzen  Waffen- 
stillstände, in  den  die  sizilischen  Genuesen  nicht  einbegriffen  waren  *),  brach 
im  folgenden  Jahre  der  Krieg  mit  erneuter  Heftigkeit  aus,  zumal  Marseille 
nunmehr  mit  Pisa  in  ein  besonders  enges  Verhältnis  trat.  Als  Gesandte  des 
Bischofs,  der  Stadtherren  Roncelin  und  Hugo  von  Baux  und  der  Konsuhi 
von  Marseille  schlössen  der  Kanoniker  Hugo  Beroardus,  Hugo  Andreae  und 
Serleone  mit  Godefredo  Visconti,  dem  Podestä  von  Pisa,  am  27.  August 
1209  ein  enges  Schutz-  und  Trutzbündnis,  das  seine  Spitze  gegen  Genua 
kehrte;  falls  Pisaner  während  des  Krieges  zwischen  Marseille  und  Genua 
auf  einem  genuesischen  Schiff  betroffen  werden  sollten,  so  soUten  die  Mar- 
seiller diese  Pisaner  und  ihre  Waren  wie  die  Genuesen  behandeln  dürfen, 
ohne  daß  das  als  eine  Verletzung  des  Friedens  anzusehen  sei,  und  das  gleiche 
galt  natürlich  im  umgekehrten  Falle.  Zwischen  Pisa  und  Marseille  sollte 
vollste  Handelsfreiheit  herrschen ;  Pisaner  und  Marseiller  sollten  ohne  irgend- 
welche Beschränkung  auf  denselben  Schiffen,  wohin  sie  immer  wollten^ 
fahren  dürfen.  Zu  dieser  Handelsfreiheit  gesellte  sich  endhch  vollste  Ab- 
gabenfreiheit   für  Aus-   und  Einfuhr,    ohne   Unterschied,    ob    die   Waren 


^)  Berger  no.  3659.  Beiläufig  sei  erwähnt,  daß  nach  einer  Angabe  Brunos  im 
Jahre  1194  auch  zwischen  Arles  und  Savona  ein  Handelsvertrag  abgeschlossen 
wurde;  p,  118. 

')  Amalric  no.  848,  857.  Römische  Bürger  als  Gläubiger  der  Kirche  von  Ar- 
les Potth.  10740.  J.  Bernoulli:  Acta  Pontiflcum  Helvetica  I  (Basel  1892),  138  Anm.  d> 
(17.  Mai  1239). 

»)  Canale  11,  523.     Lib.  Jur.  I  no.  459.     Ann.  genov.  U,  85. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  491.  Bruno,  der  aus  dem  Savoneser  Archiv  schöpfen  konnte^ 
behauptet  die  Existenz  eines  Handelsvertrags  zwischen  Savona  und  Marseille  vora 
Jahre  1207 ;  p.  118. 


4 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  599 

auf  der  Küstenfahrt  nach  Pisa   und  Marseille   kamen  oder  von  der  hohen 
See.i) 

Um  so  erbitterter  setzten  die  Genuesen  den  Kampf  fort.  Schon  vor- 
her hatten  sie  eine  Bestimmung  in  ihre  Statuten  aufgenommen,  die  jeden 
Genuesen  eidlich  verpflichtete,  gegen  alle  diejenigen,  die  auf  Marseiller 
Schiffen  führen,  vorzugehen,  sie  selbst  gefangen  zu  nehmen  und  sie  aller 
Habe  zu  berauben'-^);  noch  im  selben  Jahre  gelang  es  ihnen,  ein  pisanisches 
Pfeilschiff  und  zwei  mit  vielen  Waren  beladene  Kauffahrer  der  Provengalen 
zu  nehmen,  und  1210  kaperten  sie  sogar  in  den  sardinischen  Gewässern 
7  provengalische  Schiffe,  die  ein  Schiff  des  Grafen  von  Syrakus  aufgebracht 
hatten.  3)  In  diesem  Jahre  schloß  Pisa,  durch  das  Eingreifen  Ottos  IV.  ver- 
anlaßt, einen  zweijährigen  Waffenstillstand  mit  Genua,  so  daß  dieses  gegen 
Marseille  freiere  Hand  bekam.  Die  offiziellen  Annalen  Genuas  berichten 
von  empfindlichen  Verlusten,  die  den  Marseillern  namentlich  in  den  spani- 
schen Gewässern  beigebracht  wurden;  ihre  eigenen  Verluste  verschweigen 
sie  und  berichten  nur  unter  allerlei  Entschuldigungen,  daß  zwei  Marseiller 
Galeeren  es  einmal  wagten,  sich  unmittelbar  vor  der  Mole  des  genuesischen 
Hafens  zu  zeigen."*)  Von  einer  Beherrschung  des  Meeres  durch  Genua  war 
also  nicht  die  Rede.  Und  nach  einem  für  Genua  siegreichen  Kriege  sehen 
auch  die  Bestimmungen  des  Friedens  nicht  aus,  den  Hugo  de  Baux,  der  im 
August  1211  auf  einem  Kriegsschiff  unter  sicherem  Geleit  nach  Genua  kam, 
nach  langen  Verhandlungen  auf  21  Jahre  abschloß. 

471.  Am  26.  November  1211  ist  der  Friedensvertrag  zwischen 
Genua  und  Marseille,  der  für  die  Handelsgeschichte  von  höchstem 
Interesse  ist,  in  Kraft  getreten.  ^) 

Überall  zeigt  der  Vertrag,  daß  Genua  nunmehr  die  Gleichbe- 
rechtigung von  Marseille  in  vollem  Umfange  anerkennt;  bei  allen 
Bestimmungen  ist  vollste  Gegenseitigkeit  gewahrt. 

Auf  beiden  Seiten  sollten  alle  bisherigen  Schädigungen  als  kompen- 
siert gelten ;  vertragsmäßige  Verpflichtungen  Privater  blieben  in  Kraft.  Um 
Schädigungen  für  die  Zukunft  vorzubeugen/ sollte  fortan  jedes  armierte  Fahr- 
zeug vor  dem  Auslaufen  in  Genua  oder  Marseille  Sicherheit  dafür  stellen 
müssen,  daß  es  Angehörige  der  anderen  Stadt  nicht  schädigen  oder,  falls 
es  doch  geschehen  sollte,  Ersatz  dafür  leisten  werde.  Mitführung  von  Gegnern 
der  anderen  Stadt  auf  den  eigenen  Schiffen  sollte  im  allgemeinen  nicht  ver- 

')  jQuae  de  habere  Massiliensium  apud  Pisam  per  pelagum  vel  per  riveriam 
addüctum  fuit  pro  vendendo  ibi,  nihil  per  directum  vel  ripa  vel  leida  vel  aliquo 
modo  in  introitu  vel  exitu  ab  aliquo  Massiliense  vel  homine  Mass.  districtus  tolli- 
tur.c  Mit  den  unglaublichsten  Lesefehlern  bei  Mery  et  Guindon  I,  219  ff.  (im  In- 
dex p.  455  als  traite  de  Paris  bezeichnet).  Von  der  Gegenurkunde  zu  dem  hier 
gegebenen  Versprechen  der  Pisaner,  die  das  in  Pisa  selbst  von  den  Marseiller  Ge- 
sandten gegebene,  offenbar  völlig  entsprechende  Versprechen  der  Marseiller  ent- 
hielt, steht  der  Kopf  bei  (Belzunce  F.  X.  de) :  L'antiquitö  de  l'öglise  de  Marseille  II 
(Marseille  1747)  p.  49;  als  Datum  wird  p.  50  völlig  verkehrt  der  26.  März  1210, 
Ind.  X  gegeben. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  492. 

«)  Ann.  genov.  II,  112,  115. 

*)  Ebd.  116  ff. 

*)  Ebd.  119.  Mitteilungen  aus  der  noch  nicht  veröffentlichten  Friedensurkunde 
selbst  ebd.  166  A.  3.  Im  übrigen  ergibt  sich  ihr  Inhalt  aus  dem  Vertrage  von  1229 ; 
Lib.  Jur.  I  no.  675. 


600  Vierzigstes  Kapitel. 

boten  sein ;  doch  wurden  gerade  Pisaner  und  Venezianer,  falls  sich  diese  im 
Kriegszustande  mit  Genua  oder  Marseille  befänden,  davon  ausgenommen. 
Der  Lebensmitteleinfuhr  aus  nicht  feindlichen  Gebieten  nach  einer  der  beiden 
Städte  darf  von  der  anderen  keinerlei  Hindernis  bereitet  werden.  Eine  Er- 
richtung von  Konsulaten  fand  nicht  statt ;  doch  sollten  bei  Zivilstreitigkeiten 
der  Marseiller  untereinander  in  genuesischem  Gebiet  und  der  Genuesen  in 
Marseiller  Gebiet  die  Landesgerichte  in  dem  Fall  nicht  zuständig  sein,  wenn 
der  Beklagte  vor  einem  oder  mehreren  seiner  Landsleute,  die  das  Richter- 
amt übernehmen  wollten.  Recht  zu  geben  bereit  war.  Der  Nachlaß  eines 
mit  oder  ohne  Testament  im  Gebiete  der  anderen  Stadt  Verstorbenen  war 
einem  mit  amtlicher  Vollmacht  seiner  Regierung  versehenen  Kommissar 
auszuliefern  oder  dem  letzten  Willen  des  Verstorbenen  gemäß  zu  behandeln. 

Dem  direkten  Handel  zwischen  Genua  und  Marseille  sowie  den  beider- 
seitigen Gebieten  stand  nichts  im  Wege;  es  sollten  hierbei  nur  die  alther- 
kömmlichen Abgaben  erhoben  werden  dürfen,  deren  Höhe  besonders  be- 
kanntzugeben war. 

Am  bemerkenswertesten  ist,  was  aus  den  Ausschließungsbestrebungen 
Genuas  geworden  ist.  Gegenseitig  verpflichtete  man  sich  nunmehr,  Bürger 
der  anderen  Stadt  oder  ihre  Waren  zur  Schiffahrt  auf  hoher  See  weder  von 
der  eigenen  Stadt  aus  noch  nach  der  eigenen  Stadt  zuzulassen,  gleichgültig 
ob  sie  eigene  oder  andere  Schiffe  benutzen  wollten.  Genua  sowohl  wie  Mar- 
seille wollten  also  die  eigenen  Kaufleute  vom  Zwischenhandel  zwischen  der 
anderen  Stadt  und  den  überseeischen  Gebieten  abhalten  und  somit  den 
großen  Verkehr  ihrer  Kaufleute  mit  der  Levante,  Afrika,  Sizilien  usw.  mög- 
lichst in  der  eigenen  Stadt  konzentrieren.  Wenn  dieser  Bestimmung  zu- 
wider doch  einmal  Genuesen  nach  Marseille  oder  Marseiller  nach  Genua 
kämen,  so  sollten  sie  doch  ihre  Waren  daselbst  weder  löschen  noch  ver- 
kaufen dürfen,  mußten  sich  vielmehr  mit  ihnen  nach  ihrer  Heimatstadt  be- 
geben. Auch  wenn  ein  Schiff  durch  Zwang  (Unwetter,  Mangel  an  Proviant, 
notwendige  Reparaturen)  sich  genötigt  sah,  der  Bestimmung  zuwiderzuhandeln, 
sollte  doch  nur  so  viel  von  der  Ladung  verkauft  werden  dürfen,  als  zur  Be- 
friedigung der  Bedürfnisse  der .  Schiffsinsassen  und  zur  Deckung  etwaiger 
Reparaturkosten  erforderlich  war. 

Gegenseitig  verpflichtete  man  sich  ferner  zur  Beobachtung  des 
Grundsatzes,  daß  alle  Nichtbürger  von  der  persönlichen  Wahrnehmung  des 
Handelsbetriebs  vermittels  der  Schiffahrt  auf  hoher  See  auszuschließen  seien. 
Interessant  ist  dabei  die  Aufzählung  der  also  Ausgeschlossenen.  Sie  nennt 
an  erster  Stelle  die  Franzosen  (de  Francia),  dann  die  Burgunder  und  die 
Deutschen,  ferner  die  von  Gabors,  Figeaci)  und  Vienne,  die  also  von  den 
Binnenbewohnern  des  südlichen  Frankreich  als  unternehmende  Kaufleute 
einen  besonderen  Ruf  gehabt  haben  müssen,  weiterhin  die  Engländer  und 
die  von  Montpellier,  Toskana  und  ganz  Ober-Italien.  Daß  diese  drei  an 
letzter  Stelle  genannt  sind,  hängt  damit  zusammen,  daß  in  bezug  auf  diese 
Gebiete  sehr  wesentliche  Ausnahmen  gemacht  wurden.  Ausgenommen  wurden 
für  beide  Städte  in  erster  Linie  die  Pisaner  (die  Genuesen  fügen  hinzu:  so-flj 
lange  wir  in  Frieden  oder  einem  Vertragsverhältnis  mit  ihnen  leben),  in^' 
zweiter  vier  privilegierte  Bürger  von  Montpellier,  die  indes  nur  ihre  eigenen 
Waren  oder  solche  von  Bürgern  derjenigen  Stadt,  deren  Schiffe  sie  benutzten, 
sollten  vertreiben  dürfen ;  es  waren :  Petrus  de  Montebeliardo,  Guilelmus  de 


')  So  deute  ich  das  >Filiatino<  des  Versprechens  der  Genuesen  p.  854,  zumal^ 
das  Versprechen  der  Marseiller  p.  856  die  Form  >Filiachinoc  aufweist. 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  601 

Conchis,  Bernardus  Petri  und  Guilelmus  Bocheti;  Genua  allein  nahm  aus 
die  Lombarden,  die  Lucchesen  und  diejenigen  Privatpersonen,  die  es  privi- 
legiert hatte.  1)  Sollte  ausnahmsweise  einmal  jemand  aus  den  verbotenen 
Gebieten,  von  hoher  See  kommend,  in  Genua  oder  Marseille  Aufnahme 
finden,  so  war  von  seinen  Waren  der  Fünfte  zu  erheben. 

472.  Dieser  Vertrag  blieb  auf  lange  Zeit  hinaus  die  Grundlage  der  Be- 
ziehungen zwischen  Genua  und  Marseille;  Marseille  konnte  mit  der  errun- 
genen Stellung  wohl  zufrieden  sein.  In  der  Tat  wurden  die  Differenzen,  zu 
denen  es  auch  später  gelegentlich  zwischen  den  beiden  Seemächten  kam, 
rasch  genug  beigelegt;  so  1217,  als  die  genuesischen  Schiffe  Columba  und 
Angelus  Gewalttaten  gegen  Marseiller  verübten  2),  so  1220,  als  die  Genuesen 
wegen  der  Behandlung  eines  genuesischen  Schiffes  durch  Marseille  Gesandte 
schickten,  so  auch  1223,  als  der  Handel  mit  Archantus  eine  Zeitlang  zu 
schwereren  Verwickelungen  führen  zu  sollen  schien.  3) 

Noch  einige  Jahre  vor  Ablauf  des  Vertrages  schickte  Marseille  eine 
Gesandtschaft  zur  Erneuerung  desselben  nach  Genua,  wie  es  scheint,  durch 
seine  Stellung  dem  Kaiser  gegenüber  —  Marseille  befand  sich  damals  im 
Reichsbann  — ,  mit  dem  die  Pisaner  damals  besonders  eng  verbunden  waren, 
dazu  veranlaßt.  Der  neue  am  7.  Mai  1229  auf  20  Jahre  geschlossene  Ver- 
trag veränderte  den  alten  nur  wenig.  *)  Gegenseitig  versprach  man  sich, 
die  im  Frieden  von  1211  zugunsten  der  Pisaner  gemachte  Ausnahme  nach 
Ablauf  der  mit  ihnen  bestehenden  Verträge  oder  im  Falle  eines  Friedens- 
bruchs in  Wegfall  zu  bringen,  sie  als  Feinde  zu  behandeln  und  ohne  Ein- 
willigung der  anderen  Partei  keinen  Frieden  mit  ihnen  zu  schließen.  Zu 
den  von  den  Handelsfahrten  auf  hoher  See  Auszuschließenden  sollten  fortan 
auch  die  Gaetaner  gehören.  Mit  Marseillern,  die  das  derzeitige  Regiment 
in  Marseille  nicht  anerkannten  (also  zum  Kaiser  hielten),  soUten  weder  die 
Genuesen  noch  die  andern  Marseiller  in  welcher  Form  auch  immer  See- 
handel treiben  dürfen.  Bezüglich  der  seit  1211  zwischen  Genuesen  und 
Marseillern  vorgekommenen  Fälle  von  Seeraub  wurden  die  Geschädigten 
auf  den  ordenthchen  Rechtsweg  bei  dem  Forum  der  Beklagten  verwiesen; 
doch  mußten  sie  sich,  auch  wenn  sie  obsiegten,  mit  der  Herausgabe  von 
Vs  des  gerichtlich  anerkannten  Schadens  durch  den  oder  die  Übeltäter  be- 
gnügen, ö) 

So  sehr  dieser  Vertrag  auf  einen  Abbruch  der  Beziehungen  zu  Pisa 
hinzielt,  so  ist  es  doch  dazu  nicht  gekommen ;  vielmehr  brachte  nach  einigen 
Jahren  der  Abgesandte  Pisas,  Sigerio  Gaetani,  am  18.  Dezember  1233  die 
Erneuerung  des  Vertrages  von  1209  auf  29  Jahre  zustande  ^),  so  daß  es  bei 
der  engen  kommerziellen  Verbindung  der  beiden  Seestädte  verblieb. 

473.  Auch  als  die  Vorgänge  von  1241  zum  Wiederausbruch  des 
Kriegs  zwischen  Pisa  und  Genua  führten,  als  Savona  von  Genua  ab- 
fiel und  der  Stützpunkt  der  kaiserlichen  Flotte  wurde,  blieb  Marseille 
neutral;  mitten  unter  den  Kriegsstürmen  und  den  Gefahren,  mit  denen 


')  exceptis  his  de  quibus  tenemur. 

*)  Ergibt  sich  aus  dem  Vertrage  von  1229;  Lib.  Jur.  I  p.  856. 
3)  Ann.  genov.  H,  166  f.,  189  f.     Oben  §  225. 
♦)  Lib.  Jur.  I  no.  675. 

*)  Vermutlich  hatte  teilweise  Befriedigung  schon    auf  dem  Wege  der  Repre- 
salien  stattgefunden. 

8)  Konsulat  d.  M.  p.  40. 


602  Vierzigstes  Kapitel. 

sie  den  friedlichen  Kaufmann  bedrohten,  nahm  der  Handel  Marseilles 
mit  den  beiden  feindlichen  Seemächten  seinen  Fortgang;  und  Mar- 
seille verstand  es  sehr  wohl,  aus  seiner  günstigen  Lage  als  unbetei- 
ligter Dritter  Vorteil  zu  ziehen. 

Als  der  kaiserhche  Admiral  im  Jahre  1242  bei  Hyeres  mehrere  genue- 
sische Schiffe  gekapert  hatte,  führte  er  sie  nach  Marseille,  wo  man  ihn 
gern  aufnahm  i) ;  seine  Beute  verkaufte  er  hier  zum  Teil,  ließ  seine  Galeeren 
allerlei  Waren  einnehmen  und  kehrte  dann  mit  ihnen  nach  Savona  zurück. 
In  ihrer  damahgen  Bedrängnis  mußten  die  Genuesen  das  geschehen  lassen. 
Noch  mehr  verdroß  es  sie,  als  das  Schiff  der  Familie  Cigala,  das  ein  savo- 
nesisches  gekapert  hatte,  im  Hafen  von  Marseille  zur  Freigabe  desselben 
genötigt  wurde;  schwerlich  hat  die  Gesandtschaft,  die  sie  1246  deswegen 
nach  Marseille  sandten,  etwas  ausgerichtet.  2)  Aber  auch  den  Marseillern 
mußte  es  recht  verdrießlich  sein,  als  der  Admiral  Andriolo  de  Mari  im  Jahre 
1247  bei  Arenzano  zwei  Marseiller  Galeeren  auf  ihrem  Wege  nach  Genua 
abfing,  die  für  Genuesen  und  Placentiner  französische  Tuche  geladen  hatten.  3) 

In  dem  Notularium  des  Amalric  begegnen  wir  einer  ganzen  Anzahl 
von  Küstenfahrern,  die  1248  zwischen  Genua  und  Marseille  verkehrten *) ; 
ich  erwähne  nur  die  Galeere  Bonaventura  des  Marseiller  Bürgers  Bernard 
von  Tarasconß),  die  Rohprodukte,  Häute,  Wollvliesse  und  Wolle  6),  von  der 
ein  Posten  von  9 1/3  Ztr.  mit  seinem  Wert  von  32 1/2  1.  misc.  angegeben  wird, 
geladen  hatte,  und  die  Barke  von  18  Riemen  des  Marseillers  Falco,  die  von 
den  Leuten  von  Albenga  gekapert  wurde.')  Mehrfach  sehen  wir  die  Fahrt 
auch  nur  nach  Orten  der  genuesischen  Riviera,  besonders  nach  Varazze, 
gehen;  das  mit  solchen  Fahrten  damals  verbundene  besondere  Risiko  eines 
feindlichen  Überfalls  wird  öfter  von  den  Mietern  solcher  Küstenfahrzeuge 
übernommen.  8)  Gegen  die  Savonesen  hatte  Marseille  damals  zwei  Wechslern, 
Gausbertus  de  Podio  Bressano  und  Johannes  de  UImo,  Represalien  bewil- 
hgt;  es  ist  interessant,  daß  diese  am  19.  Juni  1248  einem  Savonesen,  Jo- 
hannes Banosus,  für  alle  ihm  selbst  oder  Fremden  gehörigen  Waren  sicheres 
Geleit  bis  Michaeh  des  nächsten  Jahres  zusagten,  unter  der  Bedingung,  daß 
er  ihnen  eine  Abgabe  von  ^/eVo  vom  Werte  seiner  Waren  entrichtete.^) 
Von  Genuesen,   die   damals  in  Marseille  Handel  trieben,  seien  erwähnt  Jo- 


^)  »contra  juramentum  et  pactum«,  sagt  der  genuesische  Annalist;  SS.  XVIII^ 
p.  208. 

2)  Ebd.  p.  218,  220. 

*)  Ebd.  p.  222 :  »honerate  torsellis  pannorum  Francie  hominum  Janue  et 
Placentie.« 

♦)  Amalric  no.  256,  495  ff.,  508. 

*)  Ihm  selbst  gehörte  nur  Vs ;  ^U  ^iid  Vs  hatte  er  von  den  anderen  5  Schiffs' 
partnern  in  Commenda  genommen ;  no.  358. 

^)  Ebd.  471,  533,  540 ;  wenn  in  505  von  lana  Bar die  Kede   ist,   so  ist 

das  jedenfalls  in  Barbarie  zu  ergänzen.  Umgekehrt  ergibt  sich  aus  dem  etwa  um 
1236  in  Genua  aufgezeichneten  Liber  Pedagiorum,  daß  auch  die  Provengalen  Rinds- 
häute aus  Genua  exportierten.     Sieveking  I  p.  6  u.  p.  X. 

')  Amalric  no.  842. 

8)  No.  656,  922  (dazu  Zeitschr.  f.  Soz.  u.  Wirtschgesch.  11,  162).  Eine  dieser 
Barken  hat  714  »guanegua«  ferri  des  Marseillers  Raim.  Teuleria  geladen,  der  auf 
diese  Ladung  ein  Seedarlehn  von  78^4  1-  Jan.  aufnimmt;  no.  917.  In  no.  263  be- 
gegnet das  lignum  des  Petr.  Piola  von  Varazze,  in  745  die  Galeere  des  Rabuzgas- 
sius  von  Arenzano ;  beide  fahren  nach  Genua. 

»)  No.  906. 


11 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  603 

hanninus  von  Chiavari,  der  dem  W.  Cogorda  von  Montpellier  damals  in 
Marseille  250  Körbe  (sportas)  Pech  im  Werte  von  250  1.  misc.  zur  Verwer- 
tung in  Marseille  selbst  oder  auf  einer  beliebigen  Handelsreise  anvertraute  i), 
und  die  Leute  von  Varazze,  die  im  Mai  1248  zwei  Busen  für  800  und 
600  1.  Jan.  an  Marseiller  Geschäftsleute  verkauften.  2) 

474.  Aus  dem  Hinterlande  Genuas  waren  es  die  Placentiner,  die 
Marseille  ganz  besonders  häufig  aufsuchten.^) 

Im  Marseiller  Geschäft  selbst  sehen  wir  Oberto  Bagarotto  und  Gio- 
vanni Negrobono  am  18.  März  1248  Tuche  für  ca.  215  1.  misc,  ihre  Lands- 
leute Rufino  de  Stravilhano  und  Pietro  Sperono  am  19.  Juni  zwei  Lasten 
Pfeffer  für  80  1.  tur.,  Mitte  August  zahlbar,  an  einen  draperius  und  einen 
campsor  von  Marseille  verkaufen.  Auch  im  Geldgeschäft  am  Ort  selbst  be- 
gegnen sie  uns  mehrfach.^)  Andererseits  sehen  wir  diese  Placentiner  auch 
als  Geldgeber  im  Handel  Marseilles  mit  Genua  tätig;  Oberto  Bagarotto  hat 
zweimal  (das  einemal  mit  Pietro  Sperono  zusammen)  genuesischen  Schiffern 
Seedarlehn,  mit  200  und  50  1.  jan.  rückzahlbar,  gegeben  0);  beidemal  ist  den 
Gläubigern  ein  TeU  der  Getreideladung  (600  und  300  eminae  grani)  als 
Spezialpfand  bestellt;  und  einem  Nolesen  hat  Rainerio  ViUani  von  Piacenza 
gegen  Valuta  von  130  1.  misc.  am  2.  Juni  einen  Wechsel  über  100  1.  jan. 
ausgestellt,  dessen  Betrag  8  Tage  nach  Sicht  bei  den  Sozii  Rainers  in  Genua 
zu  erheben  war.  6) 

Auch  Piemontesen  sind  wir  im  Verkehr  zwischen  Marseille  und  der 
Champagne  schon  begegnet;  im  April  1248  sehen  wir  Albertinus  de  Pecina 
von  Asti  und  Johannes  Canis  von  Turin  in  Marseille  Geldgeschäfte  mitein- 
ander machen.') 

475,  Intensiver  noch  als  zwischen  Genua  und  Marseille  hatte 
sich  in  dieser  Zeit  der  Schiffsverkehr  zwischen  Pisa  und  Marseille 
gestaltet,  wenn  wir  nach  dem  Notularium  Amalrics  von  1248  urteilen 
dürfen. 

Außer  jenen  drei  Marseiller  Galeeren,  die  zuerst  nach  Arles  fuhren, 
um  dort  Ladung  für  Pisa  einzunehmen  (Mietpreis  für  jede  150  1.  misc), 
kennen  wir  fünf  weitere  Galeeren,  die  im  Frühjahr  1248  von  Marseille  nach 
Pisa  gingen,  von  denen  drei  verschiedenen  Mitgliedern  der  Familie  Merueis 
gehörten  8);  dieselbe  Reise  traten  im  Sommer  ferner  zwei  Fahrzeuge  (ligna) 
von  Hyeres  (der  S.  Vincentius  mit  110  Mann  Besatzung)  und  das  Schiff  des 
Rossi  Tortosa  an.^)  Einigen  Aufschluß  erhalten  wir  aus  ein  paar  Com- 
mendaverträgen  auch  über  die  Waren,  die  von  Marseillern  nach  Pisa  expor- 
tiert wurden;  es  befinden  sich  darunter  nordfranzösische  Tuche  (5  Stück 
Tuche  von  Chalons  mit  1  Barracan  im  Wert  von  74  V4  und  12  Stück  Stam- 


')  No.  931. 

«)  No.  750,  752,  753.    Guil.  de  Pessagno  in  Marseille,  oben  §  166. 

*)  Ihr  reger  Verkehr  von  hier  aus  mit  der  Champagne  oben  §  371,  mit  Ge- 
nua §  473. 

*)  Ebd.  910,  956,  959,  976.  Dazu  Studien  z.  Gesch.  des  Cambium  in  Conrads 
Jahrb.  65  (1895)  p.  185. 

»)  No.  263,  508. 

8)  No.  841.    Bibl.  de  Vtc.  des  Chartes  1878  p.  125  no.  8. 

^)  Oben  §  268  f.     Amalric  no.  456,  459. 

8)  No.  360;  437,  172. 

»)  No.  734,  979,  877. 


604  Vierzigstes  Kapitel. 

fords  mit  2  Barracans  im  Wert  von  153  1.  misc.)i),  Nüsse  (285  Pfd.  nucium 
eissartarum  im  Wert  von  ca.  52  1.  misc.)  und  Kämme  von  Buehsbaum  (pec- 
tines  de  buxide);  ein  Frachtvertrag  bezieht  sich  auf  einen  Transport  von 
66  Mühlsteinen,  20  Ztr.  Zinn,  1  Ballen  Wolldecken,  2  Pack  Lanzen  und  31  ^U 
Tausend  Buchsbaumstäbchen  (astellarum  de  buxide).^)  Mit  dem  infolge  des 
Kreuzzuges  König  Ludwigs  wesentlich  gesteigerten  Schiffsbedarf  hängt  es 
jedenfalls  zusammen,  wenn  in  mehreren  Fällen  Marseiller  Geschäftsleute 
zum  Ankauf  von  Schiffen  nach  Pisa  gehen  3);  im  Auftrage  einer  Marseiller 
Reedereigesellschaft  hat  Johann  von  Accon  damals  sogar  Anteile  von  vier 
verschiedenen  Schiffen  in  Pisa  angekauft,  2/4  der  navis  S.  Crux,  1/2  der  navis 
S.  Blasius,  ^/s  der  navis  S.  Paulus  und  dazu  noch  i/ig  des  Schiffs,  das  dem 
Admiral  der  Pisaner  gehört  hatte  und  durch  Kauf  in  den  Besitz  des  Mar- 
seillers  Petrus  Ebrardi  übergegangen  war.  ■*)  Auch  ein  Schiff  von  Sarzana, 
die  tarida  »Coronata«  des  Mercadante,  ist  damals  von  einem  Marseiller  an- 
gekauft worden,  ö)  Bei  diesem  regen  Verkehr  der  Marseiller  mit  Pisa  er- 
scheint es  merkwürdig,  daß  wir  nicht  auch  gleichzeitig  Pisaner  in  größerer 
Zahl  in  Marseille  nachweisen  können ;  zum  Teil  mag  der  Grund  hierfür  ein- 
fach daran  liegen,  daß  sie  nicht  zur  Kundschaft  des  Notars  Amalric  ge 
hörten;  die  bei  ihm  vorkommenden  »Pisani«  gehören  größtenteils  Familie; 
dieses  Namens  an  oder  waren  Marseiller  Bürger,  ß) 

476.  Sehr  häufig  dagegen  begegnen  wir  den  binnenländischen  Toskaner: 
in  Marseille,  am  meisten  den  Sienesen,  von  deren  regem  Durchsgangshandel 
nach  den  Champagner  Messen  schon  die  Rede  gewesen  ist.  Drei  von  jenen 
Marseiller  Galeeren  sind  von  den  Sienesen  Rainerio  Rolandi,  Dietaviva  AI:» 
berti  (dem  Sozius  des  Guidalotto  Guidi,  den  wir  auch  bei  der  Miete  zweier  Ga- 
leeren für  die  Fahrt  Arles — Pisa  beteiligt  gefunden  haben)  und  Salvano  SaL 
vani  gechartert  worden;  zum  Dienste  dieser  3  Galeeren  mieteten  sie  am 
3.  April  von  dem  Marseiller  R.  Ricardi  noch  eine  Barke  mit  einer  Besatzung 
von  11  Matrosen  für  15  1.  misc.  hinzu. '^)  Jedenfalls  hat  auch  bei  diesen 
Transporten  der  Tuchexport  die  Hauptrolle  gespielt.  In  Marseille  selbst 
sehen  wir  die  Gesellschaft  des  Rain.  Rolandi  143  Pfd.  Safran,  der  jedenfalls 
von  Toskana  importiert  war,  am  3.  April  für  100  1.  tur.  (Ziel  zu  Johanni) 
verkaufen,  ein  anderer  Sienese,  Ricobaldus  Alamanni,  verkauft  am  19.  Juni 
14  Ztr.  Schiffsgarn  (fili  de  sarcia)  für  26  1.  misc.  ^) ;  öfter  auch  sehen  wir  die 
Sienesen  an  Geldgeschäften  in  Marseille  beteiligt.^)  Der  Gesellschaft  des 
Gui  dal  Otto  Guidi  bediente  sich  auch  jene  Reedereigesellschaft  zum  Ankauf 
ihrer  Schiffsanteile ;  bei  Boninsegna  de  Piloso,  dem  Vertreter  der  sienesi- 
schen  Gesellschaft  in  Pisa,  nahm  Johann  von  Accon  in  Pisa  2500  1.  pis 
als  Seedarlehn   auf,   wofür  bei  behaltener  Ankunft  der  Schiffe  in  MarseiUi 


1 

I 


»)  No.  740,  775. 

»)  No.  440,  734,  978. 

*)  No.  407  (Commenda  von  400  1.  misc,  die  für  die  Eückreise  in  nave  vel  in 
navibus  vel  in  buxiis  anzulegen),  no.  774. 

*)  No.  939   (1.  Juli:    Zahlungsversprechen  der   Reedereigesellschaft   in  bezug 
auf  den  schon  erfolgten  Ankauf);  s.  auch  933  und  934. 

")  No.  831. 

8)  Z.  B.  no.  772.     Dazu  das  Register  p.  588 ;  unten  §  477. 

^)  Oben  §  475.  Studien  z.  Gesch.  d.  Cambium,  1.  c.  p.  167  f.   Amalric  no.  360, 

8)  No.  362,  904. 

»)  No.  344,  345,  396,  600,  874,  925,  1103.    S.  auch  Studien  z.  Gesch.  d.  Camb 
1.  c.  185. 


II 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  605 

an  die  dortigen  Vertreter  der  Gesellschaft  1250  1.  tur.  zu  erstatten  waren  i); 
man  sieht,  es  handelt  sich  hier  durchaus  um  Geschäfte  großen  Stils.  Auch 
mit  Genua  standen  diese  Sienesen  von  Marseille  aus  in  Handels  verbin  düng ; 
jene  32  Pack  WoUvliesse,  die  auf  der  Bonaventura  nach  Genua  gingen, 
waren  Eigentum  des  Rainerio  Rolandi  und  eines  Marseiller  Campsors,  und 
mit  Guidalotto  Guidi  traf  der  Florentiner  Bonapresa  am  12.  Juni  in  Mar- 
seille eine  Abmachung,  wonach  Mitte  August  an  ihn  selbst  oder  seinen  Ver- 
wandten Cheruelinus  Bonapresae  in  Genua  160  1.  jan.  zahlbar  waren ;  gleich- 
zeitig hatte  er  das  Viertel  des  Schififs  Bonaventura,  das  Cheruelinus  gehörte, 
an  den  Marseiller  W.  Giraudus  für  140  1.  jan.  verkauft.^) 

Und  wie  in  diesem  Falle,  so  begegnen  wir  auch  sonst  Florentinern  in 
Marseille  in  derselben  Weise  wie  den  Sienesen,  wenn  auch  nicht  so  häufig 
wie  diesen.  So  hat  Jacopo  Riccomanni  (uns  schon  vom  Verkehr  mit  den 
Messen  bekannt)  3)  einmal  auch  der  Gesellschaft  des  Guidalotto  Guidi  einen 
Wechsel  über  238  1.  pis.  auf  Pisa  ausgestellt,  und  eine  aus  den  beiden  Flo- 
rentinern Bernardo  Galigai  und  Berengario  Raimberti  und  dem  Neapolitaner 
Benvenuto  Nicole  bestehende  Gesellschaft  hat  am  15.  Juli  drei  Marseiller 
Käufleuten  100  Rindshäute  und  400  Stück  Schaffelle  (becunas)  für  137 1/2  1. 
misc.  verkauft  und  ihnen  zugleich  ein  Darlehn  von  276  1.  misc.  gewährt,  das 
Mitte  August  mit  240  1.  tur.  zusammen  mit  der  Erlegung  des  Kaufpreises 
zu  erstatten  war.  4) 

477.  Auch  die  übrigen  Toskaner  verkehrten  häufig  in  Marseille.  Ob 
allerdings  Napolinus  Luquesius,  der  am  10.  April  zwei  Commendae  nach 
Pisa  vergibt ö),  noch  als  Lucchese  anzusprechen  ist,  steht  dahin;  Benvenutus 
de  Luca,  den  wir  mit  Sardinien  in  Handelsverbindung  finden,  war  unzweifel- 
haft in  Marseille  naturalisiert.  Seinem  Sohne  Bartolomäus  hat  am  11.  Juni 
1248  ein  Lucchese,  Rolandus  Vendemia,  der  nach  Mallorka  weiter  wollte, 
eine  aus  Waffen,  gekochter  Seide  (seta  cocta)  und  Goldfäden  von  Lucca 
bestehende  Commenda  im  Werte  von  23^/2  1.  jan.  anvertraut,  mit  der  er 
auf  dem  See-  oder  Landwege  von  Marseille  nach  Montpellier  gehen  sollte.^) 

Im  Durchgangsverkehr  nach  der  Champagne  haben  wir  ferner  auch 
Kaufleute  aus  kleineren  Orten  Toskanas,  wie  Pistoja,  Arezzo  und  Prato, 
schon  kennen  gelernt ');  andere  Fälle  zeigen  sie  uns  in  Marseille  im  Geld- 
verkehr mit  ihrer  toskanischen  Heimat.  So  läßt  der  pelliparius  Filiponus, 
Sohn  des  Johannes  von  S.  Sisto,  seine  Schuld  an  Baudinus  von  Volterra, 
die  er  binnen  14  Tagen  nach  Ankunft  des  Gläubigers  in  Pisa  mit  5  1.  pis. 
tilgen  sollte,  im  Einverständnis  mit  diesem  am  12.  April  auf  den  Namen  des 
Bonacorsus  Presbiter  von  Calci  umschreiben;  unter  den  Zeugen  befindet 
sich  ein  Pisaner  Goncelinus  und  Aldebrandus  von  Lucca.  ^)  Einen  anderen 
Kaufmann  von  Volterra,  Uguiccione  Bonaccorsi,  sehen  wir  in  Marseille  am 
22.  Mai  bei  der  sienesischen  Gesellschaft  des  Guidalotto  Guidi  288  1.  reg. 
cor.  und  am  folgenden  Tage  bei  Riguetus  Gaietani  und  Palmerius  Paganelli 


*)  No.  939.     Ein  Vermerk  zeigt,  daß  die  Bezahlung  erfolgt  ist. 
»)  No.  533,  873,  875. 
»)  Oben  §  287. 
♦)  No.  325,  975. 
»)  No.  439,  444. 

«)  Oben  §419.    Amalric  no.  871. 
^  Oben  §  288. 

*)  No.  475,  476,     Da  Calci  bei  Pisa  liegt  und  S.  Sisto  eine  Hauptkirche  Pisa» 
war,  wird  es  wahrscheinlich,  daß  Filiponus  Pisaner  war. 


i 


606  Vierzigstes  Kapitel. 

67  1.  reg.  einzahlen,  wofür  ihm  Wechsel  über  414  und  100 1/2  1.  pis.,  in 
Pisa  oder  Volterra  3  Tage  nach  Sicht  fällig,  ausgestellt  werden ;  am  selben 
Tage  hat  bei  den  zuletzt  Genannten  auch  Africanto  Aldebrandini  20  1.  reg. 
eingezahlt,  wofür  diese  bis  Mitte  Juni  an  ihn,  seinen  Vater  oder  seinen 
Bruder  Rainald  30  1.  pis.  in  San  Gimignano  zu  zahlen  sich   verpflichten.i) 

Auch  römische  Kaufleute  fehlen  nicht  ganz. 

Am  16.  Juli  begleicht  Petrus  Garnaudus  von  Nizza  seine  Schulden 
gegenüber  den  Römern  Nicolaus  Aldobrandini,  Laczo  Boneguinte  und  Gas- 
sanhus  Rustichelli;  in  einer  Urkunde  vom  folgenden  Tage  wird  er  selbst 
als  Römer  und  Padrone  eines  Fahrzeugs  (tarida)  bezeichnet.  2)  Umgekehrt 
verkehrten  auch  Marseiller  Galeeren  und  Kaufleute  in  Rom.  3) 

Endlich  begegnen  wir  einigemal  auch  Venezianern  in  Marseille 

Von  diesen  ist  Jacobus  Venecianus  ersichtlich  Marseiller  Bürger  ge- 
worden ;  zweifelhaft  ist  es  bei  Guido  Venecianus  und  Leonardus  de  Venecia, 
die  in  Amalrics  Akten  als  Zeugen  begegnen. *)  In  Handelsgeschäften  finden 
wir  allerdings  nur  einen  Venezianer  tätig,  Marino  Polo,  also  einen  Ange-M 
hörigen  des  bekannten  Geschlechts  der  Poli.  Am  16.  März  verspricht  er™ 
den  Marseiller  Bürgern  W.  Arnulfus  und  Raimundus  Berlus,  sie  und  ihre 
Habe  auf  ihrer  bevorstehenden  Reise  nach  Neapel  und  weiter  nach  Apulien 
und  Venedig  zu  beschützen  und  ihnen  als  zum  Schiffskauf  bevollmächtigter 
Kommissionär  zu  dienen ;  dafür  bezog  er  freie  Station  auf  der  ganzen  Reise 
und  bei  der  Rückkehr  nach  Marseille  ein  Honorar  von  25  1.  misc,  das  sich 
auf  75  erhöhte,  falls  er  beim  Schiffsankauf  einen  Eid  zu  leisten  hatte,  s) 
Sicher  stehen  auch  diese  Bemühungen,  Schiffe  für  Marseille  anzukaufen,  mit 
dem  damals  unmittelbar  bevorstehenden  Kreuzzuge  in  Zusammenhang 

478.  Im  Verkehr  mit  den  kleineren  Häfen  der  Provence 
können  wir  in  unserer  Periode  von  Italienern  fast  nur  die  Genuesen 
nachweisen. 

Von  Pisa  wissen  wir  nur,  daß  es  während  seines  Krieges  mit  Genua 
am  27.  Juli  1208  mit  Fos  einen  Friedens-  und  Freundschaftsvertrag  auf 
21  Jahre  einging  und  daß  die  Nizzarden  während  ihres  Abfalls  von  Genua 
mit  Pisa  in  Verbindung  traten  6);  auch  wissen  wir,  daß  provengalisches  See- 
salz über  die  Westalpen  bis  nach  Piemont  ging;  Graf  Raimund -Berengar 
von  Provence  hat  im  Februar  1226  den  Kartäusern  von  Susa  gestattet), 
alljährlich  einmal  Salz  aus  seinem  Gebiete  auf  12  Lasttieren  völlig  abgaben- 
frei auszuführen. 

Genua  hat  am  7.  August  1199  mit  den  Herren  von  Fos  und  Hyeres 
während  des  Krieges  mit  Pisa  einen  Vertrag  geschlossen,  nachdem  ihm  die 

^)  No.  763 — 765.  Die  Gaetani  und  Paganelli  waren  bekannte  pisanische  Familien. 

«)  No.  979,  980,  990  (nur  Regesten). 

3)  Oben  §  469. 

*)  No.  165,  1002;  877,  670,  671. 

*)  Si  navem  vel  naves  emero,  de  qua  vel  quibus  contingerit  me   facere 
cramentum    ex   necessitate    tempore    empcionis  (no.  12).     Die  Natur   dieses 
Eides  bleibt  unklar;   handelt  es  sich  um  einen  von  der  Behörde   beim  SchifEskauf 
verlangten  oder  einen  bei  der  ausgehenden  Bodmerei  zu  leistenden  Eid  ?   Jedenfalls 
berührt  der  Preis  für  einen  solchen  Eid  höchst  sonderbar. 

^)  Vertrag  mit  den  Markgrafen  und  den  vier  Konsuln  des  castrum  Fossi  in 
Bonainis  Raccolta,  Ms.  im  Staatsarchiv  zu  Pisa.     Ann.  genov.  11,  132  f. 

'')  Saverio  di  Collegno:  Notizie  d'alc.  certose  del  Piemonte,  in:  Misc.  ital.  32 
(1895),  p.  215. 


I 


II 


Handelsbeziehungen  zwischen  Italienern  und  Südfranzosen  etc.  607 

Zerstörimg  eines  Kastells  auf  den  hyerischen  Inseln  gelungen  war^);  mehr 
Aussicht  auf  Dauer  hatten  die  Verträge,  die  es  im  Jahre  des  Friedens  mit 
Marseille  mit  den  Bevollmächtigten  'für  Hyeres,  Toulon  und  Fos  abschloß.^) 
Die  auf  beiden  Seiten  bisher  bewilligten  Represalien  wurden  kassiert;  die 
fernere  Ausübung  von  Represalien  sollte  nur  im  Falle  der  Rechtsverweige- 
rung zulässig  sein.  Genua  versprach,  die  in  dem  Gebiet  der  genannten  Orte 
abzuhaltenden  Jahrmärkte  zu  fördern  und  ihre  Termine  auf  amtliche  An- 
zeige den  Interessenten  rechtzeitig  bekannt  zu  geben.  Ausfuhrverbote  im 
gegenseitigen  Verkehr  durften  von  selten  der  drei  Orte  nur  für  Weizen  und 
Gerste,  von  selten  Genuas  für  Lebensmittel  überhaupt  sowie  für  Holz,  Hanf 
und  Tauwerk  erlassen  werden ;  doch  sollte  der  Ankauf  von  Holz  und  Tauen 
für  den  eigenen  Bedarf  den  Bewohnern  der  drei  Orte  immer  gestattet  sein. 
Besonders  genau  wurde  der  Salzhandel  von  Hyeres  und  Toulon  nach  Genua 
geregelt;  die  gesamte  Salzproduktion  dieser  Orte  durfte  nur  an  die  Verwal- 
tung des  genuesischen  Salzmonopols  verkauft  worden.  Für  alles  nach  Genua 
importierte  Salz  zahlte  sie  18  den.  jan.  für  die  mina;  Entladung  und  Ab- 
messung des  Salzes  unterlagen  genauen  Vorschriften.  Kaufte  die  Verwal- 
tung in  Hyeres  selbst,  so  zahlte  sie  9  d.  für  die  oUa,  wenn  das  Salz  am 
Meere  lagerte,  8  d.  bei  größerer  Entfernung.  Genua  versprach,  seine  mina 
nicht  zu  vergrößern,  Hyeres,  seine  oUa  nicht  zu  verkleinern;  gegenseitig 
tauschte  man  geeichte  Normalmaße  aus.  Hatten  die  Salzverkäufer  in  Genua 
ihren  Vierzigsten  (quarantenum  salis)  entrichtet,  so  durfte  von  ihnen  für 
die  Waren,  die  sie  aus  dem  Erlöse  ihres  Salzes  erstanden,  keine  höhere  Ab- 
gabe erhoben  werden  als  von  den  Genuesen  selbst.  Ihre  Segel  und  sonstigen 
Pfandstücke  sollten  den  Salzschiffern  unverzüglich  und  ohne  Kosten  durch 
die  riparii  zurückgegeben  werden,  sobald  die  genuesische  Behörde  nach  ihrer 
Abfertigung  Anweisung  dazu  erteilte.  Wollte  Genua  einmal  auf  sein  Vor- 
recht des  alleinigen  Salzankaufs  verzichten,  so  hatte  es  rechtzeitig  davon 
amtliche  Mitteilung  zu  machen. 

Dreißig  Jahre  später  sehen  wir  das  Salz  dieser  Orte  in  dem  großen 
Kriege  zwischen  Genua  und  dem  Kaiser  eine  Rolle  spielen.  Als  der  Podestä, 
von  Genua  1242  gegen  die  feindliche  Flotte  zog  und  Albenga  ihm  die  Tore 
schloß,  nahm  er  neben  einigen  anderen  Fahrzeugen  im  Hafen  auch  ein  Salz- 
schiff von  Hyeres  fort;  dann  folgte  er  dem  Feinde  bis  Hyeres  selbst  und 
ließ,  da  dieser  entkommen  war,  in  jede  seiner  Galeeren  200  Minen  Salz 
laden  und  kehrte  so  nach  Genua  zurück.  Aber  noch  im  Spätherbst  wandte 
sich  Admiral  Ansaldo  de  Mari  wieder  nach  der  Provence,  um  Salz  nach 
Savona  zu  schaffen;  als  die  Leute  von  Hyeres  sich  weigerten,  für  ihn  Salz 
zu  laden,  wandte  er  sich  zu  gleichem  Zwecke  mit  besserem  Erfolge  nach 
Toulon.  3)  Nicht  minder  kam  auch  der  Lebensmittelhandel  Genuas  mit  der 
Provence  bei  diesen  Kämpfen  in  Frage.  So  rüsteten  die  Genuesen  im  Früh- 
jahr 1244,  als  eine  große  Karawane  von  Fahrzeugen  mit  Getreide  und  son- 
stigen Lebensmitteln  von  der  Provence  nach  Genua  unterwegs  war*),  auf 
die  Kunde,  daß  Andriolus  mit  10  armierten  Galeeren  und  7  mit  Getreide 
beladenen  taridae  nach  Savona  gekommen  sei,  sofort  eine  Flotte  von  25  Ga- 

»)  Ann.  genov.  II,  77  u.  XLI. 

»)  Lib.  Jur.  I  no.  673,  674 ;  am  24.  April  1211  auf  20  Jahre  geschlossen.  Ra- 
tifikation durch  die  Herren  von  Hyeres  am  8.  Mai,  no.  676. 

»)  Ann.  Jan.,  SS.  XVin,  206  f. 

*)  Ebd.  213 :  cum  magna  caravana  lignorum  esset  in  partibus  Provincie  cum 
blava  et  victualibus  Januam  Ventura. 


608     Vierzigstes  Kapitel.    Handelsbeziehungen  der  Italiener  und  Südfranzosen  etc. 


leeren  aus,  der  es  auch  gelang,  die  Karawane  glücklich  von  Monaco  bi& 
Genua  zu  geleiten;  und  1247  war  eine  ähnliche  Maßregel  erf orderhch. i)  Bei 
diesem  Lebensmittelhandel  kamen  sicher  auch  die  Häfen  der  östlichen  Pro- 
vence wesentlich  mit  in  Betracht.  Seinen  Vertrag  mit  Frejus  hatte  Genua 
im  Jahre  1204  erneuert^);  von  den  Messen  des  Orts  aber  hören  wir  in  der 
Folge  nichts  mehr;  sicher  hat  der  Krieg  und  vor  allen  Dingen  der  immer 
zunehmende  direkte  Besuch  der  Champagner  Messen  durch  die  Italiener 
ihre  weitere  Entwickelung  gehindert.  Immerhin  wissen  wir,  daß  die  Aste- 
sanen  noch  1251  die  Messen  der  Provence  auf  dem  Wege  über  Genua  auf- 
zusuchen pflegten;  dabei  war  ihnen  die  Ausfuhr  von  Tuchen  oder  Leinwand 
aus  Genua  nach  der  Provence  untersagt.^)  Seinen  Vertrag  mit  Grasse  ver- 
längerte Genua  im  Jahre  1198  auf  29  Jahre,  und  das  gleiche  geschah  noch 
1250,  wo  der  SeneschaU  Karls  von  Anjou  und  die  Gemeinde  Gesandte  zu 
diesem  Zweck  nach  Genua  schickten  4);  auch  mit  Savona  hat  Grasse  1198 
einen  Handelsvertrag  geschlossen.  5) 

479.  Nizza  stand  während  dieser  Periode  zeitweise  vollständig  unter 
der  Oberhoheit  Genuas,  so  daß  es  namentlich  in  kommerziellen  Dingen  ganz 
von  dessen  Willen  abhängig  war;  auch  sein  Podestä  mußte  ein  Genuese 
sein.  Während  des  Krieges  mit  Marseille  aber  fiel  Nizza  im  Jahre  1210  von 
Genua  ab,  erkannte  die  Hoheit  des  Grafen  Sancho  von  Provence  an  6)  und 
machte  den  Genuesen  in  den  nächsten  Jahren  viel  zu  schaffen.'^)  Erst  im 
November  1215  ergab  es  sich  dem  Konsul  Oberto  Spinola;  es  verpflichtete 
sich  zum  Eintritt  in  die  genuesische  Compagna,  zur  Heeresfolge  und  zur 
Leistung  der  collecta  maris;  das  Schloß  von  Nizza,  das  eine  aragonesische 
Besatzung  gehabt,  wurde  gänzlich  zerstört.  8)  Im  Jahre  1225  erwarb  sich 
der  genuesische  Podestä  von  Nizza,  Guilelmus  Embriacus,  besondere  Ver- 
dienste um  den  Hafen  der  Stadt;  er  bestimmte,  daß  jede  Salzbüse,  die 
100  ollae  salis  oder  mehr  transportierte,  1/4  den.  pro  olla  zum  Besten  des 
Molobaues  zu  zahlen  hätte;  der  gleiche  Maßstab  sollte  auch  bei  Schiffen, 
die  Getreide  und  andere  Waren  führten,  angelegt  werden,  während  kleinere 
Schiffe  im  Verhältnis  weniger  herangezogen  wurden.  9) 

Im  Jahre  1229  indessen  ging  Nizza  den  Genuesen  doch  verloren;  der 
Graf  von  Provence  bemächtigte  sich  im  November  der  Stadt,  und  die  An- 
strengungen Genuas,  Nizza  wiederzugewinnen,  blieben  erfolglos.  Noch  im 
selben  Jahre  gewährte  Raimund-Berengar  den  Nizzarden  ein  Privileg,  das  sie 
in  seinem  ganzen  Gebiet  in  bezug  auf  Zollabgaben  den  Leuten  von  Grasse 
gleichstellte;  Karl  von  Anjou  hat  das  Privileg  im  Jahre  1246  bestätigt. *o) 

Genua  fand  sich  in  seinen  Verlust ;  in  dem  Vertrage,  den  Genua  nach 
seiner  schweren  Niederlage  gegen  die  kaiserliche  und  pisanische  Flotte  bei 
Giglio  3.  Mai  1241  mit  dem  Grafen  Raimund-Berengar  schloß,  verzichtete 
es  endgültig  auf  Nizza,   während  der  Graf  versprach,    die   Besitzungen,   die 


Ebd.  222. 

Lib.  Jur.  I  no.  469. 

Ebd.  no.  812. 

Ebd.  no.  415  (=  Papon  U,  preuves  no.  31)  u.  787. 

Bruno  p.  118. 

Er  bestätigte  die  Statuten  u.  Priv.  Nizzas;  Leg.  Municip.  I  p.  83. 

Ann.  genov.  II,  118,  122,  132  f. 

Ebd.  137  f. 

Leg.  Municip.  1,  72  f.  capit.  de  Modulo 

Ann.  Jan.,  SS.  XVin,  174.     Lib.  Jur.      no.  680.     Leges  Municip.  I,  85. 


Einundviemgstes  Kapitel.  Handelsverkehi-  d.  südfranzös.  Plätze  untereinander.     609 

dem  Jordanus  Richerii  (der  zum  Genuesen  geworden  war)  in  Nizza  und 
Gebiet  gehört  hatten,  anzukaufen  i) ;  am  18.  Dezember  teilte  der  Graf  den 
Genuesen  mit,  daß  er  seinen  baiulus  in  Nizza,  Romeus  de  Villanova,  an- 
gewiesen habe,  ihren  von  dem  Gesandten  Homobonus  vorgebrachten  Wün- 
schen möglichst  zu  willfahren. 2)  Bei  der  Erzählung  von  seinem  Tode  be- 
zeichnen die  offiziellen  Annalen  den  Grafen  als  Freund  Genuas. 


Einundvierzigstes  Kapitel. 

Handelsverkehr  der  siidfranzösischen  Plätze  unter- 
eloander  seit  dem  dritten  Kreiizzuge. 

480.  Auch  untereinander  sehen  wir  nunmehr  die  südfranzösischen 
Handelsplätze  in  vielfachem  Verkehr  und  nicht  selten  regeln  und 
festigen  sie  jetzt  ihre  Beziehungen  durch  besondere  Handelsverträge. 

Die  diplomatische  Mission,  die  Narbonne  im  Jahre  1224  aussandte, 
begab  sich  zunächst  nach  Hyeres^),  ohne  indessen  hier  einen  Abschluß  zu 
erreichen;  dagegen  brachte  sie  am  14.  August  mit  Nizza  einen  Friedens- 
und Freundschaftsvertrag  zustande"*)  —  die  Schutzmacht  Genua  hatte  da- 
gegen um  so  weniger  einzuwenden,  als  diese  Verträge  offenbar  hauptsächlich 
den  Weg  der  Narbonnesen  nach  Genua  zu  sichern  bestimmt  waren.  Am 
Anfang  des  folgenden  Jahres  wurde  einer  der  beiden  Gesandten,  Bernardus 
de  Leone,  nochmals  nach  Hj^eres  geschickt,  mit  dem  nunmehr  ein  Friedens- 
vertrag auf  29  Jahre,  in  dem  man  die  bisher  vorgefallenen  Schädigungen 
sich  gegenseitig  vergab,  geschlossen  wurde  s);  auf  der  gleichen  Grundlage 
schloß  er  auch  mit  Toulon  ab,  mit  dem  schon  1220  ein  gleicher  Vertrag 
vereinbart  war,  der  aber  wirkungslos  geblieben  war.<>)  Beide  Verträge  spre- 
chen den  Grundsatz  aus,  daß  man  sich  bei  Forderungen  nur  an  die  Person 
des  Schuldners  zu  halten  habe ;  Toulon  versprach  außerdem,  gegen  die  Nar- 
bonnesen kein  Handelsverbot  zu  erlassen,  das  nicht  zugleich  die  Bewohner 
von  Toulon  selbst  träfe.  Mit  Marseille  scheint  ein  besonderer  Vertrag  nicht 
bestanden  zu  haben;  doch  liegen  für  den  Handelsverkehr  zwischen  Mar- 
seillem  und  Narbonnesen  in  dem  Marseiller  Urkundenmaterial  mehrfach 
Belege  vor.'^)  Mit  seinem  südüchen  Nachbar,  Arnold,  dem  Herrn  von  Salces, 
schloß  Narbonne  am  31.  August  1230  einen  die  Messe  von  Tinieres  (nun- 
dinae  de  Taisneriis)  betreffenden  Vertrag,  in  dem  die  Narbonnesen  diese 
Messe  nach  Möglichkeit  zu  fördern  versprachen,  während  Arnold  an  den  im 

')  Tjb.  Jnr.  I  no.  761.  Jordanus  Rieh,  war  1201  Stadtkonsul  von  Genua  ge- 
wesen. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  762.     Über  Romeus  s.  ann.  Jan.  p.  197. 

»)  Oben  §  460.     Blanc  p.  294  f. 

*)  Ebd.  292  ff.     Port  104. 

»)  Blanc  p.  294—301  (16.  Febr.  1225 ;  Ratifikation  in  Narbonne  2.  Oktober). 

«)  Ebd.  301—306  (20.  Febr.  1225). 

'')  Abgesehen  von  dem  Durchgangsverkehr  nach  anderen  Handelsgebieten: 
Amalric  no.  350,  794;  am  13.  Juli  1248  verkauft  Job.  de  Turre  von  Narb.  seine  sa- 
razenische Sklavin  Fatima  in  Mars,  für  7  1.  misc,  no.  972 ;  am  17.  Juli  Arnaudus 
Gacba  von  Narbonne  zwei  saraz.  Sklavinnen  für  8  1.  misc,  no.  984/85 ;  am  22.  Apr. 
Giraudus  de  Beguns  von  Narb.  eine  Barke  für  14  1.  melg. ;  no.  570. 

Schaube,  Handelsf^escbicbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  39 


610  Einundvierzigstes  Kapitel. 

Vertrage  festgesetzten,  gegen  früher  z.  T.  ermäßigten  Abgaben  streng  fest- 
zuhalten versprach.  Sie  betrugen  beim  Eintreffen  auf  der  Messe  für  die 
volle  Pferde-  oder  Maultierlast  2,  für  die  Esellast  1  sol.  melg. ;  beim  Ver- 
lassen der  Messe  waren  diese  Sätze  um  1/4  niedriger,  während  unverkauft 
gebliebene  Waren  zollfrei  ausgeführt  werden  durften.  Die  von  den  Kauf- 
leuten für  die  Benutzung  eines  Verkaufsraums  in  der  Halle  oder  deren  Vor- 
raum zu  zahlende  Abgabe  wurde  von  5  sol.  melg.  auf  4  herabgesetzt  und 
sollte  auch  dann  nicht  erhöht  werden  dürfen,  wenn  der  Herr  von  Salces 
eine  neue  gut  gedeckte  Halle  einrichten  ließ.i) 

481.  Nach  dem  Muster  von  Narbonne  hat  auch  Montpellier  wenig 
später  seine  Beziehungen  zu  den  Seeplätzen  der  Provence  durch  Verträge 
geregelt;  als  seine  Gesandten  vom  Abschluß  des  Vertrages  mit  Pisa  heim- 
kehrten, schlössen  sie  in  den  Tagen  vom  19.  bis  24.  September  1225  der 
Reihe  nach  Verträge  mit  Nizza,  den  Herren  von  Antibes,  Hyeres  und  Tou- 
lon  2) ;  überall  lehnte  dabei  Montpellier  jede  Verantwortung  für  andere  Unter- 
tanen des  Königs  von  Aragon,  die  nicht  unter  seiner  eigenen  Jurisdiktion 
standen,  ab.  Mit  Nizza  war  das  Verhältnis  am  engsten ;  gegenseitig  gestand 
man  _^ich  hier,  wie  es  bisher  schon  üblich  gewesen,  die  gleichen  Freiheiten 
wie  den  eigenen  Bürgern  zu;  von  Jahr  zu  Jahr  sollte  das  von  neuem  be| 
schworen  werden.  Am  Anfang  des  folgenden  Jahres  kam  auch  ein  Vertrag 
mit  den  Herren  der  Feste  Frontignan  (auf  dem  Wege  nach  Agde,  bei  Cette) 
hinzu  3),  in  dem  diese  sich  verpflichteten,  Frieden  zu  halten  mit  Montpellier 
und  allen,  mit  denen  dieses  im  Vertragsverhältnis  stand;  offenbar  war  die^ 
Sicherung  der  Küstenschiffahrt  auf  der  Strecke,  die  Montpellier  als  sein« 
Machtsphäre  betrachtete"^),  der  Hauptzweck  dieses  Vertrages. 

Es   bestand   damals  eine  natürliche  Schiffahrtsverbindung,    die    vor 
;ßtang  de  Mauguio  nach  dem  westlichsten  Mündungsarm  der  Rhone  führte 
und  somit  Montpellier  mit  Saint-Gilles  und  weiterhin  mit  Arles  imter  Ver- 
meidung  des    offenen  Meeres    durch   eine  innere  Schiffahrtstraße   verband. 
Daß  sie  häufig  benutzt  wurde,   zeigt  ein  Zolltarif  von  Saint-Güles,   der  die 
zu  Wasser  von  Montpellier  kommenden  Waren  mehrfach  erwähnt;  natürhch 
war   dieser  Weg  nur  für  kleine  Fahrzeuge  brauchbar,  ß)     Im  Jahre   1237 
schickte  Montpellier  zwei  seiner  Konsuln  nach  Arles,  das  im  selben  Jahre 
schon  einen  Vertrag  mit  Genua  geschlossen  hatte;   am  18.  November  kam 
ein   Freundschafts-  und  Handelsvertrag  auf  10  Jahre  zustande,  ß)    Die  Are- 
latenser  sagten  denen  von  Montpellier  und  ihren  Waren  volle  Sicherheit  zu 
auf  dem  Hauptmündungsarm  der  Rhone  vom  Meere  bis  Arles  und  auf  dem 
von  Arles  nach  Saint-GiUes  führenden  Rhonearme  bis  zur  Grenze  von  Saint-^ 
Gilles;    sie  sollten  in  Arles  volle   Handelsfreiheit   haben   und  nur  an   dieil 
gleichen  Handelsverbote    wie   die  Bürger  von   Arles  selbst  gebunden  sein." 
Waren,  die  sie  vor  Erlaß  eines  solchen  Verbots  in  Arles  gekauft  oder  nach 


lg" 

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üe 
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1)  Blanc  p.  306  f. 

^)  Germain,  commune  11,  446  ff.  App.  no.  26 — 29. 

')  Ebd.  p.  456  no.  30. 

♦)  König  Jayme  hat  die  Stadt  gegen  eine  Rekognitionsgebühr  von  jährlich 
1  morab.  mit  dem  ganzen  Küstenstreifen  (einschließlich  der  Strandseen)  von  Cette 
bis  Aigues-mortes  belehnt;  Germain,  C9mmerce,  pifeces  justif.  no.  12  p.  196;  coml 
mune  11,  20. 

6)  Bondurand  p.  286  f.  (rub.  36,  41,  49,  50);  dazu  p.  271.  ] 

•)  Germain,  commune  11,  462  f.  no.  32.  Die  von  Montpellier  ausgestellte  Gegen- 
urkunde ist  nicht  erhalten. 


I 


Handelt; verkehr  der  südfranzösischen  Plätze  untereinander.  611 

Vlies  importiert  hätten,  sollten  sie  mit  Ausnahme  von  Getreide  unbehindert 
ausführen  dürfen.  Abgaben  sollten  von  ihnen  nur  in  gleicher  Höhe  wie 
von  den  Arelatensern  erhoben  werden;  jede  Minderung  derselben  kam  ihnen 
ebenfalls  zugute,  während  eine  Erhöhung  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Salz- 
steuer (cisa  salis)  sie  nicht  mit  treffen  sollte.  Sollte  Montpellier  mit  dem 
Grafen  von  Provence  in  Krieg  geraten,  so  war  seinen  Bürgern  zur  Fort- 
schaffung ihrer  Habe  aus  Arles  und  Gebiet  eine  Frist  von  50  Tagen  zu  ge- 
währen. 

482.  In  besonders  regem  Handelsverkehr  stand  Montpellier  mit  Mar- 
seille, dessen  Schiffe,  wie  wir  wissen,  seine  Kaufleute  zu  ihren  Handels- 
fahrten sehr  oft  benutzten.  Aus  diesem  Mangel  eigener  großer  Seeschiffe 
erklärt  sich  auch  die  Montpellier  eigentümliche  Institution  der  consuls  sur 
mer,  die  die  auf  einem  fremden  Schiff  fahrenden  Landsleute  unter  einer 
heimischen  Autorität  zusammenhielt. i)  Erhalten  ist  uns  der  Vertrag,  den 
die  Gesandten  von  Montpellier,  Guilelmus  Lambertus  und  Petrus  de  Fisco, 
am  6.  Dezember  1229  in  Marseille  abschlössen,  in  dem  man  sich  zusicherte, 
gegenseitig  für  Rechtsschutz  und  Sicherheit  von  Personen  und  Waren  zu 
sorgen,  bei  Delikten  oder  Schulden  sich  nur  an  die  betreffende  Person  zu 
halten  und  die  beiderseits  herkömmhchen  Abgaben  nicht  zu  erhöhen.  Ins- 
besondere versprachen  beide  Teile,  für  die  Sicherheit  aller  Untertanen  von 
Marseille  oder  Montpellier  einzutreten,  die  auf  Kauffahrteischiffen  oder  son- 
stigen Fahrzeugen  von  Marseille  oder  auf  Fahrzeugen  von  Montpellier  oder 
auch  anderen  Fahrzeugen  unterwegs  wären;  es  ist  nicht  zufällig,  daß  von 
Kauffahrteischiffen  (naves)  Montpelliers  hierbei  nicht  die  Rede  ist.  2)  Kamen 
Fahrzeuge  von  Montpellier  auf  der  Küstenfahrt  nach  Marseille,  so  waren 
nur  die  in  Marseille  gelöschten  oder  dort  verkauften  Waren  zollpflichtig. 
Der  Vertrag  ist  auf  5  Jahre  geschlossen  und  scheint  vorher  wie  nachhef 
immer  im  gleichen  Zwischenraum  erneuert  zu  sein;  als  1248  oder  Anfang 
1249  Streitigkeiten  unter  den  Kaufleuten  beider  Städte  in  Accon  ausbrachen, 
einigte  man  sich  doch  bald  wieder  auf  der  alten  Grundlage:  alle  zwischen 
Bürgern  der  beiden  Städte  eingegangenen  Kontrakte  sollten  in  Kraft  bleiben 
und  die  Marseiller  verpflichteten  sich  ausdrücklich,  für  den  Schutz  aller 
Untertanen  von  Montpellier  und  ihrer  Waren,  so  lange  sie  sich  auf  Mar- 
seiller Schiffen  oder  auf  Marseiller  Gebiet  befanden,  genau  ebenso  Sorge. zu 
tragen,  als  wenn  es  sich  um  Untertanen  von  Marseille  selber  handelte,  s) 

Bei  den  Hafenverhältnissen  Montpelliers  hatte  es  für  dieses  ein  ganz 
besonderes  Interesse,  als  in  seiner  Nachbarschaft,  hart  an  der  Grenze  seines 
Küstengebiets,  ein  auch  großen  Schiffen  zugänglicher  Seehafen  entstand,  der 
unter  Umständen  Montpellier  von  der  Abhängigkeit,  in  der  es  bezüghch  der 
Hochseeschiffahrt  von  anderen  Handelsplätzen,  erst  von  Genua  und  Pisa, 
dann  von  Marseille,  stand,  befreien  konnte.     So  ist  es  auch  natürlich,   daß 


*)  Bezüglich  der  Konsuln  des  Meeres  in  Montpellier  verweise  ich  auf  mein 
>Konsulat  d.  M.<  S.  235  ff.,  wo  ich  übersehen  habe,  daß  das  Amt  schon  1238  in 
einer  den  Seezoll  in  Lattes  betr.  Bulle  Gregors  IX.  (Germain,  commune  I,  App. 
no.  23  p.  374)  nachweisbar  ist:  Ex  parte  consulum  ville  ac  maris  Montispess.  fuit 
propositum  coram  nobis  etc. 

*)  Germain,  commune  11,  457  no.  31. 

*)  Ebd.  465  no.  33.  Auch  hier  ist  in  dem  Gegenversprechen  von  >  naves < 
von  Montj).  nicht  die  Rede.  Oben  §  146.  Im  Frühjahr  1248  gehen  die  Galeere 
des  Petrus  Bonifacii  und  die  Barke  des  Guil.  Bernardi  von  Marseille  nach  Montp. 
Amalric  no.  545,  650. 

89» 


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612  Einund vierzigstes  Kapitel. 

Montpellier  seinen  Einfluß  bei  König  Ludwig  geltend  machte,  damit  Aigues- 
mortes  nicht  zu  einer  Domäne  ausländischer  Kolonisten  wurde,  i)  Auch  an 
die  Regentin  Bianca  wandte  sich  Montpellier  während  der  Abwesenheit  des 
Königs  im  Orient  im  Sommer  1250  im  Interesse  seines  Handels  in  Aigues- 
mortes  und  fand  mit  seinen  Wünschen  und  Beschwerden  auch  eine  wohl- 
wollende Aufnahme.  2)  So  wollte  der  Herr  von  Lunel  an  einem  Wasserlauf 
in  der  Nähe  von  Aigues-mortes,  offenbar  veranlaßt  durch  den  Verkehr,  der 
sich  zwischen  Montpellier  und  Aigues-mortes  entwickelt  hatte,  jetzt  plötzlich 
einen  Zoll  erheben;  die  Regentin  sandte  dem  königlichen  Seneschall  von 
Beaucaire  und  Nimes  Ordre,  seine  Entscheidung  nur  nach  genauer  Unter- 
suchung und  in  Gegenwart  der  Bevollmächtigten  von  Montpellier  zu  treffen, 
inzwischen  aber  die  Erhebung  des  Zolls  nicht  zuzulassen;  er  sollte  ferner 
nicht  dulden,  daß  jemand  die  Seefahrer,  die  nach  Aigues-mortes  kamen, 
irgendwie  belästigte  oder  vergewaltigte ;  auch  sollte  er  keinen  Bewohner  von 
Montpellier  wegen  des  Delikts  oder  der  Schulden  eines  seiner  Mitbürger 
festnehmen  dürfen,  ehe  sich  nicht  eine  Anzeige  des  Falls  bei  den  Konsuln 
von  Montpellier  *  wirkungslos  erwiesen  hätte.  Wenn  wir  Montpellier  ii 
dieser  Zeit  zuerst  mit  eigenen  Seeschiffen  in  Syrien  auftreten  sehen  3),  s( 
hängt  das  wahrscheinlich  damit  zusammen,  daß  es  nunmehr  zur  Stationie- 
rung solcher  Schiffe  den  Hafen  von  Aigues-mortes  benutzen  konnte  —  dabei 
behielt  natürlich  zunächst  der  Verkehr  über  Marseille  durchaus  das  Über- 
gewicht. 

Aber  auch  Marseille  stand  schon  mit  dem  neuen  Seehafen,  bis  zu  dei 
es  übrigens  auch  die  Hoheit  über  die  Meeresküste  beanspruchte*),  in  Ver- 
kehr, wie  uns  das  Notularium  Amalrics  zeigt.  Aus  dem  Sommer  1248  kennen 
wir  ein  Seedarlehn,  das  für  die  Fahrt  der  Büse  S.  Franciscus  von  Marseille 
jQach  Aigues-mortes  auf  geladene  Fässer  gegeben  war^) ;  zur  selben  Zeit  hatten 
Marseiller  Seeleute  Anker  und  Steuerruder  in  Aigues-mortes  lagern*"');  undfll 
am  30.  März  1248  wurde  der  in  Accon  weilende  Kaufmann  Stephan  Boc- 
cados  von  Stephan  Gascheti  von  Puy  durch  Notariatsakt  von  Marseille  aus 
ermächtigt,  Außenstände,  die  aus  einer  seinerzeit  von  ihm  in  Montpellier 
gegebenen  Commenda  herrührten,  für  ihn  einzuziehen,  in  Waren  anzulegen,_j 
und  diese  für  ihn  nach  Marseille  oder  nach  Aigues-mortes  zu  senden.'^)      m\ 

483.  Zwischen  Marseille  und  den  übrigen  Seeplätzen  der  Provence 
kennen  wir  mehrere  Verträge;  so  mit  Nizza  vom  27.  August  1219,  wo  man 
sich  gegenseitig  Sicherheit  und  Vergessen  der  bisher  vorgefallenen  Schädi- 
gungen versprach,  während  private  Verpflichtungen  in  Kraft  bleiben  sollten  ^) ; 
ferner  mit  Hyeres  und  Fos,  bei  denen  indessen  die  Beilegung  territorialer 
Differenzen  die  Hauptrolle  spielte.  ^)    Amalrics  Notularium  zeigt  uns  Schiffe 

1)  Oben  §  465. 

*)  Germain,  commerce,  pieces  justif.  no.  20  p.  212  ff. 

3)  Oben  §  161. 

*)  Geht  aus  dem  Eventualvertrage  mit  Thomas   von  Savoyen   von  1226  her-| 
vor:  dabo  .  .  .  mare  et  ripam  maris  et  portus  et  insulas  a   portu  Aquarum    mortu- 
arum  usque  ad  portum  Oliveti  (bei  Tonion) ;  Möry  et  Guindon  I,  319. 

')  Amalric  no.  1013,  1019. 

«)  Ebd.  960,  961 :  ante  domum  Carretarii  et  uxoris  sue ;  falls  sie  inzwischei 
verkauft,  ist  der  Preis  einizuf ordern. 

')  Ebd.  251. 

•)  M6ry  et  Guindon  I,  271  ff.  (statt  societates,  condamnationes  etc.  ist 
zu  lesen  commendationes). 

«)  Ebd.  269,  285,  290  f.  (von  1219,  1221,  1223). 


Handelsverkehr  der  südfranzösischen  Plätze  untereinander.  613 

von  Hyeres  in  Marseille,  Marseiller  Schiffe  in  Toulon  und  Nizza  (in  portu 
Nicie  de  01ivo)i);  ein  Nizzarde  kauft  in  Marseille  ein  Pfeilschiff  (sagetia) 
für  122^/2  1-  misc. ;  eine  Marseiller  Barke,  mit  13  Mann  Besatzung,  2  Bal- 
listen  und  je  10  Lanzen  und  Schilden  ausgerüstet,  wird  am  6.  Juni  1248 
an  den  Marseiller  Bürger  Hugo  de  Quillano  vermietet,  um  zwei  dem  Könige 
von  Frankreich  gehörige  Steuerruder  (timones)  nebst  Personen  und  anderen 
Gegenständen  nach  Nizza  zu  transportieren;  es  wird  ihr  die  Verpflichtung 
auferlegt,  die  Fahrt  mit  zwei  anderen  genau  bezeichneten  Barken  gemeinsam 
zu  machen  (facere  conservagium).^)  Auch  für  den  Warenhandel  zwischen 
Marseille  und  Nizza  liegt  ein  Beispiel  vor.  W.  de  Sardinea  von  Nizza  hatte 
dem  Marseiller  Bertrandus  de  Casellis  einen  Posten  Taft  zum  Verkauf  in 
Marseille  anvertraut;  sein  Sohn  Petrus  quittiert  am  16.  Juni  in  Marseille 
über  den  ihm  durch  einen  Marseiller  Campsor  ausgezahlten  Erlös  von  27  1. 
misc.  2) 

484.  Wichtig  für  den  Handel  Marseilles  war  natürlich  auch  sein  Ver- 
kehr mit  den  Rhonestädten.  Im  April  1225  sehen  wir  es  mit  Avignon  ein 
enges  Bündnis  schließen  4),  also  kurze  Zeit  vor  der  schweren  Katastrophe, 
die  Ludwig  VIH.  im  Zusammenhange  mit  dem  Albigenserkriege  dieser  Stadt 
bereitete.  Dagegen  war  es  einige  Jahre  darauf  mit  Arles  verfeindet;  im 
Oktober  1228  schloß  dieses  sogar  mit  Raimund-Berengar  von  Provence  ein 
Bündnis  gegen  Marseille;  beide  verpflichteten  sich,  die  Handelssperre  über 
Marseille  zu  verhängen  und  ihm  namentlich  keinerlei  Lebensmittel  zuzu- 
führen.^) In  den  vierziger  Jahren  indessen  bestand  ein  Bund  zwischen  Mar- 
seille, Arles,  Avignon  und  Bertrand  von  Baux ;  in  dem  Eide,  den  der  Podestä 
von  Arles,  Albert  von  Lavagna,  am  5.  März  1247  bei  Antritt  seines  Amts 
leistete,  ist  auch  die  Verpflichtung  zur  Aufrechterhaltung  dieser  Societas 
enthalten.^) 

Auch  hier  erfahren  wir  aus  dem  Notularium  Amalrics  manches  lehr- 
reiche Detail.  Abgesehen  von  jenen  Marseiller  Galeeren,  die  nach  Arles 
gingen,  um  Ladung  für  italienische  Häfen  einzunehmen,  sehen  wir  auch  ein 
arelatisches  Fahrzeug  (das  lignum  Pastoretus  des  Raimundus  Baptizatus) 
mit  Getreide  nach  Marseille  fahren ;  Seenot  zwang  es,  einen  Teil  der  Ladung 
über  Bord  zu  werfen.'')  Sicher  bezieht  es  sich  auf  Handelsgeschäfte,  wenn 
ein  Bevollmächtigter  des  Petrus  Johannes  de  Tabulis  von  Arles  am  18.  Juli 
in  Marseille  den  Rückempfang  eines  seinerzeit  in  Arles  gegebenen  Darlehns 
mit  224  1.  raim.  bestätigt.  In  einem  dritten  Fall  wird  Lieferung  von  zwei 
Steuerrudern  aus  Eichenholz  in  genau  vorgeschriebenen  Maßen  für  70  1.  vien. 
nach  Marseille  oder  doch  nach  Arles  versprochen,  von  wo  sie  dann  so  bald 
als  möglich  nach  Marseille  zu  transportieren  waren.  8) 

')  Oben  §  475.     Amalric  no.  539,  f)84. 

«)  Ebd.  844,  858. 

»)  Ebd.  886. 

*)  Möry  et  Guindon  I,  307  (11.  April:  Vollmacht  für  die  Marseiller  BevoU- 
luächtigten);  p.  324  das  Versprechen  Avignons  vom  30.  April,  das  also  unmöglich 
1226  angesetzt  werden  kann;  auch  die  Indiktion  XIII  widerspricht  dem.  Nebenbei 
sei  bemerkt,  daß  Saint-Gilles  schon  im  Mai  1208  einen  Handelsvertrag  mit  Avignon 
abgeschlossen  hatte;  neben  Zusicherungen  allgemeiner  Art  enthält  er  das  Prinzip 
nur  den  Schuldner  selbst  haftbar  zu  machen.     Papon  II  pr.  no.  33  p.  XXXV. 

*)  Papon  n,  preuv.  no.  47  p.  LV. 

«)  Chart,  n  no.  1870. 

»)  Amalric  no.  370.     Oben  §  283. 

*)  Ebd.  996,  648. 


Be- 


614  Einundvierzigstes  Kapitel. 

In  dem  weiter  oberhalb  am  rechten  Rhöneufer  gelegenen  Beaucaire 
hatte  Marseille  vom  Grafen  Raimund  von  Toulouse  am  27.  August  1216. 
mehrere  Häuser  auf  dem  Marktplatz  geschenkt  erhalten  i),  ein  deutliches 
Zeichen  für  das  kommerzielle  Emporkommen  dieses  Orts;  das  Notularium 
Amalrics  zeigt  uns  einen  Kaufmann  von  Beaucaire,  Bermundus  Enguilberti, 
der  dem  Marseiller  Fulco  Fusterii  40  1.  paris.  und  60  1.  vian.  gegen  Ver- 
pfändung von  22  Broden  Seife  und  13 1/2  Dutzend  eichenen  Brettern  geliehen 
hatte;  er  wird  durch  zwei  andere  Marseiller,  an  die  das  Pfand  nunmehr 
übergeht,  befriedigt  und  verspricht  Zustellung  der  für  kraftlos  erklärten 
Schuldurkunde  sofort  nach  seiner  Ankunft  in  Beaucaire.  2) 

Einen  Kaufmann  aus  Avignon  lernen  wir  in  Johannes  Marinus  kennen, 
der  im  März  1248  in  Marseille  7  Sack  Hutwolle,  gute  und  marktgängige  Ware,  zu 
38  1.  misc.  die  Last  und  4  Sack  Baumwolle  (cotono  mapusio)  zu  20  1.  misc. 
die  Last  verkaufte  und  binnen  8  Tagen  zu  liefern  versprach.^)  Vor  seiner 
Abreise  aus  Marseille  übergab  er  48  Ztr.  Süßholz  dem  Marseiller  W.  de  Ca- 
deneto  zum  Verkauf,  der  dann  am  21.  Mai  vom  Erlöse  im  Einverständnis 
mit  Johannes  dessen  Schwager,  Giraudus  Ruffus  aus  ITsle  in  Venaissin,  64  1. 
misc.  in  Commenda  gab.*)  Im  April  1248  fuhr  von  Marseille  nach  Avignon 
die  Barke  des  Arelatensers  Imbert;  der  soquerius  Johannes  Benedictus  hat 
für  diese  Fahrt  32  1.  misc,  die  in  Safran,  ferner  in  blanqueto  und  in  scutel- 
lis  angelegt  waren,  in  Commenda  genommen,  während  dem  Johannes  Se- 
querius  für  die  gleiche  Handelsreise  91  Pfund  Indigo  von  Bagdad  im  Wert 
von  21^/4  1.  misc.  anvertraut  wurden,  ß) 

485.  Zuweilen  wurden  Waren  nur  für  die  Rhönefahrt  im  allgemeinen! 
ohne  bestimmtes  Reiseziel,  in  Commenda  gegeben,  Avie  es  im  Jahre  1235 
mit  einer  Ladung  Erbsen  im  Wert  von  11  1.  reg.  cor.,  die  Johannes  Espigua 
von  Tarascon  von  Bernardus  de  Mandolio  in  Marseille  übernahm  und  1248 
mit  3  Lasten  Schwefel  im  Wert  von  14  ^U  1-  misc,  die  Raimundus  PellipariusMj 
empfing,  der  Fall  war.^)  f  j 

Auch  sonst  begegnen  uns  Leute  aus  kleineren  Orten  der  Provence, 
wie  z.  B.  Aubagne,  Salon,  Manosque,  oder  aus  anderen  Gebieten  Südfrank- 
reichs, wie  von  Carcassonne  und  dem  benachbarten  Limoux*^),  von  Cahors, 
Figeac,  Limoges  in  den  reichhaltigen  Akten  Amalrics  häufig  genug  in  Mar- 
seille ;  und  wenn  es  sich  in  nicht  wenigen  dieser  Fälle  um  Fremde  handelt, 
die  in  Marseille  "ansässig  geworden,  so  ist  das  nur  ein  Beweis  mehr  für  die 
Anziehungskraft,  die  die  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  mächtig^ 

1)  M6ry   et  Guindon  IV  p.  333    (nur  Regest),   mit  Bestätigung  vom  19.  SeptÄ! 
1225.     Über  die  angeblich  1217   erfolgte  Gründung  der  Messe  von  B.  vgl.  Devic  et 
Vaissfete  VI  (1879),  503.     S.  auch  Huvelin  in:  Nouv,  Rev.   hist.   de   droit   franc,-,   et 
etranger  25  (1901),  527  über  neuere  Arbeiten  zur  Geschichte  dieser  Messe. 

*)  Amalric  no.  965. 

»)  Ebd.  30. 

*)  Ebd.  755.     Giraudus'   Bruder  Bernardus  hatte    am   31.  März    von  Joh. 
Darlehn  erhalten,  für  das  er  ihm  ein  operatorium  in  seiner  Heimat  l'Isle,  das  mit 
den  Häusern  seines  Bruders  daselbst  grenzte,  verpfändet  hatte ;  no.  313. 

*)  No.  473  u.  482.     Möglicherweise  handelt  es  sich  in   beiden  Verträgen    u 
dieselbe  Person. 

*)  Manduel  no.  71:  in  hoc  viagio  de  ripa  Rodanis;  Amalric  453:    in  proxim 
viagio  quod  facturus  sum  in  riperia  Rodani. 

">)  Bei  einem  Kauf  von  pectines  de  buxide  am  18.  Mai  in  Marseille  wird  Zah< 
lung  des  Kaufpreises  mit  6V2  1-  melg,  in  Limonx,  in  feste  S.  Johannis  proximi 
venturo,  ausbedungen.     Amalric  733. 


<,'•   et 


Handelsverkehr  der  südfranzosischen  Plätze  untereinander.  615 

emporgeblühte  Seestadt  auf  weite  Kreise  auch  des  Binnenlandes  ausübte. 
So  strömten  denn  auch  außer  den  nordfranzösischen  und  flandrischen  Tuchen 
die  Erzeugnisse  der  südfranzösischen  Textilindustrie  hier  zusammen:  der 
Marseiller  Tarif  führt  Tuche  von  Narbonne  i),  von  Cahors,  Limoges,  Gourdon 
und  Figeac,  von  Avignon  und  Beaucaire  auf  und  belegt  diese  und  alle  ähn- 
lichen Stoffe  mit  einer  von  den  Fremden  zu  zahlenden  Abgabe  von  4  d. 
vom  Stück  2),  während  z.  B.  die  Stamfords  von  Arras  6  d.  und  die  von  Saint- 
Omer  12  d.  zu  zahlen  hatten.  Da  bei  dem  großen  Umfange  des  Tuchhandels 
in  Marseille  nicht  selten  Täuschungen  vorkamen,  so  betraute  man  mit  der 
Oberaufsicht  über  den  Verkauf  und  die  Messung  der  Tuche  zwei  angesehene 
Männer,  die  selbst  weder  Tuchhändler  sein  noch  mit  solchen  in  einem  Ge- 
sellschaftsverhältnis stehen  noch  auch  gewerbsmäßig  fremde  Kaufleute  be- 
herbergen durften  .3)  Auch  Saint-Gilles  erscheint  als  ein  wichtiges  Zentrum 
des  Tuchhandels;  im  dortigen  Tarif  begegnen  außer  manchen  der  schon  ge- 
nannten auch  die  Tuche  von  Arles,  Nimes,  Uzes  und  Ganges  (Dep.  Herault) 
sowie  die  von  Beziers  und  Cabestany  (bei  Perpignan).*) 

^)  Ihre  geringe  Qualität  geht  besonders  aus  einem  Statut  der  Abtei  S.  Victor 
von  1218  hervor:  »aut  panno  s.  Poncii  (S.  Pons  bei  Nizza)  vel  Narbone  vel  alio 
aeque  vili«.     Port  58  A.  1,  56  A.  4. 

2)  M6ry  et  Guindon  I,  345  (de  leusdis  pannorum). 

")  Ebd.  n,  28.3:  non  draperii  nee  socii  draperiorum  nee  hospites  mercatorum 
extraneorum. 

')  Bondurand  p.  281  f. 


Abschnitt  vni: 

Ober-  und  Mittel-Italien. 


Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste. 

486.  Der  Schiffsverkehr  der  Genuesen  und  Pisaner  mit  Rom  ist 
uns  für  das  Jahr  1120  zuerst  bezeugt. 

Damals  kam  Caffaro  auf  einer  genuesischen  Galeere  als  Gesandter 
seiner  Heimatstadt  nach  Rom;  im  selben  Jahre  machte  Abt  Egino  von 
S.  Ulrich  und  Afra  die  Reise  von  Ostia  nach  Pisa  auf  einem  pisanischen 
Schiff;  sein  Gefährte  Udalschalk  mußte  wegen  der  Menge  der  Mitfahrenden 
ein  zweites,  gleichzeitig  abgehendes  Schiff  benutzen;  ein  Sturm  jagte  die 
Schiffe  auseinander  und  wütete  so  schrecküch,  ,daß  sie  erst  nach  i4  Tagen 
nach  Pisa  kamen,  wo  Egino  bald  darauf  (15.  Juli)  starb.i)  Als  Innocenz  II. 
1130  das  widerspenstige  Rom  verließ,  benutzte  er  zwei  pisanische  Galeeren 
zur  Fahrt  nach  Pisa;  trotz  des  geringen  Tiefgangs  dieser  Schiffe  gelang  es 
nicht  ohne  Schwierigkeiten,  die  Tibermündung  zu  überwinden.  Und  im 
Jahre  1133  unterstützten  Pisaner  und  Genuesen  den  Papst,  der  zwischen 
ihnen  soeben  Frieden  gestiftet,  gemeinsam  mit  ihren  Schiffen  bei  der  Unter- 
werfung des  Küstengebiets,  besonders  Civitavecchias.2)  Am  Ende  seines  Pon- 
tifikats  aber  erhob  sich  das  Volk  von  Rom^)  und  gab  sich  mit  der  Errich- 
tung des  Senats  eine  eigene  Organisation;  in  großer  Selbständigkeit  steht 
die  Stadt  seitdem  für  fast  ein  halbes  Jahrhundert  da,  so  daß  sie  in  der  Lage 
ist,  auch  als  selbständige  Handelsmacht  zu  paktieren.  Der  große  Einfluß 
der  Schiffahrt  und  Handel  treibenden  Elemente  im  damaligen  Rom  geht 
schon  daraus  hervor,  daß  sie  unter  besonderen  consules  mercatorum  et  ma- 
rinariorum  standen,  die  1165  zuerst  nachweisbar  sind  und  an  der  Vertretung 
der  Stadt  auch  nach  außen  hin  einen  sehr  wesentlichen  Anteil  haben.     Im 


0  SS.  XVni,  356 ;  XH,  446  f. 

^)  Bernhard!,  Lothar  317,  471.  Calisse  125.  Als  Gegenstück  sei  die  Fahrt 
des  dänischen  Kanzlers  Andreas  erwähnt,  der  von  Rom  im  Jahre  1195  unter  Be- 
nutzung eines  de  exercitu  Imperatoris  kommenden  pisanischen  Schiffes  Pisa  »die 
secunda«  erreichte.     Reo.  des  Hist.  des  Gaules  XIX,  316. 

')  Bernhard!,  Konrad  351. 


I 


Zweiundvierzigstes  Kapitel.     Interner  Seehandel   der  Tyrrhenisehen  Küste.     617 

Außenhandel  Roms  aber  spielten  Genuesen  und  Pisaner  die  wichtigste  Rolle ; 
der  Getreidereichtum  der  Marittima  war  es  besonders,  der  sie  anzog;  und 
sicher  hat  auch  das  Salz  in  diesem  Handel  eine  Rolle  gespielt.  In  Genua 
erhob  der  cintracus  von  jedem  Fahrzeug,  das  »de  Maritima  et  de  Romania« 
(was  hier  also  das  Gebiet  von  Rom  bezeichnen  muß)  kam,  eine  mina  grani ; 
jeder  Küstenfahrer,  der  die  Strecke  von  Pisa  bis  Rom  aufsuchte,  hatte  eine 
Abgabe  von  1  den.  pro  Person  als  coUatio  portus  zu  entrichten.^) 

Die  pisanische  Seezinstabelle  hat  für  Civitavecchia  einen  Satz  von  10, 
für  Rom  einen  solchen  von  12 1/2%;  auch  wissen  Avir,  daß  die  pisanischen 
fabri  bis  nach  Rom  hin  ihrem  Gewerbe  nachgingen.^)  Pisa  war  es  auch, 
das  Anfang  1151  durch  seine  Gesandten  Bernardus  Marago  (den  Annalisten) 
und  Rainerius  de  Perlascio  auf  20  Jahre  einen  Vertrag  mit  den  Römern 
und  Trasteverinern  schloß  ;  von  seinem  Inhalte  ist  indessen  nichts  Näheres 
bekannt;  und  ebensowenig  kennen  wir  die  Umstände,  die  den  Sohn  des 
Ptolomeus  von  Tusculanum,  Jonathan,  1160  veranlaßten,  den  Pisanern  den 
Treueid  zu  schwören  und  sich  zu  ihrem  Vexillifer  ernennen  zu  lassen.^)  In 
dem  großen  pisanisch  -  genuesischen  Kriege  aber  wandten  sich  die  Römer 
unmittelbar  nach  dem  schweren  Verluste,  der  die  pisanische  Flotte  im  Spät- 
herbst 1165  traf,  den  Genuesen  zu. 

487.  Als  Gesandte  Roms  schlössen  Cencius  Obicionis  und  Gerardus 
Alexii  mit  Genua  am  22.  November  1165  einen  Vertrag  auf  29  Jahre,  der 
im  April  1166  zu  Rom  im  Beisein  einer  genuesischen  Gesandtschaft  end- 
gültig fixiert  und  ratifiziert  wurde*);  der  Senat  und  die  Konsuln  der  Kauf- 
leute  und  Seeleute,  zu  denen  Cencius,  der  zugleich  päpstlicher  Kanzler 
(scriniarius)  war,  selbst  gehörte,  waren  es,  die  dabei  Stadt  und  Volk  von 
Rom  als  oberste  Autorität  vertraten.  Für  vorgekommene  Seeräubereien  ver- 
stand sich  Genua  zu  einer  Entschädigung:  Alle  Genuesen,  die  von  Genua 
aus  auf  der  Küstenfahrt  nach  dem  zwischen  Corneto  und  Astura  gelegenen 
Gebiete  von  Rom  oder  dem  Gebiet  des  Prinzipats  (seil,  von  Capua)  fuhren, 
hatten  von  ihrem  im  Handel  angelegten  Kapital  eine  Abgabe  (collectam) 
von  i/eo  zu  entrichten,  die  von  den  genuesischen  Kämmerern  und  einem 
von  den  geschädigten  Römern  zu  bestellenden  Kommissar  so  lange  erhoben 
werden  sollte,  bis  ein  Kapital  von  900  1.  jan.  erreicht  war.  Davon  waren 
200  für  geschädigte  Genuesen  bestimmt,  abgesehen  von  100  1.,  die  Oliverius 
de  Mari  außerdem  aus  der  genuesischen  Staatskasse  erhielt;  700  sollten  die 
geschädigten  Römer  erhalten,  wozu  auch  hier  eine  weitere  Summe  von 
100  1.  trat,  die  bis  Johanni  von  den  Bevollmächtigten  der  Senatoren  und 
Konsuln  Roms  bei  der  genuesischen  Staatskasse  erhoben  werden  konnte. 
Damit  sollten  alle  gegenseitig  vorgekommenen  Schädigungen  für  beghchen 
erachtet  und  alle  sonst  etwa  aus  diesem  Grunde  in  beiden  Gebieten  er- 
hobeneji  Abgaben  beseitigt  werden.  Im  Zusammenhange  damit  versprach 
Rom  auch  die  Beseitigung  von  Auflagen  auf  die  Genuesen,  die  seit  30  Jahren 
zur  Einführung  gelangt  wären. 


')  Lib.  Jur.  I  no.  75  (Aufzeichnung  von  1142),  no.  55  (durch  die  Konsuln  zu 
1138  bestimmt).  Das  Notularium  des  Johannes  enthält  zwei  Verträge  mit  der  Ma- 
rittima und  einen  mit  Rom  als  Reiseziel.     Chart.  11  no.  829,  1152;  380. 

«)  Bonaini  II,  905 ;  HI,  891  f. 

«)  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  242  u.  245. 

^)  Die  vier  auf  den  V^ertrag  bezüglichen  Dokumente  jetzt  bei  Giorgi  p.  402 
bis  418 ;  bisher  war  nur  das  vierte  derselben,  die  Ratifikation  durch  (Ue  Konsuln 
der  Kaufleute  und  Seeleute  von  Rom  bekannt  (Chart.  11  no.  1517  p.  997  ff.) 


618  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

In  bezug  auf  die  Ein-  und  Ausfuhr  von  Waren  sollte  beiderseits  keine 
Beschränkung  bestehen ;  doch  durften  die  Römer  in  Genua  nur  an  Genuesen 
verkaufen,  während  die  Genuesen  in  Rom,  wie  herkömmlich,  mit  jedermann 
Handel  treiben  durften.  Auch  machten  die  Genuesen  den  Vorbehalt,  daß 
diese  Zulassung  der  Einfuhr  aller  Waren  nach  Genua  nur  während  des 
Kriegszustandes  mit  Pisa  und  Sizilien  und  3  Jahre  nachher  in  Kraft  bliebe; 
dagegen  setzten  sie  für  die  Dauer  des  Vertrages  die  Abgabe  des  Vierzigsten 
von  importiertem  Getreide  (quadrantenum  grani)  außer  Hebung. 

Weitere  Bestimmungen  betreffen  das  Verhältnis  zu  Pisa,  mit  dem  Rom 
formell  zunächst  noch  die  Neutralität  aufrechterhielt,  während  es  in  Wahr- 
heit den  Kriegsfall  schon  in  sichere  Aussicht  nahm.  Als  Friedensbruch 
sollte  es  z.  B.  nicht  gelten,  wenn  die  Genuesen  während  ihres  Krieges  die 
Römer  an  der  Zufuhr  von  Lebensmitteln  nach  Pisa  hinderten.  Sollten  da- 
gegen die  Pisaner  fortfahren,  wie  sie  es  bisher  getan,  durch  Abnahme  von 
Eiden  oder  auf  andere  Weise  die  Römer  oder  ihre  in  den  Vertrag  mit 
Genua  eingeschlossenen  Schutzverwandten  zu  zwingen,  nicht  nach  Genua, 
sondern  nach  Pisa  zu  gehen,  so  verpflichteten  sich  die  Römer,  sobald  es 
wieder  gegenüber  mehr  als  zwei  römischen  Fahrzeugen  vorkäme,  die  Pisaner 
als  Feinde  zu  behandeln  und  sie  nicht  eher  wieder  in  ihrem  Gebiet  auf- 
zunehmen, bis  sie  Gewähr  für  die  Unterlassung  solcher  Maßnahmen  geleistet. 
Die  Genuesen  behielten  sich  endlich  vor,  falls  die  Römer  absichtlich  unter 
Meidung  des  genuesischen  Marktes  den  pisanischen  aufsuchen  sollten,  nach 
zwei-  oder  dreimahger  deshalb  an  Senatoren  und  Konsuln  von  Rom  ge- 
richteter Verwarnung,  sich  solchen  Schiffen  gegenüber  an  das  den  Römern 
gegebene  Schutz-  und  Sicherheitsversprechen  nicht  mehr  gebunden  zu  er- 
achten. 

Ihre  Pflichten  gegen  Papst  und  Kaiser  behielten  die  Römer  vor ;  doch 
gelobten  sie,  gegen  Personen  und  Waren  der  Genuesen  auch  auf  deren  Be- 
fehl nicht  eher  gewaltsam  vorzugehen,  bis  sie  sie  gewarnt  und  ihnen  Ge- 
legenheit gegeben  hätten  sich  in  Sicherheit  zu  bringen.  Die  Römer  ver- 
sprachen endlich,  die  zeitigen  Statthalter  (vicecomites  et  bailivos)^)  in  den 
Küstenplätzen  Terracina,  Astura,  Ostia,  Porto,  San  Severa  und  Civitavecchia 
zur  Leistung  eines  Friedenseides  gegenüber  den  Genuesen  zu  bestimmen; 
sollten  sie  sich  dessen  weigern,  so  würden  sie  die  Genuesen  davon  in  Kennt- 
nis setzen  und  im  Falle  einer  Schädigung  von  Genuesen  durch  einen  der 
Genannten  im  Interesse  derselben  genau  so  vorgehen,  wie  sie  es  für  einen 
Mitbürger  tun  würden.  Ein  analoges  Versprechen  gaben  die  Genuesen  be- 
züglich der  Konsuln  von  Porto  Maurizio,  Diano,  San  Remo  und  Ventimiglia 
ab;  als  ihr  Staatsgebiet  im  engeren  Sinne,  für  das  sie  die  unbedingte  Ver- 
antwortlichkeit übernahmen,  bezeichneten  sie  in  diesem  Vertrage  nur  die 
Strecke  von  Porto  Venere  bis  Noli. 

488.  Die  Pisaner  zögerten  nicht,  aus  der  Haltung  der  Römer  die  Kon- 
sequenzen zu  ziehen;  schon  im  Juli  1166  unternahmen  fünf  pisanische  Ga- 
leeren einen  Kaperzug  an  der  römischen  Küste  bis  Astura  hin,  der  eine 
Menge  römischer  Fahrzeuge  mit  reicher  Ladung  in  ihre  Gewalt  brachte,  und 
noch  im  September  desselben  Jahres  erneuerten  sie,  nachdem  sie  Civitavecchia 
eingenommen,   diesen  Zug,   den  sie  diesmal   bis  Terracina  ausdehnten,   mit 


I 

II 


*)  Rodocanacchi  E. :  Les  Corporation s  ouvrieros  ä  Rome  depuis  la  chute  de 
l'empire  romain  I  (Paris  1894)  p.  XIII  sagt:  >les  mettant  (die  genues.  Kaufleute) 
Hous  la  protection  des  repräsentants  do  la  Hanse  qui  rösidaient  dans  les 
ports,  a  Terracinc«   usw. 


II 


Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste.  619 

dem  gleichen  Erfolge.  Und  wenn  sich  die  Pisaner  im  folgenden  Jahre  bei 
dem  Zuge  des  Kaisers  gegen  Rom  ganz  besonders  beflissen  zeigten,  ihn  mit 
ihren  Galeeren  zu  unterstützen,  so  hatte  das  z.  T.  in  der  besonderen  Rech- 
nung seinen  Grund,  die  sie  mit  den  Römern  auszugleichen  hatten.  Als  dann 
der  Kaiser  Rom  belagerte,  schickten  sie  von  der  großen  Flotte,  die  sie  für 
die  beabsichtigte  Expedition  nach  Sizilien  gerüstet  hatten,  8  Galeeren  zu 
Hilfe,  die  unter  Verwüstung  der  Ortschaften  und  Kirchen  in  den  Tiber  ein- 
liefen ;  eine  derselben  drang  sogar  in  Rom  selbst  ein,  kurz  bevor  Senat  und 
Volk  nach  der  Flucht  Alexanders  III.  sich  dem  Kaiser  zu  fügen  beschlossen.!) 
Bekanntlich  folgte  unmittelbar  auf  den  Triumph  des  Kaisers  die  durch  den 
Ausbruch  der  Pest  in  seinem  Lager  verursachte  Katastrophe ;  vor  seinem 
Abzüge  aber  sicherte  sich  der  Kaiser  die  Treue  der  Römer  durch  ein  Pri- 
vileg, das  ihnen  viele  Vorteile  gewährte,  insbesondere  sie  in  seinem  ganzen 
Reiche  von  der  Entrichtung  sämtlicher  Handels-  und  Verkehrsabgaben  be- 
freite.2)  Die  seitdem  zum  Kaiser  haltende  Stadt  mag  dadurch  auch  zu  den 
Pisanern  in  ein  besseres  Verhältnis  gekommen  sein ;  doch  kam  es  erst  gegen 
Ende  des  Krieges  zum  förmlichen  Frieden,  der  von  den  pisanischen  Ge- 
sandten am  10.  Januar  1174  mit  den  6  Konsuln  der  Kaufleute  und  Seeleute 
Roms  abgeschlossen  wurde;  im  August  erschienen  dann  römische  Gesandte 
in  Pisa,  um  auch  den  Friedenseid  der  Pisaner  entgegenzunehmen.'^)  Der 
Vertrag  stipulierte  gegenseitigen  Schutz  der  Untertanen,  auch  im  Falle  des 
Schiffbruchs,  und  regelte  das  Verfahren,  wenn  dem  Vertrage  zuwider  doch 
eine  Schädigung  der  Bürger  des  einen  durch  Bürger  des  anderen  Staates 
stattgefunden  hätte.  Sollte  der  Schuldige  nicht  selbst  zum  vollen  Schaden- 
ersatz gezwungen  werden  können,  aus  welchem  Grunde  auch  immer,  so  war 
zunächst,  wenn  der  Geschädigte  ein  Pisaner  war,  die  Höhe  des  Schadens  in 
Pisa  festzustellen  und  diese  Summe  dann  durch  Erhebung  einer  Abgabe  von 
sechs  vollwichtigen  altpisanischen  Denaren  (affortiati)  von  jedem  Römer,  der 
nach  Pisa  kam,  allmählich  aufzubringen ;  analog  wurde  verfahren,  wenn  der 
Geschädigte  ein  Römer  war.  Handelsstreitigkeiten,  die  zwischen  Römern 
und  Pisanern  in  Pisa  oder  Rom  entstanden,  sollten  von  den  consules  mer- 
catorum  des  betreffenden  Ortes  nach  dem  Recht  oder  den  guten  Gewohn- 
heiten so  rasch  wie  möglich,  ohne  alle  Parteilichkeit  entschieden  werden. 
In  Pisa  und  Gebiet  sollten  die  Römer  völlig  unbehindert  Handel  treiben 
können,  ebenso  umgekehrt  die  Pisaner  im  römischen  Gebiet;  nur  wurde 
von  jedem  römischen  Fahrzeug,  das  in  einen  pisanischen  Hafen  kam,  um 
hier  Ladung  zu  löschen,  eine  Schiffahrts-  und  Handelsabgabe  von  6^/2  sol. 
pis.  und  bei  der  Ausfuhr  von  Eisen  von  je  10  Zentnern  die  Hälfte  davon 
(affortiatos  40  per  miliarium  ferri)  als  Zoll  erhoben,  während  die  Pisaner  in 
Rom  dieselbe  allgemeine  Handelsabgabe  und  den  gleichen  Ausfuhrzoll  für 
Getreide  zu  entrichten  hatten,  wie  sie  seit  20  Jahren  bestanden.  Bloßer 
Transitverkehr  war  beiderseits  abgabenfrei;  nur  untersagten  die  Pisaner  für 
die  Dauer  ihres  Krieges  mit  Lucca  den  Römern  die  Einfuhr  von  Silber  und 
Silbererz  dorthin.'*) 


»)  Ann.  pis.  zu  1167  und  1168 ;  88.  XIX,  254  ö.  Giesebreeht  V,  536,  549. 
Calisse  128  ff.,  135,  137  f. 

«)  Giesebrecht  V,  551 ;  VI,  469.     Const.  et  acta  I  no.  229  p.  324. 

»1  Bonaini  Suppl.  p.  55  f. ;  Giorgi  1.  c.  458  f.,  460—462.  Ann.  pis.,  SS.  XIX, 
265.     Z.  £.  Handelsrecht  41,  114  f. 

*)  Excepto  de  argento  et  de  crudamine  argenti. 


^20  Zweiund vierzigstes  Kapitel. 

489.  Im  Jahre  zuvor  hatte  sich  Pisa  schon  mit  Corneto  durch  Ab- 
schluß eines  Friedens-  und  Freundschaftsvertrages  auf  10  Jahre  verständigt. 
Vor  allem  regelte  man  das  Verfahren  bei  eingetretenen  Schädigungen ;  Pisa 
versprach  Ersatz  zu  leisten  oder  die  Aufbringung  des  Ersatzes  durch  Er- 
hebung einer  besonderen  Abgabe  von  4  den.  vom  cornetanischen  Malter 
(Modius)  zuzulassen ;  es  versprach  ferner,  von  Beschränkungen  gegenüber 
denen,  die  mit  Corneto  Handel  treiben  wollten,  abzusehen ;  nur  Roheisen 
(vena  ferri)  sollte  davon  ausgenommen  sein.  Wenn  die  Pisaner  Fahrzeuge 
von  Corneto,  die  nach  Genua  wollten,  zur  Eidesleistung  veranlaßten,  ihre 
Ladung  nach  Pisa  zu  bringen,  diese  aber  unter  Mißachtung  des  Eides  trotz- 
dem nach  Genua  fuhren,  so  sollte  das  Vorgehen  der  Pisaner  gegen  solche 
Schiffe  nicht  als  Friedensbruch  gelten.  Abgaben  sollten  beiderseits  nur  in 
herkömmlicher  Höhe  erhoben  werden,  i) 

Nach  Beendigmig  des  Krieges  schlössen  auch  die  Genuesen  einen 
Freundschafts-  und  Handelsvertrag  mit  Corneto,  der  am  19.  Juni  1177  von 
Gerhard,  dem  Sohne  des  verstorbenen  Richters  RoUandus,  damahgem  »Grafen« 
der  Cornetaner  und  den  4  Konsuln  der  Kaufleute  des  Orts  auf  31  Jahre 
beschworen  wurde;  auch  hier  regelte  man  zunächst  die  Entschädigungs- 
ansprüche, die  von  cornetanisclier  Seite  bestanden,  und  setzte  im  übrigen 
fest,  daß  die  (Jenuesen  im  Einkauf  von  Getreide  und  sonstigen  Lebens- 
mitteln zum  Zwecke  des  Transports  nach  Genua  nur  in  Teuerungszeiten  und 
dann  auch  nur  in  demselben  Maße  wie  die  eigenen  Bürger  beschränkt  werden 
dürften.  An  Abgaben  sei  nur  die  seit  mehr  als  30  Jahren  übliche  bei  Ab- 
schluß des  Kaufgeschäfts  zu  erhebende  von  12  den.  lue.  auf  den  Modius 
zulässig.  2) 

Im  Jahre  1179  erwiesen  sich  die  Genuesen  dem  römischen  Kanzler 
Cencius,  der  die  Interessen  Genuas  auf  dem  lateranischen  Konzil  wirksam 
gefördert  sowie  den  genuesischen  Erzbischof  samt  seinem  Gefolge  bei  sich 
beherbergt  hatte,  dadurch  dankbar,  daß  sie  ihm  das  Privileg  verliehen,  jähr- 
lich ein  Kapital  von  200 1.  jan.  völUg  abgabenfrei  ganz  nach  Belieben  in 
genuesischen  Handelsfahrten  anlegen  zu  dürfen,  s)  Seine  staatsmännische 
Kunst  beim  Abschluß  ^■on  Verträgen  für  die  Stadt  zu  betätigen,  fand  er 
allerdings  keine  Gelegenheit  mehr;  der  Friede,  den  Senat  und  Volk  von 
Rom  am  31.  Mai  1188  mit  dem  Papste  abschlössen'*),  nahm  der  Stadt  die 
Selbständigkeit  auf  diesem  Gebiete. 

490.  Im  übrigen  ging  der  Handel  der  Pisaner  und  Genuesen  mit  dem 
römischen  Gebiet  in  der  alten  Weise  fort;  besonders  der  Getreideexport  aus 
der  Marittima  nahm  zeitweise  einen  sehr  bedeutenden  Umfang  an.  Während 
des  Krieges  mit  Pisa  nahmen  4  genuesische  Galeeren  im  Jahre  1195  bei 
Murello  (zwischen  den  Flüßchen  Marta  und  Fiora)  ein  sehr  großes  pisa- 
nisches  Schiff,  das  dort  Getreide  geladen  hatte,  nach  heißem  Kampfe  und 
führten  es  mit  seiner  Ladung  nach  Genua;  und  1202  gelang  es  der  Castel- 
lana  des  Bertram  von  Nervi,  die  um  Getreide  zu  holen  nach  der  Marittima 


')  Muratori  Antiqu.  IV,  401.  Nur  der  die  Pisaner  verpfliclitende  Teil  des  Ver- 
trages, der  Eid  der  Konsuln  vom  1.  September  1173,  ist  erhalten.  In  Muratoris 
Text  ist  statt  decretum  devetum,  statt  modum  modium  zu  lesen. 

«)  V.  Pflugk-Harttung,  Iter  p.  536  f.  Giorgi  p.  463  f.  Hier  ist  nur  die  Ver- 
pflichtung der  Cornetaner  erhalten. 

3)  Lib.  Jur.  I  no.  324  (12.  September).     Giorgi  454  f. 

*)  Giesebrecht  VI,  179  f.  Tommassetti  G.  La  pace  di  Roma  in :  Riv.  inter- 
naz.  di  studi  sociali  XI,  399  ff.,  537  ff. 


Interner  Seehandel  der  Tjarhenisclien  Küste.  621 

gegangen  war,  von  2  pisanischen  Fahrzeugen,  die  7Ai  gleichem  Zweck  dort 
weilten,  eins  in  ihre  Gewalt  zu  bringen,  i)  Als  mit  Pisa  1210  Waffenstill- 
stand geschlossen  wurde,  wandten  sich  die  Genuesen  diesem  Gebiet  um  so 
mehr  zu,  als  der  noch  fortdauernde  Krieg  mit  Marseille  und  dann  der  Auf- 
stand von  Nizza  den  Verkehr  mit  der  Provence  weit  unsicherer  erscheinen 
ließen.  Im  August  1211  sandten  sie  drei  armierte  Galeeren  nach  der 
Marittima,  um  die  außerordentlich  zahlreichen  Fahrzeuge,  die  dorthin  ge- 
gangen waren  und  dann  auch  mit  einer  Fülle  von  Getreide  zurückkehrten, 
zu  schützen  2) ;  auch  in  den  3  nächsten  Jahren  verzeichnen  die  Annalen 
Genuas  die  Ausrüstung  von  Galeeren  zu  gleichem  Zweck.  3) 

Daß  auch  die  Bewohner  der  Marittima  selbst  sich  an  diesem  Export 
beteiligten,  beweist  uns  die  Anwesenheit  zahlreicher  Cornetaner  im  Jahre  1213 
in  Genua  sowie  das  Privüeg  Kaiser  Friedrichs  IL  für  die  Bewohner  von 
Toscanella  vom  Jahre  1243,  wonach  sie  das  ihnen  seit  alten  Zeiten  zu- 
stehende Recht,  im  Hafen  von  Murello  Fahrzeuge  mit  Getreide  und  anderen 
Dingen  abgabenfrei  beladen  und  löschen  zu  dürfen,  uneingeschränkt  behalten 
sollten.  4)  Am  Ende  unseres  Zeitraums  sehen  wir  dann  auch  die  Florentiner 
.sich  dieses  Geschäfts  bemächtigen.  Am  8.  Oktober  1250  vermietet  Bernardo 
di  Ozena  von  Tarragona  seine  Büse  San  Stefano  mit  einer  bewaffneten  Be- 
satzung von  33  Mann  in  Genua  an  den  Florentiner  Rainer ;  gegen  einen  Fracht- 
satz von  3  sol.  Jan.  für  die  Mina  sollte  das  Schiff  3800  Minen  Getreide  von  der 
Maremma  nach  Genua  bringen.  Schon  am  7.  Dezember  wurde  das  Schiff 
wiederum  zu  gleichem  Zweck  und  für  den  gleichen  Frachtsatz  vermietet; 
nur  bestand  jetzt  die  Besatzung  aus  30  Mann  und  als  Häfen  für  die  Ein- 
nahme der  Ladung  werden  hier  Civitavecchia,  Port'Ercole  und  Talamone 
besonders  genannt.-^) 

Sicher  hängt  es  mit  dem  Geldhandel  der  römischen  Kaufleute,  der  sie 
seit  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  oft  genug  über  die  Grenzen  Italiens 
hinausführte,  zusammen,  daß  Genua  in  dieser  Zeit  als  eine  wichtige  Handels- 
station der  Römer  erscheint;  am  19.  September  1233  lassen  die  römischen 
Kaufleute  durch  einen  Bevollmächtigten  an  den  Genuesen  Onorato  Stancone 
17  ^/2  1.  Jan.  Pacht  für  die  Loggia  zahlen,  in  der  sie  sich  zu  versammeln 
pflegten,  ß) 

491.  So  häufig  sich  Genuesen  und  Pisaner  in  unserer  Pe- 
riode feindlich  gegenüberstanden,  so  wird  man  doch  nicht  übersehen 
dürfen,  daß  dennoch  etwa  %  dieser  Zeit  hindurch  zwischen  beiden 
Nationen  ein  friedlicher  Zustand  herrschte ;  und  alle  Handelseifersucht 
hat  nicht  verhindert,  daß  auch  zwischen  den  Angehörigen  beider  Na- 


')  Ann.  j?enov.  II,  ,^8  (apud  insulam  Marrellae)  u.  83. 

*)  Ebd.  119:  pro  guardandis  multis  et  innumerabilibu.s  lignis,  qui  in  Mari- 
tima pro  grano  et  blave  iverant  et  qui  cum  maxima  multitudine  et  abundantia 
•Tanuam  venerunt. 

")  Ebd.  122  (zu  1212),  126  f.  (zu  1213 :  in  Maritimam  pro  custodienda  cara- 
vanna  lignorum  nostrorum  qui  pro  grano  iverant),  132  (zu  1214:  pro  lignis  grani 
in  Maritimam  euntibus  assecurandis). 

*)  Ferretto  I,  126  A.  1.     Winkelmann  Acta  U,  42  no.  38. 

»)  Canale  IT,  586  und  559.  Ein  drittes  Mal  wurde  die  Büse  am  4.  Juli  1251 
zum  Transport  von  3500  mine  für  2  sol.  jan.  pro  mina  bei  einer  Besatzung  von 
40  Mann  vermietet  (ebd.  586).  Ich  vermute,  daß  auch  hier  3  sol.  zu  lesen  ist;  üb 
rigens  gibt  Canale  das  Reiseziel  hier  nicht  ausdrücklich  an. 

«)  Ferretto  I,  .86  A.  1. 


622  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

tionen  zum  Teil  sogar  recht  lebhafte  Handelsbeziehungen  angeknüpft 
wurden.  So  sehr  man  in  der  Ferne  rivalisierte,  die  enge  Nachbar- 
schaft daheim  mußte  naturgemäß  zu  einem  kommerziellen  Verkehr 
zwischen  den  beiden  Städten  und  ihren  Küstengebieten  führen. 

Als  es  am  20.  März  1133  den  Bemühungen  des  Papstes  Tnnocenz  II. 
gelang,  den  mit  geringen  Unterbrechungen  seit  1119  wütenden  Krieg  durch 
den  Frieden  von  Grosseto  zu  beenden,  wurde  ein  internationales  Schieds- 
gericht, aus  je  vier  von  der  Gegenseite  gewählten  Genuesen  und  Pisanern 
bestehend,  eingesetzt,  das  die  Aufgabe  hatte,  für  die  Rückgabe  des  während 
des  Krieges  geraubten  Gutes  Sorge  zu  tragen,  neu  auftauchende  Schwierig- 
keiten und  Streitigkeiten  zu  erledigen  und  die  beiderseitige  Beobachtung 
der  »bonae  antiquae  consuetudines  tarn  Januensium  quam  Pisanorum« 
sicherzustellen,  i)  Alljährlich  hatten  die  Konsuln  beider  Städte  den  Vertrag 
in  ihrem  Amtseide  zu  beschwören,  2)  1138  wußte  man  den  drohenden  Wieder- 
ausbruch der  Feindseligkeiten  durch  eine  Übereinkunft  zu  Porto  Venere 
(19.  April)  rechtzeitig  zu  verhüten.^) 

Elf  Jahre  später  (17.  April  1149)  kam  es  sogar,  ebenfalls  in  Porto 
Venere,  zum  Abschluß  eines  engen  Bündnisses  zwischen  beiden  Städten, 
das  für  29  Jahre  gelten  sollte.  ^)  Fortan  wollte  man  gegen  jede  dritte  Älacht 
im  gesamten  Umkreis  der  Küsten  des  Mittelmeeres  S) ,  die  Genuesen  oder 
Pisaner  im  Verlauf  der  letzten  15  Jahre  geschädigt  hätte  oder  in  Zukunft 
schädigen  würde,  gemeinsam  vorgehen,  derart,  daß  man  gemeinsam  Ge- 
sandte zur  Beilegung  des  Streitfalles  schickte,  gemeinsam  Handelssperren 
über  ein  Land  oder  einen  Ort  verhängte  und  endlich  als  ultima  ratio  gemein- 
sam und  mit  gleicher  Schiifszahl  den  Seekrieg  führte,  wobei  nur  für  den 
Fall,  daß  ein  über  40  Galeeren  hinausgehendes  Schiftsaufgebot  erforderUch 
wurde,  eine  besondere  Vereinbarung  notwendig  sein  soUte.  Nur  gemeinsam 
endhch  durfte  Waffenstillstand  oder  Friede  geschlossen  werden,  und  aUes, 
was  durch  gemeinsame  Gesandtschaften  oder  Seekrieg  gewonnen  wurde, 
sollte  als  gemeinsame  Erwerbung  zu  gleichen  Teilen  geteilt  werden.  Konsuln 
imd  Volk  in  beiden  Städten  beschworen  das  Bündnis  und  erneuerten  all- 
jährhch  den  Eid.  Eine  dunkle  Wolke  freilich  blieb  an  diesem  Priedens- 
himmel:  Sardinien  nahmen  die  Genuesen  von  ihrem  Eide  aus;  immerhin 
blieb  der  Friede  doch  bis  1162,  also  im  ganzen  fast  30  Jahre,  erhalten. 
Und  aus  dieser  verhältnismäßig  langen  Friedenszeit  besitzen  wir  doch  manche 
Nachricht  über  den  Handel  zwischen  den  beiden  Seestädten. 

492.  Schon  der  Umstand,  daß  die  pisanische  Seezinstabelle  für  den 
Verkehr  mit  Genua  und  seinem  Gebiete  besondere  Sätze  enthält  ß),  beweist,, 
daß  er  nicht  unbedeutend  gewesen  sein  kann.     Für  die  Fahrt  von  Pisa  nach 


1)  Atti  Lig.  XIX  ]).  92  ff.  Pflugk-HarttXing,  Acta  II  p.  273.  Imperiale  not.  24 
p.  395  f. 

"*)  Dementsprechend  das  Breve  consulum  jan.  von  1143;  Leg.  Munic.  I  p.  257. 

^)  Chart,  n  no.  184  (mit  irrigem  Datum ;  vgl.  Langer  S.  16).  Mit  im  Text 
richtiger  Datierung  bei  Bonaini  Suppl.  ]).  11. 

*)  Die  die  Genuesen  A^erpflichtende  Urkunde  bei  Dal  Borgo  p.  311  f.,  die  die 
Pisaner  verpflichtende,  die  ganz  analog  ist,  bei  Olivieri  iu  Atti  Lig.  I  p.  272  f.  (lücken- 
haft und  vom  Herausgeber  zu  1148  gesetzt). 

^)  Die  Aufzählung  (circuendo  universas  maritimas)  beginnt  a  capite  Anse 
(dem  alten  Anzium)  und  reicht  usque  Portum  Monachi ;  außer  dem  genuesischen 
und  pisanischen  Küstengebiet  schließt  sie  also  auch  das  römische  aus. 

«)  Bonaini  U  p.  905  (Const.  Usus  rub.  25). 


Interuer  Scehandol  der  Tyrrheniscbeu  Küste.  623 

Genua  und  zurück  betrug  der  usuelle  Seezins  nur  7  1/2  %,  nach  Savona 
erhöhte  er  sich  auf  10,  während  er  sich  nach  Porto  Venere,  dem  Grenzort 
gegen  das  pisanische  Machtgebiet,  auf  5  %  ermäßigte.  Genuesische  Küsten- 
fahrer, die  von  Pisa  kamen,  zahlten  in  Genua  V2  den.  pro  Person  als 
coUatio  portus.  Im  genuesischen  Wiegetarif  erscheint  pisanisches  Eisen  i), 
das  offenbar  größtenteils  aus  Elba  stammte ;  auch  Getreide  holten  die  Ge- 
nuesen, wie  aus  der  Marittima  überhaupt,  so  auch  direkt  aus  dem  pisanischen 
Gebiet.  Als  im  Jahre  1142  ein  genuesisches  Schiff,  das  auf  dem  Markt  von 
Populonia  Getreide  gekauft  hatte,  nach  Genua  kam,  verlangte  der  cintragus 
eine  mina  grani  von  ihm  mit  der  Begründung,  daß  es  »de  maritima«  käme; 
die  Konsuln  beseitigten  den  Streit  durch  die  Feststellung,  daß  schon  ihre 
Amtsvorgänger  vor  mehreren  Jahren  entschieden  hätten,  daß  jedes  Schiff, 
das  um  Getreide  zu  holen  über  Livorno  hinausfahre,  zu  dieser  Abgabe  ver- 
pflichtet sei.  2)  Natürlich  war  man  beiderseits  an  die  Einfuhrverbote  für 
solche  Waren,  deren  Import  durch  Fremde  man  als  schädlich  für  den 
eigenen  Handel  erachtete  (»contrariae  nostris  mercibus«  war  der  technische 
Ausdruck  dafür),  gebunden.  Doch  nehmen  die  genuesischen  Konsularstatuten 
von  1143  die  Einfuhr  von  »opera  silvatica  et  garnimenta«  (Produkten  der  länd- 
lichen Industrie)  aus  dem  pisanischen  Gebiet  zwischen  Porto  Venere  und 
Piombino  von  diesen  Verboten  ausdrücklich  aus  ^),  und  in  der  Zeit  des  Bünd- 
nisses scheint  man  sich  gegenseitig  ziemlich  liberal  behandelt  zu  haben; 
■denn  während  das  Volksstatut  von  1157  den  Genuesen  untersagte,  fremde 
Kaufleute  oder  ihnen  gehörige  »konträre«  Waren  zur  See  in  das  Gebiet 
zwischen  Genua  und  dem  Arno  zu  befördern,  bestimmte  es  zugleich,  daß  dies 
Verbot  auf  Pisaner  und  ihre  Waren  keine  Anwendung  linden  sollte.^) 

Auch  die  Notariats-Akten  des  Johannes  enthalten  einige  auf  den 
Handelsverkehr  zwischen  Genua  und  Pisa  bezügliche  Nachrichten.  Im 
Jahre  1156  führte  ein  Pisaner  mit  dem  Genuesen  Albertus  de  Nigro  um  den 
Besitz  einer  sarazenischen  Sklavin  in  Genua  einen  Prozeß.  0)  Der  uns  be- 
kannte Blancardus  gab  am  18.  Mai  1160  dem  Ribaldus  Pelatum  für  die 
Handelsreise  nach  Pisa  eine  Commenda,  die  in  1000  Stück  grauen  Fellen 
im  Werte  von  25  1.  jan.  und  5  grauen  Pelzen,  die  auf  ll^^l.  Jan.  abgeschätzt 
waren 6),  bestand;  bei  der  Rückkehr  sicherte  er  ihm  die  volle  Hälfte  des 
erzielten  Gewinnes  zu.  Derselbe  Blancard  bezog  am  Anfang  des  nächsten 
Jahres  6  Körbe  Alaun   von   Pisa;    doch  fielen  diese,   aus   welchem  Grunde 


»)  Lib.  Jur.  I  no.  53  (1138),  66  (1140).     S.  auch  ob.  §  406. 

*)  Ib.  no.  75.  Die  hier  genannten  Lanfrancus  Piper  und  Ansaldus  Mallonuf* 
waren  nach  den  Ann.  jan.  in  den  Jahren  1137  und  1138  Konsuln.  Auch  die  ge- 
nuesischen Fahrzeuge,  die  in  der  Mündung  des  Flüßchens  Fine  bei  Rosignano  an- 
legten, wofür  sie  ein  »fauciaticumc:  zu  bezahlen  hatten,  werden  schwerlich  etwas 
anderes  als  Getreide  geladen  haben;  Volpe  p.  77  A.  1. 

')  Der  Vertrag  von  1138  erwähnt  das  pisanische  »vetitum  de  mercibus  que 
sunt  contrarie  nostris  mercibus«,  Chart.  II  p.  231.  ßreve  consuluin  jan.  von  1143; 
Leg.  munic.  I  p.  250. 

*)  Breve  della  compagna  in  Atti  Lig.  1  p.  184  und  Giorn.  lig.,  N.  S.,  I  (1896), 
p.  68. 

6)  Chart,  n  no.  291. 

*)  Ib.  no.  883:  tmilliarium  (so  lese  ich  für  milliariorum)  grisiorum  racionatum 
in  libris  25  et  5  i^ellicias  grisias  libras  11 '/.j  appreciatas. «  Nur  4  Wochen  später 
(15.  Juni,  no.  898)  schlössen  die  beiden  eine  Handelsgesellschaft  mit  93  1.  Kapital : 
>cum  hac  societate  laboratum  Ribaldus  quo  velit  preter  in  devetum.«  Es  liegt 
nahe  anzunehmen,  daß  er  wieder  nach  Pisa  zu  gehen  beabsichtigte. 


624  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

wissen  wir  freilich  nicht,  der  Beschlagnahme  anheim;  denn  am  6.  März  1161 
ließ  er  sich  von  Bernardus  de  Aspirano  versprechen,  ihm  hinnen  6  Tagen 
die  Hälfte  dessen  zu  erstatten,  was  von  diesem  Alaun  von  der  Stadt  oder 
sonst  jemandem  erstritten  werden  würde  (si  . .  aliquid  evictum  erit  a  comuni 
vel  alia  persona),  i)  Und  auch  während  des  kurzen  und  recht  unsicheren 
Friedenszustandes,  der  auf  die  Vermittelung  des  Kaisers  hin  im  Hochsommer 
1163  eintrat,  nahm  man  den  Handelsverkehr  zwischen  den  beiden  Städten 
rasch  wieder  auf;  laut  Vertrag  vom  17.  August  ging  damals  Mariscotus,  ein 
Neffe  des  Archidiakon  Hugo,  des  späteren  Erzbischofs,  mit  Waren  des 
Bankiers  Ingo  im  Werte  von  168  1.  gegen  Zusicherung  von  1/3  des  Gewinnes 
nach  Pisa;  gleichzeitig  nahm  er  von  Amicus  Grillus  7  Stück  Tuche  von 
Saint-Quentin  zur  Verwertung  mit.  2) 

493.  Als  nach  dem  hauptsächlich  Sardiniens  wegen  mit  so  großer  Er- 
bitterung geführten  Kriege  Ende  1175  der  Friede  hergestellt  wurde '^),  suchte 
man  auch  die  Sicherheit  und  Freiheit  des  Handels  zwischen  beiden  Städten 
neu  zu  gewährleisten.  Die  Pisaner  verpflichteten  sich,  mit  Rat  und  Tat  zur 
Wiedererlangung  zu  helfen,  falls  die  Genuesen  auf  der  Küstenfahrt  längs 
des  pisanischen  Gebiets  an  ihrem  Gute  irgendwie  geschädigt  würden ;  sollte 
ihnen  von  pisanischen  Untertanen  auf  See  zwischen  C.  Corvo  (der  Spitze 
bei  Lerici)  und  Capalbi  Gewalt  angetan  werden,  so  wollten  die  Pisaner  ge- 
meinsam mit  den  Genuesen  nach  Bedürfnis  mit  2  bis  10  Galeeren  gegen  die 
Übeltäter  vorgehen.  Zur  Entscheidung  von  Streitigkeiten  zwischen  Pisanern 
und  Genuesen  hatten  die  pisanischen  Konsuln  zwei  Kommissare  zu  be- 
stimmen, die  die  bei  ihnen  in  Pisa  angebrachten  Klagen  binnen  40  Tagen 
zu  erledigen  hatten,  falls  nicht  wegen  der  Beibringung  von  Beweismitteln 
oder  nach  dem  Einverständnis  der  Parteien  eine  längere  Frist  erforderhch 
schien;  die  Vollstreckung  ihrer  Entscheidungen  lag  den  Konsuln  ob.  Zu 
demselben  Zwecke  hatten  die  Pisaner  auch  nach  jedem  überseeischen  Ge- 
biete, nach  dem  sie  Handel  zu  treiben  pflegten,  je  zwei  Kommissare  zu 
Schiffe  zu  entsenden.  In  Pisa  sollten  die  Genuesen  frei  kaufen,  verkaufen 
und  Handel  treiben  dürfen  wie  die  Pisaner  selbst  und  dabei  nur  zu  den 
gleichen  Abgaben  wie  vor  20  Jahren  verpflichtet  sein.  Niemand,  der  zu 
Wasser  oder  zu  Lande  mit  oder  ohne  Waren  nach  Pisa  kam,  sollte  gehin- 
dert werden  dürfen,  seine  Reise  auf  demselben  Wege  nach  Genua  fortzu- 
setzen ;  insbesondere  sollte  unter  keinen  Umständen  die  Zufuhr  von  Lebens- 
mitteln nach  Genua  durch  die  Pisaner  untersagt  oder  gestört  werden  dürfen. 
Kein  Zweifel,  daß  in  allen  diesen  Beziehungen  die  Genuesen  den  Pisanern 
gegenüber  entsprechende  Verpflichtungen  übernommen  haben;  doch  ist  uns 
nur  die  eidliche  Verpflichtung  der  Pisaner  erhalten. 

Als  die  Einwohner  des  weinberühmten  Vernaccia  (nw.  Porto  Venere) 
1182  pisanische  Kaufleute,  die  auf  der  Straße  am  Meere,  die  1178  auch  Kaiser 
Barbarossa  gezogen  ist,  mit  ihren  Waren  nach  Genua  wollten,  auszuplündern 
wagten,  schritten  die  Genuesen  mit  Strenge  ein  und  gaben  den  Pisanern 
das  geraubte  Gut  zurück.*)  In  dieser  Zeit,  am  13.  November  1178,  schlössen 
die  Pisaner  auch  mit  Albenga  durch  eine  Gesandtschaft  von  drei  Edlen,  an 
deren  Spitze  ein  Konsul  stand,  zu  Savona  einen  für  Albenga  sehr  günstigen 

>)  No.  1025. 
2)  No.  1285. 

»)  Cod.  Sard.  I  p.  248  f.  no.  106. 

*)  Ann.  genov.  U,  17  (von  Davidsohn  I,  569  auf  Seeräuberei  bezogen).  Über 
den  Wein  von  Vernaccia:  Salimbene  p.  334. 


Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste.  625 

Vertrag!);  die  Albenganer  erhielten  700  1.  pis.  als  Ersatz  für  erlittene  Schä- 
den und  wurden  von  allen  Handelsabgaben  in  Pisa  befreit ;  auch  sollten 
sie  keinen  anderen  Handelsbeschränkungen  in  Pisa  unterworfen  werden 
dürfen  als  die  Pisaner  selbst.  Sicher  haben  die  Pisaner  die  gleichen  Zu- 
geständnisse für  Albenga  erlangt,  das  ihnen  besonders  als  Stützpunkt  auf 
der  Küstenfahrt  nach  den  südfranzösischen  Handelsplätzen  wichtig  sein 
mochte.^  Im  Jahre  1194  wurde  der  Vertrag  erneuert  und  den  Alben  ganern 
insbesondere  Schutz  gegen  die  pisanischen  Korsaren  und  Schadenersatz  ver- 
sprochen.2) 

Inzwischen  war  1187  ein  neuer  Krieg  zwischen  Pisa  und  Genua  aus- 
gebrochen, der  indessen  schon  im  folgenden  Jahre,  dank  den  Bemühungen 
der  Päpste,  beendet  wurde.^)  Zur  Sicherung  des  Friedens  wurden  ähnliche 
Bestimmungen  getroffen  wie  früher ;  eine  offensio  sollte  den  Friedenszustand 
nicht  aufheben ;  vielmehr  sollten  in  solchem  Falle  die  Erzbischöfe  beider 
Städte  unter  Zuziehung  von  je  zwei  Rechts  verständigen  die  Sache  unter- 
suchen und  daraufhin  ihren  Spruch  abgeben,  der  für  beide  Städte  verbind- 
lich sein  sollte.  Jeder  Pisaner  sollte  ungehindert  das  Gebiet  Genuas  auf- 
suchen und  dort  Handel  treiben  dürfen  und  umgekehrt,  wie  es  unter  be- 
freundeten Nationen  üblich;  die  von  jeder  Stadt  frei  von  böser  Absicht 
erlassenen  besonderen  Vorschriften  sollten  indessen  bei  diesem  Verkehr 
respektiert  werden  müssen.  ■*)  Auch  im  übrigen  wurde  der  Grundsatz  der 
vollen  Handelsfreiheit  proklamiert;  irgendwelche  Behinderung  der  Schiff- 
fahrt auf  offenem  Meere  oder  des  freien  Handelsverkehrs  mit  irgendwelchem 
Hafen  sollte  in  Zukunft  weder  von  den  Genuesen  gegenüber  den  Pisanern 
noch  umgekehrt  erfolgen  dürfen  -5) ;  die  Ausschließungsbestrebungen ,  die 
Genua  in  bezug  auf  Südfrankreich,  Pisa  in  bezug  auf  Sardinien  lange  Zeit 
verfolgt  hatte,  sollten  damit  für  immer  beseitigt  sein.  Ein  Novum  ist  die 
Bestimmung,  daß  auch  die  überseeischen  Konsuln  beider  Mächte  auf  unver- 
brüchliche Beobachtung  des  geschlossenen  Friedens  und  auf  unparteiische 
Behandlung  der  ihrer  Jurisdiktion  unterliegenden  Streitigkeiten  zwischen 
Angehörigen  der  beiden  Seestädte  noch  besonders  vereidet  werden  sollten.^) 

494.  Schon  1195  führte  der  zumeist  auf  Handelseifersucht  beruhende 
Haß  der  beiden  kraftstrotzenden  Seestädte  '^)  zum  Wiederausbruch  des  offenen 
Krieges,  der  15  Jahre  dauerte,  ehe  zunächst  der  kaiserhchen  Vermittelung 
die  Herbeiführung  eines  zweijährigen  Waffenstillstandes  gelang,  der  dann  um 
5  Jahre  verlängert  wurde.  Nicht  geringe  Schwierigkeiten  machte  die  Unbot- 
mäßigkeit vieler  Bürger;  alle  Genuesen  und  Pisaner,  die  in  See  gingen,  wurden 
vorher  auf  die  Beachtung  des  Waffenstillstandes  und  die  Respektierung  der 
Untertanen   und  Waren   des  anderen  Teils  besonders  vereidet;  andererseits 

*)  Ughelli  rV,  194.     Nur  das  Versprechen  der  Pisaner  ist  erhalten. 

*)  Noch  unediert;  s.  ann.  genov.  11  p,  XXXV  A.  2  (vom  2.  Jupi  1195;  ich 
glaube  pisanische  Jahreszählung  annehmen  zu  müssen). 

»)  Cod.  Sard.  I,  263. 

*)  Salvis  decretis  ab  utraque  Civitate  absque  malitia  factis.  Statt  decretis  ist 
vielleicht  devetis  zu  lesen. 

')  Beiderseitige  volle  Freiheit  »per  Pelagos  navigandi  et  ad  portum  quem- 
cumque  applicandi  et  exinde  mercimonia  transvehendi*. 

*)  StatuimuH  etiam,  ut  consules  illorum  mercatorum  qui  ad  diversas  provin- 
«'ias  destinantur,  jurent  etc. 

^)  »Inveteratae  illae  ferocium  populorum  8imultate8< :  Willelmi  Neuburgensis 
hist.  Anglicana,  SS.  XXVn,  235. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  40 


626  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

fehlte  es  nicht  an  Elementen,  die  den  friedlichen  Handel  zwischen  beiden 
Gebieten  unverzüglich  wieder  aufnahmen ;  man  kam  ihnen  dadurch  entgegen, 
daß  man  den  von  Genua  nach  Pisa  und  umgekehrt  eingeführten  Waren 
zollfreie  Wiederausfuhr  zusicherte,   falls  sie  unverkauft  geblieben  waren.i) 

Doch  die  starke  Spannung  ließ  nicht  sogleich  nach.  Als  1214  eine 
genuesische  Galeere  eine  Büse  der  Nizzarden  in  den  pisanischen  Gewässern 
angriff,  belegten  die  Pisaner  die  Galeere  mit  Beschlag;  doch  gelang  es  ihr 
schließlich  nach  Genua  zu  entkommen.  In  Genua  aber  ließ  man  die  In- 
sassen der  Galeere  den  erlittenen  Verlust  unter  Eid  angeben  and  zwang  dann 
die  gerade  in  Genua  anwesenden  pisanischen  Kaufleute,  diese  Summe  zu 
bezahlen.  2)  Ein  Wiederausbruch  des  Krieges  schien  nahe,  zumal  damals 
auch  das  Nizza  benachbarte  Ventimiglia  sich  mit  Abfallsgedanken  trug  und 
einen  Rückhalt  an  Pisa  suchte.  ^)  Indessen  es  blieb  bei  allerlei  Reibereien, 
und  nach  erneuten  langen  Verhandlungen  wurde  hauptsächlich  durch  das 
Verdienst  des  Papstes  Honorius  III.  das  Friedenswerk  Ende  1217  zum  Ab- 
schluß  gebracht,   das   die  Grundlagen  des  Friedens  von  1188  bestehen  ließ. 

Im  folgenden  Jahre  behandelten  sich  dann  die  beiden  Seemächte  auch 
einmal  in  freundschaftlicher  Weise;  eine  pisanische  Gesandtschaft  erwirkte 
in  Genua  die  Rückgabe  der  Ladung  zweier  Leichterschiffe,  die  die  Genuesen 
einer  Galeere  von  Arles  abgejagt  hatten;  ebenso  zeigte  sich  Pisa  entgegen- 
kommend, als  sich  Genua  über  die  Leute  von  Piombino  beschwerte,  die 
Piratenschiffe,  die  den  Hafen  von  Falesia  aufgesucht  hatten,  vor  den  An- 
griffen genuesischer  Galeeren  in  Schutz  genommen  hatten.  4) 

Der  Friedenszustand  hielt  diesmal  an,  bis  die  beiden  Städte  1241  durch 
den  großen  Kampf  zwischen  Papst  und  Kaiser  von  neuem  in  Krieg  ver- 
wickelt wurden ;  auf  diese  dreißigjährige  Friedenszeit  scheint  die  Protektor- 
rolle zurückzugehen,  die  wir  das  ghibellinische  Geschlecht  de  Volta  etwas 
später  den  Pisanern  in  Genua  gegenüber  spielen  sehen.  0)  Der  Krieg,  den 
Pisa  an  der  Seite  der  sizilischen  Flotte  führte,  brachte  den  Genuesen  bald 
zu  Anfang  die  schwere  Niederlage  bei  der  Insel  Giglio,  und  im  allgemeinen 
behielten  die  Verbündeten  Genua  gegenüber  die  Oberhand,  bis  dann  der 
Tod  des  Kaisers  die  Dinge  völlig  änderte,  so  daß  die  Pisaner  schließlich  auch 
das  starke  Grenzbollwerk  des  castrum  Ihcis  (Lerici),  das  sie  sich  am  Golf 
von  Spezia  geschaffen,  den  Genuesen  überliefern  mußten  (1256).^) 

495.  Das  unmittelbare  Herrschaftsgebiet  Pisas  an  der  Tyrrhe- 
nischen  Küste  reichte  nach  Norden  nicht  weit  über  die  Mündung  des 
Serchio,  nach  Süden  nicht  weit  über  Piombino  hinaus  und  umfaßte 
außerdem  die  toskanischen  Inseln  mit  dem  wichtigen,  eisenreichen 
Elba.  Beträchtlich  weiter  aber  reichte  das  Küstengebiet,  dessen  See- 
handel Pisa  zu  kontrollieren  und  nach  seinem  Willen  einzurichten 
beanspruchte. 


1)  Cod.  Sard.  I,  322  f. 

2)  Ann.  genov.  n,  133:   »extorquerunt.< 
^)  Abfangung  des  pisanischen  Kuriers  mit  der  Botschaft  von  Ventimiglia 

Genua;  ebd.  138. 

*)  Ebd.  148  f. 

»)  Näheres  in  meiner  Abh. :  Proxenie  im  Mittelalter  (Brieger  Gymn.  -  Progr. 
1899)  p.  10  f. 

•)  Caro  I,  16.  Noch  bei  den  Verhandlungen  von  1251  hatte  Pisa  erklärt,  daß 
es  den  Genuesen  eher  Kinzica  überlassen  würde  als  diese  Feste.    Ann.  jan.  p.  229. 


^ 

la  inS 

I 


4 


Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischeu  Küste.  627 

Nach  Norden  hin  bildete  hier  das  C.  Corvo  am  Golf  von  Spezia  den 
festen  Grenzpunkt,  während  nach  Süden  hin  im  allgemeinen  der  M.  Argen- 
tario  mit  dem  Porto  d'Ercole,  zuweilen  aber  auch  erst  Civitavecchia  als 
Grenze  der  pisanischen  Machtsphäre  angesehen  wurde.  So  bestimmte  das 
große  kaiserliche  Privileg  von  1162,  daß  niemand  auf  der  ganzen  Küsten- 
strecke zwischen  Porto  Venere  und  Civitavecchia  gegen  den  Willen  der 
Pisaner  zum  Zwecke  des  Handels  oder  aus  anderen  Gründen  anlegen  dürfe  i); 
auch  in  dem  Vertrage  Pisas  mit  dem  Almohadenherrscher  vom  Jahre  1186 
ist  das  pisanische  Machtgebiet  in  gleicher  Ausdehnung  angegeben  .2)  Wie 
weit  dabei  Pisa  von  einer  wirklichen  Herrschaft  über  die  südlichen  Teile 
dieses  Gebietes  entfernt  war,  beweist  am  besten  die  völlig  selbständige  Stellung 
Cornetos.3) 

Der  wichtigste  Hafenplatz  im  pisanischen  Küstengebiet  war  das  mit 
Hafentürmen  und  Hafenkastell  versehene  Piombinc*),  dessen  Bewohner  sich 
ganz  besonderer  Handelsvorteile  in  Pisa  erfreuten.  Als  der  Abt  von  Falesia 
den  Ort  mit  seinem  Castrum  den  Pisanern  überlassen  hatte  (1115),  hatte  er 
für  die  Bewohner  von  Piombino  völlige  Befreiung  von  Ufergeld  oder  son- 
stigen Zollabgaben  zur  Bedingung  gemacht;  und  wenn  die  Vorsteher  des 
pisanischen  Seezollamts  (decatia)  auch  einmal  (1187)  die  Beseitigung  dieses 
Vorrechts  versuchten,  da  es  unschicklich  sei,  daß  die  Leute  von  Piombino 
vor  den  Pisanern  selbst  eine  derartige  Befreiung  genössen,  so  erkannte  doch 
das  Gericht  auf  die  Klage  der  Konsuln  Piombinos  durchaus  zu  seinen  Gunsten 
und  ordnete  die  Rückgabe  der  beschlagnahmten  Waren  an.  5)  Bei  dieser 
bevorzugten  Stellung  Piombinos  ist  es  sehr  begreiflich,  daß  es  Pisa  zu  allen 
Zeiten  die  Treue  bewahrt  hat. 

Für  den  Handel  dieser  Gebiete  kamen  namentlich  das  Seesalz  der  Küste, 
das  Getreide  der  Küstenebenen  und  der  Reichtum  der  bergigen  Küsten- 
vorsprünge  und  des  Inneren  an  mineralischen  Schätzen,  namentlich  Eisen, 
Blei  und  Silber  in  Betracht.  Die  pisanische  Seezinstabelle  hat  für  den 
Monte  Argentario  und  Falesia  einen  Satz  von  7  i/2  %,  für  Popolonia,  worunter 
Piombino  mit  zu  verstehen  ist,  5  %,  während  Vada  (nördlich  der  Mündung 
der  Cecina)  mit  nur  31/3%;  dem  niedrigsten  Satz,  den  die  Tabelle  über- 
haupt aufweist,  erscheint,  ß)  Die  Insel  Elba  begegnet  mit  61/4^0;  der  Ge- 
leitsbrief, den  der  Erzbischof  von  Pisa  im  Jahre  1129  den  pisanischen  Fabri 
ausstellte,  nennt  diese  Insel  in  erster  Linie,  macht  aber  auch  das  dem  M.  Argen- 
tario gegenüberliegende  Giglio  und  Alma  namhaft.'^)  Die  Verwaltung  von 
Elba  hatte  Pisa  7  Konsuln,  wie  es  scheint  je  einem  für  die  einzelnen  Gemeinden, 
anvertraut 8) ;  die  Insel  ])ildete  einen  während  unserer  ganzen  Periode  niemals 
bestrittenen,  wegen  ihres  Erzreichtums  sehr  wertvollen  Besitz  der  Republik. 

Nördlich  vom  Arno  nennt  die  Seezinstabelle  nur  Luni  (mit  5%,  wie 
Porto  Venere),  als  den  alten  Mittelpunkt  der  Lunigiana,  der  freilich  seine 
alte  Bedeutung  ganz  eingebüßt  hatte  und  schließlich  auch  seine  Eigenschaft 
als  Bischofssitz  an  das  aufstrebende  Sarzana  abtrat;  namentlich  wegen  seines 

1)  Const.  et  acta  I,  282 :  facere  portum  vel  applicare  mercibus. 

»)  Mas  I^trie,  Traitös,  Doc.  p.  28. 

«)  Oben  §  489. 

*)  Ann,  genov.  11,  57  (zu  1195). 

»)  Volpe  p.  83  ff. 

«)  Bonaini  II,  905.     Über  Vada  s.  auch  Konsulat  d.  M.  120. 

0  Bonaini  UI,  891  f. 

»)  Näheres  Volpe  86  ff.,  254. 

40» 


628       "  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

Reichtums  an  Schiffsbauholz  war  dieses  Küstengebiet  für  den  Seehandel 
Pisas  wichtig.^)  In  seinem  großen  Privileg  von  1162  versprach  der  Kaiser 
auch,  den  Bischof  von  Luni  schwören  zu  lassen ,  für  die  Sicherheit  der 
Pisaner  und  ihrer  Waren  in  seinem  ganzen  Gebiet  Sorge  tragen  zu  wollen.2) 
Den  rein  örtlichen  Schiffahrtsverkehr  dieses  Gebiets  hat  Pisa  nicht  zu  be- 
einträchtigen gesucht;  auf  ihn  bezieht  es  sich,  wenn  der  Kaiser  am  4.  No- 
vember 1163  den  burgenses  von  Sarzana  Abgabenfreiheit  an  der  Küste  von 
Luni  und  auf  der  Magra  gewährte^);  in  einem  Vertrage  zwischen  den  Konsuln 
von  Sarzana  und  dem  Bischof  von  Luni  vom  22.  April  1201  wurden  letzterem 
alle  Abgaben,  die  im  Hafen  und  an  der  Küste  von  Amelia  sowie  sonst  im 
Gebiet  des  Bischofs  von  den  daselbst  vor  Anker  gehenden  Schiffen  zu  er- 
heben waren,  mit  der  Maßgabe  zugestanden,  daß  die  Bewohner  von  Sarzana 
selbst  von  diesen  Abgaben  befreit  blieben.*)  Sj 

496.  Für  Genua  war  die  Riviera  di  Levante  bis  zum  C.  Corvo 
gesichertes  Gebiet;  Porto  Venere,  wo  die  Genuesen  im  Jahre  des 
Balearenzuges  der  Pisaner  (1113)  ein  starkes  Kastell  errichteten, 
diente  ihnen  zugleich  als  befestigter  Grenzpunkt  und  wichtiger  Stütz- 
punkt für  ihren  Handel.") 

Die  Schiffer-  und  Fischerbevölkerung  der  Küste  lieferte  der  genuesischen 
Flotte  ein  vorzügliches  Menschenmaterial;   die   der  genuesischen  Compagna 
angehörenden  Leute  der  Küstenorte,  wie  Nervi,  Recco,  Rapallo,  Portofino  usw.>^ 
konnten   in   derselben   Weise    am  Seehandel  Genuas    teilnehmen    wie    diesj 
Genuesen  selbst.    Für  den  Handel  mit  Genua  kamen  Fische,  Früchte,  Gemüse 
und    Holz    hauptsächlich    in    Betracht;    wir   kennen    einen    Kontrakt    vom 
14.  Januar  1160,   in  dem   Ansaldus  Sardina  dem  W.  Ventus  in  Genua  bis 
zum  1.  Juni  übers  Jahr  800  Bretter  an  der  Brücke  von  Lavagna  zur  Verladung^, 
bereit  zu  liefern  versprach.^)  'flj 

Gleiche  Verhältnisse  bestanden  für  den  Genua  zunächst  gele- 
genen Teil  der  Riviera  di  Ponente;  weiter  nach  Westen  hin  aber 
lagen  Seeplätze  von  stärkerer  Bevölkerung  und  größerer  eigener  Be- 
deutung für  den  Handel,  die  keineswegs  immer  geneigt  waren,  sich 
den  nicht  selten  tief  in  ihre  kommerziellen  Verhältnisse  einschnei- 
denden Maßregeln  Genuas  zu  fügen.  fl 

Das  gilt  namentlich  von  dem  bedeutendsten  dieser  Seeplätze,  Savona, 
das  zugleich  der  Ausgangspunkt  einer  wichtigen  über  die  ligurischen  Apen- 
ninen  nach  Piemont  führenden  Handelsstraße  war'^)  und  für  dieses  Gebiet 
mit  Genua  sehr  wohl  in  Konkurrenz  treten  konnte;  das  gilt  ferner  von 
den    als  natürliche  Mittelpunkte   eines  etwas  ausgedehnteren   Hinterlandesl 

1)  Liber  Maiolich.  p.  10  v.  100 :  Lunensesque  suo  privantur  robore  silvae.  Ar-J 
boribus  caesis  remanet  Curvaria  rara. 

»)  Const.  et  Acta  II,  283.  ' 

=)  Winkelmann,  Acta  II  no.  1235  (Bestätigung  vom  August  1226). 

♦)  Chart,  n,  1216  no.  1709.  Über  Lucca,  das  ebenfalls  als  Seeuferstaat  in  Be- 
tracht kam,  s.  unten  §  511  ff. 

»)  Genaueres  s.  Sforza  G.  La  vendita  di  Portovenere  ai  Genovesi  etc.  im] 
Giern,  stör,  e  lett.  della  Liguria  III  (1902)  p.  338  ff. 

6)  Chart,  n  no.  818 :  800  plancas  tales  quales  usualiter  in  Lavania  dantur. 
Küstenfahrer  innerhal))  des  genuesischen  Gebiets  hatten  als  collatio  portus  Va  den.j 
jan.  pro  Person  zu  entrichten.     Lib.  Jur.  I  no.  45  (1138). 

')  Unten  §  504. 


Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste.  629 

erscheinenden  Orten  Albenga  und  Ventimiglia,  die  naturgemäß  danach 
strebten,  ihren  Handel  den  eigenen  Bedürfnissen  gemäß  selbständig  einzü-. 
richten. 

Wenn  es  auch  unzweifelhaft  ist,  daß  Savona  (ebenso  wie  Noli  und 
Albenga)  schon  am  Anfang  unserer  Periode  dia  Oberhoheit  Genuas  aner- 
kannt hat^),  so  rührt  doch  der  älteste,  seine  Beziehungen  zu  der  Schutzmacht 
regelnde  Vertrag,  von  dem  wir  Kenntnis  haben,  erst  aus  dem  Januar  1153 
her.  Danach  versprach  Savona  Heeresfolge,  Zahlung  der  collecta  maris 
nach  Weisung  der  Konsuln  Genuas  und  Beobachtung  der  von  Genua  er- 
lassenen Handelsverbote ;  insbesondere  aber  willigte  es  in  eine  Beschränkung 
seiner  Hochseeschiffahrt  dahin,  daß  jedes  savonesische  Fahrzeug,  das  über 
Sardinien  oder  Barcelona  hinaus  fahren  wollte,  nur  von  Genua  auslaufen 
dürfte,  daß  es  eine  Mehrheit  von  genuesischen  Kaufleuten  an  Bord  haben 
und  endlich  bei  der  Heimkehr  seine  Ladung  in  Genua  löschen  müßte. 
Die  Konsuln  von  Savona  hatten  jährUch  zu  schwören,  Übertretungen  dieser 
Vorschriften  nach  Anweisung  der  genuesischen  Regierung  zu  ahnden.  2)  Im 
Jahre  1181  wurde  der  Vertrag  dahin  ergänzt^),  daß  bei  Streitigkeiten  über 
Kontrakte  zwischen  Genuesen  und  Savonesen,  die  außerhalb  Genuas  ge- 
schlossen waren,  das  savonesische  Gericht  zuständig  sein  sollte,  falls  der 
Kontrakt  selbst  nichts  anderes  bestimmte;  war  der  Streit  während  der 
Seereise  entstanden,  so  war  das  Gericht  desjenigen  der  beiden  Orte  zuständig, 
nach  dem  die  Seereise  ging.  Für  den  Aufschwung,  den  Savona  damals 
nahm,  ist  es  bezeichnend,  daß  es  im  Jahre  1179  in  der  Lage  war,  seinem 
Markgrafen  für  700  1.  jan.  die  Marktabgabe  und  die  Wiegegebühren  abzu- 
kaufen i)  und  1191  die  markgräflichen  Rechte  mit  Genehmigung  des  Kaisers 
fast  völlig  an  sich  zu  bringen;  und  häufig  sind  in  dieser  Zeit  Testamente 
j)atriotischer  Savonesen,  die  den  Hafen  ihrer  Vaterstadt  bedenken.  0) 

Albenga  hatte  freie  Bewegung  .genug,  um  1178  einen  Vertrag  mit  Pisa 
schließen  zu  können;  im  Jahre  darauf  fixierte  ein  Pactum  seine  Stellung 
Genua  gegenüber.  Seine  Salzschiffe  sollten  von  der  collecta  maris  frei  sein, 
während  seine  Hochseeschiffahrt  ohne  örtliche  Begrenzung  a,n  die  Bedingung 
gebunden  war,  daß  die  Abfertigung  eines  jeden  Fahrzeugs  mit  seiner  Mann- 
schaft, allen  Mitreisenden  und  der  Ladung  nur  nach  Bestimmung  der  genue- 
sischen Regierung  erfolgen  dürfte  (d.  h.  also  in  Genua  oder  doch  durch 
Beamte  oder  Bevollmächtigte  Genuas  in  Albenga).  Außerdem  versprach  Al- 
benga, kein  Kaperschiff  auszurüsten  oder  auslaufen  zu  lassen,  ohne  dessen 
Führern  und  den  maßgebenden  Persönlichkeiten  seiner  Bemannung  einen 
besonderen  Eid  abzunehmen,  daß  sie  die  Genuesen,  ihre  Freunde  sowie 
alle,  die  nach  Genua  gingen  oder  von  dort  kamen,  nicht  schädigen 
würden   oder  doch   nur  innerhalb  der  durch   das  Herkommen  bei  Kaper 

'    Oben  §  90. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  187;  Mitte  August  1168  von  neuem  beschworen,  ebd.  no.  257. 
Auch  bei  San  Quintino  I,  196  no.  32.  Gandoglia :  Savona  e  Noli  nel  medio  evo,  in 
Atti  e  mem.  della  Sog.  stör.  Savonese,  I  (Savona  1888),  178  A.  1. 

'')  Lib.  Jur.  I  no.  330.  Allerlei  kleine  Mitteilungen  über  kommerzielle  Ver- 
hältnisse Savonas  in  dieser  Zeit  aus  Notariats-Akten  bei  Bruno  j).  110  f.,  113,  der 
auch  eine  xjopulär  gehaltene  Storia  di  Savona  dalle  origini  ai  nostri  giorni  (Sav- 
1901)  verfaßt  hat. 

*)  San  Quintino  I,  199  no.  33 :  leu(,;idam,  cantarium,  stateram  et  rubbum. 

»)  Ebd.  216  no.  39.     Bruno  p.  110,  116. 


630  Zweiund vierzigstes  Kapitel. 

schiffen  in  bezug  auf  Waffen,  Proviant  und  Gegenstände  der  Schiffsausrüstung 
erlaubten  Grenzen,  i) 

497.  Um  die  Wende  des  Jahrhunderts  machte  sich,  als  Genua  mit 
Pisa  im  Kriege  lag,  eine  starke  Gärung  unter  den  größeren  Gemeinden  der 
Riviera  di  Ponente  bemerkbar.  Ventimiglia,  dessen  Graf  Guido  Guerra  im 
Jahre  1157  die  Lehnshoheit  Genuas  anerkannt  hatte,  fiel  ab,  und  Genua  be- 
mühte sich  im  Jahre  1199  vergeblich,  es  wieder  zu  unterwerf en  2) ;  auch  die 
AlHanz,  die  Savona  am  26.  Juli  1198  mit  dem  benachbarten  Noli  unter  Vor- 
behalt der  Treue  gegen  den  Kaiser  und  Genua  eingingt),  scheint  nicht  gerade 
von  freundlicher  Gesinnung  gegen  Genua  eingegeben  zu  sein,  zumal  auch 
Albenga  und  Porto  Maurizio  mit  einbezogen  wurden.  Es  wird  damit  zu- 
sammenhängen, daß  das  von  Albenga  zu  beschwörende  Pactum  im  Sep- 
tember 1199  erneuert  wurde  ^);  die  Hochseeschiffahrt  wurde  nunmehr  im 
Winterhalbjahr  (vom  1.  Oktober  bis  1.  April)  den  Leuten  von  Albenga  völlig 
freigegeben  und  im  übrigen  bis  Sardinien  und  Barcelona  ohne  Beschränkung 
gestattet;  und  wie  in  letzterer  Beziehung,  so  wurde  es  auch  bezüglich  der 
Behandlung  von  Zivilstreitigkeiten  mit  Genuesen  Savona  gleichgestellt.  Im 
Jahre  1201  gelang  die  Wiederunterwerfung  von  Ventimiglia,  und  im  April 
des  folgenden  Jahres  wurde  das  Pactum  mit  Savona  erneuert ;  es  wurde  dem 
Pactum  mit  Albenga  angenähert  und  bezüglich  der  Hochseeschiffahrt  der 
mögliche  Wegfall  der  Beschränkmigen,  bei  eingeholter  Erlaubnis  der  genue- 
sischen Regierung  im  Einzelfalle,  besonders  vorgesehen,  s)  Gleichzeitig  hatten 
nun  auch  die  Konsuln  von  Noli  einen  gleichlautenden  Vertrag  zu  beschwören ; 
durch  Verträge  mit  dem  Markgrafen  von  Savona  hatte  auch  diese  Gemeinde 
eine  freiere  Stellung,  namentlich  in  finanzieller  Beziehung,  zu  erringen  ver- 
standen. 6) 

Im  Westen  seines  Gebiets  entbehrte  Genua  bisher  eines  so  starken  Stütz- 
punktes, wie  es  ihn  im  Osten  an  Porto  Venere  besaß.  Zwar  hatte  sich  Genua 
schon  am  30.  Mai  1191  von  Heinrich  VI.  die  Erlaubnis  geben  lassen,  ober- 
halb des  Hafens  von  Monaco  ein  Kastell  zu  errichten,  und  am  2.  Juli  war 
sogar  die   förmliche  Einweisung  der  Genuesen  in  den  Besitz  der  Ortschaft, 


1)  Lib.  Jur.  I  no.  325 :  exceptio  in  armis,  vianda  et  sarcia  moderate.  Deut- 
licher im  Vertrage  von  1199  no.  427 :  exe.  in  armis,  vianda  et  sarcia  prout  moris 
est  cursalium,  et  tune  moderate  et  sine  fraude  eis  necessaria.  Ebenso  in  den  Ver- 
trägen mit  Savona  und  Noli  von  1202,  ebd.  no.  445,  446.  Auch  mit  Savona  stand 
Albenga  in  Vertrag:  Lib.  Jur.  I  no.  344.     Vgl.  Bruno  p.  118. 

2)  Ann.  genov.  I,  48 ;  11,  77.  Lib.  Jur.  I  no.  225—228.  Eine  Konvention  Ge- 
nuas mit  Diano  vom  21-  Sept.  1199,  gegen  Ventim.  gerichtet,  bei  Sieveking  I,  22  A.  4. 

3)  Gandoglia  B.  Documenti  nolesi,  in  Atti  e  raera.  Savon.  IT  (1889/1890) ,  593 
(mit  dem  irrigen  Datum  des  6.  Juli). 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  427;  19.  Sept.  in  Genua  festgestellt,  23.  Sept.  in  Albenga 
beschworen.     Sieveking  I,  22. 

6)  Ann.  genov.  II,  80.     Lib.  Jur.  I  no.  446. 

8)  Lib.  Jur.  I  no.  445.  Gandoglia  1.  c.  p.  564  (1181),  577  (1192)  und  besonders 
p.  584  ff.  vom  Mai  und  August  1193:  Noli  kauft  vom  Markgrafen  für  708  1.  jan.  die 
>lezea  grani«  in  mercato  Nauli,  V4  totius  pedagii  de  porta  Nauli  und  '/^  pro  sexto 
boschi  (=  dricto  lignaminis,  p.  577),  für  1440  1.  jan.  das  jus  ripe  et  piscarie  und 
allerlei  richterUche  Befugnisse.  Im  Jahre  1201  scheint  den  Nolensern  von  Genua 
eine  empfindliche  Buße  auferlegt  zu  sein;  am  8.  Mai  wurde  dem  Otto  Pulpus  ver- 
sprochen, daß  er  die  450  1.  jan.,  die  ihm  Genua  für  die  Ausrüstung  von  Galeeren 
schuldete,  binnen  14  Tagen  nach  Ankunft  der  Levante-Karawane  »de  rebus  Nau- 
lensium«  erhalten  sollte.     Doneaud  p.  80  A.  26. 


I 


Interner  Seehandel  der  Tyrrhenischen  Küste.  631 

des  Hafens  und  des  Berges  mit  allem  Zubehör  vorgenommen  worden;  aber 
erst  1215,  als  der  Aufstand  des  benachbarten  Nizza  zu  Ende  ging,  brachten 
sie  ihre  Absicht  zur  Ausführung  und  erbauten  hier  ein  mächtiges,  von  einer 
37  Handbreit  (palmos)  hohen  Mauer  umgebenes  und  von  vier  Türmen  flan- 
kiertes Kastell.  1) 

Durch  die  Erbauung  dieser  starken  Feste  scheint  sich  Ventimiglia 
besonders  bedroht  gefühlt  zu  haben,  so  daß  es  sich  wiederum  gegen  die 
Herrschaft  Genuas  erhob;  seine  Unterwerfung  im  Jahre  1218  war  nur  von 
kurzer  Dauer;  denn  schon  1219  erhob  es  sich,  diesmal  im  Bunde  mit  den 
Malaspina  und  dem  Markgrafen  von  Carreto,  von  neuem  und  verteidigte  sich 
zu  Wasser  und  zu  Lande  so  energisch,  daß  seine  Bezwingung  erst  1222,  als 
auch  der  Kaiser  für  die  Rechte  Genuas  eingetreten  war,  gelang.  2) 

498.  An  einer  anderen  Stelle  aber  hatte  der  Kaiser  die  hergebrachte 
Stellung  Genuas  an  der  Riviera  empfindlich  verletzt;  am  26.  März  1221  hatte 
er,  wie  es  schon  Otto  IV.  im  Jahre  1209  in  Anlehnung  an  alte  kaiserliche 
Verleihungen  getan  s),  den  Savonesen  ein  Privileg  ausgestellt,  das  sich  direkt 
gegen  die  bisherige  Bevormundung  ihres  Handels  durch  Genua  richtete ;  fortab 
sollten  sie  volle  Freiheit  des  Handels  mit  Salz  und  allen  anderen  Waren, 
deren  sie  bedürften,  haben  und  die  Schiffahrt  auf  hoher  See  ohne  jede  Be- 
schränkung betreiben  dürfen ;  die  bisherige  gewaltsame  Unterdrückung  dieses 
ihres  Rechts  sollte  eine  Verjährung  nicht  begründen.  *)  Zu  praktischer  An- 
wendimg wird  das  Privileg  zunächst  schwerlich  gekommen  sein,  zumal  der 
Kaiser  auch  Genua  bald  von  neuem  mit  der  gesamten  Küste  von  Monaco 
bis  Porto  Venere  belehnte  ^) ;  aber  die  Mißstimmung  zAvischen  Genua  und  Sa- 
vona  war  im  Wachsen,  zumal  diesem  im  folgenden  Jahre  wegen  einer  Fehde 
mit  Noli  von  Genua  noch  eine  Buße  von  1000  1.  jan.  auferlegt  wurde,  ß)  Im 
Jahre  1226  kam  die  Unzufriedenheit  zum  Ausbruch;  Savona  und  Albenga 
fielen  von  Genua  ab  und  leisteten  deni  kaiserlichen  Statthalter  in  der  Lom- 
bardei, Thomas  von  Savoyen,  den  Treueid ;  Savona  versprach  auch,  ein  kom- 
munales Salzmonopol  einzuführen  (cabellam  saus  construere),  dessen  Ertrag 
dem  Grafen  zufallen  sollte.  Sofort  teilte  Genua  aUen  seinen  überseeischen 
Konsuln  das  Geschehene  mit  und  forderte  die  Genuesen  über  See  zu  feind- 
lichem Vorgehen  gegen  die  Angehörigen  der  abgefallenen  Orte  auf;  Savona 
und  Albenga  wurden  blockiert  und  bei  Monaco  und  Ventimiglia  Schiffe 
stationiert,  die  die  Salzzufuhr  von  Westen  zu  überwachen  und  alle  von  dort 
kommenden  Salzschiffe  bei  Monaco  zu  entladen  hatten,  damit  kein  Salz  nach 
den  feindlichen  Häfen  gebracht  werden  konnte.  Schon  im  Mai  des  folgenden 
Jahres  gelang  der  Energie  der  Genuesen  die  Einnahme  beider  Städte,  die 
schwer  genug  bestraft  wurden;  Genua  setzte  ihnen  nunmehr  aus  der  Reihe 
seiner  Bürger  das  Stadtoberhaupt;  Stadttore  und  Befestigimgen  und,  was  für 
ihren  Handel  das  empfindhchste  war,  auch  die  Hafendämme  beider  Orte  wurden 
zerstört. ') 

»)  Lib.  Jur.  1  no.  385  u.  390.     Ann.  genov.  U,  135- 

«)  Ann.  genov.  II,  146,  150  ff.,  173,  185.     Lib.  Jur.  I  no.  560,  562. 

')  Winkelmann,  Acta  I  no.  33.  B.-F.  325.  Ein  ähnliches  Privileg  erhielt  auch 
Albenga  im  Juni  1210 ;  B.-F.  421. 

*)  Winkelmann,  Acta  I  p.  198. 

*)  B.-F.  1666.  Über  das  widerspruchsvolle  Verhalten  des  Kaisers  s.  Winkel- 
mann I,  299  f. 

•)  Ann.  genov.  II,  188. 

')  Ann.  Jan.,  SS.  XVm,  160  f.,  163  ff.  Erst  am  28.  März  hätte  der  Kaiser 
beide  Städte  unter  .seinen  unmittelbaren  Schutz  gestellt.  Winkelm.,  Acta  I,  265.  Siehe 


632  Dreiundvierzigates  Kapitel. 

Nach  dem  Siege  des  Kaisers  bei  Cortenuova  aber  erneuerten  die  beiden 
Städte,  diesmal  im  Bmide  mit  Ventimiglia,  ihren  Abfall  (Anfang  1238). 
Letzteres  zwar  wurde  bald  wieder  unterworfen,  aber  Savona  und  Albenga 
beharrten  im  Widerstände,  und  da  bald  darauf  der  vollständige  Bruch  des 
Kaisers  mit  Genua  erfolgte,  verbreitete  sich  der  Abfall  über  einen  beträcht- 
Uchen  Teil  der  Riviera;  nur  durch  besondere  Vergünstigungen,  durch  Er- 
hebung zur  Stadt  und  zum  Bistum,  wurde  Noli  auf  der  Seite  Genuas 
erhalten.  Der  größte  Teil  der  Riviera  zwar  wurde  1240  wieder  unterworfen ; 
Savona  und  Albenga  aber  waren  nicht  zu  bezwingen ;  ja  als  Stützpunkt  der' 
kaiserlichen  Flotte  wurde  Savona  eine  schwere  Gefahr  für  Genua  selbst.i) 
Über  ein  Jahrzehnt  dauerte  diesmal  die  Selbständigkeit  der  beiden  Küsten- 
städte ;  Amtsakten  des  kaiserlichen  Podestä  in  Savona  vom  Jahre  1250  haben 
sich  erhalten,  nach  denen  der  Salz-  und  Ölzoll  damals  für  70  L,  die  Stadt- 
wage für  46  1.  Jan.  pro  anno  verpachtet  war.2) 

Der  Tod  des  Kaisers  brachte  auch  hier  die  Wendung.  Als  Genua  im 
Jahre  1251  ein  neues  großes  Heer  gegen  die  Riviera  gerüstet  hatte,  unter- 
warfen sich  Savona  und  Albenga  freiwillig  wieder  seiner  Herrschaft;  durch 
eine  Reihe  von  Verträgen  wurde  das  Verhältnis  der  Seeplätze  an  der  Riviera 
zu  Genua  auf  neuer  Grundlage  geregelt.^) 


Diemndvierzigstes  Kapitel. 

Handelsverkehr  zwischen  dem  Binneulande  und  den 
Seeplätzen  des  Tyrrhenischen  Meeres. 

499.  Die  Handelstätigkeit  der  Bewohner  <ler  großen  Seestädte 
Italiens  war  ganz  überwiegend  dem  Seeverkehr  zugewandt,  so  daß  die 
aktive  Rolle  bei  der  Handelsverbindung  zwischen  Küste  und  Hinter- 
land vorzugsweise  den  Binnenstädten  zufiel.  Im  Landverkehr  zogen 
es  die  Seestädte  im  allgemeinen  vor,  sich  aufsuchen  zu  lassen  und 
die  zur  See  importierten  Waren  an  die  Bewohner  des  Binnenlandes 
sogleich  an  Ort  und  Stelle  abzusetzen  und  gegen  die  von  diesen 
herangeführten  Waren  einzutauschen.  So  gern  man  den  Verkehr  der 
Binnenländer  in  den  Seestädten  sah,  so  schloß  man  sie  im  allgemeinen 
doch  grundsätzlich  von  der  Beteihgung  am  Seehandel  selbst  aus;  der 
Seehafen  sollte  für  sie  das  Endziel  ihrer  Handelsunternehmungen  sein. 
Ausnahmen  wurden  zugunsten  besonders  verdienter  Personen  und 
solcher  gemacht,  die  in  der  Seestadt  ansässig  geworden  waren;  dem 
Zuzug   fremder   Elemente   kam   man    als   einer  Verstärkung   der   hei- 


dazu  Winkelmann  II,  25.  Der  geiiuesische  Annalist  hebt  die  Umsicht  des  genuesi- 
schen Podestiv,  eines  Lucchesen,  besonders  hervor,  der  an  verschiedenen  Orten  der 
Riviera,  wie  Varazze  und  Noli,  amtliche  Einkaufsstellen  für  Lebensmittel  (cabellas 
victualium)  errichten  und  selbst  aus  fernen  Gegenden  Getreide  dorthin  bringen 
ließ ;  p.  162  f. 

1)  Ann.  Jan.  p.  188  ff. 

»)  G.  Caro  im  Neuen  Archiv  XXIII  (1898),  236. 

")  Ann.  Jan.  p.  228  f.     Lib.  Jur.  I  p.  1039- 1Ö78. 


I 


Handclsverkelir  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     633 

uiischen  Kraft  entgegen.     Besondere   Umstände  ließen  dann  die  Ver- 
günstigung auch  ganzen  Gemeinden  zu  teil  werden. 

Für  Genua  treten  uns  diese  Verhältnisse  aus  dem  Notularium  des 
Johannes  JScriba  mit  besonderer  Klarheit  entgegen.  Neben  der  Fülle  von 
Dokumenten  für  den  Seehandel  stehen  hier  im  ganzen  nicht  mehr  als  zwei 
Kontrakte,  die  von  Genuesen  in  bezug  auf  den  Handelsverkehr  zu  Lande 
abgeschlossen  werden  i),  eine  Tatsache,  die  ihre  Bedeutung  behält,  auch 
wenn  wir  annehmen,  daß  nicht  wenige  genuesische  Kleinhändler  die  Märkte 
des  Binnenlandes  bezogen  haben  mögen,  deren  Geschäftstätigkeit  einen 
Niederschlag  in  den  Notariatsakten  nicht  zurückließ.  Dabei  begegnen  wir 
Personen  aus  dem  Binnenlande  sehr  häufig  in  diesen  Akten,  oft  unter  Ver- 
hältnissen, die  deutlich  beweisen,  daß  es  sich  um  Leute  handelt,  die  sich 
dauernd  oder  doch  für  lange  Zeit  in  Genua  zu  Handelszwecken  nieder- 
gelassen haben.  Beteiligt  an  diesem  Verkehr  erscheint  das  natürliche 
Hinterland  Genuas,  Piemont  und  der  westliche  TeU  der  Lombardei  bis  etwa 
zur  Addalinie,  außerdem  Lucca;  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
treten  auch  die  übrigen  Toscaner  hinzu. 

500.  Übten  so  auch  die  Genuesen  selbst  den  Landhandel  nur  in  ver- 
hältnismäßig geringem  Umfange  aus,  so  waren  sie  darum  nicht  minder  an 
der  Sicherung  der  nach  ihrer  Stadt  führenden  Hauptstraßen  interessiert, 
auf  denen  sich  dieser  Handel  bewegte.  Der  Hauptübergang  über  das  den 
inneren  Teil  des  Golfs  von  Genua  ))ogenförmig  einfassende  Gebirge,  das 
Jugum^)  (Paß  La  Bocchetta),  das  das  Tal  der  bei  Genua  mündenden  Polce- 
vera  mit  dem  Lemmetal  verband,  war  in  ihrer  Hand;  aber  nur  wenig 
reichte  ihre  direkte  Macht  in  das  nördliche  Vorland  hinein.  Voltaggi  be- 
zeichnete hier  im  allgemeinen  den  Nordpunkt  ihres  Territoriums;  1121 
haben  sie  es  nach  einem  siegreichen  Zuge  über  das  Jugum  dem  Markgrafen 
von  Gavi  um  400  1.  abgekauft.^)  Durch  dessen  Gebiet  oder  doch  nahe  an 
demselben  vorbei  gingen  die  Straßen  nordwestlich  auf  Asti  und  nördlich 
auf  Tortona;  von  seinem  Wohlverhalten  hing  daher  die  Sicherheit  eines 
großen  Teils  des  Landhandels  nach  und  von  Genua  ab;  andererseits  war  er 
selbst  an  der  Aufrechterhaltung  desselben  finanziell  in  erheblichem  Maße 
interessiert.  In  der  Weisung,  die  die  Konsuln  von  Genua  im  Jahre  1130 
an  den  Markgrafen  Albert  richten,  dafür  zu  sorgen,  daß  Genuesen,  die  die 
Straße  von  Gavi  zögen,  weder  an  ihrer  Person  noch  an  ihren  Waren  auf 
der  Hin-  oder  Rückreise  irgendwelche  Schädigung  erhtten,  erscheint  er  als 
der  von  Genua  bestellte  Hüter  der  Sicherheit  dreier  Straßen,  der  Straße  in 
das  Scriviatal  nach  Tortona,  der  Straße,  die  von  Gavi  direkt  nördlich  nach 
Novi  weiterführte,  und  der  »strata  Mercoroli«,  worunter  wohl  die  von  Voltri 
und  Ovada  herkommende  Straße  zu  verstehen  ist.  Von  jeder  Last,  die  die 
Straße  von  Gavi  passierte,  war  er  berechtigt,  bis  zu  18  Denar  zu  erheben.^) 
An  der  Straße  von  Novi  haben  die  Genuesen  zeitweilig  Gamundium  (südlich 
vom  späteren  Alessandria)  in  eine  gewisse  Abhängigkeit  von  sich  gebracht; 
im  März  1146  wurden  die  Bewohner  des  Ortes  eidlich  verpflichtet,  die 
genuesische  Münze    als    die  herrschende    bei    sich  einzuführen  s),    wofür  sie 

»)  Chart.  II  no.  1137  u.  1455. 

*)  Näheres  über  die  genuesiHchen  Apenninpässe  Schulte  I,  17  f. 
*)  Ann.  genov.  I  p.  17  (1121. 
*)  Lib.  Jur.  I  no.  26. 

*)  Ib.  no.  117:  stenebiüaus  januensem  monetam  quam  modo  Januenses  habent 
vel  dehinc  fecerint,    caput   omni  um    monetarum,    ita  videlicet  quod    alteram 


634  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

auf  sechs  Jahre   von   der  Entrichtung  des  Grenzzolls   von   Voltaggi   befreit 
wurden. 

Für  die  Straße  nach  Norden  und  in  das  Herz  der  Lombardei  kam 
außer  dem  Markgrafen  von  Gavi  hauptsächlich  Tortona,  zu  dem  das  Ver- 
hältnis Genuas  nicht  selten  sehr  wenig  freundlich  war,  in  Betracht.  Einen 
Bundesgenossen  gegen  die  Ansprüche  Tortonas  fanden  die  Genuesen  in 
seinem  nördlichen  Nachbar  Pavia,  während  dessen  Gegner  Mailand  es  wieder 
mit  Tortona  zu  halten  pflegte.  Den  vielfachen  Wechselfällen  der  Städte- 
fehden können  wir  hier  nicht  folgen ;  bekanntlich  erlag  Tortona  im  Frühjahr 
1155  der  schweren  Hand  Friedrich  Barbarossas;  aber  mit  Mailands  Hilfe i) 
erstand  der  Ort  nach  dem  Abzug  des  Kaisers  bald  wieder  aus  der  Asche. 
Als  neues  Blatt  in  dem  reichen  Kranze  der  lombardischen  Städte  kam  dann 
nach  einem  Jahrzehnt  Alessandria  hinzu;  im  April  1173  ließen  sich  die 
Genuesen  von  dem  Markgrafen  von  Gavi  versprechen,  die  Bürger  von 
Alessandria  und  Tortona  die  Straße  nach  Genua  unbehindert  und  ohne 
Erhebung  von  Zoll,  Geleitsgeld  oder  sonst  einer  Abgabe  passieren  zu  lassen 
und  für  die  Sicherheit  der  Straße  nach  Anordnung  der  Konsuln  Genuas  zu 
sorgen.2)  Später  aber  hören  wir  von  einem  Handelsverbot,  das  Genua  gegen 
Alessandria  erließ;  erst  durch  die  Konvention  von  1181  wurde  es  wieder 
aufgehoben.3)  Von  Asti  und  Alessandria  wurde  Genua  unterstützt,  als  es 
im  Jahre  1189  gegen  Donicella,  die  Witwe  des  Markgrafen  von  Incisa,  zur 
Befreiung  seiner  Gesandten  auszog,  die  es  des  Kreuzzugs  wegen  an  die 
Könige  von  Frankreich  und  England  geschickt  hatte.^)  Auch  der  Kaiser 
wurde  einmal  in  diesen  Fehden  um  die  Straße  angerufen;  in  einem  vor- 
läufigen Schiedsspruch  gebot  er  am  7.  April  1185  den  streitenden  Parteien, 
dem  Markgrafen  und  den  Leuten  von  Tortona,  die  italienischen  Kaufleute, 
welche  der  auf  Gavi  ziehenden  Straßen,  die  durch  das  Scriviatal  oder  eine 
andere,  sie  auch  immer  vorzögen,  unbehindert  passieren  zu  lassen,  bis  er 
in  der  Streitsache  wegen  der  Straße  einen  Rechtsspruch  gefällt  oder  einen 
Vergleich  herbeigeführt  habe.^) 

501.  Am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  kam  es,  allerdings  erst  nach 
erneuten  langen  Wirren,  zum  Abschluß  eines  wichtigen  Vertrages  zwischen 
Genua  und  Tortona  (10.  Mai  1202),  der  von  Mailand  und  Pavia  vermittelt 
und  beiderseits  von  je  1000  Bürgern  beschworen  wurde  ß);  sowohl  von  Mai- 
land wie  von  Pavia  waren  je  ein  städtischer  und  ein  kaufmännischer  Konsul 


monetam  non  permittemus  currere  nisi  ad  cambium  prefate  monete.«  Dazu 
no.  118  und  119.  Auf  eine  früher  größere  Bedeutung  dieses  Ortes  weisen  auch  die 
Angaben  Edrisis  ed.  Amari  p.  79  und  90  (vgl.  auch  seine  Karte). 

1)  Ib.  no.  222  und  223.  Imperiale,  nota  35  p.  428.  Das  Chron.  Urspergense 
(SS.  XXIII,  346)  betont  die  Bedeutung  Tortonas  für  Mailand :  »per  quam  Mediola- 
nenses  iter  habent  usque  ad  Januam  et  ideo  hanc  quasi  portum  maris  magni  sibi 
esse  volunt« ;  die  Stelle  geht  wahrscheinlich  auf  Johannes  von  Cremona  zurück. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  296  und  297;  .  .  .  »sine  omni  pedagio,  guidanagio  vel  dacita 
ullo  modo ;  et  ipsam  stratam  assecurabimus  in  ordinatione  vestra. « 

^)  Devetum  Alexandrie  im  Vertrage  mit  Albenga  1179;  ib.  no.  325.  Bund 
mit  Alessandria  24.  Februar  1181,  Lib.  Jur.  II  no.  15  und  16;  Erneuerung  von  1192, 
14.  Februar,  ib.  I  no.  393  und  394 ;  dazu  no.  400. 

*)  Ann.  genov.  II  p.  30  (1189).  Über  die  Markgrafen  von  Incisa  vgl.  Breßlau  I, 
402,  405. 

*)  Ficker  IV,  200  no.  157.  Tortona  war  1183  wieder  zu  Gnaden  angenommen 
worden ;  Const.  et  acta  I  no.  284  ff.     Giesebrecht  VI,  109. 

•)  Lib.  Jur.  I  no.  447. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     635 

zugegen.  Abgesehen  davon,  daß  Tortona  ein  schon  früher  gegebenes 
Versprechen  erneuerte,  die  Genuesen  auf  seinen  Märkten  weder  am  Einkauf 
seines  eigenen  noch  fremden  Getreides  zu  verhindern,  übernahm  man 
beiderseits  bindende  Verpflichtungen  zum  Schutze  des  Handels  auf  der 
Straße  Genua — Tortona.  NördKch  von  Gavi  nahm  Tortona,  südlich  davon 
Genua  die  Straße  unter  seine  Obhut;  jede  der  beiden  Kommunen  übernahm 
zugleich  in  bezug  auf  ihren  Straßenanteil  die  volle  Ersatzpflicht  für  alle 
Schäden,  die  Kaufleuten  oder  sonstigen  Reisenden  auf  dieser  Strecke  zu- 
gefügt werden  sollten.  Zur  Bestreitung  dieses  Ersatzes  sollte  einerseits  das 
pedagium  von  Tortona,  andererseits  der  oberhalb  von  Gavi  (also  in  Vol- 
taggi  oder  an  den  Toren  Genuas)  erhobene  genuesische  Zoll  dienen; 
für  die  Feststellung  der  Höhe  des  Schadens  war  der  Eid  des  Geschädigten 
maßgebend,  der  dabei  nur  verpflichtet  war,  vorher  das  Gutachten  der  Konsuln 
der  Kaufleute  seines  Ortes  i)  zu  hören ;  außerdem  ernannte  Genua  wie  Tortona 
eine  Kommission  von  drei  Männern,  die  in  Fällen  von  Raub  und  Beschlag- 
nahme in  Tätigkeit  zu  treten  hatte  (qui  jurent  de  predis  et  saximentis). 
Jetzt  zuerst  begegnet  auch  eine  besondere  Behörde  zur  Überwachung  der 
Straße ;  unter  den  Zeugen  erscheinen  neben  den  Konsuln  der  vermittelnden 
Städte  auch  Ambrosius  de  Cravate  und  Cortisius  de  Bernate,  electi  super 
stratam.  Auch  das  Verhältnis  Genuas  zu  den  Markgrafen  von  Gavi 
wurde  neu  geregelt.^)  Sie  traten  in  die  compagna  Genuas  ein,  siedelten 
nach  der  Stadt  über,  zedierten  ihren  Besitz  und  das  Hoheitsrecht,  das  sie 
über  Alessandria  gewonnen  hatten 3),  an  Genua;  dafür  wurde  ihnen  der 
gleiche  Anteil  am  pedagium  von  Gavi  wie  vor  dem  Kriege  (die  Hälfte)  zu- 
gesichert; nur  ging  die  Erhebung  desselben  fortan  durch  genuesische  Ein- 
nehmer (per  pedagerios  comunis  Janue)  vor  sich.  Außerdem  erhielten  sie 
eine  Entschädigung  von  4000  1.  Jan.,  wovon  Genua  ^/g  zahlte,  während  der 
Rest  durch  einen  pro  Last  zu  erhebenden  Straßenzoll  aufzubringen  war, 
dessen  nähere  Einrichtung  dem  Befinden  der  lombardischen  Städte  überlassen 
war.4)  Als  sich  Markgraf  Albert  von  Gavi  1211  der  lästigen  Abhängigkeit 
von  Genua  entziehen  wollte,  wurde  ihm  sein  Anteil  am  pedagium  abge- 
sprochen und  auf  die  Dauer  von  10  Jahren  für  1000  1.  jan.  verpachtet; 
zugleich  ließ  der  Podesta  zur  größeren  Sicherung  des  Weges  (ut  strata 
securior  iret)  eine  Kunststraße  (via  levata)  von  Gavi  über  den  Bergrücken 
bis  Montecucco  (nahe  Serravalle)  anlegen.^) 

Im  Jahre  1218  erneuerten  Genua  und  Tortona  ihren  Handelsvertrag  auf 
10  Jahre;  gegenseitig  versprach  man  sich,  jährlich  Konsuln  zu  ernennen, 
bei  denen  die  Leute  des  andern  Teils  Recht  nehmen  könnten ;  um  Schulden 
sollte  nur   der  Schuldner  selbst  oder  sein   Bürge   belangt  werden   dürfen. 

')  »Cum  consilio  tantum  consulum  mercatorum  illius  qui  <Iampnum  passuH 
fuerit.t  Aus  dieser  Stelle  könnte  man  schließen,  daß  es  auch  in  Genua  besondere 
Konsuln  der  Kauflei^;e  gab.  Indessen  würde  ich  einen  solchen  Schluß  doch  für 
hinfällig  halten,  da  jedes  andere  Zeugnis  fehlt  und  unsere  Quellen  für  Genua 
reichlich  genug  fließen.  Ich  erkläre  den  etwas  prägnant  gefaßten  Ausdruck  so : 
>unter  dem  Beirat  der  für  die  Kaufleute  zuständigen  Konsuln  des  Geschädigten«  ; 
in  Genua  waren  das  die  städtischen  Konsuln. 

*)  Ib.  no.  448  (16.  September),  451  und  452  (25.  und  27.  September).  Dazu  ann. 
genov.  II,  84. 

')  Schon  1172 ;  Lib.  Jur.  I  no.  293. 

*)  Ann.  genov.  II,  84:  pedagium  super  euntes  per  stratam  voluntate  civitatum 
Lombardie  colligendum  per  saumam. 

')  Ann.  genov.  II,  121. 


636  Dreiund vierzigstes  Kapitel. 

Weiter  versprach  man  sich  gegenseitig  offenen  Markt,  speziell  sagte  Tortona 
den  Genuesen  wieder  offenen  Getreidemarkt  zu,  so  daß  der  Import  auch 
des  lombardischen  Getreides  für  Genua  doch  wichtig  genug  gewesen  sein 
muß.i)  Auch  sollte  eine  Erhöhung  der  bestehenden  Handelsabgaben  aus- 
geschlossen sein;  wohl  um  Zweifel  zu  vermeiden,  zeichnete  man  die  Sätze 
für  einige  Waren  auf:  Tortona  erhob  12  den.  pap.  für  den  Malter  Getreide 
(modius  blave)  oder  den  Karren  mit  sonstigen  Lebensmitteln,  Genua  12  den 
Jan.  vom  Kantär  Fleisch,  Schmeer  und  Käse,  sowie  vom  Faß  Öl  und  Honig ; 
alles  Sätze,  die  nur  einmal  und  zwar  vom  ersten  Käufer  zu  entrichten  waren.  2) 

Das  Streben  Genuas,  seinen  Besitz  im  nördlichen  Vorlande  des  Apennin 
auch  über  das  markgräfliche  Gebiet  von  Gavi  hinaus  auszudehnen,  veranlaßte 
1224  Tortona  und  Alessandria  zu  einem  Bunde  gegen  Genua,  von  dem  sie 
Arquata  und  Capriata  zurückforderten. 3)  Aus  dem  heftigen  und  lang- 
dauernden Kriege,  der  nun  entbrannte *),  hebe  ich  nur  hervor,  daß  Genua 
im  Jahre  1227  die  Vermittelung  Mailands  annahm;  doch  entsprach  seui 
Schiedspruch  gar  nicht  den  Erwartungen,  die  Genua  von  der  mailändischen 
Freundschaft  gehegt  hatte ;  nicht  nur  daß  Capriata  zurückgegeben  werden  sollte, 
die  Alessandriner  sollten  auch  von  jedem  pedagium  in  Gavi  wie  an  den 
Toren  Genuas,  auch  von  dem  viskontilen,  befreit  sein ;  nur  durften  die  Ge- 
nuesen diese  Befreiung  durch  Zahlung  von  600  1.  pap.  jährhch  an  Alessandria 
ablösen.  Gab  ein  Alessandriner  fremde  Waren  für  eigene  aus,  so  verfielen 
diese  zugimsten  der  Comune  Genua.  ^)  Nach  kurzer  Zeit  schon  brach  der 
Kampf  wieder  aus.^)  Mit  Tortona  kam  es  1235  zu  einem  neuen  Vertrage'''), 
der  namentlich  wieder  die  Sicherung  der  großen  Handelsstraße  ins  Auge 
faßte;  für  die  Strecke  Genua  —  Gavi  übernahm  Genua,  für  die  von  Serra- 
valle  bis  Tortona  und  weiter  nach  Pavia  zu  Tortona  die  Fürsorge,  während 
das  verhältnismäßig  kurze,  aber  besonders  wichtige  Mittelglied  Gavi — Serra- 
valle  unter  die  gemeinsame  Obhut  beider  Städte  gestellt  wurde;  erfolgte 
auf  dieser  Strecke  die  Schädigung  eines  Kaufmanns  oder  sonstigen  Reisenden, 
so  hatte  für  Ersatz  des  Schadens  die  Stadt  aufzukommen,  unter  deren  Macht 
der  Schädiger  stand;  ging  die  Schädigung  von  einem  Dritten  aus,  so  über- 
nahmen beide  Städte  den  Schadenersatz  zur  Hälfte. 

Aber  auch  dieser  Friede  hatte  nur  kurzen  Bestand.  Schon  1237  lag 
Genua  mit  Tortona  wieder  im  Kampf,  und  als  es  im  Jahre  darauf  offen 
mit  dem  Kaiser  brach,  erweiterte  sich  der  Kreis  seiner  Gegner  im  Hinter- 
lande bald  beträchtlich ;  im  Jahre  1241  hat  beispielsweise  der  kaiserliche 
Vikar  Marino  von  Eboli  mit  den  Kontingenten  von  Tortona,  Alessandria, 
Pavia,  Alba  und  Asti  das  genuesische  Gebiet  jenseits  des  Jochs  nach  Kräften 


1)  Im  Jahre  1171  verboten  die  Lombarden  einmal  wegen  der  kaiserfreund- 
lichen Haltung  Genuas  die  Getreideausfuhi-  dorthin;  »attamen  parum  minus  duce- 
batur«  bemerkt  dazu  der  genues.  Annalist;  I,  246. 

*)  Ebd.  145.  Lib.  Jur.  I  .no.  532,  533.  Zwischen  3  und  6  den,  de  qualibet 
mina  schwankte,  nach  Ermessen  der  Konsuln  Genuas,  die  Abgabe  »de  roso  et 
mirto«.     Allgemein  s.  über  das  genuesische  Abgabensystem  Sieveking  I,  26  ff. 

»)  Ann.  genov.  II,  199  (zu  1224);  ann,  jan.  (SS.  XVIII,  157)  zu  1225. 

*)  Viele  auf  diesen  Krieg  bezügliche  Urkunden  bei  Desimoni  C.  Documenti 
di  Gavi.     Alessandria  1896 ;  s.  ferner  Winkelmann  I,  261,  296. 

6)  Lib.  .Jur.  I  no.  632  (9.  Nov.  1227),  Ann.  Jan.,  SS.  XVUI,  166.  Winkel- 
mann n,  25  f, 

•)  Näheres  Ann.  jan.  p.  171—176,  181;  AVinkelmann  II,  39,  312,  419. 
^)  Lib.  Jur.  I  no.  725—727. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     637 

verwüstet.!)  Die  schwierige  Lage,  in  der  Genua  sich  in  dieser  Zeit  befand, 
veranlaßte  es  auch,  die  Markgrafen  Heinrich  und  Friedrich  von  Gavi  in  ihren 
Besitz,  natürlich  unter  genuesischer  Hoheit,  wieder  einzusetzen;  aber  auch 
so  vermochte  es  den  Verlust  von  Capriata  nicht  zu  verhindern.  2)  Erst  der 
Tod  des  Kaisers  machte  dann  den  Genuesen  nach  dieser  Seite  ihres  Hinter- 
landes wieder  mehr  Luft. 

502.  Diese  fortwährenden  Kämpfe  im  nördlichen  Vorlande  des  Apennin 
körmen  als  bester  Beweis  für  die  Wichtigkeit  der  Handelsinteressen  dienen, 
die  es  hier  zu  vertreten  galt;  handelte  es  sich  doch  um  den  Hauptweg,  der 
aus  dem  Herzen  der  Lombardei  direkt  nach  Genua  führte  und  zugleich 
zahlreiche  Seitenstraßen  von  West  und  Ost  in  sich  aufnahm.  Als  Fracht- 
fuhrleute dienten  besonders  die  Bewohner  des  Polceveratales,  aus  dem  die 
Straße  zum  Joche  anstieg,  die  Leute  aus  Rivarolo,  Pontedecimo,  Comago, 
Langasco  u.  a.,  die  zu  einer  Korporation  zusammengeschlossen  waren,  die 
unter  eigenen  consules  vecturalium  oder  mulionum  stand,  wie  wir  für  das 
Jahr  1212  zuerst  nachweisen  können;  zwei  von  ihnen  sehen  wir  in  diesem 
Jahre  mit  einen  Kaufmann  von  Novara  über  den  Transport  von  5  Lasten 
zum  Preise  von  25  sol.  Jan.  paktieren.^)  Andere  Handelsbeziehungen  zwischen 
Genua  und  den  Zentren  der  Lombardei,  die  zunächst  auf-  diesen  Handels- 
weg angewiesen  waren,  lehrt  uns  das  Notularium  des  Johannes  Scriba  kennen ; 
so  hat  der  genuesische  Bankier  Stabilis  am  20.  Juli  1164  dem  Wilelmus 
speciarius  Waren  im  Werte  von  15  1.  jan.  in  Commenda  gegeben,  die  er 
auf  der  Messe  von  Vercelli  verkaufen  sollte,  um  den  Erlös  daselbst  weiter 
anzulegen;  als  Entgelt  wurde  ihm  die  Hälfte  des  Reingewinns  zugesichert.'*) 
Mehrfach  ist  ferner  Pavia  in  diesen  Akten  vertreten.  Als  naturalisierter 
Genuese  erscheint  der  oft  als  Zeuge  genannte  Wilelmus  von  Pavia;  ein  Ver- 
wandter von  ihm,  Sorleonus,  erhielt  einmal  von  Blancardus  und  seinem  Bruder 
Raimund  100  1.  jan.  in  Commenda  für  eine  Handelsreise,  deren  Ziel  nicht 
angegeben  wird;  als  Zeugen  begegnen  mehrfach  Simeon  von  Pavia  und  sein 
Bruder  Oliverius.^)  Als  Käufer  von  Baumwollstoff  in  Genua  tritt  Lambert 
von  Pavia  auf ;  den  bedungenen  Preis  von  100  1.  jan.  will  er  dem  Verkäufer 
Blancard  bis  Weihnachten,  gegebenenfalls  schon  vorher  erstatten,  falls  er 
die  gekaufte  Ware  vorher  absetzen  sollte  (si  vendidero  bombacinarn).^)  Der- 
selbe Blancard  schließt  12  Tage  später  mit  Bertramis  von  Pavia  und  seiner 
Frau  Damiata  einen  eigentümlichen  Vertrag,  in  dem  diese  erklären,  von  ihm 
Waren  im  Wert  von  50  1.  jan.  empfangen  zu  haben  und  anderes  Geld  nicht 
zu  besitzen;  sie  versprechen  eidlich,  das  ihnen  Anvertraute  wohl  zu  hüten 
und  zu  mehren,  nur  in  seinem  Namen  zu  kaufen  und  zu  verkaufen  und 
Kapital  und  Zins  in  seinem  Namen  zu  verwalten,  so  lange  es  ihm  gefalle.'^) 


»)  Ann.  jan.  p.  186,  191  f.,  197,  202. 

«)  Ebd.  223. 

')  Ferretto  I,  267  A.  1.  Die  drei  Konsuln  von  1212  waren  Zuino  von  Ponte- 
decimo, Ventura  von  Pedemonte  und  Buongiovanni  von  S.  Stefano  di  Langasco. 
Ein  Frachtführer  von  Comago,  Bonavia,  übernimmt  1248  einen  Transport  von  Mar- 
seille zur  Messe  von  Provins;  Amalric  no.  642  (in  no.  376  irrig  de  Como  genannt). 
Zur  Einführung  des  neuen  Erzbischofs  von  Genua  hat  Ferretto  ein  Schriftchen : 
Relazioni  tra  Gen.  e  Novara  nel  sec.  Xin  (Genua  1902)  erscheinen  lassen. 

*)  Chart.  II  no.  1455. 

»)  Ebd.  679,  859,  1183;  944  (Sorleonus;  19.  Aug..  1160);  655;  1003. 

«)  Ebd.  1002  (6.  Nov.  1160). 

0  Ib.  no.  1003. 


^38  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

Darnach  ist  zu  vermuten,  daß  Blancard  den  beiden  Ehegatten  ein  eingerich- 
tetes Detailgeschäft  (wahrscheinhch  Tuchgeschäft)  übergeben  hat,  das  ihnen 
mit  dem  Preise  von  50  1.  angerechnet  wurde ;  leider  erfahren  wir  nichts  über 
den  ihnen  zustehenden  Gewinnanteil. 

503.  Über  Pavia  und  Tortona  führte  der  nächste  Weg  von  Lodi  und 
Mailand  nach  Genua.  ^Unter  den  Lodigianen  war  einer.  Guido  von  Lodi, 
ganz  eingebürgert  in  Genua.  Im  Jahre  1162  ging  er  in  Begleitung  der 
genuesischen  Gesandtschaft  zu  dem  Kaiser  nach  Turin;  und  daß  er  Bürger 
von  Genua  geworden,  geht  auch  daraus  hervor,  daß  er  einmal  sein  Geld  in 
einer  Handelsreise  nach  Spanien  anlegt,  i)  Immerhin  hielt  er  auch  die  Ver- 
bindung mit  seinen  Landsleuten  aufrecht;  Ende  JuU  1162  nahm  er,  wahr- 
scheinlich für  seine  Reise  zum  Kaiser,  bei  Aldradus  von  Lodi  ein  Darlehn 
in  Höhe  von  32  1.  auf,  das  er  mit  38  1.  binnen  Jahresfrist  zu  erstatten 
versprach  2);  und  einmal  ist  er  mit  seinem  Sohn  zusammen  Zeuge  3),  wie 
8  genannte  Bürger  Lodis  erklären,  von  ihren  Landsleuten  Alberich  und 
Archimbald  Waren  erhalten  zu  haben,  für  die  sie  den  Kaufpreis  8  Tage 
nach  Ostern  mit  26  1.  alter  mailändischer  Denare  nach  Belieben  der  Gläu- 
biger in  Lodi  oder  Genua  zu  erlegen  versprechen. 

Für  den  lebhaften  Verkehr  der  Mailänder  in  Genua  ist  es  be- 
zeichnend, daß  einmal  vor  unserem  Notar  ein  Mailänder  Grundstück  ver- 
kauft wird,  und  daß  bei  diesem  Akt  nicht  nur  die  Parteien,  sondern  auch 
alle  Zeugen  aus  Mailand  sind.  *). ,  Eine  sehr  angesehene  Stellung  nahm  in 
Genua  der  Judex  Otto  von  Mailand  ein.  Als  er  im  Sommer  1158  sein 
Testament  machte,  bestellte  er  den  Ansaldo  Doria  und  dessen  Söhne  zufl 
Vormündern  seiner  Kinder;  im  Jahre  1162  ging  er  wie  Guido  von  Lodi  zum 
Kaiser  nach  Turin  und  1168  schickte  ihn  Genua  mit  dem  Kanzler  Obert 
zusammen  als  Gesandten  an  den  lombardischen  Bund.  5)  Daß  er  auch  den 
Handelsgeschäften  nicht  fremd  war,  ersehen  wir  daraus,  daß  er  einem  So-^_ 
zius  des  Bankiers  Stabüis  im  Jahre  1161  eineCommenda  von  24  1.  Jan.,  »inj 
baldinello«  angelegt,  für  seine  Handelsreise  nach  Konstantinopel  anvertraute,  ß) 
Wahrscheinlich  doch  stammten  diese  leinenen  Stoffe  aus  Mailand;  haben 
wir  doch  auch  die  Ausfuhr  von  Mailänder  Barchent  und  Mailänder  Stahl- 
waren von  Genua  nach  Sizilien  für  die  gleiche  Zeit  nachweisen  können '), 
so  daß  die  Mailänder  Industrie  damals  schon  in  erheblichem  Umfange  für 
den  überseeischen  Export  von  Genua  aus  gearbeitet  haben  muß. 

Aus  dem  Vertrage,  den  die  Feinde  Mailands  1193  untereinander 
schlössen,  ergibt  sich  andererseits,  daß  für  den  Import  Mailands  von  Genua 
her  außer  Pfeffer  und  sonstigen  Spezereien,  Salz  und  Wachs  besonders  Baum 


I 


»)  Ann.  genov.  I  p.  71  (1162);  Chart,  n  no.  720. 

^)  Bei  früherer  Rückzahlung  trat  Zinsreduktion  ein  (pro  racione  temporis  de 
proficuo  minuatur).     Chart.  II  no.  1175. 

*)  Ib.  no.  453;  1.  26  mediolanensium  veterum  für  verum  zu  lesen  (11.  Aug. 
1157). 

*)  Chart.  II  no.  282  (21.  März  1156). 

*)  Ib.  no.  630;  ann.  genov.  I  p.  71  und  213. 

«)  Chart.  II  no.  1114.     Oben  §  190. 

')  Einige  Preisangaben  für  Genua:  184  cannae  de  baldinellis  galten  32  I.  im 
Jahre  1156;  im  September  1163  werden  204  peciae  fustaneorum  zu  10  sol.  das  Stück, 
8  Tage  nach  Ostern  zahlbar,  verkauft.  (Chart.  II  no.  361,  1307).  Dagegen  wurden 
2  peciae  sagae  1157  mit  6  1.  und  1  pecia  brunetae  von  7 '/?,  Ellen  mit  20  sol.  die 
canna  (1164)  berechnet;  eM.  no.  483  u.  1427. 


Handelsverkehr  zwiscben  dem  Biunenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     639 

wolle,  Alaun,  Brasilholz  und  Indigo  i)  in  Betracht  kamen,  also  das  Roh- 
produkt und  die  Farbstoffe,  deren  Mailand  für  seine  Textilindustrie  haupt- 
sächlich bedurfte.  Wie  eng  sich  auch  politisch  die  Verbindung  zwischen 
Mailand  und  Genua  gestaltete,  kommt  besonders  darin  zum  Ausdruck,  daß 
in  den  Jahren  1222 — 1250  nicht  weniger  als  zehnmal  ein  Mailänder  als 
Podestä  an  der  Spitze  Genuas  stand.  ^) 

Aus  ferner  gelegenen  Orten  der  Lombardei  vermögen  wir  nur  noch 
die  Bergamasken  im  Handelsverkehr  mit  Genua  nachzuweisen  ;  in  seinem 
Frieden  mit  Tortona  vom  Jahre  1235  erklärte  sich  Genua  bereit,  die  Hälfte 
des  Schadens  zu  tragen,  den  Leute  aus  den  Gebieten  von  Mailand  und 
Bergamo  durch  Beraubung  auf  der  Straße  zwischen  Gavi  und  Serravalle 
«rlitten  hatten,  s) 

504.  Nicht  allein  auf  die  Hauptstraße  von  Gavi  waren  für  ihren 
Handelsverkehr  mit  Genua  angewiesen  die  wichtigen,  von  der  Tief- 
land sbucht  von  Tortona  in  größerer  Entfernung  westlich  und  östlich 
gelegenen  Handelsplätze  Asti  und  Piacenza,  zwei  Städte,  die  wir  ge- 
rade in  besonders  engen  kommerziellen  Beziehungen  zu  Genua  stehen 
sehen.  Wohl  konnten  sie  ohne  allzugroßen  Umweg  auch  diese  Haupt- 
straße benutzen,  die  die  bessere  und  bequemere  war,  aber,  und  das 
war  für  die  dauernde  Aufrechterhaltung  ihrer  Handelsverbindung  mit 
Oenua  von  größter  Wichtigkeit,  sie  waren  in  keiner  Weise  von  ihr 
abhängig. 

Für  Asti  insbesondere  ging  der  nächste  Weg  zum  Meere  nach  Savona 
oder  dem  nahegelegenen  Noli.  Von  Savona  führte  als  kürzeste  und  be- 
gangenste Straße  der  Weg  über  den  Col  di  Monte  moro  (jetzt  strada  de 
€antagalleto)  landeinwärts;  seit  1178  befand  sich  auf  der  Paßhöhe  ein  Ho- 
spiz; eine  Urkunde  von  1221  schildert  sie  als  eine  breite  und  schöne  Straße, 
auf  der  abgesehen  vom  Pilgerverkehr  die  Kaufleute  auf  Maultieren  und 
Eseln  ihre  Warenballen  sowie  Hanf,  Getreide  usw.  transportierten  und  der 
Salztransport  auf  kleinen  Karren  (carrucae)  erfolgte.  4)  Im  Jahre  1171  be- 
freite der  Markgraf  Enrico  Guercio  die  Astesanen  von  dem  Zoll  von  4  den., 
den  er  bisher  von  ihnen  in  Savona  erhoben  und  erklärte,  sich  fortan  mit 
dem  pedagium  von  8  den.,  das  »am  eisernen  Kreuz«  (bei  Cosseria)  erhoben 
wurde,  begnügen  zu  wollen,  s) 

In  Genua  selbst  begegnen  wir  astesanischen  Kaufleuten  mehrfach  schon 
in  dem  oft  erwähnten  Notularium ;  so  Enricus  de  Solaro  von  Asti,  der  dem 
Genuesen  Ido  MaUonus  am  14.  Juli  1160  bis  Ende  August  17  1.  Jan.  zu 
erstatten  verspricht,  und  Ribaldus  Benedicti,  der  am  gleichen  Tage  dem 
Gläubiger  36  1.  Jan.,  fällig  zur  nächsten  Fastnacht,  zu  schulden  erklärt  für 
12  Zentner  Brasilholz,  die  er  von  ihm  gekauft  hat.  In  beiden  Fällen  bürgt 
der  Genuese  Ribaldus  Painera  unter  Verzicht  auf    die   Rechtswohltat  des 


')  Cod.  Land.  II,  198  no.  175 :  allunien,  braxile,  en  .  .  . ;  doch  besteht  kein 
Bedenken  die  Lücke  zu  endicum  zu  ergänzen;  vgl.  die  soma  endici,  Cod.  Laud.  II, 
188  und  die  Zahlung  von  Piacenza,  unten.  Bei  Schulte  I,  140  steht  durch  ein  Ver- 
sehen in  bezug  auf  diesen  Vertrag  Lodi  statt  Mailand. 

2)  Ann.  Jan.  zu  1222,  1223,  1228,  1230  usw. 

3)  Uh.  Jur.  I  no.  727. 

*)  Bruno  A.     Di  alcune  strade  e  traverse  alpestri  nel  territorio  savonese   im 
Bull,  della  Soc.  stör.  Savonese  I  (1898)  p.  12  u.  14  f. 
6)  Cod.  Ast.  II,  624  no.  608;  I,  217. 


640  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

Verbots,  für  Fremde  Bürgschalten  zu  übernehmen. i)  In  einem  anderen 
Falle  hat  Jacobus  de  Emengauso  von  Asti  vom  Bankier  Stabilis  Waren 
gekauft  (7.  August  1164),  deren  Preis  er  mit  40  1.  jan.  bis  Neujahr  zu  er- 
legen verspricht.  Endlich  erscheint  in  dem  Inventar  des  Nachlasses  Scar- 
sarias  ein  Astesane  mit  10  1.  als  Schuldner  des  Verstorbenen.  2) 

Spielten  die  Waren  der  Levante  bei  dem  Export  Astis  aus  Genua 
naturgemäß  die  Hauptrolle,  so  kamen  für  ihren  Import  namentlich  Textil- 
waren, insbesondere  solche  von  jenseits  der  Alpen,  in  Betracht.  Während 
der  Kämpfe  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  bemächtigten  sich  die  Mark- 
grafen von  Gavi  einmal  (1197)  durch  einen  Überfall  auf  der  Handelsstraße 
einer  größeren  Anzahl  von  Tuchballen,  die  genuesischen  und  astesanischen 
Kaufleuten  gehörten,  und  im  Jahre  1203  kaperten  exilierte  Seeräuber  von 
Savona  eine  Büse,  die  ganz  mit  Warenballen  der  Astesanen  beladen  war 
und  suchten  mit  ihrer  wertvollen  Beute  in  la  Turbie  und  Nizza  eine  Zu- 
flucht.'*) Nach  dem  Vertrage  von  1251,  der  ebenfalls  für  den  Tuchhandel 
der  Astesanen  in  Genua  lehrreich  ist  3),  waren  die  Astesanen  für  Waren,  die 
sie  von  Genua  zur  See  nach  Savona  oder  Noli  und  von  da  zu  Lande  nach 
Frankreich  und  nach  der  Lombardei  oder  auf  dem  umgekehrten  Wege 
transportierten,  von  der  Entrichtung  der  sonst  für  Seetransporte  üblichen 
Abgabe  von  1  d'en.  pro  libra  an  die  Konsuln  des  Meeres  befreit ;  zugleich 
wird  auf  gerichtliche  Erkenntnisse  Bezug  genommen,  die  in  den  Jahren  1243 
und  1244  gegen  die  Ansprüche  der  consules  mulionum  ergangen  waren.  ^') 
Diese  hatten  nämlich  behauptet,  daß  ihnen  bei  der  Einfuhr  von  Hanf  und 
Hanfgespinst  nach  Genua,  auch  wenn  sie  zur  See  erfolge,  von  jedem  Pack, 
das  ein  Gewicht  von  18  rubbi  und  6  rotuli  überschreite,  20  sol.  jan.  (wohl; 
als  Buße)  zu  zahlen  seien.  Das  genuesische  Gericht  hatte  indessen  ent- 
schieden, daß  diese  Einfuhr  zur  See  ohne  Rücksicht  auf  das  Gewicht,  ebenso 
die  Löschung  der  Ware  am  Kai,  ihre  Unterbringung  in  den  Herbergen  der 
Importeure  und  ihr  Verkauf  anstandslos  erfolgen  dürfe,  ohne  daß  die  Kon- 
suln der  Fuhrleute  zur  Vornahme  einer  Verwiegung  berechtigt  seien ;  es  sei 
erwiesen,  daß  die  von  ihnen  behauptete  Gewohnheit  nicht  bestände.  Eben- 
falls gegen  die  Ansprüche  dieser  Konsuln,  die  die  Gebühr  von  der  bei  der 
Beladung  der  Lasttiere  vorzunehmenden  Verwiegung  der  Waren  vom  Staate 
gepachtet  hatten,  richtete  sich  die  Bestimmung,  daß  sie  nicht  berechtigt 
seien,  Waren  der  Astesanen,  die  von  den  Wiegemeistern  am  Zoll  schon  _ 
gewogen  und  auf  Schiffe  oder  Lasttiere  verladen  worden  waren,  noch  ein- !■ 
mal  verwiegen  und  zu  diesem  Zwecke  wieder  abladen  zu  lassen;  nur  das 
Recht  sollten  sie  haben,  bei  der  Verwiegung  zugegen  zu  sein.  Der  Podestä 
sollte  bei  der  Neuverpachtung  der  Gebühr  den  Bietern  ausdrücklich  von 
dieser  Bestimmung  Mitteilung  machen.  Auch  der  herkömmliche  Betrieb 
des  Wechslergeschäfts  durch  Astesanen  in  Genua  geht  aus  dem  Vertrage 
von  1251  hervor;  sie  sollten  ihre  Wechslerbanken  in  Genua  ganz  wie  früher 


I 


')  Chart.  II  no.  914,  915. 

*)  Ebd.  1484,  1427. 

•')  Ann.  genov.  II,  72,  86. 

*)  Oben  §  306. 

*)  Erkenntnis  des  Judex  et  Assessor  des  Podesta,  vom  19.  August  1243  und 
auf  die  von  Vassallus,  consul  niiilionum,  und  seinen  Amtsgenossen  eingelegte  Be- 
rufung Erkenntnis  der  zweiten  Instanz  vom,  4.  Mai  1244;  beide  in  den  Vertrag  von 
1251  eingerückt.    Lib.  Jur.  I  no.  812.  :  ./ 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     641 

betreiben  dürfen,  vorausgesetzt,  daß  sie  in  derselben  Weise  Sicherheit  leisteten 
wie  die  genuesischen  Bankiers  selbst,  i) 

Bemerkenswert  ist  endlich,  daß  die  Astesanen  unter  Umständen  auch 
den  Seeverkehr  über  Pisa  pflegten.  Beim  Abschluß  des  Waffenstillstandes 
zwischen  Genua  und  Pisa  im  Juli  1212  drückten  die  Genuesen  den  Wunsch 
aus,  daß  die  Pisaner  den  Seetransport  von  Astesanen  oder  ihrer  Waren 
unterlassen  möchten^);  wahrscheinlich  hatten  während  des  vergangenen 
Krieges  die  Pisaner  es  verstanden,  die  Astesanen  unter  Gewährung  besonderer 
Vorteile  zur  Beteiligung  am  Seehandel  von  Pisa  aus  heranzuziehen ;  es  wird 
dieser  Krieg  gewesen  sein,  der  auch  die  Genuesen  zu  einer  liberaleren  Praxis 
bezüglich  der  Zulassung  der  Lombarden  zum  überseeischen  Handel-^)  ver- 
anlaß te. 

505.  Daß  auch  die  Genuesen  Asti  des  Handels  wegen  aufsuchten, 
zeigt  schon  der  Umstand,  daß  der  Vertrag  von  1251  den  Genuesen  in  Asti 
alle  diejenigen  Freiheiten  einräumt,  deren  sich  die  Astesanen  in  Genua 
erfreuten;  das  Fehlen  von  Detailbestimmungen  weist  freilich  darauf  hin, 
daß  der  Verkehr  der  Genuesen  in  Asti  doch  ein  geringerer  war.  Zudem  war 
er  offenbar  überwiegend  Durchgangsverkehr  mit  Frankreich.  Auf  diesen 
Durchgangsverkehr  bezieht  es  sich  auch,  daß  Genua,  bald  nachdem  Asti  und 
Turin  im  Jahre  1232  ein  Gegenbündnis  gegenüber  dem  lombardischen  Bunde 
geschlossen  hatten,  *)  mit  dem  Markgrafen  Bonifaz  von  Montferrat  den  Ver- 
trag von  Coconato  einging,  der  diesen  verpflichtete,  für  den  guten  Zustand 
und  die  Sicherheit  der  Straße,  die  von  Asti  durch  sein  Gebiet  über  Cunengo, 
Coconato,  Tonengo,  Castagneto  und  Castiglione  nach  Turin  führte,  Sorge 
zu  tragen  ö)  und  bei  etwa  auf  dieser  Straße  in  seinem  Gebiet  vorfallenden 
Schädigungen  binnen  Monatsfrist  vollen  Ersatz  zu  leisten.  An  Zoll  sollte 
er  für  die  auf  sein  Gebiet  fallende  Wegstrecke  höchstens  6^/2  sol.  jan.  für 
die  Last  oder  den  Tuchballen  erheben  dürfen;  nicht  beladene  Tiere  sowie 
Objekte,  die  nicht  auf  Lasttieren  befördert  wurden,  sollten  zollfrei  passieren. 
Die  ganze  Entwickelung  dieses  Landhandels  mußte  freilich  empfindlich  ge- 
stört und  der  Handel  zum  Teil  abgelenkt  werden,  als  der  große  Kampf  zwischen 
Papst  und  Kaiser  das  Binnenland  Ober-Italiens  in  zwei  feindliche  Lager 
spaltete;  der  Vertrag  Genuas  mit  Asti  von  1251  gehört  zu  den  Erscheinungen, 
die  die  Rückkehr  geordneter  Verhältnisse  für  den  Handel  bezeichnen. 

506.  Enger  als  zu  jeder  anderen  Stadt  waren  die  kommerziellen 
Beziehungen  Genuas  zu  Place nza. 

Da  der  Weg  von  Piacenza  nach  Tortona  durch  die  Po-Enge  bei  Stradella 
führte,  die  von  dem  mit  Piacenza  oft  verfeindeten  Pavia  beherrscht  wurde, 
HO  war  die  Existenz  eines  direkten,  wenn  auch  schwierigeren  Handelsweges 
von  Piacenza  nach  Genua  von  besonderer  Wichtigkeit.  Das  Statut  von  1169 
macht  den  Stadtkonsuln  von  Piacenza  die  Fürsorge  für  die  Sicherheit  des- 

■*)  .  •  .  faciendo  securitatem  eo  modo  et  forma  'sicut  fecerint  bancherii  Janue, 
ita  quod  dicta  banca  teneant  ad  modum  et  fonpam,  quo  et  qua  solebant  te- 
uere Astenses  banca  in  Janua.     S.  auch  oben  §268. 

*)  Cod.  Sard.  I  p.  323:  Item  petunt  consules  communis  Janue,  quod  Pisani 
non  debeant  portare  vel  reducere   Astenses   per  mare  vel  peccunias  eorum, 

')  Geht   aus   dem   Vertrage  Genuas   mit  Marseille   von   1211    hervor;    oben- 

§471.  .      ,       ,,,    ;       , 

*)  Cod.  Ast.  IV,  34.     Winkelmann  II,  421  (1.,  August  1232). 
*)  Ljb.  Jur.  I  no.  697,    Chart.  II  no.  1819,  1820:  ^t  stratam  illam  preparari  et 
aptari  faciemus  ...  ad  comodum  transeuntium,  quociens  opus  erit.         ,  . 

Scbaube,  Handclsgeschicbte  der  roraan.  Völker  im  Mittelalter.  41 


(542  Dreiundvier/iigstes  Kapitel. 

selben,  namentlich  auf  dem  Abschnitt  von  Rivalgario  bis  Mezzano  zur  be- 
sonderen Pflicht!);  es  handelt  sich  dabei  um  den  Anteil  Piacenzas  an  der 
Straße,  die  die  Trebbia  aufwärts  fast  bis  zu  ihrer  Quelle  verfolgt,  sich  bei 
Torriglia  für  eine  kurze  Strecke  zum  Hochtal  der  Scrivia  wendet,  um  dann 
über  den  Col  de  la  ScofEera  zu  gehen  und  im  Bisannetal  nach  Genua 
hinabzuführen.  2)  Ungefähr  halbwegs  zwischen  Piacenza  und  Torriglia  lag 
an  der  Einmündung  eines  zweiten  von  Tortona  herkommenden  und  die 
Staffora  aufwärts  führenden  Weges  das  berühmte  Kloster  des  hl.  Columban, 
Bobbio,  von  Pilgern  viel  besucht ;  das  hier  errichtete  Bistum  hatte  Innozenz  II. 
1133  dem  erzbischöfüchen  Sprengel  von  Genua  unterstellt;  im  Jahre  1180 
hat  Piacenza  mit  Bobbio  einen  Vertrag  geschlossen^),  der  sich  sicher  auf 
diese  Straße  bezog.  Weiterhin  führte  die  Straße  durch  die  vielfach  zer- 
streuten Besitzungen  der  Malaspina;  es  war  von  Wichtigkeit,  daß  im  selben 
Jahre  1180  der  Genuese  Simon  Ventus  von  Markgraf  Opizzo  und  seinem 
Sohn  Opizzino  für  den  Preis  von  230  1.  jan.  i/g  des  Kastells  von  Torrigüa 
mit  einem  Anteil  von  2  den.  jjro  Last  an  dem  daselbst  erhobenen  Zoll  als 
ewiges  Lehen  erstand;  und  im  Jahre  1202  zedierten  Albert  Malaspina  imd 
sein  Neffe  Konrad  den  Genuesen  Nicolaus  Embriaco  und  Manuel  Dona 
die  Anteile  an  den  Passierzöllen,  die  ihnen  an  den  Straßen  von  Val  di  Trebbia 
und  Borbera  zustanden. 4) 

Auch  Mailand  bediente  sich,  wie  wir  aus  einem  Vertrage  des  kaiserlichen 
Gesandten  mit  Piacenza  vom  Juni  1158  gelegentlich  erfahren*'),  für  seinen  Ver- 
kehr mit  Genua  häufig  des  Weges  über  Piacenza,  da  es  mit  seinem  pavesischen 
Nachbar  nur  allzuoft  im  Streite  lag.  So  erklärt  es  sich,  daß  im  September  1212 
Piacenza  und  Mailand  zusammen  mit  dem  Markgrafen  Wilhelm  und  Konrad 
Malaspina  einen  Vertrag  schlössen  ß),  der  alle  5  Jahre  erneuert  werden  sollte. 
Diese  verpflichteten  sich,  von  den  Kaufleuten  aus  den  beiden  Städten  und 
den  diesen  befreundeten  Orten,  die  ihre  Straße  im  Trebbiatal  passierten, 
nicht  mehr  als  6  sol.  jan.  für  die  große  und  4  sol.  für  die  kleine  Last 
(somma)  zu  erheben,  abgesehen  von  1  den.  jan.,  der  für  das  Kloster  Bobbio 
gesammelt  wurde;  diese  Sätze  ermäßigten  sich  auf  2  und  1  sol.  pap.,  falls 
sie  von  Bobbio  aus  die  Straße  nach  Tortona  benutzten.  Dafür  verpflichteten 
sich  die  Markgrafen  eidüch  zum  Ersatz  aller  Güter,  die  den  Kaufleuten  beim 
Durchzug  auf  ihrer  Straße  geraubt  werden  sollten.  Dagegen  versprachen 
Mailand  und  Piacenza,  ihre  Kaufleute  zur  Benutzung  dieser  Markgrafenstraße 
im  Trebbiatal  zu  veranlassen,  wobei  ihnen  indessen  freistehen  sollte,  in 
Bobbio  auf  die  Straße  nach  Tortona  überzugehen,  die  den  Weg  nach  Genua 
zwar  nicht  unwesentüch  verlängerte,  aber  offenbar  erhebüch  bequemer  war 
als  die  Straße  über  die  Höhe  von  Torriglia.  Zu  gleicher  Zeit  legten  die 
beiden  Markgrafen  ihre  Differenzen  mit  Genua  bei  und  leisteten  diesem 
gegen  eine  Zahlung  von  15001.  jan.  den  Treueid.'^)  Bald  darauf  können  wir  die 
tatsächliche  Benutzung  dieses  Weges  nachweisen;  am  18.  August  1214  ver- 
sprach Bernardo  Negro  von  Montebruno^)  dem  Egidio   de  Olona  und  Ge- 

1)  Boselli  I,  330. 

*)  Schulte  I,  18  f.,  der  mir  aber  die  Bedeutung  dieser  Straße  für  den  Handel 
zu  unterschätzen  scheint. 
^)  Codagnellus  p.  11. 

*)  Sieveking  I,  3,  4  A.  6.     Ferretto  I,  112  A.  1.  ^        ^ 

»)  Const.  et  acta  I,  238  no.  172. 
«)  Chart,  n,  1269  no.  1745. 
»)  Ann.  genov.  R,  120,  122. 
8)  Ferretto  I,  5  A.  1. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     643 

nossen  als  Vertretern  sämtlicher  in  Genua  weilenden  placentinischen  Kaufleute, 
die  Waren,  die  sie  ihm  überweisen  würden,  von  Genua  bis  Bobbio  zu  trans- 
portieren, wo  sie  wohl  von  placentinischen  Vecturarii  übernommen  wurden. 
Im  ^Mai  1229  hat  dann  Piacenza  mit  Opizzo  und  Konrad  Malaspina  im  Bunde 
Bobbio  unterworfen,  dessen  Bischof  im  Jahre  darauf  seine  weltlichen  Gerecht- 
same an  Piacenza  v erpachtete. i) 

507.  Was  die  Art  der  kommerziellen  Beziehungen  Piacenzas  zu  Genua 
anbetrifft,  so  sehen  wir  zunächst  sehr  früh  Placentiner  in  Genua  als  Geld- 
geber auftreten.  So  leiht  Guiscard  von  Piacenza  am  8.  Dezember  1161 
einem  genuesischen  Ehepaar  eine  der  Höhe  nach  nicht  angegebene  Summe, 
■die  dieses  unter  Eid  bis  Ende  August  mit  3 1/2  1.  Jan.  zu  erstatten  verspricht, 
widrigenfalls  der  Gläubiger  sich  aus  seiner  Weinernte  in  Voltri  bezahlt 
machen  darf.  2)  Offenbar  haben  wir  es  hier  mit  einem  Wucherer  zu  tun, 
■der  die  kleineren  Leute  auszubeuten  verstand.  Dagegen  zeigen  andere  Ver- 
träge über  größere  Summen  die  Züge  des  damals  üblichen  regulären  Dar- 
lehns,  so,  wenn  Marcallus  von  Piacenza  dem  uns  bekannten  Marchio  de  Volta 
«in  Darlehn  von  40  1.  jan.  gewährt,  das  in  Jahresfrist  mit  50  1.  jan.  rück- 
zahlbar ist,  so  auch  bei  den  beiden  Darlehn,  die  der  Genuese  Embronus  im 
Juli  1161  bei  den  Placentinern  Salvus  und  Gossus  aufgenommen  hat.  3) 

Aber  auch  der  Stadt  Genua  selbst  gegenüber  erscheinen  die  Placen- 
tiner sehr  früh  als  Darlehnsgeber.  Gelegentlich  der  Expeditionen  gegen 
Almeria  und  Tortosa  hatten  sie  der  Stadt  beträchtliche  Summen  vorgestreckt; 
im  Jahre  1154,  als  die  Konsuln  von  Piacenza  (4  consules  comunis  und 
2  consules  negociatorum)  deshalb  eine  Zahlungsaufforderung  an  die  genue- 
sische Regierung  ergehen  ließen,  betrug  die  Gesamtforderung  der  Placen- 
tiner 8600  1.  1  sol.  2d.  4)  Natürlich  ist  anzunehmen,  daß  hierbei  die  Zinsen 
von  mindestens  20  %  pro  anno  inbegriffen  sind,  andererseits  ist  wahrschein- 
lich, daß  teilweise  Abzahlungen  schon  vorher  stattgefunden  haben.  So 
«rsuchte  Genua  um  Ermäßigung  der  Forderung;  imd  in  der  Tat  schlössen 
die  Gesandten  Piacenzas,  der  Stadtkonsul  Boso  und  der  Konsul  der  Kauf- 
leute Ricardus  Surdus  eine  Konvention  mit  Genua,  in  der  die  Schuldsumme 
auf  6000  1.  herabgesetzt  wurde,  wovon  1/3  sofort,  das  Übrige  bis  Michaeli 
zahlbar  sein  sollte;  erfolgte  die  Zahlung  nicht  bis  spätestens  zum  1.  Januar 
1155,  so  wurde  der  teilweise  Nachlaß  der  Schuld  damit  hinfällig.  Die 
Zahlung  der  4000  1.  wollte  Genua  durch  Waren  sicherstellen  ^) ;  tatsächlich 
ist  auch  die  Abtragung  der  Schuld  zu  einem  beträchtlichen  Teile  in  Waren 
erfolgt.  Wie  uns  eine  zufällig  erhaltene  Notiz  belehrt  6),  haben  die  Placen- 
tiner insgesamt  erhalten:  28151.  8  sol.  4  d.  in  Goldstücken  (bisantiis),  8751. 
11  sol.  in  Pfeffer  und  in  Denaren,  endlich  23101.  in  Brasilholz,  Baumwolle, 
Weihrauch,  Indigo  und  Alaun,  ungerechnet  den  Wert  der  dazu  gehörigen 
Säcke  und  Gefäße.  Die  Übernahme  dieser  Waren  verlief  nicht  ganz  ohne 
Beanstandung,  da  Piacenza  an  die  genuesischen  Konsuln  einmal  die  höf- 
liche Bitte  richtete,  dafür  Sorge  zu  tragen,  daß  seinen  Bürgern  dadurch,  daß 
Waren  an  Zahlungsstatt  gegeben  würden,   keine  Benachteiligung  erwüchse; 


')  Winkelmann  II,  57. 
*)  Chart.  II  no.  1139. 

=•)  EM.  1098  (die  Ergänzung  des  .  .  ta  zu  quadraginta  erscheint  nicht  zweifel- 
haft); 1071,  1074. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  202  und  207. 

»)  Ib.  no.  205. 

•)  Am  Schlüsse  von  no.  202. 

41« 


644  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

speziell  der  gelieferte  Indigo  habe  sich  nicht  als  preiswürdig  erwiesen.  ^)  9J 
Bis  zum  vorgesehenen  Termin  war  die  Schuld  zu  beiderseitiger  Befriedigung 
getilgt.  2)  Auf  finanzielle  Verpflichtungen  Genuas  den  Placentinern  gegen- 
über deutet  es  auch,  wenn  in  dem  Konsularstatut  für  Piacenza  von  116!> 
für  Gotof redus  Surdus  und  Genossen  ein  Betrag  von  4 1/2 1.  plac.  ausgeworfen 
ist  für  den  Fall,  daß  sie  nach  Genua  gingen  »pro  petenda  ratione  sua«.^) 

Zeigen  uns  jene  Urkunden  die  kapitalkräftige  Stadt  zugleich  als  wichtige 
Abnehmerin  der  von  Genua  zur  See  eingeführten  Waren,  so  wissen  wir 
andererseits  auch,  daß  die  Erzeugnisse  der  Textilindustrie  von  Piacenza,  die 
fustagni  und  pignolati,  schon  damals  in  Genua  zum  überseeischen  Export 
gelangten.  Die  enge  Verbindung  der  Geschäftswelt  von  Piacenza  mit  Genua 
erhellt  ferner  aus  der  Tatsache,  daß  im  Juli  1156  dem  Placentiner  Azolinus, 
der  im  Begriff  stand,  die  Genueserin  Beldemanda  zu  heiraten,  die  Lizenz 
erteilt  wurde,  jährlich  150  1.  in  maritimen  Handelsunternehmungen  anzulegen 
(mittendi  laboratum  per  mare) ;  die  Motive,  die  die  Ehrbarkeit  und  Bedürftig- 
keit der  Frau  betonen,  erwähnen  zugleich,  daß  der  Mann  die  Heirat  von 
diesem  Zugeständnis  abhängig  gemacht  und  daß  er  zugleich  versprochen 
habe,  wenn  erforderlich,  persönlich  oder  durch  einen  Stellvertreter  zu  Roß 
für  Genua  Kriegsdienst  zu  leisten  und  von  der  Summe  von  1501.  den 
gleichen  Anteil  wie  die  genuesischen  Bürger  an  den  von  Genua  erhobenen 
coUectae  zu  entrichten.  *)  Die  gleiche  Lizenz  gewährte  Genua  den  aus  Pia- 
cenza stammenden  Judices  Opizo  de  Rizolo  (1143  für  100  1.,  1153  erneuert) 
und  Fulco  Strictus  (1149,  für  2001.),  als  Entgelt  dafür,  daß  sie  auf  Auf- 
forderung der  Konsuln  als  Sachwalter  die  Interessen  der  Stadt  gegen  jeder- 
mann, ihre  Heimat  Piacenza  und  diejenigen  Personen,  zu  denen  sie  in  einem 
Lehnsverhältnis  standen,  ausgenommen,  wahrzunehmen  versprachen.  0)  Schon  j 
damals  also  berief  man  auswärtige  Juristen  in  die  Stellung  von  Syndici, 
offenbar  weil  ihre  Unabhängigkeit  von  den  heimischen  Parteiungen  ihre 
Unparteilichkeit  zu  verbürgen  schien.  Bis  auf  300  1.  endlich  erstreckte  sich 
die  Lizenz,  die  am  18.  August  1176  dem  Lercarius  von  Piacenza  um  der 
besonderen  Verdienste  willen,  die  er  und  sein  Geschlecht  sich  um  Genua 
erworben,  erteilt  wurde;  die  collecta  maris  et  terrae  sollte  er  von  dieser  3 
Summe  allerdings  ebenso  wie  die  Bürger  Genuas  zu  zahlen  verpflichtet  sein ; 
dafür  sollte  er  aber  auch  an  Verwiegungsgebühren  (in  cantario  vel  rubo) 
nicht  mehr  zahlen  wie  die  Genuesen  selbst,  ß)  Es  ist  doch  sehr  bezeichnend 
und  keineswegs  ein  Zufall,  daß  wir  solche  Vergünstigungen  keinem  Bürger 
einer  anderen  lombardischen  Stadt  zugewendet  finden. 

508,    Ganz  besonders  eng  haben  sich  die  Beziehungen  zwischen  Genua 
und  Piacenza  gegen  Ende  unseres  Zeitraums  gestaltet.     Im  Jahre  1240,  als  '■ 

*)  Ib.  no.  203.     Vgl.  die  irrige  Vorstellung  über  die  Bedeutung  des  Indigo  ina  ; 
Mittelalter  bei  Wiesner  I,  445. 

■  *)  Die   über   diese   ganze  Zahlungsangelegenheit   vorliegende   TJrkundenreihe 

(auch  bei  Imperiale  p.  359 — 363,  no.  XV — XIX  zu  nota  13)  ist  so  zu  ordnen :  Lib. 
Jnr.  I  no.  202  (Aufforderung);  206,  204,  205  (den  Nachlaß  betreffend);  203  (Rekla- 
mation); 195  (30.  Dezember  1154;  von  Langer  S.  63  Anm.  2  als  ein  Bündnis  der 
beiden  Städte  bezeichnet),  207,  208  (Januar  1155);  dazu  die  Notiz  am  Ende  von  202. 
Sieveking  I,  39  irrt  mit  der  Annahme,  daß  die  Placentiner  nur  5500  1.  erhalten  hät- 
ten; die  Addition  ergibt  sogar  einen  Bruchteil  über  6000  1. 

»)  Bosellil,  330. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  217. 

»)  Ebd.  85,  191,  192;  149,  153. 

«)  Ebd.  312. 


« 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     645 

der  Krieg  zwischen  Genua  und  dem  Kaiser  schon  im  vollen  Gange  war, 
gingen  Piacenza  und  Mailand  ein  enges  Bündnis  mit  Genua  eini);  viermal 
sind  während  dieses  Krieges  Placentiner  Podestäs  in  Genua  gewesen  und 
der  genuesische  Annalist  hebt  die  hilfsbereite  Treue,  die  Piacenza  trotz 
schwerer  eigener  Bedrängnis  den  Genuesen  in  dieser  Zeit  bewies,  ganz 
besonders  hervor.  2)  Daß  diese  enge  Verbindung  zugleich  kommerzieller  Natur 
war,  zeigt  uns  z.  B.  1247  der  gemeinsame  Bezug  nordfranzösischer  Tuche 
auf  dem  Wege  über  Marseille  3)  und  beweist  uns  namentlich  die  große  Rolle, 
die  Avir  placentinische  Bankiers  auf  dem  Geldmarkt  in  Genua  spielen  sehen.  4) 
Dieser  engen  Verbindung  entspricht  es,  daß  Piacenza  ein  Konsulat  in  Genua 
hatte;  am  10.  Februar  1241  ist  Oberto  Bagarotto  zuerst  als  placentinischer 
Konsul  in  Genua  nachweisbar;  die  auf  dem  S.  Georgsmarkt  in  den  Häusern 
der  Malocelü  gelegene  Loggia  der  Placentiner  wurde  im  Oktober  1253  für 
70  1.  Jan.  jährlich  von  neuem  gepachtet,  ß) 

Von  der  kommerziellen  Verbindung  Piacenzas  mit  der  anderen  großen 
Seestadt  des  Tyrrhenischen  Meeres  haben  wir  nur  ein  Zeugnis;  am  5.  März 
1179  wurde  den  in  Pisa  erschienenen  Gesandten  Piacenzas,  dem  Konsul 
Capo  und  Grimerius  Vicecomes,  im  Dom  zu  Pisa  vor  zahlreichen  Zeugen 
und  in  Gegenwart  des  Volkes  für  alle  Placentiner  und  ihre  Waren  im  ge- 
samten Machtbereich  Pisas  zu  Wasser  wie  zu  Lande  volle  Sicherheit  gewähr- 
leistet; sollte  diese  Zusage  aufgekündigt  Averden,  so  sollte  sie  doch  für  die- 
jenigen Placentiner,  die  sich  in  der  Ferne  befanden,  bis  zu  ihrer  Rückkehr 
in  die  Heimat  Gültigkeit  behalten.  Bei  Streitigkeiten  sollte  das  Forum  des 
Beklagten  zuständig  sein;  an  Abgaben  hatten  die  Placentiner  in  Pisa  die 
altherkömmUchen  (pedagium  und  ripa),  ebenso  wie  die  Pisaner  in  Piacenza 
2U  entrichten.^)  Doch  scheint  sich  ein  stärkerer  Handelsverkehr  zwischen 
beiden  Orten  nicht  entwickelt  zu  haben,  obwohl  die  Hauptstraße,  die  von 
Piacenza  über  den  M.  Bardone  nach  Toscana  und  weiter  nach  Rom  führte, 
sehr  viel  begangen  war;  dazu  war  doch  der  Weg  nach  der  ligurischen  See- 
stadt zu  nahe,  ohne  dabei  wesentlich  größere  natürliche  und  pohtische 
Schwierigkeiten  zu  bieten  als  der  Weg  nach  Pisa. 

509.  Während  die  Apenninen  für  die  Verbindung  Ober-Italiens 
mit  dem  Tyrrhenischen  Meere  ein  nicht  unerhebliches  Verkehrs- 
hindernis bilden,  wenden  sie  sich  am  Südostende  des  Ligurischen  Golfes 
von  der  Westküste  ab  und  der  Adria  zu,  so  daß  Mittel-Italien  sich 
überwiegend  nach  dem  Tyrrhenischen  Meere  hin  öffnet.  So  trennten 
keine  natürlichen  Schwierigkeiten  Pisa  von  seinem  toskanischen  Hinter- 

')  Ann.  Jan.,  SS.  XVIII,  192.  Zwei  Jahre  darauf  wurden  die  Markgrafen  von 
Montferrat,  Carreto  und  Ceva  in  dies  Bündnis  einbezogen ;  p.  209. 

2)  Ann.  Jan.  zu  1239,  1241,  1244,  1247;  zu  1243  p.  210:  commune  Placentie, 
quüd  nunquam  in  necessitatiVjus  defuit  comuni  Janue,  licet  multum  gravatum  esset 
ab  inimicis. 

»)  Oben  §  473. 

;)  §  271. 

')  Ferretto  I,  5  A.  1.  Auf  (irund  archivalischer  Studien  weist  Accame  in  den 
Atti  e  mem.  stör,  per  le  provineie  di  Romagna,  ser.  3,  XIV  (1896)  p.  137  einen 
Konsul  der  bolognesischen  Kaufleute  in  Genua,  Alberto  Guascone,  für  das  Jahr 
1220  nach.  Ein  Blick  in  die  Annalen  Genuas  zu  diesem  Jahre  hätte  ihn  belehrt, 
daß  er  in  Wahrheit  einer  der  vier  Gerichtskonsuln  war,  die  in  diesem  Jahre,  ebenso 
wie  der  Podestä,  sämtlich  Bolognesen  waren. 

8)  Boselli  I,  326  f.  Die  von  Piacenza  ausgestellte  Gegenurkunde  ist  nicht  er* 
halten. 


646  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

lande ;  und  am  wenigsten  konnte  von  solchen  gegenüber  seiner  Nach- 
barstadt Luc  ca  die  Rede  sein.  Dafür  sehen  wir  hier  die  schon  früher 
hervorgetretenen  Interessengegensätze^)  vielfach  eine  weit  schärfere 
Trennung  hervorrufen,  als  dies  natürlichen  Hindernissen  möglich  ge- 
wesen wäre. 

Im  ersten  Jahrzehnt  des  12.  Jahrhunderts  war  das  Grenzkastell  Ripa- 
fratta  am  Austritt  des  Serchio  aus  der  lucchesischen  Talstufe  der  Haupt- 
streitpunkt eines  Krieges  (1104 — 1110),  der  in  dem  durch  Heinrich  V. 
gebotenen  Frieden  mit  der  Behauptung  des  Kastells  durch  die  Pisaner 
endete.2)  In  einem  zweiten  Kriege  (1121)  erlangten  die  Lucchesen  von  dem 
gleichzeitig  durch  Genua  hart  bedrängten  Pisa  die  Anerkennung  ihrer  Be- 
freiung vom  pisanischen  Uferzoll,  die  Markgraf  Konrad  ihnen  erst  vor 
kurzem  (2.  Oktober  1120)  bestätigt  hatte.^)  Noch  während  des  korsikani- 
schen  Krieges  griifen  sie  wiederum  (1128)  zu  den  Waffen  und  entrissen 
den  Pisanern  das  die  Frankenstraße  beherrschende  Kastell  Aghinolfi  (heut 
Montignoso)  an  der  Bertramspforte  4),  jenem  Defile,  das  durch  das  nahe 
Herantreten  der  Apuanischen  Alpen  an  das  Meer  gebildet  wird ;  allerdings 
ohne  ihre  Eroberung  dauernd  festhalten  zu  können.^)  Besonders  heftig 
und  langwierig  aber  gestaltete  sich  der  Krieg,  der  1143  begann,  weil  Pisa 
das  Lucca  bedrohende  Kastell  Vurno  an  sich  gebracht  hatte,  um  auf  diese 
Weise,  wie  die  pisanischen  Annalen  sagen,  Rache  zu  nehmen  für  die  Unbill, 
die  ihm  Lucca  bezüglich  des  Kastells  Aghinolfi,  der  Frankenstraße  und  der 
Arnostraße  zugefügt  hatte.^)  Der  Krieg  zog  sich  trotz  kaiserlicher  und 
päpstücher  Bemühungen  mit  einigen  Unterbrechungen  (1147  und  1155/56) 
jahrelang  hin,  bis  er  endlich  Mitte  August  1158  durch  einen  zehnjährigen 
Waffenstillstand  beendet  wurde;  er  hatte  schließlich  fast  ganz  Toscana  in 
Mitleidenschaft  gezogen,  so  daß  Graf  Guido,  Siena  und  Pistoja  auf  der 
Seite  Pisas,  Florenz,  Prato  und  die  Herren  der  Versilia  und  Garfagnana 
auf  der  Seite  Luccas  standen.'^) 

510.  Die  Vertragsbedingungen  sind  nicht  erhalten  und  es  läßt  sich 
nur  vermuten,  daß  sie  im  allgemeinen  einem  uns  vorliegenden  Entwurf, 
auf  Grund  dessen  Erzl)ischof  Villano  in  Gemeinschaft  mit  anderen  geist- 
hchen  Würdenträgern  im  Januar  1155  den  Frieden  zu  vermitteln  versucht 
hatte 8),  entsprochen  haben  werden;  jedenfalls  aber  sind  die  Artikel  dieses 
Entwurfs  höchst  lehrreich  für  die  Interessen,  um  die  es  sich  handelte 
mid  für  die  Tendenzen,  die  man  bei  diesen  Kämpfen  verfolgte.  Für  den 
Verkehr  auf  der  »strada  Francorum«  nach  Pisa  unterschied  man  drei  Kate- 
gorien: die  diesseits  des  Passes  La  Cisa  (also  des  Apennin)  )fVohnenden 
durften,    ohne  Lucca    zu  berühren,    direkt    mit    Pisa    verkehren,    falls   ein 

»)  Oben  §  40  f.     Volpe  149  f. 

*)  Davidsohn  I,  355  ff. 

')  Ebd.  363  f.,  390.     Scheffer-Boiehorst  p.  65,  76  A.  7. 

*)  Urkunde  von  1055  bei  Muratori  Antiqu.  III,  645 :   de   castello  quod  dicitITir 
Aginulfi,  prope  portam  que  dicitur  Bertam.   Porta  Bertramensis  im  Vertrage  zwischen 
Genua  und  Tortona ;  Lib.  Jur.  II  no.  6.     S.  auch  Belgrano  in  Atti  Lig.  II,  p.  325. 

')  Davidsohn  I,  404-     Scheffer-Boiehorst  p.  86.  

6)  SS.  XIX,  241.     Bernhardi,  Konrad  III  p.  363. 

»)  Langer  S.  20 ;  Davidsohn  I,  431  ff.     Ann.  pis.  SS.  XIX,  244. 

*)  Bei  Bonaini  Suppl.  p.  28  f.,  vorher  aus  Eoncionis  freiüch  sehi-  unzureichen- 
der Übersetzung  p.  294  f.  bekannt.  Von  beiden  irrig  zu  1158  gesetzt,  ist  er  erst 
durch  Davidsohn  I,  453  f.  und  Forschungen  I,  99  richtig  bestimmt  worden. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     647 

solcher  direkter  Verkehr  altherkömmhch  war;  drei  von  Lucca  und  Pisa 
gemeinsam  zu  erwählende  Personen  aus  dem  Bistum  Luni  hatten  das  Her- 
kommen in  dieser  Beziehung  festzustellen.  Alle  jenseits  des  Apennin,  aber 
noch  diesseits  der  Alpen  Wohnenden  mußten  ihren  Weg  zwar  über  Lucca 
nehmen,  durften  aber  mit  ihren  Waren  unbehindert  (libere)  nach  Pisa 
weiterziehen,  wenn  sie  es  wollten.  Für  beide  Kategorien  sollte  indesscni 
während  eines  Zeitraums  von  10  Tagen  vor  und  10  Tagen  nach  Peter  Paul 
(29.  Juni),  an  welchem  Tage  in  Pisa  große  Messe  stattfand,  jede  Be- 
schränkung in  Wegfall  kommen.  Die  Franzosen  und  Deutschen  hingegen, 
sowie  alle  jenseits  der  Alpen  Wohnenden  überhaupt  (Franceschi  et  Tedeschi 
et  omnes  ultramontäni)  sollten  auf  ihrem  Wege  südwärts  in  Lucca  einen 
mindestens  achttägigen  Aufenthalt  nehmen  müssen,  innerhalb  dessen  sie 
auch  die  von  ihnen  eingekauften  Waren  zu  bezahlen  hatten;  dann  sollte 
auch  ihnen  bei  ihrer  Weiterreise  nach  Pisa  keinerlei  Hindernis  in  den  Weg 
gelegt  werden  dürfen.  Das  Kastell  Aghüiolfi  sollte  an  die  Pisaner,  der 
flämische  Turm  bei  Corvaria  (turris  flaminga)  an  seine  früheren  Besitzer, 
die  edlen  Herren  Uguiccio  und  Veltro,  zurückgegeben  werden.  Was  den 
Weg  von  Pisa  arnoaufwärts  anbetrifft,  so  sollte  niemand,  sei  es  auf  dem 
Arno  selbst,  sei  es  auf  der  in  der  Richtung  des  Arno  verlaufenden  Straße 
nach  Pisa  zu  ziehen  gehindert  werden;  die  Abgaben  waren  auf  das  Maß 
der  zur  Zeit  Ugolinos,  des  letzten  Kadolingergrafen,  (gest.  1113),  auf  diesem 
Wege  erhobenen  zurückzuführen;  wahrscheinlich  hatte  sie  Lucca,  das  seine 
Besitzungen  bis  zu  dem  wichtigen  Fucecchio  vorgeschoben  hatte,  beträchtlich 
erhöht.  Überhaupt  sollten  alle  Abgaben,  die  Pisa  und  Lucca  seit  den  Zeiten 
der  Gräfin  Mathilde  (gest.  1115)  gegeneinander  eingerichtet  hatten,  der  Salz- 
zoll (duana  salis),  der  Zuschlag  zum  Uferzoll  (wir  sehen  also,  wie  wenig  die 
Errungenschaft  der  Lucchesen  von  1120/21  Bestand  gehabt  hat)  und  die  Ver- 
kehrsabgabe, die  mit  dem  Namen  maltolletum  bezeichnet  wird,  innerhalb 
einer  bestimmten  Frist  völlig  beseitigt  werden.  Endlich  sollte  niemand,  der 
zu  Lande  oder  zu  Wasser  nach  Pisa  kam,  von  den  Pisanern  zurückgehalten 
werden  dürfen,  wenn  er  seine  Waren  nach  Lucca  weiterführen  wollte. 

511.  Die  Unzufriedenheit  Luccas  mit  den  Bestimmungen  des  Waffen- 
stillstandes von  1158,  der  jedenfalls  unter  dem  Drucke  des  damals  vor 
Mailand  lagernden  Kaisers  zustande  gekommen  ist,  äußerte  sich  besonders 
darin,  daß  es  im  folgenden  Jahre  eine  direkt  gegen  Pisas  kommerzielle 
Interessen  gerichtete  Konvention  mit  Genua  einging. 

Schon  während  des  korsikanischen  Krieges  hatte  die  gemeinsame 
Feindschaft  Lucca  mehrfach  mit  Genua  zusammengeführt;  daß  ein  Vertrags- 
verhältnis zwischen  beiden  Städten  bestand,  zeigen  die  Konsularstatuten 
Genuas  von  1143,  die  den  Genuesen  die  Beachtung  desselben  zur  Pflicht 
machen.i)  Der  damals  einsetzende  Krieg  Luccas  gegen  Pisa  fiel  zwar  in 
eine  Periode  des  Friedens  zwischen  den  beiden  Seestädten ;  wie  lebhaft  aber 
der  Handelsverkehr  der  Lucchesen  mit  Genua  war,  geht  aus  dem  Abkom- 
men von  1153  hervor,  das  den  Transithandel  der  Lucchesen  durch  genuesi- 
sches Gebiet  nach  Frankreich  regelte.^) 

Nunmehr  schloß  Lucca  mit  Genua  am  10.  September  1159  zu  Lerici 
eine  am  1.  November  für  12  Jahre  in  Kraft  tretende  Konvention  über  den 
Salzhandel.  Genua  verpflichtete  sich,  den  Lucchesen  alles  Salz,  dessen  sie 
bedürfen  würden,  an  den  jeweilig   von    ihnen  zu  bestimmenden  Ort  ihres 

*)  Leges  Munic.  I  p.  257. 
«)  Oben  §  275. 


648  '    Dreiund vierzigstes  Kapitel. 

Küstengebiets  zum  Preise  von  15  sol.  lue.  für  den  Malter  von  Porto  Venerei), 
frei  bis  zur  Entladung,  zu  liefern;  das  Risiko  des  Weitertransports  fiel  den 
Lucchesen  anheim.  Sollten  die  Pisaner  die  Transporte  mit  Gewalt  hindern, 
so  verpflichtete  sich  Genua,  das  Salz  nach  dem  Grenzorte  seines  Gebiets, 
Porto  Venere,  für  12  sol.  lue.  für  den  Modius  zu  liefern  und  seinen  Unter- 
tanen vorzuschreiben,  den  Weitertransport  mit  ihren  Fahrzeugen  (lignis)  für 
den  festen  Preis  von  2  sol.  7  den.  per  Modius  zu  besorgen;  wahrscheinlich 
sollte  dieser  Transport  dann  nur  nach  der  anderen  Seite  des  Golfs  von 
Spezia  gehen.  Sollten  die  Pisaner  auch  diese  Transporte  hindern  und 
Lucca  deswegen  zum  Krieg  gegen  Pisa  schreiten  wollen,  so  verpflichtete 
sich  Genua,  die  Lucchesen  zu  unterstützen.  Jedenfalls  um  den  Lucchesen 
eine  unbequeme  Konkurrenz  fernzuhalten,  versprachen  die  Genuesen  ferner, 
an  die  Anwohner  des  Golfs  zwischen  Porto  Venere  und  Luni  Salz  nur  in 
Höhe  ihres  eigenen  Bedarfs  abzugeben;  sollte  sich  herausstellen,  daß  diese  ^ 
Salz  in  das  Gebiet  zwischen  liUni  imd  Rom  weiterverkauften,  so  sollte  fl 
Genua  ihnen  nicht  eher  wieder  Salz  liefern,  bis  sie  geschworen  hatten, 
diesen  Handel  zu  unterlassen.  Ebenso  verpflichteten  sich  die  Genuesen 
selbst,  niemandem  in  diesem  Gebiet  Salz  zu  liefern,  auch  keinem  Kaufmann, 
der  das  Salz  auf  dieser  Küstenstrecke  absetzen  wollte.  Lucca  wollte  also 
fortan  nicht  nur  kein  Salz  mehr  von  Pisa  beziehen,  sondern  auch  in  bezug 
auf  den  Salzhandel  an  der  ganzen  Küste  von  Ijuni  bis  Rom  mit  Pisa  in 
Konkurrenz  treten. 

Der  Vertrag  ist  das  beste  Zeichen,  wie  wenig  freundlich  das  Verhältnis 
Luccas  zu  Pisa  war  und  wie  sehr  sich  während  des  langen  Kriegszustandes 
mit  Pisa  der  Verkehr  Luccas  mit  Genua  eingebürgert  hatte.  Deutlichen 
Anzeichen  dafür  begegnen  wir  auch  in  den  Notariatsakten  des  Johannes. 
Nicht  selten  ließen  sich  Lucchesen  dauernd  in  Genua  nieder  und  erlangten 
durch  Aufnahme  in  die  »Compagna«  das  Recht,  den  Genuesen  gleich  am 
Seehandel  teilnehmen  zu  können.  Das  hervorragendste  Beispiel  dafür  bietet  _ 
jener  Obertus  von  Lucca,  den  wir  mehrfach,  und  zwar  mit  sehr  bedeutendem  fl 
Kapital,  im  Seehandel  tätig  gefunden  haben;  im  April  1163  hat  er  von 
einem  anderen  in  Genua  naturalisierten  Lucchesen,  Guidotus,  dem  Sohne 
des  verstorbenen  Gandulfus  Lucensis,  einen  Hausanteil  erworben  und  später 
hat  er  es  bis  zum  Gerichtskonsul  in  Genua  gebracht.2) 

Ein  besonders  wichtiger  Artikel  des  lucchesischen  Exports  nach  Genua 
war  der  Safran.  3)  Dem  genuesischen  Bankier  Stabilis  versprachen  am 
8.  Dezember  1161  Pasius  Bruni  und  Grugnus  Moricondi,  für  empfangene 
Waren  bis  Mittfasten  nächsten  Jahres  111  Pfd.  unverfälschten  Safrans,  wie 
er  von  Lucca  eingeführt  zu  werden  pflege  (111  Ib.  safrani  legaliter,  sicut  a 
Luca  consuevit  introduci),  zu  liefern ;  und  ein  völlig  analoges  Versprechen  gibt 
ihm  am  gleichen  Tage  Rogerius,  der  Sohn  des  Petrus  de  Lisca,  in  bezug 
auf  241/3  Pfd.  »croci,  qualis  a  Luca  legaliter  adducitur«.*)  Ja  selbst  als 
Zahlungsmittel  dem  genuesischen  Staate    gegenüber  verwendeten  Lucchesen 


I 


I 


1)  .  .  .  modium  qui  hodie  publice  currit  in  Portu  Venere.    San  Quintino  p.  84. 

«)  Oben  §  118,  441.  Chart.  II  no.  775,  957,  1189,  1473;  1251  (13.  April  1163). 
Konsul  1189  fSS.  XVIII,  103).  Ein  anderes  Beispiel  ist  Merlo  von  Lucca;  s.  ferner 
no.  1055,  1427,  1064;  1467;  421—423. 

3)  tjber  (üe  viel  Arbeitsaufwrand  und  Mühe  erfordernde  Krokuskultur,  die 
schon  im  Altertum  in  Italien  heimisch  war,  s.  besonders  Flückiger  p.  773  fE.  und 
Semler  H,  640  ff. 

*)  Chart.  II  no.  1141,  1140. 


I 


Haudely\  erkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhon.  Meere.     649 

den  Safran;  Kaufleute  von  Lucca  schössen  ihm  am  1.  JuH  1169  einen  Betrag 
von  120  1.  Jan.  vor,  davon  80  1.  in  bar  und  40  1.  in  Safran,  Avobei  das  Pfund 
Safran  mit  8V3  sol.  Jan.  angerechnet  wurde,  i) 

512.  Zur  Zeit  dieses  Darlehnsgeschäftes  befand  sich  Lucca  schon  wieder 
in  heftigem  Kampfe  mit  Pisa.  Als  im  Jahre  1162  der  Krieg  zwischen 
Genua  und  Pisa  ausbrach,  hatte  der  Kaiser  im  Juli  zu  San  Genesio  die 
consules  majores  von  Lucca  in  Gegenwart  pisanischer,  florentinischer  und 
pistolesischer  Konsuln  schwören  lassen,  den  Verkehr  auf  der  Via  regia  in 
keiner  Weise  zu  stören  2),  Zuwiderhandlungen  zu  bestrafen  und  den  Pisanern 
und  ihren  Waren  Sicherheit  in  ihrem  Gebiet  zu  gewährleisten ;  und  etwa  um 
dieselbe  Zeit  bestimmte  man  auch,  daß  Streitigkeiten  zwischen  Pisanern  und 
Lucchesen  durch  alljährlich  neu  zu  nennende  Schiedsrichter  erledigt  werden 
sollten.3)  Trotzdem  trat  Lucca  schon  1165  in  den  Kampf  gegen  Pisa  ein, 
holte  sich  aber  am  1.  Juni  bei  den  Bädern  der  Monti  Pisani  eine  Nieder- 
lage, die  es  veranlaß te,   auf  eine  Waffenruhe   von  20  Monaten  einzugehen. 

Am  7.  Oktober  1166  aber  kam  es  zum  Abschluß  eines  engen  Bünd- 
nisses auf  29  Jahre*)  zwischen  Genua,  das  damals  auch  Rom  und  Narbonne 
auf  seine  Seite  brachte,  und  Lucca,  in  dem  Genua  dem  lucchesischen 
Handel  Bedingungen  zugestand,  wie  es  sie  ähnlich  günstig  noch  niemals 
einer  Stadt  zugestanden  hatte.  In  Porto  Venere,  das  den  Lucchesen  zu- 
nächst lag,  erhielten  sie  2  Häuser  innerhalb  des  Kastells,  so  daß  sie  hier 
ihre  Waren  völlig  sicher  unterbringen  konnten,  bis  sich  Gelegenheit  zur 
Weiterbeförderung  fand.  Wenn  die  Genuesen  den  Lucchesen  erlauben, 
in  Porto  Venere  ein  oder  mehrere  Schiffe  zu  unterhalten,  so  waren  die  Luc- 
chesen verpflichtet,  die  Genuesen  damit  gegen  jeden  Feind  auf  der  Küsten - 
strecke  zwischen  Rom  und  Nizza  zu  unterstützen.  Und  wie  den  Lucchesen 
in  Porto  Venere,  so  wurden  den  Genuesen  in  Motrone  2  Häuser  eingeräumt, 
die  nach  Ablauf  der  29  Jahre  an  Lucca  zurückfallen  sollten.  Mit  dem  Bau 
eines  Kastells  zum  Schutz  von  Motrone  hatte  Lucca  schon  begonnen ;  Genua 
verpflichtete  sich  nvm,  an  Lucca  1000  1.  zu  zahlen,  die  zum  Ausbau  dieses 
Kastells  oder  eines  anderen  bei  Filetto  (nahe  der  Serchiomündung)  oder 
auch  zum  Bau  von  Gebäuden,  Brücken  und  Wegen  in  oder  bei  diesem 
Kastell  zu  verwenden  waren.  Ferner  regelte  man  den  Modus  der  Bezahlung 
des  von  den  Genuesen  nach  Motrone  gelieferten  Salzes;  Lucca  versprach, 
seinen  Untertanen  durch  jährlich  erneute  Bekanntmachung  vorzuschreiben, 
nur  von  den  amtlich  bestellten  Salzverkäufern  oder  von  Genuesen  Salz  zu 
kaufen.  Der  wichtigste  Punkt  aber  war,  daß  Genua  versprach,  den  Luc- 
chesen die  Teilnahme  am  Seehandel  genau  ebenso  zu  gestatten  wie  den 
Genuesen  selbst.  Der  lebhafte  Wunsch,  das  gehaßte  Pisa  niederzuwerfen, 
veranlaßte    Genua   also ,    in    diesem    Falle    von   seiner   sonst   geübten    aus- 

*)  Olivieri  in  Atti  TJg.  I,  337.  Sieveking,  der  diesen  Druck  übersehen  hat,  ist 
auf  Grund  eines  Fehlers  in  dem  von  ihm  benutzten  Auszuge  von  Wolf  (40  Pfd. 
Safran  statt  40  I.  jan.  in  Safran)  zu  der  Annahme  gekommen,  daß  hier  ein  Zinsfuß 
von  etwa  100 "/o  pro  anno  vorliege;  I  \).  39.  * 

*)  Const.  et  acta  I,  302:  stratam  non  offendam  etc.  Das  Privileg  für  Pisa 
vom  April  1162  enthält  auch  die  Bestimmung,  daß  kein  Kaufmann  nach  Pisa  zu 
gehen  gehindert  werden  dürfe;  ebd.  283. 

')  Geht  aus  dem  pisanischen  Konsularstatut  für  1164  hervor. 

*)  San  Quintino  p.  86 — 91  gibt  den  l.,ucca  verpflichtenden  Teil  des  Vertrages, 
während  die  Ann.  pis.  (SS.  XIX,  255)  genau  über  die  Verpflichtungen  Genuas  be- 
richten (die  Zahl  der  Jahre  XXIV  ist  irrig  für  XXIX).  Dazu  ann.  genov.  I,  193 
mit  Anm.  1;  I>angerll8;   Davidsohn  I,  496. 


650  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

schließenden  Handelspolitik  völlig  abzugehen.  In  einer  besonderen  Ver- 
einbarung vom  21.  Juni  des  nächsten  Jahres  wurde  die  Höhe  des  Passier- 
zolls festgesetzt,  den  lucchesische  Waren,  die  auf  dem  Landwege  nach  Genua 
gingen,  im  Gebiet  der  Herren  von  Cogorno  und  der  anderen  Grafen  v.  La- 
vagna  zu  entrichten  hatten,  i)  Inzwischen  entbrannte  der  Kampf  um  die 
Via  regia  mit  besonderer  Heftigkeit;  mit  Hilfe  der  neuen  Befestigungen 
woUte  man  die  Verbindung  Luccas  mit  Genua  auf  dem  kürzesten  Wege 
sichern,  die  Pisaner  aus  dem  Küstengebiet  nördlich  vom  Serchio  völlig 
verdrängen  und  ihnen  jede  Verbindung  mit  der  Frankenstraße  abschnei- 
den; eine  Hauptlebensader  Pisas  sollte  damit  unterbunden  werden.  Lucca 
hatte  sogar  die  Absicht,  Pisa  völlig  zu  ruinieren,  indem  es  die  anderen 
Städte  Toscanas  zum  Anschluß  an  das  Bündnis  zu  bewegen  suchte;  doch 
hatte  es  damit  keinen  Erfolg.^)  Auch  leisteten  die  Pisaner  zähen  Wider- 
stand; Ende  1170  errangen  sie  über  ihre  Feinde  einen  großen  Landsieg^ 
der  es  ihnen  ermöglichte,  das  überaus  starke  Kastell,  das  Lucchesen  und 
Genuesen  bei  Motrone  errichtet  hatten,  dem  Erdboden  gleichzumachen  und 
auch  den  hölzernen  Turm,  der  von  ihnen  etwas  weiter  südlich  bei  Viareggio^) 
erbaut  war,  zu  zerstören;  im  folgenden  Jahre  freihch  erbauten  ihre  Feinde 
einen  neuen  »Turm  am  Meere«,  noch  fester  und  höher  und  dem  Arno 
näher  als  jener;  die  in  den  Fluß  Einfahrenden  sollten  ihn  nach  dem  Willen 
der  Erbauer  als  ein  schreckendes  Zeichen  sehen  können.  *)  Doch  stärkten 
die  Pisaner  in  diesem  Jahre  ihre  Stellung  erheblich  durch  ein  enges  Bünd- 
nis mit  Florenz;  Januar  1173  schlössen  sie  ein  gegen  Lucca  gerichtetes 
Bündnis  mit  den  edlen  Herren  der  Versilia,  das  diesen  gestattete,  Waren 
aus  Pisa  gegen  bloße  Entrichtung  des  alten  Uferzolls  auszuführen ;  doch 
maßten  sie  Garantie  leisten,  diese  nicht  an  die  Feinde  Pisas  zu  liefern  ß); 
1174  machten  sie  ihren  Frieden  auch  mit  Rom. 

Endüch  bereitete  das  Eingreifen  des  Kaisers  Ende  November  1175  dem 
Kriege  ein  Ende.  Die  vielumstrittene  Sperrfeste  an  der  Frankenstraße  (an 
Stelle  jenes  hölzernen  Turmes  war  schließlich  ein  Kastell  bei  Viareggio  er- 
baut worden)  mußte  zum  schweren  Verdruß  der  Lucchesen  geschleift  wer- 
den; dagegen  wurde  den  Pisanern  verboten,  den  von  ihnen  geschlagenen 
Münzen  die  Form  der  lucchesischen  zu  geben,  wie  sie  seit  langem  zu  tun 
gewohnt  waren.«)  Wie  einst  im  Jahre  1158,  fügte  sich  Lucca  auch  jetzt 
nur  widerstrebend  dem  gebotenen  Frieden  und  bald  genug  brachen  neue 
MißheUigkeiten  unter  den  beiden  Städten  aus. 

513.  Im  .Jahre  1181  aber,  wohl  unter  dem  Druck  langdauernder  Hungers- 
not und  schwerer  Seuchen,  die  Italien  damals  heimsuchten,  reichten  sich  die 
bisher  so  unversöhnlichen  Gegner  die  Hand  zu  ernstlichem  Frieden  nicht 
nur,  sondern  zu  so  engem  Bunde,  daß  beide  Städte  in  mancher  Beziehung 
fast  als  ein   Staatswesen    erscheinen  konnten.     Nach   schwierigen  Verhand- 


')  Ferretto  I,  247  A.  1.  Passavante  war  aber  nicht  Konsul  der  Lucchesen  in 
Genua,  sondern  lucchesischer  Stadtkonsul,  der  zum  Zwecke  der  Verhandlung  nach 
Genua  gekommen  war. 

*)  Omnes  facere  recusaverunt ;  ann.  pis,,  öS.  XIX,  255. 

")  Ebd.  260.     Näheres  über  diese  Kämpfe  bei  Davidsohn  I,  515  11:. 

*)  Ann.  genov.  I,  245. 

*)  Bonaini  Suppl.  p.  47  f.,  irrig  zum  Oktober  1169  angesetzt  (danach  auch 
Davidsohn  1.  c.  Anm.  4).     Dazu  Ann.  pis.  p.  264, 

*)  Ann.  genov.  11  p.  9.  Mem.  e  docum.  per  servire  all'  ist.  di  Lucca  IV,  2 
(1836)  no.  134  p    185  f.     Langer  S.  201.     Davideohn  I,  544. 


Handels  verkehl'  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     651 

lungen  kam  der  Vertrag  am  19.  Oktober  zum  endgültigen  Abschluß i);  je 
2000  Bürger  aus  jeder  Stadt  beschworen  ihn  und  alle  5  Jahre  sollten  je 
500  weitere  Bürger  den  gleichen  Eid  leisten.  Die  Differenzen  wegen  der 
Münze  wurden  in  der  Weise  beigelegt,  daß  die  in  Pisa  zu  prägenden  Münzen 
sich  fortan  deutlich  von  den  Denaren  Luccas  unterscheiden  sollten. 
Gegenseitig  war  Nachprägung  streng  verboten;  der  Reingewinn  aus  der 
Münze  in  jeder  Stadt  aber  sollte  zu  gleichen  Teilen  geteilt  werden. 

Ebenso  sollte  fortan  auch  der  Reingewinn  aus  dem  in  beiden  Städten 
erhobenen  Uferzoll  und  dem  Salzmonopol,  sowie  aus  dem  nur  in  Pisa  be- 
stehenden Monopol  auf  Eisen  und  Eisenerze,  so  lange  ein  solches  vorhanden 
sein  würde,  endlich  auch  der  Reinertrag  aus  dem  pisanischen  Seezollamt 
(decatia)  zu  gleichen  Teilen  unter  die  vertragschließenden  Städte  geteilt  werden. 
Wenn  es  darnach  scheinen  könnte ,  daß  diese  Bestimmungen  zum  ganz 
überwiegenden  Vorteil  Luccas  getroffen  waren,  so  schwindet  dieser  Eindruck 
doch  bei  Betrachtung  anderer  Artikel  des  Vertrages.  Abgesehen  davon, 
daß  die  Lucchesen  in  Pisa  wie  die  Pisaner  in  Lucca  in  bezug  auf  Abgaben 
und  Gebühren  völlig  gleich  den  Einheimischen  zu  behandeln  waren,  ver- 
pflichtete sich  Lucca,  sein  Salz  nur  von  den  Pisanern  zu  beziehen ;  vor  allem 
aber  war  bestimmt,  daß  aus  den  eigenen  Zolleinnahmen  Pisas  und  der  von 
Lucca  ihm  überwiesenen  Hälfte  vom  Abschluß  des  Friedens  an  auch  alle  Aus- 
gaben zu  bestreiten  waren,  die  Pisa  im  Interesse  des  Seehandels  und  der  Sicher- 
heit der  Schiffahrt  zu  machen  hatte.  Dazu  gehörten  alle  Ausgaben  für  die 
Decatia  selbst  sowie  für  den  Seehafen  (pro  magnali)  und  das  große  Magazin 
in  Porto  Pisano,  die  Kosten  des  Wachtdienstes  auf  Hafentürmen,  Wacht- 
türmen,  Küsten  und  Inseln  (unter  dem  Begriff  guardia  maris  zusammen- 
gefaßt) ,  die  Ausrüstung  und  Unterhaltung  besonderer  Wachtgaleeren  zur 
Sicherung  der  heimischen  Gewässer,  event.  auch  zur  Begleitung  und  Einholung 
von  Handelsschiffen,  endlich  auch  die  Kosten  von  Gesandtschaften,  die  im 
allgemeinen  Handelsinteresse  notwendig  schienen,  sowie  überhaupt  alle  Aus- 
gaben, die  bona  fide  im  Interesse  der  decatia  gemacht  werden  würden.  Man 
wird  darnach  wohl  annehmen  dürfen,  daß  Lucca  nicht  auf  besonders  hohe 
Überweisungen  zu  rechnen  hatte. 

Dafür  hatten  aber  auch  die  Lucchesen  fortan  den  gleichen  Anspruch 
auf  Beförderung  zur  See,  Teilnahme  am  Seehandel  und  maritimen  Schutz 
wie  die  Pisaner  selbst;  die  Privilegien,  die  die  Pisaner  genossen,  sollten 
allerwärts  auch  den  Lucchesen  zugute  kommen.  2)  Diese  Beteiligung  am 
Seehandel  auf  dem  Wege  über  Pisa  war  für  Lucca  natürlich  ungleich  be- 
<|uemer  und  vorteilhafter  als  auf  dem  Umwege  über  Genua. 

Auf  der  ganzen  Küstenstrecke  zwischen  Serchio  und  Magra  durften 
nur  Waren  der  Pisaner  oder  Lucchesen  zur  Entladung  kommen,  eine  Be- 
stimmung, die  sich  offenbar  gegen  den  früher  von  Genuesen  und  Bewohnern 
der  genuesischen  Riviera  betriebenen  Zwischenhandel  richtete.  Den  Leuten 
von  Vallecchia  (in  der  Versiha  dicht  bei  Corvaria),  die  Untertanen  der 
Pisaner   waren,   wurde  das  Recht  vorbehalten,  3  kleine  Fahrzeuge  (2  bucii, 


*)  Eid  der  pisanischen  Konsuln  vom  IG.  Juni  bei  Carli  II  p,  150  — 160;  teil- 
weise in  Mein,  e  Doc.  di  Lucca  IV,  2,  192.  Bei  Koncioni  in  Übersetzung  mit  dem  Da- 
tum des  22.  Juni  p.  399  f.  Eid  der  lucchesischen  Konsuln  vom  4.  September, 
Carli  n  p.  160—170.  Konvention  vom  19.  Oktober  bei  ßonaini  Suppl.  p.  82  f.  Dazu 
Davidsohn  I,  569. 

2)  Der  Vertrag  mit  Mallorka  1184  auch  für  Lucca  geschlossen;  oben  §255. 


652  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

1  jansira)  zu  unterhalten,  deren  Benutzung  den  Lucchesen  zur  beliebigen 
Beförderung  ihrer  Waren  (natürlich  konnte  es  sich  hierbei  auch  nur  um 
Küstenfahrt  handeln)  gestattet  war. 

Was  den  Landverkehr  auf  der  Frankenstraße  angeht,  so  sollten  alle 
von  jenseits  der  Alpen  Kommenden,  sowie  überhaupt  alle,  die  mit  Waren 
reisten  1),  ob  sie  nun  durch  die  Versilia  oder  durch  die  Garfagnana  kamen, 
zwar  veranlaßt  werden  dürfen,  über  Lucca  zu  reisen,  doch  sollten  sie  von 
hier  ihre  Reise  ganz  nach  Belieben  jederzeit  nach  Pisa  fortsetzen  dürfen; 
von  den  engherzigen  Bestimmungen  des  Vertragsentwurfes  von  1155  sah 
man  also  nunmehr  doch  ab. 

Die  enge  Allianz  der  beiden  Städte  kam  endhch  auch  darin  zum 
Ausdruck,  daß  ihre  Bürger  in  bezug  auf  Handelsabgaben  einander  völlig 
gleichgestellt  wurden;  durch  jährlich  gemeinsam  bestellte  Schiedsrichter  waren 
zwischen  Pisanem  und  Lucchesen  entstehende  Streitigkeiten  zu  schlichten.  2) 
Im  Jahre  1183  wurde  auch  die  Höhe  des  Ripaticum,  das  von  den  Edlen 
von  Ripafratta  von  den  unterhalb  der  Burg  oder  auf  der  anderen  Seite  des 
Serchio  passierenden  Waren  erhoben  wurde,  geregelt.  Die  edlen  Herren  be- 
anspruchten 2  d.  für  die  Last  und  18  d.  für  den  mit  Waren  beladenen 
Karren ;  Pisa  wollte  nur  1  und  4  d.  zugestehen,  bis  endlich  die  von  beiden 
Parteien  erwählten  Schiedsrichter  einen  Ausgleich  dahin  zustande  brachten, 
daß  bei  Waren,  die  Pisanern  oder  Lucchesen  gehörten,  von  der  Last  1  d., 
vom  Karren  8  d.  entrichtet  werden  mußten,  während  die  Sätze  für  andere 
Waren  l^/o  d.  und  10  d.  betragen  sollten.  2) 

514.  Weit  über  ein  Menschenalter  hat  der  Friede  zwischen  Pisa  und 
Lucca  Bestand  gehabt.  Im  Jahre  1221  aber  brachen  neue  Kämpfe  zwischen 
beiden  Städten  aus,  die  sich,  wenn  auch  mit  Unterbrechungen,  bis  tief  in 
das  folgende  Jahrzehnt- hineinzogen. 4)  Doch  fand  der  große  Streit  zwischen 
dem  Papst  und  Friedrich  II.  auch  Lucca  auf  Seiten  des  Kaisers;  hatte  der 
Papst  doch  besonders  dadurch,  daß  er  die  Edlen  der  Garfagnana  der  Kirche 
huldigen  ließ^),  die  Interessen  Luccas  verletzt.  Im  Dezember  1248  übertrug 
der  Kaiser  gleichzeitig  den  Lucchesen  die  Garfagnana,  den  Pisanern,  die 
vorher  schon  das  castrum  Aghinolü  besetzt  hatten,  die  Lunigiana^).  Mit 
seinem  Tode  brach  die  Feindschaft  der  Städte  wieder  aus  und  zusammen 
mit  Florenz  nahm  Lucca  nunmehr  wieder  am  Kriege  Genuas  mit  Pisa  teil. 
'  Auch    während   seines    engen   Bundes  mit  Pisa  hatten    die   Handels- 

beziehungen Luccas  zu  Genua  fortgedauert,  offenbar  im  Zusammenhange  damit, 
daß  seit  alter  Zeit  ein  beträchtlicher  Teil  des  lucchesischen  Handelsverkehrs 
seinen  Weg  nach  Frankreich  nahm.  Im  April  1191  wurde  das  Recht  der 
Zollerhebung  von  den  passierenden  Lucchesen  durch  den  Podestä  der  Leute 

')  Ultramontanos  tameu  et  omnes  scarsellas  portantes  etc.     Caiii  11,  165. 

*)  Die  Tätigkeit  solcher  arbitri  ist  für  1183  und  1190  nachweisbar.  Volpe 
p.  143  A.  6  und  312. 

'•')  Bonaini,  Suppl.  p.  86  f. 

*)  Winkelmann  I,  163  f.,  II,  27  usw. 

')  24.  Oktober  1227;  B.-F.-W.  12972.  Am  16.  November  1209  hatte  Lucca  auf 
Verlangen  Ottos  IV.  die  Garfagnana  und  Versilia  aus  der  Untertänigkeit  entlassen ; 
Winkelmann,  Otto  p.  216. 

«)  Schütte  103.  Im  Juli  122G  hat  ein  pisanisches  Aufgebot  den  über  den 
M.  Bardone  aus  der  Lombardei  zurückkehrenden  Kaiser  von  Pontremoli  an  über 
Sarzana  nach  Pisa  geleitet.  Ann.  Plac.  SS.  XVIII,  4G9.  Besetzung  von  Aghinolfl : 
Ann.  Jan.  zu  1248  p.  225  f. ;  Breviar.  pis ,  Murat.  SS.  VI,  192. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhon.  Meere.     653 

von  Cellasco  und  Lagneto  für  10  1.  Jan.  vergeben  i),  und  als  1216  eine  genu- 
esische Gesandtschaft,  die  nach  Rom  wollte,  vom  Markgrafen  Andreas  von 
Massa  gefangen  genommen  wurde,  ging  Lucca  sogleich  mit  einer  kriegerischen 
Expedition  gegen  ihn  vor.  2)  Im  Dezember  1214  sehen  wir  den  Lucchesen 
Bonagiunta  von  Villano  Asperano  in  Genua  115  Pfd.  Seide  für  c.  118  1.  jan. 
erstehen  3) ;  im  selben  Jahr  nahm  der  Lucchese  Guido  Pallavicini  in  Genua 
bei  Bonamicus  Archerius  ein  Darlehn  auf,  das  er  in  Lucca  zurückzuerstatten 
versprach,  und  schon  am  17.  Juli  1201  sehen  wir  in  dieser  Form  des  Wechsels 
den  Lucchesen  Gualzerio  Onesti  für  in  Genua  empfangene  241.  jan.  den 
Gegenwert  mit  42  ^j^  1.  lue.  in  Lucca  zu  zahlen  versprechen.  ■*) 

Im  Jahre  1217  kam  ein  neuer  Handelsvertrag  zwischen  beiden  Städten 
zustande,  dessen  Inhalt  uns  leider  nicht  bekannt  ist.  0)  Fünf  Jahre  darauf 
verlangte  der  Papst  von  Genua,  den  Lucchesen  den  Verkehr  mit  ihrer  Stadt 
zu  sperren;  ohne  Erfolg  allerdings,  wie  wir  schon  daraus  ersehen,  daß  im 
nächsten  Jahre  Kaufleute  von  Lucca,  die  auf  dem  Wege  nach  Genua  waren, 
bei  Porto  Venere  überfallen  wurden  und  daß  Genua  die  Übeltäter  schließlich 
zur  Restitution  zwang.  ^)  In  dieser  Zeit  des  wiederausgebrochenen  Krieges 
mit  Pisa  mußte  sich  das  Verhältnis  Luccas  zu  Genua  um  so  enger  gestalten ; 
ein  Beleg  dafür  und  für  die  Stärke  der  lucchesischen  Kolonie  in  Genua  ist 
es,  daß  die  Annalen  Genuas  zum  Jahre  1227,  wo  ein  Lucchese  Podeste  von 
Genua  war,  ausdrücklich  hervorheben'^),  daß  sich  die  Mehrzahl  der  in  Genua 
weilenden  Kaufleute  von  Lucca  damals  an  dem  Kriegszuge  Genuas  gegen 
Savona  und  Albenga  beteiligt  hätte,  und  1233  suchte  Genua  den  Lucchesen 
dadurch  beizustehen,  daß  es  eigens  Gesandte  nach  Lucca  schickte,  die  die 
dort  herrschenden  inneren  Kämpfe  beizulegen  versuchen  sollten.*')  Am 
Ende  des  Jahres  1239  erneuerten  als  Gesandte  Luccas  Guidotto  Tegrini  de 
Podio,  einer  der  Konsuln  der  Kaufleute  von  Lucca,  und  der  Richter  Armanno 
Pargia  den  Handelsvertrag  mit  Genua;  insbesondere  wurde  bestimmt,  daß 
die  Lucchesen  mit  den  Bewohnern  von  Porto  Venere  über  die  Miete  von 
Fahrzeugen  und  den  Transport  ihrer  Wären  völlig  unbehindert  Verein- 
barungen treffen  dürften;  in  allen  auswärtigen  Handelsplätzen  sollten  die 
Lucchesen    in   dem  gleichen  Handelsquartier  wie   die  Genuesen   wohnen.  9) 

')  Ferretto  I,  20  A.  1.  Vorbehalt  bezüglich  der  Lucchesen  im  Vertrage  mit 
Marseille  1211.     Oben  §  471. 

*)  Ann.  genov.  II,  142.  Aussöhnung  des  Markgrafen  mit  Genua  erst  1223: 
ebd.  196. 

')  San  Quintino  p.  64  aus  dem  Notul.  Lanfranci.  Im  Jahre  1251  kauft  ein 
lanerius  aus  Lucca  für  28  1.  jan.  raza  und  boldroni  in  Genua.  Sieveking  II,  42  A.  5. 

*)  San  Quintino  p.  77.  Ferretto  I,  8  A.  2.  Nach  Ferretto  I,  111  A.  3  wären 
1213  zuerst  lucchesische  Konsuln  in  Genua  nachweisbar;  der  Florentiner  Bernardo 
Argembaldo,  der  in  Genua  am  4.  Juli  1213  mit  Montanino  Tadi  von  Lucca  kon- 
trahiert, verspricht,  bei  entstehenden  Differenzen  sich  dem  Spruch  der  florentini- 
schen  und  lucchesischen  Konsuln  in  Genua  zu  unterwerfen.  Ich  muß  gestehen, 
daß  ich  starke  Bedenken  wegen  der  vollen  Genauigkeit  dieses  Regests  nicht  unter- 
drücken kann;  hat  sich  Fen-etto  doch  auch  bezüglich  der  lucchesischen  Konsuln 
in  Genua  sowohl  für  das  Jähr  1167  wie  für  das  Jahr  1239  geirrt.  Nur  die  Ver- 
iiffentUchung  des  Originals  kann  Gewißheit  bringen. 

«)  Ferretto  I,  81  A.  3. 

")  Winkelmann  I,  169 ;  ann.  genov.  11,  195. 

»)  SS.  XVm,  166. 

8)  Ebd.  181. 

")  Lib.  Jur.  I  no.  753:  Schreiben  Luccas  an  Genua  vom  22.  Nov.,  daß  es  die 
beiden  Gesandten  mit  Vollmacht  zum  Abschluß  des  Vertrages  verstehen  habe.    Mit- 


ß54  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

Als  der  Vertrag  geschlossen  wurde,  lag  Genua  schon  im  Kampfe  mit  dem 
Kaiser,  indessen  vermochte  Ijucca  an  der  mit  diesem  Vertrage  bekundeten 
antikaiserlichen  Poütik  nicht  festzuhalten  und  erst  nach  des  Kaisers  Tode 
alliierte  es  sich  von  neuem  mit  Genua. 

515.  Im  Gegensatz  zu  Lucca  stand  Pisa  lange  Zeit  hindurch  mit  Florenz, 
mit  dem  es  die  freiUch  nicht  sehr  ausgiebige  Wasserstraße  des  Arno  verband, 
in  bestem  Einvernehmen.  Baumstämme  zu  Masten  kamen  zur  Zeit  des  Bale- 
arenzuges  arnoabwärts  aus  den  Bergwäldern  des  Mugello  nach  Pisa^);  und 
Feindschaft  gegen  Lucca  hat  die  Florentiner  im  12.  Jahrhundert  mehr  als 
einmal  an  die  Seite  der  Pisaner  geführt.  Ganz  besonders  eng  gestaltete  sich 
das  Verhältnis  zwischen  Pisa  und  Florenz  während  des  großen  genuesisch- 
pisanischen  Krieges,  als  Genua  sich  mit  Lucca  auf  das  engste  verbündet 
hatte.  Um  die  Unterstützung  von  Florenz  zu  gewinnen,  entschloß  sich  Pisa, 
diesem  nicht  nur  die  gleichen  kommerziellen  Vorteile,  die  Genua  den  Luc- 
chesen  gewährt  hatte,  sondern  selbst  noch  größere  zuzugestehen;  es  war  ein™ i 
gewaltiger  kommerzieller  Erfolg,  den  die  Florentiner  mit  dem  Vertrage  er-SI 
rangen,  der  am  4.  Juli  1171  auf  40  Jahre  abgeschlossen  wurde.  2)  Zu  ihrer 
Unterkunft  in  Pisa  wurde  ihnen  in  dem  Stadtviertel  Fuoriporta  ^),  das  sie, 
von  Florenz  kommend,  zuerst  erreichten,  ein  Haus  überwiesen ;  auch  erhielten 
sie  2  Verkaufsbuden  (bottigas)  auf  der  Arnobrücke,  und  zwar  auf  der  der  Alt-«j 
Stadt  zugewandten  Hälfte,  die  als  die  bessere  galt.  Fortan  waren  die  PisanerlB 
verpflichtet,  sie  und  ihre  Waren  unter  denselben  Bedingungen  zur  See  zu 
befördern  wie  ihre  eigenen  Bürger  selbst;  auch  sollten  sie  darauf  hinwirken, 
daß  von  ihnen  in  den  überseeischen  Häfen  keine  höheren  Abgaben  gefordert 
würden  als  von  den  Pisanern;  die  Florentiner  sollten  also  in  den  Augen 
der  fremden  Staaten,  die  mit  Pisa  Handelsverträge  geschlossen  hatten,  als 
Pisaner  erscheinen.  Vom  pisanischen  Seezollamt  sollten  sie  für  alle  Zeiten 
völlig  gleich  den  Pisanern  behandelt  werden;  an  Uferzoll  hatten  sie  sogar 
nur  die  Hälfte  dessen,  was  die  Pisaner  selbst  zu  zahlen  hatten,  zu  entrichten 
—  offenbar  mit  Rücksicht  darauf,  daß  sie  Zoll  ja  auch  noch  unterwegs  zu 
leisten  hatten;  jedenfalls  wurde  die  gleiche  Begünstigung  auch  den  Pisanern 
in  Florenz  zu  teil.  EndHch  wurde  den  Florentinern  auch  noch  die  Hälfte 
der  Einnahme   aus  der  Verpachtung  der  pisanischen  Münze  zugestanden.*) 

Zweifellos  hat  sich  auf  der  Grundlage  dieses  Vertrages  der  Handel 
zwischen  den  beiden  Arnostädten  auf  das  lebhafteste  entwickelt.  Ein  nicht 
geringer  Teil  desselben  wird  sich  auf  dem  Wasserwege  vollzogen  haben; 
etwas  größere  Schiffe  konnten  immerhin  in  der  Zeit  nicht  zu  niedrigen 
Wasserstandes  bis  Signa  an  der  florentinischen  Grenze  aufwärts  gelangen, 
wo  dann  allerdings  Umladung  auf  Barken  erfolgen  mußte.^)  Einige  Nach- 
richten über  diesen  Schiffsverkehr  erhalten  wir  durch  Zeugenaussagen,  die 
im  März  1209  zu  Pisa  zur  Feststellung  der  Rechte  aufgenommen  wurden, 
die   dem    Erzbischof   an   der  Zollstätte   von  Ricavo    (an   der  Mündung  desJI 

teilungen  aus  dem  am  11.  Dezember  abgeschlossenen  Vertrage  selbst  bei  Ferretto  I, 
81  A.  3 ;  daß  er  Guidotto  irrig  als  lucchesischen  Konsul  in  Genua  bezeichnet,  geht  ^ 
aus  dem  uns  im  Wortlaut  vorliegenden  Schreiben  Luccas  hervor. 

*)  Lib.  Maiol.  p.  10  v.  102:  Arborum  robur  celsae  tribuere  Mucellae. 

2)  Nur  der  die  Pisaner  verpflichtende  Eid  ist  erhalten.  Dal  Borgo  p.  307  f.j 
Santini  p.  5  f.     Davidsohn  I,  518  f. 

')  Nicht  »außerhalb  der  Tore  der  Seestadt«,  wie  Davidsohn  meint. 

*)  >Medietas  Logoriae  Monetae  Pia.  civitatis.« 

»)  Davidsohn  I,  787  f. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrhen.  Meere.     655 

gleichnamigen  Baches  zwischen  Era  und  Elsa)  zustanden ;  die  Erinnerung 
der  Zeugen  reicht  bis  auf  30  und  40  Jahre  zurück,  i)  Danach  wurden  von 
der  Last  ohne  Unterschied,  ob  sie  in  der  Richtung  auf  Pisa  oder  auf  Florenz 
ging,  4  den.  für  das  Erzbistum  erhoben;  in  früheren  Zeiten  hatten  die  tal- 
aufwärts gehenden  Waren  nur  1  den.  pro  Last  entrichtet,  seit  30  Jahren 
aber  (einer  sagt  aus:  seit  36  Jahren)  war  dieser  Unterschied  beseitigt  worden. 
Ein  Zeuge  ist  Sohn  eines  ehemaligen  Gastalden  des  Erzbischofs  für  diese 
Zollstätte;  der  von  diesem  eingesetzte  Riparius  habe  seit  Jahrzehnten  bis 
zur  Gegenwart  den  Uferzoll  (ripam)  von  den  Schiffen,  die  auf  dem  Arno 
oder  durch  den  Kanal  nach  dem  See  von  Bientina^)  verkehrten,  in 
folgender  Weise  erhoben:  mit  1  alten  mezanus  (mez.  1  ad  antiquum)  von 
den  Salzschiffen,  mit  8  den.  von  den  mit  Roheisen  (vena  ferri)  beladenen 
Schiffen ;  Schiffe,  deren  Ladung  in  Fässern  bestand  (diese  gingen  wohl  fluß- 
abwärts), hatten  2  den.  zu  entrichten,  während  von  denen,  die  irdene 
Gefäße  geladen  hatten,  in  natura  4 — 6  Stück  erhoben  zu  werden  pflegten. 
Ln  Jahre  1218  drücken  die  in  Pisa  verkehrenden  Frachtfuhrleute  den 
Wunsch  aus,  daß  die  den  Verkehr  mit  Florenz  vermittelnden  Arnoschiffer 
ihre  Transporte  auf  derselben  Wage  und  gegen  dieselbe  Gebühr  zur  Ver- 
wiegung bringen  müßten  wie  sie  selbst  3);  schon  daraus  geht  hervor,  daß 
auch  der  Warentransport  zu  Lande  zwischen  Florenz  und  Pisa  erheblich 
gewesen  muß.  Auf  den  Geldverkehr  zwischen  beiden  Städten  fällt  durch 
die  Fragmente  eines  florentinischen  Bankbuches  vom  Jahre  1211  einiges 
Licht;  danach  stand  die  uns  mit  Namen  nicht  bekannte  Firma  mit  einem 
pisanischen  Bankier  Bernhard  in  Verbindung,  während  gleichzeitig  aucli 
ein  Sozius  der  Firma,  Aldobrandino,  in  Pisa  tätig  war.*) 

516.  Das  gute  Einvernehmen  zwischen  Pisa  und  Florenz  hatte  zuerst 
eine  empfindliche  Störung  erfahren,  als  nach  dem  Tode  Heinrichs  VL  unter 
der  Führung  von  Florenz  der  gegen  die  Reichsgewalt  gerichtete  tuscische 
Bund  entstanden  war  und  Pisa,  dessen  Anschluß  als  »der  größten  Stadt 
Tusciens«  die  Rektoren  des  Bundes  als  für  das  Vaterland  durchaus  not- 
wendig bezeichnet  hatten,  sich  beharrlich  weigerte,  dem  Bunde  beizutreten, 
trotz  Bann  und  Interdikt,  die  der  Papst  auf  Betreiben  der  Florentiner  gegen 
Pisa  in  Anwendung  brachte.  Da  Innozenz  III.  aber  schließhch  selbst  von 
seinem  Verlangen  Abstand  nahm,  so  ging  die  Störung  noch  einmal  ohne 
weitere  Folgen  vorüber.^) 

Von  der  Erneuerung  des  im  Jahre  1211  ablaufenden  Handelsvertrags 
haben  wir  keine  direkte  Kunde;  sie  wird  wahrscheinlich  dadurch,  daß  Pisa 
und  Florenz  am  30.  Mai  1214,  wie  es  damals  vielfach  geschehen  ist,  ein 
Abkommen  trafen,  wonach  fortan  nur  der  Schuldner  selbst  oder  dessen 
Bürge  zu  belangen  sei  und  die  Befriedigung  des  Gläubigers  zunächst  aus 
beweglichem  Besitz  und  nur  wenn  dieser  nicht  ausreichte  oder  nicht  zu 
erlangen  war,  aus  Immobilien  des  Schuldners  erfolgen  sollte.^)  Unter  den 
florentinischen  Zeugen  des  Vertrages  begegnet  auch  der  fondacarius  Boni- 
omus  (Buongiorni) ;  danach  stand  also  das  Fondaco  der  Florentiner  in  Pisa 
unter  ihrer    eigenen  Verwaltung.     Von   besonderem  Interesse  aber  ist,   daß 


»)  Davidsohn  Forsch.  HI  p.  1.     Volpe  p.  28  u.  71  A.  2. 

')  per  Amum  sive  per  foveam  in  padule  (=  palude). 

»)  Bonaini  IH  p.  1163. 

*)  Frammenti  p.  174—176. 

»)  Winkelmann,  Philipp  117. 

8)  Santini  p.  175  ff.  no.  61  u.  62.     Proxenie  im  Mittelalter  1.  c.  p.  11  f. 


656  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

der  an  erster  Stelle  genannte  pisanische  Zeuge,  der  damalige  capitaneus 
militum  Guido  Marignani,  zugleich  als  Florentinus  hospes  bezeichnet  wird. 
Jedenfalls  hatte  dieser  vornehme  Pisaner  den  Florentinern,  zu  deren  Beher- 
bergung das  ihnen  1171  überwiesene  Haus  sicher  nicht  ausreichte,  Räume 
aus  seinem  Besitz  zur  Verfügung  gestellt  i)  und  fungierte  als  ihr  Gastfreund 
zugleich  auch  als  ihr  Protektor. 

Einen  niemals  wieder  verheilten  Riß  bekam  die  Freundschaft  der 
beiden  bisher  so  eng  verbundenen  Städte  2),  als  zwischen  ihren  Rittern  und 
Bürgern,  die  in  Vertretung  ihrer  Gemeinden  im  November  1220  der  Kaiser- 
krönung Friedrichs  II.  in  Rom  beiwohnten,  im  kaiserlichen  Lager  selbst 
eine  blutige  Rauferei  ausbrach,  die  den  Podestä  von  Pisa  veranlaß te,  die 
in  Pisa  befindlichen  Waren  der  Florentiner  mit  Beschlag  belegen  und  die 
Florentiner  selbst  verhaften  zu  lassen ;  die  die  beiden  Städte  verbindenden 
Eide  und  Verträge  wurden  für  gebrochen  erklärt.^)  Ein  Versuch  der  Floren- 
tiner, die  sich,  wie  es  scheint,  schuldig  fühlten,  den  Zorn  der  Pisaner  zu 
besänftigen,  blieb  fruchtlos ;  so  schloß  sich  Florenz,  auch  vom  Reichslegaten j| 
Bischof  Konrad  von  Metz  und  Speier,  in  den  Bann  getan,  eng  an  Lucca« 
an,  während  Pisa  sich  mit  Siena  und  den  kleineren  Kommunen  Toscanas 
verband.  Im  entscheidenden  Kampfe  vom  21.  Juli  1222  bei  Castel  del 
Bosco^)  (nahe  Bientina)  aber  triumphierten  Lucca  und  Florenz  vollständig; 
die  verbündeten  Gegner  mußten  zusammen  63  000  1.  pis.  erlegen,  deren 
Zahlung  Pisa  zu  übernehmen  hatte;  bis  sie  erfolgt  war,  blieben  die  zahl- 
reichen Gefangenen  als  Geiseln  in  Haft.^)  Seitdem  beherrschten  Handels- 
eifersucht und  Neid,  gegenseitiges  Mißtrauen  und  ein  immer  tiefer  wurzelnder 
Haß  die  Beziehungen  zwischen  Pisa  und  Florenz.  Für  die  Handelsgeschichle 
erübrigt  es  sich,  dem  Wechsel  von  offenem  und  verstecktem  Krieg,  Sieg 
und  Niederlage  mit  zeitweiliger  Waffenruhe  in  den  nächsten  Zeiten  zu 
folgen^);  wo  sich  die  Möglichkeit  bot,  kam  ja  der  florentinische  Handel 
immer  wieder  auf  den  natürlichen  Weg  über  Pisa  zurück,  wie  uns  auch 
die  Akten  des  Marseiller  Notars  vom  Jahre  1248  zeigen.  Für  Pisas  spätere 
Entwickelung  aber  wurde  es  verhängnisvoll,  daß  zu  der  unversöhnten 
Gegnerschaft  von  Genua  und  Lucca  nun  noch  die  Feindschaft  mit  dem 
mächtig  emporblühenden  Florenz  hinzugetreten  war.  Gerade  die  Blüte  der 
florentinischen  Industrie,  hinter  der  die  pisanische  beträchtlich  zurück  blieb, 
scheint  der  tiefere  Grund  gewesen  zu  sein,  weshalb  das  frühere  Verhältnis 
der  beiden  Städte  sich  nicht  mehr  herstellen  wollte. 

517.  Die  Spannung  mit  Pisa  auf  der  einen,  die  Zunahme  des  Handels 
mit  Frankreich  auf  der  anderen  Seite  mußte  zur  Folge  haben,  daß  Florenz 
auch   zu  Genua    in  wachsendem  Maße   in  Handelsbeziehungen   trat.'^)    Seit 

^)  Das  uns  in  einer  Redaktion  vom  xlnfang  des  14.  Jahrhunderts  vorliegende 
Breve  Merc.  (Bonaini  III)  erwähnt  in  rub.  37  noch  das  f  undacum  Guidonis  Marig- 
nani et  consortum.  ' 

'   ^)  Cum  unum  dicerentur  ubique  et  essent  revera,    sagt   ein  Zeitgenosse,  de* 
Florentiner  Sanzanome ;  Hartwig  I,  20. 

^)  Winkelmann  I,  117  u.  1631  Brief  des  päpstl.  Legaten  Hugo  von  Ostil 
vom  April  1221 :  licet  eos  (Florentinos)  in  banno  Metensis  Ep.  posuisset  et  Pisani^ 
sicut  asserunt,  magnam  pecuniam  detineant  eorundem»    Levi  p.  12  no.  10. 

*)  Hartwig  O.  Die  Schlacht  von  C.  del  B.;;  in:  Im  neuen  Reich  11  (1880), 
201  ff.     Winkelm.  I,  186. 

*)  Sanzanome  bei  Hartwig  I,  25. 

•)  S.  Winkelmann  IT,  27,  315  ff.,  423  ff.,  427  f.  xxm.  ■. 

')  Wegen   angeblicher   flor.   Konsuln   in  Genua  1213   s.    oben  §  514.     Sichei? 


II 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Rinneuhmde  und  dem  Tyrrh.  Aleere.       657 

(lieser  Zeit  sehen  wir  Florentiner  von  Genua  aus  auch  mit  Tunis  Handel 
treiben  und  besonders  im  Jahre  1233,  wo  der  Florentiner  Pegolotto  d'  Uguc- 
cione  de'  Gherardini  Podestä  in  Genua  war,  treten  uns  auch  seine  Lands- 
leute daselbst  im  Handel  tätig  entgegen.  So  versprechen  Oliverio  Speciario 
und  Rainerio  Speciario  am  16.  Februar  für  empfangene  genuesische  Valuta 
an  Buonrestoro,  den  Bevollmächtigten  von  Giacomo  von  San  Gimignano, 
den  Gegenwert  in  pisanischer  Münze  zu  zahlen,  und  am  17.  März  bestellt 
Cervellino  Bonapresa  einen  in  Genua  wohnhaften  Landsmann  Heinrich  als 
seinen  Vertreter  zur  Empfangnahme  der  Zahlungen  für  die  Waren,  die  er 
aus  Toscana  nach  Genua  schaffen  ließ.^)  Es  ist  derselbe  Bonapresa,  der 
uns  schon  in  Marseille  im  genuesischen  Geschäft  tätig  begegnet  ist.2)  Wenn 
wir  im  Jahre  1241  dtni  Florentiner  Maynetus  in  den  Parteikämpfen  Genuas 
eine  Rolle  spielen  und  bestrebt  sehen,  in  ghibellinischem  Interesse  andere 
Florentiner  um  sich  zu  sammeln  3),  so  ist  auch  das  ein  sicheres  Zeichen  für 
die  rasch  wachsende  Bedeutung,  die  Genua  für  den  florentinischen  Handel 
gewann;  der  politischen  Haltung  der  Regierung  beider  Städte  entsprach 
diese  Rolle  freilich  gar  nicht ;  sie  fand  erst  nach  dem  Tode  des  Kaisers  ihren 
Ausdruck  in  dem  engen  Kriegsbündnis,  das  Florenz  und  Lucca  am 
20.  Oktober  1251  mit  den  Genuesen  gegen  die  Pisaner  schlössen. 4) 

518.  Über  die  Handelsbeziehungen  Sienas  zu  Pisa  in  unserer  Periode 
sind  wir  sehr  schlecht  unterrichtet ;  in  den  toskanischen  Wirren  seit  1220 
stand  es,  schon  aus  Feindschaft  gegen  Florenz,  auf  Pisas  Seite.  Gelegent- 
lich tritt  das  Bestreben  Sienas  hervor,  sein  Gebiet  nach  Süden  hin  bis  zum 
Meere  zu  erweitern;  im  Jahre  1224  errang  es  in  dieser  Beziehung  einen 
wichtigen  Erfolg,  als  es,  um  Rache  zu  nehmen  für  Belastung  mit  vertrags- 
widrigen Zöllen,  in  Gemeinschaft  mit  den  Aldobrandeschi  Grosseto  eroberte 
und  zur  Schleifung  seiner  Mauern  zwang.^)  Durchaus  irrig  aber  ist  die 
Annahme,  daß  Siena  dadurch,  daß  es  in  dieser  gewaltsamen  Weise  an  der 
Küste  festen  Fuß  faßte,  den  Grund  zu  dem  folgenden  Aufschwünge  seines 
Handels  und  seines  Reichtums  gelegt  habe  6),  zumal  Grosseto  noch  keines- 
wegs dauernd  in  den  Besitz  Sienas  überging.  Was  Siena  dort  in  der 
Marittima  suchte,  war  vor  allem  Sicherung  der  Zufuhr  von  Getreide  und 
Lebensmitteln  aus  diesem  Gebiet.  Daß  es  damals  schon  an  eine  selb- 
ständige Beteiligung  am  Seehandel  auf  diesem  Wege  gedacht  hätte,  entbehrt 
jeder  Begründung.  Soweit  sein  Handel  auf  dem  Seewege  vor  sich  ging, 
führte  er  in  erster  Linie  über  Pisa,  worüber  wir  namenthch  aus  dem  Notu- 
larium  Amalrics  Aufschluß  erhalten   haben;    auch   sein  Salz   bezog  es  noch 

unrichtig  ist  die  Datierung  in  einem  von  Ferretto  I,  146  A.  2  unter  dein  29.  Sept. 
1184  gegehenen  Regest,  wo  Aretiner  und  Florentiner  in  Genua  miteinander  pak- 
tieren; für  50  1.  di  genov.  werden  hier  100  1.  di  fiorini  versprochen,  eine  Münze 
also,  die  es  damals  noch  gar  nicht  gab. 

»)  Oben  §  233.     Ferretto  I,  158  A.  2  u.  85  A.  1. 

2)  Amalric  no.  873,  875.  Oben  §  476.  Ein  kurzes  Regest  aus  dem  Jahre  1248 
noch  bei  Ferretto  I,  102  A.  1. 

»)  Ann,  Jan.,  SS.  XVm,  195. 

*)  Ebd.  230.  Lib.  Jur.  I  p.  1115  f.  Im  Jahre  1254  finden  wir  dann  auch 
Horent.  Konsuln  in  (ienua:  Gerardo  de  Mugnao  und  Sigembaldo  Mainetti:  Ferretto  I, 
111  A.  3, 

*)  S.  das  Memoriale  Sienas  ed.  Banchi  im  Arch.  it.,  ser.  3,  22  p.  225  f.  Win- 
kelmann I,  254  f. 

•)  Winkelmann  I,  255 ;  dazu  11,  58  A.  5. 

Schaube,  Ilandelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  42 


II 


658  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

1246  über  Pisa.i)  Das  Fondaco  der  Sienesen  in  Pisa,  das  im  Statut  der 
pisanischen  Kaufmannschaft  2)  erwähnt  wird,  hat  sicher  schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  bestanden. 

Daneben  verkehrten  die  Sienesen  auch  in  der  Hgurischen  Seestadt.  Im 
Jahre  1233  tritt  uns  in  Genua  ein  »hospes  Senensium«  namens  Bonaven- 
tura entgegen,  und  am  19.  Januar  1241  schloß  Bencivegna  Azoni  als  Ge- 
sandter Sienas  einen  Vertrag  mit  Genua,  nach  dem  die  Sienesen  u.  a.  zur 
Entrichtung  des  Grenzzolls  von  Porto  Venere  verpflichtet  waren.  ^)  Auch 
von  Marseille  aus  haben  wir  sienesische  Kaufleute  im  Jahre  1248  mit  Genua  in 
Handelsverbindung  gesehen  4),  und  im  Jahre  1250  ist  Rofredo  Bramanzone 
von  Siena,  Sozius  des  Bonifazio  Buonsignori,  in  Genua  in  einem  Geldüber- 
raittelungsgeschäft  tätig,  an  dem  die  in  Lyon  weilende  Kurie  beteiligt  ist.^) 

519.  Auch  die  kleineren  toskanischen  Gemeinden  pflegten  in 
dieser  Zeit  den  Verkehr  mit  Genua.  Kurze  Zeit  vor  Siena  hat  auch  Pistoja 
durch  seine  Gesandten  Quarto  und  Ingheramo  einen  Handelsvertrag  mit  Ge- 
nua geschlossen,  der  am  12.  September  1240  in  Pistoja  in  Gegenwart  eines 
genuesischen  Gesandten  ratifiziert  wurde.*')  Kaufleute  aus  dem  kleinen, 
aber  rührigen  San  Gimignano  haben  wir  schon  im  Jahre  1216  von  Genua 
aus  am  Seehandel  mit  Nord- Afrika  teilnehmen  sehen  '^) ;  es  scheint  also,  daß 
Genua,  seinem  sonstigen  Prinzip  zuwider,  den  Toskanern  vielfach  diese  Teil- 
nahme gestattete,  um  sie  auf  diese  Weise  von  dem  Wege  über  Pisa  abzu-' 
ziehen.  Auch  1233  begegnen  Kaufleute  von  San  Gimignano  in  Genua  und 
im  März  1241  wird  den  Bewohnern  von  San  Gimignano  durch  einen  Boten 
gemeldet,  daß  sie  wieder  Safran  nach  Genua  bringen  dürften  8);  es  ergibt 
sich  auch  hieraus,  von  wie  großer  Wichtigkeit  für  den  Handel  dieser  Land- 
städte die  in  dem  toskanischen  Hügellande  auf  das  eifrigste  betriebene  Kultur 
des  Krokus  war. 

Das  Natürliche  blieb  aber  für  diese  Städte  doch  immer  der  Weg  über 
Pisa.     So  sehen   wir  um   1220  Kaufleute   von   San  Gimignano  Waren  zum 
Export  in  Pisa  ankaufen,   wobei  wieder  der  Safran  eine  Hauptrolle  spielt,    _ 
sehen  sie  aus  Tunis  eingeführtes  Schaf leder  in  Pisa  zu  Korduan  verarbeiten  IB 
lassen  und  aus  Nordfrankreich  importierte  Tuche  in  Pisa  verkaufen.     Auch 
von  den  4  oder  5  Paar  Knieschienen,  die  San  Gimignano  im  Oktober  1240 
dem  Kaiser  schicken  will,  hören  wir,  daß  sie  in  Pisa  gekauft  werden  sollen.  ^) 
Als  der  Podestä  von  Pisa  im  Jahre  1238  die  bisher  übHche  Art  der  Einfuhr   ^ 
von  Safran  aus  San  Gimignano  nach  Pisa  verbot,  erließ  man  in  San  Gimignano  il 
sogleich  die  entsprechende  Bekanntmachung,  daß  niemand  mit  Krokus  nach   * 
Pisa  gehen  dürfe,  i^)     Grund  und  Zweck  des  Verbotes    kennen    wir  leider 

')  Damals  schickte  es  eine  Gesandtschaft  nach  Pisa  »pro  facto  salis  Pisarum>, 
das  ihnen  von  den  Pächtern  des  kaiserlichen  Salzzolls  bei  Fueecchio  abgenommen  j 
worden  war.     Zdekauer,  vita  pubbl.  45  A.  1. 

2)  Bonaini  III,  breve  curiae  mercat.  rub.  37.     Über  die  in  Pisa  verkehrenden s 
Vecturales  von  Siena  unten  §  520. 

')  Ferretto  I,  158  A.  2  (nur  Regesten).  Über  die  Beschränkung  ihrer  Tuch- 
und  Leinwandausfnhr  oben  §  306. 

*)  Oben  §  476. 

«)  Ferretto  I,  61  A.  1  (nur  Regest).     Oben  §  280. 

«)  Ebd.  187  A.  2  (Regest). 

')  Oben  §  233. 

8)  Ferretto  I,  158  A.  2.     Davidsohn,  Forsch.  II  no.  2315. 

»)  Davidsohn  Forsch.  II  no.  2302,  2321  (oben  §  288) ;  296,  298. 

10)  Ebd.  2314. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  dem  Tyrrh.  Meere.       659 

nicht;  schwerlich  hängt  es  mit  den  freihch  nicht  selten  vorkommenden 
Fälschungen  der  Ware  zusanmien,  von  denen  wir  aus  einer  etwas  späteren 
Eestimmung  der  pisanischen  Statuten  erfahren,  nach  der  verdorbener  oder 
gefälschter  Safran  konfisziert  und  am  Fuß  der  alten  Brücke  in  Pisa  ver- 
brannt werden  sollte.  Die  pisanischen  Kaufleute  wünschten  damals  Mit- 
teilung dieser  Verordnung  an  Colle,  San  Gimignano,  Volterra  und  die  anderen 
■Gemeinden  Tusciens,  die  sich  mit  der  Einfuhr  von  Safran  nach  Pisa  zu 
befassen  pflegten,  i)  Gerade  für  San  Gimignano  sind  wir  auch  über  die 
Begründung  eines  Fondaco  in  Pisa  unterrichtet.  Im  Januar  1232  berat- 
schlagte man  in  San  Gimignano  über  die  Erwerbung  eines  Fondaco  in  Pisa 
und  Florenz;  man  stritt  sich  damals,  ob  man  besser  ein  bloßes  Waren- 
magazin (fondacum  im  engeren  Sinne)  oder  ein  mit  Unterkunftsräumen 
versehenes  Haus  (hospitium  loco  fondachi)  wählen  sollte;  ein  Jahr  später 
entschied  man  sich  dafür,  nur  in  Pisa  ein  Hospitium  zu  beschaffen-)  und 
der  Podestä  berief  die  Rektoren  der  4  Zünfte  der  Gemeinde  zur  Wahl  eines 
Unterhändlers  für  den  mit  dem  zukünftigen  hospes  abzuschließenden  Ver- 
trag. Vielleicht  kam  damals  schon  ein  solcher  Vertrag  zustande ;  wir  kennen 
aber  erst  den,  der  5  Jahre  darauf  mit  dem  edlen  Pisaner  Bonaccursus  Hen- 
rici  de  Cane  für  einen  Zeitraum  von  5  Jahren  abgeschlossen  worden  ist.  ^) 
Darnach  räumte  dieser  den  Leuten  von  San  Gimignano  in  der  Parochie 
8.  Cristina  in  Kinzica  am  linken  Arnoufer  ein  mit  Betten  und  allem  not- 
wendigen Hausrat  eingerichtetes  Hospitium  ein,  außerdem  aber  einen  ge- 
räumigen Stall  für  die  Tiere  der  Frachtfuhrleute  und  anderer  Personen,  der 
Platz  für  50  Tiere  bot;  zur  Verwaltung  beider  sollte  ein  Fundacarius  ein- 
gesetzt werden.  Dafür  wurden  nun  dem  hospes  folgende  Bezüge  zugebilligt: 
für  die  Einstallung  von  Ochs,  Esel  oder  Maultier  2  d.  für  das  Haupt, 
während  bei  Schweinen  und  Kleinvieh  für  je  100  Stück  ein  stallaticum  von 
4  sol.  (also  ungefähr  1/2  d.  pro  Stück)  zu  entrichten  war.  Von  dem  Wert 
der  Waren,  die  von  Leuten  von  San  Gimignano  in  Pisa  eingeführt  und 
verkauft  wurden,  erhielt  er  1/2  d.  von  der  libra,  also  ein  wenig  mehr  als 
Vö  %;  überstieg  ihr  Preis  1001.,  so  waren  4  sol.  für  je  1001.,  also  genau 
1/5  %  zu  zahlen;  Safran  wird  hierbei  besonders  hervorgehoben.  Anders 
tarifiert  waren  nur  Edelmetalle ;  bei  der  Einfuhr  von  Gold  waren  2  d.  von 
der  Unze,  bei  Silber  4  d.  vom  Pfunde  zu  entrichten.  Von  Waren,  die  in 
Pisa  nur  transitierten,  sei  es  daß  sie  über  See  exportiert  oder  von  da  impor- 
tiert wurden,  hatte  der  hospes  2  sol.  von  100  1.,  also  nur  Vio  %  ^^  bean- 
spruchen. 

Solche  Fondachi  hatten  in  Pisa  auch  die  Leute  von  San  Miniato  und 
die  aus  der  Garfagnana,  wie  wir  aus  einer  älteren  Stelle  der  kaufmännischen 
Statuten  Pisas  erfahren,  die  u.  a.  auch  die  Fondachi  der  Söhne  Coccos, 
Ardecasas  und  des  Turchio  de  Mercato  aufführt,  alles  Personen,  die  schon 
im  7.  und  8.  Jahrzehnt  des  12.  Jahrhunderts  als  Konsuln  in  Pisa  nach- 
weisbar sind.*)  Den  Verkehr  von  Kaufleuten  aus  Städten  wie  Pistoja  und 
Volterra  mit  Pisa  haben  wir  aus  den  Marseiller  Notariats-Akten  schon  kennen 
gelernt  ö);  als  Pisa  in  seinen  heftigen  Kampf  mit  Lucca  und  Florenz  geriet 
(1221),  verband  es  sich  nicht  nur  mit  Siena  und  Pistoja,  sondern  auch  mit 


*)  Bonaini  III,  breve  curiae  merc.  ruh.  97. 

»)  Davidsohn  Forsch.  11  no.  75,  93. 

»)  Ebd.  2325. 

■•)  Bonaini  1.  c.  rub.  37. 

»)  Oben  §  477. 

42* 


660     Dreiundvierzigstes  Kapitel.     Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  etc. 

den  kleineren  Gemeinden  San  Gimignano,  San  Miniato,  CoUe  (im  Val  d'Elsa) 
und  Poggibonzii),  die  sicher  alle  in  nahen  Handelsbeziehungen  zu  Pisa 
standen. 

520.  Auch  von  den  Kaufleuten  Parmas  Avissen  wir,  daß  sie  in  Pisa 
ein  eigenes  zugleich  als  Herberge  eingerichtetes  Fondaco  hatten  2) ;  und  einen 
weiteren  Beweis  dafür,  daß  die  Landstriche  jenseits  des  Apennin  auch  sonst 
mit  Pisa  im  Handelsverkehr  standen,  bietet  uns  ein  in  mancher  Beziehung 
interessanter  Vertrag,  den  die  Vorsteher  der  Frachtfuhrleute  von  Florenz, 
Siena  und  Lucca  am  9.  Juli  1218  mit  Gaitanus  q.  Alberti  Bulsi,  seinem 
Sohne  Rainer  und  deren  Erben  in  der  Kirche  San  Michele  del  Borgo  zu 
Pisa  abgeschlossen  haben.  3)  Diese  rectores  et  capitanei  vecturalium,  je  3 
an  Zahl  (die  lucchesischen  sind  sämtlich  aus  Massa  Pisana,  also  v(m  der 
Straße  über  den  M.  Bardone  her),  handeln  dabei  nicht  nur  im  Namen  der 
von  ihnen  unmittelbar  vertretenen  vecturales,  sondern  auch  aller  anderen 
Fuhrleute  aus  Toscana,  Bologna  und  aus  anderen  Orten,  die  den  Waren- 
transport nach  und  von  Pisa  betrieben.  Gaetano,  der  als  Erbe  alter  vize- 
giäflicher  Befugnisse  im  Besitz  der  öffentlichen  Wage  in  Pisa  war  4),  räumt 
ihnen  das  Recht  ein,  den  mit  der  Verwiegung  ihrer  Lasten  betrauten  Wiege- 
meister (pensator)  selbst  zu  ernennen  und  nach  eigenem  Ermessen  entfernen 
und  durch  einen  anderen  ersetzen  zu  dürfen,  während  sie  im  Namen  aller, 
die  ihnen  durch  den  Zunfteid  der  Fuhrleute  verbunden  seien  oder  verbunden 
werden  würden^),  feierlich  versprechen,  alle  Lasten,  die  sie  nach  Pisa  führen 
oder  von  Pisa  exportieren,  hier  zur  Verwiegung  zu  bringen  imd  dafür  eine 
Gebühr  von  3  d.  pis.  neuer  Münze  für  die  Last,  die  bis  512  Pfund  schwer 
sein  darf,  aus  eigenen  Mitteln  zu  entrichten  und  nicht  etwa  durch  die  Kauf-  _ 
leute  bezahlen  zu  lassen.  Ein  Drittel  dieser  Gebühr  fällt  dem  Wiegemeister,  ■j 
das  übrige  dem  Herrn  der  Wage  zu,  der  außerdem  das  Recht  hat,  von  jedem 
Zuwiderhandelnden  eine  Konventionalstrafe  von  5  sol.  pro  Last  (also  das 
Zwanzigfache)  zu  erheben.  Gaetano  hat  dem  Wiegemeister  streng  einzuschärfen, 
keine  höhere  Gebühr  zu  fordern;  er  und  sein  Sohn  erscheinen  zugleich  als 
Protektoren  des  ehrsamen  Standes  der  Fuhrleute,  denn  sie  versprechen,  alle 
noch  nicht  vereideten  Fuhrleute  denselben  Eid  leisten  zu  lassen,  den  die 
übrigen  nach  Vorschrift  ihrer  Vorsteher  schon  geleistet  haben,  außerdem 
aber  alle  vereideten  Fuhrleute  bei  ihren  Gerechtsamen  in  Pisa  und  seinem 
Gebiet  zu  verteidigen  und  zu  unterstützen. 

EigentümHch  ist,  daß  pisanische  Fuhrleute  bei  diesem  Gesamtverband] 
der  in  Pisa  verkehrenden  Fuhrleute  nicht  erwähnt  werden.     Aber  es   ent- 
spricht der  geringen  Aktivität,  die  die  Pisaner  auf  dem  Gebiete  des  Landhandels 
entwickelten.    Ganz  unbeteiligt  an  demselben  waren  sie  natürlich  nicht.    Das 
große  Privileg  des  Kaisers  von  1162  verhieß  den  Pisanern  im  ganzen  Reiche 

*)  Sanzanome  bei  Hartwig  I,  21  f. 

*)  Salimbene  vermied  es  als  junger  Bettelmönch  an  diesem  Fondaco  seiner 
Landsleute  vorbeizugehen  (mercatores  Parmenses  domum  habebant  ad  hospitan- 
dum,  quam  Pisani  fundicum  appellant),  das  in  dem  den  Visconti  gehörigen  Teil 
der  contrata  S.  Michaelis  lag;  SS.  XXXH,  45  f.    Afto  III,  72.     Schütte  42  Anm.  1. 

^)  Bonaini  HI  p.  1163.  Der  Vertrag  ist  vom  Richter  und  Notar  Albertinus> 
einem  Sohne  des  Annalisten  Bernardus  Marago,  aufgenommen. 

*)  Noch  die  Kommunalstatuten  von  1286  enthalten  eine  Bestimmung  (lib.  III  , 
rub.  18  bei  Bonaini  I)  über  (he  Vereidung  aller  (mindestens  6)  pesatores  filiorum  q. 
Gaetani  Bulsi,   und   nach   denen  von  1802  f.    (lib.  III  rub.  25  bei  Bonaini  III)  be- 
fanden sich  die  Normalgewichte  bei  den  filii  Gaitani  Bulsi. 

')  pro  Omnibus  qui  cum  eis  sunt  vel  erunt  in  sacramento  artis  vecturalium. 


II 


Vierundvierzigstes  Kapitöl.    Tyrrhenisch-Adriatischer  Handelsverkehr.      ßßl 

völlige  Handels-  und  Abgabenfreiheit;  nirgends  sollte  ein  Zwang  zu  Kauf 
oder  Verkauf  gegen  sie  ausgeübt,  niemand  bei  Pisanern  zu  kaufen  gehindert 
werden  dürfen.  ^)  Mehr  aber  versetzt  es  uns  auf  den  Boden  der  Tatsachen, 
daß  das  pisanische  Gesetzbuch  Bestimmungen  auch  über  Handelsunter- 
nehmungen zu  Lande  enthält  und  z.  B.  vorschreibt,  daß  der  socius  tractator, 
wenn  er  von  seiner  Reise  zu  einer  Messe  oder  einer  sonstigen  Geschäftsreise 
zurückgekehrt  sei,  auf  Verlangen  des  socius  stans  binnen  14  Tagen  Rechen- 
schaft legen  und  den  Anteil  seines  Gesellschafters  herausgeben  müsse,  vor- 
ausgesetzt, daß  der  Gesellschaftsvertrag  auf  eine  bestimmte  Reise  lautete 
oder  die  Dauer  desselben  abgelaufen  war.  2) 


Yierund vierzigstes  Kapitel. 

Tyrrhenisch-Adriatischer  Handelsverlielir. 

521.  Einem  direkten  Handelsverkehr  zwischen  den  Seestädten 
an  der  Westküste  Italiens  und  denen  an  der  Adria  hat  die  Natur  nicht 
gerade  vorgearbeitet. 

Wenn  das  Pactum  Venedigs  mit  Kaiser  Heinrich  V.  von  1111  G«uua 
und  Pisa  als  Orte  namhaft  macht,  die  von  Venezianern  aufgesucht  wurden, 
so  ist  nach  der  Natur  dieser  Verträge  nur  an  den  Landverkehr  gedacht  s), 
der  selbstverständlich  auch  nur  in  geringem  Umfange  stattgefunden  haben 
wird.  Dagegen  begegnen  wir  den  Pisanern  im  12.  Jahrhundert  in  der  Adria 
zienüich  häufig,  alleY-dings  erst  in  der  zweiten  Hälfte;  denn  vorher  waren 
die  Beziehungen  zwischen  Pisa  und  Venedig,  hauptsächlich  wegen  des  Ein- 
dringens der  Pisaner  in  der  Romania,  recht  schlechte.  Haßerfüllt  schädigten 
sich  Venezianer  und  Pisaner  allerorten  auf  das  schwerste;  vergebens  trat 
l'apst  Lucius  II  (1144)  als  Vermittler  auf  ■^);  erst  der  Doge  Michiel  Vitale 
(seit  Frühjahr  1156)  hat  in  der  ersten  Zeit  seines  Regiments  den  langjährigen 
Streit  durch  einen  Friedens- und  Freundschaf  tsvertrag  beendet  0) ;  und  wenn 
es  auch  an  gelegenthchen  Reibungen  und  Störungen  nicht  fehlte,  so  hat 
der  Friedenszustand  zwischen  beiden  Mächten  seitdem  doch  fast  40  Jahre 
hindurch  bestanden.  Späte  pisanische  Quellen  wissen  von  einem  1169  auf 
5  Jahre  zwischen  Pisa  und  Venedig  geschlossenen  Vertrage  zu  berichten*»); 
die  Nachricht  findet  darin  eine  Bestätigung,  daß  die  Gesandtschaft,  die  im 
November  1168  Pisa  verließ,  um  nach  Byzanz  zu  gehen '^),  ihren  Weg  über 
die  Adria  nahm.  Im  späteren  Frühjahr  1169  begegnen  wir  dieser  Gesandt- 
schaft, die  auch  den  berühmten  Rechtsgelehrten  Burgundio  zu  ihren  Mit- 
gliedern zählte,  an  der  Küste  Dahnatiens,  wo  sie  mit  den  unter  byzantinischer 
Oberhoheit  stehenden  Städten  Spalato,  an  dessen  Spitze  ein  Graf  Johannes 
stand,  und  Ragusa,  das  von  Konsuln  regiert  wurde,  übereinstimmende  Han- 

*)  Const.  et  acta  I,  283. 

*)  Const.  Usus  tit.  23 :  de  compagnia  de  terra  (Bonaini  II,  897  ff.). 

3)  Const.  et  acta  I,  152  no.  101. 

*')  Dandolo  bei  Murat.,  SS.  XII,  281. 

»)  Chron.  Altinate ;  SS.  XIV,  76 :  pacem  et  veram  amicitiam.  Danach  Dan 
dolo  1.  c.  '287.     Langer  p.  67. 

«)  Chron.  di  Pisa  bei  Tartinius  J.-M. ,  Rerum  Ital.  SS.  I  (.Florenz  1748)  und 
Tronci  s.  a. ;  Marin  III,  257;  langer  172  Aniii. 

')  Ann.  pis.,  SS.  XIX,  262. 


662  .Vierundvierzigstes  Kapitel. 

delsverträge  schloß,  von  denen  der  letztere,  vom  13.  Mai  datiert,  erhalten 
ist.i)  Darnach  sollten  die  Ragusaner  und  Spalatiner  von  allen  Handels- 
abgaben auf  ihre  Waren  im  pisanischen  Machtbereich  völlig  frei  sein ;  sicher 
haben  sie  den  Pisanern  dafür  das  Gleiche  zugestanden.  Besonders  inter- 
essant ist  die  genaue  Bestimmung  über  die  Instanz,  der  bei  Beschwerden 
oder  Klagen  gegen  die  Pisaner  die  Pflicht  obliegen  sollte,  am  Orte  der 
Schädigung  oder  des  Streitfalls  binnen  30  Tagen  die  richterliche  Ent- 
scheidung zu  fällen.  In  erster  Linie  nennt  sie  den  Vicecomes,  wobei 
sicher  an  Konstantinopel  gedacht  ist,  in  zweiter  den  an  dem  betreffenden 
Orte  fungierenden  überseeischen  Konsul,  oder  falls  kein  solcher  vorhanden, 
den  pisanischen  Geistlichen  des  Ortes ;  hätten  die  Pisaner  keinerlei  Kolonial- 
vorstand (nuUum  prepositum)  am  Orte,  dann  sollte  der  Kapitän  eines  etwa 
daselbst  weilenden  pisanischen  Schiffs  an  seine  Stelle  treten ;  in  letzter  Linie 
endlich  sollten  die  ortsanwesenden  Pisaner  aus  ihrer  Mitte  einen  oder  mehrere 
Vertrauensmänner  wählen,  vor  denen  der  Pisaner  dem  Ragusaner  Recht  zu 
geben  hätte.  Der  Vertrag  sollte  für  alle  Zeiten  Geltung  haben;  er  wurde 
von  dem  für  Konstantinopel  designierten  Vicecomes  Marcius,  der  die  Ge- 
sandtschaft begleitete,  beschworen  und  sollte  von  dessen  Amtsnachfolgern 
ebenfalls  alljährlich  bei  ihrem  Amtsantritt  beschworen  werden.  Jedenfalls 
weist  dieser  Vertrag  auf  ziemlich  lebhafte  Handelsbeziehungen  zwischen 
Pisa  und  den  dalmatinischen  Plätzen  hin ,  die  sicher  zum  Teil  darauf  he- 
ruhen,  daß  sich  ein  nicht  ganz  unbedeutender  Prozentsatz  des  pisanischen 
Handels  von  Plätzen  wie  Almyro  und  Saloniki  her  auf  dem  Landwege  zu- 
nächst bis  zur  Westküste  der  Balkanhalbinsel  bewegte. 

Im  Jahre  1174  schlössen  Pisa  und  Venedig  einen  neuen  Vertrag  auf 
5  Jahre,  von  dessen  Inhalt  wir  mit  Sicherheit  nur  wissen,  daß  er  während 
der  Dauer  des  Kriegszustandes  die  Venezianer  vom  direkten  Handelsverkehr 
mit  Genua,  die  Pisaner  von  dem  mit  Ancona  ausschloß.  2)  Zufällig  kennen 
wir  aus  demselben  Jahr  ein  positives  Zeugnis  für  den  Zwischenhandel,  den 
die  Pisaner  mit  dem  Gebiet  der  Adria  trieben:  als  die  sizilische  Flotte 
Alexandrien  angriff,  kaperte  sie  ein  pisanisches  Schiff,  das  von  Venedig 
kam^),  und  1176  wurde  der  Nachlaß  eines  Venezianers,  den  dieser  vor 
seinem  Tode  einem  Pisaner  anvertraut  hatte,  mit  Erfolg  in  Pisa  reklamiert.  *) 

522.  Der  älteste  erhaltene  venezianisch  -  pisanische  Vertrag  stammt 
vom  Jahre  1180;  am  1.  November  trat  er  für  5  Jahre  in  Kraft.  Abge- 
sehen von  den  Bestimmungen  bezüglich  der  Romania  regelte  er  auch  die 
Handelsabgaben  ö) ;  Venezianer,  die  zur  See  nach  Pisa  kamen  und  Pisa  zur 
See  oder  zu  Lande  verließen,  hatten  ebenso  wie  solche,  die  zu  Lande  nach 
Pisa  kamen  und  es  zur  See    wieder  verließen,    eine    einmalige  Abgabe    von 


')  Ljubic  I  p.  10  ff.  Bei  Müller  p.  417  mit  bedenklichen  Fehlern;  hoc  autem 
per  in  perpetuum  statt  hec  auteni  pax  und  unter  den  pisanischen  Zeugen  ein 
Enrigo  Pändubsi  statt  Pandulö,  Gualfredo  Rabic  statt  Rabie.  Am  Schlüsse  des 
Vertrages  steht  die  Bemerkung  bezüglich  Spalatos.     Jirecek  p.  11  u.  53. 

*)  Ins  Jahr  1174  setzen  den  Vertrag  die  Chroniche  di  Pisa  (Tartinius  I  p.  446  f.) 
und  Tronci  p.  140 ;  nach  letzterem  Marin  III,  258.  Ist  er  demnach  nur  durch  Schrift- 
steller seit  dem  16.  Jahrhundert  bezeugt,  so  wird  doch  seine  Existenz  durch  den 
Vertrag  von  1180,  der  auf  das  zwischen  dem  Dogen  Sebastiane  Ziani  (1172 — 1178) 
und  dem  pisanischen  Gesandten  Bulg.  Anfossi  geschlossene  pactum  vetus  Bezug 
nimmt,  außer  Zweifel  gestellt. 

»)  Ann.  pis.  SS.  XIX,  266. 

«)  Volpe  143. 

')  Müller  p.  20  ff.     Bonaini  Suppl.  p.  75  ff.     Manfroni  262.     Oben  §  175,  186. 


Tyrrhenisch-Adriatiscber  Handelsverkehr.  663 

20  Prozent  ad  valorem  zu  entrichten ;  nur  wenn  sie  den  Hin-  und  Rückweg 
zu  Lande  machten,  war  der  Zoll  sehr  viel  niedriger  und  beschränkte  sich 
dann  auf  21/0  %.  Genau  dieselben  Sätze  galten  für  Pisaner,  die  nach  Venedig 
kamen.  Man  kann  also  nicht  sagen,  daß  man  den  gegenseitigen  Handels- 
verkehr besonders  begünstigt  hätte;  abgesehen  von  der  im  Land  verkehr 
üblichen  quadragesima  waren  die  festgestellten  Sätze  geeignet,  eher  i)rohibitiv  zu 
wirken.  Und  einer  ähnlichen  Tendenz  entsprang  die  Vertragsbestimmung,  die 
es  den  Venezianern  in  Pisa  wie  den  Pisanern  in  Venedig  untersagte,  mit 
Fremden  Handelsgeschäfte  ohne  besondere  Erlaubnis  zu  machen. 

Wie  es  scheint,  brachen  noch  vor  Ablauf  des  Vertrages  Streitigkeiten 
aus,  als  Venedig  mit  Ancona  im  Kampfe  lag ;  doch  wurde  der  Friede  gegen 
das  Versprechen  Pisas,  die  Anconitaner  in  keiner  Weise  zu  unterstützen, 
wiederhergestellt  und  nunmehr  gleich  auf  10  Jahre  beschworen,  i)  Besonders 
freundschaftlich  gestaltete  sich  indessen  das  Verhältnis  offenbar  nicht ;  denn 
in  dieser  Zeit  traten  die  Pisaner  auch  mit  Zara,  das  1180  von  Venedig  ab- 
gefallen war,  in  ein  Vertragsverhältnis.  Ini  zeitigen  Frühjahr  1188  erschien 
ein  pisanisches  Schiff  in  Zara,  das  hier  die  beste  Aufnahme  fand,  und  die 
geistlichen  und  weltlichen  Behörden  Zaras  benutzten  die  Gelegenheit,  mit 
den  vornehmen  Pisanern,  die  sich  auf  demselben  befanden,  einen  Freund- 
schafts- und  Handelsvertrag  auf  ewige  Zeiten  zu  schließen,  der  im  Namen 
Zaras  von  fünf  angesehenen  Personen  und  im  Namen  Pisas  unter  Voraus- 
setzung der  nachträglichen  Genehmigung  durch  die  pisanische  Regierung 
von  ebensoviel  Pisanern  beschworen  wurde.  2)  Man  versprach  sich  gegen- 
seitig Sicherheit  und  Schutz,  auch  im  Falle  des  Schiffbruchs;  den  Pisanern, 
die  nach  Zara  kamen,  wurde  ein  eigener  Gerichtshof  zugestanden ;  ihr  Judex 
(sicher  nannten  ihn  die  Pisaner  Konsul)  hatte  in  allen  Streitigkeiten  seiner 
I^andsleute  zu  erkennen,  außer  wenn  diese  es  etwa  aus  freien  Stücken  vor- 
zogen, sich  an  die  Gerichte  von  Zara  zu  wenden.  An  Handelsabgaben 
hatten  die  Pisaner  von  jedem  Schiff,  das  um  Ladung  einzunehmen  oder  zu 
löschen,  nach  Zara  kam,  4  romanati  zu  entrichten,  brachte  es  aber  Salz 
oder  Wein  zum  Verkauf  nach  Zara,  nur  die  Hälfte;  einzelne  Pisaner,  die 
auf  fremden  Schiffen  (more  suprasalientium  negotiatorum)  oder  zu  Lande  nach 
Zara  kamen,  waren  abgabenfrei.  Von  Einwohnern  Zaras,  die  nach  Pisa  kamen, 
sollten  nur  dieselben  Abgaben  wie  von  den  Pisanern  selbst  erhoben  werden. 
Wenn  man  bedenkt,  daß  Venedig  gerade  im  Jahre  zuvor  die  größten  An- 
strengungen gemacht  hatte,  um  Zara  zurückzugewinnen,  so  kann  man  nicht 
im  Zweifel  darüber  sein,  daß  die  Venezianer  diesen  Vertrag  als  einen  recht 
wenig  freundlichen  Akt  Pisas  empfunden  haben  werden.  Sollten  die  Pisaner 
nach  dem  Vertrage  doch  auch  überall,  wo  sie  die  Macht  dazu  hatten,  die 
Bürger  Zaras  gegen  jedermann,  der  ihnen  Gewalt  und  Unrecht  antat,  nach 
Kräften  schützen,  während  Zara  versprach,  seinen  Kaperschiffen  die  Unter- 
lassung jeglicher  Schädigung  der  Pisaner  zur  Pflicht  zu  machen  s)  und  ein- 
tretendenfalls für  volle  Genugtuung  Sorge  zu  tragen. 

»)  Suppl.  zur  Hist.  Duciim  Yen.,  SS.  XIV,  90;  vgl.  Arch.  ven.  XII  (1876),  34Ü. 
Heye!  I,  237. 

*)  Bonaini  Suppl.  p.  96  ff.  Auch  bei  Makuscev  I  p.  422  f.  Das  Schreiben  des 
erwählten  Erzbischofs  Petrus  und  des  ungarischen  Comes  von  Zara,  Damianus,  der 
sich  zugleich  princeps  Dalinaciae  nennt,  in  dem  der  Vertrag  mitgeteilt  wird,  ist  vom 
28.  März.    .Tirecek  p,  53. 

')  >ne  vos  preter  voluntariam  strinam  offendant«  —  gemeint  ist  jedenfalls 
die  >freiwilligec  Bei.steuer,  die  die  Korsarenschiffe  damals  in  herkömmlichen  Grenzen 
zu  erheben  pflegten;  s.  ob.  S.  630,  Anm.  1. 


664  Vierundvierzigstes  Kapitel. 

523.  Bald  nach  dem  dritten  Kreuzzuge  und  wohl  im  Zusammenhange 
damit,  daß  Pisa  wieder  mit  Byzanz  in  ein  enges  Verhältnis  getreten  war,  brach 
der  offene  Kampf  zwischen  Pisa  und  Venedig  aus.  Die  Festsetzung  von  5  pisa- 
nischen  Schiffen  Ende  1193  oder  im  ersten  Halbjahr  1194  bei  Abydos  war 
in  erster  Linie  gegen  die  Venezianer  gerichtet^);  das  Selbstgefühl,  das  die. 
Pisaner  damals  erfüllte,  ließ  sie  selbst  vor  einem  gleichzeitigen  Kampfe  mit 
Venedig  und  Genua  nicht  zurückschrecken;  charakteristisch  ist  das  damals 
gefallene  Hohnwort  der  pisanischen  Korsaren  von  Bonifacio,  die  die  Genu- 
esen als  dienstwillige  Kebsweiber  der  Venezianer  bezeichneten.  2)  Im  August 
1195  schickte  Venedig  eine  Flotte  gegen  die  Pisaner  aus,  die  sich  aber  zu- 
nächst gegen  das  abgefallene  Pola  Avenden  mußte;  nach  Überwältigung  der 
Stadt  wandte  sie  sich  nach  der  Propontis,  wo  sie  bei  Natura  zwei  Handels- 
schiffe der  Pisaner  kaperte;  auf  der  Heimreise  brachte  sie  noch  ein  drittes 
auf,  so  daß  sie  400  gefangene  Pisaner  nach  Venedig  mitführen  konnte,  ^j 
Ahnliche  kleine  Erfolge  mögen  wohl  auch  die  Pisaner  zu  verzeichnen  gehabt 
haben;  denn  der  Friede,  den  Kaiser  Heinrich  VI.  am  1.  September  1196 
vermittelte,  wiederholt  einfach  den  früheren  Vertrag.  4) 

-     Aber  nach   kurzer  Zeit  brach   der  Kampf  von  neuem  aus;  das  vene- 
zianische  Geschwader,   das   im   September   1199   den   Vertrag  mit  Brindisi 
schloß,  war  gegen  die  Pisaner  bestimmt.  ^)     Während  der  zweiten  Belagerung 
Konstantinopels   kam   es   zu   einer  Aussöhnung  zwischen  Venezianern   und 
Pisanern  und  für  längere  Zeit  führte  dann  der  gemeinsame  Gegensatz  gegen 
Genua  die  beiden  Mächte  zusammen.  Im  Sommer  1206  schloß  man  sogar  einen  ■| 
engen  Kriegsbund  gegen  Genua  auf  2  Jahre,  der  es  freilich  zu  der  geplanten"' 
großen  gemeinsamen  Aktion   nicht  brachte^);  und  im  Sommer  1214  wurde 
der  bestehende  Vertrag  auf  10  Jahre  erneuert ;  als  Gesandter  Pisas  ging  der 
Prior  der  pisanischen  Kirchen   in  Konstantinopel,  Benenatus,  nach  Venedig, 
als  Gesandter  Venedigs- Leonardo  Navigajoso  nach  Pisa,  um  der  üblichen  Ver- jlj 
eidigung  auf  den   ratifizierten  Vertrag  beizuwohnen.     Der  Friedenszustand*' 
zwischen    Pisa    und   Venedig    wurde    nur    während    des    großen    Kampfes 
zwischen  Papst  und  Kaiser,   als  Venedig  mit  Genua  im  Bunde  war,  unter- 
brochen;   doch    ging   man   über   gegenseitige  Schädigungen   im   Kaperkrieg 
nicht  hinaus.'^)  ml 

524.  Zwischen  Genua  und  Venedig  bestanden  in  den  dreißiger  Jahren 
des    12.  Jahrhunderts  Mißhelligkeiten,   u.  a.   weil   ein   venezianisches   Kauf 


I 


*)  Schreiben  Kaiser  Isaaks  an  die  Pisaner :  simulantes.  gnerram  contra  Vene 
tos.     Müller  p.  66.     Oben  §  194. 

2)  Ann.  genov.  11,  54:  meretrices,  uxores  Venetum,  adhu'C  ansi  estis  ire  per 
mare  ? 

»)  Letzte  Notiz  der  ann.  breves  ed.  Fulin,  Arcb.  ven.  XII  (1876),  349.  Suppl 
zur  Hist.  Ducum,  SS.  XIV,  91,  wo  statt  maturam  zu  lesen  ist  Naturaui,  wie  aus  Da 
Canal  c.  55  p.  338  (hier  irrig  zu  1197  erzählt)  hervorgeht.     Oben  §  198. 

*)  Das  ist  daraus  zu  schließen,  daß  es  auch  nach  dem  Friedensvertrage  von 
1214  geschieht.  Toecbe  p.  463,  dem  die  noch  ungedruckte  Urkunde  in  Wüstenfelds 
Papieren  vorlag,  kannte  den  Vertrag  von  1180  nicht;  er  redet  von  sehr  günstigen 
Bedingungen  für  Pisa.  Seine  Darstellung  dieser  Vorgänge  ist  auch  im  übrigen  viel 
fach  nicht  zu  halten.     Vgl.  Manfroni  292  ff. 

*)  Winkelmann  Acta  I,  470  no.  583 :  ad  persequendum  inimicos  suos  Pisanos. 
Die  Darstellung  bei  Dandolo  p.  319  scheint  allein  aus  dieser  Urkunde  herausge 
spönnen.    Oben  S.  484. 

«)  Heyd  im  Giorn.  lig.  I  (1874),  69  If.     Oben  §  378. 

»)  Da  Canal  414.     Dandolo  1.  c.  357.     Vgl.  Chone  122.     Manfroni  418. 


II 
11 


Tyrrhenisch-Adriatischer  Handelsverkehr.  665 

fahrteischiff  von  3  genuesischen  Galeeren  gekapert  worden  war.  Im  April 
1136  stellte  ein  auf  20  Jahre  geschlossener  Vertrag  den  Frieden  wieder  her; 
bei  Handelsstreitigkeiten  sollten  die  Bürger  des  anderen  Staates  genau  den- 
selben Rechtsschutz  genießen  wie  die  eigenen.  Auch  sagte  man  sich  gegen- 
seitige Unterstützung  zu,  falls  einer  der  beiden  Staaten  in  Krieg  verwickelt 
wurde ;  nur  der  gegen  Papst  und  Kaiser  geleistete  Treueid  wurde  vorbehalten,  i) 
Obwohl  die  Berührungen  zwischen  den  Bürgern  der  beiden  Seestädte,  auf 
die  dieser  Vertrag  hinzielt,  in  erster  Linie  in  der  Levante  erfolgt  sein 
werden,  so  fehlte  doch  auch  der  direkte  Handelsverkehr  zwischen  den  See- 
städten selbst  nicht  ganz,  wenn  auch  das  Notularium  des  Johannes  keinerlei 
Beziehung  auf  einen  Verkehr  Genuas  mit  der  Adria  enthält.  Dafür  spricht 
besonders  der  Umstand,  daß  die  Pisaner  in  dem  Vertrage  von  1174  Wert 
darauf  legten,  daß  die  Venezianer  auf  den  Besuch  Genuas  so  lange  ver- 
zichteten, als  dieses  sich  im  Kriege  mit  Pisa  befand.  2) 

Am  21.  Oktober  1177  schlössen  dann  Petrus  Michael  und  Jacobus 
DanduU  als  Gesandte  des  Dogen  mit  dem  genuesischen  Gesandten  Nuve- 
lonus  de  Albericis  zu  Cremona  einen  neuen  Vertrag  auf  29  Jahre  ab.  Alle 
vorgefallenen  Schädigungen  beschloß  man  der  Vergessenheit  anheimzugeben; 
die  überseeischen  Beamten  wurden  angewiesen,  bei  Klagen  von  Angehörigen 
der  Gegenseite  der  Gerechtigkeit  gemäß  zu  entscheiden;  dabei  sollten  sie 
aber  nicht  verpflichtet  sein,  Landsleute  der  klägerischen  Partei  zum  Zeugnis 
zuzulassen.  ^)  Es  entspricht  dem  damaligen  Friedenszustande  zwischen  Pisa 
und  Genua,  daß  auch  die  Pisaner  in  ihrem  Vertrage  mit  Venedig  von  1180 
ausdrücklich  versprachen,  den  Venezianern,  die  Genua  besuchen  wollten, 
keinerlei  Hindernis  in  den  Weg  zu  legen.*) 

525.  Im  Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts  kam  es  hauptsächlich 
wegen  Kretas  zu  einer  starken  Entfremdung  zwischen  Venedig  und  Genua, 
und  dieses  knüpfte  nunmehr  mit  Ancona  an;  am  16.  April  1208  wurde  zu 
Genua  mit  den  Gesandten  Anconas,  Bertolottus  Befanus  und  Philippus  de 
Sarturano  ein  Vertrag  auf  10  Jahre  geschlossen  und  am  1.  Mai  in  Ancona 
ratifiziert.»)  Gegenseitig  versprach  man  sich  Sicherheit  und  Rechtsschutz; 
für  Waren,  die  zur  See  eingeführt  wurden,  waren  10  %  ^'om  Wert  zu  zahlen ; 
Edelmetalle  waren  zollfrei.  Die  Genuesen  allein  versprachen,  ihren  Kaper- 
schiffen einen  Eid  abzunehmen,  das  Geljiet  Anconas  nur  im  Falle  dringenden 
Bedürfnisses  ^)  aufzusuchen  und  sich  dann  nach  den  Weisungen  der  Behörden 
Anconas  zu  richten.  Auf  der  Küstenstrecke  von  Sinigaglia  bis  Umana 
sollten  die  Genuesen  zu  Lande  und  zur  See  bis  20  MilUarien  ins  Meer  hinein 
niemanden  schädigen  dürfen,  ausgenommen  Feinde  Genuas  oder  Anconas; 
Anconitaner,  die  auf  einem  feindlichen  Kaufmannsschiffe  fuhren,  sollten  sie 
dann  nicht  behelligen,  wenn  sie  höchstens  zu  fünf  mitfuhren  und  be- 
eiden konnten,  daß  sie  zur  Zeit  ihrer  Abfahrt  kein  anderes  Schiff  hätten 
benutzen  können.  So  sehr  der  Vertrag  seine  Spitze  gegen  Venedig  kehrt, 
so  ist  doch  direkt  mit  keinem  Wort  von  Venedig  die  Rede.     Am  2.  April 


*)  Chart.  11,  222  no.  177  (luit  der  irrigen  iud.  III  für  XIIl).  Xur  das  Ver- 
sprechen der  genuesischen  Konsuhi  ist  erhalten. 

»)  Oben  §  521. 

»)  Zum  Teil  veröffentlicht  ann.  genov.  II  p.  XXIX  A.  1 ;  dazu  p.  11.  Ferretto  I, 
386  A.  2  gibt  den  20.  Oktober  als  Tag  des  Vertragsschlusses. 

*)  Müller  p.  22.     Bonaini  Suppl.  p.  77. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  489. 

^)  excepto  fortuna  teuiporia  sive  cacia  vel  pro  victu  levando. 


666     Vierundvierzigstes  Kapitel.    Thyrrheniscli-Adriatischer  Handelsverkehr. 

1220  wurde  dieser  Vertrag  zu  Ancona  auf  12  Jahre  erneuert  i);  es  spricht  ■| 
für  die  Zunahme  der  Handelsbeziehungen  zwischen  beiden  Seestädten,  daß 
sich  die  Notwendigkeit  einer  genaueren  Regelung  der  Abgaben  herausgestellt 
hatte.  Fortab  war  der  Zehnte  nicht  bloß  von  den  Waren,  die  die  Genuesen 
in  Ancona  selbst  verkauften,  zu  zahlen,  sondern  auch  von  denen,  die  sie 
hier  in  Leichterschiffe  umluden,  um  sie  an  irgendeinem  Küstenplatze  der 
Strecke  von  Fermo  bis  Venedig  abzusetzen.  Schiffs-  und  Lebensbedürfnisse 
zu  unmittelbarer  Verwendung  einzukaufen,  sollte  den  Genuesen  unter  Beol)- 
achtung  der  in  Ancona  für  den  Lebensmittelverkehr  geltenden  Vorschriften 
immer  gestattet  sein;  handelte  es  sich  bei  Waren  cüeser  Art  um  bloßen 
Transitverkehr  nach  Venedig  oder  Zara,  so  war  der  Zehnte  nicht  zu  erheben. 
Betrafen  diese  genaueren  Bestimmungen  nur  den  Verkehr  der  Genuesen  in 
Ancona,  so  bezog  es  sich  auf  beide  Parteien,  wenn  der  Zollsatz  für  den 
Imi)ort  zu  Lande,  der  im  Verträge  von  1208  noch  gar  nicht  vorgesehen  war, 
nunmehr  auf  b^jo  (das  Doppelte  des  sonst  Üblichen)  festgesetzt  wurde. 
Auch  gestattete  man  beiderseits  den  Schiffen  der  Gegenseite  die  Aufnahme 
von  Pilgern  am  anderen  Orte,  gegen  eine  recht  hohe  Abgabe  allerdings,  die 
1/4  des  von  den  Pilgern  erhaltenen  Passagepreises  betrug,  falls  die  anderen 
fremden  Schiffe  ebensoviel  zu  zahlen  hatten. 

526.  Mittlerweile  hatte  sich  Genua  auch  mit  Venedig  wieder  verstän- 
digt; zu  Parma  erfolgte  am  11.  Mai  1218  der  förmliche  Friedensschluß  der 
beiden  Seemächte  auf  10  Jahre ''^),  der  die  Handelsabgaben  in  der  gleichen 
Höhe,  wie  sie  zwischen  Venedig  und  Pisa  bestanden,  festsetzte  s)  und  das 
Verfahren  bei  gegenseitigen  Beschwerden  genau  regelte;  falls  unter  Um- 
ständen die  Auslieferung  von  Schuldigen  zu  erfolgen  hatte,  sollte  sie  in 
Cremona  geschehen.  Aus  der  folgenden  Zeit  treten  uns  im  Liber  plegiorum 
einige  Beispiele  von  der  Handelstätigkeit  der  Genuesen  in  Venedig  vor 
Augen.  So  wird  der  Venezianer  Doho  Bono  in  Venedig  von  einigen  genu- 
esischen Schiffspadroni,  weshalb  wissen  wir  allerdings  nicht,  verklagt;  im 
Februar  1224  muß  er  Bürgschaft  leisten,  sich  auf  Aufforderung  des  Dogen 
unverzüglich  zu  stellen.  Besonders  waren  die  Genuesen  im  Getreidehandel  ' 
tätig.  Am  2.  November  1223  kaufte  Pietro  Albrico  von  Genua  zugleich  im 
Namen  seines  Sozius  Nicolotus  de  Orto  in  Venedig  von  zwei  Bürgern  von 
Fermo  und  einem  Venezianer  Getreide  für  260  1.  ven.,  indem  er  den  Kauf- 
preis durch  seinen  Schuldner,  den  Venezianer  Giorgio  Ruibolo,  begleichen 
ließ  ■*);  es  handelt  sich  wohl  um  Getreide,  das  aus  den  Marken  nach  Venedig 
importiert  werden  sollte.  Und  in  einer  amtlichen  Abrechnung  vom  April 
1224  treten  zwei  Posten  von  3147  und  1622  1.  venez.  auf,  die  für  Getreide- 
lieferungen für  Rechnung  Venedigs  an  genuesische  Importeure  gezahlt 
worden  waren.^) 

Nach  Ablauf  des  Vertrages  von  1218  kam  im  Mai  1228  ein  neuer 
Vertrag  zustande  6),  dessen  Dauer  diesmal  auf  die  Zeit  bis  Michaeli  1232 
beschränkt  wurde;    er  wich   von    dem  alten    nur  insofern  ab,    als    er   für 


»)  Lib.  .Tur.  I  no.  559. 

*)  Nur  die  venez.  Ausfertigung  für  Genua  ist  erhalten.     Jiib.  Jur.  I   no.  535. 
Ann.  genov.  11,  145. 

')  Chone  p.  40  A.  2  läßt  diese  Sätze  erst  1228  neu  eingeführt  werden. 

*)  Minotto  IV,  1  p.  25.    Lib.  ])leg.  no.  4. 

')  Lib.  pleg.  no.  135,  136. 

*)  Auch  hier  ist  nur  die  Ausfertigung  für  Genua  erhalten ;  Lib.  Jur.  I  no.  65t 
Dazu  Lib.  pleg.  no.  633. 


Fünfundvierzigstes  Kapitel.     Interner  Seehaudcl  in  der  Adria.  667 

Streitigkeiten  zwischen  Venezianern  und  Genuesen  in  überseeischen  Plätzen 
ausdrücklich  bestimmte,  daß  der  Kläger  sich  an  das  für  den  Beklagten  zu- 
ständige Konsulargericht  zu  wenden  habe  und  nur,  falls  ein  solches  nicht 
vorhanden  sei,  die  Landesgerichte  anrufen  dürfe.  Für  die  Räubereien,  die 
Graf  Alamannus  und  Genossen  seit  dem  letzten  Frieden  an  Venezianern 
verübt  hatten,  hatte  Genua  5500  byz.  zu  zahlen,  wobei  sich  Venedig  eine 
weitere  Forderung  von  500  byz.  noch  vorbehielt;  unter  den  Geschädigten 
befanden  sich  37  Personen,  die  auf  dem  Schiffe  Paradiso  3200  byz.  eingebüßt 
hatten,  wovon  der  Hauptanteil  mit  4288  1.  ven.  auf  Jacopo  Dolfin  entfiel.^ 
Die  genuesische  Gesandtschaft,  die  1233  nach  Venedig  ging,  hatte 
jedenfalls  die  Erneuerung  des  Vertrages  zum  Zweck 2);  besonders  eng  aber 
gestaltete  sich  das  Verhältnis  der  beiden  Seemächte,  als  sie  unter  dem 
Protektorat  Gregors  IX.  im  Jahre  1238  erst  eine  Defensiv- Allianz  und  dann 
im  folgenden  Jahre  .ihren  Kriegs-  und  Angriffsbund  gegen  den  Kaiser 
schlössen;  jedes  Schiff  sollte  fortan  links  von  dem  Banner  der  eigenen 
Stadt  das  Banner  der  verbündeten  Seestadt  führen.^)  Wie  es  der  Vertrag 
vorsah,  wurde  der  Bund  1242  auf  beiden  Seiten  von  neuem  beschworen.*) 
Zu  einer  weiteren  Erneuerung  des  Bundes  kam  es  aber  nicht  mehr,  da  es 
Venedig  im  Jahre  1245  vorzog,  seinen  Sonderfrieden  mit  dem  Kaiser  zu 
machen ;  die  Rivalität  der  beiden  Seemächte  erfuhr  seitdem  eine  wesentliche 
Steigerung. 

Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Interner  Seehandel  in  der  Adria. 

527.  Die  überragende  Stellung  Venedigs  am  Adriatischen  Meere 
kommt  schon  darin  zum  Ausdruck,  daß  man  die  Adria  auch  als  den 
Golf  von  Venedig  bezeichnete.^)  Nicht  auf  großer  Ausdehnung  seines 
Gebiets,  sondern  allein  auf  der  Überlegenheit  seiner  Kriegs-  und 
Handelsmarine  beruhte  seine  kommerzielle  Vorherrschaft;  es  war  das 
Ziel  seiner  Politik,  die  Seestädte  dieses  Gebiets  zu  einer  größeren  selb- 
ständigen Bedeutung  für  den  Seehandel  nicht  gelangen  zu  lassen. 

Die  verhältnismäßig  bedeutendste  unter  diesen  Seestädten  war  Ancona; 
wenn  Edrisi  es  eine  große  Stadt,  einen  der  Hauptorte  im  Lande  der  Römer, 
nennt ^,  so  dürfen  wir  freilich  keinerlei  modernen  Maßstab  anlegen.  Nicht 
entfernt  vermochte  es  etwa  mit  Venedig  in  ähnlicher  Weise  zu  rivalisieren 
wie  Pisa  mit  Genua;  nirgends  hat  es  in  überseeischen  Landen  Venedig  die 
Bahn  streitig  gemacht;  sein  Anteil  am  Fernhandel  war  nur  gering.  Aber 
so  klein  sein  Gebiet  war  (selbst  die  nächstgelegenen  Häfen  von  Umana  und 
Sinigaglia  Avaren  selbständig),  so  spielte  es  doch  mit  seinem  guten  Seehafen 
unter  den  Seeplätzen  der  Marken  die  erste  Rolle  und  war  als  Stützpunkt 
auch  für  den  größeren  Seeverkehr  von  Bedeutung;  die  Bedingungen  für 
eine  größere  kommerzielle  Entwicklung  Anconas  waren  an  sich  gegeben. 


>)  Lib.  pleg.  no.  613,  614. 

«)  Ann.  Jan.,  SS.  XVIII,  181. 

»)  Ebd.  189.     Lib.  .Inr.  1  no.  749.     Tafel  und  Thomas  U,  341  f. 

*)  Lib.  .lur.  I  no.  764. 

-')  Edrisl  p.  12,  76,  78.     Gesta  Kicardi,  SS.  XXVIl,  129  f. 

«)  p.  89. 


668  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Das  Bestreben  Venedigs,  Ancona  niederzuhalten,  tritt  uns  zuerst  im 
Jahre  1137  entgegen,  als  es  mit  seiner  Flotte  eifrig  zu  seiner  Unterwerfung 
unter  die  Gewalt  Kaiser  Lothars  half.^)  Im  August  1152  aber  sehen  wir 
beide  Städte  ein  enges  Bündnis  schließen,  das  für  ewige  Zeiten  Geltung 
haben  sollte  2);  der  Doge  leistete  dem  Volke  von  Ancona  einen  Eid,  daß 
die  Anconitaner  fortan  in  Venedig  und  überall  sonst  wie  die  Venezianer 
selbst  gehalten  und  behandelt  werden  sollten,  und  ebenso  schwur  das  Volk 
von  Venedig,  daß  jeder  einzelne  den  Trentacien  Venedigs  angehörige  Bürger 
die  Anconitaner  ebenso  unterstützen  würde,  wie  er  es  gegenüber  den  aus 
den  vornehmsten  Bezirken  der  eigenen  Stadt  stammenden  Landsleuten  tun 
würde.     Sicher  haben  die  Anconitaner  entsprechende  Eide  geschworen. 

Als  Ancona  aber  in  enge  Verbindung  mit  Kaiser  Manuel  trat,  erblickte 
Venedig  darin  nicht  mit  Unrecht  eine  Gefahr  für  seine  Vormachtstellung 
im  Verkehr  mit  dem  griechischen  Reich  und  verfolgte  seitdem  die  Anconi- 
taner mit  erbittertem  Haß.^)  Einer  ersten  venezianischen  Expedition  im 
Jahre  1168,  auf  der  die  Venezianer  mit  sechs  Galeeren  fünf  anconi- 
tanische  mit  der  gesamten  Bemannung  wegnahmen  und  zwei  vornehme 
Bürger  Anconas,  Jacobus  de  Mulino  und  Wigardinus,  aufhängen  ließen  4), 
folgte  1173  die  große  in  Gemeinschaft  mit  Christian  von  Mainz  unternom- 
mene Belagerung  Anconas,  das  seinerseits  die  Unterstützung  der  Griechen 
fand  und  sich  auf  das  hartnäckigste  verteidigte.  Der  allerdings  nicht  ganz 
gleichzeitige  Schilderer  ^)  dieser  Belagerung  berichtet  uns ,  daß  in  der  Stadt 
etwas  über  10000  Menschen  gewesen  seien,  während  ein  nicht  geringer 
Teil  der  Männer  des  Handels  wegen  abwesend  war;  als  eine  der  wenigen 
Bevölkerungsangaben  aus  dieser  frühen  Zeit  verdient  die  Zahl  immerhin 
Beachtung.  Bekanntlich  gelang  die  Eroberung  Anconas  nicht ;  aber  Venedig 
suchte  nun  seinen  Handel  soviel  wie  möghch  zu  unterbinden.  Fortwährend 
ließ  es  seine  Galeeren  in  den  Gewässern  Anconas  kreuzen,  um  seine  Schiffe 
abzufangen;  in  dem  Vertrage  mit  Pisa  von  1174  mußten  die  Pisaner  ver- 
sprechen, Ancona  während  des  Krieges  zu  meiden*');  wenig  später  gewann 
es  die  Konsuln  von  Rimini  zur  gemeinsamen  Durchführung  einer  strengen 
Blockade,  die  den  Schiffen  Anconas  eine  Zeitlang  das  Auslaufen  völlig  un- 
möglich machte.')  Aber  die  Stadt  beharrte  zäh  auf  ihrem  Widerstände,  so 
daß  die  Gegner  in  ihren  Absperrungsmaßregeln  doch  erlahmten,  wenn  die 
Feindschaft  mit  Venedig  auch  noch  tief  bis  ins  folgende  Jahrzehnt  hinein 
fortbestand.^) 


*)  Bernhardi,  Lothar  G80. 

*)  Minotto  IV,  1  p.  12,  mit  dem  Vertragsentwurf  vom  26.  .Juni  1152  (ind.  XIV 
irrig  für  XV).  Lenel  p.  31  und  139  will  beide  Stücke  nur  als  Vertragsentwürfe 
gelten  lassen.  Über  einen  (nicht  ganz  sicheren)  Angriff  von  Byzanz  auf  Ancona 
(1150)  s.  Bernhardi,  Konrad  p.  882. 

')  Boncompagno:  qui  semper  quodam  speciali  odio  Anconam  oderunt;  ed. 
Gaudenzi  im  Bull.  stör.  no.  15  (1895),  167.     Oben  §  179. 

*)  Ann.  venetici  breves;  SS.  XIV,  71. 

»)  Oben  §  179. 

•)  Ergibt  sich  aus  dem  Vertrage  von  1180  (Müller  p.  22),  der  auf  das  vetus 
pactum  verweist. 

»)  Dandolo  bei  Muratori  SS.  XII,  301  zu  1175. 

*)  Als  sich  Frondisia,  Witwe  des  Jacobus  de  Johanne  de  Dono  Dei  von  An- 
cona, Venezianerin  von  Geburt,  Schwester  des  Joh.  Staniarius,  im  Juli  1181  ent- 
schließt, sich  nach  Ancona  zu  begeben,  macht  sie  ihr  Testament  und  deponiert  einen 
Teil  ihres  Besitzes  in  dem  Kloster  S  Zaccaria,  wo  eine  Verwandte  von  ihr  Äbtissin 


Interner  Seehandel  in  der  Adria.  669 

528.  Als  nach  dem  Tode  Heinrichs  VI.  die  Seestädte  der  Marken, 
Ancona,  Ravenna,  Rimini,  Fermo,  Osimo  und  SinigagHa  ein  Bündnis  mit- 
einander schlössen  (1198),  untersagte  man  allen  Nichtbürgern  in  diesen 
Städten  den  Detail  verkauf  und  den  Handel  untereinander,  nahm  davon  aber 
die  Anconitaner  und  Ravennaten  aus^);  ein  Spezialbündnis  Anconas  mit 
Osimo  schloß  sich  an,  in  dem  dieses  versprach,  zur  See  nur  über  Ancona 
zu  verkehren,  wofür  es  das  unbeschränkte  Recht  des  Seehandels  von 
Ancona  aus  erhielt;  volle  Abgabenfreiheit  kam  beiderseits  hinzu. 2)  Sicher 
trugen  auch  die  großen  Aufgaben,  vor  die  sich  Venedig  bald  darauf  in  der 
Romania  gestellt  sah,  dazu  bei,  Ancona  freieren  Raum  für  seine  kommerzielle 
Betätigung  zu  verschaffen;  auch  sein  Vertrag  mit  Genua  von  1208  hat,  so 
imfreundlich  er  gegen  Venedig  erscheinen  mochte,  zum  Ausbruch  eines 
offenen  Kampfes  nicht  geführt.  Vielmehr  haben  wir  mancherlei  Zeugnisse 
dafür,  daß  im  ersten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  ein  ziemlich  reger  Handels- 
verkehr zwischen  Venedig  und  Ancona  bestand.  Ein  venezianisches  Statut 
von  1204  redet  von  den  Testamenten  von  Venezianern,  die  in  Ancona  und 
jenseits  davon  gemacht  würden'^);  venezianische  Schiffe  treten  von  Ancona 
aus  Seereisen  nach  Griechenland  und  der  Romania  an,  während  kleinere 
Fahrzeuge  den  Handelsverkehr  zwischen  den  beiden  Städten  selbst  vermitteln.  *) 
Wichtig  war  auch  hier  der  Getreidehandel;  am  26.  Juli  1224  verordnete 
z.  B.  die  Signorie,  daß  alle,  die  Getreide  aus  Ancona  oder  einem  jenseits 
gelegenen  Orte  nach  Venedig  einführten,  eine  Prämie  von  2  sol.  ven.  für 
den  Scheffel  (pro  stario)  erhalten  sollten.  0) 

Aber  auch  die  Anconitaner  waren  aktiv  an  diesem  Handel  beteiligt. 
Im  September  1225  ließ  der  Podesta  von  Ancona  die  venezianische  Regierung 
durch  einen  besonderen  Boten  ersuchen,  den  Fünften,  den  die  veneziani- 
schen Vicedomini  anconitanischen  Importeuren  von  Fleisch  und  Käse  ab- 
genommen hatten,  zurückzuerstatten;  Venedig  erklärte  aber,  daß  diese  Ab- 
gabe dem  Herkommen  entspreche ;  nur  ausnahmsweise  sollte  für  diesen  einen 
Fall  dem  Ersuchen  willfahrt  werden. ♦')  Im  Spätsommer  1226  sequestrierten 
die  venezianischen  Wachtgaleeren  ein  mit  Getreide  beladenes  Fahrzeug  des 
Lorenz©  di  Mica  von  Ancona  bei  Pirano ;  am  8.  September  leisteten  2  Vene- 
zianer mit  500  1.  Bürgschaft  dafür,  daß  es  nach  Venedig  kommen  und  dort 
seine  Ladung  verkaufen  würde. '^  Offenbar  sollte  also  nach  dem  Willen 
Venedigs  dieser  Handel  in  Venedig  selbst  konzentriert  werden.  Vielleicht 
veranlaßte  dieser  Vorgang  Ancona  zu  Represalien;  jedenfalls  hat  Venedig 
bald  darauf  über  Ancona  die  Handelssperre  verhängt. 

war ;  Cecchetti  p.  37.  Im  Herbst  1189  fassen  Venezianer  für  eine  Handelsfahrt  von 
Konstantinopel  aus  Apulien  oder  Ancona  ins  Auge.    Baracchi  XX  (1880),  76  no.  93. 

*)  Tonini  II,  610  no.  94. 

»)  Zaccaria  F.-A.  Bibliotheca  Pistoriensis  II  (Turin  1755)  p.  127  (31.  Aug.  1198). 

3)  Besta  e  Predelli  p.  258  rub.  29. 

*~)  Beispiele  für  1207 :  Sacerdoti  p.  40 ;  für  1218 :  Lib.  pleg.  no.  56 ;  für  1224 
ebd.  no.  134,  170;  für  1225  no.  289;  für  Januar  1226  no.  357.  Dazu  p.  178  f.  mehrere 
Fälle  von  Beraubung  von  Venezianern,  die  von  Ancona  kommen,  durch  Untertanen 
des  Markgrafen  von  Este ;  so  wird  z.  B.  Matteo  Orso  u.  a.  zweier  Leinwandballen 
beraubt,  die  er  in  Ancona  gekauft  hatte. 

')  Minotto  IV,  1  p.  32.  Die  Höhe  der  Einfuhrprämie  wechselte  häufig,  je 
nach  dem  vorliegenden  Bedürfnis ;  im  Dezember  1225  wurde  sie  mit  2  sol.  mir  für 
die  ienseits  Ancona  belegenen  Gebiete  beibehalten,  während  sie  für  Ancona  selbst 
auf  1  sol.  herabgesetzt  wurde.     Ljubic  IH  p.  397  (Anhang  no.  17.) 

«)  Minotto  ib.  38.     Lib.  i)leg.  no.  327. 

')  Lib.  pleg.  no.  419. 


(370  Ftinfundvierzigstes  Kapitel. 

Am   9.  Oktober  1226   ließ  die  Signorie  auf  dem  Rialto  öffentlich  ver-'^j 
künden,   daß   kein   Venezianer   ohne   besondere  Erlaubnis  des  Dogen  nach " 
Ancona  gehen   oder  Waren   dorthin   senden   dürfe;  Zuwiderhandelnde  traf 
eine  Buße  von  301.  I2V2S0I.  ven.  und  Konfiskation  der  Ware;  dem  Denun- 
zianten  Avird  Geheimhaltung  und   1/4   der  Buße  und  konfiszierten  Ware  zu- 
gesichert, i)     Mehrfach  ist   dies  Verbot  in  den  nächsten   beiden  Jahren  er- 
neuert und  eingeschärft  worden.  2)     Der  Druck  dieser  Handelssperre  mußte 
für  Ancona  um  so  empfindlicher  sein,  als  seine  nächsten  Nachbarn  zumeist 
auf  der  Seite  Venedigs  standen.    Besonders  mit  Recanati  und  Osimo,  dessen 
Hafen  Umana  war,   stand  Venedig  in  so   nahem  Verhältnis,   daß  es  schon 
1224  über  den  Getreideexport  dieser  Orte  verfügte^),  während  schon  damals  Äj 
ein    Handelsverbot   Anconas    wenigstens   gegen   Recanati  bestand ;   als   ein  «■ 
Schiffer  von  Chioggia  in  diesem  Jahre,  mit  einer  Ladung  Wein  von  Recanati 
kommend,  aus  Furcht  vor  Seeräubern  in   den  Hafen   von   Ancona  einlief, 
wurde  ihm  eine  Buße   von  10  1.  rav.  auferlegt,  die  er  sich  lange  vergebens 
wiederzuerhalten  bemühte.  4) 

Im  Sommer  1228  schien  die  Handelssperre  zum  offenen  Kriege  führen 
zu  sollen;  die  Nachbargemeinden  Anconas  im  Süden,  Osimo  und  Umana, 
Recanati  und  Castelfidardo,  denen  sich  bald  auch  das  landeinwärts  gelegene 
Cingoli  anschloß,  schlössen  auf  5  Jahre  mit  Venedig  einen  Vertrag,  in  dem 
sie  den  Venezianern  volle  Handels-  und  Abgabenfreiheit  in  ihren  Gebieten, 
Schutz  gegen  die  Anconitaner  in  ihren  Häfen  und  im  Falle  des  Krieges  mit 
Ancona  militärische  Hilfeleistung  versprachen. s)  Auch  mit  Fermo  undV 
Rimini  unterhandelte  Venedig  wegen  ihres  Eintritts  in  einen  Kriegsbund 
gegen  Ancona;  als  besonderes  Zugeständnis  bot  es  Rimini  die  Erlaubnis, 
Getreide  aus  den  Häfen  von  Osimo  und  Recanati  zu  exportieren.  Und  in 
der  Tat  hat  Rimini  in  Gemeinschaft  mit  Fano  und  Sinigaglia  im  September 
mit  jenen  5  Gemeinden  ein  Bündnis  gegen  Ancona  und  seine  Verbündeten 
Jesi  und  Pesaro  geschlossen,  ß) 

Der  Ausbruch  des  Krieges  aber  wurde  durch  das  energische  Dazwischen- 
treten Gregors  IX.  verhütet;  zugleich  erklärte  er  den  Venezianern  (12.  Ok- 
tober 1228)'),  nicht  dulden  zu  können,  daß  der  römischen  Kirche  ge- 
hörige Häfen  der  Verfügung  einer  fremden  Macht  unterständen,  und  daß  er 
deshalb  die  Küste  von  Recanati  und  Umana  selbst  in  der  Hand  zu  behalten 
beschlossen  habe. 

Trotzdem  bestand  die  Feindschaft  zwischen  Venedig  und  Ancona  fort ; 
ja  am  11.  November  verschärfte  Venedig  die  bestehende  Sperre  noch  durch 
die  Bestimmung,  daß  jeder,  der  sich,   ohne  durch  höhere  Gewalt  dazu  ge- 


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')  Minotto  IV,  1  p.  41.     Lib.  pleg.  no.  433. 

«)  Minotto  IV,  1  p.  49  f.  Lib.  pleg.  586,  612,  618  (Juni  1228),  638  (Aug.  1228). 
Fälle  von  Zuwiderhandlungen:  Zwei  Venezianer,  die  trotz  des  Verbots  sich  nach 
Ancona  begeben  haben,  schwören  am  23.  März  1227,  zur  Verfügung  des  Dogen  zu 
bleiben  (no.  516) ;  der  speziale  Pietro  Rosso  hat  52  balestre  nach  Ancona  exportiert 
(no.  624 ;  Juli  1228.     Dazu  no.  681).     Minotto  IV,  1  p.  50. 

»)  Lib.  pleg.  no.  122. 

*)  Ebd.  no.  715. 

»)  Minotto  IV  1  p.  47-50.  Lib.  pleg.  no.  615.  Winkelm.  Actal  no.  611.  Lenel  48. 

*)  Lib.  pleg.  no.  629  mit  A.  2.  Lenel  49.  Im  Jahre  zuvor  hatte  Ancona  mit 
Ravenna  einen  Handelsvertrag  geschlossen;  Peruzzi  A.  Storia  d'Ancona  (Pesaro 
1835)  I,  373.  Er  betraf  besonders  den  Salz-  und  Getreidehandel.  In  der  Erneuerung 
von  1249  (p.  387)  wurde  vollständige  Münzgleichheit  hinzugefügt. 

^  Rodenberg  I  no.  374.     Auvray  no.  218.    Lenel  50.     Winkelmann  II,  35. 


I 
I 


Interner  Seehandel  in  der  Adria.  671 

zwiingeii  zu  sein,  nach  Ancona  begab  und  dort  Handel  trieb,  als  eidbrüchig 
anzusehen  und  als  solcher  durch  öffentliche  Bekanntmachung  zu  brandmarken 
sei;  zur  Überwachung  würde  die  Signorie  in  Ancona  selbst  Spione  unterhalten. 
Und  am  31.  Mai  1229  wurde  der  Podestä  von  Chioggia,  Alberto  Contarini, 
angewiesen,  diese  Anordnung  den  Einwohnern  erneut  einzuschärfen,  i) 

Auch  behauptete  Venedig  in  den  Nachbarorten  Anconas  seine  bevor- 
zugte Stellung.  Im  Jahre  1229  war  der  Venezianer  Nicolaus  Coccus  in 
Osimo  und  Recanati  Podestä ;  im  Februar  schickte  die  Signorie  den  Jacopo 
Bobizo  ab,  um  an  diesen  Orten  bis  Mitte  Mai  für  Rechnung  der  Republik 
bis  1000  Malter  (moggia)  Getreide  und  40 — 50  Ztr.  Segelleinwand  2)  einzukaufen ; 
für  das  Getreide  durfte  er  bis  14  sol.  ven,  für  den  venezianischen  stajo  zahlen. 
Die  von  ihm  abgeschlossenen  Kontrakte  waren  in  Gegenwart  des  Podestä 
zu  vollziehen;  durch  häufige  Schreiben  hat  er  die  Signorie  von  dem  Fort- 
gang seiner  Mission  auf  dem  Laufenden  zu  erhalten.  Ein  Kreditbrief  er- 
mächtigte ihn,  Darlehn  in  Höhe  von  insgesamt  5000  1.  ven.  aufzunehmen.  ^) 

529.  Einige  Jahre  darauf  (1233)  sehen  wir  Ancona  wieder  mit  Osimo 
in  enger  Verbindung*),  während  Recanati  am  10.  Januar  1239  einen  neuen 
Vertrag  mit  Venedig  schloß.  ^)  Abgesehen  davon,  daß  Recanati  einige  Schaden- 
ersatzforderungen bewilligte,  gestand  es  den  Venezianern  in  Recanati  und 
Oebiet  volle  Freiheit  des  Handels,  auch  mit  Fremden,  zu  und  gewährte 
ihnen  Freiheit  von  allen  Handelsabgaben,  einschließlich  der  Verwiegungs- 
und Vermessungsgebühren.  Die  Ausfuhr  von  Weizen  und  anderem  Getreide, 
von  Wein  und  Öl  spielte  die  Hauptrolle;  die  Venezianer  versprachen,  sich 
bei  diesem  Handel  der  in  Recanati  gebräuchlichen  Maße  zu  bedienen.  Für 
die  Transporte  zwischen  Recanati  und  seinem  Hafen  durften  den  Venezianern 
nicht  mehr  als  8  den.  rav.  et  ancon.  für  jedes  Lasttier  (pro  unoquoque 
saumero)  berechnet  werden.  Endhch  verpflichteten  sich  .die  Leute  von  Reca- 
nati, den  Venezianern  alles,  was  zur  Ausschiffung  oder  zur  Einschiffung  an 
Booten  und  sonstigen  Fahrzeugen,  Brettern,  Gefäßen  und  Arbeitskräften  er- 
forderlich war,  abgabenfrei  zur  Verfügung  zu  stellen.  Mit  den  Leuten  von 
Oastelfidardo  war  Venedig  damals  verfeindet;  doch  behielt  sich  Recanati 
sicheres  Geleit  für  sie  durch  sein  Gebiet  bis  zum  Hafen  vor.  Im  allgemeinen 
•dauerte  also  die  kommerzielle  Beherrschung  auch  der  in  nächster  Nachbar- 
schaft von  Ancona  gelegenen  Gebiete  durch  Venedig  fort.  Was  das  Ver- 
hältnis zwischen  Venedig  und  Ancona  selbst  angeht,  so  wissen  wir,  daß  am 
Anfang  des  Krieges  zwischen  Venedig  und  dem  Kaiser,  als  dieser  die  Zu- 
fuhr von  Lebensmitteln  nach  Venedig  untersagt  hatte,  der  Papst  den  Be- 
wohnern Anconas  und  anderer  Seeplätze  bei  Strafe  der  Exkommunikation 
und  einer  Buße  von  10000  Mark  Silber  gebot,  den  Venezianern  alles  Nötige 
zu  liefern  '^) ;  und  als  der  Kaiser  seinen  Frieden  mit  Venedig  gemacht  hatte, 


»)  Lib.  pleg.  no.  674.     Minotto  IV,  1  p.  54  f. 

*)  Pannum  lineuui  usque  mill.  4 — 5  ad  vella  facienda ;  Minotto  IV,  1  p.  55  f. 
'Commissio  vom  10.  Februar  =  Lib.  pleg.  no.  710. 

')  Lib.  pleg.  no.  709. 

*)  Theiner  I,  101  no.  172. 

*)  Marin  VI,  273  f.  (das  1238  bei  ihm  ist  venez.  Jahreszählung).  Minotto  IV,  1 
p.  60  f.     Vgl.  Lenel  50  A.  1. 

*)  Huillard-Br^hoUes  V,  842.  Im  .Jahre  1238  war  es  noch  zu  Feindseligkeiten 
zwischen  Ancona  und  Venedig  gekommen ;  Marco  Zorzano  nötigte  die  Besatzung 
feindlicher  anconitanischer  Fahrzeuge  zur  Flucht  an  Land  und  verbrannte  die 
Schiffe.     Dandolo  bei  Murat.  SS.  XII,  350.     Von  Manfroni  392  f.  zu  1239  gesetzt. 


572  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

beschlagnahmten  die  Anconitaner  ein  aus  dem  Königreich  nach  Venedig 
fahrendes  Schiff,  i)  Danach  scheint  sich  also  Anconas  kommerzielles  Ver- 
hältnis zu  Venedig  damals  genau  nach  den  Wünschen  seines  päpstlichen  Ober- 
herrn gerichtet  zu  haben. 

Im  allgemeinen  zeigt  sich  etwa  seit  der  Zeit  des  dritten  Kreuz- 
zuges ein  allmähliches,  freilich  unter  erheblichen  Schwierigkeiten  sich 
vollziehendes,  aber  stetiges  Emporkommen  Anconas  in  kommerzieller 
Beziehung,  während  Venedig  darum  doch  noch  immer  die  Königin 
der  Adria  verblieb. 

Mit  dem  südlichsten  der  Handelsplätze  der  Marken,  Fermo,  dessen 
Gebiet  von  der  Potenza  bis  zum  Grenzfluß  gegen  das  sizilische  Königreich, 
dem  Tronto,  reichte  2),  stand  Venedig,  wie  aus  dem  für  diese  Dinge  unschätz- 
baren Liber  plegiorum  hervorgeht,  in  lebhaftem  Handelsverkehr.  Das  beweist 
schon  der  Umstand,  daß  der  Visdomino  Tommasino  Zane  im  August  1225 
unter  seinen  Einnahmen  die  von  Leuten  von  Fermo  erhobene  Abgabe  mit 
317  1.  3  V2  sol-  besonders  aufführt.  Zwei  Bürger  von  Fermo  verkaufen  im 
November  1223  Getreide  in  Venedig,  zwei  andere  reklamieren  im  nächsten 
Januar  daselbst  einen  Sack  Eisen  als  ihnen  gehörig.  3)  Durch  Schiedspruch 
wurde  Fermo  in  der  Person  seines  Kämmerers  (massaro)  Rinaldo  zur  Zahlung 
von  124 1.  an  2  Venezianer,  fällig  im  Juni  1226,  verurteilt ;  da  Zahlung  trotzdem 
nicht  erfolgte,  wurde  die  Summe  bei  Domenico  Barbastro,  bei  dem  die 
Handelsgesellschaft  des  Matteo  de  Baroncelli  von  Fermo  ein  größeres  Gut- 
haben hatte,  mit  Beschlag  belegt.  Am  15.  August  1227  schrieb  der  Doge 
an  den  Podestä  von  Fermo,  Ruhens,  er  möge  bewirken,  daß  diejenigen,  die 
der  Republik  noch  von  der  Zeit  der  Sendung  des  G.  Lombardo  oder  anderer  ,^ 
her  Getreide  oder  Geld  schuldig  wären,  ihren  Verpflichtungen  nachkämen; 
er  habe  den  R.  Moricoccio  von  Fermo  zur  Einziehung  dieser  Rückstände 
ermächtigt.  4)  Als  Venedig  dann  im  Juli  1228  auch  mit  Fermo  wegen  seines 
Beitritts  zum  Kriegsbunde  verhandelte,  bot  es  ihm  für  seinen  Import  nach 
Venedig  Befreiung  von  dem  bisher  gezahlten  Vierzigsten  an,  falls  auch  Fermo 
den  Venezianern  Handels-  und  Abgabenfreiheit  bewillige;  indessen  scheint 
es  nicht,  daß  es  zu  einem  Abschluß  auf  dieser  Grundlage  gekommen  ist. 
In  demselben  Sommer  trat  Bonaccursio,  ein  in  Venedig  naturahsierter  Anconi- 
taner, eine  Handelsfahrt  nach  Fermo  an;  er  mußte  am  30.  August  Bürg- 
schaft dafür  stellen,  daß  er  sein  Fahrzeug  (banzone)  nicht  an  Anconitaner 
oder  andere  verkaufen  werde.  0) 

530.  Auch  die  Küstenplätze  nördlich  von  Ancona  bis  Ravenna 
hatten  für  den  Lebensmittelexport  nach  Venedig  Bedeutung,  wie  schon 
daraus  hervorgeht,  daß  die  Verordnung  vom  26.  JuH  1224  auf  die  Einfuhr 
eines  jeden  stajo  aus  diesem  Gebiete  eine  Prämie  von  1  sol.  ven.  (die  Hälfte 
der  für  den  Export  aus  den  südlicheren  Gebieten  geltenden)  setzte;  eine 
andere  Verordnung  vom  31.  Dezember  1227  bestimmte,  daß  kein  Venezianer, 
der  in  Sinigaglia  oder   diesseits  davon  Lebensmittel   oder  andere  Waren 


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1)  Petr.  de  Vin.  V,  48.     Chone  121. 
*)  Priv.  Ottos  IV.  vom  1.  Dez.  1211  bei  Zanetti,  Nuova  raccolta  delle  monete 
d'Italia  (Bologna  1779)  HI,  276. 

3)  Lib.  pleg.  no.  317,  4,  33. 

*)  Ebd.  557,  556.    Minotto  IV,  1  p.  45. 

»)  lib.  pleg.  no.  629,  646. 


Interner  Handel  in  der  Adria.  673 

lud,  diese  anderswohin  als  nach  Venedig  bringen  durfte,  i)  Auch  sonst  ist 
uns  die  Getreideausfuhr  aus  Sinigaglia  bezeugt;  ein  von  hier  kommender 
venezianischer  Getreidekahn  (plato),  der  des  schlechten  Wetters  Avegen  in 
den  Hafen  von  Cervia  eingelaufen  war  und  zur  Leichterung  des  Schiffes 
Getreide  gelöscht  hatte,  sah  sich  hier  im  Jahre  1231  allerlei  Belästigungen 
ausgesetzt,  da  die  Menge  behauptete,  daß  das  Getreide  in  Cervia,  wo  also 
Mangel  daran  geherrscht  haben  muß,  gekauft  sei.  2) 

Fano  hatte  im  12.  Jahrhundert  eine  Zeitlang  in  einem  vollständigen 
Abhängigkeitsverhältnis  von  Venedig  gestanden.  In  einen  wenig  aussichts- 
vollen Streit  mit  seinen  unmittelbaren  Nachbarn  Pesaro  und  Sinigaglia  sowie 
Ravenna  verwickelt,  entschloß  sich  Fano  Anfang  1141^),  um  die  Hilfe  Vene- 
digs zu  gewinnen,  seine  Oberhoheit  anzuerkennen,  dem  Dogen  Treue  zu 
schwören  und  unter  bestimmten  Beschränkungen  Heeresfolge  zu  s^ersprechen. 
Jährlich  hatte  es  an  die  Markuskirche  10  Zentner,  an  den  Dogen  1  Zentner 
Öl  abzuliefern ;  auch  sollten  die  von  den  Fremden  in  Fano  erhobenen  Ver- 
wiegungs-  und  Vermessungsgebühren  an  Venedig  abgeführt  werden.  Schickte 
\'enedig  Gesandte  nach  Fano,  so  hatte  dieses  für  ihren  Unterhalt  zu  sorgen; 
außerdem  hatte  Venedig  einen  besonderen  Machtboten  in  Fano  zu  bestellen, 
der  für  alle  Streitigkeiten  zwischen  Venezianern  und  Fanensern  zuständig 
war*)  und  zur  Durchführung  seiner  Entscheidungen  von  den  Konsuln  von 
Fano  unterstützt  werden  mußte.  Gegen  fremde  Schuldner  sollten  die  Vene- 
zianer in  Fano  genau  denselben  Rechtsschutz  genießen  wie  in  Venedig  selbst. 
Wie  lange  dieses  Verhältnis  Bestand  gehabt  hat,  wdssen  wir  nicht ;  jedenfalls 
war  Fano  im  13.  Jahrhundert  wieder  von  Venedig  unabhängig,  als  es  dem 
Kriegsbunde  gegen  Ancona  beitrat.  In  dieser  Zeit  hat  Venedig  einmal  wegen 
des  Guthabens  einer  Venezianerin,  das  nicht  beizutreiben  Avar,  Represalien 
gegen  die  Leute  von  Fano  bewilligt^) ;  doch  wurden  von  der  Beschlagnahme 
gerade  die  für  den  Handel  Fanos  mit  Venedig  wichtigsten  Dinge:  Getreide, 
Wein,  Hanf,  Fässer  und  die  Schiffe  selbst  (plati),  ausgeschlossen. 

Für  einen  lebhaften  Handelsverkehr  zwischen  Venedig  und  Rimini 
spricht  es,  daß  beide  Städte  im  Juli  1170  ein  Abkommen  trafen,  wonach 
das  Kreditgeben  zwischen  Kaufleuten  von  Rimini  und  Venedig  im  allgemeinen 
untersagt  sein  sollte;  wer  es  dennoch  tat,  sollte  sich  nur  an  den  Schuldner 
selbst  halten  und  anderweite  Rechtshilfe  von  der  zuständigen  Regierung 
nicht  beanspruchen  dürfen.  6)  Mehrfach  können  wir  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten des  13.  Jahrhunderts  Venezianer  im  Handelsverkehr  mit  Rimini  nach- 
weisen; am  Weinexport  nach  Venedig  sehen  wir  die  Bewohner  von  Rimini 
selbst  und  Leute  aus  Cavarzere  beteiligt.') 

531.  Dagegen  erscheint  Cervia  öfter  als  ein  schlimmer  Störenfried 
der  venezianischen  Küstenschiffahrt;    es   hatte   eine   besonders   starke   Salz- 


')  Minotto  IV,  I  p.  32  u.  46. 

»)  Ebd.  III,  1  p.  42.     Lib.  pleg.  no.  719  (28.  Oktober). 

»)  Minotto  IV,  I  p.  9 :  Job.  Badoer  stiftet  am  28.  Febr.  1141  als  Delegierter  des 
Dogen  Frieden  zwischen  Fano  und  Pesaro;  am  folgenden  Tage  schwören  Konsuln 
und  Volk  von  Fano  den  Treueid ;  ebd.  p.  10.     Lenel  p.  27. 

■•)  Et  de  unaquaque  Ute  vel  negotio  quod  emerserit  inter  Veneticum  et  Fanen- 
sern in  ratione  debeat  osse  in  curia  illius  vestri  missi  quem  ibi  prefeceritis. 

»)  Lib.  pleg.  no.  424  (23.  Sept.  1226). 

•)  Minotto  IV,  1  p.  15  f.     Dandolo  p.  3U1. 

')  Minotto  III,  1  p.  11 :  ein  Venez.,  von  Rimini  kommend,  Anfang  des  13.  Jahrh. 
bei  Cervia  beraubt.  Lib.  pleg.  no.  154:  ein  venez.  plato  nach  R.  unterwegs;  no.  152 
(1224),  266  (1225).     Anerbieten  Venedigs  1228  s.  oben  S.  670. 

Schaubc,  Uandclsgeschiohte  der  roinan.  Völker  im  Mittelalter.  43 


074  Fünf  und  vierzigstes  Kapitel. 

Produktion  und  die  Konkurrenz  mit  Venedig  auf  diesem  Gebiete  mag  haupt- 
sächlich der  Grund  zu  dem  wenig  freundüchen  Verhältnis  der  Cervienser  zu 
Venedig  gewesen  sein.  An  der  Wende  zum  13.  Jahrhundert  wurden  einmal 
die  zahlreichen  venezianischen  Beschwerden  über  Cervia  vor  dem  Dogen 
Heinrich  Dandolo  unter  Eid  zu  Protokoll  gegeben  i) ;  es  ergibt  sich,  daß  eine 
ganze  Reihe  venezianischer  Schiffe  den  Räubereien  der  Cervienser,  zum  Teil 
unter  Anwendung  des  Strandrechts,  ausgesetzt  gewesen  war.  Mehrfach  be- 
gegnen Tuche  unter  der  Ladung  dieser  Schiffe;  in  einem  Falle  waren  z.  B. 
einem  Venezianer  70  Ellen  grauen  Tuches  2)  geraubt  worden.  Venerius  Man- 
gulo  hatte  sein  Fahrzeug  wegen  Unwetters  in  Cervia  entladen  müssen,  worauf 
die  Cervienser  ihm  von  der  Ladung  300  Schweine,  20  Ztr.  Käse,  50  Ztr. 
Feigen,  1  Malter  Bohnen  sowie  das  Fahrzeug  selbst  konfiszierten.  Aus 
anderen  BeschAverden  wieder  ergeben  sich  Wein,  Feigen  und  Öl  als  besonders 
häufige  Gegenstände  der  Ladung  dieser  Küstenschiffe.  Der  Doge  schickte 
die  Beschwerdeführer  mit  den  beeideten  Aussagen  und  einem  amtlichen 
Schreiben  nach  Cervia,  ohne  daß  zunächst  etwas  erreicht  wurde ;  doch  wurden 
die  Differenzen  im  Juli  1203  durch  einen  Vertrag  zwischen  Rainer,  dem 
Sohne  und  Vertreter  des  Dogen,  und  dem  Podestä  von  Cervia,  Ugo  de  Sasso, 
geregelt,  s)  Etwa  20  Jahre  später  spielten  sich  ganz  ähnliche  Vorgänge  ab ;  im 
Hochsommer  1224  wurden  die  Klagen  gegen  Cervia  wiederum  zu  Protokoll 
genommen  4) ,  die  diesmal  noch  zahlreicher  waren  als  vorher.  So  wurden 
z.  B.  im  Mai  1224  in  Cervia  beschlagnahmt  ein  Fahrzeug  mit  Salz  und 
Schiffsausrüstungsgegenständen  im  Wert  von  100  1.  und  ein  anderes,  das  mit 
Salz,  Gemüse,  Fässern  u.  dgl.  im  Wert  von  107  1.  beladen  war;  im  Oktober 

1223  waren  3  Venezianern  im  Hafen  von  Cervia  neben  anderen  Waren  auch 
10  Pfund   Pfeffer,   eine   englische  Mütze   und   eine   Magnetnadel  (calamita) 
fortgenommen  worden;  einem  vierten  wurden   2  Ballen  Hammelfelle  (mul- 
tonini),    die    er   ein  Jahr    zuvor   in  Cervia  deponiert  hatte,   beschlagnahmt  \ 
u.  dgl.  mehr.     Diesmal  kam  man  rascher  zu  einem  Ausgleich ;  am  13.  August 

1224  schloß  der  Doge  Pietro  Ziani  mit  dem  Podestä  Henricus  Teotonicus 
von  Cervia  einen  Vertragt),  der  grundsätzlich  die  Rückgabe  aller  bei  Schiff- 
bruch oder  sonst  den  Venezianern  oder  Cerviensern  entfremdeten  Gegenstände 
aussprach;  Schiedsrichter  hatten  die  einzelnen  Fälle  zu  entscheiden.  Das 
sonst  bei  Streitigkeiten  zwischen  Venezianern  und  Cerviensern  innezuhaltende 
Verfahren  wurde  genau  geregelt  und  in  einem  Nachtrag  dem  Dogen  gestattet, 
3  Cervienser  zu  erwählen,  die  als  Richter  in  solchen  Fällen  zu  fungieren  hätten. 
Eine  von  einem  Cervienser  durch  einen  Notar  von  Cervia  für  einen  ^^enezianer 
ausgestellte  Urkunde  sollte  Gültigkeit  nur  dann  haben,  wenn  sie  auch  die 
Unterschrift  des  Stadtoberhauptes  von  Cervia  trug;  im  umgekehrten  Falle 
war  die  Unterschrift  des  Vicedominus  von  Venedig  erford erheb.  Im  Jahre 
1231  hören  wir  wieder  von  einer  Beschwerde  über  Cervia,  und  aus  dem 
venezianisch-ravennatischen  Vertrage  von  1234  ergibt  sich,  daß  die  Ausfuhr 
von  Salz  aus  dem  Gebiet  von  Cervia  damals  von  der  Signorie  mit  Konfis- 
kation des  Salzes  und  Verbrennung  des  Schiffes  bedroht  war;  den  Ravennaten 
versprachen  die  Venezianer  damals,  in  den  nächsten  5  Jahren  keine  ihrem 


1)  Minotto,  III  1  p.  9—13. 

*)  Abstulerunt  70  brachia  de  drapo  de  griso ;  p.  11. 
')  Noch  ungedruckt;   ergibt   sich   aus   dem  Vertrage  von  1224,  Minotto  IV,  1 
p.  33  und  Lenel  40  A.  1.  , 

*)  Minotto  III,  1  p.  24  ff.    Lib.  pleg.  no.  154,  170,  175,  223—228. 
6)  Minotto  IV,  1  p.  32  ö. 


Interner  Handel  in  der  Adria.  675 

Interesse  zuwiderlaufende  Abmachung  mit  Cervia,    das   mit  Ravenna  auch 
liauptsächlich  des  Salzhandels  wegen  im  Streit  lag,  treffen  zu  wollen,  i) 

532.  Wenn  Ravenna  einst  in  der  Lage  gewesen  war,  mit  Venedig 
zu  rivalisieren,  wenn  es  noch  1144  einen  heftigen  Kampf  zur  See  und  zu 
Lande  mit  Venedig  ausfechten  konnte  2),  so  war  diese  Zeit  doch  längst  völlig 
vorüber.  Für  die  vollständige  Ohnmacht  der  Stadt  zur  See  ist  nichts  be- 
/.»'ichnender,  als  daß  sich  die  Gemeinde  im  Jahre  1227  einen  galeone  von 
\'enedig  entliehen  hatte;    bei   Ablauf  des   Mietkontrakts   am   1.  November 

rsuchte  sie  erst  um  Verlängerung  und  kaufte  dann  im  nächsten  Frühjahr 
das  Schiff  für  700  1.  von  Venedig  an.  3) 

A\'enn  es  in  seinem  Vertrage  mit  Ancona  vom  selben  Jahre  *)  zusagte, 
<lie  »fossa  del  pretorio«  so  zu  vertiefen,  daß  die  Schiffe  Anconas  beladen 
hier  anlegen  könnten,  so  scheint  diese  Verbesserung  doch  nicht  ausgeführt 
worden  zu  sein.  Ravennas  Handel  gravitierte  allmählich  immer  stärker 
nach  Venedig.  Mehrfach  treten  uns  im  Liber  plegiorum  Venedigs  die  engen 
Handelsbeziehungen  zwischen  Venezianern  und  Ravennaten  entgegen  5);  am 
<leutlichsten  aber  wird  das  Verhältnis  aus  dem  Vertrage,  der  am  3.  Dezember 
1234  im  Beisein  einer  Gesandtschaft  von  Rimini  im  Dogenpalast  abgeschlossen 
und  am  19.  Dezember  von  Ravenna  vor  dem  venezianischen  Gesandten 
Marsilio  Zorzi  beschworen  wurde.**)  Für  Schädigungen,  die  im  Verlauf  der 
letzten  15  Jahre '^j  in  Ravenna  oder  Comacchio  und  ihren  Gebieten  Vene- 
zianern gegenüber  und  in  dem  Gebiet  zwischen  dem  Kanal  von  Loreo  und 
N'enedig  Ravennaten  gegenüber  vorgefallen  waren,  sollte  nach  dem  Aus- 
spruch von  je  zwei  Schiedsrichtern  jeder  Partei,  die  in  Loreo  zusammen- 
zutreten hatten,  Ersatz  geleistet  werden;  Fälle,  über  die  keine  Einigung 
erzielt  wurde,  sollten  unter  Zuziehung  des  Abts  von  Pomposa,  oder,  falls  dieser 
ablehnte,  eines  Dominikaners  oder  Franziskaners  in  Codigoro  entschieden 
werden.  Die  Schadenersatzpflicht  erstreckte  sich  nicht  auf  Schädigungen 
durch  slavische,  pisanische  oder  genuesische  Seeräuber.  Das  Strandrecht 
durfte  nicht  ausgeübt  werden;  falls  mit  Zustimmung  der  Schiffbrüchigen 
Bergungsarbeiten  vorgenommen  wurden,  so  konnte  für  diese  höchstens  Vö 
des  Geborgenen  beansprucht  werden.  Den  Venezianern  stand  im  Raven- 
iiatischen  volle  Freiheit  des  Handels-  und  Schiffsverkehrs  zu.     An  Handels- 

ibgaben  hatten  sie  bei  der  Ausfuhr  »pro  datio  catenae  civitatis  Ravennae« 
zu  entrichten  10  sol.  rav.  vom  Faß  Wein,  1  den.  vom  Stajo  Getreide  und 
^^■'i-  V5%  Q'li  ^-  pro  1.)  vom  Wert  aller  anderen  Waren,  ohne  Unterschied,  ob 
-ie  in  Ravenna  selbst  oder   in   der  Mündung   des  Badaren o  oder  des  Savio 

*)  Lib.  pleg.  no.  719.  Minotto  IV,  1  p.  58  f.  Über  den  Streit  zwischen  Rav. 
und  Cervia  s.  Tarlazzi  I  p.  136  (1229)  und  Auvray  1320,  1321  (19.  Mai  1233). 

2)  Otto  Frising.  VII  c.  29.  Bernhardi,  Konrad  III.  p.  366,  Ein  Handelsver- 
trag zwischen  Ravenna  und  Rimini  vom  4.  Sept.  1194,  besonders  den  Salz-  und 
Weinhandel  betreffend,  bei  Tonini  II,  597  f.  no.  90. 

3)  Lib.  pleg.  no.  581. 

*)  Peruzzi  A. :  Storia  d'Ancona  (Pesaro  1835)  I,  373. 

»)  Lib.  pleg.  694,  695,  712;  im  September  1228  Transport  von  8  Faß  Wein  in 
2  Barken  über  Loreo  nach  Ven.,  no.  653. 

*)  Am  besten  bei  Minotto  IV,  1  p.  57  ft".  Mit  einigen  Abweichungen  auch 
schon  Minotto  III,  1  p.  44  f.  Pasolini :  Doc.  riguardanti  le  antiehe  rclazioni  fra  Ven. 
e  Rav.  (Imola  1881)  p.  5. 

')  Wahrscheinlich  ist  also  auch  1219  ein  Vertrag  zwischen  Ven,  u.  Rav.  ge- 
schlossen worden ;  auch  der  Vertrag  mit  Cervia  von  1203  nimmt  nach  Lenel  40 
A.  1  auf  einen  Vertrag  mit  Rav.  Bezug. 

43* 


fl 


676  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

zur  Verladung  kamen ;  in  letzterem  Falle  allerdings  nur  dann,  wenn  die  il 
Ravennaten  imstande  waren,  die  Erhebung  anderer  Abgaben  an  diesem 
Grenzfluß  gegen  Cervia  zu  verhindern.  Die  Höhe  der  Abgaben  bei  der 
Einfuhr  kennen  wir  nicht  i);  Edelmetalle,  gemünzt  oder  ungemünzt,  Gold, 
Edelsteine,  Seide,  roh  oder  verarbeitet,  Wein  und  Getreide  waren  zollfrei. 
Die  Ravennaten  ihrerseits  hatten  in  Venedig  die  altherkömmlichen  Abgaben 
zu  zahlen  und  sich  nach  den  in  Venedig  geltenden  Handelsvorschriften  zu 
richten;  mit  Proviant  durften  sie  ihre  Fahrzeuge  in  Venedig  für  10  Tage 
abgabenfrei  versehen.  Ihre  kommerzielle  Abhängigkeit  von  Venedig  aber 
spricht  sich  namentlich  in  folgenden  Punkten  aus:  1.  Sie  durften  Pilger 
nur  von  Ravenna  nach  Venedig  oder  zurück  befördern;  2.  Getreide  und 
Salz,  die  im  Gebiet  von  Ravenna  produziert  waren,  durften,  soweit  sie  zur 
Ausfuhr  bestimmt  waren,  nur  an  Venezianer  verkauft  werden;  3.  an  der 
Einfuhr  von  Getreide,  Fleisch,  Käse,  Feigen,  Wein  und  Öl  aus  den  Marken 
und  Apulien  in  den  Hafen  des  Badareno  sollten  die  Ravennaten  von  den 
Venezianern  zwar  nicht  gehindert  werden ;  auch  bei  diesen  Waren  aber  wari 
ein  Weiterverkauf  nur  an  Venezianer  zulässig  und  die  Ausfuhr  nach  Faenza, 
Bologna,  Ferrara  oder  der  Lombardei  ausdrücklich  verboten.  Führten  sie 
selbst  Öl,  Fleisch,  Feigen  und  Käse,  die  sie  aus  dem  Königreich  eingeführt 
hatten,  wieder  nach  Venedig  aus,  so  hatten  sie  davon  den  Fünften  zu  ent- 
richten. 

Darüber,   daß  diese  Bestimmungen  auch  beobachtet  wurden,  scheinen 
die  Venezianer  eine  scharfe  Kontrolle  geübt  zu  haben;  im  folgenden  Jahre; 
beklagte  sich  der  Erzbischof  von  Ravenna  beim  Papste,  daß  die  Venezianer 
der  erzbischöflichen  Kirche    den    freien   Transport   ihres  Getreides,    Weines 
und  Salzes  nach  ihren  Burgen  (castra)  nicht  gestatten  wollten,  und  Gregor  LX. 
beauftragte  am  10.  Dezember  1235   den  Bischof  von  Ferrara   und  den  Abt__ 
von  Pomposa,    die  Venezianer  zu  veranlassen,    davon  abzustehen.^)    Es  istfll 
bezeichnend  für  den  Fortschritt  der  Ausschließungsbestrebungen  Venedigs, 
daß  es  nach  seinem  Vertrage   mit  dem  Patriarchen   von  Aquileja  von  1248 
dessen  Untertanen   nicht  mehr  gestattet  war,   in  der  früher  herkömmlichen 
Weise  zur  See  mit  der  Romagna  und  den  Marken  zu  verkehren.^) 

533.  Von  solchen  Beschränkungen  blieb  indessen  der  Verkehr  des 
Küstengebiets  zwischen  Po  und  Tronto  mit  dem  dalmatinischen  Gegengestade 
im  wesentlichen  unberührt.  So  wird  in  einem  Schreiben  Ravennas  vom 
November  1188  an  die  damals  unter  normannischer  Hoheit  stehenden 
Ragusaner  diesen  die  gleiche  Sicherheit  im  Gebiet  von  Ravenna  wie  den  , 
eigenen  Bürgern  zugesichert  4);  ein  Vertrag  vom  25.  August  1199  zwischen  l 
Ancona  und  Ragusa,  der  von  200  Bürgern  aus  jeder  der  beiden  Städte  be- 
schworen wurde,  enthält  das  Versprechen  gegenseitigen  Schutzes  und  der 
Erledigung  von  Reklamationen  binnen  einer  Frist  von  30  Tagen.s)  Im  vor- 
hergehenden Monat  hatte  Ragusa  auch  mit  Fano  einen  ähnlichen  Freund- 
schaftsvertrag geschlossen ;  und  solche  Handelsverträge  allgemeinen  Charakters 
ist  es  auch  1229  mit  Fermo,  1231  mit  Sinigaglia,  1235  mit  Rimini  und 
Ravenna  eingegangen.^) 

')  Der  Vertrag  enthält  hier  eine  Lücke. 
")  Tarlazzi  I,  160  no.  94.     Vgl.  Lenel  50. 
3)  Kandier,  14.  September  1248.     Unten  §  544. 
*)  Jire6ek  p.  53. 

')  Ljubic  I  no.  27  p.  19.     Kukuljevic  U  no.  279,  p.  209  f.     Jirecek  p.  11  u.  56. 
•)  Ljubi6  I  no.  26,  79  u.  83.     Matkovic  im  Rad  Jugoslavenske  Akademije  XVj 
(Agram  1871)  p.  51  f. 


I 


Interner  Handel  in  der  Adria.  677 

Den  Verkehr  Anconas  mit  Spalato  zeigt  ein  Vorgang  aus  dem  Jahre 
1224:  Seeräuber  aus  Spalato  hatten  in  Gemeinschaft  mit  den  Kacici  eine 
venezianische  Barke  im  Gebiet  von  Ancona  gekapert;  ein  Anconitaner,  der 
nach  Spalato  kam,  erkannte  die  Barke  hier  wieder  und  verlangte  ihre 
Herausgabe;  da  diese  verweigert  wurde,  verhängte  Ancona  Represalien 
gegen  Spalato.^)  Einen  allgemeinen  Freundschaftsvertrag  hat  in  Erneuerung 
<les  seit  alter  Zeit  bestehenden  Verhältnisses  Ancona  im  Juli  1236  auch  mit 
Trau  geschlossen.'-) 

534.  Schon  aus  diesen  Verträgen  ergibt  sich,  daß  der  »Herzog 
I)almatiens«,  so  groß  das  kommerzielle  Übergewicht  Venedigs  auch 
war,  von  einer  wirklichen  Herrschaft  über  das  Land  doch  weit  ent- 
fernt war;  insbesondere  ist  Ragusa,  von  Edrisi  als  eine  große  See- 
stadt mit  namhafter  Flotte  geschildert,  während  des  12.  Jahrhunderts 
nur  ganz  ausnahmsweise  von  Venedig  abhängig  gewesen.^) 

Als  im  Jahre  1168  ein  venezianisches  Schiff  bei  Ragusa  gestrandet 
Avar,  schickte  Venedig  den  Johannes  de  Canale  als  Spezialgesandten  nach 
Hagusa,  der  von  dem  Erzbischof  und  den  Konsuln  und  Richtern  der  Stadt 
auf  das  beste  aufgenommen  wurde  und  die  Rückgabe  von  2/3  der  geborgenen 
Güter  an  die  Venezianer  erwirkte,  während  1/3  dem  bestehenden  Gesetz 
'.^emäß  den  Ragusanern  als  Bergelohn  zufiel.*)  In  ihrem  Rachekriege  gegen 
Kaiser  Manuel  (1171)  bemächtigten  sich  die  Venezianer  der  Stadt,  die  in 
einem  festen  Turm  am  Hafen  eine  griechische  Besatzung  hatte;  einen  ihrer 
Partei  angehörigen  Einheimischen,  den  Zellovellus,  stellten  sie  als  Comes 
an  die  Spitze  0);  doch  verzichteten  sie  wohl  bei  ihrer  Wiederaussöhnung 
mit  dem  Kaiser  auf  diese  Eroberung  und  Ragusa  blieb,  von  der  Episode 
<ler  normannischen  Herrschaft  (1185 — 1190)  abgesehen,  bis  zum  Ende  des 
byzantinischen  Reiches  unter  seiner  Oberhoheit. 6) 

Nun  traten  die  Venezianer  das  Erbe  der  Griechen  an ;  schon  im  Jahre 
1205  zwang  Thomas  Morosini  Ragusa  zur  Übergabe.  Von  dem  Inhalt  des 
Unterwerfungsvertrages  wissen  wir  mit  Bestimmtheit  nur,  daß  Ragusa  seinen 
Comes  fortab  von  Venedig  gesetzt  erhielt;  1208  war  Lorenzo  Quirini  in 
dieser  Stellung,  während  Giovanni  Dandolo  seit  1214  zwei  Jahrzehnte  hin- 
durch als  Comes  von  Ragusa  erscheint,  der  in  Fällen  der  Abwesenheit  durch 
einheimische  Vicecomites  vertreten  wurde');  aus  den  Einkünften  seines 
Amtes  hatte  er  jährlich  400  1.  ven.  an  Venedig  abzuführen .8)     Im  Jahre  1226 

»)  Lib.  pleg.  no.  38,  134.    Minotto  IV,  1  p.  30  f. 

*)  Makuscev  I  1  p.  110  f.  Peruzzi  A. :  Storia  d'Ancona  I,  380.  Verkehr  Anconas 
mit  Dnrazzo  oben  §208. 

»)  Jirecek  p.  8  ff. 

*)  Kukuljevic  II,  81  no.  107. 

*)  Er  nennt  sich  Dci  et  incliti  Ducis  Ven.  gratia  Ragusiensis  comes,  Ljubiö  1, 
:51  no.  40.  Daß  die  Urkunde  nicht  den  Jahren  zwischen  1221  und  1223,  wie  der 
Herausgeber  annimmt,  sondern  dieser  Zeit  angehört,  geht  schon  daraus  hervor,  daß 
sie  auf  die  nicht  venezianische  Zeit  Bezug  nimmt  und  fortfährt:  Nunc  autem  quia 
gratia  Dei  ci\ntas  Rag.  de  confinio  Venetiarum  habetur.  Kukuljevi6  bringt  in  den 
Starine  XXI  (Agram  1889)  p.  240  und  p.  272  dieselbe  Urkunde  unter  1205  und 
1221—1223. 

•)  Jirecek  p.  48  ff.    Lenel  33  A.  5. 

')  Jirecek  p.  11  u.  51. 

")  I.ib.  pleg.  no.  320 :  Giov.  Dand.  stellt  am  6.  XII.  1225  Bürgschaft,  daß  er 
bis  Weihnacht  zahlen  werde,  was  auch  geschah;  desgl.  14.  Okt.  1226  bis  1.  März, 
no.  43G.     I^jubic  I  p.  36  u.  40,  no.  50  u.  58. 


678  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

kam  es  zu  einem  Konflikt  Ragusas  mit  Venedig ,  weil  es  bestimmten 
Weisungen  der  Signorie  nicht  nachgekommen  war.  In  einem  scharfen 
Schreiben  vom  April  an  Giov.  Dandolo,  die  Richter  und  das  Volk  von 
Ragusa  erklärte  der  Doge,  daß  er,  wenn  er  ihren  Brief  verdientermaßen 
hätte  beantworten  wollen,  alle  ragusanischen  Waren  in  Venedig  hätte  be- 
schlagnahmen lassen  müssen,  da  sie  die  verlangten  Geiseln  nicht  geschickt 
und  ihre  Verpflichtungen  nicht  erfüllt  hätten ;  da  ihre  Boten  indessen  ver- 
sprochen hätten,  die  Geiseln  zu  stellen,  dieselben  Feinde  wie  Venedig  zu 
haben  und  die  seeräuberischen  Kacici  ebenso  wie  Zara  zu  bekämpfen,  so 
sehe  er  davon  ab  und  begnüge  sich  damit,  bis  zur  Erfüllung  des  Verlangten 
die  besonderen  Abgabenvergünstigungen  der  Ragusaner  aufzuheben,  derart, 
daß  sie  bis  dahin  von  heimischen  Waren  den  Vierzigsten,  von  anderen  den 
Fünften  zu  zahlen  hätten i),  außerdem  hätten  sie  alle  ihre  Armbrüste  nach, 
Venedig  zu  schicken  und  nicht  mit  den  Feinden  der  Republik  zu  verhan- 
deln. Mit  der  Durchführung  dieser  Verordnung  wurde  sogleich  Ernst  gemacht ; 
auch  alle  Venezianer  oder  Fremde,  die  Waren  von  Ragusanern  oder  von 
ragusanischen  Barken  (navissellis)  in  Venedig  selbst  oder  in  einem  der 
Häfen  bis  Zara  und  Ancona  kauften,  wurden  für  die  Zahlung  dieser  er^ 
höhten  Abgaben  verantwortlich  gemacht ;  Ragusaner,  die  Waren  nach  Venedig 
brachten,  hatten  sich  sogleich  bei  ihrer  Ankunft  bei  den  Vicedomini  zu 
melden.  Am  29.  Oktober  wurde  diese  Verordnung  noch  dahin  ergänzt,  daß 
jeder  Venezianer,  der  einen  Ragusaner  oder  Waren  von  ihm  bei  sich  aufnahm^ 
dies  binnen  2  Tagen  den  Vicedomini  zu  melden  hatte,  widrigenfalls  ei 
eine  Geldbuße  von  30  1.  12  V2  sol.  und  der  Ragusaner  den  doppelten  Fünften 
zu  zahlen  hatte ;  im  selben  Monat  wurde  eine  genaue  Liste  der  von  Ragusa 
nach  Venedig  zu  schickenden  Geiseln  aufgestellt.^)  Wie  der  Konflikt  endete,- 
wissen  wir  nicht;  jedenfalls  zeigt  uns  der  Vorgang,  daß  der  Handelsverkehr 
zwischen  Ragusa  und  Venedig  ein  sehr  reger  3)  und  daß  Ragusa  niclit  immer 
geneigt  war,  sich  den  Verfügungen  der  Signorie  zu  beugen.  Jjl 

535.  Streitigkeiten  ähnlicher  Art  werden  es  gewesen  sein,  die  im  Mai 
1232  durch  den  ältesten  uns  erhaltenen  Vertrag  der  beiden  Seestädte  bei- 
gelegt wurden  '^) ;  das  den  Ragusanern  vom  Dogen  bewilligte  Pactum  sollte 
3  Jahre  und  nach  Ermessen  des  Dogen  auch  darüber  hinaus  in  Kraft^ 
bleiben ;  sicher  geht  es  in  den  meisten  seiner  Bestimmungen  auf  die  älteren 


^)  üb.  pleg.  no.  375.  Ljubic  I,  p.  37  no.  52.  Für:  et  de  illis  aliarum  partium 
solvet  quantum  vicedominis  (videbitur)  ist  (luintum  zu  lesen  und  das  er- 
gänzte videbitur  zu  streichen. 

»)  Lib.  pleg.  no.  372,  446.  434.  Ljubic  I  p.  37,  41,  39  f.  (statt  quantum  ]..  41 
ist  immer  quintum  zu  lesen). 

'')  Weitere  Belege  hierfür  Lib.  pleg.  no.  89  (Marco  Contarini  bürgt  1224  für^ 
zwei  Ragusaner,  daß  sie  ihre  beiden  plati  nicht  ohne  Erlaubnis  des  Dogen  von" 
seiner  Riva  entfernen  würden),  no.  329.  (Ljubic  I,  32  u.  35).  Dazu  die  Bürgschaften 
ragusanischer  Schiffer,  nicht  nach  Ägypten  zu  fahren;  z.  B.  Ljubic  I  no.  45  p.  33,- 
oben  §  132.  '. 

*)  Die  Nachricht  von  einem  Abfall  Ragusas  ündet  sich  nur  bei  dem  späten  Dan-'' 
dolo  und  ist  unglaubwürdig.  Xoch  am  15.  November  1231  ist  Giov.  Dandolo  als  comes 
in  Ragusa  tätig  (Ljubic  I  no.  74,  ]).  46);  vom  13.  Januar  1232  datiert  tlie  (Jommissioj 
der  ragusanischen  Gesandten  (ebd.  p.  47)  und  im  Mai  schließen  sie  »petentes  con-^ 
cordiam,  pactum  et  reconciliationeni  D.  Duci  et  Comuni  V.«  den  Vertrag;  ebd. 
no.  75.  Somit  bleibt  kein  Raum  für  einen  Abfall,  den  Dandolo  vermutUch  nur  au» 
der  reconeihatio  erschlossen  hat.  S.  auch  Jirecek  p.  51.  Tafel  und  Thomas  II,  3()7  f. 
Heyd  I,  309.  , 


i 


Interner  Handel  in  der  Adria.  679 

Pacta  zurück.  Der  Comes  mußte  ein  Venezianer  sein,  der  vom  Dogen  und 
seinem  Rat  zu  ernennen  war ;  auch  verpflichtete  sich  Ragüsa,  den  Erzbischof 
aus  den  Reihen  der  ^^enezianer  zu  wählen ;  wenn  möghch  sei  der  Papst  zu 
bestimmen,  das  Erzbistum  unter  das  Patriarchat  von  Grado  zu  stellen. 
Der  Doge  sollte  jährlich  ein  Ehrengeschenk  von  12,  die  Gemeinde  Venedig 
von  100  alten  Goldhyp.  erhalten,  während  dem  Comes  jährlich  400  Hyp. 
neben  den  sonstigen  herkömmlichen  Gefällen  mit  Ausnahme  des  Salzzolles 
zustanden.  Ragusa  stellte  12  Geiseln,  von  denen  6  je  V2  Jahr  ständig  in 
Venedig  auf  Kosten  Venedigs  zu  verweilen  hatten ;  alle  10  Jahre  war  der 
Treueid  für  Venedig  von  den  über  13  Jahre  alten  Ragusanern  zu  erneuern. 
Ragusa  hatte  Heresfolge  zu  leisten  und  durfte  dalmatinische  oder  sonstige 
Seeräuber  1)  bei  sich  nicht  aufnehmen.  Von  fremden  Schiffen  hatte  es  die 
gleichen  Abgaben  zu  erheben,  wie  sie  in  Venedig  erhoben  wurden;  je  1/3 
von  diesen  fiel  dem  Erzbischof,  dem  Comes  und  der  Gemeinde  zu.  Nun 
erfahren  wir  auch,  worin  die  Zollvergünstigungen  bestanden,  deren  sich  die  , 
Ragusaner  in  Venedig  erfreuten;  Waren,  die  sie  aus  ihrer  dalmatinischen  | 
Heimat  in  Venedig  importierten  (merces  Sclavoniae),  waren  zollfrei,  für  1 
.-solche  aus  dem  siziüschen  Königreich  zahlten  sie  21/2,  aus  der  Romania  5,  ' 
aus  Syrien  und  ganz  Afrika  20%  vom  Werte.  Doch  durften  sie  aus  den 
Ferngebieten  jährlich  nur  mit  vier  eigenen  Schiffen,  die  höchstens  je  700  Ztr. 
fassen  durften,  nach  Venedig  kommen ;  sonst  erhöhte  sich  der  Zoll  für 
ihren  Warenimport  aus  der  Romania  ebenfalls  auf  20%.  Mit  Fremden 
durften  sie  in  Venedig  keinerlei  Handelsgeschäfte  machen;  vom  Dogen 
angeordnete  Handelssperren  waren  auch  für  sie  bindend;  nur  auf  der 
Küstenstrecke  Ijis  zum  Golf  von  Korinth  sollte  ihnen  der  Handel  stets, 
auch  zur  Kriegszeit,  erlaubt  sein. 

Nach  4  Jahren  schon,  im  Juni  1236,  wurde  das  Pactum  durch  ein 
neues,  wiederum  zunächst  auf  3  Jahre  abgeschlossenes  ersetzt;  es  erhielt 
nur  eine  Neuerung,  die  freilich  eine  nicht  unwichtige  Beschränkung  des 
Handels  der  Ragusaner  darstellte:  sie  durften  die  Häfen  nördlich  von 
Ancona  und  der  Südspitze  Istriens  zu  Handelszwecken  nur  dann  aufsuchen, 
wenn  sie  Lebensmittel  von  da  nach  Venedig  exportieren  wollten  2);  im 
sonstigen  Verkehr  mit  Venedig  selbst  waren  sie  natürlich  nicht  auf  solche 
AVaren  beschränkt,  wenn  diese  auch  immer  bei  ihrem  Handel  mit  Venedig 
eine  große  Rolle  spielten ;  Getreide,  und  Fleisch  erscheinen  als  die  Haupt- 
ausfuhrartikel •'^),  die  damals  aus  Slavonien  nach  Venedig  kamen. 

Nach  den^  Tode  des  Comes  Giovanni  Dandolo  trat  ein  häufiger  Wechsel 
in  der  Besetzung  dieses  Amtes  ein"*);  es  ist  bemerkenswert,  daß  Ragusa  auch 

0  Non  recipient  Cacichios  et  Dalmesianos  (Leute  von  Almissa)  vel  alios  gro.s- 
sarios  (=  cursarios)  et  predatores.     Ljubic  I  p.  48. 

«)  T.jubic  I,  53  no.  80.  Tafel  und  Thomas  H,  328.  Minotto  I,  1  p.  20  f.  Vgl, 
Lencl  51.  Veranlassung  zur  Erneuerung  des  Pactum  war  zunächst  wohl  der  Tod 
des  langjährigen  Comes  Giov.  Dandolo,  der  am  8.  Juli  1235  in  Venedig  sein  Testa- 
ment gemacht  hat;  Jirecok  p.  51.  In  diesem  Jahre  schon  wird  er  in  Ragusa  durch 
offenbar  von  ihm  bestellte  einheimische  Vicecomites  vertreten;  Ljubic I  no.  78  u. 
79.     Kukuljevic,  Reg.  in :  Starine  XXII  (Agram  1890)  p.  225  u.  232. 

')  Caro  sicca  de  Sclavinia  im  venez.  Preistarif  von  1173;  Cecchetti  p.  49.  Für  \ 
Getreide  die  aus  dem  Lib.  pleg.  bekannten  Einfuhrprämien  aus  den  Jahren  1224  \ 
bis  1227;  Minotto  IV,  1  p,  32.    Ljubic  I  ]>.  42  no.  65.     Jirecek  21  f. 

*)  Jirecek  p.  51.    Er  nennt  Tiepolo,  der  am  20.  Juli  1237  vereidet  wurde,  »den 
ersten   der  nur   zweijährigen   Comitesc     Aber   am  22.   November   1238   amtiert   in  • 
Ragusa  schon  Nicolaus  Tonisti;  Ljubic  1  no.  82  p.  56;    Giovanni  Tiepolo  wird  also 


680  Fünfiindvieraigstes  Kapitel. 

während  des  Krieges  mit  dem  Kaiser  den  Venezianern  treu  blieb ;  das  n 
nächste  erhaltene  Pactum  gehört  dem  Jahre  1252  an.  Seit  dem  12.  Jahr- 
hundert ist  übrigens  ein  starkes  Vordringen  des  slavischen  Elements  in 
Ragusa  bemerkbar ;  1201  war  schon  ein  Dobroslavus  kaiserlicher  Comes  von 
Ragusa  und  das  Pactum  von  1236  zeigt  unter  den  maßgebenden  Persön- 
lichkeiten Ragusas  überwiegend  slavische  Namen,  i) 

536.  Von  den  Verträgen  Ragusas  mit  Städten  Istriens  kennen  wir 
nur  einen  mit  Rovigno  vom  Oktober  1188,  der  einen  alten  Friedensvertrag 
erneuert-),  während  uns  eine  ganze  Reihe  von  Verträgen  von  seinen  Han- 
delsbeziehungen zu  seinen  slavischen  Nachbarn  Kunde  gibt.  Mit  den  Ge- 
sandten des  serbischen  Großzupan  Nemanja  und  seiner  Brüder,  der  Grafen 
Miroslav  von  Chelm  und  Strazimir,  schloß  Ragusa  im  September  1186  einen 
Vertrag,  der  seinen  Kaufleuten  volle  Sicherheit  und  Handelsfreiheit  in  ihrem 
Gebiet,  besonders  im  Hafen  der  Narenta  (dem  späteren  Gabella)  verhieß, 
während  den  Untertanen  der  genannten  Fürsten  das  gleiche  Zugeständnis  mm 
für  die  Stadt  Ragusa  gemacht  wurde  s) ;  und  um  1234,  als  Giovanni  Dandolo  ■I 
noch  Comes  von  Ragusa  war,  nahm  ein  Freundschaftsvertrag  mit  Wladislav, 
dem  »König  von  ganz  Rascien  und  der  Marittima«,  die  Unterstützung  des- 
selben durch  die  Seestreitkräfte  der  Ragusaner  in  Aussicht.  4)  Erforderlich 
mochte  solche  werden  namentlich  durch  das  immer  wieder  hervortretende 
seeräuberische  Treiben  der  Kacici,  des  Fürstengeschlechts,  das  in  Almissa 
den  Mittelpunkt  seiner  Macht  hatte.  Zwar  hat  Ragusa  auch  mit  ihnen 
schon  1190  einen  Friedensvertrag  geschlossen,  in  dem  sie  sogar  die  Aus- 
lieferung eines  jeden  versprachen,  der  einem  Ragusaner  Gewalt  antun  würde; 
aber  auf  die  Dauer  war  damit  den  seeräuberischen  Instinkten  dieser  Völker- 
schaft doch  kein  Ziel  gesetzt.  Im  Jahre  1226  versprach  Ragusa  gegen  sie 
zu  kämpfen  und  es  bezeichnet  offenbar  das  glückliche  Ende  einer  Expedition 
gegen  sie,  wenn  am  17.  März  1235  der  Gespan  Koloman  von  Almissa  mit 
seinen  Verwandten  und  dem  Comune  von  Almissa  in  Gegenwart  eines 
Vicecomes  und  zahlreicher  Edler  von  Ragusa,  die  mit  ihren  Fahrzeugen  in 
Almissa  erschienen  waren,  einen  Schwur  leisten  5),  mit  den  Ragusanern  für 
ewige  Zeiten  Frieden  zu  halten  und  sie  zu  schützen;  in  den  Jahren  1238  und 
1245  Avurde  dieser  Friedenseid  erneuert;  auf  die  »freiwillige  Beihilfe«  aber, 
die  man  Piratenschiffen  zu  geben  pflegte,  verzichteten  die  Bewohner  von 
Almissa  auch  den  Ragusanern  gegenüber  nicht.  ^) 

Als  Ragusa  im  Jahre  1171  unter  venezianische  Hoheit  gekommen 
war,  trat  es  mit  dem  ebenfalls  venezianischen  Oberhaupt  von  Spalato  und 
Trau,  Velcinnus,  in  Verbindung,  um  die  mit  diesen  Städten  bestehenden 
Differenzen  auszugleichen,  die  durch  das  rechtswidrige  Verhalten  des  letzten 
griechischen  Comes,  Judas,    entstanden  waren;    die  Pfändungen    unter    den 


II 
II 
II 
I 


nur  1  Jahr  im  Amt  gewesen  sein.  Auch  Avar  er  sicher  nicht  der  unmittelbare  Nach- 
folger Dandolos. 

»)  Ebd.  p.  8,  49.    Minotto  I,  1  p.  20. 

»)  Ljubic  I,  14  no.  2] . 

ä)  Ljubic  I,  11  no.  17.  Dazu  Antwort  auf  eine  Gesandtschaft  Miroslavs  vom 
17,  Juni  1190  ebd.  p.  14  no.  23.  Jirecek  p.  11,  50.  Über  den  Handel  Ragusas  land- 
einwärts s.  auch  die  ältere  Schrift  Jireceks :  Die  Handelsstraßen  und  Bergwerke  von 
Serbien  und  Bosnien  während  des  Mittelalters.     Prag  1879. 

*)  Ljubic  I,  57  f.  no.  84.     Kukuljevic,  Reg.  in :  Starine  XXII  (1890)  p.  229  f. 

»)  Ljubic  I,  p.  14  no.  22,  p.  51  no.  78.     Oben  §  534. 

•)  Ebd.  p.  56  no.  82 ;  p.  67  no.  93 :  acciperc  üb  eis  quecunque  voluerint  eis 
dare  per  striiiam. 


* 


Interner  Handel  in  der  Adria.  ßgl 

Bürgern  beider  Parteien  sollten  aufhören  i)  und  fortan  den  Angehörigen 
der  Gegenseite  der  gleiche  volle  Rechtsschutz  zuteil  werden  wie  den 
eigenen  Bürgern.  Auch  zur  Zeit  des  Comes  Giovanni  Dandolo  sehen  wir 
Ragusa  mit  Spalato  in  freundschaftlichem  Verkehr.  2) 

In  ähnlichem  Verhältnis  stand  Ragusa  auch  zu  seiner  Nachbarstadt 
im  Süden,  Cattaro.  Im  September  1181  erschien  der  damalige  Herr  von 
Oattaro,  der  Comes  Triphon,  selbst  an  der  Spitze  einer  Abordnung  zum  Ab- 
schluß eines  dauernden  Friedens-  und  Freundschaftsvertrages  in  Ragusa, 
der  besonders  durch  die  Beseitigung  des  Represaliensystems  bei  Schulden 
bemerkenswert  ist.  ^) 

537.  Während  Venedig  im  Jahre  1171  wie  Ragusa  auch  Spalato  und  Trau 
für  kurze  Zeit  seiner  Herrschaft  unterworfen  hatte"*),  hat  es  nach  dem 
vierten  Kreuzzuge  diese  beiden  für  den  Handel  weniger  bedeutenden  Orte 
unangetastet  gelassen ;  auch  mit  Almissa  genügte  es  ihm,  einen  Friedens- 
und Freund  Schafts  vertrag  geschlossen  zu  haben.  Bald  genug  freilich  wurde 
dieser  Vertrag  durch  neue  Seeräubereien  (Dezember  1207)  verletzt;  doch  schickte 
der  Comes  Sebenna  zusammen  mit  seinen  Verwandten,  offenbar  aus  Furcht 
vor  der  Rache  der  Venezianer,  im  Jahre  1208  seinen  Bruder  Sinca  nach 
Ragusa,  der  vor  dem  dortigen  venezianischen  Comes  Frieden  zu  halten  und 
das  Geraubte  zurückzugeben  beschwor,  worauf  nach  weiteren  Verhandlungen 
ein  neuer  formeller  Vertrag  im  Juni  1208  zustande  kam.  Sebenna  ver- 
sprach eidlich  und  feierlich  allen  Venezianern  volle  Sicherheit;  außerdem 
verpflichtete  er  sich  im  Namen  der  Seinen,  nördlich  von  einer  Linie  Fano- 
Sansego  (kleine  Insel  bei  Lussin)  niemanden,  der  nach  Venedig  wollte  oder 
von  dort  kam,  in  irgend  welcher  Weise  zu  schädigen;  sollte  es  aus  Un- 
kenntnis doch  vorkommen,  so  sollte  binnen  einem  Monat  volle  Remedur 
geschaffen  worden.  •'') 

In  den  zwanziger  Jahren  sehen  wir  die  Spalatiner,  die  jetzt  unter 
ungarischer  Oberhoheit  standen  ß),  einmal  mit  den  Kacici  gemeinsame  Sache 
machen;  am  21.  Dezember  1223  beschlagnahmten  die  Vicedomini  in  Ve- 
nedig auf  Verlangen  des  Domenico  Querini  allerlei  W^aren  als  Eigentum 
von  Spalatinern;  doch  wurden  sie  auf  den  Eid  des  Venezianers  Cerneka  hin, 
daß  sie  nicht  Spalatinern  gehörten,  der  Gesellschaft  des  Antonino  Lugnano 
zur  Aufbewahrung  übergeben.  Wenig  später  erfolgte  jener  Überfall  einer 
venezianischen  Barke  bei  Ancona  durch  Seeräuber  von  Spalato  und  Almissa") ; 
auch  eine  von  Maffeo  Feriolo,  dem  Befehlshaber  der  venezianischen  Galeeren, 
nach  Spalato  überbrachte  Reklamation  erwies  sich  als  fruchtlos,  wie  einer 
der  Geschädigten,  Leonardo  Semitecolo,  im  April  1224  vor  dem  Dogen  er- 
klärte. 8)    Noch    im    Frühjahr    1226    sehen  wir    die  Kacici    mit  Venedig  im 

')  Ebd.  p.  31  no.  40.  über  die  Datierung  s.  oben  §  534.  Bezeichnend  die 
vStelle:  Et  amodo  pignora  inter  vos  et  Raguseos  non  sit. 

«)  Ebd.  p.  55  no.  81. 

')  Ebd.  p.  11  no.  16:  ut  quicunque  Raguseus  vel  Oatarinus  crediderit  sua, 
primuni  videat  cui  credat;  et  dum  crediderit  super  alium,  non  valeat  teuere  ae  nisi 
«uper  debitore  suo.  Ut  pignora  non  sintintra  Raguseum  et  Catarinum  etc. 

*)  Ljubic-  I,  31  no.  40.  Kukuljevic  II,  92,  102,  113  zu  1174,  1178  und  1180. 
Schraeidler  54.     Jirecek  49. 

»)  Ljubic  in,  390  f.     Anhang  no.  4. 

•)  Deshalb  trat  König  Andreas  von  hier  aus  seinen  Kreuzzug  an.  Privilegien 
de.s  Königs  für  Spalato  und  Almissa  von  1207  :  Kukuljevic',  Reg.  in :  Starine  XXI,  243. 

T)  Oben  §  533. 

»)  Ljubic  1.  c.  393  no.  7 ;  I,  32  f.  no.  41  u.  43.     Lib.  pleg.  no.  23,  38,  134. 


682  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Kampf;  dann  aber  gingen  sie  in  sich,  so  daß  der  Papst  am  11.  Jmii  122Ö 
den  Erzbischof  von  Spalato  mid  seine  Suffraganbischöfe  beauftragte,  sie 
zu  ermahnen,  auf  dem  betretenen  guten  Wege  zu  verharren,  i)  Von  Dauer 
war  die  Besserung  freilich  nicht ;  diese  I^eute  sahen  eben  die  althergebrachte 
Piraterie  als  ihr  gutes  Recht  an. 

538.  Im  nördlichen  Dalmatien  hatte  am  Anfang  des  12.  Jahr- 
hunderts die  ungarische  Eroberung  unter  Koloman  rasch  um  sich 
gegriffen;  selbst  Zara  ging  1105  den  Venezianern  verloren.  Doch 
nach  des  Königs  Tode  glückte  dem  Dogen  Ordelaffo  Falier  seine 
Wiedereroberung;  im  Jahre  1116  erscheint  Marcus  Michael  als  erster 
bekannter  venezianischer  Comes  von  Zara.  ^) 

Um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  gelang  es  Venedig,  Zara  zum  Erz- 
bistum, zugleich  für  die  Inseln  des  Quarnero,  erheben  und  dem  Patriarclien 
von  Grado  unterstellen  zu  lassen  (Februar  1155).  3)  Ein  dieser  Veränderung 
folgender  Aufstand  wurde  bald  unterdrückt ;  doch  die  Unzufriedenheit  wirkte 
fort  und  bald  nach  Kaiser  Manuels  Tode,  noch  Ende  1180,  fiel  Zara  zu 
König  Bela  von  Ungarn  ab  und  die  großen  Anstrengungen  Venedigs,  es 
wiederzugewinnen  (besonders  1187)'*),  blieben  vergeblich,  so  daß  Zara  über 
20  Jahre  lang  ein  selbständiger  Handelsmittelpunkt  blieb. 

Am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  aber  gelang  es  der  klugen  Politik 
des  Dogen  Enrico  Dandolo,  die  Kreuzfahrt  den  Interessen  Venedigs  dienst- 
bar zu  machen ;  im  November  1202  mußte  sich  Zara  ergeben  und  ein  nach 
dem  Abzug  der  Kreuzfahrer  unternommener  Erhebungsversuch  wurde  von 
Rainer,  dem  Sohne  des  Dogen,  niedergeworfen.-'^)  Trotzdem  wurde  Zara 
glimpflich  genug  behandelt;  in  dem  Pactum  von  1204  mußte  es  sich  ver- 
pflichten, Erzbischof  und  Comes  stets  den  Reihen  der  Venezianer  zu  ent- 
nehmen, wobei  sich  Venedig  das  Bestätigungsrecht  des  Comes  vorbehielt; 
als  Jahrestribut  hatte  es  nach  Wahl  150  Hyperpern  oder  3000  guter  Kanin- 
chenfelle an  Venedig  abzuliefern;  von  nichtvenezianischen  Schiffen,  die 
nach  Zara  kamen,  hatte  es  die  gleichen  Abgaben  zu  erheben,  wie  sie  in 
Venedig  erhoben  wurden ;  zu  gleichen  Teilen  üelen  sie  dem  Erzbischof,  dem 
Comes  und  der  Stadtgemeinde  Zara  zu.  ß)  Neun  Monate  im  Jahre  hatte  der 
Comes  in  Zara  zu  verweilen  und  allen  Beamten  jährlich  den  Treueid  für 
Venedig  abzunehmen.  Im  Jahre  1217  erkannte  König  Andreas  den  Wechsel 
förmlich  an  und  versprach,  die  Venezianer  im  Besitz  von  Zara  nicht  zu 
stören. ') 

Nicht  allzu  wilüg  ertrug  Zara  die  venezianische  Herrschaft.  Im  Jahre 
1226  ließ  sich  Venedig  einmal  vom  Erzbischof  einen  Eid  auf  sein  Wohl- 
verhalten leisten  und  von  verschiedenen  Bürgern    Sicherheit    stellen;    auch 


ij  Oben  §  534.  A.  Theiner :  Vet.  monum.  Slav.  merid.  I  no.  87.    Pressutti  5988. 

*)  Ljubic  III,  387.     Anhang  no.  1. 

=)  Lenel  21  f.,  24  f.  Dazu  Simonsfeld  in  Hist.  Zeitschrift  84  (1900),  434,  442, 
439.  .lirecek  C'. :  Die  Romanen  in  den  Städten  Dalmatiens  während  des  Mittelalters ; 
in  :  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  XL VIII  (1901) ;  auch  separat 
(Wien  1904). 

*)  Ljubic  I,  12  f.  no.  18—20.     Lenel  33.     Schmeidler  55. 

■•)  Manfroni  318  f. 

®)  Ljubic  I,  21  f.  no.  30  (Pactum  .Jadrae),  31  (Eid  des  Comes).  Tafel  und 
Thomas  I,  419  ft".  (wo  zu  1203  gesetzt).  Lenel  37  A.  2.  Am  1.  Februar  1206  erscheint 
Vitale  Dandolo  als  Comes  von  Zara ;  Kukuljevic,  Reg.  in :  Starine  XXI,  239  no.  51. 

')  Ljubic  I,  29. 


Interner  Handel  in  der  Adria.  683 

am  16.  November  1227  versprachen  2  Abgesandte  Zaras,  je  500  Hyp.  zu 
zahlen,  falls  zwei  benannte  Bürger  von  Zara  etwas  gegen  den  Dogen,  den 
Comes  (seit  geraumer  Zeit  schon  war  Marino  Dandolo  in  dieser  Stellung) 
oder  seinen  ihm  als  Vikar  beigegebenen  Sohn  unternehmen  würden,  i) 
Eigene  Kriegsschiffe  durfte  die  Stadt  nicht  mehr  halten;  einzelne  wohl  zu 
Wachtzwecken  dienende  Galeeren  oder  Galeonen  entlieh  sie  mit  ihrer 
Ausrüstung  von  Venedig.  2)  Ebenso  war  sie  in  ihrer  auswärtigen  Politik 
ganz  von  ^'enedig  abhängig;  wir  kennen  keinen  auch  noch  so  allgemein 
gehaltenen  Handelsvertrag,  den  Zara  in  dieser  Zeit  abgeschlossen  hätte.  Als 
Friedrich  II.  von  Zara  die  Stellung  von  Geiseln  während  seiner  Expedition 
gegen  die  Kacici  verlangte,  suchte  dieses  durch  Gesandte  die  Ermächtigung 
Venedigs  dazu  nach,  das  sie  im  März  1227  für  den  Fall  erteilte,  daß  dem 
Comes  die  Maßregel  für  die  Stadt  nützlich  erschiene.  S) 

Naturgemäß  war  der  Verkehr  der  Bewohner  von  Zara  mit  Venedig 
sehr  rege;  auch  hier  spielte  der  Handel  mit  Lebensmitteln  eine  wichtige 
Rolle.  Die  Höhe  der  Prämien  für  die  Getreideeinfuhr  stufte  man  für  den 
Osten  der  Adria  danach  ab,  ob  sie  von  diesseits  oder  jenseits  von  Zara  er- 
folgte*), wie  es  für  den  Westen  mit  Ancona  geschah.  Sonst  können  Avir 
nur  Wachs  in  dieser  Zeit  als  Handelsartikel  positiv  nachweisen :  der  Zarenser 
Desa  de  Prodanello  wurde  1225  verklagt,  Wachs  gekauft  zu  haben,  das 
aus  einem  von  den  Klägern  bei  Sebenico  erüttenen  Schiffbruch  stammte ; 
Giovanni  Contarini  bürgt  mit  1001.  dafür,  daß  er  auf  Verlangen  des  Comes 
von  Zara  oder  seines  Sohnes  die  Namen  der  Verkäufer  nennen  werde.  •'>) 

539.  Während  des  Krieges  Venedigs  mit  dem  Kaiser  erhob  sich  Zara  und 
schloß  sich  an  Bela  von  Ungarn  an  (1242) ;  erst  nach  heißem  Kampfe  gelang 
seine  Unterwerfung.*')  Venedig  zog  jetzt  die  Zügel  straffer  an,  wie  wir  aus 
der  Commissio  für  Leonardo  Quirini  vom  Dezember  1243  sehen,  der  für 
die  nächsten  beiden  Jahre  Comes  von  Zara  wurde.  Venedig  stellte  ihm  jetzt 
2  venezianische  Consiliarii  an  die  Seite;  dieser  curia  lag  nunmehr  die  Er- 
nennung sämtlicher  Beamten  von  Zara  ob.  ^)  Aus  den  Einkünften  Zaras 
bezog  er  ein  Jahresgehalt  von  1200 1.  ven.,  wofür  er  indessen  auch  den 
Unterhalt  von  10  bewaffneten  Dienern  und  ihres  Führers,  der  auch  ein 
Venezianer  sein  mußte,  zu  bestreiten  hatte.  Handel  durfte  er  während  seines 
Amtes  nur  insoweit  treiben,  als  er  sein  Jahresgehalt  einmal  (aber  nicht 
öfter)  in  Waren  anlegen  durfte.  Als  Ehrengeschenk  Avar  aus  den  Einkünften 
Zaras  jährlich  ein  samtenes  oder  golddurchwirktes  Tuch  s)  im  Werte  von  40  1. 
an  die  Markuskirche  von  Venedig  zu  schicken. 

Im  Sommer  1244  schloß  Venedig  auch  mit  König  Bela  Frieden,  der 
auf  Zara  verzichtete,   aber  das  seit  alter  Zeit  geübte  Recht  behielt,  ^/g  des 


1)  Lib.  ple^r.  HO.  413,  399  —  403,  582,  683,  686.  Ljubic  I,  39,  34  f.,  45;  III, 
397,  401. 

«;  Lib.  pleg.  no.  156,  545.     Ljubir  I,  43;  lU,  394. 

")  Lib.  pleg.  no.  519.     Ljubic  I,  42  no.  66. 

*)  Minotto  I^',  1,  32:  a  Jadra  vel  a  Jadra  supra  2  so) ;  infra  bis  ad  omni  Car- 
naire  (Quamero)  1  sol.  (1224);  1227  a  Jadra  supra  nur  1  sol.     Ljubic  I  no.  65  p.  42. 

•)  Lib.  pleg.  no.  251.     Ljubic  I  no.  46. 

ö    Baer  115  f.  und  Anni.     Manfroni  410  f. 

'')  Ljubic  I,  61  f.  no.  88.  Im  Oktober  1246  beschloß  man,  daß  den  Comites 
und  Consiliarii  von  Dalmatien  keine  Erlaubnis  mehr  gegeben  werden  dürfe,  außer- 
halb ihres  Amtsbezirks  zu  verweilen ;  ebd.  no.  94. 

8)  ysamitum  vel  <lrapum  ad  aurum. 


684  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Torzülls  von  Zara  (cribitti  portae  ad  Jadriam)  für  sich  erheben  lassen  zu 
dürfen.  Die  unter  seinen  Schutz  geflüchteten  Zarenser  versprach  er  nur  in 
einer  Entfernung  von  mindestens  4  Miliarien  vom  Meere  anzusiedeln,  i) 
Diese  Exilierten  setzten  sich  indessen  nach  einiger  Zeit  in  Nona  fest  und 
brachten  Zara  wiederum  zum  Abfall,  so  daß  es  im  Sommer  1247  von  neuem 
erobert  werden  mußte.  Zara  verlor  jetzt  seine  Mauern,  mußte  Entschädigung 
leisten  und  40  Geiseln  stellen,  während  Venedig  zu  seiner  Sicherung  ein 
Kastell  errichtete.  Das  Jahresgehalt  des  Comes  wurde  auf  2000  1.  erhöht. 
In  Zara  wurde  bis  auf  weiteres  ein  staatliches  Salzdepot  mit  dem  Recht 
des  Alleinverkaufs  (Salzstapel)  eingerichtet,  dessen  Reineinnahmen  zwischen 
Venedig  und  Zara  geteilt  wurden. 2)  Schon  im  Herbst  des  folgenden  Jahres 
aber  traf  Venedig  eine  Maßregel,  die  geeignet  war,  Zara  auf  die  Dauer 
mit  der  venezianischen  Herrschaft  zu  versöhnen;  die  Zarenser  wurden  in 
bezug  auf  Handelsabgaben  den  Venezianern  völlig  gleichgestellt,  woher  die 
Waren  auch  immer  stammten,  die  sie  in  Venedig  einführten.  ■') 

Ein  sicherer  Besitz  Venedigs  waren  die  Inseln  des  Quarnero ;  die  zahl- 
reichen Urkunden  zu  ihrer  Verwaltungsgeschichte  ergeben  nichts  für  die 
Handelsgeschichte. 4)  Erwähnt  sei,  daß  im  September  1227  P.  Morosini  als 
Kommissar  nach  Cherso  geschickt  wurde,  wo  der  Comes  (hier  auch  als 
Podestä  bezeichnet)  Niccolö  Querini  ermordet  worden  war ;  er  erhielt  ein 
monatliches  Honorar  von  50  1.,  das  von  den  Bewohnern  der  Insel .  auf- 
zubringen war;  am  28.  Juli  1228  versprach  Matteo  Giustiniani,  erwählter 
Podestä  von  Cherso  und  Lussin  (Ossero),  Rückerstattung  des  Pfeilschiffs, 
das  ihn  auf  seinen  Posten  brachte,  s)  Die  Stellung  von  Geiseln  war  ein 
häufig  angewandtes  Mittel,  die  Bewohner  im  Gehorsam  zu  erhalten.  <>) 

540.  Das  alte  Verhältnis  der  Seestädte  Istriens  zu  Venedig  er- 
fuhr in  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  eine  Neuregelung. 

Im  Dezember  1145  erneuerten  die  beiden  Avichtigsten  Orte,  Pola 
und  Capodistria,  dem  Dogen  Pietro  Polano  den  Treueid');  bei  Feldzügen 
Venedigs  nördlich  der  Linie  Ancona — Ragusa  versprachen  sie  mit  je  1  Galeere 
auf  15  venezianische  Heeresfolge  zu  leisten.  Pola  stellte  dem  Dogen  oder 
seinem  Bevollmächtigten  ein  Haus  am  Hafen  zur  Verfügung,  verzichtete  auf 
die  Erhebung  von  Abgaben  von  den  Venezianern  mit  Ausnahme  des  Por- 
taticum  und  versprach  insbesondere  Verfolgung  aller  Seeräuber-^)  und  son- 
stigen feindlichen  Schiffe,  die  sich  in  den  Gewässern  zwischen  Pola  und 
Venedig  zeigten.  Capodistria,  wo  die  Venezianer  längst  schon  volle  Ab- 
gabenfreiheit besaßen  ^),  versprach,  die  für  Venedig  ergehenden  Anordnungen 

»)  Ebd.  no.  91  f.  p.  65  f.     Tafel  u.  Thomas  n,  418  f. 

2)  Pactum  Jadrae  vom  1.  August  1247.  Ljubic  I,  68  ff.  no.  %;  no.  97  Eid  des 
Comes  (Steph.  Justiniano)  von  Februar  1248.     Tafel  u.  Thomas  II,  430  tt'. 

»)  Ljubic  I,  79  no.  101  (12.  Oktober). 

*)  Lenel  23  f.     Schmeidler  29  ff.,  60  f. 

»)  Lib.  pleg.  no.  569,  574.     Ljubic  I,  44. 

•)  z.  B.  Lib.  pleg.  140,  178,  437—439. 

^)  Minotto  I,  1  p.  3— 6.     Tafel  u.  Thomas  I,  105.     Benussi  p.  650  ff. 

*)  Der  Erinnerung  an  einen  in  früheren  Zeiten  errungenen  Seesieg  über  einen 
istrischen  Piraten  Gaiolo  diente  wahrscheinlich  die  festliche  Umfahrt  der  Barken 
(processio  scolarum),  auf  die  sich  die  Verordnung  des  Dogen  vom  Februar  1143 
(Murat.  Antiqu.  IV,  465)  bezieht.  Nachweis,  daß  es  sich  nicht  um  Zünfte  handelt, 
bei  Monticolo  G. :  La  costituzionc  del  doge  P.  Polani  circa  la  Proc.  Scolarum. 
Kom  1900: 

»)  Oben  §  5. 


Interner  Handel  in  der  Adria.  ßg5 

in  bezug   auf   den  Getreide-   und  Gemüsehandel   in  Zukunft  auch   für  sich 
als  bindend  anzusehen. 

Doch  bald  nach  dem  Regierimgsantritt  des  neuen  Dogen  Domenico 
Morosini  (1148 — 1156)  erhoben  sich  die  Seestädte  Istriens  mit  Ausnahme  des 
begünstigten  ( 'apodistria ;  eine  Flotte  von  50  Galeeren  unter  dem  gleichnamigen 
Sohne  des  Dogen  und  Marco  Gradonigo  mußte  erst  ihre  Wiederunterwerfung 
vollziehen.  A\'ahrscheinhch  im  Jahre  1150  mußten  sich  Pola,  Rovigno, 
Parenzo,  Cittanuova  und  Umago  zu  einem  neuen  Vertrage  verstehen,  in  dem 
.sie  außer  Heeresfolge  bei  Seezügen  der  Venezianer  nördlich  von  Zara  und 
Ancona  und  strenger  Unterdrückung  der  Piraterie  den  Venezianern  nunmehr 
volle  Handels-  und  Abgabenfreiheit  zugestanden  und  einen  Jahrestribut 
(Pola  z.  B.  20  Ztr.,  Cittanuova  40  %  (")],  Parenzo  15  %  Öl  und  20  Widder) 
versprachen.!) 

Der  Abfall  Polas  von  Venedig  in)  Jahre  1195  bewirkte  nur,  daß  die 
Stadt  ihre  Mauern  niederreißen  mußte 2)  und  wahrscheinlich  von  jetzt  ab 
einen  Venezianer  als  Podestä  gesetzt  erhielt,  der  jährlich  wechselte.  Als 
R.  Zeno  1225  Podestä  wurde,  stellte  ihm  die  Signorie  für  die  Reise  nach 
Pola  eine  Galeere  und  eine  Barke  zur  Verfügung,  für  deren  Rückgabe  binnen 
einem  Monat  nach  erfolgter  Aufforderung  er  eine  Kaution  von  550  und  50  1. 
ven.  stellen  mußte,  s) 

Während  des  Krieges  Vcniedigs  mit  dem  Kaiser  folgte  Pola  dem  Bei- 
spiele Zaras  und  fiel  ab,  wurde  aber  im  Oktober  1242  von  der  veneziani- 
schen Flotte  eingenommen,  ausgeplündert  und  verbrannt.  Nach  dem  Frieden, 
der  am  4.  Februar  1243  von  221  Bürgern  Polas  beschworen  wurde,  hatte 
Pola  den  Venezianern  Ersatz  für  alle  Schäden  zu  leisten,  mit  Ausnahme 
derjenigen,  die  die  in  Pola  wohnhaften  Venezianer  durch  die  Belagerungs- 
flotte erlitten  hatten;  es  mußte  Geiseln  stellen  und  versprechen,  seine  Mauern 
nicht  wiederaufzubauen  und  ohne  besondere  Erlaubnis  Venedigs  keine  Be- 
festigungen nach  der  Seeseite  zu  errichten.  Im  übrigen  blieben  die  alten 
Verträge  in  Kraft;  der  von- Venedig  zu  ernennende  Podestä  war  von  Pola 
zu  bezahlen. ^^ 

541.  Im  Gegensatz  zu  Pola  verharrte  Capodistria  stets  in  der  Treue 
gegen  Venedig ;  erfreute  es  sich  doch  auch  ganz  besonderer  Vergünstigungen 
von  selten  der  Republik.  Durch  einen  Vertrag  von  1182*')  erhielt  es  den 
Salzstapel  für  die  ganze  Küstenstrecke  von  Pola  bis  Grado,  also  bis  zur 
Grenze  des  venezianischen  Gebiets  im  engeren  Sinne ;  nur  in  seinen  Hafen 
durften  auf  dieser  Strecke  Venezianer  oder  Fremde  Salz  bringen;  jeder 
Importeur  hatte  dabei,  falls  es  sich  nicht  nur  um  Mengen  bis  zu  3  Scheffeln 
(ötaria)   zum   Hausbedarf   handelte,    einen   mit  dem   Siegel   des  Dogen  ver- 


')  Grabschrift  des  Dogen  bei  Cicogna:  Iscrizioni  Ven.  I,  240  1".  Kukuljevic  11, 
41  ff.  no.  59  —  63  zu  1150;  bei  Minotto  I,  1  p.  6  f.  mit  dem  Datum  1149.  Näheres 
I^enel  28  ö'.  Die  Konsuln  von  Parenzo  schwören  noch  1205,  dem  Dogen  gegenüber 
die  gleichen  Naturalien  zu  leisten.     Minotto  I,  1  p.  12. 

=*;  Lenel  34. 

")  Lib.  pleg.  no.  282  (Mai  1225);  ebenso  im  folgenden  Jahre  bei  Marino  Moro- 
sini, no.  387  (Mai  1226). 

*)  Minotto  I,  1  p.  21.  Unvollständig,  aber  mit  genaueren  Daten  bei  Kandier: 
1243,  ind.  1,4  intr.  Febr.  Da  Canal  387.  Vgl.  Manfroni  403.  Allgemein  z.  Gesch. 
Polas  in  dieser  Zeit  C.  de  Franceschi:  11  Comune  Polese  e  la  signoria  dei  Castro- 
pola  in  Atti  e  mem.  della  Soc.  Istriana  XVIII  (Parenzo  1902). 

»)  Minotto,  Docum.  Ac.  in  Atti  Istr.  VIII  (1892)  p.  17.     Benussi  671. 


()86  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

sehenen  Ausweis  bei  sich  zu  führen.  Zur  Überwachung  wurde  eine  besondere 
Galeere  in  Capodistria  stationiert,  die  Übertretungen  durch  Konfiskation  zu 
ahnden  hatte;  auch  die  Bürger  von  Capodistria  versprachen,  gegen  Über- 
tretungen, soweit  es  ihnen  mögUch,  einzuschreiten.  Die  Reineinnahmen 
aus  diesem  Salzstapel  wurden  zwischen  Venedig  und  Capodistria  geteilt ; 
dagegen  sollten  die  Einkünfte  von  den  zu  Lande  eingehenden  und  zum 
Seetransport  bestimmten  Waren  i)  gedrittelt  werden,  so  daß  außer  den  beiden 
Seestädten  auch  Bischof,  Markgraf  und  Graf  zusammen  ein  Drittel  erhielten 
zum  Entgelt  dafür,  daß  sie  für  die  Sicherheit  der  Straße  aufzukommen 
hatten ;  lehnten  sie  das  ab,  so  sollten  sie  gar  nichts  erhalten  und  auch  diese 
Einnahme  unter  Venedig  und  Capodistria  geteilt  werden.  Der  Vertrag  war 
auf  29  Jahre  geschlossen  und  sollte  auch  dann  bis  auf  weitere  Vereinbarung 
in  Kraft  bleiben.  Auch  hier  sehen  wir  später  einen  venezianischen  Podestä 
an  der  Spitze  der  Stadt ;  im  Jahre  1222  ist  Niccolö  Tonisti  in  dieser  Stellung 
an  der  Spitze  einer  Gesandtschaft  zum  Kaiser  gegangen  2)  und  hat  die  unter 
besonders  gnädigen  Ausdrücken  erteilte  Bestätigung  eines  alten  Privilegs 
Konrads  II.  für  Capodistria  (von  1035)  erwirkt. 

Im  Jahre  1225  sehen  wir  Capodistria  von  Gemeinde  wegen  Getreide 
aus  Venedig  beziehen;  der  Podestä  Niccolö  Cocco  erwirkte  im  September 
beim  Dogen  den  Verkauf  von  50  Moggia  staatlichen  Weizens  zum  Preise  von 
16  sol.  für  den  stajo  an  Capodistria,  indem  er  sich  für  Zahlung  bis  Martini 
verbürgte;  am  10.  Oktober  wurde  der  Weizen  geliefert,  der  Zahlungstermin 
aber  bis  Weihnachten  verschoben.  •■)  Umgekehrt  bezog  die  Gemeinde  Venedig 
Kohlen  aus  Capodistria.  Vecelo  de  Aldino  von  Capodistria  hatte  im  selben 
Jahre  die  Lieferung  von  1000  Körben  venezianischen  Masses  in  Aussicht 
gestellt  und  schon  eine  Anzahlung  von  2001.  erhalten;  am  19.  Oktober 
bürgt  ein  Venezianer  für  ihn,  daß  er  sich  bis  Martini  erklären  werde,  ob 
er  die  Lieferung  bewirken  könne  oder  das  Handgeld  zurückzahlen  werde. 
Lieferte  er,  so  sollte  der  Kontrakt  für  weitere  Lieferungen  von  je  100  Körben 
zu  Weihnacht,  Fastnacht,  Ostern,  Pfingsten  und  Peter  und  Paul  unter  jedes- 
maliger Vorausbezahlung  von  200  1.  erneuert  werden;  bei  unpünktlicher 
Lieferung  war  eine  Konventionalstrafe  von  :^00  1.  verwirkt. 

Salzstapelplatz  gemäß  den  Bestimmungen  des  Vertrages  von  1182  ist 
Capodistria  damals  nicht  mehr  gewesen ;  das  geht  z.  B.  daraus  hervor,  daß 
Arnosto  von  Pirano  im  Januar  1226  4  Malter  Salz  direkt  aus  Venedig  nach 
Castello  di  S.  Giorgio  in  Istrien  exportiert,  wobei  er  Bürgschaft  dafür 
stellen  muß,  daß  er  dies  Salz  nicht  diesseits  von  Umago  verkaufen  werde.  *) 
Auch  in  Pirano'')  können  wir  in  dieser  Zeit  einen  venezianischen  Podestä 
nachweisen;  im  Jahre  1226  ließ  er  ein  von  Durazzo  kommendes  Fahrzeug 
mit  seiner  Ladung  nach  Venedig  schaffen  und  zur  Verfügung  des  Dogen 
stellen,  weil  es  einem  bestehenden  Verbot  zuwider  über  die  Punta  di  Pirano 
hinausgefahren  war^);  das  Verbot  hängt  wohl  mit  der  damaligen  Handels- 
sperre gegen  Aquileja  und  Triest  zusammen. 

^)  De  Omnibus  mercationibus  que  illuc  venerint  et  ad  muduam  pertinent, 
hoc  est  de  hominibus  qui  de  foris  veniunt  per  terram,  Comunis  Ven.  Vs  habeat  etc. 

2)  Winkelmann,  Acta  II,  13  no.  12.  Minotto  I,  1  p.  14  (12.  April). 

»)  Lib.  pleg.  no.  328,  335. 

")  Ebd.  337,  355. 

^)  Vertrag  Pisano  -  Spalato  bei  Kandier,  27.  April  1192;  Pisano  -  Eovigno  ebd. 
4.  Jan.  1208  ind.  XII  (also  1209;.     Benussi  681  f. 

^)  Sfrodatus  fuit  supra  puncta  Pirani ;  vorher  ist  von  dem  interdictum  Com- 
munis die  Rede.     Lib.  pleg.  no.  453  f.,  461  tt.»  467  f.,  475  L 


Interner  Handel  in  der  Adria.  687 

542.  Über  das  Verhältnis  Venedigs  zu  Triest  erfahren  wir  Po- 
sitives erst  bei  Gelegenheit  des  vierten  Kreuzzuges;  hierher  führte 
der  Doge  zuerst  im  Interesse  seiner  Politik  die  glänzende  Flotte  der 
Kreuzfahrer.  Ihr  bloßes  Erscheinen  genügte;  Ende  Oktober  1202^) 
beugten  sich  Triest  und  Muggia,  die  die  Gnade  des  Dogen,  wie  sie 
in  der  Unterwerfungs-Urkunde  selbst  erklären,  verscherzt  hatten,  der 
Übermacht  und  traten  in  dieselbe  Stellung  zu  Venedig  wäe  die  istri- 
sehen  Städte. 

Triest  hatte  jährlich  am  Martinstage  50  Eimer  (urnas)  des  besten  reinen 
Weines,  Muggia  die  Hälfte  davon  in  den  Dogenpalast  zu  liefern.  Im  Jahre 
1224  sistierten  die  venezianischen  Wachtschiffe  drei  dem  Odorlico  von  Triest 
L^ehörige  Fahrzeuge,  die  mit  Salz  und  Ol  beladen  waren ;  er  mußte  erst  eine 
Bürgschaft  von  100  1.  dafür  stellen,  daß  er  eine  Bescheinigung  des  Podestä 
von  Triest  über  den  in  Triest  selbst  erfolgten  Verkauf  dieser  Waren  bei- 
bringen würde.  Im  folgenden  Jahre  hören  wir  von  einer  Differenz  zwischen 
ilem  Dogen  und  dem  Bischof  von  Triest.  weil  dieser  den  in  Triest  Handel 
treibenden  A'enezianern  zu  hohe  Abgaben,  speziell  in  dem  Falle  des  Simon 
Foscari,  abgefordert  und  diesem,  da  er  nicht  zahlte,  Waren  beschlagnahmt 
hatte.  2)  Als  daraufhin  dem  Foscari  Represalien  bewilligt  wurden ,  ver- 
sprachen die  Triestiner  Rückgabe  der  Waren,  zu  deren  Empfangnahme  nun 
Foscari  nach  Triest  ging.  Doch  wurde  schon  im  folgenden  Jahre  Triest 
von  der  Handelssperre  gegen  Aquileja  mit  betroffen. 

Mit  ^"orgängen  dieser  Art  wird  der  \^ertrag  zusammenhängen,  der 
unter  Vermittelung  des  Priors  von  S.  Maria  Cruciferorum  und  des  vene- 
zianischen Edlen  Petrus  Zeno  von  dem  Triestiner  Gesandten  Johannes  de 
Salvia  mit  dem  Dogen  in  Venedig  abgeschlossen  wurde  und  abgesehen 
lavon,  daß  er  die  Leistung  des  Treueids  für  den  Dogen  durch  alle  Triestiner 
vorsah,  speziell  die  Frage  der  Handelsfreiheit  imd  der  Handelsabgaben 
regelte."')  Danach  war  die  Ausfuhr  von  Getreide  aus  Triest,  das  selbst  der 
Lebensmittelzufuhr  bedurfte,  den  Venezianern  untersagt;  dagegen  war  der 
Transit  abgabenfrei  zulässig.  A"on  Fleisch  durften  sie  nur  das  ankaufen 
und  ausführen,  was  von  jenseits  des  »Waldes«  in  Triest  eingeführt  wurde; 
Vtei  der  Ausfuhr  von  Wein  erhob  die  Gemeinde  Triest  eine  Abgabe  von 
2  o/o  des  Wertes.  Eine  wichtige  Rolle  spielte  der  Handel  mit  Fellen  und 
Häuten ;  hier  war  den  Venezianern  der  Ankauf  der  getrockneten  Felle  (pelles 
siccae)  von  Ziegen,  Schafen,  Kälbern  und  Rindern,  die  zu  Lande  nach  Triest 
importiert  waren,  dem  Herkommen  gemäß  untersagt,  während  es  ihnen  frei- 
stand, sich  auch  diese  Ware  von  diesseits  oder  jenseits  des  Waldes 4)  kommen 

1)  Tafel  u.  Thomas  I,  387  f.  (irrig  mit  dem  5.  an  Stelle  des  27.  Oktober),  396  f. 
Kandier.     Ljubic  I,  20  f.     Lenel  37.     Vgl.  Manfroni  317. 

^)  Lib.  pleg.  no.  158  (7.  April  1224),  272  (20.  Mai  1225). 

»)  Undatiert.  Eingerückt  in  den  Vertrag  von  1233 :  Minotto  I,  1  p.  18.  Kand- 
ier 1233,  23.  Aug.,  ind.  VI.  Bei  Minotto  steht  vor  den  Capitula  stabilita  inter 
D.  Ducem  et  Job.  de  Salvia  das  Datum :  1233  Octobris,  was  selbstverständlich  falsch 
ist,  da  in  dem  Vertrage  vom  August  1233  auf  dieses  Ordinamentum  als  olim  fac- 
tum Bezug  genommen  wird.  Aber  vielleicht  hat  sich  Minotto  nur  verlesen  und 
in  seiner  Quelle  stand  MCCXXVIII,  so  daß  der  ältere  Vertrag  vom  Oktober  1228 
zu  datieren  wäre.  Bei  Kandier  fehlt  an  der  entsprechenden  Stelle  ein  Datum,  auch 
sonst  stimmen  die  beiden  Texte  nicht  ganz  überein. 

■*)  Si  venire  fecerint  pelles  tam  a  Gualdo  superius  quam  inferius.  Kandier 
erklärt  es  für  die  Linie  des  alten  römischen  Walls  von  Aidussina  über  Prewald  und 
^.  Peter  zum  Schneeberg. 


I 


688  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

zu  lassen;  Triest  suchte  also  wenigstens  auf  dem  eigenen  Markte  die  Kon- 
kurrenz der  A^enezianischen  Exporteure  in  diesem  Artikel  auszuschließen. 
In  bezug  auf  die  Einfuhr  von  Salz,  Getreide  und  allen  anderen  Waren  nach 
Triest  sollten  die  Venezianer  völlig  unbeschränkt  sein ;  auch  stand  es  ihnen 
frei,  ihre  Waren  ganz  nach  Belieben  en  gros  oder  en  detail  zu  verkaufen ; 
Triest  erhob  von  dieser  Einfuhr  nur  eine  Löschgebühr  (scaraticum)  von 
2  den,  parv.  vom  Modius.  Zu  einem  neuen  Vertrage  kam  es  am  24.  August 
1233.1)  Die  Rektoren  von  Triest  verpflichteten  sich  jetzt  eidlich,  alle  Vor- 
schriften, die  die  Signorie  bezüglich  des  Holz-  und  Salzhandels,  der  Pilger- 
schiffe und  aller  anderen  Seeschiffe  erlassen  habe  oder  erlassen  werde,  ebenso 
wie  jenes  ältere  Abkommen  unverbrüchlich  zu  befolgen;  alljährlich  hatte 
das  Stadtregiment  von  Triest  diese  Verpflichtung  von  neuem'  zu  beschwören. 
Auch  wurde,  um  den  gehörigen  Rechtsschutz  der  Venezianer  in  Triest  sicher- 
zustellen, den  Richtern  sowohl  wie  den  Advokaten  von  Triest  die  Leistung 
entsprechender  Eide  auferlegt;  für  gerichtlichen  Beistand  durften  keine 
höheren  Sätze  gefordert  werden,  als  sie  die  Advokaten  in  Venedig  von  den 
Triestinern  nahmen.  Nach  allem  erhält  man  den  Eindruck,  daß  Triest  im 
Begriff  war,  an  kommerzieller  Bedeutung  das  ältere  Capodistria  zu  über- 
flügeln. 

543.  Die  Handelsbeziehungen  zwischen  Venedig  undAquileja' 
waren  auch  im  12.  Jahrhundert  rege,  wenn  wir  auch  zunächst  nur 
wenig  von  ihnen  hören.  Der  Vertrag  Venedigs  mit  dem  Patriarchen 
und  dem  Grafen  von  Görz  von  1162  verhieß  den  Venezianern  volle^ 
Sicherheit  in  dem  Gebiet  des  Patriarchen  zwischen  dem  Hafen  Basi4B 
lica  (Baseleghe  zwischen  Livenza  und  Tagliamento)  und  dem  Hafen 
Primarius;  auch  geht  aus  dem  Vertrage  hervor,  daß  als  besonderer 
Vertreter  des  Dogen  in  Aquileja  ein  Vicedominus  fungierte.^)  S 

Aus  dem  Jahre  1206  kennen  wir  ein  Schutz-  und  Sicherheitsversprechen 
des  Patriarchen   Wolfger  für   die  Venezianer;    wenn   der   Kaiser   gegen  sie 
vorgehen  wollte,  so  würde  er  sie  rechtzeitig  benachrichtigen  und  ihnen  eineMJ 
14tägige  Frist   gewähren,    damit  sie    mit   allen   ihren  Waren    unter  seinem 
sicheren    Geleit   bis    an   die   Grenze    des    venezianischen    Gebiets   gelangen 
könnten.'^)    Wolfgers  Nachfolger,    Bertold   von   Meran,    schloß   sich  wegen 
seiner  Bedrängnis  durch  Treviso  1220  besonders  eng  an  Venedig  an,  indem 
er  sich  sogar  zum  Bürger  von  Venedig  machen  ließ  und  sich  ein  Haus  au 
dem  Rialto  zu  bauen  und  jährlich  einen  ununterbrochenen  Aufenthalt  vo 
30  Tagen  in  Venedig  zu  nehmen  versprach.^) 

Ein   besonderer   Vertrag   wurde    am   23.    Juni  1222    im    Hospiz    von 
S.  Maria  Cruciferorum    in  Gegenwart   des  Bischofs  Konrad    von  Triest   ge- 
schlossen, den  außer  dem  Patriarchen  auch  der  Graf  von  Görz  als  Vogt  de 
Kirche  von  Aquileja  zu  beschwören  hatte.*') 


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ufl 

1 


')  Kandier  hat  den  23.  August,  Minotto  p.  17  den  8.  August,  der  Text: 
Ang.  exeunte. 

*)  Minotto  IV,  1  p.  14. 

^)  Bianchi  Jos.  Docum.  Hist.  Forojuliensis  im  Arch.  für  Kunde  österr.  Ge-| 
Schichtsquellen  XXI,  179  no.  19.  Minotto  I,  1  p.  12  (-21.  Dezember).  Daß  vom  >>Kaiser«j 
gesprochen  wird,  rührt  wohl  aus  einer  älteren  Vorlage  her. 

*)  Minotto  1, 1,  13.     Winkelmann  I,  89. 

6)  Bianchi  188   no.  72.     Kandier  zum  22.  Juni  1222.    Minotto  I,  1  p.  14  (irrig 
zum  8.  Juni). 


Interner  Handel  in  der  Adria,  689 

Dem  venezianischen  Vicedominus,  dessen  Funktionen  erst  jetzt  in 
ein  helleres  Licht  treten,  sollte  die  Zivil-  und  Kriminal-Gerichtsbarkeit 
(letztere  mit  Ausnahme  des  dem  Dogen  vorbehaltenen  Blutbanns)  über  alle 
Venezianer  im  Gebiet  des  Patriarchen  zustehen ;  Streitigkeiten  zwischen 
Venezianern  und  Untertanen  des  Patriarchen  waren  bei  dem  Forum  des 
Beklagten  anzubringen,  wobei  von  dem  Vicedominus  an  den  Dogen,  von 
den  Vögten  des  Patriarchen  an  den  Patriarchen  selbst  appelliert  werden 
konnte;  das  »Pfänden«  wurde  für  unzulässig  erklärt.  Alle  Venezianer,  die 
Salz,  Zwiebeln  und  Knoblauch^)  einführten,  sollten  das  Recht  haben,  im 
Austausch  dagegen  Getreide,  wohin  es  ihnen  beliebte,  auszuführen.  An 
Abgaben  sollten  die  Venezianer  im  Gebiet  des  Patriarchen  nur  zu  leisten 
haben  die  herkömmUche  Maut,  die  Herbergsgebühr  und  den  Zins  von  ihren  Be- 
sitzungen daselbst.2)  Der  Vicedominus  genoß  Abgabenfreiheit;  im  übrigen 
bezog  er  die  von  seinen  Landsleuten  in  Aquileja  zu  entrichtenden  Ver- 
wiegungs-  und  Vermessungsgebühren  und  außerdem  den  Vierzigsten  von 
den  Einnahmen  zweier  Verkaufsstände  in  Aquileja,  eines  in  der  Tucher- 
straße  und  eines  anderen  auf  dem  Johannismarkt.  Endlich  hatte  der 
Patriarch  eine  Rekognitionsabgabe  in  Form  von  12  Broden  und  12  Schweinen 
jährlich  an  den  Dogen  nach  Venedig  zu  liefern. 

Die  Ansprüche,  die  der  Patriarch  von  Ac^uileja  auf  Istrien,  nicht  bloß 
auf  das  Binnenland,  sondern  auch  auf  die  Seestädte  erhob 3),  und  die 
daraus  sich  entwickelnden  Streitigkeiten*)  zogen  auch  sein  Verhältnis  zu 
Venedig  in  Mitleidenschaft,  so  daß  Venedig  schließlich  am  24.  April  1226 
die  volle  Handelssperre  über  sein  Gebiet  und  Triest  verhängte;  seitdem 
sehen  wir  eine  venezianische  Flottille  von  Barken  und  Pfeilschiffen  eifrig 
mit  der  Kontrolle  der  Sperre  beschäftigt.^) 

Im  Jahre  1227  kam  es  zu  einem  Ausgleich;  am  6.  Dezember  erlaubte 
der  Doge  der  Handelsgesellschaft  des  Marco  de  Torre  wieder,  100  Malter 
(moggia)  Hirse  und  Buchweizen  aus  Friaul  zu  exportieren,  die  bis  8  Tage 
vor  Weihnacht  nach  Venedig  zu  schaffen  seien ;  stellte  sich  dem  Transport 
dahin  ein  Hindernis  entgegen,  so  sollte  das  Getreide  nach  Capodistria 
gebracht  werden,  wo  der  Podestä  Niccolö  Cocco  den  Verkauf  gestatten  dürfe. 
Da  Marco,  wie  es  heißt,  der  Kälte  wegen,  nicht  nach  Friaul  gehen  konnte, 
so  wurde  die  Lizenz  bis  zum  1.  Februar  verlängert  und  die  gleiche  Lizenz 
erhielt  er  noch  einmal  am  3.  März  mit  dem  Hinzufügen,  daß  das  Getreide 
in  Capodistria  oder  sonst  an  der  Küste  von  Istrien,  wie  der  Doge  bestimmen 
werde,  verkauft  werden  dürfte.^)  Die  Herstellung  des  guten  Einvernehmens 
wurde  durch  ein  Darlehn  von  420  Mark  Silber  besiegelt,  das  vier  Brüder 
Grimani  dem  Bruder  des  Patriarchen,  Heinrich  von  Andechs,  gegen  Ver- 
pfändung seiner  Besitzungen  in  Wippach  und  Arnsberg  gewährten ;  es  sollte 
in  Jahresraten  von  50  Mark  getilgt  werden ;  als  der  Patriarch  am  26.  Oktober 


')  Cambiantes  salem,  cepas  et  aleum;  so  wohl  richtig  bei  Minotto  für  das 
oleum  bei  Kandier. 

*)  NuUum  dacium  in  Patr.  solvant,  exe.  muta  secundum  usum,  casatico  hos- 
pitum  et  recto  ficto  de  possessionibuB  secundum  usum  terrae  Aquil. 

')  Winkelmann,   Otto  135.     Benussi  p.  XXVII. 

*)  Lib.  pleg.  no.  246,  260. 

»)  Ebd.  no.  371  u.  395.  Am  30.  September  wurde  die  Sperre  unter  wesent- 
licher Verschärfung  der  Strafen  erneuert;  429.  Mehrfache  Versuche,  die  Sperre  zu 
brechen  und  Salzschmuggel  nach  Aquileja  und  Portogruaro  370,  477 ;  ferner  418  u. 
522,  315  und  500;  489. 

•)  Ebd.  466,  509. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  romao.  Völker  im  Mittelalter.  44 


i 


690  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

1229  in  die  Schuld  seines  verstorbenen  Bruders  eintrat  (in  der  neuen  Schuld- 
urkunde erscheint  der  venezianische  Vicedominus  von  Aquileja,  Giovanni 
Gostarolo,  als  Zeuge),  betrug  sie  noch  370  Mark.i)  Wie  wenig  der  Patriarch 
im  übrigen  seine  istrischen  Ansprüche  aufgab,  zeigt  das  umfassende  Privileg, 
das  er  sich  im  Februar  1232  auf  Grund  des  Reichsgesetzes  von  Ravenna 
vom  Kaiser  ausstellen  ließ,  wonach  alle  von  seinen  Städten  Pola,  Capo- 
distria  und  Parenzo  usurpierten  Rechte,  insbesondere  auch  das  Recht  der 
Wahl  eigener  Beamten ,  zu  beseitigen  seien.2)  Ein  späteres  Privileg  des 
Kaisers  erklärte  es  für  unzulässig,  daß  die  Venezianer  Land  des  Patriarchen 
zinspflichtig  machten  und  Leute  desselben  zwängen,  ihnen  den  Treueid 
zu  leisten. 3) 

544.  Etwa  ein  Jahrzehnt  später  kam  es  zu  heftigen  Streitigkeiten 
zwischen  den  beiden  Nachbarn;  die  Venezianer  wurden  aus  dem  Gebiet 
des  Patriarchen  ausgewiesen,  mehrere-  getötet,  ein  Chioggiote  von  Ulrich  von 
Gemona  geblendet.  Nach  längeren  Verhandlungen,  die  von  je  drei  Gesandten 
geführt  wurden,  kam  es  am  14.  September  1248  in  Venedig  zu  einem  neuen 
Vertrage,  der  besonders  darum  interessant  ist,  weil  er  nicht  nur  das  Ergebnis 
der  Verhandlungen,  sondern  auch  die  ursprünglichen  Forderungen  beidei^ 
Mächte  enthält.4) 

Die  Forderung  des  Patriarchen,  daß  seine  Leute  wie  früher  zur  See 
mit  der  Romagna  und  den  Marken  verkehren  dürften,  wurde  abgelehnt, 
ebenso  die  andere.  Salinen  s)  auf  der  ihm  gehörigen  Küstenstrecke  anlegen 
zu  dürfen,  obwohl  er  versprach  die  Hälfte  der  Einkünfte  Venedig  zu  über- 
lassen. Auch  die  Herabsetzung  des  SalzzoUes  auf  die  frühere  Höhe  wurde 
nicht  zugestanden,  und  nur  die  Zurückverlegung  der  Salzniederlagen  und 
der  Zollerhebung  an  die  früheren,  vermutUch  weiter  flußaufwärts  im  Binnen-—, 
lande  gelegenen  Orte  (portus)  genehmigt.  Dagegen  wurde  der  Zoll  aul|| 
Kleiderstoffe  für  die  Ritter,  Kleriker  und  Nonnen,  ebenso  wie  alle  anderen 
den  Untertanen  des  Patriarchen  neu  auferlegten  Zölle  erlassen.  Der  W^unsch, 
daß  die  Signorie  aus  Gnaden  den  Export  von  Wein  aus  den  istrischen 
Häfen  nach  Aquileja  gestatten  möge,  wurde  in  der  Beschränkung  genehmigt, 
daß  der  in  den  eigenen  Besitzungen  des  Patriarchen  und  des  Nonnenklosters 
von  Aquileja  in  Istrien  erzeugte  Wein  und  1000  Amphoren  außerdem  nach 
dem  venezianischen  Isola  (zwischen  Capodistria  und  Pirano)  gebracht  und 
von  hier  aus  zur  See  nach  Aquileja  geschafft  werden  dürften.  Auf  der 
anderen  Seite  wurde  den  Venezianern  Restitution  und  Genugtuung  für  er- 
littene Unbill 6)  verheißen;  zur  Prüfung  und  Entscheidung  privatrechtlicher 
Forderungen,  die  von  Venezianern  gegen  Untertanen  des  Patriarchen  aus 
früherer  Zeit  erhoben  wurden,  sollten  die  Venezianer  einen  angesehenen 
Mann  aus  der  Umgebung  des  Patriarchen  (magnus  homo)  bestellen  und 
vereiden.     Im  übrigen  wurde  ihnen  die  unbehinderte  Ausfuhr  von  Getreide 


4 


1)  Ebd.  696,  717,  718. 

«)  B.-F.  1937.     Minotto  1 1  p.  16  (Febr.  1231).     Winkelmann  II,  331. 

*)  Kandier :  1236,  6.  Dezember. 

■')  Kandier  h.  a.  Minotto  I  1  p.  22  f.  (nach  einer  teilweise  gekürzten  offiziellen 
Abschrift  von  1293).     Bianchi  1.  c.  p.  390. 

')  Bei  Minotto  p.  22  steht  salme  für  saline. 

•)  Satisfactionem  condignam  de  clucensi  quam  Caesari  fecit  I).  Odolricus  de 
Glemona;  so  bei  Kandier,  der  clucensi  für  einen  Schreibfehler  hält  und  die  Stelle 
auf  die  Klause  von  Gemona  beziehen  will.  In  Wahrheit  handelt  es  sich  um  den 
geblendeten  Ohioggioten  und  statt  quam  Caesari  ist  quem  caecari  zu  lesen. 


i 


I 


Interner  Handel  in  der  Adria.  591 

jeglicher  Art,  Gemüse  und  aller  anderen  Waren  aus  Friaul  zugestanden; 
tlie  in  der  Flußmündung  von  Aquileja  zur  großen  Beschwerde  der  Vene- 
zianer angebrachte  Hafenkette  (an  der  jedenfalls  auch  Zoll  erhoben  wurde) 
sollte  wieder  beseitigt,  ebenso  der  in  Gemona  eingerichtete  Stapel  (portus) 
wieder  nach  Aquileja  selbst  verlegt  werden. 

Eine  bald  nachher,  am  29.  November  1248,  erlassene  Verordnung  der 
Signoriei)  bestimmte,  daß  alle  Venezianer  einschließlich  der  in  den  aqui- 
lejanischen  Hafenplätzen  ansässigen  beim  Export  von  Waren  nach  Aquileja 
von  der  Zahlung  des  ^'ie^zigsten  an  die  Vicedomini  Tertiae  Tabulae  in 
Venedig  befreit  sein  sollten;  doch  fiel  diese  Befreiung  weg,  wenn  sie  mit 
Fremden  in  Handelsgesellschaft  standen  oder  Waren  von  Fremden  transpor- 
tierten. Den  genannten  Vicedomini  sowie  dem  Vicedominus  von  Aquileja 
war  die  genaueste  Kontrolle  darüber  durch  Abnahme  von  Eiden  u.  dgl,  zur 
Pflicht  gemacht.  Wer  auf  die  Befreiung  Anspruch  machte,  erhielt  von  den 
Vicedomini  in  Venedig  für  seine  Waren  einen  mit  dem  amtlichen  Siegel 
versehenen  Ladeschein,  den  er  bei  der  Ankunft  dem  Vicedominus  in  Aqui- 
leja vorlegte,  worauf  dieser  eine  Bescheinigung  auszustellen  hatte,  daß  die 
betreffenden  Waren  wirklich  nach  Aquileja  gebracht  worden  seien;  diese 
Bescheinigung  hatte  der  Exporteur  bei  seiner  Rückkehr  den  Vicedomini  in 
Venedig  einzureichen  oder  vorher  einzuschicken,  widrigenfalls  ihn  eine 
Buße  von  IO^'/q  vom  Werte  seiner  Waren  traf.  Den  Fremden  gleichgeachtet 
sollten  diejenigen  Venezianer  werden,  die  seinerzeit  während  des  Streits  mit 
A(|uileja  dem  Befehl  der  Signorie,  Aquileja  zu  verlassen,  nicht  gefolgt  waren, 
sondern  zum  Fortbetrieb  ihrer  Handelsgeschäfte  in  Aquileja  zurückgeblieben 
waren.  Ein  Erlaß  vom  5.  Dezember  dehnte  die  für  Aquileja  geltenden 
Bestimmungen  auch  auf  den  Verkehr  zwischen  Venedig  und  Portogruaro 
aus;  die  Stelle  des  Vicedominus  von  Aquileja  versah  hier  ein  von  der 
Signorie  bestellter  Vertreter  ohne  besonderen  Amtstitel ;  zur  Zeit  des  Erlasses 
nahm  Petrus  de  Mari  dessen  Funktionen  wahr.  2) 

545.  Der  Ausdehnung  der  Küstengebiete  an  der  Adria  gegen- 
über, auf  die  die  Handelspolitik  Venedigs  bestimmend  einwirkte,  war 
sein  unmittelbares  Herrschaftsgebiet  nur  klein ;  Cavarzere  (an  der  un- 
teren Etsch)  und  Grade  erscheinen  als  seine  Grenzpunkte.  Um  so 
leichter  war  die  für  jeden  größeren  Handelsbetrieb  vorgeschriebene, 
schon  damals  mit  genauer  Reglementierung  verbundene  Konzentrie- 
rung auf  Venedig  selbst  durchzuführen.  Selbst  mit  Getreide  wurden 
die  untertänigen  Orte  durch  die  Hauptstadt  versorgt.  So  wurde  z.  B. 
■das  Proviantamt  (die  dispensatores  frumenti)  in  Venedig  am  11.  No- 
vember 1223  beauftragt,  30  moggia  Weizen  zu  17  sol.  den  stajo  (der 
moggio  hatte  12  staja)  an  die  Gemeinde  Chioggia  gegen  Bürgschaft 
für  Zahlung  in  14  Tagen,  die  der  Doge  in  diesem  Falle  selbst  über- 
nahm, zu  liefern;  auf  eine  zweite  Lieferung  bezieht  es  sich,  wenn 
Bevollmächtigte  von  Chioggia  am  23.  Dezember  desselben  Jahres 
unter  Anzahlung  von  200  1.  über  den  Empfang  eines  gleichen  Quan- 
tums Weizen  zum  Preise  von  18  sol.  den  stajo  quittieren.^)  Und 
ähnliche  Lieferungen   können   wir  9,uch   für  Cavarzere   nachweisen.*) 

1)  Minotto  I  1  1).  135. 

»)  Ebd.  136. 

«)  Lib.  pleg.  no.  7,  28.      ♦)  Ebd.  8,  450.     Minotto  IV  1  p.  25, 

44* 


692  Sechsund  vierzigstes  Kapitel. 

Der  Handel  mit  dem  wichtigsten  Eigenprodukte  des  venezianischen 
Gebiets,  dem  Salze,  stand  unter  der  genauesten  staatlichen  Kontrolle^); 
aus  dem  Wunsche,  die  eigene  reiche  Salzgewinnung  zu  schützen,  .er- 
klärt es  sich,  daß  Venedig  die  Anlegung  von  Salinen  auf  dem  Terri- 
torium des  Patriarchen  von  Aquileja  nicht  zugab,  und  daß  es  schließ- 
lich (1228)  die  Einfuhr  von  Salz  aus  nichtvenezianischen  Orten  dies- 
seits von  Ravenna  und  der  Punta  del  Quarnero  nach  Venedig  ganz 
verbot^)  und  dies  Verbot  1243  bis  zur  Linie  Trontomündung  —  Zara 
ausdehnte.^) 

Wenn  Papst  Innocenz  IV.  dem  Bischof  und  dem  Kapitel  von  Chioggia 
die  Erlaubnis  erteilt,  das  in  den  ihnen  gehörigen  Salinen  gewonnene  Salz 
ohne  irgendwelche  Abgabe  an  Ort  und  Stelle  verkaufen  und  beliebig  expor- 
tieren zu  dürfen,  so  richtet  sich  das  natürlich  gegen  Ansprüche  der  vene- 
2ä.anischen  Regierung.'^)  Starke  Beschränkungen  betrafen  ferner  den  Holz- 
handel; am  11.  Februar  1227  gebot  die  Signorie,  daß  jeder  Venezianer,  deiÄJ 
nördhch  der  Linie  Ravenna — Zara  Holz  lud,  dies  nur  nach  Venedig  bringen" 
dürfte ;  wenn  Zuwiderhandlungen  sogar  mit  Vermögensverlust  und  Zerstörung 
des  Hauses  des  Übeltäters  bedroht  waren,  so  erklärt  sich  das  allerdings  auS: 
der  besonderen  Strenge,  mit  der  man  gerade  damals  die  Durchführung  der 
kirchlichen  Verbote,  betreffend  den  Handel  mit  den  Sarazenen,  überwachte.  0) 
Soviel  aber  ergibt  sich  aus  allem,  daß  von  irgendwelcher  Freiheit  der  Be 
wegung  im  Handelsverkehr  für  die  Bewohner  des  venezianischen  Küsten 
gebiets  keine  Rede  war.  ß) 


Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  und  den" 
Seeplätzen  der  Adria. 

546.  Schon  aus  den  Verträgen  mit  dem  Patriarchen  von  Aqui- 
leja ergibt  sich  die  Lebhaftigkeit  des  Handelsverkehrs  zwischen  Ve- 
nedig und  seinem  nordöstlichen  Hinterlande;  Friaul  sollte  den  Vene- 
zianern weit  offen  stehen,  heißt  es  in  dem  Vertrage  von  1220.'^)    Vor 


*)'Im  November  1179  wird  dem  Enrico  Gradonigo  nach  Rechnungslegung 
»propter  factum  salis  quod  habuisti  et  tenuisti«  von  der  Regierung  Entlastung  er- 
teilt; Cecchetti  p.  36  f.  Es  handelt  sich  dabei  wohl  um  die  im  Staatsbesitz  befind- 
lichen Salinen. 

*)  Bekanntmachung  eines  solchem  Verbots  am  23.  Juli  1228  (Lib.  pleg.  no.  626, 
Minotto  ni  1  p.  38  f.) ,  das  Zuwiderhandlungen  mit  Konfiskation  der  Barken ,  des 
Salzes  und  der  üblichen  Buße  von  301.  12^2  sol.  bedrohte.  Venezianer,  die  solche 
Kontrebande  beschlagnahmten,  durften  das  Salz  gegen  Abgabe  des  Fünften  an  den 
Staat  behalten. 

")  Minotto  IV  ]  p.  62  (13.  Juni);  am  6.  September  1256  erneuert. 

*)  Berger  2200  (30.  Oktober  1246). 

')  Minotto  III 1  p.  37.     Ljubic  I,  15  no.  65.     Oben  §  132. 

•)  Im  Juni  1208  wurde  den  Chioggioten  bei  Strafe  der  Vermögenskonfiskation 
bis  Michaeli  1210  verboten,  über  Ancona  und  Zara  hinaus  zu  fahren  oder  Waren  zu 
schicken.     Minotto  IV,  1,  20. 

')  Minotto  I,  1,  13.  ' 


m 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     (593 

allem  den  Überschuß  seines  Landbaues  an  Weizen,  Hirse,  Buchweizen 
und  Getreide  jeglicher  Art  gab  es  an  die  Venezianer  ab,  die  dafür 
außer  den  Waren  der  Levante  besonders  Salz  und  Textilwaren  im- 
portierten. ^) 

Auf  den  Verkehr  des  tieferen  Binnenlandes  mit  Venedig  weist  es, 
wenn  im  September  1225  einem  Bewohner  von  Murano  von  der  Signorie 
das  Pfändungsrecht  gegen  die  Leute  von  Pordenone,  Untertanen  des  Herzogs 
von  Österreich,  bewilhgt  wurde,  da  die  Schuld,  die  ein  Ritter  des  Herzogs, 
Iwan  von  Pordeone,  bei  ihm  kontrahiert  hatte,  anders  nicht  beizutreiben 
war;  der  Ertrag  des  Verfahrens  sollte  zur  Verfügung  der  Signorie  bei  den 
Vicedomini  deponiert  werden.  2)  Aus  den  Wäldern  der  Vorberge  und  der 
Abhänge  in  den  Alpentälern  führten  die  zahlreichen  Flußläufe  das  Holz 
zur  Küste;  im  Jahre  1223  wurde  in  Venedig  einmal  der  Ankauf  von  Holz, 
das  aus  Cadore  oder  der  Gegend  von  Cadore,  also  aus  dem  Hochtal  des 
Pia\e  kam,  zum  Zwecke  des  Weiterverkaufs  bei  Strafe  verboten.  ^) 

Von  den  beiden  unmittelbaren  Nachbarstädten  Venedigs,  Tre- 
viso  im  Norden  und  Padua  im  Westen,  stand  das  erstere  mit  Ve- 
nedig in  der  Regel  in  freundschaftlichem  Verkehr. 

Ein  Vertrag  von  1198  regelte  genau  das  bei  allen  Differenzen  zwischen 
den  beiderseitigen  Untertanen  einzuhaltende  Verfahren ;  die  jährhch  zu 
Michaeli  zu  diesem  Zweck  neu  zu  bestellenden  Richter  wurden  auf  diesen 
Ordo  vereidet.  **)  Im  Jahre  1214  fand  in  Treviso  ein  großes  Festspiel  statt, 
dessen  Höhepunkt  die  Erstürmung  eines  von  den  vornehmsten  Damen  be- 
setzten Schlosses  bildete ;  wohlriechende  Gewürze  u.  dgl.  waren  die  Angriffs- 
waffen. Aus  dem  Scherz  entwickelte  sich  ein  Streit  zwischen  den  Vene- 
zianern und  Paduanern,  die  an  dem  Feste  teilnahmen,  der  immer  heftiger 
wurde  und  schließhch  den  Ausbruch  eines  blutigen  Krieges  zwischen  Venedig 
und  seinen  beiden  Nachbarstädten  zur  Folge  hatte.  Erst  im  April  1216 
gelang  es  der  geschickten  Vermittelung  des  Patriarchen  Wolfger,  den  Frieden 
wiederherzustellen,  ö)  Der  Friedensschluß  mit  Treviso  bestimmte,  daß  die 
Ansprüche  der  beiderseitigen  Kaufleute  wegen  Beschlagnahme  oder  Raubes 
von  Waren  während  des  Krieges  oder  aus  früheren  Verbindlichkeiten  auf- 
rechtzuerhalten und  im  Rechtswege  auszutragen  seien ;  beiderseits  blieb  die 
herkömmliche  Abgabe  des  Vierzigsten  bestehen,  während  die  Trevisaner  in 
Venedig  außerdem  die  Salzsteuer  und  die  Seezölle  zu  entrichten  hatten; 
Handelsverbote  wollte  man  gegen  einander  nicht  erlassen  und  nur  seinen 
offenkundigen  Feinden  durfte  Treviso  den  Durchzug  nach  Venedig  ver- 
sagen. Unter  den  Bürgern  von  Treviso,  die  den  Vertrag  mitbeschworen, 
befanden  sich  auch  Ezzelino  von  Romano  und  Wecilo  von  Camino.  ^)  Im 
August  gesellte  sich  ein  besonderer  Vertrag  Trevisos  mit  Capodistria  hinzu, 
der  vor  allem  das  Verfahren  bei  Streitigkeiten  zwischen  Bürgern  beider  Orte 

»)  Oben  §  543 ;  s.  noch  Lib.  pleg.  no.  368,  326,  315,  500. 

^)  Lib.  pleg.  no.  330.     Simonsfeld  I  no.  1. 

=>)  Minotto  II  1  p.  38. 

*)  Eid  des  judex  Mainens  von  Treviso  (11.  Aug.  1198)  mit  angehängtem  Ordo, 
ebd.  p.  23  f.  Ein  genau  entsprechendes  Gegenstück ,  l)etr.  Klagen  gegen  Vene 
zianer,  vom  Jahre  1209  ebd.  11,  3  p.  66  ff. 

»)  Winkelmann,  Otto  425. 

«)  Minotto  n  1  p,  35;  II  3  p.  68.     Predelli  im  Arch.  ven.  30  (1885),  437. 


694  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

betraf;    wir  erfahren,   daß  Leute  von  Capodistria  mehrfach  bei  Trevisanern 
Gelder  aufgenommen  hatten,  i) 

Von  dem  regelmäßigen  Handel  zwischen  Treviso  und  Venedig  gibt 
uns  das  venezianische  Bürgschaftsbuch  einige  Kunde;  ein  Exporteur  von 
10  Zentnern  Öl  muß  im  Februar  1224  Bürgschaft  dafür  stellen,  daß  er  die 
Ware  wirkhch  nach  Treviso  schaffen  und  eine  Bescheinigung  des  Podestä 
von  Treviso  beibringen  werde;  umgekehrt  wird  im  Jahre  1227  Bürgschaft 
dafür  verlangt,  daß  bestimmte  Transporte  von  Buchweizen  (sorgulum)  und 
Bohnen,  im  ganzen  14  Moggia,  deren  Export  der  Podestä  von  Treviso  ge- 
stattete, auch  wirklich  nach  Venedig  gebracht  und  zur  Verfügung  des  Dogen 
gestellt  wurden.^)  Wenn  im  Sommer  1225  allen  Venezianern  bei  besonders 
hoher  Buße  verboten  wird ,  sich  ins  Paduanische  oder  Trevisanische  zu 
begeben,  um  dort  Butter  oder  Rauchwaren  einzukaufen  3),  so  entzieht  sich 
der  Grund  dieses  Verbots,  was  Treviso  anbetrifft,  unserer  Kenntnis.  Während 
des  großen  Streites  zwischen  Kaiser  und  Papst  wurde  Treviso  von  der  kaiser- 
lichen Partei  hart  bedrängt,  so  daß  der  Papst  am  7.  Januar  1245  dem  Pa- 
triarchen und  dem  Bischof  von  Feltre  gebot  '*) ,  von  jeder  Belästigung  Tre- 
visos  abzustehen  und  die  Stadt  mit  Venedig  zusammen  mit  Geld  und  Lebens- 
mitteln zu  unterstützen  und  die  freie  Zufuhr  von  Getreide  durch  ihre  Ge- 
biete zuzulassen.  In  der  Tat  hat  Venedig  in  diesem  Jahre  den  Trevisanern 
ein  Darlehn  von  5000  1.  ven,  gewährt,  für  dessen  Rückerstattung  Treviso 
Geiseln  stellen  mußte,  die  bis  zur  Tilgung  der  Schuld  auf  Kosten  Trevisos 
in  Venedig  blieben.^)  Bemerkenswert  ist,  daß  in  dieser  Zeit  auch  sonst 
Getreide  durch  den  Handel  Venedigs  nach  dem  Hinterlande  ausgeführt 
wurde;  eine  Verordnung  vom  13.  Januar  1251  machte  die  Erlaubnis,  Ge- 
treide nach  Treviso  zu  exportieren,  die  bisher  vom  Dogen  und  seinem  Rat 
zu  erteilen  war,  von  der  Zustimmung  des  Großen  Rats  oder  der  Vierzig 
abhängig.  ^) 

547.  Weniger  gut  war  das  Verhältnis  Venedigs  zu  seinem  Nachbar 
im  Westen.  In  den  Jahren  1143  und  1144  tobte  ein  heftiger  Krieg  zwischen 
Venedig  und  P  a  d  u  a ,  weil  dieses  den  Bacchiglione  in  die  Brenta  abgeleitet 
hatte  und  Venedig  davon  eine  stärkere  Ablagerung  in  den  Lagunen  be- 
fürchtete. Venedig  bheb  Sieger,  und  der  frühere  Zustand  wurde  wiederher- 
gestellt.'') Im  Jahre  1209  schlössen  beide  Städte  einen  ähnhchen  Vertrag 
über  die  gegenseitige  Rechtshilfe*^),  wie  es  1198  zwischen  Venedig  und 
Treviso  geschehen  war.  Die  zwischen  Venedig  und  Padua  bestehende 
Spannung  entlud  sich  bei  dem  »ludus  Tarvisii«  in  heftiger  Weise ;  der  Friede 
vom  9.  April  1216  ist  dem  Frieden  Venedigs  mit  Treviso  in  allen  Haupt- 
punkten analog.  ^)  Für  französische  Kaufleute  (mercatores  francigenae),  die 
auf  dem   Wege  nach   oder   von   Venedig  an   der  Grenze  beim  Turm  von 


»)  Minotto  n,  3  p.  70.  Kandier :  1216,  22.  August  ind.  IV  (richtig  24.  August 
octava  exeunt.  Aug.). 

*)  Lib.  pleg.  no.  53 ;  515,  520. 

•)  Minotto  n  1  p.  40 :  pro  comperandie  beuris  vel  opera  vaira. 

*)  Rodenberg  H,  59  no.  81. 

»)  Minotto  II  1  p.  51. 

«)  Minotto  n  2  p.  39. 

»)  Gloria  I,  326  no.  440.     Bernhardi,  Konrad  III  p.  365. 

»)  Minotto  IV  1  p.  21  (13.  März). 

*)  Predelli  R.,  Documenti  relativi  alla  guerra  pel  fatto  del  Castello  di  Arno? 
im  Arch.  ven.  30  (1885),  434  f.,  439. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  n.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     695 

Baibe  (Babia)  von  Paduanern  beraubt  worden  waren,  setzte  Venedig  die 
Ersatzpflicht  Paduas  durch.  Im  folgenden  Jahrzehnt,  als  Padua  sich  mit 
dem  neuen  Patriarchen  von  Aquileja  eng  verbündet  hatte,  während  es  mit 
Treviso  in  Feindschaft  lebte  i),  kam  es  zu  neuen  Streitigkeiten.  Es  war  nur 
die  Erneuerung  eines  bestehenden  Verbots,  wenn  im  Mai  1225  an  den 
Landungstreppen  des  Rialto  verkündet  wurde,  daß  niemand  ohne  besondere 
mit  dem  Siegel  des  Dogen  versehene  Lizenz  Waren  aus  Venedig  oder  seinem 
Gebiet  bei  Strafe  des  Verlustes  der  Waren  und  der  üblichen  Buße  von 
301.  12V2Sol- ven.  nach  dem  Paduanischen  ausführen  dürfe;  in  weiteren 
Verordnungen  vom  folgenden  Jahre  versprach  man  dem  Angeber  die  Hälfte 
der  Ware  und  der  Buße  und  fügte  die  Verbrennung  der  betreffenden  Barken 
hinzu.  2)  Auch  Ferrara  mußte  sich  in  seinem  Vertrage  mit  Venedig  vom 
August  1226  verpflichten,  die  Ausfuhr  von  Salz  und  anderen  Waren  ins 
Paduanische  zu  verbieten.^)  Man  traf  Vorkehrungen  zur  Überwachung  der 
aus  den  Lagunen  nach  Padua  führenden  Schiffahrtswege;  wirksamer  aber 
schien  es  den  Justitiaren  Venedigs,  im  Paduanischen  selbst  Spione  zu  unter- 
halten, die  durch  Denunziantenlohn  angelockt  wurden.*)  Häufig  genug  wurde 
trotzdem  geschmuggelt;  die  Hauptrolle  dabei  spielten  Öl  und  Salz,  daneben 
Wein  und  Lebensmittel.  0)  Besonders  für  die  Chioggioten  war  die  Ver- 
suchung groß;  im  August  1225  zeigt  der  im  Paduanischen  stationierte  Spion 
zwei  derselben  an,  von  denen  der  eine  mit  2  Barken  (scole)  und  4  Fässern  Wein, 
der  andere  nüt  einer  Salzbarke  nach  Padua  gekommen  war,  und  im  November 
1226  wird  denunziert,  daß  12  Personen  aus  Chioggia  mit  je  einer  Salzbarke 
an  der  Riva  d'Ognissanti  in  Padua  angekommen  seien,  während  zur  selben 
Zeit  andere  Chioggioten  mit  2  größeren  Salzschiffen  an  der  Riva  di  Ceri- 
gnano  gelandet  wären.  ^)  Danach  muß  allerdings  die  Aufsicht  nicht  allzuviel 
geleistet  haben;  wurden  doch  auch  in  dieser  Zeit  einmal  vier  von  den 
Aufsehern  für  ewige  Zeiten  aus  Venedig  verbannt,  weil  sie  selber  Waren 
nach  Padua  geleitet  hatten. '') 

Am  Ende  des  Jahrzehnts  erscheint  dann  die  Feindschaft  behoben; 
damals  ist  sogar  ein  Venezianer,  Giovanni  Dandolo,  Podesta  von  Padua.**) 
Der  Einfluß  der  mächtigen  Seestadt  zeigt  sich  auch  darin,  daß  die  Statuten 
Paduas  den  paduanischen  Tuchhändlern  die  Anwendung  venezianischen 
Maßes  vorschreiben ;  auch  auf  die  beständige  Erhaltung  des  Schiffahrtsweges 
nach  Venedig  in  brauchbarem  Zustande  legen  sie  besonderes  Gewicht.  9)  In 
seinem  Vertrage  mit  Ravenna  vom  Jahre  1234  aber  ließ  sich  Venedig  wieder 
versprechen,  daß  die  Ravennaten  zur  Zeit  eines  Krieges  zwischen  Padua  und 
Venedig  den  Paduanern  weder  Salz,  noch  Lebensmittel,  noch  sonstige  Waren 
liefern  und  den  Export  von   paduanischen  Waren  aus  Ravenna  nicht  zu- 

*)  Winkelmann  I,  89  u.  174.  Vertrag  zwischen  Padua  und  dem  Patriarchen 
von  1221  bei  Muratori  Antiqu.  IV,  179. 

«)  Lib.  pleg.  no.  278,  371,  429. 

»)  Ebd.  415. 

*)  Ebd.  283 :  Überweisung  von  8  balestre  an  die  guardiani  (Mai  1225).  Ein 
incusator  privatus  j  ustitiariorum  (lui  utitur  in  Paduanis  partibus:  Minotto  11  1  p.  40. 
Dazu  Lib.  pleg.  no.  315,  342. 

*)  Lib.  pleg.  no.  18  (7.  Dezember  1223),  22,  24,  25,  286,  342,  500,  506. 

•)  Ebd.  315 ;  457  f.,  dazu  236.     Minotto  IV  1  p.  42. 

">)  lib.  pleg.  no.  237  (tensaverunt). 

•)  Ebd.  718  (26  Oktober  1229).    Stat.  Päd.  p.  424  (Juni  1230). 

»)  Stat.  Päd.  271  no,  821  u.  301  no.  892  f.  (vor  1236  erlassene  Bestimmungen). 


696  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

lassen  würden  i);  wir  sehen  also  deutlich,  daß  Padua  in  den  Zeiten  der 
Feindschaft  mit  Venedig  seine  Verbindung  mit  dem  Meere  im  Süden  suchte. 
Das  landeinwärts  von  Padua  im  Gebiet  des  Bacchiglione  gelegene 
Vicenza  bediente  sich  während  der  Sperrung  des  Weges  über  Padua  zu 
seiner  Verbindung  mit  Venedig  der  Etsch,  die  wohl  bis  Albaredo  aufwärts 
verfolgt  wurde,  von  wo  dann  ein  Nebenfluß  die  Weiterfahrt  kleiner  Fahr- 
zeuge bis  in  das  Gebiet  von  Vicenza  ermöglichte.  Im  Herbst  1225  wurden 
bei  Cavarzere  vier  mit  Salz  beladene,  Vicentinern  gehörige  plati  angehalten 
und  zu  einer  Kautionsleistung  von  200  1.  veranlaßt,  die  zurückzugeben 
waren,  sobald  der  venezianische  Steuerbeamte  (riparius),  der  ihnen  nach 
Vicenza  mitgegeben  wurde,  die  amtliche  Bescheinigung  zurückbrachte,  daß 
das  Salz  wirklich  dorthin  gebracht  sei,  2)  Ähnliche  Bürgschaften  stellte  im 
April  1225  der  Kaufmann  Marzio  aus  Vicenza  dafür,  daß  er  400  moggia 
Salz  und  eine  Salzbarke  nirgend  andershin  als  nach  Vicenza  transportieren 
werde.  Auch  den  Transport  von  30  Ztr.  Feigen  von  Venedig  nach  Vicenza 
können  wir  einmal  nachweisen.^) 

548.  Etwas  genauere  Kenntnis  auch  schon  für  das  12.  Jahr- 
hundert besitzen  wir  von  den  Handelsbeziehungen  zwischen  dem 
wichtigen  Verona  und  Venedig.  Im  Mai  1107  schlössen  sie  einen 
auch  technisch  schon  hochentwickelten  Vertrag,  der  der  älteste  Gegen- 
seitigkeitsvertrag zwischen  zwei  Kommunen  ist,  den  wir  kennen.'*) 

Venedig  befand  sich  damals  mit  Padua  mid  Treviso  sowie  Kavenna 
im  Kampfe,  und  so  enthält  der  Vertrag  auch  allerlei  Bestimmungen  über 
kriegerische  Unterstützung ;  außerdem  aber  verheißt  er  gegenseitigen  Schutz 
der  Bürger  wie  der  Fremden,  die  die  eine  oder  die  andere  Stadt  aufsuchen 
wollen,  und  Abstellung  von  Beschwerden  über  Schädigung  von  Einwohnern 
der  einen  durch  Einwohner  der  anderen  Stadt  binnen  30  Tagen.  Endlich 
aber  regelt  er  —  und  dieser  Punkt  ist  an  die  Spitze  des  Vertrages  gestellt  — 
die  Höhe  der  Abgaben.  Sie  bestanden  einerseits  in  dem  ripaticum,  das  in 
Venedig  wie  Verona  selbst  von  jedem  Schiff  24  den.  veron.  betragen  sollte, 
während  an  anderen  Orten  des  Gebiets  beider  Städte  nach  der  bestehenden 
Gewohnheit  zu  verfahren  war,  andererseits  in  dem  herkömmlichen  quadra- 
gesimum,  das  aber  eine  wesentliche  Herabsetzung  dahin  erfuhr,  daß  fortan 
bei  allen  Waren  vom  Tausend  (pro  müiario  cuiusque  rei),  also  von  je  10  Ztr., 
nur  12  d.  veron.,  bei  Häuten  (de  coriis)  pro  Ballen  nur  2  d.  veron.  zu  entrichten 
waren,  während  Seidenzeuge  (pallia),  Silber,  Gold  und  gemünztes  Geld  frei 
eingingen.    Andere  Abgaben  sollten  unter  keinen  Umständen  erhoben  werden. 

Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  daß  am  Eingange  des  Vertrages  aus- 
drücklich bemerkt  ist,  daß  er  mit  Zustimmung  der  venezianischen  vicedomini 
und  riparii,  also  der  Vorsteher  der  Zollbehörden  und  Zollbeamten,  abgeschlossen 
ist;  einer  derselben,  Dominions  Planudus,  (riparius  noster)  bekräftigt  ihn 
am  Schlüsse  auf  Anweisung  des  Dogen  Ordelaffo  Falier  ausdrücklich;  ein 
anderer  riparius,  Bonus  Entius,  befindet  sich  unter  denen,  die  den  Vertrag 
beschworen. 


»)  Minotto  IV  1  p.  58. 

*)  Lib.  pleg.  no.  324. 

')  Ebd.  120,  126 ;  75. 

*)  CipoUa  p.  295  (no.  I)  Verpflichtung  der  Venezianer,  p.  297  der  Veronesen. 
Leider  ist  der  Vertrag  nur  mangelhaft  erhalten.  Für:  quod  usu  aliter,  vel  juro 
(p.  296)  ist  usualiter  zu  lesen,  für:  de  ulla  re  nationem  (ib.)  dationem. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     697 

Welchen  Wert  Venedig  auf  ein  gutes  Verhältnis  zu  Verona  legte,  zeigt 
uns  der  Umstand,  daß  es  im  Jahre  1164,  als  es  mit  dem  Kaiser  in  Zwist 
lag,  die  gewaltige  Summe  von  12  000  Mark  Silbers  aufwandte,  um  Verona  und 
mit  diesem  Padua  und  Vieenza  an  sich  zu  fesseln  i),  und  die  Lebhaftigkeit  der 
Handelsbeziehungen  beider  Städte  beweist  nicht  minder  der  am  25.  Mai  1175 
veronesischerseits  von  einem  Konsul  der  Kaufleute,  Carlaxerius,  einem  Stadt- 
konsul und  3  Kaufleuten  mit  dem  Dogen  auf  29  Jahre  geschlossene,  aus- 
schließlich auf  kommerzielle  Verhältnisse  bezügliche  Vertragt),  der  bestimmt 
war.  die  zwischen  Kaufleuten  beider  Städte  schwebenden  Streitfälle  zur  Er- 
ledigung zu  bringen  und  für  die  Zukunft  Differenzen  möglichst  hintanzuhalten. 
Demgemäß  wurde  als  Grundsatz  aufgestellt,  daß  der  Gläubiger  sich  nur  an 
den  Schuldner  und  nicht  an  dessen  Landsleute  zu  halten  habe,  daß  bei 
Streitigkeiten  über  Kaufgeschäfte  der  Eid  der  Partei,  die  das  römische  Recht 
(die  lex^  zum  Eide  verstatte,  maßgebend  sein  solle,  daß  die  Festnahme  eines 
Veronesen  durch  einen  Venezianer  oder  umgekehrt,  wenn  sie  nicht  mit  be- 
sonderer Erlaubnis  der  Regierung  erfolge,  mit  einer  Strafe  von  100  1.  ver. 
odei-  im  Unvermögensfalle  mit  AusHeferimg  des  Schuldigen  zu  ahnden  sei,  daß 
endlich  auch  die  ohne  behördliche  Erlaubnis  vorgenommene  Pfändung  bei 
Strafe  des  Verlustes  aller  Ansprüche  imtersagt  sei.  Bei  Kaufgeschäften 
zwischen  Veronesen  und  Venezianern  war  der  Preis  binnen  10  Tagen  zu 
T)egleichen ;  wurde  der  Verkäufer  inzwischen  flüchtig,  so  ging  er  damit  seiner 
Rechte  aus  dem  Kaufvertrage  verlustig. 

Nach  einer  Periode  längerer  Feindschaft  kam  es  am  21.  September  1192 
unter  Vermittelung  Mantuas  zum  Abschluß  eines  neuen  Vertrages,  der  die 
früheren  Verträge  erneuerte  und  zum  Teil  ergänzte.  ^)  Zunächst  verpflichteten 
sich  die  Stadtkonsuln,  Prokuratoren  und  kaufmännischen  Konsuln  Veronas 
im  Namen  der  Stadt  zur  Zahlung  einer  Schadenersatzsumme  von  10000  I. 
ven.  in  5  Jahresraten  und  Niederschlagung  der  Forderungen  ihres  Landsmanns 
Basuinus  und  seiner  Sozii  an  Venedig;  sie  versprachen  ferner,  fortan  jeder- 
mann, Veronesen  oder  Fremden,  mit  allen  beliebigen  Waren  den  Zugang 
nach  Venedig  ohne  jedes  Hindernis  zu  gestatten  und  für  die  Sicherheit  der 
Benutzung  der  Wasserstraße  der  Etsch  von  Verona  bis  Cavarzere  durch  die 
Venezianer  oder  andere,  die  nach  Venedig  gingen  oder  von  Venedig  kamen, 
Sorge  zu  tragen.  Die  Veronesen  wollten  keinerlei  dem  Abschluß  von  Handels- 
geschäften in  ^'enedig  hinderliche  Maßregeln  treffen  und  nichts  tun,  wodurch 
eine  Minderung  der  Zolleinnahmen  Venedigs  herbeigeführt  werden  könnte ; 
insbesondere  wollten  sie  keine  Waren  dem  Zoll  entziehen  oder  fremde  Waren 
für  die  ihren  ausgeben.'*)  Die  Zollsätze  blieben  so,  wie  sie  schon  im  Ver- 
trage von  1107  festgestellt  worden  waren  ;  doch  sollten  die  besonderen  für 
den  Salzhandel  bestehenden  Bestimmungen  Venedigs  und  der  bei  der  Ein- 
und  Ausfuhr  zur  See  zu  zahlende  Fünfte  davon  unberührt  bleiben. »)  Danach 
ist  anzunehmen,  daß  Venedig  in  dieser  Zeit  den  befreundeten  Binnenstädten 

♦)  Hist.  Ducum  Ven.,  SS.  XIV,  77.  Ficker  IV,  182  no.  139.  Giesebrecht  V, 
402  f.,  VI,  429. 

*)  CipoUa  im  X.  Arch.  ven.  X  (1895),  481  f. 

')  Cipolla  p.  307—314  no.  3. 

*)  Nullam  conspiracionem  faciemus  contra  mercaciones,  que  fieri  debeant  in 
Venetiis;  et  nuUum  habere  defensabimus  neque  occultabimus  iillo  modo,  unde  ratio 
(^uadragesimi   vel  alia  dirictura  comunis  Venecie  minuatur. 

*)  »Factum  vero  sali»  et  quinti  nullo  modo  minui  debet<  und  an  anderer 
Stelle:  >salvo  ordine  salis  et  eorum  qui  intrant  per  mare  et  exeunt.« 


698  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

allgemein,  wenn  auch  gegen  eine  hohe  Abgabe,  die  Teilnahme  am  Seehandel 
gestattete.  Im  folgenden  Jahre  wurde  dann  in  einer  besonderen  Konvention  i) 
das  bei  Streitigkeiten  zwischen  den  Bürgern  beider  Städte  einzuschlagende 
Verfahren  genau  geregelt  (ordo  in  observandis  justiciis). 

549.  Über  die  Objekte  des  Handels  zwischen  beiden  Städten  gewährt 
das  venezianische  Bürgschaftsbuch  manchen  Aufschluß,  In  den  4  Wochen 
zwischen  dem  7.  März  und  3.  April  1224  begegnen  wir  18  Fällen,  avo  in 
der  uns  bekannten  Form  Bürgschaft  dafür  geleistet  wird,  daß  bestimmte 
Waren  von  Venedig  nach  Verona  und  nicht  anderswohin  gebracht  werden 
würden.  Es  handelt  sich  dabei  im  ganzen  um  den  Transport  von  530  Ztr.  _ 
Feigen  in  9  Posten  (Höchstbetrag  eines  Postens  150  Ztr.),  440  Ztr.  Öl  in  m 
10  Posten  (Höchstbetrag  eines  Postens  160,  Mindestbetrag  1  Ztr.)  und 
196  Ztr.  41  Pfd.  Käse  in  3  Posten.  2)  Nur  einmal  ist  dabei  ein  Venezianer, 
Vitale  Maestro  Orso,  der  Exporteur;  die  andern  sind  sämtlich  Veronesen. 
Zu  diesem  Export  nach  Verona  selbst  treten  noch  35  Ztr.  Feigen,  10  Ztr. 
Öl,  80  Ztr.  Käse  und  3  Scheffel  Haselnüsse  (staia  de  nuxeUis),  die  von  drei 
Kaufleuten  von  Legnago  nach  ihrem  Heimatorte  exportiert  wurden. 3) 

Zur  selben  Zeit  hatte  Venedig  den  Veronesen'die  Einfuhr  von  236  Moggiai 
Weizen  auf  dem  Seewege  erlaubt;  125  davon  kamen  von  Recanati.  Und 
am  25.  Juli  1226  erhielt  Ognibene  de  Racione  mit  neun  anderen  Kaufleuten 
von  Verona  und  dreien  von  Trient  von  der  Signorie  die  Erlaubnis  *),  die 
nahezu  700  Moggia  Getreide,  die  sie  für  Rechnung  des  Kaisers  von  den  Ver- 
tretern  des  deutschen  Ordens  gekauft  hatten,  von  Venedig  aus  nach  Verona 
oder  weiter  landeinwärts  zu  transportieren.  Im  Frühjahr  1224  wurde  einmal 
ein  Veronese,  Namens  Bonaventura,  beschuldigt,  aus  Venedig  exportiertes 
Getreide  gegen  das  Verbot  nach  Ariano  auf  ferraresisches  Gebiet  geschafft 
zu  haben,  und  aus  einem  ähnlichen  Grunde  wurde  im  folgenden  Jahre 
einem  Veronesen  in  Chioggia  ein  Warenballen  beschlagnahmt.  &) 

unter  der  Einfuhr  von  Verona  her  begegnet  besonders  das  Holz;  als 
Pietro  Arimondo  und  seine  Sozii  im  Jahre  1226  Holz  auf  der  Etsch  nach 
Venedig  führen  wollten,  wurde  der  Transport  von  einigen  Veronesen  be- 
schlagnahmt; trotz  der  Bemühungen  der  Signorie  war  es  am  27.  September 
1226  noch  nicht  freigegeben.  Es  müssen  darüber  besondere  Abmachungen 
bestanden  haben;  ein  veronesisches  Statut  von  1228  untersagt  allen  Fremden 
den  Transport  von  Holz  oder  Pech  etschabwärts,  vorbehaltlich  der  mit  dem 
Dogen  bestehenden  Verträge.*^)  Auch  Barrengold  kam  von  Verona  her  nach 
Venedig;  Johann,  der  Sohn  des  veronesischen  Kaufmanns  Tebaldinus  de 
Racione,  der  an  den  Venezianer  Petrus  Albinus  im  Jahre  1223  Gold  im 
Gewicht  von  4  Mark  17  Karat  verkauft  hatte,  sah  sich  schließlich  von  diesem 
um  den  Kaufpreis  betrogen.')  Wegen  der  in  Verona  ausgebrochenen 
inneren   Kämpfe  untersagte   Venedig  am   6.  Februar   1227*)  seinen   Unter- 

*)  Ebd.  316  f.  no.  4.  Nach  einem  veronesischen  Statut  von  1228  erhielten 
die  für  Streitigkeiten  zwischen  Veronesen  und  Venezianern  bestellten  Schiedsrichter 
100  sei.  ver.  jährlich.     Lib.  .Jur.  Civ.  23,  rub.  26. 

*)  Lib.  pleg.  no.  70—75,  78,  80—88,  88,  101,  102,  111,  112,  114. 

»)  Ebd.  64,  103,  124.     Minotto  IV  1  p.  27. 

*)  Lib.  pleg.  122,  406. 

^  Ebd.  119,  242. 

6)  Lib.  Jur.  Civ.  rub.  275. 

')  IJb.  pleg.  427 ;  26,  27. 
■    «)  Ebd.  501. 


I 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     699 

tauen  bei  strengster  Strafe,  sich  ins  Veronesische  zu  begeben  oder  Waren 
dorthin  zu  schicken  oder  von  da  auszuführen  —  offenbar,  um  sie  vor 
Schaden  zu  bewahren.  Doch  war  schon  im  Herbst  diese  Unterbrechung 
des  Handels  wieder  beseitigt;  als  die  Signorie  am  21.  Oktober  den  Besuch 
auswärtiger  Messen  bis  Weihnachten  ohne  besondere  Lizenz  verbot,  nahm 
sie  die  von  Verona  und  Mantua  unter  der  Bedingung  aus,  daß  für  Hin- 
imd  Rückweg  die  Wasserstraße  der  Etsch  gewählt  wurde,  i)  W^ahrscheinlich 
infolge  von  Übergriffen,  die  mit  den  Parteikämpfen  in  Verona  zusammen- 
hängen mögen,  sehen  wir  Verpna  im  Jahre  1228  zur  Zahlung  von  3374  1. 
18  sol.  an  Venedig  verpflichtet;  ein  in  Venedig  wohnhafter  Bürger  von 
Legnago,  Alberto  Casolerio,  hat  die  Auszahlung  der  Gelder,  die  gemäß  den 
Eintragungen  in  den  Büchern  der  Vicedomini  erfolgen  sollte,  an  die  Be- 
rechtigten übernommen;  am  23.  Oktober  stundeten  ihm  einige  Venezianer 
den  auf  sie  entfallenden  Anteil  auf  14  Tage.^) 

550.  Kaufleute  von  Trient  sind  uns  bei  der  Getreideeinfuhr  über 
Venedig  schon  begegnet;  einen  anderen  Kaufmann  der  Stadt,  Pasquale  de 
Cappelletto,  sehen  wir  im  Februar  1224  einen  Transport  von  80  Ztr.  Öl  von 
Venedig  nach  Trient  schaffen 3).  Zwei  Jahre  darauf  aber  kam  es  zu  einer 
Störung  der  Handelsbeziehungen;  Bischof  Gerhard  von  Trient  hatte  noch 
als  Archidiakon  im  Jahre  1223  Schulden  bei  der  RepubUk  und  dem  Vene- 
zianer Giovanni  Miani  gemacht,  rmd  da  alle  Mahnungen  fruchtlos  blieben, 
schritt  man  Michaeli  1226  zu  Represalien  gegen  die  Untertanen  des  Bischofs. 
Ein  Fall  von  Rechtsverweigerung  durch  das  bischöfliche  Gericht  im  Jahre 
1228  bot  den  Anlaß  zu  einer  weiteren,  ebenfalls  auf  dem  Represalienwege 
zu  deckenden  Forderung;  erst  im  Jahre  1232  hat  sich  Miani  durch  eine 
Zahlung  von  1550  1.  von  Seiten  des  Bischofs  und  des  Grafen  von  Tirol  be- 
friedigt erklärt^)  und  dem  regelmäßigen  Handelsverkehr  der  Tridentiner  in 
Venedig  stand  nichts  mehr  im  Wege. 

Müssen  wir  nach  alledem  der  Wasserstraße  der  Etsch  eine  er- 
liebUche  Bedeutung  für  den  Handelsverkehr  des  Binnenlandes  mit  Venedig 
beimessen,  so  besitzen  wir  auch  ein  Zeugnis  dafür,  daß  die  Regierung  Venedigs 
ihre  Fürsorge  dieser  Wasserstraße  zuwandte;  im  August  1226  ließ  sich  der 
Doge  von  Podestä  und  Volk  von  Loreo  versprechen,  den  zum  Schutze  des 
neuerdings  zwischen  Loreo  und  Torre  Nuova  an  der  Etsch  angelegten 
Kanals  bestimmten  Seedeich  vor  Michaeli  instand  zu  setzen  und  dauernd 
in  gutem  Zustande  zu  erhalten;  als  Kostenbeitrag  zahlte  Venedig  für  die 
nächsten  20  Jahre  an  die  Gemeinde  Loreo  jährlich  5  1.  ven.») 

55 L  Erheblich  wichtiger  noch  für  den  Handelsverkehr  zwischen 
der  Adria  und  dem  Binnenlande  war  natürlich  die  Wasserstraße  des 
Po;  das  die  Pomündungen  beherrschende  Ferrara  mußte  für  die 
Vermittelung  dieses  Verkehrs  in  erster  Linie  in  Betracht  kommen. 

Am  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  war  einst  der  Gräfin  Mathilde  mit 
Hilfe  venezianischer  und  ravennatischer  Schiffe  die  Überwältigung  Ferraras 
gelungen  6);    im    weiteren  Verlauf  des  Jahrhunderts  aber  scheint  zwischen 


1)  Ebd.  579.     Minotto  IV  1  p.  46. 

»)  Lib.  pleg.  623,  667. 

»)  Ebd.  52. 

*)  Ebd.  422,  689;  dazu  655. 

»)  Ebd.  431. 

•)  Joh.  diac.  p.  139.     Donizo  II,  13.     Overmann  p.  169  u.  reg.  no.  69  b. 


700  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

Ferrara  und  Venedig  überwiegend  ein  gutes  Einvernehmen  bestanden  zu« 
haben.  Als  Zeugnis  für  die  besonders  enge  Handelsverbindung  zwischen  " 
den  beiden  Städten  kann  es  dienen,  daß  im  Jahre  1160  bei  der  Gründung 
einer  Handelsgesellschaft  in  Venedig,  die  auswärtige  Unternehmungen  kon- 
traktmäßig ausschloß,  doch  solche  Geschäftsreisen  zugelassen  wurden,  die 
nicht  weiter  als  bis  Ferrara  gingen  i) ;  und  stark  tritt  auch  das  Interesse, 
das  Venedig  an  der  Offenhaltung  der  Poschiffahrt  durch  Ferrara  nahm,  bei 
seinen  Verhandlungen  mit  den  Mitgliedern  des  lombardischen  Bundes  im 
Jahre  1177  hervor;  noch  1254  ließ  der  Doge  von  dem  Pactum  Ferrariae 
»de  tenenda  aqua  Padi  omnibus  aperta«  Abschrift  nehmen. 2) 

Doch  erst  seit  der  Zeit  des  dritten  Kreuzzuges  erhalten  vnr  einen  etwas 
genaueren  Einbhck  in  die  Handelsbeziehungen  der  beiden  Städte.  »Um 
sich  die  lange  Zeit  schon  besessene  Zuneigung  der  Venezianer  auf  die  Dauer 
zu  erhalten«,  schloß  Ferrara  am  26.  Oktober  1191  mit  dem  Gesandten  Vene- 
digs, Enrico  Dandolo,  dem  späteren  Dogen,  und  Pietro  Foscarini  einen  Ver- 
trag zur  genauen  Regelung  des  Verfahrens,  das  bei  Differenzen  zwischen 
Angehörigen  der  beiden  Städte  einzuschlagen  war^);  es  ist  der  älteste  vene- 
zianische Vertrag  dieser  Art  und  hat  dem  2  Jahre  jüngeren  Abkommen 
mit  Verona  als  Muster  gedient.  Sogleich  wurden  vom  Dogen  3  Edle  von 
Ferrara,  Joculus,  Guido  Turcli  und  Ottolinus  de  Mainardis,  zu  Richtern  in 
allen  Klagen  und  Beschwerdesachen  der  Venezianer  in  Ferrara  erwählt  und 
von  den  Konsuln  Ferraras  vereidet,  während  für  die  Klagen  der  Ferraresen  _ 
in  Venedig  die  dortigen  allgemeinen  Fremdenrichter  zuständig  blieben.  Ä| 
Außerdem  wurden  in  beiden  Städten  je  2  Rechtsanwälte  bestellt,  die  den 
Klagenden  aus  der  anderen  Stadt  beizustehen  verpflichtet  waren.  ■*)  Das  Ab- 
kommen wurde  am  7.  April  1204  zu  Venedig  durch  die  Gesandten  Ferraras, 
zu  denen  außer  Signorellus  zwei  der  Richter  von  1191,  Ottolinus  und  der 
zeitige  Konsul  Guido  de  Turclo  gehörten,  mit  einigen  die  Beschleunigmig 
der  Urteilsvollstreckung  bezweckenden  Änderungen  erneuert-'');  auch  fand 
der  Grundsatz,  daß  nur  Schuldner  oder  deren  Erben,  nicht  aber  ihre  Lands- 
leute zu  belangen  seien ,  nunmehr  Aufnahme  in  den  Vertrag.  Noch  im 
selben  Monat  erschien  zur  Zeit  der  Palmsonntagsmesse  als  Abgesandter 
Venedigs  Petrus  Bembus,  einer  der  Vicedomini,  in  Ferrara  und  nahm  die 
feierliche  Ratifikation  des  Vertrages  durch  Konsuln  und  Rat  der  Stadt  ent- 
gegen. Aus  dem  Vertrage  ergibt  sich  auch,  daß  Venedig  nicht  unbeträcht- 
lichen Landbesitz  im  Ferraresischen  hatte,  mit  dessen  finanzieller  Ver- 
waltung ein  besonderer  Gastaldio^)  betraut  war.  Dessen  Sache  war  sicher 
auch  die  Abnahme  des  Naturalzinses,  den  Ferrara  von  seinem  Kaufmanns- 
hafen alljährlich  zur  Martinimesse   für  den  Dogen   am  Hafen  selbst  bereit- 

')  Ergibt   sich   aus  der  die  Auflösung  der  Gesellschaft  betreffenden  Urkunde  j 
vom  Mai  1174  bei  Sacerdoti  p.  31. 

*)  Unten  §  574.  Pasolini  im  Arch.  it.,  ser.  3,  XIU  (1871),  415  f.  u.  XIV  (Doc. 
no.  3).     Lenel  58. 

')  Minotto  in  1  p.  7  f.  Muratori  Antiqu.  IV,  357  (zur  Korrektur  der  Namen 
ist  der  Vertrag  von  1204  heranzuziehen).  Theiner  I  no.  35.  Hist.  Ducum,  SS.  XIV, 
90.     Vgl.  Lenel  60.  ^1 

■*)  Erhalten  ist  das  sacramentum  Advocatorum  Ferrarie  qui  sunt  pro  Venetis ;  W\ 
Minotto  IV  1  p.  18  f.     Das  Institut  dieser  arbitri  electi  ad  faciendam  rationem  inter 
Ven.  et  Ferrarienses  und  der  advocati   ist  bis   1250   noch   melirfach  nachweisbar; 
8.  Minotto  in  1  p.  43  (1232)  u.  p.  51  f.  (1247  u.  1250). 

»)  Minotto  III  1  p.  13  f.,  IV  1  p.  19  f.     Muratori  Antiqu.  IV,  359. 

«)  Zuerst  im  Vertrage  von  1230  erwähnt.     Minotto  III 1  p.  41. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnonlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     701 

zustellen  hatte ;  er  bestand  in  200  Brodon  im  Werte  von  je  2  ferrarini,  einem 
Faß  guten  Weines  von  Panicale  oder  gleicher  Qualität  von  41/2  v(niezianischen 
Amphoren  Inhalt  und  zwei  guten  Gläsern,  i)  Diese  Besitzungen  und  Rechte 
Venedigs  gehen  offenbar  auf  sehr  alte  Zeit  zurück  und  waren  häufig  eine 
Quelle  von  Streitigkeiten  imd  Verwickelungen  zwischen  den  beiden  Städten. 
Endlich  versprach  Ferrara  im  Vertrage  von  1204  ausdrücklich,  in  Zukunft 
gemäß  den  beschworenen  Abmachungen  von  1177  die  Wasserstraße  des  Po 
allen,  die  nach  Venedig  wollten  oder  von  da  zurückkehrten,  bei  Strafe  von 
501.  imp.  für  jeden  Fall  der  Übertretung 2)  offen  zu  halten;  auch  hier  lag 
ein  Interessengegensatz  vor,  da  Ferrara  darnach  strebte,  soviel  wie  irgend 
möglich  zum  Stapelplatz  für  alle  zwischen  den  Seeplätzen  der  Adria  und 
dem  Binnenlande  über  den  Po  verkehrenden  Waren  zu  werden. 

552.  In  den  zwanziger  Jahren  des  13.  Jahrhunderts  kam  es  im  Zu- 
sammenhange mit  den  Streitigkeiten  zwischen  dem  jungen  Azzo  VII.  von 
Este  und  Salinguerra  um  den  Besitz  von  Ferrara  ^)  häufig  zu  argen  Störungen 
des  friedlichen  Handelsverkehrs  zwischen  Ferrara  und  Venedig  und  im  Ge- 
biete der  Pomündungen  überhaupt;  Überfälle  von  Küstenfahrern,  von  Barken 
und  Kähnen  auf  den  Armen  des  Po,  von  einzelnen  Handelsleuten  waren 
an  der  Tagesordnung.  Im  September  1223  legte  man  in  Venedig  über  die 
Schädigungen,  die  durch  Untertanen  des  Markgrafen  und  die  Leute  von 
Ariano  den  Venezianern  zugefügt  worden  waren,  ein  besonderes  Register 
an,  das  bis  zum  Jahre  1225  noch  manche  Vermehrung  erfuhr  *)  und  deut- 
lich erkennen  läßt,  um  welche  Waren  es  sich  bei  diesem  Verkehre  besonders 
handelt. 

Neben  den  verschiedenen  Getreidearten  begegnen  an  Lebensmitteln 
Bohnen^),  Haselnüsse  und  Feigen,  frisches  und  getrocknetes  Fleisch.  Wein 
begegnet  in  Quantitäten  von  18  Amphoren,  das  eine  Mal  im  Wert  von  144, 
das  andere  Mal  von  126  1.  ven.;  als  besondere  Weinsorte  erscheint  einmal  der 
Muskateller. 6)  Neben  den  Rohstoffen  der  Textilindustrie,  Hanf''),  Flachs 
und  Baumwolle,  finden  sich  Leinwand,  verschiedene  Tuchsorten,  besonders 
die  grauen  Tuche  von  Verona  8)  und  daneben  die  purpurnen  von  Lucca, 
fertige  Kleidungsstücke,  seidene  und  andere  Bänder,  Tischtücher,  wollene 
Mützen,  Gürtel,  darunter  12  Gürtel  von  Paris.  Auch  Perlen,  Ringe  und 
sonstige  Schmucksachen  von  Gold  und  Silber  sind  vertreten.     Es  erscheinen 

*)  Differenzen  über  die  Qualität  der  Lieferung  führten  am  5.  Juni  1200  zu 
einem  zwischen  vier  Ratsherren  des  Dogen  und  vier  vom  Podesta  von  Ferrara  im 
Namen  der  Kaufleute  der  Stadt  getroffenen  Abkommen ;  ebd.  13. 

*)  Ebd.  IV  I  p.  19.  In  seinem  Vertrage  mit  Mantua  vom  7.  Juli  1208  ^Murat. 
Antiqu.  11,  874)  bedingt  sieh  Ferrara  aus,  falls  es  in  Feindschaft  mit  Venedig  lebt, 
den  Mantuanern  den  Durchzug  dahin  verbieten  zu  dürfen,  unter  der  Voraussetzung, 
daß  es  das  gleiche  Verbot  allen  Lombarden  gegenüber  erlasse. 

*)  Näheres  Winkelmann  I,  256  ö".     Salzer  34  ft". 

*)  Lib.  pleg.  p.  172—182.     Minotto  UI  1  p.  16  ff. 

*)  Salinguerra  ließ  einmal  20  moggia  Bohnen,  die  im  Hause  des  Ottobono 
Pagani  in  Ferrara  deponiert  waren,  fortnehmen.     Lib.  pleg.  p.  181. 

«)  Ebd.  179.     Minotto  23. 

^  Lib.  pleg.  p.  180.  Vgl.  das  Capitulare  de  Filacanapis  von  1233  bei  Monti- 
colo  G.  I  Capitolari  delle  arti  venez.  sottoposte  alla  giustizia  etc.  I  (Rom  1896) 
p.  101 :  Sparcinam  aliquam  non  comperabo  .  .  .  que  veniat  de  Feraria  necjue  de 
ipsius  districtu  neque  de  alia  parte. 

8)  Lib.  pleg.  p.  175:  8  pezze  im  Wert  von  öl'/-.  1-,  P-  177:  2  balle  di  grigio, 
Wert  125  1.,  p.  179 :  2  balle  di  grisello,  Wert  150  1.  ven. 


702  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

ferner  von  Waren  der  Levante  Pfeffer,  Ingwer  und  Ingwerbrot  ^) ,  Zucker, 
Datteln,  Galanga wurzeln,  Brasilholz  und  Sandelholz;  endhch  zwölf  sjo-ische 
Börsen  (bursae)  und  acht  tiraforti  de  Siria,  wobei  es  freilich  fraglich 
bleibt,  ob  es  sich  nicht  um  abendländische  Imitierungen  handelt.  Wenn 
wir  endlich  erwähnen,  daß  in  diesen  doch  sehr  zufälligen  Aufzeichnungen 
auch  Seide  und  Schwefel  begegnen,  so  wird  ein  Zweifel  darüber  nicht  be- 
stehen, daß  dieser  Handelsverkehr  ein  ebenso  reger  wie  vielseitiger  war. 
Auch  über  die  Erhebung  widerrechtlicher  Abgaben  führte  man  in  Venedig 
Klage ;  im  November  1224  beschwerte  sich  M.  Badoer  darüber,  daß  ihm  bei 
Bragantino  oberhalb  Ferraras  von  jedem  Migliajo  seiner  Waren  12  den.  imp. 
(je  zur  Hälfte  für  Ferrara  und  den  Papst)  abgenommen  worden  seien,  und 
durch  Erhebung  der  gleichen  Abgabe  bei  Ficcarolo  wurde  die  Handels- 
gesellschaft des  G.  Michiel  um  5  1.  imp.  geschädigt  2),  so  daß  es  sich  hier 
um  einen  Transport  von  mindestens  1000  Zentnern  gehandelt  haben  muß. 
Dennoch  stockte  der  Handel  nicht  gänzüch ;  durch  gemeinsames  Reisen, 
bewaffnetes  Geleit,  Abmachungen  mit  den  jeweiligen  Machthabern  suchten 
sich  die  Kaufleute  nach  Möglichkeit  zu  schützen.  An  förmliche  Versiche- 
rung erinnert  der  Fall  des  Venezianers  Marco  Cheolo  und  seiner  drei  Reise- 
gefährten, denen  der  Armbrustschütze  Pietro  im  Jahre  1225  Sicherheit  für 
ihre  Waren  bis  zum  Betrage  von  1000  1.  garantiert  hatte.  Von  Untertanen 
des  Markgrafen  zwischen  Volano  und  Goro  angefallen,  erlitten  sie  einen 
Verlust  von  393  1.  Da  der  Versicherer  nicht  zahlte,  ließ  ihm  die  Signorie 
8  Armbrüste  im  Werte  von  400  1.  pfänden  und  diese  den  Versicherten  gegen 
Quittung  als  Schadenersatz  überweisen.  3) 

Nachdem  im  Jahre  1225  durch  Vergleich  zwischen  Salinguerra  und 
Azzo  wieder  geordnete  Verhältnisse  in  Ferrara  hergestellt  waren 4),  verstän- 
digten sich  auch  die  Städte  wieder  und  schlössen  am  23.  August  1226  den 
Vertrag  von  Loreo.^)  Die  alten  Verträge  wurden  wieder  in  Kraft  gesetzt; 
alle  Ansprüche  auf  Schadenersatz  sollten  gemäß  den  Bestimmungen  von 
1191  geregelt  werden,  und  zwar  hatte  zuerst  der  Doge  zehn  geschädigte  Ve- 
nezianer nach  Ferrara  zu  schicken,  dann,  nach  Erledigung  ihrer  Beschwerden, 
Ferrara  zehn  geschädigte  Ferraresen  nach  Venedig  und  so  fort;  Klagen 
über  Mordtaten  und  ungerecht  erhobene  Abgaben  sollten  erst  nach  den 
anderen  erledigt  werden.  Außerdem  wurde  bestimmt,  daß  der  Podestä  den 
Ferraresen,  die  nach  Venedig  oder  Chioggia  gingen,  um  Salz  einzukaufen, 
nach  Ankunft  des  Salzes  in  Ferrara  eine  Beglaubigung  zum  Ausweis  bei 
der  venezianischen  Behörde  ausstellen  sollte ;  auch  trat  Ferrara  der  Handels- 
sperre gegen  Padua  bei. 

553.  Schon  1228  trübte  sich  das  Verhältnis  zwischen  Venedig  und 
Ferrara  von  neuem.  Am  12.  April  erhob  Pietro  Acotanto  in  Venedig  Klage, 
daß  er  auf  der  Heimkehr  von  Brindisi  her  von  Ferraresen  beraubt  worden 
sei  6),  und  seit  dem  September  desselben  Jahres  verlangte  Venedig  bei  allen 
Weintransporten,  die  über  Loreo  kamen,    Bürgschaft  dafür,    daß  der  Wein 


>)  pincebrata  p.  175. 
«)  Ebd.  181. 

»)  Lib.  pleg.  no.  295,  313. 
♦)  Winkelmann  I,  284  f.   setzt   den  Ausgleich   in   das  Jahr  1226 ,-   doch   siehe 
Salzer  34  A.  37. 

»)  Minotto  III  1  p.  34  ff.     Lib.  pleg.  no.  415. 
•)  Minotto  III  1  p.  38.    Lib.  pleg.  no.  608. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     703 

nicht  ferraresischer  Herkunft  sei  oder  Ferraresen  geliöre.  i)  Offenbar  hatte 
also  Venedig  die  Handelssperre  über  Ferrara  verhängt.  Zur  Herstellung  des 
Friedens  erschien  der  Podestä  von  Ferrara,  der  Mailänder  Humbertus  de 
Marnate,  selbst  an  der  Spitze  einer  Gesandtschaft  in  Venedig;  am  19.  Aug. 
1230  auf  10  Jahre  in  Venedig  abgeschlossen,  wurde  der  Friede  am  11.  Sep- 
tember in  Ferrara  vor  den  Gesandten  Venedigs,  Johannes  IVIichael  und  Ja- 
<jobus  Barotio,  feierlich  beschworen. 2)  Abgesehen  von  den  Bestimmungen 
über  Schadenersatz  betraf  dieser  Vertrag  besonders  die  kommerziellen  Be- 
ziehungen. Zunächst  sollte  die  Salzeinfuhr  der  Venezianer  nach  Ferrara  in 
keiner  Weise  behindert  werden  dürfen ;  nur  sollte  die  Vermessung  des  zur 
Entladung  kommenden  Salzes  von  den  amtlich  von  Ferrara  bestellten  Salz- 
prüfern (assa9atores  salis),  natürlich  gegen  eine  Gebühr,  vorgenommen  werden 
müssen.  Auch  bezüglich  aller  anderen  Waren  sollten  die  Venezianer  im 
Verkauf  wie  Einkauf  unbehindert  sein,  doch  hatten  sie  hier  von  jedem  Um- 
satz dem  von  der  bischöflichen  Verwaltung  angestellten  Wiegemeister  (ape- 
satori  masserii  laborerii  episcopatus)  für  je  10  Ztr.  10  den.  imp.  zu  entrichten. 
Sonst  sollten  sie  in  Ferrara  selbst  wie  in  Ficcarolo  und  im  ganzen  Gebiet 
von  Ferrara  von  allen  Abgaben  an  Papst,  Bischof  oder  Gemeinde  frei  sein^), 
mit  Ausnahme  einer  pro  Schiff  zu  erhebenden  Gebühr  von  3  den.  ven.,  die 
auch  nur  dann  zu  erheben  war,  wenn  das  Schiff  im  Hafen  von  Ferrara 
zum  Zweck  des  W^arenverkaufs  anlegte.  Nur  passierende  venezianische 
Schiffe  wurden  also  jetzt  abgabenfrei,  während  eine  am  11.  Oktober  1228 
in  Ferrara  erlassene  Zollordnung  zwar  jene  Schiffsgebühr  von  3  den.  ven. 
auch  schon  kennt,  von  allen  poaufwärts  fahrenden  venezianischen  Schiffen 
aber  eine  Abgabe  von  6  den.  imp.  von  jedem  MUliarium  (10  Ztr.)  verlangte.^) 
Besondere  Bestimmungen  betrafen  die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  aus 
Ferrara.  Zunächst  sollten  die  Venezianer  die  Erträge  ihrer  Besitzungen  im 
Ferraresischen  vollständig  nach  Venedig  schaffen  dürfen,  solange  der  Preis 
für  den  Scheffel  Weizen  in  Ferrara  nicht  über  14  den.  imp.  hinausging;  für 
die  mit  dem  Siegel  des  Podestä  versehene  Ausfuhrlizenz  waren  4  den.  imp. 
zu  zahlen.  Einmal  im  Jahre  hatte  der  venezianische  Gastaldio  die  Gesamt- 
höhe dieser  Erträge  unter  Eid  anzugeben.  Unter  den  gleichen  Bedingungen 
war  den  Venezianern  aber  auch  sonst  die  Ausfuhr  von  Getreide  und  Ge- 
müse nach  Venedig  gestattet;  ebenso  war  ihnen  der  freie  Ankauf  von  Fischen 
an  einer  ganzen  Anzahl  unterhalb  Ferraras  gelegener  Orte  wie  Fratta,  Adria, 
Ariano  erlaubt.  Endlich  bedang  sich  Venedig  aus,  daß  jedermann  sicher 
und  unbehindert  auf  dem  Po  und  durch  dessen  Mündungen  Lebensmittel 
nach  Venedig  transportieren  dürfe. 

554.  Der  Vertrag  war  dem  Ablaufen  nahe,  als  die  politischen  Verhält- 
nisse Venedig  die  Gelegenheit  gaben,  seine  kommerzielle  Stellung  Ferrara 
gegenüber  außerordentlich  zu  verstärken.     Seit  dem   Übertritt  Salinguerras 


»)  Minotto  m  1  p.  39  ff.  Lib.  plag.  no.  648,  661  f.,  670  f.,  706  f.  716  (31.  März 
1221),  womit  die  regelmäßigen  Eintragungen  im  Lib.  pleg.  enden.  Übertretung  des 
Verbots  durch  Leute  von  Loreo  und  Venezianer  no.  664  f.) 

')  Nur  der  die  Ferraresen  verpflichtende  Teil  des  Pactum  ist  erhalten.  Mi- 
notto m  1  p.  41  f.  Muratori  Antiqu.  IV,  361  ff.  Theiner  I,  90  ff.  no.  156.  B.-F.-W. 
13056.     Simonsfeld  in  Hist.  Zeitschr.  84  (1900)  Anm.  auf  p.  438. 

')  Ausgenommen  war  indes  durch  eine  vorgängige  protokollarische  Erklärung 
des  Podestä  der  »introitus  Contratarum  Ferrarie  sicut  consuetus  est  colligi<  ;  eine 
Verminderung  desselben  hätte  gegen  seinen  Amtseid  verstoßen.     Vgl.  Lenel  61. 

")  Murat.  Antiqu.  II,  32. 


704  Sechsundvierzigötes  Kapitel. 

zum  Kaiser  (1236)  strebte  der  Papst  danach,  Ferrara  Avieder  zu  unterwerfend) 
Am  Anfang  des  Jahres  1240  endhch  gelang  es  dem  päpsthehen  Legaten, 
Gregorius  de  Montelongo,  die  seit  1239  in  offenem  Kriege  mit  dem  Kaiser 
befindlichen  Venezianer,  die  Emigranten  von  Ferrara  und  die  Hauptorte 
des  wiedererstarkten  lombardischen  Bundes  zu  einem  gemeinsamen  Angriff 
auf  Ferrara  zu  vereinigen,  dem  die  Stadt  schließlich  im  Juni  1240  erlag. 
Die  eroberte  Stadt  wurde  dem  Legaten  übergeben,  der  den  Venezianer  Ste- 
fano Badoer  zum  Podestä  bestellte;  Salinguerra  wurde  treulos  gefangen  ge- 
nommen und  starb  1245  in  venezianischer  Gefangenschaft.  2)  Gregor  aber 
schrieb  nun  kraft  seiner  Autorität  als  I^egat  und  der  ihm  von  Ferrara  über- 
tragenen Gewalt  dem  neuen  Podestä  am  9.  Juni  vor,  für  die  gewissenhafte 
Beobachtung  des  Vertrages  von  1230  und  der  von  ihm  zu  diesem  Vertrage 
angeordneten  Zusätze  Sorge  zu  tragen;  am  26,  Juni  leistete  der  Podestä  den 
Eid  darauf  und  am  17.  August  1240  wurde  die  neue  Fassung  des  Pactum 
offiziell  ausgefertigt  und  von  den  Ferraresen  beschworen.^)  Gegenüber  dem 
Vertrage  von  1230  enthält  sie  folgende  Vergünstigungen  für  die  Venezianer : 
Bei  ihrer  Salzeinfuhr  sollte  ihnen  die  Auswahl  unter  den  assagatores  Co- 
munis  Ferrariae  freistehen;  falls  sie  das  Salz  in  Ferrara  oder  Gebiet  gegen 
andere  Waren  eintauschten,  sollte  die  Ausfuhr  dieser  Waren  nach  Venedig 
unbehindert  und  abgabenfrei  erfolgen  dürfen.  Die  Ausübung  irgendwelchen 
Zwanges  gegen  die  Venezianer,  ihre  Waren  in  Ferrara  zu  löschen,  war  ver- 
boten. Für  Hanf  wurde  die  Wiegegebühr  von  10  auf  8  den.  imp.  ermäßigt. 
Die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  aus  Ferrara  nach  Venedig  durfte  fortan, 
ob  es  sich  nun  um  die  venezianischen  Besitzungen  im  Ferraresischen  han- 
delte oder  nicht,  nur  dann  untersagt  werden,  wenn  der  Preis  des  Scheffels 
Weizen  18  den.  imp.  überstieg;  die  Gebühr  für  die  Ausfuhrlizenz  wurde  auf 
die  Hälfte  herabgesetzt.  Allgemeiner  und  schärfer  als  früher  wurde  betont, 
daß  der  Transit  von  Getreide,  Wein  und  Lebensmitteln  jeder  Art  durch  das 
Ferraresische  nach  Venedig,  woher  und  auf  welchem  Wege  auch  immer 
er  erfolge  ^),  nicht  behindert  oder  mit  Abgaben  belastet  werden  dürfe ;  eben- 
sowenig dürfe  ein  Zwang  zum  Verkauf  dieser  Waren  in  Ferrara  geübt  werden. 
Endlich  -^  und  das  ist  die  wichtigste  Neuerung  —  versprachen  die  Ferra- 
resen, Waren,  die  von  der  See  her  durch  eine  der  drei  Pomündungen  oder 
sonst  eingingen,  nur  dann  in  ihrer  Stadt  zuzulassen,  wenn  sie  von  Vene- 
zianern eingeführt  wurden.  0) 

So  wichtig  dies  Monopol  des  Seeimports  nach  Ferrara  für  Venedig 
auch  war,  man  darf  seine  Bedeutung  doch  nicht  überschätzen.  Große  See- 
schiffe und  Schiffe  aus  fernen  Landen  kamen  überhaupt  nicht  nach  Ferrara.^) 


»)  Baer  110.     Lenel  62. 

2)  Lenel  63  f.     Baer  109  tf.     Da  Canal  p.  371  fE. 

3)  Minotto  in  1  p.  45  fE.     Theiner  I,  111  no.  191.     B.-F.-W.  13  334. 
■•)  Statt  Padua  bei  Minotto  p.  47  ist  natürlich  Padum  zu  lesen. 
')  Promiserunt   quod   non  recipiantur  ali()ua  mercimonia    in  F.  vel  districtu, 

qüe  per  mare  fuerint  apportata,  seil,  per  portus  Primarii,  Volani  et  Gauri  vel 
undecumque  per  mare  nisi  a  Venec.  Ob  das  letzte  Wort  in  Veneciis  oder 
Venetis  aufzulösen  ist,  bleibt  zweifelhaft;  s.  Lenel  p.  64,  der  sich  für  das  erstere 
entschieden  hat ;  vgl.  auch  Chone  p.  98.  Ich  halte  a  Venetis  (wie  Theiner  liest ; 
danach  Baer  112,  auch  B.-F.-W.  1.  c.)  für  das  Richtige,  weil  für  Eingänge  zur  See 
von  Venedig  her  andere  Wege  als  die  Pomündungen  unmöglich  in  Betracht 
kommen  konnten. 

*)  Die  die  Zeiten  Salinguerras  idealisierende  Schilderung  (s.  auch  Salzer  13.  37) 
des  erst  nach  1309   verfaßten  Chron.  parv.  Ferrariae  (Muratori  SS.  VIII,  483):    »ex 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     705 

Es  handelt  sich  ausschheßlich  um  Küstenfahrer  im  adriatischen  Verkehr; 
in  der  Zollordnung  von  1228  erscheint  Apulien  als  das  äußerste  Land,  aus 
dem  Schiffe  in  den  Hafen  von  Ferrara  einliefen.^)  Worauf  es  Venedig 
hauptsächlich  ankam,  war  der  Ausschluß  Anconas  und  der  anderen  See- 
plätze der  Marken  sowie  der  Bewohner  des  sizilischen  Königreichs  von  dem 
Handel  mit  Ferrara  und  den  stromaufwärts  gelegenen  Gebieten,  wobei  der 
Lebensmittel-  und  der  Salzhandel  hauptsächüch  in  Betracht  kamen ;  Ravenna 
liatte  es  schon  durch  den  Vertrag  von  1234  von  dem  Lebensmittelhandel 
dahin  ausgeschlossen ;  in  derselben  Richtung  der  venezianischen  Handels- 
politik bewegt  sich  der  Vertrag  mit  Ferrara  von  1240.  War  der  Seeimport 
vertragsmäßig  den  Venezianern  allein  vorbehalten,  so  hatte  es  die  Signorie 
in  der  Hand,  durch  einseitige  Verordnungen  den  Schiffahrtsverkehr  nach 
Ferrara  ganz  nach  ihrem  Belieben  zu  gestalten,  also  wenn  es  ihr  beliebte, 
auch  den  direkten  Verkehr  venezianischer  Küstenschiffe  zwischen  Apulien 
und  Ferrara  zu  untersagen. 

Am  28.  Februar  1247  haben  die  Ferraresen  vor  Gesandten  Venedigs 
den  Eid  auf  das  Pactum  von  1240  feierlich  erneuert  2);  die  Durchführung 
seiner  Bestimmungen  wurde  von  venezianischen  Wachtschiffen  kontrolliert, 
bis  Venedig  dann  auf  Grund  eines  Vertrages  mit  Ravenna  im  Jahre  1258 
am  Po  di  Primaro  eine  besondere  Feste,  das  Kastell  von  San  Alberto  oder 
Marchamö,  anlegte. 2) 

555.  Für  die  Verbindung  Ferraras  mit  dem  Meere  hätte  Ravenna  bei 
seiner  Lage  nahe  dem  damahgen  Hauptmündungsarm  des  Po  von  größter 
Wichtigkeit  sein  müssen,  wenn  es  nicht  eben  kommerziell  von  Venedig  so 
völlig  überflügelt  worden  wäre.  Nur  der  Salzreichtum  Ravennas  bheb  auch 
in  der  späteren  Zeit  für  Ferrara  von  Bedeutung.  Nach  dem  ältesten  erhal- 
tenen Vertrage,  der  am  25.  September  1200  nach  der  Niederlage  Ravcimas  bei 
Argenta  geschlossen  wurde*),  hatte  Ravenna  an  Ferrara  jährlich  2000  Ztr. 
Salz  unversteuert  abzugeben ;  das  Maß  beim  Zumessen  des  Salzes  sollte  das- 
selbe sein,  wie  es  vor  Beginn  des  Krieges  vor  4  Jahren  gewesen,  und  auch  in 
Zukunft  im  Salzhandel  mit  den  Ferraresen  so  bleiben ;  die  assazatores  salis 
waren  von  Ravenna  darauf  zu  vereiden,  daß  sie  den  ferraresischen  Kauf- 
leuten, die  Salz  einkauften,  ihr  richtiges  Maß  gaben.  Der  von  den  Ferra- 
resen zu  entrichtende  Salzzoll  durfte  nicht  mehr  als  3  sol.  parv.  für  den 
Zentner  und  2  den.  rav.  für  den  Korb  betragen;  auch  sollten  sie  frei  wählen 
dürfen,  wo  sie  in  Ravenna  ihr  Salz  kaufen  wollten;  die  von  Ravenna  ein- 
geführte Reihenfolge  der  Verkäufer  nach  dem  Lose  war  in  2  Jahren  für 
immer  aufzuheben. 

Im  übrigen  sollte  für  die  Ferraresen  in  Ravenna  vollständige  Verkehrs- 
und Handelsfreiheit  herrschen;   nur  bezüglich   des  Handels  mit  Brod  und 


omni  civitate  maritima  ingressae  per  ostia  Padi  naves  onerariae  maximae 
caveatae  etc.«  findet  sonst  in  den  Quellen  keinen  Anhalt;  Lenel  hat  der  anziehen- 
den und  lebhaften  Darstellung  dieser  späten  Quelle  zu   viel  Glauben  geschenkt. 

*)  Von  genuesischen  und  pisanischen  Schiffen,  wie  Lenel  55  annimmt,  ist 
in  ihr  nicht  die  Rede;  vielmehr  stellt  sie  Genuesen  und  Pisaner  als  gelegentlich 
zu  Lande  nach  Ferrara  kommende  Kaufleute  mit  den  Deutschen  auf  eine  Stufe. 

»)  Minotto  m,  1  p.  50. 

')  Näheres  Lenel  65  ff. 

*)  Winkelmann,  Philipp  S.  338.  Muratori,  Antitju.  IV,  373.  Theiner  I,  32. 
Tarlazzi  I,  72  no.  37. 

Sctaaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  45 


706  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

Wein  sollten  sie  an  die  besonderen  von  Ravenna  verordneten  Beschrän- 
kungen gebunden  sein  und  Salz  nur  von  den  Ravennaten  selbst,  auch  nicht 
von  den  Cerviensern  i),  kaufen  dürfen.  Die  gleiche  Verkehrsfreiheit  stand 
den  Ravennaten  in  Ferrara  zu ;  doch  durften  sie  Salz  stromauf  nur  bis  Fer- 
rara  führen  und  in  Ferrara  nur  an  Ferraresen  verkaufen ;  außer  mit  Brot 
und  Wein  war  auch  ihr  Handel  mit  Hanf  den  besonderen  von  Ferrara 
erlassenen  Bestimmungen  unterworfen.  Zölle  sollten  nur  in  der  von  dem 
alten  Vertrage  festgesetzten  Höhe  erhoben  werden  dürfen;  vom  Passierzoll 
in  Argenta  waren  die  Ferraresen  frei.  Endlich  übernahmen  beide  Städte 
die  Verpflichtung,  für  die  Sicherheit  der  Straßen  zu  Lande  und  zu  Wasser 
in  ihrem  Gebiet  und  gegebenenfalls  für  Schadenersatz  und  Bestrafung  von 
Übeltätern  Sorge  zu  tragen. 

Die  in  den  nächsten  Jahrzehnten  zwischen  Ferrara  und  Ravenna  nach 
den  nicht  selten  auftretenden  kriegerischen  Verwickelungen  geschlossenen 
Verträge 2)  enthalten  handelsgeschichtlich  bemerkenswerte  Tatsachen  nicht; 
der  Vertrag  Ravennas  mit  Venedig  von  1234  mußte  dann  eine  wesentliche 
Verminderung  seines  Handelsverkehrs  mit  Ferrara  zur  Folge  haben,  da  er 
die  Ausfuhr  der  wichtigsten  Erzeugnisse  Ravennas,  Getreide  und  Salz,  nach ; 
anderen  Orten  als  nach  Venedig  vollständig  ausschloß.^) 

556.  Von  den  bedeutenderen  Städten  der  Lombardei  war  Man-' 
tua  der  Adria  am  nächsten;  es  kam  seinem  Handelsverkehr  mit  der. 
Küste  zustatten,  daß  es  nicht  bloß  auf  den  guten  Willen  von  Fer- 
rara angewiesen  war,  sondern  auch  den  freilich  unbequemeren  Weg 
durch  veronesisches  Gebiet  zur  Etsch  und  weiter  nach  Venedig  wäh- 
len konnte.  Ende  1191  hat  es  sogar  einmal  mit  Verona  einen  Ver- 
trag zur  Herstellung  eines  Kanals  vom  Po  zur  Etsch  geschlossen,  der 
seine  Verbindung  mit  Venedig  von  Ferrara  unabhängig  machen  sollte,  il 

Zwar  war  Verona  damals  noch  mit  Venedig  verfeindet;  aber  schon 
stand  der  von  Mantua  lebhaft  befürwortete  Ausgleich  bevor;  und  in  dem 
Vertrage  selbst  bestimmte  man,  daß  Verona  wegen  seines  Verhältnisses  zu  |B 
Venedig  keine  Sperrung  dieses  Kanals  sollte  vornehmen  dürfen,  selbst  wenn  - 
seine  Aussöhnung  mit  Venedig  nicht  zustande  käme.  4)  Während  Mantua  dann 
am  Ende  des  Jahrhunderts  mit  Ravenna  in  engem  Bündnis  stand,  ist  der 
älteste  Vertrag  zwischen  Venedig  und  Mantua,  von  dem  wir  wissen,  1204 
geschlossen  ß) ;  leider  ist  er  noch  nicht  veröffentlicht.  Doch  auch  so  können 
wir  erkennen,  daß  der  Handelsverkehr  zwischen  den  beiden  Städten  ein 
ziemlich  reger  war.  Aus  dem  Jahre  1188  besitzen  wir  den  Eid,  den  ein 
Mantuaner,  Rodolfino  de  Zoto,  bei  seiner  Aufnahme  in  das  venezianische 
Bürgerrecht  leistete;  vor  allem  hatten  diese  naturalisierten  Fremden  zu  be- 
schwören, mit  ihrem  Bürgerrecht  in  keiner  Weise  die  Waren  Fremder,  sei 
es  bei  der  Ausfuhr  oder  der  Einfuhr,  zu  decken.*')     Mancherlei  Aufschluß  ^ 


')  Die  Lesart  bei  Tarlazzi  p.  72 :  emere  tan  tum  a  Ravennate  et  non  a  Cer- 
viense  nee  ab  alia  persona,  scheint  mir  doch  sinnentsprechender  als  die  bei  Mura- 
tori,  nach  der  der  Salzkauf  auch  bei  den  Cerviensern  erlaubt  gewesen  wäre. 

»)  Von  1212:  Murat.  Antiqu.  HI,  227;  1221:  IV,  435;  1227  ebd.  430. 

»)  Oben  §  532. 

*)  Cipolla  p.  306.     Unten  §  575. 

»)  d'Arco  Vn  no.  85  p.  170.     Lenel  40  A.  1. 

«)  Romanin  11,  412  f.  no.  4.     Statt:    »que  viri  Ven,  facere   nisi  sunt«    ist 
lesen:  »visi  sunt«. 


i| 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria       707 

erhalten  wir  auch  hier  aus  dem  Liber  plegioruni.  Im  Januar  1224  werden 
verschiedene  Venezianer  des  Diebstahls  an  einem  Mantuaner  beschuldigt; 
im  folgenden  Jahre  erlitt  der  Venezianer  Giovanni  Balbo  auf  dem  Wege 
nach  Mantua  durch  einen  Überfall  markgräflicher  Untertanen  bei  Ficcarolo 
einen  Verlust  von  40  1.  ^)  Im  Frühjahr  1224  transportierte  ein  Venezianer 
100  Ztr.  Feigen  nach  Mantua,  während  4  Mantuaner  in  drei  Posten  das 
fünffache  Quantum  derselben  Ware  und  ein  fünfter  Mantuaner  15  Ztr.  Käse 
ebendahin  ausführten.  2)  Im  Jahre  1236  exportierte  der  Venezianer  Leo- 
nardo Grimani  10  Fässer  Öl  nach  Mantua,  die  der  dortige  Podestä,  wir  wissen 
nicht  aus  welchem  Grunde,  konfiszieren  ließ;  der  neue  Podestä,  Graf  Riz- 
zardo  von  Verona,  hat  dann  im  folgenden  Jahre  Schadenersatz  in  Höhe 
von  80  1.  imp.  versprochen.^)  Aus  dem  Mantuanischen  ging  besonders  Wein 
nach  Venedig;  im  Herbst  1228  hat  der  Doge  in  drei  Fällen  Mantuanern, 
die  ihre  mit  Wein  beladenen  Barken  in  Loreo  liegen  hatten,  gegen  Bürg- 
schaft, daß  der  Wein  nicht  Ferraresen  gehöre,  die  Erlaubnis  gegeben,  mit 
ihren  Fahrzeugen  nach  Venedig  zu  kommen.4) 

In  der  Zeit  des  Krieges  zwischen  Venedig  und  dem  Kaiser  entstand 
eine  Differenz  zwischen  Venedig  und  Mantua,  weil  dieses  der  alten  Gewohn- 
heit zuwider  von  den  venezianischen  Kaufleuten  einen  Zoll  in  Form  eines 
Geleitsgeldes  zu  erheben  anfing.  Der  Protest,  den  Venedig  durch  seine  Ge- 
sandten Marino  Morosini  und  Giovanni  Quirini  einlegte,  fruchtete  anfänglich 
nichts;  doch  kam  es  zur  Zeit  des  Friedensschlusses  zwischen  Venedig  und 
dem  Kaiser  auch  mit  Mantua  zu  einer  Verständigung.  Mantuanische  Ge- 
sandte versprachen  am  11.  Oktober  1245  dem  Dogen,  als  Ersatz  für  den 
(3rhobenen  Zoll&)  5000  1.  ven.  zu  zahlen;  die  Bürger  beider  Städte  sollten 
zwischen  Venedig  und  Mantua  auf  dem  Po  wie  auf  den  hergebrachten 
öffentlichen  Straßen  völlige  Sicherheit  genießen  unter  der  Voraussetzung, 
daß  sie  die  für  Lebensmittel,  Pferde  und  Waffen  bestehenden  Verbote 
respektierten.  Das  Abkommen,  das  den  Venezianern  in  ihrem  Handels- 
verkehr mit  Mantua  volle  Abgabenfreiheit  von  neuem  garantierte,  sollte 
4  Jahre  in  Kraft  bleiben,  falls  nicht  inzwischen  ein  allgemeiner  Friedens- 
schluß erfolgte. 

557.  Auch  Brescia  stand  mit  Venedig  in  direktem  Handelsverkehr. 
Über  Mella  und  Oglio  führte  der  Wasserweg  nach  Venedig,  wobei  freilich 
mantuanisches  und  ferraresisches  Gebiet  passiert  werden  mußte;  sicher  ver- 
schaffte es  ihm  diesen  beiden  Städten  gegenüber  eine  günstigere  Stellung, 
daß  es  in  der  Lage  war,  auch  d(Mi  Weg  über  Verona  zu  wählen.  Im  Früh- 
jahr 1224  sehen  wir  unter  der  üblichen  Bürgschaftstellung  zwei  Kaufleute 
von  Brescia  212  Ztr.  Käse,  einen  dritten  50  Ztr.  Öl  und  einen  Venezianer 
100  Ztr.  Feigen  nach  Brescia  transportieren ;  auch  können  wir  einen  aus 
Brescia  stammenden  Spezereikaufmann  in  Venedig  nachweisen.  ^)  Als  Brescia 
1242  ausnahmsweise  vom  Dogen  die  Erlaubnis  zum  direkten  Bezüge  eines 
größeren  Quantums  Salz  erwirkt  hatte,  hatte  es  sich  über  Mantua  zu  beklagen. 


')  Lib.  pleg.  no.  40  u.  p.  176 ;  Minotto  III,  1  p.  27  f. 

«)  Lib.  pleg.  no.  63,  76  f.,  94,  100,  113.  Minotto  IV,  1  p.  27.  Erlaubnis  zum 
Besuch  der  Messe  von  Mantua  oben  §  549. 

»)  Lib.  pleg.  no.  720. 

*)  Ebd.  648,  661,  671.  In  einem  Fall  enthielt  die  »plata<  8,  in  einem  andern 
7  Faß. 

")  Pro  restitucione  tanse  ablate  vel  dacii  ablati  Venetis.    Minotto  HI,  1  p.  50. 

•)  Lib.  pleg.  no.  45;  118,  127;  84.    Minotto  IV,  1  p.  26. 

45* 


708  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

daß  dieses,  einem  früheren  Versprechen  zuwider,  das  von  Chioggia  kommende 
Salz  nicht  zollfrei  passieren  lassen  wollte ;  doch  ließ  sich  Mantua  schließlich 
zu  einem  beträchtlichen  Zollnachlaß  bewegen,  i) 

Die  bequeme  Wasserverbindung  rief  schon  früh  einen  lebhaften 
Verkehr  auch  zwischen  Cremona  und  Venedig  hervor. 

Im  Jahre  1173  erschienen  drei  kaufmännische  Konsuln  Cremonas  als 
Gesandte  ihrer  Kollegen  und  der  consules  majores  in  Venedig  und  schlössen 
am  28.  März  mit  dem  Dogen  Sebastiano  Ziani  einen  Vertrag,  in  dem  sich 
beide  Städte  für  ihre  Bürger  auf  den  Grundsatz  verpflichteten,  daß  ein  Gläu- 
biger sich  immer  nur  an  den  Schuldner  und  dessen  Hab  und  Gut  zu  halten 
habe ;  falls  aus  dessen  Mitteln  Befriedigung  nicht  zu  erlangen  sei,  so  müsse 
er  eben  den  Schaden  tragen.  Es  ist  einer  der  ältesten  gegen  die  Mißbräuche 
des  Represalienwesens  gerichteten  Verträge ;  außer  den  Unterhändlern  haben 
ihn  verschiedene  in  Venedig  weilende  Cremonesen  als  Zeugen  mitunter 
zeichnet.  2) 

Im  Frühjahr  1224  exportierten  4  Kaufleute  von  Cremona  60  Ztr.  Käse, 
50  Ztr.  Öl  und  zwei  Posten  von  je  100  Ztr.  Feigen  aus  Venedig  nach  Cre- 
mona 3);  zur  selben  Zeit  wurde  dem  Venezianer  Petrus  Osbergerius  der  Ex- 
port von  40  Ztr.  Öl  nach  Cremona  oder  Mantua  gestattet.  ^)  Cremona  war 
damals  seit  geraumer  Zeit  im  Bann  der  Kirche  und  diese  suchte  den  Trot: 
der  Stadt  dadurch  zu  brechen,  daß  sie  jeden  Verkehr  mit  ihr  verbot;  um 
der  Forderung  der  Kirche  äußerhch  zu  genügen,  hatte  der  Doge  auch  in 
einer  besonderen  Verordnung  auf  die  Beachtung  dieses  Verbots  hingewiesen, 
ohne  derselben  indessen  irgendwie  Nachdruck  zu  verleihen.  Als  Venedig 
aber  wegen  dieses  laxen  Verhaltens  am  1.  Mai  1225  im  Auftrage  des  Papstes 
mit  dem  Interdikt  belegt  wurde  ^),  suchte  die  Signorie  die  Kirche  doch  durch 
entschiedenere  Maßregeln  zu  beschwichtigen.  Am  9.  Juni  berief  der  Doge 
alle  Sensale  Venedigs  zu  sich  und  verbot  ihnen  bei  Strafe,  ohne  seine  be- 
sondere Erlaubnis  Handelsgeschäfte,  bei  denen  ein  Cremonese  beteiligt  sei, 
zu  vermitteln  oder  sonst  Verkehr  mit  Cremonesen  zu  unterhalten;  selbst 
das  bloße  Sprechen  mit  einem  Cremonesen  sollte  ihnen  verboten  sein.*») 
Daraufhin  wird  die  Aufhebung  des  Interdikts  wohl  erfolgt  sein;  immerhin 
gibt  es  zu  denken,  daß  Venedig  eine  förmliche  Handelssperre  über  Cremona 
auch  damals  nicht  verhängt  zu  haben  scheint.  Nach  der  1228  aufgezeich- 
neten Zollordnung  Ferraras  transitierten  die  von  Cremona  auf  dem  Po  nach 
Venedig  weitergehenden  Waren  offenbar  auf  Grund  älterer  Verträge  ab-_ 
gabenfrei. ') 

558.  Erheblich  schwieriger  und  darum  auch  weniger  lebhaft  war 
der  Verkehr  zwischen  Venedig  und  Mailand,  das  weit  mehr  nacli 
Genua  gravitierte. 

Mit  dem  Kreuzzuge  von  Damiette  hängt  es  wohl  zusammen,  wenn  im 
August  1219  die  Gesandten  Mailands,  Albertus  de  Van9olo  und  Aselerius  de 


II 


1)  Winkelmann,  Acta  I,  538  no.  680  f. 

»)  Prutz  II  p.  373. 

»)  Lib.  pleg.  no.  108,  66,  79,  92. 

*)  Ebd.  106. 

=>)  Ficker  IV,  342—845.     Winkelmann  I,  266. 

6)  Minotto  IV,  1  p.  36.    Lib.  pleg.  no.  290. 

')  Muratori,  Antiqu.  II,  31. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  11.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.     709 

Trivulcio,  dem  Dogen  bescheinigen,  daß  er  ihnen  dem  Abkommen  gemäß 
<lie  zmn  Transport  von  11000  Ztr.  erforderhchen  Schiffe  zur  Verfügung  ge- 
stellt habe.i)  Doch  ergeben  sich  aus  dem  Liber  plegiorum  auch  reine 
Handelsbeziehungen  der  beiden  Städte  [  im  Frühjahr  1224  sehen  wir  zwei 
Mailänder  50  Ztr,  Öl  aus  Venedig  nach  ihrer  Heimat  transportieren,  während 
ein  dritter  die  Herausgabe  von  25  Dutzend  »ovetarum«  und  verschiedener 
Seiden-  und  Zwirnwaren,  die  bei  einem  der  Sekretäre  des  Dogen,  Wilhelm 
von  Novara,  deponiert  waren,  beansprucht;  da  er  Bürgschaft  für  den  Fall, 
daß  jemand  anders  sein  Besitzrecht  an  diesen  Waren  nachweisen  könnte, 
anbot,  so  wurde  seinem  Anspruch  stattgegeben.  In  einem  Falle  geht  der 
Transport  noch  über  Mailand  hinaus;  im  März  1224  hat  Petraco  von  Como 
nnt«r  üblicher  Bürgschaftsleistung  30  Ztr.  Öl  von  Venedig  nach  seiner  Heimat- 
stadt exportiert.  2)  • 

559.  Aus  der  Zollordnung  von  Ferrara  von  1228  ergibt  sich, 
daß  auch  noch  andere  lombardische  Städte,  »wenn  auch  gewiß  nur 
verhältnismäßig  selten,  für  den  Handelsverkehr  mit  Venedig  in  Be- 
tracht kamen.  ^) 

Am  günstigsten  stand  unter  ihnen  Parma,  das  in  Ferrara  für  seinen 
Transit  nach  Venedig  abgabenfrei  war ;  P  a  v  i  a  hatte  nur  eine  Schiffsgebühr 
zu  zahlen;  Bergamo,  dessen  Tuche  in  Venedig  in  dieser  Zeit  auch  sonst 
nachweisbar  sind  4),  hatte  einen  Zoll  vom  Ballen  (pro  torsello)  zu  entrichten, 
während  Placentiner,  die  über  Ferrara  nach  Venedig  wollten,  für  die 
zwanzig  kleine  Zentner  fassende  Karrenlast  12  den.  imp.  zu  steuern  hatten. 
Der  Satz  erscheint  ziemlich  hoch ;  bei  seinen  engen  Beziehungen  zu  Genua, 
seinem  Gegensatz  zu  Cremona  und  Parma  und  der  infolge  der  Kämpfe  der 
Uferstaaten  nur  zu  häufig  mangelnden  Sicherheit  der  Schiffahrt  durch  eine 
Reihe  von  fremden  Stadtgebieten  wird  Piacenza  von  seiner  scheinbar  so 
günstigen  direkten  Wasser  Verbindung  mit  Venedig  nicht  oft  Gebrauch  ge- 
macht haben.  Nicht  unerwähnt  soll  bleiben,  daß  in  den  Verträgen,  die 
Venedig  mit  den  deutschen  Herrschern  im  12.  Jahrhundert  schloß,  nunmehr 
innerhalb  des  Geltungsbereichs  der  königlichen  Privilegien  auch  Piacenza 
(neben  den  schon  früher  genannten  Cremona,  Mailand,  Pavia)  besonders 
aufgezählt  wird.*^) 

Über  den  Handelsverkehr  zwischen  der  Lombardei  und  Ravenna 
fließen  die  Nachrichten  nur  sehr  spärlich ;  offenbar  war  er  in  früheren 
Zeiten  erheblich  stärker  als  gegen  Ende  unserer  Periode,  wo  der  Ver- 
trag Ravennas  mit  Venedig  die  Ausfuhr  von  Lebensmitteln  und  Salz 
von  Ravenna  nach  der  Lombardei  völlig  unterbunden  hatte. 

Das  Privileg  König  Lothars  für  die  ravennatische  Kirche  S.  Maria  in 
Portu  von  1137  gestattete  ihr  die  abgabenfreie  Ausfuhr  von  Salz  nach  der 
Lombardei,  insbesondere  nach  Mantua,  Cremona  und  Pavia  ^) ;  imd  Salz  von 
Cervia  begegnet  1238  als  Zinsleistung  an  die  bischöfliche  Kirche  von  Parma.'^) 

•)  Minotto  IV,  1  p.  23 :  tot  navcs  in  quibus  ponebant  1100  milliara  secundum 
conventionem  eorum. 

2)  Lib.  pleg.  no.  91,  130. 

»)  Muratori,  Antiqu.  U,  30  f. 

*)  Lib.  pleg.  no.  352  (c.  1225). 

'•")  Zuerst  im  Pactum  von  1111 ;  Const.  et  acta  I,  152  no.  101. 

«)  St.  3347.     Bernhardi,  Lothar  p.  679. 

■)  Affö  III,  363  no.  61. 


710  Sechsund  vierzigstes  Kapitel. 

Die  Zollordnung  Ferraras   von    1228   zeigt    uns    endlich    auch ,    daß    berga- 
maskische  Kaufleute  über  Ferrara  mit  Ravenna  zu  verkehren  pflegten.i) 

560.  Auch  für  die  Hauptorte  der  Emilia  war  nicht  Ravenna, 
sondern  Venedig  der  eigentliche  Seehafen. 

Die  Modenesen  hatten  in  der  Lagunenstadt  in  der  Parochie  San 
Giovanni  di  Rialto  ihre  besondere  Herberge ;  ihr  Herbergswirt,  Flogerio  von 
Cremona,  bürgte  am  31.  Mai  1227  für  die  beiden  Modenesen  Corradino  de 
Magistro  und  Bonomi  von  Parma,  die  am  18.  April  mit  der  Signorie  einen 
Vertrag  geschlossen  hatten,  durch  den  sich  jeder  der  beiden  zur  Lieferung 
von  je  25  Mastbäumen  und  je  25  Segelstangen  in  vorgeschriebener  Größe 
und  Dicke  bis  Ende  Juni  verpflichtete,  falls  ihre  Vaterstadt  nicht  etwa  die 
Holzausfuhr  untersagte ;  außer  dem  Preise  von  5  1.  für  je  einen  Mastbaum 
und  eine  Segelstange  Avurde  ihnen  die  Erlaubnis  zugesichert,  18  Scheffel 
(staja)  Weizen  abgabenfrei  von  Venedig  nach  Modena  exportieren  zu  dürfen.^) 

Wie  für  Modena  der  Panaro,  so  vermittelte  für  Bologna  der  Reno 
die  Verbindung  mit  dem  Po  und  weiterhin  nach  Venedig.  Schon  1116 
gebot  Kaiser  Heinrich  V.,  daß  niemand  die  Bolognesen  in  der  Schiffahrt 
poabwärts  nach  Venedig  irgendwie  behindern  dürfe,  s)  In  dem  Vertrage 
zwischen  Bologna  und  Ferrara  von  1193  wurde  bestimmt,  daß  Bolognesen, 
die  mit  einem  beladenen  Fahrzeug  über  Ferrara  nach  Venedig  gingen,  eine 
Schiffsgebühr  von  2  sol.  ferr.  und  ebensoviel  an  Zoll  für  jede  Last  zu  zahlen 
hätten ;  bei  der  Rückkehr  sollten  sie  dann  abgabenfrei  sein,  sowohl  für  das 
Schiff,  falls  sie  nämlich  mit  demselben  Fahrzeug  heimkehrten,  wie  für  die 
Ladung,  soweit  sie  nur  aus  dem  Erlös  der  auf  der  Hinreise  mitgeführten 
Waren  angekauft  war.'*)  In  der  Zeit  der  ferraresischen  Wirren  sehen  wir 
einen  venezianischen  Kaufmann  auf  dem  Wege  nach  Bologna,  einen  andern 
auf  der  Heimkehr  von  der  bolognesischen  Messe  im  September  1225  zu 
Massa  Bragantini  durch  Räubereien  empfindliche  Verluste  erleiden.^) 

Im  Juli  1227  schlössen  bolognesische  Gesandte  mit  Venedig  einen 
Vertrag,  der  den  beiderseitigen  Untertanen  Schutz  und  Handelsfreiheit,  vor- 
behaltlich der  Erhebung  der  in  beiden  Gebieten  herkömmhchen  Abgaben, 
verbürgte  und  das  bei  Differenzen  einzuschlagende  Verfahren  in  der  üblichen 
Weise  regelte,  ß)  Bei  der  Ausfuhr  aus  Bologna  spielte  der  Wein  eine  Haupt- 
rolle ;  der  in  Venedig  wohnende  Bolognese  Giovanni  Bono  erhielt  im  Jahre 
1228  von  der  Signorie  die  Erlaubnis,  20  Amphoren  Wein,  die  für  ihn  schon 
in  Loreo  lagerten,  nach  Venedig  kommen  zu  lassen,  wobei  er  Bürgschaft 
dafür  leisten  mußte,  daß  der  Wein  nicht  ferraresischer  Herkunft  sei.  Ana- 
loge Bürgschaften  wurden  zur  selben  'Zeit  auch  für  Vidolino  von  Faenza 
imd  Ottolino  von  Forli  geleistet^);  alle  diese  Weintransporte  sind  also 
offenbar  von  Ravenna  aus  auf  kleinen  Küstenfahrern  nach  Loreo  und  von 
hier  durch  die  Lagunen  weiter  nach  Venedig  gekommen.  Für  die  Be- 
ziehungen Bolognas  zu  Ravenna  kennen  wir  einen  Freundschaftsvertrag  vom 
Oktober  1201,   allgemeinen  Inhalts;    1249   erstrebte   Bologna,   hauptsächlich 


*)  Muratori,  Antiqu.  II,  31. 

*)  Lib.  pleg.  no.  528,  541.     Minotto  III,  1  p.  37 ;  IV,  1  p.  43. 

»)  Savioli  I,  2  p.  155. 

*)  Ebd.  172.     Muratori,  Antiqu.  H,  891 ;  IV,  447. 

»)  Lib.  pleg.  p.  177  f. 

«)  Minotto  IV,  1  p.  44. 

')  Lib.  pleg.  no.  690,  652,  714.     Minotto  III,  1  p.  39,  41. 


Handelsverkehr  zwischen  dem  Binnenlande  u.  d.  Seeplätzen  d.  Adria.      711 

im  Interesse  seines  Salzbezugs,  eine  enge  Zollunion  mit  Ravenna,  allerdings 
ohne  damit  Gegenliebe  zu  finden  i) ;  ferner  wissen  wir,  daß  die  bolognesischen 
Wechsler  auch  die  Messen  von  Ravenna  und  Rimini  bezogen.  Im  Verkehr 
mit  Ancona  bemühte  sich  Bologna  energisch,  die  grundsätzlich  gleiche  Zoll- 
behandlung der  Kaufleute  von  beiden  Seiten  durchzusetzen  2),  und  daß  bo- 
lognesische  Kaufleute  auch  in  Fermo,  wenn  auch  nicht  immer  unbelästigt, 
verkehrten,  geht  aus  dem  Schreiben  Friedrichs  II.  an  den  Papst  vom  29.  Fe- 
bruar 1220  hervor.'^) 

561.  Auch  über  den  Apennin  hinüber  dehnten  sich  die  Handels- 
beziehungen Venedigs  früh  aus. 

Schon  seit  der  Zeit  Heinrichs  V.  machen  die  Pacta  mit  Venedig,  offen- 
bar auf  den  Wunsch  der  Venezianer,  auch  die  toskanischen  Städte  Pisa, 
Lucca  und  Florenz  namhaft  4);  den  Toskanern  allerdings  untersagte  der 
Kaiser  im  Jahre  1116  die  Überschreitung  der  via  Aemilia.  5)  Ein  Jahrhundert 
später  aber  sehen  wir,  daß  die  Toskaner  schon  besondere  Verkaufsbuden 
in  Venedig  hatten ;  im  April  1226  äußerte  man  in  Venedig  den  Verdacht, 
daß  diese  Toskaner  an  einem  in  Venedig  vorgekommenen  Morde  beteiligt 
sein  könnten.6)  Im  Jahre  zuvor  wurden  toskanische  Kaufleute  im  Gebiet 
von  Cavarzere  ihrer  Waren  im  Werte  von  400  1.  beraubt;  die  Gemeinde 
suchte  die  Schuld  zwar  auf  Ferraresen  abzuwälzen,  aber  die  venezianischen 
Behörden  gingen  mit  Strenge  vor,  ließen  8  Personen  aus  Cavarzere  Kaution 
für  die  Rückerstattung  des  geraubten  Gutes  stellen  und  deckten  schließlich 
den  Betrag  durch  Vornahme  von  Konfiskationen.'')  Bestimmt  namhaft  ge- 
macht werden  uns  unter  den  Toskanern  die  Lucchesen.  Am  24.  Dezem- 
ber 1224  stellen  die  Lucchesen  Bonaventura  Stefani  und  Rpstico  Roma- 
gnolo  Kaution  für  die  vorläufige  Freilassung  eines  wegen  angeblicher  Betei- 
ligung an  einem  Diebstahl  verhafteten  Landsmannes,  indem  sie  versprachen, 
ihn  unverzüglich,  sobald  die  Aufforderung  dazu  in  ihre  Herberge  gekommen 
sein  würde,  dem  Dogen  zu  stellen.  ^)  Öfter  begegnen  wir  auch  toskanischen 
Stoffen  im  venezianischen  Handel,  so  einmal  24  Stück  purpurnen  Tuches 
von  Lucca 3)  und  in  mehreren  Fällen  florentinischen  Tuchen;  so  wies  z.  B. 
das  Inventar  eines  venezianischen  Tuchladens  am  Rialto  im  Jahre  1225 
6  Stück  solchen  Tuches  auf.io)  Können  wir  danach  mit  Sicherheit  an- 
nehmen, daß  auch  die  florentinischen  Kaufleute  damals  in  Venedig  nicht 
mehr  fehlten,  so  beruht  doch  die  Annahme,  daß  Florenz  und  Venedig  schon 
am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  einen  Vertrag  miteinander  geschlossen  hät- 
ten, auf  einem   bloßen  Mißverständnis. n)     Auch    die  sienesischen  Kauf- 

0  Savioli  U,  2  p.  281;  m,  2  p.  293  f.  no.  652  f. 

^]  Stat.  Camps.  (1245)  ruh.  41  (Stat.  Sog.  Bol  n,  77). 

»)  Theiner  I,  49  no.  71.     Rodenberg  I  no.  109. 

*)  Const.  et  acta  I  no.  102.  Mit  Recht  hebt  Lenel  53  A.  3  hervor,  daß  eine 
Erweiterung  der  venezianischen  Privilegien  darin  nicht  lag.  Auch  lag  darin  keines- 
wegs eine  Schädigung  des  Handels  der  toskanischen  Städte  durch  den  Kaiser,  wie 
Davidsohn  I,  791  annehmen  zu  müssen  glaubt. 

••)  Unten  §  563. 

«)  üb.  pleg.  no.  376. 

^  Ebd.  180,  293,  309.     Minotto  IV,  1  p.  36,  38. 

«)  Lib.  pleg.  no.  213. 

«)  Ebd.  p.  174. 

>")  Ebd.  no.  233,  352.    Minotto  IV,  1  p.  34. 

'')  Am  14.  August  1201  wurden  Verhandlungen  zwischen  zwei  Ratsherrn  von 
Florenz   als  Vertretern   ihrer  Stadt  und  Jacobus  Rose,   protomagister   de    Venetiis, 


712  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

leute  haben  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  in  Venedig  festen  Fuß  ge- 
faßt; die  Handelsgesellschaft  der  Piccolommi  hat  im  Januar  1250  den  Ranieri 
di  Rustichino  Piccolomini  zu  ihrem  Generalbevollmächtigten  für  Venedig 
und  das  Gebiet  des  Patriarchen  von  Aquileja  ernannt,  i) 


Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Märkte  und  Messen. 

562.  Der  periodische  Handel  weist,  was  die  Wochen-  und  Jafi? 
markte  anbetrifft,  gegen  die  Zeit  vor  den  Kreuzzügen  ^j  im  allgemeinen 
keine  erheblichen  Änderungen  auf,  nur  daß  die  Bedeutung  der  städti- 
schen Märkte  gegen  früher  noch  wesentlich  gewachsen  ist.  Lehrreich 
für  diese  Bedeutung  ist,  was  von  Lodi  berichtet  wird. 

Nach    der   Zerstörung   der  Stadt   durch   das   überlegene   Mailand   im 
Jahre  1111  siedelten  sich  die  Bewohner  in  sechs  neuen  Ortschaften  (burgi) 
um   die  alte  Stadt  herum  wieder  an;   auch  den  herkömmlich  am  Dienstag 
abgehaltenen  Wochenmarkt  richteten  sie  in  der  größten  dieser  Ortschaften,  fl 
dem  burgum  Placentinum,  wieder  ein.     Nach  und  nach  wuchs  die  Wichtig- ' 
keit  dieses  Marktes ;  von  Piacenza  und  Cremona,  Crema  und  Bergamo,  Pavia 
und  Mailand  selbst  wurde  er  stark  beschickt;   die  Besucher  nahmen  Her- 
berge in  den  Häusern  der  Lodesanen,  so  daß  sich  ein  für  diese  höchst  ein-  s 
träglicher  Verkehr  entwickelte.     Das   erweckte  schUeßlich  die  Handelseifer- 
sucht der  Mailänder ;  gewaltsam  verlegten  sie  den  Markt  fort  auf  eih  offenes, 
unbewohntes  Feld   ohne  Rücksicht   auf   die   schwere  Schädigung  der  Lode- 
sanen, die  im  Jahre  1153  ihre  Klagen  vor  dem  neuen  Könige  Friedrich  in 
Konstanz  zu  Gehör  brachten,  s) 

Bei  neugegründeten  oder  emporkommenden  Orten  findet  sich  natür- 
lich auch  jetzt  die  Neuverleihung  von  Märkten;  so  hat  Sarzana  am  3.  No- 
vember 1163  vom  Kaiser  das  Recht  erhalten,  jeden  Sonnabend  einen  Markt 
(mercatum  solemne)  an  dem  Ort,  der  den  Konsuln  dafür  als  der  geeignetste 
erscheinen  würde,  abzuhalten ;  weder  in  Luni  selbst  noch  in  der  Grafschaft 
sollte  ein  Markt   eingerichtet  werden  dürfen,   der  diesem  schädHch  werden 


11 


i 


durch  eine  Schlußerklärung  des  letzteren  beendet,  in  der  er  zugleich  im  Namen 
seiner  Erben  oder  etwaiger  Bevollmächtigten  sich  für  befriedigt  erklärte  und  auf 
die  Erhebung  aller  weiteren  Forderungen  für  immer  verzichtete  (finivit,  refutavit, 
remisit,  pactumque  de  non  ulterius  petendo  fecit  et  modis  omnibus 
abrenuntiavit  imperpetuum).  Vermutlich  ist  er  also  auf  einer  Reise,  vielleicht  nach 
Rom,  Gegenstand  eines  Angriffs  auf  florentinischem  Gebiet  gewesen.  Daß  es  sichÄ 
in  dieser  Urkunde  (Santini  p.  27  no.  73)  nicht  um  die  Rückgängigmachung  eines  ■ 
Staatsvertrages  handelt,  wie  Davidsohn  I,  634  annimmt,  geht  übrigens  schon  daraus 
hervor,  daß  der  Protomagister  gar  nicht  als  Vertreter  von  Venedig  bezeichnet  wird, 
sondern  rein  als  Privatperson  handelt. 

1)  F.  Piccolomini  Bandini:  Carte  mercantili  Piccolomini  del  sec.  Xin  in: 
Mise,  storica  senese  V  (1897),  74.  Im  Jahre  1253  erhielt  Ranieri  einen  Nachfolger 
in  dieser  Stellung. 

»)  Oben  §  56  f. 

')  Otto  Morena ;  SS.  XVUI,  588.    S.  Giesebrecht  V,  26,  31  f.,  40. 


i 


Märkte  und  Messen.  713 

könnte.  1)  Als  sich  die  Konsuln  am  22.  April  1201  mit  Bischof  Walter  von 
Luni,  der  seinen  Sitz  in  dieser  Zeit  nach  Sarzana  verlegte,  verständigten, 
bestimmte  man,  daß  die  Aufstellung  von  Wechslerbänken  am  Sonnabend 
und  an  den  4  Jahrmarktstagen  nur  mit  Genehmigung  des  Bischofs  (der 
natürlich  dafür  eine  Gebühr  erhob)  erfolgen  dürfe  2);  jede  Verlegung  eines 
Markttages  sollte  des  Einverständnisses  zwischen  Bischof  und  Konsuln  be- 
dürfen und  die  gleichzeitige  Verlegung  des  Wechslergeschäfts,  das  hier  an 
der  großen  Frankenstraße  offenbar  von  besonderer  Wichtigkeit  war,  zur  Folge 
haben.  Die  Bußen  für  Führung  von  falschem  Maß  und  Gewicht,  die  sonst 
zwischen  Bischof  und  Gemeinde  geteilt  wurden,  sollten  an  Markttagen  dem 
Bischof  allein  zufallen.  Im  Jahre  1180  beschloß  Brescia,  bei  der  neu  errich- 
teten Feste  von  Casalolto  nahe  der  mantuanischen  Grenze  jeden  zweiten 
Dienstag  einen  Markt  stattfinden  zu  lassen,  bei  dem  allen  Brescianern  Ab- 
gabenfreiheit zugesichert  war.^)  Und  als  es  sich  1217  um  die  Gründung 
von  Borgofranco  handelte,  bestand  eine  der  Forderungen  der  Unternehmer 
an  Vercelli  darin,  daß  »mercata  et  nundinae«  in  dem  Orte  eingerichtet 
würden;  in  einem  Vertrage  vom  4.  April  1184  gestattete  Treviso  den  Leuten 
von  Conegliano  die  Abhaltung  von  6  Jahrmärkten  neben  dem  Kastell  des 
Ortes.4) 

563.  Am  wichtigsten  ist  die  Entwickelung,  die  das  Meßwesen 
in  unserem  Zeitraum,  ganz  besonders  in  der  Zeit  nach  dem.  dritten 
Kreuzzuge,  erfahren  hat.  Dabei  ist  ein  Unterschied  vor  allem  be- 
merkensw^ert :  Binnenstädte ,  die  den  Außenhandel  besonders  eifrig 
pflegten,  deren  Kaufleute  jenseits  der  Alpen  eine  umfangreiche  Han- 
delstätigkeit entfalteten,  wie  die  toskanischen  Plätze  und  Asti,  ent- 
behren der  großen  Messen  ganz,  während  die  besuchtesten  Messen 
ganz  überwiegend  gerade  an  den  Orten  zu  finden  sind,  die  wie  Fer- 
rara,  Mantua,  Verona,  Bergamo  jede  Beteiligung  am  Aktivhandel 
außerhalb  Italiens  vermissen  lassen.  Damit  hängt  zusammen,  daß 
der  Osten  Ober-Italiens  an  solchen  Messen  ebenso  reich  ist,  wie  sie 
dem  Westen  und  Toskana  mangeln ;  jene  Plätze  des  Ostens  erscheinen 
vorzugsweise  als  Stapelplätze,  deren  Streben  darauf  gerichtet  war, 
den  Handel  möglichst  an  sich  heranzuziehen,  nicht  aber  darauf,  selbst 
Fernhandel  zu  treiben.  Gewisse  Abweichungen  von  der  hierin  wahr- 
zunehmenden Regel  fehlen  auch  hier  nicht;  Bologna,  das  sich  von 
den  anderen  Städten  des  Ostens  durch  seine  kommerzielle  Aktivität 
unterscheidet,  gehört  trotzdem  zugleich  zu  den  bedeutendsten  Meß- 
plätzen des  Ostens;  und  im  Westen  sehen  wir  das  am  Fernhandel 
lebhaft  beteiligte  Piacenza  wenigstens  bemüht,  zugleich  auch  ein  wich- 
tiger Meßplatz  zu  werden. 

')  Winkelmann,  Acta  II,  888  uo.  1235.  Die  unzweifelhafte  Echtheit  dargetan 
von  Scheffer-Boiehorst  p.  168  S. 

*)  Nemo  die  sabhati  erigat  tabulam  ad  cambiandum  in  ipso  loco  sine  con- 
cessione  episcopi  etc.     Chart.  II  no.  1709  p,  1215  ff. 

»)  Lib.  Potheris  p.  23  (16.  März). 

*)  Chart.  I  no.  830;  Minotto  II,  1  p.  11.  P^inrichtung  eines  Jahrmarkts  in  Citta- 
della  am  Lukastage  durch  Padua;  Stat.  Päd.  no.  567  p.  183.  Markt  in  Cividale: 
Pertile  A.  Storia  del  diritto  ital.  II,  520  A.  372. 


714  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Besonders  dicht  gedrängt  finden  wir  die  großen  Messen  in  der  Gegend 
der  Annäherung  von  Etsch  und  Po.  Hier  gelangten  die  beiden  alten  Messen 
von  Ferrara  zu  blühender  Entwickelung ;  für  ihre  hohe  Bedeutung  schon 
am  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  spricht  es,  daß  Kaiser  Heinrich  V.  in  seinem 
Privileg  für  Bologna  von  1116  den  Toskanern,  denen  er  im  Interesse  Bo- 
lognas die  Überschreitung  der  via  Aemilia  zu  Handelszwecken  im  allgemeinen 
untersagte,  doch  den  Besuch  dieser  beiden  Messen  freigab,  i)  In  seinem 
großen  Privileg  vom  24.  Mai  1164  überließ  Kaiser  Friedrich  der  Stadt  Fer- 
rara die  Hälfte  der  Einkünfte  aus  der  Martinimesse ;  und  Erzbischof  Romuald 
von  Salerno  berichtet  als  Augenzeuge  von  der  großen  Menschenmasse,  die 
die  Palmsonntagsmesse  im  Jahre  1177  besuchte  und  so  gerade  zurecht  kam, 
um  dem  Papste  Alexander  III.,  der  Venedig  am  9.  April  zu  Schiff  verlassen, 
in  Loreo  übernachtet  hatte  imd  am  folgenden  Tage  auf  dem  Po  in  Ferrara 
ankam,  einen  festlichen  Empfang  zu  bereiten 2);  da  es  der  Sonntag  vor  Pal- 
marum war,  so  läßt  sich  daraus  auf  eine  mindestens  14tägige  Dauer  dieser 
Messe  schließen. 

Auf  den  Umkreis,  aus  dem  die  Besucher  dieser  Messen  stammten, 
wirft  die  1228  aufgezeichnete  Zollordnung  von  Ferrara  ein  helles  Licht; 
außer  ganz  Ober-  und  Mittel-Italien  sehen  wir  auch  Apulier,  Franzosen  und 
Deutsche  an  diesem  Verkehr  beteiligt.  Näheres  erfahren  wir  aus  den  Ver- 
trägen, die  Ferrara  mit  seinen  Nachbarn,  so  mit  Bologna  1193,  mit  Modena 
1198,  1212  und  1220,  mit  Mantua  1208  und  1216  abgeschlossen  hat.  3) 

564.  Im  Vertrage  von  1198  verpflichtete  sich  Ferrara,  den  modenesi- 
schen  Kaufleuten  auf  seinen  Messen  wie  auf  allen  anderen  Märkten  seines 
Gebiets  ihre  Plätze  ganz  nach  dem  Wunsche  der  kaufmännischen  Konsuln 
Modenas  anzuweisen,  nachdem  zunächst  die  Plätze  für  die  Ferraresen  selbst 
belegt  waren.  Unter  den  Kaufleuten,  die  ihre  Waren  auf  diesen  Messen 
vertrieben,  spielten  die  Tuchhändler  die  erste  Rolle.  Eine  ganze  Zeile  (bina) 
war  den  lombardischen  draperii  eingeräumt,  unter  denen  die  mailändischen 
besonders  erwähnt  werden;  neben  ihnen  hatten  die  mantuanischen  ihre 
Stände,  in  denen  sie  ihre  farbigen  Tuche  verkauften.  Eine  besondere  Zeile 
wieder  hatten  nach  altem  Herkommen  die  Modenesen  zum  Verkaufe  ihrer 
starken  Tuche  (drappi  grossi)  inne,  während  auch  die  Bolognesen  mit  ihren 
großen  Tuchen  *)  ihren  eigenen  Standort  hatten.  Alle  diese  italienischen 
Tucher  brachten  also  hier  ihre  eigenen  Fabrikate  oder  doch  die  ihrer  en- 
geren Landsleute  zu  Markt.  Nächst  ihnen  spielten  die  Kürschner  (pelliparii) 
die  wichtigste  Rolle;  war  doch  in  diesen  Zeiten  der  Verbrauch  der  Rauch- 
waren jeder  Art  ein  verhältnismäßig  weit  bedeutenderer  als  heutzutage.^) 
Die  mantuanischen  Kürschner  hatten  ihre  Stände  nach  altem  Herkommen 
den  ferraresischen  gegenüber,  während  die  Buden  der  modenesischen  in  der 
Verlängerung  der  Zeile  der  Kürschner  von  Ferrara  aufgeschlagen  wurden. 
Ebenso  sollten  nach  dem  Vertrage  mit  Mantua  von  1208  auch  die  übrigen 

1)  St.  3140.  Savioli  1,  2  p.  156.  Vgl.  Lenel  53.  Ein  Beleg  für  den  Besuch 
der  Martinimesse  durch  Florentiner  bei  Davidsohn  I,  795   A.  1    für   das  Jahr  1197. 

«)  St.  4015.     SS.  XIX,  444.     Giesebrecht  V,  820  ff.     Lenel  53. 

')  Bologna:  Muratori,  Antiqu.  II,  893;  IV,  449  f.  Savioli  H,  2,  173.  PertUe, 
Storia  del  diritto  it.  11,  520.  Modena:  Muratori,  Antiqu.  II,  889;  IV,  711  und  431. 
Mantua:  Ebd.  II,  873;  IV,  426. 

*)  Mercatores  panni  majoris ;  Murat.  Ant.  11,  893.  Bei  Savioli  heißt  es  panis, 
bei  Mur.  Ant.  IV,  450  pannis. 

»)  Ein  mercatum  pelliarum  salvaticarum  in  Mailand  (1219),  Leg.  Munic.  11,  957 . 


Märkte  und  Messen.  715 

Gewerbetreibenden  (ceteri  nostri  paratici)  nach  der  herkömmlichen  Ordnung 
untergebracht  werden,  während  sich  Modena  für  seine  Krämer  (merzarii) 
ausbedang,  daß  sie  in  der  gleichen  Zeile  wie  ihre  ferraresischen  Berufs- 
genossen Buden  in  beliebiger  Zahl  erhielten.  Nicht  fehlen  durften  natürlich 
auch  die  Bänke  der  Wechsler,  von  denen  uns  die  der  Bolognesen  und  Mo- 
denesen  besonders  genannt  werden.  Aus  dem  Statut  der  bolognesischen 
Wechsler  von  1245  ergibt  sich  manches  bemerkenswerte  Detail.  Danach 
pflegten  die  Wechsler  von  einem  ihrer  Konsuln  zu  den  fremden  Messen 
begleitet  zu  werden  und  die  Stadt  gab  ihm  auf  ihre  Kosten  einen  Judex 
als  Rechtsbeistand  mit.  Rechtzeitig  ließen  die  Konsuln  an  alle  Wechsler- 
geschäfte die  Aufforderung  ergehen,  wegen  der  Erlangung  von  Wechsler- 
ständen Meldungen  einzureichen;  die  Stände  wurden  dann  durch  ein  Los- 
verfahren  verteilt,  an  dessen  Ergebnis  unverbrüchlich  festgehalten  werden 
mußte.  Wer  sich  zu  spät  meldete,  erhielt,  wenn  es  sich  noch  machen  ließ 
einen  Platz  an  letzter  Stelle.  Nach  dem  Statut  sollten  die  Konsuln  6  Tage 
vor  der  Palmsonntagsmesse  einen  Unterhändler  nach  Ferrara  schicken,  der 
wenn  nötig  auch  unter  Aufwendung  von  Geldmitteln  besonders  bei  den 
»factores  binarum«  die  Aufstellung  geräumigerer  Stände  für  die  Wechsler 
von  Bologna  erwirken  sollte.  ^)  Vervollständigt  wurde  das  bunte  Jahrmarkts- 
treiben durch  allerlei  fahrendes  Volk ;  als  Wolfger,  der  Bischof  von  Passau 
und  Patriarch  von  Aquileja,  1204  zur  Zeit  der  Palmsonntagsmesse  durch 
Ferrara  reiste,  gab  er  außer  3  1.  imp.  für  Tuche  auch  je  5  sol.  mezzanorum 
für  eine  Sängerin,  einen  alten  Gaukler  in  rotbrauner  Tunika  und  einen  an- 
deren »vociferator«  aus.  2) 

Alle  Fremden,  die  mit  ihren  Waren  zur  Messe  kamen,  waren  grund- 
sätzlich während  eines  14tägigen  Aufenthaltes  in  der  Zeit  unmittelbar  vor 
und  während  der  Messe  vom  Uferzoll  befreit ;  auch  die  sonst  bei  der  Abreise 
an  die  Zolleinnehmer  zu  entrichtende  Gebühr  für  die  Erteilung  der  mit  dem 
.\mtssiegel  versehenen  Lizenz  wurde  von  ihnen  nicht  erhoben.^)  Dagegen 
war  jeder  für  den  Stand,  den  er  auf  der  Messe  einnahm,  zur  Zahlung  eines 
Standgeldes  verpflichtet 4);  bei  der  Martinimesse  fielen  in  dieser  Zeit  Vs  davon 
der  Stadtgemeinde,  "Vs  dem  Missus  des  Papstes  zu.  Die  Modenesen  haben 
sich  1198  ausbedungen,  daß  sie  an  Standgeld  oder  sonstigen  Meßabgaben 
nicht  mehr  zahlen  sollten  als  die  Ferraresen  selbst;  ja  selbst  wenn  eine  Er- 
höhung dieser  Abgaben  für  die  Ferraresen  eintreten  sollte,  sollten  die  mode- 
nesischen  Meßbesucher  davon  unberührt  bleiben.  Im  Vertrage  von  1220  ist 
ihre  Abgabe  pro  Zelt  oder  Wechslerbank  (pro  furcata  et  tabula)  auf  2  sol. 
imp.  festgesetzt;  ebensoviel  hatten  schon  nach  dem  Vertrage  von  1193  die 
bolognesischen  Wechsler  und  Tucher  für  die  auf  dem  Territorium  des  Doms 
errichteten  Buden  zu  zahlen.  Auch  den  Mantuanern  wurde  1208  durch  Ver- 
trag zugestanden,  daß  sie  nicht  mehr  als  die  Ferraresen  selbst  oder  die 
meistbegünstigten  unter  den  lombardischen  Kaufleuten  zahlen  sollten.  We- 
sentlich niedriger  war  die  Abgabe  bei  den  umherziehenden  Händlern;  der 
ebengenannte  Vertrag  setzt  sie  auf  nur  2  imp.  fest. 5) 


»)  Stat.  Soc.  Bol.  II  p.  62,  66,  74  f.,  98. 

■■')  Zingerle  p.  25. 

s)  Zollordnung  von  1228 ;  Murat.,  Ant.  II,  32.  Auch  im  Vertrage  mit  Bologna 
von  1193:  Abgabe  pro  centenario,  nisi  in  foroannualiin  quo  nihil  dare  debent. 

*)  Zollordnung  1.  c. :  Omnis  forensis  qui  facit  stacionem  in  mercatis  F.  et 
discarigat  suum  havere,  non  solvat  ripaticum,  sed  stazonaticum. 

<>)  Nee  aliquid  ah  eis  accipiant  de  .storata  nisi  2  imp.,  Ant.  11,  873. 


716  Siebenund vierzigstes  Kapitel. 

Die  Meßgerichtsbarkeit  über  Fremde  wie  Einheimische  wurde  von 
einem  vom  Papst  bestellten  Beamten  (missus,  nuntius)  und  den  Zolleinneh- 
mern (rivarii)  Ferraras  ausgeübt;  auf  dem  Markte  selbst  war  für  sie  eine 
besondere  (lerichsstätte  eingerichtet.  Berufung  von  ihren  Entscheidungen 
war  nicht  zulässig;  die  Gerichtsgebühr  betrug  57o  vom  Werte  des  Streit- 
objekts. Von  den  Gerichtsgefällen  der  Palmsonntagsmesse  fiel  die  Hälfte 
dem  Bischof  und  dem  Domkapitel,  die  andere  dem  Missus  des  Papstes  und 
der  Gemeinde  in  dem  uns  schon  bekannten  Verhältnis  von  3:5  zu.  i) 

565.  Wie  Ferrara  hatte  auch  Bologna  zwei  Messen  im  Jahre,  die 
Prokulusmesse ,  die  am  1.  Mai  begann,  und  die  Renomesse  im  August. 
Wenn  erstere  ursprünglich  sicher  in  der  Umgebung  der  Kirche  des  Heiligen, 
nach  dem  auch  ein  Stadtviertel  benannt  war,  abgehalten  sein  wird,  so  hatten 
Joch  schon  vor  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  beide  Messen  unzweifelhaft 
außerhalb  der  Stadtmauern  in  der  weiten  Ebene  am  Ufer  des  Reno  ihre 
Stätte ;  am  31.  Mai  1204  Avurde  der  Grundstein  zu  der  von  den  Konsuln  der 
Kaufleute  und  der  Wechsler  Bolognas  »in  insula  fori  Reni«  gegründeten 
Bartholomäikirche  gelegt.  2)  Die  Kommunal-Statuten  Bolognas  3)  verheißen 
allen  Meßbesuchern  für  Person  und  Waren  während  des  Marktes  selljst  wie 
14  Tage  vor-  und  nachher  volle  Sicherheit  für  Aufenthalt  sowie  Hin-  und 
Rückreise;  zu  Jeder  Messe  deputierte  die  Stadt  einen  Richter  und  einen 
Ritter,  2  Notare  und  10  Amtsdiener,  während  die  Meßgerichtsbarkeit  für 
Zivilsachen  in  die  Hand  von  4  judices  causarum  gelegt  war,  die  nach  dem 
für  die  Messen  ausgebildeten  Gewohnheitsrecht,  nicht  aber  nach  dem  sonst 
in  den  Statuten  vorgeschriebenen  ordentlichen  Verfahren  zu  richten  hatten.*) 

Nicht  früher  finde  ich  die  Messen  von  Bologna  positiv  erwähnt  als 
1195,  wo  in  dem  Bericht  einer  Rechnungskommission  die  Höhe  der  in  An- 
satz gebrachten  Ausgaben  für  die  Renomesse  bemängelt  wird  -'•) ;  doch  ist  un- 
zweifelhaft, daß  sie  damals  schon  längst  entwickelt  und  weithin  bekannt 
waren.  Als  am  26.  April  1196  ein  Bevollmächtigter  des  Patriarchen  von 
Aquileja  unter  dem  Patronat  Cölestins  HI.  bei  Kaufleuten  von  Piacenza  ein 
Darlehn  von  70  M.  Sterl.  aufnahm,  wurde  dasselbe  auf  Bologna  abgestellt 
und  für  den  Fall  des  Verzuges  ein  Zuschlag  von  je  7  Mark  von  einer  Messe 
bis  zur  anderen  stipuliert.  ^) 

Besonders  häufig  verkehrten  die  Nachbarn  von  jenseit  des  Apennin, 
die  Florentiner,  auf  diesen  Messen,  wie  uns  in  erster  Linie  die  erhaltenen 
Fragmente  des  Hauptbuches  eines  florentinischen  Bankgeschäftes  beweisen.'') 

1)  Zollordnung  von  1228.    Murat.  Ant.  U,  32. 

2)  Stat.  Soc.  Bol.  n,  485.     Gaudenzi  p.  14  f. 

'  8)  Statuti  di  Bologna  (1245—1265^  ed.  L.  Frati  (Bologna  1869—1877),  H  p.  220 
(lib.  8,  27),  III,  67  f.  (10,  22  a);  III,  325  (11,  76);  II,  222  (8,  28;.  Dazu  Stat.  Soc.  Bol. 
I,  133  u.  403. 

■*)  Statuimus  quod  jus  fori  et  mercati  reddatui-  secundum  consuetudinem 
fori  sive  mercati  non  servata  sollempnitate  statutorum  comunis  Bononie  sive  con- 
ditione  alicuius  statuti.     Stat.  di  Bol.  I  p.  404  (1.  4,  19  a). 

*)  Savioli  II,  2  p.  188  bei  der  ratio  Sturletti  massarii  und  p.  189  bei  der  ratio 
Pelavacce. 

8)  Pro  retorno  (hier  zuerst  rindet  sich  dieser  Ausdruck)  de  feria  in  feriam. 
Das  ergibt  hier  also  nicht  mehr  als  den  gewöhnlichen  Jahreszins  von  20 "/q.  Kehr  P., 
Papsturkunden  in  Friaul;  in  Götting.  Nachr.  1899  p.  281.  Schulte  I,  262.  Auch  ein 
Darlehn  des  Bischofs  von  Passau  (um  1230)  war  in  Bol.  zu  erstatten ;  Auvray  1462. 

^)  Frammenti  p.  170 — 174.  Auch  eine  Urkunde  von  1221  spricht  von  den 
Ständen  der  Florentiner  auf  der  Bologneser  Messe.     Stat.  Soc.  Bol.  11,  487. 


Märkte  und  Messen.  7 IT 

Zwei  Spalten  desselben  enthalten  genaue  Eintragungen  über  die  Posten^ 
die  Florentiner  Geschäftsleute  den  Vertretern  dieses  Bankhauses,  unter  denen 
ein  Arnolfino  hervortritt,  auf  der  Prokulusmesse  (san  ßrocolo)  von  1211 
schuldig  geworden  sind ;  die  Summe  der  in  Florenz  zu  erstattenden  Beträge 
beläuft  sich  auf  etwas  über  300  1.  Unter  den  auf  der  Bologneser  Messe 
tätig  gewesenen  Debitoren  befinden  sich  2  Gerber,  Angiolino  Bolognini  und 
Orlandino  von  S.  Trinita,  die  gegenseitig  für  einander  bürgen;  ferner  von 
bekannteren  Namen  Guido  de  la  Spada,  der  zusammen  mit  Donato  Ciat- 
feri  unter  diesen  Debitoren  mit  dem  höchsten  Betrage,  etwas  über  107  1., 
erscheint,  Albertino  Paganelli,  Mainetto  Tornaquinci.  Wir  sehen,  wie  diese 
Campsores  ihren  im  Warenhandel  tätigen  Landsleuten,  die  sie  auf  die  Messen 
begleiteten,  in  der  Vorstreckung  von  Bargeld,  in  der  Vermittelung  und  dem 
Ausgleich  von  Zahlungen  und  im  gesamten  Buchverkehr  ganz  ebenso  zur 
Seite  standen  wie  daheim;  die  Zahlungen  selbst  sind  sämtliöh  auf  die  flo- 
rentinische  Heimat  abgestellt ;  bei  dem  Mangel  an  Umlaufsmitteln  war  diese 
Seite  der  Tätigkeit  der  Wechsler  auf  den  Messen,  die  eine  erhebliche  Ver- 
minderung der  Barzahlungen  ermöglichte,  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit. 
In  Bologna  für  Florentiner  Kaufleute  ausgestellte  Wechsel  auf  die  Cham- 
pagner Messen  sind  schon  erwähnt;  die  Zahl  der  in  Bologna  weilenden 
Toskaner  war  so  groß,  daß  sie  sich  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  zu 
einer  besonderen  Bruderschaft  zusammenschlössen,  deren  uns  erhaltene  Ma- 
trikel bis  1248  zurückreicht  1) ;  aus  demselben  Jahre  stammt  eine  Bestim- 
mung der  Statuten  des  Popolo  von  Bologna,  wonach  Toskaner,  die  10  Jahre 
in  Bologna  ansässig  waren,  auch  wenn  sie  nicht  über  einen  Immobiliar- 
besitz von  200  1.  bon.  verfügten,  zum  Stadtrat  und  zu  den  Ämtern  ebenso 
wie  die  anderen  Bürger  Bolognas  zugelassen  werden  sollten. 2) 

Von  den  Bolognesen  selbst  wissen  wir,  daß  sich  die  einzelnen  Zünfte  S) 
bestimmte  Terrains  auf  dem  Meßplatze  durch  Pacht  zu  sichern  suchten ;  für 
die  Zunft  der  Händler  mit  ordinären  Tuchen  (societas  de  Bixetto)  ist  der, 
Pachtkontrakt  von  1221  erhalten,  der  ihr  15  Zelte  von  12  Fuß  Breite  neben 
den  Ständen  der  Messerhändler,  der  Florentiner  und  der  Wechsler  gegen 
eine  Pacht  von  12  den.  imp.  für  Zelt  und  Messe  einräumt,  "i)  Auch  von  der 
WoUenzunft  von  Bologna  wissen  wir,  daß  sie  ihre  Zeile  auf  der  Messe  hatte.  0) 
Bei  den  Wechslern  erfolgte  die  Verteilung  der  Stände  auf  den  heimischen 
Messen  ebenso  wie  auf  den  fremden ;  für  sie  ist  nur  eine  Breite  von  8  Fuß 
vorgeschrieben.  Das  Wechslerstatut  verpflichtete  sie  u.  a.,  bezüglich  aller 
Guthaben,  die  ein  anderer  Wechsler  oder  ein  Fremder  auf  einer  der  beiden 
Messen  bei  ihnen  hatte,  Umschreibungen  ganz  nach  dem  Willen  des  Gläu- 
bigers vorzunehmen ;  wollten  sie  das  nicht,  so  mußten  sie  unverzüglich  Bar- 
zahlung leisten,  widrigenfalls  die  Konsuln  der  Wechsler  eine  Disziplinar- 
strafe von  5  sol.  für  den  Fall  über  sie  zu  verhängen  hatten.  Alle  Meß- 
schulden der  Campsores  untereinander  waren  bis  zum  zweiten  Tage  nach 
der  Entfernung  des  Gemeindezeltes  vom  Meßplatze  zu  begleichen.  0) 


')  Oben  §287.     Stat.   Soc.   Bol.  I,   411  £.,   ebd.  p.  89:    Stat.  et  ordin.  fraterni- 
tatis  et  soc.  Tuscoriim  Bononie  commorantium  von  1256. 
'')  Ebd.  n,  521  (rub  45). 

')  Homines  artium  Bononie.     Stat.  Soc.  Bol.  II,  486;  Urk.  von  1219. 
*)  Ebd.  487.     GaudenzÄ  16  u.  23. 

•'•)  Stat.  Artis  Lanae  rub.  49  (ca.  1240;  Stat.  Soc.  Bol.  II,  298). 
«)  Stat.  Camps.  (1245)  rub.  35  f.,  34,  21  (Stat.  Soc.  Bol.  II  p.  74,  73,  69). 


718  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

566.  Nördlich  von  Ferrara  hatte  sich  in  dieser  Zeit  auch  Badia,  an 
der  unteren  Etsch  zwischen  Venedig,  Padua,  Verona,  Mantua  und  Ferrara 
günstig  genug  gelegen,  zu  einem  nicht  unwichtigen  Meßplatze  herausgebildet; 
der  unter  veronesischer  Hoheit  stehende  Ort^)  hatte  sich  im  Anschluß  an 
die  alte  Abtei  S.  Maria  di  Vangaditia,  die  sich  auch  der  Gunst  Friedrichs  II. 
zu  erfreuen  hatte  2),  entwickelt.  Für  die  Bedeutung  dieser  Messe,  die  im 
Juni  stattfand,  spricht  vor  allem,  daß  wir  die  rührigen  Florentiner  auch  hier 
tätig  finden.  Jener  Arnolfino  hat  sich  im  Jahre  1211  unmittelbar  von  der 
Prokulusmesse  aus  hierher  gewandt ;  sein  Haus  gab  ihm  ein  Geschäftskapital 
von  78  1.  pis.  in  134^/4  1.  veron.  mit  und  rechnete  ihm  die  Reisekosten  mit 
1  1.  bonon,  an.  Von  6  Florentiner  Geschäftsfreunden  wurden  ihm  ferner  für 
die  Reise  zu  dieser  Messe  beträchtliche  Summen  anvertraut,  so  daß  er  im 
ganzen  über  annähernd  500  1.  pis.  verfügte.  3)  Auch  jene  Beraubung  floren- 
tinischer  Kaufleute  in  den  zwanziger  Jahren  im  Gebiet  von  Cavarzere  hat 
zur  Zeit  der  Messe  von  Badia  stattgefunden ;  und  ein  venezianischer  Händler 
hatte,  als  er  die  Messe  von  Badia  in  dieser  unruhigen  Zeit  besuchte,  einen 
Verlust  von  Waren  im  Werte  von  1501.  ven.  zu  beklagen.  4) 

Padua  hatte  schon  im  12.  Jahrhundert  Messen,  die  »in  Prato  Vallis« 
abgehalten  wurden  und  ihren  Mittelpunkt  an  den  Festtagen  des  hl.  Pros- 
docimus  und  der  hl.  Justina  hatten ;  als  städtische  Organe  wurden  zu  diesen 
Messen  2  Konsuln  mit  ebensoviel  Schildknappen,  2  Richter,  3  Notare  und 
4  Amtsdiener  (praecones)  deputiert.  *•) 

Was  Verona  betrifft,  so  begegnet  zunächst  der  Markt  von  S.  Michele 
(östlich  Verona)  in  der  Zollordnung  von  1173,  die  zugleich  auf  seinen  Be- 
such durch  die  Lombarden  Bezug  nimmt  <*);  ein  anderer  Jahrmarkt  fand 
jedenfalls,  wie  früher,  am  Tage  des  hl.  Zeno  (12.  April)  statt. 

567.  Die  Messen  von  Mantua  wurden  erst  im  Jahre  1191  begründet''), 
haben  sich  dann  aber  rasch  entwickelt.  Noch  im  selben  Jahre  versprachen 
die  Mantuaner  den  Veronesen,  falls  diese  ihnen  alle  bisher  auf  ihren  Jahr- 
märkten erhobenen  Abgaben  erlassen  wollten,  ihnen  gegenüber  bezüglich 
der  neueingeführten  Abgaben  auf  den  Mantuaner  Jahrmärkten  das  gleiche 
zu  tun;  jedenfalls  aber  wollten  sie  von  den  Veronesen  nicht  mehr  erheben, 
als  diese  von  den  Mantuanern  erhoben.  Bald  traten  die  neuen  Messen  Man- 
tuas  mit  den  alten  Ferraras  in  lebhafte  Konkurrenz;  der  durch  die  Frage 
der  freien  Schiffahrt  auf  dem  Po  gesteigerte  Gegensatz  der  Handelsinteressen 
führte  schließlich  zum  Kriege,  in  dem  Mantua  die  Oberhand  behielt.  Fer- 
rara fügte  sich  am  14.  Juni  1198  einem  Schiedsspruch  Veronas,  nach  dem 
es  eine  seiner  beiden  Hauptmessen  den  Mantuanern  zu  überlassen  hätte; 
jede  der  beiden  Städte  sollte  nur  eine  Messe  haben,  zu  der  man  sich  gegen- 
seitig völhg  unbehinderten  Besuch  zusicherte.  8)     Indessen  ist  dieser  Spruch 

1)  Lib.  Jur.  Civ.  rub.  194  u.  284. 

«)  Privileg  vom  28.  März  1219;  Winkelmann,  Acta  II,  9  no.  9. 

2)  Frammenti  p.  175. 

*)  Oben  §  561.     Lib.  pleg.  p.  180  u.  178. 

°)  Stat.  Päd.  p.  182  no.  564.  Konsuln  gab  es  in  Padua  nur  bis  1194;  ebd. 
p.  IX.  Nach  no.  565  (von  1275)  gehörten  zu  jeder  Messe  je  3  Tage  vor  und  nach 
dem  Fest. 

*)  Atti  dolla  deput.  ven.  als  Anhang  zum  N.  Arch.  ven.  X  (1895),  471  f. 

'')  Ann.  Mant.,  SS.  XIX,  19 :  et  fuerunt  nundine  Mantue  incepte. 

8)  D'Arco  VII  no.  85  p.  169  (2.  Juni  1198 :  Feststellung  der  Bedingungen,  unter 
denen  Mantua  den  Schiedsspruch  des  Podestiv  von  Verona,  Guelfus,  annehmen 
würde);  I  p.  148  no.  9:  Eid  der  Ferraresen. 


Märkte  und  MesHcn.  719 

nicht  zur  Ausführung  gekommen,  trotz  des  von  den  Ferraresen  vor  den  Ge- 
sandten Mantuas  und  Veronas  geleisteten  Schwurs;  Verona  spielte  ein 
Doppelspiel,  so  daß  es  schon  im  folgenden  Jahre  zwischen  ihm  und  Mantua 
zum  Kriege  kam,  in  dem  dieses  bei  Ponte  Molino  (nördl.  Ostiglia)  unter- 
lag. 1)  Später  sehen  wir  dann  die  beiden  Messen  Mantuas  so  angesetzt,  daß 
sie  den  Messen  Ferraras  unmittelbar  voraufgingen.  Im  Vertrage  von  1208"^) 
versprachen  sich  beide  Städte,  niemanden  am  Besuch  ihrer  Messen  zu  hindern, 
Mantua  mit  der  Einschränkung,  daß  seine  eigenen  Messen  erst  ihr  Ende 
erreicht  hätten;  Mittwoch  abend  vor  dem  Lazarus-Sonntag  (Judica)  wollte 
Mantua  durch  den  Stadtherold  öffentlich  ausrufen  lassen,  daß  es  allen 
Fremden  von  diesem  Zeitpunkt  ab  freistehe,  die  Palmsonntagsmesse  von 
Ferrara  zu  besuchen,  und  das  gleiche  sollte  am  4.  Tage  nach  Allerheiligen 
in  bezug  auf  die  Martinimesse  geschehen.  Auch  auf  der  Messe  von  Man- 
tua können  wir  den  Verkehr  florentinischer  Kaufleute  nachweisen.  Am 
17.  Oktober  1220  hat  der  Florentiner  Bernardus  Calcagni  seinem  Lands- 
mann Drudolus  Baldesi  als  ^^ertreter  seiner  Handelsgesellschaft  gegen  ein- 
gezahlte Valuta  von  325^/4  1.  pis.  einen  Wechsel  über  400  1.  bonon.  aus- 
gestellt, der  zu  Allerheiligen  auf  der  Messe  von  Mantua  fällig  war  und  auf 
Drudolus,  seine  Gesellschaft  oder  Order  (cui  D.  voluerit  aut  concesserit) 
lautete.  Jedenfalls  handelt  es  sich  um  Tuchhändler,  da  die  Urkunde  in  der 
Callemala  zu  Florenz  aufgenommen  ist.^) 

Es  ist  von  Interesse  zu  bemerken,  daß  auch  die  Hauptmessen 
im  unteren  Po-  und  Etschgebiet  einen  Turnus  darstellten:  1.  Erste 
Messe  von  Mantua  (um  Laetare),  2.  Palmsonntagsmesse  von  Ferrara, 
3.  Prokulusmesse  von  Bologna  im  Mai,  4.  Messe  von  Badia  im  Juni, 
b.  Renomesse  von  Bologna  im  August,  6.  Michaelismesse  von  Verona, 
7.  Allerheiligenmesse  von  Mantua,  8.  Martinimesse  von  Ferrara, 

568.  Westlich  von  der  Minciolinie  hatte  Brescia  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  zwei  Messen  von  je  achttägiger  Dauer,  von  denen  die  eine 
in  der  Fastenzeit  im  Kastell,  die  andere  um  Maria  Himmelfahrt  auf  dem 
Broletto  abgehalten  wurde. 'i) 

Von  größerer  Bedeutung  scheint  die  alte  Alexandermesse  von  Ber- 
gamo (um  den  26.  August)  gewesen  zu  sein,  König  Lothar  hat  in  d^n 
Jahren  1132  und  1136  den  Dom  von  Bergamo  in  dem  Recht,  die  »curritura« 
(=  curatura)  von  diesem  Markte  wie  von  den  anderen  Märkten  in  Bergamo 
und  Gebiet  sowie  die  Einkünfte  von  den  Ständen  auf  dem  Marktplatze  der 
Stadt  und  um  denselben  zu  beziehen,  ausdrücklich  bestätigt,  s)  Über  die 
Höhe  dieser  Marktabgabe  entstand  im  Jahre  1189  ein  Rechtsstreit  zwischen 
verschiedenen  Kaufleuten  von  Novara  und  Mailand,  die  mit  ihren  mit  Tuch- 
ballen  beladenen  Karren    auf  der  Alexandermesse   erschienen   waren ,    als 


»)  Cipolla,  p.  324  f. 

2)  Muratori,  Antiqu.  U,  873. 

*)  Santini  p.  385.  S.  meine  Studien  z.  Gesch.  etc.  des  ältesten  Cambium  in 
den  Conradschen  Jahrbüchern  65  (1895),  162;  in  dem  damals  allein  bekannten  Re- 
gest Santinis  heißt  es  irrtümlich,  daß  die  Rückerstattung  auf  den  Märkten  von 
Modena  oder  Mantua  zu  erfolgen  hätte.  —  Bolognesische  Wechsler  auf  den  Messen 
von  Mantua :  Stat.  Camps.  (1245)  rub.  85  (Stat.  Soc.  Bol.  11,  98). 

••)  Tempore  fere  Castri  et  fere  Broli,  per  8  dies  pro  qualibet  etc.  Stat.  Bresc. 
in  Leg.  Munic.  11,  1584  (150).  Dazu  Valentini  A,,  Gli  Statut!  dl  Brescia  im  N,  Arch. 
ven.  XV  (1898),  48. 

6)  Oben  §  56.     St.  3269  f.  und  3333.     Bernhardi,  Lothar  p.  444  u.  653. 


720  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Klägern  und  den  Vertretern  der  Vinzenzkirche,  an  die  damals  die  Rechte 
des  Domes  übergegangen  waren,  i)  Die  Sache  wurde  in  dem  auf  der  Messe 
errichteten  Gemeindezelt  vor  dem  Konsul  und  Richter  Januarius,  den  der 
Podesta  für  alle  Streitigkeiten  auf  der  Messe  delegiert  hatte,  verhandelt; 
Zeugen,  die  selber  mit  der  Erhebung  dieser  Abgabe  Jahre  hindurch  zu  tun 
gehabt,  wurden  vernommen;  am  23.  August  erging  unter  dem  Beirat  sach- 
verständiger Männer  das  die  Kläger  abweisende  Urteil.  2)  Es  ergibt  sich, 
daß  seit  alten  Zeiten  (per  longissima  tempora)  von  den  mit  Tuchballen  oder 
auch  anderen  Waren  beladenen  Karren  (plaustrum  oder  carrus)  4  den.  imp., 
von  der  aus  einem  verpackten  Tuchballen  bestehenden  Last  2  den.  imp.  zu 
zahlen  waren.  War  der  Ballen  schon  aufgebunden,  also  nicht  mehr  voll- 
ständig, so  ermäßigte  sich  die  Abgabe  auf  1  den,  oder  bei  geringerem  Um- 
fange des  Ballens  unter  Umständen  nach  Vereinbarung  mit  dem  Einnehmer 
auch  weiter.  3)  Die  Abgaben  war<Mi  nur  bei  Verkauf  oder  Kauf  der  Waren 
zu  leisten  und  wurden  sowohl  vom  Verkäufer  wie  Käufer  erhoben,  falls 
dieser  nicht,  wie  es  natürlich  häufig  der  Fall  war,  ein  Bürger  oder  Edel- 
mann von  Bergamo  war.  Außerdem  erfahren  wir,  daß  Fremde  auf  dieser 
Messe  ein  Standgeld  von  2  den.  imp.  zu  zahlen  hatten,  während  sie  vom  Ufer- 
zoll befreit  waren.*)  Deutlich  tritt  hervor,  daß  auch  auf  dieser  Messe  der 
Tuchhandel  eine  besonders  wichtige  Rolle  spielte;  dabei  wurde  im  Berga- 
maskischen  selbst  die  Tuchfabrikation  recht  lebhaft  betrieben.  0) 

569.  In  Mailand  bestand  zunächst  die  alte  Hauptmesse  im  Juni  fort; 
als  im  Jahre  1105  aus  Anlaß  der  Auffindung  kostbarer  ReHquien  in  der 
Kirche  S.  Maria  ad  Portam  am  9.  Mai  ein  hohes  kirchliches  Fest  ein- 
gerichtet wurde,  verband  man  damit  ebenfalls  einen  Jahrmarkt  und  ver- 
hieß allen  Besuchern  unverbrüchlich  sicheres  Geleit  für  eine  Woche  vor 
und  eine  Woche  nach  diesem  Feste.  6)  Lange  Zeit  hören  wir  dann  nichts 
von  diesen  Messen  und  es  muß  dahingestellt  bleiben,  ob  sie  die  Katastrophe 
Mailands  von  1162  überdauert  haben.  Nach  dem  Vertrage  Mailands  mit 
Como  vom  16.  September  1196  waren  die  Comasken  zu  offenem  Kauf  und 
Verkauf  bei  allen  Messen  und  Jahrmärkten  Mailands  und  seines  Gebiets 
ebenso  zuzulassen  wie  die  Mailänder  selber  und  umgekehrt;  und  in  der 
1216  erfolgten  Aufzeichnung  des  Mailänder  Gewohnheitsrechts  heißt  es,  daß 
die  Commune  nach  Herkommen  verpflichtet  sei,  den  kaufmännischen  Kon- 
suln wie  in  anderen  Dingen  so  auch  bei  den  Messen  Beistand  zu  leisten.') 
Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  die  vier  starkbesuchten  mailändischen 
Jahrmärkte,  von  denen  Bonvesin  de  Ripa  in  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts redet,  auch  in  der  ersten  schon  bestanden  haben,  s) 

*)  Eonchetti  G.,  Memorie  istoriche  della  citta  e  chiesa  di  Bergamo ;  III  (Berg. 
1807)  p.  106  f.     Kaiserliches  Diplom  für  die  Vincenzkirche  vom  23.  Nov.  1159. 

'■*■)  Lupus  II  p.  1401  ff.  mit  stellenweise  recht  verderbtem  Text.  Eonchetti 
ni,  192. 

")  De  soma  toselli  licchati  im  Gegensatz  zum  tosello  svolto  oder  einzelnen 
peciae  panni. 

*)  Ausdrücklich  heißt  es  auch  in  den  Statuten  von  Bergamo  (Leg.  Munic.  11, 
2002 ;  coli.  Xni  rub.  9),  daß  niemand  teneatur  rivam  dare  in  mercato  fere  s.  Alexandri. 

*)  Ebd.  p.  2011  ff.  rub.  36  ff". ;  rub.  41 :  Potestas  debeat  providere,  ut  panni 
flant  cuiusque  speciei,  secundum  quod  fiunt  Verone  et  alibi  per  Lombardiam,  se- 
cundum  quod  melius  fieri  posaunt  comode  etc. 

•)  Oben  §  57.     Landulf.  jun.  de  S.  Paulo  c.  22  (SS.  XX,  34). 

')  Hidber,  Urk.-Beilage  no.  88  p.  111  u.  115.     Berlan  p.  73  rub.  31. 

*)  De  magnalibus  urbis  Mediol.  im  Bull.  stör.  it.  no.  20  (Eom  1898)  p.  113. 


Märkte  und  Messen.  721 

Im  Gebiet  von  Como  hatte  Ologno  zu  Maria  Himmelfahrt  eine  drei- 
tägige Messe  (14.  — 16.  August),  zu  der  Como  einen  Bevollmächtigten  des 
Podestä,  einen  Gerichtskonsul  mit  Notar  und  einen  Trompeter  entsandte. i) 
In  Vercelli  bestand  seit  alter  Zeit  die  Eusebiusmesse ;  im  Jahre  1164  ist 
uns  eine  genuesische  Handelsreise  zu  dieser  Messe  begegnet.  2)  Die  Ein- 
richtung des  Studium  generale  in  Vercelli  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts scheint  dann  den  Messen  an  diesem  ja  auch  für  den  transalpinen 
Handel  sehr  günstig  gelegenen  Knotenpunkt  einen  besonderen  Aufschwung 
gegeben  zu  haben  *^);  die  Eusebiusmesse  dauerte  nun,  mit  dem  1.  August 
beginnend,  14  Tage,  ebensolange  die  Allerheiligenmesse,  die  8  Tage  vor  und 
8  Tage  nach  dem  Feste  stattfand.  ^)  In  der  Instruktion,  die  Vercelli  im 
Jahre  1244  seinen  Gesandten  an  den  Papst  mitgab,  werden  diese  angewiesen, 
dafür  Sorge  zu  tragen,  daß  der  Stadt  ihre  gewohnten  Märkte  und  ins- 
besondere die  Eusebius-  und  die  Allerheiligenmesse  vom  Papste  für  ewige 
Zeiten  bestätigt  würden^),  während  die  Kirche  in  ihren  Differenzen  mit 
Vercelli  sich  mit  Vorliebe  der  Drohung  bediente,  den  Besuch  der  Messen 
von  Vercelli  und  den  Aufenthalt  von  Scholaren  daselbst  verbieten  zu  wollen. ß) 
Eine  dritte,  ebenfalls  14tägige,  aber  offenbar  weniger  besuchte  Messe  war 
die  Jakobimesse,  die  am  Jakobitage  endete.  ^)  Die  Statuten  Vercellis  unter- 
sagten allen  Fremden  den  Detailverkauf  auf  allen  Messen  und  Märkten 
seines  Gebiets  s);  in  einem  Vertrage  von  1231  aber  versprach  die  Stadt,  die 
Kaufleute  von  Ivrea  an  dem  gewohnten  Kauf  und  Verkauf  en  gros  und 
en  detail  auf  ihren  Hauptrnessen  und  übrigen  Märkten  nicht  zu  hindern, 
wie  auch  Ivrea  den  Kaufleuten  von  Vercelli  gegenüber  das  gleiche  versprach.^) 

570.  Weit  weniger  erfahren  wir  von  den  Messen  der  Städte  am  mitt- 
leren Po.  Als  Mailand  im  Vertrage  vom  28.  Dezember  1198  auf  gewisse 
Beschränkungen  seines  Außenhandels  zu  gunsten  von  Lodi  einging,  wurde 
von  diesen  Beschränkungen  doch  der  Besuch  der  öffentlichen  Messen  von 
Pavia  und  Piacenza  ausgenommen,  ^o)  Es  ist  das  einzige,  was  wir  von 
dem  Fortbestehen  der  alten  Messen  von  Pavia  wissen.  In  Piacenza  wurde 
1169  eine  neue  Messe  eingerichtet  (Jahrmärkte  kleineren  Stils  mögen  da- 
neben wie  in  früherer  Zeit  vorhanden  gewesen  sein),   zu  deren  Besuch   die 


»)  Leg.  Munic.  II,  36  rub.  63  f.  (August  1231). 

»)  Oben  §  57  und  502. 

')  Auf  eine  Anleihe  französischer  Kleriker,  die  bei  Kaufleuten  aus  Bologna, 
Siena  und  Parma  unter  Bürgschaft  des  Wilhelm  von  Chartres,  damals  Scholaren 
in  Vercelli,  aufgenommen  und  in  Vercelli  fällig  war,  bezieht  sich  der  Auftrag  Gre- 
gors IX.  an  den  Abt  von  S.  Andrea  in  Vercelli  (25.  Febr.  1231).     Auvray  543. 

*)  Ergibt  sich  aus  der  Aufhebung  der  sonst  für  die  Wirtshäuser  bestehenden 
Beschränkungen  für  diese  Zeiten:  Stat.  Verc.  von  1241;  Leg.  Munic.  II  p.  1199 
rub.  283.  In  einer  offenbar  alten  Stelle  dieser  Statuten  (rub.  260  p.  1192)  wird  das 
Stadtregiment  allein  auf  die  Fürsorge  für  die  Eusebiusmesse  verpflichtet. 

')  Ebd.  Urk.-Anhang  p.  1449  no.  17.  In  Anm.  3  gibt  der  Herausgeber  einen 
Abiiß  der  Geschichte  dieser  Messen. 

8)  So  1237;  Auvray  3539;  und  1245:  Berger  1291.     Rodenberg  II,  80  no.  112. 

»)  Stat.  Verc.  1.  c.  (rub.  283). 

•)  Ebd.  p.  1206  rub.  301 :  ad  ratalium  de  aliquo  officio  vel  misterio  non  vendant 

•)  Chart.  I,  1314  no.  880:  in  generalibus  nundinis  V.  et  in  nundinis  et  mer- 
catis  jurisdictiqnis  V.  et  spec.  in  nundinis  de  Briancho  vendere  et  emere  ad  re- 
taglum  et  ad  grossum  et  sicut  homines  Yx)oregiae  faciunt  et  facient. 

!<*)  Cod.  Laud.  II  no.  209—211.     Auch  als  Anhang  zu  den  Stat.  vetera  Laude; 
ebd.  m,  586  ff. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  46 


722  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Städte  der  Lombardei  und  anderer  Gebiete  offiziell  eingeladen  wurden ;  noch 
in  den  nächsten  Jahrzehnten  machen  die  Statuten  die  Erhaltung  und  För- 
derung dieser  Messe  den  Organen  der  Stadt  und  der  interessierten  Korpo- 
rationen zur  Pflicht.  1)  Einer  gedeihlichen  Entwickelung  dieser  Messe  standen 
indessen  schon  die  gerade  in  Piacenza  besonders  schweren  inneren  Kämpfe 
der  folgenden  Zeit  im  Wege.  Von  Cremona  hören  wir  nur,  daß  es  im 
Jahre  1177  eine  Messe  zu  Mosa,  einem  nahe  der  Stadt  und  dem  Po  bele- 
genen Orte,  begründete.  2)  Parmas  Hauptmesse  knüpfte  an  den  Tag  des 
Stadtheiligen  Herculianus  (5.  September)  an;  um  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts nahm  Graf  Albert  einst  die  von  dieser  Messe 3)  heimkehrenden 
Placentiner,  mit  deren  Stadt  er  verfeindet  war,  gefangen.  Im  Jahre  1215 
gab  es  neben  dieser  Hauptmesse  noch  2  Jahrmärkte  in  Parma,  Anfang  Mai 
und  zu  Maria  Himmelfahrt,  bei  denen  den  Rektoren  der  Kaufmannschaft, 
wie  bei  allen  Sonnabend-  und  Jahrmärkten  des  Gebiets  von  Parma  über- 
haupt, das  Aufsichtsrecht  zustand.  Doch  bestellte  die  Stadt  für  jene  drei 
Märkte  einen  eigenen  Nuntius  zur  Wahrnehmung  der  Gerichtsbarkeit  in  den 
Fällen,  für  die  die  Rektoren  nicht  zuständig  waren.  *)  Die  Augustmesse 
vermochte  sich  neben  der  Hauptmesse  auf  die  Dauer  nicht  zu  halten;  dafür 
suchte  man  die  Maimesse  um  so  mehr  zu  fördern.  1226  wurde  ihre  Dauer 
auf  4  Tage  festgesetzt;  sie  sollte  besonders  eine  Tuchmesse  und  ein  Vieh- 
markt sein.  Die  der  Stadt  gehörigen  Stände  waren  meistbietend  zu  ver- 
steigern und  die  befreundeten  Städte  aufzufordern,  diese  Messe  ebenso  wie 
die  Ercolanomesse  zu  beschicken.  5)  In  den  bedeutenderen  Orten  des  par- 
mesanischen Gebiets,  Brescello,  Fornovo,  Soragna,  wurde  in  jedem  Monat 
ein  Markt  abgehalten,  ß) 

Den  Binnenstädten  Toskanas  fehlten  größere  Messen  ganz.  Wenn  die 
1262  redigierten  Statuten  Sienas  die  Abhaltung  eines  Jahrmarktes  zu  Maria 
Himmelfahrt,  der  sich  auch  auf  je  3  Tage  vor  und  nach  diesem  Fest  er- 
streckte, vorschreiben''),  so  wird  die  Einrichtung  dieses  Marktes  wohl  inM 
unsere  Periode  zurückreichen;  mehr  als  lokale  Bedeutung  aber  scheint  er™ 
nicht  gehabt  zu  haben.  Als  Friedrich  II.  im  September  1240  vor  Faenza 
seiner  getreuen  Stadt  Viterbo  große  Vergünstigungen  gewährte,  ordnete 
er  auch  an,  daß  in  Zukunft  hier  alljährlich  eine  14tägige  Messe,  die  am 
2.  September,  dem  Tage  des  Erzengels  Michael,  beginnen  sollte,  abzuhalten 
sei. 8)  Inwieweit  diese  Messe  zur  Blüte  gelangt  ist,  steht  dahin;  die  Zeit- 
umstände waren  ihrer  Entwickelung  (1243  fiel  Viterbo  vom  Kaiser  ab)  nicht 
gerade  günstig. 

571.  Was  die  Seestädte  anbetrifft,  so  war  in  Genua  das  Jahrmarktwesen 
überhaupt  nicht  entwickelt,  und  auch  in  Venedig  hören  wir  in  dieser  Zeit 

1)  Job.  de  Mussis  bei  Muratori  SS.  XVI,  454.  Poggiali  IV,  296.  Boselli  I, 
329  und  331.     Für  ad  feriam  statuam  1.  statutam. 

»)  Ann.  Cremon.,  SS.  XXXI,  5. 

')  De  mercato  s.  Requiliani,  ohne  Ortsangabe ;  Boselli  I,  336  f.  Da  es  einen 
hl.  Requilianus  nicht  gibt,   erscheint   die  Identifizierung  mit  Erculianus  zweifellos. 

*)  Stat.  Farm.  p.  189  f. 

')  Ebd.  p.  61  u.  95.  Über  Heranziehung  von  Ausländern  oben  §  328.  Über 
die  Ercolanomesso   s.   noch  Ann.  Parm.  maj.,   SS.  XVIII,   669  u.  Stat.  Parm.  p.  60. 

*)  Stat.  Parm.  p.  621.  Den  Anwohnern  des  Po  wird  besonders  verboten,  den 
Markt  von  Casalmaggiore  an  einem  Markttage  von  Brescello  zu  besuchen. 

''■)  Zdekauer,  Constituto  p.  80  (dist.  I  rub.  95).  Dazu  Zdekauer:  Frammenti 
degü  Ultimi  2  libri  im  Bull.  Sen.  II  (1895)  p.  319  rub.  170. 

«)  Huillard-BrähoUes  V,  1044. 


II 

I 

11 


Märkte  und  Messen.  723 

von  dem  später  vielgenannten  Jahrmarkt  zu  Maria  Himmelfahrt,  der  Sensa 
oder  Scensa  (=  ascensio),  noch  nichts.  ^)  Das  weniger  direkt  mit  dem  Meere 
kommunizierende  Pisa  unterschied  sich  in  dieser  Beziehung  von  ihnen,  aber 
eigentümlicherweise  damit  zugleich  auch  von  den  Hauptplätzen  im  Binnen- 
lande Toskanas.  Für  das  Jahr  1155  ist  uns  das  Vorhandensein  einer  großen 
Messe  in  Pisa,  die  am  Peter -Paulstage  (29.  Juni)  gipfelte,  sicher  bezeugt.  2) 
Wenig  später  aber  wurde  diese  Messe  auf  Maria  Himmelfahrt  (15.  August), 
also  auf  den  Tag  verlegt,  der  sich  immer  mehr  zu  einem  großen  nationalen 
Festtage  Pisas  herausbildete.  Aus  den  Konsularstatuten  von  1164  geht  hervor  3), 
daß  sie  eine  Woche  vor  und  eine  Woche  nach  dem  Fest  umfaßte  und  auf 
einer  Wiese  außerhalb  der  Stadt  abgehalten  wurde.  Vor  dem  1.  August 
war  sie  jährlich  von  den  Konsuln  in  großer  Volksversammlung  anzusagen; 
feierlich  wurde  allen  Besuchern  sicheres  Geleit  verkündet  und  den  Orten 
Tusciens  und,  soweit  es  den  Konsuln  zweckdienlich  erschien,  auch  anderen 
Orten  entsprechende  Mitteilung  gemacht.  Außer  den  Kaufleuten,  die  die 
Messe  unter  der  Leitung  und  Aufsicht  ihrer  kaufmännischen  Konsuln  be- 
zogen, wurden  auch  die  Gewerbetreibenden  Pisas  (omnes  artes),  soweit  es 
für  die  Messe  nützlich  sein  konnte,  von  der  Stadt  zur  Beschickung  veran- 
laßt. Zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  und  zur  Entscheidung  von  Streitig- 
keiten wurden  von  der  Stadt  2  Konsuln,  2  Previsores  (Richter  an  der  Curia 
Usus),  ein  Vigil  (als  Leiter  der  Wachtmannschaften  für  die  Nacht)  und  zwei 
Treuguani  (Friedensrichter)  deputiert ;  für  etwa  vorfallende  Verbrechen  blieb 
das  ordentliche  Gericht  zuständig.  Bemerkenswert  ist,  daß  die  Erhebung 
jeglicher  Abgabe  (dirictura)  auf  dem  Markte  untersagt  war.  Die  Erhebung 
von  Standgeld  war  damit  sicher  nicht  ausgeschlossen.  In  Rimini  wird  ein 
Markt  des  hl.  Gaudentius  schon  früh  erwähnt;  1111  wird  den  Ravennaten, 
die  ihn  besuchten,  freies  Geleit  zugesichert,  und  im  Jahre  1194  einigten  sich 
beide  Städte  dahin ,  auf  ihrer  Messe  (fera)  ihren  Bürgern  gegenseitig  Ab- 
gabenfreiheit zuzugestehen,  wovon  allerdings  der  altherkömmliche  Kaiser- 
schoß (dacium  Imperatoris)  ausgenommen  wurde.  *)  In  seinem  Vertrage  mit 
Ferrara  von  1200  erhielt  Ravenna  das  Recht,  Marktabgaben  von  den  Ferra- 
resen  in  derselben  Höhe  zu  verlangen,  wie  sie  Ferrara  von  den  Ravennaten 
erhob.  5)  Auch  Ragusa  hatte  eine  größere  Messe,  den  Sankt  Blasiusmarkt 
(3.  Februar),  der  8  Tage  dauerte;  im  Jahre  1190  beschloß  die  Stadt  unter 
der  Leitung  ihres  normannischen  Comes  Gervasius,  daß  allen  Fremden, 
selbst  wenn  sie  Schuldner  eines  Ragusaners  wären,  für  dieses  Fest  und  drei 
Tage  vor-  und  nachher  vollste  Sicherheit  gewährleistet  sein  sollte.  ^) 


1)  Über  diesen  Markt  s.  Romanin  II,  111 ;  IV,  492.     Marin  in,  250  u.  V,  297. 

2)  Bonaini  Suppl.  28  f.     Oben  §  510. 

^)  Bonaini  I  p.  29.     Zeitscbr.  f.  Handelsrecht  41  p.  113. 
*)  Tonini  II,  347  u.  597  f. 
»)  Tarlazzi  I,  72  no.  37. 
»)  Ljubic  I  p.  14. 


46« 


724  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Handelswege  und  Handelsabgaben. 

572.  Mit  der  allgemeinen  Zunahme  des  Handelsverkehrs  im 
kommunalen  Zeitalter  mußte  auch  die  Bedeutung  der  Wasserstraßen 
für  den  Handel  eine  weitere  Steigerung  erfahren.^) 

Noch  begründete  das  Stromregal  der  Reichsgewalt  ein  über  die  Theorie 
hinausreichendes,  mit  dem  Verlauf  der  Zeit  freilich  an  Bedeutung  wesent- 
lich abnehmendes  Recht.  2)  Und  so  legten  die  Communen,  namentlich  in 
der  früheren  Zeit,  Wert  darauf,  ihre  Interessen  an  der  Binnenschiffahrt  durch 
königliche  Verleihungen  sicherzustellen  und  zu  fördern.  So  verbriefte  Hein- 
rich V.  am  3.  Juni  1114  den  Cremonesen  das  Recht,  gemäß  ihrer  alten  Ge- 
wohnheit, sicher  und  von  niemandem  belästigt  auf  dem  ganzen  Polauf  von 
Pavia  t)is  zum  Meere  mit  ihren  Schiffen  hin  und  zurück  zu  fahren  und 
dabei,  wo  es  ihnen  beliebte,  Handel  zu  treiben.  3)  Das  gleiche  Recht  sicherte 
der  Kaiser  2  Jahre  darauf  auch  den  Bolognesen  zu;  dabei  untersagte  er 
jede  Anlage,  durch  die  eine  Verschlechterung  der  Schiffbarkeit  des  Reno 
herbeigeführt  werden  könnte  ;  auch  von  dem  Ufergeld  und  anderen  Abgaben 
in  seinem  italienischen  Königreiche  befreite  er  sie  unter  besonderer  Hervor- 
hebung Ferraras  und  seines  Gebietes;  nur  zur  Leistung  solcher  Abgaben, 
die  nach  Recht  und  Gewohnheit  von  kaiserlichen  Machtboten  erhoben 
wurden,  sollten  auch  sie  verpflichtet  sein.  4)  Daß  darunter  in  erster  Linie 
Stromzölle  zu  verstehen  waren,  zeigt  das  Privileg  Kaiser  Friedrichs  vom 
22.  Februar  1159  für  das  damals  hochbegünstigte  Cremona.  Indem  seinen 
Bürgern  auf  dem  Po  und  allen  mit  dem  Po  zusammenhängenden  Wasserstraßen 
Schiffahrts-  und  Abgabenfreiheit  zugesichert  wurde,  derart,  daß  in  den  Graf- 
schaften Reggio,  Modena,  Bologna,  Ferrara  und  Ravenna  kein  geistlicher 
oder  weltlicher  Herr  oder  eine  Ortsbehörde  irgendwelche  Abgabe  von  ihnen 
sollte  erheben  dürfen,  wurde  doch  eine  Reihe  von  Stromabgaben,  zu  deren 
Erhebung  kaiserliche  Machtboten  bestellt  waren,  von  dieser  Abgabenfreiheit 
ausgenommen.  Diese  kaiserlichen  Stromzölle  betrugen  in  Ferrara,  Scor- 
zarolo  (an  der  Ogliomündung)  und  Luzzara  (oberhalb  davon,  bei  Guastalla) 
je  1  Solidus  alter  mailändischer  Denare  von  jedem  Schiff  ohne  Unterschied ; 
in  Ficcarolo,  bekannt  durch  den  großen  Podurchbruch  von  1150^)  (ober- 
halb Ferrara),  Governolo  (an  der  Minciomündung)  und  Guastalla  hatte  jedes 
Salzschiff  2V2)  jedes  mit  anderen  Waren  beladene  Schiff  8  Sohdi  der  gleichen 
Münze  für  jedes  in  Anwendung  gebrachte  Leittau  (soga)  zu  zahlen,  so  daß  sich 
also  der  letztere  Zoll  zum  Teil  wenigstens  als  Leitgeld  charakterisiert.  ^)  Als  der 


I 


*)  Oben  §  51  f.  und  bezüglich  der  Binnenschiffahrt  nach  Venedig  und  Pisa 
551  f.,  557 ;  515. 

*)  M.  G.  Leges  II,  111  (Beschlüsse  von  Roncalia) :  flumina  navigabilia  et  ex 
quibus  flunt  navigabilia.  Dazu  Blondel  G.,  Ii^tude  sur  les  droits  regaliens  et  la  con- 
stit.  de  R.  in :  M^langes  Paul  Fahre.  Iiltudes  d'hist.  du  moyen-äge  (Paris  1902) 
p.  236  ff. 

=•)  Muratori  Antiqu.  IV,  23. 

*)  St.  3140.     Savioli  I,  2  p.  155. 

»)  Nissen  H.,  Italische  Landeskunde  I  (Berlin  1883),  206. 

')  Muratori  Antiqu.  IV  p.  67  f. ;  auch  Savioli  I,  2  p.  255.  Apud  Figarolum  de" 
qualibet  Soga   pro   qua   navis   trahitur,   quae  Masseriam  portat,   8  sol.  mediol.  vet. 


Handels wege  und  Handelsabgaben.  725 

Kaiser  am  24.  Mai  1164  seiner  getreuen  Stadt  Ferrara  mit  Rücksicht  auf  die 
hohen  Anforderungen  des  kaiserlichen  Dienstes  in  bezug  auf  Proviantzufuhr 
und  Stellung  von  Schiffen  gegen  Venedig  und  den  veronesischen  Bund  ein 
umfassendes  Privileg  gewährte,  verlieh  er  ihr  u.  a.  die  Hälfte  des  Uferzolls, 
ein  Drittel  der  Einkünfte  aus  der  Salzniederlage  am  Hafen  (portus  sahs) 
und  das  alleinige  Geleitsrecht  vom  Flusse  Tartaro  an  bis  zum  Meere  i) ;  inner- 
halb ihres  Bistums  sollten  die  Ferraresen  von  jeglichem  Zoll  (theloneum 
aut  ripaticum)  befreit  sein. 

573.  Beträchtlicher  als  die  Zahl  der  kaiserlichen  Stromzölle  war  die 
Zahl  derer,  die  durch  königliche  Verleihung  direkt  oder  indirekt  namenthch 
an  geistliche  Gewalten  gekommen  waren.  So  hat  Kaiser  Friedrich  am 
22.  Februar  1160  auf  Bitten  des  Bischofs  Garsidonius  der  bischöfhchen 
Kirche  von  Mantua  alle  ihre  Zölle  auf  dem  Po,  vorbehaltlich  allerdings  der 
Zollgerechtsame  des  Kaisers,  ausdrücklich  bestätigt  2),  und  mehrfach  finden 
wir  hervorragende  Klöster  im  Besitz  von  Stromzöllen.  Das  Kloster  S.  Sisto 
von  Piacenza  besaß  alte  Zollrechte  in  Guastalla  (Wardestalla) ;  am  6.  Juli  1102 
verständigte  sich  Äbtissin  Imilda  mit  den  Leuten  des  Lehnshofes  über  die 
ihr  zustehenden  Abgaben  s);  was  das  altherkömmliche  ripaticum  anbetrifft, 
so  befreite  sie  die  heimischen  Kaufleute  davon  und  behielt  sich  nur  den 
von  den  Fremden  zu  zahlenden  Uferzoll  vor;  den  anderen  Zoll,  der  sich 
schon  durch  seinen  Namen  »maltoletum«  als  einen  mißbräuchlichen  Zuschlag 
charakterisierte,  überließ  sie,  als  für  ein  Kloster  nicht  passend,  den  Leuten 
von  Guastalla  zur  Verwendung  in  ihrem  Nutzen.  In  einem  Streite  Ferraras 
mit  dem  Kloster  der  Heiligen  Marinus  und  Leo  zu  Pavia,  das  den  Uferzoll 
auf  Grund  kaiserlicher  Privilegien  für  sich  beanspruchte,  entschied  Bischof 
Garsidonius  von  Mantua  als  Delegierter  des  Papstes  Urban  HL  (1185  bis 
1187)  auf  Freilassung  der  Ferraresen  von  diesem  Zoll;  am  13.  Sept.  1187 
aber  kassierte  König  Heinrich  diesen  Spruch  als  einen  Eingriff  in  die  dem 
Könige  zustehenden  Rechte;  das  Kloster  sollte  dies  ripaticum  für  immer  in 
der  Höhe  erheben,  wie  sie  durch  beschworene  und  notariell  beglaubigte 
Zeugenaussagen  festgestellt  worden  war.*)  In  Piacenza  hatte  das  Kloster 
der  hl.  Julia  zu  Brescia  weitgehende  Rechte;  nach  langen  Streitigkeiten 
zwischen   der  Stadt   und    der    Äbtissin  S)    wurde    im   Juli   1157    prinzipiell 


Masseriam  autem  dicimus  quamlibet  navem  quascumque  merces  preter  salem  por- 
tantem.  Der  Ausdruck  ist  wohl  sehr  nachlässig;  nach  dem  ersten  Satze  kann 
masseria  doch  nicht  das  Schiff  selbst  sein ;  ich  vermute,  daß  es  nichts  anderes  wie 
merceria  bedeutet.     Dazu  Ficker  11,  186. 

^)  St.  4015.  Muratori  Ant.  IV,  257 :  widas  et  tansas  omnes  a  flumine  Tar- 
taro usque   ad  mare ;   auch   die  redditus  molendinorum  a  flum.  T.  usque  ad  mare. 

»)  Muratori  Ant.  VI,  251.  S.  auch  d'Arco  VH,  168  no.  84:  Feststellung  des 
Rechts  des  Bischofs  (6.  März  1174)  auf  das  ripaticum  navium  (außer  bei  Schiffen 
Mantuas),  auch  wenn  sie  nicht  landen. 

')  Cod.  Cremen.  II,  63.  Von  Abt  Otto  1116  durch  Verleihung  politischer  Frei- 
heiten erweitert;  Murat.  Ant.  IV,  59. 

*)  Ficker  IV  no.  171  p.  214.  Giesebrecht  VI,  166.  Robolini  G.,  Notizie  suUa 
storia  della  sua  patria  (Pavia  1823  f )  III,  184. 

»)  Zahlreiche  Urkunden  bei  Odorici  V,  98;  VI,  118,  120  usw.  Giesebrecht  VI, 
588.  Über  diesen  langdauernden  Streit  s.  besonders  B.  Pallastrelli :  II  porto  ed  il 
ponte  del  Po  presse  Piacenza,  im  Arch.  stör.  Lomb.  IV  (1877)  p.  9 — 38 ;  und  für 
spätere  Zeiten  Cipolla  in  den  Atti  Ven.  64  (1904/5),  2  p.  287  ff. 


726  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

anerkannt,  daß  alle  Schiffe  im  Hafen  von  Piacenza  unter  dem  Hoheitsrecht 
des  Klosters  ständen;  doch  wurde  der  Stadt  dafür,  daß  die  Konsuln  für  _. 
die  Sicherheit  des  Hafens  und  der  Schiffe  zu  sorgen  hatten,  die  Hälfte  der  fll 
auf  dem  Strom  und  im  Hafen  zu  erhebenden  Abgaben,  mit  Ausnahme  jener 
4  den.,  die  als  pedagium  erhoben  wurden,  überlassen.  Zur  Einziehung  der 
Abgaben  bestellten  Äbtissin  und  Konsuln  je  zwei  vereidete  Personen,  die 
ihr  Amt  im  Namen  der  Äbtissin  zu  verwalten  hatten ;  von  der  eingegangenen 
Summe  wurden  erst  die  für  den  Hafen  erwachsenen  Unkosten  abgezogen 
und  der  Rest  sodann  zwischen  Kloster  und  Stadt  geteilt,  i) 

Der  Vorgang  entspricht  dem  allgemeinen  Verlangen  der  empor- 
strebenden Communen,  die  in  anderen  Händen  befindlichen  Strom- 
zölle in  ihrer  Machtsphäre  an  sich  zu  bringen;  die  Gründung  des 
lombardischen  Bundes  hat  sicher  auch  den  kaiserlichen  Stromzöllen 
ein  Ende  bereitet,  und  wir  hören  nicht,  daß  ihre  Wiedereinführung 
je  versucht  worden  wäre.  Jede  Commune  strebte  nach  der  unbe- 
schränkten Verfügung  über  den  Strom  und  alle  Wasserläufe  inner- 
halb ihres  Gebiets ;  als  das  Ziel  der  Wasserstraßenpolitik  der  einzelnen 
Postädte  erscheint  es,  den  Verkehr  möglichst  an  den  eigenen  Ort 
heranzuziehen,  die  eigene  Stadt  in  möglichst  weitem  Umfange  zum 
Stapelplatz  zu  machen.  Da  jede  Commune  aber  bei  dieser  Politik  mit  ' 
dem  Widerstände  der  anderen  zu  rechnen  hatte,  so  erlitt  das  Prinzip 
dieser  Politik  in  der  Praxis  die  mannigfachsten  Durchbrechungen; 
zeitweise  wurde  es  durch  das  allgemeine,  wechselseitige  Interesse  über- 
wunden, kam  aber  doch  immer  wieder  zum  Durchbruch. 

574.  Die  größte  Bedeutung  hatte  die  Handelsschiffahrt  und  da- 
mit die  Wasserstraßenpolitik  naturgemäß  in  den  Gebieten  am  unteren 
Po ;  die  Beziehungen  des  überaus  günstig  gelegenen  Ferrara  zu  seinen 
Nachbarn  Bologna  und  Modena  auf  der  rechten  Stromseite,  stromauf 
zu  Cremona  und  z.  T.  auch  noch  zu  Piacenza,  auf  der  linken  Seite 
des  Po  vor  allem  zu  Mantua,  dann  aber  auch  zu  Verona,  das  eben- 
falls Uferstaat  des  Po  war,  seit  ihm  durch  den  Schiedspruch  von  1151 
der  Besitz  Ostiglias  gegen  den  Anspruch  Ferraras  zuerkannt  war  2), 
stehen  hier  im  Vordergrunde. 

Sicher  war  es  gegen  die  Absperrungspolitik  Ferraras  gerichtet,  wenn 
der  Kaiser  in  seinem  Privileg  vom  26.  Juni  1162  den  Ravennaten  versprach, 
in  ihrem  Interesse  die  Wasserstraße  des  Po  nach  Ravenna  zu  sobald  wie 
möglich  frei  zu  machen;  falls  diejenigen,  die  sie  gesperrt  hätten,  seinem 
Befehl  nicht  gehorchen  sollten,  werde  er  sie  als  Reichsfeinde  mit  dem  Banne 
belegen.  3)  Als  nach  der  Schlacht  bei  Legnano  die  Vereinbarung  zwischen 
dem  Kaiser  und  dem  lombardischen  Bunde  im  Gange  war,  spielte  die  all- 
seitige Öffnung  des  Po  durch  die  Uferstaaten  bei  den  Verhandlungen  eine 
wichtige  Rolle.*)  Nach  längerem  Widerstreben  gestand  Ferrara  die  von  den 
Rektoren  des  Bundes  und  von  Venedig  verlangte  Öffnung  schließhch  zu 
(7.  Mai  1177),  Heß  sich  aber  gleichzeitig  von  ihnen  die  formelle  Zusicherung 


1)  Muratori  Ant.  IV,  57. 

*)  Cipolla,  Documenti  p.  1. 

»)  Const.  et  acta  I  no.  213.     Ficker  IV  no.  130.     Giesebrecht  V,  318. 

*)  Muratori  Ant.  IV,  3S3  ff.     Savioli  II,  2  p.  70  ff. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  727 

geben,  daß  es  an  seine  beschworene  Verpflichtung,  den  Strom  offen  zu 
halten,  denen  gegenüber  nicht  gebunden  sein  sollte,  die  nicht  ihrerseits  das 
gleiche  taten;  namenthch  in  bezug  auf  Ravenna  und  Cremona^)  befürch- 
tete Ferrara  übervorteilt  zu  werden.  Die  gleiche  eidliche  Verpflichtung  dem 
Bunde  gegenüber  übernahm  unter  entsprechenden  Vorbehalten  auch  Mantua; 
der  Grundsatz  der  Verkehrsfreiheit  auf  dem  Strom  hatte  über  den  Wider- 
streit der  Interessen  der  einzelnen  Uferstaaten,  nicht  zum  wenigsten  unter 
dem  Drucke  Venedigs,  das  damit  seine  Handelsinteressen  am  besten  förderte, 
den  Sieg  davongetragen. 

Zwei  Jahre  darauf  ließen  Ferrara  und  Modena  einen  zwischen  ihnen 
schwebenden  Streit  durch  Schiedspruch  beilegen;  Ferrara  forderte  von  den 
Modenesen  in  ßondeno  und  Ferrara  selbst  Ufergeld  und  Zoll,  während  Mo- 
dena die  gleiche  Abgabenfreiheit  beanspruchte,  die  es  den  Ferraresen  in 
seinem  Gebiet  gewährte.  Der  Schiedspruch  bestätigte  die  herkömmUche 
Abgabenfreiheit  der  Ferraresen  und  befreite  auch  die  Modenesen  von  Ufer- 
geld imd  Zoll  in  Bondeno;  in  Ferrara  selbst  aber  sollten  sie  von  jedem 
Schiff,  das  mit  Ladung  dorthin  kam  oder  von  da  aufwärts  ging,  3  den.  imp. 
zahlen  und  für  Salz  und  Fische  die  üblichen  Abgaben  weiter  entrichten. 2)  Die 
damalige  Friedenszeit  ermöglichte  es,  daß  Ferrara  auch  mit  Fiacenza  einen 
Schiffahrts-  und  Handelsvertrag  einging,  der  am  15.  November  1181  in  erster 
Linie  von  je  einem  Konsul  der  Kaufleute  beider  Städte,  Guicciardo  Ariberti 
von  Ferrara  und  Roberto  Magnano  von  Fiacenza,  abgeschlossen  wurde.  3) 
Beiderseits  wurden  2  sol.  (imp.)  vom  Schiff  erhoben ;  außerdem  hatten  die 
Placentiner  den  nunmehr  in  päpstlichem  Besitz  befindlichen  StromzolH) 
von  Ficcarolo  zu  entrichten,  während  die  Ferraresen  im  Placentinischen  an 
den  Zollstellen  Roncarolo  und  Soprariva  je  1  Pfd.  Pfeffer  von  jedem  Schiff 
zu  geben  hatten  —  ein  guter  Beweis,  daß  die  Ferraresen  auch  die  Waren 
der  Levante  stromaufwärts  vertrieben.  Daß  sie  in  jener  verhältnismäßig 
ruhigen  Zeit  bis  gegen  Ende  der  Regierung  Friedrich  Barbarossas  ihre  Schiff- 
fahrt auch  bis  Pavia  ausdehnten,  beweist  ihr  Zollstreit  mit  jenem  pavesischen 
Kloster.  0) 

575.  Während  der  schweren  Wirren  am  Anfang  der  Regierung  Hein- 
richs VI.  machte  das  ebenso  wie  Verona  mit  Ferrara  verfeindete  Mantua 
einen  sehr  bemerkenswerten  Versuch,  seine  Handelsschiffahrt  auf  dem  Po 
von  Ferrara  völlig  unabhängig  zu  machen.  Am  7.  Dezember  1191  schloß 
es  mit  Verona  einen  Vertragt),  dessen  wichtigster  Gegenstand  die  Herstel- 
lung eines  Schiffahrtskanals  vom  Po  vor  seinem  Austritt  aus  dem  Terri- 
torium Mantuas  nach  Salvaterra  an  der  Etsch  war'^),  eines  Kanals  also,  der 


*)  Der  Kaiser  hatte  ihm  im  Jahre  zuvor  alle  seine  Rechte  und  Gewohnheiten 
am  Po,  einschließlich  Brücken-  und  Stromzölle,  bestätigt.  Stumpf  HI  p.  209  ff. 
(29.  Juli  1176);  auch  bei  Prutz  H,  375  f. 

>)  Muratori  Ant.  H,  33  (14.  November  1179). 

')  Auszug  bei  Poggiali  IV,  337.  In  dem  im  selben  Jahre  (9.  Januar  1181)  ab- 
geschlossenen Pachtvertrage  über  den  Stromzoll  behielten  sich  die  Konsuln  von 
Piac.  ausdrücklich  ihr  Recht  vor,    »aperire  et  claudere  aquam  Padi«.  Boselli  I,  310. 

*)  Über  die  Geltendmachung  der  päpstlichen  Rechte  in  dieser  Zeit  Ficker  II 
p.  316  f. 

»)  Oben  §  573. 

8)  d'Arco  I,  142  ff.  Doc.  no.  5.     Cipolla  p.  302  f.     Oben  §  556. 

»)  Im  Privileg  Heinrichs  VI.  für  Ferrara  vom  12.  Febr.  1191  (Ficker  IV  no.  178) 
heißt  es :  ex  alio  latere  Athesis  a  bocca  veteri  et  Salvaterra  descendendo  per  Athe- 


728  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

für  den  Verkehr  Mantuas  und  aller  oberhalb  davon  gelegenen  Postädte  mit 
dem  Meere  bzw.  Venedig  die  Vermeidung  Ferraras  und  seines  Gebiets  mög- 
lich machen  sollte;  auf  gemeinsame  Kosten  sollte  er  in  dem  kurzen  Zeit- 
raum vom  1.  Juli  bis  Michaeli  1192  fertiggestellt  werden. 

Zur  Ausführung  ist  der  kühne  Plan^),  ein  Vorläufer  der  berühmten 
Tagliata  der  Cremonesen,  die  sich  gerade  gegen  Mantua  richten  sollte,  nicht 
gekommen ;  das  in  seiner  Handelsstellung  schwer  bedrohte  Ferrara  blieb  im 
Felde  überlegen.  In  einem  neuen  Kampfe  aber  siegte  Mantua ;  in  dem  durch 
Verona  vermittelten  Frieden  (1198)  versprach  Ferrara  wiederum  die  Offen- 
haltung des  Po  für  ewige  Zeiten;  an  Stromzöllen  sollte  Ferrara  nur,  wie 
früher  üblich,  je  2  d.  ver.  in  Ficcarolo  und  Ferrara,  und  Mantua  entsprechend 
je  2  d.  ferr.  in  Governolo  und  Mantua  (an  der  Leonhardsbrücke)  erheben.  2) 
Doch  schon  im  folgenden  Jahre,  in  dem  das  gewaltige  Werk  der  Sicherung 
Mantuas  durch  großartige  Wasser-  und  Deichbauten  vollendet  wurde,  ent- 
brannte der  Krieg  von  neuem;  Verona  trat  auf  die  Seite  Ferraras  und  im 
Jahre  1200  verbanden  sich  Mantua  und  Cremona  auf  25  Jahre  gegen  die 
mächtige  Liga,  die  Verona,  Ferrara,  Mailand,  Piacenza,  Brescia  und  Crema 
gegen  sie  gebildet  hatten.  3) 

Um  sich  den  Bezug  von  Waren,  besonders  des  unentbehrlichen  Salzes, 
zu  sichern,  schloß  Mantua  am  31.  Dezember  1201  einen  Handelsvertrag  mit 
Modena*):  —  jedesmal,  wenn  ihm  der  Po  weg  versperrt  sei,  verpflichtete  sich 
Mantua,  seinen  Salzbedarf  in  Modena  zu  decken;  falls  die  Salzvorräte  Mo- 
denas  hierfür  nicht  ausreichten,  sollten  die  Mantuaner  zum  Zwecke  des  Salz- 
einkaufs unbehinderten  Durchzug  durch  das  Modenesische  nach  Ravenna, 
Faenza,  Forli,  Bologna  oder  Imola  haben.  So  wußte  sich  Mantua  auch  den 
beiden  vereinigten  Nachbarn  Ferrara  und  Verona  gegenüber  zu  helfen.  Im 
nächsten  Jahre  erfolgte  dann  die  Wiederaussöhnung  der  streitenden  Parteien.^) 
Wie  stark  die  Handelsschiffahrt  auf  dem  Po  und  seinen  Nebenflüssen  durch 
solche  Fehden  beeinträchtigt  werden  mußte,  liegt  auf  der  Hand. 

Der  Umstand,  daß  für  Bolognas  Schiffahrtsverkehr  das  Ferraresische 
kaum  zu  umgehen  war,  bewirkte,  daß  Ferrara  ihm  gegenüber  an  höheren 
Abgaben  festhielt;  nach  den  Verträgen  von  1193  und  1203  hatten  die  Bo- 
lognesen  bei  bloßem  Transit  durch  das  Ferraresische  von  jedem  Schiff,  ob 
groß  oder  klein,  12  d.  imp.  (=  3  sol.  ferr.),  sonst  aber,  ob  es  nun  von  Ferrara 
stromaufwärts  fuhr  oder  mit  Waren  von  oberhalb  kam,  2  sol.  ferr.  vel  bon. 
zu  entrichten,  ß)  Dagegen  verbesserte  sich  die  Lage  der  Moden esen  gegen 
früher  noch  dadurch,  daß  ihr  Anspruch  auf  völlige  Abgabenfreiheit  in  Fer- 
rara im  Vertrage  von  1198  bis  auf  einen  mäßigen  Salzzoll  anerkannt  wurde; 
auch  verpflichtete  sich  Ferrara,  den  Modenesen  bei  der  Unterhaltung,  Ver- 
besserung  oder    Veränderung  ihrer  Schiffahrtstraße    bis    zum   Po   keinerlei 


sim  usque  ad  districtum  Venetorum;  im  Privileg  Friedrichs  II.  für  Vangaditia  von 
1219  (Winkelmann  Acta  II  no.  9) :  ex  alia  parte  Athesis  Salvaterra  etc. 

*)  Im  Jahre  1310  hat  Venedig  diesen  Plan  im  Bunde  mit  Verona  wieder  auf- 
genommen.    Lenel  80  f. 

»)  d'Arco  VII,  170  ;  I,  148  u.  21. 

3)  Cipolla  p.  324  f.  (no.  6  u.  7)  und  p.  346  (no.  12) ;  dazu  p.  291  f. 

*)  Muratori  Antiqu.  IV,  379 ;  im  entsprechenden  Schwur  der  Modenesen  p.  377 
ist  statt  Imolam  et  Ferrariam  et  Ravennam  zu  lesen  Furlivium. 

5)  Vertrag  zwischen  Mantua  und  Verona  von  1202  bei  Cipolla,  Documenti 
no.  1  p.  5  ff. 

«)  Murat.  Ant.  II  891  ff. ;  IV,  447  ff.,  451.     Savioli  II,  2  no.  300. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  729 

Hindernis  in  den  Weg  zu  legen,  i)  In  der  Zeit  der  inneren  Kämpfe  zwischen 
der  markgräflichen  Partei  und  der  Partei  Salinguerras  respektierten  die  Fer- 
raresen  diesen  Vertrag  nicht  mehr;  sie  errichteten  die  Feste  Ponte  Dosso 
(Castrum  Pontis  Ducis),  die  diese  Schiffahrtstraße  beherrschte,  und  beschlag- 
nahmten zahlreiche  Schiffe  der  Modenesen  mit  ihren  Waren,  die  z.  T.  den 
Bundesgenossen  Modenas,  den  Parmesanen,  gehörten.  Aber  die  Waffen  ent- 
schieden zugunsten  der  Verbündeten ;  nach  dem  Frieden  von  Ponte  Dosso 
vom  8.  November  1213  mußte  Salinguerra  die  Feste  den  Modenesen  zur  Zer- 
störung überliefern  und  alle  Schiffe  sowie  die  den  parmesanischen  Kauf- 
leuten geraubten  Waren  zurückerstatten  oder  vollen  Schadenersatz  leisten.2) 
Nach  wenigen  Jahren  hatte  Modena  Anlaß  zu  neuen  Beschwerden  über  Fer- 
rara,  so  daß  es  sich  1219  an  König  Friedrich  um  Abhilfe  wandte,  der  auch 
den  Podestä  von  Parma  beauftragte,  Salinguerra  und  Ferrara  durch  Bedro- 
hung mit  dem  kaiserlichen  Bann  zur  Aufhebung  der  verhängten  Sperre  zu 
zwingen.  ^) 

576.  Gerade  damals  nun  faßte  Cremona  den  Entschluß,  seine 
kommerzielle  Stellung  am  Po  durch  Herstellung  eines  Abkürzungs- 
kanals durchgreifend  zu  verbessern. 

Mantua  war  in  seiner  eigensüchtigen  Handelspoütik  so  weit  gegangen, 
alle  vom  unteren  Po  kommenden  Schiffe  zu  zwingen,  bei  Governolo  aus 
dem  Po  ab-  und  in  den  Mincio  einzubiegen  und  in  Mantua  ihre  Ladung 
zu  löschen.  4)  Nun  sollten  die  Schiffe  Cremonas  das  mantuanische  Gebiet 
völlig  umgehen  können  dadurch,  daß  ungefähr  auf  der  Sehne  des  Bogens, 
den  der  Po  zwischen  seiner  Nordwendung  bei  Guastalla  luid  der  Mündung 
des  Panaro  beschreibt,  ein  Schiffahrtskanal  (Taghata)  gegraben  wurde,  den 
der  Po  selbst  mit  Wasser  zu  füllen  hatte.  Der  Plan  entfesselte  den  heftigsten 
Kampf  der  Interessen ;  Mantua  und  Ferrara  waren  die  entschiedensten  Gegner 
und  der  Papst  schloß  sich  ihnen  namenthch  wegen  der  Zollstätte  bei  Fic- 
carolo  an.  Dennoch  führten  Cremona  und  Reggio  den  Plan  im  Frühjahr 
1220  erfolgreich  durch,  und  die  Tagliata  blieb  allen  Anfeindungen,  nament- 
lich der  Mantuaner^),  zum  Trotz  bestehen;  in  den  Jahren  1242 — 1244  hat 
Reggio  bei  Ragolo  eine  feste  Brücke  über  die  Tagliata  herstellen  lassen.  ^) 
Deuthch  zeigt  dieser  lombardische  Kanalstreit,  wie  groß  die  Interessen  ge- 
wesen sein  müssen,  die  für  die  Handelsschiffahrt  und  zugleich  für  die  Zoll- 
einnahmen der  beteiligten  Städte  auf  dem  Spiele  standen;  nicht  minder 
deuthch  aber  lehrt  er  auch,  welche  Schwierigkeiten  der  Handelsschiffahrt 
aus  der  politischen  ZerspUtterung  der  anliegenden  Gebiete  erwuchsen.  Wie 
man  dieser  Schwierigkeiten  am  unteren  Po  gelegentlich  Herr  zu  werden  ver- 
suchte,  kann  uns  der  am   24.  Mai  1239   zwischen  Ferrara  und  Mantua  ge- 


•)  Murat.  Ant.  11,  889  f.  Juro,  quod  permittam  Mutinensibus  suum  navigium 
habere  sicut  modo  est,  meliorare,  reficere,  mutare  ad  voluntatem  Mutine  usque 
in  Padum  et  omne  impedimentum  inde  auferre. 

«)  Ebd.  IV,  715  f. 

»)  B.-F.  984.     Winkelmann  I,  82. 

*)  Winkelmann  I,  88.     Alb.  Milioli  lib.  de  temporibus  SS.  XXXI,  502. 

')  Am  1.  Mai  1223  lauerten  die  Mantuaner  einer  Schiö'skarawane  der  Cre- 
monesen  von  fast  100  Salzkähnen  auf,  als  sie  bei  Bondeno  in  die  Tagliata  ein- 
zufahren im  Begriff  war,  und  bohrten  sie  in  den  Grund.  Alb.  Miliol.,  SS.  XXXI,  504. 

*)  Ebd.  514  ff.  Näher  auf  die  Geschichte  der  Tagliata  einzugehen,  würde  an 
dieser  Stelle  zu  weit  führen. 


730  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

schlossene  Vertrag  von  Massa^)  veranschaulichen.  Für  die  Sicherheit  des 
Handelsverkehrs  auf  den  Wasser-  und  Landstraßen  ihres  Gebiets  trat  jede 
der  beiden  Städte  unter  Übernahme  der  Ersatzpflicht  ein;  zwischen  beiden 
Gebieten  aber  war  auf  dem  linken  Poufer  eine  Lücke,  in  der  das  unter 
veronesischer  Hoheit  stehende  Ostiglia  lag,  das  sich  mit  Mantua  häufig  in 
Diflterenzen  befand.  Man  bestimmte  nun,  daß,  solange  zwischen  Mantua  and 
Ostiglia  Streit  bestand,  kein  Ferrarese  mit  Waren  die  unsichere  Stromstrecke 
auf  eigene  Hand  passieren  sollte ;  vielmehr  hatte  er,  wenn  er  auf  der  Reise 
stromauf  war,  in  Melaria,  dem  letzten  Ort  des  Gebiets  von  Ferrara,  war  er 
aber  auf  der  Rückreise,^  in  Governolo  auf  das  Eintreffen  einer  der  unter 
Eskorte  fahrenden  mantuanischen  Schiffskarawanen  (muda  mercatorum  Man- 
tuae)  zu  warten  und  sich  dieser  anzuschließen.  Für  den  Fall,  daß  die  Kauf- 
leute von  Mantua  besondere  Wachtschiffe  bei  Serravalle,  deren  Endpunkt  des 
mantuanischen  Gebiets  auf  der  linken  Poseite,  oder  Revere  (Ostiglia  ge- 
genüber) stationiert  hätten,  genügte  es,  wenn  die  Ferraresen  von  Melaria 
oder  Governolo  aus  nach  diesen  schickten  und  unter  deren  Geleit  die  Fahrt 
bis  zur  Grenze  Mantuas  oder  Ferraras  fortsetzten.  2)  Wohl  um  die  Ferra- 
resen vor  etwaigen  Handelsnachteilen  bei  Befolgung  dieser  Vorschriften  zu 
bewahren,  verpflichtete  sich  Mantua,  auch  den  Transport  der  Waren  der 
eigenen  Bürger  oder  anderer  Fremder  nur  unter  entsprechenden  Bedingungen 
zuzulassen  3);  den  Konsuln  von  Governolo  und  den  Kapitänen  von  Serra- 
valle und  Revere  war  die  Aufsicht  darüber  zur  eidlichen  Pflicht  zu  machen. 
Wenn  Mantua  mit  den  Leuten  von  Ostiglia  in  Frieden  lebte,  so  fielen  alle 
diese  Beschränkungen  fort  und  es  blieben  nur  die  schon  in  früheren  Ver- 
trägen bezüglich  einzelner  Orte  erlassenen  Verbote  in  Kraft.  Merkwürdig 
ist  auch,  daß  die  Ferraresen  sich  ausbedangen,  falls  die  Mantuaner  dem 
bestehenden  Handelsverbot  des  Kaisers  selbst  zuwiderhandelten  oder  andere 
zuwiderhandeln  ließen,  ebenfalls  zu  dem  gleichen  Handel  zugelassen  zu 
werden;  beide  Städte  gehörten  damals  der  kaiserlichen  Partei  an,  so  daß  es 
sich  jedenfalls  um  eine  vom  Kaiser  gegen  seine  politischen  Feinde  ange- 
ordnete Handelssperre  handelt,  die  man  nicht  gerade  streng  zu  beobachten 
willens  war. 

577.  Minder  lebhaft  als  am  unteren  Po  mußte  die  Handels- 
schiffahrt natürhch  am  Oberlaufe  sein,  wo  der  Strom  selbst  mit  seinem 
starken  Gefälle  schon  wesentliche  Hindernisse  bereitete. 

Doch  erstreckte  sich  die  Schiffahrt  noch  beträchtlich  über  Pavia  hin- 
aus; in  einem  Vergleich  zwischen  dem  Bischof  von  Vercelli  und  den  Leuten 
von  Casale  vom  7.  November  1203  wurden  dem  Bischof  der  herkömmliche  ^ 
Uferzoll  in  Casale  von  allen  Schiffen,  die  mit  Waren  irgendwelcher  Art  AI 
stromab  oder  stromauf  gingen,  sowie  die  übliche  Pflockgebühr  zugestanden*); 
und  als  König  Friedrich  sich  1212  durch  die  Lombardei  hindurchschleichen 
mußte,  hören  wir,  daß  Piacenza  alle  von  oberhalb  kommenden  Schiffe  sorg- 
fältig durchsuchen  ließ.     Die  Zollordnung  von  Ferrara  vom  Jahre  1228  setzt 

1)  Murat.  Ant.  IV,  443. 

*)  Ebd.  445 :  debeat  mittere  pro  dicta  tansa  mercatorum,  ubi  f uerit,  et  ipsam 
expectare   ibi,   quousque   venerit.     Et  ipsa   teneantur  ita  cito,   quam  viderint  nun-' 
cium  venire,  ipsum  mercatorem  seu  mercatores  secure  tansare  per  districtum  Man- 
tue  etc. 

^)  nisi  quum  muda  Mercatorum  seu  Comunis  Mantue  venerit  i)ro  mercadandia.| 
conducenda. 

*)  Chart.  I,  1096  no.  746. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  731 

nicht  bloß  den  Schiffsverkehr  der  Placentiner  und  Pavesen,  sondern  auch 
der  oberhalb  von  Pavia  bis  Susa  Wohnenden,  die  sie  in  der  Zollbehandlung 
den  Pavesen  gleichstellt,  voraus;  damit  ist  freilich  so  wenig  wie  bei  den  in 
gleicher  Weise  genannten  Franzosen,  Deutschen,  Genuesen  und  Pisanern 
gesagt  1),  an  welcher  Stelle  sie  den  Umschlag  ihrer  Waren  auf  den  Wasser- 
weg bewirkt  haben  mögen. 

578.  Was  die  Nebenflüsse  des  Po  angeht,  so  ist  schon  klar  geworden, 
wie  energisch  Bologna  und  Modena  ihre  Verbindung  mit  dem  Po,  dessen 
Hauptstrom  ihnen  damals  näher  lag,  als  es  heute  der  Fall  ist,  für  ihre 
Handelsschiffahrt  auszunutzen  verstanden.  Dabei  ließ  man  es  an  Verbesse- 
rungen der  natürlichen  Wasserläufe  keineswegs  fehlen ;  so  ließ  sich  Modena 
vom  Kaiser  im  Juni  1226  das  unbeschränkte  Recht  zusprechen,  mit  allen 
Flußläufen  in  seinem  Gebiet  jede  beliebige  Änderung  vorzunehmen  und 
eine  Schiffahrtstraße  nach  dem  Meere  zu  oder  wohin  es  sonst  sei  zu  unter- 
halten und  zu  befahren.  2)  Und  in  dem  Vertrage  Modenas  mit  Reggio  von 
1202  sind  genaue  Bestimmungen  über  die  Wasserentnahme  aus  der  Situla 
(Secchia)  für  die  beiderseitigen  Schiffahrtskanäle  getroffen;  die  Oberhäupter 
beider  Städte  beschworen,  daß  fortan  niemand  an  der  Benutzung  dieser 
Kanäle  behindert  werden  dürfte.  3)  Parma  war  mit  dem  Po  durch  einen 
Schiffahrtskanal  verbunden,  der  bis  zur  Mündung  der  Enza  geführt  war; 
nach  den  Statuten  sollte  der  Podestä  dafür  sorgen,  daß  er  so  viel  Wasser 
hatte,  daß  Schiffe  jederzeit  bis  zur  Stadt  gelangen  konnten;  die  Ufer  des 
Kanals  waren  von  allen  Bepflanzungen  freizuhalten.  Am  Eintritt  des  Kanals 
in  die  Enza  wurde  1233  eine  eiserne  Sperrkette  angebracht,  so  daß  Ein- 
und  Ausfahrt  den  Schiffen  nur  mit  Genehmigung  des  dort  von  der  Stadt 
stationierten  Wächters  möglich  war.  4) 

Auf  der  linken  Seite  des  Po  waren,  vom  Mincio  abgesehen,  der  bis 
Mantua  wie  ein  Seitenarm  des  Po  erschien,  OgHo,  Adda  und  der  kleinere 
Lambro  für  die  Handelsschiftahrt  am  wichtigsten.  Als  unter  Kaiser  Fried- 
richs I.  Schutz  an  Stelle  der  nicht  weit  vom  Lambro  gelegenen  alten  Stadt 
auf  dem  rechten  Addaufer  ein  Neu-Lodi  entstand,  wurde  in  dem  kaiser- 
lichen Verleihungsbrief  der  neuen  Stadt  der  Charakter  als  Hafen  und  Schiff- 
fahrtstation °)  beigelegt;  die  zu  Berg  oder  zu  Tal  fahrenden  Kaufmanns- 
schiffe sollten  sicher  und  unbehindert  hier  vor  Anker  gehen  und  kaufen 
und  verkaufen  dürfen.  Am  ganzen  Addalaufe  durfte  kein  anderer  Hafen 
angelegt  werden,  es  geschehe  denn  mit  besonderer  kaiserlicher  Erlaubnis. 
Auf  allen  schiffbaren  Wasserläufen  der  Lombardei  sollten  die  Lodesanen 
von  Abgaben,  mit  Ausnahme  der  für  den  Kaiser  erhobenen,  frei  sein.  Als 
sich  Lodi  1167  dem  lombardischen  Bunde  anschließen  mußte,  wurde  seinen 
Kaufleuten  außer  der  vollen  Verkehrsfreiheit  auf  dem  Po,  wie  Pavia  sie 
hatte,  auch  Abgabenfreiheit  in  den  Gebieten  von  Cremona,  Mailand,  Brescia 
und  Bergamo  eingeräumt ;  im  Gebiet  des  Bistums  Lodi  sollte  es  der  einzige 


')  Muratori  Ant.  U,  29  f. 

2)  Muratori  Ant.  H,  705 :  potestatem  habendi  navigium,  exercendi  et  mutandi, 
usque  mare,  et  quocunque  ire  voluerint. 

»)  Ebd.  IV,  383  f. 

*)  Stat.  Parm.  p.  44  (1226),  377  f. 

')  Cod.  Laud.  H  no.  1  p.  4 :  portus  generalis  et  communis  navium  statio.  Über 
die  Gründung  von  Neu-Lodi  im  allgemeinen  Giesebrecht  V,  157.  Agnelli  G. :  La 
viabilitä  nel  Lodigiano,  in ;  Arch.  lomb.,  serie  4,  fasc.  2  (1904)  p.  227  ff. 


732  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Addahafen  bleiben,  i)  Jedes  Schiff  hatte  in  diesem  Hafen  eine  Abgabe  von 
12  den.  an  Lodi  zu  entrichten.  2)  In  dem  Allianz  vertrage,  den  Mailand  mid 
Lodi  am  28.  Dezember  1198  schlössen  3),  gab  Mailand  das  Versprechen  ab, 
für  alle  Waren,  die  es  zu  Schiffe  bezog  oder  verfrachtete,  Lodi  als  alleinigen 
Ein-  und  Ausfuhrhafen  benutzen  zu  wollen  und  Waren,  die  zu  Schiffe  von 
Cremona  die  Adda  aufwärts  geführt  würden,  weder  in  Cremona  noch  sonst 
an  einem  Orte,  ausgenommen  in  Lodi,  zu  kaufen. 

Auch  in  die  Verhältnisse  der  Lambroschiffahrt  erhalten  wir  einen  Ein- 
blick. Bei  einer  Differenz  zwischen  Lodi  undPiacenza  im  Jahre  1173  wurde 
durch  Zeugenaussagen  festgestellt'*),  daß  der  Zoll,  der  von  den  auf"demLambro 
verkehrenden  Schiffen  für  Lodi  seit  alter  Zeit  erhoben  zu  werden  pflegte, 
5  Soldi  alter  Denare  und  zwei  Weizenbrode  betragen  habe ;  einer  hat  in  den 
5  Jahren  vor  dem  Kriege  zwischen  Lodi  und  Mailand  diesen  Zoll  siebenmal 
von  Salzschiffen  und  Schiffen  mit  anderen  Waren  durch  lodesanische  Ein- 
nehmer teils  in  Salaranum  (nahe  Alt -Lodi),  teils  inOrium  (nahe  der  Lambro- 
mündung)  erheben  sehen ;  ein  anderer  bezeugt  das  gleiche  für  zwei  cremone- 
sische  Schiffe;  ein  dritter  hat  38  Schiffe  dies  pedagium  entrichten  sehen; 
ein  vierter  kennt  die  Schleuse  bei  Cereta  (an  der  mailändischen  Grenze)  als 
Einhebungsort,  während  andere  bekunden,  daß  diese  Abgabe  nur  widerwillig 
gegeben  worden  sei. 

Auf  der  anderen  Seite  suchte  sich  Mailand  durch  kaiserliche  Privi- 
legien dagegen  zu  schützen,  daß  etwa  a,ußerhalb  seines  Gebietes  der  Schiff- 
fahrt auf  dem  Lambro  Schwierigkeiten  bereitet  wurden;  niemand  sollte 
durch  Anlage  von  Brücken,  Wehren,  Mühlen  u.  dgl.  von  Melegnano  abwärts 
bis  zur  Mündung  des  Lambro  in  den  Po  die  Schiffbarkeit  des  Flusses  irgend- 
wie beeinträchtigen,  die  Freiheit  des  Verkehrs  auf  dem  Lambro  behindern 
oder  neue  Abgaben  auf  demselben  einführen  dürfen.  &)  Aber  Mailand  sorgte 
auch  für  Herstellung  künstlicher  Wasserstraßen  in  seinem  Gebiet,  und  zwar 
in  sehr  bemerkenswertem  Umfange.  Schon  im  August  1179  wurde  mit  dem 
Bau  des  Kanals  von  Gazano  begonnen  6),  der  vom  Tessin  in  der  Nähe  von 
Oleggio  abzweigte,  sich  bis  in  die  Gegend  von  Abbiategrasso  in  der  Nähe 
des  Flusses  hielt  und  sich  dann  nach  Osten  über  Gazano  Mailand  zuwandte. 
Zu  diesem  Kanal  trat  später  von  der  anderen  Seite  her  der  Addakanal,  der 
den  Fluß  bei  Cassano  verließ ;  im  Jahre  1245  hat  König  Enzio  im  Kampfe 
gegen  Mailand  mit  den  Kontingenten  von  Cremona,  Parma  und  Reggio  die 
»taleata  Addae«  benutzt  und  das  an  diesem  Kanal  gelegene  Gorgonzola 
erobert.'^) 

579.  Wenn  wir  von  den  Bergamasken  erfahren,  daß  sie  mit  ihren 
Tuchballen  zu  Schiffe  nicht  nur  nach  Ferrara  kamen,  sondern  auch  nach 
Bologna,  Venedig  und  Ravenna  weiter  gingen  §),  so  mögen  sie  je  nach  den 
Umständen  den  Oglio  oder  Serio  und  Adda  zur  Fahrt  nach  dem  Po  benutzt 


»)  Cod.  Laud.  II  no.  24  p.  34.     Giesebrecht  V,  577  f. 

''')  Geht  aus  einer  zeugeneidhchen  Feststellung  von  1192  hervor.  Cod. 
Laud.  n  no.  163  p.  185  f. 

3)  Ebd.  no.  209  f.  p.  226  fE.     Auch  Cod.  Laud.  HI,  586  fE. 

*)  Ebd.  n  no.  61  p.  71  f. 

')  Priv.  Ottos  IV.  von  1210  in  Bestätigung  von  Privilegien  Heinrichs  VI.  und 
Friedrichs  I.     B.-F.  410.     Giulini  VH  (1857),  150. 

«)  Notae  S.  Georgii  MedioL,  SS.  XVIII,  387;  ann.  Mediol.  minores,  ebd.  396. 

')  Alb.  MiUol.,  SS.  XXXI,  517. 

8)  Murat.  Antiq.  11,  31  (Zollordnung). 


Handelswege  und  Handelsabgaben,  733 

haben.  Auf  dem  Oberlauf  waren  diese  Flüsse  natürlich  nur  zur  Holzflößerei 
zu  benutzen ;  offenbar  in  finanziellem  Interesse  übte  Brescia  über  diese  auf 
dem  OgHo  eine  genaue  Kontrolle  aus.  In  Monticolo  waren  durch  eine  be- 
sonders dazu  angestellte  Vertrauensperson  alle  Holzflöße,  die  von  Valca- 
monica  herunter  kamen,  aufzuzeichnen ;  die  Aufzeichnung  ging  dann  zur 
Kontrolle  nach  Pisonea  am  Eintritt  des  Oglio  in  den  Iseosee  und  von  da 
nach  Iseo  selbst  am  Südrande  des  Sees,  das  als  Hafen  Brescias  anzusehen 
war,  weiter;  für  die  Gemeinde  Iseo  war  dann  dem  Kämmerer  von  Brescia 
Rechenschaft  abzulegen,  i) 

Eine  lebhafte  Handelsschiffahrt  bestand  auch  auf  den  oberitalienischen 
Seen.  Como  untersagte  den  Schiffern  des  Sees  im  Jahre  1218  besondere 
Verbindungen  untereinander ;  war  ein  Schiffer  für  einen  Transport  bestimmte 
Abmachungen  eingegangen,  so  war  er  auch  bei  Strafe  verpflichtet,  den  Trans- 
port gegen  den  bedungenen  Frachtlohn  auf  dem  Schiffe,  für  das  die  Ab- 
machung getroffen  war,  auszuführen.  2)  Die  Schiffahrt  auf  dem  Gardasee 
wird  uns  durch  einen  Rechtsstreit  zwischen  dem  Grafen  von  Garda  und 
der  Gemeinde  Lazise  über  den  in  Lazise  von  den  lombardischen  Kaufleuten, 
die  von  der  anderen  Seite  des  Sees  kamen,  zu  erhebenden  Uferzoll  bezeugt, 
der  am  17.  November  1179  von  dem  Podestä  von  Verona  mit  seinen  Judices 
zugunsten  von  Lazise  entschieden  wurde  3);  von  hier  war  die  Wasserstraße 
der  Etsch  leicht  zu  erreichen.  Rein  lokale  Bedeutung  hatte  es,  daß  der 
Gemeinde  Riva  vom  Bischof  Konrad  von  Trient  im  Jahre  1192  das  Recht 
verliehen  wurde,  ein  Schiff  zur  Vermittelung  des  Verkehrs  mit  Pönale  und 
Torbole  zu  unterhalten;  pro  Person  war  für  die  einfache  Fahrt  1  den.  zu 
entrichten,  4) 

580,  Derselbe  Bischof  privilegierte  am  30.  April  1202  eine  Gesellschaft 
von  Schiffern  von  Mori  für  den  Warentransport  auf  der  Etschstrecke  von 
Ravazzone  bis  Casa  nova  (Neuhaus),  indem  er  zugleich  die  Höhe  des  Zolls, 
den  sie  zu  entrichten  hatten,  vorschrieb  0) ;  als  im  Sommer  1236  Bonencontro 
Salvebelli  als  Bevollmächtigter  dieser  Schiffer,  von  denen  16  genannt  werden, 
vor  dem  kaiserlichen  Podestä  von  Trient  gegen  Otto  de  Gando  und  Genossen 
klagte,  weil  diese  ihnen  zu  viel  Zoll  abverlangten,  beriefen  sie  sich  auf  die 
vom  Bischof  Friedrich,  dem  Nachfolger  Konrads,  vorgenommene  Festsetzung 
des  Zolls  (toloneum  seu  muda.)^) 

Besondere  Sorge  wandte  man  in  den  1228  abgeschlossenen  Statuten 
Veronas  der  Schiffahrtstraße  der  Etsch  zu.  Man  sah  darauf,  daß  die  Schiff- 
barkeit des  Flusses  nicht  durch  irgendwelche  Wasserbauten  beeinträchtigt, 
nicht  Strudel  erzeugt  oder  das  Gefälle  allzusehr  verstärkt  würde ;  man  sorgte 
dafür,  daß  die  Dämme,  die  die  Etsch  zu  beiden  Seiten  von  Legnago  ab- 
wärts begleiteten ,  instand  gehalten  wurden,  und  ordnete  die  Schließung 
eines  entstandenen  Durchbruchs  an  (Rupta  Crearolarum.)'^)  Für  böswillige 
Schädigungen,  die  Schiffen,  die  am  Ponte  delle  Nävi  ankerten,  nächtlicher- 
weile zugefügt  wurden,    leistete  die  Stadt  Ersatz;    Schiffe,   die  in  einer  Ort- 


')  Stat.  Bresc.  in  Leg.  Munic.  U,  1584  (120), 
'')  Stat,  Cum,  ebd,  p.  155  rub.  123. 

')  Cipolla  in  Atti  ven.  (N,  Arch,  ven,  XV)  p,  489,     Scheffer-Boichorst  p.  47, 
•*)  V.  Hormayr,  Beyträge  no.  107  p.  253. 

*)  Voltelini  p,  187  unter  Berufung  auf  eine  Urkd.  im  Wiener  Staatsarchiv  vom 
2,  Febr.  1210,  der  die  Urkunde  von  1202  inseriert  ist. 
«)  Ebd,  no,  377,  392  f,,  397,  403. 
')  Lib,  Jur.  Civ.  rub,  102,  244,  235. 


734  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Schaft  des  Gebiets  übernachteten,  konnten  gegen  vorgeschriebenes  Entgelt 
die  Stellung  von  Wächtern  verlangen ;  die  Gemeinde,  die  sich  dessen  weigerte, 
wurde  haftpflichtig.!)  Auch  die  venezianischen  Küstenflüsse  behaupteten, 
wie  schon  früher,  ihre  Bedeutung  für  den  Handel,  In  dem  heftigen  Kampfe 
zwischen  Vicenza  und  Padua,  der  am  28.  März  1147  durch  den  an  der 
Brentafähre  bei  Fontaniva  geschlossenen  Frieden  beendet  wurde,  handelte 
es  sich  zum  großen  Teile  um  Schiffahrtsinteressen;  im  Frieden  selbst  ver- 
sprachen die  Faduaner,  der  freien  Schiffahrt  der  Vicentiner  durch  ihr  Gebiet 
fortan  keinerlei  Hindernis  mehr  in  den  Weg  zu  legen.  2)  Und  von  Treviso 
wissen  wir  aus  seinen  aus  den  ersten  Zeiten  des  13.  Jahrhunderts  herrührenden 
Statuten,  daß  es  in  seinem  Handelsinteresse  einen  Kanal  zwischen  Sile  und 
Piave  hergestellt  hatte  und  eifrig  auf  die  Regelung  des  Unterlaufs  beider 
Flüsse  bedacht  war.  3) 

581.  Wenn  man  sich  den  Zustand  der  Landstraßen  im  Mittelalter 
in  der  Regel  als  einen  sehr  primitiven  vorzustellen  pflegt,  so  trifft  diese  An- 
schauung für  Ober-  und  Mittel-Italien  schon  für  die  Zeit  bis  zur  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  keineswegs  allgemein  zu;  namentlich  den  für  den  Handel 
hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  Straßen  haben  die  Communen,  so- 
viel wir  sehen  können,  durchweg  eine  eifrige  Fürsorge  zugewendet.  Die 
Statuten  von  Pisa  und  Piacenza  aus  dem  12.,  die  von  Verona,  Padua,  Parma 
aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  enthalten  zahlreiche  Bestimmungen 
über  Anlegung,  Unterhaltung  und  Verbesserung  von  Straßen,  Wegen,  Brücken. 
Das  ganze  4.  Buch  der  Statuten  von  Parma  handelt  de  viis  et  stratis,  aquis 
et  dugariis  et  pontibus  et  aliis  laboreriis  Comunis*);  und  in  der  Praxis 
sehen  wir  hier  im  Jahre  1197  einen  Magister  Lanfrancus,  der  zugleich  Ka- 
noniker der  Kirche  von  Sorbulo  war,  mit  Herstellungsarbeiten  an  der  Via 
Claudia^')  und  der  Brücke  über  den  Taro  beschäftigt.  In  Padua  gab  es  ein 
besonderes  Wegeamt  der  Ingrossatores  6) ,  und  die  Statuten  von  Bergamo 
verlangen,  daß  die  Orts  Vorsteher  des  Gebiets  angehalten  würden,  die  Wege, 
Straßen  und  Brücken  ihres  Bezirks  zu  unterhalten  und  zu  verbessern.  Die 
Stadt  selbst  hatte  eine  neue  Hauptstraße  herstellen  lassen,  die  quer  durch 
ihr  Gebiet  von  der  Adda  zum  Oglio  hinüberführte.  '^)  Im  Jahre  1225  schreibt 
Verona  in  seinen  Statuten  den  Ausbau  der  direkten  Straße  nach  Brescia 
vor,  faUs  dieses  die  Ausführung  des  auf  sein  Gebiet  fallenden  Anteils  zu 
übernehmen  bereit  ist.  ^)  Als  man  1230  Sarzana  durch  Heranziehung  neuer  Ein- 
wohner zu  heben  bemüht  war,  versprach  man,  für  eine  gute  und  bequeme 
Zugangsstraße  zur  »strata  Romea«  d.  h.  der  Frankenstraße,  Sorge  zu  tragen.  9) 

1)  Ebd.  229,  276. 

*)  Gonzati  L.,  Face  tra  Padovani  e  Vicentini  stipulata  a  F.  il  28.  marzo  1147 
(ohne  Ort,  Jahr  und  Seitenzählung).  Auch  die  Stat.  Fadov.  enthalten  viele  aus  der 
Zeit  vor  1236  herrührende  Bestimmungen  über  Schiffahrtskanäle  und  Wasserbauten, 
so  no.  886  f.,  892  f.,  896,  898  ff.,  908  f.,  913  ff. 

*)  Biscaro  im  N.  Arch.  ven.,  n,  s.,  V  (1903)  p.  140. 

*)  Stat.  Farm.  p.  360  ff.;  s.  ferner  p.  175,  146.  Lib.  Jur.  Civ.  rub.  196,  253. 
Über  Genua-Tortona  usw.  oben  §  501,  über  Fiacenza  §  506,  Asti-Turin  §  505. 

^)  Affö  III,  315  no.  18.  Via  Claudia  nannte  man  seit  der  spätrömischen  Zeit 
den  durch  Farma  gehenden  und  westlich  davon  liegenden  Teil  der  via  Aemilia; 
8.  Schütte  p.  128. 

8)  Stat.  Fadov.  p.  198  no.  609  ff. 

7)  Stat.  Ferg.,  collatio  XV  rub.  38,  48,  49  in  Leg.  Munic.  U,  2034. 

8)  Lib.  Jur.  Civ.  rub.  246. 
»)  Chart   II,    1371  no.  1815.     In   dem    Vertrage   zwischen   Sarzana   und   dem 


I 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  735 

582.  Selbstverständlich  erschien  es  für  alle  diese  Stadtstaaten  Ober- 
nnd  Mittel-Italiens,  daß  jede  größere  Verkehrsstraße,  die  über  ihr  Gebiet 
ging,  zugleich  durch  den  Hauptort  führte.  Demgemäß  mußte  bei  der  Be- 
gründung von  Neu-Lodi  (1158)  auch  die  Straße  verlegt  werden;  ausdrück- 
lich bestimmte  man  damals,  daß  die  Hauptstraße  (communis  strata,  offenbar 
die  von  Mailand  nach  Piacenza  und  Cremona  führende),  wie  sie  mitten 
durch  die  alte  Stadt  ging,  auch  mitten  durch  die  neue  geführt  werde,  i)  Da 
es  offenbar  nicht  so  leicht  war,  den  Verkehr  ganz  von  dem  alten  Wege  ab- 
zuziehen, ordneten  noch  die  Statuten  Lodis  vom  Anfang  des  13.  Jahrhun- 
derts an,  daß  die  alte  Romstraße  auf  einer  bestimmten  Strecke  zu  zerstören, 
völlig'zu  kassieren  und  zu  bebauen  sei.  2)  Piacenza  suchte  in  seinem  langen 
Kampfe  mit  Parma  den  Gegner  dadurch  empfindlich  zu  treffen,  daß  es  im 
Jahre  1199  für  den  Handel  eine  vom  parmesanischen  Gebiet  und  dem  La 
Cisa-Paß  unabhängige  Straße  nach  Toskana  schuf,  die  über  Borgotaro  und 
den  Bratellosattel  Pontremoli  erreichte;  indessen  hat  es  diese  neue  Straße, 
die  namentlich  auf  der  toskanischen  Seite  wesentlich  größere  Schwierigkeiten 
bot  als  die  alte,  nicht  zu  behaupten  vermocht.  3)  Um  friedliche  Vereinbarung 
über  die  Herstellung  einer  neuen  Gebirgsstraße  über  den  Apennin  handelt 
es  sich  in  dem  Vertrage  zwischen  Modena  und  Pistoja  vom  24.  November 
1225;  der  Zug  der  Straße,  die  durch  Val  de  la  Mula  gehen,  beide  Städte 
in  bessere  Verbindung  miteinander  bringen  und  wohl  auch  einen  Teil  des 
florentinischen  Verkehrs  über  den  Apennin  an  sich  ziehen  sollte,  wird  genau 
vorgeschrieben;  jede  der  beiden  Städte  hatte  für  die  Unterhaltung  und  die 
Sicherheit  der  Straße  auf  ihrem  Gebiet  Sorge  zu  tragen.  Jedenfalls  schloß 
sich  die  neue  Straße  eng  an  einen  schon  vorhandenen  Saumpfad  an,  wie 
schon  daraus  zu  schließen  ist,  daß  der  Vertrag  von  den  beiderseitigen  Ge- 
sandten »apud  Hospitale  de  Valdelamula«  abgeschlossen  ist.*) 

583.  Auch  im  Kirchenstaate,  für  den  ja  der  starke  Verkehr  nach  Rom 
von  besonderer  Wichtigkeit  war,  wandte  man  dem  Straßenwesen  seine  Auf- 
merksamkeit zu.  Im  Jahre  1236  stellten  Podestä,  Rat  und  Gemeinde  von 
Sutri  dem  Papste  vor,  daß  die  Brücke  vor  dem  Stadttore  durch  Überschwem- 
mungen zerstört  sei  und  ebenso  wie  die  öffentliche  Straße  der  Wiederher- 
stellung bedürfe;  da  ihre  eigenen  Mittel  dazu  nicht  hinreichten,  möge  er 
ihnen  gestatten,  von  jeder  zu  Pferde  passierenden  Person  1  den.  provin.  sena- 
tus,  von  jedem  Fußgänger  1  den.  senensis  zu  erheben,  wofür  sie  auch  die 
Bewachung  der  Straße  innerhalb  ihres  Gebietes  übernehmen  wollten;  auf 
das  bisher  erhobene  besondere  Geleitsgeld  und  das  stallaticum  von  2  den., 
das  jeder  an  ihrem  Ort  Übernachtende  habe  zahlen  müssen,  wollten  sie  da- 
für Verzicht  leisten.  Der  Papst  genehmigte  ihre  Bitte  zunächst  für  einen" 
Zeitraum  von  3  Jahren,   doch  unter  der  Bedingung,   daß   alle  Römer  sowie 


Bischof  von  Luni  von  1201  war  abgemacht  worden:  strata  cursu  solito  perseveret; 
ebd.  1217  no.  1709. 

1)  Cod.  Laud.  U  no.  1  p.  4. 

*)  Ebd.  m,  556  fE.  Stat.  vetera  (1211)  1.  lU  rub.  59:  De  strata  veteri  morti- 
licata :  ut  strata  romea  vetus  quae  ibat  Laude  Veteri  ad  Luviragam  usque  per  me- 
dium Surdi,  sit  destructa.  S.  auch :  Agnelli  G.,  La  viabilitsi  nel  Lodigiano  nell' 
antichitä  e  nel  medio  evo  im  Arch.  lomb.,  ser.  4,  fasc.  2  (1904)  p.  197  ff. 

')  Joh.  Codagnelli  p.  23.  Genaueres  über  die  Kämpfe  um  diese  Straße  Schütte 
p.  55  f.,  42  und  G.  Sforza  in  dem  neu  erschienenen  Band  I  (1904)  der  Mem.  e  doc. 
dl  Pontremoli. 

*)  Murat.  Antiqu.  IV,  413:  quod  Strata  fiat  et  aptetur  et  aptata  teneatur  etc. 


736  Aclitundvierzigstes  Kapitel. 

alle  aus  dem  Patrimonium  Petri,   ferner  alle  Religiösen  und  die  Familiären 
der  Kurie  von  dieser  Abgabe  befreit  blieben,  i) 

Wie  in  diesem  Falle,  so  nahmen  auch  sonst  die  Flußübergänge  in 
erster  Linie  die  Fürsorge  und  das  Interesse  der  öffentlichen  Gewalten  in 
Anspruch  2);  freilich  waren  sie  ihrer  Wichtigkeit  wegen  nicht  selten  auch 
Gegenstand  erbitterter  Kämpfe.  Im  Jahre  1156  ließ  Mailand  durch  den 
Magister  Guintelmus  bei  Casolo  eine  Brücke  über  den  Tessin  erbauen,  deren 
besondere  Schönheit  und  Festigkeit  gerühmt  wird;  und  11  Jahre  später 
schloß  das  aus  den  Trümmern  wiedererstandene  Mailand  mit  Novara  einen 
Vertrag,  wonach  dieses  die  Brücke  über  den  Tessin  (jedenfalls  die  von  Ber- 
nate)  wiederherzustellen,  sie  zu  bewachen  und  den  Brückenzoll  ebenso  wie 
den  zurzeit  bestehenden  Überfahrtszoll  mit  Mailand  zu  teilen  versprach.  3) 
Auf  Grund  kaiserlicher  Privilegien  aber  beanspruchte  Pavia  das  alleinige 
Recht  auf  den  Besitz  und  den  Bau  von  Brücken  über  den  Fluß  von  Plum- 
bea  (etwa  1  Meile  s.  vom  Lago  Maggiore)  an  bis  zur  Mündung;  noch  1219 
gebot  Friedrich  II.  in  Anerkennung  dieses  Rechts  den  Mailändern  die  Brücke 
bei  Vigevano  zu  zerstören  4),  ein  Gebot  freilich,  dem  Nachdruck  zu  verleihen 
er  nicht  die  Macht  hatte.  Für  die  Adda  erhielt  Lodi  bei  seiner  Neugrün-  [ 
düng  das  Recht,  Brücken  zu  schlagen,  unter  Vorbehalt  des  Rechts  auf  den  • 
Brückenzoll  für  den  Fiskus;  sogleich  begann  auch  Lodi  mit  dem  Bau  einer  i 
Addabrücke  bei  der  Stadt,  die  wie  die  Stadt  selbst  noch  lange  schweren 
Angriffen  ausgesetzt  gewesen  ist  5);  in  den  folgenden  Kämpfen  fiel  auch  die  : 
Addabrücke  der  Mailänder  bei  Gropello  einmal  der  Zerstörung  durch  Lode- 
sanen  und  Cremonesen  anheim.  Zur  selben  Zeit  wie  mit  Novara  bezüglich 
des  Tessinübergangs  hat  dann  Mailand  auch  einen  vöUig  analogen  Vertrag 
mit  Bergamo  für  den  Addaübergang  bei  Brivio  abgeschlossen.  6) 

Ein  Beispiel  dafür,  daß  bestimmte  Familien  mit  der  Brückenwacht 
betraut  wurden,  liegt  uns  u.  a.  f ür  Brescia  vor ;  im  Jahre  1174  verlieh  es  den 
Brüdern  Johannes  und  Paulus  de  Judicibus  de  Sixano  besondere  Vorrechte 
unter  der  Bedingung,  daß  sie  die  obere  steinerne  Brücke  über  die  Mella  so 
im  Stande  hielten,  daß  ein  bequemer  Übergang  über  den  Fluß  möglich  war.  "^ 
Oft  auch  erscheinen  größere  Brücken  als  öffentlich-rechtliche  Institute  mit 
besonderen  Einnahmen  und  eigener  Verwaltung.^)  Der  Po  selbst  entbehrte 
auch  in  dieser  Periode  in  seinem  unteren  und  mittleren  Laufe  der  festen 
Brücken ;  die  Brücke  bei  Brescello  war  sicher  ebenso  nur  eine  Schiffsbrücke, 
wie  wir  das  von  der  Brücke  bei  Piacenza  wissen,  die  bei  dem  Angriff,  den  der 
Kaiser  1160  mit  den  Schiffen  Pavias  machte,  rechtzeitig  nach  der   Stadt- 


i)  Auvray  3112.     Vgl.  Jung  p.  90. 

»)  Stat.  Padov.  no.  877,  879  ff.,  923  (alle  vor  1236  entstanden).  Stat.  Parm. 
p.  115,  199. 

»)  Ann.  Mediol,,  SS.  XVni,  363.     Giesebrecht  V,  102.     Vignati  p.  155  ff. 

*)  Toeche  p.  206.     B.-F.  1039  f.     Winkelmann  I,  86. 

«*)  Cod.  Laud.  II  p.  4.     Giesebrecht  V,  195. 

«)  Otto  Morena  p.  626.     Giesebrecht  VI,  402.     Cod.  Laud.  II,  32  no.  22. 

^)  Lib.  Potheris  p.  308  (in  der  Überschrift  und  im  Index  irrig  das  Jahr  der 
Abschrift  1222).  BezügUch  des  Arnoübergangs  bei  Fucecchio,  wo  die  Franken- 
straße den  Fluß  überschritt,  verweise  ich  auf  die  lehrreiche  Darstellung  bei  Jung 
p.  68—73,  79.  Die  Dorabrücke  bei  Mazze  wurde  im  Nov.  1156  mit  allen  Nutzungen 
vom  Grafen  Guido  del  Canavese  für  20  1.  segus.  an  Joh.  de  Cozerio  verkauft.  Ga- 
botto I  p.  18. 

8)  S.  besonders  Stat.  Parm.  p.  115  u.  199. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  737 

Seite  abgefahren  werden  konnte,  i)  Natürlich  waren  diese  Brücken  trotzdem 
für  den  Verkehr  von  der  größten  Wichtigkeit.  In  Piacenza  wurde  der 
Brückenzoll  jährlich  verpachtet;  die  Pächter  hatten  innerhalb  des  Stadt- 
bereichs auch  die  Überfahrt  über  den  Strom  und  Fahrten  in  der  Längs- 
richtung des  Flusses  für  die  herkömmlichen  Preise  2)  zu  besorgen.  Dafür 
lag  ihnen  die  Instandhaltung  der  Brücken  über  den  Hauptstrom  und  den 
alten  Po  ob.  3)  Im  Jahre  1181,  als  die  Brüder  Obertus  und  Jacobus  Od- 
donis  Vetuli  die  Pacht  für  365  1.  plac.  übernahmen,  wurde  bestimmt,  daß 
nach  dem  Gutachten  zweier  Sachverständiger  ein  Nachlaß  am  Pachtschilling 
eintreten  sollte,  falls  Lodi  durch  den  Kaiser  zur  Erhebung  gegen  den  Bund 
bestimmt  und  infolgedessen  der  von  dort  kommende  Verkehr  von  Piacenza 
abgelenkt  werden  soUte.  ^)  Auch  im  Konstanzer  Frieden  spielte  diese  Brücke 
eine  Rolle;  sie  soDte  mit  allen  ihren  Einkünften  den  Placentinern  ver- 
bleiben; doch  hatten  sie  die  alten  Rechte  des  S.  Julia-Klosters  von  Brescia 
durch  Zahlung  einer  bestimmten  Pachtsumme  anzuerkennen,  s) 

584.  Es  erhebt  sich  die  wichtige  Frage,  wie  es  mit  der  Sicher- 
heit des  Handelsverkehrs  auf  diesen  Straßen  aussah. 

Da  auch  die  öffentlichen  Straßen  wie  die  Wasserwege  als  Regalien 
galten  ^),  so  standen  auch  sie  unter  Königsschutz.  So  hat  z.  B.  Friedrich  II. 
auf  eine  Beschwerde  Modenas  über  Ferrara  am  23.  Februar  1219  an  dieses 
das  Gebot  ergehen  lassen,  den  Modenesen  den  sicheren  Verkehr  in  ihrem 
ganzen  Gebiete  zu  gestatten,  da  es  der  königlichen  Majestät  gezieme,  »stratas 
apertas  et  securas  teuere« ;  zwei  Parmesanen  haben  am  1.  April  als  Macht- 
boten des  Königs  diesen  Befehl  im  Kommunalpalast  von  Ferrara  verkün- 
det.'^)  Ähnlich  gebot  der  Reichslegat  Konrad,  Erwählter  von  Hildesheim, 
am  20.  Januar  1196  in  der  Lombardei  die  Sicherheit  der  Straßen  und  ver- 
anlaßte  zugleich  die  Cremonesen  zur  Rückgabe  alles  dessen,  was  sie  dem 
Kaufmann  Petrus  de  Vicomercato  von  Piacenza  und  seinen  Genossen  abge- 
nommen hätten,  während  gleichzeitig  auch  die  Placentiner  zu  entsprechender 
Restitution  verpflichtet  wurden,  8) 

Von  der  Theorie  abgesehen,  fand  das  Eingreifen  der  Reichsgewalt  zum 
Schutze  des  Handelsverkehrs  doch  nur  vereinzelt  statt  und  ähnlich  stand 
es  mit  der  päpstlichen  Gewalt,  die  besonders  dann  einschritt,  wenn  Geist- 
liche geschädigt  wurden  oder  wenn  der  Pilgerverkehr  nach  Rom  durch  Auf- 
erlegung von  Abgaben  oder  Einrichtung  von  Verkehrssperren  eine  Beein- 
trächtigung erlitt.  9)  Wo  sie  zugleich  die  staatliche  Gewalt  übte,  trat  sie 
aber  auch  direkt  zum  Schutz  der  Kaufleute  ein ;  so  zwang  Eugen  III.  am 
2.  Juni  1147  den  Grafen  Rainer,  Gerhards  Sohn,  Sicherheit  dafür  zu  stellen, 


1)  Otto  Morena  p.  628.     Giesebrecht  V,  173,  193,  226,  286. 

*)  Der  Pachtvertrag  umfaßte  auch  den  >consuetu8  redditus  transversus  et 
longi  Padi<. 

')  »pontem  Padi  vi  vi  et  illum  mortui.« 

*)  Boselli  I,  327 :  ita  quod  Strata  non  veniret  ad  pontem.  Lodi  leitete  dann 
den  Verkehr  jedenfalls  über  das  ebenfalls  kaiserfreundliche  Cremona. 

*)  Const.  et  acta  I  p.  414.  Über  die  Geschichte  dieser  Bestimmung  Giese- 
brecht VI,  587  f.     S.  oben  §  573. 

8)  Über  die  roncalischon  Beschlüsse  von  1158  Giesebrecht  V,  177. 

'')  Muratori  Antiqu.  IV,  415  f.  Über  die  Reichsgesetze  des  Kaisers  vom  22.  Nov. 
1220  zum  Schutze  reisender  Pilger  und  sonstiger  Fremder   s.  Winkelmann  I,  116  f. 

«)  Const.  et  acta  I  no.  368  f.  p.  516  ff. 

»)  Einzelne  Beispiele :  Rodenberg  I  no.  306,  399.  Berger  2862.  Winkelm.  11,  203. 

Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  47 


738  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

daß  er  bis  Weihnachten  die  42  1.  lue.  zurückerstatten  würde,  die  er  Kauf- 
leuten  abgenommen  hatte,  i)  Und  die  römischen  Kaufleute  begleitete  der 
päpstliche  Schutz  auch  ins  Ausland;  Innocenz  III.  ließ  1206  durch  die  Visi- 
tatores Lombardiae  den  Konsuln  und  Ratsherrn  von  Piacenza  die  dringende 
Mahnung  zugehen,  den  römischen  Kaufleuten  alles,  was  ihnen  durch  Pla- 
centiner  geraubt  worden  sei,  in  vollem  Umfange  zurückzugeben.  2) 

585.  Die  Sicherheit  des  Handelsverkehrs  auf  den  durchgehenden  Straßen 
spielt  in  den  Verträgen  der  Städte  eine  wichtige  Rolle;  im  September  1156 
sichern  sich  beispielsweise  Bologna  und  Modena  eidlich  zu,  für  die  Sicher- 
heit der  Straße  zwischen  beiden  Städten  zu  sorgen  und  gegen  etwaige  Störer 
des  Straßenfriedens  gemeinsam  vorzugehen.  3)  Auch  die  großen  Städtebünd- 
nisse faßten  diesen  Punkt  ins  Auge ;  in  dem  Vertrage,  den  der  lombardische 
Bund  1174  mit  Bologna,  Modena,  Reggio,  Parma  und  Mantua  abschloßt), 
wurde  vereinbart,  daß  jede  der  vertragschließenden  Städte  Sicherheit  des 
Verkehrs  auf  den  durch  ihr  Grafschafts  -  und  Bischofsgebiet  führenden 
Straßen  allen  den  Lombarden  eidlich  zu  gewährleisten  habe,  deren  Heimat- 1 
Stadt  die  gleiche  eidliche  Verpflichtung  übernahm,  insbesondere  versprach 
man,  bei  vorfallenden  Schädigungen  für  Wiedererlangung  des  entfremdeten 
Gutes  und  Bestrafung  der  Übeltäter  Sorge  zu  tragen.  So  versprachen  sich 
auch  Pavia,  Como,  Lodi  und  Bergamo  in  ihrem  Bunde  von  1191,  unterein- 
ander und  in  ihrem  Verhältnis  zum  Markgrafen  von  Montferrat  für  Offen- 
haltung  und  Sicherheit  aller  Straßen  zu  sorgen,  und  im  Bundesschwur  der 
tuscischen  Liga  vom  11.  November  1197  begegnen  wir  ebenfalls  der  Ver- 
pflichtung, im  gesamten  Bundesgebiet  die  Sicherheit  der  öffentlichen  Straßen 
aufrechtzuerhalten.  S) 

586.  Nicht  selten  gehen  wir  die  Kommunen  darauf  bedacht,  durch 
Abmachungen  mit  edlen  Herren,  namentlich  in  gebirgigen  Gegenden,  den 
friedlichen  Handelsverkehr  auf  den  Straßen  sicherzustellen.  So  hat  sich 
Modena  in  den  Jahren  1156  und  1173  von  den  Capitanei  der  Frignana  in 
bezug  auf  die  ihr  Gebiet  durchziehende  Straße  besondere  Sicherheitseide 
leisten  lassen  6)  und  im  Jahre  1174  schlössen  die  Konsuln  des  Hauses  der 
Manfredinghi  mit  Reggio  einen  Vertrag,  in  dem  sie  sich  für  die  Sicherheit 
der  von  Reggio  über  Quarantulae  und  S.  Martino  in  Spinis  nach  Ferrara 
führenden  Straße  verbürgten,  während  Reggio  seine  Hilfe  zusagte,  falls  sie 
aus  Anlaß  der  Bewachung  und  Verteidigung  der  Straße  mit  jemand  in  Streit 
geraten  sollten.  '^) 

^)  Muratori  Antiqu.  11,  559, 

«)  Boselli  n,  296. 

s)  Savioli  II  1  no.  160  p.  245.  Am  22.  August  1177  >ad  S.  Mariam  in  Strata< 
erneuert ;  ebd.  II,  2  no.  243  p.  81  und  Murat,  Antiqu.  IV,  339  f.  S.  auch  Mantua- 
Ferrara  (1208)  ebd.  n,  874. 

*)  Muratori  Antiqu.  IV,  266.  Savioli  II,  2  p.  30.  Vignati  220  ff.  Daß  1174 
und  nicht  1170  zu  datieren:  Ficker  II,  212.  Giesebrecht  VI,  753.  Güterbock  F., 
Friede  von  Montebello  (Berlin  1895)  p.  68,  80.  Hingewiesen  sei  auch  auf  den  Be- 
schluß der  ersten  großen  Tagung  des  Bundes  vom  1.  Dezember  1167,  wonach  jede 
unter  Bundesgliedern  vorfallende  Schädigung  binnen  30  Tagen  nach  erhobenem 
Anspruch  zu  ersetzen  war,  falls  nicht  der  Geschädigte  oder  seine  Regierung  eine 
Abweichung  hiervon  genehmigten.     Vignati  143  f.    Giesebrecht  V,  589;  VI,  477. 

»)  Toeche  p.  615.     Ficker  IV  no.  196.     Santini  p.  37. 

«)  Savioli  I,  2  p.  240  f.  (auch  Muratori  Ant.  IV,  301)  und  II,  2  p.  40. 

')  Muratori  Ant.  IV,  343.  Salzer  p.  8.  Vertrag  von  Alba  mit  Heinrich  von 
Carreto  1210 ;  Milano  I,  48. 


I 
II 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  739 

Wenn  die  Konsuln  von  Sarzana  in  dem  Vertrage  vom  22.  April  1201 
dem  Bischof  von  Luni  zugestanden,  daß  er  in  seinem  ganzen  Gebiete  und 
Bistum  unbehelligt  das  Geleitsrecht  (conductum  et  guidam)  üben  dürfe  i), 
so  handelt  es  sich  um  einen  Ausnahmefall,  da  derartige  Rechte  der  Bischöfe 
in  Ober-  und  ^Mittel- Italien  sonst  überall  an  die  Kommunen  übergegangen 
waren ;  gerade  in  diesem  Gebiete  aber  fehlte  es  an  einer  solchen  Kommune ; 
Sarzana  blühte  eben  erst  empor  und  hat  auch  nie  die  Bedeutung  einer  der 
unabh<ängigen  italienischen  Stadtrepubliken  erlangt. 

Sicher  war  es  für  den  Handel  nur  ein  Vorteil,  wenn  die  Kommunen 
darauf  ausgingen,  kleinere  weltliche  Herren,  die  das  Geleitsrecht  beanspruch- 
ten, zu  beseitigen.  So  hat  Vercelli  im  Jahre  1170  den  Grafen  Otto  von 
Biandrate  mit  vierzig  seiner  Ritter  genötigt,  Bürger  von  Vercelli  zu  werden, 
nachdem  Kaiser  Friedrich  noch  1155  dem  Grafen  Guido  das  Geleitsrecht 
für  Grafschaft  und  Bistum  Novara  bestätigt  hatte;  1199  wurde  dann  das 
gräfliche  Gebiet  von  den  benachbarten  Kommunen  Vercelli  und  Novara 
Töllig  aufgeteilt.  2)  Anders  stand  es  ja  mit  Herren  wie  den  Markgrafen 
Malaspina,  mit  denen  die  Kommunen  von  Macht  zu  Macht  verhandeln 
mußten,  ganz  abgesehen  von  Montferrat  und  Savoyen  mit  ihren  geschlos- 
senen Gebieten,  die  das  gleiche  Interesse  an  der  Verkehrssicherheit  hatten 
wie  die  Kommunen  selbst. 

587.  Was  die  Vorkehrungen  der  Städte  selbst  zur  Sicherung  der  Straßen 
anbetrifft,  so  sind  besonders  die  alten  bald  nach  der  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts entstandenen  Statuten  von  Piacenza  von  Interesse.  Unter  ihrem 
Eid  wird  den  Konsuln  vorgeschrieben,  für  Schutz  und  Sicherheit  der  Kauf- 
leute und  der  anderen  Reisenden  auf  den  Hauptstraßen  des  Gebiets  von 
Piacenza  und  eintretendenfalls  für  Rückerstattung  des  etwa  entfremdeten 
Gutes  zu  sorgen.  Die  Bewohner  der  an  diesen  Straßen  liegenden  Ortschaften 
wurden  vereidet,  die  Straße  zu  bewachen,  falls  sie  Hilferufe  hörten,  sogleich 
zur  Unterstützung  herbeizueilen  (ad  cridum  currere),  Raub  und  sonstige 
Missetat  nach  Kräften  zu  verhüten  und,  wenn  dies  nicht  möglich  gewesen, 
den  Konsuln  sofort  Anzeige  zu  machen.^)  In  Brescia  begnügte  man  sich 
1180  mit  der  allgemeinen  Vorschrift  für  das  Stadtregiment,  zur  völligen 
Sicherung  des  Warentransports  auf  der  von  Mantua  nach  Brescia  führenden 
Straße  alle  notwendigen  Vorkehrungen  zu  treffen;  später  schrieb  man  für 
diese  wie  für  andere  Relationen  die  ausschließliche  Benutzung  der  direkten 
Hauptstraße  vor.  4)     Die  Statuten  von  Vercelli  setzen  Geldbußen  gegen  die- 


')  Chart.  II  no.  1709  p.  1215.  Bittere  Klagen  der  vom  pisanischen  Konzil 
heimkehrenden  französischen  Geistlichkeit  über  den  Bischof,  in  dessen  Gebiet  sie 
ausgeraubt  und  mißhandelt  wurden;  Petrus  ven.,  ep.  I,  27:  »Lunensis  episcopus 
nobis  in  brevi  apparens  lunarem  eclipsim  nimis  immature  passus  est.«  Bernhard! 
Lothar  p.  643. 

«)  Chart.  I  no.  501  u.  549.  Winkelmann,  Philipp  343.  Über  Geleit  und  Ge- 
leitsrecht überhaupt  Huvelin  p.  365  ö".,  Stutz  zu  Mayr  in  Zeitschr.  der  Savigny- 
Stiftung  XXI  (1900),  Germ.  Abteil,  p.  148  S. 

»)  Boselli  I,  321  (1159),  330  (1169),  331  (c.  1182). 

*)  Leg.  Munic.  II,  1584  (111) :  providere  ...  in  assegurando  stratam  etc.  Bei 
diesem  Beschluß  vom  13.  Jan.  1180  wirken  die  Konsuln  der  Kaufleute  mit;  die  jün- 
gere Stelle  von  ca.  1251  p.  1584  (108)  schreibt  für  den  Transport  aller  Waren  und 
Lebensmittel  aus  dem  Mantuanischen,  Cremonesischen  und  Bergamaskischen  die 
>recta  strata«  unter  Angabe  der  Hauptzwischenorte  vor. 

47* 


740  Achtund vierzigstes  Kapitel. 

jenigen  fest,  die  den  freien  Verkehr  auf  den  Straßen  behinderten  oder  den 
Straßenfrieden  verletzten,  i) 

In  der  Tat  fehlt  es  nicht  an  Beispielen  für  ein  entschiedenes  Ein- 
greifen der  Kommunen  zum  Schutze  der  Verkehrssicherheit  schon  in  früher 
Zeit.  Als  der  Archidiakon  Alexander  von  Lüttich  und  Abt  Rudolf  von 
S.  Trond  unfern  von  Siena  ausgeplündert  worden  waren,  wurde  ihnen  auf 
ihrer  Rückreise  von  Rom  1127  von  den  Sienesen  ihr  Eigentum  wieder  zu- 
gestellt, so  daß  sie  in  Umkehrung  des  bekannten  Wortes  von  sich  sagten, 
sie  seien  arm  nach  Rom  gekommen  und  kehrten  reich  nach  Hause  zurück. 
In  ähnlicher  Weise  erwarb  sich  Piacenza  den  Dank  des  Abtes  Petrus  von 
Cluny,  der  auf  seiner  Romreise  1145  vom  Markgrafen  Opizo  Malaspina 
überfallen  und  beraubt  wurde,  indem  es  durch  sein  energisches  Einschreiten 
vollständige  Rückgabe  des  Geraubten  erwirkte.  2) 

Nicht  wenig  wirksam  mußte  es  sein,  daß  es  üblich  war,  bei  einem 
Friedensbruch  die  Ortschaft,  in  deren  Bezirk  er  sich  ereignet  hatte,  dafür 
verantwortlich  zu  machen;  gewohnheitsrechtlich  durfte  sich  in  der  Lom- 
bardei der  Geschädigte  sogar  im  Wege  der  Selbsthilfe  an  den  Bewohnern 
bis  zur  Höhe  seiner  Einbuße  schadlos  halten;  selbst  Gregor  IX.  wandte 
gegen  dieses  Gewohnheitsrecht  nichts  ein  und  verlangte  nur,  daß  die  Hu- 
miliatenniederlassungen,  falls  sie  keine  Schuld  trügen,  auch  von  solchem 
Rückgriff  nicht  berührt  werden  dürften,  s)  Aber  auch  die  Kommunen  er- 
kannten bei  solchen  Schädigungen  auf  den  unter  ihrer  Hoheit  stehenden 
Verkehrsstraßen  nicht  nur  die  Pflicht  zur  Strafverfolgung  und  zur  Restitution 
des  geraubten  Gutes  oder  seines  Wertes  aus  dem  Besitz  der  Übeltäter,  sondern 
auch  eine  eigene  Ersatzpflicht  an,  nicht  bloß  den  eigenen  Bürgern,  sondern 
auch  Fremden  gegenüber  *),  wenn  diese  als  Untertanen  befreundeter  Gebiete 
oder  auf  Grund  besonderer  Abmachungen  als  unter  ihrem  Geleit  stehend 
angesehen  werden  konnten.  Bezeichnend  ist,  daß  Bergamo  einmal  in  seinen 
Statuten  seinen  Bürgern  den  Handelsverkehr  mit  Cremona  zwar  gestattete, 
es  aber  ablehnte,  bei  Schädigungen,  die  ihnen  unterwegs  zustoßen  sollten, 
eine  Haftpflicht  anzuerkennen.  &) 

Besonders  in  Zeiten  kriegerischer  Verwickelungen  geschah  es  häufig, 
daß  man  sich  vor  dem  Betreten  eines  fremden  Gebietes  erst  des  sicheren 
Geleits  vergewisserte;  auch  bei  starker  feindlicher  Spannung  ermöglichte 
das  oft  eine  Fortsetzung  des  friedlichen  Handelsverkehrs.  Als  Piacenza  im 
Juni  1158  zum  Kaiser  übertrat,  behielt  es  sich  doch  die  Zulassung  derjenigen 
Mailänder  in  seinem  Gebiete  vor,  denen  es  bereits  sein  Geleit  für  den  Trans- 
port von  Waren  nach  Genua  oder  anderen  Orten  zugesagt  hatte.  ^)  Und 
im  Januar  1236  verhießen  zwei  Vikare  des  Grafen  Albert  von  Tirol,  dama- 
ligen kaiserlichen  Podestes  von  Trient,  allen  Veronesen,  die  Lebensmittel 
nachTrient  oder  seinem  Gebiet  einführten,  vollste  Sicherheit  für  Hin-  und  Rück- 


1)  Ebd.  p.  1169  rub.  202  (von  1227)  u.  p.  1114  rub.  42  (von  1241):  de  rumpen- 
tibus  stratam.     S.  auch  Stat.  di  Pistoja  p.  98,  rub.  143. 

«)  Gesta  abb.  Trudon.,  SS.  X,  306.  Bernbardi  Lothar  p.  148 ;  Campi  II,  351  f. 
Langer  p.  21.  Ivrea  setzte  1219  Übeltäter  gefangen,  »quia  stratam  superant  mulas 
peregrinorum  incidendo  et  furando<.     Gabotto  11,  319. 

«)  Auvray  2602  (1.  Juni  1235). 

•*)  S.  den  Fall  der  Ersatzleistung  Comos  an  Kaufleute  von  Lille ;  oben  §  328. 
Vertrag  Genua-Tortona  §  501 ;  mit  den  Malaspina  §  506. 

»)  Leg.  Munic.  H,  1999  (Coli.  XIII,  1). 

«)  Const.  et  acta  I  no.  172  p.  238. 


I 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  741 

reise  sowie  für  die  Zeit  ihres  Aufenthaltes  in  Trient.  ^)  Mehrfach  treten  die 
Statuten  dem  Mißbrauch  entgegen,  daß  angesehene  Privatpersonen  auf  eigene 
Hand  Fremden  und  fremden  Waren  gegenüber  gegen  Entgelt  sicheres  Ge- 
leit durch  das  Staatsgebiet,  dem  sie  angehörten,  übernahmen.  So  bedrohten 
die  Statuten  von  Piacenza  (von  ca.  1182)  jeden  Placentiner,  der  Waren  eines 
Pavesen  zu  Wasser  oder  zu  Lande  stromauf  (also  zur  Grenze  Pavias)  ge- 
leitete, mit  Konfiskation  seines  Gewinns  und  einer  Geldbuße  von  5  1.,  die 
sich  auf  das  Doppelte  erhöhte,  wenn  der  Schuldige  dem  Ritterstande  an- 
gehörte; und  die  Statuten  Vercellis  von  1242  behalten  ausdrücklich  und  all- 
gemein Abmachungen  wegen  sicheren  Geleits  dem  Comune  vor.  2) 

588.  Im  allgemeinen  wird  man  sagen  dürfen,  daß  in  Ober-  und 
Mittel-Italien  sowohl  für  den  Zustand  der  Handelswege  wie  für  die 
Sicherheit  des  Verkehrs  auf  denselben  in  ausreichender  Weise  gesorgt 
war;  es  liegt  in  der  Natur  unserer  Quellen,  daß  wir  von  Ausnahmen, 
die  vorkamen,  am  ehesten  erfahren.  Der  schlimmste  Feind  des  fried- 
lichen Handelsverkehrs  waren  die  territorialen  Fehden ,  die  häufig 
auch  der  Handelseifersucht  entsprangen  und  nicht  selten  auch  Handels- 
straßen zum  Hauptgegenstande  hatten ;  ich  erinnere  nur  an  die  Kämpfe, 
die  sich  um  die  Frankenstraße  nördlich  vom  Apennin  zwischen  Pia- 
cenza und  Parma,  südHch  desselben  zwischen  Pisa  und  Lucca  ab- 
gespielt haben  ^);  wer  die  Macht  hatte,  schreckte  auch  vor  der  Aus- 
übung des  Straßenzwanges  nicht  zurück.^)  Die  Vielheit  der  Terri- 
torien mußte  bald  da  bald  dort  Fehden  hervorrufen;  doch  lag  zu- 
gleich ein  wichtiges  Korrektiv  dagegen  gerade  in  ihrer  Kleinheit,  die 
die  Umgehung  feindlicher  Territorien   verhältnismäßig  leicht  machte. 

Schien  die  Frankenstraße  dem  Romreisenden  zu  unsicher,  so  wandte 
er  sich  der  via  Aemilia  zu  und  nahm  z.  B.  von  Faenza  den  Weg  über  Bagno 
(Balneum  S.  Mariae  sub  Alpibus)  nach  Arezzo;  wollte  er  nach  Florenz,  so 
ging  er  von  Bologna  über  den  La  Futapaß.  Auch  für  den  transalpinen 
Verkehr  stand  überall  die  Wahl  zwischen  mehreren  Wegen  frei,  und  diese 
Straßenkonkurrenz  nötigte  die  Kleinstaaten  in  ihrem  eigensten  Interesse, 
den  Bogen  nicht  zu  überspannen.  Noch  leichter  war  natürlich  im  Flach- 
lande die  Umleitung  des  Handelsverkehrs  im  Kriegsfalle  möglich.  Kam  es 
zu  weitverzweigten  Kämpfen,  gruppierten  sich  die  Territorien  eines  ganzen 
größeren  Gebiets  in  zwei  feindliche  Lager,  so  führte  das  natürlich  nicht 
selten,  je  nach  der  Parteistellung,  zu  starken  Ab-  und  Umleitungen  des  Ver- 
kehrs, bis  dann  der  Friede  den  früheren  Zustand  der  Bevorzugung  der 
kürzesten,   bequemsten  und  sichersten  Routen  wieder  zur  Geltung  brachte; 

»)  Voltelini  p.  17  (Obert  no.  40). 

*)  Boselli  I,  334.  Leg.  Munic.  II,  1130  rub,  89:  Nullus  faciat  guidam  per  juris- 
dictionem  Vercellarum  accipiendo  ex  pacto  nisi  commune  Vercellarum.  Buße 
€0  sol.  Auch  Pistoja  gestattete  die  Ausübung  des  Geleitsrechts  (ducatus)  nur  den 
von  den  Konsuln  oder  dem  Podestä  dazu  Ermächtigten  und  verlangte  von  diesen 
monatliche  Rechnungslegung  über  die  von  ihnen  erzielten  Einnahmen.  Stat.  dl 
Pist.  p.  98  u.  108,  rub.  143  u.  161. 

^)  Oben  §  509  f.  Näheres  über  die  Straßenzüge  in  Toskana  und  die  vielfach 
an  sie  anknüpfenden  Differenzen  Jung  p.  11  ff. 

*)  Verbot  desselben  im  Privileg  Ottos  IV..  für  Lucca  (12.  Dezemb.  1209;  Mem. 
e  doc.  Lucch.  I,  204):  cum  negotiatores  venerint  a  Luni  usque  Luccam  per  Stratam, 
nullus  hominum  eos  a  Strata  retorqueat  aut  venire  aut  recedere  prohibeat. 


742  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

der  1228  zwischen  Turin  und  dem  Dauphin  von  Vienne  geschlossene  Ver- 
trag trifft  z.  B.  Bestimmungen  schon  für  die  Zeit,  in  der  die  Handelsstraßen 
der  Lombardei  wieder  zu  ihrem  früheren  Verlauf  zurückgeführt  sein  würden,  i) 
Nur  einen  Fall  kenne  ich,  wo  eine  zur  Kriegszeit  vorgenommene  Ableitung 
des  Verkehrs  zu  einer  dauernden  geworden  ist.  Gräfin  Mathilde  von  Tus- 
cien  hatte  seinerzeit,  offenbar  durch  ihre  Feindschaft  mit  Cadalus  von  Parma 
dazu  bestimmt,  die  durch  Coparmuli  am  Po  führende  öffentliche  Straße 
kassiert,  die  von  Verona  und  Mantua  herkommend,  hier  den  Po  kreuzte 
und  nach  Parma  zum  M.  Bardone  oder  nach  Reggio  zur  via  Emilia  weiter- 
führte ;  jedenfalls  ist  der  Hauptverkehr  damals  über  Brescello  geleitet  worden, 
was  für  den  Dom  von  Parma  schwere  finanzielle  Einbußen  zur  Folge  hatte. 
Als  sich  nun  nach  langer  Zeit  die  Gräfin  mit  Parma  wieder  aussöhnte,  ver- 
ordnete sie  zwar,  daß  die  Straße  zurückzuverlegen  und  in  Zukunft  wieder 
in  der  alten  Weise  durch  Coparmuli  zu  leiten  sei  2);  aber  bei  der  langen 
Dauer  der  Umleitung,  die  zugleich  keine  nennenswerte  Verlängerung  des 
Weges  bedeutete,  und  wahrscheinlich  auch,  weil  die  Interessen  der  Kommune 
Parma  in  dieser  Beziehung  von  denen  des  Domes  abwichen,  ist  diese  An- 
ordnung ohne  Folgen  geblieben  und  der  früher  auch  seines  Marktes  wegen 
selbst  von  Lucchesen  und  Florentinern  gern  besuchte  Ort  blieb  vom  Ver- 
kehr abgeschnitten  und  sank  für  den  Handel  zur  Bedeutungslosigkeit  herab. 

589.  Eine  weitere  Folge  der  territorialen  Zersplitterung  Ober- 
und  Mittel-Italiens  war  die  Vielheit  und  Mannigfaltigkeit  der  Abgaben, 
die  den  Handel  auf  seinen  Wegen  trafen ;  vieles  davon  haben  wir  im 
Zusammenhange  mit  dem  periodischen  Handel  und  der  Schiffahrt 
schon  kennen  gelernt.  Überreste  des  königlichen  Zollregals  ragten 
vielfach  auch  in  die  Praxis  unserer  Zeit  noch  hinein. 

So  wurde,  als  sich  Alessandria  (Caesarea)  1183  unterwarf,  das  Recht 
des  Kaisers  auf  den  Brückenzoll  am  Tanaro,  den  Straßenzoll  und  Markt- 
zoll ausdrücklich  anerkannt  ^) ;  und  in  Siena,  das  überhaupt  merkwürdig 
spät  zu  voller  kommunaler  Bewegungsfreiheit  gelangt  ist,  behielt  sich  König 
Heinrich,  als  er  1186  der  Stadt  gegen  eine  jährliche  Abgabe  von  70  Mark 
Silber  u.  a.  das  Münzrecht  gewährte,  den  Torzoll  ausdrücklich  vor;  noch 
1221  versprach  der  Reichslegat  Konrad  den  Sienesen,  das  »pedagium  por- 
tarum«  für  sie  vom  Kaiser  erwirken  zu  wollen.  4) 

Daneben  steht  nun  als  neuer  Faktor  die  Zollpolitik  der  Kom- 
munen. Wenigstens  einige  der  autonomen  Tarife  aus  dem  Zeitalter 
des  Comune  haben  sich  erhalten;  den  engsten  Anschluß  an  das 
historisch  Gegebene  und  demgemäß  den  altertümlichsten  Charakter 
zeigt  unter  diesen  die  Zollordnung  Veronas. 


I 


0  Oben  §  264. 

*)  Äff 6  II,  344  no.  45:  »Quia  humanuni  est  peccare  sed  diabolicum  perseve- 
rare,  considerantes  ...  quantum  laboris  atque  pericuü  in  transmutatione 
strate  publice  que  per  portum  de  Coparmuli  olim  fieri  consueverat,  viantibus 
attulisset,  quantumque  damni  et  incommodi  amissione  eiusdem  portus  per  huius- 
modi  permutatione  Parmensis  Ecclesia  pertulisset«  .  .  .,  wird  verkündet:  >stratam 
in  locum  suum  nos  more  solito  revocasse  ac  deinceps  per  portum  Cop.  juxta  mo- 
dum  pristinum  omni  tempore  dirigi.«     Undatiert.     S.  ob.  §  41. 

»)  M.  G.  Leges  U,  181  f.     Giesebrecht  VI,  12,  585. 

••)  M.  G.  Leg.  Sectio  4,  1. 1  p.  440.     Huillard-Bröholles  II,  105. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  743 

590.  Im  Herbst  1173  ließ  der  Podestä  Gualbertinus  auf  Grund  von 
eidlichen  Aussagen  Sachverständiger  die  herkömmlich  an  den  Toren  der 
Stadt  zur  Erhebung  gelangenden  Gefälle  aufzeichnen  i) ;  am  21.  November 
1176  wurden  diese  Feststellungen  mit  dem  Hinzufügen,  daß  niemand  höhere 
Abgaben  zu  nehmen  berechtigt  sei,  vom  Podestä  Turrisendus  in  öffentlicher 
Versammlung  zu  Verona  als  Breve  recti2)  mercati  Veronae  et  por- 
tal um  publiziert;  Markt-  und  Torzölle  waren  also,  schon  der  Einfachheit 
wegen,  zu  einer  Einheit  zusammengefaßt.  Als  Erhebungsberechtigte  sind 
nicht  weniger  als  vier  Faktoren  beteiligt:  als  Vertreter  ursprünglich  könig- 
licher Zollrechte  der  Comes  und  der  Vicecomes,  als  Organ  des  Bischofs  der 
Advocatus,  als  Vertreter  städtischer  Rechte  die  Portenarii.  Unter  den  Ab-' 
gabenpflichtigen  unterscheidet  die  Zollordnung  verschiedene  Kategorien :  die 
Leute  des  Bistums,  die  mit  ihren  Waren,  vor  allem  Getreide,  Vieh,  Fischen, 
Holz,  Wein  u.  a,  nach  Verona  zu  Markt  kamen ;  sie  hatten  im  allgemeinen 
von  der  Wagenlast  nur  2  den.  veron.  zu  zahlen ;  ferner  ambulante  Händler 
(mer§adri  qui  vadunt  per  civitatem),  die  eine  persönliche  Abgabe  von  1  den. 
zu  entrichten  hatten,  die  je  zur  Hälfte  dem  Vicecomes  und  dem  Vogt  zu- 
stand; dazu  Geschirrhändler  3) ,  die  von  der  Traglast  beim  Eintritt  in  die 
Stadt  an  den  Vicecomes,  und  nach  Absatz  ihrer  Waren  auf  dem  Markt  beim 
Wiederverlassen  der  Stadt  an  den  Vogt  je  ein  Geschirr  in  natura  abzuliefern 
hatten. 

Neben  diesen  stehen  nun  die  Fremden.  Für  sie  betrug  der  allgemeine 
Satz  beim  Warenimport  für  die  Traglast,  ob  sie  nun  zu  Schiffe  oder  sonst 
eingeführt  wurde,  5  den.,  für  die  Wagenlast  (de  plaustro)  12  den.;  als  die 
offenbar  für  die  Einfuhr  wichtigsten  Artikel  werden  Kupfer  und  Tuche  her- 
vorgehoben. Einen  Ausgangszoll  hatten  diejenigen,  die  den  Eingangszoll 
entrichtet  hatten,  nicht  zu  zahlen.  Unter  den  Fremden  unterscheiden  die 
Aussagen  zwischen  den  Lombarden  und  andern,  die  ihre  Waren  zu  Wagen 
durch  das  Tor  von  S.  Zeno  nach  Verona  zu  bringen  pflegten,  und  den  von 
Norden  kommenden  Deutschen  *) ;  Pilger  (romei  et  pellegrini)  und  im  Herren- 
dienst Reisende  (qui  in  servicio  vadimt)  passieren  abgabenfrei,  falls  sie  nicht 
außer  den  Lebensmitteln  und  Kleidern  für  ihren  Bedarf  auch  Handelswaren 
mit  sich  führten.  °) 

591.  Weit  einfacher  war  dagegen  in  Neu-Lodi  die  Erhebung  des 
Ufer-  und  Marktzolls  (datium  ripatici  et  curathie)  gestaltet,  die  hier  aus- 
schließlich für  die  Gemeinde  erfolgte.  Wie  auch  hier  durch  Zeugenaussagen, 
insbesondere  verschiedener  Exkämmerer  (canevarii   oder  massarii  comunis), 


^)  Atti  ven.  im  Anhang  zum  N.  Arch.  ven.  X  (1895)  p.  471 — 476  ed.  CipoUa. 
In  seinem  Compendio  della  storia  politica  di  Verona  (Verona  1900)  p.  188  nennt 
CipoUa  den  damaligen  Podestä  Guiberto  dalle  Carceri.  » 

*)  Recti  hier  im  Sinne  von  diricti.  Am  Eingange  (p.  471)  ist  statt:  de  tote 
eo  reto  portarum  und  weiterhin  statt  vectum  portarum  zu  lesen:  recto  und 
r  e  ctum. 

')  Francine,  qui  veniunt  cum  napis,  undecunque  vonerint.  Für  die 
Bezeichnung  »francinae<  finde  ich  keine  Erklärung;  an  francigenae  kann  man  doch 
nicht  denken. 

*)  Oben  §  374. 

*)  Im  Jahre  1228  bestand  in  Verona  ein  Officium  Sigillorum ,  das  amtliche 
Beglaubigungen  für  alle  in  Verona  zur  Ein-  oder  Ausfuhr  gelangenden  Waren  (mit 
Ausnahme  von  Lebensmitteln  in  bestimmten  geringen  Mengen)  auszustellen  hatte ; 
die  Gebühr  betrug  bei  Einheimischen  1  bis  2,  bei  Fremden  12  den.  pro  sigillo. 
Lib.  Jur.  civ.,  rub.  272. 


744  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

festgestellt  wurde,  hatte  seit  Gründung  des  Ortes  jeder  Fremde  für  die 
Warenlast,  die  er  kaufte  oder  verkaufte,  1  den.  mediol.  zu  entrichten;  da- 
neben finden  sich  in  dem  nur  lückenhaft  erhaltenen  Tarif  besondere  Sätze 
für  lebendes  Vieh  (für  das  Pferd  1  den.  nov.),  für  Lebensmittel  aller  Art, 
für  Rohstoffe  und  Fabrikate,  i)  Neben  diesem  1192  aufgezeichneten  Tarif 
besitzen  wir  für  Lodi  einen  etwas  jüngeren  Brückenzolltarif  (Breve  de  tolo- 
neo  pontis  seu  collecta  pontis),  der  in  die  1210  und  1211  aufgestellten  Sta- 
tuten der  Stadt  aufgenommen  ist.  2)  Er  rechnet  im  allgemeinen  nach  Karren, 
die  je  2  Pferde-  und  4  Esellasten  gleichgesetzt  werden ;  der  höchste  Satz  ist 
6  den.  für  den  Karren  Pfeffer,  Brasilholz,  Alaun,  Baumwolle  und  für  den 
Ballen  (torsellus)  farbiger  Tuche.  Wer  zu  Pferde  kam,  zahlte  1  den.  mediol., 
Fußgänger  die  Hälfte,  für  Pferde  und  Rinder,  die  zum  Verkauf  gebracht 
wurden,  war  1  den.  zu  entrichten,  für  Esel  und  Schlachtschweine  die  Hälfte, 
für  Kleinvieh  bis  zu  6  Stück  ebensoviel,  wenn  darüber,  1  den.  Auch  dieser 
Zoll  wurde  offenbar  ausschließlich  für  die  Kommune  Lodi  erhoben. 

Als  Uferzoll  (ripae)  bezeichnet  der  Mailänder,  der  im  Jahre  1216 
das  in  seiner  Vaterstadt  geltende  Gewohnheitsrecht  aufzeichnete,  die  von 
ihm  (offenbar  keineswegs  vollständig)  überlieferten  Abgabensätze  3);  doch  ist 
kein  Zweifel,  daß  sie,  wie  in  Lodi,  die  Marktabgabe  (curatura)  mit  enthielten, 
und  daß  (von  Gebühren  natürlich  abgesehen)  weitere  Handelsabgaben  in 
Mailand  nicht  erhoben  wurden.  Danach  wurden  die  Zollsätze  nach  dem 
Gewicht  berechnet  bei  Pfeffer,  Weihrauch  (andere  Gewürze  und  Drogen 
sind  nicht  aufgeführt)  und  Wachs,  die  T^/a  imp,  vom  Zentner  zu  zahlen 
hatten,  während  die  Sätze  für  Fleisch,  Öl,  Käse  und  Schweine  4  den.,  für 
Kümmel  und  Galläpfel  (de  galleto)  1  imp.  vom  Zentner  betrugen.  Nach  der 
Stückzahl  entrichtete  man  vom  Hundert  roher  Lammfelle  6  imp.,  bei  den 
Tuchen  von  Como  u.  a.  4  imp.  ■*)  Von  den  übrigen  Erzeugnissen  der  Textil- 
industrie, denen  der  Lederindustrie  und  bei  Panzern  wurde  die  Abgabe  mit 
4  den.  oder  bei  den  wertvolleren  Artikeln  mit  4  imp.  pro  libra  (also  mit  l^/g 
oder  SVsVo)  vom  Wert  erhoben.  Vom  Pferde  wurden  12  den.  gezahlt  (an- 
dere Tiere  fehlen) ;  bei  Edelmetallen  war  je  1  imp.  von  der  Unze  Gold  oder 
der  Mark  Silber  zu  entrichten  (andere  Metalle  enthält  die  Aufzeichnung  nicht).^) 

592.  Ebenfalls  auf  den  Uferzoll  bezieht  sich  die  uns  im  Wortlaut  er- 
haltene Zollordnung  von  Ferrara.  Da  sich  in  der  Zeit  der  Wirren  mancher 
Mißbrauch  anf  dem  Gebiet  des  Abgabenwesens  eingeschlichen  und  Streitig- 
keiten mit  anderen  Orten  hervorgerufen  hatte,  so  setzte  man  unter  dem 
Regiment  Salinguerras  eine  Kommission  von  7  Mitgliedern  ein  »ad  provi- 
dendum  super  ordinamentis  Ripae  Ferrariae  in  melius  reformandis« ; 
ihre  Arbeit,  die  sie  am  11.  Oktober  1228  vorlegte,  wurde  am  folgenden  Tage 
von   dem  großen  Rat   (Consilium  generale)   genehmigt. 6)    Auf   einem  ganz 

1)  Cod.  Laud.  II  no.  163  p.  185  f.     S.  auch  oben  §  578. 

2)  Ebd.  ni,  556  ff. :  Stat.  vetera  1.  m  ruh.  54. 

')  Berlan  p.  74  f.  ruh.  32:  restat  ut  videamus  de  rippis  et  earum  varietate 
et  quantitate,  quae  in  civitate  nostra  dantur  et  auferuntur. 

*)  Außerdem  de  unoquoque  pelloto  connilii  2  imp.  Das  bedeutet  also  wohl 
den  Pelz  von  Kaninchenfellen. 

*)  Lattes,  diritt.  consuet.  p.  168  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  es  sich  hier 
nur  um  die  Abgabe  handle,  die  die  Herbergswirte  vom  Preise  der  in  ihrer  Her- 
berge von  den  Fremden  verkauften  Waren  zu  erheben  hatten.  Sowohl  nach  der 
Höhe  der  Sätze  wie  nach  der  oben  zitierten  Angabe  des  Verfassers  ist  es  ganz 
ausgeschlossen,  daß  hier  von  dieser  Gebühr  die  Rede  ist. 

«)  Muratori  Antiq.  U,  29  ff. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  745 

anderen  Prinzip  wie  die  mailändische  aufgebaut,  bemißt  sie  ihre  Sätze  nicht 
nach  den  Waren,  sondern  nach  der  Herkunft  der  Kaufleute,  wozu  sich  ein 
Ansatz  ja  auch  in  der  Zollordnung  von  Verona  findet;  im  allgemeinen  gilt 
der  Grundsatz,  daß  die  am  entferntesten  Wohnenden  am  meisten  zu  zahlen 
hatten.  So  hatten  Franzosen,  Deutsche,  Genuesen  und  Pisaner  bei  ihrer 
Ankunft  in  Ferrara  von  der  Last  (soma)  oder  einem  Teilbetrage  derselben 
2  sol.  imp.  zu  zahlen ;  die  von  dem  Erlöse  ihrer  Waren  eingekauften  Waren 
waren  bei  der  Ausfuhr  abgabenfrei,  nur  wenn  sie  darüber  hinaus  Waren 
einkauften,  hatten  sie  für  diese  auch  bei  der  Ausfuhr  die  gleiche  Abgabe 
zu  entrichten.  Die  Richtigkeit  ihrer  Angaben  in  dieser  Beziehung  hätten 
sie  durch  einen  Eid  zu  bekräftigen,  der  für  ein  Jahr  Gültigkeit  behielt. 
ErhebHch  günstiger  waren  die  binnenländischen  Toskaner  daran ;  sie  zahlten 
pro  soma  8  imp.  (also  nur  den  dritten  Teil),  außerdem  allerdings  noch  eine 
Abgabe  von  12  imp.  vom  Schiff  bei  Ankunft  und  Heimkehr,  Eine  Aus- 
nahmestellung nahmen,  offenbar  als  Untertanen  des  Lehnsherrn  Ferraras, 
die  Römer  ein;  jedenfalls  beruht  es  auf  altem  Herkommen,  wenn  sie  bei 
Import  oder  Export  ohne  Rücksicht  auf  das  Quantum  eine  Abgabe  von 
1  lucensis  zu  leisten  hatten,  einer  Münze,  die  nur  an  dieser  Stelle  des  Tarifs 
begegnet.  Im  übrigen  finden  sich  für  die  Städte  des  Gebiets  zwischen  Alpen 
und  Apenninen  die  mannigfachsten  Abstufungen;  in  der  Regel  ist  neben 
der  Schiffsabgabe  (de  fundo  navis)  eine  solche  vom  Karren  oder  der  Last, 
zu  entrichten;  nur  bei  den  Bergamasken,  die  über  Galeria  oder  Doliolo 
weiter  nach  der  Romagna  gingen,  begegnet  ein  Satz  von  12  imp.  vom  Tuch- 
ballen (torsello).  Auch  sonst  finden  sich  für  transitierende  Waren  mehrfach 
höhere  Sätze;  Placentiner,  Parmesanen  u.  a.  hatten  denselben  Satz,  außer 
der  sonst  allein  von  ihnen  zu  erhebenden  Schiffsgebühr,  dann  zu  zahlen, 
wenn  sie  mit  ihren  Waren  nach  der  Romagna  oder  Toskana  weitergingen. 
Das  Bestreben,  Ferrara  zum  Stapelplatz  dieses  Verkehrs  zu  machen,  tritt  in 
diesen  Sätzen  deutlich  hervor.  Allgemein  gültig  für  alle  Fremden  war  der 
Einfuhrzoll  von  1  imp.  vom  Stück  Groß-  oder  Kleinvieh  und  vom  Zentner 
Fische  oder  Feigen.  Bemerkenswert  ist,  daß  bei  Zollstreitigkeiten  zwischen 
einem  Fremden  und  einem  Zolleinnehmer  (rivarius)  dieser  die  von  dem 
Fremden  aufgewandten  Gerichtskosten  zu  tragen  hatte,  falls  gegen  ihn  ent- 
schieden wurde. 

593.  Als  eine  Neuerung  tritt  gegen  Ende  unserer  Periode  hier  und  da 
die  Einführung  besonderer  Ausfuhrzölle  auf.  Abgesehen  davon,  daß  Parma 
von  jedem  Fremden  V120  vom  Wert  der  ausgeführten  Waren  erhob,  belastete 
Bergamo  um  1240  die  Ausfuhr  gewisser  Waren  allgemein  mit  verhältnis- 
mäßig hohen  Sätzen,  i)  Danach  wurden  von  jedem  Tuchballen  (wir  wissen, 
daß  die  Tuchindustrie  in  Bergamo  florierte)  3  sol.  imp.  und  ebensoviel  von 
jeder  Last  »baldinelle«  erhoben.  Von  den  Metallen,  die  im  Bergamaskischen 
in  beträchtlicher  Menge  gewonnen  wurden,  zahlte  man  bei  Roheisen  2)  vom 
Karren  6  sol.  imp.,  von  der  Last  1/4  davon,  bei  bearbeitetem  Eisen  8  sol.  vom 
Karren,  während  Kupfer  mit  5  sol.  vom  Miliarium  erscheint.  Der  Karren 
Mühlsteine  und  die  Last  bearbeiteten  Holzes  zahlten  1  sol.,  die  Last  irdener 
Kochgeschirre  das  Doppelte.  Kastanien  erscheinen  roh  mit  3  den.,  gebraten 
mit  6  den.,  Säcke  endhch  mit  1  sol.  :^ir  die  Last.  3)    Erst  wenn  dieser  Zoll 

»)  Stat.  Parm.  p.  96.     Stat.  Perg.  coli.  XIV  rub.  10  (Leg.  Munic.  II  p.  2022). 
')  De  quoll bet  carro  ferri  cocti  non  laborati. 

*)  Außerdem  erscheint  ein  Posten  von  3  sol.  de  soma  de  cavezolis  (gave- 
zolis,  Kessel?)  im  Tarif. 


I 


746  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

(tolloneum)  bezahlt  war,  wurde  die  Ausfuhrlizenz  (parabola)  erteilt.  Um 
jeden  Zweifel  auszuschließen,  bestimmte  ein  Zusatz  von  1247,  daß  der  Trans- 
port noch  nicht  hergerichteter  bergamaskischer  Tuche  zu  den  Walkmühlen 
des  Gebiets  einer  Abgabe  nicht  unterliege,  i)  Während  dieser  Tarif  schwer- 
lich andere  als  rein  fiskalische  Zwecke  verfolgt,  tritt  uns  in  Bologna  in  ähn- 
lichem Fall  die  Tendenz  des  Schutzes  der  heimischen  Konsumenten  entgegen ; 
nach  dem  Statut  des  Popolo  von  1248  sollen  die  Anzianen  die  Einführung 
folgender  Ausfuhrzölle  erwirken :  vom  Zentner.  Öl  3  sol.  hon.,  von  der  Trag- 
last Fische  und  der  Wagenlast  Früchte  je  10  sol.,  von  der  Traglast  Früchte 
(außer  Feigen,  Kastanien  und  Nüssen)  1  sol.,  endlich  vom  Zentner  Eisen 
1 1/4  und  entsprechend  von  der  Last  Eisen  5  sol.  bon.  Die  Bundesgenossen 
Bolognas  in  der  Romagna  sollten  diesen  Zöllen  allerdings  nicht  unterliegen.  2) 
Daß  den  Handel  in  den  Städten  auch  Wäge-  und  Meßgebühren  trafen, 
daß  je  nach  den  Umständen  auch  Fundakatsgebühren ,  Herbergsgebühren, 
Standgelder  hinzukamen,  daß,  wo  die  Vermittelung  von  Maklern  eintrat, 
natürlich  auch  hierfür  Gebühren  zu  entrichten  waren,  sei  an  dieser  Stelle 
nur  erwähnt. 

594.  Die  Zollpolitik  der  Kommunen  und  der  Handel  hatten  aber  auch 
mit  den  Wegezöllen,  den  pedagia  oder  passagia,  die  von  allem  passierenden 
Gut  an  bestimmten  Stellen  der  Handelsstraßen,  namentlich  an  Defileen  und 
Brücken  erhoben  wurden,  zu  rechnen ;  reichsunmittelbare  edle  Herren,  aber 
auch   solche,    die   von    einem   der  Stadtstaaten   abhängig  geworden  waren, 
finden  wir  besonders  in  dem  Besitz  solcher  ursprünglich  auch  auf  königliche  '■ 
Verleihung  zurückgehender  Zölle,   denen  das  sichere  Geleit  auf   einem  be- 
stimmten Straßenabschnitt  als  Gegenleistung  gegenüberstand  oder  doch  gegen- 
überstehen sollte.  3)     Die  Erhebung  erfolgte  in  der  Regel  in   sehr  einfacher 
Weise   ohne  Rücksicht   auf  die  Ware  von   der  Last;   ein  Beispiel  für  eine  <^ 
etwas  weitergehende  Abstufung  liegt  uns  aus   dem  Jahre  1223   in  dem  pe-  ■{ 
dagium  vor  4),   das   an  der  Straße  von  Asti  nach  Savona  bei  Schloß  Pereto 
erhoben  wurde.     Frei  von  diesem  pedagium  war  die  Nachbarschaft,  die  Leute 
aus  Spigno  und  Sassello,  Ponzono  und  Montechiaro.     Von  der  Traglast,  ob 
sie  nun  in  Fischen  oder  anderen  Dingen  bestand,   wurden  2  den.  jan.   er-  ,^, 
hoben,  ebensoviel  vom  Esel  oder  sonstigem  Kleinvieh  beim  Transport  von  fl 
Getreide  oder  Salz.     Von  der  Saumtierlast  dagegen  wurden  erhoben  bei  Hanf 

3  sol.,  bei  Häuten  und  Leder  1  sol.,  bei  Käse,  Öl,  Honig  und  allen  anderen 
Waren  2/3  sol.,  ohne  Unterschied,  ob  sie  in  der  Richtung  nach  der  See  oder  | 
nach   der  Lombardei  passierten.    Die  jährliche  Durchschnittseinnahme  aus 
diesem  Zoll  wurde  auf  80  1.  jan.  veranschlagt.  ^) 

595.  Es  wird  eine  Vorstellung  von  der  Belastung  des  Handels  durch 
diese  Wegezölle  geben,  wenn  wir  die  bekannten  Nachrichten  über  solche 
für  die  Strecke  der  Frankenstraße  vom  Po  bis  zum  Arno  zusammenstellen. 
Von  Piacenza  aus,  wo  Brückenzoll  zu  zahlen  war,  erreichte  man  die  nächsten 
Zollstätten  noch  an  der  via  Claudia  in  Fiorenzuola  und  Borgo  San  Donnino ; 


*)  Ebd.  rub.  11 :  possit  ducere  et  menare  .  .  .  pannos  Bergamaschos  sgrezzoa 
ad  fullos  ad  quamcumque  partem  virtutis  Pergami  et  ipsos  pannos  reducere  ab 
ipsis  fullis  ad  habitationem  eorum  sine  aliqua  parabola  et  tolloneo. 

2)  Stat.  Soc.  Bol.  n,  526  rub.  59. 

3),  Hierzu  s.  Huvelin  367  ff.,  579  ff. 

*)  Lib.  Jur.  I  no.  595. 

*)  Et  bene  solet  valere  dictum  pedagium  curie  Pereti,  quando  strata  ibat 
plenius,  1.  80.     Ein  Zoll  an  der  La  Futastraße  ob.  §  284. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  747 

an  ersterem  Ort  hat  Kaiser  Heinrich  VI.  den  Pläcentinern  in  Anerkennung 
ihrer  guten  Dienste  am  26.  April  1194  das  teloneum  zu  Lehen  gegeben,  am 
zweiten  sie  von  dem  daselbst  für  den  Kaiser  zu  erhebenden,  vorher  vielfach 
von  Parma  und  Piacenza  umstrittenen  Wegezoll  befreit,  i)  Auf  der  Gebirgs- 
passage  erhoben  die  Pelavicini  und  Malaspina  ihre  Zölle.  Als  Piacenza  Ende 
1167  den  Markgrafen  Opizo  Malaspina  und  seinen  Sohn  Murvello  haupt- 
sächlich dadurch  zum  Anschluß  an  den  lombardischen  Bund  bestimmte,  daß 
es  ihrer  Geldnot  abhalf,  machte  es  zur  Bedingung,  daß  die  Markgrafen  die 
von  ihnen  vorgenommenen  Zollerhöhungen  mit  Beendigung  des  Krieges 
wieder  fallen  ließen  2);  doch  noch  um  1182  schreiben  die  Statuten  von  Pia- 
cenza den  Konsuln  vor,  sich  um  die  Beseitigung  dieses  Zollzuschlags  zu  be- 
mühen, s)  In  dem  hauptsächlich  gegen  Pavia  gerichteten  Vertrage,  den 
Piacenza  und  Mailand  am  17.  Oktober  1200  mit  Markgraf  Albert  und  seinem 
Neffen  Konrad  schlössen,  versprachen  diese  eidHch,  von  Mailändern  und 
Placentinern,  die  durch  ihr  Gebiet  zogen,  nur  den  Zoll  zu  erheben,  den 
Piacenza  hergebrachterweise  zahlte;  der  erhöhte  Zoll  (maltolta  ista)  sollte 
ihnen  gegenüber  außer  Geltung  bleiben.  Als  die  Malaspina  das  Konzil  von 
1215  zur  Aufbesserung  ihrer  Finanzen  benutzen  wollten,  indem  sie  den  Rom- 
fahrern und  anderen  Pilgern  neue  Wegezölle  auflegten,  forderte  Innocenz  III. 
die  Genuesen  zu  entschiedenem  Einschreiten  auf  und  drohte,  jedermann  den 
Durchzug  durch  das  markgräfliche  Gebiet  zu  untersagen.  4)  Jenseits  der 
Paßhöhe  des  M.  Bardone  war  Pontremoli  eine  kaiserliche  Zollstätte ;  14  den. 
imp.  von  diesem  kaiserlichen  Zoll^),  dessen  jedenfalls  von  der  Last  zu  er-^ 
hebenden  Gesamtbetrag  wir  nicht  kennen,  der  aber  schwerlich  sehr  viel 
höher  gewesen  sein  kann,  verlieh  Kaiser  Friedrich  am  1.  Februar  1167  mit 
anderen  Regalien  der  Gemeinde  Pontremoli,  die  dafür  jährlich  zu  Martini 
50  1.  imp.  an  den  kaiserlichen  Fiskus  zu  zahlen  hatte.  Einen  weiteren  Zoll 
von  12  den.  imp.  von  der  Last  (soma)  und  6  den.  imp.  von  der  Halblast, 
dem  fardello,  vergab  der  Kaiser  am  21.  August  1175  an  den  Herrn  von  Vez- 
zano  (nahe  dem  Zusammenfluß  von  Magra  und  Vara),  Guilelmus  Albus,  um 
ihn  für  seine  treffüchen  Dienste  zu  belohnen ;  der  Zoll  sollte  in  San  Stefano 
oder  einem  anderen  Orte  an  der  Straße  bis  Sarzana  hin  erhoben  werden. 
Sein  gleichnamiger  Sohn  hat  von  diesem  Zoll,  der  mittlerweile  nach  Sarzana 
selbst  verlegt  worden  war,  2  den.  am  30.  Mai  1202  an  Sarzana  für  60  1.  imp. 
verkauft.  ^)  Einen  weiteren  Zoll  erhob  natürlich  der  Bischof  von  Luni,  dem 
das  Geleitsrecht  innerhalb  des  Bistums  zustand."^)  Im  Lucchesischen  hatte 
dann  das  Geschlecht  der  Cenami  seit  alten  Zeiten  einen  Wegezoll  inne,  mit 
dem  es  im  Jahre  1195  von  Heinrichs  VI.  Bruder,  Phihpp,  dem  Herzog  von 
Tuscien,  von  neuem  belehnt  worden  ist.  8) 


»)  AfEÖ  m,  30ß  no.  6. 

»)  Vignati  149  f.    Boselli  I,  318.     Giesebrecht  V,  591. 

•)  Boselli  I,  434 :  ut  superfluum  quod  Opizo  toUit  ultra  vetus  pedagium  re- 
maneat. 

*)  Chart,  n  no.  1707.     Lib.  Jur.  I  no.  515. 

")  Ficker  IV,  184  no.  142 :  14  den.  de  passagio  nostro  imperiali  quod  colligitur 
in  Pontremulo.     Giesebrecht  V,  531.     Sforza  U,  243  no.  2. 

«)  Scheffer-Boichorst  142  f.  Sforza  G. :  II  mercato  e  il  pedaggio  di  S.  Stefano 
di  Magra,  in:  Atti  e  mem.  per  le  prov.  Moden,  e  Parmensi,  ser.  3,  VI  2  p.  443  ff. 
und  Derselbe :  La  vendita  di  Porto  Venere  ai  Genovesi  e  i  primi  signori  di  Vez- 
zano  im  Giorn.  della  Ligur.  HI  (1902)  p.  355  f. 

')  Oben  §  586. 

*)  Winkelmann,  Acta  I  no.  1. 


748  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Wichtige  Zollstätten  lagen  ferner  am  Übergange  der  Frankenstraße 
über  den  Arno,  bei  Fucecchio  auf  dem  rechten  und  San  Miniato,  dem  alten 
Mittelpunkte  der  kaiserlichen  Macht  in  Tuscien,  auf  der  linken  Seite  des 
Flusses.  Im  Jahre  1241  ließ  Friedrich  II.  durch  seinen  Generalkapitän  in 
Tuscien  Erhebungen  über  den  Besitz  des  »passagium  de  Ficiclo«  anstellen; 
als  derzeitige  Inhaber  desselben  erscheinen  die  Söhne  des  Gerardinus  Bos.i) 
Der  Kaiser  zog  auch  diesen  Wegezoll  an  sich  und  verpachtete  am  2.  No- 
vember 1243  von  Mitte  des  nächsten  Februar  ab  auf  2  Jahre  alle  dem  kaiser- 
Hchen  Fiskus  zustehenden  »passagia  sive  thelonea«  in  San  Miniato,  Fucec- 
chio, Val  di  Nievole,  Ariana  und  Lima  an  den  florentinischen  Kaufmann 
Bentivegna  Ugolini  Davanzi,  dem  er  gleichzeitig  auch  das  fiskalische  Silber- 
bergwerk von  Montieri  mit  dem  Recht,  Miliarenses  zu  prägen,  für  eine  Ge- 
samtsumme von  11000  1.  pis.  verpachtete,  so  daß  wir  leider  nicht  ersehen 
können,  wieviel  von  dieser  Pachtsumme  auf  die  Zollstätten  entfiel.  2)  Als 
Ausnahme  mag  erwähnt  werden,  daß  kaiserliche  Gunst  auch  einmal  einen 
solchen  Wegezoll  beseitigte ;  die  Gemahlin  Friedrich  Barbarossas  hat  im  Jahre 
1178  in  Vercelli  einen  abgabenfreien  Übergang  über  die  Sesia  einrichten 
lassen,  indem  sie  gleichzeitig  für  Ablösung  der  Ufer-  und  Zollrechte  desj 
Bischofs  von  Vercelli  an  Sesia  und  Cervo  Sorge  trug.  3) 

596.  Wenn  bei  den  Inhabern  der  Zölle  naturgemäß  eine  Tendenz  zur 
Erhöhung  oder  Erweiterung  derselben  (man  pflegte  solche  als  malatolta  z 
bezeichnen)  obwaltete  und  auch  die  Kommunen  davon  keineswegs  frei  waren, 
.80  fand  dies  Bestreben  bei  letzteren  doch  in  der  gebotenen  Rücksicht  auf 
die  Handelsbeziehungen  zu  den  anderen  Kommunen,  von  denen  man  Ver-; 
geltungsmaßregeln  zu  erwarten  hatte,  eine  starke  Schranke  4);  vielfach  ver 
pflichtete  man  sich  deshalb  in  Gegenseitigkeitsverträgen,  eine  Erhöhung  der] 
bestehenden  Abgaben  oder  die  Einführung  neuer  nicht  vorzunehmen ;  auch 
die  kirchliche  Autorität  wandte  sich  gegen  jene,  die  in  ihren  Gebieten  neue 
Zölle  einführten,  5)  Im  Mai  1168  beschloß  die  Tagung  des  lombardischen 
Bundes  zu  Lodi  ausdrücklich,  daß  in  den  Gebieten  der  Bundesstädte  von 
den  Untertanen  der  Bundesmitglieder  keine  anderen  als  die  althergebrachten 
Zölle  und  Abgaben  in  der  gewohnten  Höhe  erhoben  werden  dürften,  wobei 
als  althergebracht  nur  diejenigen  anzusehen  seien,  die  schon  seit  30  Jahren 
bestanden.  6)  Darüber  hinaus  hat  man  sich  in  dieser  ersten  Zeit  des  Bundes 
vielfach  weitgehende  Zugeständnisse  auf  dem  Gebiete  der  Handelsabgaben 
gemacht;  so  haben  sich  Bergamo  und  das  wiedererstehende  Mailand  schon 
Ende  März  1167'^)  gegenseitig  Befreiung  von  der  Marktabgp,be  (curatura)  und 


■e 

f 

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*)  Rena  e  Camici  VIb  p.  46 — 55. 

^)  Winkelmann  Acta  11,  41  no.  37.  Dazu  Davidsohn,  Forsch.  II,  no.  448.  .Tungj 
p.  71  ff.  Ebd.  67  A.  2  über  das  Abkommen  San  Gimignanos '  mit  dem  Kastellaii| 
von  San  Miniato  über  Rechtsschutz,  sicheres  Geleit  und  Wegezölle. 

3)  Stumpf  m,  730  no.  524.     Giesebrecht  V,  866;  VI,  552. 

*)  So  war  der  Podesta  von  Parma  gehalten,  wenn  Cremona  oder  eine  anderej 
Stadt  den  Parmesanen  gegenüber  aliquod  pedagium  vel   toloneum   novum   einrich- 
tete, sofort  einen  Vergeltungszoll  zu  erheben.     Stat.  Parm.  p.  95. 

')  Beispielsweise  Gregor  IX.  in  der  Bulle  vom  August  1229;  Rodenberg  I,j 
no.  399  p.  319. 

')  Vignati  177  ff.  Giesebrecht  V,  603.  Ähnlich  im  Vertrage  zwischen  Mai- 
land und  Como  von  1168:  isalvo  vetere  pedagio  ubique<  ;  Cod.  Laud.  11,  46  no.  36. 
Vignati  168  f.  Giesebrecht  V,  600;  und  schon  1167  in  dem  Vertrage  des  Bundes 
mit  Piacenza.     Giesebrecht  V,  581. 

')  Cod.  Laud.  II,  32  no.  22.     Giesebrecht  V,  571;  VI,  474. 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  749 

allen  Zöllen  (teloneum,  pedagium,  pontaticum)  zugesichert;  nur  am  Adda- 
übergange  bei  Brivio  sollte  beiderseits  ein  Warenzoll  erhoben  werden.  Die 
gleiche  Befreiung  sicherten  sich  im  folgenden  Jahre  auch  Mailand  und  Ver- 
celli  zu,  wobei  Mailand  den  Vercellesen  sogar  die  ihm  zustehende  Hälfte 
des  Transitzolls  über  den  Tessin  überließ,  während  die  andere  von  Novara 
erhoben  wurde ;  bald  darauf  gewann  Vercelli  auch  Befreiung  von  der  Markt- 
abgabe in  Ivrea.  1)  Auch  das  neubegründete  Alessandria  und  Asti  ver- 
sprachen sich  1169  Freiheit  von  allen  Handelsabgaben,  wobei  Asti  freilich 
die  dem  Bischof  zustehenden  Abgaben  sowie  die  aus  dem  laufenden  Kon- 
trakt sich  ergebenden  Rechte  der  Zollpächter  vorbehielt.  2)  Und  um  das 
widerstrebende  Lodi  für  den  Bund  zu  gewinnen,  wurde  im  Mai  1167  seinen 
Kaufleuten  und  ihren  Waren  volle  Zollfreiheit  in  den  Gebieten  von  Cre- 
mona,  Mailand,  Bergamo  und  Brescia  zugestanden.^) 

All  das  waren  Erleichterungen,  die  dem  Handel  sehr  wesentlich  zu- 
statten kommen  mußten,  wenn  es  auch  auf  diesem  Gebiet  bei  der  häufig 
genug  wechselnden  Parteigruppierung  der  Städte  auch  vielfachen  Wechsel 
gab;  so  sah  man  es,  als  Mailand  und  Lodi  nach  langem  Zwist  sich  1198/99 
verbündeten,  schon  als  einen  Fortschritt  an,  daß  beide  Städte  sich  das  Ver- 
sprechen gaben,  keine  neuen  Abgaben  einzuführen  und  die  bestehenden  nicht 
zu  erhöhen.  *)  Indes  ist  der  Impuls  nicht  zu  unterschätzen,  den  der  Handel 
durch  solche  Vorteile  bald  hier,  bald  dort  empfing;  so  steigerte  sich  die 
zwischen  Mailand  und  Vercelli  bestehende  kommerzielle  Freundschaft  da- 
hin, daß  man  sich  im  Jahre  1221  gegenseitig  das  Bürgerrecht  erteilte 0);  und 
im  Januar  1241  haben  Asti  und  Alba  auf  der  einen,  Cuneo,  Mondovi,  Fos- 
sano  und  Savigliano  auf  der  anderen  Seite  im  gegenseitigen  Verkehr  alle 
Zollabgaben  (pedagia  et  malatolta)  mit  Ablauf  der  noch  bestehenden  Pacht- 
kontrakte für  aufgehoben  erklärt.  0) 

In  der  ZoUordnung  von  Ferrara  vom  Jahre  1228  beruhen  die  nied- 
rigeren Sätze  unzweifelhaft  in  den  meisten  Fällen  auf  Abmachungen  in 
Gegenseitigkeitsverträgen;  die  Zollordnung  selbst  enthält  eine  Bestimmung, 
daß  solche  Abmachungen,  die  naturgemäß  zumeist  im  Nachbarschaftshandel 
erfolgten,  überall  in  Kraft  bleiben  soUten.'^)  Wenn  Modenesen  und  Man- 
tuaner  in  der  Zollordnung  ganz  fehlen,  so  hat  das  eben  in  ihrer  besonderen 
Bevorzugung  seinen  Grund.  8) 

597.  Ansätze  zu  einem  förmlichen  Vertragstarif  finden  sich  in  dem 
Handelsvertrage  zwischen  Ferrara  und  Bologna  von  1193;  danach  hatten 
die  Bolognesen  bei  der  Einfuhr,  außer  einer  Schiffsgebühr  von   8  imp.,   bei 


»)  Chart.  I.  863  no.  548.  Vignati  165.  Mandelli  H,  121 ;  am  8.  August  1170 
feierlich  erneuert.  Die  Marktabgabe  in  Jvrea  hatte  dem  Bischof  zugestanden; 
Chart,  n  p.  1017. 

*)  Vignati  193  f.  Nach  dem  Vertrage  von  1223  erhob  Alessandria  von  den 
Astesanen  und  Albensern  von  jeder  Last  oder  jedem  Ballen,  die  sie  in  Alessan- 
dria kauften  oder  verkauften,  1  sol.  pap.,  bei  Transit  das  Doppelte.  Milano  11 
no.  257. 

')  Cod.  Laud.  II,  34  no.  24.    Giesebrecht  V,  578 ;  VI,  476. 

♦)  Cod.  Laud.  H,  226  f.  no.  209  f. 

6)  Chart.  I,  1268  f.'  no.  854  f.     Winkelmann  I,  176. 

«)  Chart,  n  no.  1846  p.  1418  f.  Frühere  Verträge  zwischen  Asti  und  Alba : 
Milano  I,  17  (1193),  II,  12  (1223). 

»)  Muratori  Antiqu.  11,  32.  ' 

8)  Oben  §  575. 


750  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

allen  Gewichtswaren  3  den.  ferr.  vel.  bon.  vom  Zentner,  bei  Leinsamen,  Gall- 
äpfeln und  Eichenblättern  (für  die  Bedürfnisse  der  Gerberei)  12  den.  ferr. 
vom  Malteri)  2u  entrichten  und  waren  nur  bei  Lebensmitteln  abgabenfrei. 
Bei  anderweiter  Einfuhr  und  bei  der  Ausfuhr  hatten  sie  außer  der  gleichen 
Schiffsgebühr  in  den  meisten  Fällen  noch  eine  Abgabe  von  8  imp.  (—  2  sol. 
ferr.)  von  der  Last  zu  entrichten;  durch  eine  gemischte  Kommission  von 
Sachverständigen  wurden  im  Jahre  1194  entstandene  Zweifel,  von  welchen 
Waren  diese  Abgabe  pro  soma  in  Ferrara  zu  erheben  sei,  beseitigt.  2)  Das 
damals  aufgestellte  Verzeichnis  solcher  Waren  ist  nicht  ohne  Interesse;  es 
führt  auf:  alle  Arten  von  Tuchen;  Baumwolle  und  Wolle;  Zuckeralaun 3), 
Kermes  und  Brasilholz;  Felle  vom  Fuchs,  Hasen  und  Kaninchen;  Rauch- 
waren und  Grauwerk ;  Pfeffer,  Zucker,  Safran,  Indigo,  Weihrauch  und  Spe- 
zereien  überhaupt;  Farben,  Wachs,  Lammfelle,  Eichhörnchen-,  Otter-  und 
Marderfelle,  Pergament,  Kupfer.  Eisenwaren  zahlten  nach  altem  Herkommen 
1  ferr.  pro  Sack ;  und  bei  Salz  sollten  die  Bolognesen  dasselbe  zu  entrichten 
haben  wie  die  anderen  Ferrara  befreundeten  Städte.  4)  Nach  dem  Fall^ 
Ferraras  wurde  in  dem  Allianzvertrage  zwischen  Bologna  und  Ferrara  vom™ 
2.  Juli  1240  volle  Freiheit  von  Handelsabgaben  im  gegenseitigen  Handels- 
verkehr proklamiert;  nur  den  Salzzoll  Ferraras  hatten  die  Bolognesen  auch^ 
weiterhin  zu  bezahlen.^) 

598.  In  Toskana  begegnen  wir  ganz  analogen  Verhältnissen.  Als  sie 
Florenz  und  Lucca  nach  langem  Zwist  im  Jahre  1184  einigten,  bestimmte 
man,  daß  man  gegenseitig  von  der  Warenlast,  dem  Warenkorbe  und  der 
Geld-  oder  Warentasche  ß)  an  Zoll  nur  so  viel  erheben  wolle,  als  in  gemein- 
samer Festsetzung  durch  die  beiderseitigen  Konsuln  der  Kaufleute  vereinbart« 
werden  würde.  Im  Verkehr  mit  Faenza  erlangte  Florenz  1204  eine  Er-Ä 
mäßigung  der  Abgaben  von  der  Saumtierlast  auf  12,  von  der  tasca  auf 
18  den.  rav.,  während  bisher  im  ersten  Falle  28  den.  (rav.),  im  zweiten  18  den. 
imp.  erhoben  worden  waren'');  und  im  März  1220  vereinbarten  Florenz  und 
Bologna  eine  Herabsetzung  der  beiderseitigen  TorzöUe  auf  12  den.  bonon. 
für  die  »sauma.«^)  In  dem  1176  von  Florenz  mit  Siena  geschlossenen 
Frieden  war  die  Höhe  der  beiderseits  zu  erhebenden  Zölle  späterem  Schieds- 
spruch vorbehalten  geblieben;  zugleich  hatte  Siena  sich  verpflichtet,  sich 
bezüglich  der  in  den  päpstUchen  Gebieten  zu  zahlenden  Zölle  zugunsten  de 


s- 

I 


^)  Pro  modio  seminis  lini  et  vallonie  et  foUie;  Savioli  II,  2  p.  173.     Murato: 
Antiq.  U,  893. 

^)  Diese  interpretationes  antiquae  pacis  et  concordiae  wurden  am  11.  Febr, 
1194  zu  Galeria  festgestellt ;  Murat.  Antiqu.  IL,  894.  Savioli  II,  2  p.  176  f.  no.  302. 
Die  Textüberlieferung  ist  hier  wie  für  den  Hauptvertrag  von  1193  recht  mangel- 
haft,    Höhe  des  Transitzolls  oben  §  575. 

*)  Savioli  liest:  de  oranibus  drapis,  de  bambajo,  de  lana  cucarina,  de  grana 
etc.,  Muratori :  de  drappis,  de  batilicio  (mit  Angabe  der  Lesart  des  MS.  Bonon.,  bam-; 
bacio),  de  lume  zucarina,  de  grana  etc. 

*)  Savioli  p.  177  liest:  de  portu  salis  inf  erioris  statt  in  Ferraria. 

^)  Ebd.  ni,  2,  185  f.  no.  621.  Das  Prinzip,  daß  von  den  Fremden  gleich  hohe' 
Abgaben  zu  erheben  seien,  wie  sie  die  Bolognesen  in  deren  Heimat  zahlen  mußten, 
ausgesprochen  im  Statut  der  Wechsler  von  Bologna  (1245)  rub.  3  :  Stat.  Soc.  Bol.  U,  62. 

ö)  De  soma  vel  scherpilio  aut  tasca.  Hartwig  II  p.  75  f.  Santini  p.  20.  Da-! 
vidsohn  I,  569  f.  668  f. 

')  Santini  p.  146 ;  Zusatz  unter  der  Unterschrift  des  Notars  in  der  allein  er 
haltenen  Ausfertigung  für  die  Faventiner. 

8)  Savioli  n  2  p.  420  no.  481.     Dazu  Davidsohn  Forsch.  III,  229  no.  1168.       , 


i 


Handelswege  und  Handelsabgaben.  751 

Florentiner  zu  verwenden,  i)  In  ihrem  Vertrage  vom  15.  August  1245  sind 
dann  die  beiden  großen  toskanischen  Handelsstädte  dazu  übergegangen,  zu- 
nächst für  einen  Zeitraum  von  5  Jahren  ihre  Untertanen  und  Waren  beim 
bloßen  Transitverkehr  gegenseitig  von  jeglichen  Abgaben  zu  befreien  2),  wie 
es  zwischen  Florenz  und  Orvieto  schon  im  März  1229  geschehen  war.  3) 

599,  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  solche  Ermäßigung 
der  Abgaben  von  wesentüchem  Einfluß  auf  die  Steigerung  des  binnen- 
ländischen Handels,  die  sich  namentlich  seit  der  Zeit  des  dritten 
Kreuzzuges  in  wachsendem  Maße  bemerkbar  macht,  gewesen  ist. 
Hand  in  Hand  damit  ging  das  Bestreben,  auch  im  eigenen  Gebiet 
die  auf  dem  Handel  ruhenden  Lasten  möglichst  herabzusetzen. 

So  verordnete  Fistoja  die  vollständige  Beseitigung  des  Wegezolls  von 
Montemerlo  4) ;  häufiger  aber  ist  die  Begünstigung  der  eigenen  Kaufleute 
vor  den  fremden  Händlern,  soweit  diesen  nicht  durch  gegenseitige  Ab- 
machung die  Gleichstellung  mit  ihnen  verbürgt  war.  Es  deutet  auf  einen 
weitreichenden  Einfluß  der  Handel  und  Gewerbe  treibenden  Kreise,  wenn 
2.  B.  die  Statuten  von  Vercelli  von  1241  jeden  Vercellesen  von  der  Zahlung 
der  Marktabgabe  (curadia)  in  Vercelli  für  frei  erklären  ^),  und  wenn  in  Brescia 
unter  dem  Einfluß  der  Konsuln  der  Kaufleute  schon  1180  der  Beschluß 
gefaßt  wurde,  daß  alle  Einwohner  der  Stadt  von  jeglicher  Handelsabgabe 
in  Bistum,  Grafschaft  und  dem  ganzen  Machtbereich  der  Stadt  frei  sein 
sollten,  selbst  in  dem  Falle,  daß  ihre  Waren  von  anderen  Personen  in  ihrem 
Dienst  ein-  oder  ausgeführt  würden.  ^)  Auch  in  Padua  und  Gebiet  bestand 
volle  Freiheit  von  Handelsabgaben  für  die  eigenen  Bürger  und  Distriktualen.") 
So  weit  konnte  Verona  mit  Rücksicht  auf  die  mächtigeren  Personen  seines 
Gebiets  nicht  gehen;«  es  begnügte  sich  in  seinen  Statuten  damit,  Zahlung 
und  Erhebung  von  Wege-  und  Brücken-  und  sonstigen  Zöllen  zu  verbieten, 
falls  die  Erheber  nicht  ihr  Zollrecht  nachzuweisen  imstande  wären.  8) 

600.  So  sehr  sich  aber  hierin  wie  in  den  Handelsverträgen  der  Zeit 
die  wohlwollende  Gesinnung  des  Stadtregiments  für  Handel  und  Handels- 
stand zu  bekunden  pflegt,  so  sind  doch  wie  irn  Seehandel,  so  auch  im 
Binnenhandel   die   Fälle   häufig  genug,   daß  man  in  Staatsverträgen  Befrie- 


1)  Hartwig  H,  65  f.  nach  mangelhaftem  Auszuge  Wüstenfelds.  Dazu  die  Mit- 
teilungen von  Davidsohn  I,  545  f.  aus  dem  Original. 

*)  Anas  I  p.  381 :  non  debeat  auferre  aliquid  pedagium,  guidam  vel  maltol- 
lectum  alicui  civi  .  .  .  transeunti  etc.  Davidsohn  Forsch.  IH,  9  no.  27.  Zollbefreiungen 
der  Florentiner  in  San  Gimignano  (1243)  ebd.  H,  306  no.  2326. 

»)  Fumi  118  no.  189. 

♦)  Stat.  di  Pist.  p.  111  rub.  166. 

•0  Leg.  Munic.  II,  1206  rub.  302. 

ö)  Lib.  Potheris  p.  953  (13.  Januar  1180):  ut  nemo  negociator  seu  habitator 
Brixie  .  .  .  debeat  dare  aliquod  toloneum  nee  carecthuram  (=  curaturam)  nee  uUam 
dationem  eundo  vel  redeundo  seu  stando  ad  mercatum  vel  vias  vel  stratas  per 
vicos,  per  plateas  aut  per  zapellos  nee  pontaticum  ad  pontes  nee  rivaticum  ad  ripas 
aquarum;  nee  aliquis  alius  homo  qui  ducat  vel  trahat  aliquod  averum  alicuius  ho- 
minis predicte  civitatis  debeat  dare  ullam  dacionem  pro  illo  avero  in  episcopatu 
seu  comitatu  aut  virtute  Brixie.  Valentini  hat  diese  Bestimmung  so  gedeutet,  daß 
damals  in  Brescia  jede  Abgabe  auf  transitierende  Waren  abgeschafft  worden 
sei;  N.  Arch.  ven.  XV  (1898)  p.  20  f. 

^  Stat.  Padov.  (vor  1236)  p.  157  ruh.  478. 

8)  Lib.  Jur.  civ.  174  rub.  227  (in  dem  vor  1225  redigierten  Teile). 


752  Achtund vierzigstes  Kapitel.     Handelswege  und  Handelsabgaben. 

digung  von  Schadenersatzansprüchen  auf  dem  Wege  der  Zollzuschläge  vor- 
sah, sei  es,  um  kriegerische  Verwickelungen  hintanzuhalten,  sei  es,  um  nach 
solchen  Verwickelungen  einen  Ausgleich  herbeizuführen.  So  empfindlich 
eine  solche  Belastung  unter  Umständen  für  den  friedlichen  Handel  sein 
mochte,  so  trat  sie  doch  nur  auf  Zeit  ein  und  diente  dazu,  Schlimmeres 
von  dem  Handel  abzuwehren.  So  soUten  nach  einem  Vertrage  vom  31.  Juli 
1187  zum  Ersatz  für  vorgefallene  Schädiguugen  an  den  Toren  Vercellis  von 
Bewohnern  Alessandrias  erhoben  werden  vom  beladenen  Karren  (plaustrum) 
12,  von  der  soma  3,  vom  Lastpferde  2  und  dem  Lastesel  1  den.  pav. ;  der 
zwölfte  Teil  der  Einnahme  sollte  zur  Bezahlung  des  Zollerhebers  dienen,  i) 
In  ähnlicher  Weise  sicherte  der  Vertrag,  den  Florenz  nach  siegreichem 
Kriege  1176  den  Sienesen  auferlegte,  seinen  Kaufleuten  vollen  Ersatz  der  _, 
während  des  Krieges  erlittenen  direkten  Schäden  entweder  durch  unmittel-  flj 
bare  Restitution  oder  auf  dem  Wege  der  Zollzuschläge  zu,  die  wie  in  Florenz 
selbst  so  auch  an  den  Toren  von  Siena  zugunsten  der  Geschädigten  erhoben 
werden  sollten;  auch  bei  zukünftigen  Schädigungen  sollte  das  gleiche  Ver- 
fahren ohne  weiteres  Anwendung  finden.  2)  Und  als  im  Jahre  1204  Flo- 
rentiner Kaufleute  im  Gebiet  von  Faenza  überfallen  und  beraubt  wurden, 
einigte  man  sich  dahin,  die  den  Geschädigten  zugesprochene  Summe  in 
gleicher  Weise  aufbringen  zu  lassen;  jeder  Faventiner,  der  des  Handels 
wegen  nach  Florenz  kam,  zahlte,  falls  er  nicht  etwa  bloß  ein  Pferd  oder 
Stoff  zur  eigenen  Bekleidung  kaufte,  1 1/2  sol.  für  die  Warenlast  und  das 
Doppelte  für  die  Geldtasche;  führte  er  indessen  letztere  nicht  als  Campsor, 
sondern  nur  zum  Zweck  von  Einkäufen  in  Florenz  mit  sich^),  so  brauchte 
er  nicht  pro  tasca  zu  zollen,  sondern  konnte  die  Abgabe  bei  seiner  Heim- 
kehr pro  sauma  erlegen.  Nach  Deckung  der  Schadensumme  sollten  die 
Faventiner  dann  in  Florenz  nicht  mehr  zahlen  als  andere.  Beide  Kon- 
trahenten verpflichten  sich,  auf  diese  Weise  einen  zur  Schadloshaltung  von 
Kaufleuten  bestimmten  Geldbetrag  aufzubringen  in  dem  Vertrage,  den  Flo- 
renz und  Perugia  im  März  1218  miteinander  schlössen.  4)  Ein  gewisser  Vin- 
ciguerra  Bacialerii  hatte  Waren  im  Werte  von  150  1.  geraubt  und  es  scheint, 
daß  keinem  der  beiden  Teile  die  Verantwortung  für  diesen  Raub  zuge- 
sprochen werden  konnte,  wenigstens  sollten  s/g  dieses  Betrages  durch  einen 
in  Perugia  von  den  Florentinern,  2/g  durch  einen  in  Florenz  von  den  Peru-  m 
sinern  nach  folgendem  Tarif  zu  erhebenden  Zoll  gedeckt  werden :  von  der  ^ 
Last  bei  wollenen  Tuchen  2  sol.,  bei  leinenen  Tuchen  und  Wildfellen ^) 
lV2Sol-j  bei  allen  anderen  Waren  1  sol.  und  ebenfalls  1  sol.  vom  Pack 
bei  Kaninchenfellen  und  bearbeitetem  Rauchwerk.  ^)  Der  Erheber  dieser 
Zölle  in  Florenz  war  von  den  Perusinern  zu  ernennen  und  umgekehrt.  Im 
selben  Jahre  einigten  sich  Bologna  und  Lucca  dahin,  nicht  beizutreibende 
Schuldforderungen  von  Kaufleuten   der  anderen  Stadt   durch  eine  Auflage 

*)  Mandelli  11,  83  A.  1.  Auch  in  einer  Zollordnung  aus  den  achtziger  Jahren 
des  13.  Jahrhunderts  heißt  es:  et  computetur  plaustrum  4  some.  Cipolla,  Docum. 
184  no.  49. 

^)  Hartwig  II,  65  f.     Davidsohn  I,  545  f. 

^)  Santini  p.  144  f. :  pro  investitura  in  negotiatione  facienda.  Davidsohn  I, 
646,  669.  Ähnliche  Verpflichtung  der  Florentiner  1181  Piacenza  gegenüber,  oben 
§  284. 

*)  Santini  p.  190  f.  no.  62.  Vecchio  e  Casanova,  App.  no.  1  p.  285.  Vgl. 
Davidsohn  I,  785.     S.  auch  den  Vertrag  Pisa — Rom  1174;  oben  §488. 

*)  De  salma  pannorum  lini  et  salvaticume. 

®)  De  torscia  cunicolorum  et  de  variis  laboratis. 


Neunundvierzigstes  Kapitel.     Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.      753 

(collecta)  von  je  10  sol.  bon.  von  Last  und  Tasche  und  6  sol.  vom  Waren- 
korbe, die  von  der  lucchesischen  Einfuhr  nach  Bologna  und  umgekehrt  zu 
erheben  war,  zu  decken,  i) 

Orvieto  hat  dieses  Verfahren  seinen  Kaufleuten  gegenüber  einmal  sogar 
angewandt,  um  eine  Schuld  von  110  1.  zu  tilgen,  die  es  bei  dem  Prior  von 
S.  Nicolaus  in  Carcere  zu  Rom  hatte.  Am  23.  November  1219  versprach  es 
dem  Prior,  je  einen  Zolleinnehmer  in  Sutri  und  Orte  zu  bestellen,  die  fol- 
gende Abgaben  von  allen  passierenden  Orvietanern  zu  erheben  hatten: 
12  den.  von  jedem  Reiter,  von  jedem  Fußgänger  oder  Rompilger  die  Hälfte, 
5  den.  von  jeder  Last  oder  Tasche,  dazu  noch  eine  Abgabe  im  Falle  des 
Verkaufs;  spätestens  in  einem  Jahre  hoffte  man  auf  diese  Weise  den  Gläu- 
biger befriedigt  zu  haben.  2) 


I^eunundvierzigstes  Kapitel. 

Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften. 

601.  Als  ein  schweres  Hemmnis  des  friedlichen  Handelsverkehrs 
erwies  sich  nicht  selten  das  tief  in  der  mittelalterlichen  Rechtsauf- 
fassung wurzelnde  Represaliensystem ,  das  von  der  Auffassung  aus- 
ging, daß  jeder,  der  von  einem  Fremden  eine  Schädigung  erlitten, 
berechtigt  sei,  sich  durch  Rückgriff  auf  dessen  Landsleute  schadlos 
zu  halten.  Bei  diesen  Schädigungen  bedeutete  es  einen  sehr  wesent- 
lichen Unterschied,  ob  sie  durch  irgendwelche  Vergewaltigung  ent- 
standen waren,  oder  nur  dadurch,  daß  eingegangene  Verbindlichkeiten 
nicht  erfüllt  worden  waren. 

Im  ersteren  Falle,  dem  allgemeineren,  bei  dem  weit  umfassendere  In- 
teressen als  die  des  Handels  in  Betracht  kamen  3),  erschien  es  in  der  Tat 
als  Sache  des  Staates,  das  Interesse  seiner  geschädigten  Staatsangehörigen 
wahrzunehmen.  Prinzipiell  erkannte  man  das  Recht  des  Geschädigten  auf 
Rückgriff  gegen  die  Landsleute  des  Schädigers  ohne  weiteres  an;  aus  prak- 
tischen Gründen  aber,  hauptsächlich  um  kriegerischen  Verwickelungen  oder 
schweren  Störungen  des  Handels  aus  verhältnismäßig  geringfügiger  Ursache 
vorzubeugen,  suchte  man  das  Verfahren  zu  regeln  und  ließ  den  Rückgriff 
selbst  erst  dann  zu,  wenn  der  Appell  an  den  Staat,  dem  der  Schädiger  an- 
gehörte, sich  als  fruchtlos  erwies.  So  schreiben  die  pisanischen  Konsular- 
statuten von  1164  ausdrücklich  vor,  daß  zunächst  die  fremden  Behörden 
von  Amtswegen  je  nach  den  Umständen  durch  eine  öffentliche  Gesandtschaft 
oder  durch  Boten  oder  auch  auf  schrifthchem  Wege  zur  Remedur  aufzu- 
fordern seien;  erst  wenn  sie  mit  Herausgabe  des  entfremdeten  Gutes  oder 
der  verlangten  Rechtshilfe  oder  der  Vollstreckung  des  Urteils  im  Verzuge 
bheben,   sollte   dem  Geschädigten   die  Selbsthilfe   erlaubt  sein.  4)     Ganz  all- 

')  Savioli  n,  2,  391  no.  458.  S.  auch  den  Vertrag  zwischen  Alba  und  Albenga 
von  1215;  Milanol,  186  f. 

»)  Fumi  86  no.  123. 

^)  Für  das  Allgemeine  verweise  ich  auf  das  Werk  von  dal  Vecchio  und  Ca- 
sanova. Dazu  8.  von  neuerer  Literatur  P.  Lafargue :  Les  repr^sailles  en  temps  de 
paix.  ;6tude  juridique,  historique  et  politique.  Paris  1898  und  M.  Roberti:  Le  Rap- 
presaglie  negli  Statuti  Padovani.     Padua   1901. 

*)  Bonaini  I  p.  40.     Vgl.  Vecchio  e  Casanova  p.  67. 
Schaube,  Handelsgeschichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  48 


754  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

gemein  wird  daher  auch  in  den  Verträgen  der  Staaten  das  Verfahren  für 
den  Fall,  daß  »Offensio«  zwischen  ihren  Angehörigen  vorkam,  behandelt 
und  in  der  Regel  eine  Frist  vorgeschrieben,  innerhalb  welcher  anhängig  ge- 
machte Klagen  zu  erledigen  seien.  Häufig  ist  namentlich  bei  Friedens- 
schlüssen die  Einsetzung  von  Schiedsgerichten  i),  die  über  vorgefallene  Schä- 
digungen zu  befinden  hatten,  womit  Selbsthilfe  ohne  Aveiteres  ausgeschlossen 
war;  das  System  der  Zollzuschläge 2)  war  ein  weiteres  Mittel,  der  Willkür 
auf  diesem  Gebiet  von  Staatswegen  entgegenzuarbeiten. 

602.  Wesentlich  anders  lag  die  Sache,  wenn  die  Schädigung  dadurch 
erfolgte,  daß  ein  fremder  Schuldner  den  von  ihm  übernommenen  Verpflich- 
tungen seinem  Gläubiger  gegenüber  nicht  nachkommen  konnte  oder  wollte. 
Hier  konnte  häufig  den  Gläubiger  durch  Mangel  an  Umsicht,  wucherisches 
Verhalten  u.  dgl.  ein  erheblicher  Teil  der  Schuld  treffen.  Der  Rückgriff 
auf  die  Landsleute  des  Schuldners  auch  in  solchen  Fällen  war  geeignet,  die 
Handelsbeziehungen  zweier  Staaten  ganz  besonders  empfindlich  zu  stören, 
und  wenn  er  auch  nicht  kriegerische  Verwickelungen  hervorrief,  die  Kauf- 
leute von  dem  Gebiet,  in  dem  ihnen  Represalien  drohten,  fernzuhalten.  So 
macht  sich  schon  früh  gegen  diese  Art  des  Rückgriffs  eine  Gegenströmung 
bemerkbar,  die  mit  der  Zeit  erheblich  an  Stärke  zunimmt  und  sie  auf  dem 
Wege  friedlicher  Vereinbarung  aus  der  Praxis  so  viel  wie  möglich  aus- 
zuschalten sucht. 

Als  Kaiser  Friedrich  1155  nach  Bologna  kam,   führten   die  Scholaren,  ^ 
die   sich  sonst  in  Bologna  sehr  wohl   zu  fühlen  erklärten,   darüber  Klage,  ■ 
daß  die  Bürger  gelegentlich  den  einen  oder  den  anderen  von  ihnen  zwingen 
wollten,  Schulden  zu  zahlen,  die  nicht  sie  selbst,  sondern  einer  ihrer  Lands- 
leute  daheim  einst   in  Bologna  kontrahiert  hätte;   und  in  der  Tat  hat  der 
Kaiser  wenig  später  ein   Gesetz  gegen   diese  Anwendung  des  Represalien-  _; 
Systems   erlassen,   das   auf   dem  Reichstage  von  Roncaglia  erneut  veröffent-  m\ 
licht  worden  ist.  3)     Gerade  in  Bologna  scheint  sich   dann,    vielleicht  unter 
dem  Einflüsse   der  römisch   gebildeten  Juristen,    die  Überzeugung  von   der 
Schädlichkeit  des   Systems   bei   Kreditverpflichtungen   überhaupt  Bahn  ge- 
brochen zu  haben;   der  Vertrag,   den  Bologna  im  Jahre  1166  mit  Modena 
schloß,  zeigt  uns,  daß  man  in  durchaus  folgerechter  Weise  dem  Represalien- 
wesen   dadurch    am   besten   beizukommen  meinte,    daß  man  dem  fremden 
Gläubiger  einen  möglichst  weitgehenden,  gesicherten  Rechtsschutz  gewährte. 
Beide  Städte   verpflichteten   sich  hier  gegenseitig,   Schuldner  zur  Erfüllung  M 
ihrer  Verpflichtungen    gegenüber   den  Angehörigen    der   anderen   Stadt   zu  ■ 
zwingen  und  denen  gegenüber,  die  sich  solchen  Verpflichtungen  hartnäckig 
entzogen,   äußerstenfalls   mit  Verbannung  aus  Stadt  und  Gebiet  und  Fort- 
nahme  und  Zerstörung  ihres  Besitzes  vorzugehen ;  handelte  es  sich  um  mehrere 
solidarisch  verpflichtete  Schuldner,  so  sollte  sich  der  Zwang  bei  jedem  auf 
den  nach   der  Zahl   der  Schuldner  zu  bemessenden  Anteil  an  der  Gesamt- 


I 


*)  Als  ständige  Einrichtung  begegnen  solche  arbitri  z.  B.  in  dem  Verhältnis 
Modena -Ferrara;  Vertrag  von  1198  (Murat.  Ant.  II,  890)  u.  1220  (ebd.  IV,  430,  432). 
Ihr  Amtseid  aus  dem  Jahre  1227  ebd.  437  f.  Auch  im  Vertrage  Verona  -  Cremona 
von  1203  (Ficker  IV  no.  208  p.  260) ;  Florenz  -  Imola  von  1238  (Davidsohn  Forsch. 
III,  6  no.  18);  und  besonders  eingehend  Florenz  -  Siena  von  1237  (Arias  I,  p.  373  ff.) 

2)  Ob.  §  600. 

^)  Const.  et  acta  I,  249  (Privilegium  scholasticum  von  1158).  Savioli  I,  2 
p.  253.  Giesebrecht  V,  52,  181  f.;  VI,  308.  Gaudenzi :  II  monastero  di  Nonantola  etc 
im  Bull.  stör.  it.  22  (1901),  184  S. 


Kommerzielle  Gebräuche  und   Vorschriften.  755 

schuld  erstrecken.!)  In  dem  Vertrage  vom  Mai  11792)  ergänzte  man  diese 
Bestimmungen  noch  dahin,  daß  unter  Zinsfestsetzung  aufgenommene  Schulden 
auch  mit  den  Zinsen  zu  bezahlen  seien,  während  bei  anderen  wohl  darauf 
zu  achten  sei,  daß  (mit  Rücksicht  auf  etwa  eingetretene  Münzverschlech- 
terung) auch  wirklich  der  volle  Wert,  den  die  Schuld  zur  Zeit  des  Kontrakt- 
abschlusses darstellte,  zur  Rückerstattung  gelangte. 

War  der  Gläubiger  im  fremden  Staate  des  gleichen  Rechtsschutzes  wie 
im  eigenen  gewiß,  so  war  damit  der  Anwendung  des  Represaliensystems  auf 
Schuldverhältnisse  jede  innere  Berechtigung  entzogen.  Und  so  mögen  wohl 
manche  Verträge  von  der  Art  des  bolognesisch  -  modenesischen  von  1166 
dem  in  der  Geschichte  des  Represalienwesens  eine  hervorragende  Stelle  ge- 
bührenden Beschlüsse  vorangegangen  sein,  den  der  lombardische  Bund  auf 
seiner  Tagung  von  Lodi  am  3.  Mai  1168  gefaßt  und  an  die  Spitze  seiner 
Entschließungen  gestellt  hat.  ^)  Fortan  sollte  danach  ein  jeder,  der  eine 
Forderung  an  einen  Angehörigen  einer  anderen  bundesgenössischen  Stadt 
hatte,  sich  nur  an  diesen  selbst  halten,  nicht  aber  einen  anderen  an  seiner 
Statt  pfänden  oder  irgendwie  schädigen  dürfen;  als  Opizo  Malaspina  bald 
darauf  dem  Bunde  beitrat,  mußte  auch  er  versprechen,  keinen  an  Stelle 
eines  anderen  zu  pfänden.  4) 

603.  Damit  war  ein  für  die  Interessen  des  legalen  Handels  überaus 
wichtiger  Grundsatz  in  einem  ausgedehnten  Gebiet  Ober  -  Italiens  zur  all- 
gemeinen Anerkennung  gelangt,  und  es  ist  kein  Zweifel,  daß  die  Städte,  die 
bei  diesem  Beschlüsse  mitgewirkt  haben,  auch  für  seine  praktische  Durch- 
führung Sorge  trugen.  Bald  darauf  sehen  wir,  daß  Venedig,  das  ja  zu  dem 
Bunde  in  nahen  Beziehungen  stand,  in  seinen  Verträgen  mit  anderen  Städten 
diesen  Grundsatz  adoptiert  hat,  so  in  dem  Vertrage  mit  Rimini  1170,  mit 
Cremona  1173,  mit  Verona  1175;  unter  venezianischem  Einfluß  hat  das  neue 
Prinzip  damals  schon  seinen  Weg  zu  den  Seestädten  Dalmatiens  gefunden.^) 

Auch  als  der  lombardische  Bund  seine  Bedeutung  verlor,  hielt  man  in 
der  Lombardei  an  dem  Grundsatz  fest  und  suchte  seine  Durchführung  in  dem 
Verhältnis  von  Staat  zu  Staat  durch  Abschluß  besonderer  Konventionen  oder 
Aufnahme  in  die  allgemeinen  Staats  vertrage  zu  sichern.  So  trafen  am 
11.  Mai  1189  Stadtregiment  und  Konsuln  der  Kaufleute  von  Cremona  und 
Parma  ein  Abkommen,  wonach  bei  Forderungen  aus  Geschäften  oder  Kon- 
trakten irgendwelcher  Art  nur  der  Schuldner  und  sein  Bürge  oder  deren 
Erben  zu  belangen  seien ;  zahle  der  Verpflichtete  nicht,  so  sei  er  aus  seiner 
Gemeinde  zu  verbannen,  bis  er  seinen  Verpflichtungen  nachgekommen  sei.^) 
Und  das  gleiche  Prinzip  findet  sich  seitdem  in  zahlreichen  Verträgen  aus- 
gesprochen, so  in  denen,  die  von  Ferrara  mit  Brescia  (1195),  Modena  (1198), 
Mantua  (1208),  Padua  (1234)  7),  von  Bologna  mit  Bergamo  (1203)  und  Mo- 
dena (1213),   von   Modena  mit  Mantua  (1201)   und  Verona   (1219)»)  abge- 


')  Savioli  II  1  p.  280  no.  187. 

2)  Ebd.  99  no.  258.     Bei  Muratori  Antiqu.  IV,  341  undatiert. 

»)  Vignati  p.  177  f.     Giesebrecht  V,  603. 

*)  Muratori  Ant.  IV,  263.     Vecchio  e  Casanova  68. 

*)  Oben  §  530,  557,  548,  536. 

«)  Toeche  p.  607.  S.  auch  Stat.  Parm.  p.  59  (von  1227),  58  (von  1232),  53  f. 
(von  1233). 

')  Muratori  Antiqu.  IV,  420  u.  703  f.  (Erneuerung  des  Vertrages  mit  Brescia 
1226  p.  703  f.);  751  f.,  H,  874;  IV,  441.     Vecchio  e  Casanova  p.  69  f. 

8)  Savioli  n  2  p.  245  u.  341,  no.  350  u.  416 ;  Murat.  Ant.  IV,  378  u.  753. 

48* 


756  Neunundvierzigstes   Kapitel. 

schlössen  worden  sind.  Ich  hebe  aus  ihnen  hervor  die  besonders  präzise  Fassung, 
die  dem  Grundsatz  in  dem  ferraresisch-mantuanischen  Vertrage  vom  7.  Juli 
1208  gegeben  ist:  ut  alius  pro  alio  non  conveniatur  nee  impediatur,  sed 
cui  datur,  ab  eo  requiratur^)  und  die  z.  B.  in  dem  Vertrage  Ferraras 
mit  Brescia  enthaltene  Mahnung  an  den  Kreditgeber,  sich  die  Person  seines 
Kontrahenten  auf  seine  Kreditwürdigkeit  hin  genau  anzusehen  (caute  pro- 
videat  cum  quo  contrahat  vel  cui  credat).^)  Für  den  westlichen  Teil  Ober- 
Italiens  weise  ich  hin  auf  die  Verträge,  die  Asti  mit  dem  Markgrafen  von 
Saluzzo  (1191)  und  Vercelli  (1194),  Genua  mit  Tortona  geschlossen  hat.  3) 

604.  Erst  seit  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  können  wir  dann  nach- 
weisen, daß  das  neue  Prinzip  auch  in  Toskana  Aufnahme  und  dann  haupt- 
sächlich durch  die  Bemühungen  von  Florenz  weitere  Verbreitung  gefunden 
hat ;  im  September  1203  sind  ein  Rechtsgelehrter  und  ein  Konsul  der  Kauf- 
leute von  Bologna  in  Florenz  zum  Abschluß  eines  entsprechenden  Abkommens 
erschienen.  4)  Anfang  1216  entsandte  dann  Florenz  den  Judex  Sanzanome 
als  Unterhändler  nach  Bologna,  um  eine  Modifizierung  dieses  Abkommens 
zu  erwirken,  die  sich  mit  Rücksicht  auf  die  Bedeutung  der  Sozietätsverhält- 
nisse  als  erwünscht  herausgestellt  hatte;  danach  sollte  der  Gläubiger  nicht 
bloß  den  Kontrahenten  selbst,  sondern  auch  seine  Gesellschafter  oder  seinen 
General-Bevollmächtigten  oder  den  Bevollmächtigten  der  betreffenden  Handels- 
gesellschaft belangen  dürfen.  0)  Der  Aufnahme  des  einfachen  Grundsatzes 
begegnen  wir  in  den  Verträgen,  die  Florenz  mit  Faenza  (1204),  Prato  (1212), 
Perugia  (1218),  Orvieto  (1229),  Cittä  di  Castello  (1232)  abgeschlossen  hat.«) 
Das  Abkommen,  das  Florenz  im  Jahre  1214  über  den  gleichen  Gegenstand 
mit  Pisa  traf,  ist  schon  erwähnt;  Pisa  hatte  im  letzten  Jahrzehnt  des  vor- 
hergehenden Jahrhunderts  eine  Bestimmung  in  sein  Gesetzbuch  aufgenommen, 
die  denjenigen  ersatzpflichtig  machte,  der  dadurch,  daß  er  einem  Fremden 
gegenüber  seinen  Verpflichtungen  nicht  nachkam,  Veranlassung  dazu  gab, 
daß  ein  Pisaner  beraubt  oder  gefangen  gesetzt  wurde.  '^)  In  dem  entspre- 
chenden Vertrage  zwischen  Florenz  und  Volterra  von  1224  findet  sich  die 
Bestimmung,  daß,  falls  Befriedigung  aus  der  Habe  des  Schuldners  bzw.  des 
Schuldigen  oder  etwaiger  Bürgen  nicht  zu  erlangen  sei,  die  Deckung  des 
anerkannten  Anspruchs  durch  Auferlegung  eines  Zolls  auf  Waren,  Tiere  und 
Lebensmittel,  die  aus  dem  Heimatsorte  des  Schuldners  kamen,  zu  erfolgen 
habe.  8)  In  dem  Verkehr  zwischen  Florenz  und  Siena  kam  der  Grundsatz 
zuerst  im  Vertrage  vom  7.  Juni  1237  zur  vollen  Anerkennung  9) ;  kein  Bürger 
der  einen  Stadt  durfte  danach  von  einer  Behörde  der  anderen  Stadt  wegen 
eines  nicht  von  ihm  persönlich  abgeschlossenen  Kontraktes  oder  sonstigen 

1)  Muratori  Antiqu.  11,  874.  Das  ist  genau  die  volkstümliche  Fassung  »a  cui 
dato,  a  colui  richesto«,  die  die  Akten  von  San  Gimignano  im  März  1298  zeigen 
Davidsohn  Forsch.  11  no.  1899. 

«)  Murat.  Antiqu.  IV,  420. 

3)  Cod.  Ast.  I,  221.     Lib.  Jur.  I,  414.     Oben  §  501. 

*)  Murat.  Ant.  IV,  453  f.  Savioli  n  2  p.  248  no.  353.   Vecchio  e  Casanova  p.  70. 

^)  Vollmacht  für  Sanzanome  vom  12.  Februar,  Santini  p.  179  f.  Eid  der  Bo- 
lognesen  vom  20.  Februar  ebd.  182  und  Savioli  II  2,  p.  364,  der  Florentiner  vom 
6.  März  ebd.  p.  367. 

«)  Santini  p.  144,  174,  190.     Fumi  p.  118.     Santini  p.  219. 

'')  Oben  §  516.     Const.  Usus  bei  Bonaini  II  p.  991. 

8)  Rena  e  Camici  VI  a  (Florenz  1781)  ad  a. 

•)  Arias  I,  371  no.  1  (Datum  berichtigt  von  Casanova  im  Bull.  sen.  VIII 
[1901],  473). 


i 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  757 

Geschäftes  irgendwie  behelligt  werden ;  geschah  es  doch,  so  sollte  auf  Anzeige 
binnen  8  Tagen  restitutio  in  integrum  erfolgen.  Und  der  Vertrag  von  1245 
regelt  genau  das  Verfahren,  das  einzuschlagen  war,  wenn  aus  Schuldver- 
pflichtungen zwischen  Sienesen  und  Florentinern  Streitigkeiten  entstanden; 
bei  Klagen  von  Sienesen  waren  die  Capitanei  populi  von  Florenz,  bei  solchen 
von  Florentinern  je  ein  Konsul  der  beiden  Kaufmannschaften  von  Siena 
zuständig,  i) 

605.  War  so  der  Grundsatz  von  der  alleinigen  Haftbarmachung  des 
Schuldners  selbst,  wie  ihn  einst  der  lombardische  Bund  für  die  Bundes- 
mitglieder ausgesprochen,  in  zahlreichen  Staats  vertragen  festgelegt  und  ging 
er  so  mehr  und  mehr  in  das  allgemeine  Rechtsbewußtsein  über,  so  konnte 
es  nicht  fehlen,  daß  man  geneigt  war,  ihn  auch  da  anzuwenden,  wo,  auch 
ohne  daß  ein  besonderer  Vertrag  vorlag,  ein  entsprechendes  Verhalten  der 
Gegenseite  zu  erhoffen  war;  der  Grundsatz  der  Reziprozität,  den  die  Statuten 
von  Lodi  am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  aufstellen,  daß  jedem  Fremden 
von  den  Behörden  Lodis  in  gleichem  Maße  sein  Recht  werden  sollte,  wie 
es  den  Lodesanen  von  selten  der  für  den  Fremden  zuständigen  Obrigkeit 
zuteil  werde^),  kann  mit  Sicherheit  als  der  allgemeinen  Anschauung  ent- 
sprechend angesehen  werden.  Und  nur  wenig  nach  unserer  Zeit  hat  dann 
der  berühmte  Rechtslehrer  Odofredus  in  seinen  Vorlesungen  zu  Bologna 
diesen  Grundsatz  als  allgemein  gültig  hingestellt ;  wer  einem  Engländer  oder 
Spanier  Geld  geliehen  habe  oder  in  England,  Spanien  oder  Tuscien  beraubt 
worden  sei,  habe  kein  Recht,  den  erlittenen  Schaden  durch  Pfändung  eines 
für  den  Schaden  nicht  verantwortlichen  Landsmannes  des  Schuldners  oder 
des  Schuldigen  auszugleichen.  3) 

606.  Für  die  gedeihliche  Entwickelung  des  Handels  war  neben 
der  Rechtssicherheit  des  reisenden  Kaufmanns  die  Unterbringung 
seiner  Person  und  seiner  Waren  von  erheblicher  Bedeutung.  Ein 
Vertrag  zwischen  Pavia  und  Vercelli  ist  es,  der  für  das  Herbergs- 
wesen  der  Zeit  besonders  lehrreich  ist. 

Häufig  nahmen  die  Kaufleute  von  Vercelli  in  Pavia  Herberge,  und  es 
ist  merkwürdig  zu  sehen,  wie  die  Heimatstadt  diesen  Umstand  in  ihrem 
finanziellen  Interesse  auszunutzen  verstand.  Am  20.  Dezember  1165  nahm 
Vercelli  bei  drei  Bürgern  von  Pavia,  Tosonus,  Martinus  Cevolla  und  Obertus 
ein  Darlehn  von  100  1.  pap.  auf ;  Unterhändler  für  Vercelli  waren  zwei  Stadt- 
konsuln und  ein  consul  negotiatorum,  während  drei  Herbergswirte  von  Pavia, 
Guilelmus  Cevolla,  Belbillus  und  Belbellotus  die  Vermittler  spielten.  Der 
Jahreszinssatz  war,  ungewöhnlich  niedrig,  mit  nur  10  7o  normiert ;  dafür  aber 


*)  Ebd.  no.  2  p.  379  ff.  Von  nichtflorentinischen  Verträgen  toskanischer 
Städte,  die  den  Grundsatz  enthalten,  seien  erwähnt :  Pistoja— Modena  (1225 ;  Mura- 
tori  Antiqu.  IV,  413),  Siena -San  Gimignano  (1241;  Davidsohn  Forsch.  II  no.  318), 
Lucca-Bologna  (1218 ;  Savioli  II  2  p.  393). 

»)  Cod.  Laud.  HI,  553  rub.  49. 

')  Odofrecü  in  primam  partem  Codicis  praelectiones  lib.  IV,  12  (Lugd.  1550 
p.  203  b).  Immerhin  bemühen  sich  noch  1247  die  Konsuln  der  Wechsler  und  der 
Kaufleute  in  Bologna,  die  Stadtbehörden  statutarisch  zu  verpflichten,  durch  Ver- 
handlungen mit  allen  der  kirchlichen  Partei  in  ganz  Ober-  und  Mittel  -  Italien  an- 
gehörenden Städten  die  vertragsmäßige  Anerkennung  dieses  Grundsatzes  zu  be- 
wirken. Stat.  Soc.  Bol.  n,  104  (Stat.  Camps,  rub.  5),  132  (Stat.  Merc.  rub.  22). 
Rückfälle  in  das  alte  System  waren  und  blieben  eben  häufig  genug. 


758  Neunundvierzigstes   Kapitel. 


erlangten  die  zu  den  Gläubigern  offenbar  in  sehr  nahen  Beziehungen 
stehenden  Vermittler  besondere  Vorteile.  Vercelli  erklärte  nämlich  ihre 
Häuser  als  die  offiziellen  Herbergen  für  alle  Kaufleute  und  Gewerbetrei- 
benden der  Stadt  Vercelli  und  ihres  gesamten  Gebiets,  derart,  daß  sie  nur 
in  diesen  einkehren  durften,  i)  Die  Hälfte  der  von  den  Eingekehrten  ge- 
wohnheitsmäßig zu  erhebenden  Gebühren  sollte  den  Herbergswirten  direkt 
zufallen,  die  andere  wurde  von  den  Gläubigern,  die  daraufhin  einen  be- 
sonderen Loyalitätseid  zu  leisten  hatten,  eingesammelt  und  halbjährlich  an 
Vercelli  abgeführt,  das  sie  seinerseits  sofort  zur  Abzahlung  auf  seine  Schuld 
verwendete.  Binnen  4  Jahren  mußte  die  Schuld  getilgt  sein ;  doch  wurde 
Vercelli  das  Recht  vorbehalten,  jederzeit  die  volle  Rückzahlung  der  Schuld 
vorzunehmen,  nur  sollte  diese  allein  aus  den  Mitteln  seiner  eigenen  Kaufleute 
luid  nicht  etwa  durch  Aufnahme  einer  neuen  Schuld  bei  anderen  Bürgern 
Pavias  erfolgen  dürfen.  Mit  dem  Augenblick  der  Rückzahlung  der  Schuld 
erlangten  die  Kaufleute  von  Vercelli  die  Freiheit,  in  Pavia  zu  herbergen 
wo  es  ihnen  beliebte,  zurück.  Aus  diesem  Vertrage  erfahren  wir  auch,  was 
insgesamt  für  die  Herbergsabgaben,  die  man  mit  dem  Namen  reva  umfaßte, 
geboten  wurde;  sie  waren  das  Entgelt  nicht  nur  für  die  Unterkunft  selbst, 
für  Benutzung  des  Herdes,  für  Beleuchtung,  sondern  auch  für  Wein  und 
Salz,  die  dem  Herbergsgaste  zu  der  Kost,  die  zu  beschaffen  ihm  selbst  über- 
lassen war,  geliefert  wurden.  2) 

607.  Erscheint  die  den  Vercellesen  hier  durch  ihre  Stadt  vorgeschrie- 
bene Beschränkung  auf  bestimmte  Herbergen  als  ein  Ausnahmefall,  so  war 
es  andererseits  doch  nur  natürlich,  daß  sich  die  Handelsleute  auch  an  fremden 
Orten  in  bestimmten  Herbergen  landsmannschaftlich  zusammenfanden,  wie 
wir  das  z.  B.  an  der  von  einem  Cremonesen  in  Venedig  für  die  Leute  aus 
Modena  unterhaltenen  Herberge  kennen  gelernt  haben.  ^)  In  Venedig  und 
Pisa  haben  wir  besondere  Fondachi  mit  Hospizen  für  Fremde  bestimmter 
Nationalität  eingerichtet  gefunden  und  in  einzelnen  Fällen  eine  Art  Patro- 
natsverhältnis  zwischen  den  vornehmen  Besitzernder  hiezu  verwandten  Häuser 
und  den  in  ihnen  herbergenden  Fremden  sich  entwickeln  sehen.*)  Im 
Binnenlande  können  wir  davon  nur  einzelne  Spuren  nachweisen.  In  Arezzo 
erscheint  im  Jahre  1203  ein  Bürger  des  Orts,  Bongianni,  als  »hospes  Flo- 
rentiae«  ^),  und  als  im  folgenden  Jahre  Florenz  mit  Faenza  einen  Friedens- 
vertrag schloß,  traten  die  angesehenen  Florentiner  Ugo  Burnellus  und  Bon- 
restaurus  zu  den  Faventinern  in  dieses  Verhältnis,  indem  sie  ihnen  ein  ihnen 
gehöriges  Haus  als  Herberge  zur  Verfügung  stellten  und  sich  dabei  ver- 
pflichteten, keine  höheren  Gebühren  als  die  in  den  anderen  Hospizen  von 
Florenz  allgemein  üblichen  von  ihnen  zu  nehmen,  ß)  Als  im  Jahre  1232  in 
San  Gimignano   die  Frage   erörtert  wurde,   ob  man  in  Florenz  und  in  Pisa 


^ 

^n     f  I 


')  Chart.  11,  995  no.  1516:  dederunt  eis  omnes  negotiatores  Vercellarum  et 
terre  Verc.  tarn  de  episcopatu  quam  de  comitatu  ad  ospitandum  in  domibus  istorum. 

*)  Medietatem  reve  pro  liospitio  et  pro  foco  et  pro  vino  et  sale  et  pro  lu- 
cerna  ad  illuminandum  negociatores  ipsorum  ospitum.  Das  Wort  reva  (Reif),  jeden- 
falls =  ripa,  muß  also  damals  die  allgemeine  Bedeutung  von  Abgabe  gehabt  haben. 

3)  Oben  §  560. 

*)  §  350,  516,  519  f. 

»)  Santini  p.  94  no.  41.  Proxenie  im  Mittelalter  p.  12.  Davidsohn  I,  771 
nimmt  an,  daß  er  Florentiner  gewesen. 

•)  Santini  p.  144  f.  no.  55:  »secundum  generalem  morem  civitatis  Florentie 
qui  conservatur  in  aliis  hospitiis.«     Davidsohn  I,  770. 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  759 

ein  fondachum  oder  ein  hospitium  loco  fondachi  erwerben  sollte,  riet  ein 
Ratsmitglied  davon  ab,  in  Florenz  mit  einer  solchen  Erwerbung  vorzugehen, 
so  lange  nicht  eine  bestimmte  mit  Florenz  schwebende  Streitfrage  gelöst 
sei;  erst  wenn  darüber  eine  Einigung  erzielt  sei,  sollte  von  den  Kaufleuten 
von  San  Gimignano  ein  Hospes  in  Florenz  gewonnen  werden  ^) ;  bis  dahin 
hatte  man  sich  also  offenbar  mit  rein  privaten  Herbergen  beholfen.  Ob  das 
Haus  des  Gemaldus  Acconis,  in  dem  die  florentinischen  Kaufleute  in  Ma- 
cerata  (nachweislich  1245)  zu  herbergen  pflegten  2),  mehr  als  den  Charakter 
einer  rein  privaten,  wenn  auch  landsmannschaftlichen  Herberge  getragen 
hat,  muß  dahingestellt  bleiben.  Anders  dagegen  steht  es  bei  dem  Verkehr 
zwischen  Mailand  und  Vercelli.  Jede  der  beiden  eng  miteinander  verbün- 
deten Städte  besaß  seit  dem  Vertrage  von  1221  in  der  anderen  ein  eigenes 
Haus,  das  unzweifelhaft  in  erster  Linie  als  Hospiz  und  zugleich  Waren- 
niederlage zu  dienen  bestimmt  war;  von  VerceUi  wissen  wir  aus  den  Sta- 
tuten von  1241,  daß  sein  Haus  in  Mailand  an  Albertus  Canevarius  und 
seinen  Bruder  Jakob  vermietet  war.  ^■') 

608.  Solche  mehr  oder  minder  mit  dem  Charakter  des  Offiziellen  um- 
gebenen Herbergen  gab  es  indessen  offenbar  nur  da,  wo  zwischen  zwei 
Städten  ein  näheres  Verhältnis  und  ein  stärkerer  Verkehr  bestand.  Das 
rein  private  Herbergswesen  fand  daneben  in  den  verkehrsreichen  Städten 
immer  noch  ein  weites  Feld.  Solcher  Art  werden  die  Herbergen  in  Como 
gewesen  sein,  denen  nach  dem  Vertrage  zwischen  Como  und  Mailand  vom 
Jahre  1168  die  Mailänder  gelegentlich  ihre  Gäste  abspenstig  zu  machen 
suchten*),  und  rein  privater  Herbergsbetrieb  ist  es  jedenfalls  auch,  den  wir 
im  Jahre  1237  in  Lucca  als  Gegenstand  der  Tätigkeit  einer  offenen  Handels- 
gesellschaft nachweisen  können.  0) 

Natürlich  aber  erstreckten  die  Gemeinden  ihr  Aufsichtsrecht  auch  auf 
diese  privaten  Herbergen.  Besonders  suchte  man  zu  verhindern,  daß  sie 
Stätten  der  Völlerei  wurden.  Als  Lodi  im  Jahre  1228  energisch  gegen  das 
Kneipenwesen  vorging,  gestattete  man  doch  den  von  selten  der  Behörden 
hierfür  konzessionierten  Herbergswirten  (albergatores)  in  Stadt  und  Vor- 
städten, in  ihren  Hospizen  Wein,  allerdings  nur  lodesanischen  und  nur  an 
ihre  Herbergsgäste  zu  verkaufen ;  Zuwiderhandlungen  waren  mit  einer  Geld- 
buße von  10  1.  brix.  und  Zerstörung  des  Hauses  oder  einer  weiteren  Buße 
von  25  1.  bedroht.  6)  Verona  hatte  schon  etwas  früher  den  Schenkwirten 
den  Verkauf  von  Lebensmitteln  und  das  Dulden  von  Spielen  untersagt; 
doch  nahm  es  von  dem  Verbot  die  Schenkwirte  an  den  öffentlichen  Straßen 
und  in  ländlichen  Gemeinden,  die  zugleich  Herbergswirte  waren,  insoweit  aus, 
als  sie  Fremden  und  Wanderern  und  solchen,  die  bei  ihnen  übernachteten, 
nicht  aber  Einheimischen,  zu  essen  geben  durften.'^)    Die  Statuten  Vercellis 

^)  Davidsohn  Forsch.  II  no.  75:  >nisi  prius  declaratum  fuerit  de  debitis  Flo- 
rentinorum« .  .  .    »acquiratur  hospes  unus  a  mercatoribus  S.  Gim.  in  civ.  Flor.« 

*)  Ebd.  in,  9  no.  29 :  in  domo  que  fuit  G.  Acconis,  ul)i  morantur  Florentini. 

')  Chart.  I  no.  854  f.     Leg.  Munic.  U,  1166  rub.  191. 

*)  Oben  §  353.  Ein  genuesischer  Herbergswirt,  Oddo  de  Stacione,  übernimmt 
im  Jahre  1163  selbstschuldnerische  Bürgschaft  für  zwei  seiner  hospites,  die  einem 
dritten  108  '/a  1-  Jan.  schulden,  unter  ausdrücklichem  Verzicht  auf  die  Rechtswohltat 
des  Gesetzes,  das  Genuesen  die  Bürgschaft  für  Fremde  verbot.     Chart.  11  no.  1339. 

5)  Bini  I,  82. 

^)  Cod.  Land.  III,  572  rub.  104.  Ähnlich  verfuhr  später  Siena;  Zdekauer: 
Frammento  del  Const.  Senese,  rub.  246  (Bull.  sen.  HI,  1896  p.  91). 

^  Lib.  jur.  civ.,  rub.  202  p.  154. 


760  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

von  1241  untersagen  es  den  Herbergswirten  und  ihren  Angestellten  bei 
Strafe  von  2  sei.  pap.,  zum  Zwecke  des  Anrufens  von  Gästen  die  Vorhalle 
oder  den  Vorhof  ihres  Hospizes  zu  verlassen ;  vom  Portikus  oder  dem  Vor- 
raum aus  durften  sie  es  indessen  ungehindert  tun.i)  Oft  dienten  die  Her- 
bergen, in  denen  ja  auch  die  Waren  der  reisenden  Kaufleute  untergebracht 
waren,  zugleich  als  Orte  für  den  Abschluß  von  Kaufgeschäften.  Der  Mai- 
länder, der  das  in  seiner  Vaterstadt  geltende  Gewohnheitsrecht  im  Jahre  1216 
aufgezeichnet  hat,  bemerkt 2),  daß  in  den  mailändischen  Herbergen  (in  do- 
mibus  hospitum  Mediolani)  jedermann  der  Abschluß  von  Kaufgeschäften 
freistehe,  ohne  daß  derjenige,  in  dessen  Hause  der  Kauf  stattfinde  oder  der 
Verkäufer  sich  strafbar  mache;  wenn  er  hinzufügt,  daß  die  Gemeinde  Mai- 
land verpflichtet  sei,  sie  vor  jeder  Strafe  zu  schützen,  so  beweist  das  deut- 
lich, daß  in  den  Kreisen  der  mailändischen  Kaufmannschaft  selbst  das  Ge- 
genteil gewünscht  wurde,  und  daß  offenbar  von  dieser  Seite  aus  das  Kaufen 
und  Verkaufen  in  den  Herbergen  früher  mit  Strafe  belegt  worden  war,  daß 
die  Gemeinde  aber  darin  eine  zu  weitgehende  Beschränkung  des  freien 
Handelsverkehrs  erblickt  hatte.  Einen  praktischen  Fall  solchen  Kaufs  können 
wir  für  Macerata  nachweisen,  wo  zwei  Einwohner  des  Orts  am  3.  Dezember 
1245  in  der  florentinischen  Herberge  von  dem  Florentiner  Guittono  Arlotti 
und  seinem  Bruder  Lotteringo  2  Stück  braunen  florentiner  Tuches  erstehen, 
die  bis  zum  1.  Aug.  des  nächsten  Jahres  mit  29  1.  rav.  zu  bezahlen  waren.^) 

In  Como  bestimmte  man  im  Dezember  1194,  daß  die  Herbergswirte  ihre 
fremden  Gäste  mit  ihren  Waren  und  ihrem  Gepäck  nicht  eher  ziehen  lassen 
dürften,  als  bis  sie  sich  überzeugt  hatten,  daß  sie  dem  städtischen  Zollerheber 
(pedagerio  qui  colligit  pedagium  comunis)  ihre  Abgaben  entrichtet  hatten, 
sonst  wurde  die  Abgabe  von  ihnen  eingezogen  und  es  traf  sie  eine  Buße 
von  20  sol.  pro  Last  außerdem.  Eine  weitere  Bestimmung  von  1216  machte 
sie  wie  alle  Wirte,  Stallbesitzer  und  Schiffer  haftbar  für  alle  Waren,  die 
ihnen  zur  Aufbewahrung  übergeben  wurden  *)  —  eine  Bestimmung,  die  offen- 
bar nur  die  allgemeine  Rechtsanschauung  wiedergab. 

Interessant  ist  eine  Bestimmung  der  Statuten  von  Parma  von  1 235,  in 
dessen  Gebiet  sich  bei  Borgo  San  Donnino  die  über  Parma  selbst  gehende 
Via  Aemiha  und  die  Straße  über  den  Monte  Bardone  (La  Cisa)  trennten, 
die  beide  nach  Rom  führten.  Danach  war  den  Herbergswirten  des  parme- 
sanischen Gebiets  streng  verboten,  untereinander  oder  mit  den  Leuten  von 
San  Donnino  irgendwelche  Verbindungen  einzugehen,  die  eine  Begünstigung 
der  einen  oder  anderen  Straße  bezweckten ;  kein  Kaufmannn  oder  Pilger  sollte 
bezüglich  der  Wahl  zwischen  diesen  beiden  Wegen  irgendwie  beeinflußt 
werden  dürfen.  0) 

Wo  der  Abschluß  von  Kaufgeschäften  in  den  Hospizen  zugelassen  war, 
ist  es  natürlich,  daß  die  Herbergswirte  vielfach  auch  die  Vermittler  bildeten, 
denen  dann  eine  Provision  zustand.  6) 

1)  Leg.  Munic.  11,  1223  rub.  347.  Stat.  Parm.  p.  332 :  Kein  hospitator  darf 
>ire  in  porticu  alterius  hospitis  causa  vocandi  hospites  in  suo  hospicio.« 

*)  Berlan  rub.  10 :  de  vendit.  rerum  mobil. 

^)  Davidsohn  Forsch,  m  no.  29. 

♦)  Leg.  Munic.  II,  233  rub.  388;  101  r.  276. 

»)  Stat.  Parm.  p.  182. 

8)  gtat.  Parm.  p.  96  (1233) :  Die  Höhe  derselben  sollte  sich  nach  den  in  der 
Heimat  des  betr.  Fremden  Parmesanen  gegenüber  üblichen  Sätzen  richten;  Ein- 
heimische aber  sollten  in  Parma  keinenfalls  eine  solche  >reva<  zahlen.  Ähnlich 
das  Statut  der  Wollenzunft  in  Bologna ;  Stat.  Soc.  Bol.  U  p.  311  rub.  109.     In  Pistoja 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  761 

609.  Daneben  tritt  das  Institut  besonderer  berufsmäßiger  Ge- 
schäftsvermittler in  den  Binnenstädten  erst  sehr  vereinzelt  gegen  Ende 
unserer  Periode  hervor,  ersichtlich  unter  dem  Einfluß  der  Seestädte, 
die  das  Maklej-wesen  ihrerseits  verhältnismäßig  früh  vom  Auslande 
übernommen  haben.  ^) 

Zuerst  nachweisbar  ist  das  Institut  im  Jahre  1154  in  Genua,  wo  die 
Sensale  mit  Anlehnung  an  das  lateinische  censere  als  censarii  bezeichnet 
werden,  während  die  Herübernahme  des  Wortes  aus  dem  arabischen  simsär^) 
und  damit  auch  der  Einrichtung  aus  dem  arabischen  Verkehrskreise  un- 
zweifelhaft ist.  Genua  versprach  damals  die  Waren,  mit  denen  es  an  seine 
Gläubiger  von  Piacenza  einen  Teil  seiner  Schuld  abtragen  wollte,  von  den 
genuesischen  Maklern  taxieren  zu  lassen ;  seien  indessen  den  Placentinern  diese 
Makler  nicht  genehm,  so  sollten  zur  Abschätzung  der  Waren  nach  ihrem 
gerechten  Preis  von  beiden  Parteien  gemeinschaftlich  vier  Taxatoren  er- 
wählt werden.  2)  Diese  Makler  galten  also  als  die  für  Warenpreise  sach- 
verständigsten Personen  und  waren  offenbar  amtlich  bestellt.  Demgemäß 
waren  auch  ihre  Gebühren  amtlich  geregelt.  Im  Jahre  1204  wurde  eine 
Kommission  von  sechs  der  angesehensten  genuesischen  Bürger  mit  der  Auf- 
stellung eines  neuen  Maklertarifs  beauftragt,  der  als  der  älteste  erhaltene 
von  besonderem  Interesse  ist.'*)  Danach  standen  dem  Makler  für  die  Ver- 
mittelung  des  Verkaufs  zu,  und  zwar  von  jeder  der  beiden  Parteien :  1.  bei 
Gewichts  waren,  die  nach  Kantär  oder  Zentnern  gehandelt  wurden,  1  den. 
Jan.  vom  Kantär  oder  Zentner,  mit  Ausnahme  von  Kermes  und  Indigo  von 
Bagdad;  bei  diesen  wertvollen  Farbstoffen  durfte  er  3  den.  vom  Zentner 
erheben,  2.  bei  allen  Waren  und  Spezereien,  die  nach  Pfund  gehandelt 
wurden,  1  den.  für  je  10  Pfund  und  einem  Teilbetrage  davon,  3.  bei  Waren, 
die  nach  Stück  gehandelt  wurden,  bei  großen  Fellen  und  Häuten  6,  bei 
Schaf-,  Hammel-  und  ähnlichen  Fellen  3,  bei  sonstigen  Erzeugnissen  der 
Landwirtschaft  1  den.  vom  Hundert.  Wurden  große  Lammfelle  (agninae 
grossae)  nach  der  Last  verkauft,  so  betrug  die  Gebühr  2  den.,  4.  bei  Textil- 
waren 4  den.  vom  Ballen  Barchent,  3  den.  für  je  100  Ellen  deutscher  und 
Lütticher  Leinwand,  1  den.  für  je  100  Ellen  Hanf gesp inst  imd  Vingtains 
(canabaciarum  et  vintenarum).  Bei  Geldwechselgeschäften  endhch 
durfte  er  nicht  mehr  als  V2  den.  von  jeder  Partei  nehmen.  0)  Im  Verkehr 
mit  Fremden  (Fremden  untereinander  war  ja  jedes  Handelsgeschäft  unter- 
sagt) scheint  die  Vermittelung  des  Sensals  obligatorisch  gewesen   zu  sein. 


betrug  die  Gebühr  gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  2  jjro  Mille  (Stat.  Potestatis 
com.  Pist.  ed.  Zdekauer,  Mail.  1888  p.  233);  in  Piacenza  bei  Meßwechseln  ^2  Pi"0  Mille. 
Stat.  ant.  Merc.  rub.  415. 

')  Goldschmidt  L.  Ursprünge  des  Mäklerrechts,  in  Zeitschr.  f.  Handelsr.  28 
(1883)  1).  114  ff.  Lattes,  diritto  commerc.  §  11  p.  105  ff.  Goldschmidt,  Univ.-Gesch. 
22  A.  18;  250  ff.  (auf  p.  251  sind  die  Anm.  57  a  und  58  zu  vertauschen). 

*)  Schon  von  Muratori  erkannt;  Antiqu.  VI,  985. 

')  Lib.  Jur.  I,  178  no.  205 :  dabimus  vobis  merces  pro  pred.  4000  1.  in  laude 
censariorum,  si  ipsi  censarii  vobis  placuerint.  Goldschmidt,  Ursprünge  116.  Oben 
§  507. 

*)  Lib.  Jur.  I,  520  no.  475 :  Solutio  que  fleri  debet  censariis  de  mercibus  quas 
vendere  faciunt,  secundum  (juod  determinatum  fuit  ab  emendatoribus  Nie. 
Mallono,  Thoma  Vento  etc. 

*)  De  baratis  denarioruni  ultra  obilim  ab  unaquaque  partium  non  petam  nee 
accipiam. 


762  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

wie  daraus  hervorgeht,   daß  der  Tarif  ausdrückUch   die  eine  Partei  als  die  ■ 
einheimische,  die  andere  als  die  fremde  bezeichnet,  i) 

610.  In  Pisa,  wo  sich  das  Institut  sicher  ebenso  früh  eingebürgert  hat 
wie  in  Genua,  tritt  es  erst  ganz  am  Ende  unserer  Periode  ans  Licht;  die 
Statuten  der  Seehandelsgilde  vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  enthalten  in 
ihren  älteren  Partien  ein  Breve  Sensahum,  das  noch  der  Zeit  des  Staates 
des  Comune  entstammt.  2)  Damals,  also  spätestens  in  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts, war  ihre  Zahl  auf  60  normiert,  von  denen  40  bei  dem  ordo  maris, 
20  bei  dem  ordo  mercatorum  (terrae)  eingeschrieben  waren;  sie  bildeten 
eine  Korporation  für  sich  unter  besonderen  capitanei  sensalium,  die  unter 
der  Oberaufsicht  der  Konsuln  des  Meeres  stand.  Für  loyales  Verhalten 
hatte  jeder  Sensal  Bürgschaft  in  Höhe  von  200  1.  pis.  zu  stellen ;  insbeson 
dere  war  ihnen  eingeschärft,  Kaufgeschäfte  mit  fremden  Kaufleuten  dann 
nicht  zu  vermitteln,  wenn  sie  von  deren  Zahlungsunfähigkeit  oder  üblem 
Leumund  Kenntnis  hatten.  Aus  der  Gesamtheit  der  Sensale  wurden  neun 
von  den  Konsuln  des  Meeres  ausgewählt,  um  als  amtliche  Taxatoren  zu 
fungieren  für  Waren,  die  aus  dem  überseeischen  Verkehr  beschädigt  an- 
kamen. Im  Zusammenhang'  mit  der  Tätigkeit  des  Maklers  tritt  uns  in  Pisa  . 
auch  der  Gebrauch  des  Gottespfennigs  entgegen ;  die  Annahme  des  denarius 
dei  aus  der  Hand  des  Maklers  durch  den  Verkäufer  machte  den  Handel 
perfekt.  ^) 

Von  Pisa  aus  verbreitete  sich  die  Institution  in  das  toskanische  Binnen- 
land. In  Siena  sehen  wir  den  Makler  (sansarius,  sensarius)  Paffuccio  im  1 
Juli  und  August  1249  mehrfach  damit  beschäftigt,  der  Stadtverwaltung  die  ; 
für  bestimmte  sofort  notwendige  Ausgaben  erforderlichen  Geldmittel  zu  be- 
schaffen; in  einem  Falle  können  wir  nachweisen,  daß  sich  seine  Provision 
bei  der  Beschaffung  eines  Kapitals  von  600  1.  auf  V2  pro  Mille  belaufen  hat.*) 

611.  In  Venedig  hießen  die  Makler  offiziell  missetae  (griech.  /neoirijg), 
ein  Beweis,  daß  hier  bei  Einführung  des  Instituts  der  byzantinische  Einfluß  ■ 
maßgebend  gewesen.  Maklerordnung  und  Taxe  sind  hier  nach  einer  Angabe  ' 
Romanins  aus  dem  Jahre  1217  erhalten,  harren  aber  noch  der  Veröffent- 
lichung. Wenige  Jahre  später,  als  der  Doge  den  Maklern  jede  Art  des 
Geschäftsverkehrs  mit  den  Kaufleuten  Cremonas  untersagte,  wird  ihre  Zahl 
in  Venedig  auf  40  angegeben.  0)  In  der  Mitte  des  Jahrhunderts  findet  sich 
dann  das  Institut  der  »missiti«  auch  in  den  Statuten  der  Wollenzunft  von 
Bologna.  ^) 

Sehr  einseitig  nur  begegnet  uns  das  Institut  in  Verona,  wo  unter  der 
merkwürdigen  Aufschrift:  »de  Proxenete  phylantropo«  von  den  Pferdemaklern 

•)  So  beim  ersten  Posten:  den.  1  ab  homine  de  intus  et  tantundem  ab  ex- 
traneo;  das  weiterhin  stets  gebrauchte  >ab  utraque  parte«  hat  dann  natürlich  die- 
selbe Bedeutung. 

2)  Breve  Curiae  Maris  rub.  44 — 47  (bei  Bonaini  III).  Dazu  Konsulat  d.  M. 
p.  86  ff. 

')  Konsulat  des  Meeres  p.  87  und  Anm.  2.  Dazu  im  allgemeinen  Ces.  Paoli : 
Mercato,  scritta  e  denaro  di  Dio  in :  Arch.  ital.,  ser.  5,  XV  (1895).  Schupf  er  F.  in 
Riv.  giur.  27  (1899)  p.  78  f. 

*)  Zdekauer,  Mercante  p.  64  A.  1;  6  sol.  pro  suo  salario  quia  acquisivit  curia 
600  1.  pro  militibus  qui  iverunt  in  Lunigianam. 

*)  Romanin  II,  381  im  »Clericus«  und  »Civicus«,  vom  26.  Juni  1217.  Gold- 
schmidt, Ursprünge  116  u.  120.     Oben  §  557. 

*)  Redaktion  von  1256  rub.  156  f.  (mit  einem  kurzen  Maklertarif).  Stat.  Soc. 
Bol.  II,  317. 


I 


I 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  763 

(intermediatores  equorum)  die  Rede  ist ;  sie  durften  nicht  mehr  als  1  %,  im 
Maximum  1  1.  veron.  von  jeder  Partei  als  Provision  für  ihre  menschenfreund- 
liche Vermittelung  nehmen  i),  während  in  Padua  den  »mediatores  vendi- 
cionum  equorum«  3  den.  pro  1.  des  Kaufpreises  (2  vom  Verkäufer,  1  vom 
Käufer,  also  insgesamt  1^/4%)  zustanden.  2)  Hier  in  Padua  werden  aber 
auch  Misseti  für  die  Vermittelung  von  Darlehn  erwähnt.^) 

612.  Von  allgemeinster  Bedeutung  für  den  Handelsverkehr  mußte 
es  sein,  wie  das  Maß-  und  Gewichtswesen  gehandhabt  wurde,  von 
um  so  größerer,  als  sich  auf  diesem  Gebiete  die  größten  Verschieden- 
heiten herausgebildet  hatten,  derart,  daß  im  12.  Jahrhundert  auch 
nicht  zwei  Kommunen  mehr  Übereinstimmung  in  dieser  Beziehung 
zeigten,  ja  daß  selbst  innerhalb  der  doch  wenig  umfangreichen  Terri- 
torien noch  nicht  geringe  lokale  Verschiedenheiten  vorhanden  waren. 

Dabei  läßt  sich  in  dieser  Periode  in  Ober-  und  Mittel-Italien  das  Be- 
streben, zu  einer  größeren  Einheit  auf  diesem  Gebiete  zu  gelangen,  nur 
ausnahmsweise  wahrnehmen  *) ;  weder  die  großen  Städtebündnisse  noch  die 
zahlreichen  Handelsverträge  von  Nachbarstädten  beschäftigen  sich  mit  diesem 
Punkte,  so  daß  man  annehmen  muß,  daß  die  Zeit  diesen  Mißstand  als  solchen 
nicht  besonders  stark  empfand.  Man  verlangte  nur,  daß  in  jeder  Stadt  auch 
die  Fremden  sich  nur  der  in  dieser  geltenden  Maße  und  Gewichte  und  nicht 
etwa  ihrer  einheimischen  bedienten  s);  und  von  Parma,  Como  und  Padua 
wissen  wir,  daß  sie  von  allen  Orten  ihres  Gebiets  die  ausschließliche  An- 
wendung der  Maße  imd  Gewichte  der  Hauptstadt  forderten.  ^) 

Das  Aufsichtsrecht  über  das  Maß-  und  Gewichtswesen  stand  wie  das 
Marktrecht  der  landesherrlichen  Gewalt  zu.  Im  Vertrage  der  Konsuln  von 
Sarzana  mit  dem  Bischof  von  Luni  1201  wurde  anerkannt '^),  daß  alle  Maße 
für  Getreide,  Wein,  Öl  und  Tuche  sowie  Wage  und  Gewicht  zur  Zuständig- 
keit des  Bischofs  gehörten,  so  daß  diesem  die  mit  dem  Maß-  und  Gewichts- 
wesen zusammenhängenden  Gebühren  und  Bußen  zustanden ;  wenn  er  gleich- 
zeitig der  Gemeinde  die  Hälfte  der  bei  falschem  Maß  zu  erhebenden  Bußen 
(und  auch  diese  nur  mit  Ausnahme  der  Markttage)  zu  Lehen  gab,  so  ist 
das  eben  auch  nur  ein  Ausfluß  seines  Rechts.  Überall  aber,  wo  sich  selb- 
ständige Kommunen  gebildet  hatten,  sehen  wir  dies  Recht  von  den  Kom- 
munen   gehandhabt.     Wenn  Gewichte   und  Maße   in  dieser  Zeit  ausnahms- 


*)  Lib.  Jur.  civ.  rub.  148.  Die  jedenfalls  auch  über  Venedig  nach  Verona 
gelangte  griechische  Bezeichnung  Proxeneta  findet  sich  in  Verona  auch  später 
noch;  Goldschmidt,  Ursprünge  120,  und  sonst  z.  B.  in  den  späteren  Statuten  Gaetas 
(de  proxenetis  et  sansariis),  ebd.  125. 

*)  Stat.  Padov.  no.  847  (vor  1236).  In  Parma  durften  die  revenditores  equo- 
rum beim  Verkauf  eines  Streitrosses  (destrarius;  als  solches  galt  ein  Gaul  im  Werte 
von  mindestens  60  1.  parm.)  höchstens  1  1.,  bei  billigeren  Tieren  (roncini)  höchstens 
5  sol.  nehmen.  Bei  Strafe  durften  sie  ein  Tier  aus  Parma  oder  Gebiet  nicht  tadeln. 
Ihre  Provision  hieß  hier  >malos8aria.<     Stat.  Parm.  p.  331. 

3)  Stat.  Padov.  no.  848  p.  283  (vor  1236). 

*)  Padua  schrieb  seinen  Tuchhändlern  den  Gebrauch  des  venezianischen 
■  Maßes  vor.     Stat.  Padov.  p.  271  no.  821  (vor  1236). 

*)  So  in  dem  Vertrage  von  Asti  mit  Alba  1193  (Cod.  Ast.  I,  217)  und  Ferrara 
mit  Modena  1220  (Murat.  Antiqu.  IV,  431). 

«)  Stat.  Parm.  p.  63  f.  (auch  von  Borgo  San  Donnino) ;  Stat.  Padov.  no.  816, 
819  f.     Stat.  Cum.,  Leg.  Munic.  II,  236,  rub.  400  (von  1211). 

')  Chart.  U  p.  1217. 


764  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

weise,  wie  es  in  Ravenna  1221  offenbar  altem  Herkommen  gemäß  gegenüber 
dem  Kloster  San  ApoUinare  geschah,  einem  kirchlichen  Institut  überlassen 
werden,  so  heißt  es  doch  ausdrücklich  »ut  praedicta  omnia  debeat  habere 
et  tenere  ad  voluntatem  Comunis  Ravennae. « ^)  Und  wo ,  wie  es  häufig 
vorkam,  die  Konsuln  der  Kaufleute  oder  Zunftvorsteher  mit  der  Aufsicht 
über  das  Maß-  und  Gewichts wesen  innerhalb  ihrer  Korporation  betraut  er- 
scheinen, so  handeln  sie  dabei  doch  nur  als  Delegierte  der  kommunalen 
Staatsgewalt  und  in  Übereinstimmung  und  in  Gemeinschaft  mit  dieser.'-^) 

613.  Normalmaße  und  -Gewichte  waren  überall  vorhanden  und  öffent- 
lich ausgestellt;  in  Brescia,  wo  man  die  steinernen  Hohlmaße  für  Getreide 
verschlossen  hielt,  bestimmte  man  1249,  daß  das  in  Zukunft  nicht  mehr  ge- 
schehe. 3)  Alle  im  Verkehr  befindlichen  Maße  und  Gewichte  hatten  den 
normalen  zu  entsprechen ;  die  amtliche  Eichung  wird  mehrfach  ausdrücklich 
vorgeschrieben.  So  durften  die  Modenesen  in  Ferrara  nur  solche  Hohlmaße 
benutzen,  die  nach  dem  steinernen  Kormalmaß  Ferraras  hergestellt  und  in 
Ferrara  von  den  darauf  vereideten  Personen  gestempelt  waren,'*)  Und  für 
VerceUi  wissen  wir  aus  einem  Statut  von  1242,  daß  zur  Vornahme  der 
Eichungen  ein  »ferrarius«  amtlich  bestellt  war,  der  von  der  Kommune  jähr- 
Hch  3  1.  pap.  erhielt ;  jeden  Auftrag  hatte  er  binnen  4  Tagen  auszuführen 
und  die  geeichten  Maße  und  Gewichte  mit  dem  Stempel  der  Kommune  oder 
des  amtierenden  Podestä  zu  versehen.  Jährlich  wählte  hier  nach  demselben 
Statut  der  geheime  Rat  (credentia)  zwei  wohlhabende  Bürger,  die  eine  Re- 
vision aller  zu  Kauf  und  Verkauf  dienenden  Maße  und  Gewichte  vorzunehmen 
hatten ;  alle,  denen  der  Eichungsstempel  fehlte,  überwiesen  sie  dem  Podestä 
oder  seinem  Judex,  der  die  Übertreter  zu  bestrafen  hatte.  0) 

In  Mailand  war  die  Aufsicht  über  Maß  und  Gewicht  den  Konsuln  der 
Kaufleute  anvertraut  ß) ,  denen  bei  der  Vollstreckung  der  von  ihnen  ver- 
hängten Bußen  die  städtischen  Behörden  ihre  Unterstützung  zu  leihen  ver- 
pflichtet waren.  Die  Konsuln  ließen  die  Revisionen  durch  ihre  Amtsdiener 
(nuncii)  vornehmen;  mit  Buße  von  6  sol.  war  jeder  Geschäftsmann  bedroht, 
der  sich  weigerte,  seine  Maße,  Wagen  und  Gewichte  diesen  Dienern  zur 
Untersuchung  zu  überlassen;  mit  derselben  Strafe  wurde  Führung  von 
falschem  Maß  und  Gewicht  in  jedem  einzelnen  Falle  geahndet.  Nur  metal- 
lene Gewichte  aus  Bronze,  Messing,  Kupfer  oder  Eisen  durften  gebraucht 
werden.  Gewisse  geringe  Abweichungen  von  den  Normalgewichten  waren 
gestattet;  bei  dem  kleinen  Pfunde  von  12  Unzen  bis  zu  3  Denar  (i/go)  darüber 
und  bis  zu  2  Denar  (V120)  darunter,   bei  dem   großen  von  28  Unzen  bis  zu 


1)  Tarlazzi  I,  no.  62  p.  113  f. 

«)  So  in  Parma  (Stat.  Parm.  p.  189  von  1215),  Padua  (Stat.  Päd.  no.  821,  vor 
1236)  bei  den  Mercadantes ;  in  Bologna  Statut  der  Viktualienhändler :  Stat.  Soc. 
Bol.  n  p.  168. 

s)  Oben  §  55.  Leg.  Munic.  II,  1584  (119).  Valentin!  im  N.  Arch.  ven.  XV 
(1898),  47. 

*)  Murat.  Antiqu.  IV,  431:  staria  facta  ad  modum  starii  de  petra  de  Ferrara 
et  bullata  cum  bulla  juratorüm  Ferrariae  (1220).  Gebrauch  nur  geeichter  Gewichte 
im  Handel  von  Padua  vorgeschrieben :  Stat.  Padov.  no.  820  (vor  1236). 

''')  Leg.  Munic.  II,  1139  rub.  119.  Eine  ältere  Vorschrift  derselben  Statuten 
(p.  1205  rub.  300)  ordnet  an,  daß  bestimmte  Beamte  mit  der  Aufsicht  über  die 
Führung  von  rechtem  Maß  und  Gewicht  beim  Tuchhandel  und  sonst  betraut  werden 
sollten;  Längenmaße  (brachia)  und  Gewichte  seien  alle  3  Monat,  die  Hohlmaße  für 
Getreide  und  Wein  einmal  jährlich  zu  revidieren. 

6)  Berlan  p.  73  fE.,  rub.  31,  32.     Schupfer  p.  167.     Lattes,  dir.  consuet.  167. 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  765 

6  Denar  darüber  und  4  Denar  darunter  und  ungefähr  entsprechend  auch 
beim  halben  Pfunde.  Die  Längenmaße  aber  (passus  und  corda)  mußten 
mit  den  am  Fischmarkt  angebrachten  steinernen  Normalmaßen  genau  über- 
einstimmen. 

In  Bergamo  war  in  einem  vor  1234  erlassenen  Statut  bestimmt,  daß 
die  Kleinhändler  (revenditores)  mit  Salz,  Getreide  und  Gemüse  nur  ein  Maß 
von  jeder  Gattung  (Sextar,  Mina,  Viertel,  Drittel,  Achtel  und  Sechzehntel) 
führen  durften;  mit  demselben  Sextar  mußten  sie  kaufen  und  verkaufen. 
Diese  Maße  waren  also  offenbar  nicht  besonders  geeicht;  dagegen  mußte 
amtlich  gestempelt  sein  das  zum  Abstreichen  des  gefüllten  Maßes  dienende 
Instrument  (rasora),  das  sie  auch  nur  in  einem  Exemplar  führen  durften,  i) 
Außerdem  waren  auch  hier  Revisionen  der  Gewichte,  für  die  ebenfalls  Eichung 
vorgeschrieben  ist,  und  der  Längenmaße  sowohl  den  Behörden  der  Stadt 
wie  den  Konsuln  der  Kaufleute  zur  Pflicht  gemacht.^) 

614.  Auch  suchte  man  durch  allerlei  Vorschriften  den  Käufer  gegen 
sonstige  betrügerische  Manipulationen  beim  Zuwiegen  und  Zumessen  mög- 
lichst zu  schützen.  In  Bergamo  verbot  man  das  »über  den  Daumen  messen« 
beim  Tuchverkauf;  ein  vom  Jahre  1244  herrührender  Zusatz  in  den  Statuten 
gestattet  jedem  Käufer,  seinen  eigenen  Messer  mitzubringen.  3)  Aus  Mailand 
erfahren  wir,  daß  der  Käufer  überall  das  Recht  hatte,  die  Ware,  die  er 
kaufen  wollte,  selbst  auf  die  Seite  der  Wage  zu  legen,  die  ihm  beliebte, 
wenn  er  wollte,  sogar  ein  zweites  Mal;  die  Verkaufspersonen  (hier  bancarii 
genannt)  durften  das  nicht  hindern.  Den  Detaillisten  in  getrocknetem  Fleisch, 
Ol,  Pfeffer  und  ähnhchen  Waren  war  überdies  zur  eidlichen  Pflicht  gemacht, 
ja  nicht  an  einer  Stelle  ihrer  Wage  etwas  anzubringen,  wodurch  eine  Ver- 
fälschung des  Wiegeergebnisses  hervorgerufen  werden  könnte.  *) 

Auch  zum  öffentlichen  Gebrauch  für  den  Verkehr  en  gros  bestimmte 
Stadtwagen  waren  überall  vorhanden,  wie  wir  das  an  bezeichnenden  Bei- 
spielen für  Pisa  und  Genua  schon  kennen  gelernt  haben;  für  Ferrara  er- 
fahren wir  aus  der  Zollordnung  von  1228,  daß  der  Fremde  für  die  Benutzung 
derselben  1  den.  imp.  vom  Zentner  entrichten  mußte.  In  Bergamo  bestimmte 
man  im  Jahre  1244,  daß  an  Stelle  der  einen  Stadtwage  fortan  vier  staterae 
comunis,  in  jedem  Torbezirk  eine,  aufgestellt  werden  sollten;  sie  wurden 
verpachtet  mit  der  Bedingung,  daß  die  zu  bestellenden  pensatores  nicht 
mehr  als  die  altherkömmliche  Gebühr  nehmen  durften,  während  man  in 
Parma  1239  4  Mönche  mit  der  Bedienung  der  öffentlichen  Wagen  betraute. ») 

Nicht  minder  stand  natürlich  das  Münzwesen  unter  staatlicher  Auf- 
sicht. Auf  Falschmünzerei  und  Münzfälschung  standen  die  schwersten  Strafen ; 
in  Verona  war  allen  Kaufleuten  und  Wechslern,  in  Padua  jedem  Bürger 
die  Vernichtung  falscher  Münzen  zur  Pflicht  gemacht  ß);    in  Mailand  waren 


1)  Coli.  XIII  rub.  43,  44  (Leg.  Munic.  II,  2012  f.).  S.  auch  Stat.  Parm.  p.  64 
(Zusatz  von  1244). 

*)  Leg.  Munic.  II,  2000  f.,  rub.  3—7,  besonders  rub.  4:  de  rubbis  amuelandis 
(von  muellum,  modellum)  et  bollandis  ad  unam  boUaan  equabiliorem  factam.  In 
Padua  waren  die  4  Justicierii  verpflichtet,  zweimal  in  der  Woche  Revisionen  von 
Maßen  und  Gewichten  vorzunehmen.     Stat.  Padov.  no.  156,  158  ff.  (vor  1236). 

»)  Ebd.  rub.  8  p.  2001. 

*)  Berlan  1.  c. 

«)  Murat.  Ant.  H,  32.  Stat.  Perg.,  coli.  XIV  r^b.  1,  2  (Leg.  Munic.  11,  2019). 
Stat.  Parm.  p.  63.     Ob.  §  504,  520. 

«)  Stat.  Parm.  p.  39.     Lib.  Jur.  Civ.  rub.  80  f.,  110.  Stat.  Padov.  no.  126  p.  50. 


766  Neunundvierzigstes    Kai^itel. 

beschnittene  Münzen  (tonsi)  an  die  Wechsler  zu  verkaufen,  die  den  Metall- 
wert dafür  zu  zahlen  hatten.  Den  heimischen  Münzen  war  Zwangskurs  bei- 
gelegt, die  Annahme  fremder  Münzen  zuweilen  verboten,  i) 

Wie  in  bezug  auf  Maß  und  Gewicht,  wandten  sich  die  statutarischen 
Vorschriften  auch  sonst  gelegentlich  gegen  betrügerische  Manipulationen  der 
Händler,  So  wurden  in  Bergamo  alle  Kleinhändler  mit  Salz  von  der  Stadt- 
behörde darauf  vereidet,  nicht  die  eine  Salzsorte  mit  der  anderen  zu  mischen 
oder  für  die  verlangte  Salzsorte  eine  minderwertige  zu  verkaufen. 2)  In 
Parma  verbot  man,  gemischten  Wein  für  reinen  zu  verkaufen ;  auch  wandte 
man  sich  gegen  die  Verfälschungen  von  Öl ,  Wachs ,  Kerzen ,  Zimt  und 
Pfefferbrot.  3) 

615.  Beschränkungen  des  Handels  im  Interesse  der  Kon- 
sumenten waren  eine  häufige  Erscheinung.  In  Verona  und  Vororten 
war  es  z.  B.  verboten,  Wild,  Hühner,  Gänse  und  Eier  zum  Zwecke 
des  Weiterverkaufs  aufzukaufen,  für  Käse,  Früchte  und  Gemüse  galt 
dies  Verbot  bis  zur  None,  außerdem  galt  es  allgemein  für  alle  Lebens- 
mittel und  für  Brennholz,  sobald  sie  erst  einmal  auf  den  Marktplatz 
gebracht  waren.  Verboten  war  es  auch,  den  zu  Markt  kommenden 
Verkäufern  zum  Zwecke  des  Einkaufs  entgegenzugehen.^) 

Etwas  ganz  Gewöhnliches  ist  das  völlige  Verbot  oder  doch  die 
starke  Beschränkung  der  Getreideausfuhr;  man  suchte  den  Konsu- 
menten billiges  Getreide  zu  verschaffen^),  um  so  mehr,  als  bei  der 
stark  angewachsenen  Bevölkerung  die  Produktion  des  eigenen  Terri- 
toriums auch  im  Binnenlande  nicht  überall  und  zu  jeder  Zeit  mehr  den 
Konsum  deckte;  haben  wir  doch  gesehen,  daß  von  der  See  her  eine 
beträchtliche  Einfuhr  von  Getreide  auch  nach  den  Binnenstädten  ging.^) 

So  findet  sich  ein  Verbot  der  Getreideausfuhr  aus  Stadt  und  Graf- 
schaft in  den  etwa  1182  abgefaßten  Statuten  von  Piacenza  und  in  den  etwas 
jüngeren  von  Treviso');  als  Modena  und  Mantua  sich  Ende  1201  gegen- 
seitig volle  Handelsfreiheit  zugestanden,  behielten  sie  sich  doch  die  Auf- 
rechterhaltung oder  den  Erlaß  von  Handelsverboten  in  bezug  auf  Brot- 
getreide, Fleisch,  Wein,  Schweine,  Pferde  und  Waffen  ausdrückhch  vor, 
und  denselben  Vorbehalt  machten  im  gleichen  Fall  Bologna  und  Ferrara 
1240  bezüglich  der  in  ihren  Gebieten  selbst  gewachsenen  Dinge  (renascentes) ; 
in  dem  Vergleiche,  den  Parma  1221  mit  seinem  Bischof  schloß,  wurde  be- 
stimmt, daß   die  Ausfuhrverbote  der  Kommune  in  bezug  auf  Getreide  und 


1)  Sachsse  (Statut  vom  3.  Juli  1204  ob.  S.  1193)  p,  70  fE.  gtat.  Parm.  p.  40  u.  331. 

«)  Stat.  Perg.,  coli.  XHI,  42.  (Leg.  Munic.  U,  2012).  Für  Como  ebd.  235 
rub.  398  (von  1223). 

')  Stat.  Parm.  p.  343  u.  162.  Im  Anschluß  daran  beschränkte  man  den  Ge- 
winn im  Pfefferhandel  beim  Verkauf  en  gros  auf  2,  en  detail  auf  4  den.  parm.  vom 
Pfunde. 

*)  Lib.  jur.  civ.,  rub.  201  p.  153  f.  Ähnliche  Verbote  Stat.  Parm.  p.  331,  344  f. 
Stat.  Padov.  no.  859.     Leg.  Munic.  II,  173  (Como). 

")  Im  Interesse  der  Konsumenten  ist  es  offenbar  auch  gedacht,  wenn  Parma 
1244  eine  Vergrößerung  der  Sextaria  für  Getreide,  Salz  usw.  um  1  >copellus«:  vor- 
schrieb. Stat.  Parm.  p.  64.  Auch  die  Ausfuhr  von  Holz  und  Heu  war  in  Parma 
verboten  p.  324  ff.  (1230). 

»)  Z.  B.  §  528,  532,  549. 

')  Boselli  I,  332.     Biscaro  in  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  V  (1903),  140. 


Kommerzielle  Gebräuche  und  Vorschriften.  767 

andere  Waren  auch  vom  Bischof  beachtet  werden  sollten,  i)  In  Padua  durfte 
der  Podestä  ein  allgemeines  Getreideausfuhrverbot  erst  beantragen,  wenn 
der  Preis  für  den  Scheffel  (stario)  Weizen  auf  8  sol.  gestiegen  war.  2)  Etwas 
genauer  können  wir  die  Politik  Mailands  auf  diesem  Gebiete  verfolgen.  Als 
es  1167  wieder  aufgebaut  war,  Lodi  aber  sich  dem  Städtebunde  nicht  an- 
schheßen  wollte,  betonten  die  Mailänder,  wie  außerordentlich  wichtig  der 
Beitritt  Lodis  für  sie  schon  deshalb  sei,  weil  sie  auf  die  Einfuhr  von  Lebens- 
mitteln aus  Lodi  und  solchen  Gebieten,  zu  denen  Lodi  ihnen  den  Zugang 
sperren  konnte,  angewiesen  seien  3);  offenbar  ist  die  Zufuhr  poaufwärts  ge- 
meint, und  bekannthch  gelang  es  durch  große  Zugeständnisse,  Lodi  für 
den  Bund  zu  gewinnen.  Später,  als  sich  Mailand  und  Lodi  in  dem  AlHanz- 
vertrage  vom  15.  Januar  1199  gegenseitig  für  alle  Waren  offenen  Markt  ge- 
währten und  sich  verpflichteten,  Handelsverbote  nur  gemeinsam  zu  erlassen, 
wurden  von  den  Beschränkungen,  die  dem  Außenhandel  Mailands  zugunsten 
Lodis  auferlegt  wurden,  Getreide,  Gemüse  und  Wein  ausdrücklich  aus- 
genommen, die  Mailand  von  jedem  beliebigen  Orte  her  zu  beziehen  das 
Recht  haben  sollte.  4)  In  dem  Vertrage  zwischen  Mailand  und  Como  vom 
16.  September  1196,  in  dem  sich  beide  Städte  gegenseitig  völlig  unbeschränkten 
Markt  in  Getreide,  Wein  und  allen  Lebensmitteln  und  Waren  zugestanden, 
mußte  Como  doch  versprechen,  keine  künstliche  Anhäufung  des  im  mai- 
ländischen  Gebiet  aufgekauften  Getreides  oder  Gemüses  herbeiführen  zu 
wollen  ö) ;  auch  traf  man  Vorkehrungen  gegen  eine  den  Interessen  beider 
Städte  zuwiderlaufende  Ausfuhr  desselben  nach  den  Alpentälern,  ß)  Gleich- 
zeitig aber  behielten  sich  die  Mailänder  das  Recht  vor,  wie  sie  es  bisher  ge- 
wohnt gewesen,  den  einzelnen  Orten  ihres  Gebiets  oder  den  weltlichen  und 
geistlichen  Besitzern  das  für  ihren  Bedarf  nötige  Getreide  und  Gemüse  zu- 
zuteilen und  sie  zu  zwingen,  alles  übrige  nach  Mailand  zum  Verkauf  zu 
bringen  "^ ;  im  Interesse  der  städtischen  Konsumenten  war  damit  unter  starkem 
Eingriff  in  die  persönHche  Bewegungsfreiheit  die  völlige  Konzentration 
eines  großen  Teiles  des  Lebensmittelhandels  nach  der  Hauptstadt  herbeige- 
führt.«) 

Auch  in  Bergamo  gewährten  die  Statuten  den  städtischen  Behörden 
das  Recht,  das  gleiche  Verfahren  einzuschlagen;  nur  fand  es  auf  Kirchen 
und  Klöster  hier  keine  Anwendung;  dagegen  ermächtigte  ein  Zusatz  in  den 
Statuten  (vom  2.  Januar  1234)  den  Podestä,   unter  Zuziehung  von  Sachver- 


1)  Muratori  Antiqu.  IV,  377,  379.     Savioli  lU,  2,  186.     Affö  III,  339. 

»)  Stat.  Padov.  no.  807  (vor  1236). 

')  Anonym,  de  rebus  Laud.,  SS.  XVIH,  647  ff.     Giesebrecht  V,  576. 

*)  Cod.  Laud.  H,  226  ff.  no.  209—211. 

°)  Hidber  II,  Beilage  no.  88  p.  115 :  nee  fraudulenter  faciant  canevam  vel  ca- 
nevas  in  civitate  vel  extra  civ.  blave  et  leguminum,  que  fuerint  virtutis  Mediolani. 

*)  Oben  §  353.  Dem  entspricht  auch  das  Verbot  der  Getreideausfuhr  aus 
dem  Bistum  von  Coino  in  dem  Vertrage  Comos  mit  Bormio  1201  und  mit  Chur 
1219.     Leg.  Munic.  n,  390.     Mohr  I,  261. 

^)  Liceat  et  possit  taliare  blavam  locis  suis  et  cogere  eos,  ut  ad  Med.  ducant, 
sicut  consueverunt  etc.  Ähnlich  in  Parma ;  Stat.  Parm.  p.  46.  Hier  war  auch  ver- 
boten, Getreide,  Wein  und  Flachs  zu  verkaufen,  bevor  sie  geerntet  waren ;  p.  321. 

*)  Einer  der  Punkte,  auf  die  sich  die  beiden  großen  politischen  Parteien  Mai- 
lands am  30.  Dez.  1214  einigten,  war  »quod  Consules  vel  Rectores  teneantur  im- 
ponere  bladum  villis  et  burgis  Comitatus  Mi.  more  solito« ;  nur  bei  Brand,  Unwetter, 
Verwüstung  sollte  davon  abgegangen  werden  dürfen.  Ghiron  J.,  La  credenza  di 
S.  Ambrogio,  im  Arch.  Lomb.  III  (1876),  606. 


768     Neunundvierzigstes  Kapitel.     Kommerzielle  Gebräuche  u.  Vorschriften. 

ständigen  für  die  Einfuhr  von  Getreide  nach  Bergamo  und  über  den  Klein- 
handel mit  Getreide  alle  erforderlichen  Bestimmungen  zu  treffen,  i) 

616.  Auch  in  bezug  auf  Industrieartikel  finden  sich  hier 
und  da  Beschränkungen  des  Handels. 

In  Brescia  war  die  Ausfuhr  aller  aus  Ijamm-  und  Ziegenfellen  in  Stadt 
und  Gebiet  hergestellten  Artikel  streng  verboten,  offenbar  im  Interesse  der 
Konsumenten;  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  trat  ein  Ausfuhrverbot 
für  Leinen  und  Garne  hinzu.  2)  Andererseits  war  im  Interesse  der  heimischen 
Tuchindustrie  die  Einfuhr  von  Rinderhaaren  und  jeglicher  Handel  damit 
untersagt,  damit  die  Verwendung  von  solchen  bei  der  Tuchfabrikation,  ab- 
gesehen von  der  schweren  Strafe,  mit  der  sie  bedroht  war,  möglichst  aus- 
geschlossen würde.  3)  Hatte  dieses  Einfuhrverbot  den  Zweck,  die  Qualität 
und  damit  den  Ruf  der  Erzeugnisse  der  brescianischen  Textilindustrie  zu 
schützen,  so  begegnen  wir  in  Parma  einem  Einfuhrverbot,  das  direkt  dazu 
bestimmt  war,  die  Einbürgerung  der  Fabrikation  einer  bestimmten  Tuch- 
sorte in  Parma  zu  ermöglichen.  Im  Jahre  1211  beschlossen  Konsuln  und 
Räte  der  Zünfte  und  die  Geschworenen  der  Stadtbezirke  von  Parma  im  Ein- 
vernehmen mit  der  Kaufmannschaft  und  unter  Genehmigung  der  städtischen 
Behörden,  im  Interesse  der  Einführung  der  Fabrikation  von  »pignolati«,  die 
seit  alters  im  benachbarten  Piacenza  im  Schwange  war,  in  Parma  eine  neue 
Verordnung  super  facto  ministerii  pignolati  in  die  Stadtstatuten  aufzunehmen. 
Danach  durfte  diese  Tuchsorte  fortab  in  Parma  und  seinem  Gebiet  nur  ver- 
kauft werden,  wenn  sie  in  Parma  selbst  oder  seinen  Vororten  fabriziert  war; 
Einfuhr  derselben  aus  einer  anderen  lombardischen  Stadt  zum  Zweck  des 
Wiederverkaufs  war  verboten.  Zuwiderhandlungen  wurden  mit  Konfiskation 
und  öffentlicher  Verbrennung  der  betreffenden  Tuche  und  einer  Buße  von 
15  sol.  parm.  für  das  Stück  (pro  pecia  pignolati)  geahndet.  4)  Dadurch,  daß 
Parma  auch  den  Zuzug  von  Arbeitern  dieser  Branche  begünstigte,  gelang 
es  ihm  auch,  seinen  Zweck  zu  erreichen;  im  Jahre  1258  begegnen  unter  den 
anerkannten  Zünften  Parmas  auch  die  textores  pignolati.  s) 

Ungefähr  zur  selben  Zeit  wie  in  Parma  wurde  in  Florenz  von  der 
Wollenzunft  ein  Einfuhrverbot  zum  Schutze  der  heimischen  Textilindustrie 
erlassen ;  es  richtete  sich  gegen  die  Einfuhr  von  stame  filato  (Zettel),  die 
besonders  von  Lucca  her,  wo  sich  die  Textilindustrie  weit  früher  wie  in 
Florenz  entwickelt  hatte,  betrieben  wurde ;  offenbar  erachtete  man  die  eigene 
Industrie  in  Florenz  für  erstarkt  genug,  um  das  heimische  Bedürfnis  an 
diesem  Halbfabrikat  vollauf  befriedigen  zu  können,  ß) 

Es  sind  die  ersten  Beispiele  der  Anwendung  des  Protektions- 
systems, die  uns  in  diesen  Fällen  vorliegen. 

»)  Stat.  Perg.,  coli.  XIII,  44,  45  (Leges  Munic.  II,  2013). 

»)  Leges  Munic.  II,  1584  (120),  mit  verschärfendem  Zusatz  v.  1249,  u.  p.  1584  (139). 

^)  Verbot  der  Einfuhr  von  pilum  bovis,  et  nullus  audeat  pilum  bovis  emere 
nee  vendere  nee  teuere  nee  ponere  nee  poni  facere  in  drapis ;  Strafe  20  sol.  für 
den  Fall  und  Verbrennung  der  Ware.  Tuche,  in  denen  sich  Rinderhaare  vorfanden, 
wurden  konfisziert  und  den  Armen  geschenkt.  Das  Verbot  wurde  1248  auf  lana 
grossa  caprae  ausgedehnt.;  ebd.  1584  (139). 

*)  Affö  lU,  325  no.  29.  Es  handelt  sich  also  keineswegs  um  Wollen  -  und 
Tuchhändler  im  allgemeinen,  wie  Poehlmann,  Wirtschaftsgesch.  der  Flor.  Eenais- 
sance  p.  106  annimmt;  (ebenso  Handwörterb.  d.  Staatswiss.  III*,  321). 

°)  Affö  III,  329  no.  32  (Zusatz  zu  der  Bestimmung  von  1215). 

8)  Santini  p.  376 :  de  stame  filato  .  .  .  devetato  undecunque  f uerit  aut  evenerit 
aut  de  Luca  aut  de  aliis  locis  etc.     Unten  §  627. 


Fünfzigstes  Kapitel.     Konsulat  der  Kauf  laute  im  Staate  des  Comune.     769 

Fünfzigstes  Kapitel. 

Konsulat  der  Kaufleute  und  kaufmännische  Kor- 
porationen im  Staate  des  Comune. 

617.  Etwa  ein  halbes  Jahrhundert  nach  dem  Emporsteigen  der 
Städte  zu  kommunaler  Selbständigkeit  tritt  uns  im  Binnenlande 
Oberitaliens  zuerst  eine  besondere,  freie  Organisation  des  Handels- 
standes ^)  entgegen,  die  ihr  Vorbild  den  Einrichtungen  des  Comune  selber 
entnahm.  Am  frühesten  sind  eigene  Konsuln  der  Kaufleute  nachweis- 
bar in  Piacenza  und  Mailand,  schwerlich  rein  zufällig;  vielmehr  scheint 
dies  Vorangehen  der  tatsächlichen  Entwickelung  zu  entsprechen  und 
damit  zusammenzuhängen,  daß  diese  beiden  Städte  auch  in  kommer- 
zieller und  industrieller  Blüte  den  übrigen  Binnenstädten  Ober-Italiens 
vorangegangen  sind. 

Diebeiden  consules  negociatorum  Piacenzas  vom  Jahre  1154,  Guilel- 
mus  Sicamelica  und  Ricardus  Surdus,  die  in  den  Urkunden  über  die  Rück- 
zahlung der  Anleihe  Genuas  neben  den  4  consules  comunis  genannt  werden, 
sind  die  ältesten  bekannten  ihrer  Art 2);  eine  weitere  Urkunde  von  1146, 
die  von  den  majores  consules  Piacenzas  spricht  3),  erlaubt  den  sicheren  Rück- 
schluß, daß  diese  Institution  in  Piacenza,  das  Peter  von  Cluny  1151  eine 
Stadt  nennt,  die  kaum  einer  in  Italien  nachstehe  *),  auch  damals  schon  vor- 
handen gewesen  ist.  Und  daß  es  sich  dabei  um  selbstgewählte  Konsuln  der 
korporativ  vereinigten  Kaufmannschaft  handelt,  geht  aus  den  Konsular- 
statuten von  1169,  die  ausdrücklich  von  dem  »comune  negociatorum«  reden, 
mit  voller  Deutlichkeit  hervor,  ö) 

618.  Für  die  mailändische  Kaufmannschaft  liegt  das  älteste  Zeug- 
nis ihrer  Organisation  in  einem  Erkenntnis  von  4  consules  negociatorum 
vom  Jahre  1159  vor;  gerade  dadurch,  daß  es  nicht  Handelssachen,  sondern 
streitige  Grundstücke  betrifft,  liefert  es  den  Beweis,  daß  diese  Konsuln  die 
Vorsteher  einer  Korporation  waren,  deren  Mitglieder  ihrer  Jurisdiktion  in 
erster  Instanz  auch  dann  unterstanden,  wenn  nicht  Haiidelsangelegenheiten 
in  Frage  kamen.  6)  Daß  nach  der  Katastrophe  von  1162  mit  der  Wieder- 
herstellung der  Stadt  auch  diese  Organisation  der  Kaufmannschaft  wieder 
aufgenommen  wurde,  geht  daraus  hervor,  daß  wir  aus  dem  Jahre  1177  einen 
richterlichen  Spruch  des  Passaguerra  judex,  qui  dicitur  Poxonerius,  consul 
negociatorum  Mediolani  und  seiner  4  Kollegen  kennen. '') 


•)  Über  die  älteren  Erscheinungen  in  Eavenna  und  Rom  s.  oben  §  64  (Ende). 

»)  Lib.  Jur.  I,  176  no.  202.     Oben  §  507. 

')  Campi  I,  544  (6.  September  1146). 

*)  Brief  an  Eugen  III,  ebd.  11,  351  f. :  Miserere  tantae  urbis  nulli  fere  in  Italia 
secundae. 

*)  Boselli  I,  329.  Mitwirkung  der  Konsuln  der  Kaufleute  von  Piacenza  1181 
beim  Vertrage  mit  Ferrara,  oben  §  574, 

8)  Giulini  IH,  553  f.,  Vn,  125.  Schupfer  p.  165,  168.  Gaddi  L.,  Per  la  storia 
della  legislaz.  e  delle  istituzioni  mercantili  lombarde  im  Arch.  lomb.,  anno  XX 
(1893),  272.     Zeitschr.  f.  Handelsr.  41,  101. 

')  Giulini  III,  771.  Leg.  Munic.  11,  917  f.  Schupfer  p.  168.  Die  Notizen  des 
im  14.  Jahrhundert  schreibenden  Galvano  Fiamma  zu  1172  und  1175  zu  verwerten 
(Miscell.  ital.  Vll,  716;  Schupfer  165),  trage  ich  Bedenken. 

Sc  ha  übe,  Handelsgeschlcbte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  49 


I 


770  Fünfzigstes  Kapitel. 

Als  sich  1198  die  popolare  societas  (credentia)  s.  Ambrosii  bildete  und 
Anteil  am  Stadtregiment  gewann  i),  tat  das  der  staatlichen  Stellung  der 
Korporation  der  Kaufleute,  die  zweifellos  Angehörige  der  beiden  politischen 
Parteien  umfaßte,  doch  keinen  Eintrag ;  häufig  sehen  wir  ihre  Konsuln  seit- 
dem beim  Abschluß  von  Staatsverträgen  mitwirken.  So  wird  die  Allianz 
mit  Lodi  am  15.  Januar  1199  durch  den  Podestä,  mehrere  consules  creden- 
tiae  s.  Ambrosii  und  einen  »consul  mercatorum,  Pelegrinus,  qui  dicitur  de 
Populo«  bestätigt^),  der  Vertrag  mit  den  Malaspina  von  1200  wird  mailän- 
discherseits  nur  durch  2  consules  negociatorum  verhandelt  und  beim  Ab- 
schluß des  Friedens  von  Gavi  zwischen  Genua  und  Tortona  (1202)  fungieren 
je  ein  consul  comunis  und  je  ein  consul  mercatorum  von  Mailand  und 
Pavia  als  offizielle  Zeugen.  3)  Auch  bei  dem  Allianz  vertrage  Mailands  mit 
Vercelli  vom  5.  März  1215  haben  drei  mailändische  consules  negociatorum: 
Guifredus  Medicus,  Manuel  de  Ermenulfis  und  Dominicus  Bonadonna  mit- 
gewirkt. *) 

Ohne  staatliche  Eingriffe  ging  es  bei  der  Bedeutung,  die  die  Kauf- 
mannschaft für  eine  Stadt  wie  Mailand  hatte,  nicht  ab;  als  der  Podestä, 
Ubertus  de  Viaita  am  30.  Dezember  1214  eine  Einigung  der  beiden  großen 
politischen  Parteien,  der  Capitanei,  Valvassores  und  ihres  Anhangs  auf  der 
einen,  der  Motta  und  Credentia  S.  Ambrosii  mit  dem  Popolo  auf  der  anderen 
Seite  zustande  brachte,  wurde  die  Wahl  der  consules  negociatorum  zwar 
den  Kaufleuten  selbst  zugestanden,  dabei  aber  bestimmt,  daß  aus  jeder  der 
beiden  politischen  Parteien  3  Konsuln  gewählt  werden  müßten ;  diese  Kon 
suln  hatten  dann  gemeinsam  zu  ihrem  juristischen  Beistand  einen  Judex 
zu  ernennen,  ö)  Wenn  der  Verfasser  der  nur  wenig  jüngeren  Aufzeichnung 
des  mailändischen  Gewohnheitsrechtes  (1216)  betont  ß),  daß  zwischen  dem 
Comune  von  Mailand  und  den  Konsuln  der  Kaufleute  ein  Vertrag  bestehe,  j 
der  unverbrüchlich  gehalten  werden  müsse,  so  meint  er  wahrscheinlich  dieB 
gerade  damals  zustande  gekommene  Einigimg;  stark  hebt  er  hervor,  daß  sie 
keine  staatlichen  Beamten  seien  und  deshalb  auch  nicht  gehindert  werden 
dürften,  gleichzeitig  das  Amt  eines  städtischen  Konsuls  oder  sonst  ein  staat- 
liches Amt  jzu  bekleiden.  Wohl  aber  seien  die  staatlichen  Behörden  auf 
Grund  jenes  Vertrages  verpflichtet,  die  kaufmännischen  Konsuln  bei  der 
Ausübung  der  ihnen  zustehenden  Befugnisse  zu  unterstützen;  jährlich  ein- 
mal hätten  sie  in  herkömmlicher  Weise  die  von  den  Konsuln  der  Kaufleute 
erlassenen  Verbote  und  Verrufserklärungen  sowie  ihre  Gewohnheiten  in 
öffentlicher  Versammlung  zu  bestätigen ;  insbesondere  läge  dem  Comune  die 
Pflicht  ob,  für  die  wirksame  Unterstützung  der  Konsuln  der  Kaufleute  bei.1 
Beschwerden  über  vorgekommene  Vergewaltigung  und  sonstige  Klagen  der 
Kaufleute ,  ferner  in  Straßen  -  und  Marktangelegenheiten  und  bei  andern 
Dingen,   wo   es  herkömmlich  sei,   Vorsorge  zu  treffen.'')    Der  Verfasser  er- 

1)  Ann.  Mediol.,  SS.  XVin,  397,  400.  Schupfer  p.  181.  Ghiron  J. :  La  cre- 
denza  di  Sant'Ambrogio  im  Arch.  lomb.  III  (1876),  589  ff. 

«)  Cod.  Laud.  U,  283  no.  211 ;  bei  Schupfer  p.  169  (nach  Giulini  IV,  119)  irrig 
zu  1190. 

3)  Chart.  II  no.  1707  p.  1209.     Lib.  Jur.  I  p.  482  no.  447.     Oben  §  501. 

*)  Chart.  I  p.  1207  f. 

s)  Lünig  Cod.  dipl.  I,  397  no.  VIU.  Schupfer  p.  184.  Ghiron  1.  c.  600,  606. 
Gaddi  1.  c.  276.     Lattes,  consuetud.  p.  166. 

6)  Berlan  p.  73  f.,  ruh.  31  und  Ende  32. 

'')  Commune  M.  consulibus  neg.  in  praedis  et  contestationibus  et  stratis  in 
quirendis  et  in  nundinis  et  aliis  rebus  sicut  consuevit  debet  providere. 


Konsulat  der  Kaufleute  im  Staate  des  Comune.  771 

klärt  ferner,  daß  die  Kaufleute  Mailands  und  ihre  Konsuln  ihre  besonderen 
Gewohnheiten  hätten,  die  in  Mailand  wie  in  den  alten  Zeiten  so  auch  jetzt 
beobachtet  würden,  so  daß  es  notwendig  sei,  sie  in  sein  Werk  mitaufzunehmen ; 
eingehend  schildert  er  dann,  wie  die  Aufsicht  über  das  gesamte  Maß-  und 
Gewichtswesen  in  Mailand  von  ihnen  gehandhabt  werde.  ^) 

Nicht  lange  danach  hielt  es  die  Kaufmannschaft  Mailands  für  zweck- 
mäßig, einen  Podestä.  als  einheitliches  Oberhaupt  an  ihre  Spitze  zu  stellen; 
durch  einen  neuen  staatlichen  Eingriff  aber  wurde  im  Jahre  1225  der  Podestä 
der  Kaufleute,  Busvardo  Incoardo,  ebenso  wie  die  Podestes  anderer  Ver- 
bände, seines  Amtes  entsetzt;  dagegen  blieb  die  herkömmliche  Wahl  von 
Konsuln  den  Kaufleuten  nach  wie  vor  gestattet.  ^) 

619.  Für  die  übrigen  Städte  Ober-Italiens  beschränke  ich  mich 
darauf,  die  ältesten  mir  bekannten  Erwähnungen  ihrer  kaufmännischen 
Konsulate  in  chronologischer  Folge  zu  geben  ^),  wobei  ich  nur  be- 
. merke,  daß  es  vorzugsweise  die  Mitwirkung  dieser  Konsuln  beim  Ab- 
schluß von  Handelsverträgen  ist,  die  zu  ihrer  Erwähnung  Anlaß  gibt. 
Nach  Piacenza  und  Mailand  folgen  zunächst  Vercelli  (1165)  und  Cre- 
mona  (1173)^),  dann  im  östlicheren  Teil  der  Lombardei  in  rascher 
Folge  Verona  (1175),  Brescia  (118ü),  Ferrara  (1181)^),  Modena  (1182); 
ferner  Reggio  (1188)*'),  Parma  (1189)  und  Mantua  (1191.)^) 

In  dem  kleineren  Novara  begegnen  sie  in  besonders  enger  Gemein- 
schaft mit  den  Konsuln  der  gewerblichen  Zünfte  (1194  bezw.  1199)  8);  in 
Bologna,  wo  sie  auffallend  spät  erwähnt  werden  (1200),  tritt  uns  die  Kauf- 
mannschaft sogleich  in  die  beiden  Korporationen  der  Mercatores  und  Camp- 
sores  gespalten  entgegen,  deren  jede  von  3  Konsuln  geleitet  wird.  9) 

Die  uns  von  Mailand  her  bekannte  Ersetzung  der  Konsuln  durch  ein 
einheitliches  Oberhaupt,  einen  Potestas  Mercatorum,  ist  zuerst  (1209)  in 
Verona  nachweisbar  1°)  und  fast  gleichzeitig  (1211)   auch  in  Parma,  wo  in- 


»)  Oben  §  613  f. 

*)  Praccepta  pacis  et  concordiae  des  mailändi sehen  Podestä,  Avenus  de  Man- 
tua, vom  10.  Juli  1225,  nur  durch  Corio  (hist.  di  Milano  ed.  1503  p.  129)  überliefert. 
Ghiron  1.  c.  602,  607.     Gaddi  1.  c.  277.     Schupf^r  186  f.     Salzer  95  u.  114. 

')  Weiteres,  namentlich  auch  über  die  gewerblichen  Korporationen,  gedenke 
ich  bei  Gelegenheit  an  anderer  Stelle  zu  veröifentlichen.  Im  übrigen  s.  noch  Gold- 
schmidt 158  ff.,  169  ff. 

■•)  Oben  §  606  u.  557.  Miglioli  G. :  Le  corporazioni  cremonesi  d'arti  e  mestieri 
etc.     Verona-Padua  1904. 

5)  Oben  §548;  587  u.  599;  574.     Vgl.  Lattes,  dir.  commerc.  p.  39. 

8)  Murat.  Antiqu.  11,  887  f.,  IV,  353. 

')  Oben  §  603.  Cipolla  p.  306.  Portioli  A.,  Le  corporazioni  artieri  di  Mantova. 
Mantua  1884.  Über  die  eigenartigen  Verhältnisse  in  Padua  mit  seinen  frataleae 
und  Gastaldionen  s.  Roberti  M.,  Le  corporazioni  padovane  d'arti  e  mestieri ;  in : 
Mem.  del  R,  Ist.  Veneto  di  scienze  etc.,  vol.  26  (1902)  no.  8. 

*)  Die  12  consules  paraticorum  setzen  sich  im  Jahre  1199  zusammen  aus 
3  Konsuln  der  Gerber  (calegariorum),  zweien  der  Metzger  (beccariorum),  4  consules 
negociatorum  und  dreien  der  Kürschner  (pellipariorum) ;  Chart.  I  no.  727  ;  die  12  con- 
sules paraticorum  begegnen  auch  schon  1194  im  Vertrage  mit  Vercelli,  ebd.  no.  688. 
Dazu  Salzer  p.  88  A.  3. 

«)  Savioli  II,  2,  219  no.  381.  Salvioni  p.  28.  Stat.  Soc.  Bol.  U,  485  f.  Gau- 
denzi  p.  14  ff. 

>")  Lib.  Jur.  Civ.  p.  88  rub.  114. 

49* 


772  Fünfzigstes  Kapitel. 

dessen  die  Mercadantia,  an  deren  Spitze  der  Podestä,  steht,  ein  aus  15  Einzel- 
innungen bestehender  Verband  war.  i) 

620.  Kaufmännische  Konsuln  fehlen  ganz  im  östlichsten  wie  im 
westlichsten  Teile  des  Gebiets,  in  Asti  wie  in  Treviso ;  sie  fehlen  auch 
in  den  Seestädten.  Bei  der  überragenden  Bedeutung,  die  der 
Handel  gerade  für  diese  Städte  hatte,  kann  der  Grund  hierfür  nur 
in  der  Tatsache  gefunden  werden,  daß  die  regierenden  Kreise  in 
ihnen  selbst  am  Handel  derartig  interessiert  waren,  daß  für  eine 
Sondervertretung  der  kaufmännischen  Interessen  keinerlei  Bedürfnis 
bestand. 


imfl 


Wohl  hat  auch  Venedig  seine  consules  mercatorum  gehabt,  die 
Jahre  1228  zuerst  nachweisbar  sind,  wo  die  drei  neu  ernannten  Konsuln"* 
Füippo  Badoer,  Niccolö  Quirini  und  Benedetto  Falier  den  Eid  auf  ihr  Ca- 
pitulare  ablegen.  2)  Aber  sie  sind  nicht  Vertreter  einer  Korporation,  sondern 
rein  staatliche  Beamte,  die  im  Interesse  des  Seehandels  mit  genau  um- 
grenzten Befugnissen  ausgestattet  waren.  So  hatten  sie  die  Tragfähigkeit j 
der  Schiffe  festzustellen  und  vor  der  Abfertigung  der  Schiffe  aus  dem  Hafen 
zu  prüfen,  daß  keine  Überladung  stattgefunden  3),  hatten  vor  der  Annahme 
der  Schiffschreiber  darauf  zu  sehen,  ob  sie  für  ihr  Amt  geeignet  waren, 
hatten  sie  zu  vereiden  und  nach  ihrer  Rückkehr  die  von  ihnen  geführten 
Ladungsregister  zu  prüfen  4),  hatten  Streitigkeiten  zwischen  den  Kaufleutenj 
und  dem  Schiffer  über  havarierte  Waren  zu  entscheiden^)  u.  dgl.  mehr. 

Eine  rein  staatliche  Behörde  waren  auch  die  jährlich  wechselnden] 
vier  consules  maris,  die  seit  1206  in  Genua  nachweisbar  sind.  Sie  standen] 
an  der  Spitze  des  Seezollamts,  hatten  die  Abfertigung  der  Schiffe  am  Hafen] 
und  waren  im  Zusammenhange  mit  ihrem  Amt  mit  polizeilichen  Befug- 
nissen und  Strafgewalt  ausgestattet.  ^) 

621.  In  vollem  Gegensatz  zu  Ober-Italien  ist  es  in  Mittel 
Italien  gerade  die  große  Seestadt,  in  der  das  kaufmännische  Kon 
sulat  zuerst  begegnet;  in  den  Konsularstatuten  Pisas  für  1162  und 
1164  erscheint  es  als  durchaus  eingebürgerte  Institution.'^)  Dabei 
vertraten  die  5  consules  negociatorum  auch  hier  nur  die  Kreise  des 
Landhandels,  Tuchhändler,  Wechsler,  Spezeristen  usw.,  während  sich 
die  am  Seehandel  interessierten  Kreise  erst  am  äußersten  Ende  des 
Jahrhunderts  zu  einer  eigenartigen  und  besonders  mächtigen,  Nobili 
wie  Popolare  in  gleicher  Weise  umfassenden  Korporation  zusammen-; 


1)  Stat.  Farm.  p.  191  u.  187  fE.  AfPö  IE,  325  u.  329,  no.  29  u.  32.  Salzer  99. 
Micheli  G.  Le  corporazioni  parmensi  d'arti  e  mestieri.  Parma  1899  (auch  in :  Arch. 
stör,  per  le  prov.  parmensi  V,  1896). 

«•)  Lib.  pleg.  no.  594  (26.  Februar  u.  13.  März).     Vgl.  Marin  V,  180  f. 

»)  Stat.  tarretarum  rub.  1  im  N.  Arch.  ven.,  n.  s.,  V  (1903)  p.  314  ff.  Stat. 
super  navibus  rub.  44,  ebd.  p.  200. 

*)  Stat.  marit.  von  1233  rub.  4,  ebd.  IV  p.  289.  Stat.  tarret.  1.  c.  rub.  26;  Stat. 
nav.  rub.  41. 

6)  Stat.  tarr.  49,     Stat.  nav.  53. 

«)  Näheres  Z.  f.  Handelsr.  32  (1886),  490  ff.  und  Konsulat  d.  M.  p.  229  S. 
S.  auch  oben  §  501  (p.  1120  *). 

^)  Z.  f.  Handelsr.  41  (1895),  101  ff.     Volpe  227  f. 


Konsulat  der  Kaufleute  im  Staate  des  Comune.  773 

schlössen,  die  sich  Ordo  maris  nannte  und  von  Konsuln  des  Meeres 
geleitet  wurde.  ^) 

Auch  in  anderen  Seestädten  Mittel  -  Italiens  fehlt  die  Institution 
nicht;  Rom  hat  schon  1165  seine  consules  mercatorum  et  marina- 
riorum,  und  Konsuln  der  Kaufleute  begegnen  auch  in  Corneto  (1177)^) 
und,  allerdings  erst  später  (1208),  in  Ancona.^) 

In  den  großen  Binnenstädten  Toskanas  erscheinen  Konsuln  der 
Kaufleute  noch  im  12.  Jahrhundert,  zuerst  in  Lucca*);  seit  dem  An- 
fang des  13.  Jahrhunderts  hat  dann  die  Institution  auch  in  den  klei- 
neren Gemeinden  Toskanas,  im  römischen  Tuscien  und  Umbrien  eine 
weite  Verbreitung  erlangt. 

Aus  einem  Schreiben  Gregors  IX.  an  Podestä  und  Volk  von  Civita 
Castellana  (1229)  ergibt  sich,  daß  man  das  Konsulat  der  Kaufleute  zu  den 
in  jeder  Kommune  des  Patrimoniums  üblichen  Institutionen  rechnete  0);  seine 
Hauptfunktionen  werden  einmal  von  Papst  Honorius  III.,  als  es  sich  um 
die  Wiederherstellung  der  wegen  der  städtischen  Kämpfe  beseitigten  Kor- 
poration der  Kaufleute  in  Perugia  und  ihres  Konsulats  handelte  (1223),  in 
prägnanter  Weise  aufgezählt.  ^)  Danach  bestanden  die  Aufgaben  der  con- 
sules oder  rectores  mercatorum  besonders  darin,  alle,  die  sich  in  Maß  und 
Gewicht  irgendwelche  Unredlichkeiten  erlaubten,  zu  bestrafen,  auf  die  In- 
standhaltung der  Straßen  bedacht  zu  sein,  Friedens-  und  Handelsverträge 
abzuschließen  und  für  sicheres  Geleit  Sorge  zu  tragen. 

622.  Fast  überall  finden  sich  in  den  freien  Kommunen  Italiens 
in  bezug  auf  die  Organisation  des  Handelsstandes,  seine  Beziehungen 
zu  dem  Stadtregiment  und  zu  den  gewerblichen  Zünften  lebensvolle, 
für  die  einzelne  Stadt  charakteristische  Verschiedenheiten.  Wie  groß 
diese  Verschiedenheiten  schon  in  der  Entwickelung  bis  zur  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  waren,  mag  zum  Schluß  das  Beispiel  der  beiden 
einander  so  nahen  großen  Handelsplätze  Toskanas,  Siena  und  Florenz, 
dartun. 

Auffallend  spät  treten  uns  in  Siena,  wo  der  Handelsstand  eine 
so  wichtige  Rolle  spielte,  die  Konsuln  der  Kaufleute  entgegen;  die 
ältesten  bisher  bekannten,  Mariano  di  Peri  (Pieri),  Salsidonio  (Famihe 
Sansedoni)  und  Vincecastello,  gehören  dem  Jahre  1192  an,  wo  sie  den 
Schadenersatz  für  einen  im  sienesischen  Gebiet  seiner  Ware  beraubten 
Florentiner  vermittelten. ') 

Mehrfach  begegnet  im  folgenden  Menschenalter  ihre  Mitwirkung  bei 
handelspolitischen  Aktionen;  so  ist  Aringerius  Sinibaldi,  consul  mercatorum 

>)  Näheres:  Konsulat  d.  M.  Kap.  1—3.  Neue  Beiträge  z.  Gesch.  d.  Kons.  d. 
M.  (Brieger  Gymn.-Progr.  1891).  Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswiss.  IX  (1893), 
236  ff.     Volpe  296  ff.,  303  ff. 

«)  Oben  §  486  u.  489. 

')  Lib.  Jur.  I,  537  no.  489. 

*)  Aus  dem  Vertrage  mit  Modena  von  1182  ergeben  sich  die  Namen  zweier 
kaufmännischer  Konsuln    von  Lucca  aus  dem  Vorjahre.     Murat.  Antiqu.  II,  887  f. 

'')  Theiner  I,  88  f.  no.  152. 

«)  Ebd.  79  no.  128.     Rodenberg  I,  169  no.  239. 

^)  Aus  dem  Caleffo  vecchio  nachgewiesen  von  Mengozzi  I,  15  Anm.  2  und 
Davidsohn  I,  597. 


774  Fünfzigstes  Kapitel. 

Senensium,  Zeuge  im  Vertrage  mit  Florenz  vom  29.  März  1201,  und  2  Jahre 
später  erscheinen  die  3  consules  mercatorum  neben  je  3  Konsuhi  der  Stadt 
und  der  Ritter  in  erster  Linie  als  die  Vertreter  Sienas,  die  den  Florentinern 
zedieren,  was  ihnen  nach  ergangenem  Schiedspruch  gebührte.^)  Aus  dem 
Jahre  1205  kennen  wir  einen  Konsul  der  Kaufleute  Rinaldinus,  der  als  no- 
bilis  vir  bezeichnet  wird,  und  im  Jahre  1213  wird  der  Verzicht  der  Grafen 
von  Titignano  auf  Represalien  gegen  das  damals  befreundete  Orvieto  außer 
vom  Podestä,  von  einem  Konsul  der  Kaufleute,  Turco,  entgegengenommen. 2) 

623.  Wenig  später  zeigt  sich  die  bisher  einheitliche  Kaufmannschaft 
Sienas  in  zwei  Korporationen  gespalten,  die  den  alten  Namen  beibehaltende 
der  Mercatores  und  die  der  pizzicarii;  sie  bilden  die  »due  Mercanzie« ,  die 
mit  gleicher  Verfassung  und  gleichen  Rechten  bald  völlig  einträchtig  in 
Siena  neben  und  miteinander  tätig  sind.  Zum  erstenmal  begegnet  diese 
Scheidung  in  dem  Allianzvertrage  mit  Orvieto  vom  27.  Oktober  1221,  wo 
neben  den  3  consules  mercatorum:  Albizzo  Pieri,  Incontrato  Assaliti  und 
Tornampullia  Salsidonii  auch  zwei  der  pizzicarii,  Credo  und  Simone,  als 
offizielle  Zeugen  auftreten  ^) ;  daß  letztere  hier  erst  durch  2  Konsuln  vertreten 
sind,  ist  vielleicht  kein  Zufall;  auch  ihre  Namen  machen  den  Eindruck,  daß 
es  sich  hier  um  homines  novi  handelt,  um  Vertreter  der  eben  erst  zur  Gel- 
tung kommenden  Detaillisten,  unter  denen  sich  gewiß  auch  nicht  wenige 
zu  hohem  Wohlstand  gelangte  Kaufleute  befanden,  während  die  Mercatores 
aus  denjenigen  Kaufleuten  bestanden  haben  werden,  die  seit  geraumer  Zeit 
hauptsächlich  den  auswärtigen  Handel  pflegten.  Die  zunehmende  Stärke 
der  popolarcn  Bewegung  wird  es  gewesen  sein,  die  die  sicher  nur  popolare 
Elemente  umfassende  Korporation  der  pizzicarii  zur  Gleichberechtigung  mit 
der  alten  Korporation  der  Kaufleute  emportrug.  4) 

In  der  folgenden  Zeit  sehen  wir  beide  Kaufmannschaften  dem  Comune 
als  Bankiers  dienen,  die  für  laufende  Staatsausgaben  Vorschüsse  machten 
und  für  größere  Bedürfnisse  dem  Staate  Anleihen  gewährten.  So  quittieren 
am  1.  Januar  1228  ihre  Konsuln  über  den  Empfang  von  6671/2  1-^)j  <üe  sie 
für  die  Wiederherstellung  des  Kastells  Orgia  vorgeschossen  hatten.  Auf 
Anleihen,  die  die  Stadt  zur  Zeit  des  Podestä  Malpiglio  bei  den  consules  mer- 
catorum et  pizzicaiolum  gemacht  hatte,  werden  im  November  1229,  den  Vor- 
schriften der  Statuten  Sienas  gemäß,  fünf  einzelne  Posten  im  Gesamtbetrage 
von  rund  950  1.  zur  Rückzahlung  angewiesen.  6)  Als  der  Staat  im  Juli  1231 
der  kriegerischen  Zeitläufte  wegen  einer  größeren  Anleihe  bedurfte,  waren 
sie  es,  die  die  »prestanza«  umzulegen  hatten,  die  einen  Betrag  von  16  593  1. 
einbrachte.    Auch  Zahlungen   des   Staates  nach   auswärts  vermittelten  sie; 

»)  Santini  p.  64  u.  127. 

«)  Maratori  Antiqu.  IV,  576.  Fumi  p.  66  no.  93.  Turco  ist  wohl  identisch 
mit  Turchio  Amerighetti,  der  in  Urkunden  von  1209  bei  Ficker  IV  no.  220  ff.  er- 
scheint. 

')  Fumi  p.  95  no.  141  Vi. 

*)  Über  die  beiden  Kaufmannschaften  im  allgemeinen  s.  Zdekauer,  Mercante 
57  ff. 

^)  Lisini:  Invent.  del  Caleffo  vecchio  im  Bull.  sen.  V  (1898),  118.  Ein  anderes 
Beispiel  vom  Oktober  1229  Zdekauer  Merc.  60  A.  2. 

^)  Mengozzi  I,  15  A.  2.  Auch  die  späteren  Statuten  enthalten  noch  die  Ver- 
pflichtung des  Podestä,  für  die  Eückzahlung  aller  Schulden  zti  sorgen  >que  deben- 
tur  aut  contracta  sunt  hactenus  ab  antecessoribus  meis  a  consulibus  mercatorum 
et  pizzicariorum  vel  ab  eorum  suppositis  etc.«  Zdekauer,  Constituto  p.  84,  Dist.  I, 
207 ;  vgl.  p.  XXXXI  A.  2. 


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3rn  il 


Konsulat  der  Kauflcute  im  Staate  des  Comune.  775 

so  wurde  z.  B.  die  Forderung  eines  Römers  von  24  1.  Schadenersatz  für 
Pferde,  die  er  im  Dienste  Sienas  verloren,  auf  diesem  Wege  beglichen,  i) 
Nur  bei  der  Beschaffung  von  fremdem  Silbergeld,  das  die  Münze  von  Siena 
zur  Umprägung  verwandte,  sehen  wir  die  consules  mercatorum  allein  tätig, 
die  sich  dafür  eine  Provision  von  etwa  l7o  berechneten.  2) 

Der  Sitte  der  Zeit  gemäß  standen  beide  Korporationen  auch  mit 
frommen  Stiftungen  in  naher  Verbindung;  Gregor  IX.  hat  sich  am  22.  Okto- 
ber 1283  bei  den  consules  pizicarolorum  mercatorum  in  Betreff  einer  Zu- 
wendung, die  dem  Nonnenkloster  der  hl.  Petronilla  gemacht  worden  war, 
und  in  ähnlicher  Weise  am  27.  Januar  1235  für  die  »reclusae  s.  Damiani« 
bei  den  consules  mercatorum  verwendet.^) 

Auch  als  in  den  vierziger  Jahren  die  popolare  Bewegung  weitere  Fort- 
schritte machte  *),  dauerte  der  pohtische  Einfluß  der  beiden  Kaufmannschaften, 
neben  denen  die  gewerblichen  Elemente  als  solche  ganz  zurücktraten,  an. 
Im  Vertrage  mit  Florenz  von  1245  erscheinen  der  Podesta,  die  consules 
utriusque  mercantiae  und  die  .24  priores  populi  als  die  offiziellen  Vertreter 
des  Staates;  nach  diesem  Vertrage,  in  dem  es  sich  namentlich  um  die  Re- 
gelung der  zwischen  Angehörigen  beider  Städte  schwebenden  Verbindlich- 
keiten handelte,  wurde  von  Siena  je  ein  Konsul  der  beiden  Kaufmann- 
schaften dazu  bestellt,  um  die  Forderungen  der  auf  ihre  Aussagen  zu  ver- 
eidenden Florentiner  in  Gemeinschaft  mit  einem  florentinischen  Notar  ent- 
gegenzunehmen, zu  prüfen  und  über  sie  zu  entscheiden;  eine  Aufgabe,  die 
den  Sienesen  gegenüber  den  beiden  Capitanei  popuK  von  Florenz  in  Gemein- 
schaft mit  einem  sienesischen  Notar  zufiel;  bei  auftauchenden  Zweifeln  traten 
Konsuln  und  Capitanei  zu  gemeinsamer  Beratung  zusammen,  ß)  Als  Anfang 
1247  ein  Zwist  zwischen  dem  neu  angetretenen  und  dem  eben  ausgeschie- 
denen Podestä  ausbrach,  wurde  seine  Schlichtung  den  Konsuln  der  beiden 
Kaufmannschaften  und  den  24  Prioren  übertragen  6) ;  in  dieser  Zeit  wurde 
es  auch  üblich,  beide  Kaufmannschaften  zusammen  als  die  »Mercanzia« 
Sienas  zu  bezeichnend)  Mit  der  Einsetzung  eines  Volkshauptmanns  im  Jahre 
1255  war  dann  in  Siena  der  volle  Sieg  des  Popolo  entschieden. 

624.  Auch  in  Florenz  sind  Konsuln  der  Kaufleute  nicht  viel 
früher  als  in  Siena  positiv  nachweisbar. 

Als  die  Bewohner  von  Empoli  am  3.  Februar  1182  die  Zahlung  eines 
Jahrestributs  von  50  1.  an  die  Konsuln  oder  Rektoren  von  Florenz  gelobten, 
versprachen  sie  für  den  möglichen  Fall  des  Fehlens  dieser  Behörden  die 
Zahlung  an  die  Konsuln  der  Kaufleute  von  Florenz  zu  leisten,  die  das  Geld 
inzwischen  für  die  Gemeinde  anzunehmen  hätten  8);  und  nach  dem  Vertrage 
mit  Lucca  vom  21.  Juli  1184  waren  es  diese  Konsuln,  die  mit  ihren  Kol- 
legen aus  der  Nachbarstadt  die  Höhe  der  beiderseits  zu  erhebenden  Zölle 
zu   vereinbaren   hatten.  9)    Identisch  mit  diesen  Vorstehern  der  Kaufmann- 

')  Zdekauer,  Mercante  61.     Miscell.  sen.  III  (1895)  no.  3  p.  125. 

*)  Belege  für  den  Ankauf  venez.  und  pisanischer  gross!  zu  diesem  Zweck 
(1230)  bei  Zdekauer,  Merc.  60  A.  1. 

8)  Auvray  no.  1553  u.  2408. 

*)  Hierüber  s.  Zdekauer :  La  vita  pubblica  nel  Dugento  (Siena  1897)  p.  78,  83  f. 

'")  Arias  I,  Doc.  no.  2  p.  378,  380. 

«)  Lisini  1.  c.  125. 

')  Die  Consules  Mercantiae  mit  Podesta  und  den  24  als  Vertreter  Sienas  in 
der  Urkunde  vom  15.  Januar  1250  bei  Davidsohn  Forsch.  III,  10  no.  31.  " 

»)  Santini  p.  18.  Davidsohn  I,  670.  Sautini,  studi  im  Arch.  it.  XXXI  (1903),  350. 

»)  Santini  p.  21.     Oben  §  598. 


776  Fünfzigstes  Kapitel. 

Schaft  sind  die  consules  mercatorum  de  Callemala,  die  uns  am  9.  Dezember 
1192  zuerst  mit  dieser  Bezeichnung  begegnen,  wo  Giani  Cavalcanti,  Rainerio, 
der  Sohn  Ugos  de  Bella  und  Ugo  Angiolotti  ein  ihrer  Korporation  gehö- 
rendes Grundstück  verkaufen;  am  21.  November  des  folgenden  Jahres  wird 
zweien  der  gewesenen  Konsuln  (consulibus  mercatorum  veteribus  de  Calle- 
mala) und  den  drei  amtierenden  Konsuln  als  den  Verwaltern  des  Hospitals 
von  S.  Eusebio  ein  Grundstück  geschenkt  i);  ein  weiteres  Grundstück  für 
dieses  Hospital  wurde  am  2.  Juli  1216  von  den  drei  consules  mercatorum 
Callemale,  Guidotto  de  Clarito,  Bonaguisa  fil.  Uguiccionis  Ockidiferro  und 
Ranerio  Renuccii  angekauft.  2)  Diese  letzteren  Konsuln  werden  nun  in  einer 
anderen  Urkunde  desselben  Jahres,  in  der  sie  uns  in  staatlicher  Funktion 
entgegentreten,  als  consules  mercatorum  Florentinorum  bezeichnet. s)  Ist 
sonach  an  der  Identität  der  Konsuln  der  Kaufleute  schlechthin  mit  den 
Konsuln  der  Kaufleute  der  Callemala  auch  für  die  frühere  Zeit  nicht  zu 
zweifeln,  so  lassen  sich  aus  dieser  Tatsache  weitere  Folgerungen'  ziehen. 
Die  maßgebenden  Kreise  der  florentinischen  Kaufmannschaft  hatten  ihre 
Geschäftsläden  in  der  »schlechten  Straße«  zwischen  Alt-  und  Neumarkt,  der 
CaUemala  und  deren  unmittelbarer  Nachbarschaft;  da  dieser  Bezirk  auch 
später  noch  als  der  Mittelpunkt  des  florentinischen  Tuchhandels  erscheint^), 
so  sind  es  auch  in  Florenz  die  Tucher,  die  innerhalb  der  kaufmännischen 
Welt  die  erste  Rolle  spielten.  Nur  sie  bildeten  die  Kaufmannschaft  von 
Florenz  im  engeren  Sinne ;  nur  sie  waren  vollberechtigte  Mitglieder  der  Kor- 
poration und  wählten  als  solche  ihre  Vorsteher,  die  consules  mercatorum  de 
Callemala,  die  zugleich  aber  auch,  als  die  vom  Staat  anerkannten  Konsuln 
der  Florentiner  Kaufleute  überhaupt,  über  die  Kreise  des  Handels  und  wohl 
auch  mancher  Gewerbe  ein  Aufsichts-  und  Leitungsrecht  ausübten,  so  daß 
sie  allein  bis  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  als  die  berechtigten  Vertreter 
der  Handel  und  Industrie  treibenden  Bevölkerung  von  Florenz  erscheinen. 
In  dieser  allgemeinen  Eigenschaft  war  ihnen  auch  vom  Staat  die  Aufsicht 
über  die  Verwaltung  kirchlicher  Institute,  insbesondere  der  Opera  S.  Jo- 
hannis  (des  Battistero),  übertragen;  am  3.  November  1193  sind  die  consules 
mercatantum  zuerst  in  dieser  Funktion  nachgewiesen,  s) 

625.  Gerade  in  diesem  Jahre  aber  sehen  wir  zum  erstenmal  auch  die 
gewerblichen  Zünfte  in  Florenz  eine  politische  Rolle  spielen. 6)  Als 
sich  die  Burg  Trebbio  (nur  2  Meilen  nördlich  von  Siena)  am  14.  Juli  1193 
den  Florentinern  übergab,  wurde  der  Unterwerfungsvertrag  von  dem  da- 
maligen Podestä  von  Florenz,  Gherardo  Caponsacchi  (einem  einheimischen 
Edlen),  den  7  Mitgliedern  seines  Beirats  (consiliarii)  und  den  7  »rectores  qui 

^)  Ebd.  365,  367.  Der  eine  der  gewesenen  Konsuln  ist  TJgo  Angiolotti,  der 
andere  Joh.  fil.  Boninsegnie;  ist  dieser  nicht  mit  Cavalcanti  identisch,  so  müßte 
er  den  vielleicht  im  Lauf  des  Amtsjahrs  verstorbenen  abgelöst  haben.  Filippi : 
L'arte  di  Calimala  (Turin  1885)  p.  173.     Davidsohn  I,  670. 

2)  Santini  380. 

8)  Ebd.  179  (12.  Febr.  1216). 

*)  Schon  1205  erscheint  die  Elle  der  Callemala  als  das  normale  Längenmaß 
in  Florenz,  nach  dem  die  Länge  einer  Mauer  bestimmt  wird ;  Davidsohn  I,  793  A.  2 : 
ad  rectum  brachium  canne  Callismale. 

*)  Ebenfalls   aus   noch   ungedruckter  Urkunde   ebd.  671  A.  3;  dazu  672  A.  3. 

')  Bezüglich  der  gewerblichen  Entwickelung  in  Florenz  verweise  ich  auf  die 
von  Davidsohn  I,  783  f.,  790,  794,  582  beigebrachten  Notizen.  Die  Bevölkerung  der 
Stadt  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  veranschlagt  Santini,  studi  XXXI,  331  auf 
45000  —  50  000  Menschen. 


Konsulat  der  Kaufleute  im  Staate  des  Comune.  777 

sunt  super  capitibus  artium«  vollzogen;  die  7  rectores  verpflichteten  sich 
gleichzeitig,  die  Bedingungen  des  Vertrages  in  das  »Constitutum«  dieses 
Jahres  in  der  Weise  aufzunehmen,  daß  dadurch  auch  alle  späteren  Stadt- 
häupter zur  Aufnahme  derselben  in  das  Constitut,  das  jährhch  von  neuem 
festgestellt  zu  werden  pflegte,  verpflichtet  wurden,  i)  Wir  sehen  also  in  diesem 
Zeitpunkt  die  7  Leiter  eines  Bundes  von  Zünften  2),  deren  Zahl  wir  nicht 
kennen,  von  denen  eine  jede  aber  wieder  unter  eigenen  Vorstehern  (capita) 
stand,  im  Besitz  eines  maßgebenden  Anteils  am  Stadtregiment  in  einer  Stel- 
lung, wie  sie  sonst  wohl  den  Konsuln  der  Ritter  und  Kaufleute  zufiel;  sicher 
das  Resultat  einer  popolaren  und,  wie  bestimmte  Anzeichen  beweisen,  zu- 
gleich kaiserfreundUchen  Umwälzung.  3)  Aber  dies  Resultat  war  keineswegs 
von  Dauer;  der  Zünfteverband  vermochte  seine  in  mächtigem  Anlauf  er- 
rungene herrschende  Stellung  nicht  zu  behaupten ■*)  und  die  frühere  Ord- 
nung der  Dinge  kehrte  zunächst  zurück. 

Erst  am  Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts  begegnen  wir  den 
Organen  des  Zünfteverbandes  wiederum,  freilich  jetzt  in  viel  beschei- 
denerer Rolle;  mit  ihnen  treten  jetzt  zum  erstenmal  auch  besondere 
Konsuln  der  Wechsler  auf,  denen  wir  etwas  früher  schon  in  Bo- 
logna begegnet  sind;  gewiß  hatten  die  Wechsler  bis  dahin  in  Florenz 
dem  Gesamtverbande  der  Kaufleute  angehört. 

Eine  Urkunde  vom  1.  März  1202  zeigt  uns  zuerst  das  Nebeneinander- 
wirken der  Vorstände  der  kaufmännischen  und  gewerblichen  Organisationen  s) ; 
der  Beschluß,  den  Erben  einiger  Florentiner,  die  vor  Summofonte  den 
Heldentod  gestorben  waren ,  Abgabenfreiheit  zu  verleihen ,  ist  von  den 
12  Konsuln  der  Stadt  und  ihrem  Großen  Rat  »et  cum  consilio  consulum 
mercatorum  et  militum  et  cambiatorum  et  priorum  omnium  artium  Flo- 
rentinae  civitatis«  gefaßt;  die  Kaufmannschaft  steht  also  wieder  unbestritten 
an  erster  Stelle.  Einer  ihrer  Konsuln,  Ciaritus  Pilii,  war  es  auch,  der  bald 
darauf  (am  3.  April)  den  Vertrag  mit  San  Gimignano  über  Summofonte  zu- 
stande brachte.  6)  Das  gleiche  Nebeneinander  zeigt  uns  das  am  11.  September 
1203  mit  Bologna  über  Einschränkung  des  Represalienwesens  getroffene  Ab- 
kommen; als  offizielle  Zeugen  fungieren  hier  je  ein  Konsul  der  Ritter,  der 
Mercatores  (Meiior  Abbatis),  der  Cambiatores  (Jacobus  Rainonis)  und  zwei 
priores  artium,  Mainittus  Andreole  und  Bonristorus  Karelli.  ^)  Offenbar  ist 
hier  gerade  Wert  darauf  gelegt,  die  Organisationen  der  Handel  und  Gewerbe 
treibenden  Bevölkerung  offiziell  vertreten  sein  zu  lassen ;  doch  verfuhr  man 

»)  Santini  31  f. 

«)  Doren,  Zünfte  p.  8.     Santini,  studi  im  Arch.  it.  XXXI  (1903),  355  fE. 

3)  Davidsohn  I,  600  f. 

*)  Doren,  Zünfte  p.  12. 

*)  Santini  p.  369.  Pertile  U '  p.  203  A.  89,  der  die  Urkunde  aus  Lami,  De- 
lizie  Vn,  178  kennt,  gibt  für  das  erste  Vorkommen  der  Konsuln  der  Wechsler  in 
Flor,  das  Jahr  1201  an,  da  er  die  flor.  Jahreszählung  nicht  berücksichtigt.  La 
Sorsa  S.,  L'organizzazione  dei  cambiatori  fiorentini  nel  medio  evo  (Cerignola  1904) 
p.  30  setzt  die  erste  sie  erwähnende  Urkunde  (unter  Mißverständnis  von  David- 
sohn 797)  erst  zu  1204. 

8)  Santini  73  no.  38. 

^)  Saviolin,  2  i .  248  no.  353;  Muratori  Ant.  IV,  453  f.  (mit  dem  Datum  id. 
Sept.).  In  der  Regel  wird  auch  Tinioso  Lambert!  als  Konsul  der  Wechsler  für 
dieses  Jahr  angesehen  (so  Hartwig  II,  196 ;  Santini  p.  XLVII  in  seinem  Register, 
Davidsohn  I,  798  A.  5),  aber  Savioli  hat  deutlich :  Melliore  Abatis  Consule  Merc.  Fl., 
Tinioso  Lamberti,  Jac.  Rainonis  Consule  Camb.  etc. 


778  Fünfzigstes  Kapitel. 

nicht  selten  bei  staatsrechtlichen  Aktionen  weniger  streng;  namentlich  aber   9 
zog  man  bei  solchen  Aktionen  diejenigen  Kreise  vorzugsweise  heran,  die  im    " 
einzelnen  Falle  am  meisten  interessiert  waren;  auch  die  sei  es  zufällige,  sei    ' 
es  eben  durch  den  Mangel  eines  besonderen  Interesses  veranlaßte  Abwesen- 
heit bestimmter  Personen  mag  hierbei  eine  Rolle  gespielt  haben,  i) 

626.  Anderthalb  Jahrzehnte  später  tritt  uns  dann  eine  weitere 
Neuerung  entgegen.  Der  Vertrag  mit  Perugia  von  1218  ist  im  Namen 
der  Kaufleute  und  des  Comune  von  Florenz  von  je  einem  Konsul 
der  florentinischen  Kaufleute  (Arrigo  de  Arro),  der  mercatores  artis 
lanae  (Finiguerra)  und  der  mercatores  Portae  S.  Mariae  (Ugo  Caval- 
canti)  abgeschlossen,  und  genau  entsprechend  wirken  2  Jahre  darauf, 
am  6.  März  1220,  bei  der  Bestellung  von  Bevollmächtigten  zu  Ver- 
tragsverhandlungen mit  Bologna  wegen  Herabsetzung  der  Zölle  zu- 
sammen die  3  consules  mercatorum  Callismalae  Flor.,  die  3  consules 
Portae  S.  Mariae  und  die  4  consules  Artis  Lanae;  aus  der  »in  Cale- 
mala«  vorgenommenen  Wahl  gehen  Gualterotto  Bardi  und  der  Judex 
der  Wollenzunft,  Boninsegna  Consiglii,  hervor,  ^j 

Zum  erstenmal  werden  hier  bei  einer  staatsrechtlichen  Funktion 
die  Konsuln  der  Kauf leute  consules  mercatorum  Callismalae  genannt;  es  ist 
sicher  nicht  zufällig,  daß  sie  dabei  als  Vertreter  des  gesamten  Verbandes  der 
Kaufleute  bezeichnet  werden  (pro  tota  societate  mercatorum).  Vermutlich 
sind  in  diesem  Verbände  damals  auch  die  Wechsler  wieder  mit  enthalten; 
sonst  scheint  es  kaum  erklärbar,  daß  ihre  Konsuln  bei  dieser  Aktion  fehlen, 
während  wir  doch  wissen,  daß  die  Wechsler  am  bolognesischen  Geschäft 
lebhaft  interessiert  waren ;  haben  ihre  Konsuln  doch  auch  1203  an  dem  Ab- 
kommen gerade  mit  Bologna  mitgewirkt.  Seitdem  aber  entschwinden  sie 
für  zwei  Dezennien  unseren  Augen. 

Losgelöst  aus  dem  Verbände  der  Kaufmannschaft  haben  sich  dagegen 
die  Kaufleute  vom  Marientor,  wie  sie  nach  ihrem  örtlichen  Mittel- 
punkt analog  den  Kaufleuten  der  Callemala  benannt  werden,  die  offiziell 
ja  auch  jetzt  erst,  offenbar  zum  Zwecke  der  klaren  Unterscheidung  von  der 
neu  gebildeten  Korporation,  mit  diesem  Titel  erscheinen.  Wesentlicher  als 
die  örtliche  Scheidung  war  natürlich  die  Scheidung  nach  der  Branche.  Die 
spätere  Zunft  Por  S.  Maria  umfaßte  alles,  was  sich  mit  Seidenhandel  und 
Seidenmanufaktur  befaßte,  und  es  ist  durchaus  wahrscheinlich,  daß  in  der 
Zeit  der  Loslösung  der  Kaufmannschaft  des  Marientors  der  Handel  mit 
Seidenzeugen  und  wertvollen  Stoffen  ähnlicher  Art  auch  schon  einen  Zweig 
ihrer  Tätigkeit  bildete,  und  daß  die  wohl  erst  in  ihren  Anfängen  begriffene, 
aber  rasch  sich  entwickelnde  heimische  Seidenindustrie  sich  in  völliger  Ab- 
hängigkeit von  den  kaufmännischen  Unternehmern  dieser  Korporation  be- 
fand. Außerdem  betrieben  diese  Kaufleute  vom  Marientor  den  Handel  mit 
Gold-  imd  Silberwaren,  Schmuckgegenständen  und  Luxusartikeln  verschiedener 
Art,  vor  allem  aber  auch  den  Tuchhandel,  von  dem  indes  die  von  jenseits 
der   Alpen   kommenden   Tuche   ausgeschlossen   waren.  3)     Matrikeln    dieser 

*)  So  erklären  sich  die  Abweichungen  in  anderen  Urkunden  der  Jahre  1203 
und  1204  bei  Santini  p,  131,  137,  140,  144. 

«)  Davidsohn  Forsch,  in,  229  no.  1168. 

«)  Santini,  studi:  Arch.  it.  XXXII  (1903)  p.  2(j.  Doren,  Zünfte  p.  7  nennt  sie 
> damals  noch  Detailhändler  mit  fremdem,  meist  ital.  Tuch« ;  ihre  Konsuln  > nahmen 
nicht  als  Vertreter  der  Seidenindustriellen,  sondern  als  die  der  Gewandschneider 
an  den  Ratssitzungen  teil«,  ebd.  Anm.  5. 


Konsulat  der  Kaufleute  im  Staate  des  Comune.  779 

Kaufmannschaft  sind,  wenn  auch  unvollständig,  schon  seit  1225  erhalten; 
die  Zahl  ihrer  Konsuln  betrug  anfänglich,  wie  es  nach  der  Urkunde  von 
1220  scheint,  drei,  später  vier,  i) 

627.  Besonders  bemerkenswert  aber  ist  an  den  Urkunden  von  1218 
und  1220  das  Auftreten  der  Wollenzunft,  deren  Konsuln  hier  an  der 
Stelle  erscheinen,  an  der  bisher  die  Prioren  des  Zünfteverbandes  standen ;  die 
mächtigste  Zunft  hat  sich  von  diesem  Verbände  losgelöst  und  ihn,  für  einige 
Zeit  wenigstens,  von  seiner  Stellung  im  politischen  Leben  verdrängt.  Kein 
Zweifel,  daß  die  Entwickelung  der  Ars  lanae  zu  solcher  Bedeutung  sich  all- 
mählich vorbereitet  hat,  und  daß  sie  schon  vorher  innerhalb  des  Gesamt- 
verbands der  Zünfte  die  wichtigste  Rolle  spielte;  bei  der  Bewegung  von 
1193  wird  sie  nicht  am  wenigsten  beteiligt  gewesen  sein.  Im  Jahre  1212 
lernen  wir  zuerst  die  Organisation  der  Zunft  kennen;  7  Personen  standen  an 
ihrer  Spitze,  die  als  rectores  et  tunc  priores  aliorum  eorum  sociorum  de  Arte 
de  Lana  bezeichnet  werden ;  der  an  erster  Stelle  genannte  fungiert  zugleich 
als  Vorsitzender  des  Kollegiums,  als  Oberprior 2) ;  es  war  Cerchio,  der  Ahn- 
herr einer  in  der  Geschichte  der  florentinischen  Wollenzunft  berühmten 
Familie,  die  später  besonders  mit  England  in  den  lebhaftesten  Handels- 
beziehungen stand.  3)  Zwei  Personen,  die  jedenfalls  nicht  Zunftgenossen 
waren,  wurden  damals  in  feierlicher  Weise  auf  die  Beobachtung  des  von 
der  Zunft  erlassenen  Verbots  der  Zetteleinfuhr  vor  den  Zunftvorstehern  ver- 
eidet. Gibt  uns  dieser  Vorgang  schon  einen  nicht  geringen  Begriff  von  der 
weit  vorgeschrittenen  Bewegungsfreiheit  der  Wollenzunft,  so  ist  es  bezeich- 
nend für  ihr  politisches  Ansehen,  wenn  2  Jahre  darauf  es  gerade  einer  ihrer 
Rektoren,  Belcarus  Orlanduccii  ist,  der  als  bevollmächtigter  Gesandter  von 
Florenz  nach  Pisa  geht,  um  mit  diesem  eine  der  bekannten  Konventionen, 
daß  nur  der  Schuldner  zu  belangen  sei,  abzuschließen;  sicher  bezog  die 
Zunft  den  wertvolleren  Teil  ihrer  Rohstoffe  aus  und  über  PiW,  dessen  Schiffe 
die  Wolle  aus  den  überseeischen  Ländern  importierten.  4) 

All  das  weist  uns  zugleich  darauf  hin,  daß  die  kaufmännischen  Elemente, 
die  Unternehmer  und  Verleger,  in  der  Zunft  durchaus  die  Führung  hatten ; 
jeder  Zweifel  in  dieser  Beziehung  muß  angesichts  der  Tatsache  schwinden, 
daß  der  Vertrag  von  1218  von  dem  consul  mercatorum  artis  lanae  redet. 
Die  Zunft  war  also  über  die  ursprünglichen  Formen  des  Gewerbebetriebes 
damals  schon  längst  hinaus 0);  in  beträchthchem  Umfange  arbeitete  sie  schon 
damals  für  den  Export.  Es  war  für  die  Bewohner  von  Faenza  am  Anfange 
des  13.  Jahrhunderts  etwas  Gewöhnliches,  ihren  Bedarf  an  Kleiderstoffen  in 
Florenz  zu  decken  ß),  und  florentinischen  Tuchen  sind  wir  um  1220  auf  dem 
Rialto  und  sonst  im  Gebiet  des  venezianischen  Handels  an  der  Adria  be- 
gegnet.'^)  Um  diese  Zeit  etwa,  in  den  zwanziger  Jahren,  sehen  wir  auch 
schon  Florentiner  Kauf leute  an  der  Warenausfuhr  aus  England  beteihgt,  die 

»)  Pagnini  II,  109.  Lastig  G.,  Florent.  Handelsregister  des  Mittelalters  (Halle 
1883)  p.  8  ff.  Santini,  641  ff.  App.  III.  Die  Matrikel  von  1225  nennt  einen  »rital- 
liator<  (also  Detaillisten  in  Tuchen):  Cambius  fil.  Richardini. 

*)  Santini  p.  376.     Doren,  Zünfte  p.  9.     Santini,  studi  XXXH,  25. 

")  Über  interessante  Briefe  der  Korrespondenz  Cerchi :  Zeitschr.  der  Savigny- 
Stiftung  f.  Rechtsgesch.  XIV  (Germ.  Abt.),  128  ff. 

*)  Oben  §  616  u.  516.     Santini,  studi  XXXIl,  26. 

»)  Doren,  Zünfte  p.  14  f.,  59  ff.,  vgl.  VVoUentuchindustrie  p.  27  f. 

*)  Santini  p.  145. 

')  Oben  §  561,  607. 


780  Fünfzigstes  Kapitel. 

in  nichts  anderem  als  Wolle  oder  Tuchen  bestanden  haben  kanni);  offen- 
bar ließ  sich  die  florentiner  Textilindustrie  schon  damals  in  beträchtlichem 
Umfange  die  Herstellung  wertvollerer  Stofie  angelegen  sein.  Auf  die  tech- 
nische Entwickelung  dieser  Industrie  wirft  es  ein  Licht,  daß  sich  unter  den 
49  Personen,  die  Bologna  in  den  Jahren  1230  und  1231  zur  Belebung  seiner 
Tuchfabrikation  anwarb,  12  Florentiner  befanden,  wenn  auch  die  große 
Mehrzahl  derselben  ebenso  wie  das  Tuchmuster,  das  Bologna  bei  sich  ein- 
führen wollte,  aus  Verona  stammte.  2)  Als  ein  praktisches  Beispiel  für  die 
kapitahstische  Betriebsform  dieser  Industrie  in  Florenz  sei  ein  wenn  auch 
etwas  jüngerer  Gesellschaftsvertrag  angeführt,  der  am  7.  November  1244  vor 
dem  Judex  und  Notar  der  Wollenzunft,  Boninsegna  Consilii  (es  ist  also  der- 
selbe wie  im  Jahre  1220),  von  Manovello  Tedici  und  Buondelmonte  Botti, 
dem  Sohne  des  weiland  Alberto  Russi,  geschlossen  worden  ist.  3)  Das  Ge- 
sellschaftskapital dieser  »societas  de  arte  faciendi  pannos  florentinos  de 
lana«  belief  sich  auf  500  1.  pis.,  wovon  Manuvello  300,  Buondelmonte  200  1. 
eingebracht  hatte ;  nach  Ablauf  des  von  Mitte  November  laufenden  Geschäfts- 
jahres sollten  die  Einlagen  zurückfallen  und  Gewinn  und  Verlust  der  Gesell- 
schaft zu  gleichen  Teilen  geteilt  werden;  außerdem  hatte  Manuvello  noch 
330  1.  pis.  im  Geschäft  stecken ,  die  nach  Ablauf  des  Geschäftsjahres  in 
erster  Linie,  aber  ohne  Gewinnbeteiligung  zurückzuerstatten  waren.  Offenbar 
handelt  es  sich  um  eine  schon  bestehende  Tuchfabrik,  in  die  Buondelmonte 
als  Gesellschafter  eingetreten  war;  war  die  Societas  formell  auch  nur  auf 
ein  Jahr  geschlossen,  so  war  doch  ihr  längerer  Bestand  von  vornherein  be- 
absichtigt; zufällig  können  wir  ihr  Fortbestehen  in  diesem  Falle  aus  einer 
vor  demselben  Judex  abgegebenen  Erklärung  Buondelmontes  vom  19.  Ja- 
nuar 1247  nachweisen.  4) 

628.  Die  gedeihliche  Entwickelung  der  heimischen  Tuchfabrikation  ist 
auch  auf  die  Fortentwickelung  des  Geschäftsbetriebes  der  Tucher  von  der 
Callemala  von  günstigstem  Einfluß  gewesen.  Ursprünglich  waren  sie  reine 
Tuchhändler,  die  besonders  die  Einfuhr  auswärtiger  Tuche  pflegten;  der 
Name  der  der  Callemala  direkt  benachbarten  Gasse  de  Garbo^)  beweist,  daß 
in  älterer  Zeit  bei  diesem  Import  die  feinen  arabischen  Stoffe,  die  in  El- 
Mehdia  und  anderen  Orten  Nord- Afrikas  hergestellt  wurden  ^),  eine  besonders 

i)  Oben  §  319  f. 

»)  Stat.  Soc.  Bol.  II,  490  no.  5.  Gaudenzi  p.  23  ff.  Davidsohn  Forsch.  HI, 
205  no.  988.  Daß  die  Humiliaten  auf  den  Entwickelungsgang  der  flor.  Textilindustrie 
keinen  Einfluß  geübt  haben,  geht  aus  folgenden  Daten  hervor :  Erst  1239  wird  ihre 
Niederlassung  in  der  Kirche  San  Donato  vor  der  Porta  al  Prato  begründet;  da  sie 
wegen  der  Entfernung  von  der  Stadt  nicht  recht  gedeihen  will,  weist  ihnen  der 
Bischof  erst  im  Jahre  1250  die  Kirche  S.  Lucia  ad  S.  Eusebium  an;  doch  auch 
später  ist  die  Entwickelung  dieser  Niederlassung  keineswegs  eine  glänzende  ge- 
wesen. Tiraboschi  I,  156  f.  Doren,  Wollentuchindustrie  p.  30  A.  2,  32  und  Exkurs 
38  ff.,  dessen  tatsächliche  Angaben  seine  Ausführungen  p.  33,  35  nicht  stützen. 
Das  Verdienst  des  bedeutenden  Werkes  liegt  nicht  auf  dem  Gebiete  der  Aufhel- 
lung der  älteren  Entwickelung.  S.  auch  Lenel,  Histor.  Zeitschrift  91  (1903),  49. 
v.  Below  in  Conrads  Jahrb.  79  (1902)  p.  706. 

»)  Santini  p.  481. 

*)  Ebd.  495  f. 

*)  Zuerst  genannt  im  florent.  Bankbuch  von  1211 ;  natürlich  ist  der  Name 
weit  älter.  Heute  bildet  sie  einen  Teil  der  via  Oondotta.  Doren,  Wollentuchindustrie 
p.  4,  22.     Davidsohn  I,  793. 

•)  Hierin  liegt  m.  E.  die  Lösung  der  Differenz  zwischen  Schulte :  Garbo  und 
Florenz  in :  Z.  f.  d.  ges.  Staatswiss.  58  (1902),  39  ff.  und  Davidsohn :  Garbowolle  und 


Konsulat  der  Kaufleute  im  Staate  des  Oomune.  781 

wichtige  Rolle  spielten;  in  dieser  Zeit,  im  elften,  zwölften  Jahrhundert,  hat 
daram  auch  die  Sprache  das  arabische  Wort  zur  Bezeichnung  des  Feinen, 
Anmutigen  übernommen.  Seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  etwa  trat  in 
ständig  wachsendem  Umfange,  zumal  die  arabische  Textilindustrie  in  raschem 
Sinken  begriffen  war,  der  Import  transalpiner  Stoffe  an  die  Stelle.  Nicht 
überall  mochten  sie  dem  Geschmack  und  dem  Bedürfnis  der  Italiener  zu- 
sagen; so  war  es  ein  wichtiger  Fortschritt,  daß  die  Tucher  der  Callemala 
dazu  übergingen,  vielfach  nur  Halbfabrikate  einzuführen  und  diese  einem 
Veredelungsverfahren  in  Florenz  unterwerfen  zu  lassen.  Daran  konnte 
natürüch  erst  zu  einer  Zeit  gedacht  werden,  als  die  heimische  Textilindustrie 
schon  einen  verhältnismäßig  hohen  Grad  der  Vervollkommnung  erreicht 
hatte.  1)  Genau  die  Zeit  zu  bestimmen,  in  der  diese  Entwickelung  begann, 
ist  nicht  mögüch.  Sicher  aber  kann  man  behaupten,  daß  die  Vorbedin- 
gungen hierfür  in  den  ersten  beiden  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts  schon 
vorhanden  waren,  und  ich  neige  zu  der  Annahme,  daß  der  Übergang  zu  der 
neuen  Entwickelung  tatsächlich  auch  in  dieser  Zeit  erfolgt  ist,  wo  wir  die 
Einfuhr  von  Tuchen  von  jenseits  der  Alpen  in  starker  Zunahme  begriffen 
sehen.  Einen  gewissen  Zusammenhang  mit  dieser  Entwickelung  hat  auch 
eine  alte,  in  den  Statuten  der  Callemala,  die  uns  im  übrigen  erst  aus  dem 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts  vorliegen,  stehen  gebliebene  Bestimmung ,  die 
am  1.  Januar  1237  in  Kraft  treten  sollte.  2)  Danach  sollte,  wer  in  Florenz 
oder  Gebiet  einem  Mitgliede  der  Callemala  Tuche,  auswärtige  Geldsorten 
oder  sonst  zum  Handelsbetrieb  gehörige  Dinge  auf  Kredit  verkaufte,  sich 
an  die  Handelsgesellschaft  oder  einen  der  Sozii  des  Käufers  nur  dann  halten 
können,  wenn  der  Kauf  in  dem  Handlmigsbuch  der  Gesellschaft  eingetragen 
war.  Man  wird  annehmen  dürfen,  daß  solcher  Ankauf  von  Tuchen  in 
Florenz  nicht  einfach  zum  Zwecke  des  Weiterverkaufs,  sondern  um  diese 
Tuche  einem  Veredelungsverfahren  zu  unterziehen,  erfolgt  ist.  3)  Im  übrigen 
beweist  die  Stelle  die  hohe  Bedeutung,  die  der  gesellschaftliche  Geschäfts- 
betrieb und  damit  der  Kapitahsmus  in  dieser  Zeit  in  der  Kaufmannschaft 
der  CaUemala  schon  erlangt  hatte ;  schon  sehen  wir  in  ihr  auch  die  Familie 
Bardi  eine  Rolle  spielen,  die  später  zur  ersten  Finanzmacht  Europas  empor- 
gestiegen ist.  4) 

629.  Doch  wir  müssen  uns  noch  einmal  zu  der  äußeren  Geschichte 
dieser  kaufmännischen  Korporationen,  wie  sie  sich  in  den  damaligen 
staatlichen  Aktionen  von  Florenz  wiederspiegelt,   zurückwenden.     Im 

Gai;botucli  in:  Hist.  Viertel] ahrsschr.  VII  (1904),  385  ff.  Auf  der  einen  Seite  ist 
entscheidend,  was  man  in  älterer  Zeit  und  zwar  in  Pisa  unter  Garbo  verstand 
(darüber  ob.  §226),  auf  der  anderen  Seite,  was  die  arabischen  Schriftsteller  der 
älteren  Zeit  über  die  Blüte  der  nordafr.  Textilindustrie  berichten ;  schon  die  eine 
Stelle  Edrlsls  über  die  Gewebe  El-Mehdias  von  unnachahmlicher  Feinheit  und  den 
beträchtlichen  Export  derselben  (Afr.  et  Esp.  p.  127)  würde  zum  Beweise  genügen. 
Im  übrigen  s.  noch  oben  §  15,  21,  222,  229. 

»)  V.  Below  in  den  Jahrb.  f.  Nat.-Ök.  79  (1902),  707. 

')  Constit.  artis  et  universitatis  mercatorum  Kallismale  de  Flor.,  1.  11  rub.  19 
bei  G.  Filippi:  L'arte  dei  mercanti  di  Oalim.  in  Firenze  (Turin  1889). 

»)  Die  2  »peciae  panni  Florentinorum  bruneetaec,  die  1245  von  Florentinern 
in  Macerata  verkauft  werden  (Davidsohn  Forsch.  III  no.  29),  waren  wohl  solche  Er- 
zeugnisse der  Veredelungsindustrie. 

*)  Gualterotto  Bardi,  Bevollmächtigter  für  den  Vertrag  mit  Bologna  1220, 
oben  §  626;  derselbe  in  einer  Urk.  von  1243,  Santini  p.  297.  Ricco  Bardi  ist  1234 
Konsul  der  Callemala;  Davidsohn  Forsch,  in  no.  1169  p.  230. 


782  Fünfzigstes  Kapitel. 

Jahre  1224  sehen  wir  zum  erstenmal  die  Konsuhi  der  Wechsler  und 
die  Prioren  des  Zünftebundes  die  Sitze,  die  sie  früher  im  Stadtrat 
gehabt,  wieder  einnehmen;  beim  Abschluß  des  Handelsvertrages  mit 
Volterra,  Anfang  Juli  dieses  Jahres,  wirken  mit  außer  den  Konsuln 
der  Ritter  die  der  Kaufleute  und  der  Wechsler,  die  von  Por  S.  Maria 
und  von  der  W^ollenzunft  sowie  die  Prioren  der  Zünfte^),  und  das 
Gleiche  ist  5  Jahre  später  bei  dem  Vertrage  mit  Orvieto  der  Fall,  wo 
nun  auch  die  Konsuln  der  Judices  und  Notare,  denen  man  ihren 
Platz  gleich  hinter  den  Konsuln  der  Ritter  anwies,  hinzugetreten  sind.'-^) 
Damit  ist  ein  gewisser  Abschluß  in  dieser  Entwickelung  insofern  er- 
reicht, als  nur  die  bis  dahin  hervorgetretenen  Korporationen  für  ge- 
raume Zeit  eine  Rolle  im  politischen  Leben  von  Florenz  spielen. 
Bei  den  staatlichen  Aktionen  von  Florenz  sehen  wir  nur  ihre  Ver- 
treter zusammenwirken,  indem  je  nach  Umständen  bald  diese,  bald 
jene  Korporation  mehr  hervortritt. 

Die  Zahl  der  Konsuln  hat  sich  bei  der  Callemala,  den  Wechslern  und 
der  Kaufmannschaft  vom  Marientor  in  dieser  Zeit  auf  4  fixiert  3) ;  die  Wollen- 
zunft, die  1220  4  Konsuln  hatte,  begegnet  uns  im  Jahre  1234  wieder  mit  7, 
während  gleichzeitig  6  priores  artium  mit  Namen  nachweisbar  sind,  die  von 
Volterra  und  San  Gimignano  zu  Schiedsrichtern  ihrer  Streitigkeiten  berufen 
waren  ^),  ein  Beweis  zugleich,  daß  diese  kleineren  Orte  in  diesen  Prioren 
der  gewerblichen  Zünfte  die  Vertreter  der  ihnen  zunächst  stehenden  Elemente 
des  mächtigen  Florenz  erblickten. 

630.  Gerade  damals  begegnet  in  Florenz  auf  dem  Gebiete  des 
kaufmännischen  Korporationswesens  noch  einmal  eine  Neuerung,  die 
freilich  nur  von  kurzer  Dauer  war. 

Bei  dem  consilium  generale  vom  26.  März  1234,  das  einen  Minoriten 
zum  Bevollmächtigten  für  den  Frieden  mit  Siena  ernannte,  lernen  wir  außer 
262  sonstigen  Ratsmitgliedern  unter  den  Vertretern  der  Korporationen  auch 
2  capitanei  mercatorum  communium  kennen,  die  auch  im  folgenden  Jahre, 
zuletzt  am  4.  Juli  1235  als  consules  mercatorum  communium  noch  nachweis- 
bar sind  und  seitdem  wieder  verschwinden,  ö)  Es  unterliegt  wohl  keinem 
Zweifel,  daß  unter  diesen  »gewöhnlichen  Kaufleuten«  die  Detaillisten,  die 
Krämer  zu  verstehen  sind  6),  die  das  Beispiel  der  pizzicarii  von  Siena  ver- 
anlaßt haben  mag,  die  Gleichstellung  mit  den  übrigen  kaufmännischen  Kor- 

')  Santini  p.  386.  Bei  dem  Consilium  communis  vom  20.  März  (ebd.)  zum 
Zwecke  der  Festsetzung  von  Auflagen  werden  die  Konsuln  vom  Marientor,  wohl 
nur  durch  einen  Zufall,  nicht  mitgenannt. 

*)  Ebd.  215. 

')  Für  die  Callemala  zuerst  16.  Mai  1228  nachweisbar,  Santini  p.  392 ;  s.  ferner 
ebd.  434,  458,  468.  Derselbe,  studi  XXXI  p.  349  und  über  seit  1235  erhaltene  Listen 
p.  351.  Alle  diese  Zünfte  hatten  schon  damals  ihre  Statuten ;  doch  sind  sie  alle 
erst  aus  erheblich  späterer  Zeit  erhalten.  Im  Statut  der  Wechsler  von  1299  (zuletzt 
bei  La  Sorsa  1.  c.  95  ff.)  ist  eine  übrigens  belanglose  Bestimmung,  die  im  Februar 
1235  in  Kraft  treten  sollte,  stehen  geblieben ;  rub.  57  p.  125. 

*)  Davidsohn  Forsch.  III  p.  230.     Santini  p.  412. 

6)  Davidsohn  Forsch,  m,  230  f.  no.  1169,  1171.  Santini  218  u.  419  und  seinj 
studi  XXXn,  42. 

*)  Also  identisch  mit  der  Zunft  der  medici,  speciali  e  merciai  von  1266 ;  ö? 
Doren,  Zünfte  j).  7  und  52. 


Konsulat  der  K«,ufleute  im  Staate  des  Comune.  783 

porationen  zu  erstreben.  Weniger  sicher  erscheint,  ob  sie  sich  aus  dem 
unter  der  Leitung  der  Konsuln  der  Callemala  stehenden  Verbände  der  Kauf- 
mannschaft oder  dem  Zünfteverbande  losgelöst  haben;  wenn  das  erstere  der 
Fall  ist,  so  endete  die  Bewegung  wohl  damit,  daß  sie  zum  Zünfte  verband 
übertraten,  innerhalb  dessen  ihnen  eine  freiere  Bewegung  und  einflußreichere 
Stellung  möglich  war  als  neben  den  Kaufleuten  der  Callemala. 

Jedenfalls  gestattet  dieses  einzelne  Vorkommnis  keinen  Rückschluß  auf 
einen  allgemeinen  Rückgang  der  popolaren  Bewegung,  die  zunächst  noch 
durchaus  in  den  Kreisen  des  Popolo  grasso  ihre  Hauptstütze  und  ihre 
Hauptführer  fand.  ^) 

Dabei  ist  es  charakteristisch  für  Florenz,  daß  bei  den  inneren 
Kämpfen  die  Berufsverbände  in  weit  höherem  Grade  als  die  auch  hier 
nicht  fehlenden  lokalen  Organisationen  militärischer  Art  im  Vorder- 
grunde stehen,  so  daß  sich  das  politische  Interesse  auf  das  engste  mit 
dem  wirtschaftlichen  verknüpfte.  Von  neuen  Elementen  umdrängt  und 
innerlich  zersetzt,  hielt  sich  der  Staat  des  Comune  in  Florenz  nur 
mühsam  noch  aufrecht.  Ende  1244  begegnen  zuerst  zwei  besondere 
»Hauptleute  des  Volkes«^);  es  ist  bezeichnend,  daß  wir  nach  dem 
Vertrage  mit  Siena  von  1245  die  Funktionen,  zu  deren  Ausübung 
Siena  je  einen  Konsul  seiner  beiden  Kaufmannschaften  bestellt,  für 
Florenz  durch  die  beiden  Capitanei  Populi  ausgeübt  sehen  ^),  die  da- 
mit also  als  die  Vertreter  der  Interessen  der  Handel  und  Gewerbe 
treibenden  Bevölkerung  von  Florenz  erscheinen.  Sie  sind  die  Vor- 
läufer des  Volkshauptmanns;  die  zugleich  mit  der  Einsetzung  beson- 
derer Anzianen  des  Volkes  erfolgende  Einrichtung  seines  Amtes  hat 
den  Staat  des  Popolo  in  Florenz  im  Jahre  1250^)  endgültig  begründet; 
die  politische  Macht  des  Handelsstandes  hat  ihren  Höhepunkt  erreicht. 


*)  Genaueres  über  die  Kämpfe  dieser  Zeit  bei  Santini,   studi  XXXII,  58  ff., 
324  ff. 

«)  Hartwig  H,  203.     Santini,  studi  XXXII,  328  ff. 

»)  Arias  1,  380.     Oben  §  623. 

*)  Hartwig  II,  204.     Doren,  Zünfte  15  f.     Santini  1.  c.  349. 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher 
und  Abhandlungen. 

(Nicht  aufgenommen  sind  die  nur  innerhalb  desselben  Kapitels  mehrfach 
zitierten  Schriften,  wenn  der  übliche  Hinweis  auf  das  erste  Zitat  mit  1.  c.  zu  ge- 
nügen schien ;  ferner  die  großen  Sammel-  und  Eegestenwerke,  für  die  sich  fest- 
stehende Abkürzungen  eingebürgert  haben,  wie  SS.  für  die  Scriptores  der  Mon. 
Germ.,  J.-L.  für  Jaffe-Löwenfeld  u.  dgl.  Da  das  Manuskript  Anfang  1905  abgeschlossen 
und  der  Verlagshandlung  Anfang  Mai  druckfertig  übersandt  wurde,  konnte  die  Lite- 
ratur des  Jahres  1904  nur  zum  Teil  noch  berücksichtigt  werden). 


Affö  J.     Storia  della  cittä  di  Parma.     4  Bde.     Parma  1792—1795. 
-Aime :    Istoire   de  li  Normant   ed.  O.  Delarc.     Eouen  1892   (Soc.   de  l'hist.   de  Nor- 

mandie  vol.  27). 
Amalric  =  Les  notules   commerciales  d'Am.   bei  Blancard  L.     Doc.   inödits   sur   le 

commerce  de  Marseille  I,  259  ff.  (no.  1—371) ;  II,  5  S.  (no.  372—1031). 
i.mari  M.     I  diplomi  arabi  del  R.  Archivio  florentino.    Florenz  1863,  App.  1867  (Do- 

cumenti  degli  archivi  toscani  I). 
Amari  M.     Storia  dei  Musulmani  di  Sicilia.     3  Bde.     Florenz  1854—1872. 
Ambroise :  L'Estoire  de  la  guerre  sainte,  ed.  Gaston  Paris.    Paris  1897  (Uoll.  de  doc. 

inedits). 
Anibert:   Mämoires   hist.   et  critiques   sur  l'ancienne  R^publique  d'Arles.     3  Teile. 

Iverdon  1779  ff. 
Annali  genoyesi   ed.  Belgrano  e  C.  Imperiale   (bis  jetzt  2  Bde.,  bis  1224  reichend). 

Genua  1890,  Rom  1901  (Istituto  stör,  it.,  Scrittori  XI  u.  XH). 
Archives  de  l'Orient  latin.     2  Bde.     Paris  1881  u.  1884. 
ArchiTio  storico  italiano.     Florenz. 

>  Lombardo.     Mailand. 

>  per  le  province  Napoletane.     Neapel, 
della  Soc.  R  o  m  a  n  a  di  storia  patria.     Rom. 
storico  S  i  c  i  1  i  a  n  o.     Palermo. 
Veneto.     Venedig,  1871  ff. 

Arco  C.  d'.     Storia  di  Mantova.     7  Bde.     Mantua  1871  ff. 

Arias  G.     I  trattati  commerciali  della  rep.  Fiorentina.     Bd.  1.     Florenz  1901. 

Asher  s.  Benjamin. 

Atti  della  Societa  Ligure  di  storia  patria.     Genua. 

Atti  della  R.  Accad.  Lucchese  di  scienze  etc.     Lucca. 

Atti  e  Memorie  delle  R.  Deputaz.  di  storia  patria  per  le  prov.  Modenesi   e  Par- 

monsi.     Modena. 
Atti  e  Mem.  dell'Acad.  di  scienze  etc.  di  Palermo. 
Atti  0  Mem.  della  R.  Deputaz  .  .  .   della  Ro magna.     Bologna. 
Atti  e  Mem,  dell'Acad.  di  scienze  etc.  di  Torin o. 

Scbaube,  Handelsgescbichte  der  roman.  Völker  im  Mittelalter.  50 


786  Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen. 

Atti  delle  adunanze  del  K.  Istituto  Veneto  di  scienze,  lettere  ed  arti. 

Auvray  L.     Los  Registres  de  Gregoire  IX.     Paris  1896  f. 

Baer  A.  Die  Beziehungen  Venedigs  zum  Kaiserreiche  in  der  staufischen  Zeit.  Inns- 
bruck 1888. 

Baracchi :  Le  carte  del  mille  e  millecento  che  si  conservano  nell'  archivio  notarile 
di  Venezia ;  im  Archivio  veneto,  vol.  VI — XXII. 

Belgrano  L.  T.  Documenti  inediti  riguardanti  le  due  crociate  di  San  Lodovico. 
Genova  1859. 

Benjamin  Tud.  ==  The  Itinerary  of  Rabbi  Benjamin  of  Tudela.  Translated  and 
edited  by  A.  Asher.  2  Bde.  London  und  Berlin  1840/41.  (Neuausgaben:  Marcus 
N.  Adler  in :  The  Jewish  Quarterly  Review  16  (1904),  453,  715  usw.  L.  Grünhut 
und  M.  Adler:  Die  Reisebeschreibungen  des  R.  Benj.  v.  Tud.  2  Teile.  Frankf. 
a.  M.  1903/04.  Über  erhebliche  Mängel  dieser  Ausgabe :  Clermont-Ganneau  im 
Journal  des  Savants  1905  p.  500  ff.     Ich  zitiere  nach  Asher). 

Benussi  B.     Nel  medio  evo-  pagine  di  storia  istriana.     Parenzo  1897. 

Berger  Iillie :  Les  registres  d'Innocent  IV.     Paris  1884  ff. 
>  »       SaintLouiset  Innocent  IV.     Paris  1893. 

Berlan  F.     Liber  consuetudinum  Mediolani  anni  1216.     Mailand  1868. 

Bernhard!  W.     Lothar  von  Supplinburg.     Leipzig  1879. 

»  »      Konrad  III.     Leipzig  1883  (2  Bde.,  durchpaginiert). 

Bertolotto  =  Nuova  serie  di  documenti  sulle  relazioni  di  Genova  coll'impero  Bizan 
tino,  racc.  dal  Cav.  A.  Sanguineti  e  pubbl.  con  molte  aggiunte  dal  Prof.  G.  Ber- 
tolotto in  Atti  Lig.  XXVIH  fasc.  2,  p.  343  f.     Genova  1897. 

Besta  e  Predelli :  gli  statuti  civili  di  Venezia  anteriori  al  1242  in :  Nuovo  Arch. 
ven.,  nuova  serie,  t.  I  (1901). 

Bianchi  P.  Jos.  Documenta  historiae  Forojuliensis,  im  Archiv  f.  Kunde  österr. 
Geschichtsquellen,  XXI  (Wien  1859)  p.  i87  ft". 

Bibliothfeque  de  l'iJcole  des  Ohartes.     Paris. 

Bini  T.  Su  i  Lucchesi  a  Venezia.  Memorie  dei  secoli  XIII  e  XIV.  2  Bde.  Lucca 
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2  Bde.     Marseille  1884  und  1885  (1889). 

Blanemesnil,  comte  de,  Delley  de:  Notice  sur  quelques  anciens  titres  suivie  de 
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Blanehet  A.     Essai  sur  l'histoire  du  papier  et  de  sa  fabrication.   Bd.  I.   Paris  1900. 

Bofarull  y  Broca  A.  de :  Historia  critica  de  Cataluna.  Barcelona  1876 — 1878  Bd.  I 
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Boletin  de  la  R.  Academia  de  la  Historia.     Madrid. 

Bonaini  F.     Statuti  inediti  della  cittä  di  Pisa.     3  Bde.     Florenz  1859—1870. 

»       Suppl.  =  Bonaini:  Diplomi  pisani  e  regesto  in  Arch.  it.  (serie  I);  vol.  VI 
parte  2 ;  Supplemente.     Florenz  1848/89. 

Bond  E.  A.  Extracts  from  the  Liberate  Rolls,  relative  to  Loans  supplied  by  Ita- 
lian  Merchants  to  the  Kings  of  England.  In:  Archaeologia,  or  Miscellaneous 
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Bondurand  E.     La  leude  et  les  pöages  de  Saint-Gilles  au  Xlle  siecle;   in  Möm.  de 
'  l'Acad.  de  Nimes,  VHe  ser.  t.  XXIV.  (Nimes  1901),  p.  267  ff. 

Boselli  G.  V.     Delle  storie  piacentine  libri  XII.     3  Bde.     Piacenza  1793—1805. 

Bourquelot  F.  Etudes  sur  les  foires  de  Champagne  etc.  2  Bde.  Paris  1865  in : 
Mömoires  präsentes  par  divers  savants  ä  l'acad.  des  inscr.  et  helles  -  lettres. 
Serie  2  (Antiquit^s  de  France),  tome  V. 

Bresslau  H.  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter  Konrad  11.  2  Bde.  Leipzig 
1879  u.  1884. 

Brogrlio  d'Ajano  R.  Graf:  Die  venezianische  Seidenindustrie  und  ihre  Organisation 
bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters.  Stuttgart  1893  (Münchener  volkswirtschaft- 
liche Studien  2). 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandhingen.  787 

Bruno  A.     Antico  commercio  e   navigazione  dei    Savonesi   nel  Mediterraneo  e  nel 

Levante,   in:    BuUettino   deha   Societa   Storica   Savonese,   anno  I,    Savona   1898 

p.  110  ff. 
Bull.  stör.  ==  Buhettino  dell'  istituto  storico  itaUano.     Rom. 
Bull.    sen.   =  BuUettino  senese  di  storia  patria.     Siena  1894  ff. 

>      pavese  =  BuUettino  della  Societa  pavese  di  storia  patria.     Pavia  1901  ff. 
Calendar  of  Chai'ter  Rolls,  preserved  in  the  Publ.  Record  Office,  vol.  I:  Henry  ni 

(1226—1257).     London  1903. 
Calisse  C.     Storia  di  Civitavecchia.     Firenze  1898. 
Camera  M.     Memorie   storico  -  diplomatiche   dell'anticha   citta    e   ducato   di   Amalfi. 

2  Bde.     Salerno  1876  u.  1881. 
Campi  P.  M.     Dell'historia  ecciesiastica  di  Piacenza.     Piacenza  1651. 
da  Canal  Martino :  La  Cronique  des  Veniciens  ed.  A.  Zon  im  Arch.  it.,  ser.  1,  t.  VIII 

(1845). 
Canale  M.  G.     Nuova  istoria  della  repubblica  di  Genova,  del  suo  commercio  e  della 

sua  letteratura.     4  Bde.     Florenz  1858 — 1864. 
Capasso  B.     Monumenta  ad   Neapolitani  Ducatus   historiam   pertinentia.     Neapel  I 

(1881),  IIi  (1885),  II,  (1892). 
Capmany  A.  de:  Memorias  historicas  sobre   la   marina,    comercio   y  artes  de  la  an- 

tigua  ciudad  de  Barcelona.     4  Bde.     Madrid  1779—1792. 
Carabellese  F.     Le   relazioni  commerciali   fra  la  Puglia  e  la  repubblica  di  Venezia 

dal  secolo  X  al  XV.     Ricerche  e  documenti.     Trani  1897. 
Carli-Rubbi  G.     Delle  monete  e  dell'instituzione  delle  zecche  d'Italia.   Bd.  I,  Haag 

1754;  II,  Pisa  1757;  IH  und  App.  Lucca  1760. 
Caro  G.     Genua   und   die  Mächte   am  Mittelmeer  1257—1311.     2  Bde.     Halle  1895 

und  1899. 
Caspar  E.     Roger  H.   und  die   Gründung   der   normannisch  -  sizilischen   Monarchie. 

Innsbruck  1904. 
Cecclietti  B.     Programma  della  R.  Scuola  di  Paleografia.     Venezia  1861/62,  Fol. 
Clialandon  F.     Essai  sur  le  regne  d'Alexis  ler  Comnene.     Paris  1900. 
Chart.  =  Chartarum  tom.  I  u.  II  (Monum.  Historiae  Patriae).  Turin  1836  und  1853. 
Chone  H.     Die  Handelsbeziehungen  Kaiser  Friedrichs  IL  zu  den  Seestädten  Vene- 
dig,  Pisa,   Genua.     Berlin  1902  (hist.  Studien,   veröff.  von  E.  Ehering,  Heft  32). 
'11    Chronicon   Farfense   di  Gregorio   di    Catino   ed  U.  Balzani.     Rom  1903.     2  Bde. 

(Fonti  per  la  storia  d'Italia,  fasc.  33/34). 
Cipolla  C.     Documenti   per  la  storia   delle   relazioni  diplomatiche  fra  Verona  e 

Mantova  nel  secolo  XHI.  (Bibliotheca  historica  italica ;  series  altera,  vol.  I).  Mai- 
land 1901. 
Cipolla  C.     Note   di   storia  Veronese.     No.  8 :    Trattati   commerciali   e  politiche  del 

secolo  XII,  inediti  o  imperfettamente  noti.     Im  N.  Arch.  ven.  XV  (1898),  288  f. 
Close  Rolls  of  the  Reign  of  Henry  IIL     A.  D.  1227—1231.     London  1902. 
Codagnellus  Joh.     Annales  Piacentini;    ed.  0.  Holder-Egger.     Hannover  und  Leip- 
zig 1901. 
Codera  F.     Decadencia   y  desapariciön   de   los  Almoravides   en  Espaua.     Zaragoza 

1899  (Colecciön  de  Estudios  Ärabes  III). 
Cod.  Ast.  =  Codex   Astensis   qui  de   Malabayla   communiter  nuncupatur   ed.   Qu. 

Sella.     4  Bde.  in :  Atti  Lincei,  anno  273  (1875/76) ;  serie  2,  vol.  4—7.     Rom  1880 

bis  1887. 
Cod.  Barese  =  Codice   diplomatico   Barese.     I   und  H   ed.    G.  Nitto  de  Rossi  e  F. 

Nitti  di  Vito.     Trani  1S97  und  Bari  1899 ;  III  ed.  F.  Carabellese.     Bari  1899 ;   IV 

und  V  ed.  F.  Nitti,  Trani  1900  und  Bari  1902. 
Cod.  Caiet.  =  Codex  diplomaticus   Caietanus.     2  Bde.     Monte   Cassino   1887   und 

1891  (a.  u.  d.  T. :  Tabularium  Casinense). 
Cod.  CaT.  =  Codex  dipl.  Cavensis.     8  Bde.     Neapel  1873.     Mailand  1875—1893. 
Cod.  Cremonae  =  Codex  diplomaticus  Cremonae  ed.  L,  Astegiano.    2  Bde.     Cre- 

mona  189G  u.  1899. 
Cod.  dipl.  Langobard.  =  Mon.  Hist.  Patr.  XIII.     Turin  1873. 

50* 


788  Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen. 

Cod.  Land.  =  Codice  diplomatico  Laudense  ed.  C.  Vignati.  3  Bde.  Mailand  1879 
bis  1885.     Band  11  und  lU  durchpaginiert.     (Bibliotheca  hist.  italica,  Bd.  2 — 4). 

Cod.  Sard.  =  Codex  diplomaticus  Sardiniae ;  ed.  Pasquale  Tola.  Bd.  I,  Turin  1861 
(Hist.  Patriae  Monumenta  X). 

Cod.  Wang-.  =  Codex  Wangianus.  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Trient,  her.  v. 
R.   Kink.     Wien  1852  (Fontes  Rer.  Austriac,  Abt.  2,  Bd.  V). 

Coleccion  de  documentos  ineditos  del  archivo  general  de  la  Corona  de  Aragon,  ed. 
P.  de  Bofarull.   40  Bde.     Barcelona  1847—1876. 

Conrad:  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  u.  Statistik,  gegr.  v.  B.  Hildebrand. 

Const.  et  acta  =  Constitutiones  et  acta  publica  imperatorum  et  regum,  ed.  L.  Wei- 
land (M.  G.  Legum  Sectio  IV).     2  Bde.     Hannover  1893—1896. 

Cortes  de  los  antiguos  reinos  de  Aragon  y  de  Valencia  y  principado  de  Cataluöa, 
publ.  per  la  R.  Acad.  de  la  Historia.  T.  I,  primera  parte  1064 — 1327 :  Cortes  de 
Cataluöa  I,  Madrid  1896. 

Dal  Borgo  Flam.     Raccolta  di  scelti  diplomi  Pisani.     Pisa  1765. 
Damianus  P.     Opera  omnia  ed.  C.  Cajetani.     4  Bde.     Bassano  1783. 
-—DaTidsohn  R.     Geschichte  von  Florenz.     Bd.  I,  Berlin  1896. 

2.  >      Forschungen  zur  Geschichte  von  Florenz.    3  Bde.      Berlin  1896 

bis  1901. 
Delaville  le  Roulx  J.     Cartulaire  general  de  l'ordre  des  Hospitaliers  de  S.  Jean  de 

Jerusalem.     Paris  I  (1100  —  1200)  1894;   H  (1201  —  1260)  1897;   HI  (1261  —  1300) 

1899;  IVj  (1300—1310)  1901. 
Deutsche  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft.    Freiburg  i/B.  und  Leipzig  (1889  ff.). 
Denc  C.  et  Taissöte  J.     Histoire  generale  de  Languedoc.  Neue  Ausgabe  in  16  Bdn. 

(Edition  Privat.)   Toulouse  1872—1905. 
Doneaud  G.     Sülle   origini  del   Comune   e  degli  antichi  partiti  in  Genova  e  nella 

Liguria.    Genova  1878". 
Doren  A.     Die   Florentiner  Wollentuchindustrie   vom   14.  bis  zum  16.  Jahrhundert. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  modernen  Kapitalismus.     Stuttgart  1901.    (Bd.  I 

der  »Studien  aus  der  Florentiner  Wirtschaf tsgeschichte > .) 
Doren  A.    Entwickelung  u.  Organisation  der  Florentiner  Zünfte  im  13.  u.  14.  Jahr- 
hundert. Leipzig  1897.  (Staats-  u.  sozialwiss.  Forschungen,  her.  v.  Schmoller  XV,  3.) 
Dresdner  A.     Kukur-  und  Sittengeschichte  der  italienischen  Geistlichkeit  im  10.  u. 

11.  Jahrhundert.     Breslau  1890. 
-    Dümmler  E.  Geschichte  des  Ostfränkischen  Reiches.  2.  Aufl.  3  Bde.  Leipzig  1887/88. 

Edrisi  =  L'Italia  descritta  nel  Libro  del  Re  Ruggero  compilato  da  Edrisi.  Testo 
arabo  pubbl.  con  versione  e  note  da  M.  Amari  e  C.  Schiaparelli.  In :  Atti  della 
R.  Accademia  dei  Liucei.     Anno  274.     1876'77.     Serie  2,  vol.  Vin,  Rom  1883. 

Edrist:  Afr.  et  Esp.  =  Edrisi:  Description  de  l'Afrique  et  de  l'Espagne,  ed.  R.  Dozy 
et  M.  J.  de  Goeje.     Leiden  1866. 

El  Bekri:  Description  de  l'Afrique  septentrionale  (übers,  von  Slane)  im  Journal 
asiatique,  sörie  5,  t.  XII  u.  XHI.     Paris  1858  f. 

Ennen  L.  und  Eckertz  G    Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Köln.  Bd.  II.  Köln  1863. 

Erdmannsdörffer  B.  De  commercio  quod  inter  Venetos  et  Germaniae  civitates  aevo 
medio  intercessit.     (Diss.  hist.  Jena).     Leipzig  1858. 

Epistolae  Cantuarienses  ed.  W.  Stubbs  (Chronicles  and  memorials  of  the  Reign  of 
Richard  I.,  vol.  II ;  London  1864). 

FabrfegfC  F.     Histoire  de  Maguelone.     Paris  u.  Montpellier.  Bd.  I,  1894;  Bd.  II,  1900. 
Fagniez  G.     Documents  relatifs  ä  l'histoire  de  l'industrie  et  du  commerce  en  France. 

2  Bde.     Paris  1898  u.  1900. 
Falcandus :  La  Historia  o  Liber  de  Regno  Sicilie  di  Ugö  Falcando ;  ed.  G.  B.  Sira- 

gusa.     Rom  1897  (Fonti  per  la  storia  d'Italia ;  Scrittori). 
Fantuzzi  M.     Monumenti  ravennati  de'  secoli  di  mezzo.     Venedig  1801  f. 
Farafflla  N.  F.     Storia  dei  Prezzi  in  Napoli  dal  1131  al  1860.     Neapel  1878. 
Ferretto  A.     Codice  dipl.  delle  relazioni  fra  la  Liguria,   la  Toscana  e  la  Lunigiana 

ai  tempi  di  Dante.     2  Bde.     Rom  1901  u.  1903  (Atti  Lig.  XXXI,  fasc.  1  u.  2). 


de    _, 

4 


i 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen.  789 

Ficker  J.     Engelbert  der  Heilige.     Köln  1853 

Ficker  J.     Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens.     4  Bde.     Inns 

brück  1868—1874. 
Flückiger  F.  A.     Pharmakognosie  des  Pflanzenreichs.     (3.  Aufl.)    Berlin  1891. 
Frammenti   di   un   libro    di    banchieri    fiorentini   scritto   in   volgare   nel    1211,   ed. 

P.  Santini  im  Giorn    storico  della  letterat.  ital.  X  (Turin  1887). 
Fumi  L.     Codice   diplomatico   della  cittä   d'Orvieto.     Florenz  1884.     (Documenti  di 

storia  ital ,  tom.  VIII). 
Gabotto  F.     Le   carte   dello  Archivio   vescovile   d'Ivrea  fino  al  1313.    2  Bde.     Pine- 

rolo  1900. 
Garufl  C.  A.     I  documenti  inediti  deU'epoca  normanna  in  Sicilia  I.     Palermo  1899. 

(Doc.  per  servire  alla  storia  di  Sicilia,  ser.  1,  dipl.  vol.  XVIII). 
Gaudenzi  A.     Le  societä  delle  Arti  in  Bologna  nel  secolo  XIII,  in :  Bullettino  stör. 

no.  21,  Rom  1899. 
Gaudenzi  Chron.  =  Ignoti  Monachi  Cist.  S.  Mariae   de  Ferraria  Chronica   et  Ryc- 

cardi  de  S.  Germano  Chronica  priora  ed.  A.  Gaudenzi.   .  Neapel  1888. 
Gay  J.     L'Italie   meridionale   et   l'Empire  Byzantin  depuis  l'avenement  de  Basile  I 

jusqu  ä  la  prise  de  Bari  par  les  Normands.     Paris  1904. 
Gerland  E.     Geschichte  des   lateinischen  Kaiserreichs  von  Konstantinopel.     Teil  1 

(1204—1216).     Homburg  v.  d    Höhe  1904  (Gymn.-Progr.). 
Germain  A.     Histoire  de   la   commune  de  Montpellier.     Montpellier  1851.     3  Bde. 

>  >      Histoire  du  commerce  de  Montpellier.     Montpellier  1861.     2  Bde. 

Gesta   Regis    Riccardi    ed.    W.    Stubbs.      London   1867    (Rer.    Britann.   Medii   Aevi 

Scriptores). 
Gfrörer  A.  F.     Byzantinische  Geschichten  I :  Gesch.  Venedigs  bis  1084.  Graz  1872. 
■^^iesebrecht   W.   v.     Geschichte    der   deutschen   Kaiserzeit.     6  Bde.     Braunschweig 

(Bd.  6,  her.  u.  fortges.  von  B.  v.  Simson). 
Giorgri  J.     II  trattato  di  pace  e  d'alleanza  del  1165/66  fra  Roma  e  Genova  im  Arch. 

Rom.  XXV  (1902),  p.  397—466. 
Giornale  ligustico.     Genua  (1874—1898). 

Giornale  storico  e  letter.  della  Liguria.     Genua  (seit  1900). 
Giraud  Ch.     Essai  sur  l'histoire  du  droit  fran(;ais  au  moyen  äge.  Paris  1846.  2  Bde. 
Giulini  G.     Memorie  spettanti  alla  storia,  al  governo  ed  alla  descrizione  della  citta 

di  Milano.    Nuova  Ed.     7  Bde.    Milano  1854—1857. 
Gloria  A      Codice    diplomatico   Padovano    dal    secolo    sesto    al    tutto   l'undecimo. 

V'enedig  1877. 
Goldsclimidt  L.     Universalgeschichte  des  Handelsrechts.     Stuttgart  1891. 
Goldsehmidt  L.     Die  Geschäftsoperationen  auf  den  Messen  der  Champagne. 

in  Z.  f.  Handelsr.  40  (1892)  1  ff. 
Göttinger  Nachrichten  =  Nachrichten   von   der   königl.    Gesellschaft   der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen.     Philologisch-historische  Klasse.     Göttingen. 
Gottlob    A.     Die    päpstlichen    Kreuzzugssteuern    des    13.  Jahrhunderts.      Heiligen- 
stadt 1892. 
Gottloh  A.     Kuriale  Prälatenanleihen   im  13.  Jahrhundert,  in :  Viertel] ahrsschr. 

f.  Soz.-  u.  Wirtäch.-Gesch.  I  (1903),  345—371. 
GötJt  W.     Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels.     Stuttgart  1888. 
Gregrorio  Rosario  de :  Considerazioni  sopra  la  storia  di  Sicilia.  2  Bde.  Palermo  1805. 
Hagenmeyer  H.     Anonymi    Gesta    Francorum    et    aliorum    Hierosolymitanorum. 

Heidelberg  1890. 
Hagenmeyer  Epp.  =  Epistulae  et  chartae  ad  historiam  primi  belli  sacri  spectantes 

quae  supersunt  aevo  aequales  et  genuinae.    Die  Kreuzzugsbriefe  aus  den  Jahren 

1088—1100.     Mit  Erläuterungen  her.  von  H.  Hagenmeyer.     Innsbruck  1901. 
Hartmann  L.  M.     Zur  Wirtschaftsgeschichte  Italiens  im  frühen    Mittelalter.     Ana- 

Ickten.     Gotha  1904. 
Hartwig  0.     Quellen  und  Forschungen  zur  ältesten  Geschichte   der  Stadt  Florenz. 

2  Bde.     Marburg  1875,  Halle  1880. 
Hegel  C.     Geschichte  der  Städteverfassung  von  Italien.     2  Bde.     Leipzig  1847. 


790  Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen. 

Heinemann  L.  v.  Geschichte  der  Normannen  in  Unteritalien  und  Sizilien.  Bd.  I. 
Leipzig  1894. 

Hellmann  S.  Die  Grafen  von  Savoyen  und  das  Reich  bis  zum  Ende  der  staufischen 
Periode.     Innsbruck  1900. 

Hertzl)erg  G.  F.  Geschichte  der  Byzantiner  und  des  Osmanischen  Reiches  bis 
gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts.     Berlin  1883. 

Heyck  E.     Genua  und  seine  Marine  im  Zeitalter   der  Kreuzzüge.     Innsbruck  1886. 

Heyd  Wilhelm.  Histoire  du  commerce  du  Levant  au  Moyen-Age.  Paris  1885  f. 
2  Bde.  Diese  von  Furcy  Raynaud  herrührende,  vom  Verf.  selbst  vielfach  ver- 
änderte und  ergänzte  Übersetzung  des  deutschen  Originals  (Geschichte  des  Le- 
vantehandels im  Mittelalter.     Leipzig  1879)  wird  von  mir  ausschließlich  zitiert. 

Derselbe.  Die  mittelalterlichen  Handelskolonien  der  Italiener  in  Nord- Afrika  von 
Tripoli  bis  Marokko.  (Zeitschr.  für  die  gesamte  Staatswissenschaft.  Tübingen 
1864,  S.  617  ff.) 

Hidber  B.    Schweizerisches  Urkundenregister.     2  Bde.     Bern  1863  ff. 

Hirsch  J.  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  unter  Heinrich  H.  2  Bde.  Berlin  1862 
u    1864;  Bd.  3  (her.  u.  vollendet  von  Bresslau)  Leipzig  1875. 

HSfler.  Albert  v.  Beham,  Registrum  Epistolarum.  Bibl.  des  Liter.  Vereins  16.  Stutt- 
gart 1847. 

Hormayr  Jos.  v.  Kritisch-diplomatische  Bey träge  zur  Geschichte  Tirols.  "Wien 
(1803).     2.  Abt.     (Cod.  probationum   diplomaticus). 

Huillard-Breholles  A.  Historia  diplomatica  Friderici  secundi.  Paris  1852  — 1861. 
6  Bde.  (in  je  2  durchpaginierten  Teilen). 

Huyelin  P.     Essai  historique  sur  le  droit  des  march^s  et  des  foires.     Paris  1897, 

Jaffe  R.     Bibliotheca  Rerum  Germanicarum.     Berlin.     6  Bde. 

Jal  A.     Archeologie  navale.     2  Bde.     Paris  1840. 

Ibn  el-Athir.  Annales  du  Maghreb  et  de  l'Espagne,  trad.  et  annotees  par  E.  Fag- 
nan;  in:  Revue  africaine  t.  44  und  45,  Algier  1900  u.  1901.  (Auch  separat:  Algier 
1901 ;  ich  zitiere  nach  der  Revue  africaine). 

Ilbn  Haukai.  Description  de  l'Afrique  (übers,  von  Mac  Guckin  de  Slane)  im  Journal 
asiatique,  serie  3  t.  XIII.    Paris  1842. 

JireSek  C.  Die  Bedeutung  von  Ragusa  in  der  Handelsgeschichte  des  Mittelalters. 
Wien  1899. 

Imperiale  di  San  Angelo,  Ces.  Caffaro  e  i  suoi  tempi.     Turin  1894. 

Johannes  diaeonus  in :  Croniche  veneziane  antichissime  (sec.  X  e  XI)  ed.  G.  Mon- 
ticolo,  vol.  I.     Rom  1890. 

Jubainville  H.  d'Arbois  de.  Histoire  des  ducs  et  des  comtes  de  Champagne.  7  Bde. 
Paris  1859—1869. 

Jung  J.  Das  Itinerar  des  Erzbischofs  Sigeric  von  Canterbury  und  die  Straße  von 
Rom  über  Siena  nach  Lucca ;  in  MJÖG.  XXV  (1904)  p.  1  ff. 

Kandier.  Codice  diplomatico  Istriano.  O.  O.  u.  Jahr.  Nur  nach  dem  Datum 
der  einzelnen  Urkunden  zitierbar,  da  weder  Seiten  noch  Nummern  gezählt  sind. 

Karabacek  J.     Neue  Quellen  zur  Papiergeschichte.     Wien  1888.     Fol. 

Kehr  K.  A.     Die  Urkunden    der  normannisch-sizilischen  Könige.     Innsbruck  1902. 

Kien  er  F.  Verfassungsgeschichte  der  Provence  seit  der  Ostgotenherrschaft  bis  zur 
Errichtung  der  Konsulate  (510—1200).     Leipzig  1900. 

Kitab-el-Istib<jar.  L'Afrique  septentrionale  au  Xlle  siecle  de  notre  ere  d'apres  le 
K.,  trad.  par  E.  Fagnan.  Constantine  1900.  (Recueil  des  Not.  et  M^moires  de  la 
Soc.  archöol.  du  dep.  de  Const.,  vol.  33,  annöe  1899.) 

Koch  S.  Italienische  Pfandleiher  im  nördlichen  und  östlichen  Frankreich.  Breslau 
1904  (Diss.). 

Kohler  J.  Handelsverträge  zwischen  Genua  und  Narbonne  im  12.  und  13.  Jahr- 
hundert ;  in :  Festgabe  der  Juristischen  Gesellschaft  zu  Berlin  für  Richard  Koch 
(Berlin  1903)  p.  275—292.  (Auch  in  den  Berliner  Juristischen  Beiträgen  z.  Zivil- 
recht etc.,  Heft  3.) 

KohlschUtter  0.  Venedig  unter  dem  Herzog  Peter  IL  Orseolo  991  — 1009.  Göt- 
tingen 1868. 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen.  791 

Konsulat  d.  M.  =  Schaube  A.,   Das  Konsulat  des   Meeres  in  Pisa.     Leipzig  1888 

(Staats-  und  sozialwiss.  Forschungen  VIU,  2.) 
Köpke-Dlimmler  =  Kaiser  Otto  der  Große.     Begonnen  von   R.   Köpke,   vollendet 

von  E.  Dümmler.     Leipzig  1876. 
Erumbacher  K.     Geschichte   der  byzantinischen  Literatur    von  Justinian  bis   zum 

Ende  des  oströmischen  Reiches.     2.  Aufl.     München  1897. 
Kukiiljevic-Sakcinski  J.     Codex  diplomaticus  regni  Croatiae,  Dalmatiae  et  Slavoniae. 

2  Bde.     Agram  1874/75. 

Langer  O.     Politische  Geschichte  Genuas   und  Pisas   im  12.  Jahrhundert.     Leipzig 

1882.     (Historische  Studien,  her.  von  W.  Arndt,  Heft  7.) 
Lang'lois  V.     Le  tresor  des  chartes  d'Armtjnie.     Venedig  1863. 
Lattes  A.     II  diritto  commerciale  nella  legislazione  statutaria  delle  cittä  italiane. 

Mailand  1884. 
Lattes  A.     II  diritto  consuetudinario   delle  cittä  lombarde.     Mailand  1899. 
Layettes  du  Tresor  des  Chartes ;  Bd.  I  und  II  par  A.  Teulet.     Paris  1863  f.    Bd.  IH 

par  le  comte  De  Laborde.     Paris  1875. 
Lecoy  de  la  Marche  A.     Les  relations  politiques  de  la  France  avec  le  royaume  de 

Majorque.     2  Bde.     Paris  1892. 
Leg.  Munic.  =  Leges  Municipales  (in :  Monumenta  Historiae  Patriae)  t.  I  u.  II  (t.  II 

in  2  durchpaginierten  Bänden).     Turin  1838 — 1876. 
Lenel  W.     Die  Entstehung  der  Vorherrschaft  Venedigs  an  der  Adria.     Straßb.  1897. 
Leon.  Pis.  ==  Leonardo  Pisano.     Scritti  ed.  B.  Boncompagni.  Bd.  I.  (Liber  Abbaci.) 

Rom  1857. 
Levi  G.     Registri   dei   cardinali  Ugolino   d'Ostia  e  Ottaviano  degli  Ubaldini.     Rom 

1890.     (Fonti  per  la  storia  d'Italia,  fasc.  8.) 
Liber  Instrumentorum   Memorialium.      Cartülaire    des   Guillems    de    Montpellier. 

Montpellier  1884—1886. 
Liber  Juris  civilis  urbis  Veronae  ed.  B.  Campagnola.     Verona  1728. 
Lib.  Jur.  ^  Liber  Jurium  Reipublicae  Genuensis,  2  Bde.  Turin  1854—1857  (Hist. 

Patriae  Monumenta  t.  VII  u.  IX). 
Liber  Maiolicbinus  de  gestis  Pisanorum  illustribus  ed.  C.  Calisse.     Rom  1904. 
Lib.  plegriorum  =  II  Liber   Communis   detto  anche  Plegiorum   del  R.  Archivio   di 

Venezia.     Regesti  di  R.  Predelli.     Venedig  1872. 
Liber  Potheris  communis  civitatis  Brixiae.  Turin  1899.   (Mon.  Hist.  Patr.  tom.  XIX). 
Liber  Statutorum  civitatis  Ragusii  compositus  a.  1272,  edd.  V.  Bogisic  et  C.  Jire- 

cek.     Agram  1904. 
Ljubic   S.     Listine    (Monumenta    spectantia    historiam    Slavorum    meridionalium). 

10  Bde.     Agram  1868  ff. 
Longnon  A.     Documents  relatifs   au  comte   de  Champagne  et  de  Brie  1172 — 1361. 

2  Bde.     Paris  1901  u.  1904. 
Ludwig  F.     Untersuchungen  über  die  Reise-  und  Marschgeschwindigkeit  im  12.  u. 

13.  Jahrhundert.     Berlin  1897. 
LUnig  J.  Ch.     Codex   Italiae   diplomaticus.     4  Bde.     Frankfurt  und  Leipzig  1725  f. 
Lupus   M.   (Lupi).     Codex   diplomaticus   civitatis  et   ecclesiae   Bergomatis.     2  Bde. 

Bergamo  1784  u.  1799. 

Makrizi  übers,  von  Blochet  in :  Revue  de  l'Orient  latin  VI  n.  (Paris  1898  ff.) 

Makuscev.  Monumenta  historica  Slavorum  meridionalium  vicinorumque  populorum 
e  tabulariis  et  bibliothecis  italicis  deprompta.  Bd.  I,  Warschau  1874;  II,  Bel- 
grad 1882. 

Mandelli  V.  II  comune  di  Vercelli  nel  medio  evo.  Studi  storici.  3  Bde.  Vercelli 
1857/58. 

Manduel  ==  Les  chartes  commerciales  des  Manduel  bei  Blancard  I,  p.  3  ff. 

Manfroni  C.  Le  Relazioni  fra  Genova,  l'Impero  Bizantino  e  i  Turchi,  in  Atti 
Lig.  XX Vm  fasc.  3  p.  575  f.     Genpva  1898. 

3Ianfroni  C.     Storia  della  marina  italiana  (400—1261).     Livorno  1899. 

Manne  G.     Storia  di  Sardegna.     2  Bde.  ediz.  3.     Mailand  1835. 


792  Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandhingen. 

Mansi.     Collectio   sanctorum  conciliorum  nova  et  amplissima.     Florenz  u.  Venedig 

1759—1798. 
Marchand  J.     De  Massiliensium  cum  eois  populis  commercio  tempore  quo  bella  in 

Christi  honorem  gesta  fuerunt      Paris  1889  (Diasert.). 
Marin  C.  A.     Storia  civile  e  politica  del  commercio  de'  Veneziani;  8  Bde.     Venedig 

1798  &. 
Mas  Latrie,  L.  comte  d  .     Traites    de   paix    et   de    commerce  et  documents  divers 

concernant  les  relations  des  chretiens  avec  les  Arabes  de  l'Afrique  septentrionale 

au  moyen-äge.     Paris  1866;    mit  Supplement   von    1872.     (Introduction    und 

Documents  besonders  paginiert.) 
Derselbe:  Histoire  de  l'ile  de  Chypre  sous  le  regne  des  princes  de  la  maison  de 

Lusignan.     3  Bde.     Paris  1852—1861. 
Masson  P.     De  Massiliensium  negotiationibus   ab    urbe  Massilia  condita  .  .  .  usque 

ad  a  MC  post  Chr.  n.  Paris  1896  (Dissert.). 
Memorie  e  documenti  per  servire  alla  storia  di  Lucca.     Lucca  1813  if. 
Menard  L.  Histoire  civile,  ecclesiastique  etc.  de  la  ville  de  Nismes.  Bd.  I.  Nismes  1 750. 
Mengozzi  N.  =  II  monte  dei  Paschi  di  Siena  e  le  aziende  in  esso  riunite.     Vol.  I : 

I  monti  dei  Paschi  e  della  Pietä  al  tempo  della  Repubblica.     Siena  1891. 
Mery   L.   et  Guindon   F.     Histoire   analytique   et   chronologique   des  actes   et   des 

deliberations    de    la    municipalite    de    Marseille.     8  Bde.     Marseille  et  Aix  1841 

bis  1873. 
Meyer  v.  Knonaa     G.     Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter  Heinrich  IV.  und 

Heinrich  V.     5  Bde.     Leipzig  1890—1905. 
MJOGr.  =  Mitteilungen  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung. 
Miklosich  et  Müller.     Acta  et  diplomata  graeca  medii  aevi  sacra  et  profana.  4  Bde. 

Wien  1860—1871. 
Milano  E.     II   ^-Rigestum   Comunis  Albec   2  Bde.     Pinerolo   1903   (Bibl.   della   Soc. 

stör,  subalpina  20,  21). 
Minotto  =  Acta  et  diplomata  e  Tabulario  Veneto  ed.  A.  S.  Minotto.     4  Bde.     Ve- 
nedig 1870—1883. 
Mirae.  8.  Fidis  =  Liber  Miraculorum  S.  Fidis,  M.  A.  Bouillet.     Paris  1897. 
Miseell.  it.  =  Miscellanea  di  storia  italiana.     Turin  1862  ff. 
Mohr  Th.  v.     Codex    dipl.   Sammlung  der   Urkunden   zur  Gesch.   CurRätiens   und 

der  Rep.  Graubünden.     Bd.  I.     Cur  1848  f. 
Molinier  E.    Hist.  generale  des  arts  appliquees  ä  l'industrie.   Paris  s.  d.,  fol.  (t.  IV ; 

L'Orfevrerie  relig.  et  civile,  premiere  partie  1901). 
Monumenta   XoTaliciensia   vetustiora,   ed.   C.  Cipolla.     Rom  1898.     2  Bde.     (Fonti 

per  la  storia  d'Italia  fasc.  31/32). 
Mortillaro  V.     Opere.     21  Bde.     Palermo  1875— 1§88. 
Mouynifes  G.     Inventaire  des  Archives   Communales  anterieures  ä  1790.      Ville    de 

Narbonne.     Annexes  de  la  Serie  A  A.  Narbonne  1871. 
MUhlbaeher  E.     Deutsche  Geschichte  unter  den  Karolingern.     Stuttgart  1896. 
Müller  Giuseppe.     Documenti  sulle  relazioni  delle  cittä  Toscane   coll'Oriente   chri- 

stiano  e  coi  Turchi  fino  all'a.  1539.  Florenz  1879.  (In:  Doc.  degli  Archivi  Toscani.) 

N.  Arch.  Ten.  =  Nuovo  Archivio  veneto.     Venedig;  n.  s.  =  nuova  serie. 

Naude  W.  Die  Getreidehandelspolitik  der  Europäischen  Staaten  vom  13.  bis  zum 
18.  Jahrhundert,  als  Einleitung  in  die  Preußische  Getreidehandelspolitik.  Berlin 
1896  (Acta  Borussica). 

Neues  AroMy  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde.  Hannover 
1876  ff. 

Neumann  C.  Über  die  urkundlichen  Quellen  zur  Geschichte  der  byzantinisch- 
venezianischen Beziehungen  vornehmlich  im  Zeitalter  der  Komnenen  ;  in  :  Byz. 
Zeitschrift  I  (1892)  366  ff. 

Norden  W.  Das  Papsttum  und  Byzanz.  Die  Trennung  der  beiden  Mächte  und 
das  Problem  ihrer  Wiedervereinigung  bis  1453.     Berlin  1903. 

Odorici  F.     Storie  Bresciane.     11  Bde.     Brescia  1856/58. 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen.  793 

Öhlmann  E.     Die  Alpenpässe  im  Mittelalter  (Jahrbuch  für  Schweizerische  Geschichte 

III  u.  IV.     Zürich  1878/79). 
Oppel  A.     Die  Baumwolle  nach  Geschichte,  Anbau,  Verarbeitung  und  Handel  etc. 

Leipzig  1902. 
Overmann  A.     Gräfin  Mathilde  von  Tuscien.     Ihre  Besitzungen.     Geschichte  ihres 

Gutes  von  1115—1230  und  ihre  Regesten.     Innsbruck  1895. 

Pagezy  J.     Memoire  sur  le  port  d'Aigues-mortes.     Paris  1879. 
Papa  d'Amico  L.     I  titoli  di  credito  surrogati  della  moneta.     Catania  1886. 
Papon  J.  P.     Histoire  generale  de  Provence.     4  Bde.     Marseille  1777  —  1786. 
Pardessus  J.  M.     Collection  de  lois  maritimes  antörieures  au  XVIIIe  siecle.  6  Bde. 

Paris  1828—1845. 
Patent  Rolls  of  the  reign  of  Henry  IH.,  preserved  in  the  Public  Record  Office,  I : 

A.  D.  1216—1225;  II:  1225—1232.     London  1901  u.  1903. 
Patetta  F.    Caorsini  Senesi  in  Inghilterra  nel  secolo  XUI :  im  Bull,  senese  IV  (1897). 
Pertile  A.  Storia  del  diritto  italiano.    6  Bde.    Padua  1873  ff.  (z.  T.  in  neuer  Auflage). 
Petrus  de  Marca.     Marca  Hispanica  sive  Limes  Hispanicus.     Paris  1688. 
Petrus  de  Vineis.     Epistolarum  libri  VI,  ed.  Iselius.     2  Bde.     Basel  1740. 
Pflugk-Harttimg  J.  v.     Acta   pontificum   Romanorum   inedita.     3  Bde.     Tübingen 

und  Stuttgart  1881. 
Derselbe.     Iter  Italicum.     Stuttgart  1883. 
Pig-eonneau  H.     Histoire  du  commerce  de  la  France.     Tome  I :  depuis  les  origines 

jusqu'ä  la  fin  du  XVe  siecle.    Deuxieme  edition.  Paris  1887. 
Pog'g'iali  C.     Memorie  storiche  della  cittä  di  Piacenza.  12  Bde.  Piacenza  1757—1766. 
Pöhlmann  R.     Wirtschaftspolitik  der  fiorentinischen  Renaissance.     Leipzig  1878. 
Port  C.     Essai  sur  Ihistoire  du  commerce  maritime  de  Narbonne.     Paris  1854. 
Poupardin  R.     Le   Royaume   de   Provence   sous  les   premiers   Carolingiens.     Paris 

1901.     (Bibl.  de  l'Ec.  des  Hautes-Etudes,  fasc.  131). 
Pressutti  P.     Regesta  Honorii  Papae  IH.     2  Bde.     Rom  1888  u.  1895. 
Prutz  H.     Kaiser  Friedrich  I.     3  Bde.     Danzig  1871—1874. 
»         >      Kulturgeschichte  der  Kreuzzüge.     Berlin  1883. 

Ravki  F.     Documenta  historiae  Chroaticae  periodum  antiquam  illustrantia  in :    Mo- 

num.  spectantia  bist.  Slavorum  meridionalium  VH;  Agrara  1877. 
Bangerins  =  S.  Anselmi  Lucensis   episcopi   vita,   a   R.  successore   suo  .  .  .  scripta 

ed.  V.  de  la  Fuente.     Madrid  1870  (erscheint  demnächst  in  SS.  XXX). 
Rec.  crois.  =  Recueil   des  historiens    des  Croisades.     Paris.     Durch   die   Zusätze : 

occid.,  Orient,  etc.  als  historiens  occidentaux,  orientaux  unterschieden. 
II  Kegesto  di  Farfa  di  Gregorio  di  Catino,  pubbl.  da  J.  Giorgi  e  U.  Balzani.  Bd.  II  ff. 

Rom  1879  ff. 
Rena  C.  della  e  Camici.     Serie  degli  Duchi  e  Marche  di  Toscana.     Florenz  1789. 
Riant  P.  (comte).     Expeditions  et  pölerinages  des  Scandinaves  en  Terre  Sainte  au 

temps  des  Croisades.     Paris  1865. 
Rivista  italiana  per  le  scienze  giuridiche.     Turin. 
Rodenberg  C.     Epistolae  saeculi  XIII  e  regestis  Pontificum  Rom.  selectae.    3  Bde. 

(In  d.  Mon.  Germ.) 
Röhricht  R.     Geschichte  des  Königreichs  Jerusalem.     Innsbruck  1898. 

>  >      Geschichte  der  Kreuzzüge  im  Umriß.  Innsbruck  1898. 

>  >      Regesta  Rcgni  Hierosolymitani  (1097 — 1291).     Innsbruck  1893  ;  mit 

Additamentum,  ebd.  1904. 

>  >      Geschichte  des  ersten  Kreuzzugs.     Innsbruck  1901. 

»  >      Studien  zur  Geschichte  des  5.  Kreuzzuges.     Innsbruck  1891. 

Röles  gascons,  transcrits  et  publ.  p.  Francisque-Michel.     Bd.  I.     Paris  1885. 
Romanin  S.     Storia   documentata   di  Venezia.     10  Bde.     Venedig  1853  — 1861    (mit 

indice  generale   von  1864). 
Roncioni  R.     Istorie  pisane.     Im  Arch.  ital.,  VI,  1  (1848). 
Rotuli  litterarum  patentium  ed.  Th.  Hardy.  I      London  1835. 

»  >  clausarumed.  Th.  Hardy.     2  Bde.     London  1838  u.  1844. 


794  Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen. 

Rotuli  chartarum  in  Turri  London,  asservati  ed.  Th.  Hardy  I.    London  1837. 
>        de  Liberate,  de  Misis  et  Praestitis,  ed.  Th.  Hardy.     London  1844. 

Saeerdoti  A.  Le  colleganze  nella  pratica  degli  affari  e  nella  legislazione  veneta ; 
in  Atti  Venet.  LIX,  Venedig  1899/1900.     Parte  II  p.  1—46. 

Salimbene  fr.  Chronica;  in  Monum.  bist,  ad  prov.  Parm.  et  Plac.  pertin.  III. 
Parma  1857  (jetzt  Ausg.  von  Holder-Egger  in  SS.  XXXII). 

SalTioni  G.  B.  La  moneta  bolognese  e  la  traduzione  itaUana  del  Savigny.  Bo- 
logna 1894.     (Auch  in  atti  e  mem.  di  Romagna,  ser.  3,  vol.  XII  p.  140  &.) 

Salzer  E.  Über  die  Anfänge  der  Signorie  in  Oberitalien.  (Hist.  Studien,  Ehering, 
Heft  14.)    Berlin  1900. 

San  Quintino,  Giulio  dei  conti  di ;  Lezione  intorno  al  commercio  dei  Lucchesi  coi 
Genovesi  nel  XII  e  XIH  secolo.     In  Atti  Lucch.  X  (1840),  p.  55—118. 

San  Quintino :  Osservazioni  critiche  sopra  alcuni  particolari  delle  storie  del 
Piemonte  e  della  Liguria.     2  Bde.     Turin  1851/54. 

Santini  P.  Documenti  dell'antica  costituzione  del  Comune  di  Firenze.  Florenz 
1895.  (Band  X  der  Doc.  di  storia  ital.  pubblicati  a  cura  della  R.  Deputazione 
sugli  studi  di  storia  patria  per  le  provincie  di  Toscana  e  deirUmbria.) 

Santini  P.  Studi  suH'antiea  costituzione  del  comune  di  Firenze;  im  Ar  eh.  it., 
8.  5,  XVI  (1895)  ff. 

Savioli  L.     Annali  Bolognesi.     3  Bde.     Bassano  1784  ff. 

Schanz  G.     Englische  Handelspolitik  gegen  Ende  d.  Mittelalters.   2  Bde.  Leipz.  1881. 

Scheffer-Boichorst  P.  Zur  Geschichte  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts.  (Histo- 
rische Stucüen,  Ehering,  Heft  8.)     Berlin  1897. 

Schiaparelli  L.     I  diplomi  di  Berengario  I.     Rom  1903. 

Schirrmacher  F.  W.     Geschichte  von  Spanien.    Bd.  4.     Gotha  1881. 

Schiumherger  G.  L'Iilpopöe  Byzantine  ä  la  fin  du  dixieme  siecle.  3  Bde.  Paris 
1896—1905. 

Schmeidler  B.  Der  dux  und  das  comune  Venetiarum  von  1141  — 1229.  (Hist. 
Studien,  Ehering,  Heft  35)  Berlin  1902. 

Schulte  A.  Geschichte  des  mittelalterlichen  Handels  und  Verkehrs  zwischen  West- 
deutschland und  Italien  mit  Ausschluß  von  Venedig.     2  Bde.     Leipzig  1900. 

Schunk  J.  P.     Beyträge  zur  Mainzer  Geschichte.  Mit  Urk.  3  Bde.  Mainz  1788— 1790. 

Schupfer  F.  La  societä  Milanese  all'epoca  del  risorgimento  del  Comune.  Bo- 
logna 1869. 

Schütte  L.  Der  Apenninenpaß  des  Monte  Bardone  und  die  deutschen  Kaiser. 
(Historische  Studien;  Ehering,  Heft  XXVII.)    Berlin  1901. 

Semler  H.  Die  tropische  Agrikultur.  2.  Aufl.,  her.  v.  R.  Hindorf.  2  Bde.  Wismar 
1897  u.  1900. 

Sforza  G.  Memorie  e  documenti  per  servire  alla  storia  di  Pontremoli.  2  Bde. 
Lucca  1904  u.  1885. 

Shirley  W.  Royal  and  others  historical  letters  ill.  of  the  Reign  of  Henry  HI. 
Bd.  1  (London  1862),  2  (1866). 

Sieveking  H.  Genueser  Finanzwesen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Casa  di 
S.  Giorgio.  2  Bde.  Freiburg  i.  Br.  1898/99  (in:  Volkswirtschaftliche  Abhand- 
lungen der  Badischen  Hochschulen  I,  H.  3  und  HI,  H.  3). 

Simonsfeld  H.  Der  Fondaco  dei  Tedeschi  in  Venedig  und  die  deutsch-venezianischen 
Handelsbeziehungen.     2  Bde.     Stuttgart  1887. 

Siragusa  G.  B.  II  regno  di  Guglielmo  I.  in  Sicilia,  ili.  con  nuovi  documenti.  2  Bde. 
Palermo  1885/86. 

Stat.  Päd.  =  Statuti  del  Comune  di  Padova  dal  sec.  XII  all'a.  1285  (ed.  Gloria). 
Padua  1873. 

Stat.  Parm.  ==  Statuta  Communis  Parmae  digesta  a.  1255  (ed.  Ronchini ;  in  Mon. 
Hist.  ad  provincias  Parm.  et  Piacent,  pertinentia).     Parma  1856. 

Statuti  di  Pistoja  del  secolo  XII,  ed.  F.  Berlan.     Bologna  1882. 

Stat.  Soc.  Bol.  =  Statuti  delle  Societä  del  Popolo  di  Bologna,  ed.  A.  Gaudenzi. 
2  Bde.     Rom  1889  u.  1896. 


Verzeichnis  der  abgekürzt  zitierten  Bücher  und  Abhandlungen.  795 

Steindorff  E.  Jahrbücher  des  Deutschen  Eeiches  unter  Heinrich  m.  2  Bde. 
Leipzig  1874  u.  1881. 

Tafel  G.  und  G.  Thomas.  Urkunden  zur  älteren  Handels-  und  Staatsgeschichte  der 
Republik  Venedig.  3  Bde.  Wien  1856/57  (in :  Fontes  Rer.  Austriacarum,  Abt.  2, 
Bd.  12—14). 

Tailliar  M.  Recueil  d'actes  des  Xlle  et  XIHe  siecles  en  langue  romane  wallonne  du 
Xord  de  la  France.     Douai  1849. 

Tarlazzi  A.  Appendice  ai  Monumenti  Ravennati  dei  secoli  di  mezzo  del  conte 
M.  Fantuzzi.  I.  Ravenna  1869  (Monum.  istorici  . . .  della  Romagna,  serie  11,  carte  I). 

Theiner  A.     Codex  diplomaticus  dominii  temporalis  S.  Sedis.     Bd.  I.     Rom  1861. 

Tiraboschi  G.  Memorie  storiche  Modenesi  col  codice  diplomatico.  5  Bde.  Modena 
1793—1795. 

Toeche  Th.     Kaiser  Heinrich  VI.     Leipzig  1867. 

Tonini  L.     Della  storia  civile  e  sacra  Riminese.     3  Bde.     Rimini  1848  fE. 

Tronci  P.     Memorie  istoriche  della  Citta  di  Pisa.     Livorno  1682. 

ITghelli  F.     Italia  sacra.     Ausgabe  2  von  Coleti.     10  Bde.     Venedig  1717—1722. 

Uhlirz  K.  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter  Otto  11.  und  Otto  III.  Bd.  I, 
Leipzig  1902. 

Tecchio  (del)  A.  e  Casanova  E.  Le  rappresaglie  nei  comuni  medievali  e  special- 
mente  in  Firenze:  saggio  storico.     Bologna  1894. 

Vierteljahrsschrift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte.     Leipzig  (seit  1903). 

Vignati  C.     Storia  diplomatica  della  Lega  Lombarda.     Mailand  1866. 

Yolpe  G.  Studi  sulle  istituzioni  comunali  a  Pisa  (cittä  e  contado,  consoli  e  Podestä) 
sec.  Xn— XIII.  Pisa  1902  (Annali  della  R.  Scuola  normale  superiore  di  Pisa. 
Filosofia  e  Filologia,  vol.  XV). 

Voltelini  H.  v.  Erster  Teil  der  Südtiroler  Notariats-Imbreviaturen  des  13.  Jahrhun- 
derts (Acta  Tirolensia.  Urkundliche  Quellen  zur  Geschichte  Tirols.  Bd.  Tl.  Inns- 
bruck 1899.) 

Warburgr  0.  Die  Muskatnuß,  ihre  Geschichte,  Botanik,  Kultur,  Handel  und  Ver- 
wertung.    Leipzig  1897. 

Wattenbach  W.  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter.  Berlin  I^  (1904), 
116  (1886). 

Wattenbach  W.  Iter  austriacum,  in:  Arch.  für  Kunde  österr.  Geschichtsquellen  14 
(1855),  79  f. 

Watterich  J.  M.     Pontificum  Romanorum  vitae.     2  Bde.     Leipzig  1862. 

Werlauff  E.  Ch.  Symbolae  ad  geogr.  medii  aevi  ex  monumentis  islandicis.  Havniae  1821. 

Whitwell  R.  J.  Italian  Bankers  and  the  English  Crown,  I,  in:  Transactions  of  the 
R.  Hist.  Society.     New  Series,  vol.  XVII.     London  1903. 

Wiesner  J.     Die  Rohstoffe  des  Pflanzenreichs.  2.  Aufl.   2  Bde.   Leipzig  1900  u.  1903. 

Will  C.     Regesten  zur  Gesch.  der  Mainzer  Erzbischöfe.     Bd.  II.     Innsbruck  1886. 

Winkelmann  E.     Kaiser  Friedrich  IL     2  Bde.  (bis  1233).     Leipzig  1889  u.  1897. 

>  >      König  Philipp  von  Schwaben.     Leipzig  1873. 

»  »      Kaiser  Otto  IV.  von  Braanschweig.     Leipzig  1878. 

>  >      Acta  Imperii  inedita.     2  Bde.     Innsbruck  1880,  1885. 

Yver  G.     Le  commerce  et  les  marchands   dans  l'Italie  möridionale  au  Xllle  et  au      ^ 
XlVe  siecle.     Paris  1903  (Bibl.  des  öcoles  frang.  d'Athenes  et  de  Rome,  fasc.  88). 

Zanetti  G.  A.     Nuova  Raccolta  delle  Monete  e  Zecche  d'Italia.     Bologna  1775  ff. 

Zdekauer  L.     II  constituto  del  comune  di  Siena  dell'anno  1262.     Mailand  1897. 
»  >      Ilmercante  senese  nel  dugento.     Siena  1900. 

>  »      Lavitapubblica  dei  Senesi  nel  dugento.     Siena  1897. 

Zeitschrift  für  das  gesamte  Handelsrecht.     Stuttgart. 

Zeitschrift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte.  7  Bde.  Weimar  1893  ff. 

Zeitschrift  für  die  gesamte  Staatswissenschaft.     Tübingen. 

Zingerle  J.  V.  Reiserechnungen  Wolfger's  von  Ellenbrechtskirchen,  Bischofs  von 
Passau,  Patriarchen  von  Aquileja.     Heilbronn  1877. 


^ 


Sachregister. 


(Nicht  aufgenommen  sind  so  allgemeine  Artikel  wie:  Abgabenfreiheit,  Handel, 
Handelsinteressen,  Handelsprivilegien,  Handelsunternehmungen,  Handelsverträge, 
Kaufleute,  Kreuzzüge,  Seehäfen,  Seestädte,  Staatsverträge,  Zollwesen  u.  dgl.,  über 
die,  soweit  nicht  das  Inhaltsverzeichnis  genügenden  Anhalt  gibt,  nur  ein  Studium 
des  ganzen  Buches  ausreichenden  Aufschluß  gewähren  kann.) 


Abacus  (Liber  abaci)  S.  109, 
297,  299 

Abrechnung  113,  157  f.,  166, 
168,  243,  247-«,  661 

Abzugsfrist  211,  338,  611, 
618,  688 

Affidavit  350» 

Agenten  s.  Faktoren 

agninae  s.  Lammfelle 

Akklimatisation  302,  304 

Alaun  158,  160,  164  f.,  168, 
185,  198,  217,  222,  278, 
285,  297,  371,  380,  384, 
412  f.,  415  f.,  418,  587, 
598,623  f.,  639,  643,744; 
Eis-A.  382,  384;  A.  de 
roca  562 ;  Zucker- A.  164», 
384,  562,  750;  Alaun  v. 
Aleppo  207,  215,  371, 
374,  384 ;  von  Kastilien 
322,  332,  383  f.;  von  Vol- 
cano  384,  502^ 

alfaneta  284« 

almucela  582 

Aloe  197,  315 

Alpenpässe  und  -straßen  45, 
68,  91—96,  99,  334-338, 
341,  345,  347,  350,  352, 
358,  399.  438  f.,  444  f , 
450  ff.,  4542 

Amalfitanae  32,  38,  476,  504 

Ammoniak  198,  468 

amuelare  765* 

Angeld  188;  s.  denarius  Dei 

angelot  549 


Anis  198 

Anker  548,  612 

Ankergeld  141,  484,  513,  520 

Anleihen  271  f.,  318,  353, 
365,  379,  387  ff.,  393  ff., 
397,  401,  406,  409,  418, 
4791,  492,  564^  721»,  758, 
762,  769,  774 ;  s.  Kuriale 
Anleihen,  Staatsanleihen 

anninae  =  agninae 

Annonarpolitik  766  ff. 

Anteilzeichner  256,  289 

Antikreditbrief  395,  403»,  405 

Anweisungen  s.  Zahlungs- 
anweisungen 

Apenninenpässe  59, 449, 633, 
646,  735,  760 

apotheca  =  bottega  57,  300, 
470,  476,  5168,  530,  654 
8.  Läden,  buticaticum 

ara  pannorum  376,  381,  391 

arboraticum  484 

Aristokratie  (Beteiligung  am 
Handel)  25,  155  f.,  287 

Armbrüste,    Armbrustschüt- 
zen 198,  209,  411  f.,  670», 
678,  695*,  702 

asiro  publico  (Schift'sart)  264', 
493 

assazatores  salis  703  ff'. 

assecurare  621»,  684«,  739* 

Assoziation  110  f.,  156  s. 
Societas 

astanfortes  385'=:Stamford8 

astellae  de  buxide  604 


Aufkauf  766  f. 

Augustalen  118,  514 

Aureolus  118 

Auripigment  198,  283 

Aurum  filatum  s.  Goldfäden ; 
aurifilarius  86 

Aurum  de  paiola  298^,  429; 
s.  Barrengold 

Aurum  tarinorum  114  f.,  118 

Ausfuhrlizenzen  402,  506  ff., 
703  f.,  746;  s.  Lizenz 

Ausfuhrverbote  17,  477,  489, 
494,  505,  512,  548,  555, 
591,  598,  607  f.,  676,  695, 
698,  707,  710,  766  ff. 

Ausschließungspolitik  142, 
465,  472  f.,  485,  544  f., 
554—574,  589,  600  f.,  625, 
630,  632,  649  f.,  667  ff., 
676,  690,  704  f.,  726 

Avaria  381» 

Avoir  de  pois  377;  s.  Ge- 
wichtswaren 

Azurium  (Azurblau)  284 

Baccarani  313  =  buccherani 

Backöfen  und  Bäder  131, 136, 
138,  14  •!  f.,  151, 170,  172«, 
177,  217,  219,  290,  300, 
306  f.,  327,  331,  471,  547 

Bailo  176,  185,  192  ff.,  214, 
265,  567,  585 

Baisse  171^ 

baldincllae,  baldinellum  159, 
246,  638,  745 


798 


Sachregister. 


Balken  468,  584 
Balsam  150,  179 
Bänder  701 

Bankwesen :  banca ,  banci 
253,  5871,  6411^  713. 
Bankiers,  Bankflrmen 
340,  3432,  345,  353,  356^ 
357,  584,  586  f.,  645,  655, 
716  f.,  774;  Bankiers  des 
Königs  V.  England  407, 
409  f.,  s.  Campsores 

banzone  (SchifEsart)  267,  672, 
s.  panzonus 

barata  169»,  761* 

Barchent,  barracani  159,  205, 
206*,  207,  385,  387,  415, 
466,  500,  502,  546,  552, 
5761,582,588,592,6031, 
638,  761 ;  s.  f ustanei 

Barrensilber  114,  586 

Barrengold  114,  349,  387, 
429,  568,  698 

Baumwolle ,  B.-stoffe  und 
-Waren:  159  ff,  164,  197, 
214,  246,  284,  292S  313, 
315,  372,  384,  442,  469, 
494^  509,  513,  523,  614, 
637ff.,  643,  701,744,  750; 
8.  cotonum 

Baumwollgarn  197,  313,  512 

Bazar  131,  138,  141,  151, 
170,  201,  463,  473 

beccunae,  becunae  218  (de 
Oypro),  285,  293,  297, 
301,  315,  383,  485,  605, 
658,  761 ;  s.  boquinae, 
Lammfelle 

Beile  85 

Belagerungsmaschinen  124, 
151,  171,  289,  318,  330, 
541 

Bergbau  552,  575»,  582»,  745, 
748 

Bergelohn  675,  677 

Bernstein  502 

berzi  =  verzino  =  Brasilholz 

Betrügereien  (beim  Handel) 
3591,366,409,431,5131, 
615,  659,  698,  765  f.,  773 

Betten  94;  Bettlaken  5192 

bifae,  biffae  205  (von  Paris), 
206  (von  Genua),  500' 

binae,     factores    binarum 
714  f.,  717 

Binnenschiffahrt  5,  11  f.  55, 
59,  69—74,  78,  83  f ,  93, 
101,  146,   154,   336,   348, 


426,  583  f.,  595,  610,  612, 
614,  647,  654  1,  693  — 
710,  718,  724—734,  737, 
741,  760,  767 

blancherius    (Weißgerber) 
372,  548 ;  blanquetum  614 

Blanke tts  435 

blatia  246 

Blei  94,  160,  206^  535,  575», 
591,  627 

boccarani,  boqueranni  s.  buc- 
cherani 

Bockfelle  s.  boquinae,  bec- 
cunae 

Bodmerei  593,  606* 

Bohnen  311,  591,  674,  694, 
701 

boixiae  311' 

boldroni,  boudroni  313,  653* ; 
s.  Wollvließe 

boquinae  207*,  217 ;  s.  bec- 
cunae 

Borax  549 

Bordelle  180 

bottega,  bottiga  s.  apotheca 

Brasilholz  157  f.,  162  ff.,  184, 
198,  207,  314,  372,  384, 
415  f.,  418,  512,  562,  639, 
702,  744,  750;  als  Zah- 
lungsmittel 643 ;  bei  Mit- 
giften 164;  brazile  do- 
mesticum  164,  b.  silva- 
ticum  157,  164 

Bretter  24,  614,  628,  671 

Briefsteller  109,  148,  183, 
229,  235,  346 

Briefverkehr  16,  109,  167, 
245,  253,  281,  296  ff.,  303*, 
358,  671,  7793 

Brod  577,  689,  701,  705  f., 
732 

Bruderschaften  44,  717 

Brücken  450,  649,  654,  729, 
732—737 

Brückenzölle  45,  81,  93,  386, 
477,    727S    736    1,    742, 
744,  746,  749,  751 
buccherani,  bucherame  (Bu- 
charastoffe) 198,  313,  384 
Bücher  246  (griechische),  468 

(sarazenische) 
Buchführung  109 
Buchsbaum  604,  614' 
Buchverkehr  119,  605,  717 
Buchweizen  689,  693  1 
Büffel  512 
burgenses  131,  137,  170,  172, 


177,  212,  216,  224,  236, 
238,  253*,  369»,  374,  535, 
564*,  586,  628 

bursae,  bursulae  702 ;  bur- 
serius  501 

Büse  (bucius  navis)  200,  204, 
308,  3103,  498  f.,  501,  507, 
545,  568,  603,  604',  608 

buthetti  (Schiffsart)  321 

buticaticum  57,  82 ;  s.  apo- 
thecae 

Butter  694 

Cabella  534,  577,  631,  631' 

caffexetum  (Maß;  Kafis)  291 

cahoursins  s.  Caorsini 

calabratiles  322 

calcaraticum  504' 

calculini  289' 

caliga  s.  halka 

calimala,  callemala  719,  776, 
778—788 

calosum  (Stoff)  421* 

calumnia  (Waren  de  ca- 
lumpniis)  184* 

cambium  119;  cambiatores; 
s.  campsores 

campsores  47,  168,  372,  499,' 
511*,  514,  536»,  562,  603, 
605, 613, 624, 637  f.,  640  1, 
655,  715  ff.,  752,  777       .AI 

—  des  Kaisers  514;  d.  Pap- ■• 
stes   356,   406,   419,  424, 
434 ;  s.  Bankiers,  Wechsler 

campus  (Quartier)  269^  273 ; 
s.  rua 


.11 


camsilium  582 

canabaciae,  canapiciae  u.  dgl. 
66^  205",  284,  522,  577, 
761 

candelae  (optimae  de  Babi-| 
lonia)  37 

caneva   84,   767*;   canevariil 
743 

Caorsini  340, 398  f.,  406,  414,j 
415',  420,  432  f. 

capae    205    (von    Provins); 
217*   (von  Bailleul),  386 
(von  Douai),.453  u.  500«|j 
(von  Metz);   s.  Mäntel     W\ 

capitanei,  stoli  256,  als  Ko- 
lonial- oder  staatliche  Be- 
amte :  262,  535,  536«,  757, 
775,  783;  als  Vorsteher_ 
von  Korporationen :  37( 
380,  660,  762,  782 

capitulare  263*,  772 


Sachregister. 


799 


capitularii  88' 
cargatores  204,  209 
Casalien  148,   170,  177,  217 
casanam  facere  340 
casaticum  511,  689" 
casubla  cum  listis  327* 
catabulum  (navium)  71 
catallum,    catel   (bewegliche 

Habe)  420» 
catasticum  comunis  249 
catena    (Hafenzollamt)    170, 

172,   193,  2001,  201,  214, 

675,  691 
caupalus  (Schiffsart)  584 
cavezoli  745' 
caxia  fistula  284 
cendatum,    cendata   239  f., 

243,  442»,  468,  582 ;  c.  de 

TripoU  213,  384;  s.  Taft 
centae  387  (von  Paris) 
cercitoria  serica  33,  35* 
Charterung    196,    213,    218, 

358,  363,  501,  537,  545*, 

603  f.,  613,  621,  653,  709; 

8.  Fracht,  Passagevertrag 
chebuli  468 

chelandiae  (Schiffsart)  28 
chilma  (Kilma)  lini  284 
Chrysobull  18  f.,  28,  34,  223, 

229,  249,  252,  257 
<;incebrata  702' 
cintracue,  cintragus  469,519', 

522,  578',  581,  617,  623 
cirothecarius  (Handschuher) 

440 
cisa  (salis)  611 
Cisterzienser  435 
clibanus  306 
clusagium,    clusiaticum    81, 

339' 
coiraterii  582^ 
collatio  portus  575,  617,  623, 

628« 
coUecta  531,  592,   608,   617, 

629,  644,  744,  753 
collegantia  110  f. 
collo  4698,  470,  495 
colonna  110* 
comites  254»,  268*,  663*,  677 

bis  684 
commenda,  commcndacio  u. 
dgl.  111  f.,  155  ff-.,  159  ff., 

207,    243  f.,    282  f.,   301, 

310  ff.,  315,  322,  371,  374, 

466,  468,  489,  499,  548  f., 

602",  603,  612,  614,  637 

und  öfter 


commerciarii  18,  238,  247 

commercium  223,  321 

compagna=  commune  66  f., 
530,  534,  578',  608,  635, 
648 

compagna  =  societas  113', 
535,  661* 

comune  mercatorum  769 

concae,  conchae  501 ;  siehe 
Schüsseln 

coniatini  159  ;  conilia  297  ; 
s.  Kaninchenfelle 

conservagium  facere  613 

conzatura  513 

copellus  766^ 

corabium  (Schiffsart)  264* ; 
8.  golabus 

cordat  (Tuchart)  387 

Costuswurzel  89 

cotonum  313,  469«,  476«; 
cot.  filatum  313 ;  cot.  ma- 
pusium,  de  mapuis  207^, 
614;  cottoenwoUe  u.  cot- 
toengarne  418* ;  carta  cut- 
tunea487»;  s.  Baumwolle 

cribittum  portae  684 

crudamen  argenti  619 

cuffo  et  arso  179* 

cuniculi  affaitati  159^ 

curatura,  curadia,  curritura, 
curtadia  etc.  56,  59,  79  ff., 
339',  719,  743  f.,  748,  751 

custodes  nundinarum  368, 
377  f. 

—  portus  317 

cutton  =  cotonum 

Darlehnsgeschäfte  8, 47, 111, 
121,  131,  340,  342,  346  f., 
349,  351,  353—370,  379, 
388  ff.,  393  —  397,  401, 
403  ff.,  449,  5148,  523, 
525,  536,  540',  553,  580% 
582,  613  f.,  638,  643,649, 
653, 671, 689f.,  693  ff.,  699, 
716,  747,  757  f.,  763;  s. 
Anleihen 

Dämme  und  Deiche  699, 
728,  733  f. 

Datteln  184,  549,  702 ;  Dattel- 
palmen 302 

Dauer  von  Reisen  u.  Trans- 
porten 17,  69, 153  f.,  316*, 
381,  616* 

decatia  147^  477,  627,  651 

Dekretale  Naviganti  1 12, 382, 
499» 


Delegation  119 
demita  239  f. 
denarius  Dei  762 
Depositum    111,    401,    404, 

414,  435*,  454,  493,  514, 

586,  6688,  674,  701»,  709 
Detailgeschäfte  638,669, 721, 

765  f.,  782 
devetum    555',     566*,     574, 

620',  623«,  625*,  634» 
dirictus  (directus),  dirictura 

579,599',  697*,  723,  743; 

s.  drictus 
dispensatores  frumenti  691 
doana,  dohana  s.  Duane 
dolillae  bresilli  314 
Dolmetscher  179,  251 
Dombauverwaltung    227    f., 

237,  251,  253  f.,  520,  523, 

536* 
domus  ^=  fondaco  132,  135, 

137  f.,  369,  374,  482^,  511, 

531,  560»,  570,  660 
donicaliae ,     donicalienses 

525*,  527  ff. 
Doppelwechsel  363,  391 
Dorsalvermerk  342* 
Dragomane    179,    291,    296, 

297,  299  f.,  305° 
draperii  s.  Tucher 
drictus  323,  483',  588*,  630«; 

s.  dirictus 
Drogen  22,  162  ff.,  210,  311, 

314,  418,  468,  549,  552, 

744 
Dromedare  304 
Duane  146,  151,  179  f.,  187, 

214,  281,  285,   291,    293, 

296-300,  306,  311,   464, 

493',  503*,    504',   511  f., 

5168,  647 
Duka  (als  Kolonialbeamter) 

239  f.,  263  f. 
Durchgangsverkehr  s.  Tran- 
sitverkehr 
Durchsuchung  von  Schiffen 

317,  730 
Durgantin  (Stoff  von  Urgen- 

dsch)  61» 

Edelmetalle  47,  114,  150  f., 
161,  180,  221,  226,  265, 
298»,  312,  454,  495,  659, 
665,  676,  744 

Edelsteine  44, 221, 265, 453  f., 
471,  480,  495,  499,  676 

Eichenblätter  750 


800 

Eichhörnchenfelle  449,  750 

Eichung  578,  607,  764  f. 

Eier  84,  766 

Eigenwechsel,  domizilierter 
119 

Einfuhrprämien  493,  669, 
672,  679»,  683 

Einfuhrverbote  263, 623, 692, 
768,  779 

Einfuhrzeugnisse  687,  691, 
694,  696,  698,  702,  707  ff. 

Eisen,  Eisenerz,  Eisenwaren 
83,  85,  94,  136,  145,  150, 
152,  160,  179  f.,  185,  266, 
267»,  316,  324,  443,  446, 
468,  491,  494,  500,  509, 
510*,  513,  582  ff.,  588, 
6028,  619,  623,  626  f., 
651,  672,  745  f.,  750; 
s.  Roheisen,  vena 

Elefanten,  El.-zähne,  Elfen- 
bein 33',  184,  304 

Ellengebühr  513,  595 

emblici  (ArtMyrobalanen)468 

embolum,  embulum  (Quar- 
tier) 19,  2305 

embularii  227,  237,  254 

enapi  (napi)  argentei  284 

endicum  (Indigo)  639^ 

entica  {evdrjxrj)  110^ 

Erbsen  614 

Erdkarte  277 

ergasteria  19,  42,  46^ 

Ersatzpflicht  421,  578,  586, 
635  f.,  639,  641  f.,  667, 
675,  695,706,  711,  729  f., 
733  f.,  737  f.,  740,  756, 
760,  775 

erugua  548*  (=  eruca,  ro- 
quette ,  Glasstaub  zum 
Emaillieren) 

Esel  761,  639,  659,  744 

Esellast  610,  744,  746,  752 

Eunuchen  22 

Euphorbium  468 

examitum  246 

Exkommunikation  (in  Han- 
delsangelegenheiten) 31, 
146,  185,  324,  341,  351, 
367  f.,  399,  419,  427  f., 
435,  561,  671,  708 

Exportindustrie  638,  779 

Fabri  -518,  617,  627 
facioli  greciski  28,  35 
Faktoren  293,  322,  345,  365, 
408,  467,  675,  604,  751 


Sachregister. 

Fähren  72  f.,  734 

falangagium  477 

Falken  304 

Fälschungen  (vonUrkunden) 
367 ;  s.  Betrügereien 

Färberei  477,  486,  509,  582^ 

Farbhölzer,  Farbwaren  164, 
314,  384,  416,  516«,  552, 
585,  750 

fardello  747 

Fässer  490,  502,  596,  612, 
655,  673  f. 

fauciaticum  623* 

Federn  158 

fegia  (?)  283 

Feigen  319,  473,  497,  552, 
596,  674,  676,  696,  698, 
701,  707  f.,  745  f 

Felle  248,  296  f.,  315,  336, 
449,  470,  576,  623,  687, 
750,  752,  761,  768;  s. 
Eichhörnchen- ,  Fuchs-, 
Hermelin- ,  Kaninchen-, 
Lammfelle,  Marder,  mul- 
tonini 

feriae  ultramontanae  343", 
350,  417;  s.  Messen 

f errare  (eichen);  ferrarii  764 f. 

ferrionum  (?)  562 

filum  Burgundiae  205,  312; 
de  sarcia  604;  teutoni- 
cum  452 ;  s.  Garn 

Filze  246;  Filzhüte  206 

Fische  66,  70,  83  f.,  441, 
476,  ■  512,  562,  577,  628, 
703,  727,  743,  745  f. 

FiskaUscher  Handel  1 85, 198, 
264,  267,  304,  493,  505 
bis  510,   516',  631',  691 

Flachs  11,  85,  161,  1641, 
184,  198,  284,  312,  326», 
505,  512  f.,  701,  767' 

flectae  spaniscae  33 

Fleisch  124,  196^  470,  494, 
497,  511,  537,  546,  577, 
588,  595,  636,  669,  676, 
679,  687,  701,  744,  765  f. 

Fleischbänke  82,  173 
Flößerei  584,  693, 733 
follia  7501 
Fondacajo  (fundacarius)  180, 

184,  201,  447,  655,  659 
Fondacatsordnung  307,  448, 

511  f. 
Fondachi  96,  123,  126,  129, 
132,    137  ff.,    143,    146, 
150  f.,    170,    179  f.,    188, 


P 


201,  214,  219,  229, 
238,  252,  260,  263—266, 
290  ff.,  301,  306  ff.,  310, 
319  f.,  323,  326,  331,  447  f. 
(F.  dei  Tedeschi),  464, 
471,  479  1,  482«,  486, 
4911,4931,  512  ff.,  545  ff., 
553,  559  f.,  569  f.,  573, 
589  f.,  594,  649, 654—660, 
758  1 

fondata  serica  39 

Formulare  348,  382  jg 

Frachtfuhrleute     340,     345, 11 
372  1,   380  ff.,   383,  391, 
637,     640,     655,     659  1 ; 
s.  vecturarii  II 

Frachtpreis  und  Frachtver-  II 
träge  159,  264^,  283,  292', 
300,  315,  372,  380—383, 
413,  502,  537,  545*,  548,  f 
568  1,  592  f.,  604,  621, 
637,  648,  733;  s.  Char- 
terung ; 

francine  743  i 

Freihof  60,  445 

Fremdenrecht  103,  270*, 
414  1,  452,  570,  583,  663, 
669,  671,  679,  691,  700, 
720, 725, 743, 759*,  761, 765 

Fremdenverkehr  44  f.,  60, 
97,  448,  569,  586,  614, 
758  1 

Früchte  29,  512,  628,  746, 
766 

frustanei  292^  :=  fustanei     ■ 

Fuchsfelle  14,  94,  206,  582, 
750 

funda  131*,  170,  201,  213 

funditium  138S  308*  =  fon-  | 
daco 

Fünfte  (quintum)   180,   189, 
199,  280*,  323,  539,  601, 
663,  669,  676,  678,  692*,   ^ 
j697  11 

fustanei  (fustagni)  159,  271,  "■ 
2921,    415,   466  1,    582», 
588  1,    638';    von    Mai- 
land 467,   von   Piacenza 
467,  644;  s.  Barchent 

fustetum  502 

Galanga  89,   163,  197,  315, 

549,  702 
Galanteriewaren  500 
galeda  (Maß)  562 1 
Galeeren  zum   Warentrans- 
port 153,  230  f.,  358,  363, 


Sachregister. 


801 


373^  483,  491  f.,  526,  537, 
545%  557,  564,  576,  591, 
593  f.,  597  f.,  602  -  607, 
6113,  613 

Galeonen,  Galioten  557,  563, 
675,  683 

Galläpfel  314,  485,  549,  744, 
750 

Gamiirra  535 

ganganella  (Schiffsart)  549 

Gänse  766 

Garn  und  Garnstoffe  66,  95, 
205,  284,  312,  452,  577, 
768;  8.  filum  und  cana- 
paciae 

garnimenta  623 

Gastalden  11,  655,  700,  703, 
771' 

gattus,  gatus,  cattus,  gatta 
15»,  29,  167,  517 

Gaukler  86,  715 

Gefäße  583,  655 

Gegenseitigkeitsverträge 
453,  459,  530,  542,  547, 
553  f.,  556,  570,  588  ff., 
610  f.,  696,  748  f. 

Geldhandel  12,  47  f.,  120  f., 
168—171,  1748,  182,  189, 
196,  199',  207»,  213,  220, 
270,  340,  342  f.,  348,  351 
bis  368,  375,  387—414, 
417-436, 442  f.,  475, 513  f., 
517,  .525*,  586,  603—606, 
621,  643  ff.,  655,  721',  781 

Geldübermittelung  47, 115  f., 
119,  342-345,  348, 388  ff., 
398,  407—411,  424—427. 
449',  514,  537,  658,  774  f. 

Geldverkehr ,     kaufmänni- 
scher 119  ff.,    309,  310*, 
345,  349,  362,  390  f. 

Gelegenheitsgesellschaft 
110  ff. 

Geleit,  Geleitsrechte  45,  52, 
60,  79,  101  f.,  338,  359, 
369,  378,  396  f.,  3988,  402, 
437,  446,  464,  483,  532, 
536,  561,  576,  581  f.,  599, 
602,  608,  621,  634«,  671, 
688,  695,  702,  720,  723, 
725,  730,  739  ff.,  746  ff., 
773 

Geleitsbrief  21\  238,  242, 
252,  303,  380,  396,  402, 
405,  408 

Geleitsgeld    541,    634,    707, 
735,  75P;  s,  tansa 
S  c  h  a  u  b  e ,  Handelsgeschicbte 


Gemeindezelt  717,  720 

Gemüse  21,  160S  451,  505, 
591,  594  ff.,  628,  674,  685, 
691,  703,  765  ff. 

Generalkonsuln  137,  140, 
173,  175  f.,  191,  194  f., 
199  f.,  216  f.,  222 

Generalkreditbriefe  394  ff., 
403,  410,  431 ;  s.  Kredit- 
briefe 

Geräte  24,  184,  317,  475, 
671 ;  s.  Geschirr 

Gerber  717,  750,  771 « 

Gerichtsbarkeit,  Handels- 1 8, 
213,  460,  464,  470,  503, 
553,  579,   596,   619,  622, 

624,  627,  629  f.,  635,  645, 
665  f.,  673  f.,  688,  690, 
693, 697  f.,  700,  710,7151, 
720-723,  745,  754  f.,  757, 
769,  772;  8.  Schiedsge- 
richte 

—  geistliche,  in  Handels- 
sachen 220,  333,  351  bis 
357,  360,  362,  365  f.,  379, 
419,  425—435,  455 

—  koloniale,  131,  135—138, 
143,  151,  170,  173  f., 
177  ff.,  188,  192  f.,  201, 
210— 221,232,2361,  253, 
257,  261,  265,  273,  299, 
306,  471,  475,  480,  484, 
495,  498,   530,  534,   536, 

547,  590,   594,   596,  600, 

625,  662  f.,  665,  667, 
689  ff. 

Gerste  160«,  591,  596»,  607 

Gerüft  376 

Geschirr,    Geschirrhändler 
743,  745;  s.  Gefässe 

Gesellschafts  vertrage     21, 
110  ff.,    154  ff.,    166  ff., 
220,  230,  281—285,  319, 
322,  466  ff.,  563,  661,  780 

Getreide,  Getreidehandel  21, 
72,  75,  84,  124, 171',  198% 
203,  211,  221,  238,  244  f., 
261,  267,  276,  278,  289', 
291,  293,  295,  301,  304, 
306,  327,  449,  451,  459, 
463,  465,  469,  474,  477, 
480,  489-497,  505—511, 
518  f.,   522  f.,   536,    546, 

548,  551,  572,  578,  583  f., 
588  f.,  591,  594—598,  603, 
607  f ,  611,  613,  617  bis 
623,  627,  631',  635  f.,  639, 

der  roman.  Völker  im  Mittelalter. 


657,  666,  669—676,  679, 
683,  685—691,  693—695, 
698  1,    701,    703  1,   706, 

743,  746,  763,  765—768 
Getreideschiffe  245,  465,493, 

495,  522,  531 

Gewänder  (kostbare)  17, 39 1, 

44,  78, 235,326%  411,4741 

Gewerbesteuern  57,  82,  513* 

Gewichtswaren  377, 415,  577, 

582,  750,  761 
Gewichtswesen  131,  413  bis 
417,  452,   470,  514,   577, 
763  ff.,  s.  Maß  u.  Gewicht 
Gewinnaussichten    110,  112 
Gewohnheiten ,       Gewohn- 
heitsrecht  55,  378,    460, 
465,  475  1,  531,  619,  622, 
646  1,  716,  720,  724,  740, 

744,  753  ff  ,  770  f. 
Gewürze   und  Gewürzhänd- 
ler 22,  89,  145,  162  ff.,  210, 

314,  383,  418,  425,  552, 
693,  744;  s.  pigmenta 

Gewürznelken  89,  163,  197, 
207,  314,  331,  347,  383^ 

Glas,  Glaswaren,  Glasfabri- 
kation 139, 142»,  161,  198, 
452,  453%  502,  701 

Glocken  17 

golabus  (Schiffsart)  517;  s. 
corabium 

Gold-  und  Goldgewinnung 
84,  94, 161,  220,  235,  285, 
300,  312,  369,  453  f.,  471, 
473,  480,  493,  520,  676, 
696,  744  ;  8.  Barrengold 

Goldfäden  61,  86,  206,  418, 
von  Genua  206,  von  Lucca 
206,  605,  von  Montpellier 
206,  500 

Goldmünzen  114 1,118, 160  f., 
186  f.,  207,  214,  282,  286, 
305,  312,  643 

Goldschmiede  86*,  440 

Goldwaren  36,  586«,  701,  778 

gombeta  (dacita  gombete) 
588,  589S  595 

gonella  411 

grana  582«,  585 ;  s.  Kermes 

grana  paradisi  383* 

Grauwerk  582,   750 

grisia  623« 

grossarii  679'  =  cursarii 

guanegua  ferri  602^ 

guardia  maris  651,  669,  683, 
686  f.,  689,  705 

51 


802 

guiderdonum  121' 
Gummi  arabicum  184,  197 
Gummilack  157,  163  f.,  197, 

247»,   283,  314,  384,  415, 

562;  s.  Lack 
Gürtel  387,  416»,  440,  701 
Guthaben  119,  672  f.,  717 
Gutschrift  119 

Haberjects  402* 

Hafenämter  170,  201,  402, 
408S  492,  499,  506  fE. 

Hafengebühren  99  f.,  174, 
474,  477,  513,  575 

Hafengilden  und  Hafenkon- 
suln 300  f.,  535  f. 

Hafenmärkte  10  f.,  74;  s. 
Ufermärkte 

Hafer  591 

Haftpflicht  8.  Ersatzpflicht 

halbergetti  =  haubergerium 

Halbfabrikate    159,     768, 
781 

halka  300 

Handelsgesellschaften  (of- 
fene) 110—113,  167,  236, 
242,  355  —  358,  362  f., 
402  fe.,  407  —  410,  491, 
549,  700,  711,  756,  759, 
780;  s.  Gesellschaftsver- 
träge ;  Societas 

Handelsgewinne  25,  145, 
149,  157,  766«;  s.  Ge- 
winnaussichten 

Handelskarawanen  s.  Karaw. 
u.  SchifEskaraw. 

Handelsquartiere  210,  232, 
237  f.,  471,  474,  483,  s. 
rua  u.  vicus 

Handelssperren  6,  8  f  ,  11, 
13^  22,  31,  78,  267,  268», 
276,  307,  320,  341,  347, 
450  f.,  460, 488, 494,  496  f., 
534,  555,  559,  561,  568, 
574,  598,  601,  609,  613, 
622,  629,  634,  653,  668  if ., 
671,  679,  686  f.,  689,  693, 
701*,  702  f.,  708,  729  f., 
737,  762,  767;  s.  Meß- 
sperren 

Handelsverbote  (kirchliche) 
145  f.,  179,  181  ff..  186, 
199,  555,  692 

Handelszeichen  162  f.,  381, 
598 

Handlungsbücher  109, 119  f., 
355,  781 


Sachregister. 

Handschuher  440 

Hanf  85,  505,  509,  513,  584, 

607,  639  f.,  673,  701,  704, 

706,  746 
Hanfgespinst  205,  582,  640, 

761;  8.  canapiciae 
Hansa  der  17  Städte  419 
Harnische  s.  Panzer 
Haselnüsse  512,  698,  701 
haubergerium  402 
Hausgemeinschaft  113 
Häuserspekulanten  443 ; 
Hausierer  s.  Umherziehen 
Häute  66,  276,  284,  286,  293, 

296  f.,   309,  315  f.,   470, 

537,  576,   602,   687,  696, 

746,  761 
Heimfallsrecht  131 
helileth  197« 
Hemden  und  Hemdenstoffe 

582 
Henna  302,  516 
hentica  =  entica 
Herbergswesen  44  f  ,  60,  78, 

82,  95  ff.,  102,  235,  240, 

336  f.,  415  f.,  447  f.,  451, 

492,  512,  563,  578  f.,  586, 
615,  640,  656,  658  ff.,  678, 
689,  710  ff.,  735,  1U% 
757 — 760;  s.  hospites  u. 
Hospize 

Hermelin  94,  495,  582 

Heu  766^ 

hiomella  278 

Hirse  689,  693 

Hochseeschiffahrt  s.  pelagus 

Holz,  Holzwaren,  Holzhan- 
del 23,  55, 136,  145,  148, 
150, 152, 160, 179  f.,  183  ff., 
188,  246,  267«,  316,  324, 
490,  584,  596,  607,  628, 
688,  692  f.,  698,  710,  733, 
743,  745,  766 

Honig  84,  185,  244,  441,  636, 
746 

Hospitaliter  37,  159  f.,  168, 
193,198,2021,  2075,246, 

493,  564*,  582»,  583«,  584, 
586 

hospites  96«,  97,  399,  447, 
656,  658  f.,  744*,  758  f. 

Hospize  60,  95  f.,  237,  239», 
334S  336—339,  444«,  450, 
4630,  639,  659,  688,  735, 
758  ff.,  s.  Herbergswesen 

Hühner  84,  766 

Hülsenfrüchte  84,  245» 


Humiliaten  740,  780« 
Hutwolle    218,    614;    siehe 

Mützenwolle 
huxader  283* 

Jahrmärkte  37,  62,  76  f.,  240, 
515,  585,  607,  712  f.,  718 
bis  723;  s.  Messen 

jansira  (Schiffsart)  652 

Iliansweg  335,  586 

Imbreviaturen  107  f. 

implicita  112»,  312« 

Indigo  198,  207»,  286,  302, 
512  f.,  516,  639,  643  f., 
750;  von  Bagdad:  207^ 
469,  548,  614,  761;  von 
Ceuta :  284 ;  von  Cypern : 
218,  314,  502 

Ingenieure  330 

ingrossatores  734 

Ingwer  89,  197,  207,  314, 
340,  372,  374,  383  f.,  413, 
415,  512,  702;  Ingwer- 
brot 702 

Interdikt  s.  Exkommunika- 
tion 

intrata,  introitus  (der  Messen) 
376,  381  f. 

Johanniter  s.  Hospitaliter 

johyae  (Juwelen)  499 

Juden  18,  22,  28,  47,  80,  93, 
103,  142»,  202,  242, 
2881,  298,  302,  309,  312, 
315  f.,  322,  360,  398,  414^, 
427,  432,  433',  473*,  486, 
499  f.,  509,  549,  553,  562, 

581,  583  ff 

Judex  als  Kolonialvorstand 

475,  503,  663 
Jus  (=  Abgabe)  492«,  513 

Kaid  157,  296,  299,  317,  480 

Kälber  512 

Kalbfelle  s.  beccunae 

Kalfaterer  158 

Kamele  303»,  304;  Kamel- 
lasten 137  f.,  214 

Kamelotstoffe  198,  340,  384' 

Kämme  604,  614' 

Kampfer  197,  314,  549 

Kanalabgaben  588 

Kanäle  100,  610,  675,  694, 
699,  706,  727—734 

Kaninchenfelle  159,297,470, , 

582,  682,  744*,  750,  752 
Kapergesellschaften  s.  Kor- 

sarenzüge 


I 


Sachregister. 


803 


Kaperschiffe  262,  268,  270, 
273,  287,  292,  310,  324, 
460,464,791,545ff.,597ff., 
602,  629  f.,  663,  665 ;  s. 
Korsaren,  Seeräuberwes. 

Kapitalien,  große  155  f.,  168, 
195»,  231,   563,   648,  781 

Kapitalsanlage  25, 110, 157  f., 
162  f.,  168,  205,  207  f., 
218,  256,  414,  454,  620, 
638,  644,  683,   718,  752» 

Kapitulationen  188 

Karavelle  158 

Karawanen  160,  169,  341, 
358,  362  f.;  s.  Meß-  und 
SchifEskarawanen 

Kardamomen  197,  549 

Karrentransport  380  f.,  652, 
719  f.,  745  f.,  752 

Käse  21,  84,  124,  185,  244, 
494,  497,  511  ff.,  537, 
546,  588,  595,  636,  669, 
674,  676,  698,  707  f.,  744, 
746,  766 

Kastanien  84,  311,  512,  562, 
596,  745  f. 

Kastellane  262,  266,  532,  535 

Kaufleute  des  Papstes,  der 
Kurie  397  f.,  414 

Kaufmannsstadt  51 ,  146, 
154,  165 

Kawertschen  s.  Caorsini 

Kermes  205,  373,  384,  415  f., 
418,5826,583,585,750,761 

Kerzen  37,  577,  766 

Kleider  184,  385  f.,  701,  752 

Kleinvieh  659,  744  ff. 

Klosterschiffe  38  f ,  46,  72  ff., 
141,  276 

Knieschienen  658 

Knoblauch  689 

Kohlen  686 

Kokeiskörner  468 

Kollektoren,  päpstliche  392, 
397  f. 

Kolonialverwaltung  123  f., 
128  f.,  133  ff.,  138  ff., 
143  f.,  150,  170  ff.,  190, 
227  f.,  236  f.,  252  ff., 
260—266,  318,  457,  462, 
484 

Kolonialwaren  s.  Levante- 
waren 

Kommissionäre  242,  350, 
451,  591,  606 

Konigsbriefe  196«,  340,  343, 
345 


Konsortien  353,  365  f.,  399, 

401  ff.,  406,  409,  430,  543 

Konsuln  (Ehrentitel)  34,  38« 

—  städtische,  Entstehung 
des  Amts  56,  62,  67,  87  f. 

—  der  Kaufleute  (im  In- 
lande  domizilierend)  343, 
348*,  402,  616-620, 634  f., 
643,  645,  653,  697,  708, 
714,  716,  720,  722  f.,  727, 
739S750f.,  755  ff.,  7641, 
769—783 

—  der  Wechsler  715  ff.,  757», 
771,  777  f.,  782 

—  der  Zünfte  764,  768,  771 
consules  mulionum  s.  vectur. 

637,  640,  660;  s.  capi- 
tanei,  rectores 
Konsuln  des  Meeres  27«, 
491,  5886,  5891,  611i, 
616  f.,  619,  640,  762, 
772  f. 

—  auf  See  (sur  mer)  100^, 
210,  611 

—  überseeische,  oder  sonst 
im  Auslande  residierend 
8»,  100»,  137,  UV,  143, 
149«,  1501, 151»,  170—181, 
184,  187  f.,  191  ff.,  201  f., 
210,  213.  216  f ,  253  f., 
270S271ff.,  290ft'.,  2991, 
303,  306,  309,  313,  332, 
370,  379  1,  463,  472, 
476,  479  ff.,  491,  495, 
498,  533  1,  546  f.,  550, 
556«,  570»,  576,  590S 
592—596,600,6251,631, 
645,  6501,  653^8,  656', 
657S  662  1,  665,  667; 
s.  Bailo,  Kastellane,  Ge- 
neralkonsuln, Hafenkon- 
suln ,  Judex ,  Magister, 
Podestä,  Vizecomites 

Konterbande  16,  136,  145  f., 
150,  186,  264,  328 

Konventionalstrafen     366, 
389,  424,  455,  686  u.  öfter 

Kopfsteuer,    Kopfzoll    66, 
132,  214 

Korallen  206,  312,  315,  501  f. 

Korduan  301,  340,  371—377, 
382—385,  415,  550,  552, 
582,  658 

Korduanmesse  372,  376  1, 
381  ff. 

Korrespondenz ,  kaufmän- 
nische  109,  383 


Korsaren,  Korsarenzüge,  104, 
146,  178  f.,  188,  228  f, 
248-252,  255, 271, 277  ff., 
291,  295,  299,  462,  477, 
479,  484,  531  ff'.,  550, 
567,  574,  618,  663«,  664, 
667 ;    s.   Seeräuberwesen 

Kostbarkeiten  215,  266,  499; 
s.  Schpiucksachen 

Krämer  440,  715,  774,  782 

Kreditbriefe  306,  342^  364, 
393  ff.,  399,  403  1,  406, 
409,  424,  427,  432,  671 ; 
s.  Generalkreditbriefe 

Kreditgeschäfte  8,  38,  52, 
179,  213°,  339  1,  4241, 
441,  4511,  532,  553, 
638  ff.,  657,  673,  681,  708, 
752,  754,  781 

Krokus,  s.  Safran 

Kronen  494 

Kubeben  197,  383^ 

Kümmel  89,  198,  415,  499, 
549,  744 

Kunst-  und  kunstgewerb- 
liche Gegenstände  17, 
34  ff.,  41,  46,  85,  246,  494, 

Kupfer  und  Kupferwaren 
33',  94,  206,  283,  286, 
297,  312,  333,  468,  4696, 
494,  502,  509^  513,  567, 
743,  745,  750 

Kuriale  Anleihen  348,  353 
bis  356,  359,  362,  364  ff., 
387—390,  393—400,  403, 
407  ff.,  413  1,  417—436, 
455,  598«,  716 

Kuriere  383,  399,  626» 

Kürschner  46,  206,  296,  307, 
605,  714,  771« 

Kurse  312,  514,  517»,  563, 
587 

Küstenschiffahrt  28,  39, 
153  f.,  177,  328,  476,  516, 
540,  548,  554  f ,  560  f., 
564, 568, 575  ff.,  587— 592, 
599,  602  f.,  610  f.,  617, 
623  ff.,  628,  648,  651  f., 
666,  673  ff.,  701,  705,  710 

Lack  207»,  372;  s.  Gummilack 
Läden    139,    253,    442,   459, 

516«;   s.   apothecae,   sta- 

tiones 
Ladeklassen  197 
Ladeschein  691 
Ladevorschriften    163,    187, 

51* 


804 


Sachregister. 


197,  204,  297,  305,  506, 
508,  535,  607,  679,  772 

Lammfelle  372,  384,  470, 
582,  744,  750,  761,  768 

Lampreten  584 

Landweberei  442 

Landungstreppen  19 ,  21, 
224,226,  228,230,  232  ff., 
248—253,  261  f.,  695 

Lanzen  604 

Lebensmittelhandel  6 ,  12, 
21,  24,  28,  37,  66,  76,  84, 
102,  123  f.,  130,  160, 
171«,  180,  198,  203,  245, 
268^  291,  304,  316,  319, 
369,  459,  473  f.,  480,  493, 
496  f.,  504  ff.,  511,  513, 
516,  536,  546,  550*,  552, 
576»,  584,  591,  594,  597, 
600,  607  f.,  613,  618,  620, 
624,  631  ^  636,  657,  666, 
671  f.,  679,  683, 687, 694  f., 
701,  703  ff.,  707,  709,  739S 
740,  743  f.,  750,  756,  759, 
766  f. ;  8.  Proviant 

lectuaria  162i 

ledda  584  =  leuda 

Leder-  u.  Lederwarenhandel 
66%  165,  222,  278,  285, 
293,  296  f.,  301,  383,  440, 
582,  744,  746;  s.  Felle, 
Häute ,  Korduan ,  Kor- 
duanmessen 

Legati  als  Kolonial  vorstände 
236  ff.,  249,  257  f. 

Leichterschiffe  557, 561,  583, 
596,  626,  666 

Leinsamen  750 

Leinwand,  Leinenwaren  33, 
85,  956,  159,  161,  164, 
205,  209,  213,  246,  312  f., 
338,  415,  442,  453,  489, 
500,  509,  5121,  522*,  523, 
582,  608,  638,  669*,  701, 
752,  768 

—  aus  der  Champagne  205, 
386,  596 

—  von  Reims  205,  386,  500, 
596 

—  von  Epinal  205 

—  deutsche  205,  421,  440, 
453,  596,  761 

-^  von  Lüttich  421,  761 

—  von  Basel  205,  453 

—  spanische  284;  s.  baldi- 
nellae,  camsilium,  Segell. 

Leinenkaufmann  193 


Lenditmesse  91,  364,  371*, 
377 

leoparderii  304 

lesdalarii  (zu  leuda)  101 

Leuchttürme  146,  153 

leuda,  leusda,  lezda,  lezea, 
lezeda  u.  dgl.  (von  licita) 
386%  539,  553,  582  ff., 
588,  599S  6152,  629*, 
630*;    8.  lesdalarii,  lidda 

Levantewaren  12  f.,  36  f., 
65,  86,  89,  94,  161,  183, 
185,  197  ff.,  210,  215, 
247,  283  ff.,  298,  314, 
322,  408,  418,  494,  567, 
586,  589,  593,  640,  702, 
727 ;  s.  Gewürze 

licentia  mutuandi  436* 

lidda  585*  :=  leuda 

Lieferungsgeschäfte  381  f., 
548,  613  f.,  628,  648,  666, 
686,  710 

lingua,  mori  sine  lingua  131 

lintea  coriorura  160 

lissadra  315  =  nixadra 

Lizenzen,  Lizenzbriefe,  Li- 
zenzgebühr 397,  398% 
400,  402,  404—413,  416, 
486,  495^554,  570,  594  f., 
630,  644,  689,  694  f., 
698  f.,  707,  710,  715; 
s.  Ausfuhrlizenz 

logia,  Loggia  378%  621,  645 

logotheta  rov  S^öfiov  18 

Lombarden  (als  Berufs- 
bezeichnung) 340,  365% 
432 

Losverfahren    204,  705,  715 

Lösegeld  64,  68,  285,  333, 
341,  353,  393 

Loskauf  von  Gefangenen 
und  Sklaven  278,  566 

lume,  lumen  =  allumen, 
Alaun 

Luxusgesetz  552* 

Luxuswaren  17,  61  f.,  778 

Macis  s.  Muskatblüte 

Magazine  84,  141,  226,  289, 
300  f.,  308,  492,  505,  509, 
511  f ,  649,  651 ;  s.  Fon- 
dachi 

Magazingebühr  493,  495*, 
511  f. 

Magister  (als  Konsularver- 
treter) 474,  476 

Magnetnadel  674 


fl 


Makler  s.  Sensal 

Maltolta,  MaltoUetum  647, 
725,  747  ff.,  751« 

malossaria  763^ 

Mandeln  39,  205  f.,  213,  315, 
473,  501,  512,  592 

Manipulationsgebühr  506 

Mäntel  35,"  39,  386,  453, 
500;  s.  capae 

Maona  289 

marca  (=  intrata)  376* 

marcipanus,  marcibana  211* 

Marderfelle  14,  94,  750 

Marktabgaben  77 ,  79—83, 
102  f  ,  138,  235,  484,  504, 
511,  513,  629,  718  ff.,  723, 
742  ff.,  748  1,  751;  s. 
curatura,  plateaticum 

Märkte,  Marktwesen  10,  25% 
36,  55  f.,  59,  62,  74—79, 
83,  92,  131,  136,  139, 
146,  173,  262,  346,  376,  ] 
415,  444%  445,  451,  463, 
473,  478,  515,  526,  580, 
585  1,  618,  633,  6351, 
688  1,  712—723,  763, 
766  1,  770;  s.  Messen, 
Jahr-,  Wochen-  u.  Hafen- 
märkte 

marrones  337 

Maß  und  Gewicht  82,  131, 
139,  168%  170,  174,  177, 
217,  237  1,  253,  263,  269, 
307  1,  331,  439,  471,  510, 
513,  515,  577  f.,  581,  583, 
595,  607,  615,  648,  660, 
671,  695,  703,  705,  713, 
763  ff.,  766»,  771,  773, 
776*;  s.  Gewichtswesen, 
Normalmaß,  Wage,  Wie- 
gegebühren 

masseria  724^ 

Mastbäume  710 

Mastix  89,  167,  207,  239, 
274,  297,  315,  512 

matarassa  214 

Maultiere  316,  437,  512,  639, 
659,  740« 

Maultierlast  137  f. ;  Maultier- 
treiber 442** 

Maut  689,  733 

Maximalpreis  245 

mazarum  207 

Mehl  548 

Meistbegünstigung  83,  346, 
546,  588,  595,  715 

mel  silvestre  162^ 


Sachregister. 


805 


melegete  197 
memirem  468® 
Menagerie  304 
Mercanzia  772,  774  f. 
merces  contrariae  350,   588, 

589S  623 
merces  grossae  (magnae)  u. 

subtiles  486,  513 
mersseria  501 
Messen  13,  76—79,  82,  90  f., 

101  f.,  119,  343,  417,  424, 

661,  699,  713—723 

—  in  Unteritalien  515  f. 

—  in  Ober-  und  Mittel-Ital. 
421,  4751,  637,  647,  699  f., 
710  f.,  713—723 

—  in  Südtirol  438—443 

—  in  Südfrankreich  557,  564, 

575  ff.,  585  f.,  608  f.,  614' 

—  in  der  Champagne  215, 
338—391,  398»,  404,  409S 
416,418—436,586,6041, 
608,  637" 

—  in  England  u.  Flandern 
401,415,417  f.;  s.  Markt- 
wesen, Jahrmärkte,  Len- 
ditmesse 

Meßbriefe  377 

Meßfriede,  Meßgericht  378, 

720 
Meßkarawane    362  ff.,    372, 

380  f. 
Meßkonsuln  379  f. 
Meßsperre    344,    349,    371, 

378  1 
Meßtermine  375  ff.,  389  f. 
Meßwechsler  u.  -Wechsel  368, 

377  1,  715  ff.,  760« 
Metalle  84  f.,   94,   145,  206, 

283,  522,  536,  745 
Metallwaren  17,  23,  85,  317, 

501,  o94S  764 
miliarenses  119,  298,  309  1, 

312,  548,  748 
minos  parrios  160^ 
mirtum  636^ 
missetae,  missitae  762  f. ;  s. 

Sensal 
misteria  =  ministeria,  siehe 

Zünfte 
Molo    (modulus)    522,    581, 

608,  631 
mondilia  brezili  314 
Monopole   165,  505,   509  f., 

537, -585,  607,   651,  704; 

8.  fiskalischer  Handel 
mons  judaicus  584 


montatio  (Bergfahrt)  584 
Moschus  187,  283,  549 
muda  =  muta,  Maut  733 
Mudua,    muda    153  1,   166, 
179,  193,   197,  245,   264, 
267,   459^  686»,   730;   s. 
Schiffskaraw.,  passagia 
Mühlsteine    500,    502,    604, 

745 
muliones  s.  vecturarii 
multonini  (Hammelfelle)  674 
Münzwesen    58,    77  1,    86^, 
92,  113  ff.,  117,  119,  220, 
298»,  4143,  512  ff  ,  633  f., 
650  f.,  654,  670«,  742,  755, 
765  f.,   775 ;   s.  Nachprä- 
gung, miliarenses 
Muskatblüte  198 
Muskateller  701 
Muskatnüsse    162  f.,    164^, 
197,  207,  284,   298,   314, 
383» 
Mützen  95,  206,  674,  701 
Mützenwolle    197,    199;    s. 

Hutwolle 
Myrobalanen  197,  314,  468 
Myrrhen  89,  197,  207 

Nabatinus  201 

Nachlaßbehandlung    128, 
130  f.,  136,  150,  188,  200, 
220  ff.,  253,  257,  306,  311, 
495,  592,  596,  600,  662 

Nachprägung  119,  191»,  262, 
298,  309  1,  312,  651,  748 

Nägel  179 

Narde  163 

Nautische  Kenntnisse  153, 
334' 

Neger  181 

Neutrale,  Neutralitätsverlet- 
zung 292,  295,  301,  590, 
594,  597,  601  1,  618,  665 

Nichtbegleitung  von  Waren 
382 

nixadra  283,  562;  s.  lissadra 

Normalgewichte  u.  -maße  75, 
331,  513,  607,  660*,  764  1, 

Notare  25,  41»,  107  f.,  491, 
674,  780 

Notularien  107  f.,  148,  465  ff. 

Nüsse  39,  473,  501  f.,  512, 
604,  746 ;    s.  Haselnüsse 

Ochsen  441,  659 

Offene  Tür,  Prinzip  der,  136 

Öl  und  Ölhandel  26,  29,  33, 


46,  62,  124,  185,  238,  245, 
298,  319,  332,  441,  443, 
459,  475,  477,  486,  494, 
497,  511,  546,  562,  588, 
595,  632,  636,  671,  674, 
676,  687,  694  1 ,  698  f., 
707  ff.,  744,  746,  763, 
765  1 

Öl  als  Zins  10,  84,  238,  673, 
685 

Oliven  72,  266,  473,  475 

Onyxschüssel  499 

Opera,  operarius  s.  Dombau- 
verwaltung 

opera  silvatica  623 

operatorium  614* 

orales,  oralia  70 

Orangen  39 

Otterfelle  750 

ovetae  709 

Pagamentum,  rectum;  pa- 
giement  3761,  381»,  390 1 

paiola  8.  aurum 

paliadeessa  468''^ 

palifictura  s.  Pflockgebühr 

pällia  als  Ehrengabe  oder 
Tribut  5  f.,  28,  52,  134, 
226  ff.,  232,  246,  318,  543 

pallia  als  Handelsartikel  13, 
17»,  33,  35,  40*,  66,  78  f., 
86,  246,  466,  582,  696 

pampilio  334 

pannelli  298 

panzonus  (Schiffsart)  188 ; 
s.  banzone 

Panzer  66,  205,  491,  583,  744 

paperile  (pannu)  523* 

Papier  286,  322,  487» 

Paramente  44,  85 

parata,  paraticum,  paratici 
82»,  715,  771« 

Parfümerien  44,  475 

passagia  (Überfahrtszeiten) 
196  1,  202  1,  263«;  siehe 
mudua 

Passagevertrag  174,  453;  s. 
Fracht 

Weg  per  passaios  242 

Passierzölle  45,  80  ff.,  92  f., 
212,  219  f.,  338  f.,  359, 
504,  513,  633  ff.,  642,  650, 
652,  706,  735,  746  tt'.,  751, 
753 

patronus  (Normalmaß)  75 

Pech  136,  150,  152,  179  1, 
518,  536,  603,  698 


806 


Sachregister. 


pedagium,  pedaticum,  peda- 
gerii  331,  335",  336,  339», 
381S  542,  592,  595^  602«, 
630«,  634  fE.,  639,  645,  726, 
732,  742,  746—752,  760; 
s.  Passierzölle 

pelagus541, 5541,  560, 567  f., 
573«,  589,  599  ff.,  625,  628, 
6301 

pellata  336» 

pelonum  313 

Pelzwerk  94,  313»,  623,  744* 

perdentes  546,  556,  591 

Pergament  750 

Perlen  44,  221,  265,  283,  407, 
473,  701 

Personentransporte     267», 
272«,  733;  s.  Pilger 

Pfandleihe  360»,  420 

Pfändungsrecht  s.  Kepre- 
salien 

Pfeffer,  Pfefferhandel  89, 
127, 157  f.,  162—165,  183, 
185,197,2141,218,2841, 
314,  322,  372,  373*,  382  f., 
415,  442,  468,  492,  512  f., 
549,  562,  567S  593,  603, 
638,  674,  702,  744,  750, 
765  1 

Pfeffer  als  Zahlungsmittel 
163  f.,  562,  584,  643,  727 ; 
bei  Mitgiften  164  und 
Anm.  1 

Pfeilschiff  s.  sagittea 

Pferde  66,  185,  193,  196*, 
204,  266  f.,  304,  316,  363, 
374,  380,  381«,  402,  409, 
411,  437,  441,  444,  512, 
583  707,  744,  752,  763, 
766 

Pferdegeschirr  39 

Pferdemakler  762  f. 

Pflockgebühr  70  ff.,  79  1, 
477,  730 

Pflüge  85 

pigmenta  22,  58* 

pignolato  160,  246,  442,  644, 
768 

Pilger,  Pilgertransporte  27, 
29«,  32,  34,  37,  44  f., 
57  f.,  65,  92,  95  — 100, 
128,  130  f.,  142, 144,  168, 
172,  174,  177,  182,  190, 
196-199,  202  ff.,  209, 212, 
268,  331  f.,  335,  392  f., 
444,  514,  524,  540,  548, 
554,  560 1,  566,  586,  591, 


639,  642,  666,  676,   688, 

737,  740«,  743,  747,  760; 

s.  Wallfahrten,  romarii 
piper  longum  197,  383* 
pizzicarii  774  f.,  782 
plateaticum  484, 504, 508, 511 
platus,  plata  (Schiffsart)  266, 

673,  678»,  696,  707* 
pluviales  40* 
Podestä  der  Kaufleute  771  f. 

—  als  Kolonialvorstand  221, 
260  ff.,  273*,  684  ff. 

Pökelfleisch  245 

ponderator,  kaiserlicher  514 

portanarii  561,  583 

portaticum  80,  80«,  331,  542, 
684 

portulani  198,  508 

portus  (Stapel)  446^,  690  f., 
725,  731^ 

Preise,  feste  75,  514 

procuratores  bei  der  Kurie 
270*,  353-  359*,  361,  367, 
387,  394  f.,  403,  406  f., 
409  1,  424  ff.,  429  —  436, 
455 

—  S.  Marci  138  f. 

—  mercati  ripae  55 

—  super  redditibus  in  Kon- 
stantinopel 258 

Prolongation  349,  364 

Protektionssystem  768 

Protektorat  279,  464,  551, 
572,  580,  608  f.,  629,  673, 
687 

Protektoren  656,  660,  758 

Protontinus  510^ 

Proviant  196*,  204,  572,  630, 
676,  725;  Prov.-Amt  691 

Provision  391,  760  ff.,  775 

proxeneta  762,  763» 

Proxenie  626^  758;  s.  Pro- 
tektoren 

Purpur,  Purpurstoffe  17,  89, 
161,  242,  292» 

Quadragesima  (Abgabe)  5, 11, 
447,  587,  663,  672,  678, 
689,  691,  693,  696 

Quasi-Seedarlehn  112,  382 

Quecksilber  206,  210*,  247, 
332,  501 

Quintum  s.  Fünfter 

Rasora  765 

rassa     (Konspiration     zur 
Preisbestimmung)  534 


Rauchwaren  206,  552,  582, 
694,  714,  750,  752 

raza  (arazzo)  653" 

Rechnungslegung  140,  252», 
359,  493,  661 

Rector  Christianorum  in  Af- 
rika 294  f. 

Rectores  als  Kolonialvor- 
stände 272,  462 

—  der  Zünfte  660,  722,  776, 
779 

rectum,  rectitudines  743  = 
dirictum,  diricturae 

Reeder  193,  199,  204*,  209, 
305,  315,  484,  604 

Reis  179,  502 

Reliquien,  Reliquienhandel 
29,  35,  44,  60  f.,  126, 
266,  720 

Renten,  jährliche  128,  131, 
138,  141,  151,  162»,  170, 
216,  226,  403,  410  ff., 
464,  472»,  558 

Represalienwesen  10,  71, 
150,  301,  346,  352,  369», 
401,  454  f.,  485  f.,  545  f., 
550,  552*,  553,  555  f., 
559,  570,  589»,  601«,  602, 
607,  609,  611  1,  615,  617, 
620,  626,  635,  655,  669, 
672 1,  677,  680  f.,  687, 
689,  693,  697,  699  f.,  708, 
752—757,  774,  777 

restes  322 

retorno  716* 

reva  758,  760«  =  ripa 

Rhabarber  549 

ribaticum   542  =  ripaticum 

Rinder  512,  744 

Rinderhaare  768 

Rindshäute  602«,  605 

Ringe  266,  701 

ripa,  ripaticum  5,  9,  11,  55, 
59,  69  ff.,  79  ff.,  93,  331, 
447,  526,  542,  576,  587, 
599»,  627,  645  ff.,  650 
bis  655,  696,  715,  720, 
724-728,  743  ff.,  751», 
758,  760 

riparius,  rivarius  607,  655, 
696,  716,  745 

Risiko  110,  113,  156,  158, 
322,  381  f.,  388,  466,  474, 
522,  602,  648 

riva,  rivarii  s.  ripa 

rogadia  111 

Roheisen  620,  655,  745 


Sachregister. 


807 


Röhrenkassie  284,  315 

Rohseide    85,  198,  313,  509 

romarii ,  romei ,  romipetae 
45,  331»,  444,  586,  743, 
747,  753 

rosum  (Abgabe  de  roso)  636* 

Rosinen  239 

roxaldini  286 

rua,  ruga  36,  128  ff.,  134, 
138-141,175,  200  f.,  213, 
229,  238,  461,  483,  504, 
569,  653;  s.  campus, 
vicus 

Säcke  745 

Sacra  Sardiniae  519«,  523; 
8.  Sarsch 

Safran  157,  160  f.,  187,  200, 
206,  215,  283,  298,  312, 
383%  385,  492,  501,  549, 
562,  563^  604,  614,  648  f., 
658  f.,  750 

sagae,  sagiae,  sagrae,  saie  ; 
s.  Sarsch 

saginae  (Schiffsart)  15,  30 

sagittae,  sagittiae,  sagittariae 
u.  dgl.  (Schiösart)  462, 
524,  537',  564,  599,  613, 
684,  689 

sagellum  85 

sagumum  82^ 

saillae  (von  Beaiivais)  387 

salandrus    (=  chelandia, 
Galeere)  195,  203 

Salbeiblätter  89 

salinarii  48' 

Salinen  10  ff.,  24,  46,  70, 
72  f.,  83  f.,  510,  522,  527, 
5413,573,581,584,  6731, 
690,  692 

Salmiak  283,  315,  562 

salvaticiime  752'' 

Salzfleisch  206' 

Salzhandel  10  ff ,  38,  46,  64, 
70,  72  f.,  75,  80,  83  f., 
445  f.,  477, 518—523,  527, 
534,  536  f.,  551,  577,  581 
bis  584,  595,  597,  606  ff., 
617,  627,  629— 632,  638  f, 
647  ff.,  655—658,  663, 
670«,  673—670,  684—693, 
695  ff.,  702—711,  724  f., 
727  ff.,  732,  746,  750,  758, 
765  f. ;  8.  Salinen 

Salzmonopol  509  f.,  537,  607. 
631,  651 

Salzstapel  684  ff.,  690,  725 


Salzsteuer,  Salzzoll  611,  679, 
690,  693,  705,  709,  728, 
750 

Samt  240,  243,  245,  683 

sandanus  (Schiffsart)  123 

Sandelholz  187, 197, 468,  702 

santellarino ,    santellarexio 
(Tuchart)  442 

Sarazenische  Kaufleute  33, 
51,  66,  181,  186,  189, 
286—298,  302,  306,  315, 
504,  511,  556,  581,  585 

sardina  (Schiffsart)  584 

sarrie  erugue  548* 

Sarsch  205,  246,  421,  466, 
468,  519*,  523,  577,  638'; 
8.  Sacra,  sagae,  saillae 

Sättel  94 

saumeri,  Saumtiere  437,  445, 
671 

saximenta  635 

scalae  s.  Landungstreppen 

scalaticum  513 

scapuli  (=  scampoli)  177', 
253* 

scaraticum  688 

scarsella  652* 

Schafe  und  Schafzucht  85, 
336,  504,  506,  516,  528«, 
685 

Schaffelle,  Schaf leder;    s. 
beccunae 

Scharlacheiche  585 

Schatzamt  in  England  393, 
395,  400—410 

—  im  Temple  zu  Paris  362 

Scheinverkauf  537' 

Schenkelbinden  61 

Schiedsgerichte,  Schieds- 
sprüche 143,1911,2191, 
413,  546,  551,  596»,  622, 
625,  636,  649,  652,  672, 
674  1,  698»,  700S  727, 
750,  754,  774,  782 

Schiffahrtsdienst,    regel- 
mäßiger 213;  8.  Mudua 

Schiöahrtsstation  72,  319, 
731 

Schiftbruch  s.  Strandrecht 

Schiffsanteile  21,  25,  111», 
158,  468, 594«,  602%  604  f., 

Schiffsbau ,  Schiffsbauholz, 
Schiffsbestandteile  und 
-Ausrüstung  24,  145,  148, 
160,  167,  330,  459,  477, 
518,  541»,  628,  630,  654, 
666.  674 


Schiffsgeistliche  25 
Schiffskarawanen  100*,l52ff., 

157,  166,  168,  175,  179, 
181,192— 197, 204, 243  ff., 
264,  290,  305,  459,  480, 
491,  494,  521,  607  f.,  621, 
630«,  729^,730;  s.  mudua 

Schiffskäufe    148,   156,   158, 

179,   209,   240,   294,  300, 

470,   494,  502,   522,  577, 

603—606,  609',  672,  675 
Schiffsmiete  203,   205,   264, 

267,    291,    358,    602;    s. 

Charterung 
Schiffspartner  158,  502,  593, 

602^ 
Schiftsplätze  196*,  204 
Schiffsschreiber  204,  772 
Schiffszins   70  ff.,   583,   745, 

7491 
Schild,  Schildmacher  17,  440 
Schinken  470,  485 
Schmeer  311  f  ,  636 
Schmirgel  198 
Schmucksachen     701,    778 ; 

s.  Kostbarkeiten 
Schmuggel    508,    510,    689^ 

695,  703» 
Schneider  307 
scholae  46,  88» 
—  (Barken)  s.  scolae 
Scholaren   348  f.,   400,   721, 

754 
Schrein  33 
Schuldentilgiingsverbot  s. 

Zahlungsverbot 
Schüsseln  24,  206 
Schuster  307 

Schutzgeld  340,  584;  s.  Ge- 
leitsgeld 
Schutzmacht  s.  Protektorat 
Schutzverwandte  187,  199  1, 

211  1,     278,     301,     618, 

649  ff.,  654 
Schutzzoll  746 
Schwefel  549,  614,  702 
Schweine  307,  470,  506,  659, 

674,  689,  744,  766 
Schwerter  66,  387»,  440,  444, 

453,  583 
scolae  6848,  695 
scorta  s.  Geleitsgeld 
scribania  (Zollschreiberei) 

285,  288 
scrivania  (Schreibgebühr)  308 
Seedarlehn    112,    154,    156, 

158,  166,  207,  210,  231 


808 


Sachregister. 


244  f.,    272»,    283,    292S 

305,  467,  471S  485,  490, 

499,  537,  602  ff.,  612  u. 
öfter 

Seeräuberwesen  13  ff.,  26, 
31  f. ,49  f ,  64,  97  ff .,  137, 
145,  188,  214,  216,  221, 
228,  274,    290—298,  302, 

306,  309,  316  f.,  325,  328, 
332,  386  f.,  449*,  458  f., 
464  f.,  477,  480,  483,  494, 
497,  524,  545,  550,  555, 
558-561,579,  587,  590  f, 
596,  601,  617,  624  ff.,  640, 
670,  673—685 ;  s.  Kaper, 
Korsaren,  strina 

Seewurf  596S  613 

Seezinsen,    Seezinstabelle 
112,   166,   239,  293,  319, 
323,   463,  467,   518,  523, 
540,   553,  567,   575,  578, 
617,  622  f.,  627 

Seezollamt  170,  179,  186, 
199,  477,  587,  627,  651, 
654,  772;  s.  catena,  de- 
catia 

Segelleinwand  671 

Segel  u.  Segelstangen  151  f., 
265^  464,  607,  710 

Seide,  Seidenhandel  14,  33, 
78,  85,  160,  217,  222,  284, 
286,  313  f.,  322,  328%  418, 
454,  468,  605,  653,  676, 
702,  778  ;  s.  Kohseide 

Seidenmanufakturen  17,  21*, 
242,  273,  317,  318*,  473, 
778 

Seidenwaren  17,  28,  33  ff., 
39  f.,  161,  198,  207», 
217,  236,  242  f.,  246, 
265  f.,  273,  313  f.,  318*, 
322,  411,  413,  415, 
416S  453,  471—475,  489% 

500,  509,  512,  526,  582, 
696,  701,  709,  778;  s. 
pallia- 

Seife  442,  614 

Sensale    299,  453,  579,  708, 

761  ff., 
seveta  322 
Sicheln  85 
Sicherheitsbriefe    172,    295, 

316,   328,   405,  489,  545, 

578;  8.  Geleit 
Sicherheitseide    183  f.,    192, 

279,  295,  347,  444»,  518, 

529,   533,   588,  618,  620, 


625,   629,   649,   665,  668, 
680  f.,  688,  691,  738,  758. 

Silber  und  Silbergewinnung 
85,  94,  150,  220,  298, 
300,  312,  454,  471,  480, 
521  ff.,  526,  575%  619, 
627,  696,  744,  748 

Silberwaren  284,  351  f,  374, 
393,  417,  475,  586%  701, 
778 

simoniacum  197 

Skammonium.  314,  549 

Sklaven  und  Sklavenhandel 
3%  5,  13  f.,  16,  22  f.,  66, 
93,  99,  102,  104,  150, 
186,  193%  247,  272,  276, 
278,  303%  318%  323,  518% 
537,  549,  552,  554,  583, 
609%  623 

Societas  maris  110  f.,  131, 
155—158,  162—168,  230, 
453%  555,  575  f. 

Societas     mercatorum  in 
Francia  utentium  370 

—  terrae  112 

—  vermiliorum  170,  173 
soga  (Leittau)  724 
solemne    226  f.,    230,    282, 

250,  272 

somnia  642  :=  sauma,  Last 

soquerius  614 

8peciari%  species  413,  425, 
550,  577,6871,  670%  772; 
8.  Spezereiwareü 

Speck  513 

Spelt  591 

Sperrtürme  450  f.,  650 

Spezereiwarenhandel  60, 
145  f.,  454,  468,  513,  707, 
750,    761;    s.    pigmenta, 
Levantewaren 

spica,  spigum  163,  197 

Spiegel  453 

Spikanarde  89,  314,  549 

Spione    (bei    Handelsver- 
boten) 671,  695 

Staatsanleihen  234%  236  f., 
262,  326,  774 

Stahl  und  Stahlwaren  297, 
468,  509,  546,  583,  588, 
592,  638 

stalla  (Stände,    Bänke)  378> 

stallaticum  659,  735 

stame  filato  768 

Stamfords,  staminae  fortes 
205,  206%  386,  387%  402, 
411,  500,  502,  603  f. ;  von 


Arras  313,  386,  615 ;  von 
Cambrai  385 ;  von  Saint- 
Omer  387,  615 

Standgeld  582%  715,  720,  723 

Stapel  446,  485,  568,  691, 
701,  713,  725  f.,  745 

statica  546  (=  fondaco) 

stationes,  stazonaticum  9  ff., 
25%  75,  78,  715*;  s.  Ver- 
kaufsstände 

Staubzucker  197,  207,  314, 
372,  383 

Steinmetzwerkstätten  241 

Steuerruder  151  f.,  612  f. 

storata,  storaticum  715^ 

stradaticum,  straticum  80, 
635,  742 

Strandrecht  5,  126,  131,  137, 
177,  180,  188,  212,  214, 
219,  221,  233,  239  f.,  267, 
323,  326,  333,  541,  545, 
548,  553,  561,  581,  619, 
663,  674  f.,  677,  683 

Straßenwesen  59,  67,  80, 102, 
444,  449  ff.,  582,  628,  633 
bis  642,  645,  686,  706, 
711,  734  —  742,  746  ff., 
770,  773 

Straßenzw^ang  60,  444,  646  f., 
649%  652,  729,  741 

strina  663%  680" 

Strohhüte  95 

Stromabgaben  69—74,  584, 
702  f.,  706  f.,  710,  724  bis 
734 

Stromregal  70  ff.,  74,  724  ff. 

supertunicale  489' 

suprasalientes  663 

Süßholz  197,  485,  549,  614 

Syrup  1621 

Tabulae  209,  582%  713%  715 
tabula  maris  186,  548* 
Taft  198,  213,  243,  246,  372, 

384,  613;  s.  cendatum 

Tagliata,  talliata  728  f.,  732 

tansa,    tansare    707°,    725% 

730« ;  s.  Geleitsgeld,  ten-  - 

sare 

taridae  195,  203,  480,  501  f., 

604,  606  f. 
Tarife  38,  65  f.,  82»,  101, 161, 
1dl'-  %  207%  210,  328  f., 
339,  386,  3873,  418,  426, 
437,441,444,449,453,467, 
470, 490, 493, 550  ff.,  561  f., 
581— 584,  591  f.,  610,615, 


Sachregister. 


809 


636,  708  fE.,  742  —  746, 
749  f.,  752,  761 

tasca,  Tasche  der  Wechsler 
359,  750,  752  f. 

tassidium,  taxigium  u.  dgl. 
88,  55»,  110»,  131»,  459» 

Taue,  Tauwerk  179,  265^ 
584,-  607 

Taxatoren  527,  761  f. 

Teilzahhmgen  364, 368, 399  f., 
407,  423,  430,  559,  643 

teloneum  s.  toloneum 

Templer  168,  202  f.,  215,  493, 
586 

tensare  695'  =  tansare 

Teppiche  283,  475,  504,  582 

Terminhandel  164 

tertiana,  tertianaria  177,204', 
212,  506* 

Testamente  164,  305,  331«, 
354  f.,  385,  441»,  448, 
454,  563,  585,  629,  6688, 
669,  679« 

Textilindustrie  61,  165,  416, 
418,  422,  452,  473,  586, 
G38  f.,  644,  701,  744,  768, 
780  f. 

Textilwaren  17,  22,  33,  66, 
94,  204  f.,  217,  245  f., 
263,  312  fE.,  440,  500,  552, 
5675,  582,  640,  693,  744, 
761 

tiraforti  de  Siria  702 

tiretum  (Stoff)  582 

Tischtücher  701 

toloneum  9,  11,  51,  54  und 
oft,  80  etc. 

Tonwaren  161 

torselli  66',  346,  350,  359, 
369,  382,  386,  402,  408*, 
437,  567,  577,  582,  591«, 
602»,  639  fE.,  698,  709, 
720  (toselU),  744  f.;  s. 
troselli 

Tragfähigkeit  197,    679,  772 

Transitverkehr  217,  257,  332, 
335,  342  f.,  349  f.,  358, 
385«,  551, 582',  604  f.,  609', 
619,  641,  647,  659,  666, 
687,  693,  697,  701»,  703  f., 
708—711,  728,  745,  747, 
749»,  751- 

Tratte  119,  270,  362,  533* 

Trentacien  668 

triblatti  40* 

Tribute  zur  Sicherung  des 
Handels  13,  68,  95« 


tripulati  286 

troselli,  trosselli  101,  383, 
582';  s.  torselli 

Tuchfabrikation  33,  46,  61, 
164,  384,  779  f. 

Tuche  und  Tuchhandel  38, 
40,  56,  66,  90,  92,  95, 138, 
159,  198,  204—208,  213, 
217,  239  f.,  246,  263,  266, 
271,  333,  340  f.,  347», 
349  fE.,  364,   369,   372  f., 

385  ff.,  402,  411,  413,  415 
bis  421,  440  ff.,  449,  453, 
466  ff.,  489,  492,  494,  499 
bis  502,  509,  511^  512  f., 
523,  548,  552,  565,  567, 
577,  582,  584,  588,  591, 
597,  603  f.,  608,  615,  638, 
640  f.,  645,  658,  674,  690, 
701,  709,  714  f.,  717,7191, 
722,  732,  743  f.,  750,  752, 
763,  764^  765,  768,  776, 
778—781  ; 

de  Garbo  :  780  i. 
orientalische    Tuche: 

61',   160  f.;    von  Bagdad 

283,  322 
nordf  ranzö  si sehe: 39, 

349  ff.,  369,  374S  386, 596, 

602,  781 
von  Arras  205,  206',  313, 

386  f.,  500,  502,  577 
von  Beauvais  386',  387, 

421,  577 

von  Chalons  204  f.,  313, 
386,  500,  603 

Chartres  (zartenses)  205, 
217*,  387,  577 

Chäteau  Landon  386' 

liltampes  (stampentes)  387, 
577 

Louviers  205,  387,  500; 
Montreuil  386 ;  Paris  385 ; 
Provins  386,  500;  Ronen 
205;  Saint-Quentin  205, 
385  f.,  502,  624 

flandrische:  418,  577, 
friesische  468 ;  vonBrügge 
418,  421;  Cambrai  205, 
385  f.;  Douai  205,  206', 
386,  421 ;  Gent  418 ;  Li- 
canusa  205;  Lille  205, 
418,  421;  Lüttich  421; 
Merris  577 ;  Saint  -  Omer 
387;  Saint -Ricjuier  385, 
468,  577 ;  Tournai  421 ; 
Ypern  205,  386,  418,  421 


englische:  402,  416;  v. 
Stamford  402 

deutsche:  440,  442;  v. 
Köln  449;  von  Mainz  449, 
453,  5771 ;  von  Metz  386, 
453 

südfranzösische  und 
katalanische:  v.  Arles 
615;  Avignon  205,  502; 
615;  Beaucaire  615;  B6 
ziers  615 ;  Cabestany  615 
Gabors  615;  Figeac  577 
615;  Ganges  615;  Gour 
don577,615;Lerida548' 
552;  Limoges  577,  615 
Narbonne  205,  615;  Ni- 
mes  563,  615;  Saint-Pons 
205,  6I51 ;  Tarascon  205 ; 
Uzes  615 

italienische:  778;  tos- 
kanische  350S  386,  711; 
von  Bergamo  709,  720, 
732,  745  f. ;  Bologna  714, 
780;  Brescia  768;  Como 
744;  Florenz  711, 760, 768, 
779  ff.;  Genua 466 f.,  500; 
Lucca  701,  711,  768 ;  Mai- 
land 386,  714  8.  pignolati; 
Mantua  714 ;  Modena 
714 ;  Parma  768 ;  Piacenza 
s.  pignolati;  Santellarino 
442;  Verona  701,  720^, 
780 

Ohne  Ortsbezeich- 
nung: blaue  350,  bunte 
246,  brunetae  638',  gold- 
durchwirkte 265',  416», 
683,  graue,  griseum  442, 
674,  7018,  grüne  159,  205, 
246,  440,  marini  veteres 
2058,  rote,  pfirsichf arbene 
(apersati)  350,  (pers)  500, 
sanguineae  385,  421,  500, 
Scharlach  159,  215,  271, 
386,  413,  466,  kermes- 
gefärbte  205,  386,  weiße 
205,  350  8.  Barchent,  bif- 
fae,  buccherani,  canapi- 
ciae,  capae,  cordat,  fu- 
stagni,  Gewänder,  Kame- 
lot, pannelli,  pignolato. 
Samt,  Sarsch,  Seiden- 
waren, Stamfords,  tii'e- 
tum,  vintenae. 
Tucher,  Tuchkaufleute373f., 
377,  379,  402,  442,  466  ff., 
5001,511^,522,603,615, 


810 


Sachregister. 


689,  695,  711,  714,  717, 
719,  763«,  768*,  772,  776, 
779  1 

Tunfische  512 

turcimanni  s.  Dragoman 

Ufermärkte  55,  74,  81  f.;  s. 

Hafenmärkte 
Uferzoll  s.  ripaticum 
ultramontani  66, 450, 452, 591 
Umgehung  von   Zollstätten 

371,  445  f. 
Umherziehen ,    Handel    im, 

582«,  716,  743 
Umlagen  253,  267,  774 
Umschlag   (vom  Land-   auf 

den  Wasserweg)    78,  94, 

348,  731 
undecimatio  82^ 
Ursprungszeugnis  702  f.,  707, 

710 
usagium  nundinarum  378* 
usaticum  539,  548i,  553 
usurae  120  f.,  168,  433 
usus  (als  Abgabe)  123,  450S 

562» 
utrei  207 

Vallonia  750' 

vecturales,  vecturarii  373, 
380  ff.,  384,  413,  437,  637, 
642  f.,  660;  s.  Frachtfuhr- 
leute 

Vena  argenti  85 »,  521 

vena  ferri  620,  655 

Venediger  Gut  443* 

Veredelungsverfahren  781 

Vergeltungszoll  748 

Vergoldung  61,  165 

Verjährung  631 

Verkaufsabgaben  66,  81, 135, 
138,  175,  213,  217,  291, 
470,  495,  551  f.,  577,  584, 
588,  591,  620,  720,  753 

Verkaufsstände  und  -buden 
582«,  610,  689,  711,  7141, 
717,    719,    722;    s.    apo- 
thecae,  stationes 

Verkaufszwang  451,  704 

vermiculum  585*'  ° 

Vermietung,  Verpachtung  in 
der  Kolonialverwaltung 
133  f.,  139,  143,  194,  217, 
248,  252  f.,  288,  482»,  543, 
548 

Verproviantierung     123  f., 
493  f.,  496 


Versicherung  702 

Versteigerung  291, 297, 299  f., 
409,  s.  halka 

Vertragshäfen  291,  294 

verzi  164»  =  Brasilholz 

Verzugszinsen  120  f.,  389, 
398*,  407,  424  f.,  430,  716, 

Vexierkanne  417 

Vicecomites  (als  Kolonial- 
vorstände) 128, 133  f.,  136, 
139  1,  143,  166,  170,  174 
bis  178,  201,  211 1,  216  1, 
219,  227,  233^  234,  237, 
251  ff.,  257«,  258,  270,  272, 
590^  662 

Vicedomini  448,  669,  672, 
674,  678,  681,  688—691, 
693,  696,  699  f. 

vicus     (Handelsquartier) 
130  f.,  140»,  200,  219,  226, 
288,  474 

Viehhandel ,     Viehhändler 

441,  496,  505,  511,  552, 
722,  743  fe.,  756 

Vierzigste  s.  quadragesima 
Viktualienhändler  109 
Vingtains,  vintenae  205,  813, 

577,  761 
virgae  aureae  298» 
—  azarii  468 
Vitriol  198 

vogiae,  volgia  159,  466 
Vorkaufsrecht  585 

Wachs  89, 198,  267,  276,  285, 

315,  340,  380,   385,   415, 

442,  513,  577,  598,  638, 
683,  744,  750,  766 

Wachtschifife  s.  guardiamaris 

Wafeen,  Waffenhandel  23  f., 

85,  94,  102,  136,  145,  148, 

179  1,   184  1,  244,   267«, 

316,  324,  491,  516,  555, 
605,  630,  707,  766 

Wagen,  öffentliche  139,  151, 

161,  174,  180,  346,  369, 
417,  452,  469  f.,  477,  513, 
577,  583,  632,  640,  655, 
660,  765 

Wagen     (zum    Warentrans- 
port) 380,  453» ;  s.  Karren 
Walker,  Walkmühlen  46,  746 
Wallfahrten  92,  102  f.,  158, 

162,  331  f.,  335,  557,  568; 
8.  Pilger 

Waren  als  Zahlungsmittel 
46, 114, 154«,  643  f.,  648  f. 


i 


Warenballen  s.  torselli 

Warenhaus ,  Waren  nieder- 
lage  46,  162,  464;  siehe 
Fondaco 

Weber,  Weberei  46, 161, 164, 
242  f.,  3052,  3922 

Wechsel,  Wechsel geschäfte 
112,  119,  207»,  340,  342  f., 
345,3481,357»,  358, 3621, 
370—374,  381,  388,  390  f., 
514,  603,  605  f.,  653,  657, 
717,  719,  761  m 

Wechsler  und  Wechslerge- ^1 
Schäfte  47,  60,  109,  168, 
253,  336,  340,  359^,  368,  ^ 
377  f.,  398,  476,  495,  514,  Jl 
586,  602,  640,  710,  713,  «1 
715  ff.,  750,  752,  766, 
771  1,  777  1,  782;  siehe 
campsores 

Wechsleramt  404,  415' 

Weihrauch  44,  89,  164,  197,^ 
314,  415,   512,   549,   643,: 
744,  750 

Wein,  Weinhandel  8,  11,  26, 
62,  72,  84,  89,  124,  146, 
174,  180,  185  f.,  188, 196*, 
198,  217,  238,  245,  264, 
306,  308,  311,  441,  446, 
451,  459,  474,  486,  497, 
511,  551,  577,  584,  588, 
595,  663,  670—676,  687, 
690,695,7011,704,7061, 
710,  743,  7581,  763,  766  1  Mt 

Weinstein  314  H 

Weizen  160»,  267,  490,  548, 
578,  591,  594,  607,  671, 
686,  691,  693,  698,  703, 
710,  732 

Werg  179  f. 

Wertzölle  221  u.  oft 

Wiegegebühren  308, 477, 513, 
551,  577,  583,  595,  623, 
629,  640,  644,  655,  660, 
671,  673,  689,  703  1,  765 

Wiegemeister  640,  660,  703, 
765 

Wiesel  94 

Wild  766;  Wildfelle  752 

Wirtshäuser  82,  444,  721* 

Wochendarlehn ,  Wochen- 
zins 340,  351  1,  443 

Wochenmärkte  76, 515, 712  f., 
722 

Wolle,  Wollhandel  22,  37, 61, 
85,  184,  217  f.,  222,  264, 
336,    347*,    384  f.,   393*, 


I 


Sachregister. 


811 


396,  398»,  411,  413, 416  f., 
4221,  470^  474^  513^  523, 
536,  587,  589,  598,  602, 
750,  768»,  779  f. 

—  de  Barbaria  602,  de  Garbo 
282*,  284,  297,  306,  315, 
780«,  syrische  198,  512  f., 
8.  Hutwolle,  Mtitzenw. 

Wolldecken  604 

Wollenzunft  717, 768, 778  ff., 
782 

Wollvliese  85,  313,  602,  605 

Wucher,  Wucherer  120,  355, 
367,  374,  398,  406,  414, 
420,  427,  443,  474  f.,  525, 
528  f.,  643,  754 

Wucherverbot  121,  164^ 

Xamita   (examitum) ,    Samt 

240,  243 
xenodochium  78,  95  f. 

Yconomi  484 
ysamitum  (Samt)  683^ 

Zahlungsanweisungen  119, 
400»,  401  ff.,  406  ff.,  410, 
442,  492 

Zahlungsbefehl  354 

Zahlungsmittel  113  ff.,  493 

Zahlungsverbote,  päpstliche 


356,  366,  368,  379,  404, 
406,  430,  432 

Zahlzeit  381,  390  f. 

zambelotti  s.  Kamelot 

Zändel  s.  cendatum 

Zaumzeug,  silbernes  157 

Zehnte  31^,  70,  127,  189, 
269,  281,  294,  302,  397  f., 
406,  490,  518  f.,  522,  539, 
573«,  578,  588«,  590,  666 

Zehntentarif  148,  229,  317, 
465,  469,  5781 

Zelte  (auf  Märkten)  715  ff., 
720 

zendata  s.  cendatum 

Zession  346,  351,  365,  432, 
502 

Zettel  768,  779 

Zeugstiefeln  421 

Ziegen  506 ;  Ziegenfelle  768 

Zimt  89,  162  —  166,-  183, 
198,  214  f.,  314,  475,  766 

Zinn  94,  206  1,  333,  406», 
468, 501  f.,  513, 567, 583  f., 
598,  604;  stagnum  in 
cloca  206,  333;  in  virgis 
206;  gitatum  206,  501» 

Zinsen,  Zinsfuß  47,  119  ff., 
168,  360,  367,  388  ff.,  398, 
418,  420,  467«,  523,  643, 
6491,   7166^  755^   757.    g. 


usurae,    Verzugsz,,    Wo- 

chenz.,  Wucher 
Zinsreduktion  638» 
Zinsverbot  s.  Wucherverbot 
Zitwerwurzel  197 
Zollschreiber  180,  188,  284  f., 

288,  299,  306 
Zucker   162,    197,   199,  218, 

413,  513,  702,  750;  siehe 

Staubzucker 
Zuckerrohr   197,   218^    297, 

473,  516 
Zügel  94 
Zünfte,  Zunftwesen  88^  94^, 

349,  358,  5828, 583»,  659  f., 
.    6848,   715  a.^    723,   733, 

768,  771  ff.,  776—783 
zurra  162  f. 
Zuschlagzölle  345,  359,  455, 

546,  556,  558  f.,  567,  591, 

617,  619  f.,  752  ff. 
Zwangsaufenthalt  425,  428*, 

434,  694 
Zwieback  196* 
Zwiebeln  322  •,  689 
Zwirnwaren  709 
Zwischenhandel  17,  165  ff., 

181,  186,  239  f.,   246  f., 

285,  288,  307,  322  f.,  437, 

465,  468,  470,  497,  596, 

600,  651,  662,  669 


n 


Münztabelle. 


Die  Tabelle  verfolgt  den  rein  praktischen  Zweck,  eine  Vorstellung  von  dem  Werte 
der  wichtigsten  in  diesem  Buche  für  die  Zeit  von  1100 — 1250  erwähnten  Münzen 
(wirklicher  und  Eechnungsmünzen)  zu  geben.  Zu  diesem  Zwecke  gibt  sie  den 
Metallwert  dieser  Münzen  in  deutscher  Reichswährung  an,  wobei  im  allgemeinen 
als  für  diese  Zeit  durchschnittlich  etwa  geltend  eine  Wertrelation  der  Edelmetalle 
von  1 :  10  angenommen  ist.  Begründung  der  Ansätze,  Quellenangaben  und  nähere 
Details  müssen  besonderer  Darstellung  vorbehalten  bleiben. 


A.  Groldmünzen. 


Augustales  12,78  M. 

Byzantii  V.  Alexandrien  rund  llVjM. 

»  >  Konstantinopel    rd.  9'/s  M. 

»  »  Syrien   (im   12.  Jahrhund.) 

rund  8  Vs  M. 

»  »  saracenati  V.  Accon  rd.  7M. 

(bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrh.) 

»         de    Garbo    oder   miliarensium 

(Rechnungsmünze  ==  10  miliarenses 

s.  bei  Silbermünzen) 

Dupli  de  auro,  duplices  de  Miro  u.  dgl. 

rund  I2V2M. 

Flore ni  grossi  aurei  (seit  1252)  9,74  M. 


Marabotini  (im  11.  Jahrh.  in  Valencia) 

11 8/4  M. 
»  (alf  onsini  etc.,  im  13.  Jahrh.) 

9,45  M. 
Massamutini  (=^  oboli  aurei)   6V4  M, 
Perperi,  Hyperperi  s.  Byz.   von   Kon- 
stantinopel ;  das  S^  Hyp.  =  72  Stück 
rund  672  M. 
Unciaauri  tarinorum (Rechnungsmünze 
des  sizilischen  Königreichs  =  80  ta- 
reni  =  600  Gran)  rund  52  M. 

Yperperi  =  Byz.  von  Konstantinopel. 


B.    SilbermUnzeu  und  Billon. 


denarius 

solidus 

libra 

Zeit 

in 

Reichsmark 

Affortiati  s.  Lucenses 

Barcelonenses 

0,102 

1,225 

24,5 

um  1200,  1220 

Bononieiises       siehe 

. 

Cremonenses   Imperiales 

' 

Ferrarienses  | 

■i 

Florentini  s.  Lucenses      .     .     . 

: 

Januenses 

0,10 

1,20 

23,94 

seit  1139 

0,095 

1,14 

22,87 

1164                   : 

0,0814 

0,976 

19,53 

1205 

0,076 

0,91 

18,25 

um  1225 1) 

0,0742 

0,89 

17,82 

1241 

0,0696 

0,835 

16,70 

1258                    ' 

Imperiales       

0,16 

1,91 

38,20 

1164«)                 ' 

0,144 

1,73 

34,60 

1192 

0,088 

1,08 

21,56 

um  1225             [ 

0,0866 

1,039 

20,78 

1239 

0,0775 

0,93 

18,60 

1254 

^)  Der  grossus  =  6  den.  =  0,46  M. 

*)  Die  Mediolanenses  veteres  =  den.  imperiales;  die  Mediol.  novi,  tercioli, 
mediani  (mezzani),  Denare  von  Brescia  und  die  älteren  von  Cremona  (infortiati) 
=  V2  imperiales;  die  jüngeren  Cremonenses  =  V4imp.;  die  Ferrarienses,  Bononienses 
(seit  1191),  Parraenses  (seit  1207)  =  V.,  imp.  Die  grossi  Cremonas  1239  =  8  d.  imp., 
1254  =  4  d.  imp. 


Münztabelle. 


813 


denarius      solidus         libra 
in  Reichsmark 


Zeit 


Lucenses  (alte,  aft'ortiati) . 
»         und  Pisani 


Mediolanenses  s.  Imperiales 

Melgrorienses 

(mirgorenses) 

Miliarenses 

(10  =  1  byz.   miliarensium 
oder  de  Garbo) 
Miscua,  monetamisc.  v.Marseille 
Papienses 


Parisienses  =  V4  turonenses 
Parmenses  s.  Imperiales 
Pisani  s.  Lucenses 
Prorinienses,  provi8ini==  turon. 
ProTin.  senatus  (Rom)     .    .    . 

Raimundenses = V2  mon.  miscua 
Regales  coronati 

Segusini  (Susa)  =  viennenses 
Senenses  (=  pisani,  nur  wenig 
geringer) 

Sterlingri  

Tercioli  s.  imperiales    .... 
Turonenses      

Veneziani«) 

>  

»  grossi    

Veronenses  =  veneziani 

>  

Tianenses,  viennenses  .  .  . 


0,133 

0,111 

0,0534 

0,0513 

0,0485 

0,0406 


0,2365 

0,10 

0,0947 

0,0943 

0,382 

0,346 

0,343 

0,0595 

0,30 

0,062 

0,0576 

0,0496 


0,098 
0,071 

0,094 
0,077 


0,3694 

0,11136 

0,0926 

0,027 

0,022 

0,584 

0,0216 
0,0771 


1,60 
1,333 

0,64 
0,616 
0,582 
0,487 


2,84 
1,20 
1,1366 
1,1315 


0,715 

3,60 

0,744 

0,69 

0,595 


1,175 

0,852 

1,128 
0,923 


4,43 

1,336 

1,11 

0,326 

0,27 

7,00 

0,259 
0,925 


32,00 
26,67 
12,81 
12,31 
11,64 
9,74 


56,76 
24,00 
22,73 
22,63 


14,29 
72,00 
14,88 
13,82 
11,90 


23,50 
17,04 

22,57 

18,47 


88,65'') 

26,72 

22,23 

6,52 

5,39 

140,10 

5,18 
18,50 


bis  ca.  1120  geprä 

1164 

1202 

1226 

1237  0 

1252 


1097 
1130 
1244 
1248 
1210 
1240 
1248 
1248 

antiqui,  Präg.  1102  eingestellt 

1164 
1192 
1227—1254 


1188  ff. 
1253 
1248 
1200  ff. 
1244 
um  1240 


Ende  d.  12.  u.  13.  Jahrh. 

1180  ff. 

Zeit  Ludwigs  IX. 

1172 

seit  1194 

}        > 
1172  ff. 
1204ff.'«) 
Zeit  Ludwigs  IX. 


C.  Barrensilber. 

Eine  Mark  Fein,  von  Köln  (=  233,8    g)  =  rund  64    M. 

»         »  >  >    Montpellier  (=  239,12  g)  =       >      65V8  » 

»         »  »  »    Troyes  (=  244,75  g)  =       »      67      » 


')  Die  grossi  Pisas,  Luccas  und  von  Florenz  (floreni  argentei)  =  dem  Solidus. 
«)  Die  Mark  Steri.:  59,10  M. 

')  Um   das  Jahr  1000   rechnete  man  1  Ib.  venez.  =  2  byz.  aurei,   also   etwa 
=  19  M. 

*)  Grossi  zu  20  Denaren  =  0,44  M. 


n 


Tabelle  der  Handelsgewichte  und  Maße. 


Accon.    1  cantarius  catenae  =  100  rotuli       =  228  kg 

1  Modius  Getreide  =  24  mondelli =  176  1 

Alexandrien.       1  cantarius  forforinus    =  100  rotuli =  43,5  kg 

»  gerovinus    =    »         »      .......=  93  kg 

1  sporta  oder  carica  Pfeffer  =  500  rotuli =  217,5  kg 

Arles  s.  Süd-Frankreich. 

Bugfia  und  Ceuta.     1  cantarius  =  100  rotuli     .     .     =  52,8  kg;  1  collo  das  Doppelte 

Champagne.     1  kleines  Pfund  (für  Seide,  Seidenwaren,  Taft)    .     .     .  =  0,349  kg 

1  großes         « =  0,475  kg 

1  carica  (=  350  SO =  I66V4  kg 

Oorneto.     1  Modius  Getreide ^  4  V3  hl 

Florenz.     1  kleines  Pfund  (de  bilancia) =  0,33954 kg 

Igroßes  »         (de  stadera) =  0,346  kg 

1  Modius  Getreide  =  8  Sack  =  24  staja  (zu  23  1)    .     .     .  =  5  V«  hl 

1  stajo  (sextarius)  Salz =  27  1 

1  canna  =  4  braccia  (zu  0,5836  m) =  2  '/g  m 

<xenua.     1  centenarius  ^  100  ® =  31,5  kg 

1  Sack  Wolle  =  500  ST  =  157,5  kg ;  1  carica  =  400  ST      .     .  =  126  kg 

1  Kantarius  =  6  rubbi  =  100  rotuli  =  150  ^ =  47,25  kg 

1  rubus  =    25  S^ =  7,875  kg 

1  rotulus  =  11/2® =  0,4725  kg 

1      'S =  0,315  kg 

1  Mina  =  2  quartini  =  4  staja  =  8  quarte  =  96  gombette    .  =  105  1  ■ 

1  stajo  =  24     »  .     .  =  26  '/4  1 

1  gombeta     .     .  =  1,095  1 

1  Barile  öl  =  1  Kantär =  51  Vs  l 

1  canna  =  9  palmi =  2,232  m 

1  braccio  =  2  Vs  palmi =  0,579  m 

1  palmo =  0,248  m 

1  AVarenballen  =  4,167  Kantär =  197  kg 

London.     1  centenarius  (Spezereien  u.  dgl.  zu  104  'S  gerechnet)    .     .  =  47,6  kg 

1  »  (Zinn  »      >       »    112  ^  »         )    .     .  =  51,5  kg 

1  Sack  Wolle  =  28  Stein  (ä  13  S^) =  166  ^',  kg 

1  Quarter =  230  1 

Mailand.    1   plaustrum  =  5  Last  (somae)  =  100  pensa  =  2500  ^  .     .  =  820  kg 

1     »  =20        »      =    500  S^  .     .  =  164  kg 

1  Sr     .     .  =  0,328  kg 


Handelsge Wichte  und  Maße.  815 

Mailand.     1  soxtarius  (Salz^ =  16,15  1 

der  pes  Liprandus =  0,44  m 

Marseille,  Montpellier  s.  Süd-Frankreich. 

Neapel  s.  Sizilisches  Königreich. 

Paris  =  Champagne. 

Pisa.     Das  centum  =  100  Ib.  subtiles .     .  =  32 »  ,,  kg 

1  %  subt.  (de  bilancia) =  0,3276  kg 

Der  cantarius  =  100  rotuli  =  158  größere  Pfund =  52,8  kg 

1  rotulus       =  0,528  kg 

1  gr.  %  (de  stadera)     .     .     .     .  =  0,334  g 

Maximalgewicht  der  Saumtierlast  512  % =  171  kg 

1  Modius  Getreide  =  24  staja =  14,88  hl 

1  stajo  (sextarius)  Getreide      .     .     .     .  =  62 1 

1  Stajo  grosso  Salz     =  62  quarre =  9  hl 

1  canna  =  4  brachia  =  10  palmi =  2,48  m 

1  bala  fustaneorum  =  40  peciae 

Sardinien.     1  cantarius  von  Cagliari  =  167  pis.  S" ^  55  */4  kg 

1  starellus       >  »       . =  46  1 

1  >  »     Orestano  (Arborea) =  36  » 

Sizilisches  Königreich.    Das  Goldpfund  =  12  Unzen =  318,81  g 

1  uncia  auri  =  30  tareni     .  =  26,568  g 

1  tarenus  =  20  Gran  =  0,8856  g 

Das  große  Pfd.  ^  12  unciae  generalis  ponderis  =  0,3507  kg 

1  uncia   generalis   ponderis  =-  33  tareni  =  29,225  g 

1  cantarius  ;=  100  rotuli  in  Neapel      .     .     .  =  88  kg 

1  >  »  auf  Sizilien    .     .     .  =  80  kg 

1  »  >  Baumwolle     .     .     .  =  78,2  kg 

Die  salma  generalis  Regni  (Getreide)      .     .  =  263  1 

»  »      magna  (Messina  u.  Terranova)    .  =  315,5  1 

»  >      Apuliens .     .     .  =  239  1 

Die  canna  generalis  Regni  =  8  palmi      .     .  =  ca.  2  m 

Süd-Frankreich.     1  kleines  'S  in  Montpellier =  0,315  kg 

1  großes    »    »  »  =  0,420  kg 

1        >        S^  in  Marseille =  0,416  kg 

1  Quintale  (=  cantarius)  in  Marseille =  41,6  kg 

1  carica  Provinciae  =  300  % =  124,8  kg 

1  Sextarius  in  Arles  56  1,  in  Aigues  -  Mortes       .     .  =  46  1 

1  »  in  Marseille  39 1,  in  Montpellier    .     .     .  =  44V2 1 

in  Narbonne =  63  I 

1  Mina  in  Collioure =  175  l 

1  011a  Salz  in  Hyeres =  II2V2  1 

Tunis.     1  Kantär  zu  100  rotuli =  54  kg 

1         >  »  bei  Baumwolle =  52,7  kg 

1  Kafis  Getreide =  235  1 

(in  Tripoli  ca.  340,  in  Valencia  ca.  175  1 ) 


Tenedigr.     1  carica  =:  4  centenarii  =  400  librae  subtiles 

1       » 
1  Miliarium  grossum  =  1000  librae  grossae 
1  cantarius  =    150       »  » 

1       »  » 

1  ModiuB  Getreide  =  12  staja  (zu  82''4 1)     . 
1  sextarius  Salz     .     . 


121kg 
0,3024  kg 

480  kg 
72  kg 
0,480  kg 
10  hl 

76V3  1 


816  Handelsgewichte  und  Maße. 

Venedig.     1  Amphora  Wein  =     4  bigonciae    .     .     . =  ca.  6  hl 

1  MiHarium  öl =  ca.  6,3  hl 

1  canna  =  3  brachia  =  6  pedes  (ä  0,3477  m) =  2,05  m 

1         »       =2       » =  0,683  m 

1  Ballen  panni  nobiles  =  260  ^ =  125  kg 

1      »         gewöhnl.  Stoffe  (fustagni,  canevacie  u.  dgl. 

=  350  S:) =  168  kg 

Yerona.     Der  carro  (Getreide) =  9  hl 

1  minale =  37,5  1. 


I 


Verlag  uon  R.  Oldenbourg,  A\ünchen  und  Berlin  W.  10. 

Handbuch 

der 

mittelalterlichen  und  neueren  Geschichte. 

Herausgegeben  von 

G.  V.  Below       und      F.  Meinecke 

Professoren  an  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 


Das  rnternchmen,  das  nach  seiner  Vollendung  ungefähr  40  Bände 
umfassen  wird,  ist  von  vornherein  so  eingerichtet  worden,  daß  jeder  Teil, 
gleichviel  wie  stark  seine  Bogenzahl  ist,  einzeln  abgegeben  wird.  —  Bis 
jetzt  sind  folgende  Bände  erschienen: 

Das   häusliche   Leben    der   europäischen    Kulturvölker 

vom  Mittelalter  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts.  Von 
Dr.  Alwin  Schultz,  Professor  an  der  deutschen  Universität  zu  Prag. 
Vni  u  432  S.  gr.  8**,  reich  illustriert.  Preis  brosch.  M.  9. — .  In  Ganz- 
leinen geb.  M.  10.50. 

Geschichte   des   späteren   Mittelalters  von  1197—1492.   Von 

Dr.  Johann  Loserth,  Professor  an  der  Universität  Graz.  XV  und  727  S. 
3".    Preis  brosch.  M.  16.50,  elegant  geb.  M.  18.—. 

Historische  Geographie.  Von  Dr.  Konrad  Kretschmer,  Lehrer  an 
der  Kriegsakademie  und  Professor  an  der  Universität  Berlin.  VH 
und  650  S.    8".    Preis  brosch.  M.  15.—,  elegant  geb.  M.  16.60. 

Allgemeine    Münzkunde    und    Geldgeschichte    des   Mittel 

alters    und  der  neueren  Zeit.     Von  Dr.  A.  Lusehin  von   Ebengreuth, 

Universitätsprofessor  in  Graz.  XVI  u.  286  S.  8*'.  Mit  107  Abbildungen. 
Preis  brosch.  M.  9. — ,  in  Ganzleinen  geb.  M.  10.50. 

Geschichte  des  europäischen  Staatensystems  von  I660  bis 

1789.  Von  Dr.  Max  Immich,  weiland  Privatdovent  an  der  Universität 
Königsberg  i.  Pr.  XIII  und  462  S.  8°.  Preis  brosch.  M.  12.—,  geb. 
M.  13.50. 

Handelsgeschichte  der  romanischen  Völker  des  Mittelmeer 

gebiets  bis  zum  Endo  der  Kreuzzüge.  Von  Professor  Adolf  Schaube, 
Gymnasial-Oberlehrer  in  Brieg.  XX  u.  816  S.  Preis  brosch.  M.  18. — , 
geb.  M.  20.—. 

Ein  ausführlicher  Prospekt  steht  auf  Wunsch  gratis  zur  Verfügung. 


Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W.  10 

Wir  bringen  hierdurch  ergebenst  zur  Kenntnis,   dafs  die  in  unserem  Verlage 
erscheinende 

Historische  Zeitschrift 

(begründet  von  Heinrich  v.  Sybel) 

unter  Mitwirkung  von  Paul  Balllcu,  Louls  Erhardt,  Olfo  Rinfze,  Otto  Rraushc, 
rriax  benz,  Sigmund  Riezlcr,  moriz  Ritter,  Ronrad  üarrentrapp,  Rarl  Hcumcr, 

herausgegeben  von  FHedrich  Melneckc, 

mit  ihrem  97.  Bande  eine  neue  dritte  Folge  begonnen  hat. 

Es  erscheinen  jährlich  2  Bände  zu  je  3  Heften  =  90  Bogen  8^. 
Preis  eines  Bandes  M.  14. — . 


Die  >Historische  Zeitschrift<  ist  seit  ihrer  Gründung  durch  Heinrich  v.  Sybel 
im  Jahre  1859  das  führende  Organ  der  deutschen  Geschichtschreibung  und  Forschung 
gewesen  und  bis  heute  geblieben.  Unter  den  grofsen  und  bedeutenden  deutschen 
Historikern  dieser  vier  Jahrzehnte  gibt  es  nicht  einen,  der  nicht  zu  den  Mitarbeitern 
der  »Historischen  Zeitschrift«  gezählt  hätte.  Nach  dem  Tode  Heinrich  v.  Sybels  im 
Jahre  1895  hat  Heinrich  v.  Treitschke  die  Stellung  des  ersten  Herausgebers  der 
Zeitschrift  übernommen  und  hat  das  letzte,  was  er  schrieb,  für  sie  geschrieben.  Nach 
seinem  Tode  ist  dann  ein  Kreis  von  namhaften  älteren  und  jüngeren  Historikern  dem 
bisherigen  Eedakteur  und  nunmehrigen  alleinigen  Herausgeber  zur  Seite  getreten,  um 
die  Zeitschrift  auf  ihrer  bisherigen  Höhe  erhalten  zu  helfen. 

Geist  und  Charakter  der  Zeitschrift  dürfen  als  jedem  Historiker  bekannt  gelten. 
Sie  'ist,  wie  sie  das  von  vornherein  wollte,  vor  allem  eine  wissenschaftliche,  und  kennt 
keine  anderen  Mafsstäbe  als  die  der  wissenschaftlichen  Methode.  Sie  setzt  ihren  Stolz 
darein,  völlig  unabhängig  zu  sein  von  dem  Einflüsse  bestimmter  Parteien  wie  bestimmter 
Persönlichkeiten.  Sie  umfafst,  in  ihren  Aufsätzen,  wie  in  ihrem  kritischen  Teil,  das 
ganze  Gebiet  der  Geschichte,  nicht  nur  politische,  sondern  auch  Geistes-,  Wirtschafts- 
und Sozialgeschichte,  legt  aber  das  Schwergewicht  dabei  einerseits  auf  alles,  was  den 
Zusammenhang  zwischen  Staats-  und  Kulturleben  erläutert,  anderseits  auf  Stoffe,  wie 
es  in  dem  Programm  von  1859  schon  heifst,  »welche  mit  dem  Leben  der  Gegenwart 
einen  noch  lebenden  Zusammenhang  haben«. 

Die  »Historische  Zeitschrift«  bringt  1.  Aufsätze,  2.  Miszellen  (kleinere  Exkurs), 
über  Einzelfragen  oder  interessante  Aktenstücke,  zumal  zur  Geschichte  des  19.  Jahr- 
hunderts), 3.  Literaturbericht  (Rezensionen  von  gröfserem  und  kleinerem  Umfange 
4.  Notizen  und  Nachrichten.  Diese  vierte,  1893  eingerichtete  Abteilung  ist  von  den 
Fachgenossen  besonders  dankbar  und  warm  begrüfst  worden.  Sie  enthält  eine  in  der 
Hauptsache  chronologisch  geordnete  und  in  9  Abteilungen  (Allgemeines;  alte  Ge- 
schichte; römisch-germanische  Zeit  und  frühes  Mittelalter;  späteres  Mittelalter;  Refor- 
mation und  Gegenreformation;  1648 — 1789;  neuere  Geschichte  seit  1789;  deutsche 
Landschaften;  Vermischtes)  gegliederte  kritische  bzw.  referierende  Übersicht  über  die 
wichtigeren  Aufsätze  und  QuellenveröfEentlichungen  der  in-  und  auslUndiscIien  Zeit- 
scliriftenliteratur. 

Die  Abteilung  »Deutsche  Landschaften«  dient  insbesondere  den  jetzt  so  rege 
betriebenen  provinzialgeschichtlichen  Studien. 

Die  Abteilung  »Vermischtes«  bringt  Nachrichten  über  die  Arbeiten  der  Publi- 
kationsinstitute, Preisaufgaben  und  nekrologischo  Notizen. 


Ermäßigte  Preise  für  ältere  Bände: 

Zweite  Folge,   Band  1 — 60  (der  ganzen  Reihe  Band  37 — 96)  liomplett  mit 
Register  statt  JC  692.—  nur  Jt  225.—. 

Einzelne  Bände   dieser  Folge   (mit  Ausnahme   der  seit  1900  erschienenen) 
statt  JC  11.25  nur  Ji  5. — . 


Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W.  10. 


€nfcüickelungsgeschichfe  Bayerns 


von  M.  Doeberl, 

Professor  an  der  Universität  München. 


Erster  Band: 

üon  den  eiltesten  Zeiten  bis  zum  Westfälischen  Frieden. 


IX  und  593  Seiten,   gr.  8». 
Preis:  broschiert  M.  12. — ,  elegant  gebunden  M.  13.50. 

Der  zweite  Band  wird  die  Entwiclielung  bis  zur  Gründung  des  Deutschen 
Reiches  führen  und  mit  einem  Ausbliclie  auf  die  Stellung  Bayerns  im  heutigen 
Deutschen  Reiche  schließen.    Seine  Drucklegung  wird  in  Bälde  beginnen. 


Kleine  Schriften 


von 


Friedrich  Ratzel. 


Ausgewählt  und  herausgegeben  durch  Hans  HelmoH. 

Mit  einer  Bibliographie  von  Viktor,  Hantzsdi. 

Zwei  Bände. 

Mit  je  einem  Bildnis  Ratzeis. 

I.  Band:  XXXV  u.  530  Seiten,    gr.  8°.    Preis  geheftet  M.  12.-,  elegant  geb.  M.  14.50. 

II.  Band:  LXII  u.  542  Seiten,    gr.  8".    Preis  geheftet  M.  13.—,  elegant  geb.  M.  15.50. 

Preis  komplett  geheftet  M.  25. — ,  elegant  gebunden  M.  30.—. 

Politische  Geographie 

oder 

die  Geographie  der  Staaten,  des  Verkehrs  und  des  Krieges 

von 

Dr.  Friedrich  Ratzel, 

Professor  der  Geographie  an  der  Universität  zu  Leipzig. 


Zweite,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.    Mit  40  Kartenskizzen, 

XVil  und  838  Seiten  gr.  8«. 

Preis  brosch.  M.  18. — ,  in  Ganzleinen  geb.  M.  20. — . 


Verlag  von  R.  Oldenbourg  in  München  und  Berlin  W  10. 

Historische  Bibliothek. 

Herausgegeben 

von  der  Redaktion  der  Historischen  Zeitschrift. 


Bandl:  Heinridi  uon  Treitschkes  Iiehr«  und  Wanderjahre  1834—1867.    Erzählt  von  Theodor 

Schiemann.     XII   und   291    Seiten.     8".     2.  Auflage.     In  ^Leinwand   gebunden 

Preis  M.  5.—. 
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und  erklärt  von  Emil  Gigas.     78  Seiten.    8".    In  Leinwand  geb.  Preis  M.  2. — . 
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leitung von  Professor  Dr.  Varren  trapp.    378  Seiten.   8".    In  Leinwand  gebunden 

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von  Richard  Rosenmund.     X  und  125  Seiten.     8°.    In  Leinwand  gebunden 

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Band  V :    Illargareta    von    Parma,    Statthalterin    der    Iliederlande    (1559  bis   1567).     Von 

Felix  Räch  fahl.     VIII  u.  276  Seiten.     In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  5. — . 
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Band  VII:   Die  Berliner  Illärztage  pon  1848.    Von  Professor  Dr.  W.  Busch.     74  Seiten. 

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Band  VIII :  Sokrates  und  sein  Volk.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Lehrfreiheit.     Von 

Dr.   Robert  Pöhlmann.      VI   und  133  Seiten.      8".     In    Leinwand   gebunden 

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Band  IX:    Hans    Karl    uon    Winterfeldt.      Ein    General    Friedrichs    des    Grofsen.      Von 

Ludwig  Mollwo.  XI  u.  263  Seiten.    8°.    In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  5. — . 
Band  X:  Die  Kolonialpolitik  Rapoleons  I.    Von  Gustav  Roloff.    XIV  und  258  Seiten. 

8".     In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  5. — . 
Band  XI:   Territorium   und  Stadt.     Aufsätze   zur    deutschen  Verfassungs- ,   Verwaltungs- 

und  Wirtschaftsgeschichte.    Von  Georg  von  Below.    XXI 'und  342  Seiten.    8°. 

In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  7, — . 
Band  XH:  Zauberwahn,  Inquisition  und  Hexenprozesse  im  ITlittelalter  und  die  Entstehung  der 

grofsen  Bexenuerfolgung.     Von  Joseph  Hansen.     XVI   und  538  Seiten.     8".    In 

Leinwand  gebunden  Preis  M.  10. — . 
Band  XIII:    Die  Anfänge    des   Humanismus   in   Ingolstadt.     Eine   literarische  Studie   zur 

deutschen    Universitätsgeschichte.     Von    Professor   Gust.    Bauch.      XIII    und 

115  Seiten.     8".     In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  3.50. 
Band  XIV:  Studien  zur  Vorgeschichte  der  Reformation.    Aus  schlesischen  Quellen.     Von 

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verhandlungen  in   Konstanz.    Von    Privatdozent    Dr.  Kehr  mann.     67    Seiten. 

8°.    In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  2. — . 
Band  XVI:   Perfassungsgeschichte  der  australischen  Kolonien  und  des  »Commonwealth  of 

Australia< .  Von  Dr.  Doerkes-Boppard.    XI  und  340  Seiten.   8°.   In  Leinwand 

gebunden  Preis  M.  8. — . 
Band  XVII:  Gardiner,  Oliuer  Gromwell.    Autorisierte  Übersetzung  aus  dem  Enghschen 

von  E.  K  i  r  c  h  n  e  r.   Mit  einem  Vorwort  von  Prof.  A.  Stern.    VII  und  228  Seiten. 

In  Leinwand  gebunden  Preis  M.  5.50. 
Band  XVIII:    Innozenz  III.  und  England.     Eine  Darstellung  seiner  Beziehungen  zu  Staat 

und  Kirche.     Von   Dr.  Else  Gütschow.    VIII   und  197  Seiten.     8».     In   Lein- 
wand gebunden  Preis  M.  4.50. 
Band  XIX:   Die  Urfachen  der  Rezeption  des  Römifchen  Rechts  in  Deutfchland.      Von  Georg 

von  Below.    XII  u.  166  S.   8".    In  Leinw.  geb.  Preis  M.  4.50. 


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