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Full text of "Haus und Herd. Eine Monatsschrift für die Familie"

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Über dieses Buch 

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THE LIBRARY 
OF 

THE UNIVERSITY 
OF CALIFORNIA 
LOS ANGELES 


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aus und Herd. 



(fine 

3Uuftrlrtc HtonatöMjrift für M» familic. 

\ 


H e & i g i r t 


von 

11 . «ßiebkart. 




geinter 3 ^t>tgaitg. 

ZITtt jtoölf Citelbtlöern unt> melen ^oljfcfynitten. 


Cincinnati, Chicago uni St. fouis: 

van n 1 il t n und n wt. 

flera JJork: JJh'Uips uni Hunt 

1882. 


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/ 


§n$afl bes lernten gknbes. 


©ttdbilber. 

Serne leben- 

3$ bin franf getoefen unb i^r habt mich befuebet —. 
3Rat±b. 2o, «B- 

Sütyof vv. ^arriö, D. D., L.L. D. 

Jas Äreu3- 

in fcer Stab: SÄe^ico. 
conrtige ötunbeu. 

JulüSibenb. 

Tk Schnitterin- 
3m Jrieben. 

Marburg. 

Mutterliebe. 

ttxi'bington ©rtring. 


©eite 

94 

97 


Hbfyattblungriu 

^harafteriftif ber protefttfitliftyen Rheologie unferer 

3 *ü- (£bitor. 33 

Som Xv ufcen. 

Tk ©inroaitberer. (Sbitor. 113 

SHufe in eine gebeimnifjboüe SöeU. §. Styeube.... 121 
Tk cbriftlic^fooale Partei in Berlin, ©. 2 üeiß... 137 

Heber ba3 haften. &co. ©uty. 149 

»§#%kichfieaung ber 28elt inSolitü, ©efebäft unb 

Äobe. 3no. 3B. ZHöder. 152 

Tie Xuferftefyung beä £etbeS. ©tylageityauf. 207 

^kiffionSmuftf. ©bitor. 433 

&ie »erhielt fid> grriebrity b. ©tyiUeraum ©tyriften= 

thum? &eo. ( 3 utp. 476 

Tk S^ftreuung ber 3 >uben, eine Vorbereitung für 
bie 2Cuäbreitung beä ©bangeliumS. g. & 

Slagler.530 590 

Die Äu^nxinberung^frage. ©. 2Beiß.582 

©ejiale Uebelftänbe unb ihre Hebung. 3 . ©tylagen* 

häuf. 617 

Biographien unb febensbilber. 

@raf eampeüo. ©bitor. 57 

Satatie 9 tari|d?fin, ^3eter bes ©roßen Vlutter. 78 

Bebfter’* unb Gktrfielb’« Vorbereitung jum lobe. 80 
ein flapüel au« ^^reub unb Üeib" eine« 2Kiffio= 

när* in SJeuiidjlanb. 91 

8 ifr$of §arri*. ?S. 116 

Die jSeutfcben im CSongreß ber «er. Staaten. 146 

«r Opfer ber SKiffton in 2Repto. 5 . 2. 91 . 231 

2)ie belbenmiitbige Jungfrau. 3 . §. jjorft. 247 

2er feiebling«bid?ter bei amerifanifötn Volte«. 

Cmieculum.. 291 

Vater Xaplor, ber (SeentannSbrebiger bon Soften, 

SKaff. %. 2B- 3. 1 ^ <fen ". 298 

gm @lauben«bote bet ben Veportirten in Sibirien. 316 , 

Sh'Aöfe ber ‘-öifefo. 2Ret^>. -«irtbe. Opuöculum. 350 

Srtteiotfc über SRapoleon I.-... 420 

Öibeon fcufelch- 3* ^ or ft. 425 

S n «Be *lep al* »rebtger......... . 434 

t auicttoäplte ®- ®-§*«er. 449 I 

üabn 3 «ne «ret?. 9t. 3- 460 

Sifcbof Scott in feiner §eimatp. öennai«. 529 1 

2a* anbete %d) be* »metp Volte. 534 

Xex 2 Rorgenftern ber engliftyen Deformation. 2 B. | 

Jtoneie . 574 | 


Detityorfer ©tyriftfteUer. ©. SBeiler. 

2 luö ©. grommeld „^farr^auS au ©höd" 
^fäffle. 

ffirfäljlutujm. 

(SJhrtftfinbchen. 

©in feei^iac^töabenb. 3 . S. 

©ebrauc^e bein $funb. 

©ag’ö beiner §rau. & Seter. 

2 )er alte 2 )oftor. 

Deic^tbum. Martin ©laubiuä.”.... 

©in Märtyrer auä unferen ^agen. 3 . Ser= 

^agen, jr.. i 42 

^er untergetautyte ^ufftymieb. 3 . &. »orft. 

Ttö §auS mit ben neununbneunaig ©ebafsfönfen.. 

Xtö golbene Dinglein. 6 . grommel. 

&tyn einer guten 2 ^at. ©. 31 >eber. 

Detyt mufe boty Detyt bleiben, ^ßaul ©ugen. 

_ . . 234 308 363 428 4 a 3 536 5 Ä 5 

öetrnmärt^. S. ©. 

Ser Sater unb fein Hinb.V.’.V.V.’.V.V." 

Xex fleine Siianberer.’ 

©ine gefrorene ^anb. 

®u follft ben Damen beä £>errn beine« ©otteö nicht 

mißbrauchen. 

Doty unb §ülfe. 

©rlehniffe eine^ Sebenbigbegrabenen........!. . 

©etig finb bie Sarntyeraigen. g. Dnbreä. 

^auter granao^'. 

Ser VouiSb’or in ber Sibel.. 

2 lug bem i'eben unb ber Sibel... 

^uftyungen! Margarete. 

©ine bezogene Xotyter. 3 uliuö ©berbarb. 

©m lieber Sruber unb guter Mufifant. ©. Dincf 
3 Bie fity ber Säter Miffetyat an ben tfinbern rächt. 

Marta Debe. 

®ur$ Errungen 3 « SBa^it. 3 . % »l’^mer 

.. 592 

©f)ty fomm! 2 )er Pfarrer ftichelt. 

©orget nicht!.. 


MagnuS $ö£, ber baheriftye 2:romhcter.. 
©etäuftyt. ©. Dtt...:..... .... 


Xex ©quire unb ber Pfarrer.. 

2at et fo rumme ga$n. ©. ^außer. 


Ärbauüdjes. 


Xex DuStoanberer. 

XaS ©tranblityt. 

2>er Murnienmeuen.. . 

^er Dame trügroft. 

Der Dob finb’t bity. 

©pricht ber ^rebigerau bir?. 

2BaS trägib er fyä?. 

Saba Cberlin als griebenSftifter. gr. Diff. 

Öalt an, halt aus. 

Dobemher. 

Dmerifanifty. 

©ott forget. 

©^riftlitye Dnefboten. 

©tn SöetynatytSbilb. 


©eite 

620 

637 


9 

31 

81 

83 

97 

132 

201 

178 

188 

189 

198 

640 

254 

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265 

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324 

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353 

357 

370 

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404 

409 

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473 

630 

527 

543 

543 

577 

601 

637 


18 

29 

81 

370 

322 

323 
533 
570 
599 
626 
626 

627 

628 
634 


494317 


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IV 




8efd)td)ts: uni leitbilber. 

Seite 

Rur ©efepiepte SettylebemS. 2Ö. Hönefe. 4 

Sor aeptpunbert Jahren. Karl Hiebpart. 25 

Rite ©ebräuepe. J. ©cplagenpauf. 28 

HircpUcpeS aus ©iibbeutfcblanb. 37 

Rmei Retten her Reit. H. V. 59 

X)'u Reichen her Reit. J. Hern. 89 

2>aS neuefte ißavifer HuEusbiertcl. 98 

gut freim ber Reformatoren. Ebitor. 117 

$>ie Hatafomben ju Rom. gr. Hopp... 124 

Jeannette, ber amerifanifepe Rorbpolfaprer. Hart 

Hiebpart. 128 

Jm alten Saterlanbe. §eimftätten ber inneren 

Rtiffion. Ebitor.169 228 

Rapoleon auf 0t. Helena. E. ©olber.. 172 

9Rit fepenben Rügen feben fie niept. ©. ©utp. 179 

Dftergebräucpe. J. ©cp. 203 

RuS bunfeln £agen. 205 

2)aS RkcpStpum ber Djeanbampfer. 250 

Runbfcpau $ur ^fingfaeit. Ebitor.... 281 

2>ie Sepanblung ber Xobteu. J. ©cplagenpaitf... 312 

Rocp anbere Hönigifcpe. 314 

2öaS man bon unS benft. 352 

2>ie Segräbnifcftätte ber lobten. J. ©cplagenpauf 361 
Ueber baS RtiffionSwert in Claris. Xx. R. ©ul&* 

berger. 371 

Jm belagerten ^aris.. 420 

2>er Streit in. (Salbten. DpuSculunt. 468 

Silber unb Xpatfacpen oom RrbeitSfelbe in 3>eutfc^= 

lanb. E. Skt#. 481 

X’u Jubenberfolgungen in Rufelanb. 489 

Xu Rettung ber 2)eutfcpen in Rlejanbrien. Xx. 

©. ©cpmeinfurtp. 561 

$aS fünfzig jährige Jubiläum beS ©uftao Rbolpp= 

SeretnS. Ebitor.. 639 

- 

jlatutmt|frnfd|aftltd)e8 unb Setnrinnii^igts. 

5Dic Entzifferung einer gepeimnipbollen Jnfcprift 

auf ben ©cpmeijer 9tlpen. ©eorg ©utp. 

©paziergänge am ©eeufer. J. ©. ©d?aal.69 

Einige feinte für greunbe ber Rftronomie. $rof. 

Jobn§. grief... 

©ott uno $aben im §auSpalt ber Ratur. HJtatpilbe 

Hammers. 

EtmaS auS ber Xiefe. §. öerger. 

®aS „papierene" 3eitalter..~.... 

Eine arabifepe Rugenfur. Xx. J. SuuluS.. 

Xu pöcpften Serge ber Erbe..... 

©onberbare gifepe. J. ©. Seeaal. 


EttbaS über SBinbe unb Epcloite. ^rofeffor R. 

©auer. 

Söie lange bauert baS Heben?. 

9BaS uns baS Riitroffop erzäplt. E. Rllert. 

Shijjen unb Heifebtlber. 

Rroei ©onntage in Honbon. Ebitor.. T..2 

feetpnaepten in ber grauenbeimatp. &. H. 

Xex Rienfcp am '$ol. §. R. ©eprotter'... 

RuS einem Sktifenpaufe. ©. greimutp. 

.76 136 196 252 

grag’ unb Rntmort auS meiner Reifetafcpe. Ebitor 
©fi 33 en auS einem Reifeprebigerleben. 2Bm. 

RprenS.145 198 

Son Serlin nach Englanb unb ©cbottlanb. E. 

feeife... 

König HubmigS ©ebirgSibptle. 


24 

129 

87 

147 

ia3 

210 

266 

356 

413 

459 

466 

526 

635 


64 ! 
9 
60 

321 | 
139 

267 

180 

211 


©eite 

Rte^ifo, einft unb jefet. J. ö. ©cpimmelpfennig... 225 

Xal neue ^ariS. 4>r. R. ©uljberger.242 293 

RuS bem ©olbatenleben in s JRontana. 257 

£apomep. R. g. Hunfcpif. 264 

Eine vomantiiepe itpalfcplucbt im ©taate Rem Sort. 

J. SB. R. 284 

Som ©ottparb. 307 

^rag. R. g. Hunfctyif. 340 

Rem porter Silber. J. J. Rte&mer. 345 

RuS $eru. g. Pfeiffer. 396 

Einbrücfe eines cbriftlicben RegerS in Englanb. 411 

SNertfo’S Erjeugniffe unb Semo^ner. J. §. ©c^im^ 

melpfennig. 451 

©cbmeizer Erinnerungen. Ebitor. 505 

Son Rleranbrien nac^ Kairo. EaroluS. 521 

RuS einer oerborgeneit Ecfe. R. glammann. 566 

RuS üinterpommem. E. Söetfe. 597 

Sarkin. E. s Bei§...... 624 

Jn ben freien beutfe^en ©täbten. Ebitor. 650 

«ebid)te. 

Hemeleben! §.*. 1 

Ru äBinterS Rnfang. Johannes 2rajan. 7 

feei^nac^ten. 19 

Rud? ein Reuja^rSfbrudb... 23 

Efyriftblutne. Hubmig Sunb. 30 

$er 2ag beS frerm. U^lanb. 68 

SJiUfommen, liebe s Beibnad>tS$eit. 69 

Johanna ©ebuS.. 135 

E^rift ift erftanben. 169 

^er hinter ftarb..*.. 231 

©onnige ©tunben* E. Rcf^l. 281 

ÖiobS greunbe. Karl ©erof. 355 

Rur ein ©tubentenftreicty. 369 

Excolsior. Hongfellom. 375 

SBanbererS Raft. 393 

£>eimat^©locfen. Df)u^culum. 459 

$er junge Xic^ter unb bie Rebattion. Julius 

Eber^arb...... 526 

Xxe alte Ufyr in ber ^alle. HongfeUofc. Ueberfe^t 

Oon Xx. ^errbt. 534 

EbriftuS im Rlutter^enen. ©pitta. 561 

2)eS SäcbleinS Häuf. S- §. 

X*x alte Eimer. 623 

2>er Pilgrim bon ©t. Juft. 629 

Xk Rac^t im 3Rorgenlid)te. 56 

©eblaf’ ein, mein .6er$. Rlb. ©auer. 502 

Reinem Hinbe. Emil §artmann. 559 

$onntagfd)ul=#ehtiontn. 

Xn Rnfang beS EbangeliumS. ErfteS Ruftreten 
in ©alitäa. JefuS ber Rrjt ber Hranfen. 

JefuS, ber greunb ber ©ünber. Serbattb= 

lungen mit ben ^arifäem. 40 

EbriftuS unb feine Jünger. E^rifii geinbe unb 
greunbe. £aS ©leiebnift bom ©äemann. 2>ie 

RitSbreitung beS Reiches ©otteS. 99 

Xu ©tillung beS ©turmeS, ober JefuS als ber 
Öerr über bie empörten Elemente. ^ieJbei* 
fung beS Sefeffenen, ober JefuS als ber <öerr 
über baS finftere ©eifterreiep. JainiS Xocbter 
unb baS blutflüffige Söeib, ober JefuS als ber 
iöerr über Kranfbeit unb £ob. 150 


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y 


I 


Ite SUröfenbung Per 3roölfe. Zer Zob 3oh ann tö, 
be« Käufers. Zie Speifung ber günftaufenb. 
Za« ©kurbeln gcfu auf bein ©Meere. ©Menjcheus 

fafeungen.... 

$lauben«mutb unb ©Junberfraft. i>eben«brob unb 
Sauerteig, Grfabrung unb ©efenntnifj. ©ers 

luft unb ©ewinn. 

Zie ©erflärung. Zie Teilung be« monbfücbtigen 
Hnaben. 'Zer fiublicbe Sinn ber gläubigen 

Aeicbsgenoffen. 

Gbriftlicbe (irbe unb Hinberjucht. Zer reiche 3üngs 
ling. Reiben unb dienen. Zer blinbe ©ar= 

timdu«. Zer Gii^ug in 3*ntfalem.. 

Zer unfruchtbare geigenbaum. ©ebet unb ©ers 
gebung. Zie bofen ©leingärtner. Zer §err 
bringt bie ©f;arifäer unb Sabbujäer jum 

Schweigen. 

©otte* liebe unb Aäcbftenliebe. Zie Au«ficht auf 
tommenbe Veiben. Zer ftinwei« auf brohenbe 

(Gefahren. 

Zie Salbung in 'öetfyanien. Za« ©affahmahl. 
Za« ^eilige Abcnbmahl. Zer Hampf in ©eth ; 
femane. Zer ©errate unb bie (befangen: 

ne^mung. 

3*fu« oor bem bolzen Aathe. Jejus oor ©ilatu«. 
3efu« uerfpottet unb getreu;jigt. 3efu Zob 

am Hreu*. 

Aach feinem Zobc. Seine Auferstehung. Aach 
{einer Auferstehung. Za« Königreich be« 
gricben«. 


Sdjule unb tfnieljung. 

©erlin unb bie Sonntagfcbule. G. ©Jei&. 

Gbe ber Gifenbabnmg abging. ©Ja« foll bir bie 
Arbeit an ber Sonntagfcbule fein ? Zer ©aftor 
muß in ber Sonntagfcbule fein. Ghriftu« ber 
©nmb 3 ug ber ©ibel. Zr. ©incent. ©runbs 
fäfce christlicher (^rjiebung. ©erabe wie ba« 

irbifcf>e ^eben. 

Sd? will’« oerfucben. Allgemeine ©ilbung unb 
gacbftubien. Amerifanifche ©üben, fechule 
unb Staat. ©Jer e« gefchehen läfet. Gingen 
bubete« ©olf. Athen unb feine 3u$t- Grs 
$iefnmg«pf liebt be« Staate«, ©ute Staat«- 

rerfaffung. .Hinber, ber befte Schafc.... 

Sonntagfcpulen in Schien. Sonntagfc^ulen in 
Ungarn, ©Jelcb einen ©lief eröffnet un« bie 
Sonntagfcbule in ba« ©olf«leben. Za« ©es 
fepiebten s Grälen. Mangel an ©ilbung. 

Gbarafter. 

©liefe in ba« S. = Scbulwefen Zeutfctylanb«. G. 

©Vif*. 

Sie fönnen bie religiö«werwabrloften Hinber am 
beiten für bie Sonntagfcbule gewonnen wer; 

ben. Sibilüe Hopp. 

Zreierlei Zöcbter.337 

gülle beine Schultasche.i. 

Za* moralische Glentent in ber Gqiebung. gr. 

.Hopp. 

Äircblid?e Crbnung in ber Sonntagfcbularbeit. 

Ze* Soimtagfcbul hehrer* geiellfcbaftlicbe Unters 

baltung.-... 

Zer ©emeingeift in ber Sonntagfcbule. 3- $?• Öorft 
Ginfluft unb ©?ad>t ber cbriftlicbcn gamilie auf bie 
©eftaltung be« jugenblicben Gharafter«. 3* 

©. Hoft-.. 

Sie man in ben Hinbern vielfach ben 3orn erwerft 
unb pflegt. 


Seite 

©Jie in ben Hinbern t>äufig abergläubifebe unb 
allerbanb anbere thöriebte gurd?t erweeft wirb 
©Joburch bie Grjiel;er oielfacb allerbanb Unarten 
215 unb Sünben ber fleinen Hinber oerfcbulben... 


Seite 


600 


601 


^U5 ber Ijomiletik. 


Za« unmiinbige Hinb unb bie miinbige 3Jfenfd>beit 48 

3um neuen 3abr — neue Saat!.. 49 

32o £j e ©naben3eit. 49 

Zie Grftlinge au« ben öeiben, ein ©orbilb, bem 

Wir nacbfolgen foUen. 49 


435 


493 


549 




606 


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20 


50 


105 


162 

304 


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376 

420 

427 

465 


471 

542 


Jim Hämin unb 3m Sdjntten. 

Za« ©ebet für bie 3ufpätfommenben. Za« leere 
Zud;. ©erfebiebene Wafcbinen - Arbeit. ©Ja« 
ber fromme Üubwig »arm« fagt. ©ont Sd)u(s 
benmad>en in alter 3 C ^- Scbulbilbun^. 
Honig ©Jilbelnt ber Zritte oon Gnglanb. Zte 
borberften Sibpläbe. G« preffirt. Zie 
©reuel be« Hriege*. Atl;eiftifd;e Hinbtaufe. 

Zer Sieger bei ©rofibeeren. 

Gifenbatynbau. ©Jo^u ein ©Jeltmann eine ©ibel 
faufte. Auffijc^e Sprichwörter. ©Jäd^terlieb. 
©läferne Hleiber. öumoriftifebe«. Za« 
Gbromo. ©Jie f^aft bu c« gemacht? Gin pos 
litifeber Sprecber. Gine 3»^ntbung. Zame 
unb Holibri. C ber ft ©arre. Gin ©ifdwf. 

3?rftreutbeit. 

3n ben April febiefen. Selbfterjiebung. Gin alle« 
moralifd>c« Aecept. ©Jie ein Honig einem 
3eüung«manne nac^fte^eu mufjte. Zer See-- 
^anbel ber ganjen ©Jelt. ©oftfarten. 5?umo- 
riftifc^e«. Zer berühmte Gommentator. Auf 
einen groben Hiob gehört ein grober Heil, 
©erfebiebene Orthographie. Gin aufriditiger 
©ater. ©Jifciger Zroft. Zer englifebe Sdwns 
beit« s Apoftel C«car ©Ulbe. Au«nal;men. 

Stabien ber Gibilifation. Sparfam. 

Zie Sdjäbigung ber Augen burd) anbaltenbe« 
liefen. Amerifanifd^e 3abnärjte. Gin ©auer. 
gitrft ©i«marcf. Gfeltreiber. ©affenber ©ers 
gleich. Zie ©Jabr^eit ber ©ibel. Za« groge 
©iiffiffippitl;al. Zer fromme ©eiftlube Speuer. 
Gintge |imientftellenbe 3rrtbümer. Abolf 
Zbier«. Gin beutfeber Ziogene«. ©urfe. 
Huappbeit be« Gnglifd>en. Gin fleiner platts 
bütfeber ©ube. An ber Zafel. HomnitAbcnb«. 
Gine febarfe Antwort. Gin alter Stanlep. 
Zie Habetten. 3 itie * l^arbinäle. ©ute« Wit 

tel. Zie grüne ©rille. 

Gin ©rebiger. 3 U ben mannigfachen ©Utnberlich' 
feiten. Gin ©rei« mit bem 21. ©eburt«tage. 
Abhärtung. Zie Hönigin ©ictoria. Gin 
Gin origineller ©eriebt. l'ob ber Gifenbabn. 
©olbfömer. * Gin oielfeitiger Amerifaner. 
Gin ©eiftlidier. 3^i feböne Aeujjerungen 
eine« ©eneral«. Zer bornebme ©Japerträger. 
Gine riibrenbe Scene. Gin granjofe. ©oli= 

tifd)e«. 3ur ©erbeutlicbung. 

Gine alte Grfcbeinung. ©Jorte für ibau« unb .verj. 
©enjamtn granflin über ben Zob. Gin ebe= 
maliger fatbolifcber (^eiftltcber. Zer gegens 
wärtige ©apft. ©Ja« bie Afiicbftrafje fein foll. 
©rabfebrift auf einen ©Mineralogen. Za« 
„bimmlüche Aeicb". ©erfdüebene ©egriffe oon 
Gioilifation. Zie gellen Stunben. Gin leben- 
bige* A©G. Hur 3 unb bünbig. 


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VI 


Inhalt. 




JJu Bouff. 

®«it« 


(fljronik ber (Segenroort. 

Seite 


Erinnerung an bic Kinbjheit. 

Baffer^ilter, ein gar nii^licb töauSgerätb. 

hatten....v. 

3lmcijen.. 

Tapeten zu reinigen. 

Einige Binfe für bie Reifee Witterung.. 

Erhebung. 

SRoftflecfe.. 

3ol>anni3becren=©elee... 

Beintrauben=©elee. 

Ipüfyner^ElJOlera. 

BrobWaffcr für Kraule... 

Limonabe für gieberfraufc. 

©etränf für 2 )iarr^öe=Kran!c.. 

Cholera infantum. 

TaS Bafferbab. 

3ln ben Arabern unterer Sieben. 

Ucber ein Mittel gegen bie Bafferfcheu. 

Quitten einjumac^en. 

Quitten ©elee . 

Lanbwirthfd)aft. 

Schlafzimmer. 

Canning Tomatoes. 

Tomatoe» in Effig eingemacht. 

Bemertung. 

^ßfirfidje in f jig eingemacht. 

BaS id; oon einer 9tad)barin lernte. 

Ehrhfanthcmum.. 

§aferfd)leim. 

Kartoffel^fannfuchen. 

Traubenzucht. 

Lebensmittel. 

Brombeeren einzumachen. 

Slepfel. 

Kartoffeln. 

Eier aufeubemahren. 

®ffi 00 wfen. 

Sal$gurfen. 

Bie man Brom= unb joimbeercnfträucher behanbelt 

Slbenblieb für Kinber.... 

Ein oerloreneS Kinb. 

Tie Teilung ber Lungenfchwinbfudü. 

Eroup ober öalSbräune. 

Etetrocfnetes Qbft. 

trefflich abgefertigt. 

Eatfup. 

Mince Pie...*.. 

Bie man getrotfnete s tyirfid)e foebt. 

©ebämpfteS Beiftfraut. 

EatüuLilie.. 

Kraut 311 überwintern. 

Tie 3ett macht’» eben. 

Turfeto. 

Ehicfen-'^ie... 

Kalbfleifchfuppc für Kranfe. 

grüd?c Bratwurft ju braten... 

gur Bratwurft macht Kartoffel Salat ein gutes 

2 U*nbeffen. 

Etebatfener Tvifch. 

Sauerfraut. 

Kartoffeln, Sdjweinerippeit unb faurc 2lepfel zu? 

famtnen gebraten. 

ioaien... 

Doughniits. 

E rucht:Kucben . 

ine praftifche 9Jlafjregel gegen druntenbolbe. 

$wei Särge auf einmal. 

26er Sarg. 


389 Eeneral Sherman. 53 

:*89 Such einmal toaä Euted über bie Teutfchen. 53 

389 Tie bieSjährigen Terbüwabien. 53 

390 Tie gufammenfefeung beb neuen beutfehen Beut» 

390 1 tag». 54 

390 1 Tic SpefulationStouth. 54 

390 SRc&agh'S Beugnatum. 54 

390 Einmanberung. 54 

390 1 AÜritbudu'f Scnter geftorbcu. 54 

390 BufpraWc bc» Bapüc» an itaUeniföe Tilger. 54 

390 Bcptfüm ber lutberifcben Bibelubenetuntg. 55 

391 Tie Bewegung zu fünften ber politinbeu < s Heid^= 

391 ftellung ber grauen. 110 

391 Tie Befetumg ber Stabt Keruan. 110 

391 Eugen Birfuer.. 110 

444 Soim unb 3efct im $?au»balt ber Ber. Staaten .... 110 

445 Bräfibcnt Brtbur. 111 

445 Ter jenige ^Japft . 111 

445 Kur Statiftif ber Juben.. 112 

446 Ter beutfdK BeidvcKag. 112 

446 Ta» Bcicript er» König? mm Tveuüen. 166 

491 C pier bc» Beere». 166 

491 Wambctta. 167 

492 ES mag Biele iiberraüben. 167 

492 455,6*1 Einwohner lanbeten wabrenb bc» bet» 

492 ftoflenen ,\abre» in Bern Borf. 167 

492 Tie Sfnfel Ben Euinea. 167 

492 Ter beutiebe BeübStag. 168 

493 Sieben Bouatc ©efängnife wegen Berleumbung.... 168 
493 Ter Sdüufibanb bc» gro|en öiencvalfiab» Beit» 

545 über ben beutfth irauwiiuben Krieg.. 168 

545 Tenneffee'* BachSthum. 168 

545 Ta» Erüebung»werf im Sitten. 211 

545 Beffer Tienftmagb al» Aabrilmabrfum. 212 

545 x Vlanb. 212 

545 Ter gewaltige Bu»bnub bc» Bnltan» „Bauna 

545 Voa" auf .vviwai.. 213 

546 Tie Barmftubcu in großen Stabten.. 213 

546 liegen ba» ScbnapSirmien. 214 

546 Kaffer Bilbelm. 214 

546 Tie Troteftantcu Cefterreüb». 214 

546 Ter Bibcrwillc gegen bie dünefiKbe Eiuwanbcruug 278 

604 St. Elottbarbtunnel.. 278 

604 tßie all jährlich zur fetten Seit. 278 

604 'Barbe ber Sergeant SRafon m Khmer beüraft r.... 279 

604 Bi»martf unb Born. 279 

604 Tie ^nbianer. 279 

605 Buf bem JftbmuS. 279 

605 Kanfa». .280 

605 ,\n Born. 280 

605 Tie verfangen ber Banflaoiften. 280 

605 Kein Bcüer glaubt an ibu.. 323 

660 Ter Träfibent unb bie Ehinefenbitt.. 334 

660 Ta» Sonntag»geieu unb ba» Böirtbfdmftvbefteue-' 

661 rung»geien. 335 

661 Beridit über bte Ernteaitöfiduen. 335 

Eine Turd'ial'rt bnreb ben ( s üutbarbtunnel. 335 

661 Tte bi»bcr ublidH' ('huvwiruna ber llnion»üaaten. 336 

661 Tie ( s Üa»fabrtf von (^reiner <5 Aiiebrieb». 336 

661 Tie Beamten oon Lonbon, Eanaba. 336 

Veute» Aabr. 336 

661 Ter Kbrerflidn’ Toppelmorb in 'srlanb. 391 

661 Tte Emftanberung. 391 

661 Bie iebr Europa ber Bube bebiirrtig iü. 392 

661 „Kommt, lafd und unfern Minbcrn leben!" . 392 

662 „Unb bod' nach Eanofja". 446 

662 Baudv arone, tvrübmt geworbene Bümner. 446 

662 Ta» nationale Bbgeorbnetenbau». 147 


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vn 


3nl)olt. 


) 


i 

i 


Eie JubenPerfolgung in Shifjlanb. 

Eie ©ottparbbapn ift alfo bem Berfepr geöffnet. 

Äegppten . 

Jntereffante (rrfoebungen. 

lieber bie Slrbeit^einfteUungen unb bereu Soften.... 

2ibi 3Ruleü=^affan, ber Sultan oon aftarofto. 

Unsere (Eoityreijleute. . 

Ek Steuerbertyältniffe im beutfepen 3teicp. 

EeutfdK Sonntag [diulen in Stufuanb. 

2« bieäjäbrige Gincinnati 2luäfteUung. 

Eie politiftben Eageöfragen. 

(56 beginnt *Sid?t $u toerben in (Sptna. 

Sodüncpina . 

Eie greibenferei in ben bereinigten Staaten. 

Sie tnele Eeuifdpe leben in ben ber. Staaten?. 

Ueber bie bie^jdprige ©rnte. 

Btemarcf. 

2k preuBi leben ultramontanen blätter.. 

Eie Konferenz in Äonftantinopel. 

Eeutfcbe ©prlicpfeit in berlin. 

Eeiegrappenleitungen in Sftujjlanb. 

Spielerei mit ber bibel. 

bolinfer unb 3eitung6fcbreiber. 

3n*tyunbertiäprige$ ^ubelfeft in ^ptlabelppia. 

3torb=da»alicre unb ipre Slnbeter. 

Siffionäpoffnungen in ©gppten. 

Älasfa.. 

aus £utterpoinmern. 


Ifolffdjmtte. 


Änfic^t bon ©etplepem. 

Suip, bie Slcprenleferin. 

Eu&ib unb feine öeerbe. 

Seibnacpten. . 

9w 9 ein 91eujapr4fprucp... 

Mm txm Eiäto 3^nb. 

[ ber 3aab in Äajaf. 

[ ben Sepneegefilben. 

.«01 bei ber Sagb auf Scpneefelbern. 

Eer Eag beS £errn... 

Sanemed Seegras. 

. 

cPoren in ^ireigen eingebettet. 

oporen in Öruppeu oon 3Mer. 

öporm in Hapfelit an ben (inben ber $oeige.. 

evoxtn in Äapfeln unb Qtoeigen. 

Fuctus Serratus. 

Laminar ia Digitata. 

Padina Pavonia.. 

Dietyota Dichitoma.. 

2ie nuberftube auf ber Sartburg. 

Mn Äiior* $au$.. 

SOeelen ’•> Solmimg. 

Upmg in bie Matafomben. 

Ireppe in bie .Hatafomben. 

trtrawbm. 

uirüpfieiria. 

®bi>ioclabia 3lrtiailata. 


vicralliiic. 

toramium. 

Aribea (rbulis. 

'JttopppUum ^mtetatum... 
Sallitbammon 'ßlumula ... 

Etrffe..-. 

önppfte fJüimufa. 

Sttrlafticb. 

Purpurfarbiger 2WeerIaiticp 

:a Seint^. 

&§elma. 


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4 , 

Marte oon St. foelena. 

I Eaä alte £aus $u &>ngiooob. 

| Zimmer in Briars. 

| Eobtenbett Napoleons. 

'.Nautilus auf bem Gaffer fcpftnmmenb. 

Eer eingefeprtc Rapier;'Jtoutiluä. 

Eer rücftoärts feptoimmenbe ']kpier:'Jtautilits. 

Eer feinem öepiiufe enthobene Rapier s s Jtoutilu$ 

(abträrtögefebrt). 

gang eine« ÄuttelfifcpeS. 

odjale ber 3(rgonauta. 

I 'Brunnen unb Safferleitung in ber Stabt. 

Ufejifanifcper ÜJtöncp. 

SXejifamfcper 'Jkiefter. 

Eer Sinter ftarb. 

(S'pigntenio 3Jtonrop. 

3)iagbglenen--Äircfye. 

Sknbome^lafc. 

(Soncorbienplap mit bem Cbelisf. 

Üouore unb Euilerien. 

Eriumppbogen...:. 

ScptoeiscrpauS au ber SatttoScplucpt. 

SSiabuft über Satfin3;0cplucbt... 

Seneca See.. 

Eie Satfins-Scplucpt unb bas Bergfdüucbtbaus... 

Eingang=5al(... 

SJftnnepapa.. 

Eie.Matpebrale. 

Regenbögenfall unb breiiaepe ISascabe. 

©rabbenfmal beä alten vtapoleon«. 

9totre=Eame. . 

Sorbonne. 

Sßant^eon. 

BaftiÜe-pab....:. 

Klater Eaplor. 

Äarlebriicre unb El;urm. 

2lnficbt oon ben Surgtreppen. 

Ee6 Maifers Mirc^fhipl in St. Üeit6. 

3übifd>eö 9tatbl;au6. 

s Jllte jübifebe Stmagoge. 

Sllteä Zimmer ber Senatoren. 

S8ifd)oi .'bertrp S. Sarren, D. D. 

©ifcbof (St;ru6 E. go66, D. D.. 

Bifcbof Sotyn ^ D D . 

Sanberer6 5taft. 

^eruanifebe Eame. 

Briicfe bei Surco. 

'J>aft über bie (SorbiUeren. 

.verberge im Scbneefturm. 

<iin ^Janae Jnbianer unb feine Jvrau auf ber Steife 
Eer ^yafaba. Eer SWonbfifcb, Seerntonb ober 

Sonnenfifcb. 

Sgelfifdb... 

Slltloeiberfifd). 

Mofferfifd; .. 

glunber, Qungenfcbolle, OJolbbutt, (glacbfifcbe ober 

Seitenfcbmimmer).'.. 

Seefforpion .. 

3iotbfcuerfifct>.... 

Saticlfnopf. 

Seefdimetterling. 

Aacberflfd). 

i 3iitterfifcp. 

I Strom in einer merifanifd)en Gbene. 

Eer 6actu6 unb feine J-rucpt... 

Eie mejrifanifdje 5(loe. 

3nbiantf(pe Cbftl;änbler. 

^beimatb ölorfen.... 

l'abp ©rep. 

Äömgtn Saite im Eon?er. 


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vm 


Snljalt. 


Sie Einrichtung bcr Königin Jane. 

Äblergarten in Winterthur. 

Winterthur. 

SBiertoaloftätter ©ee.«... 

©rütli. 

Seltö Senfmal in 2lltorf. 

Seufelöbrücfe.. 

©ottharbftra^e, — Urner i'ocb. 

©öfcbenen. 

©in Sebuine. 

2luf bem 9til. 

Sllejanbria. 

Dbeltöf in Heliopolte. 

Wehemeb 2Ui=^lato.. 

2llabaftermofchee Wehemeb SUi’ö. 

©trafee in ft'airo. 

Ser Woofeheab * ©ee t>on ©reenöiüe auä ge ; 
f«$«n. 


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Ser obere Wafferfall. 

Oeftlicbe Sucht am Woofeheab=©ee.. 

Serg Äineo. 

(Sin guter gang. 

Ser (3eniuä t>on JUneo. 

Äirche in Üuttertoorth. 

Wafhington Sröing’S &mbftfc. v . 

% genimore eooper. 

«Samuel Woobtoorth. 

Ser alte eimer.*. 

Ser pigrim öon ©t. 3uft. 

©tech*3tyi>arat ber Honigbiene. 

granffurt. 

Ser Körner in granffurt. 

©1 Sßaul in granffurt. 

Hamburg. 

Sremen. 

SaS StathhnuÄ in Stenten. 


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(Sin tllujtrirtes ^amtiienblait. 


Sinter 3&auft. Januar 1882 . 


gr/les cßeft. 



neiijalirsgcbanfcn 311m ©telbilb. 


(Slocflein tont t>om dfjale brunten — 
grifft? unb frei unb oljnc Sorgen 
<5eljfs im fonnenflaren morgen 
leidsten Sinns 3ur Sdiule fjin, 

IPo bes dages flüdjt’ge Stunben 
Halb in emfig jtillem gleiße, 

Halb bei’m Spiel im fronen tfreife 
Hafcben ^Jlugs ooriiber 3ictfn. 


Unb toenn bann bes lebens lieber, 

Die er laut eiuft mitgefungen, 
leis rertjallt unb langft oerflungcn, 
Unb mit itjncn leib unb luft — 
t^ord? I bann tont bas (SlöcFlein mieber. 
dönt 3um Hbfdjieb ifjm oom leben, * 
UTat^nt itjn, Hecbenfd?aft 3U geben, 
podjt ihm mädjtig an bie 33 ruft! 


^erne leben! 


(Solbener (Erauin ber 3 ugenbtage, 
lüie entfliegt bu pfeilgefcbroinbe ! — 

Unb ber IHann reift aus bem Kinbe, 

€rnft unb ernfter roirb bie §eit, 
lägt, fo tief er’s aud? beflage, 

3^n, fo oft 3U feinen 3aljren 
Critt ein neues, neu erfahren : 

„Haber gefjt’s 3ur (Eioigfeit !"— 

1 


£}er3! mas bleibt bir bann am <£nbe, 
fjaft bu nidit gelernt bei &\ttn r 
Pi cfy für jenen dag bereiten, 

Uls ber Heue bitt’rer Sd?mer3? 

Huf, unb faffe (Sottes bjänbe I 
lag ein jebes 3 a *t r auf €rben 
lefyr* unb IPanberjaltr bir merbeu, 

Pas bid? leite tymmelmärts l — p. t). 


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2 


Jlroei Sonntage in fonbon. 


Jwei Soiutto0f in fottbott. 

mtor. 

uS km alten ©aterlanbe unb aus Sonntagsruhe aufrecht erhalten, unb wenn baS 
ber Schweij hot ber ©bitor bereits ; englifche 35oif nur toi II, fo werben aud) bie 
Schilberungen geliefert unb wirb 1 wenigen 9lbenbftunben, in welchen unter ftren* 
oon bortßer it o d) g a r manche! gen ©ebingungen ba unb bort 2 üirtf)*häufer 
in .£) a u 5 unb j£> e r b folgen, offen finb, fubbatt)lid)er '«Ruße gewibmet fein, 
benn er ift auf feiner Steife betreff bes Sam* ©3 ift alfo Sonntag unb wir wibmen 
mein! nicht liiffig gewefen. i beufctben, wie fcbon längft beabficbtigt, ganj 

fceute fd)nuen wir uns gir SlbtoeSlung ein unb gar ber beutfcben wce 1 ci)anifeben ©emeiube 
wenig in ber '«Riefenftabt Sonbon um. in Sonbon. 3" bent ©tenfchengemühle biefer 

©tetropoliS leben nämlich auch menigftens 70,000 
I. beutfdje SonbSleute, einige Statifiifcr fprechen' - 

fogar oon 100 , 000 ! freilich mobiten biefe 
onntag ift eS, j 2eutfd)e in Sonbon febr jerftreut unb finb auch 
it n b } W a r i fcbon recht hübfcß „anglifirt," fo baß man troß 
Sonntag in i^rer bebeutenben 3 af)l boch nur ßöchft feiten 
ber «ollen ©e= ein beutfdjeS SBort auf ben Straßen unb ©tärf* 
beutung beS ten ber SBcltftabt hört. 

Sporte!. Sein $iir baS geiftlidje ©3obI biefer 2aufenben ift 
Sa ben, fein naeßgernbe nicht übermäßig geforgt; aud) be= 

© e f cßö f t ift fiimmert fid) bie ©laffe ber Sonboner ©ermanen 
offen, ^cber* I wolfl wenig um ihr #eil, fonbern gehört ent* 
manu rußt, Weber bem ©ojialiftenbunb an, ober hot ohne 
u. wenn auch ©ereinSgenoffcnfdjoft auf baS Scanner gefeßrie* 

2 a u f e n b e ben : Saßt uns erwerben unb genießen! 
nicht in bie 2 öit finben jeboch einige beutfdje ©emeinbeit 
©ottesbienfte unb ©elfteren in Sonbon. Unter benfelbeit auch 
gehen, fo fießt eine beutfeße meSleßanifche ©emeinbe mit ihrem 
inan buch al* eifrigen ©rebiger. 

lentßalben bie inmitten eine! bon $eutfrf)eti bewohnten 
Seu te fdjaa* [ StabtoiertelS, finbet ber Söanberer an ber 
renweife ju | ©ommercial Stoab (|>nnbclsftraße) ein ßübfdjes 
ben Sonntag* ‘ tym ©adfteinen erridjteteS ©ebäube, an beffen 
Sdjulen unb Stnfcßrift* Stein gefchrieben ftehet: 2eutf<he 
Kirchen wal* me3let)anifd)e Sirdfe. @3 wintt alfo mitten int 
len. ©olfsleben SonbonS ein lieblich beutfd>e§ £>eitn, 

Unfere f o* beffen Slnblid unS ßerjlid) wohl thut. 
genannten ®u trittft ein unb finbeft eine für ßraftifche 
8 ?ortfd)rittS= 3 boecfe feßr boflfominene ©inrichtung : $jm er* 
leute, welche ften Stodwerfe — klaffen* unb anbere 3immcr 
ben Sonntag gerne ju einem Sfjeftafeltag ber* für Sonntagfdjul* unb ©ercinSjmede, nebft 
waitbcln mürben, feigen uns fortmäßrenb, baß einem einfachen, aber ßübfdjen Schulfaai. 
fid) in einer ©roßftabt bie Sonntagsruhe eben Selbftoerftänblid) fehlt bie nothwenbige ©in* 
nicht buvehführen taffe, ©cfcßäft, £>anbel, ©e* ridjtung jum 2 ßeefo<hen nicht, benn in ©ng= 
werbe unb ber ©omfort beS ©olfeS erforbere, lanb fann man fid) menigftens feine ©ereinS* 
baß alle SonntagSgefeße aufgehoben werben, fo ©erfammlung beiden ohne ben 2f>ce, unb ba 
baß 3 |ebermann nach ©elieben f(holten unb ber 2 eutfcße fich ja gar gern unb feßr fchnell 
malten lönne. in bie SanbeSfitte fügt, fo fingt er auch in 

2)er(ei „Argumente" (?) finb Seifenblafen Sonbon allüberall bon 'Morgens bis SlbenbS baS 
unb nidjtS ahbereS. ©inemnati 3 . ©. ift im Sieb bom „föftlichen 2f)ee." 

©erhältniß ju Sonbon ein 2)orf unb ©ero ©orf 2er obere Stod beS SircßengcbäubeS enthält 
eine ©littelftabt, bennoch aber wirb in Sonbon ben geräumigen hübfd) eingerichteten ©rebigt* 
mit feinen n i e r ©t i 11 i o it e n ©inwobnern Saal mit ©alerien unb fd)öner «anjel. 
unb feinem gerabeju ungeheuren ©efchäft bie SoldjeS ift baS fircßlidje £)eim ber 2eutf<hen, 




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Iniei Sonntage in fanbon. 


3 


etroa 200 9?iitglieber gäljlenben roe#letjaniften 
©emeinbe in Sonbon, meiere ©eintatf) allen 
Sanbsleuten offen fte^t, unb fiir roeldje mir 
nidjt umbin tonnen, auch ftier ein au# bcin $er* 
jen tommenbe# „©ott fei Sanf" gu fetgen. 

Ser &onntaflmorgen=©otte#bienft roirb bon 
^at)lreid>er 3uf)örerfcpaft — unb aut bon nidjt 
roenigen Siircbenmitgliebern befugt, unb man 
üebt e# ber ©erfammlung auf ben erften ©lid 
an, baß e# ben steiften mit bein Sieufte be§ 
£>errn ©rnft, unb biefe ©emeinbe in jeber 39e= 
giebung bermaßen berangereift ift, baß man ibr 
bas ©räbitat — felbftjtänbig — erteilen tann. 
Sr. A. Sulgberger bon granffurt hält eine 
gute ©rebigt unb legt ben Störern ba# ©bau* 
gelium aufs eifrigfte an’# £erg. 

Sonntag Statmittag# roirb nicht allein bie 
Sonntagftule, fonbern nach berfelben auch 
Jünglings* unb Sungfrauenberein in groei ©er* 
ein#ginttnern gehalten, benn biefe beutften 2öe§= 
lepaner fhtb tbätige ©Triften unb geben mit 
bem ©iotto bureb bie SBelt: „2Ö i r t e t f o 
1 a n g e e § S a g i ft." Siefe Vereine fiitb ©e= 
feflfchaften gur görberung ber in ne* 
Ten ©tiffion. Sraftatbertheilung, @iu» 
labungen gum ©otteSbienft, ©litfjilfe bei ber 
Straßenprebigt, &nu#befute ic. je, ba# ift bie 
Arbeit ber ©erein#mitglieber. 3 n ihren fotitu 
täglichen 3ufcnumenfünften roerben Berichte er* 
ftättet, ©läne gemacht, (Srmabnung unb 6r* 
munterung ertbeilt, unb groar in gang unb 
gar gefelligerltBeife, roobei natürlid) 
ber töjtliche $b ee nicht fehlen barf, toelcben man 
biefen fleißigen Arbeitern unb Arbeiterinnen 
recht njofjl gönnt, gumal berfelbe öon fo gefepid* 
trr £anb gubereitet toirb, baß Stiemanb ob bem 
©muß bom Steruengittern befaßen roirb, auch 
trenn ber graufamfte Surft gu ftißen geroefen 
roare. 

Stach biefen ©erein#=©erfammlungen finben 
mir bie 93erein#mitglieber ber beutften 2Beä= 
lepaner braußen auf ben Straßen Sonbon# — 
aber nicht etroa um bu«b einen Spngiergang 
nch Don ben ©ereinäftrapagen gu erholen, fott* 
Dem toieberum gur Arbeit. Sie gehen ent» 
roeber Don #au# gu £auS unb fuchen bie beut* 
üben 2anb#letite auf, ober oertheilen Sraftate 
m ben bentfehen Cuartieren, ober befuchen 
Sonntagfdhüler, ober beteiligen fief» an ber 
ctraßeiiprebigt. Sie beutften • 2Be#let)aner 
btnüften nämlich — ben guten ©ebraut ihrer 
mqlifi rebenben ©rüber natahmenb —ihre 
oöf o / , © r eb iget unb ©rmahner 
auf# befte. Sort Reifet eS nicht — roa# 
toBen mir benn mit biefen ©eamten anfangen; 
iiefinb ja ba§ fünfte Sab am ©agen ! Ae.n- 
icDe iroeefentfprechenbe Straßenede roirb gleich« 
fam iurftan&el, jebe# ©tulbäu#ten ber’foat* 


barfchaft gum Sempel. Ade fcd)§ ©ionate roirb 
ein ©latt au#gearbeitet, bem gufolge alle ©re* 
bigtpläße be#©egirfc# ober ber Station — feien 
biefelbeit an ben ©den unb 3äunen ber Stabt 
ober in Tempeln — regelmäßig unb ab: 
ftictbfelnb bon aßen gur ©emeinbe geljörenbeu 
©rebigern, Sofalprebigem unb ©rntahnern be* 
bient roerben. 

Sie beutften ©3c3(epaner Sonbon# prebigen 
roeit braußen in ben ©orftäbten foroopl, al# 
bort brunten an ben Straßeneden berroorfener 
Stabtbiertcl; fie grünben <«onntaqfd)ulen, roo 
fte nur tönnen unb fejjcn mit ihrem eifrigen 
©aftor — ©. Sdjroeitijcr — ein nataljmung#* 
toürbiqe#©eifpiel. 

Sie ffolge folch unermiiblicher Sonntag* 
9tatmittag#arbeit ift ein feljr galjlreithe* 
fuchter AbenbgotteSbien ft, roogu fi<b 
geroöljnlit aut biete nicht gur ©emeinbe gehö* 
renben ^eutfdjcn einfteflen. ^ie# roar roenig* 
ften# am Sonntag Abenb, ben 11. September 
1881 ber fjafl, ba it geroürbigt roar, einer gro* 
ßen 3uhörerftaar in ber roeSlepaniidjen tlirte 
gu Sonbon ba# ©rot be# Sehen# gu brechen. 

Alfo berfloß ber erfte in Sonbon toabrenb ber 
Sißung ber öfnmeniften ©onfereng berlebte 
Sonntag. ©# roar ein 2ag reichen Segen# 
unb fabbathlicher Arbeit. 

Saß biefe ©emeinbe nicht blo# feljr eifrig ift 
im $icnfte ©otte#, fonbern auch recht lieben#» 
roürbig roie gaftfrei fein tann, ba# hat fte, roie 
bereit# in biefen ©lüttem gefd)ilbert, unter an* 
berm auch ben beutfdjen Delegaten ber öfume* 
nifchen ©onfereng beroiefen. 28ir berlebten 
freunbliche Sage mit ihr unb genoffen föftlidje 
Stunben unter bem Säte ihre# roaderen ©a* 
ftor§, roelter—foroie feine geiftreite ©attin — 
ben Sefern biefer 3citftrift burt ftriftfteße* 
rifte Arbeiten bereit# betannt finb. 

Aut it lam nitt al# gang unb gar Unbe* 
tannter unter biefe beutfehen auf engliftem 
©oben roohnenben ©hriften. Sparten bot in 
jener ©roßftabt jebeit ©lonat fünfgig bi# fet#gig 
Subfcribenten mit Spannung auf ^>au# 
unb & e r b, unb it ^offe, baß ihre 3abl 
jafjrlit gunehme. 

©ott mit eut, ihr beutften SBeSlepaner in 
Sonbon! ©töge etter firtlit«^ d f ' m not 
taufenben 8anb#(euten ein ätte# Afpl roerben, 
unb ber SBeinftod, ben ©ott eurer ©flege über* 
geben, Diele reife 3?rütte tragen gum eroigen 
Sebeu! 


Stlette Siteratur rittet mehr Staben an, 
al# Unmäßigfeit. 

Anton ©omftod. 


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S3ct§Ie$em. 

ijm heiligen ßanb, fedjS Weilen fiibüct) öou äöege gen Gpbrntb, bie mm $etl)lef)em Reifet; 
Ja ber heiligen Stabt ^erufalem, auf einem unb 3>afob richtete ein Wal auf über ihrem 
” SSerjie, ber 2500 fjuß beS WecreS Spiegel ©rabe, baSfelbe ift bas ©rabmal Stapels bi» 
überragt, liegt baS jefct roeltberübmte ®orf auf biefen Sag." 

$etblebem, für ben Gljriften einer ber Ijeiliqften Wiefel ©raomal ift nun freilief) fdjon läng ft 
fßlä&e auf Grben. So unfebeinbar auch bie berfchwunben, aber man bat an bem Orte ein 
Heine Ortfchaft ift, fo bat fie bo<b eine lange, ißracbtgrab errichtet, Welches bon 3uben, Gbri= 
intereffante ©efebiebte. Siefelbe bebt mit einer ften uiib Wubamebanent in Gbren gehalten 
tübrenben Srauergefcbicbte an: ©in alter Wann, mirb. Ser englifdje Steifenbe Stobinfon be= 
ber Häuptling eines (Stammes manbernber febreibt eS als ein fleineS, bierecfigeS, mit einem 
Wirten, tarn auf feinen Söanberungen bis nabe Som bebecftcS ©ebaube. 
bei Bethlehem, roofelbft ibm fein geliebtes 2Beib 9lucb in ber ©efebiebte ber 2lnfiebelung ber 
ihren »weiten Sohn gebar. 9ta<b ber ©eburt ^Sraeliten im berbeifeenen ßanbe bat Bethlehem 
batte fie nur nodb 3 e >t bem ©eborenen einen einen ipiajj. GS fiel in ber Bertbeilung beS 
tarnen, ihren Grfaljrungen entfprecbenb — ßanbeS bem Salmon, fjürft in 3uba, ju, weU 
SBenoni, b. b- @ofjn meiner SAmerjen, —ju eher ber ffiater ober baS £>aupt Bethlehems ge= 
geben, Worauf bie liebe fdjöne Stachel berfebieb nannt warb. Gr war aller fffiubrfdjeinlicbteit 
unb ber arme 3facob in grojj ßeib berfefct nach ein Urenfel beS £)ur, ber mit 2laron auf 
würbe. Sieben 3abre batte er treu bem 35ater bem Berge WofeS 9(rme im ©ebet ftüfcte, als 
bicfeS SQBeibeS gebient. Stad) Jacobs eigener ^Srael mit 2lmalef fämpfte. Gr ehelichte fpäter 
SluSfage mar biefet Sienft ein febmerer; „beS bie Sfaljab bon Jericho, welche bie iSraelitifchen 
SageS berfd)ma<htete ich bor £ij)e unb beS $nnbf<bafter aufnabm unb fid) gu bem Sienft 
SladjtS bor fjFroft, unb fam fein Schlaf in meine ^eljobaS belehrt batte. Obwohl bie Israeliten 
Slugen," fagte er. Unb boch war feine Siebe fo oon Kanaan Befijj genommen batten, fo mar es 
grofe, baj} bie 3<it ib m »bäuchte, als wären es ihnen boch nicht gelungen, bas ßanb bon ben 
einzelne Sage." früheren Bewohnern gänjlicb ju fäubern. SSiete 

Sie gut ift eS boch, bafe bie Siebe feine Bür= berfelben blieben im ßanbe, unb jmar nicht bloS 
ben fennt! SaS Gnbe biefer ©efchichte lautet: einjeln, fonbern fogar in Slieberlaffuitgen, in 
„Üllfo ftarb Stachel unb warb begraben an bem benen ihre ©ebräuche unb ©öfcenbienfte erhalten 


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Jlur (Sefdjidjte JMbleljems. 


5 


mürben. f£)urdj biefe Würben bie Israeliten ju 
oerbotenen ÜBerbinbuugen berleitet unb fogar 
jum ©öfecubieuft »erführt. ^iicbtiguitgen Der= 
fd)iebener Strt folgten auf beit Uttgeborfain, fo 
j. 8. auch bie große 2bcueruiig, welche Diele 
Singer beranlafite, ju beit Stadjbarläitbern iljre 
3ufUid)t ju nei)itteit. $er Setbtebemit ©li» 
mcled) mit 2Seib mtb jmei Söhnen furfjte $ilfe 
in SJtoab. 35afelbft ftarb er mit famint feilten 
$mei Söhnen, bie Don ihren tinberlofcn 2iMtt= 
men nttb ber fDtuttcr betrauert würben. 


33olf ift mein SSolf, unb bciit ©ott mein ©ott, 
unb wo bu ftirbft, ba fterbe id) aucfi unb will ba 
begraben werben." fco Wirb fie au3 freier 
3i3al)l eine Israelitin, uitb biefe beibeit itn 
£)er$ett unb ©laubeit einige grauen finbeit 
nad) einer längeren Steife ficb ettblid) in Sctb= 
leljein ein. 

63 mar gerabe um bie ©erftenernte. 3urd) 
ihre fJtotb oeranlaßt, bat bie fJtntb ihre Sd)Wic= 
germutter uut ©rlaubniß, nad) SanbeSfitte in 
beit ©rntefclbern Sichren gtt lefeit, mtb bie Sor= 



9iuth, bie 9(ebvenlcferiti. 


Staomi, bie SiMttme bes ©limelcd), Dernabnt, 
baß ber £>err bie feinet ^olfe# ge« 

mäßigt, unb 99rob im fianbe ber Später fei. 
Sie entfdjloft fidj baber, ihr Ceben bei ben 
Trigen ju 6efdt»liefien, ttabm liebeüofleit Slb= 
Idiieb Don ihren moabitifeben Schwiegertöchtern 
unb rieth ihnen, antn elterlichen öerb juriirf* 
tufebren Tie ©ine nabtti ben Statb an, bie 
#nh?re nbe r roollte lieber baS Coo3 ber Sd)toie= 
anmutter Weiten, it.bein fie ibr Sorbaben in 
bie töönen Sporte fleibetc: „2öo bu bingebeft, 
äebe id) anW> roo.tou bift, bleibe ich and); bein 


febung lentte e§ alfo, baß fie auf ba« gelb eitte§ 
reichen Setblebemiten, Stanien« 8oa§, fctin, 
welcher ein Sermanbter ihre» beworbenen 
ScbmiegerDoterS Gliitteled) mar. SBäbrenb Stutfi 
fammclte, Jam Soa», um feine Schnitter ju 
befud)en. ©r erblidte bie freinbe Siebreitleferin 
unb lernte bind) Stacbfrngcn ihre ©efebiebte 
fennen, warb ihr burd) biefe ©efdiidjte gewogen 
uni. befahl, fie gi begiinftigeit. Tarnt' waiibte 
er ficb ju ihr unb lobte ihre 3bat, — befouber§ 
baß fie „ju bem £>evrn, bem ©otte gerael» ficb 
gewanbt," baß fie „unter feinen gliigelit 3nber* 


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6 


$ur (Befdjid)te IJftljleljems. 



fid»t hatte." — ©ott ber perr hielt feine panb 
über beiben, unb führte fie als Wann unb Söeib 
jufammcn, fo bafe bie Slelteften im 2I)or fpra= 
eben: „5UMr finb 3eugen. ®er perr mache baS 
$D3eib, baS in bein pauS fommt, toie Nabel unb 
Sea, bie beibe baS pauS Israels gebaut hoben; 
unb roadjfe feßr in Gpt)rut£)a unb roerbet be= 


$«Pib unb feine geerbt. 

rühmt in ^Bethlehem." berühmt finb fie aud) 
auch geworben, benit 33oaS unb Nutb rourben 
bie Urgroßeltern beS 2)aoib, Israels größtem 
König unb herrlidjftem ©änger, bon welchem 
auch ©briftoS abftammt nach bem ffleifd) nnb 
„£aoibS ©offn" genannt morden ift. 

Ungefähr anno 1003 bor ©brifto, ba König 


©aul burch feinen 9lbfall bon ©ott fid) untaug» 
lieh erroiefeu, betam ©amuel, ber Prophet, beu 
üöefehl bont perrn, nach Bethlehem ju gehen 
unb ein Cpferfeft bei ^effe, bem paupt ober 
Sßater beS betblebemitifchen ©tununc5, ju feiern 
unb ben jufüuftigen König Israels gn falben. 
$iefeS that er ungern, beim er mußte, bafj bie 
©albuitg bie (Sntfetmng 
beS Königs ©aut,’ ben 
er troß feiner 33erfün= 
bigung fehr liebte, bc= 
beute. $a aber ber 9luf= 
trag nicht roiberrufen 
rourbe, mußte er beu 
SBefehl ausführen. 91(S 
baS tfeft bereitet roar, 
erfdhieiten fieben ©ohne 
Seffe’S bor bem ©a= 
muel, aber §u feinem 
©rftaunen erhielt er feine 
Slnbeutung, einen ber= 
felben ju falben, fßer» 
legen fragt er ben 3Sater: 
,,©inb bas bie Knaben 
alle?" 2US er aber er» 
fuhr, bafe noch ein 3iiug= 
ling borhanben fei, ber» 
langt er nach bemfelben, 
unb als biefer erscheint, 
heißt eS fogleid) in fei» 
nem Innern: „'21 uf unb 
falbe ihn, er ift’S," unb 
©amuel nahm fein tJüfl« 
born unb fatbete ihn. 
£ic heilige ©chrift fagt: 
„2>er ©ei ft beS perrn 
ruhete auf ®abib bon 
bem 2age an." 

3in einer Keinen ©nt» 
fernung f ü b l i d) bon 
©ethlehem liegt ein fchö» 
neS SEhal, roo $amb 
ohne allen Zweifel oft 
bie beerben feines 5ßa= 
terS geroeibet. @in3;beit 
befleißen roirb heute noch 
„flirten felb" genannt, 

unb bie Ueberlieferung 
bejeidmet basfelbe als 
beit Crt, too ^Bethlehems 
• Wirten ihre beerben beS 

Nachts hüteten, als ber 
! ©ngel beS perrn bie ©ebnrt beS pcilanbeS an» 

! üinbigte. SDeiter fiiblid) hotte ©aloino, ber 
©ohii unb Nachfolger $abibS, feine Suftpläße, 
Cbftgarten unb Reiche angelegt. 9lm füblidjen 
©nbe biefeS 2f)aleS finbet man noch bie in 33er= 
fall gerathenen Reiche, Welche als „©olomo’S 
Reiche" bem '«Reifeuben gezeigt werben, pier in 


♦ 


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JJu JUinter« Anfang. 


4 


biefeii Jhälern uitbauf beit umliegenben Werften 
bat ^nuib in feinem fjirtenlebeii firf) bie ©e= 
roaubtheit, förperlidhe Starte unb bett ©tuth 
geholt, toeldje if)ii befonberS fennjeichneten. 

Bir (affen tjicv einige aus Dielen ©egeben» 
beiten in bem Sehen beS $aDib bei ©etblehem 
folgen. 

Einige nach feiner Salbung als Honig, 

ebe et junt uollen ©tanneSalter heran gereift 
tour, fielen bie ^P^iüfter in 3fuba ein, unb smar 
mit einer bebeutenbenWacbt, um bie ^^raeliten 
gi unterwerfen. eie oerfammelten fich in einem 
ber großem ifjäler me ft lieh Don ©ethlehem unb 
boten ben jageitbett Israeliten ben .Uampf. Sie 
torberten befonberS jn einem ^mcitiinipt mit 
ihrem (Riefen (Soliath auf. $ch braucbe bie 
©efdhidhte mit ihrem 9luSgange nicht tiieberju» 
ichreiben, ba s 2tUe ben ©tutb unb ben Sieg beS 
fiirtenfnaben mit ben Scbleuberfteinen tetinen. 
Itaoib ^atte firf) bie Ungnaöe beS HöitigS Saul 
jugejogen nnb mußte fliehen, um fein Sehen ju 
retten. (Sr trieft fich mit beroaffneten Anhängern 
oftlicf) oon 5Öett)lebem in ber fjohle Bmilain 
auf. (Sine§ iageS, ba er Dor .fjiße fchniacbtet, 
benft er an baö frifcbe 5öaffer bei ©ethlehemS 
$ijor »mb rief: „O, baß 3<nnanb mir 'Baffer 


ju trinfen gäbe ati§ bem ©rannen bei ©eth= 
lebem, welches ift am $hor!" ©ethlehem nmr 
SU biefer 3ett in ben |)änben ber ^hitifter. 
$o<h machten ficb fogleich brei feiner Jreuen 
auf, nahmen ein ©efäß, fjhlugen fich burd) bie 
Soften ber ^ßhilifter, fchöpften unb brachten 
ihrem Anführer $aoib baS erfehnte Baffer. 
'illS er aber baS ©efäß mit Baffer hielt ge= 
buchte er ber SebenSgefahr, welche als ©reis 
gesuhlt mar, erachtete baS Baffer als su roerth* 
Doll für geroöhnlichen ©ebrauch unb goß eS aus 
bem fjerrn ein Sranfopfer. 

©ethlehem ift aber Dor allem berühmt als ber 
©eburtSort unfereS 4E>errn unb tpeilanbeS ^efu 
('l)rifti. (£ie ©rophcteit hatten ben Crt ^af)r= 
bunberte jubor bcseichnet als ben ©laß, ba ber 
©teffiaS evfeheineu folle, fo baß bie Schrift» 
gelehrten ben Honig fjerobeS unb bie Beifen 
aus bem TOorgcnlanbe nach Bethlehem weifen 
tonnten, bafclbft ben neugeborenen Honig ju 
fuchen. 

Unb eS ift wahr geworben: „Unb bu ©eth= 
(ehern ©pljrata bift mit nichten bie fleinfte unter 
ben dürften ^ubaS; benn aus bir fofl mir fom» 
men ber ^erjog, ber über mein ©olf Israel 
ein fjerr fei.". 




Zu Wiutörä *l«jfci«ö. 

Äon 3o4ö»tie« Xrojan. 


nn tf* i>er erfte Sd?nee gefallen 
Uub fceeft t>cs (Sartens Blumen 3 U. 

It>ann tuiefccr tuirb ber Huf erfcballen: 
<£ripad>t I (Ergebt euefy aus ber Hut?!? 

2 fcf?, nun tuie lang’ uttljolben märf?tert 
«Sefyört Me XPelt, bie eiuft fo fd?ön 1 
IPem batikt nid?t ror ben laugen Hätten, 
IPenn um bas £)aus bie Stürme gefjn l 

<D gieb uns, <Sott, freunbficbe Xjelle, 

Pte uns in Printers (Srauu beglüeft, 

3ts bag ber Sd?nee ge^t uon ber Scbmelle, 
Per 5 ^Iel?bufd? braugen neu ficf? fd?mücft. 


€rt^alf bie (Sfutl? auf unferm £?erbe, 
<Erf?aIt’ auf uitferm (Eifcf? bas Brob l 
(Sieb, bag pott uns gegeben merbe, 

IPenn an bie (Ojüre fommt bie Botfy. 

(Sieb uns, bag ^riebe bei uns mofyne, 
Pag ^Jreube febre bei uns ein, 

Pag Reiter unfer X?aus perfd?onc, 
Kranffyeit unb Sorge, Hngft unb pein; 

Pag unpcrfeljrt bas Pad? geblieben, 

IPenn micber Scfjmalbcu brunter baun — 
Unb bag mir all, bie mir uns lieben, 

3m £en 3 bie Peilten mieber fd^aun 1 



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(CljrifHiinbdjen. 


9 


|u btt f rmmt = irinuith. 


3 n ben 9lfplen für ölte grauen ju 9tem|)orf, 
fßljilabeJpfjia, ^Baltimore, (Cincinnati u. f. ro. 
mirb auch (Shrifttag gefeiert. 

$iefe unb noch aitbere Stabte unfereS SanbeS 
btfifcen nämlich (Sott fei £auf'3ufluchtSftcittcu 
für alte grauen unbWanner, rnelche feine eigene 
peimutb fjaben. 

Äommt nun baS liebe 2Seiljnacf)t»feft, fo 
mirb and) in ben meiften biefer Raufer ein 
(iljriflbaum gefdhntücft unb ben alten Witter* 
<hen roirb oön ben jüngeren bie SBefc^eernng 
freitet. 


2üie fie fo fectenoergmigt finb, biefe ebrmür» 
bigen Watroneu ; man meijz faum, wer freubi» 
ger ansfie^t — fie ober bie Äinbcr, n>elcf)e bie 
frönen ©efdjenfe tjerbeififylcppen! 

D, bu feligcS 3Bofjltf)un ! C, bu fröhliche 
ßinbljcitsseit, ba man nod) giebt, ohne mieber 
SU oerlangen, nur giebt, weil» eben fo grofze 
greube macht. C, bu lieblicf)c§, herrliches 911» 
ter, wenn eS fo befcfjienen mirb oom SBeihnachtS» 
licht, bafz ber Schein tief in» £>erj hinein fallt 
unb weit hinauf leuchtet ins ©aterhauS. 

8 . 


>■ < » >» ■ »•»— 




I. 

Jot fahren fuhr ich einmal am 
20ßeif)na(ht§nbenb auf ber 9torb= 
2Beftbahn nach Sonbon. Wan 
pflegt Seilte reiferen 9l(terS su 
beflogen, bie in folcher geftseit fich 
unterroeg# befinben, ftatt im eigenen &aufe fich 
Don lacfjenbeit .ftinbergefichtern umringt su fe= 
ben; ich felbft fom mir gar nicht bebauernSmerth 
5 ot. ©ing» hoch ber -t»eimath. bem herzlichen 
JBillfomin meine» trauten SBeibeS entgegen! 
flinbergeficfjter freilich ermarteteu mich nicht, ba 
ich aber nichts ^ er ^ r * tonnte, oermiflte ichs 
auch roeiter nicht unb mor ooKfommen befriebigt 


beim ©ebanten an bas liebcftrohlenbe 9(ntlifc 
beren, bie nun feit einem ©icrtetjobrbuubm 
meine treue ©cführtin gemefen, unb menn auch 
nicht fchöner geworben, mir boch heute sfhn Wal 
theurer mar als an bem Sage, ba ich fie suerft 
erblicft. Ser tfampf beS Sehen# mar für mich 
oft hart gemefen, unb manchmal mär’ ich Wohl 
unterlegen, wäre fie mir nicht 511 r Seite ge» 
ftanben; beim ein gutes 5 Pcib ift bem Wanne, 
maS bie Wilitärmufif bem Solbateu, mit bem 
itnterfchicbe nur, bafz bie ermunternbe Stimme 
ber erfteren halb fanft, halb (aut mdhrenb beS 
i ganzen Äambfe# fovtflingt, bis fie im 2 obe 
i berftummt ober baS ')(uge beS Streiters fid) für 
I biefes Sehen fchlieRt. 3a, rechte grauen finb 
I auch bas Sonitätscorps, baS mit jarter £>anb 


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10 


<£ljri|tfeini)i!)(n. 


utifere Stauben berbiitbet, unb bie gelbprebiger, 
bie unfve Sc&umrfjljeiten gu benüjgen mißen, um 
uns gum Fimmel gu leiten, ben mir in oll bem 
Stauch unb Oampf unb ©etiimmel aus ben 
Kluften oerloreu hoben. ©ott lohn’ es ihnen ! 
So fpr ad) ich bei mir felbft, inbem ber ©ilgug 
burch ben fnllenben Schnee hinbraufte, berUUlcS 
in blenbenbcs UBeiB füllte, als mollte er bie 
©rbe mit einem Srautgeroanb für ben £>immel 
fdjmücfen. s JIls ber Oag fiel) neigte unb bie 
Sonnen ftraljlen erlofdjeit, oermanbelte baS 
Srautfleib fidf in ein fieichentiidj, bei beffen Uln» 
blidf mir graute. „2BaS mürbe baS Beben für 
mich ("ein," mußte ich benten, „roenn meine 
Sonne erlöfche unb mich nUein guriictlieBe, ohne 
baß mir auch nur ber Oroft bcs UBieberfcheineS 
bliebe, ben ber UBittmer in ben Singen feiner 
ffinblr gu fehen glaubt ?" 3h bin teilt Seit» 
timentalift, fonbern ein nüchterner ©efdjäftS» 
mann, ber fich mit allem Utecht etmaS auf feinen 
prattifchen Sinn gugut thut; melchent beruiinf» 
tigen UJlcnfcpen in reiferen fuhren tarne aber 
nicht bann unb mann ein folcher ©ebante ? 

©in tüchtiger Stoß, mit bem ber 3ng je| 5 t 
am Bahnhof ^ielt, rüttelte mich 011 S meiner 
iränmerei auf. Oie lange Uteihe ber UBaggonS 
überfchauenb, fragte ich mich unroilltiihvlich, ob 
für alle biefe '-ßajfaaiere rooljt auch Orofhfen 
genug ba feien ? Sch hotte nicht »iel ©epäcf, 
aber eine Sc^adhtel, in ber fich baS Si^rifU 
gefdjenf meiner Ulellt) befanb, lag mir fehr am 
bergen, £>o ging ich gleich on ben ©epätf» 
magern barnadj gu fehen. „UBahrhoftig baS 
(eßte Stiict," lag mir fcf)on auf ber 3'inge, als 
fich «Giften unb ffoffer unb £>utfchachtcin auf 
ben Sofien ergoffen unb toieber unb toieber baS 
„Dichtung" ber mit ihrem Darren abraffelnbeit 
Sactträger mir gum Seroußtfein brachte, baff 
bie Sorge um fieib unb Beben noch Öö^er fteht, 
als bie lim £>ab unb @ut. Ulod) ahnte ich nicht 
bie gange Oüde beS Sdpdfals. ©rft als mir 
enblich ber gang entleerte Sßageit entgegen» 
gähnte, mürbe mirS tlar: Oie Schachtel mar 
gar nicht ba! 

Soll Sitterfeit unb mit bem Sorfaß, roegen 
beS berlorenen ©epäcfs ff läge gu erheben, matibte 
iäh mich um unb hätte ba&ei faft ein fleineS 
Stäbchen umgemorfen, baS, als ich cS gemährte, 
feine tränenfeuchten, blauen Ulugen fo flepenb 
gu mir erhob, baß es baS ^>erg eines £erobeS 
hätte erroeichen föniten. 

„2BaS iftS, mein ffiub ?" fragte ich fie, mein 
Ohr gu ihrem rofigen UJläulchen nieberbeugenb. 

„©ibbinS!" fagte fie, ihr Häubchen auf mei» 
nen Sinn legenb. 

„2BaS foli ich bir geben, ^ergehen ?" ©S mar 
tlar, baß fie fein Settelfinb mar. Sie mar gut 
unb morm gefleibet, roie es für bie fchneeige 
Ulacht paffte, unb hotte einen fleinen UJluff am 


£>alfe hängen, in ben fie ihre £änb<hen mieber 
fteefte, fobalb fie fah, baB fie meine Ulufmert« 
famteit erregt hotte. 

„Sift bu ©ibbinS?" fagte fie, mich ängfllidj 
boit ff opf bis gu g>tß meffenb, als müßte fie 
irgenb ein bcfonbereSffenngeichen an mir fiitben. 

„Ulein, ber bin ich nid)t, mein fiiebchen," 
fagte ich. 2Bie hätte ich bem holbeit fünfjähri» 
gen ©efehöpfetjen giirnen tonnen, menn mirS 
auch nicht gerabe fchmeichelte, für einen ©ibbinS 
gehalten gu roerben. 

„S3o fann benn aber ©ibbinS fein, menn 
bu’S nicht bift ?" fuhr bie ff leine fort: „ber 
Sanbmann ift fchon fo lang in meinen äugen 
gemefen." 

OaS arme Oing mar offenbar feßr fchläfrig 
unb niiibe. Oie Saffagiere hotten fich jeßt alle 
gerftreut, unb außer bem Oienftperfonal, ber 
ffleinen unb mir unb einem eiitgigen Orofd)» 
fcututichcr mar Ulieinanb mehr um ben 2Beq. 
fießterer gab burch baS ffuallen feiner U3eitfd)e 
gu oerftehen, baB er roarte, bis es mir gefällig 
fei unb jeben meiteren Sergug in Stechnung 
bringen merbe. UJlicß aber befchlid) ein ©efiihl, 
als hätte ich on bem armen ffinbe eine Ulrt Un» 
recht begangen, baB id) nicht ber ermattete ©ib» 
binS mar, unb als habe fie beßhalb ein gemiffes 
Ulecht an mich- Sergeblich rief ich olle ©rfnb» 
rutigen meiner langen faufmännifchen Bauf» 
bahn gu §ilfe, um mich in bem ©runbfaß ber 
Ulicht=Snteroention gu beftärten ; baS äuBerfte, 
maS fie über mich bermohten, mar, einen Ser» 
flieh gu machen, bie Serantmortlichfeit auf 
anbere Schultern gu legen unb mich on ben 
Safjnhof=Snfpeftor gu menben. 

Söährenb ich ouf bie 2 büre gufchritt, über 
ber in groBen Sucbftaben „3immer beS ffnfpef» 
torS" gefchrieben ftanb, legte meine fleiue i$reun» 
bin ihr München mieber auf meinen Ulrin, als 
mollte -fie mir fagen: „Uöenn bu nicht ©ibbinS 
bift, bift bu ftatt feiner ba unb alles UBeitere ift 
beine, nicht meine Sache." mar unmöglich' 
ber 3m>erficht, bie in bem fauften Oruct biefeS 
fjänbchenS lag, gu miberftehen. 

„|)err Snfpettor," fagte ich, als ich ton ©e= 
fudhten gefimbeii hotte, „mie fomtnt bie ffleine 
ba fo gang allein hieber ?" 

6r nahm feine UDlüpe ab — nicht mir gu 
©hren, mie ich mertte — fonbern um fie meiner 
fleinen Segleiterin, bie fich mit bem golbenen 
Sanb bran in ben lebten Stunben fcheints bie 
3eit berfürgt hotte, gum Spielen gu geben. 
„2Bir Ulfle meinten. Sie feien enblich ber er» 
martete ©ibbinS." 

„UlichtS ber Ulrt," entgegnete ich ctmaS miir» 
rifdt». „Ulie in meinem Beben hob’ ich boS 
Oing ba gefeheu." 

Ourch meinen barfchen Oon erfchrecft, fah 
mich bie ffleine fo erftaunt an, baB ich mich 01)1 


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&l)ufthinbd)en. 


II 


mit felbet fchümte, unb bet ^nfpeftor fußt 
j»tt. „TaS tljut mir mirtlid^ leib, benn fie 
fcßemt feinen anbern iüefdjüjjer gu haben. $en 
falben iag fiat fie jeßt in bem ©artfaal bort 
gugclwacht, mib fo eft ein 3ug anfouimt, trob« 
beit fie beraub unb fragt nad) ©ibbinS. ©ö ift 
eine Schmach, ein folcßeS ffinb am ©eihnachts-- 
'llbenb auf eine fo grofse Station gu fdjiden, 
roie biefe, ohne baß S em anb fä abholt." 

„©ie heißt fie i“ fliifterte ich bem Snfpef« ; 
tor au. v 

' „gragen Sie fie lieber felbft." I 

3<h ging auf baS oerlorene Schaflein (öS, 1 
unb richtete an es bie erfte ffatechiSmuSfrage. 1 
.©er bift bu V „Sch bin Cfa," fagte fie ganj 
crftaunt, baß ich eine fo flare Sache nicht fchoit 
roige. ! 

„9*ofa will fie fageit," berichtete ber Snfpef« 
tor. „ffiitber tonnen baS 9t nie an»fpredhen; 
ichjehe Sh»cn an, baß Sie felbft feine haben." 

gür ein paar Stunben hatte ich einmal eines 
gehabt, unb baS mar ber iiauptgrunb, roarum 
ich nicht atsbalb bereit toar, ber &eimathlofen 
mein |>auS ju öffnen. 

©inig^Sahw gnoor nämlich war mir nur, 
wenige fetraßen ooit meiner ©ohnnng entfernt 
eine inbifche'Mja (ffinbSfrau) begegnet, baS fet= 
tefie Äinb auf ben 9lrm, baS Dielleicht je ber 
englifche ©oben trug. Sie hatte fich Der irrt, 
oerjtanb ein wenig ©nglißh, tonnte eS aber 
nicht fprcheu unb fagte mir, ihr fjerr heiße 
3 o n e, öerinuthlich bie bengalifche ÜluSfprache 
oon 3 o n e S. Ueber feine ©ohnnng mußte fie 
mir nichts ju fagen, als baß fie gegen Sou« 
nenuntergang liege — für eine i&tabt roie 
Conbon eine etroaS nage SBegeirigtung. — Sie 
trug ein roeißeS Äleib, bas grell abftadj boit 
ihrem bunfelbrauneit ©eficht, einen fRafcnring, 
oon mehr ©lang als ©erth, unb mit bunten 
Sticfereien bebeefte, an ben „Sehen aufgeftiilpte 
flanto.ffeln. gür einen ©efchäftSinann roie ich 
roar eS eine roiberroärtige Sache, gerabe 9lbenbS, 
roo ich SluSficht hätte, allen meinen SBefannten 
ju begegnen, in folcßer ^Begleitung burcf) bie 
Straßen gu gehen, hoch tonnt’ ich bas arme ®e= 
fchöpf mit bem Ungeheuern ffinbe auf ben 9lrm 
nicht bie gange fRacßt herumirren laffen. Sie 
war offenbar fchon jeßt fehr rniibe, roenn auch 
nicht hungrig» tenn bie Ceute hatten ihr Sröb* j 
<hen in fötenge gegeben, unb eine grau fie mit i 
einer gflafdje 3(ngroerbier beinahe umS 2eben 
gebracht, «urg unb gut, ich fühlte mich ber« 
pflichtet, fie mit nach fjaufe gu nehmen, unb 
tpat es, gefolgt oon etroa 40 lärmenben ©affen« 
buben unb einem ißoligeibiener, ben ber f^afl 


her roahrfcheinlich immer im ftreife herum« 
gelaufen roar. 

„tiefer SoneS muß aber auch ber größte 
©fei oon ber ©eit fein, eine ff inbsfrau, bie 
| nicht ©uglifd) fann, mit bem ff leinen auf einen 
Spagiergaitg gu fchicfeit," fagte ich. 

„'.Bielleicht wollte er 23eibe los werben," be» 
mertte fcharffinnig meine grau. 

Scßt erft fiel mir aufs fjerg, roaS für eine 
ßaft ich mir möglicher ©eife aufgelaben hatte, 
©äre cSbocß fchoit fchlimm genug geroefen, für 
CebenSgcit ein frembes ff inb auf ben fpals gu 
befommen, aber bagu gar noch eine fdpoarge 
'2lja mit 'Jtajenring unb aufgeftiilpten iBantof« 
fein! ©öglid) roae’s ja immerhin, baß wir 
unbewußt einen ©ngcl beherbergten, ihre gange 
©rfcheinung fah aber nicht baniach aus. „Sa" 
unb „fRein" unb „Sones," mären bie einzigen 
©orte, .bie in ben groölf Stunben, welche fie 
unter unfrem $ad)e weilte, über ihre Cippe« 
famen, roaßrenb ber fette ff leine feinen 9Jt unb 
nur öffnete, um gierig gu oerfchlingeit, roaS 
man ihm gum ©fjen gab. 

9(m anbern borgen .nach hem griiljftüd fam 
Sones, ben bie '-JJoligei oon bem Cbbacß bena<h= 
rießtigt hatte, baS fein Sprößling gefunben. ©r 
feßimpfte auf £)iiibuftani über bie 2lja hinein, 
padte baS ff inb an ben Cpren, weil es über 
feiner fteftigfeit erfeßrad, unbbanfte bann mei« 
ner grau — ich felbft mar nicht gu &aufe — 
für ihre „unüberlegte ©aftfreunbfehaft." „Sch 
bin übergeugt, baß Shr Stalin es gut gemeint 
hat," geftanb er gnäbigft gu, „aber ich hatte 
oiel tteniger 9Jiüf>e gehabt, roenn er bie Sache 
ber fßoligei übertaffen hätte." 

£ic©rinneruug an biefesgiaSfo machte mich 
biesinal noch oorficbtiger, als ichS fonft geroefen 
wäre, mich gu fRofaS geitroeiligem 33efcf)üßer gu 
erbieten. 

„$u haft mir beinen eigenen Warnen gefagt: 
fag mir jeßt auch ben beineS SBaterS," fragte ich 
bie fflciitc: 

Sie fcßiittelte ihr fföpfcßen, bis bie golbenen 
Coden ißr liebliches ©efi^htchen einen 5lugenblid 
gang bebedten. 

„Unb roie heißt beine ©ama ?" 

„S<h habe feine fDtama," fagte fie gang ru» 
hig, ben SRiemen an bes SnfpeftorS ffappe auf« 
unb gufnöpfenb. 

,,©o bift bu gu |>aufe, fRofa ?" fuhr i^ fort. 

„3u ^laufe ?" ©ich biefcS ©ort fchien fei« 
nen Sinn für fie gu haben, unb bod) begeugte 
ihr 9lngug unb ihr gutraulicheS ©efen, baß fie 
ein ©egenftanb treuer pflege geroefen roar. 

„2Mft bu oieüeicht in einer Schule, mein&erg« 


intereffirte. (hen V 

'MuS bem oon meiner grau angefteflten i ^lier leuchtete ihr ©efichtchen auf, baß ich 
Serhör ergab fich, baß bie 2lja TOorgenS j enblid) baS IRechte getroffen. „Sa," antwortete 
mit bem kleinen fpagieren gegangen unb feit« I fie bergnügt. 2luf meine weitere grage aber. 


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12 


$l)rifUunbd}m. 


wo ihre Schule fei, neues Schweigen. Sie unb fchlitg mit ben ftiißchen aus, wie einer, ber 
wußte fo wenig, woher fie fcun unb Wohin fie fid) im 'Schwimmenlernen perfudjt. 6 » war ein 
ging, als wäre fie aus ben Söolfen gefallen. _ i fcprerflicher ^tuflenblicf, beim nod) nie in meinem 
äßoljer fie tarn, war bis auf einen gewijfen Seben hatte ich mit einem fo acrbrecblidjcn unb 
©rab allerbingS aus it)ver starte unb ber s Jtum= wufeligen Artifel gu tlpin gehabt. So wie mir 
mer ihres mitgebrachten Soffer» 311 fel)en, ber bamalS, mag’S etwa einem aitgebenbeu Stuben» 
aber {einerlei Abreffe hatte. liuibdjen um’S-^erj fein, ba§ 311 m erften fötal 

„ 2 öaS ift benn mit ber Sleinen anjufanflen, einen Seroice bon feinem d)incfifd)em ^orjellan 
£)err ^nfpettor?" fpiilcn foll. fDiir fdjieu, als fönntnd) burch bie 

„Tie ißerfon, welche bie SBartfäle hat, muß bloße ^Berührung meiner Singer bie bolleit, 
beute Aad)t fid) um fie anneljinen. 3 fl) würbe weiten ©liebwert berieten, 
fie mit mir nehmen, wenn ich nicht felbft baS Csfar war wie fein etwa ein 3aljr älteres 
£>auS boll Sinber hätte. Villen Tarnen im Sdjmeftercben ein blenbcnb weißes Sinb, nur 
SBartfaal fiel bie Sleine auf, unb fie gaben ißr hatte er ftatt ihrer bunfelblaueu Augen licht» 
Suchen unb 3 urferwerf; aber fie mit nad) $aufe braune, mit benen er fo ernft breinfeljcn tonnte, 
nehmen — baS ift waS anbereS. @3 gicbt fo als wäre er mit ber Söftiug beS tiefften philofo* 
wenig grauen unb noch Weniger fDtiitter, bie fo phifdjen Problems befchäftigt, ober als (afteten 
Wa3 Thun mögen." fcf)on bie Sorgen eines gaiijen SönigreidjS auf 

„Aun, bann ift’S an mir," fagte ich. „3<h ihm. Ta 3 Wifd)cn hinein tonnte er boll ber aus* 
Will fie meiner ^rau als ein ©heifllinbihen nach gelaffenften Suftigfcit fein; aber immer nahm 
£)aufe bringen. 3d) benfe, fperr ©ibbitiS Wirb er halb wieber feine wiirbebolle Tcnferntiene an, 
fpäteftenS morgen früh auftauchen." als müßte er fid) befumen, ob folche ^obeleien 

„9ted)t fo. Unb im fchlimmften t?aH fdjiden auch gerechtfertigt feien. 

Sie fie in’S Arbeitshaus. Armes, unfchulbigeS AIS er baS „£>otto" erblictte, bäumte er fich 
©eßhöpfdjen!" unb bainit fügte er fie. 3fd) gab mit folgern 3ubel in meinen Armen, baß wir 
ihm fünf Schilling mit ber Sitte, mir halb» um’S £>aar miteinanber rüdmärtS 311 ©oben 
möglichft Sunbe bon ©ibbinS jufommen ju gefallen mären. To<h bradjte id) ihn gliicflicf) 
laffen, unb rief bie Trofdjfe. in bie Trofdjfe uttb feilte ihn neben fein Sdjwc» 

„Sieb fRöScßen," fagte i$, „ich werbe bid) mit fterchen auf ben fJtiirffiß, wo ich Seibe im Auge 
nach -fjaufe nehmen, bu brauchft bein fRacßteffcn haben tonnte. Saum 30 g inbeß baS Sfcvb ait, 
unb bein Settchen." fo fielen bie Steinen bormärts unb fcßlugen mir 

„Aber Ota mufi auch mit." baS offene 'Portemonnaie, woraus ich eben noch 

„©ewig, «Röschen." 3d) bachte mir, Cta fei bie üöartfaal» Auffeherin bejaljlt hatte, aus ber 
eine Suppe, bie fie im Höartfaal gelaffen, unb $anb, fo bah fich fein ganzer Inhalt auf ben 
begleitete fie borthin, wäljrenb man ihren Soffer burchlöcherten Trofdjcirboben ergoß. Ten gan* 
auf bie Trofdjfe bradjte. jen Serluft, ber mir barauS erwud)S, modjt’ ich 

AIS mir eintraten, ging bie Auffeherin mit mir nie recht flar machen; manch’ Stücttein 
einem großen Sünbel in ben Armen brin auf Silber unb ©olb ift ficher auf bie bcfchiteite 
unb ab. Straße gefallen, aber ba baS Sehen bod) mehr 

„So, fteineS 3?räulein," fagte fte, „haft bu werth ift als ber fütammon, war meine Auf* 
beinen ffreunb enblich gefunben?" Unb 31 t mir 1 merffamfeit jebt einjig auf meine Keinen föfit» 
gewenbet: „Sie haben unS bie 3eit lange ge» | paffagiere gerietet, bie ich für ben fReft beS 
macht, mein $err. Ten ffeinen Öitrfdjen ba ! SöegeS auf meine Snice fegte unb feft mit beit 
ben ganzen fRadjmittag ju hüten, War fein ge* : Armen umfchlang. 39o(b waren Seibe im feli» 
ringeS Stürf Arbeit. (Sr ift jmar ein HBunber» gen Saab ber träume, au» bem ich um feinen 
finb für fein Alter, aber er ift bunbmübe unb SßreiS fie burch bie leifefte ^Bewegung hätte auf» 
hätte fd)on oor Stunben in’S 33ett gehört." Werfen mögen. 

„2BaS für ein Sinb ift benn baS?" fragte iöh, felbft aber überlieg mich jebt and) meinen 

bon einer bunflen Ahnung ergriffen. Träumereien . 1 Ueber ben Gmpfang, ben bie 

„fötein SSriibertein Cta," erflärte bie Sleine. Sleinen bei meiner stellt) fänbeu, hatte id) nid)t 
„Gilt, Dta, tomm, bie Tutfrfje watet." bie gcringfte Sorge; in Sctveff meiner eigenen 

Äur wer unerwartet mit 3 m>üingen befchenft iperfon aber plagten mich einige 3 weifel, benn 
Worben ift, faitn ein wenig narf)fiihlen, wie bie Aja-©efehidite, fo alt fie aurf) war, fpufte 
mir’S in biefem Augenblirfe 31 t fötuthe war. immer noch ein wenig im Sopfe. SBäre Aellp 
A 6 er waS tonnt’ ich anbreS thun, als bie ©abe an meiner Stelle gemefen, fo hätte fie gerabe fo 
annehmen? gebonbelt wie ifß) baS wagt’ ich ficher! unb ich 

®aS SBort „Tutfche" berührte wie ein 3 auber= hätte mit ihr gehabert über ihre unbefounene 
wort baS Ohr beS Sleinen. Sobalb er’S ber» ©efühligfeit. Ü3 ift fo was gnn 3 andres, felbft 
nahm, ftrerfte er mir feine Aermchen entgegen eine Siebesthat 3 U boflbringen, ober nur bie 


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ßprifHtintidjen. 


13 


llnarmef)mlid)fcitett gu übernehmen, bie aus freilich feinen 3)anf babon fyahm,“ fachte Stellt) 
einet Don Slnbereit botlbracpten für uns ent» berftimmt, iitbem fie mit garter Sorgfalt Siofa 
fpringetu aus ihren bielfad)en Umhüüungen loäfcEjälte. 

OaS Stuben mäbd)en toar ftnmm bor Gr» „SJtid) ärgern bie Glenben, bie ihre Kinber allein 
ftnunen, als fie ihren fjerrn mit fo unerroar» unb unbefcpü&t in ber #äuiertoüfte bon Sonbon 
teten ©äfteit in’S i>auS treten feil). laffeit." 

,,'öift bu’S, ©eorg?" rief bie fröhliche Stimme Sßaren bie Kinber ichon in ihren felgen unb 
meiner Stellt) bie ireppe herab. Wüntelcpen lieblich fiemefeu, fo waren fie» noch 

„3<h weiß felbft nicht, mein £>erg," antmortete ungleich mehr in ihren Unterfleibern. Stofa 
ich, benn ich tuar mirtlich gmeitclpaft geworben, fletterte behenbe auf ben Stuhl, ber für fie am 
wer ich eigentlich fei > „lomm lieber herunter Sheetifch ftanb, boch itidht beuor fie baS plant» 
unb fiep felbft." pere Sküberlein, bas fie fichtbar noch als ihren 

„Ibu lieber, alter Schelm! Sticht Wal)r, um Pflegling betrachtete, an feinen '4Map gefeßt 
ba» Gpriftgefchenl gu bewunbern, bon bem bu hatte. Schnitt meine fjrau ihr ein fetüddjen 
mir gefeprieben haft ?" Kuchen ab, fo fchob fie eS ihrem Cta hi« unb 

„Stein," fagte ich, „baS ift berloren gegangen" brach e§ ihm in tleine Söröcflein, wie man bie 
(ich hatte bie Schachtel gang bergeffen), „ober ich Näglein gu füttern pflegt. Unb währenb fie fo 
bring’ bir grnei anbere bafiir." für feine leiblichen ©ebiirfniffe forgte, mar fie 

„Ou lieber, guter, föftlicper Wann. nicht tninber gefchäftig für feine Grgiehung. 

Slber, meiner ireu! maS für Kinber haft bu „Sie fagt Cta, wenn man ihm Suchet! 
benn ba ?" bibt ?" fragte fie. 

„©ibbittS." Gr ftarrte fie in ftummem Grftaunen an. 

£ieie Antwort genügte, benn fepon hatten Sah fie benn nicht, baß er ah unb neben biefer 
Cia unb Cta ihre großen Singen aufgefd)lagen Sefdjüftigung (eines anbern ©ebaitlenS fähig 
unb Durch baS unerwartete freuet ihrer Satte» mar ? Cfa aber ließ fieh baburep nicht irre 
rien jeben SBiberftanb gebrochen. Sermunbert machen. 

fchaute Stellt) Dom Ginen gum Slnbern, als Cta, „SBie fagt Cta, Wenn eh but ift unb man 
naepbem er feiiterfeits fie priifenb gemeffen, an» ihm Suchen bibt?" fragte fie mieber. 
hub: „SJtam, Want." „Sto me()." 

„Gr hält mich wahrhaftig für feine Wutter!" Weine grau lachte hell auf. „Köftlid)!" rief 
rief Stellt), ipn Doll greube auf bie Sinne nep» fie; „baS ift einmal bie nteufdjliche Statur, wie 
menb. „Unb bift bu feine Schwefter, mein fie leibt unb lebt, „noch mehr" gu fagen, ftatt 
£er,gd)en?" „banfe." 

„Sa. Sd) unb Cta finb Sßefta unb SBuba," $a, lein 3meifel, Cta war ein deines Fracht» 
fagte Stofa. ejentplar beS ungefchminfteften GgoiSmuS, Weil)» 

„Slber wo in aller SBelt ftnb ihre Gltern ? reitb baS gerabe ©egentpeil baoöit — bie doü» 
SBo haft bu fie benn gefunben unb warum fie enbetfte Selbftlofigleit, fiep in feinem Schwefter» 
hergebracht?" lein perfonificirte. 2öie eine Stacptigall einen 

„Äie famen auf ber Station an unb würben (leinen 3“un!önig unter ihren klügeln pegt 
nidpt abgepolt, unb ba im SBartfaal leine Gin» unb pflegt, fo nahm Stofa fiep ih«3 tßriiberleinS 
rieptung gum Schlafen mar unb eS ber SBeip» an. Unb baS 3ctunföniglein berftanb ihre lie» 
nadjtSabenb ift, wo man ber Kinblein befonberS benbe Eingebung. Gs mies meine ffrau, bie 
gebenfen foll —" ipm bom Stuhl perabpelfen woüte, mit einer 

„Männchen," unterbrach mich meine 5rau, bornehm befpotifdjen Wiene ab, bie gu fagen 
„bring fo fchnell bu lannft Kuchen unb 2pee, fdjiett: bein Slnerbieten ift ohne 3 ro eifel gut 
unb füg Glifabetp, ,baS ©aftgimmer perguriepten. gemeint, aber biefe Gpre gebührt einer Slnbern, 
Slm beiten fdjläft fie aud) bei beit Kleinen; fie ber ich gern fjreube mache, wenn mir nicht 
finb gu jung, um allein gu fein; es wirb ja boch gerabe etwas in ben SBeg lommt, worüber ich » 
nur für eine Stacht fein." bergeffe. So nahmen ihn alfo nach feiner 

,,©en>iB»" faßte idb (temg erlei^tert. „©ibbinS Wäplgeit Stofa’S auSgebreitete Slrme auf, in 
wirb fieijer morgen früh leine Grfcpeinung ma= benen er alsbalb in fügen Schlummer faul, 
epen, wie bamalS 3[oneS." Weine grau trug ihn felbft in’S 33ett, währenb 

3ch wollte bamit nur mein Sßertrauen aus» Glifabetp bie fcplaftrunlene Stofa auf bie Slrme 
fpreepen, baj? bie Kinber abgepolt würben, was napm, beren golbenes £>aar in langen Soden 
mir im Stiihn gar leine fo auSgemacpte Sacpe berabmallte. Ob wopl ber Kiinftler, welcher 
mar- mit ber Grmäpnung beS bengalifcpen yalobs Seiter malte, auf feiner eignen kreppe 
Ws hotte xä) es aber fehlest getroffen. ein foIcpeS Gitgelsbilbcpen fap, baS ipm als 

° 2Ba3 wir auch tpun mögen, werben Wir Wobell biente ? 


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(ßjriftkinbdjrtu 



II. 

iS meine fjrau 
aii3bemSd)(üf= 
31 mm er ber 
,ft leinen herab* 
fam, rooltte i<ß 
if)r f)aart(ein 
alle« erjagen, 
rj , toaS ich auf bem 
: % Bahnhöfe er* 
&%v. lebt; 311 meinem 
J )) ©rftaüneii aber 
hörte fie mich 
feßr gteicßgiltig an, 3Ö r 3n* 
ierejje mürbe ei ft reibt rege, als 
ich bie ^Jtöcilid^teit ermähnte, ber 
morgenbe 3ag tonnte am ©tibe 
bingeben, ohne baß ©ibbinS ficf) 
um bie ft'inber ntetbe. 

,,©ie, ©eorg!" rief fie ba, 
„bältft bit’3 roirflicß fiir bcnt* 
bar, baß bicfer 9Neufch feine 
ftiaber in bem ©rab bemach* 
laffigen tonnte? ©enn er tnor* 
aen nicht tommt, feße ich feinen 
©runb ein, rnarum er über* 
ßaupt noch tommen foüte." 

„ 2 Iuch barauf intiffen mir gefaßt fein. 3 « 
biefem fffatt behalten mir fie, bente ich, über 
©eißnachten. ©3 märe boch gegen mein ©e* 
fühl, fie am ©ßriftfeft in’3 2lrbeit3bau3 311 
fcßicfen." 

„3n’3 21rbeit3hau3 ? 333er fpricßt bom 2tr= 
beitSßauS ?" fuhr mich mein 333eibd^en an, mie 
fie’3 noch nie getßan. 

„ 3 <h moflte bamit nur fagen, baff mir nicht 
gefeßlicß berpflicßtet finb, anbrer Seute ftinber 
ju ernähren, unb baß mir im fcßlimmften fjaü 
bie jmei ftleiuen (öS roerben tonnen." 

„2o3 roerben ?" roieberholte 9Mp mit fchnei* 
benber Schürfe. „B3er mit! fie Io3 roerben? 
©enn fich ein junge3 ftäßcßen in unfer £au3 
berirrt, fo behalten roir’3, meil man fagt, es 
bringe einen Segen mit, unb finb fotcfje ©iigelS* 
finber nicht an fich fcßon ein Segen? 0 ©eorg!" 
fuhr fie in roeichem $one fort,. „ich meiß ja, 
baß bu’3 nicht böfe mit bcn ftleiuen meinft, 
fonft hätteft bu fie gar nicht mitgebroeßt; aber 
menn bu fie gefeßen hätteft, mie ich fit gerabe 
jeßt fah, fönnteft bu fein hartes ©ort über fie 
fagen. 21(3 ©lifabetß unb ich Ostar am ftamin 
auSgetleibet hotten unb er in feinem £>embd)en 
baftanb unb mir ihn in’3 Bett legen rooüten, 
fagte et: „©0 ift 0 fa?" 3 m 9tu mar fie an 
feiner Seite unb fchlong ißte 2term<hen um fei. 


nen £>als. „Bete!" fagte er jeßt. 3<h meinte, 
er motte fich nur bon ihr in’3 Bett hctftn taffen 
unb jcßämte mich flonj, baß gute ©ebanfeit mir 
fo biel ferner tagen al3 ihm, — mie bie Beiben 
nun mit einaitber niebertnieten unb beteten. 
9tofo fagte ba3 Baterunfer taut her mit ein 
paar fo rounberlich berftümmelten ©orten, aber 
boch mar’3 riihrenber, a(3 idj’S je bon ber ftanjel 
herab hörte, unb Cstar fpracß’S ihr nach- 9Jtir 
mar, als müßten bie ©ngel im Fimmel ihren 
©efang unterbrechen, um ihnen jujuhören. 
®ann tiißten fie einonber — e3 mar mehr als 
eine ^ßrebigt, baS 311 feßen — legten fich neben 
einanber in’3 Bett unb fcßliefen 2trm in 2trm 
ein." 

„ 2 tber, fttettp, an alt bem ift boch nichts 3 um 
©einen. ©3 bemeift nur, baß fie guter 3 ogen 
finb." 

„ 2 tber fie haben feine Bfutter!" fchtuch 3 te 
mein ©ei beben. „®enfe bir folcße ©efcßöpfcben 
ohne ©utter, unb mit einem Bater mie biefer 
©ig — ©ig — ©ibbinS!" 

„3<h roeiß nicht, 3;heuerfte, ob biefer ©ibbinS 
ihr Bater ift, unb mie roeißt bu, baß fie feine 
Bfutter haben ?" 

„©eil fie nicht für fie gebetet haben, ©einft 
bu, baS hätten fie berfäumt, menn fie eine 
hätten? „$ott fegne uns beibe unb mache uns 
but," mar 2ttteS, maS fie außer bem Baterunfer 
fagten." 

„ltnb baS mar auch gan 3 genug," fagte ich- 

„ 3 a rooßt genug," ermiberte mein ©eibchen, 
„ba @r fie fo gut gemacht hat mie ©otb." 

Unroiüfürtich brachte mich baS 2üort ,,©olb" 
auf bie (Realitäten beS SebenS 3 urücf. ,,©lücf= 
tichermeife," fagte ich, „haben mir ©elb genug, 
biefe ftteinen 311 ernähren, menn fie roirttich bon 
ben 3 hrigen bertaffen fein foflten." 

„ 0 a 3 U ift roenig Hoffnung," fagte mein ©eib 
fdjmerslid), als ob bie 2lu§feßung bon ftinbern 
etroaS 311 Schönes märe, um baran 3 U glauben, 
„©eroiß tommt ©ibbinS morgen gerabe fo ßer 3 * 
(öS, mie einft 3oneS, um fein ©igentbum gleich 
einem Stiicf ©epäcf in ©mpfang 311 nehmen. 
SEhut er’S nicht, fo miiffen mir bie Sache betannt 
madjen. 3 ubem haben fie ja ihren ftoffer bei 
fich. ftommt ©ibbinS nicht halb, fo müffen mir 
beit aufmachen, unb barin finbeit mir gemiß 
etmaS über ihre fterfunft, maS eS uns 3 m 
Bfticht macht, fie ihren 2 (nget)örigen 3 urü<f 3 u* 
geben. 2(cf), ©eorg, baS wirb mir furchtbar 
fcßroer roerben." 

3 eßt erft merfte ich, baß meine finbertofe 
9fetlh in ber Stifte an einer berseßrenben Seßn= 
fucht nach fol<h 3 _arten ©efen gelitten hatte, mit 
benen bie Siebe jebeS echten ©eibeS fich fo ber* 
fließt, baß Beibe gteicßfom nur eines finb. 

„Btein fiißeS Öer 3 ," fagte icß fanft, „menn 
©ott uns bie ©abe bon ftinbern oerfagte, hat 


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Äljriftkinbdjfn. 


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6r uns bafür mit fReichtbum gefegnet, unb leiden. Xiefe ffinber muchfen mir fo fdjnell 
wenn Xu gern ein ffinbnnnetjmen möcbteft..." i aus £erg, bafe ich bie fRotbwenbigfeit füllte, 
„Win." unterbrach fie mich fchlucbgenb; I ihren 'Angehörigen gegenüber, wenn fie noch 
„barmtet) bedangt mich* nicht. 'Aber in biefem folcbe butten, meine Scfeulbigtcit gu thun, fo 
fyaü iftS, als ob Sott felbft uns biefe ff leinen laiuie icb noch ben moralifcben '.Ui litt) bagit fiit)lte. 
jugefchidt batte, unb bagu noch am SöeibnacfetS« Xer ^nfpeftor fdjüttette benffopt unb hielt bas 
Sbenb, unb ber kleine bat mich Slam’ geheifeen ©äuge für eine Sift, bie ffinber los gu werben, 
unb feine Sermehen um mich flefd^tunflen, als ! „©lauben »Sie baS wirtlicb, £>err $nfpef» 
ob id) wirtlicb feine Stutter wiire, unb er bot, tor V fragte icb. 

feine rechte nie gefaitnt." ! „Wir i|ts gientlicb gewiß, bafe fie an Alpten 

Xie Ginrichtung, bafe bie s ^3oft am Gferiftfeft werben bäumen bleiben, bis Sie’S an ber 3 e *t 
geichloßen ift, butte bieSmal meine Ijerglichfte finben, fie ins Arbeitshaus ju febiden." 

3uftiminung; fo tonnte alfo an biefem Xage . fyaft war’ ict) ohne meine Schachtel fortge» 

roeuigftenS fein ®rief uns unfre fleiiten ©äfte | flanken, bie woblbebalten angetommen war, 
abDerlangen. Sei jebem 3 l, tl on ber ©lode mich aber nicht halb fo febr intereffirte wie bie 

aber wollte meiner 3rrau baS £> f rg entfiufen aus 3?rage, ob eS wirtlich möglich wäre, bafe wir im 

furcht, eS tonnte ein Sote oon ©ibbinS fein. Sefipe nnfrer unoerhofften Schüße blieben ? 
Weht ohne SJiberfpruch oerfafete ich um aitbern Sßar’s bielleicht möglich, biefem ©ibbinS bie 
Worten eine Annonce in bie XiineS ba& gtoei ff leinen abgutaufen, ober gab’S in Gnglanb ein 
ffinber 'KämenS SRofct unb Dsfar in meinem ©efeß gegen ff inberhanbel ? 

£aufe 'Aufnahme gefunben buben, bis fie bon fRellp nahm mein tleineS Ghriftgefchent giem* 
ihren 'Angehörigen abgeljolt werben. fRe(It) lid) tübl in Gmpfang. „Xaufenb Xant, £'ieb= 
meinte, baß i<h meine 'älbreffe auf bem Sabnbof fter," faßte fie, „aber was weifet Xu bon ®ib= 
aelaifen habe, fei gang genügenb, bortbin bube binS ?" 

©ibbinS fid) um bie ff leinen gu wenben; burch 9hm fuebte ich fie mit allen ©riinben, bie ich 
einen weiteren Schritt fein ©emiffen gu meden mir felbft fd)on bergeblich oorgefagt hatte, oon 
unb uns felbft bielleicht um ben unS bon ©ott , ber Unwabrfcheinli^teit gu iibergeugen, bafe 
bejtimmten Seßen gu brinßen, fei unnötljige 1 unfre tbörichten SBünfche in Grfüllung gehen 
©rofemutt). 2öur auf biefem 'fJunft ihre Wo= I tonnten. 

rat etwas lar, fo geißte fie ben ff inbern gegen» | Sie aber wanbte fid) ruhig an ben auf ihrem 
über ficb beffo eifriger. Sie liefe bei unterer Sd)oofe fpielenben Cta felbft. „Warn, Warn 
Nachbarin um einige SonntagSfpielfachen bit= wirb ihren Cta nie mehr bergeben; fag’ nie, 
ten, roaS bie Ueberfenbung einer Arche gu golge mein ^ergeben." Gr fefelug bie ernfleii Augen 
hatte, unb beftanb barauf, fRofa mit in bie \ auf unb gab mit ber SBiirbe eines ©eriebtsbofs» 
ffirdhe gu nehmen. I ^räfibenten fein Urtheil gegen jebe berartige 

9tur ungern willigte biefe ein, ihr ©rüber» Xrennung, inbem er granitälifch wieberholte: 
lein gu oerlajfen, baS entfliehen gu flein war, ,,9? i e." 3 111 felben Augenblicf legte fRofa ihr 
um auch mitgenommen gu werben. Sieber wäre Häubchen in bie meinen unb faßte: „3cf) aud) 
fie felbft bei ihm gu £>aufe geblieben; baS ©er» ba bleiben." 

fprechen, eine Orgel gu hören, überwanb aber Söäre ©ibbinS gerabe jefet mit einer täte* 
rnblic^ i^rcStrupet. 3 l| m erftenmal mar gum gorifchen gorberung bereingetreten, ich mrife 
Staunen ber ©emeinbe unfer ffircheitftnbl burch nicht, was ich mit ihm angefangen hätte, 
iie iJtnwefenheit eines ffinbeS belebt. Xafe I „Vlber, hefte stellt)," feufgte ich, «mir haben 

manthrS 9tuge fich auf fRofa richtete, wie fie fo ja ben ffoffer ber ffinber." 
ihr fpdnbchen in ben meinen bafafe, tbut ber j ,3h wollte, er märe mit fammt ber £>au= 
Serebfamfeit unfreS SfurrerS leinen Gintrag, | benfhuchtel berloren gegangen," entgegnete fie 
Senn feines oon all ben gemalten Gngelgefich» | bitter. 

fern in ber ffirdfe fah halb fo fjimmtifch aus i „Xa wir ihn aber einmal haben," faßte ich, 
roie baS iffte. Soll Segierbefah unb horchte fie „müffen Wir ihn öffnen, um gu fehen, wem 
lautlos ber Srebigt unb bem ©efang. Ginmal unfre Meinen ©äfte gehören. Xarum tbun 
nur, als unfer Xoftor aus feinem bohon ffir» mir’S lieber gleich." 
dimRuht geholt würbe, unterbrach fie ihr So mürbe alfo am 9lbenb beS GljriftfefteS, 
Bhmeigen burch bie ©orte: „Sieb, fieb! ba I als bie ff inber wieber wie Gngelein neben ein» 
jjt f j n jffann ausgebrochen," waS meinen Grnft | anber fhliefen, ber ffoffer ins 3immer gebracht. 
6iS in feine ©runbfeften erfchätterte. j ffur Ceffttung beffelben beburfte es feines 

ÄachmittaflS ging ich unter bem Sorwanb, • Schlüffels. jfitternb ging meine fffrau ans 
mich nach meiner Schachtel gu erfunbigen, auf SluSpaden. 3itterrib nahm fie eine Schichte 
ben Sahnhof ; in ©ahrheit aber wollte ich er» ber aufs Sünftlichfte gufammengeleaten ftleib» 
fahren oh GfihhinS etwas bon fich hatte hören djen nach ber anbern heraus. XaS Sinnengeug 


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16 


(![|)riftliinbd)rn. 


war nur mit ben Saufnamen ütofa unb Csfar 
gegeicbnet; itirtjenbs bie Spur eineä f5ami(ien= 
Namens. '-Beim Elnblict eingelner Südjlein, 
brauf ber Name mit #aar geftidt war, faßte 
Selig gebantenooll: „damals atfo hatten fie eine 
Wutter." 

„Sie fcheint gcftorben )u fein, unb eS war 
eine anbrefjanb, welche ben Soffer fo forgfältig 
padte," fuhr id) fort. „Sonberbar ift» aber 
bo<b, baß wir fein eingigeS Srauerfleibcben 
finben." 

„$ie Srau, bie ficf) ber Sinber guleßt an= 
nahm, fc^cint arm gemefcn gu fein," fugte Nellg. 
„Sieb! fieb!" fdjrie fie jc^t ptoßlicb auf, inbem 
fie bie leßte Schichte berauSnaljm. 9luf bem 
5ßoben beS Soffer» war ein großes weiße» 5}to= 
pier befeftißt, um baS eine ungeübte £>ano einen 
fcfjroargen 'Jtanb gu malen v>crfnd)t batte; in ber 
Witte beffelben ftanben in ebenfo ungeübter 
^janbfebrift bie Sßorte: „Erbarmet ©iidj ber 
Wuttcrlofen." 

„©ottlob! fo geboren fie uns," fpracb Nelltj 
tief bewegt. „'-Bermutijlid) bat ein treues 
’Jlienftmäbchen, baS unfähig war, bie Heitren 
SÖoifen felbft gu oerforgen, fie im Vertrauen, 
baß ©ott fie eine £>eimatb finben laffe, in bie 
weite 2Mt hinauSgefdjidt." 

3fcb bemerfte b»er, baß bie Sinber oft bon 
einer 3)obo rebeten, bon ber fie augenfchcinlidje 
Siebe genoffen unb nur ©uteS gelernt batten. 
Söer aber bie $obo war, tonnten wir nidjt ber= 
auSbringen, außer baß uns flar würbe, baß fie 
nicht gu ber auSgeftorbenen IBögelgattung biefeS 
Namens gehörte. 

„33ergiß aber nicht, meine Siebe,“ entgegnete 
ich, baß in ben SÖorten: „©rbarmet ©u<h ber 
Wutterlofen,“ bie Einbeulung liegt, baß bie 
armen Steinen noch fdbümmer baran finb, als 
bater» unb muttertofe EBaifen, baß fie oermutb= 
lieb «inen Nabenbater hoben, ber fie berlaffen 
bat unb fie einft gnrüdforbern fönntc. EBillft 
2)u audj auf biefe ©efabr bin fie annebmen ?" 

„3a, ich »iß/' entgegnete fie feft. „3ch be= 
traute fie als eine ©otteSgabe unb glaube, baß 
wir fie behalten bürfen.“ 


f age unb Stochen oerftrichen unb 
Niemanb melbete fich um bie 
Sinber, fo baß auch idj anfing, 
fie mehr unb als unfer ©igen» 
tbum gu betrachten. ®a ich fein 
©efchäft mehr habe unb nie Sinber hatte, gab 
ich mich mehr mit ihnen ab, als ©rmadjfene ge» 
möfjnlicb thun; ich glaube aber nicht, baß ich 
fie berwöhnte, obgleich bie Seute mirS nach» 
fagten. 3dj meine eher, ich fei oon ben lieben 


Sleinen bermöljnt worben. 2)er Räuber ber 
Siliput=28elt, bie fie oor mir entfalteten, berlor 
nidjt» baburdj, baß ich hinter bie Gouliffen fab. 
E3ei gwei Snaben ober gwei Wäbdjen wäre baS 
[ oieüeicbt aitbers; unter biefen Stoibeu aber gabs 
! nie Streit ober ©iferfuebt, weil Nofa jebem 
EBunfdje ihres EiruberS nicht bloS nach, fonbern 
wo möglich gubortam. iJaS ©ine nur betrübte 
fie, wenn fie gu feinem eigenen Eieften ihm etwa» 
abfdjlagcn mußte, was gumeilen borfam, weil 
all feine ©ebauten fich bi» jeßt noch um» ©ffen 
brebteu. ©in Heiner Sönig bon ©otteS ©na* 
ben, nahm er jebe Ticnftlciftung bulbreidj an 
unb beljerrfdjte uns alle mit bein Scepter ber 
Siebe, ©r war wirtlich ein ungemein liebe» 
bolle» unb gutgelauntes Sinb. EitoS baS leß» 
tere betrifft, fo meinten freilich einige unferer 
Sreunbe, eS fei teidjt, in rofiger Stimmung gu 
bleiben, wenn eS einem nie gegen ben Sinn gehe; 
meine $rau aber lächelte über folcbe Ekrbädj» 
tigungen. 

Csfar war nidjt in gemöbnlidjee Steife eigen» 
finnig, eS lag etwas ans ©etiiale StreifenbeS 
in feiner Elrt. $aS trat einmal recht beutlich 
gu Sage, als er bei feinem Elbettbgebet bem 
Sdjmefterlein burchauS nicht nacbfpredjcn wollte: 
„®ein EBille gefdjelje," fonbern ihr guflüfterte: 
„Wein SB i Ile gefchebe, nic^t ber Seine. 
Sicsmal ifts an Ota." ©S brauchte NofaS 
gange Etorebfamfeit unb Rheologie, um ihm be» 
greiflich gu machen, baß eS fid) h' fr um feine 
ElbmedjSlung unb ©leicbberechtigung hanble. 
EBie oiele gehn Wal ältere Seute als er haben 
aber biefelben Etogriffe, wenn fie auch nicht naio 
genug finb, fie in SBorte gu faffen! 

Nofa tarnen feine fo bermegenen ©ebanfen. 
Nie hat eS wohl ein bemüttjigereS, felbftlofereS 
SGßefen gegeben als fie; fo feljr fie jebeS Unrecht 
empfanb, baS Einbern wiberfuhr, fanb fie e§ 
gang natürlich, Wenn ihre eignen SBiinfcfje burdj» 
freugt würben. EllS NeligionS» unb Sitten» 
lefjrerin ftanb fie eingig ba, minber ftarf mar 
fie in richtiger EluSfpracije unb Saßbilbung, bo= 
her fjunberterlei brollige SBenbtingen in ihrem 
unb OsfarS ©eplauber. ©inmal würbe bas 
fjauS getüncht unb wir hatten biel gu wanbern; 
ba fragte mich Nofa: EBo gehen benn bie Seute 
im Fimmel bi«/ toenn man ben weißt! ©in 
anbermal wurmte ihr, baß ich &errn 3one§ 
einen ©fei genannt hatte; gang unfdjulbig fragte 
fie midj: wie tonn er benn ein Sljier fein, IfJapn, 
wenn er ein Wenfdj ift ? 

©ine ber rübrenbften Scenen, bie wir gufam» 
men hatten, warS, als ©lifabetb, bie für bie 
Sinber gu forgen pflegte, unfer |>auS berließ, 
um fich ja berfjeirathen. Um bie Sleinen ju 
fdjonen, hatten mir ihr berboten, 91bfdbieb gu 
nehmen, unb ihre Nachfolgerin fchon bor ihrem 
Sehen gut Eingewöhnung inS^jauS genommen. 


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ttljrißhinbdjm. 


17 


111 nun aber eines ftlbenbs ©liiabeth nicht wie 3a, wir waren inberüljat mehr als belohnt 
p»f)nlidj tarn, Ostar ins Seit gu legen, inib bafür, bafj wir unS ber £eimatblofen angc» 
Mi neue'Stäbchen ihr v ilmt übernehmen wollte, nommen. 

1 Stäubte et iidafo entfhieben gegen bie Oietifte ©tma brei 3aljre, nacf)bem fie ihren ©ingug 
tw iremben §rau, baß man enblich mich $u bei unS gehalten, fing OSfar an gu träufeln. 
Ctilfe rief. 3<h traf ben Keinen Wann in (Sott weiß, bafj mit nidgts berfäumten, was mir 
Häntelcben unb ^)ütd»en, reifefertig gu einer für feine ©efunbljeit tbun tonnten, aber es 
na<httichen SBanberung. ©S mar nun gerabe würbe nicht beffer. ©ehr gegen feinen Willen 
rin Jfabr, baß id£ bie ßiubcr gefunben, unb behielten wir ihn ben Winter über qatig gu 
gerabe fot$eS «chneegeftöber wie bamdS. £)aufe. ©emöbnlih ftanb er ba ben halben Sag 
4kpa," fagte er, „ich «Ulfs meine Sift) fuchen. am fjenfter unb fab ben fallenben ©hneeflccfen 
®ujj ich rechts ober UntS gehen, wenn ich jum gu. ©inmal tarnen Saglöhner unter bem gen» 
(taufe h'nauStomme ?" Wan beute fich ben fter borbei, bie riefen : „Wir finb gang ’naus» 
flcinen '-Burfchen im winterlichen Sonbon bei gefroren." (Ser SBoben gu hart gum Arbeiten). 
Stacht unb Siebei nach feiner greunbiit herum» Cstar warf ihnen etwas Wiime gu unb fagte: 
inenb, oon ber er teinen anbern Steinten muhte ,,©S muh hoch noch ärger fein, mauSgefroren gu 
als fiifpl Ser Jammer meiner f?rau mar faft fein, als eingefroren wie ich." ®ann fuhr er 
fo groß wie ber feine. 9tofa§ UcberrebungS» fort: „2lber Warna, Wie tonnen beim bie Wän» 
fünft, unterftüfct oon Orangen unb feigen, ge» ner mein ©rab graben. Wenn ber S3oben fo 
lang eS enblich, CStar gu befchmichtigen, unb hart ift ?" 

als nah einer 2Bod;e ©lifabetb ihren erften 93e= ©S War ein ©hwertftreih für meine ff rau., 
fuch mähte, tonnte fie eS faum üerfhmergen, ©ie gog ihn ans £>erg, als Wollte fie ihn mit 
tote fhnell ihr Pflegling fih getröftet hatte: ©ewalt fefthalten. 3fm gleihen Slugenblicf 
,3h wag alle Seute, unb alle Seute magen öffnete fih leife bie Shüre unb 9tofa fcf»lüpfte 
1 mih." ftiH hinaus. Sh ging ihr nah, unb fanb fie 

i Unb in ber Sfjat, e§ tonnte ihn fttiemanb in ihrem ©hlafgtmmer fhfuhgenb, als wollte 
J fehen, ohne ihn gu lieben; fogar feine gebier ihr Keines ^ergeben brehen. 3Bof)I war bie 

[ nahmen fih fo reigenb auS. Wan fdjärfte ihm gurht, Ostar gu berlieren, feit Wochen fhon 
immer ein, gegen Oamen artig gu fein, unb er uns «Illen bann unb Wann burh bie ©eele ge» 
^horchte, obgleich eS ihn fehr fauer anfam; gogen; fegt aber hatte fie eine beftimmte, nicht 
nur feinem hinaebenben ©hwefterlein gegen» mehr gu bannenbe ©eftalt gewonnen, 
über moüte eS oft nicht glücfen. ®a hatten fie Oer grüljling tarn unb Ostar weilte noh 
einmal ihre Stleiber öertaufht. SRofa trat m immer unter unS. Gr burfte fogar nod) im 
einen fhühternen, aber wunberlieblihen $na= offenen Wagen auSfahren, aber er muffte ljin= 
ben, Ostar in ein fheltnifheSWäbhenoermnn» ein» unb herausgehoben werben — eine mit je» 

! beit, inS 3>wmer. ®eibe ftürgten auf ben tan» bem Stag leichter Werbenbe Saft. 9tie hab’ ih 
gen Spiegel gu, um fich barin gu bemunbern; ben Wat in fold)er Slütbenpradjt aefehert, wie 
Cstar aber fhob 9tofa bei ©eite mit ben 2Bor= bamalS, unb fo oft er wieberfeljrt, benf ih noh 
ten: „Sitte, Siebe, bie Oamen guerft." . ©r heute beS GntgücfenS, mit bem Cstar fih feiner 
mochte bamalS fünf Sabre alt fein unb hatte freute, ©inmal münfdjte er noh auf einer 
oft tounberbare ©infälle für ein $inb feines blumenbebectten Wiefe gu fpielen, an ber mir 
SiierS ; fRofa mar niht fo begabt, aber bon öorbeifuhren. UllS mir ihn an feine ©hmähf 
anoergleiblich innigem unb tiefem ©emüth. mahnten, fagte et: ,,©S ift auh gut, fonft hält’ 
Wan ’tönnte wohl fagen, ihr ganges SGBefen fei ih bie Sliimlein gertreten fönnen." 
mir Siebe gemefen. 3a, bon ihm tonnte man in Wahrheit fa= 

3h war beiben niht nur Sßater, fonbern gen, er tljat feinem WücKein etwas gu Seibe. 
auch Setjrer. 9ln mih wanbten fie fih mit Uns aber hat er an jenem gleichen 9lbenb noh 
allen ihren fragen. Unb bafj id&S nur geftelje, einen Warf unb Sein burhbringenben ©tieg 
1 Csfar mußte mih mit feiner finbifhen Wijj» oerfegt, inbem er am ©bielgeug borübergetragen 
begier manchmal orbentlih in bie ©nae gu trei» fagte: „3h glaube, ich werbe nie mehr bamit 
ben. 2:aS Gefühl, baß fie gonj auf mih an» fpielen." 

inoiefen feien, unb ihr guberfthtliheS Ser» Unb fo war§. 3w Saufe jener Wodje fdjieb 
trauen, bafj idjä aufs Sefte mit ihnen meine, er bon uns unb nahm feine SJtofa mit. ©S 
ma S f te fie meinem bergen noh hunbertmal mar niht gu erwarten, unb ih hatte nie er» 
iheurer. llnfer ganzes £>auS mar burh fie wartet, bafj fte, bie ja immer mehr bem Fimmel 
Bermanbelt worben; ein neues Sicht unb Seben als ber ©rbe angugeljören fhien, noh länger 
war mit ihnen einaegogen. $>a§ ©etrippel ihrer hienieben weilen werbe, nahbem fie ihre fMuf» 
irüßhen unb ihr fröhliches ©eplauber waren gäbe erfüllt, beS SrüberleinS ©hupengel gu 
iüler SGBohflaut nah langer, büfterer Stille, fein. 

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Per Husamnbftet. 


SEBir Ratten bie cian^e Ulncßt an OsfarS Sett 
gemalt, ©egen Worgen mar er ein wenig ein* 
gefcßlafen unb mir hatten uns gur Stube bege= 
ben, mäbrenb baS ftinbSmäbchen mit iRofa bei 
ißm blieb. Sei jeber Seroegung, jebem tie= 
feren Slthemjug, buffte Stofa öoii ihrem Sett= 
<ben ßfrab an feine Seite, So hotte fie eS 
feit Wonaten gehalten, unb baS ffinbSmäbchen 
lieg e§ gefihehen. Ob er oieüeicht noch einmal 
ihren Flamen gelispelt? mir mitten eS nicht. 
WorgenS aber fanben mir bie Seiben roie in 
füßem Schlummer 9lrm in 3lrm baliegenb. 
3h* Sater mar enblich gefommen, fie heimju» 
holen. 

So enbete bie lurje fRomange in -unfrem tin= 
berlofen Sehen, aber mir murren nicht, baß 
unfre ©hriftfinbchen, mie meine ffrau fie nannte, 
uns nur gefd^enft mürben, um fo halb mieber 
oon un§ genommen gu roerben. 2Bober fie fa= 
men, miffen mir heute fo roenig roie bamals, 
barüber aber, roohin fie gegangen, finb mir in 
feinem 3roeifel. Unb mir hoffen, bah fie unS 
nadjjiehen unb mir fie einmal mieber feben 
roerben. (3. Sl.) 


Per JUfPttfnnfterer. 


@5 roar in ber Witte beS fJtooember, ergäßlt 
ber betonte Saftor gfuncfe in Sremen, als ber 
erfte Schnee mit heftigem Sturm bie Suft 
burcßroirbelte; ba trat in mein 9lrbeitSgimmer 
ein etroa biergigjähriger Wann mit feinem 
groeijäljrigen Söchterlein auf bern 9lrm, beibe 
gang Oon Schnee bebecft. @S roar eine hohe 
aermanifcbe Sracßtgeftalt. ©troaS StolgeS, 
freies lag in bem f(honen ©eficht; fchöne, tiefe, 
blaue Slugen flauten barauS heroor, aber eS 
roar auch eine unenblidje 93ehmuth barüber 
auSgegoffen. 55er Wann roar aus WitteU 
Seutfcßlanb unb im Segriff, na* 9lmerifa auS= 
guroanbern. WS ich bas rofige ffinb auf meine 
arme nahm, ihm ettoaS fd&enfte unb einige 
3ärtli<hfeit erroieS, fagte ber Wonn mit bum= 
pfer Stimme: „3a — eS hot auch feine Wutter 
mehr." 5)aS „3>a" roar eine 3uftimmung gu 
meiner 3ärtlicbfeit unb foßte bezeugen, baß bie 
ff leine foldjer Siebe bebürftig fei. — Ser Wann 
roar alfo SBittroer. 3” ber langen 3 e <t ba 
fein Sßeib hinfiechte, roar er gurücfgefommen, 
roar „ben 3uben in bie £)änbe gefallen" unb 
hatte an fie fein ©ütlein oerloren. ©inen Sohn 
unb eine Tochter, oon breigehn unb groölf 3ah= 
ren, hotte er baheim bei Serroanbten guriicf= 
gelaffen, bie füllten erft confirmirt roerben. SaS 
befam ich ollmälig heraus, ©r felbft gog nun 
arm, einfam, traurig, mit feinem ffinblein in 
eine frembe, finftere Sßelt, oor ber ihn graufte. 
2Beldj ein Silb ooü Sraurigfeit! 


9lber roaS fuchte ber Wann hei mir ? 9tun, 
fein Softor hotte ihm meine 3lbreffe gegeben unb 
gefagt, roenn ihn hier am Slaße trgenb eine 
9loth befalle, fofle er fich an mich roenben. So 
tarn er beitn. Unb roaS roar benn feine 9toth ? 
3<h ba<hte, es roirb fich um ©elbunterftüßung 
hanbeln. SIber nein, feine 9toth roar, bah er 
teilte Sibel hotte, ©r hatte bie feinige ben 
ffinbern, bie baheim geblieben waren, gurüdf» 
gelaffen. „Cljne Sibel aber," fagte er, „fann 
unb will ich nicht auf’s Sßaffer unb in baS 
frembe Sanb; gern will ich fie befahlen." 3<h 
nahm bie hefte, bie ich hotte, unb bat ihn, fie 
als ©efdjenf gu nehmen, ©r banfte tief be= 
roegt. „So," fagte er, inbem er fie fogleicß mit 
bem ff inbe an feine Sruft preßte — „fo, nun 
taun ja noch 9llleS gut roerben." ©r fpradj fo, 
roie ©iner, ber borßer in ber Suft gefcßroebt 
unb nun feften Soben gefunben hot. Unb er 
hatte Stecht. SaS Sefte, roaS bie alte ^eimath 
bieten unb baS, roaS bie frembe gu einer neuen 
^einiüth machen taun, baS hielt er am ßergen. 
Slber halb legte er bie Sibel auf ben Sifch unb 
fagte in bittenbem Sone: „©ine Siebe erroeifen 
Sie mir Wohl noch? Suchen Sie mir bocß 
meinen ©onfirmationSfpruch. 3$ fann ihn 
auSroenbig, aber ich weiß nicht, roo er fleht, ©r 
heißt: „3efuS ©hriftuS, geftern unb heute, unb 
berfelbc in alle ©roigfeit!" 

Siachbem ich bie Stelle aufgefdjlagen, legte 
ber Wann feierlich feinen 3eigefinger barauf 
unb las langfam, Sßort für SBort betonenb: 
„3efuS — ©hriftuS — geftern — heute — in 
©roigfeit berfelbe." — „3a," fügte er ßingit, 
„man muh eS glauben unb ich Will eS glau= 
ben." — ©r ging mit Sibel unb ffinb, unb er 
ging mit einem anberen ©eficht. 

3«h aber blieb finnenb gurücf unb fanbte bem 
treuen beutfeßen Wanne mein ©ebet nach. C, 
bertßte ich, was wollte aus biefer SBelt boll 3am= 
mer boch roerben, roenn man ben herrn 6ßri= 
ftuS herauSnähmc ? SEBie Wollte man ba nod) 
Wuth finben, auch nur ein einiges betrübtes 
Wenfchenfinb gu tröften ? 91 ber freilich, tro|j= 
bem 3efu§, ber heilanb, leibhaftig auf ©rben 
erfchienen ift, troßbem auch bie 2ßelt burch il)n 
eine mächtige UBanblung erfahren hat, — bodE) 
bleibt beS inneren unb äußeren ßergeleibeS fo 
oiel, baß baS cßriftliche Seben nach wie oor ein 
•3uftanb beS fjarrenS unb SBartenS ift. 5)afe 
3efuS ©hriftuS heut« unb in alle ©roigfeit ber 
£>err ift, baS muß man glauben, roie ber 9lu§= 
roanberer fagt, unb felig, wer mit ihm in fjei= 
ligem Iroß hinjufügt: '„3ch will eS glauben!" 
Ser hot noch oiel herrliches oor fich. ®er Sau 
ift nahe oorhonben, ba ihm bie ftlugen iiber’= 
gehen roerben oor Sanfesthränen, wenn er nun 
feßauen barf, roaS 3«fuS fann unb wie 3efit§ 
liebt. (Sr. ffircßenblatt.) 


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PriJjnaditfn, 


19 



w (Tiuiuf, l)dle Sonne! 
(Prfdjfin’ uns jebes Soljr, 
Unö (Itfil)l in olle T)citcn 
lUit beinen ülfil)iinri)lslttrjfn 
Ucn Jriebrn luiinbnbnr. 




Wc?kttackt<?«> 


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20 


Berlin unb bie Somttagldjule 


Berlin und die Sonuta0fd)»le. 

Sou <L ffirijj iu Srrliu. 



lief) nad) Scrlin 
ftat bie überall 
Segenfpenben« 
be auf ihrem 
©roberungS« 
äuge burd) bie 
2B e 11 ihren 
2l'eg gefunben- 
Gs mar im 
3af)re 1862, 
als Schreiber 
biefeS in ber 
'Jläl)e SHann* 
heims ben un= 
erm üblichen 
Oolmetfcber u. 
©egleiter toon 
Or. SBoobruff, 
Srüdei« 
m a n it, über 


baS Sljema: „Oie ©ruppen=Sonntagfcbule," ju 
einer aus ©laubigen ber SanbeSfirdfe befielen» 
ben ©erfammlutig reben hörte. Oie ©inen 
lobten, bie 2lnbern fritifirten biefeS frembe ®e= 


WädjS, baS nun auf beutfeben ©oben bcrpflanjt 
merben follte. „Unb tpun Sie e§ nicht, fo feien 


Sie geroijj, b i e S e 11 e n merben bie Sonntag« 
faulen in Oeutfdjlanb einfüf)ren," biefe mutlji« 
gen ©Sorte Hingen beute noch roie eine ffriegS« 
erflärung in meinen Obren. Unter bem Segen 
bes $errn fafjte bie lieblidje ©flanje ©Surgel. 
Hm aHermeiften fanben bie ©emühungen be§ 
Or. SBoobruff ©ingang in ©erlin. Allein mar 
ber Hnfang, fegenSreicb ber Fortgang, herrlich 
ber ©rfolg. 14,000 Sonntagfc^üter befugen 
in ©erlin bie SonntaafCbulen. Unb bie Sta« 
tiftif meijl für gang OeutfChtanb circa 17,000 
2eljrer unb 150,000 Sonntagfd)üler auf. — 
©ine gange 3teif)e ©ruppen = SonntagfChulen 
mürben eingefiibrt, an manchen ©laßen nur, 
um ber SHetljobiften = Sonntagfcbule ben Hang 
abgulaufen unb aus Opposition. 216er gottlob, 
fie finb ba — größer unb einflußreicher, als bie« 


felben gemorben mären unter unferer Sohne, 
j ©in foldjer ©ifer ift gut, toenn eS gefdjiebt um 
beS ©uten millen. 2ln ber Spiße ber beutfeben 
SonntagfCljulmelt ftept in |>eibelberg ber 2lgent 
ber Sonntagfd)ul«Union, ©rödelmann, in 
©erlin ber cble unb madere © r o <b n o m. 3lls 
©eibenmiffionär hat er fid) burCß feine ©erüfj« 
rungen mit englifchen ©ijriften ein roeiteS £>erg 
unb einen meiten Sötid ermorben, unb als Had)= 
j folger beS feligeit ©oßiter bat berfelbe in Berlin 
1 bie redbte Stellung ju einem folcben Seruf. 

| Seine „Sonntagfcbule" fomie ber „Sonntag« 
fdjulfreunb" finb eine 3ierbe ber beutfeben 
Cbriftlidjen Literatur. 3» lehterem erfebeinen 
gebiegene ©rflärungen ber Seftionen, roelcbe 
einen ähnlichen, menn auch nicht benfelben raie 
ber „internationale ©lan", berfolgen. Omd) 
ift Or. ©rodjnom nicht allein in feiner Sreunb« 
febaft gur Sonntagfcbule. Oie beften gläubigen 
©rebiger ©erlinS finb bereit, gu irgenb melcbem 
Seft als 3tebner ju bienen, unb maS fie leiften, 
geht nach bem Hlotto: „Sür baS $inb mein 
SefteS." 

Oie Sonntagfcbule ift feine „Srage" mehr. 
Oie preufsifebe Kirdjenregierung hat baS ©fläng« 
lein geprüft unb gefunben, baß es mie bie ame« 
rifanifdhe ©otatoe fel)r gut auf beutfeben ©oben 
paßt, unb beren ©infüijrung unter perfönlieber 
Oheilnahme ber ©eiftlicben ben festeren febr 
roarm empfohlen. Oamit erfannte baS höbe 
Äirdjenregiment einen anbern fehr roiCbtigen 
„methobiftifeben“, mir mollen lieber fagen „ur= 
cbriftlicben" Saftor an, bie ©litmirfung 
ber 2 a i e n an ber 2lrbeit im 3teiChe ©otteS, 
unb eS ift nur eine Stimme, mie fegenSreicb 
biefe ©ilfe für foldfe, melcbe biefelbe leiften, fo= 
roie für folcbe, melden fie gu Ol)ei( mirb, ift. 

©raucht eine Stabt bie Sonntagfcbule, fo ifl 
es ©erlin. ©in roabreS £eibenttjum fommt 
aHmähliCb bafelbft auf. ©S ift fchlimm genuq, 
baß mohl gmei Orittel ber ßinber nicht mehr 
getauft merben, — noch fdjlimmer ift es, bafe 
biefelhen bie ©ibel in ber Schule faum bem 
Hamen nach fennen lernen, ©in HuSgug aus 
ber biblifdjen ©efdjidjte unb 2utber’S Äatecbis« 
muS mirb mohl in ben HlltagSfebulen gelehrt, 
aber oon 2ehrern, melChe, mie eS bie in Äarls= 
ruhe gehaltene 2ebreroerfammlung binreicbenb 
bemieS, felbft nicht mehr baran glauben. Oann 
fommt bie ©infegnuna, fo nennt man in ©erlin, 
maS anberroärts ©onfirmation beißt. Oiefelbe 
ift für bie fJinber bie ©inführung in bie ©Seit, 
für bie meiften ber 2luSgang aus ber $ird)e. 


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Berlin unb bie Sonntagfdjule. 


21 


benn feiten bürfte ein ©efdjäft gu finben fein, 
in meinem 'oonntag WorgenS bie „Sehrlinge" 
unb „fiehrmäbchen" nicht auf b’em Boften fein 
muffen. B)te Kaufleute betrauten bie Ginfeg* 
nung als eine ©efhäftSgelegenheit, unb jübifd^e 
fjänbler empfehlen GinfegnungSpüte unb Gin» 
ftflnungSangüge, benn bie flute alte 3e*t ba 
ouSbeS BaterS £>ochgeitSrocf ber GorifirmationS* 
rocf beS alteften Grben gefcpnitten warb, wenn 
et nicht einigermaßen flerabe fo paßte, fennt 
man in Berlin nicht mehr. Für ben Berliner 
Btebiger aber ift ber GinfegnungSunterriht ein 
ting, bem er, auch Wenn er eS ernftlih bamit 
nimmt, nicht bie rechte Ulufmerffamfeit bei fei* 
nen Dielen anberen UlmtSthätigfeiten Wibmen 
lann. Bier Unterricht bauert ein halbes 3«ht 
unb mehrere hunbert Kinber finb in Dielen Ba* 
rwhien beifammen. 2Bie fann er biefelben auch 
nur bem Flamen nach fennen! ©o fommt es, 
twß eS manche — ich fürchte Diele junge Seute 
flieht, benen man, wie ich e § fürglicp in meinem 
3ünglingSDerein that, ben Stömerbrief auf* 
fcplagen muß, weil fie benfelben unter ben Bro* 
pheten fucfjen. Ulber auch in fittlihcr Begebung 
ift eS n&tpig, baß burdj bie ©onntagfcpulen un* 
ter Knaben unb Wäbhen baS moraiifhe©efühl 
geweift werbe, benn in einer ©tabt, in welker 
14,000 junge Wäbdfjen unter fittenpoligeilicper 
Gontrole flehen unb mehr benn 40,000 für ber 
Unzucht in grober ober feiner Uöeife ergeben 
gehalten werben, muß bie Woral, wie eS benn 
auch ber Fall ift, feljr in Berruf gefommenjein; 
benn ein fittliher Sfiingling hat manchen ©polt 
auSgu fiepen, lebt er hoch nicht auf „ber #öfje 
ber wiffenfchaftlich gebilbeten 3 e <t". 3h möchte 
baher hinter „SSerlin unb bie ©onntag* 
f d> u l e" taufenb UtuSrufungSgeihen feßen, benn 
bas ift bie mihtigfte Forberung ber 3eit unb 
ebenfo brennenb wie bie „3ubenfrage", wenn 
auch nicht für bie 3uben Berlins, benn „SSerlin 
unb bie ©onntagfhule" ift für biefelben ein 
freffenbeS feiler im ©ebein. 

Berlins 4^000 3üben unb noh mehr 3uben* 
genojfen haben fürglicp etliche taufenb Frage* 
jeiherr hinter unfer Wotto gemäht, benn enbiih 
batte man eihen ©tein gefunben, ber unfer 
liebes Kinb treffen follte: „G i n ü e r fj u n g e r* 
tes ©onntagfcpulfinb!" UBenn bie neue 
SSelt fein folcheS finben fann, fo ift ber Berliner 
„Börfenfurier" in ber Stefibeng ber alten SBelt 
jeßt in ber Sage mit einer folhen Kuriofität gu 
Bienen. Sogar Dor bem ©erihtShof ift eS amt* 
lih unter SRing unb ©iegel erwiefen, baß auf 
einem Berliner Fnebpof ein D e r h u n g e r t e S 
Sonntagfchulfinb ruht. Unb wenn eS uiht halb 
in Gaftön’S Banoptifon jtim ©hrecfen aller 61» 
ktn aufgeftellt werben wirb, foll eS mich Wien* 
bem ©in ©onntagfhulfinb wirb tranf. Bie 
Lehrerin hefuht eä unb ergäplt ihm Dom C»m* 


mel, Don ben Gugeln, bon ber ©roßmutter bro* 
ben. BaS K inb wirb beffer, unb bie u n f e p 1* 
bare Berliner mebtjinifheüBiffen* 
f h a f t conftatirt burh einen Biener UleScuiapS, 
baß bie Krantpeit gehoben ift unb ba§ Kinb auf 
ber Befferung fei. 

9tun follte man boh benfen, baß ein flehen* 
jähriges Kinb, wenn eS Dom BpppuS genas, 
auch etwas gu effeu haben Will. Silber nein, eS 
wiberfteht allen Bitten ber Wutter, nimmt ab* 
folut feine Utahrung gu fi<h — bie Sßiffenfcpaft, 
Weihe in folhen Fäüen auh ütatp weiß, ift 
biefem „Fanatismus" gegenüber machtlos. BaS 
Kinb ftirbt! Ber Ulrgt fhreibt einen rührenben 
Brief an Br. Brocpnow unb bittet ihn, boh 
borfidjtiger in ber Slnftellung beS BerfonalS gu 
fein — wohl aus bem ©rurib, bamit nicht alle 
©onntagfhüler noh berbungern. Bie Blätter 
erfaffen ben ©egenftanb unb eifern gegen bie 
©onntagSfhute, unb fogar in ber Berliner 
©tabtfpnobe erhebt fih ein „weltlicher Ulbgeorb* 
neter" unb nennt biefe „pöhft flefunbpeitsfhäb» 
lih". 9lh, wie beforgt! Bie gang in 3uben» 
hänben fih befinblihe B«ffe Berlins gießt nun 
im GporuS gegen bie ©onntagfhule los unb 
will fie fteimgen. Gs muß aber 3emanb ba» 
gewefen fein, bem biefe literarifcpe BobeSart 
niht gang gefiel. Kurg, bie ©ahe fam Dor’S 
©eriht, benn baS ©onntagfhulperfonal war 
gefhmaht worben. BaS berhungerte Sonntag* 
jhulfinb aber lag ben Stichlern fcpeinfS fhwer 
im Wagen, benn wenn einer baS gange 3apr 
nur folcp elenbe Koft, wie bie hriftuSfeinblihe 
Berliner Breffe bietet, genießt — ift’S ba ein 
SSunber, wenn felbft ein Stihter einen fronten 
Wagen befommt ? ©ie hören noh einmal ben 
Wifjenfhoftlicben Bericht, üernehmen bie 3eu= 
gen, Weihe fagen, baß eS wahr fei, baß un* 
Wiffenfhaftlihe Wenfhen an ber ©onntagfhule 
lehren, — ben Feinben gelingt eS fogar, eine 
©onntagfhulhelferin aufgutreiben, „oie (wohl 
früher) eine ©ünberin war," — unb bie Klage 
wirb abgewiefen, bie ©onntagfhule muß ent» 
ehrt abjiehen. — 3<b fo groß ift baS UJtitleib 
mit bem berhungerten ©onntagfhultinb, baß 
unter bem Ginbrucf biefer ©efhihtc ber Bortrag 
über bie ©onntagfhule, Weihen £>err Brebiger 
SOßahömann holten follte, Don ber BageSorb* 
nung geftridjen wirb. 

Ulber bie waefere ©onntagfhulwelt hielt bie 
Fahne nur befto höher. 

BaS erfte ©ommerfeft ber Ber* 
lin er ©onn tag? hu lor bei ter warb auf 
ben 29. Uluguft auSgefhrieben, unb gegen 
taufenb Berfonen pilgerten nah bem gefhihtlih 
befannten ©hönholg. 3u jenen herrlihen Bart* 
anlagen beS >s>hloffeS ©hönholg, Weihes Ftieb* 
rih ber ©roße feiner ©emahlin, ber Königin, 
1 fheufte, fuhte bie eble Ghriftine Glifabeth ihren 


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22 


$ erlitt unb bie Sonntagfdjule. 


Schmers gu bergeffen. 2öie manchmal man fie, 
bie fromme Dulberin, hier ihr Seib Dem getlagt 
haben, ber allein fie tröften tonnte. Sie lernte 
niemals ben Segen eines häuslichen £>erbeS aus 
eigener Qtrfabrung tennen. Der fföitig, welcher 
»oobl ihre auSgegeicbneten ©igenfdjaften fchäßte, 
lebte nie mit ibr, weil bie 6b« ihm oon feinem 
©ater aufgegwungen worben war. Um fo mehr 
warb fie bie Ulutteic ber Firmen, unb wer weil, 
ob nicht gwifchen ber Dbcänenfaat, bie fte hier 
ftreute, unb ber gang befonberen ©orliebe ber 
©erliner ©laubigen, gerabe an biefem reigenben 
©läßcben ihre 3?efte gu feiern, ein geiftiger 3u= 
fammenbang beftebt. Sie tonnte wenig abnen, 
bafj nach 120 3fabten bie bon ©oltaire fo ge* 
fchmäbte Tochter 3ion fiibn ibr £>aupt erbeben 
unb ihre Sie,geSlieber ba ertönen laffen würbe, 
wo einft ihre Seufger gen Fimmel geftiegen 
finb. 

Die berliner Sonntagfdjule bat ihre Warmen 
fjfreunbe. Warmer wie ©raf ©ernftorff, Uu* 
gern, D. Sternberg, SBanquier Söfcher, unb an» 
bere bocbgeftedte Saien öerebren fie unb begeug* 
ten ihre Siebe burch üjätige ibeitnabme an 
biefem f$reft. pilgere mit ’unS, lieber Scfer, 
burch bie lange, reigenbe Sldee, befcbattet Don 
gut gepflegten ©ßalbanlagen, nach bem ©laße. 
Slach berliner Slrt finbeft bu [dfon etliche £>un* 
bert bei einer befcheibeiten klaffe Kaffee, — ober 
auch einem ©lafe ©ier an tleinen Difchen in 
trauter Unterhaltung fißenb. £ier ©rebiger 
SßacbSmann, ber üielfeitige, bielgefcbäftige, bort 
©rofeffor ©affel — ber gelehrte, berebte, in 
freunblidbem ©erlebt, bort ein Häufchen We= 
tbobiften mit Dcrgitügten Winten. ©apa ©roch* 
now wirb DergebenS erwartet, er ift abgebalien, 
beSgleichen anbere Slebner. Der frembt, liebe 
©aft — ber Slmerifaner Siebbart, wirb warm 
unb brüberlicb begrüßt, benn in biefet freien 
©otteSnatur weichen ade fteifen Schranten. 
Der gange 3ug begiebt fich jeftt nach bem wie 
für fofdje ©elegenbeiten geraffenen freien ©laß 
mit ber gebedten hoben ©latform. Die ©röff* 
nungSrebe hält ein febr befc^eibener Sanbpaftor 
©af<be. Slber feine Siebe geigt ben Wann nach 
bem alten beutfchen Stpl, ber immer mehr in 
fid) trägt, als er nach Slufien fcheint. @r giebt 
SÖericht Don feiner Steife burch Dbüringeu, bie 
er im ^ntereffe ber Sonutagfchule unternom* 
men, geigt, wie er bort an ber ÜBiege ber Slefor* 
mation ben graffeften SlationaliSmuS gefunben, 


unb unter ben ©aftoren biele, bie noch nie bon 
ber Sonutagfchule gehört. Doch traf er auch 
manche warme bergen unb treue 3eugen, unb 
unter Slnbern bcrfprach ibnt auch ein ©aftor aus 
©islebeti, in Sutber’S $eimatb bem Sonntag* 
fchultinb eine ©liege gu bereiten. Sntereffaut 
War fein ©ericht über eine Unterrebung, bie er 
mit einem jungen, neugebadenen 33ifar batte. 
Derfelbe rühmte bie neueren fjotfchungen, bie 
©rrungenfchaften ber ffritil, unb unter bem 
blenbenben ©lang ber neuen, frifchgefchliffenen 
©ßaffen fühlte unfer guter Sanbpaftor febr be* 
fchämt, benn fein Schwert — fein wiffenfchaft* 
iidjeS meinte er — fei ihm borgefommen, wie 
in ber Scheibe feftgeroftet. Ueber feinen ein* 
fachen ©erftanb ging ©ieleS, was ber junge 
©elebrte fagte, aber baS tonnte er bo<h nidgt 
unterlaffen, eine Srage an ihn gu richten, benn 
)aS ift hoch bem Gb*iftentbum feinen neumobi* 
eben ©erörtern gegenüber wohl erlaubt. So 
ragte ber Sanbpaftor ben jungen ©Mffenfdjaft* 
er, was er beim einer bon ihrem Sünbengefübl 
bebrängten Seele fagen, waS er bei einem Ster* 
renben auSrichten tönnte ? Unb fiebe, et ber* 
tummte! 3«- biefer ffrage gegenüber ber* 
tummt bie moberne ©bilofopbie. 

Sluit fam ber frembe Wann baran. Dt. Sieb* 
hart fprach mit '-Begeiferung bon ben gort* 
fchritten, welche baSlebenbige (S^riftenttmm in 
Deutfchlanb feit feinem Slbfbieb aus bem alten 
©aterlanb gemacht, bon ber Sonntagfdjule ©rt, 
Wittel unb 3'd in Slmerila. Seine Siebe würbe 
mit frcunblichem ©eifad aufgenommen. Sie 
bewies, baß bie Slmeritancr gute Schüßen finb 
unb baS 3iel ber © e t e b r u n g ber ff inber feft 
ins Sluge faffeit. Das ift’S, waS uns notb tbut. 
©riinbiiehe ©efebrung ber Sonntagfehularbeiter 
— benn wenn eS auch Siegel ift, baß Sliemanb 
lehren barf am barauf folgeitben Sonntag, ber 
nicht ber ©orbereitung beigewobnt, wenn eS 
auch circa fiiufgig ©orbereitungSft unben giebt, 
fo ift bie befte ©ruublage berfelben boch immer 
nur ein wahrhaft belehrtes.#erg. ©raf ©ern* 
ftorff bewies, baß gur Sonntagfcbularbeit ©e* 
geiferuug gehöre, ©rofeffor Gaffel, welcher beS 
©orrebnerS erfter Sonntagfchüler war, betonte 
bie Slotbwenbigfeit ber reinen ©otteSliehe. 

Slabegu brei Stunben währte baS fchöne 3?eft. 
©Sir lehrten beim mit ber ©itte im bergen: 
©ott feg ne ©erlin unb bie Sonn* 
t a g f <b n l e. 



Digitizechby <^.OOQl€ 



JJeujoljrafprudj, 


23 



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24 


Srljeimni^DoUe JJnfdjriften. 


Pie <Sitt|t|ferttii0 einer geljeimni^oUeu Infdjrift auf den Sdjroeijer 

JUpen. 

»#« @wra @utb. 


? u ben grofeen, berounberungStoürbigen Sei* 
{hingen ber 3öiffcnf<^aft in unferem 3 e ü= 
alter gehört unftreitig bie ©ntbedung unb 
Entzifferung bet bielen unb oerfcRiebenartigen 
3nfcbriften berjenigyt Sölfer ber ©rbe, welche 
bor 3af)ttaufenben bie bamalS betannte ißelt 
burd^ iRr Sßiffen unb itjre Wacht be^etrfd)ten. 
©rft in ben lebten 3<iÖtjef)nten ift es ben ©e* 
lehrten, melcRe bie alten berloren gegangenen 
Sprachen unb 3 e i<Ren ber morgenlänbifdjen 
Söller jum ©egenftanb iRreS StubiumS mach« 
ten, gelungen, bie ©ieroglppRen ber egfeptifcRen 
Spramiben mit jiemlit^er ©eroifeReit ju ent* 
rätseln, ©benfo ^at man erft in lefeter 3eit 
bie SJeilinfcRriften ÜlffprieuS unb SnbglonienS, 
reelle burcR SluSgrabungen bafelbft zu Stage 
geförbert mürben, entziffert unb mürben roirf* 
licRe fjortfcfjritte in ber Söfung biefer 3nf<hrif= 
ten gemacht. 9ludj bat man bie grofee an einer 
gegen fiebenzeRnRunbert ffufe RoRen fenfred^ten 
gelfenmanb in Setfien neben Dielen anbern 
SnfcRriften miibfam eingemeifeelte ^nfcbrift fo 
meit entziffert, bafe man barin unter aitberem 
baS ©efetj beS Königs Don Serfien an feine 
UntertRanen fanb. SBir erinnern ferner an 
©eorge SinitR, roelcher bie cRnlbäifcbe ©enefiS, 
feilinfd^riftlid^e Söerid^te über (Schöpfung, Sün* 
benfatl, SünbflutR, 2Rurmbau, ncbft Dielen 
anbern Sagen aus SrucRftüden Don Steinen, 
melcRe man in 9tffprien fanb, zu entziffern im 
Stanbe mar; an ben Stein Don SRofette mit 
feiner breifprad)icf)m 3nfcbtift; an bie 2luS= 
rabung ber trojanifd^en SltertRümer burcb ben 
ertibmten ©einridj Scbliemann u. bgl. m. 

®afe aber eine Wenge folcber ^nfdjriften 
f a b r i z i r t unb als edjt unb autbentifcb bem 
Sublifum angepriefen mürben, unb zmar aus 
bem einfachen ©runbe, um aus folget ^abrifa« 
tion Kapital zu fcblagen, bürfte allen 
3eitungSlefern befannt fein. So z- S. mürbe 
eine gemiffe moabitifcbe 3ufcRrift in Europa 
pon Dielen ©elebrten bemunbert, in Smerila 
aber fofort als ©umbug erfannt. 

$er füiefe Don ©arbiff, ben Samum 
irgenbmo in ben Sergen Don ©olorabo fanb (! ?) 
unb anfänglich in ben Ser. Staaten fo grofseS 
SuffeRen erregte, mitb beute noch Don Seicht« 
gläubigen in Europa angeftaunt, mäbreitb 
berfelbe Rierzulanb ficR längft als ge baden 
unb “made to order” entpuppte. SDaSfelbe 
mar ber §atl mit gemiffen pRönicifcben 3«= 


fdfriften aus Srafilien, melcRe bie Steifen ber 
Untertanen ©iramS unb bie ©ntbedung Don 
9lorb= unb Sübamerifa berichteten. 

9?un fällt eS aber auch Dor, bafe man ba unb 
bort tief unten in ber ©rbe nnb auf höbet 
fjelfenmanb beS ©ebirgeS altertbümlicbe biero* 
glppRenartig ausfeRenbe SucRftaben unb Samen 
entbedt, melcbe bem gorfcRerauge beS 2lrd)äo* 
logen Don ber gröfeten SMcRtigfeit erjchetnen 
unb entroeber auf eine gemaltfame Söeife aus« 
gelegt ober als eine nicht zu erforfchenbe Sinti* 
guität unfcRäfebar hoch gepriefen roerben, bie 
aber in UBirflicRfeit Don fcrtstunbigen ohne alle 
WüRe zur üoüfommenen Sefriebigung auch ber 
©eleRrteften entziffert roerben fönnen. CRite 
3u>eifel ift bie heitere ©efcRicbte beS©felStreiberS 
Don Wontmartre, melcbe in „©aus unb ©erb", 
Sanb 2, Seite 68 erfchien, noch manchen fiefern 
frifch im ©ebäcRtnife, meiner ben Dierzig Slfabe« 
mifern zu Saris bie in unten folgenber gorm 
auf einem rauben Steine gefunbene 3 n f<hrift 
gegen 3ablung Don zwei ©fein erflärte: 

I C 

I 
L 
E 

C H 

E M 

I N 

D E 

S A N E S. 

Ö ammengemgen Reifet biefe SnfcRrift ganz 
: “Ici io cliemin des anes,” ober: 
,,©ier ber Sßeg ber ©fei." 

SDoch zur Sache, ©och oben in ben Sdjroeizer 
9tlpen, in bem roilben Strubel, nicht meit Dom 
ÜRuner See unb ber Stabt gleichen Samens, 
mürbe eine auf rauher Steinfläche eingegrabene 
3nfdjrift gefunben, melcbe in ber SlbfcRrift un= 
fdjulbigerroeife eine grofee Semegung unter ben 
©eleRrten ©eroorrief. Srofeffor 3atob 6ma» 
nuel Sparten fab bie 3 n f<Rtift, mie fie ein» 
gegraben in bem barten Stein jianb, unb über» 
mittelte eine genaue SlbfcRrift berfelben, in 
gform unb SudRftaben, bem Stof. Z. 0. Saine 
Don ©Imrooob, WuffacRufettS, melcRer fie bem 
$oftor 3. ©. ©all, LLB., PH. D., mittbeilte. 
golgenbeS ift 3nbalt unb §orm ber 3uf<brift: 
IBID 
AXIU 
NERO 


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Uor adjtljunbfrt Sohren. 


25 


$afj bie römifdjen SuMaben IBI bie 91n* 
fangSbuchftaben eines belannten lateinifchen 
ffiorteS finö, welches „bagewefen" bebeutet, ift 
icbem fiateinet betannt, unb in Segug auf bie 
Siebeutung bet lebten 3 e '* e NERO tonnte tein 
3»eifel betrieben- @3 ift biefeS bet 9tame beS 
römifeben SJaiferS, unter welchem ber Utpoftel 
Paulus ben fDiärtprertob erlitt. 

Wan tarn baher gu bem Schluffe, baff ber 
tömifebe Jfrcifer 9iero gang beftimmt bie <S5>roei= 
ger Dllpen befudjt unb hier in biefer fdfminbeln* 
ben £>öbe bet 9tad)welt fein 9)tonogramm in 
Stein eingeegraben, gurücfgelaffen habe. ®ie 
ifrage aber, wann, wie unb warum befucf)te ber 
ffaifer 9tero biefe ©egenb, tonnte nicht ermit* 
telt werben. 3|n ebenfo tiefem ©eheimnifj la* 
aen bie übrigen SBud)fta6en D A X I U. 
Könnte man nur biefe Suchfiaben auslegen, 
bann wäre baS SRäthfel gelöjt. Unglüdlidfer* 
weife aber wollte es feinem Sateiner gelingen, 
in biefeS ©eheimnifj eingubringen. $apbie 3>n- 
ichrift leferticb fei unb ©inn unb Sßerftanb ent* 
halte, war allen @eleljrten flar, nur fehlte es 
an bem ©chlüjfel. 

©erblich trug eS fi(b gu, baß ein ©eleljrter, 
welcher bie Snfdjrift tannte, bie ©egenb bereifte 
unb einem einfachen, anfprudjstofen Schweiger* 
Knaben bie 91bfd)rift geigte unb bie Semerfung 
machte, ber Kaifer 9iero habe bor ac6tjef)Tif)un= 
bert fahren biefe ©egenb befugt. $er Knabe 
abet ermieberte bem ©eiehrten: „Sie fönnen 
mit leinen Sären aufbinben, bie 3>nfd)rift 


meint gang genau maS fie fagt." 2)er ©eiehrte 
mufterte ben Knaben in tiefer Sermunberung 
bon Kopf gu 3?uj$ unb frug enblidf): „9hm, was 
fagt benn biefe 3fnfd)rift eigentlich?" 3)er 
Knabe nahm bie 9lbfd)rift auS ber $anb beS 
©elchrten unb laS in feinem fchtoeigerifAen 
$iateft: “I BI Da Xi Un ER O. $aS 
ift auf aut $eutfd): „Sch bin ba gewefen unb 
er auch- 5)ie Sache berhielt fich fo. tiefer 
Knabe mit einem Kameraben hotten unter* 
nommen ben 12,000 hoben ®erg gu er* 
flimmen; nachbem fie eine bebeutenbe £>öhe er* 
reicht hatten unb nicht weiter tlimmen tonnten, 
djrieb ber eine fo gut es eben gehen wollte mit 
einem Stafchenmeffer in ben Steinfelfen: „3 
)i ba gfi un er o." 

©eit jener Unterrebung beS ©eiehrten mit 
bem ©ajweigerfnaben ift biefe Snfdfrift her* 
ausgehauen unb ins Sibal gebraut worben. 
®iefe fleifte fleinerne Slafel aber enthalt manche 
behergigenSWerthe fiehre. 

®en Ißhonologen unb 2)ialeftitern ift fie 
eine werthoalle Qiluftration ihrer berfdjiebenen 
Qweige ber Söiffenfdjaft. ©S ift aber auch ein 
bebergiaensmertfjer 2Begweifet allen 2)enen, bie 
fi<h auf ben unfichern Sahnen ber 9llterthumS* 
forfcbting befinden. Uns aber lehrt biefe hei* 
tere ©efdfichte, bafe Wir nicht gu hoch fteigen unb 
uns in unferm ©treben öerfteigen follen, wäh* 
renb bie prattifche Söahrheit gu unfern güfien 
im täglichen fieben liegt. 



Jtor adjtljunbfrt loljrett. 

( 9 ine h'ftorlfdic 8Btibnae&tS j @fi}3t, bearbeitet bon Karl Siebiart. 


S»an febrieb 1073, unb e§ mar 
ber vJtorgen beS 24. $egem= 
ber. ®ie fiuft war lalt 
unb ferner, ein ©chnee* 
geftöber fdjien im 2lngug, 
aber wer achtete heute bar* 
auf. MeS bereitete fid) oor 
für bas heilige Söeihnachts* 
feft, baS grofee ^reubenfeft 
für jeben©tanb. 

9hir in fiabenburg, obwohl bie 
Siefibeng beS £>errn beS üteicheS, 
Heinrich IV. unb feiner ©e= 
mahlin, bet eblen SBertba, war 
nichts ton ^eftoorbereitunaen, nichts bon 
©eihnachtsfreube nwhrgunehmen 
£er unfllüdliche f oma befanb fuh eben ,n 
einer ber forqenooflften fiagen fernes fiebenS. 
SgfburS feine £ärte hatten fich bie ©achten 


mibet ihn empört. ®ie fJJeichSffirfien waren 
ihm Iängft Pevfeinbet, meiftenS burdf feine 
eigene ©djulb, ehenfo aber auch weil fie einen 
mächtigen Kaifer nicht liebten, fonbern baS 
9teid)S|cepter am liebften in fchmachen ^änben 
fahen. Heinrichs eiitgiger Schwager, ^ergog 
fRubolf bon ©d;waben, fteüte fidh an bie ©pifce 
ber Scinbe unb trachtete unberbol/lcn felbft nach 
ber KönigStroue. 91uf offenem Reichstag gu 
Waiug follte Heinrich entfett, SRubolph gum 
König gewählt werben. 

Um fich oon ben Serläumbungen gu reinigen, 
welche fie über ihn berbreiteten, um feine meni* 
gen Anhänger abmenbig gu machen unb fich bem 
dürften perfönlich gegenüber gu fteüen, mar 
Heinrich fdmell herbeigeeilt, aber unterwegs 
in fjolge fo bieler 9lnftrengungen unb nod) 
ftärterer ©emüthsbemegungen erlranft. ©o 
blieb er gu fiabenburg, faft ohne ^Begleitung, 


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26 


Mor aäjtljunbert 3aljren. 


jo in ©fanget unb ©ntbeljrung, ans Säger ge» I berge offen ftefjt, bet König ein Obbadj finbct, 
feffelt. 9lls SBeibnadbten herbeifam, fing er wo er ungefährbet ruhen !onn!" antwortete 
an ftcf) gu erholen. 2)ieS war fonft bie glän» Heinrich mit fc&neibenber Kälte, 
ienbfte 3eit am KönigSfjofe. ©eit mehreren „So geleite uns bet Schuft beS 
Sagen batte fteinridj, ber taum oom Säger er» KinbeS, bem heute bie ©ngel gefungtn: Qfriebe 
ftanben mar, auf bie 91nfunft beS einen ober auf ©rben!" fpradj bie Königin feufgenb. 
anberen ber dürften gewartet. Sollte er fo 6 he eine Stunbe ber fl offen, brach baS fönia« 
böHig berlaffen fein, baff auch nicht ejner an liehe ©aar mit feinem ©efolge nach SBormS auf. 
feinem Säger erfchien ? Ulrich o. Kosheim eilte boran, bie Annäherung 

Um ©achricftten eingugieljen, hatte ftch einer beS Königs gu melben unb um Aufnahme für 
ber wenigen Utitter beS Königs im Stillen nach ihn gu bitten. 

©taing begeben. (Sr würbe jeben 9lugenblia $aS War eine böfe Sßeihnachtsfahrt. Schnei» 
gnrücfermartet. 2fnbeffen gingen bie Wiener ge» benb brauste ber Sturm über baS Sanb hin 
fchäftig hin unb her. unb trieb ben SBanberetn bie Wirbelnben Sdbtiee» 

SBährenb bie Königin mit bem ftauStnarfchall flocfen itt’S ©efid)t. Sie fchauerten bor Qfroft 
über bte 3urüftungen für ba§ fjeft rebete, tarn unb fein munteres SBort berfürgte ben befcbmer* 
ein Wiener, um ihr gu melben, baft foeben ber liehen 3titt, 9hir bie garte Königin gab fein 
Diitter bon KoSheim angelangt fei, welchen ber Seiten ber ©rfdjöpfung; fie hatte 9luge unb 
Äönig gu ber jjürftenberfammlung nach ©iaing Sorge nur für ben König an ihrer Seite, für 
abgefanbt hatte, um Kunbfchaft eingubolcn. ihn, ben taum bom Kranfenbett ßrftanbeneg, 
Unbergüglitft wanbte fich bie Königin nach bem ber, um Seben unb Freiheit gu retten, fein 
©emach beS Königs, wo fie ben SRitter b. KoS» £>aupt bem Kambf ber Elemente preisgeben 
heim traf. ©r hatte fdjon feinen ©erieftt ab» muftte. 

gegeben. König Heinrich aber ftanb unbebeef» ©egen 91 benb legte ftch bet Sturm unb ber 
ten ^aupteS am geöffneten fünfter un p fetiefte Fimmel fchien fi^ gum beginnenben gefte auf» 
in ben ftürmifchen SÖintertag hinaus. guflären. 91IS bie Sftürme bon SßormS am 

„SBerben bie dürften nicht gur ÜBeibnachtS» |>origonte herbortraten, bo gebot Heinrich plöft» 
feiet fommen?" fragte bie Königin mit fchmerg» lieh ritt „£)alt 1" Seine Stimme bebte; in fei» 
lithem 9luSbrucf. nem 9lntlift flammte eine buntle 9föt!)e auf. 

„Ob fie gurn fjfefte fommen Wollen? O ja, 9luch fein (feines ©efolge hatte bie ©eranlaffung 
fie finb SöiUenS gu fommen, um mir ein SBeift» feiner Bewegung wahrgenommen unb erbleichte, 
nachten gu bereiten, wie eS noch nie einem Kö= ©S mar eine ftarfe, bewaffnete Schaar, bie auf 
nige bereitet worben ift," antwortete Heinrich ber Strafte bon SBormS hergeritten fam, äugen» 
bumpf. fcheinlicb bem Könige entgegen. 

„Um beS ©rlöferS Willen ! SöaS fotl bieS be» ©in fürchterlicher ©erbadjt fpradj aus ftein» 
beuten, ©itter KoSl)eim ?" frug bie erfhroefene ridjS ©liefen. Kamen bie SBormfer, um ihm 
Königin. ben ©ingang in bie Stabt gu mehren, ober gar, 

„Königin! S)a bie Kunbe erfdjoflen, baft ber um fid) feiner föniglichen ©erfon gu bemach» 
König ficbmiebet oom Säger erhoben habe, tigen? 

haben bie dürften befchlojfen, ihn feftgunehmen, Seine &anb foftte frampfhaft ben Schwert» 
um ihm aüe feinblichen Schritte gegen fiih gu griff, fein ©lief überflog fein fleineS ©efolge 
mehren," berfeftte ber 'Jtitter. unb fchien gu prüfen, ob fie mit ihrem König 

„55en franfen König feftgunehmen? 91m hei» bereit feien gum Kampf auf Seben unb Sob. 
ligen ©JeihnadjtSfefte?" mieberpolte ©ertha, bie ©r war entfmloffen, lieber unter freiem Fimmel 
#ättbe faltenb. mit ben Sßaffen in ber |)anb gu fterben, als fi<h 

„93krum flagft bu? Sie täufchen fid)! SDiicE» ©errätbern gefangen gu geben, 
fotl bie Kranfheit nicht feffelit, wenn es gilt, 3>n Zweifel unb Ungemiftheit erwarteten fie 
mich meiner Freiheit, meines SebenS gu wehren! bie nahenbe Schaar, ©ine fleine ©aufe, unb 
Stoch in biefer Stunbe brechen mir bon hier gen bie ©eitertruppe hatte ben König erreicht, ber, 
ÜBormS auf!" feinem ©efolge jurücfwinfenb, ihnen einige 

„91ber feib IJht ber Streue ber Stobt 9!öormS Schritte entgegenritt, 
oevfidjert? ;'chr habt feit mehreren Sagen oer» ©ein, bas mar feine feinbliche Schaar, benn 
gebenS auf eine ©otfdjaft boit bort gewartet. 1 fie trugen geftgemänber unb hatten Speere unb 
Seib 3hr gemift, baft Shr willige 9fufnahme Seltne weihnachtlich mit grünen SannengWeigen 1 
finben werbet?" warf bie Königin fchüchtern ein. gcfchmücft; in ihrer borberften ©eihe ritt Ulrich 
„$ier fann ich nicht bleiben; ich tnuft einen ! bon KoSheim, ber ©efanbte beS Königs, 
feften Ort erreichen; eS gilt nun bie ©robe, ob 3» rooblgefeftter 9lnrebe hkft ber ©iirger» 
mir SßormS bie Share öffnet, — ob an 9üeih= meifter ben König millfomnien; er brüefte ihm 
nachten, wo jebem ©ettler im ©eiche eine £er» bie lebhafte S hei (nähme aus, mit welcher bie 


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Mot odjttjunbert Saljren. 


27 


Bürger Don SBormS bon feiner Hranfßeit Der» 
notnmeit ßaben unb feiner Slnfunft feßt ent* 
gcgenfeßen. 

„3br ßa&t bisher bon ©urer ©efinnung mir 
ieine Hunbe gegeben; Bis gu biefem Slugenblid 
wußte icß nicßt, ob icß ©ucß nicßt unter ine Un= 
getreuen gab len müßte," antwortete ^eintieß, 
noch mit ber Ueberrafchung tämpfeitb. 

„Unfer Sifcßof unb feine Sitter waren wiber 
©ucß, Hönig |>einri<ß, unb ließen feine Hunbe 
oon ©urer 9iäße gu uns gefangen. Oa Wir 
aber beute bernaßmen, baß Seine SSafeftät ficb 
gu uns begeben wollen unb ber 23ifcßof fich bem 
wiberfeßte, haben wir feine Sitter berjagt, unb 
toir finb hier bereit, für ben Hönig in'Hampf 
unb Stob gu geben." 

©o antwortete ber SSürgermeifter, unb auf 
fein 3ei<ßen büßten Staufenbe bon Schwertern 
in ber 2uft, ber einftimmige, feurige Suf: 
„§rür Honig Heinrich in Hampf unb Sob!" 
weifte ben SBiberßall ber Serge, ber ißn gebufaeß 
gurüdaab. 

„3cß bertraue ©udj, Bürger bon SBomtS, — 
unb fo wahr mir ©ott helfe, icß will eS (Such 
lohnen," fpraeß Heinrich naeß langer Saufe. * 

Sn ihre Spiße tretenb, gab er baS 3ei<ßen 
gum Sufbrucß nach ber Stabt. 

©lodengeläute empfing fie, als fie gum Stßore 
einritten; eS war baS erfte Reichen gu ber bem* 
näcßft beginnenben ©briftmette. Schon harrten 
grauen unb SJJäbcßen, ©reife unb Hnaben in 
lyeftgewänbern unter ben fjauStßüren auf bie 
Äüdfunft ber fjauSbäter, um ben gemeinfeßaft* 
lieben Hircßengang angutreten. SuS ben £>äu* 
fern brangen bie locfenben Oüfte bon allerlei 
©ebadenem, unb ba unb bort blieften bureß bie 
©iebelfenfter grüne Stannen, mit Sänbern ge* 
icßniüdt, unb bereit, nach ber SJtette gur ©ßrtft* 
befebeerung in bie ffamilienftube gebracht gu 
werben. MeS mar in freubiqer 3?eftaufregung, 
unb mit eben fo ungeßeucßelter Begeifteruha 
blidte alles bem Hönig entgegen, ©in Hochruf 
um ben anbern, bon Sn fang bis gu ©nbe ber 
Straße laufenb, mifdbte fid) in ben feftliiben 
©lorfenflana. SBelcß ein erwärmenber ©mpfang 
naeß bem Sturm auf bem weiten, einfamen 
Scbneegefilbe! 

©nblicß batten fie ben fßalaft erreicht, ein 
Xenfmal ber Saufunft früherer 3eiten. ©e* 
folgt bon ben Sngefeßenften ber Bürget aus 
Den oerfeßiebenen Stänben ber Stabt traten fte 
hinein; Tie batten benfelben in beröbetem 3u* 
»anbe gu treffen erwartet, aber fie würben bon 
einer moblerroärmten ©einäcberreibe empfangen, 
Durcfibuftet bon woßlriecßenbem Hräutermerf, 
mit warmen SEeppicßen, weiten Bolftern unb 
aß ben Bequem licßteiten auSgeftattet, welche bie 

^$ a t ilm$%atte wiber feine gange töniglicße 


Haltung gewonnen, unb neue SebenSluft rötbete 
bie SBangen ber fanften Königin, als fie ihre 
©emächer berüeßen, um fid) gur ©briftmette in 
bie Hircße gu begeben, begleitet bon ber Bürger» 
feßaar, bie ihrer in ber fjalle wartete. Sn bie* 
fer empfing fie bei feftlicßem Hergenglang eine 
Sungfrauenfcßaar, Welche baS lönigiicße Ißaar 
willfommen hieß unb ihnen bie äöeißnacßts* 
gaben ber Stabt, — befteßenb in Silbergeug, 
Hleiberftoffen unb morgenlänbifihen, bon ber 
bamaligen Hocßfnnft feßr geflößten ©emürgen 
— gu Süßen legte. 

Stßtänen glängten in Bertßa’S Slugen, als fie 
fich mit ftitmmem, bo<h berebtem Blicf an ihren 
©maßt wanbte. Unb Heinrich berftanb biefen 

„Hönig Heinrich," fprach ber Bürgermeifter, 
„bein erhabener Batet bat bie Blütße unb 
SBoßlfabrt unferer Stabt begrünbet unb auch 
beine Sftajeftät bat fie beförbert. Sun fcßäßen 
mir eS unS gu Bober ©ßre, baß ber .Honig gur 
3eit ber ©efaßr unfere Stabt gum Slufentßalt 
wählt. Unfere Stauern finb ftarf unb unfer 
Stutb wirb nicht ntinber unerfchiitterlich fein." 

SBäßrenb er rebete, batte fich ber Sitter bon 
HoSßeitn gum Honig gebrängt, ihm gu melben, 
baß Boten bon ben Bifcßöfeit ber benachbarten 
Stäbte angefommen feien, Welche auf bem SBege 
bureß bie Sachricht aufgeßalten worben, baß ber 
Hönig SBeißnacßten nicht gu SBormS gubringen 
werbe. Sie feßiden nun hierher, um ©ewiß- 
beit gu erhalten unb bann in Bälbe felbft nach* 
gufommeit. 

„Sie feien willfommen," fprach Heinrich, 
„für beute Slbenb aber labe ich euch, Bürger 
bon SBormS, als meine Häinpen unb getreuften 
Untertanen ein, mich auf bem Hircßengang 
unb bemach gur $afel gu geleiten. SIS ©e* 
gengefeßenf für eure SBeißnachtSgaben unb als 
ewiges $enfgeicßen eurer Streue ertßeile ich euch 
3ollfreißeit in gmangig förtiglicßen Stübten, 
euer $anbet unb SBanbel möge blüßen bor bem 
aller anbern Orte." 

®aS War ein föniglicßeS ©efeßenf bon unbe* 
reeßenbarem SBertße für weite 3ufunft unb 
mit bet ^oßeit eines £errf<ßerS, ber ©naben 
noeß ba ertbeilt. Wo fein Stßron feßon gu man* 
len feßien, hatte £>einri<b gefproeßen. So leb* 
ßafte f^reube jeboeß fein ©nabengefeßen! aueß 
erregte, fo feßienen eS bie Siirger faum bößer 
gu fdßäßen, als bie ©inlabung gum Hircßengang 
unb gum SBanfett. 

2)aS lebte 3eicßen mit ber ©lode ließ fieß bon 
ber Hircße ßer berneßmen; ber Hircßengang 
mürbe georbnet. 2>er Hönig mit feinem @e* 
folge fdjritt ber Sitte gemäß boran. 3n ber 
Hirdße fnieten Hönig unb Höniain, Sitter unb 
Sürget, angubeten bas göttliche Hinb, baS in 
biefer Sacßt ben Fimmel auf bie berlorene ©rbe 


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28 


3Ute (Sebräudje. 


perabgebracpt patte. geftlidp ftraplten bie $er« 
gen, eS mirbv-lte ber SBeipraudp empor unb bcr 
6por ber ^rieftet ftimmte ben eilten ©efang 
beS WtöncpeS Wotfer auS ©t. ©allen an: 
“Grates nunc omnes.” ber notp peute attiäpr- 
lidp am SBeipnadptSfefte erfdpullt in bem Siebe: 
(Sclobt feifi Pu, Jcfu (tprift, 

Pa§ Pu ITtenfcp geboren bift 
Don einer 3*mgfrau, bas ift roabr, 

Dejj freuet fiep ber (Engel Scparl ‘Kyrieleisl 


Jie Streue ber SQBormfer pat in ber bama» 
ligen Sage beS Königs ben WuSfdplag gegeben. 
Jie gitrften = Serfammlung gerfplitterte fiep; 
Weinricp blieb Wert beS WeicpeS. Jen Sßorm» 
fern aber pat er fein fönigliepeS SCßort gepalten. 
Sbenfo treu flehen feine greunbe, ttne peftig 
gegen bie geinbe, bepielt er 2ßormS ftetS alS 
feinen fiieblingSaufentpalt unb fonb bort un» 
toonbelPare Streue unter aßen ©dpidfalen feines 
mecpfelnben SebenS. 


JUte (öebriiudje. 

®#n 3. ®<plagettianf. 


©prifttagSgebräudpe. 

Jer ©priftbaum ftammt nadp einer giemlicp 
Derbürgten Sage oon ben alten ©gpptern per, 
meldpe gmifepen ben' 3toPwn ein meprtägigeS 
geft feierten unb babei einen ißalmbaum mit 
groölf heften als ©initbilb beS berfloffenen unb 
beS neu einjutretenben SapreS auf fteliten. Jie 
Sitte berprlanjte fiep fpliter naep Italien, roo 
bei ben fogenamtteit ©aturnalien, ftatt bem 
Salmbaum ber geigenbaum aufgefteflt unb mit 
brennenben bergen gefcpinüdt tmirbe. Jiefe 
©aturnalien, bie Dom 17. bis 23. Jegember 
bauerten, mürben gunt Wubenfen an baS gol» 
bene Zeitalter unter ber ^)errf(paft ber attitalU 
fdpen ©ottpeit, Saturn, gefeiert. 

Ja unter bem Wegimente biefer ©ottpeit bie 
Italiener ein gar freies luftiges Seben fuprten, 
opne ©efep unb Strafe, fo mürbe maprenb bie® 
fer geftfeier alle Arbeit unterlaffen, alle Trauer 
aufgepoben unb bie Seoölferung überließ fiep 
ber gügeflofeften Weiterleit unb WuSgelaffenpeit. 

gn ben legten Stagen beS gefteS fdpidte man 
fiep gegenfeitig ©eiepente Don SÜacpSfiguren, 
befoitberS Keine ©ötterbilber, mooon toapr» 
fcpeiitiidp unfer ©ebrauep, fiip an 2Beipna<pten 
gu befcpetifen, perrüprt. Sludp unfere peibni» 
fdpen Sorfaprett pielten im trüben Wtonat Je* 
gember gefte, bie geroöpnliep gmölf 'Jage baiter» 
ten unb unter bem Wanten „Sulfeft" befannt 
flnb. Ja rupte ber ffrieg, bie Jjagb, bie Ülr» 
beit, man braepte ben ©öttern Opfer, erleucp» 
tete bie peiligen W fl >De unb günbete auf ben 
'-Bergen peWobernbe geuer an. 

9l(S unfere Sorfapren fiep gnm ©prijtentpum 
beteprten, liegen ipiten bie Wiiffionare ans mei» 
fen Wbfidpten bie Qfefie, ftreiften aber baS peib= 
nifdpe babon ab unb führten ©ebräuepe unb 
©pmbole ein, meldpe an bie beglüefenbe Stpat» 


fadpe ber ©rfdpeinung ©prifti inS fjleifdp erin» 
nerten. 

Statt ber ©ötterpaine mürben nun bie Stern» 
pel beS le f, enbigen ©otteS erleueptet, ftatt ben 
iobertibeu geuern auf popen Sergen mürben bie 
Wäufer erpcllt, inbem man einen frifdpen Stan» 
nenbautn mit petlleudptenben Jfergen, grüdpten, 
Sternen unb ©ngeln auffteüte, ba& 3ung unb 
3llt Don greube tinb SBonne erfüllt marb. 

Jer tßalmbaum unb ber geigenbaum toar 
im Worben außer grage, unb patte audp bem 
toafb» unb jagbluftigen beutfepen ©emütpe nidpt 
entfprodpen, bem ber immergrüne Stannenmalb 
mit feinem popen SBuepS, ber tiefen Stille unb 
aepeimnißDollen Waufepen als ©innbilb ber 
©ottpeit erfepien. 

Jurdp bie Sitte, fiep gegenfeitig gu befdpenfen, 
mürbe baS ©priftfeft audp gugleidp gum fröp» 
liepen gamilienfefte. 

© t. W i 1 0 1 a u S. 

Jiefer in ber griedpifdpen unb römifdpenffirepe 
podpgefeierte ^eilige foll Sifdpof in illeinafien 
emefen fein, Diele ÜBunber Derricptet unb 
ermann Diel ©uteS getpoit paben. ©ein 2ln» 
benfen gu Deremigen, liefe man ipn um 2öeip= 
nadpten in fdpmere Steige gepüllt, gu guß ober 
gu Wofe burdp bie Stabt giepen, ben guten ftin= 
bem anfepnlidpe, ben ungegogenen bagegen nur 
menige ©efdpente auStpeilenb. 

WaitS Strapp, tpelgmärten unb anberejSpuf- 
geftalten fdpeinen als ©arrifaturen Don St. Wi« 
folauS erfunben morben gu fein. 

©t. SSalentinStag, 

meldpen bie amerifanifdpe gugenb burdp 3ufen- 
bung Don ungäpligen, gierlidpen unb finnreidpett, 
aber audp fragenpaften unb anftöfeigen Silbern, 
SiebeSgebidpten unb Sinnfpriüpen feiert, fo bafe 


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Pas Stranblidjt. 


29 


bie Softmeifter tn größeren Stabten fi<h oft 
faum ju rotten unb ju Reifen toiffen, ift auch 
auf eine ljeibmfd)e Sitte im alten Wom njrüd* 
jufü^ten. ^afelbft mürbe nämlich im Wtonat 
gebruar baS <yeft ber Supercalien gefeiert, gu 
6ljren beS ^>irtengotte§ San, melier bie üöölfe 
ßon ber beerbe ferne hielt. Jer ^ricfter, mei* 
djct bie erfte 3' e fl e * um Cpfer beS ©ottes San 
ichladjtete, find) gmei eblen römifd)en Jung* 
lingen ba§ 39Iut ber Jiege mit einem Wteffer 
an bie ©time unb mifchte nachher bie blutigen 
Spuren mit SBotle, bie mit Wiild) beließt mar, 
unter allgemeinem ©elädjter roieber ab. 

Jugleidj fteUten bie ^ rieft er biefer ©ottheit 
aud) Söettrennen an, rannten mit einem Wie* 
men in ber £>anb umher unb berfefcten unter 
allgemeiner ^eiterfeit beS SolfeS, mit allerlei 
©rimaffen, gebem Jrauengimmer, bein fie be= 
gegneten, einen ©d)lag mit bein Stiemen. Jie 
Warnen junger JrauenSperfonen mürben in ein 
Safteten geworfen unb unter allgenieinem ©e* 
lad)ter bon ben Wiännetn aufs ©eratpemobl per* 
auSgegogen. 

Jas Seft gu Ghren beS ©otteS San mürbe 
in baS Jeft St. Valentins umgemanbelt, ber 
ein frommer djriftlicher ^rieftet in Wom ge* 
mefen mar unb ungefähr ums Jahr 270 ben 
IRärtprertob bafelbft erlitt. 2öenn auch ber 
Jag mit einem ©otteSbienft begann, wollte bo<h 
bas 33olt bie gewohnten S<herge unb fröhlich* 
leiten nic$t unterlaffen, bie fi<h bis auf ben heu* 
tigen Jag, menn auch in milberen unb berän* 
berten formen erhalten haben. Son Italien 
Dabreitete fiep bie oitte nach Jrantreich, Gng* 
lanb, ©dhottlanb unb 9tmerifa. 

ödjon im 16. unb 17. Jaljrhunbert tarnen 
am Wbenb oor bem ©t. SalentinStag bie Jüng* 
linge unb Jungfrauen in Gnglanb unb Schott» 
lanb jufammen, jebeS fchrieb einen Warnen auf 
ein ©tüd Rapier unb warf es in ein f?äftd)en. 
Jie Jünglinge gogen bie Warnen ber jung» 
trauen unb bie Jungfrauen bie Warnen ber 
Jünglinge. Jet Jüngling hiefi bie Jame, 
Deren Warnen er aus bem Äaften gog, meine 
.Valentine," unb muffte baS gange jahr ihr 
£efd)üfeer fein. 

Selbft hodjgefteflte oerheirathete Serfonen 
uhtergogen fief» biefem ©piel unb fanbten einan* 
Da faßbare ©efchenfe. 


JJnö #trnnMid)t. 

ßa fff Sonntag Wbenb. Jn einem tleinen 
Dorfe ffrtalartbä, roo man an ftiflen Jagen baS 
Sfl&emurmet ber WteeresmeDen hören tonnte, 


herrichte heute mitber ©türm, ber bie grofjen 
Säume hin unb herbog unb ben unermeßlichen 
Ocean miithenb peitfdjte, fo baff bie fchäumenben 
SBogen fich tofenb an ben fcharfen fflippen bra* 
dpen. jurd) ben pfeifenben ©türm unb baS 
braufenbe Wteer tönten bie tlaren, beruljigenben 
Jöne ber $ird)englode, bie 9lrm unb Weid), 911t 
unb Jung beS JorfeS in baS ©otteShauS rief. 
Siele unter ben Serfammelten mifchten in bie 
Jöne ber Crgel ©eufger unb ©ebete für alle 
biejenigen, bie in biefer Wacht in ©efapr fchmeb* 
ten, unb in ber Jljat, es mußten harte ftergen 
fein, bie nicht ernftlid) in baS Sieb „für bie gur 
©ee" einftimmten, mit Welchem in biefem un= 
fiheinbaren ©tranbborfe ber ©ottesbienft oft 
gefcploffen mürbe. 

Jie ©emeinbe gerftreute fidj, unb ob bie ®e* 
bete unb Sob* unb Janflieber forgloS unb in* 
brünfiig aus bem f)ergen gefonimen waren, weiß 
. nur Ser allein, ber in bie bergen ber Wlenfdjen 
fieht. 9l(S ber ©eiftlidje feinen Sßeg über ben 
„©otteSader" nahm, feffelte plöftlid) ein ferner 
Saut fein Chr ; et horste fd)ärfer, in ber Gr* 
Wartung, baf; er fid) mieberholen Werbe; oberer 
bernahm nur baS ©töljnen beS WadjtminbeS, 
wie baS Wollen ber an bie Hüfte bonnernben 
SBogeti. Gr meinte, fid) geirrt gu haben, unb 
ging weiter, blieb aber bann unenlfd)Ioffen fteljn. 
SEBarum? 2BaS bewegte ihn? Gs mar ber ®e= 
banfe, ob baS ©tranblidjt wohl angegünbet fei. 
„Ju tannft bietleicht brabe WJänner bor einem 
SEBaffergrabe retten," fprad) eine leife ©timme 
in ihm. 9lber ©elbftfucbt flüfterte bagegen, eS 
fei ja nicht fein 91mt, baS Sicht angufteden, unb 
warum er befshalb feinen Wachhaufeweg in ein 
Warmes, behaglidjeS Jimmer bergögern folle! 
Gin 9lugenblid, aber au<h nur ein 9lugenblid 
beS ©djroanfen«, unb balb erblidte man bom 
Seuthttpurme herab einen langen Sidjtftreifen, 
ber weit in’S Wteer hineinfiel, biclleid)t um WJen* 
fdhen bom Jobe gu erretten, bie fonft am näd)= 
ften Wtorgen bie 91ugen für biefe Sffielt nicht mehr 
geöffnet hätten. 

Wtonate waren feitbem bergangen. Cft no<h 
hatte ber ©eiftliche an ben fernen Saut gebacht, 
ben er an jenem 9tbenb gu hören geglaubt, als 
er eines JageS einen 91mtSbrief erhielt, mit ber 
9lnfrage, wer bamals baS Sicht beS Seuchtthurms 
angegünbet habe. JaS 9lntwortfdhreiben gab bie 
gemünfehte WuStunft, unb nach einiger Jeit be= 
tarn ber ©eiftliche ein anfehnlicheS ©efchenf bon 
leiner geringeren Serfon, als bem jepigen ßai» 
fet bon Jeutfdjlanb! Gin Segleitfchreiben 
banfte ihm für bie Jljat ber 9)tenfd)lichteit, unb 
erllärte auf biefe SEßeife ben Saut, ber bamals 
feine 9tufmerffamfeit erregt hatte. Jurd) baS 
9lnfteden ber Sampe war ein beutfdies ©djiff 
bon gänglichem Untergange gerettet worben. 


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30 


tffyrißblttmr. 





®<m ettbtQin ©nab. 


fteigt mieber empor ber IjeiPge Bronnen, 

Uus Hacfyt unb Punfcl quillt er poll an’s £idjt; 
llnb mo er flutfjet, fpriefjen auf bie IDonnen, 
Hub jebe TDelle fingt ein preisgebicbt. 

ZMn feinem Hanb, gefdjmiegt ins (TannenbunfeP 
€in fyolbes JPunber, bas fidj nie erflart, 
(Erblüht im Sdjnee unb im Kryßallgefunfel 
(Djriftblume, bie ber (Seift ber £iebe näfjrt. — 


(Tbriftblume ift 3um (Engclsbilb gemorben, 

Pas Segen in bie ärmftc ^ütte bringt; 

Per Süben fdjauert, unb es glütjt ber Horben, 
TDemt itjm ber ^eier t^eilge Botfdjaft Hingt. — 
X}ört itjr fte tönen, ber Derfyeifjung Kunbe? 

Sie füllt bie Bruft beim frommen (Slocfenflang, 
Sie ftammelt non ber Kinblein frohem iTtunbe, 
Sie brängt 3um Beten, 3mingt 3um £obgefang. 

Kennft bu bie (Efyräne, bie pom (Sliicf geboren? 
Kennft bu bie £uft, bie aus ber Sorge bliifyt? 
Xjerbei, fyerbei! es ftrömt 311 allen (Tfjoren, 

Pie Be^en podjen, unb bie IPange gliifjt. 

Kus Kinberaugett ftrafjlt bas Pjeil ber <Erbe, 

2 lus XTCutterblicfen leudjtet Seligfeit; 

<£in 3 öM c i? 3 en tönt nad? (Tagen poll Befdjmerbe, 
Pie fyeiPge geit madjt jebe Seele meit. 


Per tymmelsgrufj gebietet: „(Sott bie (Ehre !" 
Pen IHenfdjen aber foll ber Triebe fein. 

Pas ift ber (Troft für jebe Sdjmer3ens3äfjre, 

Pas gef^t mie Balfam jeber IPunbe ein i 
Unb wenn mir 3U ben £id}terbäumen maüeu, 
(Seleitet pon bem Segen guter (Tfjat, 

Pann blütjet auf ber „XHenfd?en TDoltlgefallen", 
(Oirißblume fdjmütfet leudjtenb ifyren pfab. 

(Tönt benn, tyr (Slorfen, flammet auf, iljrKerjen, 
Komm, t^eil’gc ZTadjt, in beinern ^Jeiergang! 

Purdj £anb unb ITTeer, bein Darren alle ßerjen, 
Unb alles laufcfyet beinern Spfjärenfang. 

Kus beinern gellen Sterner^elte fenbe 
Hun mieber beute lichten Boten aus, 

Pa§ uns bein Segen ttjaue offne (Enbe, 

Unb bafj 3um (Tempel merbe jebes Xjaus l 



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(Kn Peiljnaifytsabfnb. 


31 


öin |0eii)mid)t0ab(nb. 

®on J. 8. 


Oer Sinter beS 3abreS 185— roar für bie 
ar&citenbe klaffen ber ^auptftabt beS preußi* 
leben Staate» eine ^eit ber Not!) unb beS 
(flenbs llie 5(rbeitSlofißfeit einerfeitä, bie in 
ifolfle f<h (echter ©raten anbererfeits ßefteißerten 
ireife ber SebenSmittel brauten biele yfamilien 
an ben ©ettelftab. Unb um baS ©laß beS 
(flenbS oott ju machen, brach mit bem ©eßinn 
Der falten 3^it fine S<harla<bfieber*6pibemie 
ciuS, bie flerabe bie Sohnunßett ber Firmen ftarf 
beimfucbte. SctS ärjtliche $unft Oer mochte, 
ßefcbab, um ber SJrant^eit ©infjalt ju ibun; 
aber in ben roenißften fällen ßelanß eS. Oie 
Sterbliebfeit unter ben ftinbern nahm täßlicb 
iu; Der 'ItnftedunßSftoff braue] ineiter bis iii bie 
Kaläfte ber ©roßen unb Neichen — unb baS 
ionft mit greuben beßaitßene fjeft ber Seih= 
nacht oerfebrte ficb heuer in bieten Raufern in , 
ein Jeft ber Sehmutb unb irauer. 9tm 
icblimmften unb bartnäcfißften toütbete bie 
JRranfbeit in einer faft ßanj oon Arbeitern , 
bewohnten e>trafte, unb hier loieberum in jenen 
beimpfen, feuchten ffellerroobnurißen, ben s -ßeft= 
bobten aller ifraufbeitsforinen. ftaft fein 2aß 
oerßinß, an bem nicht ber Oob feine Opfer ge» 
forbert hätte. 'Ilm äußerften ©nbe ber Straße, 
fernab Don ben übrigep Sobnunßen, ftanb ein 
einftödißeS Räuschen — eine £>ütte ber Nrniutb 
unb beS ©lenbS, fdjon feitntlich burdf baS 
Hußenroerf. Oie jerbröcfelten Steine in ber 
Stauer, bie üom Surm jerfreffenen ffenfter* 
rabmen, ba» febabbafte Oa<h—MeS jufamnten 
bot einen traurigen Nnblid bar. |)ier roobute 
mit ihren brei ffinbern, jroejJNäbchen unb einem 
ttnaben, bie Sittroe © —. Sie roar eine arbeit* 
iame. reinliche unb ftille 3?rau, bie ihre ßiitber 
mit ber^peinlicbften Sauberfeit fleibete unb 
manche e>tunbe ber Nacht mit Stäben jubrachte, 
um nur baS Notbbürftißjte für [ich unb bie lie* 
ben Abrißen berbeijufebaffen. 3abre roaren 
feit bem Oobe ihres NJanneS babinßeßanßen — 
3abre ber anßeftrenßteften Arbeit unb ber ßröß* 
ten ©ntbebrunßen. Sie oft hotte fie nicht ben 
le£ten 9teft beS ©robeS unter bie ,(Meinen oer* 
(heilt unb ficb bunßriß unb mübe auf ihr arm* 
.icbeS Cüßer ßeroorfen ! Sie manche Nad)t 
brachte fie nicht fcblafloS ju unb feufjte ja ihrem 
©ott um ©rleicbterunß ihres barten fioofeS! 
aber es fdjien, als ob fie $u allem ©lenb be* 
itimmt ßetoefen roäre, benn taum roar ©auline, 
bas jünßfte ber ftinber,_Jo roeit beranßeroacbfen, , 
baß fie bie Ntutter ber Schule hätte anbertrauen 1 
tonnen, als eine fchtoere ffranfpeit bas Stäbchen 


befiel. 3roar fie ßenaS, aber ein Nußenleiben 
blieb jurücf, baS fie für lanae Qeit 8 U iealidher 
Arbeit untaußlich machte. Oie Stutter feufjte 
roohl, aber fie berjaßte nicht; ßaltS ja boch um 
fo meljr bie fleißißcn £)äube ju teaen, bamit fie 
nacbbolte, roaS in ben baiißen Soeben ber Ärant* 
heit oon ihr oerfäumt roorben roar. Oie ©e« 
i fdjäfte batten ficb, ba es um bie SeiljnacbtSjeit 
roar, bebeuteub ßebefjert. Oie kirnten atbmeten 
auf. konnten fie bod) nun auf ©erbienft, 
wenn auch nur ßerinßen, rechnen. Nucp bie 
Sittroe 33. erhielt oon bem Seißroaarenßefchäft, 
für baS fie fepon feit fahren ßearbeitet batte, 
neue Nufträße. Ntit frifchem Nfutbe ßinß fie 
an bie Arbeit. Oen Oaß über ainß es — fie 
nähte fleißiß barauf loS; als aber ber Nbenb 
fant unb fie beim Sampenlidjt ihre Arbeit ber* 
richten foüte, rooUte eS nicht ßelinßen. ©in 
Schrecfen fuhr ihr burch’S lierg. Sie, roenn 
auch ihr 3lußenlicht fo fchroach »erben foüte, bafe 
fie ihre Nachtarbeit einjufteüen hätte, roaS follte 
auS ihr unb ben ftinbern roerben! Ntit fepmen* 
licken ©liefen fchaute fie auf bie fliitber, roeldpe 
bereits im tieffteu Schlummer laßen; bann leßte 
fie ihre Slrbeit bei Seite, beußte ihre fl nie im 
! ©ebet unb flehte ju ihrem ©ater im f>immel 
um ©eiftanb unb^iilfe. ©eftärft erhob fie ficb 
unb leßte ficb Jur fRube nieber. 31 (S fie am 
anbern Ntorßen ihre Arbeit jur $anb nahm, 
mußte fie ein ßut Obfit beffen, toelcheS fie am 
3lbeitb ßearbeitet, roieber auftrennen unb oon 
neuem nähen, ©ine Obräne fiel auf ihre 3lr* 

| beit, roäbrenb bie müben ffiiißer ben feinen ffa* 
ben burch bie Seinroanb joßen. Sit ber ßrößten 
3lnftrenßunß ßelanß es ihr, jum feftßefeßten 
Oermin bie Arbeit abjuliefern unb ihren ßerin* 
ßen Sohn, ber faum binrei^enb roar, bie aütäß* 
iidhften ©ebürfniffe ju befriebißen, in ©mpfanß 
ju nehmen. Sie ßonj anberS batte fie bo^ 
Berechnet! ©ine fleine ©briftfreube rooüte fie 
ben ftinbern bereiten, unb nun —bie Sebmutb 
überfiel fie mit Mßeroalt unb entpreßte Oprä* 
neu ihren Üliißen — roar auch baS ihr ßenom* 
men. 9lber bieüeicht ift $ülfe ba auch für fie; 
üieüeidjt fann Or. ©räfe, ber berühmte 3lußen* 
9lrjt, ber ja 9lrme unentßeltlich bebanbelte, fie 
ihr anßebeiben (affen! Neue Qoffuutiß belebt 
fie. Sie eilt naebfpaufe, leßt bie erhaltene 3lr* 
beit bei Seite unb ßeht in bie Sllinit beSNrjteS. 
Cb fie auch ftunbenlanß harren muß, ehe bie 
Neihe an fie fommt, — fie wartet, ©nblict), 
fie ift ber leßten eine, naht ficb ihr ber menfehen* 
freunblicbe 3lrjt. Sie floßt ihm in turjen 


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32 


• fön Peit)nad)tsabenb. 


©orten ihr 2eib. ©raefe unterfingt bie Slugen. 3' mmcr ; unb ber ftaffeeleffel bampfte «nb 
„5ür jeßt nic^t gefährlich!" lautet fein Urtljeil, jiichte, als wollte er fagen: 9tun ift’S 3eit, baß 
„aber Schonung, öußerfte Schonung ift nöthig, tljr ben ©totta bereitet, 
um baS gefchwüchte Augenlicht erftarfeu gu ,,©o nur bie ©lütter bleiben mag," fagte 
laffen." ©r gab ihr ein Slüfchdjen ©gen» enblidj ©inil, ber an ber Seite feiner Sd)Wefter 
toaffer, baS fie Borgens unb 9lbenbS äußerlich $lara faß unb gufdjaute, wie gefchicft fie bie 
anwenben fotlte. Sie bautt unb geht langfain bunten ©lumen gu gier liehen ©ouquetS gufam« 
oon bannen. men feßte. Sa tritt bie ©tutter ein. ffreubig 

Ser ©enb beS fjrefteS, ber heilige- ift herein» eilt ber Änabe ihr entgegen unb ruft ihr gu: 
gebrochen. ©eil flimmern bie Sterne bom ©im» „Sieh, ©lütter, ber heilige Gljrifl ift auch bet 
mel auf bie Straßen bernicber, bie an biefem uns eingefeprt, unb ehe bie ©lütter fragen fann, 
©enb einen wahrhaft gauberljaften ©blief ge» Woher biefe Sachen bemt fommen, ergab lt er ihr 
währten. Btlle 2äben finb hell erleuchtet unb in ben gangen ©erlauf. ©liibe unb hungrig bon 
ben Ächaufenftern prangen bie ausgcfuchteften bem Umherlaufen in ben Straßen unb mit 
machen. ®ie 'Bracht unb ffülle be§ ©Sgeftell» einem gang geringen Serbien ft in ber Safdje, 
ten bringt ber langfam bahingeljenben SBittwe ging ich bur<h ben 2nftgarten, um auch einmal 
frühere glüdlidjere Sage in’S ©ebädjtniß. ©ie bie ©errlichfeiten gu flauen, bie bort in fo 

« mar fiebodj ftet-S gemefen, wenn fie am reicher ©smaljl auSgefteüt finb. ©or einer 
,reS ©atten um biefe Seit hingehen unb Suppenbube ftanb ich ftiü unb febnute fepn» 
©efchente für bie,Qi aber faufen fonnte, — unb füdjtig unb berlangenb bie fdjönen Suppen an, 
wie freubig fchtug ihr baS ©erg, wenn bie fflei» Weil ich wußte, baß Sauline fo gern eine gehabt 
nen bann auf ein gegebenes Seichen herbei» hätte. Sch fragte nach bem ©reife, aber ber 
ftrömten unb ben brennenben Gljriftbaum um» War leiber fo hoch- baß, wenn ich auch meinen 
ringten unb über ihre ©efcheufe fo ßerglich gangen Stageloljn gegeben, ich fie bodj nicht 
fid) freuten unb bem ©ater unb ber ©lütter fo hätte faufen fönnen. ©etrübt wollte ich weiter 
freunblich banften!— „©orüber! ©orüber!" gehen, als ein bornehm gefleibeter ©err, ber 
feufgt fie, unb geht ftill weiter. Sie erreicht mich f<hon eine Seitlang beobachtet hatte, näher 
bie ©hurfürftenbrüefe. Stiller ift’S hier unb trat unb fid) nach meinem ©Itern erfunbigte. 
einfamer; fie fteljt unb fdjaut hinab in bie unter Sdj fagte ihm, baß ©ater fepon bor einigen 
ihr mallenben 9?lutl)en ber öpree. „Sort brun» fahren geftorben unb mir in feljr ärmlichen 
ten ift 'Jtuhe, ©ergeffenljeit, — ein Sprung bon ©erljältniffen lebten, ba ©eS, was uns bon 
biefer ©rüde madbt bi<h frei!" flüftert’S in ihrem unterem früheren ©oblßanbe geblieben, bereits 
Snnern. Sie fefjaubert. ©gft erfaßt fie unb aufgegehrt fei. ©ich fagte idj bem ©errn, baß 
©eben, ©ie feftgebannt fteßt fie unb fchaut in meine liebe Schwefter Sanline ein ©gen [eibett 
baS ©affer, in bem milbleuchtenb bie Sterne habe, unb baß bu, liebe ©lütter, Sag unb 9ladjt 
beS ©immels wiberftrahlen I Sa taucht bor nähen müßteft, um uns gu ernähren. Ser ©err 
ihrer Seele baS Siib ihrer leibenben Sodjter hörte aufmerffant gu unb fragte: Unb bie 
auf; baS©täbd)en mit ben blaffen ©angen unb Suppe, welche bu faufen wollteft, feilte wohl 
ben blöben ©aen, — bie fo fepr an ihr hängt, für bein franfeS Schwefterchen fein? S°- fagte 
unb bie ©eftalten ber beiben anberen ßinber ich traurig, aber ich fann fie nicht faufen, benn 
erfcheinen ihrem ©eijleSauge, unb — borbei ift ich habe nur Wenige ©rofcpeii heut berbient. 
bie ©erfudjung. Sie eilt nach ©aufe. $ann Sa lächelte er unb fagte: Su gefäUft mir, 
fie ben Sprigen auch nichts an ©efchenfen brin» kleiner, benn bu haft ein gutes ©erg, bu haß 
aen, baS ©efte ja giebt fie ihnen — fich felbft. bein Schwefterchen lieb, unb bie Suppe will ich 
Senn fie hat fich Wieber gefunben yi jener für bich laufen; unb fo ging er mit mir unb 
bangen Stunbe ber ©erfudjung; fie hat ihren faufte bie fdjönfte Suppe, welche in ber Sube 
©ott unb ©eilanb wieber, unb froh tritt fie in war; unb als ich mich bebanfen wollte, fagte er: 
ben Sfreiä ber Shcigen ein. ©arte ein ©eilchen, — unb er ging in bie 

©rftaunt bleibt fie an ber Spür flehen; benn Suderbuben unb faufte allerlei fdjöne Sachen, 
was fiep ihr geigte, war fo neu, fo überrafepenb unb bann fragte er mich nach unferer ©oljnung 
für fie, baß ihr bie ©orte fehlten, ihren ©e= unb fagte mir, er wolle uns befudjen unb feljen, 
fühlen Suft gu machen, ©f bem Sifcpe ftanb, ob er nichts für uns tpun fönne. S*h Wußte 
leudjtenb im ffergenglang unb fdjimmernb bon nicht, was ich foqen fotlte; fo freunblich hatte 
bergolbeten Stepfein unb berfilberten Ütüffen, noch 9liemanb mit mir gefprochen, — unb als 
unb fdjönem ©aefwerf, ein Glwiftbaum, unb im icb mich bebanfen wollte, mar ber ©err ber« 
Stuhle faß, eine fchöue Suppe im Ülrrn, ihr fchwunben. S<h aber lief, fo fcpnell ich fonnte, 
franfeS ffinb unb freute fich herglich über baS mit meinen Sachen nach ©aufe. 

Werthbolle ©efeßenf; im Ofen ftaeferte ein luftig Ser ©ittme liefen bie Sprönen über bie 
tfeuer unb berbreitete eine milbe ©ärme im ©angen; fie eilte gu ihrem leibenben ffinbe. 


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Googlt 



Jfrottßanttfffye ÜUjtologie. 


33 


id)IoB e§ in iljre 91rme unb tilgte es auf Die ften Sage erfdjien er in ber Söohnung ber 
blaffen ÜÖanflen. Sßittwe. 9IIS '-pauline ihn etblidte, ging fie 

„Butter, '.Ututter! ich bin fo glücfüif)," fagte auf ihn gu unb fügte ihm bie £anb unb büufte 
M? ÄiuD. „'Ssiefj’ nur, ttjie fchön bie ißuppe ift mit Don Spänen unterbrüdtter Stimme ifjm 
unb roaS für fd)öne 31ugen fie hat! 3(ch Will für fein ©cfdjenf, nnb auch bie Dtutter ftattete 
fiem lieben Dtann aud) ^erjtict) bauten, roenn er Sfßorte bes SanfeS ab. Set f>err erfunbigte 
ju unS fommt." fid) genau nach ben Verhältniffen ber SBittme 

„ÜRutterl" unterbrach Älara, bie ältefte So<h= unb üerfprad), itacb Prüften für fie ju forgen. 
ter, ba§ ©efpract), „ba ift noch (StwoS für unS @mil nahm er gunächft in fein ©efd)äft, ßlara 
angetommen ; ber tßadetbote brachte eS beute aber erhielt burd) feine gütige Vermittlung als 
iRadjmittafl, es fommt aus 3. Dom 0nfel." gefc^iefte Vlumenmadjerin einen guten Ißlafc mit 
Sie SSittroe trat berju unb öffnete baS spaefet. ijobem Sohn. 

©efdjenfe für bie Äinber waren es, bie e§ ent» Sie 9totl) ber Familie war gehoben. Sie 
hielt, unb julept enthüllte fidj ein großes, fein» ÜSittme athmete auf. 
gebaefene» ©hriftbrob. Sa war bes freuen S Unbergeglidh aber blieb ihr jener 2Beihn«d)tS= 
fein Gnbe. Unb als ber Kaffee in ben Soffen abenb; nnb baS Sieb ißaul tfflemming’S: „V3er 
bampfte, bie fDtutter mit ben $inbern um ben nur beit lieben ©ott lägt walten,"' blieb ihr 
Süd) her fafj, unb ber ©hriftbaum mit feinen SieblingSlieb für alle 3eiten. 2ln feinem herr» 
Sintern baS ärmliche Stübchen fo munberheU liehen Inhalt erguidte fie fich in ben Sagen beS 
erleuchtete: ba warS, als jöge ein SßeihnadjtS» SllterS, als ihre ßinbeSfinber fie fpieletib um» 
engel burch bieSRdume, unbSDtutter unb Äinber gaben. Shnen pflegte fie juweilen aus ihrem 
freuten fiep ber djriftlichen Siebe unb banften reich bewegten Seben au erzählen; unb Don 
@ott für bie erhaltenen ©oben. einem betfelben hat ber ferjähler bie borfteljenbe 

Ser freunbliche £>err hielt SBort. 9lm nach- ©efchidjte. 


<£ljaraUteri|ttlt ber proteftanttfdjen Ideologie unfern Jett 

®am ßbitor. 


f ütben mir ben begriff „Rheologie" babin 
erflären, baß biefelbe nicht# mehr fei, al# 
bloße SReligion#miffenfdaft, fo machten mir 
un# einer Veräußerlichung fdulbig, melche 
ba# Beitalter ber fogenannten mfflärung femt- 
leidnet. ( 5 # gilt vielmehr, meitcr unb tiefer &u 
greifen, unb mir befiniren baher: ,/Da alle Sheo- 
logie auf bem Ghriftenthume beruht, bieje# aber 
nidt# anbere# ift, al# bie vofitive, georfenbarte SRe= 
ligion vom ©eile in ßhrifto, fo bürfen mir nidt 
blo# bem 2 Bortlaut nach beuten itnb einfach fagen, 
X beologie fei bie Sehre von (Sott; fie ift vielmehr 
Die burd ©otte# ®etft vermittelte 2 Biffcn= 
fchaft von flötHidjcn Gingen, bereu .(lern tiefer 
liegt, al# ba# 3 nteilettuellc, nämlich im 
derzeit, unb melde einc#theu# mohl im üBiffen 
befteht, anberntheil# aber gemifjlid auch eine Sc= 
beuiaeftaltmifl, ein habitus practicus ift." 

jjoii biefem Stanbvunft au# foll ber Verfitd 
gemacht merben, bie heutige Rheologie be# Vrote^ 
»ranti^mu# 311 fennaeiduen, unb amat fei vorau#= 
aetdieft, ba§ ich bie ©aimtmomente biefer ßhata^ 
reriitifin ber ©ntfeheibung entioeber für ober 
qeaeti »ofitiven Sihelglauben erfenne, umrau# fiel) 
mit ber Heit einerfeit# bie Scheibung smifchen 
cen ud aeaeiiuberftehenbenSlemeuten, unb anDrer= 
S 11Ä herung be# ©leidartigen geftal^ 

h fi* immer mehr unb mehrenhuidelt. 2Bie 
fere mib fiep c | nc ©runburfade erzeugten demi= 

Sufammengehbrenbe frvftal= 


lifirt unb von bem Stentbartigen trennt, fo hat ber 
6 ntmi(felung#gang ber broteftantifden Rheologie 
eine filuft gefdaffen, melche burd feinerlei ®er= 
mittelung fo leicht 311 üherhrücfen ift, mährenb 
bie Älämven auf Oer einen mie auf ber anbern ©eite 
fich enger anetnanber angcfdloffeu haben. 

Bur richtigen Seurthcilung biefe# ©idtung#= 
unb ©ammlung#vroaeffc# ift vor allem bienlid: 

1 . 

Sine kurje, gefdjidjtlidje Seberftdjt 

®a bie 9?cformation bie SÄutter be# $roteftan= 
ti#mu# unb bie Quelle feiner Rheologie ift, fo ha= 
heu mir 311 ihr surfnf.wfehrcn, um bie ©runb= 
brinsivien fenuen 3 » lernen, melche fich mit her 3 cit 
311 ben gegenmärtigen Srfdciuungofonnen cnhuirfel? 
ten. Qer erfte btejer refonnatorifden ©runbfäbc 
fefete ber f i r ch l i d e n © l a u h e n # Vermittlung 
bie ©driftautorität entgegen, proflamivte alfo 
Sreihcit von aller ä u § e r e n i(evor= 
m u nb u n g unb © eh u n b en he i t an ba# 
JS 0 r t; ber ameite trat ber m e n f d l i d c n 
©eilävermittelung mit ber SR e d t f e r t U 
gung burd ben ©lau ben entgegen unb 
lehrte fomit bie m a h r e r e i h c i t be# SD^enfden 
burd feine ©ebunbenheit an ©ott mittclft eine# 
rein innerlichen ©lauben#verhältniffe#. 

Sin# biefen bcibeit ridtigen ^rincivien von ber 
! mähten Freiheit unb mähren ©ehun* 
3 


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34 


Jfroteftantifdje (Sljeoloijte. 


Den beit Xaffen fich bie ©auptrichtungen ber ge= 
enmärtigen Dbeologie ableiten, inbem im Saufe 
er Beit hier baS eine, bort baS aubere 3 Koment ju 
einem falfcbeit ©epengemicbt fomrnt, unb fo in fern 
»erfehrteS ©egenbilb umfddägt. Die ®ebunben= 
beit mirb burcb SoSlöfung von ber fjrcibeit beS le= 
benbigen ©laubenS aut tobten OrtboboxiebeS 
Seienn tniffeS, 311 nt ©onfef f ionaliS= 
m u § unb bie Sreifteit mirb bnrcb Unterorbnung beS 
©laubenS unter bie fouoerain gemorbene Sernunft 
aurBügellofigleit, morauS bie Ser n ei nu n fl, b ie 
Säugnuitg, bie liberale, bie s 2 luflöfungS= 
the 0 logie entftanb. ©lüdlidjcrmeifeaberhatfid) 
im Saufe beS biftorifcbeit SrojeffcS auch eine 2 heo- 
logie feit auSgebilbet, melcbe auf bem ©cbriftgrunbe 
rubenb, bie burcb baS SBort oebingte ©ebunben- 
beit amar bemahrt, aber bie burcb beit ©cift erzeugte 
Freiheit auch anerleitnt unb befißt, unb — obue in 
ßonfeffionaliSmuS 311 oerfallen, bcmtocb baS lircfc 
liebe Selenntniß febäfet. ©S ift bieS bie auf breiter 
©ebtif tgrunblagerubenbe biblifcb'Orthoboxe 
Dichtung, melcbe in alten Säubern unb allen 
Bungen taufenbe tüchtige SRepräfentanten bat. 

Den biftorifcb'fritifcben $roje| in feinen Sinaek 
aügen büitbig marlirenb, ergiebt fiefe, baß halb nach 
ber Deformation in Deutfdjlanb, inber©d)meia, in 
©lanbiuaoien mie in ©ollanb unb Snglanb— 
meüeicbt alSFolfle ber mächtigen SefenntnißlämDfe 
— bie ftarre, tobteSelenntnißgläubigleitanS 
Duber tarn. Saum batte Sutber in Deutfddanb 
bie^lttaen gefcbloffen, alS bie burcb ihn niebergebaU 
lenen ©egenfäfee 31t &age traten — bie ftreng coti- 
feffionelleDid)tung, bereu ©aupt FlaciuS mar, unb 
biemilberc, eoangelifdje ^raftion mit DMancbthon 
an ber ©pifee, meldet Stampf mit bem Siege ber 
exclufioen Decbtgläubigleit enbigte. 3 n ber @<hmei3, 
in©ollanb, in ftvanfreid) unb ©cbottlanb biltirte 
berßaloiniSmuS fein ftrengeS©laubenSbeIenntniß, 
Oon bem abunoeicbcn alS$etbred>en galt, unbmel- 
djeS nur auf febmeiaerifdjem Soben burd) 3 mingliS 
©umaniSmuS etmaS abgefcbmädjt mtirbe; in ßng= 
lanb aber bilbete lieh eine©taatS 4 litd)cnoerfaffung 
auS, toelche betreffs cottfeffioneller SluSfdjließlicbleit 
nichts au münfdjen übrig ließ. 

Diefe ftarr gemorbene Sklenntnißaläubigleit 
fonnte meber auf baS 3 utelleltuelle befruebtenb 
mirfen, bemt fte oerfd)lo§ aller Forfdntng bie Dhüre 
burch baS unerbittliche ßtebo, noch mar fie im 
©tanbe baS ©era 3U ermänneit, ober lebensfähige 
Defultate 311 eraeugeit. 2 BaS SBunber beim, baß 
ftch gegen folche ©rftarrung chriftticher SBahrheit 
Smpöruitg entmirfelte unb in ber fogenannten Stuf- 
HärungSaeit beS porigen 3 abrbunbertS ein 3 p 
fefeuitgSproaeß oor fich ging, meldjer ber tobten lut^ 
iboborie baSSanner entriß, aber im meiteren SSer= 
laufe Pie cbriftlidjc SBahrhcit felbft bebrohte. Unb 
mar ift eS nicht aunäd)ftDeut)d)lanb, mo biefe 3 ers 
efeuitg begann. Dein, baS maS fich in 3 talien atS 
©umaniSmuS bargeftellt, maS in Snglanb ftdj in 
ernftem Srotcft als DeiSmuS geltenb machte, unb 
in Sranfreich alS SltbeiSmuS unb 3 RaterialiSmuS 
alle Dämme burdjbracb, baS fammette fich in 
Deutfdjlanb 311 einem immer mächtiger fich erheben* 
ben Stampf gegen bie ftarre Orthoboxie unb gegen 
baS chriftlühe Dogma. Die foitoeräne Sernunft 
beflieg ben Sbton unb in allen Sänbern ber Defor¬ 
mation entftanb baS, maS heute unter DaiionaliS* 


muS vulgaris belannt ift, melcher, ohne ftÄ mit tie¬ 
fer Äritit 31t befaffen, bie Ueberuatürliddeit einfach 
läugitet, bie Sibei nad) ©efallen auSlegt, unb eub= 
lieh fo trioial unb gefdnnarfloS mirb, ba6 fchlie§= 
lieh ? 5 rebigten über bie Scbanblttng. beS Dinboieh$ 
gehalten unb gebrudt mürben ; ba§ ber Sbilofoi)h 
Äant ben bamaligen Srebigtftt)l „tollgemorbene 
Srofa^ nennt, unb eS meber in Deutfdjlanb no^h 
©nglanb mit mar 3U ber 9 )?einung: 

,,^cb bab’ eS öfter rühmen hören, 

Sin ßomöbiant fönnt einen Pfarrer lehren." 

©at biefe Dichtung aud) ein3elne gan3 tüchtige 
Sßänner mie 3* ©emler auf3umeifen, unb 

mufe bem alten DationaliSmuS audj baS Serbicnft 
3ugefchrieben merben, ben erftarrten Formalismus 
gerfcblaaen 311 haben, fo ift fein (Sinflub auf bie 
Sbeologie, fomie aufs Scheu ein höchft beflagenS= 
mertber gemefen, unb hat biefe SBemegung Diele cha= 
rafterlofe SHenfchen, bie fich Theologen nannten^ 
mie 3. 'S. ben berüchtigten Ä. F. Sahrbt hcrDor^ 
gebraut. 

©inseine SJJänner smar haben auch in jener 
©Dod)e feft auf biblifcbcm ©runbe geftanben unb 
leud)teten mit ©otteSlid)t in ber Fiuftemi§. 3 m 
©ansen iebod> mar bie Stheologie alS 3 Biffen= 
ebaft unb alS Sebengeftaltung hoch gar 
ehr bcrabgelommen. ©ott ber föerr aber ermedte 
ich in ©Dener, Binfenborf unb SBeSlet) 9Berf3euge, 
?ie oerborbeue Rheologie 311 reinigen unb 311 bele= 
ben; benn mx in biefen 3 Kännern nur bie 33 e= 
grünber ber neueren inneren 3 Kiffion ficht, ber be= 
urtbeilt fie offenbar unriddig. 3ft ber burch©pener 
in’S Sehen gerufene $ietiSmuS auch feine Sebrridh- 
tung 3U nennen, fo mirfte berfelbe bod) baburth 
fehr bebeutenb auf bie Sehre, bafc baS beinahe 
Derbrängte dmiftlicbe Sehen mieber in ben SSorber^ 
grunb geftellt mürbe. Binfenborf bat mit feinem 
uRotto: ußeine $affion m nur ©r — bie bamaltge 
Rheologie bei ber 2ld)illeS=Ferfe gefaxt unb SEBeSleD 
beeinflußte burd) feine flaren begriffe über bie 
©ünbe, bie Deddfertigung, bie SRicbergeburt unb 
bie ßeiligung, fomie burd) eine DarftellungSmeife, 
melcbe biefe ©üter 3 cbem alS realen ^Beftfe anbot, 
nicht allein feine Beit/ fonbern hilft heute noch in= 
nerhalb unb außerhalb metbobiftifdjer Steife an ber 
©eftaltung tbeologifcher JJbeen. 

Freilich enbigte mit bem ©ingreifen biefer 
©otteSmänner ber ©id)tungSmco3eß noch nicht; 
berfelbe ift heute noch nid)t beenbigt. Slber jene 
93 emegungen beseid)nen eine ©Dodje in ber 2heo= 
logie, in melcher bie ©aimtfacbe fo feft ge ft eilt 
mürbe, baß fie feitbem nie mieber ber SBelt oerloren 
ging — baß nämlich ächte Rheologie ächteS, Drafti^ 
fcheS Shriftenlebeu 311 ergeugen habe, baß fie nicht 
bloS ein fDeculatioeS SDBiffen, fonbern eine innere 
SebenSgcftaltung, ein habitus practicns fei. 3 Rögen 
auch um jene Beit/ ober etmaS bamad) bie Dach= 
beter SantS ihre Vernunft in allen möglichen unb 
unmöglichen Srittfen oerfucht haben, hatten auch 
ber 3 bealiSmuS unb ©chöngeifterei 311 Slnfang be^ 
19 . 3 ahrbunbertS ihreSlütheaeit, mußte bie Offene 
barungSlehre mit ber SlufföfungSfritif fbäter auth 
einen Sampf auf Job unb Sehen beftehen, unb fam 
fte auch in neuefterBeit in ßontact mit ben Datur= 
miffenfehaften, fo eroberte fie fich feit bie bi blif che 
Rheologie alS Semußtfein oon gött 5 
liehen Dingen feit ber BeitBiufenborfS unb 


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^roteflantifdje Bljeolocjie. 


35 


ffiefcletö immer wettere Oebieie, befeftigte biefelbe 
aßffiifficnfdjaft unb brang auf ßntfcheibung unb 
cdjeibuna. 

®et Iefete ©dmtt in biefer tbeologifchen Äldrung 
ift ohne Bweifel bttrch ba3 Srfdjeinen be3 geben 
jefu oon ©>trauß (1835) ungebahnt worben. liefet 
aß ob bteS 2Bcrt ein epocbema&enbeS fei in b e m 
Sinne, baß non ihm fdwpferifhe ©ebanfen au$s 
gegangen. 3m ©egentbeil. ©eine pofitioe fftaft 
iftSuU, befto gröber aber feine gerftörenbe ©irfung 
getoefen. ®affelbe bezeichnet nicht eine ßpoche, 
wobt aber eine Urife, in welcher Streunungen flatt= 
fanbett, 3Unfionen gerftort, Halbheiten unb Uit= 
fiaTbeiten aufgehoben nntrben. ®er tbeologifchen 
Seit gingen bie öligen auf. 9Kau fab beutlih, 
ba§ e£ gelte, ftdj zu etttfdiciben, bah bieStrauh’fche 
Sahn nirgenbS anberS hinführen fonne al$ zum 
atbeiftifchen Beuerbach unb non ba zum material^ 
üföen Karmin. ©ent bie Offenbarung noch 
tbeuer war ? {(haarte ftcb' um bie Schrift, unb in ber 
ganzen cferiftltchcn ©clt wirb feitbem beftimmter 
al£ ie zunot bie Srage gcftcllt: Süßt beine Sbeo= 
logte auf bein ©chriftgrunb obetauf ber aitflöfenben 
Äritit, aeborft bit zubenfßofitioin ober Segatioen? 
Sine Kluft ift bureb ben bamalS entftanbenen 
ffam^f {jetdjaffen worben, fdjdrfer begrenzt unb 
weniger uberbrürfbar al3 ie. 

Rmar bat bie fogenannte SSermitttungStbeoIogie 
in ©nglanb fowobl wie in ®eutfchlanb ficb ehrlich 
bemüht, bie ©egenfäfee auSzuglcichen. 9113 Sater 
biefer Sichtung barf ©chleierittadjer bezeichnet wer= 
ben. ©eboren anno 1768 zu fflreSlatt a(3 ©obn 
eineS *felb*>rebtger$, welcher ficb zu ben Herrnhutern 
hielt# in berrnbutifeben 9lnftalten erzogen unb zu- 
gleich mit tiefem gorfdjtingägeifie begabt, legte er 
oa§ ©efen ber Religion in$ ©emüth unb bemühte 
ficb bem religiöfen Semufitfein wtffenfchaftlichen 
Hu3brucf zu oerleiben. ©djleiemtacher mar atfo 
»ie bazu gefchaffen, ben ßonflift zwifchen ®ogma 
nnb ber 9luffldrttng au3zuföhnen, unb eine Selis 
«ton zu bieten, welche bem Kerzen genüge unb ben 
itrenaften Semitnftforberungen ber ©ebilbeten ent= 
frreme. freilich — erreicht bat er biefeS Biel trofe 
unlieben ehrlichen ©trebenS auch nicht. ®ie einen 
beiden ibn einen unoerbefferlichen Orthobojen, bie 
anbern einen oemüitftelnben Sationaliften, je nach 
bem ©tanbpunft. 3tber trofebem er fein ?|beat 
nicht erreichte, ift bttrdj ihn hoch bebeutenbeS ge= 
Wonnen worben. ®a§ nämlich, wa§ ©pener, 
Btnfenborf unb ©eälet) im prafiifchen 33olf3leben 
bemonftrirten, bewies ©djleiemtacher ben ©ebil= 
beten, ben Stbeologen feiner Beit: bah grönts 
migfett unb tbeologifhe ßenntniffe 
zweierlei ®inge feien, bah fie aber in 
ber achten SEbeologte zufammen gebb= 
ren. @r wirb be^batb auch öftere berffiaterber 
mobemen SEheologie genannt. 

Bn ©dtfeiermacberS „oermittefnbe guhftapfen" 
finl> in aßen proteftantifchen Sünbern eine ganze 
Seihe t>on bebeutenben 3Rännern getreten, welche 
(8 fuft }iir 2fnfflc.be madBten, bie «iMeftte mit 
allen Sfnforberitrtflen bet TOnfAaft in Ue6mtn= 
ftimmunfl »u Sruiflen ®ie „©taubmen" btefet 
.Kermittfer" aber haben halb erfannt, ba§ bie un^ 
aMubtae Stcitit gotbemngen ftetle, welchen oom 
Witan^mrnK faum ©enüge geteiftet werben fönne, 
SWS&t«e<i«Hon nicht um SSerftänb U 


aung, fonbemum Slnertennungzu tbun fei. 
man errannte, ba§ mit ©albbeit bbhftenö eine 
äSerftedbütte, aber fein ©ebäube errihtet werben 
föiute, ba^ bem ©türm wiberftebe. 5Dian erin^ 
nertc ficb an ben 9lu$U>rud) gafauette’Ö, wcld>er einft 
fapte: 3Kenu§ erflärt wirb 2 x 4=8, unb ein 
©ifefopf behauptet eä fei zehn, fo fommt ber ®ers 
mittler unb fpriebt falbungoooU — 2 X 4=9. 
Sbolucf^ JluSfprucb, bafz bie Söabrbeit nicht in ber 
2Witte, fonbem in ber &iefe läge, umrb beherzigt, 
unb eitbltd) fam e^ foweit, baf* oan Ofterzee, wohl 
etwaö ftarf aufgetragen — oon SBetterfabnens 
2Bei3beit unb 6bamäleoit§tbeologie fpriht. ©eute 
gehört biefe 3?ermittlung3tbeologie bereite ber 3?er= 
gangenbeit an unb untere zurßutfcbcibung brdn= 
genbe Beit bat auf baä Samter gefdjrieben: w 9ßa$ 
man ift, ba^ nui§ man ganz fein." 

SBerfen wir nun einen s !Mitf auf 

II. 

Pie gegenwärtige Situation, 

fo ftnb brei ©eftattungen, bie au8 bem gcfdndjts 
lieh fritifeben ^>ro 3 e§ beroorgegangen,.unSentgegens 
treten: 

1) ®ie 3iichtung, welche unter bem 
SJanten — liberale, moberne % beolo= 
g i e b e f a n n t i ft; ein gar weiter, bebnbarer 
Scgriff, unter ben fowoblberjenige fommt, welher, 
feine äöei^beit zur Schau tragenb, am SBorte ©ot- 
te3 herum „flügelt," al^ ber SRaterialift, ber au^ 
irgenb einem ©runbe ben tbeologifd)en 3Rantel 
auöbdngt. ©o oerfdnebenartig aber aud) bie 9lb= 
ftufungen unb ©ebattiruugen biefer Sichtung fiitb, 
fo befennt fie fid) gemeinfhaftlid) zu bem ©afce — 
bie Älarbeit mu§ 90?a§ftab ber 9ßabr= 
beit fein, womit gefagt ift, bah 9l(le§, wa§ nicht 
oor bem 33ernunftrccht be§ Einzelnen beftebe, oer^ 
worfen werben müffe. ©o Idugnen benn biefe 8i= 
beraten entweber alle§ Uebematürlid)e in allen fci= 
neu formen, in ber Offenbarung, im SBunber wie 
in ber ©ebetoerbdrung; fie nehmen ein wenig 3Ro= 
ral auä ber heil. Schrift unb oerwerfen beinahe 
alleö Obieftioe berfelben, oomebmlid) ben ©ott 
menfdten 6hriftu£, ben fünblofen SJefug, feine äba- 
tcn. feinen Opfertob unb feine 9luferftebung. Ober 
biefe 9)2eifter itlug fortiren ba€ heilige 9Bort unb 
fagen, biefe ober eine anbereSBabrbeit fef anzuneb 5 
men, iene bagegen zu oerwerfeit. ©ie laffen fith 
ben Fimmel gefatten, Idcheln aber über bie ewige 
ßdtfenpein, fchwdrmen fürUnfterblichfeitunb zuefen 
fnperflug ob ber biblifchen 9(uferftebung3lebre bie 
Slchfeln, unb wa§ bergteid)en Serntmfteleien mehr 
ftnb. 

3Robem unb ben 3Renfchen febr genehm mögen 
folcheSbeorien wohl fein, Rheologie aber ftnb 
fte in fo fern unb in fo weit nicht, al$ fte ßbrifto 
feine ©ttlbigung barbringen ; ba§ Stbieftio „liberal- 
mobern" bebt ba3 ©ubftantio „Sbeologie" auf unb 
fo febr man auch bie Slufridjtigfeit unb ben Kruft 
tbrer ©ortfübrer febdfeen mag — ehrt ft lieh ift 
berfei Sbeoloqte ni^t. ©at fte auch auf bem ©es 
biete ber Äfritif mand)e§ lüdjtige geleiftet — fühlt 
unb weit fte auch ben junger, fo rann ber ©ttnger 
bodj fein ©rot heroorbringen, am wenigften ba3 
Srot Pom Fimmel. ®a§ ©emütb Idßt fie ttnbes 
friebigt ttitb ber SSerftanb wirft ihr immer neue 


c 


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Jfroteftantifdje QHjeologie. 


36 


fritifche fragen entgegen, beim e3 ift wahr, v>a3 
©ierfon fchreibt: »Die moDerneDheologie leibet an 
SBibcrfprüdjeu, bie ficö fein ©hilofoph aefatlen 
läßt." Sie ift weber aum 8 eben ttod) 311 m Sterben 
gefchidt, faitn bei bem fteigenben 6 rnft bet Seiten 
nicht als bewahrenbeS Sali bienen, mit ihren 
ftrageieichen feinen wirtlichen Droft am Sterbe¬ 
bette bringen unb feine vernünftige Hoffnung auf 
einiget Sehen werfen. 

2Ber fid) auf biefeit fdjlftvferigen ©oben wagt, 
unb barauf fteht, ber ift in ©efahr, im s Jiihili3mu3 
3 tt verfinfen. ®irb eine d)r ift liebe 'JBaßrheit ge= 
läugnet, weßhalb nicht and) bie zweite? 95on 
ber Verwerfung ber Offenbarung ©otteS 311 
ber 53 e r n e i n u n g © 011 e 3 ift ber Schritt nicht 
fo gar grob. 2Ber aber einmal ©ott vcrläugitct 
unb ben SRenfdjen auf beit göttlichen Dhron gefefet, 
ber hat nicht mehr weit gut Scugnung bc3 9ßcfen3= 
unterfchiebeS swtfcfien 3?atur unb ©cift; er läugnet 
jnlefet bie menfchliche Freiheit unb (anbet beim 
9Rateriali3mu3. 

Straub unb buitbert anbere haben biefen ©ang 
nach Abwärts burchgemacht. Von ber 8 äugntmq 
beS SbrifteuthumS a(3 g e f ch i ch 11 i d) e O f f e n= 
fcaru ng *ur Saugnung be3 ©ottc3=, alfo be3 
3teligion3 begriff e3 ( s ?lthei3mu3, ©anthciSmuo) 
unb von ba ;ur Säugnttng bc3 © c i ftcÖ al3 einer 
felbftftänbigen Subftans unb 311 m 3Ratcriali3mu3. 

Daß biefer cstrcinfte Flügel ber SRobcrncn auch 
burcßauS nichts SebeuSfähigeS al3 3Jefultat feiner 
Dheorien aufwweifen hat, barf nicht befremben, 
beim au*3 nichts wirb nicht3; auf 3iul(cn läfft fich 
nichts grunben. 63 öffnet ftch ber s Jlbgrunb beS 
SRihiliSmuS. 

Diefe moberne ^Richtung ift in ber gameit brote- 
ftantifchcn JBelt weiter verbreitet, alS mir unS oft 
Vorteilen. Sic 3 ählt ihre Anhänger in allen 
StaatSfirdjen 31 t Daufenben, fte birgt fich unter 
bem Derfmantcl ber 3t echt gläubigfeit, ober tritt 
offen hervor wie im ©roteftantenverein in Deutfch= 
lanb, me (eher — getreu betn meiten ©egriff — Qr- 
thobo^e, liberale, ©antheiften unb iRaterialiften 
jufammenfaffen will — fofern fte nur baS ethifche 
©rin 3 ’tv (?) beS 6hriftcnthum3 fefthalten. 3n 
(Inglanb unb ben ©er. Staaten, mo bie ©rüubung 
freier ffirchen verhältnißmäßig leicht ift, fammelii 
fich biefe 3H fernen in freien ©emeinben unb in 
ben Uiütarifchm ober Univerfaliftcn Kirchen, aber 
auch in ben anglofädjftfchen Säubern fiuben fich nur 
311 viele, melche, obwohl unter ftrenger SonfeffionS- 
ober ortßobojer ©ibelftxgge fegelnb, nur all 3 ii fchr 
von ber ihobernen Dheologie belerft unb angefierft 
finb. 

SBihrenb nun biefe 3tid)ttmg bie evangelifdje 
Freiheit mehr ober weniger tu ijügellofigfeit ver= 
rehrte, glaubte eine anbere, bleiern unb aitberen 
Uebeln babureb begegnen 31 t muffen, baß fte bie 
evaitgelifche Freiheit burch baS untaugliche firdj* 
liehe ©efenntiüß fneeßtete. DieS ift 

2 ) Die rabifale 23efenntni§gläu= 
bigfeit, ber SonfeffionaltSmuS. — 
Stnihtt m ©hdjt be3 evangelifcheu ©lattbenS 31 t 
greifen, flieht man jmrürf 3 itr 33 ?ad)t ber©ergangen= 
heit, 311 m 17. 3ahrhunbert, unb ftellt ben Safe auf: 
“Teneamus, quod ubique, quod sernper, qnod ab 
omnibus creditnm est.” (Die Dheologie be3 fieben- 
sehnten 3ahrßunbertS, fte ift bie berechtigte 9Rei- 


ftcrin beS neunzehnten.) 3a, biefe ßonfejfionalen 
gehen noch über biefe SReifterin, über bie Stefor- 
matoren hinauf, ©engftenberg, ber ©ater beS 
reftaurirten SutherthumS, unb ©ufev, ber ©rünber 
ber hochfird)iichen ©artei in ©itglanb, merben von 
ihren Schülern unb 3tachfolgern in ben Schatten 
geftellt. 

Der ©ritnbgebanfe biefer Strömung ift, einen 
faframentalen ©otteSbienft hcrwftellen, ba3 Sa- 
rrament sum Vermittler beS ftcilS 311 ntadieu, unb 
ben Elitär über bie itansel 31 t erheben. So mirb bie 
Daufe 3 ur 25iebergeburt, bie 3tedftfertigung eine 
reale 8 ebcnSmittheilung burch bie Saframente, bie 
wahre Äirdfe ift eine fichtbare, unb 31 t ihr gehören 
alle, bie getauft finb, bie 2lmt3gabe ift burch bie 
aboftolifche Succeffion real mitgetheilt, 6hriftu3 ift 
im 3lbeitbmahl real gegenwärtig, Orbination unb 
Konfirmation finb faframentate .^anblungen. 2 ln 
bie Stelle ber fatholifdien ©ifchöfe treten vroteftan- 
tifdie Dhcologett, an bie Stelle be3 ©avfte3 bie 
3teformatoren, mtb au3 ber ©laubenofirchc wirb 
eine 6 onfcffion 6 fircbe. 

Diefe „r e i n e 8 e h r e" (?) ift ba3 Stichwort, bie 
ßrone, ba3 unveräußerliche £eiligthum be3 6011 - 
feffionali3mu3, unb anathema sit, wer ein Ditelchen 
bavon aufgiebt. &er$euSfrömmigfeit wirb vom 
Dogma verbrängt, bicfe3 aber ift nicht ein von 
3niten hcrau3geborenc3 3tefultat, foubern eine 
äußere Formel, ein Dtedjenexempel, beffen Aufgabe 
ift — richtig 31 t rechnen unb feine Sonfequens su 
f dienen* 

Daß biefe Strömung nkht mehr weit 3 «m Äfa= 
thotUiSmuS hat, liegt auf ber $aitb. Darum liefen 
äugeln auch viele Jyührer biefer 3 iichtung mit 9tont, 

K " r fathoüfche fi'irdjcuhegriff wirb von manchen 
6 ifcrer gcrabe 3 U für ben red>tcn erflärt, unb 
Dhrenbcichte, Slbfolittion unb lefete Celung finb 
von beutfehen 9Jcu=8uthcrancrn, wie 8 öhe, fowie 
von bem änßerftcn Flügel ber ©ufeviten in 
lanb einftcführt worben. 

3Rit biefem abftraften Dogmati3mu3 hängt bie 
äußerlich iuribifche ©cwei3führung über ba3 Äir= 
d)enred)t unb ben 3tcd)t3beftanb ber £irdie 3 ufam= 
men, weldier in bem Sahe.givfelt, ber ffirche fei 
ba3 Dafein al3 u it g e m t f ch t e © e f c n n t n t §= 
f i r ch e b u r ch bie 8 a n b e 3 r e ch t e, unb 
fomit burc© ba3 ©ölferrecht garan- 
tirt* (ffliefoth). Unb laufest man ber Sprache 
mancher ber Suthcraner in ben ©er* Staaten, fo 
Knute man 3 ur SDZeinung veranlaßt werben, a(3 ob 
jelbft hiet 3 ulanb nur ba3 3Jeu=8utherthum su 3fecbt 

Erinnert al(bie3 nur al( 3 it fehr an ben 3iomani'3= 
ntu3, fo hat biefe fttichtung auch nod) ba3 mit bem- 
felben gemein, baß fie überall burthgogen ift von 
ben Äufchauungen unb ©ebanfen ber ©egenwart, 
angefreffen ift von ber mobernen ©hilofovhic, bie 
fie betämvft, unb währenb fie bicfclbe im 3 nncrn 
verabfeheut, ftch mit ben formen ihrer ©ilbuna 
fchmüdt* Unb ba3 gerabe giebtihr ben vifanten 
©etgcfchmacf, barin liegt für fte bie 2 Röglid)fcit, 
fid) mitten in bie 3 eit hincinsuftcllen. 

9luch ba3 SRcrfinal ber inneren Zerfahrenheit 
unb Uneinigfeit hat ber6onfefftonali3mu3 mit bem 
3tomani3mu3 gemein. 6 r macht ben ©erfuch, ein 
große3, ungetheiltcS 3icich 3U errichten, nnb rteebt 
bie ffefeerei auf eine SDteile 6 ntfernung, fann aber 


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Sirdjlidjfö aus $ttbbeutfd)lanb. 


37 


kine ©etebter nicht unter einen Hut bringen, von 
betten wobl gejagt werben barf: „ßiit ^cfllidicr 
Wjt baS ??leifcl) feiltet 3lrtuc3, ÜWanaffe beit (vph= 
raim, ßpbraim beu 2)Janaffe, unb fie heibe litte 
einaitber unb wiber 3ubaut." (3ef. 9, 20. 21.) 

$at biefe ^Richtung and) ba^ ©erbtenft, mattdjeS 
ittm ©erftänbntf; beS altteftamcntlicfeen SaiioitS 
oeiaetragen $u haben, unb bat fie and) bie evan= 
aeliffbc Dbcologie auf baS anbeve 311 vertneibenbe 
(fettem aufmerffam gemacht, fo bringt biefelhe bodj 
in feiner 23eife 2Rärf)tige3 unb ©eri unb Cebett 
Uinaeftaltcnt'cS bervor. ©anbeli eS fid) barutn, . 
beit Angriffen beS Uitqtaubcn^ 3 U begegnen, fo 
nüfet eS wenig, wenn fidj ber SonfefftonaliSmuS tu 
fein ^immer aitrücfüebt, ba ia baS ganje HauS, bie 
jemetnfame ©runbanfebauung, wovon alle Sott* 
teffioneit auSgcben, bebrobt ift. ©ilt eS, bie Jltrrfje 


feft 311 begrüuben tittb fid)cr 311 t'teUen, fo vergifjt 
bie ftarre Orthobosie, ba& wohl ber dmftlichen 
Äirdte in ihrer ©efammtheit im SBorte ©otteS baS 
©efteheit garantivt ift, nid)t aber einer gefolgerten 
Stirchengemeinfdiaft alS joldter, unb ba§ bie ä n fcer= 
liehe Herstellung beS ©cbättbeS nod) feilte glüd- 
liebe Buftutft verhelft. Die fiircfie nuferer Sage 
bebarf nicht eine rein mechanifdte ©eltenbmadntng, 
fottbern fortwähvenbe Saisterung, ßrfrifdsnng, ßnt- 
toicflttttg ihres ©efcnntniffcS. 3ft nun btejer Dr= 
thoboEiSmuS weber für beit ®ampf ttadt atiften, 
, ttodj für beit Aufbau ber ilirdje befottbetS tauglich, 
fo erftidt er baS d)riftlid)e Sehen int Werten ber= 
ntaftett mit Dogmen, Dhefen, Formeln unb feinem 
9lnathemati3mu3, ba§ baSfelhe faum ie gum i?ei= 
men fommt. 

(©d)ltt§ folgt.) 


Itrd)lid)e0 aus Siibtmitfdjlant). 

- 0 - 


Siebet Doctor! 

Sie erfudjtcn mich feiner 3eit, 3bnen intereftante 
Neutgfcitcn über firchlidje unb anbere ©erhältuiffe 
iu berichten. DaS ift in unterer fd)ite(leu 3eit, in 
wichet man faft mit ©turmeSflügeln burch bie 
ggJclt reift, feine leidste Sache. 3n meiner 9 iad)bar= 
ftabt esiftirt ein ©latt: „92euefte 9£admd)ten". 
Senn (ich irgeitb etwas ©ebeutenbeS ober llu- 
bebeutenbe^ ereignet bat, fo fattn matt’S ficberlicb 
nach faum acht biß scbit Sagen in bett „Steueften 
Nachrichten" fchwarj auf wei& gebrudt fefen — unb 
toch wirb allgemein geflagt, baS fei viel ju fpät. 
Sie folTS mir ba gelingen, 3bnen in Sltnerifa mit 
Ncuigfetten gufwarten 311 rönnen? 

Doch aut oache. 

Die babifche @eneraI=©pnobe, 

»eiche aüe fünf 3nbre sufammentritt, wttrbe am 
27. ©eptembet in ftarlSritbe eröffnet. Jßralat Doll 
hielt in ber flcinen Äirche juoor eine ©rebigt über 
fltatth. 23, 8, in welcher er ben ©ebattfen bttrebs 
rührte, bah ^Ule, bie fegenSreid) au ber firdjüdjen 
Arbeit üch betheiügen wollten, unter SbriftuS alS 
ihren gehret ttnb ©aumeifter fid) ftellen mühten. 
Sie geistlichen 9)?itglieber ber ©vttobe toarett in 
tuen Salaten erfthienen, gleichwohl war bie ©e^ 
rheiligung ber ©evölfermtg an biefem ©otteSbienfl 
rang. Die ©vuobe jählt etwa 60 ©litglieber, 
unr Hälfte ßaiett. Die Sifeungen fattbeit im 
Stänbeban^f im ©aal ber zweiten Kammer, ftatt. 
Sie proteftantenvereinlidte ©artei hat bie 3Rebr= 
reit. 3lnf ber äitherften Ciitfen fifecit bie Äorvvhcien 

politifchcn unb ftrcblicben 8 iberali^ntit§, tiefer, 
tarnen, ©chenfel, 3itte(, Scbellenberg. Die toich- 
ngfteit ©orlagen betrafen bie Slhaitberitng ber 
^famtwblorbnung, einett ©efangbucbS- ttttb $a= 
teebi^mn^- ffintwurf, ©egenftänbe, welche feit 23o^ 
Aen in firchlichen unb politischen ©lättern, ©v= 
noben unb ©erfammlungen, fleinen unb größeren 
©rofdbüren lebhaft bi^cutirt worben toarett. Sine 
frkbliche Vereinbarung ber liberalen unb ortbo= 


bösen ©arteieti fdtien eine 3 eittang unmöglich, 
©cfottbere^ 5luffeben erregte eine ©ebrift unter bettt 
©feubonvm ©atilitS SBarttemuitb. Dem ©runb' 
fafe btilbigcnb, bah auf einen groben ftlofe ein gro¬ 
ber Ä’eil gehöre, griff er bie ©adte nicht mit ©lace- 
hattbfchuheit an ttttb fchoitte felbft stidtt ©erfotten. 
Dr. ©chenfel nennt er einen „Dämonen", eine 
„catitinarifche ßfeiftem", ba§ “enfant terrible” ber 
liberalen ©artei. Der verfloffette ©räfibent b^ 
OherfirchenrathS, SRüfjlin, ift ihm ein ,,©öben= 
bicitcr", ber bett ©oben „Vcrfaffung" von ©runb 
feineS &er$eit$ verehrte. Dem ©rälaten Doll ruft 
er stt, baß ffriebfertigfeit nidtt gleidtbcbeutenb mit 
ber 2ld)felträgerei swtfdtett rechts unb linfS fei. 

Drofebetn bie ©egen jäfee fidt fehr verfd'ärft hattest, 
befleifjigte man fich hoch auf beiben ©eiten ber 
3Kä6iguttg. Die ©farrwahl warb im ©inne ber 
liberalen ©artet abgeänbert, fo ba§ in «Rufsuift 
iährlid) fünf ©teilen vom ©rofeherwg, refp. bem 
Oberftrchettrath unmittelbar für bie Dauer von 
fünf fahren befefet sverben feilen, ^bereits unb 
biefelbe ©teile fatm ttidtt aweinial hinter einaitber 
auf biefe 9&cife paftorirt werben, ©tatt hat in 
©aben, wo bie atiSttahmSlofe©fan-n'ahl feit jwati= 
m fahren beftcht, erfannt, baft fie nicht baS richtige 
Heilmittel für bie ©dtäbett ber fiivche ift. ßS hat 
fich, wie von pofitiver uttb negativer ©eite 311 = 
geftanbeit wirb, im ?auf ber ^abre eilte waduettbe 
©titttme mißlicher ©erhältniftc angehäuft. Wih- 
helligfeiten mit ber ©emeinbe, ©ejunbheiti?rüdfich= 
teit tt. 91. machen in vielen fallen eine 9lettbertmg 
brittgenb nöthig, aber alle ©erfudte eines ©fatrerS, 
eine attbere Stelle 31 t erlangen, fdtlageH fehl, ßr 
tttelbet fid) uttb melbet fid) wieber, aber itirgcnts 
tvirb er gooählt. 3n ber Dhat ein grofscS Ucbel, 
aber schwer 31 t eittfcheiben, für welchen Sheil eo 
fchlinttiter ift, für ben bctreffeitbeit ©eiftlid)en ober 
bie betroffene ©emeinbe. Sind) fehlt eS für fduoie- 
rigere ©often oft gättilich au ©ewerbertt. Die mit 
bem Meifefuftem ©Ji&vergnügten sverben gut thun, 
ftd) fold)e Uchetftänbe ad notam 311 nehmen. 

3n ber ©efanghuchSfrage haben bie 8 ibeialen 


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JUrdjlidjes aus SUbbeutfdjlanb. 


38 


nachßeßeben. 2Benn ber neue Sntwurf anaenom= 
men wirb, fo muß baS alS ein ©ieß beS Seffern 
beaeichnet werben. ®ie meiften von evanaelifchen 
Shriften geliebten Sieber follen Slufnahme gefunben 
haben. „SBarnemunb" batte mit trefflicher Jftoitie 
ben ©egnern beS SntwurfS geantwortet» welche be¬ 
haupteten, bie ©brache vieler Sieber fei veraltet. 
„5Rnr baS fömten mir nicht verfchweigen, baß ge= 
wiffe Seute mamhmal ploßlidj nicht au verfteben 
behaupten, wenn eS ihnen aetabe paßt. Sßenn 
© d) e f f e l ben 3werg Serrno in feiner 28ein= 
laune jammern lagt (unb gar noch mit lateinijehen 
. Settern ßefchrieben): 

“0 w6, min grosses Fas stät I6r, 

Si han mirs üsgesupfit !” 

fo verfteht baS ein ©tiefelfuchS in ©eibelbera ßenau 
eben fo ßiit wie ©err ®äublin im 9Rarfßräfler= 
lanbe. Unb wenn Re auf bem Sranbßaufe im 
©eibelberger Schlöffe beifammen finb, fo wirb biefe 
„veraltete Sprache" mit einer Segeifterung ßefitn? 
gen, bie unter ben braußen ftebenben Srethi unb 
Slethi ein wiehernbeS Sdjo Rnbet. 9ßenn aber ber 
fromme ® id&ter rtnßt: 

„SBerbe munter, mein ©emütbe» 

Unb ihr ©innen, ßeht her f ü r," 

bann fann man baS auf einmal nicht mehr Rngen* 
benit eS ift — veraltet! 2Beldj’ infame Heuchelei! 

®en neuen ÄatedjiSmuS betreffenb fcheint man 
auch ben Orthobojen entgegen tommen au wollen. 
®er neue Sntwurf* von Srdlat ®oü bearbeitet, 
trug ber Jheologie, ber Deflation etwas au febr 
{Rechnung! SS ift ein Serfuch, in einem Zithern 
3a unb SRein au faßen, ißräflbent ber ffiommifion 
aur Serathuna btefcS SntwurfS ift ber liberale 
8 anbflericbtS;®ireftor Äiefer, ein 3Rann, ber nach 
SBaruemunb weiter in theologischen ® ingen nichts 
gelernt habe, alS baß ber ©laube an einen perfon= 
liehen ©ott ein alteS {Ammenmärchen fei. ®eit= 
noch aber fefete biefer 3Rann eS ßeßen ben liberalen 
Srofeffor ®r. Rollten burch, baß ber ÄlatechiSmuS 
„im tarnen 3eUt" beßinnen foll, wie eS auch fein 
Serbtenft ift, baß ßewiffe fragen, welche ber Snt= 
wurf fallen ßelaffen hatte, wieber aufßenommen 
werben. Sr vertritt bie 9lnRcht, baß in einem 
firchtichen Sehrbuch für baS SSolf baS Sefenntniß 
ber Äirche aum {ftuSbrucf fommen muß. 

®a übrigens bie ffommifftonen, welchen bie bei¬ 
den lefetßenannten Sorlagen aur Serathung über= 
wiefen waren, nicht mit ihrer Arbeit fertiß würben, 
obwohl fte täglich 5 bis 7 ©tunben anßeftreitßter 
Shätißteit barauf verwanbten, fo wirb nach 3uh- 
reSfrift bie ©eneral = ©vnobe au einer außerorVent- 
liehen ©effiou aufammentreten, um über baSSdjitfc 
fal ber beiben Sntwürfe enbßültiß au befchliegen. 
SiS babin tann Reh noch mandjeS dnbern. 

®ie confervative Partei machte au<h einen 93er- 
fuch, ben ©arten ber SanbeSfirche burch eine {Art 
Baun nothbürftia vor ßänalidjer 93erwahrlofung au 
fchüfeen, inbem Re ben ?lntrag fteüte, baß foldje 
Serfonen, welche bie Saufe ihrerSftnber unterließen, 
beS Stimmrechtes in fircblithen {Angelegenheiten ver- 
luftiß flehen füllten. ®erfelbe fanb aber auf ber 
linfen ©eite feine Siflißung unb würbe abßelehnt. 
©eheimrath ®r. Samep machte babei bie wifeig fein 
foüenbe Setnerfung, baß man Reh bisher bemüht 


habe, bie Seute in bie iftrdje au bringen, ber Antrag 
ber {Rechten beaweefe, Re auf bie moalichft leichtefte 
9lrt heraus au brinßen. SBelcheS 93erftänbuiß für 
baS SBefen ber fiirche tonnen aber auch folcbe Seute 
haben, weld>e ber Sehre vom „unbewußten Shrifteu= 
thum" hulbißen unb mit bem „allßemeinen $rie- 
fterthum" ©pott treiben! ®arauf will ich ieboeß 
heute nicht einßehen. 

©eheimrath ® r. 3. ß. Slunifchli, feit 
vielen 3uhren Srdfibent ber babifchen ©eneral= 
©pnobe, führte in ben ©ifeunßen mit anerfenneitS- 
werther Unparteili^feit oen Sorfife aum lebten 
SRale. 3Rit eniften unb beweßten SBorten fchloß 
er am 21. Oftober bie ©efRon. 2luS ber Svbunß 
aur Slubiena ßehenb, wo baS Sureau ber ©vnobe 
vom ©roßheraoß empfanßen werben follte, würbe 
ber trofe feiner 74 3ahre förperlich unb aeiftiß vo(l= 
fommen rüftißc SÖiann auf bem ©djloßplabe vom 
$er 3 fchlaß ßetroffen unb hatte nach wenißen 3RtnU' 
ten votlenbet. ®er hohe Orben, womit ihn bet 
©roßheraoß in Slnerfennunß ber ßeftbieften unb ße= 
red)ten Seitunß ber ©vnobe auSaeichnen wollte, ift 
ihm nicht mehr au Sheil ßeworben. Sr war in ie= 
ber Seaiehunß ein aroßer SRann. ©Au>eiaer unb 
®eutjdbe ftreiten Reh um ben SRuhm» ihn ben ihri= 
ßen au nennen, ©eine SBieße ftanb auf fchweiae= 
rifchem, fein ©arß ruht im beutfehen Soben. ©e= 
boren würbe 3ohann ÄaSpar Sluntfchli am 7. 
äRdra 1808 au 3ürich. @d)on alS 3ünßiinß hat 
er mit vollen Büßen auS ben Duellen ber beutfehen 
SBiftenfdjaft ßetrunfen, weld>e auS bem wieber be¬ 
freiten Soben ®eutfchlanbS bamalS befonberS fraf= 
iiß emvorfprubelte. 3u Serlin würbe ©avißitv, 
in Sonn {Riebithr bem junßen ©elehrten ^Reiftet 
unb Führer. 1830 fehrte er in feine Saterftabt 
aurüdf, würbe {IRitßUcb beS SeairfSßerichtS, Sto= 
teRor unb fpdter SRitßUeb beS ©roßen SRathS. Sr 
war hier baS ßciftiße $aupt ber confervativen Sur= 
tei, ober beffer einer liberal confervativen. 1848 
folßte er einem {Rufe an bie llniverfitdt ÜRüncben, 
wo bamalS 3)?arimilian II. eine auSerwdhlte 
©chaar wiffenfchaftlicher ©roßen um feinen Sbron 
verfammclt hatte, ©eit 1861 ßebörte er Saben 
unb ber Univerfitdt ©etbejberß an. SUS SRitalieb 
ber erften unb aweiten Kammer übte er ßroßen Sin= 
Ruß auf bie ©efefeßebunß beS SanbeS auS. 9Rtt 
Seßeifterunß folßte erSiSmartf, alS er unS mit 
einem frdftißen 9iucf auS fchwdchlichcr Berfplitte^ 
runß au ftaatlicher Sinheit führte unb ®eufdhlanb 
aur erften 3Radjt in Suropa erhob. 

SBeltberühmtbeit ertanßte Sluntfchli burch feine 
Shätißfeit alS {RechtSßelehrter. Sßdhrenb feinet 
Büricber Seriobe wibmete er Rdj vornehmlich bet 
{ReditSflefcbicbte, in 3Rünchen bem ©taatS- unb 
Srivatrechte, mit feiner Serufunß nach fieibelbetftr 
wo eine mehr internationale Suft weht, tritt bie 
Sefd)dftißuuß mit bem SSolferrecht in ben Sorbet^ 
arunb. ©ein „moberneS Sölferrecht ber civiURrten 
Staaten" ift in faft alle Sprachen, biefen ©omntet 
noch auf Seranlaffunß beS auswärtigen SlrnteS au 
Sefinß in’S Shinefifche überfefet worben, unb nnrb 
bieSfeitS unb jenfeitS beS OceanS alS bebentfame 
Autorität in völferrecbtlichen ©treitißfeiten ange= 
rufen. 9Rit bebeutenben ilRdnnem anberet 
tionen ßrünbete er 1873 baS 3uftitut für 9S6lfet= 
recht, eine Stfabemie aur Söfunß ber wichtißften 
prafiifdjen unb theoretifchen graßen beS interna? 


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Hu$ einem Seelforger * Umte. 


tionalen 9ted)t§. 3»i ©enf, SBrftffct unb Osforb 
würbe er t>on fteroorrageitben ©Jdnnern aüct 
tioiten in einer SBeife geehrt, wie bieS einem beut= 
>cbeit ©clebrfeit leiten gu Shell geworben ift. 6r 
ip.it auch 3RitQliel> DeS beuticben 3püparlamenteS 
unb ein „2)?eifter pom Stuhl" im Sreimaurerbunb. 

UnS intereffirt noch befonberS bie Stellung, 
welche et in ber Sfirche eingenommen hat. 3m 
Anfang feiner SBirffamfeit ftanb et auf mehr pofi= 
twem ©oben. iHl3 1839 bet ©roße 9iath non 3«= 
lieh 35amt> 3?r. ^>trau§ alS ©rofeffor an bie theo= 
logifche gafultät berufen luollte» gehörte ©luntfd)li 
m beiten, tpelcfce bie ©rhebung beS ©oleS mifcer bie 
Ausführung biefer Abfidjt heroorviefen, unb er be- 
griinbete feinen energifdjeit fiatnpf gegen bie ©eru= 
Tiuig iene3 Vertreters ber „fritifchen Sheologie" iwu 
ter Anbetm mit beit ©Sorten: „2öir muffen ooit 
unterm iöobett ben Atheismus fernhalteit." 3nt 
tolgeuben 3afcr fprach et im ©roßen Aath für ben 
Antrag : „^fcie ber ©ocßfchule geftattete Sehrfreiheit 
burfe ftch nur innerhalb bet ©rennen beS biblifchen 
ShriftenthutnS bewegen." ffion ber Sßiffenfdjaft 
tagte er bamal3, „fie ermangle ber 5haft, etwaS 
für ftch allein gut au machen, beim neben bem pu* 
ten SSiffen gebe cS auch ein fcßlechtcS." Spater 
entfernte er ficb mehr non biefem ©oben. 6t mar 
einer ber eifrigfteit (Sriinber unb ^ortetet beS ©ro* 
teftantenperetnS, fein langjähriger ©rdfibent unb 
fthlieiüch fein Shrenpräftbent. ©or melen ferner 

- m 


firdjenpolitifchen fttcunbe hat er fich ba8 eine unb 
anbere 9Kal burch ©SeiSheit unb ©tdigfeü gegen 
bie Vertretet beS eoaitgelijcben ©ibelglaubeitS auS= 
gegekhuet. So auch in ber ©eibelberger ©farr* 
mahl, toelche oor einem 3ahre piel Staub aufwir= 
beite. Srommel, ein gemäßigter unb befoitnener 
Vertretet beS pofitipen ShriftenthumS mar Porge= 
jddageit, ©luntfcbli rieth auS ©rünbett ber fflidig= 
!eit unb ©erechtigfeit gegen bie conferpatipe 30?in- 
berbeit briugenb gut ©$apl biefe^ ©ciftlühen, aber 
Schenfel, £>olften unb 6onforten waren nicht gttfrie= 
ben bautit, baß „£onig bie Mangel ber Negation, 
Schmatg bie Äangel ber SMittelmdßigfeit unb 
Schedenberg bie ftangel ber 3ntpoteng" inne hat= 
ten, fefeten bie ©5ahl StfuufS burch, fo baß ber 
„alte ©laube" in ben Äirdten ©eibcloergS munb= 
tobt gemad)t ift. AIS auf ber ©eneral^Spnobe 
©rof. ©olften glaubte, bie ^eibelberget ©farrwabl 
pertheibigen gu muffen, entgog ihm ©luntfcbli un= 
willig baS SBort unb gab fo feinen ©ebanfen über 
biefe Angelegenheit einen ungmeibeutigen AuSbrucf. 

6 t mar ein beroorragenber ©eift, befaß eine uit= 
gemöhnliche ArbeitSfraft unb mar für feine Sache 
auf ben oerfd)iebenften ©ebieten thdtig biS gum 
lebten Athemgug. 

hiermit genug für bieSmal. ®a3 ndchfte SRal 
etwas übet Stagen beS Unterrichte. 

Ä'arlSritbe, im 9iooember 1881. 

3 hr Gorrefponbent. 


3Ut0 einem ^edforger -- Jtmte. 


Der »ot feeftseftn 3tat)tcn fieiniflO(ianfieiie Starrer 
SÄölet au 9 liibetnarf) erjätilte eimt in einem 3Sor= 
rraae au3 feiner «Seeliotflc folnenbeä: 3n meiner 
©emeinbe lebte ein ©rei«. 93or »ictjin 3abren 
-oar er au3 ber Seme flefommen unb al« treuer, 
«beitfamer .^aub^erlet mar er ju 6e)d)eibeuem 
Sobtftanbe aefommen. 3eW Infl er fdnoaeö fcar= 
nieber, unb txiS ?(ftbnia plagte lfm fefir. 9113 nur 
bei einem meiner ■äiefudie Pein gebulbmen Alreuj* 
SgenTprXa» f««*? *T- »®ott legt einen b f 
meilen iit*S Seit a(3 in einen, ©cbanlemmnfcl, ba 
man riirfn>ärt3 uitb Bonoärt3, unterwärts unb auf= 
io5rt3 bliefen foll unb biiibet einen burcö firanffieit 
iolanae fcftV bi^ man in fffialirhcitmiffe, warum?" 
5ei Ineinem näcbften Söefucbe rief er mir freubi« 
rnioM»n * „liefet luetfe icf), warum id) in biefem ©e= 
confmiuinfel t ievie. liefet fmb'3 über fe^jig jsahre, 
“fiA in ber 3rtule gefeffen, bann bin id, in ber 
Swmbe hernmfxe^ofien, uiib nun fmb 3 fdion Pierjig 
VmW bau icb hier im Dorfe lebe, ©eit td) nun 
ti^eVi m "ft unb be3 SRacbtS nidit fdda= 
^ ä m b Pief ^otb habe von wegen be3 9ltb= 
" f killte iif) juri'nf, unb mein ©cfiulmeifter nnb 
f'C? tJatecbiSmuS unb Sonfirmanbeiu 
nfiflrJSit filib mir in ben ©imt gefommen. Da 
mi* mit ben Sragen be3 6atecbi3mu3 ge= 
^ , nun ganj wiebcrbole. 2lber 

Im&Sui mir niebt »oafommen beifatlen." Da 


ftanb id) auf unb fragte ihn feierlich: „2Ba8 ift/" 
beiu einiger Sroft im Sehen unb im Sterben ?"S 
®er Alte fefete fid) aufred)t im ©ette, faltete bieS 
£)dnbe, unb mit freubig bewegter Stimme fprach et 
„S)aß id) mit Seih unb Seele, beibe^, im Sehen/ 
nnb im Sterben, nicht mein, fonbern meinet ge- 
treuen .^eilanbeS 3cfu 6hrifti eigen bin." 3^ N 
faitn nid)t fageit, mtc mich baS ergriff. 3d) brachten J 
ihm beu ©eibclberger 6atecbiSmuS. 6r faub adeS / 
genau batin miebev, unb erfreute fid)mieein£inb. \ 
And) nod) anbere (fftliche ®inge feiner 3ugenbtage / 
grub er auS feinem ©ebdd)tniß heraus, Shaß um / 
Schaß; ©falter, Sieber unb glaubenSpode ©ebete.> 
®ie Seclfovcce hatte ießt einen großen fWeichthum 
an AnfnüpfungSpunftcn. 6v ift feitbem auSberJ^N 
®iaSpora gur feligen ^eimathSgemeinbe in Sties^ 
ben eingegangen. —-— — 

AIS ich meine erftc ©ehülfenftede bcfleibete, er^ 
gdhlte ein Sehrcr, fommt eines 3;agcS bei ©eginn 
ber Stcipiertelftunbe eine fleine Sdmlerin pon ad)t 
3ahren gu mir an’S ©ult unb fagte leife gu mir: 
„3d) )t'id bir maS fagen." — 9BaS midft bu mir 
beim fagen ?" frage ich fte. „3ch habe für bid) ge^ 
betet," mar ihre Antwort. „®aS ift ia fdmn 
pon bir," fage ich, „unb maS haft bu beim 
gebetet?" „£)aß bu möchteft in ben Fimmel 
fommen!" UitPetgeßli^ wirb mit biefer Augeit- 
blid bleiben. 


/ 

) 


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40 


Sotuttosf^ul-frhtionrn. 


$ omttagfdml=fekttonen. 


0r|lr# Ofrrtrljabr. 

Sonntag, 1 . Januar 1882. 5D?arf. 1 , 1—13. 

2>er Anfang bcö CstoaitgeliiunG. 

§anptttft: Siche, ich will meinen ßngcl fenben, 
ber oor mir her beit 9Öeg bereiten foll. Unb halb 
wirb fommen 311 feinem Stempel ber ©err, ben ihr 
flicht, unb ber ßngel beS SbunbcS, befj ihr begehret. 
Siehe, erfommt, fpriebt ber ©err 3ebaoth. 9)2a* 
Teacbi 3,1 . 

I. $er Anfang beS ßuangelinmS (53. 1—3.) 

®. 1. ©ieS ift ber Slnfangjc. 3)?arfuS 
will feinen Cefern aeigen, wie baS (5 0 a n ß e 1 i u m 
(b. h* bie frohe 93otfcbaft, oergleidje 9)?atth. 4, 23; 
11 , 5; 24,14) ober bie$rebigtbeS©eilS 
ihren Stnfang genommen habe mit ber 35 rebi g t 
b e r 33 u 6 e. ©arum beginnt er nicht, wie 2 Rat= 
thäuS fidp. 1 unb 2 , unb SitfaS jfap. 1 unb 2 , mit 
©efchleditSregiftcrn unb Sbftammnng, ©eburt unb 
Äinbheit ßhrifti, unb ebenfowenig wie Johannes 
mit ber Sehre pon ßhrifto alS bem ewigen flei}dj= 
geworbenen 9ßort (3oh. 1,1—18), fonbern fofort 
unb unmittelbar mit ber 93rebtgf beS SäuferS felbft, 
gana wie a. 93. auch 53etruS im ©aufe beS ßorne= 
linS that (9tpftg. 10 , 37 ff.), unb wie eS überhaupt 
in ber 9 lpofte( 3 eit ber natürliche, allgemein übliche 
®ang ber eoangclifdjcn Ueberlieferuuß unb SScr= 
fünbigiing war Olpoftg. 1 , 22 .) 93 on $efu 

6 h r t ft 0 jc. ©antit ift abermals gleich Pon oorn 
herein ber ©anpt= unb SKittelpunft beS ganaen 
ßpaugelinmS genannt, wicbcrtim gana entfprechenb 
bem befannten SBetenntnifi beS 9ßetruS (3oh. 6 , 6 ; 
SKatth* 16,16), an baS fidj hier SRariuS alS fein 
®o(metfd)er unb ^Mitarbeiter anfchliefjt, ber fein 
ßpangelium nicht wie SnfaS (l, 3) erft auf bem 
2 Bege mühfamer ^orfchung, fonbern wahrfdcinlidj 
auS beS StpoftelS eignem 9)2unbe empfangen hat. 

®. 2 imb 8 . 3 n ben Propheten, nämltdj 
bem erften unb lebten ber prophetifchen 93ücher beS 
Sllten SeftamentS (jef. 40, 3, unb 9Mal. 3, 1), 
welche Stellen SMarfuS ohne Unterbrechung bicht 
aneinanber anreiht unb mit einanber fo peroinbet, 
ba& er lefetere alS bie allgemeiner lautenbe oorans 
fteflt, unb bie crftcre alS bie beftimmtere unb beut- 
liebere, auf bie .Srfcheinung unb SÖebeutung beS 
SäuferS noch unmittelbarer paffenbe unb aitwenb= 
bare erft nachfolgeit labt. 

II. ^oljaniirg ber Xatifer (93. 4—8). Sind) bie* 
fer fteht ohne alle 5Wüdfid)t auf feine ßntwidlung, 
2|ugenbgefchichte je. gleich alS fertiger SMatm ba. 

■ ®. 4. 3 n ber SH3 ü ft e oberhalb beS tobten 
SMecreS am 3orban, nah feinem ®eburtSort (Suf. 
1; 80). 3wei ©inge finb bon ihm gefagt: a) er 
taufte, unb jwar auSbrüdlich nad) göttlichem 
SBcfchl ÖSoh. 1, 33), unb b) er prebigte bon 
ber Saufe ber 93nfee, b. h. er bezeugte mit feiner 
bie Saufe begleitenden Sßrebigt, ba§ fie eine Saufe 
3 ur 93u§e fei, unb jwar nid)t bloS, inbem fie au 


berfeiben perpflichtet unb mahnt, fonbern and), tn- 
bem fie biefelbe finnbilblicb barftetit unb in’S 9ßerf 
fefet. 3 u r 93 e r g e b u n g 2 c. © ieS ift ber lebte 
3wecf ber Saufe unb 93n&c, biefe felbft finb alfo 
bloS SWtttel. 

®. 5. ßS ging au ihm hinaus, feinem 
9?ufe folgenb, baS ganac iübif(he Sanb, 
welches auerft unb aundchft pon feiner 93rebigt be= 
rührt warb, ßr felbft ging nid)t au ben ÜRcnfchcn, 
fonbern fie mufeten Jomrneu unb fich'S etwas foften 
laffen, feiner 93rebigt unb Saufe theilhaftig au 
werben; baS Seligioerben erforbert eine fittlidhe 
Shat unb Arbeit, eine ernfte Selbftanftrengung, 
Selbftbcthdtigung unb ©elbftoerläiignung, einen 
willenSfrdftigen ßntfdjlufi. ©etaunten ihre 
Sünben, ohne Bweifel auch auSbrüdlich mit 
9Borten. 3war ! q n n bie 93u6e and) ohne fohheS 
auSbrücflidie 93efenntni§, baS barum auch nicht 
nothwenbig immer ein lauteS unb öffentliche^ fein 
muh# tbatfäddid) ba unb wirflid) eine wahre fein, 
nämlich alS innere Umfehr au®ott, aber au einer 
gan3 burdjgreifenben, amh für 2lnbere fi u § e rl i <h 
erfeunbaren Ummaublung tommt eS hoch meiftenS 
nur ba, wo auch bie natürliche Sd)cu unb Scham 
beS ftolaen £eneitS, fich alS Sünber auSbrüdlid) 
fd)ulbig au geben unb anauerfennen, gebroden 
wirb. 

®. 6. Schon bie ganae perfonlicheßrfchel- 
n u n g beS SduferS prebigt 93u6e, heiligen ßrnft 
unb ftrenge 9Bcltentfagung; 9Büften!leib unb 
,9Biiftenfoft beweifen genugfam, wer er ift (pergt. 
Suf. 7 . 25 alS ©egenftüd) unb waS er will; Ähnlich 
fd)on beim alten ßtiaS 2 ffön. 1, 8. 

®. 7 unb 8. fiommt nach mir unb ift fdjon 
im 9lnaug begriffen, ©er ® egen fab beS 
SduferS unb beS 5D2effiaS: 3ener fann 
mit feiner geringen 93Jaffertaufe baS red)te Polle 
©eil noch nicht gewähren, fonbern nur perhei§en 
unb bie ©ersen aum ßmpfang beffelben porbcrciten, 
erft 3cfuS fefet burch feine ©eifteStaufe, bie augleich 
eine nicht bloS pon aufecn, fonbern aud) pon innen 
reinigenbe unb Iduternbe Feuertaufe ift (SBatth. 3 f 
11 ; S)J2aleachi3,3), bie Seinen in ben ganaeit Säefife 
beffelben; iene bedt bloS bie Sünbe auf unb forbert 
93ube burch ©cfebeSprebigt, biefe wirft lebenSfrdftig 
unb geifteSmä(htig auf bie ©eraen burih baS SEBort 
beS feligmadenben ßpangeliumS, baS allein bic 
wahre 93nfce fdiafft; hier erft ift pollenbet unb wirt 
lieh erfüllt, waS bort bloS angebeutet unb finn= 
bilblicß bargeftellt unb abgefdiattet war. 

III. 3eftt§ ber ÖteffiaS (93. 9—13). a) ® i c 
SMeffiaSweihe burch bie Saufe (93. 9—ll). 
®. 9. 3u berfeiben 3eit, ndmlid) alS ba8 
ßbeneraahlte gefchah; »on Maaareth, wo er 
1 in ftiller 93erborgenbeit gelebt hatte biS in’S brei= 
ftigfte 3ahr (Sur. 3, 23); p 0 n 0 h a n n e S , ber 
fich anfänglich in feiner ©emutt) beffen geweigert 
hatte (9Matth. 3,14). 

®. 10. 9llfobalb flieg er k., benn bie 
Saufe war für thn nur ein furaer ©unhgangSpuntt 


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SonntagfdjuUfektimten. 


41 


imb geschah mir, „um alle@ercfttigfeitgu erfüllen," 
eine Kmbentilaenbe Äraft uub 3ßirfung batte fie 
iüx ihn, ben eitvgifl @ered)teit, oollfommen ©eiligen 
unb Sünfclofeu, natürlich nicht, wohl aber bie 
eincntbümltcbe ^cbeutung einer 5Hrt g ö 111 i ch e r 
tf i n j e fe u n q in fein 5D2 e | f i a S a in t r nid)t 
blo* ber äußeren ©inführttug in badfelbe, fonbent 
auft ber inneren Begabung unb 9(ubftathntg für 
fcadjelbe buvch eine befonbere ©eiftedmitthet 5 
luug, bie er eben für biefed befonbere Vlitit and) 
noch in befouberem 5ÜMße unb bcfoitbercr SBcife be= 
Durfte, obwohl er feinem ganzen göttliften SSefen 
nach febon aud bem ®eifte ftammte (Cuf. 1, 35; 
3Sattb. 1, 20). Unb gwar gefdtah fie in einer für 
ihn felbft unb für ben Säufer (3oh- 1, 32) f iftt- 
baren Sonn: gleichwie eine Saube, 
alfo iebeufalld nicht ald eine wirflifte leibhaftige 
Saube, wohl aber ald etwad 3ßabritebmbared unb 
alfo auch Äörperliched, etwa in Smibeitgeftalt. 
Seiner Statur nach ift ia ber heilige ©eift unftcht- 
bar, bie Saube ift alfo nur bad finitDolle 33ilb unb 
äußere SBabrgetchcn bed geheimnifeoollen inneren 
33orgauad, gerabe wie Stitrmwittb unb ^cuen 
flammen an 3ßfingften (3lpftg. 2, 2 ff.), wobet beibe 
etnanbet genau entfprechcn: bie Sache bem Seiften 
nnb bad Reichen ber Sad>e, benn ed ift ia ber 
lautete, faitfte, ftille ©cift, ber über ihn fomntt 
unb in ihm unb bureb ihn wirft; wahrnehmbar 
war babei oiellcicht mtr ein heller Cidttfftimmer, 
ber PA wie nach Saubenart leiftt unb leife in fattfc 
tem )Jlua hemieber fftwebenb langfam auf ihn 
herablenrte. 

S. 11 . S)agit !ommt nun noch bad hörbare 
23 ort, bad firh unmittelbar an ?[efum felbft wen* 
bet ald heftätiaenbed göttlifted Seugitiß, ald 2liter= 
fennuna unb Offenbarung berfelben ald bed 5DW' 
naß. 2Btr haben hier alfo gewiffermaßen alle bret 
3>erfonen ber ©ottheit beifammen: bie Stimme 
ted 35 a t e t d, ben Sohn ald Sätifling unb ben 
® e i ft ald göttliche Äraft unb ©abe. 

b) ©) i e 5D? e f f i a d p r o b e in ber SSerfttftung 
( 23 . 12 unb 13 ). 

S. 12. 5 n bie 3Büfte, b. h. aud ber 2Büfte, 
in bet er urh fchon bei Johannes befanb (33. 4) 
noch tiefer tu bie SBüfte hinein, Diefleiftt bid in bie 
@*genD oou gterifto. ...... 

S.13. 3ßieratgSage, wahrenbbicfergan= 
zn 3eü würbe er nach Cuf. 4, 2 oom Seufel Der= 
jnd5t f biS aulefet bie 33erfuftung in bie befannten 
Drei 35orgänge gleichfam wie in ihre Spifcen aud- 
i ; e f 3g o n ben (wübett) S h i e r e it, obwohl 
n* nicht wagten, ihn angugreifen (oergl. ^Daniel in 
^ 9 'wenaruhe), würbe er beftänbig bebroht, Don 
t'e n (fluten) @ n « e l n »ufctt etfj: (8itf. 4, 2) al8 
sieaer bedient unb geehrt, obwohl fte unftebtbar 
au* it6on joäbtenb bet flauen Serfucfmngäjeit ihn 
ibilfeenb umflcbeti batten; iefet aber matten fie ibrn 
3 b. i»ohl aud) burtb leiblicbe ßrguictnng, unb bu(= 
ttaen ibm a IS bem Uebenuinber. ©o mac()t Shti= 
in» au8 ber fffiüfte ein SBatabte«, mie ülbam, bet 
:ie Setfiuftuiifl n i (b t beftanben, au8 bem ißatabieä 

tine «Büfte flemaffit b^tte. 

a„ a ,,, m e ii b a na »oit laufe unb 35er= 
i ;I * „ n fl ; bort ßbrifti 95erberr(icf)ttng nfib ©tär= 
hng um 2(mte, 6«et fein .tampfunb ietneerfte 
iewiAe 93 e>o 5 bruufl tm 3tmte,_bie jugleicb bie 
sn«e «orbereituiifl «t>er auch Surgfäaft für aüe 


künftigen Siege ift; für bie Seinen ift 23eibed ein 
tröftenbed, aber auch mahnenbed 3eid)en: fobalb 
wir ©otted $inber werben, treibt und ber ©eift 
( s J?öm. 8,14), aber aldbalb finbet ftd> auch Äreuj, 
Reiben uub 3Serfuftung, ieboft aud) firaft unb 
Sieg burft ben ©lauben an ®en, ber ben 23öfc= 
wicht auft für und bereitd überwunben. 

Entwurf. 3ßie und auft auf ber Schwelle bed 
neuen ^ahred wieber bad alte Swangeüum begrübt 
mit feinem breifaften Segen: 

a) 9)?it Teinem ©rn ft, benn ed mahnt und 
jur 33ufte (33- 1—6); 

b) SDÜt feinem Sr oft, benn ed weift und 
auf ßhriftum (33. 7—11); 

c) 5DM t feiner Ära ft, benn ed ftärft und 
im Äampfe ( s S. 12—13). 


Sonntag, 8. Januar ’82. 5D?arf. 1,14—28. 

(SrfteS ^ttfr^eten tn ®altläa. 

6aiMittcyt: ®ad 33olf, fo im Sinftern wanbeit, 
fichet ein grofied ^iftt, unb über bie ba wohnen im 
finftcru Sanbc, ffteinet ed helle. S^cf. 9, 2. 

I. $ie erflc ^rebigt (33. 14 unb 15). ®. 14: 
Ile heran twortet, b. h- Don Jperobed, bem 
3Sierfürften Don ©aliläa behufd fünftiger ^ptnrift 
tung in’d ©efängniß gelegt (6,17 ff.) 3n ©a^ 
Xi 1 äa, unb noar gunäftft in DMjareth anfangenb, 
bann aber fift halb nach Äapernaiim ald Jünftigeni 
©aiU)taufenthaltdort wenbenb, Dergl. Cu!. 4, 16 ff. 
5 ftad) 3iohanned beginnt bie 353irfjamfeit Shrifti in 
3 u b ä a, nach ben brei übrigen ©Dangeliften in 
©aliläa; aber bied ift fein SBibevf^ruft, benn 
auch biefe feben ein frühcred 9lufti*eten in 3ubäa 
Doraud, 5b. fiuf. 4,14, „in ber Äraft bed ©eU 
fted," alfo offenbar nach bereitd Dorangcgangenet 
3ludübung feined ^effiadamted. ©ort in ^inbäa 
fod unb will er gunäd)ft nod) gemeinfatn mit bem 
Säufer wirfen, um ju geigen, wie biefer bereitd 
biefclbe 3lrbcit begonnen habe, bie er felbft 
nun D o 11 e n b e n foll, baß beibed alfo im ©nutbe 
nur © i it SBcrf fei, unb bad 3llte unb 5)ccue Sefta- 
ment nicht nur äußevlid) in gefftifttliftem Sufnm= 
menhaug flehen, fonbent auft imterlidt ihrem 3Be= 
feit naft gufanttnen gehören, wie bie 33orbeveitung 
unb bie ©rfüllung, bie 3Beidjagmtg unb bie 33oü= 
eitbung; baher er auft feine elften jünger ohne 
Sweifel Doit Sohantted felbft empfing, ©rft ba, 
ald bad 3ßerf bed ßefeteren gunt gewaltfamen 3lb= 
fdtluß gefommeit war unb Sefud felbft bereitd mehr 
Süitger in 3ubäa gewonnen hatte, ald ber Säufer 
unb fomit bort feine Stelle Dößig audgefftllt war, 
gog er naft ©aliläa, um auft bort bad SBerf bed= 
felbeit, bad er nicht gerfaüeit laffett null unb barf, 
aufd 5Weue aufguitehmen, auf höherer Stufe fort= 
gufefeett unb gn beenben. 3lu§erbem war er hier, 
felbft im ©ebiet ber ©erobed Derhältnißmäßig boch 
noft ftfterer, ald in Süibäa, wo er naft 3ob. 4,1 ff. 
bereitd ©egenftanb feiitbfcltger 33eobafttung ber 
3ßharifäer geworben, ia feit ber 23ethedbahetlung 
mit heimliften 5D?orbanfftlägen bebroht gewefen 
war (3oh. 5,16; 7, 19 ff.), befonberd wenn er 
oorerft noch perfönltft in unmittelbare 39erührung 


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42 


Sontitagfdiui = fehttonen. 


mit bcn SSierfürfteu fam, bcr crft fpäter nach i£ibe= 
riaS überfiebeltc. 

®. 15. ^ie 3eit, bie bcwufte, grobe, mm 
®ott beftimmte, oon gang 3frael erlehnte 3ctt r bie 
rcdite Seit, i ft erfüllt (®al. 4,4), ift nun ba 
uitb tbatfächlich angebrochen burd) Pie BerwitflU 
chunß Per prophetischen SBeifiagimgen, b a S 91 e i ch 
©otteS, PaS biefe noch alS ein erft gufüuftigeS 
angefünbißt batten, i ft b e r b e i g e f o m nt e n , 
ift in feiner Perlon gegenwärtig geworben, ift oor^ 
hauPeit. 9ÜlcS waS ßefduebt, gefebiebt nach ßött- 
lidiem Blaue, uitb wirb nicht eher angeführt, alS 
bis feine Stunbe Schlägt. B u § e u n b © l a tt b e, 
bie gwei groben ©ritubgcbaufen oon ßhrifti $eid)S= 
pr£bigt unb ieber eoaitgeltfchcn .'oeilSoerfünbigung 
unb gwar gerabe in biefer, nicht in umgefebrte Örb= 
nuita. 

II. ®ie er^eit Sänger OB. 16-22). ®. 16. 
Sab er, wie im Borbeigchen, aber hoch mit ben 
öligen eineS Solchen, ber cS auf etwaS befonbereS 
abßefeben bat; in’S 2J?eer werfen, eißentlicb: 
im 9[)?eer berumwerfen, nm ihnen eine neue belfere 
Vage gu neben, bieS geigt ihren unermüblicben auf 
ßvfolg bingielcitben ßtfer nacb ber ocrgcblid) burefc 
gearbeiteten s )?ad)t (Vuf. 5, 5). 3)er s 3tuf beS 

$errn trifft fle alfo bei ber treuen Arbeit im irbi- 
feben Beruf, um ihnen in bemfclbon ihren bimm- 
lifcben oorgubalten, beim feiner oon beiben folC über 
ben anbern oergeffen ober oerfäumt werben, wie fie 
ia cinanber euch miebt auSfchlicbcn. Ohne einen 
Solchen SRuf auS eigenem Antrieb allein ift nufer 
natürlicher SRenfd) weber ßeneißt noch ßceißiiet bem 
&errn nad)$ufolgen, er felbft mu& mtS guoorfottis 
men unb tbut eS. 

®. 17. golae mir nach, ®runbforbermiß für 
ieben 3ünger beS Öerrn, inSbefonbere ieben Bre= 
biger, wenn feine ®irffamfcit ßrfolg haben füll* 
®iefe Sorberuuß war feine gu Strenge, ba fie^efum 
nacb 3ob. 1,35 ff. oon früher herfebon fannten unb 
bureb ben reichen ffiunberfifchgug (Vuf. 6,7) tnSbe* 
fonbere einen fo überwältigcnben ßinbruef non ihm 
einpfanßcn haben muhten, bahne fiel) um fo leichter 
nun auch gur bleibenbcn Nachfolge uub beftänbigem 
Spoftelbienft entfcbliehen fonnten. 

®. 18. SUSbalb: ohne Saubern unb 3ö= 
ßern oerßl. ®al. 1, 16. Ber liehen ic. alfo nicht 
ohne Selbftoerläugnuuß: ®ottcS Bcreitwilligfeit, 
unS gu feinen 3üngern unb Sengen gu berufen, 
muh unfere eißene entfpreeben, a l (eS baran gu ge= 
ben unb gu opfern, nicht bloS bieSünbc felbft, fon- 
beru auch baS 3*bifdjc, fofern eS unSan bcr befidn- 
bißen Nachfolge binbern fann. 'DicieS Berlaffen 
muh ieben falls innerlich, bei befonbercu Bcrhält- 
niffen unb Beraulaffunßcn aber auch duherlicb ge= 
febehen, oerßl. 9J?attb. 19,27 ; aber 'welch ein ®e~ 
wiun für allen Berluft i — (oeral. OTatth. 19,29), 
ift boeb eine eingige ßerettete 9Kenfrf)cnfcele mehr 
wertbf a(S bie ßrohe weite 2Selt! 

®. 19. ftlieften gu weiterem ®ebraucb, beim 
fo laiiße Gr nicht and) fie befonberS berufen batte, 
blieben fie bei’m bisherigen Xagewerf ftehen, iefet 
aber rief er ihnen ginn Seichen, babbaSSBort 
für ieueS erfte Brüberpaar (B. 17) auch ibem gweU 
ten ßelte. 

®. 20. 90?it ben %a glöb nent, fo bah er 
alfo audj ohne fie baS ®ewerbe fortfefeen fonnte 
nnb nicht bilfloS baftanb. 


®. 21. U nb fie ß inße n , ndtnlicb 3efuS mit 
biefen oiet erften feiner 3üitßer oom Seeufer bei 
Bethfaiba nach bem nicht lehr weit entfernten, mehr 
lanbeinwdrtS ßeleßenen fiapernaum, unb gwar 
ohne Sn'eifel in baS ÖauS beS BrtruS felbft 
(üKatth. 8, 14) fo bah er bcffeit 9Öort bei’m Sifcb- 
guß (öuc. 5, 8) bureb bie barauf folßenbe ^eiltiuß 
feiner Scbwießer (B. 30 ff.) in fein ßefeßneteS ®e= 
ßentbeil oerfebrte. Vehrte, au^ hier wie febou 
guoor in 9?agareth (Vuc. 4, 16 ff). 

®. 22. Schildert ben ßinbrurf feiner ßewaftißen 
BteOißt: entfetten f i ch, b. b. würben tief er= 
ßriffeu unb utdcbtiß heiocßt. ® e w a 11 i ß,. alS 
ßiner, bem bie oolle90?acbt ber Sünbe alS eine oon 
Sott oerliehene Straft über bie ©emütber gu ®e= 
bote ftanb, unb nicht wie bie Scbriftae= 
lehrten, bie bloS einzelne Stellen nach altüber= 
lieferten 9?cßeln anSleßten, umbeuteten unb an= 
wanbten, fonbern alS ßiner, ber fich bewuht war, 
felbft ber SKittler unb perföitlicbe Xrdßer ßdttlicher 
Offenbaruitß gu fein unb baS SBort rebet alS freie 
$Ü?ittbei(unß eines ihm febou urfprüitßlid) eißeu= 
thümlicben BcfifeeS ber oollen gangen ®otteSwahr= 
heit. 

III. erfre »miber(B. 23—28). ®. 23. 
3n ihrer Schule, wabrfpeinlich unoerfeheitS 
mit ciiißcbrnußen, vielleicht batte er and) fonft ru= 
bißere Stuuben, wo man ihm ben Suaana ßeftat= 
tete. B e f e f f c n e (ßaitg wie auch BetruS ^Ivoftef- 
ßefd). 10, 38 nur oon folcben rebet), b. h. oon 
einem (tiufaubcren) ©eifte in Befife ßenommene 
unb gang unb ßar bebcrrjditc Berfonen, bie meift 
auch gußlcicb förperlid) ertVauft, nach Veib unb 
Seele in SatanS Olewalt ftanben. 

®. 24. Unb fpracb, nämlich ber bdfe@eift 
burdi beS 90?enfd)en 90?unb. ^allein! 9luSruf 
beS Unwillens unb ßutfefecnS, ber ^liißft unb 
5?urd)t oor ber brohenben ©cfabr, beS SchrecfenS 
unb ßntfebeitS, oerßl. 3af. 2, 19. 2BaS ha= 
ben wir k.: ®icfcr ßine fpridit im s )?amen 
aller anbern, beim fie bilbeit gufautnien ein gang 
eitß oerbuitbcneS 5)?cidi ber ^infternih. Sinn : 
5Sir wollen mit bir niditS gu tbun haben, Iah ab 
oon unS! 3 c f u o o n 9? a g a r e t b , bie gewöhn* 
liebe Begeidmuiiß ßbrifti, alS ßrlofcr uitb bemit* 
tbißer 90?eitfd)enfobn, gegenüber feiner göttlichen 
90?aieftdt unb himmlifcben ßerrliddeit alSfiönig, 
ocrgl. 16, 6. 3ob. 19, 19. 9( po ftelßefdi. 2, 22 bis 
24. 22,8. UnS gu oerberben, nicht: gu 
oerniditcn, beim er will nidit bie ©giften* beS Ieu= 
felS felbft aufbeben, fonbern nur feine SBerfe ger= 
ftoren (1 3oh. 3, 8) b. b. feine böfen ^Ibfiditen ge-' 
gen tie 90?cnfdien gu nichte machen uub fie auS fci= 
ncr finechtfdiaft erlöfcn ; er will auch hier ben böfen 
Seift felbft nidit beS CDafcinS berauben, ionbent 
nur feiner gegenwärtigen Sßohnftätte, ihn auS bem 
oon ihm gequälten 90?cnfdicnleib, Oen er fich aIS 
SSobnortangemaht bat, wdbrenb er bodi oielmebr 
ein Tempel beS heil. ©eifteS gu werben beftinunt 
ift (oergl. 1 ßor. 6, 19), auStreiben, fo bah er heU 
mathloS in ber 3rre werben muh (Vuc. 11, 24), 
ober auch ihn in’S ©efdugnih t'er .S'Snlle oerfcblieften 
(oergl. 2 Betri 2,4); bamit geben alfo auch bie 
monen felber gu, bah ßbriftuS oollfonunene 9)?acht 
über fie habe. 3di we ih (oergl. 90?attb. 8, 29) f 
wenn eS and) ber arme Befeffene felbft nnb bie an= 
bem 90?enfchen noch nid)t wiffen; er weih alfo febr 


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Sonntagfdjul * fektionen. 


43 


I 

i 


«ut, ba% er jroar bet ©eilaitb, aber eben fo put 
auch, bafe er baS für ihn tmb feinet ßleicfecn nuht 
mehr ift, ionbern bloS für bie burch beSXeufelS Sift 
unb SRacht verführten gefallenen 5Renfeben, für 
bie gefallenen (Sngel aber nur noch ber ftrafenbe 
Siebter, feine 6rlöfungS= unb ©nabeitfraft für jene 
wirb für biefe gur 3Radjt be^ 8erberbenS, bie ©e= 
ligfeit ber SOtenfcben für bie Teufel bie Urfacbe ewU 
«er Unielißleit, ihr ©eift unb Unter«an«; wenn fie 
8m auch noch fennen, ia fogar befenuen, ift’S bo<h 
umfonft unb vergebens, nur ben STOenfcben, nicht 
ibnen, gereicht biefe ©rrenntniü Ghtifti Aur ©elig^ 
feit Qoh. 17» 3) unb hoch motten gerabe j ie nichts 
wn ihm unffen Qoh. 9, 29.) Der ßeilige 
© otteS, hier rebet felbft ber ©eift ber Süge noch 
bie 2Sahrheit. 

8. 25. 3S e r ft u tu m e! CfcfuS weift iebeS 3eug* 
nt§ mit SlnSnahme feinet eigenen bttreb 9Bort unb 
ffiunber ßeßebenen ab (ttRatth. 8, 29). ©eine 
SReffianität fott nicht ooreilig borbereitet werben, 
am weuißften bitrcb bie Dämonen, mit bem 9icitb 
ber Jinfterniü bat fein Seich beS Siebtes nichts a« 
tbun (2 ßor. 6, 14). 6r will feine (Smpfehlun« 
auS fotebem SBunbe, bamit nicht bie Säfterima fei= 
net Tfcinbc (t>ergl. ’üRattb. 12,24) fdjeinbar baourdj 
beftätiat würbe. 

8 . 26. t § i b n frambfhaft bin unb ber mit 
aenerrten ©liebem; er läßt noch einmal feineganje, 
freilich ohnmächtige SButh an ihm auS, aber ohne 
ihm fcfcabeit ju bftrfen (Suc. 4, 35). 2Benit ber 
Xeufcl weichen mufj, fo wütbet unb tobt er gewöhn* 
lieh noch ßar febreeflieb, mufj aber bennoeb baS Selb 
räumen, schrie laut, b. b. nur noch in un* 
artifulirteii ©rfjmeY*enS(autcn bcS SorncS unb 
SrtmmS, vcrnehmlübe 'IBorte forecbeit barf er itadj 
8. 25 nicht mehr, eS ift nur nod) ber gelle Stuf ber 
Serjroeiffutiß. Doch Aeigt fich barin noch einmal 
he gan*e furchtbare SÖtacbt ber Sinfternifj, aber 
auch bie noch größere beS fterrn. 

8. 27 r 6 r ft a u n ten, nämlich über betbeS, 
feine Sehre unb SBunbertbat, bie fie gaiiA richtig 
mit einanber in SSerbinbung fefeten; auS bem ©er= 
cortreten einer neuen 5ßunbermadjt ber ertöfenben 
Siebe fchliefjeit fie mit %bt gueb auf baS $eroor= 
neten einer neuen Offenbarung ber göttlichen. 
Sahrheit. (behorchen ihm, waS hoch bei 
unfern Schriftßclehrten nie gefd)ab (bergl. üRattb. 
12 24) 

fest**rf. 3 cf u§, bo3 Sidjtbet 2B e 11; 


a) hinein leuchtet m lebeitßcrj (33. 14,15), 

b) flinieht, toaS ihm »ermanbt nt (33. 16—22), 
e) auSfmeibet» au3 bet 9Racht ftammt (23. 

23—28). 


Senntafl/ 15- 3a<»« at ’ 82 - 3H« f - l > 29 ~ 45 - 

3tfu8, ber $r$t ber tranfen. 

- Unb f»rath: 2Bitft bu bet Stimme 
jJ?vrrn beincS ©otteS, Behorchen, unb thun, 
ift »or ihm, unb ju Ohren fnjTen feine 
fofLo^inb halten alle feine ©efefee, fo will ich bet 
feanfhetteu feine auf bi<h (egen, bie ich auf 2teot>»- l 


ten gelegt habe; benn' ich bin bet ©etr, bein Slrjt. 
(2 ÜKoi. 15, 26.) 

I. 2>ie $eilnug btt SdjttitQrr ht8 ^ttrtil (23. 

29_3j) # 

8. 29. U n b f t e, nämlich 3efu§ unb feine bi^ 
iefet gefammelten jünger (8. 16) gingen halb 
nach bem (8. 23 ft.) erzählten SBunber. 

8. 30. D a 8 5 i e b e r, unb *mar ein barteä, 
pefäbrlübeS (Suc. 4, 38) fagten fie ihm ton 
ihr unb baten für fie um #ilfe, ba fiejafoeben 
erft feine 9Rad)t au helfen gefehen hatten. Die 
grfahrung ftärft ben©lauben, unb mit bem@lau= 
ben wädift bie gürbitte. 

8. 31. 8erlie§ fie halb, b. h. al§balb, 
fo ba§ bie ©eitefung nicht erft allmählich, fonbem 
auf ber ©teile erfolgte: biente ihnen (wartete 
auf wie 8. 13) in fofortigem SBicbcrbefib ihrer 
flräfte burch Bereitung eine8 3Mahl3 unb paftliche 
Slufuahme. Söohin 6hriftu3 fommt, ba Rieht alle 
Stfoth unb Awar f og le ich» wfogleid) iit§ ©au^ (8. 
29), fogleich Aur ©ad)e (8. 30), fogleich gebeilt 
(8. 31K" 

II. iblt ^eilmt« brr ftraufm ln tan» 

(8. 32—39). 

8. 32. $1 m 51 b e n b, alfo nach bem gefefcltcben 
@(hlu§ be3 ©abbathö (8. 21), ihre eigene ©ab= 
bathruhe hielten Re Awar, aber auf feine S?ad)truhe 
nach angeftrengtem Xagewert nahmen fie feine 
Stücffidjt. ©ier werben leiblich Ä r a n f e unb gei= 
ftig 8efeffene oon einanber genau unterfchie= 
ben, ein 23ewei3, ba§ bie 8cfeffenbeit iebenfatt^ 
nicht b l o 6 ein leiblid)e§ Uebel (Heroenleiben x.) 
war; fte brachten fie, waä fie bisher noch nicht 
gewagt hatten, weit bie fßharifäer audi jobbe Sie- 
heSwerfe au 92othleibenben als ©ahbathfdiänbung 
nicht geftatteu wollten (Jwb. 5 / l ß )- 

8. 33. 8or ber Dhür bcS ©aufeS(8. 29), 
um bie ©eiltmg mit aiiAufcheit. 

8. 34. 8 t e l e ß r a n! e, fo oiele nämlich, a(8 
ju ihm gebracht würben, unb biefe alle oon allen 
ihren oerfchiebenen fivanfheiten (mancherlei 
Sachen), benn fein Seiben war für ihn un¬ 
heilbar. 

8. 35. DeS (anbern) S9?orgenS in aller 
Srühe oerläfet er $au£ unb ©tabt unb geht in eine 
w ü ft e © t ä 11 e (in ber 9?ähe oon Äawnaum), 
b. h. eine ftille Crinobc Aum einfamen ungeftörten 
©ebet alS 8orbereitung unb ©tärtung au feinem 
weiteren 2Berf (8. 39 ff.); er macht auch biefflüfte 
burch ftille ©ebetSfeier Aum heiligen ©otteStemfccl 
unb biefe einfamen ©ebetSftunben finb bie©egenS= 
quellen für feine öffentliche 5lrheit. ßr oerbinbet 
alfo beibeS fchön mit einanber: © c b e t unb Ar¬ 
beit; ehe er au fein Xagewcrf g^ht, betet er Auoor, 
obwohl er als bie gaiiAe Sülle unb 9lllmadit ber 
©ottheit in Reh tragenb unb in ununterbrochener, 
ungefdioächter ©emeinfehaft mit bem 8ater Re= 
heitb, beS ©ebetS nicht ebenfo wie wir beburft hätte 
unb Awar betet er auf bie rechte 91 r t, fo ernft unb 
eifrig, bah er felbft einen Xbeil feiner 9?ad)truhe 
bafftr oofert unb am rechten Ort, in ber einfamen 
füllen 2Büfte, im oerborgenen Kämmerlein. Slbet 
er betet nicht bloS, fonbem er arbeitet aud> unb 
Awar gleiddallS in ber rediten ©ott wohlgefälligen 
üBeife, auS bem Drang henlicher Siebe, im flaren 
8ewu§tfein feiner heiligen 8Rt<ht (oergl. 8. 38), 
unb baritm auch begleitet Dom berrlichfteu (Srfofg. 


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$onntagfdjul=fehtionen. 


44 


®. 36. (S i 1 1 e u ihm n a cf> f um ihn bei bcm 
neuen Änbraiiß beo italfcS, ba3 fd>on wieber mit 
neuen Giranten mW ^efeffenen fiel) vor bem ©aujc I 
fammclte uub ©ilfe begehrte, 3 urüd 3 urufen. I 

®. 38. Sprach $u ihnen, bico Slnfinnen 
surüdweifenb unb ohne [ich oom 35olfe aufhalten 
311 laffeit ( 8 uf. 4, 22 ff.); in bie näcbften 
©täbte unb Ovtjcbaftcn beS umliegenbeu Sans 
beä, ftatt wieder nach ©aufe. (Sr uerfchmäht auch 
bie geringen Dörfer nicht, fonbern geiflt fich überall, 
wo man ihn braucht. ® a 3 u bin i cl) g e 1 0 m= 
men, nämlich in bie Södt, vom 2Sater gefenOct, 
oergl. ?$oh. 16 / 27 ff. / nicht aber um nur einer ein= 
seinen otabt blo$ leibliche ©ilfe 31 t brinaen. 

®. 39. 3 n aan 3 Sali lda, b. h. bem 
nädjftßelcßencn iöerglanb, wo er mehrere 2 Bod)en 
subrachte, um nun auch biefe gmisc ©egenb geiftig 
311 wedeu unb für fein 3teid) 3 » erobern. @3 ilt 
barin bie fchnelie fSuäbreituug bed SBerfeS ßhrifti 
aefchilbert in brei immer mehr fich ermeiternben 
streifen: „®a3 gläubige ©au$, bie empfänglühe 
©tabt, ba3 erichütterte 8 anb". 2 lu$ kleinem 
®roße3: 3efu3 mit ben vier elften Jüngern in 
©alilda — ber 2 lnfaiiß ber SBeTtmiffion. 

III. Sie geilting bei ttnlfitytgen in @attläa. 
(93.40—45.) ®. 40. 33at ihn, inbem er ihn 
fchon beim ©eranfommen um ©ilfe anrief, 
f niete x. f bieS tbat er natürlich erft bann, ald 
er fich gati 3 nahe herbeU, wahrscheinlich fogar bis 
in bai $au3, wohin er ging, hineingewagt hatte, 
weil ihn bie 9?oth trieb, wie 2, 4; 8 uf. 7, 36 ff. 

seißt bie3 aber 3 ugleid) auch bie heilige (Shrfurd)t, 
womit er sn 3efu fontmt, bad SBort: SB U Ift 
bu x. bagegen ba3 unbebingte entfehiebene 93er= 
trauen, baß er ihm helfen fonnc unb wolle unb 311 = 
gleich ba 8 beinüthige ©efühl ber eißenen Uitwür= 

». 41. jammerte, biefen 3 ug berietet hier 
nur äBarfui allein, ber überhaupt ßern biefe innere 
ften Bewegungen feinet ©eilanbhersenS unb bie 
ihnen entfprechenben äußeren ©eberben bemerft. 

®. 42. 21 1 § b a l b, bei bem 2lu3fafe, ber fonft 
nidit bloS nicht laitßfam, fonbern überhaupt ßar 
nicht 31 t heilen war, war bie3 ein um fo größere^ 
SBunber. 

®. 43. ®rieb ihn 001 t fich, b. h. enü 
fernte ihn ßewaltfam, nid)t blo3: fdiidte fort, unb 
3 war in einer ßewiffen (Srregung (üRatth. 9, 30); 
aber iebenfalll nicht au3 furcht oor 2lnftedung, 
aud) nicht ßleichfaut sur nadjträglicben ©träfe ba= 
für, baß er fich ßeßen ba*S au^brüdliche Verbot be3 
©efeßeS fo nabe hersugebrängt hatte, fonbern wohl 
nur in ber 2lbfidjt, ihn 3 ur (Sile ansutreiben unb j 
förmlich 311 bränßen, fich abSbalb, ohne suoor noch 
lanße fich mit oielem ©erebe über feine ©eilimg 
aufsubalten unb fo oielleidtf fich felbft ben gan 3 en 
©eßen feiner inneren (Srfahrung babei wieber weg= 
Siifchwafeen, ber Orbimng gemäß ben Brieftern feü 
nee 23e3irfd 311 seigeft, bamit biefe nicht etwa iwrher 
fd)on ßerüd)tweife unb oielleid)t ßefdlfcht bie ©ache 
oornebmen, fonbern oon ihm felbft, fo baß fie fie 
bann nicht au$ 9ieib ober ©aß ßeßen ben ©errn 
binteimadj in 3weifel sichen, entftellen ober ßait 3 
ableugnen tonnen. 

®. 44. sticht 3 f a ß e ft, and bem eben ge= 
nannten ©runb; geboten hat, nämlich al3 
®anfobfer für bie nunmehr ßefchehene unb oon ber 


ßeiftlichen SSehörbe amtlich anerfannte unb öffent= 
lieh beseußte üfieinißituß (oergl. 3 s D)^of. 14, 10 ff.), 
über fie, nämlich biefe beßlatibißenben fJJriefter. 

®. 45. (Sr aber k. ®er ®ranß feinet bant= 
baren ©evsen^ läßt ihn nid)t fchweißen ; bie^ ift an 
fid) ein gam richtiße^ ©efühl unb eine löbliche 5lb= 
ficht, war aber hier in biefem befonberen Salle ben= 
noch nidit recht, weil e^ ihm auöbrüdlich oerboten 
war. (Sr hatte eo beffer oerftauben, su ßlauben 
unb 311 bitten, al ^8 311 fdnoeißen unb 311 loarten; war 
für ihn ba3 Solßen and) nedj fo fdnoer, er hätte 
beimod) ßehorchen feilen, felbft wenn er babei feine 
freubißften uub anfridUiß banfbaven©efühle unter= 
trüefen mußte. ®enn auch mit biefen fann man 
oft bem Üteid) ©otteo mehr fdiaben, ah3 nüfeen, 
wenn man ihnen nämlich rüdfid)tölo$, maßlos unb 
3 Üßello 3 ben Sauf läßt; ber befte unb wahrfte 33e= 
wei^ feiner wirtlichen ©anfbarfeit wäre ^ünttlicher 
©ehorfam ßewefen (oerßl. 1 ©am. 15, 22); nid)t 
öffentlicf) x., toeil ihn bie Serfihrunß mit bem 
^luöfdßißen nad) 3 9Kof. 13, 4; 8 uf. 5,16 unrein 
mähte; fie tarnen, fich ihrerfeitö nicht an biefe 
ßefeßlicheu © inbem iffe binbenb. 

Entwurf. ®er heilenbe ©eilanb: 

») ®ie ßroße 9?oth, bie ihn brdnßt (®. 29—34); 

b) ®cr heiliße Cluell, barau^ er fchöpft (3Ser§ 

35_3Y) • 

c) ®a 8 fräftißc 3)?ittel, bal er anwenbet (SSer^ 
38 unb 39); 

d) ®er fülle®aut, ben er erwartet (2?.40—45). 


©onntaß, 22. 3an. ’82. 9Kart. 2,1—17. 

3efn$, bet gteunb ber ©üttber. 

^außtteyt: J|ch, 3ch tilße beine Uebertretunß um 
meinetwillen, uub ßebente beiner ©ünben nicht. 
3efaia 43, 25. 

I. Sie ©eilting bei ©idjtftrüdjißrn (®. 1—5). 
®. 1. U e 0 e r e 11 i ch e 3; a ß e, bie er aufwärts 
Siißebracht, lehrenb mW heilenb, beim er war nie 
müßiß in feinem ©eilanboamte; wieber im 
(beffer: 31 t) © a 11 f e, gemeint ift ba§ ©au§, ba§ er 
mit feiner SNutter unb Srübcrn in St a »e r n a u m 
bewohnte nad) ber Uebcrfiebluiig oon 9? a 3 a r e t b, 
(oergl. 3, 31), währenb feine ©dnoeftevn, oielleicht 
oerheirathet, an leßteremOrte blieben (6,3), machte 
er felbft bie erfteve ©tabt 311 feinem eißentlid)en 
bleibenben 2lufcmhalh3ort unb 3)iittelbunft feiner 
SBirffamfeit in ©alilda, nad) ber er immer loicber 
surüdfehrt, beim er oerldßt ben ®vt, wo er fid) ein= 
mal nieberaelaffen, nid)t ßerne loicber gans. ©ter 
ift iebod) nicht bie fKürffehr oon bem furseii 2luofluß 
(1, 38) gemeint, fonbern oon einer läiißeten 2ih= 
wefenheit, beim unter beu fßharifäern unb ©chrift= 

I ßelehrten, mit benen er 0011 jefet an su thun be= 

1 tonimt (93. 6 ff.), befanbeit fich nach Suf. 5, 17 
1 and) folche, bie oon )oeit her, oielfeid)t oon ?|ubäa 
unb ^erufalcm, borthin ßefommen waren, um mit 
ihm a^tsubiubett; e^ muß alfo fchon manches in- 

e iifd)en oorßefallen fein, waS 311 einer förmlidwn 
ooofition ßeßen ihn 93eranlaffuuß gab, unb ba 3 u 
wäre teuer 3citraum 311 fürs ßewefen, inbem er 
überhaupt mit feinen Seinben noch ßar nicht gu= 


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SonntagfdjuUfebtitmeiu 


45 


iammenftiefj, kontern nur erft bcm 93olfe näher bcm er SEBottc rebete, bie nur ©ott guftehen unb mo= 
betannt geworben war. ©o fd>netl bis jefet fid> bie burd) er in feine RRajeftätSmbte eingreift, beim baS 
öerrlicbfeit ßhrifti geoffenbart, cbenfo fdmell ent= ©efefe fannte mobl eine prieftevlicbe 9tcinfprccbung, 
undelt fid) nun aueft ber SBibevfprud) Dagegen. oergl. 1, 44, aber feine pvicücrltcbe Soofpredntug 
8 . 2 . 3>etf ammelten f t d) , malirhbetnlid) oon ©itnbe unb ©dmlb, überbauet feine mcnfcb= 
im unteren größten 3)Jittelraum beS nur etnftöcftgen liebe Vermittlung ber Vergebung, bie oielmebr au$- 
ivuifeS, nicht un Obevftocf (©oller), ber aüerbmgS fdRiefelicbeS Vorredjt ©otteS ift, ja nid)t einmal gur 
jenft ment gu 93erfainmlungen biente (9lpftg. 9,39; biofeen 9(ntuubigung berfclben, baber g. S. 3ef. 6, 
% 8; 1, 13), unb mit bem Radien ®ad) burd) eine 6 ff.; ©ad). 3, 3 ff., fingcl, nidit aber SOicnfdien 
Itntr im 93oben beS lefeteren oerbuubeu mar, maS fie im göttlichen 9luftrag oollgiehen. 91 ber gerate 
ui ber folgenben ©djilberung beS ©ergangS meni- barum batten fie auS (vbrifti ^Sorten um fo eher 
vier gut pafet, benn bann batte man ja bloS btefe fchlicfecn folleu,bafe er bieS nidit auS eigener 3)?ad>t= 
erweitern, nicht baS gange ®ad) burdibrecben pollfominenbeit, fonbern nur oermöge göttlicher 
muffen. 93 or ber X bür t im Vorbof unb auf oollmäcbtigung tbut, bereu SeredRigung er fofort 
rer©trafee. ®> a 3 2B o r t ift aud) hier bie ©runb= babureb bemeift, bafe er fid) al3 ben allmiffenben 
läge feiner ganzen SBirffamfeit. ©cnenofünbiger geigt. 

V. 4. icht f on nten k., ndmlid) auf bem ®. 8. ßr fannte, oergl. !3ob. 2, 25, er fiebt 
gewöhnlichen 2Segeburd)bieSbür herein; bedien barin nidit bloS ben falfcbcn3rrtl)um, fonbern aud) 
fie b a b a ch a u f, gu bem fie oon aufeen ber bie bo^uülfige 9lbfid)t, ba fie ibm nid)t einmal 3cit 
fcurch eine treppe (üRattb. 24,17) ober oon beu laffen, fein 35ort burch’3 SBcrf .git beglaubigen. 
Senftern* ber ^uii)barbäufcr fonnnen tonnten, itnb ®. 9. 93eld)e3 ift leichter :c., nämlich 
gruben e3 auf burd) SBegnahme ber ©tein= nach bem Urtbeil ber < 30ccnfd>en, bie nur uacb äufee= 
fliesen (Suf. 5, 19) unb be3 auS 3iegelplatten be- reu fiditbaren unb greifbarenSbatfadicncntfdjciben; 
nebenbei! (5ftricb3. ®>a er mar, hier in ber auf biefem Staubpunft ift natürlid) ba3 gmeite 
VJitte tonnten fie am ebeften gmifdien ben ®ad)= VSort weitaus ba3 febmevere, meil e3 fid) hier um 
halfen unb bcm leid)tgebauten ©parrenmerf, ohne einen offenfunbigen ßrfolg banbclt, beu Dobermann 
grofee ©efabr für bie Untenftebenben burebfommen. controliren fann. 

Änmenbung: ßinmal mufe man gu ßbrifto ®. 10. ® e 3 SOI e n f d) e n © o b n, nad) ®an. 
fcmmeii, fcurch bie ®bür ober burd)’3 ®acb, b. b. ^ 13 befannte unb leiditoerftänblicbc 93e)eid)iiung 
auf orbentlicbe ober aufeerorbentlidje SSeife. ®er be3 992ef|iaet, alfo nidd mie ^br meinet, ein an- 
rechte ©laube, ber burd) bie Siebe tbätig ift, madjt mafeenber ©ottcöläftever, fonbern ber mabrbaftige 
erftnberifdb unb brid)t Durch alle Öüiberniffe Regenb ©ottcofobu. 9luf ßrben, nidit im ©egenjafe 
ourü. 3U einer anberen, oieJileidit nodi gröfeeren ©ünbeiu 

S. 5. 3 b re n ©lau ben, meliher [ich in fo Pergebung ini ©iinniel, fonbern mir um anjubem 
aufeerorbentlid)er SSeife 93abn brad), ja in einer teil, fie batten, ftatt ihn m fdieltcn, oielmebr ficb 
faft auffaüenben, äu|erlicb nidit anftänbig fdietucn- freuen follcu, bafe jefet enblid) auf ber Rudibclabeuen 
Den, bie aber bie felbitlofe Siebe gut madit. Sonft ßrbe unb über ber fdiulbbelabeneii ®enfcbbcit bie^ 
perlaiigt 3cfu^ oon ben ©lauben3fraiifen felbfi, ^riebenömort ertönt. 

Da§ fie an ibn glauben, jmar niiftt a(‘3 2)iitte(, aber ®. 12. Unb priefeen ©ott» ber folcbe 
ro^ al^ notbmenbige unb gmar eiitgige ©uinb- 2Rad)t ben 50ceiifdien gegeben bat (äKattb. 9, 8); 
bcDinguna ber Teilung, unb ohne 3meifet mar ein mie aud) ber ©ebeitte ibn felbft lobt unb preift 
iolcber auch hier in ber ©tille oorbanben, ia ba§ (Suf. 5, 25) unb fogar bie ßmpfäugüdieren unter 
brünftiße ^>eiloperlangen be^S ffleläbmten mar oiel= ben Vbarifäern unb ©diviftgclcbrten felbft, fofern 
leicht al3 ber eigentlicbe Antrieb gu bem gangen fie fid) nidit miitbmillig bagegen oerbävteten. 9Bäb* 
Sag ft lief angufeben. ®eine ©ünbeii jc., er renb ^efuo (Ä’ap. 1,40 ff.) ben ©ebeiltcn einfadi 
loeife looblf mo C'S ibm gu allermeift fehlt, unb entlaßt, ohne oon einem befouberen ®anf gegen 
rprtdbt Porerft feiu 2Bort oon Seibe^beilung, mie ihtijelber, aufeer unb neben bau gegen ©ott, etma^ 
mobl beo ©ichthrüdiigen ©ebnfudit ermartete, fon- minen gu mellen, gleid) al^ habe er felbft gar niditä 
fern eiiie^, ba5 gerabe burd) ihren 9luffdmb feinen ©onberliche^ Dabei getban, gefebieht bas JBunber 
©lauheil prüft/ aber auch bureb ©cmäbrung ber hier oielmebr gerabe fo, bafe eo lebiglidi nur al£ 
mxh piet bringeitberen geiftlidien ©ilfe ftärft. Sei Semäbrung bev bem ©obn oevliebenen 9Kacbt 
\bm acht a((e& oon innen nach aufeen geinäfe bem erfdieint, bie ibn bem Vater oöllig glcidiftellt. 
^runbeharafter feinet 9teidie^ felbft (Suf. 17,20), 111. ite Bmtfung M SiWncr« (V. 14—17). 

nicht uüe hei 9Menfchen oon aufeen nach innen. ®. 14. 91 m 3^11, mabrfdieinlidi auf feinem 
'^biie 33erßehung märe aud) bie leibliche ©enefung SBege gum ©eegeftabe (V. 13), in beffeu 9?äbe fich 
feine rechte ooüe ©Ufe gemefen, mie umgefebrt bie mobl bie S^Uftatte, oiellcicbt am ßube ber bi^ 
neiluiia feine ßauge unb ooüenDete ohne 2ßieber= bortbin fid) auobebuenbeu ^ifdieroorftabt befajib. 
K’rfteümifl audh bei leiDenben föörpev3, gerabe mie 9(ucb ihn finbet er bei bcr9lrbeit, nidit in träger 
bei uii5 gilt wahren ßrlöfung nicht blöd bie 3ied)t= Träumerei. Sprad) gu ibm x. t um bamit 
♦Vrtiauim aebott/ fonbern aud) bie einftige Verben= feinem inneren i>eaen^oerlangeu, ba§ er mobl 
iiliima Mirch bie Vuferftebung be^ Seibe^. fannte, entgegen gu fommeii. ®eu 9)i a 11 h äud 

II io# ^ eit ®<htfftgcldjrtcn (Ver§ giebt ©otted ©naDe ab oom ©eig, ben 3 ub a d ber 

fr—13) ®. 6 . @d)riftge lehrte, oon ber ©eig oon ber ©nabe ©otte^. 

-efte ber ißharifäer (Suf. 5,21). ®. 15. 3n feinem ©aufe, nämlich in bem 

7 ®iefer/ oerächtlicb: ein gang gemobns be3 Seoi felbft, mo er feinen alten SerufeSgenoffen 
ltrh«OTeiifc6/ ein nid)t einmal mit einem geiftlidicn mabrfdieinlid) noch ein 9lbfdiiebi5uiabl gab, ehe er 
State betrautet © o t teS l ä ft er u ng f in-1 ihren unb feinen bisherigen ßnoerb gänglicb oerlicfe, 


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46 $oiratagfd)ul»fehtionen. 


ohne 3weifel aber auch ^ußJetrt) fdjon mit bem be« ®errn am ©aftmahl be« Ccvi (25. 15) 2lnftoß, 
©unßhe, fie auch mit (Sbrifto befamtt gu machen; bei ben ©rfteren fcbon al« ©ffeit überhaupt im ©c- 
baher nimmt 3 efu« bie ©inlabung 311 m irbifchen genfaß 311 m Reiften/ bet 8 efcteren junäcbft wenig? 
©aftmabl an, um babei fclber gum himinlifcbcn ften wohl mehr nur al« StWgememfdjaft mit ben 
eintaben 31 t tonnen, 3 ö 11 n e t unb 3 ft 11 b e t (leoitifcf) unrein geltenben) 3biluern unb Süitbern, 
aalten bei ben 3 üben ocfanntlidj faft al« gleich= e« wirb bie« ein Einlaß, wobei fich bie felbftgcrechteit 
bebeutenb, ba fte auf bie meift habgierigen unb febr SBhärifäer unb bie gcfeßlicben 3 ohanne«iünger al« 
betrügcrifchen romifchcn 3 oUbeamten einen gang ©cifte«oerwanbte begegneten unb wenn auch fonft 
befonoeren nationalen ©aß festen. ®ie 3 bm einanber nicht freunblicb geftmit, bod) hier gegen 
nach folgten, al« beil^&eßicriße 3 uborer, bie ben gemeiitfamen Sfetnb gemcifdjaftlicbc Sadte 
fich aufrichtig freuten, ibn auch einmal eißcnS tn machten (oergl. Site. 23,12). ftaftetenoiel, 
ihrem fonft fo oeraeffteten ifretfe gu haben. ®iefcn eigentlich: waren im Saften begriffen, fchwer- 
freunbüd) unb empfänglich ©cfinnten treten nun in lieh bei einer orbentlichcn gefeßmäßigen Saftengeit, 
Wroffem ©egenfaß bie entfehiebenen Scinbe gut ber fich 3 cfu« mit feinen 3 üngern nicht entgogen 
Seite, bie inbeffen ohne 3weifet oon ihren Oberen hätte, fonbern fte batten oielleidft gerabe an iencui 
befonbere 3 uftruftionen erhalten batten, wie fieficb Stage be« ©aftmahl« ein außerorbentlidie« Saften 
auf3 Säuern unb beobachten legen follten, unb gehalten, möglidterweife ihn oeranlaßt burch bie 
biefe ©eifungen nun pünftlich genug befolgten. riirj oorangegaitgene ©efangettnehmung be« Xäu 
8. 16. 3Kit ben 3öllnern unb Sun* ferö (1,14), feit ber fiemobl noch wett mehr als 
bern, wobureß er fich ia nur in ein fdftechte« 8 id)t früher einer noch oicl ftrengeren SebenSweife fich be 
fteüt, ftatt mit un«, bie wir in gang 3 ftael al« bie fleißigten, al« jener in ber ©üfte (1,16), wobei fid> 
frommen unb ©erechten gelten. tbneit bie fßharifäer aläbalb al« 33unbe«genoffen 

®. 17. 3prach er x., um nämlich bie3ünger. gut SKufrecbtbaltung ber gefeßlidten Saftcnorbnung 
an bie fich 3 eite gunächft gewanbt hatten, ba fie fich anfcßloffcn, um e« ihnen auch in bietem Stttcf ber 
an 3 efum felbft noch nicht recht beranmagten, au« Srommigfeit unb äußerlichen ©crfhciligfeit wo 
ihrer Verlegenheit gu befreien unbgitgleicß ben®eg= möglich noch gttoor gu tbuit. Sprechen 311 ihm 
nern bie Unoernünftigfeit ihrer ?lnficht gum befd)ä= felbft, nicht blo« wie bie Schriftgelehrtcn, V. 16, 
meitbeitSewußtfein 311 bringen, benn e« ift gerabe 3 U tnbireft nur an feine 3ünger fid) wenbeitb. © a r? 
wiberfiitnig, bem 9trgt ben SJcrfchr.mit ben ffran- um x., bie Stage enthält natürlid) 3 ugleid) ben 
feit, für bie er hoch ba ift, oerbieten gu wollen, ftillen Vorwurf, er füllte fie beffer an halten gu einer 
®amit ift aber noch nicht gefaßt, baß biefe ©cgitcr erufteren 8 cben«führung unb wohl auch fich felber 
felbft feine Traufen, fonbern geiftig gefuitb feien, mehr eittfdiränfen. Sillein gerabe bie« blo« äußer- 
wie fie fich« freilich in ihrer gcfeßlidjen Selbftgeredj? lieh ©efeßlidie war nicht muh feinem Sinn unb 
tigfeit einbilbeten: fonbern nur, wie oollig grunblo« ©eift eoangelifcher Steiheit, fein Sehen war nicht 
ihr Stabei fei, felbft wenn fie ba« wirtlich wären, nach bem 3ufehnitt unb 3)?aß pßarifäifdter ©eilig= 
wa« fie wähnten. Allein ihr Ofntfcl ift ein gattj feit unb bem fflnchftabenwefen ihrer ^orfdwiften 
falfcher, wie ber bei äRarfuS fehlenbe, aber bet geregelt unb ging überhaupt nicht in fnechtifcher 
s 3Ratthäu3 9, 13 amSbrudlich cwtgeführte Spntch ?lengftiid)feit, ^ciitlichfcit unbGnghergigfeit einher, 
au§ ©ofea 6 , 6 3 eigt. ' Sie felbft haben gar feine fonbern in eblem finblichem ©eifte, aber freilich fo, 
Siebe unb föitnen bartttn auch nicht begreifen, wa 8 baß er babei nie aud> nur ben fleinften gegrünbeten 
ächte Siebe für aitbere gu thun oermag. 2Ba$ 3c= Slnlaß 3« einem fittlidjcn Sonourf gab. 
fu^ an ihnen thut, ift ein ©erf bet 93 armher 3 tgfeit, 8. 19. Aännen f i e n i cb t ift ihnen 

alfo gerabe bie höchfte Grfüllung be 8 fCmigltchen gerabegu unmöglich, benn e§ toäre ein ©iberfprueft 
©efeße^ ber Siebe unb bartttn weit beffer unb ©ott 31 t ihrer iitnerften wahrften Uebergeugung unb .§er- 
wohlgefälliger, al^ al^e äußere .^eiligfeit, ber bie aeitbftimmung. ®od> follten unb werben wir Ghri= 
Siehe fehlt unb bie nicht au3 bem ©tauben fommt, ften allcrbing§ aud) fd)on währeitb ber S^ftgeit ber 
fonbern au^ (Shrfucht unb .Heuchelei. 3 ur fünftigenSaitgeit gebcitfeit, um un^niditimUeber= 
©uße, Selbfterfenntniß unb SinneSänberung, maß einer falfihen fleifdjlichen Srcube gu überlaffen, 
al^ erften Schnitt gur Sefferung. ®a3 hätten bie@egner 001 t ihnen lernen unb felber 

Gtttantrf. „3efu3 nimmt bie Sünbet an." ihr Sehen beffer barnach einrichten lernen foüen, 

a) ©t oergtebt ihnen bie Sdmlb (S. 1—5); ftatt blo^S felbftgeredjt über fie 31 t riditen. 

b) ®r Ijcilt ihre ©ebred)en ('ö. 6—13); 20. Ocitn werben fie (oon felbft) f a= 

c) ßr gteht fie in feinen©ienft unb©emetnfdhaft ften, ohne baß man eS ihnen erft 31 t gebieten 

(®. 14—17). braucht. S a ^ n an ift wohl gut, aber für ficb 

—-mm— felbft ein ukrbienft barait§ machen ober bie ®e^ 

' willen Oberer bamit befchweren, ift wiberbie djrifb 

Sonntag, 29. 3anuar ’82. 3Karf. 2,18—3,5. liehe ©ahrheit unb Freiheit, auch ift e3 geiftlid>er 

Stolg unb ©odjmuth, wenn man in ®ingen, bie 
^ ® ott f rc ^ e ft^i hat, oertangt, baß ein 9lnbe= 

S$C(Q(Ql9lttttgtn mit uVX rer feine S^ommigfeit nadh ber unfrigen, nach ihrem 

®?aß unb ihrer Sorm ber äußeren Sethätigung ridh 
öaußtteyt: ©ebenfe beS Sabbathtage^, baßbu ten foü. ®a 8 Saften ferner ift iebenfgll^ nicht 
ihn heiligeft. (2 ?Wof. 20 , 8 .) Selbftgwecf, fonbern blo 8 ein SKittel gur ©ottfelig- 

I. Heller ba« Saften ber Sänger be« Sohanne« teit, trägt feinen ©erth unb feine fittlid)e 33ebeu= 
(SS. 18—20) tung ntcht tn ftch felbft al« folchem, fonbern nur 

8.18. ©ie 3 ünger 30 hann 18 unb bie barin, baße«entwebet:MuSbrucf ber »uße ift, wie 
®harifäer, bei beiben enegt bieSheilnahme 5lpoftelgefch. 9, 9, ober gur inneren Sammlung 


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Sonntagfdjul = # ehtionnu 


47 


unfttt ©cele bient, wie Slpoftelgefdj. 13, 2. 10, 
30., uetftl. 9Katif>. 4, 2. 17, 21, fura in irgenb 
»clcfeex 93eaiebuna $u nuferem öeiftlicfeen geben 
ftebt. Slbet ielbit bann ift e# weber für SlÜe ohne 
ünterfcibieb verbinblidj, noch bat e# für SlUe ben 
gleichen un&weifcibaft fieberen Serth unb folite 
baruin jebenfaU# ftatt su einer biofeen äufeeren, re= 
gelmäfeig wieberfebrenben ©ewobnheit ju werben» 
rielmebx auf befonbere Beiten unb Buftänbe fid) 
befdjränfen. 'Sarum bat and) (Sbriftuö feinen 
Jüngern nie unb nirgenb# geboten, bafe unb wie 
oft ober wie lang fie falten follen, gleidnoie and) er 
ielber e# nur au flcunifen 3wecfen übte, fonbern er 
k&UüRattt). 6, 16 ff.) blo# bon ihnen worauf, bafe 
ftee#freiwiilifl tbun, überläfetaber alle# Sin* 
achte ihrem eifleitcn inneren ^üeburfitife unbfittlidjen 
Urtheil, ohne etwa# boraufdjreiben ober gar aufau= 
trängen. 

11. tttfcer <£|rtßi Srr6a(tttlft jttm alten Sunta 

ikr|t*pt (93. 21 unb 22). 

8 . 21. ©inn be# erften Silben: ba# alte Äleib 
würbe mit bem neuen Stoff (au# ungewalftem 
iuche) blo# bollenb# gana oerboroen, währenb man 
tarau# beffer ein acuta neue# ©ewanb gemad)t hatte; 
cbenfo würbe aud) ßhriftu# für bie geiftliche SSlöfee 
feine# 9Solfe# fd)led)t forgen, wenn er nur baju 
jünger um fidj fammeltc, um burd) Slu#beffem unb 
Machtefferit in biefem unb ieitctn eiuaelnen Stürf, 
bemjelbeit feine bod) nicht mehr haltbare alte gefefe^ 
liehe geben ^acftalt gewaltfam aufrecht au erhalten, 
wäbrenb er in biefen neuen empfänglichen Seelen 
toch ben beften ©toff hatte, ihm eine gaita frijehe, 
con ©ruiib au# erneute, bauerbafte unb bom Seift 
Ce3 6bangelium3 nid)t bom 9Jud)ftabcnbienft be= 
berrfchte geben^gcftalt im ßlement ber Freiheit, 
nidht mehr ber alten Äncchtfcfeaft au fchaffeu. 

8 . 22. Sinn be# Aweüen Sitlbe#: ßbenfo tf)ö= 
rieht hanbelt aber auch bieferSKann, benn nicht nur 
fein neuer 2Bcin ift übel bewahrt, fonbern aud) feine 
alten Schläuche toerben aerriffen; batte er neue ba= 
für genommen, fo wäre beibe# miteinanber wohl 
behalten geblieben, ber Sein burd) bie Sd)läucbc 
mw bie ©d>läuchc burdj ben Sein (93 i l b bc# in¬ 
neren Schalte unb ber äufeeren $orm). 91 n w en= 
c u n g: auch für bie neue Seiftet traft, bie er feinen 
Jüngern fchenft, toäre fchlecht geforgt, wenn er fie 
in bie alten, ihrfelbft innerlich uöüig fremben äufee= 
rtn ©cfefeeeformeln eittawänpen wollte; fein 9teich 
gebort nicht ber93ergangenhett, fonbern ber Bufunft 
an unb ift ein freie# Gleich be#©eiftc#, ftatt alfo im 
alten fteifen 9Suchftabenfram unb formenwefeit fid) 
wieber einfan&en unb bannen au (affen, hat er biel= 
aiehr felbft ben Seruf, ade# neu unb frei au geftal= 
ten (Sbrifti ©tanbpunft unb ©ruttbfafe ift alfo 
webeT ein unfreie# fchulmäfjige# unb gewaltfame# 
^efthalten wollen bei «Iten, nwfe ein umeitißeS 
Verbrechen beffelhen (bergt. 9Katth. 5,17 ff.) unb 
«n Slig ftch üherftüraeube# Slujbrängcn ober 
blo# äußerliche# Stuf Heben unb Stnpaffenbe# Seiten, 
ienbent ein langfamer, innerlich bemittelter Uebet= 
gang bom (Sitten aum Stübern, im ©eift ebangefe 
kher Freiheit unb Rttli*«: Sabrheit. 

Ul. llrfeer junt 0ahhath in#« 

(2, 23—3, 5). _ cwvi r 

8. 23. äe hre n a u#suraufen nadj 5 9Kof. 
23, 25 geftattet, unb hier boüenb# bei wirflich briit= 
genban »ebütfni§ be# 3ünger# berechtigt, um e# 


mit einer boit ©ott felhft unmittelbar bargebotenen 
Speife au ftiüen. (Sin Sunber hat ßhriftu# nie 
weber au ber eigenen, noch au ber ©einen Sättigung 
oerriebtet, um fte au lehren, aud) mitten in ber&oth 
nie ohne $oth eigenmäd)tige unb au§erorbentUd)e 
3D2ittel unb Sege au fuchen. 

®. 24. i ch t r e d) t i ft, wenn aud) an jebem 
anberen Sa^e erlaubt, fo bo^ an biefem nicht; wie 
wohl feine eigentliche ^Übertretung eine# au#britcf= 
liehen ©ehot# ober be# göttlichen ©efefee# felbft, 
ftreifte e# bo(h fehr nahe an einen ©abbatbbrueb 
nach ber Sluffaffung ihrer menfcblidjen 9lu#legungen 
be# ©efefee# (ihrer 9luffäfee, 3)2attl>. 15, 2 ff.) an. 

8. 25. © e l c f e n, nämlid) 1 Sam. 21,6, $Ber= 
theibignng burch Scbriftbewei#. 

8. 26. Säbjathar, nad) 1 ©am. 21, 9 mU 
mehr fein 93ater 9ld)imeled), bem aber fein Sohn 
fehr halb nachfolgte unb biedeid)t bamal# fd)on bei 
®aoib# 3lud)t nach s 3?ohe biefem aur ßrlangimg 
ber fonft nur für bie 93riefter beftimmten (3 9)?of. 
2, 49) Sdiaubrobc behilflich u>ur, wieeria befannt^ 
lichftet# einer feiner beften Srcunbe war (1 ©am. 
22,20. 1 Äon. 1, 7). 

8. 27. fta&t überhaupt ßhvifti ganae gehre über 
ba# ©abbathgebot unb feine Haltung für bie neu= 
teftamentlid)e Beit aufammen, inbem er auf bie 
©ruubibee oeffelben aurüefgebt, nämlid) ben 
üKenfchen, al# Biel unb (Snbawecf ber gaitaen 
Schöpfung febon, unb foniit aud) ber ganaen ©efefe= 
gebuug in feinen höd)ften gebenöbebürfniffen ficher 
in [teilen gegen Sille#, was bie innere SBüvbe unb 
Seihe feiner 95erfon unb feine# inneren geiftigen 
Sefen# beriefet unb aevftövt, unb fomit namentlich 
and) gegen ieben fneduijch unfreien 3*rohn= unb 
Scrfbienft einer blo# äufeerlidwn S3ud)ftabengered)^ 
tigfeit mit ihrer ängftlichen gefefelkhen ©elbftquä^ 
lerei, bie felbft ben gveubentag be# Sabbath# au 
einem peinlichen ^ag fleinlid)ev mühfcliger ©afe= 
ung#beobachtuugen mad)en will, ©ana wie er 
33. 1, 9 ff. nicht ba#gaftcn felbft abfd>afft, fonbern 
nur ba# werfheilige ©efefeeofaften au einem (Sban- 
gelifd) freien unb peiftigen, b. h. m ßnthaltimg 
nicht blo# aeitweilig bon leiblicher Speife, fonbern 
immer unb überall bon ieglicher fleifchlidwr guft 
unb ieglid)em 9tei; au berfelben, bie un# berfühven, 
heflcden unb aur Sünbe werben fann, erheben unb 
bertiefen will, fo jd)afft er auch nicht ba# göttlich 
gegebene ©abbathgebot felbft ab, fonbern reinigt 
e# nur bon feinen meufddid)cn SWiBberftänbniffen, 
ßntftellungeu unb Uebertreibungen einer faljehen, 
einfeitigen Slu#legung unb Slmmibunp beffelben, 
woburch er aufhöreu feil ein blo# gefefelicher Äued^ 
te#bienft au fein, um fo mehr aber geeignet wirb, bie 
Erfüllung eine# wirtlichen geiftigen SSebürfniffe#, 
ein wahrer ©egen für ba# innere geben be# 2Men- 
fdjen au werben. 

8.28. ® e# 9Reitf(hen ©ohn k. Sßicht 
jeber einaelne SOkufch für fid), fonbern ber Schn 
©otte# al# ber feen unb ba# feaupt ber 90?enfd)hcit 
ift auch ber feerr be# ©abbath#, in ihm unb buvd> 
ihn aber auch ieber, ber an ihn glaubt, ihm inner 
I ltd) angehört unb barum einen berechtigten Slntheil 
an ihm unb feine# 9teid)e# Vorrechten genieftt; weil 
ßhriftu# 9Kenfd) geworben, ber ©abbath aber für 
ben SMenfchen ba ift (93. 27), b. b. au feinem 93e= 
ften geftiftet warb, nicht blo# binbernbe Seffel, fon= 
bem al# förbembe# 2Kittel für ihn, au feinem 9?e^ 


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Hub bet Homiletik* 


48 

_\ 

(teil, b, b. für fern getftlicbeb unb ewtgeb 3ßohi, 
tbnt bienen füll, ttidft umgefebrt bcr ^Meiifdj ba ifi 
unb gefdjaffeu ift um beb Sabbathb nullen, alb 
märe er befielt ftneebt unb Diener, ergtebt fiel) ber 
3d)lufi gatta nun felbft: aljo ift and) (Shriituo, unb 
awar fchon alb ber 2Keujd)euiohn, alb ber eebte, 
wahre iDJenfcö unb augleid) alb bcrJIMeffiab, md)t 
ber ftneebt, ionbern ber £>err beb oabbatbb, unb 
awar ber recbtmä&ige, nidjt bloo tu miüfürlkber 
5lnmathtng. 3öie nur aber ohne feinen ©cift gar 
nickt bie Seinen finb ('Jfont. *^9), jo inadjt.unb 
and) nur ber (Seift ber ftinbjchaft frei oom 3od) beb 
@efefec£ überhaupt, unb fo and) beb bloo äujier= 
heben Sabbathbgebotb, md)t ba§ mir ihn nun bre= 
eben bürften in falfeber Freiheit, fouberu bah mir 
ihn erft recht halten unb heiligen lernen« Dicfe 
(Soaiigelifcbe Sabbathfeier, alb bem ganzen 3wccf 
jeiner Stiftung am mciften entfprcebenb, ift an fid) 
beffer, alb iebc blob außerliel) gefefelid>e Crbnung ; 
für alle aber, bie noch nid)t in biejer rechten $rei= 
heit, bie augleid) eine innere glicht beb ©cifteb ift, 
fteben, ift eine, wenn auch aunächjt oiellcidft noch 
lehr fnedjtifcbe, ja nur fnecbtiicbcSabbathheiligung 
noch uuenblicb Diel beifer, alb feine unter bem 
Scbeijt ber greibeit cinhergehenbe, freche unb sügeh 
lofe (Sutbeiliguitg, unb märe fie gleid) burd) weit- 
liebe „Sonntagbgefcfec" geftattet. 

Äufe. 3, ®. 1. 3 n b i e S cb u l e (Sottagoge), 
bereu 33ejud) bei ihm fo fefte Sitte mar, bah man 
ihn am Sabbath lieber bort erwarten tonnte, unb 
bieb benüfeen fie nun, um ihm au fd)aben. (Sb 
mar ba 2 C., Dielleid)t abfiebtüeb oott beit s $hari= 
faern aufgeftellt (Suf. 14, 2), um ihn gleicbfatn auf 
offener Dbat au ertoifeben. 

5B. 2. hielten auf ihn, burd) bab 33ort 
(2, 27) fo mettig aur rechten (Srfeniitnih über bie 
mahre Sebeutung beb Sabbathb gcbrad)t unb non 
feinem eigentlichen 35ertb unb Segen überaeugt, 


bah fie vielmehr gerabe in bem anbern 33ort <2,28) 
ihren 3lrgmobn beitätigt fauben, er moUe benfelben 
gatta unb gar abjd)afien. 

®. 4. © u t c o thun ober 53 ö f e fe, b. b. 
einem SNeujchen mobl= ober mehthun; fie beuten 
bloe an ben äußeren ©egenfafe imn Dhutt ober 
Shdjtöthun alle Sabbath, er bagegen faßt benfelben 
fofort innerlich unb fittlicb: mährettb er (2, 23 ff.) 
bie Sabbathmerte ber s )i oth rechtfertigt, 
fo Doüaiebt er hier felbft ein Sabbath wert 
ber Siebe, helfen $Kid)ttbuu fofort auch ein 
Uebelthun, ein abfid)tlid)c£ ober ituabfidftlicheä 
SUchtbun, eilte Unterlaffungefünbe märe; beim ba3 
S8ol)lthun unb ©uteotbun ift non ©ott uttameifeU 
haft geboten, berfelbe ©ott fattn aber biejeä fein 
eigenem ©ebot nicht burd) bab Sabbathgebot mieber 
aufheben wollen; folglich muh biefejefeterc al$ bloö 
äuberlicbe gefefelidte Orbmtug unb Safeung in jol= 
d)ett SdUen, wo eb mit ben unmittelbar gemiffen 
fittlicben Serberungen in Streit au tommen febeint, 
bieten lefetcren untergeorbnet werben; ba man un= 
beftreitbar am Sabbath fo menig jünbigen barf, 
alb an jebetn attberen Dage, fo barf man an ihm 
and) nicht bureb Unterlaijung beb ©Uten ctmab 
3Jofe3 begehen, b. b. fünbigeti, fonbern inan mu§ 
cb thun, beim foldteo Dbuti ftort unb aerftort ben 
Sabbath nicht; blofoe gciefelicbc 35eobad)tung ber 
Sabbathorbnung unb and) bie blob ättfecrlidtc (Sttü 
faltung von aller unb jeber Arbeit ift noch teilte 
wahre unb rechte Sabbathfcier, mährettb mngetebrt 
bei ntandtcr äußeren Slrbeit bie innere 3abbatb= 
ruhe, ber fülle griebe unb heilige Segen beo Safc 
bathb fehr toohl in bcr Seele oorbanbeit fein fattn. 

(Suttourf. „Deo 9)ienfd)cnfohn- ein föevr aud) 
beb Sabbathb": 

a ) (Sr acigt bie redtfe Sabbathfreube (5?. 18-22); 

b) (9.x giebt bie redfte Sabbathfoeife (3$. 23-28); 

c) (Sr lehrt bie rcd)tcit Sabbathmerte (3,1—5). 




3Uis öcr iomilrtib. 


3ertfhtl> i e». 

$n$ unmündige fttttb unb bie ntiinbige 9Renfdjljeit 

(®al. 4, 1-7). 

3113 © o 11 e 8 Sohn ein u n nt it n b i g e b 
5?inb mürbe, ba ift bie 3Kenfd)beit 
m ü tt b i g geworben. 

1) 3?orbet mar ber (Srbe ein ftinb. 

2) Nunmehr wirb bab ftinb ein (Srbe. 

1) Vorher mar ber (Srbe ein ftittb. 
,,3d) fage aber — Safeungen.' 1 33ou 9tnfang an 
hat ©ott bte 9)?eufcheu au feilten ©rben beftimmt. 
äber naebbettt fie burd) eigne Scbulb fid) beo Saterb 
beraubt hatten unb fo au ^Baijett geworben umreit, 
muhten fie erft au Ueberttahme ber (Vrbfchaft oor- 
bereitet werben. So fittbett wir iit biefer, beb 5>a- 
terb beraubten Satnilie uttmünbige .ftinber, 
ohne ©infiebt in bab, mab ihnett au thun obliegt, 


ohne freien ®efife beffen, mab ihnen eiitft werben 
foU, ohne freien 5lufblicf unb 3ugang au tu 3} ater; 
wir fittbett ferner au ihrer (Sraiehmtg unb pflege 
„35ormüitber unb Pfleger". Der 3$orniünber 
ober 3ud)tmeifter, im 9llterthum oielfad) ein graute 
lieber Sflaoe, ift bab ©efefe, meld)eb ftreng unb 
ernft, ohne Ciebe ttttb (nbartueit, ohne fRüctficht auf 
Üeiftungbfähigfeit ttttb ohne firaft aur (Erfüllung, 
ihnen feine ©ebote einprägt. Der Pfleger ift bie 
33 e r h e i ft u n g, bie ihnen bab (Srbe Dermaltet, ba= 
Don in flehten 33often uur Don 3cit au 3c'it mieber 
fo oiel aubbeaahlt, alb fie auttt täglid)en 33ebürftttk 
ttothig haben, itn Uebrigett fie immer mieber auf 
bie 3eit bco 3)iüubigtoerbeub oertroftet. 

3öir finbett citblid) ft nechte, b. h. foldieftinber, 
bie mit biefer ftitibeeftellung uitaiifrieben, bent 
3ucbtmeifter mtb Pfleger entlaufen finb, um in ber 
Srentbe, albftnechte, um Sohn au bienen. (Sb ift 
beutlid), tote fid) biefe SBittfe uoit ben oordwiftlichm 
3eitcn übertragen laffett auf ben 3uftaub ber3)cett= 


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%m ber Homiletik« 


49 


Wien, bie beiitjutag ohne SbriftuS leben: einerfeitS 
bie ©ormiinbtgen auf bem ©efefecSftanbpunft uub 
mit einer SeUgfeitbfebnfucbt unb 3U)mmg, auberer= 
)e\tß bie ©Beltfned)te. 

Unb nun ift bie 3*iterfüllet; (Sottet Sohn, ber 
Srbe $tmmel3 unb ber Srbe (©f. 2; £ebr. 1) wirb 
ein unmiinbigC'S Äinb. 

2) V D2u n me b r m i rb ba ß ff in b ein (Srbe. 
Ratten juoot bic ffinber feinen ©ater mehr, io batte 
tiefer feine ffinber mehr auf (Srben; barum febieft 
ihnen berSJater feinen eingeboutenSobn alS '©ru¬ 
ber, ber gan* ihresgleichen loirb Sogar gleichfalls 
oaterloS), unb fo lief) wieber ©efebwifter, feinem 
©ater ffinber gewinnt. ,,©a aber bie Seit — &on 
bem £eibc. 4i 

Sittcrten suoor bie ffinber oor bem ©ormunb, fo 
würbe bafür ber Sohn unter baS ©efefe getf>au f 
bamit er f maS ber 3ud)tmeifter ohne.2lnlettuug unb 
£ilfe bloS befohlen hatte, ihnen beutlich Pom flein= 
ften hiSiuin größten bormache, por allem aber, ba= 
mit er bureb bie eigene ©efefeeScrffillung ben Buchte 
meifter befriebige unb entbehrlich mache, feine ©e^ 
Kfcmiiter affo non biefem erlofe. 

©Surben juoor bie ffinber Pom ©fleger ftira ge= 
halten, fo fommt an feiner Statt ber ©eift bcS 
3ohne3, („weil ihr beim ffinber — burch Shri- 
ftum' 4 ; um baS (Srbe frei auSjnbejah len, 
inbein er alS öd)l ft f fei jumSrbe ihnen ben©a- 
temainen inS &erj giebt, jum richtigen ©ebrauch 
fceS SrfceS bie ootn Sohn änberlicb ©efreiten auch 
innerlich frei macht, bie gewiffe & of f nun fl be$ 
himmlifchen SrbeS lebeubig erhält. . 

3inb mir benn ffinber, fo finb wir auch Srben, 
nämlicfc (Sottet Srben unb 2Riterben Shrifti. 


&um neuen e — neue ®aat! 3ob. 4,34—36. 

2So finben wir fie? — ©ei bem himmlifchen 
(Säemann. 

SSobiit ftreucn mir fie ? — 3n bie ©erjen ber 
SKenfchen. 

2Bo ernten mir fie? — £iet unten unb bort 
brobeu. 


Xie ©nabcitjtit. Sach. 13, l. 

gjjan finget mitfSreuben Pom Sieg, ©}. 118,15. 
Bie föimte bie fteftfreube barfiber: „baft icC> einen 
fceilanb habe, ber oom ffripplein bis jiun ©rabe, 
fe,um JE&ron,u'o inan ihn ebtt. mit, bem3ä..ber, 
suaebört," auföoren? — (St ut®eber uub m ®a6e; 
wtibir nimmt, luirb hocherfreut. ®ie ^tcube ift 
Mn, (title unb inmfle aemotben über bie nnau3= 
KÄ giebe, bie Heb in 3efu offenbart. - 
Ä hinV im Statte ju »ethtebcin finben mit 
vÄaenfltnub bet ftteube. (Sei ift ßhriftuö, in 
? J**' ,3 btlteS flefchcuft. ift. 3n ibm ift bab 

Sfaüfae0a |i a cu ' ba8 äUe crleud,tet: m ,l,m bct 


fflnabenbrunn unb Sc&cnSquell erfcbloffen, woraus 
Millionen trinfen uub ihren ©urft nach ©ott, bem 
lebenbigeu ©ott (©). 42, 3) ftiden fönnen. 92ie= 
mauO ahnte eß bamals; wir aber wiffen eß auß 
eigener Erfahrung uub jeugen baher: ©on bem 
in Sbrifto geöffneten © nab e n br itn n. 

1) ffiie ift biefer ©vunn befebaffen? Sr ift nicht 
pcrfcbloffeit unb fehwer zugänglich, fonbern offen 
unb frei für 3ctermann. * 

2) 23er hat Sbeij baran ? ®a3 ftauS ©aoibS; 
bie Sinmohner jii 3crufa(em; ba^ ganae ©olf 
3frael; wir alle. 

3) JBiber wa3 fod er bienen ? 23iber bie Sünbe 
unb Unreinigfeit be3 ©olfe^ 3ftael; wiber unfere 
unb witer bie ber ganjen 2üelt. 


2>ie ßrfllinge and ben Reiben, ein ®orbilb, bem 
mir nadjfolgen fotten. 5D2atth. 2, l—12. 

1) 3n ihrem ©lauben: Sie folgten ber 
himmlifchen SBeifung, bie fie in ihrem ©aterlanb 
empfingen, oergl. ©. 12. (Cuthcr, ©auSpoft. 6, 
135: „©ott läßt fie einen fonbern Stern k. ©enn 
eß ift nicht B^eifel ?c.), in 3erufalem fragten fie 
nicht, ob etwa ShriftuS geboren fei, fonbern ganj 
beftimmt: wo ift unb hielten fiel) an ba§ pro= 
phetifde SBort, baö fie bann horten. (8uthcrifd)e 
^auopoft. 1, 324: „®a fie ca\ß göttlicher Offen¬ 
barung 2 C. ©erhalben fiehet man an ben SBeifen 
ein trefflich Sjempel eineö fchonen unb gewaltigen 
©laubenö je. ©iefen ©lauben x." Siehe auch 
6, 137.); wir haben jefet feine ©erhei§ung einer 
wunberoaren Subrung, fodeu unh alfo allein an 
bad geoffenbarte 93ort halten. 

Sie laffeit fich nicht irre machen (8uth. ib. l, 
325.. 6,140) baburch, ba§ man in ber ff onigSftabt 
3emfatem nichts pon bem neugeborneu ff onig wei§, 
ba§ ^erobe^ uub baS ganae 3erufalcm bei ihrer 
Srage erfchricft, bah fie in ba$ fleine ©Bethlehem ge= 
wiefen werben, ba| 92iemanb mit ihnen geht, bafc 
fie ba^ ff iublcin nicht pon fbniglicber ©iad)t um= 
geben, fonbern in tieffter 2(muith finben. 

Sie freuen fich be$ ff inbleiu^ al^ ibre§ berm 
unb ff bnigd. 

2) 3n ihrer Siebe: Sie fmb eifrig unb 
fdieuen feine 3Rühe unb ©efdjwerlichfeit, bemffinb= 
lein ju Sbren. 

Sie befennen (Suther, ib. l, 326. 6,137: „©er 
anbere ©ienft ift, ba§ wir nicht ftillfduoeigen k. 11 ) 

Sie beten e§ an unb hulbigen ihm alo ihrem 
ffonig. 

Sie thun ihre Sdiäfec auf (Suth. ib. l, 326: 
„23ir follen mit iinferin ©elo x. ©erhalbeu wir 
armen x." 6, 137: „2llfo follen wir (wer eß oer= 
mag) ©clb unb ®ut bahin wenben x. 2Ber fein 
©elb uub ®ut x. ©arurn muffend unfelige, 
blinbe Seute w x.) — SMifiion, innere unb äuhere. 
i Sie gehen frohliih au ihrem ©eruf aurüd. 



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50 


Xdjule uni (Srjitljung. 


Sd)ule und «rjteljung. 


<8ht ber Giftufmfingttß ttacfj . . . abßittß, fo 

fdjretbt ein „Slmerifaner in “The Sunday School 
Times”, fchritt ich laitßfam, einen $lafe fm 
djeitb, burch einen überfüllten SBaßen. 3d) fanb 
einen leeren Sife neben einem SBattne, ber in ße= 
möhnlidje# einfache Äleibet aef leibet mar. „Grlau= 
beit Sie/" faßte id), „bafc ia) midj $it 3bnen fefee." 
»3a," mar feine Slntmort, „ich stehe ©efeüfdmft 
bem Stlleinfcin oor; benit id) möchte leid)t eütfd)la= 
fett unb mfntfdje hoch nid)t bei ber Stabt * ♦ . oor= 
betgufabrcit. „9tb," ermiberte id), „ich merbe ba 
auch auSfteißcn unb mill bafür foracit, bafi Sie bie 
3eit gum 8lu3fteißeit nicht ocrfd)lafen:" Gr banfte 
mir. 9?ad)beitt er noch eittioe SBemerfunßcn betrefft 
feiner ©efebäfte in ber Stabt ßcmacht hatte, au3 
beneit ich |d)Uc§en fonntc, bah er hier ein Sretnber 
mar, fo fam er im Saufe bc3 @cforad)3 auf fein 
früheres geben git fpredjen, ma3 ich hier, fo aut 
al3 möfltid), tu feinen etßenen ©orten mittheilen 
möchte: 

„3dj flittfl in meinem Sehen nie in bie Schule, 
außer in bie Sonntaßfdmle unb e3 ift tmutberbar, 
toie ich in bie Soutttaafchule !am. ®en 2Benbe= 

S unft in meinem Sehen oerbanfe idj ber Sonutaa= 
hule." 8113 ber 9Kann fah, bah er an mir einen 
aufmerffanten 3«hörer hatte, fuhr er fort: „.flaurn 
foitnte ich ßchen, fo muhte ich arbeiten. ^Keinen 
2?ater oerlor ich, al3 td) fiebeit 3atrre alt mar. 
teilte Butter toar fo arm, bah fie mit SBafdjeit 
für frembe Seute nufer Sehen erhalten muhte. 3ch 
that, toaS id) tonnte, um etmaä gu oerbienen, trua 
für anbere Seute 2Baffer, ober machte fonft bett 93o= 
teg für fie. 91(3 ich mißefäbr neun 3nhre alt mar, 
foielte ich an einem Sonntaa mit noch gmei anberen 
ßitabeit auf einem freien $lafee. Gin föerr fam git 
mt3, fah mt3 einiac 9liißenblicfe gu unb faßte bann 
gu einem ber ftnaben: „©illft bu nicht mit gur 
Sonntaafchule ßehen ? itommft bu mit, fo aebe 
ich bir einen neuen 9lngiiß." „92ciu," faßte er mit 
einem Slucb, „ich ßehe gu feiner Sonntaßfdmle." 
3)er fterr, ohne ein meitereS SBort gu betn Änabcit 
gu faßen, manbte fich gu bem gmeiten unb faßte: 
„®ut, aber bu fominft, nicht mahr ?" ®er Änabe 
gößerte unb faßte eublich, er ßehe nicht gur Sonn= 
taßfchule. G3 fchien, al3 hätte ber $err mährenb 
biefer 3eit feine s J?otig oon mir ßeuommen unb ich 
ftanb ba, ohne felbft ma3 git faßen, münuhte aber 
hoch in meinem ©ergen, bah er mich fraßen möd)te. 
Gnblich manbte er fich gu mir unb faßte: „9lber bu 
aebft, ich mei§, bu ßehft in bie Sonntaafchule unb 
bu befommft bann oon mir einen neuen 9(itguß." 
3cb jehaute beit föerrn einige SWinutcn an unb 
mrad) bann: „3ft c3 mirflich fo?" „©ernih," 
faßte er, „foinm nur aerabe mit." „3a ßerr, ich 
miil mit3hnen aehen," fuhr ich fort unb mar ßlücf- 
lieh, foldf einen Jpanbel ßemachtgu haben; „bod) ich 
muh guerft heimnehen, um niemer Butter gu faßeitj 
mo ich hiitßehe, unb um mich gu mafchen." ? 
eilte fo oiel id) fonute, mufch ßänbe unb ©efi 


unb ßiua gur ©onntaßfchule. ®ie fileiber, bie ich 
bagiiinal trug, maren rein, aber mit oielen Süden 
bebedt. 8113 bie Sdmle au3 mar, befam ich oon 
bem föerrn einen neuen einfad)en Slitguß, ber, mie 
ich ßlaube, nicht oiel mehr alS fünfgiß Gent3 
ßefoftet haben mirb, aber id) faße3hnen, meinten, 
al3 ich heim ßinß, fühlte id) mich ßlüdlid)er, al3 
menn ich iefet looo ®ol(ar3 befomnieit follte. 3Son 
ber 3eit au mar eS immer meine ©emohnheit, gur 
Sonntaafchule gu ßchen. ®er fcerr, ber mich gur 
Schule einlubr ftanb mir immer gur Seite. Gr 
forßte bafür, bah ich eine gute Stelle gur Slrbeit 
unb foätcr gur Grlernuitß eine3 @efd)äft3 befam. 
'DaS ©cfdjäft trieb id) aebtgehn 3abrc, bi3 tdi baf- 
felbe mit einem anbcrit oertaufd)te. 3n aller met= 
ncr 8lr0eit hatte id) oicl ©lücf unb Scant unb ben 
ßangen Grfolß in meinem ©efehäft oerbanfe td) gu- 
nächft ber 9lnnahntc ber Ginlabmiß oen ienem 
Sreunbe gur Sonntaßfchule gu flehen. Unb felt= 
fam ift e3," fußte er hingu, „beibe Knaben, bie an 
ienem Sonntaß bie Ginlabmiß aitSfdditßen, ftarhen 
einiße3uhre foätcr in bem Staateßefänßnihgu...., 
unb ich fehe feilten Ghuub, bafe, mürbe aud> id> bie 
Ginlabmiß oerjehmäht haben, e3 mir and) alfo hätte 
emehen föitncit." Mährenb bc3 ©cfoväd’3 faßte 
ich gu bem SOiantt: „3ch hoffe, bie Scmilaafchiile 
hat Sie gu einem ßuten Ghviftcn ßcmad)t ?" „yiein," 
faßte er fehr trauriß, r e3 oerßtnßcn noch mehrere 
3ahre, bi3 id) einGhrilt mürbe, b.h. mid) befehrte, 
aber e3 ift, licbft bem otclcn fönten, ba3 fie für midi 
that, befonber3 G:inc3, ba3 id) ihr oerbanfe, fie bc^ 
ftimmte mich bahin, bah id> mir feft oernahm, nidit 
eher gu heirathen, hi3 id) eine ßute, d)rifilid)e3mtß^ 
frau heirathen föntte. 

„5« meinem fcd)3mibgmangißften 3nhre trat id> 
in bie Ghe, unb id) fanb an meiner Gattin ßcrabe 
ba3, ma3 id) münfehte. SKeine ©iffmuiß mürbe 
erfüllt. 3Bir haben ein autc3 unb fdmtteS ipeim. 
Unßefähr oier 3<tbre nach meiner 8?crhcnathmtß 
murbc id) befchrt. 5D?eine Stau mar em ©lieb ber 
.... firebe unb ich ßchrrte mieber gu einer anbent 
Äirdienßenteinfdmft. 9)ccine föattiu batte fetne 
8Sorliebe gu berftirdje, gu ber ich ßeherte unb td) 
nicht für bie ihrige. SCBir beforad)en tinS miteman^ 

ber unb mürben einS, mt3 ber.firrf'e attgu= 

fdjlieheit. Uttfere Ghe mürbe mit brei fiinbent ße= 
feßnet unb alle brei finb nun auch ©lieber btejer 
Kirche ßemorbeit. 

„3ch habe einen einmtbgmangißjährißen Sohn, 
ber nie foirituöfe ©etränfe fdmiedte, nie fid)betraut, 
(be3 8Sater3 9litßefid)t leuchtete ocr Stcube al§ er 
biefe3 faßte) nie hat er eine Süße ßefaßt ober ße= 
flucht." 9?ach einer furgcit SCanfe fuhr er fort: 
„3cb habe oft ©eleßenheit, gu feheit, ma3 für ein 
Unterfdjieb e3 ift gmifd)cn einem ©aufe, mo bie 
£>au3frau eine Ghriftiit ober mo fie feine ift. 3d> 
habe gmet Sßänner iit meinem ©efd)äft ßehabt, ftc 
oerri^teten biefelbe Arbeit unb erhielten auch ben^ 
felhen Sohn. Giner oon ihnen batte eine cbriftlicbe 


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Sdjule unb @rjteljuitg. 


51 


Stau unb bet ttnbcrc nidt. 3n bem ©aufe#wo i 63 braudt 93erftanb unb SESeiöbeit sur ©rfiithmfl 
bte grau feine Cfhviftin mar, waren mir elenbc ÜKös biefer Arbeit, unb ein ©onntaflfdmllehrer foUtc 
bei, ein paar Sdmffeln unb Steller 311 {eben, bie ! möfllidft oiel 3eit $ur tüchtigen Vorbereitung oer= 
Ämter waten feßmukig, zerlumpt, unb Slüe^ war i wenbeu, aber Sad)e be3 Äopfeä allein ift fie nicht, 
unreinlich unb unbequem; aber in bem anbern ; fRacfte i*ehreu, fie mögen nod fo ridtifl fein, finb 
paufe war ficrabc ba3 ©eqentbeil; flute 3Köbel, ; felbft bei ©vwadfenen feiten oon erheblider ©ir= 
idcneS ©efdnrr. bie äinber reinlich unb ßiit ßetleU 1 fuiiß, wo ba3 ©euuitholeben noch mehr, alb wie 
Det unb 9lilc3 fo praftifd) eiufteridtet, nue man e3 bort ba3 SSerftanbeblebcn beberrfdt. ©3 bebarf 
nur miinfcfteit tonnte. Unb biefe3Jam einfad ba= Mer ein Sicht, ba3 ebenfo fehr wärmt al3 leud)tct, 
bet, weil bie eine Stau eine 6 hr ift in war unb bie ein ©ort, ba3 wohl bie Slufmerffamfeit wedt, aber 
anbere nid)t. StnSbrift bat eben anbere Brinci- aud) bie fleineu ©er*en anmutbet unb einnimmt, 
pien unb 3ielc, al3 ein meltlid gefilmter SKenfd». De3halb muh bem Sonn tagf d)u 1 leb= 
infterer fncht fein ©elb 311m Stuften feiner gamilie rer feine 9lrbeit felbft &erjen3fad)e 
m oemoenben, unb leftterer oerfdjwenbet c3 im fein. 

33irtb3han3. SOBenn ein SMann in’3 ©ivth3hau3 ! ©ev&enSfade, ba3meintaber©er3en3 = 9lnlie= 
acht# fo qebt^ bergab mit ihm, fobalb ein 9Mann | gen — ©orge — ©unfd). Bei Slilern, wa3 und 

ein trinfer ift, fo fd>eint e3, ber Sind) ©otte3 ruhe | wwbtig oorfommt, ift bas ©er3 babei. ©0 aber 

auf ihm." - \ ba3 ©er3 red)t für eine ©ade eingenommen ift, bat 

Die Bfeife ertönte unb bericht hielt. ©irhat= j es nicf>t nur ©efühle unb ©ünfde, fonbern e3 oer= 
ten bas (Silbe unterer Steife erreicht. Da3 erwar- aniaht un3 31t möglidjfter Jrcue in ber ?liisübillig 

tete ©dläfdcn meinet <?reunbe3 war au3geblieben | uitferer Pflichten ; ia ned> tnebr, es bat felbft eine 

nnb id batte ein aubered unb 3war fehr werthoollc3 I wunberbarc ©prade, für weide alle 2)<cnfdenher= 
Kapitel in meiner 8eben3aufflabe gelernt. $d seit, ftauptfädlid) aber Äinber, empfanglid) finb. 
mußte mir felbft fagen, hier ift ein einfader üDtann, ©3 fpridt burd ©anb unb SDcunb, burd ©ort unb 
Der burd> (Sottet ©nabe bie wahre Bhilofophie Stbat; unter feinem ©iufluh wirb bie ©anb warm 
einer- gliirflidien unb rid)tigcu Sebent fanb. (Sin imb fanft, ba3 ©ort weid, innig mit cinbrud3ooü. 
Sann, ber qlfitflid fein will, muff religiö3, © er 3 eit 3f ade, bao meint 8iebe3fade. 
fleifnq nnb mäßig fein; ein ©aus, unterbef- Sßflidt ift ein widtigeö, iiibaltfdwere3, aber fo 
fen Dad) wahres ©lud wohnen foll, muß burd) eine allein hingeftetlt, bed) immer bartet, ftrcngcS ©ort. 
6r ift l idc ö a u 3 f r a it regiert werben, ^flidtqefübl unb Pflichteifer finb leblid unb neth= 
a n b biefe uufd)dfebare geftion, bie weitbiq, aber ohne Siebe blofee ©efefeeebiener, um 
Diefer 'SZaitit lernte, ift bad ütejultat eitblid) ntuhfam unb immer £cm Grfdlaffen nabe. 
Der CSiitlabjuufl einc^ fyreniben j u m Saßt e3 Stiche fein, bie eure Jpcrjen erfüllt, ihr 
S e f 11 d» ber 0 0 it it t a q fd u l e. ©onntaqfdullebrcr, wahre IMcbe m C^ctt nnb reine, 

w @ehe bin it ub thue be^qleid)en!" treue Siebe jit ben Ä intern. 0ie allein lehrt nidt 
Sa* foll liir bie «rbeit au ber ©ountaqfdule nur weife, treufte fpffidtcrfiillunq, foubem madt 
jda? 9Sir ffirdjten, tnande Sebrcr ber ©onntaq= biefe (eidt, bewahrt oor (Srmübunq nnb fidjert ben 
’dule haben nidt ben richtigen Seariff oon ber (Srfolq. 

Sidtü^feit ibre-3 ffiirfewi. ®iefe Arbeit ift ihnen, .öe xi en of a d)e, ba3 meint ©cbetöfade. 
icenn auch nidt qerabe eine qleid)qültiac ®ade, fo fßflan&eii unb 93eaiefien ift nidt allein nufere 9lnf= 
cod eine ber oielen s Jtebenfadeu. 0ie leqen nidt aabe, and ba3 evnftlide ©ebet um bae ©ebeiben 
lehr qro§e3 ©emidt barauf, wie fie biefe 9lrbeit oer= unb ben 0eqen 0011 Cben bavf nidt fehlen. 3)cit 
ndten, menii nur bie 3eit auöqefüllt ift unb fehneu bem 0dluft ber 0onntaqfdule ift bie Arbeit ber 
nd ebenfo fehr nad bem 0dluft ber ©tunbe, wie Schver a n ben Äintern mar qethan, nidt aber bie= 
Tunde Afinber unb wie ntand)c 3uhörcr einer P\*e= ieniqe für fie. (nnftlidee, treues 1111 b aubaltenbeö 
:m nwid beut 9(men. 5?ür eine fllcidqülttfle 0adc ©ebet flieht bem Lehrer bie flcttlide 25>eihe unb fet 2 
»erfdnoenben ift unrecht; aber eine widlifle ner 9lrbeit ba3 flöttlide ©ieflel. 

2ade qleid)flültifl betreiben ift’3 nod) mehr. S)iit 9luf felche ©cife wirb bann bie Arbeit an ber 
iuKt Klippe inaq man fpielen, wenn fie fallt unb ©onntaqfdnilc eine ©cflene-fade. ^n tiefem ©eifte 
:rrbridt, fo ift nidt oiel oerloten, ber 3d)aDen läßt flethan, ift c3 flar nidt mcfllid, bah fie cvfelflloS 
iäerfebeu; aber wenn man mit benieniflcn, welche bleibe. Den erften 0cflen wirb ber fehrer felbft 
iui ärbeit mtb ,mm ©enuft ber ©eqnmiqeit be3 flcnicßeu; er wirb wadfen an ©rfennlnifi, ©nabe 
Seidse3 ©otte3 hcranqe^oflen werben foden, nur unb ©cclenfllürf. Die fsrudt feiner 9lvbeit aber 
: cidqültiq fpielt, fo ift 0a3 unoerantwortlid. ©ier an ben .Stintern fann and) nidt aiwbleibcn; fie 
h eine Arbeit, bie ftet3 bem hohen 3wecf entfpre= wirb reifen unb fortwirfen nod lanfle, neun er 
':no qethan werben folltc. "Bebenfe bod ieber fd)on feine 9luflcn im Detc flefdloffen hat unb er 
^Srer, um3 tut Saatförner ber ©err in feine ©anb wirb einuehen mit reid)en ©Farben in bie Dhore be§ 
•leflt hat, weide ^rüdte biefe bei forqfältifler 9lu3= neuen ^erufalem^. 

Szi traqen fönnen 1111b wie fehr ber ©rfolq oon ber 

Art unb 2Seife feiner Hrbeit^oerrtdtuiifl abhänflt. r ^aftor mii6 Itt brr ®omttaqfdnlf fr iw! ©er 
Jährlich mand)e Arbeit bliebe beffer flar nidt fle= foll ber (Mte in ber ©onntaflfamlc fein? Der 
•3an, al3 fd)lecht qethan. Ob berÄnabc, ber in Paftor! 

1 'n Sonntaqfchule oor bir fifet, einit ber ©eflen be3 j ©er foll ber fleißiflfte, ber reflelmähiflfte, ber auf^ 
-emmenten ©efchlcdt3 wirt>, oielleidt ein 9Kann, merffamfte, ber ftrenflfte, ber liebeoollfte Sehrcv in 
Biele wr ©eredtiqfcit weift, ba3 bänflt 3U111 flro= ber ©onntaflfdule fein ? Der Paftor! 

^enDheil oon ben weuißcn Stunben ab, in weiden ©er foll ber tefcte fein au3 ber ©onntaflfdule ? 
n unter beinern (Sinfluh fteht. Der Paftor! 


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52 


Säjwle unb ft}tel)ung. 


Sie eine Äirdje ohne Prebiger, fo tft auch eine 
Sonntagfchule ohne bcn Prebiger ein Unbing. 

3Ber bie 3ugenb hat, hat bie 3ufunft! SBer 
bie 3ugenb oernaddäffigt, oernaddaffigt bie gegeiu 
wärtige unb zufünftige ©emeinbe. Unb wer baS 
thut, ift feinet hohen ?lmteS, ift feinet ©emeinbe 
nicht wevtb nad) ?lpftg. 20, 28: „So habt nun Sicht 
auf euch fclbft unb auf bie ganze ©cerbe" ac., et ift 
ein Plietbling, ein gcwiffcnlofcr Unecht, bet eine 
fuvcbthate Pcrantwortnng hat ( s JRattb. 25, 30). 

Sage mit, wie beine Sonntagfd)iite ift, unb ich 
will bit tagen, wie bn bift, ahet auch — wie beine 
©emeinbe ift (ÜKatth. 7,17.)! Soge mit, wie bu 
für bie dämmet forgft, unb ich will bit fagen, waS 
btt fut beine Sdjafe thuft! Sage mit, wie beine 
Äinbetfchte ift, unb ich will bit fagen, wie beine 
Prebigt ift! Sage mit, wie bu bie 3ugenb auf bem 
©erzen trägft, unb ich will bit fagen, wie btt beine 
©lieber lieoft? — ®ie ©emeinbe ein Spiegel bet 
Sonntagfdmle unb — umgefehtt. ©eibe ein Spie= 
gel beS PaftorS. 

3ft beine Sonntagfchule, liehet ©ruber, in fchlech- 
tem3uftanbe; — woblbtr, wenn bu cS einfiehft! 
2Behe bit, wenn bu cS habet laffeft unb legft nicht 
mit altem ftleifi ©anb anS SBerf, baR eS heffct 
werbe! 2)it halt ben unzweifelhaften, fttengen ©c= 
fehl, nt meiben bie ganze ©eerbe (2lpftg. 20, 28; 
l petri 5, 2), alfo auch bie Sammet (3ob. 21, 
15; Stic. 18,16), unb bie erfdwcdltcbe Orobung hei 
SfidjtberücfRthtigung biefeS ©efeblS (Suc. 17,1. 2; 
2Katth. 7,l*- SWattb. 25, 30). 

3ft baS Stic beinet ©emeinbe fein {jüitftigeS: 
Rehe auf beine Sonntagfdmle, fie wirb fern beffereS 
iiefetn. 2Batttm nicht? 2Bie bie.Sllteit futtgeit, 
fo zwitfchern bie jungen! ©ehe mit bet Sonntage 
route an! . ©iflit bu bie 3ufuttft haben, habe bie 
Siugcnb! Oie Eltern erziehen nid)t nttt bie Siuber; 
auch bie ilinbet erziehen bie Eltern. 

‘ 3R beine Sonntagfchule eine blühenbe, nicht bet 
Sroitlerzabl, nicht i$te8 JBoblftaitbeS, nicht ihtet 
auReren Einrichtung unb SluSftattung halhet, fon= 
bettt nach 3ucht unb SrfenntniR, bann laR nicht ab 
pom pflügen, fonbetn pflüge unb egge unb fäe unb 
ernte weiter unb immer wiebet. „Öu ftointnet unb 
getreuer Unecht, ich will bich über mel fefeen! ©ehe 
ein zu beinet ©errn Sreitbe" (3Ratth. 25 21)! — 
Soll ich noch fragen, wie beine ©emeinbe ift, bein 
ffitchenbefttch, bie Sheilnahme am heiligen 9lbenb- 
mahl? ®u weiRt: JBet bie 3ugenb hat, hat bie 
©emeinbe! Saturn benfft bu: 3<h; ©irte, mitR 
unter allen Umftänben in ber Sonntagfchule, bei 
ben Sämmern fein! (Sutb. Äitchenfr.) 

E|rijht§ ber ®nmb$ng ber Bibel. JBie auf bem 
gfunPament bie ganze SDBucht beS Sattel ruht, fo 
ruhen alle Obeile bet ©ibel auf ber 23abrheit pom 
Ären*. 3« ben Prophezeiungen bet ©encfiS finben 
wir baS ffreu.z, in bem paffahfefte be-3 SrobuS ift 
baS ffteuj, in ben Opfern beS SeoitifuS, allüberall 
ftrahlt unS baS ftreuz entgegen. ES ift ber©runb- 
ftein, bet Ecfftein, auf bem bet herrliche Oont bet 
göttlichen SBabrbeit ruht, ©alte biefe üßahtheit 
bem Äinbe oor baS ©emüth. *3cige ihm unfern 
©eitanb in feiner ganzen Schöne, in feinet fönig- 
liehen 332aieftät, in feinet unbergleichüchen Siebe. 
Oann faffe baS ffinb bei bet ©anb, führe eS zu bei= 


nem unb feinem Erlöfer, lege feine ©anb in bie beS 
liebenben ©eilanbeS, fo bag fie beibe innig oerbun= 
ben fein möchten al^ Schrer unb Sd)üler, bamit 
baö 3Kenfd)lid)e in bem ^iinbe fid) auf ba§©öttlid)e 
ftüfeen unb fich mit ihm unauflöslich oerbinben 
möge. 3efet ift bie fflibcl bem ©emüthe beö Sin= 
beS niefet mehr ein blofecS Sud), iefet ift eS ihm ein 
©eint geworben, worin eS bcftdnbig iveilt, unb poll 
froher 3uoerfid)t blieft eS bem ÄitgcnblidEe entgegen, 
in weitem eS feinen liebenben Pater unb feinen 
Srlöfcroon2lngefid)t zu 9lngefid)t zu fchauen oetmag. 

$r. ®ittceuf fagte in einer feiner SReben an 
SonntagfchuHehrer, bah baS grofte ©eheimnih beS 
Unterrichts barin beftehe, bie Selbftthdtigfeit bet 
Sduilet anzuregen. ?US eine 3Huftration biefev 
P?einung erzählte er folgeitbe ?lnefbote: „3n ©O' 
fton unterhielt ich mid) eincS SageS mit einem flei- 
nen 3Käbd)en, wdhrenb id) auf einen Sreunb war¬ 
tete. 3ch ftug fie, ob Re auch zur Sonntagfchule 
gehe. „O ia!" ,,©aft bu auch einen guten Seh' 
rer?" „©ewifdich, einen portrefflichen Sehrer." 
„®amt lernft bu iebe SSoche beine Seftion ?" „®e= 
wiölich, unfer Seiner zwingt linS bazu."' 3d) fagte: 
„Oaoor habe ich Otefpeft. Eine Schrerin, bie ihre 
Schüler zwingt, ihre Scftioncn wdhrenb ber flßedje 
ju lernen, inu§ eine fehr gute Sehretin fein." „3a, 
uh meine nid)t, ba§ Re unS gerabe zuüngt," fagte 
Re nadjbenfenb, „aber Re unterrichtet uns fo, bah 
eS unS eine Suft ift, unfere Seftionen zu lernen." 
„OieS ift noch baS ?lllerbefte," antwortete id). „Ein 
Schrer, ber feine Sdjüler fo unterrichtet, baR Re [ich 
auf ihre Seftionen mit Suft oorbereiten, ift ein Por= 
Züglid)ct Sehret." 3a, ein Sehrer, ber bie ffunft 
gelernt hat, bie Slnfmcrffamfeit ber Sd)ület anau' 
regen ift wahrlich ein Sehrer unb 3BohI= 
t h d t e r. 

©nmbfähe ihrifHidjrr Erzielluita. „Sef feft ge= 
gen Shtdnen. 3e fefter bu bift, befto weniger wer= 
ben fliehen." 

„Strafe nie bein Äinb im erftenSorn, aber ftrafe 
eS auch nie in faltet Unempflnblühfeit. ®aS fiinb 
mu§ bein Pater= unb SDiutterherz and) in ber Strafe 
fehen fön nen." 

„®aS lefete unb bödifte 3iel ber 3ud)t ift, bafe 
baS Äinb bem bloRen SBinfe be§ SlugeS gehorche." 

„Suche burch beine Siebe bet Äiubet Siebe zu bil- 
ben, zu ftärfen, zu mehren, unb fuche bir RetS ihr 
polleS Pertrauen zu erhalten." 

„Mergele unb bemängle nidjt immer an beinern 
ßiube, bu machft eS nur Rumpf burd) immerumh' 
renbeS Ermahnen. ®er fWciter, ber immer an ben 
3ügeln zerrt, mad)t baS Pferb nur hartmäulig." 

„Por allem bete mitbeinenffinbem unb für beine 
ffinbet, fonft hilft alles ni^tS. Sehre Re frühe 
©ott unb ben ©eilanb lieben — unb liebe bu felbft 
©ott pon ganzem ©erzen!" 

©erabc Wie ba§ Irbifi^e fiebnt eine Porbereitung 
unb SilbungSfchule für bie Swigfeit ift, fo ift eS* 
auch bie Erziehung wieber für biefeS irbifche Sehen 
felbft unb nur bieienige Erziehung ift überhaupt 
etwas werth, welcher biefer groRen ©auptaufgabe 
pöllig gerecht )oirb. 

(Sifch. Short.) 


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(Sljronih bet Segenroort. 


53 


(Ül)tonilt btt degenttmrt 


Snnrttt Shermans t>crslicf>cr Gmpfang in 3lt= ®iebftah(3 490 Sümertfaner, 112 ^tlänber, aber 
lanta wirb al$ 2Jewei3 aufgeführt, ba§ bie meiften nur 60 ®eutfd)e bem ©efängnifc überwiefen. 
ruhigen, vernünftigen Seute im ©üben ba$ 8 Ute „©eine Vorliebe für bie £>äu3lid)feit bewies ba$ 
©ergeben unb allen (SrnfteS bie &anb 511 m Stieben beutfebe Element, inbem eb nur 137 ©agabunben 
reichen wellen. • ber ©oliaei {teilte, währenb bie Urlauber ©on biefer 

'Dian {teile fich bie Sachlage einen 9 lugenblicf ©orte 1022 unb bie in Slmcrifa ©cborenen 2,138 
©ot ilugen! X)ie uuerbittticbe $riegx$nothwenbig= lieferten. ®agegcn aeigen bie 9cet© porter ®eut- 
leit &wang (Seneral ©hermau auf {einem großen fd)en eine ©erhältnißiuäßig große (leiber and) an- 
Diaocbe nach bem Atlantic bie ©tabt Sltlanta au berwärtS autage tretenbe) SDiißaditnng ber gefunb? 
©erbrennen. Xaufenbe waren obbachloS unb riefen heito©oliaeilid)en ©erfdntften, inbem fie mit Ueber= 
tu ©ott nm '.Hache. Srft nad) fahren fonnte ?lt= tretung ber lefeteren auf ben ©cliaciliften 159 mal 
lanta wiebet erbaut werben. 3n bie je wieber belaftet finb, währenb bie Urlauber fid) nur 67 
erbaute’® tabt aiehtShermanalS ein Uebertretungen biefer $Irt unb bie ?lmerifaner gar 
mit ^itbel aufgenommener ©aft ein. 3ft bieS mir 46 fchulbig machten." 
nicht ein ftarfer ©eweiS, baß ber ©üben Stiebeit 

will, ta, baf* bie meiften jeiner Sewohner erfennen, Ijatte tooljt ftirutaitb tunt bett toifgjälpiQat 

e 3 fei aut, baß ber Ä r i e g mit bem ^frbftamljlfu entartet, baß fie eine ©olitifd)e Um= 
Siege ber Union geenbet habe. wälauug bringen würben, unb fie haben biefe be= 

i jdwibene Grwartuna auch tbatfäd)lid) nidit ge= 
%nd) einmal tua$ ©ntc8 über bie $eutfdjcn. taufdit. Jrcfebem finb fie in ein ©aar ©taaten, 

Xie 9£ew SQorf XirneS fteflt eine ben ©oliaei* 9ieu> ©orf uno $kiwf©l©anien, nicht ebne bebeut= 

©rotofollen $lt w ©orf3 entnommene ©tatiftif famcS, in einem, ©irginien, Sogar nidit ebne fen= 

auf, welche ben Deutjchen nid)t smr Schaube ge^ fationelleb SKefultat ©erlaufen. 3n SRcw ©orf, wo 

nicht: ©avfielb unb Slrthur ©or einem 3abr mit einet 

„CDaS Vergehen, ba3 in bieferSifte am bäufiflfteri ©luralität ©cn 21,000 ©timmen fiepten unb bie 

figurirt, unb Oberbiel al3 bie ©eranlaffung au aabl- 9ie©ublifauer in ber ScpiSlatur bei SBhftimmung beU 

lofen anbeten ©ergeben betrachtet werben muß, tfl ber ©äufer eine 2)<aicrität ©cn 55 batten, haben fie 

Xrunfenheit. ©011 ben 46,358 ©erfdjiebenen ©er=* biefcö Deal alletbinpe fünf ©cn ihren Ganbibaten 

bafnmgeu, welche währenb beS SabreS 1880 ©ort für bie neu au befefcenben ©taateamter erwählt, 

©er N J?ew ©orler ©oliaei ©orpeitommen würben, er* bafür aber ben fpeften bee©taate{cbabmeifter8 mit 

folpteu üoer ein drittel (15,583) wegen Srttnfens nahe 25,000 ©timmen, 1111 b mit einer awar mir pe= 

Seit, unb non ben 15,288 ©erjonen, welche wegen ringen, aber barum nicht weniger entfd'eibenben 

^unorbentlicfcen ©etragen^ in^©etängni§ gefanbt ^Minorität beibe Raufer ber ©taat^gefebgebung 

würben, machten ficb ohne3weifel neunitnbneunaig ©crlotcn. ^\n $cnnf©l©anieti, wo e§ fid) nur um 

ÖunDertitel unter ber Ginwirfung be^ ©emtffe§ bie 93ahl eutcb ©taatb{chabmeifter§ hanbelte, ge= 

alfoholbaltiact ©etränfe biefeS ©ergehend fd)ulbig. wann bie Gamfapne babimb ein befcnberec> 3nte= 

*3ur Ueberrafchitng ©ieier wirb man ftnben, reffe, ba§ bie rc^ublifanifchc ©artet gehalten war, 

ba§ bie 3ahl ber im 3ahre wegen Xrunfenheit ©er- unb baü in ber ©erfen beb unabhängigen S®elfe 

urtheilte'n 2)eutfcben nur 841 beträgt, währenb ein ©egenfanbibat gegen ben, ©on ber regulären 
»bumal fo utele Urlauber, nämlich 8167, unb 5459 Gameron-SMaidüne aufgcftclltcn, ©aile© im ?*clbe 
geborene Ämerifancr wegen biefeb ©ergehend iu’b war. SDBclfe erhielt au'ar, ©ielfach ©cn bcuXcmo- 
©efänanig gcfchictt worben finb. Unb unter ben fraten unterftüfet, eine febr anfehnlid^c ©timmem 
©erurtbeUuiiflen wegen unorbentlichen ©etragenb aahl, aber biefelbe genügte nicht, bae ©dum ©ai= 
nnben (ich nur 816 gälte ©on ®eutfchen, ©on 3ri= len’b berartig abaufdmätheu, ba§ eb fciejeu in bie 
feben bagegeit 5646, unb ©on geborenen 3lmerifa= Minorität ©erfefet hätte, währenb bie Xemcfraten 
nern fogar 7823. aub ber bicbmaligen 3erf©litterung ihrer ©egner 

w ^n Sesiig auf ©erbredjen gewaltthätigen Gha^ nicht hinreichenben ^ufeen a« aieheit ©erftanben, um 
xafter^ ftchen bieSImerifauer obenan. ©0 würben ihrem Ganbibaten au einem ©iege über feine beibeti 
ueaen f9inbritc(>^ 536 Smerifancr. 51 Urlauber unb renublifanifchen Mitbewerber a»i ©erhelfen. ©omit 
mir 29 Xeutfdhe bem ©efängnift überwicien. SBe= wäre beim bie alte Gameron'£errfd)aft in ©enu- 
wn ängriff^ unb 3d)lägcrei finb 1,121 9(merifa- {©(©anien aufS s 3?eue befiegclt worben, wenn gleich 
ict, 746 Urlauber unb 283 Deutid)e verhaftet wor- unter einer fehr anfehnlichen SRebufticn jener 5D^a= 
ten' 5(ber aitA unter ben ©erbrechern gegen ba§ iorität, mit bereu §ülfe fte bisher gewohnt war, 
^iaenthum ift ba8 eingeborene Glement am ftärf^ ben Staat al3 ihr Gigcnthum anaufehen. 2Ba$ 
»ten ©ertreten, währenb bie Xeutfcheu {ich nur in ©irginien anlangt, fo hat e^ biefer©?al allein einen 
cexhältnthmä&ig Sehr geringer 3uhl biefer ©erbre- eigeutlid)en lebhaften unb mit allen Mitteln ge= 
(feen fdnilbia machen. ©0 würben im 3flhre 1880 führten 2Bahlfam©f gehabt, unb biefer SBahlfambf 
wegen fleinen ®iebftahlö 1,544 $lmcrifaner, 508 hat mit einem ©iege 9Rahoue’3 unb ber w 9?eabiu^ 
^tiänbec unb 174 ®eutf(he, unb wegen groften ftcro" auf ber ganaen öinie geenbet. 


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54 


(flironth brr Äegemtmrt. 


Außer in SSirgintcu, haben noch in zwei Süb= 
Staaten ffiahlen ftattgefunben, in 9Wart)lanb unb 
in Sßifftffippi, beten bemofratifcheS (Srgebitiß bor= 
auSzufebeit mar, unb felbft babureb, baß bie 2Raio- 
ritäteu (namentlich in9Rarblanb) fleiiter auSfielen, 
alS gelegentlich bet boriährigeu 9iationalmahlen, 
311 feinet beränberten Auffaffung herauSforbert. 
Seiber ift eS auch biefeS 9Ral in bem, nachgerabe 311 
einet feftftef>enben blutigen ©erühmtheit gelangten, 
üRifftffippi nicht ebne 2Bahl -Unruhen btutatfter 
Autur abgegaitgen, beten Schauplafe bet Ott 50fa= 
rion mar. 9Jlan berichtet batübet bon bort baS 
golgenbe : (Sin ©Beißer, 9?amenS 3ojepb ©itrnett, 
mürbe bei Abgabe feinet ©BaßlzettclS bon einem 
ließet infultirtf unb als et bie ©elcibigung butch 
einen Schlag rächen tuoffte/ bon einem anbern 9?e= 
ger niebergefchoffen. ‘Damit mat baS Signal zu 
einem allgemeinen $ampf gegeben, bei melchem 
mehrere 2 Bei 6 e umfamen. 

Sie Bufararaotfebung M uenen toentfdjeu 
fteiiftg tage# ift folgetibe: Die beibeu confetbatiben 
ftrattioneu zählen 75 ©Ritgüeber gegen 115 im bo^ 
riseit SleichStage. 3 hnen muffen inbeffen wohl 
noch einige fubbeutfehe Deutfchliberale hinzugerech« 
net merben. Die Ultramontanen, bie im hörigen 
flteichStage übet 99 Sifee berfügten, treten in bem 
ießigen mit 102 ©Ritgliebern auf. Die National* 
Siberaleu finb bon 85 (nach Abzug ber Sezefftonb 
ften auf 47 zufaminengefcbmolzen, bagegen erfcbei= 
neu bie ©ezeffioniften mit 38 mtb bie Sortfcbrittler 
aat mit 58 (gegen 30.) 3n ben Wahlen ber ©ölen, 
SÜBelfen unb ©roteftler haben bie Stichwahlen feine 
Aenberung herborgebradjt, aber bie fübbeutfehen 
Demofrateu haben noch einen ober zwei Sipe ge= 
monnen unb bie Sozialisten erscheinen gar mit bet 
berbdltni 6 mä 6 ivx febr anfebnlichcn 3abl bon 13 
obet flat 14 ©Jitgliebern im neuen AcichStage. 
DiefeS übettafchenbe (SrqeOnift spricht um fo mehr 
füt bie ausgezeichnete Organisation bet SoziaU 
Demofrateu, alS bie ©efammtzahl ber bei ben leb« 
ten ©Bahlen abgegebenen fozialiftifchen Stimmen 
nicht unerheblich flogen bie früher abgegebenen 31 ^ 
riufgegangen ift. DaS betrübenbfte ©rgebniß ha¬ 
ben eigentlich bie ©Bahlen in ©Bürttemberg gclie= 
fett. Dort hat nämlich bie sogenannte beutfehe 
©olfSpartei (fubbeutfehe Demokratie) au febr bie= 
len Orten gefiegt. Die ©Ritglieber bteser Partei 
finb zmar fehl* liberal, aber teiDer febr berbohrte 
©regßenfeinbe unb ©articulariftcn, bereit Oppo- 
fitioit nicht blo3 ©iSmarrf, fonbern bem Reiche gilt, 
unb eS ift eine ernfte Mahnung füt ben beutfeben 
SReic&Sfanzler, baß mau in Stuttgarter flattern 
aus Anlaß beS ©BahlergcbniffeS bie trübfelige 
35brate lefeit faitit: „Der boruffifche Sann in bet 
©auptftabt ift gebrochen." 

3n ©etreff bet inneren Angelegenheiten erfldrt 
bie Xbroitrebe, bah an ber bon ber Regierung bis* 
her berfolgten wirthfcbaftluften ©olitif 3 itt ©erbet= 
fübnutg bon Reformen in bem Steuerfbftem feft- 
aehalteit werbe. (5S tbirb bie Aothmeubigfeie ber 
mirforge beS Staates für arbeitsunfähige Arbeiter 
betont. 3m ©Beiteren heißt eS: Der Staats- 
hauShaltS'lStat meifc erfreuliche (Srfolge ber mirth- 
fchaftlicheu ^Scütif auf. © 01 t Vorlagen merben 
angefünbigt: ©efefeentmürfe betreffenb bie ©iuber= 
leibuitfl ©amburgS in ben Bbllberein, bie Sinfüh« 


, rung bieridhriger ©Bahlperioben füt ben SfeichStaa, 
bie geftfteüuiifl beS AeicbSßauShaltS = ©tatS für ic 
3 wei 3ahre, bie (Siuführttnfl bes StabafSmonopol® 
unb ber ©ranutmeinfteuer, cnblicf) auch baS Un= 
fallSberftdteruiifls ©efeß. Alfo nadsgeben tbill bie 
^Regierung nicht, troß beS Ausfalls bet ©Bahlen. 

Sie SpefulationStonth forbert ein Opfer nnt ba§ 
anbere; aber eS mirb hoch fortfpefulirt. Da hat 
ein flemiffet Salbwin in 92emarf, 92. 3 -f eine 
33anf, bereu Sdsafemcifter er mar, um mehr alS 
3 so e i Millionen beftoh|cn. Unb loarum ? 
Spefulation ift bie Antwort. 33albmin hat bie 
3 tuei Millionen in baS ©efd)dft beS 9)?aroccolebet' 
p;abrifanten gefteeft unb ba mürbe bann fpefulirt 
biS 3 mei Millionen fort waren. Unb baSßntbe? 
Sleitb, Armuth, 92oth, — 3ud)thattS — Sob. 

SRcSeaglj^ Äefignatian ift oem 35rdnbenten Ar¬ 
thur angenommen worben. Der üDcann fonnte 
nichts beffereS thun als refigniren, beim ber 5ehl= 
fdtlag ber ©terupoft = Untcrfuchung zeigt beutlich, 
bafe er als ©eneraU Anwalt beS £anbeS nicht® 
taugt. — Also weil man mehr eine 9?ad)frage=Uii= 
terfudmug alS eine Auflage eingeleitet, fonnte man 
gegen bie ©chminbler nidit borgehen. 2 Belchelen= 
biglidie DtechtSpflege bieS ift! ©etm 9)2c9Seafth 
möge eS wohl ergehen. 

Auf bem €<hloh 3olmttnr$lifrg ift, 82 3abt* 
alt, ber lanbeSffüd)tige ^ürftbifdsof bon ©reSlau r 

t . Softer, geftorben. 9?ad> feiner mdhrenb be® 
ulturfampfeS erfolgten Abjefcung, hat er fich nach 
bem oftreidsifdsen 3:heil JeincS 2M$thum$ zurüeffle^ 
zogen. Anfdnglids wollte bie Regierung bie feiere 
lidse (Siuholung ber Reiche beS im ©xil bcvftorbeneu 
^BifdsofS verbieten — SJiSmatcf hat aber abgewinft. 
(SS märe auch nnflug geioejen, wenn man gegen 
einen Sotten ben ftulturfanipf fortgefefet unb un- 
nothiger ÜCeife bie Ultramontanen erbittert hätte. 
9)?an überlaffe ben 3taliencm baS Steinigen be® 
tobten 3$iuS! 

Aadjbrm bie Aruc ®elt bon brr Alten im 3abt 

1880 einen SRenfcbenzufluh bon 594 r 000 Seelen 
empfangen, mirb im 3 nhr 1881 bie Buhl ber nach 
9?orbamerifa wanbernben (Suropamüben borauS^ 
fichtlidi bie ©che bon 800,000 erreidien, „SOidnner 
mit harten häuften unb gefüllten 3 :afd)en auher= 
bem", wie fids ber amerifanifche Sonful in ©remen 
einmal auSbrürfte. 9)2an will beobadstet haben, 
ba§ bie ©inmanberer im allgemeinen reidilU 
d^er alS früher mit ©clbmitteln begehen waren, 
im Durdifdhnitt mit 10 Dollars pro Äopf, ma® 
einen ©ermögenSzumadsS bon 6 —7 ^Millionen Dol= 
iarS im hörigen 3^hr unb bon 8-^9 5D?illtonen 
Dollars in biefem 3«hre ergeben mürbe, ficberlicfc 
aber weit hinter ber 28irflidjfeit zurürfbleibt* 
Allein großer alS ber ©elbgewinn ift ber nubcre= 
denbare ©ortheil, welchen bie 92cpublif auS ber be^ 
fchleunigten ©efiebelung unb ©ebauung ihrer weU 
ten SEerritorien mittelbar unb unmittelbar iieht. 

Sie uiuhfttljfiriii Mannt geworbene Anfpradie, 

welche ber ©apft am 16. Oftober bor ben italient= 
fcheu ©ilgern in ber gefdsloffenen ©eterSfirdse hielt, 
äußert sich über biebermaligen 3 nftdnbe mitgroher 


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Äljronih ber (Begenumrt. 


55 


Schärfe: Oie ©eften, welche in überall wadjfenber 
S?ad)t uub Kühnheit bemUfatholiciSmuS ein Gnbe 
machen wollen, batten vorgußSweife Italien 
3ie( auSerfehen. Um bie Seibenfdjaften immer 
rcfle gu erhalten unb neue ©treitfräfte für ben ver= 
radjten Ärieß gu gewinnen, fei in ben iüiißft gu 
9tom nnb in vielen anbern ©täbteu 3talieu3 ahge^ 
baltenen VolfSverfammlunßen unverhohlen au3' 
peforochen worben, bah man ba3 Vavftthum für 
immer abgefchafft feben wolle. Oafcei habe man 
flehen baffelhe auch in feiner Gißenfd)aft al3 relU 
giöfe Sinricbtunß bie ßraufamften Veleibigunßcn, 
bie nnwürbißften Schmähungen gerichtet. Oie 
Anfang gut Öänfchiinß ber Ginfältißen verbreiteten 
fcboneit Verfvrechiiitßen, bah man bie !atholifc()e 
Maion in Italien unverfehrt, bie Verfon be3 rö= 
mifeven Vwfte3 gefiebert, feine geifiliche ©ewalt 
hei unb unabhängig erhalten wolle, feien binnen 
fntger 3eit Sügen geftraft worben. Sollen Seins 
ben gegenüber mühten bie ©läubigen um bie SreU 
beit ihre# Oberhirten eifersüchtig beforgt fein unb 
fclbige unaufhörlich mit allen ihnen gewährten 
fflittelu forbern. ileiner von ihnen gebe ber ©e= 
iwtlt ber Beit unb ber Greiguifie in fchulbvoüer 
@leichgültigfeit nach, nnb ieber benfe ftet3 baran, 
tw3 s Jtom mit ©djaubern in iener fliidnvürbigen 
$acbt gefehen, in welcher e3 bie fromme Pflicht er^ 
füllte, bie Ucberrefte Viu3’ IX. gu ©vabe geleiten. 
*($ebenfet baran, bah e3 inföom unb Italien foldje 
gibt, bie fogar bie VJegnahme unfer3 avoftolifeben 
^ilafteS forbern, um itnS gu noch härterer ©cfan* 
«enfehaft ober gum G*il gu nöthigen." Oen zahl¬ 
reichen Anhängern beä italienifchen GinheitsftaatS 
gereicht biefe 9?ebe gu grobem Slerßernih, unb ihre 
treffe verlaitßt mit Uußeftüm bie Aufhebung be£ 
öarantteßefefeeS. SU3 ob ba3 von ihnen allein 
abbinge! 

RrliRon brr Intljmfihctt »ibclübcrff^miß. Oie 

§nbe ©eptemfcer in ©alle a. @. verfammelt ge= 
»efene föevifioitS = Gommiffion für baä 9l(te Seftas 
ment einigte ftch über ben nunmehr gu brutfenben 
dntwurf ber revibirten Sibel. Oie Gommiffion 
beliebt au$ 14 wiffenfchaftlichen Jheoloßen, welche 
ton ben beutfehen tfirchenreßierungen bagu ernannt 
ünbr ferner au3 11 Vertretern von Vibelgefellfchafc 
ten Oeutfddanbä unb bem ©ermaniften Or. Srom= 
mann au3 9?urnberß. Ueber bie Verhanblungen 
felbjt fchreibt ber Gvangelifcbe $irdjlid)e Slngetger 
<folgenbc3: 

S3 banbeit fich in biefer Gonfereng gunächft um 
He Sevifion ber bem Vibeltetfe beißeßebenen Va= 
rallelftellen, berffavitelübcrfcfjriften, ber burch ben 
3)nicf hervorguhebenben ©auptfvrüche unb ber 9tb= 
WjnittSbegeidjnnngen ber neuen Vihelan3gabe. 
Diefe ©tüdte in ben ßeaenmärtiaen SibelauSgaben 
ftammen nicht vonSutber her, fie enthalten manche 
Unrichtißfeiten unb ftnb auch vielfach ufigenüßenb. 
trofeffor Stube l in Öübinßen hat vier 3ahre baran 
rbeitet, unter mößlidn'ter ©(honunß beS @eße= 
en, SefTereö gu bieten, ©eine 2lrbeit würbe 
nnter Bnftimmunß ju ben hierbei befolgten uub 
fcm ber ©ibelanftalt tn ©tuttßart mit ihm verein-- 
Hirten ©mnbfätoen mit banfbaret anerfennunß 
anaenommen. 5)a bie Steditfchreibunß ber Vibel 
biefelbe fein mu§ wie bie ber ©chule, fo fanb Kon= 
hwriahVtärtbent ©eßel, a 13 Vertreter ber vreu§i= 


fchen ©auvt=Vihelßefellfchaft, vötliße Buftimmunß 
mit feinem $lntraße, bie in ben bteu§ifd)en ©diulen 
einßeführte neue Orthoßravhie aud& für bie revU 
birte Vibel angunehmen, ba biefelhe fdwn von ber 
3uaenb ßelernt unb unvermciblich mit bem ferner 
nachfommenben @efd)lecht gur allßemeinen ^&err= 
fchaft ßelanßen wirb. Sür bie älteren ©enerationen 
werben immerhin bie vorhanbenen Vihelau3ßaben 
mit ber bi3herißen ©dweibweife in ©ebraud) biei= 
ben. Oie länßfte B^it cvferbertc in ber ßonfereng 
bie ©rlebißiiuß ber von mehreren ©eiten, befonbcr3 
von ben umrttemberßifd)en3Ritßliebern, namentlid) 
bem Ober = Sonfiftorialrath Or. Vurf, erhobenen 
gahlreichen Vcbenfen ßeßen einzelne Srommanfihe 
©Vrad)formen, Söortformen unb Gonftruftionen 
von SBbrtern. Oiefer ©eiehrte, ber erfte iefet le= 
benbe fieuner ber Vibelfvradie 8uther3, erfüllt von 
Vemunbermiß für bie unveraleichliihe firaft unb 
©d)önheit biefer ©vradie, ift oemüht, fie ba ivieber 
herguftellen, wo fie im ßaufe ber 3ahrhunberte un= 
nöthißer9Beife in nuferen Vibelau3ßaben vevänbert 
unb verf(hled)tcrt worben ift. Vei bem widitißften 
Vuche für ©diule unb Sehen ziemt e£ fich aber, nur 
mit ßrbfder Vehutfamfeit am ©erßebrachten gu än= 
bem. Or. Srommann weih aud) wohl gu würbi= 
ßcu, wa3 ba3 relißibfe Vebürfnift ber lebenben 
Ghriften unb bie Schule für ihr ©auvtlefebud) for= 
bem, bah nämtid) ba§ Verftänbnih ber Vibel nidht 
ohne ^?oth erfebwert wirb unb bie Vibelfvradie fid& 
ber ©brache ber@eßenwart anichlieht. Völliß ver= 
altete unb mihverftänbüdie SZöovte, ©vrad)formen 
uub alte Gonftruftionen, weld)e ber ©eßenwart bie 
Vibel nur entfremben würben, bürfen baher nicht 
fteben bleiben, ^ad) länßeren Grbrterunßen ae= 
lauß e3, auch über bie von ben ©übbeutfdjen erho= 
benen Vebcnfen ßeßen Gißenheiten be3Sminmann= 
fthen Cutherte?;te3 gur Ginißiinß gu Jommen. 9?a= 
türlid) U'irb ein Vibelfreunb nicht verlanßen, bah 
bie@vrad)e berVtovheten mtb ^Ipoftel in GinJlanß 
ßebrad)t loerbe mit ber verflad)ten ©brache be3 täß= 
lidien Sehend. 3m Saufe be3 näd)ften 3«hre3 
wirb ber Gntmurf ber revibirten Vibcl in ber von 
Ganftein’fdien Vibelanftalt ßebrudt unb von ihr 
herau3ßeßeben iverben. G3 erwirbt fid) bie^lnftalt 
baburd) um unfere Sutherbibel ein neue$, ßrohe3 
Verbienft, ba ba3 Unternehmen mit viel Arbeit 
unb bebeutenben Obfern verbunben ift. Oie re= 
vibirte Vibel, weld)e einen einheitlichen unb bericht 
tißten Vibcltest für ßaitg Oeutfchlanb barbietet, ift 
bie Srucht von mehr al8 gwangißiährißer Arbeit. 
G3 wirb nun bie 9lufßabe nicht nur ber Sheoloßen, 
fonbern auch aller erleuchteter Vibellefer fein, ben 
revibirten Gntwurf gu brüfen unb ihre Vemerfun= 
ßen, 2öitnfd)e unb Vebenfen ßeltenb gu mad>en, 
ehe bie ©chlufcföebaftion erfolßt. 

®er babifdif OberfCrcb^nratb ftufcrt Ober baA iunqf 

f<bl«6t in folgntber, ntcbtd ttxniflcr al# tröß!t<bfn SBBctfe: „Tie im 
toorbergebflibttt Sgdbre icroit laut erhobenen jUngeit ßber lliibotmÄe 
| fcigfeit unb ,Su£htloftgfeit ber bmuttoatbfenben 3ugenb, über 5lb> 
| nabtne ber Siutorität ber <S(tem uub SJorgefebten unb ber 

^ietfitSIoflAfeit ber Untergebenen mit ßen toir biefe« Wal notb ber* 
ftftrft jum Mn«brucf bringen, ©ie tverben au« ben meiften Tiocefen 
| mit fcbmcrUicbem (Srnft uub bebenflicbem ©lief in bie ,S»miuft unfe» 
; re« ©olfe« geltenb gemacht/* ©o ba# Urtheit be« (Jt>angelif*en 
I Dberlirthenratbe«, ben bei feiner eutfchiebenoi „ßreifinnigfett" 9lie* 
I manb bev ©cbtuarjfeherei ober gav ber ©chtoarrfärberei bei ©eur* 
, theiiung ber babifebeu ^ufiänbe befthulbigen toirb bie Ja unter ber 
, $errfchaft be« XMbevali#mu# fo gemorben ßnb, wie fie Je^t mehr unb 
I ju Tage treten. 


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56 


$)ie jtadjt im |Hor<jeiüid)te! 


HHe JXwcAft im IMmtßznliizkt* l 


5 J F —- = ~^—— 


— —-J-TiT' - * 


"fei 

4 0 - 


l N N 




J—Ä-A-,—*-. 


- . - 9 - 


1 . 6 ö flammen bie 33evge, eS glänzen bie §öb’u, ftva^Iet bei- Fimmel in $ra$t; $ev SRiugen, bcn eiiiftenS bie 

2 . (Snuadjet, ityr ©ctyläfer, beiuunbert baö^ic^t, 2 )a 8 eud?um bie Mube gebracht;©d}ön leuchtet ber 2 Jloigeu, bed) 


=M: 


r4= 

-*— * 




y—Hzrszt—tz 




£jlP^*#EE2=fet==a=! 


■3!E 

-*— 


=?3-r : 




©e^et gefehlt, Tsft voftg imb tyerrlicty evmadbt! 
brennet eS nicfyt, 2 >ie ©onue Oevtveibt nur bie 9iad)t! 



^=-^1 




:_V:_- 


£orf) ob auch bie 93ei*sge erglänzen im Siebt, Db 
Sajjt immeii;m brennen $ 015 , ©to^eln u.$eu, Sl’os 









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„$dj bin franf getnefen, unb iljr Ijabt midj befuget 

(JHattyüus 25, 36.) 


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$tfyntet 23aul». 


§fc0ruar 1882 


^weites £>eft. 



@>raf €ntttpfUo. 

©in 8 e b c it S b i 1 b aus unfetert 0 a fl e n. 

#om ebilor. 

jt§ toflt am 15. September 1881, als in ber geftellteS 'Dlenfchenfinb gum fDletljobtSntuS 
|® SRorflCitfiftunfl beS Cefumenifchctt !D?et^o=} übertreten tonne! 

* bifteii = (SonciiittmS gu Sonbon befannt $je* | 9lber bent ift alfo, ©raf ©ampeüo ift nicht 
macht rourbe, ©raf £> e i it r i cf) bon ©am» nur fo im Mgemeittett ein „Sßroteftantlein" 
uetlo, ein 0)oiiiberr ber St. Meters Äirche jn gemorbett, roomtt im ©runbe eigentlich nichts 
3tom, habe )id) ootit ffatholijiSmuS loSgefagt gefagt noch gethan märe, fonbertt er gehört ber 
unb fei gur ©ifchöflicben Ufetfjobiftenfirc^e über» iöifchöfluhen 9Dtcthobifteiifird)e an. 
getreten. Obgleich erft 42 ^ahve alt, liegt bod) ein 

2Ran traute feinen Obren fautn. SBctS? ©in reichet Sehen hinter ihm. Oie Familie ftammt 
rbmifcher Domherr ift fötethobift geworben ? aus Spoleto in ber italienifdfen ^proöing Um» 
Oiee ift ja imcglaublid)! Unb erft als Or. 8. bria, einer Stabt mit 21,000 ©inroohiierit, 
m.® er non, ber italienifcbe Oelegat ber ©on= deiner atifehnlichen $athebrale, groeiunbgmangig 
ferenj, ficf) erljob unb tagte, baß er beit graf» | anbern ftirctjen unb ttlöftevn, unb einer bent» 
liehen Oomf>errti febr gut fenne, biete Unter» j toiirbigen ©efdjichte. &ier hotten bie ©am» 
battungen mit ib m (©hobt unb feinen lieber» ; pello’S feit bieten Sabrljunberten ihren ein. 
tritt länflft crmartet höbe, fcbroanb auch ber j Sie finb eines jener itatienifcben WbelSgefchled)» 
lepte 3meifel, unb bie SSerfantmelten tobten | ter, bie große 9?ermögeitSüerlufte erlitten, aber 
unb banften ©ott, bein .fjerrn. ; bie Roheit beS Stammes bocb bemnbren, unb 

ffotgenben Oag brachten alle Sonboner 3 e <= ; fid) burch eine politifd«, literarifd« ober fircb» 
tungcn bic “Rachricht, roelche feitljer bie fRunbe liehe Saufbahn 9luSgeichming unb ein gutes 
um'bie (Srbe «gemacht unb bon ben hocbt.ir«h= Wusfommeit gu berfchaffen fliehen. ©S rinbet 
liAen beiitfifjeit unb engtifchen Ölättern bahin fich alfo reges, ebleS Streben in biefer Familie; 
ttnlifirt roarb, baß ©raf ©ampedo gur pr ote« fie gehört nicht gu jetten Slbeligett, betten, 
ttantifcheu Ä'rdje übergetreten fei, eine nachbem ber SReirf)thum gcrrcmneii, nichts ge» 
Seberoetfe welche höd)ft tnahrfcheinlich befjtoegen blieben als ber Oitel, innerlich ober ber gättl» 
«braucht'wirb, weil bie horhtiri^Iidhcn Herren rtife an heim fallen. Oie PampeUo’S wählen biet» 
qar nicht begreifen fönnen, baß ein fo hoch» mehr gang tüchtige .(hafte gu ben ihrigen. 


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58 


®raf ©ampelto. 


Solone bi ©ampello, bet Sßater beS jum Ste» 
tpobiämuS übergetreteneu ©nrico, geidjnete fiep 
mehrfach im Staatsbienft au». Der Oittel beS 
lejgteren — fempeo bi ©ampello, ein befannter 
Dichter, mar ein Stitglieb ber im Sapre 1849 
fiep organifirenben probifortfdjen Regierung, 
unb Stinifter beS SuSWärtigen unter Sataggi. 
©in Setter beS früheren Domherrn ©nrico — 
tßaoli bi ©ampello — ift römifcper Stabtratp 
unb gehört ttrcplid) gur conferoatiben, unb poli» 
tifcp gur „mafferig" liberalen fertei, unb ift 
einer ber wenigen ferner, welche noch auf eine 
Serföpnung gmifcpen ber tömifcpen «ird^e unb 
Italien, gmifcpen bem Satitan unb bem Oui» 
rinal hoffen. 3 um Siiprer biefer Heilten Sartei 
erhoben, hot er Don ber rabifal=liberalen feeffe 
Diel auSguftepen. Sie nennt ihn nur ben $opf 
ber SEßaffer = Siberalen, ber fiep abplage, aus 
einem unDeränberlicpen Sieretf einen Sheis per» 
guftellen. 

3tn biefer Umgebung, unter folgen ferpält» 
niffen ift ©einricp Don ©ampello aufgewachfen. 
@S mar alfo nicpt bie gang ungereinigte Suft 
bc§ SatifanS, in welcher ber $nabe groß Würbe; 
feine Umgebung hing nicht bliitblingS all ben 
Sehren unb ©inridjtungen SomS an, noch hieß 
fie ohne weiteres jegliche Staßregel beS üßatofteä 
gut. Die ©ampeHo’S hoben ba§ Deuten gelernt 
unb üben baSfelbe in befrucptenber SBeife. Cft 
laufchte ber junge ©nrico, wenn Sater unb 
Onfel bie wichtigen DageSfragen befprachen 
unb fiep babei herauSnahmen, f'elbft ben fepft 
unb feine Defrete git fritifiren. Sber aus guten 
fetpoliten beftaitb bie 3?amilie ©ampello bocp; 
ber femaniStnuS mar ihr bie $ircpe; bie Welt» 
liehe Stacht beS SopfteS fchien ihr ungertrenn» 
lieh mit ber geiftlicpen ©emalt, unb ber fepft 
mar für fie Statthalter ©otteS auf ©rben. 

3ur feiefterlaufbapn beftimnit, machte ©n= 
rico ©ampello bie lateinifdje Schule burch, er» 
hielt eine UnioerfitatSbilbung unb geiebnete fi<b 
im Sriefterfeminar fomotjt burch feine um» 
faffenben fenntniffe als burch felbjtftünbiae 
Dentweife ans. Seine ©arriere war eine fepr 
erfolgreiche unb glängenbe. SÖereitS anno 1868 
finben mir ihn als KanonituS ber St. Meters» 
tirepe gu fern, gu welkem 21mte er am 25. 
Stärg beffelben SapreS ernannt würbe. Die 
Sermaltung ber ©intünfte biefer ßirepe, fowie 
bie Snorbnung ber ©eremonien in berfelben 
finb nämlich einem aus breifjig Domherren be» 
ftehenben ©apitel überwiefen, über welche ein 
©arbinal bie Sufficpt führt, unb benen Diele 
©eiftliche nieberen Sanges behilflich finb. 

Solch’ ein pocpgeftellter Stift§herr war ©raf 
©nrico ©ampeHo. Sein ©etjalt betrug 1800 
Scubi, ober $1750 per TOonat, alfo $21,000 
baS 3apr. ©r mar umgeben Don hoch gebil» 
beten Cfreunben, geachtet üoit ber Kirche unb 


eliebt bon feiner fjomilie, unb hotte eine Sauf» 
ahn gu noch höheren Sßürben bor fi<h. 

Slber fchon längft hegte ber poepgefteflte 
StiftSperr 3>ueifel an beit SuSfprüchen beS 
fepfteS. Der erfte Stein beS SnftoßeS War 
ihm bie politijcpe Statöt beS SBatifanS, bann 
fträubte fich fein ©emiffen gegen bie Unfehl» 
barfeits = ©rtlärung unb anbei* römifepe De» 
trete. SIS jeboch nach SßiuS IX- Slblebeu 
Seo XIII. auf ben päpftlicpen Dhron erhoben 
mürbe, hoffte ©ampello mit bielen gleicpgefinn» 
ten Qreunben auf’s Seite unb erwartete auf’s 
Sefiimmtefie eingreifenbe Reformen. Sament» 
lid) hoffte er barauf, baß 33orteprungen ge» 
troffen mürben, bem fatholifchen Soll baS Stecht 
gu üerleißen, fich an ber fepftmapl gu betpei» 
ligen. ©r Würbe getäufept, benn ber neue 
Sapft ging ben alten römifepen 2Beg unb geigte 
fich wo möglich tiocp unnachgiebiger, als fßiuS 
ber Seunte. 

3efet Wenbet fich ©nrico ©ampello Dom un= 
berbefferlicpen fepfttpum ab unb fucht bas 
Sicht beS ©DangeliutnS. Sor etwas mehr als 
brei fahren mürbe er mit Dr. S. St. Sernon, 
bem Superintenbenten ber italienifchen Stiffio» 
nen ber Sifch. Stethobifteutirche, befannt unb 
hatte mit ihm Diele Unterhaltungen. Der ©raf 
ift als feingebilbeter unb liebenSWiirbiger Staun 
em auSgegeichneter ©efellfchafter, unb mar befe» 
halb ein gern gefeheiter ©aft im fpaufe beS 
Superintenbenten. Cft rebeten fie miteinanber 
über bie bödjften ©ütcr beS Stenfchen, über 
©emiffenSfreipeit unb ben Segen ber uttgebin» 
berten SBerfüitbigung beS ©DangeliumS. Sur 
nach unb nach tont ber römifepe Stiftsherr gur 
Uebergeugung; benn im ©äugen hing er eben 
boch on ber ©runblage beS itatpoligismus feft 
unb beftanb auf bem piftorifchen Dtecpte ber 
i?ir$e. Sach unb nach ober würbe er fiep auch 
betreffs ber fentte tlar, bie ipm noch buntel 
gewefen, unb fepon feit ^rühjabr 1881 war eS 
beiten in ber Sifcp. Stiffion gu iRorn tlar, baß 
fein Uebertritt batbigft erfolgen werbe. Oft 
lagen bie bortigen Stiffionäre Dor ©otteS Dpron 
uttb flepeten für ben Stiftsperrn, unb fiepe ba 
— ber |>err war gnäbig. 

Sm 13. September Dorigen SopreS fanbte 
©ampello ben betannten Sbfagebrief an ben 
Sopft, in welchem ber Siiftsperr unter Snbe» 
rem fagt: 

»Sach sebn^jabre langer mbiger, reiflicber Ueber» 
legung, innerer Unruhe, gctäufditer ©Öffnungen 
tann ich beute Dor ®ott unb 3efu8 ©bnftuS be» 
fcbmören r ber un§ alle rihten wirb, ba§ ich auS fei» 
nem anbereu ©runbej als um Srieben für meine 
Seele gu finben, biefen Schritt tbue, unb Diele au§= 
gegeiefmeten bochgeftcllten ©eiftlicben, mit benen ich 
Dertraulichen Umgang gepflegt habe, fönnen baS 
begeugen. SZBobl weiß ich, ba§ mich, wie Diele Stu» 
bete, ber SSatifait unb 99lätter, bie in beffen Solbe 


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jtaiei Jetten ber $eit. 


59 


Flehen, aufö ©raufamfte »erfolgen unb »erläftern 
5 >«ben; aber, ©ott fei $)anf, ihr gemeines Ber= 
übten ift längft ber allgemeinen Beracbhutg »er* 
fallen. 3 cfj werbe nur mit Scbweigen antworten 
unb mit bem Webet, mit welchem trf) biife:i '-Brief 
ld) ließe. ©ehe ©ott, ba§ mein Beijpicl »leie 
9?adjabmet finben möge unter beiten, bie, wie id), 
in bet 3 ugcnb betrogen unb nachher in (Schreiten 
gehalten würben »on biefem fchlechtcfteu Softem, 
unb iefet bie betten ihrer Sflaoerei tragen: beim für 
Biele »on ihnen ift baS Sicht ber SBificnmmft, bie 
seftänbigen SEäufdiungen eincS langen SebeitS unb 
bie fchmerjliche Bebrftcfung, bie fte bulben, nicht 
hinreichenb, fte 311 befreien. fRtir »on ber SRuhe 
bei ©rabeS erwarte ich »on biefem initcrn nnb 
äu§crn flatnpfe crlöft 311 werben, unb ben Sohn fo 
gro§er Irübial in ber feligen Unfterblidrfcit teneS 
SebenS jti finben." 

Fftadhbem biefer 33rief abgefanbt, fdhreibt ber 
Stiftsherr nächften StageS bon St. Bieter nach 
St. tßaul, welch festere flirche bie Bififjöfl. 
9Retlj. inne hohen unb tritt bort gu biefer $c= 
nomination über, toobei er ben 2 lbfagebrief 
borlas, unb eine einbrucfsoolle hiebe hielt, in 
welcher er unter aitberem fagte: 

B 92ur Sie, welche biefen Schritt fcljon gethan ha* 
ben, tonnen fiel) einen'-Begriff machen, welchen See= 
lentampf beileibe foftet. 3 cb »ertraue auf bie 
©nabe ßbrifti, fühle meiner ewigen Scligfcit ge= 
wi§ unb hoffe unter euch 311 finben, waS nur in ber 
cßapfttirche immer gefehlt hat — küberliehe Siebe, 
tiefer ©ebante ftärtt iefet meine,n ermatteten ©eilt 
unb ich hin übezeugt, bah ich halb »ergeffen haben 
wrbe ben ©lang ber erftcu größten .Sdircfie in ber 
©eit, St. Beiti in bem Batican. “Der Iroft mci= 
neS SebenS füll immer fein, mich euren '-Brüher 31 t 
nennen." 

©ang Italien, io bie gange cibilifirte Sffielt 
fpraef) SaaS barouf »on biefem ©reigniß. ®ie 
einen jauchgten unb anbere fluchten, FRom aber 
nahm bie alte JEßaffe gur .jjaitb unb berieum* 
bete auf bie abfcljeulichfte Sßeife. FRidjt nur in 
Italien mußten bie päpftlidhen 3 eitungen aufs 
elenbialichfte lüften, fonbern bie frangöfifchen, 
beutfepeu, enfllifdhen, fchottiidjen, fpanifchen unb 
amerifantfdj fatholifhen Blätter finb üoll »on 
Schmähungen gegen ©raf ©ampello. Stöäre 
nur ber geljnte Stheü bah wahr, WaS je^t über 
ihn gefchrieben Wirb, fo hätte bierömifhe flirdhe 
ein »ah«» Ungeheuer am Bufen genährt unb 
mit SBürbe unb @h« überhäuft unb grnar mit 
SJiifen aller ber Sdjanbthaten biefeS ©am» 
pello; bemt wie fotlte man biefelben je$t auf 
einmal fo genau fennen? 21 ber bie ciotlifirte 
Seit roirb’fich biefe 2lnfdhmärgungen FRomS gu« 
rechtjulegen roiffen unb eirtflweifen warten, was 
fernerhin au§ biefem früheren Stiftsherrn ber 
St. BeterSfirdhe »erben wirb, ©ott möge ihn j 
f<hü|en unb fegnen. 


Jwet Jeidjen bet $eit. 


1. 

3m 5>ahre beS 4?eilS 1881 erfchien in ber 
BlehleriiAenBuihhonbluna gu Stuttgart unter 
bem Sitel “Ben Sirah Mimtans” ein fo ah* 
fcheulich läfterliiheS Buth gegen bas ©hriflert* 
thunt, bah bie Boligei baffelbe confiScirte. 2)ie 
Stellen, Welche ber ,,FRtidhSbote"barauS anführt, 
finb fo arg, bah wan [ich fträubt fie wiebergu* 
geben. 211S Berfaffer beS BudheS wirb ein Ber* 
inner 3[ube, FRamenS Fßoul SßinehaS ©rünfelb 
genannt, welcher bor flurgem beSljalb bor 
bem Schwurgeriihte gu Stuttgart freigefpro* 
dfjen Würbe! ©räßlidjere ©otteSläfterungen, 
fagt ber „FReidfjSbote," abfdheulidicre, unfläthi* 
gere Beleibigungen, wie fie biefeS Budh gegen 
bie ©hriften, befonberS bie dhriftlichen ©etft* 
lidhen, enthält, finb ficherlidh nie, fo lange es 
eine dfjriftüche 51 ircf)e gibt, auSgefprodben wor* 
ben. $ie ©rflärung aber, baß eine greijpre* 
chuna mögliih War, liegt allein in bem Umßanb, 

| bah fünf FDtitglicber beS SdjwurgeridhtS Qfrei* 
geifter unb FEcmotraieu finb. Sieben ©efchmo* 
rene feien gweifelsobne für bas Scfjulbig gerne* 
feu, aber eS Wäre eine SkeibrittelSmehrheit bon 
a<ht Stimmen nöthig getoefen, weldhe jeboch 
burdh jene fünf Sreigeifier bereiten Würbe. 

S£aß ein Silbe, fährt ber „IReidjsbote" fort, 
bie unglaubliche Sredhhcit hat, fold)cS gu fdhrei* 
ben unb gu berögentlichen unb in einer <hri[t* 
liihen Buchhonblung einen Berleger finbet, ift 
fchon ein eridirecfenbeS Reichen ber Qeit, aber 
bafe ein bentfdher ©eri^tshof ihn barob für 
ftrafloS erftärt — bas ift bodh baS traurigfte 
Seidhen ber 3 «it- - 

II. 

6 rft unferer 3 eit war eS aufbehalten, 
2 t t h c i ft e n * ©ongreffe gu fehen. früher 
muhte man nichts babon, bah f<dh bie Ungläu* 
bigen in ©onferengen berfammelteti. ©s geht 
gar Wmtberlidh i« bei biefen Berfammlungen 
unb man fann nidht leicht erfennen, WaS bie 
Herren eigentlich wollen; benn fie wiffeneSfelbft 
nicht recht, Wenn eS barauf anfommt gu fagen, 
was für ein©ebäube fie aufguführen 
gebenfen. ®arin aber ift man fich im 2 ltheiften* 
Saget einig—bah bie ifirche, bielReligion, baS 
gange ©hriftenthum abgefihafft Werben müffe, 
fotle baS reine ©iüdt über ber 9Renfdhhfit auf* 
gehen. 2 Ich, Weid) berblenbeteSeutebieSbochfinb! 

9tur ein eingiger ®eutfdher mar bei biefem lejj* 
ten 2 ltheiften*©ongreh anwefenb, nämliih S)r. 
Büdhner, berfelbe, welcher bor mehreren fahren 
in ben Ber. Staaten Borlefungen über bie 
'llffenabftammung beS Blenfdhen hielt unb babei 
Fo fchmählidheS ffiaSfo madhte. fl. S. 


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60 



SBunber über SBunber entfalten fiel) Dor bem 
ffforfdjer im hoben korben, ©eifer, biefe na» 
türlicbeit heißen Fontänen, Söulfane, 6 i§berge, 
9torblid)ter unb anbere prächtige 9taturcrfchei= 
nungen mecbfeln Dor bem 91uge be§ im roohl» 
gerüfteten Dtorbfabrer norbmärtS .fteuernben 
Jüngers ber 2 Biffenfd)aft. £at fdjon bie ißflan» 
gen» unb jtbierrodt burch ihren großartigen 
ßoutraft unfer ©rftaunen erregt, fo mäcbft bie», 


fes noch bei näherer SBefanntfdjaft 
mit ben Uktoobnern ber arttifchen 
SRegioit. 

2 )er SHangel an ijßflanjen jroingt 
ben 99ienf<hen nothtoenbigertneife 
bem 9taubthiere gleich bon ber 
äbierroelt fein 2 afein abhängig 
311 machen unb Wo immer biefe fid& 
entfaltet, toirb auch ber Utorblänber 
nicht gar 511 fern fein. 3 nt ame» 
rifuitifcben Diorben fiitb esßslimos, 
SSfchuftfchen unb ^nbianer, in 
Slfien bie Äamfdiabalen unb ©a» 
mojeben unb in 6 uropa bie 2 ap» 
pen, toeldje in faft gleichartiger 
eonftitution ber furdjtbarften Stälte 
mit 2eid)tigfeit gu troßen Dermögen. 

Um biefe ©efellfchaft tennen 311 
lernen, bürfen mir nid)t ettoa im 
4>afen Don STisfo 3§Ianb bertoei» 
len. 2 ie bafelbft befinblidien ^olg» 
gebäube finb nicht ba§ 2 Jia<htoerf ber 
Eingeborenen. 2 iefe leben im 
©omnter in 3elten, im Sßinter 
meift in ©cßnee» ober 2 orfhätten. 

®ic 6§fimo§ (ßfchlimai = gifcb» 
effer) haben biefen Siamen mehr al§ 
©cf)impf feitcn§ ber Snbianer» 
©tämnte erhalten, fie felbft nennen 
fi<h 3ennit (eingeborenen), -©ie 
leben näher am Sßole, benn fonft 
ein SBolfSftamm, bringen faft gar nicht in§ 3n= 
nere be§ fianbeS ein, fonbern nähren fid) an 
ben lüften üon 2anb= unb Sßafferthieren. 
einzige 21)ier, melcheS ihnen gemiffermaßen al§ 

t au§thier bient, ift ber £uinb ; felbft baS ben 
appen fo nüßlidje SKeiuitl)ier hoben fte fid) 
nicht bienftbar machen (önnen. 2 o§ rohefte 
unb ungebilbetfte &olf, finb fie auch ba§ 
unreiulichfte ©efchlecht, unb fcheinen fich im 



§afcn bon $>i$fo ftSlattb. 


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Per Ptiifd) am pol. 


61 


I Sd)tnu$ erft behaglich ju fühlen. Sie wafthett mnukgoi»pok, cv fängt au ein ©rönl&uber s« 
Üd) mir aufeerft feiten, reinigen ihre ;felte unb , . . , werben, 

Öütten nur feilen unb oberflächlich; cffcit mit "•»“ks.s.vavok, er ut ein Menld) wie em ®nn-- 
il)ttn fpunbetx aus benfelben Schüj’felu, oev= lantev. 

fdpuäben fogav ba= Untiefer uom eigenen Eiefe Spraye ift ba» einzige Sinbcmittel 
Selbe nicht, ja fdjaben fogar bett Schweife mit jwifchen ben einzelnen Stämmen, 
bem Meüet ab, 11 m bann bie Ätlinge abjulecfett. Sille Keiner Statur, meffett fie feiten wenig 
Mau finbet bie Estimob in tleineu .fjorben über fünf §ufe. Erofs ifjrer SBofjlbeleibtheit 
häufig in berSläffe großer ©letfetjer, ba burif)ba§ fiitb £änbe unb ffüfee fleht. Eer ffopf ift 
Äalben ber lefttereii baS 'Meer ftelleitweife offen runb unb grofe, bat ©efidjt find), bie Slafe tief 



Äuf ber 3agb in ÄafaL 


gehalten roirb unb an biefen Oeffnungen bann 
ftetä 2Baffer= roie Saitbtbiere in Menge zufatn= 
men fommett. Allgemein al§ mougolifche 9Ib= 
fömmlinqe bezeichnet, trägt bie Spraye entfdjie-- 
öen ba§ (Sepräge ber fonft bei ben Eingeborenen 
Imerifa# gebräuchlichen Munbarten. 'Eie SB orte 
Derben bürd) 3ufafefblbett mannigfach Perän* 
jert unb uinqefialtet. So helfet innuvoc er 
lebt = ifl ein Menfcfj. 

innuffiirpok, er ift ein bftbftber Menfrfi, 

innuksiurpok. er ift ein guter Menfcb, 


i eingebrüeft, bie 33acfenfnodjen herborftehenb, bie 
1 .'paare ftraff, fdjwarz unb hart. Slbgefetjeit pon 
biefen Eigenthiimtichfeiten fiitb .Körper ttttb 
©lieber toof)( geformt. Unter eittanber leben 
biefe Menfchen ohne 3anf unb Streit im frieb« 
lidjften Einoernebnten. SBenn Uneinigfeit un= 
ter ihnen entftebt, fo finb einzig bie SBeiber 
1 baran fifeulb. IRttheliebenb unb träge, aber in 
ber Stegei guter Saune, liifet [ich ber E§fimo ni<ht 
fo feiert aüftreiben. Unb wenn feine 3ugb ihm 
genug abgeworfen, ift et bodftänbig zuf rieben. 
"Eie einzige Berfon, welche einen befonberen 


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62 


Per Profit) am Jfol. 


ginflufi auSjuüben im ©tanbe, ift ber ©Sfimo» 
3auberer, welker auch gleichzeitig ifir 5lrjt unb 
Öelfer in ollen fRötben ift. gel)lt eS an @ee» 
gunben, fo weiß erfRatb, benn bie böfen ©eifter 
haben ilpten unfre 3<iflbfiinfte offenbart ober 
polten fle gefangen ; beßbalb muß er hinab bie 
Unbolbe ju jücbtigen. Ser 3<iuberfreiS wirb 
gefd|loffen, ber SBcfdjmörer legt fi<b auf bie grbe 
unb fein Reifer beeft ibn mit einer gewaltigen 
'XJtattc ju. ©eltfame Saute unb ©orte, an» 
fanas laut, bann mit £>ülfe ber TOuidjreb« 
nerfunft immer fernerber ertönenb, bewei» 
fen ben 3ubörern bie Sbätigfeit unb baS |)in= 


Sienfte leiften. 9tu<b finb grauen»©tiefel wei* 
ler als bie ber TOänner unb bienen als Saßben 
für MeS, was in ben Sefiß ber gigentbümeritt 
gelaugt. SBeinlleiber wie SRöcfe finb bcppelt, 
unb jloar tragt baS untere ©tiid bie |>aare nad) 
innen, bis obere bie £>aare nach außen. ®er 
«Stoff finb ©eebunbS» unb SRenntbierfefle unb 
bergleicbcn. gifebgräten bienen als fabeln 
unb ©ebnen als 3wirn. ginen befonbereit 
©dnnurf für bie burebbobrten TOunbWinfel, 
Sippen ober fRafenWänbe geben ©lasperlett, jtu 
weilen in glfenbein gefaßt, ober TOufcbeln, $ 0 = 

1 gelfebern :c. ab. SaS SBemalen ber |>aut wirb- 



9luf ben Scbnecgeftlbeti. 


abfteigeit beS großen ffiunbermanueS ; eublicb 
ift eS ftill, bann fomntt ber ©eifterbefiuber noch 
unb nach 5 ur Cberwelt juvüd, beweift womög» 
liib mit einem blutigen 'Bieffer feinen furdjt» 
baren $ampf unb meitn nun feine ©eebunbe 
nicht foinmen, bann ift eS ficberliib nicht beS 
3auberevS Sdjiilb. 

Sie ©arbevobe ber ©SfimoS ift ber Sempe» 
ratur gemäß reichlich unb forftfältift unb ber» 
leibt ben an unb für fief) lurjen ©efen eine fle» 
miffe Sebcibiflfcit. Sie .(fleibcr ber ©ei ber 
finb gerabe fo mie bie ber TO (inner, mit bem 
Unterfcbieb, baß ber grauen JJapujen länger 
unb weiter finb als bie ber TOänner, ba fie jum 
©ifbewabrungSort ber fileinften bie befteu 


bei ben gsfiinos mie bei ben übrigen ©ilbeu 
geübt. 

Sie ©oimnerjelte finb mit fJtenntbierfeKen 
bebedt, bie ©interbütten werben im ©ebnee boit 
@d)nee gebaut. Ser ©ebnee beS SBobenS muh 
feft genug fein, bann werben ©cbneejiegel jtoei 
guß lang, ein guß breit gehauen, auf unb 
neben einanber gefügt, mit ©nffer iibergoffen, 
unb halb ift ein bortbeilbafteS f)auS errichtet 
unb jufammen gefroren. 

Sie Skiffe, # a i a f S, finb Pon bünnem ©olg 
ober gifdjbeingerippe, allfeitig mit ©eebunb§= 
feilen überzogen. 3wblf guß lang, 1£ breit, 
befinbet ficb in ber TOitte ein Socb, baS mit 
einem gelle berfeben ift, welches mittels eines 


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Per Ptmfd) am JfoL 


63 


i 



er mit feinem 3—4 gufe langen Stüber 
gegen 93ranbung uitb JBogenbrang. So 
leidet mie baS ©efteU, ba£ oben fernerer 
als unten ift, and) fein mag, mit gefdjidfter 
£)anb f)äit ficb bcr Sd;iffer oben, unb 
fdjlägt er einmal um, fo bringt ipn fein 
Stüber fdjnell mieber ait» Sidjt. 

Stod) muß befonberS beroorgeboben 
toerben baS mufterbafte Familienleben 
biefer armen ©efdjöpfe. $er Sater, baS 
allgemein geachtete £aupt, beforgt bie 
Stabrung, bie vlrbeit berrid^tet biegrau. 
Sille bangen mit Siebe unb mit 3ättlid> 
feit am Skater, unb ohne Strafen toerben 
bie kleinen ergogen; inbeffen ift biefe 
Siebe nur auf bett engften gamilienfreiS 
begrenzt. 

Um nun and) bcr Sappen nicht gang gu 
oergeffen, fo tann hier nur Don benjenigen 
bie Stebe fein, meldjc im äufserften Storben 
tuobnen. £iefe robe, toilbe Freiheit lie= 
benbe 33ölferfcbaft gerfäüt in gtoci Stljete: 
bie ärmeren Ufer lappen unb bie reu 
oberen 33 e r g 1 a p p e n. 


Unfall bei b«r auf S$neefelt*ru. 


4 


' Siemens anfleaoflen unb um ben ©Ziffer feft i Sebtere muffen pr 3«it be§ ©ommerS fjinab 
«fdiloffen toerben fann. SBenn berarl ein (?§= 1 jitm Üfteere. $enn ifire fRenntljierfieerben, auf 
!imo feinen £?af>n angejogen t)at, bann feiert bie fie ganj angeroiefen, mürben non ben Der« 


tized bv 


y Google 












64 


Jtaei Sonntage in Bonbon. 


*fd)iebenen ©tücfen unb Snfeften fo im $ocblanb 
mitgenommen, bah fie halb bie £>älfte ihres 
SeftjjeS einbüjjen mürben. ®enn bie Jfnfettcn 
fielen unb quälen nicht blo§ ba§ ©ich, fonbern 
legen aucf) ihre Gier unter baS Seil, unb um 
bem entgegen ju mirfen, muß feine beerbe ans 
Ufer unb Salgmaffer trmten. $>och ibn treibt 
noch ein anberer ©runb ©eroeihe, 9tenntl)ier= 
unb fonftige Seile müffen abgefeßt, unb ©ulber 
unb ©lei, ©teljl, £u<h unb iabcut bafüt an» 
gefchafft merben. Seiber bat ber Sappe gerabe 
fo roie alle uncibilifirten ©älter geregten ©runb, 
gegen bie Gibilifation ju murren, bah fie burcb 
biefelbe ben ©ranntroein tennen lernten. $urch 
benfelben mirb manchmal nicht nur einer um 
feine ©orrätbe für ben üöinter, fonbern auch 
mirflicb um |»ab unb ©ut gebracht. 

Sm ÜBinter fdjlägt ber ©erglappc fein $elt 
auf an einem ber zahlreichen Seen, möglichft 
gefdjüjjt bor ungünftigen SBinben. S)iefe, burd) 
©irfenftämme geftii^te. Dem grobem jud) ge» 
bilbete Sßobnung, 6 Suh hoch unb 15—18 Suh 
meit, ift bie einzige ^uffud^täftätte beö Sappen 
gegen bie ftrengfie Kälte beS ©Sinters. Sn 
biefent engen 9taum häufen ber Sappe fammt 
©Beib unb Kinbern, oft auch noch bie beS ©tit» 
befifcerS ber £>eerbe. ©elbftberftänblich finbet 


baS £)ausgeräth unb bie oft zahlreichen £>unbe 
noch einen ©Iah- 2)iefeS bichte 3ufammenleben 
: ift nächft ber ftarten Sungenthätigteit ein £aupt= 
mittel, um ber fcharfen Kälte beS hohen 9tor= 
benS ©ßiberftanb zu leiften. 

®ie ©emüthäart bes Sappen ift finfter unb 
berbriefslich, bon ©atur mißtrauifch, fann feine 
©aftfreiheit nur burd) ein ©efdhenf erlauft 
merben, bem aber eine grünbliche 2luSeinanber= 
fefcung beS 3>necteä beineS Kommend folgen 
mufe. ®ie ©atur roie feine beerbe jmingen ihn, 
ein ©oinabenleben ju führen, unb baö tRenn» 
thier unb feine Sebürfniffe beftimmen feine Se= 
bensroeife. 

3um Schluß fei beS ©amojebeit Grroäljnung 
getpan, biefeS in tiefere Ginöbe unb ©arbarei 
berfuntenen ©etterS bes Sappen. Gr lebt in 
ben UunbraS unb SGßälbern ©orbeuropaS unb 
©BeftfibirienS unb fommt auf feinen 2Banbe= 
rungen faft nie mit einem cibilifirten ©tenfchen 
jufammen. ©Bäljtenb zu ben GStimoS unb 
Sappen bereit« eble ©liffionäre gebrungen unb 
ihnen baS Ghrifteuthum zu bringen berfudjten, 
roanbert ber bebauernsroerthe ©amojebe noch in 
ber ganjen Sinfterniß bes fchredlidjften Reiben- 
tpumS unb mirb bon feinen Zauberern geleitet 
mie ein Kinb. 


■m 



Jroei Sonntage in fontion. 


®om Gbitor. 


II. 


ieber ift eS Sonn» 
tag. 2)ie lieblichen 
©telobien bes 
©lodeitfpiels auf 
©t. ©aul laben 
bier ©tilliouen Seute 
in Sonbon zur ©nbad)t. 
IHuch mir roollen in baS 


auf ben man auf eine halbe ©teile Gntfernung 
bom Stabernacle ftößt, mie bon felbft zunt 
Sührer. $a fage man mir noch einmal — baö 
Gbangelium übe heutzutage feine 3lnziebung§= 
traft auf bie ©fenfcben au«! Gi, aus allen 
Straßen, ©afjen unb ©äfechen ziehen ja bie 
j Seute fchaarenmeife ber Kirche zu, roo ©purgeon 
prebigt! $er Ginlafi zum ©ebäube muh ftreng 
regulirt merben, beim ber ©nbratig ift grofc 
unb bie Kirchenmitglieber mollen unb follett 
hoch bor allem zu einem ©ip fomrnen. Sebod) 
|>auS bes £>errn mallen,; merben alle, bie fi<h zeitig auf ben ©ßeg machen 
unb zmar zu Spurgeon. j ein ©löschen bei ©purgeon finben. 

®a gilt eS aber, frühe | Gublich ift ber große, mit zmei riefigen rings 
auf bem ©ßeg zu fein, \ umherlaufenben ©alletien berfehene ©aal öis 
benn unfere ©Bohnung ift j auf ben lebten Siß» unb Stehplaß gefüllt, unb 
meit braußen am „Oft» j bornen auf ber borfpringenben, ziemlich hohen 
Gnb", baö ätabernacle: ©lattform erhebt fich ber berühmte ©purgeon 
be§ ©eriihmten aber brü»: — alles in allem toohl ber erfolgreichfte unb 
ben über ber $ljemfe im Siibroeften. : gröhte eoangelifche ©rebiger ber ©euzeit. 9tahe= 

Kaum fönnen mir bes ©Jegeä oerfehlen, benn i zu fcchStaufenb ©tenfcheit hängen an feinem 
jebeä Kinb roeih, roo Cierrn ©purgeon’ä Kirche ©iunbe, inbem er baäSieb oorlieft, roelcf)e§ nun 
ift, jebenfalls aber mirb bet ©tenfchenftroin, bon "Jaufenben ohne alle Snftrumeutalbeglei» 


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Jroei Sonntage in Bonbon. 


65 


tung gefunden wirb. darauf folgt bie Sibet» 
letiion, mit ©emertungen Dom Arebiger, ein 
innige» ©ebet unb ein anber Sieb — unb ber 
gewaltige .Vtaujetrebner ftetjt oor bir unb feffelt 
bie große Aieiijcbenniajje in foidjer Akife, baß 
bie Seute taum orbentlicß au atbmeit getrauen. 
Aie ^lu»gießung beS ^eiligen ©elftes unb bas 
©rfülletwerben mit bentfelben mar an jenem 
Sonntag Atorgen fein ibema, unb nur wenige 
Unempfängliche bürften es geroefen fein, welche 
beim £>inauSgehen nicht gebetet haben: „C 
£err, mein ©ater, fenbe beS ©eiftes brülle in 
mein CK-rj." 

3cß nannte oorhin Spurgeon einen gewal» 
tigen ©ebner unb tann mich im Augenblicf tei» 
ne» anberen Alanites erinnern, welcher ihm in 
allen Stütfcu eines großen AoltSprebigers Doll» 
tommen gleich fäme. Akr in ihm aber nur 
bat populären, oom ©eifte ©ottes er» 
füllten ©ebner fießt unb bari.ii 
feinen ©rfolg fucht, ber urtßeilt 
be n n b och n i cf> t r i <$ t i g. ©r ift oielmehr j 
einer ber gewanbteften unb — wenn ber Aus» ! 
brurf nicht mißüerftanben wirb —gefchliffenften ] 
©ebner unfeter ^eit. Auf ©runb großer reb» 
nerifeper ©aturanlage ift bei ihm bie itunft fo 
groß geworben, baß fie in ber einfachfien natür» 
lichften ©eftalt erfdjemt. Akr nun folche SSor» 
trag»roeife „bie ungefchliffene ©ebetunft ber 
©atur" nennen will, beni lönnen wir’» nicht 
»erwehren, meinen aber, fie fei bas böcßfte ©ro= 
butt, beßen ein ©ebner fähig fein fönne. 

Xabei binbet fich fjerr Spurgeon burcpauS 
nicht ernftlich an bie ©egelu ber odjule, fon« 
beut fprießt aus ber $iefe feines |>erjen§ h«r» 
aus, unb jmur baS, was ihm gunächft am paf» 
fenbjteit erfcheint, ohne ju fragen — ob fich all’ 
bies auch mit jeglicher ©egel ftrengfter Schrift» 
erlläruna in ©influng bringen laffe unb eS auch 
mit ber ©regele ber bewährteften Ausleger über» 
emftimine. Spurgeon ift offenbar fein eigener 
Ausleger, unb fitnn man auch nid)t immer mit 
(einer äerterflärung übereiuftimnten, fo wirb 
lein gläubig £>erg je mit ihm wegen, ber auf 
»eine Auslegung gebauten Folgerungen in 
3wiefpalt fommen. „AJo ber ©eift beS £>errn 
iß," hörte ich <bn lagen, „ba ift Freiheit, auch 
Freiheit oom AutoritätS» unb ©ommeptar» 
glauben!" Unb man muß geftehen, baß ißm 
biefe Freiheit in fein« Äanaelmirffamfeit feßr 
;u ftatten fommt, mit welcher ©emertung ich 
aber ja 9 ?temanb ermuthigen möchte, bie ©om» 
mnttare gar bei Seite gu legen unb fiep nur 
auf eigene Eingebungen au Derlaffen. 

So mächtig' einbructsooll unb fegenSreich 
biefer Wattn aber auch gu prebigen üerftebt, ift 
er offenbar nicht in bem UBaßne befangen, als 
üi Die ©reöigt mit 3urücfbrängung ober gar 
Üi*laffung affeö anbern ba§ allein oor» 


wiegenbe ©lement im ©ottesbienft. ©ein — 
Spurgeon befeelt ohne 3meifel bie ^bee, baß 
baS ©olt a»im 4 )aufe ©otteS tommen foll, um 
Anbetung unb ©ottesbienft au üben, unb ber 

f irojje ©ebner leitet bie Seute mit ficherer fjanb 
o, baß fie fieß in Derfd)iebener Akife am ©ottes» 
bienft betheiligen, unb ihr Kirchgang nicht nur 
ein An hören, fonberit ein ©ottbienen 
wirb. $arin erfenne ich ein ©lement feine! 
großen ©rfolge« ! Ach, baß boch alle bie, welche 
taum je ein Sieb oorlefen, ober taum je 3 c >t 
haben, beti ©ottesbienft orbentlicß au befdjließen, 
ihm auhören tonnten, wie nachbriicflich unb fal» . 
bungSüoll er jebes Sieb lieft; wie er mäh* 
renb bes SiugenS 3ei(e um 3eile oorfagt unb 
oft auf befonberS einbrucfSDolle ©ebanfen auf» 
mertfam macht; mit Welcher Sorgfalt er bie 
©ibellettion lieft unb ertlürt, unb feine ©e= 
meiitbe anfjälf, in ben ©ibeln nachjulefen; wie 
oft er ben 2 e 51 ober ben ©rmtbgebanten ber» 
felbeit mieberholt, unb wie er überhaupt fort» 
mährenb barauf bebaept ift Sebermatin einau» 
prägen, baß man aunächft nicht gefonimen, ben 
Spurgeon au hören, fonbern ©ott, ben 
fjerrn, anaubeten. Alfo palt biefer 
große ©ebner ©ottesbienft mit feiner ©e= 
meinbe. gveilich erforbert all bies 3 eit; jebodj 
nicht länger als Stunben im ©anaen ; beim 
ber nt ä cp t i g e Spurgeon r e b e t e öeS 
AtorgenS 45 unb bes AbeitbS 40 Almuten, unb 
tonnte baruni recht wohl anbere 45 Almuten 
aur An betu 11 g mit feiner ©enieinbe 
entbehre n. 

©S ift alfo nicht allein ber große, Oom ©eifte 
©ottes erfüllte ©ebner, ber |rf)on ein ©icrtel» 
jaßrbunbert allfoimtaglicp a tn c i m a l fed)^= 

! taufenb Atenfchen um fich ocrfammelt. ©ein 
| — baau wirten auch anbere ©lemeute mit, fo 
| a. ©• auch — feine gejcßäftlicbc ©efchicflicpteit, 

, fein ©efdjäftstatt unb fein CrganifationStalent. 

, 2Bie ber mit ben Alinuten hausaubalten oer» 
fteht! Alit ber Sefutibe wirb angefnngen, nicht 
früher unb nicht fpäter, unb bann geht ber 
©ottesbienft ooran, als ob jeber Sttjeil beffelben 
oorerft abgemefjeit worben Wäre! — 3n ber 
1 Sonntagfchule finb brei junge Sehrer nöthig. 
Um biefe au befommen, fingt £err Spurgeon 
nach ber Arebigt nidßt etwa ein langweilig 
tjlagelieb, fonbern fagt einfach, unb awar mit 
i bem 2on eines oäterlichen ©eneralS: „Unfer 
i £err unb ©ott braucht brei junge Alämter in 
' ber Sonntagfchule. weiß, baß fich fol<he in 
meiner ©emeinbe befinben, unb bitte fie, nach 
bem ©ottesbienft auf mein Stubiraimmer au 
tommen." Unb fieße ba — AbenbS melbet er, 
bie brei jungen Sonntagfcßullehrer feien ge» 
funben worben; baau hätten fich biet mehr ge» 
melbet, welche man in bie ©eferöe eingereibt 
habe. — ©ine ©oüette für wohltßätige 3 wecfe 


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66 


Jroei Sonntage in fontton. 


roirb gehoben; fie fofl reichlich auSfaden; eS ift 
aber fdton etroaS fpät. 3)a fräflt ©pnrgeon: 
„Stehen ade bie ©orfteher auf bem Soften, finb 
alle meine greunbe borbereitet ? Nun gut — 
•aisbann tann bie Godette gehoben »erben, rooju 
bloS groei bis btei Minuten erforberlicft finb." 
$aS roidft bu bochaud) feljen, badete ich, »ie 
unter einer foldjen ©tenfdjenmenge eine Itirdjen» 
codefte in brei Minuten erhoben »irb, sog bie 
Uhr aus ber 2afd)e unb bemachte ben 3eiger. 
®o<h fiehe — in nicht gang brei Minuten mar 
ber legte Pfennig im Haften, fo umfaffenb roa« 
reit bie getroffenen Anftalten unb fo präcis 
mürben biefelben auSgefübrt!— Heiti SBunber, 
baft Spurgeon ade möglichen ©ereine unb 3n» 
jtitutionen grünben unb erfolgreich fortführen 
tann! _ 

Senen Sonntag Nachmittag fah ich mir 
mehrere ©trafeenqotteSbienfte in Sonbon an; 
benn in biefer großen ©tabt lebt gar biel greit» 
lieh benoahrloftes ©oll, um bas ft<h aber auch 
Piele gute ©?enfd)en in bielfadjer jßeife betüm« 
mern, fo g. S. auch, inbem ©traftengotteSbienfte 
abgehalten roerben, bie in Sonbon biel hönfiger 
finb, als in irgenb einer amerifanifchen ©röft» 
ftabt. 

©or adern befchäftigt fid) bie fogenannte 
„Heilsarmee" uuermüblich an ber ©tragen» 
pvebigt. SBenbe baS ©latt nicht um, lieber 
Scfcr, unb tljue biefe Heilsarmee nicht mir 
nichts bir nichts ab mit ber ©emerfung, baff fie 
bod) nichts als nur HauSmurfterei treibe, golge 
mir bielinehr hinüber gu jener ©traftenetfe urtb 
nimm meinetmegen — mie ich felbft gethan — 
ad’ beiite ©orurtheile mit. $ort ftef)t ein Häuf« 
lein „Arbeiter", beffett güfjrer militärifche Ab» 
geidjen trägt; eine gähne ift aufgepflongt: bie 
„Arbeiter" tarnen in militärifmem Aufgtige 
hierher, fangen, roäljrenb fie burch bie Straften 
tuarfchirteii, unb gogen eine grofte ©tenge 33olfS 
an. 2)aS ©äuge ficht etroaS gtotest aus, 
bieS ift toahr, fo baß ber HritifuS gar biefe An» 
haltspuntte finbeti mirb. Aber ber heilige ©rnft, 
bie Feinheit ber 9(bfict)t unb b e r © r f o l g tann 
biefen Solbaten ber Heilsarmee nie unb nimmer 
abgefprodjeit »erben, ©ie hoben eS fich S u r 
Aufgabe gcftdlt, bie © e f tt n f e n ft e n ber 
nieberften ©olfsflaffen g u e r r e i= 
cheit, unb mer [ich ein roenig in Sonbon um» 
gefchaut, ber roeiß, baß bicS eine Arbeit ift, mie 
fie fich nirgcitbS in ben 35er. Staaten bietet! 
ÜBenbet bie Heilsarmee gu biefem 3'oede ©tittel 
an, bie mir nicht billigen tönneti, ftrciubt fich 
nufer ©efiihl gegen bie Sprünge, bie bort an 
ber Straßenecfe. gemacht merbeit, gegen bie ©?e= 
lobien, roelche mir hören, gegen bie ungebänbigte 
AuSbriitfSroeife unb gegen bie geroaltige Nerben« 
erreguitg, fo bürfen anbrerfeitS meber bie Nein» 
heit ber Abficht, noch ber roirfliche bleibenbe ©r» 


folg Pertannt merben. Hunberten, ja kaufen» 
ben tief gefunfenen, bertpierten fWotfAot, bie 
auf einer ©tufe beS ©knbS tmb ber Noftheit 
angetommen, »cm ber mir faum einen ©eariff 
haben, ift biefe Heilsarmee bie Honb gur Net» 
tung gemorben. 2lde Hir<hengemeiitf<haften in 
Sonbon befennen frei, baß fie nicht im ©tanbe 
roaren, biefeS enfant terrible, biefe „©ehret!« 
liehen" ber Sonboner ©ebölferung gu beein» 
fluffen; unb eS ift groeifelSoljne geroiß, baff ber 
bornehme Hritifer nicht im ©tanbe ift, unter 
jenem Abfchaum auch nur bas ©eringfte 
auSgurid)ten. SBefthalb fodteit mir uns benn 
in frönnnelnber Scheu betreujen, ba es ©ott 
gefädt, bur^ ein munberfameS SBerfgeug ©r» 
folge gu erringen, beten (Realität unb <£>tabi* 
litöt oon feinem dtrnünftigen ©tenfcfjrn in 
Bonbon geleugnet »erben! 

S'reibiertel ©teilen bon biefer burch bie Heils» 
armee befeftten ©de ragt bas maffibe ©ebäube 
ber Sonboner Honbelsfamnier empor, ©eproere 
forintbifepe ©äuleit tragen an ber grontfeite 
berfelben ein ©orbadj, röoburcp eine geräumige 
©orballe gebilbet mirb. Sind) hier finbet ©tret» 
ftengotteSbienft ftatt, unb groar in ftreng f i r cp» 
lichem ©laß unb 3uf<hni11. ©klcpe 
Hird)enberfaffung hier bnS ©ctpel aufgc» 
fdjlagen hot, tonnte ich nicht in ©rfahrung 
bringen, ^ebenfalls roaren es Arbeiter einer 
ber gaplreichen ©tabtmiffionen, unb ohne 3n>ei= 
fei perrfepte ber ftreng firdjlicftc ©tpl. $cr in 
untabelpafteS ©djtoarg getleibete ©tiffioitär 
ftnnb fo eprroiirbig ba, mie ber geftrengfte Herr 
©farrer ber Hodifirche; bie ©lelobien bemegten 
fich in muftergiltigen „tirchlichen Saufen", unb 
bie um ben ©rebiger herumfigenbeit „Arbeiter 
unb Arbeiterinnen" ber ©tiffion fchauten fo 
ehrbar, fo liebenSmitrbig, fo bon ber Siebe 
©otteS erfüdt, aus, baß man fich uitmißfürlich 
angejogen fühlte. Aber roo finb bie 3ul)örer, 
mo twS ©olf, für mclcheS biefer 
©olteSbienft beftimmtift? Srgeitb 
mo anberS, nur nicht hier. Hier utib ba fdjaut 
ein Sonboner ©traßenaraber fcheu jur Säulen» 
habe herein, um im inid)ftcn Augenblide mieber 
mit einem ©efichte ju oerfchminben, baS etroa 
fageit mill: ,,^ieS ift alles recht fd)ön unb mo» 
nierlid), ober für mich fiel ju bornchm; ich geh' 
Siir Heilsarmee." ©tanchmal bleibt ein ©or» 
übergehenber ftehen, um jebod) fogleieh roeiter 
ÜU fdjveitcu, beult biefer ©otteSbienft ift fo 
präciS f i r dj l i <h. bafe man nicht erft auf 
bie Strafte gu ftehen braucht, um berartigeS 
mitäiimacheu. ^aS tann man briiben in Sanft 
(Paul biel beqemer haben. 

dorthin menben mir uns. üöelch ein ©au 
baS ift! Nebft ber ©t. ©eterSfirdje in Nom bie 
gröftte in romanifchem ©tpl errichtete ftathe« 
btale. 3»r Anhörung ber ©rebigt aber ift 


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Pie Ginn reWj (kerben »oute. 


67 


biefet 500 ffruß lange linb 250 fjufe breite, in 
dreujform errötete Riefeubau nicht aufgeführt 
worben, benn wir hoben große Stühe, ben 
©eiftlichen ju oerftehen, obwohl wir unS in 
bejien Sfd(je branden. Gtwa gweitaufenb Set» 
fönen fihen um bie danjel herum. S)er ganje 
übrige Staunt ift teer, unb fecf)S= ober acht» 
taufenb hätten noch Stoß. 23on ben jtoeitaufenb 
aber oerfteljt faum bie Hälfte, was ber Rebner 
lagt. Stit einem GUbogen auf baS danjeltiffen 
geffüßt, oerlieft ber ©eiftliche in fehr fir<hli<hem 
unb eintönigem Sortrag bie '-ßrebigt, welche jwar 
burdjauS rechtgläubig ift, aber gar wenig ßin» 
brud heroorbringt — erftcnS, weil bie meiften 
3 uhörer nur getontmen, um ben wunberbollen 
Äunftgefang ju hören, welcher wäbrenb beS 
6 piScöpal»@oiteSbienfteS in St. Saul probujirt 
wirb, unb jroeitenS—weil baS Scho bie Stimme 
beS ^ßrebigerS berfdjlingt. 2ßaS Söunber, baß 
gar Diele ber Rnbächtigen bie mächtige 5)om« 
tuppel anftaunen, bie fich breipunbert früh h°<$ 
in ber SHitte ber Kirche (Stittelpunft beS dreu* 
jeS bilbenb) erhebt; ober aber — ein Schläfchen 
machen, bis wieber gefangen wirb! 

£ie dirdje beS berühmten ©ougregationa» 
liften»SrebigerS parier ift baS 3icl ber fonntag» 
abendlichen SBatiberung. Stille ift’S rings 
um ben fdwnen großen Sau, obwohl bie 3eit 
;um Seginn ber Bonbon er ©ottesbienfte uidjt 
mehr fehr fern, ©in Sorübergebenber (oft baS 
Ȋthfel, inbem er .auf eine betreffenbe frrage 
halb humoriftifch, halb traurig antwortet: 
„Sehen «sie, Srebiger unb ©emeinbe finb in 
ben Säbern, um ihre Siinben abjuwafchen; ba 
giebt es für uitS arme geute fein 2öort ©otteS; 
ioenigftenS nicht in biefer (Jircpe, bis baS Spät» 
jahr eingeriidt ift." 

So wenden mir beim uns nochmals nach 
Siib= Sonbon, bem Spurgeon’fdhen Sabernafel 
jn, unb lehren auf bem 2ßege bahin iu „©priftS 
(>hurd)" ein, wo Rewman $afl, ber SreSbp» 
ttrianer, fdbon Diele $ahre tn großem Segen 
unb mit auBerorbentlichem drfolge mirtt. 2)aS 
ttirchengebäube gleicht einem Sienenftocf, fo 
lebhaft geht eS in allen Räumlidjteiten her. 
3 m unteren |>auptfanl finb fünf» bis fecpS» 
bunbert junge SJänner oerfammelt, Welche Se» 
ridhte über ihre fonntägliche StiffionSarbeit ge» 
ben unb bagmifr^cn hinein bom fjührer ermahnt 
»erben, frenbig fortjufahren im ©lauben, in 
yr giebe unb in ber Rrbeit. 2 fn einem großen 
(tebenjimmer erbeten bie Säter unb Stütter 
'Israels ben ©egen ©otteS auf ben fommenben 
SbenbgotteSbienft, unb im obern Saal ift ber 
lungfrauen»S!JtiffionSDerein oerfammelt! 

Xa jeboäh 9 ieroman ©all jenen Rbenb nicht 
ielbh prebigt, fo manbern wir wieberum ju 
: puraeon unb ftnben nochmals — fechstaufenb 
Wenigen fören nochmals biefen wunberbaren 


Staun, ber fie alle aus bem Sßorte fpeift, bemun« 
bern nochmals feine alänjenbe Rebegabe, fein 
OrganifotionStalent, feinen ©efchäftstaft unb 
— feine einfache, linbliche grömmigleit. Se» 
fonberS aber freuen Wir uns, baj? er nicht ju 
ben bebauernSwürbig = einfeitigen Saptiften ge» 
hört, welche bie ganje ©hrifteiiheit als fo fehr 
in hribnifch » römifchem 3 jrrthum gefangen an» 
fehen, baß fie mit Riemaitb jnm hei» 
iigen Rbenbmaple gehen, ber nicht 
untergetaucht ift. $aS heilige Rbenbrnatjl 
wirb jenen Rbenb in Spurgeon’S Xabernafel 
gefeiert, unb ber gr ofse S a p t i ft e n»S r e» 
biger labet*baju alle Sr übet unb 
S<hweftern anberer dirdjen»Se» 
fenntniffe ein. SBäre er nicht Don foldjer 
©efinitung befeelt, fo wäre er n i cp t halb f o 
groß unb nicht halb fo erfolgreich- 
Sllfo fchlofe ber gweite Sabbath in ber eng» 
lifcpen £auptffabt, Welcher noch lange in fegenS» 
reichem Rnbenfen bleiben wirb unter beni Ra» 
men — berenglifcpe gonboner Sonntag. 


#on ®iuem, 6er reich fterßett wollte. 

Sor einiger 3eit ftranbete an ber,(lüfte üon 
Srafilien baS Schiff „Sritnnnin" mit einer 2a= 
bung fpanifcher Xhaler an Sorb. 3n ber ftoff= 
nung, einige bet ©elbfoßhcn retten 31 t föniteit, 
hatte man fie auf’s Serbed gebracht; aber baS 
Schiff fant fo fchnell, baß man fid) eilig in bie 
Rettungsboote flüchten muhte. Schon war baS 
leßte berfelbeu im Segriff, oom fmfenben Schiff 
abjiiftoßen, als ein Siatrofe guriideilte, um 311 
fehen, ob noch Swioitb an Sorb fei. $a — 311 
feinem ©ntfeßen fieht er einen Statrofen auf 
bem Xlecf mit einer 9irt in ber £anb; fchon hat 
er mehrere ffräßchen aufgebrochen unb bereu 3 n= 
halt rings um fich aufgefteöt. „2BaS machft bu 
ba ?" ruft ber entfette Statrofe feinem (tarne» 
raben 311 ; „rette bein geben! — baS Schiff wirb 
in wenig Rugenblicfen oerfinlen!" „'Xas Schiff 
foll nur untergeben," erwiberte ber Stann mit 
gräfilicher Ruhe. „3cb bin mein ganseS geben 
lang ein armer (terl gewefen, unb bin nun ent» 
fchloffen, wenigftenS reich fterben." — Stau 
mußte ihn feinem Schidfal iiberlaffen; in wenig 
Stinuten war baS Schiff Derfchwunben. 

2ßenn bu auch hift fagft: ber Stann war Der» 
rüctt, fo habe ich f^olgenbeS 311 fragen: Sinb 
nicht ^mnberttaufenbe auf Grben, bie ebenfo 
entfchloffen ftnb, um j eben S reiS reich ja 
werben? bie aber am allerleßten baran betifen, 
baß fie in biefeni dampfe bie Seele, üerlieren 
fönnten ? Unb bod)! ber einsige Reichthnm, ber 
uns in ber 2 obesftunbe noch erfreuen fann, ift 
bie ©nabe, bie uns burdj baS Slut unfereS 
&errn unb fieilanbeS 311 Sheil wirb! 


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68 


Jtr Sag bes Herrn. 


Dar ded liöjry«. 


toi bw *{§ckj bvo (K&iycYi. 
j^jcfv &m cUteiw a/w^ -vueüet' cFti/H>; 
§jpoc& eme STtot^emj^oc&e m4/&, 
§p^m StiWe ttaA i44i^ ^ei>vw. 


^Xttßeien^ &me icfv fvie^: 

| © otiooeo gclicimeo 

j fm-t^ton, vie^e i4/ntjeocAi4 

1 ßeic-ieti mti mi^! 



Jet' 


tmvnef vuaA itvvb ^etm. 
t ioi so felat' 14 w 6 feiet/ticfr, 
io gcmZ', cvfc> moWt’ e/t o^vvcn, oiciv. 
}ao toi bw ||ckj beo 



(UManb.) 


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69 


SpajiergSnge am Seeufer. 


IDillfommen, liebe IDintersjeitI 


-0- 



illfommen, liebe lDinters3eit, 

Pa rings es regnet, ftürmt unb fdjneitl 
IDir Reißen btd? tpillfommeul 
IDie lange, lange ift es tyer, 

Seit bn t>oit uns in £aub unb IHeer 
f?aft £ebett)ot]l genontmenl 

(Erft ftreute über IDalb unb 2 lu 
Pas IHägblein mit ben 2 lugeu blau 
Pie ^iille feiner Blühten; 

Pann fprad? bie glülf ube Sdjmefter ein 
Unb reifte Korn unb foebte IPcin 
Pem Horben unb bem Süben. 


211 s enblidj mit bem golbnen Stab 
Pie britte uns bas $eidien gab, 

Pag jeitig if^rc (Saben, 

Pa lief, roas l?änbe tjat, herbei, 

§u famineln fte unb mit 3ud)t)d 
21 m Segen ftdj 3U laben. 

Pu big bie jüngjle in ber S(t?ar 
Pnb bodj bie ärrnfte niebt fürmafyr, 
So oiele bid? audj fdjelten 1 
IDer an bem bleidjen 2lngefid?t, 

Pem najfctt fjaar ftd? ärgert nidjt, 
Pem roeigt bu’s 3U pergelten. 

Wenn iiber’s f?aus bie Stürme 3ietjn, 
Perfammclft bu uns ums Kamin 
Unb feine trauten flammen; 

Pa ftrerft 311 r Hulje ficb ber £eib, 

Pa ftnbt jüm lieben gdtoertreib 
Sid? 3ung unb 211t 3ufammen. 


3 m Stiibcbett tuunberbar erhellt 
(Eröffneft bu uns eine IDelt, 

IDie feine braugen (djimmert, 
Dergangner geiten £uft unb £eib, 
Perfunfner Sdiätje l?errlid?fett, 

Pag uns bas 2luge flimmert. 

Unb über biefer gauberpracfyt 
Unb aller Klärchen XPuitbermadjt — 

Don ffimmelsluft umfädielt 
Per ^eiligen (Sefcbid)te Hreis, 

Pag mitten unter Scbnee unb (Eis 
Pas parabies uns lädjelt. 

Pag aber biefe IDelt fein (Eraum, 

Pflan3t beine f?anb ben fyeilgen Baum 
§um §cid>en allen frommen! 

Prum, ob es regnet, ftürmt unb fdjneit! — 
IDillfommen, liebe lDinters3eit, 

Sei taufenbmal tpillfommen! ( 3 . Bl.) 




Spa|ier0öii0e am 

Sau 3 . ®. $cl|aal. 

Unerfdjöpflidj an Hey, an immer erneuerter Schönheit ift bie Ztatur. Schiller. 


Sdjon in früheren 3fn^rgäncicn haben Wir 
bie Sefer ju ffletradjtungen ber SBunbet ©otte§ 
in ber 5licfe be3 9J?eere§ eingeloben. $n3ttmal 
lentten wir bie Wuftnerffamfeit auf einige ber 
niebrigfieit ^bierforinen, bie auf bem tüoben 
be§ 3)teere§ Raufen. 3n unferem heutigen 
Spagiergang am ©ecufer mosten mir auf bie 
im fDieere roudbernben ^langen fjinmeifen. 

©ie fidb im 2Reere meift nur SIjiere ber nieb. 


rigften BcbenSftufen aufbalten, fo gehören and) 
bie ber Ißflatyenmelt ben uiiDollfommcnfien 9lr= 
ten an, fo febr and) übrigen» ihre fcfjönen unb 
gierigen ©eftalten un» eutgiirfen mögen. 

©0 großartig nnb febön biefe SBunber ber 
göttlichen ©djöpfung finb, fo bat man erft in 
neuerer 3?it l’icb bentiifjt audj ba§ 9?olf im 9111= 
gemeinem mit biefen munberbaren SBaffcrpflatu 
gen mehr befannt gu madjen. ©elbft in miffeu= 


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70 


SpajtergEncjt am Seeufer. 



fdjaftlidjcn 9fl>hanblun= 

•gen über bie Ißflanjen» 
funbe fucpte man bis vor 
Äurgem bie Sefchreibung 
toon Seepflanjen mit ei= 
nigen feljr unvoflfomme» 
neh $cberftrid)eti abgutpun. 

Seitbent mau aber bie lieber» 
geugung gewonnen, baf} man 
ger’abe bei bicfeit Slttfängen bcS 
zfflangenleben» and) bas ©tu» 
bium beS SebenS int Mgetnci» 
tten beginnen muß, fdjenft man 
ber Sefcpreibung berfetben in 
allen wiffenfchaftlichen SBerfcn 
über Sotanif mehr Sluftnerffam» 
feit nttb Sorgfalt mie früher. 

$nS genauere Stubium ber 
'tßflangenwelt hat in fester 3eit 
fogar einen großen ©ittfluß auf 
eine beffere fflaffifigirung ber= 
felbett auSgeübt, fo baß man in 
manchen neueren SBerfcn bie 
alte (Sintbeitung in förpptoga» 
men (^ßflangen mit verborgenen 
Söfütben) uttb ^hanerogamen 
(ißflangen mit beutlidjen 33lü= 
tben) gar nicht mehr finbet. 

Seegraä gehört ber unterften 
Stufe ber blütljenlofen 5ßflan= 
gen, unter bem Stamen „Sflgen" 
befannt, an. 3» beit früheren 
SBerfen über 33otanit (^3fIonäeit= 
funbe) bat man fie unter ber 
klaffe ber .firpptogumeit, 
in ntandjen ber neueren 
unter ber ber '-Jkotoppp» 
ften (Urpflangen) gu fu= 
eben. 

Oer Statue „Sllgen" ift 
lateinifdjen UrfpruitgS 
unb bebeutet Seegras. 

S)a man nun and) in 
Süßmaffern mit ben in Salgwafferit bertoanbte 
tßflangen finbet, fo unterfdjeibet man ©itßwaffer» 
unb Seealgen. 

3fn fofern nun bei ben folgen unb manchen 


unb 


©emcineS Seegra«. 


anbern ^ßflanjengattungen feine eigentliche S3fii= 
tben= unb Santenförner, mie mir fie gewöhnlich 
fennen, borbaitbett finb, fonbern nur ©efäße, 
in welchen fiel) ein ftaubähttlicher Same be= 
finbet, fo ift auch noch heute ber Staine $rpp= 
togamen völlig auf fie anmenbbar. $er Same 
biefer ^flattgett ift unter bem Stauten öon Spo= 
ren befannt, uttb bie Sebältcr, in welchen biefe 
Sleintförttcr wadpfen, Sporangiitm. $erStame 
Sporen rührt bott einem griedjifdjett SBorte 
spora her unb bebeutet Saat ober fteimforn, 
uttb Sporangiitm ift gufammengefefet von spora 
unb angos (©efäß), alfo ein Saatforngefäß. 

®iefe Sporangien mit ihren Sporen werben 
auf verriebenen Stbeilw ber tpflangeit angefeßt. 



Scrvula. 

je nad)bem fie einer befonberett ©attung ange= 
hören. Sie erfcCjeineit halb gleid) einer ©ruppe 
Heiner Seerett, wieg. )8. bei ben gemeinen 93ee= 
rentaug, an ben feigen, baibatt bereu Spi^ett, 
balb bilbett fie regelmäßig ober auch unregel» 
müßig crfctjeinetibe tßünftchen, bie fid) en(Weber 
in bie ^flonge eingebettet haben, ober auch auf 
ber Oberfläche berfetben fittett. $ie Saatföcner 
biefer Urpflangen haben feinen ft'eint, wie ber 
Santen unferer höheren ©ewüdjSarten, fonbern 
beftehen nur aus einer einigen 3el<e, bie jtcj) 
mciftenS burd) Sheilung weiter entwicfelt. 

(tilgen gehören ber nieberften ftlaffe be§ 2e= 
bettS an, wcldje guitt 2 peil auf ber ©rettge. gtoi= 
fchett ber 2f)ie» uttb (ßflatigenwelt gu fd)Wanfen 
fcheinett. Sie beftepen aus vereinzelten, ober 
aneinattber gereihten, ober gu uitvollfontmenem 
3ellgewebe vereinigte 3ellen. Sie uuterfcheiben 



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71 


Spaziergänge am Seeufer. 



jicfc Don beit ^ßUjett babutdj, baß ftc Stattgrün 
(ßblorophhl) enthalten. 

Sa», roaS in ber Sflaitjentunbe mit Statt» 
grün bejeichnet roirb, beiißt nicht immer bie 
grüne Farbe; biefeS ijt befoitberS bei ben Stlgen 
ber-Fall, bie balb in rotßer, gelber, fpan» 
grüner ober in anberen mobifijirteit Farben er» 
feinen. 

Sie Stlgen leben, roie fcßon angebeutet, im 
SJaffer, einige aber auch fogar in fernster Suft, 
lettener auf feuchter @rbe ober getäboben. Sie 
ritiben fiel) in Sachen unb S fußen, oft fo Keift, 
baj fte mit bem bloßen Singe nicht gefeiert 
roerben tonnen, unb bitben einen grünen, feinen 
Schlamm; bann erfdjeinen fie auch als grüne, 
fabenartige Ueberjiige an Stüljträbern :c. 


L&minurla Digital». 


diejenigen, hielte im Sleere leben, nennen 
mir Steereä»9l(gen. £)ier erteilen fie mitunter 
eine ungeheuere ©röße unb bitben oft gange 
SBätber in ber diefe ber fjtutßeu. die größte 
betannte Anhäufung fotcßer 9)ieereS»9llgen fin» 
bet fid) in bem oiele daufenb Quabratmeiten 
bebedeuben Sargofio»Steere im Stttaiitifdjen 
Oceait bom 16. ober 17. ©rab bi§ 38. ©rab 
n. Sr. unb 50. bis 81. ©rab m. ß. Don Saris, 
beffen Oberfläche mit Dom ©otfftrom jufammen 
getriebenem Seerentang bebedt ift. 

diefe SteereSgcmächfe fiitb nicht ohne 3med 
für bie diefe, beim oßne fie mürbe bas ßeben 
in biefen großen SBaffern balb aufhören, inbem 
fie nicßt bloS Nahrung für ungültige dtjiere 
bitben, fonbern burch ihr Sermögen, Sohlen» 
fäure aufjunehmen unb Sauer» 
ftoff abjugeben, nicht menig gur 
Steinigung beS SöafferS bei» 
tragen. Studj legen fie ein ge» 
roicßtigeS 3eugniß für bie 9BeiS= 
heit ünb ©üte ©otteS in ber 
©rfchaffung ber SBelt ab. 

die Seealgen, über bie mir 
uns ßauptfächlich in biefer 2tb= 
baublung mit ben ßefern unter» 
hatten möchten, finb nach einer 
munberbaren unb herrlichen 
Crbnung burch bie ©etuäffer Dertheilt. Stud) 
hier vidjtet ficf) bie ©attung ber '-Pflanzen 
unb ihre Farbenpracht nach bem filima unb 
bem Sonnenlicht, toeldjes fie empfangen. 
3u oberft finben mir bie grünen tilgen, 
bann nehmen fie eine otioengrüne bis braune Farbe an; 
m unterft folgen bie oiotetten unb carminrotben, oft Don 
außerorbentticher Farbenpracht unb babei Don einer 3nrt= 
heit, baß fie, auf untergefebobenem Sapier im 2Baffer 
i'cbroebenb aufgefangen, getrodnet unb gepreßt mie bie 
jartefte Staterei erfdfjeinen. 

Cbmoht biefe Sflangen auch auf bem Steeresboben feft» 
fißen, fo haben fie hoch feine eigentlichen Sßurgelu, fon» 
bem nur .{laftorgane, oermittetft beren fie fich am Soben 
feftßalten; auch gießen biefe ißre fJtaßrung nicht mie bie 
ßanbpflaitgen burch bie SBurgeln aus bem Soben, fonbern 
bei ihnen fangt jebcS ©lieb ber Sflange feine Wahrung 
aus bem SBaffer auf. 

da man aber burch eigene Wnfcßaunng in allen 
dingen einen meit tlareren Segriff Don einer Sache 
erhält, fo roolleu mir unS einige biefer Seepflangen, unb 
menn and) nur im Silbe, naher anfehen. der befferen 
lieberficht megen betrachten mir einige biefer munberbaren 
Urpflangen nach ihren üerfdjiebenen Farben, ohne uns befonbers 
barum gu fümmerit, ob biefe ßintßeilung roiffenfchaftlich fei ober 
nicht. 

2öir beginnen unfer Stubium mit oliben» ober bräunlichgrünen 
Seegräfent, inbem mir unS juerjt eine Sflange, roelcße Don ben ®e= 
lehrten LminariaDigitatngenannt mirb, anfehen; ein Statue, ber 
fiel) auf ihre fiugerartig gemaeßfenen Slätter beließt. _ 2Bie ihr fofort 
auf bem Silbe fehen roerbet, hat biefe Sflanje feine eigentlichen 


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72 


Spafirrgöngr am Serufrr. 


SEßurgeln, fonbern nur rourgelartige ©lieber, 
mit beiten fie fid) an ben Voben beS VieereS 
anflanunert. 2)er Stamm biefer SjJflange, 
roenn er ber freien üuft ausgefeßt mirb, Der» 
bartet fid) bermaßeit, baß er Don ben ffifcher» 
tnaben gu SDtefferheften u. bgl. m. oermenbet 
mirb, toelChe biefelben £ieitfte roie £>orn leiften 
füllen. 9luS bicfem Seetang mirb baS roohU 
befannte unb oott ben SMergten fo häufig ge» 
bramfite 3ob bereitet. 6s ift biefeö auch baS 
geheimnißDolle 'Wittel, roelcheS (o Diel gur @nt= 
mitfeluitg ber f>entiflert Vhotographenlunft bei* 



Pari 1 n* Pftvonia. 


getragen bot- $urd) baS Verbrennen biefer 
Sßflange am fanbigen SWeereSufer füllen Der» 
fCßlagene Schiffer bie 3»bereitung beS ©lafeS 
entbecft buben. Unter biefer ©attung befinbet 
ftd) eine geroiffe Vbart, beren VlätterauS einer 
JJnolle Don einem f$uß int SSurchmeffer heroor» 
madjfen, bie fiel) über einen fireis üon gmölf 
Suß im Tuircßineffer ausbreiten, unter roelchem 
fiep fjifcbe unb Derfcbiebene anbere «eethiere 
Derbergen unb ihre £>eimath auffcblagen. 2Bir 
löniten nicht umhin, auf ein merfroiirbigeS flei= 
neä ibiercfieii aufitierlfam gu machen, baS piet 
roohithaft ift, roelcheS bem bloßen Wage nur mie 
ein Keines j$lecfd)en Dortommt. Vetrachtet man 
baSfelbe aber mit bem Vergrößerungsglas, fo 
fieht man ein gang außerorbentlidjeS’i'hierchen 
in einem munberbareu ©ebeiufe Dor fid), melcheS 
ber .Qlaffe ber .«rufteiithiere unb unter biefen 
mieber ben 'Jiingelmürmeru angehört. 9luf ben 
erften Süitblid mürbe man baS roof)! fauni glau» 
ben, aber bie nähere Unterfuchuug ber ©eiehr» 
ten hnt baS ßrgebuiß geliefert, baß fie nichts 
meiter als SHingelroürinet finb, betannt unter 
bem SKameit Serpula, maS fo Diel heißt als 
Keine Schlange (fiehe Vilb 3). $aS £>ouS, in 
melchem biefeS fleiite 2 bierdien lebt, beftept aus 
einem Keinen faltigen SRöprdjen, mit einem 
Keinen 'Sedel als Jbür am oberen Gnbc Der» 
fehen, baS eS, nad) SBunfcp unb VMllett, auf» 
heben ober oerfcpließen tann. Sobalb eS ben 
$etfel lüpft, fo ftredt eS feine garten Kiemen 
(SHthmungStoerfgeuge) aus feiner Spür heraus, 


melche benfelben baS SuSfepen einer lieblichen 
Keinen Vlume oerleihen. tiefes faum fichtbare 
Jpiercpen fod aber mit 14,OOO 3äpnen U11 ^ 
1900 Raichen oerfeheti fein. Tiefe Keinen Ijjäf» 
chen füll es gebrauchen, um fid) über feine Thür 
gu erheben unb bei perannahenber ©efapr in 
fein SKol)rbäu&cben gurüdgugiepen unb bie $pür 
gu oerfcpließen. 

3ur Sinfen auf bem Vilbe 4 feht ihr eine 
Seepflattge, Fucus Serratus genannt, Tiefer 
SKaute bebeutet, baß biefeS ein Seetang mit 
fäaegahnartig oerfepenen Vlättern ober 3*beigeit 
(Thallus, ein 3n>eig), ba ja baS SBort Viatt 
nicht recht auf Seepflangen anmenbbar ift, in» 
bem oft bie gange Vflange feinen UnterfChieb 
groifchen Stamm, 3 ro eigeti unb Vlättern naCh» 
roeifen läßt, unb mitunter alles nur auS einem 
3ellgemebe, ohne bie bei anbern Vflangen Dor» 
fommenbe ©lieberung befteht. Tiefer 2ang 
bilbet bie .fteimath für gemifie Spierpflangen, 
b. p. Spangen, melche bas Vermögen befißen, 
thierähnliChe, freie Vemegungen gu machen. 
Solches mag bem jungen fiefer fomifd) Dor= 
fommen; aber fobalb man auf ber unterften 
Stufe beS Sehens angefonimen ift, fo begegnen 
mir Spieren, bie am Voben feftgeroaepfen finb 
roie Sßflangen, unb Vflongen, bie, mit Keinen 
SRubern Derfehen (VMmpern genannt), umher» 
feproimmen mie Spiele. Tie helleren Qfleden 
an biefen Vlättent haben baS VuSfepen Don 



Dlctyot* Pichltoma. 


feiner Spißenarbeit unb roerben Memprani- 
]>ora, b. p. burcplöcpcrte Häutchen, genannt. 
SBeiter unten am Vlatte befinben fiep Keine 
Stacheln, bie ebenfalls Don einem munberbaren 
Seetpierchen bemohnt finb, unb ihrer VehnliCp» 
feit halber mit Vflangen früher für folcpe ge» 
halten mürben. SKoch heute fönnte man nicht 
einmal aus bem roiffenfchaftlichen SRamen Ser- 
tuluria (gu beutfep. Sträußchen), gefeproeige 


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(Sin Plnrtjjr«. 


78 


aus bem öolfätfiümtidjen „©teertanne" anberS 
jdjüeßen, als baß biefeS eine ©flaitge Tein müffe. 
Tibet es ift leine ©flange, fonbern ein gang 
merfwütbiges Heines Saub» unb ©torbtbiercben, 
baS jroölf garte, täufdjenbe fjü^lerc^en aus» 
breitet, welche, fobalb es ein genießbares J^ier« 
d)en bamit berührt, baSfelbe fofort mit ben 
pbtern umgarnt uitb Dermittelft Heiner uit» 
ncbtbürer ©iftfladjetn, Welche nnS befonberen I 
iäicb4en ^crt>orf<^iefeett, betäubt unb barnadj 
bem ©tunbe gufüijrt unb berbaut. 

©teerfträuSdjen roirb es ohne 3roeifel beß» 
halb genannt, weil baSfelbe mit feinen aus» 
gebreiteten 5iif)lerc&en baS TluSfeben eines mit 
Tkrlen beftreuten Sträuß4enS bat, baS felbft 


nocß in ber 9lad)t feine öeimatb unb feine 
nächfte Umgebung burcb fein Seudjten iHu= 
minirt. 

Padinn Pavonia ift eine pracbtoolle See» 
pflange, bic febr Diel Ttebnlicbteit mit einem 
©faucnf4wang bat, roaS auch if)r wiffenfcbaft» 
lidjer 5tame anbeutet. 3b« fteimatb bat fie 
im mittellänbrfcben ©teere. 

Dictiota Dichotoma ift ein gufammen* 
gefegtes 35>ort, mooon baS erfte fidj auf bie neß» 
artigen (Srfcbeinungen au ber Oberfläche bet 
Slbalbonte (blattartige ©ebilbe), unb baS anbere 
auf bie jrocitbeilige ©ergweigung begiebt, wie 
ibr mo()l am Söilbe fcben tonnt. 

(3c$lu& folgt.) 



(ftn Märtyrer am unferen tagen. 

Sc« 6ollattbifd|en tt acberjäljlt Don 3. ©erljagtn fr. 


I. 

(Sin flrief. 

Cieber fffreunb! 

SBenn ®u biefen Tlbeitb 3«'* finbeft, bitte i<b 
Dieb, einen 3Jlann, ©amenS TlatberS, 3 l >dcr» 
bäderftraße X. ©o. 14, gtoei kreppen boeb, ju 
befueben. 34 glaube, baß bort, für Öict) io» 
roobl »nie für mich. Diel gu lernen ift. 

Stets ber Seine 

3. @ . 

Siefer ©rief mürbe mir bur<b mein Söcbter» 
ben 'IJlargaretba, einem fünfjährigen ÄrauS» 
föpfdjen, eingebänbigt, als fie mir am ©a4= 
mittag bei meiner fltadbbanfefuuft fröhlich ent» 
gegenfprang unb einen $uß auf meine SBange 
brüdte. ,,'jkpa!" fagte fie, „biefer ©rief ift fo» 
eben abgegeben worben, t4 felbft habe ihn an» 
genommen, barf ich nun auch auf beinern 
ccboope fißen, roäbrenb bu ihn tieft?" 

„©eroiß, mein Siebling," — entgegnete ich, 
mäbrenb icb fie auf meinen Tlrmen ins 3immer 
trug. 

„Unb erjäblft bu mir auch beute Tlbenb mie» 
Der Don ben ©ngeln, bie fo fcpön fingen, ober 
wm bem ©Wanne, ber Don feinen ©rüberu Der» 
ratben rourbe?" 

„3a, liebe ©retba, ich Derfpredje eS bir." 

3ÜS ich mich gefeßt batte, tletterte fie auf 
meinen ®d)ooß, legte ihr blonbes ßöpfeben an 
meine Schulter unb Hißte mich, fo baß es mir 
idjmer fiel, ben ©rief gu lefen. ßnblicb mar idj 
mit feinem 3nbalt betannt unb fagte „©retba, 
4 muß ausgeben!" 

„2Bie. ©apa, bu bau mir boeb Derfprocben, 
mir etwas gu ergäben!" 


„2Bie?" begann auch meine grau, „bu miHft 
auSgeben? fpiele boeb lieber mit ben Jfinbern! 
®er Heine 3obann ftredt auch bie tpänbeben 
nach bir aus." 

34 überreichte ihr f4meigenb ben ©rief. Sie 
las ihn unb fprad): „34 nehme meine ©>orte 
gurüd. ©ehe nur, wer weiß, welches arme un= 
glüdlicbe ©Wen bu bort finben roirft." 

©retba unb 3obann waren gar nicht mit 
meinem Fortgehen gufrieben. Sie überhäuften 
mi4 mit fiiebtofungen, unb nur baS ©erfpre» 
eben, tbuen am foigenben Tlbenb ergäben ju 
Wollen, ftiüte bic thronen beS ©täbdjenS unb 
trug mir einen Äujj Don meinem fleinen 3° s 
bann ein. 


II. 

Judurbäihfrffraßf, Hof X. 

cb fu4te ©alberS auf. 

n wenigen ©tinuten batte ich ben ©utter» 
martt — gegenwärtig SRembranbSplaß — er» 
reicht unb betrat bie ©egulierftraße, in ber man 
lintS eine ©ngabl £>öf4en bemerft, bie 3 e bem 
unter bem ©amen £ e u f e l S e d e betannt finb. 
liefen Scbeltnamen bat ber £>of urfprüngticb 
ben Dielen 2aubenbänblern gu bauten, welche 
früher hier Wohnten, g rüber hieß man es bie 
Saubenede, — baß biefer ©ame fpäter in 
SleufelSetfe umgewanbelt worben ift, wirb wohl 
ben ©ewobnern felbft gugufebreiben fein, tiefes 
©iertel ber ©mfelftabt wirb bauptfä4li4 bon 
Crgetbrebern, Sröblern, ©änfelfängern, Stra» 
ßenmufifanten Derbäcbtigen grauengimmern, 
©ettlem u. f. W. bewohnt. 

2Babrli4- *8 gehört ©tutb bagu, biefe Orte 


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74 


(Sin Pörtijw. 


gu befugen, um fo mehr, ba in biefen £>öfen, 
Don beiten einige faum g»ei Bieter breit finb, 
täglich ^eftifle 3tt>ift« unb ©treitigfeiten aus* 
gefochten loeiöen, bie fetbft bie behelmten s -ßoti= 
geibiener nicht beigulegen bermögen. 

Wan glaube aber nicht, bah olle £>ergen in 
ber SeufelSecfe fo fcferoarg finb, wie ber tocplicf 
unb ber Woher, »eiche bas Vflajter ber ftöfe 
bebecfen, unb alles Verlangen fich allein auf 
'.Branntwein unb Schnaps erftrecft, benn bann 
irrt man. 

Unter ben Dielen fogenannten Sogishäufern, 
ober beffer gefagt S&ettlerherbegen, in benen 
man für 15 ©entS eine ©chlafftelle unb oben» 
brein J¥affee mit Wild) uitb 3uder erhält, unb 
bie an Nushängefchilbern mit greüer 3tnf(f(rift 
g. S.: „3ur aufgeljenben Sonne", „3m »eigen 
©ngel", fenntlich finb, — finbet man ©inS, 
beffen ©igenthümer als ein gottesfiirchtiger 
Wann gerühmt »irb. Ob eS »ahr ift, Weife 
ich nicht/ i<h habe mich nie mit ihm unterhalten. 
Vlofjl aber habe ich unlängft im Vorübergeben 
gefeheit, bafe an ben SÜänben feiner ©aftftube 
Sibelfprüche angebracht finb. Wan lieft bort: 
„greifet ben $errn, ehret ben Uönig", „3br 
foQt ben tarnen beS fjertn, eures ©otteS nicht 
mifebrauchen", „©ebenfet an ben Sob" unb 
„©laubet an ben fperrn 3efum ©briftum, bann 
»erbet ihr felig »erben, ihr unb euer £>auS." . 
Siefe Serie beweifen gur ©enüge, bafe ber £»= \ 
tel»irth ein 3?einb Don offeutunbigen Sünben ! 
ift. — ©r Dertauft auch (eine berauicbenbeit ©e= 
tränte; roohl ffaffee, Stfjee. ©ier, ©bocolabe, 
Vrob mit fffleifcfe, Käfe, ©pect, ©ier, 3?ifdj unb 
anbere Nahrungsmittel. Unb eS ift eigentfjünu 
lieh, baS rohe SBolf logirt am liebften bei ihm. 
£äufig reichen feine ©d)lafftellen noch nicht 
einmal. 

Vielleicht glaubt man, bafe an ©iern, ffufchen 
unb begleichen nicht Diel uertauft Würbe, bodj 
ratfee ich, fälltet ihr einmal nach Nmfterbam 
tommen. geht nicht nur unb ftaunt bie freien 
Vlähe, bie ©rächten unb VarfS an, fonbern 
werft auch einen ©lief in bie SogiSbäufer ber 
SeufelSede. Sort »erbet ihr Settier, bie ben 
Stag über flogen, fie hätten in mehreren Sagen 
feinen Viffen über bie Sippen gebracht, an reich 
befefeten Sifcfeen finben; Seute, bie tiorgeben, 
burd) einen UnglücfSfall ober burch Äranffjeit, 
ben ©ebrauch ihrer ©liebmafeen eingebüfet gu 
haben, im 2Bohlleben unb im Vollbefife aller 
ihrer ©lieber, beim harten» ober Sominofpiel, 
grauen,-boch ich fchweife ab. 

3br fennt jefet bie 3ucferbäcferftiege in ber 
SeufelSede. 

Xr. 14, jttel Zreppnt pod). 

Sie angegebene Nummer mar balbgefunben, 
boch nidjt. ohne bafe eine Nngabl Stimmen mich 


| gefragt: „Wpnfjeer! gu wem »ollen Sie?" Nn» 
berc beinerft hatten: „Nun, baS tommt auch 
nicht alle Sage Dor, bafe ein Wpnljeer biefe 
©teige paffirt," unb mich bie liebe 3ugenb, als 
fei ich ein frembartigeS SÜcfen, anftarrte unb 
Derfolgte. 

3<h ftanb jept Dor Nr. 14. 

3n bent öaufe wohnte ein Wann, ber mit 
einem 5ßoIiqiinelle=itaften bie ©tabt burehgog, 
fo Dermelbete toenigjtenS baS ©chilb über feiner 
Shür, auf bem mit gelben Settern gefehrieben 
ftanb: 

3. ftatrijnc, 

fpielt mit feinem Warionetten* 
Sheater auf ßinbergefellfdjaf ten 
unb auf ber Violine bei £o<hgeiten 
unb geftlidjf eiten. 

ßatrijne felbft lehnte auf ber gefdjloffenen 
I Unterthür feiner lüBohnung. „SEBoilt 3br hier 
fein ?" fragte er mid), als ich bor Nr. 14 ftiQ 
ftehen blieb unb nach oben bliefte. @r war eine 
echte St)pe ber SeufelSecfe. ©teilt euch einen 
Wenfcbeti Dor, bon fechs f^ufe Sänge, mit einem 
arofeen, tunben, burd) Vocfennarben entfiellten 
Nngefidjt, baS mit einem feproargen 58art um» 
geben, unb beffen eine 5Bange, burch ben flau» 
iabaef, ber fich im Wunbe befinbet, emporgego» 
gen ift, »ährenb eine grofee Wüfee mit breiten 
ß lappen fein $aupt bebeeft, aus ber gu beiben 
©eiten ber ©time eine breite flach geflatiepte 
Socfe gum Vorfchein fommt, beffen Nacfen io 
hoch Wie möglich fahl gefroren, unb ber mit 
einem rotljen »ollenen £>emb, brauner Sar= 
ehentpofe unb hohen Vlafferftiefeln befleibet ift, 
fo habt ipr baS SBilb beS WanneS, ber mit Wa= 
rionetten unb auf ber Violine fpielt. 

„3a, guter greunb," entgegnete ich, »man 
hat mir gefagt, bafe eben in biefem §aufe ein 
Warnt toofenen fofl, ber NalberS heifet." 

„Sann müfet 3hr g»ei Sre’ppen hinauf fieu 
gen," flang bie barfche Stimme ßatrijneS, ber 
entfefelid) nach ftarfen ©etränfen roch. 

3dj banfte ihm unb flomm behutfam, mit 
beiben ftänben baS gur Necpten nieberhängenbe 
Sau ergreifenb, bie fchmale, fteile Sreppe hinan; 
bann eine, bie noch enger unb fteiler war, unb 
hatte halb einen Vorplafe erreicht, wo DoÜftän» 
biae Sunfelheit herrfchte. Wit beiben £>änben 
taftenb, fanb ich «ine Spür, bie auf mein Klopfen 
geöffnet »urbe; unb als ich auf meine grage 
„SEßohnt hier NalberS ?" eine bejahenbe Nnttoort 
erhielt, trat ich «in. 

3<h befanb mich in einer (leinen biereefigen 
Kammer, bie burch ein tfenfterdfen mit fepr 
fleinen Scheiben ihr Sicht empfing. Sem fjen* 
fter gegenüber ftanb eine VettfteHe, bie burd) 
feine ©arbine Dor gubringlichen ©liefen geföhüfet 


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(Sin iiärtijw. 


75 


war; wenige ©dritte babon erhob ftd^ bet fcßräg 
gemauerte tochornftein, unb baS flau je Mobiliar 
beftanb aus Dter Stühlen, einem iii<h unb einer 
ftifte. 9luf einem ber Stühle faß eine grau, 
bie mit einem ©duffer, BtamenS ©oebhart, »er» 
heitathet mar, fchon gahre lang — wie fie mir 
erzählte—bie Kammer bewohnte unb auSVtit* 
leib bem tränten Vtanne, ber ihr gegenüber faß, 
einen ®laß in ihrer Kammer eingeräumt hatte. 

5er Strante mar 9lalberS, unb eine alte SDta* 
fräße, bie neben bem ©dbomjlein nebft einem 
Äifien unb einer Sede auf bem ©oben lag, fein 
Säger. 

„greunb! 3h* ffheint leibenb gu fein," be= 
gann ich, nachbem ich mich einige 5lugenblide 
mit ihm unterhalten hatte. 

„3a, Vipnljeer! 3<h leibe ftarf. 5och baS 
mirb balb überftanben fein, unb idh gehe bann 
ein, roo fein ©djnterg unb fein Seib mehr em= 
pfunbeit mirb." 

„So, mein greunb! feib 3h* beffen fo 
fi^er ?" 

„3a, baS bin .idh. O, wie roohl wirb es mir 
ba fein ! naCh langen fahren beS SeibenS gur 
eroigen greube eingugehen." 

„©eib 3hr fchon lange tränt ?" 

„55a§ eben nicht; aber ich habe 3ah« lang 
gelitten — unb biel gelitten." 

„91 ber burdj Seiben üerbient man fi<h nicht 
bie eroige ©eligfeit." 

„9tein, ich »eiß baS. 3dh glaube an 3efum 
©hriftum; 6r hat meine ©ünben getilgt. 6r 
hat mir bie 3IuSficht auf ein ewiges Sehen ge* 
geben. 2BaS idh gelitten habe, habe idh uni fei* 
netroillen gelitten. 3a, Vtpnheer! ich war 
Teich, troßbem id> meinen £eilanb nicht fannte; 
aber roaS nüßen alle ©dßäße ber SBelt am 9tanbe 
bes (SrabeS! 3 e ßt bin ich ein Settier, aber fo 
glücftich unb gufrieben, wie es fein KJönig fein 
iann." 

fDfeine 9teugierbe war lebhaft erregt unb ba 
ich gemährte, baß eS 9(alberS Sebürfniß fei, fei* 
nem bergen einmal Suft gu machen, bat ich ihn, 
bei meinem groeiten Vefuche, mir feine ©efctjichte 
ju ergählen. 

3<h Hfl* f* e h'er wieber, wie Tie mir bon ihm 
mitgetheilt mürbe. Sie Semerfungen, bie ich 
hm unb mieber machte, bie gragen, bie ich 
öeflte, finb nicht h'agugefügt, bieS macht eS bem 
l'efer nur erfchmerettb, bem Sauf ber©rgählung 
;u folgen. feine ©rgätjlung häufig burcp 

Xf)ränen unb ©eufger unterbrochen würbe, 
laßt fich begreifen. ©8 ift nicht gu begweifeln, 
öaß 3eber, ber biefe ©efdjichte lieft, mit uns 
«ulrnfen mirb • „2Bahrli<h, biefer 2la IberS war 
«n Wärttjrer!" 


©rfieS St a p i t e l. 

3<h bin in 9Imfterbam geboren unb ergogen. 
kleine ©Item hatten gwei Binder, bon benen 
ich baS jüngfte war. Stein Vruber hieß 2Bil* 
heim, ich wtbries. Si§ gu feinem fiinfunb* 
biergigften 3ahre betrieb mein Vater ein bebeu* 
tenbeS ©efchäfi in 6olonial=2Saaren, mit bem 
er ein beträchtliches Vermögen erwarb, baS ihn, 
berftärft burch ben Nachlaß feiner ©Item, in 
ben ©tanb feßte, fein ©efchäft baran gu geben 
unb ruhig gu leben. 

kleine Vlutter war bie fanftefte, gutmüthigfte 
grau, ber ich ie begegnet bin. 3$ War ihr 
Siebling, wie mein 33ruber ber meines Vaters 
war. 

O, wie oft rufe idh mir baS Vilb ber geliebten 
grau bor baS geiftige 9luge gurücf! ©s ift mir, 
als ob ich fie noch erblicfe, mit bem fdhlidhten 
bloitben Haar, baS in ber Vtitte gefdjeitelt, in 
gwei 3i>bTen geflodhten unb am ;£>intertopf um 
einen £)ornfamm gelegt war ; mit ihren flaren 
blauen 9lugen, mit benen fie mir bis auf ben 
©runb ber Seele fdhaute; mit ihrem fdhtnalen, 
fein gefchnittenen bleichen Slntliß; mit ihrem 
.... bod) wogu biefe Vefdhreibung ? für ©ie 
ift eS bon (einem 33elang, unb beShalb faae idh 
nur: bie grau war bie Vefte, Welche ich 1« ge* 
fannt, fie war meine liebe SRutter. 

SDtein 33ater befaß ein heftiges Naturell nnb 
tonnte bei bergerinften@elegenheitaufbraufen; 
aber bie fanften Sößorte meinerVtutter unb ihr: 
„Sieber SBilhelm, fei bcdh nicht fo böfe," ent* 
waffneten ihn fofort unb brachten ihn gur ©in* 
fidht. 3br war es gn banfen, baß im ©Item« 
häufe Siebe, ©intracht unb griebe berrfchte. 

©o lange mein Vater noch baS ©efdhäft be« 
trieb, gingen mir an ben ©onntag*23ormittagen 
treu gur Sfirdhe. 6r war römifdh * tatholifdj 
unb patte bei ber £eirath beftimmt, baß bi« 
Ätinber in feinem ©lauben getauft unb ergogen 
werben feilten; — -Dtutter war reformirt — fo 
würben auch wir fatholifdf). Nachmittags würbe, 
wenn baS Sßetter es eben guließ, mit Vtutter 
ein ©pagiergang unternommen, unb bann der 
9teft beS SageS mit ftartenfpiel ober Vefuchen 
öerbradht. 

3a, fo geht es in fatholifdhen Haushalten« 
gen, man benft bort nidht an bie Neligion, fon* 
bem nur an Vergnügungen! 

Vtutter tarn nie in bie $ir<he, fie hatte fo oiel 
mit ber Haushaltung gn fdhaffen, unb fo mürbe 
niemals über ben ©otteSbienft unb über Dteli* 
gion gefprodhen. 

911S mein Vater fid> Pom ©efchäfte gurüd gog, 
badhten Wir: „3eßt mirb jeber Sag für uns ein 
gefttag fein; jeßt tönnen mir immer mit bem 
Vater fpagieren gehen." Unb Wirtlich, fo War 
es auch guerft. Ses VtorgenS ging Vater einige 


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76 


Htu einem §0aifrnpauft. 


Stunben aus, tarn bann um gmölf Upr gum 
griipftüd ttacp £>aufe, unb nacpbem mir aus 
ber Scpule peimgeleprt unb mit ben ©Ilern gu 
Wittag gefpeift patten, gingen mir gufamnten, 
um einen Onfel ober einen greunb gu befucpen, 
ober mir bradpten ben Ibenb in anberer Seife 
gefeüig gu. 

9ldp, mefepalb mußten bie fdpönen Sage fo 
halb ein ©nbe nepmen? 

©ineS Sages traf ber 35ater einen alten 
greunb, ben er feit lange nidpt gefepen patte. 

„SaS treibft btt benn gegenmärtig, 3talberS?" 
fragte er, ttadpbetn man fiep gegenfeitig nadp 
gamilie unb ©rgepett erfunbigt patte. 

„9tidpt§," ermiberte mein SSater, „icp pabe 
mein ©efdpäft aufgegeben, unb lebe feßt gang 
meiner f$ratt unb meinen Knaben." 

„Sirb bir baS niept langroeilig?" fragte ber 
greunb. 

„SurdpauS nidpt! meine ©attiit ift eine liebe, 
fanfte grau bie in allen Gingen mit mir eins 
ift; meine Söpne roadpfen prädptig peratt; ber 
ältefte berläfet im näcpften gapre bie todpule 
unb tritt bei ber girma 33. u. ©omp. als 3So= 
lontair ein; ben jüngften roerbe icp auf ein Se= 
minar fettben, er foll ©eiftlidper merbett; fie 
berfpredpen mir Diel gretibe für bie ^utunft. 
gep lebe mit meiner gfamilie in ©intradpt unb 
glüefliep, maS mill idp beim mepr?" 

„©lüdlidp? gn allen Gingen eins? Su 
fpridpft in fRätpfetn. Sie lannft bu mit einer 
grau, bie 'tkoteftantiu ift, bie mir paffen uttb 
Deradpten follett, glüdlicp leben unb in allen 
Gingen eins fein? 3cp berftepe es niept. Socp 
eS ift möglidp. 2lber fage einmal, maS fönnteft 
bu unferer Sirdpe, ba bu boep nicptS gu tpun 
paft, für unoergleidplidpe Sienfte leiften, roettn 
bu nur mollteft!" 

„gep, ber ifirdpe Sienjle ermeifen? gdp 
müßte maprlicp nidpt momit. 33on ber Äirdpe 
roeife idp fepr roenia; idp palte bie gefi= uttb 
Feiertage, fafte, beidpte, turg, tpue maS idp tpun 
muß, roeiter gept meine Wacpt nidpt; bie Sorge 
für bie Äirdpe überlaffe idp ben ißrieftern." 

„9tein — bu mufft für bie ifirdpe mitten. 
Seifet bu roopl, bafe foldpe Spaten uns bon 
bem gegfeuer erlöfen unb uns gum £immel 


berpelfen! Sage befepalb gerabe perauS: mill ft 
bu es ober millft bu es nidpt?" 

„SaS mufe idp benn tpun?" 

„Su roirft Witglieb bon ber 33ittcettg=33ruber= 
fdpaft, bann paft bu 33efdpaftigung boHauf unb 
mirft bon ben ^eiligen mit Soplgefallcn be= 
traeptet merben." 

„gdp mufe bir eprlidp belennett, bafe 'idp biefe 
33ruberfdpaft nur bem 9tamen nadp lernte. SaS 
ift ipr 3med?" 

„£>aüo! rneifet bu baS niept? Sie St. 3Mtu 
ceng 33ruberf(paft nimmt fidp, mie ber ^eilige, 
beffett Hainen fie trägt, ber Firmen unb Ün= 
glüdlicpen an. Sie befudpt bie Sopnungen ber 
innen uttb bringt J£)ilfe, mo bieS nötpig ift; 
fie beförbert bie Sittlidpfeit, bie pier in ber 
ftanptftabt biel gu münfdpen übrig läfet; fie 
forgt für bie Grgiepuna berlaffener itinber, unb 
nimmt attbere, beren Eltern unfäpig finb, baS 
Sdputgelb gu beftreiten, unentgeltlich in ben 
3lrntenfcpulen auf; es ift mit einem Sorte 
eine 33ereittigung, bie ipreS ©leidpen niept pat." 

„SaS ift alles fcpön unb mopl; aber toirb ber 
ßirdpe baburep genüßt?" 

„Sicperlidp! Su mirfi begreifen, bafe ipr 
3med niept allein ift, IWaprung unb fileibung 
gu befdpaffeit, fonbern audp auf anbere Seife 
■Rußen gu giepen. Äommt man in ein ftaitS, 
in bem ber Wann unb bie itinber proteftantifcp 
finb unb bie grau fatpolifp, fdpmaßt man fo 
lange, unb fommt immer rnieber, bis bieÄinber 
in eine latpolifdpe Sdpule gegeben merben. Uit= 
ter ber Seituna beS SteligionSleprerS, auf ben 
mir uns berlaffen lönnen, finb fie halb für bie 
afleinfeligmadpenbe Ü irdpe gemonnen. $ann 
man audp ben Sann geminnen, befto beffer. 
©benfo madpt man eS in £auSpaltungen, too 
ber Wann latpolifdp unb bie grau proteftantifcp 
ift, bort gept eS gemöpnlidp nodp Diel bequemer. 
Wan fäet groift in bie ^auSpaltung, entfrem» 
bet bie ©pegatten etnanber. 33effer ber Wann 
berläfet feine grau, als bafe er unferer Äircpe 
berloren gepe." 

Wein Sater madpte nodp einige ©inmenbun= 
gen, bodp milligte er fdpließlidp ein. So mürbe 
er Witglieb ber 23inceng=33ruberfdpaft. 

(gortfeftung folgt.) 


» < — 


Jl«0 einem ^aifenljaiife. 

®on greimutp. 


I. 

Ser fidp an einem fdpbnen gebruar 9ta<p= 
mittag beS gapreS 1861 in ben Strafeen ber 
fübbeutfdpen 9tefibeng befanb, bem modpten 


bielleidpt brei ©efdpmifter auffallen, beren Slugen 
nodp bom Seinen gerötpet toaren unb beren 
jugenblidpe 3üfle bie Spuren eines tiefen 
ScpmergeS trugen, greilnp pielt ftdp felbft in 
ben Strafeen ber füllen SÜefibeng Wemanb fon= 


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JLue einem jSaifenljaufe. 


77 


berlidj ob ben ©efchroiftern auf, es waren ja 
nur btei Vßaifen auf intern Sege nach bem 
ffiaifenljauS. s iln einem Vlorgen beS borher« 
geßenben fRobemhetS waren fie um baS Vett 
her Vtutter geftanben. „Äiitber," ^atte bie 
Butter ju ihnen ,,id) muß fterben unb 

euch allein jurüdlajfen in ber Seit. fjabt ben 1 
•Öeilanb lieb unb feib recf(t fromm, baß wir 
uns einmal imjöimmel wieöer finben." $ie 
oierzehnjährige Vtarie mit ihrem tiefen, garten 
©emüth tonnte wobl *ur 3eit allein recht fallen, 
was ihr unb ben ©eßhmifteru beoorftelje unb 
ißr Schmerz war unfüglidj. ©S waren bie leß« 
ten Sorte geroefen, welche bie Jtiitber aus ber 
Ütutter ÜJlunb oernahmen. 3u ber 9Zac^t auf 
ben erften 9löDentSfonntag faß ber fcfjoit mehrere 
laljre burd) #rantheit böHig ^ilflo^ geworbene 
Vater mit feinen bier fJinbem am 'Sterbebette 
ber@attin unb 'Kutter unb laufdjte ben Stößen 
unter benen baS treue fpene brach- Sie immer 
n<h auch baS fecbSjäbrige fränflihe Satfjrindjeu 
über bie fötutter werfen unb in herzzerreißenden 
lammertönen rufen mochte: „Vtutter, Vtutter 
iteb mich bod) noch einmal an," baS treue Singe 
blieb im %ot> gefcßloifen, unb ben Sfinbern war 
entriffen, was baS Sörtlein Vhitterfjerz in fich 
birgt. Einige Soeben noch, unb eS galt, auep 
oon bem frommen Vater Vbfhieb zu nehmen. 
„Saß baS ©ebet beineS Sehens fein: Schaffe in 
mit, ©ott. ein reines ^>erj, unb gieb mir einen 
neuen, geroijfen ©ei ft," mar fein leßteS Sort 
cm ben öofjn großer Sorgen unb bieler ©ebete. 

So finben mir bie brei benit an jenem 9tad)= 
mittage auf bem Sege nah bem Saifenljaufe 
"Starie, bie ältefte Scßmefter, als ©eleite ber 
beiben jüngeren ©efchmijter. ®aS jüngftc 
Sdjroefterdjen mar l'cboit oorber mit einem Cu» 
!el in’S Oberlanb gezogen. Seih ein Wunber« 
bares $)inq ijt’S aber bodj um’S Vteufcßenberz. 
Sie bie l)rei fdbou beinah am ©nbe ber Stabt 
bei bem Seminargebäube angetoinmen finb, tu 
Seifen fRäumen bajumal noch jene alte Vn>» 
ohetengeftalt, ber felige Direftor Stein bas 
Scepter führte, iffS nicht etwas wie ffteuben« 
’ßimmer, baS fid) über bie blaffen 3üge unfereS 
Saifenfna6en jiiehlt? 3)ort in ber britten 
Älajfe äßen jeßt bie Äameraben früherer Sage 
mit öd)önf<hreiben, bem großen ffreuj feines 
SchullehenS, befdjäftigt. $abon ift er benn 
nir heute wenigstens befreit. Stoch einmal 
brennt ihm hie oormurfSbolIe »frage feines 
frommen ßeljrerS Späth auf bem &erzetr 
.SaS foO ich benn mit beiner ißrobefchrift an.- 
’mgen ?" vtoeß einmal, aber pim leßtenmal. 
Sie aber nun auch noch ein oerfpäteter Äame« 
r;b ihm treuherzig bie |>anb fchüttelt unö tagt: 
-Simm’S nid)t 3» fhmer; ba braußen bift bu in 
Set frühen Sanbluft, ba gebft bu auf wie eine 
tampfnubel," ba hat er zwar feinen flaren 33e 


griff oon bem beoorftebenben ©lücf, ift aber bod) 
um ein VebeutenbeS getröftet unb gebt rußiger 
ber 3utunft entgegen. $aS Sort SaifenbauS 
hat für ihn etwas oon feinen Schreien ber« 
loren. 

Sin iUaifenßaus. 

©twa eine Stunbe SegS bon $. entfernt 
liegt mitten in ber £>aarbt bas ®orf Selfcß 9t. 
3ft nun auch bie $aurbt nicht gerabe beS „bei» 
ligen römiicheit SteicßS Streufanbbiichfe" — es 
wäre wohl uupatriotifdj, ben Stußm, baS pi 
fein, ber Sarf Vranbenburg abgufpreeben, fo 
ift hoch ber Soben berfelben faubig genug, eine 
aElju üppige Vegetation unmöglich 3» machen. 
Von 3?iebermiaSmcu war beßbalb nichts ju 
fürchten. Xa nun anßerbem töftlicheS Saffcr 
pim Printen, Sofien unb — für Suppe in 
güHe 'borbanben War, fo waren bie Vebingun» 
gen eines paffenben VlaßeS für ein SaifenbauS 
gegeben. $ort, auf einer freunblichen Slnbölje 
am ©ingang beS Dorfes, liegt benn auch bie 
£)arbtftiftung, ein weithin leuchtenber VetoeiS 
bon ber Siebe pim ^)errn, bie feines SorteS 
eingebetif ift „SaS ihr getljan habt einem bie« 
fer ©eringflen unter meinen Vrübern, baS 
habt ihr mir gelßan." Cuftig unb reinlih hebt 
fich baS ©ebäube bon ber Umgebung ab. $urh 
ein freunblicheS ©ärteßen auf ber einen Seite 
mit einer SaSminhede begrenzt, führt ber Scg 
burch’S portal beS ^rontaebäubeS, an taS fich 
bie beiben fflügel m lieblichem ©benmaß an« 
fdbließen. 

©S mochte bier Uhr fein, als unfre Saifen« 
tinber hier eintraten unb in bas Scbnpmmer 
beS £>ansbaterS gewiefen würben. 3n ihm unb 
feiner ©attin follen fie beim ben ©rfaß für bie 
©Item finben. SaS Sunber, baß aud) baS 
9(uge beS zwölfjährigen finaben fdon forfchenb 
unb prüfenb auf bem Scanne bor ihm ruht. 

t reilid), in flave Sorte hätte er bamals feine 
inbriide nicht fleiben tonnen, aber tief unb 
bletbenb finb fie nichts befto Weniger gewefen. 
Senn er fich heute noch, nad) einem bielbewea« 
ten Sanberleben, baS oiblifche Sbeal eines boU« 
fommenen VlauneS berwirtlidjt benten Will, fo 
tritt ihm unwillfürlidh baS Vilb beS £auS« 
baterS Vi. bor ben Vlid. ©in heiligeres, gott« 
qemeibtereS Sehen tann er fich nicht erinnern, 
fonftwo gefeßen ju haben. Sie war in biefem 
theuern Ütann boch heiliger ©ruft mit freunb« 
lieber Vlilbe fo glücflich berpaart. Vtit wie 
wenigen Sorten hat er wiffen bie Crbnung 
aufrecht ju erhalten. Xaß er bon einer weich« 
liehen ©liliebe frei war, baS hat zu feinem 
Sdjreden mancher jugenblicße Vtiffethäter er« 
fahren. Taß aber tiefer, heiliger Schmerz ob 
bem Vöfen feine Seele erfüllte! baS mar auch 
3febem flar, ber noch zugänglich für bas ©ule 


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78 


jtatalie jlarifdihin. 


war. Unoergefslidh bleibt es unferm Söaifen» 
tnaben, wie er einmalbiefen Wann mit tbränen» 
erftidter Stimme für einige ßnaben beten hörte, 
bei benen er befonberS Setrübenbes entbecft 
batte. 9lls lüge bie Sdjulb auf ibm felbft, 
flehte er gu ©ott um ©rbarmeit unb Serge» 
buug. ©ebetet bat biefer Sßriefter@otteS über» 
baupt oft unb biel. So oerwilbert war benn 
auch fein $nabe, bafj er je in ber ©egenwart 
biefeS StanneS ein ungebührliches 2Bort gerebet 
hätte, öunberte aber fegnen wobl beute ben 
tbeuern Stann in ihrem fersen unb gebeuten 
üorMem feiner priefterlicbengürbitte für feine 
Sflegebefoblenen. 

3b m gur Seite ftanb bamalS feine gweite 
©attin. 9luS ber reich gefegneten württember» 
gifcbeit gamilie Nullen ftammenb batte fie fdbon 
at§ fiebrerin in Jforntbal eine SorbereitungS» 
fdjule für ihren 2ebenSberuf gefunben. Stit 
ibr tarnen wobl bie Stäbchen mehr als bieilna» 
ben in birefte Setübrung. Tod) ein frcunb» 
lidheS 2öort, einen liebenbett Math, einen er» 
munternben 2 Binf batte fie audb für bie, fo oft 
ficb eine paffeitbe ©elegetibeit bot. 3 unä<hft 
War ben Äuaben baS erfebutefte Sufammen» 
treffen mit ber Hausmutter allcrbingS baS, wenn 
eS galt ihre Aufträge 1511 empfangen, um in ber 
Stabt ©infäufe gu machen. Turften bann bocb 
bie beiben ©lüdluben, bie wödbentlid) baS 2oos 
bagu traf, unter nnberm audb baS gleifd) ein» 
taufen unb batte ber freunbliche Slepger an ber 
Sßalbftrape bort bocb immer eine SBurft für fie. 
2 ßären aber je Zweifel in ihm aufgeftiegen, ob 
fein: „Tie ifdbt für euch" au<b gläubig üernom» 
men worben fei, fo hätte ihm irgenb ein Ski» 
fentitabe bie Serficherung geben tonnen, bafj 
feit Stenfcbengebcnfen jeber ©liidlicbe turg nach» 
her lagen tonnte: 

„Tie ift beforgt unb aufgehoben" ec. 

Unter ben übrigen crmachfeneit Spanen beS 
Kaufes traten befonberS gwei unferm Skifen» 
tnaben recht nabe. Ter eine, Sr. £>., oertrat 
baS ebrfame Scbneiberhanbwerf unb batte bie 
Wuffidit ber mittleren klaffe im Mgemeinen 
unb ber ffinaben, bie baS Schneiberbanbwerf 
erlernten im Sefonbern. Tiefem Sr. £. batte 
ber Sater utiferS Skifen feiner 3eit biel 
greunbfdjaft ermiefen unb aus Tanfbarfeit 


wollte er nun wieberum einen Sdbneiber aus 
bem Sohne machen. ’S war eine wunberbare 
$ette oon greunbfdbaftSerweifungen. 2luS 
greunbfdhaft gegen beS SaterS greunb war 
ber Sohn eine Skdbe lang beim ©eflhäft, lernte 
einen Snopf tunftgerccbt annüben unb bat ba= 
für feitber oft freunblicb beS lieben Siannes ge» 
baebt. Top er nicht tiefer in bie ©cbeimttiffe 
ber ticbneiberei eittbrang. War bureb SkcbS unb 
Körperbau präbeftiniri. Sleibenber war fein 
Sunb mit Sr. 2., bem ©ärtner. Tas war 
eine rechte Satbanoelsfeele unb ihn bat er bann 
aud) aufrichtig geliebt. Such jenes nächtliche 
Sbenteuer mit bem fiürbiS war eben jugenb» 
liebem Uebermutb entfprungen unb burdjau& 
nicht bös gemeint. Sr. 2. berftanb eS, bem 
ßnabenbergeit nab« gu treten unb mehr mit 
Siebe als Strenge gu regieren. Seine ,,©ärt= 
ner" bewahren ihm wobl beute noch ein liebenb 
3lnaeben ten. 

©twa Dier Uhr mochte eS fein, als unfere 
Skifenfinber ihre tünftige Heintatb betraten 
unb fo gab eS benn auch «leid) eine ©elegenbeit, 
bie ©enoffen tünftiger greube unb tiinftigen 
2eibS etwas näher gu betrachten. Skrbe bod) 
eben bie ©lode geläutet unb gwar gum „Sier 
Uhr Srob." Sun batte fie aber in afl ben 
gehn Stalen, bajj fie wäbrenb beS TageS er» 
tönte, nie freunblicbercn ßlang. S3ie ein 
Staun halten bie 75 Zöglinge ber Snftalt bas 
Sinbar’fcbe: „baS ©belfte aber ift Skjfer" in; 
baS Scftc aber ift Srob umgewanbelt. Ta 
ftanbeu fie inSReib unb ©lieb, bie etwa45 Äna» 
ben in ber glur ihres gtügelS unb bie etwa 30 
Stäbchen in ber beS ihrigen. Skr aber gram» 
Dergebrte, fiedje ©eftaltcn hier gefud)t batte, 
weil eS im „SkifenbauS" war, hätte fidj fle» 
taufcht. MerbingS ©ram gab eS auch. Wenn 
ber junger gröfler war, als baS Stüd Srob, 
ober wenn man gar irgenb ein Sergeben mit 
Serluft bcSfefben gu bü|en hotte — ober, wenn 
man gegen bie fiauSorbnung, ©fau gleich, ben 
plöplicben ©enup bem fpäteren borgegogen imtv 
eines anbern Stittageffeu gu bem eigenen Der» 
tilgt batte unb nun ben traurigen Tbeil bee* 
©öntrattS erfüllen mitfste. 3m ©angen aber 
traten uufre Skifenfinber in eine Schaar fle= 
funber unb orbentlidber ftameraben ein. 


Hatnlie Parififflttn, 

$ e t e r beS @ r 0 ff e u SW u 11 e r. 


3 ebermann weih, bah eS unter Seter bem 
©rofjen Tag würbe für Stujjlanb. Sein 2e» 
ben, ber Sonne gleich, wenn auch, wie biefe, 
nicht fledenloS, fanbte feine Strahlen ootl unb 


warm auf baS moSlowitifdhe flteicb bernieber. 
Sk aber Tag ift, ba mup eine Tämmerunn 
borangegangen fein, gorfeben Wir biefer nadh, 
fo finben wir unter aü’ bem Slut unb ©räuel„ 


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Jlatalie |Iarifd|htn. 


79 


ber bie frühere ©efdjichte DlujglanbS fennjeic^iiet, 
einige helle ©eftalten, welche ben anbrechenben 
Morgen Dertreten, unter ihnen eine grauen* 
gejlait, ®eter bes ©roßen Wutter, Natalie Dia» 
rifd»(in. Dlud) fjier bewährt ftd) bie ©rfaprung, 
baß große Wannet meiftenS bebeutenbe Mütter 
Ijaben. Dlatalie Äefilorona Diarifchtin war eine 
geijtig reich belobte, babei liebreigenbe unb fanftc 
lyrau, obwohl fte einem einfachen Sürgerhaufe 
entflammte. 

DlleriuS, ihr nachmaliger ©atte, ber Sohn 
beS Michael f^eborotoitfep, mar ein $ürft non 
hetoorragenber Sebeutung. 6r beförberie ben 
Dlderbau, errichtete Seiben» unb Seinenfabtifen, 
fchuf baS ©eer um, fchrieb einen @efeßeS=6ober, 
ber noch heute giltig ift, unb fuchte auf alle Dlrt 
feine ©ojaren für höhere 33cftrebungen ent» 
Ptänglich gu machen. DDiit 27 fahren Slöittroer 
geworben, befchlot? er, baS groeite Wat feine 
Oanb nach feiner Dieigung gu Derfchenfen unb 
fich feine ©emahtin feibft äuSgufuchen. 3 U bie» 
fern 3merfe burchgog er in mancherlei $er= 
(leibungen baS Sanb, überall in Familien ein» 
tehrenb, in betten SEöchter marett. '43a 1b mar er 
olS ftrüuterfenner getlcibet, ber nach heiligen 
Wangen fucht. halb als s Jiaturforfefjer, ber bie 
oalggruben DlftrachanS erforfcht, ober als $auf« 
mann aus Uafan, mit DJiaroftoleber honbelnb, 
ober als roeifer Setjrcr, ber in ben schulen bor» 
ipricht, burdjgog er baS Sanb. Obgleich es lange 
icfjien, alä tollte fein eigentlicher 3toecf unerfüllt 
bleiben, fo lernte er bocij auf biefe üöeife SßieleS, 
tos einem dürften gu roiffeit frommt. @r lernte 
feine Unterthanen, ihre DBünfche unb Sorgen, 
brühten unb Saften fennen. 

©ine§ OageS, als er am Ufer ber WoSfrna 
manbelte, traf er Watmerf, einen Wann, ber 
ihm oft bureb feinen tRatf) in feinen fßlänen, bie 
Umoiffeuheit feines '-BolfeS gu minbern, (geholfen 
hatte. ©r (ttb fich hei ihm gu Oifche ein unb 
fieß fuh al§ Äafaner Kaufmann feiner Familie 
oorjtellen. Wit echt rufgifcher ©aftfreunbfehaft 
nahm ihn bie egefefjäftiege, rcbfelige ©auSfrau 
auf, aber über ihre Heine, unterfegte ©eftalt 
bmtoeeg hafteten beS Cf garen erftaunte Sticfe auf 
einer hohen, fchlanlen Wäbchengeftalt hinter 
ihr. ©s mar Diatalie, eine arme Döaife, bie 
Ilatroerf aus 33armhergigteit in fein ©aus auf» 
genommen hatte. Sie trug bie einfache Dlationa© 
trad)t ber batnaligen 3?it, beren einzelne Stiicfe 
oft Don ber ©roßmutter auf bie Gntetin oer» 
erbten. Dluf bem weichen ©aar trug fie eine 
ieftmarge Sammettappe, um ben ©als fdglang 
*i<h eine breifache 9teifje ©laSperlen, au melcher 
ein altes filberneS ®ilb bes heiligen DiifolauS 
hing. 3hre übrige .ffleibung beftanb aus einem 
furgen, bembäpnlichen Oberfleibe, einem bunt» 
farbigen Unterließe, blauen Strümpfen unb 
niebrigen Schuhen. OaS WittagSmapl mürbe 


bon ben grauen feibft aufgetrageu. So gut 
aber bie ®etuga mar, unb fo febr bie Sßirthin 
nöthigte, ihrem 9toggenfucf)en, ©onig unb Weth 
@h« anguthun, DlleriuS afj nur menig, bafür 
aber liep er ein miüigeS Ohr ben Sobfprüchen, 
bie feine DöirthSleute über ihr ®flegefinb er» 
goffen. „Sie lieft unb fchreibt fo gilt," lobte 
fjrrau Watmerf, „bafi fie ber erfte Sefretär bes 
('garen (ber heilige DiifolauS fchiiße ihn!) fein 
tonnte, unb boch fpinnt lein Wäbchett rneit unb 
breit fchöner unb fleißiger, als fie. ®on früh 
bis fpcit hilft fie mir, unb lomint ber Dlbettb, fo 
lieft fie Watmerf oor, meil ihm bie Singen beim 
Sampenlicht fchmergen. Sie ift bie gretibe un= 
fereS DllterS." 

Wit ÜBohlgefaflen ruhten bie Dlugeu beS 
©garen auf bem bor ®efcheibenheit hoch er» 
gliihenben Weibchen; nur ungern trennte er lieh 
bon ber Familie unb fam halb mieber. $e öfter 
er tarn, befto tiefer fchlof? er baS ®ilb bes holben 
WäbcheitS in fein ©erg, unb enblich erfliirte er 
ihr feine Siebe unb getoann ihr Jawort. Wit 
bem ®erfprechen, halb bon fich hören gu lajfen, 
nahm er Slbfchicb oon ihr. Slber bie Stachridhten 
bon ihm blieben aus. 

Statt feiner aber fam bie taiferliche ®rotla= 
mation, baf} ade jungen, fchönen Weibchen aus 
allen Slheilen bcS DteicheS fich tm SJremel ber» 
fammeln follten, bamit ber ©gar nach alter 
Sitte feine ©etnablin aus ben Töchtern beS 
SanbeS mahle. 

Stur ungern folgte Statalie ber faiferlicben 
Slufforberung. 3hr ©erg gitterte bei bem ©e» 
bauten, bie 2öahl bes ©garen tonne auf fie 
fallen unb fie gmingen, ihrem Verlobten untreu 
gu merben. Schüchtern folgte fie Watmerf in 
ben ®alaft unb in ben Saal, in welchem fchon 
mehrere hunbert berfammelte Sdibne ber Sin» 
lunft beS ©garen harrten. 

^)aS ©eränfcl) fo bieler Stimmen, bie ®ra<ht, 
welche fie umgab, bie feltfame Sage, in ber fie 
fidh befanb, berroirrten fie fo, baß fie bie Dingen 
nicht boin ©oben gu heben roagte. 

©in breimaligcr ©örnertlaitg geigte an, bah 
ber ©gar nahe. Oie ^liigelthiiren mürben auf» 
geritten, unb DlleriS im golbgeftieften ©ewanbe, 
ein Oiabem auf bem ©aupte, ben juwelenbefeß» 
ten Scimelat au feiner Seite, trat ein unb ging 
lächelnb unb fchergenb bie Uteihen ber blüfjeuben 
Weibchen entlang. DllS er gu Witalien fam, 
fchlug biefe fchiichterit bie Dingen auf, ihr D3lid 
begegnete bem beS ©garen, in welchem fie fo» 
gleich ben Kaufmann aus .ftafan erfannte, unb 
bewußtlos brach fie gufammen. 

3n einem '©rioatgetnache beS ©garen ermaritte 
fie gum ®emußtfein in ben Dlrmen DllejiitS, ber 
fie feine '.Braut nannte/ Sobalb fich Dintolie 
Don ihrer Schwäche erholt hotte, begab fie fich 
Don Dienern in ben .ffreiS ihrer Witberoerbe» 


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80 


ftorbemtung ;um ®obe. 


rinnen. (Sine Wenge Wiener brauten getrorf* 
nete fjriic^te, 'Jiofenfuhen, Stprifofen unb Sfir* 
fihe auä $)ama§cuS, giften unb ©onfituren 
au? ber SEürfci, burdjfdjeinenbe Stepfel, „Stab« 
lineb" genannt, üon Stftrac^an, Siqueure unb 
Setferbijfen aller 2lrt auS bem Sübmeften bes 
9teid)e8. 2>ie tarnen würben mit reichen ©e* 
Renten enttaffcu; fRatalie ^farifc^fiit aber er* 
hielt baS ©ohgeitsflcib gugefhidt. 

'Jtie bereute ber Äaifer aller 9teußen, baS 
arme Wabd)en an fein ©erg genommen gu ba= 
ben. Sie üerfüßte mit ihrem Janften fersen 
unb ihrem gebilbeten ©eifte bie Stunben, roeicfje 
er frei öon 'JtegierungSgefhäften in feiner ©äuS= 
li^feit üubracpte. Sic nahm $beil an allen 
feinen Seftrebungen, baS Soll auf eine höhere 
©itbungöftufe gu beben; fie finite auf baS @if* 
rigfte, bie Sugenben unb $enntniffe, welche fie 
felbft befaß, in bie bergen ihrer roeiblictien 
Unterhalten gu pflangen. Sie mürbe Wutter 
Seter beS ©roßen. 

2118 2ftejiuS fünf Wonate nah bem 2obe 


feiner geliebten fRatalie ftarb, feßte er, bie gei» 
ftige Sebeutfamteit Des Damals adjtjabrigen 
Änaben erfennenb, biefen gu feinem Stahfolger 
ein, unb oergebenö waren alle Semübungeit 
Don Cetera eijrgeigiger Shmefter Sophie, ben 
Äuabert gu Derbrängen, ihn burcf) 2}ernacb= 
Itiffigung gur ^Regierung untauglich gu mähen 
unb bie ©errfhaft an fih gu reißen. fRatalie 
batte im ©lüde Watmerf’S unb feiner Söbtte 
niht bergeffeit, fte gog fie an ben ©of unb gab 
ihnen bie ebrenDoUften Stellungen. Xie Siebe 
unb 2lnbängli<bteit, weihe fie für fRatalien ge* 
hegt, übertrugen fie bei beren Stöbe auf ihren 
Sohn ipeter. 3»bem fie unerfhroden bie 
(Rechte be§ ß naben oertbeibigten, feßten fie fih 
bem unberföhnlihen ©affe Sophiens au8, bie 
niht ruhte, bi§ bie fjomilie Watwerf ihren 
Untergang gefnnben batte. 

sp e t e r aber, (RatalienS Sohn, beftieg ben 
ruffifhen Shroit unb würbe einer ber bebeuteitb* 
ften, für ihr Soll mihtigften dürften, weihe je 
gelebt haben. 




JIMftcr'* ttiib (Sörftelb'* itorbmituiig |itttt tobe. 


|tine (Rem porter 3«'tung wie8 neulich auf 
Jm ben großen ©egenfaß ()in, ben mir gwifhen 

* ber teßteu Strantljeit De? Sräfibenten ©ar* 
fielb unb ben leßten Slugenbliden Don ©lat) unb 
SBebfter finbett. (Diefe beiben leßteren legten 
auf (Religion unb $ird)e wenig SBertb, qebör* 
ten auh nie einer befonbereu $ird)e al8 ©lieber 
an. 2lber a(§ e8 gum Sterben tarn, al8 bie 
2 Be(t mit ihren ©bren ba§ ©erg niht mehr be* 
friebigen tonnte, ba fpraheti fie mieberbolt Don 
ber 3»f»»ft unb üon bem ©eilanb ber 
©brifteu. 

spräfibent ©arfielb War, wie wir alle wiffen, 
ein religiöfer Wann, niht bloS äußerlich Äir* 
henmitglieb, fonbern er befühle auch regel* 
mäßig bie ©otte8bienfte, liebte feine Witbriiber 
unb oerfnmmelte fih mit ihnen, ben ©eber aller 
guten unb Dotlfommenen ©übe angurufen. 2(18 
ber Stob fih, laitgfam aber fiher, feinem Säger 
nabte unb ber Shmerg feinen ßörper burdj* 
gudte, ba hören mir nur wenig üßorte Don ben 
Sippen be8 Äranfen über bie gufünftige dßelt, 
an bereu '-Pforte er fhon lag. Son bem Sage 
an, ba ber berhäugnißoofle Shuß fiel, war er 
fih ftet8 ber großen ©efaßr, in ber er fdjmebte, 
woßl bewußt. Slber wa8 er Don ber ©migfeit 
gerebet, ba8 mar ihm heilig. ba8 bat er nur im 
Seifein feiner treuen ©attin auSgefprohen. 
2 Bobltbuenb berührt un8 fold) ein einfahe8, 
fhlihteS ©briftentbum, gumal in heutiger 3eit, 


wo mit bem ©briftentbum fo bielfah Schau* 
fteflung getrieben wirb. 

21 ber bei unfrer (Bergleihung tommen tuir 
noh auf etwa8 2lnbereS: auf ben Wißbraud), 
ber manhmal mit ben. leßten Porten eine8 
Wenfhen getrieben wirb. (Bir finb nur gu 
leiht geneigt, nah ben jeweiligen leßten 2leufte= 
rungen, bie ber Jffronte in ben SobeSfämpfett 
unb in feiner Seeleuangft berborftößt, untre 
Slnfiht über ben Wenfhen gu bilben. Sa ift 
gum Seifpiel ein Wörter, burch tRihterfprnh 
jum Stöbe Derurtbeilt; ihm bleibt feine 9lu§fidjt, 
gebe Hoffnung ift ihm abgefhnitten. SBie leicht 
bilbet fih ein folher ein: ba8 2lufgebeit feiner 
©offnung unb feines Sehen? fei fhon bie Stifte, 
feine blutbefleckten ©änbe feien fo rein unb 
weiß wie bie eines unfhulbigen ÄinbeS. 2Bo= 
möglich legt er nun auh laute Sefenntniffe ab: 
baß ber ©ott, beffen heilige ©ebote er mit 
ßen getreten bat, bereit fei, ihn gu empfangen, 
unb feine lange (Berbreherlaufbabn ihm Der* 
geibe. 3(a, eS befommt ein Solcher auh ben 
Sefuh djriftliher f^reunbe, bie fih an biefern 
intereffanten- Wenfhen erbauen unb beffen 
©MaubenSfreubigfeit in bie 3eitung feßen taffen, 
wäbrenb bielleiht in ihrer (Rahbarfhaft eine 
Wenfcbenfeele arm unb berlaffen babinftirbt, 
bie fo gerne einen tröftenben ^reunb in ihrer 
leßten Stunbe gehabt hätte. — (Rein, niht Se= 
ben, ber Don ben Schauern bes leßten 2lugen* 


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©ebraudje' bein |tfunb. 


81 


bilde ergriffen mirb, bürfen mir fogleich gu 
einem „Schacher am fireug" ftempetn. ©ir 
bütfcn nicht bic 'lluSnabme gut Siegel machen 
sollen. 'Sie Crbnung im 9teid)e ©otteS ift 
alio: „3um eilten baS®raS, barnacb bie ©bren, 
Barnacb ben Dollen Steigen in beit ©bren." 
Such ber ©hrift mach ft heran, tuib an feinen 
Jbaten, als ben brächten feines 6 briftentbumS, 
follft bu ihn ertennen. Saturn lafjet mtS nicht 
unfer_ Seele» heil auf bie Stützungen einer un» 
genügen atunbe berfebieben, fonbern (affet und 
unjre Seligteit feb affen, fo lanege eS noch Sag 
ift; benn eS tommt bie Stacht, ba Stiemanb mir» 
ten tarnt. 


Per IHtimi ciittmi nt. 


6 S giebt eine ©eigenart, bie feljr fruchtbar 
ift unb an ©üte alle anbereit Wirten weit über» 
ragt. IJDiefelbe Reifet SRumienroeigen unb 
bat eine feltfame ©efcbichte. 6in ©tertbumS» 
forfdjer fanb in ägpptifchen ©räberit neben ben 
©tumienfärgen tteine Scbaaleit mit ©eigenlör» 
nern unb braute im 3af)re 1849 fünf falber 
Äörner als Starität feinem ffreunbe, einem 
Herrn 35roüiüarS in ftranfreicb mit. Saht' 
taufenbe batte biefer ©eigen im ©rabe gelegen 
unb rourbe nicht menig berumgegeigt unb ange» 
Saunt, ßnblich tarn Herr $rouillarS auf ben 
guten ©ebanten, feine fünf ©eigentörner in 
einen '-Blumentopf gu pflangett, um gu febeit, ob 
fie nicht oießeic^t noch ffeimfraft bütten. Unb 
rounberbar! 3«beS Äorn gab eine ^übfdie 
fSflange, unb |>err DrouillarS erntete 1200 
Äörner. $iefe mürben nun mieber auSgefät 
unb brachten eine überrafdjenbe (Jvnte. ©S 
man fich aber oottenbs bie ©tübe gab, ben Sa» 
men gu pflangen, gab er baS 500fie Äorn, unb 
bie Stengel erreichten eine Hobe Don 6 bis 7 
ffuß. 2Bie biefem ©räbermeigen fo ift’S betn 
©ibelroort gegangen. 2>er gute Säemann bat 
ja felbft gefagt: „$er Same ift baS 2Bort ©ot= 
teS." ®en haben fie mit ihren ©tumien be» 
graben uttb lyabrbunberte nichts baoon gemufft, 
iw halte unter SuUjer bie Äömlein aus ben 
©räbern unb pflangte fte auf beutfdjen ©oben : 
roaS gab baS für eine 6rnte gur 3eit ber SRe» 
forinatiott! 

Slber noch beute liegt © o 11 e S © o r t 
im ©rabe, fo lange eS nicht in ben bagu be» 
ftimmten ©oben, ba§ ift, bas Herg gepflangt ift. 
Solch ein ©rab fann fogar ein fchön eingebun» 
beneS ©ibelbuch fein, baS bu nie auffdilägft, 
ober eine auSroenbig gelernte Sehre unb fromme 
@emohnheit, roo ber Same obenauf liegt, mie 
auf bent 3:ifche, als Parität befeben unb äuge» 


ftaunt, getobt unb gepriefen, aber boch feine 
Äeimfraft nicht geigen fann, maS ja baS ©eftc 
an ihm ift. 3a bie fteimtraft, bie unoermüft» 
liehe, unaustilgbare, unbegreifliche fteimfraft 
ber guten Samens laßt mich toben. Siod) beute 
ift Seben in ihm mie oor taufenb fahren. 
©ottcS ©ort ift für alle 3eiten unb aüe ®e» 
fdjled)ter bie muuberbare ^ergensfaat. 2tos 
Heeg ift ber steter, gerabe bafür bereitet, unb 
bieS ©tenfchenlebcn mit feinem Sonnenfdjein, 
Sturm unb Stegcnmetter ift baS richtige fttimo, 
morin biefe Saat gebeibt. Seht bed) bie an» 
bereu Sorten an, mclche tuch gepflangt merben, 
©eigen unb Äorn unb Unlraut. 3ft 3tlteS 
Same, ber ebenfo auSfiebt, ©cenfchenlebre, mit 
ber Don 3abt gu 3‘il)r ber ©eben bes ©Jen» 
fcheugefchtechts befteltt mirb. ©ber mie berun» 
tergetommen ftnb biefe Sorten, mie menig bie 

t alme, mie leer bie ©bren, mie armfetig bie 
rucht. $ie eine ©t aber, bie Don ©ott 
fommt, bringt bunbertfättig unb taufenbfältig 
fjrucbt unb überragt fie aüe. ©ber mobt Der» 
ftanben, nicht als iRorität, als lebenbigen Sa» 
men mufft bu biefen Samen bcbatibeln. 

6 . SlnSbach- 


töelirmuljf dein Pfund. 


©egen baS 6nbe ber fünfgiger 3ahre marb 
ich Sebrer in einer Sonntagfchule bes Staates 
3 . .. . 3n meiner Älaffe befaitben fich un= 
ter ©iberen auch gmei leibliche ©rüber, bie ich 
aus garter Stüdficbt auf bie lieben fvreunbe ber» 
felben, (Siemens unb 3uftuS nennenmiU. 3h re 
6 ltern, bie fich > n ben beften ©efeUfcbaftstreifen 
bemegten, hatten dji ©cöglicbfteS Derfud)t, ihren 
Äinbern, aud) ben beiben ©rüberu, eine gute 
ßrgiehung gu geben. 21n mirtlich guten Sdiul» 
getegenheiten fehlte eS babei benfelben nicht unb 
gubem befaßen bie ©rüber ungemein grojfeftä» 
bigfeiten, fo bafe fie für ihr ©ter fd;cn febr 
gute Schullenntuiffe gefammett unb manche 
meit ältere Schüler überflügelt batten. 

Siemens fd)ien aüe 9tnlagen gu befifjen, bie 
man fich für einen fünftigen Heerführer münfebt; 
er mar fräftig gebaut, Don feurigem ©lief, Dot» 
ter Stimme, rafch entfchloffen, niit feftem ©it» 
len unb Doll SebenSlnft. Sein jüngerer ©ru= 
ber mar gart unb Hein für fein ©ter; eS fchien, 
als ob er fich mit ©itten burdj bie ©eit beme» 
gen müßte, benn bas ©ebieterifche mar ihm 
böüig fern unb fremb ; fanft unb befebeiben 
mar bamatS fein ganges ©efen, eine ©abchen» 
natur fchien er gu fein, ©tit feinem freunb» 
lieben ©lid, feiner lieblich ttingenben ©efanges» 
ftimme unb feiner 2)ienftmifligfeit gemann er 
fich Herg<m. 


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82 


(Sebraudje bein $lfunb. 


©o Clemens binfam, fnmmelte er fidj mit 
feinem immer gleichen Wumot. feinem ©iß. 
feiner beftänbigen ftertigfeit eine treffenbe Wut* 
roort ju flehen, mit feiner fertiflen CrfählungS* 
fletbe unb iiberfprubelnben Sebenbigfeit in me* 
n igeit Wugeitblicfen eine heitere ©efeflfehaft, unb 
er perftaiib eS fie ja unterbotten für flanke 
©tuitbeit. Sogar ältere Seute ergößten fidj 
oft an feinen munteren WuSlaffuugen. ©e* 
fdjab bieS im ©chulljofe, auf ber ©trahe, in 
einem Wauflaben, bei einem flefellfrf>aftlicf)en 
WuSfluge ober beim $ic Wie, fo fanb man es 
gaiif in ber Orbnung, felbft wenn ber ©(her,* 
unb bie Weiterleit auch tj<e unb ba ein toenifl 
auSarteitb bie ©djraitten bcS feinen WuftanbeS 
iiberfebritt. ©ar es aber auf bem Säger* 
grunbe, wo er pon 3 elt ju 3 elt gebenb, in ein 
paar 'Diiuuten bie perfdjiebenartigen $ialefte 
ber ftnfoffen ihnen ablaufchte unb bann mit 
bem ©chroeijer im ©urgetton, mit bem Worb* 
beutfdjen platt unb mit bem Saiern ober Reffen 
in ihrer Wiunbart plauberte unb fo oft uner* 
märtet bie auSgelaffenfte Weiterfeit herborrief, 
ober mar eS gar im ©onntagfchulroum unb in* 
mitten ber Seftlon, roo er eine an bie klaffe fle* 
fteflte ftrage auf bie broüiflfte ©eife beantmör* 
tete, fo bah mitunter bie gange ed)ule baS Sad)* 
fieber befam, fo mar baS eine flau} anbere 
©ad)e. 

$ann erhob ftuftuS entmeber brohenb feinen 
ftinger, ober nannte (eife unb bittenb feinen 
Warnen, „Clemens, o Clemens!" — Ober er 
fammelte fid) rafd) aus ber anmefenben 3 u» 
flenbfdhaar einifle ber beften ©äitfler unb ©än= 
flerinneit unb ftimmte mit ihnen eines ber 
neueften unb fdjönfteu Sieber an unb unter.- 
brad) fo bie IBerfammtungen beS Clemens, ©o 
oerfdjiebett oermenbeten bie beiben Sriiber ihre 
©aben unb ihre 3eit. Wn ihren meiteren Sc* 
benSflefchiden aber inerten mir bie ©ahrheit 
jener ©chriftlebreti : ^aß mie bie ©aat. fo and) 
bie Crnte fein mürbe, ober bah treuer ©ebraudj 
ber fluten ©oben ihre IBermebrung unb flröhere 
Ctjren, Wtihbraud) hingegen iBerliift unb ©cha» 
ben jur olfle haben rnerbe. 

Sabre oergingen. W?ir mies bie fird)Ii(he 
Setjörbe anbere ©irfungSfreife an. Sd) lebte 
feitbem eine. 3 e it lang in Cgppten , mehrere 
Sabre auch in Wfljen unb barnad) and) bort, 
mo man ben 3faira unb ben Wtont 3Manf, ben 
Wigi unb anbere Wlpenböfjeit nad) furgem 
Wtarfch nur in ber fterne erbliden tonnte, 
ftene beiben Sriiber aber maren, mie meinem 
Wuge, fo auch meinem ©ebäd)tnih oöTlia ent* 
fchmunben. — 3d) batte mittlermeile gang er* 
ftaunlich gealtert, fo bah ict) felbft nahen ft renn* 
ben, bie ich in all ben ftahren ni<ht mehr gefe* 
hen, als ein Unbefannter, ein ftrember erfchien. 

®a nöthiftten mich ©efdjäfte auf Weifen. 


I Wudj in ©.hatte ich SU thun. ©ie idj 

nun ba eines WbenbS nach ber Seenbigung 
meiner ©efchäfte mir bie ©tobt näher anfe* 
henb, bie ©trahen entlang marfchirte, auch an 
bem Softgebäube Porbeitam, mir bafelbft eine 
3eitiing aus ber Weimattj oerfchaffte unb flüch* 
tig bie furgen ebitorieüen Wotigen unb einige 
Serfonat * Wachrichten überfchauete, fanb ich 
folgenbe überralchenbe Wmeige: „Sei ber teßteu 

ftahreSoerfammlung ber 3rufteeS ber- 

befchlofjen biefelben einfiimmig: W f rrn 3fu* 

ftuS-bie ©teile als ^ßräfibent ber- 

angutragen, meines Wnerbieten genannter W crr 
annatjni. ©enannte ©chule rnarb im teßten 
Sabre oon über 250 ©chülern befucht." — Sd) 
munberte mid) über bie ©afien, ob jener 3 »= 
ftuS mein ehemaliger ©onntngfebüler fei ober 
nidjt. Sch fotlte halb ©emißbeit haben, bälber 
als id) ermartete, beun ehe ich auf einen an je* 
nem Wbenb in bie alte Weimottj abgefanbten 
Srief Wntmort befommen tonnte, mürbe mir 
Pon einem alten Sefannten bie Wachricht ge* 
bracht: „Cr ift eS." 

Unb mer mar ber alte Sefanntc? Saht 
mid)S ergäljlen. 

©ohl bußenb mal hob i<h§ als Wnabe gehört 
Pom alten ©diulmeifter : „Suben, fdiön ift’S 
nid)t, menn man auf ber ©trohe ober auch in 
ber Wirdje jeben Wanieraben fo begafft." 2 roß* 
bem blieb’S auch bei tnir bei bem Segaffen. 
Wud) jeßt nrd) befdjaue ich mir bie WJenfdjen, 
bie mir begegnen. Cb fie’S genirt, batnach 
habe id) freilidh noch Weinen gefragt, gefagt hat 
mir’S amh nod) Weiner, fo rnng’S leicht fein, bah 
id)’S noch ferner ttjne. ©o thnt ich am folgen* 

ben Wbeub. ehe ich ©.Perlieh. Unb tnie 

ich toifber fo ber alten ©emobnbeit folgenb, 
noch einmal bie ©trahen ber febenen ©tabt 
entlang ging, meinte id): „Ci, bieS fitib he* 
tonnte ©efichtSäüge, aber mer niagS fein ?" 
C)Kift, mie ich bin, manbte idh mich an ben 
Cahergefommcncn : „Cntfchulbigen ©ie, menn 
id). Virt ftrember hier, um Sbren Warnen bitte ; 
ich flöchte, mo immer möglich, alte Sefannt* 
fchatien erneuern, unb menn ich nicht irre, habe 
ich fchon früher irgenbmo fennen gelernt." 

„Clemens — ift mein Warne," entgegnete ber 
Wngerebete. 

,'Clemens — Pon W. in S-? ©ie?" frag ich. 

„Sa Pon bort." 

,,©o bin ich bein ehemaliger ©onntagfdnil» 
tehrer." 

©ir fchiittelten uns marm bie Wänbe. 

„Clemens," frug ich, „mie tommjt bu hier* 
her?" 

„Sch bin fdjon über ein S«hr hier j)tt Waufe." 
„Sn einem ©efchäfte? unb in melchem?" 

„Sm Wolshanbel." 

„Sm eigenen? benn im Wllgemeinen ift’S ein 


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$ag '0 beim Jrau. 


83 

«4t einträgliches ®ef4äft, ober als ein 33udj« j 3mo r habe i4 durch ben ©tauben an 3efum 
unb ©efcbäftsfübrer?" i ©hriftum griebeit mit ©ott, aber um wie Diel 

„9lein, ich treibe einfach ein ouS oier ©fein gliitfli4er ioürbe id) fein tönnen. hätte ich meine 
beftetjenbeS guhrroerf, mit bem ich Saumajerial ©futtbe fo auf 2öucf>er auSgelegt wie er!" 
an bie oerfd)iebenen ©aufieüen in ber ötabt 2 brauen ftanben ihm in ben Stuften unb 

befördere." mein £>erg mar tief bernegt. kaufte ftanben mir 

34 fing an mich gu fchämen roeften meiner noch unter jenem mächtigen Sthovubaume unb 
faß inquifitorifchen unb ohne 3meifet für ihn rebeten miteinander bis bie Sterne über itnS 
peinlichen gragen, unb mollte fchon in ein an» | leuchteten unb ich gu gehen hotte. ©ir fdjieben, 
DereS ©efpräcf) einlenlen, als er, mich unter» 3eder bas ©erfprc4en ma4enb: „3n aller 3u= 
bredjenb, mit bebenber Stimme fagte: timft uitfrer ©rbentage unb unter allen Um» 

„©ein ©ruber hot meifer gehandelt atS ich; ftäitbcn treu gu fein mit ben ©abeit, melche 
wie hot et feine 3 c 't unb feine ©abeit fo Diel uns ©ott giebt unb afle ©eleftenheiten gu bc» 
beffer angemenbet, mie ungemein Diel toeiter hot mißen, ©uteS gu thun unb ©otteS ©bre gu 
er es aber auch gebracht cilS ich, kenn ihn hot fördern." 

man gum ©rciftbenten ber-in — ge» Dem Sefer aber rufe ich jn: Sei roeife unb 

macht. ©ie erhoben feine Stellung gegen bie gebrauche ftets bein ©funb recht, beim es lohnt 

meine, unb mie Diel einflußreicher unb nuß» mit unermeßlichem ©erninn. 

bringenber ift nun fein Dljun unb Seben. SohonneS. 


Sag'* öeitur Irau. 

Gearbeitet twn 8. $eter. 

„6s meiner grau fagen?" fpra4 ©alter halb | über ©efchäftsfadjen ftch bei einer grau SRath 
Iahend, holb ängftlich Dor fid) hin. „©arum ) holen fotl." 

nicht gar; ba§ mürbe mir Diel helfen! ©aS i ©alter ließ ben ©egenftanb fallen. Slberbie 
Derfteht fie Dom ©efchäfte, Don ©elbfachen unb i Unruhe, bie auf feiner Seele laftete, mollte nicht 
non £>anbelSDortfjeilen? Stein, nein, ba ift i roeidjert. Sein ©efeheift mar in ben leßten 
nichts gu hoffen." ! Rohren gar nicht gut gegangen, ©in flauer 

Unb ©alter fdjüttelte mit ungeduldiger ©ertebr unb böfe Schuldner hotten ihn lehr 
Wiene ein ^Journolblatt, in roelchem ber £er= gurüdgebra4t, fo baß er nicht fab, mie er in 
auSgeber ben ©efdjäftsleuten empfahl, ihren nächfter 3cit fich forthelfen follte. ©ettn eS 
grauen nicht gu üerheimlichect, roenit fie in eine nicht beffer ging als. in ben lebten fed)S ©o= 
bebrängte 2age fämen. „Sprecht ohne Stiert» unten, fo burfte er nicht hoffen, feinen ©erbinb» 
halt mit ihnen über eure Singel egen heit," ftanb lichfeiten nachfomnten gu tönnen. 

Da gu lefen. „Unterrichtet fie genau mit euren „34 muß mehr Kapital haben, baS ift flar," 
©rfjältitiffeit unb theilt ihnen eu ©erlegen» fügte er bot fich hin. „Das frieg ich durch «inen 
beiten mie auch bie ©lätte mit, durch die ihr Slffocie. Pompnguie»©efd)äfte find freilich nicht 
euch aus benfelben heraus gu minben hofft, nach meinem ©efchmad. denn es hält ferner, 
Staubt mir, in gehn giflen roerbeit fie euch jmei .ftöpfe unter einen ftut gu bringen, unb 
neun ©al an bie £>anb gehen tönnen. grauen , menit mau gar mit einem Scheint gu thun hot, 
haben einen fcharfen SBlicf, unb Derftefjen fid) j fo geht DolleitbS alles riidmärtS. Slber ich febe 
Darauf, fcfjtDierige gragen gu löfen, ehe ihr nicht, mie ich anders aus ber ftlemnte fontmen 
ielbjl fie i« ihrer gangen SluSbeljnunq erfahrt. {tarnt, ©ein eignes Kapital reicht nicht attS 
galtet baher Dor euren grauen nichts geheim, j für ben Umfang meines ©efdjäfts. eS muß alfo 
roenn ihr in ©ebröngniß feib. 3e beffer fie mehr her, und 2orenj, ber gern auf meinen 
unterrichtet find, befto flarer merben fie in bie ©latt eingiuge, fagt. er habe über 24,000 
Sache fehen." grauten gu üerfiiqeit. Der ©antt gefällt mir 

„3n ber Dbeorie, recht fchön," fagte ©alter, gtoar nid)t recht, denn er geht mir allguoiel fei» 
inbem er baS ©apier auf ben Difch marf unb neu ©ergniiqungeu nach; aber id) brauche ja 
lieh in feinem Stuhl jttrücfletjnte; „aber auf nur fein ©elb unb nicht feine ©efdjaftshilfe; er 
meinen gall paßt fie nicht. ©S fiieSchen fagen ? fann daher, menn er mill, mein ftifler Slffocie 
34 möchte mich nur felbft fehen, mie i4 baS fein. 34 toill ihn bo4 heute 9lbenb auffu4en 
anbräd)te! ©an muß in ber Dfjat f4orf in und bie Sa4e mit ihm befpre4ett. ©enn er 
Der fllemme fteefen, menn man heimgehen unb 24,000 granfen eingnlegen Dermag, fo mirb bie 


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84 


Sag'* deiner fron. 


©eflhichte fleh machen taffen." SBalter trug 
fortwährend biefen ©ebanlen in ficf), bi« er 
tlbeubS ben finden Kpl oh unb noch ©aufe ju= 
rildffe^rte. Stacpbem er fein Slbenbbrob einge* 
notnmen fjatte, fcpidte er iidj jum SluSgehcn an. 
SllS er feinen Ueberrocf herunter nahm, fdjien 
ihm eine Stimme in’S Ohr ftu flüftern : Sag’S 
beiner grau. Sprich mit ihr darüber." Slber 
er wies ben ©ebanlen mit Unwiden juriicf unb 
fuhr in ben Bermel. 

„SBo widft bu hin, 2Bafter ?" fragte ihn 
feine grau, bie eben aus ber $üd)e herein tarn. 

„©in 33iS<hen hinaus," öerfe^te er. „3frt 
einer halben Stunde bin ich lieber jurüd." 

„SBo hinaus ?" 

„Sng’S ihr SBalter; fprid) mit ihr baoon," 
Hang eS miedet in feinen Ohren. „Unfinit! 
SBaS oerfteljt fie oom ©efdjäft ? Sie fann mir 
doch nicht helfen," lautete trofcig feine innerliche 
Slntwort. 

„Sag’S beiner grau!" tönte eS fort unb 
fort, als wolle bie SBahrung lein ©nbe neh= 
men. 

„Oarffl bu mir nicht fagen, wohin bu geljft ? 
©aft bu ©eheimniffe oor mir?" fuhr grau 
SBalter fort. 

„O, eS ift nur wegen einer ©efcpäftSangele* 
genheit, ich will fiorenj auffudjen." 

„Oen Stubolf fiorenj ?" 

„ 3 fa!" 

„Sag’S beiner grau!" Hang eS fafl laut in 
feinem Ohr. 

„SBaS haft bu mit ihm ju fchaffen ?" 

„Sag’S ihr!" 

SBalter ftanb unfchliifflg. SBaS nüpte eS, 
wenn er eS ihr fagte ? 

„Sprich, SBalter, bu bift in ber lepten 3 e 't 
immer fo wortfarg gewefen. ©S ift dir bod) 
hoffentlich nichts SBiberWärtigeS jiigeftofjen ?" 

„Nichts befonberS," oerfepte et in anSWei* 
<henber SBeife. „Oer ©anbei ift in fester 3eit 
gebrüdt gewefen." 

„So ? baS tput mir leib, aber warum fagft 
bu mir nichts babon ?" 

„SBaS hätte es genügt, wenn ich bir baS ©er j 
ferner gemacht hätte ?" 

„OaS hätte biel nüpen fönnen. SBenn bas 
©efchäft beS SJtanneS flau geht, muh bie grau 
ihr SÜugenmerl auf bie SluSgaben richten; aber 
wenn fie nichts baoon weih, fo treibt fie ben 
©aushalt Diedeidfl in einer SBeife fort, bie fich 
nicht mit ben Serljältniffen oerträgt. 3 *h bin 
ber SJteinung, bah SJtänner ihre grauen immer 
unterrichten fodten, wenn in ben ©efcfjäftSgang 
eine Stodung lömmt." 

„SBirllidh? " 

,,©i freilich. Hub Welchen befferen ©runb 
lönnte ich dir dafür namhaft machen, als ben 
bereits gegebenen ? SBenn eine lluge grau 


weih, bah weniger eingeht, fo wirb fie auch die 
Ausgaben bar nach ju regeln bemüht fein. 
$omm Sieber, sieh deinen 9tod aus, nimm 
tpiafc unb Iah uns bie Sache weiter besprechen, 
ehe bu ,gi fioremi gehft." 

| SBalter lieh fleh oon feiner grau Dom lieber» 

1 rod helfen, ber fofort wieder am Sleiberrechen 
uerforgt würbe. 

„So SBalter, fprich jejjt frifch Dom ©er^en 
weg unb halte mir nichts jurüd. fiah mid) 

I baS, was dich brüdt, in feiner ooden SluSbep* 
i nung miffen." 

j „Stirn, bie Sache ift für ben Slugenblid fo 
arg nicht; id) bin nur wegen ber3ulunft.be* 

1 fümmert. ©s drohen fcplimme Seiten unb 
1 denen möchte ich oorbeugen, fiieScpen." 

„OaS ift llug unb löblich," entgegnete feine 

t rau, „aber fag’ mir jefet, warum bu ©errn 
orenj befuchen midft." 

| SBalter fenlte ben Sßlid jit SB oben unb blieb 
I eine SBeile ftumm fifcen. Oann fah er auf 
1 unb fpradj: „Oie Sache Oerhalte fleh fo, CieS* 
chen : 3<h muh wehr Kapital im ©efchäft ha* 

1 ben. Ohne mehr Wittel geljt’S nicht. Stun 
lann fiorenj, wie er oerfichert, 24,000 granlen 
einlegen, unb tdj glaube, er wirb fleh gern mit 
mir affociren. SBenigftenS hat er mir bieS 
fd)on einige SJtal merten (offen." 

„Unb in biefer Slbfidfl widft bu ihn befu* 
<hen ?" 

,,3a!" 

„Ohu’ eS nicht, SBalter," berfefcte feine grau 
mit Stadjbrud. 

„SBarum nicht ?' fragte SBalter. 

„SBeil er lein SJtnnn für biep ift unb wenn et 
noch einmal fo Diel einlegen lönnte." 

' „OieS ift boch leine Slntwort auf mein 
SBarum." 

„Stber wenn ich dir fage, bah feine grau eine 
33erfcbwenberin ift ?" 

I „SBaS weiht bu oon ihr ?" 

! „Stur was ich gefepen habe. 3<h bin jroei 
ober brei SDtal bei ihr gewefen unb muhte ba 
wohl wahrnehmen, in welchem Stpt baS ©aus 
möblirt ift; im Vergleich mit unferer ©inrich* 

I tung, fleht eS dort palaftartig aus. Unb wie 
j fie fleh tleibet! Sie braucht fürlßtift unb Ällei* 
j der adein ein Heines 3?ermögen. Stein, nein 
SBalter, Derlafs bid) darauf, fiorenj ift nicht 
f b e i n SJtann. SStit feinen 24,000 granlen ift 
j er fertig, ehe jwei 3ahre um find." 

| „@i CieSchen, bu rebeft recht runb heraus," 

erwieberte SBalter mit einem Sltpemjuge, „unb 
^nachdem, was bu mir fagft, fürchte ich felbft 
| aud), bah fiorenj lein SJtann für mich ift. Stber 
1 was fann ich tpun ?" fügte er Heiniout bei. 
j ,$<h muh mehr Kapital haben, ober —" er 
hielt inne. 

„Ober waS ?" Seine grau fah ihn feft an. 


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Sag’s behüt frou. 


85 


opite burcp einen 3ug Angft ober ©cpwäcpe gu 
Dmatpen. 

„@S tonnte gum 3?anferott fommen." 

„gS tput mir fepr leib, bafe icp bid) reben pö» 
ren mufe," Derfejgte bie 3rau mit einem leisten 
©eben in ihrer o tim me; „aber (gleich wohl ift 
eS mir lieb, bap ich eS »eil. $er neue Seppicp 
in§ Sefucbjimmer wirb jefet natürlich nicht ge» 
lauft." 

„0, was bie§ betrifft — ber Aufroanb bafür 
fann feinen grofeeit Unterfchieb machen," faßte 
©alter. „l)aS ©efucpgimmet fielet fo fcpäbig 
au§ unb ich toeip, bap bein £erg an bem neuen 
Jeppid) hängt." 

„2Benn auch feinen großen, fo macpfS ben» 
noch einen Unterfchieb," entgegnete bie grau 
entfcploffen. „SBeim Ueberlaben reicht ber lepte 
Strohhalm aus, baS 3ufammenbrccpen beS 
ÄameelS gu bewirten. Alatter fofl nicht burch 
bie unnöthiflen Ausgaben feiner fjrau banferott 
roerben. 34» möchte ben neuen 3:eppicp jept 
nicht mehr unb rnenn er mir für ben halben 
SreiS geboten mürbe." 

„ßieScpen, bu bi ft eine treue, braoe fjfrau," 
faßte tföalter in ber ©lutf) neuerroachter 33e» 
roimberutig, ihr einen ftufe auf bie '-Bangen 
brüdeub. 

„3h hoffe bie# ftetS gu fein," berfepte 3 rau 
©alter, „unb roerbe mich immer mittig fiubett 
taffen meinen Wann gu unterftüpen, fei es burcp 
Spaten, ober burch eigene Arbeit. $ocp fpre» 
chen mir jept mehr non beinen 'Angelegenheiten 
unb lafe mich beine Sebröngnip naher fennen. 
Stufet bu 24,000 fronten auf einmal haben ?" 

„C nein, nein, fo fcplimm ftept’S nicht. 3<P 
habe nur bie 3ufunft, bie 3e>t ins Auge ge» 
faßt, für bie Kt) 3)ecfungSmittel bereit hatten 
mufe. 2ßaS baS ©efepäft felbft betrifft, fo 
brauche ich feinen Affocie. 3<P bin fein greunb 
con ßompagniegefcpäften, ba fie gern 2öiber= 
roärtigfeiten unb felbft ©efopt in ©efolge pa= 
ben. 3h habe nur baS ©elb im Auge, nicht 
ben Wann." 

„ffienn bu bich mit Herrn ßoreng einliefeefi, 
fo bürfte bir ber Wann eine tljeure 3ubufee gu 
bem Selb roerben. 5>ieS ift wenigstens meine 
Meinung non ihm. ßS freut mich übrigens gu 
böten, bap bu non feiner unmittelbaren ©efapr 
bebroht bift. „ßäpt fich beten nicht borbeu» 
gnt ?* 

„®u meinft burch SSefcprünfung ber AuSga» 
ben!" 

-3a!" 

©alter Rüttelte ben »obf. 

„Sergage nicht gu früh, fagte feine grau, 
-ffiit wollen einen lleberfcplag machen über ben 
Paus» unb CabenDerbrauep, angenommen, eS 
fönnen 4000 fjranfen im 3ahr erfpart roerben, 
mürbe baS nidjtS auSmadjen ?" 


„O, roenn bieS möglich roäre — aber e§ geht 
nicht, — fo mürbe es im Verlauf ber 3eit recht 
Diel ausmachen, obfehon bamit berguuäcpft bro» 
hettben SBebrangnip nicht abgupelfen ift." 

„©efept, eS ließen fiep innerhalb ber näcpften 
gmei Wonate, außer bem ßabenertrag, 4000 
^ranfett perbeifepaffen ?" 

„ffiir biefe 3 c 't roäre bamit auSgureicpen. 
Aber rooper fallen bie Diertaufcnb fronten fom» 
men, ßieScpen ?" 

„Sergroeifeite ßrantfjeiten forbern Dergwei» 
feite Wittel," eutgegnete bie mutpige grau in 
entfepiebener 2'Oeife. „SäJir mollen non unferm 
HauSratf) alles nur möglich (Entbehrliche Der» 
laufen unb baS ©elb in bein ©efepäft fteefen. 
(ES laffen fiep barauS circa 4000 ffranfen er» 
gielen. Wein fßiano ift allein 1000 ffranfen 
mertp. 5Bir fönnen baS $auS auf ein ober 
gmei 3apre Dermietpen unb immer roieber ein» 
giepen, menn’S beffer gept." 

,,©o meit wollen mir eS boep niept treiben, 
ßieScpen," fagte SBalter. 

„Aber etwas muß gefepepen, bie .fi’ranfpeit ift 
im Angttg, unb mein erfteS fRegept roirb wenig» 
ftenS ipre erfte |>auptroucpt breepett. 3<P habe 
noch eine anbere 3aft«<ht. bie mir eben einfäüt. 
SBir fönnen gu meiner Wuttev giepen, bie im» 
mer gewollt pat, bafe wir bei ipr bleiben follett. 
SBir fommen bann mit ber Hälfte Don bem 
aus, was unS bisher bie Haushaltung gefoftet 
pat. ©cpwefter Anna entiepöbigen wir bafür, 
bafe fie bie beiben fiinber in Cbput nimmt, 
unb ich helfe bir im ßaben: bamit erfparen wir 
bie Ausgaben für ben erften CfommiS." 
„ßieScpen. bift bu bei ©innen!" 

„3a Wopl Dollfommen unb bu wirft biep ba» 
Don übergeugen, ehe bu nur ein 3apr älter 
wirft, roenn bu mich machen läffeft. SBarum 
follft bu ©alär für eine Arbeit ouSgebeit, bie 
icp eben fo gut oerriepten fann ? ©teile mich 
an WüflerS $Üap unb eS bleiben bir jährlich 
reine 2500 grünten in ber 2afcpe." 

„Taran ift nidht gu benfeit, ßieScpen. 2Bir 
wollen noep e ' ne 2öeile warten." 

„9lber wir müffen baran beitfen unb biirfen 
auep niept länger guwarten," entgegnete bie 
fleine ffrau mit ©eftimmtpeit. „Wit bem 
fRecpten merfe man niept lange gögern. SBirb 
uns mein tpian niept fiepern ?" 

„®aS freilich, aber —" 

,,©o banbeln wir barnaep unb laffen uns 
bur<p feine weitern Aber beirren. Vertraue 
auf ©ott unb gep’ frifcp an’S 2Berf. '-Bann 
wollen wir bie Auftion palten ?" 

„Aicpt fo fcpnell, ßieScpen! nipt fo fpneH. 
Ueber bie Auftion finb wir noch niept im 9tei» 
nen. Wan hat fieper Serluft babei. 3« ©er= 
fteigerungen Wirb faum ber halbe AnfaufSpreiS 
beS HauSratpS ergielt." 


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86 


Bag'* brtner Jrou. 

I 


„immerhin ©emintt genug, wenn fie uns 
üor bem Sanferott bewahrt. Uitb bu fuftft, 
baß mir bamit bebroßt feien." 

„3$ benfe, eS geht and) ohne bieS," berichte 
©alter. „Stad) bem, mie bie Stuben jeßt fteben, 
gefälft mir aßerbingS beiit Sorfd)lag, an ^DiüU 
lerS stelle ju treten, nicht übet, benit baburd) 
mürben immerbin jährlich 2500 granfen er. 
fpart." 

©ie fann ich bir aber im fiaben befjülflich 
fein, menn id> bie Haushaltung fortjufiibren 
habe?" Derfeßte ^rau ©alter. „2/aS HauS 
muß mir oor 9lllem juerft abgenommen 
roerben." 

„©laubft bu nicht, baß 9lnna fich beroegen 
ließe, auf einige Sltonate *11 uns ju jiehen? 
©ir fönnen bann beu Skrfud) meiter in Gr. 
mägung jießen?" fagte ©alter. 

„GS mag fein; aber bas Selb, ©alter, baS 
ber HauSrati) einbringeit roirb; baranf müffen 
mir juerft abfehen. ©ir müffen jeßt ©elb 
haben!" 

„freilich!" _ 

„2)ann muß es bei ber Sluftion fein Ser. 
bleiben haben. ©alter, bie Sluftion ift baS 
befte 9lbhilfSmittel." 

„2)11 magft Stecht haben, SieScßen, aber bet 
©ebanfe an bie 9luftion, bon ber bu fo leidet 
fprichft, miß mir nicht hinunter." 

,,©ie, fürchteft bu bich fo fefjr, folten mir 
märten, bis a n b e r e 8eute uns bie Stöbel Der. 
taufen?" 

„Stein, SieSchen, an ber Seite eines fo mu. 
ttjigen ©eibeS fürthte ich mich nicht uni) fann 
auch bas Sdjmerfte thun." 

Gine ©ocße fpüter fanb bie Sluftion ftatt. 
9llS berSluftionär bie ^Rechnung abfdjloß, tonnte 
er gegen 5000 Jrunfen abliefern, bie gerabe jur 
rechten 3eit eintiefen, fo baß ber betüinmerte 
©alter v»d> mieber leidet mie ein Sogei fühlen 
tonnte. Sicht Jage barauf trat fjrau ©alter 
als ifaffier unb erfter GommiS in ben Saben 
ihres SJianneS ein. 9lnfangS gab’S Derfchiebene 
3 eichen ber Stebeflion unter bem 2)ienftperfona(, 
aber ihr ganzes SBefen machte nach unb nach 
einen folgen Ginbrucf, baß fchon ihre ©egen, 
roart bie miberfpenftigen ©eifier bejroang. 3br 
Statt unb ihre Sttjatfraft übten aud) halb folch 
einen Ginfluß auf baS ©efchäft, baß nach 91 b. 


lauf eines halben Jahres bie Ginnahmen höhet 
ftanbeu als je. 

Gf)e tJrau ©alter an ber Hanblung felbft. 
ftänbigen Slntßeil nahm, mar ihr Staun faft 
bie Hälfte ber ©efchäftsftunben außer bem 
Hanfe, um bie benötigten ©elbmittel aufju. 
treiben; jeßt hatte er ftetS bie jur 2)ecfung er. 
forberlichen Saatmittel unb tonnte fomit auch 
feinem ©efchäfte größere Slufmerffamteit gu. 
menben. 

2>iefeS nahm natürlich baburd) einen Stuf, 
fchmung unb marf immer anfehnlidbere Setrnge 
ab, fo baß muh 9lblauf beS erften Jahres (mie 
©alter fagtc,) „9llleS red)t mar". Sticht 
baSfelbe tonnte fein Stacf)bar rühmen, ber, um 
mehr Kapital gu erhalten, 2oreng gum Slffocie 
angenommen hatte. Statt 24,000 Oranten 
beigubriugen, hatte 2oreng nur 6000 tränten 
herfchaffen fönnen, bafiir aber oor Serlauf eines 
! Jahres circa 12,000 Oranten aus bem ©efchäft 
gezogen unb noch für Diel höhere Summen 
©ed)fel’ auf bie 0irma auSgefteßt. Gine un= 
auöbleiblidje 8?olge biefeS ©ebaljrenS mar ber 
Sanferott biefeS Kaufes. 

91 iS ©alter Don biefetn 9luSgang hörte, he. 
merfte er mit 9ld)felgucfen. „SJietn Stadjbar 
bauert mich, aber er hätte Dorljer mit ieiner 
3 frau fprecheit feilen." 

„lieber mas?" fragte ihn bie Serfon, an 
toeldje er biefe Semerfung gerichtet hatte. 

„darüber, baß er mehr Kapital brauche unb 
ben 2oreng gum Slffocie annehmen molle." 

,,©aS hätte ihm baS nüßen foßen?" 

| „Gs mürbe ihn Dielleicht, mie mich, bar bem 
I Serberben bemahrt haben." 

,,©ie Sie, ©alter? Sie finb geljeimniß. 

1 Doß." 

„3a, mie mich. Sor einem 3ah« fehlte e§ 
i mir au ©elb in meinem ©efchäft, ich buchte an 
I eine Serbinbung mit 2oreng. Steiner fjrau 
| theilte ich es mit, fie fagte: „% hu’S nich t!! 
i 3<h folgte ihr, unterrichtete fie über meine Ser. 
legenfjeit unb fie geigte mir ben ©eg, mie ich 
aus berfelben b«auSfommen tonne. Sorßer 
hatte ich freilid) nur geringe Steinung bon 
ihrer Ginficht in ©efcßäftsfachen; jeßt aber 
möchte ich jebem ©efchäftSmann, ber fiep in ber 
Älemnte befinbet, gurufen: „Sag’S beiner 
$ r a u !" 



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Jttt Jreunbe btt Hfhonomie. 


87 


fttuigf H^inke für fmwbe tier äßronomic. 

So« *rof. 3ob« £. grief. 

„2ie Fimmel erzählen bie @f)re ©otteS, unb erfter unb zweiter ©röße ftart cotorirt; fie fchei* 
bif gefte oertünbigt feiner &änbe Seif." Sie nen wirtlich bie berrli^ften Äleinobe, bie je bas 
Diel Inhalt ift für ben ©Triften in biefeu furzen menfcbücbe Auge erblidtt. SMefe fjarbenerfcbei* 
Sorten enthalten, wenn er unter bem freien nung tennt bie Vhbfit unter bem tarnen 
jpimmel ftetjt unb bie prächtigen Selten über „fforbenjerftreuunfl ber Si<btftraf)ten", ober 
iicp am Sternengemölbe betrautet! „ebromatifebe Aberration". 2a§ weiße Siebt 

Schon fo lange hatte ich ba# Sebürfniß beftebt nämlich au# fieben Farben, wie wir fie 
eine# Serurobres gefühlt, bas mir beim Stil- im Aegenbogeu fehen. Senn Sicbtftrablen 
bimn foioie beim Unterriebt in ber Aftronomie burd) ein Sinfengla# paffiren, werben fie jer= 
beiten tonnte. 3d) hatte einige 'JJiale Verfuche ftreut unb au# ihrer urfprünglichen '«Richtung 
gemacht, oon §freunben unferer Sebule Verträge gebogen. 2ie rotben Strahlen werben am me* 
tubetommen, welche bie Anfcßaffung eine# fol* lüpften gebrochen ober gebogen, bie Pioletten 
eben möglich mu<ben füllten; iebodj hotte ich roe* bugegen am meiften, fo baß bie leßteren juerft, 
nig ©rmuthigung gefunben. Um biefe 3eü l bie rotben aber juleftt ju einem ffocu# gelangen, 
fehrieb mir einer meiner naturmiftenfcbüftlieben Somit trägt ba§ 33ilb alle Farben be# Stegen* 
©orrefponbenten, ^err IboS- 3- 2ibSmell in bogen#, ju gleieber 3«>t tann e# aber auch feine 
3 nbepenbence, So., bon bem ©rfolg, ben fein flare unb beftimmte Abgrenzung befißen. ((Sine 
Verfud) hotte, fieb felbft ein gute#, wohlfeile# fpbärijcbe Aberration ift ebenfall# borhanben, 
Jetefcop ju conftruiren, unb i<b war al#balb fie ift aber bon geringerer Vebeutung.) tiefer 
entfebloffen, naeb feinem Sufter ebenfall# ein fforbenjerftreuung ber 8id)tftrahlen abzuhelfen 
Jnftrument anzufertigen. 3>ch glaube nun, war bon ben 3ei®n ©aliläi’S bi# zum leßten 
baß e# mir fo weit gelungen ift, mit geringen $beil be# nötigen 2>ahrhunbert§ fein Sittel 
ftoften ein gute# ijnftruinent zu Stanbe zu borhanben. Sfctaf Aeroton arbeitete an ber 
bringen. Unter bem Seferfrei# uon „£>uu# unb Söfung be# Problem# unb gab bie Söglidbfeit 
£erb" mag wohl eine größere Anzahl fein, bie berfelben in Verzweiflung auf. 2er englifd&e 
für Aftrouomie mehr ober weniger 3ntereffe Cptifer 2ollanb eitblieh, ber Anbeutung be# 
beftßen. Sollte ich benn mit biefem Artifel fol* 2eutfd)en (Suler folgenb, löfte e§, inbem er eine 
eben einige mißliche Siufe, anbern bielleicht Goncab=8infe bon fflintgla# mit einer Gonbejr* 
Anregung zum Stubium biefe# herrlichen ga* Sinfe bon ©romngla# berartig zufammenfeßte, 
eße# geben tonnen, fo mürbe i<b mid) für meine baß bie 3erftreuung#trafte ber beiben Sinfen 
Sülje reichlich belohnt fühlen. fidj gegenteilig neutralifirten. ©ine fo znfam* 

2)ie Sinfengläfer ließ üb mir bon Vhilabel* men gefeßte Sinfe heißt eine a<bromatif<be, b. i. 
Pbia fominen. 2a# Obieftibala# ift eine fo#* farblofe. 2er Vrei# einer folcßen — oon ber 
moTame plano * conoeje Sinfe bon 5 3oü iw gleichen Stätte wie ber mehligen — würbe aber 
2 urchmef}er unb einer fjocu# = Sänge bon 72 $320.00 betragen, b. b- ben Sereieb meiner fji* 
3oü. 2ie brei Ofularftiiefe finb ebenfalls nanzen überfteigen. Um bie d)romatif<beAb* 
plano = conbeje Sinfen bon 1£ 3oH 2ur<bmeffer erration zu bermeiben, gebramben mir nun fol» 
— 3 3oß 3fbcu#, li 3oü SDurcbmeffer, 2 3pü genben Apparat: 

ifocuS, unb f 3oü 2urchmeffer — 1 3otl i$o» ©ine Äappe wirb über bem ©ttbe be# 3fnftru* 
cu#. 2)a ich Weber 3«it nodb bie nöthigen Serf* ment# angebracht. 2iefelbe beftebt au# mehre» 
Zeuge batte, um ba§ ©eftell felbft anzufertigen ren oerfebiebbaren 3'ufplatten mit freiSrunbeti 
Zu tonnen, ließ ich ein foleße# oon einem Schrei* Söebern oon berfdjiebener ©röße, jebe# Soeb 
ner machen. Sobann üerfebaffte ich mir bie aber genau im Sittelpunft feiner ^Blatte. 2er 
Sitbilfe unfere# Sleebfhwiebä, Vr. 3oIjn Vol* 3®«® biefer Vorrichtung ift, oon ben herein* 
iterS, zur Auf fehlt ttg be# Objettioglafeä, zur fallenben Siebtftrahlen bie äußern abzufebneiben 
Anfertigung ber tRöfjre, be# aebromatifeben Ap. unb nur bie näher bem ©entrum gelegenen 
parate# unb jum Anftreicßen be# 3fnflrumente§. paffiren zu laffen. 2ie Strahlen, meldbe fo 
Ja# Inffrument ift fjuß lang unb bietet bureb ben mehr centralen 2beil be# Cbjeftib* 
einrefpeftahleS Aeußerebar. Senn aufgefeßt, glafe# paffiren, finb weniger gebrochen, unb 
(ann eTforoo&t « n horizontaler al# in bertifaler folglich «ft auch geringere gfarbenzerftreuung 
Miuna bewegt werben, fo baß e# int Stanbe borhanben. Auf biefe Art erhalten mir prat* 
iS ivn nnmen £>intmel oom 3mith bi# zum tif<h ein aibromatifcbe# Vilb unb haben noch 
ßorijont^^lu’heflreih«"- zeigt alle Sterne i Siebt genug übrig, um bie Vlaneten hübfcb be* 


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88 


?Ut Ireunbe btr Mronomie. 


obncpten gu fönnert. Wein ^nftrument geigt 
SenuS gegenwärtig als priirfjtifle Siegel gleich 
bem Aeümonb, fie nimmt, roie ber Wonb, aut 
unb ab «nb iit mit ihrem ©lange gegenwärtig 
ber lieblichfte ber Worgenfterne. Werfur i|t 
ebenfalls bei feiner größten ©ntfernung (narf) 
Cft ober SQßeft) Don ber Sonne als $albinonb 
fieptbar. Jupiter mit feinen Wonben, Saturn 
mit feinen Stinae’* fiitb prädftige ©rfcpeinungeu 
burep baS 3nft : ...«.^t. ®er runbe Sörper beS 
leßtern Planeten fänn innerhalb feiner JMinge 
gefepen werben; er ähnelt Diel einer in einem 
’&eller liegenben weißen ^acjel mit einem Suche 
an beiben Seiten. SenuS, Jupiter, Saturn 
unb War» finb gegenwärtig alle Worgenfterne. 
Sie boten bem Sefcpauer einen nmuberoollen 
Anblicf bar, roenn er fich bequemen mochte, an 
einem ber leßten ^uuimorgen bor iageSgrauen 
baS Sett gu berlaffen. ®ie Stellung ber brei 
leßteren Planeten hatte fich im Saufe beS Som» 
merS für bie Seobacptung noch günftiger ge» 
ftaltet. ©benfallS ift ber Wonb in allen feinen 
'-ßpafen ein bantbarer ©egenftanb unfereS 3n* 
tereffeS. ®ie Unregelmaßigteiten tonnen beut» 
lieh roahrqenommen werben. ®ie hellen Spieen 
ber Serge heben fich tlar Don bem Schatten unb 
bem ®unfel ihres fJujjeS ab. SefonberS be= 
mertbar finb bie Schatten in ben grofsen Ära» 
tern. ®er Wonb geigt wenig fjarbe, wenn ich 
eine Oeffnung Don | 3oU ®urd)meffer ge» 
brauche, faunt welche aber bei einer Oeffnung 
Don f 3°ß; immerhin aber bleibt genug Sicht 
für eine SergröjjerungSfraft Don über Rimbert 
Ourcpmefferit. 3 ur '-Beobachtung ber SenuS 
gebrauche ich eine Oeffnung Don f 3oQ- für 
ijupiter eine folthe Don £, für Saturn eine 
folche Don 1 3oü- ®er ©efieptstreis bleibt bei 
berfepiebener Oeffnung ber gleiche. 

Saffen mir baS Silb ber Sonne burch baS 
®elefcop auf einen weifeen Schirm fallen, ber 
gegen baS Sonnenlicht begattet ift, fo tonnen 
wir bie Sonnenflecfen beobachten. So gewahrte 
ich am 17. unb 18. Würg mehrere fehr bebeu» 
tenbe ©ruppen berfelben; gegenwärtig finb faft 
täglich welche gu fehett. Auf bie gleiche SBeife 
beobachtete ich bor brei fahren ben Durchgang 
beS Werfur. könnten wir baS gange ObjettiD» 
gla§ für bie Planeten unb ben Wonb anmenben, 
fo mödhte uns natürlich eine höhere Sergröfee» 
rungstraft Diel mehr erblicfen (affen. Sei Se= 
obaeptung ber gfirfterne aber muß nufere 


fjauptabfiept fein, mehr Sicht gu betomnten; 
SergrößerungSfraft ift weniger notpwenbig, 
weil biefe Sterne auch baS ftärtfte SEelefcop für 
baS Auge nur bloße Sicptpunfte bleiben, fffiir 
bie fleinercit ^irfterne, für Someten unb Aebei» 
flecfen laßt fiep baS gange ObjeftioglaS ohne be» 
fonbere Schwierigteit wegen ber dhromatifepen 
Aberration gebrauchen, ©in 5 3oll ObjettiD» 
glas bereinigt 625 mal fo Diel Sicht als baS 
inenfcpliche Auge, unb fehlt baburch in ben 
Stanb, Jaufenbe Don Sternen gu fepen, bie 
baS bloße Auge nicht mehr erblicfen tann. 3<h 
fepe mit meinem Selefcop über 70 Sterne in 
ben Stejaben; Srüfepe, welche bem Auge als 
milchartiger Sidjtflecfen fiep barfteflt, wirb ju 
einer herrlichen Sterngruppe; bie Wilcpftraße 
löft fiep in Sterne auf; was in SrrfeuS als ein 
fchmacher Sicptftreifen fiep geigt, wirb gu einer 
gnpllofen Wenge Don Sternen. SMr fepen eine 
große Angapl Don Sebelfleden, Diele barunter 
fepr beutlid). ©inige Sterne, bie bem unbewaff» 
neten Auge einfach erfepeinen, werben boppelt, 
breifaep ober gar gu förmlichen Sterngruppen. 

Obgleich ich Derpältnißmäßig erft türge 3«it 
mit meinem ^nftrument prattigirt habe, fo habe 
ich bodj genug gefepen, um mich für alle meine 
Wiche reicplid) belohnt gu fühlen. Seine anbere 
SBiffenfcpaft ift wie bie Aftronontie im Stanbe, 
unfern ©eift über bie Scenen beS Alltagslebens 
emporgupeben unb ipn mit ber ©prfurdit Don 
ber Allmacht unb SBeiSpeit ©otteS gu erfüllen. 
3 n ®emutp beteft bu an unb fpriepft: „£>err, 
wie fictb beine SBerfe fo grofe unb Diel! ®n 
paft fie alle weislich qeorbuet; beine ©ebanfen 
finb fo fepr tief. Sicpt ift bein Sleib, baS bu 
anljaft; bu breiteft ben Fimmel aus wie einen 
®eppicp. £>err, mein ©ott, bu bi ft fepr perr» 
licp; bu bift fcpön unb prächtig gefepmiidt. Sobe 
ben £>errn, meine Seele!" 


Anmertung. Sollte irgenb einer unter 
ben geneigten Sefern Dott „£>mtS unb $erb“ 
noep genauere AuSfunft über ben ©egenftanb 
wünfepen, bielleicpt felbft ein ®e!efcop naep 
meinem Wufter fiep anfertigen wollen, fo bin 
icp jebergeit gerne bereit, alle nötpige 3nfor= 
mation gu geben. Wan abreffire bann: 

3 o h n ,£). ff rief, 

©entral 2BeS(ep ©ollege, 

SBarrenton, Wo. 




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Pie JJeidjen bet |eit 


89 


Pie $eid)en brr Jfcit. 

©cßcnftanb utnfafttetngu ßrofteä ©ebiet, bann weßen ber Unbuftfertißfeit unb 3Serftodunß 
al$ ba§ fcetfelbe tonnte, innerhalb ber ©rengen ber SMenfcben in ©trafßeridtfe überleben, unb gwar 
* einer furzen 2lbbanbluitß, ßrünblid> beleuchtet ftirg oor bem (Snbe unb in feldjev ©tciaerunß, baft 
unb ausführlich barßelegt werben, unb werbe td) ber Ueberßaiiß gum ©ericbt nur einen ©d)ritt, nur 
habet auch nur auf einige ber ©rfcheinunaeu auf ben ©d)luftaft in ber ßroftcn, ?iabrbunberte burd)= 
bem relifticjen unb n>eltaeicbid)tlid)en ©ebiete bin- | laufeuben &eilsöfonomie bil^- ' b. ift ba- 
weifen, — befonbetö folcbelfrfcbeinunßen, n>eld>e in ber febr fdnoieriß, uid)t nur Bett ober ©tunbe, fcn= 
ber ßeaenwärtißen 3cit mehr ober tninber, hoch bem felbft eine a und beruhe Beit angiißcbcn 
giemlidi aflßemein bureb ba8 offene ©eroortreten, ober ju begeidmen, in weiter bee ÜMcnfchcnfobn 
bie Slufmerfiainfett auf fid) ßelcnft haben, unb io fommen nürb. 

weit une moaluf) burd) ©otteä 2ßort unb bte ©e- Sie ©eid)id)te weift bie Sbatfacbe nach, baft bie 
iduebte ihre ©ebeutimg nad)guwetfen fueben, beim 6rfd)eimmßen, — beibeö auf velißiöfem unb welt= 
htcrgu bebürfen nur eme3 ßöttlitben JyübrerS unb aefd)id)tlid)em ©ebiet, — ber 3lrt waren, baft man 
ßöttlicber (Srleucbtunß, unb nur bie Cffenbaruna febr leidet batte oerleitet werben tonnen, ba§ ©nbe 
oermaa un§ Sinleitunß gu geben, bie eintretenben al3 nabe, ja febr nabe gu begeidmen. SGBie 
©reißniffe beurtbeilen gu rönnen; bie ©efcbid)te tief fant 11 idit bte diriftlidie Äird>e 00 m {elften big 
aber, alS bie Slufbewabrerin ftattaebabter ©reiß-f gum oiergebnten 3abrbunbevt ? unb bod) bracb fidj 
nifie, foü oor übereilten ©cbluftfolßcrunßen be-- bie ßöttliche SBabrbeit felbft bureb biefee bim feie 
wahren. S)ie menfddicbe SSernunft allein oermaß Sabprtntb ncue&abn unb ein fdwncr Staß brad) 
nicht burcf) loßifcbe Scbluftfolßerimß ber 3ufunft an, unb bie frteinbaren ©trafßerid)te @otte$ er= 
ihre ©ehetmmlie gu entlorfen. wiefen fid) als ©nabenßerid'te. Sie 3cit ber fo- 

? efu3 in feiner efdmtoloßijcben Otebe weift btn ßenannten üuftlarunß brobte eine giemlid) a(lße= 
Crrfcbetmtttßeii, weld)e ein treten werben oor fei= meine 9lpoftafie berbeiguführen, unb bie ©upre= 
nemftommen, unb beutet an, wenn auch ber ßroften matie ber menfdUüben Vernunft werbe, fo fdjien 
üKehrgaM btefer Saß erfdieinen wirb wie ein Sieb i e§, ben ©lauben an einen allwaltenben ©ott cr= 
m ber 92acf>t, fo foü berfelbc bod) bie ©einen nid>t 1 fefeen, unb bas ©hrifteutbum oöllig ausßerottet 
unerwartet überfallen, noch unoorbereitet finben, | werben, bod) bie9ted)te beS £>errn bebieltben ©ieß. 
wnbern im ©eßentbeil feilen fic an ben oorbaube= ; Sie$ möße ßenüßen gum ©ewciS, baft wir in ber 
neu üWertmalen erfeimen, baft ber Saß am £cran= 1 33eurtbeilunß ber Beiden ber Beit febr oorfidjtiß 
naben ift* jkfuä bem Seißcnbamn lernet I unb immer in Ucbcreinftimnuniß mit ©ottc^ SBort 

ein ©leiÄniö; wenn mm fein 3weiß faftiß wirb ooranfdneiten müffen. 

unb Blatter fleuunnt, fo merfet ihr, ba§ber@om= | Sßir wollen nun einiße Beicben ber ßeßenwäv= 
mer nabe ift/ alfo and) ibr, wenn ibr iefet febet alle tißen Beit prüfen unb nad) ®otte§ SBort in ihrer 
btefe 3)iitfle/ fo wiffet, bab nabe oor ber Sbüre 23ebeutunß barguleßen oerfueben. SMiden wir auf 
ift. 9iado biefem SÄuofprucb mö^te oielleid)t ein bie inneren SScrbdltniffc ber oerfd)iebencn B^oeiße 
IVancber ben teil/ e^ fei etwa^ fieicbteS, bie 6rfd)ei - ! ber dniftlidjen fiird)e, fo finben wir, trofe ben löb= 
nunßcii/ meldbe ba3 ©erannaben be^ 3Beltenbe'3 lidien Sllliang ^eftrebunßen, bäufiß nidit blo^ ein 
antünoiflen ober gu erfennen ßeben, alß ©old)e gu ©etrenntfein bem dufteren SWamen nad), fonbern 
erfennen. ©oldie oerßeffen aber, baft ^cfu§ eben^ and) ber tiefinnern ^ergcn§ßemcinfd)aft, unb bei 
faü^ aefaat bat: ®en Saß aber unb Stunbe weift 3)iand)en anftatt Siebe gu ©ott unb bem 9cäd'ften 
5ttemanO/ aud) ber ©obn nid)t, benn allein ber oertnöd)crtee gormwefen. ?luf ber anbern ©eite 
iater. ©noäflen wir gubem, baft alle Genannten aber finben wir, baft in ben lebensfrifrten unb trdf= 
^enngeieften — wenn aud) nicht in bemfeloen 3Kafte, tißen Sheilen ber dwiftlidjen Kirche bie 9?otbwen= 
noi aüaeineiti — in iebem Jiabrbunbert ber dwift- bißfeit einer SSereinißimß ber ftrdfte gum ßcmein^ 
: id*n Beitrecbnunß oorbanben waren, fo wirb un3 j famen fiampfe immer mehr erfannt toirb. 2Gir 
tlar taü Öffenbarwerben eine§ ober mehrerer j bürfen and) nid)t oeraeffen in ber Seurtbcihinß ber 
ui &ette& 2Bort ßenannten Buchen unS noch I Beiden ber Beit, baft unfer Beitalter baoieniße ber 
nicht berecütiyit, bae ©nbe ales bereite berbeißefom^ 2)ampffraft unb ©lettrigitdt, ia überhaupt ber me= 
Inen gu oerfünbiflcu. chanifcben ©rfinbuußen unb ber allgemeinen $or= 

Sie ba^ .Öerannaben be§ 9ßeltenbe§ anfünbi- febunß ift, unb baft folcheS in ßewiffen Greifen ein 
jenben (Srfffieiniuißen werben weber plöfelid), noch Scbwanfen oerurfad)en wirb, ©olite aber ©ott 
:uf einmal in fdbrerfeneneßenber ©eftalt, furg oor nid)t mößlid) fein, bie ©rrunßenfd)aften bc§menfd)= 
im ©nbe eintreten, fonbern biefelben werben burA Iidicn (Seiftet enblicb wieber gur 23eförbertuiß feinet 
j'Jmdbliae Steiflcruiiß enblicb in hoher ©teißerunß ffieiebe^ gu lenfen? $at er fdcbe§ nidft febon frü= 
Me^emreicBcn be^ bevannabenben ©nbe^ enthalt I her ßetban? Unb maß nid)t auch bie (briftlid'e 
' o 3 wy feie allgemeine Ueberbanbnabme ber fiivd)e — wdhrcnb ba6f)?cid> ber ^infternift fid) uw 
li a rcrfitiafeit alo ber ©rfaltunß ber Siebe, mer mehr gum antidmftluhen ^?eid)e entwicfclt, — 

©ereiitfteit ^ er Machte unb bie! fid) anft neue aufraffen, ihre ©tdrfe angicbcn, unb 

»^../•MKMrtna^nbeii ftämpfe, unb bann and) im alSbann nod) ßldugenbe ©ieße feiern ? ^d) ßlaube 
ni liefen bie Bunabme ber ©erlebte j nicht, baft bie ndcbfte Bufunft folgen Jsovtfdwitt 
^ rü^ Un ^iefc ©erid'te ottce aber loden aloBud)t- I offenbaren wirb ber finftcrcn 9?dd)te, wie 9}?and)e 
'utbm ober al^ 30 ?ahnftimmen bienen, unb werben 1 ßeneißt finb angunebmen, troftbem nicht ßeldußnet 


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90 


JHe JJridjen btt |tit. 


werben fann, bab in unteren Saßen manche @r= 
fdjeinungen gleich bunfeln SGBolfeit am ©origoute 
fidj erbeben, unb eh nicht nur möglich, fonbern fehr 
wahtfcheinlidj ift, bah wenn bic ftirdie fid) nid)t 
aufrafft unb »ereinigt in ber ftraft ihrch groben 
Weifterh biefen SJewcgungen gegenüber tritt, biete 
ficb fcftucll entwicfelnb »iel jdmeder alh eh fonft ber 
Sad wäre, beit groben ©djlubfampf heraufbefchw6= 
reit werben. 

3Mt Sinftlanb fchen wir ben Si i h i l i h nt u h, 
trofe aller ©egenwehr ber Obrigfeit, immer fdmeüer 
unb weiter fid) oerbreiten. Unb obgleich fidj 
feine Umfturg»oiittf bisher nur auf bie beftebeitbe 
@taath»olitif begogen, fo maß berfelbe ficb bedj 
fehr leicht fteißerit bih gtt einer Wibadjtnng aller 
Oronuitß, ©efefee unb Siechte, ja bih gum ftinb beh 
Verberbeith. SBie nabe »erwanbt berfelbe ift mit 
bein ©ocialihmnh unb ßommu ni8mu8 
anberer Sauber, ift bewiefen worben bttreb ben 3u= 
bei biefer Vereine über bah ©dingen beh 9lttcntateh 
auf bah Sehen beh ftaiferh »on Stu&tanb. Freiheit 
»on monarchifdiem ®ef»otihmnh ift bih jefct noch 
ihr ©chiboleth, hoch ber nädjfte Schritt wirb fein: 
Freiheit »on allen un8 ttnliebfamcn ©efefeen, unb 
bann: ©inweg mit allen mth entgegengefefeten ßin= 
richtunaen unb Verhältniffen. 3n ®eutfcblanbge= 
feilt ficb gu biefer nibiliftifch-focialiftifdien Wichtung 
noch eine coinmuniftifdv'inaterialiftifdie Wichtung, 
ßh ließt ieboch weniß an ber äitberen ©cgeichnung. 
s 7llle haben eine SBurgcl unb ein 3i?l- 3hr SJiotto 
ift: Saffet un8 effen unb trinfen, beitn moraen finb 
wir tobt. Schon bat in manchen Greifen bie 8oh= 
fagung »on ber Kirche begonnen, ieboch bisher nur 
foldje ohne 3weifel, welche nie in innerer ©ergenh^ 
gemeinfdjaft mit fflott ftanben. 

Von entgegengefefeter Wichtung, ieboch mit bem* 
felben Sofunghwort, tritt un8 ber © » i t i t i 8 m tt 8 
nnfereh eigenen Sanbeh cntßeßen, nämlid): Freiheit 
»on firchlichen ®ogmen, nur mit Sluhnabme beh 
einen ©laubenhartifelh: ©in ieber ßlaube wah er 
will unb wah ihm beliebt. ^efuh faßt in iener 
obenerwähnten Webe, ba§ in ben lebten Saßen wer= 
ben Vfeubodjriftuffe unb Vfeubo»ro»heten erfdjci^ 
neu, welche grobe Reichen unb SBunber thnn wer= 
ben. ®er ©»iritihmuh tritt in unfern Saßen auf 
mit ber Slnmabung, bah gu thun, wah »on Plenen 
gu erwarten wäre. !^bre Vertreter nennen ftch 
Wittler (Medium), ßeben »or burch Offenbarungen 
»on ber ©eifterwelt weiffaßen gu fonnen, ia nach 
foiritualiftifcher Sluffaffunß beh SBunbeth, bftnfen 
fie auch in biefer SJegiebung Sbrifto gleich mi fein. 
Sahen nicht biefe Vfeubo»ro»heten unb falfdjen 
Mittler oerfucht ade SBunber ßbrifti auf ihre SBeife 
nadiguabmen ober fonft gu entfräften, felbft bah 
SBunber ber Sobtenerweduna ? Sahen nicht biefe 
Vfeubodjriftuffe burch ihre ©ebeimthuerei Waucbe 
»erführt, ben ©lauben an ben einigen Mittler 
ßbriftum 3efum aufgugeben unb an eine Vielheit 
ber Mittler gu glauben? SBie lange wirb eh noch 
bauern, bih eh ber finftern Wacht gelingen wirb, 
einen gu finben, frech unb »enneffen genug, ftch alh 
bie geiftige ©robmadjt unfere8 3eitalterh auhgu= 
geben unb burch fcheinbare SBunber bei ber leicbt= 
gläubigen Wenge Slnflang gu finben ? 5luch bem 
Socialt^nu8m6dhte e8 nicht fchwer faden eine folche 
anguerfennen, benn wer nicht mehr an einen leben= 
bigen, ewigen unb adwaltenben ©ott glauben wid, 


ber ift fehr geneigt an Öeifter gu glauben; beibe 
Stichhingen haben ein 3ieh nämlidi Freiheit »on 
aller Sinfcbränfung. Unter einem foldien panier 
fonnen auch bie Slnbänger ber freien Siebe jich gu- 
fammenfehaaren ohne Siebenten. 

ft bunte bie chriftlidje ft irdie fid) biefen Wachten 
al§ gefd)loffene Thalaus gegeuüberfteden, fo hätte 
fie feine Urfache gu erbeben, benn ©ott würbe burd) 
fie bie S-einbe überwinben, aber wie fteben bie 
3ioeige fo getrennt unb eine grobe Slngahl ihrer 
©efenner ftnb »erweltlidjt. ®a^ ©iditbare nimmt 
bie ©emütber bermafecn in 9lnf»rud), bab man fehr 
wenig 3^it hat an bao©bttlid)e gubenfen. 0o 
lange bei @o(d)en ade^ nach SBunfch gebt, finb fie 
felig» fommt aber Verfolgung, fo finb fte ohne 
Sroft, unb müffen ficb ©olcbe eutfeheiben, entweber 
ßhriftum ober SBelt, fo wütbe ihnen bie SBahl 
nidit fd)wer faden, ©oll aber bie ftirebe beftehen 
fonnen gegenüber biefen finftern Wachten, fo mub 
biefelbe ficb au§ bem ©taube erheben, unb biefem 
allgemeinen Verlangen itad) Freiheit, bie wahre 
göttlid)e Srcibeit im Seben barfteden, inbent ihre 
Vefenner weniger rennen unb jagen nach eitelem 
@ut unb Ghre, unb mehr trachten ihre ©eelen gu 
retten. ®ie ftrage: SBie halb werben fid) bie ftn= 
fteren Wachte »ereinigen gitm groben ©d)lubfam»f, 
wirb bnrd) ba§ Verhalten ber chriftlidjen ftirebe be= 
antwortet werben. 

S?och ber in iüngft »ersoffener 3cit auftauchenben 
anti iübifdjen Vewegung wollen wir ©rwähmmg 
thun, benn biefelbe mag fid) uod) gu einem beben 
tenben 3cichen ber 3cit entwicfeln. ®a^ iftbifebe 
Volf hat fich nad) 3?iten fchwerer ©eirafudnmg 
einer langen Seit ber SRuhe unb irbifchen SBohl^ 
ergehend erfreut, biefe ©nabenfrift aber benüfct, um 
fich ©cfiäfee gu fammeln auf ßrben, anftatt nach 
ber Urfadie ihrer ©eimfuebung gu fragen, unb bie 
SBahrheit erfennenb, S3ube gu thun; e^ genob ben 
©egen ebriftlüber Solerang, ohne »on ber SBahrheit 
be3 ßhriftenthum8 fich übergeugen gu laffen, unb 
weil e3 bie ©nabenfrift mibbraud)te, wirb e8 bie 
Suchtruthe fühlen müffen. Slfcer e8 ift eine ehenfo 
fiebere Shatfadje, bab eine ^uben»erfolgung feinem 
chriftlichen Staate gur ©hre gereicht; burch ©efefee 
biefelhen »on Veeinträd)tigung ber Rechte Slnberer 
ahguhalten, faitn gefchchen ohne eine 3ubenhefee 
angugetteln. ®ie ©efcbichte weift nach, bab wer 
an bem jübifeben Volf fich »erfünbigte, ben ereilte 
bie ©träfe fehr halb barauf. Seicht burch bag 
Schwert, fonbeni burd) bie Wacht be£6»angelium8 
»ermag bie Ghriftenheit biefen Volf für ßhriftum 
gu gewtnnen, baher erfcheinenmirbieVeftrehungen f 
burch ba8 ©»angelium auf bah iftbifebe Volf eingu= 
wirfen, alh ein groberch Reichen ber 3^it, alh ir= 
enb eine Slubenhefee. ®och gur Srage: ®euten 
ie 3eichen ber ©egemvart auf ein fehr nahe be»or= 
tehenbeh ©nbe ber SBelt ober nicht? ®er S(»ofteI 
chreiht an bie Sheffalonicher: Saffet eitd) iWiemanb 
»erführen in feineriei SBeife, benn er fommt nicht, 
eh fei benn, bab gu»or fomme ber Slhfall, unb .ge= 
offenbaret werbe ber Wenfdj ber ©ünbe unb ba$ 
ftinb beh Verberhenh, ber ba ift ein SBiberwärtigcr 
unb fich überhebetüber alleh, bah ©ott ober©otte8= 
bienft heibet, alfo bab eh fich fefeet in bemSem»el © ot= 
teh alh ein ©ott, unb giebt fich»or, er fei ©ott. @e= 
benfet ihr nicht baran, bab ich euch folcheh fagte, ba 
ich noch bei euch war. Unb wah eh noch aufbältr 


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91 


freuh ttttb #eib* 


wiffetifer, ba| er geoffenharet werbe 311 feiner 3 *it, bie Goncentrirung *u vollaiehen, fann Sßiemanb 
beim e3 reget lt<h fchon bereite bie Soweit berechnen. $Rad) beit ^Bewegungen bet Segen= 

ohne bet e3 iefet aufhält, mu| binweggetbait wer; wart au urtbeilen liegt btefet Beitpuuft, wenn 
ben. Uitb alSbann witb bet SoShaftige geoffen- | auch nicht febr nabe, fo bod) auch nicht in alfau 
batet werben, welchen bet föerr mnbringen witb 1 weitet^ernc. ©dnvereStufungen ftehen ber chrifc 
burrf) bcn Seift feinet 9Kunbe3. 3cfu3 fagt: 2 Bo 1 liehen fttvebe bevor; aber nachbem bie ©djladeit enh 
ein $(a$ ift, ba fammeln fiel) bie 9tbler. Seibe fernt unb bie Senne gefegt fein wirb, nnb aur 3eit 
Stellen weifen hin auf eine Gonceutvirung ber fiu- Der grölten ©iegeSgewilbeit ber fteinbe, wirb bie 
Itern Stächte, in einer SBeife, wie bieieo bi3 iefet chriftlid)e ffirdje nod) einmal eine 8 eben 8 frifche an 
S4 noch nicht vollzogen hat, aber Sehr ftarfe $Rei= ben Sag legen, weldje felbft bie ftegeSgewiffen 
mg an ben Sag legen. 9tod) wirb burch ba3 vom Steinbc in ©djreden verfefeen wirb. S)er ffampf 
3fooftel ©ejeichnete bie ßoncenttirnng aufgehalten, wirb ein heftiger, aber bet Sieg ein glor= 
wie lange iebodj biefc3 nod) gefehehen wtrb, nnb reidter fein. 

wie lange, bi£ eä bet finftern SJiacht gelingen wirb, 3 . Äetn. 


(fiu liipitfl öuö „freuö uub feiö“ eines Ittiffionars in 

Peutrdjlaub. * 


„meint ihr, tdj fei gefommen, ^rieben h er 3 u< 
bringen ?" 

5pradj einft ber tjerr; „ich fage nein, vielmehr 
bas Schwert. 

£in ^riebensfchlug mit biefer IPclt fann nicht 
gelingen, 

Die weber mich noch meinen Pater fennt noch 
ehrt." 

Unb hat bie Welt ben fjerrn gehabt, verfolgt, 
rerfchmäht, 

£a|t’s euch nicht munbern, wenn’s ben Knechten 
fo ergeht. 

Sie im vorigen Äapitel bereite angebeutet, hatte 
lebte Senetal = ©uperinteubent von fficimar, 
Dt. 3tobr, bie 8anbe3fird)e tfeatfädjlid) befenntnifc 
le$ gemacht, inbem nach feinet Serorbiiuug bie 
Dienet berfelben bahin verpflichtet würben, „Sottet 
ffiort nach heftem SBiffen unb Sewiffen 311 prebu 
gen, fowie nach ber äugSburgifchen Gonfeffion, fo= 
weit biefelbe mit ber ©’rbel üoereinftimmt." S)em= 
seraäl fonnte einBeber prebigen, wa§ er wußte unb 
er nicht wtifete, waä er glaubte unb wa3 er 
nicht glaubte, unb 9tiemanb fonnte ihn barob ver= 1 
Hagen noch oerurtbeilen. ©0 war ebenfalls vom 
taben Gonfiftorium verorbnet, ieber Ghriftenmenfd) | 
hn 8 anbe bürfe glauben ober nidjt glauben, wa3 
ibm beliebe, ohne ba| ihn 3 emanb beihalb be= 
fälligen bütfe. Sin 3*ber folle, wie bet alte *Jtife 
$u lagen pflegte, nach feinet gacon felig werben. 
Diefe Slauben3= unb SewiffenSfreiheit (?) 3 ebem 
auch au fichem, würbe alles Stiffioniren, fowie alle 
aulerfitchlichcn Serfammliingen, ftreng verboten. 
% ieber ©auBvater burfte awar nach belieben mit 
inner Familie 9lnbacht halten; hoch follte etwa ein 
‘Kadjbat ober fonft ein |?rembet baau fommen, jo 
wr et verpflichtet, bamit abaubredjen, bi§ Cefeterer 
*]4 wiebet entfernt hatte. S)er Uebertreter biefeä 
Sefefeeö würbe mit Selb beftraft unb im 2Biebet= 


holungöfaUe in’^ Sefdngnil geworfen. Stlfo beim 
Sierglad, am Äartentifd), auf bem Sansfaale uitb 
bctgl. burften fid) fo Siele ab3 nur immer wollten, 
aber 311 m govfeben in ber Schrift ober amn Sebet 
burften ftw feine 3wei ober S)rei verfammeln. 
S)iefe^ alfo war rationaliftifche Slauben^freiheit. 
S)iefe^ Sefefe nun war awar „5litno 48 " glüdflidjer 
äßeife befeitigt worben. S)ie SHegterungeit hatten 
ia nothgebrungen, bttrdj bie neue Meid)^verfaffung, 
bem Seife mancherlei Freiheit, fo aud) 9teligion3= 
j fveiheit gewährt. S)od) hatte man bie 1851 auf 
! bem 28ege ber 9teaction fdjon wieber bebeutenbe 
5fortfd)ritte gemacht. Siele ber gegebenen Srivi= 
legicu waren allbereitS anniillirt, fo ba| ein ge= 
ivbhnlicher Sürger oft faunt ivu|te, ivelche Sefefee 
au Stecht beftanben. S)urfte ich bahev aud) wohl 
meine SBirffamfeit al^ 3)?iffiouär eine geraume 
Beit unter S)ulbung fortfefecn, fo gewährte fie mir 
bafftr bod) feine Sarantie, noch weniger Schüfe. 
3 ch war, wa^ meine SBirffamfett anbetraf, fo au 
fabelt vogelfrei. ÜBollte ich aber etwa wegen 9 tuhe= 
ftonmgen Sefdjwerbe führen, fo würbe bie 8 anae 
ohne 28eitere3 umgefehrt, unb meine Serfamm= 
hingen würben, al^ Urfache baau, verboten. Unter 
biefen Umftätiben hielt idVS beim felbftvcrftänblidh 
für rathfam, fo wenig al^ nur möglich Sefchwetbe 
au führen, übte auch, nolens volens, S)tilbung. 

ßiite anbere gro|e ©chivierigfcit erwuchs unferer 
2 ßijftou burd) ihre eigenthümlicbe 8 age im jäch- 
fifchen Sogtlanbe, an Shürittgen greuaenb. ßier 
liegen befanntlich bie beutfehen .Verrlichfeiten fo 
burd)einanber, ba| bie Sanbfarte bavon wie ein 
au§ allerlei farbigen Stoffen unb in ben verfdne^ 
beuften 5 ^'nien aufammengefefete Scttbeie — ge= 
wohnlich Quilt genannt — au^ficht. ©0 lag 
meine ©eimath wohl in bem SReuftäbter ffreiö be§ 

| Srolberaogthum^ ©achfen=3Beimar=ßifenach, bodi 

n id) ungefähr eine 3Reile fübliA ober weftlich, 
im ich in’^ 3lu§lanb, in ’8 ffürftenthum 9 tcu| 
Sreia; ging ich bann noch ein paar ÜReilen weitet 


•) Unter Mefem XiUl lg ein 50«<^ in ber 'Vreffe, ba« iüir beften« rmbfeblen, unb auf nxlc^e« toir unfere fiefer aufmerffam macben 
■b ko« fUb o^tte 3 Weifrt einen ^la| ln bielen Familien ertoerben hHrb. 


9 b i 1 0 r. 


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92 


Jreub unb #eib. 


wefilichr fo war ich im Stnüsbegirf ©obenletiben 
oom Sürftentbum SReuß = Srfjleig. ©ins ich aber 
oon ©eint etwa 6 3Reilen öftlich, fo (am irf) in’S 
Äönißreich Sachfeit, u>ä(>retib ungefähr 9 teilen 
nörbltch mich in’S ©evgogtbum Sachten = 5lltenburg 
brachten. Somit währte eS nicht lange unb meine 
SRiffion erftreefte fleh in biefer fünf ©erren Cänber. 
8ie§ ntan mich nun auch in meinem äJaterlanbe an 
bie gwel 3abre unter ®ulbung gewähren, fo machte 
man, wie mir feben werben, oom Anfang in ber 
frreinbe mit bem 5IuSlänber (urgen $rogeß, gab mir 
ohne ©eitcreS „in Kummer Sicher ftoft unb 
SogiS, länger alS mir lieb war, ober brachte uyrfj 
unter „ficherm ©cleit" eher fort unb beim# alS ich 
eS gerabe wünfebte. 3)aS gab mir beim ©elegens 
beit# mit wahrhaft wnnberlidjen ©cfüblen baS 
fonft fo fdjöne beutfebe 33ol(Slieb: ,,©aS ift beS 
©eutfdjen 53aterlanb?" gu fingen. 

3n ben Sürftentbümern 9teuß machte ftch ber 
$articulariSmuS am erften unb am ftdrfften (unb. 
SRun, ba fod man ia auch in einem alten Streben* 
gebet fonntdglicb mm lieben ©ott gefleht haben: 
„©err, gieb Segen unb Sottnenfcbein f 
Sür 9teuß ©rctg, Scbletg unb Sobenftein; 

Unb woll’n bie Zubern auch waS ba’n, 

So mögen fie 3)ir’S felber ja’n." 

So mußte teb fchoit oom Anfang ftetS gewärtig 
fein, burch allerhanb fpißfinbige grageit ober ©ins 
würfe unterbrochen gu werben, wie g. s S. in ©als 
terSborf, allwo etn iunger ®octor, welcher in ©es 
jellfchaft meines alten SchullehrerS bie 33erfamnts 
inngen etmge ®?ale befnebie unb mich fobann um’S 
©ort bat. SS würbe ihm angebeutet, wenn er 
etwaS gum frommen ber 93erfammlung gu fagen 
habe# er fo thun möge. „$Rctn junger Jreunb," 
hob er bann an, „Sie legen offenbar tu Bbren 
Vorträgen gu otel ©ewicht auf ben ©lauben unb 
gu wentg auf gute ©erte, währenb baS Ghriften* 
thum hoch offenbar bauptfächlich gute ©erfe oon 
unS forbert." ©ierauf erwiberte ich ihm: „2Reine 
Bubörer werben mtr gut ©enüge Beugniß geben# 
bafg tdj tnt Stuflang mit ber Schrift gelehrt habe: 
ber ©laube ohne ©erfe tft tobt. ®och ebeufo: 
Sin fauler 59aum fann nicht gute Früchte bringen. 
®a wir nun aber alle fünblicber 32atur ftnb f fo 
muffen wir eben oor 51 Ilern burch ben lebenbigen 
©lauben an unfern ©ernt 3efum oon unferen 
Sünben gereinigt unb burch leinen ©eift erneuert 
werben; bann unb nur bann wirb aurfj unter geben 
unb ©anbei, untere ©erfe gut werben." „5lber 
Sie müffen hoch," fuhr ber ©err ®octor fort, „alS 
ein gebiibeter 'äRenfcfc einfehen, baß Sie bei ihren 
3ubörern gu oiel auf baS ©efühl wirten, fomit bie 
©cfabr laufen, baß einige überfebnappen mögen." 
©ier ergriffen aber ohne ©eitereS einige ber 3u* 
hörer baS ©ort unb fertigten ben ©errn ®octor fo 
gur ©enüge ab, baß er unS nicht ferner beläftigte. 
„UnS ift’S nicht bange," fagte ber Sine, „befürchtet 
aber ber ©err ®octor, fein SiSchen SSerftanb ooll= 
enbS gu oerlieren, fo bleibt er beffer weg." ©äh= 
renb ein Slnberer bemerfte: „®aS würbe ja nur 
gum Sortheil beS ©errn 2)octorS fein, ber ja fonft 
borfj nicht oiel gu thun hat." 

92un, folche Scharmüßel hätte ich mir gur SRotb 
noch gefallen taffen, allein eS fanben gar halb gang 
orbentltche Treffen ftatt. 

3US ich g. £3. am 25 . Februar 1851 eine 5lbenb= 


oerjammlung bei meinem Onfel Sttritolb in ßula 
hielt, unb währenb bie Bubörer aufmerffam bem 
©orte laufchten, gerfchmetterte ein SaugenichtS mit 
einem großen Steine ben ftenfterlabcn, fowie baS 
Senfter unmittelbar hinter meinem Ütürfen, fo ba§ 
mir bie ©laoftücfe um ben fiopf flogen. SOBohl 
hatte, glürflicherweife, ber ftramme beutfehe f5enfter= 
laben ben Stein nirf)t burchgelaffen, fomit würbe 
SRientanb oerlefet. 5lber war eS borf), al^ ob eine 
Äanone hinter meinem SMürfen abgefeuevt würbe; 
oor Scbrerfeu fanf irf) baher faft auf bie Äniee, 
währenb meine 3uhörer u^löfelicb auffuhren, 
einige grauen fogar auf bie Stühle, anbere auS 
ber Stube (prangen, unb nicht wenige auffchrieen, 
alS ob bie 2Belt am Untergehen fei. ®er Öefer 
wirb wohl glauben# wenn ich fage, eS nahm unS 
geraume Beit, biS fiel) fßrebiger unb 3uhörer hin^ 
reichenb wieber gefammelt hatten, um ben ©ottee^ 
bienft einigermaßen fortgufehen. SReinem Onfel 
würbe nun gwar ber Uebelthäter oerrathen, er oers 
(tagte ihn auih, allein auch biefer$rogeß lief (nimm 
auS: ber Saugenichts würbe oon leinen Spiefcs 
gefellen loSgefihworen unb fomit hatte mein Onfel 
noch bie ©erirf)tS(often gu begahlen. 

Slber bereits war eS am 30 . Januar 1851 in 
9?itfrf)ereuth, einem ©reiger ®orfe, gu einem ernft^ 
lieferen Sreffen gefommen. 3u biefem Orte hatte 
baS ©er! beS ©errn einen guten Slnfang genonis 
men. Schon waren mehrere rerf)t gefegnete gum 
größten Sheil oon Säuerinnen befuchte Serfamm= 
lungen abgchalteit worben. Son tiefen, oon ber 
öttlirfien ©ahrheit ergriffenen Stauen möchte e^ 
ann wohl manche ernfte ©arbineuprebigt ab= 
gegeben haben, wenn bereu SRänner fpät auS ber 
33ierfrf)änfe, welrf>e fie allabenblich befuebten, heim= 
(amen. Somit würbe irf) alS SriebenSftörer im 
®orfe erflärt, unb man lag ©errn $aftor SRefch an, 
SriebenSftifter gu werben. ®iefer ließ beim aurf> 
nicht lange auf fich warten. So freunblicb hatte er 
(ich 5lnfangS gegen mtrf) gegeigt, baß er felbft ber 
SSerfammlutig einmal beigewohnt unb fiel) nicht 
ungünftig barüber geäußert; allein jefet hatte er ans 
bereS fciait befommeu, hatte baher lebten Sonntag 
eine ungewöhnlich gewaltige 3kebigt über 3trs 
lichter gehalten unb traft feines ?hntcS auf baS 
Sntfrf)iebenfte baoor gewarnt. Unb fiehe — feine 
Schafe hörten feine Stimme unb fie folgten ihm. 
So waren biefe SSauern auf benfelbcn 5lbenb, aber 
oor ber ©anb gu einer aitbern Sßerfanimlung, git= 
ammen gerufen. 511S ich im Orte aitfam, fanb 
ch 5l(leS in ©rfjrerfen oerfeßt. 3>on anbern ®ör= 
fern fanb Rrf) eine 5lngahl Buhörer ein, aber nicht 
nicht oom Orte felbft. ®or S*urrf)t unb Srwarten 
ber ®inge, bie ba fommeit füllten, oerbuftete gulefet 
auch felbft itnfer ©auSwirth. s 3iicht lange barauf 
iebod) war nirf)t nur fein fßlaß# fonbern bie Sücfen 
aller 5lbwefenben mehr alS auSgefüllt, unb faft ein 
3eber geberbete fich, alS ob er ©err im ©aufe wäre. 
$och nie hatte ich baS©auS alfo angefüüt gefehen. 
5lber fchabe, irf) tonnte biefen 5(benb (eine 3>er= 
fammlung halten, fonbern bie SBerfammtung hielt 
mich. Unb welch eine geiftreiche, beffer gejagt fpU 
rituöfe 3Serfammluug war baS — welch 9luflcbung 
gab’S babei? Sin ©lürf für mich war eS, ©err 
s Bürgermeifter 53lib war früher ein greunb oon mir 
gewefen# ließ mich baher auch ießt nicht gaiu im 
Stich, fonbern fo oft ich unfanft erfaßt ober gegen 


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Jreub unb #eib< 


93 


bie 23anb aebrücft mürbe, eilte er mtr 411 Öilfe. 
Soch eubüdp eröffnete et mir: «Sie miffen, mir 
haben einen Ritten Bnftor — mir moden niefit oon 
nuferem ©laufen abfaden unb münfehen Stieben 
nnt* fRuhe in unfetm $>otfe au femafiren — bafier 
bin ich firaft meinet 91mteS genöthigt, 3hncn baS 
9lbhalten pon Versammlungen allhicr au verbieten, 
unb Sie aleiefecitja aufuifovbevn, beu Crt fogleid) 
111 perlaffeu." T>er öerr Bürgermeister befarn 
mcfil 00 m Flinte tn ©reiA einen VermciS, au einem 
repolimouärenDlft Veranlafjung gegeben au haben, 
bech auch glcid)Acittg ben auSlänbifcben Stnbring- 
img, un 2 Bieberholungsfad, perhaften au iaffeit. 

9tucb in Sorge, einem Seife , meld)eS Amijchen 
reu ©reinen liegt, unb Amar io, ba& ein Shell beS^ 
reiben nun föniglid), ein anbever ginn gro&bevsog- 
(ich jächiiidwu unb ein brittcr nun füvftlidr veu§i= 
Scheu ^aitbe gehört, batten mie einige reefit ante Ver- 
Sammlungen gehabt. Sicielfen fanben bei Sßittme 
Vtafler, bereu öauS Anfällig im veufeiicfieu ganbe 
laa, ftatt. 911S icb aber am 20. 9D?ärA 1851 gegen 
ftfenb nnebev bahin ging, fonnte man fefion Don 
Jfenie ben entfeplicfen gdrni eiltet VöfelhaufenS, 
icelcfer DaS öauS umfefimdrmte, hören. SKcin 
trüber, welcher midi begleitete, rietb jjur Umfehr, 
bod) ichemueberteihm. „Bange machen gilt nicht." 
©ir famen auch glücflid) in’^ÖauS. 9ÜS icfi aber 
meinen Vortrag über baS ©leichnifc 00 m Säemann 
begonnen unb noch über ben erften Sheil fprad). 
„ffienn ^emanb baS 2Bort 00 m ^teidie hört unb 
nicht Betriebt, io fommt ber 9lrge unb rei§t eS ba= 
bin, maS gefäet ift in fein Öen." 

Siehe, ba brängte fidr ber9(mtSbiener aiiSSreU 
mit uoei Solbaten in Die Veriammlung, aber nicht 
eima alS 3uhörer, foubern alS 2Bortführer, inbem 
er Sogleich, unb ohne um Srlaubmh au bitten, einen 
ÄmtSfefebl oorlaS, bahin (autenb: Sie Vcrfamitu 
tung ohne 25eiteret aitfnilöien — mibrigenfadS ben 
Führer berielfen Mi oerbaften. Sa nun bieie "Be- 
reble immer mie ber 3Rebcr unb Beriet ©efefee mä¬ 
ren, bie nid)t peränbert ober übertreten merben burf- 
teu, io machte ein "Bauer ben Vorfchlag: „Saffcn 
Sie uuS in mein ÖauS gehen, baS liegt im ©rofc 
feno^thinn 25eimar, unb ba haben unS bieie Jer¬ 
xen nichts ui befehlen." So.3 hätte nun auch ber 
Sntferuung megeu mohl leid)t gefefehen mögen, 
allein ber Böfelhaufen mürbe hierauf io beftialifco 
mttbenb, bah für bieien 9lbcnb an fein meitereS 
^untreuen beS göttliri)en SamenS Mi benfen mar. 
Set Säemann Aog eS melmcbr por, fid> fogleich 
mit ber 2Heiiae bureb bie por ber Shür in Leihen 
auigefteüten Böbelbaufen au bräunen. ©lücflidier 
Seife mar es jene 2?acht entfefclid) finiter, fomit 
tonnten bieie Spieftgcfedcn ihre Knüttel nid)t an 
ben rechten 2Kann bringen. Einige fdjrien mohl: 
/?aS ift er!" bod) mären fie eben nicht im filaren 
- unb, ba ich eS niri)t für rathfam hielt, fie bar= 
über aufniflären, pielmebt miefi im Stillen unb 
uub icblcunigft auS beut Staube 411 machen, fo fam 
:ds io leib e3 bem Büfel and) mofil tbat, bod) biefen 
2lbenb mit heiler Öaut baoon. 

'Äandunal mar ich freilidi nahe baran meich ju 
werben 1111 b ba^ öafenpanier ui ergreifen, bod) 
lieh mich ber treue ©ott nicht über Vermögen oer= 
nicht tmben, foubern alle SSerfudningen So etn 
l^ibe geminnen, bafi ich fie ertragen uub mit$ait(o 
Wennen fonnte : rr® ir haben aOeutfialben jrüfe 


fal, aber mir ängften uii^ nid)t! Uit3 ift hange 
(mir sagen), aber mirberjagen nid)t. 2B(r leiben 
Verfolgung, aber mir merben nkfit berlaffeu. 2Bir 
merben unterbrüeft, aber mir founnen nicht um." 

Solche^ erfuhr id) unter 91nberem and) in ©roh- 
funborf, einem mcimarifd)en Scrfe. 9li:cfi hier 
hatte baä 25erf einen oerfbredjenben SInfang ge-- 
nomnien. Unter 9lnberen mar eine moblhabenbe 
2öittioe, 9?amen3 2öaguer, nehft thrcr Jod)ter unb 
ihrem iüngftcn Sohn sum Öen*n belehrt. S*e 
Sod)ter mar nnt einem ber erften Bauern unbBier^ 
brauer oerheiratbet, meldier fo ungehalten er an¬ 
fangs über bie Belehrung feiner ftrau and) mar, 
fie bod) enblid) gemähten he§. SRun aber lieh cS 
®ott tu ferner munberbaren Vorfehung nt, ba§ 
bieie Jyrau »nt fiinbbctt burd) 9)iild)fieber trrfiniüg 
mürbe. SaS mar aber 25affer auf bie SBühlen 
ber Vielt. 25ohl erllärte ber öofrath auS ©reis, 
biefc firantbeit habe ihre gans natürlichen Urfacheit, 
aber bod) horten and) hier bte Schafe auf bie 
Stimme »hreS Bciftoreu, meld)er behauptete, ber 
2Nethobift habe fie oerrüeft gemad)t. SS mar mir 
baher am 15 . B^ärA 1851 , umbeSJumulteS miOen, 
faum möglich Verfatnmlung bafelbft mi halten. 
911S td) aber am nächften Vormittag bie hcimge= 
juchte Samtltc fefudite, um thr, fonberlid) ber2But= 
ter, Sroft nijufpredten, fo mellte mid) ber Biet- 
fnedit, ein Bruber ber firanfen, burchauS burchprin 
gcln. ^Dicfes lieh nun jmar bei ©auSmirth feinem 
früheren ftrcimbe nid)t gefd)ehen, erfaßte ihn aber 
felbft feint 91mt, führte ihn Aum Öaufe hmatiS biS 
in bie 2)?ittc bes SorfcS unb erllärte ihm fobann: 
„So, tch mtU Sie bieSmal noch tm ^rieben abAic- 
hen laffen — aber fommen Sie mit nie mieber tn 
niein öauS, fonft gicbtS etmas SBarmeS." 

91ls id) nun, als ein ^Inch ber 2öelt unb ^eg- 
Opfer aller Ceute, mitten im Sorfc baftanb, ba 
mollte eS mtr hoch au bid merben. 25ar mtr'S bod), 
alS läfie baS gaitAe Sovf auf mir. 3d) Suchte beS= 
halb auf bem lürAeften 25ege auS bem Sorfe hin= 
auSAiifomtneu unb lenlte meine Schritte heimmärtS. 
3mar hatte id) eine neue Befteüung am fclben 
9lfeitb in 2BalterSborf, meldicr Crt ungefähr fünf 
3Keilen nörblich, mährenb mein öeim fünf Bieilen 
fübmeftlid) pon hier lag. Soch mie foüte, mie 
fonnte ich unter biefen Umftänben noch meiter por- 
bringeu ? ©ing mir’S bod) mie SltaS bort: „911S 
er baS fahe" — ja eS fdnen and) mir beutlich — bie 
?eute mellen bich ntcfit hören, moden fich nid)t au 
®ott lehren — Deine Arbeit ift eergebltd) — übri¬ 
gens flimmert fid) and) ©ott nicht um bich, noch 
um feine eigene Sad)e, läßt pielmehr bem Senfe! 
freies Spiel, läftt ihn fiegen, ba mad)te er fid) auf 
unb ging mo er hin mollte, in bteSBüfte. ©0 ging 
ich in ben 25alb unb fagte unb flagte bem liefen 
©ott: „SS ift genug!" ©enng gefämpft unb ge= 
ftritten — id) fann nicht meiter, foubern Atche mich 
Aiirftcf, fenbe einen attbern. Sod) ie ipeiter icfe ge- 
gangen, je öfter ich gebetet hatte, ie mehr oerfiegten 
meine Shränen, perftummteu meine filageit. vllb 
mählich fing id) gar an mid) berlefetcrcnAU fd)ämeu, 
unb Siehe, che id) nod) halhioegS heim mar, maren 
fie in fcobgefänge oermaubelt, beim mein Öen mar 
mieber mit neuem 2)?uth unb neuer firaft erfüllt. 
3n Begleitung 001 t Br. diabe auS Cbergeifienborf 
lehrte ich mieber um, ben noch bie firiege beS ©errn 
meiter ju führen. Q^cr Öen aber ftanb mir an te= 


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94 


J?roteßantifd)e Qfyeologte, 


ncm 9lbenb fo fräftiß bci f aab etiteu fo herrlichen 
Sicß, ba§ ich mit meinen Smiberii auf bem ©eint* 
meße 3imtdlieber fiitßen tonnte. 

Unb ber ©err fußte ed beim auch fo, menn mit 
auch bie unb ba ein Ort oon ben fteinbeit oerfd)lof= 
jen, ober ein anberet meßcit Srfolßlofißfeit 'aufae- 
$eben mürbe, ficb mit mieber ©büren öffneten; bie 
.s^eilfucbenben unb Sefebrten tarnen aber bann oft 
teilen meit nacb ben Orten, mo reßeltnäfjiße SSer- 
faminluußen ßebalten mürben. 

@o ßcfcbah ed, nadibem icb öfters in SMittenborf, 
oier JHeilcit meftlicb oon meiner ©ciiuatb, git ßro* 
feen JSolfdmafjeit, boeb ohne ficbtlicben Srfolß ße* 
prebißt batte, ba| am 18. SÖJärg, nad) einer 9Scr= 
fammluiiß bafclbtt, ficb einige SÄännet ald Äunb= 
febafter mir oorftettten. ©et JBortfübrcr, ft. 
ßfcbieaner oermetbete: „SS haben ftcb auch in un* 
ferm Urte, feebd JJZeilen oon hier, febon ßeraume 
3eit eine 9lngabl JBeber fonntäßlicb oerfammelt, 
um ficb in ©otted JBort gu untcrbalten unb gu er¬ 
bauen. JBit.baben aber SKtemanb, ber und anlct* 
tet. Somit finO mix audßcfanbt, Ste einmal bre- 
bißen gu bören unb Sie bann bergheb etngulaben, 
amb hinüber gu und gu tommen unb und gu 
belfern" „Sßun bad maß mobl ßefdjebeit," eiitßcß* 


nete icb, „im Satt 3br ein bergücbed Verlangen 
habt, ben JBea bed ©ettd fennen gu lernen, tbn 
aber bann amb gu betreten, Such gum ©errn gu 
belehren." ,/^a, bad motten mir," fuhr ^Kbieauer, 
melcber an bietem 9lbenb maditiß ergriffen morben 
morben mar, unter ©brauen fort, „tommen Sie nur 
recht halb gu und*" — ,,©od), ba ift noch Sind," er- 
miberte icb; „3br feib JBeber, merbet bann auch ein 
ßeräumiaed Üotal fidterit fönnen?" „9lucb bafftv 
mirb ßeforßt," antmortete er freubiß, ,,id) habe »m 
obern Stodmert meines ©atijed teilte Sdjeibemänte 
unb jo merbe icb ben ßangen SRaum beffelbeit bagu 
räumen mtb bcrridjten." 

hierauf mürbe bann bie erfte 9?erfammlunß für 
©örtenborf auf ben 25. JRärg 1851 anberaumt. 
J3r. 3fd)ießuerS ©aud mar aber bereits bad erfte 
Jßal fo überfüllt, bafe ed faunt bie JRenae traßeit, 
noib oiclmeitißcr faffcit tonnte, ffion Stunbe an 
mar nun ©örtenborf ein reßelmäfeißer JJrebtßt- 
plafe. 

©er ©err fammclte fid) auch hier, mie mir feben 
merben, ein ßrofied J?olf; oon hier aber breitete ftdb 
bann bad J3crf meiter and — ttnb ©örtenborf 
batte bie Sbre, bah hier tm 3abre 1866 bie erfte 
ßapefle unferer Sadifcit-JEiffioit erbaut mürbe. 


Charakteristik ber proteflttiittfdje« Ideologie unferer |eit 

®om Stottor. 

(6<b luft.) 


ebft biefen beiben Syttcmen — bem föabifalid* 
mud unbbererftarrtenSonfefüon, beliebt eine 
anbere tbeoloßifcbe ffiicbtunß: 

3) ©ie eoaiißeli febe bi belßläubtßc 
© b e o l o ß i e, melcbe breierlei cbaralteriftifche 
JBerfmale auftoeift: 

3um erften tücbtiße, miffettfdjaftlicbe Mudbilbuitß 
unb mabrbaftiaer Sortfcbritt. 

Scbleiermacber’d befümmerte ftraßeit, ob beim 
ber knoten ber®efcbid)te fo audeinanber ßebeit fott, 
bafj bad Sbriftentbum mit ber Unmiffenbeit unb 
unb ber Uiißlaube mit ber SEBiftcnfcbaft oerbttitben 
merbe — mirb oon ber bibelßläubiaen ©beoloßie 
unferer 3eit mit bem oon ihr ßefteeften 3ide nach 
böcbfter 9ludbilbuiiß unb^ortfdmtt int beftenSinne 
bed JBorteS beantmortet. ftreiltd) mirb hier nicht 
bie SSernunft, fonbern bad JBort ©otted ald Soit= 
oerain auf beit ©hron erhoben; ber ftortfdmitt bie* 
fedßaßerd beftebt nicht barin, „in ber JBiffeitdfunbe 
immer mehr gu miffen, iit ber ©heoloqie immer me= 
nißer gu ßlauben unb iit ber JJhilofophie immer 
mebr fiunftmorte gu entberfeit ;"•) biefer ftortfebritt 
fchreitet nicht ooin behaupten gum Cäiißiien, fon= 
berit oom ©laubeit gum JBiffen, unb ooin JBiffen 
gu immer befferem ©laubeit unb felbftftättbißerer 
Sinficht. 9lttf feftetn mtbemeßlicbem ^uitbament 
mirb fort unb fort meiter ßebaut unb ßeforfdtt, fo 
bafe, inn bilblicb gu reben, aud bem alten ©runbe 
ftd) forttoäbrenb neue befruebtettbe 23äd)e eraieben, 
beim bie mabte ©beoloßie ift tti^t toie ein Reifen, 


*) ÄÄftncr. 


mooott ieber Sturm mieber neue Steinororfen afc 
fdiläßt, fonbern mie ein ©ranitßrutib, mooon ber 
SOBinb blöd beit Sanb meßbläft, unb moritt ficb bie 
oerborßene Oitette fiitbet, moraud bad Öebendmaffer 
unattfbörlid) emoorquittt. ©amit nun biefer Strom 
bed hebend recht flar unb lebendfräftiß fprubele, 
bat bie ßläubißc ©beoloßie ber ©eßettmart „6r= 
fen tt tu ift"’ auf’d ffiattttev ßcfdiriebett, beim fte 
ficht ein, bafg obmobl bad Sbriftentbüm obne©ülfe 
ber eißcittlidien Söiffeufdiaft ober ©elebrfamfeit qe- 
arüiibet, baffelbc ohne bicfe ©ülfe ficb unmöglich 
licßreicb beit ©eßttern ßeßenüber ßeltenb madien 
fann. llttfere ~~ un ^ *W bied ihr SWnhm 
unb ibre Sinfeitißfeit gitßleicb — leßt ßrofceti ^adt^ 
brud auf bad JBiffen. ©ie mabre©beoloßie brüeft 
nidd bieSlitßeit gu, um nicht git erfennen, madrtitßd 
ttmbet oorßebt; nein, fie ftrebt nach bem heften, 
nach bem 9lllerböcbften mtb ber ©beoloß, toclcber 
biefed Streben mit einem mitleibiaen 9lcbfelguden 
abgutbnit oermeint, ber bleibt einfach babinteit. 

©ie beutfehen ßläubißeit ©beoloßen haben ficb- 
anerfanittermafieit ald ^orfdter ßtobe JJerbienfte ev^ 
morben. Sie finb mie bie Scrßleute, melcbe bad 
Srg aud bem Scbadtt and ©aaedlidit briitßctt, ba- 
mit ed anbere oerarbeiten; ed fittb bie93abitbred'cr, 
melcbe nach atteit fWicbtiuißeit JBea uitb Steß für 
oiele 92acbfolßer eröffnen; ed ftnb Fachleute, bic — 
ieber in feiner befoitberen 9lbtbeilunß — fruditbare 
©ebanfeit unb ßrünblicbe Orißiitalarbeitcn liefern, 
melcbe in ber JBelt aldbalb fo gu faßen oon ©ano 
gu ©aitb geben, ^liefet bie unb ba and) etrnad 
Speculation mit ein, fo ift bedbalb ber batßebotene 



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ffroteftontifdje Sljeolegie. 


95 


@d>ab nidjt weniger wertbootl, wa3 in ber tbeo!o= 
gifchen SBcIt auch allgemein anerfannt wirb, beim 
e$ wirb wohl bie3feit3 unb ienfeit3 be3 Oceau3 
(aum ein namhafter Dbeologe 311 finben fein# wel¬ 
cher nicht in ber Sage ift, fid) mit ben ßrgebuiffen 
ber gläubigen Xheologie Deutfd)lanb3 befannt 311 
machen. 

äber auch bie anglofädjftfdje Dheologie bat auf 
alten Gebieten Bebeutenbe3 geleifiet, oorncbmlid) 
aber im j$ad) ber praltifdjen Bibelauäleguug unb 
Der ^omiletif unb e3 ift 311 bebauetn, ba§ biete oor= 
wgltdjen Arbeiten in Deutftfdanb nidjt beffer be= 
fannt jtnb, benn biefelben würben burdj ihre pofi= 
tioe, praftifc^e Xenben* ohne allen 3 't>eifel einen 
febr wohlthätigen Ginfluh au3üben. ©eftattete e3 
ber Saum# fo Knuten wir eine gan 3 e Seihe eng* 
lifdjer unb amerüanifdjerXheologen nennen# welche 
nicht blo3 al3 Bibelerflärer unb Homileten ficb 
audgeseidmet# fonbern auch auf anbern Gebieten 
ber Xheologie grünbtiebe Arbeiten lieferten. Sei c 3 
gcitügenb, 311 tagen, ba§ bie Angelfacbfen mit beit 
Oermanen unb anbern wetteifern# bie eoaugelifd>e 
bibelgtdubige Xfceologie 3 ur bödjften ©tufe ber Gr= 
(enntnih ju bringen. 

3um ^weiten ftrebt biefe Sichtung aber nicht 
allein nach tüchtiger Srfenntnif?, fonbern fie fuht 
auch auf bem © la ti ben unb forbert benfetben. 

Bor Willem ben ©lauben an ba3 2Bort 
®otte3 al3 pofitioe Offenbarung. Unfer ©e= 
bäube mu§ auf einer fetten ©runblage ruhen# unb 
bteteS Sunbament barf nicht menfdjlich, e3 muh 
göttlich fein — bie3 ift ber ©vuitbfafe biefer Xbeo= 
(orte. Die Berufung auf ba3 (ircblidje Be(ennt= 
niR# ober auf ba3 schriftliche Bewuhtfein" thut e3 
nicht, Denn unter biefen Bahnen fönnen gar man= 
cherlei "Behauptungen eingefchmuggelt werben, bie 
,timbamentalfäfee betreffen. Die Schrift aber wirb 
mw e f e n 1 1 i ch e n Dingen immer eine einheitliche 
®runblagc bieten, fo fehr oerfdjieben bie Anficbteu 
auh in Sebentachen fein mögen. 

ül(e Ströme# bie hier flieien, weifen auf eine 
unfehlbare Quelle suriicf, auf ben perfönlidjen 
ifbriftuS unb bie Offenbarung pon ©otte3 2Bahr= 
heit unb ®otte3 ©nabe in 3hm. Diefer ßbriftu 3 
>fu3# hochgelobet in Gwigfeit# ift ber B?ittelpun(t 
Cer gläubigen Dbeologie# oon bem au3 über©ott, 
aber bie STOenfchen unb über beiber Berhältnih ba3 
triebt ber JBahrheit aufgeht. S?it biefem ©runb= 
unb ßefftein wirb ba3 tbeologifcbc ©cbäube tmser- 
treunlich oevbunben; nicht mit e i n e m ß h r i ft it 3, 
wie ficb ihn Der ober 3mer auSmalt, nein — mit 
fcern ßhriftu3, wie 3bn ba3 Beugitih be3 ßoange^ 
!ium3 überliefert. G3 loirb erfannt, bah nur allein 
trr biftorifdje ßhriftu3, ber ©ottmenfeh geftern# 
heute unb in Gwigfeit berfelbe# ber theologifcben 
Siffenfcbaft unvergängliche ?eben3fraft mitsutheh 
£en oermöge, unb bah in 3hm bie &eil3wahrheit 
ielbft oor ba3 erleuchtete Auge tritt. 

Die gläubige Xhcologie nuferer 3eit geht jeboch 
heutsutage# nicht alleinig unb bort# fonbern 
j(lerort3 noch einen Schritt weiter# inbem fie 
betont# bah Diefer oor ba3 erleuchtete Auge getretene 
tihrijtud Bcftfe 00 m föersen 311 ergreifen# wahrhaft 
in bemfelbeu 31t leben habe, folle e3 anber3 mit bem 
Jheologen rid>tig beftellt fein; benn wobierimfc 
liehe ffiahrheit bio3 bem Äoofe eingeprägt, ba wirb 
ne gar fdjnett pon anbern ©ebanfen au3 bem ©e^ 


htm oerbrängt, wo fie aber wirtlich ba3 £>ers nicht 
blo3 berührt# fonbern eingenommen hat, ba weicht 
fie fo jchnell ntcht herati3. Die Stubirftubc foll 
auch aum etnfamen Betfämmerlein werben unb bie 
heilige Schrtft ift nidit allein mit bem Auge be3 
ÄriüfeV3 31 t unterfuchen# fie ift auch aitfsufc&lagen 
mit bem 3luge be3 Sünber3, ber feinen Freibrief 
lefen will, mit bem fersen bc3 Sohne3, ber bie 
Stimme be3 35ater3 311 hören wünfdjt. ®iefe alten 
we3leoauifchcn ©runbfäfee gehören aur ßharafte= 
riftif ber heutigen gläubigen Rheologie aller 3?ölfcr. 
So oicl immerhin noch 31 t wünfd)cn übrig bleibt — 
in biefer Bestehung ift bie Sonne aufgegangen. 
S3 tagt meine Brüber! unb gaus befonbcr3 erfreu¬ 
lich ift e3, ba§ bie gläubige Xheologic Deutfdtlanb3 
bei iebem Jhcologeit beu perföulichcit Seben ersetz 
genbett ßhriftu3glauben Porau3fefet unb forbert. 
Selhft Biäniter, toelche ihrer fpefulatioen 9iid)tung 
wegen oft su ben Segirenbeit gesählt würben, 6 e= 
fennen, bah ßhriftu3 ber Siittelpunft ihre3 Den= 
(en3 unb chriftlidien 8eben3 fei. So 3. B. fchreibt 
Sidiarb Sothe: ##Da3 Sunbament afle3 ineiite3 
Deitfen3, ba3 barf id) ehrlidi oevffdiern, ift ber ein= 
fadie ßhriftenglaube, wie er (nidit etwa ein Dogma 
unb irgeitb eine Rheologie) feit achtsehit 3 ahr- 
hunberten bie SBelt ftberwunben hat. ßr ift nur 
ba3 lefete ©ewiffe, wogegen id) jebe angeblkhe ßv= 
fenntnih# bie ihm wioerftrittc, unbebeuflich unb 
mitJVreuben bereit bin, in bicSAanse su fchlagen. 4 ' 

Victus vincam — überuuiubeu will id) über- 
winben — bie3 war and) bie Sofung biefe3 grojjcn 
Seligion3phtlofophen# e3 ift ba3 STOotto ber bibel^ 
gläubigen Dheologie; unb fo lange ba3 dmftlidie 
©Iauben3lcbcn bic Ärone unferer theologifd)en 
SBiffenfdiaft ift, hat fie (ein Sterben 31 t fürd)ten; 
fie wirb überwinben. 

Dah nid)t b!o3 ber hiftorifche# fonbern ber per= 
fönlidje# lebenbige ©taube eine ßharafteriftit ber 
heutigen gläubigen Dheologie ift, basu hat ber 
9)?ethobi3mu3 mehr beigetragen, al3 irgenb eine 
anberc eoangelifdic Beioegung. ©ersen3frömntig- 
(eit oorttan ftellenb# fovtwährenb 1111 b nachhaltig 
hcilige3 ßhriftenleben betonenb, gab ber 3Jfethobi3= 
mu3 Beranlaffung sur©rünbung ber eoangelifd'en 
Bartei in ber anglifanifchen Kirche# bemonftrirtc in 
Smcrifa — namentlidi bem erftarrten ßaloini3mu3 
gegenüber — wa3 eine Rheologie, bereu Sife ba3 
©ers ift, au3riditen fann# wirrte al3 guter Sauer¬ 
teig in ^rait(teid), Dcutfthlanb unb Sfanbinaoien, 
unb hat unftreitig ba3 SSerbienft, ber thcologifdien' 
unb chriftlichen SEelt im Allgemeinen fort unb fort 
porgebalten 311 haben unb nod> oorsnhalten, bafe 
ber lebenbige ©laitbe au ben ©efreusigten Stern 
unb fiern ber Iheologie fei unb bah r3 gelte, nun 
ba 3 Banier su entfalten: In hoc signo vinces — in 
biefem Beidien wirft bu fiegen. 

©äbrenb aber ber Glaube an ß h r i ft u nt 
ba 3 hauptfächltdifte dmrafteriftifdjc 50?er(ina! t iejer 
Sichtung ift# barf man nidit wähnen# baf; bieiclbc 
^onfeffion3lo3 fei# unb ba3 Sufammenfafien b!cfc3 
Bibelglauben 3 in ein firdiltdie3 ßrebo gar nid't 
geftatte. 3 »t ©egentheil befennett fidi faft al'e 
biefer Abtheilung Angchörenbeit 311 irgenb einem 
BefcnntniS; aber fie (teilen biefe3 nidit über bie 
v>auptfacbe — ben hiftorifdten unb ben perfjutlieben 
Glauben, ftür fiel) auf ©ntnb ber Schrift coan= 
gelifd>c Freiheit beanfp\ud)enb# geftatteu fie biefelbc 


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96 


J?roteßanttfil)e Qtyeologfe 


auch anbern linb fdjleubern fern 2lnatbema wie bet 
SonfcffioiialiSimiS, wenn irgenb Jentanb, ber im 
©tauben fleht, tn feinem Grebo betrefft weniger we= 
fentüdjer ©tnge aowekbt. 

3 u m ©ritten bat bie gläubige Sheologie in 
neuefter 3eit eine entfebieben praftifebe SRkbtung 
eingefd)lagen. 5D?an bat auf engüfebem 23obeit 
fowobl alS beutfebem grinbltcb erfannt, bah cS 
gelte, Diele Draftifdj brauebbate SRenfcben, nicht 
allein unioerfell gebitbete unb dmftgläubige Sbeo* 
logen in bie 3Belt zu fenben. Unfere 3ctt ift Draf- 
tifefe unb beurtbeilt bie 25riitsiDien nach ben SRcfuh 
taten. 25er biefe Seit in gutem Sinne beberrfeben 
unb feinen SfRitmenfdjen bienen will, bet muh ein» 
greifen. ©beologifdje 3änferet unb ©aarflau» 
betet aber oertnag nicht cittsugreifen. ©3 ift Diel- 
mebt bet aller angelernten SBiffenfdbaft ttitb aller 
© läubigfeit beS ©erzenS ber Dt a f ti f eh e 81 e b e S» 
bienft n 61 b i g. 5Ridjt ber wiffenfdwftlich ge» 
bilbete 3Reiftcr, nicht bet rechtgläubige Seoit, fon» 
bern ber barmherzige Samariter ift eS, ber frf>Xie§= 
Itch ben Unglüdltchen im ©leicbnih rettet. 

3Ruh nun betrefft beS uitermüblicbcn SorfcbenS 
nach befferer ©rfenntnih ber beutfdjen gläubigen 
SEbeologie ber SSorrang eingeräumt werben, fo bat 
biefelbe auf bem Draftifcben ©ebiete ben angelfädj» 
ftfdjen Srfibem auherorbentticb Diel zu oerbanfen. 
©er ©eutfdje ift wie ber Bergmann, welcher bie 
Siefen ber Srbe burdjwüblt, umbaSSra aurSonne 
SU bringen; ber 2fngelfacbfe fcbmiljt baffclbe unb 
verarbeitet eS au 90?afcbtnen, welche bie SBelt in 53e» 
wegung fefeett. ®cr®eutfche gräbt ben artefifchen 
S3runnen unb fdjaut mit inniger ©erzenSfreube auf 
um oielgeftaltigeit SBaffcrfDicl; ber Sitgelfachfe 
a§t ben Strotnguell in ©eiche unb führt bie 
SBaffer a« wüften ©inöbett, um auS oenfetben 
fruchtbare ©efilbe au fchaffen. ©iefetn nationalen 
©ruitbaug gemäh, bat fich auf aitgelfädjfifchem Sto¬ 
ben, in (Snglanb fowobl alS in ben SSer. Staaten, 
bie Draftifcbe Sbeologte aür erfrcitlidSen 33lütbe ent» 
wirfelt, fowobl betrefft ausgezeichneter Citcratnr alS 
bezüglich ber SRefultate im SiebeSbienft ber tnnern 
äftiffiott. 

. ®ie ©eutfdjen aber, aufgewerft bitrdj bie anglo» 
fäcbfifcben SSerbünbeten, haben (ich mit ebenfo gro» 
ber ©elebrigfeit alS mit lobenSwerthem ©ifer biefeS 
Draftifcben ©ebieteS bemächtigt, wooon nicht bloS 
bie Siebestbätigfeit auf alten ©ebieten, fonbern 
waS für ©cutfchlanb beinahe noch bezeidjncnbcr ift 
- t au4 bie Siteratur 3 eugt, waS ein 
ffllidf auf bie 2?re§erz'Migniffe beS lebten Jahrzehnts 
beutlich beweift. ®a wirb nach allen ihren 
Seifen nicht bloS bie Draftifcbe Sbeologie behan» 
beit, fonbern Seih unb Lebensfragen befDrodien, 
über allerlei Slnftaltcn, ©UfSmittel, Sdiäben tinb 
angcftellte ©tDerimente mit einer 9luSführlichfeit 
unb ©rünbüdjfeit referirt, bie Serwunberung er» 
zeugen, ©in ftorfeber wirb zwar ber betttfebe, glätt» 
bige Sheolog ftetS bleiben — unb wir freuen unS 
be§. ©inige werbtn immerhin noch ©ewebe ber 
SDefulation über ben ©cifteSleib unb anbere Sein» 
betten fninnen, ober oermorrene chiliaftifcbeSrätime 
haben, weil bie Sorftellungen ihres fircblicben ober 
biblifeben 2?ealiSmuS fich nicht fchnell genug Der» 
wirtlichen wollen, Jm ©ansen aber hat bie gläu» 
feige Sheologie ©eutfdrtanbS eine e n t f cb i e b e n 
D r a 11 i f ch e SRidjtung eingefdjlagen. ®aSJungs 


©eittfchlanb berfelben hat fich mit ber Sibel in ber 
einen, mit wiffenfchaftlicher 2luSrüftung in ber an¬ 
bern ©attb, itito Shriftum im ©erzen, auf ben 2 &o» 
ben beS realen SSolfSlebenS geftellt, unb fäuipft mit 
ben gegebenen 25affen für ben ©nb-Sicg, fo ba§ 
heute bie D^aftifche Sheologie in ber ganzen Dro= 
teftantifch-gläubigeu 9Selt im SSovbergruub fteht. 
9Jid)t einmal bie SlDologetif wirb gegenwärtig fo 
ftart betrieben wie in ben fedvSziger Jahren, unb 
wer immer unb immer wieber fid) oertieft tnS „Jlltcr 
ber ©rbe" unb in bie „©in heit beS 9)c etlichen- 
gefd)led)tS," ber ift 15 ober 20 Jahre hinter ber 
Seit, ©ie Aufgaben ber ©egenwart finb fo brin= 
gettb, bah fitb bie gläubige Sheologie nicht mit ben 
SBtfeen JngerfoflS, noch mit jeber neuen ©ntbcrfuug 
ber ©arwiiiiften befaffen famt, SSielmehr erfen- 
nettb, ba§ lange genug an ber See= unb fiaiuDfeS- 
tüchtigfeit beS Schiffes gerüftet warb, fteuert fie baS= 
felbe auf bie ©ohe beS 2)?enfd)enlebeitS, bainit ber 
©nbzwerf erreicht werbe. Sie ift überzeugt, bah bte 
Seit gefommen, in welcher man mit bem auf 
2 Biffenfd)aft unb ©lauben geftüfeten 
Seugnih Don ©hrifto, ohne taitfenoerlei 
©inwänbe au beantworten unb hunberterlei SRücfs 
flehten au nehmen, agreffio auf Draftifcbem ©ebiete 
Dorzugehen habe, falls SRefultate erzeugt werben 
fotlen. 

©iefe Drafttfdje SRidituna hat in SSerbinbung 
mit bem berfonlithen 63lauben auch bie Ülnnäbe* 
tttng unb SSerbinbuttj ber oerfthiebenen bibelgläu= 
bigen Söefenntniffe, bte Union, bie Sllliana erzeugt, 
©rfennenb, bah eS einen gemeinfdiaftlichen ©ntnb 
gebe, auf bem man fid) brüberlich begegnen fonne, 
unb fühlettb; bah zur Sefieguttg beS gemeiufamen 
fteinbeS ©tntgfeit etforberlich fei, würbe bie Streits 
Rheologie oerabfdiiebet, unb bie Slnuäherung, bie 
SSerbinbung ber zufammen gehorenben ©lemente er= 
folgte. Sold>e 2llüana hat fiel) ttad) unb nad) m 
entwideln; fie tarn burch biDlomatifdie Unterhanb^ 
lungen nicht gemacht werben. Sie wirb geboren 
bttreh gegenfeittgeS 33erftehen unb 2ld)ten, tn Solge 
berer *— bie 93erf (hiebenheit, wie bie Der» 
borgene Sinheit zom SSorfchein fommt. 
Solche geiftige Ginheit famt beftchen ohne ätthere 
©införmtgreit, unb eine folcbe geiftige 6 onfobera= 
tion aller berer, weldje im GMauben ftehen, au 
Stanbe gebradit au haben, bieS ift zweifetSone eines 
ber SRefultate ber Draftifcben 9?id»tung ber bibel* 
gläubigen Rheologie unferer Seit. 

Sie wirb bie ©beologie ber Sufunft fein. ®ie 
©onfeguena ber Negation fattn fdiliehlich nichts an= 
bcreS fein afS 9tihiltSmuS; bie ©onfeguena beS blo= 
hen 93efenntnthglaubenS ift ©rftarrung in 
menfchlidjer ^*orm. Seine biefer SRiditungen haben 
alS Sheologte eine Sufunft; fie oerbienen biefen 
tarnen nicht. 2lber eine Rheologie, welche oon 
ben 25rinziDien ädzter ©rfenntnih unb wahren le= 
benbigen ©lattbenS auSgeht, beren SOlittelDimft 
GhriftuS ber ©err, unb beren Selb baS Draftifcbe 
LebenSgebiet ift — eine folcbe gefunbe, geift- unb 
febenSoolle eoangelifdie Orthoborie, bie nichts 
2Renfd)lid>eS fich fretitb hält, baS ©öttlidie aber 
auf iebem ©ebiete feiner Offenbarung anerfennt — 
bie m u h eine Sufunft haben, beim fie ift auf ben 
©runb unbGcfftein gebaut, von meldtem gefchrieben 
ftehet: „©arum hat Jhn auch ©ott erhöhet unb 
Jbm einen tarnen gegeben, ber über alle tarnen 


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Per alte Pokior. 


87 


ift, bafe tu bem tarnen 3ctu fiel) beuaen fallen aller 
betet Knie, bie im ©irnmel unb auf Wrben unb un¬ 
ter bet Stbe finb; unb alle3unflen fcefennen joden, * 
bafe StefuS ßbriftuS bet ©ert fei mx Sbre WotteS 
beS SaterS. 


Pom trugen. 

WS at6t utcf>t’S UnflcniefebarereS alS einen 3D2en= 
leben, fcer taufet; mit fefeen hinan: utcbtS Unfleredt- 
tereS. Um flefleit SinS ficb mit Srufeeit froftia au 
erzeigen, läßt mau 3ebit unb 3u>anaiß feine 2J?ife= 
ftimmung füblen; man will’S nicht, aber eS iit hoch 
io. Unb bit felber tbuft bu am ßnbe bocf> am we= 
heften. 63 ift leicht möfllidi, bafe bein auflcnbli<f= 
lieber ©tberfacher bein Srufeeit fo hart ftar nicht 
aufiummt. 63 ift aber auch möfllid) unb aemohu' 
lieb, bafe bu flerabe beinct lieferten Itmacbunfl folcbe 
Setleaenbeit bereiteft: fafl’ einmal, tbut baS bir 
felbft nicht heimlich am weheften? 3d) fllaub'S, 
unb barum faa’ ich auch nach ienem ffiort im 
SolfSton: „Srtife net fo, o trüb net fo!" 

SRann unb ffieib — waS haben bie mit einanbet 
in taufeen ? 3a, wenn fie Saft für San lauter Cie- 
beS unb ©üfee3 hätten, wenn fie im 9?ofenflartcn 
itänbia blieben, bann bfirfte fid> oielleid)t baS 
Hörnlein Stufeen febon einmal hcranwaaen. 5?eine 
Xoie ohne Dornen. SlberStann unbSBeib haben 
auch SrnfteS unb ©(ferneres fletutfl m tragen unb gu 
theilen; ba ift ba$ Srufeeit wahrhafte eine oergmeu 
feit unnöthiae Wut Meiner ßtfenfoan hält 

flanke ©unterwerfe oon Stafdunen tut Saufe auf: 
Irufeen ift im Sbeftaitb etn Sifenfpan, bem wir 
Unteraana fchworen muffen. ftrau unb Staftb — 
ukiS haben bie mit einanber au trufeen? 3ft’3 ntcht 
em Wlücf für bie 5Raflb, bafe fie fo jung ift, ftefe 
noch waS fagen au (affen ? 

Saft bir einmal faaeu, wie ich S feit (anfler 3ett 
gehalten habe unb noch halte. 3$ laffe mir oon 
Siemanb nichts übel nehmen, unb nehme aud)$Wie= 
manb nichts übel. DaS lefeterc beruht auf einem 
ftntichlufe. 'Sie ßmpfinbelet ift eine Dummheit 
im Sehen. 9Kan mttfe bie Ceute nehmen, wie fie 
nnt>; haben fie einmal etwas SelcibiaenbeS flethan 
ober aefagt, fo tnufet bu 3Hitleib haben mit ihrem 
Unoerftanb unb ber SRoheit ihres ©titneS. 3llfo, 
nimm nichts übel! Shit* alS hörteft bu’S nicht, 
^ch laffe mir aber auch nichts übel nehmen; baS 
i'eeoch ift nur möglich unter jwei Sebiitflunaen: Du 
mufet beffen geioifc fein, bafe bu auS ber ©ahrheit 
fcift unb au3 ber ©ahrheit rebeft unb haubelft; unb 
tu muht auch bereit fein, einen Fehltritt unb ftehta 
fehiig au fcefennen unb um Serflefemtfl au bitten, 
teer eS auch fei, bem bu weh flethan. Dann tnafl 
einen tfopf hinmachen, wer ba will bu haftbich 
nicht weiter brau au fehren. 3»m Wang bttrch’S 
?efcen gehört ein froher Weift unb ein leuchtenbeS 
?lmie; (ah bir fcctbeS btivdt feine ßmpfinbelet tau= 
tan. ^uht Drufeen, fonbern offen Sieben ; nicht 

—(affen, fonbern offen S e f e n n e n 1 
Unb bann — „fommt e 3eit, bift wieb'rum froh!" 

-- 


Per alte Poktor. 


Der alte Doftor blieb jwat bei ber närrifefeen 
Stabe, bah er ein fetbetteS Seuteldteit hinten am 
Äoofe hatte, barin trua er feine ßaare, wie man 
bieS m alten 3eiten that. 3lud) taua er immer 
arofcc Schnallen auf ben ©chuhen. Dafür nmr 
er aber eben and) ein SMann ber alten ©eit. Unb 
wenn er mit feinem hohen fpanifdien Siohre ernft 
unb aemeffen burch bie65affen bev (leinen ©tabt 
fdiritt, ober au feinem alten SOiaior in’S hohcSddofi 
hinauf aina, fo fah er fehr ehnoürbia aufe, ber liebe 
treue 3Q?ann. 3a wohl, ber liebe treue SDiann! 
Denn er hatte noch etwas 9(oarteS an fich. ffienn 
er fo an eincS (raufen SRenfdien Sette ftanb, oer= 
oxbnete er eine boooelte fluv; beim feine Sillen unb 
Sränflcin aab er mit einem: ©alt’S Wott 1 unb 
wenn er merfte, ba§ eS nothifl unb beilfamlkh, fo 
iaate er feinem Satienten: „Sieber Rveunb, baS 
Süloerchen ift fdwn red)t, will aber nod> nieftt oiel 
au bebeuten haben; fofl waS barauS werben, fo 
habt bie Wüte unb tbut ein red)tfdmffen Webet baau, 
alS einem ßhriftenmenfdien wohl anftcht!" ©ah 
er aber, bafc eS bcm Wnbe auflinfl, unb ein alter 
üDtann ober eine fchioache 5?ran bie i&änbe nimmer 
U'ürbe halten fonnen, unb bafe jefet mehr baau ge¬ 
hörte, alS Sillen unb Sflaftcr, bann liefe ber liebe 
alte ßerr auch Sillen Sillen fein unb faltete felbft 
bic £änbe unb betete baS Saterunfer unb „ßhrifti 
Slut..." Sllfo hatte er, wenn eS mit feiner tränet 
nichts mehr nmr, noch ettra eine himmlifche Slranei 
bereit unb reichte biefelbe fo innia unb traulid), bafe 
eS bie 5?raae ift, mit welcher SHranei er am meiften 
aefchafft hat. 

Sun feht ihr, bafe unfer alter Doftor etwaS 
SloartcS hatte, nmS man in biefer 3eit feiten finbet, 
nämlich baS Webet. — Sei Safte ftuifete er freunb- 
lieh mit feinem (leinen £ut nach aller.©eiten. Set 
9?acht fchritt er haftifter burch bie ©trafeen. 8lber 
bei Saft unb 9?ad>t, wenn’S irftenb fein fonnte, lief 
(ein Söditerchen neben ihm her. Die tauft ben 
Traufen ©tärfnnacn unb Sabunft m auS ber 5Soo= 
tbefe unb ihrer 90?utter fifuhc. Dafür leftte ihr 
ber Sater bie ,^anb auf ben ftoof unb bie fivanfen 
feaneten fie. Winmal, alS eS mit unferm lieben 
Doftor auch fchen ftarf berflabainft, würbe er au 
einem fterbenSfvanfen SOiann ftermen. ©einSech- 
terlein ftina neben ihm her. Dev alte Staun war 
fehr, fehr rranf. ©ie nun unfer Doftor fah, bafe 
eS mit ihm loohl fdmell auf bie Reifte ftiiifte unb 
wollte 5lbenb werben, ba meinte er, eS fonnte hoch 
wohl aut fein, wenn nun ein ftärferer bei bem fran^ 
feit 2Wann ftünbe, alS er wäre. $llfo faftt er: 
„ffomint, ffinber, lafet unS alle hinfnicen unb ein 
Saterunfcr beten!" Da fnieete ber alte Doftor 
hin, unb alle 9tad>barSleutc, bie ba waten, fniceten 
auch um’S Sett. WS war flerabe, wie bev 9lbenb 
hereinbrach. Dann finct ber alte Doftor mit fefter 
Stimme innifllich an: „Satcr nufer, berbu bift im 
Fimmel. . . ." ©ie fie ftebetet batten, fcftneteber 
©terbenbe alle, ben Doftor unb fein Soditcrlein 
auch. Dem leftte er bieftanb aufSßaiwt. Dar= 
auf oerfchieb er. 5lber beit ©eaen hat baS fiinb 
niemals oerfteffen fonnen unb bie leuchtenben Mu- 
gen beS ©terbenben auch nicht. DaS weife ich, 


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98 


Hu 0 Jlaris. 


beim eb bat mit aüeb endhlt. Bft nun and) beb 
Qoftorb Söditerleiit eine betagte Sßittme gemorbeit, 
mohl an 70 Bahre alt. 8 lber thre Blusen leuchteten 
mieDct, alb fie eb ersdhlte uitb bie Warsfonne burch 
bab Gpheugitter ihrer Senfter fiel, iiub alb fie ihreb 
Baterb gebachte. Ba, bet liebe treue Qoftor alten 
Schlageb ruht nun fcbon lauge, lange bort im 
Stdbtlein, wo er Sein 3lmt unb feine Brasid hatte, 
gegen Worgen an ber Stabtniauer, oon ber bie 
Saline nicfen unb mo bie Zinbe am alten Shor= 
thurme fteht unb jefet bicfclbe Sonne barüber fttn= 
feit. Bin Uebrigen leuchtet freilich allen treuen 
Kitedjteit noch eine oiel fdmttere Sonne. — Sold)e 
Siebte, bie ein Baterunfer unb Ghrifti Blut unb 
©erechtigfeit jc. mit ihren Krauten beten, finb ein 
Segen. 

(Sonntagbhlatt für’b föaub.) 


pöö neueste Janfer §\\xm- 
PierteL 

Qer Sau* um bab golbene Kalb ift nicht ein, 
fonbern überhaupt bab Bächen ber Beit, unb ba eb, 
trofc aller politischen SBanblungen beb lebten Bahr= 
3 ehittb, noch immer eine Wenge Qinge giebt, in 
benen Barib aub feiner Stellung an ber Spifee ber 
Gioilifatioit nicht heraub^ubrängen gemefeit, fo fanit 
man bie Wannigfaltigfeit biefeb Sameb fauin 
irgenbmo beffer ftubiren, alb in jener Stabt, oon 
bereu Sähigfeit, (Selb 31 t oerbienen unb ©elb aub= 
jugeben, Gmile ^Sercire im Anfang ber Sechser 
Bahre ben prophetifchen, aber feitbem mr Söahrheit 
gemorbeneit Galembourg brauchte: „Bit fünfunb- 
awansig Bahren mirb man in Barib minbeftenb 
25,000 grancb teilte brauchen, um mie ein 8 ump 
M\ leben . u Qie britte 'Jtepublif febt ebeitfo, mie einft 
bab Bürgerfönigthum ber brei&iger Bahre, ihren 
Stolj in ben mcichthum, unb ber ©rünbungb- 
fchtoinbel blüht heute mehr alb ie. Wan braud)t 
nur Bätuitgbs Annoncen unb Wattcranjdjldge Mi 
lefeit, um Willionen uub Wiliiarben Quabrillc 
tan seit m\ feheit; ein Bapier, bab gefterit itod) huit- 
bert brauch foftete, fteht morgen oielleicht auf smei- 
tanfenb, unb Sag für Sag Schwillt ber Strom für 
Borfeneffeften. Gb giebt in Barib jebt Buch' 
bruefereieu, bie’nicbtb alb 3lftien bruefen. 2Beld)cr 
Unterfcbieb jmifeben ben früheren unb ben heutigen 
SRepublifanern! Ginftmalb mar bie Sßepublif ber 
Srauin ber Sinnen, bab Bbeal beb hungernben 
Proletariat^; heute ift eb bab Glborabo ber B32iUio= 
ndre, bab Schlaraffenlanb ber Borfeitjobber. Ob 
fie eb bleiben mirb ? 

Gin eigentbümlidjeb Schaufpiel bieten bie Stabt- 
theile, bie unter beut Ginfluffe beb ©olbregeitb em= 
porblühen. S)ab Quartier be Wouccait, bab iefet 
naheju fertig fteht, ift bab Wufter biefer neuen 9ln= 
fiebelungen; bort hat ftch neben iit= uub aiwldit= 
bifcheit Börfenbaronen Sllleb, mab füitftlerifchen 
SRuf mit mohlgcfüllter Kaffe oerbinbet, 3 ujammen= 
ge 3 ogen. Stehen bem amerifanifdien Banfier Se- 
Ugmaitn, beffeit Säte einft bureb gefchmacfoolleit 
Zujub beriihmt maren, wohnen bie Slriftofraten ber 


Wuftf, mie ©ouitob, Surften ber Siteratur, wie- 
Quntab, unb bet Slbel oou Binfcl unb Weifel, mie 
-Weiffonier, QetaiUe, BaftiemZepage, Wuitfacfp, 
Bacguet, Zambert, Boirfon Que*, Saint = War= 
ccanje, bie Blüthe ber mobernen Waler- unb Bilb= 
hauerfchule, Gmil Beriit, ber Qireftor beb Sheater 
Srancaib, mohnt inmitten einer Goloitie oon Büh= 
lienfünftleru, benad)bart oon feiner ehemaligen 
Sreunbin Sarah Bentbarbt, bereu ßaub megen 
munberlid)er Slrdtiteftur unb phautaftijeher 9lub- 
ftattung alb Werfmürbigfeit gezeigt mirb. Ban- 
meifter, Qeforateurb unb Sapeüerer haben hier 
ihrer Bhantaüe freien Zauf gelaffcit. Bur (*r= 
rid)tmtg ber Käufer finbKunfc unb Kuriofitdten= 
hanbliutgen, Sapifferic-, Bvoncc' unb Zusiib- 
SKöbelldben geplünbert morbeit: bie ^pduferreiheit 
erinnern burch SKannichfaltigfeit ber Stilarten an 
bie 9tue beb 9tatioitb ber SBBeltaubftellung 1878. 

3111 biefe Brad)t ift neuen Qatumb. 9Watt eritt= 
nert fid) uod) ber Gbcne ootr SWonceaui;, mie fie in 
ben fünfziger Bahren mar: ©etreibefelber ooll 
filatfchrofeit unb Kornblumen breiteten fid) tmifdten 
ben Batignolleb unb ben Scrneb aub. Sitir ein= 
3 elne Barracfeit, oon oerbdchtigent ©efinbel beiudbt, 
erhoben fid) hie uub ba. ®ab mar bie Beit, ba 
amei B?aler f mittelmdfeige Künftler, hoch finge 
Kopfe, auf bie Bbee tarnen, etmabSelb, bab fie juft 
in Rauben hatten, itt jene Zaubereien 311 fteefen. 
Babiit unb S)ecampb rauften ben Quabratmeter 
für etioa anberthalbSrancb, um babSerrain Später 
in Bauftelleu 311 parcelliren. S)ecampb fdiltig we¬ 
nige Bahre barauf feinen Sheil für 6 Svaimb beit 
Quabratmeter lob, hoch Babin martete flüglidi. 
9 llb Später ber Bouleoarb Bfalebberbeb in jener 
9 tid)tuug burchgebrod)en mürbe, bezahlten bie Bau= 
Unternehmer fcbon pro Quabratmeter 3 Srancb 
SKiethe, um Steine ab 3 iilagern, unb alb oor oier 
Bahren ber fpcculatioe Waler feine Berfäufe ah- 
fchlofc, erhielt er 150, 200, and) 250 Srancb für ben 
Slddieuraum, ben er mit li Srancb getauft hatte. 
Babiit ift heute ein fteinreicher Wann. Bm Won= 
ceaux' Ptertel entbrannte nun eine Jöerfthdtigfeit, 
mie man fie felbft 311 beit tollften Beiten beb ©atift' 
utann’fdien Baufieberb nid)t gefchen batte. Sau- 
fenbe unb 3lbcrtaufeubc oou Slrbeitern mauerten, 
hadten, fdmiiebeten in ben Strafen, meld)e bem 
Berfehr nod) nid)t geöffnet maren, fchmirrten wie 
ein Bienenfdnoarm um Wittag in bie umliegenben 
SBirthfchaften, füllten ben ariftofratifchen Barf 
Wonceau mit ihren ftaubigen Bloufeit unb 3ogen 
Slbeubb in langen Goloitnen bie Bouleoarbb e\\t= 
laug heimmdrtb. 

ßcutc ift, mie gefagt, biefeb Stabtoiertel ber 
ßauptfip ber Wobe^Barifer. Gb hat fich 3 um alt= 
abligen Sauboitrg Saint-C^ermain unb beffeit jün¬ 
geren ©efdimiftern, bem Saubourg Saint .^otioree 
unb ben Gbainpb Glpfeeb, alb jüngfter Sprofding 
beb hauptftdbtifdien 3teid)thunib ein Stabtoiertel 
gefeilt, bab an Slitterglam bie erftereit ühertrifft, 
meungleid) eb noch alb Gmporfommling hetraditet 
mirb. (Bell. Bournal.) 


S)a§ bich Süitb* iit’b 9?ep nicht 3 iehc, 
Sliehe, S^macher, fliehe! fliehe! 


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&onntagfd)uUftktt(mm. 


9» 


Sotmtagfdjul=fektionen. 


Sonntag, 5. gebtuar *82. 2Rarf. 3, 6—19. 

&ljrijituö unb feine jünger. 

I. Sie SerfolQuug ^efn burdj bie ^tarifier unb 
bie ßtigeube ®ere|ruii| be§ ®o \M. (33. 6—12.) 
3)er ©crr hatte am ©abbath iit ber ©tmagoge 
einen üJtenfchen geheilt, ber eiue^ oerborrtc ©anb 
hatte, worüber fich bie 33barifder ärgerten unb ihm 
(nach 3Natth. bie oevjudilidje ftrage oorlcgten: „3 ft 
es auch recht, am ©abbath heilen?" ®ieie ©e* 
legenheit benüfete 3efu3, um feinen (Seinem ihre 
©euchelei unter 9(ugen ju (teilen. 3u retten, m 
erlefeii, ©eil au bringen, ba3 gehöre |td) am ©ab* 
bath. Uebel3 thun aber unb 33o3heit üben, wie 
bie 3Shari(der thaten, ba3 heiRe ben ©abbath fdjdn* 
ben. — i)ie Snthülluua ber ©itnbe werft eutweber 
33uRe, ober wenn ber N?enfcb barin nicht entgeht, 
©rbitterung. So gefebah e3 bei ben 33harifdern. 

8 . 6 . SVie in ihrer geheimften ©ünbe, ihrer 
Scheinbetligfeit, anaeariffene 33barifderfd)aar that 
Reh aufatnmen, um für ihr 3ntereffe au fdmpfen. 
©3 hanbelt Reh alfo nicht mehr um ben ©egenfafc 
Singelner, fonbern c3 mar ein mdchtiaer Körper, 
bellen Oppofition ba3 Sicht, ba3 oon Ghrifto au3* 
ging, heroorrief. ©in 33ewei3 für bie Steigerung 
ber ^einbfehaft ber s $harifder gegen 3cfum ift, baß 
Re itch mit ben .©erobianern — ©ofleute unb 
Anhänger be3 ©crobe3 $Xntipa3, be3 Regenten oon 
Öalilaa, — bie ihnen im ©ritnbe ocrhaRt mären, 
eerbünbeten; aber fie beburften aur 9litefuhtiing 
ihrer teuflifchen 3ßldue ber weltlichen 2Radjt, benn 
fdbon iefet trachteten Re barnaeh, ben ©errn au 
tobten. 

8 . 7. S)a ieboch bie ©tunbe noch nicht ba mar, 
in welcher .er feinen Seinben überliefert werben 
feilte, oerlicR er Re unb aog Reh in bie ©title aurürf. 
$ach unferer Seftion ging er mit feinen 3 ü n= 
gern an ben ©ee ©eneaareth. 23aren bie 
'ßhatifder unb ©erobianer fo erbittert gegen 3efum, 
CaR er por ihnen fluchten muhte, fo waren anberer* 
feite and) viele fo oon ©ochachtung unb Sennin* 
billig gegen ihn erfüllt, baR Re ihm folgten, wo* 
hin er ging. 

8. 8. ©roRe 33olf3maffen, nicht nur aite ©ali* 
Ida, fonbern auch aite 3ubda, ja aite ber ©aupt* 
ftabt 3itbda*3, aite 3etufafem, aite3bumda 
fbem Öanbe ber ©bomiter, ber (üblichen frortfefeung 
fce3 oftjorbanifdjen ©ochtanbeS bte anm dlanitifchen 
JReerbufen), oon ienfeitS be3 3orbait3 
^erda), unb atte ber ©egenb oon Sprtt3 unb 
Sibon in Shoniaien tarnen au ihm binaite, um 
ihn au hören. 3« alle biefe ©egenben war bem* i 
nach ba3 ©erficht feiner Shaten unb SBintbcr fchoit 
aebrungen. 5)ie 33olf3maffen, weldje bie ©ee* 
»rebigten 3efu horten, bitbeten (ich aite swei grofieit i 
Saufen. $)ie SJfuben aite ©alilda folgten I 
ihm nach; bie Auswärtigen tarnen au ihm. j 
$>a3 Nachfolgen war ber Anfang einer befonberen i 


3üngerf<haft, aite welcher bieSÖieiften fpdter aurürf* 
traten. Sie hielteu e3 mit^efu in bem Gonflift 
mit ben Sharifdern. ©3 ift babei in Anfcblag au 
bringen, baR ba3 Solt Rd> geneigt jeigt, für ihn 
im po l i ti f chen © i n ne Partei gu ergreifen 
unb ihn auin Ätonig au machen. 2)a§ er fpdter 
ihren politikhen ©oRnungen nidit entfprad), war 
bie Urfache be3 3lbfalle3 Vieler, bie ihm eine 3eit= 
lana nachgefolgt waren. 

8. 9—12. Unter bem 3Solfc befanben Reh audh 
SSiele, loelche bie Noth. au 3cfu trieb. 9lllerlet 
jSiedie unb Sl raufe brdngten fid> au ihm, um 
ihn anaurühren, ba Re ben ©lauben hatten, wenn 
Re ben wunberbaren SManti nur anrühren fönnten r 
fo würben Re genefen. Noth unb Shanfheit finb 
Soten ©otte3, bie uite au 3efu rufen füllen; unb 
wer fid) au ihm führen Idfit, erfahrt feine ©ilfe. 
©ilft er auch nicht immer fo, wie wir e3 erwarten, 
fo hilft er bod) in feiner Söeife. 33ielleid)t nimmt 
er bie Noth nicht oon inte, aber er erleid)tcvt fie 
bod), ober ftdrft inte, fo baR wir ber Saft gemaebfen 
finb (3Sauli 33fahl im Sleifd), 2 5?or. 12). ®ie 
©ilfefuebenben, welche in unferer Settion ben ©erm 
am ©ec ©eneaaretb auffud)ten, tarnen nicht oer* 
gebeite (33. 10 u. 12). ®od) befiehlt ber ©en* fei* 
nen Süngern, ein ©d)iff bereit au halten, bamit er 
fich bem ©ebrdnge ber Selige (bereu 33egeifterung 
leid)t in eine politifdie SDemonftration übergehen 
mo^te) entaiehen tonnte, wenn e$ ihm nothiq 
fchien. ßte ift imoerfetmbar, baR bie Sthatcn ßhriftt 
einen gewaltigen ©inbrud auf feine Britgenefien 
machten, ©in Shell berfelben (bie fßharifder) oer* 
ftodten awar ihre ©craen gegen bie 9Na<bt feiner 
©nabe unb Siebe unb würben baburrfi feine cvbit- 
tertften Seinbe; 3lnberc aber fühlten fid) mdd)tig au 
ihm hiugeaogcn, wcnngleid) e3 ben SOceiften an ber 
firaft ber oolligen Sntfagung um ©hrifti willen 
fehlte, unb SBenige nur bei ihm behanten bte an’3 
©ube. ©erabe fo ift e3 noch heute. 3Me fidi felbft 
für acredit unb weife halten, oerachten ben ©cilaitb 
ber ©ünber, unb bei 3Sielen fteigert fich bie 3Scvach* 
tung aur bittern ^-eiiibfchaft; 3lnbere halten fich 
wenigfteite duRcrlich aur Kirche unb Rüben feinen 
©efaüen an ben Siraben ber moberneit ©hriftite* 
feinbe; aber mir bie fid) geiftlich arm unb clenb 
fühlen, fliehen ben ©errn oon gauaem ©cracn unb 
fiiibcii bei ihm noch iefct Sroft, Äraft, ©eilung unb 
©eligteit. 

II. Sie ftitefetrimitg (8. 13—19.) 

8. 13. 3)ie in biefen 3Serfen berichtete Berufung 
unb 3(u3fenbung ber ?lpoftel fchlieRt Reh fdiwerlid) 
ber Beit nad) genau an ba3 33erige an. ©r rief au 
fich, welche er wollte. ©3 fcheint bieR eine 
?litewahl ber Bwolfe aite ber ganacn ©chaar ber 
Nachfolger 3efu anaubeuten. deiner buvfte aite 
eigenem ®illen herautreten. ®iefi fd)licfit beibe3, 
aite ©elbfterwdhlung unb 3Solf3wahl. Ghriftite 
lehrt uu3 bamit, baR er ba3 ©aupt ber ffirchc ift, 
unb baR Niemanb fich ba3 9lmt eine3 eoangelifchen 
33rebiger3 anmaRett barf, ben er nicht beruft. ®ie= 


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SenntagfdjuUfektimten. 


ienigen, welche er ui Slpofteln berief/ waten suoor 
feine Sacbfolger. Darauf feint, bap bte ^Srebiger, | 
welche noch feine Sadnolger (Sbrifti fiitb, feinen 
göttlichen Seruf nun Srebiger haben tonnen. I 
Ö. 14. 15. Diefer 9luemahl sum 9 lpoftelamt 
gingen mehrere perfönlidje Sendungen jur aUge- 
meinen ^üugcricbaft ooran. ®er apoftolücbe Se^ 
ruf fehlop Dreierlei in fid>: 1) Dap fie 9lugen= unb 
Ohremeugen ber Dhatcn nnb Sebeu 3cfu fein; 
2 ) Dap fie baö Soangelium pvebigen, nnb 3) bap fie 
bie Stacht, 2 Bunber 311 tbun, haben feilten (bie 
Seuchen in heilen nnb bie Teufel aititautreihen). 

8 . 16—19. 3n berSufaähliing ber ?(poftel fteht 
@ im on ooran. ©emip nicht ehne@rnnb (o.-rgl. 
Statth. 16, 18). Sr erhält ben Beinamen Setru£, 
bas* ift 3*13. m Seifenmann ermeift er fid> frei^ 
lieh erft nach ber SwSgiepung be£ heil, ®eiftc$; i 
Denn iueor fehen mir ihn fe tief fallen, bap er fei¬ 
nen &errn nnb Steifter oerleugnet. Den Sehnen 
be3 3ebebäu3, BatobuS nnb 3 obanncä, 
flieht er ben Samen SoanergeS, ba3 ift D e n= 
nerätinber, oielleidjt mit Se 3 iebung auf bie 
Suf. 9, 55 criählte 93egcbeirbeit, me fie Scner Dem 
J&immel fallen laffen mellten anf eine famaritani- 
febe Stabt, welche ben öerrn nicht anfflenonunen 
batte. Stanche Sd)riftau3lcger eerfteheit baä 2Bort 
oou ber feurigen, gropartigen, erhabenen ©emütb^ 
art, bie mb in entjprechenben heben, ftarfen, bebeu= 
lungsoollen 2Berteil äupertc. Der Kenner ift eine 
im Mtertbiim gewöhnliche 93 e 3 eiehnung einer gehalt- 
bellen nnb tiefsinnigen Sebe. Dap ber Same nid)t 
fo allgemein gebräuchlich mürbe, mie ber Same 
„SetruS," lag Darin, bap er 3 wei Büngern 3 itgleid) 

f leben mürbe, ben melchen ber eine fpäter bie 
iirbe be*S erften apoftolifchen StärtprerS, ber am 
bete bie be3 BüngerS, ber an ber Sruft be3 &errn 
lag, be£ lebten groben Soangeliftcn, empfing. — 
Dap auch BubaS Bfchariotb (Bfdiarioth = 
Staun ben ftariotb) unter bie 3abl Der 3u>ölfc er^ 
mählt mürbe, ift einSemeiS oon ber alleä wagenben 
Siebe be$ .'Oerru, melche ba3 91enperfte that, um bie= 

S em ftinbe be3 93erberben3 ben 23eg jur Settung 31 t 
>ahnen, anbererfeitS aber auch, falh3 er trofebem ben 
2Beg be3 SerberbenS ermähle, ihm iebe Sntfcbul* 
bipung abmfehneiben. Da3 geiftlicbe Suit fd)übt 
Siemanbeu ber ber Stöglicbfeit be$ SbfallS unb 
ber enblichen Sermerfung. Darum gilt v, 311 ma= 
chen unb 3 U beten, Damit man nicht Snberen pre- 
bige unb lelbft verwerflich merbe. 

SiMsfMfiu Bu 35. 13—19. 28a3 mill 

berföerr burd)bie2Babl feiner jünger 
lehren? 

l) Dap bor ihm teilt Snfehen ber 
S e r} 0 n fl i 11 . a) Sr rief 311 fid) nicht bie gro= 
pen, beroorragenben Serfönlidjfeiten, fonbern bie, 
an benen er 2Beblgefallen hatte OS. 13), weilet 
©aben in ihnen erfannte, melche fie 31 t geeigneten 
äBerf.teuflen aurJlufridituitg feinet Seiibcä maditen. 
b) Dieie bleiben bei ihm (BubaS Bfchariotb au3= 
genommen), meil fie fid) geiftlich arm fühlten unb 
in Shrifte fanbeit, ma3 ihnen fehlte. 

2 ) 3 )ap er ÜÄacht hat ®aben 31 t geben, 
melche er mill. a) Die ©abe, 311 prebigen, 
ift eine ©abe, melche ber $err in eerleihen bevheiften 
hat bi3 an’3 Sitbe ber 28elt. b) Die ©abe, Sem 
cheit 31 t heilen unb Seufel auSiutreiben, mie fie bie 
Sportel erhielten, mar eine aupererbeutliche, gege¬ 


ben 3 ur Sefräftigung ber erften Serfünbiguttg be3 
Sbangelium3. 

3) Dap ber ®err iebe Sigenthüm- 
11 chf eit in feinem D ieufte gebraud)ett 
tan li. a) Die muthige Dhatfraft eine3 ißetru3, 
meldje ohne bie läuternbe Siumirfung be3 heil. ®ei= 
fte3 311 hed)iniithigcr Vermögen heit hätte merben 
fenuen, macht er 311 m felfcnfcftcn unb iöerge Per- 
fepenbeu ©laubcit. Da3 aufbraufenbe ©emüth 
ber ftinber 3 cbebäi, meld)eS an fid) felbft geneigt 
ift, fid) unlauterem Borne himugeben, erfüllt er 
mit heiligem Sifer unb maphaltenbcr Siebe, vluch 
Die menigen aii^ge 3 eichneten Anlagen ber übrigen 
jünger heiligt er buvd> feinen ©eilt unb mcip fie in 
feinem Dienfte 31 t gebrauchen, b) 28e ba^nid)t 
gefdüeht, ba liegt bie Sd)ulb am iDtcnfcheu felbft. 
Dao 3 cigt ba^ 25eifpiel be* 3 uba$, ber megen feiner 
natürlidicn Öemanbtheit in ber 2 >ermaltung be§ 
äupereu ©ute^ Dem Seid>e@ette^ hätte fehr nüfelich 
merben fCmncn; biefelbe aber mipbrauebie, inbem er 
fein Jpet 3 eerftedte. 


Sonntag, 12. Sebruar *82. 2Hart. 3, 20—35. 

gfetnbc nnb gtcunbe. 

I. 3 efu§ iu ftapentaum. (93. 20 — 22 .) Be¬ 
fliß ift pen einer feiner galiläifdien Seifen nach 
©aufe, b. h. na(h ft a p e r n a u m , gurüdgefehrt. 
Da Drängt fich mieberum baö 2>elf 3 « Ihm, fe 
bap er nid)t einmal $t\t fiubet 311 m SOen. Die 
Seinigen, nicht Die jünger, fonbern feine 
93 e r m a n b t e n , meld)e baeeu hören, leie er pon 
Dem 2>elf umlagert mirb, meinen ihn au3 Dem ®e^ 
Dränge erretten au inüffcn, Denn feine felbftauf- 
opfernbe Eingabe an ba^ Seit ift ihnen, bie nach 
^eh. 7, 5 noch nidit an ihn glaubten, Durchaus 
unbegreiflid). Darum fpvachcn fie: „Sr iv i r b 
pon ©innen fern men," ober genauer: er 
i ft a u p c t f i di g er a t h e n. Da3 2Bert mirb 
hier mehl in feinem guten Sinne gebraucht unb be= 
3 ekhnet eine au3 religiefer 93egchterung entfprun= 
gene Sutrüdung (Sfftafe), mie 2 fter. 5,15. Doch 
ift and) bie Annahme nidit unaidäffig, bap bie Ser-' 
maübten 3cfu, meld)e feinen Sifer nidit pcvftehen 
tonnten, ihn mirfUd) für überfpannt hielten unb 
bantin crnftlich lim ihn beforgt maren. 2 Bie oft 
mirb bie Scfchulbigung Der Serrüdtheit noch heute 
gerabe gegen bie ernfteften Shriften erhoben! 2Senn 
?;emanb feine Sünben tief fühlt, piel betet unb pen 
Den Sergnügungen ber 9Belt fiel) abmenbet, ober 
menn er fich gana unb rücfhaltleS ©ett meiht unb 
pon Dem Srnft ber Smigfeit ergriffen, feine unbe 
fehrteu Sachbarn aufferbert, fid 311 befebren, ober 
menn ein Srebiger im Dienfte fciueS 9)?eiftev§ un 
gewöhnlichen Sifer an Den Sag legt, fo ift Die 28elt 
gleich bereit, folcheShriften oerrfuft 311 nennen. So 
sprach einft auch fVcftu-8 311 Dem gropen ^cibenapo- 
fiel: „Säule, Du rafeft," unb Doch mar biefe Saferei 
nichts anbereet al^ bie heilige ©lutb religiefer 
geifterung. 2Senn Dagegen ?[emanb Sanb unb 
9Weer lburch 3 ieht, um reid> 311 merben, menn er fich 
in Den Strubel meltlid'er ©enüffe biueinftürgt, ober 
1 in ber Serfolgung ber 3icle, melche ihm fein map= 


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$ontttagfdjtü=fehtiimm. 


101 


lojet öbrgeia oorbdlt, nicfet nur feine Familien- 
ptlubtcu oernachldfftgt, fonbern auch ©unberte fei¬ 
ner ÜRitmenfchen mit fid& iit’S Unglücf ftürat — }o 
fällt eS SRicmanb ein, an feinem 3}erftanbe 51 t aweU 
fein, ia man adblt ihn wohl gar unter bte Älugen 
unb SBetfen biefer 2 Belt; unb bodj gehört ein foI= 
4 er 3Henfcb au benen, welche einft in bet Slngft ber 
SJeraweifluug auSrufen werben: r, 33 ir Starren, wir 
haben beS reckten SBegS oerfehlt!" 

II. Sie Sajicritug ber ®djriftgeleljrteu. (SS. 
22—27.) Oie SSeranlaffung au ber Säfterung ber 

f barifäet gab bie 2Rattb* 12, 22 unb 23 eraäblte 
eilunaeineS Sefeffenen, ber blinb unb ftumm 
war. Oa3 Staunen beS 33olfc3, welches entfefet 
fragte, ob ber 9)2ann, ber folcbe SBmtber oerriebten 
rönne, nicht SbriftuS fei, erwedte ben 9ieib unb bie 
Srbitterung ber Sdmftgelebrten, fo ba§ fie 3efum 
ber ©eineinfchaft mit bem Satan befdulbigtcn. 

8.22. Outd) bie ^Behauptung: Sr treibt 
bie SEeufet auS burdj SSeelaebub, ben 
Oberften ber Teufel, baueben bie Schrift- 
gelebrten f weide wobl empfanben, ba§ 3efu SBitf- 
tamfeit tbre ©errfdaft au oernidten brobte, bie 
©otteSldfterung in bie J&eraen ber Unbefangenen. 
Da mächtige SBirfun^cn auf früftige Urfaden 
fdjliefcen laffen, beaid)ttgen fie 3efum ber SSerbin- 
tung mit SSeelaebub. 93eelgebub ober 
9)aal-Sebub war ein Stbgott ber SBbiUfter au 
gfron (2 £on. 1, 2. 3) unb foll feinen tarnen ba- 
ben entweber, weil er fid) in ©eftalt einer gliege bat 
feben laffen, ober wabrfcbeinlicber, weil er angeru¬ 
fen würbe, ba§ er bie fliegen (im Orient eine 
idjmere ganbplagc) oertreiben feilte. 3n unterer 
Stelle wirb er ber O ber ft e ber Seit fei ge- 
nannt, meldjer fonft mit bem Sßarnen OiaboloS, 
baS ift ©crldumber, 23erfläger, beaeid)net wirb. 

8. 23. Oie Antwort 3efu ift ein S3erfud, bie 
Scbciftgelebrten oon berS3erfebrtbeit ihrer 93ebaup- 
tung au itberaeugen. &tctauS ld§t ficb fdliefjen, 
ba§ ber fcarmheraige Srlöfer in ihren föeracn nod 
Äeime beSS3effcven bemerkte, auf beren SSclebung 
er fid) in feiner SSelchrung richten tonnte, ©ätten 
fie bie SBorte ber gäfterung nicht in ber Serbiens 
bung bet Seibenfdjaft gefproden, fo wäre ihre 
Sünbe bie Sünbe wiber ben beil. ©eift gewefen, 
bei welcher feine SSergcbung mehr möglich war. 
Sann aber batte ber £err anbcr3 au ihnen gerebet 
unb feinen 33erfud) mehr gemacht, fie oon ihrem 
Srrthum au öberaeugen. 

8. 24. 25. So ein SReid mit fid) felbft 
unetnS ift u. f. w. 2Rit oiefen SBorten will 
ber £err nidt fagen, bab baS SReid beS SatanS 
innerlich einig fei; eS liegt ia aerabe in ber SRatur 
biefeS SReicbeS, bafe ihm bie Siebe unb Sintradjt 
fehlt. 9iur gegen baS SReid beS ©uten 
bifoet e3 eine gefcbloffene Sinbeit, unb ebenbarauf 
will bet £err binweifen. ©erabe wie ein Äonig- 
reich wohl gar mandetlei Parteien unb Spaltung 
gen in [ich bergen mag, fobalb e3 aber ben ©egen- 
taö gegen ein anbereS SReid gilt, bie inneren 93ar- 
teiungen fdjweigen muffen, wenn baS SReid nidt au 
®rtinbe geben foll, fo wdre auch ein gortbeftanb 
tSatanSreidjeS unmöglich, wenn ein Satan ben 
anbern auStTeibe, alfo ber Seufel im ffampfe gegen 
baS »eich ©otteS fein eigenes SBerf aerftörte. Oa- 
mit beweift bet #ert bie Sttbfurbitdt bet Slnflape fei= 
aer geinbe. — 3Bie »on einem 9tei<be, fo gilt bet 


SS. 24 aufgeftellte ©tunbfab auch oon iebet etnaeU 
neu Santtlie, iebem ipaufe. 

8, 26. 3n biefem SSerfe wirb ber oben aufge= 
(teilte ©runbfafe auf beu oorliegenben Sali ange= 
waubt. SemerfenSwertb ift hier noch, bafe bie 
SBefeffenbeit auebrüdlid) oon bemScufel bergeleitet 
wirb, in beffen ®ienft bie nieberen Öeifter fteben, 
weld)e iene Buftdnbe oerurfad)teu. 

8. 27. Oer ^auptgebanfe bicfcS SBefenS ift, 
ba§, wenn bie Slmtabme, bab ein Seufel ben an= 
bern attStreibe, alfo ber Senfei freiwillig auf bie 
£>errfd)aft über eine 9Menfd)enfeele oevaid)te, unge 
reimt fei, — bafe bann bie Äraft Shrifti, ber bte 
Seitfei au3trieb, offenbar ber fatamfdjen überlegen 
fein muffe, wie a* S* bie Äraft beo 9tduber3 ber^ 
ienigen be3 gebunbeiten unb beraubten 
Starten. Oie ijuben erwarteten oon bem 
9J?eifia3 ein SSinben be3 Satans, welder Sr- 
Wartung audj Cffenb. 22, 2 entfptkbt. SU3 ben 
Starreren, ber ben Satan (ben Starten) bin- 
ben unb au3 feiner S3cbaufung binauewerfen fann, 
ertute3 ficb ber ©ert febott in ben bereits gegebenen 
SeufelSauStreibungen — atiS SÖefeffenen. Slber 
btefe waren bodj nod) nicht bie rechte Srlöfung, fon= 
bern nur ein wetffagenbeS S3ilb unb SSfanb oon 

bem, waS noch gefdeben füllte, ndinlim oon bem 
groben ßampf unb Sieg, ber mit ßbrifti Sob unb 
SliiTerftebunp eintrat. S>on ba an wirb bem Setifel 
erft recht fern £au3, bie SSelt, geplünbert, unb er 
feineS ©auSratbS, ber 9)knfd)en, bie er als feine 
SBerfaeuae befafe unb benüfete, beraubt. 

III. Xit 0üitbt Wiber ben hril. ©rifl. (SS. 28 
btS 30.) 2Bie auS 3>. 23—27 bevoorging, bafe bte 
läfternbcn Stbriftgelebrten bte Sünbe wiber ben 
beil.Seift noch nicl)t begangen batten fo ergiebt ficb 
auS SS. 28—30. ba§ biefelbcn tu ber ©efalu ftan- 

ben, fie au begeben. SS ift btefe Sünbe alfo aud> 
bei Sollen möglich, bie nod) nid)t wufltcb au ©ott 
belehrt waren. — SBoriit beftebt nun bte Sünbe 
wiber ben heil, ©eift? 3u gewiffem Stnne »ft 
alle Sünbe unb iebe Sdftcrung (auch bte gegen ©ott 
ben i>ater unb ben Sohn) ein e Sünbe wiber ben 
heil. ©eift. So otel ber Die nid) ©ott witcvfticbt 
unb ungeborfam ift, 00 m allgemeinen Unglauben 
an biS au bem betrüben bcS ©eiftcS in ben ©lau¬ 
bigen, fo oiel fünbigt er and) wiber ben heil. ©eift. 
Slbcr fcaS alleS ift nod) nidjt bie Sünbe wiber ben 
heil. Weift, baS alleS fann oergcbcti werben. 
(Siebe baS S3eifptel Sauli, ber 3üben am Sßfingft- 
feft u. a. m.) Svft bann haben fid) bie oielen 
Sünben wiber ben heil, ©eift au ber einen un- 
oeraciblicben Sünbe gefteigert, wenn bie Sünbe uir 
oölüg bemühten, mutbwilligcn ©otleS- 
feinbfdjaft geworben ift. Oie Steigerung ber 
Sünbe grünbet fid) alfo auf bie gefteigerte Oeut^ 
lic&feit ber Offenbarung ©ctteS, welcher eiufpre- 
d)enb mit immer mehr 93 e w 11 61 f e i n unb 2i> i U 
len geiünbigt wirb. Oarauf unb nid)t auf eine 
fWangorbnung ber 93erf 01 t, gegen welche gefünbigt 
wirb (93ater, Sobn unb ©eift), bcaiebt ficb bie 
Unterfdeibung 3ciu amifden ber 8 d ft c r u n g bee 
93aterS, beS SobneS unb beS beil. ©el¬ 
ftes (SS. 28, oergl. 3Rattb. 12, 32). Oie Offen- 
barung 6)otteS burd ben beil. ©eift ift bte immit- 
telbarfte, inncrlidfte unb barum and) bie beut- 
lidfte. Oie Uvfade, warum bie Sünbe wiber ben 
beil. ©eift nid)t oergeben werben fann, liegt nid)t 


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102 


Seimtagf^uUlefctioiieiu 


fomohl in ©otteS SBittfür, alS oielmehr in bem ! 
©crgenSguftanb beS SünberS, beffen fortbauernbe | 
©otteSfeinbfchaft gebe fernere ©nabenmirfung oer= 
eitelt. Sr u> i 11 feine 93ewe6ung mehr unb fann 
feine mehr motten. ©Ber ficf> grämt, er möchte bie 
Sünbe miber ben heilinen ©eift begannen haben, 
bemeift fchon burch ben Schmer* unb bie Selbft= 
anflage, bah er fic nicht begangen hat. ijmar mag 
bie Weue auch bei bem 95crftocften noch einmal er- 
machen ; aber eS ift bann nicht bie göttliche Jrau= 
rigfeit, bie gutn ©ebet um Vergebung unb ©nabe 
fuhrt, fonbern eS ift bie Weite ber 9Scrgmeiflung, 
mie bei ?|ubaS ^fcharioth. 

IT. $efu$ «üb feine Serttntttfaten. (95. 31-35.) 
$)er 3^ecf, marum bie ©?utter unb ©rüber ^efu 
tarnen unb mit ihm reben mottten, mar moM ber, 
ihn oom Schaitolafe ber Aufregung (oergl. 95. 21) 
unb ©efahr gu entfernen ober meitigftenS gu marneit 
unb gur 9Sorficbt git ermahnen. Wach ber gangen 
abmeifenben Jenbcitg ber Antmort ^efu ift eS 
mahrfcheintich, baß er bic Angemelbeten nicht oor- 
gelaffen habe. SS giebt ein geiftlicheS 9Sermanbt= 
fcbaftSoerbältniß, baS nichtiger ift alS atte lcib= 
liehen; biefen muffen fclbft bie garteften 95crmanbt- 
fchaftSbegiehungen mcichen, menn bie Wothmenbig^ 
feit ber Sntfchcibung gmifchen beiben oorliegt. 

®. 33. Die ftragc: ©Ber finb meine 
©Kutter? it. f. m. bient baut, bie Aufmerffams 
feit feiner Zuhörer auf baS ftolgeube gu Rannen. 
?tefuS oerachtet feine ©Kutter nicht; aber ber himm^ 
lifche 95atcr geht ihm oor, unb iefct erfennt er mit 
moblanftchenbcm Srnfte ©Kutter unb ©rüber, bie 
ihn feinem ©ßirfungSfreiS entreißen motten, nicht 
an, inbem er fie gurfufmeift. 

®. 34. 35. Auf feine junger bliefenb, bie im 
ffreife um ihn her faßen, foriebt ?fefuS: Siehe, 
baS ift meine ©Kutter n. f. m. hiermit 
ftettt er bic geiftliche 95crmanbtfthaft auSbrücfltcb 
ber leiblichen entgegen unb begeichnet fie alS baS 
höhere ©cmcinfchaftS^ unb 95crmanbtfchaftS'9Ber'' 
hältnifi, baS in ber leiblichen 95crmanbtfchaft nur 
oorgebilbet ifi. AIS ffenngeicben biefer geiftlichen 
95ermanbtfchaft begeichnet er (5?. 35), baS Jhun 
beS göttlichen 9SillenS. Oer 3Bitte 
©otteS aber fchließt ben ©laubctt an Shriftum alS 
ben föeilanb ber Sünber unb bie ©Biebergeburt in 
fleh, fomie überhäufet baS Beben im ©lauben unb 
©chorfam an ben Sohn ©otteS. 2Ber ein jünger 
Sbrifti fein mitt» barf eS nicht beim bloßen föören 
feines 9ßorteS bemenben laffen, er muß auch ein 
Jhäter beffelben merben. 

SiSfeofition gu ®. 22—27* 9ß e r SatanS 
Weich gerft*ren hilft, ift nicht beS 
SatanS, fonbern ©otteS ‘Diener. 

1) D e S SatanS Weich ift nicht mit 
f ich felbft uncinS. a) $mar ift 3cinf unb 
Bmietracht baS ?Befen beS fatanifchen WeicbcS; aber 
mo eS ben ffantfef gegen ©otteS Weich gilt, finb bie 
©Öfen einig, b) Darum treibt fein Jeufel ben 
anbern aitS; ihr gegenfeitiger 9Sortheil erheifcht, 
baß fie einanber helfen, c) Wur ©otteS ffraft fann 
bem Satan feine ©eilte entreißen. 

2) 9ßer bieientgen oerläftert, melche 
beS SatanS Weichbefämfefen, ber ift 
mit SatanS Weich. a) Die fteinbebeS ßerm 
meinten fromm gu fein unb ©otteS Weich angit* 
gehören, b) Aber Den, melcher beS SatanS Weich 


gerftören foflte, erfannten fie nicht, fonbern maren 
miber ihn. c) Darum maren fie beS SatanS ®e- 
noffen unb marnenbe Sr;emfeel für Atte, bie auS 
felbftifchen Wücffichten baS Weich ©otteS nicht för= 
bem helfen unb barum ber Sünbe ff’nechte loerben. 


Sonntag, 19. ftebr. '82. SWarf. 4,1—20. 

(Slct^nt^ Dom 6äemann. 

I. 2>ftS ©Icicßniß. (95.1—9.) 9Son feiner 9Boh= 
nuitg (SWatth. 13,1), oermuthlich in fi'aoernanm, 
ging ^efuS ait ben See ®enegareth, mo fich -©iet 
SolfS um ihn oerfammelte, fo baß er, um fich bem 
©ebrange gu entgiehen, in ein Schiff trat, 
mährettb baS 95olf auf bem Sanbe am See 
ftanb. 95om Schiffe auS lehrte nun ber ßerr in 
ocrfchiebenen ®leichniffen, unter melchen baS oom 
Süemanu bie erfte Stelle einnimmt. Der 3merf 
biefeS ffileichniffeS ift, bie oerfchiebenartige Auf¬ 
nahme beS SBorteS ®otteS burch ©eifl)iele gu er= 
löutern. Der Süemann entbricht bem ©rebiger 
beS 3BorteS oom Weiche, ber Same bem 9ßorte, 
baS Söen ber 9Serfünbigung beS 9BorteS, unb ber 
oerfchiebene ©oben, auf melchen bie Saat fiel, ben 
oerfchiebenen föörern beS 9BorteS. Der Same ift 
ein unb berfclhe überall unb für Alle; aber baS 
®ebeiheit ber Saat rührt her oon ber Art unb 
Sßeife, mie fich ber ©oben für ben Samen eignet; 
barum trägt nicht icber ©oben gleiche ftrucht. So 
ift bie SBirfting beS SSorteS ©otteS abhängig oon 
ber Jreue, mit melcher ber SWenfcb bie oerlaufenbe 
®nabe benüfet. 

®. 4. Der Säemann befäet baS gange 5felb, 
oerforechenbe unb nicht oerforechenbe Stetten. ©t= 
licheS fiel auf ben harten ©5eg» fo baß ber Same 
ertreten ober oon ben 9Sögcln, bie bem Säemann 
m ©Jorgenlanb in großen 3ügen nachfolgen, auf- 
gefreffen mürbe. 

®. 5. 6. Am galiläifcfien 9Keer fieigen bie ©erge 
in ftelSmänben mit breiten Stufen emoor, melche 
beaefert merben, mobei bann natürlih eingelne 
Stürfe AcferS auf ^elSgrunb liegen. SS blieh 
biefer ©oben nicht unbeoaul, aber bie barauf ge= 
ftreute Saat hatte nicht tiefe Srbe unb fonnte ba- 
her auch nicht tiefe SButgel fchlagen. Daher oer= 
borrte fie in ber ©luth ber Sonne, ohne gur Weife 
gu gelangen. 

®. 7. DaS Dornenlanb hat gmar guten 
Acferboben, aber eS ift nur halb bebaut. Oomobt 
bie Dornen abgehauen unb bie Oberfläche um= 
epflügt uuirbe, fo baß er baS Anfehen eines für 
eil Samen bereiteten ©obenS hat, fo finb bennoch 
j bie Dornen nicht auSgerottet, fonbern bereit, aitfS 
1 Weue heroorgufchießen, fobalb bie 9Bärme ber 
Sonne fie mieber belebt. So fommen bann bie 
Domen ber guten Saat guoor unb entgiehen ihr 
fiuft unb Sicht, baß fie oerfümmert unb feine ftrwht 
I gur Weife bringt. 

8. 8. DaS „gute 8 a n b " ifi fo umgebrochen, 
baß eS ben Samen in fich einbringen läßt, hat 
Jiefe genug, um benfelben SIBurgel fchlagen gu 
laffen, unb ift oon ben Domenmurgein gereinigt, 
hat alfo atte Stgenfchaften, bie auSgefireitte Saat 


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SotmtagfdjuUfehtioiten. 


103 


iur fruchtbaren aebre beranreifen au laffeit. “Die oon bcm Satan bin weggerafft, bcr baet 
in ben Sieben 3efu öfter wieDevfebrenbe Formel: geborte SBort burch oiel gift unb allerlei ftünfte ber 
9Ber Obren bat n. f. w. (93. 9), forbert bie Sorbett bem ©eraen entreifet (Gpb. 2 f 2; 2 Äor. 
3ubörer aur Seberatgung beS ©ebörten unb aur 4, 3. 4). 

ernften ©elbftprüfung auf. ®. 16 rntb 17. 9(ld6aCb mit ffreuben. 

1L $ie Deutung. (93. 10—20.) ®. 10. aiS “Die rafebe, frenbige Slufnabme beS 9ßortS 
DaS 93olf ftch oerlaufen batte, fragten ben ©errn ift nicht immer ein gutes Reichen; nur au oft ließt 
leine jünger, warum er au beut s 3olfe burd)@leid)= j ibr ein oberflächlicher gcichtfimi au ©ritnb. 3^ar 
ntife rebe (SKattb. 13, 10) unb was bas ©leicbnife j ift DaS Goangelium bie frobe SBotfcfeaft oon 
»om Säemann au bebeuten habe (guf. 8, 9). ©otteS ©nabe mit bem Stufe: 2 b u t SB u & e! 

®. 11 . Such ift eS gegeben u. f. n>. DaS , unb biefer Stuf wirft ben ©ünber in ben ©taub, 
©ebeimnife beS SleicheS ©otteS umfafet ben ganaen , 9Bo biefe tief einfebneibenbe s 3u6e nicht empfunben 
ÄreiS oon göttlichen Statbfchlüffen unb Sehren, bie I wirb, ba ift ber oermeinte ©laube oft nur eine @e= 
Durch Gbriftum enthüllt würben. Diefe göttlichen , füblSfchwärmerei, weldje in ber Slnfecbtuna unb 
Babrbeiten finb feit bem ©ünbenfall ein ©eheiim | bem Ceiben nicht Stich hält. cntwicfelt fich 

ni§ für bie SWenfchen geworben 1) burch ihre eigene I auö bem geglaubten 9Kort ein geiftigeS geben, wel= 
©cbulD unb ©elbftoerbleiibung, 2) burch baS ©e= j cheS oft bie fchönften ©Öffnungen werft; aber unter 
rieht ber barauf folgeuben göttlidien 93erbüUung. ber Oberfladje eines regen ©efüblS liegt ber barte 
Die Sßieberberftellung ber Srfenntnii biefer 9Babr= 1 3elS beS ungebeugten, natürlichen ©eraenS. Daher 
beiten ift baher eine Offenbarung. Diefe ift 1 erftirbt baS neue geben wieber tbeilS wegen ber 
Den 3üngeru gegeben, weil fie ibr offene Obren i © d) w ä d) e beS nid)t auS. wahrer 53it§e geborenen 
unb frageube ©eraen entgegen brauten ; b e n e n I ©laubenS, tbeilS wegen bcr unausbleiblichen 91 n= 
aber, bie braunen finb, welchen baS offene | f e cb t u n g e n, b. b. gorfungen unb 93erfud)ungen 
Ohr unb ©er* fehlte, bie baber auch für bie 9luf= | aum 99öfen, fowie ber 2 r ü b f a l e unb 93 e r= 
nähme in ben 3 [üngerfreiS, bie meffianifche ©e= ! folgungen, welche ber ©a§ unb ©pott ber 
meiube, nicht gejehirf t waren, wiberfäbrt e S 9ßelt allen Sia chfolgern 3efu bereitet. DaS 9Bort 
alles burch ©leichmffe. wirft hier nichts ©rünolicheS noch 93lcibenbeS, weil 

®. 12. GS wirb nun mit einem 9ß*opbetenwort bie ©eraen awar weid) unb gefühlvoll, aber fdnoach 
(3ef. 6, 9. 10) ber 3werf beS StebenS m ©leich' unb uubeftänbig finb. 

niffen näher bezeichnet. Die 9lbfid)t ©otteS ift ®. 18 unb 19. 99ei ber Dritten laffe tft ber 
immer, bah bie SKenfchcn burd) bie 93erfünbiguug innere ftern beS ©eraenS nid)t fteuiern geblieben; eS 
feines 95BorteS belehrt werben follen; aber wenn bie ift au einer wirtlichen Sefebrung gefommen, beim 
iVeufchen, obwohl fie mit f c b e n b e n 91 u g e n wie wücbie fonft bie ©aat fo weit in ihnen ? 9lber 
ieben, hoch nicht er fen neu, unb obwohl eS finbet fein Fortgang im göttlichen geben ftatt, 
fie mit börenben Obren hören, hoch fonbern ein alfmäblüheS Slufaebren ber $raft ber 
ii i cb t o e r ft e b e n wollen, fo wirb ihnen baS Steligion, wäbrenb fie ben Kamen, bafe fie leben, 
®ort in © leichn i f f en oerfünbigt, welche nur beibehalten, ©ie bringen feine Frucht, weil ber 
Der Aufrichtige oerfteben fann. ©ott will feine gute ©ame oon ben mit aufwachfenben Dornen 
Babrbeit Stiemanb mit ©ewalt aufbrängen, fon= erftirft wirb. Die Dornenfaat ift fchon in iebem 
Dem er läfjt 3ebcm feinen 9ßillen. Die Äeifdjlicbe SBenfdienberaen ba, feit ber 9lrge bie SKenfchen arg 
(Sefiuuung ber 93olfSinaffcn war thatfächlid) gemadit hat. 9fber fie muft auSgerauft werben. 
Dorbanben. ©ierburch war 3efuS genöthigt, 2Bo bieS nicht gefebieht, erftirft fie baS neue geben 
fich auf eine 9tuSwähl feiner jünger au befdirän- wieber, weldieS ber ©ame beS göttlichen 9BorteS 
fen, unb barurn offenbarte er bie ©eheimniffc beS heroorgerufen bat. Die Dornen werben näher be= 
5teicheS©otteSin ber oerhüllenbenSorm ber©leich= aeichnet als Sorgen ber 9Belt, betrug 
niffe, welche ben geiftliih gefinnten Jüngern oer= beS KeichthumS unb anbere güfte, ober 
itänblich werben» ber unreifen fleifcblichen SHaffe nachgufaS: bie 9Bolluft beS gebenS. (SS ift eine 
aber rätbfelbaft bleiben feilten — f o l a n g e fie traurige 2 batfache, ba§ oielen@emüthern gorfungen 
nämlich fteifhlich gefinnt blieben. gefährlicher finb a(S Drohungen, Steicbtbuni bebenf^ 

8 . 13 . DaS ©leichnifi oon bem ©äemann ift li(her als 9lrmuth, 9Beltfreunbfchaft fchlimmer alS 
Die ©runblage für bie folgenbeu ©leidmiffe oom 9®eltfeinbfcbaft. 6 S ift baber bie gröfjte ©orgfalt 
Reiche ©otteS. Die ©rflärung biefeS ©leichniffeS nötbigr bafe uür, loenn wir ficgreich ben Äampf 
bilbet ben ©(hlüffel au bem 93erftänbnife ber übrigen, gegen bie S^oth beS gebenS beftanben haben, nicht 
Daher bie SBorte ^efu: 93erftehet ihr u. f. w. oon bcr guft unb ftreube ber 9Belt befiegt 
®. 14 . 3 ucrft prebigten ßhriftuS unb feine werben. 

t oftel baS 9ßort; aber alle, bie baS 9ßort ber ®. 20. Die oierte fflaffe finb biejeniaen, bie 
abrbeit rein unb lauter oerfüitbigen, fönnen alS nicht mir baS 9ßort ©otteS hören unb auf' 
Säemänner bezeichnet werben. nehmen, fonbern auch <?rud)t bringen. 

8 . 15 . Der 9Beg. DaS ßharafteriftiWe bie- 93on Katur ift fein S)?cnfcbcnhera gnteS ganb; 
fererften fflaffe oon ©örern ift, bafe baS 9ßort aber wer ben himmlifchen ©äemann in fich wirfen 
gar feine SBirfung auf fie a'uSübt. (SS finb bie läfjt, ber wirb aum guten gatibe unb bringt feine 
Wleidbgtttigen, bereu ©eraenSarfer noch nie S.nicht. ©ana fehlen bie Früchte in biefem Salle 
Durch bie 93ffiigfchat beS ©efefeeS umgebrochen unb nie; aber fie finb bei einem unb bemfelbeu Ghtiften 
für Die aufnabtne beS GoangeliumS bereitet würbe. nid)t immer gleich Schön unb reichlich, unb bei oer- 
Sei folchen geitten wirb baS9Bort nicht nur 5 e r- fchiebeuen Gbriften oerfchieben, ie nach bem SWaft 
treten (nach 8 ufaS)» mbem eS nt ben 3erftrem berfiräfte unb bem 9BirfungSfreiS, m welchen ber 
ungen ber 9Belt oerfchwmbet, fonbern eS wirb auch ©err fie geftetlt bat. 


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104 


Sonntagfdjttl^ebtionen. 


$i£)>0ftti0it. ©er 3 nft ci nb beb natür= 
lieben uß e n f A e n unb fein 93edltni§ 
3 ur göttlid)cit ©nabe. 

I, Unfcr ©leiAniß lehrt unb, baß 
fein 9)ienfA »on 32atur fruAtbringen= 
beb 8anb ift. 

1 ) 9 luc^ bab befte Caub fann feineSruAt 6er»or= 
bringen, menn eb nicht $u»or unigepflügt, mit gutem 
Samen befäet mirb, fo famt teilt 3ßenfA Steuert 
$mn emigen geben bringen, menn er niAt ben Sa¬ 
men beb göttliAen 3Borteb in lieft aufnimmt. 

2 ) ObgleiA unb bab ©leiAniß lehrt, baß ber 
eine 2lcfer mehr, ber aitbere meniger geeignet ift, 
IVritcftt $n bringen, fo loirb boeft feinem an unb für 
tieft unb für immer bie Sdftiflfcit beb gniAttragenb 
abgefproAcn. Sbriftub faßt nur: mie ber 8oben 
gegenmärtig ift, mirb er feine 3*ud)t brinßen. ©a* 
mit ift aber nieftt ßefaßt, baß er nicht nod) aut mer= 
ben fomte. 9lucft ber ßitte 2lder mußte ertt umge- 
»flügt unb $iibcrcitct merben, ehe er $um fjrucftt^ 
bringen taußlid) mürbe.. 

II. ferner lehrt unfer ©leiAniß, 
unter m'eld)en üüebingungen bab333ort 
©ottebin unb 3rrud)i brtttßen fann. 

1 ) ©a ieber &er$eubacfer burch bie SBirfung ber 
göttliAen ©nabe ein ßiitcr toerben fann, fallt bie 
8 erantmortüAfeit auf beit, ber bie SrruAt fAulbig 
bleibt. 

2 ) Sb müffen bie &iuberniffe aub bem 3Beg ge= 
rdumt merben, um bereit mitten ber Same beb gött= 
lieften 3Borteb feine Snid)t brinßen fann. ©er 
3 Begmuß umge»flügt, bab Steiniß te erreid)t, 
bie ©ornen müffen aubgereutet mevben. 3n 
biefer bie ^ruAt »erbreitenben Shättgfeit läßt unb 
ber ©err ntcftt allein, ia er mitt fie fclbft aubüben 
unb beßehrt nur, baß mir ihn nieftt hinbent. 


Soitntaß, 26. gebruar ’82. 2fiarf. 4, 21—24. 

$>te Ausbreitung beS 9teidje$ ©otteS. 

3 it ben nun folßenben ©leidmiffeit ßiebt ber ©err 
meitere 9luffcftlüffe über ben Gharaftcr unb bie 2lrt 
ber 2lubbreitung feinet fßeiAcb. Ohne 3meifel 
mürben btefe ©leichitiffe lioeft »or bem »erfammelten 
8 olfe unmittelbar nad) bent ©leiAniß »out Sde= 
mann »orgetragen, mdhrenb ber $err bieSrflärung 
biefeb (eftteren mie auA ber noch folßenben ©leiefc 
niffe erft ßab, alb er mit feinen Süngern allein mar 
08. io unb 34). Srofebem finb bie nun jundchft 
folßenben $mei ©leiehniffe in erfter ginie für bie 
Jünger berechnet. 

I. 2>al ©Iddjniß notti ßldjt auf bem Settdjjtrr. 

(8. 21—23.) ©er Sinn biefeb ©letAniffeb ift: 
X ^A theile euch bie ©chcimniffe beb £>tntmclretdieb 
mit, bamit ihr euch alb Sräger ber SBahrheit be= 
trachten follt; unb fo meniß Jemanb ein 81 ch t 
ansünbet, um beffen Schein unter einem Scheffel 
$u »erbergen, ebenfo meniß mitt ich, bah bie 
3B arbeiten, bie ich euch ieftt in 3mrm »erbüüenber 
©leiehniffe mittheile, »erborgen bleiben feilen. 
3Birb bie SBabrbeit auch iefet nur »on 3®enigeit 
erfannt, fo foll fie bod) $um allßememen ßicftt ber 
5ßenfAen merben. — ©te bimmltfcbe 3Babrbeu 


gleicht bem ßicftt, inbetn fie mie bab ßicftt 1) bte 
Smftermß beb &er$enb burAbrmgt unb auA nad> 
außen unter ben 2ßettjAen einen hellen SAein »er= 
breitet; 2) bab falte $er$ ermannt unb mit ber Siebe 
©otteb ent$ünbet, meld)e fieft in SBerfeu ber felbft= 
»erleugneitbcn Eingabe an bab 3ßobl bco 9iäd)ften 
äußert; unb 3) tnbem fie bab £er$ erfüllt mit ber 
£taft, gritcht $u bringen tu bab emiße geben, melAe 
fjrucftt unmofllid) »erborgen bleiben fann. 2Ber 
oon ber Sinftentiß in ba^ munberbare ßid>t ßefotn= 
men ift, fühlt fteft ßetrieben bie feligmadienbe iffialn*' 
heit auch benen $u offenbaren, melden fie noA »er- 
boraen ift. 2Bo fein SAein ift, ba benft 92iemanb 
an gidit^ mo feine 2Bdrnte ift, benft üßicmanb an 
Seuer, )o muß aud) ber ßhrift fein gid)t leuAteu 
laffen, metin er feinen Seruf erfüllen mitt. 303er 
nieftt burch 3Bort unb Sthat »oit ber etn»fatißencn 
2 Bahrheit sengt, ber fteht in ©efahr loieber $u »er- 
lieren, ma^ er hat. ®eß bae ©er$ »oll ift, »on 
bem muß ber 3ßunb überfließen unb bab geben 
3 cuaniß ableaen. 

II. ©IdAttiß »0m Sieffett mit nleidjem 
SRaß. (8 . 24, 25.) Sßit ben 38orten: © ehe t 
$u, ma§ ihr höret, mitt ber &err hier nieftt 
»or bem £ören faljAcr Seine marnen, fonbem »iel= 
mehr feilte Sünaer ermahnen, aufmerffam auf bie 
reAte gehre $u fein. 3J2it melAerlei 9ßa§ 
i h r m e f f e t u. f. m. ©iefe SB orte, melAe aueft 
in ber 33ergprebißt (3)iatth. 7, 2) »orfameit, haben 
bort23e$uß auf ba3 licblofc SRiAten iiber ben 
SßdAften, hier auf bao 8orhcrgehenbe, ndmlicft 
auf bie Aufnahme beö 8 i A t eb ber ßött= 
liehen SBahrheit unb bie 8erbreituna 
be ff eben, ©er Sinn ift baher: 92aA bem 
9)iaße, mie ihr eifrig feib im ©eben, b. b. in ber 
8erbreitung ber SBahrhcit, loirb euA euer Sfßeifter 
immer mehr an ©rfenntniß gulegen, fleißige ©örer 
unb ßetreue Arbeiter für ben ipenn erlangen »on 
Sag $u Sag ein größere^ 2ßaß beb Siditeb unb ber 
©nabe; aber eine trage Seele mirb »on Sag $u 
2ag immer drmer r bis fie enbliA 2llleb »erliert. 
Q, mte »iel meiter mären mir ßefomnten auf bem 
SBege beb .öeilb, menn mir bie ©nabenmittel a(le= 
$eit reAt aeorauAt unb im©ienfte unfereb 3ßeifter§ 
treu gearbeitet hatten! 

III. $af ©IdAnife »am toadiftit»™ Same«. 

(8 . 26—29.) ®. 26. 2ßit ber Slubbreitung ber 

ÄirAe auf (Arbeit ttnb mit bem ©ebeihen beb gott- 
liAen SBorteb im ©er$en geht cb gerabe fo $u, m ie 
menn ein SßenfA Samen auf’b 8anb 
mtrft it. f. m. 9ßit einem Samen mirb bab 
göttliAe 3Bort unb 9leicft »ergliAen megen ber in= 
neren if r a f t, bie bem Samen inmohnt, megen ber 
^ruAtbarfe it unb megen bebSegenb, bie 
ftA aub thm entmideln. ©er Säemann ift 
hier nid)t, mte in bem ©letcbniß »om »ierfaAen 
2lderfelb, ßhriftub, fonbem mir haben hier an 
menfcbtiAe 8erfünbiger beb 3ßorteb ©ottcb $u ben 
fen, benn nur »on folchen, nieftt aber »on ßhrifto, 
fann’b gelten, mab 8. 27 gefaßt ift. 

8. 27. 97acft »ollbrachter Slrbeit fdrtäft ber 
| Sdemann ruhtg unb ohne Sorgen beb 2cachtb unb 
geht bei Sag feinen übrigen ©efchdfteti nad), ge= 
j bulbtg martenb, baß ber aubgeftreute Same btirdi 
i ©otteb Segen maAfe unb Rrudit bringe, llnb 
ber Same geht auf unb mädtfet, baß 
e r e b n i A t m e i ß, b. h. baß er niAt meiß, an 


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Sdjule unb ©rfieljitng. 


105 


meinem Sage et aufaegangen, unb wie er gewadifen 
ift. So wirb ba3 ©ebeiben ber Saatbeä göttlichen 
2Borte$ bem Sluge beä Arbeiters oerborgen, bantit 
ei ftcb im ©ottoertrauen übe unb in ber Semutb 
bleibe. Sr faitn jnm SBacftätftum be3 Samen* 
fortan iticfttö beitragen. 9lber unter ©otteä gnä= 
biger äuffieftt unb 'Sorfebung wäd)ft berjelbe ebenfo 
gewift, ob wir biefeS SSacftätbum beobadften tonnen 
ober nieftt. Se3 Säemann$ Sache ift, ßuteit Sa= 
men unb jwaT reidftieft unb mit unoeränbertem 
Sleifte au3*itftreuen, ben Srfolß nicht oon berftorni 
ber Siebe, fottbern oon ber Äraft beä SamenS 311 
erwarten unb nieftt ungebulbig 311 werben, wenn 
fteft bie Rrucftt nieftt atöbalb 3 eißt. 

8 . 28. Sie Srbe ift ba3 ©erj, welches ben 
Samen aufßenoinmen bat. SaS ffiort wirft im 
empfänglichen ©er 3 en, wie ber Same in ber Srbe. 
3um erften ba^ ®ta3 u. f. w. SerSnt= 
wtdelungägang ift im Reiche ber ©nabe berjelbe 
wie im Sleiefte ber 9?atur, laußfam, allmählich, ftu= 
fenweife; bafter finben fteft in ber Srfenntnift, ©eb 
iißfeit, Semntb unb allen Sugenben be3 Sbriften 
mancherlei Stufen. 2Bir foüen oon bem £inb= 
beite- ju bem 3 üngling&= unb 3Wanntealter in 
Sftrifto fortfeftreiten. 

8 . 29. ffienn fie bieftrutftt ßebracftt 
bat, feftieft er bie ©ieftel bin, b. ft. bie 
Schnitter mit ber Sichel unb läftt fie ab= 
fcftn eiben. Sie Srnte ift hier nicht baS ?Belt= 
Bericht, fonbern e$ ftnb Seiten be 8 SrfolgS 
gemeint, welche ba3 2Bort (Sottet bei Sinjelnen 
wie hei berSefammtfteit erringt. 2Benn ba32Bort 
©otteä an bem ©erjen beS einjelnen üBenfcften ge= 
wirft hat, waä eß wirten fott, fo wirb berfelbe nix 
unmittelbaren ©otteSgemeinfdjaft erhoben. Sbenfo 
wirb e 3 einft mit ber Äircfte be3 ©errn im allgemeinen 
geben, wenn baSSoangelium allenthalben an allen 
Seifern auSgericbtet bat, woju ©ott eß fenbet, wirb 
bie ganae gegenwärtige Orbnung ber Singe auf= 
böten unbbieSrneuerung unb Serf lärmig bet gan¬ 
gen Srbe eintreteu. 

IV* Sud ©Icuftnift Hont Settffom. (iß. 30 b\ß 
32.) Älein unb geräufcftloS heginttt ba§ ifteieft 
@otte& aber gefegnet ift fein SBacft^tftum unb 
herrlich fein Snbe. 

8 . 81 . Älein ber Stnfang. Sag Senf s 
fom ift gwar nicht burcftauS b aß allertleinfte 
Samenforn, aber bodj imSerbältnift jur ©röfte 
ber iBftame, bie baraug erwäcftft. Sie ©eburt 
mtb bag geben unb SBtrfen 3 efu biß 311 feinem Sob 
am kreuz unb bie Sammlung beg SJungerfreifeg 
aus ben 2 trmen unb ©eringen beg Sßolfeg bilben 


ben Keinen Mnfang beg SReufteg Gbrifti au Srben. 
Älein ift auch ber Anfang be* Dteicfteg ©otteg im 
einjelnen ©cr 3 en. 3 nerjt ©eba nfen oon 3 efu, 
aber no(ft mit 3 weifel umhüllt. Slllmäbltcft f(hwin= 
ben bie 3 >oeifel unb ber ©taube bridjt fteft 
SJaftn. Buerft oorübergeftenbe fromme dl e i g tt n= 
gen 311 Sefu, aber noch mit Süubcnliebe oer= 
mifeftt, bann erft allmäblicft bauetnbe Siebe. 

8 . 32. ©efegnet ber Fortgang. Sag 
gefäete Senfforn nimmt 311 u. f. w. 
v Bach allen Seiten bin oerbveitete fid) bag Soait= 
gelium oon Berufalem aug mit wunberbavcrSeftueU 
ligteit; unb wie bag SBadjgtbum ber ^Sftanjc unter 
bem Segen beg ©iuintelg gefdneht, h erfdjeint bie 
Stuobreitung ber Äird)e ale SBirfuug be^ erhöhten 
GhriftiW. Ser leud)tenbe SBanbel ber erften GhrU 
ften, ihre Stanbbaftigteit im Seiben, bae ®lut ber 
uBärtorev, bie 3 crftreuung ber oerfolgten Gbriften — 
ba§ alle^ beförberte ba§ ffiaeft^tbum ber Äir^e. — 
So wäcftft and) baö göttlufte geben ber einjelnen 
Shriften unter mancherlei Stürmen dufterer unb 
innererStnfcchtung. — ©roft unb herrlich 
ift ber 91 11 3gang, ©roft — einft eine 
£>eerbe, ber Grbbnben ood ber Srfenntnift be^ 
fterrn, fein S?olf mehr in Süifternift unb Statten 
be^ Jobco, ba^ ungläubige 3 frael befebrt; — aber 
nod) ift bie 3 cit nicht erfüllt, baSSleidmift ift baher 
jitm äheil noch ovoohetifd). ©errlidvift 
ber Sluägang, benn in reid)en Strömen fließen bic 
Segnungen ©otteö auf bie Äircfte herab; baber 
wohnen bie Sölfer ber Srbe (3]ögei) in bem Scftat= 
ten be^ groften Säumet berÄircfte unb finben fHube 
unter feinen 3 weiaen. 

ii«iioflttou in 8 . 26—29. Sie b e i l f a m e 
Sorglofißfeit ber Siener ©otte§. 

1 . SB ori n fie befteht: a) ^n bem ©laiu 
ben, baft ihre Arbeit niAt oergebli(ft fei in bem 
$erm, wenn gleid) ihr 5luge nichts ober wenig 
wabmimmt. d) 3 n ber ©Öffnung, baft ihre 3 :bä= 
tigfeit enbliift mit ootlem Srfolß werbe gefrönt 
werben. 

2 . SB or auf fie fich grün bet: a)2lufbie 
ffraft be3 göttlichen 3Borte§ (ber Same gebt auf), 
b) 2luf bie Sntofäuglichfeit be^ menf(ftlicften ©er- 
jen 8 unb feiner ^ähigfeit, ba^ SBort ©otteS in ficb 
ju^oerarbeiten (bie Srbe bringt ftrudft oon fieft 

3. SBie fie fid) duftert: a) 3n bem 311 = 
oerftdjtlidjen unb unermüblicften SluSftreuen be3 
Sarnen^, b) 3n ber 33efcftränfung auf biefe SEbä= 
tigfeit, oon ber man weift, baft fie jur Srnte au$= 
reuht. 


Sdiule und (grpifhung. 


34 ttttfufitu. „ffinbet," jagte ein ßefeter 

mnSAIuffe bet ©onntagiefmte, „ic6 münfefie, ba§ 
jcfeeS »on eud» näwften «Sonntag einen neuen 
Sfefitet mitbringe." 

,34 wei§ getabe feinen, ben «6 mitfcnngen 
Bunte," Tagten einige bet «Sc&ulet au ftcfc ietbft 
beim ^inauSgeben. 


„Sfficnn idi e§ auefs »erfnefite, fo mürbe e8 maüts 
idieinticb bod) niditö helfen," ftüfterten ober bauten 
anbete. 

ffin fleinet 3itnge alter fptad) mutfiig: ,34 
ntiU’5 »erfudten!" 

,34 miü’8 »erfu4en!“ ®a§ ift bie <S»ta4e 
eine§ t&elben. Unb warum Sollte ein Heiner Knabe 


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106 


Sdjule unb ftrjteljun^ 


nicht ein £)clb fein fönneu in feinem Jheil ? 2Benn 
man bie Jhat nadj ber oovhanbencu Alraft unb 
Gvfenntniü mißt, fo flieht c3 i>icUcid>t mehr gelben 
unter ben Sintern, al3 unter ben Grwachfencn. 

3Ä mildä oerfudjen! in bem ©Sorte ließt eine 
Äfraft, bie 3cbermann anfprüht unb emiuthißt. 
©Senn man eä besüglid) einer Sad)e aitofpredjcn 
hört, für bie man fid) intereffirt, fo ift e3, al$ ob 
eine Saft oont fersen faden, eine Reffet serreifeen 
mürbe. 

3d) mid’S oerfudjen! ®a8 ©Sort brüdt einen 
fchon gewonnenen Sieg au3; ben Sieg über ade 
ba3 geheime ©ebenfen, ba$ ängftliche Baßen, mel- 
d)e*i fid) angcfiditä einer ©flicht, etneä Auftrags, 
einer Selbftoerleugnung im &ersen ßeltcnb macht. 
Aber e$ füubiflt auch einen Sieg an, menigftenS 
ba, mo man e3 in Uebereinftimmung mit ©otte3 
SOBiUcn unb im Vertrauen auf Sottet ©eiftanb 
auSfpricht. 

5)er Meine 3unge gebt nach föaufe su feinem 
©ater unb fagt: „Sieber SSater, und ft bu nicht 
näd)ften Sonntag mit mir gut Sonntagfdjule ge= 
ben ?" 

3ft ba8 ntd)t ein Meiner föelb ? Gr säubert unb 
toSbit nicht lange, er fd)leid)t nid)t lange mutMoS 
umbet, um herauSsufinben, wie er iieb feinet 9luf= 
traget mit bem geringften 2Ra§ oon Selbftoerleiiß' 
nung entlebigen fönne, fonbern er greift gerate an 
bem ©lafee an, ber ibm am näcbften, ber gerate für 
tbn ba ift. 

„©ein, mein Sohn," ift bie Antmort, „rnaS fodte 
idj in ber Sonntagfchule tbun, ich fann nicht, 
fcfen." 

®a8 ift ein gTO§e$ &inberni§; ma3 mirb ber 
kleine basu fagen ? 

„©ater," fagt er, „bitte, !omm mit, unfer Sebter 
mirb btdj lefen lebten." 

Gtnfacher unb richtiger hätte ber ffnabe nicht 
fprechen fönnen unb berSrfolg bliebamhnidjt au§. 

„®ut," fagt ber SSater, „ich gebe mit bir." 

Unb er ging auch mirflicb, lernte bort lefen unb, 
ma8 noch mebr ift, ben £>eilanb fliehen unb finben. 
Später mürbe er Golporteur. ®iefet ©eruf führte 
ibn meit umber unb mobin er £am, bemühte er fid), 
Sonntagfdjulen su grünben. 3ahre fchmanben 
babin, er mürbe nicht mübe in biefem ©eftreben unb 
al$ er enblidj sut einigen SRube eingeben burfte, oer= 
banften ibm 400 Sonntagfchnlen» tn meldjen35,000 
Sinter unterrichtet mürben, ibte Gntftehuna* 

®ie Gnnahnitng feneS SebrerS gleicht einer 
Duette, melcher ein Meines Sdchlein entfpringt, baS 
halb sunt ©acbe unb bann su einem groben bluffe 
anfehmedt, ber Saufenben Segen »uträgt. 

3<h mitt’S oerfuthen. ®a$ ift baS rechte ©Sort, 
meldjeS mir auch in unfern Sagen brauchen. GS 
giebt oiel su tbun unb eS fehlt nicht an fähigen, 
melche mobl mirten fönnten, befonberS auch im 
Sonntagfcpulmerf, auch mid e$ beT treue ßerr nicht 
an.©naoe unb Segen fehlen laffen; aber mie viel 
©eguemlichfeit, ©nttblofigfeit unb ©ersagtheit bin- 
bet nufere ©dnbe unb binbert bie Ausbreitung beS 
©eicheSSotteS. Saffet unS ade biefe ©ante sp 
reiben auf einmal mit einem entfdnebenen: „3d> 
milTS oerfudjen." 

tlgemelite ©Übung unb ftadjfhtbien. Ade, 
melche je über unferen ©egenftanb mit ©erftanb 


nad)gcbacht, Pereinigen fich in ber gdnslichen unb 
grüiiolichen Abmeifung ber Anficht, als ob ein biö- 
cbenSefen, Sd)reiben unb©edmen fd)ou „©Übung" 
mdre. ®aö nicberfte Biel, ma$ beutjutage ieber 
UrtbeilSfdbige ber Gvsiebung fterft, ift, ba§ fie fich 
minbeftenS auf bie Statur beS gansen ©{etlichen in 
folgeitben brei ©cjiebungen su erftrerfen bat: auf 
feine leibliche ©atur, bie burd) fpftematijd)e unb 
pernunftgemdbe Aumcnbung aller ber mobltbdtigen 
©efebe ersogenjoerben mub, Pen meld)en bie ©e^ 
funbbeit, Airdftigung unb ©erldngerung unfereo 
SebcnS abbdngt; ferner auf feinen ©eift, um feine 
©erftanbeSfraft au ftdblen, ihn mit Senntniffen su 
bcre’uhern unb feinen ©efebmatf für adeS Gble su 
bilben; unb entlieh auf feine fittlidv religiöje An= 
läge, bie Selbftfucht su perbrdngen t bem ©euüffen 
bie föcrrfchaft su fid)ern uub fein $crs mit 2Bobl= 
moden gegen bie s D2cnjd)en um unö her unb mit 
®anfbarfeit unb ©crebrung gegen ®ott, ber über 
tmS loaltet, su erfüden. ^)o<h über aller AuSbil= 
bitug iit einseinen SRiditungen unb für befonbere 
©erufSarten ftebt bie tüchtige unb erfprießlidbe AuS= 
bilbung ber allgemeinen menfdjluheu Anlagen unb 
^dbigfeiten. $)enn eo ift Pon mistigeren folgen, 
bieienigen Talente su bilben, melSe ber SWenfcbbeit 
im ©rollen unb ©ansen, al^ meld)e nur einseinen 
Bmeigen berfelbcn su ©ute fommen. ®er praf= 
ttfefte Sanbmirtb, ber fcharffinnige 30?ed)auifer, ber 
begabte Aiünftler, ber ehrliche ©efefegeber ober 3?ich= 
ter, ber gefchicfte Sebrer finb aller nur oerfchiebene 
©attungen ober Spielarten ber ©Jenfdjen an fich. 
®ie ©2enfchbeit fclbft ift ber Stamm, bie einseinen 
©efd)dftigungen unb Staube finb nur bie Perf^hie= 
benen Arten oon ftnid)ten, )uelche bie oerfebiebenen 
! ©attungen oon ©dumen tragen. £)ie Auäbilbung 
ber Aden gemeinfamen 9Rcnfd)ennatur, bie rechte 
©dege ber erften fietme ber 3ntedigens, ber Auf= 
richtigfeit, be§ SBoblmoüen^, berSöabrbaftigfeit ift 
ba£, maö Aden angebbrt, unb eben barum auch 
I ©rinsip, Biel unb Bu'ed ber gansen Grsiebung, 
mdbrenb bie Sachbilbung für Sarin ober ©erfftatt, 
ffansel ober «atbeber, Saiib ober See blofee 92eben= 
binge finb. 

®ie ©aupterforbemiffe für ein ©efchlecht mie 
ba$ nufere unb in einer SBelt mie bie unfere finb: 
Gin oon Anfang an gef unb aufaemadifener Körper, 
frdftig uub lebengpod, unempfinblih gegen ©ifee 
unb teilte unb abgehärtet gegen ben fiampf mit 
Slima unb Bone, nicht oerfrüppelt burch A2ranfbei= 
ten ober burch frühen 3;ob binmeggerafft, oor An- 
ftrengungen nicht jurüdfdirecfenb, fonbern barna^ 
perlangenb, mie ein ebler fRenner, nicht umbe§ au§- 
gefefeten ©reifet, fonbern um ber Suft am Kampfe 
miden, unb mitten im SZBinter be^ Altert neu fich 
oeriüngenb, im ©eift ebenfo tüd)tig für§ emige Se¬ 
hen, mie ber Seib für ba3 trbifdje, ebenfo erleud)tet 
oom Sichte ber JSeiSheit, mie gemarnt oom ärrtbum 
oergangener Beiten, fähig burd) bie fienntnifj bet 
GMebe, ber 92atur, bie Glemente felber ebenfo ge= 
fchidt nach feinem eigenen SBiden su leiten, mie ber 
Seib burch bie ©Misfeln feine ©lieber bemegt, unb 
fo bie erfdmpften Kräfte ber 9?atur neu su ftdrfen 
unb fie felbft immer frifh mit ben nie Perficgenben 
©eisen ber Schönheit su fchmüden unb auf allen 
feinen 2Begen eine Semhte mit fich su nehmen, mo= 
mit er bie ©eiche ber ©atur btird)forfd)t uub ihre 
oerhorgenen ©eheimniffe entfchleiert; enblich eine 


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$d)ulr unb Crjieljung. 


107 


fittlicfte Matur, bte gleich einer ©ottheit über bem 
Öangen febmebenb, Sorgen intb Sdmergen oer* 
fdjeudt, in bieJfräitge irbifcher Sreuben bie^Blüthen 
ewiger $offnnngen Riebt unb im oerflärenben 
©lange be3 erbabenften aller ©ebanfen ftrahlt, ben 
Sillen Sottet gu fennen unb gu erfüllen. 

&orace Mann. 

Rt rifttnifrbe ©üben. Da3 „Metu $orf Sour* 
nal ofSbucation," ein Organ ber öffentlidjcn Sdit* 
len, urtheilt über einen großen Stheilbcr mannlieben 
Sugenb ber 53er. Staaten, mie folgt: D ie 93ermor* 
fenbeit ber böfen Silben in Amerifa ift allbefannt. 
Sbte SoSbeit (>ört auch nicht auf, n>enn ber Sube 
in ba3 ^imßltiigSalter eintritt. Au3 bem ©den* 
ftehet mttb ein Aneipenläufer, ber halb gum Sßarb* 
politifer aoancirt unl> ficb fchließlid gum „ßoafer" 
entmitfelt. Die böfen "-Buben finb in allen Stab¬ 
ten mit» Dörfern ber Union gleich fdlirnm. Sie 
haben bloS oerfdiebene Manien, finben aber ibre^- 
gleichen nirgenb-S in ber cioiüurten 2Sclt. Sie re* 
fpeftiren meber ©ott, noch bie Mcnfdjcn; meber 
ba3 fahle ©aupt Per Propheten, noch bie Srille be3 
$biloiopben. DieSären be3 Glifa hätten Re nicht 
Befürchtet. Shre ©emaubtheit in ber$anbhabitng 
oon Schiefigemebren unb fonftigen SBaffen, bie fie 
ficb burtb ba§ Stubimn ber “Dime-Novels” ange* 
eignet haben, mürbe fie mit fo großem Selbftoer* 
trauen erfüllen, baß fie auf bie Anbrobuug ber 
Strafe be§ ©Ufa fühl unb troefeu entgegnen mür* 
ben: „8afct eure Säreit nur !o3, mir finb nidt 
bange oor ihnen ? " Der böfe Sube AincrifaS hat, 
wie fchon gejagt, nirgend auf ber SSelt feineSglei* 
eben. Sn ©uropa finb bie iungen Scute gelehrig 
nnb haben Mefpeft oor ihren ßltcvn unb 3Sorgefe|j= 
ten. Sn Afien unb Afrifa befdäftigt fich bie Su- 
genb mit ihrer Umgebung. Der Sube AmerifaS 
ift eine Abnormität. Sr mächft auf mie ein SBilbet 
inmitten ber ©ioilifation; er i|t ungläubig unb oer* 
mottet bie {Religion gerabe fo, mie er fid über bie 
©efefce unb iebe Autorität luftig macht. Seine 
Mutter nennt er bloS “the old women”, feinen 33a* 
ter “dad”. @r bebient ficb ber roheften AuSbrfufe 
mib Rucht bei jebem gmeiten Safe, ben er fpridt. 
Sein ©auptoergnügen befteht in Ungcjogenheiten. 
•Religion unb Silbung fennt er nicht. Unb ba§ 
Bdlimmite an ber Sache ift, baß ber böfe Sube 
bereits ein fenngeichnenbeS Mcrfmat ber SSereinifl- 
ten Staaten gemorben ift." ©ott fei Danf, bieS 
icharfe Urtbeil trifft hoch nicht bie gange männliche 
Sugenb. 

Sd}u(e Mttb Staat. Um ein SJSolf gefdieft gu 
machen, ftch feine Staatsform gu wählen unb bie 
gewählte burmguführen, bebarf e$ einer grünblichen 
Serbefferung unferer gangen oerberbten unb inner* 
lieh faulen ffirgiehntigSmeife. Man muß eS gum 
Slattben im Sunbe mit ber Sugenb, ber Mäßig* 
feit, berSefcheibenhcit, ber Müditernheit, ber Spar* 
fantfeit unb CSerechtigfeit herangubüben fliehen, eS 
lebten mit blofiem Meidtbum unb äußerer ©hre 
feinen ©«feenbienft gn treiben, ©brgetgige unb un* 
rubige Äöpfe grünblich git baffen unb bie eigene 
ffiohlfahrt unb baö perfön liehe ©lütt nur im öffent* 
heben Trieben unb in ber Freiheit unb fiebern Orb* 
mmg beS StaatSmefenS gu filmen. 

Sohn Mtlton. 


»er es gefdjelirtt «ft, baß baS Soll fehlest er* 
gogen bleibt unb feine Sitten Pon frübefter fiinbheit 
an oerborben merben, unb fie nachher für bie 93ev* 
bredjen ftrafen miü, mogu bo^ bie erfte ©rgiehung 
fchon ben ©rimb gelegt hat, oon bem fann man 
lagen: ßr mad)t guent Diebe unb nachher benft 
er fie. Sir DhomaS More. 

ein acbilbetcS »olf. 63 giebt Dinge, bereu 
innerer äBcrtb fich nid)t nad) ber äußeren y?ad)frage 
nad) ihnen bemeffen läßt, meil man fie nid)t bagu 
gehraudjen fann nuferen Neigungen ober ben täg* 
lid)en 93ebüvfntffen beSSebenSgu bienen, unb bereu 
Mangel eben barum meiftcuS ba gulefet gefühlt 
mirb, mo mau fie am meiften beburfte. Snobefon* 
bere gilt bieS oon benienigen Dingen, melde hauot= 
fachlid barauf abgielen, ben Sharafter ber Men= 
fden gu beben. 9Ber fclbft ungebilbet ift, fann 
über ben SBcrth ber Silbuug nidt urtheilcn. Die= 
ienigen, bie eS am nöthigften hätten, befier unb 
meifer gu merben, finb meiften bie Sefeten, bie eö 
münfden, unb felbft menn fie eS münfden, mären 
fie bennod unfähig ben 2Beg bagu oon fich felbet 
gu finben. Sohn Stuart Mül. 

Atljfu hatte t§ her fluten Sucht unb trefflidcn 
Seitung feiner Sugenb gu perbanfen, baß eß ihm 
gelang in biefer eingigen Stabt, im Verlaufe oon 
einem Sahrbunbert, ia gu fiebgciten eines einseinen 
Menfden fo oiele Selbhcnn, große Männer, ©e* 
lehrte unb SBeife herporgubringen, baß ihm faum 
ein anberer Staat barin gleidfontmt, nidt etnmal 
ber römifche mährenb ber fiebenhunbertSnhre feiner 
hödften ® lüthe. 9ioger Afham. 

^rgiebnnflöpfiidt M «tunte«. Die erfte RJRidt 
ber ^Regierung unb ba3 initrüglidfte Seiden einer 
guten {Regierung ift bie SJürforge für ben Sugenb* 
unterridt. ©ine möglichft allgemeine meite 3Ser* 
breitung oon £enntniffcn ift bie SSorläufertn fo* 
umhl al3 bie befte ©ütcrin freiheitlicher Staate* 
einridtungen; fie ift bie eingige erhaltenbe Macht, 
ber mir bie Obhut ütvr nufere Freiheiten unb ben 
©dufe gegen Setrug, QScrrath, ©eftedung unb ©c* 
maltthat anoertraueu fönnen. 

DeSBitt ©linton. 

Riefelten Äräfte r melde eine gute Staateoer* 
faffung ergeugten, müffen fie and) erhalten, nämlich 
mcife unb tugenbhafte Männer. Da aber ffleiS* 
heit unb Sugenb fid) niefit leiblid) fortpfiangen, fo 
muß mit aller Sorgfalt burd eine tugenbhafte Sn* 
genbergiehuna bafür geforgt merben, für melde man 
feine £often Ideuen barf, benn hier hieße: Sparen 
footel a(3 alle3 ©emonnene micber oerliereu. 

2BiUia m iß e n n. 

Ainber, ber beflc Schab. SduppiuS ergählt, 
baß cinft ein ehrlider frommer Kaufmann gu ihm 
fagte, er halte feine fiinber für feinen beftenSdiafe, 
für feinen größten SReidthum. „Denn," fagte er, 
„AfleS, maS i d) fonft burd ©otteS Segen habe, baS 
muß id enblid in ber SBelt laffen; allein meine 
£tnber hoffe id mit in ben Fimmel gu nehmen." 
— SR baS aud betne Meinung, liebeS ©Item* 
herg?" — 


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108 


Um $amtn. 


Jltn Ha min. 


2a# Seiet für Me 3nft»atfoatiaeitben. Morn* 
lanb ©id that e# fehr leib, bah Sichrere nt feinet 
©emeiube bie ©ewobnheit batten, regeltnähig gu 
fpät tu fommen; baber nutete er etnft im Kirchen* 
gebet bie Sitte an ©ott: „O ©err, fehlte 2 ldc, bie 
fchou hier finb: erbarme bich 'Derer, bie noch unter* 
weg# finb, unb mache and) Die feliß, bie noch im 
Sinn haben 311 fornmen." 

2a# leere Xitdj. Sinft bat eine ftrau Momlattb 
©id, er möchte ihren Sohn al# Sanbibaten für ba# 
Srebigtamt prüfen, er habe gemih Salent, nur fet 
e# im Suche oerborgen. 3lm Sd)ltth ber Prüfung 
fagte ©id 311 ber Siutter: „3ch habe # ba# Such um* 
gerebrt, ba# Salent aber habe ich nicht gefuttben." 

©erfthicbnte Äafchinen * Arbeit. Sine gewöhn* 
liege Safchenubr tieft 17,160 Stal in einer ©tunbe; 
folglich 411,840 Stal tn einem Sage, 150,424,560 
Sial in einem 3ahre. Sei forgfältiger Sehanb* 
lung gebt eine Safchenubr 3 umeilen bunbert 3ahre 
richtig, unb in biefern ftall mürbe fte 15,042,456,000 
Stal tiefen. Sine Uhr ift oott hartem JDfetaüae- 
macht, aber e# giebt eine attbere merfwürbige Sia* 
fchine, bie au# weit weicherem Stoffe beftebt, unb 
boef) 5000 Stal in einer ©tunbe fchlägt, 120,000 
Stal in einem Sage, 43,830,000 Stal in einem 
3ahre. Sie bauert auch wobt/ ieboch nicht oft, 
bunbert 3 ahre, unb mürbe bann 4,383,000,000 Stal 
fchlageu. Stan follte beitfen, biefe Stafd>ine mühte, 
ba fic hoch fo weich ift, fich fdjneder abnufeen, gl# 
bie attbere; aber bein ift nicht fo. 3eber Sienfch 
trägt biefe fleine Stafcbine bei fich, unb fann ihren 
Schlag fühlen. Sie ift ba# ©er 3 . 

tta# Irr fromme «ittooig §am# ln einer platt* 
bentfAm ^rebigt oon ben gerechten ©ödenftrafen 
über ®af . 3, 15-21 fagt: ^ c ^ , p _ 

„Dann fteit ba oof noch am Snne ber Sptftel 
Sr bat e# ade# befchloffen unter bie ©üttbe, auf 
bah er Reh aller erbarme. Düt möt mi oof noch 
mit’n paar SBöören oerflaren, weil bat manchmal 
gan 3 oerfehrt oerftabu wart, ©ott bat alle# be* 
fchloffen unter Die Sünbe — mt bat 1 # ia gan# flar 
— Sünner fünb mi alle; nicht allene finb mi foo’ne 
Siinfdjen, be mobl einige Rebler an fief bebt, fon* 
bem mi fünb alle Sünner boreb un borch. Dat 
mot ieber Siinfch ing’ftaan. Keerier bat be ©ebote 
©obbe# holen, fonbern mi bebbt fe alle öoerträen. 

Mu fegb be 8ühb amerft fübber. ba fteit nu noch- 
auf bah er fid) aller erbarme, ftlfo alle Siinfchen 
fünb Sünner un ©ott erbarmt fief aller. Darut 
hebt be 8übb nu be abfchülidte 8ebre oon be Sßebber* 
briuguttg aller Dinge bernahmen. Se feggt: ©ott 
erbarmt fief oder, alfo möt ade Siinfchen oof fälig 
warn. Dat i# amerft eene jdmhliche Sehre. 

3 a wohl! bat i# mohr: ©obb erbarmet fief öoer 
ade Siinfchen, aber bat i#’# eben: be 8ühb nehmt 
nid) ade be Srbarmung an. 

uBenn fee fc ade annebmen bäen, fo mören fe 
ade fälig, aber bat hobt fe man nicb. 3 d it»id tom 
SeifpU nehmen; Da fünb twintig ( 20 ) arme Säb* 


ler#; ade tofammen hebbt fe nis örbentlich# up 
obren 8ieo (Ceib), bat i# fo’eti Snmpenoolf. 

Mu laat id för jüe ade ’n neeu Mod mafen; td 
gab ben na’u Snieber unb befted twintig Mode. 
Dann gab id nab tun unb fegg: Mn hört mal, ie 
fiumpenfeerl#; id will jü ade eenen Mod fdjenfen. 
De erfte nimmt ben Mod an un bebanft fid, be 
tmete fchmiet mi’n in’t ©cfid)t, unb be britte geit 
gar mit be ftöte barup herum. 

©ebb id mi nu öoer ade erbarmt? Dat oerfteiht 
fid; idmölliün ade ben geern gäoen, aber man 
eener oon bat Sumpenoolf hät be Srbarmung an* 
nahmen, be annertt hebbt fe oon fid fmäten; be 
eene hät mi ben Mod in’t ©eficht fmäten un be 
annere hät mit be <$bte barup herumtreten. ^# bat 
nun meine Schulb, bat fe ben Mod, ben id for tun 
ad beftimmt har, nid) annabmen? Me, bat i# lebig* 
lieg obre Schulb. 

Ma, fo i# bat oof mit büffer Stelle, ©obb er* 
barmt fid öoer ade, aber nicb ade nämt be Srbar* 
mung an, fonbern fe ftör fe oon fid unb wült nix 
bamit to boon hebben." 

®om Schulbettutaihett in alter 3'it. 2Benn in 
früheren feiten grohe ©errett Schulben contrahiren 
muhten, fo foiuite bie# 3 uweileu nur unter red>t 
bemütbigen Sebingungen gefdbehen, welchen fie ftd) 
aderbing# mabrfdjeinlid) nur unterwarfen, wenn fie 
wirflid) in peinlichfter ©elbnotb waren. 3 »r grö* 
heren Sid)erbeit nämlid), bah ber Sd)ulbner unter 
aden Umftänben feine 3 ahlung#oerbinblid)feiten 
erfüdeu werbe, behielt fich ber SHäubiger in ber 
Sdnilboerfdircibung ^a# 9ied)t oor, ben erfteren, 
fad# er feinen Serpfliditungen boeb nicht nadifäme, 
ungeftraft öffentlich al# einen Statut ohne Sbre in 
ben fd)mär 3 eften färben 311 fchilbertt unb be 3 Ügliche 
Sdtanbgentälbe wie auch Sdmtähfchriften auf ihn 
an Äirchenthoren, Mathbauothüren, ia fogar am 
©algen felbft anheften äu bürfen, aden ehrlidtett 
Seuten 3 «r SSarnnng unb 311 m abfdieulichen Sxent= 
pel. Sclbft fürftliche Serfonen, bie fid) in flä$* 
liehen ©elbnöthen befauben, ftedten foldeSerfehret* 
bungen au#, fo 3 . S. Sürft Johann ©eorg Pon 
Inhalt, ber im 3ahre 1588 Pott bett Sanbftättben 
ber 5lltmarf 30,000 Shaler borgte. S5>enn er bie 
Summe 3 iir redttett 3*it nidtt 3 urüd 3 ablen mitrbe, 
fo gebe er ihnen feieriicbft „ade Stacht unb ©emalt, 
an Kirchen, Klaufett, Matbbäufern unb fouftigeit 
öffentlichen Orten, wo immer e# ihnen gefällig, 
feine fürftliche Scrfon in ©emälben unb 3 ttfchriften 
atuufchlageit, 311 fchmäben, m fchelten unb bei ieber= 
mann auf# äTgfte au# 3 urufen, wie folcben Seuten 
gebühre, bie ihre perpfänbete Shre, Sriefe unb 
Siegel nicht eittlöfett; — baratt fie (bie ©läubiger) 
bann nicht gefrepelt unb fein Unrecht gethan habett 
fodten." 3m Sranbenburgifchett unb pielleidtt 
and) anbermärt# mürben noch im 17. 3ahrhunbert 
berartige Sdnilbperfchreibutigeit au#geftedt. 

©chttlliRmttg. ftürft: „Sleitte Kinber, ich bin 
mit eurer S^ulbilbung fehr 3 ufrieben, nur noeg 


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Um Hämin« 


109 


eine Aufgabe: 12 Kaufleute tauften gufammen 24 
Sätfe 2Bei*en. 3Bie wi befant 3eber?" 

Die Kinbcr benfett lauge nad>. GttbUcb ftebt bet 
©atte auf unb faßt: ,,©err Swfcbt, ia, be3 ban met 
noch nie gelernt." 

Surft: „3ßie fo, mein Kittb, bet ©ert gebrcr faßt 
mit bocb, baft ihr alle bie ©pesie3 bttrcbgenomtnen 
habt?" 

Öan3: „Dö3 fcbon, aber met bawe3 al3 mit 
3tübe unb Kartoffeln gelernt, bi3 aum SBeiaen fein 
met nocft net fitmtna r 

ftittta »iü>flm brr Dritte oon Gnglaitb mar 
emft auf einem Starfcbe begriffen, um irgenb eine 
geheime Unternehmung au3auführett, al3 einet fei¬ 
net ©eneräle ficT> mit bet Stage an ihn rnanbtc, 
wa3 benn eigentlich feine 3lbfid)t wäre. 

„Können Sie," rnanbtc fiel) bet König an ben 
großer, „auch wohl ein ®eheintni§ bewahren?" 

„Ö gewife !" mar bie Slntwort. 

fffRun gut," erwiberte bann ber König mimtet, 
irfeien Sie itberaeugt, id) oerutag ba3 ebenfo fidjer 
wie Sie." 

fitt 4)rtfHt4er batte oiel unter bem Seftreben 
feinet weiblidtett ©emeiitbeßlieber au leiben, bie oor^ 
betitelt Äivrfwuftühle einaunebmen. 6t fuebte ficb 
bnteb einen 3lnfd)lag in berKirdtc an helfen, U'dcber 
Gefaßte, bafe bie Sifepläfee in bet ^Reihenfolge bc3 
ältere, unb awar bie oorberfteu oon ben älteften 
Damen, eiiuunebmen feien. Seitbem brängt fid) 
ta3 fchöne tioefchlecbt nur nod) um bie binterfteit 
fiinhenftühle. 

f# prrffirt. Sürger (athemlo3 beim 3Robiliar= 
rnndievungsagenten in’3 3immer ftutaenb): „3ßa3 
foft’3, wenn ich mein ©au3 oetficbetn laffe?" 

Slgent: „Sreffitt’3 beim fo?" 

Sürger: „3Ich freilich, e3 brennt ja febon !" 

Die ©rettet be$ Krieges. 6in SeridUerftatter, 
welcher mit Oberft fDZabomeb ba3 Sd)lad)tfelb bei 
Slerinafe im lebten türfifeben Kriege befudite, ent= 
wirft oon betnfelbeu ein haarfträubenbeä Stlb. 
•iuf bem naben, oon ginbenbäumen halb oer^ 
Gorgenen ffirebbofe laßen Sfelette unb halboerwefte 
ffötper aerftreut unibcr. ©unbert Schritte weitet 
ftiefeeu mir auf eine Slttaahl geiebuame fetbifebet 
Stieger, nteift alle im Stabium be3 3etfefeunß3= 
wo$cjfe3. ^Rauche bauen waten nod) warm unb 
tonnten alfo noch nicht lanße oon ihren Sewohnern 
mlaffeii worben feiji. SBelche entfefelicbe 'Dein 
müifen btefe Seflagen3wcrthen erbulbet haben, 
iwifeben biefen Dobten ließcnb, ohne geeignete ©ilfe 
unb 3ufprucb. 3n bet 3?ähe eiuc3 Slbjutanten 
laßen awet iCbotoßtapbien, bie feinet fterbenben 
§anb entfallen waren, bie eine ba3 Silb bet 33er= 
lobten, bie anbere ba3 Silb be3 Dobten. 

Stobt weit oon ihm laß ein anberer Offner, bet 
feine red)te ©anb frampfhaft auf bie Stuft brüefte, 
wo ein ©omhenfplitter ihn ßettoffen batte. 3n 
ter ©aitb hielt er ein Stiid $apiet, ba3 wir nur 
mit ®ühe herau^nebmen tonnten. 63 war ein j 
$rief in ßro§en unförmißen Sitcbfiaben, ohne 
Smeifel oon Oer ©anb eine3 Äinbe3 ßefebtieben, 
nnt lautete ungefähr folßenbermaben: „®efter 2Sa= 
tw» fei boeh fo aut unb fomme au3 bem Stieß nach j 
fcaufe. Seit bu fortßeßanßcn bift, weint bieSRama 
idoen laß, unb träumt be3 9tacbt3, bajj bu tobt 1 


unter einem Saume tießeft. üßutter ift fo blafe 
geworben unb weint immer fort. 3cb bin febr ßut 
unb lieb, ba§ fte nicht mehr weinen füll, unb will 
immer brao bleiben, wenn bu nur halb aurüd' 
tommft unb bie "Diutter füffeft, ba§ fie nod) einmal 
loieber rotbe Sadcn befommt, unb mu§t aud) beine 
fleine 3Kinfa Innen!" 

3113 wir ben Stic? ßelefcn batten, oerlor i(b allen 
3)2utb, unb felbft übet ba3 Slntlife be3 Öberften 
legte fid) ein bitfterer Sd)atten. 

2Sie biel gamilieußlud, SBoblftanb unb 2Hen= 
fAenleben werben bureb ben Stieg serftort! 

KtljtifHfrfje ftinbtanfe. ^tanfreicb treibt immer 
mehr auf bie „©ottin bet Vernunft" bet SReoolu= 
tion3aeit lo3. 3lu einem bet lebten Sonntage bell- 
aog nun gar bet beritd)tigtc ©enti Mocbefort im 
SBittbobaufe aum “Lapin qui fume” (aum tabaf= 
rauebenben Saniud)eu) in St. Deni3 eine gar 
nierfwütbiße Gctemonie, eine atbeiftifdjc Sinbtanfe. 
Sunfaiß Sreibenfer oom reinften SBaffet waten in 
bem genannten Cofale aum Seftfdnnaufc oerfam= 
melt. Seim 3iacbtifcb leßte bet Sütßer ©toffete 
bem SJebafteur be3 „3ntranfißeant" bie 3nfißnten 
bc3 3*eibenferDereiu3 oon St. Deni3 an, worauf 
i)tod)efott fid) erhob unb fprad): „Sütßetinncu, 
Sütßer! 9Bit wollen iefet, nicht aut Saufe, aber aur 
feierlichen ©infübnniß breiet Sinbet, beiten bie 
Sreißeiftetei ibteOieiben öffnet, iit’3 geben fd)teiten. 
^oeb ehe man barauf finnt, bie Sotannett a« oer* 
niebten, muh man fitb oom 3lbetalauben befreien. 
Unfete Säter batten nid)t bie Saftille erftürmt, 
loenti fie uid)t auoot Gbriftum au Soben ßeworfen 
hätten." Sei biefen ßotte3läfterlid)en S3orten trat 
eine iuitfle Shitter oor, ein neugeborenem Sinb auf 
bem Sinne unb einen Sitaben unb ein 2l?äbd)en, 
beibe etwa 4 ober 5 3ahre alt, an ihrer Seite. Die 
tefeteren beiben Sitibet nehmen red)t3 unb lint3 oon 
fRocbefott Slafe; biefet ergreift breite rotbe Sänbev 
unb fcblingt fie ben Sitibern um ben ©al3. 3um 
groben 3ubel bet Serfammiung greift ba3 SBufeL 
ftnb, wahrfdieinlid) butcb bie rotbe Satbe aiigeaoßen, 
mit bem ©änbeben nach feinem Sanbe unb ftöfet 
babei einen Stelltenfdnei au3. Sdilieblicb würbe 
ein S^otofoll über bie Seiet aufgenommen unb oon 
allen Slnwefenben unteraeiebnet. 

Der Sieger bei ©rogfcrernt. fRad) bet Scblad)t 
bei Öroftbeeren (23. Sluguft 1813) faben eine Slnaahl 
Oteubifdiet Cffiaiete beim Siege3mabl. ®a3 ®e= 
fptäcb fiel auch auf ben Srebiger 3änide in Serlin 
unb enbete mit fdialjenbem ©eläebter. Da ergriff 
ein ©eiteral ba3 SBort unb fprad): „3ßer bat bte 
S(blad)t bei ©robbeereu gewonnen ?" Da würbe 
mand)e3 gerebet, bie3 unb iene3 Stegiment würbe 
gelobt, btefe unb fette Sbat gerühmt. Der ©eiteral 
aber fprad): „SWcitte ©errett, ich toill 3hneit bie 
Slntwort geben. Der Storni, oott bem Sie oorbin 
fo oiel Cäcberlicbe3 eraählten, ber bat bie Sd)tacbt 
gewonnen. Der hat mit feiner ©enteinbe Dag unb 
Stocht auf ben .ffnieen gelegen unb ben ©errtt un= 
fern (Sott, ben genfer ber Schlachten, um ben Sieg 
angetitfeit. Unb nun frage ich Sie, meine ©errett, 
ob biefer SDtonu e3 oerbient hat, ba& man feiner 
fpotte ? 3lt et nicht oielmebt um feinet Stämmig- 
feit unb Dreue willen gegen ben König unb ba3 
Satetlattb aller Ghre wertb? ©oft erhalte uit3 
itocfe lange biefen feinen treuen Knecht." 


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110 


(gljronilt kn degcnniart. 


(Ibronilt icr 


Sie Brloeatmo gtt ©unflrti ber bolitifdiru ©leldi* 
fleflnug brr ftrauen macht ciitfcftiebenc ftortfchritte. 
3it faft allen Staaten bet Union mürbe Den ft rauen 
gefefelid) baS Recht guerfaitnt, ©cmeinbc- unb fon= 
Itiae öffentliche Remter gu beflcibcit. 'Die ©efefc 
gebiutgeii oon RebraSfa, 3nbiana itnb Oregon 
naben in ihren bieSjährigett Sefftotteit befdrtoffeit, 
baß Dem weiblichen ©efchlecht baS ©ahlrecht für 1 
bie ®efefegebungeit gu gewähren fei. Diefe Ve- i 
ftimmmtg erlangt ieboefe erft bann ©cfebeSfraft, 
wenn biefetbe nochmals non ben näd)ftiäbrigen 
Sefftonen ratificirt wirb. 3u ©iSconfin würbe ber I 
bieSbegügliche Vefchluß ber ooriährigeit ©efebgebuttg 
oon bem gegenwärtigen föaufe umgeftoßen. 3n ! 
3»wa mtb ÄattfaS ftimmten bie Uitterhäufer für | 
bie feolitifche ©leichftelluug ber ftrauen unb bie 
Oberhäitfer bagegen. 3n golorabo trat f umge= 
fehrt, ber Senat für nnb baS Unterhaus gegen bie 
gmangibation beS fdjöiteit WefchlechtS auf, baS in , 
Amerifa langft nicht mehr ben tarnen beS fchwa« I 
chett oerbient. gS unterliegt fornit feinem 3weifel 
mehr, baß bie ftrauen, bie fdjott iefet eine fo heroor= 
ragenbe mtb etnflußreidtc Stellung im gefellfchaft- 
liehen nnb öffentlichen Seben AmcrifaS cinnebmen, 1 
binnen wenigen fahren in ber Union in bolitifcher I 
Segiehung bie oottftäitbige ©leichftelluitg erlangen | 
werben, mit alleiniger-Ausnahme beS oafftoen i 
©ahlredjtS, nämlich beS Rechts, als Reoräfcutam I 
timten in bie gefefcgebenben Verfammlungen, in bie 
©emeinbe - Vertretungen gewählt gu werben nnb 
höhere StaatS= fowie ©enteinbeämtcr nt beflciben. 
Sinb fte jeboch erft im Vcfifc beS bolitifchcn ©aht- j 
rechts, bann werben fie mit oerftärfter Ära ft alle 
föebel anfefeen, um ihre oottftäitbige ©leichberech- I 
tiguttg mit bem ftarfen ©efchlecht nt erringen, i 
Vielleicht erlebt noch uttfere ©cneration baS merfc t 
würbige Schaufbiel, in Amerifa ftrauen a(S ©efefc 
geberinnen, als VräfibcntfchaftS = ßanbibatinnen, 
alS regierenbe Vürgenneifterinnen ttttb alS biblo= 
matifdje Vertreterinnen gu fehett. 

Sie Vrfrfettng ber $tabt fternatt macht bem | 
tuneftfehen Mäbchenhaitbcl ein gitbe, ber bort in 
eigenen Vagaren im großartigen Maßftabe betrieben 
würbe. Roch ber Vater beS iefeigen VeiS ließ [ich 
oon ben Vefibern biefer Vagare bie üblichen Steuern 
ftatt in flingenber Gütige in fchöiten Räbchen auS= ; 
gahlen. Auch pflegte er immer felbft nach Äeruatt 
gu fommett, um fich biefett lebenbigen 3tnS angit^ I 
fehen unb nach DuttiS heimgtiführen. 

gitnett Richter. Unter beit ffiortführern beS 
breußifchen AogeorbitetenhaufeS unb beS beittfcheit 
Reichstages nimmt ber Abgeorbnete Richter eine I 
heroorragenbe Stelle ein. Ofr ift alS Vorfämofer 
ber ftortfchrittSpartei unb alS fchneibiger Rebtter 
faft gefürchtet, unb bei ben Vorbereitungen gu beit j 
iüitgften ©ahlen entfeitbeteu bie conferoatioen, ta 
felbft bie nationalliberalen Vlätter Vfeite über 
Vfeile gegen ben unliebsamen Äritifer. gugen 1 


(fttgenroart. 


Richter warb bennoch, ober oiefletdjt gerabe beS« 
wegen, hoppelt gewählt unb oertritt iefet abermals 
feinen früheren ©ahlfreiS; bie ftortjchrittSpartci 
unb bie ihr naheftehenbe liberale Vereinigung oer= 
ftärften fid> aber bcrgeftalt, baß fte tefet btird) baS 
Vertrauen oon faft einer Million ©ähler geftiifet 
werben. 

3u biefett bebeutenben grfolgeit trug ohne 3meU 
fei baS Mißbehagen bei, bem bie neue beutfdje 
©irtbfdjaftSpolitif in giemlich weiten Äreifeit he« 
gegnet. ©er bie Vertheuerung miditiger Sebett3= 
beoürfttiffe infolge beS SdwbgottfoftemS unb bie 
Saften rügt, welche wegen ber gediegenen föeereS« 
bebürfitiffe atifutlegeit waren, fattn fid>er auf $8ei« 
fall redmen. ©egen bie Sauterfeit ber ©efinnung, 
bie ben ?lbgeorbncten Richter unb feine ©enoffen 
babei befcelt, mag fein 3vt>eifel gu erheben fein, 
©er fie beS heimlichen RebublifaniSmuS befchulbigt 
unb hinfid)tlid\ ber fteiitbfeligfeit gegen Äaijcr unb 
Reich mit ber Sogialbemofratie in etne fiiitie fteilt r 
hat bie Vefäittpfung ber Sogialbemofratie bur^ 
bie ftortfdwittSpartei oergeffen. Daß bie Redten^ 
meiltcrei, ittgleidten baS gintreten für bie conftitu= 
tionellen Redite ta au^ in ein Varianten* gehören, 
feilten bie goitfereatieeit nidit überfeheit. Reiter 

S roße englifdte Staatsmann, ber fich eine DobO' 
tion faufeit wollte, wenn eS an einer fokhen fehlte, 
wußte nur gu genau, baß felbft bie überlcgenfte 
ginfidtt irregehett unb bamit fchwere ftolgeit herauf« 
bringen feinte. Ob freilich eine Ohbofition alle$ 
auSfpredten nnb wie ein unerbittliches ©ewiffen 
tebe unerfüllt gebliebene 3»fage immer wieber oor- 
halten bürfe, rann unter Umftänben hoch sweifel= 
haft erfcheittett. 

©aS bie SebenSoerhältniffe gugen Ri^ter’S an« 
langt, fo ift berfelbe am 30. 3uli 1838 in Düffel« 
borf gur ©eit gefommen. Rachbem er bie Unioer« 
fitäten Voitn, ^eibelberg unb Verlitt befucht, warb 
er 1859 ?luScultator unb RegicrungSrefereitbar au 
Düffelborf, 1864 RegierungSaffeffor. Seine ©ahl 
gum Vürgermeifter oon Reuwieb erlangte nicht bie 
erforberliche Seftätigung. ©egen feinen ©unfcf> 
gttr Regierung nach Vromberg oerfefet, trat er 1864 
atiS bem StaatSbienft, nahm feinen Aufenthalt in 
Vcrliit unb hat ftcf> bafelbft burch oolfSioirthfchaft« 
liehe unb fcolitifche Attffäfee unb Schriften befannt 
gemacht. 3m 3ahre 1869 warb erMitglieb be§ 
S)reußifÄen vlbgeorbnetenhaufeS, gnerft für Äönig§= 
berg, feit 1870 für ©agen. 3» beit conftituireuben 
Reichstag gelangte er burd) bie ©ahlen in Rorb« 
häufen. Schwargburg = Rubolftabt entfanbte ihn 
in ben neuen beutfehen RcidtStag, welchem er weiter^ 
hin alS Vertreter beS ©ahlfreifeS .^ageit aitgehört. 

Sottfi nnb 3c^t im 6attSf|a(t ber Vereinigten 
Staaten. Der Uitterfdtieb ift jehr groß in ieber 
Segiehuitg, namentlich aber begügltch ber AuS« 
gaben. Roch gu Anfang uttfereS 3ahrhttnbert^ 
reichten wenige Millioneit für bie gewöhnlichen lau« 
fenben Ausgaben auS; unmittelbar oor bem Äriege 


Oigitized by 



(fljronik her (Segenroart. 


IU 


war unfet ©ubget auf 30 'KRillionen angewachfen; 
fcitbem ift e? mit einer Gefchwinbigfeit geftiegen, 
baß felbft ber gewanbtefte Vecbenmeifter tauin su 
folgen oermochte. Dabei haben mit eine nur uit= 
bebeutenbe ftehenbe Slrinee, fo gut wie gar feine 
flotte unb fein Gioitbienft=VeiifionSfuftein. Unter 
jolchen Umftänbcn erfdjeint tmferc Staat?oerwal= 
tung gcrabeju al? bie foftfpieligfte ber 9Bclt. Stuf 
breipunbert uicvjig nub ein halb ^Millionen fchäfet 
man unfere ?luSgabcn für ba? fJiScaliahr 1881-82. 
liefe Voranschläge pflegen aber in ber Vcget nicht 
unbeträchtlich hinter bet iSirflichfeit jurücfmbleiben. 
Sie Summe ift ohnehin fchon um 40—50 2Ri(lio= 
nen größer, al? ber gleidgall? beträchtlich über= 
ichrittene Voranfdjlag für oerwidjene? 3ahr betrug. 
G? fommt jefet alles barauf an, ob ber Goitgreß, 
fcurch bie ©ohe ber gorberung eublich tum 33emuftt= 
fein gebracht, bie Vothwenbigfeit be? Sparen? eiiu 
jieht unb nicht mieber in’? ©laue hinein neue Ver= 
Billigungen macht. 3n beit lebten fahren hatte 
man ftct? »om Sparen gefprochen unb bemgemäf), 
bei ffreilfteUung ber einzelnen 'Sölten, ba unb bovt 
eine Üleiuigfeit, oiellcuht auch ein paar üHillionen 
abgejioaeft; bann aber mürben neue Gefcfee, bie be= 
trächtliche Verwilligungen erheifditen, beim Du* 
benb angenommen, unb wenn e? an? Sluffuinmircn 
ging, waren bie GefammtauSgaben, ftatt oermin= 
bert, regelmäßig um ein paar Dufccub DD?ilXionen 
erhöbt worben. 3efct liegt bie große Stage por: 
Soll eS bieSmal ebeufo gehen, ober wirb man auf 
bem abfehüffigen Sßege eiiblich©alt 31 t machen oer= 
fliehen unb ffch nach feiner Decfe ftreifen lernen? 
Sir finb freilich ein reiche? Volt; aber eine fo un= 
iinniae Verfdhoenbung, wie fie in unferer national 
len 'Verwaltung eiitgeriffcn, oermögen wir hoch auf 
bie Stauer nicht auäjuhalten, wären auth unfere 
Serhättiüffe noch weit gläujenber, al? fte e? that= 
fachlich finb. 

9riRbnti Arthur hat ftch iebt ein beinahe gang 
neue? Äahinet angefchafft. Vom jum Ghriftgefmenr 
marb ein neuer StaatSfefretär, fowie ein neuer Ge= 
neralamoalt unb Generalpoftmeiftcr eingefeßt. Ob 
ba? neue Äahinet ©eifere? leiften wirb, al? ba? 
Garfielb’fche geleistet haben würbe, famt fattm be= 
liefen »erben, ba lefetcre? feine Beit surSJraft= unb 
ialententfaltung halte. SGBie aber ber SBechfel auch 
immerhin wirfen mag — fo ift e? ungerecht, ben 
T'täitbentert beßwegen tu befdjimpfen, baß er feine 
»olitifchen ftreunbe al3 feine Vathgeber berufen, 
älfo ioar, unb ift e? ia Pon jeher ©rauch! 

©err »teliitghupfeu, bet jefet ba?, pon ©erm 
Slaine mit einer, in ben lebten Sahrjehnten ber 
amerifanifchen Gefd)id»te gerabeju unerhörten Gnet= 
gie ergriffene Steuer ber auswärtigen 2lngefegen= 
beiten führen wirb, gehört bem Staat Vew Werfen 
an, nnb ift 001 t Sau? an? Jiurift. Von 1861 bi? 
1867 biente er feinem Staate al? Generalanwalt, 
unb würbe int (cßtgcnaniitcn 3ahre, nach bem Sobe 
ce? SunbeSfenator? VJright, für ben Veft ber 
imtSbauer beffelben in ben ©unbeSfenat gefchidt. 
1971 würbe et auf? Veite für einen Pollen Sennin 
in biefe fförperfchaft erwählt, au? bet er 1877 febieb, 
am ftch feinen ©rioatgefchäften ju wibmen. ©err 
Jrtlinghupfen ift heute ein ÜRann pon oierunb» 

*^1? Srewfter ift noch ein 3ahr älter, Auch et 


ift pou Geburt ein Vcw ^erfeper, boch ließ er fich, 
für? nad)bcin er feine juriftifchen Grabe erlangt 
hatte, in Vhilabelphia nicbcr, wo er fcitbem eine 
höchft erfolgreiche Äbuofatur betrieben hat. Seine 
©erufung 311 m Vadifolgcr be? ©errit SOJcVeagh ift 
weniger wegen feinet anerfannten ©cbeutung al? 
3 urift unb Vebnet, al? oielmebr be? Verhalten? 
halber, welche? Pon ihm in ©ctreff ber Sternpoft-- 
Vrowife mit ©eftimmtheit 311 erwarten ift, mit leicht 
erflärlihet allfeitigcr Geniigtbuitug aufgenommen 
worben, ©err ©rewfter ift nämlich bereit? pon 
feinem Vorgänger al? einer ber Spesiafanwälte ber 
Regierung in ber Verfolgung P 011 ©rabn unb 6 on= 
forten perweubet worben, unb er hat babei eine 
folchc Gn tichieben heit geseigt, bafi man ficher fein 
barf, ihn al? ©aupt be? 3»fti3 = Departement? mit 
ganger Sttenge unb Gnergie auf beinfelben Vfabe 
ooranfehreiten 3 U fehen, auf bem er fich bereit? al? 
©ilfSbeamter fo unoerfennbar bewährt hat. 

©err S. O. ©owe au? SBiSconfiti, ber neue @e= 
neralpoftmeifter, ift ein auSaefprodiener „Stab 
wart", ein perfönlicher Sreunb be? General? Grant 
unb war einer ber eifrigften Vorfämpfer für ben 
„britten Sennin". SRod) nach ber Ghicagoer Gon= 
nention begeidmete er in einer 311 Green ©an gehah 
teilen Slnfprache bie Vomination Garfielb’? al? ein 
Verbrechen an ber Vartci. Slnftößiger noch toar 
ber großen SDiehrheit be? Volfc? bie ©altung, bie 
©err ©owe im ©unbe?fenat ber ©aocS’fchen 9 fb= 
miniftration gegenüber einnahm. Der ehemalige 
Senator pou SBiSconfin war namentlid) ein faft 
fatratifcher Gegner ber pon Sdmrg eingeführten 
Reformen; er hat bie Veform be? Gioilbienfte?, bie 
3nbianerpolitif, bie btircb Schurr betriebene Ver¬ 
folgung ber ©olgbicbftähle auf ben 9tegierung?= 
länbcreien, fürs alle 2 Raßregeln befämpft, bei benen 
bie große Viehrgahl be? Volfc? auf Seiten be? 
Vräßbenten ©ape? unb feine? fDJinifterS Schurs 
ftanb. 

Da? ?ltle? braucht natürlich ©errn ©owe nicht 
nothwenbig baran 311 hinbem, ein tüchtiger ®ene= 
ral=Voftmeifter su werben. 


$rr jtbige Vapft, Ceo ber Dreisehnte, wirb pon 
feinem früheren pertrauten grettnbe, bem einftigen 
3efuitenpater Gurci, auf folgenbe Seife gefchilbert: 
,,Seo ber Dreigehnte ift in oielen Vuitften ba? grabe 
SBiberfpiel feine? Vorgänger?. Gr entfcbließt fich 
nur nach reiflicher Ueberlcgung; er hanbelt nicht 
nach Sßtllfür, noch auch fprungweife ober launen= 
haft, wie ber anbere oft that, unb unterwirft ftdh 
gern ber Vfeinung einer 9Rchrbeit, felhft bi? jur 
?lufopferung ber eigenen Ueber 3 eugiingen — etne 

Ä nSioerthe Gabe bei folchen^ bie gehorchen 
n, aber weniger angebracht bei ben 311 m ©e= 
fehlen ©erufenen. 3n biefe Vcrsidjtteiftung auf 
eigenfte Gntfchließungen ift für ben gegenwärtigen 
Vapft gerabegu oethängnißooQ, ba er faft nur pon 
ffreatureti feine? Vorgänger? umgeben ift, bie au? 
bem weltlichen Dominium einen GlatibenSfah su 
machen gelernt haben. ?IIS ©ifchof pon Verugia 
war Vecci noch sum Trieben mit 3talien geneigt. 
3a noch al? Vapft hatte er fchon eine bahfnlatitenbe 
Gncncliea im Goncept entworfen, bie «mehrere Ver= 
fonen gelefen haben"; aber ber faft einftimmige 
SBtberfpruch ber Garbinälö, bie ftcb auf ben Un= 
willen beriefen, welche ber Gntwurf bei ben ©rä= 


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112 


Gljrontlt bet (Segennmrt, 


laten ber Äirche gut Solge haben würbe, t>erurtbeilte 
PaS fricbenatbmenbe Äftenftüd aurn Tobe im Bc^ 
pierforb. 

„So regiert aifo nicht ber Bapfh fonbern eine 
Heine unoerföhnliche Partei hinter ben ffuliffen fte= 
hetiber ©eifter. Unb ihre ©affe ift Die flertfale 
greife. die Civilta cattolica, bie Voce della Verita 
in Som, uitb anbere für eine gleich geringe 3 ahl 
oon Öefern fchreibenbe Brooinaialblätter, fie halten 
bie Äirche im Bann. ©a$ fie fo mächtig rnadü, 
ift bie Änonpmität ihrer Ärtifel nnb bie öeßeimniB- 
oolle Äutorität, in welche fie fiel) 31 t hüllen oerftehen. 
3 Rit einer Änma&ung ohne gleichen festen fich biefe 
namcnlofen nnb berbienftlofen Stenfchen aufS hohe 
Bferb unb orafelu in ihren flattern, alS ob fie 
halb bie ©efellicbaft 3efu, halb ber heilige Stuhl* 
ia bie heilige 5?ird)e felber wären. Unb iebe ge= 
ßentheiliße 9Reinung oerläftern fie alS Äuftehnung 
ßeßen bie©ahrheit, alS Weberei unb Seoolution. 

„3hr(Sinjlu& auf bie Äirde unb bie leitenben 
Greife in Italien ift, wie baS gleiche einft Äbbe 
SJichaub für Sranfreicb nachgcwicfen hat, ein un« 
befdweiblid) fcbmcrslüher. Sie terronfiren bie 
©utßefinnten. die formen beS flerifalen 3our= 
naliSmuS finb berartiß, bafe fie allmdhlid) iebe 
(Shrfurcht bor ber ©ahrheit, faft möchte ich faßen 
ieben ©erechtigfeitSfinn bernichten unb ben fiefer 
mit bineinjiehen in alle iene Verbrehungen unb 
Sälfchungen unb Sophismen unb Verleumbuitgen 
unb Beleibigungen unb ©emeinheiten, bie man 
fonft nur auf ber ©affe hört. ©aS aber baS 
Schmeralidjfte ift für ieben, ber ben oherften Rieten 
ber Kirche mit finblicher Änbänglidjfeit Iteh hat, 
baS ift, fehen 311 muffen, wie in biefen Schlamm 
mit hinein gemengt werben: angeblicheSiittheilun* 
gen auS bem Vatifan, untergeschobene 3nforma= 
tionen hcroorrageuber Jtarbinäle unb Brälaten, ia 
am hdufißften sogar ber^ame unb bie Äutorität 
beS BabfteS felbft — eine Vermischung, bie nicht 
nur 311 m Sdjmude, fonbern baju bienen foll, bie 
felbfterfunbenen Träumereien au beftätißen unb 
fchliefjlich bie eißnen Obern in föefpeft au halten, 
bie eS bann für baS hefte halten, au bulben unb au 
fdjweigen." 

3ur StatifHf ber $ubtn. Bet ber Bebeutung, 
welche offenbar ber „3uben = Stage," alS einem 
Theil ber focialen Stage, mancherorts aufommt, 
mößen bie folgenben Bahlen nicht unintereffant 
fein, melche bie Bedungen nach bem officictlen Be= 
rieht beS „VerbreitungSoereinS für ben ben iübifchen 
©tauben," beffen Sifc fich in Berlin befinbet, mit= 
theilen: 

3m ©anaeit giebt eS heutautage circa 7,000,000 
3ubeit, — ungefähr fo Piel, wie man annimmt, alS 
einft sur ruhmreichen Beit beSffönigSdaoib lebten. 

Von ben 7,000,000 fommen 5,000,000 allein auf 
(Suropa, 200,000 auf Äfien, 800,000 auf Äfrifa, 
1 — 1,500,000 ailf Ämerifa. Beaügüch (Suropa 
nimmt 9tu&lanb mit 2,631,000 ben erften SKang 
ein. dann fommt OefterreicfcUngam mit 1,375,= 
000 , wooon ©aliaien allein etwa 575,000 aählt. 3n 
lieber = Oefterreich ftnb pon 2,140 Äboofaten 101 
3uben; pon 2,488 Schülern an ben höheren Sdju= 
len ©ienS ftnb faft bie föälfte (1,038) 3uben; pon 
59,122 Äanfteitten gehören 30,000 biefem SSolfe an. 
sßodj fchtoffer ift baS Verhältnis in ber treffe; um 


ter ben 370 SchriftfteHern unb 3ournaliften lieber* 
OefterreichS finb nur 145 nicht 3uben! 

Öefterreich aunächft fommt deutfdslanb mit 
512,000 33taeliiett, wooon 61,000 in Bcfeit unb 
prettfcifch Bolen leben; aber Berlin allein befifet 
45,000 3 ut>en, faft fo piel wie gana Stanfreich au- 
fammen. 

(Sine perhältni&mäfeig ftarfe iübif^e Sepölferung 
hat noch ©ollanb mit 70,000 3üben; bann fommt 
(Snglanb mit 50,000, Stanfreich mit 43,000, 3ta= 
lien mit 35,080, Spanien unb Portugal aufammen 
mit etwa 4,000, Schweben mit 1,800, Norwegen 
mit bloS 25 3uben. 

®ie Sdnveia aählt ungefähr 31,000 3 ubeit. 

3n ^aläftina aählt man etwa 25,000 3uben. 
3n 3erufalem haben Ttc baS Uebergemidjt. Sie 
werben auf 13,000 angefchlagen, wäbrenb bie 5Wu= 
felmänner nur 7,000 unb Sie ßhriften nur 5,000 
(Sinwobner aählen. 

3m bentfihen fteidjgtiiß ging eS in tefeter Beit 
recht lebhaft au. SßichterS fdmeibige 9?ebe, bie ber 
innem SßolitirbeS 9fteid)Sfana(erS galt, unb ?aSferS 
ffiiberfprud) bei ber£)ebatte über bieöcinperleibung 
pon Hamburg in ben Bollperein ift nicht ohne 9 tn 
wort geblieben. ©iSmarf äußerte: So lange er 
eawungen fei, im kirnte au perbleiben, werbe er fich 
emühen, baS Seid) mit allen au irchtfcrtigenbcn 
Mitteln au einigen. Sachbem®eutfd)lanb bie ©e^ 
fahr europäifd)cr SSerwidelungen burch ^perftellung 
freunbfchaftlidjer 33eaiehungeu befeitigt habe, fönne 
er feine Äugen Por ben inneren Stagen nicht ocr=^ 
fchliefien. ©r fei barüber erftaunt, wie weit 
T)eutfd)lanb in feinem Streben nach (Sinbeit noch 
aurücf fei. diejenigen, bie ba glaubten, er erwarte 
danfbarfeit, feien im 3 trtbum; für bie (Sinheit 
werbe nur bem ffaifer unb bem &eere danf ge- 
fcbulbct. 

Später, fich an SaSfer wenbenb, fagte er: Sie 
perlangen pon mir, ba§ ich meine Ueberaeugungen 
opfern foll. 3 n ben perfd)iebcnen Äbfcbnittcn mei¬ 
ner Bemühungen um bie (Sinheit deutfchlanbS ha= 
ben mich alle Parteien befämpft. 3 d) fonnte nicht 
bie Berantwortung für bie Sage ber dinge, welche 
burch bie oorliegenbe 9Kafcregcl befeitigt loerben foll, 
übernehmen, ©enn Sie meine Bläue nicht wün- 
fehen, fo perwerfen Sie fie; id) werbe aber nicht 
eine Verantwortung für ihre SichtauSführung über= 
nehmen. 

Sicht geringes Äuffeben perurfachte bie ©rflärung 
©inbhorftS, oer fleinen ehemaligen hannoperifchen 
(Syedena, bah baS ßentrum mit oen £onferpatipen 
aulammengehen werbe. (Sr befchulbigte bie liberale 
Bartei, bie Bartei ber Vernichtung au fein. daS 
Canb habe alle Urfache, mit ben (Srrungenfdmften 
ber lefeten 3ubre aufrieben au fein. Seine Bartei 
werbe fich awar nidjt an bie Segierung Perfaufen, 
aber fie werbe, pon ber Sotbwenbigfeit ber Reformen 
überjeugt, bie bisher cingefchlagene Bolitif unter- 
ftüfeen. BiSmard bemerfte, er fei weiter fortgefchrit= 
ten, währenb bie SortfchrittSpartei geneigt fei, einen 
©emmfehuh anaulegen. da er fehe, ba§ bie rabi= 
falen (Slemente bie Sührung ber liberalen Burtei 
übernehmen, halte er an feiner ©irthfchaftSpolitif 
um fo aäher. Unb waS iftbenn feine ©irthfchaftS= 
politif ? 3Ban fann biefelbe in awei ©orten aufam= 

1 menfaffen: Schubaoll unbTabadSmonopoU 


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«bätt. | toeutoig, eben ju biefem 3 werfe. £>on* 

SBätjrenb meiner jiinflften 6uropn»®anbe= I beite e§ fiep ober nur um bie SRettunfl ber 
tunfl f)abe id) mir oft baS tßcriinitflen flemadjt, I $ in ber beutf^er $ircf)enftlieber, fo lönnte 

8 


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£e0nter ^Janb. 


Jttitj 1882 . 


«Äfft. 


pi t ßinwan&erer. 

®aw ewt«. 


I. 

(fine i) eilige JffUdjt 

raßte man bor oc^t ober 
gebu 3abren, als wiib* 
reub ber ßroften @e= 
fcbafsfrifis bic ©inwait* 
beriuiß in» Störten ße= 
ratben war, ob biefelbe 
wobt ßänglicb aufböreit 
werbe, fo antworteten 
weitfidjtißeScute: „So 
laitße fleißige nnb frei» 
beitliebenbe 'JJtenfcbeit in 
ben Skr. Staaten Sörot 
unb Freiheit finben, 
wirbbießiuwanberunß, 
geitroeifiße ©torfuitßen abßerecbitet — Weber In 
biefem, uocb im uiicbften 3abrbunbert aufbören." 

4c>ente faßen uns bie Statiftiter, bafj bie 
Skutfcbeit nod) nie fo maffenweife nach Stmerifa 
ftrömteu wie anno 1881. 

3)a nun lejgteS itdj wenißfteitS gtueibun» 
bert taufenb Seelen au» $)eutfcblaitb in ben Skr. 
Staaten nieberlicßen, fo biirfen wir biefeS 
gewißlich auf jweifjunbert unb fiinfgiß taufenb 
beutfcbe fföpfe gäbleu — eine fo bebeutcnbe Sin» 
gabt, baß mait bamit eine ©rofjftabt füllen 
laitn ; mehr Seelen a(S mand)’ mittclbeutfdjeg 
prftentbum aufgumeifcn bat. 

$>iefe SJieiiße beutfcber SanbSleute wirb jtcb 
in uttferrn Stabten unb auf bem Sanbe, im 
Ojten, in ben SJlittelftaaten, in SBeft’ unb Sitb’ 
unter uns nieberlaifen. $>enn bie SKeinuiiß, 
baß nur ber ferne Söeften baS 3' e l ber j 
©inmanberuitß fei, ift eine irrtümliche. $ie I 
neuen Slnfömntlinße au« ©ermauien gerftreuen 1 
fidf oielinebr über b a S ß a tt g e 2 a n b, wobei 
aüerbinßS ber „ferne Söeften" ben Söweuantbeil j 
erbält. ! 

SBabrenb meinet jünßfteit ©uropa=2öanbe* I 
tuitg habe icb mir oft baS ©erßitüßen ßemaibt, ' 

» 



in ben ©eejläbten an bie £äfen gu geben, um 
mich mit beutfdjen SluSmanbercrn gu unterbau 
ten unb bin ba gu ber fefteu Ucbergeiißuitß ße= 
fornmen, baf} taufenbe unb aber taufenbe fid) 
aud) in ben CfU unb fDtittelftaaten nicberlaffen. 
SBobieffinber, ©Item, ©cfcbwiftcr unbffreunbc 
mobnen, wo er alfo einen SlnfnübfuuflSfmnft 
bat, ba giebt ber SluSwanberer bi». Solche 
StntnüpfunßStmnfte finben fid) aber nidjt allein 
int iemen SBeften. 

Uufere lieben Sanbeleute aus Xeutfrfjlanb 
fommen alfo gu ftiiubcrttaufenben gu uns. 
Slubere Duitberttaufenbe bcrfelben mobilen be» 
reitS rinßS trm uns ber — in ben ©roßftiibten, 
in ben Sanbbiftrilten, ober in Heineren Crt* 
fcbafteit. Sic warten auf ein freintblid) Söort, 
eine belfenbe .fjanb unb ein £>erg, baS fie 
b e r ft e b t. SLkr ficf» gucrft als ffveunb, 9tatb 
unb Reifer niibert, ber wirb willtonimen ßebei= 
jjeit werben ; beim ber non ber .f)eimatl) igeriffcne 
unb auf ben fremben ©oben oerpflangte ©in» 
wanberer ift ben erfte n ©inbriirfen ßeßeniiber 
febr embfaitfllid) unb geißt fitb manchmal erft 
bann wirfd) unb bcrfd)loffen, wenn er baS SooS 
febon ßeworfen unb fo gu faßen ©ruttb unter 
ben Sfi'tfjett bat. 

Söer aber follte ßeeißneter fein bem ©inwaii» 
berer entßeßen gu lommen als bie ffird)e ? Söo 
foü man berglidje Sßmpatbie unb bereitwiltiße 
£)ilfe für ibtt finben, wenn biefe nicht bei d)rift= 
lieben gum ffircbenoerbattb ßebörenben SanbS« 
leuten gu finben ? 

3>ie beutfeben ffir<bcn=©etneinben in ben ©er. 
Staaten würben ßeßriinbet unb werben ntittelfl 
ßrofier Opfer erbalten, gunädjft gu bem 
3werte — bie eingrloanbrrtm beutfeben gum 
£)errn 3cfu gu führen. SBir Wollen gwar aud) 
uufere 3ȧenb (gerettet wiffen unb bebiirfett aller 
befebrteit j un ße n ff r ä f te ^odgft noty* 
wettbig, eben g u b i e f e nt 3 w e rf e. #an= 
beite es fitb aber nur um bie SRettunß ber 
ff i n b e r beutfcber ffirdjenßlieber, fo lönnte 


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114 


fie dtmoanbetfr. 


burd)bie englifchen ©emeinben geholfen werben. 
Obwohl uufere 3ngeub bie firdjlirfje pflege 
in hohem ©rabe bcDarf unb bie beutfehen @e* 
meinben biefe jugeiiblidjeu, aus beni atnerifani* 
fd)en ©runb uni» '-öobeu entfproffeiteu Prüfte 
gur Erreichung beS erfteu ©emeiuöegioedeS itö= 
tljig haben, fo ift unb bleibt bie £>aupturfad)e, 
uni berer willen beutfdje ©emeinben in ben 93er. 
Staaten beftcben — b i e 6 D a n g e l i f a t i o n 
ber E i ngeman ber teil ; unb beutfdje 
©emeinben, welche nid)t baSWittel 
werben, Eingewanberte g u in £> e r r n 

e f n guführen, ber fehlen wenig* 
|t e u S tbeilroeife ben 3 10 e i 1) r e § 
2)afein §, h a u p t f ci cf» l i d) b a n n, wenn 
f oldje Eingewanberteit in nicht ge= 
ringer 91 n j a h l r i it g § u m 1) e r g u 
f i n b e n f i n b. 

!Daß bie beutfcfjeu Eingewanberten nicht bloß 
baS E n tgegeitf out ine n ber .Qircfie, fon* 
beru bie ftarfe fjanb berfelben gur 91 uSf dja f* 
fiing ißreS föeilS bebürfen, ift augeufäl* 
iige, unlciugbare Stfjatfache. 'Die geiftlicpe 33er* 
maljrtofung ber 9Jlaffen im alten 33aterlanbe ift 
troß mancher treuer 3eugen unb troß beS ütin* 
genS ber „Innern Wiffion" oft fo groß, baß 
bie 2eute faum einen 9Jegriff bon Der chriftlid)eu 
ifteligiou babeit, gcfchweige beim etwas bon 
diriftlidher Erfahrung wiifen. Sie Sehren J>eS 
WaterialiSmuS, ber tobte grouiialiSmuS, ber So* 
cialiSmuS unb ungläubige Pfarrer, Bölfe in 
©djafsfleibern, hoben einem-großen 3d)eit beS 
bcutfd^en 93olfeS bie geiftlicß bon ben 93ätern 
bererbten ©iitcr geraubt. ®a giebt eS benn 
eine große fernere 91rbeit gu tl)im, nir^t bloß 
für bie Öiitßeraner, fonbern für alle Äirchen* 
gemeinfchoften, benn nur lächerliche 93ornirtf)eit 
wirb baS ffelb auSfchließlicb für baS eine ober 
anbere Scfeiintniß in 9lnfprinh nehmen. 

Bie aber bie Eiiigcwanberteu bie Kirche im 
Ifödjften ©rabe nötl)ig haben, f o bebürfen 
bie ©emeinben b e S e i n g e w a n b e r= 
ten ©lement§, fallen fie and) in 
ber 3 u lnnft ihre 91 ufgäbe bem Ein» 
wanbererftrom gegenüber erfüllen. 

9Bir hoben, wie bereits bemertt, für biefen 
©enieinbegwecf bie bentfcb=amerifanifcbe 3ugenb 
nötfjig, unb finb angewiefeit, aus ihr tüchtige 
©emeinbeinitglieber, 93orftefjer unb 93rebiger gu 
erziehen. 9lber wir brauchen gur Erreichung 
biefeS fjauptgieleS wenigftenS eben fo fehr 
beS eingewanberten Elements, bas 
bein gleichen 93oben entfproffen ift, Don bem bie 
fomhten, bie wir gewinnen wollen, baS aus 
eigener Erfahrung ihre peimatblicben 
93orurthei(e, Siiitben, Schwachen unb 2eiben 
Iennt, unb baS ben befchmerlichen, mit 'Dornen 
befüeten SBeg, ben ber atme Eiuwanberer ge* 
Wohnlich ju wanbern hot, felbft gegangen 


i ft. Äeine ©emeinbe fann biefeS Element ent* 
behren, will fie baS für beutfcffe ©emeinben gu» 
niichS geftedfte 3>el — bie ‘.Rettung ber Ein» 
manberer — erreichen. 'Die Stirche bebarf biefeS 
eingewanberten Elements gu biefem 33el)iifc in 
allen Stellungen — als ©emeinbemitglieber, 
93orftef)er unb Srebiger. 

91uS biefer beiberfeitigeit 93egiehung ergiebt 
fich bie heilige Pflicht ber Kirche, unermiiblieh 
unb mit&aranfeßung aller prüfte für baSgeift* 
liehe Bohl ber Einwanberung gu wirfen unb fie 
in ben ©cmeinbcöerbanb gu gießen. 


II. 

Mittel unb Hege. 

„3ft bein £>erg entjTamml unb bein ©eift er* 
leuchtet, fo macht ber Beg fich fchon oon felbft." 
OieS Bort finbet auch hier 9(uwenbung. Sinb 
wir bon bem ©ebniiten erfüllt, baß ber niichft* 
liegeube 3wccf b e u t f <h e r ©emeinben bie SRet* 
tung ber Eiuwanberer ift; würbe es uns fon* 
nenflar, bah — follS Eingewonberte in unferer 
Stabt ober Ortfdjaft leben, um bie wirunS nicht 
befümmern, wir unferer Pflicht nicht genügen, 
unb haben wir bie tieffte Spmpathie mit un* 
fern SotfSgenoffen, fühlen mir uns eins mit 
ihnen, als aus bem gleichen Stamm entfproffen 
unb gittern wir, fo gu fngen um ihr fieil, fo 
werben fich Wittel unb Bege wie bon felbft 
finben. 

9?orauSgefeßt, baß bie Sorbebing ungen 
bie gleichen fiub — ©nabengabe beS heil- ©ei» 
fies! lautere 9?rebigt, geheiligter 2ebenSWanbeI, 
ftähigfeit unb 'Dhütigfeit — wirb biejenige $ir= 
chengemeiufdiaft am crfolgreichften unter ben 
beutfehen Eingewanberten wirfen, welche ftdj 
mitten iitS 93olfSleben bineinfteKt. unb in ollen 
Stiicfen geigt, baß fte gum Stamm gehört. 

Ber fich bent beutfdjen 93olfe entfrembet, ber 
wirb ben Sdilüffel gum beutfehen bergen faum 
je finben. 9(uf einer auSgegeichncten Sringi* 
pien=93(ottform gu ftehen unb gu fngen• „.Qfommt 
hoch heran unb herauf, eS wirb euch ja fo wohl 
gehen" — bieS ift e i n e S. Ein anbere 3 ift 
eS aber — mit gliifjenber 2iebe als einet ber 
ihren unter bie 2eute gu treten, gu thun, toie 
ber $err gethan, als ihn bie Sharifciet ber 
„Siinber unb 3öhner ©efelle" hießen. 

3ut 3Huftration ein Söeifpiet: 3üngften§ 
wartete ich in einem Sifenbnhn*Baggon auf 
bie 9lbfahrt beS 3"geS. $a fom eine Schaar 
beutfeher Einwaitberer gum 99ahnhof herein. 
9?on rohen Sahnbeamten, beren ©efchrei bie 
91rmen nicht berftanben, hin unb her gejaflt, 
fahen fie aus wie eine geängftete, berfcheudgte 
beerbe Schafe. 


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Pie (ftnmanberer. 


115 


3wei Wannet waren im «abitbof; beibe bem 
beutfheu Stamme augebörenb, beibe ©Triften 
unb Hjütige Arbeiter. Ser eine, ein nicht er» 
folglofer „tReöiualift" jlanb bort in ber @cfe mit 
befummeltem ©efiht, als ob er fageit motte, — 
„acb, tarnet ibr bod) auf meine «latfornt, wie 
gut mär’ eS ba!" (Sr vütjrte ficb aber nicht. — 
Sem Slnbereit er jiI ü^te b a S |> e r j für 
fein «olt. 9lifo fcbloß icb wenigftenS auS 
feinem 9luge unb-jeher '-Bewegung feiner ©e= 
ftcbtSmuSfein. (Sr mußte bin- jn Reifen, 
auch wenn er fid) ©robbeiten auSfeßte. Unb er 
half. 3n einer falben Minute ftaub bie üer= 
fcbeucbte beerbe ftitl, mußte, was fie ju tbutt 
batte unb fab bantbaren «lirfS sinn SanbSmanit 
auf. Ster aber ginn mit beu StainiiteSgenoffeit 
hinein in ben «Jagen unb tbeilte Sraftate au», 
welche begierig abgeitomtneit mürben, mäbvenb 
ber aubere immer noch brüben ftanb unb Wahr» 
fcbeinlicb feufjte: „«Jenen fie bodj unter 9ieui=- 
Dal=<Sitifluß, wie niete tonnten gerettet werben!" 

3a wobt, eS föniten niete (Singewanberte ge» 
rettet werben. 9tur muß man nicht erwarten, 
weil eben 250,000 tommen, fie immer unb 
überall häufen weife ju finben. Sie «er. 
Staaten finb nicht niel deiner als ganj (Suropa, 
unb wenn in biefel6eu auch iäbrlicb 250,000 
Menfdjen eiumanbern, |o werben fie ficb wahr* 
fcbeinlicb jerftreuen, unb m ti f} e n b e ß b a l b 
einzeln a u f g e f u d) t werben.- Um biefcS 
UmftaubeS mitten ift eS auch ganz unb gar tut» 
möglich, baß bie beutfcben «rebiger ohne Mit» 
biife ber ©enteinben biefeö «uffitcbeit allein uoll» 
bringen föniten. Sitju ftebört nielmebr baS 
offene eilige unb warme |>ers jebeS ©eitieinbe» 
mitgliebs, beim nur bimh berartige ©efamiut» 
aufinerffamteit (will nicht einmal fageit ©e= 
faniintmirffamfeit) wirb baS «rebigtantt auf bie 
Spur ber (Singematiberteit tommen. 3eberntanit 
in feiner fJtacbbarfdjaft, 3 e berinann unter feinen 
SlrbeitS» unb StatibeSgenoffen — unb ber(Srfo(g 
wirb nicht lange auf ficb warten taffen. 

Woobt) unb Saufet) arbeiteten einft in Cit»er= 
pool ziemlich lange ohne ben gemiuifhten (Sr= 
folg, weil — wie eS fich rta^^er berauSftellte — 
3eberm«nit in» «Jeite fcbweifte unb auf Waffen» 
befebmng boffenb aufS©eratbewobf unter allen 
fflajfen unb an alten ©üben arbeitete. Sa 
würben gwei Farmer zu ©ott befehlt. „Stellt 
euer plattlofeS £>erumirreit ein," fprad) Moobt), 
„unb betet für biefe zwei ffätrner. Sie aber 
foltert mit fßiemanb anberS reben als mit ihren 
©enoffen." 9llfo gefchab eS. Unb einige Sage 
txmtacb waren fünfzig ffärrner ju ©ott befebrt. 
llsbann gab ein (Sigarrenmahcr fein £>erz bem 
lieben ©ott unb ging in feine 9tahbarfhnft 
unb *u feinen greint ben. 3llfo fönnen 
unb tollen beutfcbe ©emeinbcgtieber acht buben 
unb wirfen. ohne in’S «Jeite ju jhweifen — 


)Ra(bbar bei Machbar, SanbSmanit bei Saitbs» 
mann, Arbeiter bei Mitarbeiter, ©efhäftSmann 
beim ©efhäftsfreuub. 

Sie öftlicbe beutfdje Gonferenj I)at mittelft 
ihrer ^afenmiffion in 'Jtew ?)orf fcbou biete 
3abre lang ein großes, ebleS unb fegenbringen» 
bcS «Jerf unter ben beutfchen (Siumanbererit 
üoldmnbt, unb bafiir bereits welche ihrer heften 
ffriifte oerwanbt. «her es ift mir, als ob jene 
Miffion bitrcf) 3ufammeiiwirfcn aller ©e= 
meinbeu unb (Konferenzen, burd) Gorrefpoitben* 
unb fpftematifdje, altgcmeine «etbätigung noch 
Diel friichtreicher werben fömite. «Jir befißen 
in biefer ^mfemniffion ein (SinmattbererS» (Sin» 
gaugStbor, beffeit «flege, «tiSbau unb «efefti» 
gung gewißlich ber Mühe wert!) ift, unb um 
welches fih alle beutfhe (Sonferenzeit befüntmern 
unb fcbaareu fottten, benn eS ift für unfern ge» 
meinfchaftticbeii 3> oe( f ein gar wichtiger «offen. 

9lucb jenfeitS bcS Meeres bürften bie 9luS» 
wanbcrer, wäbvenb fie in ben Reifen warten, 
ein lobncnbeS MiffiouSfelb bieten. «Jäbrenb 
meiner Witwefenbeit in Hamburg ging ich zum 
«uterplaße ber Hamburger Sniiipffhiffgefell» 
jebaft, um mir baS Srciben bei ber (Siufhiffung 
anjufeben. Rimberte — Saufenbe aus allen 
©auen bcS «aterlaubeS warteten auf Sd)iff3= 
gelegenbeit. 3h butte beutfh - auieritanifhe 
3eitfhrifteu bei mir, um weihe ficb bie 9(uS» 
wanberer förmlicfj riffelt, obwohl bie 9teuigfeiten 
febr üeraltet waren. 91IS fie aber oolleiibs bie 
(Sntbecfimg mähten, baß ich Weber ein &mb* 
agent noch ein fonftiger |)änbler, foubern^ein 
feblicbter, teutfher Mann bin, ber ein gut Stücf 
Slinerifa gefeljcn, ba mußte ich jo lange über 
amerifanifhe «erbiiltniffe reben, bis ich ermü» 
bet um ßntfhulbigung bat, unb mit ber lieber» 
jeugung weiter ging — ba fei ein großes $e(b. 

Sriiben unb hüben in ben £>äfeii. in ber oft» 
lihen ©roßftabt, fowie weit braußen auf ben 
weftlidjen «rairieit hüben beutfhe ©enteinben, 
beutfhe ffirheu bie b e i l i g e «f 1 i h t ju er» 
füllen, biefe (Siugewaiiberten in bie beutfhe ff irche 
Zit bringen unb ©beifto jißiifiibreit. 2öenn Wir 
fie in bie beu tf heu ©otteSbienfte füb» 
reu, fo beförberit wir teilte Sonberbiiitbelei, 
fonberu leiften bem neuen, gemeinfomeit «ater» 
(anbe einen großen Sienft. 2öir rufen bie 6iit= 
gewanberteu niht zur beutfhen ffirhe jtun 
3wecfe bentfher ©emeinbebilbiuig, fonberit 
wir griinben unb erhalten beutfhe ©enteinben, 
bamit ber ©ingewanberte ein g e i ft I i h e i tu 
habe, toofelbft er, feine ffinber unb ffinbeS» 
tinber ©ott ben £>errn in ber Sbat feinten unb 
lieben lernen, bamit fie (Sbnfteu werben im 
oollften Sinn beS üöortcS, mobiirh ulSbann 
auch bie ©arantie geboten ift, baß fie getreue 
«iirger finb. fiaffen mir uns alfo nicht irre 
mähen burh baS ©erebe bon Seuten, weihe bie 


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116 


tHföof Harris. 


Situation nicht Derfteben, fonbem flehen mir 
unter bem Seiftanbe ©otteS mit aller Stacht 
bormärtS; beten mit, menn um bie SluSgiejjung 
beS heiligen ©eifteS gefleht mirb, inSbefonbere 
um fpejielle Srleucbtung unb Sr. 
m ä r m u n g bafür, b a S j a b 1 1 e i cb e 
beut {ehe eingemanberte Soll in bie 
beutfdjen ©emeinben ju fantmeln. 


Pifdjof gams. 

®on ?• 

(3unt ©ta^Ifli$.) 


Step. StfAof 35>i 11iam 2. £>arriS, 
D. D., L. L.D., }jt in ber Stäbe bon StanS= 
fielb, Ohio, am 14.Sobcntber 1817 geboren. 
Sei einer Öagcrberfantmlnng bafetbjl am 10. 
Suni 1833 ju ©ott belehrt, berbanb er fi<h fo= 
fort mit ber Sifch. Stetb. ifirctje. Sr mar nach 
bem Sefucfc ber geroöbnlichen Slementarfchule 
nud) eine 3eit lang im Normal! Seminar, mo 
er unter ®r. Sbapiain ftcb mäbrenb etma jrnei 
fahren namentlief) mit bem Stubium ber Sia. 
tbematif beschäftigte, Sm Sab« 1836 befam 
er bie ißrebigerlicenj unb mürbe borläufig auf 
bem SMington ©ijirilt berroenbet, bis er mit 
jmanjig fahren in bie Stichigan Sonferenj auf. 
genominen mürbe, unb juerft bie beiben ©e= 
meinben in ®ober unb ÜBorcefter, unb fpäter 
ben StanSfielber Sejirf bebiente, 1840 aber nach 
ber nörblidjen 0l)io Spnobe oerfcjjt mürbe, als 
ißtebiger ju SeßeDille, 5tmitp, Sbefteroifle, unb 
julefct in $elaroare, mo er feit 1840 juglcicb 
auch mehrere Sab« ßilfsleljrer an ber Ol)io 
SBeSlepanifchen Unioerfität mar, 1846 aber mie» 
ber als ißrebiger naß) Stolebo in’S praltifche 21int 
gurödtrat, bis er an einem heftigen 3J2ataria= 
lieber erfrantt, rnieber nad) Normal! guriid= 
lehren mufjte. Obmo^t er bis jefet an reinem 
Soflege grabuirt, blieben ifjm bo<h meber bie 
llaffifcben Sprayen, nod) bie tbeologifdjen Stu« 
bien ganj fremb, bie $euntnijs oon jenen ermarb 
er firn an ben langen SBinterabenben beim Siebt 
pon 5Eannenfpäbnen in ben Slocfbäufern, unb 
biefe betrieb er mäbrenb ber Sommermonate 
bureb eifriges Sefeit mäbrenb ber auSgebcbnten 
Steifen auf feinen früheren Sefteßungen, mobei 
et mäbrenb beS SteitcnS fein Sud) auf ben 
Satteltnopf aufjuftüpen pflegte. So porbereiiet 
mürbe ibm einftimmig bie springipalfteße beS 
Salbroin SnftitutS übertragen, bie er bis 1851 
belleibete, mo er rnieber mich ®elamare gurücf= 
lehrte, um bort ben Sebrftubl ber Sbemie «nb 
Staturgefcbicbte einjunebmen unb gleichzeitig 
auch tri ber bebräifeben Sprache Unterricht ju 
geben. 3m Sab* 1856 trat er jum erftenmal 


in ber ©eneralr Sonferenj auf, bie ihn fofort 
jum Setretär erroäblte, ein 2tmt, baS er unter 
einftimmigem Seifaü auch bei jeher fpäteren 
©eueraUSoufereitj fortfübrte, bis er 1872 jum 
Sifd)of gemacht mürbe. Stit Dollem Stecht tann 
man ihn unfern „St i f f i o n S b i f <ho f" nennen. 
Sängft fchon bitte er als ©ebilfS.StiffionS. 
fetretär bes ebrmürbigen 5)t. Ourbin eine ber= 
Porragenbe Stellung in ber S?ird)e eingenouw 
men, unb in biefer Sigenfchaft eine grope 3n= 
fpeltionSreife rings um bie Srbe (jemacht, bie 
ihn nach Sbina unb Sapan, Snbiett unb bie 
Jürlei, 3tilitu unb bie Schmeij, $eutfdjlanb 
unb Sfanbinapien führte, unb Pon ber er erft 
nadb einer Slbmefenpeit Pon mehr als anberthalb 
fahren rnieber juriitffebrte. Son Sljicago aus, 
mo er Anfangs feinen SBobnfifc gehabt, jog et 
nach bem 2obe beS Sifdjofs 3aneS (am 18. 
September 1876) auf ben befonberen SEunfd) 
ber SSifdjöfe nach Stem $orl, um bort 
gttgleich feine genaue unb eingebenbe itenntnijj 
ber ©efchäftSfübrung nnb feine langjährigen 
Srfahrungen foroobl itn Setrieb ber StiffionS. 
gefeflfebaft felbft als autb bes bebeutenbften Sü= 
merberlagS unfrer ßirdje berroerthen ju lönnen. 
211S moblgeübter Setretär ber ©eueraUSon. 
fetenj bitte er inSbefonbere baS mistige 2Imt 
bet Ausfertigung ber alle bier Sabre neu er= 
fcheinenben SluSgabe ber ®iSeip!in ju beforgen. 
®ie aus ben Sab«« 1872 unb 76 ftammt aus 

J einer ffeber, ebenfo ein fcbäpenSroertbeS Such 
Iber bie „Sollmacht ber ©eneral = Sonferenj", 
unb ein anbereS mit Stichler $>enrt> gemeinfam 
abcjefafjteS 2ßer! über fircblidje ©eiepgebung. 
Sm Saht 1874 mürbe er als Slbgeorbneter jur 
Sritifd) = SBeSlepanifchen Sonferenj, fomie im 
Sab« 1878 jur Sonferenj ber Sritifdjen unb 
AuSlänbifchen SibelgefeUfd^aft gemäblt. ©ei 
allem natürlichen ^robfinn feines lebhaften 
Sl)ara!terS ift er ein anfjerorbentlicb fleißiger 
Slrbeiter unb bereinigt mit ber jähen ftraft beS 
SBeftenSeine reiche Seobpchtung unb umfaffenbe 
Silbung bes®eifte8, bie ihm eine berborragenbe 
Stellung unb bie borjügliche Achtung ber gänjen 
Äirche fiebert. 

- 1 -- » -- 

SBabfpruih einer ^ürfiin. Sarbara Sophia, 
©emablin beS ©erjogS Saba«« Sriebricb Pon 
Söürttemberg, pflegte, fo oft fie ihren Stamen 
febrieb, bie Suchftaben M. V. S. L C. A. binju 
ju fefeen. Sielfadb glaubte man als Deutung 
beS Stonoaramms baSfelbe nach feinem 2Bort= 
laute gelefen als SluSbrucf ber Serebrung für 
bie SJtufif berflehen ju foden. 2I1S bie ^fiirftin 
jeboch am 13. ffebr. i634 ftarb, ergab fid) aus 
tb«n binterlaffenen papieren bie mabre Srflä» 
rung; biefelbe lautete: Stein Settrauen Stehet 
Sn Sbrifto Allein. v 


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Pit Peformatoren. 


117 


|ttt Heim btt Hfformatomi. 

So« fbitor. 

1. Situ 8 ©naben feib ihr felig getoorben, nicht au8 
b e n 2B e r f e n. 

broofjl eS ein roenig Sufentfjalt mtb auch einen Meinen Ummeg tüftele, 
tonnten mir eS uns, nachbem bas Thüringer Sanb betreten war, 
Doch nicht ber|agen, bie ueriüitflte Sffiartburg bei ©ifenach gu 
bcfudjen. 

©tolg nub tüh», roie oor SlterS, ragt bie in mittelalterlichem 
©tpl ^erflefteüte Surg ^imrug in bie altfächfifchen Sanbe. ©8 
ift nicht nur ein alier £>errfcherfiß, in ben mir treten, fonbern eS 
entfaltete fid) in bemfelbcn auch Dielfach vegcS geiftigeS Sehen, 
©o ift es g. SB. bie 2öartbnrg, mo 1207 bcr berühmte ©äuger» 
frieg ftattgefnnben, in meinem Heinrich bon Cfterbingen nnb 
SBaltßer bon ber Sogclmeibe um beu Sorbcer rangen. 

Tie fallen, bie Tljünue. bie Skiffenfammlungen unb anbe» 
reS Silles bicS ift gar fdßöu nnb prächtig nnb bie Erinnerungen 
aus ber '.Reformation nnb an Suther meld)c in mehreren ©ölen 
gu fehen, finb uns hödßft iniereffant. 

Silber gunächft brängt es uns bcch nach bem Meinen ©tübchen, 
in melcbent ber gctoaltige Sutfjer einft als SRittcr ©cora ae« 
lebt, getämpft, gebetet unb für baS beutfefje SBolf bie Sibet 
in'S £ochbeutfihe übertragen unb alfo bie beutfdjc ©dhrift» 
fpraepe gcfchaffen hat. 

Ter Rührer lächelt ob unferer Ungebulb unb bringt unS 
enblich hin. Unb nun fteheit mir in bem Meinen, niebrigen, 
ßolggetäfelten Saunt, mit ben in SBlei eingelegten fycuflerfcheib* 
lein, unb befchauen uns bie befdheibenc ffikrtftätte eines großen, 
gottgemeibteu ©eifteS. ©in einfacher ©dhreibtifrf), ein alt« 
mobifcher Sehnftuhl, ein mittelalterlicher Ofen, einige Silber 
unb ber betannte TinteuflecfS — bicS ift baS ^Mobiliar unb bie 
Sergier-mtg. 2öir treten hin an’S genftcrchen unb bliefen hin» 
au§ in bie mit ©onnenglang übergoffene Saubfchaft, hinein in 
bie SJÖälber nnb Qfelber Thüringens, unb eS ift uns als halle eS 
oon ©üb, SRorb, Oft unb ffieft gur SBartburg herauf: „SIluS 
©naben mitb ber Nleufcfj gereiht, aus ©naben nur allein." giir biefen göttlichen ©runbfaß 
lebte, fämpfte unb litt ber große Suther, unb ©ott ließ es gelingen, baß er benfelben ber Sklt, 
unb in erfter Siniebem beutfehen Solle Dermachen tonnte; ein Scrnüichtniß, baS heute noch baS 
©rbtljeil, baS hochgefehäßte ®ut ber beutfehen proteftautifchen ßircfje ift, baS fie fiep nicht rauben 
läßt, nnb meldjeS felbft unter bem Don bem Sroteftanten = Serein gufammen getragenen Sehr* 
©erümpel nicht begraben roerben tonn. 

Sehnliche ©ebanfen bemegten uns, als mir in Zürich in ber 3 lD ' n tlli = <Stn6e ftanben. 
SJfan geht bon ber großen 3'winflli = itird^e, bie jebeS flinb in 3ürich fennt, ein enges, an einem 
Bergabhang angelegtes ©träßdßen entlang, fteljt halb Dor einem nltbeutfchen £>au§ unb mirb in 
bcit’gmeiten ©toef, in 3miugli’S SBohnung, geführt, ©in unnnfehnlicheS ©tübchen, baS Dielleidht 
jroölf OriiB breit, Diergehn $uß lang unb fieben nnb einen halben fjfuß hach ift, unb beffen breite 
niebere 3?enfterdhen bie NuSficht in einen .(fiiebengarten öffnen, mar baS ©tubirgimmer beS fühnen 
fchmeigerifchen SKeforniatorS, bem ber Segriff „©oangelifche Freiheit" ein noch meitgebchuterer 
toar, als Suthern, unb roelcher ber ©chroeigerfircße ein freies eDangelifcheS ©epräge aufbriiefte. 
baS niiDerlöfchbor ift, unb baS getoiß nur roohlthntig mirfen mürbe, halten Diele bcr Nachfolger 
3mingIi’S Die ebangelifche fjreiheit Jiicht in gügellofen Unglauben Derfehrt. Sjmmerbar maßr ift 
eSaber bo<h, baß baSSnbenfen beS ©erechten im ©egen bleibet unb roeher fein Name noch fein 
ffierf »ergehet, unb in biefen beiben ©tübchen Darf man roohl jauchgen: ©ott aber fei Oant, 
ber uns ben ©ieg ber ©nabe »erlieheu hat über beS ©efeßeS 95Berfe. 



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118 


Pit Prformatorrn. 


II, 9)iadje bidj Io3 öon beinen Sün» 
b e n b u r d) © c v e ct) t i ß! e i t. 

Sn bcr 91ltftabt (SbinburßS ftebt an einer ab= 
hängigen Straße, öon alten SJiiethfafernen unb 
einer Üfirche be^rcujt, ein ehrwürbigeS 2Bol)n= 
(jau-j — bie frühere Söohnuug bc3 fdjottifdjcu 
^Reformators 3fof)it ff nei;. <£rnft fchaut 
einen baS ©ebiiube an, gleidjfatn als hotte bcr 
uucridjiitterlii^e ,(?no£ beinfclbeit feine 3üß e 
aufgeprägt. 

SDieS ift bcr tßlaß, too ber SRaitn ein» unb 
auSgiug, welcher flehen bie toünbeit feiner 3«'!* 
genoffen — ber .(fällige fowoljl wie ber Söcttler 


unb Safter. 9lber üergeblich finb bie mächtigen 
tiou jenem Sifencbaratter gegen Sünbe unb 
Unrecht geführten Stümpfe nicht gemefen. Sie 
! hoben baju beigetragen, ben fct)ottifd>cn SPolfS* 

I charatter gu läutern unb gu bilben, fo baß wohl 
I gefugt »erben barf, Sdjottlanb würbe uic^t 
baS fein, »aS es ift, hätte jener ©e»altige nicht 
gelebt unb gewirlt. 3w c * 3ü‘l e finb naineut« 
iid) bem fcbottifdjen SBolfScharalter eifjen: 1) bie 
SonuiagSbeiligiiHg, unb 2) ber geftrenge 
9ted)tsfiun. &aS finb bie non Sohn Sfnoj: 
hinterlaffcnen (Srbgiiter, »eldje — abgefeljen 
Pon altem anbern — fein Anbeuten frifd) unb 
im Segen erhalten »erben. 



$ie 2utl)ciftu&e auf bcr SBartburg. 


— fo laut, unermübet unb uuerfchrodeit gongte, 
baß ihm mit Stecht baS 3 e ufln'ß gebührt: „(Sr 
habe n i e baS ftngefidjt eines SJtenfdjen gefiirch» 
tet." ®ort, auf jener Freitreppe, ftaitb er eiuft 
mitten unter halb »ilbett fchottifchen 9lbeligen, 
bie mit 3)ol<h unb Schwert auf ihn einbrongen, 
unb oerlangten, er falle bie Strafrebe, »eiche 
er tpiber fie wegen ihrer tollen Sabbathfchän» 
berei gehalten, guriicfueljmen. 

„Steißt mich in Stiirfe," rief ber Unerfchiitter» 
liehe, „aber guriiefnehmen »erbe ich feinen 2aut; 
beim eS bleibt babei: So iljr nicht utnfehret, fo 
»irb bie Siiitbe euer ÜBerberbeu fein, unb fo 
Schottlanb nicht ben Sabbath heiligen lernt, ift 
eS bem Untergang geweiht." 

feilte finbet fidj gwar, »ie überall in ber 
2Selt, fo auch in Schottlanb noch fiel Sünbe 


Unter einem anbern £>immel§firi<he, in bem 
fonnigen ©eitf am ©enferfee, fanben wir, unb 
gwar ebenfalls in einer giemlich eußen Strafe 
ber SUtftabt, bas £eim eines ebenfo ernften ge= 
ßen Sünbe unb Unrecht jeußenben WaniieS, be§ 
ßeftrenßcn Sohn (Saloin. SBclche Erinnerungen 
tniipfen fidj an feinen Stamen, »ie hot er mit 
bem leiditfertißen Ebaratter feiner Stalls» unb 
3eitßenoffen gu tämpfen flehobt. Wie fd)Wer 
würbe ihm fein ®eg ßemacht, wie mußte er 
Schritt für Schritt erlämpfen! 9lber er lebt 
nicht bloß in ber ©efdpdjte als großer Uheolog 
unb ©riinber einer mächtigen Kirdje, fonberu 
in ben chornfteriftifchen 3«flfn, bie er feinem 
Stalle aufßepräßt unb bie jeber Steifenbe, ber 
e.in offen Singe hot, heute noch unoerwifdjt gu er» 
lennen bermag. $a3 fct)lic^te, einfache unb oft 


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j 









Pie Reformatoren. - 


119 


jtreng gefeblidje SSefcu bet ©acblöminlinge ber 
franiöiifd&en ^»u^euottcu, ihr nüchterner ©imt 
unb bie tübküberlegenbe ©uffaffungSweife, ihr 
ganjeS ©ein, ©Men unb Treiben bat öietfudj 
Don Galoin unb feinem Ginflujj baS ©efra^e 
erbalten, ©enf aber, wo er fo crnft gewirft, 
gegen bie ©ünbe gezeugt unb öfter» wol)l and) 
unbulbfam geeifert bat unb hartes ©erfahren 
lieb ju ©cbulben tommen ließ, ift beute noch ber 
£ort ber bi6elgläubigcn ©artei im franjöfifcben 
Äcbrocijctlanb. 3a, es ift ber ©tittel» unb 
Stnotenpunft, oon welchem febon mand)e (jeejeu 
©ünbe unb flafter fiericfjtete ©eweguitg auSge» 


bäube, über beffen (SingangStbüre gefd)tieben 
fteljet: „3obn 3BeSlet)S £>auS." (Sin baufüllU 
geS, Keine», tinanfebulidjeS £>üttcbeu ift bieS 
nicht, aber aucb fein reich Oerjierter ©ifcbofS» 
©alaft. Ser prattifche ©imt unb flute ©e* 
fdjmarf beS großen ©rünberS beS ©tetbobiSmuS 
offenbarte ficb auch in ben unter feiner Bettung 
errichteten fird)lid)eit ©ebauben. ©irgenbS bul= 
bet er unnöthige ©uSgabeit, immerbar richtet er 
ficb nach ben wirtlichen Sebiirfniffen; aber nie 
baut er au» übergroßen ©parfamfeitSrüdficbteu 
allju Keine Winfelige Stirdjeu, ober fpiitteben unb 
£)öl)len, bie aisbann ben ©amen ©rebigerroolj- 



gangen ift. Sie internationale ©efellfchaft für 
©onntagSbeiligung, bie fchweijerifdje ©luftig* 
feitS=©efellfcbaft, bie fran.wfiftbe ©ibcl*, ©tif* 
fionS* unb Struftat=©efellfd)aften u. f. m. haben 
an ©eitf einen gar ftarfeit ©feiler. Ser Stampf 
jener eifernen Gfjavafteve gegen bie ©iinbe hat 
etwas genügt! Unb obwohl baS Safter noch 
allüberall fein gräulich $)aupt erbebt, biirfen 
mir an foldjen Stampf» unb ©iegesftätten woI)l 
auSrufen — ©ott fei Saul, berunS 
ben ©ieg gegeben bat über bie 
©ünbe biircb 3ejum (Sb** ft um, un* 
feren £>etrn. 

III. Stach bem, ber euch berufen bat 
unb heilig ift, feib auch ihr heilig 
in allem eurem SBanbel. 

2ßie wohl baS £>eim 2BeSlet)S auSfeften wirb, 
bauten wir, inbem wir eines September ©tor* 
genS oorigen 3abrS mit guten fVreuuben bie 
6itt) Dtoab (Sbapel in Bonbon auffuchten. — 
®om fteb e — U)ir fteben bereits Oor bem ©e» 


uungen erhalten, noch ftetlt er finjiere, niebere 
©onntag=©chuIjimmer her. 

©o hält baS oon ihm SluSgangS beS festen 
3ahvhunbertS au ber Gitt) 9toab erbaute ©rebi* 
gerbanS beute nod) red)t wohl einen ©ergleid) 
auS mit ben fpätcr in ber Stacbbarfdjaft errieft* 
teten ©ebauben; e§ barf ficb fo ju fagen auch 
im 3ahe 1882 nod) in ber 2Beltftabt Bonbon 
fef)en laffen. ©on ©adfteinen errichtet, macht 
eS mit feinen brei uubeiubalb Stodmerten einen 
red)t ftattlichen Ginbruet unb bietet im Tonern 
für alle prattifdjen 3wede biulänglichen ataum. 

£>ier fchaltete unb waltete ©ufanua ©kslet), 
bie ihrem ©ohne in ben lebten fahren ben 
SjauSftalt führte. Sort hinten ift bie Stäche, 
hier oorne ba» (SmpfangSjimmer unb oben baS 
Keine ©tubierftiibcheu mit bem winjigen Schreib* 
tifcb, ©iicherfchvant mit ber Stommobc, ©Janb* 
uhr unb ber Jbeefanne — alles ©egeuftänbe, 
weldje ber Dteforinatar beS 18. ^aftrhunbertS 
benüßte, unb bie beSljülb mit großer Sorgfalt 
bewahret worben. Sticht weit baoon befinbet 


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120 


Pie Reformatoren. 


ficb baS Bettjimmer, wo 2BeSleq’S große Seete 
jum Bater ging, inbem er feinen Söhnen unb 
iöc^tern baS ^Diotto binierließ: „$)a3 Befte bon 
Ment ift, baß ©ott mit uns ift." 

|)ier boit biefem £>eim anä birigirte ber große 
©riinber jene gewaltige Bewegung, bereu au 3 = 
gefprocbener 3 'wect es ift — Heiligung beS #er« 
jenS nnb 2cben3 über bie 6 rbe ju öerbreiten. 

Unb bat SBeSlep nnb feine Mitarbeiter bie 
2 Bett biefem 3 i?k näher gebracht ? 3 a rooljl. 
3>»ar ift baS Unbeilige noch lange nicht aus 
ben Bölfern verbannt, jroar haben felbft biete 
jünger 6 brifti uocb gar biete Rieden, Mängel 


am 9ttjdu> in ber Schweit. an ber Gtbe, in 
BJürttemberg unb Baben, fowie im (Slfaß — 
allüberall mit berftrage befcbüftigt fanb — wie 
lammt man jur £)erjeus= unb SeibeSbeiligung ? 
$)iefe Hinbet ©ottes finb mit Staufenben in 
©nglanb, Mterifa unb bieten anbercit Säubern 
tief überzeugt, baß eS gelte beS SobcS im £er= 
jeu, ber toüube (öS ju werben, unb biete £>un= 
berte, welche frei geworben, jauchten im Be* 
i wußtfein biefer (Srlöfimg : ©ott aberfei 
5)an!, ber u n 3 ben Sieg gegeben 
b a t über ben % ob ber ©iinbe. 

9tur ungcme fliehen wir bom $eitn ber 9te« 



ä&efyuuug. 


unb ©ebtedjen. Mer beffer ift eS bo<b gewor» 
ben, feit jene Männer mit ber 2)aranfeßung 
ifjreS 2eben3 itiäcbtiglicb auf iKtjenS* unb 2 e» 
benSbeiliguitg brangen. ^rucbttoS waren jene 
Brebigten, Straf täte unb Schriften, welche in 
biefem Stubier 3 immer 31 t Staube famen, nim» 
mer mehr. ©3 finb bielmebr unterbliebe 2 e* 
benSworte, bie beute noch wirten, unb immer 
mehr unb mehr tjfrudjt bringen jum ewigen 
2 eben. 

3tb war erftaunt als icb in ©uropa bon 2 anb 
3112 anb reifenb, gläubige Hreife — in £>o(lanb. 


formatoren unb nodj oft bergegenwärtigen wir 
uns baffelbe unb erinnern uns um fo lebhafter 
an ibr Söerl. 

Sßurbcn fie aud) bom Bott gefteinigt, bon 
ber Obrigfeit geftäubt, bon ben SBeltweifen ber« 
(acht unb bon ber Hircfje in ben Bann getban, 
baS bon ihnen auSgeftreute Samenforn trägt 
ben Heim beS ewigen 2ebeu3 in firf), unb bon 
jenen Hämmern finbSitbtftrabfen ausgegangen, 
welche nicht mehr in’S J'unfel ber 9iacbt ber« 
finfen. 




Digittzed t); 


yGeogk- ■ 


































Sine gel)eimnifjooUe Sielt. 


121 


Plirhe in eine geljeimnißtroUe JÜelt 

Sen $. ZQtuht. 


„Gfä ftiebt me$r $ing’ im Fimmel uitb auf ffrtat, 
m eure e^ulioei^cit ftc$ irÄumen M&t" 

t iefe ffiorte legt bet flrofje britifcfie Tichter 
feinem tarntet in ben Ntunb. Unb in ber 
Tljat, wie bicle oorbem rätselhafte unb 
mnjteriöfe ©ebiete ber Natur unb beS rnenfeh» 
liehen Seelenlebens bie Seuchte ber SBiffenfdiaft 
im Saufe ber Seiten auch fchon auftietlart bat 
imb rüftig aufjubellen fortfäbrt, immer boeb 
bleiben ber Tinge unb Grfcßeinnngcrt noch gar 
Diele, für roelche felbft bie fdjärffte unb arünb» 
licbjte gforfchung bisher feine ©rllärung fanb. 

I. 

©et Don uns Men bat nicht fchon Don foge» 
nannten N b n u n g e n gehört ober gelefen, jenem 
mehr ober minber beutlicbcn, oft halb unbe» 
tDußten SorpuSgefüljl — benn uoneinem 
mirtlicbcn SotauS flauen läßt ficb babei boeb 
nur in febr feltenen fallen fpredjen — bem» 
nächft eintretenbet Segebniffe ? SBent märe aus 
feinen näheren ober ferneren Umgebungen, aus 
Seben unb Qejcbicbte noch niemals etmaS bon 
jenen geljeimnißDollen Sorjeidjen befanitt 
üeioorben, in benen man eine Nnlünbigung 
lommenber ©reignijfe erblidte? Stögen fehr 
Diele biefer Ahnungen auch nichts NnbereS fein 
als ßinbilbungeit unb manche folcber früheren 
aber fpüteren SBeiffagungen erft nach bem 
Segebnife felbft in ßurS gefefet »oorben fein 
— baß nicht alle bergleidjen Nhnungen unb 
IBorjei^en furjer £anb als Täufdjuugen unb 
ßrfinbungen abgefertigt merben tonnen, fleht 
feft. Namentlich ftitb ber Seifpiele genug nach* 
fleroiefen unb beglaubigt, bie Don einer un» 
beftimmten Sorempfinbuiig brohenben Unheils 
jeugen, roelche einzelne Slenf<h«n befäüt unb ju 
gemijfen 4 >anblungen antreibt, ohne baß ihre 
Ahnung bis ju einem Karen Sorausfeßen jenes 
UnglüdS gept. So erjäljlt bet holfteinifdje 
Superintenbent Salßinaitn, er fei auf einer 
feiner ftirchciiDifitatiouSreifen nach einem Torf 
getomineit unb bafelbft üblichermaßen im Sfarr» 
häufe abgeftiegen. Sßäljrenb bet Nacht über» 
lam ihn inbeß eine folche Unruhe, baß er burch» 
aus nicht in ber Pfarrei ju bleiben Dermochte, 
Bielmehr ficb int Eanfe eines ihm perfönlicß 
Wannten Säuern einquartirte, troff ber brin» 
genben Sitten beS Don biefem Umjiig fdjmeq» 
li»h betroffenen SaftorS, ihm folcheS Seib nicht 
anpitfjun. Noch Dor Tagesanbruch jerriß eine 
plöfliche Ueberfcptoemmung ben ben Ort fchü» 


ßenben Teich, fdjtoemmte ben Sßfarrßof mit 
allen feinen lynfafjen ^intoeg unb überfluthete 
fämmtliche ber umliegeubeu Ntarfcßen. TaS 
auf einem fjügel gelegene Sauerngeßöft blieb 
inbeß Don ben gfliitpen Derfdjont. 

Son ©oetße miffen mir, baß in feiner Däter» 
liehen mie in feiner mütterlichen Familie mehr» 
fach merfmiirbige Nßnungen Dorfamen. Sein 
mütterlicher ©roßDater, ber nachmalige Stabt» 
fchultßeiß Johann SEBolfgang Tejrtor, jagte nicht 
nur eine in ffranffurt am Ntain fchmeren 
Schaben anrichtenbe große fffeuerSbrunft unb 
bie bafelbft gant unborhergefchene Npfunft beS 
JIniferS flarlS VII. borauS, fonbern auch, mie 
er ben Seinigen unb mehreren feiner §reutibe 
erzählte, baß er jum Schultheißen ber freien 
Stabt ermählt merben mürbe. Seine ©attin 
erjehien einft nad) Ntitteruadjt mit bem NuS« 
bruefe tiefften SdjredenS auf ihrem Nntlijj im 
Sd)laf 3 immcr ihrer Töchter, meil fie in ihrer 
eigenen Sdjlafftube gai »3 beutlicß ein mieber» 
ßolteS Naufdien mie Don gerfnittertem Rapier 
unb barauf folgenbeS unheimliches Seiten 
oernommen hatte, Sknige Tage barauf marb 
ihr ber Sefud) eines frembeit ^lerrn 311 Tßeil, 
ber ihr ein jerlnittertcS Stiid Sapier über» 
brachte — es mar ber Nu fang eines SriefeS, 
ben in jener Nacht, ba fie bie unheimlichen Töne 
beritominen 311 haben glaubte, ein in meiter 
Seme fterbenb baliegenber Sermanbter hatte 
feßreiben mollen, um ihr taS Schidfal feines 
ÄiitbeS an’S &er 3 311 legen, $aum hatte ber 
traute inbeß einige Sudjftabeu mühfam 3 U 
Staube gebracht, fo padte ißu'bcr TobeStrampf, 
in bem feine £)anb baS Rapier gerfnitterte. 
Tann feufste er 3 meimal tief auf unb berießieb. 
Tie üoit ihm ßinterlaffene SQöaife marb Don ben 
©roßeitern ©oetße’S er 3 ogen. Ter leßtere felbft 
äußerte gu bem ihm in ben leßten fahren fehr 
nahe fteijenben ©dermann, bem er baS hi« 
Ntitgetßeilte: „TaS ift fehr mertmürbia unb 
mehr als 3 ufafl. üöir tappen NDe in SBünbern 
unb ©eheimniffen." 

Taß bie unglüdüdje ßönigin Ntarie Nn» 
toinette Don einem fie faft ohnmächtig machen» 
ben Schauber befallen mürbe, als fie eines Ta» 
geS im Sarfe beS Schlößchens Triauon bei Ser» 
failleS bem ihr perfönlich gn:t 3 unbefannten 
reid>en Sarifer Sierbrauer Santerre begegnete, 
ber nachmals ber töniglichen Familie fich fo 
feinblich gefinnt seigte imb als ©eneraUCfom« 
manbant bei ber Einrichtung beS flönigS unb 
ber Königin bie Nationalgarben befehligte, ift 


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122 


(gint gtprimnißooüt üeli 


öfters als in baS große (tapitel feltfaincr 
Mmingen fallenb angeführt morben, b« bie I 
©touarcpiu in iprein Sterlet beS ©orfafls mepr» : 
mal» ermähnte; unb allerbiiii)^ fc^eint ber eifleit= | 
thümlicpe 'Streifen ©tarie MtoinettenS beim 
Mblii beS ©tanuc», ber in feinem 9leußeren 
flat nichts MftojjeubeS patte unb bamalS noep 
ein frieblicper ©ürger mar, etroaS Uiterflar= 
liebe», ©tpfteriöfeS ju buben. 

©ie häufig S o b e S a p u u n ge n niept allein, 
ton 3 weniger auffällig fein mürbe, bei fepon 
ferner ertranfteu, alfo mit beitt ©ebanten be» 
balbigen £>iitgaugS öiefleiept befepaftigten, fon» 
bern oielmefjr bei noep üöllig gefunben ©teufepen 
beobachtet morben fein follen, baS miffeit mopl 
alle unfete tiefer. Unleugbar jebod) unterlauft 
gerabe hiebei oiel nachträgliche ©rfiubuug. 91n* 
bererfeitS aber ift eS fonftatirt, bau einzelne fei« 
neSmegS oon .(trantbeit ober .(träufeln ergriffene 
©erfüllen ben lag, ja bie Siunbe ihre» ©Pie* 
benS mit ©eftimnitheit ooraugeiagt haben. So 
hat Sullß, ber ©tinifter Jjjeinricp’S IV. oon 
ffranfreid), bcrfichert, ber ffönig habe baS be» 
ftimmte Vorgefühl feines SobcS gehabt. ,,3d) 
möchte heute gar nicht auSfabren," fagte er 311 
feinem Siebliug, bem nachmaligen ©tarfcpall 
oon ffranfteid). ^ranooiS be '-Baff 0111 pierre; „ich 
weif), baß mir auf berührt ein befonbere» Un= 
gliicf beoorfteht." Ser ©raf fudjte ihm bie 
Mgft auSsureben, ber .(tönig fehtc fich bann in 
ben ©eigen, eS mar am ©aepmittage beS 14. 
©tai 1610, tun ben trauten Stillt) 311 befuchen, 
unb toenige ©tinnten baritach traf ihn in ber 
engen Straße la fferonitcrie ber töbtliche ©tef* 
ferftich jfransois iKaoaillac’S. 

©beufo notorifdj ift eS, bah ber Scibaqt unb 
©ofaftronom beS beutfehen .(taifcrS ©ubolpp II- 
(1576 bi» 1612), 3fafob ScutellariuS, Sag unb 
Stunbe feines SobeS OorauSfagte. als er fich 
noch burcpüus lebenSfrifcp unb riiftig befanb. 

II. 

©ir tommen jefct 311 einer anberen ©attung 
mpftifcher ©rfepeinunaen ber ©tenfepennatur, 311 
jenen munberbaren Phänomen einer „geifti» 
g e n 3 f e r n toi r f n n g", toie fie hie unb ba ttn» 
ieugbat beobachtet morben finb. ©erabe bieS 
©ebiet im „©artjtleben ber ©tenfcpenfeele" ift 
ein aufjerorbentlicp umfängliches — eS begreift 
alle jene SinneSeinpfinbuttgen, ©ahrnehmun» 
gen beS Ohres unb beS 91uge§, unheimliches 
Klopfen, Stlingen, ©aufepen, Seitfsen, Sicht» 
erfcheiitungen bis 3 ttr ©ifion frember menfep» 
lieber ©eftalten ober gar ber eigenen ©eftalt in 
fich. burdj melcbe, nach bem ©tauben be» Zolles, 
Oott ©eift 31 t ©eift eine ©irfung auSgeübt, eine 
gemiife ©otfepaft gebracht, ein geroiffeS, meift 
iragifcpeS unb f(pmerjlicpe» 6 reignin angemelbet 
»erben foU. @S tann uns begreiflicher ©eife 


nicht in ben Sinn fommeit, für begleichen 
I „©ifionen" überhaupt eiutreteu 3 U mollett. 

: Mein auch auf biefem gebeiinnißoollen Selbe 
| fiept fiep nufere ©ernunft einer langen 9teifje 
burch Oöllig nüchterne ©tänner unb fclbft bnrep 
tüple miffeiifchaftlitpe tforfeper oerbürgter ©or= 
falle gegenüber, für bereit natürliche Seutung 
ipr ber Stplüffel fehlt. 

©in bor noch nidjt langer Seit Ocrfforbeiter 
©farrer ber fran 3 öfif<hen ©emeinbe 31 t ©ern, 
Ütcitanb geheißen, hat micbcrtjolt ben folgenbeit 
©orfaü betheuert unb auch in ben Oott ipm hin» 
terlaffenen „SebenSerinnerungeu" angeführt: 
3 u feinen ©farrtinbent gehörte ein oon feproe» 
rein ©ruftleiben auf baS ÄJvanfeti bett gemorfener 
jüngerer Kaufmann, Saitiel (tieffer mit 9ta= 
men, ber ipin pcifönlidp napeftanb unb oon ipm 
fepr häufig befuept mürbe, ©efepäfte oerpiu» 
berten ©enaitb einft mehrere Sage hinburep, 
nach bem .(tränten 311 fepen. Sei ermuepte er 
in ber 9cnd)t, meil eS ipm oortam, als habe ipn 
bie Stimme beS ©atieuten gerufen unb flepeitt» 
licp um feinen fofortigen ©efucp gebeten. Ser 
©eiftlid)e erpob fid) aiiSbem ©ette, 3 iinbcte Sicht 
an unb fap nad) ber llpr; »eil e» ipm jebodp 
lächerlich bünfen wollte, tun ©titternad)t 311 einem 
feiner ©fnrrtinber 311 geben, fo legte er fiep toie* 
ber nieber unb mar halb ocu ©cucin eingefcpla* 
fen. 3 roei Stunben barauf glaubte er bie näm* 
iidje Stimme 311 hören, boep bicSinal _nod) oiel 
bringenbet unb ängftlidjer. 3j f !U ließ eS tpm 
feine 9tupe mepr — er tleibete fiep an unb »an* 
berte 311 bem (trauten. 9lfS er leife an beffett 
Spür flopfte, rief (tieffer in mattem Sone : 
„(tommcit Sie nur herein, ich rufe Sic ja fchon 
3 roei Stilnbcii lang!" Ser gemiffeulofe ©ürter 
patte beit (Jranfen feit 3 »ö(f Stunbeit im Sticpe 
gelaffeit, unb biefer lag einfam uitb allein be* 
reitS im SobeStampfe. „3jcp wollte ^pneit fo 
gern noch ScPemopt fagen," bauchte er mit bre» 
dpenbet Stimme — unb wenige ©tinuten barauf 
»ar er 311 t ewigen SRupe eiitgegaugen. 

Um noep eines bermanbten ©cifpicleS biefeS 
merfmürbigen „©eifteSrapporteS,,, »ie man ber* 
gleichen „übernatürliche" Miifjerungeu »opl be* 
iteichnct, hier 311 gebenten, ermähnen mir fcpließ* 
licp beS nacpfolgenben ©orfalleS, 0011 welchem 
3 - Gnncmofer, ber ipit ersäplt, oerfiepert, bafe 
feine ©aprpeit Oon mehreren bei ber merttoiir* 
bigen Scene gegenwärtigen ©erfonen beftätigt 
morben fei. 3 fn einer ©efeflfcpaft in MgSburg 
fap eine abelige Same am Spieltifcpe. ©löh« 
lieh lief) fie bie harten fallen unb fd)rie auf: 
„Dich, mein guter ©ruber ift tobt!" SieS ge* 
fcpaf), mie fiep halb heraiiSftellen foflte, im glei* 
dien Mgenblide, ba biefer Oon ipr fepr geliebte 
©ruber in ber 9täpe Oon Silliitgen burep Um», 
fcplagen feines (JapneS in ber Sonau ertranf. 

©on einer anberen gepeintitifeoollen ©rfepei» 


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<8mr grljeimnifjoolir |8elt 


123 


nung berietet ber ber frangöilfc^eu Kolonie ju 
Berlin cutftüinnteube '4irofejjor ber '-]3t)ilofopl)ie 
am fransitfifcben ©pmnafiiim bafelbft uub Di* 
reftor ber pljilofophifcheu itlaffe ber berliner 
Afabemie, 3ohantt £einrid) gonttep, i» feiner 
1770 publijirten (Sine boritehnte 

Dame lieg fiel) nacf) ihrer Dtüdteljr doii einer 
Soiree bei fjofe in SÖeriin Don Staiuiuerjungfer 
uub ©efellfchafterin auStleiben. Aachbem biefe 
ihre Arbeit Doilbracht batten, fuchjeu bie beiben 
jungen Atäbcheit ihre im oberen «totfioerf gele* 
genen Schlafsintmer auf; ju ihrem nicht geriit* 
gen ©rftaiinen uitb ©nife^eu erblidteit ’jcöod) 
auf einmal 33eibe ihre ©ebieteritt, wie fie in 
Doffer Doilette haftigen Schrittes bie Dreppe 
binaufftieg. Sie fchrieen erfcbrocfen auf uitb 
bie ©rfcljeinung Derfcbroanb. SJaum toareit fie 
aber in ihren Zimmern augelangt, fc rief fie 
bie ©lode in bie untere ©tage’binab — bie 
Dante mar Don einem 3Jlittftiine befallen mor* 
beit uitb meitige Stunbeit barattf eine Scidje. 

Allgemeiner befannt ift, baß mehrere freunde 
beS berühmten citglifcben Dichters 2orb 33pron 
biefen in öonboit gefeljeit nt buben üerficberteit, 
mährend berfelbe fich bocp in ©ricihcnlanb bc* 
fanb, mo er bemnächft feilten Dob finden füllte. 
Der ‘ißoet, bem oon biefer „magifdjcit Gvfd)ei= 
nung," bie, mie angebeutet, ju gleicher 3eit Don 
Dernhiebeiten Aerionen bemerft roorbeit mar, 
Atelduitg gefchab. fd)erjt darüber, !urj Dor fei* 
item Eingänge su Atiffolunghi in ©ricchenlanb 
am 19. April 1824, in einem Briefe an feinen 
?reuub uub UniDerfitütsgenoffen, Sir $obn 
©am .ftobfjoitfe: „3$ gmeifle nicht, b:tß mir 
burd) einen ttnS unbefannten ^vdseß bem 
Scheine nach boppelt fein föniten, aber 
welcher Don ben beiben ich in biefem Augcnblide 
pifällig mirlluh bin, überlaffe ich Sbnett ju 
eittfcheiben. Da» ©iitjige, rnaS ich hoff« unb 
»itnfche, ift, baß mein jmeiteS 31) fich Wie ein 
©etttlemcm beträgt." 

Um biefeS .(fapitel uitfereS „unheimlichen 
SpufeS" mit ber ©rjäljlung eines AJaniteS ju 
beenben, ben gerniß Aiemanb ber ©eifterfeljerei 
leihen wirb, uitfereS großen beutfcheit Patrioten 
©rnft Atoriß Arnbt, gebeuten mir eines 33or* 
falleS, ben berfelbe mit mehreren anderen Sei* 
fpielen „nterfmiirbiger Ahnungen unb f^ern* 
blide," in feinen im 3faf)re 1846 erfchienenen 
„Schriften für unb an meine lieben Deutfdjen" 
oermerft. 3fm 3ah r f 1811 mar Arnbt auf ber 
3nfel fRügen febr ermüdet in einem Sehnftuljl 
eingefcfjlafen. Slößlich fab er feine liebe alte 
iahte Sophie Dor fich fteben, freunblich lächelnb 
unb auf jedem Arme einen ihrer beiben Keinen 
ftnaben trngeitb, bie er fehr lieb hatte. Sie 
hielt ihm bieftinber mit einer bittenden ©eberbe 
hin, als wollte fie bamit fagen, baß er fich ber 
Jhtaben annehmen folle. Am nächften borgen 


traf fein Sruber SBilhelm bei ihm ein, um ihm 
bie fd)mer,jliihe Aachricpt ju bringen, bafs Dante 
Sophie am Dorigeu Abend geftorbett fei. 

111 . 

3Bir fünhteit, beit uns jur Sevfügung gefteH* 
teil Staunt fd)oit Dollauf erfchöpft jti hoben, 
überdies durch noch meitere ©efdjichten aus einer 
A3elt des Dunfels unb ©eheimnifjeS unfere £e* 
fer um fo mehr ju ermüden, als mir ja baS 33e= 
richtete eben nur einfach wiederholen tonnen, 
ohne felbft im Stande ju fein, bie fchmale 
©reiijdiuie jmifd)en Drug unb AMdlichleit, 
©inbilbung unb SOßobrbeit ju sieben. Darum 
fei smn Sdjluffe unferer Darlegungen nur mit 
Wenigen SBorten noch auf eine anbere Art „mp* 
ftifcher ©rfcbeimtngen" bingemiejen, bie feit un* 
deutlichen 3e<teu Äufmertfamfeit uub Staunen 
nid)t allein beS noch in tinblichen Anfchauungeu 
befangenen 93olfeS, foubern auch hod) u,, b wif* 
fenfdjaftlicf) gebildeter Atenfchen gefeffelt hat. 
Söir meinen baS fogenannte 33 o r = ober 
3weite ©eficht — »eeond si^ltt mie eS 
ber ©ngläitber nennt — jene unheimliche ©abe 
beS 331 i d e S i n b i e 3 u f u n f t. ber, mie fich 
taum mirb ableugnen taffen, einseinen Aten* 
fchen, minbcftenS bis ju einem gewifjen ©rabe 
berlicheit s» fein fdjeint unb an bie bann baS 
nimmerruhenbe Spiel ber ©inbilbungSfraft 
eine Atengc überglüiibiidjer 33orftelhingeii uitb 
©rsäljluiigeu geftiiipft hot. 

3Bir begegnen biefem „smeiteit ©dichte" mehr 
auf beit umnebelten öden Atoor* unb fjaibe* 
flächen, swifchen ben biifteren ©ebirgeu beS Aor* 
benS als im fonuenhellen Süden; sumal ift doii 
ihm itn fihottifdjen Hochlande, in ben eitifaitien 
Dhälern AormegenS unb Sd)medenS, auf ben 
füllen Snfeltt DäneiitarfS, in ben meerumbran* 
beten Sfiiftcit ber Bretagne bie Aebe, allein auch 
da unb dort itt Aorb* und Atittelbeutidjlanb, in 
33öhmen unb Cefterreid) glaubt baS 3Solt mohl 
an baS fputhafte „jmdte©efid)t," baS allerdings 
bie fommenben ©reigniffe nicht immer in beit 
Silbern ber 2Birf(id)ieit, foubern häufig nur in 
Spmboleit erblidt. Auf ben norböfflict) oon 
Schottland gelegenen ShetlanbS * 3"feln, mo 
baS „smeite ©efidjt" feine befonbere ^leimath ju 
haben fcfjeint, behauptet baS 35olt, baß bas am 
Dage gefchaute „smeite ©eficht" früher eintreffe 
als bitS in ber Aad)t erfcheinenbe. 3e fpäter bie 
Aachtftunbe ift, in melcher ber Spöfeufieler — 
wie mau in Döeftphaleit, SchleSmig, |>olfteiii 
unb überhaupt im norbmeftlichen Deutfchlanb 
einen mit bem „smeiteit ©eficht" behafteten AIen* 
ichen hfißt — feine Aifioit hat, um fo längere 
3eit Dergeht, Sßochen, Atonate, felbft Sahre, 
beoor baS ©efdjaute fich erfüllt. 

3Ait bem „smeiten ©efichte" in engem 3>ifom* 
meithange fleht bie roahrhaft graufige ©abe beS 


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124 


Pit Patahombm in Pom. 


% ob i e h e it 3, bie man, wie ber Verfaffer bie. 
fet Wittheilungen fich pcrföntitb ju überzeugen 
©elegenheit fanb, zumal in ber Saufig gemijieit 
Verfoucn zufdjreibt. Siefe Söbfeger glauben 
eine neige ©eftalt ober auch nur einen lichten 
Schein ju erfdjauen, ber bor ibneit einher» 
[(breitet ober gleich einer breiten Schlange bor 
ihnen baljin Iriedjt uitb entweber bor bemQaufe 
beS bem Sobe geweihten Wenfchen berfchwinbet 
ober aber in baSfelbe einbringt, unb legtereS ift 
bann baS 3eidjen, bag baS Gnbe jenes SobeS« 
Ganbibaten in unmittelbarer. fttähe beborjteht. 


Ser Spul jeigt fid) immer nur mit einbrechen« 
ber Vacfjt. 2lu<h ihr eigener Sob wirb ben un« 
gliidlicgen iobfehern, bie ftets in fid) gelehrte, 
büftere, grübelnbe Weitfcgen finb, in ber näm» 
liehen VJeije angetünbigt. 

Unb nun — was folgt aus aß’ biefen räthfel» 
haften Grfcheinungen, Vorfällen unb ©oben ? 
Sa3— bau obwohl mand)e biefer Grjcheimingeu 
auf überreizte Vhuntofie jurüdzuführen finb, 
Shafefpeare bennoch Siecht hat, wenn er fdjreibt: 
„GS giebt mehr Singe im ftimmel unb auf Gr« 
ben, als eure Schulweisheit fid) träumen lägt." 


■m 



Pie Satnkomlim ;u Pom. 


®on fjr. ftopp. 


lauter ben einftigen ©arten unb 
Saitbfigen ber Umgebung SiomS 
liegen bie berühmten ßatafom» 
ben. „ffata" bebeutet U n t e u,' 
unb „Äomben" Höhlungen, 
alfo unterirbifdhe Höhlungen ober ©räber. 

SlbmärtS leitenbe Vfabe führen burcf) buufle 
JBeubungen zu biefer „Stabt ber Sobten," unb 
baS Sicht, baS burch bie Gingänge ftraljlt, be= 
leuchtet nur matt bie erften paar fRutljen biefer 
unterirbifdjen ©änge. Von Schritt zu Schritt 
oergrögert fich bie tjinfternig.. Vtur hie unb ba 
fällt ein Sicgtftrahl burch bie Oeffnuitgen boit 
Oben herab, wie burch bie Sule eines Segel« 
fdjiffeS in ben unteren Schiffsraum. Stach allen 
Seiten ziehen [ich bie Ireuz unb quer laufenben 
©äuge unb führen halb zu unterirbifdjen ifa« 
gellen, halb zu prächtig auSgeftatteten Kammern, 
meiftenS aber zu fleinen, engen ^fächern, in be= 
nen bie armen Ghriften ber erften 3ahrl)unb:rte 
(bie aber im ©lauhen reich waren) bem Stuf» 
erfiefjungSmorgen 
entgegen fchlüm» 
mern. 

Sie Gingänge zu 
biefen ©rahftätten 
finbeit fich meiftenS 
an ben fjauptftra» 
gen, bie aus '«Rom 
führen, unb zwar 
in einem Umfrcife 
bon brei Weilen 
außerhalb ber 
Stabtmauer. Sind) 
in tfelbern unb 
SBeinbergen hat 
man SBege in biefe 
Sabgrinthe gefun« 

ben, in benen an Qiiugaiig in bie 


beiben Seiten ber ©änge ©räber finb, ©räber 
oben unb ©räber unten, bon längft bergeffenen 
©enerationen. 

Surch baS Grforfdjen ber Jiatafomben werben 
wir bertraut mit tern ©otteSbienft ber apofto« 
lifdjeu ffirdje unb ihren Ginrid)tungen, unb mit 
ben Gmpfinbungen ber erften ©läubigen, Wäh= 
renb fie ihre Stobten — oft ihre gemarterten 
Sobten — bem Sdjoof ber Grbe übergaben. 
SBir entziffern bie riihrenben Verlegte ihres 
Kummers unb ihrer Hoffnung, bie fie aufrecht 
hielt, ihres ©laubenS, ber bie ffurdjt beS SobeS 
berfdjeuegte, unb ihrer Grwartung einer glor« 
reifen Vuferftegung unb eines feligen SBieber« 
fetjenS im f)imme(. 2Bir leftn in ben 3eug= 
ni|fcn ber ßatalombcn baS ©laubcnSbelenntuifj 
ber erften Ghriften, baS mit ben Vericgten ihrer 
Verfolgungen berwoben ift, ebenfo auch bie Vrt 
ihres WärtgrerthumS; ja, felbft bie Snftru» 
mente ihrer Sortur finben fich häufig in ben 
SGßänben unb Wonumenten eingearaben; benn 

in biefen ftillen, bü« 
fteren Säumen 
fdjlummert ber Seih 
bon unzähligen 
ÜJiärtgrernunb Ve« 
lennern, welche ihr 

§ etignifs in beit 
ahrhuuberten ber 
Ghriften = Verfol» 
gungen mit ihrem 
Stute berjtegelten; 
hier ruhen bie erften, 
Vifdjöfe unb Seljm' 
ber $ird)e. Welche 
bie beerbe Ggrifti 
in jenen ferneren 
Seiten treulich Wei« 
«ntatomit». beten unb ihr Sehen 


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Pit Jtatdhombtn in Pont. 


125 


für bit Schafe getaften haben; und) ber Orabi* 
iiou ber römifcheii ftivd)e foltert felbft bie Seiber 
ber 'Upoftel — e tr i uni) ^uuli — in jenen 
ehrwürbigeit Prüften liefen. 

Oer U m fang biefer „Stabt ber lobten" ift 
bei ben flenaueften Uuterf ucftungen uub 3aF>ve 
lanfltn gorfchungen ber griinblichfteii ©eiehrten 
nicht flenau ju ermitteln. 63 finb bis jeftt 
poeiunbbierjig SJlbtheiluugen ber cf>riftlid&en 
ftatafoinben befannt, bon beiten man aber biete 
bis jeftt nur §um Streit erforfdjen tonnte, ba 
bie fallen unb ©änge häufig berfhüttet unb 
baber unzugänglich finb. £>crr SDtichacl Oe 
Äoffi berechnet nach ber genauen SBermcfiung 
ber ftatafoinbe ©alijrtuS bie Sänge ber ©äuge 
auf fiinfhunbert unb fiebenunbacbtjia geogra* 
Phifhe Weilen. 

Oer ©inflaitg in bie Sfatafomben ift öfters 
nur ein einer guchSljöhle ähnliches niebrigeS 
Sodj mit ©ras berwachfen unb überfchattct bon 
ber melandjotifchen graublätterigen Sppreffe. 
SDtandjmal ftnbet fich hinter bem ©iitgang eine 
SBölbung wie in ber SJatafombe St. ißriSciüa, 
ober toie bei ben SReften ber SBorhaßen, in wel* 
<hen baS 9litbenfen ber Wärtftrer feftlid) gefeiert 
würbe, wie etwa bet 6iugang in bie ßatafombe 
Oomitilla. 

3n allen gälten finbet fich «ine Oreppe, oft 
lang unb jleil, ntorfch geworben burch bie 3?>t. 
unb abgejtuftt burdj bie Suffe frommer ©eitern* 
tionen. 6iner ber fchönften Singänge ift ber ju 
ber ifatafombe St. SßretertatuS, häufig benäht 
in ben erften Sahrhunberten bpn ben Wartprern 
unb treuen 3«ugen be§ £>ertn, unb Wohl auch 
bon ben bewaffneten ©orben ber ©ftriftenber* 
folger, bie bie ßeerbe ©hrifti an biefem gehei» 
ligten Orte auffpiirten. 3n fpäteren feiten 
befudjten ißilgrimme aus allen Säubern, tl)eit§ 
in frommer ©rinnerung, theils mit eitler 5Reu* 
gierbe biefen Ort heiliger ©rinnerung an bie 
ireue unb ©IaubenSfreubigteit ber erften ©hti* 
Ren unb Wärtprer. 

Oie ffatafomben finb in einen bulfanifchen 
gelfen gehauen, ber fich feh r häufig borfinbet 
in ber timgegenb bon 9toin. @S ift bicfeS eine 
lofe, graue Waffe, bie fich leicht mit bem Weffer 
ober fonft einem fharfeit ^nftrumeut bearbeiten 
läßt. Sie beftehen aus jwei Ofjeilen, 3im* 
mern unb ©ängen. Oie ©äuge finb lang 
unb fchmal, aber meiftenS gerabe. Sie geheit 
freujweis über einanber unb bilben ein 9teft* 
wert. 

Oie £>ouptgänge finb bon 3 bis 5 guft breit, 
aber bie SRehengänge finb biel fdjmäler, fo bah 
oft faum gwei Sßerfonen an einanber borbei 
gehen fönnen. Oie Dölje berfelben beträgt bon 
5 bis 15 Stift. Unb es liegen, wie in einem 
groften ©ebäube, öfters oier bis fünf Stodwerfe 
über einanber. Oie Oetfe ber ©änge ift tnei» 


ftenS gewölbt. Oie Seitenwönbe beftehen gröft* 
tentheils aus bem naetten Seifen, fie finb jeboch 
! auch hi« unb ba gepfläftert, unb an einigen 
Stellen, um fie ju fcpüfteit, gemauert. Oa, wo 
fich bie ©äuge treujen, finb häufig SRifthen für 
Sampen angebracht, ohne welche bie Äatafombeu 
ein unburd)bringlicheS Sabprinth gewefen wä* 
ren. Söeibe Seiten ber ©änge finb bon Oben 
bis Unten mit ©rabgemächerii eingefaßt, ähn* 
lieh ben Schlafftellen eines Schiffes ober beit 
gächent eines flauflabenS. (gegenwärtig ent* 
palten biefclbeit aber nur bie 2lfd)e unb ©ebeine 



Zvtppt in bie Äatafombm. 


ber Oobten. ©S ift leiht eiiijiifehen, warum 
man bie ©änge fo fchnial unb bie Stuheftätteu 
ber Oobten fo nahe gufammeitmachte, um näm* 
lieh fo wenig als möglich auSgrabeit zu müffen. 
Wan benüftte jeben 3°H, fo baft felbft ©räber 
auf bem «oben unter beit ©äitgen gefimben 
würben. Oie ©rabftütten finb bon oerfchiebener 
©röfte, für baS lleinfte iJiitb bis hinauf pim 
boll auSgewachfenen wann. 3ebeS aber betaut 
genau fö biel '-JMaft als eS nöthig hatte. Ooch 
auch hi«, wie überall, ift bie große 3afjl ber 
Jfinbergräber auffalleitb. 

Oie 3a()l ber in ben hriftlidjcn ßatafomben 
SSegrabeneii ift fdjwev ju beftintinen. Oie jit» 
befläfi'igften Schäftungen hat man bon SB ater 
W a r cf) i unb bon W i ch a e l b r SR o f f i; ber 
erftere fdjäftt fie auf fiebeti Wiüionen, ber lefttere 


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126 


9» Jßatahomben in Hont. 


auf nabegu Dier ©iillionen. Siefe ©eiben ba* 
ben ihre befte 3 e *t unb Ära ft bem Stubium 
unb ber Grforfcbuug ber Äatatomben gemibmet. 
3b« 'Sebäßung fcbeint für beit erften ©lid 
übertrieben gu fein; meint mir aber bebeuten, 
baß 300 3‘ib« lang, ober für meuigftenS gehn 
©eueratiouen bie (tauge dbriftlicbe ©eDölterung 
'JtomS bort beerbigt mürbe (unb ©om mar bn= 
malS eine fcbr bebölferte Stabt), bann fommt 
cS uns nicht mehr fo übertrieben oor. 91tub 
mürben Diele uerfolgte Cvtjriften ans ben ©ro= 
Dingen nach ©om gefdjleppt unb bort in Scbaa« 
ten r>iit^cric^tct- 3?iir jebe eiugelne ©erfon, bie 
gegenroartig in ber Stabt 3tom roobnt, fcbluin» 



AataForafat. 


ntern mehr als fünfnnbgmangig (Triften in ben 
Äatafombeu bem b^rrlic^en ©uferftebungSmor« 
gen entgegen. 

$>ie ©rciber in ben Äatafomben maren alle 
feft Derfcbloffeit, meiftens mit einer ©tarmor« 
platte bebecft unb mit Gement luftbicbt gemacht, 
maS au<b böcbft nötbig mar, ba bie Öeffnung 
berfelbeit ben ©äugen gugemanbt mar unb biefe 
fortroiibrenb Doit ©tcufcben beniittt mürben. 
$)iefe ©latten finb aber gegenroärtig größten» 
tbeils berfcbmunben unb Diele bet ©rüber finb 
leer; in anbern beftitben ficb nur noch ©ebeine, 
bie bei ber leifefleit ©criibruug in toeißeS ©uU 
Der gerfaflett. 

3>ie anbere 9lrt ber 9(it#^ö^Itmgen, nebft ben 
fdjon befcbriebeneit ©äugen mit ©di bem gu 
beiben Seiten, finb bie 3 i in m e r ober Ä a m« 


mern mit 3:büren Derfeben,, roeldbe fi<b nach 
ben ©ängen gu öffnen. Siefe 3immer fdjeitteii 
fjamiliengrüfte gu fein; auch biefe finb an allen 
Seiten mit ©rabgemicbern eingefaßt. 

2>iefe Kammern mürben mabrfd)einlid) auch 
bei Seiibeufeierlicbfeiten unb gu bem ©cnuß beS 
heiligen ©benbmabld in ©erfolgungSgeiten be- 
nüßt, foroie auch gu ©cbäd;tnißrcben an ben 
3al)reSfeften ber ©iärtprer. 3> im gemöbnlicbcit 
©ottcSbienft maren fie gu Hein, ausgenommen 
gur ©otb in ben 3sibm ber ©erfolgung. 3b« 
©röße ift Derfcbieöeit. Sie fleinften 8, bie groß« 
ten 20 fjaiß im Quabrat. ©S liegen immer 
grneiberfelbcn einanber gegenüber, baßber ©ang 
bagroifcben ift. ©tan bot angenommen, baß ba» 
eine 3immer auSfdbliefjlicb Don ben grauen, baS 
anbere Don ben ©tannern beniißt mürbe. 

Sie Äatafomben befinben fid> im 3»nern ber 
£nigel, roelcße bie Stabt ©om umgeben. 516er 
obröobl bei einigen ba§ untere Stocfroerl über 
100 guß unter ber Oberfläche liegt, roerben fie 
nicht mit ©Jaffer gefüllt, ba bie Sibcr noch be« 
beuienb tiefer liegt. 

Sie Äatafomben mürben an gemiffen ©unf* 
ten matt erleuchtet unb mit frifdjer Suft ber« 
feben — burd) eine SIngabl 2 u f 11 ö <b e r , 
meldje tri^tcrartig, unten meit unb oben enge, 
bie fdjlccbte Suft ablcitcn. Ohne biefe ©inridb« 
tung märe es unmöglich in benfelbcn gu leben. 
©3o biefe Suftlöcber bie Cbcrflädjc 'erreichen, 
finb fie böcbftenS groei guß im Surd)meffer; fie 
finb geboeb binreidjenb, ben ©and) Don ben Sich« 
tern unb bie fünfte au§ ben ©dibern abgulei« 
ten. Sie Oeffnungen bcrfelben finb meiften» 
im ©ebüfcb unb ©raS ber fnigel Derborgen. 
3n faft jebem Sßeinberge gmifd;cn ber ©incian 
unb Salarian Straße merben foldje Ceffnun« 
gen gefunben, bnreb rneldje man in bie $?a= 
tafomben gelangen !ann. ©ad)bem bie ©erfol« 
gungögeiten Dorüber maren, mürben biefelben 
Dermebrt unb Dergrößert. 

©tan barf aber nicht annebmen, baß gegen« 
rnärtig, naebbem fcdiSgebnbunbert 3<>b« ber« 
flößen finb, ficb bie Äatalomben noch in ihrem 
urfpriinglidjcn 3uftanbe befinben. ©ein, fie 
finb biclfiiltig befeßübigt unb Derunflaltet burd) 
ben 3obn ber 3sit, burd) ©rbbebeu, burd) rohe 
©tenfeßen unb anbere gerftörenbe ©aturfräfte. 
Sie kreppen finb häufig gerfallen, bie ©cinge 
gugefiiflt bureb baS ©erabfallen ber Sede, uiib 
öfters auch mit ©orfaß, um ber ©erfolgung gu 
entgehen. Sie ©egengiiffe ber 3obtb»nberte 
haben Sonnen bon Grbe bureb bie Oeffnungen 
herabgemafeben unb fo bie SBänbe berunftaltet 
unb bie ©eilige blodirt. 

3u bem 3<ib« 1798, nach ber ©iirffebr ber 
republifauifeben ©rntee unter Sertbier nach 
©out, befuebte eine ©ngabl frangöfißber Offi¬ 
ziere, atbeiftifebe 3ünger beS ©oltaire, bie Äata« 


Digitizeitt)y LnOOQle 















Pie Poiohomben in jtotn. 


127 


tomben. ffredj fliegen fie hinunter in baS Sa* 
bhtintf) unb fangen bort it)ve leichtfertigen Sie» 
bet unter ben Seid)iiüiueii ber alten (iljvifteit. 
ßiner unter ihnen, ein SlübüUerie=Cffigier, ber 
„Weber (Sott noch beit Teufel fürchtete, lueil er 
an Sieinen glaubte," eutfc^lop fid), bie (Sänge 
»eitet gu erforfdjeit. Salb mar er bertoreit unb 
»urbe Don feinen Slanteraben Devlajfen. ©eine 
lebhafte ^^antafie, burd) bie natürlichen ©chrecf» 
bilber feiner Umgebung noch mehr aufgeregt, 
malte ihm bie ihn umgebenben ©crippe als le» 
benbig oor. ®urcf) bie langen ©äuge tjörte er 
baS geheiinuifsbolle gliiftern beS ©jittbes, tmS 
fiih hie unb ba gu einem Wechgen unb ©töhnen 
erhob, alSob©eeleit in ©ei» mären. So fich 
burch bie finfteren ©ange hinburchfcf)(eid)eub, 
griff er mit ber ©aitb halb uit bie falte JBaitb, 
halb an bie morgen Sobtengerippe, roaS jebcS» 
mal einen ©chaubcr beS ©nifcjjenS Dentrfnchte. 
©r glaubte fich oerurtheilt in biefen finftern 
©äugen lebettbig begraben gu merben. ©ein 
philofophifcher ©leidjm.ith berliefj ihn in biefer 
Stunbe ber ©efaljr. $ie (Srinnerung an bie 
(hriftli<hat Sehren in feiner Sliubfjeit mürbe le» 
benbig iit feiner ©eele. ©ein SfnnerfteS mürbe 
erfüllt unb burdbbrungen mit heiliger furcht, 
©eine Sförperfraft erfchlaffte unter ber ©eroalt 
ber ©efiüjle feines ©ergenS. ©r mürbe ben 
nächften Sag gef unbeii, mar aber lange franl unb 
jtanb auf Don feinem Slranfenbette als ein an» 
berer ©tann. ©ein Sehen mar bon nun an 
ernft unb fromm. 2llS er fiebcit 3>af)te fpätcr 
in einer ©chtacht fiel, mürbe ein neues Sefta» 
ment unter ber SGßefte auf feinem ©ergen ge» 
funben. 

©elbft noch i'n 3al)re 1837 berloreit fich 16 
©tubenteit mit ihrem ©rofeffor in einer Slata» 
tombe. 9ln einem Feiertage fliegen fie tjiitun» 
ter, umbiefelbe gu erforfdjeit, berloreit fid) ober 
in ben berfdjlungenen ©äugen. ©tan fu^te 
lange nach ihnen, fanb aber leine ©pur. 2)er 
©aitg, melchen fie hinunter gegangen maren, 
mürbe gugemauert, um aitbere betartige lln» 
jUiicfSfälle gu berhüten, aber ihr geheitmtifjbollcS 
Ächtdfal mirb mohl nicht aufgellärt merbett, bis 
bie ©räber ihre Sobten miebergeben. 

2>ie @efdjid)te ber $ata!omben 
ift nicht genau gu ermitteln, ©ehr maljrfchein» 
lieh mürben bie erften berfelben bon ben Suben 
angelegt, bie gttr 3 e ü Gbrifii unb ber Mpoftel 
in Morn roohnten. ®ie 9lrt biefes ©egräbniffeS 
hatten fie bon bem ©ater Slbrabatn gelernt, 
©erfetbe hnite bon ©pfjron, bem ©etljiter, bei 
©ebroit in Slanaan eine groiefache ©öf)le ge» 
lauft unb barin feine ©arafj begraben, unb er 
felbft famiitt ben anbern ©rgbätern mürben 
barinneit beigefefct. 

Such hntten fich lange bor ber apoftolifdjen 
3eit Diele Stuben in biefer Slaiferftabt nieber« 


gelaffen. ©beitfo machten bie 3uben gu jener 
3eit Diele ^Irofeliten aus ben ©eiben, bähet ber 
'luSfpruch ©enefaS: „Sie ©efiegten gaben 
ihren ©efiegern ©fiepe." 

Saß bie Subeii ber ©erbrennung ber Seichen, 
mie eS bei teu Moment ©itte mar, entfdjieben 
abgeneigt maren, lägt fid) leicht bettfen, beim 
überall, mo fie früher mahnten, legten fie ihre 
Sobteu in ©rüber ober ©tiifte. s JJian finbet 
baljer auch Sfatafomhen in Morn, in benen aus» 
fdjlicfelidj 3üben begraben finb, maS an ben 
Senffdjriften unb ©piiihofen beutlich gu erfem 
neu ift. Sind) hat man in einer ber älteften 
ffatafomben baS SBort „© p n a g o g e" eingra» 
phirt gefunben, fomie baS Söilb beS fiebenornti» 
gen SeuchterS. 3n einer anbern fanb man 
unter 200 ©amen, bie bort entziffert mürben, 
nicht einen d) t i ft (i d) e lt. Unter anbern 
murben bort folgetibe ©rabfdjriften entziffert: 
,,©ier ruhet ©alome, bie Sodjter beS ©abia, 
SPorfteherS ber ©pnagoge ber ©ebröer." — 
©3eitcr: ,,©ier ruhet ÖuintianuS, ©eltefter ber 
©pnagoge bon ©uguftcnfeS." 

Sie d)riftlid)e Sfird>e in Morn mudjS fo gu fa» 
gen unter bem ©chatten ber ©pnagage auf unb 
hotte jebenfalls eine fchöne Stngnhl hefehrter 
Sfraeliten unter fid). 2(ud) miifcte ben erften 
Gijriften bie ©eifej)uitg ihres ©iciftcrS in baS 
in einem $e(S gehauene ©rah, fo mie bie hoff» 
nungSboltc ©uSfidjt auf bie ©etflärttng beS 
SeiöeS ber ©eiligen, fo lebhaft bor ber ©eele 
fteljen, bafj fie fid) mit Slhfdjett bon ber heibni» 
fchen Seidjenuerhrennung abmenbetcit; ba aber 
bie meiften bon ihnen arm unb bie Sähbercien 
tim bie bid|t hebötferte ©tobt fehr theuer maren, 
fo ift eS leicht 6egreiflid), baff fie fd)oit frühe an» 
fingen ihre lobten in ben Sfatafomhen gu be= 
erbigen. 

©tandje ber Sfatafomhen maren mahrfchein» 
lieh guerft ©ribateigentljum einzelner rcohlha* 
hettber Geritten, mürben aber fpäter, hefonberS 
gu 3eiten ber ©otb, gunt ©egräbnif; ber ©rüber 
frei gegeben. 3 U ben älteften merben bie Sfa» 
tafoiiihen Sucitia, IßriScilta unb ®o» 
mittlla gegählt, meldhe in bie 3 c ‘t ber Sipo» 
ftel hinauf batirt merben. 

?lls man anfing bie Sfatafomhen angulegen 
unb auSguhauen, mar eS ben ('hrificn noch nid)t 
berhoten ihre Sobten ehrlich gur ©rbe gu he» 
ftatten. 9luch mürben bie Crie, mo bie Jobteit 
ruheten, felbft bon ben ©eiben für heilig ge» 
halten unb ftanben unter bem ©<bufi ber ®e» 
fejte. 911S aber fpäter bie ©erfotgung immer 
rafenber mürbe, erftveefte fich bie 2Buth ber grau» 
famen ©erfolger felbft auf bie 2obteu unb auf 
bie gemeihteit ©räber ber ©heiflen. ©S fläch» 
teten fich in foldjett ©chrecfeuSgeiteii gaitge ©chaa» 
reit in bie Sfatafomhen. SDaber mürben auch 
bort an ferner gu entbeefenten ©teilen ©ehälter 


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128 


Jeanette. 


gebaut (welche in fpäteren 3etteit aufgefunben 
Worben finb), in beneit für folche Sothgeiteu 
Sahrung aufgefpeicpert würbe, felbft '-Brunnen 
finb bort entbecft worben, beim es fummelten 
fict) Saufenbe um bie ©räber bet heiligen Mär¬ 
tyrer, um burtb bie ©rinnerung au tyreit 
3eugeitmuth im ©laubeit geftiirtt su werben. 
3n folche 3 e >teu fällt febr waljrfcheinlich bet 
weitere ZuSbau ber Statafoinbeu. 2bei 15 um 
Vlafc gu machen für einen (ämteren Zufeutyalt, 
für tyre 3ufantntenfüufte unb tyreStobteu, tyeils 
um fity oor ihren Verfolgern lieber gu bergen, 
brangen bie ©Triften immer tiefer $in in bie 
Serge unb fdjütteteu beit auSgegrabeiten Stoff 
in bie Haupteingänge, uin ihren jfeinben ben 
©eg in ihre ©erguitgSode gu oerfperren. 3 n 
ben gehn fchredlidben Verfolgungen ber crften 
300 Sah« ber tyriftlichen 3eitrechuung eilt- 
fianbeu auf biefe ©eife bie langen, fid) immer 
Wieber freujenben ©iinge, fammt Kammern 
unb kreppen, unb würben biefe ©rufte für 
ben Uneingeweihten ein unburchbriitglicheS Sa» 
bprinth. 

S)ie SEaufenbe ber 2fnf<hriften-, welche in ben 
SJatafontben gefunben würben, liefern ein für 
bie ©efdjichte ber erften 3tyhehunbede chriftlicher 
3eitrechnung ungemein ^errtic^eS unb interef- 
fanteS ©rgebnife. Von bem 91Irrglauben beS 
Mittelalters, ber Meffe, ben ©ebeten gu beit 
Heiligen, bem Marien = GultuS, unb t>on bem 
©lauben an ein ffegfeuer finbet man in ben 
©rabfdjriften bis weit iit’S üierte Sfa^r^unbert 
hinein auch nicht eine ©pur. ©S betätigen ba- t 
her bie Statafoinbeu bie ©ahrhaftigfeit ber 
Vibel. ©eiche ©inficht in bie ©ebartfen unb 
©mpfinbungen ber ©hriftentjeit beS apoftolifchen 
3eitalterS geben uns biefelbeit! $>ie barin auf» 
funbenen ©emiilbe, Sciilpturen unb ^»fchriften 
ftellen uns bie 3been unb baS Sehen ber erften 
©haften (ebenbiger bor bie Seele, als Wenn er 
bie gelehrten Zbijanblnngen beS 2ertuEian unb 
OrigeneS auswenbig gelernt hätte. 

Such geben uns bie Statafomben Ilare Vfide 
in bie fogiale Stellung, bie häuslichen ©inrich» 
tungen, baS ffainilienleben unb ben atlgemei» 
nen ©tjarafter ber ©laubigen jener 3 e *t. Sie 
iiberbrücfen ben Strom ber 3 e 't unb führen 
uns in bie erften Sabrljunberte beS urfprüng* 
liehen ©hriftenthuinS gurüd. Sie geben nnS 
einen genaueren ©inblid in baS tägliche Sehen 
unb in bie Vef-häftiguitgen ber erften ©Ijriften, 
als bie ©eit- unb Stirchengefchicbte. 2)ie ein= 
fachen ©rabfehriften ber Statofomben finb ernfte 
unb feierliche Stimmen aus ber Vergangenheit. 
3fn ihren rührenben ©orten Oernehmen wir 
ben Stummer unb bie ütraucr um bie Zbgefdjie- 
benen, unb baS Soeben beS HergenS treuer 
tfreunbe unb liebenber Zugehörigen in ben 
fchwerfien Stunben beS Sehens, ©ir lefen 


barin baS Verlangen uity Sehnen ber bergen, 
i bctS weit über baS ©rab hiuauSreicht unb nach 
! einer ©ieberoereiiiiguug im £>immel bürftet. 

I ©ir finben auch bie V a I m e bort, in ©ebeitf- 
! tafeln eingegraben, als 3ei<ben unb S p nt b o I 
ibeS ewigen Stiebe nS., gu bem biejeitigeit 
eiiigegattgen finb, bie ben guten Stampf bes 
©laubenS gefämpft hotten, ©elbft bie Samen 
auf ben Monumenten unb 'Senffieinen gengen 
Don bem ©eifte beS ©hriftenthumS. Matt fiitbet 
bort nicht nur biblifche Santen wie „©etruS", 
j „SoutuS", „Johannes", „Stephanus", „Ma¬ 
ria", „Gltfabtty", „Sufanita", „Sebeda" u.f.w., 
fouberu auch folche, welche chriftliche SEugenben 
begeichnen, wie „®emitth", „Veftänbi’gteit", 
„Unftyulb", „Stlugheit", „©ritftine" u. f. w. 
©benfo ift auch oft bie fogiale Stellung unb 
Vefchäftigung ber Zbgefchiebenen auf biefe» 
Senttafeiu angegeben, unb baburch beftätigt fity 
baS ©ort beS ZpoftelS: „Sicht biel ©eife, nicht 
biel Stluge, nicht biel H°he unb ©bie finb be¬ 
rufen; fonbern was unebel ift oor ber ©dt, 
baS hot ©ott erwählet." ©S finben fich in beit 
Statafomben wohl einige ©räber üon Seichen 
unb Hohen, nnb gwar etliche aus ber faiferlichett 
Samilie; aber bie grojje Mehrgaljl ber 
fchriften begeitynet ©erfoiten aus geringem unb 
bürgerlichem Stanbe, wie g. V. „Väaer Dom 
12. $iftrift", „©ärtiter", „3»rferbäder", „Stoch", 
„Megger", „Steinhouer", „Stöhlet" u.f.w. 

Stuf bie ©ingelheiten ber 3nfd)riften unb 
©t)mhole weiter eiugugehen, erlaubt ber Saum 
nicht, ©er bie ©ingelheiten ber Statafomben 
genauer ftubireu will, ben oerweifen wir auf 
Vaumnnn’S „UnterirbifcheS Som", ober auf 
©itrow’S *' Catncombs of Home”, heraus- 
gegeben im 3fohre 1877 bon bent ©uchoerlaa 
ber Vifch. Metlj. Kirche. 

-- • -- 

leattnettf, ber amerihamfdfe Horb* 
yolfaljrfr. 

$argeftettt Pott Start Siebljart. 

f it großen Hoffnungen folgten bie Zntert- 
faner im 3aljre 1879 ber „^eannette", 
bem oon Herrn Vennett gut Zuffinbung 
ber „Sorbenftjölb = ©rpebition" auSgeriifteten 
Schiff, erftere ift jeboefj Icingft in Sicherheit. Seit 
ber Zbfahrt beS Schiffes oon San Francisco 
im Snfjre 1879 hörte man nichts mehr bon 
bemfelben, bis fürgtid) ®epefchen aus Snfelanb 
melbeten, bie Schiffbrüchigen feien in Sibirien 
an ber Sena-Miinbung angelommen. 

I 2>iefeS Schiff würbe in gang oorgilglidher 


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Spaziergänge um Seeitfer. 


129 


Seife auSgeriifiet unb feine Semanmtng felfr 
lotgiältig auSgewäplt. — Sie Cffigiere beS 
Skiffes waren bie folgenben: SefehlSlfaber: 
Lieutenant be Songj erfter Offizier: G. 2B. 
6f)ipp; gweiter Offigter: ®. 333. Sannenljauer; 
Slrgt: Sr. ©nt hier; erfter Ingenieur: ©eo. 353. 
©telbitle. Sie ©iannfchaft beS Schiffe» beftanb 
aus ©tännern aller Stationen: 'lliuerifaner, 
Seutidfe, ©dfweiger, Saiten unb fogar brei 
Gljinefen, bie als ©tewarb, ftoch unb <£ct)iffö= 
junge bienten, waren auf ber „^eannette". 

Lieutenant be Song unb GffipP fjatten bereits 
eine 3?aljrt jum ©orbpol gemalt, nämlich bie 
Ggpebition beS „l^uniataS" int Sfafjre 1873 gut 
©uffuchung be» bermijjten ©orbpol falfrerS 
.©olaris". Sefjwegen würben fie als erfte 
Offtgiere biefer Unternehmung erwählt, wogu 
fie befonberS befähigt waren. 

33erf<hiebene ©ermuthungen Würben übet baS 
©Aidfal unb bie Stiftung, in welker man baS 
©tpiff gu finben hoffte, angefteHt. ©teljrere 
Sjpebitioneu würben auSgefäitbt, ben berntijj» 
ten ©orbpolfahrer aitfgufuchen unb ber leiben» 
ben ©tannfehaft £>ilfe gtt leiften. Sie aus ©ufj» 
lanb eingelaufenen Sepefdfen theilen uns mit, 
baß bie „3eanuette" am 18. Sinti unter bem 
77. ©r. Hörbücher ©reite unb bem 157. Sängen» 

K " e Dom Gife gerbriieft würbe. Sie ©tarnt» 
t beflieg bie brei ©oote beS ©djiffeS unb 
»erfiuhte baS geftlanb gu gewinnen, nämlich 
bie fPüfte bott ©ibirien. Ser Ort, wo baS 
Schiff oerlaffen würbe, ift etwa 500 ©teilen bon 
ben 8ena=©tünbungen entfernt. Um biefe ber» 
bältnißmäßig lurge ©treefe mit ©glitten unb 
©ooten unter oieleit ©tühfeligfeiten unb @e» 
fahren gu machen, bagu brauchte be Song unb 
fein braoeS ©dfiffSbolf mehr als brei Monate, 
ffünfgig ©teilen boit ber 2eita=©tünbititg erhob 
lieh ein fernerer ©türm unb trennte bie brei 
©oote. Ungefähr am 29. September erreichten 
gwei bet ©oote, baS boit ©telöilte befehligte fo» 
genannte 3ßa(fifchboot unb be Song’S — eine 
ber 2ena=©titnbungen, etwa 140 ©teilen tiörb» 
lieh oon Gape ©iefow. £>ier in einem nahe» 
liegenbett bott Gingeboreiien bewohnten Sorfe 
fanben bie Unglücflichen frettttblicheit Gmpfang. 
©om britten ©oote ift noch feine ffuttbe ein» 
getroffen, bodj ift’S noch nicht als berloren auf» 
gugebett. Sie ungeheuren Gntferhungen unb 
bie SSerfehrSfchwierigfeilett im nötblichen ©ibi» 
rien fprechett im ©egettlheil bafür, baß biefeS 
roie bie beiden anbereit bie Äüfte erreichte. 

©tehrere 3QBochctt brachten bie Schiffbrüchigen 
in ben £>iitteit ber Giitmobner gu, fidh gu erholen 
unb gut Steife nach Srfntsf gtt riifteit, welche 
aflein burch £uitbefchlitten bewirft werben fatttt. 
Such mußten fie «bie uöthigeit ©tittel befomnten. 
Sie Regierung in ©t. Petersburg befahl per 
ielegraph, f üt bie Schiffbrüchigen auf’S hefte 


io 


gtt forgen. fjerr Raines ©orbon ©enuett, Gi- 
genthütner beS ©ew 2)orf „.frevalb" unb ©efißer 
ber „3feannette", »elegraphirte fogleich nach @m= 
pfang ber erfteit ©adjricht an bie rulfifchen Se= 
hörben unb fepiefte bie gur Unterftüjung ber 
Schiffbrüchigen nötigen ©elbbeiträge. Sie 
tuffifche Regierung gab fich alle ©lülje, bie be» 
ften ©norbtiungeit gu treffen, ©eueral Sgtia» 
tiew, ber ruffifche ©tinifter, fanbte gwei Gypebi» 
tioiten aus, uni baS noch bermißte britte ©oot 
gu finben. GS Wirb berechnet, baß bie Steife 
bon Soloenge (baS Sorf, wo bie ©dfiffbrüdfi» 
gen Aufnahme fanben) nach SrfutSf ungefähr 
gwattgig Sage nimmt, fo baß, bis bie £>ilfe fie 
erreicht unb fie gurücffehreit, miitbeflenS gwei 
©tonate bergehen werben. Ginmal in ^rfutfs 
gelanbet, werben fie ade Pflege unb Sequem» 
lidjfeiten genießen. Welche fie höchüchft bebürfen. 
©on 2fafutsf werben fie nach Srtutsf, ber 
£auptftabt beS oft liehen ©ibirien, eine ©treefe 
bon 1900 englifchen ©teilen, reifen, unb bann 
über SomSf, ©ntsf unb ©toSfau noch ©t. ©e» 
terSburg. 3Benn alles gut geht, ift bie ©nfuitft 
ber Schiffbrüchigen in ©merila auf nächften 
©tai angttfeßett. 


S|>tt|tfr0aii0f am 

San 3. @. @djaal. 

ce^tu».) 

9tothc ©teer = 3flgen. 

" ttter biefen befinben fich bie 
pradftboflftcn ©eepflangen, 
bie bem ©aturforfcher be» 
fannt fiitb. Sa aber auch bie gar» 
ben biefer ©attuug oft fehr bott ein» 
anber abweichen, befonberS wenn fie 
bem Sichte auSgefejjt werben, fo bür» 
fett Wir uns barunter nur eine bor» 
herrfchenbe rothe garbe bei biefer 
Slrt bon ©leeres »'tilgen borflellett. 
Polysiphonia, welche biefer ©attung attgehört, 
foK fogar öfters eine attnähernb fchwargegarhe 
annehmen. Ser ©attte biefer Pflange ift eben» 
falls ein gnfaniinengefefcter aus einem griechi» 
fchen SB orte ply, ttiel, unb einem englifAen 
sjphon, 3Bafferbehälter. ©ie hat biefen ©a= 
men baffer, weil bie ©tiefe, wenn man fie ab» 
febneibet, oiele SRöffrchen im Surchfchnitt geigen, 
wie bie Sefer auf bem nächften Silbe Wahr» 
nehmen föunen. 

Chyloclndia Artieulata ift eine wuttberbar- 
geglieberte 3llge, beren eingelne Steile baS 3luS» 



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130 


Sjwftergänge am Srrufrr. 



$oItjfty$onia. 

Oben ein «einer «bfönitt b«ä «Stammten* (bergrÖ^rt). 

feljen Bon aufeinanber gepeilten Sföeinflnfd^en 
fabelt, unb tttie man fagt, mit meinähnlichen 
©afte angefüllt feien, fo baß Saton Stiincb* 
haufen’g ÜBeinfruchtbaum fein Wänden mehr 
märe. 



GWocInbia ttrticulnta. 


fabelt mir fcpon früher Bon ^ßffnnäent^iercn 
gerebet, fo mollen mir nun and) einmal eine 
2f)ierpflame betrauten. @iite folche ift bie 
Steeralge Carollino, melche lange 3«it für cmf 
mirfliche «(toraüe gehalten mürbe, mag mir nod) 
au» bem Flamen berfelben erieljen. @ie befißt 
ba» Vermögen, foßlenfauren Äalf aug bem 
Weerroaffer anfguneljmen unb abgufeßen, fo 
baß, roenn and) bie SPonge abftirbt, bod) noch 
ein $alfgebilbe. gleich einem ßorallenftod, gu» 
rücfbleibt. So lange biefe Spange lebt, bat fie 
eine bläuliche ftarbe, nach ihrem ?lbfterben 
bleibt aber ein gierlidjer, meißet ffaltftengel 
gurücf. 


Cornmium ift eine bet anmuthigßen ©ee» 
algen, bie mir fenneit. ©o gierlich unb gart 
erfreuten feine burchfichtigen 3roe<Ü«'unb Slät= 
ter, mit ihrer abmedjfetnben roeißen unb rotljen 
tfarbe, bem ^Beobachter, mie bie oon unferen 
herbftlichen fiüften getragenen ©onunerfäben. 


CoroÜinf, oben 6am«i. deramium. Somtn. 
(««rßrü&cit.) (SJttßvöfcert.) 

3m Silbe erfdjeint f te nur in Sergrößerung. 
3hre 3 ar Hj e >l unb ©dlimljrit foll fogar ben 
Serfuchen beg geübteften ffünftlerg fpotten. 

Iridin Edalie 


tiren, mag Biel gu 
ihrer munberbaren 
Schönheit beiträgt. 
$iefe Sflange mirb 
Bon ben englifdjen 
tfifdjern alg 9tafj* 
runggmittel genof. 
fen. Um berfelben 
einen Seigefdjmacf 
Bon Puffern gu ge» 
ben, gernuetfchen fte 
biefelbe erft mit 
gliihenben 3ongen. 
fluch biefe SPonge 
birgt eine Stenge 
fleiner ©eetfjiere, 
mag ben Satur« 
«buii«. forfcher, bet folche 




hat ein bicfeg, Pei» 



©ie ift im ©tanbe, 
bie 9t egenbogen» 
färben gu repec» 



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Spaftergäitge am Seeufer. 


131 




fud^t, nie bei ber (Sntbecfung biefer Sßflange 
tauigen läßt. 

Nitophylluin Punctntum ift eilt ©ewätßö 
mit feßr großen SBlättern, bie auch wieber bei 
berfcßiebenen Spflongen berfcßicben feilt mögen. 
Sin ber 2öefttiifte oon 3rlanb finbet man tilgen 
btefet Slrt mit ^Blättern, welche eine Sänge bon 


9GUop$t?((um ^unctatum. 

fünf guß unb brei grüß ©reite haben unb eine 
rofenrotbe ftarbe befihen. 3)ie $apfeln ber 
Sporen liegen im Platte eingebettet. $)er 
äußere fRanb ift auf’S fünfte gegacft. SBringt 
man btefe 'Bflattge in Süßwaffer, fo giebt fie 
einen fnacfeitben SEon ab als ob fie in Stiide 
berfteu wollte. 

Callithamnion Plumula iß eine atibere 
bitfer garten Seepflangen. reelle bereits an 


GatUtyamnion plumula. 

ollen Seefüßen gefunben wirb, unb unter bem 
SergrößerungSqlaS angefeßeit, einen über- 
tafcßenb frönen Slnblitf barbietet. (Jfaß alle 
fangen biefer ©attung finb meift nur nach 


einem Sturme in ihren fcßöitften formen am 
©eftabe gu finben. 

Sin ben britifchen Unfein Wirb eine Slbart ber 
Rhodymenia, unter beut Manien Dulse be= 
faitnt, gefunben, welche Poit beit SBewoßnern 
fowohl als 9iahrungS= wie Slrgneimittel feßr 
genäßt wirb. 3n Schottlanb foll ein Sprücß= 
port fein, baß, wer See = Seüeri oon ©uerbie 
genieße unb aus ben SBrunneit bon ßilbiegie 
trinfe, gegen jebe iJraitfßeit, mit SluSnahme ber 
Seulenpeft, gefdjüßt fei. 



£ulft. 


3unt Schluß Wollen wir noch elmaS über 
grüne TOeeres = Sllgen fagett. ®icfe eignen fieß 
befonbevS für Slquarieit. ba fie baS SBerniögen, 
ffoßleitfäure aufgunehmen unb Snuerftoff ab» 
gugeben. iit einem befonberen SJtaße befihen; 
was übrigens für bie ©eiunbßeit ber in biefen 
^Behältern befinblidjen 2l)icren bon großem 
ÜRußen ift. 3e mehr ba§ Slquarium bem 
Sonnenlicht auSgefeftt ift, befto beffer reinigen 
biefe Sllgen baS SDaffer bon ber fiohlenfoitre, 
welches an ben fleinen 3Ma§cben wahrgenommen 
Werben fann, bie fich währenb beS Sonnen» 
fcheineS an bie '-Pflange anhäugen, ober fobalb 
eine SBolfe borüber gießt, an bie Oberfläche 
fommen. 





Bryopsis Phimosa ift ber 9?ame einer 
procfitDoflen grünen 9J?eere§ = 9lIcie. SDer 9?ame 
beutet if)r feberbitfdjnrtifleS 9(u§feben an. 3)ie 
gorbe ift eine föftlidje fltfine. (?§ flieht nod) 
onbere biefer 9Irt, bereu feböne flrtine »Iätter 
in pradjtöoflen, fitberforbiflen Sptfeen aus* 
laufen. 

SDer OTeerlattifl, non meldjem e§ mieber mefi* 
rere Spielarten ftiebt, bie man tfjeil§ in euro- 


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13? 


flridjtljnm. 



päifd;en, tljeilS in anbern, unb tljeilS auch in 
allen ÜJteeren finbet, wirb ebenfalls Dielfach als 
fßahrunßSmittel ßebraudjt. SiefeS ift narnenU 
lieh bei bem purpurfarbnen füteerlattiß, tt>el= 
djeit bie 3fr(änber sloko uhb bie Schotten *lank 
nennen, ber gall: berfelbe roirb mehrere ©tun» 
ben ßetoctit, bis er gart ßeroorben ift; barnadj 



^ur^urfai-biger SJleerlrtttidj. 


bereitet man ihn mit Gitronenfaft, SButter unb 
©etoürgen für ben ©enujj gu. 

2öie mir fdjoit früher bemerft, fo befinben 
ruh bie fdjönften Wißen in ben füblicf)en SDteeren. 


Siefenißen, roelche mir hier befchrieben, ßeljören 
nteiftenS ben britiichen ©emiiffern an. Wuch 
mir hoben Diele Wißen an ben ftiiften unfereS 
ütanbeS, unb äuperft prachtoolle am ©olf Don 
Vtejifo fomie an ben Ufern beS Stillen VteereS. 
Wbet mie überhaupt baS Stubium biefer Vflon» 
gen mehr im Slntcreffe ber SBiffenfcfjaft unb 
nicht für’S SSolf betrieben mürbe, unb groar oft 
noch feljr manßelhaft, fo hot and) «nfer 9?olf 
nodh lehr meniß ßenntnifj Don ben fflnnbern 
ber ijßflangenroelt, roelche in unferen SDteeren 
muihert. 


H e i dj t h ti nt. 

@rgätjluttQ tum Martin Glaubia«. 

/|»S mar Sommer, blüljenber, herrlicher ©om» 
SK® mer. WuS ihrem £)äu§chen trat grau Still, 
T ihr jüußfteö ßinblein auf bem Wrm, gtuei 
gu ihren Seiten uub gmei mit fröhlich lachenben 
©efidjtern, bie puppen in ben {tänben, DorauS. 

3« ber Shot, grau Still mar eine reiche 
Vtutter. günf blühenbe ffinber um ficb ho* 
ben, ift Diel ©otteSfcßen. Wtir bah eS ihr felber 
juft ßar uid)t fo erscheinen roollte. WlS nämlich 
im {jerbff bie lebten falben Sölätter Don ben 
Säumen fielen, hotte man ihren Staun beßra« 
ben, unb ben ßangen Söinter über hotten Schmerg; 
Sorße unb Strantljeit ihr felber bie SPanßen ße» 
bleibt. Weh, einer SBittroe £ooS ift ßar fchmcv! 
Unb menn fie auch ihr eißeneS, traurißeS ©e« 
fhicf in ©ebulb hotte troßen mollen, ber ®e« 
banfe au ihre ßinblein beußte fie immer auf’s 
neue. 2BaS fotlte nur aus ben fünf unmiiu» 
bißen SQBaiSlein merben ? 

So hotte fie vielfach feit bem Stäbe ihres Stan« 
neS ßetlaßt unb flefraßt, unb fo thot fie auch 
heute, roo fie mit ihren Jtinbern in ben blühen« 
ben Sommer trat. Sie roollte im 9tacf)barborfe 
bie alte Shthme, ihre unb ihrer Äinber befte 
greunbin, befugen; benn obßleich arm, alt unb 
ßebredjlich, mar biefe bo<h ftetS bereit, anbre gn 
erfreuen unb gu tröften. grau Still hotte baS 
erfahren, als bie Stuhnte troft ihrer eißetten 
{»infällißfeit fie in ihrer Sriibfal befucht hotte, 
unb ihr fchmereS §erg fehnte fiel) jept nach einer 
WuSfprache bei ber alten greunbin, roährenb ihre 
tfinber nach $inberart fich beS frönen Spagier« 
ßaitßeS mie beS SefucheS ßleich feljr freuten: 
Ser Somuiertoß mar fo herrlich unbbieStuhme 
unb ihr ©ftrtchen auch. Sie fannten ben 9io« 
fenftrauch bnriit, ber ben ßangeit Sommer hin« 
burch blühte, aber beffer noch ben ßrofsen Stirfci)* 
bäum. Vielleicht roaren feine grüchte f<hon 
reif; benn fie roaren immer bie erften unb 
füfeeften. 


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j&rißthum. 


.133 


<8efj’ ans, mein fjerj, unb fuße ^reu£>’ 

3« biefer lieben Sommerzeit 
Jtn beines (Bottes (Baben; 

Sßau an ber fßönen (Bärten gier, 

Unb fietje, mie fie bir unb mir 
Stß ausgefßmücfet haben! 

©o fanfl bie jungge Schaar, unb bie ©öfllein 
nahmen ba£ Sieb' auf unb trugen eS weiter. 
9tur 5rau >&till feuf^te noß, wenn auß etwas 
ßeimlißer, benn faft fßäintefie fiß beiuller©err» 
lißfeit rinflSttmßer, baß fie felber fo traurig war. 

geßt Ratten fie baS fltaßbarborf erreicht, unb 
baS wiitjifl fleiite ©iitlßen ber ©tußnte mit bem 
frönen atofenftrauß Öooor unb bem mastigen 
ffirfßbautn ftanb oot ißnen. 

Gs war alles, wie bie ffinber fiß’S (gehaßt, 
bie Stofen bläßten unb bie ffirfßett flimmerten 
oerlodenb rotß bttrß baS ©ejmeifl. Gi, bie 
würben einen föftlißen ©ßinauS flehen! 

31 ber ba trat ihnen bie ©tithme entgegen, ©ie 
mußte fßon febr, feßr alt fein; aber äuS ihren 
tlaren, milben Stuften flaute fie bie ffinber fo 
froh unb friebboll an, als ob fte felbft ein ffittb 
märe. ,,©iel fchönen SöilKomm!" rief fie. 
„2öie ftut, baß ihr ba feib. Oer ffaffee ift juft 
fertift. tretet nur näher, unb fühlt eußbriit« 
nen erft ab, bon bem heilten ©kfle. grifße 
Suft unb Stofeubuft ftiebt’S im ©tübleiit auch, 
benn baS gen fte r fleht ben cgaitgeti Oacg offen." 

Unb fie fußte bie juitfte grau unb bie ff iüber 
bet Steiße nach, orbnete bann ihre ©äfte um beit 
faubern ffajfeetifch, unb naßöem fie felber baS; 
„Silier Stuften warten auf bi(h" ftebetet, naßin 
jeber beregnüftt feinen ©laß ein. 

®.tS mar einmal (guter ffaffee mit ©kißbrot 
unb ©ottifl bollauf, ein wahres fföniftSmahl für 
bie ffinber! 3n ber Oßat, eS mußte eine Stift 
fein, folche ©äffe gu haben. Sn ben ftrahlettbcit 
Stuften ber 'fltuhme ftanb’S flefßrieOen,'aber baß 
fie um folcheS ©erflttüflenS willen felber flebarbt 
hatte, baS laS man nirftenb. 

„©o, unb jeßt fteht in ben ©arten," fpraß 
fie. „gßt ffinber follt mir bei ber ffirfchenernte 
helfen. ®er ffari ift fibon ein (langer fferl, er 
flettert auf ben 'Baum, unb Siefe unb ©tinßen 
famtneln bie grüßte. ©ier habt ihr fförbe. 
SRutter leftt gitoot ihr SiincgfteS in mein ©im« 
inelbett; baS muß fein ©ßläfßen halten, ich 
ieh’S ihm an. Unb Gßriftel, ja bie ift wohl fo 
ftut unb fpült bie iaffen an meiner ©tatt. @ie 
ift fd)on ein flroßeS, flefchicfteS ©täbßeu, ich fe^e, 
baß man ihr maS anoertrauen fann." 

Unb wie bie flute SJtuhme aitfteorbnet, fo 
würbe flehanbelt. ©ie felber flinfl mit brei 
ffinberti in ben ©arten unb half beim ©flüefen, 
Griffel machte fich über bie Waffen her, (gang 
ftolg, baß bie SJlubme ihr ein micßtiaeS Slmt an« 
nertraut hatte, unb grau ©tili bradhte baS «eine 
grängelßen gut SWittaflSruße. 


©ie hätte eS ftern flefehen, bie ©tußme wäre 
bei ihr im ©tiibßen (geblieben, fie hätte bann 
bie ©elecgenbeit beitußt unb ißt bolleS ©erg Bor 
ißr auSflefchüttet, aber faft feßien eS, als wollte 
bie 9llte bieStnal folch’ ©uSfgneßett bermeibett. 
©ie hatte immer fßnell abftebroßen, wenn grau 
©tili bon ihrer Siotß unb feorfte gtt fpreßen be« 
ftonneu. Ob fie auch fßott ißrer fflaften mübe 
war ? Gs fonnte woßl fein. Unb grau ©tili 
feufgte abermals. 

Ooß halb fcßlief grängelßen feft in betn flro« 
ßen ©arbineubett ber ©tuhme, Gßriftel hatte 
bie Staffen cgefpült unb auf bem Sort in ber 
©tube tauber fleorbitet. ©o traten bie beiben 
atteß in beit .©arten, ihren SLßeil an ber Grnte« 
freube gu nehmen, bie fie bereits in noDettt ©an(ge 
fanben. Oie ffirfßen waren wunbernoll faftifl 
unb muttbeten trefflich; bie ff leinen tonnten beS 
©ercgitüflenS fein Gnbe fittben. 

®a faftte bie alte ©tußme gu ißrer junften 
greunbin: 

„ffomnt, feße Oiß gtt mir auf bie ©anf unter 
bem blüßenben Stofen ftrauß. ©ott hier attS 
föntten mir baS frößlicße 2reiben ber ffinber 
feßen unb boeß unfern befonbern ©cßwnß haben. 
9lber nießt Waßr, an einem Oafle mie ber ßeu« 
tifle;" — unb ißr fluteS, altes ©efißt ftraßlte 
orbentliß in ©ommerfrößlißfeit, — „flegiemt 
eS fieß, baß wir tinS Bon bem lieben ffioti felber 
bie Ueberfßrift bagtt flehen laffen." 2öaS meinft 
Ou gu bem ©falmmort; 

„OaS SooS ift mir flefallen anf’S Sieblißfte. 
SJtir ift ein feßöu Grbtßeil fleworben." 

Oie juttfle grau faß auf. Grftaunt, faft 
BorWurfSBoil bliefte fie auf bie alte ©tußme. 

„Sollte mir baS ©Jort flelten?" fraflte fie 
bitter. „OaS SooS einer jßittme ift ein feßr 
ferneres, ißr Grbe ffttmtner unb Oßränen unb 
bie baitfle grafte: ©3aS foll aus meinem ©auf« 
lein ffinber werben ? 9lcß ©tußme, iß bäcßte, 
bas miißteft Ott au<ß." 

„@o ?" erwiberte biefe, unb fßaute nun ißrer« 
feitS auf bie juttfle grau mit flutmütßiflem Gr« 
ftaunen. „9lber bennoeß, ©litte, fllattbe iß, baß 
es mir mie Oir, ja wenn iß baS ffiort reßt Ber« 
ftefje, baß eS allen Gßriftenleuten flilt. ©iebt 
eS auß ein fllücflißereS SooS als baS eines @ot« 
teSfinbeS unb ein reißereS Grbe als bie ©im« 
meisfrone ?" 

„O ja," antwortete bie SBittme, „wenn Ott 
ben ©pruß auf baS ßwiige beuteft. OaS Gr« 
benmallen einer ©tittme aber bleibt beSßalb boß 
ein traurifleS unb ißr 2Befl naß ber ©immelS» 
i heimatß ein ©tüftenweeg, baß man woßl flein= 
! fllätibifl werben unb in ber ©otß ber 3<it fiß 
: beS reißen GrbeS ber Gmiflfeit nur fßmer fle« 
i tröffen innig." 

j „Unb boß," fpraß bie 9llte, „unb boß {gilt 
i jenes ©falmmort nißt nur für baS 3ufünfttfle. 


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134 




©3 beifit ja: baS SooS ifi mir ne fallen auf’s 
Sieblihfte, mit ift ein fhön ©rbtbeil fleroorben. 
5)a mirb mir nicht erft etroaS üerljeifsen, bafjabe I 
unb befipc id)’3 fhon." 

Die junde grau feufgtc: 

„9tun, maS ich habe unb hefige, roeifjt Du, 
nnb auch, bojj idh’ö nicht als Oteidjtfjum achten 
fann. Dodj fall baS feine murrenbe fflade fein. 
3h fann’S einfeljen, bafj ber Dhoit nicht gum 
Döpfer fprechen barf: Stamm inachft bti mich 
alfo?, mir auh nur empfanden, roaS unfere 
Dfjaten merth finb." 

Die 9l(te le^te fanft ihre £>anb auf bie ber 
Stittroe unb fuhr in mitbem Sone fort: 

„3h möchte aber boch faden, bofc feiner bon 
uns empfängt, roaS feine Dbaten merth finb, 
fonbertt Dielmefjr ©nabe um ©nabe — ja für 
unfere f(eine ©abe baS tmfle, debriicfte unb über» 
fliltfide Slaaji, banoit unfer lieber &eilanb rcbet. 
©hau nur mal auf ben ffirfhbaum, unfer unb 
ber ffinber ©enuji unb 9(udenmeibe. 91(3 ich 
juft fo a(t mar roie Deine Ciefe, fefcte idh ben 
ffern, an3 bcm er eittfprojj unb freute mich fin- 
bifch, al3 ba3 junde Säumhen aus ber 6rbe 
feimte'. Dann freilich dab’S 3 c <ten, mo ich 
meinte, e3 fofte gu oiel 9Irbeit unb ftRiilje, bis 
eine Sflange fruchte brinde, unb ich beizte 
(hier. ob ih auch je fjreube bon meinem Säum» 
chen haben merbe. s Jtun freilich bat’S fhon 
lande, lande mein gmeifelnbeS ff laden unbifra» 
den befch imt. 9)tein Säumhen ift ja ein Saum 
cgemorben. ba3 jeben fffrühünd burcb feinen SUit* 
terfhmucf unb jeben ©ommer burcb feine fruchte 
mir bc3 lieben ©otteS ©iite unb feinen, nein 
auh meinen unauSfprechlichen iHeichthum bor 
bie Seele führt. Unb fiehe, 991 inhen, lehrt mich 
folcheS fchon mein ffirfhbaum, mnS mirft Du 
faden, roenu Du auf Deine blühenben fünf ff in» 
ber fchauft! fünf junde Säumhen, bie ©ott Dir 
in Deinen ©arten depflangt, bie er in Deine £>ut. 
Dir gnr Stiege unb ffreube gerben. 9)teinft 
Du mirflih- ba3 fei fein liebliches 2ooS, fein 
föftlicheS ©rbe? Ober fiehft Du nur auf bie 
9frbeit, bie 9Jtüf>e unb ©orde, bie e§ foften mirb, 
bis jene Säumhen Säume merben unb Früchte 
traden ? 3h mähte e3 ja ähnlich fo mit meinem 
ffirfhbaum. aber ein rechter ©ürtner thut niht 
alfo. ®r fieht niht fomeit borauS. ®r toeifi, 
bafe aHe dute ©abe unb aller ©eden oon oben 
fommt. 6r ftreut ben ©amen, er giefet unb 
iätet, unb ©ott diebt ba§©ebei(jen._— ffönntcft 
Du e3 niht auh fo mähen? ©aft Du auh je 
ben ©erehten berlaffen defehen ober feinen 
©amen nah Stob geben? 3iebe Deine ffinber 
auf in 3uht unb Sermahnund gum $>erm; 
(treue jeben Dag ein gutes ©amenforn in ihre 
jundeu föergen, raufe jeben Dag ein Unfraut 
aus, preife unb lobe für ade Deine 9lrbeit unb 
©orde, unb Du mirft es erfahren, bafj Dir 


i mirflih bas SooS aufs fiieblihfte dcfalleu unb 
I Dir ein fhöneS ©rbtljeil morben ift." 

! Stie mariner ©onnenftrahl leuchtete es au§ 
j ben 9luden ber alten 9Jtu()me, als fie fo rebete; 
unb eS mar, es fpie«ele fih ihr ©laug in ben 
Dbräiten ber Stittroe, bie bie alten ruugeligen 
©änbe ber Bteunbin innig brücfte; reben föhnte 
fie noh niht. 9IIS ober je&t ihre ffinber gu ihr 
traten, ba lächelte bie junde fffrau fie an, mie fie 
lande niht gelächelt hatte. Dann ftrich fie ihrer 
9te(teften burcb bie blonben £>aare. Di' S Säum» 
hen mar fchon groölf Selb« alt, es lohnte roobl 
halb ihre ©orden unb Dbränen mit fiifser 
f?ruht — ober that fie ihm Unrecht? hatte es 
niht fogar fhon Beruht debraht? mar es nicht 
fhon in biefem fhmereit Stinter ihr Droft unb 
Seiftanb dcmcfen? Unb bort ffarl mit ben 
fröhlichen 9lugen unb beit jept buitfelgfübenben 
Stauden. 3ci, er mar ein Stilbfand, imb ernjte 
3uht that ihm noth — aber blicfte niht feines 
fcligen SaterS ©inn aus ben ehrlichen, blauen 
9lugen? O geroijj, er mürbe bereinft für fie 
unb bie deinen ©efhmifter treu unb reblih ar« 
beiten, ja, alle fünf ffinber mürben heran» 
mohfen gu Säumen, bie ber &err gepflnngt, gu 
Slumen, bie blühten unb bufteten gu ©otteS 
@hren. 9fein, fo lande ihre ffinber noh ihr 
eiden maren, fonnte fie ©r 2ooS nicht traurid 
nennen unb ihres reihen ©rbeS üerdeffen; fie 
muhte bielmehr fröhlich unb dftroft auf Den 
hoffen, ber besprochen hat, ber Stittmen unb 
Staifcn Sater gu fein. Unb baS fonnte fie jefct 
auh auS tiefftem ftergenSgruitb bot iprer alten 
Bfreuubitt befennen. 

9foh faheu bie bciben grauen frnnb in ^anb, 
als fih allmählid fämmtlihe ffinber gu ihnen 
dcfeflten, auh baS ffrängelhen, baS bom ©hlaf 
ermaht unb bou (fljriftel hcrbeidetraden mar. 
Die ©onne fhien marm, bie Slofen bufteten, 
unb bie elften ffirfhen blinften niht nur aus 
bem ©egmeid, fonbern auh aus ben fförbeit 
dar berlocfenb unb feftlih, noh auf utoraen 
einen föftlichen ©hmanS berljeifcenb. 5®aS 
Stunber, bafe mieber ©andeSlnft bie ffinber er» 
driff unb fie bon neuem fröhlich ihr Sieb be= 
dannen. Diesmal aber ftimmte auh biefDiut» 
ter ein, unb auS frohberoedtem bergen flaitd e§ 
hell gum Fimmel empor. 

n?etl beim tpcber ^iel noh <£nbe 
Sih in ©ottes Siebe finb’t, 

€i, fo heb’ ih meine ffSnbe 
gn bir, Dater, als beiu Kinb. 

Bitte, trellft mir ©nabe geben, 

X>ih aus aller meiner Iltaht, 
umfangen (Tag unb Hacht, 
fjier in meinem gangen leben, 

Bis ih bih «ah biefer nfeit 
lob unb lieb’ in (Emigfeit. 


Digitizecf by 


C ogk 



Sotjanna Sebug. 


135 



Der Damm 3erreigt, bas ^elb erbraufi, 

Die Ruthen fpülett, bie fläche fauft. 

„3cb trage bidj, niutter, burd? bie : 

Hoch reicht fie nicht hod?, ich wate gut.“ — 

,,2lticb uns bebenfe, bebraugt wie mir finb, 

Die Ijausgenofftn, brei arme Kiitb! 

Die fdjwadje ^rau! — Du gehft baooit l" — 

Sie trägt bie UTntter burd? s IDaffer fd?on. 

„gum Bühle ba rettet euch! tjarret berweil l 
(gleich fehr’ id? 3uriitf, uns allen ift ^eil. 
gum Bühl ift’s noch trocfen unb wenige Schritt; 
Dodj nehmt auch mir meine giege mit l 

Der Damm 3erfchmfl3t, bas ^elb erbrauft, 

Die ^lut^cn wühlen, bie ^lädje fauft. 

Sie fet)t bie IHutter auf fidles £anb, 

Schön Siiscben, gleich wicber 3ur ^Jluth gewanbt. 
„IDobiu? IDohin? Die Breite fdjwoll; 

Des IDaffers ift hüben unb brüben ooll. 
Herwegen iit’s (Eicfe willft bn hinein I“ — 

„Sie follen unb muffen gerettet fein I“ 

Der Damm uerfebwinbet, bie IDelle branft, 
€ine OTeereswoge, fte fdjwanft unb fauft. 

Schon Susd?en fcfyreitet gewohnten Steg, 
UmftrSmt auch gleitet fie nicht oom IDeg, 
«Erreicht ben Bühl unb bie Hacbbarin; 

Doch ber unb ben Kinbern fein (gewinn. 


Der Damm uerfchmanb, ein JTteer erbranfVs, 
Den fleinen f?iigel im Kreis umfanft’s. 

Da gähnet unb wirbelt ber fchäumeitbe Schlunb 
Uub 3iehet bie ^rau mit ben Kinbern 311 (Srunb; 
Das 170m ber giege fagt bas ein’: 

So foüten fie aUe rerloreu fein. 

Schön Snscbett fteht noch ftraef unb gut; 
lücr rettet bas junge, bas ebeljte Blut? 

Schön Suschen fteht noch wie ein Stern; 

Doch alle IDcrber finb ihr fern. 

Bings um fie her ift IBafferbahn, 

Kein Schiff lein fchwunmet 3U ihr heran, 

Hoch einmal blieft fte 311m fytnmei hinauf: 

Da nehmen bie fchmeichelnben ^lutheu fie auf. 

Kein Damm, Fein ^elb; nur hier uub bort 
Be3eicbnet ein Baum, ein (Ehnrm ben ©rt. 
Bebeeft ift alles mit IDajferfd>wall; 

Doch Suscbetts Bilb fdjmebt überall. — 

Das IDaffer finft, bas £aub erfd>eint, 

Unb überall wirb fchön Suschen beweint. — 

Uub bem fei, wer’s nicht fingt unb fagt, 

3 m £ebeu unb im (Eob nicht nachgefragt! 

\ <S 0 e t h e. 


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136 


Uns rinrm Paifenßaufe. 


3tii0 einem Ifliriffiiljrtufe. 

©cm @. greimutß. 


II. 

Sin Sag PaifenljauBleben. 

'S ift Sommer unb bie D?a<^t ift fdjon bem 
jungen lag gewichen. Schnell rücft bei - 3 e '9 er 
bet üerßcingnißuollen 3a ßl günf entgegen — 
iefjt bat er fie erreicht; ©r. 3- gießt ben ©trang 
unb ftar unb burcßbringenb fcßallt ber Oon ber 
®lode hinaus tu bie frtft^e Woraenluft. 2öare 
Schiller ein 3ögling ber # .. btftiftung anftatt 
ber inilitärifcßen Harlsfdjule gemefen, fein tut* 
fterblicßeS „Sieb oon ber ©lode" wäre ohne 
3n>eifet um eine föftlicße Partie bereichert wor* 
ben. ©o ein Sag SBaifeithauSleben ohne bie 
.fjatiSglode bort mar ja gar nicht benthar. 
„Selbft ßerjloS, ohne Witgefüßl," begleitete fie 
in ber Oßat „mit ihrem Schwünge beS fiebeitS 
mechfeloofleS Spiel." Oaß ihr erfter ©ruß am 
Würgen bon uuferm Söaifenfuabeit ober ber 
großen Wehrbeit feiner ScßidfalSgefährten 
freubig' begrüßt morben märe, tcinn nun nicht 
gerabe berichtet merbett. Oiefet Hlang fanb ja 
fünfunbjiebenjig gefunbe Hinber wenn auch 
nicht im „garten glattm", fo hoch auf bem 
Spreufad. Oiefer Spreufad übertraf aber in 
bem einen ©unft alle patentirten ober nicht 
patentirten gebermatraßen, baß er nie feine 
©lajlijität oerlot. ©ermeicßlicht mürbe .Heines 
auf feinem Spreufad. Ob nun aber bet ©lode 
Hlang millfommen mar ober nicht, feine 2öir* 
fung h«t er nie oerfehlt, ffieldj einen plöß* 
liehen Scenenmecßfel rief boeß baS turge ©eliiute 
ßeroor. ©beit noch «in liebliches Silb ber Stuße 
überall. Sieffte Stille in ben hohen, luftigen 
Schlaffälen, in beuen ©oben, Oede, 2Bänbe 
nnb ©ettftellen gleich rein unb fledeitloS maren. 
Oa ftanben fie, bie faubern ©ettftätten in ihrem 
meißeit ©nftrieß, eine jebe ben Spreufad, baS 
Seitituch, baS Hopfpolfter unb ben weiß* unb 
blautarirteit Seppicb bergenb. 3« jebem ©ett 
aber ein gefunbeS, frifcßeS HinbeSgefidjt im tie= 
fen Schlaf. Oie ©lode erflingt unb brei Wi* 
nuten fpäter ift jebeS Meftcßen im roeiten fjaufe 
leer. fRocß fünf Wiuuten unb in ben Schlaf* 
füleit ber größeren itnb mittleren Hlaffen fiitb 
bie ©eiten gemacht unb alles in üofltommener 
Orbmmg. 91KeS baS aber geht in fo geräufcß* 
lofer 9tuße ab, als föitne es ein anbereS @r* 
machen überhaupt nicht geben. 

Oie Setten fiitb gemacht unb nun fniet fid) 
jebe Hlaffe mit ihrem „©ruber" ober ihrer 
„Schmefter" nieber ginn ©ebet. 2Ber aber einige 
Winttten fpäter bie muntere Hnnbenfcßaar 
braußen im #of gefehen hätte, £als unb ©ruft 


entblößt, bie 2Bafcßf<httffel bor jtdj, ber hätte 
tlar ertannt, baß man auch bem ©iubar’fcßen 
Safe Dom ©taffer ßulbigte. 

Ooch mieber ertönt bie ©lode unb nun geht’S 
gutn Speifefaal. 3 u *<äcßft gwar bie ©ibel unter 
bem 9lrm, benn erft foü ber Seele ihre Währung 
merbett. Oa ift fie benn auch oerfammelt, bie 
gange gamilie unb mas oon ©elften etma int 
aufe fein mag. Oa mirb gefungeu, gebetet, 
otteS 2öort gelefen unb erforfeßt. gamiliett« 
gottesbienft, ja, baS ift es in ©Sahrßeit, ma§ 
hier gehalten mirb. Unb bann —baS grüß« 
ftüd. Söutiberfam ßat’S unferm ÜBaifenfnaben 
allerbiugS gefeßieneu, als am erften Worgen 
anftatt ber gemohnten Haffcefanne eine nicht 
ttttaitfehnließe Schüffel Ooll bantpfenber Har« 
toffelfuppe erfeßien. SBer feunt fie aber nicht, 
bie Weißt ber ©ernoßiißeit? ©lar’S, baß bie 
emfige 9lrbeit um ißn ßer attfledenb auf ihn 
mirtte, fei’S, baß ein gefuuber H naben magen 
überhaupt nicht fo oiel ©ebenlen gegen eine 
conferoatioe beutfeße Hartoffelfuppe trägt, als 
man benten möchte, jebenfatls taun er aufrieß» 
tig oerfießern, baß, als er am jtoeiten Worgen 
mäßrenb beS Scßlußgebets ohnmächtig mürbe, 
biefes feinen ©runb in einem ßöcßff feßmerg« 
haften böfett ginger unb einer unruhig Oer« 
lebten 9tacßt hatte, uießt etma im ©rauen bor 
ber beüorfteßenben Hartoff elf tippe. 

9IctS bem Schulleben, baS fi<ß. auf ben ©or« 
mittag befeßränfte, ftnb unfernt SBaifentnaben 
manche ©rinnerungen geblieben, ©in 3 heil 
ber ©ufgabcu beftanb im Schreiben bon Sitten« 
regeln, melcße ber ^auSbater biftirte. Oie 
näcßfte ©bfießt babei mar moßl Uebung in Hali« 
grapßie, Orthographie ?c. Cb aber nicht ju« 
gleich» aueß gute ©runbfäße babei eingeprägt 
roerben füllten? ©ine biefer Segeln machte 
einen ttnauSlöfcßiicßen ©inbrud auf ißn. #eute 
noeß fteßt fie tlar unb feft in feinem ©ebädßtniß. 
Sie lautet: 

„(Ein PDetfer, alter §eit,.gab einjt ben fingen 

Satt): 

Dom (Ofcße üiifjuftepti, noeß eß’ man rollig fatt." 

SBie oft hat er fieß gefreut, philofopßifcß bom 
$ifcß aufftehen gu tönnen. 

Oagu gab ihm beim befonberS auch baS 
Wittageffen mit feinen ©eigen je unb je @e« 
legenheit. ©rinnerte bas grühfttid unb ©bettb« 
effen mit feiner immer mieberfebrenben Har* 
toffelfuppe unb Suppe pßue Hartoffel an baS 
Stabile unb Unoeränberlicße, fo gab baS Wittag» 
effen ©elegenheit, an ben SBecßfel unb bie ©er* 
äuberlid)teit ber Oinge ju benten. 3ticßt als 
ßcitte ein eingelneS Wittageffen WannigfaltigeS 
geboten. O nein, bie bleibettbe 3 H flabe beftanb 
immer itt bem: „Unb ein 6nb." ©ber Wittag« 
effen um Wittageffen, b. ß. ©rbfen, ©oßnen, 


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6ljrtftUd)*fbcMlr Partei. 


137 


ginfett, Stöben, ©auerfrant, Kohlrüben, Sfeljl* 
btei, &artoffelfchni& unb Uartoffelfalat mechfel» 
ten bod). 9iun beftanb aber bie atte fpauSreflel, 
bafi oon bent, was auf beu Oifch fam, auch Re« 
Rejfeu werben mußte. 2öie miflifl man auch 
fein mochte, Rrofimüthifl bem nimmerfatten 
Äameraben MeS gu überlaffen, es burfte uic^t 
flefdjehen. ©efcheljen ift’ä aber bod). 91 ud) 
iinferS Stitabeu Steller fliitfl gumeilen auf bie 
38anberfd)aft. HBollte ibm aber auch baS ©lüd, 
baß er babei nic^t ern>ifcf»t würbe, Snflft flenitß 
bat er auSfleftanben, bis ber Steller wieber leer 
guriid mar, eb ber £au§oater aufblidte. Ob 
bie Slufiibt ber lieben $>auSeltertt, bafi ber 
(glaube, man fönne bie eine ober anbere ©peife 
nicht effen, nur auf ©itibilbunfl beruhe, richtifl 
mar ober nicht, fann er nicht auf ©runb ber 
©rfahrunfl faflen. ©eine ©inbilbunflSfrnft 
blieb eine Stacht, bie ibn trieb, Itohlriiben unb 
ähnlidje Oelifateifeit (öS gu werben, roo immer 
ji<b fine Stöfllichfeit bot. 2Bie hätte er and) 
fonft beit „fluten Math" feines „SBeifen alter 
3eit" befolgen tonnen ? 

9tadj Stifcb wartete ber SBaifen eine ©tunbe 
„Steigert". Sei 2uft unb Spiel fonnten fie 
bann, je nach ©efchmad, bie Sreuben ober 2ei= 
ben bfS StittaflSmnblS berfleffen. f^reilid), ben 
„Sruber" batte feine .(tlaffe auch ba bet fid). 
Siebe, ober fonft etwas, ließ es ihm nie gu, 
lanfle uon ihr fern gu bleiben. 

fjfür bie Straaen Rah eS im SBaifenbauS „für 
bie £anbboll greuben" ber fffrciftunbe „eine 
Range 2Belt ootl fieibeit" ber SlrbeitSgeit. 2öar 
es g. S. in ber (Srntegeit, fo tonnte ein früher 
Sauberer bon ber fianbftrafie nach 9Jt. aus 
fcf>oit lanfle Dar ©onnenanfflanfl eine Schaar 
ftinber fehen, bie ©icbel in ber £>anb, einem 
roofleiibeit Dtoflflenfelb gupilflent. 3eßt waren 
fie babei aiiRetommeit, unb baS alte: „Stun 
banfet alle ©ott," fdiallte in bie noch nächtliche 
Stille hinaus. Oann fdiritt Sr. 3- an ber 
Sroitt auf unb ab unb fein: „6inS, gmei, brei," 
für bie ©roßen, „SinS, gmet" für bie Mittleren, 
unb ,,©iitS" für bie kleinen Rab jebem ftnaben 
unb Stäbchen baS Selb feiner SJirtfamfeit. 
Sr. 3-’ § tedfenbafte ©eftait wollte aflerbinflS 
bem einen unb anbern in ber Oämmerunfl 
riefeuhaft erfc^eitte«, unb hätte ben innerften 
^ergenSflefühlen 'tluSbrud Rfflebeit werben bür= 
feit, fo hätte ihm auch unfer ©oifenfnabe je 
unb bann guRerufen: „Stir flraut bor bir!" 
Mit bem 3 u fafr bielleicht: Stir flraut bor bir 
unb beinen ©dhritten! 

6in mehr malerifcbeS Silb bot bie WrbeitSgeit 
Mn ein bis fe<b§ Uhr, wenn bie Selbarbeit nicht 
alle Kräfte in Slnfprnch nahm.' Oort im 3>m= I 
mer ber mittleren Klaffe Sr. £>. mit feilten 
Sdjnetbern; nebenan Sr. S. mit feinen Schuh* 
macbern; braufien im ©arten Sr. 2. mit feinen 


©ärtnern; hinten im „ISrbeitSgimmer" häufte 
©d)W. Salome mit einem Oufeenb ßuaben, 

| befcbäftiRt mit Schaben unb ©d)neibeit bon 
©elberübeit für baS Stittafleffen beS Häuften 
l OcifleS. (Sine füngithl arbeitet braufien auf bem 
tfelb. Stehrere im ©fall, bie Hüffe berforflenb. 

| Oie Kleinen gum Slheil £olg in bie Huche tra« 
i fleub, gum Sheil Söhnen, ©rbfeit ober ähnliche 
£>errlichfeiteii auSlefenb. 

$urg, ber flaffifche ©horuS: „6s Riebt etwas 
gu thun; es Riebt etwas für Hinber gu tbun," 
fanb feine bolle Seftätiflunfl im SÖaifeithauS. 
SBenn je ein 3öfllinfl ber £..rbtftiftiuifl „aufiet 
Arbeit War," fo ift es in ben 9lnnalen berfeloen 
nicht bergeichnet. 

3n»ifchen Ibenbeffen, SamilienflotteSbienft 
unb bem 2ertien ber ©chulaufflabcu fdfiwanben 
bie 91benbftuuben hin, gum lefitenmal für ben 
Oafl ertönte bie ©lode, unb einifle Stinuten 
nach neun Uhr mar jebeS Kinb in feinem Sett. 
Oieffte ©title fjerrfd)te im 4>auS. 


Pif itjrifflidi - jocialf glortfi in 
Ptrliii. 

Sou Cf. Ktifi ln Srrliu. 

iefe Sartci, an beren ©pifie £>err 
^»ofprebifler ©töder ftept, ae= 
minnt bebeuteitb an Soben. 2BaS 
man auch fleflen biefc Partei me« 

I (Lflen ihrer SetmenRunfl bon Dteliflion uub 
q^H^olitit faflen rnöfle, fo biel fleht feft, bafi 
^VeS Ferrit fpafprebifler ©tödcr’S Serbienft 
ift, uns bor einem furchtbaren Wusbruch 
f ber Solfsmuth in Serlin bewahrt gu h‘i* 
T beit; beim im Soll Röhrten einestheilS bie 
" Sbeeu ber ©ocialbemofratie, auberntheilS 
ein tiefer heimlicher ©roll rcrcii baS 2Bn» 
jl cherwefeit uub bie SebrüduiiR bon ©eiten 
X ber burch ihven SReichthum übermä^tiflen 
A 3nbeu, unb ihm Rehört baS Serbienft, 
* ben Strom in ruhiflere Sahnen, in baS 
©eleife Reiftifler OiScuffion (geleitet unb ben 
©ebanfen beS SolfeS einen niiiublieheit, euer« 
flifcheu SuSbrud ReReben gu haben, moburch 
offene ©ewaltthaten berhinbert worben fiitb. 
9lllerbinRS träflt auch ber flcine SelaReruuflS« 
guftaub SerlinS— in tfolfle beffen jebe berbach» 
tifleSerfon poligeiluhauSflemiefeii werben fann, 
nicht wenifl gur 3tuhe bei. 9lber bie innere 

8 e i ft i r e UeberminbuiiR bet ©ocialbemofratie 
at beflonnen. ©in Arbeiter faflte mir un« 
länflft: früher Rlaubte ich nichts, — feit fdh 
aber £>errn ^ofprebifler ©töder Rehört, möchte 



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138 


£l)rifltty»forialf Jfotttl 


id) ßfaubett fönnen, ba ift feljr Diel ßeroonneii. 
■Sunt bein Sinfluß ber ct)riftlid)=fociulen, haben 
bie <SociaI=$emotiüten bei ben lebten äBablen 
'-Berlin ueduren. 

Sä ift (]e|)eutvärtiA fein ©aal groß flenug, 
um alte ihre ©arteißcnotien ju fitffeu, roe-jßüib 
bie Partei fich fehl in eben fo biele Jheisoereiue 
unter ftarter SeiitraUeituiiß oraauifirt hat. alä 
fflahttreil'e öorhanbeu fiub. 

2Bir führen ben Seiet nun im (Seift in eine 
djvijlliclj» fociate ©eifammlunc) in ©edut Slm 
Sinßaitß fteht ein iifd) mit tßarleifchnften gum 
Äauf unb mehrere Orbner, rodeße Daä Sin» 
tritt&jelb gut ©eftreitung ber Untoften entgegen» 
nehmen (10 ober 20 Pfennige). Sin großer 
üabafsbunft (ommt uns entgegen unb an flei» 
nen Jifdjen fifien in einem großen Saal toof)t 
taufenb 'JDlänner — mir fafjen frfjon 2500 bei» 
famrnen, bie meifteit mit bem SierglaS uor fich; 
bieuftfertige Ädlncr bebienen auch miihrenb ber 
Siebe neu eintretenbe (Seifte. 

St ber unter biefer großen SJlcnge ift fein ein» 
giger ©etrunleiter mahrgunehmen unb ba» 
„Sriuteu" aefchieht metjr um bie (Semüthtich* 
feit unb ScfcUigteit gu erhöhen nub bem Süirtlj 
einen ißerbieuft gim'Üeftreitung bon 9Jiiet()e nnb 
©eleudjhmg beä toaaleä gngumenbeit, als um 
beä Srinfeuä lo.üen. Sclbft bie sperren 'Jlebner 
beuchen ihre Ächten unbjnachcn ®unft. auch 
roenn eä ^Saftovcn finb. ©ie baldigen ber Sin» 
bequemungätheorie unb fageit, baß fie bie Scute 
ohne '-Bier unb Sabal nicht gufammen betom» 
men fönnen. 

tJiir einen SJletljobtjlen, ber hoch aubern 3beea 
hulbigt, giebt cä hier atterbingä gleich beim Sin» 
tritt etroaS gu uerfdjludeu. Sorf) menn auch bie 
©eitage unä nicht munbet, fo urtheile ber 
Sefer über bie übrige Äoft. 

Sluä einem ©orfrag bon £ernt ©ofprebiger 
Stöcfer, metcher bon minöeftenä 1000 Strbeiteru 
befucht mar, cutnehmen mir folgenbe ©ujje, 
tbelche bie Seubeng beä ©ereinä geigen : 

„Tie Social «Temofratie ^at jtoet ffiurgelu: bie 
toirtbfcbaftlicbe Kotb l a fl c unb bie Gottlouqfeit 
ftortfebvitt (im übten Sinn bc« SBovtd alt Gegnern bc« G^rtften- 
tbum«) uub ntotane« b a & fU fie bcrbeigcfiibrt " 

^olitifcb liberal Hub mir ^eute aQe, aitdj bie ilonferwatiwen: 
fie wollen nicht riiitelu >m ber Verfaffung, uicbt fouftitutionclle 
Siebte aufgcbcu — luer anber« fugt, ftreut uufmibigen ficuteu 
Sanb in bie Singen. Sin Unterfcbieb aücrbiug« beftebt tWifcben 
ben liberalen unb Äonferwatiweu: 3 euc »wollen bie s |»arlamcitt«* 
bervfcfyift, biefe bie Werfönlicbe Regierung be« flaifet« uub 
lüg«. ffia« füllte bei uu« au« einer fparlameni«bcrrfcbaft »wer* 
ben ? 2Biv babcu gehn ^Parteien i n 9tei<b«tage, woti beueu feine 
bie abfolute Majorität bat, alfo nach liberalem fpriugiw nicht re* 
gieruugefäbÜJ ift- Tie SHajoritat ift ba eine gufällige bureb ftom* 
bromine ber Parteien untereiuauber. Gin ftatfe« ftömgtbum, 
»welche« feine SHinifter, felbft gegen ben Sßunich bc« ^Parlament«, 
felbft wühlt unb hält, ift ba bnrebau« uotbwenbig. Ter Teutfcbc 
ift anber« geartet »oic ber Guglrtuber, ber A-rangoie, ber Slmerl* 
faner, er liebt nnb werftebt eS uicbt, in ufnanfciilofer „ftrnhcit" 
auf ptb felbft atleiu angeloiefen ju fein, n<b uotbigeufaflS mtt ben 
(Ellbogen felbft $(a$ )ii macbeu, er ift geftityut barau unb bebarf 


getuiffer Orbiiuugeu unb Stülen, eine« getuiffen 3u>auge«. grei-- 
beit mit 3>icbt uub Drbming. ^cblt biefe Drbnung, biefer ^loaug. 
bie fefte Uiteube -vaub, fo tritt Unficberbeit, Unjufriebeubeit eilt, 
uub baS führt jur Socialbemofratie. 9Beit mehr uo<b als in ^o^ 
litifeber $infi<bt fmb hnr be^balb auch ©egner ber liberalen 
SBirtbfcbaftStbeorieeii, ber febrauteulofeu toirtbiebafHieben grei* 
beit, toelcbe alle« auflöfen nnb ben öinjelnen auf fi<b felbft fteUeu 
im iüilben Jlo.ifurreujfambfe, bie menfcblicb« 3lrbeit gur 9SWiatebe^ 
giabircu. beu Schwachen fcbubloS uir SluSbeutnng bureb ben 
Starfen breiegebau „Sftebner jeigt bie folgen biefer ©runbfA|e 
au ber blutigen Sage ber Arbeiter unb ^anbtueifer gegenüber 
beut ©rogfapital uub Großbetrieb, „^luf>em ^aubelsgebiete ge= 
hört ber beutfebe lUarlt juerft bem Teutfcbeu. fflenn bie SWeti* 
febeu alle gleich »wären, toeuu eö feine ßäb</ 

toelcbe aubere gefebieft }ii betrügen Wiffen, menn bie Sänbcr alle 
gleich fituirt bon Katar unb Gutmidlung tuäreit, bann Wimte 
bon allgemeiner auch »oirtbfcbaftlicber greibeit bie Kcbe fein; bei 
ben beftebenben Untcrfcbieben aber finb beftimmtc Crbmiugeu, 
£cbubgefcbe uötbig, baß bie greibeit nicht anSarte tu hiilbe 3ü* 
geHopgfeit, 8onft führt ba« $ur Unjufriebenbeit, jnr eocial- 
Tcmofratic. Koch bmte fühlen mir bie Kacbmcbeu ber itrifc be« 
mirtbfcbaftiicbeu „Äracb«" bon 1873; biele Arbeiter uub tfSaubc 
merter fyabeit feitbem feinen gcorbuetcu 3>erbieufl mehr ftuben 
fönnen — am grünen Tifcb meiß mau ba« nicht fo, aber bic (Seift* 
lieben miffeit e«, an »welche bie Kotblcibenben $>ilfe fiubenb brt** 
antreten. auch menn fie fonft gortfcbrittler ober Socialbemofra* 
ton fmb. ^at ber SKeufcb bei feieren ^ufiäubeit nicht einen feftcw 
iiioialifitxn ^>intcrgrunb, fo fallt er in bie SHeibcn ber Social* 
Temofratic. Kebner geigt mie Slbbilfe gu febaffeu unter »öeni* 
fung auf bie faifcrlicbe ttotjebaft uub fomnit fcblicßlicb auf ba« 
ntobernc oubeutbum, mdebe« er nicht als Stamm ober Kcligiou«* 
gemeinfebaft lefämpfe, fonberu al« bic bcvbcrblicbe ^5otcttg uitjere« 
beutfeben cbriftlicben 3(olfslebcn«. 3Macbt. KeichtbKut, Unglau* 
ben finb feine SBaffeu. bic Vergiftung bc« bcutfi^'C^riftUct^cn Volt«* 
geifte« ift fein SBcif unb 3‘d» befonber« bureb feine ^vefje. G« 
ift nicht gu ocrlangcn, baß bie ^ubnmreffe nufere d;i iftiic^c 9leli* 
giou boebbaiteu foU, aber werlangcn biirfen unb miiffen »wir, betfc 
bic ^uben unfere Keligiou uub ^ciligtbümer in bemfelbcu ©rabe 
refpeftireu, mie mir c« ben ihren gegenüber tbun. $at mau je 
gel;ört, baß mir jübifebe 3tciigious- unb Shuagogcueimicbtungeii 
in d^tiUc^cr Seife angegriffen hätten, mie. bie jübifebe treffe un- 
ferc cbriftlicbfffiicblicbru Ginricbmngcn ? Koch ift biefer Aampf 
nicht beeubet, noch ft eben mir mitten bariu, uod,> fteben bie brei 
Gegner auf bem ^lau, aber ein großer lim{cbmuug, ba« betueift 
bas le^tc Sablrefultat, ift befouber« in Vcrlin cingett etcu, mau* 
ehe« ift febou befjer geworben, wir Werben feiten« ber 3»ücui>iejie 
nicht mehr mit ber früheren Vebemeuj angegriffen — uielleicbt weil 
man erfannt b«t, baß in Vertin bamit fein „Gefcbäft" mehr gu 
machen ift. Ta« ÜBablrefultat uub aubere Sugeicben geigen uns, 
baß mir nicht umfonft gearbeitet bn^en. 3 hwu ’ »wir noch 
nicht ben Sieg errungen, aber rümpfen ift oft fchouer alo fiegeit, 
Slrbcit oft feböner al« ber £obn. SBir werben »ocitcr arbeiten — 
ba« ift fein rechter Vlann, bei angefiebt« won Scbwicrigfeiteu ba« 
begonnene SBcrf liegen ließe. Taß e« möglich ift, bic Social* 
Temofratic gu betämpfeu uub gu überlwinbcn, ba« ift ba« große 
JHcfultat. Tie faifcrlicbe Votfchaft ift ba« Signum für unfere 
Söeftrebuugcn. Vor Wicr 3^bren war an einen folcbeu Umfcbiwuitg, 
Wie er fub jeb» geigt, faum gu hoffen, ©ott bat geholfen über 
&offen unb Grwancn. Kebucv hu» ba« Gefühl, baß bei Strom 
ber Social -Kefomi, Welcher fittlicb ? rcligiöfeu Gruub-Gebanfeii 
eutfpvingt, immer weiter raufeben unb uoöb maueben goqfcbtitt«* 
manu uub Sociafbemofraten mit fich fortreißen mirb. Tarauf 
fam’« un« Won Slnfaug an. biefen beibeu wcrberblicbcu Strömuu* 
gen eine bi itte entgegen gu febeu, um recht Wiele au« jenen in 
friebl eber Seife gu erretten. ©§ ift mit beu Socialbemofratm 
fo gefommen, wie Kebner e« ihnen in ber erflen GidfeUersVer* 
faminluug Woran« gefagt: „biefe Partei muß innerlich überwun* 
ben ober äußerlich Wernicbtet »werben.^ Ta« lebterc ift eiugetre* 
ten, aber ba« ccflere, Gott fei Tauf, uicbt Wcrgefieu. 3»weienei 
ift uotbwenbig: Veffcrutig ber materieUeu 3nftänbe unb religio«* 
fittlicbe Gnteuening. G« »uäre Wiele« nicht fo fcblintm gefommen, 
bejonber« auch mit bem moberiteu ^nbenthum, wenn mir al« 
Gbrifteu unfere Pflicht getban hätten, uu« felbcr haben mir mit 
anmtlageu. JHebuer Weift auf bie bereit« große Verbreitung ber 
cbrift(icb<fiKrtaleii 3been. Von einer berSunba ^nfelu im Stillen 


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Hua meiner ßfilrtafdje. 


139 


Detail ifl tyin 11 . a. in bcu le|t«u Xagen ©rujj unb 3uiUmmung 
pt bieftu ©«ftubungeu getuerben. 60 ift & — ber Dcean flutet, 
bie Stilen gefcu ftar*, fie fölageu an alle ©eftabe, alle ©renjen. 
2Ba£ fücr tum Xeutfölaub auägc^t, ift fiU* bie Seit. Steuer fie* 
beniobem, baö Seien bed ^eiligen ©eifteä gebt bavllber bi»- baf; 
n?ir biefeu ©eifl auf und niifcu laffeit unb anbcie bafür entpfiiug* 
li$ machen, bat ifl uiifeve 91uigabe. $ 1 » bev taiferlic^cii ©otj'c&aft 
iit bie* al« 3icl biiigeftcllt. Sir fiub <S$riften, unfere 

<Skf<$id>te feit 1000 3a$ren ift mit bem ®briitentf?uiH bevbimben — 
mit fatauijeijer Schlauheit haben uu3 bie feinte babon abtoettbig 
pi ma^ *n oeifucbt. ei luuvbe gejagt, „bafj ein iuteHigcntev Warnt 
fiefy fö.imeu milftte ein ©brift pi fein." 2 lber um* toevbeu ei bcu 
Gkijueru noch jeigen. to.ii bie ,.fittli<ben ftuubamente bei d?rifi* 
U 4 eu ©olfelebcuS" bebeuten! (©vojjer langau^alteuber ©ei* 
fad.) £)ie ©erfammluug ergebt ftcfy bau ben Sifcen unb bringt 
bem Äebner ein breifac^ei ftiirmifdjei $odj, luelc^ei biefer mit 
einem auf bie chriftlicfcfociale Sacfc ertoiebert 

Dod) bie Sad)e b a t a u dj i h r e <ut b e r e 
Seite. Schon am 20 . gfebruar 1879 »Die» 
ber ePangelifche Obertirihenratf) barauf bin» 
baß ©eiftlidje fiif» ittc^t an folcb Politiken 
Agitationen beteiligen füllten. „Äauin etroaS 
hat ben ©iitfluß ber amtlid) organifirten ,f?i.rAe 
fo gefdjäbigt, als ber ©er|ud), bie 3?irche, ihr 
©etenntniß unb ihre Organe als Mittel für 
beftimmte politifdje ©artei 3 roede ju gebrauten. 
6 » ift nicht Sache ber Diener ber ftirth?, im 
tarnen beS SljriftentbumS üolfSroirthfchaftliihe 
ober focial« politifche Jljeorien aufjuftellen unb 
ju unterftiißen u. f. ro." — ©egen einen ooit 
liberaler ocite eiugebradjtcn Antrag auf einen 
amtlichen Jubel gegen £>erru Stöder hatte ber« 
felbe lief) lebten Sommer Dor ber Spnobe 311 
Dertpeibigen. Unb er tljat eS meifterljaft. ©r 
berief fiel) barauf, roie er aus ©rbannen mit 
bem ©olf in biefen Ahgrunb hinabgefprungett 
fei, pott bem er nicht mußte, roie tief er fei, unb 
baß, roenn Aiemaitb fonft ba fei, ber beifen @e= 
»unten auSfpreche, fo nuiffe ba» ber ©eiftlidje 
tbuu — er fei nicht nur ©eiftliiher, fonbern 
auch ^Patriot ließt ÄeichStagSabgeorbneter). ®r 
jeigte, roie bem Antidjrifteiithum nicht atibcrS 
bie Äpifce abju brechen fei, als roenn bie ©er« 
tretet beS ©IjriftentbiiinS baS oerfiiljrte SSolf 311 
befreien fuchen, unb roie ber focialsbemofratifcben 
©eroeguitg ein antiAriftlicheS ©lement inne« 
wohne, baS ber ©eiftlich« nicht ignorireit bürfe, 
unb roie baS ©fjrifteuthum n»‘h ba3 SBolfsleben 
fo beherrfetjen niiiife, baß berartige ©efefce er» 
iaifen roerbeit, »oelche ben Schwächeren bor bem 
©tatteren fdjüfcen. 

3 fn Anbetracht ber guten Abfichten be§ ,£)errn 
Stöcter tonnte er bis jefit auch feinen SjBoften 
als frofpreöiger uitgehinbert begleiten. Stöie 
lange ? — Die 3 e >l wirb’S lehren. 

Ünb nun noch ein SBort 311 m Schluß. £>of« 
prebiger Stöcfer’S 3 ro »tterfteUunci hängt 311 * 
famrnen mit ber gan 3 eit 2 age ber Äirche in 
3)eutf^lanb. Die Ausführungen beS Ober« 
firdjenrathS finb theoretifch fehr rihtig — aber 
fattifch entfpreAeu fie nicht ber Stellung einer 
SanbeStirche, bie ohne äußere 9JlachtftefIung, 


ohne ben roeltlidhen Arm gar nicht bejtehen 
faitu. AMr finb in Deutfdhlanb in einer lieber« 
gangSperiobe begriffen. Alte ©cftaltungen 
ringen mit neuen. Unfere neue 3fit Perlangt 
auch eine aubere ©eftaltung ber ftirdie. Sie 
mu| roiebev „©enteinfchaft ber ©laubigen" hier« 
ben, ^)er 3 en§religion berbreiten, unb anflolt mit 
äußern AJaffeit 31 t tämpfen, an ©eifteemocht 
geroiuneu. Die Sunbeefivchen in Deutfdjlanb 
finb s -Paftorenfirchen. Sie hoben ihren 
©influß oerloren auf bas Soll, roeil fie basfelbe 
oor Allem in ihre äufeere ft irchenform 
3 roängen roollten, anfiatt mehr auf beffen 
Aetehruug hii'Suroirfen. ©egen biefe Sb’fliigS» 
jade fträiihte fiel) ber alte Hinget) utib fd,ntlelte 
|ie ab, feitbem bie freiere ©efehgebung ih»n ba 3 u 
bie Hlacht perliehen. Hian betrachtete bas 3?olt 
als ein ch ri ft licheS, als biud) bie Saufe, 
Unterricht unb Konfirmation d)riflianifirt unb 
oergaß baS SHort: „3>or ©hviflo 3efu gilt 

roeber SBefchneibung nod) Aorhaut ettoaS, fon« 
beru allein eine neue Ürcalur." 

Der alte ©einig ftellte fieh herauf — bie 
3 ?o(ge baoon unfere 3 «ftänbe, unb bem Sibera» 
liSiiiuS thut man Unrecht, roenn man il;m alles 
©erberben in bie SAuhe fd)iittel. Die gegen« 
roärtige ©eueration, bie Seiler ber ©clilif, finb 
nod) unter ben alten ©efehen unb ^uftänben 
grofi geroorben. 

An bie Stelle ber fir<benpolitif<hen Hiachina« 
tioneu 1111 b beS 3roangSchrifte»ilburoS muß je^t 
ba» inbioibiielle ^Ijrifientljum — bie ©Übung 
ittbioibuefler ßirdhen ooll © e i ft 1111 b 2 e b e n 
treten. 

©ine Alles beherrfchenbe ©oHSlirchf !ann nur 
beftehen burd) materiellen flaatlid;cn Sroaug, 
ift fAriftroibrig tmb in nuferer 3 c>t untenlbar. 
So hat bie Hietbobifteiitirche an ber Aeiuieflal« 
tuug ber Dinge in Deutfihlanb eine große Auf« 
gäbe, unb bie Softing fiir bie nod,fie 3 f't roivb 
fein: $ie ©0 1 tStirche, ^ic Srcitir 4 » e I 

-- « . 

frag' und Antwort mio meiner 
Peifrtnfdjc. 

«bltor. A 


YIII. 

SßaS ift Pon bem beutfehen ftron* 
ptinsen 3 U erwarten? 

Darüber gehen bie Meinungen in Deutfeh* 
lanb auSeinanber. Die ©inen finb ber Anficht, 
baß ber $ronpriii 3 alle StaatSroeiSheit, Dugenb 
unb aüeS Selbherrntalent befipe, baS nur in ein 


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140 


Hof meiner 


armes (Menfchenf inb gu bringen fei. ©kbrfcßeiu» 
lieb fprecbeit folche alfo, bie eine nute Stellung 
oout fiinftigen Äaifer »Unarten. — Slnbere guefen 
bie Slchfeln unb tagen, er fei ein redjt ^übfe^er 
Wann unb baS fei fo gientlich Silles. was iirf) 
fugen (affe. 2)aS ©efjivit aber wiege nicht feßr 
fermer. SBahrfcheiiilich gehören bie, welche alfo 
urtbeilen, gum Sauren ©urfett 9tegi« 
ment, baS nirgenbs was©uteS fiebt. — (Rum« 
mer 2)rei fugt: man müffe tourten, üon beit 
Äronpringen fei idjtoer gu fugen, was fie tbuit 
werben, wenn fie mal auf bem ühron fi&e». 
(Der ÄriegSruljm io manches kroupringen iei 
burdj bie fterrn ©enerale erfoebteu worben unb 
oon ber Stautsmeisheit (affe fi<h Überhaupt nicht 
fpreebett, bi» ©elegenßeit gum ©robeablegen 
Porbanben. 

2BaS mich aber meiftenS intereffirte, ba» ift 
bie Frage: wie ficb ber ftronpring gegenüber 
bem ©hriftenthum unb ber ^irebe oerbatten 
wirb. “Die cljriftgläubigen SJeute in 'Deutfchlanb 
befürchten, baß ber £err flronpriitj iamnit ber 
Frau ßronpringeffitt gu ber gartet beb feinen 
Unglaubens gehören unb beit ©roteftanten« 
oerein begünftigen. (Die Frau kronpringeffin 
fei eine gar gute Freunbin oon ®aoib Strauß, 
bem berüchtigten ©erfaffer beb CebenS 3fefu 
gemefen, unb habe ihn oft an feinem 3;obbette 
befuebt. ©in eifriger Freimaurer ift ber $ron= 
pring, bab ift wahr, uub bab bat er auch (üblich 
wieber bewiefeit bei ber SLobtenfeier gu ©breit 
beb oerftorbenen 'Prinzen ber stiebet lanbe, ber 
ein ©roßer unter ben (Maurern war, unb bei 
welcher ©elegeitbeit ber kronpriitg eine getoaU 
tige Sobrebe auf bie Freimaurerei hielt. 

IX. 

SBerben aud) in ber 3ulunft allge« 

meine SRetpobi jlen=Gonf er engen 
gehalten werben, ähnlich ber» 
jenigeu in Sonbon? 

®ab fommt auf bie Umftänbe an. $ab lebte 
©oncilium empfahl, baß mieberuin eine 
folche ©erfantmluug, unb gmar in ben ©er. 
Staaten abgebalteu werbe. (Damit ift jeboeb 
noA nicht gefagt, baß biefclbe gang g e w i ß= 
lieh gu Stanbe fomnten. wirb, nnb ob biefe 
©oncilien periobifd) toieberfebreu, bängt bon 
ben SRefultaten ber 3uf»nft ab. 

SRir ift eS Kar, baß folche große, foflfpielige 
©erfamtnluugen nicht periobifcß wieberfeßren 
fönneit, falls nicht praftifche 3*®ecfe baburch er« 
reicht werben. (Die leßte allgemeine (Metßobi« 
ften«©onfereng fann alles in allem nicht weniger 
als $150,000 gefoftet haben (manche fugen 
$250,000), unb obwohl eS fing gu nennen, baß 
bei biefem ©erfueß nicht praftifche, einfeßneibenbe 


Fragen gur ©ntfeheibung gebrängt würben, fo 
wirb man faum bereit fein, alle acht ober gehn 
| Fahre fo oiel ©elb unb kraft barauf gu Oer« 
meubeit, um fo unb fo oiele prächtige Sluffäjge 
unb treffliche Sieben angubörett. 

Febermann freut fiep über biefe erfte ©on* 
fereug. Soll fie aber in noch öielen Sluflagen 
erfibeinen, fo müßten ge nt e i n f a nt e, pr a f« 
t i f cß c Fragen gur ©eratbuug öorliegett. ©kittt 
ficb bie Sachen )o eutwicfeln, baß (nicht gu fpre« 
chen üon organifcher ©ereiniguttg) fich ein (M e« 
t hob ift eit = ©üitbuiß geftaltet, mittelft 
beffett eitt genteinfame8©efaugbuch, ein gemein« 
füllte» (Ritual tt.f.w. entfielt; welches bie SBege 
u genteinfatner Söirffamfeit in beu (MiffionS« 
elberit bahnt unb bie kräfte für allgemeine 
3wecfe fhfteinatifcb oertoenbet, bann mögen 
folche „Celumenifdbe ©oitcilien" noch oftmals 
wicberfebreu. Sonft aber nicht. 

©iel wichtiger aber als biefe großen SBelt« 
berfammlungen ift meiner (Meinung nach baS 
3ufammentreten ber (Metßobiften«kircheit in 
Sinterifa einerfeit», unb in ©Uropa an« 
bererfeitS; bettn auf folgen ©erfatnmlungen 
(önnte ba» 3 uit äch ft l iegenbe berathen unb 
eS möchten prattifche (Maßregeln getroffen mer« 
beu, welche bie SBoblfaßrt ber Kirche wie beS 
fianbeS begtoeefen. 

X. 

Sßo liegt bie 3ufunf t beS beutfeßen 

(MctbobiSinuS — in $eutfcßlanb 
ober in Sinter ifa? 

SBnßrfcbeinlicb ift bie (Meinung biefer Frage 
bie — wo ber beutfehe (MetbobiSinuS oorauS« 
fichtlich am beften geheimen, erflarfett wirb — in 
(Deutfcßlanb ober Slmerifa. 

©S mar fchon Fahre lang meine Uebergett« 
guitg, baß für unfere ©eneration, nnb bie 
nächfte unb noch ein paar anbere bie 3u» 
fnnft beS beutfehen (MethobiSmtiS — falls ber» 
felbe überhaupt eine folche hat — in ben ©er. 
Staaten gu fliehen ift. $iefe Uebergeugttng 
ift burd) beit berlängerten, anteiligen Sin« 
fchauungSunterricht, ben ich Wäßrenb meines 
SlufenthalteS in (feeutfcblanb empfing, ttnum« 
ftößlich geworben, unb offerire ich gur Stüße 
biefer Uebergeugung in ifürge nur einige 
©riinbe: 

1) f?eine Freifirdje wirb in ^eutfchlanb als 
fircßliche Organifation gewaltig 
werben, fo lange bie StaatSfirche nicht atifge» 
löst ift. Unb bis baS gefchieht, finb wahrfchein« 
lieh wir, wie auch unfere ifiuber unb ÄinbeS» 
finber iit ber ©migfeit. 

2) Unfere (Miffionäre in lletttfchlanb OoH« 
bringen ein großes, höchft notßmenbigeS SBerf, 
müffen aber meiftenS unter ben ärmften 


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Htu meiner #eifetafdje. 


141 


Klaffen arbeiten, reelle ben beutfdjen Verhält* 
nijjen gemäß meifienS auch arm bleiben. 

3) Verlieren nufere Wiffioneit beftänbig febr 
Diele Kräfte burcb bie Wuswanberung, unb gwar 
gilt bieS nid)t bloS Don benen in ®eittfcblaub, 
foitbern auch benen in ber Schweig, wo bie Ve» 
bingungeit eher gegeben finb, ben „WetbobiS* 
mus ber 3' l fnnft" erfteben gu (eben, als in 
®eutfcblanb. 

4) ®arf nicht Deraeffen werben, baff bi er 

W e t b o b i ft e n * ©emeinfcbaften in 
$eutfcb(anb wirten, ©«baut tnnn ficb baS große 
®eutfct)(anb mit feinen 40 Willionen ®eutfcbeit 
an, unb Dergleidljt batgecgen bie Derbältnißmäßig 
geringe 3obi ber ®etitfcben in ben bereinigten 
Staaten, fo follte man gwar benfen, hoffen unb 
glauben, eS ntüjfe ber WetbobiSntuS im alten 
Saterlanbe ichon in ber näcbften eine 

mächtige Kirche werben unb bem in ben ber. 
Staaten weit DorauS eilen. Sobalb aber bie 
berböttniffe in Erwägung gegogeit wer* 
ben, wirb ficb bie Uebergeugung aufbrängen, 
baß in ben näcbften fünfzig fahren baS fjaupt* 
gewtebt beS beutfcbeit WetbobiSmuS in ben ber. 
Staaten liegen muß, wenn berfelbe überhaupt 
eine bliibenbe 3ufunft hoben foll. ®ie beut* 
feben Wetljobiften in ben ber. Staaten bitrfen 
ihre große berantwortlicbfeit, bie fie ber (Sin* 
toanberung gegenüber hoben, nicht mit bem 
©ebanfen abwülgett — unfere Aufgabe ift in 
biefem Sanbe gelöst; bie 3ufunft beS beutfebeu 
WetbobiSmuS liegt in ®eutfcblatib, b’rum laffet 
uns ^rieben hoben. — 3 cf) bin gerabegu Dom 
©egentbeil iibergeugt unb fage, wenn ber 
beutfdbe WetbobiSmuS in ben ber. 
Sta a ten f i dj in ben nä dj ft e n fünf* 
unbgwangig Rohren nicht fort* 
entmicfelt u nb g u t g eb ei b t, wirb 
berfelbe auch in®eutf<blanb nicht 
mächtig werben. Unfere Vriiber arbeiten 
im alten baterlanbe btlbenmäßig. 9lber bie 
bortige Wifiion ift toiel abhängiger Dom Wutter* 
lanb, unb auch abhängig »om ©ebeiben beS 
beutfdjen WetbobiSmuS im Wutterlanb — als 
Diele unter unS glauben. ®ie 3bee, baß weil 
bie Wiffion in ®eutfdjlanb herrliche Srfolge 
aufguweifen habe, fie nun auch fo erflarft unb 
fircblid) b«rangewachfeit fei, bah fie halb allein 
geben unb bie „3ufunft beS beutfcbeit Wetfjo* 
biSmnS" repräfeittiren tönne, ift eine grunb* 
falfdje. 2Bir in Wmerifa hoben Dielmebr 
bie hohe, heilige Verantwortung, bie Präger 
biefer 3uf“nft P f**n U1 *b für baS Wiffion«* 
finb briiben nach Kräften gu forgeit. SGBenig* 
ftenS gilt bieS für meine fiebenSgeit, fowie für 
bie aller meiner alten nnb jungen Cefer. 
®ie es aber in fiebengig ober bunbert fahren 
fein wirb, bannt wollen wir unS nicht befchwe* 


ren, fonbern Dielmehr aus allen Kräften beten 
unb arbeiten, bamit ber beutfehe WetbobiSmuS 
unter ben beutfeben ©ingewaitber* 
ten in ben Ver. Staaten „eine 3u* 
funft höbe". 

XI. 

233 i c ft e b t es in ben beutfeben 
9tei<bSlanben, im © l f a ß unb in 

Sotbringen, betreffs ber beut, 
fchen ©efinnung? 

Sehr gemifdht. ®ie ©Ifäffer finb fchon feit 
3obvbunberten „Gigenbröbler" Dom reinften 
2Saffer gewefeit. 31IS fie ju fffronfreicb gehörten 
nnb man ihnen grotulirte, baß fie grangofen 
feien, bo fugten fie gewöhnlich: „Woi, mer fin 
foine ^rangafe, mer fin elfäffifdj." Unb jeßt, 
ba ber beutfehe Kaifer wieber baS Scepter 
fchwingt, fprechen Diele: „V?a§ glabt ihr beim? 
Wer wod’n nir wiffa Don ben ®titfd)e. Wer 
fin grangnfe." 

®aS 61 f ä f f i f d) e Wationalgefiibl warb ba* 
burd), baß bie frangöfifebe ^Regierung, nochbem 
fie baS ©Ifaß weggenommen, ber VeDölfernng 
auf alle mögliche SBeife fchmeichelte, fo beflärft, 
baß eS baS SBewußtfein, fJrangoS gu fein, über, 
wog. 

®iefeS ©Ifäffifche Selbftgefiibl fteljt beute 
noch in erfter fReibe. Sobann fommt bei ber 
Wehrgabi bie Siebe gu fjranfreich, unb in britter 
ßinie baS Ülcceptireii ber Situation, wie ficb'bie 
gelehrten ©Ifäffer auSbrücfen, baS beißt auf gut 
beutfdj — bie Annahme ber Sachlage — weil 
fie’S eben nicht änbern tonnen, unb boeb fo febr 
gerne änbern möchten. 

UebrigenS finbet ficb immerhin eine nicht un» 
bebeutenbe Wngafjl ©Ifäffer nnb lothringer, bie 
froh fmb, wieber gu ®eutfeb(anb gu gehören. 
®ie beutfdje Vortei War ja, namentlich im ©I* 
faß, .nie gong erftorben unb erhob nach ber 
Söiebergewinnung baS £aupt auf’s Weite. Wueb 
finbeu fid) nicht wenige, welche trojj ihrer Vor* 
liebe gu fyranfreich bie Verbienfte anerfennen, 
welche ficb bie beutfehe ^Regierung bereits um bie 
IReidhSlnnbe erworben. 9(nbere bagegen finb fo 
feßr erbittert, baß fie auch bie befte ®hnt nicht 
anerfennen, fo fie Don einem „Vniffien" fommt. 
®iefe „©runbbittern" fpredhen nämlich ff in 
2Bört<beit biitfeh, unb fugen barum auch „tpruf* 
fien" anftatt ®eutfcher. 

3m ©attgen fann — alle Verbältniffe in Ve* 
tracht gegogen — bie beutfehe ^Regierung fatim 
mehr tRefultate erwarten, als aufguweifen finb, 
unb wirb eS noch einige Wenfchenalter währen, 
bis bet fräftig * gemütbDoIle beutfehe Stamm in 
ben fReiehSlanben wieber „geam bütfdj ifdh". 


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142 


(Rn JHärtijrer. 


<Jitt Mfirttfw aus unsren logen. 


htm ©ollänbif (ben uodjer 

3 w e i t e 8 & a p i t e (. 

34 übergehe einige 3al)tt- 

Mein ©ruber war .(taufmaitu geworben unb 
wollte fi4 binnen Äurgem ein eigenes ©ef4üft 
grünben. 34 befanb mi4 auf bem Seminar 
in ÜBarmonb unb ina4te raf4e 8rortf4ritte. 

3m ©Iteruhaufe butte fi4 uieles De räubert. 
Mein ©ater toar ni4t mebt fo häuSli4 als 
früher. @r toar beinahe bcn gangen lag aus. 
unb tarn häufig ui4t einmal jum (Äffen gurüd. 
unb meint er bann (ilbeitbS ober gumeilen au4 
erft mitten in ber s Jiad)t feine Höohnung betrat. 
War er inürrifch unb gerftreut, überhäufte meine 
liebe Mutter mit ©4eltworten, unb — i4 mag 
eS faum ergäben — häufig f4lug er fie. baß fie 
uo4 na4 lagen bieMerfmale baoon auf ihrem 
©efüljte trug! Unb meßhalb? Sinjig weil fie 
nicht ber tatho(if4en .(tircije angehörte. 

(SineS lageS.einpfing i4 öon meinem ©ater 
einen ©rief, worin er unter 9Inberem f4rieb 
„34 habe alles aufgeboten, um (Sure Mutter gu 
uuferer Äirdje gu belehren, bo4 bis jefit m>4 
wenig gewonnen; benn ihr ©ruber in 'Jtotter* 
bam räth ihr ftart baoott ab. Dettno4 glaube 
i4, wenn Du es ihr einmal oorftetlft, fei eS 
brieflüh ober no4 beffer, wenn Du in ben 
Serien gu ©aufe bift, fo wirb fie ni4* fo hal*- 
ftarrig fein." 

34 fuß lange mit bem ©riefe in ber ©anb 
unb (öS ihn mieber unb mieber. 

2BaS follte i4 thun? 

34 mar fo Don unferer Äir4e eingenommen. 
Wie nur3«manb fein fann; alles was fie lehrte, 
glaubte i4 guberfi4tli4- Daß unfere Mutter 
niemals felig werben fönne, wenn fie Jii4t 
ihren proteftäntif4en ©tauben abf4wur, ftaitb 
bei mir feft. 

34 jag meinen ©ei4tDater gu fRntbe, lief? ihn 
ben ©rief lefen unb — eine 3ornesmoIfe lagerte 
fi4 auf feinet ©tim. „Du bift ein unwiirbiger 
©ohn," fo begann er, „baß bn beine Mutter in 
ben flauen beS lettfelS läßt. Du mußt fie er-, 
löfen, fte retten ober ißr abf4wören. ©Jiflft bu 
©rieftet werben, fo mußt bu miffen. baß eS 
beine ftrengfte ©fli4t ift, bi4 bon allen ©rote» 
ftanten, unb feien fie felbft beine ©Item, fern 
gu halten. Du mußt fie baffen, mit einem botl* 
fommenen ©aß. Die (tireße ift beine Mutter, 
ihr allein haft bu gu gehoben." Unb gut 
©träfe für mein 3aübern würbe mir eine 
f4were ©uße anferlegt. 

3lber mabrli4, >4 wußte ni4t wie i4 eS an* 


gihlt non 3. ©erMsen fr. 

fangen follte. Mehr als einmal feßte i* mi4 
üor meinen ©4reibtif4; bo4 ftetS erhob fid) bie 
©timme beS ©lutes in mir, unb ftaitb baS 
fünfte ©ebot. baS meine Mutter mir in befferen 
lagen gelehrt hatte, bor ber ©eele; bie ffeber 
gitterte in meiner ©attb, mir f4winbelte, als ob 
i4 Riebet hätte, id) mußte mich immer mieber 
erheben, ohne einen ©rief gu ©apier gebracht 
gu haben. 

3tlS mi4 mein Sei4tbater na4 mehreren 
lagen frug. ob ber ©rief abgefanbt fei, unb er 
ein gepreßtes „©ein" gur Antwort empfing, 
miirbe mir eine neue ©träfe anferlegt, unb er 
feßte einen ©rief auf, me(4eit i4 äbf4reiben 
mußte. 

Mit blutenbem ©ergen gab i4 mi4 an bie 
Arbeit. bo4 als i4 an bie folgenden ©.'orte an* 
gelangt war, berfagte meine ffeber ben Dienft: 
„Mutter, i4 beflageDkf); haft Du mid) lieb 
unb millft Du ntid) ou4 ferner ©ohn nennen, 
fo berlaffc bic flitze, bie Deine ©eele bermüftet 
unb Di 4 ber ©ölle gufiiljrt. lh«ft Du eS nicht, 
fo muß i4 Dir abfdjwören unb fann i4 ®i4 
nicflt mehr Mutter nennen, ©ier auf ©rben 
muß i4 Dir bann filmen unb muß bie ©träfe 
billigen, bie Di4 treffen wirb." ... 

©Iößli4 befatn i4 anbere ©ebanfen. 

2Bar es mir benn ni4t ©fli4t, Por bem ewi* 
gen ©erberben gu retten ? Mußte i4 ni4t biefe 
heilige ©flüßt erfüllen? Unb hatte i4 außer* 
bem näßt mit ben ©anben ber ©'eit gebroden ? 
,,©4weig, ©timme beS ©lutes!" rief i4 aus, 
trodnete meine Ihräneit unb f4rieb. 

Der ©rief war fertig. 

9io4 einen Itampf hatte i4 ju beftehen, no4 
einmal ftieg ber ©ebanfe in mir auf, ben ©rief 
gu berm4ten. Slber bie Kfir4e gebot, i4 mußte 
geboten. Der ©rief warb abgefanbt unb 
hotte bie gewiinf4te ©Mrfung; benn meine liebe 
Mutter würbe fatholif4. 


Drittes Kapitel. 

Die Serien hatten begonnen. 

34 fam einige läge gum Sefu4 in’S ©Item- 
haus. Sowie meine Mutter mi4 erblidte, 
ftiirgtc fie auf mi4 gu, bebeefte mein ©cfie^it mit 
.(tiiffen unb rief, währenb Ihränen ihre ©(an* 
gen hinabrofltenr „0, ©tibrieS, wie Weh haft 
bu mir mit beinern ©riefe gethan! Dn glaubft 
bo4 ni4t an baS, was bu gef4rieben ?" 3dß 
f4loß fte in meine 9lrme unb weinte glei4fall§. 


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(Kn JÄärtijrer. 


143 


mtin fterg pexhte hörbar. SEBie mar t§ mögli4, 
baß iq ein fo tfjeureä SBefen hänfen, fie täu* 
f<ben unb ihr fcbteiben tonnte: „34 roerbe bicb 
nidj|t ferner ©lütter nennen fönnen." S4äße 
hätte idb hingegeben, um bie Sa4e ungef4ehen 
gu machen; aber eä margu fpät. 

„Sehrt benh bie ftirdje in SBaljrheit, lieber 
SlnbrieS," frug fie nach längerem ocbmeiften, 
„baf$ ein Jtinb feiner Butter fluchen barf ?" 

„5a, liebe ©lütter, fie lehrt bieS; aber bie 
heilige Butter ©otteä fei gelobt! alle» bot fidj 
jum @uten geroenbet, unb bu biji eine Tochter 
bet afleinfeligmachenben ftircbe geroorben. 3 e fct 
»erbe ich ewig mit bir leben." 

Sie antwortete nüijt, fonbern erhob ihren 
tbränenooQen ©lief gu mir. O, biefer ©lief! 
iq »erbe ihn nie oergeffen. ffein ©erroeis fam 
über ihre 8if)f)en, fein iabel über beit unmür« 
bigen Sohn; fie erfehien mir mie ejn Gngel. 

£ätte ich bamate ben #errn gefannt, mie 
gang anberS mürbe ich ibt gerebet haben. 
3<h märe bann mit ihr niebergetniet unb hatte 
ein ©ebet gu ©ott empor gefanbt; boch mir 
fannten ihn nicht, unb meine ©lütter muhte 
felbft gerben ohne ihn. O, mie entfefüich! Diel» 
leicht meine ©lütter ewig oerloren, unb burefj 
meine Schulb! 

halber» fdjmiea, unb einige ©linuten ber« 
ftrichen, ehe er feine Grgaljlung njieber auf« 
nehmen tonnte. 

Win SEage nach meiner Wnfunft gu $aufe 
hielt ein UBagen bor unferer $ljür. ©lein Onfel 
ouS ©otterbam, ber einige ©ruber meiner 
©lütter, mar gefommen, um einige $age bei 
un§ gu berleben unb bann nadj Winerifa über« 
juftebeln. SBehholb er nach jenem ©klttheil 
auSroanberte, habe ich nie in Erfahrung bringen 
tönnen. 

©lein Onfel mar ein fiämmiger, gefegter 
Siervger. Gr mar grofj, hatte eine bliihenbe 
©efidjtsfarbe. f4margen ©aefenbart, eine hohe 
Stirn unb für* gefchnittene» f4marge3 ftaar. 
Gr trug einen fömargeit Witgug, meißeS -£>alS« 
tu<h. blißenb blanfe Stiefel, unb einen hohen, 
runben £>ut. 

Schon ber erfte Ginbrucf, ben er auf mich 
machte, mar fefjr günftig. Gr hatte immer 
Stoff im Ueberfluft, um ein ©efpräch aufrecht 
ju erhalten, unb oerftanb über WfleS mit gu 
plaubern, furg, er mar mit einem ©Bort ein 
jefefliger, munterer ©lann. 

Doch am liebften fprach er über 3hn< ber am 
Äreuge für bie Siinber geftorben ift. ©Benn er 
fich barübet unterhielt, funfeiten feine Wiegen, 
unb man fonnte ihm anfefjen, bah er oon hei« 
liget Uebergeugung erfüllt war, als er fagte: 
„$ur<h ben ©lauben barf ich fagen: ©lein ftert 
unb mein ©ott!" 

©lein ©ater hörte wenig baranf, menn er 


übet folche $inge fprach, unb lenfte bie Unter« 
haltung immer auf ein aitbereS Ühema, morin 
er oon meinem ©ruber auch treulich unterftüßt 
mürbe. 

34 jebo4 hörte bem Onfel redjht gerne, gu 
unb machte oon ber erften ©elegenheit ©ebrouch, 
unter Pier Singen fei^Urtbeil über bie ftirdfe 
u hören. Gr gab eS. 34 tvat ihm entgegen, 
ooiel i4 eS Permochte. Gr roieS mi4 auf meine 
f4ma4oolle SEhat hin, meine ©lütter bur4 bie 
Ueberlieferung an bie fatholif4e Äir4e in bas 
eroige ©erberben geftürgt gu haben. 34 mußte 
f4meigeu. Gr oerroieS auf baS ©orbilb beS 
£>errn, ber bie ärgften Siinber gu fi4 ruft, 
roiifjreub bie fatholijche itirche bas fliub gegen 
bie ©lütter aufheßt unb eS anfpornt, fie gu ihr 
gu befehren ober ihr gu flu4en. 34 fühlte, bah 
er bie ©Baljrheit fpra4. Unb als er ergählte, 
mie gliicflich Oer fei, ber ©ott in ©Bahrheit, 
ohne ©ebeit=©i>tter, ohne Silbniffe unb ^eiligen 
biene, ba mußte i4 auSrufen: „O, Onfel! märe 
i4 fo gliicfli4, mie bu eS bift!" 

lannft es merben!" lautete feine Wnt« 

roort. 

„2öie benn ?" fragte i4- 

„©taube an ben fjerrn 3efuS GhrifluS unb 
bu mirft felig merben," fagteer unb fügte hmgit, 
mährenb er mir eine Sfaf4enbibcl gab, „alfo 
fteht in biefem Sn4e. ©Mllft bu gliicflich 
merben, fo lefe barin unb bete gu ©ott, baß er 
Sein SBort an beinern ftergen heilige." 

34 folgte feinem 9tatp unb erfannte mi4 
als Siinber. 3m ©cfiihl meiner Siinbe unb 
meiner Ohnma4t manbte i4 mi4 gu ©ott mit 
ber ©ilte: „C, ©ott! fei mir gtnibig !" 

©Ian4e Seute ergöhlen oft lange ©efehrungS« 
oorgänge mit hmibert Gingdheiten. Grroartet 
bieS nid>t Pon mir. 34 fönnte bie gange ®e« 
f4i4*e meiner ©efeprung auf ben ©agel meines 
®aumen§ f4reiben. 34 mürbe Pom $obe 
leben big unb fonnte na4 einigen ©lonaten 
auSrufen: „34 weih, bah mein Grlöfer lebt." 

S4on halb na4 meiner fRürffehr in’S Se« 
minar mar e§ fein ©eheimnih mehr, bah >4 
feßerif4e ©efiihle hegte. 

Unb fein ©.Umber — benn e§ mar mir un= 
möglich» bur4 Stillf4meigen meine 3ufHm« 
mung gu ben ©otteSläfterungen gu geben. 34 
mußte fprechen. 

Obgleich i4 no4 bon ber Saft meiner Sün« 
ben unb meiner S4u(b gebeugt mar, trug i4, 
bo4 f4on bie Uebergeugung in mir, bah nicht 
.flrurifir, ni4t Slofenfrang no4 Softie mi4 oor 
bem eroigen ©erberben retten unb mir ^rieben 
geben fönnte. 3« ben grnei 3öo4en, bie ich 
ttn4 bem ©efprä4 mit meinem Onfel no4 im 
elterli4en fumfe gubra4te, hotte i4 im ©amen 
3efu gn ©ott gebetet unb bie ffraft baoon em« 
pfunben. $)ie ©ibel hotte mi4 übergeugt, bah 


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144 


<§itt JHörtijrer. 


eä feinen anbern Blittler geben fönne als 3b"/ 
ber freiwillig ©ein ßeben am Hreug flefaffen. 

3h mußte beßßalb meine Blitftubirenben 
warnen uub ihnen ben 3™oeg geigen, beit fie 
wanbeiten. 

SBurbe beS BlorgenS in ber Hapelle bor ber 
Gottesmutter fnieeitb gebetet, bann waubte ich 
mein Geficßt ab unb betete gu meinem Gott, ber 
uns (tetS hört. 

3* wunbere mich Kßt nod) über ben heiligen 
Blutl», ber mich bamafs befeelte; benn obgleich 
id) 3«fuS bamalS noch nicht meinen Grlöfer 
nennen bnrfte, troßte ich »Den, unb hatte um 
©eines flamenS willen ruhig ben Scheiterhaufen 
befliegen. 

©o oerlief.-u gwei SBoheit. 3h hatte meinen 
Gltern gefdjrieben, baß mich baS ©tnbium an» 
Wibere unb ich lieber betteln gehen als '-Priefter 
werben wolle; baß eS mir flar geworben, Born 
führe gegen ben ©eilanb unb ©eine Hirdje 
Hrieg, unb ich fie beßßalb erfuche, nach ©aufe 
gurücffeßren gu bürfen. 

Auf biefen Brief empfing ich leine Antwort. 

GS war Abenb. 3h faß, bieGflenbogen auf 
ben Difdj geftüßt, ben Hopf in bie ©änbe ge» 
lehnt, in meiner ©alle, bie geöffnete Bibel oor 
mir. 

„2Bie wirb eS mit mir werben?" fo fragte 
ich mich felber. — 3nt ©eminar bleiben, nim* 
mermehr! Badf ©aufe gurücffeßren ? 3a, baS 
wäre baS Befte, aber wie würbe ich empfangen 
werben ? Auf jeben 3?afl mußte ih fort, ih 
bnrfte unmöglich länger in biefer abgöttifcßen 
Umgebung Derweilen, ©hnell ben Koffer ge» 
pncft unb ... 

Die Dfjür würbe plößlih geöffnet unb mein 
Beicfjtbater trat ein. „GS ift mtS aufgefaflen," 
fo begann er, „bah bu in ber leßten 3 e >t nicht 
gang flar im .Hopfe gewefen bift. Doch baS ift 
nicht beine ©halb; aber baß bu bie Hircße in 
beinern JBafjnfinn beleibigft, bie ©eiligen Der» 
Ipottefl unb bich gegen alle flegeln Dergehft, ja 
ielbft beine f?rbnnbe gur Heßerei gu oerleiten 
ftrebft, baS beweift, bah ber Deufel grohe Bläht 
über bih gewonnen hat, baS Derräth Blangel an 
©elbfterfenntnih, an feftem Beten unb an Buß» 
fertigfeit. 3h habe beinen Bater mit beinern 
3u|tanbe befannt gemäht, unb ba er uns Bofl» 
macht gegeben hat, mit bir nah unferm Gracß» 
ten gu Verfahren, muht bu Dorerft beine 3?He 
hüten nnb bir bnrh Saften unb Beten bie Sür» 
fprahe ber ©eiligen gu oerbienen fuhen. Doh 
— waS ift bieS? Sine proteftantifhe Bibel? 
Gieb her bas Buh*. D a S alfo ift bie Urfahe 
beines Abfalles." 

„Bein!" rief ih entfhloffen, „3hr wögt mid) 
einfhliehen unb mir Ades nehmen, boh meine 
Bibel Iah ih wir nicht rauben." 

„Gieb her!" ßerrfhte mein SeihtDater. 


„flein! ih laffe fie nicht," rief ih, inbem ih 
baS Buh aller Bücher mit beiben ©änbeit um. 
faßt hielt. 

Gs entftanb ein flingen. Der BeihtDater 
rief mit lauter Stimme um ©ilfe. Ginige 
OrbenSbrüber ftürgten ßingu — ih mußte ber 
Uebermaht weihen, Blau nahm mir bie Bibel 
unb fhloß mih m eine Gefangenengelle ein. 

Doge oerftrichen. 3h faß fliemanben als 
ben Bförtner, weihet mir ©peife uub Dranf 
brahte. Gr mar ein guter Alter, ber gerne 
fhmaßte, boh jeßt fhien fein Blunb gefhloffen, 
unb nur mit großer Blühe eutlodte ih ihm am 
bierten Dage einige AuSfunft. 

„3h wog nichts gegen Guh fagen," brahte 
et gögernb heraus, „benn 3hr feib ein irrfinni» 
ger Heßer unb eine Beute beS DeufelS." 

„2önS hat man mit mir bor?" fragte ih- 

„BJenn 3hr mih nicht berratßen wollt, will 
ih eS Guh fagen," fprah er, borfihtig um fid) 
blidenb, „man erwartet Guren Bater unb bann 
— ih mag nichts gegen Guh fagen." 

Gr ging. 

3h werbe alfo boh-meinen Bater fpredjen, 
bacßte ih; nun, ih will ihn fhon überzeugen, 
baß mir nichts fehlt unb ihn bewegen, mih mit 
fih nah ©aufe gu nehmen. 

3h hotte mih jeboh berrehnet. 

Als er fam, würbe ih burh gwei Brüber aus 
meinem Herfer geholt unb ihm im großen ©aal 
borgeführt. 

3h gewahrte fofort, baß meine S?i»be gegen 
mih tßätig gewefen waren. Btein Bater war 
barfh gegen mih unb eröffnete mir, baß ih 
nah einem Hlofter in Brabant übergeführt 
werben foDe; bie ftrenge 3«ht unb bie Ginfam» 
feit bort würben ihren mohltßätigen Ginftuß 
auf meinen Hopf unb auf mein ©erg nicht Per» 
fehlen unb bie gewünfcßte Ummanblung be= 
mirfen. „Denn," fhloß er, „entfinnft bu bih 
nicht mehr, was bu beiner Blutter einft gefhrie» 
ben boft: „Blnn foU bie Heßer meiben unb 
feine Gemeinihaft mit ihnen haben, fofl ■ fie 
Weber in feinem ©aufe noch an feinem Difhe 
bulben!" ßäßt bu nicht ab bon ber Heßerei, ift 
bir baS GlternhauS unb baS Gltertiber* ber» 
fhloffen!" 

„Unb meine geliebte Blutter, wie benft fie 
über mih?" fragte ih. 

„Deine Blutter hat nichts gu benfen," ent« 
gegnete er. „3h bin bas ©aupt beS ©aufcS." 

3eßt trat mein Beihtbater ein. 3h haßte 
biefen Blonn. „Bater!" rief ih, „ba fomntt 
ber Blann, welher mih befahlen unb in eine 
Herfergeüe eiugefhloffen hat; er hat mir bad 
Buh genommen, baS mir mein Onfel in ben 
Serien gegeben. Gr ..." 

„Ah, ber arme 3rrfinnige!" fiel mir ber 
Briefter in bie flebe. „GS fheint wieber ein 


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Hufi bem Jtrifrprrbtijfr'frbm. 


145 


Infall im Snjuge gu fein. Selb auf (Suter 
■jjut, Slpitheer!" warnte er meinen 93ater, 
„benn wenn er aufängt, wirb er fürchterlich." 

3cf) würbe ipütßenb uub wollte mich auf ben 
Serieumber ftürgeit, bocß fofort pacften mich 
mehrere £)änbe uub id) würbe in meinen Äerfer 
gurücfgebracht. 

Im Ibenb erfuhr ich, baß ich am näcßften 
2age nach Srabant gebracht roerben foflte. 

3cß mußte flüchten. Iber wie ? 

Die Sotß macht erfinberifd). 

3n meiner 3«ö e befanb fi<h ein Heines gen» 
jter, groß genug, um mich burChjulaffen. Daß 
e§ oon Süßen mit einigen ©ifenftäben befeftigt 
»ar, burfte fein #inberniß fein. Steine 3eile 
lag in einem abgelegenen ©infei beS ©ebäubeS, 
in bein Siemartb fcßtief. Sd) mußte in ber 
Sacht fo geriiufcßloS wie möglich bie Scheibe 
einfÄlagen, bie bünnen ©ifeuftäbe loSbrecßen, 
baS gfenfter öffnen, mich burchjwängen uitb in 
ben |wf hiimbfpringen; bie .fräße, bie acht bis 
jeßn t?uß betragen mochte, fchrecfte mich nicht. 

©S war Sacht. ©in heftiger Orfan wütßete, 
ber Segen praffelte nieber, jucfenbe Süße er» 
bellten baS Dunfel unb fchwere DonnerfCßläge 
Dertüubigten bie Allmacht Dejfen, ber IlleS auS 
SicßtS ßerporgebraCßt. 

(Sbenfo aufgeregt wie braußen tobte eS in 
meinem frerjen.^ 

j)ie erfeßiite et mibe nahte; alles fCßien fich 
mit mir ju oerbiinben, nm meinen '-{Man ge» 
lingen ju laffeu; ich war wie im lieber, mein 
frerj Hopfte hörbar. 

3<h mußte haubelit. 

Der Difcß würbe geräufchloS Don mir unter’S 
Jenfter getragen unb ich Wetterte hinauf. ©S 
mar mir, als ob ich ^emaitb nahen hörte. 

©tili! — ©claufcßt! — Sein, ich hatte mich 
getänfcht. 3cß uinroanb meine franb mit einem 
Juche unb führte einenJräftigen Schlag gegen 
bie Scheibe, baß bie odjerben nach braußen 
flogen. 3in felben lugeubliCf erfcßütterte ein 
gewaltiger Donnerfcßlag baS ©ebäube. 3<h 
bebecfte mein ©eficßt mit ben Rauben Por bem 
grellen Süß, welcher einen neuen Schlag an» 
tünbigte. 

3<h ftieg oon bem DifCße hinab, um noch ein* 
mal ju horihen, ob auch 3cmanb nahe. Sein, 
alles blieb ftill. Doch eS fchien. als ob mich 
ber Stutlj oerlaffeu wollte. I6er ich tonnte 
nicht mehr juriicf; bie eiugefcßlageue Scheibe 
mürbe oerrathen, was ich beabfiCßtigt hatte, ober 
als ein weiterer SeweiS für meinen Dorgebtichen 
^rrfinn auSgenüßt werben. Sch fletterte alfo 
uocßmalS auf ben Sifcß unb ftrecfte bie franb 
burcfi bie Oeffnung; nach einigem Sätteln gaben 
bie Stangen nach unb baS 3?eufter ließ fich öff» 
nen. 3$ fcßroang mich burch bie Oeffnung, 
faßte ben eJenfterraßmen unb mit ben ©orten; 


„frert, fteh’ mir bei!" ließ ich mich loS unb fam 
unuerfeßrt unten im naffen ©rafe au. 

Doch jeßt fort! 

3<h war barhäuptig unb nur feßr leicht be* 
fleibet. Der ©inb jerjaufte mein fraar unb 
fchnitt mir burch alle ©lieber; ber Segen hatte 
rafch meine Kleiber burcßnaßt; noch immer 
rollte ber Donner unb hin unb wieber beleuch¬ 
teten phantaftifcße Süße meinen ©eg. ©aS 
lag mir an bent Doben ber ©lemente? 3d) 
lief — nein, rannte, ohne mich umjublicfen. 
3<h fühlte leine Stübigfeit, obgleich mein Äopf 
brannte, mein Stpein ffßneüer nnb fcineUer 
ging — immer ftürmte ich PormärtS. 3uleßt 
ftanben meine ©ebanfen ftill: ein unbefcßreib* 
licheS ©efühl übermannte mich; meine Irnte 
fielen fchlaff jur Seite nieber unb — ich fant 
bewußtlos jur ©rbe. 

ce$i»s folgt.) 


$Hi|;eu au* einem J^ctfrpreJ>t0er* 
^eben. 

San Sk. I|mt£. 


IV. 

„3|t biefer nidjt ein Branb, brr au» bem 
?euer gerettet ift?“ (Sadj. 3, 2.) 

©incinnati, Sucfepe Str. IfirCße. Sichrere 
©lieber meiner ©emeinbe wohnen im weftliCheu 
Dheüe ber Stabt jerftreut, unb beim Saftoral» 
befucbemachen tonnte man fich bie Seine fCßon 
etwas mübe laufen. So tarn eS teun auch, 
baß ich nach folcher Irbeit an einem fChwülen 
SaCßmittage mich müben Schrittes heimwärts 
waubte, nicht Wäbneub, baß noch eine fCßwietfge 
Irbeit meiner auf bem ©ege harre. 

Seim ©inbiegen in bie ©entral Ipenue fiel 
mein Slicf auf einen ©egenftonb, welcher einen 
Scßrecf burch meine ©lieber jagte. luf ber 
anberit Seite ber Straße, an eine Sretterßütte 
gelehnt, ftanb ein Wann fo ftarf beranfeht, baß 
er troß beS InlehnenS fich faum auf ben Süßen 
halten tonnte: er wantte hm nnb h« wie ein 
Soßr im ©inbe. Unb biefer Wann war einft 
einer meiner niißliChften JMaßfiißrer in ber 
Sace Straßen ©emeinbe. @r war früher bem 
Drunfe ergeben. Würbe aber belehrt Oon ber 
©ewalt beS Satans ju ©ott unb war mehrere 
3afjre ein nüchterner Wann unb ernfter ©ßrift. 
Son ©incinnati jog er 9 bis 10 Steilen weit 
auf’S 2anb. 3» feinem Ungliicf perabreichte 
er feinen Arbeitern Sranntwein, woburch er 


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146 


Pie Prutfdjen im dongreß. 


felbft oerleitet mürbe, guroeilett einen 3“fl J u 
tipm, unb bon ber 3rit an loar er feiner felbft 
nicht me^r mächtig. 

Wein ©cbred machte baib einer tiefen 2öeh= 
mutt) ißlap; ihm ntitleiDig bie ftaiib reidjenb, 
offenbarte id) ihm bie ©efüble^ meines DergenS; 
erinnerte ihn an bie feligeu ©tauben, bie er in 
ber Sinbjcbaft ©otteS genoffen, bie frenbigen 
Sefenntniffe, Die er. gemacht, beit fjotjen ©tanh, 
beit er einft in bei: ©eineinbe eingenommen 
batte, unb bann an bie Siefe beS Odiles, ben er 
getban. 3u all biefem fdjmieg er ftill; äugen» 
fcbeinticb fcblop bie ©cbam ihm ben Wunb. 

211S icb if)in aber feine ©efabr Oorftellte unb 
ibn gur Umtebr ermähnte, ba ftamnielte feine 
fernere 3nitge: „Sruber SlbrenS! icb weip, bie 
SBerbamntnip ift mein Sohn, roenit icb fterbe; 
aber oom ^Branntwein tarnt ich — nidbt mehr 
taffen." 

3cb wies ibn natürlich bin gu $efu, bem 
Surcbbrecber alter Saitbe, als feinem föelfer, 
foferit er nur mit Gruft fid) gu ibm wenbe. 

„GS ift umnögticb, baß icb noch einmal ein 
nüchterner Wann werbe; icb bin gu tief ge» 
füllten!" 

„stiebt boeb; 3fefuS fann ben ©üuber retten 
noch auf ber ©Anteile ber $ölle, unb rettet ibn, 
wenn nur ber ©üuber fiep retten taffen will," 
gab icb gut Antwort. 

„GS ift nicht möglich, baß ich noch einmal 
Oom '-Branntwein la|fe," lallte er. 

Sänger gu arguineiitiren war f)i?r toeber ber 
rechte ifllap noch batte id) bie nötige 3 e <t bagu, 
benit id) fotlte benfelben Slbctib noch prebigen, 
unb fo nötbigte ich ibn beim, mit mir gu geben 
unb über Wicht bei mir gu bleiben, darauf 
fd)Iop ich meinen Slrm feft in ben feinen unb, 
meine Wübigfeit gang öergeffenb, gog ihn mit 
mir fort. Silber eS mar wahrlich feine Steinig» 
teit, meinen armen SBruber, beffen Oberförper 
nach allen 2Biiibrid)tuiigen fchwautte, auf ben 
tjüpen gu fjalten unb mehr als eine Weile weit 
bureb bie ©tabt gu bringen, freilich fchmanfte 
ich oft mit ihm, ob ich looflte ober nicht, ginn 
©pape ber 3 ll M)auer, beren ©eläd)ter mich 
jebod) nicht fo oiel anfoebt als ber ©ebaute, baf, 
Seute, bie mich fannten, meinen möchten, ich fei 
auch betrunten; aber mit ©otteS gjilfe tarnen 
wir glüdticb nach meiner SBobnung, ohne bap 
einer oon uns gefallen märe. 

SaS Slbenbeffen, nebft einer Stoffe ftarfen 
Saffces, ftimmte ben fRaufcb bestirnten bermapen 
herunter, bap er bis gur 3 c *t ber 93erfamnt(ung 
wenigfteitS aufrecht fipen tonnte, unb ba es Oou 
meiner ©tube burd) eine Spür bireft in ben 
SBerfammlungSfaat ging, fo tonnte ich ihn früh 
genug in benfelben hinein bringen, ohne bap 
3femanb etwas oon feinem 3nftanbe gewahr 
würbe. Dtach ber ißrebigt gab ich Ginlabung 


an beilfudienbe ©eelen, an ben ©etaltar gu 
fommeit. 'Jtebft anberen tarn auch er, warf 
fi<h auf bie Sniee unb flehte ©ott an um 
©upe, unb tbat baSfelbe ben näcbften Slbenb (er 
ging biefen Sag nicht nach £>aufe) unb ©ott 
erhörte baS flehen famint ber fjiirbitte ber 
Sinber ©otteS für ihn. $ann ging er als 
©upfertiger gnriid gu feiner Familie; unb nach 
Wochen langen Sümpfen mit ©ünbe unb ©atan 
unb flehen um ©otteS £>ilfe unb Vergebung 
erlangte er ben ©ieg unb bie ^Rechtfertigung 
bon ber ©iinbe: er war mieber ein nüchterner 
Wenfd) unb fchaffte bon ba an, „mit fffurcht unb 
3ittcrn felig gu werben." 3 l, flleich fuchte er 
ber ©erfucbuug gu entrinnen, inbem er feine 
Sarin berfaufte unb fiep in einer ©egettb nieber» 
liefe, wo feine beraufchenbe ©etränte gu hoben 
waren; unb nach etlichen fahren rief ber £>err 
ihn oom Sanipfplape gur Stube beS ©otteS 
©otteS. 

Wir aber, wenn ich ein bie ©efebiepte beitfe, 
tommen gewöhnlich folgeitbe ober ähnliche 3?ra» 
gen: £>at nicht ber |>err an obigem Sage ben 
betruntenen Wann bort an bie '-Bretterbube 
gelehnt unb mich jn ihm geführt ? 2BaS wären 
wohl bie folgen gewefeit, falls ich tnie jener 
©riefler unb Seoit (Suc. 10, 30—32) ooriiber 
gegangen märe? 2Bie. wenn fein '-Blut märe an 
meinem ©iirtel gefunben worben ? 


Pif Prutfdjni im tiougrrß ber 
Per. Staate». 

3üaS 9l6georbnetenhaiiS beS 47. GongreffeS 
gäplt fünf in Seittfcblanb geborene Witglieber, 
bie Se mol raten Seufter öou SöiSconfin unb 
Worfe oon WaffacpufettS unb bie ÜRepublifaner 
©üuther oon ©Mscoufin, ©mitb Don Illinois 
unb $>ei(inaitn oon Subiaua. Sabon finb bie 
Herren ©iintper unb ©mitb nengewiblt, mäh» 
renb Seufter unb £>eilmann ibreii gweiten Ser» 
min' buvchmacben unb Worfe fogar fepon gunt 
britten Wale feinen ©ip im nationalen 9toge= 
orbnetenhaufe eingenommen bot. Sie SebenS» 
laufe berbrei älteren beutfehen Gongrepmitglie» 
ber biirfen Wir wohl als befannt borauSfepen. 
&err ©eter Victor Seufter ift ein geborener 
Sölner, ber jept in fernem 50. SebenSjapte ftebt. 
Gr tarn im Sitter oou 16 Sabreu nach Slmerifa, 
mibmete fich bem '-Bud)brudergef(häft (unb gwar 
oon ber ftite an) unb ift nun feit Dielen fahren 
Gigenthiimer beS in Wilwaufee erfebeinen» 
ben „©eebote." fierr Seufter wurbc im 3 a bte 
1875 oon ber bemofratifeben Partei mit einer 
äuperft geringen Webrbeit in ben Gongrep ge« 


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Soll unb $obtn im fjausl)alt. 


147 


rodelt, geroann ober burch bie treffliche Haltung, 
bie er bort einnahm, unb burch bie Stbätig« 
feit, bie er im 3ntere|fe feines WablfteifeS in 
Wafb'mgton entfaltete, fo Diele f^reuirtse, baß er 
bei ber Wahl im Sflbve 1880 mit groffer Wehr» 
beit miebergeroählt mürbe, obmobl feine Partei 
in Betreff anberer Äemter ferner gefcfflagen 
mürbe. $err Beufter bot ben erften ©iffungen 
beSÄbgeorbnetenhaufeS nicht beimobnen föitnen, 
meil ber Bampfer „ßeffing," ouf bem er fich auf 
ber Wttcfreife Don Beutfcblanb befanb, in ben 
furchtbaren Stürmen, bie Witte ÄoDember auf 
bem Ocean tobten, befdjäbigt mürbe unb nach 
Snglanb gurücffebren muffte. 

jjn bemfelben 'Älter mie ^>err teuftet fleht 
ber Äbgeorbnete ßeopolb Worfe Don Bofton. 
Sr tani fdjon als Stnabe aus feiner Heimath 
Wochenheim in ber fRljeinpfnlg nach Ämerifa. 
arbeitete fich in Bofton gu einem attgefebenen 
©effhäftSmanue empor unb ift jefft Don einem 
Begirfe, gu melcbem ein groffer 2f)eil ber ©tabt 
Bofton gehört, gum Dritten Wale in ben Soit« 
grefe gemablt morben. 

Ber beutfcbe'Äbgeorbnete Wilhelm Heilmann, 
ber jefft im Älter Don 57 fahren ftebt, ift aus 
ÄlbiS in Dtbeinbeffcn gebürtig unb feit bem 
Raffte 1843 in Ämerifa. Sr moljnt gu SoanS« 
Dille in ^nbiona, mo er es als „felbftgemacbter 
Wann" gum Befiffer einer bebeutenben Baum» 
mollenfpinnerei unb einer Sifeitgiefferei ge« 
bracfft hot. 

Bon ben neuen beutfcben Songreffmitgliebem 
gehört f)err fRicbarb ©üntber ebenfalls WiS« 
confin an. ^>err ©üntber ifl ber an Rohren 
iüngfte ber beutfcben Äbgeorbneten, benn er 
mar, als er am 5. Metern6er feinen ©iff im Äb= 
georbnetenboufe einnabm, eben erft 36 3fabre 
alt geroorben. Sr ftammt aus Botsbam, mo er 
baSÄpotbefergefchäft erlernte, ift feit bem ^affre 
1866 in Ämefifa unb feit 1867 gu Ofbfofb in 
WiSconffn anfäffig. Burch perfönlicbe unb 
gefchöftliche Jüchtigfeit unb burcb baS ^ntereffe, 
baS er für bie öffentlichen Ängelegenljeiten an 
ben Bag legte, gemaun Herr ©üntber fcffneH 
baS Bertrauen feiner Witbürger in engeren unb 
meiteren Äreifen unb als bie republifanifche 
Bartei ihn im Sabre 1877 als ihren Sanbiba« 
ten für baS ©taatsfchaffmeifteramt nominirte, 
mürbe er mit groffer Wefjrbeit Dom Bolle ge» 
mahlt unb nach groei fahren roiebergerofiblt. 
Bei ben leffteit Sougreffroablen trat er cils San« 
bibat auf unb mürbe in feinem, bisher burcb 
einen Bentofraten bertretenen Wablfreife mit 
bebentenber Webrfjeit gemablt. 

3um erften Wale im Songreffe fiftt enblich 
auch fcerr Dietrich ©mitb Don JfflinoiS. Sr 
ift 42 Sabre alt, tarn als Jdnnbe aus feiner 
plattbeutfcben Heinfatb nach Befin in SHinoiS, 
trat bort in baS ©effbüft feiner Brüber, eine 


bebeutenbe Wagenfabrif, arbeitete fict» felbft gu 
einem bebeutenben ©efchäftSmanne empor, ift 
Bbeilljaber an befagter fjabrif, an einer Banl 
unb an anberen gefdffif Hieben Unternehmungen, 
gehört unter bie angefehenfteu ßaiett ber We« 
thobiftenlirche im Weften unb Dertrat biefelbe 
auf bem im ©ominer biefes Jahres gu fionboit 
in Sitglanb abgehalteneu Weltcoucil ber We« 
tbobifteu. Äadbbeni fjerr ©mitb fchon früher 
eingclne öffentliche Stellungen betleibet hotte, 
mürbe er bei ber lefften Äationalmohl im brei« 
geboten Begirfe Don Illinois olS Dtepublifaner 
iit’S nationale ÄbgeorbuetenhauS gemablt. Sr 
ift ein Wann Don rebnerifcher Begabung. 

(Sermon ia.) 


Soll unb Düben im Dfltioljalt. 

Bon Stntbilbe Sommers. 

f ie tbeilen mir utifer ©etb ein; mie machen 
mivS, baff Sinnabme unb ÄuSgabe auf 
fhflematifihc Weife geregelt merben ? Älfo 
fpreeffen Diele Hausfrauen unb HanSbäter. 

Sine £mu?frau — Watbilbe fiammerS — 
giebt auf biefe §froge in ber beutfcben 3eitf<brift 
„Born f^elS gum Weer" bie befte Äntmort, bie 
uns bis jefft gu ©eficht gefommen. BnS Snte» 
reffantefte berfelben tbeilen mir im Bachfolgen« 
ben mit. 

Bljeilen mir gnnitcbft bie Derroenbbare ©e» 
fammtfumine in 25 Bbeile, «ine Rechnung, bie 
fidj bei ber Wüngeinheit ja leidff Dolfgieben läfft, 
ba iebeS ffiinfunbgmangigftel Dom H'inbert Dier 
BoflarS begro. Sents barftellt. danach merben 
guerft bie ÄuSgaben mie folgt repartiert: 

Äuf bie Wiethe, begm. ben WoljnungSauf* 
manb entfallen in ber Siegel bier, hödlftenS fünf 
ffiinfnnbgmangigftel. Bier 500 Dollars für 
feinen Haushalt Derroenbet, mohnt für 100 Bol» 
larS an ben meiften Orten reichlich tljeuer — 
nicht allein meil bie Wiethe boöb ift, foitbern 
meil eine geräumigere, elegantere Wohnung mit 
Siothmeubigfcit gröfferen Äufroanb in Neuerung, 
Sicht, Wobiliar, Bebienuug, auch mahl in ®e» 
felligfeit nach fich giefft. Sine befcheibenere 
Wohnung nehmen ift baher, fofern fie nur 
überall noch ben Änforberungen ber ©efunb» 
heitspflege entfpricht, immer ber erfte ©<hritt, 
um gröffere Srfparniff gu ergielen, menn geftei« 
gerte ÄuSgaben ober Derminberte Sinnahmen 
baS nöthig machen. 

Oie .(tleibung fofl minbeftenS brei, höibffenS 
Dier griinfunbgmangigftel beanfprinheit. Sin 
Ueberfchreiten biefeS WaffeS hat gar feinen pofi« 
tiDen fRnffen, ein 'Sarunterbleiben bringt @<ba« 
ben entroeber an ber ©efunbljeit ober aii ber ge« 
feflffhaftlidjen ©tellnng. Ber Wichtigfeit nach 


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148 


Sott unb Hoben im Hono^olt. 


orbnen fid? bie bierbet gehörigen SluSgaben in 
bie für bie &(eibung ber HouSeltern, bie für baS 
fieinenjeug unb zuleßt bie für bie Äiitber, weil 
nämlich für biefe immer burd) paffeube Permen» 
bung Don abgelebtem 3 eu ge geholfen werben 
tarnt. 

fjür ben Oienftbotenlohn Wirb ein nm fo 
größerer prozeutfaß nöthig, je bähet bie ju ber» 
waltenbe ©iitnahme ift. gbettfo berhült es fi<b 
mit ben Ausgaben für bie Ipnftanbhaltung beb 
HauSftanbeS, fo jeboch, bafj in jebem Haushalt 
etwas bafür berechnet werben muß, aber nie 
über i — 1 ^ünfunbjwanjigftel. 3« tleinen 
Haushaltungen = 0. 

5)aS fiitb bie Ausgaben für ben HauSftanb, 
bie bon Statt n unb prau gemeinfchaftlich feft» 
gejtetlt werben unb in längeren Perioben be= 
zahlt werben müjfen. pn bie zweite ©ruppe 
regnen wir erftlich bie Ausgaben für peuerung 
unb Sicht. H<er finb örtliche Perhältniffe, 
ßeynngSanlagen, SeleuchtungSmittel, ber ganze 
Suß, auf bem baS ^anSwefen geführt wirb, 
febr maßgebenb, nicht weniger auch bie 9l<bt= 
famteit ber HauSelterit im einzelnen unb tleinen 
auf unnüßen Perbraucl). 5Jlit anberthalb pünf» 
unbjwanpgftel follte man iit unferer 3fü ber 
©teinfoßle, bejw. beS $ofS unb beS Petroleums 
aber wohl nuSreichen. 

©ei ber SBafche fommt biel barauf an, ob bie 
WrbeitSfräfte beS Kaufes für ihre Seforgung 
auSreichen, ob prembe herbeigezogen werben 
tnüffen, ober ob man ganz auS bem Haufe ma= 
fhen läßt. erfteren palle, ber aüerbingS 
bie peuerungSrechnung nicht unbebeutenb er» 
höht, ftellen {ich troßbem bie ©efammttoften am 
niebrigften unb werben etwa mit einem halben 
pünfuitbzmanzigftel beftritten werben tonnen; 
im lebten pall fteigt bieferPoften troß beS'Dtin» 
beroerbtaudhS an peuerung weit höher, am hö<h= 
ften in großen ©tobten ober an Orten mit biel 
prent benoerfehr. 

$)er eigentliche Haushalt: ©ffen unb Sprinten 
mufe wenigftenS 8 unb barf böchftenS lO^piinf» 
unbjwanjigftel berbrauchen. £>ier, wie bei ben 
beiben borßcrgebenben Poften, bie äufammeit 
über bie Hälfte berSteineinnahme ausmachen, ift 
bie bauSwirthfchaftliche Jüchtigfeit ber prau, 
ihre nicht nadjlaifeitbe oorge für baS kleine, 
ihre Orbnung, Üteinlichteit, ©parfamfeit, ihr 
pleiß, ihre ©efchictlichleit bon burcßgreifenbfter 
Sebeutung. |)ier fann fie ganj leicht ebenfo 
gut fjunberte fpareu wie Hunberte bergeuben, 
ohne bah äußerlich biel babon zu 2age tritt. 

Oie perfönliiben Ausgaben ber (Sheleute foll» 
ten anberthalb pünfunbjwanjigftel nicht über» 
fchreiten; für bie zufälligen fanit mau nicht wohl 
Weniger als anberthalb ober zwei pünfunbzmatt» 
Zigftel feftfeßen. @S ergiebt fidhbarauS nun fol» 
gettber Poranfchlag: 


A. HauSftanb: 
niebrigfteS Ptajj böcbftes 

1) Diethe ... 4/» 5/* 

2) llleibuhg . . 3 4 

3) Sohn . . . Oi 1 

4) HauSftanb . . 1 


5) peuerung unb 

Sicht . . . 

6) Söäfche. . . 

7) ©rnäptung . 


8) perfönlidje 

9) z»fäüige 


1 

OB 

00 

mr a . 

Swirthf^aft 

• 

U 

u 

i 

i 

8 

10 

10/*' 

12i/W. 

eittliehe Ausgaben: 

H 


U 

2 

3/a 

3lf a . 




9ta<h biefcr ^Berechnung bleibt ber niebrigfte 
Slnfchlng um 3$ pünfunbzwanzigftel hinter ber 
Wirtlichen ©inuahme zuriicf, ber böchfte über» 
fcbreitet fie um 2£. Um ben richtigen Setrag 
Zu jinbett, barf tnan nun feineSwegS nach 
lieben einzelne Poften erhöhen, bezw. babon ab» 
ftreicheit, fonbern tnan muß, nacbbein man bie 
{Rechnung in pünfunbzwatizigftelit mit ber ge» 
gebenen ©umtne ausgeführt hot, überlegen, 
welche Poften nach ben bisherigen perfönlidjen 
©rfahruitgen mit bem für fie aufgeworfenen 
Prozentfaß zu gering bebaut finb,' bezw. bei 
Welchen fich ohne ©chabeit für baS häusliche 
SJopl atn erften eine (üufcpvänfuitg bertragen 
läht. pm einzelnen ift es hier nicht thunlidj, 
nachzuweifen, welche Poften in beu bevfchiebeiien 
klaffen bon Haushaltungen: reifen, mohlha« 
beitben, auSföminlichen, geringen, am meiften 
geftärft, welche am erften berfürzt werben 
müffen. 3fe reicher ber HauSftanb, ocfto große» 
ren Staunt nehmen beifpielsmeife bie SluSgaben 
ber brüten fflaffe ein, je ärmer, befto höher be« 
laufen fich oerhältniBmäfjiß bie Äoften für bie 
nöthigften pht)fif(hen SebenSbebürfuiffe: für 
©tfen unb Printen, pn ben Haushaltungen 
mittleren unb nieberen StangeS tommt ferner 
außerorbentlich biel auf bie 3ot)l unb ba§ 8e» 
benSalter ber ffinbet, auf bie ©efunbheit unb 
SlrbeitStraft ber Hausfrau an. 3fn allen aber 
fällt, wie wir gefehen haben, ber relatib größte 
Oheil aller SluSgnbeu, ja bie Hälfte, in bie fta» 
tegorie, über welche bie pratt am meiften unb 
uneingefdjräntteften zu berfilgen hat. ©inb 
baher hier ihre häuslichen Sugenben bon ttttbe» 
rechenbarer PMcßtigfeit, fo ergiebt ft<h nun aus 


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Ketin; bas haften 


149 


bem Oefaflteu au$ leidet, roie Diel iljr baran lie¬ 
gen ntuj}, ftd) jeberjeit unb bei jeber einzelnen 
HuSgabe über ihren Skrbraud) fontrolliren gu 
tönneu, unb roie fie nach gefäefjeuer 3$orbere<$= 
nuitg ihr SBirthfchüflSbuch einjurichten hat, ba* 
mit biefe Kontrolle möglich fei. ©ie möge im¬ 
merhin in ein fttotijtäfeldjen, toie ber Kauf, 
manu in bie Klabbe, int Sauf beS läge» ober 
ber Slöoche alle SluSgobeit, foroie fie üortomnten, 
hinter einattber einiragen; fpäteftenä mit 31b= 
fhluß ber SBodje muß bann bie Uebertragung 


in bie einzelnen, oben angegebenen ütubrifen 
beS Sffiirthfchaftöbucheö erfolgen, oon benen jebe 
am Kopf bie für fie im oorauS auSgetoorfene 
©umme tragen follte. 2)ann lä|t ftdj mit 
einem 33lid iit§ Such unb einem jroeiten in ben 
Kalenber jebett 'ilugenblid fittben, roie oiel 2Jlit» 
tel für einen beftiminteu 3}erbrciud)Säroeig bis 
jutn nächfteit ßinnahinetermin noch fliiffig finb, 
unb man famt fich ebenfo bor Serfdjtoen. 
buitg roie oor fa(id> angebrachter ©parfamteit 
hüten. 




Heber ba* fa|teii. 

San @cara $nth. 


a$ Saften, b. f u ben ©Junb au galten, eigent= 
lid} ftch feft machen unb fo bewahren — alfo 
gänglicbeä ober tbeilmeife3 Sidienthalten oon 
Speifen auf eine beftimmtc Beit — ift eine Uebmtg, 
bie fich in ben 3lelißion3formen be3 menjcblicbcn@e* 
fd)lecbt3 aller Banen unb Betten oorfinbet. 

9U3 reliaiöfer ©raud) ber uncioiliftrteu ©ölfer 
hattebaä saften oon jeher bie Sebeutmig, bab bie 

S elben burd) bie fortgefefete 6ntbaltfamfeit oon 
peifen einen mit Sinnc3täufdmngen unb©ifioncu 
oertmnbenen Buftanb bevoorguhriugen flichten. 
®a3, ma3 man in biefent Buftanbe fahr mürbe a(3 
enbgiltig betrachtet unb, ba bie SSifion in grellen 
Sarhcit unb gewöbnlid) auch in viefigen Umriffen 
gemalt, galt e3a!32Befen höherer 9lrt, al3 gott(icbe3 
SBefeu. ®emgufolgc mürbe bie 2Jtfion a(3 eine 
Slrt Umgang mit ber ©ottbeit anaefeben, ein Bu- 
ftaubr welcher ber hetveffenben ©erfon eine ganj he= 
fonbere ©ebeutiutß gehen, ia unter Umftdnbcn ihr 
eine hohe Sßichtigfeit heileren mubte. 

91u3 biefein ©runbe mnrbe ba3 Saften fehr halb 
eine freiwillige, fleibin geübte ^anblmtg, nnb in 
berihat erfegeint e$ in biejem Sinne auch al3 einer 
ber allgemein oerhreitetften ©ehräuche in ber SuU 
turaefdndite. 

3n6gt>pten weihte man fich, miefteroboterjählt, 
bnreh Saften au gewiffen Seften. 6heufo legen bie 
inbifchcit ©eba3 Saftenühungen auf unb bie inbU 
fdien ©über, bieSafirö fehen barin etwa3 hefoitberS 
üerbienftlicbeä. Sehnlich halten heute noch bie 
Mohantmebaner ben ©ammeban a(3 Saftenmonat, 
leäbrenb beffeu nur hei ©ad>t Speifegenub erlaubt 
ift. ©ei benariechifdjeu Drafelit war ba3 Saftet 
befannt al3 ©rittet, orophetifdie Sräume unb ©t- 
Rouen au erregen. $)ie ©otbia oon Delphi fa= 
ftete beähalh oor ihrer Snfpiration. ®er9?itu3 
fee3 Saftend faßt Xolor, aeiat fich in ber fcblagenb; 
ften JBeife hei ben rohen Stämmen oon ©orbame= 
tifa. ©ei ben Snbianern wirb ben ffnahen unb 
Mäbtheit fchon oon einem fehr frühen Sttlter an lau* 
unb ftrenae^ Saften auferleßt. ©ei gintritt 
berSWannharfeit aieht Reh ber iuufle ^nbianer nad> 
einem einfnmen Orte aurfitf, um su faften; bahei 
empfänflt er oifioitäre ßinbrütfe, bie ihm feinen 
Sharafter für ba$ Sehen aufpräflen, unb befonberä 


wartet er^ hi3 ihm tm Traume tröenb ein Jhiet 
ober ein ©eaenftaub erfdieint, bev hinfort feine SDte 
bigin, bev Sctifd) feinem Sd)iihfleniu3 wirb. So 
erlangt bev 3)(cbiginmanu einen atofeen Slheil ber 
©efähiauuö su (einem Flinte. ®a3:Saften «alt 
baher hei ben alten 3nbianern aI3 ein flvoReS ©c^ 
bienft. ?luf bicfcm ©kae aelanßten bie alten 
firieflßfühver au ihrer 3)cad)t. 

ffier Bufammcubaua gwifdicn Saften unb ©eU 
fteroerfebr ift hei ben afvifanifdjcu B»l»§ fo oofl^ 
fommen anevfannt, ba§ e3 faft unter ihnen fprid^ 
wörtlidjaeworben ift, au faacn, ber fortmäbvenb ae^ 
füllte ©Janen fann feine nebeimen ®inne fehen. 
Sie haben bahev and) fein ©ertraucn in eineu 
wohlgenährten ©vopheten. ?(uf ber ^nfel ©aitt 
übte man baö S‘aft en ' 11 m üou ^ cn ©eifiern bie 
Äenntnifi aufünftiner 2)inae au erlannen. 

®a3 Sllte Jeftamcnt eroiidft im Saften nidjt ein 
oerbieuftlid)e$ Jöcrf, fontevn einain unb allein einen 
Slu3brucf ber ®emüthinuna be3 ©Jenfdwi. ®a3 
ift ber ©ruubnebanfe bc3 Saftend, wo aud) nur bie 
9tebe baoon ift. ©ähvenb e$ eine ?lrt oon Cofer 
ift, womit bev ©<enfd> fid> felhft unb feiner SeibeSluft 
mehr wehe thut, a!3 mit ben Oofcrn be3 giften^ 
thumS, fo ift bod) bev ©ebanfe be3 töafteienS, al3 
ahmühen, hetnihen, hevunterftimmen, wie Suther 
e3 üherfebt hat, nicht ber erfte ©enriff be3 Saftend. 
63 hanbclt fid) hier oielmehr um bie S»(ht be3 
@eifte3, um bie ®emüthiflimß be3 gangen aj?en s 
fehen. 

6hen au3 biefen ©riinben rügten bie ©rooheteu 
mieberbolt ba3 jubifdie ©olf, weil e3 au3 bem Saften 
eine änfjerlid>e Sad>e machte. 3cfu3 erflärte oon 
folchen Heuchlern : „Sie haben ihren Sohn bahin/ 
(©Jatth. 6,17 u. 18.) 

63 ift eine wohlbefannte Shatfache, bafe ©Jen- 
fd>en f n^elche ftd) in grober Sorge unb Slnaft, in 
8eben3gefahr ober Seelcnnoth hefinben, oft oer= 
peffen ihr ©rob gu effen. 9113 ber ff onig Saul fich 
tn grober 9(ngft befanb, weil bie ©hilifter loiber ihn 
ftritten, unb Sott oon ihm gewichen war, heibt e$ 
oon ihm : „6r hatte nichtoaenoffen ben gangen Stag 
unb bie pange ©ad^t.^ (I Sam. 28,15 — 2a.) 
9113 ®aoib erfuhr, bab Saul unb 3onathan in ber 
Sdilacht fielen, trauerten,loeinten u. fafteten ®aoib 



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150 


Heber bo* ?aftett. 


unb bic mit ihm waren bi3 an bcn 2lheitb (2 Sam. 
1,12). ©benfo lefeu mir von benen, bic mit 9Jau= 
luS im Sdnffe waren : „al3 fein Heiner Sturm fic 
betroffen batte, unb alle Hoffnung ihrer Diettung 
verfdwuuben mar," bafe fie fovtßefcfet falteten unb 
feine orbentltde Speife gu ficC> nahmen viergebn 
Sage lang (9lpgjd). 27, 33). (Sein 9)?enjd, ber ftcb 
in tiefer Seclcnnoth befinbet, bem feine Sünben 
eine uuerträglidjc Saft finb, wirb — and) ohne ©e^ 
fob — vergcffen, fein 9>rob gu offen; er wirb ficb 
entbatteu nidit allein von anaenebmen, fonbern 
and) notbwenbigen Speifen, wie Saulus, welcher, 
nadibem er nad DamaSfus geführt worben mar, 
in tiefer Süße brei Da ge meber afe nod) traut 
(ÄPflfcö. 9, 9). 

hierin lieext ber naturlidjc ©riinb beS Saftend. 
Diejenigen 3Kenkben, bereu ©cmüth tief erfdüttert 
ift, mollen oft ihre ©ebanfen von bem, maS fic be= 
megt, nid)t einmal fo lauge abdeben, um bie no= 
tbige Speife cingunebmen. ©o ein folcbcr ©e- 
müthSguftanb berrkbt, ba bat baS Saften feinen 
3med unb feine Sembtiguug. Daher bduat ba3 
Saften, welches ©ott beiDobeSftrafe beit 33raelitcn 
geboten unb miebcrbolt eingefebärft batte, mit ber 
SÖebeutung beS groben 3Scrfobuung3tagc3 auf baS 
Gugfte gufaminen. 3tn biefem Dage füllten bie 
3Sraeliten „ihre Seele falteten," b. b. faften, nad) 

3 SWof. 23, 32 vom?lbenb beS 9. bi3 mm ?lbenb 
beS 10. DageS. Sollte bie an biefem Dage voll- 
gogene allgemeine Serfobnung nidt tu einem tobten 
©erfvienfte merbeu, fo mußte baS ®olf innert idi in 
bie Sebeutung be3 SübnafteS einaeben, feine Seele 
in bufefertiger Stimmuna auf benfelben vorberciten 
unb biefe 'Bufeftimmung burd) ©ntbaltung von ben 
gemöbuliden flebenSgeniiffen äußerlich betätigen, 
ff eil fagt: „Die Seele beugen, bemütbigeu burd 
Begäbmung ber irbiteben Segierbe, bie ihren Sib 
in ber Seele bat, ift ber ältere, mofaifchc ?lusbrurf 
für baS Saiten unb B a u in a ar te n bemerft tu 
obiger Sdwiftftelle: „Durch bie Beugung feiner 
Seele foll ficb ber 33raclit in ein inneres Berhält- 
nife febeit tu bem Opfer, beffen Seele für feine 
Seele babinaeaebeu mirb, unb burd) biefe bem 
äußern Borgang be3 DageS eittfprecbcnbe Stim= 
miiitg bie Srud)t beffelbeit, nämlich bie Berfobitung 
feiner burd ben Dob be3 DbiereS binburdgegange^ 
nen Seele fidt tu eigen tu maeften." 

3nt mofaifdien ©efefe wirb übrigens baS Saften 
nicht geboten, fonbern nur gugelaffen, ia, e3 fdicint 
fogar bloS Berütffidtigung tu erbalten au3 Ber= 
aitlaffuitg ber®elübbe abhängiger ^Serfoiten, um 
eine Gollifion ber Pflichten tu verhüten. (Siebe 

4 9Rof. ffap. 30.) 3m 3. 93er3 beißt eS: ,,©eun 
3emanb ein ©elübbe 3*hova gelobt ober einen 
Scbmur febmort tu einer Gntbaitung feiner Seele 
tu verbilden, foll er fein ©ort nidt entmeiben; 
nach allem, maS auS feinem 9Munbe gegangen, foll 
l?rtbun." ©orin folcbe (Sntbaltungen beftanben, 
|mirb nidt näher beftimmt, vermittblid mobl gti= 
meift in Saften unb anbern Gntbaltungen von ers 
laubten Dingen. Diefe fparfante 9lnorbnung beS 
SaftenS im mofaifden ©efefe ift um fo auffälliger, 
alSSSofeS ba3©efeb empfangen batte in teuer Seit 
ber oiertig Sage, melcbe er auf Sinai gubradte unb 
ber Speife fidt enthalten haben foll, obwohl in ber 
Sdjrift niditS bavon gefagt ift. S3 ftiinmt bieS 
mit bem Beifpiel 3efu gufamuten, melcber gwar für 


feine eigene Bcrfon vor bem Antritt be3 9lmte3 
oiertig Sage faltete unb bod) nad) feinen eigenen 
©orten bas Saften baruin femesme^S alS ein 3^d) 
auf ben öalS ber Soiiiigen gelegt miffen nmllte. 

9lud) bie Propheten beS 9lltcn SMinbeS erbliden 
un Saften nur ben äufjereu 9luc>brud ber inneren 
Demutbiguug, unb ftrafen, ja geifjeln tumeilen mit 
gemaltigen ©orten bie $>crgcblid)feit unb A>eud>elei 
eines SaiteuS ohne cntjprcd)enbc ©efinnung unb 
&anblung3meije. 

Dajj bie 3ubcn nad) bem C?xil befonbcrS ba3 
Saften alS ein V'crbienftlicbeS ffierf betraditeten, 
gebt aus verfcbicbenen Stellen bcs 9llten Sefta= 
mentS hervor. 92ad) bem Propheten Sadiaiia, 
ffap. 7 unb 8, batten bic 3ubeu vier 9cationa Ifofte 
anberaumt. 9?ad) ff ap. 7, 3 mürbe vor bem Jperrn 
bie Anfrage gcinadit, ob man auch im fünften 3Ro= 
nat beS 3abre3 faften folle. Die 9lnlmovt beS 
©errn lautete folgenbermafjen: „Da ihr faltetet 
unb £cibe trüget im fünften unb fiebenten ik'onat 
biefe fiebcnjig 3abre lang, habt ihr mir jo gefaltet? 
Ober ba ihr aßet unb tranfet, habt ihr nidit für 
utid) jclbft gegeffen unb getrunfen? 3ft eS nicht 
bas, meldics ber $cit prebigen liefe burd) bie vort= 
gen fßropbcten, ba 3erufaleut benmbnt mar unb 
batte bie Sülle fammt ihren Stabten umher, unb 
?eutc U'obneten beibeS gegen SDcittag unb in bcn 
©unibcn ?" 

Der©cbanfe ber ftntmort bc§ ©errn ift biefer: 
Da3 blofec Saften ober fKiditfaften ift für ©ott 
glcidgiltig. Das redte, ©ott wohlgefällige Saften 
beftebt nidt in merfbeiliger ßrnthaltfamfcit von 
Speijc unb Sranf, fonbern bariu, bafe man ®ottc8 
©ort bead)kt unb barnad) lebt, loie ia fdon bie 
Propheten vor bem ©jile bem $>olfe geprebigt 
batten. Damit mar ber ©ahn, bafe man fid> 
burd) Saften ©otteS ©nabe erwerben fbnne, ab= 
gemiejen unb bem 3?olfe anbeimgegeben, ob eS bie 
bisherigen Safttage nod) länger begeben melle, w- 
gleich aber and gefagt, maS ©ott von ihm forbeve, 
wenn eS bie verheißenen ©nabengüter ju erlangen 
müufde. 

9Jod) betradten mir fürs bie Stelle 3ef. ffap. 58 
betreffs beS SaftenS. SSerS 3 lefen mir: „©arunt 
faften mir uub bu fiebeft eS nidt au? ©artim 
tbun mir unferm i^cibe webe, unb bu millft eS nicht 
wiffen?" ©ie mir bereits gefeben haben, mürben 
neben bem Saften beS ScvfbbnungStages, bem ein= 
dgeit vom ©efefee vorgefdriebenen Saften, aud) bie 
©ebenftage ber begonnenen ©elagerung, ©robe= 
rung unb 3cvftörung 3erufälem3 unb ber ©rmor= 
billig©abalia’3 al3 Safttage beftimmt. 9luf biefe3 
Saften poden hier bie ©xulanten, aber es ift ein 
jeeleitlofeS uub bcfehalb vor ©ott mertblofcS, tobteS 
©erf; ihr Verhalten am Safttage ftebt nad) 9?. 3 
unb 4 mit bem 3wetfe beS SaftenS im jd)roffften 
©iberfprud), bemt fie treiben ba ihr ©erfcltags- 
gefdäft, finb gerabe ba gegen ihre 9lrbeitSleute 
wahre Sn>bnvogte, unb weil fie faftcitb hoppelt ver= 
briefelid uub reidar finb, fo gefdiebt’S bei 3anf 
unb .’Oaber, wobei eS biS nun Sdlageit mit Säiu 
ften fommt; bie redte 9lbfid)t beS SaftenS ift ihnen 
ihrem bermaligen Staube nach fremb, nämlich gu 
©ott, ber in ber £obe thront, etnporbringenbem 
©cbet obliegen gu fbnncn. 3ebova ßägt baber 
9Ser3 5: „Sollte baS ein Saften fein, baS idi er« 
wählen foll, bafe ein iOieufd) feinem Seihe bcs Da= 


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gebet bas haften. 


151 


aed übel thun, obcv feinen ßopf hänge u>ie ein 
Schilf, ober auf einem Sact unb in ber Äfche liege? 
Sßollt ihr bad ein Saften nennen unb einen Dag 
Dem Jperni angenehm ?" t 

DiefeSrage muß mit einem cnt?cf>icbenen 9?ein 
beantwortet werben. 3Bir hülfen aber ben B_ro= 
pbeten nicht fo oerftehen, ald wolle er bad Saften 
pofitio oerwevfen, fonbevn er erflärt: ber Speife fiel) 
enthalten, ben Äopf hängen, in Satf unb 3lfd)e 
Ufeen, oerbiene an fich noch nicht ben 92a men Oed 
Saftend. Dad Saften, bad bem &cvrn gefällt, be= 
fteht in etwad gan$ anberem, nämlich in Svek 
gebung ber Unterbrütftcn unb 9)2ilbthätigfeit gegen 
Die ^ilflofen, nicht in bem 92ichteffcn ald folchent, 
ionbern in bem mitgefühloollcn Dhnn felbftocr- 
leugnenber Siehe, welche fich bed Bvobed unb über= 
haupt eigenen Befißed, eigener Begnemlicbfeit an 
ben Sebürftigen entäußert. föier wirb ooraud= 
gefefet, bah bie 3lndübung biefer SBcrfe auch ein 
Opfer foftet, fei ed an leiblichem ®ute ober an 
innerlicher 'JJefignation unb Uebcrwinbung lieblofer 
Neigungen. 35er in biefer 25eije feinem Sicifche 
ben SBillcn bricht, ber übt bad rechte ©ott wohl* 
gefällige Saften. 

9?och bleibt und bie ncutcftamcntlidje %tffaffitng 
bed Saftend jur Betrachtung übrig. 

2Bir haben bereite gefehen, wie fpävlidj unb qita= 
lifiürt bad Saften im mofaifchen CScfcfc ald eine 
religtofe Bfluht bad Saften nn mofaifchen ©efefe 
ald eine religibfc Bfltcht erfcheint. bemfelben 
Seifte, in welchem bie Propheten ihre ©limine gc- 
gen ben ^Mißbrauch bed Saftend erhoben, fuhr unfer 
geilanb fort unb ftrafte bie Bharifäer auf bad 
'öchärfjte um ihred äußeren hcuchlcrifchen 3Befend 
nullen beim Saften, unb oerRdkete ganj unb gar 
auf bie Einführung bed Saftend in feiner Religion 
ald Sache ber reinen Bfficht. Die Stellung j|efu 
juui Saften ift and 2Rattb. 9,14. 15 anf’d jftarfte 
juerfennett. Die 3»nger Jk'hannid frugen ihn: 
*3Banim faftcti wir unb bie Bharifäer fo oiel unb 
beine jünger faften nicht? 3efud fprach ju ihnen: 
2Bie fönneu bie föodueitlentc leib tragen, fo lange 
Der Bräutigam bei ihnen ift? Ed wirb aber bie 
3eit fouuneii, bah ber Bräutigam oon ihnen ge¬ 
nommen wirb; aldbann werben fie faften." jjefud 
wollte bainit fagen: 2Bo 3d) alfo bin, ber Bräu¬ 
tigam, ba ift fonberlich für meine jünger, bie 311 
Bräutigamdfreunben Erforeiten, freilich nur Srcu* 
bcujeit. 3e£t 311 faften, bad wäre ja ein SBiber- 
fpruch, weit Saften mm geibtrageu gehört unb 
nicht jur Sreube. Sie freuen fiefj aber, unb mit 
Secht, baß ber lang Erwartete nun enblich gefom- 
men, unb wiffen in ihren ©ebanfen nichts 3lnbered 
ald: Der Bräutigam ift ba, bie ©och^eit faun unb 
wirb halb angehn! Die 63egcnwart bed Bräu* 
tigamd ift ihnen fchoit loie ber föocbieitdanfang. 
gabt Tie hoch unoerftört, ed wirb fich ohnehin halb 
genug jeigen, baß noch ein 9(uffcbub bapoifchen 
tommeu muh; ia biete uitb fünftige jünger werben 
m manchen langen 3citen Uvfach uuu Saften ftn- 
ben. Die SBahrheit bed äuheren Saftend ift bad 
innere geibtrageu ; alle anbere bergleirften Uebung 
— ald etwad ©emachted — gehört bem alten 
gefefelicheit Stanbpunft an, ber jefct fchon in Ehrifti 
mmgerfreid aufgehoben ift. 3ft iefet bie erfte 
Sreube am ©efommenen oorhanben, wad fodte ba 
noch bad Saften ? 


ES wirb fchon mieberfommen, aber nid)t mehr in 
ber gejeßlichen, altteftameutlichen, pharifäijehen 
3Beife, fonbern ebenfalls in 33ahrheit ber Erfüll 
hing. 311 d b a u n werben f i c f a ft c n, b.b. 
nun umgefehvt: leibtragen, oon felbft, natürlich 
unb wahr faften. Dad ift iiid)t ®ebot, fonbern 
3lnfünbigung ber Safttage, welche ©ott fei her ben 
Seelen audtd>rciben wirb, nid)t fie mit eigener 
38ahl fid) auflegen. 3nfofern weift biefer 3lud= 
fpruch Ehrifti iebc bem Stanbpunft neuteftament- 
lieber Sreiheit unbSBahrbcit nicht mehr angcineffenc 
3ljfeje ald bad 3llte unb 3lbgcthane hinweg: er oer= 
fünbigt aber nichts befto weniger für bie neue 3cit 
bed Saftend genug. 

Unier .fteilanb fpridjt 9Äatth. 17, 21 oon einer 
3lrt böfer ©eifter, bie nicht audfährt, beim burch 
Beten unb Saften. 33ir haben biejen 3ludfpruch 
ieboch uid)t fo 311 oerfteben, ald ob bad Beten unb 
Saften, neben bem ©tauben etwa, bad befonbere 
BJittet sum 3ludtreibcn biefer 3lrt böfer ©eifter 
wäre; fonbern bergen will feinen Jüngern bamit 
fagen: ed habe ihnen am ©laubcn, ben Dämon 
audjutrcibcii gefehlt, weil fie benfelben nidt ge= 
hörig genährt hatten burd) Beten unb Saften. 
3um Beten hilft bad Saften, bie SJüditernhcit unb 
Biähigfeit bed leiblidKn gebend, bereu E5cgentheil 
bad Sleifch nur ftärfeu fanit toibev ben ©cift. 3ln= 
geincffencd Saften oerminbert bie 3lbhängigfeit bed 
©cifted ooni geibe, wirft Klarheit unb 3iüd)ternheit 
bed ©cmütbed, unb macht alfo ben Bienjdten ge- 
jd)irftcr gu einem SBevf^cuge bed heiligen ©cifted 
unb fähiger, auf ben Scclenjuftanb 3lnberer einju^ 
wirfen. 

3n feiner Bergrebe warnt ber ©err feine jünger 
oor bem hcudilerijdwm Saften ber Bharijäer; icäh= 
renb er bie Uebung bed rechten Saftend offenbar 
billigt unb auläfjt, wobei er iebod) bie Beantwortung 
ber Srage ber3eit unb2Bieberholung biefer Uebung 
bem ©ewiffeu unb ben Berhältniffeu eined ieben 
Einzelnen übevläht. Die Ermahnung bed £>cmi: 
„&ütet eud>, bab eure ©erjen nidit befdiweret toer= 
ben mit Sveffcn unb Saufen" (guf. 21, 34), ift 
gerabe in biefer Berbinbung oon ber größten Be= 
beutung. Ucbergeu'id)t bed Stcikhcd über 

ben ©cift, tebed .'oerabfinfen bed ©cifted in bad 
3?aturlcben, iebe Eingebung an bie ©ei*rjd)aft ber 
Bfateric hinbert bad ©cbet, u»eld)ed ja eben barauf 
beruht, baß ber E)eift fid) lodreibt oom Drurf unb 
Dicnft ber Biateric, ba§ er fid) emporhebt in bie 
reine unb leidte Cuft ber Ewigfeit. Offenbar ift 
biefed bie Bcrbinbuttg, u>eld)e ber .C^err swifchen 
Beten unb Saften geniadt hat; beim bamit ein 
3Meufd) bie erforberlidw Äraft gewinne, bie uner= 
laubte Bcfriebigung 311 bcfänipfen, muß er manch* 
mal auf bie erlaubte Bericht leifteu. 9Bie oiel 
3vriged unb Berfehrted Rd) hiermit and) oerfnüpft 
hat, bennoch fteht ed feft, bab iwiidwn bem Bcr= 
mögen, 311 beten, unb bem Bcrmögen, feine finn* 
lid)en Driebe 311 beherrfd)en, ein 3ufammenhang 
ftattfiubet, unb bab, wenn Beherrfdumg linieret 
Siunluhfeit eine Bebingung ift für ba^ religiöfe 
geben im ©amen, oor$ugdweiie Soldwd bein©cbete 
gilt. Die .fterrfchaft bed ©ebetdleheud unb bie 
.<derrfd)aft ber nieberen Sinnlid)feit ftehen immer 311 
einanber in umgefehrtem Berhältniß. Unb bie Er= 
fahrung bezeugt ed und, bab in jenen Saften leiten, 
weld)e burd) bie göttliche Sübrung ben Bienjchen 


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152 


JltytgleidifteUutif) ber Hielt« 


oerorbnet werben, in ben 3*iten ber Roth, ber ®e- 
fümmeruiß, ber Entbehrung, wir Rienfcben am 
befielt beten ; nnb bie außerorbentlkben 3uftäube 
be3 ©ebete3 enthalten immer ein ßewiffe3 „außer 
beut Ceibe fein". (2 ßor. 12, 2.) 

®aß bie evften Sbnften be3 Saften3 fiel) befliffen 
haben, ift int3 au3 oieleu Stellen be3 Reuen Sfcefta= 
ment3 evfidjthcb. (Siebe 9lpßfd).'13, 2; 14, 23. 2 
ifor. 5, 6. Slpßfcb. 27, 9. 1 $?or. 7, 5. 3war 

bat bie cbriftlicbe ffirebe, al3 ein fiorper, fiel) nicht an 
bie ceremoniellen ©ebräuebe be3 alten Seftament3 

S ebunben, immerhin aber haben ficb boeb bie in ber 
firebe üblidjen Saften tbeil3 im Knfcbluffe an bie 
®i3äplin berSpnaaoße, tbeil3 bureb freie ©ewobns 
beit unb Spätere ©efefeßebunß ßebilbet. R?an er= 
bliefte im Saften ein heilfameä 3«d>tmitte(, uin 
ben ©eift pon irbifeben fflanben frei su machen 
unb alfo auf widjtige relißiöfe ©anblungen oorsm 
bereiten. 

SefonberS ßeförbert würbe bie3 Saften bureb bie 
SRontaniften. Rtontanu3 lehrte: Saften fei be3 
Ebriften beilißfte ^flicht. Sind) trug ba3 Älofter= 
leben basu wefentlicp bei. ®ie in Ser römijeben 
ffirdje noch üblichen Saften anjufubren ift hier nicht 
ber Ort. 

®ie Reformatoren waren bem Saften feine3weß3 
abbolb, fie fehlten aber su ber uriprünßlicbeit 9luf= 
faffung Ser Ä’irdje surürf unb perwarfen ba3 swin^ 
aenbe Saftenaebot unb bie 3)?einuna, al3 ob buccb 
Sefolßuitß eine3 fold)en ©efefce3 ©nabe bei ©ott 
perSient werben fönnte. 

Suther fpridrt pon einem „ßeiftlid) gemeinten Sa= 
ften, ba3 wir Ebriften füllten halten, unb wäre auch 
wohl fein, baß man noch etliche Säße por Oftern, 
item por ^ßfingftcn unb Sßeibnacbten, eine gemein^ 
fame Saften behielte unb alfo bie Saften in’3 3abr 
theilte. 9lber beileibe auch nicht Sariun, baß man 
einen ®otte3bienft barau3 mad)e, al3 bamit etwa3 
in perbienen, ober ©ott ju oerföbnen, fonbern al3 
eine äußerliche 3ud)t unb Uebunß für ba3 iunße 
einfältige SSolf, baß fie fid) lerneteu in bie 3eit rieh- 
ten uno unterfebeiben burch'3 gange 3abr. So 


möchte ich auch letbeit, baß mau auf biefe Sßeife 
burd)’3 gange 3ahr alle Seicrtaße 2lbenb3 faftete, 
al3 su einem merflicben Stage au3gefonbert. 8ber 
folch* Saften fann, noch will id) nid)t anriebten, e$ 
würbe benn guoor einträcbtiglicb angenommen." 

Ealüiit faßt: ,,©eiliße3 Saften ift einem Sreifa- 
d)en 3wecfe beftimmt, bmit wir befieißißen uu3 be3- 
Selben eutweber um unfer Sleifd) su besäbmen, baß 
e3 nicht wollüftiß iperbe, ober al3 SSorbereifrung gum 
©ebet unb relißiöfer Slnbadrt, ober a!3 ein 3eid)en 
uuferer ®emüthißunß in ber ©eßenwart ©ottc3, 
wenn wir begehren uufere Sünbenfd)ulb por ihm 
SU befenneu." 

9Be3lep faßt: rrObfcbon fein natürlicher ober 
notbwenbißer 3ufammenhanß swifdjen bem Saften 
unb bem Empfangen ber Seßnunßen @otte3 ftatt= 
finbet, benn er ift ßnäbiß nad) feinem ÜBohlßefallen 
unb wa3 ihm ßut fcheiut, theilt er mit bureb irgenb 
ein 9Hittel, ba3 ihm su beftimmen gefällt; fo bat er 
bie3 su allen 3?iten al3 ein RJittel beseidmet, feinen 
3orn absuwenben unb alle bie Seßnunßen mitgu= 
thcilen, bie wir pon 3«»t su 3eit nöthiß haben. 
SBie fräftiß biefeo RJittel fei, ben 3orn ©otte3 ab= 
suwenben, fönnen wir au3 pielen ^cifpielen be3 
alten SeftamenteS lernen, wie®an. 9,3.16; ^ona 
3. 4; Rid)ter 20, 26; 1 ©am. 7, 6; gfra 8, 21 ; 
Reh. 1, 4 — 11." 

$lu3 bem ©cfaßte'n ßeht hevpor, baß, loäbrenb ba3 
Saften in ber neuen ®i3penfation nicht ßcfcfelidi 
aeboten ift, bennod) in ber baburd) ßeübten 3ud)t 
Se3 ©eiftc3 wie be3 Sleifd)c3 ein unberedienbarer 
Seßen ließt. 63 ift ein fräftiße3 3)?ittel surfflefie= 
ßunß ber uatürlidKji Seinbfdjaft be3 £ersen3 unb 
Sie SBcrfe be3 Slcifcbe3 au freusißen, bamit uufere 
Seele ßenefen möße; e3 beförbert bie ®emutb unb 
^iitßabe an ©ott unb ßiebt firaft sum ©ebet. S3 
erfüllt un3 mit ©anfbarfeit peßen bie 93armhersiß= 
feit ©otte3, bie nn3 fo reichlid) wibevfahren ift unb 
perleibt uu3 Klarheit unb ©d)ärfe bc3 ©eifteo, ioeft= 
halb and) in ben allßemeinen Reßelu uuferer fiir^e 
Saften ober gnthaltunß allen ©liebem empfohlen 
wirb. 




9id)t0letdj|teUiiitg ber Pelt in Politik, ($efd|aft unb Hlobe. 

8qh N(P. 3tto. ®. Köder. 


L 

301 iefe SebenSßebiete, fBolitif, ©efdmft unb 9Kobe 
finb3, auf welchen bie ©runbübel ber oer= 
Serbten SKenfdjennatur am meiften sutn 9Sor= 
febein unb sur 5lu3reifunß fommen. 

Rirßettb3, al3 ßeraSc im politifd)en Sehen, fommt 
bie ©offart, ber Srieb nach 6hre, ber Ehrßeis, bie 
©errfdmidjt, mehr sur läftißen 9(u3präßituß. ®od) 
e3 ßtebt auch noch fonften nicht minber wichtiße 
©ebiete be3 menfchlicbcit ©irfen3, wo biefe3 ©ruub- 
übel an bie Obcrlkuhe treibt unb unheilpolle Sonn 
unb ©cftalt ßeuünnt. 9(uch in ben oerfebiebenen 
fostalen unb ftrddicben ©ebieten tritt ba3felbe bi3- 
wetten äußerft efek unb perbrußen*eßenb beroor. 


1 Kein ©ebiet ieboeb ift aeeißueter unb bietet beffete 
©eleßenheiten bar, ben Ehrßeis su fättißen, al3 Sa3 
politifebe, nantentlid) in einer Republif, wie Sie 
amcrifanifd)e. 3)ian benfe au bie SBablumtriehe 
unb Auftritte biefc3 8anbe3. 

Rid)t au3nahm3toeife nur, fonbern in ber Reuet 
wirb Sa3 ©efeß ber Räcbftenliebe, ber ©eredjtißfeit 
unb ber Sßabrbeit total unter bie Süße ßetreten unb 
ailt ba3felbe ben meiften ©oebpolitifern al3 nicht3= 
faßenber unb leerer ©eßriff nur. 

®a auch ber Sbrift al3 Sürßer unb Unterthan 
ein ©d)ulbner ßCßeu ben Staat ift, fo ift un3 fein 
©efefe befannt, welches ihm perböte, auf politifchem 
©ebiete mit feinen ©aben unb Talenten feinem 
Sanbe su bienen unb ftch bentsufolßeim bürßerlichen 
Sehen su Stint unb Stetlunß su erbeben. 


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JlidjtgleidjftfUung ber Sielt. 


153 


ffiorittnen er fid) aber, tu ber Gntlebigung feiner 
8 ürgerpflid)ten ber SEBelt nid>t ßleicbftelleii, bagegen 
ftcb beutlid) unterfebeiben joll, tft augenjebeintid) in 
ber Serfabrung&oeife, babin *u gelangen. 

glich ift unä (ein ©ebot befannt, welches ben 
Gbrtften verbinberte, in tiefer 23elt irgeitb ein ehr; 
fanteS ©efcbdfr *it betreiben. Dabei muffen ihm 
ieboeb gan* fetbftverftdnblid) obige ©efefce SDiafeftab 
unb 9 tid)tjdmur fein unb fein föitMtn. 

GS giebt Seruf^meige im ©efchdftSleben, welche 
offenbar unb bireft wiber ©etteS ©ebot unb baS 
Öefefc ber 9ldcbftenüebe finb, folcbe barf fid) ber 
fibvilt nicht wählen. ©erabe auf biefem ©ebiete 
tritt bie gugenluft, ber Strieb nach 33efife — ©ab; 
fuebt ober ©ei* *mn Sorfcbein. Gben befjwegen 
mu§ ficb fviit Serbalten oon bentjenigen bc$ 3Bclt= 
finbeS unterfd)eiben. 92id)t allein in ber SBabl, 
fonbem and) in ber Betreibung ber ©cfdwfte, muffen 
ibm beftänbig beS gpoftelä Sffiorte 1 ftor. 7,31: 
„Die biefer SBelt brauchen, ba& fie berfclbeu nicht 
mißbrauchen, unb bie ba taufen, alS befäßen fie e$ 
nicht," vorfebmeben. 

Sieber ein ©ebot ©otteS noch ein anbrer benfbar 
vernünftiger ©runb ftebt bem 9ted)te eines Gbriften 
entgegen, etwas zu erwerben ober z« befifeen. 3 n 
allen feinen gcfdmftlidjen SrauSaftioncn bat ber 
Gbrift ieboeb auf ber ©ut zu fein, baß er fid) feiner 
unerlaubten Sßittel bebiene. 

3 (ucb bem britten ©ebiete ber geußerungen unb ber 
Ibätigfeit VeS ntenfcblicben Sebent — ber 9Kobe — 
tann fid) ber Gbrift nicht entgehen. SBenn er fid) 
auch bebanlid) unb gmubjäßhd) bagegen wehren 
wollte, fo ift er boeb immer, bem titnerfteit Begriff 
ba ©acbe nach, gerabe ba, wo er ftebt, baoon 
umgeben. 

GS wirb eben bainit nicht allein bie berrfebenbe 
grt in ber ftleiDiing, fonbern auch bie grt unb 
23eiie beS SerbaltenS im gefeüfcbaftlicben Sehen 
bezeichnet. 

GS bürfte in biefem ©tüd für ben Gbriften baS 
ftlügfte fein, alleS ©dweienbe unb Sluffallenbe 311 
meiben unb bie golbne 9)?ittelftraße zn geben. 

II. 

SBir wollen unS zweitens War zu machen fudjeit, 
worinnen ber Unterfcbieb zmifeben Gbriften uub 
SBeltmenjcben beftebt. Unb zwar 

1 . Betreffs ber Beweggrünbe. Der Sffieltmenfdj 
iftjumcift geneigt, ben Srichen beS natürlichen 
£etzen$ zu folgen. Diefe aber finb in ihrer ftornt 
Unlauterfeit, Scritimmung, grgwobn, Gigenliebe, 
Rechthaberei, ©alSftarrigfeit u. bgl. xtbrer 9?atur 
nach aber iinb fie böje. 

„DaS ‘Dichten unb Sradjten beS menfdjlicbcn 
©et*enS ift böfe oon 3ugenb auf." 

fflie eilig ift baS natürlid)e ©er* beim geringfteu 
gnftoße oft, feinen 9?cbcnmenfd)eu in Serbadd zu 
sieben, unb argwöhnifd) iebein böfeit ©erüd)t über 
ihn ©tauben zu fdicnfeit! Dem Gbriften jebod) 
füllte eS nicht fchwer werben, tu ben Bcweggrünben 
m ©anbliingeu unb fHeben wiber ben 9Jäd)iten fid) 
vom ffieltfiitbe bcutlid) zu uuterfdjeibeu, fintcmal 
bod) fein ©erze erneuert, gereinigt uub mit bei 
Siebe, bie bem SWächften niditS BöfcS thut, erfüllt 

^&uh hi biefer ©infidit gilt baS SBort ber ©dirift 
»on ihnen: „Unb foldje finb eurer Gtlidje gewefen, 


aber ihr feib abgewafdjeit, ihr feib geheiligt, tbr feib 
geredd geworben burd) ben Hainen beb ©erm 3 efu 
unb burd) ben ©eift ©otteS." 1 ft er. 6 , 11 . Unb 
barauf bie weitere Ermahnung: „Unb ftellet eud) 
nid)t gleid) wie vorhin, ba ihr in Uuwiffenbcit nad) 
ben Stiften lebtet." 1 Set. 1, 14. 

DaS natürlid)e ©erz ift argwöhnifd) unb argliftig, 
eS lebt, fo lange eS unerncuert ift, in biefen unlaiu 
teren Bewegungen unb bdnat ihnen itad). 2 Bie 
fchnell ift man, z. 33. oft auf bie geringfte Seran= 
iaffuug hin, unb angeleitet von betrüglidjen Um= 
ftänbett, bereit, feiltet 92äd)ftett ©anblungen unb 
SHebett z» nti§beuteit. Sott biefer Slrt waren einft 
bie Sharifder. „SBarum benft ihr fo Slrgeö in 
euren ©erzen?" fpradj äu ihnen. „Die 

©eele be§ ©ottlofen wünhht Slrge§ unb gönnt fei= 
nem 9?dcbfteti nid)t§." ©pr. 21 , 10 . 

Der Gbrift aber, al$ eine in Ghrifto neue Greatnr, 
bei ber baö 9 llte vergangen ift, ntufj attbercr ©efim 
nting fein, ©ein ©erz, weld)e§ and) zuvor einer 
SBüfie glich, wo foitft giftige ©ddaugen unb unrei- 
ne§ ©e*üd)t lagerte, ift nun erneuert tutb Silieti ebler 
unb reiner Striebe blühen barin neu. 

2 . glich in ben geuberungeti mu§ zwifd)en bem 
Gbriften unb bem SJeltfinbe ein Unterfcbieb fein. 
2 ßie ber gnbrud), fo ift and) ber Xeig ; wie bie 
Sßttrzel, fo ift auch ber«Rweig. Der ©trem fteigt 
ttidd über ben Duell, ttod) ift ber SltWfluji reiner alS 
berfelbe; beuit: „ 2 ße§ ba$ ©cvz vdl ift, be§ gebt 
ber Binttb über." 

JBenu td) behaupte, bafe cm Unterfcbieb tu ben 
Sleui'erungen beftehen muffe, fo meine ich, bafebiefa 
Unterfd)tec in beit ©eberben, 9teben unb ©anblun- 
gen hevvorzutreten habe. G'3 ift gewijj nidit be= 
frembenb, wenn ich fage, bafe bie 2 lcu 6 erungcn eineS 
argliftigen 9)iettfd'en zweibeutig finb, bafe beften 
gugefidit unter ben gugen wie von ber ©enne be= 
ftrahlt, bagegen aber hinter bem 9 iücfen in eitel 
fünftemifj erfdeint. Gute foldie 9?ebe ift in ber 
©egenwart wie©ilberflaitg uub bontgiüfi, wahrenb 
fie in ber gbwefenheit ftidit wie ein Dom unb 
92atterngift enthalt. Der uatürlid'e SDcenfd) ift 
nad) bem Sauf ber SBelt ein trügerifdier ©(ha 11 = 
fpieler. Der gangbare Sauf biefer Sßelt ift, burdj 
eine trügerifche git§eitfcite,*in SCort unb Dbat feine 
SRitwelt zu befteeben, biefelbe für ihn uub bae ©eine 
einsunebmen unb barauo Sortbeil unb ©ewittn zu 
fcblagen. 

gufriebtigfeit, ©ereebtigfeit tttib Gbrlicbfeit ver 5 
trauen auf Serbienft unb SBerth, über allem aber 
auf bie gütige Seitung unb ben ©egen ©ettej, an 
welchem fdniefilid) hoch glle^ gelegen ift. SSBeitn 
wir fagen, bag ber Gbrift auch in ben geufeerungen 
ficb vom SBeltfinbe unterfdieiben müffe, fo meinen 
wir, ba§ er, z. 33. auf politifd)eni ©ebiete, im 
©trebeit nach 3(nit unb ©tellung üd) feiner unrei¬ 
nen SMittet bebienen bürfe. Ghre unb 9Mad)t barf 
ihn nid)t bethören, noch feine gugeit blenben, baft 
er burd) niebre 9tdnte, Seftednmgen unb Serldums 
buitgeit um jcglidieu Sreib fein Biel eneiebt. 

guf bem ©ebiete ber Svlitif bebient ficb bab 
9Beltfinb nid)t feiten ber Süge unb ber Serlaiim* 
bung ivibcr feinen ©egner, um auf beffen 9ciebers 
läge fid) aufznbaucn, unb auf beffen 9?uin zu Ghr 
unb 9)2ad)t zu gelangen. 3 m ©efd)dftblcbeit 
fommt man mit 2ßahvhett, Gbrlicbfeit unb ©erecb* 
tigfeit auf gefpaititten fju§. 


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154 




9?amcnlo3 ftub bie ©cgc unb ^Mittel, womit mau 
baS Uublifum taujd)t, hintergeht nnt> betrügt. GS 
ift auch ba fein 3 ubuftrie 3 weig ausgenommen. Der 
ftabrifatiou wie auch beut Verlauf bet ©aare bat 
fid) bet (Seift bcS betrug# bemäditigt. 

Vilich auf bem ©cbicte bet 3Bobc begegnen u»it 
oenoevfüdKii ftcußcruugcn, welchen fid) bev Ghrift 
nkhtglcidntcllcn batf. MeS Sdjreienbe unb$rafeen-' 
artige, in ben Sanieren unb in bet £rad»t, wcldicS 
auS ben Sdnanfeit bet SWaftigfcit unb 9Jatürlichfeit 
tritt, uerlicrt waS eS bcjweden fall. ©ic oielfciltig 
finb mcift bic Skruoeigungen, bie auS bem Stamm* 
betritt SDtobe taufen. Gbenfo oid finb aueb bet 
franfhaften Grfdteinungen, benen wir batauf begeg* 
neu. üBait benfe »tut j. 6. an bie unerfättlicbe 
SEitelfucht, au bie fcfteinf>ei(igc firiedjerei unb 
Schwcifiocbdei in gefeütgcit Greifen ber Söclt; an 
bie Ucbcrlabung oon 9Bufe unb Äoftbarfeitcn beS 
MörperS u. f. f. ©intet biejent ocrfänglidKii Saub* 
U'erf fteeft nidit fetten ©chaltlofigfcit unb ©obibeit. 
3n lefetcr 3nftam ieboeb ift 9Ulc3 in filtern unreine 
oerfebmißte SclbftiudU, bic hinter glciftnerifcbent 
Sd)cine auf teilte lauert. 3ft aber ber innere 
©erb bcS hebend gereinigt tmb gcftinb, bann fddägt 
biefer Buftanb nach Stuben burd) alle kugelt buvdj 
unb ^eigt fid) in bet ©armonic unb ber ftveimblid)* 
feit ber ©eberben, n>ic and) in bent ©ohlflang unb 
bet 3«d>tigfcit ber Webe. Wid»t minber wirb cS 
offenbar in ber Wed)tfd>affenheit ber ©anbluitgen, 
n>ic überhaupt in ber Wcrabbeit beS SebcnS. ©c= 
rcd)tigfeit^finn unb 11 neigeunufeigfeit sieben fid) wie 
ein rother ftaben burd) bic flanke ©anbluugSwcife 
eiue3 gefunben Gbriften. 

„Scbm unb lieben laffen" gilt ibut alSÜRaxinte 
unb baS ©efeb ber Wädntenlicbc alS Wicbtfdmur. 

3. 9(ud) in beit ?lbfid)teit unterfdjeibet fid) bet 
Ghrift vorn ©cltfinbe. $oit ©auS auS ift baS 
©er* aller bofer Sude voll. ©ivb cSnidUburdj 
Erneuerung unb rdbifale Umgeftaltung in feinem 
©aiia unb Streben in anbere 23abnen geleitet, fo 
eutwicfelt fid) auS bem initewobnenben ©ang, ober 
ber Sn ft, ein enevgifdieS Streben, wcldieS auSläuft 
in eine leibcnfdtaftlid>c Sud)t, um fid) fdjließlidj in 
ber teuflifdten Selbftfucbt au gipfeln. 

3n ber ©eit bewahrheitet fid), waS bie Schrift 
bezeugt: „Ein 3cglid)cr febc auf feinen ©cg.' 1 
‘Die äbfiebten eines Gbriften iebod), bet fid) feineS 
SSerbältnifieS m Beit, jutm Sehen, au feiner v 3Kit-' 
toelt unb au ©ott, feinem Sdwpfer, bewußt ift, finb 
auberer 9lrt unb rangireit höbet. Da3 fned)tifcbe 
3od) beS fin ii lieben SebenS halt nid)t mehr gefan= 
gen, et ift frei. 3m Sollbewußtfein biefer feiner 
Freiheit unb Uitabhangigfeit aber fpridit er mit 
$aulo fühlt: ,,3d) habe eS SttleS ®?ad»t, eS fofl 
mich aber feiner gefangen nehmen." ©ic bie 
Äirdithürmc ühet baS ©äufermeer cineS Dorfes 
ober einer Stabt emporragen, fo muffen bie?lbfidj' j 
ten unb Rwecfe, woitadt bet ©ottcSpilgcr ftrebt, 
über baS ©irrfal unb ©etriebe biefer ©eit empor* 
ragen unb hinauSfteigcn, weil fein Strebcsiet über 
bem Wioeau beS finitlidicn SebcnS liegt. 

III. 

©aS ben Gbriften baau bewegen foll. 

1. ©eil b*r Ghrift fich nid>t fclbft lebt. DicfeS 
famt oon ben Widjtdjriften aber nid)t gerühmt wer¬ 
ben, weil baS getabe ©egentbeil ber galt ift; bie 


I Sclbftfudjt ift feine imterfte unb eigenfte SRatitr. 
Die ganae jNeigung, ©ang unb Wtdjtung feiner 
Seele, bic Summe teiner ^Bewegungen unb Sleuße* 
rungeit, fielen barauf ab unb laufen bariit sufain- 
men. SJeitn wahren Gbriften ift ber ©iberftveit 
üwifdjen Sleifcb unb ©eift, burd) feine ©utgabe an 
Ghriftum, beigelegt unb aufgehoben. 5lber waS 
heißt „Sicbfelbftlebeit?" 3»n ©runbe niditS 9lit= 
bereS, alS in allen feinen SMtrebungen bie 9?id)tung 
nad) feinem eigenen 3cb ju nehmen. Selbftoet- 
henlidiung, Selbftgenufe unb Selbitbefife im Client 
fud>en, (>ei§t in ©ahrbeit „fich felbft leben" wollen, 
©er in ruhmrebiger SBrablfudjt, ^ewunberung unb 
in weincrlidteit Samentationen ober 3cremiaben 
s D?itleib su erjagen fucht, ftid)t im erften galle alS 
©eroe, unb im ^weiten $allc aber alo 2)}artprer jit 
glänjeit. 

Der Siebe bwbfter Sriumph aber ift: ftdj felbft 
ocrgeffeitb, für 5lnbre m leben, ju wirfett unb gn 
leiben, 9?ed)t unb ^Srioilegium m opfern. Der 
Ghrift ftellt fid) ber ©eit nidjt gleid). 

2. ©eil eS feilt ^Beruf ift, ©ott gu leben. 3m 
Scheit ift biefeS beS Gbriften höd'fter Seruf unb 
2?orred)t. Gr famt aber nur bann ©ott leben unb 
fomit biefen Seruf erfüllen, UH?nn er bem ©illctt 
©otteS gentüfe baS ift unb au3rid)tet, in bicfcni fei= 
nein Seben, mit ber feurigftcit ©ingabe. Sebt er 
nun, wie angebcutct, fid) nicht felbft, bann lebt er 
aber nad) SRömer 14 f 8 „bent ©erni," ober nach 
©a(. 2,20 „in beut ©lauben beS SohneS ©otteS." 
DaS beißt aber im ©efeit gur Ghrc unb iierherr^ 
lidjung ber 9)?ad>t göttlidier ©nabe nichts ?lnbre$ 
fein, alS „ein Sicht in bem ©errn :i uub ein Sah ber 
ßrbe. 3ft ber Ghrift ein fold)c3 Sah, bann lebt 
er ©ott, bann lebt er bem Bwetfe, mo*u ihn ©ott 
berufen hat. „Gin 3cglidter, wie ihn ber ©err be= 
rufen hat, alfo wanble er." 

©at ber Ghrift biefen feinen ©eruf erfannt unb 
ift er befliffen, bem Bu'ecfe beSfelben pollftänbig im 
Sehen m entipmhen, fo muß feilt Verhalten auf ben 
perfdnebenen SebenSgebieten von bent ©efefec „beö 
GfcifteS, ber ba lebenbig madit" regulirt werben, ba- 
mit berfelbe feiner 5Diitwclt 5Komt unb äKufter 
toerben famt. 

Eben beßwegen muß fich ber Ghrift oon bem ©eift 
unb s Brauch ber ©eit rein unb uubefledt erhalten, 
bamit er unter ihr nad) göttlid)em ©illctt auf allen 
SebcnSftufcn, gleid) bem Sähe biefelbc vor fittlicher 
Saulniß bewahre, liebt er biefen Ginfluß auS, 
beibcS burdj SFBort uno Gsempel, bann erfüllt et 
baS göttlkbe Dictat unb lebt ©ott, beim er weift 
burd) ©chorfam auf ihn alSbie hödifte SSutorität. 

3. Unb fdiließlid) barf fich ber Ghrift biefer ©eit 
nid)t gleidj ftclleu, weil eS feine 33iftimuiung ift, 
für bie Gwigfeit ju lel'eit. 

Der Ghrift gehört einer aitbern ©eit an. Dev 
SKeifter felbft befinirt beffeu Stellung, inbeut er 
fagt: „Slber fie finb nicht von ber fficlt, gleich wie 
and) id) niditoon ber ©eit bin." Unb am anberit 
Orte: „©äret ihr oon ber ©eit, fo hatte bie ©eit 
baS 3hre lieb; bieweil ihr aber nicht oon ber ©eit 
feib, foitbern id) habe eud) oon ber ©clt erwählet, 
barum haftet euch bie ©eit." 3oh. 15, 19. Gr 
lebt noar in biefer ©dt unb braudit biefelbe, boeft 
nicht wie „bie Seute, bic ihr 2heil haben in biejem 
Seben." Gr ift ein ©aft hienieben; „feine Sd)äbe, 
feine ©üter finb im ©immel beigelegt." 3ln ben 


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Sonntogfd)ul^fhtionen. 


155 


3ntereffen biefed gebend nimmt er befinden audt! 
nur jeweit Jhcil, al^ ev barin feinen (Sott verlterr= 
liefen unb feinen SMitmcnjdten bienen fann. 

Sr bient feinem ganbe nid>t beBweflen unb braiiflt 
(ich in ber ißolitif hervor, um beit Seibeiijcbaftcn, 
bereitein unb ileijdtlidtcn (Shr= unb $crrjdmidtt 311 
frehneit f fonbern ba& in allen binnen ©ott fle= 
»riefen u>erbe. Midtt bad ift bem ßlmften böchfte 
tfreube unb (Shre, „bafi ihm bie ©eitler untevthan 
iinb," fonbern „baR fein Manie im&iminel flefdtrie= 
ben fteht," ald bc* luxbften tfönifld itinb unblSrbe. 
Sieb ber SBanbelbavfeit unb öinfdlliflfeit aüeo 3 r= 
bijeben ftetd unb voüifl bewufet, ld§t er fid) in feinen 


! flefdtdftlichcn Srandaftionen nidtt bermaRen non 
benjelbcn eiunehinen unb übermannen, baR er fein 
Vertrauen in benfelben nor Sinter lefle. 

5)effen SlUed einflebenf, lebt unb haubclter, nidtt 
um su effeu unb su trinfen, ober fid) mit Sorflcn 
ber Maltrmifl 311 befdtweren, fonbern er iRt unb 
trinft, um su leben/ weil er fid) aemärtia unb 311- 
flleidt bereit batten muff, icbeu Stugenblicf sur 
Uebernabme ber „bleibenben &abe" aerufen 311 
werben. ®arum ift and) auf bem ©ebiete ber 
2Robe jein &auptftreben nidtt bem tiorperfdtiniuf, 
fonbern „bem verbotenen SMenfchen bed ftergeno“ 
ÄUflewanbt. 


- m— - 

Soimtagfd)«l=Mtionett. 


Sonntafl, 5 . SKärj. 9 Rarf. 4 , 35 — 41 . 

Sie Stiftung bc$ Sturme«, 

der: 3cfttS ald ber §err über bie empörten 
(Elemente. 

Zqt: Unb Rillete bad Unacwitter, ba§ bie SBet= 
len Rd> leflten. ($falm 107 , 29 .) 

Umleitung: Sille brei fieftumen biefed SMonatd 
seinen und Cbnftum ald u n u m f dtrd n f te n 
Öebieter über bie SM d dt t e bed SSer- 
berbend, ob fie nun im Meidte ber leblofen 
Sa tur, wie hier bei bein Sturm auf bem SMeere, 
ober in bem ber befcclten S r e a t u r, wie in 
ben beiben folfleuben geftionen, fei’d ald bie ti a- 
turlieben Äräfte ber ftranfheit unb bed SEobcd 
Herrfdten ober ald ü b e r n a t ü r l i dt c ©eioalten 
and bem hinter biefer SBclt ber fid>tbaren ®iitfle 
$inße licfleuben, aber auf fie unb bureb Re wirfem 
ben unftchtbaren Meidte ber bdfeu ©ciRer. SBir 
Haben alfo auch hier, wie faft überall bei SMarfud, 
mit lauter OTachtmunbcrn 311 thun, b. h- mit 
mit befonberd auflenfdllifleit Offenbarungen feiner 
Ocrrlichfeü, in welchen bie f i n u b i l b l i d) e ti n b 
»0 r b i l b 1 1 d) e ©eben tun fl aller 2 B11 it= 
ber flanj befonberd 311 Safle tr»tt unb ihrciflent- 
lieber Sharafter am tlarften unb beutlidtften seiflt: 
Sie Rnb nämlich, weit entfernt, eine Slufhebintfl 
ber natürlichen Orbmuifl ber ®infle, eine Störnnfl 
unb 3 erftörinifl uer MaturflefeRe, ober, wie ber mo- 
beme Uiifllaube Re aenannt hat: eine ®urch= 
Iwberunfl unb SSernmttunfl bed Matimufammem 
Haitfld 31t fein, bielmehr flerabe bad ©caentheil: 
nur auf Stufhebunfl bed unnatürlichen, bic ba3ii 
bienen mu§, bie burdt bie golflen ber Sünbe fle- 
ftörte fl 6111 i ch e O r b n 11 n a w i e b e r h e r 3 m 
fiel len. @0 Rnb 3. 33 . Äranfheit unb Job ald 
Strafe unb golfle <ber Sünbe nicht bic urfvrüna= 
liehe Orbnuitfl ©otte^ felhft, fonbern Stövuufleu 
biefer Orbnuiifl: bie Sünbe erftrerft ihre ® ivfiuiflen 
nicht blöd auf ba 3 hewuftte, fleiftifle, Rttlidtc ©ehict, 
fonbern auch auf ba$ unbeumüte, natüvlidte, trea- 
türliche, ber Weitfch hat auch bie Matur mit in fein 1 


Skrbcrbcit bcreinflewAeu (Möm. 8 , 19 ff.), unb fo 
ift ed burdtau^ nichts©efremblidtC‘3, wenn OvlmfhjS, 
ald ber ©err ber aefammten 0011 ihm acfdiaRcucn 
SBelt, audt biä in oie tobte Kreatur hinein bic^idtt- 
ftrahlcw feiner erlofenben SUlmadtt fallen lägt. 
2Ba8 aber noch in$befonberc bie SB u n b c r auf 
bem See ©enesareth betrifft, jo finb fie 
alle (nämlicf) auftcr unfevcv Stelle noch Suf. 5,5R.; 
SWarf. 6, 47 ff.; M?attb. 14, 22 ff.; 3oh. 21, l ff.) 
3 u n a dt ft auf bie fünfter b e r c dt it c t. 
3>or ihren Miiflcn 1111 b flerabe an bem Glcmcnt, wo= 
mit bie meiften bevfelben al§ gifdter vertraut wa¬ 
ren, offenbart bev $tcrr feine £evrlid)feit, um ihren 
© l a u b e n 3 u ft d r f e n, wa3 Re bei ben fdmte- 
reu groben, auf uteldte er fleftellt würbe, befonberd 
uöthifl hatten. Slujjerbem ift unfere 2ext= 
flefdtidtte nodt indbefonbere ein 33ilb bed 
f ü u f t i fl c 11 e r u f d w e fl e d f e i 11 e r 3 ü n- 
fler, ben fie einft mitten burdt eine feinbjclifle SBclt 
hinburdt audt ohne feine unmittelbare fidttbare ©c= 
flemoart inadteu müffen unb für ben Re jefet fdton 
Vorbereitet werben unb lernen feilen, tvad für einem 
allmddttiflcn unb Repreidten iperrn Re 311 bienen 
berufen Rnb, unb wie alle bem !Mcid>e ©otted fid) 
entfleflcnftellcnben ©ewaltcn ihm fidt bcuaen müf= 
feil, aber auch wie (Bx felbft feinen von allen Stür= 
men ber SBelt unerfdjüttcrten gricbcn ben Seiniflen 
flehen will. 

I. ®ie brohrnbt ©eftlfr (SS. 35 — 37). gehen 
hier seiflt ÜRarfud feine audt in biejem Mbfdmitt 
befonberd hervortretenbe fiiinft malexifchcr Sdtil= 
bcruiifl burdt lebenbifle Gituel.ulfle ir. ber ftervor* 
hebiutfl ber fvaten Slbcnbseit, ber rafdten Abfahrt, 
bed ©eleited ber aitbcren Schiffe, ber ©cwalt ted 
Sturmed unb ber dufierften ©efabr für bad fdton 
im Sinfen begriffene Sdtiff. 

®. 35. 31 n bemf el bcn Safie, an welchem 
er feine fofl. Secvrebiflt ($>. 1 ff.) flehalten hatte» 
unb swar bed Slbenbd, ba er für ticdmal nidtt 
mehr nach Satteritatim surüeffehren fonnte ober 
wollte. Su ihnen, nämlich ben ^ünaern un 
enflereit Sinn, bereu er bamald wohl erft fedbd 
hatte, nämlich bic beiben ©rüberpaare SSctvud nnb 
Mnbrcad fotoie Sohanned unb 3atobud, unb enb- 


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156 


Sonntagftyulzfrhttottm. 


lieft 8ftiliwuS unb SartftolomäuS ober 9?atftanael 
(vergl. Soft. 1,40 ff.), fie allein möcftte er ieftt ito(ft 
länger bei ficft fteftalten git oertrauterem ©ennäcb, 
unb helfet fte befehalft ft in öfter faftren: oom 
' weftlidteit Ufer aftftofeenb unb nad) Säben fteuernb, 
an baS ienfeitige ©eftabe ftei ©abara (5, l ff.), beut 
®olf aoer gebieten, ba& eS bieSutal allein na(ft 
©aufe gehe, oieüeicftt auf ben anbern „vielen Sd)if= 
feit" (». 36). 

8. 36. Unb fte liefeen u. f. to. folgern 
Sefeftle gehorfaut; after sugleid) tooftl and) auS 
einer bovvelteit liefteoollen görfovge, um Sftrifto 
einige ©rholmtg nad) ber unauSgeicfeteit Slnfiren- 
gintg be3 arfteitSvollen $age3 su gewähren mtb iftn 
sugleid) oor unseitigen {Racftftellimgen ber Ofterfteit 
su fdtöfcett, bie bureft baS ftet3 ficft itteftrenbe 9Solf3= 
gebränge ftcunruftigt fein mochten.- 2Bie er im 
@d)iffe war, b. ft. toie er ging unb ftanb; 
oftite nodjutaligcS gaubcit su ftefonberer 93orherei- 
tung für bie {Reife fuftr man aft. 

8.37. 63 erftuft ftd), nämlich unterwegs, 
als fie gerabe mitten auf bem 2Reere waren. Soll 
warb: ber Sturm ftriajt loS, bie SBelleit fcftlagen 
öfter 93orb, fd)ott fängt baS feftwaefte gahrseug an, 
ficft su füllen unb ift in ©efaftr, umsufdjlagen (oer= 
gleiche 3ona3 1, 4).. 

II. $te aufefre Kettung (93. 38—39). Sn feftö- 
nein ©egenfafe sum Soften ber SBcllen unbSraufen 
beS SturmeS fteftt bie erftaftene Stufte beS ©mm, 
bie fein SButbeSfaufen unb fein SBogeitbraitg su 
Roten vermag. 

8 . 38. Sm ©intertfteil beS SdtiffcS, fein 
ntöbcS ©auvt auf bie SRütfleftnc ober baS .Govf- 
Volfter (ffiffeit) an ber sunäcftft bem Steuerruber 
fteftitblicften {Ruftcftaitf ber {Ruberer geleftitt. 6r 
fcftlief, unb swar toirflieft, itid)t bloä fdteinftar 
ficft fcftlafeitb ftellettb (oergl. !^ona 1, 5); leftenbtg= 
wahrer Bug feiner ecftt meitfcftlidtett Statur, gr a g ft 
b u n i eft t § b a r lt a eft ti. f. tu. ®er Scftredeit 
ber angfterfullten Sönger lägt iftren ßüferuf faft su 
einem uneftrerftietigeit Sfcabeltvort werben; and) bie- 
fer Bug beS fteftimmten 93orwurf3 eineS 5Ü?angel3 
an Sorge für fte ift nur beut 3RarfuS eigeitthäm= 
lieft, ber überhaupt bie ©lauftcitSfdjwäche unb Un= 
toiffeufteit ber Sunger mehr alS bie anbern 6vait= 
geüften ftcroorftcftt (vgl. ffap. 6, 52; 7, 18; 8, 17), 

8. 39. Stanb auf, voll SRajeftät, eigentfieft: 
gans aufgeriefttet; aueft hier gieftt toicber nur 9Kar= 
fuS allein bie SBorte an, tooutit er ben Sturm fte- 
fdnvört: „Schweig, oerftumme!" feine 
mufeige JSieberholmtg, fonbern baS exfte SBort will 
gleicftfam nur bie Slufinerffamfeit ber wüberregten 
©lemente feffeln unb auf iftn, iftren SOteifter, richten, 
toäftrcnb baS streite erft ihnen aftfolute Stufte ge¬ 
bietet. 

III. ®ie teuere SSirfnug (93. 40—41). Schon 
ift auch ftier toieber ber ffiegeitfaft, ben ber gegen¬ 
fettige 8 o no u r f hübet: bie Sfinger machen 
bem ©errit beit u n ft e g r ö tt b e t e tt 93onotirf ber 
Sorgloftgfeit, er ihnen beit wohlftegrünbeten 
ber 93ersagtheit tmb beS SRattaelS an 93ertrauen stt 
ihm; teile fvraeftett ben ihrigen voreilig attS M 
noch ehe fte fein (Eingreifen aftmarten, er bagegen 
ben feiitigen oollftänbig erft battn, naeftbem 
et fefton geholfen hat, benn 


8 . 40. „9B t e, feib ihr fo furefttfam?" 
®tefe er fte grage richtet er nad) SRattft. 8, 26 an 
fte fefton in bem Äugenftlide, ba fie iftn wedten; 
bie sweite bageaen nach Suf. 8, 25 erft iefet, nad>= 
bem bie {Rettuna fdtoit gefdteheu ift. „9B i e, b a g 
ihr feinen ©laubeit habt?" ift eigentlich, 
wie man auch auS 8uf. 8, 25 felftft fcftliegen fann, 
etmaS su viel gefagt, benn fie hatten tooftl noch 
® teuften an iftn, fonft hätten fie iftn ia gar nicht 
getoedt unb um ©ilfe gefteien (üMatth. 8, 25), aber 
fie hatten benfelhen gleidtfant nicht bei bcr©anb tut 
Singenftlid ber S?otft, auch toar er nicfit fo ftarf, alS 
er hatte fein feilen unb tonnen, nachbem fie fifton 
fo manches SBunber erlebt hatten, ©laufte unb 
Unglaube fämoften noch in ihrem ©ersett, swar 
tonnte ber Unglaube ben ©teuften noch nicht gans 
auSlofcftcn, after auch beröiaufte ttod) nicht gaits 
ben Unglauben ftefiegen; alfo ettoaS ooit Unglau- 
ften ober bodt Klcinglauhe unb Sdnoadjglauhe 
(SRattft. 8, 26) ift unb bleibt eS in iebem gnll, 
wenn toir noch fürditen, mit ßftrifto int Sd>iffe 
untersugeften, beim, ift 6r bei uitS, toaS giebt eS ba 
itod) su ftefördjtcn? Oicm. 8, 31.) 

8 . 41 . gurchtetcn fid) feftr, uäinlid) in- 
bent Re icfet benfelhen Sd)auer ber ©hrfurcht vor 
3hm empfinben, ben fie suvor vor ben toilbeit 
©lernenteit entvfunben, aber jefet itüftt mehr 
verbiutbctt mit sittmiber Slngft, fonbern mit feligem 
Staunen uber biefen- neuen 25eweiS von ber 
madtt ihres 9»eifterS unb bereits öbergehenb in eine 
giinbgebung ahnungsvoller ffienounberung unb 
Slnbctmtg feiner ©cvrlidtfeit, bereit neue maieftä^ 
tifchc Ofanharung fte trog SUlent, toaS fie bereits 
von ihm gefeben, fie wohl su folgern ehrfnrditSvoUen 
©rftamten bewegen fomtte. 6S ift alfo nidit noth= 
wenbig, bie 9Birfungen, bie bei SKarfuS offenbar auf 
bie 3 n tt g er felftft gehen, mit Matthäus (8,27) auf 
bie noch ungläubigen ©dtiffSleute su besiehen; 
and) folgt PtcS nicht aus ihrer grage: „9Ber ift 
a ber btefer?" alS oft fte feine ißerfott felftft 
ntdit gerannt hätten, fonbern ber Sinn berfelhen ift 
ftloS: toaS häftcu toir auS bem eben ©rlefttcn mit 
jRuaftcht auf ihn su folgern? wofür haften toir 
thn su ha 1 ten? ffe fragen nicht nach feiner 8erfon 
felftft, fonbern nur nad) bereit Sebeutitna 
für fte. 

^teftofition. Uefter bie 91 ttwettbuttg im 
9111 g e nt e i tt e tt vergleiche ©inleitung, im 61 n= 
sein c n fann barin eine 93esiehung gefunben toep= 
ben auf bie Sturme in ber 9Belt, in ber iftrdtc, im 
©aufc, im ©ersen. 3)aS © e f a m m t ft i l b seigt 
folgenbe ©egenfäfee su näherer 9(uSfuhrung: 

1) Unruhig toben bie 9Beffen, — after ber ©err 
fchlaft in 5Ruhe unb grieben; 

r J r 2 LHS T l l, ' lft [ XCI £™ bie — öfter ber ©err 

fchafft Sitthe unb grieben; 

3) Unruhig macht tntS ber ÄTlcinglaufte, — nur 
ber ©laufte febenft {Ruhe unb grieben. 


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$«twta<pfd)uU|tkti0titn. 


157 


Sounfag, 12. SWdtj. 5D?arf. 5,1—20. 

2)ie Teilung bcö ©efeRenen, 

«kr: 3tfn« «IS brr $trr über bab fhtffm 
®tißtrtrit|. 

Ztft: SSct ©tinbe thut, bet ift wein Xeufet; 
fctim ixv Xcufel jüitbifltvouftnfanfl. ®ajn tft er= 
fcbieucu ber Sohn ©otted, baß et bie SBerfe beö 
ieufeld serftöre. (1 3uß* 3, 8.) 

ÜHleitiutg. Reigt und bie vorige Ccftiou beit 
Sieg ^eju übet ben ff l e i n g l a u be n jeinet 3ftn s 
«er, jo bieje feinen Sieg nbetben Unglauben, 
unb jwar joioohl ben oersweifclnben Unglauben bed 
Sefetfcnen jelbft, ald ben eigennüfeigen Unglauben 
feiner ßanbdleute. 

I. Üir SRaißt brr $itt{tarni$. (33. 1—5.) 91ncb 
feiet wieber ift bie 9lnfcbaulid)leitbcd Wavfud in bet 
Scfjilbenuifl oon Sinsclsügen hevoor$uhebeu, s. 39. 
feer Unbänbigfeit bed öejejjenen (33. 4), jeined wiV 
tbenben Sdnnersgcjcbreied unb jeiner wabnfinnigen 
Selbftquälerei (33. 5); übet bie 93efcffenheit jclbft 
en'i. Seftiou vom 8. $an. übet ffap. 1, 23. 

8.1. ©ad jen fettige Ufer, b. ß. bad ge¬ 
genüber oon ©aliläa flelegene (Cu t. 8,26), su fßeräa 
fieberige Oftufer bed Seed; f t e f a m c n bortbin erft 
mit Jagedanbrudj nad) bet ©turmnaebt (4, 35 ff.), 
unb juKit in bie bet galiläifchcn &auptufcrftabt 
Äamnaum im Slorboften bed Seed jo siemlid) bireft 
jüeeitlid) oon bemjclben bcfinblicbe ©eaenbbet 
0 a b a v e n e r, b. b. in bad mohl bid an’d ©eftabe ftd) 
erfttedenbe ©ebict bet Stabt ©abara, bie aber jelbft 
norfe beinahe btei Stunben oon bet Sübfpifee bed 
Seed entfernt ift; SRattbäud nennt ed bad 8anb 
feer ©ergeiener, von bet faft unmittelbar am 
ffiajfer flcleaenen, auf bobem, fteilem Ufervanb be= 
fiublicbcn Stabt ©ergefa, wad freilicb su ber fol= 
fienbeu ©d)ilbetung (33. 13 ff.) viel beffet paßt, 
ßbenjo crwhlt Wattßäud (ffap. 8, 27 ff.) von 
$u>ei 39ejeffenen, Warfud unb Cufa3 blöd oon 
einem, ohne Rweifel ©emjenigen, bet ald sur 
Stabt jelbft gebbtig (Cuf. 6, 27), b. b. bott büt= 
fierlicb unb oot feinet ßrfranfung mobl auch an- 
jafeifl, alb bet 39efauntere allein beroorgehoben wirb, 
ludfetenb bet aubete nur ein unbefannter Srember 
nxn, bet fid) su ibm gefeilt batte. 

8.2. %\\% ben ©räbetn, ben bei ©etgefa 
nod) beute gezeigten geljenböblcn ber bortigen ffalf= 
iteingebirgc, bem geroöbnluben Aufenthalt bedlße 2 
(cfjeneit, ben et eben iefet gerabe oerlaffen batte unb 
tiefe in feinet SRaferei am Weevcdftranb berumtrieb; 
bewdjnenb ift, baß bieje ©eifter aub bet liefe bie 
ftetten beb ©obed, bet Siufterniß, fjaulnifj unb 
Senoefuitg fließen. 

8 . 4 . ®te Scf fein, Sußfdjellen an ben 39eU 
neu mtb .ff ette n an Atmen unb ßäubeit, batten 
mx früher sinoeilen für furse Reit ßrfolg gehabt, 
bei fciefetn neuen unb oerftärften Audbrudj aber 
wgten fie fid) alb fdnoach; in feinem jefcigen Ru 5 
itanbe waren nun alle bibberigen Wittel unb 93er= 
fueße su feinet 39änbigung etfolglob, man mußte ihn 
frn umbet fdnoeifen laffen, auch loenn et bie gatise 
®eaenb unRAer machte. (SKattb. 8, 28.) 

8 . 5. Z a g u n b 3? a cb t, weil an ©cblaflofigfeit 
leibenb unb oon ben böfen ©eiftern unabläffig ge= 


quält, bie ihn bib su teuflijdjet @elbftsetfleifd)Uiig 
trieben, jo bafe et in jeinet Sobjudjt jelbft gegen fcU 
neu eigenen Seib uultbete — ein rcd)t trauvigeb 
SÖilb, uüe totannijeb bet Senfcl feine armen ©fla= 
oen bcbanbclt. ©ieje grauenhafte ©d)ilbetung 
feinet Reiben ift abfid)tlid) jo ftarf gehalten, um and) 
bie ©tobe ber fofortigen Teilung unb bie 2Rad)t 
Sbrifti befto beutlidier evfeniten su laffen. 

II. ^er ©leg über biefc Waty. (53. 6—13.) 

®. 6. ©a et aber 3cfuin fab, in biefern 
5fugenblicfe fdireit er and) bei Cufaö (8, 20) milb 
auf unb ftürst auf 3efuui su, feinem bib jefet nod) 
ni(ßt aubgefproeßenen ^Befehlswort (93. 8) bang unb 
angftooll entgegenfebenb (oergl. J?ap. 1,24) — eine 
anfd)aulidic Reidmung ber wunberbaven flfimoir* 
Jung ?iefu auf ben firanfen, ber UKibrjd>einli(b jd)on 
oon feinen Teilungen gehört batte unb nun burdi 
iene§ gebeimnifjoolle 9lbnungboennbgen, ba§ und 
gerabe in jenen merfwürbigen Ruftanben erhöhten 
Seelenlebend bei ©ciftedfranfen nid)t feiten eittge= 
gentritt, ihn ald ben oielbefptocbenen Weffiad et» 
fennt. Siol oot ihm niebet, büfefud)enb, in 
abuungdoollem ©efübl bet naben ffrlöfung. ©ad 
tbat ber Äranfe natürlich ohne 3Witnürfung bet 
böfen ©eifter, bie ihn eher oon ^efu getrieben bät= 
ten; fobalb aber biefe metfen, baß 3cfud fie aud= 
treiben loill, fchlägt fein Ruftanb fofort um: ed er¬ 
folgt ein heftiger 9lnfali, worin fein tnenfcblMed 
23ewußtjein oöllig untergebt, beim nun rebetergans 
oom ©tanbpunftber ©ämonen and. 

®. 7. 95Bad habe ich u. f. w. ®ie ®ämo= 
neu etfennen ihren SReifter unb greifen nun oer= 
SU'eifelnb unb in ohnmädttiger 9Butb nad) Slllem, 
wovon fie hoffen fönnen, baß ed auf ihn einen C?iu= 
brurf mad>e, sulefet fogar sn einer fredwn 39efchwö= 
ruitg bei ©ott; and) biefen 3)iißbrauc6 bed gött= 
lidften tarnend berietet nur TOarfud. 

®. 8. Ru ihm, nehmlid) su bem böfen ©etfte, 
ber and bem SBefeffcuen rebet; erft jefet wirb bie 
9ludtrcibung angefünbigt unb sugleich and) mit ifc 
rer 93erioirfltchung begonnen. 

®. 9. Stag te ihn (inbem er nun oon ber blo= 
ßen 93ebrohung, 93. 8, sur ?ludtrcihung fclbft fort= 
fehreitet), nehmlid) n icht ben ©eift, fonft hätte ia 
^efud irrthümlich angenommen, ber JTranfe fei Ibod 
oon einem ein st gen ©äuioit befeffeit gewefen, 
fonbern ben TOcnfdjen, aber natürlich nicht and 
bloßer 9?cugicrbe, um feinen SWamcti su erfahren, 
ober gar and ltnwiffenheit, weil er biefen nicht ohne¬ 
hin erfannt hatte, fonbern ohne Rwcifcl um ben 
93efcffenen su ruhiger- SBcfiummg unb sum ©elbft- 
bewußtfein su bringen, bamit er lerne feine eignen 
33orfteliungcn oon ben teuflifchen Singebungen, and 
beiten hcraud er 33.7gerebet, su unterfchciben. 9?och 
ftanb er aber fo gans unter ihrer ©ewalt unb war fo 
voll äußerfter 93erirrung, baß er and) hier wieber, 
wie bort, fuh felbcr nod) gans mit bem Inbegriff 
ber ©ämonen, bie in ihm häufen, oenoedifelt. 
9 e g i o n = cinerömifdK öceredabthciiung oon 1000 
Wann, halb ein 9ßort bed friegerifd)en ©rofeed, 
ber fich ber ficgveicben ©inwirfmtg ßhrifti noch eine 
Reit lang burdj OrahlerifdM* fRuhmrebigfeit su er= 
ivehren fudjt, halb ein 95Bort ängftlicher jflage über 
bie ©röße feined ©lenbd, fofern fid) barin auch bad 
perfönlid)e 39ewußtfein bed Äranfen oon feinem fiei- 
beu mit audfpridit; iebenfalld aber rebet biefer ©ine 
(Seift im SRamen ber 93ielen, bereu Süßtet er viel- 


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158 


Soimta§sf4ul«|rktiaitn!. 


leicht ift, feinen eigenen wirfluheu Namen aber 
nennt ber 8ejefiene uiefet. 

8. 10. (5 v bat t b n r ltehmlich eben bieder 2Bort= 
führet ber finiteren ©eifterfchaar; trte be f b. h. 
nt bie © ö 11 e wohin fie gehören, verftofee, fonbern 
ihnen nodj einen weiteren Aufenthalt auf Grbeit, 
wenn auch nicht mehr in äKenfchenleiberu geftatte, 
ttiöglidierweife ichon mit ber geheimen Abficht, bori 
noch mehr Schaben anjurichten, wie fie eS ia 35. 13 
auch wirtlich thun. 

8.11. Gute grofee ©eerbe: ÜKarfuS gibt 
nadjher (8. 13) fogar ihre 3ahl au, jebenfallSaud) 
ein 8ewei3 von ftarter 8ermifchung beS 3uben= 
tfeuutS in jener ©egettb mit beibnifcheu Gletneuten. 

8.12. 8afe tutS u. f. w. (nid)t einmal über 
bie unvernünftigen ©ejdjövfe hat ber Teufel eine 
3Kad)t, wenn fie ihm nicht von Sott sugclaffen 
wirb; in bie ©ä ne, bortbin fahren fie gerne, beim 
baS teuflifche Söefen bat eine aBablvermaubtfd)aft 
mit bcin thierifdien. 

8.13. Grlaubte eS ihnen, weil biefe gana 
feinen weiteren, weijen unb guten Abfidden cnt= 
fprach; bie fo forgloS, ia gemifienloS au ber lnaffcn^ 
haften 3üd)tuitg von unreinen unb baruin verböte* 
neu Sthieren theilnehmcnben ©abarener follen ein? 
mal bie ©direden ber ftinfternife au erfahren betone 
men. Ob ^efuS ein Ned)t hatte, mit 
frembent Gigcuthum fo an verfahren, ift nicht an be* 
ftreiten, beim and) bie ©abarener fclbft wagten, a(3 
fie fväter ben 8efeffenen, ben bisherigen ©ebreden 
ihres ganzen CaubeS, geheilt not fid) jähen, feinen 
Sorwurf ober Sorberung einer Gntfdiäbiguug an 
erheben, foferit ihnen baburch eine SBohlthat uub, 
Befreiung au Sheil warb, bie weit über ben 8erluft 
hinauSging, ber aufeerbeut für fie, ba ©cbweine in 
Sfrael in fbldicr Anzahl gar nicht gehalten werben 
Surften, ohnehin nur bie geredete ©träfe für ihre 
bflichtvergcffene ©ewiimfucht war. Unb überbiefe 
— wenn eS bie Teilung ehieS 3Kenfd)en gilt, toer 
wollte fo hcrdoS fein, bie Grhaltung einer Schweine* 
beerbe höher anaufcblageit? fuhren in bic 
@d u e, alfo fönneu audi bie Sthiere ähnlichen (Sin- 
wirfungeit ber bofeit ©eifterwelt auSgefefet fein, 
wie bie 'BJenfcheit; fo gewife fich aitbere wie fön>er* 
liehe tfranfheiten bei ihnen jtnbeu, ia forterben unb 
a(*S verheereitbe ©cuchen auftreten tonnen, mögen 
and) folche fid) fiitbeit, bie eS mit Störungen be3 
J&eracn* unb Seelenlebens au thun haben, toie Na= 
ferei, Sollwutb u. f. w. bei ihnen zeigen. ffleige* 
fügt ift aber biefer eigentümliche 3»g wohl au3= 
brüdlid) mit ber Abftcht au aeigen, bau e3 fich hier 
um wirtliche Befejfeuhcit hanbeite. ©türaten 

f ich, burd) bie in fie fahrenben ^Dämonen in fureftt- 
bare Angft verfefet. SSarttm aber aerftöreit bie 
fiefetereu fofort wieber bie fautn erlangte 3uflud)t3* 
ftätte ? ©dtwerlhh auS Nad)e, um betn $>erru fclber 
gu fchaben, fonbern aunächft nur auS teuflifeber 8uft 
unb 8o3heit, irgeno einen ©treid) aitSauüben unb 
wenigftenS bie armen SEhiere au quälen, ba fie bettt 
geheilten Nfeitfdten ttidttS mehr anhaben fönueit; 
aber gerabc biefe Nuchlofigfeit fallt au ihrem eigenen 
©chabeit auS: ®ie N?ad)t ber Sinfternife rennt 
blinblingS tu ihr eigenes Serbcrben. 

Hl. aber Grfolg oiefr$ Siegel. (8.14—20.) 

8.14. Unb auf bem jt*anbe, b. h. beit 
SBcilent, Dörfern unb ©ehöften ber ©chweine* 
befifeer in ber Uitigegeub. 


8 . 15. SefoitberS fdjön hebt hier wieber 3Kar- 
fuS ben ©egenfafc anuKheu bem 3äefeffeueit unb 
bent ©eheiltett hervor: bafe er fab, ftatt wie bis* 
her unflät unb flüditig fid) umherautreiben, unb 
war befleibet gegenüber vonüuf. 8,27, wonach 
er eS früher liebte, feine Kleiber ungebraucht au 
laffen — and) biefe ift bie SBirtung eiitcS uitfaubc* 
reu ©eifteS. fürchteten fich vor ber in 3eftt 
verborgenen ©otteSmajeftät, au beffen ftüfeen ber 
©eheilte, wie gana von ihr hingenommen fa& (Cut. 
8, 35) unb au heffett 3[üfeen and) fie felbft banfenb 
unb anbeteitb hätten iticberfalien feilen. Aber bie 
SBirtung war hier leiber gatia anberS: bei rohen 
intb irbifd) gefilmten fceraeit enveden bie 3ßunber 
©otteS nur &uvd)t unb Sludtt, beim bie ScinbfdKtft 
beS SBeltfinuS gegen baS ©öttlidie wirb aud) bitrch 
bie gröfeteu SBohlthaten unb ©nabettertveifuttgen 
©otteS nid)t geänbert; 8iele erfennen, wie biefe 
©arabener ober 8harao ein ft wohl bie ftrafenbe 
ober fegitenbe $aitb ©otteS unb ergeben fich bennoch 
nicht. 

8.17. © ie fingen a tt, nur erft jdnlchtcrn ttitb 
langfant mit ber ©*>rad>e herauSrüdenb, unb bä = 
ten ihn, weil fie befürditeteu, nod) tveitere @h*af= 
gcridite uub 8erlufte burd) ihn erfahren au müffeit. 
8 tt t h c r: „®aS ift ber gottlofen SBelt 8auf. ©ätie 
fiitb ihnen lieber, beim GhriftuS." Unb bod) wollte 
ber £>err and) hier, wie fo oft, gerabe burd)S Zehnten 
geben unb fegiten; aber um biefen heften ©egen 
bringen fie fid) felbft: tun bie ©egenwart Ghrifti, 
ber ihnen auch ätififtlid) huubertfadKit Grfafe hätte 
bieten feinten,—baS traurige ©egenbilbber ©atita= 
riter, bie ihn einft baten, bei ihnen au bleiben. 
(3ob. 4, 40.) 

8.18. ©aita anberS war and) bie Sßirftutg bei 
beut ©eheiltcit felbcr; in baS ©chif f, um ttehut? 
lid) ienent aiegehrett ber ©abarener fofort au ent« 
fpredicn, beim ber £crr hängt fid) nid)t auf. Gr 
bat ihn, bafi er ntöd)te bei ihm feilt, um fich 
ihm alS Nachfolger unb Begleiter ananfdiliefjen, 
aber er barf ttid)t: andt hier ift ©ehorfant beffer 
beim Ovfer. (1 ©am. 15, 22.) 

8. 19. Sief? er nid)t au auS guten ©rüitbeit, 
beim für bie nächftett Stage wollte unb utufjte er mit 
feinett vertrauteren Jüngern allein fein (vergl. 
iDJatth. 9, 1 ff. unb 2)?arf. 5 f 37). j;tt betit 
0auS unb au ben deinen, alfo itt ben itäch- 
fteit JireiS feiner Umgebung; hier, nid)t vor groben 
frembett 8alfStitaffeu foll er mit feinem Bougttib 
für Ghriftutn wirfen. Unfere eigene Saimlie ift 
and) iefet nod) ber erftc unb lefete ©chauplafe thätU 
ger ©antbarfeit. 

8.20. ^it ben aehn ©täbten, bie audh 
noch aur näheren Umgebung gehörten; ttachbem er 
aunächft fid) au ben ©einigen gewanbt, foll er nun 
and) für biefe weiteren, wiewohl nid)t eigentlich ihm 
frentben mtb fernen Greife ber einftweilige ©tcllvn-' 
tveter beS foerru imbunflctt ©abarenerlaitbe fein, fo 
lauge bieS bie eigene Derföitlid)e ©egenwart beS 
9BeffiaS noch nicht tragen fanit. SBährettb biefer 
eS in Jiubäa ttnb ©aliläa mehrmals auSbrüdlid) 
verboten hatte, Auffehett au erregen burd) lauteS 
3ougni|l, awar itid)t auS ängftlidier Surd)t vor ©e^ 
fahr für fich felber, wohl aber weil baburch leicht 
baS 8olf in feinen fleifdilidtett SWefrtaSgebanfen 
beftärft werben, ia in Aufruhr gcratheit fonttte, 
liefe er eS hier itt Sßeräa, baS er fofort wieber vet* 




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Sonntagfdjul^ektionfn. 


159 


lägt# bodj sit, um baS bortige 33olf bod) and) noch 
in öetührimg mit fich su erhalten. 

3#r *ttt»fufcimg. SeiuS allein ift ber Tedjte 
©elfer für alle liniere Swoth unb bie Quelle aller 
aller unterer 9toth, unjere Sünbc. ©er 33ejeffene 
einSleichniö unb 9lbbilb be3 SünbcrS, wie er unter 
bem Sind) ber Süube verlauft unb gefnechtet nid)t 
mehr feiu eiaener &erv, fonberu ein ffeiub feiner 
felbft ift. SBenn ber ©elfer ihm naht, inerft er 
n>ohl beifen 2)tad)t, nnberftreht ihm aber unb hat 
Hngft vor ber 3Jerühvung mit bem ©eiligen ©otteb, 
meint, er muffe fein geben laffeu, wenn er feine 
Srntbe laffen foll, fürchtet jebe Slcnbevung al$ ein 
Unglürf, hält fvampfhaft fein (Sleitb feft unb 
nuinfeht ba$ Unvermeiblid)e wenigftenS möglidnt 
lange hinau^ufchiebcn mit einem: „Quäle mid) 
hoch nur iefct noch nicht!" (33. 7.) So acht e3 
mohl auch tefet noch, bah 392a lieber in ber Meinung 
unb au3 furcht, mand)e Störung be3 gewohnten 
SebenSaangeS, Unbeguemlicbfeit unb 3lufopfcriTng 
fich gefallen (affen su muffen, lieber ^efum gaits 
»oit |tdj weift (33. 17). ©er 3ßeltfinn fucht baher 
auch alle göttlichen 3Bcrfjeuge, wcld)e ftarfe (Sv- 
roerfuiigen in ben erftorbenen ©emüthevn hervor= 
bringen, ängftliri) fo weit al3 ntögliri) von fid) su 
weifen unb ferne s»t halten (vevgl. 3lpgfch. 24, 25), 
mie biefe ©ergefenet ftoften viele ben ©laubeit an 
ßhriftum von fid), balv mit Öewalt, halb mit ©öh 
Ikfilrit, um be3 ihnen läftigen (Svangeliumä lo$ ju 
meibm. 

Ziäpefitioit. © a S JBunbet s it © a b a t a 
eine Offenbarung ber ©errlid)feit 
ß b r i ft i; er jeißt fid): 

1) 9U3 ff re unb ber Icibenben ^Kenfchhcit, aber 
auch ate fteinb ber finftern Mächte (33. 1—7); 
ber 33efeffeue fühlt feine 9?otb unb fürchtet ftd> bod) 
Migleieh vor ber helfenben ©aitb be$ hintmlifchen 
8rste3; 

2) 3(1*3 fetter ber fünbißen 992enftf)heit, aber 
auch al3 9t i d) t e r u n b S J2 ä ch e r ber Sünbe felbft 
(3$. 8—16); er vertreibt swar bie ©ämoneit, lägt 
aber Port) au, ba§ burd) fie bie ©abarener ßeftraft 
loetben; 

3) 3(13 ben ©eiligen ©otte3 unb hoch ju- 
gleich auch a!3 ben © c i (a it b ber verlorenen 
fflenfehheit (38. 17—20); er bränßt fich bcnfelbeit 
nicht auf, fucht aber hoch nod) mit ihnen in 33er= 
binbimß ju bleiben. 


Sonntag, 19. 3J?ära. 992arf. 5, 21—43. 

3airu$ Holter tmb ba$ blutfUifftge 2öeib; 

•ber: 3cfn$ als ber $rrr über ftranQeit uttb 

Zob. 

Zf#: ?|efi!3 aber börete balb bie Webe, bie ba 
aefaßt warb, unb fprach su bem Obcrftcn bet 
Schule: (fürchte bich nuht, glaube nur. (3J2arcu3 
%36.) 

f Htlrihntg. 3n ben beiben lebten Seftioncit hatte 
e*3 ShriftuS mit bem Unglauben su thun, hier 
mit bem ©tauben; bie Seiger follen lernen, 
ma3 ber ©taube an Shti a(3 ben rediten Ärjt 
8cibe$ unb ber Seele für eine SDJadjt bei benen fei, 


bie ihm SRaum in ihren ©erseit jdwnfen, unb wie 
bemjelben alle, aud) bie größten ©eiläaufpvüde jiu 
ftehen, felbft ba nod), wo er in feiner Kühnheit unb 
Buvcvficht fd)einbav auriufgewtefen ober hoch auf* 
gehalten wirb. 

I. Zic »itte M »ater« (33. 21—24). 

®. 21. § e v ü b e r f u b r, beffev: herüber ge* 
fahren ivav, nämlid) nach bem anberen, tieoicitigeit 
Ufer, von bem er 35.35 auSgefahrcn war, alfo wie= 
ber nad> ber ©egenb von Ääpernaum unb 33cthfaibe 
guriief, im 92orbweftcn bc$ See3; a n bem 38tcer, 
viclleid)t im ^paufe bc3 8evi in ber 9iähe be3 ©e= 
ftabeS (veigl. Seftion am 22. Januar ju Äapitel 
2,13 ff.). 

®. 22. © e r O b c r ft e n (? i n e r von ber 
Schule, b. b. einer von beit Sunagogcn^Sors 
fiebern bev Stabt. ^ a i r u 3 ift ber althcbräifche 
im eilten Scftameitt oft vorfommenbe ^?ame Satt 
(= „von ©ott erlcud)tct"), vergl. 4 >Dtof. 32, 41; 
5 3Eof. 3,14; dichter 10, 3; 1 ßhvon. 2, 22; (Sfthet 
2, 5. ©a er ihn ficht, wa6 ihm anfangs 
nod) wähvenb unb loegen beb 3Solf3gebrängc3 (8uf. 
8, 40) unmoglid) ivar; fällt ihm j u jf ü ft e n, 
nod) nid)t al3 3lnbctcnbcr, fonbent nurevltalo be= 
müthig (flchcuber in bev natürlidjen Stellung eineS 
bringcitb ffiittcnbcu, ohne fid), von ber Sfietb unb 
Siebe fcincS Äinbe3 unb föerjenö getrieben, burd) 
bie 9tücffid)t auf bie ffnwcfenbcn, baruutcr vielleid)t 
aud) vornehmeStaube3genoffen, abhallcn ju laffen. 

®. 23. 39t e i n e St o d) t e r, eigeutlid) „Scd)ter= 
lein", *ärtlid)cv 3(u3bvucf be3 befüntmerten ®ateiS, 
nach Sut. 8, 42 feine emsige üedder. ©u 
wolleft lommen, nid)t blo3: „Sprich ein 
2Bovt!" ivie Suf. 7,7; SaivuS, ber iübifdK Oherftc, 
fteht alfo mit feinem ©lauben nod) unter bem heib- 
nifchen ipauptmann, iveil er fid) bie ©ilfe nur burd) 
p e r f ö n l i d) e 3 6 r f d) c i n e n, itid)t etwa nur 
eine 9)tad)twirfung au3 ber ffenie, vermittelt 
unb möglich beult; ebenbannn bebarf aber aud) fein 
fchwad)er ©laubc nod) gröberer Stävfmtg burd) ben 
nun ciutretenben 3luffd)iib ber ©ilfe. 

II. Ziejßeilttug br# SBeilic# (33. 25—34). 

®. 25. 33lutgang, franfhafter 3Mutflub, ber 
bei fo langer ununterbYiMhenet ©auer lcid)t lebcn§= 
gefährlid) werben lonnte unb ber aud) bei natur* 
gemäftem 33crlauf nad) bem ©efeg (3 38tof. 15, 
25 ff.) währeub ber gamen ^Jcit feiner ©aucr levi= 
tifch unrein mad)te unb felbft noch ad)t Sage nad) 
bem ?lufhöven ein befonbercS 9tciniguug^opfcr er= 
forbevte. 

®. 26. 33 o n ben ?l e r s t c it, weldm au3 ben 
eben angegebenen ©rünben bei ben ^uben gcrabe 
mit berartigen Sciben allerlei ßYperuuente ansu= 
ftellen pflegten; and) biefen Qm hebt wieber nur 
äKarfuS allein hervor, SufaS, ber wahvid)einlich 
felber ein 9lrst ivar, geht viel fchoneitbcr barüber 
himveg. 

®. 27. © a f i e v o ti S e f n hörte, baft et 
nahe fei, unb wie mächtig unb bereitnüllig er fei, 
allerlei .(Traufe su heilen, wa^ fchon feit tfap. 1, 28 
ja überall befannt war. ffarn fie im 33 oll, 
b. b. fam im 33olKgcbräuge (33. 24. 31); von 
hinten s u, beim fie wagte nicht, ihre 9toth offen 
aiiSaufprechen, um fid) itid)t bei bem allgemeinen 
3Biber)villen unb 9lbfd)eu gegen bevtei Äranfe unb 
Unreine ber Söcfcbämung ober gar gcwaltfamcn 
Butücfweifung von Seiten ber ÜJtengc au^sufefeen; 


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160 


$ 0 nittagfd)uls£elitionen. 


fein Xffcib, itacC) SKatthäuS mib fitifaS: ben un¬ 
teren Saum beSfelben (oerßl. SMarf. 6, 26). 

®. 28. 3)aS mar jebettfallS ein ftarfer ©laube; 
awar nähert fte [ich nur ängftüch uub oorfidjtia, ift 
aber in ©ahvheit viel ftarfßläubißer, alS eS üheint, 
unb auch alS 3aini‘3 f ber awar äujjerüch weit mu- 
thißer auftritt, heimlich aber bod) nod) aweifelt unb 
oicl ftarfßläubißer fdjeint unb [ich auS)prid)t, alS er 
eS wirflid) unb innerlid) ift. Siel eher ßleidjt fie 
bem ©khtbrücbißen (Äao. 2, 3 ff.): beibe brechen 
JUU'crfnbtlidj burd> alle ©inberuiffe burch bis au 
3efu3 hin unb holen fich feine ©ilfe faft ßewaltfam, 
oer üR.inn mehr in feefer, männlicher, baS ©eib 
mehr in fdnidjtcrn aurfttfhaltenber, weiblicher ©cife, 
ba fte nod) einen befonberen Äampf mit ihrem a<tß= 
haften natürlidicn ©cfühl unb ber furchtbaren 
8Mad)t ber iübifdwt Sorurtheile burchauinachen hat; 
aber Seiben ift eS ßrnft, unb barum wirb auch bei 
©eiben von beut ©errtt biefer lautere ©cift ihres 
©ertraucnS anerfannt unb ihr ©laube bleibt nid)t 
ohne Srfolß. 

®. 29. 9(13halb, nämlid) alS fie fold)em ftar- 
fern ©tauben ßcmähatuh hanbeltcn. ® er Sr uns 
neu ihrcS ©IntS, weil baSfelbe fo reitfjitch, 
wie eine uitabläffiß ftrömenbe Quelle floh; biefer 
ftarfe SluSbrucf toll bie plöfeüdje ©eiluitß ber bisher 
alS unheilbar ßcltenben Äranfeit nod) mehr alS ein 
SBunber heroorheben, wobei fte auch fofort bie leib- 
liehe Smpftnbunß einer augenblufücheu unb x>ott= 
ftänbiacn ©enefttna hatte. 

®. 30. $ie Ära ft n. f. w. laß iebenfallS 
nicht in bem Älcib alS einer 8lrt fiitnlicher ©er- 
mittlmiß ober extern materiellen unb medjanifchen 
fieiter ber ©eiluitß, ebenfo meniß war eS bie blohe 
äu&ere förderliche © e r ü h r u n ß, welches bie fcfetcrc 
bewirfte, beim cS berührten ihn ia in bem ©e- 
bränße fo Siele, unb barunter wohl auch 9Kand)e, 
bie an ähnlichen ßeheimen Schmerlen unb ffraitf- 
beiten litten, unb würben bod) nicht ßefunb; fon- 
bern baS © i n ft r 6 nt e n ber hcilcnbeit Äraft ift 
einaiß unb allein vermittelt Durd) ben ©lau- 
beit, ber ben ßefeteren fehlte, baher fie auch lebiß- 
lieh feine ©irfuitß emdfanbett, ihrSluSftrömen aber 
bitrd) einen biefer ©latibenSemdfänßlidtfeit ent- 
fdredjenbeit unb entßeacn fontmenben ©illenS- 
a f1 S h r i ft i: cS ßeht oon ihm nicht uitwillfür- 
lieh, b. h. auf retit natürlichem ©eae, ohne bah 
er’S will unb tucift, eine übernatürliche, ßleichfam 
aauberifche ffiuuberfraft auS, fonbcrit vielmehr nur 
ßerabe bann uub fo, wann unb wie er eS will, 
uub er will eS überall unb immer nur ba ttnb bann, 
wo er, fo oft unb fo laitß er ein oertrattenSooileS 
©erlattßcit nach ©ilfe unb ©offen auf ©ilfe finbet, 
b. h. eben ben ©lauben, menißftenS ben Sin- 
faitß bcrfelbeu aewahr wirb; biefer aber finbet bann 
auch wirflich ©emähruitß. 81 n ihm fclbft ift 
wohl wörtlich au nehmen (ßana wie ©. 29 bei bem 
©eibe) = fo bah er eine forderliche (Sindfinbuitß 
baooit hatte; 8litbere faffen eS mehr bloS ßeiftiß = 
tu ihm felbft, in feinem 3uiterit (wie wohl 
auch Suf. 8, 46) oerntöße fciiteS höheren, übeutatür- 
liehen ©iffeitS, fraft beffeit er mit unfehlbarer ©c- 
toihheit unb Sicherheit ber ©?cn}tften ßeheimfte ©e- 
baitfett bnrehfehaute, oeral. Äad. 2, 8; 3oh. 2, 25. 
Sr hatte alfo in iebem 5?all eittweber ein beftimm- 
teS leibliches ©efühl, ober hoch ein untrüßlicheä in= 
ttereS fflewuhtfein, nicht bloS oon ber ßefdjeheiten 


Serührnuß felbft, fonbern auch von ber ihr au 
©runbe ließenbeit 8lbfid)t unb ©eraenSftellunß unb 
| her in ftolße ber lefetcren Daburd) erreiri)tcn ©ir- 
funß; eS ift fein utt bemühter, bloS natürs 
I lid)er ©ovßaitß, fonbern'ihm felber wohl be- 
muht, bah er bie ©eilfraft mittheilt unb 
wirf)am werben l ä h t. ®arauS, bah SWatthäuS 
in feinem abfüqenbeu ©eridjt (5fao. 9, 20 ff.) biefe 
,,Äraft w nicht be)onber3 erwähnt, ift nid>t au fd)Ues 
heit, bah 3e)u3 ettoa auch hier blo3 burch ein 
SBort, etwa wie ba§ nachher (3)fatth. 9, 29) er¬ 
wähnte, bie ©eilmiß oollbrad)t habe, unb ebenfo- 
weniß gcfchieht biefe erft burch ba$ fvatcr berichtete 
ffiort S. 34 (oerßl. 3)Jatth. 9, 22), ba3 aiwbrücf- 
Itch al3 ent erft it a cf) ber bereit^ oedaoaenen ©ei- 
luitfl ßeforod)eneS beaeichnet wirb, ©er hat 
in i d)? u. f. w. Sr will bie Sache uiri>t im Un= 
ßewiffen ttnb Serborßencit laffen, fonbern aunt 
Seelenheil beS SßeibeS felbft, ber 3üiißer unb bet 
Umftchenben nod) toeiter oerwerthen unb Daher 
offenfunbiß machen; bie 3rntße fchlieht weber einen 
nKaitßcl an ©iffen, nod) an ©ahxhaftißfeit (alS 
bloße Schciitfraße) in fid). 8ll(erbinßS toeih er noch 
nicht, oon wem bie Serühruitß auSßinß, fonbern 
bloS, bah eine fold)e ftattßefunben habe, unb awar 
mit ber 8lbfid)t tiitb bem Srfolß ber ©ilfe, alfo eine 
© l a u b e n S berührmtß, bicS offenbart ihm fein 
aöttlid) - orodhetifdter ©lief, womit er bie ©eraett 
burchfdjaut, unb tun nun nid)t bie 9)?einuuß auf= 
fpmuten au laffen, bah <tud) fdwit iebe bloS ätiher- 
liihe uub aufälliße, ia bei bem ©ebräiiße ßana utt= 
oernteiblid)e förperli^e Serühruttß auch fofort mit 
iraenb toclchcr ßehcimnihoolleit jjaubermadit ©ilfe 
fchaffeit, ruht er nicht, bis baS ©eib offen heroor- 
tritt unb fid) au erfeuiten ßiebt: für rein tuettfchliche 
®utße ift fein ©iffeit auch nur menfchltch be- 
fchränft, für innerlidje Soraäitße fittlid)er 8lrt ba= 
ßeßeit ein unmittelbar ßewiffeS ßöttlidjeS ttnb »ro= 
Obetifd)-erleud)teteS. 

®. 31. ® t e 3 fi n ß e r, nach 8uf. 8,45 in ihrem 
Stauten ^ctruS aIS ©ortführer. 

®. 33. S a h f t ch u m (unb awar nad) Srtoibe- 
ruttß biefer ©eßcnrebe, oerßl. guf. 8, 46) thcilS aut 
görberuuß beS eißeneit ©laubenS biefer ftrau, ba§ 
fte in ihm ®eit erfeitnen foll, beut fie uid)t oer= 
borßett bleiben tarnt, tiitb fid) foäter feinen ®or= 
wurf machen muh, alS habe fie unerfannt ttnb 
heimlich ihm bie ©eiluitß entwenbet, namentlich 
aber, bamit fie erfeuiten lerne, toie niefit i hr bloheS 
berühren, fonbern fein ©ille ihr ßeholfen habe, 
theilS aber and), um fie, toie oon ihrer ftranfheit 
felbft, fo nun and) oon ber fvanfhaften Sdteu ttnb 
Surefit ihrer Sdntdffcrnbeit unb Sdtattt au befreien, 
bie fie bisher abßehalten hat, offen mit ihrer 9?cth 
oor ihn au fontmenl ©aS ihr o o r ber ©eiluitß au 
frhwer war, baS ocrlanßt er iefet it a d) bevfelbett bet 
aller aartett Schonung bod) um fo beftimmter: ft^ 
au übcrwiitben unb mit einem freimüthißen Se- 
fcitntniß ihre3 ©laubenS fiervor^utreten, beim 9?ie- 
ntanb, ber bie ©eilfraft Shvifti an fid) erfahren hat, 
foll unb barf fid) unbemerft foatifaßcn burd)’S ®e- 
bränße ber ffielt hinfd)letefien, fonbern foll, fo 
febwer eS ihn and) bünfeit maß, and) oor ber ©eit 
ihn alS feinen ©etlaitb befenneit. 

®. 33. g ü r ch t e t e f t ch, theilS befd)ämt über 
bte 8lvt threrÄranfheit, theilS beiinruhißt bitrd) baS 
Schulbßefübl alS ßefefeli^ unrein ftdj unter baS 


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- )OgI( 



SonntagfdjuUffWionm. 


161 


Seif ßemifdjt, ja foßar beit ©errn felbft berührt ha* 
ben. ‘Senn fie iu u§te f ba§ fic bie von feinem 
Sfafl tmb 9©ort gefugte fei, unb änßftete fiel) viel 2 
leicht, fic habe feinen Unmillen erreat nnb merbe nun 
öffentlich Don ihm ßetabelt. Siel niebev, flehenb- 
um 93erflebutifl unb 3 itßleid) ihn alä ihren ©elfer 
bulbißeitb; faßte ihm alles, ohne etmaS 311 ver* 
hehlen ober 311 verbeimlidjeit, 311 entftellen, 311 ver* 
fleinern, 311 befebönißen unb 311 entfdmlbißen. ©ehr 
wrt ift hier ßan .3 befonberS auch bet ihrem meiblidjen 
SeffiM fo flau* entfpredjenbe 3 nß f bafi fie’ö nur ihm 
allein anvertraut. 

8 . 34 . Sein ®lauhe hat u. f. m. Ser©err 
beftätißt (nicht vollzieht) bamit auch öffentlich bie 
bereite geRbebeite ©eiliuiß unb seißt ihr felbft unb 
Zubern bereu mähren ©ruub. ©ehe hin (9lb* 
fchieboßrufi, berat. 1 ©am. 1,17.) 

III. $iettirtofrüeIebntt0ber Sochter (8.35—43.) 

8 . 35. ^ft aeftorben r alfo ifte£ iefet hoch 31 t 
fpät; felbft be*3 9D?eiftev8 ffommen märe umfonft unb 
betaeblich; Re bachten fid) 9cfitm etma a(3 ßcfd>icf- 
ten 9 lr 3 t, ber helfen fanit r fo (anae noch eine ©Dur 
von Sehen ba ift, bann aber nidit mehr. 

8 . 36 . Sfirchte bid) nidit, al3 märe nun 
9(l(e*3 vorbei unb berloren; ber Sater mirb bon ber 
Xrauerfcotfchnft betrübt, bähet tröftet er ihn: 
Qlaube nur = fahre fort 311 a ln üben mie 
bisher, and) menn bu feine ©offnuna mehr f i e h ft. 
2Bei(5briftu3 bei all feinem Shun f i ttl id)e 3 weife 
verfolgt, fo forbert er bafür and) ©ebiitaunaen unb 
SoraibSfefeungen fi ttl ich er 9lrt. ©initmie©ebr. 
15, 35. 

8 . 37. <Betr 11 ?tafobn§ unb Johannes 
finb bie brei SiebliußSiüuaer, beneit er erft bor .IFur* 
;em (beral. 3, 16,17) bor allen anberen 9(po* 
ftelu befonbere Sfamen gegeben unb bie er halb 
barauf unb and) fbäter noch mit befonberem 93er= 
trauen aeehrt hat. (93era(. 9, 2. 14, 33.) 

8 . 38 . ^n ba8 ©au 3, sunädift in bie ©alle 
ober ben 93orberraum, mo bie Seidien aemöhitlid) 
aufbemahrt mürben; b a 3 © e t ü in in e l ber 5?(age* 
meiber unb ber Seibtraaenben hebt 3Rarfu$ mieber 
befonberS hervor mit 93etoitiiuß be3 eintöitia Sär* 
menben unb Seiernben ihres JMageßefangS. 

8 . 39 . 2B a 3 t it in m e 11 i h r == meint ihr viel* 
leidit bamit bie lobte mieber in’3 Sehen jurftefrufen 
\\\ fönnen, ober mähnt ihr, e$ gebe fc6on 311 m ©rabe, 
bafi ihr bereite mit Seiibcitgcfang unb SEobtenflage, 
mit ©rabliebcr unb Xraucrmuftf beginnen bürftet? 
Soubern lebt; bafi Re mirflich geftorben, 
nicht etiva bto§ f ch e i it 1 0 b t mar, obmohl er bilb* 
lieh ben SCob nur a(3 ©djlaf fce3eicfinet, bemeift gain 
ftcher ber Umftanb, bafi er baäfelbc auch von bem 
Hon mirflich geftorbenen, ja bereits bearabenen 
SajaruS faat (3oh. 11» 11.) 33i(l man ben 9tu§* 
bnicf „Sdjlaf" mörtlich nehmen, fobürfteman 
auch bann noch nicht an einen ©dieintob, fonbern 
eben an einen mirflithen, eiaentlicheu ©cblafben* 
fen; aerabe 0011 cinfin ©cheintobten hätte ein blofier 
©rofiforecher aefaat: Rc fdiläft nicht, fonbern ift tobt, 
ber SebenSfnrft faßt aber aerabe umgefehrt, beim in 
feinen Äugen mar Re fthon in biefem Slngenblicf 
eine Sebenbe, obmohl leiblich nod) 001 t ber SRacbt 
bä lobeS aefeffelt. 93om chriftlidien ©tanbvunft 
anS ift ber leibliche lob überbau»! nur ein ©dilaf, 
b. b. ber bitnfle SurchaaitaSpunft 311 neuem hellem 
Sehen, ein blofier Uebergang, nicht ba$ Snbe, fou* 


bern ber 9lnfang bcS rechten mähren SebenS. Sah 
hierher £ob mirflidieingetreten, be 3 euat auch baS 
be 3 eidmeube ffiort Suf. 8, 55, monach ihr©eift 
mirflid) fdion vom Seihe aefchieben oemefen fein 
muhte. W\t ber (Srmerfung beS Sajarnä hat uiifere 
©efd)id)te auch fonft viel Äehnlichfeit: 93eibemal 
3 Ößert ber ©err, ehe er hilft, unb lagt ben Traufen, 
311 bem er ßerufeit mirb, erft fterben, bamit feine 
©ilfe befto henlidier merbe alS eine blofje ©eiluna, 
unb beibemal flieht er eine nur bunftc 9Serhei6mifl 
feiner 9?ettnnß 31 m 5?rüfuiifl unb ©tärfunfl beS 
©laubenS ber Slnaehöriflen. 93erlachten ihn, 
meil Re meinten, er rebe vom leiblichen ©chlaf unb 
tröfte ober täufdie vielmehr fid) felbft unb Slnbere mit 
falfdjen ©offnunaen. (93erfll. fiuf. 8, 53.) 

8.40. irieb fie auS mit febarfem 93efehl; 
bie 9lmvefenben mareit 3ciiflen aenua, meiterer 
tauf blofier ^eiiflicr hätte nur aeftört. 6r tritt hier 
aaii 3 auf a(3 ©err; aebieterifd) fraßt er, marum man 
fo meine unb flaae, aebieterifd) jaat erbieGJaffer 
bavon, aebieterifch ruft er bie Stobte in’S Sehen. 
© i n a hinein auf ben ©oller. (9Serfll. 9t»afch. 
9, 37. 39.) 

8. 41. SC h a l i t a f u in i ift aramäifch, mie Reh 
folche Oriainalmorte Ghriftf in ber acmöhnlidien 
SanbcS', 93olf3? unb 93erfehr3fprache befonberS 
häuRabei WarfuS finben (3, 17. 7, 11. 34. 14, 
36. 15, 34). Sei ber ©anb; mit feiner leben* 
biaen ©anb ihre tobte faffenb, ivie fie and) iefet 
no.h unfer tobteS ©er 3 erflreifen mufi. 

8. 42. 9113 b a l b ft a n b, auch hier eine außen* 
bliefliebe unb vollftänbiac 9iücffehr iu’S Sehen, u 11 b 
ma 11 b e l te alS unmiberf»red)licher SChatbemeiS, ivie 
oben .^a». 1, 31. 

8. 43. 9Serbot ihnen hart, um aller voret- 
lißen, übertriebenen unb ftcifd)lichen 9Weffia3jd))vät* 
merei vorrubeuflen, ivährcnb er 3 . 33. nie verbog 
feine Sehre 311 verbreiten. Sie 28ieberbelebuna 
felbft mar offenftinbiae SChatfad)e, fie fonnte iinb 
Tollte nicht verboraen bleiben, umaefehrt aber hätte 
bei einer bloficn Snvecfuiifl auS ©dieintob ober tie* 
fer Shumadit unb ©rftarruna biefer ftreiiße 95efeht 
ber 93erheimlid)ima lebialid) feinen ©inn. Bn 
effeit ßaben, m 93erfid)eriiiifl, bafi Re mirflich 
unb mahrhaftiß mieber lebe unb aans ßefunb fei, 
3 Ußleidi atiS 3 arter SVürforae für bie fofort eintreten* 
ben natürlidien ©ebürfniRc bcS erfdmvften 5finbeS. 
Bur ©rhaltuiifl unb 93emahruiiß beS auf fo mim* 
berbare SBcife neußefdieuften SebcnS feilen jefet alte 
natürlichen 1111 b aiiflemeRenen 3Kittel aiiflcmanbt 
merben; mehr als baS nöthiße thut ber ©erv feiber 
nicht, bafür läfit er and) hier mie ?|oh. lh 44anbere 
foraen; unb biefe Tollen Re nun, um iebeS über* 
RüfRflc 9(uffchcn, TWadifraßeit unb ©erebe 311 ver* 
meiben, ßleich mieber alS eine völliß ßefunbe behau* 
bellt. 

SföfofitUm. „STürd)tc bid) nid)t, ßlaube 
nur." (9lit§ 93. 36.) 

1. fürchte bid) nt di t, 

a) beiite 9?oth 31 t flaßcit (93. 21—24). 

b) 31 t ?iefit 311 fommen (93. 25—28). 

c) ihn helfen 311 laRen (93. 29—32). 

2. ©laubc nur, 

») fo finbeft bn STrieben (93. 33. 34). 

b) fo lernft bu beharren (93. 35. 36). 

c) fo fchauR bu ©otteS ©errlichfeit (®. 37 
biS 43). 


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m 


Sdjult nub (frjitlfung. 


Sdjttle und 


$ 0 ttttta 0 fdjttlett iit Jnbieß. SBo ba§ SBort 
©otteS lauter unb rein gelehrt unb geprebigt nrirb f 
ba entftcficu and) ©omitagfdjuleu. ©o ftitben 
mir benn in allen ©eibenläuberit, wo fDüfftonare | 
thätig iinbf neben ben SBaifeitfchuleit auch ©onn* 
tagSfdjuleit. ©liefen mir nach 3nbien, faft auf 
jeber äMifftouSftatioit ftnben mir fie, meint auch oft, 
te nach bem Umfang ber ©emeinbe, nur evft ber 
Anfang baoon ba iit. SRan barf aber nid)t beit 
SRagftab, ben man ooit Gitglaitb unb Slinerifa mit/ 
bringt, an bie ©onntagfdjule ber 3)?ifftoit^ftatic^ 
neu legen. Jn allen aber nitb in iebev finb 3 eid)cn 
beS SfortjchrittS, mofur mir ©ott bauten unb ißiith 
faffen. Jn Salfntta, ©?abraS, ©ontbap, 'Sllaßa- 
bab, ©eitareS, ötufnom, Sabor# 9lgrah* ‘Delhi u. a. 
finbeii mir ©onntagfchulen, bie fcboit etmaS oon 
beut heimathlidjen Älaitg unb ©epväge an ficb 
tragen. * 

Sine ber beftcit mirb ooit beit amerifaitifdjeit 3)?c* 
tbobiften in Salfntta geleitet, auch biebercuglifdiest 
©aptifteit finb üicloerfprccbeub, obgleid) mir boeb 
auch bei biefeit ben ©iiffionSib.uafter, baS betfit baS 
©eftreben ftd) auSjubebneit unb ftrentbe herein 3:1 
sieben, tn etmaS oenniffen. ©ie merbeit noch nicht 
Sernftebcitbc an, treiben nid)t oormärtS, bringen 
itidjt ein in bie fie umgebenbe Srinfternih, mie fie 
thun füllten. © 01 t ieber fDliifionSftation ntib ieber 
©d)itle attS folUe noch oiel mehr gefebeben, bie grobe 
9Q?enge ber Unmiffenbeit, ber ©finbe biettenben 
ÜKcnfdjeit 311 beeiitfluffen. ffain man ficb eine 
tfivdje, eine ©oitntagfcbule lebeitbig unb träftig 
beitfen, bie nur für ftd) felber forgt, unb ihre Um* 
gebttitg, in bereu 9Kitte fie gefteilt iit, oernacblaffigt? 

Slin Slnfaitg biefeS JabreS mürbe eine Sonntag* 

S ulcoitoention in 9 l(abaoab abgehalten, auf meldier 
>r midftige fragen über baS ffiefeit unb iSirfeit 
berfelbeit eingebeitb befprodjeit unb ocrbanbelt mur* 
ben. 23ir ermarten beit gebrueften ©rief berfelbeit 
unb bitten baruin. SBtr hoffen bann unfern Sefern 
MhereS barüber mittbeileit 31 t föitnen. ©Jochten 
bie ftreititbe unb Arbeiter ber ©onntagfdnileit in 
ber ©eiinath recht gläubig für bieS neue unb gro§e, 
hoch lehr uitaufgebrochene 5 ?elb beten. 

Sind) bie hunbertjäbrige Jubelfeier ber Sonntag* 
fchule lourbe bttreh geeignete ©otteSbieuftc unb 
9 lnfprad)eit an ben oerfcbiebeneit Orten burd) gam 
Jitbien mitgefeiert. Jit Gulfutta oerfammclten fidi 1 
bnjit alle ©ontagfchulen ber englifch * bifdv'flidwt 
ffirdie, unb auch bie ber auberit firchlid)en ©enteilt 2 
fchaften blieben nicht surfuf. 

2BaS bie ©onntagfchul-Siteratur in Jitbien an* 
langt, fo ift für biefeS JBerf in ber ©pvache ber Gin* 
geborenen noch febr menig getbait. ©ier ift ein 
grofee 8 üielüerfprecbeubeS Selb. Jit ber englifcbeit 
Sprache haben mir einige meitige gute ©lieber oon 
auSlänbifcheii ©Jiffionareit unb auch oon eininnen 
©rebigern gcfchriebeit. Die Draftatgefellfdiaft für 
Salfntta giebt ein illuftrtrteS monatliches Slatt für 
ffinber heraus*. Jobiriuean (geuerfliege), baS eine 
riemlidje ©erbreitung gefunben hat, auch ftnb auf 


<Sr,iel,und. 


menigeit ©JiffionSftationen fchott Änfänge einer 
©onntagfebul* ©ibliotbef gemacht morben. Jn 
©übiitbieu unb Geplou finb fie febon benen tut 
©orben oorauS. 3n £inepeüi (Sübiubieit) haben 
fie im vergangenen Jahre baS bunbertiährige Jubel* 
feft ber Sinfübvung beS GhriftenthiiinS gefeiert. 

(©. ©. Srcuitb.) 

0omttagfd)itIrn in Ungarn. Sluch in biefem 
Saitbe befteben bereits einige ©oti 11 tagf drillen nad^ 
amerifanifebent ©Jufter. ©0 befteben ©onittag* 
fdiuleit in ©eftb, ©eupefth* filaufeiiburg, ftronftabt 
unb ©erinannftabt. Jn ©efth felbft sählt bte 
©onntagfcbule bereits 13 fiehrfräfte. Der Sifer 
ber Äiuber fei in Sßeupefth ein febr lobenSmertber. 
Da bie bortigen ©onntagfduilfinber im ©efuch ber 
©olfSfcbulc fid) burd) ihr ©etragen fehr portheilhaft 
auS 3 eidmen, and) iit ber biblifdien ©efdücbte oiel 
beffer ©efdjeib nüffeit, alS bie Äiuber, melchebte 
©ountagfebute nicht befudien, fo hat ber©riefter 
nid)t3 mehr gegen ben ©efuch 001 t ©eiten ber Ätn* 
ber ciii 3 umenbeu; er hat ihnen pielmehr betreiben 
geftattet, mcitn auch mit ber Grmahnung, bah fie 
«ibveS tatbolifdjeit ©laubenS babei nicht oergeffett 
füllten." 

förldj’ einen ©lidf eröffnet tut! bie 0onntag* 
fthnle in ba# £talf#(eben! ®ie manuigfadiften 
Grfahrungen bringt man üott ben ©cfiidien bei beit 
eitern ber Äiuber heim. Schmer unb Sreube, 
S)2itleib uttb ©erbruh bemegen abmedifelnb baS 
&er 3 ; bod) bleibt ber ©runbton meiner Srlebniffe 
ftetS baS SBort ber Älage: ^ilf, .^err, bie ©eiligen 
haben abgcitontmcn unb ber ©laubigen ift menig 
unter beu 9Dieiifd)enfinbern. ©falm 12 , 2 . ©laube 
mtb ©i'ttce> SBort fdieineit mehr tmb mehr atiS tut* 
fevein ©elf 311 fdmnnbcn. 2 Bie nbthig, in ben 
ft'inbeut mieber aufbaucn helfen, maS bie lofe Sehre 
in ben 9 llten gertrünnuevt hat! ©err hilf! tmb fegne 
unfer fdimacheS SGScrf 311 Deines 9?amenS Ghre ! 

(©. ©. SWagarin*) 

$a# ©rf#l#tfH*Sr 3 älileit. SBermüfttenidit, mie 
oft ©ater, ober 3)?uttcv, ober bie „©aticdniftel" fchon 
ooit bem brei-, pictiährigcn fiiube angegangen 
merbeit, ihm eine ©efcbidite 3 ti erzählen. 5Ö?it bem 
fünften ober gar fed)Sten VebenSiahve bcSftittbeS 
loirb bicfeS Drängen ttadt einer ©efdudite bett 
Gltern oft föriitlid) 31 t einer „©läge." „ffljo foll ich 
nur immer bie ©efdiiditen hernchmcn!" flagt ba 
manche SRuttcr ober ©rogmuttcr. Jd) felbft habe 
alS fleiner 3»nge meinen guttn ©atet alle jlbenbe 
noch im ©ette gepeinigt, nur hoch eine ©efchicbic 3 tt 
enählen, fo bafi er mir fpäter oerfid erte, er fei oft 
! beinahe mit einer gemiffen ©eforgitig mögen be^ 
©cfd)id)tSftoffeS 31 t ©ette gegangen. GS fet mir 
| inbeh aud> burcbauS nicht langmeiitg geioefeit, metttt 
! er mir eine ©efd)id)te,bieerntirfdmn fed'Sntal erzählt 
I hatte, 311 m fiebenteit 9)2ale oorgeführt habe. O fft§e, 
I felige 3 eit, ba man bie ©eine ansieht unb ben ffopf 


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Sdjulf unb (frjieljung. 


163 


unter bet ®etfe beroorftreeft, um ben Heben üDtörchen 
au3 bem äHunbe be3 4Sater3 ober ber SMutter 511 
latifcheu! 

63 flieht für bie fleinen ftittber flar feinen höheren 
geiftigen ©enufj, al3 ©e(d»id)ten aithören. Unb 
wabrlid», faum famt ein ©laubiger jo anbädjtig in 
ber ftird»e fifeen, al3 bie Heineren ftinber um bie 
crjablenbe ©ro&mutter ber. 

©obalb nun biejer finblidjc ®raitg nad) ©efcbidj= 
teil nicht in eine gewiffe „Sud»t" au3artct, unb fo= 
halb ber ©raählftoff nad» oernünftigen 9iütffid)ten 
gewählt wirb , finbe icb in ber ©efriebigung jene3 
1 J)ranfle'S nid»t nur burchau3 nid»t3 s 3ebenflid)e3, 
fonbern betradjte biejelbe joflar al3 eine Pflicht be3 
6raieber3. 

3ene 8iebling3neigiinß brinflt nun and) ba3ftinb 
mit in bie ©chule, ja e3 tritt wohl flar mit ber ©off= 
rnnifl in biejelbe, ba§ fein ©ejd)id)tenbegehr hier erft 
recht aejättiflt werben werbe; e3 heilt ben Sehrer für 
ben 9Wann, ber burcfeau3 viel ©ejebiebten wiffen unb 
etaähleu müjje. 

®a3 aber, lieber Sretinb, haben mir wohl ju be= 
achten. • 3ener Surft ber ftleiuett nach ©efd»icbten 
ift Shatiacbc unb fdjeint mir beinahe ein feelijche3 
iRaturgejefe au fein, unb be3halb müffeu mir burefc 
au3 ba3 ©efd)id)tenersäblen in unfer Programm 
mit aufnebnten. 63 mu§ be3l»alb nid)t etwa alle 
Jage eine ©efdjidjte enahlt fein, eine ganac SBodje 
aber oorübergehen au laffen, ohne jenem Verlangen 
Secbnuug 511 traflen, büntt mir nicht päbagogijd) 
flebanbclt. 

9ßadj meinen Grfahrungen bat ba3 ©efcbichten- 
eriäblen mancherlei ©egen: 

1 ) ©3 bereitet ben ffinberu eine nn= 
f cb 111 b i fle ftr e 11 b e. Sie ftinber aappeln, menit 
icb ihnen anffutbige, ba§ ich ihnen iefet eine ©e^ 
febiebte erzählen mollc, ein leije3 „Gi" gebt burd) bie 
Saufe, bie unb ba höre unb fehe ich and) wohl ein 
oergtutgle3 ©äubcflatfchen. Sa3 aber muff für un3 
8 ehrer berftleinftcu ein ßauptaugenmerf mit bleiben, 
uuferen ftleinen ben Aufenthalt in ber ©d»ule fo 
angeuehm al3 möglich, ihnen biejelbe au einer lieben 
Statte m machen. 2Bie in allen ©tüden muffen 
wir aud) hierin ben ©runb legen. 2 Ber biefen 
@runb im erften 3 abre nid)t au legen oerftanben 
hätte, mürbe oicl ocrabjäumt haben. 

2 ) 63 eracuflt Siebe aum Sehrer. Sie3 
folgt fcbuurftraf3 au3 bem 6 rfteu. Sa3 ftuib ge= 
»iunt ben lieb, ber ihm jumeilen eine^reube macht. 
Unb fo tragen auch biejc fleinen ©c»d»id)teu baju 
bei, ba3 ©era ber kleinen bem Sehrer auauwenben. 
Sie feben eben, ba& er ihnen eine Sreube macbeu 
will, unb ba3 genügt ben kleinen, ihm gut au fein. 

3) 63 gewohnt fie an Auf in er Harn? 
feit. SBenn mau bei anberen Unterrid»t3gegen= 
»tauben etwa erft fagen ntu§: „@eib ftill! Örbnct 
Ifuch ! Seht mich an !" u. f. w. £ bei bem ©cfd)idj= 
tenerjählen ift baS gewifj nicht notbig. 2Benigfteu3 
habe ich ßet 3 bie 6 rfabruug gemacht, ba§, fobalb 
ic 6 ihnen eine ©efd»id»te anfünbigte, fie ba3 Alle3 
iofort ooit felhft tbnteu. 2Bie bie 3Käu3cbett fifeen 
fie unb (aiifcheit. ©icbt’3 nun oollenb3 einmal 
etiwi3 @pannenbe3 ober etwa3 ®ru3lidK3 in ber 
ÖeWichte, wie fie ba alle wie oerfteinert fifeen! SQBie 


fie ba mit feinem ©liebe au sudeit magen! 9Bie ba 
biefc bunbert frifd)c»t klugen leuchten unb ftarr auf 
bie Cippcu be3 Lehrers geriefttet fiub! ®a ift Äuf' 
merffamfeit im oollften unb bbd)ften ©inne be3 
s 2Borte3 oorbanben. SDBicberbolung aber führt aur 
©emöbnung. 

4) 63 erweitert ben Ärei3 ihrer ?(n s 
f cba 1111 n g. ©ana natürlich, beim jebe foldje 6 r= 
äblung, unb märe fie noch fo fintpet unb nod) fo 
ura, bat ihre beftimmte Dertlidjfeit, ihre beftinuute 

Situation, ihren beftimmten ßbarafter 11 . bgl. 
£eiu Unterrid)t3ftoff aber fifet fo leidjt unb jo feft in 
ben kleinen, al3 fold)e ©cfdnchten. ©inb nun 
biefelben nad» beftiinuitcn $rinsipieu gemäblt, fo 
muffen fie fd»on an fid» bilbenb mirfen, auBerbem 
aber gemäbven fie bem Cchrer unb bem Äiinbe einen 
groben 9$ortbeil beaüglich be3 9teligion3unterrid)t3. 
hierbei famt man jene ©efebiebten aitaieben unb 
bie Äinber auf biefelben oerweifen, »ooburd» biefer 
Unterridjt nid»t nur aivSehen gewinnt, fonbern auch 
Surdj jenen bereit3 mitgetbeiltcn ©toff wefentUch 
erleichtert wirb. 3ft e3 hoch eben mein SBuufch, 
bab ber ganae 9teligiou3unterricbt ber kleinen oiel- 
fach int 6 raäblen biblifcher ©efchten unb in erfprieb= 
lieber ©etrad)tung geeigneter profaner ©efebiebten 
befteben möge. 

5) 63 übt ba3 ©ebächtnib unb bie 
©prad»fertigfeit. 9Man wirb unb barf fidj 
naiürlid) nie bamit begnügen, begleichen ®ejd)ich= 
teil blo3 felbft au eraablett, man mufe and» baratif 
halten, bab ftc gemerft werben, unb baau bient, bab 
man fid» bie ©ejebiebte ooti ben ft leinen wicbereraäb= 
len labt, fo gut e3 ihnen möglich ift. ®ie3 ift fo= 
wohl bei biblifd»en, al3 bei anberen ©efdjichien 
möglid», unb man wirb faum glauben, welche 
äBenge biblifd»cr Sbatfad»en burd» fold»c3 6 raäblen 
unb 9?ad):Graäblen man au eigen erhalt, fall3 man 
nicht Grfabruug barin gemad»t bat. Sveilidj mu§ 
9(lle3 für bie ft leinen augerid»tet loerbeit, fo bab fie 
e 3 leidjt erfaffen. 2Ba3 fie aber erfabt haben, ba3 
tönneu fie aud» wicbereraäblen unb behalten. 

63 oerfteht ficb wohl oou felbft, bab man fich 
nid»t blo3 immer bic aulefet cr.aäblten ©efchichtcu 
wieberevaählen labt, fonbern aud» bann unb wann 
aufieht, ob bie früheren noch oorbanben finb. 


SRimgrl an ©ilbnng. 6 ine menfcblicbe Seele 
ohne Silbuug gleid»t einem ^armorblocf im ©tein= 
brud», oon betfen ©d»önheit man nid»t3 gewahr 
wirb, ehe bie ftunft be3 3iilbhaucr3 ihm bie rechte 
Srornt unb ben ©lana ber Oberfläd)e gegeben unb 
mit gefd)irftcr ©anb jebe ©d»attiniug, Färbung unb 
Siuie benufet hat, bie ftd» burch benfelben hinaieht, 
um bamit feinem SBerfe einen neuen 9ieia a» o« s 
leihen. 

Sfearatter. Gharafter ift ba3 au3 ben Verhält* 
niffen aller Gigcnfchaften cinc3 3Kenfchen ober ©er= 
fe 3 u. f. w. unb burch ihre einmal gefefete unb gege= 
bene Bufammenftellung nothwenbige s J?efultat in 
ber ©anblung3weije, Grfdicinung u. f. w.; mich 
bünft nid»t3 attberc3 ift Gharafter im weiteften afc 
gemeinften ©inne be3 SBorte3. 


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164 


Um Somin. 


Jim Hamitt. 


Giftttbohttbatt. ßS ift Berechnet worben, baß eS 
auf bet ßrbe gmifdien 3*veibunbert Xaufenb unb 
3meibuitbert fünfunbgmangig Xaufenb SReileit ßi* 
fenbahneit giebt, von beueit etma ©unberttaufenb 
SBeilen auf bie Sereinigten Staaten fontmen. 3m 
3ahre 1881 finb übet fecbS Xaufeub Steilen ®eleife 
gelegt worben, gegen fünf Xaufcnb teilen im 
3ahre 1880. Oie Öeute, butcb biefe großen 3ablen 
überrafebt, fräsen ficb natütlicb: 3®itb bie ©adie 
mebt übertrieben? ©tebt nicht ein auberer „Sfracb" 
binnen Äurgem bevor? Sielleicbt märe ein folcber 
gu befürchten, meint nicht ber Qro§te Stbeil beS 
ßifenöabnbaue3 int Sßcfteit ftattfänbe, mo bie 
ßonftruftion meniser foftfpielig ift al3 im Often, 
unb mo baS SBegeredit uteiften3 unentseltlicb er= 
tbeitt mirb. ßS ift intereffaut, bie freunblid)e ßon= 
curreitg gu beobachten, mittelft meicber bie nroßen 
burebgehenben ßinieii ftcb beftreben, bie ßontrote 
über baS 8anb mcftlicb vom SRiffouri gu ertansen. 
2)iefeS Stivalifiren beutet an, baß mir innevbatb 
eines halben Oufecnb 3ahveit vielleicht ebeitfo viete 
©cf)ieitenftränse bi3 gum ftittc«'3)?eere haben. Un= 
beftreitbar ift eS, baß Vie weltlichen ßifenbahneit 
ui Setreff coulanter Slufinerffamfcit, bequemer 
SBaggonS, ßiitricbtunsen für baS ©peifen ber SReu 
feitben u. f. m., melcbe bie öftlicben ßiieitbahnen bei 
SBeitein übertreffen. Stuf ber ßbicago unb Stortfc 
tveftern Sahn g. S. ift ba3 Steifen ein Sergitügen, 
ftatt eine Sefcbmerbe, ber Saffagier mag ftcb Pon 
ßhicaso nach SRarquctte, ©t. Saut, Omaha, ober 
beut nörbticben 3owa besehen. 2Bir fönnten noch 
attbere ivcftlicbe Sahnen anfübreit, bereit ßeitung 
unb ßiitricbtunsen bett öftlicben aI3 SRufter bienen 
möseit gum Sortbeil beS reifeitben SublifumS. 

»ogu ein SBcUmann eine ®iW Fanfte. ®er 

SRinifter SRaria SberefiaS, ber alS großer ©taatS= 
manu fo berühmte ftürft ftauitife, ber freilich 
fcboit mit feiner irbifct>eit Solitif Sanferott machte, 
in ber himiitlifcbeit aber fo meniq gu ©aufe mar, 
ba§ er fein Sehen laus bie größte JobeSangft hatte, 
erhielt einen präcbtiseit Araber, ein Stob ttäntlicb, 
gum ©efdjenf unb hatte baran eine faft fiitbiftbe 
Sreube. Sentaitb machte ihn aufmerrfam barauf, 
baß bereits bie Sibel eine präebtise Scfcbreibuns 
foldi etiteS ebleit JhiereS enthalte (.©iob 39, 19-25); 
allein man foitnte fie nicht itarf)fd>lafgcit, beim — 
ber flrofgc Staatsmann befaß feine Sibel. 
6S marb ihm bieS aber ber ©runb, fiel) fofort e i it e 
g,u fa ufeit. — Seiber berichtet bie ©efebuhte nicht 
meitcr, bab er auch auber teuer Sefchreibutts baritt 
selefctt habe. 

©ott ber ©err sehe unS aber — ober erhalte tmS 
in ©itabeit — Staatsmänner, melcbe eine Sibel 
haben unb auch br a u cb e it. 

RttHifdjt Shri^toörter. ®ie ©pricbmörter eines 
SolfeS seftatten vielfach intereffantc ßinblitfe in bie 
qeiftige ßtitwicflung unb bett ßbarafter beSfelbeit. 
©öcbft eisenartig unb tvenig betannt finb bie ruf= 


ftfcbcit epricbmörter, von benen mir hier einige ber 
marfanteßen folgen laffen: „SRan lobt bie 3Bahr= 
beit unb labet bie Süge gu ©aft." — „3ebeS 2:alg= 
liebt hält fiel) für eine ©tearinferge." — „SRit einem 

E ftlberneu Stüber fährt man auch glüdlicb über bie 
alle beS ® niper."— „fflimpere auf einer golbenen 
arfe, tutb bu mirft taufenb Zuhörer haben, bie 
alle betn ©piel vortrefflid) finken." — „SRit einer 
geftoblenen Slinte faittt man auch fcbießeit." — 
„3jt einem ©olb = 9tubel liegt viel Ueberrebung."— 
„®enn bu betn ©taroften neun SEBürfte giebft unb 
behältft eine im Staucbfange, fo haft bu ihm feine 
gegeben." — „Stiebt ieber »ifcb ift ein ©tör. — 
„SBenn baS SReffer nur ein wenig lang ift, gäblt 
man ef leicht gu ben©äheln." — „ßS ift nidit ieber 
ein SRatrofe, ber in ftronßabt wohnt." — „ßS 
trägt Staucher baS blaue Sanb um bie Stuft, ber 
bie ©d)leife um ben ©alS vevbier.t." — „ßin guter 
Kaufmann verfauft ^äringSrogen fürßaviar." — 
„®enn bev ffrämer beit ÜRunb aufguthun mei§ unb 
ber Ääufer bie Gingen, fo ift beiben geholfen." — 
w^ent SudiS hilft nicht bie Sift allein, fonbern auch 
ber3ahn." 

SBähtcrlicb. 

©ört ihr Ferrit unb laßt eudi fagen: 

Unf’re ©locf’ hat gehn gefd)lagett! 

3chn ©ebote fdiärft ©ott ein; 

Saffet mtS geborfam fein! 

©ört ihr ©errn, unb laßt euch fagen: 

Unf're ©locf bat elf gefdilagcn! 

Stur elf 3ünger blieben treu; 

©ieb, baß ja fein Slbfall fei. 

£mrt ihr ©errit, unb laßt eud) fagett: 

Unfve ©locf hat gmölf gefdilagen! 

3 m ö l f Uhr ift baS 3iel ber Seit; 

SJtenfd), bebeitf bie ßmigfeit. 

©övt ihr ©ervit, unb laßt etid) fagen: 

Unj’ve ©locf’ hat eins gefdilagen! 
ß i it S ift noth, o treuer ©ott, 

©ieb uitS einen fefgen SEob! 

©övt ihr &errn, unb laßt euch fagen: 

Unfve ßMocf hat gmei gefcblageit! 

3 mei 9Bege hat ber SWenfcb vor Reh; 

©err, ben beffern lehre mich! 

©ört ihr ©ervn, unb laßt euch fagen: 

Unf’re 65lo<f hat brei gefcblageit! 

3)ret finb’S in ber ßhriftenheit, 

©ott Sater, ©ohit unb heifger ©eiß. 

©ört ihr ©enn, unb laßt euch fagen: 

Unfre ©locf hat vier gefdilagen! 

S i e r f a cb ift baS Sttrferfelb; 

ÜRenfcb, wie ift bein ©erg beftellt? 

*uf, ermuntert eure ©innen, 

®eun eS meicht bie Stadit von hinnen: 
kaufet ©ott, ber unS bie Stacht 
©at fo väterlich bemacht. 


Digit —by c^, ?l - 




%m Jtamitt. 


165 


CHifentt Kleiber. 3 h ®nabenfrei bei ©errnbut 
(in $eütfchlanb) bat bet Zünftler unb ®la$fpinner 
9t. Sreitgel »oit ©ieit eilt ©laSgefchäft eingerid)tet, 
in welchem et Seppidje, 9Kanfchetten, Krägen, 
Schleier tc. »on ©laä »erfertigt. 6t fpiitnt uubt 
bloS, foitbern er webt aud> ©la3, unb awar fo, ba& 
eS ^eberutann feheit tarnt. 9lber bie 3itgrebienaieu, 
welche et anweitbet, um bem ©lafe bie »ollftänfcige 
Öcfcbmeifcigfeit foitftiger Braferu ju geben, ba3 ift 
fein ©cheimnife. Miittelä beffelbeit »eräubert er bie 
gante Matur be3 ©lafeS. 6r bat unter 9lnberent 
für eine S)ame in @t. SeterSburg einen weißen, 
gelodten ®la*3muff angefertigt, ber auf $30 au ftebeit 
tarnen. 9luch S)autenhüte »on ©la3 unb bie 3fe= 
bern barauf macht er. ©eine ©laSwolle labt fid) 
fajt nicht »oit ber natürlichen ©olle unterfebeiben. 
©ne merfwürbige Sefchaffenbeit biefeS ©la3= 
material^ beftebt barin, ba& e$ leichter ift aß felbft 
Sjtbent. Sliißerbcm eignet e3 [ich befonbetö jur 
Äleibung, ba e3 nicht leitenb ift. 


«Äumori/Ufthe*. 


9tit0fr: „2th, Mieier, wo baft bu ba3 Gbronto 
ber? ©,v5 toftet bemt ba3 ?" 

SBeier: „MichtS toftet eS ! 6iit Sfunb Kaffee 
hab’ ich getan ft unb ba bab’ ich e3 augefuegt !" 

üRüllet „3 ft ba3 bie 'äKSglicbfeit? 3a, wie rann 
beim ber üKanit habet ej;iftircii ? ; ' 

9Reier „Sehr gut! ©iebfte, ba3 ift fo: ®cr 
Wann, ber beit Kaffee tnablt, malt auch bie Sil- 
ber." 


Sie |aft bu t% gewacht ? 6iit 9Kamt »on ©taube 
nahm einen iungeit einfältigen Surfchen a(3 Se= 
bienten an. 

Machbcm er ihn einige Sage in feinen ©ienfteit 
gehabt batte, faitbte er einem Sreunbe auf einem 
leinen Sortellauteller etwa3 fdjöneä Obft unb biefe3 
würbe mit einem ähnlichen Seiler bebeeft. 

Sei ber Abgabe üc& ber Sebicnte beu einen Seiler 
fallen, ba§ er aerbracb. 6r tarn alfo mit bem an* 
bem Seiler jurtuf unb erjählte feinem föerrn fein 
Uuglücf. 

Siefer fchalt ihn über feine Ungefd)i<flid)feit unb 
fragte ihn babei: „9tber wie t>aft bu e3 bemt nur 
gemacht ?" 

„So !" fagte ber Sropf unb warf ben noch in 
fcänben habeitben SeUer aur ©rbe. 


K# gieht Wiele kanten, welche, wenigstens in ®e- 
fellfchaft »on Herren, fich ben tlufchein geben, a(3 
lebten fie nur »on üRon&eitfcbein unb Slüthenbuft, 
unb fiel) gcfcbmeicbclt fühlen, wenn ihnen getagt 
wirb, fie nippten »on ©peife unb Sraitf wie ein 
Sogei. ©erben fie in biefer Seaichung »on einem 
befonbcrS galanten Sifcbnacbbar gar mit einem 
Kolibri »erglicben, bann leuchtet ihr 9luge in ©toi* 
unb greubc, beim biefer poetifebe Scrgleid) betrieb 3 
net nach ihrer 91nficht beit ©ohepunft ätbevifdwr, 
alle materiellen ©euüffe »evfehmähenber ©efeit= 
haftigfeit. S)ie holbcn Koft»erädjterinnen würben 
ieboch gegen bie ©leichftellung mit ben geflügelten 
unb gefieberten Soten ber Suft energifd) proteftiren, 
wenn \\t mit ben Scbenägcwohnbeitcn ihrer Sieb- 
littgc beffer »ertraut wären. ®ie pvofaifdjeit Sor* 
fcher ber Shierwelt haben näntlicb feftgeftellt, ba§ 
biefe Sögel au ben gefvä&igfteit ©efdwpfeit ber 6rbe 
gehören, ©ohl fieht man fie nur hin unb wieber 
ein Äöritcbeit pitfeit, aber biefe jievlidieit Siffen 
fumntireit fich, ba fie fid) im Saufe beä SageS tut- 
Aäblige 2Bal mieberbolcn, \\\ ganj erftaunliehen 
SRcngeit »on Mabrungbftoff. Mad) fovgfältigen 
Seobachtungen »crfchlingt ber poetifche fiolibri täg= 
lieh fo »iel Mabriutg, al^ ba$ ©edvStcl feinet Kör¬ 
pergewichte beträgt. S)a nun eine S)ame, fei fte 
auch noch fo ätberifch jmfammengewebt, immerhin 
mit 40 Kilogramm irbifcher SRaterie behaftet tft, fo 
müüte fie, loenit fie bie S)iät eiitee Kolibri beooach s 
tet, täglich 6,ee Kilogramm fefte Mabrungbftoffe 
nippen, eine Quantität, welche felbft bie Sciftunge- 
fähigfeit eiitee profeffionellen SielfraßeS überfteigt. 
®ae ftereotppe Kolibri = Kompliment »erwanbelt 
fich foiuit bei genauer SetradUmtg in baä ©egen- 
theil einer ©cbmeicbelei mtb »erbient energifcheit 
Sroteft feitene ber bantit Sebadjten. 

Cberfi ©arre f ber über 2J?arine=31ngelcgenhciten 
ftete weitläufig tu fpred)eit pflegte, beftieg eiuft bie 
Mebnerbühne. 8orb 9?orth flüfterte feinem Mach 3 
bar tu: 

„3cbt wirb er bei ©rünbuttg nuferer flotte be= 
ginnen unb bann au ©ir $ranfi3 ®rare unb ber 
Ipanifchcit 9(rutaba übergehen. Sitte, weden ©ie 
mid>, toenn er auf uitfcre Beiten au fpreeben fommt." 

Mad) Serlauf einer ©tmtbe etwa ftieß »er Mach« 
bar beu 2Hinifter an. 

w ©o finb wir?" fragte biefer. 

„Sei ber ©dilacht »on Sa föogue, SRplorb. 11 

„?lber Sefter, ©ie haben mich ia bann um ein 
3abrbunbert au früh geweeft." 


©ft pilitifdjtr ®prerhft rief in feiner begeifterten 
Sebe gehobenen Sone§ au8: „©a§ würbe Sincoln 
fein, wenn er nicht geftorbeit wäre?" 

Sin einfacher 3Banit in ben Meibeit ber Bohörer 
anboortete laut: „Scbeitb!" Sin wahrer ©tunn 
»oit ©elächter fefete ber politifcheu Mebe für einige 
Hiigcitblide ein 3*el. 


©ne Sftiftftthftftg- rr©a$ ahnten bie alte ©rie? 
(Sen nicht, ©err Sanbtbat?" 

„®a§ faitit ich nicht wiffeit, ©err Srofeffor r 
rDaS füllten ©ie aber wiffeit! S)ie alten ©rie= 
(Sen ahnten nicht, baff eä au§er bem Sernftein noch 
anbere Stoffe gehe, bie brenaliche Oele enthalten." 


©ti ©ifihof fragte ein fleincö Kinb: „^Meiit fleU 
ner Steunb, wenn bu mir fagft, wo ®ott ifi, will 
ich bir einen Mpfel geben. „3Kciit ©err," erwiberte 
ba8 Kiitb, „loenit bu mir fagft, wo er nicht ift, will 
ich bir awei geben." 

BerfireutSeit. 6in ®elehrtcr, ber auweilen fehr 
Aerftreut war, flopftc eineS Wbenb^ au feine eigene 
Sbür. 

S)er S)ieiter, welcher ihn bei ber S)uitfelheit 
nicht erfanitte, rief ihm au : 

„T)cr fterr ©rofeffor ift nidit au föaufe." 

„@ut, bann will id> wieberfomnten," fagtebiefer 
unb lehrte gelaffeit um. 


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166 


(Jljwitih ber ®egemoort. 


OTI)ronilt ber Gegenwart 


$ä$ Refcrtyit, btt ßrlaft be3 S?6ntn^ »ott 93reufieit, 
ffaifer3 SBilbetm oon Deutfcblanb, ift fein 93er= 
faffititßSbrtidt, wie au3aefdmccn worben. 9ßa3 
man and) oom rcoubmaniRben Stanbounft au3 
barüber benfen maß — bie bteujjikbe 93erfafjuitß 
würbe bantit ttidd befchäbißt. 

^iefeB berfuhtiate ©dmftftftcf faßt: „Da3 SHecht 
be3 ff öitiß3, bie SRcßieruna unb bic Sßolitif 9ßrcuRen3 
ttadt feinem eiaenen Urtheil jit leiten, wirb bureb bie 
SScrfaffuuß befdjränft, ttidtt aitfaebobeit. Die ofn= 
cieden ©aublunßcn be3 fföttiß3 erheifdjen bie ®e= 
aenzeicbntinß eine3 SD?iitifter3 unb narben oon feinen 
SHiniftern au3ßeffthrt, aber fie bleiben offizielle 
©anblititßen be3 fföniß3, au3 beffeu ©ntfdilufi fie 
entfwußen unb ber bureb biefelben feinem SBiflen 
einen oerfaffuna3utäRtaeu S(u30rmf oerleibt, Da= 
fter ift e3 nicht ftatthaft, bie Slit3übunßbiefer©aitb= 
lunßcn al3 oou oerantwortlicben SNiniftern au3ße= 
benb, barznfteden. Die oreuRifdie 93erfaffititß ift 
ber SluSbrucf ber utouarcbifcbcn Srabitioit biefc3 
Sanbe3, helfen 6ntwicflunß auf ben lebenben 99c= 
ziehunaen feiner ffonißc nun 93olfe beruht. Diefe 
Seziehuitßcn feinten nicht auf einut SÖfinifter über- 
traßen werben, wil fie ber Sßcrfon be3 ffoitiß3 
attßehören unb ihre Sebaubtuna ift für SBteuRen 
notbwenbiß. 63 ift baber mein SBide, bafi in 
98reitfien, wie auch in ben ßcfefcßebenben ffön>er= 
fchaften be3 SHeichc3 fein Bweifel an meinem oet- 
faffunߧmäfüßcn SHccbte ober bem meiner SRachfolßer 
tfebitlbet werbe, oerfönliih bie Sßolitif ber SHeßieruuß 
Zit leiten. 63 ift bic Pflicht meiner SRiuifter, meine 
oerfaRunßSmäRtßeit SRcchte zu nnterftüben, inbem fie 
biefelben oor Sfitzweifliutß unb Dunfelheit bewahr 
ren, unb ich erwarte ba3 nämliche von affen Beam¬ 
ten, bie mir ben Srcueib aeleiftet haben. 3cb bin 
weit baoon, eine 99efd>ränfunß ber SSahlfreihcit zu 
wftnfchen, aber bie mit ber SKu?führnna meiner offt= 
jieden ©attblunaen betrauten ^Beamten finb oer= 
Odicbtet, bie Sgolitif meiner SRcßicrttitß, felbft bet 
SEBablen zu unterftützen. 3<h werbe bie ßetreuliche 
6rfülltinß biefer 9Sdidjt anerfenneit unb oou allen 
99eamteu, bie ihre3 Sretteibe3 einßebcnf Rnb, erwart 
' ten, baR fie Reh felbft bei ben STBablen aller Slßitation 
ßeßen meine SReßietuuß enthalten." 

2Bie ßefaßt — oom reoublifattifchen ©tanb&tinft 
au3 flinßt ad bie3 febr be3ootifch, aber ein SSerfaf- 
funa3bruth ift barin nicht enthalten. 

Die fereufiifcbe 93erfaffittiß fennt, fo zu faßen, nur 
btei ©ewalten: ben ffoniß unb bie beiben ©äufer 
be3 Sanbtaae3. ‘Dem ffoniß ßiebt fie ba3 freie 
SRecbt, bie STOinifter zu ernennen unb zu eutlaffen. 
©ieratt3 allein folßt, baR ber ffoniß oou dJreufien 
oödia in feinem SHecht ift, wenn er für Reh unb feinen 
SHacbfolaer bie oerfonliebe Seituna ber Sßolitif in 
Slitforuch nimmt. Denn tbatfächlich barf fein 
SRiitifter ber 9Solf3oertretmiß einen ©efefecutwurf 
oorleßeit ohne bie au3brfuflichc ®enebmiaunß be3 
ffönißS. SSRan barf eben nicht au3 bem Sltiße oer* 
liereit, bafi Sßreuften eine conftitutionede dRonartbie 
ift, eine Monarchie, bie ftch bttreh oiele ber ffrotte 
oerfaffunß3mäffiß zuftebeitbe SRechte febr wefentlidj 


oott berdRonarchietmterfcheibet, wie Re Reh z. 99. in 
6ttßlanb nach lattßen 93erfaffuitß3fätni>fen au3ae- 
bilbet bat, nicht tnittber aber auef) oou ber oerffoffe* 
neu ^ulUSDJottarchie in ftraufreid), oott bereu ffoniß 
ber fleitte £hicr3 ba3 bübfclte 9Bort erfanb: Le roi 
rdgne, mais il ne gouverne paa (ber ff ölüß herrf^t, 
aber er reßiert nidjt). 

O^fer be3 Der oon ?[abr zu Reh 

ftetßernbe internationale 9Serfebr bat bie Bald ber 
Ovfcr, bie ba3 SD?eer forbert, ßanz tutßemein aeftei= 
ßert unb befonber3 ba3 tefete ^abr bat mit feinen 
zahlreichen beftißen ©türmen furchtbare 3?erbecrttn= 
ßett anßerichtet. Danf ber oon 3abr zu 3abr oet= 
mehrten unb oerbefferten SRcttunßoftatioiten ift im 
93erbältni& zu ber aroRen Anzahl ©cbiffbrnichen ber 
93erhtft an SlWenfchenleben fein febr ßroRer. Der 
SSerluft oott Dampfern auf hoher ©ee beziffert ftch 
für ba3 3abr 1881, feweit befadnt, auf 198. ©ier^ 
oon famen 141 auf ©roRbritauten, 15 auf bte 
93er. Staaten, 6 auf granfreichr 6 auf Dänemarf, 

5 auf Deutfchlaitb, 3 auf ©odanb, 14 auf Schwe¬ 
ben, 1 auf 99rafiliett, 3 auf 9?efßiett, 5 atif 
ttiett, 2 auf 6bilt; SRcxico, ßbitta, Rabatt Cfter= 
reich unb SRorweßen oerloren je einen Dantbfer; 
oon breiett fonitte bie ^Rationalität nicht feftßeftedt 
werbe. 

93ier oon biefeit Schiffen waren att§ Stahl, 

5 au3 ©olz unb bie übrißen att3 6ifett ßebaut. Die 
Saftfäbißfeit ber oerlorenett Sabrzeuße betniß tm • 
Wanzen 200,000 Sonnen, wooott 151,000 auf 
©rofibritanien, 11,568 auf bie 93er. Staaten, 4390 
attf©odanb, 2488 auf Schnoben, 1000 auf 93raR- 
fiett, 6486 auf Sranfreich, 4643 auf 9?elßiett, 3274 
auf Dänemarf, 4562 auf Deutfcblanb, 4177 auf 
©Oaitien, 680 auf SRcrifo, 1233 auf 6bina, 947 
auf Rabatt, 808 auf Cefterreid), 697 auf SRorweßen 
unb 1850 auf 6hili entfallen. 93on ben 198Dam= 
ofern ftranbeteit 99; 30 fanfett in 5?clße oon ffeni= 
Ron; 40 litten Sdnffbrndt; 7 oerbrannten; 11 
werben ocrmiRt uttb 6 wurbetvanf hoher ©ee aufs 
ßcaeben ; 2 oerfaitfen an Gt'Sl'erßen ; 1 brad) mitten 
entzwei unb 1 würbe bureb eine 6rbloRon oernid)tet. 
Sicht oon ben Dantbfern waren mit ©etreibe.bela= 
ben, 23 mit ffoblen, 11 mit 6ifett, 2 mit 99aum= 
wode unb 1 mit ffubfererzett, Sßetroleum, 93rooiRo= 
ttett tt. f. w. 

Die ßroRte Slttzabl ©chiffbrüdie u. f. w. — 
32 — ereianete Rdt int Oftober wäbrenb ber uns 
aerncin beftißen ©türme. 93ritifdte ©duffe ßittßen 
bamal3 16 zu ©runbe; frattzoRfche, beutfehe uttb 
ttorweßifdte ie 2. 3tt bett OftotM?r=©türmen ßins 
ßett 43,033 Sonnen ?aube3orobufte oerloren; allein 
bie 93erlufte im SRooentber werben fattut hinter bie= 
fer Bctbl zurfufbfeiben. Bn»ei Dautofer, bie Slnfaitß 
Dezember oon* ©ttroba au3liefen, finb überfäfliß. 
Die 9?erlufte waren aeßett bie itt früheren fahren 
zahlreicher, wa3 eincßtheil8 ber oennehrten Bohl int 
Dienft Rehenber Damofer, anberntheilS Ser uner» 
hörten ©eftißfeitber Oftober= unb SRooemberftfirme 
zuzufchreiben ift. 


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(Qjronik bet Gegenwart. 


167 


$tmbettA mar Sranfitidjft Ämifler|iräfibettt auf 

Cittae 3eit, atöbanii refignirte er. (Sr felbft batte 
im lebten Stugenblict bod) nocl) ba8 üDKniftertum be3 
Äeitfceren übernommen unb bie weitere gifte entfprad) 
auch nicht gatta beit bisherigen Annahmen. Die 
liberalen 3citungeii DeutfchlatibS maebten fid) über, 
beit neuen SMinifter lädKrlicft unb bie Sonboner 
„SimeS" fachte gerabczu: Da§ neue SMinifterium 
ift, man faitit faft fo tagen, nicht ein 2)2inifterium 
(Sambetta’S, fonberit ©ainbetta felbft. 

3Ran hnn ficb unmöglich ber (5rfennttii6%per« 
ftblieücn» bafc ©ambetta’S Ucbcrnabtne ber Staate 
aefdjdfte bie gewiffe SBieberbelebung ber per= 
fönltcben ^Regierung unb eine ntöglidje 33ebrobtiug 
ber republifanifchen StaatSeinrichtungen gewefen 
toäre. Sein Cf intritt in ba3 ^Kiiiifterimn beAcidmete 
einen SBcnbepunft iit ben Slngelegenhciten granH 
reid# unb möglidienoeifc felbft iit beiten (Suropa’3. 

Die (Srflärmigen, bie ©ainbetta felbft bei Ueber-- 
nabme be3 9J?iniSerium3 per ben Kammern abge= 
geben hat, lauteten natürlich frieblicb. SBir wollen, 
fo faßte er in ber Hauptfadie, eine S&olitif, meldie 
fluß unb allmählich au {Reformen führt. SBir 
ftüfeen ttn3 auf eine 3Rebrhcit in beiben Kammern, 

- bie ttn3 ihre offene Uuterftüfeung leihen wirb unb 
auf einen bi^ioliuirten ®camtenSanb. SBir beafc 
fahtigen ba3 ©ericbtSwefen au reformiren, ba6 ita= 
tionale (SrAiehungSwefen ah oeroollftänbigen unb 
bie Süden in ber STOilitärgefefcgebung auSAufüflen. 
SBir wüitfcbeit burrh Slbfchliefiung poit Verträgen 
untere HanbelSbetiehttngett au erweitern. SBir 
ȟnfcbeit bie genaue Befolgung ber S3eSimmtingen 
be8 (SoncorbatS nnb bie (Srhaltung be$ StiebeitS im 
3nneren, fomie auch nach Slti§en hin. ' 

Siitiae ftirte S0?itthcilungen über biefeu merfuuir? 
bißeit SOtcutn tnöaen unfern Sefern willfomincn fein. 

Der gewefeite SCWiniScrptäfibent mtb SCRinifter bc3 
ÄuSwärtigen, S^on SO?idiel ©ambetta, iftiefet 
43 3<ihre alt, unb ift am 2. Slpril 1838 ai i (SahorS 
geboren, feit 1859 Slopofat au ®ari3 unb würbe 
1869 in feinem 31. 3ihre auiu erften STOaltn bie 
Äammer gewählt. Seine politifche Shätigfeit ift 
fomit pon pcrhältnifmiäfiig fuqer Dauer, trofebem 
bat er in ber SBelt fchon picl pon Sch reben gemacht 
mtb tpirb, wenn nicht alle 9lnjeicbeit trügen, noch 
genttß Pon Reh reben machen. 

%% mag mögt Siele fiberraftbrn Alt erfit^ren, ba§ 

in betn ©uiteau-SroAeffe nahem 130 Beugen oer- 
nommcu tporbeit ftitb. Unter biefen mären 22 
©aehperftänbige, nämlich 8 ait3 S?em SRovf, 4 att§ 
ÄtaffarhufcttS, 2 nitSSBiäcottfin, 2 au3 beut Diftrict 
Eolumbia, 2 pon Ohio unb ie einer au3 (founecticut, 
3(linoi3, SSirginieit unb SEeuneffee. 3ohn mären 
poit ber Sertheibißung Porgelaben, poit benen aber 
ppei ihr Beugnifi \i\ ©unftcit ber Stnflage Abgaben. 
3n S3eun auf ben SWcrb mürben nur wenige Bcu= 
gen perhmrt. Die SOfehrhett berfelbeit, mit ($in= 
fcblttb ber viertle, befdirieben ©uiteau*3 geben unb 
Verhalten por unb nach berShat. Obtmar ©uiteatt 
anfangs erfhivte, bafi nicht er, fonberit bie 2fer*te 
ben Srdfibcnten ui Sobc gebracht hütten, hat man 
feinen Serfuch aemadit, biefe Iheoric Aii behaupten, 
unb ift alfo piel Pt^fefRouelleS Beugitib erfpart 
ttorben. (Sinfchlicftlmi ber Slnfprachen mtrb ber 
amtliche ©eridjt be3 fßroseffe3 2000 Drucffeiteit 
füllen* 


455,681 dintoobttrr (anbeten ttSIrrttb M Per« 
floffnteit 3a|red tu (Saftle ©arben, 92em JQorf. 
Dapon maren 430,276 3uüjd>eitbecfpaffagieve uttb 
183 tarnen auf ^aiüten=5>afjagiere. Die©efammt« 
jahl überfteigt bie be3 povherßeheuben 3abre3 um 
128,310. Sie mar mehr al3 fünfmal jo gro§ al3 
bie (Siitmanberung pon 1875; faft fiebenntal fo grofe 
al3 bie oon 1876; über ad)tinal fo ftavf al3 bie Pott 
1877 unb mehr a!3 fecl^inal fo grob al3 bie pon 
1878. Sie überflieg bie gefamntte (Siumanberung 
biefer Pier 3ahre um 172,974. 

$ic 3nfel 9lru*0lttlttra tut fWorbeit 9(uftralien3, 
ein ßilaitb grober al3 bo$ beutjehe s J?eid), ift im 3u« 
nern noch fehr menig befannt, mieioohl e3 iefet and) 
itidit mehr lange bauern toivb, bi3 bereu ©eheim« 
titffe entfdileiert ftnb, ba eine grobe 9litimhl Sorfdier 
ttnb SWiffionüre in ber lefeten 3eit bort thätig ift 
unb bie Sluftralier ein Singe auf bie 3»fel geumrfen 
haC>eit, um fie, bie in ihrem oftiidieu Sheile hcneit« 
lofe, au auiteftiren, beitu im SBefteu tuabett fid) bie 
Scieberlänbcr bort ben S3eftfe an, luiemohl fie bafelbft 
{einerlei Scieberlaffung noch Station haben. Äürs= 
liefv ift mm ein S?ucb Poit einem italienifchen 9?atitr= 
forfcher, b’Sllbcrti3 mit 9?amcu, e\1d)ieiicn, melcheS 
hodift intereffante fWeifeit be§ lefetcrcn im 3nnent 
S?eu=©utiica3 enthält unb ben 23cmei3 lrefert, mte 
man mit ben fefhuanen meufdjenfveffeiibcn S^emoh- 
nern ber 3nfel perfchren mnb, unt bort für bie 
SBiffenfchaft SWefultate au cnielcn. b^llbertio ift 
ein muthiger fß?ann, ber fich itid)t einfdiüditern 
läbt; al3 einft feine ©ütte beftohlen mar, bcfcblob er 
bie iticfit tmbctväd)t(id)en geschienen 63fiter mit 
©ülfe be3 SlbcrglaubenS mieber au erlangen. (Sr 
fünbigte ben Häuptlingen an, bab er binnen 24 
Stunbeu mieber im SSefibc feiltet (Sigeiithiiui3 fein 
muffe, fonft mftvbe er icbcn, ber in bie Stäbe feinet 
©atife3 fenutie, niebevfdiicficti, and) unterminivte er 
bie au feinem Stufenthalte fühvenbeit SBege unb legte 
Dpnamitpatroucn. So mar er porbereitet. SI13 
er nun SlbenbS noch Stafeten ftcigeu lieb unb eine 
Heilte ffanonabe eroffnetc, and) feine Hütte mit 
bengalifdicm ftettcr belcuditete, eutftanb eine grobe 
furcht unter ben Sdnpaqen unb am nädifteit S)?or= 
gen braditeit ihm bie Häuptlinge einen Sheil ber 
geschienen ©fiter mvücf. S(h3 ber S?eft am fol= 
aeitben Inge noch uidit ba mar, micberholte er feine 
(Srpcriittcnte unb toieber umrben einige Sachen 
Atirfufgebraeht unb AualcicheiitheimifchcÖeräthe unb 
SBaffcn a(3 eine Slrt Sühne. (S3 fehlte icbod) noch 
vieles unb b*Sllberti3 ergriff bie ©clegcnheit, tun bie 
Scute pollSänbia Poit feiner SWadit au überzeugen. 
BuerS hieb er fie ein ftarfe3 Stücf Biuf mit ihren 
Samen au btirchbohren, mclche bei bem miblungenen 
9?erfud)e Sumpf umrben, ipährenb er e3 mit einem 
Sdmffe burdilöchcrte. SBährenb bieier B^it hatten 
bie (Singeborenen Por bem Haufe auf einem groben 
Stein aefeffen, ben b’SllbertiS imterminirt hatte. 
(Sr riefSe nun baoou meg, Aünbete heimlich bie au 
bem Steine führenbe Stinte an unb rief ihnen au : 
Seht ben Stein an ! Sofort folgte eine furchtbare 
(SrploSon unb ber Stein, auS leichtem fforaflenfelS 
bcScheitb, flog Aerfplittert in bie Stift. Die (Singe= 
borenen iparcn entfett, befchmoren ihn, SIBitleib mit 
ihnen au haben unb brachten auch ben ffieft be3 ®e= 
Schienen Autüd. S?un galt et al§ SBefcn Pon über« 
natürlicher tf raft ttnb bet fernere SSerfebt sudfehen 
beiben Sheileit mar ein burchauS frieblicher. 


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168 


(fipottih bet Äegemtmrt. 


Xtt torittfdje 9teid|£tag fiat bcn 9Binbtfiorft*fcf\cn 
Antrag auf Abschaffung beS ©efefeeS vom 4. 9Jlai 
1874, welches bic Ausübung Vriefterlicher 3unftio- 
neu ofiue ©enehmiguug bet {Regierung verbietet, 
tu britter 8efung mit ‘gleicher Bfehrbeit, wie fie 
neuücfi bei ber sweiteit Sejiiitg angegeben wor* 
bcn, angenommen. ®ie Ultrantoutanen umreit 
barübet hocherfreut uub betraefiten bieS alS einen 
groben ©icg, mojtt Re im ©ritnbe auefi Veranlag 
ftutg fiabeit. Sine 3Kefirfieit von faft 120 Stints 
men, mit ber bie Annahme beS Antrags erfolgte, 
barunter bie beS größten SEfieileS ber ftortfchrittSs 
Partei unb vieler Siberalen, bezeichnet beit mächtigen 
Umfchwiuig, ber in biefer Angelegenheit mittler^ 
weile eingetreten, unb beit gänzlich veränberten 
©taitbvunft, von welchem attS man fieuteaufbie 
estremfteit Bhßtegcltt beS jtuttiirtamvfeS Aurtttfs 
btieft. ®aS ermähnte ©efefe mar eitteS ber ftrcitg= 
fielt, fogar eilt iit vielfacher Beziehung ungerechtes, 
Alt beitt man eben mtr feilte BuRucht genommen 
hatte, um beit ©tarrfinit beS fatholifchen ftleruS au 
brecbeit. GS verfügte, baß, falls ein ®eiftlicfier ober 
mer irgenb rcligiöfe Qanblungen vornefiute, ber burch 
gerichtliches Urtfieil von feinem Amte fufvenbirt 
worben fei, gleicfimofil fortfafire, bie 5?uuftionen 
biefeS gciftlicficn ?(utte3 attSiuftbcn, volizeilich auS 
ben betreffenben Ort ober Bezirf attSgewiefeit wer* 
beit föttue. s 3Jhße er fiäj, troß verfügterSntfiebung, 
fein Amt bcnttoch an unb fahre er mit ber Ausübung 
aller bamit vertnüvftcn Sfunftioiten fort, fo folle er 
feineS ftcimathSrechteS verluftig erflärt ttnb auS 
betn gefammten BunbeSgebictc auSgewiefeit werben. 
5)aSfclbe gelte von ^Serfoneit, bie wegen Vornahme 
von AmtShanbliutgcn in einem ffiircbeitamte, welches 
ihnen niefit in Uebereinflimmmtg mit ben Staate 
gefefcen übertragen, rechtskräftig au ©träfe vertue 
tfieilt wttrbett. 9Ber, nach bcn Beftimmungeit bic= 
feS ©efefceS, feine ©taatSangehörigfeit in einem 
BunbeSftaate verloren, fiabe Re bainit für baS gatiAe 
BunbeSgebiet verloren unb fönite fie nur burch Ver= 
fügitttg beS BunbeSrathS wicbet neu erwerben. 
Berufung auf richterliches Wefior fei binnen acht 
Sagen geitattet; bod> bürfe Reh bicfelbe nur auf ben 
Verlttft ber ©taatSangefibrigfeit beziehen. *00111 
Bentfettben fönne bann, bis zur enbgültigen Gut= 
febeibttng, ber Aufenthalt an beftimmten Orten 
erlaubt ober auch verfagt werben. T)ei 9fieicfiStag§= 
beßfiluß ift nämlich nur ber erfte ©cfiritt Attr BcfeU 
tigung beS in {Rebe ftefienben ©efefeeS. 'Oer BitnbeSs 
ratfi muß bemfelbcn beiftimtnen, ttnb ber ifötttg 
muß bann btefett Befchlüffett feine ©aitftion ertfieU 
len. SS wirb nun afleS barattf anfommen, wie 
weit eigentlich bie mit betn Vatifan angefttüvften 
SriebenSunterfianbltingen gebiefien fiitb. 

©iebnt Woitate ©effingniß Wegen ©erlätimbuttg. 

föenrv fö. SVranfliit, ©olbat in Go. 8., im 1. 
Gavafferic-ffiegiment, alS ©eh ülf 3 Verwalter britter 
fftaffe im ©ofvital futtgirenb, Raub neulich tn$ort 
28afla ©afla,. int Serritorium ©afhington, vor 
einem allgemeinen ffriegSgericfit unter ber Auflage, 
bttrefi ungebüfirlicheS 'Betragen bie gute Orbitttng 
unb SJiScivliit beS 5RilitärS gcfcfiäbigt au haben. 
SS würbe ihm nachgewiefen, baß er am iefeten 28. 


Juli betn Sbitor beS „{Rew Vor! ©ttneß" einen 
Brief Attr Veröffentlichung überfanbt fiabe, worin 
er allen refpeftablen iuitgen üRäitnern ben {Rath 
ertfieilt, auS ber Armee au bleiben, ba fie eine ©eit 
von ©ottlofigfeit fei, Oie Saftet ttnb Verbrechen 
.ringS umher verbreite. S)ie ©olbatett, tagte er 
weiter, feien tief in ©chlechtigfeit, SntRttlichung unb 
Scfiamlofigfeit verfunfeit; iebeS Büttel werbe er= 
griffen, um ben SinAeliteit an ber Sfieilnafiutc atn 
©otteSbienfte au vcrfiinberit, ba bie ftavläuc felbft 
ttnmürbige SRäutter feien; furAitm, bie ganze Armee 
fei burch unb burch vcrborbeit. ftraufliit würbe 
fchulbig befunbeit tutb von ber Gourt gn Reben B?o= 
ttateit ©efängnißhaft bei harter Arbeit unter Aufs 
Rcht ber ©arbe, fowie Aur Ginbüßiing von 610 ver 
Bloitat mäfirctib feiner Strafzeit verurtfieilt. ®en. 
3Ri(eS, Befehlshaber beS Golumbia 'DevartcmentS, 
hat baS Urtfieil genehmigt uub beffen Volliiefitutg 
angeorbnet. 

SBir mochten in Anbetracht beS hier craählten 
BralleS bie ^rage attfwerfett, ob bie betn Verurtheil* 
ten Atir 8aft gelegten „Verläumbungen" nicht borf) 
Attm Sheil auf SBafirheit beruhen bürften unb ber= 
felbe, falls er vor einem bürgerlichen Ratt einem 
militärifchen @erid)t geftanbeu hätte, nieftt and) ein 
anbereS, utinber ftrengeS Urtfieil etnvfangen hätte? 
^ebenfalls läßt ber Umftanb, baß er von einem 
©cricbte verhört würbe, baS auS OffiAieren ber burch 
bic angeblichen Schmähungen betroffenen Armee 
felbft beftanb, etwaS 3n>eifel att ber uuvarteilichen 
Rührung beS VerhörS atiffommeit. Um völlige 
Gfercchtigfeit walten au Taffen, feilte bie ®erichtS= 
bavfeit fo weit alS möglich auS ber föaub irgenb einer 
intcrefRrten Vartei entnuft fein. ®eber ber Auges 
flagte noch bie Anfläger feilten ben {Richter fvielen 
bürfen; bettnoch war lefitereS hier ber Sali. 

Ser ©hlußbanb M großen ©entralRahS'SBerfg, 
,,^er bentfch^frtntAöRfche ftrieg von 1870—71" ift 

foeben erfchietteit. ©eit betn Grfcheincn beS cvftett 
BanbcS finb neun Jahre vevfloRen. AuS beit lefeten 
enthaltciien ©tatiftifeu ift au evfehett, baß bie 
beittfche ^eercSmacftt währettb beS flriegcS 6247 
Offitiere ttnb 123,453 SHann verlor. 40,081 von 
biefett fielen vbr bem fteinbe ober Rarbett infolge 
von Vcrwitnbung ttttb ffraitfbcit; bie übrigen wut* 
ben burch SBunbett bienftunfähig. ®ie ©cfammt« 
ftärfe beS beutfehett £eereS belief ftch auf 44,420 
Cffitiere ttttb 1,451,944 ©enteilte, von betten 
33,101 effiliere unb 1,113,254 ©enteilte am ftelbs 
Attge theitnahmen. ®ie 3nhl ber bttrh bie SeTbvofl 
beförberten Briefe betrug 101,267,500. 

Sennrffre hat feit 1865 einen Zuwachs von 
itaheAit 400,000 ©celen au feiner Bcvölfcrttng er^ 
halten tutb feine Srntcn haben ihm jährlich einen 
QurchfcbntttSgewinn von 27 unb ein halb SRiflios 
neu Dollars eingebracht. Srofe bem Kriege ttttb 
brei Svibcmicit ift SRemvhiS feit 1860 von 23,000 
Gtnwohnern auf 47,000 geftiegen, ittbcß {Rafhvitle 
feine VolfSiahl vott 17,000 auf 75,000 vermehrt 
hat. CDaS ÜBaihSthum von Ghattanoogo, ffnojs 
ville ttttb anberen ©täbten fiat mit bem ber erflges 
nannten ©cfiritt gehalten. 


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^ /J* ^}iflÄv*TV ’ 




Seljet ba ben ^Uerretdjften, 
fttbrooliflrn, Sobesblridjflen, 

Pit Sein Brruj (fr felber trügt! 
Ptübe finken Seine (Sliebrr 
Bnter iljrer #«lt bamieber, 
Peldje mir 2tym auferlegt 


(finen Bremben »an (ftjrene, 

9er Dom felb kam, ;toangen jene. 
Seine roljen Reiniger, 

Sljtn fein ferneres Breu; fu tragen, 
Biemanb mollf fretmilltg fagen: 
feg' e* mir nur auf, o Bert! 


AH- 


^4^4^4Vt4Vt4^t4»4^t4&44«44«44^ 

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JMInter sBauö. JtpriC 1882. Viertes ^eft. 



, es fäuttt I Don hem (Efjurme bringt | 
frommer £aut rote tymmclsgruß in’s (Etjal; 
ifcjtcsjug 3iir Kircbe ! Sd?oti erflinget 
Efunhertftimmig fcfcrocUenh her dboral: 


„Der uns 30g aus unfrer Süithe Banhen, 
(Eohesgram nnb <$rab behielt ihn iticfyt; 
ßaUcluja, Triften, auferjtanben 
3ft ber 6et* 311 parabiefes liefet.“ 



|tn alten Daterlmihe. 

& c i m ft ä 11 e n ber inneren 9 )t i f f i o n. 


®om <$bitor. 


Ileutfcfjfanb, ba§ Dom Unglauben jerfreffene, 
boj 33 ier überfdjwemmte unb in jabafs» 
l bampf eingefjüHte SDeutfdilanb, in welchem 
fii. 3 jienfdjen nichts anbereS erbtiefen fönnen 
ober »ollen, a(» bie foeben genannten 2 )inge — 
bat, @ott fei 2 )an!, auch feine innere SJtiffion, 
feine 3 tnftalten jur Ofettung beS 3 ?oife§, in weU 
eben wir un§ beute ein wenig umfdfauen. 


1 

Bit Bflege ber JUetnen. 

9 luf einer (Sifenbabnfafjrt Don Saben nach 
Sßürttemberg fanb ich in einer 3 eituna einen 
fjilferuf ber Jt rippen"; mit biefem Warnen 
bezeichnet man nämlid) bie SBarteanftalten für 
Ämter im SäuglingSalter. 'Jer betreffenbe 


13 


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170 


3m ölten gaterlanb. 


t 


württembergif©e herein Batte einen Hilferuf 
erlaffen, unb ba mir in Stuttgart ein wenig 
3eit gur Serfügung ftanb, fab i© mich na© 
biefem „Krippen * Ktnbe" ber inneren Wiffion 
Seutf©lanbS um, unb fanb in einem einfadjen 
£>au3 einige bef©eibene, aber geräumige unb 
bö©ft reinli© gehaltene jintmer, mit 20 bis 30 
armen Kinbern unter tü©tigen, ©riftli©en 
Wärterinnen. 

Siefe Kleinen gehören armen Wüttern, bie 
entmeber im Saglopn ober in ber gabrii ihr 
Srob oerbienen unb gegen gang geringe 33er« 
giitung (6—24 Pfennige, b. i. l£^-6 ©entS 
per Sag) ihre Kinber ber Krippe mäbrenb ber 
«IrbeitSftunben in Koft unb pflege geben. 31m 
ÜJtorgen bringt bie Wutter ihren ßiebling, geht 
ihrem SBerufe na© unb holt benfelben 3lbenbS 
mieber. 3lu8nahm3weife nehmen bie Krippen 
au© Kinber über 9ta©t in pflege, gewöhnlich 
aber nur wäljrenb ber 3lrbeit3geit, fo baft bie 
Wutter ihren Spröftling am Slbenb unb am 
Sonntag bergen tarnt. 

Wel©’ ein ©egen für biele fjunbert arme 
Wütter! grantrei©, bie Wiege ber Grippen, 
hat ber Welt bamit eine grofte ©abe berma©t. 
Son jenem ßanbe oerbreiteten ftc’h bie Krippen 
über gang ©uropa. Jn allen größeren ©täbten 
Seutf©lanb3 befielen fol©e, unb felbft in tlei* 
neren Ortf©aften finben fte ftdj in manchen 
gabritgegenben. Württemberg allein hot gegen 
breihunbert! 

3nt 31nf©luft an bie Krippen entfalten bie 
Kleintinberf©ulen eine fegen8rei©e Wirlfant* 
teit, unb mährenb jene bie Kleinften pflegen, 
toenben fich biefe ben kleinen gu, welche noch 
ni©t fchulpflichtig finb. Sater Oberlin, biefer 
Patriarch ber ebangeltfchen Kir©e unferer 3eit, 
hat au© hierin Sahn gebrochen, inbem er gu* 
erft im ©teinthal, fobann im gangen ©Ifaft 
Seranlaffung gut ©rünbuna ber Kleinlinber* 

S ulen gab. ßouife ©©eppler, feine gottfelige 
agb, ift bie erfte Kleintinberpflegerin, welcher 
feitfter taufenbe gottfeliger Jungfrauen nach* 
gefolgt finb. 31m 16. Juni 1779 würbe bie 
erfte Kleintinberpflege in 2Balbba<h im ©Ifaft 
eröffnet, unb 57 Jahre lang oerwaltete bie ge* 
treue Souife ihr 3lmt, inbem fte ben ihr ein* 
empfohlenen Kleinen eine liebe, forgenbe, un* 
abläffig thötige Wutter war, bis fie am 25. 
Juli 1837 als reife ©atbe in bie Scheune ihres 
©otteS gefammelt würbe. 

#eute ift biefeS Segen fpenbenbe Jnftitut 
über bie ©rbe oerbreitet. Jn Schottlanb würbe 
es oon bem Sogialiften Utobert Owen ein* 
geführt (1816), in ber Schweig fanb es an 
m on ob einen berebten gürfpre©er, in Saris 
nahm fich ber Waire Go©in ber Sache an, unb 
in Seutf©lanb würbe ein Srofeffor gur ©rün* 
bung ber Kleintinberf©uie berufen. ©ineS 


SageS bes Jahres 1819 fah nämlich tßrofeffor 
Wabgol in Serlin auf bet Steppe eines £aufeS 
einen Knaben unb ein Wäb©en fiften, lefttereS- 
unaufhörlich weinenb. Sa8 Weinen bes Kin» 
beS ging bem Stofeffor gu bergen, unb er fragte 
beftftalb: „Warum weinft bu, liebes Kinb ?" 
„31©, wir haben leinen Sater unb leine SJtutter. 
Untere Wutter ift heute eingefchlafen; wir woü* 
ten fie heute früh Weden, aber fte wollte nicht 
aufwacben. Sa tarn bie Nachbarin unb fagte: 
3trme Kinber, eure Wutter ift tobt! Sann gab 
fte uns ein Stüd Stob unb fagte: ©eftt auf bie 
Strafte, ihr tönnt hoch hier nicht länger bleiben; 
ich bin blutarm, wenn ich nur auch tobt wäre 
wie eure Wutter. Sielleicht finbet ihr einen 
Sater ober eine Wutter! — Jeftt warten wir 
febon fo lange unb es will lein Sätet unb leine 
Wutter lommen. Sich, tpir wofltengeme einem 
neuen Sater ober einer neuen Wutter recht 
gehorfam fein." Wit Shränen in ben 3lugen 
fragt bann ber ^ßrofeffor: „Soü ich euer Sater 
fein ?" „Ja, wir wollen gerne mit bir gehen, 
bu fiehft fo gut aus." 

SaS war ber 31nfang ber Kleinlinberpflege 
in Serlin unb in Seutf©lanb, wofelbfi man 
(gegenwärtig gweitaufenb Kleinlinber* 
©ulen gählt, in welchen täglich 
ünf gigtaufenb Kinber Sflege ge- 
nieften. 

Seit 1871 hat fich ber „0berlin=Serein" ge- 
bilbet, eine ©efellf©aft, beren 3*oed es ift, bie 
Kleintinberf©uie in allen Orten einguführen 
unb überaü auf Kleintinberergiehunggu bringen. 
Sorftanb biefeS ScreinS ift ber ©eneratfelb* 
ntarf©all ©raf oon Wollte, unb bie grau 
Sringeffin griebrich Karl übernahm baS Sro* 
tettorat. 

Wie bte innere Wiffton SeutfchlanbS au© 
bte ©onntagfchule in ihren Sienft gegogen, 
barauf habe i© in meinen S©ilberungen auS 
bem alten Saterlanbe f©on gum öftem Segug 
genommen. Sefthalb fei hier nur oorüber* 
geftenb bemertt, baft Weber ben Wethobiften, 
no© ber 3lmeritanif©en Sonntagf©ul * Union 
baS Serbienft gebührt, bie Sonntagf©ule na© 
englif©*amerilattif©em Spftem in Seutf©lanb 
eingeführt gu haben, fonbern baft biefe Salme 
ben Saptiften gugufpre©en ift, inbem ihr Stifter 
in Seutf©lanb — 4>err Onten — bereits 1824 
Sonntagf©uIen mit ber KIaffeneinri©tung 
(©ruppenfpftem) in Seutf©lanb eröffnete. Je* 
benfaßs aber haben bie Wetfjobiften, feitbem 
fie 1849 Sonntagf©uIen in Seutf©Ianb» grün* 
beten, au© in biefer £inft©t oiel gur 3lnregung 
aitberer beigetragen. Seitbem ber 3lmeritaner 
Woobruff bie Sonntaaf©ule in Serlin (fielje 
Januar = Summer) in Aufnahme gebra©t, hat 
fi© biefelbe in ber fianbestir©e Seutf©lanb3 
eingebürgert, ©epflegt bon Dielen ernften. 


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3m alten Paterlanbe. 


171 


gläubigen (Steiften unb amtlich anectannt unb 
gefdjüßt (wenigftenS in Breußen), wirb fie un= 
ter bem Beiftanbe unfereS Lottes auch fo wach* 
fen unb geheimen, baß ftatt ber 150,000 Spüler 
halb Blißionen bie Segnungen biefeS 3nftitut3 
genießen werben. habe in ber Schweiz, in 
i:üb= unb Borbbeutfcßlanb in Sonntagfcßulen 
ber SanbeSfirche 800 bis 1200 Schüler berfam* 
melt gefunben, unb war namentlich erfreut über 
bie 3ucßt, bie ausgezeichnete Orbnung, unb ben 
©eßorfam, welche ich waßrzuneßmen ©elegen* 
heit hotte, unb bie f«h gar manche amerifa* 
nifche Sonntagfcßule wohl gum Btufterbilb 
nehmen bürfte. SBaS ber beutfcßen Sonntag* 
fdjule aber gänzlich fehlt, baS ift bie heran* 
gemachtem 3ugenb unb ältere ^ßerfonen, ober 
in anberen Porten, bie BuSfüßrung ber 3bee, 
baß bie Sonntagfcßule zur Bibelftunbe ber ®e* 
meinbe werben fofl. Oie Schüler ber Sonntag* 
fdjulen in Oeutfcßlanb finb auSfcßließlidj $in= 
ber, weßhalb ich biefeS 3nftitut auch in ber 
Bubrit „bie pflege ber kleinen" aufführte. 

n. 

Pie Arbeit an ber Üugenb. 

So großartig wie in ©nglanb unb in ben 
Ber. Staaten hat fidj bie 3üngling3=BereinS* 
fache in Oeutfcßlanb noch nicht entwiaelt. Bber 
eS ift boch bebeutenbeS gefdjehen unb eS brängt 
geh mir bie Ueberzeugung auf, baß man brüben 
mit ben berljältnißmäßig geringen Mitteln 
ptaltifcßer zu 2Bege gebe, als eS ßierzulanb oft 
gefeßießt, unb butdj ©efeflenßerbetgen, Speife* 
Bnftalten ec. feßr biel bezweefe. 

Oiefe 3ünglingSbereine in Oeutfcßlanb unb 
ber S^meiz fielen gewöhnlich in innigem 3u* 
fammenßang mtt ben fogeitannten eoangelifmen 
©efeflfcßaften unb ihren BereinStolalen. SBir 
finb z. 95. in Stuttgart unb finben ba ein Ber* 
einShauS mit einem großen Saal, welcher auch 
für 3wejfe beS 3üngling3öereinS, ber Sonntag* 
fcßulfache ic. benüßt wirb unb eine geräumige 
©efeflenßetbetge mit $ofttifcß, unb ba es gerabe 
Utittag ift, treten wir ein unb befchauen uns 
bie Iräftigen JJoftgänger, bie bet ©auSmannS* 
tojt *ufprecßen. Stießt weit babon labet ber 
Buchlaben beS ebangeliföen BerlagS ein, wo* 
ielbft gute Bücher zu billigem Breis unb Oral* 
täte in Btenge zu hoben finb. Beßnlidje Bn* 
ftalten unb ©ebäulicßteiten trafen mir in Berlin 
unb Hamburg, OreSben jc., unb eS ift leine 
•größere beutfeße e>tabt ohne folche Bereine, So* 
tale unb Bnftalten. 

Baftor Oöring bon ©iberfelb war ber erfte, 
Welcher in Oeutfcßlanb biefeS' große SQBerf an* 
regte. Bacßbem er nämlich auf feiner Steife 
in bem ferneren 3aßre 1817 bie Botß ber man* 
bernben ©anbroertsburfeßen fennen gelernt hatte, 


ließ er eS fieß angelegen fein, paffenbe glug* 
blätter unter ihnen zuoerbreiten; an zweiten* 
ben in ber Söocße befpraeß er mit ©anbmerls* 
burfchen, bie es wünfeßten, religiöfe gragen. 
Blfo fam’S 1824 zum erften BtcffionS=3üng» 
lingSberein in ©Iberfelb; halb entftanben ba 
unb bort ähnliche Bereine, unb 1880 berichtete 
ber rheinif(h*weftphälifche3ünglingSbunb allein 
173 Bereine mit 8000 Btitgliebern als zu bie* 
fern Bunbe geßörenb. Sieben biefer Union be* 
fleht ber öftlicße Bunb mit bem Borort Berlin, 
ber Borbbunb mit bem Borort Hamburg; ber 
Sübbunb mit heut Borort Stuttgart unb ber 
elfäffifche Bunb mit bem Borort jrolmar. 3** 
ber Schweiz befleißen 180 3ünglingSbereine. 

Bebft biefen 3ünglingS» ober ®e|eflenbereiuen 
befaßen in öielen Stäbten Oeutfcßlanbs bie 
SefjTrlingSöereine, welche fi<ß bie ^BfTcflc ber Sehr» 
linge zum 3iele feßen. Oie BlterSbifferenz be* 
mirlte biefe ©liebetung. Bnno 1867 mürbe in 
Stuttgart baS „3ugenb=BereinSßauS" ermor* 
ben, wo alle Sage bon 6 Ußr an ber „freier* 
abenb", ein feßöner gut auSgerüfteter Saal, zu 
Benüßung offen fiept. ©ier Werben Bücher, 
Spiele, 3 e 'tungen, Borträge, Btufif, Bnbacßten 
ec. geboten, fo baß bie jungen Seute eine rechte 
©eimatß haben. gür welche berfeAben ift Baum 
ba zum SBoßnen unb wer miß lann ben ftoft* 
tifm benüßen. ©in ©auSbater unb ein ©aus» 
amtlicher forgen für Orbnung unb geiftlicße 
Bflege. Buch in anbern Stäbten befinben fieh 
folche 3ugenbßäufer. 

3n Barmen, ©Iberfelb, Berlin, Bremen, 
grantfurt a. Bi. unb anbern Orten Oeutfcß* 
lanbs befteßen c^riftlidße Bereine für junge 
ßaufleute, bie auf einem höheren Bilbungs* 
grabe fteßenb, als bie ©efeUen, fieß biel mit ben 
SBiffenfcßaften, borzüglicß mit ber Uebung in 
fremben Sprachen befcßäftigen. 

Oie ^ßilflcrftübdßcn, bie Verbergen zur ©ei* 
matß, welche wenigftenS theilweife bon ben 
3üngIingSbereinen ausgingen, finb nießt nur 
für Btitgjieber berfelben, fonbern für alle Wan* 
bernben ©efeflen beftimmt, unb haben feßon un* 
enblicß biel Segen geftiftet, inbem taufenbe 
junge Seute mittelft biefer Bnftalten bon ben 
gewöhnlichen ©efeflen * Verbergen abgeßalten 
würben, welch leßtere ein grünblicßer Äenner 
beS beutfdjen BolfSlebenS „©aunerßerbergen" 
nennt. Oie erfte biefer Verbergen zur ©ei* 
matß warb in Bonn 1852 eröffnet, ffönig 
griebrieß BMlßelm IV. hatte 4800 Btarl bazu 
gefpenbet. ©egenmärtig befteßen im alten Ba» 
ierlanbe 150 folcße gute ÜBirtßSßäufer, im @e* 
fammtwertße zu zwei Btißionen OoflarS, wo 
jeber Beifenbe fießer unb frei bon Betführung, 
ein reinliches, freunblicßeS Cbbacß unb gute unb 
bißige $oft finbet. 

Oie in Oeutfcßlanb eröffneten Btägbefcßulen, 


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172 


St. $elrna. 


fötägbeberberaen, bie Seminare jur $eranbil* 
bung üoti Seherinnen für ftleinfiuberfcbulen, 
bie @onntag§oereine, bie ^iatouiffenan^alten 
u. f. to. etroug cingefjenber ju fdjilbern, toürbe 
ju meit führen; fic feien begbaib nur ermähnt, 
unb mir geben ju einem anbern ©ebiete ber in* 
item fötiffion über — bem ber Stettung. 
Sie befte Dtettung liegt jmar in ber Sernab* 
rung. Sa fid) aber fo üiele taufenbe nicht be* 


mabren laffen, fo fallen fte eben ber Sertoabr* 
lofung anheim unb bie Siebe muß ju £>ilfe 
fomtnen, mentt bag Serberben nicht iiberbanb 
nehmen fotl. Sie Siebe beutfcher (5briften hat 
aud) in biefer Sichtung bebeutenbeg gefchaffen, 
mag ung tlar merbett mirb, menn mir bag 
nädjfte fötal in bie Slnftalten Seutfcblanbg |ür 
bie Settung Sermahrlofter unb ©efaUeiter ein* 
treten merben. 


Hapolton auf $t JjMina. 

tSon <£|ir. Wölber. 



®t Helena. 


@g mar am ftlbenb be§ 8. 9luguft 1815, als 
baS englifcbe Sinienfcbiff „fJtortbumberlanb" in 
ber Sbebe oon Slpmouth bie hinter listete, um 
ben groften ©efangenen ßuropag in bie 93er* 
bannung ju führen. 9llg man am nächften 
fÖtoraen bie franjöfifdje $üfte paffirte, ftanb 
ber Üaifer mit entblößtem Raupte auf bem 
Serbed unb betrachtete junt lebten fötal bag 
Sanb feineg ©langes unb feiner Siege. Unb 
mäßrenb enblich bie $üfte ftd) feinen Süden 
entjog, rief er mit jittember Stimme: „Sebe 
mopl, Sanb ber Sapferen!" Sr mußte, baß ber 
Sob, fern oon ber &eimatb, feiner roartete. 
fJtie, nie, füllte er fein Saterlanb mieber feßen. 
Seine Slide ruhten noih immer auf bem oft* 


liehen ©orijont, alg längjt Fimmel unb SEÖoffer * 
fi<h berührten. Sie ganje ®efchi<hte feineg er* 
regten Sebeng fd£»ien im mißten fffluge an feinem 
©eifte üorüberjujieben. Stumm itnb brütenb 
ftanb er auch bann noch ba, alg längjt bie 
Sterne aufgegangen maren. Slößlicbmirb er 
bitrch bie 9lnrebe eineg Äinbeg in bie Uöirflicb* 
feit jurüdgerufen. Sein Sieblina, bag fünf, 
übrige Söchterdjen beg ©eneralg Sertranb,* 
treicpelt ihm bie £anb unb frägt nach ber Ur* 
ache feiner Srauer. Sr fuefct fein ftürmifcheg 
innere 511 betämpfen unb Stube unb ©leid), 
aemicht mieber fraufteKen. fötit gemohnter 
iJtefignation fügt er fich in fein unroiberruflicheg 
©efd)id, nimmt an allen 93orgängen auf bem 


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St. ijfletta. 


173 


Schiffe, aud) an ben heiteren, regen 9lntheil, 
unb fcheint Don ben ungeheuren ©iftrengungen 
ber [e^ten Vtonate auSruhen ju wollen. 

Oer geneigte ßefer weiß fchon, baß es 9tapo= 
leon Sönaparte ift, Don bem wir hier reben. 
©ie fein anberer Sterblicher in Dielen 3ahr= 
hunberten, hot er burch baS blutige ©ürfeU 
fpiel beS Krieges über bie ©ef^irfe ber Völler 
entfliehen. 5tun traf ihn bie eiferne |>anb 
beS SchidfalS felbft. (Sr war auf bem ©eg in 
bie Verbannung. 

©ährenb nun ber „fRortljumberfanb" mit 
bem mertwürbigcn fötanne bem weitentfernten 
St. fjelena jufteuert, wollen wir einen turjen 
2tbriß ber ßebenSgefcpidjte DtapoIeonS uns Dor 
Stugen führen. 

2u§ Sohn eines unbemittelten Sbeligen in 
9ljaccio würbe Napoleon Sonn pur te auf ber 
3nfel Gorfifa im $ahre 1769 geboren. Oer 
©runbjug feines GljaratterS 
war triegerifcher Sinn, un» 
beugfame ©illenSfraft, unb 
unbegrenjter Shtgeij. 

Kriege geboren, warf er fid^ 
icfjon als Knabe mit entfdjie* 
bener Steigung auf bie Kriegs*“ 
roiffenfchoft. Siegen unb herr» 
l'djen war Don Sfugenb auf 
feine unbearoinglicpe ßeiben* 
fchaft, unb fchon in feinem 14. 

^afjre war baS eaige, feft» 
abgegrenjte- unb Derfchloffene 
©efen in ihm ausgeprägt. 

16 3ahre alt würbe er junt 
ßieutenant ernannt, unb bei 
ber Selagerung Don SEoulon 
fdjwang er ftcp jum ©eneral 
empor. Salb waren bie ftau» 
nenben SBlide ganj Guropas auf ben jungen 
©eneral gerichtet. Sein Staute würbe allent= 
halben mit Sewunberung, in grantreich mit 
Gntjüden genannt. SRafcp unternahm er einen 
ftriegSjug nath Ggßpten, um ben dürfen bieS 
fruchtbare Samt ju entreißen unb zugleich Don 
bort aus bie Gnglänber in Oftinbien ju be» 
friegen. heimlich lehrt er halb wieber jurüd, 
jieljt im iriumpp in VariS ein, ftürjt bie Sie* 
gieruna, entwirft eine neue Verfaffung unb 
macht fi<h jum erften Gonful (1802). Stiemanb 
miberfeßt fuh ihm- Unb jwei Starre fpäter ruft 
man ihn fogar jum Kaifer Don ftranfreicb aus. 
2 Rit gewaltiger &anb lenlt er alles nach feinem 
©iflen unb Dergiebt ßänber unb fronen nach 
©iflfiir unb ©utbünlen. Salb flehen feine 
jiegteichen #eere im hohen Storben, halb im 
fonnigen ©üben. Saft» rollt ber Oonner ber 
Kanonen bei Slufterliß (1805), halb bei 3ena 
(1806) unb bann wiber bei ©agrarn (1809). 
tteberad ifl Stapoleon ftegreich, er träumt fich 


unbejwingbar. Oer franjöfifchc Kaiferftaat 
erftrccft fich int Siorben über Slmfterbam unb 
ßübed unb im Siiben über 9tom. Mgewaltig 
fleht ber Kaifer in feiner riefenhaften ©röße, 
brofjt mit ber einen |>anb feinen entträfteten 
tfeinben unb reißt mit ber anbertt ßänber unb 
Königreiche an fich. Stuf bem ffeftlanb hotte 
er nur noch «inen ©egner, ber ihm gemachten ju 
fein fchiett: baS gewaltige Stußlanb. SJcit 
600,000 feiner Krieger jog er gegen bieS mädj* 
tige '.Reich. Sin prächtigeres £>eer hatte bie 
S3elt nie gefehen. Sber hier foUte ber ©lüdS= 
seiger DtapoleonS fich wenben. Sine fchredliche 
'Jlieberlage wartete auf ihn. ©ie XerjeS einft, 
ber Führer Don Millionen, auf einem fleinen 
Dlachen aus ©riecheulanb floh, fo burchiagte 
Vapojeon in einem elenben Splitten bie oben 
Sisfelber Ütußlanbs auf ber flucht. Vur ein 
Heiner armfeüger 9teft beS großen £eereS fant 



jerlumpt unb Dielfach Derfriippelt aus iRußlanb 
jurüd. (über noch einmal ermannt fich 9tapo= 
leon unb nach Derfdjiebenen heißen Kämpfen 
tommt eS ju ber breitägigen Völterfchladjt bei 
ßeipjig (16. bis 18. Cftoher 1813). SS giebt 
ein entfeßlidjeS Slutbab. Vtait muß auf bem 
Sdilachtfelb bie Schleusen öffnen, um baS Slut 
ablaufen ju laffen. Vapoleon wirb gänjlid) 
gefdjlagen, er entfagt bem Sfjron unb fdjifft 
fich nad) ber Jfnfel Siba ein) Sber fchon nach 
einem ^ab* erfcheint er plößliip wieber in VariS 
unb ftellt fich abermals an bie Spiße berSrmee. 
Sei ©aterloo in Selgien tommt es mit ben 
Verbündeten jur ©auptfchlacht (18.3funi 1815). 
SS ift ein -furchtbarer Kampf ber Völler unb 
Slüdjer unb ©eßington unb bie Sieger beS 
OageS. Napoleon ftiirK für immer, unb es ift 
für ihn nur ein Schritt Don ©aterloo bis an 
Sorb ber franjöfifchen Srigg, bie ihn nach bem 
englifdjen „Sellerophon" bringt. Wo ihn Sapi» 
tain Vcaitlanb erwartet. 3unt leßten Vtal ruft 


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Gobgle 






174 


$L Helena. 


ißm bie Wattnfhaft ber fransöfifhen ©rigg, 
olö fic fi(i> jur SRüdffebr anßbidte, ju: ,,©S lebe 
bet Äaifer!" ein Ütuf, ben er jeljit Saljre lang 
auf fo Dielen Sd)lacf)tfelbern gehört bitte unb 
ben et hier auf bem 'JJieere Das leßte Wal uer= 
nehmen follte. fRa<b einigen Sagen wirb ihm 
mitgetbeilt, baß et auf ©efdjluß ber oerbünbe« 
ten Wonardjen auf ber unmirtblicßrn Reifen« 
infei St. £>elena als Staatsgefangener fein 
Sieben befd)ließen foll. Napoleon ruft bei biefer 
Wittbeilung Fimmel nnb ©rbe ju trugen beS 
ihm miöerfabrenen Dermeintlicben Unrechts an. 
©r butte auf bie ©roßmutb feiner Sieger ge« 
rechnet, roäbrenb er hoch felbft in ben Sagen 
feines ©lüdfeS MeS unb Obermann feinen po« 
litifcben 3* DC( f en fcbonuttgSloS geopfert but. 
Sfacbbem er bas i'imcnfdjiff „fRortbumberlanb", 


worin fie geloben, fid) als trüber ju lieben unb 
ihre Hölter im ©eifte beS ©üangeliutnS als 
©lieber einer hriftlicben ffamilie ju regieren. 

fRacb mehr als jroeimonatlicber gabrt butten 
bie ©ajfagiere beS „5Jortbumberlanb" baS utt« 
wirtbliaje St. Helena in Sicht. @S ift eine 
einfanie, ifolirte 3 nfel, beren fable Reifen öbe 
aus ben fhäumenben SCBellen beS SBeltmeereS 
in bie Süfte ragen. Sie liegt 6000 Weilen 
Don ©uropa unb 1200 Don ber näcbften &üfte 
entfernt. Sraurig unb einfam jieljt fie fid) 
jebtt Steilen lang unb fecbS Weilen breit unter 
ben glübenben Strahlen ber WittagSfonne bin. 
Wich ber einen Seite fallen fteile ffelstoanbe 
Don 1000 bis 1200 tJtiß 4>öbe fenfrecbt ab, 
nach einer anberu ift bie Hüfte nur burcp ituei 
fchntale ©ngpäffe für Schiffe suganglid). 3>Di« 



$>a« alte ju Songtooob. 


baS ihn nad) bem Orte feiner ©eftimntung I 
bringen follte, beftiegen butte, mußte er fid) | 
auch noch Don feinen greunben trennen. fRur 
bie ©eneräle ©ourgaub unb Sertranb, nebjft 
ber Familie biefeS Seßteren, ber ©rnf unb bie 
©räfin Wontbolon, ber ©raf 2aS GafeS unb 
mehrere Dertraute Siener burjten mit ihm 
jieben. 

©äbrenb baS Schiff ben ©efangenen ©uro« 
paS nach jenem fernen ©ilanb trägt, ift eS fei« 
nen 'Zlnbängern, als ob bie Sonne beS SRubmeS 
über tjranfreich auf etoig untergegangen fei. 
©uropa aber atbmet leichter auf, eS hat baS 
©ewußtfein, baß fein größter fRuljeftörer für 
immer gefallen ift. Sie Haifer ifratts unb 
Stleranber unb ber Honig ffriebrid) SBilbelm 
ber Sritte sieben am 9. 3fuli 1815 in ©ariS 
ein unb fchließen hier bie „^eilige Miaus", 


fcben ben fdjroffen, fleilen Reifen liegen nur 
wenige grüne Sbäier. Wan bat fie fhon baS 
„Walto beS fübatlantifdjen CceanS" genannt. 
SaS ift alfo baS berühmte St. Helena, um baS 
fid) einmal Derfjhiebene ^Rationen ftritten, baS 
aber beute wenig beamtet wirb unb bödiftettS 
ben Schiffbrüchigen als 3 u fluchtSftätte bient. 
#ie unb ba begegnen fich hier Hauffarteifhiffe, 
bie einanber gegenfeitige ©rüße unb wichtige 
fReuigfeiten giifenben, um bann auf’s fReue bie 
einfamen WeereSpfabe weiter ju sieben. 

9llS man an ©orb beS fRortbumberlanb ber 
3 nfel anficßtig würbe, war eben bie Sonne im 
Untergeben unb bie auf bem großen Wafte an« 
gebrachte ©Mnbflagge flatterte in ben öüften. 
©in leifer ©Jinbsiig erfaßte baS Schiff, unb 
bann sog ein ftarter fiuftftrom über bie leiht« 
geträufelte Oberfläche beS WeereS bahin, bie 


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St. Helena. 


175 


Waffen mißten jt<$, unb in atofeer Sile floß 1 
baS Schiff mit feinem grofeen ©efanaenen bem 
VerbannunßSorte entßeßen. 2)ie 3fnfel laß in 
aller ißtadjt unb £errlichfeit beS unteraeljenben 
Sonnenlichtes ba. ®ie fdjroffen Reifen, bie 
jich aus ben fflutljen erhoben, bilbeten ein ijetr* 
lid)e§ Schoufpiel. ®ie bunfelblaue Siefe warf 
in nicht ju befc^teibenber Strahlenbre4unß baS 
rofiße Sonnenlicht juriicf, unb mie mit Wiuiar* 
beit oon ®iamanten unb SÜubinen befäet, fun» 
leiten bie lichten, ftraljlenben SBoßen. 

Von bem allem bemerfte Napoleon nichts. 
SBieber ftanben ihm bie Scferecfniffe ber ein» 
famen, lebenSlänßlichen ©efaiißenfhaft bor ber 
Seele. fftir immer an biefe greifen ßefdjmiebet 
ju roerben, in bem für ihn fo mörberifchen 


3luf ber 3nfel aitßelommen, laßerten fich bie 
bunflen Schatten beS SobeS auf feine eeele. 
Sin bem fleinen ;§immer auf* unb abßehenb, 
fließen fdjmarje, fmftere ©ebanten in ihm auf. 
3u feinem eben eintretenben Vertrauten 2aS 
Safes faßte er: „Wein ff «unb! 34 hübe $u* 
»eilen ben ©ebanlen, bi<h ju entlaßen. $as 
märe nicht fehr fcfjmieriß. 34 bin bann befreit. 
2füeS mirb f4nell oorüber fein unb bu tannft 
rubiß ju ben deinen juriicffehren." 

2aS Safes ermiberte in bemeßter üöeife: 

„Wein £>err ! 2Bir mollen oon ber Verßan* 
ßenheit leben. Sie birßt ßenua in ihrem 
Shoofe, uns ju befriebißen. dürfen mir uns 
nicht erfreuen im $inblict auf bie 2ebenS= 
ßef4i4tf eines SäfarS unb eines 21lejanberS? 



flimmcr in ©riart. 


ftlirna, in biefer ungemohnten Vefchränfung 
beS DafeinS, abßef4nitten oon ber SBelt unb 
allem, maS ihm tteuer mar, unb baju in ber 
ihm auferleßten 2!featenlofißfeit — biefer ©e= 
banfe bra4 bem ftarfen Wanne baS $>erj. Sr* 
bittert rief er auS: „®aS ift fcblimmer als 
JammertanS eifernet Ääfiß! fiieber moüte ich 
in bie ftäitbe ber Voutbonen ßefallen fein, 
glätten fte mi4 in ben Corner ju Sonbon, ober 
in irßenb eine ber ffeftungen SnßlanbS ein* 
ßefchloffen, obroohl i4 non ber ©rcfemuth Sng* 
lattbS mehr ju ermarten hoffte, fo moüte i<h 
mich ni4* beflaßen. Qtber man oerbannt mi4 
auf eine 3nfe( unter ben Jropen. Sie hätten 
ebenforooht mein StobeSurtheil foßleih unter« 
«ihnen mäßen. SS ift unmöglich, bafe ein 
wann, ber roie i4 anßelegt ift, unter biefem 
$imme(Sftri4 lange leben lann." 


Unb hoben mir ni4t mehr als bas? Sie fön* 
nen 3h« eißene 2ebenSgef4i4te im ©eifte no4 
einmal burcfjleben." 

®ie bunflen $obeSgefiible joßen halb mie 
S4atten an feinem urfräftigen SBefen üoriiber 
unb feine ßemofjnte 9fuhe unb .fieiterfeit lehrte 
mieber. (fortan liefe et feine reicfje Vergangen* 
heit, bon ber bunflen S4»eüe beS oäterli4eit 
Kaufes an, bis jur |>öbe beS ÄaifertbroneS, 
oor feinem inneren Vlicfe ooriiberjiehen. Sine 
ßrofeartißere 2ebenSgef<hi4te hot moht foum 
ein Sterblicher aufjumeifen. Sinb auch bie 
einjelnen 2baten feines 2ebenS hie unb ba in 
ber 3Beltßef4»4te errei4t unb foßar iibertroffen 
morben, bie ©efammtbeit feines 2ebenS jebo4 
iff oufeer aüem VergleUfe- 

9fa4bem ber ©efangene fo baS ©Iei4ßemi4t 
feines 3miern mieber bergefteüt hatte, bemerfte 


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176 


$i. Helena. 


feine Umgebung in feinem Wefen feine Weitere 
©cränberung non SBebeutung mehr. „Die Sapre 
zogen über feinem Raupte bi", ohne auf bem« 
felben ©puren jurüdjulaffen. ©ein &aar war 
nic^t ergraut unb feine ffalte auf feinem ©efidjt 
zu feiert. Gr ging, fpraep unb betrug fiep, Bor« 
übemeljenbe 9luSbrüd)e ber Unzufriedenheit unb 
beS WihmutheS abgerechnet, wie zur 3«it feiner 
Wacht, ©eine innere IRegfamfeit unb Sehen« 
bigfeit, bie gäpigfeit, bie Berfcpiebenartigften 
Dinge zu begreifen unb zu beurteilen, hatte 
Weber Pom alter noch ber ©efangenfdjaft ge« 
litten, ©ein fcharfer unb tiefer ©lief maajte 
fich überall geltenb, wo es fiep nicht um ihn, bie 
Bon ihm begangenen fehler unb bie Urfacpen 
feines Sturzes hanbelte. Sn biefer ^Beziehung 
mar er, mit feltenen Ausnahmen, ber Wahrheit 
unzugänglich geblieben." 

Die eiiropäifchen dürften fürchteten fich noch 
immer Bor feiner Wieberlepr unb liefen ihn 
bafjer auf’S ©treugfte bemachen. Die Zugang« 
liehen ©teilen ber Snfel waren mit ^Batterien 
unb alle 0öpen mit ©chilbmachen Berfepen. 
KriegSfcpiffe freuzten unaufhörlich an ber Kiijte 
unb bei feinen ©paziergängen Würbe ber ©e= 
fangene in einiger Gntfernung Bon einem eng« 
lifctjen Offizier, ber ihn nie aus ben 9lugen Per« 
lieren burfte, begleitet. 

Die ärmliche £>ütte, bie Napoleon bei feiner 
9lntunft auf 8t. Helena bezog, fianb jWifchen 
fahlen fjelsmänbett, 1500 Sujj über bem Weere. 
Ginige oerfrüppelte SBäume in ber Wipe liehen 
bie ©egenb nur noch trauriger erffheinen. Der 
KriegSpelb, ben Weber Kugelregen noch Kano« 
nenboniter fepredte, ber fonft faitblütig über bie 
btutigften ©cplacptfelber hinwegfepritt, mochte 
wohl als ©efangener in biefer traurigen Ginöbe 
Zittern. 

GineS SageS entbedte er, mährenb eines ©ba= 
jiergangS, ein einfameS ©auernpauS, in beffeit 
aäpe ein ©ommerhäuSchen ftanb. Dies leptere 
bat er fich bon bem Gigenthümer auS, unb mit 
Ginmilligung beS ©ounerneurS ber 3fnfel, @ir 
fjubfon 2ome, ber ihn fonft burdj fein ^Betragen 
Bielfach fränfte, afs, fchlief unb biftirte er hier, 
mährenb ©raf SaS GafeS unb fein ©opn in ber 
einen Dachfammer unb ein Diener in ber anbem 
fampirten. £)ier befudjten ihn feine paar ©e= 
treuen unb theilten fein ©efepid mit ihm. Kla» 
gen hörte man ihn nie, „benn baS märe unter 
meiner Würbe," fagte er. „S<h muh befehlen, 
ober fchmeigen." 

3 nt 3fahre 1816 bezog er fein neues 2anb« 
haus, 2 ongwoob genannt, unb nun befdjäf« 
tigte er fich mit ©arten» unb Sanbbau, mit 
©lumen« unb Obftzudjt unb hatte feine Ofreube 
an einem fleinen Weiher, in Welchem er berfepie« 
bene ffifdjarten zog- ©ein gröhteS Vergnügen 
hatte er an ben Kinbern feiner ©eneräle. Die 


Kleinen muhten baS ©orrccpt mit ihrem ©önner 
fpielen zu bürfen, fepr hoch Z u fcpäpen, unb be« 
nüpten ade ©elegenpeiten, in feiner 9täpe zu 
fein unb fie erheiterten ihm manche ©tnnbe. 

©on ©eiten feiner Wächter War er fortmüh* 
renb ben fränfenbften ©eteibigungen auSgefept 
unb biefe Dinge nagten am Wart feines 2ebenS. 
Die Wängel feines WefenS brachen gerabe in 
biefen Dingen zu feiner eigenen ©ein peroor. 
©ein unbeugfamer ©tolz unb fein ftarfer Wille 
fonnte fiep unmöglich in biefe äuhere £>artnädig» 
feit unb ©efepräntung fügen. Wan rijz gemalt« 
fam feinen gtounb SaS GafeS Bon ihm unb 
bann auch f einen Leibarzt O’Wearp. ©eine 
©efunbpeit manfte immer mehr. Sn biefer 
9toth richtete er fein fierz auf bie djriftticpe 9te» 
ligion, bie er in ben Sagen feines ©lanzeS pö<h» 
ftenS als eine unentbehrliche Wahregel, bie zum 
©ebeihen beS ©taates nothwenbig fei, angefehen 
hatte. 

Die englifcpe ^Regierung lieh enblich auf baS 
Drängen ber ffreunbe beS ©efangenen hin einen 
9lrzt, unb auf ben Wunfcp ÜRäpoleonS felbft, 
auch zwei ©eiftlicpe nach ©t. Helena abreifen. 
Wäprenb feiner erften Unterrebung mit bem 
9lbt ©uonanita, bem ehemaligen Kaplan feiner 
Wutter, äuherte er: „Wir Waren ber cpriftlicpen 
©nabenmittel zu lange beraubt, ©on jept an 
wollen mir baS heilige 9lbenbmapl jeben ©onn« 
tag feiern unb bie im Goncorbat beftimmten 
Sage Wollen wir ebenfalls heilig halten. Saht 
uns auf ©t. Helena bie teligiöfen ©ebräuepe 
gerabe fo beobachten. Wie man eS in tfranfretep 
tput." 

3um ©rafen Wontpolon fagte er an einem 
einfamen 9lbenb: „91 uf bem ©cplacptfelbe ner« 
gah i<h bie IReligion; auf bem Kaiferthron, Bon 
meinen ©enerälen umgeben, war ich weit baBon, 
anbäeptig zu fein, baS will ich nicht tn 9lbrebe 
ftellen. Sch hätte nicht gewagt zu fagen: S<P 
bin ein ©laubiger/ Sch fagte: 'Die ^Religion 
ift eine Wacht, eine politifcpe Wafcpine.’ aber 
felbft, wenn mich in jener 3eit Semanb bireft 
gefragt hätte, fo würbe ich geantwortet haben: 
S<h bin ein Ghrift/ Snbeffen hier auf ©t. 
ßelena lebe ich wir felbft. Warum follte ich 
heucheln ? 3<P berlange einen ©eiftlicpen unk 
baS heilige 9Ibenbmahl." 

Gin anbermal fagte er zu eben bemfelben: 
„9llejanber, Gäfar, Karl ber ©rohe unb ich 
haben grofje SReicpe gegrünbet, aber worauf 
haben wir bie Schöpfungen unfereS ©enieS ge« 
ftüjjt ? 9tuf bie ©emalt. SefuS allein hat fein 
fReicp auf bie Siebe gegrünbet unb heute noch 
mürben Wifiionen Wenfcpen für ihn fterben. 
GS ift Weber ein Sag noch eine ©chlacht, welche 
ber chriftlidjen SReligion in ber Welt ben ©ieg. 
i Berfcpafft haben. IRein, ein Krieg ift’s, ein 
i langer Krieg breier Saprhunberte, begonnen 


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St. Jjelena. 


177 


burd) bie 2lpoftel, fortgefüljrt bur4 ihre 9ta4= 
folger, unb bie gtuth nod^tommenber ä)riftlid)er 
©enerationen. 3« biefern Kriege fielen ade 
Könige unb ufle 'JJiäcf)te ber^Srbe auf bet einen 
Seite; auf ber anbern öeite fehe idj feine 
SKrmee, fonbetn eine geheimuifiüolle Straft eini= 
ger 2Jtenf4en, bie bie unb ba in alle Obeile ber 
©rbe auSgeftreut finb unb bie fein anbereS Sun* 
besjeic^en haben, als ben gemeinfanten ©tauben 
an bie ©ebeimniffe beS SfreujeS. Me auf 
St. £elena in ber Serbannung; an einen f$?el» 
fen gefcbmiebet. SBer f(impft jefct unb gewinnt 
nodb Staiferreidje für mich? 233er benft über» 
Ijaupt noch an mich ? 2Ö3o finb meine 3?reunbe '( 


ber 9tacbt bom 4. jum 5. SRiti erhob fid) ein 
furchtbarer Orfan. Oie 9ta4t mar fdjwarj 
unb bie (Elemente tobten roie roabnfiunig. ©in 
Oornabo peitfdjte bie fahlen Reifen unb ber 
Siegen fiel in Strömen b^ah. 3eher Saum 
boit Slapoleon gepflanjt, lag mit ben 2Burjetn 
auSgeriffen am Soben unb baS Unwetter tobte 
24 Stunben lang. 2Bährenb biefer 3eit log 
Slapoleojt am Sterben. Oie ßiitber, bie auf 
feinem ^choofee gcfcffen, f4lu4jten laut, als fie 
bie beränberten 3üge in feinem ©eiifbte bemetf» 
ten unb bebedten feine .ftäitbe mit Hüffen unb 
ihränen. ©ineS bet Stinber fiel in Ohnmacht 
Hub muftte fjinweggetragen werben. Slöfclich 



£obtenbelt 9tai>o(eoud. 


Stun, jmei ober brei, bie ihre 3:reue berewigen 
wirb, tbeilen baS ©efchid mit mir. 21 ber ber» 
geht nicht, Was mein balbigeS 2ooS fein wirb. 
Oer grobe Slapoleon wirb halb ben 2ßeg alles 
5leifd)eS gehen. Unb welch eine ffluft behnt 
fid) aus jmifchen meinem tiefen ©leitb unb ber 
ewigen ^Regierung 3 e fu ©brifti, weldje gepre» 
bigt, geliebt unb berehrt wirb unb fid) über bie 
ganje ©rbe berbreitet! Reifet baS: fterben ? 
ober ift baS bielmehr leben ?. Oer Oob Gfjeifti 
ift nicht ber lob eines SJlenfchen, eS ift ber Oob 
©otteS." 

2lm 3. Slai 1821 fühlte Slapoleon fein ©nbe 
nahen unb empfing bie Sterbefaframente. 3« 


fommt ein alter Oiener, ber feit bielen 2öod)eu 
am lieber franf gelegen War, halb angetleibet, 
im jjiebermahnfiitn in’S 3immer geftürjt unb 
fd)reit: „34 werbe ben Haifer nid)t Perlaffen, 
i4 will für ihn fämpfen unb mit ihm fterben." 

2lm 2lbenb beS 5. SCRai War es befonberS bun» 
fei. Oer Sturm heulte unb bie .See brüllte. 
Orinnen aber fpra4 Slapoleon bie lebten SBorte. 
Sie lauteten: „ffranfreid)— an ber Spifje ber 
2 lrntee, 3 l 'fepbine." Cb er biefe abgeriffenen 
SBorte mit flarein Sewnbtiein, ober im träum» 
artigen Ounfel beS erlöfchenben 2ebenS gefpro» 
4 en hat, fonnten bie ihn Umftebenbeii nicht 
ermitteln. ©If SRinuten oor fe4s Uhr gab er 


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178 


J)er untergetaudjte Jjuffdjmieti. 


feinen ©eift auf. ©eine Seiche mürbe in einem 
Sfeal, an einer OueHe, bie er lieb ^atte, unb bie 
bafjer oft baS 3iel feiner ©pajiergänge geroefen 
mar, beigefefet. ©ein ©rab begatteten bie 
SGßeiben ber (abenben Quelle. Gr batte ben Ort 
für feine lefete Stubeftätte fetbft gemäblt. Un= 
gefäfer 20 3abre fpater aber (18. Oft. 1840) 
mürbe feine Slfdje, in 3?olge eines SefdbluffeS 
ber franjöfifdjen Oeputirtenfammer, unter bem 
Winifterium SbierS, burdj eine fraitjöfifcbc 3fre= 
gatte in Gmpfang genommen unb—mit Se« 
milligung beS englifcfjen WinifteriumS — nach 

? 3aris gebraut, um im Oom ber ^noaliben 
eierlichft beftattet ju merben. 

©dbabe, bafe man biefen mobernen Sßrotne* 
UjeuS nitbt auf biefer ftetfeninfel ruhen liefe bis 
jum Sag ber lefeten $ofaune. Oer erlofdjene 
Sultan öon ©t. Helena mar eine bereichnenbe 
©rabftätte für ben grofeen Napoleon. GS lonnte 
nicht roie baS Oenfmal SlleranberS beS ©rofeen 
Don Wenfchenfeänben jerftört merben. Sur eine 
Grfdhütterung beS GrbbaüS batte eS jertrüm« 
tnern tönnen. Oie gebeimnifeoolle fjerne, meit 
ba braufeen auf ber einfanien, ineerumfcbloffenen 
3nfel unb bie roobltbuenbe ©tifle, fern Dom 
©etriebe beS SBeltDerfcprS, böcbftenS Dont ©e= 
fcbrei ber ©eemöDen unterbrochen, Derbreitete 
über bie Stuheffätte StapoleonS einen ftillen 3au= 
ber. „GS gibt am Gnbe ber Gebe einen Ort," 
fagt SacituS, „mo man baS ©eraufdfe hört, iuel= 
dfjeS bie ©onne oerurfaebt, menn fie fiel) SlbetibS 
in baS Weer fenft." 3?iir ^ranfreief) mufete 
baS ©rab feines ©eiben biefer Ort fein, unb 
bie pfeantafieteicbe Grinnerung feiner Semofener 
jog macbenb ober tränmeub hinüber nach ©t. 
‘ ©eletta. SJtan fann bafeer bie Ueberfiiferung 
ber ©ebeine StapoleonS feinen glucflidjen ©e= 
banfen nennen. 


bie reifenben Goangeliften beS WetfjobiSmuS ru 
üerfolgen. Wan erlaubte fidb allerlei Singriffe 
unb ©emalttfeätigfeiten gegen fie. Wan marf 
fie mit ©teinen, ©trafeentotb unb bergleidben. 
Oft batte ber ißrebiger feinen »ortrag faum 
begonnen, fo mürbe er non ber Äanjel herab« 
gejerrt, gemaltfam nach einem in bet Stäbe lie= 
genben Seich gefdhleppt unb unter baS SBaffer 
getauft. 

Um jene 3eit lebte in einem Oorfe.in ©omer« 
fetfbire ein grofeer, ftarfer ©uffepmieb. Wenn 
eS ficb um bie Serfolgung eines Sltetpobiften« 
»rebigerS banbeite, fo mar er niefet nur babei, 
fonbern auch ber SInfübrer ber Stotte. 

GineS SnaeS fotlte ein gemiffer ©err »arfin 
in bem betreffenben Oorfe prebigen. Wan liefe 
ibm bie Warnung jugefjen, bafe menn er fiep 
ins Oorf mage, er ficb auf ein Saudhbab im 
Seiche gefafet halten fönne. Oie Stusfidjt, mit 
feinen beften Kleibern in baS fepmufeige Waffer 
beS Seiches geftiirjt §u merben, mar allerbingS 
nicht fefer einlabenb, noch erntutfeigenb. Stad) 
lurjer Ueberlcgung fam ©err »arfin ju bem 
Gntfdblufe, bie Warnung nicht meiter ju beadb* 
ten, fonbern furchtlos baS Oorf ju betreten. 
3 ur beftimmten ©tunbe machte er bann audp 
feine Gtfdheinuug im Orte. Oer »öbel Pon 
feiner Slnfunft unterrichtet, fammelte fidb rafcb 
unb ber ©uffchmieb trat mie gemöbnlid) als 
fffiibrer an bie ©pifee. Oie fämmtliche 'Jtotte 
umringte ben »rebiger unb obfdbon fein gatues 
Sleufeere ungemöbniidbe ftörperfraft unb @e= 
manbtbeit oerrietl), fo paefte ifen ber ©dbmieb, 
ohne baS geringfte Sebenfen ju befunben unb 
brachte ifen unter bem ©obngelädhter ber Dtotte 
an beS Seiches Stanb. ©ier nahm er benfelben 
inS Serljör unb frug: „Was finb ©ie?" 

„Gin SJtetbobiftenprebiger," antmortete »ar« 
fin. 


Per untergetaudjte Ijuffd)mte&. 

®oi» 3. ©. § orfl. 

B ll n feiner GntftefeungSgefcbidfete ftiefe ber 
| WetbobiSinuS in Gnglanb nicht fei« 
) ten auf grofee fjfeinbfeligfeiten. Oie 
SReifeprebiger mürben Don mütbenben 
»öbelhaufen fchmäblich beleibigt unb 
mifebanbelt, ihr gefegneteS Söirfen 
ihnen erfchroert. Oft maren einflufereiche Siir* 
ger unb Scamten bie SInftifter biefer Serfol= 
gungen. ©olchen Ißerfonen foftete eS menig 
Wübe, baS Solf mit ©afe unb Sßutb gegen bie 
SJtetfeobiften ju entflammen. Oodh audh ba, mo 
eS an foldhen einflußreichen Rührern fehlte, 
rottete ficb ber Stöbet jitfainmen, um befoitberS 


„ 3 u meldhem 3 roe( f e fenb ©ie hierher ge« 
fern men ?" 

„Um biefem Solle baS Goangelium ju pre« 
bigen," lautete bie Slntmort. 

„SJiinfchen ©ie in bem ©dhmufemaffer biefeS 
Seiches ein Sauchbab jn nehmen?" frug ber 
©cfjmieb meiter. 

„Stein, habe burdhauS nicht baS Serlaitgen." 

„?ßof)(an, mollen ©ie mir oerfpreehett, baS 
Oorf augenblicflich ju Derlaffen unb baffelbe nie 
mieber 311 betreten ?" 

I „Stein, lieber ffreunb, biefeS Serfprechen fann 
ich Sfenen unter feiner Sebingung geben." 

I „Stun benn, hinein mit 3bnen" — unb mit 
biefen SBorten fchob er ben Srebiger in bie Witte 
' beS ScidheS, roäbrenb bie 3nf^auer mit lärmen» 
I bem Seifall benfelbfn in feinem Unternehmen 
ermuthigten. 

j „So, nun fannS losgeben," tagte ber ©chmieb, 

! ben Srebiger an ben Schultern faffeitb — „eins. 


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Sie felpn nicht. 


179 


ijnei, bret," — unb mit bem BuSfprueh ber ma* 

S ifdben Drei erwartete et, bafj Marlin unter 
em Waffer berfchwinben werbe. Diefer aber, 
bem baS Schmufcwaffer bis unter bie 9ltme 
ging, blieb ruhig fielen, inbem er nid&t bie ge» 
rinpfte 2 ufl berfpürte, fo ohne Weiteres bem 
®unfcbe beS WufKhtniebS ju wiflfabren. Des 
©djmiebeS Straft war ber fi<h felbft fleftettten 
Aufgabe, ben B«biger unterjutauchen, nicht 
gewachten. _ t . 

„ginS, jwei, brei," — jählte ber ^uffdhmteb 
wieber, um ben mißlungenen Berfuch jui er» 
neuern. Jebodj umfonft, auch bieSmal blieb 
ber ^Jrebißer mit bem &opf über bem SBaffer. 
„gr geht mir nicht unter’S SCßaffer," rief bet 
Sdjniieb ärgerlich bem ^ßöbel ju, ber ben Deich 
umftanb; „er ßebt mir nicht unter’S SBaffer." 

„Setfudh’S noch einmal, Schmieb," riefen 
feine jreunbe ihm ju, unb lachten herzlich über 
feinen Berger. _ „„ 

„ginS, jmei, brei," — aäfjlte ber ©uffchmieb 
nun jum britten Wal; bo<h bergeblicf), ber B«» 
bieder rooflte nun einmal nid)t untere SDBaffer. 
Unb als ber ßeßtere fah, wie machtlos ber 
Sdjmieb ihm fleflenilber jlanb, fo fllaubte er, eS 
fei 3eit, biefem Berfotger unb ber ganjen Dtotte 
eine berbe Jücfjtigung ju fleben. gr paefte ihn 
feft an ben Schultern unb jiihlte mit bröhneri» 
ber Stimme: „ginS, jwei, brei," — unb bie 
herfulifche ©eftalt beS ©uffchmiebS beruhmanb 
im SB aff er jur großen Belüftigung ber 3«» 
fihauer, bie bur<h biefeit Auftritt außerorbent» 
lieh ergößt wurben. Unb als er nun PoHenbS 
huftenb unb pufteub mit bem Stopfe aus bem 
SBaffer auftainhte, ba ertönte ein fdjaßenbeS 
©elächter Dom Ufer her auf feine Stoffen. 

„ginS, jwei, brei," johlte ber Bwbiger jum 
imeiten Wal, unb wieber oerfchwanb ber Sdhmieb 
tm Schmußwaffer; benn er war nur wie ein 
■ftinb in £>errn Martins Wänben. 

„gr wirb mich ertränlen," f<hrie ber Schmieb, 
als er wieber auftaudjte unb ju Btfjem gefönt» 
men mar; „helft, helft mir, er wirb mi<h er» 
tränlen." 

Diefe Häßlichen Hilferufe erfchreclten benn 
bod) bie ben SEeidh umftehenbe Wenge. Das 
©elächter berftummte, bie Weiterleit febwanb 
unb 9lDe fdjlichen jt<h bom Speiche weg. 

„ginS, jmei — nein, eS fei genug für bieS= 
mal," fpradj ber Btebiger ju feinem iiberwun» 
benen ©egner; „lommen Sie jeßt heraus unb 
machen Sie nie wieber ben Berfuch, einen Wann 
unterjutauchen, bet als Jljr jreutib in’S Dorf 
lommt unb nur baS Weil unb Wohl Jljter tut» 
fterhlichen Seele wünfeht." 

Bon ba ah hatten bie Berfolgungen in jenem 
Dorfe ein gnbe. Der WetßobiSmuS faßte 
feften Jttß in bemfelben unb erhielte außer» 
orbentlidhe grfolge. 


IHit fdjenbnt H«0m fetjen pe 
nid)t 

1*4 bew Gaglifißett tum @ut|. 

t n feinen überaus intereffanten “Recollec- 
tions of an Indian Miesionary” theilt 
Seupolt einen höchft ergößlicßen Jad mit, 
bet fchlajjenb beweift, wie biinb flewiffe Seute 
gegen bte fichtlichen WiffionStljatfachen finb. 
,,©S war," fo erjählt Seupolt, „bot einigen 
fahren, bafi ein bon Benares iommenbes sie» 
giment burch gawnpore jog. Die Offijiere 
oiefer ©arnifon gaben ihren flameraben bon 
Benares ein Dinner, ju bem auch Damen ein» 
gelaben Waren. SBäprenb beffelben fragte eine 
biefer Damen einen gapitain beS bewilifomm» 
neten ^Regiments, was in Senates bie Wiffio» 
näre auSrichteten. Der gapitain berfnherte, 
bafe eS bort leine Wiffionäre gebe. „9lber fie 

? iahen ein SBaifenhauS bort," fuhr bie Datne 
ort. „Behüte, eS ejiftirt leine Slnftalt biefer 
9lrt," erflärte ber gapitain. „Stber ich nifjle 
für biefelbe einen reget mäßigen Jahresbeitrag." 
„Jdj glaube baS; allein ich war brei Jahre in 
BenarcS unb müßte bie Bnftalt hoch gefehen 
haben, wenn fie ejriftirte." 

Da fagte ber ber Dame jur fRecfjten fißenbe 
Werr leife ju ihr: „gin wenig ©ebulb," unb 
fragte ben gapitain: „pflegten Sie jur S?ircf)e 
ju gehen, mein Wert?" 

„Ja, wir wurben baju commanbirt." 

„Slber wer prebigteMn Benares, ba bort fein 
DtegiernngSfaplan ift ?" 

„Sichtig, wir hatten feinen Brebiger; aber 
ber ©otteSbienft Würbe bon ©eiftlithcn gehalten, 
bie bon unfrer Wannfdhaft fehr geliebt wurben." 

„Werfwiirbig, gapitain; Sie haben ©otteS» 
bienften beigewohnt, bie bon Wiffionären ge» 
halten wurben, unb wijfen bon ber griffen^ 
biefer Wetwn nichts." 

„SGßaS? Sinb baS Wiffionäre gewefen?" 

„Unb noch eine Jrage: W^ben Sie niemals 
baS lange ©ebäube gefehen in ber Strajje, bie 
um Sigre nach Warawabbi führt?" 

„©emiß, es fam uns bort ein Juchs abljan» 
ben, unb ich ritt auf ben Wof. Da war ein 
Waufe Keiner fchwarjer Schltngel, bie mich an» 
grinften; Sie muhten, Wo ber Ju<hS war, moll» 
ten eS ntir aber nicht feigen." 

„9htn, bann finb Sie ja im SBaifenhaufe 
gewefen, bon bem Jljre Nachbarin fprach." 

„Ja, bann müßte ich nicht, was es war. J<h 
, hielt es für eine Jnbigo»Jaltorei ober fo etwas." 
j So geht eS in Jnbien, unb in 9lfrifa unb in 
i ber Siibfee ift eS gleich alfo. 3um Seheii ge» 
hören klugen unb —ein Jnterejfe an ber Sadhe. 
jehleit biefe, fo nimmt man auch nichts wahr 
1 unb wenn man mit ben Jiifsen boritber fiele! 


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180 


$on JSfrlin nadj (Sttglanb. 


JJon Berlin uadj ^nglonb uni) $d)ottlaub. 



So« 6. SBei|j in ©erlitt. 


djon lange 
lag mir baS 
ftölge 9(ll>ion 
itnb baS De» 
fuinenifche 
6 on ci(im 
(Sinn, unb 
als muitber» 
bar leidjt alle 
Schmierig» 
feiten fich eb= 
neten, magte 
ben Schritt. 
Seiber ift ber 
unterfeeifche 
SEunnell noch 
nicht fertig, 
unb fo mußte 
benn baS 
fchmanfenbe 
Schiff mich 
nach Sonbon 
bringen. — 
3®ic fdjtoad) 
ift bod) ber 
Stenfdj in feinen fräftigften ©ntfchliiffen! Sor 
fedf)§ fahren, als icf) biefe 933afferfahrt irmcfjte, 
oerfpradj icf) — weiß idj mein ? — bafj gehn 
Sterbe mich nic^t mehr auf ein folcheS 2)ing 
brächte, unb fefjon toieber mar icb ba ! ©eitug, 
ber Seefahrten finb gunt Ueberbruß biel be= 
fchrieben morben. 3d) freute mich nur, als ich 
in Sonbon bei bem alten lieben Frcunbe 
Sdjmeither mar. Selten tomrnt ein Sergniigen 
allein, es bringt benn ein gmeiteS mit. Sr. Sieb= 
hart ftanb halb Oor mir in feiner gangen ©röße 
unb halb burfte ich auch ben lieben Sr. Sdjmibt, 
ben ©ongreßmann, begrüßen. 3fn Serlin finb 
mir noch nicht f« meit. S3ir haben noch feinen 
Stetljobiften in’S 9lbgeorbnetenhauS gebracht. 
Höenn man nun frifcf) aus Serlin, roo ber 
Äaifer unb SiSmarcf mohnen, gmifdjen gtoei 
foldje 6rg = Slmerifaner geräth, unb auch noch 
ätoifdjen foldje „©roßen", hat man fich um fein 
$eutfd)thum gu mehren. 3ln S)r. Sulgberger 
hatte iajjiur eine fchroanfenbe Stiiße, benn in 
ihm ift iachroeiger Slut. ©ottlob gab eS einen 
anbereit „tieferen Soben". auf bem mir alle 
herglich iibereinftimmten. 

Son Serlin nach Sonbon! 2)nS mar mie oon 
bem ftillen SubroigSburg nach Serlin. 2>n 
Serlin ift fchon Siirm genug. Sonbon aber 
iibertrifft an Speftatel Serlin meit. SBeldj ein 


©ebränge oon ftuhrmerfen; melch ein Surd)» 
einanbertoogen oon Seuten alter Nationalitäten! 
Serlin ift hoch meit feiner — mehr faffjioitable, 
mie biefe ©rofsftabt mit ihren offenen fjleifchcr^ 
buben, mit ihrem fßebel oon oben unb bichtem 
Sdjmujj unb Staub oon unten; hoch ift Serlin 
auch oiermal fleiner, benn biefeS birgt nur 
1,140,000 ©inmoljner in feinen fafernenartigen 
©ehöften, mährenb Sonbon mit oiermal fooiel 
©intooljnern einen üerhältnißmäfjig meit grö» 
ßeren Flächenraum einnimmt, beim eS giebt 
bafelbft biel mehr f l e i it e Käufer. 

$n Serlin oerftedt fich baS ©lenb fomohl 
als bie Sittenloftgfeit; in Sonbon tritt eS 
offen an ben Sag: betrnnfene grauen — 
mehr noch benn Stänner; in Sumpcn gehüllte 
©eftalten, barfüßige, fdhmnßige, abgegehrte 
ßinber — baS 9llIeS geigte mir, baß ber arme, 
bermahrlofte Seutfdje bod) noch mehr Scham» 
gefiihl h«t nnb mehr äußerliche Silbung unb 
länger ben Schein beS 5lnftanbS fefthält, mie 
ber ©nglänber. Sie gräßliche ÜRotfj, rneldje ich 
in Serlin mahrnehme, fattn mid) nicht über» 
gengen, bap mir troß ber 64 SRiflioneu Start, 
meldje ber Serliner Stagiftrat jährlich für 9lr» 
menpflege oerauSgabt, meniger ©lenb haben als 
in Sonbon. 3tt Sonbon ift leichter 9lrbeit gu 
finben als in Serlin, unb biefelbe roirb beffer 
belohnt, ferner ift im Printen, benn baS 
gehört bod) einmal bagu, roenn man üoin 
Seutfd)thuin fpridjt, ein großer Unterfchieb. 
SSJüfjrenb in Serlin in großen Siergärten Sau» 
fenbe oon 9Renfd)en bei Stufif unb einem ober 
gtoei ©laS Sier ftunbenlang fißen fönnen, ohne 
bafg man Setrunfene ba.bei fehen mürbe — halt 
eS ber Sonboner Siertrinfer nicht lange in 
einem Sofal aus. ©r ftiirgt fteljenb fein mit 
Sranntmein gemifdjteS 3 eu fl hinunter unb 
läuft bann nad) einer anbern Sube, bis er nicht 
mehr fteljen fann. ©efährlicher für bie ©e= 
fammtheit beS SolfeS ift biefe beutfdje gemütlj» 
ließe 9lrt beS SrinfenS, abgefehen baOon, baß 
biefeS gemütliche Sißen in ben SSirtljShäufern 
bie ©emüthlichfeit beS Familienlebens unter» 
gräbt unb bie ©nergie unb ben SBohlftanb 
fchmädjt. Sßiebiel Sittenlofigfeit fid) unter bie» 
fern äußern Stantel beS 9InftanbeS birgt, baoon 
mill ich für bieSmal Ichroeigen Fd) fäme fonft 
auf eine Serliner Staitbal=©hronif bie ber oon 
SariS nichts nachftänbe. Seibe Stäbte 
finb-gottlos. 9111ei it roaS thut man 
in beiben. um bie ©ottlofigfeit gn 
.b c t ä ’n p f e u ? 


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181 


flott fetlttt ttnd) ©nglanb. 


3ur Hebung äußeren ©lenbeS ^efc^le^t in 
^Berlin oiel. Allein bie rechte ©bangelifationS* 
orbeit ift taum bafelbft bcfannt. ®er ©eift ber 
lutßerifdjen Strebe befeßranfte biefe Stbätigfeit 
auSfcßließließ aufs „9lmt" unb berwieS bie 
„Saien" auf ©Jerfe ber ©armßergigfeit, in wel* 
dien biele fieß auch auSgeießnen. ©elbft bie 
©tabtmiffion in ©erlin hält fieß meßr an leitete 
Stießtung, obrooßl fie feßon einen ©cßritt öor* 
roärts getßan bot tttit ©bßalten bon ©ibel* 
ftunben. 

©erlin bot 27 ©tabtmiffionen, Sonbon 440. 
Sßerlin bat 56 Kirchen unb Tabellen (aller Gon* 
feffionen) mit 96 ©rebigern ber Sanbesfireße, 
tbäbrenb Sonbon allein 150 ©leSl. Kapellen 
unb 144 ©tetßobiftenprebiger aufguweifen bat. 
Sei bem Vergleich mit ©laScjom, ©eßottlanbS 

S ößter otabt, fommt SBerlin ebenfalls febr 
leeßt weg. ©laSgow bot 329 Kireßen aller 
©elenntniffe bei nur ftart halb fo großer Seböl* 
terung wie ©erlin (584,000 ©inwoßner). 

$odb mir wollen ben ©ergleicß beifeite feßen: 
aber bie Uebergeugitng brängte fief) uns noeß 
ftärter auf benn je, baß in ©erlin unb in gang 
35eutfcßlanb ebangelifirt werben muß mit aller 
©taeßt. ®ie SattbeSfircßen müffen bagu bon 
tlußen angefpomt werben unb ben freien ®e= 
meinben müffen in bem guten ©5erf boran 
geben. 

©tan tbut in Sonbon oiel. $ie ©eorgftraße, 
Sonbon’S ärmfte, oerrufen fte Strafe, in Wel* 
djet ieiber unfere Sanbsleute, namentli(b bie 

S ngen ©täbeßen, eine große Stolle fbielen unb bie 
atrofen aller Stationen oertebren, finb allein 
folgenbe ©nftalten jur Hebung beS fittlicßen 
©lenbS getroffen. 3m Strangers rest fönnen 
©tatrofen ficb aufßalten unb ©benbS in 3—4 
©praeßen bon eifrigen ©rübern ©otteS 2öort 
prebigen ßörett, wir hörten bort eine reeßt fräf= 
tige ©nfpraeße im englifeßen «aal bon einem 
fein gebilbeten jungen ©nglifßman. 3 m 
mann’S ^>eim fönnen biefelben für one penny 
eine Jajfe Slßee trinfen unb nebenan in einer 
Verberge billig logiren. ©Jeiter begegnen mir 
einem Seit, gebaut auf einem unbebauten ©laß, 
in weldßem leben ülbenb iempereng=©nfpracßen 
gebalten werben, ffür junge ©täbeßen ift eine 
anftalt ba, in welcher benfelben, wenn fie fom* 
men, bie Hanb gut'rem neuen Seben geboten 
wirb, bie bridgo of liope. ©ber Ieiber finb 
bie jang* unb Srirtlbuben alle beffer befeßt als 
bie cßriftlicßen Sofale. ®ie Heilsarmee ift bef* 
fer als alle anbetn Kireßen ßineingebrungen ins 
©olf unb bat ber „Ofetten" etliche gerettet, aber 
auch nur wenige im ©ergleicb gu ber großen 
©taffe beS ©olfS. 

35ie beutfeße weSlenanifcße ©emeinbe in Son* 
bon, mit ihrem macteren ©rebiger ©cßroeifßer 
an ber ©piße unb einer ßbönen ©eßaar bon 


freiwilligen geifern, ift bafelbft ein leucßtenber 
[ ©tern. 2>iefelbe befißt ein feßöneS, praftifcß 
eingerichtetes ©otteSßaus unb bie ©emeinbe ift 
eine reeßte ©tiffionSgemeinbe. 3 f ben ©onntag 
Stacßmittag gießt eine ©cßaar bon 50—60 ©e* 
feßwiffern, naeßbem fie ben in ©nglanb unoer* 
meiblicßen SLßee in ber Kapelle gufammen ge* 
trunfen unb fieß im ©ebet geftärft haben, ßin* 
aus, bie ©inen gu HauSbefucßen, bie ©nberit tut 
©traßenprebigt. 3cß traf bafelb mehrere ©e* 
fannte an. 

$ureß ©nglanb naeß ©cßottlanb. v 

„®aS „grüne ©nglanb" hörten wir oft fingen 
unb fagen. ©S ift maßr! ©oweit bas 9luge 
reießt, nießts als SEÖiefen, auffaüenb meßr als 
in Seutfcßlanb! $er ©nglänber liebt eben 
ein gutes beef unb “beef or mutton ? Sir” ift 
bie ftänbige ff rage in ber Üteftauration. ©ber 
biefe großen ©Jeibepläße genügen bemfelben noeß 
nießt. ©r fauft bem armen $eutfeßen gegen 
©aumwoüe unb ©ifen fein ©ieß ab unb quält 
fieß nießt feßr mit ©Geigenbau, weil ©merifa unb 
bie Kolonien ißm bas feßr billig liefern, ©ine 
©tenge ©aiern feien auSgewanbert naeß ©merifa, 
fo berfießerte man mir, unb bie ©roßgrunb» 
beftßer berlegten fiiß meift auf ©ießgueßt. 3n 
unferm iiberoötferten ®eutfcßlanb muß ber 
Sanbmann oft fein ©eßweineßen, wenn er cS 
aeinäftet ßat, oerfaufen, um nur baares ©elb gu 
betommen unb beef unb mutton finb gwar 
muß ißm lieb, boeß feßr felteneStamen. $aßer 
ßaben wir weit weniger ©liefen, ©ielleicßt 
audß Weil unfer $lima wärmer unb für ben 
©au bon Körnerfrüchten günftiger ift. 

3 n@cßottlanb. 

®a füßlt ein SJeutfcßer fieß feßon meßr ba» 
ßeim. 3>r ©cßotte ift bebäeßtiger, grünblicßer, 
gäßer unb langfamer wie ber ©nglänber. “He 
takes bis time.” ©cßon fein breites ©efießt 
unb feine breite ©uSfpracße berrätß, baß er 
meßr ©erwanbtfcßaft ßat mit bem Sleutfcßen. 

©r ßat aueß meßr ©iinpntßie mit $eutfcßlanb 
als ber ©nglänber. ©S ift eine gange ©tobe* 
faeße geworben nnb gehört gum fafßionablen 
Son, feine Slöcßter m ©eutfeßlanb „ißre ©rgie* 
ßung beenben gu laffen", wäßrenb ©nglanb 
meßr Suft gu granfreieß geigt, ©in trautes 
ffamilien leben ßaben biefe ©cßotten, unb wer 
baS ©lütt ßat, “introduoed” gu werben, ift 
halb in ißrem comfortablen “home” baßeim. 

©r muß aber ein Seetotaler fein. ©S gibt eine 
©tenge Rotels, welcße fieß beß rüßmen, baß fie 
feine Siceng ßaben unb auf großen ©cßilbern 
feßreiben: „SEemperenj, Hotel", ©o etwas 
ifi in $eutf<ßlanb nod) nießt ba gewefen. ©in 
Hotel oßne ©Bein unb©ier! $er 2Birtß 
würbe benfen, er müffe übermorgen ©anferott 


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182 


Hon 8 erlin nodj dnglanb. 

machen,... nein — ein fold^er SBirth ift tin» j fid», baS großartigste SBerf biefer 2trt gu be» 

, betftbar nud) ben geläufigen beutfchen Gegriffen. I fißen. auf bem Green prebigte oor circa 15 
armes IDeutfcblanb, wenn wirft bu bürften nach j fahren ein 5Rethobiftenprebiger im freien, 
bem CebenSwajfer unb beine 2Birt£»s^äufer in Später fammelte bafelbft, auf einem ©tuf)t 
Sethäufer oerwanbeln! ftehenb, bet jeßt nod) als Guriofutn in einer 

2)ie g r e i t i r <h e in ©laSgow, biefer reichen gamilie aufbemahrt wirb, »eit er bie ©puren 
gabritftabt, befiel oon ben alten Kämpfern aus feines ©iferS trägt, 5)r. ©omeroitte eine große 
ber Trennung noch gwei ebrwürbige ©eftalten: ©d)aar ber aermften um fid). 5t od) fpäter — 
®r. £oratiuS Sonar unb 2)r. 5t. 5t. ©omer« oor 6 fahren — es »ar na<$ ber ©rmedungS» 
bitte, ber 5tame beS fieberen bot namentlich in jeit SJtoobp unb ©anfet), baute man hier aus 
Sertin einen guten Jflang. ®erfe(ße hielt leb« freiwilligen ^Beiträgen eine große £alle. Nie¬ 
tes 3aljr mit unerhörtem ©rfolg hier ©oangefi» etbe befiebt aus bem großen 3000 tßerfonen 
fationSoerfammtungen, oon »eiche heute noch foffenben ©aal unb ben unter bemfelben liegen» 
Siete mit Segeifterung reben. ©r ift oon fei» ben 9täumlid)feiten für ßitcbe unb bergleid)en. 
ner ©emeinbe penfionirt, »ifl aber feine lebten £>ier fab ich om ©onntag 5)corgen 8 Uhr 1800 
Saljre no<b als ©Dangelift »irfen unb bat, un» ber ärmften 5Jtänner unb grauen, »ie fie !aum 
terftüßt oon einigen reifen djriftlidjen jtauf» Sonbon auf»eifen !ann—meift irifdjeS Soll— 
leuten, eine ©öangelifationStour um bie 3ßelt beifammen. 150 freiwillige Reifet fißen wie 
gurüdgelegt. 9ln bem ©onntag, an welchem in ber ©onntagfcbule, je einer oor einer Sanf. 
®r. ©omeroille in feiner früheren $ird)e pre» ©S wirb eins ber auf einer großen Seinwanb 
bigte, tarn gur $edung ber $ir<henfd)u(b gang gemalten Sieber gefungen unb ein ©hot oon 
geräufchloS beim ©ingang bie tleine ©oÜefte freunblidjen ßionSfängetn trägt nach bem ©e« 
Oon £1276 gufammen. ©egenwärtig wirft er bet nodj ein Sieb oor. 33on unten lommen auf 
»ieber mit £)ülfe oon $)olmetf<hern in <^iib= ©(bienen jeßt Sßagen angerollt mit loftbarent 
beutfiblanb. ©r ift ein fein gebilbeter ©entle» Inhalt, ©ine Uajje $b« unb ein fdjon ant 
man oon ungewöhnlicher Segabung. Sonnabenb in Sanier gewidelteS träftigeS Sut« 

©laSgows Stuhm befteljt in feinen über bie tetbrob mit gleifdj ober Ääfe, ift in fünf SJti* 
gange SBelt auSgebreiteten 5JtiffionSwerten. nuten in ieber ber 1800 fiänbe. 3fn 25 9Wi* 
»ber auch baheim oerfäumen fie bie arbeit nuten hoben alle bie frohe 5Jta|tgeit beenbet unb 
nidjt. ©je machen nicht fo Diel sliow. üJtan nun folgen 30 ÜRinuten Jang allerlei träftige 
fiept nicht Ijto Daie in Sonbon bie ©iebel man» anfpracgen unb ©efanju} 9ca|mittag3 Wirt» 
«her Käufer bemalt mit SSibelfpriidjen, aber fte eine ähnliche StahljeitJSOO Jtinbern bereitet, 
tljun feljr oiel. $)ie ©eele beS ©oangelifaiionS» für welche auch »iebet foO freiwillige ©onntag. 
wertes ift 9teo. ©cott. 35ßir gäljlen allein 19 fchularbeiter fid) eingefteüt laben. 3u gleicher 
dbrifttiche ©efeUfchaften hier, bie alle irgenb einen Seit halten gwei aergte in einen anftoßenben 
ßrneig ber inneren ober äußeren 5)tiffion trei» Simmer unentgeltliche Serathung mit Jfranten. 
ben. am meiften intereffiren mich gwei SBerfe: $)ie Reifer aber hoben fi<h Oerpflichtet, alle ihre 
©in beutfd^er 2lrgt, ber in einem großen ©pital großen unb tleinen Seute gu befugen unb ftatten 
angejtellt ift, wollte mir aus ®anfbarleit für bei ihrer wöchentlichen ©efthäftsfifeung ^Bericht 
meinen Sortrag für bie ®eutfdjen, einen ©e» ab. ®a wirb h* er ein oerwaljtloftes Jtinb in 
genbienft ergeigen unb führte mich in einem ChrifttiCher gamilie untergebracht, bort einen 
|)ofpitaI herum, baS eine 5Rufteranjtalt ge» arbeitSlofen braoen gamilienoater arbeit ber« 
nannt »erben tann. ©in eingiger glügel beS» fchafft unb oiel 5toth unb ©lenb leiblich toie 
felben, oon einem |>errn greeblanb geftiftet, geijiliCh geheilt. ®ie Jloften aber, fo oerfiChert 
ioftete £40,000. 3n biefer SBeftern 3fnfirmarp mir 55cr. ©teel, ber eifrige $ireftor beS ©an* 
fah ich bie Atomen ber Slumenmifiion an ber gen, tommen allwöchentlich ohne aufforberung 
arbeit. Siergig chriftliche Samen fommen hier gufammen burch freiwillig eingefanbte Seiträge. 
jeben Sonnerftag gnfammen*. @ie holten eine äße Senominationen wirten bei biefem SCßerl 
turge anbadbt (in Seutfdjlanb fönnte man fid) gufammen. 5tur ©in 5?' nn — ber ÄoCh wirb 
baS ohne Saftor in Salar unb Säffdjen gar begahlt — alle übrige arbeit gefchieht freiwillig.' 
nicht benfen) unb oertheilen ficb bann in bie ©trenger »ie ©nglanb feiern bie ©(hotten 
©äle unb bringen jebem Oranten ein hübfCh ben ©onntag. alles pilgert 33ormittagS in bie 
gebunbeneS buftenbeS Souquetdhen, an beffen JJirChe. —alles gieht in Serlin SormittagS unb 
stiel jinnreidj ein Silb unb ein Straftat he» äadjmittagS im ©ommer hinaus gu Spiel, 
feftigt ift. an mehreren SÖetten fah ich fif fißen Strinfen unb Sang. — 3llleS füllt bie großarti« 
mit bem Seftament in ber $anb unb bie .Oran» gen SSergnügungSlotale im SBinter unb in man« 
ten hörten benfelben begierig ju. eher .Q’irdje in einem JJirChfpiel oon 40,000 

©in anbereS 3ßert ifi baS große “breiikfast” Seelen fannft bu 30— 40 Seute in ber Kirche 
in ßameS 5Rorrifon ©traße. ©lasgow rühmt gählen. aber mir btängen ft<h fChon »ieber 


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^us bet Siefe. 


m 


Vergleiche auf! Stein, Oeutfcßlanb gießt in 
religiöfer ©egießuna unftreitig weitaus ben 
JHiijeren! ©S muß fich frembe f)ilfe gefallen 
(affen. 3ß unfer Volt nicßt ebenfo begabt wie 
bas englifdje ? 2Bar es mcßt gut 3eit bet 9te« 
formation bie Seucßte ©uropaS ? 3ßm fehlte 
nichts als bie OFreipeit unb baS ©oangelium, 
geprebigt auf allerlei SEBeife — geprebigt außer« 


halb ben $ircßen. 3ßm fehlt nichts als bie 
$ßätigteit, baS Veifpiel unb ber Einfluß com« 
palt organifirter ©emeinben, ber ©läubigen 
boller ©eift unb Seben — bann tönnen wir in 
einem ober gwei SJtenfcßenaltern biefleicßt auch 
©bangeliften fcßiden nach bem ftolgen Albion. 
Oaran arbeiten unb bauen auch wir als Ute« 
thobiften 1 


(Etwa* am der tiefe. 


Sou $. 

iner ber wunberlichften Schiffer, ber je bie 
alten SJteere burdjtreugte unb faft bon Ur« 
anfang ßer bie feuchten Siefen belebte, iji 
ber StautiluS, ein bieltammerigeS SJtufcßeltßier, 
welches in früheren ©rbaltern in bielen SpecieS 
fich repräfentirte, baS aber jeßt nur noch burch 
brei ober bier Wirten bertreten ift. 

®er bor uns Segelnbe (fiehe nädjfte Seite) 
ift ber ©apier»StautiluS, beffen bon perlen« 
dang pracßtbofl burihfchimmerteS, bapierbünneS 
©eßäufe Die 3' er be finer Vtufqjelfammlung 
bilbet. ®er ßöcßffciMttte Sau ift burch toeflen« 
förmige ©rßößuAw, emawentirt, bie bom 
SBidefnacß beraMfetie ffraßlen unb bie unter« 
halb mit fcßmai|i%fden betupft finb. ®a8 
©ange ift ein ftJpäKtddw^ ettoeiternbeS fpiral« 
förmiges ©emfl»e>ttelj|ß burch geräumigeren 
neuen Anbau ben engeren alten jlets bis gum 
VoßmudjS einmiefelt. Sei feber Vergrößerung 
begießt baS Sßier ben borbern Sheil ber SJtu« 
fcpel, roäßtenb bie berlaffene fiößlung burch 
eine Querroanb berfcbloffen wirb, unb fcßafft fo» 
mit eine Steiße bon «ammem, bie alle mittelft 
einer Stößre miteinanber oerbunben ftnb. 3m 
Sorbertßeil ber ©arte fißt ber tleine Schiffer, 
gwei äußerft bünne (appenartige Organe als 
Segel erßebenb, wäßrenb gu jeber Seite bie mit 
SaugnäfJfen befeßten 3?angarme wie Stüber 
eines ©aleerenfcßiffeS in ba§ SBaffer tauchen. 
Sanft behaucht treibt er auf ftifler fommer« 
lißer See. Saßt aber bie SBinbe ißren äolifcßen 
SBinfeln entfcßlüpfen unb bie Stellen bon ißren 
flüfpgen Schlummer aufmecfen, fo ftreicßt er 
bie Segel unb ber tleine Sdjiffer ßufcßt mit 
feinet ©arte ßinab in ftifle ficßere Siefen gwi« 
fcßen marmorne Säulengähge pracßtboller $ 0 « 
rollen. 

©iefe f^orm erinnert an ben alten Schiffs« 
baufinl mit ßoßem ^intertßeil unb eingeboge« 
nem SdjiffSfcßnabel, unb eS ift gar nicht un« 
waßrfdßeinlitß, baß bie alten römifcßen ©aleeren 
ißr SJtufter biefer SJtufcßel entnahmen, ba fie 
ff<ß im mittellänbifcßen SJteere fo allgemein 


$erger. 

finbet. 3m 14ten 3aßrßunbert waren notß 
ÄrieaSfcßifje nach biefer gorm mobeflirt. Ari« 
ftoteleS fcßeint ber ©rfte gewefen gu fein, ber 
unS eine Vefcßreibung biefer SJtufcßel gießt unb 
nannte fie Nautilus primus, ober „ber erfte 
Scßiffer"; unb als StautiluS ift er feitßer be« 
tannt geblieben. SinnäuS, ficß ber berühmten 
mßthifdjen Slrgonautenfaßrt erinnemb, taufte 
ißn in ber SJtitte beS borigen SoßrßunbertS um 
unb nannte ißn nach jenem Skiffe „Argo", unb 
beffen SJtatrofen, bie „Argonauten" — Argo» 
nauta Argo. ©eibeS finb feßr begeicßnenbe Sta« 
men, bie bie SebenSweife biefeS SßiereS an» 
beuten. 

SBetl man nun (einerlei Starben als Anhalts« 
puntte ber SJtuSteln im Innern bet SJtufcßel 
finbet, wie baS bei anbern Schaaltßieren ber 
örafl iji, fo glaubte man früher es mit einem 
unrechtmäßigen ©efißer beS ©eßäufeS gu tßun 
gu ßaben, wie bieS bom ©remitentrebs gefcßießt, 
ber um feines nacften &intertörperS wißen bie 
£>ornmufcßel gur SBoßnung begießt. AriftoteleS 
ßat uns über biefen Argonauten einen interef« 
fanten ©ericßt gegeben, er fagt: OiefeS Sßier 
ßat fich bon einem ßilfloferen SJtitbemoßner beS 
SJteereS biefe SJtufcßel gefiebert, bemannt es als 
fein Schiff, gießt bie Segel auf unb beginnt 
nun eine Suftfaßrt ober unternimmt eine ©nt» 
bedungSreife. SJtit feinen gwei breiten Atmen, 
bie ficß fegeiförmig auSbeßnen, unb bie übrigen 
gum Steuer benußenb, läßt er ficß ßintreiben, 
wohin eS geht. Stritt Söinbftifle ein, fo ftreicßt 
et feine Segel unb legt fie beiberfeitig an fein 
©oot, mit beren Stuberfraft er rafcß borwärts 
eilt. — ©liniuS fügt bingu, baß, wenn er bon 
einem Sturm überrafeßt ober bon einem ffeinbe 
bebroßt wirb, er fein Schiff mit Skiff er füßt 
unb gu ©oben finti. ©ei rußigerer See fteigt 
er aßmäßlicß nach oben, inbem er bureß eine 
Vorrichtung im Körper baS SBaffer wieber 
auSftößt unb gu neuer ffaßrt ficß anfeßidt. Viel 
babon iß jeboeß nur ©ßantafiegebilbe, aber ein 
fo tcßöneS, baß es faft ein Verbrechen fcßeint, eS 



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184 


%m ber ffitrfe. 


31 t gcrftören. 9teucre (SntDeder aber (>aben me= 
nig £ochad)tunfl gegen ifjre miffenfd)aftlid)en 
ißorbäter uub fühlen fich jumcift am gliidlid)* 
ften, menn fie ben 3 opf ber eilten belaßen 
fönnen. 

2öir rniffen jeßt, baß ber 9tautiluS rechtlicher 
Sefifcer feine» ©djiffeS ift unb nur Dom 2Seib= 
d)en beffelbeu bemohut mirb, meldjeS als ©<huß 
ihrer 6 ier unb gingen bient. $ie biiunhäutige 
9(uSbreitnng ber ätoei 9lrme merben nie als 8 e* 


bem WeereSboben jit Süßen, rnomit fie, gleich 
einer Schnede, mit bem £)auS auf bem 9tüden 
j fid) fortbemegen. Um uns aber ein beffereS 
Serftänbniß über biefeS intereffante 2 hier ju 
flehen, menben mir uns 511 beffen nächften 35er* 
manbten, beren mehrere mir beffer tennen.- 
2 )er Nautilus ift immer unter ber großen 
Samilie ber 9)iolluSfen ober SBeichthiere mit 
I beschrieben morben, moju mir bie Lüftern, 
echneden unb s Dtufchelthiere überhaupt regnen. 



SRautUuS auf bau SBaffer fc^toimtnenb. 


gel beim ist, nur tfjeils jum Subern; ihre 
i£>auptfunftion aber beftetjt in ber Slbfonbetung 
ber Stoffe, bie jum Sau ber Stuftet notf)Wen= 
big finb. 

3lnftatt nur bon Stöinben borwcirtS getrieben 
ju werben, entfteht ein untflefebrteg Serhältnifi 
burd) einen Strahl SBafferS, welcher bont Sör* 
per burch eine 5lrt Trichter ober tRöhre au§« 
geftoßen wirb, ber, wie bie Shaft einer SÜafete, 
ben „Slrgonauten" rüdroiirtS treibt; unb bie 
Stuberarme bienen bem eingefehrten ^fjiere auf 


bie fein inneres fefteS fnodjenartigeS ©feiet ha» 
ben. Söenn biefeS 2hier feinem ©eljäufe ent« 
hoben wirb, fo bi&en wir etwas wie einen 
jintenfifdj bor uns, ber, wie alle feine Settern, 
nadt uub unbepanjert ift unb au§ einem flum» 
pigen, bei manchen 2 lrten aud) aus einem läng, 
lief) runben Körper befiehl, um beffen Stopf enbe 
eine Slnjaljl giifse ober Sirme angebracht finb, 
woher fie auch Gepfjalopoben ober Stopffüfjler 
genannt werben. fRad) ber Slnjaljl ihrer gang« 
arme ober güße verfallen fie in jwei ftlaffen: 


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3Us ber Utirfe. 


185 


bie acbtfüfeigen (Octopoben), welche nur fefeljafte 
gandarme befifcen, unb bie gehnfüfeigen (deca* 
hoben), bei welchen gwei berfelben tentafel» ober 
füljlfabenartig fid> berlängettt. der Httunb ift 
inmitten beS ftra^Iid^en Zentrums ber Htrme 
oerftedt, wüljrenb gwei ben Hßirbelthieren äl)n= 
liebe Hlugen unmittelbar unter ' ben Hinnen 
fchredfjaft hcroorglopen, fo bafe ein Schreiber 



Sta eingete^rte $apier»9lautilu& 


fte feberghaft aber wahr als dljirre charafteri* 
jirt, bie ihren HSiinb auf bem ffopfe tragen, 
ihre Hlugen aber unter bie Htrme nehmen. 

5Sit ihren acht abwärts gelehrten Firmen 
burtpwanbeln biefe ihiere wie riefige unter» 
feeifdjje ©pinnen ben HSeereSboben, überall nach 
Beute fudjenb unb ben unglücflichen Ärebs aus 
gelsfpalten gtebenb, wo berfelbe ein ficpereS 
Berfted gu haben glaubte. diefes ift ber „ieu= 
felsfifch", wie ihn Bittor .{)ugo fo graphifeh 
aber auch fo unwiffenhhaftlich anführt: 

Bet ben Hirten, bte eine mehr fipenbe, frie= 
djenbe ßebenSwetfe führen unb am ©eftein fich 
anflammernb. bie Dorüberfchiinmmenbe Beute 
erhafchen, finb bie fefihafteu gangarme ben 
Bebürfniffen entfprecpenb ftets langer, fleifcpiger 
unb ftärfer als bei ben febmimtnenben de’ca* 
poben. Bei einigen finb bie gangarme getrennt, 
bei atibern burch eine (Schwimmhaut miteinan* 
ber oerbunben. der CctopuS geigt uns an 



Star rücftoärtS fc^toimmenb« $a$>ter*9&autüu«. 


iebem gangarme eine hoppelte Seihe bon Säpf* 
epen, bie Sepie eine bierfache, bie ©lebone nur 
eine. So wunberbare Bariationen Weife ber 
Schöpfer auf einem dpf'«« gu fpielen! eine fo 
unerfdhöpfliche HJtanchfaltigfeit hat ba ber £>err 
ber Satur in ber Bilbuttg gahlreidjer Stiper* 
arten entwidelt , bie boch alle nach bemfelben 
©rurtbplan geformt finb. 

f>at ber Ifopffüfeler burch Hlnfaugen ober 
geftpaten (ich eines gifdjeS ober einer ©rnftacee 
bemächtigt, fo wirb baS unglüdliche dpier fo« 
gleich gum HJlunbe geführt unb t>on gwei porn» 


ober lalfartigen ßinnlaben, bie wie Schnabel» 
hälften eines '-Papagei fich gegen einanber be* 
wegen, erbarmungslos gerbiffen. 

Htufeer ben güfeett, mit beren £>ilfe fie ent* 
weberauf bem BteereSboben DorwärtS friechen 
ober rubernb im Hßaffer fchwimmen, bient ben 
©eppalopoben auch «och baS träftige HluSftofeen 
beS HöctfferS burch eine Söhre gur riidgängigen 
Bewegung. Bei einigen Hirten, bie einen grö* 
feeren, lang unb fcptrtal gebauten Äörper unb 
oerhältnifemäfeig ftarfe HJluSteln befiben, ge* 
fefeiebt biefeS mit folcper ©ewalt, bafe fie wie 
Bfeile burch’S Hßaffer fepiefeen unb manchmal 
wie bie fliegenben gifche einen weiten Bogen 
burch bie Stift machen. So ergäbt ©ir ^atneS 
Sofe, bafe einmal eine Hlttgahl oon fhcttelfifcpen 
(bentt bieS ift auch eilt gewöhnlicher Same, Wo* 
mit fie begeiepnet werben) nicht nur auf bas 



Star feinem ®ebflufe enthobene Javier > 9lamUud. 
(.HbtoärtÄflefehrt.) 


15 gnfe hohe, über bem HBajfer ftepenbe Berbed 
fprangen, fonbent auch über bie gange Breite 
beS Schiffes hinweg flogen, ©in fjuttelfifcp 
fliegt gefdpwinber burch’S HBaffer, als bie mei* 
ften orbinären gifche, unb berbienten fich baper 
auef; bei ben gifepern ben Samen Seepfeile, 
diejenigen, bie Wie ber SautiluS mit einer 
äufeern Schale bepangert finb, bewegen fich ««= 
gleich langfamer, ba fie bie ©röfee ber Shifcpel 
unb beren ©ewiept in ber ©efepwinbigfeit bes 
Schwimmen« fepr beeinträchtigt. 

Stan tönnte glauben, bafe bie ©epfealopoben 
burch ihre Schnelligfeit, ihre gattgarme unb 
ihren mächtigen Schnabel fepon mit hinläng« 
licfeen Angriffs* unb BertheibigungSmitteln 
auSgerüftet wären; ber Schöpfer aber hat 
aufeerbem noch ben meiften unter ihnen ein 
nterlwürbiges SefretionSorgan berliehen, WeU 
d)eS einen fcpwargen Saft abfonbert unb beffen 
HtuSfüprungSgang in bie erwähnte Söhre mün* 
bet. HBenn baS dpier in ©efahr ift, fo fpript 


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186 


£us brr Stefe, 



^anfl eincä Äuttelftfcfci. 


e3 biefe tintenartige f$?lüffig!eit in biureicbcnber 
2)tenge au8, um eine bicfjte 333olfe im Söaffet ju 
bilben, hinter melier eS ficb bor feinem geinbe 
oerbirgt. ®er fcbwarje ©epienfaft wirb be= 
tanntlub als garbeftoff benupt uitb oerlauft fi<b 
im ©anbei als cbinefifcbe 2inte. ®ie ®auer* 


baftigfeit beffelben läfet fid) barün ermeffen, baß 
man fogar ben l^nbalt eines SintenfadeS bon 
berjteinerten ©epienarten noch braudjbargefun» 
ben bat. 35ie Dlerfmiirbigtett, baß ©eigen» 
törner, bie bor 3000 labten mit egpptifdben 
'JJlmnien begraben mürben, noch teimfdbig »a* 









Hus btt ®ieft. 


187 



reit, wirb burdfe biefett tfeierifchen AbfonberungS» 
ftoff, beffen Urfprung itt btc fernfie Urwelt fein* 
aufreid^t unb unoeränbert bleiben tonnte, »eit 
übertroffen. 

Bon ben duttelfifcfeen ober dracfen, roie man 
fte auch Reifet, finb gang ungeheuerliche ©e= 
(dhichten gefabelt worben, helfe nämlich eine 
riefige Art berfelben einen gangen Sreimafter 
umtlammerte unb bie gange Wannfchaft barauS 
frafe. 2Bie fabelhaft auch biefe i^iere als 
fchrecflidhe ©eefchlangen miferepräientirt »ur= 
ben unb fonftige Ungefeeuerlidfeteiten baüon er» 
gählt »erben, fo finb hoch manche bon mächtiger 
©röfee unb oft fei» gefährliche ©egner. Senn 
ihre acht Arme, beren jeber eine furchtbare 
WuSfel ift unb nach allen ©eiten hin fiefj 
fcfelangenartig bewegen tann, (äffet aus feiner 
mörberifchen Umarmung nicht roieber Io», bis 
ber ©egenftanb aufgefreffen ift, ober biefe WuS» 
telmaffe burdhfdjjnitten wirb. SaS ©chrecflidfefte 
an biefen oft Diele 3?ufe langen Firmen ift, bafe 
fie mittelft ben baran befinblidjen hunberten Don 
Saugnäpfen, fid) an einen 
©egenftanb fo feft anfaugett, 
bafe ©tüdf um ©tücf loSge» 
trennt »erben mufe. 3 11 grö» 
feeren ©remplaren beläuft fich 
bie stacht ber Saugnäpfe auf 
fünf Sonnen. Sie finb baher 
ben Perlentauchern bie ge» 
fürsteten Ungeheuer beS Wee» 
veS. Senn eS tann nichts 
weniger als angenehm fein, 

Don einem fo falten Arme-um» 
rouitben gu »erben unb einen 
Saugnapf um ben anbertt arg» 
gefefet gu befommen mit bem 
frönen Se»üfetfein, bafe nur 
eine Srennung beS Arms Dom 
Jfeiere aus foldfeer #aft »ie» 
ber befreit. Stefe Spiere bi 1= 
ben einen ^auptnaferungS» 
gmeiaber fjifdfeer unb finb betieble Artifel auf 
ben iDtärften ip Neapel, ©mprna unb fonftigen 
plätten beS mittellänbifcfeen WeereS unb gelten 
als Secferbiffen in ben BagarS ^nbienS. 

Bielen ©pecieS finb noch hornige $afen ben 
Saugnäpfen beigegeben unb »erben bafeer um 
fo furchtbarer. Sie Graden einer dafee finb 
durchaus nicht angenefem; ber naefte Schwimmer 
aber mufe um fo troftlofer füfelen, »emt er bon 
einem folgen fafeengrofeen Spiere angefeaft unb 
Don blutfaugerifcfeen Firmen einaefdfenürt wirb, 
gefefemeige Don einem, beffen dopfbreite fedfes 
öufe Surcfemeffer feat. Bon biefer ©röfee feat 
es glücflicfeermeife wenige. Sie gewöhnlichen 
SpecieS unferer düfte finb meiftenS nur Don 
einem Qrufe Sänge unb harmlos. Saufenbe 
Don Sonnen »erben jährlich Don ben 8?ifdfeern 


AeufunblanbS abgefafet unb gum gang ber 
©toeffifefee benufet. 3u ihrem 3?ang günbet 
man am Seeufer grofee treuer an, benen bie 
duttelfifcfee rücfwärts entgegen tubern unb fo 
ben 0Fifdfeern in bie £>änbe fällen. fRacfe fefeme» 
ren ©türmen bebeefen fie oft meilenweit bie 
Ufer ber fjuubp Bap unb »erben oft Don ber 
Sbbe gu Saüfeitben gurücf gelaffen. 

2Bie fdfeon angeführt, befifeen nur bie »eib* 
licfeeit Argonauten ein ©efeäufe. Sie Wänn» 
efeen finb nur Keine gwergige Octopoben Don 
einem 3oß Sänge Junb Don ben Sßeibcfeen an 
©röfee, Qform unb AuSfefeen fo Derfdfeieben, bafe 
man fie früher als eine anbere ©pecieS begeidb« 
nete. Ser Umftanb, bafe Wätincfeen unb BJeio« 
dfeen nie gufammen aefefeen »erben, erhöhte noch 
bie ©Cfewierigfeit »rer dlaffififation; unb ba 
bie Wännchen aller ©dfeonfeeit bäar finb, fo füh¬ 
ren fie ein gurücf gezogenes Sehen unb nur we» 
nige Aaturaliften finb glücflicfee Befifeer eines 
biefer Sfeiercfeeit. 

Sie eigentliche ^eimatfe beS Argouauten ift 


6<fctle ber arflonauta. 

bas mittellänbifche Weer. ©ine anbere ©pecieS 
finbet fidfe fefer gafelrcich in ber Aäfee ber perua» 
nifdfeen düfte unb »erben bort feeeinWärtS bis 
gur Witte beS füllen WecreS angetroffen. Audfe 
berliert fich auf langen Steifen gelegentlich einer 
bis gur düfte Kaliforniens. 3 rof < anbere Arten 
tommen nodfe Dor, »oüon bie eine bie »arme 
dfeinefifdhe ©ee belebt, »äferenb bie anbere im 
inbifefeen Ocean gaufeit. 

Werfroürbig ift eS, bafe ber dfeinefifdhe Argo» 
naut in Piemont Derfteinert gefunben Wirb, 
obwohl fein eingiger biefer Art im mitteflänbi. 
fdfeen Weer jefet lebt. ®S beftätigt bie Spat» 
fache, bafe bie Sanbenge Don ©ueg einmal burefe 
eine SBajferftrafee bie bamaligen beftefeenben 
Weere berbanb. 

Ser »afere AautiluS fiefet faum ben Argo. 


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188 


jleununbneunjig SdfafskSpfe. 


nauten an Schönheit nac^. ®ic ©tufdjel ift 
gtoar nicht bon gartem papierbünnem ©au, ljat 
aber ba£ ©rillante einer ©erle mit jenem gemein 
unb baljer fe^r flefchäpt. 6r flebört gu einer 
Orbnung bon ßepbalopoben, bie ihre Oberberr* 
lichfeit in begangenen @rbaltern feierten unb 
bie 9lriftofratie be3 ©ieereS unter ben ©tolluSfen 
führten, mobon ber ©autiluä ber einige noch 
überiebenbe feiner 9tace ift. 

3n jeber geologifdjen ©eriobe finben toir 
©erroanbte unferei ©autiluS vertreten, bie bor 
ber ©rfchaffung ber niebriaften SBirbeltbiere, 
ber $if<he, bie mä<h*igften ©conarcben be§ !ölee= 
re§ mären. 9lber mie unfere ^nbianerftämme 
nacf) unb nad) auSfterben, fo ftarbeu biefe ©e= 
fehlerer bis gu biefem ßingigen babin, um un§ 
noch etmaä bon ber ©truftur unb SebenSart fei* 
ner nun berfteinerten ©orfabren gu fagen. $er 
©autiluS b<*t toeber ©ngriffS» noch ©erttjeibU 
gungsmaffen, mie ba§ Argonaut unb Octopab. 
6r ift baber febr fc^eu unb giebt fi<h beim ©n= 
griff fo eng unb feft in feine ©iufcbel hinein, 
bafe er fi<h nur berfelben als ©dbupinittel be= 
bient. ber ©UertbuinSgefcbicbte ber @rbe, 
mie in iprem ©iittelalter, gab eä taufenbe bon 
©liebem biefer Orbnung, bie mir nun in $el= 
fen berfteinert finben, bie ber ehemalige ©oben 
jener ©leere maren unb morinnen mir ©puren 
bon 30 fSfujs Sänge folcber Stbiere finben, bie 
bie abenteuerlichen ©eftalten jener ©teeret | 
tiefen gemefen fein müffen. 

Perlenfcbiff, mie’s Dichter malen, 

Scbmeift auf fchattenlofem Bu(cn, 

Spannt bie magnigoolle Barfe 
2Xuf bie purpurrotben ^lügel, 

3n bem fügen £jauch bes Sommers 
3n bes (Solfes Saubertiefen; 

IDo bie lieber ber Sirenen 
Don Korallenriffen Flingen, 

IDo bas ITTeertpeib falt unb fd>üchtern 
Sonnig tdmmt ihr £}aar, bas fcblicbtc. 

ttiebt gefpannt mehr ftnb bie Segel, 

Die mie hingehauebt nur glätten; 

Unb bas perlenfcbiff, bas febmutfe, 
liegt ein IDratf l Unb jebe Kammer 
Die fein bunfelträumenb leben 
Sieb 3 ur IDohming gart erbaute, 

Steht geöffnet — pon ben IDänben 
perlenglang bas Kuge bienbet; 

Önb entftegelt flnb (Semäcber, 

Die nur fonnenlos erft maren. 

Dieler 3<*hre ftille Krbeit 
Baute febimmernbe Spirale; 

Unb naeb jebem tteubau gog er 
Kus ber bunfeln tiefen Kammer; 


§og in’s neue mohnlieb helle 
(Slattgemölbte porb’re Simmer. 
Sanften Schritts ftahl er fieb pormärts 
Durch ber iDanbung Silberbogen; 
Schloß im Kücfen feft bie (Thür ftd>, 
Sieb iu’s neue fjeim bequemenb. 

Bringft bu mir mohl tymmelsfunbe, 
Kinb ber See, ber emig regen, 

Die bicb marf aus ihrem Schooße ? 
Deiner tobten tippen Klange 
(Tönen munberbar prophetifcb 
ITTelobien, mie niemals (Triton 
Dom befrängten ^orn fte locfte, 

Unb mein laufebenb 0ljr entgücften 
Kus ber (Tiefe ITtacbtgebanFen, 
Stimmen, bie perflärt entftiegen. — 

Bau bir, Seele, höh^e JDohnung 
3n bem rafeben Jlug ber Seiten; 
IDeicb* aus niebrigen (Semölbett, 
U?ohn’ in ftets perflärten (Tempeln. 
Unb im lebten räumlich meiten 
Dome h<*rre noch perfcbloffen, 

Bis bas tebensmeer, bicb miibe, 

Hauh gerfchellt bein Poll (Sehäufe, 
Unb pon nieberen Baitbcit ringenb 
^rei bem £}immel febmebft entgegen. 


Pa* Hau* mit ben tmtmmimcunfig 
#djöfskö})fen. 

San ft. 8. 

31 uf bem 3tle;anber SMafe, 35et(in, fte^t ein 
Jtöi §au§, befannt als ba§ £>au§ mit ben 
C/T neununbneungig ©chafsföpfen. 

fjrriebrid» bet ©rofee hörte einftenS Diel ©uteS 
Don ßinem bet in ber SanbbergSftrafee wohnte 
unb in feinet föniglichen ©üte baute et ihm bat. 
auf ein fd)öne§f>au§ al§2lnerfennung. SDarauf 
tourbe ein 9tact)bar, ber einige Schritte Don bie. 
fern wohnte, fo neibifdj, bafe er Don lautet 58er» 
langen nach glei^em 58etoei3 löniglic^et ©unft 
9täqte lang nidjt f^lafen fonnte, 6r batte eö 
jtDar nicht nötbig, benn er tnar febr reich, fon» 
bem e§ mar um bie ©b«- an welcher fein ^>erj 
hing, ju tbun. Um ju feinem 3 ro ecf j U f om , 
men, fing er an große ©ummen ben Firmen ju 
geben. Äurg, er intereffirte unb unterftiißte 
äHe nützliche unb woblwollenbe Unternebmun. 
gen. Sicherlich •’tfubr auch biefeS ber.Äönig 
unb liefe ifen ju fiih rufen, um einen SEBunfd) 
augjufprechen. @r bat ben ftönig um ein fdjö« 
ne§ 4 >au§, Welches er auch nach einigen Woiyiten 


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Pas golbritf Jünglein. 


189 


erlieft. $cxf) war er nid)t glüdltd). @3 fehlte 
iljm nocfj etwas. 2lm ©ouS feineö WadjbarS 
waren fd)öne in Warmor gehauene Figuren 
angebracht. „Solche muß bein £>auS and) |a= 
ben ionft tannft bu nict)t im Stieben -leben," 
fagte er. 

3(13 ber alte ftriß eines WoraenS burd) 
jene Strafte ritt, frug er ben Wann, wie 
icin £>au3 iljm benn gefalle. dr antwortete, 
baft e3 ganj nach feinem ©efdimad fei, aber baft 
bocf) eine3 batan fehlte. 3Benn feine Wajeftät 
nur bemiQiaten. iljm auch wie feinem ftadjoar 
fo betrüge Figuren ju fdjenfen. ,,©ewiftlid>." 
faßte ber ftönig; „Figuren foßft bu audj hoben," 
unb ritt weiter. ®et ßönig befteßte neununb» 


neunzig Sdjafsföjife unb lieft fie oben an3 £>au3 
feßen (15 foflen ooran fielen). 2(18 ber ßönig 
ba8 ttädjjle Wal borbeifufjr, betlaate (idj ber 
Wann über feine 9tad)t>ain, weldje fo bösartig 
feien ju fagen, baft bie SSilbljauerei eine 9ln« 
fpielung auf ben digentljümer fei. 

„Sie hoben bo<b was fie woßen ? fügte ber 
$önig. 

„3ldj ja!" faate ber Wann; „aber bie 
Sd)of3fö$>fe — wiffen Sie!" 

„3fo gewifelicf), es finb bloSneununbneunjig," 
erwiberte ber ffötiig; „wißft bu aber eine oöfle 
abl hoben, fo fted nur beineit ffopf aus bem 
enfter. ©uten Sag!" 

Unb ber Äönig f uljr fort. 


Pap golden* Pinguin 

ober • 

eine treue, tapfere ßauzfxau vermag. 


Sou «mit 

SrfteS ffapitel. 

S fiat einmal unter unfern ®idjtern in 
beutfdjen 8anben einen gegeben, ben biefj 
man ben ©eutridj grauen lob, biemeil 
er ben beutfchen grauen rnand) gut’ Sieb 31t Sbren 
aefungen. 3 ft’S ja 00t SllterS bei ben dDeutfcben 
£>itte gemefen, nod) alS fie ©eiben Goaren, ben 2 Bei= 
Bem alg bem fdjmöcberen Sbeil bie Sbre 3u neben 
unb fie bocf) ju halten. Unb bocb gibt’S noch einen 
älteren Srauenlob alS ben ©emricf); ber Tag nodj 
baju auf bem SEbrone unb mar fein ©eringerer alS 
ber ftönifj (Salomo, ben ber geneigte 8efer fcbon oon 
JftnbeSbetnen an fennt. $)er bat in feinen Sbrü- 
(ben ein fein Sieb 311 Sbren ber grauen gebichtet, 
DaS alfo lautet: „ 2 Betn ein tugenbbaft Sßeib bc= 
fefteret ift, bie ift oiel ebler benn föftlicbe perlen; 
ihte 3 9 ManiieS ©er3 barf ftch auf fie »erlaffen unb 
©eminn wirb ihm nicht mangeln. Sie tbut ibm 
Siebes unb fein SeibeS ibr 8eben lang", unb baju 
batÜJZeifter 8. Stiebtet ein herrlich ®ilb gesei<h= 
net, aufS ©drlem baffenb, alS batte er ficb mit bem 
Äenig Salomo unter oier Slugen oerftdnbigt. ®ie 
SDtdgblein in ©eutfcblanb unb anbermdrtS fönn- 
tenS über ibr Sett bangen, unb menn fte in bieten 
bellen Spiegel alle Jage febauen, fo brauchen fie 
ben anbern, ben ber®lafer macht, lange nicht fo 
mel. <DoTt fommt unter anbeten auch ein ®erS 
»ot: „Sieblich unb fihön fein ift nichts, aber ein 
2 Beib, baS ben ©errn fürchtet, fotl man ehren". 
T)a bat ber ffonig Salomo mabrbaftig Stecht. 
$enn mer ftch nur in ein bübfcheS ©efidbt »ergafft, 
ber bebenft ben.SerS beS alten 9 teiterliebeS nicht: 

9 tch mie halb, ach mie halb 
Scbminbet Schönheit unb ©eftalt! 

?Benn bie Torfen fommen unb einem inS ©efiiht 
hinein, mie bie Seher aufS dahier bie ®rucfeifen 
fegen 3U obigem 8icblein, ober im Filter bie 8ebcr= 


grommel. 

tteefen unb anbere ScbönbeltShflafter, ba ift blc 
ganse ©errlichfeit am Snbe. ®aS ©efiebt ift bod) 
nur ein fchöneS Futteral unb menn nidftS babinter 
fteeft 0011 ©et3 unb ©eift, fo ift eS eben bohl* 9 lm 
fchönften ift’S freiliih, menn beibeS beieinanber ift 
unb bie 8eibeSmobnung unb ©ütte mie ein faubcreS 
©auS ift mit bellen ftenfterlaben unb Scheiben, mo 
bie Stehen ficb traulief) an ber JBanb hinaufftnnnen 
unb man ben 3 nfaffen, ben ©eift beS SJienfcben, 
fülle malten unb {(halten fiebet unb mie er bann 
unb mann auch einmal baS ^enfter öffnet unb bie 
©auStbür, unb einem einen hefigen „®uten ®or= 
gen" auS 5 lug’ unb ©erg niruft. — ®on fol(h einer 
ifrait foll bem geneigten Sefer ergdblt merben, unb 
er fann bann bie 9 Sergleid)ung anftellen, ob feine, 
miÜ’S ©ott, auch fo ift. 

’S mar etma oor 50 3 abren, ba mar fröhliche 
©ochjeit im®orfe®. Btvnt feine oon ben gro= 
fien, bie etliche Sage bauerten, mie bem 5 Dtablmü(ler 
feine, bie mciftenS ein fcblecbter Anfang finb, benn 
ba muh man gleich baS ©auS auSrdinhern, bah bie 
unfauoern ©eifter, bie brei Sage gehäuft haben, 
meicben. ©iera6er maren menigeScute 6eieinan= 
ber; bafür maren’S treue ^teunbe unb 9 tad)barn 
fammt ber SDtutter ber jungen ftrau, bie 311 Sifche 
{aften nach bem Kirchgang. Sifchr Stuhl unb 
Sänfe unb baS ^ro§e ©immelbett, bie ©och3eitS- 
fifte mit ben 3'uei gemalten ©ersen brauf, maren 
alles eigene Arbeit beS iunpen SbemanneS. ®enn 
ber mar feines BeicbenS ein Sifchler unb oerftanb 
fein ©anbmerf auS bem ^unbament unb machte 
feine Schrdnfe, bie beS ^tad)tS fchiefeen unb frad)en 
unb am SBorgen eine Sdmtarre getreu, alS maren 
fte im $rieg gemefen. Sr mar ein fmmuder SKenfch 
unb hatte audi mie bie lifchler 311 jener 3*it feine 
gerollten 8öcflein oorne am Ohr, alS richtiges $\\- 
nungSseichen. 3 n ber Srembe batte er maSSud»- 
tigeS gelernt nnb auch ba3U etmaS gebart, fo bah 



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190 


Pas golbene Ringlein. 


er baS ©auSletn anfaufen unb eine SJOBerfftatt barin 
einrichten fonnte, n>emtfl(eicf) noch eine ©ppothef 
barauf aufgenommen werben mußte. $}ater unb 
SRutter wareu ihm früh oerftorben unb er batte 
unter fremben Seuten fein 53 rob fliehen muffen; 
hatte aher auch bie Erfahrung gemacht, baß in ber 
©auShaltSlifte unfereS ©errgottS obenbrati bie ©aU 
fenfinbcr ftehen, unb eS hatte ihm an feinem ©uten 
gemangelt. Sein SefteS aber, waS ihm ju theil 
geworben, baS war, bah er baS ©er* gewonnen, baS 
heute mit ihm oerbunben. 3 hr fehlte berSSater, 
ber ihr, alS fie noch ein ffinb wart wegftarb. So 
hatte fie alS eimigeS Sinb mit ihrer 3 Rutter gufam- 
mengelebt bie 3ahre burch. „©ittwe" aber ift 
funcS ©ort unb ein langet 8eib, baS fich nicht 
mit ©orten fagen unb betreiben läßt. 9 lber oon 
ihr fonnte St. $auli ©ort gelten: „®aS ift aber 
eine rechte ©ittwe, bieemfam ift unb ihre Hoffnung 
ftellt auf ®ott unb am Sieben bleibt lag unb 
Stacht". So 30g fie auch ihr ffinb auf, ihre ?D?ar- 
garete, unb ber war nichts lieber, alS bei ber 3 Rut= 
ter fein unb ihr bießänbe unter bie Süße legen. 
Singen bie anbern ffameräbmnen 511 Spiel unb 
Sani, fo ließ fie fie giften unb fagte nur: „Sür ein 
©ittwenfinb paßt fichS nicht unb mir ift nirgenbS 
wohler, als baheim bei meinem 3 Rüttcrlein." Sret^ 
lieh hatte bie 3 Rutter auch fo etwaS an fich, wobei 
eS einem wohl werben fonnte unb baS mar ber 
reiche Schab ihrer (Erfahrung unb ber Siebe im ©er= 
Seit. Sie hatte im Seben mehr gefeben, alS anbere 
Seute» unb war burch ihre Erfahrung an ben 9 Ren= 
fchenfinbern nur um fo fetter an ihren ©ott ge^ 
brängt worben unb hatte in ber hurten Schule ber 
©ittwenfehaft etmaS gelernt, waS leiber nicht alle 
©ittweu thun, bie entweber leichtfinnig ober bitter 
werben wie ein ©attapfel, wenn fie bie anbern im 
©lücf fehen. 3 hr war aber weber ihr ©ott noch 
ihr ©er3 geftorben, alS fie ihren 9 Rann begraben, 
fonbern fie ließ in bie blutenbe ©unbe ben Srofi 
©otteS unb bie Siebe 311 ben 3 Renfchen unb 311 ihrem 
einzigen Jfinbe hoppelt hinein. ©0 fie ihr eine 
flehte Sreube machen fonnte, ba that fie’S. Sin 
ihrem ©eburtStage unb 3«r ©eihnaebt fehlte nie 
bort ber Shans über ihrem SBette noch hier ber 
Shriftbaum, ben fie in ber Nacht gefcbmütft, alSbaS 
ffiitb noch fchlief. 3 n Sommertagen, am Sonn¬ 
tag Nachmittags, ging fie mit ihr burch ©alb unb 
Slur, unb hat ihr branßen im ©albe, alS fie grö-- 
per würbe, manch’ Stiicf ibreS SebenS erzählt. vl(S 
ber Sifchler um ihre SRargarete warb, hatte fie bie 
Sache erft einmal ihrem Slbpofaten unb SSormunb 
im Fimmel oorgetragen, unb bem iungen 2 Rann 
ein Probejahr gefteUt, um ihn fennen 311 lernen, 
wie er’S meine, unb bann erft ihr Jawort gegeben. 
®enn baS ©arten hatte noch feinen gereut, wohl 
aber bie (Sile. Slm Slbenb aber Por ber ©ocbAeit, 
’S war ein 3 unitag, ba nahm fie ihre 2 Rargarete 
an ber ©anb unb fagte: „$omm, wir toolleit noch 
einmal mit einanber in unfern lieben ftillen ©alb 
gehen, wo unS niemaitb lieht." ®em SKägblein 
warb’S fo feierlich 31t 3 Ruth, alS ging eS in bie 
Kirche; fchitell 30g fie fich an unb ging mit ber 
9 Rutter. 

3 m ©albe ftanb eine alte Suche mit weiten, 
breiten 3'peigen unb hoher ffrone, wie fo eine 
rechte ©roßmutter anAufchauen unter ihren (Snfeln 
unD Urenfeln. ®ort waren fie fchon manchmal 


piifammengefeffen unb bie Suche hatte manch ber3= 
tiinig ©efpräch belaufcht, waS bie beiben führten, 
unb nur fachte in ihren ©ipfeln baju geraufcht unb 
nichts oerrathen. ®a festen fiel) bie oeiben wieber 
hin, bie 2 Rutter faßte bie ©atib ihrer 3 Rargarete 
unb fagte ihr: „SiebeS Äinb, morgen ift bein ©ocb= 

B l unb wir muffen unS trennen nach ©otteS 
. 3hr habt mich 3war bei euch behalten woU 
len, aber eS fteht nicht umfonft in ber Schrift: „(SS 
wirb ein 3 Rcnfch Sater unbSRutter perlaffen", 
unb eS taupt nicht, wenn bie Sllten im ©aufe finb. 
3ch bleibe tn meinem ©ittwenftübleiu, unb fchaue 
nur au Such hinüber, wie 3 hrS treibt, unb will bie 
©änbe für (Such aufbeben, baß eS (Such gut gehe. 
Unb nun, Slinb, ich bab’ mehr gefeben in ber ©eit 
alS bu, barum will ich bir baS eine fagen: „(Sin 
gebulbigcr ©eift ift beffer als ein ftarfer ©eift." 
SRerf bir baS alte Sprüchlein ®r. 8 u therS: 

Seib*, meib’, fchweig’ unb Pertrag’, 

®ein (Slenb niemanb’ flag’, 

3 m Unglfuf nicht Pet3ag’, 

©ott hilft alle Jag. 

®eß 3um ©ebanfen will ich bir mein befteS aut 
SluSfteuer geben, 3U beinern felbftgefponnenen Stn- 
nen unb waS meine Nrmutb bir hat geben fönnen. 
Nimm biefen golbenen SWiita, ben bu an meinem 
Singer gefehen unb wonach bu mich fo oft gefragt 
unb feine Antwort erhalten. ü) e W hM ich bir’S 
fagen. ®ein feliger Sater hat ihn mir am ©odj= 
AeitStage gefchenft, er hat ihn nie 00m Singer ge^ 
nommen, feit feine SRutter ihm ihn gegeben, unb 
bie hat ihn pon ihrer 3 Rutter befommen. Unb 
biefe beine Urgroßmutter, baS war eine %xa\\ wie 
ein ©elb, benn fie hatte einen SRann, ber ein wilbeS 
Seben führte unb ihr baS gebrannte ©er3elcib ange= 
than hat. Slber fie hat Streue gehalten unb bo db 
Aulcfet mit ihrer Siebe ben 9 Rann überwunben. So 
hat fich benn ihr Ning pererbt unb am Ning ba 
hängen Piele Jhränen, Piel ©ebulb unb ©armher= 
Aigfelt, unb bie brei Stauen haben ihn getragen unb 
in ferneren Stunben, auch bei beiner 9 )iutter hat 
baS Ninglein feinen ®ienft gethan unb gefagt : 
„So wie ich ohn’ (Snbe bin, fo ift auch rechte Sieb' 
unb ©ebulb ohne Snbe." So nimm bu ihn iefet 
unb thue ihn nicht Pom Singer, wie ich ihn nie Pom 
Singer gethan unb benf babei an alle bie, bie ihn 
getragen. Unb wenn bir’S einmal fchwer werben 
wiU, bann laß bir baS Ninglein fagen: „©alt 
ein! ha It an ! halt auS! ©alt ein mit ifla= 
gen unb 3 otn, halt an im ©ebet unb Sieben, halt 
auS in Sangmutb unb ©ebulb!" 

®amit tüßte fie ihr fiinb, unb bie Suche oben 
raufchte wieber fo Unb in ben ©ipfeln unb eS gin= 
gen bie 3wei alfo heim. ®aS 9 Rägb(em hatte baS 
©er3 Pott unb fah auf baS SWiuglein bin unb eS ging 
ihr wie ber 3 Raria, alS fie oon 3 erufalem hinab 
gen Naaareth 30g. Sie perftanb baS ©ort nicht, 
aber fie behielt’S im ©er3eu. 

JagS barauf war wie gefagt bie ©ochAeit. ©aS 
fir einen ©ochAeitStejt fie gehabt, baS weiß ber Ser= 
affer nicht. ®a3iima( war baS ©ort ©otteS rar 
im Sanbe, unb man fprach bei Jaufen, ©ochAeiteu 
unb Seichen ohneJert oft recht inS Slaue hinein. 
Unb hoch ift ein rechter ©ochseitStcrt auS GiotteS 
©ort ein guter, hanbfefter Steifen unb Stab, an 
bem fidj’S wanbern läßtaucl) inS bunfle Jhal hinein, 


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Pas golbnte Ringlein. 


191 


nnb ber Serfaffet gäbe ben feinen um oiele3 ©elb mar, unb brachte bie Arbeit mit fammt ber 9ied)- 
nicht her, bietueil er ihm in greub unb Seib burd) ttuitg am Siorgen bin. gröblich über fein ©erf, 
ein SJenfcheitalter ein trauter greuitb gemorbett. meit 3 ihm gelungen mar, unb bie3 bie erfte Se= 

Die anberen ©eilte mären Nachbarn unb ©e= ftelluitg ooit feiten be3 9tö&leinmirthe3 mar, ftanb 
freunbete, unb unter ben lefeteren auch ber ^achter ber 3Meifter noch einmal oor feinem ©ebranf. Der 
etne^ ®ute3 mit feiner grau. Sei betten batte ©irth unb ilirchenoorftanb bejah ficb benfelben 
Margarete jo manchmal au3gebolfett, menn ffraitf= nad) allen ©eiten, probirte bte ©chlöffer unb faßte 
beit ober oiei Arbeit mar, unb bie Sädjterin batte bann: 

ihr tum Daitf ein bübfd)e3 ©tue# Stu3fteuer mit= horcht, 9Äeifter 3örg (fo biefe er), 3br fetb ein 
gegeben an ©efebirr unb Sinnen. Die Sädjter3= Daufenboferl. ©eit unb breit reicht Sud) feiner 
teilte maren ernfte 9Hettfd)en, bie fich’3 fauet merben ba3 ©affer. 3br habt etma3 ßelemt auf Eurer 
ließen, aber aüejeit hoch einen fröhlichen 3)futb ©aitberjcbaft. ©o machte feiner in ber ©tabt, 
batten. fo fein unb boeb fo folib. Slber e3 tbut mir leib um 

8 in 9lbenb aber be3 ©ochaeit3tage3 gingen bie Sud), beim 3br feib unb bleibt eben bodj ein 
jioei Sbeleute allein noch in ben füllen ©alb unb armer Dropf, mcil^bt feine rechte £uitbfdjaft habt, 
festen ficb unter ber Suche itieber unb bort eraählte Sud) fennt faum enter recht tm Ort, ma3 3br für 
bie ^Margarete ihrem Sianne bie ©efebiebte bom ein 3)2ann feib. 3br feib au ßut aum ©iegen tna* 
ßolbenen tRittglein an ihrem ginger. eben unb ©arß aufammeitnageln, 3br fennt mehr 

al3 Srob effett. Slber ^hr feib eben ein Dud= 

- mäufer unb laffet Such boit Surem ffieib unb ihrer 

eilten ba3 Soitcept corrißiren, mie bie’3 haben 
ameite3 Saoitel. mollen. 3hr fommt nid)t unter bie Seute, fonft 

mürbet 3br bei Surer ©efchidltdbfeit febon ein rei= 
3ahre ftnb babin ßefloffeit. Der Difdfler hat eher 9Rann fein unb brauchtet Such nicht mit Surem 
manche 2Biege geaimutert, unb nidjt blo3 für SBcibe abuifdnitben unb bie Sretter au3 ber ©äge= 

ß mbe Seute, fonbeut aud) für feine eißenen Äinber, müble felbft auf beut Sudel hetmautragett. fiämet 
:alle auch ihr Settlein haben mollten; unb nicht 3br bann unb mann hierher, mtu ßar ntebt faßen 
nur ein ©ett, fonbern iebe3 auch feinen Deller unb alle Dage, ba träfet ihr Seute au3 ber ©tabt, mit 
ma3 brin. 9lber um fo fröhlicher arbeitete ber benen^hr reben fönntet unb 3br märet ein gemacht 
Difchler an feinet ©obelbatu, unb feine ^Margarete ter 3Mann." 

mar fleifjtfl bahinter her, 9llleS gufammeuaubaüen. Dabei fdjeitfte er ihm ein ©la8 Sraitntmein ein, 
SBet ba3 &ait3 anfah tiubbrinnen ben fröhlichen bann faßte er: „’3 ift heute morb3falt unb ba3 
©attß hätte bei ber Slrbeit (benn ba arbeitet fid)’3 märmt, uNeifter Sora." 
boeb noch einmal fo aut babei), unb bie Siebe, bie Dem 3örg mar über ber SÄebe be3 ©irthe3 febott 
brin maltete, menn fo am Slbenb nach ber Strbeit etma8 marm gemorben unb e3 leuditete ihm ein, 
ba8 Saat oor ber ©auStbür fafi unb auf ben bafj er feiner ^Margarete, bie er boeb fo utitiß liebte, 
Ättieett bie Äiitber fdjaufelte unb ba3 fleiitfte ben ein beffereS 8oo3 bereiten fönnte. 9113 er ßar noch 
SSater fo bergig an feinen Difdjler3lödlein fafete, ba ein paar Büße au3 bent Dran! ßethait, ben er nicht 
hatte iebe3 ben Sinbrud: ,,©ie ßlüdlicb ftnb boeb gemobitt toar, ba fittß er, ber fonft feine fecho 
biefe Seute." Die alte Siutter ßiitß auch noch im= ©orte braufeeit fprad), att stt rebeit unb ju prahlen 
nter ab unb au unb half ber Dodjter treulich, menn- mit beut, ma3 er alle3 aefehen unb erlebt. Der* 
gleich ihre Ärcifte abnahmen unb man tnerfte, ba§ meileu tarnen aud) noch aitbere Seute, beiten ber 
<8 mit ihr 9loetib merben mollte. Da3 ift aber SHö&leittmirtb ben ©djranf aeißte, ittbem er thit noch 
eben ba$ 8oo3 einer ©rofjmutter, ba§ fte ihr eigen einmal über bie Sfafjen lobte. Sitter ber Sauertt 
Sehen noch einmal burdjtnacht an ben Snfelfinbern. lie§ gleich ltod) einen Sraitittn>eitt fommeit, um mit 
Da§ aber bie Snfel an ber ©ro&mutter hangen, betn äBeifter anauftogen ttnb faßte „Da8 hat man 
mie bie ffletten am Äleib, u>ci& ber ßcneißte Sefer aar nicht getouftt, bafe matt einen folcben Äerl tm 
auS eigener Erfahrung. Denn bie Sttfel haben Dorfe bat. SWeifter, 3hr macht mir affurat fo 
nicht meit P o m J&immel, unb bie ®ro§mutter nicht einen ©ebranf, mie beut ©eoatter 9tö&lemmirtb 
meit tum Fimmel, unb ba3 ßiebt bann fchon ein feiner, nur noch feiner, 3 fommt nicht barauf am 
aartliche3 SerhältniB ab. ma8 er foftet." ©o aing bie 9tebe fort unb ber= = 

©o mar benn fein ©runb au ©orae unb 5fum= meilen lautete bie ©loae fdtott SMittaa unb beforgt - 
nter. ©ar audh ba3$du3(eiit noch nicht fdjulbenfreu hatte SJargaret fchon au3ßeicbaut nach ihrem 3örß. 
jo fonnten fte hoch alle 3ahre nicht blo3 pünftlich Da fant er benn an; bie Äälte brauhett uno ber 
oen 3in3, fonbern auch noch ein ©tücf Kapital ab= Dunft iutten hatten ihm hoppelt marm gemacht, 
jahlen. Denn ber Difchler hielt fich abfeit3 oon 9U3 er hereintrat in bie ©tube, marf er ba3 ©elb . 
cen ©ättjern, mo nicht itnfer ©enßott, fonbern ein auf ben Difch unb fchltiß tntt bei gauft auf ben- 
attberer leinen 9lrm au3ftrecft, oon ben Kneipen felbeit, bafe alle3 aufammenflirrte „Margarete, mir 
unb ©chdnfen; fonbern bahiit, mo unfer ©engott ift heute ein Sicht auffleßanaett. Du folfft e3 beffer 
allerbingS feine ginger aufbebt: aur Äirche unb babeitoon tefet an, unb Dich nicht mehr abfehtnben. 
®otte3 ©ort. Darum, menn '^Margaret ihr 9Mna- Drunten im Dorf ber Srlettbauer miU feinen ©a- 
lein anfehaute, mar’3 ihr faft, al3 hatte bie liebe aen uttb fein Sferb mir billig perfaufeit, mir ftttb 
^Hutter unter ber Suche hoch aüau fchmer unb trüb fchon banbel3einiß. Da3 ^ammerleben mu§ ein 
hineingefehen in bie 3»funft. Sitbe nehmen !" 

S3 mar an einem falten ©iittertag. Der Difch' I Margarete fchaute ihren 3Kann gro§ unb fra^ 
ler hatte eben einen ©ebranf fertig für ben ©irth gettb an. „9lber, lieber Sfanit, baau hat’3 DodN 
aum meiften Siofje, ber augleicb Äirchenoorfteher, noch gute ©eile, mir mirb ba3 ^olanhleppen nicht 


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192 


Pm gofteae Ringlein. 


au oiel, ich traß’S gern oon ber ©äßentüble bet. 
9CBci§t bu, nur C^aben bod) noch ©djulbcn auf un= 
ferm #auS, bie rnüffeu bodj au aüererft herunter," 
faßte fie fanft. 

„©iebit bu, baS badjte icb mir, bafj bu eine ©e* 
ßeitrebe bätteft, bu unb beine Mutter, ibr modt 
eben baS ^Regiment führen* barum bin icb auch au 
nichts ßefommen. &ätte ich bem Math beS Kirchen* 
oorfteberS gefolgt, ftatt auf euer SBeiberßeichmäfe au 
hören, bann märe icb ein gemachter Mann." 

Margarate ftanb Sprachlos ba. — ©ie lehrte ficb 
aum genfter unb oerbarg ihre rodenben Sbränen. 
Der 3örß fab eS, unb febned fcblua er in ficb. 
„©eraeib’, Margarete, eS mar nicht fo böS gemeint," 
faate er unb ßab ibr einen ffu§. Da merfte fte, 
bafe er ßetrunfeit batte, unb eS ßinß ibr mie ein 
Stieb burdj’S &era. ®ura barauf hörte fte beit oier* 
iäbrißen jungen fdjreien, ber bluteitb herein fam. 
„35er ©ater bat mich fo arß ßefdjlagen, meil ich 
ßefaßt habe: ber ©ater riecht beute ßerabe mie ber 
alte oerfoffene Mufifant, ber bie Drehorgel fpielt." 
Den Saß über mar er mürrifch unb niemanb burfte 
mit ihm teben. Hin nächsten Morgen ftanb er 
mieber an feiner Arbeit unb aderbanb ©ebanfen 
ßinßen ihm bureb ben $opf. Hber er fanß nicht 
mehr, menn er feinen ®obel auSflopfte. 

Dem Srlenbauer, ber ihn meßen beS ©JagenS 
berauSrief, antmortete er: „Die ba b’rin leibet’S 
itidit." 

„Öba, fo ftebtS bei Such, 3örg," faßte ber Srleit* 
bauet. „3br febafft baS ©elb unb bie anbern faßen 
Such» mo ©artbel ben Moft holt. Mm, meinet* 
meßen, ich tonnte Such amar beim SBorte faffen unb 
oerf lagen, meil 3br aber hoch fo ein armer Sßeiber* 
• fflaoe feib, fodS Such bingefeeit." 

DaS ftach bem 3örg au?S 9?eue inS ©en. 3Sier 
Säße mar er nicht auSgeßangen. 3efet aber marf 
er HbenbS ben ©obel bin unb ßinß fort unb fam 
immer betrunfen beim. SS mar fdjon finftere 
Muht, als er mieber einmal beim fam. DaSSffen, 
baS ihm bie Margarete aufßeboben, fefjob er meß 
unb ftierte nur mit ßlanalofeit, halb geöffneten Hu* 
gen über ben Sifcb. ©o mar er noch nie ßemefen. 
H(S er au Sett mar, trat bie Margarete binäuS 
unter bie ßauStbür unb bliefte in bie ©ternennaebt 
hinaus, xjlbr modte baS ©era brechen. Da fiuß 
baS Mnßletn an au funfein an ihrem ginger unb 
fte pre§te eS an bie Sippen. „Heb, Mutter, Mutter, 
fodS iefet fo fomtnen, mie bu gefagt ?" H(S fte baS 
eben in bie Muht für fuh binauSrief, ba öffnete ficb 
ßeraDe bie Sbür beS ©orgartenS, unb eine ©eftalt, 
bie ein grofjeS ©alStuch überßejcblaaeit, trat herein. 
„Hdj, bu bift’S, Mutter!" faßte bie Marßarete unb 
troefnete febned ihre Sbränett. Hber Mutterauge 
ift ein fcharfeS Huge unb trofe beS SlacbtbunfelS fab 
fte bodj ßleich, bah ihr etmaS fehlte. „3dj btn," fo 
faßte fte, „um euch beforßt ßemefen. 3br habt noch 
fo lanße Sicht ßebabt, unb bab* gebucht, eS ift eiitS 
franf unb oiedeicht fönntet ihr mich brauchen. 3ft 
eiitS franf?" 

Die Marßarete hätte am liebften (jefaßt: „Heb 
ia, Mutter, nicht bloS eiitS, nein amet, britt ntcut 
Mann unb — ich, mir beibe fiitb franf." Hber baS 
SBort erftarb ihr auf ben Sippen, ihr fielen nur bte 
Sbränen herunter. 

„O, Marßaret, brauebft mir nichts au oerbehlen. 
Schau, ich mei§ adeS. 3<h bab’S ßehört, bafi bein 


I 3örß aurn erfteit Mal nicht ßut au bir mar. Dein 
• Jfinb bat adeS eraäbU. Unb beute Hbeub, mie ich 
ben ßefponnenen &aitf abßetraßen, bub’ ich betitelt 
Mann beim ftirdjeitoorfteber ftfeen feben. Sich, 
ftinb, iefet fomntt bie ©robeaeit. ßalt ein, halt att, 
halt auS! gabr nicht auf im isorn, fted’S bem 
&emt anheim, leß’ bich bei ihm an ben Saben unb 
fei fanftmätbiß ßeßeit beiueit Mann. Sr ift nur 
oerirrt unb oiedeiebt fanu ihn beine Siebe noch au- 
rücfhalten. Denf an bein Miißlein unb behüt 
bich ©ott!" Damit brüefte ihr bie Mutter einen 
Cu| aufbie ©tirne unb oerfebmanb hinter ben 
arpBen Maloenftauben. SS mar ßut, bafe bte 
Mutter ßerabe noch ßefommen mar, beim im ©eraen 
ber Marßarete fämpfte eS bin unb her. Slbet fo 
ermannte fte ficb, unb beS Morgens ftanb fte früh 
auf unb faßte ihrem Mann liebreich ©Uten Mor¬ 
gen. Slber er antmortete ihr nicht, ©ie batten ihm 
ben Slbenb beim Sirchenoorfteber unb 9?ö§leinmirtfe 
orbentlich einßebeiat, mie er ftch hoch nichts aefaden 
taffen fodte unb felber ber ©err im ©atife fein, 
unb er batte ficb’S oorßenommeit, feinen SBiden 
burchaufefecn.. 

Die Mutter ber Marßarete hatte ficb aber an 
jenem Slbeitb, mo’S bitterfalt mar, in ber ©orße um 
ihr Äittb au febned unb leicht atißeaoßen, unb bie 
Sfälte mar ihr auf’S ©cra ßeaoßeit, Daau fam baS 
Seib um ihr $ittb, unb baS Sleub, baS fte herauf* 
ftetaeit fab mie ein fchmaraeS Unmetter. ©o laß fte 
tm gieber am folßenben Saß, unb eitteS ber Sttfel, 
baS fie befuebt, tarn beim unb faßte: „Die ©rofe* 
mutter mid mich ßar nicht mehr feitnett unb fpvicht 
fo merfmttrbiß." Da mähte jtch bie Marßarete 
auf unb fam atbemloS bin. Die Mutter fannte 
auch fte nicht mehr, nur einmal fam baS ©emufit* 
fein mieber unb fie fchaute Marßarete tief an unb 
rief: ^öalt eilt, halt an, halt auS," baS mar ihr 
le^teS SBort. Dann mich baS ©emufitfein. Der 
3orß märe ßem btnßeßanßen, nach ihr au fehen, 
beim er batte fie boeb oon ©eraen lieb ßebabt, bie 
ftide fromme grau; aber er febämte ficb oor ben 
©efedeit beim Äirchenoorftcber, benen er’S in bie 
$anb hinein batte oerfprechen muffen, am näcbften 
Slbenb ati fommeit. SBäbrenbbem bie Margarete 
bei ihrer fterbenbeit Mutter am Sette machte, jafi er 
im SBirthSbauS unb Spielte. DaS batte ber Mar* 
aarete tief inS &era ßefdmitten. Da Niemanb au 
©aufe mar, unb fie bod) bie Mutter nidd oerlaffen 
fonnte, fo holte fie ihre fiinber ade aur Mutter für 
biefe SRacbt. ©ie ßinß oorber noch beim Äfirchen* 
oorfteber oorbei, eS ihrem Mann au faßen, bafj fie 
bie Jfinber mitnehmen mode, unb bat, man möge 
hoch ihren Mann ftid auf einen Sluaenblicf heraus* 
rufen. Der fiircbenoorfteber ßina felbft hinein, e& 
ihm au faßen. Saut oor aden Slnberen faßte er e§ 
mit fpöttifcher Miene. „?lba," riefen bie Änbem, 
„iefet fommt bem Sifchler feine ÄinbSmaßb uno 
holt ihn meß. Sltloh, Sifchler, aufgeftanben unb 
lafet Such maS oorprebißen." Da braufte ber 3örg 
auf unb fchrie* „©aßt ihr, fie fode ficb heimfeheeren 
unb nicht um ManneSfachen befümmern, fonft 
aiiißS anberS." Die arme Margarete hatte jebeS 
ußort gehört unb eilte fort in bie Muht hinaus mit 
ihren Äinbern. DaS iüiißfte hatte fte nod) an ber 
©ruft, bie aubern nahm fie bei ber &anb. „®eht 
ber ©ater beim ntcht mit aur ©rohmutter?"- faßte 
ber ältefte 3imge, ber aumgenfter gereut ben ©ater 


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Pas golbene Pitigletn. 


193 


fifeen gefeben, „©rohmutter ift boeb fo franf ?" Die 
Margarete tonnte it>m nichts ermibern. Die ©roh 5 
mutter atbmete tief unb feftmer. Die Äinber fefeten 
fiefe um’S ©ett 6er unb ©largarete laS auS bem 
©ebetbueb vor. 

Dem jlörg aber mar’S bodj nicht mobl, alS er 
horte, bah bie ©fargarete meagegangeit, unb er 
lodte ihr am lieferten nach, aber nun bielt’S ihn 
Doppelt aurfuf auS Surcfet vor feinen ©efellen. 
Salb mar er uüeber jo im Spiel unb Drunf, bah 
er HlleS vergab. HIS bie Macbtglocfe läutete, muhte 
er aufbre&en mit ben Hubern. Sie gemobnt ging 
er burch bie &interthür in’S öauS unb mollte ficb 
gi ©ett legen. Drofe feinet MaufcbeS aber merfte 
er boeb, ba§ HdeS ftill mar. Sr madfete Siebt unb 
fanfe bie ©etten alle unberührt unb tjrau unb ßin= 
ber fort. Da fabte ifen plöfclicb eine namenlofe 
Hngft unb Sutb jugleicb. „Sie ift fort au ber 
üKutter, au ber alten &ere, bie fie aufftacbelte, unb 
hat meine ffinber geraubt. &et muh fie mit ben 
ffinbetn unb menn’S baS Seben foftet!" fo febrie er 
üor ftefe bin unb ftürate in bie Macht hinauf nach 
bem SittmenbäuSlein bin. 

Der Bibern ber ©robmutter mürbe immer fürser, 
über ihrem ©efiebte lag aber ein fo ftider 3ricbc f 
wie menn fie maSScböneS fäbe, fo lächelte fie. Da 
horte man btau&eu poeben unb Schritte. ©iar- 
flarete febob ben Siegel aurücf, alS fie ifere^ ©JanneS 
Stimme erfannte. „So, ba feib ifer, ifer 8umpen= 
flefinbel!" febrie er fie an. ©fargarete aber nahm 
ihn fanft an ber ©anb unb fagte: „3örg, ’S mitt 
3 emaitb ftetben hier, ftör’ bie lebte Mulm nicht. 3cb 
geh bann mieber mit bir." Damit leudfetete fie oer 
Mutter in’S Hngeficbt unb Stfrg heftete einen tiefen 
Stic! auf fie. Stile Sutb mar meg, bie Dbränen 
famen ihm in’S Huge. Die SmigfcitSluft unb 
Stille, bie ihn anmebte, batte ihn erfaßt unb er 
war mie gefcblagen. „Heb, bu gute ©futter," rief 
er meinenb unb legte feinen $opf uoeb au ihr, 
«Mutter, ©futter, acb, mach nur einmal itocb auf 
— eS fofl gemib anberS merben !" Hber bie ©futter 
((baute ihn nur noch lange an, fo mebmütbig, bab 
e^S febier nicht auSbalten tonnte. Dann tfeat fie 
noch ein paar Htbeimüge unb fie mar beimgegangen. 
Der ©fargarete mar’S munberbar au ©Jutb — cS 
mar alS ob von ber fterbenben ©futter noch ein @e= 
gen auSgegangen über fie alle, unb bie ©offnung 
flieg herauf: Muit ift’S gemonnen unb ber rg ift 
gerettet, ©ie umfcblang ibit mit beiben Hrnten 
unb er gab ibr einen Äitb unb ber ©futter einen 
auf bie ©tirn. ©ie beeften ©eibe einen meiben 
8 afen über bie liebe Dobte, löfebten baS Siebt unb 

S ingen nach &anfe. Sr nahm baS ^üngfte auf 
en Hrm unb mictelte eS tief in’S Such unb bie am 
bem an ber ©anb, unb trofe ber Macht (prangen bie 
ftinber fo fröhlich um Pen ©ater ber, unb tebeS 
wollte feine .©anb haben, ©ie muhten am 5fircben- 
oorfteher vorbei. Da auefte eS im föeraen ber ©far= 
garete unb beS 3örg auglcicb unb Seinem muhte vom 
aiibern, bah *3 auefte. 

Hm .©Jörgen mar ber 3lorg früh auf. „Sir 
muffen nach ber ©ägemühle, ©retter holen für bie 
liebe ©futter," fagte er; „aber bu follft’S nicht tbun, 
'Margarete, ichmtll ben Machbar bitten." — „Heb 
netn," fagte ©fargarete, „Iah mich mit, eS ift noch 
bet lefete SiebeSbtenfi, ben ich bem ©Jutterberaen 
thue." So gingen bie amei unb fie famen an ber 


©uebe vorbei, mo fie am ©oebaeitötag gefeffen, unb 
bie ©fargarete lieh ihre Dbränen laufen, unb HUe^ 
ma8 ihr oic ©Jutter bort gefagt, ftanb ihr fo leben- 
big vor ber ©eele, al3 märe e8 beut. Hbcr fagen 
tonnte fie nichts, benn fie baebte, fie träfe baS rechte 
SBort nicht, unb gingen bie 3*vei briun fo fibmei- 
genb neben einanber her. — Der ftörg aimmerte 
ben ©arg, unb mandje Dbräite, bie nicht bloS ber 
©rofemutter galt, foubern feinem eignen Seben, fiel 
mit ben Spänen ab, unb auch baS ©ocbaeitSmort 
beS ©ärf)terS fam ihm in ben ©inn: 

SBollt ^br brurn bauen Suer ©auS, 

©(baut allemeg aufS 6 u b e auS! 

Unb er fagte bann au fiefe: „SS foll anberS mer= 
ben. Die ©Jargaret foll bodh (eben, bah ich ein 
braver fi'erl bin." — Der ©farrer tbat bie Seichen^ 
rebe unb bie Hbbanfung über baS Sßort: „Die 
©ereebten iverben meggerafft von bem Unglücf unb 
bie richtig vor fidj gemanbelt haben fommen aum 
^rieben unb ruhen in ihren Kammern," unb fvradb 
vom ©egen, ben ein folcb ®erecbter bringe unb ber 
oft meicbe vom ipaufe mit feinem Dobe. SBie Sa^ 
aaruS, ber gromme, iveilanb ber ©egen gemefen 
für ben reimen ©Jaitn unb mie mit feinem Dob 
auch über ben SReicben baS ©eriebt hereingebroeben. 
Darum foUe man ficb’S an föeraen nehmen unb 
ihren ©lauben anfdbauen unb ihnen naAmanbeln. 
©ans batte ber 3örg ben ©farrer nicht verftanben, 
bafür aber bie ©Jargaret um fo beffer. ©ie muhte, 
mer ihr iefet genommen mar. Hber ber Ming an 
ihrem Singer leuchtete fo munberbar, alS fie bie 
£änbe faltete unb fie gebuchte beS ffiorteS: „$alt 
ein, halt an, halt auS." ©o gingen fie vom ©rabe 
heim, iebeS in feinen ©ebanfen. 


Drittes ffapitel. 

fffioeben vergingen unb eS mar, mie menn ber 
liebe, alte ©onnenfebein mieber in’S .^auS aejogen. 
Oft gingen bie ©eiben auf ber ©Jutter ©rav. Utn= 
fonft lobten ihn bie alten ©efellcn. Sr hatte ja 
ein Mecbt aum Drauern. Draucrte boeb ber £ircb= 
ftubi auch in ber ffiribe, ber ben DifcblerSleuten 
gehörte. Denn eS mar Sitte im Dorf, bah fecbS 
Soeben lang nach einer ©eerbigung in einer Sa* 
milie ber Stuhl febmara behängen mar unb bie ffa= 
milie nicht in ber fiircbe erfmien. DaS ift and) 
eine Hrt au trauern, aber meber eine fefeene noch 
rechte. ?jm ©egentheil — gerabe D i e brauchend 
recht, bah fie aur fiircbe fommen unb ©otteS Jöort 
unb Droft hören unb merfen, maS ihnen ©ott burch 
ben DobeSfall hat fagen motten. Hber ber Seufel 
hat atterhanb ©Jittel, einen vom Sorte ©otteS 
ivegaufriegen; bie einen burch bie Steubc unb bie 
anbem bureb'S Seib unb ’S Dobtenbegraben. ©o 
lange ber ?lorg feinen &ut gegen ben ©trieb unten 
eine föanb breit gebürftet hatte, glaubte er ein 
volles Mecbt an haben aur Drauer. Sohl aogS ihn 
bann unb mann hin in’S alte Seben, aber ber 
©ebretfen über ben jähen Dob ber ÜWutter lag ihm 
noch in ben ©liebem. Hber ber ©djrecfen allein 
furirt ben ©Jenfcben nicht, ©am heraus mar’S 
nicht gefommen, maS ihn boeb t«S Unglücf gebracht: 
ber ^oebmuth unb bie ©fenfebenfurebt. Da fann 


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194 


Pas golbene Äinglein. 


unfer ©errgott einmal io binregnen auf folch ein 
©ersenSfelb unb aucft barauf hageln, aber menn 
niAtS eingefdet mirb in bie ©rbe, fo nüfet bet lodere 
SoDen auch nichts. 3ln ber Margarete bat’S nicht 

S r ' 't. Sie faßte bann unb mann ein gutes 

, aber ber Sorg lieb fiA’S nur faßen unb gab 
feine 3lntmort barauf. 

’S mar etma brei Monate barnad), ba mar grobe 
©olsoerfteiaerung. Der ©dgemüßer batte baS ©d= 
gen fatt befommen unb mar ein reicher Mann babei 
gemorbeit. Drum mollte er aßeS ©ol$, maS er 
noch batte, oetfaufen. Da marb Dermin angefefet 
unb beim fBöffleinSmirtb unb ffirchenoorfteber foüte 
er abgebaltcn merben. Der batte bermeil am Sorg 
feinen beften ffunben oerloren unb badjte ibn micber 
m fangen unb legte bie $lngel auS. @r bafjte ibm 
auf, abS er eineS&beitbS beim ging oon ber Slrbeit; 
ba [teilte er ibn unb faßte: „Sorg, iefet fönnt Sbr 
(Suer ©lüd macbeit. Der ©dgmüller oerfauft 
feine Dielen fpottbillig. 2Benn Sbr mfdjlagt, feib 
Sbr ein gemaAter Mann. ffauftS, fonftgebtbaS 
© 0(3 SuA oot ber 32afe meg an ben UntertifAler 
im Sßadjbarborf, ber foifet fcbon alle Obren." 

„23ie foll iA’S taufen, iA habe fein ©elb," fagte 
Sorg unmutbiß. 

„DaS ift baS SBeuigfte, Sorg. Der ©dgmüller 
ift mein ©eoaterSmaun, ber ld§t mit fich banbeln. 
Sbr friegt baS ©elb oon mir unb gebt mir eine 
©DOotbet. SefinntSuA, ’S ift Stier SefteS. SÄber 
xebet nicht mit Surer grau, benn bie grauen oer- 
[teben nichts oom ©efcfjdft. ©abt Sbr nicht ge= 
merft, mie ber ©err Pfarrer auf Such in ber 8 eiAen= 
rebe geftichelt bat, alS er oom ©egen fbrach oon ber 
2llten unb bafj ber mit ber 9tltcn auS bem ©aufe 
ginge, meil bie’S noch gebalten habe? Die9tlte 
hat (Such feinen ©egen gebracht, foubern SuA 311 - 
xücfgebalten, Sorg. DaS ganje Dorf bat ia mit 
gingern auf ©mb gebeutet nach ber 8 eiAenprebigt. 
DaS batt’ ich mir nicht gefaßeit (affen. Sagt mir 
morgen früh SefAeib —Sbr fönnt aber tbun, maS 
Sbr modt." 

Damit fAlojj er feine 9iebe. Dem Sorg fummte 
eS im ffoof in allen Donarten. Bum erften Mat 
fam er mieber brummenb na A ©aufe, unb alS Mar¬ 
garete ibn fanft fragte, maS ibm fehle, ftie§ er fie 
3 ur ©eite. 

„Du baft bem Sfarrer oon meinem geben ersablt 
unb mich bat er in ber SeiAenprebiat oorgebraAt, 
ba§ alle im Dorf cS gemerft haben. * 

„Slber, lieber Sorg, bu meifet boA, ba§ iA fein 
2 Bort gerebet habe, mie ich brühen mit bir im Sfarr= 
borf mar unb mir bie Seiche angejeigt haben." 

„’S ift aber hoch fo — ber ffircbenoorfteher muft eS 
hoch beffer miffen, fonft märe er nicht im Sorftanb." 

„Den haben feine ©efeßen hinein gemdblt, aber 
nicht bie ©emeinbe. ’S ift arg genug, ba§ folA 
einer brin fifet," entgegnete Margarete. 

,,©ör’, Margarete, baS ift nicht mabr. ©ieb\ 
ber miß mir baS@elb geben, bafj iA bem ©dgmüller 
fein © 0 I 3 abtaufen fann, bann bin idj ein gemach= 
ter Manu." 

,,3ld), Sorg, ber miß beiit SefteS nicht; bann bat 
er bicb m ben Ringern unb bu bift ihm mit 8 eib 
unb Seel’ oerfauft!" 

„©Ameig, tch miß nichts mehr hören," rief Sorg 
erzürnt unb ging mieber bin unb baS Dorf entlang. 
4lm Morgen mar bte Serfteigerung unb bem Sorg 


mürbe 3lßeS sugefAlagen. „9iuit trinfen mir einS 
auf ben ffauf, baS ift bei iebetn ©anbei Sitte," 
fagte ber 28irth, unb ber Sorg mufjte SefAeib tbun. 
Sbm witterten gmar bie Sippen, aß er baS ©laS 
mieber anfefcte. 9lber als er eS auSgetrunfen, ba 
mar baS Bittern oovüber. Sou nun an fa§ er iebeit 
Slbenb mieber mit ben alten ©efeßen gufamnten, 
arger alS ie 3 iioor. Die Margarete fab ihre SebeuS; 
fonue finfen, mie in 9tacbt hinunter. SBobin füllte 
fie geben mit ihrem Seib! ©ie machte fich auf unb 
ging felbft 311 m Stöjjleiumirtb unb bat ihn, er möge 
hoch ihren Mann nicht oerberben unb ihm nichts 311 
trinfen geben. 3lberber lachte fie auS unb fteßte 
fich in feine gatue Sofitur alS ff irdwtoorftano unb 
umßte ihr bemeifeti auS ber Sibel, ba§ fie Unrecht 
batte unb ihrem Mann ©eborfam leiften muffe. 
23enn ber Sbrfl nicht bei ihm trinfe, bann trinfe er 
bei anbern ; hier aber ginge eS noch auf bie 9tech= 
mtng unb fie foße mobl bebeitfen, ba§ er baS ffabi 5 
tal auf baS ©auS habe." 

©0 ging fie entfcfct auS bem©aufe. — Da ge= 
bachte fie and) ber ißächterSleute, bie immer fo gut 
31 t ihr gemefen unb manchen 2 ?erbienft ihrem Sorg 
batten 3 ttfommen laffen. Der $dd)ter fab fie 
fommen unb fagte ihr: „Siebe Margarete, id) mei 6 , 
marum Sbr fommt. Slber Surem Sorg ift iefet 
nicht su helfen. Der mufj noch tiefer hinunter unb 
Sbr mit ibm, aber nur anberS. Sbr müjjt noch 
mehr auf (Sure ffniee, ie tiefer er finft. ©dmut 
mein SBeib an! SA habe SlßeS aud) oerloren, 
mein ©ab unb ©ut, meil id) Sürgfcbaft für einen 
Rreunb geleiftet unb bin ein SßäAter iefet getoovben. 
Vlber bafi idj nicht in ben 3lbgrunb gedrungen bin 
in ber ®er 3 meiflung unb nicht sur ©AnabSßafche 
gegriffen, baS bat, nädjft ©ott, meine tapfere grau 
aetban. Die bat nicht nachgelaffen mit93eten unb 
Söitten unb BufbruA —mamt’S auA fo. DaS ift 
baS emsige Mittel." 

Sbr marS, alS hörte fie mieber ihre Mutter reben, 
fie reiAte bem Pächter bie ©anb unb ging. 3u 
©aufe aber gingS abmärtS. Der hohe 3inS, ben 
fte sablcn mu§ten an ben SRöfjleinmirtb, oerfAlang 
SlßeS; basu oernachldffigte ber Sorg feine ffunben 
unb bie gingen 311 m anbern DifAler. DaS otele 
© 0 I 3 lag alS tobteS ffabital ba unb fing an 31 t oer= 
berben. ffur 3 baS 6 (enb griff an aßen ©den unb 
ffanten an. Da tbat ihr baS 3tinglein mieber fei* 
nen Dienft. Oft ging fte unter bie Suche unb 
meinte laut unb bie Suche raufAte baut unb nahm 
aße ©eufser in ihre ffrone hinauf fammt ihren 
Dbrdnen» unb bie liebe ©onne fog bie Dbrdneu auf 
unb brachte fie oor unfern ©ott. Sntmer mit ber= 
felben Siebe begegnete fie ihren Mann, lief 311 feinen 
ffuitben unb bat fte um Arbeit unb muffte babei 
manch’ bitter SBort hören. Slber fie triumobirte 
niAt, alS ob fie baS 9Mjt gehabt, alS ihr bie Seute 
faßten: „ 2 Barum ift er folA ein Sfel unb macht 
ben ©dgmüßer unb ben 9töfjtleinmirtb reiA?", fon- 
bern fenfte baS ©aimt. Siner ihrer meitläufiqen 
Sermanbten maAte ihr ben SorfAlag, fie foße lieh 
boeb fAeiben laffen oon bem fchieAteit ©auSbalter, 
©bieler unb ©dufer, aber fie ftanb ihrem Manne 
bei unb fagte: „Da fei ©ott für, bafe tch ihn oer^ 
laffe. SA bab’S gefAmoren, bis ber Dob unS fehet- 
bet, auS 3 uba(ten." 

©üblich brad)S sufammen. Der SHöfjteinmirth 
forberte fein ©elb unb ba niAtS ba mat, fo lieg er 


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Baö golbene Ringlein. 


195 


Bet Seridjt flagen unb ben Stichler ut beit @chulb= 
thurm etnfefeen unb teste bte ©anb auf Me3, wa3 I 
im ©aufe mar. Tas* ©erid)t mar auch halb Bei 
bet ©aitb unb bet ©erid)ts*biener aus* bet Stabt 
holte ben Tifthler ab. Ta »acfte ^Margarete bte 
lebten Sachen stammen, na bin ihre bi inbet an bet 
©aitb, wiewohl fie meinte, fie müfttc in ben SJoben 
oeriinfen unb bet Sobeit trüge fie nicht. SMoch 
einen Slicf warf fie iutütf auf ibr ©au3, worin fie 
einft fo glücfliche läse »erlebt. —Trauften bot bern 
Ort auf bet gaftbftrafte ritt bet 5HofUeimutttb iuft 
bin. (St wollte botbeireiten unb bem Slöftleut ben 
Sporn neben — aber bet 3öfß faftte ben 3ügel fcft 
unb faste: „galten inüftt 3hr hier, 3ht habt 
mich, mein 3ßeib unb meine tfiitbet in$ Slenb ge= 
ftörit. ©eit icb ba3 crfte ®la3 bei euch geträufen. 
ba3 3bt mit entsefcbenft, bat baS Slenb aitgefan- 
sen. $bx habt mich gegen mein treues Sßeib, ge= 
aen meine felige Schwiegermutter aufgereiat. 3hr 
Babt mit ben ©trief um ben ©a(3 gelegt unb tbn 
susejosen. Ta$ babt ibt einft bot ©otteS SKichter- 
ftubl $u »erantworten. 3$ tra 9 c mc * ne ©Ättlb, j 
aber bte biet fittb uttfdjulbtg, mein ßutc^ SBeib unb ! 
meine atmen Äinber. 8HT bie Thränen follen al3 
ein Slttch auf Suet ©aupt fommen, ia —". 

Tie ^Margarete hielt ihren 9Äattn juriuf unb 
faßte nnt leife: „3ötg, btt follft nicht beinern 9?äcfc 
ften fluchen: bie Ülache ift ©otteS unb nicht tinfer." 
^Ter fRöftleinwittb war jo weift geworben wie fein 
Scbimmel unb manfte oben wie ein 53ctrunfenet 
unb machte ftch auf bie ©eite, fobalb et Stift befam. 

3bet bet SRargarete waten bie Shräiten im Sluge 
ibreö 3örg hoch met werth, trobbem fie »ertnifebt 
waren mit ben Thränen be3 fioxwtö. Sie waren 
i&m getabe ba loSgebrocbctt, wie et »on feinet f?rau 
unb feinen Äiitbern fprach. 

„Sielleicht fiebt ®ott hoch batein unb laftt auch 
au$ biefen Tbräiten etwas bcr»orwachfen," baehte 

öo wanbetten fie ben mübfeligen 2Beg weitet. 
8bet lieh# hintet ihnen, noch weit hinten, witbelte 
ber ©taub auf bet Sanbfttafte unb »on fern tönte 
baS ©eräufch eines eilig fahreitben ®efäbtte$. Tie 
ffinbet flauen um. „9lch, ba3 ift ia SächterS gel= 
BerJBagen," tufen fie» „unb ber Setter# fo nannten 
fie ihn, „fahrt felbft." 

Der SBagen hielt. Ter Sächter ftieg ab, gab 
bem ©eridjtöbienet ein Schreiben in bie ©anb, 
worauf bet bem 3ötg bie ©anb reichte unb fagte: 
„Seht, 3ht feib frei — ba ift Suet Sietter." 

Ter 3ötg wollte fprechen, aber bet Sddjter 
brängte ihn in ben 2Bagen hinauf mit ben ©einen. 

„Schnell unb leine Sßorte machen, bie grrau war* 
tet fchon ui ©aufe." 

Sorg wufjte *ncht, wie ihm gefchah# al3 Tie »löfe* 
lieh wiebet an feinem ©aufe hielten. St trat mit 
bem Sdchtet ein. Tttn war berTifch faubet ge- 
berft» bie SdcbterStinber hatten 9llle8 aufgetdumt 
im ©aufe unb wiebet an ben Slafc geftellt, wa§ jut 
'Berfteigerung aufammenaeftellt war. ®ie üKatga^ 
xete aber ftanb in ®ebanfen oetfunfen ba. 

„9Jun greift iu, 3ht feib ia gu ©au§ bei Such»" 
fagte bet Sachter. „3örg, ba$ ©auö gehört wieber 
ftueb, ich hab§ gelauft unb 3hr löititt iett mein 
Schulbnet fein unb foöt feinen hatten ©laubiger 
an mit haben." 

23eiter fagte bet Sdchtet nichts, fonbetn reichte < 


bem 3örg nur bie ©anb. 9^acl) einer halben 
©tunbe waren bie Sdchter^leute mit ihren Aiinbern 
wiebet beim gegangen unb ubetlieften bie JifdiletO' 
leute ihren ©ebanfen. 

911^ fie allem waten unb bie ßinber ihre ©biele 
aufgefucht, ba brach bet 3ötg äufamineu. 8aut 
weinenb, fniete et an bem Sette nieber, ba$ er einft 
felbft gewimmert unb fprach ein Solch’ bersbewegenb 
©ebet unb befannte rfufhaltlo^ Äüe^, waä unb wo 
et gefehlt, baft Siargareten^ aunje^ ©erj mit 3»hei 
erfüllt warb. — „^Margarete, fagte er, „glaublt bu, 
baft ©ott mit noch »ergeben fann ! 3^ bin’8 nicht 
werth. Schau, al3 beine SJutter felia ftarb, ba 
wollt ich mich beffetn, aber auä ©ochmuth; ich 
wollt bit seigeit, baft ich nicht fo fchlecht fei. war 
nichts bamit, ich bin »iel tiefet gefalleii. Sßenn 
©ott unb bu mich nicht halten, bin ich »erloren 
für immer, ©laubft bu, faß, glaubft bu» baft ©ott 
mit »ergeben fann?" — ®a legte bie ^Margarete 
ihte'©ditbe auf fein ©aupt unb Sagte feierlich: „3a, 
»on ganjem ©erren. ©ieh, ber Sachter hat unö 
geholfen, ohne allen Sorwurf, ohne alle Sebingung 
unb fjorberiutg, mit baft wir’8 annehmen unb ihm 
banfen, — fo thut ©ott in Shrifto, unferm ©ei- 
laitb. 3ötg, ich fag’ bit: 3cb glaube an eine Ser= 
gebung bet ©ünben ! £onim, fteh auf, ©ott hat 
mein flehen gehört. St wirb auch beine $ 
hören." 

©ie wg ihn fanft »om Soben auf an ihr ©er* 
unb fiiftte ihn herzlich. 

„3cb bin§ nicht werth, baft bu mich füffeft, SDJars 
gatete, ich hab’ bit weher gethan al3 bein drgfter 
§cinb. 3fh begreife nicht, woher bu noch miejj lie¬ 
ben fannft." 

„®aS laft gut fein, 3htg. 2Bo ich meine Äraft 
her habe, ba3 weiftt bu» baö habe ich bir mehr alo 
einmal gefaßt. Such fie bort, wo ich fie aefunben." 

@o wie an biefein 9lbeitb ber 3örg bie fiinbet 
herjte, hatte et e3 feit lange nicht gethan. ftrüh 
SJorgenS war et fchon fort. ^Margareten wollte 
bange werben, benn in ber 5Ma^t urnr et öfters* auf- 
efahren unb hatte laut gerufen: „©ibt’o Setge= 
ung?" Unb fie machte fich allethanb ©ebanfen. 
9lber bie fiinbet faßten: „Sätet arbeitet fchon lange 
brauften im ©arten." ©o gut fie’^ fonnte, richtete 
fie noch ben Srübimbift au§ ben übrigen Srocfcn 
be3 »ergangenen Sage^. ®em 3öta fielen aber 
immer bie jhtdnen mit hinein. Jcach bem ^»h= 
ftüdC nahm et bie ^Margarete beifeite unb fagte ihr: 
„^Margaret, eine Sitte hab’ ich an bi<h, bie barfft 
bu mit nicht weigern." „9hiit, unb welche?" fagte 
^Margarete. »»9lch» gib mit beineit 9ting, ben bu 
am Sinflet haft." ®a auefte 9Margatete aufammen 
unb bei 3ötg merfte e8 wohl. „9fch, 3örg," faßte 
fie, „»erlang ihn ntcht, bu wetftt, »on wem ich ihn 
habe» unb ich weift allein, wa§ btan hängt. Tie 
STOuttn hat mir'S Setfprechen abgenommen, ihn me 
oom Stnget au geben." „3cb weift," faßte 3ötg, 
„bu haft mit’8 eradhlt am »ochaeit^tag — ach, flib 
mir ben 9ting. Thu mtr noch W aller fiiebe biefe 
etnaige nodb’" - Ta aog ihn 2)?argatete aitternb 
»om ffinget unb et fteefte thn an ben feinen. — 
„9lcb, wenn et am Snbe nt fetn Sehen aurürffdllt 
uub ihn »erfauft ’" fo bachte bange ^Margarete. 
„9iun benf an mich unb bet’ füx mich," faßte 36tg, 
al^ et htnaii'iging ©ie fah ihm lange nach. St 
fam an beö Sirdieitoorfteher^ ©au^ »otbei, bie alten 


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196 


JUw einem J0aifenl)aufe. 


©efeflen ftanben bort» ct ßrüfete fic — unb ßinß 
oorüber. Um 10 Uhr fam ein Sebienter Dom 
©djloffe, ba£ unweit be$ Dorfes laß, unb braute 
einen fforb mit ©Deifen, unb bie Siaajricht, bafe ber 
Sörß Dot 9U>enb nicht tomme, bteweil Diel Slrbeit 
ba fei. fröhlich fam er SlbenbS beim. „5D?utter," 
rief er Don ferne, „ich habe Slrbeit auf Diele ffiochen 
oben für’3 ©cblofe." Salb rnufete er mit ®efe(ien 
arbeiten, weil er eS adern nicht Waffen foitnte. 
Die Sfunbfchaft fam» toieber, alle wollten ben an= 
berS Beworbenen SJiann febeit mit eignen Stoßen. 
(Sr aber blieb befeheiben unb Ritt. 9?irßenb3 fab 
man ibn mehr, al8 nur ju ©aufe, unb oft mit 
3Warßarete unb ben ffinbern unter ber Suche, ©ie 
feitnten halb bem Sächter anfanßen abgiua hlen. 
Dem 9t "'felein wirth war*3 aber berweil übel pe= 
ßeßanaen, ber batte ftch in aHerbattb Setrüaereien 
einßelaffen unb war mit ©chtmpf unb ©chanbe 
au8 bem Jtirchenoorftanb entlaffen, hat fein ©au$ 
oerfaufeit muffen unb ift bann auSßewanbert, nie= 
manb weife wobin. $m\ Sahte waren fo babin, 
— ba, am SahreStaße ihres ©ieberein^ußS, ben fie 
mit ben SäcfeterSleuten jufammen feterten, ftanb 
ber Sfrß auf unb faßte: „Sachter, Sbr feib mir 
ein treuer Sfreunb unb 9tothhelfer ßewefen, — aber 
bie mi(h innerlich ßerettet bat, ba8 war bie, bie 
neben mir ftfet, meine 90?arßarete. ©a3 fie ßetban 
in Siebe unb ©ebulb, ba$ weife ©ott allein. Unb 
nun, ^Haraarete, — ba ift bein 9tinß wieber. Sieb 
“ ich hab’S mir nicht guaetraut, auf eißene $raft 
bin, wieber treu 311 bleibet.. Die Sernuhuitßen 
ftnb im erften Sabre furchtbar ßewefen, ba3 weife 
nur £er, ber ie in folchetn geben war wie ich, wenn 
man bauon laffen foll. DeSweßen bab ich bich 
um ben Stina ßebeten. (Sr bat bich einft aebalten, 
ba3 weife ich; nicht ber 9tiitß, aber ba3 Stnbenten, 
ber 9tath unb Droft beiner feliaen 9Butter. (Sv bat 
auch mi(h pebalten. ©eitit Die Serfuchunß fam, 
bann habe tch auf ba8 Stiitßlein ßefchaut, unb e3 
bat mich fo ernft unb liebeood anßefchaut, unb idj 
habe alle beine Dreue, all bein ©ergeleib habet 
anßefebett, wag biefer 9tinß erlebt bat, unb fieb, 
bann bin ich frei unb frob wie ein Äfönia burch alle 
SSerftuhuna ßeßattßen. Sefet brauche ich ibn nicht 
mehr. 90ticfe hält iefet mein ®ott unb ©eilanb fei' 
ber, ben ich burch bich ßefunbeit. Slber einmal tafe 
mich ibn noch fuffen ttttb feanen." — Damit fufete 
er ben 9tinß unb fteefte ihn feiner 9Karßarete an ben 
Sinßer. 

• • 

• 

ffienn ber ßeneißte 8ef*r freilich meint, bab 
Stinalein fei bie ©auDtfache, unb wenn er ober fte 
nur fo ein$ babe, wollte er’g auch fo binbrinßen, ba 
täufcht er m aderbiitßg. Denn e$ ift mit bem 
9tinßlein wie bei bem ©affer ber beilißen Dattfe, 
bauen Dr. üJfartin 8utber faßt: „©affer ttut’g 
freilich nicht." ©0 auch hier: Dag 9tinßlein tbufg 
freilich nicht, aber bie Drette unb Siebe, bag ®e= 
bdchtnife fo babei ift. * 

Stern: 9Ran bat manch ßolbetten 9tinß attfbe= 
wabrt, ben ©eiben einft ßetraaen, aber unfer 9tinß= 
lein ift nicht minber wertb, alg folcb einer. 


Jlu* einem Utoiffuljniife. 

®oii greimutl). 

III. 

CRn Irefttag. 

SS war an einem Drächtißen ©ommerfonntaß^ 
morgen beS Sahreg 1862, bafe bie „ßrofee Älaffe" 
in Seßleitunß ber Sr. 8. unb B. fleh auf ben ©eß 
machte, Sater ©ennhöfer 3 « hören. Dafe ihnen 
ein tfefttaß beoorftehe, wufeteit fie ade aar wohl. 
Schon ber mebrftünbiße ©eß burch Dorf unb Selb 
unb ©alb ftimmte ia jebeS ©erg gu hoher 8uft. 
©eute würbe ia auch gur Jtirche ßeßanßen, nicht in 
9tetfe unb ®lteb bahin marfchirt. ©er wüfete aber 
nicht, wie widfommen einem itnabenbergen auch 
bie ßerinßfte abweth§luitß in ber SWihtunß ber 
Bwanßjofiafeit ift? Dann ßinß’g aber, „Sater 
©ennhöfer 1 ' 31 t hören. (Sr war unfern Jfttaben 
fchon Dom „SahreSfeft" her wohlbefannt. Unfer 
©aifeitfnabe erinnerte ftch noch wohl ber 9?ebe 
Sater ©ennhöfer’g am Dorherßehenben SahreSfeft. 
Der 126. Sfalm laß 31 t ®runbe, unb über bie ®e= 
fanßetteit 3ion§ faßte er unter Mnberm: „(Sg ßiebt 
DiertelS (Sbrifteit, halbe ßhriften, breiDiertelS (Shri= 
ften, beinah Shrtften unb ßange (Shriften. 9?tir bie 
ßangen ßhrifteit fühlen fich fo reefit al§ bie ®efan= 
ßenen 3ion§ in biefer araen ©eit" k. ©eute bre^ 
bißte S. ©. in ©tafforth. Dort famen benn auch 
unfre ©aifenfnaben ßerabe gur Beit an, al§ man 
„gufammen" läutete. Salb ftanb fie auf ber 5fan= 
gel, bie areife ©eftalt, ber ©elb Dielcr ©chlachten 
unb reicher ©ieae unter feinet ifönißg ffreuge§= 
Danier. ©er, ber biefen theuem ®otte§mann ße= 
{eben unb ßehört, hätte ie ben ßewaltißen ©inbruef 
wieber Derßeffen, ben berfelbe auf ihn machte? 
©eich eine ®efchichte laß buch bagumal hinter bem 
ßreifen ®otte§fämben ! ?lu§ ber ffinftemife 9tom8 
hatte er fich unter unfäßlichen ffämbfett herauf 
ßewunben unb n>ar gur euanßelifchen Kirche über= 
aetreten. ©ie e3 aber in ben gwangißer Snhren in 
biefer euanaclifchen fiirche auhfah, geißt eine ©tede 
in einem Srief, ben ber Freiherr Sf. d. ©emminßen 
unter bem 11 . S?ai 1822 an ©ennhöfer fchrieh. 
©ie lautet: „9Rir ift hei Shrem Sorhahen hauDt= 
fächlich bie ©tedunß ber lutherifchen ffieiftlidhreit 
unb ©emeinbe äufeerft wichtiß unb Shrer redit reif¬ 
lichen Seurtheilunß wohl würbiß. 8 e h t e n w 
efere 9Ȋnner, wahre Shrifte,n, unb 
8eute, bie ben ©eilanb lieh nahen, 
auch nur einiße hierimßonfiftorio 
ober 3 erftreu et im 8 a nbe herum, bie 
Shnen gur ©lüfee bienen tonnten» 
fo wäre ich oh n e © orß e, allein wahrhaft 
erweette 8eute werben wohl fchwer gu finben fein, — 
hier (in ber fWeftbeng) ift mir einmal nichts bauen 
hefannt, hefonberS Don bem 3lmtSßrab, woburch 
| folche wohlthätiß für ©ie wirten tonnten." ?ln 
I ber ©Difee ber ©eiftlichfeit ftanb bagumal S. ©ehel, 

I ber ßemüthDode Dichter unb „nüchternfte 9?ationa^ 
lift". (Sr war gwar unferem S. ©. .freunbti^h ße= 
finnt, aher waS mufete biefer nicht SdeS Don ben 
gintS= unb 65efinnunߧßenoffen beffelhcn leiben. 
Doch er blieb treu; fein Bwßnife öon ^{ cn 


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Hus einem iflaifenlfauff. 


197 


®nabe ©otteS in Shrifto Wallte trofc aßet SSerfol- 
gung fort unb baS gehabte ff iJJietiftenl>an^t" befielt 
ben Steg. 3n bem ®oftor=$)iplom, womit ihn 
in ben fünfaiger Stabten bie Univerfttät ©eibelberg 
beehrte, ujIto Der Nang eines ®oftorS ber Rheologie, 
AlopS ©enhöfer, bem muthigen Sefenner unb ©re= 
biger beS lautern SvangeliumS unb ehrwürbigem 
Segrünber beS au unterer 3eit aufblühenben Arift- 
lieben gebend in bet ffirche unferS ©aterlanbeS, ber 
Shre wegen verlieben. 

Nach ber ©rebigt würben bie ff naben in verfdjie= 
beneit ©auernhäufer vertheilt unb eS wdre wobl 
fchwer 311 entweihen, ob bie Fwube ber frommen 
Beute, einige SBaifen bewirtben au tonnen, ober bie 
Freube biefer SBaifen fich fo reicblicb bewirtbet au 
finben, am gröfjten war. ©ätte eS ben freunblicbcn 
©irtben etwa an gefunbem Appetit gefehlt, ein 
©lief auf bie Arbeit ihrer jugenb liehen (Safte würbe 
beitfelben fdjnelt gebraut haben. 

3 ber Nachmittag fanb unfre ©efellfdjaft brühen 
in ©pöcf in ber Shriftenlehre. ‘Da war bann Sä¬ 
tet ©. befonberS in feinem Elemente. (Sagte er 
; einmal brühen in Staffortb: „’S giebt breierlei 
' Beute: ©öfe, bie fteblen u. f. w., ©rave, bie 
ffltorgenS unb AbenbS beten unb orbentlich ftnb, 
aber fein geben auS ©ott haben, unb 2Bieber= 

* a e b 0 r e n e, bie’S geben auS ©ott haben; — nun 

* bu, ffarline, fag mir einmal: ©on welchen giebt’S 
am meiften in ©tafforth?" Unb baS ffinb fchaitfe 
ihn an unb fagte: ,,©on ben zweiten." ©eute 
aetgte er in feiner unvergleichlichen SBeife, wie mit 
bem Unglauben immer ber Aberglaube verbunben 
jiebe. „AIS ich vor funfunbbreifeig 3ahten nach 
©Vörf fam, fah’S ba fchlimm auS. SBcnn meine 
mau einmal vergab bie Niilch vor ber ©etglocfe 31 t 
holen, mar biefelbe immer verfaßen. ffeiit 2Beib 
lie| nach ber ©etglocfe mehr 3Wilch auS bem ©aufe 
gehen, ohne ©ala hineingeworfen au haben, fonft 

* wären ihre ff übe verhexLworben." Nach ber Shri= 
ftenlehre gingS banVTnnüber in’S fßfarrhauS." 
8 . ©. inubte hoch feine ©arbthauSftnber fehen. 

” Unfer SBaifeitfnabe war JagS auvor bei Dcfan ©. 
in beutfeh 3 t. gewefen unb biefer hatte ihm einige 
SrbbeervBanaen für ©. ©. mitgegeben. Sie wut* 
ben pflichtgetreu überreicht. „DaS ift ©tofa," 
; fagte ©apa ©. unb rief feiner ©attin au: „Niutter, 
hajeh net e ©chtücf ©rob für bie Sube?" Öb er 
f wohl glauben mochte, bab baS berbe Schtücf ©rob 
mit Subehör unfern ©üben voetifch ftimmen würbe? 
Mit heralichem ‘Danf unb frohem ©eraen nahmen 
(te Abfchieb unb traten ben Heimweg an. 


6 S war baS lebte mal gewefen, bab unfre ffnaben 
We ©elegenheit hatten ©. ©. au hören. Am aweU 
ten AbventSfonntag beSfelben StahreS wanberten 
fie awar wieber nach ©pöcf, aber biefeS mal umftam 
Den iie baS ©rab beS theuren ©otteSmanneS. Noch 
(Seht unfer SBaifentnabe ben ©arg, in bem ber alte 
©elb nach treuem ffampf fo fanft unb frieblich lag. 
Sie hat’S in feinem Tunern gebrauft, alS ber Ehor 
baS: „2Bte fie fo fanft ruhn r gnftimmte. ’S war 
eine grobe, f eilige JBunbe bort am ©rab. ®ie vie= 
len ©rebiger im vollen Ornat, bie grobe ©emeinbe I 
in tieffter Iraner, bie Saufenbe» bie baS SBort beS 
gebenS von ben Bippen biefeö SWanneS vernommen 
hatten; aü bie Schaaren, ffopf an ffopf unb ©chul= l 


ter au Schulter, bis über bie SRaueru beS winters 
liehen ffirchbofä hinauf, unb Alle^ einftimmenb in * 
ben ff (ageruf beS StabtpfarrerS 3iuimermann: * 
„SSSie finb bie gelben gefallen in 33rael!" 6 in ‘ 
©era feufate bort in heibem ©erlangen, bem ©tau- 
ben biefe^ entfehtafenen Sehrerö narfjaufolgen. / 
war ba^ ©era unferö SBaifenftiaben. _ _—* 


IV. 

(Stn m fiber Ärjifljung. 

ÜBenn fich unfer SBaifenfnabe heute, nachbem er 
ein gut Stücf 9Belt unb geben gefehen hat, Aurücf^ 
verfefet in bie ßrlebniffe im SBaifeuhau^ uno nadi 
bem moralifchen 3 uftaub ber 3 öglinge fragt, fo 
glaubt er unparteiisch unb wahrheitsgetreu fagen au 
tonnen, bab berfelbe ben ©ergleich mit bem einer 
gleichen Attaabl ffinber auS ben gewöhnlid)en 8 e 
benSverhdltniffen wohl beftchen fonnte. Nimmt et 
Niufficht auf bie Shatfachc, bab manche ber ff inber 
verwahrtoft in bie Anftalt tarnen, fo wunbert er (ich 
heute über bie erjiebenbe SNacht, ben verebelnben 
ßinflub, ben ber ©eift beS Kaufes auSübte. SBie 
biefeS SraiehungSwerf betrieben würbe, tonn er faum 
fchilbern. 2Bo(lte man fagen, bab ftrenge Bucht 
henfehte, fo war bieS alterbingS in foweit wahr, alS 
ein 3ebeS wubte, bab ber Uebertretung fiebere ©träfe 
folgen würbe. AnbrerfeitS ift’S aber cbenfo wahr, 
bab fchdrfere 3 üd)tiguug ober auch nur drohen viel 
feltener war, a(S in ben meiften Samilieu von ge= 
wohnlichem Umfang, in benen überhaupt 3udht ge= 
übt wirb. ®ann war’S ein ©lücf für bie ffinber, 
bab ihnen bie Sraiehung im SBaifenhaufe warb? 
3jn Allgemeinen gewiblicb: 3«. SS waren wohl 
SBenige, bie baSfeibe nicht beffer verlieben, alS fie 
betreten hatten. 3 hre ©chattenfeiten hat biefe Sr= 
aiehung aber auch. SS rnubte hoch, ber Natur ber 
Sache nach, mehr eine Sraiehung im ©anjen fein. 
®aS Singehen in bie eimeine ©erfbnlidbteit war in 
bem 3Habe nicht möglich, a(S eS wünfchenSwerth 
gewefen wdre. ©0 warS feitenS ber Böglinge boch 
mehr Shrfurdjt unb ©cheu alS vertrauensvolle Siebe, 
bie aum ©chorfam gegen bie ©orgefebten bewog. 
SBie oft brannte unferm SBaifenfnaben baS ©era 
unter ben Ermahnungen beS fi^auSvaterS, wie oft 
trieb eS ihn au bem theuern 9Ö?ann au gehen unb 
ihn umNath unb©ilfe in feinen iugenbli&en ffäm= 
pfen au bitten. Ach, hätte er*S gethan, wie manchen 
Fehltritten hätte er entgehen tonnen ! Seiber hielt 
aber ihn, unb foweit er wei§, auch feine 3Witaög= 
finge eine verfehrte Furcht ba von ab. 3 u iener 

S eit mangelte eS an bem geheinem, vertrauensvollen 
erbältniB awifchen ben ffinbern unb ben Eltern, 
baS eine fo heilige 3Kgcht in ber Sraiehung auSübt. 
(Späterhin foll eS barin beffer geworben fein. 
Ueberhaupt müffen bie ©auSeltern eines SBaifem 
ÄaufeS baS mühevolle SraiehungSwert noch in viel 
höherm SKafj „auf Hoffnung" treiben, alS Eltern 
fonft. Srftlich muh bie ©auSorbnung naturgemäfc 
eine ftrengere fein unb bann haben fie weber Mittel 
noch ©elegenheit, ben ff inbern bie tauferib (leinen 
Nebenfreuben au gewähren, bie fo gefchicft finb, 
banfbare Ciebe im ffinbeShera wachaurufen, j'üte 
fich boch ia ein 3?beS, beffen Sraiehung ber eigenen 


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198 , 


Aus einem Heifeptebiget=|eben. 


Äinber oielleüht mangelhaft ßenuß ift, ein au fchnel- 
leS Urteil über ©aifeneltern 311 fallen. Sie haben 
eut unfäßlich fd>u>ercS 3lmt 3 U oermalten. 


Ski}uit ati0 einem $fiffpreiii0er= 
febeu. 

®on Bm. l|ren#. 


V. 

Crrette beine Seele unb fiefje nidjt Ijinter bidj. 
Sah ffltlb fal|e Ijinter lidj unb ttmrb jur 
Sttljfdiae. lmof. 19, 17.26* 

3m 3abte 1848 trat eiltet £aßeS Sr. S., ©lieb 
oon meiner ©emember in meine Stube mit ber 
Sotfcbaft: „fficifit bu maS 9JeueS ? in ber luthe= 
nfrf>en fi'irche m Sr. (ein Stäbtchen smölf SfReilen 
entfernt) fod eine ßrofte Srmeduiiß im ©anae feiiu; 
fie halten beu flauen Saß biS 3lbenbS foät nrchliche 
' Serfammlunßen; Siele Jollen febon belehrt unb 
manche 3lttbere am Sueben fein. 3d) beabfiebtiße 
htnsufabren, haft bu Cuft mitsufahren?" 

3<h willißte mit Srenbeit ein. Seßleitet oon 
Slifabeth, ber älteften Xochter beS SruberS S., 
einem iuiißen 9Häbd»en oon ßuter Silbuitß tutb 
echter ftrömmißleit, machten mir 11118 am näcbften 
'üKoraeit bet 3 eiten auf ben ©ea unb beßünftigt 
00 m fchonften 2 Better unb fluten ©cßen, mären nur 
halb ut Sr. ... Unb mie emft SarnabaS nach 
3lnttod)ten !am unb bie ©nabe ©otteS fahe unb ficb 
freuete (3l*>ß. 11 , 22 . 23 ), jo ßiiiß eS auch unS. Die 
©irlunßen ber hetlfainen ©nabe ©otteS, melcbe bie 
3Kenfcben süchtißt su oerläuflnen ba 8 unßöttlicbe 
©efen unb bie meltlicben Cufte (Sit. 2 , 11 . 12 ), 
mären hier an allen Seiten fiebtbar. Sine beil= 
fame 3utfreßung batte ficb ber ©emüther berntafcen 
bemächtißt, bau bie Sewohner beS (freilich lleU 
uen) StäbtchenS unb bie Partner ber Untßeßenb 
ihre irbifchen 3 ntereffen für bie 3 *it hintan lebten 
unb ihre meifte 3eit auf ßotteSbienftlicbe Uebungen 
oenoeitbeten. ©ir felbft mürben aufS hefte hemtH= 
fommt, unb mit Serßnüßen nahmen mir bie Sin* 
labunß, 116 er s J 2 a<ht 311 bleiben, an. 

©eßeit 3(benb aber mtirben bie ©emüther btircb 
bie SchredenSlunbe erregt, ba§ ein (in ber Stabt 
wohlbefannter) iuitßer 2 Rann, ber felbißeit DaßeS 
im Stdbtcben mar, auf bem ©eintßanße olöfclid) gu 
Sobe ßefommen fei. Unb nun erfuhr ich oon Sr. 
S. unb feiner Sochter SolßenbeS: 

Sefaßter 3ünßliiiß, ber einsiße Sohn einer 
©ittwe, oon oornehmem Stanbe, mohnte in ber 
Sacbbarfchaft oon Sr. S. (auf bem Öanbe) unb 
mar mit Slifabeth aut befannt. Sie traf ihn im 
Stäbtchen ut ber 3mifchetueit ber Serfammlunßen 
unb oon tiefem 3utereffe für baS £>eil feiner Seele, 
ermahnte fie ihn, ficb iefet 3 » belehren; fudbte ihm 
bie ^othmenbißfeit baooit recht anS #ers au Icaen; 
wieS ihn hin auf bie ßeßenmärtiße herrliche ©eie- 
ßenbeit, unb braitß ut ihn, biefelben hoch heute noch 


I 311 benüfecn. Sr aeftanb bie fRicbtißleit beS ©cfaß* 
ten 311, muhte felbft, ba§ er belehrt fein follte unb 
bah er wirtlich ßebenle foäterhin Smft in ber Sache 
3U machen. fturs, er machte feine Simoenbunß 
ßcflen baS, maS fie faßte, auSßenommen bie ©orte 
„Öeute — 3efet", unb bie Sntfdnilbißung bafür 
loar, bah er am nächften Slbenb su einem Saü ein= 

S elaben fei unb oerforodjen habe, beisuwohnen. 
Inb ber 3mecf feiltet JiommenS sur Stabt mar, bie 
Sansfchube 3u holen, bie er bei etnent bortißen 
Schuhmacher beftelit hatte. 

3Bit ben Dansfdmhen in ber Safche, febmattß er 
ficb auf fein ftattlicbeS SWeityferb unb ritt tn SeßleU 
tunß eines aitbcrn fiameraben ber ©eimatb 3U. 
Der ©eß führte burch ein ©ehbls unb mie baS Un= 
ßlücf eS wollte, foornten bie Seibeit im jußeitblicben 
Sroh= unb Seiajtfinn ihre Sferbe su einem fchera- 
haften ©ettlauf an. Da fah ber Unßlücfliche 
einen Saum über ben ©eß hditßen, unb um ihm 
auSsutoeicbett, boß er fid) ftarl über nach ber anbern 
Seite, unb im nächften 3liißenblicfe mürbe fein Äoof 
mit folcher ©emalt ^Cßen einen anbern Saum fle= 
fcbleubert, bah bie ©iritfchale serfdimetterte unb ba8 
©ehirit herau8floß. Sein jußenblid)e8 8eben ent= 
floh mit einer Scbnellißfeit, bte thm nid)t 3eit lieh, 
auch nur einen eittsißen ernften ©ebanfen su taffen. 

3118 mir nädjften Saße8 mieber heimwärts fuh¬ 
ren, bcßefliictc utt8 fein Seubensuß. 3ln bem Slafee 
be8 Unfalls ftießen mir oont ©aßen unb betracht 
teten ben Sautn, an welcher er feinen Sob ßefun- 
ben unb meld)er noch bie Souren feiiteS blutiaen 
©ehirttS truß; tinfer ©eift aber fah barin bie Sre= 
bißt: „Sile, rette beine Seele, beoor e8 su fbät tft.^ 


foi)u einer gute» 

»Ott S. Söcher. 

A n ben Siersiaer 3ahreu beS oorißen 3am eine# 
J| SaßeS ein Scheerenfchleifer in ein Dorf in bet 
^ ©eßeitb oon Äüftrin a. b. Ober. DaS erfte 
©äuSchen im Orte fah fehr oerfallen auS, beitnodj 
wollte ber 3Kann nicht oorüberßehen, ohne feine 
übliche Sraße su thun, ob eS nid)t8 fcharf su machen 
ßebe. 3118 aber bie Dhüre su ber niebriaen Stube 
aeoffnet unb einen Slicf auf bie bleiche Ijrau unb 
ihren barfühißen 3uitßen hinten am Difd>e unb 
ihre aar ärmliche Um^ebuitß ßemorfen, ba faßte ex 
fich, oah hier fchmerlich etwas su oerbienen fein 
werbe, unb er mürbe baoon überseußt aemefen fein, 
auch wenn bie ftrau nicht mit fchmachen ©orten 
Gefaßt hätte: „®ab* ni^tS für Sud) su thun." 

„3br fcheint mir franf ßemefen sujem, flute 
Srau," bemerfte ber Schleifer, ber auf feinen ©an= 
berunßen ein theiln|hmenbe8 ©ers bewahrt hatte. 

„31<h ia," feufste oie fjrau; „ich habe 01 er ©ochen 
am lieber ßeleßen unb lann noch ßut nicht mieber 
su Irräften lommeit." 

„Unb babei habt 3hr 8 fo lalt hier," fuhr ber 
3Rann fort, „ba§ nicht einmal tefet um bie 3Kittaß8= 
seit Sure Senfter abßethaut finb. Da lonnt 3br 
fchmerlich oolliß mieber ßefunb werben." 

©irllich mar in ber Stube eine eifiße ftälte; ftanb 


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tfoljn eitler guten Qtyat 


19 » 


man Doch ßerabe in ber härteften Sßinteraeit, tutb 
tm Ofen mar fein Sünfcheit Setter. 

„Ueber bie Äälte wollten mir nod) niefit flaßen," 
mar bie Antwort, „aber ber fünfter quält un§ jo 
fehr; feit ßefteut fiafien mir feinen ©iffen ©rob 
über unjere 3unqeit ßebradR." 

„ 3 hr ?lrmen, fpradj ber Schleifer bebauernb, 
»faitn Such Stiemanb im Orte beiftefien?" 

„Sich," faßte bie Srau, „e 3 ßie6t biefen Sßinter 
noch Diele anbere ©othleibenbe im Dorfe unb — 
mir ftnb nicht ßemofint 311 betteln." 

„ülber faßt mir bodj, mooon fiabt 3fir benn in 
ber lebten 3eit ba8 Seben gefriftet ?" 

»Da ift oer Slfcher, ber 3ube ain§ Sranffurt, Don 
Seit 31t 3 eit ßefommen," berichtete bie Stau meiter. 
»Dem habe ich Don unferen aerinßen &abfelißfeiten 
eiltet naefi bem auberen oerfauft. • Seit brei 9 Bo? 
eben hat er fid) auefi nicht mehr fefien laffen. Sßafir? 
Weinlicb meint er, eä fei an bem menißen Stxam, 
ben ich ihm noch fiiitßeben fönnte, nicht Diel mehr 
}« oerbienen." 

„Dabei maß er mohl recht haben," bachte ber 
Schleifer, al 3 er feine ©liefe noch einmal bitrch ben 
Jtaum fchmeifen lieh. „Der liebe ©ott mirb fchon 
helfen, Srau; oerlafet Such nur auf ihn; lebt 
mohl!" »rach er bann, manbte fich um unb fchritt 
mieber jur Dfiür hinauf. 

„Da 3 ift ßana fchon qerebet," bachte bie arme 
ftranfe. „ 2 Ba 3 nüfeen aber bie freunblichen SBorte 
allem ?" 

So fafe fic fttimm Dor Reh fimbrfitenb. 3firera 
finaben Serbinanb mürbe e 3 babei recht banße um 
ba§ §era; er fauerte an bie Seite ber SJiutter nie- 
ber, faßte ihre Rechte, fuchte fie marm 311 hauchen 
unb fraßte fdmehtem, ob er nicht au bem Sattel? 
Sauer ßefien biirfe, ein paar Stüben Don ihm 311 et? 
Sitten. 

„®eh nach bem Dunfelmerben," fprach bie 3 Rut? 
ter, „bafe bich 5 ?iemanb anfDrechen fiefit." 

SBiebet hatten fie eine SBeile ftill neben einanber 
aefeffen, al$ bie Sfiür auf ’3 neue ßeöffnet mürbe. 
ÜSit ©erwunberuitß fafien bie ©eiben ben Schleifer 
tum aweitenmale hereintreten. Diesmal hatte er 
ein ©rob in ber föanb, fchob baffelbe mitßewinnen? 
ter Sreunblichteit ber überrafchteit Stau 3» unb 
iprach: „So! Da8 für’8 Srfte, bamit 3 hr men iß? 
ftenä ben förnißer ftiüen fönnt. — Specht nicht ba? 
ron, e§ ift ia nicht ber 9 Kühe mertfi," fefete er ab? 
mährenb hinju, a 16 bie Stau DanfeSmorte ftam? 
melte. „^cfi habe and) SQBeib unb Ätnber 311 ©aufe, 
bic ba miffen, bah &unßer mehe tfiut. 2Benn Slfir 
(Such bebanfen mollt, fo tfiut eö beim erften ©auer 
im Oberbotfe; ber mirb (Such auf meine Sürfpradje 
auch heute Slbenb eine Fracht ©rennhola fehiefen, 
bamit 3 fir ein marmeS Stübchen haben fönnt." 

„ 9 lch, menn icfi hoch mühte, waS ich Such für Sure 
JBohltfiat 311 Siebe tfiun tonnte!" fprach bie Stau. 
^ „©Jacht hoch fein folcheS 9lufhebend oon ber 
Sache!" ermiberte ber Schleifer. „SBenn ich nicht 
fclSer ein armer SHann märe, mollte ich Such anber$ 
beiftehen." 

„©ur ein 3 lnbenfen nehmt Don 11118 mit, ßiiter 
ftmmb," ftriß bte Stau immer mieber an. „Slinf! 
|erbinanb, ntmm bie ffianf unb lauge auf ba8 
Sanbbrett beim Ofen. Da in bem £ol3fäftchen 
liegt bte Uhrfette Dom oerftorbenen ©etter Shri? 
ftoDh." 


Der ffnabe brachte ba8 ßenannte Sttnrüienftücf 
fier3it unb bie Stau branß e 3 bem Schleifer orbent? 
lieh auf. „Die Stetie ift nicht Diel mertfi, aber fie 
foll Such an Sure SBofiltfiat erinnern, unb baö mirb 
Such fröhlich erhalten," fprach fie. 

Da ber 3 )?ann fafi, bafe er mit ber ftette feine 
Hoftbarfeit fortnefimeu merbe, — benn fte mar au£ 
brauner Seibe ßeflochten unb truß ein Öeradfien au 3 
rotheut ftupfer, unb beraube mürbe reinen geller 
bafür ßeßeben haben — fo liefe er fid) betoeßeit, baä 
Keine ®egetißefd>enf ansunefimen. Sr tfiat e$ fiaubt^ 
fäcfilid), bamit ber Stau, beten aarten Sinn er efirte f 
ba8 ßefefienfte ©rob um fo beffer munben möße; 
bann Derabfdjiebete er ftch 311m ameitenmale. 

Die arme Stau erfuhr halb, bafe ber Stembe, 
nach beffen tarnen unb ^eimatfi fte nicht einmal 
aefraßt fiatte, ein rechter barmfieraißer Samariter 
fei, benn fefion am näd)ften 2aae fam ber ©farrer 
au8 bem 9 ?achbarborfe, umhin fie fonft aur fiirdje 
aeßanßen, erfunbiate fich nad) ihrem 3«ftanbe unb 
(teilte fernere i&ilfe in 5 (u 3 fid)t. Die Stau ßena^ 
aümäfiliß unb mürbe mieber fähiß, burch Arbeit 
ihren Unterhalt Derbienen an fönnen. Jlufecrbem 
hatte Re bie Steube, bafe ifir Sohn, in mclchem ber 
©err ©farrer einen offenen £o*>f erfannt hatte, auf 
©ermenbuitß in einem SBatfenfiaufe unterbracht 
mürbe. 

Serbinanb gehörte hier halb au ben braoften, 
tüd&tißften Schülern; al 3 er ba8 nöthiae Sllter er? 
reicht hatte, mürbe er, mie früher fein ©ater auch> 
©olbat, unb al8 ber alte Stife feine 5 hieaer in ben 
fiebeniäbrißen fitieß führte, marfchirte Serbinanb 
al8 Unteroffiaier mit nach ©Öhmen, ©ei ©raß 
mar er unter ben ©renabieren, melche bie am Staube 
fteiler Slnfiöfien aufßeDflanaten feinblichen Äanonen 
erftürmten, einer ber unerfefirodenften unb taDfcrften 
ßemefen, fo bafe fein flöniß ihn nach ber SdRacfit 
3um Offiaier ernannte. 

„ 9 ßer hätte," fefirieb Sctbinanb in bem ©riefe, 
moriit er feiner SDtutter biefe ©eförberuitß melbete, 
„ein folcheS ©lüd Dermutfiet, al§ mir Dor amölf 
Safiren, bu franf, mir beibe fiunßernb unb frierenb 
in ber Stube aufamnten fafeen? ©ott hat@rofee8 
an un8 ßethan. SBie maß e8 bem brauen SKanne 
eraehen, ber fid) auerft unferer attitahm, unb bem 
»Fr nach ©ott Dornehmlid) Danf fchulbiß ftnb?" 

Serbinanb follte halb barauf Don bem S)tanne au 
einer 3eit unb auf eine 8trt erfahren, mie er e$ am 
menißften Dermeinte. 

Da8 Dreufeifche ipeer befaitb Reh auf bem SKarfdje 
ßeßen ^oflin, mo Snebrid) bem ©rofeen halb bar? 
nach bie bei ©raß errunßenen ©ortheile Durch Daun 
mieber entriRen mürben. Da Roberten einige Sol? 
baten be8 ffießimentö, bei bem Serbinanb ftanb, 
einen öfterreidjifdjen Spion auf. Da Re mufeten, 
bafe in ben lebten Saßen ben Seinben mieberfiolt 
michtiße SKafenahmen Derrathrtt movbeit mareit, fo 
ßaben Re fich alle ©tühe, be§ ©urfefien habhaft au 
merben, aber bie naebßefebidten ScfiüRe gingen fehl, 
unb ber ©erfolgte entmifchte ßlüdlid) in ein am 
SBeße ließenbe8 ©ebüfeh. 

„Der näcfifte btefer ©alßenoößel, ben ihr er? 
mifdd, foll ohne 2 Beitere$ füRlirt (erfefioffen) mer= 
ben," faßte ber Oberft, al8 ihm »on bem ©orfalle 
SHelbtutß ßemaefit mürbe. 

„ftabt ein machfameS 9 luße auf ben fchmara^ 
I haarißen fierl," fprach ber alte ßraubärtiße Selb? 


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200 


£ol)n einer guten Qtyat. 


mebel in SerbinanbS Somvaanie jtt jeinen geilten. 
„Pielleicfet iucCt ihn feine ©vürnafe noch einmal." 

«Unb ich mill ©vießrutben laufen, menn icb ben 
Purfcben nicht fenne," liefe ficb einer ber ®rena= 
biere vernehmen, ber mit bei ber ©efee aemefen mar. 
«Por amei 3abten, ba ich hier au ganbe in 3ofevb s 
ftabt al$ ©cbufteraefell arbeitete/ habe ich einen 
bem aana aftniicften Ptenfcben aefeben. ®a$ mar 
t>er 2Benael Sannafcbecf, ber 2Birtb$fobn vom gi= 
buffabofe, mcldjer ficb burcb bie ©vionaae gemiß 
„a ©nabenfettel" von feiner ifaiferin verbleiten 
will." 

3« ffriea$aeiten medjfeln bie Sinbrüde unb PU= 
ber fcbnell/ unb ba$ fleine Porfommniß mar halb 
veraeffen; aber am übernäcbften Saae, al$ ba$ 9te- 
aiment/ melcbe$ mit ben übrigen Druwen mdbreub 
-einer fcbönen 3uninacht im freien camvirt batte, 
ficb morgens aum s äufbrucb rüftcte r ba entftanb 
Vlöfelid) ein Dumult. Sine Patrouille brachte einen 
itemben SRenfdjen, ben bie Porvoften aufgeariffen, 
meil er ficb auf verbädjtiae Sßeife in ber SRdbe beS 
gaaerS berumaetrieben habe. 

„Pofe Pärenmüfe* unb gabeftod! Da ift ber 
©cbmarae mieber!" rief ber alte Selbmebel au$, al$ 
er be$ ©efanaeiten anfidjtia mürbe. 

Unb ber ebemaliae ©cbnfteraefell/ ber mie bdufia 
ber Sdbflafcbe mehr als billia auaeivrocben, brdnate 
ficb an beufelben, a«b ibm einen ©eitenftoß unb 
höhnte: «Sieb r ftebr SJenael 3nnnafcbed, bein 
neues ©anbmerf bat fcbnell ben Poben verloren. 
Safe bir nur bie blauen Pobnen fcbnteden, bie bu 
iefet au foften frieaeit mir ft." 

Der alfo 2lnaerebete bot ein Pilb beS 3ummer$. 
Ueber fein fable$®eficbt, baS um fo bläffer erfd)ien, 
meil e$ von fcbmaraen paaren unb eben foldjem 
Parte einaerabmt mar f floß ber 3lnaftfcbmeife in 
biden Drovfen. Sr fliiiß ’mie betäubt einber; feine 
Äniee aitterten; von ben ©olbaten mit ben ©emebr- 
folben unfanft vormärtS aeftoßen, fant er faft 
fammen. Sr fdjien erft einiaermaßen a»r Peftn= 
uuna au fommen, al$ er nun vor bem Oberften 
ftanb unb vernahm/ baß er meaen ©vionaae ae= 
fangen fei. 

«jfein SeberlefeuS mit bem Purfcben !" rief ber 
Oberft griminia, al$ ber ®efanaene reben mollte. 
«©teilt ibn an ben ndcbften Pauin unb tbut. eure 
Pflicht! gieuteuant ©teinaii/ vollaiehen Sie bie 
Ssecution!" commanbirte er hierauf/ inbem er ficb 
an unferen Sreunb >?erbinanb manbte. 

Der frembe 'JBenicb fant in bie Äniee. «Um 
©otteSmillen!" fcbrie er f «ich bin fein ©vioit." 

«Da$ faaen bie Schütten alle," faßte ber Oberft/ 
fuhr aber aleicb barauf mit einer milberen fReauna 
fort: „PJomit millft bu beine Unfcbulb bemeifen ?" 

«3,cb bin ein gaufiter unb au$ bem ©tdbtcben 
Oftrife aebürtia unb habe lange fit ben bömifeben 
©laSbütten aearbeitet. Da bie be$ SfrieaS megen 
iefet feiern/ mollte icb nadj föauie manbern. 2ßa$ 
follte icb für Urfacbe baben f einen ©viott abau* 
aeben ?" 

«Peraeihen ber #err Oberft/" fiel ber alteJftelb= 
mebel ihm in’S 2Bort/ «ber Äfert lüat baS Plaue 
vom ©immel herunter. Sin Pöbtne ift’S unb auS 
3ofevbftabt unb ber ©obn etiteS ©ebanfmirtbä. 
$)er ©renabier ba" — unb er aeiate auf ben fHitter 
von ber Scbubable — «fennt ihn aenau." 

«3u Pefebb ©err Öberff/" fvracb biefer/ inbem 


er ficb in Pofitur ftellte/ mit einem ©efiebte, baS 
feine fiebere Sftebe güaen ftrafte: «3(ft fenne ben 
SGBenael äannaf^erf." 

«3llfo vormdrtS!" befahl ber Oberft unb manbte 
ficb ab r unb fterbinaub führte ben Sremben mit 
adbt Planu bei ©eite/ mo ein milber Slvfelbaum im 
Selbe ftanb. 

211$ ber anaeblicbe ©vion fab, baß alle ©offnuna 
auf SRettuna umfonft fei, folgte er ohne ffiiber^ 
ftanb, aber im PormärtSfdjreiten neftelte er ben 
©embentraaen auf unb aoa eine aef!od)tene, braune 
Ubrfette, an ber ein blanfeS ÜRetaüfcbilbcben hing, 
über ©al$ unb £ovf. Sben mar man bei bem 
Paume anaelanat. ®a fiel ber Unelürflidje vor 
Serbiitanb auf bie $niee. 

«©err Ofßaier," rief er iammernb, «menn 3br 
no<b einen Pater ober eine 3Rutter habt, fo merVet 
3br mir meine lebte Pitte nid)t abfdjlaaen. 311$ 
icb in bie Srembe ^ina^ bina mein alter Pater mir 
biefeifette um. ©ie erinnert an ein aute$UBerf, 
fagte er. Perbira fie al$ ©ebub unb ©ebirm aea«n 
böfe ©ebanfen an beinern &alfe. ^)abt Srbarmen, 
übernehmt bie fi'ette unb fudbt fie, menn Suer 
5ERarfdb burd) bie gaufife aeben follte, burcb einen 
Surer geute an ben alten 3ona$ in Oftrib au 
bringen, ©ie mirb ibm :‘n3eidben fein, baß icb 
unfcbulbia ben 2ob erlitten. 3br merbet bie lebte 
Pitte eine$ ©terbenben nidbt aurüdmeifen." 

Serbinanb burebaurfte e$ bei bem 3(nbl1rfe be$ 
ffetWen$ mie ein Plib. Sr ariff baftig na<b bem 
unfebeinbaren ®ina unb rief, mdbreub eine fonbet* 
bare 3lbnuna burcb feine ©eele fuhr: „2Ba$ ift bein 
Pater? Unb mo bat er bie Sette her?" 

«Sr ift Schleifer, unb er bat fie nad) feiner 6t* 
adbluna von einer armen SBittme aum Slnbenten 
erhalten." 

„3)eine £>anb, Sreunb!" rief Serbinanb Berührt. 
«3cb banfe ©ott, baß bu mir bie$ Äettcben aeaeiat. 
6$ erioeift bie SBabrbeit.beiner voriaen #u$faae 
unb mirb bicb retten," unb ber Offeier brüdte jum 
Staunen feiner ©olbaten ba$ Suvferf(bilbd)en, 
morin ein üreua, ein flammenbe$ &eta unb ein 
3ln!er aravirt mären, an bie giwen, commanbirte 
«SRed)t$um!" ließ ben Sremben neben ficb ber= 
febreiten unb ainfl mit ibm vor ben Oberft, ber 
bödjft befrembet oreinfd)aute, al$ fein gieutenant 
ben vermeintlichen ©vion iefet an ber ©anb au ihm 
Beführt brad)te. 

®ie 5Suffldruna mar balb aeaeben unb ber 
Oberft von ber ©cbulblofiafeit be$ ©la$macber$ 
überaeuat. «®u baft beine SRettuna nur ber auten 
Ibat beine$ Pater$ au bauten," faate er. 

®urd) ben Oberft mit einem Paffirfcbein ver= 
feben, von Serbinanb rei(blicb mit ©elb bef^enft 
unb mit ©rußen an ben alten Pater beauftraat, 
aoa ber @la$macber nadj ber überftanbenen 3tnaft 
fröhlich von bannen. 


$ p r u dj. 

Wußt bu entfernt von mabren ßbriften leben ? 
O befto mehr bicb Shrifto binaeaeben! 

(9r miO unb mirb allein 

Dir Umaana, S^unb unb Pruber fein. 


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(fin Pürtqcrc. 


201 


Oriu Htärltjw au$ nuferen tilgen. 

Xtm $iUa«tif 4m uadjergäblt mn 3* Srrlaßm jr. 

<S*Ui*.) 


93iertc6 ff a p i t e l. 

9(13 id) wiebet gu mit fatn, ftanb bic Sonne be= 
reit3 fehr hoch am ©irnmel, mtb id) laß in einem 
Säuern häufe auf einem weichen faßer. 

Ser bent ©ette ftanb eine ftinfe ©cutaiit, bic f 
iobalb id) bic Shißett auffdRua, rief: 

„3aap! et ift aufßewad)t!" 

„So!" entßeßnete bev ©crufene, ber niemanb an= 
Ver3 mar alä ihr (Shemaitn. — „So, ev ift alfo 
wiebetaufßeivadü? £ab’3 mir wohl ßebadjt, bafe 
er wieber gu fiel) fotntticn mürbe. — SSie tonnten 
Sic bei folchem SBctter ouäßehcn, immer £>err? 
3cb fanb Sie burdv.täfet auf bem 25eßc ließcnb; 
hätte id) Sie nid)t in meinem 2Saßeit ntitßcnom= 
inen, io mürben Sie mahrfdieiitlid) titttßefonttnen 
fein." 

„3n ®ottc3 Hainen," faßte ich gtt ihm, feine bei- 
beit ftänbe etßteifenb, „faßt mir, bin id) bei grciitt^ 
ben ober fyeinben ?" 

„?(ber ich feinte Sie ia ttidit," ßab ber ©aucr gtir 
Antwort, „unt> weife baber nid)t, mer 3hre greunbe 
ober geüibe ftnb." 

„Saßt mit emfad), ob 3hr fatholifd) ober pro= 
teftantifdj feib," fprach id) befcbmbreitb. 

ffftatbolifd)? nein, gum ©lüd uidjt. SBiv haben 
eine Slbneißuitß ßeßen bic ©äpftlid)en, meil Re Oov- 
mal3 unfete ©orväter ßcfanaen ttttb verbrannt 
haben. ©ott ©cfd)(ed)t gu ©efdtledR Rnb mir pro= 
teftantifdj." 

„Sie haben mir and) ein Ceib ßethan," faßte id), 
uttb ergahlte meine ®efd)id)tc, inbem id) meine 
Äiißft nid)t verhehlte, wietcr in bie ©cmalt meinet 
SeicbtvaterS gu fallen. 

„fafet Re nur fommen !" faßte er, als id) meine 
firgähluitß beenbißt hatte. „fafet fie nur fommen, 
ich werbe fie fd)on fie gut 3;bür herauf werfen, fo 
wahr id) 3<mp fflcimcß beige. Sie föitncn bie 
erjten paar 3aae hier bei mir bleiben." 

3ch banfte ®ott für meine 9tettmiß uub blieb 
bret ©ocheit im föaufe ber ßuten Scute. ®a id) 
nur meniß ®elb befafe unb nicht ßerite ba3 ©naben- 
hrob ejfen wollte, nahm ich ?tbfd)ieb von meinen 
freunblichcn ©aftßebcrn unb goß von bannen. 

SBohin aber? 

3u meinen CHtern? 9?id)t um alle3; beim bann 
erwarteten mid) neue dualen, id) mürbe a(3 ent 
3nftnnißer behanbelt unb viclleidtt mit ber ©oligei 
nach Trabant ßefdjafft merben, ober bas Cfltcrn- 
hauS mürbe Rd) vor mir, bem fieber, fdtlicficn. 

3cb beaab tnid) alfo ohne Bwetf unb Biel gu Sufi 
auf bie Seite. 3)ie erfte Sadit mürbe 'mit eine 
Schlafftelle in einem .deufdwber bemillißt. O, mic 
tauft ruhte ba ment ftaupt, mic inbrünftiß banfte 
i«h Sott beim ©rwadien! 3a, beffer al3 im Sc« 
minar, beffer felbft al3 in ber JSohnuuß meiner 
filtern, hatte id) bie Sad)t gttßebrad)t; beim id) 
White, bafe (Sott mit mir war unb mufete, baß er 


gefaßt hatte: „Scliß feib ihr, bie ihr um meinet¬ 
willen leibet!" 

glüh am 9)?oraen ntad)tc id) mid) mieber auf 
unb fam ßeßeu 9Ö?ittaß an eine föerberßc, wo idi 
mir eine Saffe ffaffee unb ein ©utterbrob ßeben 
liefe. 3nt ffiirthogimmer hinß ein ßrofecs ©lafat, 
aufbemgti leien ftanb, bafe benen, bie al3 ffolo= 
nifteit in ben iitbifdiett ©ieuft treten, ein hoheS 
£>anbaelb bemillißt mürbe. 

®ab mar mir eine millfomntene ?lnfüitbißtittß. 
3d> fennte bann felbft fjftr meinen Unterhalt loraen 
unb mar meinen fteinben entrüdt. 3d) mufete ba- 
utalä nod) nid)t, bafe in ber iubifdien 2lrntee fo viele 
fiafter ßepfleßt mürben. 3(b mufete nid)t, bafe ein 
ßotteSfünhtißcr flvlonift eine ßrofee Seltenheit fei. 

3d) theilte bem SSirtb meine Slbficht mit; er ßab 
mir bie nötbiße ?lu$fuuft; id) mad)te mid) nach 
ßarbcrwpf auf unb vcrpflid)tete mid) für fedtö 
3ahre. CSinißc ^Monate fpäter lid)tete bte 3?atfe 
„©etieral be Stem^ bie Slitfer; bie Seßcl mürben 
aufßehifet unb bao ffahrgcitß trtiß eine ßrofee Slngahl 
3)^annfd)aften itad) 3nbicit, unt bie bortißc ?(rmee 
gu verftärfen. Unter ihnen befanb fid) and) 21n- 
brie§ ?lalbcr^. 


SünfteS Kapitel. 

Sech§3alne waren vcrßanßeit unb meine 3>ienfb 
geit gu (Silbe. 3d) hatte ben Beinamen „ber Seine" 
befommen unb fennte meinem 35orßefcbten md>tö 
nach bem Sinne madwn. 3)?it Steuben fahen mich 
?Ule nach ben 9iicbcrlanben guvücffehreu. 

3d) mar in Batavia ^Nitßlieb ber Meformirteit 
ffirche ßemorbeit unb hatte mid) vom fatbolifdjen 
©lauben U%efaßt. 

3n all biefer Beit hatte id) Weber von meinen 
Sltcrn nod) von meinem ©ruber etmaS vernommen. 
3<h hatte ivohl ßefdniebcit, aber feine Antwort er¬ 
halten. Sein SBunber, bafe id), fo rafd) e§ ßiitß, 
nach ?(inftcrbant eilte. 

G3 u>at uiißefähr brei Uhr 9)iittaߧ, al§ id) bie 
Station be3 hollänbifdien ©ahnhofc'3 verliefe. 3 & 
eilte bic ffaifcraradit cntlaiiß nach ber Silieiißradt, 
unb fontitc ein ©efühl ber Sreube ttidit untere 
brürfen, al3 id) bic eltcrlid>e SSohuuiiß von gerne 
erblicfte. 

®od) — ma3 fah id)? ^ie fabelt waren ße= 
fdiloffen. Sollte meine liebe üButtcr, bie id) burch 
ben ©rief fo betrübt, follte Re . . . $ein! id) maßte 
niefit c*3 attägubenfcit. 

©he id) mir ßetraute, bie Stufen gu crfteißen, 
ßiuß id) einiße öätifcr weiter gu bem CDicnftmattn, 
ber an ber Pde von ber filieiißrad)t im Seiler 
wohnte, um inicf) bei ihm gu erfuubißcn. 

„3ft ber alte &err ?lalber3 ati3 ber Stabt?" 
fraßte id) ben ©fantt, befielt s )?atne über ber 31)üt 


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202 


(Kitt Portijrer. 


bc*3 fidlcr3 ncbft bcm Bufafce gu Icfcn ftanb: 
„Dicnftmanu, reinigt unl> legt Dcppid)e unb be= 
iorgt Deden nad) bet ©Jalfmiiblc." 

„O, ncin r " entgeguete er, „ber ift tobt, porige 
3Socbe haben wir ihn begraben. 3d) glaube, er 
ftanb ftd) aut; id) habe gwar nur einen Dbaler 
Drägcrgelb befommen, nnb bev ift janer genug oer= 
bient bei biefer ©ifce. 9lber," unterband) er fü), 
„gehörte er etwa gu Gurer ©erwanbtfthaft? 3br 
gittert ia!" 

„G3 ift nidjt3," entgeguete id), ,,id) bin wo()t 
etwa 3 überm übet." 

„91(3 bie 5rau ftarb," — bnb ber gefdjwafeigc 
Dienftmauu wieber an, „ba war e3 beffer. Da3 
fiub jefet . . . laßt mich feben — grnei — nein brei 
3abreher; beim meine Heine ®rit war eben erft 
(geboren nnb bie wirb gnr Mirme3 brei 3abre. Da 
betamen mir noch vier ©ulben Drägerlobn, ba3 
war ber 3)Jübe nod) wertb. Sie war eine flute 
ftrau, bie uiel an ben Firmen tbat. Draurig, baß 
ber eine Sobit ibr fo viel Stimmer gemadjt bat; er 
war ber jüngfte nnb bieö 9(nbric3. 9D?uft ba3 ein 
9lu3buub gewefen fein, (vr folltc ©aftor werben, 
würbe aber jcinc3 licbcrlidjcn ©etraaen3 wegen 
fortgejagt. 9(13 fein ©ater ihn beftrafte, brannte 
er buvd); gulefet ginfl er nad) ^nbien a(3 Solbat 
nnb ift entweber tobt gcfdwffcn ober aufgehangen. 
Unb ba3 war perbienter Sohn ; beim er bat feiner 
fluten Flitter ben Dob angetban. 9(nf ihrem 
Sterbebette hörte id) fic felbft fagcit, "baß er ihr 
einen ©rief gefebrieben, a(3 er noch Stubent war, 
ber fie für ade Beit unglüeflid) gemacht habe. — 
Der aitbere Sohn ift beffer geratben. Gr ift wohl 
flelbflicvifl nnb mtirrifdj nnb laßt mid) nie wa3 per- 
bienen, aber wa3 bilft3! meine Gollegen müffen 
and) (eben. Der Sohn, wollt id) nod) fagen, ift 
oerbeiratbet nnb bat gmei nette Minbcr; er ift Mauf= 
mann. 3a, ia, e3 (gebt umnberbar gn in ber 
93c (t!" 

23 ic Dold)ftid)e branden biefe 23orte in mein 
©erg. Der Dienftmauu, ber ba in feinem weiften 
.Wittel por mir ftanb, batte mid) (gut untcrridjtct. 
9)?an hielt mid) für tobt; meine Gltern loaren nicht 
mehr; meine liebe SRnttcr batte nod) ftcrbcnb mcU 
ner cgebad)t.—„Ö, (Sott! 11 rief ich an3, „wie febwer 
ruht beine ©anb auf mir! Q, nimm mid> bod) 
jcbleunigit au3 biefer böien 2Bclt in bein Üicid)!" 

Ohne bcm SRanne für feine 9lu$funft gn banfeu, 
fliiifl id). S0?it ben ©änben in ben ©o}cutafd)cu 
ftarrte er mir lange nach; id) fab ihn noch, al3 id) 
in ber ©artenftraat eiubog, um nad) bcm Mircblwf 
gn aeben, auf bem meine (geliebten Gltern ruhten. 

. ©alb batte ich beit ®otte3ader erreicht. 3d) trat 
burch ba3 eifentc Dbor, wcld)c3 mit bcm Smubol 
be3 iEobc3 gefdmiücft war. 3a, hier fanb ich ba3 
©rab meiner Gltern; ein cinfadjc3 breiig, auf bcm 
ihr 9iame ftanb, begcidjnctc e3. 

3ch hatte Daufenbe (gegeben, batten fte beibe mid) 
nur einen 9lugenblitf hören fönnen. 3d) wäre 
ihnen gu 3üften (gefallen, batte ihnen gejagt, wie 
falfdj man mich befchulbigt, welche Auftritte bem 
flucbmürbi(geu ©riefe oorbergegangen; bodj—e3 war 
gu fpät — für ewig gu fpät! 

Öange pcrwciltc id) an ben Arabern unb lieft 
meinen Dbränen freien $auf. Die Sonne war 
untergegangen, unb ber 2Bäd)tcr ber 9iacht leudjtctc, 
von ^Billionen Sternen umgeben, am ©immel3= 


boin, al3 mich ber ©fortner gutit gortgebeu bewo(g. 
3d) oermoebte faum gu eben. 

Die mannigfachen Aufregungen be3Dagc3 hatten 
mich überwältigt. 3d) fefcte mich im 8cibcner ®e- 
böig auf eine ©auf unb wartete bort ben 9lnbrucb 
be3 Dage3 ab. 

Gr fam. 9lüe3 jubelte Por Srcube ber (golbcnen 
Sonne gu, bie bort brüben aufftieg unb ihre be= 
lebenben Strahlen über 9lllc3 ausbreitete, bod) in 
mir blieb c3 büftcr ulib traurig. — Die gefieberten 
Sauger Briefen ihren Sdjöpfer, bod) ihre fd)öueu 
Mläuge fanben m meinem ©ergen feinen 28iber= 
ball. 3d) fühlte mid) mehr al3 je uuglüdlich unb 
ocrlaffcu. 

Da3 ©ilb meiner lieben 93?utter war mir unab= 
läffig Por Singen; ihr ©ilb, wie fie mich angefeben 
unb gefragt batte: „9(nbrie3, loürbcft bu beiue 
3Wuttcr abfdjwören?" 

O, welche entfcfelicbe 9?acf>t hatte id) verbradit! 

Gnblid) erhob id) mid). 3d) wollte meinen ©ru= 
ber auffud)cn, ihm bie ©anb brüden, feine ©er= 
geibung erbitten unb bann nie mehr ben ©oben be- 
treten, auf bem id) geboren, an ben fo viele fdjmerg= 
lidje Grinncrungcn fid) fnüg)fteu. 


Sedj3te3 

„3ft 3)?t)iibeer gu ©aufe?" fragte id) ba3 Dienft= 
mabeben meiuc3 ©ruber3, u»cld)e3 bieDbür öffnete. 

„3dj loeift c3 nid)t, M entgcgnetc fie barfd), „ivenn 
Sic betteln wollen, niüffen Sie am Freitag uueber 
fommen." 

„9iciu, ich fomme nicht um gu betteln; fagen Sic 
3bvem ©errn, fein eigener ©ruber loünfde tbu gu 
fpreden." 

,,©>ie? Gin ©ruber oon 3Ki)iibccr? Der hat 
feinen ©ruber; aber id) will c3 bcftcllcn." 9ld)fel= 
guefenb ging fie. 

3n einigen 9(ugenbliden erfeßien mein ©ruber. 
3a, id) erfannte ihn. Gr loar a(lerbing3 ehoa3 
gealtert, aber feine 3üge waren bicfelben. iDJeine 
Muiee bebten, id) wollte auf ihn gucilcn, ihn um= 
armen, bod) meine Äraft verfugte, unb . . . 

„93a3 wollt 3br? J ' rief er, fo wie er midj er¬ 
bliche. 

„ffiilhclm! ich bin bein ©ruber," gab id) gur9lnb 
wort. „O, reich mir bie ©anb. 3d) habe eben 
oernommen, baft unfere lieben Gltern tobt finb. 
SBilbclnt! laft un3 ihr Slnbcnfen in Gbrcn halten; 
laft un3 al3 ©rüber einanber bie ©anb reichen; 
®ott will c3 fo." # 

3d) fah, er horte midj; fab, baft ein heftiger 
Streit in feinem 3nncm tobte. Gr erblcid)tc, preftte 
bie ©anb gegen bie Stirn, fdnoanfte einen 9lugcn= 
blief unb batte feinen ©cfdduft gefaßt. 

„©ruber?" rief er; „ich habe feinen ©ruber. 3d) 
hatte einen; bed) ben crfauntcu wir nid)t an; ber ift 
Mefeer geioorbcn; er hat ben heiligen unb ber fiitfije 
geflucht; ber wahnwifeige Abtrünnige ift tobt." 

„9?cin, SBilbelm ! er l e h t, er ftcht oor bir. O, 
fprich nicht fo. ©ei ber Seele innerer Wuttcr be= 
fchwöre ich bich, ich bin bein ©ruber. Bürne mir 
nid)t, ioeil id) G)ott m?hr gehorcht a(3 ben ?0?en= 
fd)en. ©cbenfe, baft loir von bcrfclben SDJutter 
geboren, Pon berfelbeu ©ruft genährt finb." 


-ized by L3OC Le 



ftftrrgrbtäud)*. 


203 


„'Betrüger!" brach er jefet lo3; „idt habe ben 
Jobteufcbein von meinem ©ruber in ßänbeit, bie 
girou V. & Co. hat ihn mir überfanbt. Shr feib 
wof)l gefouintcn, um su verfuchcn, auf bie eine ober 
anbere ^Crt ctma3 von bem Grbthcil meiner Glteru 
ui erfdjminbeln. Slber nein, 9)2aitn ! Sclbft wenn 
3br mein ©ruber märet* befämet Shr hoch feinen 
Sent. ©Jacht iefet nur fdjleunigft, bafe 3br fort- 
foutint!" 

3rf) ftanb wie feftgebannt. SBar baS ©ruber- 
liebe? 23tlhelni!" fcf>vic icf> auf, ,,id) will ja 
nicht beiti ©clt>, nur beiitcn ©änbebrua, beiu ©tu* 
berberg, begehre ich, unbbanu gelobe icljbir, 9(mfter- 
baut nie mein* gu betreten, ßöre boef) auf bie 
Stimme beS SluteS in bir! 0, lieber SBilhelm 1 
benfe an bie 3eit, wo toir nodj ßanb in ßanb mit 
beit (fitem fpagicreu gingen, im Warten mit ciitaiu 
ber (vielten! G3 fattu bir nicht Gruft fein mit bent, 
mß bu fagft." 

„23illft btt fdiweigeit, gemeiner 8ump !" rief mein 
©ruber, immer heftiger merbenb, „wenn bu mein 
©ruber bift, fo bift bu ber SDiörbcr meiner ©Juttcr." 
Sr rifi bie Shüre auf unb mit ben ©orten „9Jidjt3- 
tmurbiger ©etrüger, vaefe bid)!" ftieft er mid) hinauf. 

„ffia3 nicht c3, SRtmhccr?" fragte ein bienft- 
eifriger ©oügift, ber auf ber ©rächt Voftirt mar, 
meinen ©rttber. 

„Der .fterl bettelt," ermiberte er, ,‘,er giebt fiel) für 
meinen ©ruber au3 unb mill mir ©clb ablorfen. 
$2it guten ©orten foitnte ich ihn nicht gum ßaufc 
hinaus befomnten, idj habe ihn bcdhnlb beim 
gen genommen unb hinaus geworfen." 

„Schott gut," fagte ber SKann ber ©crcdjtigfeit 
unb vaefte mich am Arm. 3dj mehrte mich, fo gut 
e$ ging, boct) er mar ftärfer al3 id), legte mir bie 
öanbfchelleii an unb brachte mich, unter bem ©e- 
leite einer groften ©lenfehenmenge, bie fich ittjmi- 
fcheit aitgefamntclt, nach ber Steil ©oligeifcftion. 
©ütt bort tourbe ich in ba3 ©efängitiS auf beut .ßci= 
ligcitmeg gefchafft, unb wegen ©ettelei verurtheilt, 
«ijjahre in ber OmmcrfdjauS gugubringen. 
ÜSeine ©eiunbbcit mar burch alle biefe Greigniffc 
ftarf erfeftiittevt, unb bie gmei 3ahre, mcldte ich in 
bet Settlevfolonie gugubringen .hatte, mürben faft 
auSfchliejjltch iutffranfcnfaal verlebt. 

3ch fchrteb noch einige SOialc an meinen ©ruber, 
erhielt jeboch feine 9littmort unb befchlob, nadjbcut 
ich entlaffcit fein toürbe, ihn nodjntalS aufgufueben. 

öleich unb abgezehrt, von einer fd)leicheuben 
ftranfheit ergriffen, bie mich wohl halb beut ©rabe 
utfubren wirb, i’chlewte ich meinen franfcit Äorvcr 
über bie ©eberftraat, %nftelftraat bi^3 auf ben 
©uttennarft, ba foitnte ich nicht weiter unb mufetc 
mich auf eine Drevvenfture fefeen, um auSguruhen. 

ßier fattb mich mein frcuttblicher ©trth. ^ch 
hatte ihn in bem ©efängnift auf betn ßeiligenweg 
feinten gelernt, mo er wegen Uebertretung einer ©o= 
liieivcrortmung gmei Jage abgubü&en hatte, ttitb 
thm meine ©efebiebte erzählt. Gr erfanutc mich 
iofort unb hatte ©Jitlcib mit mir. „Sie bürfett 
nicht wieber gu ^hrem ©ruber gehen," fagte er; 
»bleiben Ste bei nur, biSSie wieber hergeftellt fittb 
unb arbeiten foitnen, bann haben Sie ben cughcr= 
«gen ©elbmenfch nicht nothig." 

Sch weigerte nticf) anfänglich, hoch ber gute 9)?aun 
hang fo lange in mich, ba& tch (chliefjlich fein güti= 
ge* Anerbieten annahm. 


3dj werbe jeboch biefen brauen Seuten nidtt mehr 
lange läftia fallen, —fo befd)lo§ er feine Gr$äh 5 
laug. — 5Diein Öcibcn unb Äiämufcn naht feinem 
Gnbe. 9tod) einige Dagc, unb id> bin bei meinem 
ßeilanbe; bann werben alle Sbväncn au$ meinen 
Sl.ugen getroefnet fein. Dahin wirb mid) bie fatho= 
lijd)e Birdie nid)t oevfolgen; bort wirb fein ©ruber 
mir ben Dfücfen gumenben; bort wirb c$ fclig fein. 

Sein Sdticffal hatte nticf) tief gerührt. Sd) 
thciltc eß einigen greunben mit, unb mit ihrer ßilfe 
gelang eß mir, ben Slbenb feincb CcbcnS ettoab gu 
crguiacu. 

(Sß toar mir ein ©enufe, neben ihm gu fibeu unb 
mit ihm über bie Siebe (Shrifti, bie über alleo ©er- 
ftchcn geht, gu reben. 

Sein ©tunbcnglaS mar halb abgclaufcn. SHuhig 
unb frieblid), ohne Slngft unb Sobc^faitwf, faltete 
er an einem 9lbcnb, ben id) nie uergeffen toerbe, bie 
ßänbe unb flüftertc mit vor greube ftrahlenbcm 
Stuttife: 

„O, fel*gc SfuäRdtt, bie mir miitft, 

Sd) feil uerflärt bein 9lntlife fdjaucn; 

Sch bavf bem irb’fchcn Scib entrüeft, 

9luf beine ßulb unb Sieb uevtrauen." 

Dann blitfte er itn3 noch einmal an, feufgte auf, 
fd)lo§ bie Gingen, unb nad) trcnigcit 3)cinuten ftan= 
ben mir an ber 8eid)c 9(nbric$ 9lalber^. 

9(uf bent Jlftcnbcgväbnifwlat, uor beut ©?uibcr= 
thov, ftcht, wenn ihr cuttrctct, linfö eine fleine 
Drauermcibe. Darunter fchliunmcrt Slitbrie^. 

23enn ihr ben Crt betretet, weilt einige 9lugcn= 
blide unter bem Sduittcn ber nieberbängenben 
3mcige unb benft, mährenb ihr eudi bie uorüehenbe 
©cfchidjte tn3 ©cbädjtnift gurücfruft: 

ßiev ruht ein 902ärtt)ver auö unfeven 
Sagen. 


ftßtrgfbrättdje. 

Soit, 3. 


G§ mar gu einer 3cit in ber ©efdtidttc be3 beut- 
fdten $olfe3, al3 man fich um bie 9lufgeidmung 
midttiger nationaler ©egebenheiten noch tvenig be= 
flimmerte; baßbicaufoDfcrnbeSlrbeit bcrSWiiiionare 
unter unfern ©erfahren, in einer SBintergcit mit 
einer burchgreifcubeit Grmccfung gefegnet tourbe. 
Da3 folgenbe grühjahr oerauftalteten bielViffionare 
ein allgemcine3Danffcft, bei wekhem fic einen gro= 
§en Sheil ber GH'beit mit geuer verbrannten unb 
anbere in ben Scboofj ber Grbe begruben. 

Die ©ofcenbilber waren nun gro6tcutheil3 vcr= 
fchmunben, aber von ben geftliddcitcn, tveldtc ihnen 
gu Ghrcn im grühjahr gefeiert würben, mellten bie 
Wermanen fich nidtt trennen, bcähalb vcrauftaltcten 
bie chriftlidtcn ?ehver fdton mehrere Sonntage vor 
Öftern allerlei geftlichfcit, bie fidt imar an bie alten 
©ebräudte anlchntcn,-ihren Ghavaftcr unb :liicbtung 
nad) aber nueber vortheilhaft bavon imterfdncben. 
©on bem heutigen Stanbvunft geläuterter rcligibfcr 
9lnfd)auungen wirb man viele biejer ©cbräuchc be- 
läd&eln, für bie finbifchen ©orftcllungeu eineo au3 


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204 


ftßetgelntöud)e< 


ber Sarbarei ermacbenben 93olfe3 aber batten fie 
ctmaä 9lit3iehenbe3 unb bilbeten eine, viel(cid)t nö= 
thifle Ucberßanßäftufc. 

3(m Sountaß Sa täte mürbe ein 9(u3nifl mit ber 
Hußenb aemadit, unb ftatt bcv ©öfcenbiibcr mürbe 
bet 3Bintcr unter allerlei Sd)cr 3 en hinauSßctraßcn 
unb verbrannt, ober begraben. ©ent Hußcjmrait 
fdjritten ^iiiifllinae, bie jmei aufßevubte Stroh' 
fißuren trußcn, von benen bie eine ben Sommer, 
bie anbete ben SSinter vorftcllte. ©arauf folgten 
bie ff naben, in ber einen ßanb iMißacfdälte Stabe 
baltenb unb an ber Seite trußcn iie böUcrnc Säbel, 
©ic Strobvuvve, melde ben SBintcr vorftcllte, 
mürbe in ein bereit aehaltcneS ©rab fl eleßt, mobei 
bie ffiitbcr ßar luftiß fanßcn : 

„Stricb, Strab, Stroh, 

©er Sommertaa ift bo, 

©er Sommer unb bet JBinter, 

©a3 finb ©efdmifterfinber. 

Sommertaa — Stab au3, 

Slaft bem SBinter bie Slußcit att3 ! 

Strich, Strab, Stroh, 

©er Sommertaa ift bo !" 

Humeileit verflcibeten fid> audj iuttae Surfcbcn 
au UBintev unb Sommer, ©ie mit Strob befleiß 
beten Surfdcn mären bet SB intet, bie mit Saub 
unb Blumen ßefd)inticftcu bcv ciiuiehenbe Sommer. 

©tut nab e*3 ein St>iclßefed)t jmifd)en bem hin¬ 
ter unb bem Sommer, mobei c$ verabvebeter Söeife 
ber Sommer ben Siea bavon trua, unb ber SBintcr 
entfloh, inbent er feine Strohflcibev in ein bereit- 
nebalteneS Reiter marf, ba3 bie ^ußcitb fvbblid) unt= 
hiivfte unb heimfehrenb fana 

„9?un haben ben ©ob mit auSßctricbcn, 

Unb brinaeit ben lieben Sommer mieber, 

©eu Sommer unb and) ben ©?aien, 

©et Sliiutlein mand)ctleien; 

3 Bir fommen unb briiißcn mit herein 
©en Sommer unb ben Sonnenfdjcin." 

©tut aiua e3 auf ba3 fröhlide Safarumfcft lo$. 
Gin Silb, ba3 Jben ßerrn ^eftim vorfteUen follte, 
mürbe auf einen jierlid) ßcfdniWcn Gfel, beit fofle- 
naunteu SalmcfcJ, ßefefet, unb burd bie Stabt unb 
©orfer ßcrollt, unb ba e3 im ©orbcu feine Valuten 
aiebt, ftreutc ba3 Solf ftatt ber Salmsmciac, bie 
buftenbeu SBeibfablciit auf beit 2Bcß unb überließ 
fid) ber Sreubc unb bem Subei. 

©ic Gharmodje mar feicrlid)e Stille, aber ba ba3 
9 ?olf auch ßaubßtciflidc3 von feiner ©rauer haben 
motlte, fo mürbe bie aansc Safftou3ßcfrf)id)tc von 
Schullehrern, ßanbmerfcrn unb dauern, aufae- 
fuhrt. 

©er hohe 92ath ber Subcu, SilatuS, Sofcvh von 
91rimathia, bie ©Juttcr Sefu unb bie frommen 
Stauen, bie erhabenften Momente in ber 8eibeit3= 
aefd)id)tc be3 ßerrn 3 efu, mürben oft mit ben un= 
aereimteften ©eberbeitfoielcn unb ben profanften 
SB orten voraefuhrt. 

31m Sonnabcnb vor Oftern mürben bie 9lmvelit 
in ber ffirche mit frifdjent Ocl verfehen, frifd)e ffer- 
m\ aufaefteeft unb aubere .ff erteil an bem aroßen 
Cftcrlidt burd) 3(nmuben aemeiht. ©fterflaben, 
teieblid) mit Hudev unb 3immet beftreut, mürben 
aebaden unb bie Ofterfeuer aitßesiinbet. früher 


loberten bie Seuer m Ghren ber ®öttin Oftera, iefet 
311 Ghren be3 auferftanbeuen GrloferS. 

©ie ©adt hinburd) blieb man auf unb fdöufte 
beim Sonnenaufaana lautloS unb ßeheimitißvoll 
au3 ber Cuellc ba3 heileube ©ftermaffer, aß ben 
©fteravfel, ber ba3 Sieber auf 3 mblf Monate ferne 
hielt, babete bie franfen 31uacn stir ßciluua in ben 
erften Sonneuftrahlen unb mattete barauf, bie. 
Sonne breimal vor Sreubc hupfen 31 t fehen. 

© ic ff inber flodjten ffrctiuc au3 blauen ÜMumleiit 
unb hinacn fie an ben Silbern ber heiligen 3unfl- 
frau auf, iveil bie S<ttbe ihrer ©rächt blau ift. 

3l(le3 ivar Srcube unb ^ubcl unb felbft in bet 
ffird)e burfte ber Ofterfdnoanf bc3 ®eiftlid)en nid)t 
fehlen, auf melden ba3 frbhlid)c JDfteraeläd)ter bcv 
©emeinbe erfolgte. 

Jn einem alten Sud)e lic3t man mehrere foMjev 
albernen unbanftößiaen „Ofterfdjmanfe", an benen 
bie ©emeinbe fid) erachte, ©a erzählt 3 * S. ein 
Sricftcr feiner ©emeinbe von ber ff an^el herab, mie 
$ctru3 bie ©aftmirthe, mcld)c .ihn überforberten, 
3 imt Seften achabthabe, mähreub ein anbercr Srie= 
ftcr feinen Golleaen 311 iibertreffen fud)t, inbem er 
allen Grnfte3 feinen Buhörcrn erzählt, ude bet ßert 
3efu3 bei feinet ßöllcufahrt einem ©cufcl bie 3iafc 
abaebrodjen habe, meil biefer fie al3 ©hurrieael be- 
nubt hatte, ben ßerrn ^cfum braußcu 311 halten. 

3Jad) berfelbcn Ghronif vebete vor fautn 300 3ah- 
reit bet Sfarrer in Gid)ftäbt, in äWittelfranfen, am 
Oftcrfcftc in ber ff irche feine Roboter alfo an: 
„ 9 ?un, liel^en ^eutlein, tttufj id) mid) aud) nach bet 
©emohnheit riditen, cud) ui beluftiflcu unb ein 
OftevmÄhrlein et 3 &hfen. ©a mir aber feinet aleid) 
einfallen mid, fo merft eud) biefe3: SBeldje JJrau 
ßert übet ihren ©Jann ift, bie hebe beibe ßänbe 
auf unb fd)teie: ^»d) f ©esurft follen viele Stauen 
haben mit ben ßanben, aber aufaehobett hat fie 
feine, ©a nun alleS mäu3d)euftiüc blieb unb 
feine 9 trme fid) erhoben, ftredte ber Srcbiaev felbft 
bie 31tute in bie ßohe tutb rief, baß e3 burd) bie 
ffirdjc fdiallte: ^ud)! unb ber ©fterfdnvaitf mar # 
ba, unb bie ©emeinbe lachte laut auf. Ohne fol= # 
eben Scbmanf unb ©eläibtcr mdte e3 feine vott= 
ftanbiae Cfterfeier acmefeit. 

3(ucb bie 8eben3mittei tvtirbSit am ©fterntovflen 
feierlich eiitflcfeanct, tveldjc Sitte ttod) iefet tu vielen 
fatholifeben ©eacuben ©eutfd)(aitb3 bcftcht. 

Scfoitber3 foielten bie Oftercier fd)oit tu frühefter 
.Heit eine mid)tiac ©olle bei ber Oftcrfeier. ©ie 
Sitte foll folaenbeit Urfvruna haben: Uitfcte heib- 
ttifcbeit SSorfahrcit feierten im Srühjahr, mcuit bie 
©aturfraft fid) erneuert, ein Seit 30 Ghren ber @öt= 
tiit Oftera, mcldtc al3 ©öttin ber ?ick unb be3 
28ieberaufblüheu3 ber ©atur ßalt. Sei biefern 
Sefte ovferten bie heibnifdten Sriefter biefer ©bttin 
Gier, melde al3 Siitnbilber ber Sdmvfuna unb 
Sntchtbarfeit anaefeheit uutrbctt. 9(13 nun ba3 
Ghrifteitthuut cinaeführt mürbe» hörte 3mav ber ffttl= 
tu3 ber ©öttin Öftera auf, aber ben Sraud) mit 
ben Giern mollteu bie©eutfcT>eti nid)t fahren laffeit, 
meßhalb bie diriftlicben Sriefter ba3 Gt al3 Sinn- 
bilb be3 Grlöferä bc 3 etd>ncten, ber au3 bem vet' 
fchloffeuen ©rabc hervoraiita, eine neue Sdjö^fuitß 
anjufanßen unb ffräfte 31111 t neuen Sehen ßiebt. 
Hoßleicb follte e*3 ein Sorbilb bet ©eredjteit fein, 
bereit Seiber einft au3 bem ©rabe hetvorßcheit met« 
ben, ivie bet Soael au3 ber umfcbloffeneit Gierfdale. 


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Hus bimbeltt Sagetu 


205 


Statt bie Stet ber ©öttin juin Opfer ju bringen, 
brachte man fie bem Sriefter, ber fie unter bie 
Italien oertheilte unb bie ©eher ainoieh, fidt unter 
einanberbamit au fcefdtcnfen. 3Sit bereit wur= 
beit bie Ster mit «olbeitem fjlittcr, bunten Farben 
unb febönen SReimfprüdten geidnnücft. 

{RiitgS um ba3 Si herum lieft oft ein {Reim tote 
biefer: 

„^dt, bu, ba3 Si, ba3 ftnb unter ®rci; 

Sheilen toir ba3 St, bleiben ttufer 3mei. 

Siiten toir un3 jtoet, blcibt’3 bet Sinerlet." 

Schon feit mehr al3 taufenb fahren freuen fiel) 
bie Ifinber ftber bie bunten Ofteveier, bie ihnen ber 
©afe gelegt haben foll, unb fingen att3 freubigent 
©erjen : „O bu fröhliche, o bu felige, gnabeitbrim 
genbe Öfterjett." 


• < 


Jtii0 Dunkel» tagen. 

^4 er Sharfreitag ( 14 . Slpril) 1865 nüvb in bcr@e= 
fchidtte ber Ser. Staaten immer ein fdtmarj 
1 angeftridtenet lag fdjmerAlidtfter Srinncrttug 
bleiben. S)er Sürgeifrieg nahte feinem Sttbc, bie 
ffraft ber Rebellion toar gebrodten, aber bem Silbe 
füllte eiltet ber fdtcuhlidtftenfföinplottc oorauSgehen, 
ba3 Sdtretfen, Mugft, Summer unb Scrjweiftung 
in bie Werten aller lottalen Sürger ber {Reptiblif 
trug, ja felbft ben ehrlichen ©egncrit berfelbcn 3orn 
unb äbfdteu ein flöhen muhte. ®ie Srmorbung 
$braham^8incoln3 unb ba3 gleidtteitige Attentat 
auf ben StaatSfefretar Setoarb erfdtütterten beit 
gefammten korben ln folchent SJhhe, bah man für 
ben Slugenblicf fclbft ben fpaniienbcu Vorgängen 
auf beut Sricg3fdtauplafce nur untergeorbnete Sc= 
achtung fdjenfte. ©er bie Aufregung, bie bamgl3 
ba3 8anb erfaht, nidtt miterlcbt, bem oermag felbft 
bie lebenbigftc Scbilberuitg feinen Scgrifr baoon au 
geben, Srft naebbetn bie Scidje bei 3Rörbcr3 in 
©afhiugton angefpmmcn unb alle feine SRitoer- 
fchtooreitett itt ben ©änben ber ©eretfftigfeit, begatt- 
nett ficb bie ©cmüther toieber etwas m beruhigen, 
obwohl attdt bann noch Sag für Sag bie abenteucr= 
licbften ©evücbte ficb tagten ttttb alle auf ba3 bltt= 
tiqe ®rcuna bejüglicben Madjrichtcn, fclOft btc einen 
otthiellen Shavafter tragenben, mit 3wcifc( unb 
SRihtratien * attfgenommen tourbett. ffiic Siele 
wollten in jenen Sagen fcblcdjterbingS nidtt an bett 
Sob be3 9Äörber3 glauben, fonbertt behaupteten 
fteif unb fett, bah berfelbe lebettb entfotnmen, btc 
ganje ©efcbidtte oon feiner Sludtt, Ummtgcliutg 
unb Söbtnng nur erftmbett toorbett, um baS Soff 
au befebtoidttigen, bic {Regierung ber Mothwenbtgfcit 
ber Sro^cffirnng unb ©intidttung beS OTerbcrS ju 
überheben. Srft naebbetn man ittne geworben, mit 
welcher Snergie biefelbe gegen alle Sdtttlbigcn oor- 
gegangen, toie fie oor ber {Kufridttung bcS WalgcnS 
nicht jmrücffdtrecfte, fonbern benfelben itnitadmdftlidi 
fein ffierf ber Sühne oollbringeti Heft, cvft bann 
begann man auch an ba3 fcbatterlicb abcntetterlidte 
Snbe 3ohu ©ilfcS Sooth3 au glauben. S)ic ©c= 
fibichte jener flucht bilbet ben ©egenftaub einer 
iaierefianten ®arftc(lung, ber toir iüngft in einem 


englifdten Slatte begegneten, unb bie attdt für tim 
I fere Setev be3 betten unb CDenfwürbigen mancherlei 
bieten bürfte. 9lit einem fvifdtcn, toolfigen 2RärA= 
tage beS ^ahreS 1869 — crjäblt ber Scrfaffer— 
hatte idt mtt meinem guhrmerf juft benfelben ©eg 
eingefdtlagen, todeben Sooth in jener Madft nadt 
ber Srmorbung 8uicoltt3 in toilber S;liicC)t oerfclgte. 
Seift oierjig teilen weit folgte idt feiner Spur, biS 
um ©auje beS S)r. SRubb, in ber Malte beS ®or= 
e$ Seantown, St. SharleS Sounto, {Dcantlanb, 
too er fidt feinen, oennuthlidt beim Sprung aus Oer 
Soge auf bie Sühne oon gorbS Shcatcr, gebrochenen 
Suh batte cinridtten unb oerbinbeu laffen. darauf 
hatte er mit feinem Scgleitcr ©avolb bie gltidtt nodt 
ficbett SReilen loeitcr fortgefept, bi3 fie Aulcfet auf 
©arritö Sartn eine 3uflucbt fanbcit, meldtc Seeth 
nicht mehr lebcnb, ©arolfc nur alS ©cfangener oer= 
laffen feilte. 

9BaS idt eigentlidt beabfidttigte, toar ein Sefticb 
bei bem feiner 3cit fo oiel genannten ®r. 5Diubb, 
ber al3 einer ber angeblidtcn Mcitoetidttoevenen in 
bem grohen 0}?evbprejeffe feine Otelle gefpiclt. S^a= 
ma(3 toar er oon ben ®vp Sortuga3, toehin er für 
Scbenöjeit oerbannt toorben, bereits toieber nadt feU 
ner ^teimath Auriicfgefehrt, nadtbem ihn Sräfibent 
3obufon nach oierjeihriger ©efangenfdtaft begna= 
oigt. 63 toar ihm im fBrojeh fcftr hart an ben 
ifragen gegangen, in berShat, e3 evfdtien bei ber 
bamaligcn Stimmung hödtft toiinbcrbar, bah er bem 
©algen cnfreiincu ; gleidnochl ift langft oen allen 
Unbefangenen cingcraiimt toerben, bah ®r. Mfubb 
mit ber Svmerbung 8incoln3 nidtt baS ©erinafte jti 
fchaffen hatte unb bmthauS fein M^itgliec ber 
Sooth’fdtcn SSerfdttoöritng toar. Slber bie leiben^ 
fdtaftliche Stimmung icner Sage madtte eben jebe 
unbefangene Jluffaffting ber Umftänbe unmöglidt; 
fie oerlangte eine angetnefieue Sühne für ba3 ab- 
fdtculidte Serbrcdten, unb muffte fidt biejelbc felbft 
ba au oerfdtaffen, me ein auf Anfällige Umftänbe 
hin rege gemorbener Scvbadtt nidtt btirch thatfädt= 
ltcfee Setoeife beftätigt au u>erben oermechte. 

Sooth hatte fidt urjprüitglidt nidft mit Sföorbgc- 
bauten getragen. Sr hatte ben abenteucrlicheti 
Slan geiaht, Sfäfibcnt fiittceln au3 ©afbington 
Alt entführen, ihn juft auf beitifelben ©ege, ben er 
bann auf feiner Rludtt eingefdtlagen, nadt istvgmien 
Ati fehaffen tntb beit {WcbellcmMutoritäteii auSAulie^ 
fern, bie, im Sefife einer fo foftbaren Weihei, unter 
güitftigen Scbinguitgcn einen 5Vviebeii3fdtluh au ct= 
Atoiitgcn hofften. 3» biejem Sube hatte Sooth tu 
ben beut 9Rorb oerauögehenben jedto 3)ieiiatcn ben 
in ^Begleitung bc3 au Sntführenben cmsufdtlagen- 
ben ©cg mehl ein ®i»bcnbmal Aurürfgclegt, fo bah 
er mitieber©enbung beffclben. jebem .vaufe, Saum 
unb ftluhr er au pajfircn hatte. auf l 3 ©ettauefte 
oertraut toar. Sr befudtte alle benachbarten Drt= 
fdtafteit unb Mnfieblintgcn, madtte beit ftrauen unb 
SSäbdtcn ben ©of, tränt unb fpieltc mtt beit {Dtän= 
nern, turA, oevfehaffte fidt eine gemiffe Popularität 
unb Selicbtheit in ber gaiiAeu ©egenb. ®ie 9(n- 
nähme, bafi er fidt mährenb biefer gaiiACit 3c»t mir 
mit bem Wcbanfen an bie Sntführung, nidtt be3 
3Rorbe3 8inco(n3 getragen^mirb burdt oiele fpäter 
ermittelte Umftänbe unterftüfet. Srtt bic Ueber= 
gäbe ©eneral 8cc’3 änberte feinen Slan. $ie 
Sache b^3 SübeitS bünfte ihn ocrloreit, wenn nicht 
fofort eine Umgeftaltung ber S)ingc im Motben 


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206 


Hu0 bunhrln Sagen. 


eintrctc, miefte, feiner ^(uficOt nacC> # nur bettSmb 
8incu(u3 im ©efoiae haben muftte. 3m Saufe me= 
uifler Saac reifte ber ßiaufiße ©iorbplait in feinem 
übcrfpaimtcit ©ebirn, unb feine ©iitoerfdnoorenen 
halfen tbrn, beitfclben uuocrgüßlidj in3 2Bcr£ gu 
felgen. 

Unter Senicitißcit, beren Sefanntfcbaft er auf 
feinen ffveug= unb Duergüaen gmifdfcn 2öafbi»tßton 
unb ©ivßtnicit ßcntadrt, befanb fteft auch Sr.9)Jubb, 
ein iunaer ber fid) cvft Por mcnißcit 3ahrcn 
perheiratbet unb am oben anaepebeitcn Orte nicbcr* 
elaffeit. ßbenjo meniß, mie traenb einen anbern, 
effen pevfönliche ©unft er gu erringen ftrebte, lieft 
er ibn and) nur ba3 ©crinafte Don feinem ©ors 
haben nterfen. ßr ßab fidj für einen leibcnfcbaft= 
lieben 3äßcr au3, unb ba Gt. ßharle3 Gountp, 
SDiarulanb, in ber 5tbat mcßen feiitcg 9lcichtbum3 
an milbem ©eflüßel von ^^freunben uitabläffia 
burdjftvcift mtrb, lautete biete Slttaabe ßemift böcbft 
glaublich unb mar burebaug nid)t bagu aiißetban, 
2 Öcrbact>t gu erregen. Sie Scpölferuna be3 ßouit 2 
tr>8 ßehövt faft ßang ber r5mifcb = £atbolifcben 5?irefte 
an. ©ootb mar mit bcin ©rieftet gu ©cantomn, 
Satbcr Slanaaait, pcvföitlich febr inttia befrettubet, 
unb mürbe bon biefem allen feinen ©farrfinbertt 
ciitbriußlidjft empfohlen. 9iäbet nach 23afhinßton 
bin befiubet ftcb ein ©lafe, ber nur mit gmei ©ud)s 
ftabeit, X. ©., bezeichnet mirb, unb in ber bortißen 
Gdjcnfe mar ©ootb ein aem ßcfebcncr Gtamntßaft, 
ba er hier feine Idnbliajen SJrcunbe ftet3 freiaebiß 
bemirtbete, unb gu biefem Bmede mitunter ©uns 
bevte von Sol(ar3 ocrau3ßabte. 

©ootb batte befanntUch feine Sludjt aug bem 
SEbeater forßfälttß borbereitet. Gpattaler, ber 
SEbcatergimmermami, hielt ant hinteren 5tu3ßanß 
beffelbeit fern ^>fcrb am Bannt, einen trefflid)en 
SSollblut-Dtenuer. Saunt mar ber bcrbditßniftbolle 
Gcbuft ßcfallcit, fo fdjmaitß ficb 23ootb über bie 
Soßenbruftunß anf bte 23übite, unb ftürgte bon ba 
nad) ienein, ibm moblbefanntcn hintern ©forteben. 
Saum brei bi3 hier Minuten maren feit ber SEhat 
perftricheit, al3 er bereite nn Gattei faft, beut©fcibe 
bie Gporit ßab, fo baft btejc3 mit funfcnfticbenbem 
©ufkhlaß bie ettße ©affe entlanß iaßte unb in S- 
Gtrafte emboß. Surdj Sour unb a ©alf Gtraye 
erreichte er bann ©eitnfploania 9loeitue, iaate am 
Sapitol borüber unb beit untern Jbcil ber vlbcnue 
eullaitß, bt3 ginn Oftarm be3 ©otoutac, beit er 
freu^te, unb ficb nun auf bem 23obeit 9Rarplanbg 
befaitb. 9lm SRarine ©ofpital, bic3feit3 ber ©rüde, 
batte ibn ©arolb gu ©ferbe ermavtet, um ihn buvd) 
eine 8ift ait’3 ienfeittae Ufer gu fcbaffeit. 2Säbrcnb 
be3 Svießeg unb noch für eine 2Beile nadiher ftanb 
ndinlid) jene ©rüde, bte beit Siftrift ßolumbia 
mtt s 3Hart)lanb oerbinbet, unter militarifrijcr ©e= 
madnma, unb Sliemanb buvfte biefclbe paffiren, 
obite fiel) aeböriß au3gumeifeit. Um biefeg ©iitbers 
tttft gu befettißeu unb ohne ©erbadjt gu erreßen, bag 
ienjeittße Ufer gu ßcmutnen, mar ^aarolb borauS- 
ßejd)icft morbeu nach Union ßitw, aut 9J?art>lanb= 
ufer, mo er bi3 9lbenb3 gehn Uhr Derbleiben unb 
bann über bie ©rüde nad) bem ©farine ©ofpital 
gurüdfebreit jollte. 9luf ba3 „2Sevba? w ber Gchilb- 
marfjcn batte er gu antumrteit: „Gin ©ote, ber einen 
2lrgt rufen foll!" Sannt ßab man fid) gufrieben, 
unb Iteft ihn uitßchinbert paffirett. SBachbem er 
etma eine ©iertelttunbe fpdter ©ootb am 9Barine 


©ofpital ßetvoffen, fdjlußcit ©eibe fofort mieber bett 
2Bea nach ber ©rüde ein. &arolb ritt tooran, unb 
auf beit 2lnvuf ber Gd)ilbmad)en eutßcßnete er abcr= 
ntal3: „Ser ©ote, ber ben ?lrgt rief." ©ootb folßte 
bid)t hinter ihm heantmortete ba*3 „2Bcrba?" mit: 
„Ser ßcrufenc 9lvgt". Go eneidjtcn fie unbeatt- 
ftaubet ba3 2)ian)laitber Ufer. 

Sie Gtrafte menbete fid) nun lin!3 unb führte 
fteil berßauf. Sie 9iad)t toar ruhißr aber giemlicb 
buitfcl. ^eftiße 9Jeßenaüfie hatten ben ©oben aufs 
ßcmcidjt, bod) ©ootb id;icn bairnit leine 9iotig gu 
nehmen. 5113 fie auf bem ©ipfel be3 ^üßel3 ans 
ßelaitßt maren, ßaben fie ihren ©ferben bie Gporen 
unbiaßtenin oollem©alopp poit bannen. 9cid)t 
eher ntad)teu fie ^alt, bi3 fie ba3 Oertchen £. ©., 
fcd)3gebu SMeilcn pon SEafbinßton, etTeidjt hatten. 
Gelbft hier umreit fie mohi tau nt oon ben ©fevbett 
ßeftießen, meint nicht in Solße b^3 fdiarfen 9Jitte3 
©ootlv3 Gattelßurt ßebrodien mdve. 3m 2Birth3s 
häufe hatte man ben Gehaben au3gubcffern pers 
ftanben, unb ber ©ctreffenbe erinnerte fid) oter 
3ahre fpdtcr ttod) fchr mohl, meld)c3 mäd)tiße©la3 
SShiofcp ©ootb hiuuntcrftürgte, ehe er mieber fein 
©ferb beftieß. 2)iit 23inbe3eile faßte man mieber 
pon bannen. 3cnfcit3SE. ©. mirb bcrSBeß febr 
eiitfam, bie ©eßettb ßeminnt ein 6be3, einfbrmißeS 
?(nfebcn. Sid)tenmdlber giebcit fid) auf ber einen 
Gelte entlaitß, unb meite Gtrcden Gumpflanb beb- 
wen ftd) auf ber anbern ati3. 

Surdj biefe fd)auerliche Dcbe bahiniapettb, m»e 
muftten ftd) hei ©ootb bie ©ebanfeit in mtlber ^aft 
brdußen! 3cber fdnoanfenbe Siditcnaft gu ferner 
Geite ntuftte ihm al3 Sinn be3 9tddier3 erfdjeinen, 
au3acftredt, um ficb be3 flüditißcn 30?orbcr3 gu be= 
machtißen. 9ceuu 5D?cilen bic3feit3©eantoum metts 
bet ficb ber 28eß linl3 unb lauft, einen ßang ettßeit 
©fab hilbenb, mitten burd) ben bid)ten ^ichtcnmalb 
babin. 3u biefer fd)aurißett, mitternäditißeu SBalbs 
einfamfeit, muftte ba nid)t bie ßangc ©vefte feine3 
©erhrcd)en3 bem S*lüd)tiaeu flar merben, muftte er 
nid)t etnpfinben, baft er feiner Gtrafe nicht gu ents 
rinnen perntößc, felhft menn er bi3 an3 ßnbe ber 
23elt fliehe ? Slug beut bid)ten SEalbe ßelaitßt man 
bann ttt3 offene Selb, ein Don Umgduntinßen eins 
ßcfchloffeue3 toeitc3 ©cldnbe. 

©eßen Pier Uhr 9)corßeu3 erreiditen bie Slfuhts 
littße bag auf einer ßrünett Sfiafenflädic ftebeube 
^)aug Sr. SWubb’3. &ier muftte ©alt ßetna^t 
toerben, benn ©ooth’3 Suft fdnnergte fo furchtbar, 
baft er fleh fdmit feit mehreren Gtunben nur mit 
ßrofttcr 2)Jühe im Gattei gu halten vermocht. ©a= 
rolb half ihm Pont ©fcvbc unb öffnete bann bie 
bölgernc 63itterthür ber Umgdunnnß. 5luf feinen 
Stritt ßeftüftt, hinfte ©ooth nad) ber ©orberthür beg 
©anfe3, mo man biefilinael goß. 9)Jr3. 2)?ubb, 
ein Sid)t in ber ©anb, öffnete, fuhr aber erfdmoden 
gurüd, al3 fie in bag tobtbleiche, fd)mergpergcrrte 
©efid)t Sooth’3 blidte. „Geinc 5(iißen," berid)tete 
fie, „batten einen milben, unnatürlichen 5(u3brud, 
fei c3 Pont übermdftißen ärtnfen, ober unßemöhtts 
lid)er, ßeiftißer 5lufreßunß. Geitt lanßeg ©aat 
)oar oermtrrt, feine ftleibunß gerriffeit unb be^ 
fd)muW, unb er fdjicit launt intGtanbc gti fein, ftd) 
aufrcdU gu erhalten. S)?an führte ihn in bag 
Gprechgunuter be3 Soltorg, too er fich auf ba3 
Gopha nieberleßte." 

Sr. 9Wubb erfdjieu, unb toar ftberrafcht, ©ooth, 


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Pie ^uferfteljung bes feibe«. 


207 


befien Pcfanntfdwft er vor mehreren Piouatcn in 
ber Pad)barfd)aft gemacht, ber ihn bann einige 
P?ale bcfudR, sn Vieler ungcroöhnlidicn Stunbe 
vorgufiuben. ©iefer erzählte, baft er fid> mit feinem 
"Begleiter in einiger Gntfcrnung in St. Gbarle3 
Gountv auf ber ^agt> befunben, unb am vovhcrge* 
gangenen 9lbeitb buvdj einen Stur* vom pferbe ver¬ 
lebt worben fei. P?au habe ihn narb einem näher 
wohnenben 9(rgt jehafreu wollen, er aber bube e3 
vorgegogen, ficb gu ©v. PJubb gu begeben, bannt 
biefer feinen fuft untevfuebe unb ben notbrgen 25er- 
baitb anlege. ©ieSefcbicbte flaitg ait3 bemPJunbc 
be3 ihm al3 leibenjdjaftlidier ^äaer befännten Pa¬ 
tienten fo natürlich, baß ber ©oftor nicht bie gc= 
rinafte Peranlaffung batte, fte inBweifel gu giebat. 

©er fu§ mar heftig angcfdjwollcn, unb bie Per* 
uebe, ben Stiefel gu entfernen, erliefen ficb fo 
djmerghaft, baft c3 ber ©oftor vorgog, ihn vom 
Schaft bi3 herab gut Spanne gu burebfebnetben, 
vorauf e3 nicht febwer hielt, ben f uft frei gu befont* 
men. P?r3. Piubb brachte bann einoit feer wolle* 
nen ©au3fcbuhe ihvcS Satten herbei, ber ficb bem 
Perfekten fehr rtwhlthättg erwic3. ©er ©oftor 
unterfnebte ben 3fu§ fo aut c3 bie ftarfe Slnfcbwcl* 
hing gulieft, war aber anfangs nicht imStanbe, ficb 
über bie 2tvt ber Pcrlefeung gu entfebeiben. Sublim 
übergeugte er ficb, baft e3 ein völlig glatter Prud) 
be3 UnterfrbenfelS mar, für beff.n ßcilmtg bie 91u3* 
Rcbtcn nicht ungünftig ftanbcit. Gr legte nun beit 
angemeffenen Perbanb an unb hüllte ben verlebten 
Sritß vom Knöchel bi3 faft herauf an*3$nie in Pap* j 
penbedel.^ ©ett abgefdjnittcneu Stiefel, ben er, 
märe er wivflicb ein Piitwiftcr bc3 P2orbe3 gewefen, 
ficherlicb fovgfältig entfernt haben mürbe, fo baft ihn 
Siemanb aufgefunben, warf er acbt(o3 in eine Sde, 
wo er liegen blieb, bi3 man ihn bei ber einige Sage 
Später vorgeuoinmenen &au3fudjuug entbccfte. ©ie* 
fe3 2 orpns delicti war e3, wa3 ben ©oftor nahegit 
an ben Salgen gebracht unb ihm bann bie 25er- 
urtheilung gur Sefangenfchaft auf 8ebat3geit auf 
ben ®rt) Sortuga3 gugog. 

Sßebev ®r. P?ubb, noih feine Sattin, hatten an 
jenem ^Borgen bie IcifeRe Ahnung bavoit, wa3 fiel) 
am vorhergegaitgenen Slbeitb in SBafhington äuge* 
tragen, unb welchen 9tntheit ihr Pefud)cr an ber 
SRorbfccnc in fjorb’3 Shcater genommen, von ber 
fic natürlich feine ffenntnift hatten. 3it beut ab¬ 
gelegenen® infei be3?anbc3, mofiemohnten, fonit* 
ten fie auch am folgenben unb nächftfolgenben Sage 
faum ffunbe von biefem Vorgänge erlangen. 
Booth unb fein ^Begleiter hatten ficb wohl etwa3 
über eine Stunbe im ©aufe be3 ©oftor3 aufgehal* 
ten, währenb welcher Seit erfterer mehrere Scf>infcn= 
bröbchen unb faft eine ftlafdje 23hi3fw gu Reh ge¬ 
nommen. ©iefclbeti erflärten barauf, baft Re nach 
ihrem etwa gehn Pfeilen entfernten 9lbfteigeguartier 
gitriidgufehreit wünfdtten, verabfehiebeten fiel) unb be* 
Riegen miebet ihre Pferbe. Sie fälligen ben ®eg 
nach ber Reben Pfeilen entfernten Pirginia*fterrt) 
ein, ließen Reh bafelbff überfefeen, unb erreid)ten 
enblich Sarret’3 f?arm, wo fie eine Unterfunft gu 
fließen genötbigt umreit, ba Pooth’ä ftuft heftig 
fchmergte, unb er nidR länger gu pfevbe gu fifceit im 
Staube war. G3 mar an biefem Plafce, wo man 
wenige Sage fpäter bie flüchtigen auffpürte. ©tc 
hatten Reh in ber Scheune verfteeft, bie von ben 
Solbaten umgingelt würbe. Pooth wollte fein 8e* 


ben theuer verlaufen, ititb verfmhte, Reh mit feinem 
Revolver gu vertheiVigen, mürbe jebod) buvd) einen 
tvohlgegielten Schuft von Huftcit niebevgeftveeft. 

Selbft au Veit betben folgenben Sagen lieft e3fich 
®r. Phibb nidtt träumen, meld)e fürd)tcrlid)en f oU 
gen ber mcnfdjcufreunblichc ®ieuft, U'cld)eit er in 
9lu3übung feined Perufc3 nächt-lichenveile einem 
Perlefeten geleiftet, für ihn hüben tollte. SBäre er 
Reh irgonb einer Sd)ulD bemuftt getvefen, er hätte 
hinlänglidic 3cit gehabt, nach bem Sübeu gu ent= 
fommen, wo er vorläufig fidicr geioefeu, unb bann 
von[ba am3 ba3 8anb gu vcvlaffeit. 9lbcr e3 fiel 
ihm ia uidit ein, fiel) für bebvoht gu halten, unb 
von ben Porgängeit in PJafhington hatte er nicht 
bie geringfte ß'unbe. 9lm nädiften 5D?ontag evfehien 
eine ber ilavallerie-Slbtheilungcn, welche bic Srcng= 
biftrifte nach allen fRichtuitgen burdjftveiftcn, um 
eine Spur be3 2)?örber3 gu fiitbcn, ben man irgenb= 
wo verborgen wähnte, vor bem £>atife be3 ®r. 
5Diubb. Öbcvft O’Peime, ber ba3 fiommanbo be¬ 
fehligte, hegte gwar bttrchau3 feinen fpegicllcn Per= 
bacht, hielt e3 aber hoch für angetneffen, ba3 ©au3 
burdjfuchcn gu laficit. Pct biefer ®urd)fuchung 
fanb man ben amgcfdjnittencn Stiefel, unb an ber 
inneren Seite be3 Schafte Rauben bie SlnfaugS« 
buchftaben be3 Sigcnthümei^: “J. W. B.' Sofort 
gewann man bie fefte Uebergcugung, baft man e3 in 
©r. 9Bubb mit einem äRitfdmlbigcn be3 Präfi^cns 
tenmorbcv3 gu thun habe, unb fdmtt gu feiner Per= 
haftmtg. ©ie Pehaitfclitng, weld)e man ihm an= 
gebeihen lieft, entfprad) bem bamaligcit firieg^gu* 
Raube unb ber allgemeinen Aufregung. Piatt 
banb ihm bie ftänbe auf ben Dfücfen, bcfeftigtc einen 
Stricf unt feinen .ßal3 unb banb ba3 anbeve Sube 
bc3felben an einem Sattelfnopf feft. So würbe 
ber Sefaitgcite im bud)Räblid)eit Sinne beo ®orte3 
Viergig SJJcilen weit gu f ufte nad) ®aihington ge= 
fchleift. Seine Sattm unb vier flaue ftinver blie¬ 
ben gurücf, um ba3 furd)tbare Sefchuf be3 Satten 
unb Patcvä gu bcflagen. 

Pooth hatte bie Gntferitung von SBafhtngton bi3 
ginn ©atife ®r. P?ubb'3 auf jenem furchtbaveu 
parforceritt in fcdv3 Stunbcn guvücfgclegt. 9ln 
ban erwähnten Piärgtage 1869 bvaudjte mein fehr 
fiittfeSSefpann, um benfelben 2Beg gu titadien, beu 
nahe gehn Stunbcn. ©er Pruih jane3 Sattel* 
gart3 tvar ein Petvet3, wie toll bei* Piüvbcr Varauf 
io3iagtc; wäre er aber auch bi3 au’3 Snbe ber 2Selt 
geflohen, bie Polfomuth über fern ungcbetierltdbc3 
Perbvedjen tvürbc ihn ereilt unb veritidRet haben. 

(Pell. 3our.) 

- ♦ - 

Pie ^uferftcl)uu0 be« feibe«. 

Kad| 1 Bor. 15, 35-44. 

Pott 3. Sdjfogriilattf. 

1. ©ie Stuferftehung bc3 ScibeS be* 
ruht auf bererhalteitben fd)öpfetifchen 
Pracht Sotte3. 

Sott hat einem jeglichen von ben Samen feinen 
eigenen 8eib gegeben. P. 38. ©iefer Ceib faitn 
3ahrhunbcrte lang feimartig in bem Samen erbaU 


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208 


HU Huferßrl)ung bes leibe«* 


ten fctciOciif uub berfelbe 8eib burd) bie Sluflöfuug 
ber dufteren §ülle, gu einem neuem vollfommenen 
Safein empor. 

Ser ciifllifcbe SWeifenbe, Sßilftnfott, fnnb in einer 
alten ÜRumiennifdie eine alte verfiegelte SJafe, bie 
er au ba3 britifchc SOfufeum jd)icftc. Ser Sluffehcr 
lieft beim ?(it^pacfoii ba3 ©efäft fallen unb gwifd)eit 
bcn ©cherbcn fanb mau etliche (Srbfeit. Siefe Srb- 
fett mürben am 4. 3uiti 1844 ßcpflaii^t unb wttd)= 
feit nach 30 Sagen hevrlicf) empor, obwohl fie fchou 
länger al3 3000 3ahre in ihrem ©ehättfe unter ben 
lobten flelcvieti hatten. 

3(13 ber ©cftutt au3 ben alten ©ilbermineit gu 
Sauriunt, in ©riedjenlattb, meggeräuntt mürbe, fanb 
man eine SReuge ©amen, toelcher ber moberuen 
SÖiffenfdjaft gäitglid) uubefaitnt mar. Sie ©a- 
menföriter mürben gcpflaugt unb trugen fdwnc gelbe 
35lmnen, unb hoch maveu fie menigften3 1500 3fthre 
begraben aemefcn. 

©eint (Sott in bcn ©amen be3 $elbc3 eine 8e- 
bcu3traft niebcrgelegt bat, bie nach 3abrbunbertcu 
eine neue fßflange gu treiben vermag, folltc er nicht 
auch in ben äReufchenleib eineffraft niebcrgttlegen 
vermögen, bie von ber Siermefung ber äußeren föülle 
nicht berührt wirb unb gu einem höheren Safein 
unb herrlicheren ©eftaltuna fich gu erheben vermag? 

Sie gefräftige bauliche Dhitpc friert clenb im 
©taube. Ser Slugeitblicf, ber ihrer (Ssiftengmeife 
unb dufteren Srfcbeinung3form ein Sitbe macht, ift 
gefomtnen, Re tritt in bcn äuftemb ber (Srftarrung 
ein unb giebt fein 8eben3geid>cu von fich. Sa giebt 
im ftfrübling ber belebenbe ©auch be3 3l(linächtigen 
burch bie SRatur unb meeft überall bie fchlummem- 
bcn ffrdfte, unb auch bie bdftliche Staupe fühlt bcn 
3ntpul3 beS erwachten SebettS unb friecht au3 ihrer 
rauhen Umhüllung, in welcher fie wie in einem 
®rabe ruhte, al3 buntfarbiger, beflügelter ©chmct- 
terling heroor, ber fich in ben Stiften mieat uub eiiteS 
höheren Safein3 erfreut, ©choit ben Sllten mar er 
Serbin? unb ©vntbol ber Sluferftebung. 

Sie JSiffcitfdjaft lehrt un3, bie 8ciblid)feit be3 
SRenfchen oerditbere fiel) in einem 3citraiim ooit 7 
bi3 io 3ahrcn, burch 3lu3bünftuug, Äfranfheit, 3(r- 
beit u. bgl. m., unb hoch erfeftt eine uufichtbare 
Ä'raft ba3 Slbgelegte immer loiebcr. ' 

Sarau3 fönueit mir beit ©chluft gieften, baft ©ott 
in beut menfchliclicn 8etbe ein ungerftörbarc3 8ebcn3- 
elemcnt ttiebergelegt habe, beffeu SSirffantfeit burcf> 
ba3 ©terben wohl fuopeitbirt, aber nicht vernichtet 
werben föitne. Siefc3 8eben3e(eincnt wirb bei fcU 
nein ©taube bleiben, unb auf ba3 fdiaffettbe Sßort 
be3 Srlöfer3 ben neuen 8eib hervorbringen, wie bie 
8cbett3feime bie neue fßffange au3 beut vermefeitbcn 
$orn. „2Ba3 bei ben SReitfdjen unmöglich ift, ba3 
ift bei ©ott tnöfllich." 

Son biefem®lauben unb biefer Hoffnung erfüllt, 
nannten nufere frommen Sorfahreit bcn Skgräbitift- 
plafc „®otte3acfer", ba3 ift ber Slcfet ®ottc3, wo er 
bie Seiber ber ©einen hinlcgt, bi3 guitt Sage ber 
Sluferftehung. 

„5?ahr beim wohl, bu trauter uitfrer ©eele, 
ßiitgewicgt von unfern ©cgnungen! 
©chlumuire ruhig in ber ®rabe3höhle, 
©chltimntre ruhig bi3 auf SBieberfebn! 

23i3 auf biefeit leicbenvolleit bügeln 
Sie allmächtige fßofaune Hingt, 


Unb nach attfgeriffnen Sobesricgeltt 
©otte3 ©turmmittb biefe 8eid>en in ^Bewegung 
fdimingt, — 

23i3, befruchtet ooit 3ehovah3 ftaudie, 

©rdber freiften— auf fein mächtig Sräutt 
3it gcrfcbmclgcnbcm glätteten Stauche 
3hvcn Staub bie 8üfte mieberfäu’n." 

(©chißer.) 

2. Sie91 ufevfteftnitn be38eibe3 grün¬ 
bet fich auf ben ©icg, ben 6briftu3 über 
ben Job errang. 

Stint aber ift 6hviftu3 aufcrftaitben, uub ber ©rft= 
liug geworben unter benett, bie ba fchlafen. S. 20. 
6hriftu3 ift nicht itadj furgem £obe3fd)lafe erwacht, 
um miebev gu fterbeit, wie bie Scrfoitcn, meldie vor 
3hnt unb burd) 3hn auferwetft mürben, fonbreit (Sr 
ift aitferftanben, um nie micber gu fterbeit unb al3 
Sieger über ©rab unb Sob ewig gu herrfcheit. 

SGBie lie 6rftliug3garbcu bie i^ürgfdtaft ber gemift 
itadifolgcnbcn Srnte finb, fo ift bie Sliiferftchung 
Phrifti bie Sürgfdiaft ber allgemeinen Sluferftehung. 
(Sr ift ba3 ipaupt ber gangen SMenkhheit unb gieht 
Sille tiad) fich, bie ffiiuen gur Slufcrftehung be3 8e= 
ben3, bie Sltibern gur Sluferftchung be3 ®erid)te3. 
©d)oit glcidi nadi feinem ©ieg über ben 3wb gingen 
viele 8eiber ber ©eiligem bie ba fchliefeit, au3 ihren 
©rdbern tinb tarnen in bie heilige ©tabt uub er^ 
fd)ieneit SSieleit. SDtatth. 27, 52. 53. 

3m ©laubeit an biefen Sluferftehungöfieg haben 
fdn>n bie frommen be3 alten ä?mibe3 fich getroft 
ginn ©terven ttiebergelegt, in ber Hoffnung, baft 
audi ihre Seiber tvieber au3 be3 @rabe3 Stadit auf* 
erftehen toerben. Slber beiue lebten werben leben 
unb mit bem 8eid)ttame anferftehen. 3ff. 26,19. 
Su aber, Saniel, gehe hin, bi3ba3(Snbe fomutt, 
baft bu auffteheft tu beinern 2:heil am (Snbe ber 
Sage. San 12, 13. 

Saft ber Sob uttfere 8eiblid)feit in bie 3?envefuttg 
hinreiftt, ift ein 3cid)eit ttttferer Chnmad)t, ein ®e- 
wci3, wie tief bie©ünbe in unfcrSBefen eingebrun= 
gen ift, aber biefe Uebertviitbutig ift nur eine vor= 
übergeheube. 2Bir geben ben Seib bem Sobe gum 
Staube in ber gemiffen freubigeit Hoffnung, baft 
©ott tnto burd) ßhriftum atifertvecfen uno ttnö 
ammt ihm barftellen tverbe. ,,3d) bin bie Slufer- 
tehung unb ba3 Scblfn," fagte ber (Srlöfer ant@rabe 
be3 8agaru3. 3oh. 11, 25. 

3. Ser auferftaubene Seib wirb ein 
neuer verjüngter Seib fein. 

Sa3 bu fdeft, ift ja nidjt ber Seib, ber werben 
foll. 9S. 37. Su erwarteft nid)t baffclbe ati3ge- 
ftreute Äont micber, fonbent ein iteue3, eine Slehre, 
eine SMtime, je nad) ber ©attung be3 au3geftreuten 
©attten3. ©o wirb and) biefer fdnvetfdllige, Reifch= 
lidie Seib, ber in bie (Srbc gelegt, von ben Süften 
unb ben Jßaffent aufgenommen wirb, nidit tvicber 
mitberfelbeit SRaterie tinb mitberfelben groben ftoff- 
ließen Scfd)affenheit anferftehen, beim #?leifch uub 
Silut tonnen ba3 Steid) ©otte3 nid>t ererben. Sie= 
fer gebrechliche, grobe, vcrtve3(id)e Seib wirb bie 
®ruitbelctnente gu bem neuen, verjüngten Sichtleib 
ber (Swigfeit hergebeit, wie ba3 ©amenfortt ba$ 
Material gur Sichre, gur reigenbett SLMunte. 

Ser Seib be3 6rtö}cr3 war nad) feiner 9lufer= 
ftehung nid)t mehr ber natürliche, grobftoffliche Seib, 
fonbent ein übernatürlidtcr, hiuunlifcber, feiner 


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Pie Huferfteljung be$ leibet« 


209 


8ei6, bet ftdj fdjnell pon einem» Orte $um anbern 
betoeflett unb burdt bie ocrfdtloffenen Shüren fo 
leicht cjinfl, wie burdt beit bünnen Slether. Unb 
hoch imrb bie gorut unb ©eftalt beb aufevftanbencn 
8ciheb betn abflelefltcn, oertucftcn Seihe cntfprcdteu. 
Äuf bem aufevftanbencn Seihe beb ©crrn 3cfu toa= 
ren noch biefelben theureu 3üflc, ia felhft bie SläßcU 
male abgePrfuft, bie er mit iitb ©rab nahm. 

©er ©attfl, bie ©altmiß, bie fflttpepunßcu ber 
©änbe, ber 93licf ber Slttßcn, bie Stimme, fur.^ 
alleb correfponbirte mit bem früheren Scibe beb 
©errn fo flenau, baft bie 3ütißct bcn £>errn foßleid) 
erfannten. 9lur baft alleb oeriüitßt, oerflärt n>ar 
iitb ©imtitlifdtc. 

So tuerben bie Seiber ber Stuferftanbenen an 
Sonn, ©eftalt unb ©röfte ben früheren Seibern ent= 
foredten. JBeldtcr wirb unfern nidttifleu fieib pcr= 
Hären, bah er ähnlich tuerbe feinem pcrflärtcit 
Seite. 93hil. 3, 21. 

3obanneb fahe bie©obten, beibe©roft ttub illein, 
flehen por ©ott. Offb. 20, 12. Sie ftanbeu Per 
bem Sichlerftnhle in berfelben $orm unb ©röfte, bie 
fte im Seibcbleben hatten, fo baft ber Slpoftel erfen= 
nen fonnte, in toeldjer Sllterbflaffe fie aub biefent 
Sehen Wieben. ©ab entfpricht auch flau* ben Gr= 
toartnnßen eiltet ieben ßläubißett ßbriftenherjenb, 
bab feine im ©errn entfchlafenen Sieben tvieber ju 
haben nmnfcht, mit allen ben befonbereit Gißcnfdtaß 
ten unb ßbaraftermflen, nur in erhöhter reiner po¬ 
tent, in oerflärter Schöne. Unb biefe perjchiebeneit 
Ähftnfunflen, Schattirunflen unb Slubpräfliutflen 
ber 3nbioibualitäten unter ben Shiferftanbenen tuirb 
bie hödjfte Betpunbcruitß unb ^reube über bie 2Bei&= 
heit ©otteb erregen, bie aub allen herporleuchtet. 

4. ©er auferftanbene Seih toirb ein 
unfterhlichcr fein. 

6*3 tuirb flefäet pcrtueblicb unb tuirb auferftehen 
umtertpeblicb. 93. 42. Sßäre ber SKenfch feiner 
urfprüitßlicben SMtimminiß treu ßeblieben, fo hätte 
ber ©eilt ©otteb feinen Seih auf bem SBefle ruhifler, 
orßanifdjer Gnttuicflunfl *u immer höherer 23erflä= 
runa führen fön nen. ©urch bie Sünbe aber fatn 
ber tob in mtb, baft ttnfer Sehen alb ein forttuäh' 
reitbeb ßeheinmteb Sterben aitjufehen ift. ©arunt 
mu§ ber iefeiae Seih bem tuibernatürlidten 93ro*eft 
beb ©obeb unb ber 93eriuefunfl untertuorfen tuerben, 
um jur Unfterhlichfeit unb 93. , rberrlidjunß m flelait- 
fltn. ©er auferftanbene Seih aber tuirb betn tobe 
nicht untertuorfen fein, beim beb ©obeb Stachel, 
bie Sünbe ift aub ihm entfernt, barutn tuirb er in 
«toißer 3uflenbfrifche blühen. 

*93on feiner Sünbe mehr enttueiht, 

9?idjt mehr ein ftinb ber Sterblichfeit, 

SBicftt mehr ber üKcnfdt uon Grbe." 

5. ©er Stuf erfteh unflbleib tuirb ein 
herrlicher fein. 

@3 tuirb flefäet in Uitchre unb tuirb auferftehen 
itt ©errlichfeit. 93. 43. ©er Seih beb STOenfchen ift 
auch in feiner iefeißen Sefdtaffeitheit ein 3Sunber= 
tuerf beb StUerhöchflen, obßleich eb feinen eimiflen 
uBenfchen mehr flieht, beffen Äörper bem 3beal poll= 
fommen entfpräche. 

©urch anfleerbte Schwachheiten, otflanifche 
kr# SRtftbilbunßen unb berfll. mehr, ift ber ftorper 
aefchmächt, entftellt unb entehrt. ©er Sluferfte- 
hungbleib ber ©erechten aber tuirb frei fein uon 


atleu SWänßelit, ©ebredtett unb GntfteUunßcu, ein 
®enfmal sum greife ©otte^, jur 2}erherrlid)nnfl 
bc‘3 6rlöfer3 unb gunt Ühihine be3 ihn mit Schenk 
fräften burdtftröinenben heiliflen ©cifte3. 

2Bie ber im 3)lüthenfdtmudc praitflcnbe 8lpfel= 
baunt um fo piel berrlidjer ift, alb ber unaufchnlidic 
Äern, aub tueldtent er heruorflinfl, fo tuirb aud) bet 
Sluferftehunflblcib ber ©eredtten uneitblid) prädttiflet 
unb berrlidter fein, alb ber in Sd)tuad)heit unb Un= 
ehre aubflefäete Seih. SSerflärt jur hintmlifdten 
Schönheit, burchftrahU uon überirbifdter Älarheit 
tuerben bie ©eredtten leuchten tuie bie Sonne, im 
Sieiche beb himntlifdten SSatcrb. 2Bährcub bie 8(uf= 
erftehunpbleiher alle herrlidt finb, tuirb bod) ein 
Untcrfdtteb fein in bem ©rabe unb bem ©laus bet 
Klarheit. Gin Stern ühertrifft bcn anbern an 
Klarheit. 93.41. 3ibe perflärtc Sciblidtfeit ftrahlt 
bab Gbcnbbilb Ghrtfti unter ben uerfdtiebenften 
inbioibucllen Slubpräfluttflen aub, aber bodt tuerben 
bie am hcllften leudttcit, tueld'e hiettieben fidt am 
meiftut Pont ©elfte ßhriftt burchbriiißen unb uer= 
Hären liehen. 

„2Bab hier fräitfelt, feufjt unb fleht, 

SBirb bort frifdt unb herrlich fleh’n, 

3vbifdt tuerb idt aubflefäet, 

©immlifdt tuerb 1 tdt attferfteh’n, 

Unb bie Sdttuadtheit um unb an, 

2ßirb Pott mir fein abflethan." 

6. ©er auferftanbene Seih tutrb ein 
pollfommeneb 933erfsetifl beb erlöften 
©eiftcb fein. 

Gb tuirb flefäet in Sdttuadtheit imb tuirb aufer= 
fteheit in ftraft. S5. 43. ©iefer flcflentuärtiflc Seih 
ift fdttuadt unb hat feine firaft fidt uon ben hem= 
Uienbeu Rcffeln ber Grbe m befreien. Gr tuirb halb 
titübe uttb ift ein fdttuerfälliflcb, tittflefüfliflcb 9Berf= 
Adifl beb ©cifteb unb pa§t nidtt für bie Sltmofphäre, 
Scbcitbflcfcbc unb firäfte ber jeufeitifleu 9Belt. 

„©iefer Seih, ber mufe uertuefen, 

Söeint er attberb foll flenefen 

S n ber flrofjeit ©errlidtfeit, 

)ie ben frommen ift bereit." 

©er fünftifle Sluferftchunflbleib aber ift bab tui(= 
lifle, Pollfommcne, fleiftebartifle ©ienftorflan beb 
©cifteb, aubflerüftet mit einer ftülle uon flräften, 
baß er fidt in ben beftimmten Scbranfen, tuie auf 
Sittiflen beb SBiitbeb, in ©utteb Sdtöpfunfl betueflt 
unb in ber Slnbetuiifl unb Grfovfdtnttfl ber SBerfe 
©otteb nidtt mübe tuirb. 

©aft ber auferftanbene SeibSpeifeflenieften tuerbe, 
fcheint mit jiemlidter ©eiuifjheit aub ber Schrift her= 
potiiiflehen. 3cfub faflte feinen 3üitflent beim 
©eituffe beb Slbenbntahlb: 3dt ti»crbe pon nun an 
nicht mehr pon bem ©etuädtb beb ®cinflorfb trinfeu, 
bib an ben lafl, ba idt eb neu trinfeu tuerbe, mit 
euch in meiiteb 93atcrb fBeidt. ®?atth. 26, 29. Gr 
felbft flcnoh nach feiner Sluferftehunfl Spcife in ©e= 
meiufdtaft mit feinen 3ünflern, 

3m neuen 3erufalein, bab auf bie perflärte Grbe 
hcrnieberflclaffcn tuirb, flieftt ein Strom, ber aub= 
fleht pum Stuhle ©otteb, mitten burch bie Straften 
unb auf beibeit Seiten fteht ©olj (Sebenbhäunte) 
mit ^tuölfcrlet ftrucht alle dKonate, unb felbft bie 
SMätter bienen sur ©efunbheit ber ©eiben. Offb. 
22 , 1 — 2 . 


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210 


9 o 0 papierene Zeitalter« 


2(tt biefcr ©cvr(icT)feit unb ©etißfeitSßenüffen 
fönneit bie Gfottlofeu feinen Shcit haben, meit fte 
fid) Menicben buvcf) beit ©cift ©otteS nid>t Aur inite= 
ven ©rleudttutiß unb 3 >crfläruiiß führen ließen* 
©urd) bie ©ünbe unb 8üfte, toclcbe fie in fidj hcrr= 
fdjeit liehen, mürben bie Sebcttofeime serrüttet, ber 
innere 2)Jeitfd) noch mehr ruinivt; mehhalb ihr Stuf* 
erftehuiißSleib berunftaltct fein mirb, ein Slbbilb 
ihrer inneren 3 erriffcnheit. Sind) hier ift ba 3 tief= 
finitiße ©ort be 3 9 (boftel 3 $auti toahr: ©aSber 
SJJeitfd) fäer, ba 3 mirb er ernten. 

■ Stur u>cr bie ßraft ber Slttferftehuiiß ©hrifti an 
fid) erfahren hat unb im ©tauben barin behaut, 
fatm einem frettbißen ©rmadjen entßCßeitbliden unb 
mit beut dichter fittßen: 

„©ieber aufgublüb’n toerb* ich ßcfäet, 

©er .fcerr ber ©ritte ßebt 
llttb famutelt ©arben, 

Uit§ ein, un3 ein, bie ftarbeit, 

©elobet fei Sr!" 


Pa* „i>nyiettne“ $eitalter. 

cwjarnbcr tefen mir in einem ©ecbfetbtatt Solßcn= 
Cyr be3, ba3 and) unfern Sefern toillfoutmen fein 

1 mirb. 

SRatt nimmt ßemöhnlidj brei 3eitatter att: 1) 
ba§ ßolbeite, 2) ba$ filbertte, 3) ba3 eiferitc 3eit= 
alter. 3ni eifernen fotteit mir iefet leben, obwohl 
e3 heute mehr ©ilber unb ©olb ßiebt, at3 int ßo(= 
betten mtb fitbernen Beitattcr Aufamutenaenoinmen. 
3dj meih fehr mehl, bah man bie ©efdtichtc von beit 
„3eitaltcrn" ßemöbitlid) bilblid) oerfteht; eS maß 
aber heute ßeftattet fein, bie ©adje mörtlidj gn neh¬ 
men. 

Sllfo im „3eitalter be3 ©ifens" follcit mir (eben, 
ba3 teud)tet jebem ein. ßifern iiitb ttnfere Srahr* 
ftrahen, ober merbett c3 bod) immer mehr, ebeitfo 
unfere ©d)iffc, tutfere ©aßen, ttnfere Srürfeit; biet- 
fad) merben and) fd)on Raufer boit ©ifeit ßebaut. 
„©ifertte SWeitfdten" ßiebt cS ebenfalls, obtooht fie 
fetten finb uub bic3nhl ber „babiereuen" 2)?eitfd)cu 
meit ßroher ift. 

hiermit nähere ich tntd) meinem eißcittlidtcn 
Shema, obmoht eS nid)t bie babicreneit SMenfdten 
fiitb, boit beiten id) reben mill, fonbcrit bottt Fabier 
felbft unb boit bent neuen ijeitaltcr, ba$ bttrd) baS 
fßabier borbereitet mirb, al)o bout babiercitett 3^*t- 
atter. 

3dt nehme ba3 mieber nid)t bitbtid), fonbertt 
mörtlidj. ©ent Fabier ßehbrt bie 3ufunft! ©u 
benfft moht, lieber Cefer, ich mode boit bem bieten 
SSapierßclb fbred)eti, baS umläuft, ober beit ©erth- 
babieren, obmoht fie manchmal bod) nur einen gmeU 
felhaften ffierth haben, ober bott bem bieten 5?a= 
hier, ma$ ju „ßeiftißent Inhalt" in 3cituiißen ttitb 
©ücbern oetmenbet mirb —aud) häufiß ßeititß bott 
nur gmeifclhaftcm ©erth — nein ! tuaS id) meine, 
ift baS fßabier al3 ©runbmaterial git atlertei 3nbus 
firie- unb Jammerten. 

©ie ba3 Sifeu admähliß ©olg uub ©teilt ber- 


bränßt hat, fo mirb ba$ Fabier adtnähliß Sifen 
uub ©taht berbrättßen; bemt eß befifet eine meit 
ßrohere Seftißfeit al3 biefe bcibcit. ©ti lädjelfi ttn* 
ßläubiß, lieber fiefer, unb benfft babei an ba3 (Sin? 
taß3babier, ba3 heute git neun 3ehiitetu fabrigirt 
mirb, uub bem man ßar uid)t au mütifdjen braucht, 
bah e3 uuterßehc, beim ba3 ift hödjft überflüfftß. 
3a, höre unb ftauite! 

^pierAtitanb toirb eine 35abierntaffe boit fotdter 
Öärte herßeftettt, bie, menti man fie auf ber ©reh= 
banf einer rafd)ett Dotation (©rchuitß) uittenoirft, 
einen baßeßcit ßehalteitcit ©rehttteihel in huubcrt 
©tüde Aerftiebt, ohne bah fie babon aitßeßriffen 
toirb. 

9?ur ber ©iatnaitt fantt biefe 33?affe rifeen, 
fo hart ift fie. ©iefc ßemaltiße fteftißfeit erhält bie 
^abiermaffe babttrdt, bah mau fie einem hohen 
©rttrf burdj 50?afd)iitett au3fefet. 90?au beßreift 
bie3, toetttt matt fid) oerßeßenmärtißt, bah ein ^5a= 
bierhaufeit boit ettoa fünf ^uh höhe au einem Um* 
faiiß xmit menißcn 3otten gufautmcitßebiiuft toirb. 
SSoit foldter ipärte braudit aber bie 9Maffe itidtt 
immer au fein. ©ie$ rid)tet fidj tc ttad) bem 3mecf, 
Alt bem biefelbe berbraucht merben fott. 

©ine ißabierfabrif au 8oui3bitle in fientuefb hat 
neulich eine 2Ui3fte(tuitß beranftattet, auf meldjcr 
alte mößtid)eu ©cßenftänbe au3 Sßabiermaffe au 
finben toaren, bott einem bottftänbißen ©ohnhaufe 
bi3 au allen ©erätheit, ©efchirren unb Utenfilieit 
herab, bie fottft au3 ©ots, ©teilt, ©ifeit, ©taht x. 
(tcrßefteltt toerbett. 23efoitbcte Sctounbertiitß enreß^ 
ten bie fdtöiten ©ifenbahittoaßcn^ unb 8ocontotio= 
räber, bie au8 einzelnen fßabierriußen Aufammeiiße= 
febt toaren; um ba3 ©aitAC toar fd)liehtid) ein ftäh= 
lerner Steifen ßeteßt. ©itt foldteä ^>abierrab fott 
eine mehr bettit sehnfadtc ©auerhaftißfeit befifeett 
at3 ein cifcrttc3 ober ftähtcrne3, e3 ift babei meit 
bittißer unb fantt in biet fürscrer3eit (etma iit 29 
©tunben) herßeftettt ti'erbett. ©in ©d)iebfaueu au$ 
SJabiermaffe hatte eine Sraßfähißfeit bott über 8000 
SSfmtb. Stehen atterhanb .^aubßeräth, ©öbfen, 
Settern,.©abemaititcn )c. fah man foßar fiod)öfen 
atio S?abierinaffe, itatürlid) uitberbreniilid). 

©ic fjabrif ftettt and) ©rueferbreffen, Sbbett, fürs 
allcS AUtti 23ud)brucf ©rforbertidte att3 Fabier her. 
9l((e biefe ©eßenftänbe haben babei noch bett 4>or- 
theit ßroher 8eichtißfeit uub aeriitßerer 3erbred)lid)= 
feit ober Slbnubtntß. ©in für bie ©ternmarte bon 
©eft = $oint int ©taate Stern 5}orf aitßefertißter 
©om auS 5>nbiermaffe, 30 gmh im ©urebmeffer, 
tooß nur 4000 tjsfuttb, toährenb ein fubfentcr ©om 
ettoa 40,000 SSfuttb mießeit mürbe. Sluch leibet 
unb ©dmhtoerf merben auS bicferSHaffc herßeftettt. 
3Ran mirb fte unzerreißbar ntad)eu föntten, fobalb 
mau ba3 ©eheitnttih ber fjabrif, melche baS Fabier 
für bie S?oten ber Sattf [bott ©iißlattb liefert, toirb 
eittbccft haben. 

©ine S?ote ber ettßlifchett Sauf, au einem ©trief 
ßcforittt, träßt ein ©emid)t bott 320 $funb. Siadt 
aflebettt ift e3 aetoih nid)t gu oiel, toettn ßefaßt 
mürbe, bah bem Fabier bie 3ufutift ßehöre mtb ba§ 
mir bent bubiereiteit 3eitalter entßeßeiißehen. 


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dijcoitih btt dtgmwart. 


$aiU0 £uduu$0 föebirggütyUe. 

ÄCtgc ftub auf unb abgetragen, buvdbrocbeit 
JHf uitb übetbriuft, um bctnftönige Pott 33aicrit 
^ ciu i^mucl auf bie SJerglehne be3 breiten 
©ra3wangthale3 su säubern, wie e* ficb bie i|}f>au= 
tafic nicht fd)öner auäbenfeu fanit. $iuf bev ndrf)- 
[tat Berglehne vor bem Sdloffe ginbenhof erbebt 
ftef> ber Scitmücmpel, währenb ber 53ergvüdat hiu s 
ter bemjelbeit ©rotten birgt. Sie bergen in ihrem 
3unern einen fünftlid)eit See, in beit alle ©affer= 
abern ber Älatttmjprfee unb bc3 £>enneitfopie£, $wU 
{eben beiten fid) berginberhof befiitbet, hinangeleitet 
toorben finb. Sie fuhrt im s DJmtbe be$ $5olfe* ben 
Santen ber blaueit ©rotte, tocit in ben erften 3ah- 
ren fornohl s Deleudtung al*3 Sarbe bc3 Innern fid) 
blau fpiegeltau 3n ber Semcit seigt fic nur gelbe 
ober gotbene fjarben^ ba bie fünfttidje 33cleud)tung, 
welche, fo lange ber ftönig auf bem giitbenhofe 
weilt, Jag unb Sacht nicht erlöfdjeit barf, beffer 
basu ftimmt. 3*bt toiegen bie fd)immeriibcit Slu= 
then be^Seef —buntfarbige ©läfer bredteit ba3 
Sicht — bie eiufame ©anbei nur in golbigem ©laute. 
Sägltch toirb bie ©rotte aebei$t, auch wenn ber Äfb- 
nia [ich auf üBonate entfernt bat, beim ber eiuge= 
richtete &eisapparat bebarf beftänbig Sahrung. 
Draußen vor ihrer Pforte im £age3lid)te fpriitgeu 
au* feltfam prädjtigcn SMuinenrabatten viefenbobe 
Soittaincn, burch bie ben ftürmijch berabftürseuben 
5Öergn>affetn, toelche jitin See gefangen wtrrbat, 
ein SluSweg gegeben toirb. 91ber biefe Siefeufontai= 
neu fteigeit cinfam empor, eittfam liegen bie ©Arten; 
nur pon beit Selfenhauptern, bie fic im Greife um- 
geben, fömtte ein fühltet ©lief in biefe ffimtberwelt 
bringen. 

Der Deinpel berSeituS birgt bie 3bealgeftalt ber 
©öttin in feinem 3ititerit. Sie ift au3 bem fe(ten= 
ften, faft burchftdttigen farrarifd)en Marmor aebil= 
bet, ein polleubete* Sieiftermerf. ®or bem Schlöffe 
halten bairifche göwen au3 fronte 93ad)t. SSoit 
hier führt ber ©eg über breite Wartnortreppen erft 
m grofjen Fontaine an ber uralten Sinbe porbei. 
Da$ Sd)lo6 fclbft, uad) bem äKufter be3 oon 2}er-' 
failleä gebaut, ift in feinen ungewöhnlich hoben 
Senfteru oon einer Sülle hellgrauen ©tncfwcrfö 
umgeben. Stunb um ba3 Schloß sieben fid) 8aub= 


211 


gättge oon ©phett unb wilbent ©ein, immer wteber 
burdh Sifcheit mit Siarmorüatucn uuterbrod)en. 
©ierftebeit bie Pier ©elttbeile, Port bie oier3ahre8= 
seiten uitb weitere finnbilbliche DaifteUungen, wäh' 
renb, pon allegortfdten ©eftalten umgeben, Subwig 
XIV. atö 2)?ittelpunft fid) erbebt. Die au*gejudte 
fßraebt bed^nnevn be3Sd)loffe3 ift int Senaiffaiice= 
ftpl burdmeführt. Die ©attbe fiitb mit ben foft= 
barfteu ©obeliu3 bebeeft, bie Ocfcit au* Onpj ge= 
bilbet. Die pradttoolleit ^Diebel, in fßariS ange¬ 
fertigt, su fdilbent, will felbft beneit nicht gelingen, 
bie längere 3eit jur ^Betrachtung berfelbeit hatten. 
SlUt‘3 i|t Pont Sönig felbft aitgeorbnet. 

•Oier folleit fid) bie munberbarften ffoftbarfeiten 
befinbeit, bie jebod) nie sur öffentlichen ?lu*ftellimg 
fointncit. Sidtt fo bie Stirfereien, in beneit fid) 
befouberd ber Sd)önbeit*finii be* SeitigS befunbet. 
2ln biejeit tmifj iabrclaitg gearbeitet werben unb fic 
tonnen besbalb fd)on, ehe fie ittt Sinbenbof abge= 
liefert werben, pon 3ntereffeitten beuutnbert toerbett. 
Pin ©unberiverf ber Stirferet ift ein, mit maffioen 
©olbfaben gefticfterrotbfammtenerS>orhang, weidet 
bab ^radtbett beo Äönig‘3 umgiebt. Senner be= 
hanpten, baft biefe* 5>5ett mit Vorhang einen ©erth 
Pon aubertbalb Stillioiteu S^arf repräfentive. Der 
eigenartige ©efehutaef be3 föuiglidjett ülrdnteften 
tritt am betitlidfteit in ber orientalischen $rad)t bcS 
Siovf^ berpor, ber bie S^ärdten pon Stanfenb unb 
eilte Sad)t hinter feinen bunten ©labfenftern birgt. 

8luf ber ütblkben ^ergtoanb, gerabe gegenüber 
pom Sittbcnboff liegt eine cinfame SUpe, bie Stocf^ 
alpe genannt, pöllig abgefdieben pon ber ©eit. 
£>ier tft eine spülte pon föols unb Stube erbaut, 
felbft bie St(>firfd)lcffcr finb attö Sittbe gefertigt; 
e3 ift bie ^untingohütte, nad) betn ü)?nfter ber in 
Sicharb ©agitcr’^ „©alfüre" gefdilberten. Ober= 
halb ber glitte ift eine Slattfe pon ipols unb Sinbe 
erbaut, unterhalb ein mit ©led atiogefdlagener 
See, um bett Slbflufc su Perhinbern. ©etttt an 
hei fielt Sommertageu ber Sdtnee fdutilst unb ba= 
burd) ba* ©eden be§ Sce^ fid überfüllenb hin® unb 
herwogt, begiebt fid Söuig Subwig mit ©orliebe in 
biefe wuitberfanie Pinjamfeit. Sein ©ater 9Haj 
lag hier gern ber ©enteiagb ob, wie aud) jtoifdeii 
hier unb beut Sotbbcrge itod) eine föitiglide 3agb= 
hätte auf ber ?llpe ßlntatt fich befinbet. Sind bort 
weilt Äönig Subwig öftere. 


- m - 

Chronik ber ßegenroart. 


Sii ®rgie|«ttg§werf im 0fibnt. Wm ©dlufe 
be8 Jhteg^ hatte bie Stfd). ’üReth. Jftrde in ben 
Staaten üOtavplanb, Delatvare, ©irginia, Sentudp 
unb 3Kiffoiiri unter ben ©ei§en 67,804 SHitglieber 
unb $2,330,693 in Sigenthnm; unter ben Segern 
20,000 3Witglieber uttb $250,000 ©igenthum. 3efet 
jählt fie im gansen Sflaoettgebiet 410,899 3Kitglie= 
ber unb befifet ffiigenthum, ba6 auf $8,563,416 ge* 
jdjäfet toirb, wa6 toährenb ben lebten 15 fahren 


eine 3unahme pon 20,000 ©liebem unb mehr a(3 
$350,000 per 3nhr ergiebt. 

Da§ ©rsiehung^wer! würbe bauptfäddidj burch 
biefe ©efellfdaft beförbert. ©ährenb ihver^ 15tähri- 
gen 5}cftanbeä erhielt fie poii ber Äirdte $987,295, 
toeldter Prtrag sur©rfutbung uon ^luftalteit, tneifteitS 
für bie ©rsiehttng Pott Cehrern unb ^Bvebigern Per* 
tuanbt tpttrbe. ©iitunbjwansig 3nftitute finb in 
ben ©auptorteu beö ©übenä angelegt, in welchem 


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212 


tfljromb ber ftegenroart. 


in ben 3abren 1879 unb 1880, 89 Schrei* befAäftißt 
u>aren unb 3,138 ©tubenteit UuterriAt erhielten. 
Seit ihrer ®rünbnna bewohnten im®angen 66,000 
©tubenten bie oetfAiebenen ©Aulen. Obwohl 
ber gortfdnitt beS ©erfeS brei d)ial fo oiel be¬ 
trug unter beit Heftern alS bei ben ©eifjen, haben 
borh bie gulefct ©rwähnten, weld)e ungefähr 5,600 
gählen, iefet 15 Anftalten mit 40 Sehrern unb 2000 
©tubenten unb auf $50,000 werth ©iflenthum. 
Dicie haben biS hierher fehl* wen in &ülfe oou ber 
©eiellfAaft erhalten. Die lebte ®eneral=Gonfereng 
fafcte SefAlüffe, bie ®efeüfd)aft gu beootlmäditigen, 
nebft ben ©Amargen auA, biefeit ©eigen föülfe gn 
leiften. Dieie fltoge ©rgiebunflSfadie hat e3 mit 
18,500,000, ober mehr als ein drittel unierer 
Seoölferung gn thun, welche SRenge 6,000,000 
©Awarge enthält. Die ©idjtigfeit jolA einer Un= 
ternehmuug ersieht fiA, wenn wir bie im ©üben 
hcrrfAenbe Uuwiffenheit in Setradft sichen. 3m 
3abve 1870 waren 5,618,144 Verfonen in ben Ver. 
Staaten über gehn 3ahre alt, welche weber lefen 
ttoA fchreiben fonuten unb oon welAcu 4,161,253 
im ©üben wohnten. Die füolidjen Staaten mit 
blofe ein Drittel ber Seoölferung, enthalten brei 
Viertel ber Unmiffenben. Von ben 2,000,000 
Stimmenbeu in ben Ver. ©taateu, bie ihre Bettel 
nicht lefen fönnen, wohnen 1,500,000 im ©üben. 
6iit grogcr ‘itheil biefer Uuwiffenheit befinbet fiA 
unter ben ©eiben. Von ein fünftel bis gur föäifte 
ber fübliAen Seoölferung fönnen nicht lefen ober 
fAreibeit. Dieie tiefe ©olfe ber Uuwiffenheit, 
welche ihre uunfle©d)attirung über ben ©üben oer¬ 
breitet, bat auA ihren ©ilberranb. Die Anficbten 
betreff ber allgemeinen Cersichnnß fiitb heute im ©ü= 
ben ßans anbere wie früher. SefeteS 3ahr befuAten 
50 Vrogent ber weigeii unb beinahe 45 Vrogent 
ber fAwargen fdjulmäüigen Seoölferung bie a(igc= 
meine ©Aule. DaS Öiefultat biefeS ©erfeS ift in 
bent 3uftanb beS fübliAen §anbel£ gn fchen. Die 
gegenwärtige ^BfCiAt ber Ä’irAe ift, bie 3al)l ber 
AriftliAcn Seiner unb Vrebiget gn oermchrcn. 
gür’3 3ahr 1882 forbert bie ©efellfAaft $150,000 
für bie ©aAe ber ©rgiehung im ©üben. 

öeffer dienftmaflb a($ gabrifaabdjett. „©ober 
fommt eS," faßte nculiA ein gabrifbefifeer, „ba§, 
wenn in meinem ©efAäfte eine ©teile leer wirb, 
Dufcenbe unb aber Dufeenbe oou SRäbdjen begierig 
barnaA hafAen, wiüifl, für gwei biS brei Dollart 
bie ©oAe gu arbeiten, währenb iA in meinem eiße- 
neu £>auie ben DieifftmäbAen mehr alS baS begabte 
unb fie überbieS mit $oft, SiAt unb ©äfAe oer= 
fehe ?" 

Sei ber Verfertigung oon Stiefeln unb ©Auhcn 
empfangen grauen im DurAfAnitt $2.60 bie 
©oAe; bei ber ©erftellung oon VapierfAaAteln, 
$3.30; beim Verfertigen oon iRegenfdmmen, $3; 
in Sauntwollfabrifen, baffclbe; in ©ollinühien, 
$3.70. ©eld) armfeligc Bahlen baS! Diefe@um= 
men begeiAnen fiAerliA niAt bie Selohnung für 
gefAidte Arbeit. 3A glaube aber fie geigen, waS 
ein .unerfahrenes Vcäbcben al$ ben VreiS ihrer 3*it 
unb UugcfAidliAfeit gu empfangen erwarten barf. 
Da§ ©mporfteigen gu einer höheren ©teile fleht 
aber lanflfam oon ftatten unb wirb oft fAmergliA 
burA ben ©taub beS SRarftS beeinflußt. 

©ie oiel beffer ift in biefer .frinfiAt bie ©teile 


einer Dienftmaflb in einer gamilie? 3A heße fein 
Sebcnfen, bicS lefeteffiort, Dienftmaflb, gu gebratt- 
d)en; % e3hat bie befte Seftätiguug. ©3 ift nichts 
©hrenwibrigeS barin, wenn ein Kaufmann feinen 
töunben, ein Aboofat feinen Glienten, ober ein ©ob* 
bat ober Staatsmann feinem Vaterlanbe bient; 
e3 fann baher buirbauS niAtS ©emeincS fein, alS 
ftoAiit ober ©afAfrau einer eingelnen gamilie gu 
bienen. Sautet bie Sencnnunfl Dienftmaflb niAt 
ebenfo flut alS Arbeiterin 11 ober „Verfäuferin"? 

©in iuiifleS arbeitfucljenbcS SÖiabdjen füllte bie 
SluSfiAt, beim ©intritt in eine flute ganulie alS 
Siammerjunflfer, jtinberwärterin, Äöd)in, ober felbft 
ßewLAnliAcJpauSmaßb, mit mehr ober wenifler3n- 
tellifleng unb Serfeinerunfl in birefte Serbinbiuifl 
gu treten unb jebcnfallS mit ben Abrißen gamilien= 
flliebern ben ©Aufe unb bie SequcmliAfciten eineS 
DaheimS gu ßcnic§en —reifliA erwäßen unb barin 
einen träftigen ®runb finben, einer folchen ©teile 
ben Sorgiifl gu flehen. Sei ber ©ahl einer ©crf= 
ftatt ober gabrif wirb fie burA ben ©barafter ber= 
felbcn, bie 9lrbeitSftunben unb bie barin befinblid>e 
©cfellfchaft beftimmt. ©ie hat btirAauS feine fo 
arofee SluSwahh alS wenn fie fid) eine ipeimath 
fuAt, in ber fie arbeiten will. 

6S flieht nod) einen Umftanb, ber fie beeiufluffen 
folltc. ©er aud) bie Herrin unb waS and) bie 
Arbeit fein ntafl, biefe wirb beffer begahlt unb ift 
feiten härter alS biejcniflcn Sefdmftißimßen, U'elAe 
fie anbcrnfallS wählen mufj; überbieS u>irb fie ba^ 
burA fleioife am heften oorbereitet, bereinft ihr eianeS 
©eint gu regieren unb fid) helfen gu erfreuen. DieS 
follte ber £wuptbewegflrunb fein, ©ieberum ift 
bie abweAfelubeSefAäftifluufleineS wohlgercflelten 
Haushalts, ummiu fie aud) gu einer „enblofeu 9iunbe" 
wirb, ihrer ©lefunbheit unb ihrem ©Müde flcwifc 
forberlicher alS baS eintönige Sicftad, baS ©epolter 
unb ©5ctöfe ber mehrften gabrifoperationen, benen 
bie Serntehrung ber fDfafAinen, burA weitläufige 
3ertheilunfl ber Verrid)tungen, iebwebe 5lbweAfe= 
lung unb bamit alles lnenfAliAc 3ntercffc entgegen 
hat. ©3 werben nur fo oiele SDcubfeln ber &anb 
ober beS gufjeS in Setoegung flebraAt unb ber 
näd)ftc ©Aritt beS raftlofen ©rfiubungSgeifteS fann 
aud) biefe loillfürlidic Scwcgung burd) ein gufäh= 
lidieS 9iab ober eine ©Araube unnrthig maAen uiib 
gur ©ntlaftunfl ber Arbeiterin führen. 

©eit über bie Verfertigung oon ©dmben ober 
@eutbcu allein, loeit über allen ®cwerbeu unb ein- 
träflliAeit ©kfAäften in Sebeutiamfeit unb ©ürbe, 
ftcht ber ©taub ber J&auSfrau unb Hausmutter. 
©aS and) bie Arbeit fein möge, bie fie für biefen 
hohen Seruf oorbereitet, fie ift bie weiblidifte unb, 
wenn man bie Selohuung niAt nur in ®clb, fou- 
bern in ©rfahrung, UrtheilSfraft unb ©barafter 
fuAen will, auA bie eiuträflliAfte. 

(©eftbote.) 

3rlanb. Sei ben Vcrhältniffen, wie fie fid> ira 
Saufe ber 3abre in 3rlanb eutwidelt haben, han- 
belt c3 fiA fcincSioegS oorgimSioeife um eiueSefreU 
uug beS f(einen bäuerlichen®runbbefifee3 oou irflenb 
wclAeit auf bemfelben ruhenben Abgaben ober ®e= 
fällen, um cineSrunbentlaftung, ioie fie in früherer 
3eit in graufrciA wie in DcutfAlanb eingetreten 
ilt, fonbern einfad) um bie Vertreibung ber angeU 
fäAfifAen “Lords ofthe manor M , welAc etwa bie 


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Äljronik bet (Segemtmrt. 


213 


.öälfte be$ ßefammten ©runbeS itnb ©obenS be* 
fißen imb ßroßentheilS niefit im 8anbe wohnen. 
9C»§cr biefem unb ber bamit in ©erbinbuiiß ftehen* 
ben ©acbtwirthfchaft finb bie feinblicfien ©eaenfäfee 
ber urfprüiißlichen feltifd)en ©ewohner ber ©rünen 
3nfel su ben Gröberem itnb iefeiaen ©men neunent= 
litfi burefi bie ©erfefiiebenheit beS ©laubenSbefennt* 
niffe^ nnb mandje Dolitijdje ©erhältniffe in immer 
fehärferm ©iaße su Jaße getreten. ®ic Sdmlb 
ließt, n>ic fteto in folcben fallen, auf treiben Seiten, 
unb wenn cinerfeitS bem armen ©äd)ter ßewiß eine 
Srleichteruiiß feinet fchweren SofeS sn wünfdien ift 
unb ieber barauf .absielenbe Scfiritt mit mit ftreu* 
ben beßriißt werben rann, fo entffiridjt eS anbcrfcitS 
boefi ßewiß nicht ber ©illißfeit, baß burd) ein ©efefe 
ber wohlerworbene ©efifc ßefdiäbißt wirb, um einem 
faulen, arbeitSfcheuen ©bbel afisufielfen, beffen ©er* 
faiißen, ftatt Don ber ©afie befriebißt su werben, 
nur in fiofierm ©rabe anßeftadjelt wirb. So wirb 
beim bie neue Sanbacte, bie ben $ern ber anrarifeben 
ftraße, wcldier auf bie außenblidlich auf 5 ©rosent 
ber©eDölferuiiß fiefdnanfteSfieilnafime amÖrunb* 
befifc ßeriefitet ify überhaupt niefit trifft, aller ©or* 
cuwucht nach feine ©efferuiiß ber anarcfiifcfien 3u* 
ftänbe ficrfieifiifiren. 

Seiten ber ©eßieruiiß aber wirb berRdiert, baß 
feit bem 3ufraftreten ber neuen 8anbacte bie9lßrar* 
uerfiredKii wefentlid), naefi einer 9leußenuiß beS iun- 
ßeni ©fr. ©iabftone im ©fouat ©ooetnber d. 3. 
ioßar um 40 ©rosent, abßenommen fiaben. ®i.e 
täßlich fiefi wieberholenben Berichte ber 3cihuwn 
ftehen mit biefer Sehauptuna inbeß in fdjroffem 
©eßenfafe. 9Iud) nad) ber ©erhaftuiiß ©arncirs 
unb ^illon’Ö übt bie ganblißa ihr Sd)reden3=9feßi* 
ment. Sie ift bie eigentliche ©errin im fianbe, unb 
ihre ©efefile werben prompt auSaeführt, bereu ©id)t= 
aebtuna araufanl ßeahnbet. ©ewiß ift ba3 ©ilb 
beS arbeitfamen ©ächterS, ber trefe fchwerfter Arbeit 
bie unaefieure ©aefitfumme nidit fiat erswiiißen fön* 
nen unb nun Don bem fiartfierjifien ©efifeer ohne 
9?iidfid)t für feine barbenbe unb frierenbe Familie 
burd) bie WeriditSbiener auf bie Straße ßefeßt wirb, 
ein erfcbütternbeS; burefifefinittfidj entfpridd foidjc 
Sorftelluna aber ben Jfiatfacfien niefit. 3ui ©e= 
uenfafi su ben Dereinselten fallen, in welchen wirf* 
liehe ©oth einer harten unb uiißered)ten Griniffion 
Dcrfällt, ift eS meift böfer ©ille, welcher bie 3ah* 
Innfl ber ©acht Derweißert, unb bie ärßften ©reuet* 
feenen werben berichtet ßerabe alS Strafen für folcfic 
Pächter, welrftc ihren ©erpflid)tuußen in ehrenhafter 
55eife naefißefommen finb. ®ie 9(ßentcn ber ©utS* 
herren, welche bie ©aditaelber einsieben, werben auS 
bemßinterhalt anßefallen unb oerwunbet, uädjtlicb 
bie ffiobnfifee ber mißliebißen ©äditer überfallen, 
bie ©äufer bis auf ben ©runb nieberßebrannt, ober 
©fami unb ©eib ßemißbanbelt unb ßetebtet. $äß* 
lieh hört man Don ßräßlwfien SSorben, Don entfefe* 
liehen ©erftümmelunßen, oon Ohren* unb 9?afen* 
ahfdmeiben, unb ©eiber loevben mit bem ©latt* 
Weeren be3.ffofife3 beftraft, wenn fie auf ber Straße 
uijt einem ©oiisiften ßeffirod)en, ober ihre fleinen 
häuslichen Sinfäufe bei oerfefimten ©erfonlidifeiten 
heforßt haben. fflutSbefifier werben in ben ©ann 
flethan, fo baß 9?iemanb ihnen eine Arbeit hßenb 
loelcfier ?lrt su tciftcn waßt, SJciemanb ihnen etwaS 
Derfauft unb fie ßeswuiißen finb, baS 8aub su Der* 
laffen, ober na^ bem ©eiffiiel beS furcfitlofen Äafii* 


tanS ©oncott afle Arbeiten mit ©ülfe ber Suuiilien* 
ßlieber felbft su beforßen. ®aS ©iefi wirb erfdda* 
aen ober Derftümmcit, unb in neuerer 3eit fmb 
©aufen Don SMenfdien auSßesoßen, um bie bei bem 
aemeinen Urlauber biSlanß in fo hoher ©unft ße* 
ftanbenen ©arfoirejaßben su ftoren, bie ©unbe su 
tobten unb ben reichen ©ilbftanb maffenfiaft nie* 
bersumefieln. 

2)tr ßewaUiße Inlfinich bei 8«!!an* M 9tanna 
8oa" anf §ma\ bauert nunmehr feit ad)t ©?ona* 
ten ununterbrochen fort. 3luS allen Sheilen ber 
6rbe finb ©efucher nad) berSrupbe berSanbwicfiS* 
infeln ßeeilt, um bie ßißantifchen fionDulfionen Der* 
borßener 9?atutfräfte unb beren ©irfunßen in 
?(iißenfchein su nehmen. ®er mäditige ©ulfan 
ffieit auS bem hod)ßeleßenen Sfrater ©Jofuaioeoweo 
einen Strom feurißer 8aoa, ber nahe an fünfsiß 
eiißlifdie ©feilen laiiß unb an mandien Stetten DoUe 
Dicr enßlifdie ©feilen breit ift. 2)iefe fiaDamaffen 
hohen nid)t allein ber Stabt ©ilo ben Unteraanß, 
fonbern eS fleht and) su befürchten, baß ber ©afen 
baDon anßefüllt werbe. 

!^m Jiafire 1859 bauerte ein 9(uSbruch beinahe 
breisehu ©fonate, unb eS ftefit su erwarten, baß ber 
bieSmaliße Don fauni ßeriiißerer ®auer fein wirb, 
©ie ffüffiße ©faffe hat ©ilo bis auf swei englifdie 
©feilen erreid)t unb ift an mandien Stellen biS sut 
©ofie Don über 100 ftuß aufßeftaut. Sollte eine 
fold)e Saoamauer berften, waS jeben 9(ußenblid ße* 
fd)chen !ann, fo bürfte bie lieblidie Stabt, nebft 
ihrem firäddißen ©afen, ber fürd)tcrlid)ften 3er* 
ftoruiiß DreiSßeßeben fein, unb ba3 SdncffaU ber 
einft Doltreidjen Stabte am Ruße beS ©efiiDS er* 
leiben. 

Sir SBärmfhtlctt in ßroßen Stabten. Unter bem 
©amen „©ünnftuben" bcßinnt Don ©ieu auS ein 
neues ^nftitut ber SlvmeiiDfleße ©erbveitmiß su fin* 
ben. ®ie erfte berartiße 9luftalt, urffirüiißlid) für 
arme 9lußehbtiße beS ©anbeloftanbeS beftimmt, 
würbe in einem ärmlid) auSßeftattcten, maßiß ßro= 
ßen Sofal in einer Seitengaffc ber inneren Stabt 
Don bem faufmäiiiiifcben ©erein „9luftria" einße* 
rid)tet unb wirb and) Don biefem erhalten, obßleich 
fie balb sum 3uflud)tSort Don hunberten Don Firmen 
ohne Untcrfcfiieb beS StanbeS ßeworben ift. ®a 
ihnen nid)t nur ber91 nfeiltha11 in einem burchwärm* 
ten Dfaum, fonbern and) Suiwe ober Shee nnb ein 
Stüd ©rob unentßeltlid) ßewäfirt wirb, fo ift eS be* 
ßreiflid), baß ber Sfaum Don 9lritlen immer oollße* 
Dfrofift ift unb baß balb an bie ©rridituitß einer 
sweitcit ©ärmftube aebacht würbe, loelche bann 
and) eröffnet worben ift. 3m oerßanßenen ©inter 
ift man and) bereits in ©ras bem ©iener ©eifDiele 
ßefolßt, unb hier waren eS nid)t bloS ©rioate unb 
©rioatDereine, welche fid) bie Sörberuiiß beS Unter* 
nehmenS anßeleßen fein ließen, fonbern eS erfreute 
fid) Don Dornherein auch Der Unterftüfeuuß nnb 
©fitioirfunfi ber ©ehorben. ®a ift eS beim um 
fo loenißer su Derwunbern, baß bie 9lnreßuna and) 
bereits außerhalb Oeftreid)S ©achfolßc fanb; in 
^ranffurt a. ©f. hatte fid) im verfloffeiien 3uht 
ein Goinmittee ßebilbet, baS bei ber DU'felid) einße* 
tretenen Äälte fd)leunißft eine ffiärmftube einrid)* 
tete; bie erften fioften finb fofort burd) 3eid)nuiiß 
Don ©eiträßen ßebedt unb für weitere Srbaltuiiß 


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214 


tfjjroitik ber ftegenroart. 


be3 JnftitutS bat ba$ Gommittee burdj öffentliche 
Slufforberunn gurBeidmunß von Beiträgen ßeforßt. 
«ticö in Bfünebett bat man eine ©ärmftufte eittße= 
rid)tet. 

©cßctt Hai 0d)ita|)i)itrin!rn, ba3 in ber ©dnveig, 
jumal im Danton Bern, mehr unb mehr gu er- 
fd)rcdfenber?lu3bchnuiifl ßelaußt, hatBfarreriMil in 
Ätird)bcrgein ©dmftdjcu herau3ßCßcben unter bem 
Xitel: „1)er neue Xobtentnug." 63 fdiilbert im 1. 
Ä'apitel: „X)er Branntwein unb ber Xob" bie Xo- 
be3ernte, iveldie ber Branntwein unter unfernt 
Bolle halt, nicht in Bbantafieftütfen, fonbevn in 
mirflidt ßefeftebenen Vorfällen au3 bem 8cben, in 
©efcbidjten, wie fie täßiidj gahlreidter bitrcb ade 
Blätter bin git leien fteben. ®te B?uftcrfarte foU 
eber XoOteuovfer De3 Branntweins, wie fie verließt, 
utitfj tebetn, ber unter Bolf mirflid) liebt, ba3 Hers 
gerreifien. X>a3 2. Kapitel banbeit: „Bont wab- 
ren ©ehalt unb ©eilt be3 Branntweins." Jut 
Öcßcniafc stt bem fchatterlidien Xobtcntanj, beit ba3 
erfte verfuhrt, fcftilbert biefc3 2. A?avitel ba3 Sehen, 
welches ber Branntwein erzeugt: bie ©aftftuhe ber 
©dmavvSfneive, von fartenfvielenbcn HauSvätern 
belebt, ben nttfclofcn ©eimruf von ftrau unb iliit- 
bertt an ben Hausvater, bie näcf>tliche SRucffehr be3 
©äuferS in fein verftörtcS HauS, bie Sermabr- 
lojuitß ber Jtißcnb, ba3 Glettb ber ftranfbeit, von 
bem au3 immer neue Alrettge ben Atird)bof bcvöiferit. 
GS iverben fobann int 3. Afavitel: „Sä reßnet 
©dmavV'S" bie Quellen aufßebetft, aitS beiten ber 
Branntwein fliefit unb fein Glettb auSßie&t, mtb 
ivirb barßcleßt, wie man Iciber edle ®ämnte unb 
Berbauuitßeu ßeaett biefe ffiilbwaffcr in ben ©e- 
{eben unb Berfafiuitßeu niebctßeriffcn unb baburdj 
bie s 3totb ßcivaltiß vcrßrbftcrt bat. Sa? 4. unb 
lebte Atavitel: „Xreibet bie Xeufel auS!" rebet von 
ben ©d)ub= unb Heilmitteln, bte biefeu furchtbaren 

E eittb giißeln unb feine Alraft ftrcdjen tonnten. 

ier ivenbet fidj ber fßerfaffer werft an bie HauS • 
väter unb forbert fie auf, ben Branntwein ftatt gttr 
^egel, gur 9(u3nahme stt mad)en. ‘Dann verlanßt 
berfelbe vom Staat, er foüe burd) ©efebe einßreifen, 
bie 'Brennerei vermittelft bcbcutcnb erhöhter teu= 
ern einfdirätifeu, ben Branntwein möalichft ver- 
tbeuern unb bie Xrunfcnheit fteftrafen. Bunt 
©diluffe erinnert er baran, bafc eine wahre inuerltche 
Befferuiiß nicht git ©taube foiumt ohne bie 9ßüci- 
fein* guut djriftlidien ©lauben. 

ftaifer 2Bi(ljr(m folt git ben Bringen, bie ihm ihre 
©lüdmüitfdie tum jahreSwechfel abftatteten, ßefaßt 
haben: 63 ficht überall frieblicb au3 unb fo iverben 
ivirbenn hoch ^rieben behalten. Gin ©olbat foll 
ba3 freilich ntcht fo laut faßen, aber ber Trieben 
bleibt bod) ba3 Befte! Diefett ©orten be3 alten 
AfaiferS entfvridit benn audi bie Säße Gurova3 bei 
Beßinn be3 JahreS 1882. $war fnallt e3 ßcrabe 
in biefent Slußenblicf ivieber ziemlich lebhaft in ben 
Sclfcnfdtluditen ber Hergeßowina unb auch in ©ßW- 
ten sieben fid) ©olfen gufautmen, bie leidit ber 
orientalifdjeu efraße ivieber eiuißeS Scheit verleiben 
fönnten, aber feine 9Mad)t bat befonbere Stift, fiel) 
bie Sinßer an biefer ftraße verbrennen, unb von 
Berlin au3 forßt Bi3mnrcf fd)ott bafür, bafi bie bie 
unb ba auffeftlaßenben flammen feinen allgemeinen 
Branb anfadien. 


2)ie Vroteffantett Cefierreiih# feierten am 15. 
Oftober vorinen 3abre3 ba3 bunbertjähriße Jubi¬ 
läum be3 Xoleraiigebifte3, bur^ ivelcfte3 fie in bie 
ihnen entgoßenen bürßerlicften unb firtblidien fßed)te 
ivieber einßcfefct ivurbeu. 

9tad) einer ßefdiiditlidien Uebcrliefcruiiß bebientc 
fid) ©ott cine3 einfachen ©crf3euße3, um ben ba= 
malißcu Saifer Jojcpb II. *u jenem ßroften refor- 
matorifdien ©diritt gu beftimmeir eine3 armen 
evaußclifdien Bauev3r ©enife ßenannt. 

Jojevb II. bereifte nämlidi tut Srühjabr 1781 in= 
coßtiito Böhmen unb befudite eitte3 XaßcNj bte Keine 
©tabt Safenftciu im Grggebirne. 9lnbaltenber 9fe= 
nett batte bie ©tragen faft uttiveßfatn ßemad)t, iva3 
ben Äaifcr veranlaßte, im ©aftbof be3 Orte3 gu 
übernaditen. ®er Slbcttb ivar bereitißebrodien, al3 
einine Ort3beivohner bem ©aftnnrtb beridjteten, 
einißc ßeheimnifevolle ©efen mit farbigen latenten 
bei einer aitfjerort3 ßeleßcnen ©trobbütte ßejeben gti 
haben. X)iefc3 ttttb ber frembartiße ©aft ntadjte 
in ihnen bie Befürdjtuttß rene, ob man e3 hier nicht 
etiva mit 3 uubcrern 31 t tbun habe, bte ßeßett ben 
Ort Böfe3 im ©ebilbe führen. 

©eiteißt, Abenteuer 3U machen, entfddoü fich ber 
erlauchte äieifenbc, ber fid) ©raf von Salfcnfteiu 
nannte, in bem Orte bte „vevbäd)ttße 3ufantmcn= 
fünft" gu befudien. 6r flovft an bieXhür, ivab- 
renb fiel) feine ßeute um ba3 Hatt3 al3 ©dulbtvacben 
Vlagirten. ®er Herr be3 Haujc3 öffnete unb: 
„©ermaßt e3, gu folchet©tmtbe einen reditlidien 
3)tonn gu ftoren?" ivar feine ftraße an ben uttbe= 
faitnten Befudjer. „©etin ©te ein reditlidier 
©ann fitib, w enviberte ber Alatfer, „haben ©ic 
9iicbt3 gu befürditen; finb ©te aber ba3 ©eaeiu 
theil, bann machen ©ie fid) auf 'eine üble 2>ier= 
telftunbc ßefaftt!" unb überfchritt bc3 Häufet 
©chivelle. 

Jnt ©obngintmer biefer ärutlidien Hütte ivareti 
etiva ein ffiujgenb Bauern um etuett fletnen Xtfcft 
verfammelt, auf iveldicm ein ßrofje3, ßeöffnete3 Bttd) 
laß. Jojevh fefete fid) auf bte Ofenbanf unb be¬ 
fahl ©etiife, in feiner Borlefuitß ober bem ©efvräd) 
fortgufaftreu. ®er Bauer nahm ba3 unterbrodjene 
3. föavitel bc3 6vatißelium3 Johatini3 ivieber auf. 
SBad) Berlauf einiger Btitiuten ivar ber Ataifer 
burd) ba3, iva3 er nun fab unb hörte, fo tief ße- 
rührt, bah er thräuenben 9lttße3 au3rtef: „3um 
erften 5Dial itt meinem ßattgen Sehen treffe id) hier 
Ceitte, bie bte Bibel leien fönnen." 

9(bfd)ieb nehmenb von ©enife, litb ihn Jofevh 
ttodi lebhaft ein, einen Befudi tm faiferliclieti Balaft 
tu ©ien gu madjett unb fiel) bort an beit ©rafeit 
von Salfenftein gu ivenbett, ber e3 ihm ßeiviü er- 
inößücftcn iverbe, ben Steßenten über bie thneit ivU 
berfaftrenben fflclißionobcbrütfmißen gu fvred)en. 
©ettife merftc fid) biefe Gtnlabutiß. ©ic ßroft maß 
aber fein Grftauneu ßeivefett fein, beiberGutbcrfuiiß, 
baü ber ©raf von Salfenfteiit fein 9(uberer ivar al3 
ber Aiaifer felbft! 

Beiveßt brüdte ihm ber Aiaifer bie Hnttbe; bann 
nahm er eine Bcrßamcntrolle, eine 9lbfd)rift be3 
Xolevangebifte3 enthaltcnb unb überreichte fie beut 
Bauer. Beim Gntrollen bcrfelbcn fattb ©ettift 
nod) einen 500 65ulbenfd)ein vor, mit ber Bemer- 
ttuiß: „Rum Bau einer Alave(le. ;i 9}odj heute 
träßt ba3 vroteftautifdie Bethau3 8atenftein3 an ber 
Borberjeite bie Jufdnift: „ATaiferlidje ©abe. w 


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Sonntagfdjul-Iektionen. 


215 


Sonntagfdjul=feklioncn. 


Srotftc* Birrtrljabr. 

Sonntag, 2 . Slpril 1882. . 2Rarf. 6,1—13. 

Die $lu8feiibuiig ber ^roölfe. 

I. Sergeljrfr (33. l— 6 .) ®. 1. Gr (am in 

lein 33aterlaub, b. h. itad) 9?asaretb. Ob- 
gleid) Sefii? nicht in 92a&aret6 geboren mar, batten 
leutc Glteru bod) vor feiner@eburt bafelbft gewohnt 
unb er war bafelbft erjogen Worten, fo baß er all¬ 
gemein für einen ©aliläer unb s JJa 3 arener gehalten 
würbe. Der hier erwähnte Pefud) in 92atfireth war 
ber jweite, beu er in feiner Paterftabt mad)te. Gr 
batte bei feinem erften Pefuche (iöfattb. 13, 54 ff.) 
bei feinen Öanbsleuten (einen ©laubcu gefunben, 
fonbern war mit ©eringfrf)äfeung unb PeradHung 
von ihnen bchanbclt worben. Drofebem macht er 
einen neuen Perfud) su ihrer Rettung, unb gieht 
ime hiermit bie Sehre, bafi aud) wir liniere Per= 
fliehe, Slnbere für ben Fimmel 311 gewinnen, ftet? 
wieberholen follen, wenn wir auch ein ober ba? 
anbere Mal abgewiefen worben finb. 

®. 2. Die Bürger von 9Ja3aretb erfennen in 
bem 3Birfen Sein zweierlei an, wa3 feine gbtt- 
lidie Minien beweift: feine gottlidje 28ci*beit, 
bie er, wie fie wohl muhten, in feiner mcnfdjlichcn 
Schule gelernt hatte, unb feine göttlidje SBunber-' 
Iraft. 

®. 3. Drofebcin hegten fie Porurtheile pegen ihn, 
wegen feiner geringen Slbfunft. Sit bie? nicht 
ber iUmmcrmann? 9Jad) ber Sitte be3 iubi- 
fchen Polfe? lernten aud) bie fRabbiner ein £anb^ 
werf, wie ba? Peifpiel be3 Paulu? beweift. (So 
liegt alfo in ber Pc 3 eid)nuug Sein al? bc3 Zimmer- 
mann’3 an fid> nidit? Peräd)tlicbe3. Den 9fa3orc- 
nern aber ift ber 3 iuimermann S c fu3 befannt al? 
einer, ber unter ihnen aufgewadgen unb fo wenig 
wie fie in bie Siefen ber rabbinijeben 3Bci3heit ein= 
geführt worben ift. — Mit Dtecht jdiiiefet man au? 
unfercr Stelle, bajj Sefu? vor feinem öffentlichen 
Sluftretcn ba? foaubwerf feine? Pflegevater? be= 
trieben habe, üföoinit hätte er fid) aud) fonft wäh- 
renb feiner breifjigjährigen ( 3 urücfge 3 ogeitbeit im 
(Slternhaufe befd)äftigen folleu? hierin offenbart 
fich eben wiebet bie wunbcrbarc Selbfterniebrignng 
be? Sohne? ©otte?, bah er c? nicht verfdunähte, 
bureb feiner ©änbe Arbeit fein Prob 311 verbienen. 
Damit hat er ba? &anbwert geehrt unb bem &anb= 
iverferftanbe ein ermuthigenbe? Peiipiel gegeben. 
Ueberhanpt hat ber £>crr allen menfrfiltchen Pe= 
fehäftiguugen feine thcilnehmenbe 9(ufmerffam(eit 
3 ugcivanbt. Da? ftifdierbanbwerf, ba? 2Bcrt be? 
Säemanu’3, fogar ba? 33erf’be3ttnaben, ber einen 
Sperling vom Dadie fd)iejjt unb ba? Spiel ber 
ttinber auf bem Marfte hat er beamtet; aber in 
allem crblicfte fein auf ba? .frimmlifdie gerichteter 
Seift ein 3 lbbilb ber ©eheimniffe be? Reiche? ©ot= 
te3. Der ookn ber Maria u.f.w. Pei ber 
Peüftänbigfeit ber Zuführung ber gamilienglieber 


ift e? atiftallenb, ba§ Svfcph nidit genannt ift. 
Man hat hieran? gefchloffen, baft biefer fdmu langft 
( 3 wifd)en bem zwölften uub brei&igiten Sahre Sein) 
geftorben war. 311? Pr über Sefu ivevben auch 
Matth. 13, 55 Safobu?, Sofe?, Suba?unb 
Simon genannt. 9?ach gewöhnlidier Einnahme 
ivaren biefe „Pvüber Sei«" Sohne be? $11 e 0 p h a 3, 
nad) beffen gtob aber von Sofeph, bem Pflegevater 
Sefu, (ber nach Gufebiuä ein Pruber be3 ttlcopha? 
war) aboptirt worben. Sie wären bemnacb nur 
Slboptivbrüber be3 &errit gewefen. Die hier 
erwähnten Sdjwefteru Sefu fchemen in 92a3arcth 
verheirathet gewefen 311 fein unb barum nid)t an ber 
lleberfieblung ber Familie nad) $?apernaum Sheil 
genommen 311 halben. Sie ärgerten fid) an 
ihm au3 flemftäbtifdiem, neibifdiein Unglauben, 
weldier ba3 ©rohe al3 ba3 9?ahe, menfdilid) Per- 
traulid)c nicht 311 fafjeit vermag. 

®. 4. ®a 3 Sprüdiwort: IS* i n Prophet gilt 
nirgenb? weniger al3 in feinem Patern 
la nbe, bezieht fich auf ba3 Pormtheil be3 gemeinen 

2) 2enfd)enfinne3, ba§ au3 ber^iähe, au3 ber A>eu 
math, am (Snbc au3 ber S) 2 enfchheit felbft nid)t 3 
©ute3 fommen fonne. Dfcfe? Porurtheil hat 311 
allen jenen Svftemen geführt, ivclche einerfeitö ben 
©ottmenjdjen en tmenfd) liditen, antererfeit? 
ihn cntgottlid)ten. 

®. 5. Gr (oiiute bafelbft (ein SSunber 
thun. Da3 SBunbcrthun Sefu fefet ben fölauben 
ober ba3 Pebürfniü be3 ©lauben? vorauo. Unb 
pbfdmn Ghriftu? felbft biefe? Pebiirfnift erweeft, fc 
fett baffelbe bod) Gmpfänglidifeit voran?, eine ge= 
wiffe_ 3lufrichtigfeit unb Umgebung, iveldie ben 

3) 2cnfcben vor ber Perhärtung im Unglauben be= 
wahrt. Sehr lehneid) ift in biefer Peüebung bie 
PJatth. 17, 14—21 beriditete Gfefcbidite ber Teilung 
jene? monbfüd)tigen Knaben, weldien ber fiwrr erft 
bann gefunb madien fonnte, al? e? ihm gelungen 
war, ben smcifelnbcu Pater 311 m ©lauocu ober 
wenigftcn3 sunt ernften ©laubenwolleu 511 füh= 
ren. Söie viel verloren biefe fNajarcnev burd) ihr 
unglüdlidie? Porurtheil gegen Sefum! 38ie viele 
firanfe hätte er unter ihnen heilen, ivie viele fersen 
beglüefeu fönnen, wenn fie ihn beffer aufgenoinmen 
hätten. So aber fonnte er nur wenig: itranfe ge¬ 
funb machen, weldic im ©laubeit bei ihm A>ülfe 
fnd)ten; beim fie follteu ba3 Unrecht, ba? ihm von 
ihren Mitbürgern 3 ugefügt würbe, nid)t entgelten. 

®. 6 . Gr verWilliberte fid). Sn Äcaper= 
naunt verwunbert er fich über ben ©lauben eine? 
heibnifd)cn .^auptmamr?; hier über 1 ben Un¬ 
glauben feiner 8anb3leutc. Dort freut er fiel) 
über ben ©laubeu, hier trauert er über ben Un¬ 
glauben ber 2Menfd)en. Dafj ber &err fid) über= 
haupt über Greigniffe, bie ihm in feinem Vebcn be= 
gegnen, verwunbert, fleht mit feiner©ottheit 
in feinem ©iberfprud), wenn wir nur beu \echten 
Pcgriff von ber Mcnfchiverbung haben. 

II. SieÄMIfr. (P. 7-13.) ®. 7. Unb et 
rief bie^wolfe 3 U fid) u.f.w. Die hierer= 


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216 


$onttta<)rd)itl*£eliti0ttnt* 


wähnte 9(u3fenbunß ber gmelf 9C^ofteC ift biefelbe, 
n>ctcbe 10 ausführlicher flcfd)ilbert wirb. 

3M3ber hatten bic fünfter bic gehre $eju ßehort 
mtb feine SBunber ßejehen; fie batten cmpfanßen, 
bamit fie wieber neben füllten, fie batten ßcleutt, um 
wiebet lehren gu foulten. ®er ©err fenbet te gwei 
u nb 3 n> e i. ®ie3 ßefdjah, bamit fie ciuaitbcr ße* 
nenfeitin aufmuntevn tinb ftärfen tonnten (ocrßl. 
Sreb. 4,9) nnb bamit alle Sache auf gmeier 3cuflen 
5Kuitbe beruhe. So feilen fieft and) tu unjereu 
Saßen bie Srebifler be3 6uatiacliuiit3 an einaitber 
aitSd)lie&ett guut nenciifeitinen ©eben unb Nehmen. 
®ie eißentlkhe gebcnSaufflabe ber ^üitßer 3 efu mar 
bic 3erft6ruttß ber 2Bcrfe be3 XcufelS; baber wirb 
fchon hier bic Seufelau3treibuiifl hcjonbcrS beroor* 

S ebofceit al3 SeweiS bafür, baft ben ^fuißcrn bie 
*raft gur 5lu3führunß ihrc3 23erufe3 nid)t fehlen 
folle. 

®. 8 ttttb 9. Oer eiaentlübe Inhalt be3 in bic- 
feil Serien enthaltenen ©eboteS, befielt einzelne 35c- 
ftimmunaen in 5Matthäu3 unb 8ufa3 etwa3 oer* 
fd>icbeu lauten, ift ber ©ebanfe: fie füllen ficO niibt 
mit Unnöthißem befdtwercn, fonbern ihre 9Riffiou 
an treten, wie fie neben unb ftehcit. Oer verbotene 
Sorratb fchlieftt: ©elb, S oeife unb ff leibuitß 
in ficb; bie brei in flemohulidieit fallen nothwen* 
bißften Seifcbebürfitiffe. So ftellte ber mlofer. ber 
felbft nicht batte, wo er fein £>aupt binleate, feine 
^üitßer auf ben Stanbounft be3 reinen ©laubcit3. 
5113 Arbeiter ®otte3 haben fie oon ihn ihre 8eibe3* 
nothburft gu erwarten, Oie 5lbfid)t be3 .fterrn war 
babei: ») baft bie ^ünrfbt febon gu feinen gebgeiten 
an bie (Srtraßiinß ber Strapageit ßewobnt werben 
füllten, welche fie fpater in ber vtuSiibuitn ihrc3 
2lpoftelamte3 burdjgiiiitad)en hatten; b) baft ihr 
©laube unb ihr Sertrauen auf bie Sorfehtuifl ©ot= 
te3 ßeftärft werben füllte. 

®. 10 mtH 11. Oer £crr erwartet, baft feine 
3 finner überall geute fiuben, welcl)e fie willtominen 
heifteit. 6 r oerforacb einen Sropbctcnlohn bem, 
ber einen Propheten aufnimmt unb fiebert beiten 
feine ©Hilft gu, bie ben Seinen and) nur eilten 
Sedjer falten 2Baffer3 reichen. Oie Scrwcrfuiiß 
be3 Süaitaelium3 aber unb bie 5(u3ftoftunß ber So* 
ten beffelocit brinat geitlid)e3 uitb ewifleS 23eb. 
Oa3 (Soaitnelium bietet eiit ewiße3 geben an. ?ift 
biefe3 oerlorcn, fo ift alle-S oerloren. Oer Sefchl 
au bie dünner, au Orten, wo fie feine Aufnahme 
fanbeit, ben S ta u b uoit ihren ftüßcn abgu* 
f ch ft 11 c l n, enthalt eine 5(ufpieluna auf einen be* 
faitnten ©ebraud) ber 3 üben, meldje guitt 3 cid)en 
ber Seraebtunfl ber Reiben, ben Staub ooit ihren 
ftüfteti fdjütteltcn, wenn fie au3 betreiben ©rengett 
tauten. ®ic 9lpoftel begeicbnctcu bcmitad) mit bie* 
fer fotnbolifd)en &anblitnß bic Orte, weldjc ba 3 
ffioancielium nicht aitnabmcn, al3 nid)t mehr gu 
33racl aehöria. 3»r felben 3dt flaben fie ba3 
3euflitift: l) wir nehmen nid)t3 mit von euch, 
brechen bie ©emeinfdjaft ab; 2 ) wir haben nid)t3 
oon euch begehrt, nicht ba3 Sure, fonbern eud) felbft 
aefitcht; 3) wir finb rein au eurem 33lute. 3hr 
felbft feib Sdnilb an eurem Serbcrbeit. 

63 wirb Sobotit unb ©omorrba er* 
träßlichcr eraebeit. ^eßrofterbieoerfebmäbte 
©eilSoffenbaruitß, befto arbfter auch bie Sünbe. 
®a3 fianb ber Sob ottter batte nur ba3 fdtwache 
3cufliti6 8ot3 feitncn flelentt; aber hier ift mehr 


bentt Cot. 3Mit ber Serfcbmähmtfl be3 6 oanae= 
liutn3 erreicht bie Sdnilb ben hbchften @ibfel( s B?atth. 
11, 20; 8 uf. 12, 47). SSeld) ein furd)tbarc3 ©e= 
rid)t wirb cinft über bie tobten Gbriften erflehen, bie, 
im hcllftcn gid)te be3 6oanflelitiui3 waitbehtb, ben= 
ttod) Ghriftum unb feine ßrlofuiifl verwerfen! 

®. 12 itttblS. Sie brebiflten, ba 6 u.f.w. 
Sie vrebiflten ttid)t nur bie gehre oon ber 
Sujjc, fonbern ihre ßangcSrebiflt oont ftimtneU 
reid) batte ben 3 ^>ecf, bei ihren 3 uh 6 rcnt Sufee, 
b. i. Sinne3änbcrunfl, beroorgurufen. 9hir ben 
Sußfertiflen wirb bie Seliafcit oerheifeeit, blo3 an 
beiten, welche über ihre Süitbeit flbttlich betrübt 
finb, fantt ber ßrlöfer fid) al3 5lrgt ertoeijeit. ® ie 
S a I b ti it a mit Oel war bei ben ihanfenbeilunfleit, 
wcldje bie Äpoftel oollbraditen, nidit ba3 Mittel ber 
©eitcfunfl, fonbern nur ein äu6erlid)e3 3eicben; 
beim ba bie©cnefuttfl berÄraitfeit nid)t erft ttad) 
unb ttad), fonbern alfobalb erfolflte, fo war e3 letdn 
gu erfeittteit, baft bie ffiirfuitfl nid>t oont Oel her« 
fomitte. ®ie Oeljalbunfl feilte finnbilblidj bie 
^cilfraft be3 ©cbctc3 barfteüen. 

2i#pofition. ® ic 9lu3feitbunfl ber 3wblfe. 

1 . ^hr 3wetf; 3 erftöruiiß bc3 Satan3reid)e3. 
Ser3 7. 

2 . ®ie ?(ti3rüftttttfl ber ^tlttfler: ffein 
©elb, fein 33rob; bafleoen eine 51nweifuitfl auf ihren 
rcidjett Sater im Fimmel. S. 9. 10. 

3. 35erhaltunfl3maftreflelit: Sleibet, wo 
ba3 Goaitflelium 5lufnahme finbet; wo baffelbe oer= 
werfen wirb, bred>et bie ©emeinfd)aft ab unb über* 
laffetbieUnbuftfertiflen bem©erid)te@otte3. 9S. 11 . 

4. ® er ßrfolfl ber ^ üitfler. S. 12. 13. 


Sotmtafl, 9. 2(pril 1882. 9Rarf. 6,14—29. 

$et £ob ^o^annt^ brö Xäiifetö. 

I. 2>n 6iubrmf ber SBirffamfcit 3rfn auf ^ero* 

M fS. 14—16). £>erebe3 ber ©reftc, ber 
SMerccr ber bethlebentitifcben fiinber, batte oen fet* 
neu 10 SBeibcrit folflcitbe fiittber: 1) ©erobe3 
UJ b i 11 i 0 P u 3, ©eittabl ber &erebia3, bie ihm fein 
S>albbruber ©erebe3 21utioa3 entführte (29?atth. 14, 
3). 6r lebte al3 reid>er Srioatmann. 2) 5lrd)e* 
l a ti 3, ttad) feiite3 Sater3 ®eb 6tbitard> oen 3ubaa 
unb Satnaria. 3) ßerobe3 5lntipa3, ober 
^erobe3 II., Setrard) oon ©aliläa unb Saräa, 
würbe im 3abre 39 abflefefet unb mit ber £>erobta3 
be3 ganbe3 oerwiefen. 4) S h i l i 0 0 u 3, Setrard) 
oon ©auloniti3,2;rachoniti3,Satanda unbSattia3. 
5) 9lriftobulu3. ®er in nuferer geftiott er* 
wähnte ff ott ifl ©erobe3 ift ©erobc3 5lnti* 
0 a 3. ®eit Jitel ff ö tt i fl ßebrattdd 9Warfu3 nath 
5lrt berauben, u>abrenb bie Seiner btc Segeicbnunfl 
Setrard), b. h* Sierfüvft, bramhten. 

®. 14. ®ie SBirffätnfeit ber 5lpeftel, welche 
3|efti3 au3flefattbt batte unb welche nicht nur ore* 
bißten, fonbern audv tuandterlei SBuuber tbaten, 
muftte ben Ütuf ßbrifti aitfterorbentlid) oermebreit 
unb bie 5(ufmerffamfeit auch ber ferner Stebeitben 
auf ben Ferrit binrid)ten. ®ie Gntbauotunfl be3 
3obamie3 toar oorßefallen, währenb bie 2lpoftet 


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SonntagfdjuUJPrfetionfn. 


217 


auf ihrer erften SOiijfionSreife begriffen waren. ©er 
#erolb beS 9KeffiaSreidteS trat pom SAatiplafee ab, 
gerabe alS ^cfuS feine SBirtiamfeit erweiterte. 

8 . 15. ®aS Bolf erflärte 3 cfum für 61 i a 8 , 
welcher nad) ben ©rwartungen ber iüblichen SArifh 
gelehrten (ogl. fDlatth. 17,10) pot ber Aufrichtung 
beS mefitanifAen 9teid)eS lieber auftreten foüte. 
Anbere Sagten: er feie irgenb ein Anbcrer ber 
Propheten, immerhin aber hielten fie ihn für 
einen Bropheten, waS ftfmn nichts ©eringeS war, 
ba bie ©abe ber SBeiffagttng feit 400 fahren unter 
3Srael nicht mehr oorhanben gewefen war, unb baS 
ffiieberauftrcten eineS Propheten ba her ben Anbruch 
einer neuen, ber meffianifAeu 3 eit aiueigte. 
UebrigenS fcheint hoch in ber SKeinung beS BolfcS 
über bie Bcrjon 3 efu bereite eine ©erabftinunung 
eingetreten 311 fein; beim am Anfang hielten ihn 
Siele für ben BicfÜaS felbft. 

8 . 16. .frerobeS erflärt auf bieftunbe oon bem 
SBirfen ßhrifti: 68 ift 3 oha nne 8 u. f. w. 
68 ift ba 8 bofe ©ewiffen, ba 8 au 8 bem 33ierfürften 
rebet. ©eine Auflagen unb Befdmlbigungen werfen 
in ihm ben ©ebanfeu, 3efu8 fei fein Anberer, al 8 
berSäufer, ben er enthauptet habe, 
unb ber nun mit göttlicher SBunbermacht auSge= 
riiftet, rnicbet oon ben SEobten auferftanben 
fei — vielleicht, um iefet auch auf fern fc(mlbige 8 
$aupc bie ocrbiente Strafe 311 bringen, ©r hatte 
ben Säufer gefürchtet, So lange berfelbe noch lebte, 
weil er furchtlos wie ein oerförperteS ©ewiffen feine 
Sunbcn gerügt hatte, unb nun fürchtete er fich noch 
mehr oor bem Sobten. 9®er ben ^rieben feine 8 
©erienS bewahren will, nui& fein ©ewiffen unbe- 
Äerft erhalten (Apg. 24,16). UebrigenS seigt un 8 
baS Bcijpiel be 8 föerobeS, ba& @ewiffcn 8 uoth unb 
@ewiffen 8 fchrerfen nocl) feinc 8 weg 8 nothwenbig eine 
wahre Belehrung jur Solge haben. 

II. ^ohaniir? im ©efongmfe. (33. 17—20). 3n 
bem nun folgenben AbfAnitt berichtet ber ©oangelift 
nachlrüglicb über bie ©efangennehmung unb $in= 
richtnng be 8 SäuferS burcl) öerobeS, um 3113 eigen, 
warum ©erobeS ben &errit für ben auferftanbenen 
3 ohanne 8 erflärte. 

8 . 17 — 19 . ®ie oben erwähnte ©ntführung ber 
ßerobiaS war bie Beranlaffung 3 ur ©efangen- 
jefeung be 8 SäuferS. ©er treue Bufeprebiger Stellte 
bem 33ierffirften feine Sünbe unter Augen. 68 war 
bie 8 fein geringe 8 ÜBagftürf. Johannes fonnte 
nichts AubereS erwarten, alS ba& er burA feine 
Strafprcbigt ben Qoxw beS £>erobeS unb bie Madie 
ber ^erobiaS auf lieh hcrabrufe. Aber er trofet lie= 
her ieber©efahr, al 8 bah er feiner Pflicht untreu 
wirb — ein nachabmungSwcrtbeS SSorbilb für alle 
©iener beS aöttlidien 3BorteS! 

©ie Strafe bc 8 erwrnten dürften folgt ber ffühn- 
heit beS BugprebigerS auf bem ftufee. föerobeS laut 
ihn feffeln unb in ’8 ©efängnift werfen. 3 n 
berfrelfenfefte BiadjäruS, nahe bei ber 3Rün= 
bung be 8 3 «?rban 8 in’S tobte 3)?eer war e 8 , wo ber 
treue ©crolb bc 8 3RcffiaSrcicbeS nun im fferfer lag. 

8 . 20 . & e r 0 b i a 8 war ber bofe ©eilt, ber bem 
Sierfürften unabläffig in ben Ohren lag mit ber 
Sorberung, an bem läftigen 3Srebiger blutige Mache 
311 nehmen. Aber föerobeS fürchtete ben 
hanneS, et beforgte, bafe biefer heilige Bfann, 
wenn er ihn tobten liefee, Uuglürf über ihn bringen 
möchte, ©aber perwahrte er ihn Pot ben An¬ 


schlägen ber föerobiaS, bah fie ihn niAt 
tobten fonnte (31. 19). ®ie unocrföbnliAe 
&ärte biefeS ehebreAerifdien 3Beibe8 erflärt fiA 
leicl)t. 6ine8thcil8 trieb fie baS ©cfühl ber Madie, 
anberntheilS aber bie SurAt, ihr nunmehriger ®e* 
mahl möAte boA in golge ber ©rmahnungen be8 
3ohanneS anberen SinneS werben unb fiA poii ihr 
trennen, ©iefe Befürchtung war um fo natürlidier, 
ba ber gercsch te unb heil ige SOI a n n offenbar 
einen tiefen ©inbrurf auf ben Bierfürftcn maAte. 
BJahre Gharafteraröfee imponirt auA ben ©baratter^ 
lofen unb gerabe biefen am meiften. föerobeS fonnte 
bem Säufer feine ©oAaAtung nicht Perjagen, er 
hörte ihn gerne, lieh fiA manAeS oon ihm 
fagen unb f olgte ihm f ogar in Pielen © in = 
gen. Aber feine föauptfünbe läfet er niAt unb will 
er niAt laffeii. Unb biefe Sünbe ift bie fiette, an 
welcher ihn ber Satan gebunben hält unb unauf= 
haltfam oorwärtS reifet, erft sunt 9)?orb be8 heiligen 
©otte8mannc8 unb bann in ben Abgrunb ber Ber= 
bammnife. ©er 9)tenfdi fann in „fielen ©iugen" 
bem SBorte ©otte8 gehorAcn unb borf) Perloren 
gehen. „®er nid)t abfagt allem, waö er hat, fann 
niAt mein jünger fein." 

III. 3ohamie4 2ob. (33.21—29.) 8.21. ®a8 
©eburtSfeft be8 &erobe8, an welAem biefer 
feinen ©rofeen (©ofleuten) unb ben Selb- 
oberften unb 93ornehmen be8 galiläiieben ?aube8 
ein © a ft m a h l gab, bot ber £erobiaS eine güuftige 
Gelegenheit (günftigen Sag) jur Ausführung ihrer 
AbfiAten gegen ben Säufer. 

8 . 22 unb 28. SBahrfrfeinliA hatte ©erobiaS 
felbft ben San 3 bc 8 30?äbcbenS peranlafet, um bauiit 
bie Anwejenbcn 311 überrafAen unb ben günftigen 
Augenblick be8 enoarteten 3?>eifaü8 3 }tr ©rreiAung 
ihrer blutigen AbfiAt 311 bennfeen. ®ie8 gelang ihr 
nur 311 wohl. ®a 8 3 >erfprechen be 8 ©erobe 8 
war nicht nur ein unüberlegtes unb unbejonncneS, 
fonbern and) ein hod)ft übermüthigeS unb prahle= 
rifAeS, ba er alS 95afall beS römifd)en fiaiferS, ber 
nur Statthalter über 3 wci 8 ropiii 3 en ^ubäaS war, 
fein halbes Äönigreid) perfAeufen fonnte. 

8. 24 ttttb 25. 3Jon ber radigierigen Slfutter ba^ 
311 angeftiftetr forbert baS ®iäbAeu baS © a u p t 
SfohanniS beSSäuferS. Sie ging alSs 
halb hinein mit ©ile. ©ie&aft, mit weh 
Aer baS 3RäbAen bie G5eu>ährung ihrer üMttc for= 
bert, 3 eigt, bafi fie niAt beffer war, alS ihre3Jiutter. 

8.26—29. Um beS ©ibeS willen, ©er 
ffrupulöfen Aditung oor feinen gottlofen ^Bcthcue- 
rungen lag niAt bie fturAt ©fotteS, fonbern fein 
föerrfAerftoU 311 ©frunbe. ©in ©ib, welAer bie 95e= 
gehung cineS 35crbred)en8 oerfproAen hat, fann in 
©otteS Augen nidit oerbinbliA fein, ©er 50ienfA 
maAt RA noA Strafbarer, wenn er ein folAeS 3>er- 
fpredien hält, alS wenn er eS brid)t. Unb berer, 
bie amSifAe fafeen. ^erobeS fürAtcte, oon 
ihnen ein SAwäAüng ober fteigling genannt 311 
werben, unb feine falfAen Begriffe oon ©hve hielten 
ihn ab, ben 3Borb 311 oerhinbern. So fiel Johannes 
ber MaAe ber ehebreAerifdien ©erobiaS 311 m Opfer. 
Sein Seidmani aber würbe, wie eS fAeint, ohne 
SSiberfpruA feinen 3 fingern 3 ur Beftattung 
überlaffen. — ®ie gan 3 e Seftion legt unS nod) foh 
genbe ©ebanfen nahe: 1) fterob^ war ein 3>or= 
läufer unb ©enoffe beS BilatuS barin, bafe er bie 
UnfAulb unb SBürbe beS SohanueS erfennt unb 

16 


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218 


Somita$fil|tiUffktionen. 


bod) nicht bcn 2J?uth hat, tön frei gu flehen. 2) 
robia3, bie intvifliiantc ©uhlerin am ftürftenhof — 
ein meltßefd)id)tlid)o3 8cbeu3bilb. So and) bie 
Sängerin. 3) Sie fatanifcl>e 99iad)t be3 ©ojeu fpie- 
aelt fid) hier in einem furchtbaren fton traft: Sa3 
©attpt be3 ßrbfeten ©ufeprebigerS ber alten SBelt 
wirb Don einem i$raelitifd)en durften einer 3übin, 
bie an einem iSraelitiuhen &ofe nad) flried)ifd)er 
SBeife taugt, gitüt Honorar flefleben! 

Dtetyofition. SieiDiadjt unb bieOhnmadjt 
be3 ©emiifenS. 

I Sie ©('acht: 1) 63 erinnert treu an ba3 oer= 
übte ©bfe, 2) fällt ein ßetrcueS Urtheil barüber, 
3) beftraft e3 ftrenfle. 

II. Sie Ohnmacht: 63 ift aufeer ©taube 1) ba3 
©erßatißeite tinßefd)cben gu machen, 2) bem 2J?en= 
fcbcit beit Siefl über bie ertannte ©ünbe gu fleben, 
3) ihn vor neuen nod) ßrofeereit ©ünben gu be= 
wahren. 


©onntafl, 16. Slpril 1882. 9Karf. 6, 30-44. 

2>ic ©priinug bet güiiftaufciib. 

I. ®frOrt. (iö. 30—32.) ». 30. Die 91Veitel 
o e r f a m m e 11 e it fid), von ihrer ©fiffion gurüd- 
fehrenb, mieber um beit ©erru unb oerfüubißten 
ihm, maS fte ßethatt unb ßelebrt hatten, 
©rebißer beb 6oauflclium3 fiitb ihrem Ferrit oer= 
antwortlich für ihre &aitbluiißeu wie für ihre 
l'ehre. ©ie feilten baher toohl 3ld)t haben, bafe fte 
nid)t3 thuit ober lehren, ma3 toiber U)re3 ©feifterS 
SBillen ift. 

®. 31. Unt bcn foeben Don ihrer erften ©?iffion3= 
reife guvücfflefehvteu 3üitßcrn ctma3 9tuhe gu ßon= 
neu, führte fie ber &err in bie 23 ü fte; beim ber 
iJubranß be3 ©olfeb- tear fo ßrofe, bafe bie 3ünßcr 
nid)t einmal 3cit fattbeit gu efjen. stellt ©ienjch 
ift laitfle einer uniintcrbrod)encn, anftreuflenbeu 
Arbeit fähiß; ßebicterifch ftelH fid) gnlcfet ba3 ©e- 
bürfitife ber sHuhc unb ©vboluitß ein. Ser &err er= 
femtt bieje3 ©cbürfuife an; er führt feilte 3üitßer in 
eine 23 ft fte. ©ine 23üfte mar bie eingißc uiuhc- 
ftättc, welche ;V)ii3 für fid) unb feine 3üitßcr hatte! 
— 23ie c3 fdjeiut, mürbe and) ßerabe uin biefe 3eit 
bem Ferrit bie trauriße ©adniebt Don beut Sobe be3 
Säitfer3 überbrad)t, eine ©aebridjt, meldje ihn mit* 
beftiutmeit mochte, auf eine Beitlanß fid) in bie (Sin- 
fantfeit gurütfgugiehcn. Sie „23üite", in tocldicr 
bie ©Dcifuuß ftattfanb, mar eine -unbewohnte ein= 
farne ©eaenb am Ufer be3 ßalitäijdjeu ©icere3, wo= 
hin fich ber J&err mit feinen Süußcvn gu Schiff beßab. 

II. ®olf. (©. 33 unb 34.) Sie ©olf3= 
häufen, meldje beit foerrn oottt tfaitbe abfahren 
faheit, erriethen ba3 Biel feiner fiabrt, unb eilten 
unaufßeforbert ihm voran nach bem einjamen Orte 
aut ©ectifer. ©ei feiner Sanbunß fiubet baher ber 
$err fdwtt mieber eine ßrofee ©feitße 2>olf3, ba3 
fehnfüditiß feiner harrte. Unb c 3 i a m m e r t e 
thit ber fei ben. Sie3 begieht fich nicht blo$ 
auf bte fttanfen, jonbern auf bie ©ieitße überhaupt, 
wie an3^em,3ufa^ hcroorßeht: beim fie marett 
w t e © ch a f e, bte feinen Wirten haben. 
Merbittßä erreßten fdjeit bie mitßebrad)teu ftraufen 


(3Ratth. 14, 14) ba3 ©Mßcffthl 3eiu; aber mehr 
nod) ergriff ihn bie ©eßierbe ber ©ieitße nad) bem 
2Borte ©otte3 unb bie ßrofee ßeifüße ©erfommenheit 
ber Uitßlüdlicbeit. Sefehalb liefe er fie gu fiel), ait= 
ftatt feiner aitfäitalidien Slbficht ßentäfe fid) in bie 
©infamfeit gurüagugiehen, heilte ihre ftraufen 
(©?atth. 14,14) unb Drebißte ihnen ba3 SBort Dom 
9ieid)e ©ottc3. 

III. 2ie umitberliarc Sjitifmtg. (33. 35—44). 
Surch ba3 SBunber ber ©pcifuitß ber Sünftaufcnb 
bemcift ber .^err feine DoUfontntene $cvrfd>aft über 
bie 9?atur, ma3 mit gum ßrmeife feiner wahrhafte 
ßen ©ottheit ßehört. 63 fittb mancherlei ©erfudje 
ßentadjt umrbcit, biefe3 SBunber natürüd) gu er^ 
flären. Sßadj bem ©eibelberßer ©rofeffor ©aulu3 
follba3 ßangeSBunberbaratif gurüdguführen fein, 
bafe3efu3 btirch fein ßaftfreunblid)e3 ©eifbiel bie 
©elaßertnt veranlagt hätte, ebeitfall3 ihre mit- 
ebraditett SSorräthe Drciöjiißeben. Slubere haben 
ießrgähluitß au3 einer urtvrüitßlidjett ©arabel ab= 
ßeleitet, mieber anbere haben fie ftmtbolifd) ßefafet 
unb eitblid) ift fie gitr ©aße (ü)JDthu3) ßeftemDelt 
ttttb au3 alttcftamentlichen ©orbilbertt (2.3)iof. 16, 
1; 2. fioit. 4, 42 ff.) uttb meffianifcbeit 33olf3^ 
Dorftellunßett herßeleitet worben (Strang). Sille 
biefe ßrfläruitßen beruhen auf ber ©orauofefeuitß 
ber Unmößlid)fcit einer fdjöDferifdjcn 6inmirfuitß 
auf tobte ©toffc, eine 33orau3jefeung, welche für 
ben, ber au einen allinädjtißen jjerfcnlicbcit ©ott 
nnb an bie wahre ©ottheit ßhrifti ßlaubt, feine 
©cltmiß hat. Schon iut alten SEeftamcnt werben 
ähnliche Sßunber crgählt. ©lifa fpcift mit 20 ©ro= 
ben hunbert ©icufchcit (2. fibit. 4,42). Ser SBittwe 
gu©arepta mud)3 Ocl unb SOiehl gu (2. ft6n. 4, lff. 
Dßl. 1. ftbit. 17 ff.); SOJanita uttb SBadjtcln nähr¬ 
ten bie 3^aeliten in ber fflüfte. 3Sa3 bort ber 
hiinntlifdje ferne ©ott that, ba3 mirftc hier ber 
fiditbare nahe ©ott. 

®. 35 — 38. Sic ©pcifuitß ber huitßernben 
SDJenßC ßcftaltctc fiel) für bie^ünßergu einer 8iebe3= 
unb ©laubcitäprobe. Sie erftere beftanben fie 
befier al3 bie lefetere. Slu3 ©^itlcib mit bem ©olf 
forbern fie beit ©errn ßcßen Slbeitb auf, bie ©cr= 
fatumeltett gu entladen, baniit fie in bie ätfärfte 

Ö ttub fid) ©peife fanfen fCmitteit. 6r aber 
gu ihnen: ©ebet ihr ihnen gu cf feit. 
Surch biefe Söorte wollte ber frerr bie ©rmartunß 
cine3 5ßtutber3 bei beit 3ünßcru ermeden. Oft 
fdjeint ber SBillc ©ottc3 bem v Uien}cben ßang be= 
frembenb unb unausführbar; aber ©ott hat im 
3>orati3 febon für alle3 ßeforßt unb hilft felbft mit; 
ja er thut bie ©auptfadje. @o hier, ©ollen 
w i r b c n n h i n ß e h c n. Ser ©efehl beb .§crrn 
befrembet bie Süiißer. ©ie föitnen nicht boßreifen, 
loie ber ßroften ©ieiiße mit bem SBenißrti, ma3 fie 
gu ßcbcit Dennoßcn, ßeholfen werben foll; baher bte 
^•raße. 910er e3 follte ttod) ßang auberS fomuten. 
Siid)t gmeihunbert ©rofehen toerth ©rob, nein ber 
ßeriitßc ©peifeoorrath von fünf ©robeit unb gmei 
gifd)en foll gur ©ättißtutß be3 ©olfc3 auSreicheu. 

®. 39 iinD 40. Sein aufeercit Slitfehen tta^ hat¬ 
ten bie 3üitßer 3?cd)t. 3hrc 4>au3haltuttß war nur 
für 12 ©erfonen cinßerid)tct, unb nun fatueit 
f ü n f t a u f e n b Seilte. ja, faßte ber ©eilanb, 
lafet fie nur fich jefeen. ©ie waren ßewohnt, bem 
Ferrit gu folßeit, wenn fie ihn ßleich uid)t oerftan« 
ben unb nicht wufeten, wa3 er wollte, ©ie uiiifeten 


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SomttagfdjuUfektionett. 


219 


ftdj breiit fttiben, mufften bic Seute nieberfiben taffen 
unb ihnen m effcit neben baburd), bafj fid) ba3 
SJolt in oevfd)icbenen ©rupfen lagerte, mürbe 
bei ber 9lu3thcilung ber ©peife alle ©ermirruug 
oerhütet. 

®. 41. 0?r banftc unb brad) bic©robe. 
Mach iübifcher ©emohnheit mürbe oor bem Anfang 
beriffahUeit ein ®anfgebct gefprocheit. Gbriftuä 
pertritt hier bic ©teile be3 ßau3oater3 unb fein 
©ebet ift im Pollften Sinn bc3 ©ortc3 ein ©un* 
berfegeu, buvd) meld)en bie Siebcothat ber göttlidjen 
9lllntad)t pevutittelt mirb. ©ie ber ßevr hier bie 
©peife buvd) ein ®anfgebet meiht, fo follen and) 
feine 3unaev thun tmvd)ba3 Sifdjgcbet, einge* 
benfbeffen, bentad) feiner ©ftteaüe3, ma3ba lebet, 
fättiget mit ©obigefallen. Sttur ba3 pevnunftlofe 
SEhier unb ber ßeibe, ber feinen ©ott unb ©erfor= 
ger nicht fennt, mögen ohne ®anfjagmtg gentcfjeit, 
ma3 ber ßerr befdjeevt; aber nie feilten (Sbviftcn fo 
ftrafbarer Ungcvedftigfeit ficb fdmlbig mad)en! üRan 
bat bie-Svage aufgeworfen, ob bie Wahrung fid) in 
beit ßänbeit 3cfu ober ber JKntger oevinehvt habe. 
Ginigc Sd)viftau3leger finb ber 9(nfid)t, bafj 3efu3 
ooit ben Stoben ohne Untcrlafj brad) unb ba3 ?lb= 
gebrodene fid) mieber evfejjte. ®agcgen ift iebod) 
mit Wccbt cingemanbt worben, baft in biojem Salle 
bie 3*it Atir 9(ti3gabc poii ©robftüdeu unb Sifd)= 
thcilen für meit mein* al3 5000 9Meitjd)en fürJiefttm 
oiel m fuvA gemefen märe. ©ir haben un* baher 
ben ßevgang wohl folgeuberinaftcn ju beulen: ®er 
£>err fcgnetc unb nab bie ©vobe unb Sifthc beit 
Jüngern, mie fie waren, unb bann, mähvenb ber 
}lu3theiltmg berfelbcn, fanb bie munbevbave ©er* 
mebrintg ftatt, fo ba& fie für alle genug bvedten unb 
auetheilen tonnten. (§3 mar folcheS ben Jüngern 
öud) ein Sorfpiel thre3 lünftigen ®ienftc3 (9lpg. 
4, 35), unb nid)t allein fie, foitbern alle Wumefen* 
ben tonnten Reugen ber munberbaveit ©cvmehrung 
fein. Sein ©unber tonnte gemivft werben mit 
röjjerer Oeffentlidjfeit unb unter Umftänben, meld)e 
ie 3JJöfllid)feit eine3 ©etruge3 ooüftänbiger ait3* 
fchloffeu. 

8 . 42. ©ie aßen alle unb mürben fatt. 
Mit biefen ©orten ift ieber ©ebaitfe an eine bloße 
©dieinjättigung au3geid)loffcn. Sieber geuofi nach 
©ebürfinft. Ghviftu3 fovgt auch für bie leiblichen 
©ebüvfntffe ber ©einigen. 3Mait braud)t nicht pon 
ihm mcgAugehcn. 9lud) in ber©üfte tarnt er Stob 
Schaffen. ®a3 hat nicht nur feiner 3eit ba3 ©oll 
Israel erfahren, bem er ©rob Pont .öimmcl gab, 
lonbevn aud) heute itod) erfahren ba3 Saufcubc Pon 
®otte3linbern faft täglich. (Sr, ber bic ©ögcl unter 
bem Fimmel nährt unb bic Silieit auf beut Selbe 
fleibct, taitn ia unmöglich bie Seinen barben laffen, 
bie ihm oertraucit. ©ie ba3 ©olf hier pon ^cfu, 
aber au3 ber jünger ßanb bie ©peiic empfing, fo 
fließen auch uit3 bie ©aben ©otte3, bie hinintlifchcn 
mie bic irbtfdicit, burd) 3Menfd)eit nt; unb e3 ge^ 
Imbrt iin*3 baher, fomohl bem unfiebtbaren ©ober, 
al8 and) Per ftdUbarcn ßaitb, bie @otte3 9Bcrfteug 
ift, bantbar sti fein, ßicrauf beruht bie 3Jerpflidj= 
tung gur ®anfbarfcit gegen (Sltertt, ßehrer, 2Boht= 
thäter. ©ei ber SSertheilung gottlidier ©aben, 
Mitteloperfon feilt au btivfett, mie hier bie jünger, 
ift eine hohe (Shrc unb ©nabe. 

8. 43 tittfc 44. SQBie ba3 Uebrigbleiben ©emei3 
ber ©ättiguug unb fomit ber ©oUftänbigteit be3 


QBunberä mar, fo (ehrt ber ßerr hier burd) ba3 
© a ut m e I n b e r © r o <f e n bie Sugcitb ber ©par= 
fautfeit. ®ie gefammeltcit ©roden übcvftiegcn ben 
erften ©orrath bei äBeiteut. So erfchöpft fid) bie 
Siebe uidjt burd) Sieben, jonbent loächft pielinehr, 
iitbent fie giebt. ÜBie bie bungcvnbc ^eitge in ber 
SBüfte ein ©innbilb be3 ©?eu)d)cngefchlcd)t3 ift, fo 
bie munberbarc ©pcijuitg ein ©pmbol bcrßinläng= 
lichteit be3 Spangelittm3 jur ©cfricbiguitg aller 
©ebürfitiffe ber9Reitfd)heit. Ghviftu3 ift ba3 ©rob, 
ba3 allein ben ßungcr ber ©eele ftiücu faitn, ob* 
fdmit er ben natürlichen 3Mcnfdieit jo uitgeitügcnb 
fcheint, mie bie fünf ©robe unb jmei Sijd)e ,nir 
©ättigung ber großen ©olf3meitge. 

^iebofitiou. ®ie ©peiftutg beä ©o(fe3 
eine ßulfe in ber 92otb. 

I. ®a3 greße ©olt in berüBüfte ohne Nahrung. 

II. ©o bie s J2oth am grö&ten, ift bie ßülfe am 
näd)fteit. 

III. ®a3 ®aitfgcbet ift bie ffraft, bic ben ©egen 
bringt. 

IV. ®ie ©ättigung be5 ©olfeS. 

V. ®ic übrigen ©vodcit. 


Sonntag, 23. Slpril 1882. 5D?arf. 6,45-56. 

2>aä Sßanbdn 3;cfu auf beut äftecre. 

®er ßergaltg, ber in uitferer Seftion crsählteit 
©egebenbeit ift am beftcit folgenberntaften m per* 
fteben. ®ie jünger follten nicht bivett über ben ©ee 
fahren nad) Jcapernaunt, iocld)e3 allevbiitgS nach 
^ohanttc3 ba3 (efetc 3icl ber Sahrt toar, fonbertt fie 
follten bem ßerrn porauofahven an ber töüfte hin 
bi3 nad) bem nahe gelegenen ©ethjaiba ^uliaS 
(oberhalb ber 9Wiutbiiitg be3 ^orban), mofelbft fie 
ihn tn3 ©d)iff aufnehmen tollten. 9113 er nun 
nad) ©onncituntergang ba3 ©olf eutlaffen unb ben 
©erg erftiegen hatte, befaub fid) ba3 ©diiff fdmn 
mitten im See, miber ben ©illett ber jünger bahitt 
perfd)lagen, eilt ©pie( ber ©inbe unb ©eilen, meil 
ihnen ber ©inb Aiimiber mar. ®ic jünger arbei* 
toten nun Pergeben3 brei 9?ad)tmad)en hinburd) 
(alfo bi3 ttad) brei Uhr 50?orgeit3) ba3 ©d)iff mieber 
an bie öftlidje fiüftc m bringen, itadt bem beneid)* 
neten 8anbuitg3plab bei ©ethfaiba. 9lber alle ihre 
9(uftrengungcn mareit oergeblid). ©ie mürben im* 
mer meiter pon bent ©ercinigungopuitfte fortgetrie* 
ben, mährenb ber ßerr ihrer am örtlichen Ufer 
harrte. ®ie3 mar bie 91oth, mclche ihn brängte, 
feine ©unbermadit nt offenbaren. ®a3 90?illeib 
mit ben ringeitben SKcinnern, bie (Srhebuitg feiite3 
©efühlS über ba3 empörte 9Rcer, meld)c3 ihn oon 
feinen ©dichten fd)eiben mill, treibt ihn hinauf 
über bie ©ogen. ©o mirb ba3 ©ilb lebenbig er* 
greifenb unb ba3©unbcr bc3ßerrn ift ebenfomenig 
ein müfjige3 ©dtaumuitber mie irgenb eine3 feiner 
fWoth s unb Sid^3merfe. 

I. Ättf beut »erge (©. 45—48). 8. 45. ®ie 

©peifuitg befr Sünftaufenb hatte auf ba3©o(f einen 
aiifterorbcntlidmn Ginbrud gcinad)t, fo baft e3 ihn, 
nach ^oh. 6, 15, Aiutt ftönig madwn, b. h. a(3 
9Mcffia3 att3rufen mollte. ?|efu3 hatte baher, mie 
öfter, grojje üRühc, fid) bem ©olle ju cntjichen. 


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220 


Sonsitagfdjul^lefciumett. 


/ 


Dafj er innddjft feine jünger entfernte# hatte wohl 
feinen ©runb in ihrer ©otupathie für bie ^Beßeifte= 
rung bcS §8oifc-3. Diefe bilbete wahrfcheinlich einen 
bcnni&ten SBiberfprud) 31 t ber ©reuelthat be3 $cro« 
beS (ber ßinricbtuiiß beS SduferS) unb war baher 
um fo gefährlicher. 

®. 46. $Had)bcnt 3cfuS feine 3ünaer entlaffen 
batte, ftiea er auf einen V er g (nörblidj von 
VethfaibaSuliaS) allein, ba§ er betete. Unter 
beit vielen lieblidjeit Momenten in bent Scben 3 efn 
gehören gemi§ bieienißen mit sit ben lieblid)ften, nt 
wcldjen mir ihn anf einfamem 3Jcrge unb in ftiller 
92act)t im ©cbete erbiiden, mo er mit ©ott riitßt um 
baS öcil berer, bie an ihn ßlaubten unb ber Vfeitge, 
metd)cr er baS SBort ber Sßahrhcit verfünbigte. 
Sind) bicemal maven gemifj baS irreitbe Volf, baS 
ihn frinn Äoniß tnadjen wollte, unb feine Süttger, 
meldie fich immer noch nicht oon ben flctjcblühen 
SNeffiaShoffniuigen iftveö 3Solfc3 loSmadjcn fonnteit, 
ber ©eßcitftanb feinet ©ebetS. äöetdie mächtige 
Slufforberuna 31111 t fleifeigeit ©ebet im Verborgenen 
liegt in biefem Vorbilbe 3efu! SBeitit fclbft xjefuS 
bie ©title ber 92ad)t fud)t, um beten unb mit fernem 
bimittliidjen Vater umgeben au tönnett; mer bift 
bn, baft bu biefeS aUc3 nicht nötbiß 31 t haben 
ßlaubft? 

®. 47 uitb 48. (St fahr ba£ fie SKotb 
litten. SScitn 3efuS noch fo weit entfernt, auf 
unübcrftciglidjcn Vcrgcit 31 t fein fcfjcint, fo ift fein 
Singe boeb liebevoll auf bie ©einen geridfiet. (Sr 
ficht eS, wenn fie 9?otb leiben, unb fein 3 arteS SNit« 
aefübl labt fie nid)t berfudjcit über ibr Vermögen, 
©eben ibnen bie SBaffer an bie ©eele, ift eS ihnen, 
alS müßten fie ber SJotb erließen, bann greift er 
bclfcnb unb rettenb ein. SGBenn bie 92otb aut groß« 
teit, ift bie £)ülfe am nächften. Um bie vierte 
92 a d) t m a d) e (bie 3cit von 3 — 6 Uhr 2)2orgenS) 
fommt er 3 U ihnen manbelnb auf oetn 
3R e e r e. (Sr hatte feinen Jüngern einen rettenben 
(Sngel fenben, ober beut SBinbe gebieten tonnen, baß 
er ficb lege; aber er tbat eS nidit, er felbft wollte 
ihnen Stettung bringen. Die Siebe trieb ihn hinauf 
auf bie fchäiimenben SBogen, hinauf in ben ©turm 
31 t beit fleängfteten Jüngern, bie wohl gerabe iefet 
mit befonbercr ©cbuiiicht nach ihm. verlangten. 
Slber er fant erft gegen SMorgen, alS ihre SJoth auf'S 
fööchfte geftiegen mar; bann aber laut er. Darum 
vertage nicht, wenn bie &ülfe beS Öerrn einmal ver« 
licht, vertraue ihm nur, er wirb Dich nie verlaffett, 
meitu bu fein bebarfft unb nach ihm verlangft. 

II. Stuf Um Werre. (V. 49— 52J ®. 49. ‘Der 
&err manbelt auf ben SBogen beS SDfceereS; aber er 
fcheint an feinen Jüngern vorn ber gehen 311 
wollen. DieS gefchah, um ihre Slufmerffamfeit sn 
erregen, mobl auch um ihren ©tauben su prüfen. 
Die jünger meinten, er mode vorübergehen, mir 
aber iviffcn, baß er nid)t an ihnen vorübergegangen 
wäre; beim, um ihnen 311 helfen, war er ia gefoin« 
men. Der Slublicf ber erhabenen ©eftalt auf ben 
SOfeercStvogen erfüllte bie Jünger Slngft unb 
©chrecfen, fo baß fie laut auffchrteen. ©ie erfannten 
ben geliebten V 2 eifter nicht, fonbern hielten ihn für 
ein ©efpenft. DieS erflärt fich cinerfeitö auS 
ber Dunfelheit ber 92arf)t, anbererfeitS barauS, bah 
3efuS auf ben 23ogcit bcS SMecreS manbelte, maS 
einem SMenfrijen mit 55 leifci> unb Sein ia fonft un« 
möglich ift. Die Storcht ber Süiiger beiveift übri¬ 


gens, baß bie 3uben im Slllgcmeincn an eine ©elfter« 
weit unb an bie Sortbauer ber 9)2enfd)en nad) bem 
Sobe glaubten. DieSrage, ob eS ©efpenfter acbe, 
b. h. oh Verftorbcne noch auf ©rben ben SDJcnfchcn 
alS ©eifter erfdjeinen fbitnen, gehört eigentlich nid>t 
hierher. Doch möd)ten wir baratif hiitweifen, ba 6 
ShriftuS fich bmahauS uid>t bemüht, ben ©efpenfter* 
glauben feiner 3 ünger m Aerftören, fonbern viel¬ 
mehr Sur. 24, 39 von ©eiftern alS etwas 9Birf= 
lichem rebet. (9Ran verglcidje aud) 1 ©am. 28 , 15 ). 

®. 50. ©iefahen ihn alle unb ev* 
f d) r a f e tt. @0 crfdjredcn oft auch mir, wenn ber 
©err unS im Sebcn entgegentritt unb btircb bie 
munberbaren SBege feiner Vorfehung uitS ndher au 
fich 3 iehett will. SllSbalb rebete er mit 
ihnen. Der tnitleibSvolle SDiciftcr labt feine 3üns 
ger nicht lange in ihrer Rurd)t. SKit feiner wohl- 
befaunten, vertraucuermeaenben Stimme fprid)t er: 
© e i b g e t r 0 ft u. f. m. Söir erfennen ©hriftum 
nicht, bis er fich unS offenbart# bis er unS gnnift: 
3d) bin’S, euer fjrcunb, euer ©rlöfer# euer ©elig« 
tuadier! SBiffen wir bann, ba§ er bei unS ift, To 
fchminbet bie furcht unb nur feinten getroft hinaus« 
bliefen auf bte ©türme ber Seiben unb Änfcdjtun* 
en, weld)e unS umtoben. SBie verfd)iebcn ift bodj 
ieSBirfuitg berSBorte: 3d) bin’S! auS bemSÖJitnbe 
bcS föcrril. 3etie i&dfd)cr, weld)e ihn im ©arten 
©ethfcinane ergreifen follten, fielen auf bie (Srbe 
nicber, alS er ihnen entgegentrat tttib fprad): 3d) 
bin’S! Die jünger aber, bie an ihn glauben, er= 
füllt baffelbe SBort mit Stroft uub Srcube. ©0 
wirb eS auch einftntalS fein am Sage feiner Sufunft 
31111 t ©ericht. Die ©ottlofen werben 3 ittern unb 
beben, aber bie frommen werben iaudiAett unb froh« 
locfen, wenn er fpredjcn wirb: 3d) bin SefuS, euer 
Vruber! 

®. 51 imb 52. Den von SWatthduS beriditeten 
Vcrfud) Vetri, glcid) feinem SWeifter auf bem SBaffer 
311 wanbeln ( s l)?atth. 14 , 28 — 31 ), übergeht SDiarfnS. 
— ßhrifti (Silitritt in baS ©chiff war ber jünger 
5Rettuug. Der SBinb legte fid) plöblich unb auf 
übernatürlidie SBeife. Sluch bie beiben unbcAWing« 
barften ©lemeiite Oer 9?atur, SBittb unb SBellen, 
müffeu bem i&enn gehordien. Der ©inbrudf, ben 
biefcS SBunber auf bie junger madte, mar barum 
aud) ein aufeerorbcntlidier. SMarfuS fagt 3 ivar blo§: 
fie entfetten unb vermu 11 berten fid) 
übet b i e 90? a § e n; 3)?atthdtiS aber fefet hitutt: 
„Sie fielen vor ihm nietcr unb fprgdicn: Du bift 
wahrlich ©ctteS ©ohn." Danrit fdieint min frei« 
lid) nidit rcd)t 311 ftimmen, waS 9D?arf. ®.52 fagt: 
© ie waren 11 0ch nid>t 3ur 6 inf id)t ge« 
f 0 m m cnu. f. w. Srofe ihrem Scfenntniö haben 
fie eben bod) bie hohe SSBürbe 3efu nod) nicht voll« 
fommen begriffen, fonft würben fie fid) über feine 
SBtitiber nicht mehr w u 11 b e r n. 

III. ämSaube. (V. 53 — 56 .) ®. 58. DaS 
8 anb ©enesareth Ifeflt sivifchen Sethfaiba 
unb fiapernaum. ^ier lanbete 3efuS mit feinen 
3 ü tigern. 1 

®. 54 uub 55. Da tngwifdien bie SWorgen«' 
bdmmerung angcbrod)en mar, befanben fid) bereits 
Seute auf bent Selbe. Dtefe erfannten 3efum, beim 
er hielt fich viel in ictier ©egenb auf. (Srfveut über 
feine SMüdfehr fanbten fie nun überall umher Voten, 
bieffranfeu hevbeigubringen. ©0 begann bieSlrbeit 
für 3efum auf’S S^eue, unb er entlieht fid) ben 


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Satinio9fd)uI=#ektwnfit 


221 


armen Setbenben ohfltcid) er von bem Sage? 
merf be3 vorigen £afle3 unb -bet $Rad)t, bic er fd>laf- 
lo3 verbracht hatte, gemiB ermübet mar. . 

8. 56. 2Bie bic 8cutc int 8anbe ©encAareth ihre 
ff ra n !c n, fo feilen and) mir alle ltut und her au 
3 e f ii bringen, bamit fic mit ihm befannt, 
bureb ihn geheilt unb Don ©ünbcu crloft mevben. 
®e§halb follcn mir fie eiiuabcn, ®heil au nehmen 
an ben ©egnunaen be3 6vangclium3. 3n tutferet 
ßeftion ift freilich mir bavou bie 9tebe, baß bie 8eute 
ihre ffranfen Don 3efu heilen lieben. iTSenn bic 
ffneebte 6hrifti beute bie leiblichen Äranfheiten ber 
Seilte heilen tonnten, mie Siele mürben ihnen bann 
Auftronien! 63 ift betrübenb, baran au benfen, mie 
»iel mehr bie SRenfchcn um ihren 8eib, al3 um ihre 
Seele befolgt finb. &vqfcbem ift e3 eine 8icbe3= 
Dflicht# baB mir auch ber leiblich Firmen unb ff raufen 
uii3 nach iTräftcn qnnchmcn; beim auch !^cfu3 hat 
Siele leiblich geheilt, bie ficb nicht geiftlich heilen 
lieben. 9)Jait benfe nur an bie Aehu 9iu3fäfcigen. 

^iSDofithra. JBunber M SBaittarhtg ^efii 
über ben ®ee, naifj feinen Setorgarimbrn. 

L 3efu$ iieht ficb auf ben 33 er fl ju- 
rua, um bem revolutionären ?(nbrang 
be3Sol£c3 3 u entgehen, l) al$ ber meffia- 
nifche ffonig, ber feine Sßürbe nicht ber 8aune einer 
unbeftänbigeii SRcnge verbanft, 2) a(3 ber hohe? 
Dricftcrliche ftürfvrccber, 3) al3 ber allc3 über- 
ftfiaueube Seufcr be3 2öcltfauf3. 

IL 6r treibt feine Bünger iri ba 3 
Sch i f f. l) um fie von bem Solfe au feheiben unb 
vor Scrfucftung au bemahren, 2) fie erfenneit au 
laffen, mie fehr fie feiner bebürfen, 3) ihnen au acU 
pen, baB er fie nie au3 bem Sluge verliert, fonbern 
ihnen au3 aller SRoth hilft. ®ie ©efvenfter unb 
Schrccfbilbcr eitler furcht verfchminben vor ber herr¬ 
lichen Offenbarung Shrifti. 


Sonntag, 30. Slpril 1882. 


SRatf. 7,1—23. 


äWeitfdjenfafcimgen. 

I. ®ie Wnflnßf ber S(hriftftelehrten. (93.1—5.) 

8- 1- Bur Beit bc3 in unfever Seftion berichteten 
Sorfa(l3 ift bie Serbinbuna ber fciubfeliaen Shari= 
fäcr von ©aliläa unb 3ubäa gegen ben föerru bc= 
reit3 cinactrctcn. ©ie fanacn an, ihm allerlei 
Scbmicrinfcitcn in ben 2Bcg au lenen. @0 fcfieincn 
auch bie S h a r i f ä e r unb © d) r i f t g e I c h r t e n, 
melche in unferer fieftion ben ©errn Antriebe ftcllen, 
Well baAu an ihn abacorbnct au fein. ®erhohe 
Sath ftanb nämlich mit ben ©vnaaoaen ber S)3ro- 
vinjeu unb fclbft be3 2lu3lanbc3 in ftetem Serfehr 
(JlVfl. 9,2). 63 befuefiten baher einzelne 9lbgcorbncte 
jener Sclmrbe bie SrovinAcn fleißig unb addeten 
barauf, baß überall bie ©runbfäfee bc3 Sharifäi3- 
mu3 beobachtet mürben, ©olche Slbgeorbneten 
ivaren vermuthlich bie ©chriftaelehrten, 
bic von 3er ufa lern aefommen maren. 

8. 2. 9tcd)t anfdjaulid) leudrtet ber vharifäifchc 
©cift hervor au3 ber fleinlidien Ucbcrmadmng ber 
jünger bei ihren ÜRahlAciten. 2Btc Aur Beit 3cfu, 
jo fehlt c3 and) heute nicht an Scutcn, mclche ben 
Srommcn aufbaffen, unb eine mahrhaft fatanifdje 


ijreube baran finben, ihre mirflidien ober vermeint? 
lidien Schier aufAufudien unb au3Auvofaunen. 

8. 3—4. 9tad) beit ©aßiingcn ber ©chriftgefehr? 
ten mußten bie 3ubcn gar häufig ihre £änbe 
mafd)eit, befonberö che fie b a 3 S v 0 b a B e n, 
b. I). ficb sur 9RahlAeit nicberticfeen, unb nad) voll? 
enbeter 9»ahlseit. 2lud) ivemt fic von ber ©trafie 
ober von einem Serfammlunn3ovte famen, um fie 
mit allerlei Öeuten Aufammentrafcn, mußten fie fidi 
fofort nach. ihrem (Sintritt in’3 &au3 m a f d) e n 
meil fic möglicher 2Bci|e mit Reiben ober levitifd) 
Unreinen m Serühruna aefommen unb baburd) 
felbft unrein aemorbcu fein moditen. ®uau fanten 
bann nod) allerlei anbere SJafdmnaen, mcldic an 
firf, ß c u, ehernen ©efäfien 
imb Seifen eit voraeuomtnen merbeit mufiten 
?ltlcrbuta3 hatte SD2ofe (3. ä) ( 'of. ffap. 12—15) ver= 
[qnebene ccremonielle SBafdmuaeu anaeovbnct; aber 
bic ©dmftaelehrten hatten biefe ©efefee terfdiärft 
unb auf ba3 enaerc Srivatlcben unb acmohnlidie 
©au3acrathe au3acbchnt. Sciläufin fei hier he= 
merft, baB ba3 9Bort (Baptismos), nut mclcbent ber 
Oiiechifdie Sest hier bie SBafcbitngcn ber 
»• iy. hcAcidjnet, baffelhe ift, von melchem 
bteSavtiften behauvten, e3 bürfe nur »Unter? 
ta 11 cbuna" überfefetmcrbeii. 

8.5. ©ie eff eit ba3 Sr ob mit ae? 

I' k-Jh- mit UHflcmafcheiien Rauben. 
®a3 ©ebot, ftd) vor bem 6ffen bic ©änbe 311 
mafdien, fmbet fuh nicht im 9(. Stcftament, obfdion 
S3afd)iinaen für Senimeiuiatc vovaefdnieben finb 
(3 uRof. 15). ®ie ©dniftaclehrtcu fonnen baher 
qud) nur von einer Ucbcrtrctuua ber ©afeuna 
ber 91 e 11 cften reben. 

II. Xlt 8cHhribia»ng M £cmt. (S. 6—13). 
r .®V 6 r* 7# c ©err leiifliiet feine3ioea3, bafi 
feine3iingcr bie©afeunflen ber Slelteftcu übertreten; 
er fleht tu biefcn ©afcunflcn eben feine ©ebote ©ot? 
tc3, fonbern nur 2R e n f ch e 11 g e h 01 e, bie acrabeAU 
veriverflidi merben, mo mau fie ben ©eboten ©otte3 
aletchftellt ober ihnen gar überorbnet. ®ie3 thateu 
bie Shanfaer» barum menbet er ben ©vrud) be3 
3efaia 3 auf fie an : ®ie3 Solf ehret 
?5 l ? i!-J* 'V- ®«@inu biefe3 Srovhetenmovte3 
bvujitirt) tu ber äuBevlidien Seobadjtuna 
be3 ©cfebe3, eifern mit SBorten um ba3 ^au3 be3 
§errn; aber ihr annerc3 ift voller ©eibftfmht. 
3gt ©crA ift ferne von mit. ©ottforbert 
ba3 ©erA, unb ba3 haben fie ihm ttid)t aeaebeit. 
vl b c t » c v fl c b I i b i c n c n fie tu t r 11 f io 
®iit biefcn SB orten ift fccv ®ienft teS beucblcvifcbcii 
ffovimoctcn« ncnditct. Unb bed), nne bäufin ift nod» 
bente bte hcndffcrifdic Sdicinbeüintcit biefe« ffonn* 
locfcnS! ©ottcä SBort ift bic cinsme untvüolidie 
i)itd)tldmuc nnicrcS ScbcnS; bie £cnd>lcr ober toollen 
ctiooS UcbvificS tlnm. Sie feoen betn ©cioiffen 
Saften auf, bie ©ott n i di t fleboten bat, unb a(nu= 
ben ftd) babuydi enttd)äbi(it, tvenn fic bic bcilinften 
yorbernnacn bc3 o ö 111 i di e it ©efcfecä «erleben. 

W. 8—9. vcidit nur unbcnnifit, fonbern mit bem 
ocftunmtciten 93cnm6»iein erhoben bic fWabbinet 
ihre Sabuitacn über ba8 (SSefeb SKofiS. jjnt SCal= 
mub beißt e3 : ®ic ®ortc ber erfiriftflclchrteu finb 
bcrrlidicr, a(8 bic SBortc be§ ©efefee«, beim bie 
SB orte bc3 ©efebc« finb fdimer unb leidit. Die 
fBorte ber Sdirifificlctirtcu aber finb a«c leidit (faß= 
fiefi). 3« leber Beit ift ber ßifer für äußere Sabuu= 


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222 


Sanntagf^iil^ektionetL 


ßcit mit ben emißcn ©rttnbßebotcn G)otteö mtb bet 
Humanität in ^onfCift ßcrathen. Skmerfenömerth 
i|t, mie bie Jjubcu bei ihren ©abbathfafeunßcu ber 
emißcit Unruhe, bei ihren Steiitifliinßößcfefeen ber 
fittlidjcu Unreitiißfcit, bei ihren vielen äuficrlid'ett 
Saufen beut SMaitßcl bet ©eifteötatife, bei ihrem 
Separatismus berijevftveuunß in alleSBelt verfielen. 

®. 10. ©eitn SMofe hat ßefaßt. ®er©crr 
mahlte biefeö ©cbot offenbar, meil bie Siebe unb 
Sldjtuiiß ber Slinbcr peßeu bie ©Item eine von Stilen 
Aitßcftaiibcne 2}crpflid)tiinß ift. SBer biefeö ©cbot 
antaftet, ber hat ßemifc ©ottcö Orbnuitfl im fierne 
verlebt. ©aö 6 h r e n ber Sltern hat in ber heiligen 
Schrift eine meitrcichenbc öebcutuiiß unb fchlicfjt 
nicht blofj Sldfiuitß unb Untcnvcrfmta ein, fonbern 
and) liebevolle SScrforßuitß, beit thatfädjlidicu ©r= 
meiö ber ©hrfttrdfi burd) SBoblthaten, meldjc ben 
Gltern erieißt merbcit. ®'aö mit Sfludjen über* 
fefete 2Bort fdjticßt in fidj: faßlichen Unßchorfam 
aegen Gltern, bofeö ©enfcit, Stehen unb Shun, fie 
iäiteru unb ihnen Uitßliuf anuutnfdjen. Stein ©c= 
bot bcö ©cfaloßö mirb in ber heilißen ©hrift citm 
briitalicher citißefdjärft alö biefeö. Wahrhaft fd)auer= 
lid) tft bie ©rohtttiß, tvelche Spr. 30,17 über bie 
Uebevtveter beffelben auößefprodiett uurb: „©in 
Sliißc, baö ben SSater verfpottet unb vcrad)tet, ber 
SKutter au achordjen, baö utüffen bie Staben am 
öadj auöhactcn unb bie iuitßcit Slblet freffen." 

®. 11—12. Vorbau (eißcittl. ©abe) beAcidjttet 
hier einen ©ott ßemeihteit ©eßcnftaitb; 
benn bie gilben ßcbrauditen in ber SBeiheformcl: 
„®aö ift eine ©abe für ©ott, ihm ßemeiht," ßerabe 
biefeö JBort. Stach bcin ©efebe mar mm ailcrbiitßö 
( ber 33raelit ßcbunben, ben fo ßcmcibtcn ©eßcnftaitb 
auch mirflid)©ott jtu heiligen. „Stahle beut ©öcfc 
ftcu bciite ©clnbbc" OBi.76,11). ©ie Stabbincr aber 
bilbeten bie Sehre von beit ©clübbeopferu bahiu 
auö, ball bie 53cihe bcö Vorbau and) bann uitvcr= 
brüeblid) ßelteit follte, meint ber ßcmcihte ©eßenftattb 
itid)t alS Scutpelßabe baraebracht mürbe. SScitii 
bann bebürftiße (Sltern ihre itiuber um Untere 
ftübunfl aitfprachen unb biefe faßten: „Vorbau, eS 
fei ©ott geopfert," fo fouitte baffelbc itidd miber- 
rufen toerbcit tutb bie ©Item erhielten itidfiö. 3a, 
bie Stabbincr lehrten fopar, bnfj ftinber frei von 
Sd)iilb feien, meint fie tut Borne au ihren Gltcrn 
faßten: „Slllcö, maö mir haben unb moutit mir eud) 
nüljen Knuten, foll©ott pemeiht fein." Ueberhaupt 
erfldrten fie eö für midfiißct unb ©ott mohlßcfällU 
ßer, meint man ©ott feine ©aben toeihe, alö tvenn 
mau feine ©Itern miterftüfec. So mürbe burd) einen 
Schein von /yrCnnmißfeit baS ©efefe ©ottcö auföe- 
hoben. 

®. 13. SBie einfad), tlar unb uitmiberlcßlidj hat 
ber ©cvr hier bie pharifäifabe ©eucbclci bloffaeftcllt 
au beut einen ©cbot ber Siebe au ben Gltern. 
SMit beut Sluöbrucf „unb beößleidjen thut 
ihr viel," beutet er aber an, baft biefclbe Heuchelei 
auch an vielen anbeven ©eboten ©ottcö nadmemiefen 
merbcit tonnte. — SlllevtinßS mollte ber ©err bie 
fonft lobltdfa Sitte von Scbcnfunßcu für fiitblidfc 
ober Philanthropie Slnftaltcu u.bßl. itid)t taoeln; 
moljl aber fpricht er bcutlid) auö, baö biefelbeit nie 
mit Uiitßchuitß ber SScrpflicbtnnßcn ßcßeit bürftißc 
Gltern ober Sermaitbte ßentaebt merbcit füllen. 

m. Sie »elrhruuQ. (®. 14-23). ».14—16. 


©er©crr rebet hier nid)t von ber ßcfcbltdjcn, 
fonbern von ber fittlid)en »criiitrcinicuiiiß. Sr 
mill bie ©ültißfcit ber utofaifd)en ©petfe= 
ßefefee nicht auf heben, beutet aber trofebem an, 
ba§ biefelben, bie ia nur eine l e i b l i d) c Stcinißteit 
(©cbr. 9,13) forberten unb bemirtten, bloß ber ttinc= 
reu Feinheit be3 ncutcftaiiienttidjcn ©ottcevotfcd 
nun »orbilb unb m\x »orbereitmiß bienen füllten. 
S2icht flctviffc Speifeu, bie au tu SMtinbc eins 
ß e h e it, vcvunrciitißen ben SKcitfdien f i 111 i ch unb 
fdjliehcn ihn von beut ßciftlidien 3§racl au3, fott^ 
berti, ma8 Atint ä)f uitbc au$flehet, b. t. maS 
au3 einem vevberbten, U'iberfpcnftißcn Sßillcu tutb 
ati3 unreinen Seibenfchaftcn entfpriiißt, baö beflcdt 
Sinn tutb SBanbel tittb raubt beut iDIcnfdtcn baö 
SSohlßcfallcn ©ottcö. ©ie SKorte: e r C h r cu 
hat tt.f.m. füllen bie vorhevßcßaiißeitc SJclchruitfl 
tief in bie ©erteil ba* 3uhbrcr einpräßcii. 

®.17. Seinc3ünßcr fraateit ihn. ©a6 
ber ©err hier in fo offenen SBiccrfprtid) mit bet 
Sehre ber ^harifäer hat, bcficmbctc bie 3uttßcv, 
um fo mehr ba fie bcn eißenHieben Sinn feiner 
fföortc uid)t volltommcn vevftaubcn hatten, ©ie 
bitten ihn baher um meiteve ©rtläruiiß. ©tefc ßiebt 
ihnen ber ©err in ben folßcnbeit SSevfen. 

®. 18—23. SÄie ift ein bcuiüthißenbcrcö ©ilb 
von ber »erberhtheit ber mcnfd)lid)ctt Statur ße^ei^ 
net tvorbeit alö baö, tvcld)cö ber ©eit hier ßiebt. 
£Bc(d)crSlrt and) immer bie Sünbc fei, baö© er j 
ift bie Sßcrfftätte, atiö meiner fie hcivcvßcht. *2Baö 
barauö foniutt, baö hat fittlich vevunrcinißcnbe 
SBirfuuß. ©a ber ©err hier nid)t von bem ©cr?,cn 
ciit-elner vcrfctnmcncr 3)tciifd:en, fonbern von bem 
©erAcn ber 90tcnfd)en im Slllßemeiticn vebet, fo fpvid>t 
cv hier auf’öSJeftimmteftc bicSLhatfadtc ber allßcmei= 
neu Süubhaftißfcit atiö. ©ie ®. 21 unb ®. 22 
flufßCAählten Sünbcit feilen fein vcllftänbißcö 9Scv= 
Acidjnih all beö ©efen fein, meld;cö auö beut S)tcn= 
fdjenhersen auffteißt, fonbern nur anfdmulid) 
madjeti, bafi baö unerncucrte ©evs ber SDerit bcö 
SScibcrtcnö unb ber ©ünbe ift. Stur buuh bie 
SBieberßeburt fantt bieferUctelftanb bejeitißt 
iverben, unb basu bebavf cö ßi'ttlid)er Äraft. Slcujjcr* 
liehe Skiutßtinflcn vermißen bicö uid)t au bemirfen. 
3ft baö ©er* bie Cuellc bcö ©ofeit, fo muft cö 
nufere ernftc ©orae fein, über baffclbe au machen, 
batnit cö unö nicht in Schulb unb Sd)anbe ftürAt. 

$i$pofUiott. Tit phanfaif<he 

J. S‘Aic bie 55harifder vor SÖJenfd)en 
erfd)einen. 1) ©er Shtdiftabe mirb über ben 
©eilt erhoben, bie duftere Romt, allerlei ©cbrdtiche 
ttnb Safeititßctt an bie Stelle beö eißcntlid)cnSBefenö 
ber Stelißion ßefefet (®. 3 unb 4). 2) ©ic fiitb voll 
Sabelfitcht (®. 2 uttb 5). 3) Sic otfeubaren einen 
©5eift freier Slnmafjunß. ©ic fraßen, alö ob fie bie 
Stifter Silier mären unb über baö ©thidfal Slttberer 
Alt entfeheiben hätten (S?. 5). 

II- 2B i c fie © ott ßeßen über fiitb. l)Sic 
finb uitreblid) vor ©ott, obmohl fie vor bcn 9Kctt= 
fd)en im ©emanbe ber Slufricbtißfcit erfdieineit 
(2?. 9—13). 2) ©ic crfdicincn vor ber SBelt alö bie 
mömmften, aoer ihre ©erjen finb ferne von ©ott. 
SBcmt baö ©ers ntd)t ©ott ßeheilißt ift, fo ift alleö 
verßeblid): ber fdmiftinäüißftc ©laube, bie befte 
Äi|d)eitAttcht, ber fdjönftc ©cfattß, ber pünflid)fte 
SJefttd) ber ©otteöbienftc, bie ßrö&te ®nba<ht. 


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Um $t*min. 


223 


Jim Hämin. 


3« freu Wlnril (djiden ©er erfte Npvil ift ber 
Saß, an toclcncta ßtitc uub fddcdftc SBifee, eble unb 
imcble SdjerAC, uufdnilPißc Redereien unb bählidjc 
Narrheiten p.n* GsccUcuac bcßaitßcn toerben. ©ad 
ift ber Shorentaß, an tocldjent JePcr meint ein SßrU 
uileßium au haben, beit Nnbern gtt foppen, au nar= 
reit, ansitluacn unb uadther audAuladteit, unb baoor 
fdmfet tücber Nlter nod> Staub, tueber Neidfthum 
noefi Nrniuth. 

ffioher biefe lädjerlidje Sitte, bei ber allcd lad)t, 
felbft bic, tocld)e audaeladft toerben? 

9Ran bat beit Npril felbft auui Urheber biefer 
Ncdereicit ßcmadtt. ©ad bürßcvlkbc Soutmcriabr 
begann bei ben alten ©eutfd)cit am erften Npril tutb 
mit bemfclbcn nad) ber langen 2Biiiterrube bie 3*elb= 
arbeit, bad äßaiPcaefd)äft unb ber ftifdftanß. frür 
beit audvücfenbcn ftrießer, gaubmann unb ferner 
mar ed ein feftlidjer Saß, ber {eine gcftfdtmaufc, 
Sdtenc unb Grßöbunßcit mit fieft bradjte, bie tun jo 
leidfter in Meiereien unb Narrheiten aitdartetcn, alb 
ber Npril felbit ein necüfdtcr, lauitijd)er ©cfcllc ift, 
ber bie9Heiifd)enfinber ßar oft berbe anfiihrt, iitbeut 
et fie bed SWorßcnd mit bent jdjoiifteu Sonnenfd)ctu 
in^Sclb lodt, um fie in ein paar Stuubcit mit 
bichten Sdjnecflocfcn audAulad)cit. 

©ie „Nprilfd)ider" thuii aljo nur, toad ihnen ber 
Npril Porutacbt. 

Rubere meinen, bad „in ben Npril fd)ideit" habe 
einen dmftlkhen Urfpruita, tutb fei toic bie „Öfter 
fcbuKtnfc" and beut polfdtbümüdjeit Sd)evAe ent 
ftanben. 

©er NprilfdjcrA fei nämlidj eine Verfpottuna ber 

harifact unb ber ©fiter, bie beit ©crrit gefüllt im 

rabe behalten wollten, toclcbed ald Narrheit aller 
Narrheiten ßehore perfpottet au toerben. 

Gd tuftrbe bemnadj*bamit bie Shorheit bet SRein 
Wen perfpottet, to:ld)c ßhriftum unter ben Sobtcii 
halten tpollen. 

Giitc anbere plaufthle Grflfivnna Pon ber Narren- 
fttte bc*3 „NprilfdjicfenS" fdjeint folßcitbe au fein: 

Nid im Jahve 1530 ber NeicijStaß in Nußdhuvß 
faßte, toollte man auf bentfclben neben beit Ncli- 
ßtondfftcitißfcitcn attd) noch bad NiüitAmefeu reßti= 
lireit. ©a aber ber Neichdtaß Pon beit rclißtöfeit 
Strcitiafeitcn au fehr in Nitfprud) acnoinmen tottrbe, 
fanb man feine 3cit fid) mit bent NhuiAtocfeit au be¬ 
faßen, unb cd tourbc ein befoitbcrer NJüitAtaß auf 
beit 1. Noril aitdßeid)riebcii. 

Nun finden bie ©elDmäitner an, in allen erbend 
lid)en finansicllcit Operationen unb Speftilationeit 
fid) au ergehen, bic aber ßänAlidj fchlidtlußen, ba 
toolft ber erfte Npril fam, aber ber oerfünbißte N?üua- 
tan audblicb. 

©ie flctäitfdften Spefulanteit hatten ben Sdjabcit 
tutb umrbeit tüchtiß audßcladtt. Scitbem foll cd 
öblid) fein, letdftßlätibißc $?enfd)cn am 1. Npril au 
narren unb ttadjher andAulad)cn. 

6elfcftargirijintg. 3u>eierlei Nrt ift tutferc Gr- 
liehuno; Die eine empfanßcit mir oon Nnbcrcit, bie 


Aiocite aebcit mir 11118 felbft, unb biefe ift ttidft ntiii= 
ber totdftiß, bcnit fie allein beftimnit unfere ßeiftißc 
Vebeutmtß für bie mcnfdiliche ©cfcllfcbaft unb 
liitfereu mähren ffierth für ba3 geben. 

9lllc gehrer unb (Srsiehcr ber ilBelt oermoflcu und 
nicl>t au U'cifctt unb nuten äKeufcheit au machen, 
meint mir nidft'unfererfcitb basu mihvivfen. Siitb 
mir aber felbft entfdjloffen, (tut au toerben unb Süd)' 
tined au leiften, fo toerben mir cd and) tro(j maiiflclit' 
ber Nnlcititnn burd) Nnberc erreichen. 

©11 locinteft cinft, ald bu bic fflelt bcarüfft, 

©od) Nllcr gcidjeln nrüfftc teilt 6rfd)cincit. 

©ott (tebe, baft, wenn fiel) teilt Nun’ cinft fdlicßt, 

©ein Nittlife lad)clt, mährenb 9l((c meinen. 

Gin alle# moralifdhrd 9trcr}tt. Grftlid) tiitnui 
5 goth Srauriflfeit, 10goth©ebulb, lügolhNtäfjin- 
feit, 20 goth «fteufdiheit, 25 gotl) ©cmiilh unb 
30 goth fyreiflcbiflfcit. ©iefe JUiflvcbienticn ftofje 
mohl burd) cittanbcr itt bem äKcvfer be3 ©lanbcttd 
mittelft bed Stempelt bev Stcivfc. ^llcbaint ßicOc 
barauf ein ®icrthcil©offmmn, ficbe cd in ber Pfanne 
ber ©cvcchtinfcit bei bent fyeuer bev djviftlicheu giebe, 
rühre cd oft um mit einem anbachtiöcn ©cbct f unb 
bemahre cd bann iit bau ©cfdnrr ber S'cftanbiafcit, 
auf bafibcvSdjimmcl ber Gitclfcit niebt ba au fcmmc. 
Niit tiefer Salbe falbe bid) bann tanlich 9Noracud 
unb Nbcnbd. Gd hilft toibev bie ©olle. Probatum 
est! 

Mt rin ffftniß finrm ^rUnnß^monur und)flehen 
mit^tr. Nid ßerr Shicrd Nciniftcr Profit ent toar, 
arbeitete er ciitcd Saaed mit bettt Ätbnine gouid ^Jhk 
lipp in Nctiidp. Slrn Sd)ltiffe ber SBcraihtnin fantc 
ber Göttin: „SBollctt Sie nidft mit mir bintren? 
Ji>ir fettnteil nad) bettt ©itter bie Slvbcit fovticfecit." 
— ,,^d) battfe Gucr N?ajcftüt, id) toetbe Pott meiner 
Sratt itt Sßarid enoavtet."— „Nun," faate ber ft0= 
tun* »fid) toerbe ttad) $arid fduefen, um fyrati Shictd 
in ftenntnifi au fefeen, bafi Sie mit mir fpcifeu." — 
„Ncaieftät fefeeit midi in Verlegenheit. 3eb ermatte 
heute ©fiftc." — „©ie©aftc, unb mer biefe and) 
tntmev fein utöacn, toerben beßreifen, bafi Sie nidft 
nad) Varid fommen fönitcti, toettn Sic hier bmeh 
Staatdacfdmftc Aurüdcichalten toerben.„ 9 Najc= 
ftdt! Olcf> mufi glitten mitthcilcn, bafi ich heute 
©errtt Ghantbolle, ©ircctor bed Sktlc, 511 tu Speifcn 
ftclabcn habe." —„©erru Ghatttbollc!" rief bcrftö= 
nia. „Nh, bad ift ettoad Nttbercd! ?>d) toaae cd 
nicht, Sie AurürfAuhalteit," ttttb ber SDfiniftcr- Sßra= 
Ttbcitt Pcrlicü ben ftöniö, um mit ©entt Ghambolle 

Alt fpeifeu. 

Xtt Scehaubcl Her %mitn SBclt maa iefet bad 
VietAiflfaehc Pon bem tittifanae Por 200 fahren 
haben, ©ie SonnciiAahl bcrSdtiffe pcvboppcltc fid) 
im gaufe bed 17. ^ahrhunbertd. ^m 18. 3ahr= 
hmtbert ift fie Achttmal ßroper aetoorbeit; allein in 
ben lebten 25 Jahren ift fic perbcppclt. Sic mi6t 
iebt 20,000,000 Sottd. ©aneben ift bie Nafdiheit 


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2^4 


Um IBömitt 


ber Reifen ßewijj viermal fo ßro§ alb um 1680. 
©enn alfo bic Äounengabl »cr 3 cl>nfad>t f bie ©e= 
jdnvinbißfcit vervierfacht ift, fo bat fiel) ber ßange 
©eebaubel auf bab ©iergißfaebe ßchobcn. ©avou 
bat (Snßlanb ben äoivenanthcil mehr alb ic. ©eit 
1874 bat ber britifebe £>anbcl mit Storbamerifa fid) 
um 84 ©rogent vermehrt, wdbrcnb bic ?lubflarirun= 
ßcit aller übrißen Staaten gufainmcn unverdnbert 
aeblieben finb. ©rojjbritannicu flachte allein in 
Kämpfern nad) Storbamerifa im 3nbrc 1875 
1,445,000 &onb unb in 1879 2,448,000 Xoitb. 

$of}fartm. ©er ©erbraud) an ©oftfarten bat in 
ber furgen 3eit beb ©eftebenb biefeb ©crfcbrbmittclb 
einen aufjcrorbeutlicben Umfaiiß anßcnoiitmen. 3m 
3ahrc 1878 finb allein in Europa 342 ^Millionen 
©tüd abßcfanbt worben. ©avon entfallen 111,= 
445,000 auf ©rofjbritannien, hiernddjft folßt 
©eutjcblanb mit 108,741,000 unb bann granfreidj 
mit 30,522,000 ©tüd. ©iefe Wahlen, fo ßrofe fie 
inb, werben bei weitem übevtroffen von beut cnt= 
predjenben ©erfebr in ben ©crcinißtcu Staaten 
von Storbamcrita, nJo bie ©oftfarten erft feit 6 3ah= 
reu einaefubet finb. 3m verßaußcnen 3abrc bat 
ber ©oftfartenverbraud) bafelbit über 246 ^Millionen 
©tüd betraßen unb für bab (Stateiahr 1880—1881 
bercd)nct bie norbamerifauiiebe ©oftvcrwaltiuiß ben 
©ebarf auf mehr alb 300 ^Millionen ©tücf. ©eu 
• 3abrebvcrbraud) in allen tauben beb ©eltpoft= 
vereinb fanu man, bei mdfnßcr Sdjdfeunß, auf mein 
alb 700 Millionen ©oftfarten aunebmen, tdßlid) 
alfo 2 Millionen. 




$er brrii|mtf Kommentator ©v. 3ohn Srown 
batte feinen vollen Sbcil beb ©lüdbwccbfelb in bie- 
fern geben. 9(lb er tu ©uitfcc lebte, war bie ©aar= 
febaft feiner ftaffc fo gufainmenßefcbmolgeii, bafi er 
ciueb jaßeb in einen gaben ßinß, um einen halben 
©fenniß wertb Ä’die, ben er leibciifdmftlid) ßern afe, 
gu faufen. ©er ©irtb aber erfldrte ihm, er foitne 
unmvßlicf) fo weuiß Äafc gunt ©erfauf abwäßeu. 
„SRun," fruß ber ßdcbrte §err ©oftor, „wie weuiß 
Safe fonnen ©ie beim cißcntlidj gunt ©erlauf ab= 
wdßcn?" „(Sineu ©fenniß wertb," war bie 9lnt= 
Wort. ,,©aun wdßcn ©ie ßcfällißft einen ©fenniß 
wertb ft'dfc ab." ©d)iiell war ber ©irtb bereit, 
bem ©ort beb ©oftorb golße gu leiffen, in ber (Sr= 
martunß, bafj bcrfelbe für einen ©fenniß Ädfe fau= 
feit würbe. Allein nad) ber ?lbwdßmtß leßte ber 
©err ©oftor feinen halben ©fenniß bin, nahm bab 
SBcffer beb ©irtbeb in bie £)anb mit ben ©orten: 
„©eben ©ie, id) will 3bncn Unterricht ertbcileu, 
wie man einen halben ©fenniß ivertb tfdfc ver= 
faufen fann." ©amit febnitt er bab ©tüd ffdfe 
mitten entgwei unb entfernte fid) mit ber einen £>älftc 
beffelbeit. 

Huf einen (groben ftlolj (gehört ein (grober fteil. 

(Sin vornehmer &crr, bem man aber feine feinen 
Uutßanßbforntcn naduveifen fonnte» batte cinft ben 
berühmten ©rofefforgricbrid)©mvinaun (1565 bib 
1616) in SBittcnberfl gu ftd) ßelaben. $Ub Iaub= 


mann nun anfatn unb feinem ©aftßebcr bic ©anb 
gunt ©rufje reid)te, hielt fie biefer feft unb benterftc: 
„£>crr ©tofeffor, wab treibt 3br bod) babeint, ba& 
3br fo ßrobe unb harte Jpdnbe habt? 3d) ßlaube 
pav, 3hr feib ein ®rcfd>cr." — „(Srratbcn," warf 
lefet Xaubmann ein, „ben gießet habe id) eben in 
ber £>anb." 

®erfdjiebeue Crtboßrapbie. 

3a, ia! cb ift bie ©cifebeit 
©ei (Sud) bod) anaejcbricbcn; 

© od) ift bafür bic © c i b b c i t 
©ei (Sud) and) ivcßßeblicbcn. 

. diu anfridjtißcr Suter. „9llfo ©ie wollen meine 
2od)ter heiratben?"—„(Sb ift mein hödrftcr ©uitfd)-" 

— „können ©ie fod)en — ,,3d)? SRcin." —„Äfdn* 
neu ©ie wafd)eit, büßeln, Äinber ivarteu, ©trümpfe 
[topfen, mit einem ©orte, fonnen ©ie bic $>aub= 
baltuuß beforßen?" — „©eivifj nid)t!" — „©ab 
müfien ©ic aber alleb fonnen, beim meine Sodjter 
fann cb nid)t!" 

SBi^ifier Srojf. ^llb bic bcutfdjen SCmppcn unter 
©citeral ©erber bem geiitbe ßcßcnüberftanben, 
fud)ten fie eiitanber in ber ßrimtnißen Ätdltc oft in 
merfwürbißer ©cife gu tröffen. (Sincrrief: „$ur= 
rah, ivab muffen bie grangofcit ba brühen frieren!" 

— ©ab war ein ©tidjwort, wcld)cb ba unb bort 
ßute Saune ßab. §[Ux am frdftißften übertrumpfte 
ein Sommer in ©übclfafi ben ©interfroft. 3llb ein 
(Siiißcborcner fid) über bic Aalte bitter beflaßte, 
faßte er ftolg: ,,©o ein froftißcb Sanb! — ©et unb 
gu Saitbc tbaut cb ned) bei foldjcm ©etter." 

Str fußlige Siböubfi^opoPel Cbrar ttilbc bc= 

flaßte fid) bei ber ßefd)euten grau beb ©enatorb 
Senbletou barüber, „bajj cb in biefem Sanbe feine 
9iuincu unb feine 9?aturmcrfwürbißfciten ßebe." 
©ie ©chauptnuß betreffb ber 9caturmerfwürbiß= 
feiten ift ein vieftßer ©lobfinn, ba cb ja in vielen 
Xbcilen beb Saubeb von fold)en üBerfwürbißfeiten 
uummclt. ©o bireft rieb icbod) bie heffidre grau 
Scnbtcton beut ©ilbe feine Unwiffenheit nid)t unter 
bie 9tafe, fonbern fie enviberte auf feinen obißen 
Slubfprud) folßenbeb: „Unfere [Ruinen werben halb 
ßcmiß fominen, unb ivab bie SRcrfwiirbißfcitcn bc= 
trifft, fo importiren wir fie vom ?(tiblaitbc." ©er 
Son, in wcld)ein bic ©amc bicb faßte, belehrte ben 
eitlen [Karren, bafj grau Scnbleton burebaub feine 
©d)meid)clei für ihn im Sinne batte. 

9udnal|m(it. 

[Rid)t alle ©ipe finb 
3um Sad>cn, feilt’ id) meinen; 

©enn unter ihnen finb’t 

©id) mamber and) guui — ©einen. 

0tabieit ber KiöiUfiitiou. 3u ©ofton beflaßt 
man, in bewarf verflaßt, in ?ltlanta vcrfolßt unb 
in fianfab hdiißt mau bic £affcnfcf)winbler, faüb 
fie ihren Staub nidjt beraubßcben. 

0parfam. ©aft: „fieduer, wab foftet ein ßc= 
brateneb ßuhu?" flellitcr: „lSRarföO!" ©aft: 
„Unb bic Sauce?" flcllncr: „®ie Sauce foftet ßar 
nid)tb." ©aft: „®aitn brinßcit ©ic mir eine ©or= 
I tion ©aucc!" 


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fjSyfc’ 



































































» J 



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genutet 3tanb. . 3&ti 1882. gnnfU* <£eft. 

Umho, ftnjl uub jdjt 

Sott 3. #. ®4i«tmel)ifninig. 


f erito bat, unter allen Säubern nuf ©rben, 
bie feltfamfte ©efcf)icbte hinter fid^. 2Sie 
bie Urbewohner beS SanbeS uno über» 
baupt be§ ganzen weltlichen Kontinents bierbet 
gelangten, tft noch immer ein Rätljfel ber ©e» 
f(bi<bte, aber eigentümlich unb intereffant ift 
es, baß ÜJlejifo, trofc feinen unbequemen Reifen 
unb ©ebirgSletten, Oon jeber ba§ Kentrum 
ber ß u 11 u r für biefen Übeil ber Sföitt bilbete, 
bis zur Seit ber europäifchen ©roberung. 

2>ie Üoltelen, bie älteften Semoljner, bon 
benen mir einigermaßen fixere 2batfa<beit er» 
inittetn fönnen, tarnen um bie Glitte beS fieben» 
len 3fabrljunberts aus Ülapallan, welches toabr» 
fdjemlicb im fernen Rorbweften liegt, nach 
Stefifo. ©<hon fie butten fid) weit emporge» 
fcbroungen auSbem roben, barbarifcben 3uftaiib, 
in bem fid) bie übrigen Sölfer RorbamerifaS 
beianben. @ie butten ihre mebijinifc^en unb 
aftronomifdjen ßenntnijje ju einer bebeutenben 
Sodfommenbeit gebraut, „©inen ßalenber 
batten fie," wie uns ©cf)root fagt, „welcher nicht 
nur bie ßalenber ber gleichzeitigen europäi|'cf)en 
unb afiatifdben ßulturbölfer, fonbern aud) ben 
gregorianifchen, in genauer Annäherung an bas 
wirtliche ©onnenjabr, übertrifft." 3n ben 
Rünften waren fie nicht fo Weit ooran. ®ie 
Sifberinalerei butte unter ihnen große Sebeu» 
tung gewonnen, ba fie fid) in bet Aufzeichnung 
gefdjid)tli<her ©reignijfe einer Silberfcbrift be= 
bienten, bie zwar fdjön unb brillant genannt 
werben muß, hoch ohne Rücffid)t auf ©djattirung 
unb bie ©efeße ber Serfpectibe angefertigt Würbe, 
unb fomit getabebaS, was wir bei einem ßunft» 
wert juerft fud)en, entbehrt, ©ie berftanben 
e§ ferner, grobe ©teinbauten ju errichten, bie 
eblen Rtetalle zu bearbeiten unb bergl. mehr. 
Um bie Rtitte beS elften 3<Jb r jjunbertS zerftreu» 
ten fie fi<h unb zogen weiter füblid). 

2)odj buben fie baS ©epräge ihres ©eifteS in 
Religion, SEBiffenf<huft, Jtunft unb Ülcferbau 
binterlaffen unb als bie 2t§tefen zwei 3ab r bun« 


berte fpäter in Rtejifo einzogen, fanben fie 
manche ©inrid)tungen bor, Woburd) auch fie 
in ihren ßulturanfängen nur beförbert werben 
tonnten. 

Rad) mächtigen Kriegen befreiten fid) nun bie 
Rztefen gänzlich bon frembet Rbljängigfeit unb 
errichteten ein eigenes ßönigtljum, unter bem fie 
ficb immer weiter ausbreiteten. f$rei bon euro» 
päifcbeiu ©influß entfalteten fie auf allen ©e» 
bieten beS SebenS eine rege Üljätigfeit unb eine 
Siebe zur Orbnung, Wie man fie non einem fo 
abgefchloffenen Solle nicht erwartet hätte. 3n 
Bieter bau, ^anbel, ©ewerbe, ßunft, Sßolitif unb 
Religion gingen fie nach beftimmten ©efeßen 
unb Regeln zu Sßerfe, woburd) fie fich über bie 
wilben Rationen beiber Kontinente bermaßen 
erhoben, baß wir nur mit Sewunberung auf 
ihre felbftftänbige unb felbftentwicfeUe Kibili» 
fation zurüdbliden fönnen. „2>aS mejifanifd)e 
Soll lebte unter einer beSpotifd)en Regierung, 
aber feine Rechte würben bureb eine Reibe bon 
©erichten bewahrt, beten Richter, tbeilS bom 
ßönig ernannt, tbeilS auch bom Solle felbft er» 
wählt würben. 3eugnifj würbe unter ©ib ab» 
gelegt; unk regelmäßige Seotofotle bon ben 
©erichtSberhanblungen geführt. Trauungen 
Würben nur unter ber Skiije ber Religion boll» 
Zogen uub ©befcheibungen würben nach forgfäl» 
tiger Unterfuchung burd) ein eigens bazu auf» 
gefteKteS Tribunal bewilligt. Obwohl ©Ha» 
betei unter ihnen beftanb, fo war fie bo<h nicht 
erblich; alle Sierilaner waren frei geboren, 
©teuern würben nach gewiffen feftgefteHten 
Raten auferlegt unb ein bazu angefteliter Se» 
amter hielt genaue Rechnung barüber. üie 
fRepifaner hotten einen nicht unbebeutenben 
3?ortf<hritt in ben ©ewerben gemacht ; fie er» 
Zeugten SaumwoKenzeug bon feljt feinem @e= 
webe unb fhmüdEten fie mit fjfeberfticferei bon 
außerorbenilidjer ©cbönbeit. ©ie fahr irrten 
Sapier bon ben Slättern ber merifanifchen 
Aloe unb 3uder aus ben Stengeln beS ameri» 
1 


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226 


Pttiko, rinft unb jdft. 


tanifChen Stais. Aus ©olb unb Silber ecrfec= | fie gahlreid)e AtenfChenopfer ihren ©öttern bar= 
tigten fie fchöne unb funftreidb gefchruürfte ©e* | brauten, bafe fie iin fraffeften Aberglauben be= 
fäfee. 2>ie ^Bearbeitung beS ©ifenS t'annten fie ■ fangen waren, fo tann all bie ©reuel, bie im 
nicht, aber fie berftanben es, Kupfer mit ^inn I ©efolge ber fpanifc^en Eroberung über baS Sanb 
fo su oermengen, baß fie es gu Kriegs- unb i tarnen , bod$ nicht rechtfertigen. Als Portes 
fianbroerfSgeugen gutoenoenben tonnten. Sanb« nach ^Dieyito tarn unb fein Sßerf begann, gab er 
bau toar ihre geachtetfte Sefd)äfttgung, mit | als einen ©auptgrunb feines KotnmenS bie 
Ausnahme beS Abels unb ber Krieger gab fidj j ©iDilifiruttg unbdfjriftianifirung berfDtejrifaner 
baS gange SSolt bemfelben h'u. 3 ur Seförbe- an, benn jeber, felbft ber gottlofefte s i)ienfCb, 
rung beffelben mären tünftlichc Sßafferleitungen fudht ben Siantel ber ©ereChtigteit ober £)eilig« 
gut ^Befeuchtung beS SanbeS angebracht; man j feit um fidj unb fein SBert gu hängen, — aber 
lieg bie gelber mandjmal brad) liegen, bamit fie hoch fjielt er immer Aug unb Ohr offen für alle 
ihre auSgenüßten Kräfte roieber fanimelten; t Reichen oon ©olb unb Silber, bie er finben 
©cfebe gur Erhaltung ber 2Bä|ber waren ein= tonnte, ©olb forberte er oon bem König beS 
geführt. $ie beffereit Raufer in ben Stabten i SanbeS unb 'JJtontejuma befchentte ihn reichlich; 
waren aus Stein unb Kalt gebaut; bie Stra» i ba nahm er ihm auch fein Königreich; ©olb 



©ruttnen unb-fflaffcrlettiutfl In ber Stabt 


feen Waren folib gepflaftert unb bie öffentliche 
Sicherheit mürbe burd) ein erfolgreiches poligei« 
lidjeS Spftem erhalten." (TOactenjh Amerita.) 
2)ie Stabt Stejito mürbe burCh 3 Wei fteinerne 
SBafferleitungen mit frifChem SBaffer oerfehen; 
noCh erhaltene ©ebäube unb Utuinen legen be= 
rebteS 3rugnife ab für bie fffertigteit unb heftig» 
teil ihrer Saufunft. 

$)ies mar baS Soll, auf baS im Anfang beS 
16ten ^ahrfeunberts mit fChredtliCher SChneHig- 
feit bie 3erftörungSWuth ber fpanifdjen ©rohe» 
rung fiel. Aehmen wir and} in Setradht, bafe 
in gefeUfdjaftticher Segieljung noCh gar manches 
Unoottfotnmene, ja fogar ©reuliCpe unb ©rnie- 
brigenbe bei ben fDiejitanern fiih oorfanb, bafe 


Wollte er oon ben ©inmofenern beS SanbeS unb 
als ihm biefe feinS mehr geben tonnten, nahm 
er ihnen Sanb unb Freiheit; ©olb fuChten bie 
fpanifchen Abenteurer, bie in feinem ©efolge 
feerübertatnen unb liefen fiCh auf ben munben 
Aadfen unb ftriemenben Schultern ber ©inge¬ 
borenen über bie Serge tragen, ©olb war baS 
Stotio ihres £elbenmutfee3, aber aujfj ihrer 
©reuelthaten. 3u biefer ©olbfuCht Würben fie 
oon ber #eimnth auS angefpornt. ®ie fpani* 
fChe Krone forberte als ihren gerechten Antpeil 
SWei drittel Don allem ©olb iinb Silber, baS 
erobert würbe, Um recht Diel ©olb 311 erhalten, 
mürbe baS arme Soll auf alle SBeife unterbrilcft. 
©orteg liefe überall KirChen bauen unb iheitte 


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franko, rinft unb je^t 


227 


in- 

r"nü! : 'V 



annrifanifc^r 


baS 2anb in Jtirchfprengel ein; bann überlieft 
et bie Sefefjrung beS Solls beit ^rangisfaneru 
unb Tominifanern, während er lieft ber mclt= 
licfteren Sefcftäftigung beS £errf(ftenS unb ©elb= 
«rpreffenS hingab. Unter beu 'jkieftern unb 
Stöncften, bie Sterifo überflutbeten, befanben 
ficb manche, bie fidj baS 9Bof)l ber ©inmobner 
angelegen fein tieften. $ie plöftliche $unbe 
Bon ^JJlittionen Reiben, bereu $afein tauin ge= 
ahnt war, erwedte in ben fpanifdjen .ft'löfteru 
«in ftarleS Serlangen nacft miffionirenber it)ä= 
tiflfeit. Siele tarnen herüber, beren reine 9lb= 
flehten, gänglicfte ©elbfloerläugnung, fteroifcber 
Stutb unb 9lu3bauer einer reineren Kirche ©pre 
angetbau haben würbe. 9tber neben biefen tarn 
ein ganges #eer Bon Srieftern Dom gemeinften 
©ftaratter, beren Sebensmanbel gerabegit fcftmäf)= 
lieh war. Unter bem Scftuft ber fpanifdjen 
^Regierung erwarb fleh bie römifche Äircfte einen 
unermeftlichen 9t eicht hum. 

Stiffionar Sutler fagt: Sor 20 fahren mar 
"bie tatbolifdje Äirc^e in Stejito bie reichfte $iv<he 
in ber jjangen 2Belt, unb babei ift baS merita» 
nifdje Sott heute in einem übleren 3uftanb als 
gur 3eit ba Gorteg Stejito entbedte. 9teun 
Sifdjöfe erhielten gufammen ein ©intommen 
Don 8725,000 jährlich utib babou betain ber 
©rgbifdjof 8135,000 jährlich. $>aS ©intom= 
men ber Kirche Don ihrem ©igentljum unb Dom 
3ehnten belief fi<h auf 25 ^Millionen jährlich, 
babei war bie Äirdje (feuerfrei. 


| $n ben leftten fünfzehn fahren hat fid) in 
j SJtejifo man^eä Deräitbert. 9tach manchen 
i JlriegSftürmen unb inneren 9teoolutionen er= 
langten bie 9tepublitaner bie Cberhaub. ®!ari= 
milian, ber leftte auslänbifcfte Seljerrfcber 
1 TOejitoS, Würbe am 13. ^uni 1867 erfdwffen. 

] Sfuareg würbe Wieber gum '^rufibenten erwählt. 

I Unter feiner 9lbminiftration würben Stoucfte, 

1 9tonnen unb Sefuiten Dertrieben unb bie 
9ted)te ber Jlircfte eingefchräntt. $oeb behält 
bie cleritale Partei noch immer einen $ljeil 
ihrer früheren Stacht. Snberen Äirchen bietet 
De3 erneuerte Sterilo ein weites unb ergiebige? 
ffelb cftriftlicfter Slljätigfeit. ^roteftantifche 
StiffionSftationen finb in alten 3heilen beS 
£onbeS gegriinbet worben unb bie Sibel wirb 
unter bem Soll Derbreitet unb biefer göttliche 
Same trägt bort wie überall fegenSreidje 
ffrudjt. 

2>aS Sanb ift unermeftlid) reich, aber feine 
©nttoidlung Wirb burch bie <Sd,Wierigfeit beS 
SerfeljrS gebindert. 3n ben lebten 20 fahren 
finb ©ifenbaljnen gebaut worben; bie wichtigfte 
j unter ihnen ift bie gWifdjen Sera Grug unb 
Stejito, aber aufter bem Sereidj biefer Sahnen 
finbet man nur fcftlecftte Fahrwege ober, was 
noch fchlimmer ift, man muft fidj per ©fei 
tranSportiren (offen; ja es tommt fogar Bor, 
baft bie einzige Serbinbung gwifdjen mehreren 
j ©täbten in einem fogenonnten camino de pa- 



2Rexi!anif<$«r ^rieftcr. 


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228 


3tn alten Paterlaubt. 


jeros (©ogelmeg) befte^t, b. b- ©fabe, bie fo aus Gocfjinnat, 3>nbifto, Rauten unb SJtaba,» 
eng finb, bafe man nur ©fei jum SranSport gonibolj. 

gebrauchen fann. Sas Ülima läßt fi# gar nicht befdjreiben, ba 

©n Silber mirb aus ben ©tinen ©te^itoS man im märmflen Sommer auf ben bodjgelege» 
ungefähr füitfjebn Millionen SollarS mertfj nen '-Plateaus angenehm tüljl, ja fogar lalt, 
iübrltd) genommen. Sie ©uSfubr beS SanbeS unb im ©Unter in ben nieberen ebenen Warm, 
beträgt ungefähr jebn ©tillionen unb beftebt | fein tann. 

$m alten Pnterlanbe. 

£ e i m ft ä 11 e n ber inneren ©t i f f i o n. 

San fbitar. 


III 

Pie Pettungsanftalten Peutfdjlanbs. 

ermabrlofte Äinber giebt es immer unb über» 
an, fo aud) in Seutfd)lanb. ©ber eS gab 
unb giebt noch immer ebele ©teufchen, bie 
fitfj biefer ©rmen annabmen. ©eftaloaji mar 
eine biefer ©belmannSnaturen, i>. 3 e Uer bon 
Seuggen eine anbere, Wellenberg in ber Scbmeij 
eine britte unb Johannes Wall bon Sßeimar, ber 
Sinter beS Siebes „0, bu frö^ltd^e, o bu felige, 
gnabenbringenbe SöeibnaihtSjeit," barf als ber 
©abnbredber beS ©krteS jur Stettung Dermabr» 
lofter Äinber in Seutfchlanb betrachtet roerben. 

3ebocf) — mir finb ja in Hamburg, ganj nabe 
bei £>orn, roo baS Staube &auS, bie einflufe» 
reicbfte aller StettungSanftalten SeutfdüanbS be» 
ftebt. SBeSbalb nicht ijinauSgeben? ©efagt, 
getban. Sie ©trede ift leine bebeutenbe unb 
halb fteben mir bor ber ©nftalt. Ser eble @riin= 
ber berfelben — Sr. ©Mcherit — ift jroar ju ben 
©ätern oerfammelt, mir fanben uns jebod) red^t 
aut gurecht unb hatten bie ©nftalt obne Diel 
©ufbebenS ju machen, infpijirt. 

©or allem fiitben mir nicht etma e i n £>auS, 
fonbern Diele ßäufer unb Räuschen, bie gar 
nicht raub, fonbern recht lieblich unb ein» 
labenb auSfeijen — erfahren, bajj baS urfprüng» 
liehe, erfte £auS ber ©nftalt einem ©artner 
StamenS „Stuge" gehörte, unb in ber ganjen 
Umgegenb unter bem ©amen „Stuge fjuuS" be» 
lannt mar, morauS man bann ohne ffieitereS 
im #o<bbeutfd}fn „Staubes £>auS" machte. 

©S ift ein Keines nettes auS 20 bis 30 £äu= 
fern unb ^äuSdjen bejiebenbeS Sörfthen, in baS 
mir treten, ©tändle biefer ©ebäube feben reiht 
ftattlich b’rein, mie ^ ©. bie ©gentur unb ©u<h= 
Ijanblung unb baS ©djulbaus. ©nbere finb be» 
fdjeiben ju nennen. ©Ile aber finb in gut er» 
baltenem 3 u P atl t>« unb manibe feben fogar 
malerifdb aus, mie j. ©. bie ©uihbruderei, bie 


mir eher für ein SdhmeijerbauS als für ein: 
Wabritgebäube gehalten hätten. 

©benfo mannigfaltig mie bie ©ebäulidjteiteni 
finb auch bie ©btbeilungen beS Stauben Kaufes, 
baS man mit Stedit einen ©ptluS dou ©nftalten 
genannt bat. Sa ift bie Änaben»$inberanftalt;: 
bie ©täbdienanftalt; baS ©enfionat; bie Sehr» 
lingSanftalt; bie Srüberanftalt; bie ©udjbrude» 
rei; bie ©gentur u. f. m. Urfptünglicb mar baS- 
Staube £>auS nichts als eine ftinberrettungS» 
anftalt, unb baS ift eS ber £>auptfa<he nach aud> 
jejjt nodj. 

^mifdjen 1000 unb 2000 Stinber höben hier 
3urluihtgefunben, unb merben nicht in lafernen» 
artigem 3ufamrnenmobnen, fonbern mittelft beS 
©ruppenfpftemS gut erjogen. Sr. ©Sichern hielt 
nämlidb an bem ©runbfafc feft, bafe auch in ber 
StettungSanftalt bie Wamilie als Semabrerin 
beS &erjenS fo Diel als möglitb bargeftellt unb 
Dermirtlicht merben müffe. 3tt»ölf bis fünfzehn 
Äinber mobnen beSbalb unter ©ufficht in einem 
£>äuS<hen beifammen unb bilben eine Wamilie. 
SebeS £>äuö<hen bat ein ©ärtchen unb jebeS 
Jtinb ein Seet, unb alles gufammen ift fo rein» 
lid} unb bübfeh unb georbnet, mie bie ©feifen 
einer gut gehaltenen Orgel. Unb fingen lönnen 
fie in biefem Stauben fjaufe, bajj es eine Sufi 
ift, nid)t etma nur einftimmig, fonbern jmei», 
brei», Dier» unb fünfftimmig. 

Sie ©rjiebung ift auf bie brei ©dfteine — 
©ibcl. Unterricht, ©rbeit — gegriinbet. SaS 
SBort unfereS ©otteS gilt als WufjeS Seucbte, 

I baS tann man allüberall im Stauben jjjauS er» 
tennen. Saju tommt tüihtiger Schulunterricht 
! Don 24 bis 34 Sttinben per 2Bo<be unb fröb» 
j lidhe ©rbeit, benn jebe Wamilie beforgt ihre 
j häuslichen ©rbeiten, baS Soeben ausgenommen, 

I melcbeS in ber Don Wabcben betriebenen ©n» 
ftaltSlüdhe gefihiebt. StingS um bie ©nftatt her 
aber liegt ein reiht anfebnlidjeS ©auerngut, baS 
auih bearbeitet fein roiu. Somit giebt es für 
alle $änbe oollauf ju tbun. Sie Knaben haben. 



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9m alten Jfatrrianbr. 


229 


anbwerf» imb Qfelbar 6 eit ju leiften; bie Sltäb» 
en außer beit jd)on genannten Arbeiten bie 
flanje PnftaltSWäfdje iu beforgen, ebenfo bie 
3läh=, Slid» unb ©topfarbeit. 

3n baS Penfiottat »erben ß naben gegen 
ßoftgelb aufgenoinmen, unb jmar namentlich 
folcße, welche „befoitberS unter 'ifiiffidjt" bebür» 
fen ; man finbet alfo SungenS bafelbft, welche 
311 £>aufe ejerabe nicht bie fofgfamften Waren, 
aber iu ber Suft beS Staunen ^aufe§ lernen, 
maS baS ©eljorchen meint. 

SchrlingShauS wohnt bie confirmirte 
3uge;tb, welche allerlei ßanbwerfe im Stauben 
4>twfe erlernt. ©S beftehen nämlicb in ber 2fn» 
ftalt außer ber Sritderei auch ©chufjtnacher», 
©chneiber» unb Sifcljlerwerfftätten, wo bie Sehr» 
linge, wie in bem SehrlingSljauS wobnen, aus» 
gebilbet werben, unb jwar nicht allein ßnaben, 
welche in ber Slnftalt exogen würben, fonbern 
eS fominen auch IM eie, weiche [ich bis jur (ion= 
firmation fonft Wo aufhielten. 

Sie 23rüberallftaIt bilbet Strbeiter fiir bie 
innere PJiffion au», nämlich: ©tabtmiffionäre, 
4)auSDäter fiir allerlei Slnftalten, Seljrer, ßran» 
lenpfleger u. f. f. Iturj — in biefem Staufen 
£>aufe finb fo Diele fyaltoren ber rettenben 2(r= 
beit ber inneren Ptifjiou Dereinigt, baß ich jebem 
8 ?rennbe beS SteidjeS ©otteS,. weicher in bie Stäbe 
Hamburgs foinint, onempfeble, wenigftenS einen 
halben Sag fiir’s Staube &au$ ju Derwenbcn. 

©o großartig mtb bebeutenb aber biefe Sin» 
ftalt ift, fo ftcljt fie in Scutfd)lanb gottlob nid)t 
allein ba. PMr 3 af)len nämlid) im alten Pater» 
lanbe etwa 500 StcttungShüufer mit 10,000 
ftinbern, für beten Unterhaltung unb ©rjieljung 
jährlich $ 000,000 aufgebracht werben. 

•t>a nb in 4 >anb mit biefen StettungShäufern 
wirten gegen 60 fogenannte ©niehuitgSDercine 
im alten Paterlonbe, welche uaheju 2000 ßin» 
bet unter ihrer pflege haben. Siefe ©rsiehungS» 
Vereine feßen fich — wie etwa bie ©efcllfchaft 
in Stew $orf — 311 m 3>ele, SBaifen ober ber» 
wahflofte ßinber in guten Familien unter» 
jubringen, unb ftehen bie Pflegebefohlenen bis 
junt Dollenbeten 18. ober 20. Sabre unter ber 
Seitung uub Sluffidjt beS PereinS. ©in einziger 
berfelben — ber Steutircbener — hat feßon mehr 
al§ fechSßunbert ßinbern ben ©egen eines 
dwiftlidjen SfamilienlebenS angeführt. 

IV. 

Pi« Arbeit an brn $d] um d) finnigen 

ift auch «ine StettungSarbeit unb wirb non ben 
©laubigen tm alten Paterlanbe mit großer 23e= 
Dorjugung gepflegt. 3 n»ar flieht es heutjutage 
nicht mehr fo Diele Plöbfinnige wie in früheren 
Sahrhunberten, jeboch säljlt bie leßte ©tatiftit 
beS beutfehen SteidjeS beren immer nodj 54,000 I 


, auf. Sa ift benu bie rettenbe Siebe eingetreten,' 
| um biefen Sinnen ein Slfpl ju bieten, Wo fie 
nicht ©pott unb Ptißhanblung, wohl aber 
fjreunblidjleit unb ßrbannen erfahren, unb wo» 

; möglich er 3 ogen werben follen. „Siefe 3ictbe 
ber inneren PtiffionSthätigfeit," wie ein g?acb= 
fchriftfteUer bie ©orge für bie ßretinen nennt, 
hat Seutfdjlnnb juerft angefaßt unb auSgebilbct, 
inbem bereits 1835 ber württembergifdje pfar» 
rer öalbenweg 31 t PJilbbab im ©cßwarswalb 
eine Sbiotenaiiftalt in feinem £aufe errichtete. 
3eßt beftehen im alten Paterlanbe 33 Sluftalten 
für Plöbfinnige unb barunter nur eine ©taatS» 
anftalt; wäljrenb bie anbent 32 Don ber Siebe 
unb SDohlthätigteit liebenberPtitmenfdjen unter» 
halten werben. 

Sind) für bie ffaflfüchtigen (©pileptifcßen) hat 
bie djriftliche Siebe in Seutfd&lanb geforgt. 
Pteljr als 40,000 biefer Slrmen leben int beut» 
feßen Steiche. PiS 1867 würbe feinerlei Perfuch 
gemacht, burd) Slnftalten einigermaßen Slbßülfe 
ju fd)affen. 3 « jener 3 cit aber eröffnete |)err 
Freiherr Don Sobelidjwingh in einem fleinen 
PauernhauS eine Slnftalt für tJallfiidjtige. 3eßt 
ift biefelbe 3 U einer tleinen aus 30 bis 40 .£)öu= 
fern beftehenben Kolonie geworben, unb wenn 
ber Scfer einmal in bie ©egenb Don ©Ibcrfclb 
tommt, fo gehe er hinaus unb feßane fid) 
„ P e t h e l" an. Slber bieS ift nicht bie eiuaige 
Slnftalt biefer Slrt. Piir fiuben foldje Dielmehr 
iit allen ©egenbeit beS alten PaterlaubcS. 

V. 

PU Srunlifudjt 

beläntpft bie innere Ptiffion SeutfchlanbS auf 
Derfdjicbene PJeife, obwohl Semperenwereine im 
amerifauifchen ©itiiie beS SöorteS bafelbft taum 
beftehen biirften. Slbcr bie Perwiiftungen beS 
SlUoholiSmiiS werben erfannt unb man sieht 
bagegen 311 Selbe, wenn auch nicht mit bem 
©rnfte unb ber ©rünblichleit, welche wünfdbenS« 
Werth wären. „Sie Srunffucßt," fagt ein Sach» 
fchriftfteUer in Seutfdjlanb, „greift ben inner» 
ften Äern beS Slienfchen an, fie ftumpft baS 
©ewiffen mit feinen Ptahnungen unb ffllarnim» 
gen an ©eridjt unb ©migfeit ab, unb Demicßtet 
bamit bie ©mpfänglicbteit beSPtenfchen für baS 
©Dangelium Don ber ©rlöfung, bie ©rlöfungS» 
fähigteit. Pon ber ©djrift wirb beim audh bie 
Sruntenheit gerabeju als Urfaiße ber Unrett» 
barleit bezeichnet in ber ©teüe ©ph-5,18: ,,Pe« 
raufchet eud) nicht mit 2öein, barnt ift Unrett» 
barfeit!" SBeil bie Srunffälligen burd) bie fort» 
gefeßte Slbftumpfung beS ©ewiffenS, beS ©wig» 
feitSbewußtftinS, baS, was fie Dorljer noch hatten, 
nämlich bie ©rlöfungSfähigfeit, Derlieren unb fo 
unwttbar werben, barum lann bie Schrift 


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230 


3m ölten Vatrrlanbr. 


@al. 5, 21 Don ihnen fagen, baß fte baS 92eic^ 
©otteS nitt ererben »erben." 

Sn ©Triften mit folt ernften Sktrnungen 
gegen bie Srunffutt feplt es in $eutfd)lanb 
nitt, feltener bringt man auf ©ntbaltfam* 
teit; fo »eit bat man es brüben not nicht ge» 
braipt. 

®te erfte Anregung ju StäßigfeitSDereinen im 
alten Saierlanbe ging 1832 Don einem dürften* 
tinbe, bem bamaligen Äronprinjen Don Saufen 
aus. Stieb Äönig ffriebrüb SBilbelm III. tum 
'-Preußen beteiligte fit mehrere 3nbre barnacb 
an ber Stäßigteitsfate, »eil er »abtnebmen 
mußte, »ie bie Strunffudjt in feinen Staaten 
»unabm, unb felbft Diele Searnte »egen Srunt* 
fud^t entlaffen »urben. Oie SJirtbe, Srenner 
unb Printer (liebten bie erften Vereine mit Spott 
unb Hohn, ja felbft mit roher ©eroalt ju unter» 
brüefen. Sebocb — baS 2öerf mar Don ©ott, 
roeSßalb es beftanb unb befteben »irb. Oie ba» 
jurnal in Oeutftlanb angeregte StäßigteitS* 
Bewegung braebte außerorbentlicb gute ffrütte. 
©ton 1840 beftanben in Sreußen 433 Siiißig* 
feitsoereine mit 50,000 Stitgliebern, »eit« baS 
©elübbe ber Stößigfeit ober üöüigen ©ntbalt* 
famfeit Don bem ©enuß aller Berauftenben 
©etränfe abgelegt batten. 3« ©tieften tonnte 
ein not burtftiagenberer Grfolg berittet »er» 
beit, inbem innerhalb weniger Stonate 500,000 
Stänner unb fficiber bem Sranntroeintrinfen 
entfagt, unb in turjer 3*ü 50,000 ©äufer 
niitterne Stenften geworben. 3» 3al)r 1845 
jäblten bie Sereine in Sorbbeutftlanb 477,000 
Stitglieber. 

3?reilit fäte ber ffeinb aut b*rr, wie überall, 
llntraut unter ben SBeijen unb namentlit matte 
baS ©turmjabr 1848 einen ©trüb burt Diele 
Hoffnungen. Oie gefebtiteu Maßregeln gegeu 
bie Söllerlei unb Orunffutt »urben alö Solijei» 
toilltür abgefdbafft unb ttergeffen, unb ber ifatnpf 
mußte auf’s 5Jeue ohne polijeilite Hülfe auf* 
genommen »erben. 

3« Erfolgen wie in ben 40ger fahren bat es 
bie StäßigfeitSberoegung in Oeutftlanb nie »ie* 
ber gebratt. 3ebot befteben itt allen größeren 
Stabten StäßigfeitSDereine, »iibrenb djriftlite 
Siebe Sfßle jur Teilung ber Orunfenbolbe ge* 
grünbet bat — 3» ©anjen aber ift Oeutftlanb 
in biefem 3»eig ber inneren Stiffion noch am 
meiften prücf. 

VI. 

Hn ben befangenen unb Verworfenen 

bat bie Sarmberjigfeit in Oeutftlanb ebenfalls 
ibaten Dollbratt. fjreilit nur Don benen, 
bie et»aS erfahren haben Don bem Sfflorte: „Stir 
ift ©rbarmung miberfabren, ©rbarmung beren 
it nitt »ertb", finb b i e f e SBerfe ju erwarten, 


benn bie falfte Sufflärung unferer 3eit treibt- 
nicht baju an, bie Serbreter in ben ©efäng» 
ntffen aufjufuten unb fit um bie SBieberber* 
fteüung biefer unb anberer Serworfener p be* 
mühen. 

©ine ©lifabetba fftp b<ü Oeutftlanb jroar 
nitt aufproeifen, aber bot einen Saftor 3 lieb* 
ner, ber fräftig in ihre 3rußftapfen trat unb 1820 
bie erfte ©efängnißjjefeflftaft im alten Sater* 
lanbe grünbete, ©in preufsifter Srinj über* 
nahm bas Sroteftorat unb Freiherr Don ©teilt 
»ar ein eifriger Seförberer beS SßerleS, weites 
beute not befteht unb ernftlit betrieben »irb. 
Oie meiften ber Don ben (Regierungen eingefübr* 
ten' Serbefferungen, j. S. Älaffififation ber 
©efangenen nach ©eftlett, Slter, ©rab unb 
Srt ber fittliten Serborbenbeit unb 3folirung, 
aüfeitige leiblite Seftäftigung jc. finb ©rfolge 
biefer ©efellftaft. ©ie forgt für bie aus ber 
Haft ©titlaffenen burt geeignete Unterbrin* 
gung, Sefibäftigiing unb Seauffittigung, unb 
giebt fit üoerbaupt Diele Stühe, um bie armen 
Serbreter, obwohl tbre Hilfsmittel lange nitt 
fo bebeutenb finb »ie ber äbnlkben Sereine in 
ben Ser. Staaten. 

3t tötinte not üon manten anbent Siebes» 
werfen ber inneren Stiffion beS alten Sater« 
lanbeS reben. ©S möge jebot baS Stitgetbeilte 
genügen, um barptßun, baß neben Unglaube, 
Sier uttb StabarfSqualm not ftot fiel ©uteS in 
$>eutftlanb „getrieben" »ab. ©inD mante 
ber bortigen Snftalten nitt fo großartig unb ift 
bie SMrffamfeit ber ©efellftaften eine nitt fo 
auSgebebnte »ie hier ju Sanb, fo barf eiiterfeitS 
nitt üergeffett »erben, baß matt tnt alten Sater* 
lanbe Derbältnifjntäßiß not nitt fo Diele 3ün* 
ger ©brifti üäblt als in ben Ser. Staaten, unb- 
baß brüben baS ©elb lange nitt fo reitlit oor* 
banbett ift wie bei uttS. Sber mit ben ju ©e* 
Bote ftebenbett Stitteln wirb mehr auSgericbtet 
als bi«, weil man brüben baS „©paren" beffer 
Derftebt, unb »er ein ptri für’S Seit ©otteS 
bat, wirb fit freuen über bie üBerfe, bie 6r* 
folge, bie H f iwftätten ber inneren Stiffton 
^)eutftlanbS. ffreilit gehört aut baju ein: 
offenes Sage. Slenn 3c»anb nur burt ’&eutft* 
lanb reift, um bie Satur, bie ÄunftgaDerien: 
unb bie je. anjuftaunen, ober in ©in* 

feitigfeit nur bie eine ober anbtre Slrbeit im 
Seit beS Herrn betratet, fo »irb er wahr* 
fteinlit Doit biefem mannigfaltigen ©etriebe 
ber inneren Stiffion wenig ober nittS feben, 
@S ergebt ihm etwa wie jenem $eutften Bejiig* 
lit ber Stabt Sero Sorf. SIS matt ihm tun bie 
©barafteriftif jener ©tabt befrug, fenn*eitnete 
er biefelbe als einen Ort, »o es n u r ©tmuß. 
Safter unb flotte Seute gäbe. SIS mau ihn 
jebot fragte, »ann -uttb »o er bettn in Sero- 
Sort geroefen, antwortete er — im ffrübiabc 


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gln Hinter ftotb. 


231 



roar idj bort, habe ben Sroabmaß burdbroanbert bas, roofiir er ein 9luge hotte. So wirb auch 
unb bin im |>otel uitb Sbeater gefeffen. ©r : ber geneigte Sefer, foüte er einmal nadji $>eutf<b* 
batte feine klugen nidjt aufgetbon, um fi<b bie lanb tommen, bie Sßerfe ber inneren EDtiffion 
taufenbe bon flirren, Spulen unb Sßobltljätig* im alten Saterlanbe nidjt feben, wenn er—fein 
feitäanftalten 9tew $orf$ attjufdjauen, unb fab 5luge bafilr bot. 


Bar WIftttfir Atairb 


m Bad>e liegt ber tt>inter tobt 
Der f^elb, ber ifyn befriegte, 
(Erlieg im Kcidi fein Aufgebot 


Unb fam, unb jab, mtb ftegte. 


XTun liegt bebeeft mit Blätty* unb £aub, IDir aber rotnben uoUer £uji 

Der alte ^reubenfjaffer, Ums fjaupt uns buff ge Krä^e, 

Unb wirb fein £eib aud? nid?t 3U Staub, Unb jauefoen 3U aus ©oller Bruft 

So tmrb er bodj 3U IDafler. €in jubelnb fjodj bem £en3e. 


Gin Gpfer ber Utiffum in Uterikn. 

grei na<b bm ftnglifdjrtt non g. 8 . X. 

f it leben nidbt in einer 3 f it< ba man bie in SUerito, ber am 8. 3lpril 1881 nadb bem 
magren Sänger 3fefu araufam. »erfolgt, Sdbluffe eine» 9lbenbgotte3bienfte§ auf bem 
roie biefeS in früheren 3afjtfjunberten ber ^eimtoege bon einem ®öbell)üufen überfallen 
Sali war. Unb bodf) ift bie 3eit ber 53Järlt)rer , unb fo mifsbonbelt mürbe, baß er ben folgenben 
nodj nidjt oorbei. vludb jefjt nodfj muß lj>e unb 5ng an feinen SEBunben ftarb. 
ba ein treuer 3euge 3*fu feinen ©lauben mit ©pigmeiiiofDlonrob, beffen Silb wir 
feinem 93lute berfiegeln. ©in < foldber fDtärtyrer ben mertben Sefern oon #au§ unb &erb hier* 
unferer 3 e '* roar ® big men io fDtonrot), mit bieten, mürbe am 24. 9Rärj 1846 ju 9teal 
ein eingebotner ÜJlifftonar ber fÖletbobiftenfircbe ! bei fDtonte, EDlejrifo, geboren. Seine ©Itern 


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232 


©in ttpfer brr Ptiffion in iMexiko. 



gehörten ber 9töm. &atß. .ttircße nn, unb eS 
mar ihr Seftreben, aud) ißren Sohn in ben 
Öetjrcn unb ©ebräucheu biefer Wirche jii er» 
jichcn. Obwohl ber junge ©pigmcnio große 
'Jtcigung jur .itird)e unb eine jarte ©mpfäng» 
lid)feit für religiöfe Wahrheiten an ben Jag 
legte, fo bemerfte er bod) WandjeS in biefer 
$irdje, baS ihm nid)t bloö bebenflich fc^ien, fon» 
bern fogar abftieß. 

511 >3 er bcßbnlb jum erften Wale aus bem 
Wunbe eines WiffionarS baS ©oangelium in 
feiner einfachen Sauterteit oerfünbigen hörte. 


ÜJlonroty. 

ma<bte es einen gewaltigen (Sinbrucf auf fein 
©emütb; fein £>erj war wie ein guter Bieter für 
ben ©amen ber göttlichen Wahrheit borbereitet, 
berfelbe ging halb auf unb fafjte auch tiefe 
Wurjeln in bemfelben. (Sr würbe ein eifriges 
Witglieb ber ©emeinbe ju fkchuca. TSS währte 
aber nicht lange, fo fühlte er fid) gebrungen, baS 
große #eil, baS er im ©lauben an ben $errn 
Öefurn gefunben butte, and) feinen in ber 
$infterniß beS ^rrthums unb ber Unmiffcubeit 
iißenben fianbsleuten ju Derfünbigen. Wie 
Saulus befragte er ftd) nicht lauge mit ffleifch 
unb Slut, fonbern ging fogleich aii’s Wert, unb 
jwar gerabe in feiner ©eburtsftabt unb .ftcimatf). 


; 9teal bei Wonte. Salb butte er ein Heines £äuf= 
lein wahrer jünger 2>efu um fid) gefammelt, bie 
I mit ihm betreiben theuren ©lanben empfingen. 

; 3fm Wonat Januar 1881 trat Wonroß in 
, bie Steifen ber Wctfjobiften = Wiffionare, unb 
würbe als foldjer nach Apijaco gefanbt, einer 
©tabt, ungefähr 80 Weilen bon ber £>nuptftübt 
Wejico entfernt. (Sr reifte fogleich nach feinem 
neuen ArbeitSfelbe, unb eS währte nicht lange, 
fo butte er fid) Diele ffreunbe erworben. 3)a, fo 
juDortommetib mar er gegen Sebermann unb 
|o unbefcholten in feinem alltäglichen Wanbef, 
baß er fid) bie Achtung unb 
liiebe felbfi Dieter ßatholifen 
gewann. 

(Sr ging fogleich baran, eine 
©chule ju griinben, unb in für» 
jer 3eit butte er jmanjig Äin» 
ber beifammen. ©eine Wenigen 
Wujjefiunben brachte er bamit 
ju, inbem er mit eigener f>anb 
bie Heine Äapelle Derbejjerte, 
unb bie Einlagen um baS Wif« 
fionS = ©igenthum Derfchönerte. 
©r bcfdjränfte aber feine Arbeit 
nicht auf bie ©tabt, in welche 
er gefanbt mar, fonbern er 
fud)te baS Werl auSjubebncu 
unb befuchte bie umliegenben 
Dörfer, um aud) bort bie frohe 
Sotfcbaft beS £>eilS ju Dertün» 
bigen. 3in einem biefer Dörfer, 
Santa Anita mit Aanien, 
fnntmelte er einige Anhänger, 
bie aber halb ju einer folcßen 
3ahl hfranWuchfen, baß fie fid| 
ju einer ©emeinbe jn organi» 
firen begehrten. 51 lief) Wonroß 
War biefer 5lnfid)t. ©r legte bie 
Angelegenheit bem Wiffionar, 
ber bie Aufficht über baS ganje 
Werf butte, oor, unb erhielt 
bie ©rlaubnifj, baS begonnene 
Wert fogleich ju Doüen'oen, unb 
eine ©emeinbe ju organifiren. 

Wit Wuth unb ©ifer ging er ans Wert; aber 
es follte biefeS feine leßte Arbeit im Weinberge 
feines £>errn fein. 

Freitag Abenb, ben 8. April 1881, Derließ 
Wonroß munter unb wohl feine Familie unb 
begab fidj uuf ben Weg nach Santa Anita. 
Aach einem turjen, aber gefegneten ©otteSbienjt 
würbe bie Heine ©emeinbe organifirt; bann trat 
ber Wiffionar mieber feinen Heimweg an. $)ie 
©ntfernung mar bloS brei Weilen. 3»ei Wit» 
glieber ber neuen ©emeinbe begleiteten ihn. ®ie 
brei (infamen Wanberer hutten, ohne bie ge» 
ringfte ©efaljr ju ahnen, ungefähr bie $älfte 
ihres Weges jurüdgelegt, ba [türmten ptößlidj 


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(Sin @pfer ber Ptiffion in Pesiro. 


233 


14 mit ©dbmertern unb prügeln betuaffnete 
®tänner auf fic ein unb fdblugen fie nieber. SS J 
mar bauptfäcbtidb auf ben 9Miffionar afcgefeben, 
unb er mürbe fchtecflich gugeridbtet, mäbrenb 
feine Begleiter mit meitiger gefäl)rli(^en 2 önn= 
ben babonfamen. Die fanatifd)en Uierfolger 
tnarfen 9Monrop auf bie ©eite beS 333egeö unb j 
beeften if)ii mit einem Raufen bon altem, ©trob 
gu, baS iu ber 9täbe mar; bann eilten fie babon. 

Silier ber ^Begleiter mar nid)t fo febr ber* 
munbet, fo baB er 9lpigaco erreichen fonnte, um | 
bon bem traurigen Sorfall gu berichten. Die i 
9Iufregungunb Sntriiftung mar grofc. | 

Stnige gfreuitbe eilten fogleicb hinaus an ben j 
©chrecfenSort, mäbrenb aitbere in’S $auS beS | 
9MiffionörS gingen, um bie 9Miffionätin unb i 
ihre Jfiitber gu tröften fo gut fie fomtten. Die 
Sfreunbe fanben ben armen SJfiffionär in feinem 
Stute liegenb, aber noch am fieben. 9Man 
brachte beit armen 9Mann in feine ©eintatb, bie 
er einige ©tunben guoor fo moblgemutb ber* 
taffen batte, unb legte itjit auf fein Sett, bon 
meicbem er aber nie mieber aufflefieit follte. Qfür 
bie treue ©altin unb bie lieben ffinber mar bie* 
feS eine traurige Deintfefjr beS SaterS. Äeiit 
9luge blieb troefen, als fid) bie 9Miffionärin in 
Dbranen über baS blaffe s i(ngefic^t ihres 9Man* 
iteS beugte, unb bie ftiuber jamnterub am Sett 
beS lieben SaterS fnieten. 

Der 3Miffiouar litt grone ©cbinergen, beim 
ein Sein mar oberhalb beS JlitieS gebrodjen unb 
ein 91rm an grnei oerfdbiebeneu ©teilen ; oben 
auf bem $opfe mar ein flaffenber ©d)nitt, mabr* 
fcbeinlicb bureb einen ©chmertbieb terurfadjt, 
unb fein ganger fltütfeti mit SJunben bebedt. 
Doch bebielt er fein Dolles Semufitfein, unb fagte 
gu feiner ©attin, fie falle nicht um feinelmilien 
meinen, fonbern um berer milleit, meld)e in ihrer 
fanatifeben Slinbbeit baS 9öerf bes Srlöfers in 
Santa finita oereiteln mollten, inbem fie ihn 311 
tobten fudbten. 

Den folgenben Dag mürbe er, obmobl febr 
febmaeb unb leibenb, febr ermuntert burdb ein 
Delegramtn bon Suebla, in melcbeni es bi*& 
baß auf bem 3 uge, ber in ber Macht um 2 Uhr 
eintreffen follte, ein 91rgt unb ein eingeborener 
9Miffionar anfommen mürben, um ihm gu fyU 
fen. 911s 9Mitternadbt langfam berannabte, frag 
9Jionrop öfter, meldbe $rit es fei. Um Mütter« 
nacht frug er mieber. ©eine ©attin antroortete 
ihm, eS fei 12 Uhr. „Mun, laß gilt fein," fagte 
er mit fchmacher ©timme, „ich fühle, idj !ann 
nicht leben bis 2 Uhr ; aber fage ben Srüberit, 
menn fie tommen, maS mich perfönlicb anbelangt, 
fo ift alles mol)!. Ss ift alles mobl, idb 
bin glütflich!" 

Sine halbe ©tunbe nadbbem er biefeS gefugt, 
hatte er auSgelitten unb mar eingegangeu gu 
feines ^)errn Sreube, um fidb ber gropen 


©dbaar ber 9Märtprer üor bem Dbrone angu* 
fdbliepen. 

Sine ©tunbe fpäter traf ©amboa, ber anbere 
9Miffionar ein. Sr mar tief betrübt, feinen 
^Mitarbeiter im Meidbe ©otteS nicht mehr am 
2eben gu finben. 91m folgenben Dage febrieb 
er einen Srief an ben ©uperintenbenten, bem 
mir folflenben 9luSgufl entnehmen : „91rmei 
©enor 9Monrop! Sr mar ein mirflicher 9Mär* 
tprer, ein anberer ©tepbanuS, mit bem Unter* 
fdjiebe, baß man ihn mit ©cbmertern unb ^rü* 
geln erfdblufl, anftatt mit Steinen. Unb mie 
SbtiftuS 9lngefidbtS feiner $einbe betete: 'Sater, 
bergieb ihnen, benn fie miffen nidbt, maS fie 
tbuit', fo betete auch Sruber Mionrop 91iifleficbtS 
ber feittigen. Unb fo mar eS auch. Diefe 9Men= 
fdben haben einem 9Manne baS Seben fle* 
raubt, ber fie fo innifl liebte, fidb für fie auf* 
opferte, unb Don meldbem fie unb ihre Ä'inber 
noch öiel ©uteS empfanflen fotlten. 3nbem fie 
ihn töbteten, beimpften fie baS Sicht, bas begon* 
nen batte bie f^infternife ihrer Unmiffenbeit gu 
I oerfdbeudben ; fie mußten nicht, maS fie tbaten. 

1 91rtne Heine fiinber finb gu Söaifen flemorben, 

1 uub eine treue ©attin gu einer üöittme; mirf* 

. lieb ein traurifleS Silb, baS auch baS bärtefte 
1 ^erg mit SBehiuuth erfüllt. 2Benn, inbem idb 
| biefe fc^reibe, eine Db^ane in meinen 

1 9luflen erfllängt, fo ift fie ein treuer 3euge ber 
! tiefgefühlten Iraner, bie mein £)erg erfüllt." 

Das altere ber binterlaffenen Äinber, ein 
! munterer finabc oon ungefähr fieben fahren, 

I befinbet jicb gegenmärtig iu bem SJaifenbaufe 
, ?u Saebla. SMöge ihn ©ott in feiner ^ugenb 
| belehren, uub möge er in bie gufdapfen feines 
i feligeu SaterS treten ! 

DaS jüngere $inb, ein 9Mäbcben bon hier 
. 3abreit befinbet fidb bei ihrer 9Mutter, unb be- 
! fud)t regelmäßig bie ©ottesbienfte mit berfelbeit. 

' ©ie fipt ruhig au ihrer ©eite unb fdbaut oft ge* 
! banfenboll iu bas mit Dbräneit benepte 9(utlib 
| ber lieben 9Mutter. Unb mer mollte biefer 9Mut= 

| ter iu ber ftillen geierlidbfeit beS Kaufes ©otteS 
; bie D brauen bermehren ? ffiar eS boeb er ft bor 
furger 3eit bap ihr geliebter ©atte bafelbft baS 
Sbangelium bertiinbigte, unb nun ruht fein 
Seib in ber fühlen Srbe. 9lber bie äßittme meife 
auch, bap fein ©eift entflohen ift gu jenen oberen 
Legionen beS Siebtes, mo auch ihre Hoffnung 
einen feften 9(nfergrunb gefunben bat. ©0 Der* 
gießt fie foobl Dbränen, aber nicht mie Sine, 
bie feine Hoffnung bat. 

SJie munberbar finb bodb bie 2Bege ber Sor* 
febung ©otteS! Meuu iage nach bem Dobe 
s J)?onrob’S, unb che ber 9MiffionSboarb ber Sifch. 
9Metb. ffirche bon bem traurigen Sorfall unter* 
richtet mar, bemidigte berfelbe bie Summe bon 
fünfbunbert Dollars, um eine Kirche in Uteal 
bei 9)tonte, Wonrop’S ©eburtSort, unb mc er 


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234 


Ktdjt muß bod) Pedjt bleiben. 


äucrft eine ©emeinbe ßrünbete, gu bauen. Oie« 
fet Ott, wo man ßeßenroärtiß im Sau biefer 
ftirdße begriffen ift, ließt a500 guß über bein i 
SWeereSfpießel, ift alfo einer ber ßöcßfteH fünfte 
ber ©rbe, mo eine cbrifilicße flirre fteljt. SWöße 
biefe Klirre biefeit Ort gu einem folgen mailen, 
ber wie eine ©tabt ift, bie auf einem Serße 
fleßt, bie nicßt berborßeu fein lann. 


'|*erf)l muH *><"<) Hedjt blfibtii.“ 

Wad) txutfc^n Ducltot für $au* unb $«rb bearbeitet 

Sou Paul (Pußtu. 

I. 

Pas ©rbe. 

«int Stroftburgtr .fnmilint-CRffdjidjtt tu* ber 3rit 
ber Deformation. 

1. ®er tßfeifertafl. 

IjjlaS ffeft SWariä Himmelfahrt — ber fünf« 
(50t geßnte Slußuft anno Oomini 1523 — fanb 
k bie ©inmoßner ber alten unb freien Steigs« 
ftabt ©traßburß fcßon frühjeitiß auf ben 
Seinen, unb in ©affen unb auf Stößen bränate 
fid) ein fröhlicher SWenfchenfcbwarm. Oer Se« 
benSmutij biefeS leicht beweßlicßen SölldjenS 
hatte fießreid) ©tanb gehalten, troß ber Stad)« 
wehen ber Seft, welche im Seiche ßewütßet, unb 
troß ber tiefernften 3«'* oiit ihren tirchlichen 
unb jjolitifchen SBirren, in benen man fi<h jeßt 
befanb. 2BaS 9llt unb 3una heute burd) bie 
©tragen bein eßrwürbißen SWünfter gu trieb, 
War inbeffen nicht baS fitchliche 3?eft, welches 
bort ßefeiert werben follte, fonbern ein feßr weit« 
lieber Aufguß, beffen ©rfdjeinen man feßnfüditiß 
erwartete; unb groar ßehörten bie Oßeilneßmer , 
ausfcßließlicß ber eblen pfeifet*unft an, I 
welche h<ute ihren ©erießtstaß auSnaßmSWeife i 
in ©traßburß abhielt. 

Sille 3aßre einmal hotten fid) nämlich alle 
foßenannten „faßrenben Centc", ©aufler, Sof* 
fenreißer, ©pielleute u. f. w., bie feit bein @nbe 
beS SWittelalterS eine eißene 3unft, bie „Pfeifer« 
gunft" bilbeten, gn einem folchen „©erießtstaß" 
unter bem bom beutfehen ftaifer auSbrüdlicß für 
fie befieflten „O b er f pi e lß r a f en a m t" ein« 
gufinben, beffen oberfte Seßörbe ihren ©iß in 
SEßien hotte, ffür bie eingelnen Srobingen unb 
©aue beS ßroßen beutfehen Seines ßab eS aber 
Wieber befembere Unteroorfteher, bie ben Samen 
Sfeiferlöniße führten unb nieiftenS aus SWit« 
gliebern ber abelißen ©efchlechter beftanben. fjür 


baS ©lfqß.waren bie ©rafen bon IRap«- 
p o 11 ft e i n bagu ßewäljlt worben, baS ©d)uß= 
unb Sluf fichtsamt über bie betriebenen 3nnun« 
ßen biefer fahrenben ©änßer unb SWufitanten 
gu führen unb mit bem „Sfeifertöniß", bem 
Schultheiß, bier SWeiftern, gwölf Seilern unb 
bem foßenannten „Slaibel" ober StatßSbiener, 
welche gufammen ben „©cricßtsßof" ober baS 
„Sfeiferßeridjt" bilbeten, ben jährlichen ©erichts« 
taaober ipfeifertaß abguhalten. 

SWifcßen Wir uns unter bie neußieriße 3u« 
fchouermenße. 

„Ueber breihunbert ^Pfeifer will ber Sffiirtf) in 
ber 3?reqberßcr«©tub’ ßegählt hoben," äußerte 
ein wohlbeleibter SürßerSmann gu feinem neben 
ihm ftehenben ©ebatter. „@S fod heut’ ßar 
ßlänjenb werben." 

„©eßwäß’ nit fo bumm, Ißeter," antwortete 
mürrifch ber hoflere Serwanbte. „Ou weißt fo 
put wie ich, baß es mit ©lang unb Somp borbei 
tft, feitbem ber alte Satbob, ber bortefete 
Sfeifertöniß, baS 3 c >Hi<he ßefeßnet hot. ©r 
tonnte auc$ was b’ranfeßen, benn er war reich, 
wie nur ©mer. 

„Oa halt bu aderbinßS 9tedjt," nitfte ipeter 
© <ß w a r o e r, ber Oberherr ber ©ärtnergunft 
bon ©t. Surelien. „Unb fein ©ohn, ber SW i« 
dj a e l, wieegt womößlicß noch fchtoerer als ber 
Site." Set biefeit SBBorten machte ber ©preeßer 
bie ©efte beS ©elbgähleitS. 

„3ft auch um ein ßut 5Eheil ftolger," fiißte ber 
©ebatter hingu. „2Wöd)t’ fein SWäbel, bie Sßi* 
lippine, Womößlich nur an einen Sbelißen 
berßeirnthen. 3<ß ßlnub’, er feßämt fi<h feines 
tobten SaterS, ba er ja nur ein fimpler Pfeifer 
war." 

„O, ßlaub’ bas nit, ©ebatter," wiberfprach 
©eßwarber. „Oer SWicßael Satbob ift eher 
ftolg auf feinen Sater, ber ein ßar ßroßer Sir« 
tuoS ßewefen fein unb bie Siola ßeftridjen hoben 
foll, baß er ftaifer unb dürften ßerührt unb 
hinßeriffen hot. Oafür befam er aber auch 
immer einen ßübfcßen ftlumpen ©elb. Sein, 
©ebatter, ber SWicßael SRatbob bilbet fi<ß auf baS. 
Sfeifertönißtljum feines Sllten ’WaS ein, unb er 
hat auch heute fid) bebunßen, baß ber Stadjfolßer 
feines Saters bei ihm, als bem fürnehmen 
Kauf« unb HonbelSherrn ben SBilltommtrunt 
nimmt." 

„Söahrhoftiß," rief jeßt ber ©ebatter ft uob« 
l o ch aus, „aber fießft bu bort brüben, am ©cf 
bon ber ©pieSßaß, nit bie beiben # o b e n b e ß’S 
ßeßen \" ©r beutete mit ber Hanb borwärtS unb 
©cßmarbersSußen folßtenber Sidjtunß. „Sßaßr« 
ließ, eS ift Sater unb ©oßn," beftätißte nach 
furger $aufe ber Dberßerr ber @ärtner=3uuft, 
„ßa, unb bießt hinter ißnen ftolpert SW ü r u« 

| ßart bonSödlinSau! 2BaS mäßen bie 
i ©efellen in unferer ©tabt wollen? ©iebfs für 


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Äedjt muß bod) jtedjt bleiben. 


235 


fie auf ber ^ofeenfeeg, iferem alten Stammfefelofi, 
feine $äubel mefer?" 

„Ülein, SReifter Sdfewarber," liefe fiel) jefet eine 
mastige Safeftimme bidbt feintet ben beiben 
©eoattern Dernefemen, „mit bem Staufen feafs 
ein ©nb’, benn bie 39urg ift an bie 3° r n’S 
Don 9t e i n a dfe Derpfänbet." 

„Slfe, ftefe’ ba, ftreunb 33ranbfeoffer," 
Derfefete bet Oberfeerr in freunblicfeem Sone, 
naefebem er ben fffremben erfannt, tnefcfjer bei 
bem neuen ebangelifefeen tßrebiger SR attfeäuS 
3 e 11 Don St d if e r S b a <fe, gewöfenlidfe nur 
„SR e i ft e r SR a t fe i S" genannt, baS Slmt eines 
RüfterS Derfafe. ,,#ab’ iefe geträumt ober reefet 
gefeört, — SSurg £>ofeenfeeg ift berpfänbet ?" 

Ser Äüfter wollte antworten, aber unter bem 
Derfaminelten Solle entftanb jefet ein drängen, 
Stoßen unb puffen, Deranlafet burdfe baS allge» 
meine ©efdferei: „£urrafe, bie pfeifet fommen!" 

Unb in ber Sfeat wäferte es nidfet lange, fo 
taucfele SluSgangS ber auf ben SRünfterplafe 
münbenben ©pießgaffe ber ftattlidfee 3ug auf. 

©r würbe eröffnet Don Dier Srompetern unb 
einem Raufer gu Ißferbe. Siefen folgte ein 
fjerolb m pfalggräflidfeer Sipree, unb bidfet fein» 
ter biefem fdferitt grabitätifefe unb feiner xBürbe 
ftefe bewufet ber tßfeifertönig, mit einem langen, 
toadenben SRantel unb ber auf bem Sarett be» 
feftigten ftrone. 

3n langfamem, feierlidfeein Sdferitt umfreifte 
ber aus mefereren feunbert Serfoiten beftefeenbe 
3ug ben grofeen SRünfterplaß. Sin ber jfrä» 
mergaffe anlattgenb, machte er jeboefe |>a(t, 
benn bort erfeob fidfe baS £>auS bes ffauffeerrn 
SRidfeael fRatbob, beffen Derftorbener 33ater ber» 
einft als SSfeiferfönig beriifemt gewefen. 

Sie Srompeter fammt bem Raufer bliefen 
unb wirbelten einen Sufcfe, worauf ber neuge» 
toäfelte „Sfeiferfönig" auS ber 9t ei fee trat, be» 
gräfet Don einem feofeen, ftattlicfeen ©reis mit 
ebeln intelligenten ©efiefetsgiigen. ©S war SRi» 
(feael Statbob, weidfeer ben 3‘ifl oor ber Sfeiire 
feines Kaufes erwartet featte. ©r fdferitt auf ben 
Sfeifertönig gu, ergriff beffen &anb unb begann 
mit weitfein Dernefembarer Stimme: 

„©mpfanget ©rufe unb £>anbf<fe(ag, Dielebler 
SReifter unb £>err, unb möge es ©udfe belieben, 
beim Slntritt ©ureS eferenwertfeen SlmteS ben 
ffiiflfommtrunf aus bem SSedfeer gu leeren, ben 
mein feliger f>err 93ater bereinft gu SBormS 
Dom JfJaifer SRarimilian erfeielt, ba er bem rit» 
terlicfeen £>errn in feiner tßfalg ein gutes Stüd 
aufgefpielt." 

Stadfe biefen SQorten gab ber ©reis einen 
39inf unb aus ber Sfeüre trat eine feftlidfe ge» 
fleibete Jungfrau, unb näfeerte fidfe bem Pfeifer» 
fönig, in ber #anb ben gefüllten filbernen 
■öedfeer fealtenb, meldfeer, ftatt bes §ufeeS, in eine 
mit SlrabeSten Dergierten 35Beinrante auslief. 


Unter einer feöflidfeen SSerbeugung nafem ber 
Sfeiferfönig ifen entgegen unb leerte ifen. Sann 
trat er an feinen alten Slaß gurücf, bie Sfnjtru» 
mente ber Spielleute begannen Don Steuern ifere 
lärmenbe SRufif, unb ber 3ug bewegte fidfe bem 
SRünfter gu, um — nadfe altem ©ebrauife — ba* 
felbft ber SRefje beiguwofenen unb baS üblidfee 
©elbopfer gu bringen. 

Sie 3ufdfeauermaffe wogte nadfe unb halb lag 
ber grofee Stoß oor bem Some öbe unb einfant 
ba. Stodfe aber waren feine gefen SRinuten Der« 
floffen, als gwei SRänner aus bem SRünfter tra* 
ten unb langfam ber Ärämergaffe gufdferitten. 
Ser jüngere — ein finfter auSfefeenber ©efefle 
mit einem bösartigen 99li<f — trug bie Sradfet 
eines UriegSfnedfetS, wäferenb bie Äleibung bes 
Sleltern fofort ben ©beimann Derrietfe. Slber 
trofe bes grofeen StanbeSunterfdfeiebS plauberten 
beibe SRänner fefer Oertraulidfe mit einanber, ja, 
ber ßriegStnedfet fudfetelte gum Deftern mit fei¬ 
ner Stedfeten feödfeft refpettwibrig in ber fiuft 
feerum, namentlich jefet, als er faßte: 

„Sen 3o™’ö bon meinadfe will idfe’S gebenfen 
unb nit efeer rufeen, als bis idfe ifenen ifere Stie* 
bertradfet feeimgegafelt feabe, benn fie allein tra¬ 
gen bie Scfeulb, baß man meine Bewerbung, 
unter bie fianbsfnecfete aufgenommen gu werben, 
gurüdroieS, unb iefe geßt am £ungertucfe nage!" 

„Sei rufeig, S e b a 1 b," entgegnete ber 9t it* 
terSmann. „Scfe Derfüge jeßt gwar über {einerlei 
Steidfetfeümer, benn 3» r « Don Steinadfe feat midfe 
auSgeplünbert, — fooiel befifee idfe aber immer 
nodfe, um einen ©etreuen, wie bidfe, Dor junger 
gu fdfeüßen." 

Ser ftriegSfnedfet ftammelte SanfeSWorte, ber 
Slnbere aber fufer fort: 

„3fdfe feabe triftige ©rünbe, bem Äauffeerrn 
SRidfeael Statbob einen SJefudfe gu madfeen, obfdfeon 
er mir Dötlig fremb ift. Su bift jicfeerlidfe 
audfe über tfen unterrichtet; WaS ift eS für ein 
SRann ?" 

Sebalb goa bie ftruppigen 33rauen in bie 
£)öfee unb gudfte bieSldfefeln; bann antwortete er: 

„6r ift nidfet fjifdfe, nidfet fjleifdfe, — niifet 
abeliß unb nidfet bürgerlidfe. ©fere unb Slnfefeen 
geben ifem über SItleS, barum fdfeliefet er audfe 
mit Sebem gern ffreunbfdfeaft, ber ifem gu bem 
einen ober anberit oerfeilft." 

„Slfe, bann ift er ber SRann, wie idfe ifen 
brauefee unb fuefee," Derfefete fjerr SBalbner 
bon |>ofeenfeeg befriebigt. „Seftätigt fidfe 
ber Stuf feines SteidfetfeumS ?" 

„SOßill’S meinen," grinfte Sebalb unb eilte 
bem begeidfeneten £>aufe gu, um ben Stitter bort gu 
melben. 

Saffelbe geidfenete fidfe —trofe beS üteidfetfeumS 
feines 33efißerS — in leider 3Beife oor ben nadfe« 
barlicfeen ©ebäuben aus. ©leidfe biefen featte 
eS eine 9teifee Qfenfter, weidfee innerhalb einer 


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Kfdjt map bod) Rerfjt bleiben. 


236 


•außen an ber ©Jauer angebrachten fmlzfaffung 
beliebig piit iinb her gehoben merbeit tonnten. 
Sie breiten, in einem ©ogeit audlaufenDeit 
geufter bed @rbgefd)offed touren mit ftarfen 
Sifengittern Derfeheit, bie zur ftiirforge Sacptd 
nod) mit feften £>üljlüben Derfd)loffett mürben, 
fiinfd unb recptd Don ber fcpmalen ^>au^tbür er* 
Öoben [ich fteinerne ©ättfe, auf beiten an mar* 
men Somnterabenben ber reiche Kaufherr mit 
•guten gfreunben unb Sacpbant fid) nieberließ, 
511 einem bepaglicpett ©lauberftiinbcpen. 

Son hinein biefer Steiitfipe nahm jept 2öalb= 
ner Don &openpeg ©efiß, nuf bie Südfepr bed 
«entfenbeten Soten martenb. 6 h? Sebalb aber 
mieberfeprte, tauchten auf bein ©Jünfterplap 
Ztoei jüngere ©Jänner auf, beiten ber graubärtige 
Sitter ein 3ci<ptu gab, ihre Schritte zu befd)(eu* 
nigen. 6 d mar ber 3 u it f e r 2 Ö 01 f g a n g, 
bei: zmeiunbzmaijzigjäprige Sprößliitg bk alten 
Sbeldgefcplecptd ber ©opeupeg, unb fein etmud 
älterer ©etter Daniel, ©f üntpurt Don ©öd* 
lindau genannt, ßeßterer hatte feit feinem ad)ten 
3apre auf bem Stammfcploß feiner ©ermanbtett 
•gelebt, ba er ©ater unb ©tutter frühzeitig Der* 
ioreit unb aufeerbem feiuerlei ©ermögeit befaft, 
um für fi* felbft forgeit^ zu tonnen, lieber 
fcplecpte ©ehanblung Don weiten feinet Oheime, 
bed ©ruberd feiner Derftorbeuen ©lütter, hatte 
er nicht zu Hagen gehabt; um fo härter bagegen 
Zeigte fiep ihm bie Saute, Freifrau iS p a r i t a d 
Don Roheit heg, bereit @e iz fpricpmörtlicp 
mar. ©Japrfcpeittlicp mar bied bie Urfache, bah 
*r fich einer übergroßen Sdjlanfpeit erfreute unb 
jept, als ein fünfititb^mattzigjähriger ©Jann, 
beit Sitter „Dott ber traurigen ©eftalt" fpielte 
unb bem Spott unb $opu bed Solfed zur 3^= 
fdjeibe biente; uttb in ber Spat foiinte man fich 
fatttn eine fitöcpertiere ^igur benfeu, ald ben 
•armen Saniel ©Jiirnpart Don ©ödliitdau, unb 
ba er aufjerbeni beftäubig hin ttnb per maulte, 
fo gab ihm ber ©olfdtoip beit ©cinameit: „S i t = 
der 2Bacfel Don Scplotterdpeim". 

Sie beiben jungen ©Jänner hatten eben an 
ber Seite Söalbnerd Dott fjopenpeg ©laß genorn* 
men, ald Sebalb in ber fhiudtpitre erfepien. (Sr 
fepnitt ein pämifeped ©efiept unb rieb fiep bie 
änbe, ohne auep nur ein 2 öort zu fprecpeit. 
rft naepbem er Dott feinem Ferrit mieberpolt 
bazu aufgeforbert morbeu mar, öffnete er ben 
breiten ©iunb unb begann: 

„2Bad pah’ icp (Sud) gefagt, £)err ? Ser Sat* 
bob ift ein mifttrauifeper Sld ich meine 
©lelbung Dorgebracpt, zag er fiep, gleich einem 
3ge(, in fein 3 nnerfted juriief unb rief mir fo* 
•bann zu: '3<P mache feine ©elbgefcpäfte, fug’ 
bad deinem f)errn. Sarum möge er mit feinem 
3unfer nur fotnmeit, mentt er eine ebte Sbficpt 
hat/" 

SBalbner Don ©openpeg bliefte eine ©Jeile 


finfter Dor fiep pitt, bann erhob er fiep mit einem 
gemaltigen Sude Don ber fteinernett ©anf unb 
1 fügte: ,-©3ir gepen boep zu bem poepmütpigen 
Kaufherrn. 2üolf begleitet tttiep. Su bagegen, 
Saniel, ermarteft ntiep zu £)aufe." 

Sacp biefeit ©Porten Derfcpmattbeit ©ater unb 
Sopit in ber £)äudtpüre, mäprenb bie beiben 
Snbern ntißDergnügt ihren ©*eg fortfepten, b. p. 
fiep ber aud bent ©fünfter zurüeffeprenben ©olfd* 
menge unfcploffen; bentt bie feierliche ©Jeffe mar 
Dorüber unb bie ©feifer zogen mit ihrem Könige 
nunmehr in’d Satppaud. Siefed ftanb ant gifdj* 
marft, unb ba ber feierliche 3ug bie Krämer* 
gaffe paffirett mußte, um bapin zu gelangen, fo 
mar ed natürlich, baß bie ©lide ©Iler ftep bem 
fjaufe Satbobd zumenbetett, in ber feften Ueber= 
Zeugung, ber reiche (Srbe bed ©feiferfönigd merbe 
jepi aberntald zum ©orfepeitt fommett. ©Dein 
bie guten Seute patten fid) Derrecpitet; Spür unb 
Scnfter blieben Derfcploffeit uttb bad ^aud lag 
mie audgeftorben ba. ^ie unb ba murbe in ber 
©olfsmenge ein ©lurren laut, ba§ ©efepmetter 
ber 3n[trumeitte iibertönte ed jeboep unb halb 
feprte bie alte Üuftigfeit suriid. 

2tm Sacpmittag ging ed auf bem ^fifepmarft 
toll zu. Sn einem Stfcp, mofelbft fiep eine Sit* 
Zapl älterer Herren niebergelaffen, fittben mir 
untere alten ©efannteit: ©eter Scpmarber, ben 
Cbcrperrn, uttb feinen ©eoatter Kttoblocp 
mieber. 

„Sa fonintt ^rettitb ©rattbpoffer!" unterbrach 
j Scpmarber bad ©efpräcp. „3e^t rüdt zufattt* 
men, ©eDattern, bamit icp iprn ein bequemed 
©läpleitt an meiner Seite bieten fattn/ y ©Jit 
I beitt Kiifter mar ein Kricgdfitecpt eingetreten, 
l melcper fiep, ttaepbem er bie ferlaubnip bed 
1 tped eittgepolt, auf einer ©anf itt ber Säpe 
nieberließ. 

„Unb nun, Kiifter, erzählet," fupr ber neu* 
gierige Sdjmarber fort, „mie’d gefommen ift, 
j baß — na, 3hr mißt ja, mad 3P^ mir peute, ep’ 

1 ber 3ug ber ©feifer erfdpien, in r d Cpr geraunt/' 
„Sp, 3Pv meint bie ©efepiepte mit ©urg ^open* 

| peg V fragte ber Küfter. Scpmarber nidte 
[ fcpmunzelnb. 

„Sun mopl, fo mill icp 6ucp bie ©Jäpr zum 
©eften geben," entgegnete ber Küfter. „6d fiitb 
jept fünf 3>apre per, ba erftanben bie 30 ™'$ 
Dott Seinacp bie ^errfepaft ©Jarlep fammt ber 
©ronenburg um zmeinnbfünfzigtaufenb ©ulben, 
beitu ed metr ein grofted Sotpjapr unb 3eber* 
mamt brauchte ©elb. Sm St. ©Jattpäudtag 
zogen bie neuen Herren ein unb empfingen Don 
ben Untertpanen bie £>ulbigung. ©Jittlermeile 
laut Der September heran. 3u ©Jicpaeli pflegt 
matt alljährlich zu ©Jarleß, hinter ber ffronen* 
bttrg, einen 3aprmarft unb Sattz zu palten: in 
biefem 3upr mar ber 3unfer ^and Don Seinad) 
babei unb mifepte fiep unter bad luftige Solf. 


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Jtafyt mitfe bod) Iftedjt bleiben. 


237 


erfheint plöfelid) ber ©oigt Don ©obenfeeg 
auf bem ©lafe, unb hinter iljm lomrnt ein rieft» 
ger Äneht, geriiftet, mit fünf ©alenfhüfeen. 
illle pflanjten fidj auf, unb aß Runter ©ans 
darüber feine Serwunberung ouSfprah, erhielt 
er botn ©oigt bie Antwort: feine ©errfhoft 
labe ihn baffer gefhidt, um ben '-Plofe ju haften, 
bemt bie hohe Obrigfeit gehöre bem ©rafen Don 
©oljenfeeg au. $>em hoi natürlich ber Runter 
ganj entfhieben wiberfprohen. darauf ift ber 
SBoigt mit ber $rohung Tortgcritten, et wolle 
balb in anberer ©eftalt jurücfe lehren, — unb 
rid|tig, eine halbe ©tunbe fpater ftürmten bie 
©räflichen mit Oierjig ©ferben unb breifjunbert 
Unechten heran, flachen unb fchoffen, brangen 
bis ju ben ©djranfen beS ©tartteS Dor unb 
fdjlojfen mit ©ewaft baS 3;hor." 

„Solch’ ein ©pifebube!" riefen bie beibeit ©e= 
oatteru wie aus einem ©tunbe. ©lücflieber 
SBeife entgingen ihnen bie giftigen ©fiele, weihe 
ber hinter ihrem 9tüden auf ber Sani fipenbe 
frembe itriegStneht ben brei fffreunben jutoarf; 
jie würben fonft fiherlih weniger laut gewefen 
fein. 

„Nunmehr war eS natürlich mit ber ©ebulb 
beS alten 3om üott 9teinadj Dorbei," fhlofe ber 
Äufier ftine ©tittheitung. „6r erhob beim 
SReidjSlammergericht ,Imlage gegen ben 9tuhe= 
flörer, fomie Hlnfpruh auf ©habenerfafe. $er 
$roaefe währte eine lange 3eit; enblid) fam aber 
boc| baS Urtheil, wonach ber ©raf Don ©offen» 
heg an 3orn Don 9teinad) Dierjigtanfenb, unb 
an bie itaiferlidje ©tajeftät jwanjigtaufenb ©ul» 
ben ©dfabenerfafc unb ©ufegelb, wegen Sanb« 
friebenSbruh. $u jahlen hotte." 

„$aS nenn’ uh einen geregten ©prudf!" rief 
Sdjroarkr beifällig, fah fi<h ober nach bem 
frentben ÄriegSlnedpt um, ba es ihm borlam, 
als habe berfelbe einen 3?lu<h auSgeftofeen. 

„3)aS richterliche Urtheil brachte SBalbtter Don 
©ohenfjeg in fernere ©erlegenheit," ergänate 
ber ftüfier, „benn Jtaifer ©tarimilian hotte 
burch bie ©infülfrung be§ ewigen SanbfriebenS 
ihm unb Dielen feiner abeligen ©enoffen ben 
twuptnaffrung§aweig—baS Stauben unb ©lün» 
bern auf offener ©trafee — entaogen. ®ie 
ftajjen ber ©errett Staubritter waren leer ge« 
ntotben, unb fo fah fih benn auch ©err SBalbner. 
aujfett ©tanbe, bie hohe ©traffumme aufau« 
bringen. ®effentwegen nahmba89teich§fammer= 
geridpt ©urg ©oljenbeg in ©fanb. ©ed)3 3af)re 
Seht ©errn Salbner baS ©inlöfungSredjt ju; 
mit ftblauf ber 3?rift Derfällt baS alte Stamm» 
fd>lofe für alle 3eiten bem 9teih-" 

„©urrah!"... ©och!" ertönte eS jefet an einem 
anberen SEifhe, wo baS junge ©oll ©tafe ge« 
nommen, unb gleich botauf ftürmten Hille einem 
Jüngling entgegen, welcher foeben angetommen 
mar. 3hm auf bem ftufee folgte ein ernfter, 


unb bennodh fretmblich auSfehenber©tann, beffen; 
©rfcheinen gleichfalls mit großem 3ubcl auf» 
genommen titurbe. „©Jahrpaftig," rief ber ®e« 
Datier Rnoblocp, fid) gleichartig üon feinem 
©lafe erffebenb, „baS ift ber 3 oh an ne S 9t a t« 
b ob Don ber ©hlettftabter Schule unb ber ©err 
9tico!auS@erbel, unfer geliebter fiuther» 
freunb!" „£crfet un8 ©eibe begrüben," forberte 
©hwarber auf unb trat mit bem ©ebatter unb 
ftiifter an bie Mfömmlinge heran. 

©achbem fid) ber erfte ©turnt ber ©egriifmitg 
gelegt, ergriff er beS 3üngliugS ©anb unb be= 
gantt: ,,©ott aum ©rufe, Johannes; wa8 treibt 
bich benn nah unferer ©tabt? ©oft bu bie 
lateinifche ©hule fatt klommen? SBillft bu 
bih be8 ©ater8 JBillen fügen unb ein ©anbelS» 
mann werben?" 

„9tiht8 Don allebem, lieber ©err ©atlfe," lau¬ 
tete bie Hlntwort. „3hr fotlt MeS Wiffett, — 
fefet (Such nur ein wenig au uns jungem ©oll." 
2)er bebädftige Cberherr ber @ärtner«3unft aog 
ob biefeS MfitincnS bie ©tim trau8, bod) 
fheuhte Johannes a g e Sßebenlett burh bie 
HBorte hinweg: „@i, 3he bürft’S fhott wagen, 
©err ©athe, fefet fih 1 « boh ber ehrenwerthe 
fromme ©err ©erbel auch mit an unfern Stifh*" 

©he ©eter ©djwarbcr fih im itreife ber jun« 
gen Surfhett nieberliefe, winfte er betn ©ebatter 
Rttobloh unb feinem greunbe ©ranbhoffer, 
Weihe mit einem Derlegenen fiäheln ber ©in» 
labung folgten. 9toh hotten ft« fih on bem 
neuen 2ifhe nicht niebetgelaffett, al8 ber frembe 
itriegglneht bereits in bihter 9tähe auf einer 
©anl im Söinlel fafe. 3)oh ahtete jefet 9tiemanb 
auf ihn, aumal Me auf bie ©ntgeguung neu¬ 
gierig Waren, Weihe Johannes bem ©errtt 
©atljen Derheifeett. ©r Tiefe nicht lange Somit 
Warten, fonbern begann: „3fh r Wifet, ©err 
©ath«, bafe mein guter ©ater «in gar gotteS« 
fiirhtiger ©tann ift, bafe er aber trofebem fheelen 
HlugeS auf ben geifilihett ©tanb blidt. Weil et 
einen ©reuel an bem ungöttlihen fiebett ber 
©rieflet hot, baS er bisher täglich mit angefeljen. 
3ht lönnt baher feinen 3orn ermeffeit, als ih 
heute gana plöfelich aus ©hlettftabt hier eintraf 
unb ihm Iura unb bünbig ertlörte, bafe ih geift« 
lieh werkn wolle." 

„2)u trägft bie Sehre Suther’S im ©eraen unb 
wiüft in ein Älofter gehen ?" rief ©hwatber 
unmirfh- 

„©ernähre mih ©ott baDor," proteftirte ber 
Jüngling. „3h wanbere nah ©afel unb be» 
aiehe bort bie ©ohfhule." 

„Hlh, fo loff’ ih mir’8 gefallen," nidte ber 
©err ©attje, aufrieben gefteüt. 

®ie ©emüther waren eben au jener 3eit in 
hohem ©rabe erregt. ©8 hotte nur eines Hin» 
ftofeeS beburft, um bie Dielen, mit ber ftirdje 
aerfaflenen ©lieber au einem mächtigen 2Biber* 


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238 


muß bodj 9cd|t bleiben. 


ftanb ju bereinigen, — unb biefeit Mftofe gab 
tßapft 2eo X. burdj feinen Sblafefrmn, worin 
bem Käufer Vergebung ber Süttben, 2Bieber= 
erlanguna ber ©nabe ©otteS unb Befreiung bon 
ben ©trafen beS Fegefeuers jugeficfjert mürbe. 

SIS bie ütube am Oifd) ber jungen fieute 
mieber bergeftellt, erhob fidj Johannes, unb be» 
gann: 

„2öir haben ein Hod) auf unfern groben ®ot= 
teSmann aufgebracht. Fefet laßt uns auch bef= 
fen gebeuten, welcher bafüvgeforgt, bafe fiuther’S 
Schriften auch im SBefien beS Deutfdjea Seich» 
unb in ber Schweiz eine rafche Verbreitung 
gefunbeit unb baburch ber guten Sache beS 
©uangeliumS unberechenbare Oienfte geleiftet 
hat — SicolaitS ©erbel hoch’-" 

„Hod)! Hoch!" erfdjoll eS im fräftigem ©hör» 
benn auch bie ©äfte an anberit Oifcheu ftimmten 
ein. „Feh muß jc^t aufbrechen," äufeerte ber 
Äiifter, fich erfjebenb, ju feinem Freunb ©chmar» 
ber. „Si, wie fchabe," öerfe^te biefer bebau» 
ernb, „jeßt wirb’S erft hübfeh!" 

Fnbeffeit ber Äiifter lieb fi<h nid)t länger zu» 
riiefhalten, er bot ber ©efellfchaft eine geruhfame 
Sad)t unb fchritt ber 0()üve ju. Oiefelbe hotte 
furj oorher ber freinbe $riegSfnedjt puffert, 
ohne bab eS ooit einem ber ©äfte bemertt mor» 
beu mar. 

3eh» Stinuten waren feitbem berfloffen, ba 
nernahm man plößlid) in ber Ferne einen Hilfe» 
fchrei, bem fchnell nod) mehrere folgten. Me 
horchten auf, jumal eS ihnen bei ber mufter» 
haften Orbnung, welche in ber alten SeichSfeabt 
Porwaltete unb Hermann oor ©ewaltthat 
fdfeißte, unbegreiflich fchien, bab irgenb ein 
nächtlicher Ueberfall ftattfinben tonne. OaS an» 
bauernbe Hilferufen lieb fee jeboep fchnell ihre 
Steinung üitberu unb bie Stehrjaljl eilte in 
bie monbhetle Sad)t hinaus. 9tn ber nädjfteit 
©trabeneefe trafen fie auf ben Lüfter pon @t. 
Sorenj, welcher jämmerlich hintte unb feudjenb 
bie SBorte rief: 

„0, mein armer Steifter! Stein armer Stei» 
fter!" — ©ben jur rechten 3«'t tarn FoponneS 
mit feinen ihm treu gebliebenen Jtameraben an. 
„SGBo befinbet fich Steifeer StatpiS? H> err -ftüfter, 
fagt’S fchnell, benn (Site tput hier noth." Oer 
arme Vranbpoffer hotte, am ganjen Körper 
jitternb, fein Houpt in ben langen Stantel ge» 
hüllt unb beutete mit ber Seiten, ädjjenb, nach 
bem ©nbe ber ©affe. Ohne fich länger aufjiu 
halten, eilte FohonneS mit feiner tleinen ©(haar 
in biefer Sichtung oormärtS. Sod) Waren fie 
jeboch feine breibig Schritt weit getommen, als ein 
Stann ihnen entgegen geftürjt tarn unb athem» 
loS auSrief: „Stan oerfolgt mich — gemährt 
mir ©uern ©d)uß — ich bin StattpäuS 3*K/ ber 
Seutpriefter Pon ©t. Sorenjen!" 

Fn bem nämlichen Mgenblicf taufte eine 


anbere ©eftalt auf, bie in ber Sedfeen einen 
Vrügel fdjmang, mit welchem fie bem flüchtigen 
Steifter VtatpiS ohne Mfpören bropte. VlS fie 
fich ober bebropt fah, wanbte fie fich rafdj um 
unb gab Ferfengelb. Salb aber machte fie wie» 
ber Holt, benn ihr entgegen tarn eine anfepnlicpe 
3«hl oon „Faufthämmern" — wie ju jener 3eit 
bie Volijeibieiter genannt wnrben. Oiefelben 
hatten bie Hilferufe gleichfalls oernommen unb 
fich gefummelt, unb waren in ber Sichtung ber 
Unterwagnerftrab’ OormärtS geeilt. 

Oer pon jmei ©eiten Vebrängte mehrte fich 
Oerjmeifelnb unb Pollführte einen wahren Rollen» 
lärm, ©eine Verfolger lieben fedj ober in fei» 
ner SSßeife fchreden, fonbern umzingelten ihn; 
er warb gefangen genommen unb ber Obhut 
ber Foufthämmer übergeben. 

„©in ÄriegSfnecht," riefen Me permunbert 
unb ber injmifehen gleichfalls hcrbeigeilte 
©chmarber erfanute jenen unheimlichen ©efeflen, 
ber ihm fepon ben ganjen Menb aufgefallen War. 
Oer ©efangene warb gefnebelt unb Pott beu 
Faufthämmern — welche injmifehen ben näheren 
©achoerfjalt aus Vfeifter VlatpiS Stunb per» 
itommeit — auf bie ©tabtwache Perbracht. Fo= 
hantteS unb bie Uebrigett bagegett fchloffett fich 
bem eprmürbigen Seutpriefter ein, um ihn nach 
feiner Viopnung ju geleiten. Wo er mit ihnen 
auf feine Stniee ttieberfiel, um ©ott im brün» 
fügen ©cbet für feine gnäbige Settung aus ben 
Hcinben beS ruchlofen SleucpelmörberS ju ban» 
fen, ber fein Mberer, als ber rachfüchtige ©ebab 
gemefen mar. 

2. ftaufperr unb Pfarrer. 

©o unfeheinbar auch baS Seu feere beS Sat» 
bob’fchen HaufeS war, fo behaglich fah eS hoch 
in ben inneren Säumen aus, menigftenS behag» 
lid) nach ben bamaligen Vegriffen. ©inen be» 
fonberS guten ©inbruef machte baS geräumige 
äBopnjimmer. ©ämmtliche SBättbe waren mit 
HoIjPertäfelung befleibet unb in arcpitectonifch 
geglieberte unb Perjierte Felber eingetheilt, welche 
mit ben gemufterten unb bunt glnfirten Opon» 
platten beS FufebobenS fjormonirten. 

Oie Holjbertäfelung reifte inbeffen nicht bis 
jur Oede, fonbern fdjlofe bid)t oberhalb ber bei» 
ben 3immertbüren mit einem oorftepenben @e= 
fimS ab, auf Welchem, aufeer perfchiebenett Hum» 
pen unb trügen, eine Mjapl Pon Vilbem 
thronte, bie beut fünftlerifchen ©efchmadf ihres 
VefeßerS alle ©hre malten. Sur nach begue» 
men Stühlen fah fed) bas Mge beS Vefdjauers 
oergebenS um, einen einzigen thronartigen ©effel 
mit hoher Sücflefjne ausgenommen, welcher bem 
Hausherrn als ©fjrenplaß biente unb jur ©eite 
beS maffeoen @i<hentifd)eS ftanb. ©onft gab eS 
nur Vänfe, bie längs ber 2Banb liefen unb in 


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jRedjt tnuß bodj Heißt bleiben. 


239 


bet genfternifcße berart aufgemauert mären, baß 
gmei ©erfonen einanber gegenüber fißentonnten. 

®er alte Statbob faß in jenem ©ßrenftußl 
unb laö in einer ber lutßerifcßen glugfcßriften, 
bie iI)iTt roenige ©tunben guoor non greunb 
©erbet überbräcßt morbeit maren. Obgleich bie 
Sefefertigfeit beS £>anbelsberrn t>iel gu münfcßen 
übrig liefe unb er nur langfam oormärts 311 
(ommeu Dennocßte, fcßien ißit bie Sec Mi re bod) 
feßr 311 interefjiren, benn fie banbeite „boit ber 
babßlonifcßen ©efangenfcßaft ber $ircße" — 
„Don bes cßriftlkßen ©tnnbeS Seffernng" unb 
„non ber Freiheit eines ©briftenmenfcßen." ©r 
mar mit bem fiefen biefer neuejten lutfjerifc^en 
glugfcßriften eben 31 t ©ube getommen, bann 
fd^ritt er auf einen ber mit gotßifcßem ©cßniß» 
roer! nerjierten ©cßreine 311 , ber Mir ?lnfbemab» 
rung non Stleinobieu biente, unb fcßloß bie breite 
®oppeltßüre auf. 

£eß blißte es ibm aus bem buntein 9taum 
entgegen, benn eine anfebnlicbe 3‘ißl Don ©bei» 
fteinen, m giilbene ttetten gefaßt, maren bort 
aufgefpeicßert. WicßaURatbob ergößte fid> gern 
an bem farbigem geiier ber diamanten, 9t u- 
bine, ©maragbe, Ulmetßßfte, Stopafe, unb mie 
bie foftbaren Steine alle beißen mochten; ben 
größten ffiertß batte inbeffen für ißn eine ein» 
fadje ©olbfette mit einem non ©rannten einge» 
faßten Webaifion. $affelbe enthielt baS ©ilb 
beS oerftorbenen ©rafeit 001 t Dtappoltftein, mel» 
«ber als ©orftanb beS OberfpielgrafenamtS ber 
©atron bon SRatbobS 93ater, bem ©feiferfönige, 
geroefeit mar unb bie gülbette $ette bem (eßteren 
bei beffen fünfgigjäßrigem Wufitantenjubiläum 
oerefjrt batte. Wicßaet blicfte uon jeher mit 
©tolg auf biefe ©uSgeicßnung, toelcße nur ßocß» 
oerbienten ©erfonen 3 U Sißeil mürbe; unb auch 
beute geigte ficb ein gufriebeiteS Säcßeln um feine 
Sippen, als er bie Sette burcb feine £>änbe glei» 
ten ließ. ®ocß batte er ben ©cßrein 3 U einem 
anbern Qroecf geöffnet, benn et fcßob baS ®e= 
fcßmeibe bei ©eite unb ßolte aus einer ftapfel 
ein ©ergament /b eröD r, baS er entfaltete. ©S 
mar fein ieftament, in meinem er aß' fein 6 ab 
unb @ut 311 gleichen ißeilen feinen beiben leben» 
ben Sinbern, Johannes unb feiner einigen 
noch etmaS jüngeren ©cßroejier 1)3 b i l i P P i n e, 
oermacbte. 

Wicßael SRatbob batte ficb tnit biefer Urlunbe 
foeben an ben breiten, eigenen 2 ifcß gefeßt, als 
es an bie 3 imntertßüre pochte unb eine f(blät¬ 
terige, magere ©eftalt eintrat, bie ficb üor bem 
reichen Danbelsßerrn tief oerneigte unb aisbalb 
begann: „ 3 <ß bin 3)antel Würnßart oon Söcf» 
linSau, unb oon meinem Ohm, bem ©rafen 
4)oßenßeg, gefanbt, um ©ucb biefeS ©cbrciben 
eingubänbiaen." „9leßmt ©laß bermeilen," 
entgegnete Statbob, inbem er ben ©tief entgegen, 
nahm unb langfam auSeinanber faltete. 


UBäßrenb Würnßart baS ©entacb itacß aßen 
Beiten bin mufterte, fcßielte ber alte Wann gum 
Deftern nach ibm. unb es geigte ficb bann ftetS 
eine ?lrt oon Witleib in beS erfteren Wiene. 
©nblicb faltete Statbob baS Schreiben mieber gu= 
faminen unb fagte: 

,,©uer 0 ßm rühmt mir ©ure 3 uoerläfpgfeit 
unb 2reue; ich loerbe ©ucb beSßalb 311 meinem 
©enbboten ermäblen, 3 umal ich mit ber gebet 
nicht recht umgugeßen üermag." 

„ 3 cb roerbe ©uer Vertrauen 31 t eßren miffen, 
alter &err," oerfeßte ber arme Runter, „benn 
icß bin oerfcßtoiegen, mie baS ©rab." 

„£m," räusperte ficß ©atbob, „unfere Unter» 
rebung mirb aber längere ;]eit bauern unb ba= 
ßer biirfte eS rätßlicß fein, ©ließ guoor einen 
Keinen ijmbiß nngubieten, benn — nehmt mir’S 
nicßt übel — 3 >b r ffßt entfeßlicß hungrig aus 
unb icß habe Ülngft, baß 3 ßr mir gar am ©nbe 
ohnmächtig merbeu tonntet." 

„Cmngrig bin id) nflcrbitigS, lieber alter 
6 err," erroiberte (Ritter SBactcl oon ©dßlotterS» 
beim, ,,icß bin überhaupt immer hungrig." 

„ 3 ßr feib ein offenbergiger ©efeß," lachte ber 
alte Wann, „unb barum gefaßt ißr mir. Sie 
©efeßießte ©ureS jungen Sehens gebt 3ßr mir 
gelegentlich funb, für heute mofleii mir uns auf 
baS rein ©efcßäftlicße befcßrätiten, guoor jeboeß 
mögt ^ßr ©uern fmnger ftiflen." 

©^ mar ein aufeerorbentlicß banfbarer ©lief, 
ben ber arme 3m>l er bem Sprecher guroarf, 
melcßer jeßt ber Sßüre gufeßritt, bie Wagb ßerbei 
rief 1111 b berfelben insgeheim einen Stuftrag gab. 

35ßie glängten WiirußartS Gingen, als halb 
nachher bie Slufroärterin mit einem trefflichen 
unb reichlichen Waßle erfeßien. <Sie feßte bas 
SltfeS oor ben Runter auf ben Sifcß, morauf fie 
ficß mieber entfernte, „©reift gu, ©efeße," lub 
ßtatbob ein, „genirt ©u^ nidßt, fonbern (aßt 
©ucß’S feßmeefen." 

Würußart miflfaßrte mit ©ergnügen unb es 
mährte gar nicßt lange, fo mar faft ÜlßeS ber» 
feßrounben. „£o," fcßnalgte er beßaglicß mit 
ben Sippen, „unb jeßt gu unferm ©efeßäft. 2Bas 
foll idß meinem fjerrn Cßm auSricßten?" 

„Sagt ißm," begann IRatbob, ben 2on feiner 
©timme bämpfenb, „baß icß meiner Socßter oon 
bem SuuKr SBolf gefproeßen ßabe, baß fie ißn 
gefeßen bat, als er geftern unb ßeut auf ber 
©affe unten ßin» unb ßerfpagierte, unb baß er 
ißr gu gefaßen fcßeitit. 2BaS nun bie Witgift 
anlangt, fo tßeilt ©urem Oßm mit, baß mein 
©rbe bereinft git gleichen Sßeilen an meine 2 ocß» 
ter unb meinen tooßn übergebt, ©orerft bringt 
©ßilippine ißrein ©räutigam eine ftattlicße 2luS» 
fteuer unb in ©aarem bie runbe ©umme oon 
breißigtaufenb ©ülben gu. 9tun, ijt bieS etma 
menig, ©efeß?" fügte ber alte Wann ßingu, ba 
er feinen ©aft fpöttifcß läcßeln faß. 


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240 


gleißt muß bodj Redjt bleiben. 


„Sür mich wär’S mehr als genug," lautete bie 
Rntwort ©JürnljartS, „für bie ©ohenljegS ba= 
gegen ift es nur ein iropfett in’S ©leer. 3f()r 
roerbet woljl noch roeiter ijetauSrüden müffen, 
alter ©err, beim ber Raine eines ©rafen wiegt 
gar oiele ©funbe Silber itnb ©olb, ganj befon= 
berS aber, wenn ein fo hoher ©err fid) ju einem 
fdhlidjten ©ürgermäbcben herabläßt." 

35ie rooblroollenbe töiiene, welche Ratbob bis* 
her feinem ©afte gejeigt, Berfd)Wanb unb machte 
einem jornigen Rusbrude ©laß. „darüber ju 
beftimmeit," fiel Ratbob ßifeig ein, „tommt mir 
allein, nidjt 6ud) ju. mietet ©uerm 01jm 
aus, roaS id) Sud) aufgetragen, —im Uebrigen 
aber lümmert (Such um nichts, wenn wir gute 
Sreunbe bleiben rootlen." 

„Red)t fo, alter ©err," nidte ©Jürnljart, fidE> 
Bon feinem ©laß erljebenb. „©altei nur immer 
einen guten ©iffeit bereit, wenn id) als R&ge* 
fanbter meines QljmS in ©uertn ©aufe erfd>eine, 
unb es wirb fid) alles machen. 3ßr feib ja ein 
©anbelsberr unb roerbet beSbalb mit 6ud) aud) 
haitbeln laffen, benn bie 2luSfid)t, ber Schwäher 
eines ©rafen ju werben, hat etroaS gar ju Ser* 
lodenbeS. Sh* fönntet’S freilich auch billiger 
haben," fuhr ber fede Sprecher fort, ba er bie 
3orneSfalten auf ber Stirn Ratbobs Berfdjwin* 
ben faß, „mein Stammbaum j. ©. enthält 
gleichfalls gräflidheS ©lut unb id) würbe Such 
fofort ju meinein Schroiegeroater erheben, wenn 
3[()r mir ben öädel mit breißigtaufenb ©ülben 
fülltet^" 

„SÖiit’S überjeugt," lad)te Ratbob, „für einen 
fo hungerigen Ritter, wie 3h* feib, giebt’S in* 
beffen feine ^3^i(i©©ineu, — unb nun macht, baß 
3(br fort fommt." ©Jürnljatbt fdhob fidh enblidh 
jur ihüre hinaus unb fließ, auf ber Straße 
augelangt, mit ©Balbner* öon ©ohenheg jufam* 
men, ber uitgebulbig auf feine Rüdfetjr gewar* 
tet ju haben fd)ien. 3)nbeffen mußte ber hohe 
©err feine Neugier bejroingen, ba fidh ihn» furj 
juoor ein ©lönd) angefdhloffen hatte, beffen afdh* 
farbene lange 5?utte, weldße burdh einen weißen 
,<f notenftrid jufaminengehalteit würbe, benOrben 
ber granjiSlaner lennjeicßnete. ©lit einem 
frommen: „®ott jum ©ruß, mein Sohn," 
wanbte ftdh biefer jeßt bem herantretenben 
©Jürnljart ju, weldher feine ©anb eljrfurdhtsooll 
tüßte. „Sdjau, fdhau, bu fiehft ja prächtig aus 
— fein ©Bunber, benn bu bift ein ©lüdsfinb, 
bas in bie Bollen Sdhüffeln feines OhmS tüchtig 
einhauen barf." 

3)ie Solge babon mar, baß Oßeim unb Reffe 
oerlegene ©liefe mit einanber tauchten, jum ge* 
heimen ©ergnügen beS biffigen 3franjtSfaner* 
möndjS, her nadh furjer ©aufe bem jungen 
©Jürnljart wohlwoflenb auf bie Schulter fdhlug 
unb ju ihm äußerte: 

„3<h trete biefer Stage eine ©Banberung nadh 


bem heiligen Qforft an unb fpredße auch iw Älofter 
©ßalourg Bor. 2Bie ift’S, foll ich beim hoch* 
würbigen ©rior U t o Bon bir grüßen?" 

„Ch, thut bas ja," rief ©Jürnljart freubig, 
„ift er mir bodf) immer freunblicj) gefinnt gerne* 
fen. Sagt ihm auch, eljrmürbiget ©ater, baß 
idh mich banfbar ber ©Bodjen erinnere, wo es 
mir oergönnt gemefen, bei ihm im füllen itlofter 
auf Sefudj ju oerweilen." 

„©Bill’S meinem alten fjreunbe auSridhten," 
nidte ber ©Jönd), „benn eS ift bir bod) barum ju 
thun, eine neue ©inlabung nach ©Baiburg ju 
erhalten, — Bon wegen ber egpptifchen gleifdh* 
töpfe," fügte er flüfternb hinju. 

©ßäljtenb biefeS ©efprüdhS Waren bie brei 
©Jänner in bie SruberljofSgaffe gelangt, mofelbft 
baS ©farrhauS Born ©fünfter ftanb. 

©ohenheg hob broljenb bie Sauft unb fagte, 
nadp hem obern Stodwerf beutenb: „3)a ift bie 
Stubirftube unfereS gemeiitfdhaftlidhen Seinbes, 
ber fidh hier breit machen barf, wäljrenb mein 
armer Sebalb aus ber Stabt oerbannt würbe." 

35er ©farrljerr Betnahm glüdlidherroeife biefe 
brohenben ©Sorte nicht. 6r faß beBor feinem 
befdjeibenen Sdhreibtifdhe unb beenbete foeben 
einen ©rief an einen ehemaligen Stubien* 
genoffen, ber ihm feine neue 9lrt ju prebigen 
mehrfach oorgeworfen hatte unb ju ben ©egnem 
beS ©Sittenberger Reformators gehörte, ©lei* 
fter ©JathiS ließ fidh ober baburdf) nicht ftören, 
fonbern fuhr fort, auf ber einaefdhlagenen 
Sahn ju wanbeln, unb prebigte baS ©Bangelium 
unbelümmert um ©Jenfdjengunft unb ©Jenfdjen* 
furcht, jum großen ©lergerniß beS ©ifdhofs, wel* 
djer beShalb alsbalb ein Schreiben an ben Rath 
ber Stabt Straßburg fdhidte, beffen Inhalt 
lautete: „er habe, päpftlidjen unb taiferlidjen 
©efeßlen gemäß, feinen ©eamten beauftragt, 
alle ungehorfamen ©riefter ju jtrafen, unb fa 
inSbefonbere ben Seutpriefter ju St. Sorenj; 
aber an beS leßtern ©aus feien jwei Schriften 
angefdhlagen worben, worin feine ©farrtinber 
erüären, baß fie ihren ©Jeifter ©JatpiS nit Ber* 
laffen würben. 2)er Rath wöge beS ©ifdhofs- 
©eamten, ben Srisfal, baßer gegen ©lißhanblung 
fdhüßen. Wenn er einfdfjreite." S5ie Slntwort beS 
RatljeS lautete folgenbermaßen: 

„6S fei feine ©picht, bie ©ürger in Stieben 
ju erhalten, allein ©Jeifter ©JatljtS habe bisher 
nichts anberS, benn ©otteS ©Dort unb bie heilige 
Sdßrift geprebigt unb fidh ftets erboten, aus ber 
heiligen Schrift ftdh eines Seffern belehren ju 
laffen. 35arum müffe bem 3)omftift angetün* 
bigt werben, baß es ben 3«11 an feiner Stefle ju 
erhalten habe unb bafür Sorge tragen möge, 
baß er baS ©Bort ©otteS ungeßinbert feinen 
Zuhörern Bortragen fönne, benn bes RatljeS 
fefter ©Bille fei, benfelben bei bem ©Borte @otte& 
unb ber ©Baljrheit ju fdjüßen unb ju fdhirmen." 


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$td)t mnß bodj $e(^t bleiben. 


241 


2er ©ifcbof, als er fab, baß er auf biefem 
Sßege fein 3iel nicht errege, batte 3 e h noch* 
malS oor ba§ 2omfapitel laben unb benfelben 
Don ben hoben Stiftsherren in’S ©erhör nehmen 
(affen. 2iefeS hotte am heutigen ©ormittagc 
flattgefunben, unb ber tnutfjige Reformator, ben 
mir oorbin am Sdjreibtifch fanbeti, mar erft 
furg üorber in feine SBoljnung gurüdgefeljrt. 
2er ©ifcßof hotte 3ellö Slbfeßung begehrt, all* 
ein bie SRitglieber beS 2omftiftS, beren Slnfi<h= 
ten getbeilt maren, unb meldje aufserbem muß* 
ten, bafi bie SRefjrgahl bet - ©ürger auf SReifter 
SRatljiS Seite ftanb, geftatteten ihm, noch ein 
3at;r fieutpriefter gu St. fioreng gu bleiben, er= 
mahnten ihn aber gu größerer SSorfidjt. 

©eim Slbfchiebe rief if)m einer ber Herren, 
ber ßanonituS SBolfgang $apito, gu: „SBotlt 
3bv es benit allein aufitebmen gegen ben 
©ifcßof unb fo groben dürften unb ein fo mäth= 
tigeS Kapitel ?" 

darauf gab 3 f H bie glaubenSmuthige, Don 
einer prophetifdjen Ahnung erfüllte Slntroort: 
„6s ift wahr, einer allein tann nil Diel aus* 
rieten, aber bie Sad)’ ift ©otteS, unb meine Sir* 
beit ift bie Slrbeit in feinem Steingarten; ba 
weiß ich nun gemiß, baff ber HauSuater halb 
Wirb mehr Arbeiter befteHen, bab ich © e f e 11 e n 
in biefer ©flangung hoben merb’! (Sr ift fd)on 
ausgegangen gu beftellen, — maS giltst 3h,r 
meinet," fuhr er in gehobenem 2one fort, „bie 
Reformation fei ein SRenfcbeitmerf, unb 
barin beftanb eben (Suer Frrthum; benn märe 
fte in Sßahrfjeit ein folcheS, fo hätten bie $ar= 
binäle, ©ifd)öfe unb Prälaten biefelbe allein gu 
Stanbe gebracht, — aber baburd), bab fid) ber 
fterr ber Hirdje; 3efuS ©IjriftuS, eines geringen 
fDiöndjeS als feines SBerfgeugS bebiente, offen* 
barte er ber erftaunten SBelt: bie Reformation 
fei ein St e r t © o 11 e S!" 

2iefe ehernen Störte brangen mie fdiarfe 
Pfeile in Äapito’S Seele, er erhob fich Don fei* 
nem ©laße, gog SReifter SRatljiS an feine ©ruft 
unb rief: „Sh* feib in Stahrheit ein ©tann 
©otteS ! Sin feinem Segen fann unb mirb’S 
Sud) nit fehlen unb einen mutigen ,(?ampf= 
genoffen hot er (Surf) in biefer Stunbe finben 
laffen; hier ift meine £anb, ©ruber SRattljäuS, 
ich bin (Suer treuer Serbünbeter im Sehen unb 
im Stöbe!" Stolfgang $apito hielt Stört pnb 
trat Don Stunbe an als 3ell§ Mitarbeiter in 
Strabburg auf. 3<tm Oeftern beftieg er bie $an* 
gel gu St. ihontä unb prebigte baS Soangelium, 
gum ©rftaunen feiner 3uf)örer, benn gu jener 
3eit mar eS etmaS Unerhörtes, bab ein Äanoni* 
tuS prebigte. 

(Die ©emißheit, einen treuen SunbeSgenoffen 
erhalten gu hoben, rief an jenem Rachmittage 
im bergen beS SReifter SRatljiS eine gerabegu 
felige Stimmung heroor. Sein SRuttj, melier 


burdj ben nädjtlidjen UeberfaK einigermaben er* 
fchüttert roorben mar, lehrte gurüa unb er ge* 
lobte fich Don Steuern, tühn unb unbeirrt auf 
beut neuen SBege, ben Suther angebahnt, Dor* 
märtS gu fehreiten. „3ft ©ott für mich," fpraefe 
er gu fich felber, „roer mag bann miber mich 
fein ? 3d) ftel)’ in ©otieS tpanb, unb menn id) 
meuchlings falle, maS thut’S, ber Samen ift ja 
geftreut unb ein neuer Säemann ba: Freutib 
Äapito, ber bie auffchießenbe Frudjt nit mirb 
üerborren laffen." 

2er Slhenb tarn. Lüfter ©ranbhoffer mar 
auSgegaugen, unb bie SRagb hotle fid) gu einer 
trauten Freunbin in ber Rädbbarfchaft begeben. 
Somit befanb fid) ber SReifter SRatljiS iii bem 
geräumigen ©farrßaufe allein, ©ben üertünbete 
bie grofte SRünfterglode bie neunte Slbenbftunbe, 
ba tlopfte es an bie HauStljüre laut unb Der* 
nehmlid) an. 9RattljäuS 3cfl mar fein Feigling, 
bennoch gebaute er unmillfürlid) jenes nächtlichen 
UeberfallS unb hielt einen foldjen aud) jeßt für 
möglich, gumal feine f^citibc fehr leicht rniffen 
tonnten, Daß er fich nllein im ©farrhaufe be* 
fanb. 2roß allebem nahm er bie SBacßSferge 
Dom Sdhreibtifch unb fdjritt in bie Hausflur 
hinab, mährenb eS au bie 2hüte Don Reuent 
podjte. „SBer ift brmißen ?" fragte ber ©farr* 
ijerr. 

„©elobt fei 3«fuS ©hriftuS," tönte eS gurücf 
uno SReifter SRatljiS fcßloß anbädjtig: „3n(Smig= 
feit. Simen." „3mei arme Flüchtlinge fucheu 
Schuß bei Such," begann bie Stimme Dor ber 
2höre auf’s Reue. „Unb gmar ift’S ein oertrie* 
bener ©rebiger, ber mit feinem armen SBeib 
Don SB eiffenburg fommt, unb fid) SR artin 
©ußer nennt." „2iefer SJame ift mir nicht 
unbefannt," gab SReifter SRatljiS guriid. „©ott 
fegne ©uern ©ingang!" SRit biefen SBorten 
fdploß ber gaftfreunbliche 3 e ß bie 2höre auf unb 
ließ bie beiben ©begatten ein. 

Frau © l i f a b e t h mar fehr erfchöpft unb 
fanf, nachbem fie faum baS Stubirgimmer beS 
©farrherrn betreten, auf bie ©auf in ber Rälje 
ber 2hüre nieber, mährenb fich ber beforgte 
©atte emfig mit ihr befchäftigte. @r mollte fich 
megen feines eigentbütnlidjen ©inbringenS in 
baS ©farrhauS Dom SRiinfter entfchulbigen, all* 
ein ber SReifter SRatbiS fchnitt ihm bie Rebe ab, 
inbem er fagte: „2er Slbenb ift noch lang, lie* 
ber SlmtSbruber. 3eßl ift bie Hauptfach, baß 
mir ©uerm erfd)öpften SBeibe einen ftärfenben 
2ropfen SBein unb etmaS Rahrung reichen, unb 
ich glaube, auch 3h r merbet einen fleinen 3mbiß 
nidft Derfdjmähen." ©ußer niefte bem freunb* 
ließen SBirthe banfbar gu, meldjer fich beeilte, 
troß ber Slbmefenheit ber Rtagb, herbei gu fchaf* 
feit, maS Jtüdße unb Heller barboten. 

©ine halbe Stunbe fpäter ruhte bie erfchöpfte 
Frau ©lifabeth in einem meinen Himmelbett, 


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242 


Hedpt muß bodj jßfd)t bleiben. 


wie fie bamals burdßgängig Stöbe waren; bie 
beiben Männer bagegen faßen in ber ©tubir* 
ftube bei eiitanber unb Steifter StathiS äußerte 
gu feinem ©aft: „3eßt, mein ffrreunb, fönnt3h* 
auSlramen nadf) |)ergenSluft, unb idlj will (Such 
nur gefteßen, baß id) fclbft gekannt auf ©ure 
Stittßeilungen bin. Unb nun tbeilt mir mit, 
wie es gefommen, baß 3ß* flüchtig Würbet." 

„3dj ftamtne aus ©dßlettftabt, wofelbft ich als 
.({nabe bie berühmte lateinifdße ©drille befucbte. 
3)a mein Sater bie Slittel nit befaß, mich ftubi= 
ren gu taffen, fo trat ich mit meinem fünfzehnten 
3aßre in’S Sominifanerflofter, in ber Hoffnung, 
bafetbft ein befcßaulicßeS, ©ott wohlgefälliges 
Sehen führen unb meinen lieben Sücßcrn mich 
gäitglidj Wibinen gu tonnen. Mein wie bitter 
Warb ich enttäufeßt! 3)er fonft fo erleuchtete 
Orben hatte fid) in einen unwiffeitben öcvwan* 
beit, ber Silbung unb SBiffenfdßaft haßte. 3 1 ' 
tiefer Serborgenßeit mußte idj mein Satein unb 
©rieeßifeh ftubiren. 3dj fühlte rnidj wie im ©e= 
fängniß unb athmete erft frei wieber auf, als 
man uiidß fpäter, gu meiner weitern 9luSbilbutig, 
nach £>eiöelberg feßidte. 2)ort traf ich mit jenem 
Staune gufammen, beffen großer ©eift mir bie 
tiefen Sehren. beS GoangcliumS erfdßloß, unb 
mir ben SSeg' geigte, auf bem idh Trieben mit 
©ott fanb." 

,,©o oermag nur ein ©ingiger gu wirten," fiel 
StathiS bewegt eilt, „er heißt Martin Suther." 

„Martin Suther!" wieberholte Süßer be= 
geiftert. „3ßr habt’» getroffen! ©r war nach 
eibclberg gefanbt worben, um bent aUgetneineit 
onoent bei; 9luguftiner beiguwohnen. ©r hielt 
eine öffentliche Disputation, in welcher er fid) 
nur auf bie heilige Schrift berief unb burd) feine 
grünbliche Stenntniß alle 3ußin'er in ©rftaunen 
feßte. 34 mar oon feiner ©rfeßeinung gang 
hingeriffen unb glüdfeiig, als ich am foigenben 
2aqe eine oertraute Unterrebung mit ihm hatte. 
93on biefer 3eit cm feljnte ich mich nad) ber fjrei* 
heit beS ©oangelinmS unb ich hielt nit bamit 
gurüd. Sie fjrolqe baoon war, baß man mich 
anfeinbete, ja, inan trachtete mir fogar nach 
Freiheit unb Sehen, unb ich bnnfte meinem ©ott, 
als ich auf ber Surg beS DtitterS fffrang oon 
©idingen eine 3ufIudjtSftätte fanb. Sort ocr* 
lebte idh meine gliidfeligfte 3eit, benn olsbalb 
übertrug mir ber cble ©idingen baS 9lmt eines 
SfarrerS in Sanbftuhl, baS ain ftuße beS Surg* 


freunblicße Untertunft. 34 warb £ilfsprebiger 
an ber Uirdhe gu ©t. Soßanu unb erfreute muß 
einer gaßlreicßen anbadßtigen ©emeinbe. 9lber 
I bie Stöndße ber ©tabt rußten nit eher, als bis 
j ber töifdßof oon ©peper ben Sann über mich 
• auSfpradj. 3» einer buntein 9tacßt oerließ id) 

1 mit meiner ftrau leife unb geräufcßloS baS 
©täbtdßen, unb nun bin idß hier, in ©urem 
fjaufe, mein Sruber, unb hebe bie &änbe fleßenb 
gu ©ließ empor unb rufe: ©cßühet ben mit Sann 
belabenen Srieftcr, beffen Auslieferung baS 
bifdhöflidße ©cricßt begehrt!" 

Steifter 'DtatßiS erhob fid) unb rief mit tief 
bewegter ©timine: „©ßriftuS fpridßt: kommet 
ßer gu mir, 9llle, bie 3ßt müßfeliq unb beloben 
feib, icß will ©udß erquiden. 9?adß feinen SBorten 
unb ©eooten füllen wir ßanbeln, erft bann Oer» 
bienen wir ben Samen ©ßriften. 34 bin gewiß, 
baß ber 9tatß unferer ©tabt ©udß in feinen 
©cßuß unb ©cßirm aufneßmen wirb, beim eine 
innere Stimme ruft mir gu: StartinuS heißt 
ber treue Stitgenoß, ben ber $crr ber ©rnte 
feinem geßorfamen Änccßte, StattljäuS 3eü, gu* 
gefanbt hat!" 

Somit gog er ben oerfolgten Smtsbruber an 
feine Sruft itnb bie beiben Stänner hielten fid) 
innig umfcßlungen. Sie innere ©timme hatte 
bem Steifter Statfji§ reeßt propßegeit, benn feine 
Sefürwortung, Startin Süßer in ben ©dßuß 
unb ©cßirm ber ©tabt aufguneßmen, fanb bei 
bem Dtatße ein williges ©eßör; ja, es warb bem 
$eimatßlofen fogar geftattet, abwedjfelnb mit 
3ell im Stiinfter gu prebiqen, womit bie Som*. 
ßerren freilich nicht gufrieben waren. 

(3ortfe$ung felgt.) 


Pos nette pari«. 

®oit 2>r. fc. &tfl)fcrrger iit {freutffitri a. 91. 

f atte fd)on ba£ alte ©ari§ fiir bie 2ouriften= 
tuelt einen ^uten fo Ijat baö au§ 

ben Skrljceruncien be§ Jlrie^e§ unb ber 
üteoolution neuerftanbene nur uni fo mefjr an 
Ulnfe^en unb ©ebeutunc^ aetoonnen. SBelc^e 
j Ummanblunc^en erfuhr boc| biefe alte Stabt, 
i bi* fie fid) jur ©Jillionenftabt ber brüten 3te» 


Berner liei^t. 2)ort mar c3 auc^, too id) mit 6li= j publit erhoben, *bie in ihrer toerfün^ten unb Der* 
fabetl) in ben Staub ber rjeilic^en 6f)e trat, j mehrten ©rad)t bie größten 2ouriften jum ©e= 
Allein mein Stillleben follte nur menic^e 9Konbe j fuch einlaben barf, unb ihnen einen Äunftflcnufj 
bauern, benn Sidiitflen I>atte mit bem Qtjux: ( ju bieten oermat^, mic er in ber 2h<ü nur feiten 


fitrften Oon Syrier einen unfeinen fl'riei] anae= tu finben ift. Sßiihrenb ber 9tuhm be§ heutigen 
fanden ; ber geiub joej mit einer fronen |)eeres= Morn in feiner cirofeen ©erc^ancjenheit befteht* fo 
mad)t an unb nach einer turnen Oenmeifclten oerciniiicn [ich bie Söerfe ber boric^en 3[ahr= 
©eiiemoehr toarb bie Sur(i erobert. 2Bir fliid)= hunberte mit benen ber ©eflemoart, ba§ neue 
ieten nach SDBei^enburfl unb fanben bafelbft eine ; ©ariä ju einer ber fdjönften ©tdbte ber Sffielt ju 


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Pas neue Paris, 


243 



Vtagbaltnen * fttrcfc. 



mauert, ©o grofj meine ©rwartungen waren, 
mit benen ich oor einiger 3 e *t biefem Ort, ben 
Inbegriff moberner Schönheit unb (Slegaitj, 
entgegen reifte, fo feljr würbe ich barin über* 
troffen Don bem, waä icb hier fab. 

jn einer fo großen ©tabt wie VariS ift e§ 
febr ratbfnm, einen ber freqnenteften Vläße fi(b 
jum OrientirnngSpunft ju wiibten, ein foldfjer 
ift bie © a i n t e St a = 
beteine. 3« biefem ©e= 
bäube legte fiitbmig XV. 
im Jahre 1764 ben ©runb. 

Oer Sau erlitt mehrere 
Unterbrechungen, fo bafe er 
erft im Jahre 1862 botU 
enbet würbe, wobei aber 
bie berfebiebenen Vaumeu 
fter im SBefentticben ben 
Vlan bon 1777 beibebiel» 
ten. Oas gans in ©tein 
aufgefiibrte, fcnfterlofe ©e= 
bäube erbätt fein Sicht bon 
Ceffnungen in ber luppeU 
artig gewölbten Occfe. Oie 
mit einer impofanten ©äiu 
lenbaKe bon 60 !orintf)i= 
üben, 15 Steter hoben 
Säulen umgebene ©t.Sta» 
beieine Hebt in biefem ©tbl 
eh« einem griecfiifcfjen 


Stempel, als einer cbriftlicben itirebe gleich, unb 
baS innere ift mit reichen Verzierungen fo über* 
laben, baß man eher, wie mein Jreunb ju mir 
fagte, in einem Souboir, als in einem djrift* 
lieben ©otteSbaufe ju fein glaubt. 

Ourrf) ein Oecret bon Sapoleon I. würbe 
biefe Kirche 1806 in einen Stempel be§ DtubmeS 
berwanbelt. 3ln bem Jahrestage ber ©dhlacht 


S3enböme 




























244 


Pas neue Paris. 


boit Slufterlifc unb 3ena mürbe berfelbe nach beS 
jtaiferS Scrorbnung illuminirt unb bem barin 
Oeranftalteteu ©oujert eine 'Jtebe über bie 
bettt ©olbaten nötigen iugenbeu borauS unb 
mürben in berfelben biejenigeu bocp gepriefen, 
meldje auf bem Scblacbtfelbe ben Oob fürs 
Satertanb ftarben. 'Weber in ber Siebe noch in 
einer Obe burfte nad) bem auSbrüdlidjeu Verbot 
beä JlaiferS feiner ermahnt werben, Welcpe 
Sefcpeibeitpeit ooin groben 'Jtapoleou, Wirft bu 
fagen; ja, wenn er fuf) bureb biefe Slnorbnung 
mir nic^t auf eine ganj berechnete '-Weife nod) 
mehr berherrlicpt hätte. Seit 1832 wirb bie 


33on biefent im beften Speil bon SariS gele= 
genen '-|3lafc nebmeit mir unfern Weg nach ber 
S e n b 6 tu e = © ü u t e. £ier fteben wir oor 
einem aus erbeuteten ÄanouenntetaU errichteten 
Sd)lad)tbentmal, welkes als eine Stocpahmung 
ber Iraianusiäule in 'Jiom bie oon Siapoleon L 
über bie Siufjen unb Cefterreicher erruuugene 
Siege oerherrlichen foü. Stuf einer 135 fjufe 
hohen Säule fiept Siapoleon als römifdjer ^fm= 
perutor. Welche Opfer es getoftet, ipn auf 
jolcbe SiuhmeShöhe ju heben, fanu ber Schauer 
au bein langen Sasrelief ermefjen, welches bie 
Saute fpiralförmig umgiebt, ben ganzen Selb« 



ffoncotfeienptat mit bem ObelilL 


ftirdje wieber ju gotteSbienftliipen 3*oecfen ber= 
wenbet. 

Sou ber ©t. SJiabeleine begeben mir uns nach 
bem neuen Opernhaus: Obwohl wir 
baffelbe nur boit Stuften flüchtig in Stugenfcpeiu 
genommen haben, rnadjte eS bocp auf uns ben 
©inbrud, bah biefeS £)cui§ ein Steifterftiid erften 
StangeS üoit fran*öfifcper Utrd^iteftur ift, für 
beffen ^erftetlung feine Soften gefebeut würben. 
Um ben nötigen ütaum für baS ©ebäube unb 
feine Umgebung ju gewinnen, muhten 4—500 
Raufer niebergeriffeit werben, fo bah ber Sau» 
plaft allein 1Ö£ Stillionen ^raufen unb ber 
Sau felbft über 35J Stiüionen fjranfcn gefoftet 
haben foü. Wabrlidj eine Opferfähigfeit, 
welche eines beffereit 3*aedeS würbig wäre. 


jug mit b'fiorifcher ©enauigfeit bom 2tuSgug 
aus Soulogne bis jur ©cpladjt oon Sfufterlifc 
barfteüenb. Oer Unterbau ift mit ruffifepen 
unb öfterrcicpifcpen Waffen gefepmüdt. 3nt 
3apre 1871 tourbe bie ©äule oon ben 3ofur* 
genten umgeftüqt unb baS frühere ©tanbbilb 
beS ÄaiferS im Ueberrod unb breiedigen £>ut, 
fcpoit feit 1803 burep Stapoleon III- in einer 
SIbenue aufgefteüt, oon ipnen in bie ©eine ge= 
toorfen. Oa fämmtlicpe Srucpftüde Oon ber 
üerftörten Säule nod) oorpanben waren, fo 
tonnte biefelbe im 3 fl pr 1875 fammt bem 
©tanbbilb wieber aufgefteüt worben. Son bie* 
fein ©icgeSbenfniat foüte man eigentlich bireft 
an baS ©rab StapolconS fiep begeben, um ben 
gewaltigen ©ontraft jmifepen biefem unb jenem 


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Pas neue Paris. 


245 


Vlafc recht nachbrucfSbotl }u empfinben, bod^ 
liegt cs ju weit ab, fo baß wir juuor auf näher 
liegenbe Vläfce angetuiefen fiub. 

Von bet Venböme*Säule gelangt mau burd) 
bie 9tue 'Jtiboli nach beut '4H a $ b e t a Eon* 
corbe ('-ßlntl ber Eintracht), einer ber fdjouften 
unb mertwürbigften Vläfce non '-^aris. i^in 
Often uom Stuilerien * ©arten unb im UBeften 
Don beu Ehantp3=Elhfee5 begrenzt, bietet biefe 
•Stätte aüerbingS einen hurmonifchen 2lnblicf 
bon natürlicher unb fünftlicher Schönheit bar; 
iafjeii mir aber au uitferm ©eifte einige hifto» 
rifche Silber aus ber Vergangenheit biefes 
$la&es öorüberjiehen, fo entrollt fi<h bor unfern 
lugen ein Schaufpiel, in meinem nicht bie Eott= 
torbia, fonberu bie gurie bes paffes unb ber 


reinigen oermöchten. 2113 im 3aljre 1814 bie 
Verbünbeten in '-fJariä einzogen, feierten fie in 
©egenwart üon ilaifer 2Uejanber, ■ boit ftaijer 
Sr ans unb bon König Sriebrich SBilhelm III. 
einen großen Trauer * ©otteSbienft an biefer 
Stätte jur Erinnerung an Subwig XVI., unb 
im 3ahr 1871 wüthete hier, nachbem bie beut* 
fchen Struppen abgewogen waren, ein heifeer 
Kampf jmifcf)en beit Eommuniften unb ben 
Verfailler Struppen. 

Seit 1836 giert ein Dbelisf bon 8ul* 
f o r ben Vlufe» ©t ift ein ©efchent bon 2)to* 
hamtneb 2lli, Vafd)a bon Egppten. 2)iefer 
Dbelisf ftaitb einft jur Seit tRamfeS II., ca. 1500 
b. Ehr*» mit ber Eleopatra*2tabel, bie nach üon* 
bon gebracht würbe, bor einem Stempel in einer 



Saubre uttb Mienen. 


Wütigen Zwietracht, ber 2Inardjie bie Hauptrolle 
fpielt. 2J?it ber Enthauptung SubwigS bcS 
XVI. im Suhte 1793 begann ciuf biefem Vfafce 
bie ©uillotine, ba§ fürchterliche SBerfgeng ber ent* 
feffclten SolfSwutt) unb ber politifchen Partei* 
ieibenfchcift, ihr DerljeerenbeS Sffierf; eS fielen ihr 
bie Königin 9Waria 2lntoinette, ber Herzog ooit 
Orleans, SouiS VbH'PP ^ofept) Sgalitö, bie 
Vtinzeffin Elif. SRaria Hefene unb 9lnbere jum 
Opfer; zufept raffte baS Vforbinftrument feine 
eigenen 9ti<hter hin: 9tobeSpierre, Danton, £>e= 
bert, DeSmoulinS unb 2lnbere, fo baß bis im 
Kai 1795 über 2800 Verfoneit an biefer Stelle 
ihr Sehen berloren. Efjateaubrianb fagt mit 
boDetn fRedjt, bafj alle 233affer ber 2Belt ben 
Vlafc nicht bon bem hier bergoffenen 93lut ju 


Vorftabt beS hunberttljorigen SthebenS. DiefeS 
über 3000 Safjre alte Vtonnment ift au§ vofen* 
rothem ©ranit unb auf allen Seiten mit brei* 
! reihigen Hieroglyphen bebeeft. 2luS feiner egpp* 
tif«hen Einfanifeit Würbe biefer ftumme Zeuge 
ber alten ©efdjicbte in bie SRitte einer abenb* 
länbifchen, belebten SBeltftabt berfc&t unb blieb 
trofc beS um ihn tobenben Siirgerfriegcs ber» 
fchont. 2?arf)bem er unter Ueberwinbung ber 
größten Schwierigfeiten bon Snlfor, einem egt)p= 
tifchen Dorfe, nach einer zweijährigen Ver* 
fepungSarbeit an Ort unb Stelle gebracht war, 
broljte ihm bei feiner 9lufricf)tung bie ©efahr 
umäuftüosen unb Schaben ju nehmen; eS waren 
I nämlich bie Seile, mit benen ber Obelisf auf* 
l gejogen würbe, ju lurj geworben. 9tiemanb 


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246 


9tu neue Pari*. 

wufste in biefer fritifdjen Sage SRatb unb baS 5luS bem ©uiletien = ©arten gelangen Wir 
©eliugen bcS fojlfpieligcn SSerfeS oon 2 Witlio* über ben be la ©oncorbe nad) beit luefttich 
tien Oranten würbe augenblidlich jur bud;flablicfj gelegenen, weltberühmten ©1) a m ps=© l g f 6e S, 
fdjwebenbett 3?rage, bi§ ein Wann aus ber welche fchon jur 3eit SubwigS XIV. biefen 
SolfSmenge rief: „9te^et bie ©eile!" woburd) Manien führten wegen ihrem lieblichen unb er* 
ohne Wülje nach einigen Slugenbliden bie 9luf* frifdjenben ©ritn ber Säume, 3» biefem mit 
richtung glüdlia) bollenbet war. Sßie oft hot cichaububen, ©afeS unb ÜReftaurantS bebedten 
bod) ein SSJort jur redeten 3 c *t fdjwebenben 3?ra= Sari herrfdjt im ©omnier bis itt bie fpätc 
gen unb Jritifdjen Sagen ein ©nbe gemacht unb Witternad)tSftunbe baS buntefte ©reiben unter 
jur giüdlidjeit Söfungber fjfrage geholfen. ben Scfudjeru ber berfchiebenen Solfsfdjidjtcit 
9luf ber öftlidjen feeite liegt bet ©uilerien* bon ifiariS. 9luf ber nörblidjen ©eite befintet 
©arten, unter Subwig XIV. angelegt. Setritt fi<h baS '-Palais be t’© lt) f 6e, bie frühere 

2ßo()uung bcS berühmten unb 
berüthtigien Warquife be Sßom* 
pabour, wo fie wal)r|d)einlicb 
manche ihrer fdjäblicheit unb 
fcbänblidjen tßläite ausbachte. 
Später würbe bon fRafoleon 
I., SouiS Sonaparte, ber Kö= 
nigiti Porten fe unb nach ber 
fReboluticn bon fRapoIecn III., 
als Sräfibenien ber IRcpublif 
bezogen. 3m 3ah r e 1871 
biente baS Calais ben beuifdjen 
©rupden bom 1. bis 3. Wärj 
junt |)auptquarticr. ©egen* 
über liegt baS Calais b e 
1’3 nbu’ftri e, im 3ahre 1855 
erbaut. 3» biefe ©ebäube 
finbet alljährlich eine SluSftel« 
lung mobertter ©emälfcc unb 
©cutpturen ftatt, weldje auf 
ben SRuf beS KünftlerS bon 
einem entfdjeibenben ©iitflufj 
ifi. 3nt lebten Krieg biente 
baS ©ebäube als Wagajin unb 
Saaarctl). 

©cjjt man feinen 2Deg burch 
bie ©hampS=©ll)fc’eS in nörb* 
lieber Süidjtung fort, fo gelangt 
man auf einer fdjönctt 9lüce 
nach bem 9lvc be ©riontphe be 
l’ßtoile, bem grojjartigficn 
*rfuim> 56 ofl«t. ©riumphbogen, ber auf einer 

Keinen 9lnljöl;e errichtet, bon 

man benfelben bon ber ©uilerien ©trage aus, fo allen ©eiten ber ©tabt gefeljen wirb unb bon 
hat man einen prächtigen Ueberblicf auf ben bem aus 12 ©tragen fiernförmig ouSgehen, 
©arten, ben tßlaß be la ©oncorbe, ben Obelisten woher er auch feinen 9tamen hat. SMe bie 
unb ben 9lrc be ©riompfje im £>intergrunb. Scnböme=©äule, fo hatte auch biefer mit noch 
Sott ber ©übterraffe beS weltlichen ©heiles beS | brei anberen ©riumphbogen bie Seftimmung, 
©artenS genießt man ebenfalls eine herrlidje i fltapoleons ©iege ju berherrlichen. Oer im 
9luSficht; h'^r war ehebern ber ©pietplap bcS i 3ahre 1806 begonnene ©riumphbogen würbe erft 
Königs oon 9tom, beS ©rafen bon Sorbeauj | 1836 bollenbet unb foftete 10 Willioneit 3?ran* 
unb beS faiferlidjcu Srinjen, wo er in gtän;$en* ten. Oer Sogen ift fo h 0( h< baf; baS hödjfte 
ben 3ugenöträumcn gewiegt, feine Ülhnung &auS bon ißariS barunter ißlafc haben foD. 
hatte bon feinem tragifdjen ©nbe im bunflen Oie üluftenfeiteit beS WomimenteS finb mit 
SBelttheil. ©ine tReilje bou 2—300 3ahre alten frönen 9teliefS aus Kriegs* unb tjriebenS» 
Orangenbäume berbreiten hier einen herrlichen jeitungen gefdimüdt; unter ben hier ©aupt* 
SBoljlgerud). gruppen ift bie ben Ülbmarfch nach ber ©renje 



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Pas neu« Paris. 


247 


barjieHenbe bie fdpönfte: bem ©eniuS beS $rie= 

8 eS mit erhobenem Sdpmerte, baS 3ci<pcn gurn 
Patnjjfe gebenb, folgt ber begeifterte Jüngling, 
ber Krieger, ber ©reis. Unter biefem mit gapl» 
lofen Schlachten» nnb ^jetbennamen bebedten 
Driumpp * Sogen gogen 1871 30,000 beutfcfje 
Sieger in bie frongöfifcpe ^>auptftabt, tiadpbem 
fie bei Songdpamp oor ihrem greifen gelben» 
fnifer SBilpelm Steoue pafjirt hatten. Dem 
ernften Seter in Gparlottenburg am ©rabe fei» 
ner in ©ott rubeitben ©Item folgte eine beffere 
fjülfe al§ bem fiegcSgemiffett unb felbftter» 
trauenbeit tJrangofenfaifer. 

Soit hier aus fcplagen mir eine füblidpe 9licp= 
tungein unb gelangen auf ber Strafte du Roi 
de Romo nach bem Slop« beSDrocabbro, 
melier gur 2BeltauSfteUung im 3ah re 1867 an» 
gelegt mürbe unb auf bem 1878 gu bemfelben 
3med ein folibeS gefdpmadtofleS ©ebiiube erricp» 
tet mnrbe. Da baffelbe giemlidp hoch über ber 
Seine liegt, fo geniejjt man Don bcffen offenen 
Jadeit eine prachttolle 'lluSficpt über bie Stabt, 
fo baß es fiep fcpoit um biefer millen lohnt, bas 
Drocabbro gu Pefuchen. 

Die gur ©rinnerung an bie Sdpla<ht bei 
3 e n a 1806—13 erbaute Srüde führt über bie 
Seine auf ba§ berühmte W a r S f e l b, tto fdpoit 
in früpeften 3 e >ten bie frangöfifdjeu Könige all» 
jährlich ihr Soll terfammelten, um neue ©efepe 
aufguftellen, neueÜlnorbnungeit gutreffen, 5fla» 
gen anguhören nnb Streitigfeiten gu fcplicptcn, 
foroie über bie terfammelten Safallcn, Dritter 
unb ßriegShtecpte ßeerfdjau gu galten. Das 
8 ?elb ift über 1000 steter lang nnb 500 Sieter 
breit. Wampe leiten beffen Samen Dom ÄriegS» 
gott WarS ab, Dlnbere tont Wonat Wärg, in 
bem bie Serfammlungeu gehalten tturben. Sei 
bem mie ipni roolle, fo hot baS fraugöfifdpe 
WarSfelb für bie 3?rangofen febenfallS eine be= 
fonbere piftorifepe Sebeutung, namentlich auch 
ton ber ÜjjetolutionSgeit per. 

3 m 3ah‘c 1790 marb nämlich ciuf bemfelben 
baS 33erbrübernngSfeft gefeiert. Sichrere ÜBodjeit 
lang arbeitelen 50 — 60,000 ißarifer jeglidjen 
StanbeS rings um ba§ WarSfelb I)o^e iSßälle 
aufguroerfen, bie mit Sißreipen terfepen mur» 
ben. 3lmll.3tili, bem 3apreStage beS Saftille» 
fiurmeS, erfchieu ber ißifcpof ton Dlutun, Dalieb» 
ranb, an ber Spiße ton 300 meißgefleibeten 
tßrieftern, um an bem oor ber Wilitärfcpule er» 
richteten ülltar bie fffapnenmeipe torgunehmeit. 
Der Sßräfibent ber Dlationalberfammlung, Sa» 
fapette, felbft ber $önig SouiS XVI. trat pingu 
unb fcprour ben ©ib auf bie neue Serfaffung; 
bie gapllofe Stenge fpradp ben ©ib mit empor» 
gehobenen $änben nach, unb fogar bie Königin 
ttiurbe ton ber IBegeifterung pingeriffen. Das 
toar ber legte frope Dag ber löniglicpen Familie. 
Dem 3ubel folgten bie SdfjredenStage ber ter» 


faffungSlofen unb treulofen ©lieber beS fo» 
genannten DöoplfaprtSnuSfdpuffcS. Doch motten 
mir ja feine ©efdjidpte fd)reiben; aber alle biefe 
flaffifcpeu Stellen rebeit gu laut, als baß man 
ipre ©efcpidpte überpören lönnte, auch fiept man 
biefelben mit gang anberen klugen an, menn 
man ipre 33ergongenpeit fennt. Da mir aber 
erft einen Dpeil unferer Utunbrcife tollcnbet 
haben, fo gebenfett mir im nädhften Dlrtitcl ben 
anbern Dpeil boit ben noch herrlicheren SepenS* 
mürbigfeiten ton IfJariS mitgutpeilcn. 


pie fyelkmttütljige luttgftait. 

®o# 3. #. §orfh 

^VlS Wartin Sutper, ber Sopn beS WanS» 
it fetber ^Bergmanns, tor bem Dienstage gu 
di SJÖormS ftänb, um in ©cgemoart beS ilai» 
ferS unb ber terfammelten Stänbe bie göttliche 
SBaprpeit gu tertpeibigeit, ba machte bie Äraft 
feiner Siebe, fein mutpiges 33enepmen, ber SBlig 
feines DlugeS, bie unerfdjiilterlidpe f^eftigfeit, 
meldpe aus ben ehrlichen 3ügeit feines beutfdjcn 
DlntlißeS leudjtete, einen tiefen ©itibruc! auf bie 
Stänbe»93erfammlung\ Wampe ber dürften 
marctt erftaunt unb fonntcn ipre SBerounbe« 
rung nicht terbergen. Selbft ber ßaifer fprad): 
„Der Wömp rebet unerfdprocfen, mit getroftem 
Wutp." 

Die bamaltge SBelt hätte feine glängfltbete 
S3erfammlung gufammenbringen fönncn, als 
bie, meldpe bort gu SBormS beifammen mar. 
Sie beftanb aus ben pödpften Sßürbcnträgern ber 
Jtirdpe unb beS Staates. Die meiften biefer - 
©rojsen paßten ben geringen unb bod) fo füpnen 
unb bürfteten nadp feinem 33tute. Sein Sebcn 
piitg gleidpfam an einem fjafcen. Wandpcr tapfere 
Ölitter, ber auf jenem Reichstage meilte, märe 
lieber in eine blutige Scpladpt gegogen, als in 
SutperS Sdhupen geftanben. Die gelben beS 
ScpmerteS erfannten, baff biefer unbettaffnete 
Wöndp ein größerer Ciclb fei, als ber Dapfcrfte 
unter ipnen. Deppatb fpradp audp ber pelben» 
miitpige gclbperr ©corg ton fjronbsberg, ipm 
auf bie Scpultfr llopfenb: „Wöndplein, Wöitcp» 
lein, bn gepft jept einen ©ang, einen Staub gu 
tpun, bergleicpen icp unb mandper Cbrifier aud) 
in uttfrer atlerernfteften Sdplacptorbnunß niept 
getpau paben." 

Der alte firieger patte SHedpt. fiutperS Wutp 
mar ebler als ber iprige. ©r entfprang nidpt 
aus ben leiber nur git oft brutalen Wotiten, 
melcpe bie ürieger bemegen, fiep mütpenb auf 
ciuanber gu ftürgen. Sein SJlutp entfprang aus 


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248 


Pie l)flbemnütt)ige Jungfrau. 


feiner Siebe gum £>errn unb au§ bem ©lauben 
an ©otteS SBort. ©8 mar jene ^öfjerc Slrt bes 
©tutljcS, ben man als m o r a I i f <h e n ©tutl) 
begegnet. 

Oiefer moralißhe ©tutl) tritt oft in ben nie« 
beren ScbenSfphären ebenfo benttict; gu Sage, 
wie auf 9teid)Stagen ober üor anbern wichtigen 
©erfammlungen. Oer Spielpiny ber fiinber, 
bie ©djulftube ober bie $ ließe ift häufig ber 
©chauplaß, auf bem biefer ©tuth fich entwictelt. 
Oie ebie Sjungfran, twn ber hier ergäßlt werben 
folt, entfaltete biefen ©tutl) in ber .ftüdje ihrer 
©tutter. ©ie hieß Hefter Slnna 9toe unb würbe 
geboren ber einhunbertfünfunbgwangig fahren, 
ülfo im 3aßre 1756, in ©tacclcSfielb, ©nglanb. 
Sin biefem Ort ftanb ihr ©ater als ©eiftlicher 
im Oienfte ber englifdjen £>o<hfirche. ©r war 
ein gotteSfürcßtiger ©tarnt, ber fein tleineS löcß» 
terdjen fet)r frühe anleitete, ©ott gu lieben unb 
beffen ©ebote gu holten. 

Hefter war ein aufgewectteS Stinb, welches 
fehlten unb leicht lernte. SllS fie fünf 3aßre alt 
war, tonnte fie in ber ©ibel lefen. ©ie betete 
jebeit ©lorgett, wenn fie aufftanb, unb [eben 
Slbenb, ehe fie gu ©ette ging. 9tur ein eittgig 
©tal hat fie baS ©eten bergeffen. ©ineS SlbenbS 
nämlich, als Hefter fed)S ijaf)re alt War, hatte 
ba§ ffinbermdbrfjen ihr einige luftige ©efcbidjten 
erzählt. Oiefe nahmen ihr ©innen unb Oenfett fo 
in Slnfprndj, baß fie gu ©ette ging, ohne guoor ge» 
betet gu haben, ©rft naebbem baS .ftinbermiibcben 
fie berlaffen hatte, baepte fie baran. Oas ©e= 
wiffeit flagte fie an, eine große Slngft beinäch« 
tigte [ich ihrer, ©ie fing an fo laut gu fchreieit, 
bah bie ©Item mit einem Sichte ßerbeieiltcn, um 
nadhgufehen, waS ihrer .ftefter fehle. Söeinenb 
ergäßlte fie ihnen, wie fie baS ©eten bergeffen 
habe. 3hrem guten ©ater gelang es enblict), fie 
gu tröffen unb gur Otuhe ju bringen. OiefeS 
©reigniß aber machte einen foldj’ bleibeitben 
©inbruef auf Hefter, bah fie nie wieber gu 
©ette ging, ohne fid) bem ©djuße ©otteS anbe» 
fohlen ju hoben. 

Oiefer ©orfaü geigt uns, welch ein garte? @e= 
wigcn biefeS junge $?inb hatte. Sich, hätte fie 
nur gewußt, wie barmtjergig unfer himmlifcher 
©ater ift, fie würbe nicht in biefe große Slngft 
geratben fein. 3n ihrer tinblichen Steife hätte 
fie bann ihrem ©ater im tVnnmel gefagt, wie 
fehr leib cS ihr thue, baS ©eten. unterlaßen gu 
haben, ©ie wäre niebergefniet unb hätte baS 
©erfäuntte nachgeholt. Unb ©ott, weldjer uns 
mehr liebt, als ©ater ober ©tutter, würbe fei» ' 
nem reuigen tleinen ßinbe biefe UnterlaffungS» I 
fiinbe oergeben haben. Ood) Hefter fannte ba= 
mals bie ©röße ber bergebenben Siebe ©otteS i 
nod) nicht. 

Stls fie neun 3aßre alt war, ba erlitt fie einen , 
großen ©erluft, ba lagerte fid) eine fdjwarge 


Orauerwolfe über ihrem jungen Raupte. 3 h* 
guter ©ater ftarb. Stuf feinem Sterbelager mar 
er fehr glüdlid) in ©ott. ©ern wäre er noch 
einige 3nljre bei ben lieben ©einigen auf ©rben 
geblieben. Oa er aber fühlte, ©ott wolle ihn 
heimrufen, fo ergab er fich rußig hem göttlichen 
Sßillcn. ©r wußte ja, baß er felig fterben tönne 
unb baß er im ©immel ewig felig fein mürbe. 
$urg bor feinem ©nbe rief er: ,,£>ettet), fettet)!" 
J^efter eilte an fein ©ett. @r nahm ihre $anb 
in bie feinige unb fprad) mit tiefem ©efütjl: 

„©teine liebe #etü), ich feße, bu bift [ehr be» 
trübt. Saß bid) bon ber Trauer um mich nicht 
fo überwältigen, ©ott hat ftetS für mich geforgt, 
er wirb aud) für bie ©teinigen forgen. ©ött 
wirb bid) fegnen, liebes $inb. 3<h hoffe, bu 
wirft bid) immer befleißigen, ein gutes itinb gu 
fein, unb bann wirb es bir wohl gehen." 

Oann legte er bie gitternbe £>atib auf $efterS 
£>aupt, hoh ben ©lief gen Fimmel unb tpraeß: 

„3cß empfehle bich ber ©nabe unb bem ©djuhe 
©otteS. Oer £>err fegne bich unb behüte bid); 
ber £>err erhebe fein Slngefidjt über bich unb 
gebe bir Trieben; er mache bich gu feinem $inbe 
unb feiner treuen Wienerin bis an beineS SebenS 
©nbe." 

©ou biefer Slnftrengung ermattet, fan! ber 
©ater auf fein Säger guriief. Hefter aber, bon 
©djrnerg unb Kummer überwältigt, eilte in ihr 
3 immer, fiel neben einem ©tuhl auf ihre $nte 
nicber, barg baS &aupt in ihre ^änbe unb ließ 
ihren Ohräneit freien Sauf. $enen feierlichen 
Slugcnblid am ©terbelager ihres ©aterS tonnte 
fie nie bergeffen. 

©ine geraume 3 e 't nadh ih^cS ©aterS Oob 
war fieftcr fehr ernft unb traurig geftimmt. 
3 h* tiefer ©ram war fchtnerglich angufehen. 
Oie ©erwanbten unb fjfreuube gaben fich beß» 
halb ©tiihe, fie aufguheitern unb gu gerftreuen. 
©tan nahm fie guin Oang, in’S Oheater unb er» 
munterle fie, StobeÜen nnb Stomane gn lefen. 
Oie ffreunbe meinten es wohl gut mit iljr, aber 
eS war hoch graufam, baß fie .fjefter gu biefen 
weltlichen ©ergniignngen anhielfen. ©ie waren 
leiber felber noch geiftli<h blinb,unb haben’S nicht 
beffer berftanben. 

Hefter war ber Siebling ihrer reichen Oauf» 
potljin. Oiefelbe berfah fie mit bem nötljigen 
Selbe, um bie weltlichen ©ergniignngen mit* 
machen gn tonnen. Sluf biefe Söeife gewann [ie 
nach unb nach baS Oangeit, ßartenfpielen, 
Ohoatergehen, 9toman lefen unb bie ©ußfndjt 
lieb. Ood) alle biefe Oinge machten fie nicht 
wahrhaft glüdlidj. 3 n cfolge ber hfilfamen 
Sehren ihres nun feligen ©aterS Wußte fie, baß 
biefe ©cluftigungen unb 3erftreuungen ber ©eele 
nur fchäblid) fein tonnten. 

©tehrcre Saßre h'nbnrdh bemühte fuh Hefter 
mit einem unruhigen ©ewigen, ©ott unb ber 


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249 


JUte IjflbenmUthige Jungfrau. 


2 Belt au bienen. SWillionen oor ifjr unb nach 
ihr haben benfelbeit t^örid^ten 55erfudj gemacht, 
unb wie Hefter mußten fie 5llle erfahren, baß 
biefe jmei fich ebenfowenig bereinigen unb oer« 
mengen iaffen. Wie Cel unb Söaffer. $e mehr 
fie lid) abmühte, ben Tienft ©otteS mit bem 
Tienfte ber 58e(t ju oerbinbeit, befto Weniger 
gelang eS ihr,, bie innere Stühe ju finben. So 
lange fie ben "eitlen SJcrgnügungen ber 2 Belt 
nachgiug unb bie ©efellidjaft berer auf fitste, 
welche ben theureu .peilanb nicht lieb batten, 
blieb ber wahre ffviebe ihrem ^erjeit jremb. 
§injt(htli<h ihrer ©efiihle währenb biefer 3 f it 
Idjtieb fie jpäter: „SOtitten im Sanje fühlte ich 
oft re»ht ungliicflich. Pteine Süubeujchulb briicfte 
mich unb bie furcht bor bem 2 ob unb ber £ölle 
erfdjredten mich." 

Sie tarn nun enblidj *u ber Ueberjeugimg, 
bah fie entroeber bem SheateV, bem fJartenfpiel, 
bem Sans unb ber eitlen tßufcfucht entfagen, 
ober auf beit fjiminef, bie SebenSfrone unb bie 
Seligfeit ber (Srlöften oerjicßten müffe. 5113 fie 
ohtjehn 3 ahre alt geworben war, würbe fie 
unter einer Prebigt beS £>ernt ©impfoit, wel« 
öher ein lieber ffreunb beS Ferrit 5Be3let) war, 
fo mächtig ergriffen, baß fie ben fluten unb heil» 
janteit 5$orfa£ faßte, eine wahre Ghriftiit unb 
treue ^üitgertn 3efu ju werben. 3u ber 5tu§= 
führung biefeS PorfafceS würbe ffräulein £>efter 
eine wahre $etbin, legte fie oiel nioralifchen 
9Rulh an ben Sag, wie au» bem weiteren Per« 
lauf biefer ©rjähiung er^eüen wirb. 

Stehft ben 2 BecSlct)anern gab eS in jenen 
Sagen fehr wenig prebiger unb ßirchenleute, 
weiße wußten, baß eine mit Sünbenfßufb he» 
fabelte Seele Vergebung ihrer Sünben bur<h 
ben ©lauben an unfereu £>eilanb unb ©rlöfer 
ßnbeit fönite. TeSljalb ging ©efter, als fie eine 
3 jiingerin ;)efu werben wollte, 51 t ben Pietßo» 
hißen in t>ie Perfantmluitg. £>icr faitb fie bie 
rißtige Belehrung über ben £)cil3mcg, ben fie 
gehen mußte, um Stuhe unb Sroft für ihr ge» 
ängßeteS 4?erj ju finben. Stncßbem fie 55er« 
gehung ihrer Sünben gefunben hatte, hielt fie 
e» für ihre 'jßffic^t, tief) ben SBeSlcpancrn anju* 
fßließeit, benn bei ihnen fanb fie eine beffere 
Einleitung ju einem gottfeligen Sehen, als in 
irgenb einer anberen ,<?irße. 511» fie biefen 
Schritt tfjat, brach eine 3 rluth bon 55erfofgung 
über fie herein. ©3 foftete oiel heiße ©ehrte unb 
fßroere Kampfe, um berfelben 31 t miberfteljen. 
Jjbre Piuttcr, bie Sanfpatfjin, bie näcßften 55er= 
wniibten unb ihre alten ftreunbe haßten ben 
ERcthobiSmuS. tiefer £»nß hatte feine llrfaße 
barin, baß fie ben PtethobiSmuS einerfeit» noch 
nicßt recht fnnnten, anbererfeit» aber einem ern. 
|en ßriftlicßen Sehen, baS fich mit ben eitelen 
Vergnügungen nicht oerträgt, obtjolb waten. 

5)ie mutßige Hefter mußte leiber erfahren, 


baß ber £aß ihrer PerWanbten einen giftigen 
Stachel habe. 3ßre alten fjreuitbe oerfpotteten 
fie, ein junger Ptattn, ben fie fetjr lieb hotte, 
Oermieb ihre ©efeüfßaft gänjliß unb bie reiche 
Saufpatßin fagte ihr, wenn fie nicht 0011 ben 
©iethobiften wegbleibe, werbe fie ihr fein 53er= 
mögen Oermachen. TaS 5lllerfßwerjte aber war 
baS, baß bie eigene Htutter, an ber £efter mit 
inniger Siebe hing, fie oerfolgte. 3uerft bat bie 
Ptutter ihre Soßter briugenb, hoch feilte 9)leiho= 
biftin ju werben. 5113 aber alle ihre SMticu er» 
folgloS blieben, griff biefelbe ju ftrengen Ptaß« 
regeln. Sie fßloß biefelbe in’3 £>au3 ein. 5(ßt 
Söoßen lang burfie fie baffelbe nicht oerlaffeit. 
5113 auch biefe Strenge nicht helfen Woüle, broljfe 
biefelbe, ihre Soßter für immer au3 bem #aufe 
oerftoßen 31 t wollen. 

jfnmittcit all biefer ^Verfolgungen ftanb Hefter 
feft unb unbeweglich ba, wie ein ffclS im SBogen« 
gebraufe be3 9)lme». Sie fonnte, fie burffe 
iiicht tiachgehcn. 2 a» tiefe Pflichtgefühl ihrem 
theuren fieilanbe gegenüber machte fie ftarf, ge« 
bulbig unb beharrlich. 3efuS wohnte in ihrem 
£icrjen unb feine ©nabe machte fie gliidlidh, 
fanft, milbe unb liebreich gegen 5l(le, welches 
Seib fie ihr auch sufügen mochten. GFublicb, als 
fie biefe bittern älerfoigungen etwa fed)3 SJIonate 
lang erbulbet hatte, jagte fie eines 2age3 gu 
ihrer Ptutter: 

„Siebe SJtutter, idh muß mein Seelenheil aus« 
fdßaffen unb um biefeS thun 31 t tonnen, muß ich 
bie ©nabenmittel gebrauchen. SLMe fdjwer e3 
mir auch wirb, fo bin ich boct) feft eutfchloffen, 
bich 31 t Oerlaffen, wenn bu meinem 55orhabeu 
noch fernerhin ScbWierigteitcn entgegenfeßeft. 
3 ch will lieber irgenbwo als SJlagb bienen unb 
mit faurer 5lrbeit mein Prob erwerben, als bie 
üfethobiflcn oerlaffen. 5lm licbflcn bliebe ich 
bei bir als fDtogb, wenn bu mir nur geftatten 
Woflteft, bie 55erfammlungen ber SUeihobiften 
311 befuchen." 

3n unfern Sagen, Wo ber IRetbobiSmuS üon 
Millionen geachtet wirb, muß es uns befremben, 
baß eine Sltutter, unb noch bci 3 ii bie SPittwe eines 
©eiftlicßen, fo hart unb bitter gegen ihre Sechter 
fein tonnte, biefelbe al» bieneube 5Jlagb in bie 
$üd)e 311 fteflen, nur Weil fie eine 9J?ctbobiftin 
jein unb bleiben Wollte. So Würbe benn bie an 
feine feßwere 5lrbeit gewöhnte .fteftcr, welche bis« 
her nur in ber heften ©efcllfcßaft fich bewegt 
hatte, eine Sienftmagb in bem $)nufe ihrer 5Jtut« 
ter. Sie gaitje Saft häuslicher 5(rbeit würbe ihr 
nujgebiirbet. 

Tod) ber £>crr fegnete unb ftärtte biefe eble 
Jungfrau, baß fie auch bei ihrer febwernt 5lrbcit 
recht gliicflid) War. Sie Siebe 3 f fu War ihre 
Speife unb ihr Srant. Tiefe Siebe überflutete 
ihre Seele fo, baß ihre fjfreubc unb SBonne wäh= 
renb ihrer achtmonatlichen Tienftjeit als 5)tagb 


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250 


Pas jfaifyrtl)ttm kn #}ean*Pampfer. 


leine Unterbrechung erlitt. S e fu3 machte fie un» 
auSfpredjlich glüdlidj, weil fie iljr hartes SooS 
lim fcinctwitlen mit ftiUer Grgebung ertrug. 
2öeld)’ eine ^elbenmüt|ige ^unnfrau War fiel 
Obgleich nur ein fd)macf)eS Wählen, fo ent» 
faltete fie bodj in ihrer Sreue gegen ben ©errn 
Sefum in ber $üd)e ihrer Wutter einen Wutt), 
ber ebenfo bemunberungSWürbig ift, wie ber 
Wutfj jenes WcmcbeS auf bent 9teidj§tage gu 
SöormS. 

©nblich erfranfte ©efterS berblenbete Wutter 
an einem bösartigen Sieber. Auf’s fiiebebollfte 
pflegte baS berfoigte $inb bie $ranfe unb t»er= 
(galt i()r auf biefe SQBeife 33öfeS mit ©utem. So 
treu war ©efter in ber Verpflegung ihrer Wut» 
ter, bajj ihre eigene ©efunbljeit barunter litt. 
Ser Argt erflärte enblich, es werbe ber Song» 
frau baS fiebert fofteti, wenn fie noch länger bie 
Arbeit einer Waqb gu thun gezwungen wäre. 
Als bie Saufpathiu giint 5Miidi)e tarn, ba er» 
fchrat fie über baS leibenbe AuSfepen ©efterS, 
unb beftanb barauf, baß biefelbe augenblidlich 
bie fchwere Arbeit einftelle. Hefter nahm nun 
Wieber bie ihr gebiihrenbe Stellung in ber So* 
milie ein. ©S mar aber beinahe fdjoit gu fpät; 
benn währeub biefer fchmeren Arbeitszeit War 
ihre ©efuitbheit fo untergraben worben, bajj 
biefelbe erft und) Sohren mieberfjergefteflt würbe. 

AuS biefen Vemeifen ber Sreue bürfen bie 
Sefer wohl fchliefien, bah ©efter ihrem ©errn 
unb ©eilanbe nicht leidjtfinmg, fonbern ernftlich 
unb oon (langem ©ergeit biente. ScfuS gab ihr 
ben Sieg über alle füitbiqen ©ebanfen unb ©e* 
fühle nnb erfüllte fie mit Strömen beS ffriebenS 
unb ber Sreube. Sie mürbe eine fehr mißliche 
Ißevfon in ber Kirche, ©ott fpridjt: „2Ber mich 
ehret, ben will ich auch ehren." SiefeS Sfflort be» 
Wahrheitete fid) an* an Hefter. Sie War ein 
folch’ leuchtenbeS fiiept, eine fo erfahrene, tief» 
aegrünbete Gpriftin, bah fiele peilSberlangenbe 
Wenfchen um ^Belehrung über ben ©eilsweit gu 
ihr tarnen. fjfreubig unterwies fie biefelben ’unb 
Würbe ihnen gum drohen Segen. Sie biente ber 
Jfirdje als fl’lajjführeritt nnb es gelang ihr im 
Saufe ihres furgen SebenS Saufenbe gu GljriftuS 
gu führen. 

Als fie adjtunbgmnngig ^japre alt war, würbe 
fie bie geliebte ©attin beS ©errn 9togerS, eines 
SBeSletjonifchen VrebigerS, welcher’ bie pope 
Achtung beS ©errn AJeSlet) gettoh. Sprem 
Wanne war fie in jeber 33egief)uug eine ,,©e= 
hülfiit". Sie begleitete ihn gnerft nach Sublin, 
bann nach (fort unb enblich gur UBiege beS We» 
thobiSmtiS, gur Gift) 'Jtoab Äapelle in fionbon. 
Sie Vfarr = Aßopnung jener Jtfapelle mar 2BeS= 
letj’S ©eimath- 6r betrachtete grau 9togcrS als 
eine Sodjter uttb fie blidte auf zu i.hm als gu 
einem theuren Vater in Gljrifto. Sie war 
Augengeuge feines feligen ©nbes unb fdjreibt 


bariiber : „ffeine Sprache tann fchilbern, waS 
I fein Antliß ausbrüdte. 3e länger wir es be» 

! trachteten, befto mehr faßen mir, wie baS Un* 

I ausfpred)licbe beS ©immels fi* barin fpiegelte. 

' Aicpt bie geringfte Spur beS (Scpmerges tonnte 
man fehen, nur unauSfprechlithe VJonne war 
über baffelbe auSgegoffen." 

Sn 1794 unb im 39. Sabre ihres SebenS, 
nachbem fie gmangig Sahre ©ott unb ber ßirdje 
gebient hotte, rief ber ©err feine treue Wagb 
aus ber ftreitenben ftirdje auf ©rben gur 
triumphirenben Äircpe im ©iminel. $urg bor 
ihrem Gnbe nahm fie ihres WanneS ©anb in 
bie ihrige unb fogte: „Wein lieber ©alte, ber 

t err mar fehr gütig gegen uns. 0, ©r ift gut, 
r ift gut!" Valb barauf legte fie iljr mit lal» 
tem Schweift bebedteS ©aupt an ihres WanneS 
Vruft unb flüfterte: „S<b geh« je^t," bann mit 
bebenben Sippen ihn noch tüffenb, brachen ihre 
Augen im Sobe. Sh re befreite Seele aber, Don 
Gnqeln begleitet, flieg empor gur ©eimath ber 
Seligen ini Sicht. 


pnp Ü<id)0tl)mn hr Gfean- 
patnpfrr. 

Df)l ift in ben lebten Sohren lein $ampfer 
mehr entftanben, ber fi<h an ©röße unb 
Sonnengehalt mit bem „©reat Gaffern" 
meffen tonnte, aber bennod) nimmt bie ©röße 
ber tranSatlantifchen Kämpfer mit jebem Sobre 
gu. AiemalS würben fo gasreiche unb fo große 
Schiffe gebaut, wie gerabe in ben leßten brei 
Sahreit. Selbft ber tleinfte See=Sampfcr beS 
Aorbbeutfcpeu Slotjb ift minbcftenS breißig 9Jtal 
größer, als eS baS Abmiralfchiff „Santa fÖtaria" 
jenes ©efchwabers war, mit welchem ©olumbuS 
bie neue SEBelt entbedte, unb fo Heine Schiffe 
fommeit heute in ber fogenannten „langen Qfahrt" 
nur gang auSnahmSmeife bor. 

33on bem Sußenb tranSatlantifcber Sampfer» 
Sinien, Welche hmte Guropa unb Amerila ber» 
binben, biirfte feine eingige einen 9?affagier* 
Stampfer unter gweitaufenb Sonnen ©ehatt be» 
fißen. Sie große Wehrzahl ber atlantifdhen 
Sampfer finb über breitaufenbfünfhunbert Son» 
neu groß, ja Diele haben Diertaufenb Sonnen 
(80,000 Rentner) unb barüber ©ehalt. 

So große Schiffe finb hmte zur Sfteqel ge* 
worben’ währenb fie noch Dor faum gehn Sohren 
als ßuriofa unfer Staunen ermedten. SamalS 
betrachtete man biefe Äoloffe als baS ©öchfte ber 
S<hiff§=®aufunft, unb glaubte, eine noch Weitere 
Vergrößerung ber See*Sampfer wäre unthun= 



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Pos gtalptlptm brr #}ean=Patnpfer. 


251 


lid» ober boc^ ohne befonbere Sortheile. $iefe 
Siefen.Stampfer Rotten auch bis auf bie lebten 
3aßre nur feiten bolle $in* unb fRüdfradjt, 
unb fcftwammen befonberS im 2Bintet leicht unb 
l/od), wie riefige Äortballen, auf bem Steere. 

Silier Sinterifa wucftS über alle Erwartung 
rafd). 2Jlit jebein 3fahre ttabm ber tranSatlan* 
tifdje Kontinent um ein ÜRiUioit 9Jtenf<hen gu; 
(Sebölferung 1870: 40 Millionen, 1880: 50 
SHiüionen); mit febem 3aß rc mürbe eine S)o* 
mäite boit jwangig bis fiinfunbgwangigtaufenb 
Quabratmeilen örliidjenraunt bett Emigranten 
im fernen SBeften übergeben, nnb batnit bem 
Sbferbau erfdjlojfen. ®ic Sebürfniffe brüben 
unb ber Ejport bec SebenSmittel unb Saum» 
wolle bon Sltnevifa wuchs mit febem ^afjre, unb 
bie Sdjiffe, bie noch bor einem Saljrjelfut im 
Sergleicß gum Serleljr etwa fo Waren, Wie ein 
großer Schuß für einen Keinen jungen, fiitb 
für baS fttiefeiuSabq Slmerita (üngft ju Kein' 
toorben. 

Söer ben Suffdjwung SlmerifaS ober richtiger 
gefagt, ber Ser. ©tauten, unb bie 3 u iwl)ine 
ber Emigration aus allen Säubern Europas 
baljin oerfolgt bat» ber wirb fidj beSßalb taum 
mehr wuitbern, baff man gegenwärtig an bem 
Sau noch größerer Stampfer nicht nur benft, 
fonberu biefelben feßon in Singriff genommen 
bat. 

9tadj ben üRittßeilungen be§ Sonboner „©lobe" 
finb gegenwärtig in ben großen Schiffsbau* 
SBertjtätteu SdjottlanbS fünf Saffagier*S)am« 
pfer im Sau begriffen, welche SllleS bis jeßt 
Sagewefene (mit SluSnaßme beS ©reat Eaftern) 
in ben ©chatten ftetlen. Star größte barunter 
ift ber für bie 3nman=2inie beftiinmte Stampfer 
„Eitp of fRoine", ber in ben SEÖerften bon Sar* 
romiit ffurneß gebaut wirb. Sei einer Sänge 
boitOOO, einer Sreite bon 52J $uß unb einem 
©eljalt bon 8000 Sonnen, wirb er nur bon bem 
„@reat Eaftern" übertroffen, ber 692 3taß lang 
ift, unb einen ©eßalt bon 12,000 Sonnen be* 
ftßt. Stau wirb fidj bon ber ©röße biefeS Eo= 
(ojfeS erft einen Segriff machen tonnen, wenn 
man erfährt, baß ber Kölner Stam beifpielsweife 
in feinem Stittelfcfjiffe um etwa 10 3?uß erwei= 
tert unb um 235 fjuß, b. ß- unt gwei 5)ritttf)eile 
feiner gangen Sänge berlängert werben müßte, 
bamit bie „Ei© of fttome,, bariit Staß fänbe! 

3)aS nächftgrößte, im San begriffene, Stampf* 
fdjiff, bie „Serbin", liegt in ben SBerften ber 
Glßbe. unb wirb bon ben Herren Sbompfott für 
bie Eunarb*8inie gebaut. Sie „Serbin" ift 
510 fjuß lang, 52 3?uß breit, unb fofl 7500 
Sonnen, alfo um 500 Sonnen weniger als bie 
„Eitp of 9tome", befißeit. Eine anbere Elt)be= 
fjfirma, bie Herren Elber unb Eo., bie für,dich 
bie faiferliehe rnffifcfje f)ad)t „Sioabia" bon Sta* 
pel gelaffen, baut an bem Stampfer „StlaSta" für 


bie ©uion*Sinie. Er wirb nur um 10 grüß 
lürger werben unb 1100 Sonnen weniger ent* 
halten, als fein Dtadftbar bon ber Eunarb*8inie. 
S)iefelbe ecftiffsbaiuffirma arbeitet auch gleich* 
geitig au gwei anbern 3tiefen=$ampfern, bon 
benen einer für ben Sorbbeutfdjen Sloßb, ber 
anbere für bie englifdje „Orient ©team 9tabi= 
gation Eompanp" beftimmt ift, unb beren jebev 
5500 Sonnen Sragfraft befißen foU. Unb 
nicht genug bamit, — auch baS größte Schiff ber 
Statt, ber ©reat Eaftern", bejfen Karriere feit 
feiner Erbauung im ^aßte 1859, wegen feiner 
gigantischen ©röße, nicht gerabe glängenb war, 
lommt jeßt wteber gur Serwetibung. Er wirb 
eben renooirt unb gum- amerifanifcheu Sieh« 
SranSport berwenbet Werben. 

2R.it biefen erwähnten fünf Stampfern wer* 
ben älfo fdjon in ber näcßften 3**1 Eoloffe in 
ben regelmäßigen Seeberteßr eintreten, benen 
man nicht nur bie Segeichuutig „fchwimmenbe 
l{5aläfte" Wirb beilegen fönnen, fonbern bie ben 
größten Sauten ber Söelt überhaupt beigugaßlen 
finb. 2Ran wäre abermals geneigt, gu glauben, 
baß bamit ber Seeberfeßr bie ©rengen beS 9Rög* 
liehen erreicht hätte. 2öir finb jeboeft nie© bie* 
fer Stnfidjt. Es wirb, bei bem borauSfidjtlidj 
ftetigen StkubSlbum beS amerilanifdjcn Eon* 
tineittS unb ben fortwäßrenb fteigenben Segie« 
hungen gwifdjen ben beiben SBelten, auch bie 
©röße ber Stampfer guneßmen, unbbabei haupt* 
fachlich ihre Einrichtung mancherlei Seränbcrung 
erleiben, benn bei all’ ihrer ©röße finb bie tranS* 
atlantifcßen Stampfer noch immer nichts Weniger 
als bequem. 

2Reßr noch als bie tßaffagier=Sampfer finb in 
ber leßten 3 f >t bie $hiegS*Sampfer, — gunäcßft 
bie Sangerfdftiffe, — gewachfcn. ©ie haben 
feßon läugft fclbft ben größten ßhwimmenben 
Koloß, ben „©reat Eaftern", überholt. Erft 
Enbe September würbe Don ben Starften bon 
Eafteflamare bei Neapel ein berartigeS langer* 
fdjiff, bie „3talia", bom ©tapel geiaffen. 3« 
feiner Erbauung waren bier 3afjre unb gwet 
ÜRonate 3eü erforberlicß. Sei 15,000 Sonnen 
hat bie „$talia" eine Sänge bon 440, eine Sreite 
bon 81 unb eine Sicfe bon 35 3?uß. ©ie ift 
gang aus ©ußftaßl gebaut, unb befißt bier 
Stampfmafchinen bon gufammen 18,000$ferbe* 
fräfteit! 

, Unb nun berglefdje man biefen ©iganten bon 
15,000 Sonnen mit jenen Schiffen, auf Weldjen 
bie größten Seefahrer aller 3<üten neue SBelten 
entbedten, neue Sänber eroberten! 9Ran be* 
trachte nur bie brei Keinen Schiffchen, mit 
benen Kolumbus feine glorreiche Suffinbung 
ftlmerilaS nuSführte,—baS eine, wie bemerlt, 
bon 90 Sonnen Sragtraft, bie beiben anbern 
hingegen, bie „tßinta" unb „fttina" faum größer 
als eine Sarfe unb nur gur Hälfte mit Stad 


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252 


Hu« einem gBnifenhaufe. 


berje^en! ©ir 3 franci§ ©rate führte mit torei 
Meinen i$al)r)euflen öon 70 unb 25 Sonnen 
fieflreidjeit Strieg. ‘ The golden Hind”, auf 
welcher ©reife jum erftcn ®fal bie eitglifdjc 
glcigge um bie <£rbe führte, ^atte nid^t ineßr als 
100 "Sonnen, uttb ^rmig Wagellctn unifdjiffte 
bie (Srbtugel auf einem ©d)iffe tion 120 Sonnen! 
«rP ©erjetiige, ber bie ©cfaßren Jeniicn ge= 
lernt, bcnen felbft bie größten ©eebampfer ßeute 
noct) nuSgefeßt finb, wirb ben £>elbenmutf) unb 
bie SoUtütjnfyeit jener ©eefaßrer ju mürbigen 
miffen unb ißnen bo§ richtige 9)? aß oon $emun= 
berung jolleu. ©amnl§ letzten bon ben fjlot» 
teil, bie, fei e§ jum Kriege, fei e§ ju (Sntbedtun» 
gen, autogen, feiten mehr ctl» bie Hälfte jurücf. 
3 ie größer bie Sdjiffe gebaut würben, befto beffer 
tonnten fie ben (gefaßten bes 'JJiccrcä troficn, 
unb bie ©tatiftif bat Uingft bemiefen, baf; mit 
ber ©röße aud) bie ©idjcrfjeit in äßnlicßem 3}er= 
fjciltniffe wcidjfe. Ser Sau ber oben befbrodje» 
nen ©ampfercolofie tonn nlfo nid)t nur als ein 
erfreuliches 3 eicßen bet größeren |>anbelsbejie= 
ßnngeii gelten, fonbern muß uns auch in Sejug 
auf bie größere Sicherheit auf Oacanfeiljrteii 
miilfonimen fein. (Seit. 3 °ut.) 


JI110 Hum HHatfeiiljaiife. 

®oit &. ftrelmntlf. 


V. 

ßinige Sdjattenbüber. 

2 aß eS auch folche in einem 3 nfammenleben 
non 75 Kinbent gab, ifi fo felbftoerftänblidj, 
baf; Silber an$ betn SBaifetiljauS mit 93erfd)meu 
gen berfelben ben ©inbrudt beS Unmahreu inanen 
inürben. 2aß gröbere WuSbrüche ber ©oSljeit 
böchft feiten maren, bürfte bielleicht meniger ber 
(S5iite beS ©ergcnS als beni Umftaub gugefcjjrieben 
merben, baf; unfere SBnifentinber fid) beinahe 
beftänbig unter s itnffic^t befanben. feines foU 
$en 9luSbruchS, ber jugleidj and) beS Komifdjen 
feljr oiel enthielt, erinnert fich unfer 2Baifen= 
tnabe noch febr tebljaft. s )iebft bent großen 
Heller unter ber Scheune befanb fich auch ein 
Keller unter bem grontgebaube, nur „ber bor= 
bere Seiler" genannt. ©in 2 l)eil tiefes „oor= 
bereu Kellers" mar burd) eine Sattengitter non 
bem übrigen getrennt. 2 ort hinein brangen 
feljnfuchtsoolle ©liefe, fo oft Arbeit einen Kna= 
ben hinab führte. Sag bodj bort auf Srettern 
baS liebe Srob, Saib an Saib in fd)önfter Orb= 
nuug. 9tuu mar ja fein SBerbot gegen bie ent* 
^iiefenbe 9Jugenmeibe, bie fich ba hot unb 2 öei- 


tereS machte baS büftere ßängefchlofs . an bet 
2hüre unmöglich. So bachte man menigftenS 
allgemein, feiner ber tleinen Knaben befchäf* 
tigte fich aber eingehenber mit tiefem Problem 
unb fein fdjarfer ©eift entbeefte bie 2 ljatfache, 
baß auch ba im „Kampf um’S 2afein" ber 
Stärtere fiegen mürbe. 6 r berechnete bie 2BU 
berftanbSfraft beS s JtagelS, ber bie Satte bort in 
ihrem 0 rt ^ielt, unb tarn gu bem Schluß ba& 
bie nereinte Kraft eines VytftielS unb gmeier 
Knabenarme bemegenb auf ben 9tagel einmirfen 
mürbe. ©ebad)t, getljan! ©in 9Jteffer befafe er 
nicht, maS er aber befaß, mar ein faft unbe= 
grengteS Vertrauen in feine VroboertilgungS* 
traft. 2 Jtit einem ber buftenben ©roblaibe be= 
laben, gieht er ben Ütücfgug an, feßt fich außen 
auf einen Raufen Kartoffeln unb beginnt fein 
SJertilflungSmer!. Schon hat er einen guten 
2heil beS SaibeS oerfchlungen, ba fteigert fich 
fein Söonuegefühl $u jenen |)öhen, auf benen 
inan alles 2 Be() ber # 6 t*be Oergißt unb in füßen 
Schlummer finft. Proben aber auf ber Ober^ 
melt finft mittlermeile bie Sonne aus bem £> 0 = 
rigont. Xie ©locfe mirb geläutet unb oon ber 
Arbeit fammelt fid; jebeS Kinb 311 feinem $laß, 
um eine Stunbe mit Seinen gusubringen. ®er 
^3laß unferS Schläfers ift leer unb große 9luf* 
regung hen*fd)t über fein Verbleiben. MeS 
mirb burd)fn<ht unb entlieh geht auch (?iner in 
„ben oorberen Keller". 2a fißt ber Schläfer 
auf bem Kartoffelhaufen, mie ein König auf 
feinem 2h*ou, uubefümmert um all baS mirre 
Treiben ber Söelt. 2 a aber befauntlich ein 
mehrftiinbigeS Sd)lafen in feuchter Kellertuft 
felbft töbtliche folgen haben mag, fo galt es 
ihm fchlcuuig ein ©egengift beigubringen. 2ieS 
mürbe ihm beim auch ahne Säumen verabreicht 
unb gmar in ©eftalt einer alleopathifd;en 2ofiS 
oon ungebrannter 5lf<he. 


f^aft bie eingige in meiner bie 3 äglinge 
nicht unter biretter Slufficht maren, maren bie 
9lbenbfhtnben oon 9—10 ober auch 11 gumeilen. 
SBaren bie Kinber gu Vett gebracht, maS immer 
um 9 Uhr gefchafj, fo gingen bie „Vriiber" mic= 
ber aus bein Sdjlaffaal auch eine Stunbe für 
fid) gu haben. 9hm Acftanb aber bie Stegei, 
baf; nachbem einmal baS Sicht atiS bem 3immcr 
mar, fein UBort mehr gcrebet merben feilte. 
Söcnn gegen ein ©ebot beS £)aufcS gefiinbigt 
mürbe, fo gegen tiefes, menigftenS auf ber Kuü* 
benfeite. 2 riibcn im Vtäbdjenflügel mürbe 
oielleid)t nach neun Uhr nicht mehr gefprochen— 
unfer SBaifcnfnabe meiß es nicht. Vtan benfe 
fid) aber gmölf bis fünfgehn gefüllte Knaben 
in einem 3 immer — feit frühem 9)torgen gum 
erften mal ohne Sluffidjt, unb bie follten mäuS= 


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&us einem iHaifenbaufr. 


253 


cbenftitte fein. Sßenn baS ©ebot in fo entfdjie* 
bener Schärfe geftellt mar, weil eS unmöglich 
getoefen märe, bet muntern ffnabenfcbaar bie 
©rennen groifdjen einer ruhigen Unterhaltung 
nnb ftörenbcin 2ärm !(nr gu machen, fo t)at eS I 
feinen 3med nllcrbingS in fomeit erfüllt, baf; 
jene Sbenbunterbattungen ftetS in gebämpften 
2 on geführt mürben. $)ocb: ff eine Siegel ohne 
SuSnabme. ©ine foldfje Ausnahme ftefjt uit* 
ferm SBaifenfnaben befto lebenbiger in ber ©r= 
inneruitg, als er felbft eine Hauptrolle bobei 
fpielte. ®er ©chlaffual ber ,groj 5 en klaffe mar 
ber erfte im gmeiten ©tod beS ffnabenfliigelS. 
3n ber einen ©de befanb fidj baS burd) einen 
Vorhang abgegrengte 3immer<ben beS Sr. 2. 
©ein Sett, ein ffleiberfdjranf, ein fleiner $ifd) 
unb ein ©tuljl bilbete baS Steublement beffelben. 
$)oS Sett unmittelbar neben bent Sorbang mar 
baS uttferS 2öaifenfna6en. Sann folgte eine 
Dtcilje Bon Setten unb buS lebte berfelben biente 
feinem fjreunb 3. ©cf). gunt SRubelager. ’S mar 
ein Sbenb im ffebruor 1863. Sr. 2. hotte 
feine Knaben gu Sett gebracht unb mar mit 
feinem freunblidjeu: „@ute Stacht" Berfdjmun* 
ben. SSßenn aber eine „gute Stacht" fanften 
©djlaf in fidj birgt, fo mollte fein freunblidjer 
ffiunfeh gerabe beute nicht in ©rfüUuitg geben. 
Salbentfpann ficb etroa fo(genbe§3miegefpräcb: 

„Su, ©<b. m...n!" 

w 2f a ." 

„3Beij}t nicht rnaS anjufangen?" 

„Stein." 

„3ch bab einen auSgegeidjneten Sion! Sr. 
2 . bat ba brinn einen mächtigen ffiirbis auf 
feinem ©ebranf. 3n ber ©djublabe feines 
StifcbeS liegt ein ffnäul Sinbfaben." 

„«hfl.' 

„SBenn mir ben Sinbfaben an bem ©tiet 
Born ffürbiS befeftigen mürben unb bann unter 
ben Setten burebgeben liefen —" 

„Sann fönnten mir machen, bis Sr. 2. im 
Sett märe, bu fönnteft horchen, rnenn er fdjläft 
unb einer fönnte sieben unb ber ffürbiS täm auf 
ihn herunter." UnterbrüdteS ©elächter in febem 
SBinfef. 


„2Qenn bu ben Sinbfaben anbinbeft, gieb ich 
ben ffürbiS runter." 

3ejjt mollte unferm Sßaifenfnaben fein fpafjiger 
Slan boch gu ©rnft merben. Stber halb fanb 
ber Sorfdjlag fo allgemeinen SeifaH, bag e§ 
auch bei ihm biefe: »Sie ©eifter, bie ich 'rauf 
befchmor, bie fann ich nicht mehr bannen!" Son 
allen ©eiten ermuntert, ging er an’S SBerf. 
ffautn aber holte fein ©enöffe ben ffnäul in ber 
Hanb, ba burdjgudte ihn bie brennenbe 2uft, bie 
Sache gu probiren. ©in Kräftiger Stud unb 
mit bonnerttbem ©etöfe lam ber ffürbiS gmifchen 


ffleiberfcbranf unb Sett auf ben Soben, mo er, 
ber alterSmorfche, fürchterlicher 3erftörung an= 
beimfiel. Heute noch ift’S unferm SBaifen* 
Ina ben unbegreiflich, in mie furger 3eit ber 
HauSbater, beffen SBobngimmer fiep faft unmit* 
tclbar unter bem ©chlaffaal befanb, in bemfel* 
ben ftanb. ©in Slid hinter Sr. 2.’S Sorbang, 
mobin man ihn mic§, genügte. „SMr merben 
euch morgen finben," fagte er unb ging. SMr 
motten mit ber Serficherung, baß bie rechten 
2eute fdjfeunig gefunbett mürben, ben Sorbang 
über biefeS „Stad)tftüd" fallen (affen. 


„H • • f • • • tt unb S5ß.. r, ihr gebt beute Slbenb 
nad) St. unb holt Sbccr," fo fagte an einem 
febönen ©ommer=Sta<hmittag Sr. 3- gu unfernt 
Sßaifcnlttaben unb einem feiner ffameraben. 
Srobeit auf bem „©todftüd" mar ein Slder mit 
©toefrüben bepflangt morben. Sie Slätter bet 
jungen SPangen feierten aber befonbern Steig 
für bie Hofe« gu hoben. SBenigftenS flatteten 
einige berfelben bem Slder allnächtlich einen Se* 
fuch ob. t£em fottte nun ein ©nbe gemacht 
merben. 3u bem ©nbe mufften unfere beiben 
ffnaben nad) bem Slbenbeffcn in St. eine ffanne 
$beer holen. Sr. 3- ging mit einigen ffna* 
ben, als bie Sacht bereingebtochen mar, hinaus 
auf ben Slder. 9(n feber ©de beffelben mürbe 
ein fleiner Sfobl in ben Soben getrieben unb 
als ber 3: beer gebracht 1 mürbe, gog man eine 
ftarfe ©d)uur burd) beufelben. Stit tiefet 
tbcergetränften ©chnur mürbe bann ber gange 
Slder umfpannt unb man hotte Stube Bor ben 
Hofen. S?ar aber ber Stbeergerud) bem ®e* 
ru^Sfinn ber Hofen gumiber, fo übte er autb 
feinen befouberen Steig auf bie Siafeit unfret 
flnaben aus. ©§ galt benfelben gu neutra* 
lifiren unb ber in foldjen Singen immer fdjlag» 
fertige ff. H • • f • • • n mufete halb Statb. 2Dun* 
berbarermeife hotten fie einen ff reuger im Sefijj. 
$afür befam man in St. gmei ©igarren Bon ber 
©orte, beren Slroma auch felbft Sbeergerudj 
unfchäblich ma^te. Sor bem Crt angefommen, 
mürbe bann „angeftedt" unb im imbcfd)reiblicf)en 
©iegeSgefübi mit einem ©chlag „Stänner" ge* 
morben gu fein, fdjritten bie gmei babin, bie 
3:b«rfonne in ber Stitte. Sr. 3- mochte Biel* 
leicht bei ihrem ©rfebeinen benfen, ber 2beer 
riedbe beute befonberS miberlich, fagte jeboch 
nichts. 2BaS bie Seiben angeftettt batten, hätte 
er fa auch foum für möglich gehalten, hätte 
man es ihm auch gefagt. Unfern Sßaifen* 
fnabeit fottte aber bod) bie ©träfe treffen. SIS 
ber StbeeningSprogeff Borüber unb bie Keine ©e= 
fettfehaft gu Haus angefommen mar, brachen 
Sfle, bis auf ihn, in bftteS ©elächter aus. ©r 
batte fdjeinbar fein ©efiebt mit ber ©chnur Ber* 


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254 


30eimv3rtf. 


mechfelt ltnb ben Sbeer ba giemlich ftarf auf» 
getragen. Sie er fid) mit betn falten Srunnen» 
waffer gemafdjen batte, mar ber Sbeer gut in 
bie Soren eingeriebeit. 9llS er eine halbe Stunbe 
fpater im Sette hup brannte fein ©efidjt wie 
3?ener unb baS böfe ©ewiffen feßte ben Sdjmerg 
in Scrbinbung mit ber Giflarre. fjeute noch er» 
innert er fid), was er jene 9tacbt unb ben fol* 
genbeit Sag an törperlicben Schmergeit unb ©e= 
wiffenSbiffen auöbiett. 

2öie Diel ift fdjon gerebet worben über bie 
grengenlofe Sljörbeit beS StenfcbenbergenS, mic 
fie fid) g. S. im Suell funbgiebt. 9luS foge» 
nanntem „©hrgefübl" wirb man ba gum Stör» 
ber, ober opfert baS eigene Seben bin. 9lebnlid)e 
Sborbeit ftedt oft fdjon im ltnabeubergen, unb 
baS 3ufammenleben Dieter Rinbcr bringt man» 
d)eS baoon an ben Sag. Uitfer SBaifenfnabe 
nahm Shell an manebem Ungeijorfam, nur aus 
tJurdbt, im 3FafI ber Steigerung ben Spott fei» 
ner ßameraben erbutben gu iniiffcn. ©S maren 
überhaupt Diellcidjt Stenige, beneit es nid)t ebenfo 
erging. SBo ©ottcä SJort fo reichlich getrieben 
wirb, fann es ja nic^t febteu, bafg bie ©ewiffen 
gefdjärft werben. Sa febämt fid) aber oft ©iner 
Dor bem Stnbcrn, wenn e§ gilt, bem Söfen ent» 
gegengutreten unb am ©nbe liegen bie entfebie- 
beneren ©baraftere, bie teiber nicht fo oft auf 
ber Seite beS Diente» flehen, als gu Wünfcben 
wäre. Siebte hätte unfern Stnifenfnaben beffer 
entfpreeben föniten, als feine Sinftetlung gum 
©eljUlfen beS SebrerS 3!ö. ©r foflte helfen beim 
Unterricht ber kleinen, wäbrenb feine Itamera» 
ben an ber Arbeit maren. Ob bete nun eine 
Prüfung fein foüte, wie Diel Scbrtalent in ihm 
ftede, weiß er allerbingS nicht gu fageu. 2J?öglidj 
wäre es jebenfalte. Haum aber fam er aus bem 
Scbulgimmer, ate er Don allen Seiten mit: 
„$>err Sebrer" begrüßt mürbe. SaS war für 
feinen bummeit Stolg gu Diel, ©r mußte feine 
ßameraben iibergeugeu, baß er fo bös fei, ate 
fie felbft. Sein Setragen in ber Schule War 
hinfort berart, baß ihm gar halb 9lbfd)ieb gc= 
geben mürbe, feilte aber fchämt er fich feiner 
Sborbeit unb ffeigbeit unb beflagt, bafj f.e ihn 
um bie Silbung gebracht, bie ihm fonft öietleid)t 
geworben wäre. 


Such ein 3 e ’^ e n ber 3eit. 2llS ber 
uad) ©berSwalbe überfiebelnbe Srebiger gu 11t ir= 
borf in Scutfcblanb, feine 9lbfd)icbSprebigt hielt, 
erbot er fid), fämmtliche Saufen an bem Sonn» 
tag unentgeltlich Dorgunebmcn. 2öaS ge» 
fchat) ? @S fteflten fich f ü n f g i g Sämlinge ein, 
Don benen einige bereite auf eigenen ffiißen ben 
©ang nad) ber Äirdje gurüdguiegeit im Stanbe 
waren! 


$ e t nt m ö r 1 

80« 8. 6. 

tjarre, meine Seele, 

Barre bes tjerrn, 

3Ules ihm befehle, 
fjilft er bo<h fo gcrnl 

So flang es burd) baS halbgeöffnete gfenfler 
in ben Septemberabenb hinaus. 9lu3 einer 
frommen Stäbcbenbruft tarnen bie tfjeurcit, inni» 
gen 2üorte. Stit Siibarbeit befdjäftigt faßSlnna, 
bie Sängerin, am genfter, burdj welches bie gur 
9tüfte gefjenbe Sonne ihre Strahlen Warm unb 
golben in Wtutter SaraS SBittmenftübchen Warf. 
Sie Sllte fab im 2ebnftul)l, ber fo gestellt war, 
baß man gwifchen.bcni Sanbwer! binburd), wel» 
djeS außen baS Keine genfter umranfte, einen 
freien Slid auf ben Ülbcnbbimmel batte. 

Sie liebte ben 9lbenbbimmel. „Sie fd^eibenbe 
Sonne," pflegte fie gu fagen, „erinnert mich an 
meinen Heimgang unb an ben SerS : „Siknn 
idj einmal foll febeiben, bann fcheibe nidjt Don 
mir." Unb wenn manchmal baS 9lbenbrot!j bie 
gadigeit SBolten golbig färbte, baß fie wie blanle 
Sburmfpißen auSfaben, bann richtete fie fich in 
ihrem Sebnftubl bod) auf unb, beibe #änoe auf 
bem fJrürfftod gefaltet, tonnte fie lange unDer» 
wanbt in bie fcltfamen SBolfengebilbe hinein» 
bliden. Stuf ihrem Slntliß lag bann ein ge» 
beimnijsbollcr ©lang, unb wenn fie nad) folgern 
Slnfchauen in ihren Seffel gurüdfanf, bann ftanb 
in ben füllen 3ügen gu lefen: 

3<h bin 3 ufriebcit, 

Daß i<h bie Stabt gefeh’n, 

Unb ot[n’ Cnnüben 
UJill ich ih r 'jäher geh’n. 

3a, Slutter Sara batte öeimweb. Saö war 
nicht immer fo gewefeu. Sor 43 fahren, als 
fie, ben Srautfrang im fjaar, Don ihrem 3afob 
geführt, Dor ben Sraualtar trat, ba War ihr 
$crg Doll Suft unb Scbeii gewefen, unb bie SBelt 
war iljr bamalS fo eingigfebön Dorgetommen, 
baß wären ihr ©rbe unb Fimmel gur Sffiabl ge» 
(teilt worben, fie bie ©rbe bem Fimmel fd)ier 
Dorgegogen hätte. 

9lber ber ^>err weiß feinen SKenfdbentinbern 
bie Singe gurecbtgufteilen. Sreimal batte er in 
befonberem Stnlafi bei SOtutter Sara Dorge» 

| fprochen. SaS erfte 9)?al war’S gmei 3aljre nach 
ber fjocbgdt gewefen, wo fie ein blübenbeS Süb» 
eben auf ihrem Sdjooß gewiegt. Srei Sage 
barauf batten bie 9tad)bnrfraiien ben Keinen 
fiicbling in ben Sarg gelegt. Sie batte füll, 
aber mit blutenbem fjergen babei geftanben. 
23 3ab« tpiitcr war gu bem Keinen ©rabbügei 
auf bem itirchbof ein großer getommen, unb 


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heimwärts. 


255 


twrunter fdjlief tpr 3fa!ob, ber 2Rann ihres £er» 
genS. «Sieben ÜRonate ^atte fie mit unfüglidjer 
Siebe unb fajt unmenfchlidjer Anftrengung ben 
Fronten gepflegt, unb manches beifee ©ebet, bah 
ber tpeure ’Dtnnn nicht fterben möge, mar aus 
ber Äranfenftube pinaufgeftiegen gum £>errn. 
©S wollte ifjr nicfet mi§ bem ©ergen unb über 
bie Sippen, baS faure ©ort: 3ticpt mein, fon» 
bern bein ©ille gefcpepe! 'Uber gelernt bot fie’» 
bod). Unb als es mit ihrem 3afob gum Sterben 
ging, ba hot fie ihm feft bie 4)anb gehalten unb 
mit fixerer Stimme in’S Ohr gefügt: ßpriftuS 
i|t mein Sehen unb Sterben ift mein ©ewinn. 
SDanit hat fie ihm fanft bie gebrochenen klugen 
gugebrüdt unb fich ftill neben bie Seiche gefcfct 
unb Tobtenwacpt gehalten. Aber in ihren 3ügen 
ftonb feitbem eine anbere «Schrift als am Dod)= 
geitSmorgen, unb wer fich auf folc^c Schrift Der« 
geht, ber tonnte lefen: 

Hein, nein, hier ift fie nidjt, 

I>ie ffeiinattj ber Seele ift broben im Sicfjtl 

Unb baS britte fötal ? 3fa, baS ift eine ©e» 
fchichte für fich. $a brühen, jenfeit» beS 9tpeineS 
auf bem weiten Scplachtfclb Don ©raoelotte, liegt 
an bem fffufee eines föügelS ein großes ©rab. 
756 beutfdje Ärieger fcfeliefet eS ein,* Welche bei 
ber ©rftürmung beS fjiigelS ben fjelbentob ftar» 
ben. ®S war ein graufigeS fRingen! dreimal 
ftürmten bie $eutfcpen tobeSmutpig gegen bie 
bon feinblicher Artillerie befehle Anhöhe Dor, 
unb breimal trieb fie baS bernicptenbe $ar» 
tätfcpenfeuer beS ffeinbeS wieber gurüif. Ter 
Sobert war mit Seichen überfüt. ©S fchien ein 
DergeblidjeS Stüdf Arbeit, bie feinbliche fßofitipn 
ju nehmen. Ta giebt bie trompete gunt bierten 
mal baS 3 e *<h en gum Sturm, unb Wieber geht 
ba» furchtbar becimirte Vataillon mit gefülltem 
SBajonnet in grimmer Tobe»Derad)tung gegen 
bie ftügelfpifce bor. ©opl reifen auch Diesmal 
Äartätfchen breite Süden in bie (Reihen ber 
Stürmenben, wohl fallen auch Diesmal wie f$?lie» 
gen rechts unb linfs bie braDen Solbaten. Tod) 
ein Aufhalten giebt es nicht mehr ; raftloS geht 
e§ DorwürtS über bie Seichen ber SSorbermänner, 
bis bie Anhöhe ertlommen ift. ©in blutjunger 
Sahnrich ift ber erfte. Victoria! ruft er unb 
ftöfet ben 3?ahnenf<haft in ben Voben. Ta trifft 
tfjn bie feinbliche Stugel, unb lautlos finft * er 
neben feiner Qfahne nieber. 

3n fötutler SaraS ©ittwenftübdjen ift bie 
ftunbe Don bem Fähnrich auch gebrungen unb 
hat jwei Serien gum Tobe betrübt gemacht. TnS 
eine war 2Jtutter Saras £>erg, benn ber junge 
ßrieger war ihr gfriebrich, ihr einziges ft'inb. 
Sen hatte fie geliebt unb gehütet wie ihren Aug» 
apfel. fjrüfje fepon, als er ben fOtutternamen gu 
lallen anfing, hat fie bie Keinen .feänbcpeit in» 
einanbergelegt unb ihr pergigeS Vübcpen beten 


gelehrt. TaS hat er auch herrlich begriffen unb 
nie Dergeffen, unb cS ift ihm bie töftlichfte 2Rit» 
gäbe geworben für’S Sebcn. Oft hat er ber 
(Ötutter aus ber fffrembe gefchrieben: „O fötut» 
ter, hergliebe fötutter! bah bu mich beten gelehrt, 
baS ift baS Vefte, was ich bon bir pab’." Unb 
als bie beutfepen ßcere in 3?ranfrei<h ftanben, 
unb baS blutige (Ringen begann, ba hat ber 
brabe Sohn, obgleich oftmals tobtmübe Don ber 
fauren Arbeit, manchen Abenb feine tnappe 
(Rupegeit nod) oerfiirgt, um feinem beforgten 
Vtütterdjcn einige 3eil<w gu fenben, bie er bann 
mcifteitS mit ben ©orten fdjlofe: „3tun ©ott 
befohlen unb nicht geforgt, lieb’ föiüttcrdjen l 
Verftepft ja baS Veten, unb id) Derfteh’S and), 
bafür fegnet unb li'tfet biep bein f^riebridp." Unb 
noch am Vorabeitb ber Schlacht bei ©raDelotte 
hatte er ipr eine $arte getrieben, es war bie 
lejjte Don feiner £>anb. darauf ftanben mit 
Vleiftift bie ©orte: „Vtutter, morgen giebt’S 
heifeen Äampf. Sterb’ ich, — bcS £ierrn ©itte 
gefcpepe! ©S ift nichts gwifepen il;m unb mir. 
ßergliebe Vtutter, id) fann beten, ©ott be= 
fopten. ©ruh bir unb i h r!" 

3fa, ihr! Unb fie hatte wohl Anfprucp auf 
foldjen ©ruh, bie treue Anna. 33tit unfagbarer 
Siebe hing ipt £>erg an ihrem fjriebridj. Seit 
iprem bierten Sapre, Wo fie als arme ©aife gu= 
fammen mit ihrem neunjährigen Vruber Daniel 
in HtuHer SarnS ^äuScpen gefommen, war fie 
§riebrid)S ©efpielin gewefeit, hatte bie 3?reuben 
ber ßinbpeit mit ihm burdjlcbt, unb lange be= 
tradjtetcn fiep beibe als ©efepwifter. 3)tutter 
Sara Dermieb eS, gu ben ftinbern ober gu anbern 
über Vergangenheit unb ^erfunft ber beiben 
©aifen gu fpred)en, aber bie Oorfleute wupten 
es, bah Pier ein ©erf felbftlofer Samariterliebe 
geübt würbe. AIS aber Der Stag ber ©onfir» 
mation guerft für Daniel, bann für §?riebricp 
unb enblicp auch für Anna gefommen War, unb 
bie jungen ftergen es inne Würben, bah auf bie 
3apre beS 3 l *fammenfeinS nun 3apre ber 
Trennung folgen füllten, — als mehrere 3apre 
ftets kommen unb ©epen, Trennungen unb 
©ieberfepit in SRutter SarnS Stübchen mit 
eiuanber gewechselt patten, ba fap man an einem 
wonnigen Simiabeitb gwei gliidlidje DJtenfcpen 
felig langfam ben ^uhfteig Don SRutter SarnS 
^nuScpen gur groben Sinbe pinwanbelit, weldje 
brühen auf ber Keinen Anhöhe ftanb. Sie 
fpracpeit nicht Diel, aber in ihren Augen ftraplte 
ber Fimmel, — fie waren „am Vrauttog." 

Unb eS War ein gefegueter Vrauttag, ben 
biefe beiben jungen |>ergcn begingen, benn fie 
waren and) eins mit einanber iii ber Siebe gu 
bem, ber fidj auf ©olgatpa für uns gu Stöbe ge» 
liebt. $a ift’S benn fein ©unber, bah auf bie» 
fen erfteit Vrauttag Diele anbere, nidjt rniuber 
glüdlicpe folgten, ©o fidp in ber Siebe ©prifti 


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256 


lange unb kurje $djläfer. 


gwei ©ergen für biefeS Seben Derbittben unb 
lieben, ba wirb ihnen jeber Sag gum Brauttag. 

Sa tarn aber ber jag non ©raDelotte, unb 
mit bent Brauttag war’s gu ©nDe. Dluf ba» 
„himmelhoch 3ou<hgen" folgte ein „gum iobe 
betrübt", Dlbcr obgleich mit bem ©ergblut 
manche heipe Sljräne in ben ©rbenftaub fiel, 
bemtoch hotte Dlnna es gelernt, bie ©aitb ihres 
©rlöferS gu tüffen unb gu fprechen: Seuuoch 
bleibe ich ftetä an bir! Sie buchte nicht wie 
jene Braut am Sarge ihres ©elbenjünglingS: 

IDas ift bas Itcbcn ohne tiebesijlang ? 

3<h werf’ es bin, ba fein cSepalt oerfebmunben. 


toie fie fterbenb ihm ©rüge aufgetragen an bie 
Sieben baheirn.- Unb als Daniel enblich fdjwieg, 
ba hoben auch bie grauen gefprodjen. Sie 
muhten manches gu fügen non ©ebet unb 2BeU 
nen, non ©ergeleib unb ©otteStroft. Unb ob» 
tnobl möhrenb ber Diebe baS Dluge noch feucht 
unb baS ©erg no<h fchmer mürbe, fo flang boch 
burch alle ihre fflorte ber ©ebanfe noll Sani 
i unb Dlnbetung-hinburch: 

[ So füljrft bu boch recht felig, ©err, bie Seinen, 
3 fa felig, menn auch tnunberlidh! 

(Wachbar.) 


2öohl tnar 3?riebricf)S Sorbeerfrang für DlnitaS 
Siebe gur Sornenfrone geworben, aber fie warf 
ihr Seben nicht hin, benn mit bem irbifcheit 
SiebeSglücf mar ihr beS Sehens ©ehalt nicht 
entfehrounben. ©hriftuS tnar ber Inhalt ihres 
Sehens, ihn umfchlang fie mit ber gangen Äraft 
unb ^nnigfeit ihres jungen, liebebürftigen 
©ergettS, unb er ging ju ihr ein in baS offene, 
entleerte ©erg unb machte eS noll unb felig unb 
fatt. 

„Sah Saniel noch immer nicht hi« ift; er 
wollte boch honte foinmen," hob, als DlnnaS 
©efang fchwieg, Wiutter Sara an; „blicf mal 
aus, liebes ifittb, ob bu ihn noch nicht fontmen 
fiehft." 

Dlnita gehörete, unb ein einiger Blief ihres 
9lugeS lieg fie unter ber gropeit Sinbe am nahen 
©ügel eine männliche ©eftalt erfennen, welche 
unoerwanbt nach Wtutter ooraS Räuschen her» 
überfchaute. 

„Ohne 3roeifel ift eS Saniel, ber bort unter 
ber Sinbe fteht," fagte Dlnna, „wollen wir nicht 
hinaustreten unb ihn begrüben?" 

Wutter Sara niefte unb trat, auf DlnnaS Dlrm 
gejtiipt, ben flrücfftocf in ber 2 in feit, Dor bie 
flehte Sfjür ihres ©iittchenS. Sie fpäljte in ber 
Don Din na begegneten Wichtung, ob fte ben 
Dlnfömmling nicht auch erblicfen fönne; allein 
ihre blöben Dlugen faheit nichts als baS bunfle 
Blätterbach ber Sinbe. 2Bol)l waren bie ©ergen 
ber beiben froh bewegt in ber Erwartung beS 
nahen BJieberfeljenS, aber in ihrem Dlngeficijte 
blieb ber eigentümliche ©ruft. Sie freuten 
fich Wie Seute, bie ben Sdpoerpunft ihres Se» 
benS nicht mehr im Sfrbifdjen fudjen unb hoben, 
fonbern im ©immlifchen unb Sroigcn. 

©in halbes Stünbchen fpäter fapen brei in 
bem ©evrit oergnügte .'Jtcitfrfjen tun ben Keinen 
SEifch in Wutter SctraS Sßittmenftübchen. Sie 
hatten fich Diel gu erzählen unb Diel gu fragen. 
?franlreichs Sdjlachtfelber würben im ©eift noch 
einmal betreten, unb mit gefalteten ©änben 
laufchten bie beiben fjrauen ber ©rgäblung beS 
SattbwehrmanneS. Oft feufgten fie tief, wenn 
er über ben Sob lieber ßameraben berichtete. 


Jtoii0e unb ktirje Sdjläfetr. 


Sah Seeleute unb Watrofen burch ©ewotjn» 
heit im Stanbe finb je nach ihrem Sßilleu ein» 
gufchlafen unb gu erwachen, bürfte Dielen Seferit 
befannt fein. DllS Kapitän Batclap eS unter» 
nahm in ein taufenb aufeinanber fofgenben 
Stuttben eben fo Diele Weilen gurüctgu legen, 
hatte er eine folche Beherrfchung feiner felbft, 
bah er in berfelben Winute, in welcher er fit 
nieberlegte, auch einfchlafett tonnte. Sie 3=ä^ig= 
teit, eine geraume 3eit im Schlafe gu Derharren, 
befapen cingcltie Berfonen bis gu einem hohen 
©rabe. So wirb g. B. ergäbt Don einem be» 
rühmten Spieler WarnenS Onine, bah er üier» 
unbgmangig Stunben fortfchlummern tonnte, 
©lifabeth OrDin brachte brei Biertheile ihres 
Sehens ftlafenb gu. ©lifabeth Berlins foll 
eine, ja fogar gwei SBochen gefchlafett hoben, 
ohne erwacht gu fein. Saffelbe wirb Don Warp 
Spell ergäbt. Wan hat aber auch Bhänomene 
auf ber entgegengefepten Seite wahrgenommen. 
©S ift höchft auffallenb, mit wie wenig Schlaf 
einige Btenphen beftehen tonnten. Ser be» 
rühmte ©eneral ©lliott lieferte hifbon ein Bei» 
fpiel. 6r fchlief nie mehr als Dier Stunben 
aus ben Dieruitbjmanjig Stunben be§ SageS. 
©r lebte überhaupt feljr mähig, inbem feine 
Wahrung auSfchliejjlit ouS Brob, Söaffer unb 
©emüfe beftanb. 3n einem Briefe beS Sguire 
3ol)n ©orbon ju Swine, an Sir 3oljn Sin» 
clair wirb beS 3obn Wtncfep ©rmähnung ge» 
than, welcher im Saljr 1797 in einem Dllter Don 
91 fahren ftarb. Sein burdjfchnittlieher Schlaf 
war Dier Stunben beS SageS; er war ein fei)r 
gefunber unö träftiger Wann. 3?riebrich ber 
©rope unb 3oho ©unter, ein berühmter SB unb» 
arjt, fdjliefen burcpfchuittlich fünf Stunben aus 
Dierunbgmangig, unb ber berühmte frangöfifche 
©eneral Bitfft*u theilte bem Sir ©ilbert 
Blaine mit, bah er mäljrenb einem fjelbguge, 
welcher ein ganges 3ahr bauerte, nicht über eine 
Stunbe aus ben Dierunbgwangig burdjfchnittlich 
im Schlafe gugubringen ftch erlaubt habe. 


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JUu bem Solbatenleben. 


257 


%n 0 bem Soldatenleben tu Itloiitnna. 

Sßadj äRittheilungen »ou 3ofepß ©örtttr an feine SDtnttcr. 


§fort Slffinihotne, 27. 3an.1882. 

f tc oft habe ich als Änabe mit Segeifterung 
oon beit Srairieen, ihren ^nbianern unb 
Süffeln gelefen, unb oon bett weißen 
Jägern, Oon welchen einer im Staube toar 
pänjig bis breißig „Stothhäute" mit feiner nie 
feblenbeit Siicßfe im Scfjacf) ju falten! Soefie 
unb 5öirf lief feit! Tantals märe ich tineublicf 
glüdlid) geroefen hierher gehen ju biirfen — jeßt 
— tdf wollte ber Sag wäre ba, too ich toieber in 
cioilifirte Serfjältnijfe juriidtefren tonnte, fießer 
mürbe ich nie toieber ju ben Sagbgrünben beS 
„rotßen WaniteS" prüdfefreit! 

Unfer Territorium Wontana ift 143,778 
Quabratmeilen groß, lieber biefe fffliidje finb 
50,000 Einwohner, nämlich 39,000 Weiße unb 
unb 21,000 ^nbianer auSgebreitet. Tau Terri« 
torium ift nur juin fleinfien Tßeile ber TTrtfieb» 
luitg geöffnet. Tie etwas über 3000 Einwob« 
ner jäflenbe Stabt Helena, bie große beS Terri« 
toriumS, liegt in beffeu fübweftlidjem T peile, 
nahe ber jutiinftigen nörblidjen ^ßacific=@ifen* 
bafn. Son ben übrigen Stäbtcfen beS SaitbeS 
erreicht feines 1000 Einwohner, felbfl nicht bie 
Cwuptftabt Teer fiobge Eitp, welche fübweftlidj 
oon Helena liegt. Grefte Sefaßuttgeit fittbeit fid) 
in oier fjorts beS Territoriums; unter benfelben 
ift baS erft in ben 3obren 1879 unb 1880 er« 
baute fjort Sffiniboiue baS größte unb f(fünfte. 

Wontana ift ein raubeS wilbromantifcheS 
Saab, nameittlicb in bem gebirgigen Tfjeile, in 
ben roilbett öbeit mit Tannen bewaebfenen Stodp 
WountainS%bie ließ bureß baS ganje Territorium 
binbureß erftreden. Ein Ausläufer berfelben 
finb bie Sears Sam WountaiitS, an bereit nörb= 
lidjein fjuße fid) unfer fjort befinbet. Ter 
in ben Qfelfengebirgen entfpringenbe Wiffouri 
burcßfließt Woutana erft in nörblicßer, bann in 
öftlidfer Stidjtuug; er ift Don Eitbe Wai bis 
9Jtitte Oftober für bie eigens 311 biefetn 3'®ede 
erbauten flachen Slußbanipfer bis fffort Senton 
hinauf feßiffbar. Ter näcijfte Stnlegepunft, bie 
EoalbantS, ift etwa 45 Weilen Don hier ent« 
fernt. 3 1 " Sommer fommt uns bie Soft auf 
biefent Wege 31 t, unb febe Wocße wirb bann 
eine Slbtbeilung Doit fünfjebit Warnt mit einem 
Offijier nad) ben EoalbanfS gefenbet, um fie in 
Empfang 311 nehmen. 3<b habe biefett Weg 
manches fötal gemacht. 5m Winter fommt bie 
?oft über Sattb Don Helena, was mit großen 
©djtoierigfeiten Derbunben ift — eS finb in ge« 
rober Sinie 175 Steilen—, namentlich 'Denn 
her Winb bei „fibirtfefer ftälte" bett Sdhitee 

] 

1 


bureß bie ^ßrairie fegt unb baS Sluffittben beS 
Weges unmöglich macht. Ta ftnb mir oft für 
l lange 3 eit ohne ytacfjricfjten, augeitblidlich fefott 
feit 3 mei Wonaten. feilte Slbenb erwarten mir 
bie Soft, ba baS Wetter feit acht Tagen Kar ift, 
wenn auch eine wahrhaft fcfrediidje teilte 
ßerrfd)t. Ter Cjeait ift furchtbar im Sturm, 
aber noch fürchterlicher Dielleicht ift bie S'atrie 
im Winter im Schneefturm! Ter Cjcan Der« 
fchlingt feine Opfer, bie Srairie seigt fie auf! 
@S ift btirchauS nichts Ungewöhnliches unb tut« 
mentlid) für ben Weitling fcßredlicb im Sommer 
auf menfehfiche Sfelette 3 U ftoßen, noch öfter 
auf ©erippe Doit. Sferben unb Waulefeltt, bie 
ba Draußen int Winter ein falteS ©rab im 
Scfnee gefuttben haben. Wer im Winter fein 
ficbereS Säger ober ben Soften berläßt, läuft 
ftets ©efaßr in einen Schneefturm 3 U gerathen 
unb nie tpieber 3 uriid 3 utehren. 

Wun ein paar Worte Don ben Eingeborenen 
beS fianbeS, ben 3"bianern, beten 3obß wie 
oben angegeben oerbälttiißiuaßig noch fehr be« 
beutenb ift. So lange baS Sanb für bie 9ln« 
fiebltutg nicht geöffnet ift, lebt ber rothe Wann 
barin 3 iemlid) unbehelligt, wenn er nur feine 
weißen Srüoer in bett Sadibnrgebieteti in Stühe 
läßt. Um aber baS Sanb ber Stnfieblung 311 
eröffnen, muß man 3 iinäcbft mit ben Snbiniterit 
in Crbntnig fein. TaS Canb wirb ber Slnfieb« 
hing erft bann eröffnet, wenn bie größte Scßwie* 
rigfeit mit ben Snbiatterit befeitigt ift; freilid) 
Werben auch bie Slnfiebler ncef) mancheii Strauß 
mit ben 5'tbinuertt ouS 3 ufechten hoben, ehe fie 
ihres SefißeS fo ruhig erfreuen föntten, wie bie 
Semohner beS OftenS. Wahr iß alfo, was ich 
neulich in einer 3e'U>nfl ln§: Solbat ift 

ber eigentliche Sionier beS WeftenS. Er ift eS, 
ber in baS Canb, baS fich im auSf^ließlidhen 
Sefiße ber ^nbianer beßnbet, suerft einbringt, 
ber bie ^nbianer mehr unb mehr 3 uriidbräugt, 
ber baS Sanb burd)ftreift unb erforfeßt unb 
Wege finbet bureß bie Sroirie unb bie Serge, 
bie in einigen WenfcßenaUern Dielleicht Straßen 
einer Stabt unb Sanbftraßen finb." 

Um nun baS Sanb Don beit 3»biauern ge« 
Winnen 311 föttnen, hot bie amerifanißhe Stegie« 
rung 3 Wei Wege: einen frieblicßen unb einen 
gewaltfamen. Sei bem frieblidßeit Serfahreit 
berlangt bie ^Regierung Doit ben ^obiauern 
Doflfommene Untermerfuug unb Slhliefcrung ber 
j Waffen. Tofür Weift fie jebem ein 3 elneit 
i Stamm eine fogenannte üteferbation an, bie 
I berfelhe nicht Derlaffeu barf. Tie Keinfte 9 te« 
ferbation ift in unferm Territorium bie Slffmi« 


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258 


Hu* bem Solbatenleben, 


boine=3teferbation für bic 9lffiniboine»3fnbianer, 
und) benen unfcr Soften benannt ift. Tiefelbe 
ift erft im Porigen 3af» rc (1880) abgemeffen unb 
ift 100 Qnabratmeiten grof>. 3 n jeber Stefer» 
Pation bcfinbet fid) eine Slgentur (agency) mit 
einem Don ber ^Regierung beftimmten Slgcnten, 
burd) luctdtjoi bie Stegierung itjrer 'Tcrptlichtung, 
ben auf bie Steferoation befdbräntten ^nbianern 
Pollftänbigen Unterhalt ja gewähren, nad)tom= 
ntcn fott. Tie ^nbiancr erhalten Stationen nach 
ber Kopfgal)!, wobei ein Jjnbianer non gehn 
Sauren aufwärts als crwadjfeit angefchen wirb; 
Kiitber unter gehn fuhren erhalten bie halbe 
Station. Tiefe Stationen, befteljenb in Kaffee, 
3uder, Saig, Tl)ce, Wehl, Söhnen, StciS unb 
Seife, fowie Torfen (bhmkcts) gut Setleibnng, 
werben ben 3ubiaucrn alle Womit* in ber Slgett» 
tur oerabfolgt. Taju tommen '-fkloer, SBtei, 
Weffer, Seile unb ©ewehre, tejjtere in bem Salle, 
baff ein ©cmehr uitbraudjbar geworben ift unb 
cingeliefert wirb. 

3» unferm Territorium finb allen Snbianern 
fold)e Stefcroationcn gugewiefen, nur ber bei 
weitem müchtigfte, ftärtfte, tapferfte unb beft» 
bewaffnete Stamm, ber ber Siouj, bcfinbet fid) 
nod) auf bem Kriegsfüße mit ben Serciitigten 
Staaten unb wirb eS aud) bleiben, bis man bon 
bcm lebten Sioujr, wie bon bem lebten Wolji* 
faner fpridt»t. Tie übrigen Stämme, bie Slffini» 
boineS, bie GrowS, bie ©roS SentrcS, bie Slod» 
feet u. f. w. finb gmar frieblid), man fauit ihnen 
aber nie trauen; bie erfte ©elegenljeit loSgu* 
brechen, ift ihnen wiütommen, unb bann ift ber 
3nbiancragent berjenige, ber guerft baran glau» 
ben muff, ba man auf ben Slgetituren feine 
Truppen hält, um nicht Wißtraüen gu erregen. 

Tie Snbiaiter finb faft alle mittlerer ober 
etwas über mittlerer ©röjje, mager, feljuig unb 
fdjmufeig. SßaS einem juerft auffällt, ift, bafs 
einer faft ebcufo auSfieht, wie ber anbere. TuS» 
felbe hagere Öefidjt, bie fcharfen Süge, bie giem» 
lieh grofse gebogene Stafe unb bie fd)wargcn, 
fleinen, ftedjcnben Singen. Tie birfjten fohl* 
fdjroarjeit £>aare finb hei ben perfdjiebeiten 
Stämmen ocrfdjieicu georbnet; bie Siour tra» 
gen cS in ber Witte glatt gefdjeitclt. Ter Sdjci» 
:el fclbft ift bei allen Stämmen rotf) gefärbt. 
Sür gewöhnlich ift ber ^nbiaiter nicht bemalt, 
nur bei befonberen ©elegenheitcit unb nament» 
lid) Wenn er fid) auf bem KriegSpfabe bcfinbet. 
3unäd)ft werben bann ©cficht unb £>änbe rotf) 
bemalt; bariiber fommcit fdjwarge, Weife ober 
graue fünfte, Strirfjc ober greife. S5ei biefer 
©etegenbeit ftedt er fid) bie langen fdjwargen 
.ftaare auch äoK allerlei 3>evratf)en| gang einerlei 
wa§ eS ift, wenn eS nur blanf ift. TaS #aar 
ift auf jeber Seite in einen biinnen 3apf ge» 
floaten, in ber Witte hängt eS wilb über bie 
Schultern hinab. Sei Pielen fieht man SIbter» 


febern in ben paaren, eine bis gwangig ober 
breifeig. 3cbe §eber bebeutet einen im ©efecht 
getöbteten ofciitb, gleid)oiel ob SBeijjer ober 3n» 
inaner, benn bic Snbianer führen ja auch unter» 
einanber erbitterte Kämpfe. Slujjerbem fanu 
man bie wunberbarften 3<ercatben an ben 3n= 
bianern bemerfen; namentlich finb ^alsbäntcr 
aus leeren fupfernen Sjktronenbülfen unter 
ihnen feljr gefdjäjjt. Tie meiften ^nbiaiter finb 
gut bewaffnet nnb haben ftetS mehr unb befferc 
©ewehre, als bie Slgcntur ihnen liefert; manche 
Stämme, wie g. S. bie SlffiuiboiiteS, finb fehr 
arm ; bie meiften Poti ihnen haben nur Sogen 
unb Sfeile, ihre Wenigen ©ewehre finb alte 
öreuerfdjtofbiichfen. 

Tie Snbianerinnen finb Kein unb gierlid) unb 
haben fehr Keine £)ätibe, ebeufo Keine 8?ü|e, 
pradjtoolle 3äl)ne unb Singen. Slbcr fdnnupig, 
febmuttig. Selten fieht man eine 3nbiaucrin 
ohne ciii Keines fiinb, baS fie auf bem Sfiidett 
trägt ober in einem fehr urwüchfigeu Kinber» 
wogen hinter fid) feerjicht. Tiefer 28agen be» 
ftel)t aus gwei Stöden, bie IremwciS gniatnmen» 
gebunben finb, fo bofe fie gwei fpifee ÜlMnfel bil» 
ben über beren einem bann eine 9lrt Steh be« 
feftigt ift, in welches baS ilinb ohne Umftäitbe 
hiucingcfeht Wirb ; bie SDtutter evfafet bann bie 
beiben anbern Guben, unb mm fatut bie Steife 
loSgehett. fyällt baS Keine Ting hinaus, fo wirb 
es wicier hincingepflangt. Slnftatt ber Slhitter 
giel)t auf längeren Steifen ein £mnb ober aubh 
ein Keiner 5ßotU) biefe ilarroffe. 

Gins gefällt mir an ben ÜDtännent wie an 
ben fyraucit nicht, baS ift bie gebeugte Quittung 
unb ber fd)(eppeitbe Olaitg mit gebeugten 0nien. 

Tie Sßclteibuitg ift bei beiben ©efd)lechtern 
bicfelbe: SJtofaffinS, Pou unten bis über bie 
Knie reidjcnte ©antafdjen mit langen ^ranfen, 
^liiftbiube unb über bcm Cbertörper eine weite 
Tcrfe. SSolien fie ihre Sinne gebrauchen, fo 
werfen fie biefe Terfe ob. 3m Söinter wirb ftatt 
ber Tccfe ein ©iiffelfefl getragen. 

Scoiel id) bemertt habe, finb bie 3nbioner 
Wohl gnbringlich unb bettclljoft, aber aud) gut» 
miithig unb gaftfrei. Kommt man gu einem 
Sfnbiaherlager in ber ißvairie unb ift hungrig 
unb burftig, fo latin man fidler fein, etwas gu 
bcfommeit, wenn eS auch nicht feljr appetitlich 
ift. freilich betrachten bicSnbianer einen guerft 
mit SJtifitrouen, fie glauben, man habe fclbft 
etwas; man muh ja nichts geigen, and) nicht ejiie 
pfeife, Tnbaf, ein fDleffcr ober fonft etwas. Sie 
ruhen bann nicht, bcoor fie cS nicht haben. 
Sßlcibt man feft, man habe nid)tS, fo führen fie 
einen in’S 3^1, ftopfen fd)Weigcnb eine pfeife, 
thun Urei bis brei 3'ige unb reichen fie einem 
hin. Wan tljtit ebenfalls gtoei bis brei 3ügf 
unb tgiebt fie bann bem 9tä<hften. 93on biefem 
Slugenblid an ift man „all right”. 3?|jt loitn 


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Hus brat Solbatenleben, 


259 


matt fo lange man will ftcficr im 3 dte bleiben. 
SaS Gßen, baS einem bann berabfolgt mirb, 
beftebt in einem großen ©tiid ©üffel« ober foit= 
ftigem ©Mlbfleifdp baS man fid) felbft im Reiter 
brät, b. b- man legt eS bireft in’S geuer, lüfjt eS 
fünf bi§ jebn Winuten baritt, bläff, tiacbbent 
man eS berauSgenonunen bat. bie ©fd)e ab, unb 
oerjebrt eS. Mitunter giebt eS auch eine ©rt 
^fannfucben, auS WaiSmebl, ©alz unb SBaffer 
beftebenb; baß ift bann etwas ganz ©efonbereS. 

Um nun biefe 3ubianergefelifd)aft im Raunte 
b. b- auf ben ©eferöatioiien zu halten, fie jn 
übermatben unb bie feinblicheu ©iour aus bem 
fianbe ju batten unb ju befäitipfen, baju bätt 
ber Staat hier Gruppen, .frier in Woutaua 
finb auf oier ©offen etwa 12= bis 1400 Wann 
ftationirt, 3= bis 400 auf jebem ©offen. 9lfffni= 
boine ift, wie gefagt, ber größte mit 400 9Jtann, 
250 Wann Infanterie unb 150 Wann Kaöal« 
lerie. 

Sie ©ebäube unfereS 3 ?ort§ finb geräumig, 
(liftig unb ftbön gebaut; jeber ©olbat bat einen 
großen ©laß für fein Seit, ein 3_eugred, einen 
Sifd) unb einen ©tubt. Ser Gßrdiun ift im 
Grbgefdjoß, bie Quartiere im erften ©tod. 
©ußerbem bat febeS ©ebäube ein 33kfd)zimmer 
mit Ofen, ©abemanne unb ©bfluß für baS 
fdjmußige ©Öaffer. 9litcb befinbet fid) nicht bie 
ganze Kompanie in einem 3 'wnter, fonbern in 
breien, unb ba bie Kompagnie nur breißig bis 
oierjifl Wann bat, fo ift eS febr bequem für 
jeben. Sit meinem {Raum befinben fid) z- 33. 
nur acht Wann. 

So hart ber ©otbat eS im gelbe bat, fo gut 
bat er eS b' e * auf bem ©offen. WorgenS mit 
Sonnenaufgang mirb ein Kanonenfdmß ab= 
gefeuert, zugleich mirb Siebeitle bnrcb ben ©offen 
geblafen. günfzebn Winuten fpäter wirb an= 
getreten unb werben bie ©amen beriefen. Sann 
j’tebt baS griibffüd auf bem Sifcb, beftebenb aus 
Kaffee, ©robjmb ©eeffteaf mit Kartoffeln ober 
gebratenem ©dbweineflcifdj unb Kartoffeln ober 
bem beliebten liash. Um neun Ubr ift SMidjt« 
parabe, b. b- bie neue SÜMube löft bie alte ab; um 
zwölf Ubr ift Wittag. Um fünf Ubr (jeßt <3on= 
nenuntergang) Wirb mieber ein Kanonenfdjuß 
abgefeuert, jum 3ei<ben, baß ber offizielle Sag 
ju Gilbe ift. GS mirb mieber angetreten, ©er« 
lefmtg ber Wimen Porgenommen unb bann gebt 
eS zum 9lbenbbrob, welches aus Sbee, ©rot unb 
Käfe ober gleifdj beftebt. Um ac^t Ubr mieber 
©amcnoerlefung. SaS ift nun aderbingS ein 
Sag im tiefften trieben, ©ebrillt mirb nur ein 
wenig im ©ommer, unb febr wenig ©ewid)t 
barauf gelegt. Sic frauptfacbe ift Schießen, 
beßbalb fließen wir jeben Sag und) ber Scheibe. 

©un aber ber „Sienft". Sn fmb juuäcbft als 
frauptfacbe bie Streifzüge gegen Snbiatfer, Un= 
tuben auf ber 31gentur, regelrechte gelbzfige 


gegen bie ©iouy, unb bann bie ^Begleitung ber 
©oft, beS 3abImeifterS, ber SBagenzüge mit 
©Miaren, frolz, ©etreibe, freu u. }. ro., alles 
©neben, bie gut genug im ©ommer, entfeßlid) 
im ©Muter finb, wenn mir, wie 5 . ©. in ber 
9?ad)t oorn 28. zum 29. Sejctnber, wo ict) mid) 
mit aeßt Wann auf einem ^agbzuge befanb, 
45° C. unter ©ull haben! SLBeiter unten will 
ich über biefen 3 u !l ausführlicher berichten. 

©Me eS fommt, baß auch bie „frieblicben" 3»= 
biauer uns zu febaffen machen, obgleid) fie oon 
ber Regierung gefüttert unb gelleibet werben, 
läßt ficb mit wenigen SÖorten erllären. freilich 
Wirb man in anierifanifeben 3dtungcn nicift 
Pergeblicb nad) 9lufflärung bariiber fliehen. Sie 
©adje ift bie, baß zu ©ic'le fopifagen „oon ben 
3 nbianern", b. 1 ). non ben beni Staate für bie= 
felben gezahlten Summen leben, oon bem bödj= 
ften ©eamten bis herab zum Schreiber beS Su¬ 
binneragenten, baß alfo bie Sache .ein großer 
©djminbel ift. 2 lm fcbnellften werben bie 9(gen= 
ten reich. 3lllerbingS miiffen fie ein nicht utibe= 
beutenbeS Kapital in SSJofbington unb bei ben 
ocrfdjiebenen lommanbiretibcnCffizieren opfern, 
um eine foldje Stelle zu erhalten ; finb fie ater 
einmal ba, fo beginnen fie fofort ihr utioerfhäm- 
teS ©lutfaugerfbftetn auf Koftcn ber Snbianer, 
um fo fcbnell wie möglich reich z« werben, unb 
in Oier bis fünf 3 ab«n haben fie ihren 3 u>ed 
erreidbt, faüS nicht — bie Snbianer oorber ber 
Sadje mübe geworben finb unb eines fd)öne_n 
SageS einen KricgSlanz um ihren ©falp auf« 
führen, ©on bem. Was bie {Regierung ben 3n» 
bianerit oerfproeben bat unb ben ©getiten liefert, 
erhalten fie nur etwa bfn zehnten Sheil, wollen 
fie mehr, fo haben fie eS zu taufen ober oicltnebr 
einzutcmfdjen, für gelle u. f. w. Cbgleicb „Cntel 
©am" ben rotben Seuten genug bewilligt bqt, 
baß fie ruhig unb ungeftört leben föntien, mäßen 
fie bed) SBinter unb Sommer jagen, um fid) 
nur am ?eben zu erhalten. Unb wie werben fie 
betregen, wenn fie mit ihren gellen zum £>änb= 
Ier (©geilten) lommen ! Cft genug habe id) eS 
mit eignen ©ugeri gefeben. Gitt ©iiffelfell z- 33. 
ift im ^erbft in ben Staaten etwa zehn SoflarS 
wertf). giir ben ©genten unb £ätibler ift eS 
nach ©bzug ber Koften für SranSport unb ©ei« 
itigung etwa acht SollorS wertb, oft mehr, fei« 
ten weniger. Unb was giebt er ibnett bafür? 
Ginnt ein 33iertel ©fuitb 3>'der ober Kaffee ober 
ein ©fimb ©alz! Unb fo betrügen 1111 b berau« 
ben bie ©genten bie ©otbbäute in jeber £iiitß<ht; 
lein SBunber, baß fie nad) einigen Sabren ficb 
nach ben Staaten zuriidzieben unb wie ©rinzen 
(eben. 9((lerbingS gehört ©elb unb Ginfluß bazu, 
um eine folcße ©oibguefle zu erhalten. Sie Qf= 
fixiere febweigen ; fie haben ihre guten ©rünbe! 
3BaS bleibt ’ba fd)ließli<b ben Snbionern übrig, 
als fi^ felbft ifjr ©ed)t zu öerfdjaffcn ? Sb«n 


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260 


JUu bem Solbotraleben. 


fte es aber, bann ift grojgeS ©efdjrei in ben 
Staaten übet bie rothen ©iörber, unb man for» 
bert ihre energifche SSeftrafunfl, unb an uns 
werben Patronen auSgetljeilt, um bie 2/törber 
u beftrafeit! SaS ift ber mabre Sadjberhalt, 
urg bargeftellt! 

9tun will ich bir noch ergäljlen, wo unb wie 
ich meine SÖeihnadjt unb meine 9teujaIjSnacht 
Oerlebt habe. 

5lm 20. Segembcr tarn ber erfte Sergeant 
herauf in unfer 3immer unb tbeilte mir mit, 
bah i<b mich bereit machen foltte, mit einer Sagb» 
Partie nach bem Eom Ereef binunterjugcben. 
Ser Eoto Ereef ift etwa 100 fDteilen Oon Ijter ; 
baS Söetter war grimmig falt, idf mad)te ein 
langes ©eficht, aber ber Sergeant (ein Sane) 
tbeilte mir mit, es fei bon jeher Hompagnie 
einer beorbert, unb ber fommanbirenbe Cjfigier 
Babe il)in aufgetragen, mich gu wählen. Sa 
half !ein SBiberftreben, unb ich machte mich Be* 
reit. Um gwölf Uhr füllten wir aufbredjen, jwei 
Offigiere unb neun 9J?ann. Sch rollte meine 
Seden gufammen, empfing 400 Patronen unb 
war um gwölf Uhr fertig. Sehern 9Jiann waren 
ein SBüffelübetjicber unb ©üffeloberfdjuhe ge» 
liefert Worben, tßelgljanbfchuhe unb Wappen 
batte man uns fchon früher gegeben. 9tn<b unb 
nah föhnte ich mich mit bem ©ebanlen aus, 
Söeibnacht unb 9tcujahr in bet ©rairie gngu» 
bringen, ba ich hoffte gutes Sagen gu haben. 
2Bir erhielten Stationen für acht Sage, beftcljenb 
auS Haffce, Sd)WcinefIeif<h unb SdjijfSgmiebad. 
Sann ging alfo bie Heine Erpebition los, gmei 
leere 2Öagen mit fed)S HJJaulefeln für baS gu er» 
legenbe Söilb, brei ©adcfel mtb wir gu ©ferbe. 
SS war entfcplih falt unb fdjneite. Sen erften 
Sag tarnen Wir nicht weit, um bict Uhr lager» 
ten Wir. £ier begannen fchon unfere Seihen. 
SaS feuchte ©aumroollenhotg wollte in bem tlei» 
nen Ofen im Seit nicht brennen, fo muhten Wir 
ein fjeuer außerhalb angünben unb fafjen ba 
herum bie lange, lange SBinternacht, ohne an 
Schlaf beuten ju tönnen, benn wer eingcfhlafcn 
Wäre, hätte fich fjäitbe ober fjüfje erfroren. 2öir 
muhten abwechfclub Dtücfen unb ©ruft wärmen, 
um nicht ju erfrieren. Obgleich miiöe unb ab» 
gefpannt, waren wir hoch froh, als wir mit bem 
erften Sagesgrauen wiebet unfere 5pferbe be» 
feigen tonnten. Es fdgteite noch immer, biefen 
fÖtorgen Härter als am borigen Sage. Sn fehr 
f<hled)ter Saune, hn§ ©eficht tief in ben fDtantel» 
tragen berfentt, ritten wir weiter in bie öbe 
©rairie hinaus. Ser Schnecfturm würbe fo 
heftig, bah mir taum hunbert Schritte weit fehen 
tonnten. Unter biefen Umftänben tonnten wir 
nicht weiter borrücten ; Wir waren froh, als Wir 
am Eagle Ereef nntamen. Wo wir £>olg fanben. 
Unfer Sdjweinefleifd) mar fo hart gefroren, bah 
Wir Stüde mit ber 5ljt abfehlagen muhten; 


unfer SchiffSjwiebad muhte erfi eine 3eitlang 
in tochenbem Söaffer liegen, ehe eS möglich War, 
ihn gu geniehen. Sie Wacht brach an; wir hat» 
ten gwar £>oIg für unferen Ofen, aber ba baS 
.Seit oben offen ift, um ben 9tauch hinaus gu 
laffeit, unb ba bie Hätte fchneibeitb mar, fo mar 
eS bod) nid)t gerabe fehr behaglich; baju Wehte 
noch ber Sturm ben 9tau<b m’S 3dt gurüd, fo 
bah Wir beinahe erftidten. 51 ber baS War noch 
ni$t alles. Ser ©oben war hart gefroren wie 
ein pfeifen, unb obgleich Wir ben meiften Schnee 
fortgefcijaufelt hatten, fo war bodj noch genug 
gurüdgeblieben, um baS Säger recht unangenehm 
gu machen. 3mei WJatm mufften SBnche halten, 
einer auhcrhalb beS 3elteS, um bie SBölfe abgu* 
halten (oon Snbianern war hier taum einige 
©efahr), ein anbetet im 3elte, um bas geuer 
gu unterhalten. Sann legten wir uns nieber, 
bodj habe ich nicht mehr als IjödjftenS eine Stunbe 
gefdblafen. 

lieber unfere Weitere 9teife Bis nach bem Eoro 
Ereef Will ich Inrg biitweggehcn; es war eto 
HJtarfÄ, ben ich fo leicht nicht bergeffen werbe. 
5lHe 5uigenblide fanfen ^3ferbe ober ©Jagen tief 
in ben Schnee ein, unb es nahm uns eine lange 
3eit, fte wicber herauSgufchaufeln. 5lu einigen 
(teilen Stellen'muhten Wir bie ©laulcfel aus» 
fpannen unb bie ©Sagen langfam binunterlaffcn. 
Sftit »erbrochenem ©Jagen, geriffenem ©efdjirr 
unb felbft halb erfroren tarnen wir am 5lbcnb 
beS fedjftcn SageS am Eow Ereef an. 5lm 5)?or= 
gen beS 28. war ber Sdjneefturm borüber, bie 
Sonne fchien Kar unb hell, aber eS war fdjred» 
lieh falt. Wachbcm wir unfere ©efdjirre fo gut 
es ging auSgebeifcrt unb uns etwas erholt hat» 
ten, würbe auch bom Sagen gefprodjen. SEBir 
hatten SDtaffen bon ©Jilb— ©üffet unb 5lntilo« 
pen— gefeljen, unb hofften eine güte SBeute gu 
haben. Sieutenant Eonncrt rictl) baboit ab, 
jagen gu gehen, ba bie Halte gu grimmig unb 
Sie ©efahr umgnfommen grojj war. S<h äujjerte, 
bah faum ©efahr borhanben fei, Wenn man fich 
nur nidjt bom Ereet entfernte unb fich genau 
rnerfte, wie oft man ihn freuge, bantit man wiffe. 
Wo baS Säger fid) bcfiitbe. Sie 5(nbern Waren 
berfelben ©ieinung, unb fo Würbe benn be* 
fcploffcn aufgubrechen. 

Sch will an biefer Stelle cinfchalten, bah hier 
baS ©erhaltnih beS Solbaten gum Cffigier bon 
berajenigen in Seutfdjlnnb fo berfdjieben wie 
möglich ift. 5lllerbingS führt ber Offigier ben 
| Sefehl unb hat als folcher baSentfdjeibenbe ©Jort 
gu fpred»en, aber bod) fann jeber frei feine ©tei» 
nung fagen; wer nicht gemuht hätte, bah Offi» 
giere bei unferer 5lbtljeilung Waren, würbe eS 
nicht bemerft haben ; feine Spur bon ber be* 
miitbigen Untermiirfigfeit, bie ben beutfehen 
Solbarcn feinem Sßorgefepten gegenüber fenn* 
geichnet. Sie beiben Ofpgiere (^liefen mit uns 


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JUs brat Bolbatenleben. 


261 


in bemfelben 3elt, aßen biefelben tleinen Statio¬ 
nen (unfer Sßorratb fcbmolj fcfjott pfammen 
unb eS gab nur pjeimal täglich p ejfen) unb 
ft« Ratten feinen befferert ^(aß am geuer als 
jeher Slnbere. 

Oie Offiziere Wollten iljr ©lüd an Süffeln 
berfuchen, ebenfo brei Slnbere; ich befdhloß ben 
©reef hinunterpgeben unb p berfuchen, iu beit 
Cnigeln eine Sintilope ju fcljteßen; ich liefe baßer 
mein Sferb im Säger. SJtit mir gingen nod) 
brei Staun, ein Söbme, ein Sfrlänber unb ein 
Slmerifaner. 3 e ßn Stinuten bom Säger trenn» 
ten mir uns, ich ging rechts, bie Slnberen linfS 
eint ©reef entlang. 3cß berior fie halb aus ben 
Slugen. Oer Schnee mar pmlicij tief, bie Spur 
mar beutlicb; ba ber Schnee nicht trieb, mar 
feine ©efaßr, fich p berirren. 3<h folgte bem 
©reef eine Streae meit unb bog bann rcdfjtS ab 
in bie Serge. ©twa eine ^a!6e Stunbe fpäter 
fcbofe ich eine grobe Antilope. 3<h motite fie ab» 
bauten unb bie ^interniertet abfrfjrtetben, boeß 
mar es unmöglich; icb fonnte bie fwnbfdjube 
nicht abjiebeit, opne ©efaßr p laufen, meine 
£>änbe p erfrieren ; fo lieg ich fie liegen, um fie 
fpäter mit einem ^Padfcfel p holen. Jtacß lan¬ 
gem Um bestreifen, mobei ich auf eine fierbe 
Süffel fließ, in Welche ich fect>S Scbiiffe hinein 
feuerte, ohne einen p tobten (ein Süffel füm» 
mert ficb nicht um ein paar Äugeln, menn bie» 
felbeit nicht ben rechten glec! treffen), befrfjtofe 
ich umpfebren. 3hb fam bon meiner alten Spur 
ab, tarn aber pin ©reef hinunter unb fanb mich 
ohne Schroierigfeit pm Säger priief. 6§ mar 
etroa bier Uhr, als ich pnieffam, unb begann 
}u bämmern. Steine ^Begleiter roaren noch nicht 
juriief. Oie anbere Slbtbeilung batte jroei Süffel 
flefchoffen unb bie Dinterbiertel mitgebracht. 
2Bir röfteten uns jeber ein Stüdf auf inbianifeße 
9lrt unb berfdßlangen eS förmlich, fo hungrig 
Waren mir. Stittiermeile mürbe eS bunfler unb 
bie brei Stann mareit immer nod) nicht prüdf. 
©ir begannen unruhig p merben unb be= 
fchlojfen auf einen nahen £mgel p fteigen unb 
einige Salben abjufeuern. SBir tßnten eS, ohne 
eine Slntroort p erhalten. Oann legten mir 
ifeuer an einen großen Saumrooflenbdttm unb 
iorgten bafür, baß baS geuer bie Sacht fjinburdb 
bell brannte. Oiefe Stacht bom 28. auf ben 
29. fernher mar fchrecflich. Oie Äälte mar fo 
grimmig, baß mir feinen Schritt bom treuer 
Weggehen tonnten ; an uieberlegeit imb fcßlafen 
war nic^t p benfen. Schmeigenb faßen mir um 
baS große geuer brauften ; im 3«lt war eS nicht 
auSpßalten, ber Heilte Ofen mar nicht im 
©tanbe, uns warm p halten. Oie SlnSfjebt, 
unfere ©enoffen wieberpfeßen, mar febr gering; 
bo<h hoffte ich noch immer, fie hätten nch nicht 
getrennt unb mären bernünftig genug gemefen, 
tin geuer p machen unb p bleiben, roo fie fuß 


gerabe befanben, ffatt bergeblicb StadjtS baS 
Säger p fuchen. 9lm näcßften Sag gingen wir 
aus fie p fuchen, aber ohne ©rfolg ; ber SBinb, 
ber in ber Sacht aufgefommeu mar, batte ihre 
Spuren berweht. Oen jmeiten Sag fanbett ber 
eine Sieutenant unb jmei Staun ben Söhnten 
unb ben grlänber, 200 Schritt bon einaitber 
entfernt, fteif unb tobt im Schnee liegen. Sie 
legten fie über ben Sattel unb brachten ihre 
traurige Saft in’S Säger prüdf. Sen britten 
Sag gingen mir roieber aus, je jwei pfammen. 
3<h trennte mich bon meinem ©enoffen unb etwa 
eine Stunbe fpäter fanb ich ben Slmerifaner. (Sr 
lag auf bem Südfen gerttbe auSgeftredft, hatte 
teilt ©eroebr bei fich unb etroa bie Hälfte feiner 
Satroneu maren berfdfjoffen. Seine tßelpittße 
mar tief über baS ©efießt gezogen, feine £>cinbe 
in ben Sdsbanbfchuhen geballt. 3cß ftarrte eine 
Stinute auf baS traurige Silb, bann ftieg ich 
ab, legte mit bieler Slnftrengung bie Seiche quer 
bor bem Sattel über baS Sferb, ftieg felbff, 
nadbbem ich fie feftgebunben, auf unb ritt in’S 
Säger priief. 

2lm nädhften SWorgen traten mir mit nnferer 
traurigen Saft nuferen Sücfmeg an. Oer Stiicf» 
meg bauerte fiebeit Sage unb mar mit Sefcbmer» 
ben unb Sfiihfeligfeiten aller Slrt berhunben, 
bon bencit nicht bie tleinffe bie mar, baß mir nur 
fehr wenig p effen patten, ©üblicham ©nbe 
beS fiebenten SageS trafen wir mit unteren 
Seichen im gort ioieber ein. 2Bir ritten perft 
p bem fommanbirenben Offizier unb berichteten 
ihm. ©r mar fehr erfchiittert. Sugenblidf 
mar audb bie ©arnifon um uuS berfammelt. 
SBir faßen nicht befouberS fcßöit auS. Oie Stift 
unb namentlich ber Stauch ber Sagerfeuer batten 
nnfere ©efidßter gefdhwärjt, fo baß mir roie Seger 
auSfahen. SMr brachten bie Seichen nach bem 
ftofpital; am folgenben Sage mürben fie he» 
graben. 2Bir, bie mir mit ihnen gemefen maren, 
feuerten über ben ©reihern unfere ©emel)re ob, 
ber Sviefter hielt eine furje Siebe, bann trat ein 
Sroinpeter an bie ©räber unb blieS 3apkn* 
ftreich — ben lefeten 3apfenftreidh, pr ewigen 
Stube! 

So berbrachte ich 2Beibnacf)t unb Sleujahr! 

SllS ich wich bei meinem Äapitän melbete, 
fdhüttelte er mir bie £)aitb, hocherfreut midb 
wohlbehalten roieberjufehen. Oanit muhte ich 
ihm unfere Slbenteuer ausführlich erpblen. ©r 
befreite mich für bie ganje nädhffc SBodhe bon 
jeglidhem Oienft. (Slbenbfchule.) 

-#.- 

SlufeinemStücfeufiffenmitSutherS 
belanntem SBappen: 

OeS ©hriften £>erj auf Stofen geht, 

SEßenn’S mitten unter Oiornen fteht. 


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262 


Per Pater unb fein Ptttb. 


per pater unb fein itnb. 


or ac^tsiii Sauren lebte in Schlefieu ein 
abelidger Sanbratfj in einer fo tiefen fitt= 
licken ©erfüllten (geit, baft ber ©ebanfe an 
©ott unb an bie (äroififeit gang aus feiner Seele 
gemictgcn mar. ©r fjielt nichts non öffentlicher 
imb fjdU'Micfjev ©otteSberelgvung. Seine Slbfidgt 
ging baljin, and) feine Stiitber, groei SJtäbdgcit 
bon 9 itnb 7 fahren, olgne Unterricht in <iött= 
licken Xinc^en, unb bcfonberS ohne Sliileitung 
gum ©ebet aufroadjfen 511 taffen. Seine fromme 
©attin meinte oft ljerglicb bariiber im ©erbot« 
denen. Sie benagte bie oftmaligen Steifen beS 
©aterS, ifgreit jlinberu ettoaS bon ber Siebe 
©otteS in Clgrifto 3 efu 511 crgäljlen unb ihren 
Sorten Seelen beit Stameit 3efuS lieb unb tlgeucr 
gu machen. Ser ©ater fudgte gtoar, mann unb 
mie er tonnte, baS roieber niebcrgureifteit, toaS 
bie dgrifilidje SJtutterforgfalt aufnebaut butte; 
allein er fab gu feinem grofteit 93erbrnfj, baft er 
feinen 3 rofd nicht erreidgie. ©r ergab ficb enb» 
lieh barein, in ber Hoffnung, bafj er ben $iit« 
bertt, meint fie alter fein mürben, benitodj feine, 
mie er meinte, berniinftigereit ©egriffe mürbe 
beibrinncit töitnen. 

©ineS SageS fuhr er mit feinen SJinbcrit gn 
einem feiner ©erroanbteu in ber Stadgbarfdgaft. 
Stuf bem Stüdmecgc, in [pater finfterer Stacht, 
fiel ber ©Jagen tim. Sie .Qiuber blieben 1111 = 
befeftäbigt, ber ©ater aber Imidg eilten Sinti mtb 
berleftte fid) fehr ferner am Stopfe. ©or Sdgmerg 
uitb Sdgreden fdgrie er: „0 3fef«3, erbarme 
bidg meiner!" — Sag fieben jährige Qinb, boll 
Slngft unb Sfgtänen, fprach: „Siefgftbu, ©ater! 
nun rufft bu boch ben fierrn 3 [efiig an, ben bu 
bod) nid)t leiben taitnft! ©r mirb bir cgeroijg 
helfen. Slber habe ihn boch and) lieb!" 

Ser ©ater antroortete' nichts, aber bie üitbliche 
©rmafgnung prägte fich tief in feine Seele. 
Stach feiner Stüdfefjr lief} er unbergiigtieft ben 
©Bunbargt holen. Siefer gudte bie Sldjfeln unb 
lief} ben Fronten merfeu, baß bie Sadje gefäfjr« 
lid) fei. Sie Teilung beS gebrochenen SlrmeS 
gelang, aber bie Sßcrleßuitjg am Stopfe machte 
betn Slrgte Diele SJtüfge unb bem Slranfen lanig 
anftaltenbe Sdgniergen. ©Jäljvenb feiner Shanf» 
heit falj er fein Södjterchen immer mit befon» 
berer 3 <irtlichfeit an unb tonnte, fo oft eS ilgn 
befudgte, ber Shttineit fich tticfgt enthalten, ©in» 
mal füjjte er baS Qiub mit tlgrünenben Slugeit 
1111 b fragte eS: „SJtein liebes Siiitb! haft bu 
benn beit £>errn 3 efu§ lieb?" 
ftinb: „ 3 a, ©ater! ich habe ilgn fehr lieb." 
©ater: „SEBarum benn?" 

Stinb: ,,©r hat fa bie SJtenfdgen, befonberS 
bie $inber fo lieb." 

©ater: „SEÖolger raeiftt bu baS?" 


Itinb: „©ine ftrau, bie mandjntal gur 9)tutter 
fommt, meint bu oerreift bift, hat uns oft bon 
bent Ferrit 3 e fa§ ergäljlt unb aus einem ©udjc 
bon ihm boregeiefen." 

©ater: „Sic SJtuttcr tgat bir moljl gefaßt, baft 
bu gu ihm beten follft?" 

Stinb: „3a. baS fgat fie." 

©ater: „©eteft bu benn gu ihm?" 

Qinb: „3a, ich tlgue cS, lieber ©ater, alle 
Sage." 

©ater: „2BaS beteft bu benn?" 

Stinb: „Saft er mir unb bir unb ber SJtutter 
unb meiner Sdgmefter unb itHeit SJtenfdgen recht 
guäbig fein unb uns Sille beffer machen möge. 
Sie SJtuttcr hat fdgoit eilt recht (gutes f)erg be= 
tommeu unb 3 efu§ gefuufceu." 

Scr ©ater tüftle baS $inb unb Igieft cS mieber 
gur Schmefter geigen. 6 r gebachte jefet barübet 
nach: „Sn helft noch nie für beine Jtitiber gc= 
betet, unb ladgft über baS ©ebet beincS QinbeS. 
Unb baS Sfinb betet für feinen ©ater unb fühlt 
fich fo felicg babei! Unb baS $inb muft feinem 
©ater eilte Strafprebigerin fein? SJtein ©ott! 
millft bu midg bicllcidgt burch bctS Sfinb gu bir 
rufen? 3(dg, idg bin ben 2 Beg ter ©ottlofen ge= 
gangen! Slber tannft bu, fo nergieb mir uub 
befefgve niidg, bavmlgergicger ©oft unb £>eilanb 
3efuS ©hriftuS." 

Sa ber Slrgt ben 3 u ftanb beS Fronten immer 
noch für gefährlich erflärle, fo fühlte biefer gum 
erften male eine tguälcnbe Slngft bei bem ©eban« 
ten an 2 ob unb ©eridgt. ©ormals hatte er [ich 
geäußert: 3 ?urdgt bor bem Sobe bemeife eine 
meibifdge geigfgergigfeit; 3 urdgt bor bem ©e» 
richte gciuge bon einem böfen ©emiffeit. ©in 
SJtünit tniifje ein Sftanu fein unb als eilt recht» 
feftaffener SJtanu ©ott unb ben SJtenfchen egetroft 
unter bie Slucgen treten fönneti. — Sticht (0 rebete 
er jeftt. Chne ©3orte fprachen feine SJtjenen 
itnb ©eberben eine (geheime Slucgft aus, bie fein 
3nnerfteS gernaegte. Seine ©attin, bie ihn mit 
gartlicfter Sorcifalt pflegte unb bebiente, foteut« 
lieh fie and) in feiner Seele gu lefcit (glaubte, 
roaegte eS boch uidgt, ihn gu fragen; fie betete 
nur ftill unb unabläffig für ihn. Sie Slinber 
befudjten ben tränten ©ater oft unb erheiterten 
ihn bnrdj ihre finblidgeit ffroegen. 

SaS encgclfreuitbliche, fiebengährige SJtäbdhen 
tarn eines ©ormittcugS gum ©ater (gelaufen unb 
faegte: „SJtein lieber ©ater! ich habe bon bir 
geträumt." 

„SöaS benn, mein liebes Äinb?" 

„SBaS recht fcftöneS. tpöre, mein lieber ©a» 
ter! mir träumte, bu giitgft mit mir in bem 
groften Saubengange fpagieren. Sluf einmal, 
beinahe fchon ant ©nbe beS ©angeS, fielft bu 



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Per Puter unb fein Binb. 


263 


um unö warft fd^on gang tobt. S<h fd^rte über» Sr fafete bie #anb be§ 5ßtebigerS, brücfte fie, 
laut, aber 92ientanb hörte eS; eS War gerabe unb bat ihn um redjt balbigen VMebcrbcfudj. 
fein SD2enf<b iin ©arten. ^<h fcferie immer tau» 2tm nächften Vormittage liefe biefer Sßrebigcr 
ter: lieber ©ott, liebfter |>err 3efu8, hilf fidj anmelben. „Safet oen lieben Vtann gleidj 

meinem Vaterl Stuf einmal fab icfe einen er» bereut!" rief ber firanfe gur Vermunbcrung be3 
ftaunlidj freunblicben, feljr fdjönen SJtatm fom» Vebienten. Sr bcwillfommte bcn tßrebigcr mit 
men; fein ©efidjt unb fein golbeneS ßleib, baS freunblidjcm Vlide. „Sieber, guter tjkebiger!" 
et batte, glängte unbcfdjreiblicfe beü. Sr naljm rebete er ibn au, „Sie finb ein wahrer Seelen» 
mich bet ber £anb, fügte midj unb fagte: 2J2ein bitte, bafe Sie mich nicht berlaffcit, Wie Sie 
Sinb, Weine nicht, ich Werbe beinern Vater Wobl hätten tbun fönnen. Jiefe Stacht ijt biel 
helfen, gfaffe bu ihn fefjt bet ber £>anb, ba in mir borgegangen; ich febe jefet meinen 3rr< 
toirb er aufwachen unb wieber aufftehen. 3<b t° e Ö nnb ben Slbgrunb ein, an bem ich geftan» 
nahm gleich beitte $anb unb in bem Slngenblicfe ben bin. 3<h hnbe eS gewagt, mich an ben 
madjteft bu bie Slugen auf unb warft Wieber Sünbcrbeilanb gu wenben unb eS war mir gang 
Iebcitbig unb gang gefunb. O, mein lieber fo, als fprädje eine Stimme in meinem Innern: 
Vater! bu glaubji nicht, Wie ich mich ba gefreut Stehe auf, beine Sünbeit finb bir bergeben! 
habe. Ju wirft getoife wieber gefunb Werben, Valb barauf aber Wat eS einige male, als 
weil ich fo fdjön bon bir geträumt habe unb weil fpräcfee eine anbere Stimme in mir: Ju täu» 
ber £>err 3fefu§ bi<b fo lieb hat." f^eft bi<h! ©ott ift bielju weit bon bir, als bafe 

Jer Vater weinte bor Qfreuben über baS liebe er bi<b hören fönnte. Vei biefer lebten Stimme 
ftinb. „@ott fegne bidj, bu Sngetfinbl" fagte fühlte i<h jebeStnal einen Schauer. Sagen Sie 
er, inbem er eS an fein ©erg brücfte, „Wenn wir, metn lieber £>ert tßaftor. Wag fotl ich babei 
©ott mich gefunb macht, fo tbut er eS aus Siebe tbun?" 

ju bir." ®er ißrebiger fagte: „3fefuS bat deinen, ber gu 

Sr bet)iclt unb bewahrte bie 2Borte beS $iit» ibnt fam, getäufdjt. £ören Sie baher auf ihn! 
beS. Sr fanb fo biel SehrreidjcS unb Veftra» St ift berfelbe geftem unb beute unb in Swig» 
fenbeS in bem Traume, bafe fein ©emütlj fi<h feit, deiner ift je gu Schanben geworben, ber 
fortmiibrenb bamit befdjüftigte. Stach einigen auf ihn getrauet unb auf feine ©iite geboffet 
Sagen liefe er feinen Jorfpirebiget, beffen Vefudj bar-' 

er bis jefet immer abgelehnt batte, gu ftdj bitten. „$<h banfe Sfhaen taufenbmal," fpr ad) ber 
jQtn ^aftor!" rebete er ihn an, „icb fühle gum Stranfe, „ich fllaube unb fühle es, bafe Sb« 
erfien male ein Vebürfnife, mich mit 3f$nen gu SBorte VM)rIjeit finb." Von biefern Sage an 
unterhalten. 3<b -bin, wie Sie fcljen, franf, War bie gründliche Veränberung feines 4?crgen5 
unb wie bieSlerjte glauben, feljr bebenflidjfranf. mit bem üranfen borgegangen. Sr biente jetjt 
3<h fühle fclbft in meinem Äötper ein StmaS, ©ott unb feine ©attin freute ftdj. 
oaS mir meine ©efabr angeigt. ^<h fühle aber Jie Heine Jochtet fpradj eines JageS gum 
auch in meinem ©emütbe gang anbere Smbfin» Vater: „Vater, bu ftebft iejjt fo froh unb ber» 
bungen als in meinen gefunben Jagen. Jamals gnügt aus. Sticht Wahr, bu baft ben Ferrit 
Iahte ich über bie 3?urdjt bor Job ünb Swigfeit ScfuS jefet auch lieb unb wirft Wieber gefunb ?" 
Sfh, ich weife icijt, was bie fffurdjt ift. 3<h habe Jer Vater Weinte, umarmte baS liebe witib unb 
nie beten wollen. Sich, wenn ich jefet nur beten fagte: „^a mein DergeuSlinb, ich habe ihn fehr 
fönnte! Slber Was würbe mir auch baS ©ebet lieb, er bat mir alle meine Sünbeit bergeben 
nunmehr nüfeen? SEßürbe es ©ott nicht für unb Wirb mich Wieber gefunb ntadjcit. Ja 
Spott bon mir anfefeen, ba ich *8 bormals als wollen bie SJlutter unb beine anbere Sdjwefter 
unnüfe unb als Schwachheit berladjt habe ? unb bu unb idj um bie SBette 3cfu3 lieb haben." 
Veten Sie hoch für mich, lieber ifkftor! Sluf JaS ftinb lief bor greube gut Vtuttcr unb er« 
3br frommes ©ebet wirb ©ott hören unb mich Jüblte ihr, was ber Vater gefagt batte. Jie 
annebmen." 2)2 ul ter beugte ihre Änice, banfte ©ott burch 

Verlegen, aber burch bie Siebe beS Äranfen 3efum Sbriftum, bafe ihre ©ebete erhört wor» 
bennoeb etwas aufgcnuintert, erwieberte ber ben finb unb ihr lieber ©atte auS ©naben felig 
Vrebiget: „.fierr Sanbrath! Ob unfere Sünben geworben ift. 

nod) fo Diel wären, bei ©ott ift Diel mehr ©nabe. Jer Äranfe nahm in ber Veffcrung über Sr» 
©nennen Sie 3br Spotten über baS ©ebet für warten beS StrgteS gu unb aenaS nach brei 9)2o= 
Sünbe; o fo beten Sie jefet guerft, bafe 3hnen naten Pöflig. Seine Vefeprung erwies fich als 
biefe Sünbe bergeben Werbe!" Jer Vrebiger SEßabrheit. Seine SieblingSbefchäftigung war 
fiel bann auf bie ftniee unb tljat ein inbrünftigeS bon ba an ©ebet unb Unterhaltung mit feiner 
gläubiges ©ebet, mehrere male bon feinen linb ©attin unb if inbern bon ber unaüsfpredjlichcn 
beS Äranfen Jbränen unterbrochen. Siebe ©otteS in ©brifto 3>cfu. Jer Umgang 

JerÄranlegerflofeiefet in bittere Vufetbränen. unb bie Vrebigten feines VaftorS waren ihm 


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264 


Palpmef). 


jetjt Sebürfnijs unb ©eqen. 3>a§ jünqfte Stödj» 
terdjen fal) er nie anberö öl§ mit einer 9lrt Don 
befonberer Sljrerbietung an, unb ihre ©efelU 
fdjaft mar (Srquicfunq unb (Srljeiterunq nad) fei» 
rten oft ferneren unb mipftimmenben 2 anb» 
ratfj§*@efd)äften, bie er 311 berrid)ten fjat. 

©ein |)au§ mar jefct ein #au3 be§ griebenS, 
ein Settyaus, beut £>errn unb feinem 2 )ienft qe= 
meifjt. SDie ijeiüqe ©djrift, ba§ ©efanqbud) unb 
aitbere ed^te djriftlidjeit ©Triften ober 3Jiid)er 
marcn jejjt feine tüqlidj* 2 efe»Sibliotf)et. 2 )ie 
beiben ßinber mud)feii beut £>errit j^utn greife 
heran, ©ie, bie beiben ftinbev, an d^rifttic^ qe= 
finute ©utöbefiber oerheiratbet, mürben qlücf» 
(iche ©attinneu, 3 ärtlid^e 3Jliitter unb SöoljU 
thätevinnen ber 9lrmeit. Unb nodj mandjer arme 
©üitber mitrbe burd) fie Gfjrifto feinem £>ei» 
tanbe qebrad)t, 1111 b hat ©nabe unb Triebe burd) 
©ott erlanqt in ©^rifto. Sßeter ©raff. 


Poljomet). 

©cm *. 3. (htnfd^if. 


in recht fdjwarjer fyiecfen auf ©otteS Erb* 
hoben ift bodt) baS Königreich ©abomep. 
©ainit meinen wir aber nicht bctS 2anb 
felbft, beim bicfeS ift ein uon 5tatur mit Ueppig« 
feit gefegneteS, fonbent ben politifdjen, religiöfen 
unb fittlicpen 3» l ftanb beS SßolfeS. 

©u l)cift, lieber 2 efev, wahrfdjeinlich fefjon 
öon ©abomeb gehört. 5timm einmal bie Karte 
bon 2lfrifa zur Ctaitb, unb fuche biefeit 5tamen 
jroifchen bent fünften unb zehnten ©rab nörb« 
lieber ©reite unb bein fünfzehnten unb zwanzig« 
fteit Siingeitgrab öftlid) Uon fjrerro. ©ahomep 
ift ein unabhängiger ©taat an ber Küfte bon 
Obet-@uinea. ©eine ©reiijen fiitb nicht ganz 
genau feftgeftettt. ©er ©oltaflufi fcheibet eS im 
Üöeften bon 'ttfhnntee unb im 5torben bilben bie 
Kong = ©erge eine natürliche ©renje. ©er 
§läct)cnraum beS 2anbeS beträgt etroa 36,000 
engl. Duabrat=51Jeilen. ©er ©oben ift großen» 
theilS eben, mit einer fünften Hebung bon ber 
Küfte nach bent Kong = ©ebirge ju. Ausläufer 
beS lederen burchzieheit ben nörblichen 2anb= 
ftrich. ©tit 2luSnal)ine beS ©oltafluffeS, ber bie 
SBeftgvenje bilbet, giebt eS fonft feinen fflnif 
bon Scbeutung. ©roltbem ift baS 2anb wohl 
bemäffert bon zahlreichen Duellen unb ©ächeu. 
©er ©oben, ein röthlidfer ©hon, ift äufierft 
fruchtbar, ©teilte finb in bentfelbcn eine ©el= 
tenheit. ©ie ©erge im 5torben ftttb mit einem 
üppigen ©aumwiidjS bebeeft. ^[n ben Ebenen 
gebeihen berfcfjiebene 2 lrten bon ©ropenfrüdften, 
©tais, Kartoffeln, ©lelonen, 2imonieit, Dran« 


gen, Sucferroffr, ©abaf, Sfnbigo u. a. ©ie 
5tatur« ©zenerie beS 2anbeS totrb als reigenb 
ttttb loechfelooü gefchilbert. ©ie Söiilbev werben 
bon 9lffett, 2 öwen, ©päneti, Stiefenfchlangen u.a. 
bewohnt. 

©ie gegenwärtigen Einwohner befihen baS 
2 anb feit zwei ^ahrhunberten. ©ie finb ein 
wohlgebauter, fräftiger ©fenfchenfchlag unb finb 
ben meiften ihrer 5ta<hbarn an Sfittelligettj bor« 
aus. 3 ;m Slcferbau haben fie nicht unerhebliche 
3 ?ortf<hritte gemalt. 3fljre Religion ift ein gro» 
ber fjetifchbienft. ©er König ift ein abfoluter 
©efpot, uttb berbient ben wenig fchmeidjelhaften 
©itcl eines (SrgmörberS. 2luf feine 9lnorbnung 
werben oft hmtberle bon KriegSgefangetitn bet 
teligiöfen ober ftaatlichen heften ober beit 5)taneit 
beS berftorbenen Königs 311 (Spren graufaiti hin« 
gefchlachtet. ©tan fagt, bah beS Königs ©ct)Iaf« 
gemach mit ben Kinnlaben erfchlagener geinbe 
ornamentirt unb beffett fjußboben mit Schabel« 
fnocheit überlegt fei. ©re ©Ivttice befteht aus 
15,000 ©tairn unb 2500 Slmajonen. 2chtere 
finb weiblidje Krieger, bie fi<h befonberS burch 
ihre ©Jilbheit unb fjfurchtlofigfeit ouSjcichnen. 
©er fonft ertragreiche ©flabenhontel ift nun 
burdh britifche ©ciäWifchenfunft faft gänzlich ein« 
gegangen unb baljer finb bie fonft zahlreichen 
graufamen ©flabeufagben in lefcterer 3 eit We« 
niger unternommen werben. 

©ie föaiiptftabt beS 2anbeS ift 2lbomep mit 
etwa 30,000 ©inmohnern. ©ie ©labt ift bon 
Srbwällen unb ©räben umzogen tmb nimmt 
einen bebeuienbeit fjlächenrmim ein, Wobon ein 
©heil bem Selbbau gewibmet ift. ©ie Raufer 
finb meiftenS aitS ©hon aufgeführt uttb mit 
©troh bebeeft. ©eWöhnlich ftehen fie ohne alle 
Drbniing in ziemlicher Entfernung bon einanber. 
©on ©trafien giebt eS feine ©pur unb ber 
©chmutj ift fehl - groff. 2 luf hier betfehiebenen 
©tarftplähen wirb ein ^mnbel mit ©Koben, 
©almöl, Elfenbein, ©olb u. f. W. betrieben, 
©iefer glaubet befinbet fich houptfädilid) in ben 
Oättben pon 5J?ohaininebaitern. ©bomcp ift auch 
bie ©efibenzftabt beS Königs ©clele, ber hier 
brei ©aläfte hat, bie fich in nichts bor ben übri« 
geit Lehmhütten, als burch ihre bebeutenbere 
©röjfe auSzeichnen. £>ier ift eS auch, mo jähr« 
lieh flrofje fahlen bon ©tenfdjenopfern gebracht 
werben, ©o follen einmal beim ©obe eines Kö= 
nigS 2000 ©Jänner unb SGßeibcr hingefchlachtet 
worben fein. 

©chon eine ^eitlang finb ©erfwhe gemacht 
worben, ebangeliffhe 5JlijfionSftotioncn in ©a= 
homep zn errichten, toobon aber bisher olle an 
ber ©reulofigfeit beS Königs gefcheitert finb. 
3 fm ©ezetnber 1880 machte ber 9teb. Sfohn ©li« 
lum, ein weSlepanifcher ©tiffionar, bem König 
einen ©efuch, bon welchem wir bem 2 efer eine 
Keine ©fizze geben wollen. 



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Per kleine Panieret. 


265 


Wnt 10 . Oesember langte bet SJtiffionar mit 
feinen Begleitern not beS Königs Balaft an. 
Hier mußte er warten, bis feine Qlntunft burd) 
Boten angetünbigt war. Btittlermeile bemerke 
er einen efekjaften ©ernd) unb entbedte ju bei» 
ben Seiten ber £>oftt)ilre je ein mit ©rbe aefüü» 
teS ©efäß, auf bem je brei Btenfchenföpfe mit 
bent ©efid|te nad) unten lagen. gm inneren 
bet Tljüre befanb fick noch ein fiebenter Kopf 
unb bie <£rbe rings herum mar mit Blut f?c= 
tränft. Oie fieben Opfer, benen biefc Köpfe 
angehörteif, waren erft in ber betroffenen Stacht 
kinqeridktet worben. 9tad) einigem ©arten 
tourbe man in ben £>of beveingelaffeu. ^)ier 
faßen eine 3 °kl bon Häuptlingen unter ihren 
Sonnenfcpirmen. ©äbrenb man auf bie Bubi« 
enj wartete, würbe bie ©efellfchaft bon Tankern 
unb Boffenreißern unterhalten. CSnblidk erfcpien 
ber König, umgeben bon feinen grauen unb 
Stmagonen. Oerfelbe ift ein keiner Btann bon 
angenehmen Sanieren, obfcpon man ihm einen 

g ug ber Härte unb ©raitfamfeit aitfefjen fann. 

Ijne bie Gigarre aus bein SWuitbe ju nehmen, 
begrüßte er ben Btiffionar, erfuubigte fi<h nad) 
feiner ©efunbheit unb hieß ihn, fi<h unter einen 
Sonnenfchirm feßen. 9tun befilirten berfdjie« 
bene ißrogeffioueu an bein König borbei mit 
Sounenfchirmen, Tüchern unb anberen Tro« 
Phäeu, bie aus einem Kriege mitgebracht worben 
waren. OaS Trauriqfte aber Waren fe<hS Bten« 
f<hen, bie auf Tragbahren gebunben, herum» 
getragen würben, tim nädjftenS gef (blad) tet 311 
Werben. Stiles hotte baS BuSfehen eines Oorf* 
marfteS. 2Rand)e ber Tänse unb ©äfänge waren 
reiht interejjant, bo<h muffte ber Biibtid ber 
Opfer bie Seele beS BliffionarS mit Bbfdjeu 
unb Schmers erfüllen. OaS Blut fod^te in ihm 
botl ©ntrüftung, boch war er nickt mächtig, bie 
Brmen bom Tobe 311 retten. 

Bach Sonnenuntergang erhielt man ©rlaub« 
niß fiep 3 uritif 3 U 3 iehen. Oer Btiffionar würbe 
bon einer ©Scorte begteitet unb auf berfd)iebene 
Umwege geführt, um nickt ben grauen beS 
Königs 3 U begegnen, ba bieS ein grober 33er» 
ftoß gegen bie SaubeSfitte märe. Tiefe tragen 
©torfeii um ben $atS, bamit bie Boriibergehen» 
ben fie hören unb ihnen weit genug aus bem 
2 Bege gehen föunen. 

Bm Sonntag erhielt Herr BlarfhaH bie ©r= 
laubniß, einen ©otteSbienft im greien 3 U hol« 
ten, wobei er über golj. 3, 16 prebigte. Bm 
Oienftag mürbe ein Skabenmarft mit berfihie» 
benen ©eremoitieu eröffnet, bie größtenteils in 
©efängen 311 ©hten beS Königs beftanben. 
3 wan 3 ig männliche unb breißig weibliche Sfla* 
Den waren 3 um Verläufe auSgeftellt. Um ben 
Warft gu eröffnen, taufte ein Gnfel beS Königs 
einen Knaben, unb ein keines Btäbchen, welches 
eine Btinseffin 3 U fein fchien, taufte ein Btäb« 


eben. Oarnad) machten bie Häuptlinge ihre 
©infäufe. 

% Oie Btiffionare hatten auch eine 3 nfammen* 
fünft mit bem grinsen, ber feinem Bater burd)= 
aus unähnlich ift. Sie boten if)in etliche @e= 
fchenfe an, unter benen fick auch eine Bibel be= 
fanb. Seßtere aber wollte er aus abergläiu 
bifd)er gurd)t nicht annehmen. @r meinte, es 
wäre beffer, biefelbe auf subewa breit, um bie 
Kinber, bie man nach ber WiffionSfd)ute feit* 
ben würbe, lefen 311 lehren unb nachher tonnten 
biefe ben Sfkrtcjen ja BlleS erflären. 

Oer Stlaoenmarft bauerte eine ganse ©od)e. 
Buch würben bie jDienfdjenopfer täglich erneuert. 
Oiefe waren Kriegsgefangene, bie fein anbereS 
Berbredjen begangen hatten, als ihre Heimat!) 
3 U bertheibigen. Btan weigerte fick, ben ©uro* 
päern über bie 3ahl ber Opfer BuSfunft 3 U 
geben, boch Perfünbigten Trommelfcbläqe unb 
uJiuSfetenfehüffe {eben Btorgen, baß baS TobeS* 
wert Poübracht fei. Oie Staulwögel berfammel* 
ten ruh beftänbig um einen ©raben, in melden 
bie Seichname geworfen würben. 

Oaß es einem cibilifirten Btenfdjen unter fol* 
djen Scheußlidjfeiten übel 3 U Btutlje mar, läßt 
fick leicht benfen. Oaljer berlangten benn auch 
bie ÜKiffionare balbigft wieber ihren Bbfchieb, 
intern auch anbere mistige Pflichten fie hinweg» 
riefen. 

Oaß in foldjer ginfterniß baS Sicht beS ©ban* 
geliumS ein bringenbeS Bebürfniß ift, wirb 
jebeS ©hriftenhers einfeßen. Blöd)te eS halb 
bie graufe 9tad)t beS BberglaubeuS berfcheuchen! 




/ Per kleine JUau&erer. 


f aS Wiflft bu hi^ keiner Taugeni^tS! 
Bade bick unb laß bich nicht wieber hie* 
fehen, wenn bu nicht in’S ©efängniß 
wanbern wiflft, 31 t beinern lieberlicbeu Baterl" 
2 )tit biefen rauhen ©orten herrfd)te ein gut 
auSfehenber Knabe einem anbern ärmlich geflei« 
beten Knaben an, melier mährenb eines hef* 
tigen ©ewitterS Obbadh in einer Scheune geflickt 
hatte, unb ohne Weitere Umftänbe ftieß et ben 
armen sitternben Knaben 3 um Sdheuerthor hin* 
aus. 

„Tiber Betterchen," fagte ein rotljbadigeS 
Btäbdfen, baS unbemerft in bie Scheune gefoin* 
men mar, „wenn baS bie praftifche 3luSführung 
beineS StuffaßeS ift: 'greube im ©uteS thun', 
fo würbeft bu ihn beffer noch einmal umfehrei* 
ben. Sch fürchte, griebrid) wirb nicht bicle 
©ngel ohne ©ijfen beherbergen, wenn et grembe 
auf biefe ©eife behanbelt." 


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266 


(fine atabtfdje Jtagrnhur. 


„9l<h/ SßäSchen," fagte ffriebrid), „gieb bidj 
nicht mit biefem Sßuben ob, er ift eS nicht roertl}. 
3<h teitne bie gange 3?amilic. Sein Sßatcr 
tourbe (eßte 2öod)e roegeu SiebftaßlS in’S 0e= 
fängnif} gefdjidt. 

„GS betrübt mich," fagte ©race, „fotdfeSRebenS« 
orten bon bir gu hören, 3friebric|. 3<h hätte 
bodj mehr Wenfd)(id)feit unb SReligion bei bir 
gu finben ermortet. Haft bu nid^t fchon oft ge» 
tefen: Ser Sohn fott nicht tragen bie Wiffetifat 
beS SBaterS?" 

So rebenb trot fie gu bein kleinen, bet bitter» 
lieh meinte, unb frug ihn auf geroinnenbe Söeife: 
„Soge mir, mein lieber kleiner, maS bir fehlt. 
Haft bu noch 3emanb?" 

„3d) habe Wiemoitb als 3[efum," fagte ber 
kleine, „unb auch er fcheint mich Oerloffen gu 
hoben, beim ich ^abe beu gongen Sag noch nichts 
gu effen gehabt, unb er hot mir hoch mein tag» 
lieh Sßrob besprochen." 

„9(rnte3 $inb," fagte ©rare, mäfjrenb fie mit 
ihm meinte, „foinm, ber liebe öeilanb hot mich 
gefanbt, bir gu helfen." Ser S'nabe ftanb auf 
imb folgte it>r in bie Gliche, mo ihm ©peife gur 
Stillung feines 0ungerS gegeben mürbe. 

ÜRachbein er feine Waßlgeit beenbet hatte, frug 
©race: „2öar baS bein Sßatcr, liebes ßinb, 
roelcher leßte SBodje inS 3 uc h*hauS gefchieft 
mürbe?" 

„9f<h nein, fjräuleiit, es mar ber Wann, hei 
meinem ich midj aufhielt. Wein Sßater mürbe 
in Snbien ooit ben ©cpot)S erinorbet. Weine 
Wutter ift matjrfdieiiilich auch tobt. 3d) hübe 
fie feit jenem fdjredlichen Sage nicht mehr ge» 
fehen." 

„©eit meinem Sage?" frug nun ©race auf» 
geregt. 

„3<h meine ben Sag, an meinem bie SRebellion 
in 3*tbien ausbrach. 3<h meiß noch gut, mie 
mein Sßater fo gerührt 9lbfdjieo nahm unb fagte, 
er müßte nicht, ob er uns je mieber fehen merbe. 
Gr füllte uns alle, befouberS inich, unb fügte, 
ich fei fein lieber Söertie. Salb barauf fam ein 
Wann unb fagte, baß äße Offiziere bon ben 
©olbaten geiöbtet morbeit feien, unb auch ber 
Sßapa, unb hieß uns fchleunigft fliehen. Sa 
raffte bie Wutter gufammen maS fie gunädjfl er» 
greifen founte, boaf es mar gu fpiit. Gin Haufe 
ber Gmpörer fam, riffelt mich bon ber Wutter 
loS, unb hätten mich umgebtaeijt, menn mich hie 
alte Haushälterin nicht berfteeft hätte. Gnbtidj 
übergab fie mich einem Herrn, ber ita<h9lmerifa 
reifte, unb mich in einem SüßaifentjauS unter» 
gitbriitgen berfprach. 3m SBaifenfjauS mürbe 
ich biefem Wanne übergeben, ber megen Sieb» 
ftahlS inS@efrtngnif; gefchieft morben ift unb auch 
mich oft fehlug, meil ich nicht ftefjlen motlte." 

„Stöie heißeft bu, lieber kleiner," fagte ©race, 
noch aufgeregter als gubor. 


„Sßertie, ober Herbert Witchel, ber Wann, bet 
bem ich mar, nannte mich 2ont." 

Sjcßt tonnte fid) ©race nidit langer enthalten, 
fie flog bent armen jungen um beit Hals unb 
rief: „Sßertie, Sßertie! mein theurer, fange ber« 
lorner unb miebergefunbener Sßruter! ilonim 
gu unferer lieben Wutter, bie fidj um beinet 
mitten beinahe gu Sofce gegrämt hat." Stils fie 
bie Sbüre att bem 3immer ber Wutter öffnete, 
rief fie mit Holler Stimme: „Wutter, hier ift 
Sßertie, hier ift er!" SaS 9(ngc ber .Wutter er» 
tonnte fogleid) ihr berlorctteS Jlinb uitb mit bem 
9luSruf: „Gr ift es!" fanf fie ohnmächtig gu 
Sßobcn. Sie augemanbten ©tärfungSniittet 
brachten fie halb mieber gum Sßemujjtfein, bajj fie 
ihren Sßertie bergen unb pflegen tonnte. 

Wit ©efüblen ber Santbarfeit, mie nie gubor, 
flieg bctS Stlbenbopfcr ber fyröfjlidjen am Schluffe 
biefcS für fie fo glütfliehen Soges gum Himmel 
empor; ein gebriiatcS Wuttcrherg mar erfreut unb 
bie Sage beSGleubS eines bem haften 2ooS ber» 
folleiien ÄinbeS gu Gttbe. Unb griebrid), ber 
fich fo rauh angelaffen hatte, bat um Sßergeihung 
unb fud)te auf alte möglidje Sffieife baS began¬ 
gene Unrecht an bem lieben Gugel, mie ©race 
ihren Sßertie nannte, mieber gut gu machen. @. 


$tne arabifdje Jlugeiihur. 

Son Sr. 3- Kanins. 


ann man aud) feigen tefen bon ben Si« 
ftclu? fagt GßriftuS in ber Sßergprcbigt 
unb geigt bamit, baf; bamalS bie ©arten 
noch nicht mit hohen Gnctuöfjeden umgäunt 
maren, mie jeßt. Sßcriihmt finb um ihrer 
©chöntjeit millcn bie ©arten bon 3offa am 
Straube beS WcercS, ähnliche ©arten giebt cS 
aber an ber gangen WeereStüfte, in ber Gbene 
©ephela, ©aroit unb in ber Stilfoebene. SJBenn 
ein folcber ©arten angelegt mirb, pftangt man 
bor allem rings um ba§ ©tüd, baS ein ©arten 
merben foff, eine GactuShede, bie in einem Sßiercd 
ben ©artenraum umfdjlicfit. 3 ft bie fchnell 
machfenbe Hede fo l)od), baf; fie Schuß bor Wen» 
fehen unb Shiereu gemährt unb auch ben SBinb 
hinbejrt, ben Uferfanb in ben ©artenrauin git 
meßen, fo mirb erft baS ©tüd in ©artenlanb 
uerroanbelt unb angepflangt. ©o giebtS benn 
foldjer Heden fefjr biele unb biefe tragen'bie 
fehr gute GactuSfeige, bie bie Ginmohitcr gerne 
effen. ©o merben alfo bon ben GaduSbiftetn 
in ber Stjat feigen geiefen. Siefe GaduS bil» 
ben mit ihren ©lächeln eine fehr gute Umgäu« 
nung. . 


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Hut brat Btiftprebigtzftbm. 


267 


hlls idj in £aifa war, am gufee beS Marmel, 
too bie ältefte unfrer württembergifcßen Kolonien 
angelegt mürbe, ritt id) einmal jwifcßen biefcn 
eien mit einem jungen Seutfdhen ©ameitS 
ofepß; wir begegneten einigen aitbern jungen 
jungen .ftolouiften unb befreunbeten Arabern. 
2Bie eS nun bort manchmal gefrfjie^t, tarn eS 
balb p einem '-Wettrennen, ba bie Araber gerne 
ihre Ueberlegenheit im Weiten jeigen. hööhrenb 
nun bie ^ifeirbe in jaujenber Schnelle längs ben 
GactuShccfen ^inflofletx, begegnete ^ot’epl), ber 
fonft ein guter Weiter war, ein Uitgliirf. hin 
einer Sieguitg beS hBegS fam nämlich plotilicß 
öon ber Seite her ein Stanteel pm ©orfdjein, 
baS laut p brüllen anfing. Surdj ben plö^= 
litten hlnblicf unb baS ©ebrüll würbe 3ofepl)3 
©ferb ftßeu, bafi es ben Weiter, ber gar nicßt 
barauf gefaßt War, flugS abwarf. Ser ©oben 
befteßt aus tiefem Sanb, fo hätte baS £>erab» 
ftiirjen Dom ©ferbe nicht Diel gettjan, wenn 
3(ofepf) nicßt mitten in eine Gactüsherfc hinein» 
gefcßleubert worben wäre. So fcßuell idj Der» 
mochte, hielt i<ß an, um muß ihm p fcßen, 
»ährenb bie hlnbern weiter rannten. ©tüßfam 
raffte ficß ofept) in bent Stadjelmeer auf unb 
ich half ihm DoÖenbS heraus. Gr fab aus wie 
ein 3gel, nur baß bie Spijjen ber Stadhein nicht 
nach außen, fonbern nach innen gingen. Um 
unb um ftafen große unb Heine GactuSftocßelu 
im fjleifcß unb in ben Jtleibern. So gut ich 
loitnle, sog ich beut Don öcßmez geplagten ©e= 
noffen bie Stacheln auS ben £>äiiben unb bem 
®eficßt, über welches baS ©lut ßcrablief. SaS 
hätte nun weiter nicht Diel gefchabet unb wäre 
halb wieber geheilt. Wenn ni<ßt leiber audh in 
beibe hingen Stadhein 1 eingebrungen wären. 
Slber ba getraute ich mir nicht Diel p machen, 
um ant hinge nichts p Derberben, nur bie größ» 
ten Stacheln jog ich Dorfidhtig heraus, darauf 
braute ict> ben ©atienten nach £>aifa priid, wo 
man nicht wußte, wie ihm ju helfe» fei, ba 
nicht nur fein htugenarjt, fonbern bamalS über» 
haupt fein europäifdher Softor in #aifa mar. 

Gnblicß fiel eS 3ofepß ein, baß in ber Stabt 
eime beilfunbige htraberiu fei, bie fdjon mandhem 
©erlebten geholfen hübe. "6ine anbere £>ilfe 
War nicht oorßanbeu, baßer bradßte ich ihn auf 
fein Begehren p ber .fteitfünftlerin, ohne jebodh 
Diel Hoffnung p hegen. GS War ein altes, un= 
fheiitbareS 2Beib, baS braun wie eine 3igeune= 
rin auSfah uitb wenig ©ertrauen erwecftc. Sie 
machte fid) alsbalb an’S hSerf, bereitete eine biefe 
Salbe aus allerlei tträutern nnb beftridb beibe 
hingen bainit. Wach einigen Stunben mufdh fie 
bie Salbe wieber weg unb als ich nun bie htugen 
anfaß, erfannte idh p meiner ©erwunberung, 
baß in bet Sßat alle größeren Stacheln gtiicflid) 
herausgebracht waren, auch ^atte bie Salbe bie 
Sdjmerjen in ben htugen Wefentlidh gemilbert. 


aber bodh waren ganj Heine Stacheln, bie man 
faum feßen fonnte, noch immer in ben hingen 
unb ich bezweifelte fchon baran, baß auch biefe 
ohne feine ^nftrumente entfernt werben tonnten. 
Sic grau aber wußte Watß, fie hatte baS tiötßige 
©Jcrtäeug bei ficß. Wnrf)bnn fie bie hingen nod) 
einmal gemafeßen, fagte fie: ©lad) bie hingen 
weit auf. Sbfeph fperrte fie auf, fo gut er 
tonnte. 3»fd) Mat)! (©efällt eS ©otti) rief 
nun bie grau unb begann bie Operation. Sie 
ftreefte nämlich ihre lange, fpißige 3 ll "ge Ijer» 
aus unb fuhr ihm bamit in ben hingen herum, 
unb fo oft fie an einem hluge ein Wenig herum» 
fcßledte, blieben einige Stacheln an bei: rauhen, 
fiebrigen 3»nge hängen. 3» fturjem waren 
burdh biefe einfache, ungefährliche Operation 
alle, auch bie fleinften, faft unfidhtbaren Stapeln 
aus beibeu hingen gezogen, unb ich ging mit 
3ofepß froh wieber aus bem £aufe ber heil» 
funbigen, pngenfertigen hlraberin, beren fi'nnft 
unb ©efeßief 3ofeph bie Wettung unb fdßnetle 
Teilung feiner hlugen Derbantte. 


ükiffftt mt0 einem |^eifr|>rföigrr= 
Arbeit. 

®im ®m. «ßreus. 


VI. 

„(Beße aus auf bie Straßen unb (Baffen ber 
Stabt unb füßre bie Jtrmra, Brüppel, faßmen 
unb Blinben ßerein.“ (für. 14, 21.) 

Sie treue ©erwaltung ber Sncramente, baS 
öffentliche ©rebigen beS GbangeliumS, fei eS 
audh noch fo oft, nod) fo beutlidß, noch fo ge* 
wiffenhaft, ift noch nicht bie gauje Grfütlung 
beS ©erufS eines ttnecßtS Gßrifti, er muß auch 
mit aller 2reue Seelen p retten fließen, im pri» 
Daten unb perfönlidßen ©erfeßr: er muß bie oben 
©ejeießneten einzeln auf fließen unb ficß um ißr 
£>eil bemühen. 3 um ©teife beS $>errn unb Diel» 
Ieidjt pr hlufmunterung hlnberer, will idß etliche 
Grempet auS meiner eigenen Grfaßrung in bie» 
fer hlrbeit mittfjeilen. 

GS war mäßrenb meiner jmeiten Sienftjeit 
an ber Waceftr. .(tireße in Gincinnati, baß idß 
eines SageS bie obere ©Jainftraße Ijftabfam nnb 
bid)t bor mir einen ©tann gewahrte, beffen ©e» 
neßmen mir auffiel. ©lit gefenftem Raupte nnb 
tangfamen Schrittes ging er gerabeSmegcS Dor 
fi^ hin,' ohne ficß barum p befümmern, wer 
ihm in ben 2Beg tarn; er mich ©iemanben auS, 
feßon auS ber Utfadße, weil fein pm ©oben ge» 


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268 


3liu brat Hetfeprebiger=#ebm. 


fcnfter Slid Stiemanben fab. Ueberbaupt fd^tctt; 
er, obgleich bic Strafe üofl Seute mar, gar nicht 
gu merten, baß außer ibm nodj Sernanb in ber 
Sklt mar. 3<h tonnte beSßttlb Ieidtjt neben ibm 
cinbcrgeben unb ibit Don ber ©eite betrauten, 
ebne boit ibm beamtet gu merben. Wein ©eiten» 
btief beftiitigte mir bie Wutbmaßitng, baß ein' 
fernerer ®rudf auf feinem ©emiitbe lafte, unb j 
aus bem Jürgen ©efprädße, baS ich mit if)in an» 
fnüpfte, lernte ich f)inreid)cnb, baß er in StoHj 
mar. 3dj erfuubigte mich nach feiner SJobnung, 
tagte ibm, mo meine flirdje fei, tub ibn ein bie» 
felbe gu befuebeu unb fct)ieb non ibm. 

©obalb als möglich fud^te ich feine SJobnung 
auf, fanb bie $rcut auf bem flranfenlager unb 
auf ihrem bleichen Angefidßte bie Wertmale 
inneren Kummers, miibrenb bie bleichen Singe* 
fichter fleiner fliüber Derronnbert gu bem frein» 
ben Wanne auffchauteu. 2)aS jfimmet mar 
fauber unb in guter Orbnung; im Uebrigen 
aber mar es mir gu beutlich, bafi Slnnutb hier 
ipr fjeiin aufgefdßlagett hotte unb pecuniäre 
fcnilfe notb fei, gumal ber Wann feine Arbeit 
batte. Aber SEroft mar nidbt roeniger notbmen» 
big, unb ©ott 2ob, baf? bem ©eelforger bie 
reiche ©djnßtammer göttlichen SrofteS immer 
offen ftebt, barauS gu nehmen unb gu fpenben. 
3)er Wann fniete bann mit mir am Sette fei» 
ner $rau nieber, mo mir und betenb ber 3?iir» 
forge ©otteS unb feiner ©nabe in ©brifto 3fefu 
empfahlen. 

3)er Wann tarn Don ba an regelmäßig gu 
unteren Serfammlungen, unb toäbrenb ber leib» 
liehen Stotß abgebolfen mürbe, unb er auch halb 
Arbeit befam, bie grau audß mieber Don ihrer 
flranfßeit genaß, fudßte unb fanb er bie „tö(t= 
liebe ^ßcrlc": „©erechtigteit, Triebe unb greube 
im heiligen ©eifte." Seibe fcßloffen fidß meiner 
©emeinbe an. 

Stad) feiner Sefebtung machte er mir folgen* 
beS ©eftänbniß: „3fch mar ohne Arbeit unb fo 
mürbe unfer furger Sorrntß halb erfdßöpft. 
Weine grau mürbe front unb es fehlte an Sflege 
unb halb fogar am täglichen Srobe. Sille meine 
Semitbungen, Slrbeit unb Serbienfi gu finben, 
maren fruchtlos. $a ergriff mich bie Sergmeif. 
lung; unb als bu an jenem SEage auf ber Wain* 
ftraße gu mir famft, mar ich auf bem Stege nach 
bem Oßiofluffe, um meinem qualüollen Sehen 
ein ©nbe gu machen. £>ätteft bu midj nicht an* 
gerebet, fo märe ich alä ©elbftmörber in bie 
©roigfeit gegangen, unb maS märe aus mir unb 
meinet Familie gemorben ?" 


3ur felbigen 3eit, als ich eines $ageS im 
Such = ©oncern mär, tarn ein ®eutfdjer herein 
mit einet Stolle feinem @affian*8eber für Such« 


; binber»3*necfe, melcheS er gum Serfauf anbot. 
®er bergeitige Sorfteßer ber Sucßbinberei im 
©oncern mar, auf’s Sefte gefagt, fein greunb 
ber Xeutfcben. ©tatt einen für’S Goncern Dor* 
tbeilßaften flaut ju machen, maS er leicht hätte 
tßun fönnen, mies er ben Wann mit turgen 
' SBorten in einem nicht freunblidjen 2one ab. 
j ©iefer blieb eine fttrge Söeile auf bem glecf 
fteben, mo er mar, feine Singen in ben leeren 
Staunt ftarrenb, als molle er ein Stätbfel löfen, 
unb fein Angefidjt bie ©pur inneren flummerS 
tragenb. flttrg, id) fab in ihm einen Wenfchen, 
ber in großer Serlegcnbeit unb folglid) in bem 
3uftanbe mar, mo baS |>erg leidßt gu erreichen 
ift, um ihn für ©ott unb beit Fimmel gu ge* 
mimten, falls folcheS noch tiidjt gefchebeit. $}dj 
trat beSbalb gtt ißm unb fnüpfte ein ©efprädß 
mit ihm an, in meinem id) erfuhr, baß er erft 
fürglicß mit feiner grau Don Württemberg ge» 
fommett unb feines £>anbmerfs ein Sucßbinber 
fei. $aS Seber höbe er mitgebraebt, um es hier 
in feinem ftanbmerfe gu oerarbeiten ; aber alle 
Sentübungen, Arbeit gu finben, feien bisher 
OergebenS gemefen, unb alle Hoffnung, folche gu 
finben, fcheine ihm abgefcbniiten, gtirnal er bie 
englifdjc ©pradje nicht oerftebe. UeberbieS fei 
nun feine fleine Saarfdßoft Dergebrt, unb er fei 
genötbigt, baS Seber gu oerfaufen, um ©elb für 
Srob gu befomnten; bisher aber fei es ihm .mit 
bem Serfauf beS SeberS nicht beffe.r ergangen, 
mie mit bem ©ließen nad) Arbeit u. f. m. 

©einen inneren 3uftanb betreffenb, mar er 
noch ein grcmbliitg gum rechtfertigenbeu ©lau» 
beit, aber, mie ich ermartete, mar baS £)erg offen 
für bie „beilfame ©ttobe ©otteS." 3b« bin* 
meifenb auf ben „fjelfcr in. aller Stotl)," unb 
etlidje Worte ber Aufmunterung fprccßenb, lüb 
ich ihn ein, meine flireße gu befueßen ; nadßbem 
idß feine Wohnung erfunbet batte, fdßieben mir 
Dott eituntber. 

©obalb idß’S möglich machen fonttfe, befueßte 
idß ißtt in feiner Wohnung unb fanb feilt SGßeib* 
dßen — eine freunblidße guDorfomntenbe Seifon 
— eben fo offen für bie Wahrheit beS ©Dange* 
liumS mie ißn. Seßtercn half idß Arbeit finben 
unb fomit mar ber Stotß abgeßolfen. Seibe 
famen regelmäßig gu meiner flirdße, fdßloffen 
fidj halb ber ©emeinbe an unb mürben eßelang, 
nadß Seiber Sefenutniß in bie felige greißeit 
ber flinber ©otteS. ©in paar Saßre fpäter ftarb 
ber Sruber an ber ©dßminbfucßt, aoer in ber 
frohen Hoffnung beS emigen Sehens. 

Seiblicße ©ebreeßen haben gmar meine antt* 
lidße SEßätigfeit fdßon feit mandßen fahren gum 1 
©dßluffe gebrad)t; märe baS aber nidßt ber Orall, 
idß mürbe heute mit größerem ©rnft unb Der* 
mebrter SEreue bie priöate ©eelforge pflegen unb 
midß um bie Stellung ©ingelner bemühen ; benn 
menn jeßt in ftiller ©infamleit bie Sergangen« 


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Kitte gefrören* |j<mb. 


269 


beit roieber bor meiner Seele auffteigt, fo fü^le 
ich bod) gleichfam einen Sporn Don beiben Sei» 
ten: eincrfeitS baS Semußtfein glücf liehen ©r= 
jolgS unb bie bamit berimnbene greube, uitb 
anbrerfeits bet ©ebanfe, bafe mit gröfeerer Streue, 
Steiß unb ©emijfenhaftigfeit auch ber ©rfolg 
größer gemefeit fein mürbe, unb batjer bie San» 
gigfeit bei bem ©ebanfen, bie Urfac^e ju fein, 
baß Seelen berloren gingen. 

-- •- 


(Sine gefrorene Ijaiii). 


®er ißrebifler SRomlaitb ©ill fpradj einmal 
bon ber ©artherjigfeit fo 'Dtancfjer, bie Diel ge6en 
tonnten, unb bod) oft hinter beit 3lrmen jurücf» 
bleiben, ©t fagte: „©iitige Seute buben fort» 
roäfjrenb ffroft in ibrcit änfdjen; fobalb fie 
ihre ©änbe ljineinfteden, gefrieren fie unb finb 
nicht im Stanbe, ihren ©elbbeutel hrrauSju» 
jieben." ©ine englifebe $ame bat einmal burdj 
ein treffenbeS SBort eine fold)e gefrorene ©anb 
in eine marine uermanbelt. 3fn ihrer Stabt 
Sriftol lebte ein alter, bureb feinen 'Jteidjthum 
befannter ©err, bon bem man aber auch mußte, 
ba& er nie ©aben für chriftlidje Sroecfe batte unb 
überhaupt Dom ©eben roenig hielt- Sroßbem 
flieg in ber eifrigen ffreuitbiit ber SÖibelDerbrei» 
tung ber ©ebanfe auf: Söarum follteft bit ihm 
•nicht auch einmal einen Sefucf) abftatten unb 
ihn um einen Seitrag für bie Sibelgefeßfefjaft 
anfpreeben? Sie tonnte ben ©ebanten nicht 
los merben, unb enblich entfloß fie fich, ihn 
auSjufühven. fjfreunbe, benen fie bon ihrem 
Sorhaben Stittheilung machte, riethen ihr ab, 
ben Steg ju machen, ba er ficherlid) bergeblich 


fein mürbe, aber fie liefe fiefe nicht irre machen. 
Sie ging unb mürbe borgelaffen. Sie übergab 
ihm nun bie Snfünbigungen unb Sufforberun» 
gen, toelcbe bie Sibelgefeüfcbnft hatte bruefen 
iafjeit, unb erjagte ihm äugleid) bon ber 2ha= 
tljigfeit unb bon ben ©rfolgen ber lefeteren. 
5)er ©reis härte 3tlleS an, aber bon einer 2Bir= 
tung auf feinen harten Sinn mar feine 9febe. 
@t fagte, bafe er fo biel für fonftige SDinge ans» 
jugeben habe, bafe ihm für biefe Sache nichts 
übrig bleibe. 9tad) roieberholtem, aber erfolg» 
lofem Sitten fragte ich >b n enblich: „©oben Sie 
aud) eine Sibel?" 

„6i freilich!" gab er jur Sntmort. 

„9hm," f©rach fie meiter, „unter melcheit Se» 
bingungen mollen Sie mir biefclbe iiberlaffen?" 

„Unter feiner Sebingung!" ermiberte er. 

„@ut benn," fagte fie, „eS giebt aber Saufenbe 
in unferem 2anbe, roeldpe baS ®ut entbehren, 
baS Sie felber fo hoch fchäjjcn. 9Jtit einem 
leisten Cpfer bon 3hrer Seite föunte einem 
3hrcr Srüber baS Such berfchofft merben, bon 
meldjein Sie fich um feinen '-|kcis trennen mol» 
len." 2>aS traf ben ©reis, aber er Derbarg feine 
Semeguitg unb fragte im fühlen ©efchäftston, 
roie biel er mohl geben müßte. 91 IS bie 2>ame 
ihm erflärt hatte, bafe jebe, auch bie fleinfte 
©abe mit ®anf angenommen merbe, ging er an 
feinen Schreibtifch, nahm aus bemfclben eine 
Stolle ©olbftiicfe unb jählie nun gan^ gemiieh» 
lieh: eins, jmei, brei unb fo fort. ®ie Tome 
meinte, ber alte ©err tljne baS aus Unart, um 
fie fich auf biefe Steife bom ©alfe ju fd)affen, 
unb rooöte fich berabfdjieben. ®a bat er aber: 
„9tur noch einen 3lugenblid!" unb §äl)lte bis 
auf 74 ©olbftiicfe. $iefe gab er bann ber 
Same mit ben Sterten: ,,©ier ift mein Seitrag, 
für febeS meiner SebenSjahre eine ©uinee (etrna 
fünf SoflarS). 


—- m - 

iSomttagfdml -- Sektionen. 


Sonntag, 7 . 5Hai 1882 . 3Rarf. 7 , 24 — 37 . 

©laubeitStnadjt unb Söunberfraft. 

„Seit: Ser ©err ift allen gütig, unb erbarmet 
ficb aller feiner SBerfe. ($falm 145 , 9 .) 

I. Xtt (Stanbe ber ftattanäerin. ($. 24 — 30 .) 
8.24. Unb ging oon bannen, nämlidj oon 
ffaoernaum, mo 3efus fid) feit £ao» 5 , 21 micber 
befinbet unb oon ben feinblichen 92ad)ftellungen ber 
bortigen Sßharifäer unb ©dmftgelehrten, mooon ber 
Stnfang unfereä Sfaoitelo crsäblt, auf (Stritt unb 
Stritt umgeben mar; nicht au3 5urd)t oor biefen, 


aber hoch in Solge ihrer gehäffigeu 93 erfolgungen 
unb in ber 9 (bfid)t, biefe uid)t 311 einer oor^eitigen 
unb gemaltfameti Sinfdbreiten gegen ihn merben 311 
taffen, erfolgt nun fein flucbtartiger 9 ?üd 3 ug in ba 3 
bcibnifAc ©reu 3 g'cbiet oon StDruö unb 
@ibon, an bernorbmeft ©eite ®aliläa 3 gelegen 
unb 3 um forifdjen fUtmnisien gehörig. 3 mar mar 
biefer SBüftenftrid) urbyünglid) and) 3 um (Srbtheil 
3 orael^ beftimint (1 uBof. 49 , 13 ; 5 3 )?of. 33 , 14 ; 
3 oh. 19 , 28 ), aber niemals oon SSrael mirflid) er- 
obert morben, fonbevn in ben©anben ber urforüng- 
lidjen Semohncr, ber ftananäer, geblieben, melcl)e 
oon 3 Srael nicht oollig auSgerottet morbeit mareit. 


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270 


Sdmtfa 9 fd|ul»jPektioiiett. 


3nbcm 3efuS citi>f!d)tlid6 auch biefeS aUc ©rcitsgebiet 
Von SJsraclS Grblattb betritt, tbut aud) er c$ jefet 
glctdjfaltö nod) nid)t, um über ienc Reiben Gericht 
Stt halten, fonbern um auch ihnen nod) ©nabe unb ■ 
Slettung ansubictcn (vrgl. 3 oh. 3,17). ©ein 9lttf= 
brttd) von ftaperitatim ift alfo swar allcrbingS ein 
abfidjtlidieä 2lbbrcd)ctt mit ber Partei feiner Gegner, 
aber nod) nicf>t mit feinem von ihnen verführten 
©olfe fclbft, baber er and) nod) ■ nicht cigentlid) 
3$raclS ©ebict gatts verlaßt unb fid) in ba$ heib- 
nifchc Sanb fclber begiebt, fonbern nod) auf beut 
aitgreitsenbcn Sanbftrid) von ©aliläa, ettoa im @c= 
tuet bc3 Stammet Ziffer, bleibt, ja aerabe hier feine 
Öcftimmung für 3*3racl fo ftarf hervorbebt tvic fonft 
nie, unb feine SBirffamfcit bei ben ©eiben vorerft 
nur als eine einseine vorübergebettbe SluSnabme er= 
fdtcincit laßt. 3u ein ©au8, vielleicht eine* 
füllen 9lnbängcr3 bafclbft, iebenfattä, um bort eine 
3eitlaii£j in ber Stille susubringeit; baber null er eS 
aud) üßicinanb tviffeit laffcit, um nicht von 
©ftlfcfuchenbcn hier in ber ©eibcnwclt angefprodjen 
su werben, wäheenb bod) vielmehr fein eigentlicher, 
ihm vom 9Sater anbcfohlcncr 2Birfuiigofrci3 nur 
fein eigenes 2?olf war (©. 27), unb überhaupt tun 
nicht unnothigeS Sluffcbcn su erregen. 9lbcr c$ ge= | 
lang nid)t# beim and) hier fonntc er nicht vcr = 
borgen fein, unb swar nad) göttlicher Rügung, 
tvcld)c gcrabc hier ein Greigniß von bober vorbilb- 
lichcr ©ebeutung für bic ganse 3ufunft beS 9lcid)cS 
©otteS wollte eintreten taffen. 

®. 25: f tc taut, bicGelegenheitabpaffettb, wo 
er einmal in’S Rreic ging, baut fic batte von ihm 
gebort, entweber bloS von feinemSafeiit, ober 
auch von feinen früheren SBunbcrn; unb fiel 
tt i e b e r, bicS gcfchah nad) ©Jatth. 15 ,25 erft fpä- 
ter, nadjbcm er ihre einbringlid)c ©itte burch fein 
beharrliche^ Stillfdtweigcn abgewiefett (©.23), ja 
fogar bie Rürbitte ber jünger abgclebnt batte 
OB. 24); SKarfuS siebt bie ©efehiebte etwaS sufam- 
men, bebt aber bafür ihren britten unb leisten 9ltt= 
lauf befto fräftiger hervor (©. 27) unb seigt bie Ab¬ 
wehr berfelbett burdj ben ©errn erft in ihrer gattsett 
Strenge. 

®. 26: ein griedftfd) SBetb, b. b. ein 
griednfdj rebatbeS, nicht eine eigentliche ©riechiit 
von ©ebitrt, fonbern vielmehr nur eine ©cllcitiftin 
auS Sprophött icictt, b. b. betn snr romifcheit 
©rovinj Svriat gehörigen ©höuisiett, im Uitter= 
fd)ieb von betn su Stibieit itt 9?orbafrifa gehörigen 
©hönisien ber alten Ä'arthagcr. 

®. 27: Saß sttvor, itätttlid) ehe bie SReihe an 
bid) unb beiiteSglcidjcn foinmt, bic ÄfinberOS- 
rael) f att werben, beim fo lange biefe nod) am 
Sifd) fifcett unb ihre 9Kahl$cit vor fid) haben, mürbe 
e3 nicht bloS ihre eigene Gbrc unb SBürbe, fonbern 
baS ©aufrecht fclbft unb jebe Sitte beS 9lnftaitb3 
verleben, baS ihnen gehörige ©rob beit ©unbeit 
(©eiben) vorsttwerfen. ©ier hat 3cfti3 9lllc3, 
waS eS nur an ©erad)tuitg für bic ©cibeit in ber 
Sprache unb ben ©orurtbeilcn 33rael3 gab, sufattt= 
meiigenomitteit, ja faft auf bie Spifec getrieben, ben= 
nod) läßt fie fid) nicht irre titad)eit. 

®. 28: 3 a ©err, fie nimmt alfo jette bemüthi= 
genbe ©crgleichung, bie ihr ganseS ©ers verwttuben, 
ja empören mußte unb geeignet war, fie völlig su 
©oben m fchtagett, bemütbig unb ohne ©infpradte 
an, fchöpft aber bod) 3 ttgleid) gerabe attS ihr fclbft 


einen neuen ©ewciS, um bett SBiberftaitb beS ©errn 
j su bcficgeit. aber bocbu.f.w. Rrcilich batte fte 
j geglaubt, ein foldjcr 9)faitn fei für alle üNcnfcben 
I ba tittb 91 Ile, bie ©ülfe bratidjcn, batten ein 
glcidtco 9flcd)t att ihn unb su ihm, nun aber hört 
| fie baS ©egcittheil, baß itätttlid) nur bie 3ubcit 
allein bic töittbcr fittb, betten bas ©rob beS Scbenä 
gehört, nicht aber and) bie ©cibett, unb weil fie 
alfo fein ©rob verlangen faittt, fo tritt fic fofort 
befd'eiben surüd, nur von ben ©rofantett, bie 
bie ftiitber von ihrem Ucbcrfluß auf ben ©oben f aU 
len laffett, begehrt fic etwa*, auch bieä fchott ift ihr 
genug, nur ein Sßort, ein ©lief, eine ©erühruttg 
bc3 SatuneS. 

®. 29: Um beS SBorteS ©HUeit. äßarfuS 
hat unS fchott oft bie ©?acht bc$ © otteoivorteS 
beumnbcrit laffett, hier follctt wir and) einmal bic 
eiltet 3Äcnf eben Wortes bewuttbern, baS ber 
fi'ananäcrin, tvobttrd) fie fid) jenem ©auptiitann 
von fiapernaum, gleichfalls einem ©eibeit sttr Seite 
ftellt, baS einem atibcrn ähnlichen ©laubenowort 
bc3 91. 2. gleidifallS attS ©(cnfcbenmuube (vrgl. 
3af. 5,17) su vergleichen ift, (tvic überhaupt ber 
gattse ©orgattg beut ©ebetSfatupf 3afobS, l©iof. 

I 32,36), jenem ©lattbcnSmort bcS (5liaö, baS ben 
öiutmcl öffnet unb bic ©ülfcÖotteS bcrnieberjieht. 
Senn wie bei Öott fclbft fein Sing unmöglich ift 
(90?atth. 19,26), fo fittb bent ©latibcn alle Singe 
möglich (ÜMarf. 9,23). 9lttcb bicfco SBort hat Rlcifd) 
uttb ©lut nicht geoffenbart (vrgl. SWattb. 16,17), 
tittb beut Gebote beS ©atcrS barf ber Sohn itidd 
ungchorfant fein. Cvr hat fich aber eben im ©chor= 
fattt gegen ihn eine Sclbftbcfdn*änfting feiner Siebe 
aufstterlcgcit unb fie wirb ihm fchtver genug gefallen 
fein: betttt obwohl gefotmneu, bie gattse SBelt su 
erlöfctt unb alfo allen ohne 9(uc ; nahntc ein fWcttcr 
uttb ©cilattb su werben, gehört er sunäcbft ald 
9Hcffia§ für feine irbifche SSirffamfcit boch nur 
feinem ©olfe allein uttb atmfcbließlich att, ttad) 
beut auöbrücflichen 9Bil(ett bc*3 ©atcr§ (3)?atth. 15, 
24), bem er fich betttüthig uttb felbftloo unterorbitet. 
9lber gleichtvohl ift unb bleibt er bod) noch ber Rrcic 
uttb fobalb er mabrgenommen, wie bieä 2ßeib mit 
ihrem ©elbettglaubcit alle trettttettbett Sdtranfett 
burdfbridjt uttb bem ©eifte nad) eine 2ochter 9lbra= 
battto ift, ba thuter, wa§ er fonft nicht gethatt hätte: 
er hilft uttb swar fofort. 

®. 30: 9lttf bcm©ette liegettb. 3Barfuö 
betont, wie ba§ fonft tobfüd)tige ftittb jeßt ruhig, 
wenn aud) erfeböpft unb ermattet vott bem lebten 
heftigen 9lnfatl beS böfett ©eiftcS, aber bod) völlig 
geitefcit auf ihrem Säger gcfitiiben wirb. 

II. $ie ©eilung bcö 2öubftummm. (©.31—37.) 
©?att fatttt biefett Slbfchnitt mit bettt vorigen al$ 
©egettfab sufammenftcllen: Sie fiaitaitäerin, 
obwohl eine ©eibitt, rebet recht, b. h. mit Sc= 
ntitth unb auöbarreitbent Glauben (©. 28) unb fo 
warb ihr bie ©ülfe. 9tcd)t rebett aber fonntc fic 
b!o3, weil fie suvor fd)ott r c di t. g c h ör t hatte, mit 
briinftiger Siebe uttb heiligem ©erlangen. Siefer 
Sohn 33rael3 bagegett ift'unfähig su rebett, weil 
unfähig su hören, unb fo mußte bei ihm 3cfitä su- 
erft bic Sthnung. von bem itt feiner ©erfott gegen¬ 
wärtigen ©eil unb bic Sebnfudjt barnach tvedett, 
— eilt jprecbenbe§ ©ilb fotvohl vott beut geiftigett 
3uftanb bcei gattsen bamaligett 3orae(o (©^atth.13, 
13ff.), ah3 auch vieler Seelen mitten in ber Ghriften- 


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SatmtögfdjuHfbttotifn. 


271 


heit, bie erft bu*dj ba8 ©cfühl ihres (SleitbS tutb bie 
Srfetintniü ihm* Süttbe fich muffen $tt ßhrifto 
treiben (affen, bamit fie burd) ihn felig werben; er 
felbftmxufj ihnen erft Stuften unbr Ohr, 9J2unb unb 
©er$ öffnen. 

8.31: 9ßteber auSging, weil erbod) bort 
nid)t, wie er e3 gewünfdtt hatte, verborgen bieibcif 
tonnte (23. 24), fonbern vielleicht flerabe biefe lebte 
ffiunberthat rudjbar geworben mar. 91 n baä 
g a 1 i l d i f ch e 3)2 e e v, nämlich an beffen Oftnfcr 
in bie Sanbfdjaft ©auloititiS, in ba3 ©ebiet ber 
gleichfalls noch halbheibttifdten sehn Stabte 
(©crapoltö), bereit Öcjtrf fiel) bicSfcitö itnb jcnfeitS 
be3 ^orbait3 in einem fdmtalcn ©nvtcl swifchen 
©aliläa uttb ©eräa hinsog unb gleichfalls bem 
fi.ntbpflegcr ober römijdteit Statthalter von Serien, 
gleidjwie ba3 alte ©höitisieu, unterftedt mar, uttb 
ebenfalls eine wefeittlicb bedeitiftifcbc ©evölferung, 
Sprache unb 95crfaffuitg hatte. SKatthäuS (15, 
29 —31) bcrid)tct nur int 9lllgcmeineit von 93mtber= 
bedungen, 3)2arfit3 greift au3 ihnen auch hier ge- 
rabe biejemgeu heraus, bie burch ihre SWcbcnum* 
ftänbe ein hcfoitberS beutlicheS ©epräge hat unb 
mobei bie©eiluitg in ihreradmäblidjcit95orbereitung, 
Gtitwicflutig ttitb 95odeitbung aitfdtaulidj hervor* 
tritt, baher er ba3 touitbcrbare 23crfahrcn be3 Ferrit 
nach allen einzelnen äußeren 9}enebungett fo um* 
ftvütblich fehilbert (oergl. 8, 22—26; 6,13). 

8. 32: (Sie brachten, unter beit vielen ffrait* 
feit, von beiten SWatthäuS bcrid)tct; biefe Sbatfadte 
fefet alfo fflefanntfdjaft mit 3efu unb ©laubeit ait 
ihn auch hier toieber vorauf, toie in Svropbmtisieit 
('S. 24). Sie ©aitb a uf ihn leg t e, um ihm 
fo feine öeilSfraft unb 2Buitberhilfc su vermitteln 
(vergl. 6, 5; 8, 23. 25). (Sc that bicS alfo öfters, 
woraus aber toieber nicht su Schließen ift, baß bie 
SSunberfraft äußerlich leiblich in feiner ©aitb ge* 
legen hätte (vergl. su 5, 27 Öcftiott am 3. 3J2ärj). 
Ohne 3'ueirel wcchfelte er mit beut ©erfahren 
örter-3, batnit tinn tiicßt meinen follc, c*3 fätite auf 
biefe äußerett 33iittel mtb ©orgäuge an; toohl su 
beachten ift auch, baß c3 fich hier um eine tt a t ü r- 
üche if rauf beit, feine ©efeffenbeit haubelt, bie 
er immer nur burch baS fleißige 9Q?ittel feineS 3Had)ts 
toortcS heilt. 

8. 33 fdjilbert aitfdjaulich beit aattjeit lang* 
fatncit ©erlauf ber ©aitblung; ftatt feilte 9lflma<ht 
3ti 3 eigen burch ein göttliches JSiutber, nimmt er ihn 
von bem 23olf befoitbcrS, offenbar um feine 
mtgetheilte Slufttterffantfcit auf feinen ©elfer su (ett* 
feit unb feilten ©laubeit su werfen; eS fotl stoifdtett 
©eiben eine unfleftörtc perföitlidte ©esiebmtg tutb 
©eineinfdjaft bergeftedt werben unb ber Slranfe fich 
in ber Stille fauttiteln föititcn; ba3 ©attse toarja 
eine ©ilfe für ihn, nicht eilt Schauftfitf für 2tn= 
bere; unb fo audt iefet noch, too fich ber ©err einer 
Seele aitttimmt, fuhrt er fie vor alktu itt bie Stille 
Mi ernftem ©cfiitncit in ber ßinfamfeit. 8 egte 
ihm bie in fl er u.f. to., beim biefe £aitb* 
ftmnincn fattit er nur burch bie 3eidje(tfprarf)e ber 
©eberbe juitt Sewußtfeiit beffen bringen, toaS mit 
ihm vergeht. Ser Speichel aalt im gaitsen 
SUtertbum al3 ©eilmittel, vergl. 3ob. 9, 6; be* 
rührte feine Bunge mit bem Speichel, ober 
vielleicht auch nur mit bem trocfeiten Ringer, icbcn- 
fallS mit aber attd) biefettt attbcreit Icibeitbett ©lieb 


uttb Sife fcittcS ©ebreihenS perfönlid) unb unmittel* 
bar nahe su fomuten (8, 23). 

8. 34: fah auf, aum ©ater fcittcub wieSob. 
11, 41; unb suflleicb um attd) beit fttanfen nach 
Oben 3 U meifeit, tooher allein bie ©ülfe fommt 
(5J3falm 121,1.2); feuhete, ebeitfomohl alS 
SluSbrtuf beglichen (SrbartttettS unb SDätflcfühlö, 
toie aitflleid) alS ftiller ©cbetSruf su ©ott. & h u c 
bich auf! fotoohl bie oerfchloffetteit Ohrett toie bie 
ßebunbene 3unfle, ber ftcfchloffcne 3)iutib. 

8.35: Uttb rebete, foflleich, ohne bie3'vi= 
fdjetiftufcit einer erft alltnählid) fiel) etttmidelnben 
Sprachfertigkeit burchlaufcit su ittüffctt, toie ctma 
jener ©littbe 8, 24 ff.; red)t= oollfommeit unb 
beutlid). 

8. 36: Sie feilten e§32iemattb faaetv 
braußeit, außerhalb be3 5hcifc3 ber mit ber Sadje 
bereite fflefannten; betttt e3 toareit fchoit fo viele 
Ätattfe su ihm ßebradtt (IDiatth. 15, 30), bafi er fei= 
tte3 eiactttlid)en 33eruf3 (ber ©rebißt) nicht fo toar- 
ten fonnte, toie er fterne toollic, vcvfll. 3 U 1, 37 ff., 
8eft. am 3. ^att. Sind) bcfaitb er fich ia noch auf 
halbheibnifchcm ©oben unb mußte hier tun fo ßc= 
tviffetihafter allen falfdjett 91uffaffuttoctt feiner 
SButtfcer entaeaentreten. 3«flkich feil babtird) aber 
auch ber ©chcilte felbft bett r e cl) t c tt © e b r a u cb 
v o tt O h r ti n b 3 n tt fl e lernen; rechte 

©ören unb ©ovehett ift ba3 ©chovdteit, unb baS 
rcd)te 92eben befteht oft acrabe im Sdnociflett, too 
er un3 fdttociflen ftatt recett heifet. Gr toill and) 
hier für feine ©erfett feine Gbrc, unb möchte bett 
©enefcnett bctoahvcit, burd) eitlcS Ditihmctt unb 
©rahlen mit ihm unb mit feiner Grfahvmtfl beit 
inneren Scflctt toieber su verlieren, ^e mehr 
fie c 3 a u $ b r c i t e t e n, an bem ftavfcn ©erbot 
entsünbet fidt eine um fo ftärfere ©cflicvbe, ihm 
fllcidttoohl burch lautet unb offene^ ©efennen bie 
Ghre sti flebett, fo hittflcriffen finb fie von feinen 
Shateti; ba3 ift stoar ächt ntenfdtlid) fchöu, aber in 
biefent ^all bod) nicht redtt. 

8.87: Gr hat e§ aließ toohl flcmadjt, 
tveift stirüd auf 1 3Kof. 1,31, benn bie Grlöfmtfl 
ift eine ffiollcnbuufl uttb SBtcberhcrftclluitfl ber 
Sdtöpfuna, aber and) prophetifeh hinaus auf beit 

roßen gobflcfang ber Gtoiflfeü, ber ben Sdyiujjdjor 

er flaitsen 2Bcltflefd)id)te bilbeit tvirb. 

^iÖfioRtiou. „® er © c rr hat a ll e 3 to o h l 
A e m a d) t" (95. 37). ®ie3 sciflt fid) hier 

1. 2(it bem hoppelten Sieg be3 ©lau= 
b ett3 (95. 24—30), tooriit 

a) ber ©laitbc ben ©errtt felbft befiegt, aber auch 

b) ber ©cn burd) ben ©laubeit bie 9(0tb befieflt; 
unb 

2. 3u ber hoppelten ©ülfe be^ © err it 
(2?. 31—37), toie er 

a) ba3 Ohr öffnet, mtb 

b) bie Bmtflc lö^t. (3ur tvcitcrcit 9lu6ffth s 
ruitfl: Ohr uitb9Rutib finb stvei eble ©ottc^gabcn 
fd)oit von 92atur, für bie man viel su wenig teuft; 
ba3 Ginc öffnet uttS bie gattse SBelt bcS @ciftc§, 
unb läßt fie in SBort tutb Älattg auf und toirfen, 
ba3 9litbcrc (aßt bie gattse innere 9Belt unfern @ci= 
ftc3 ttad) außen auSftromeu in Sprache unb@efaug; 
aber and) fie toerbeit nur burd) Ghrifti Äraft geweiht 
unb verebelt, fo baü fie ba§ toerbeit fömten, toaö fie 
fein follen; nur er öffnet ba3 Ohr für bie Stimme 


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272 


Sonntasfdiul^fektümen^ 


beS ©etoiffettS unb beS göttüdjen ©ortS, für bie 
SÄotb bcSSRädjften u. f. tu., unb bcu SDlunb jum 
Sobeit unb ®anfett, Siefennen unb Mieten, SDcal) 5 
neu, ©arnen unb SEroftcn. 


Sonntag, 14. 3Rai 1882. SJRarf. 8, 1 — 21 . 

IßebenSbrob unb Sauerteig. 

Sejt: GS lief baS ®olf au, unb fnntcn etliche 
taufenb aufammen, alfo baff fic fiel) unter einanber 
traten. ®a find er an unb faßte au feinen 3 üu- 
gern: Bunt erften, l)ütet eud) oor beut Sauerteige 
ber fßbarifäer, toelcheS ift bic £>eucbelei. (ßufaS 
12 , 1 .) 

I. 91 e ©pcifnng be$ ®olfe$. ( 28 .1—9.) ®. 1 : 

f ix ber Bett feiner oon 7, 24 an befebriebenett 
udjtartigen ©aitberuug burd) baS faft uitbe? 
tuobnte, tbeit unfruchtbare ©ebirgSlanb (33. 4.: 
rf© ü ft c u ) am norboft Ufer beS ©eeS; biel 
93olfS ba mar, um feine Sßtcbigt an bereit; 
tuäbrenb biefeS längeren 9lufentbaltS (93.2: „® re t 
Sage", tworitad) alfo, um baS Ucbcrnactjtcn in 

S reieit benfbar au madjeu, baS Greignifc in beit 
»oinnter gefallen fein muß) batten fic ihre 9leife? 
borrätbc aufgeaebrt (baber ltadtber bie leeren 
$?ör l> c, 35. 8), über bent Verlangen itad) feiner 
bintmliicbcn Speife, butten fic bie leiblichen 93c? 
bürfniffc gaua oergeffeit; iefet aber Hopft ber ©uns 
ger an, gerabc als fie fid) anfebitfen füllten, 3efuS 
tuieber au berlaffctt unb fid) für beit Eintritt beS für 
bie SDlciftcn aiemlid) langen DiüdtoegS nod) einmal 
batten recht jatt effeit folleit. Unb fpracb au 
i b n e 11 , ßleid)fant fie alS bie nadjftcn SSertraiiteit 
au {Käthe aicbeitb. 

®. 4: 28 0 be v nebnteit mir u.f.m. ©eint 
ttantlid) bie bon bir beabfichtifltc ©peifuttg auf gc? 
wohnlichem ©ege unb mit natürlichen SKitteln ge? 
fdjcöcit folt. GS ift allcrbingS auffallenb, bafi fic, 
obwohl fie bie nodj nicht allaulange borber (3Karf. 
6 , 31 ff.) ftattgefunbene ©peifuttg ber S ü n f t a u? 
f e n b nod) nana frifd) int ©cbädjtnijj haben muff? 
ien, eine folcbeSrage tbun fonnteu; inbeffeit fonnte 
tnoplidjcrmeife gcrabe biefe fo beftimmt an fie 
aertchtete Anfrage, bic faft wie eine 9(ufforberuug 
rlattg, betfi fie f c l b ft bicSntal helfen folleit, fie 
getoifferutajicu ameifclbaft ntadten, ober aud) hier 
tuieber ebenfo tuie bort baitbeltt tu olle, ohne ba& 
man auitcbmcn uuifitc, baff fie barait atocifclten, 
ba& er aud) jefet tuieber retten f o 11 tt e; and) ift ja 
nirgeitbS gefaßt, bafi fie baS frühere ©uitber wirf? 
lief) fd)on gaita uergeffeit batten, atibererfeitS batten 
fie aud) fein 9t echt, feine ©Überholung nur fo 
ohne ©citcreS alS fclbftoerftänblidj au ertuarteu. 
föattc bod) nicht and) 9)tofcS fchon fid> eineS glci? 
eben ÄleinglaubenS fchitlbtg gemad)t (4 3Mof. 11, 
21 ff. uergi. mit $>f- 78, 19 ff.), unb tueldjer Gbrift 
batte nicht in feiner eigenen inneren fi>eraenSerfal) ? 
runa über ähnliche Grlcbniffe au Hagen? 

®. 5: ®ic toeitere 33erbanblung unb SSeraitftab 
tung ift tuobl abfichtlich gana biefelbe tuie bei ber 
früheren ©unbertbat, um fie red)t beutlid) unb 
gefüffenttid) baratt au erinnern; abtueidjeitb ift bie* 


nur ber Gine Bug einer hoppelten ©eibc ber 
fd)on borbanbetten, aber uitaurcidtcnben 9tabrung3? 
mittel: ber 33robe allein (33. C) unb bann aud) noch 
ber Sifdte (33. 7). Gbenfo abfichtlich tuirb bi$ 9lit? 
aabl aller oorrätbigen 33robc unb Sijdjc gaita 
genau angegeben, offenbar, bainit nachher nicht 
«ftemaitb fagett foitite, eS fei nod) heimlich eine gute 
SÜtenge berftedt getuefeit unb bie ©acbe gebe gaita 
natürlich au. 

II. 9 ie «htoeifuug ber $ljarifaer. (®. 10—13.) 
®. 10: Dalmanutba, ein faft unbefatittter 
utibebeutenber Ort im ©cbict bott SMagbala 
(9Katth. 1 0 , 39), aut fübiueftlieben ©eftabe bcö 
SeeS, fo bafi er fchräg über benfelbeit berübergefab- 
reit fein utu§. 9 lbfid)tlid) batte er biefe Ueberfabrt 
erft nach (Sntlaffung beS SSol U (SB. 9) unb bloS 
mit feinen Süngcnt allein in möglidjfter Stille bc= 
tuerfftclligt unb toar aud) an biefer gaita ungctoöbw» 
liehen ©teile gclanbet. ®a biefelbe aber in ber 
9?abc bcnÖabara, beut ©djauplab jener tuun= 
berbarcit Teilung bcS SScfcffcncit (ft'ap. 5,1 ff.), 
lag, fo erflärt fid)S leicht, bafj ihn alobalb auf fci= 
nein Buge burd) jene ©egcitb tuieber eilte gattae 
SDienge SSolfS begleitete (vergl. ^uf. 12 , 1 ff.), 
ßbeitfo natürlid) ift eS aber aud), baü fofort aud) 
feine alten Seinbc fid) tuieber regelt, bic bei feiner 
Gntioeicbung ttad) beut pbcniaifdtcn ©renalaiib (7, 
24 ff.) ihren SBcrfudt, ihm beiaufommen, tuieber 
batten aufgebeu müffcit. 3 cfct nahmen fie ihn 
attf’S 9(eue auf uttb atuar mit neuer &ift unb ftraft, 
burd) bie etttfehiebene S-orberung eiueS 111 e f f t a= 
tt i f d) e tt B c i d) e tt S, baS er, tuie fic oerntutheu, 
nicht uerridtten famt; bann aber ift feine @ad)e 
Perloren unb fie feinten ihn in beit 9lugcn beS SJoh 
feS nicht au ©dtanbeit macbeit alS Ginett, ber fid) 
bloS für beit 50?ejfiaS auSgicbt, aber feine falfrbett 
9 litfprüche auf göttliche Gbre unb ©ürbe nidtt au 
legitimireit uenttag unb baber tuegett tuibcn*ccbtlid)er 
9 lnntaüung berfelbcn alb ©otteSläftcrcr fterben 
ntttü, uergi. 3 ob. 5,18. 3 br $lan tuar alfo eben 
fo fchlau alS gefährlich; baati batten fie mädttige 
ffluitbcSgett offen. 

®. 11 : ® i e b a r i f ä e r (ttad) 2 Rattb. 16, 
1 , nod) burd) bie ©abbucaer uerftarft) g i 11 = 
p e it heran S, tuobl auS irgettb cittcttt i&auS eiitcS 
ihrer fjjartcigcnoffcn, tuoritt fic fid) tuie bisher tuie 
in einem fieberen ©cblupftuiitfcl oevftecft uttb auf 
bie Sauer gelegt batten, ©idj mit ihm au 
befragen, b. b. burd) allerlei verfängliche Sra= 
gen ihm binterliftiger ©eife Sailen au ftcüeit, vor 
allem aber ihn burd) bie tuiebcrholte fjovberitng beS 
ihm fd)oit einmal abuerlangten aber Pott ihm ctit= 
fchiebeit uertueigerten tneffiaitifchcn BcichettS (uergi. 
iDJatth. 12, 38) in bie Gnge au treiben nnb ent= 
tueber auitt Elnfchlnh an fie felbcr, b. h. aur Unter? 
orbnung unter ihre ©abuttgcit, ober autit Slttfgcbcu 
feiner ©adje überhaupt, ober enblich aunt Pollen 
unb offenen Söruch mit ber berrfdjcitben Partei au 
atuiitgeit, in tueldtem Salle fein ©dtidfal gleidtfallS 
befiegclt unb er für ihre berrfchfüchtigeit $lane tut? 
fchablidt gentadjt tuirb. 

®. 12: ©eufatc, nämlich über biefeit fleifcb? 
liehen Gigenfinti nnb Unglauben, unb auS ©cbittcra 
über ihre beuchlcrifche SSerftodtbcit unb Salfdtbeit, 
bie auf ein $immetSaeid)cn bringt unb bod) nur 
feinen &ob bcabfichtigt. e i it B c i d) c n, alS 
baS fchon früher angebeutete (uergi. SKattb. 12, 


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$0imift$fd)uUfehti0ttro. 


273 


39ffO ^ouabgeidjen, bab aber gerabe fein foldjeb ift, 
wie fteeb begehrten (fein himm(ifcTieb) unb Unten 
and) nid)t fefet fchott, fonbern crft fpäter, unb nid^t 
gu ihrem Segen, fonbern ihnen gum Ünfegeit gu 
Sheil wirb; mährenb er bab ©immelbgeidwn, bab 
er ihnen »erfaßt*unb »erfaßen mu 6, halb barauf 
feinen brei »ertrauteften Süiigertt geigt($ap. 9,1 ff.) 

®. 13: Sr liefe fie befdämt fteheit unb 
weicht ber gcfahrltdicu Schlinge wieberum »orftdtig 
aub, beim hätte er ihnen ihre Sitte gewährt, fo hätte 
er eben in ihrem falfchcit fTcifthlideit Sinn alb 
üRefiiaS auf treten unb eben bamit gang gu ihnen 
übergehen, fich gutn Söerfgeug ihrer Vlänc madjeit 
muffen, grubt herüber/ tvieber ttad bcrSftorb* 
oftfeite guriiet, alfo nicht aub feiger ftuvdt »or ihren 
9Äorb»läitcn, fonbern in weiter 9thfid)t, untevwcgb 
feine ^üitßer vor ihnen gu warnen unb gu belehren, 
^ttgletdi war bieb gortgehcit ein fchvcdlideb ©eridjt 
Tür bie gfeiitbe 3(efu, beim eb flieht für beit ÜÄeitfcfeen 
nichts Sddimmcreb, alb wenn bie SBabrhcit ihn 
gant unb gar »erläfet/ unb er ftch felbft Aberlaffen 
bleibt. 

HL Xlt 8»tt#ii§dfit?jg ber dmsger. (V. 14 

6ib2l.) ®. 14: Unb fie#. natürlich bie Slüitger. 
®iefei jjug wirb gletdfattb wiebet nur allein uon 
äRattub aubbtitdlich erwähnt, um bab SÜiifeverftänb* 
nifeV.16 gleich gum Voraub gu erklären: bei ber 
ßile bei rafebeu unb unvorhcrgcfehciten Abfahrt 
haben fte »erfäumt, fofort nach bciSanbuug fid für 
bie ffleiterreife mit einem gtöfeeren SKitnbvorvath 
gu »erfeheit. 3)ie fKücffchr gefcfe.nh aber barum fc 
fchncll; weil fleh nun bei ©ert nirgenbb mehr recht 
ftchei »or feinen ubermächtißcn fjeinben fühlte f unb 
ihnen bod nicht in bie ©äubc fallen wollte unb 
follte, bamit nicht vorgeitig fein Sitbc herbeigefulyrt 
würbe/ ehe tiod) bie jünger auf fein Seiten, Sterben 
unb Suferftchcn redt vorbereitet unb »on bent auch 
ihnen noch anbaftenben Sauerteiß beb Sofeit ge* 
läutert unb ßerciitißt unb ehe S$3rael unb bie ®elt 
reif wäre jotvohl für bab mit feinem Opfertob be* 
iitncftbe ®cricht über ben Unßlaubcn ; alb auch 
«gebotene ©eil burch ben ©laubcn. ®icfe ent* 
ftheibeitbe Stunbe barf er nicht cigenmädtiß be* 
fchleunißcit/ ehe bie »ottt Vater »erorbitcte 3eit er* 
füllt ift. 9£arfub felber geißt unb bctttlich bte Sitt* 
widluitßcn beb Äantpfeb in ®aliläa (»ral. 2, 6; 
3, 22; 7, l)/ bort ift alfo feineb Sleibenb md)t läit- 
fletr unb noch viel wenißer in 3ubäa, bent cigent* 
liehen ©erb ber feinbfeligen Sewegitngen ßeßett ihn, 
beut Sife beb ©ohenrathb u. f. w., wo unb ^ohan* 
neb ein gang ähnliche^ 9Mlb ftch fteigernben leiben* 
fchaftlicheit ©affeb ßeßeit ihn geißt, beflcn eimeine 
Stufen audj hier bie wieberholteit nitb immer ftüv- 
mifefeet uitb briitßcttbcr toerbenbett Beidjeitforbcntn* 
gen fiitb (3ob. 2,18 unb 6,30). Stur noch ienfeitb. 
oeb Vorbau famt er eine 3citlana auf freiem ftitfe 
mit feinen ^ungern leben, um fie unb fid) felber 
gum lebten Sobebgaitg gu rüfteit; baher gieht er fich 
borthiu in ben fRorboftcn beb See’b ttachScth = 
faiba (V. 22) gurfuf. 

®. 15: ® eb ot ihiteit, bie Seele noch »oll »on 
ben eben gehabten Siubrüdeit (3S. 11 ff.). ®iefc§ 
ßaitgc ©cfpräd) finbet offenbar nid)t erft auf bet 
SBanberintß nach ber Sanbuitß, fonbern noch wäh* 
tenb ber Seefahrt felbft ftatt; er beitubt biefe 3Kttfec 
gu einer eitibrinßlidien intimen Unterrebunß, bie er 
ßang abfid)tM) auf ba8 Schiff »erlegt, weil er ba 


allein noch ßang nnaeftört mit ihnen gufammen fein 
fatttt. Statt ber SBatth.lö, l erwähnten Sab = 
bu ca er, ben bcfonber3 ßcfährlidteit, weil in ©ali- 
läa ßerabe fehr gahlrcich »crtrctcncn Sarlci, erwähnt 
hier 3Karfu3 ben ©crobcS, wa3 fein 2Biberf»vuch 
ift, beim wenn and) er felber »iclleid)t nid)t eißent- 
ltdj gur fabbucäifchett Schule gehörte, fo hulbißtcn 
bod) er felbft unb feine Anhänger am ©ofe ben 
loderen ©niubfäfeett iener ßcttufefucbtigcn weit- 
ntänitifdjeit Rrcigcifter. Sehet eud) »or; biefe 
9Barnung läfet barauf fchliefecn, bafi er wohl wtifetc, 
wie feine jünger gang unbewufet unb in3ßchcim 
audi uod) »on biefer SDcnfwcifc angeftedt waren, 
fomit eine ent fte SRalwung bringenb nothwenbig 
hatten: eß aalt eine innere Sidifatng mtb SicinU 
ßiutg aud) bc3 3üiißcrfrcifc3, al3 ber ©rmtblagc 
ber neuen ©tntmclrcichößcmcinbe »on allem Sauer¬ 
teig, bet befanntlid) fdjon im 91.St. (2 SDiof. 12,15 ff.) 
al3 »erunretntgenb, weil bctu Icidjt, aber nicht noth ? 
wettbig mit Säulttife enbenben ©ähvuttßopvogcfe an* 
aehorig, aubgefegt tvcvbcu mufetc, wie er bentt in ber 
Sibcl faft immer alb Silb »on etwab Unreinem 
mtb fittlid) Verwerflichem gilt (»rßl. 1 Sor. 5,6; 
©al. 5,9). ^lllerbinßb ift bicb ttt lefetcvcn Stellen 
nur burd) bett Sufamntenhaug gegeben, ober wirb 
eb wie 8uf. 12,1 burd) einen aitbbrudltcbcti Seifafe 
(„ber ©eudtelei'O begeidmet, beim ohne eine 
foldte nähere Segctchmutß ift an unb für fid) gc* 
itommen ber Sauerteiß felbft für fid) allein nur bab 
Silb »ott etwab tief Sinbringcnbem unb gang 
®urdjbrhtßctibcm, bab eine latiafamc, ater fidere 
unb burdtareifenbe SEBirfung hcnwrbrinat, bie abet 
an fid) tted) ttidtt nothwenbig eine fd)kd)te unb »er* 
werflide fein mufe, wie fennte fonft ber Sauerteiß, 
bieb unentbehrliche SRittcl gur ©croorbringting eitieb 
gefunbeit unb fdmtadhaftcn ffirobeb, 3)tatth. 13,33 
»out ©emt felbft auf bab ©imnielrctdj anrewanbt 
loetben,' um cb alb Icbcnbige, 3llleb burdbrinaenbe, 
crhaltcnbc unb umgcftaltcnbc SDcacbt gu begeidmen, 
bie bab ihr Vcrtraubte angicht unb fid) gleich madt? 
?kbenfallb begeidmet bcrfclbc nidtb biob ?(cufeev* 
lideb, fonbern bie gange Sumcbart ber Vharifäer 
unb Sabbucäer, bie allcrbingb gunädft in ihrer 
falfdett Sehre hervortritt, bie barum 3)fatth.l6, 
12 aud allein genannt unb befottberb hervorgehoben 
wirb, bann aber auch in 9111cm wab aub bcrfelben 
folgt: im geben unb SBattfcel, ®idteit unb Strad* 
teit, ©cfinmtng, Sharafter, ffiortrag, SGBcrf, furg 
ihrem gangen »erfehrten gottlofcn Stxeiben. 

®. 16: ®ab SDcifeverftänbuife ber jünger beficht 
bariit, bafe fie meinen, er wolle fte biob baoor war* 
neu, »on ben ©enannten fein Srob gu faufcit ober 
aitgunehmett, wenn fte nun halb burd beit »on ihnen 
»erfdulbeteit 9Kangel genethigt feitt werben, freut* 
beb Srob gu effett; fie faffen eb alfo gang tudftäb* 
lieh, entwebev alb Verbot beb Verfehrb mit iciicit 
überhaupt, choa iit ber9D?dmmg, er wolle bcitUm* 
gang mit ihnen alb ebenfo »eruttreiniaenb, wie bie 
Serühruna mit ben ©etbcit begeidmen, ober »icllcidt 
gar alb Xnbeuhing ber %f<thr, »ott ihnen vergiftet 
gn werben, währenb bie STOahttting bod) reitt inner* 
lieft unb ßciftig befolgt tverben follte. 

®. 17: Sejub tabelt ihre tutnüfee Sorge burd) 
©iitweib auf ihre eigene frühere Erfahrung, bie 
ihnen genngfam gegeigt haben fonttte, bafe bet ihm 
n t e Srobmaintel eintveten f a tt it; er nennt ihr ©erg 
ein »erftarrtcb, »crftiuimtcb unb »erftodteb, fühl* 


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274 


Sonntasfi^uUlekttoitett. 


lofeS: ein fdjarfe3 SGBort nnb bod) nid>t 511 Warf, 
beim ihr ©dnvacbßlaube war bod) im ©ritnbe 
eiflentlid) fchoit Uitfllaitben. 

®. 21 : 213tc? vernehmet ihr beitn nid)t3? 
6 r rüßt beit 2)taitßel allc3 93crftänbniffe3 für ihn 
unb feine ©ad)c, ihre ßäitglidje Unfähißfeit, att3 
bent täßlidjen Untßattß mit ihm bie ved)te ©rfennts 
niö be3 ©laubeitS unb bie rechte »raftifdje 5 oiße= 
muß unbcbiitßten ©laubeitS unb völlißer ver- 
tramntßSvoüer &utßabe an ihn m sieben; unb bod) 
traat er and) nod) mit ihrer obmohl ßroheittheilS 
felbftverfchiilbcten Ünmiffcnbeit©ebuib; erbefdjämt 
fie mobb aber vermirft fie nid)t unb meift fic nicht 
ßang unb aar von fid). ( 8 uther.) 

$i$|)afittatt. SBie geißt iiitfcr Scjt uit 3 
beute beit föcilanb? 

1 . 9(13 beit ßrbartner, beit e3 beS 93olfe3 
iaininert (93. 1—3); 

2 . 9(13 ben ©rrettcr, ber touttberbar hilft 
(33.4-9); 

3. 9(13 ben ©crgenSfunbißett, ber Sitte 
burcbfchaitt (33.10—13); 

4. 91(3 ben treuen 9D?ctftcr# bcrbieSeinU 
ßen marnt (33. 14—21). 

Ober fürger: BmeiSBorte aitSunfcrer 8 cftion: 

a) ©iit 25ort voll felißen ©rofteS: ©otßet 
ttid)t! (93.1—9); 

b) Sinffiort voll beilißen SritfteS: ©ütet euch! 

( 33 . 10 — 21 ). 


©oitntaß, 21 . SWai. 9Karf. 8 , 22—33. 

Qcrfaljrung nnb Sefenntntj). 

Seit; ©a antmortete ©itnoit 23ctru3 uitb fgradj: 
©it bift ©hriftuS, bc3 (ebenbißen ©otteS Sohn. 
(9)totth. 16,16.) 

l. $if fieilnnß tot* ©linbrn bei ©etbfoitm. 

(33. 22—26.) (Sine nur 0011 9Marfu3 attetn«. 0011 
ihm aber micber mit ber ßattgen ibut eißeneu 9(u3= 
führlidtfeit erzählt. 

®.22: 23ethfaiba faitn hier nid)t ba3 bcfaitnte 
SBethfaiba in ©a(i(äa (5tob- 12, 21 ) unmittelbar 
am ©ec, fübmeftlid) 001 t ftapernaum ßelcßeit, fein, 
fonberit e3 muh ba3 im 9?orboften bcffelbcn, im ®c= 
tuet be3 93ierfürfteit 93hilippi befiitblidje 23cthfaiba 
fein, ba3 unter feiner §>evrfd)aft att3 einem unbe* 
beutenben fylccfeit fid) gu einer gieutlid) blübenbeit 
Stabt aufßcfdmutitflcn batte unb m ßhrcit ber 
3u(ia, einer ©od)ter be3 Ä'aifcrS 9(iißitftti3, beit 
23eiitamcit 23ethfaiba J|ulia3 führte; 001 t hier 
au3 ßiitß ber 23eß bann mieber meitcr itad) ÜWorb- 
ofteit in ber fdjoit bei ber Ueberfabrt quer über ben 
©ee (33.13) eiitßefddaßeneit 9M>tiutß immer mehr 
lanbemmärt3 bisGäfarea 93hili»Vi (33. 27). ©iitc n 
231 i it b e n, ttitb gmar b(inb ßemorbenen, nid)t bliitb 
aeborciteit, beim 33. 24 fefet oorau3, bah er früher 
9}?citjd)eit unb 33dititte ßcfeben batte. 

®. 28: 92abm ihn bei ber £>aitb» um au 
ber Stelle feiner bi3berißett Ceiter ßteichfam be3 
SMittben 9(nße gu merben; unb führte ihn hin¬ 
aus, ber ©runb bierooit ift iebcnfattö nicht ber» baß 
SJcfii'3 etma ben iJMafc für uinoürbtß hielt, um 3 cttße 
etner fo ßrofjen 28uiibertbat gu merben, mie man 
fd(fd)lid) au 3 33.26 fdjlicfjeit molltc, unb ebenfo* 


menia ber, bah er feinen iefeißeit, befottberS erbitter¬ 
ten geiitbeit feinen 9(itlah gut 33erfolßtutß ßeben 
mellte, fonbern er laß and) hier nur itt ber 93crfoit 
be3 ftranfeit fclbft unb feilten ßattg fpcgicllcu 33c= 
bürfniffeit, aattg mie 7,33ff. ( 8 cftion am 7. 9)?ai). 
Sind) hier fd)ilfcevt 3Äarfu3 micbd febr eiitßehcnb 
alle eiitgelueit 3 ttße unb 2 ?orßäitßc bei beut ßang 
allmdbltd) fortf(breitettbett föeilmunbcr, 
beffeit erfte Stufe bie 93. 23 bcridjtete ifilieber- 
berftelluitß ber ©ehfraft im 9l(Ißemeineit bildet, ba* 
her aud) hier jd)Ott bie ftraße be3 £>errit ntößlid) 
mar, ob er ctma3 fdbe, meint auch oorcrftitur 
in bunfleit unbeftintmten llntriffcn, ohne bah man 
aber beSbalb ßcnotbipt ift atigitnebmeii, eine voll* 
ftdnbißc »löbliche $etluitß mit ©incntntal fei nur 
bantitt hier itid)t ntößlid) ßemefeit, meil eS betn 
9Wamt aitfditßlid) ltod) an oöllißem ©laubeit ßefeblt 
habe, mornad) alfo ber laußfaitte ©aitß ber ©ene= 
fttiiß mit beut Iattßfamcit 953ad)feit feines ©laubenS 
gufaiitmcitbiitße. 

®. 24: (Sr fab auf, um ben erften 9?crfud) gu 
tnad)eit unb mirflid) ficht er manbclitbc ©eftalten, 
aber fo unbeutlid), baft er im 3'ucifcl ift, ob e3 
93ditinc ober SDtettfchcit fiitb, fie fittb fo ßrofe unb 
unfcrmlid), ba 6 er ßeueißt ift, fie für 33dttmc gu 
halten, nur auS ber mahrßcitommencn Söemeßuitß 
fd)lic&t er, baß e3 9Wcnfd)eit fein muffen. 

ö.25 hübet bie gmeite ©tufe ber ©eiluitß: 
©tdvfuiiß ber ©ehfraft bi3 ginn ©mfcfiuceii nnb 
Sefthaltcn beutlidjer unb flarcr ©efichtSbilber, ftatt 
blofjcr fdimanfeitbcr ßinbrücfc, fo baß er nun a Ue3 
f d> a rf fetten fountc, ohne beim 9Mirt in bie 
Sernc baS rcd)tc 91ußcnnta6 gtt verlieren, mie imrbin 
33.24. 9(uch in ber 9(nmcitbttitß auf ^cilttttß 
ber ßciftlid) 9}linbcit ßiebt c3 ähnliche altt 
mdhlivhe unb ftufeniveife 93orßdttße; gumeilen allere 
bitta3 ßeht e3 bei ber ©rtocamiß unb 9}efchriutß 
auch rafd) uitb üefelid', toie auf ©iitctt ©d)laß, fo 
g. 33. bei 33aultt3 oor ©amaSfitS, bent mit ©iitent» 
mal bie ©dttt^eit 0011 beit 91tißcn fallen, mobei 
aber merfmürbtßer SDBcifc in bcmfclbcit 91tißenbli(f, 
mo ihm bie ©erfe toeaflenoutmen mirb, eine geit* 
meiliße leibliche Grblittbuttß gtt bem Bmcd eintritt, 
ihn oorerft allen äußeren ftövcnbcit (Simvivfuttßen 
gu eittrücfcn; bod) ift bic 3 ttid)t bie 9tcßd, fonbern 
bilbet eine 9(u3ttahme / für ßcmchnlid) ift ntciftenS 
eine ©ntmidlunß bcS©laitbcnö von leifett 9(nfdnßen 
an gu bemerfett, uitb matt foütc beim auch bei nod) 
fd)mad)em SHaftc ber (Srfenittniö vorerft mit bem 
vom Ferrit ßefdteitfteit fiid)t gufricbcit fein, mie hier 
in 93.24 auch fdjott ßattg bcutlid) ber 91ti3hud ber 
Sreube uitb ©attfbarfeit ließt, bah er überhauvt 
micber © t m a 3 Ttcht, mentt aud) ttodj niditS larc3, 
aber nidit vorcilia fid) eiitbilbcit ober ßar fdlid'lidjer 
3Seifc and) vor Vlnberen fid) ftellcn, a!3 hätte uitb 
vcrftüitbe man mm fd)ott 9lüc3 ßrüttblich unb ßang, 
fottbern ebettfo aufrichtiß, mie biefer 93liitbe hier bc= 
fcititett, bah uttferSBiffcn tioch©tücfmcvf ift (16er. 
13, 12). Srcilid) ßcitüßt biefe buitfle ©rfcitittniß 
bem ©errn felber ttod) trid)t, er mill toeiter führen 
bi3 gutn »ollen 8 id)t beS ©laubcitS, movoit 3oh. 9, 
38; 2 ©or. 4 ,6 bie Siebe ift, aber mir fetten lernen 
tutS biefe höhere ©rfctmtnih meber felber gugiticbreU 
ben, ehe mit fie haben, nod) ße tnt3 felber mie einen 
Siautt bahimtehmett mollctt, fottbern fie von ©ott 
erbitten unb. ermarten, mie unb mann er fie 11118 
fd)cttfcn mill. 


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$mmtagfd)ul^efetuittiu 


275 


8 . 26:Safle cS aitdj 51 ientanb brin= 
neu; ber ©runb ift auch fiter, um fein unnötßiflcS 
jfuffeßcit unb überflüfRfleS ©crebe au »erurfachen, 
bamit et* niefit tdflüd) »on föülfefmhenbeit anflelaits 
feit merbe, mdfircnb er bodj mit feinen 3ütiflcrn 
allein fein muß unb null; außlctd) aber flefdjiefitS 
and) mieber um ber ©enefenben felfift millcit, ben 
er hier, mie f»dter feine Süufler 33. 30 burcl) fein 
®ebot au fdjmctflen, »on ber erften lauten Steube 
(23. 24) au ber ftillcn S'vcube füfiren mödjte, bie 
ftd) beS neiiflefdjenfteu Siebtes nid)t »rablerifdj 
rühmt, mobl aber cS tu ber Stille bemabrt unb 
»erinehrt; alfo nana mie .tta». 7, 36, nur baß fiier 
feiu 33efefi( beffer befolgt wirb alS bort. 

II. 2>le ©orflättfle in «iftrtt $|UUMri (33.27 
bis 33), unb amar: 

a. 3 c f u 33 c u r t fi e i l u n fl » o n ben 8 e u= 
ten unb baS Siefenntniß beS 33etrnS 
(33. 27—30). ®ie bret erften ßoanacliften cvadfi- 
len alle bie ©cfdjidjtc twn 33etri 33efeuntniß, nur 
baß SufaS nodj bcfonberS fierworfiebt, baß eS ftatt= 
fanb, als ber Qm mit ben ^üitflern allein mar unb 
betete. 3)aflCflen läßt fomobl er, alS ber fünft fo 
euau beriefitenbe 3)?avfu3 ohne Bmeifel abftcf>tlid> 
ie »on SDtatthduS fo ftarf betonte Selifl»reifuitfl 
beS 33ctru3 meß, iebeufallS ein ftarfer 3)cmci3, mie 
menia 33ctruS felfift, unter beffen befonberem ßiit= 
flnftySarfuS fdmefi, barin eine bcroorraßeitbe amt* 
liebe Stclluna im 2t»oftelfreiS unb bauernbe 3lttSs 
^eic^ntma unb Untcrfcbetbuufl »on ben übrigen 3üu* 
ßcrn in filinber 3Seife etma nach 9trt ber fatfiolifdieu 
Sehre »on ber päpftticbeit SBütbe beS 33etruS faß; 
ftatt beffen fiat gcrabe 3HarfuS, aber auch üKatthäuS, 
bie enae 33erbinbunfl unferer ©efd)id)te mit ber 
erften ScibenSoerfünbiflung unb beitt barau ßefitü»f- 
ten 3Bort beS öcrrtt von ber ÄreuacSitadjfolfle (33. 
34 ff.) in ben 23orbcrflrunb acftcllt. 

8 . 27: unb feine 3t ü u a c r, nach 33erS 34 
autb noch eine ofine 3n>cifct fleinere 3Benae 33offS, 
eine Schaar non eitacren Slnhdußcrn. Staflte 
er fie, abfkfitlid) fidlt er foaufaaeu eine 3$riifttnfl 
mit ifinen, mie loeit Re eS fiiS iefit febon in ber ßr- 
lenittitiß bc-3 mähren SBefcnS feiner 33erfon ßcbjadft 
haben; er mill ifinen Slitlaß flebeit, fiefi feibft mit 
ihrem ciflenen 33cfcuntniß»on bem ber öffentlichen 
SReinuiifl, bie ifiit als uRcfuaS »ermarf, beftimmt 
au unterfefieibeu unb abmfonbern alS Äcrn feiner 
tüuftißen ©eitieinbe. 3BaS fagen bie 8eute: 
eS ift betn öcvvu nid)t flleichgiltia, maS man »on 
ihm rebet, unb barttm foll eS auefi feinen. 3ünflern 
nicht fllcicfiailtifl fein. 

8 . 28: ®ie SBafirfieit ift nur ßine, aber ber 
3rrthüuter ftub »ielc, barunt lautet aud> baSUftfieil 
ber ÜÄenge fo cntfdjieben. 2)cn erft furj au»or et* 
ntorbeten 3 o fi a n n e S ben 5E d it f e r hielt man 
am £of beS ©crobeS für mieber auferftanben (ffa». 
6,15), waS toofil auch in bie SSolfSmeinttnfl übcr= j 
aeaattflen mar, menn eS nicht »ielleidft and) ein 3et- 
dien ba»on ift, baß baS 33olt »on biefem ©ottcS= 
mann mirflid) nicht alaubcit fonnte, baß er für 
immer meflflenommeit fei. JyürGliaS hielt man 
ihn mit Seatifl auf 3Hal. 4, 5; ober für ber $ros 
bheten Sincn, tiadj SWattfi. 16, 14 ehva ben 
ßlifa ober ^cremia. 5?ür etmaS Unbcbeutcnbe^ 
faß ifin alfo iebeufallS ^tiemanb an, ben ©efanbten 
@otteS, ber fid> burd) SBort unb 308er! biSfier fefion 
rekfilicfi flenufl leflitimirt hatte, tonnte man in ihm 


unmofllidj oertenneit; aber für ben SWefRaS hielt 
man ihn iefet nach ber flroßeit, 3oh. 6,66, aiiflebeu= 
teten ©(heibitiifl nid)t mehr, bie 33olfSflunft hatte 
ifin laiiflft fefion ocrlaffcn, loeil er ben fleifd)lid)en 
9KeffiaSfioffnunflcn JiSra^lS unb ihren ßnoartuiiflett 
auf ein irbifdjcS üteich nicht entforad). Sehr flitt 
Rnb in ben oerfefiiebenen 3)teimuiflen über ifin bic 
ocrfd)iebencn Slnficfitcn aut fi unferer 3cit über baS 
ßfirifteutfium reprdfeutirt ; baß eS mit ifim über- 
fiaimt ßar nichts fei, fann 3(iiflefiefitS ber3:fiat= 
bemeife ber flcfainmtcu Ä?ivd)eitflefa)idjte im Grnfte 
SWcmanb befiaimten; 33ielc aber halten cS cnt= 
meber nur für eine uutevflcorbnete Stufe ber 33or= 
bcreituiiö, morauf erft nreh ehoaS 33cffcvcS unb 
©WicreS folflcn muffe („^ofianncS'Of ober für ctnmS 
Iditflft 33cralteteS („Sliaö"), ober für choaS Unfla- 
reS, UnbeftimmtcS, ooit bem fie fclbft nicht vcd)t 
miffen maS eS ift, tvflcnb eine ihnen uncrfldvlicfic 
aciftifle 9Dtad)t („iracnb ein ^rcDfict"), momit fic 
fid)baher am liebften aar nicht näher einlaffen. 
liefen oielcn fchumiifenbcn 90?cinunacu Refit baS 
ßine fclfenfcfte, in fich feibft acmific, bcutliche unb 
einftiminiflc©laubcnSbcfenntuiß aller mafiven^ün- 
aer, bie baS» maS fic von ihm erfahren haben, eben 
barum and) nidjt auS SRcnfdcnfuvcht ober Säkn- 
fchcnflcfdlliflfcit oerfdjiociflcn, fonbern offen beaeiu 
fleit unb funb machen. 3«fllci(h ift merfmürbifl, 
mie biefer gaitsc 33ovf\aiifl eine cenaue ^Kuftration 
au ber ftufcnmcijcit ©eiluiifl beS SÖXinccn bilbet. 
ßtmaö ficht and) bic 3ßclt in ßhrifto, freilich 
bleibt eS nur bei uiiflcmiffcn SSermutfiunflcn; erft 
bei ben Slüuflcm foinint cS aufolae berfonlichen Um= 
flaitgS mit ihm, flleicfifaut beim Sehen in berSWdfie, 
au einer fdmrfen unb bcutlicheit Grfcnntitiß; bort 
ift mofil auch fdioit etmab ooit ber SBafivfieit, 
mcniflftcnS ihrer bdmmernbcn 9lfinuitfl torfianben, 
aber erft hier ift fie fla it a ba, unb auch bie ^üiifler 
fommen äur »ollen ©laubenSaenüßfieit nur buvch 
ftufeim>circn fSortfdnitt, auch fie Rnb nur laiiflfam 
unb allmdfilid) baS flemovben, umS fie fitib. 

®, 29: fßctrnS ift auch hier ber 9J?nnb ber 
Jduifler alS ber fidi nun erft ltcubilbenben ©emeinbe, 
bie Reh iefit mit biefem auch in ihrem Manien abfle- 
leßten feierlidien ©efenntniß, beffen »ollftdnbifle 
Sorm unb nadifieriflc 3(iterfennunfl burd) ben ©errit, 
unb nur SDJattfiduS allein eradfilt, ncfleitübev ber 
33erfennitiifl beS SSolfeS alS bie fiiwhc ßfivifti »oit 
ber SCBeXt abfoitbert unb auf ben rechten feften Seifen 
fteXlt. 

8.30: Sebräuete fie u. f. m., bis Rc 
ndmlich alS feine mit bem hciliflcit ©cift erfüllte 
i^euflcn in bic Oeffcntlicbfeit hinauStrctcn fonnen. 
ßine frühere ffunbflcbuna ihres ßjlaubcnS mürbe 
ltnaeitifl flcmefen fein, beim Re märe ia bodj nicht 
»erftaitben morbett; erft nach 33o(lcnbuufl feineS 
! ßtldfuitflSmerfS fann er alS Sohn ßfotteS unb S3er= 
föhnet ber 353elt ber flanacn SHcitfchheit fle»rebiflt 
merben, benn alle 8efire ruht auf ©efchid)tc, aller 
©lauben auf ßrfafireu mirflid) »orfianbener Sfiat- 
fadicn. 

b. 3 e f u 33 e r u r t h e i 1 tt it fl a u nt 8 e i b c n 

unb bie 3 utecht t» ei fit n fl beS 38etruS 

(33. 31—33). 

8.31: ^ub an fic an lehren, inbem er 
bamit and) anflleidi auf bie Bett hinmieS, bis au 
bereu 3lblauf ba3 eben auSflcf»rochene ©ebot ©il- 
tißfeit behalten feilte. Sr ftellt nun bemSBefcnntniß 


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276 


Sornitagfd)ul=#rfetionfm 


feiner Junger fein eißeneS ßeßeitüber;; a« beachten 
aber ift babei wohl» bafj er erft iefet, ttad)betn fie 
sunt oolleit ©laubeit unb (Srfenntni§ feitteä ßött= 
lieben SBefenä ßebradrt waren* ihnen fein beoor= 
fteheitbeS äobcSlood offenbart, nicht fdjoit früher, 
bamit fie nidtt, wie bie übrißeit ^ubett, benen ein 
aefreusißter 9Keffia3 ein Slerßernife war unb blieb 
(1 ßor. 1, 23), aut SBort oottt Ärcuj fid) ftojjcn 
möchten. 

8.32: ftrei offenbar, fo ba§ er aar nicht 
überhört ober mifwerftanbeit werben fonnte; ihm 
au wehren, er jode fid) bod) nicht fo linnotbiß 
ber fdiliminften ©efahr auäfefecn; er hatte alfo 
Jfefu SBort aaiis rkhtia aufßefaftt, wufjte aber biefeS 
93ilb eine-3 leibenbeit 9Meffia3 mit feinen oorßefafefcit 
SReinuitßcn oon (Shvifto nicht au vereinigen, trofebcin, 
ba§ länßft fd)on 3cfaia3 (Slao. 53) oon bicfein lei- 
benbeit ©otte3fitecht ßcweiffaat hatte, ©ein Gin= 
waub ßefdtah au3 fürforßlicher Siebe unb war in 
fofern nicht au tabeln, Aeußt aber and) baoon, bafj 
biefe Siebe nod> erne fehl* mcnfddicbe, ia fleifdilidte 
war unb oevbient weßeit biefer nod) wcfcntlid) irbifd) 
ßerichteten ©efinituitß, welche beit ßöttlidtcn $cil3= 
Olait nid)t oerftehen unb beutüthiß bcfchcibeit fid) ihm 
uitterorbiteit wid, adcrbiitß3beit ftrcußften 93erwci3. 

8. 33: f a h feine 3 ü it n er an, bie im 
föersen wohl beut 8etru3 bcioffichtetcit, fo bafj bie 
fcharfe Dtüße be3 iefeteven alfo auch ihnen aalt; 
allerbiiiß3 waren fie befd)eibencr ßewcfcit unb hatten 
bentüthiß ftidßefcbwießcn, nur ber encrßifd)e unb 
thatfraftiße, aber auch leicht oorlaute unb fid) fclbft 
überfchafeeitDe 8etru8 fahrt mit beut SBort herauf 
unb maßt e3, beut Ferrit fclbft ßerabesu au wiber= 
foredtcit, oiedeidjt and) in falfdjer Slitwetibutiß ber 
focbeit emofanßeneit SScoorAiißtiitß, worauf feine 
iefeiße 3ured)twcifunß tun fo eutofinblidtcr unb btt= 
ierev, freilief) aber and) um fo itöthißer unb heil- 
fanter ift. ©che hinter mid), fo baü bu 
mößluhft weit oon mir weßfommft unb mir ferne 
bleibeitb nicht mehr fdmben faitnft; biefe3 ernfte, 
ia herbe SBort erinnert ßaitA an 3Hattb. 4,10; ba= 
her er ihn and) ßcvabeAit einen © a t a n, einen S3er* 
ührer nennt, ber ihn ßaitA, ebenfo wie bort ber 8et= 
ud)er in ber SBüfte, oon beut ihm oon ©ott oer= 
orbnetcit ftiden unD fteileit SBeß bc3 leibenben 
$reuse3qehorfaiit3 unb ber ©dbftocrlcußmuiß auf 
einen bequemeren, leichteren unb ßlänsettbereit SBeß 
ber ©dbfterhaltunß weßlocfcit möchte. 

Silfiofitiott. ®ie ©auDtmomeiite be3 3ahte8 
laffeu fid) am (cichteften fo Aufammenfaffcit: er rebet 

1. oon ßhrifto al8 bem rechten Sichte 
(8. 22—26): 

*0 ohne ihn ift’3 finftcr um utt3 unb in uttS, 

b) nur burch ihn allein wirb’3 Ud)t unb bleibt’3 
liefet; 

2. oom rechten ©tauben an biefeö 
8 i d) t (8. 27—30) : 

a) ®ie falfdjen ober feoefe nur halbwahrett 9Jlei= 
miußeit ber SBelt, 

b) unb bem ßeßenüber ba3 oode unb wahre S3e= 
fenittnib ber 3intßcr; 

3. oont rcd) tcn SBanbct in bicf etn 
Sicht (8. 31—33): 

a) feine falfefec weichliche ©chonuttß unb Seihend 
fcfeeti, 

b) fonbern ber ffreiiAeäfittit be3 loillißeti fich felbft 
oerldußitettbcit ©chorjamS. 


©onntaß, 28. 3Rai 1882. SMarf. 8,34—9,1. 

Seeluft unb ©etoitta. 

$fjt: Uttb er rief au ftd) ba8 $olf fammt feinen 
3üußent, unb forad) su ihnen: SBcr mir will itadt- 
folßcn, ber oerlcußitc ftd) fclbft, unb nehme fein 
ÄrcuA auf ftd), unb folße mir nach. ©Warf. 8,34.) 

ßhtleittittß. ®iefe8eftion ift fo fürs unb bilbctgus 
ßleid) fo fehr ein in fid) Aufaiiniieitbätißcitbe3 ©anse$, 
bafj wir bie3mal au3nahm$weife auf eine bejonbere 
ßintheilutiß um fo inefer oer^iefeten bürfeu, al3 bafür 
faft ieber eiiiAelne ©ab biefer meitißen S>erfe oon 
ebenfo tiefer al3 oielumfaffcnber SSebeutuiiß ift tmb 
bie ßrfüllmtß be3 9lbfdmitt3 Somit aut beften ßerabe 
bem fveilid) unerfdjöoflidj veidien, toetut auch nod) 
fo eiitfad) fliußeitbdt SBortlaut folßt. 

8.34: SB c r nt i r w i 11 u. f. w. ®er 9tufc 
forud) be3£>ervtt ift ein ßaitA allßenteiuer; ed ßilt 
Sillen, ttidd blo3 beit Bwölfett, wenn and) allein 
bittß3 fie Aunäd)ft ßenieiitt fiitb, al3 bie fdwn in ber 
9?ad)folße Sefu ftehcnbeit. SBcitit er aber aud> nod) 
ba3 „2?olr herAuruft, ^fatnmt ben 3üitaern", fo 
Acißt bie3, bafj ^ebettuantt, ohne Unterfdhieb, oon 
ihm sur Sünaerfdiaft berufen ift; e3 ßiebt hier 
feine oartciifdie 91 tt 8 w a h l blo8 oon einißett 
wenißcit Aur ©dißfeit sunt 9?oratt3 8eftimmten 
uttb ßrlcfeuen, nein, er wid 911 le fcliß ntadien unb 
in feinen CDienft ftellen, ehnebafe irßenb ßiner au8- 
ßcfddoffen ift, er fei bettn er thue c8 felbft. ®cntt 
adcvbiiiߧ fouintt c3 auf bc§ 2)?cufd)ctt e i ß e n e it 

r c t e it SB i 11 e tt an; ©ott uöthißt tui3 nicht in 
ein ü?cicf>, fonbern er ftedt c3 itt unfcveSBahl 
unb täufcht un§ babei and) nid)t mit allerlei falfdten 
8orfoießclintßen oon ivbijdccr 6hre unb ^reube, 
SÖefife unb©enu6, fonbern Acißt ehrlidnmb aufrid)= 
tiß, wa3 bie ©einen hier auf Srben erwarten, bamit 
fie fid) ba3 in 9tcdmutiß nehmen unb fid) wohl bar- 
über befiitiien, wa8 fie thuit. 9cur ber Senfe! lüßt 
un3 oor, wie aut wir cäburdt bie ©ünbe befommen 
(ocrßl. lSWof. 3, 4. 5); hat er uii3 aber einmal 
burch foldje liftiße Sodutißeit ßefaitßen, fo hält er 
Awar uit3, aber md)t fein SBort. ®ie (S it t f die v 
bttitß aber ließt in uttferer eißenen ^>anb, wir 
felbft haben fie au treffen, ©ott Aicht un3 wohl fort 
itnb fort, aber er AWiitßt un§ ntefet, e8 bleibt tin3 
felbft überlaffeit, ob wir folßen wollen, ober nicht. 
®iefe8 Solßen ift aber näher ein 9? a d) f o l ß e n. 
(Sr Acißt nicht bloä ben SBeß, fonbern er ß e h t ihn 
oorait; unb um sunt 3id au ßdaitßeit, ßeitüßt e§ 
and) niefet ben SBeß blo3 au wiffett, fonbern ift 
wirffich au ßehcit, unb Amar beit red)teit SBeß, 
feilten falfcheit, ber ein 9lbweß unb Srrweß, ober 
bod) im beften ftad ein Umweß ift, auf ihm Weber 
fteheit au bleiben, noefe ab^tiweichen, noch 
rechte uttb (iitf3 unb weber mit ©eiteitbliden, noch 
mit ©eitenforüiißcn un8 unterweß3 aufsuhaU 
ten, fonbern eutfchloffen unb forßfaut ßcttati in 
feinen Sufeftaofcn, al3 bie eiitAtß ftcher leiteitben 
©ouren au treten, nur fo allein fatiti’3 un8 nicht 
fehlen (oerßl. 1 8etri 2,21). ©eht er utt8 aber 
oorait, fo ift er ber fföitiß unb $err, ©ebieter unb 
STOeifter, uttb folßeit wir blo3 nach, fo ftttb nur bie 
ffitecfite unb ®iener, benen e8 Aufontmt, ßaitA be= 
fdteiben, beutüthiß unb ßehorfam hinten breiit su 
ßehcit, weber ben SBeß unb ba3 3id un3 felbft au 


— igitized — OO^ - 



Sonntagfd)ul*feiiti 0 netu 


277 


tobten, nod) aud) auf bet von (Sott iejeidjitcten 
8al)it ftofo unb eiflenmädjtifl üjm vorangueücn. 
® aber ift © e l b ft v e r (d u a n u u a bie evfte ©ruitbs 
unb bleibcube $)aitvtbcbinflunfl bet Süiiflcvfdjaft, 
bie auch hierin ein SRadjaluneu unb 9i a d) f o l ß e it 
bciTcu ift, bet fein Sehen nicht lieh gehabt, unb bet 
fid) jelhft 6i3 gur fincdjtSöcftatt, nun ScibenSßcbors 
fam# gutn firemestobe erniebrtflt bat. ®avum 
MeiofS audj für bie ©einen heim enaen SBeg unb 
bet fchmalen Pforte. 2)a3 SBefen unb ber begriff 
bet ©elhfbcrläuanmtfl ift ben ftiubcru am heften 
imb leidftcften flat gu machen an ^Jetti SJets 
l ä u fl it u n ß, bet von bent Herrn nidftS wifien null* 
Sllfo: fid) fclhft ober auch bie SBelt vcvläuflitcn heißt, 
ton ftch felhft unb feinen eiacnen ftolgcn ©ebanfen, 
eißenuüfeiöcn planen, eitlen Hoffnungen, fünbigen 
©elüften unb von bet 23elt mit ihrer Suft unb 
SScrffthrung, ihrem SReigcit unb Soden mit SHuhut, 
SHctdftlnitit unbäkrgnftgcn, ©ewinn unb ©clb nichts 
mehr wißen wollen, bem allem innerlich ahftcvhcn, 
ftch baoon feheiben, ihm gang unb gar unb für int« 
met beit Slhfchieb gehen unb ben 9Jüden lehren. 
Safür hat aber unfer SRüden vielmehr eine Saft 
gu tragen: »Unb nehme fein Jfreug auf 
fid)," b. h. ben ihm von ©ott gugcmcffcncn unb 
aufcrlcgtcn jfntheil bcSffreugcS. 3Bir hrauchcn unS 
nicht fclhct erft ein fireug gu machen, ©ott fchidt 
cS unb bann fommt’S auS feinen SSaterhäubcn, bie 
nie gu früheres aufcrlegcn, gu oicl ocrlangcn, gu har= 
tei forberu, gu lange ftrafen, gu thcurcS nehmen. 
9Jur folcf)eö Ärcug, nicht aber baS burch eigene 
Sünbc fclhftocifchulbcte, ift fein ffreug, baS man 
um fcinetmilleu trägt, !J|n beut auf fiel) 
nehmen liegt nicht nur baS tmlltge unb gebulbige, 
fonbern aud) baS bemüthige, ba§ man ftef) nicht hloS 
gern von ©ott baffelhe aufcrlegcn laßt, fonbern 
(ich auch baruntcr oeugt alS wolftvcrbicnte, aber 
ainh wohlgemeinte 3ucht, ohne bagcgcit gu murren 
unb c3 cigcimuüig aofdmttcln gu wollen. 

®. 85: SErofc bcS feheinhar ferneren ©tanbeS, in 
beit man baburd) eintritt» hefinbet man fid) aber tu 
SSahrhcit bod) in ^cfu Slüngcrfdjaft in einem un* 
gleim hcffcrcit, ia bem allcrheftcn ©taube im 33er- 
glcich gu beiten, wcld)e gar nidft in biefe SeibenS* 
nttb Xobe3gcmcinfd)aft mit ihm, bie aber nur bie 
SSorbcrcitung gur Schenk unb HcrrlidjfcitSgcmein- 
fdhaft ift, eintreten mögen; bcittt baS hahffnhtigc 
gcfthaltcn= nttb ©dwnenwoKcn bcS eigenen ?ichS 
unb fcincS ScbenS ift nur ein ftctS ftch vcrfd)lim= 
mcritbcS unb ftcigcrnbcS Sßcrliercn unb ©clhftgcrs 
ftörcu bcvjclhcn, wähveub untgefehrt baS opferwillige 
Srangcbcu von 9111cm im ®icnfte ©otteS unb fcU 
ncS 9icid)cS unb 2öortc-S, baS felbftlofe ffienidjtcn 
nub SBcrläugucn, baS feheinhar niditS alS haaret 
SScrluft ift, in SSahrhcit ginn hcrrlidiften ©ewinn 
wirb. Unb gwar hier fcßoit auf Erben burd) bie 
Sülle von göttüd)cu ©ütcru unb ©aben, bie SefuS 
beit Seinen burdj folche ScbenS- unb SickSacmciits 
fd)aft fd)cnft, unb wovon bie ffiitbcr biefer SSclt 
nid)tS wiffen, unb nod) vielmehr ciitft brobcit in ber 
himmlifchcn Hcrrlidifcit unb ewigen ©cligfcit. 9lbcr 
aud) hier gilt folche SBcrhcifsung itidjt jebetn Hins 
geben unb Opfern ü her hattet, fonbern nur bem 
nmChtifti willen; alles anbete, baShloSum 
nnfcrtwiOen anS Ehrgeig, SBerfheiltgleit, gefefes 


lid)cm SBefen unb fleifdjlidjcr (wenn auch feinerer) 
©elhftfucht gefd)ieht, eine unnüfce ©clhftguälerei 
ift, bie ihren Sohn bahitt t)at, uftb ohne wahren in= 
tteren ©egen hleiht. 

©. 86 tmb 89: Stuf beibe fragen ift natürlich {ti «ittDortcn: 
SH c^tS. ü'cit Jtiubcru toAre Cficr au vrattifc^u Vafvidat au# bem 
^Ukiiju jeiflen, tuobiircb ber ©d^nbeu nimmt au 

bev ©ede. läßt in fruchtbarer unb einijcbcuecr 
Seife fo bchanbelu, bafe mau erft fragt, tuobureb mau leiblich 
Schaben nehmen (ann ? (Sntweber tt c g a t i b burch Mangel an bem, 
tea# ber SMenfch ju feinem föiVerliehen SohUciu, Sact>v>tlnim unb 
©ebeihen, Wahrung, Stärfnng unb pflege, Schub unb »cbccfmtg 
nbthig h<U/ ober p o f i t i b burch bou irgeub einer Au^ercu 

ober tnueren «efebfibigung (SJatounbnng, Vergiftung u. f. ln.), toaA 
nun m&itticOft anfchaulich auch auf bie ©bele a 11311 me üben ift: 
auch fie braucht ba* rechte $immetobrob uub «ebenämaffer, bie fvifd'C 
reine ©ottesluft, fouft ftirbt ge nach unb nach ab (Scclemnorb!), 
auch ge bnrf nicht ben mannichfaltigeu Verle|ungnt bureb bic Süube 
(bi)|e# Scifpiel, Verioahrlofung) prciÄiegebeu toerbeu u.’f.to. J'aA 
Steberlöfen (eigentlich: Wücffaufeu) bezieht fich auf bie Öc* 
fangeufebaft in ber ©üube, burch loUcbe ber Teufel geioiffennagcit ein 
9lccht aiif bie Seele befommt unb fie in $?aft h‘*Ut. Sluch 1 icr loAre 
ber (^ruub baulich 311 machen, toarurn bieA unmöglich ift: toeil nAm* 
lieh ba* x'Öfcgclb immer uuubefteu^ benfelbeu Serth pabai muf», toie 
bie eiiunlcfenbe Sache, alle Schö^ t>cr Seit aber, bietreil fie ber* 
gAnglicb pnb, reichen nicht auA 311 einem geitilgeubeu 8rfah für unfere 
uufterbliche Seele (baher 1 Vetri 1, 18 g.). S'ie Seele ber* 
Heren h^fit SlUc« berlieren, beim im Job utftffen Uür alle« aubere 
imilcflaffcn, nicht« begleitet un* über’« ©rab hinüber, nicl tö bringen 
mir mit tut« bor ©ette« Wichterftuhl, al« u 116 fclbft, nufere 
Seele; h abcu il ’ir aber auch fie fd'ou hiniicbeu berlcrcn b. b. bin* 
gegeben in bat eitlen Jicnft ber Wichtigleit unb ber bcrgAnglid'eti 
Jiuge biefer Seit, bann haben mir gar nicht« mehr, uub flehen 
ror ihm bettelarm, Ja nadt unb bloß. Äeine«meg« ift aber bamit 
gejagt, baft eine „berlorene Seele' barrui auch aufgchöit habe 311 
Citfitren, fo menig al« ber „berlorene Soh«". ©anj uub gar 
vernichtet merbeu fanit fie nicht, beim fie ift ein geiftige« unb 
älfo „unfterblid'c«" b. b. unjerftbrbare« ©efen; nur ba^ freilich 
biefe ihre „llnftcrblicbfeit" ober emige jfoitbaiier fein eigentliche« 
fi e b e u im biblifchen Voüfinit mehr ift, fonbern genau genommen 
Vielmehr ein fortgefeite« Sterben, meil eine baumtb ge* 
morbftie ftrenuung von ©ott ein fluftanb be« Von ihm ©efchicben* 
fein« (ber „aubere Job" ober „emige Job"), ein qualvolle« Sterben* 
mellen (um ihm gaiuiu entfliehen) unb boch nicht Sterhentömien ift. 

© 88 greift auf W. 85 3urü<f: mer aber ftatt fid) felhft unb fein 
natürliche« xeheii um ©otte« SöiUett 311 Verlieren b. p. an ihn ffitu 
«igchen m freiem ©cbovfam, meil er e« fich 3ur hiW.'ften Ch« rechnet, 
fich felhft imb alle« ma« er ift unb hat ©ott gaiu unb gar ut meihen, 
ficb Vielmehr ©;Utc« uub feine« Sttcrtc«, feine« Weiche« auf vrrbeu nub 
beffcit ©lieber fchAmt, al« ivAre c« eine Schaube, fein Äiub 311 fein, 
ber mirb e« 31t feinem Schaben uub Schrecfeu eilahren mftffen, baft 
e« ein unverbrüchliche« ©efeh gerechter mib ^iHgcr »ergeltmig gieht. 
2)a« eh«l>recberifc(<e imb nlnbige ©efchlecht nub m* 
iiAcfcft bie Von ©ott ahgcfaUcneii ^uben, bie ben Wunb ber ©emetu* 
fchaft mit ihm gebrochen haben, bann aber überhaupt alle, bie in 
ihrer mibcrfveiiftigeu &al«ftarrigleit unb ^cr»eii«bÄrtigfcit fich ü*i» 
gern, in feinen ©nabnibiiub eiitüutrcieit. SB e 1111 er tomnten 
mirb, natürlich 3«m gvofteu allgemeinen SBcltgericht amCnbeber 
Jage. 

Itap* 9,1 faim baher natftrliA fo meuig al« 3ob. 21, 22—23 
meinen löimeii, baftCilich« b«r bamal« Wnmefeubm Heie ftchtbait 
ffiiebcihiuft Chrifti am jüngflen Jage felher auf lirben n leben mer» 
beu, fonbern nur, baft fie fein mifichthare« Jlommeii 311m ©cricht über 
^«vael, ba« in ber ^ctftöruiig ^eriifalcm« burch bie Wdmer (im ^ahr 
70 uad) Ohvifto) fich Permirtiicbte, perfönlich 311 erfahren haben mer* 
beu. 2;anu aber merbeu guglcicb auch alle bie ftiuberniffe befeitigt 
fein, bie beut Jtommcu feine« Weiche« uo<h im SBege ftauben, uub ben 
Siege«gaiig beffelbeu burch bie SÖelt noch gehemmt, ter$ögert uub 
aufgehalteu hatten, fo baü e« nun erft „in itvaf t" fommcii faun, 
b. h- »lebt hlo« mie bi«hcr fchou nur al« ein innerliche« ohne Außer* 
lieh« ©eberben, al« ein Weich feottc« iutvenbig in ben X'erscn, fonbern 
al« ein« eigen« von $«racl uub brr altteflömentlicheii ^'auchaltuug 
©otte« felbftitÄnbig fich Io«löienb« tmb al« folche auch Äußerlich in 
bi« ©rfcheimmg bervortrettiib« ueiitcftamaitlich« 4>eil«gcmcinb« fich 
barflellen mirb. ^enc« geiftig« üommeii feine« Weiche« ift ba« Unter* 
pfanb feiner beremftigcu auch fichtbareit itvciten ifuftinft mit bem 
«migen Weiche brr ßerrlUUcit, unb in feuern geiftlgeu Sinn foü über* 
haupt gar Äeiuer feiner jünger fterben, ohne baß er fein Bleich imb 
biefe« Weiche« Abnig mit ©laubendaugeu gefehlt (vrgl. £ut. 2, 20 
unb 30). 

)i« Stufen ber Süngerfchnft: 
biing«voller Äufang. (S. 34) „SBUi 
feilt", uub (V. 86—38) bie 9Baht: „Cntmebcr 
— 

nun ««Voller Fortgang (SJ.34—36): 
Igen, fiebenVerliercn". 

treicbcr Wuftgang (Äap. 0,1): „Jen 
a« Weich f«h««"‘ 


[©Upofltfott. J 

1. tbr entfehei 
3em mb mein gütiger 
— ober", „3«ht ober 

2. Ihr verlAug 
, 4 treu 3 tragcu, Wachfo 

8. ihr freuber 
Job nicht f<fcNtc*M, b< 


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'278 


ttljnratk ber tSegentoiht. 


\ 

(Ikronik ber «egenmart. 


$er StoertoiVe gegen toie djineflfdje Gintowntoe* 

muH hat bie ©eforguiß erregt, baß über fürs ober 
lang mau aud) gegen bie Ginwanberung ber 
Guropäer, ber ©eutfeheu, 3r(änbcr u. j. w. Sront 
machen werbe, ©iefe ©efürdjtuug fdjehtt unS 
icbod) gam unb gar uubegrünbet 311 feilt, benn 
Bum Giften braudjen bie Per. Staaten immer 
noci) oicle fo(d)er Streifte wie fie auS Guropa hierher 
fomnten, unb mürben ihrer Gntmicflimg burd) ein 
allgemeines GinmanberungSoerbot nur hinberlid) 
fein. 

3um 3'oeiten wirb ber anS Guropa Gingewan* 
bertc Bürger bicfeS CaitbeS; er amerifanifirt fiel», 
waS beim Ghincfen nidjt ber Sali ift. ©iefer 
fommt hierher, treibt fein Sßefen, arbeitet billig, 
etfparl fid) bei ärntlühem geben fo oiel er fann unb 

Ö wiebcr inS himmlifdje 9teid) surftet, ©omit 
ber Union oon ber curopäifdten Ginwanberung 
(eine ©cfahr beoor, wie bie djiitcfifche fie bietet. 

3um ©ritten gehört 3 « biefem Amcrifamfirts 
werben ber curopSifdjcn Ginwanberung auch ber 
Umftanb, baß ber oon Guropa fommenbe Arbeiter 

? ,at halb eben fo oicl Cohn oerlangt wie ber amerU 
anifche. GS währt nicht lange, fo hat fid) ber 
Guropäer in bie hiefigen ©erbattniffc fiel) eingelebt, 
©eine ©ebürfuiffe oermchrcu fid). Gr will hinter 
feinen eingeborenen Gollcgen nid)t aurüdftchcn; 
unb fohalö er bie Cclmcit, bie jeber „©rüne" burd)= 
madien muß, hinter fid) hat, fobalb er Iciftcit fann, 
waS bie Anbereit leiften, erhebt er and) bicfclbcn 
Anfprüdje, wie biefe. ©er uid)t mehr „grüne" 
©eutfdje ober Urlauber arbeitet in Amerifa nid)t 
billiger, alS ber geborene Amerifaiter. 3n bem 
©eftrcbcit feine Cage 31 t oerbeffern, giebt er lefeterem 
nichts nad). ©ie ©efd)id)te ber „StvifeS" hat baS 
fniireidjenb gezeigt. Sft’t eS bod) eine befannte 
Shatfache, bafj gcrabe bei ben ©trifeS, bei ben Sor= 
berungen um Cohucrhöhungen in ber Siegel eilige^ 
wanberte Arbeiter an ber ©pibc ftehen. ©omit 
haben ihre amerifanifd)cn Gollcgen feinen ©ruitb 
wegen beS nieberen Arbeitslohnes gehaffig auf fie 
311 werben. 

3um Vierten üben bie Gingcmanbcrten heute 
hoch einen unglcid) gröberen Ginfluß auS alS 
oor 30 fahren, ba bie SJnownothing = Bewegung 
fidj faft in eben benfelbcn AuSbrucfen gegen bie 
Gutopäer richtete, bie jefet im Sfampfe gegen bie 
Ghinefen gebrad)t werben ©ic Ginwanberung 
3 ählt iefet in ben 33er. Staaten gegen 7 Millionen, 
während bie ©cfammttahl ber djiitefifchen ©eoöls 
ferung nur etwas über 100,000 auSmaJü. ©ie 
eingewanberten Guropäer finb Bürger unb befihen 
bie maditige 3Saffe beS ©timntredüS; bie Ghincfen 
nidjt. ©0 lange baher bie eingewanberten Guros 
pacr nidjt fclbft bafür finb, bie weitere Ginwans 
beniug 31 t oerbieten, fo lange wirb jdmn auS SRüds 
fid)t auf baS, in ben meiften Süllen aitSfchlags 
gebenbe 33otum ber naturatifirtcu ©ürger feine 
Partei cS wagen, ein 6inwanbcrungS-93crbot *u 
befürworten, ©afj aber bie cingcwanberte ©eoöl= 


ferung jemals fclbft für baS ©erbot cintrcten werbe, 
ift nid)t 311 befürchten. 

@t. ®att|nrtotttttttel. 9?adt einer Arbeit oon 9 
langen 3ahrcn hat am ©d)luffc beS bahiugcfdjwun« 
benen 3ahrS 1881 ber Sclegraph auS erhabener 
Alpcnwclt über Canb unb 9Mccr bie ©icgcSfunbe 
oerbreitet: ber©ottharbtunnel ift oollenbct! 3 « 
biefen ©Sorten feiert baS 19. ^ahrhunbert bie 
größte Shat unb ben größten Srtumph, ben mit 
vereinter Straft ber ©fcnfchcngcift gefchaffen unb 
über bie Materie errungen hat. Gin Siicfcnwerf, 
einzig in feiner Art, baS ben ©au beS @ue 3 fanalS 
an ©roßartigfeit locit übertrifft, ift mit Greffming 
beS ©ottharbtunnel oollcnbet. ©ie ©djeibewanb 
ift gefallen, weld)e bisher bie S3ölfcr oon korben 
unb ©üben trennte. Sür ben Sterben oon Guropa, 
oon Gnglanb bis ©djwcbcu unb Norwegen ift jefet 
311 Canbe bie gcrabe unb fursefte Siuic übcr©rinbtfi 
nad) ber Ceoante, Oftinbicn, 3apan, China unb 
Auftraücn geboten, ©icfelbe ift fürscr alS bie 
SRontccniS Cinie. ©arin liegt ber ©ruub, baß bic 
©auptad)fc beS SBelthanbclS fid) auf bic ©otiharbs 
Sahn noch im Saufe bicfcS 3«hrS ocrlegcn wirb; 

3)tit bem 1 . Januar 1882, an wcldjem Sage 
3 um erften mal ber regelmäßige Peft= unb ©ütcr= 
oerfehr burd) ben ©ottharbtunnel beförbert worben 
ift, hat nun auch ber mit mannigfachen ©cfahicn 
unb Unterbrechungen oerbuubcne ©djlittenoerfehr 
über ben ©ottbarbpaß aufgehört. Am 28. © 03 . 
hat unter SEhcilnahme ber fflunbcSrätßc ©aoicr unb 
9Selti, ber ©ottbarbs©ahnbircftovcn 3ingg unb 
©toffel unb beS DberingcnicurS ©ribcl bie offisicUc 
Probefahrt burd) ben Xunncl ftattgefunben. 3 n 
©rumicn beftiegen bie Herren einen Gjcprcfuug ber 
©ottharbbahn unb fuhren mit bemfelocn bis Am» 
fteg. ®ic Sahrt laitgS beS UrncrfccS ift hechft 
romantifd). 3luf ber fleincu ©trerfe Prunnen» 
Slüelcn, bie in 21 SWinuten burddahren nmrbe, 
befinben fid) nid)t weniger alS 9 flciitc SunnclS. 
3n fchr mäßiger ©teigung, mit wenigen Guroen, 
führt bie SJahn bis Grftfclb. 33on hier an oer» 
engert fid) baS Shal immer mehr. Unmittelbar 
neben ber SJahnlinie winbet fid) bie ©traße aufs 
wärtS, unb tief unten tobt bie Dicuß. 9ted)tS nnb 
linfS thürmen lieft bie ©ergriefen sum Fimmel eins 
oor, bie ernft heruntcrfchauen, alS sürnten fie ben 
90?cnfd)en, baß fie eS wagten, ihre taufenbjahrige 
Bu'inghcrrfchaft 311 bredjen. Unter fortwährender 
Steigung, unb nachbem man 21 SunnclS burch» 
fahren, wirb bie 50 Slifomtr. lange ©trede oon 
©runncu biS ©öfd)öuen 3 urüdgclegt. 

»ie affjaßrlidi jnr fetten 3eit f fo hat audj bieS» 
mal wieber „ber ©ater ber Ströme" feine Ufer über» 
fdjritten, unb baS ganse Canb 31 t beiben ©eiten, 
auf oicle taufenbe CuabratmcUen, unter SBaffer 
gefefet. 23ic alljährlid), fo finb aud) bicSmal 
3nders unb ©aumwoll s Plantagen, ©örfer unb 
©t&btc überfd))oemmt; aud) bicSmal oicle 9)?cn» 


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(Optttib bet CegtitmarL 


279 


fdjeitlcbcit ben Elementen aumDbfer ßcfatlen. Äu8 
allen Steilen beS riefißen SMiffiffibbibedenS, bott 
©t. ßottiS herab bi*3 weit unterhalb bc3 taujenb 
SReilcit entfernten Scw Orleans, bott ©Jeft 9(rfatt= 
faS bi$ in baS ©er* Don ffcntiufty nnb Denneffec, 
bringt ein cittataer Sothutf an unS herüber. 9UIcÖ 
flüchtet; bie SBohmntßcu finb beröbet; bic ©e- 
bölferuitß bat fid) nach höher ßelcßencn ©treden 
auntdßeaoaeu nnb baS ßattae Äultiirßebiet ben 
Sluthen übcrlaffeit. 

3Hit bem 9RiffiffibDi haben ftd) alle feine ßewafs 
tißeu SebenRüfie, felbft Strömen ßleidj, bereinißt. 
Der ©2iffouti, ber Ohio, bev SlrfattfaS nnb Stnm 
berlanb, weiter im ©üben ber ffiafhita nnb ber 
Seb Siber, fic alle haben ihre weiten fruchtbaren 
uwhlbeRebelteit Dhäler an ihrem f?lußbctt ßemadjt 
nnb in einer 2Boche9llle3 aerftört, waS ber Sleiö ber 
9tufict>tcr in einem 3<*hve herborßebradjt. 

Der Kammer ift ßro§. ÄfleS leibet. Sidjt mtr 
baS SBiffifRbbithal, fottbetn ber ßante ©üben, ba3 
ßaitae 8anb. Sllliährlich biefelbe ©efchidjtc, nnb fic 
wirb um fo berhänßntfiboner, wenn man Sebcnft, 
ba& biefelbeit auSßebehnten Sänbcrftreden, fantn 
baß bie glnthen abaefloffeit, ßewöhnlid) non einer 
entbeut, ßlcid) ßro&en nnb fdjredltcheit ©laßc hcim= 
worben: Dom ßelben Sieber. 

SBaitit wirb enbltd) orbentlidje 9lbf)ülfe ßcfdjafft 
werben? Ober finb wir wirflid) fo weit ßcfontntcn, 
bienen nufere ©olitifer in SBafhinßton bcrinafteu 
©clbft- nnb ©onberintereffen, bah man an Slbhnlfe 
nid)t benft, ober biefelbe nicT)t in 9lnariff an nehmen 
ßctcaut, weil bie ©efürdjtuiiß borlicßt, baS attS= 
flcfefetc ©elo würbe mciftenS in ©ribattafdjen wait= 
bern ?! 

Bitrbt brr ©ergraut Wafott affattfdjwer befhraft? 

Darauf antworten Diele mit 92ein, anbere mit 3a. 
Hebt 3ahre BudjthauS für einen üÖtorbbcrfudj auf 
ben ßcincitteu ©erbredicr ©uiteau fei eine barbarifdie 
©träfe, faßt man. Unb bod) ift biefelbe nidjtS wci= 
tereS, alS waS baS ©efeb für folcheS fficrbvcdjcn cv= 
laubt. ©er ©Dvud) läßt allcrbtitßS an ©trenne 
ttidrtS au wünfd)cn übriß. SOlan muß aber and) bc= 
bcnfeit, bafi bic ©iScibliit, welche in unfever Svmce 
oft ved>t lodet ift, aufrcdjt erhalten werben mußte. 
DaS tfvießSßevkbt hat baber bie Sache Dom cinaiß 
Tid)tiacu ©tanbbunft attfßefaftt unb bem @djulbi= 
ßcn eine strafe aubiftirt, bie ihren Sinbrud in ben 
Seihen ber 9lriuce wohl nid)t berfehlen wirb. 3ebe3 
milberc Urthcil würbe bie ©iScibltn crnftlich ße= 
fährbet unb baburd) bie Buberläffißfcit unfever vc* 
ßulärcit Xruppeu in hohem ©vabe becinträdRißt 

! laben, dine 9(rmce, auf bereit einaclne ©lieber 
ein ©erlafi, ift werthloS alS ©anaeS, unb ba unS 
ieber ßemciitc ©olbat fo theucr au ftefien fontmt, 
wie ben militärifdien Ovßanifationcn ber alten 
ffielt ein höherer Offiaicr, fo follteit wir an bereit 
Süchtißfcit ßcwtft feine ßcriitßeren, fonbcrit eher 
nod) höhere Stiforbcriinßcit ftelleit. 2Bcnniefct©ui' 
teau feine ©träfe au berbüfjett hat, werben wir unS 
weitißftenS ttid)t ben SSorumrf au machen haben, 
Den, ber ßCßcit ihn ßcfrcoclt, nachftdjtißcr bchanbclt 
au haben. 

fH^utitnf unb ftout. fßott 3eit au Beit taucht ba$ 
®entd)t auf, baß Sürft 9M3mar<f 92om in allen fei= 
nen Sorbcnntßen now ttad)ßcbcit, ftd) bent fßaDftc 


foaufapeit uittertDerfen toerbe. Äüraltch lattßte foßar 
bie 3ettunß6na(hrid)t an, baff bie römifd)e Partei 
felbft bie Steberherfteüunß be3 Äirdjenftaatcö for= 
bere!! 

SUlerbittßS ntößen eittiße tttib Diellcid)t Diele biefett 
SBititfd) im ©eheimett heaen, bafj berfelbe in (Sr^ 
fülhniß ßeheit loerbe, uttb Di3mard ober bev Älaifcr 
unb baö beutfehe Seid) fid) Dor bem 35aDft beußett, 
feinten wir nimmermehr ßlauben, fo fehr ihnen ber 
Stiebe and) crwünfdjt fwtt maß. ©iSmard hat Som 
Bußeftänbuiffe ßentadjt, ba3 ift flar, fid) aber 
itid)t unterworfen. (Sr muff baö rothe ©efpenft be3 
©oaialiömuö bcfäiubfcn, muff bie foaiale Svaße 
löfcit intb wfutfebt beöhalb Sotn im ©chadj au ha(= 
ten, bafe er freie ©attb habe mtb hat in eittißctt 
©unften uachßeßebcn. ©ana ohne ©efahr ift bie3 
92ad)ßebcit für ©cutWlanb nidit, beim Sem ift 
fdilati unb aahe. @o ßvoff ift biefelbe ieboch nid)t, 
leie man ba unb bort meint. Stctlid) fdiüttcln Diele 
bvaDe ®cutfd)c über biefe Sußcftdtibniffe ben £cbf. 
3utn ©eifDiei: ©er ßeriiißfte Dvotcftantifdie ©far= 
rer muff bent JTeniß ben dib leiftcu, ben neuen 
©ifchöfen luirb ber Gib erlaffctt. Svühcr erflärte e3 
©iömavd für übcvflüffiß, beim auSwavtiacn ©auvte 
einer KonfefRon, bie tu ©eutfchlanb Mtihäiißer hat, 
einen ©efattbtctt au halten: iefet ift Äfttvb D. ©dileacr 
in Sotn, unb eine ßrofee ©unttne für ben ©cfanbt* 
fdiaftöDoften ift ßcfovbert. S^uhcr aoß matt bettt 
©apfte unb feinen ©ötißctt in ben SRaißcfcfccn 
fd)arfe ©vettaeti: iefet ift matt babei, Re ßatta ober 
thcilwcife aufaitßcbcn ! — Slbcr all’ baö iR ttod) fein 
ÜntcrtDcrfcn. ©ott hat bisher ©cutfdilanb ßc= 
fchüfet; (Sr wirb feine ©attb Dom alten SSaterlaitbe 
tiidit abaichett. 

®ie 3 tt biöurr haben ber Scßierimß berS3erciniß= 
ten Staaten wdhrcnb ber lebten aehtt 3ohte uahcati 
atDcihunbcrtDicruitbatDötiaiß SDcilliottett, — ßcnau 
^223,894,246, — ßefoftet. ®a3 Sluffatlenbfte an 
biefcv atiffallcitbcn ©itmme ift iebcd) uidd fo fchr 
ihre enorne ßöhe, alö Diclittcht bic 9(rt unb JBcife, 
in weldjer fid) biefelbe au'ifdictt bie, für 3ubianei> 
ßricß: unb bic für bie rcßtildre 3ubiattcv ©erwal= 
tuiiß Dcrauößabten, Scträße Dcrtheilt. SBdhrcnb 
bie hier in ©ctradit fommenben Reben flricße, — 
außer Dcvfdficbcneit ©citcvalcit, wie Ganbh 1873 im 
SWobccs unb Stifter 1876 im ©iotix ilrießc, — mit 
etwas über fünf SRiUiottcu ßefoftet haben, hat bie 
ßewöhnlidte llct>crtuad>iinß uttb ©cDorntiinbunß 
unfever vothcit 9)iünbcl bie fabelhafte ©ittttme Don 
218 ^Millionen Dcvfd)lunßcit. 9Bte bicS 3?erhältni§ 
cntftcht, barüber ßiebt nno ein ©olbatenbrief in 
biefer Stimmer bie — „alte" Sluöfunft. 

Äuf bem 3fHjmu8 hat toieber einmal ein ßvb= 
bebett furditbare ©ertoüftunßcn anßcridjtct. .^offent- 
lid) finb bie erften Sadtriditeu, bie Don einem §8er^ 
Inft Doit mehreren Saiifenb 9)tcnfdienleben forcdicit, 
übertrieben; immerhin aber wirb bc3 ©chrcdcttS 
ttttb3ummcr3 ßenitß ttbriß bleiben, titit biefe ffata= 
ftrobhe au einer ber furditbarften ihrer ©attmiß att 
ftemDelit. ®ie aut fchlintmftcn hetntßeftid)ten Orte 
Rttb bic beibeit ©tdbtc 9llaiuala uttb &crebia, jebe 
mit etioa 10,000 ßinwobttern, unb bic utnließcnben 
Ortfdiaften, in ber Sdhe ber ©aciRcfüfte SoRa 
SicaS ßelcßett. Sofia Sica, wie überhaiwt bic 
3fthntu3ftaaten, ift burchauS Dulfanifcher Satur, 


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280 


Qfyrontk ber Äegennmrt 


ot>wol>t bie Shätiglcit faft aller feiner Sultane für 
crlofdjcn galt. ©abingegeit flieht cd bereit in bem 
nörblid) angreitgeitben Nicaragua nod) eine große 
3 abi, bie flclcflcntlirf) non fid) hören taffen. ©ad 
lefete heftige Grbbebcit auf beut Jftbmud truß fiefe 
int Jahre 1873 gu ©an ©alvabor gu, bod) überftieg 
bantald bie Sahl ber Opfer nid)t 500. SBcnn bie 
Ser. ©taaten beit 92icaragua«Äanal hauen, mürben 
bie unt benfetheit cntftcl>cnben 9litficbluitgeu, bie 
'ebenfalls ctmad unbcimlidbe 92ad)barfdjaft eined 
d)limiitcit Sullaitncfted genießen. 

ftanfad. Ueher beit iefet „tuünbi^y' ober ciiituib« 
gmaitgigiahrig gemorbenett ©taat jeanfad ftellt bie 
„Srete Sreffc" in Scavcnmorth eine äietradjtung an, 
ber mir folgeitbed entnehmen: „?lttt Sorabeitb bed 
Sürgerlrieged, am 29. Januar 1861 mar cd, mo 
bie Vertreter bed Serritoriiutt3 fianfad ihr ©efudj 
tun 9lufitahntc ald ©taat mit Grfolg gefrönt fahcit 
tutb bad iuitfle $anfad ald ein neuer ©tern bem 
Skalier ber Union heiflefebt mtirbc. ©o viele herr« 
lidje Sage feitbent bie Slitfiebler auch ertehten, fo 
barf man bod) nidjt vergelten, baß ber Äcldj ber 
Sreube xttidj feine bitteren Streifen enthielt, mcldie 
bid guriRcige geleert merbeit mußten. ©o gvo§ and) 
bie ©raitgfale mareit, melche bie bürren ©ontnier 
uitb bie unabsehbaren, attc3 verbccrcnben ©eit* 
jKbretfenfdjmarme burd) Scrnidjhmg bed Slcißed ber 
Sarntcr bir, o ffaitfad, bereitet haben, fo beflomincit 
bir aud) bad ©erg ob bem CSleitb uitb ber 92oth ber 
farbigen Sevölfentitg erbebte, melche fid) aud bem 
fonitigcn ©üben über beine fjturcit ergoß, bu haft 
Med glüdlid) überftaitbcit mtb bir an beinern 21 * 
©ebtirtdtagc eine bervorragenbe, beiteibeitdmcrtbe 
(Stellung int ©taatenbunbe gefiebert. Sind einer 
SSilbniu haben bid) bie [djmicligcn ©Silbe beincr 
fleißigen Pioniere, unter beiten bie 200,000 Seitt« 
fd)eit eine nicht gu veraditenbe 9Mle fpiclcit, su einem 
ber größten SScfcrbauftaatcn ber Union hinauf* 
gearbeitet. 23ad man einft für unfruchtbare SSüfie 
hielt, blüht heute mie eilt ©arten. SMühcnbe ©täbte 
unb®örfer haben fiel) überall erhoben uitb fdirciteit 
tafd) auf bem S3cge ber SBohlfahrt voran, ©ad 
SBadjdthum ber Sabrifiittereffeit, ber Sichgudit uitb 
all’ ber pcrfdjiebeiieit Jitbuftrien, tvcld>e tut ©taate 
betrieben merbeit, hat mit ber fid) ftetig ftcigeritbcit 
33evöllcrung getreulidj ©d)ritt gehalten. Sßad hat 
ffaitfad an feinem 21 . ©eburtdtag aufgumcifcit? 
Giite Scvöllcrung von einer Million fleißiger, frieb* 
lidjer tutb im Mgcmcinen mohlhabcitbcr Ginmoh* 
tter; über 300,000 ©tftef Sßferbc; SRiitbviebbcerben, 
melche über eine ^Million ©tütf repräfcittireit; eine 
^ÖJittioit ©djafc; 2 , 000,000 9lder SSeijcitfelbcr, 
4,000,000 9(der iDJaidfclbcr; allenthalben hübfdje 
Jlirdjcn uitb ©dnilen, Sabrifen unb SRühlcn: Heine 
unb größere ©täbte mit lebhafterem ©efdjäftd* 
verlchr, ber ftctd im Sluffdjmtuig begriffen ift; 
4000 SReilcn Gifenbahit unb befteuerbared Gigen* 
thum imSBcrtbc von über 100 iDJil(ionen®ollard." 

3u Korn hat bie Gitbe vorigen Jahred gefdichene 
SolldtSblung ein eigeuthüiitlichedDJciiiltatergebcn. 
©ie ©cclcitgabl ift mit Ginfdjltiß bed fog. agro Ro¬ 
mano int ©aitgcit 300,292. ©avoit fittb titann- 
lidieit ©cfdjlcchtd 167,327 unb mciblicljcit ©efchlcdjtd 
nur 132,965. — ©3 giebt bort alfo ca. 34,000 mehr 
äRänncr ald Srattcn. Jit beit lebten 10 Jahren ift bie 
S3cvölfcrttng fehr angcmadjfen, bcitn fic betrug 1871 


nur 244,484 Seelen, unb bantald maren bort 139,* 
267 SRSnner tttib 105,217 grauen, erftere hatten 
alfo aud) bantald ein $lud von 34,000. gunt Shcil 
liegt ber ©ruiib biefer auffaUcttbcit Grfchcitiung in 
ber großen Rabl ber bort giifannnengcftrönttcn unb 
ftrömenben jßriefter unb SRöitche, gutit Shell aber 
and) in ber großen Rabl von SMSmtcrit, meldjc ald 
Arbeiter tut ganbgeoiet ihren tüminerlichcn Unter« 
halt fiitben unb bort vielfadj in ßleitb unb lieber 
Derlomnteit tutb umlontmen. 

^ie Sodfttimett ber ^fanffaulfhrn motten int SBcfteit 
nicht verfangen. Saft alle franjöfifcheit, italieuifdscn 
tutb englifcheit Silattcr ocrurthcileit bie X'arifcr 
fflranbrecc bed ©citerald ©fobelcff, tocldicr bent 93 c« 
fehl sur 92üdreife itad) Dlußlaitb hat golgc leiftcit 
itiüffcn. Jit Sranfrcidj ftüßcit fiel) bie niißfälligcn 
93 cfpred)ititgcit auf gicutlid) offen cingeftanbcne 
3 u‘cifel an ber ruffifchcn ©chlagfertigfcit, femieattf 
bie Slbttciguiifl, fid) bem übernaebften 92ad)bar :u 
Cicbe in triegcrifche Abenteuer 311 ftürgen. ©elbft nt 
Serbien unb ^Bulgarien fallen bie ©cfecvcicn itidjt 
burdjmeg auf günitigeit SÖobcit. SBcit über ©tobe« 
leff hiitaud ging, meint beut rabicalcit ntaguarifdicit 
23latt „Cvgpertetcd" ©lattben beigumeffen ift, ber 
Ttiffifche ©citcralconful ©itromo in ©ofia. ?lld bei 
bemfelbcit ant 28. Januar eine panflamiftifdjc 9lb« 
orbnuug Porfprad), um fiel) Söciftingcit für ihr SSer« 
halten in 93cgttg auf beit Äufftanb ber©cricgcmiuer 
au erhclcit, feil ©itroum geantmortet haben: „ 9 fttf 
bad, toad bie peterdburger, berliner, miener unb bttba« 
pefter anttlidjett ffllattcr fagcit unb fchreibcu, gebt gar 
nichtd. Ocftcvrcich-'UngarndSagcfiiibgegahlt. ©ct)t 
ihr tiidit, toic mir bie Slüdjett 0011 Dbeffa bid D 2 eut 
(bcffarabifd)-rnntSnifd)e©rcnsc) mit unfern ©olba« 
tcit beuolfcrn? Gin ©dsritt, tutb nur fiitb in bevSBa« 
lachei, leclched 8 attb und gehört, freilich barf jefct ein 
©lame ben Scb nid)t fürchten. Ccften*eid)=Ungartid 
lebte©tunbe hatgefddagcit; biefedfianb muß von ber 
fiarte Guropad auf emig verfchu'inbett. Gd giebt 
filciitglättbige, bie bcfüvd)tcn, baß©cutfd)latib bem 
verfaulten Ccftcrrcid) gu ©ülfe eilen mirb. 2 lld ob 
©eutfd)lanb fo verrfuft märe, einem anbent Sanbc gu 
©ülfe gu foutntcit, ba cd int eigenen ©and genug gtt 
thiut hat. SDcit Oeftcrrcid)«Ungarn aber merbett mir 
viel früher unb viel lcid)ter fertig merbeit, ald mit ber 
Sürfei. ©eint mähvcitb id) bicSürlei für eilten frSf« 
tigen ?öivcit halte, lantt id)bad miferableCefterreift, 
aldttichtd attbcrdbcgeichncnaldcincnblutleercttSlohr 
gtibcffcttGrbrüdungbie 92agclfpiüe uitfcrd®aumend 
genügt. 9?erfütibct cd laut überall, mo mau flamifdj 
Jpricbt, baß 92ußlaitb foinntt, unt bie armen, ihrer 
Freiheit beraubten flamifcheit SSölfcr int ©üben Guro« 
ad gu befreien. 9?er!futbct ben flatvifehen ffiölfcrtt» 
aß ber Slame verflttdjt fei, ber iefet fein Scbcn hoÄ 
anfcblSgt." — 3mei Sage barauf bat badbiplotna« 
tifche Gorpd in ©ofta beit ritffifd)ett ©etteralcouful 
tvegen biefer 9?cbe unt 9luf!larungcn, er feil aber bie« 
felbc abgeleugnet unb fid) für einen grcitgcitlofcn Ser« 
obrer Ocftcrrcich«Uttgarnd audgegeben haben. 9lud) 
bad,»Journal bc ©t. Setcrdbonrg" crthciltc bie Ser« 
ficherung, baß ©itromo leine berartige SKebc gehalten 
habe. Jit 93ufareft fam bie ©adieitt berß'antntct Aitr 
©pradic, ttttb man fdjicitbafelbft an beriffiahrheitber 
Slcttßcrungcn nidjt gu gmeifeltt. Gbeitfo in Gttglattb, 
mo©ilfc auf eine Anfrage im Unterbaud erllärtc, bie 
SRegicrung habe von einer f oldjen SRebe leine if enntniß. 


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@in illuftrirtes lamilienblatt. 






£e$nter $t<utfe. ^uni 1882. §e<fy$U$ &eft. 


$3 tSiuuäeiu gs 


, (3um 2 

Jlus allen Keimen bridjft bu fyeroor; 

Kus allen Knospen bliefft bu empor. 

Sdjauft läcbelitb um bid?, ob man bicb fennt, 

(Db man bicb grüßt, unb bid? „^rübliitg" nennt. 

XPeldj’ fjofie IPonue, meid)’ feTg: £uft 
Pes jungen Jrii^Iings burd^iebt bic Bruftl 
Bliebft bu bod? emig unb griintejt fort 
2ln biefem Ijeimatljlid^ftUIcu ® r t. 


Kd?, halb entblättert ftd? Baum unb ^lur; 
Balb legt 3 um Schlummer ftd? bie Hatur. 

Pie letzte Knospe finPt in ben Staub, 

Unb ^erbftminb mefjt über biirres £aub. 

Pod? menn ber geitlidjfett Baub ßerreigt; 
IPenti alles 3 r ^'f c ^? e »anft unb meiebt; 

IPenn mir aus UTcfcd? oon bannen jieb’n: 
Pann bittet ein ^rül|ling in em’gcm (Srün. 

£. H ö t? I. 


-o»- 


$tmbfd)öu ?ur Pfingflffit. 

So« (fbUor. 


§ ift gar aus mit ihr," alfo fertigen Per. 
6Ienbete, ungläubige ÜJtenftben bie ffirebe 
©otteS auf Arbeit ab, „baS (?briftentfjum 
ijt ein oeralteteS 3fnftitut, baS nur nodj beS £>er= 
tommeng wegen jufammenbalt, aber gar halb 
bem '?Äenfcbentbum'(?!) meinen mirb." — 9llfo 
fpreetjen fie. 

„@S ift gar aus mit uns," alfo feufjen ouefj 
manche 6^viften^erjeit, , bie ficE» angeroöbnt haben, 
alles um fid) bet in gar bunteier ©<battirung 
ju [eben. „®aS ©ort ©otteS bat feine ©eroalt 
mehr über bie UJtenfcben; bie ffirebe übt feinen 
ßinfluf? aus auf bie Stenge; bie ©eit mäcbft ihr 
über ben i?opf, unb es mirb je länger, je fcblim. 
mer." — 9IIfo feufjen fie. 

$aS ©eburtsfeft ber $ircbe ©otteS auf (Srben, 
?fingften, ift roieber in’S Sanb aefommen unb 
betanlafjt uns, ein wenig 9tunbf<bau ju halten, 
fiafet feben, was wir erftbauen, ob es wahr ift, 
bafe bie ilirdEje ©otteS feinen ober nur geringen 
GinfluB auSübt, ob es begrünbet werben fann, 
baft nur Unmiffenbe, fjanatifer ober ©elbft. 
füdbtige ficE» ju berfelben halten ; ob ihr (Sinflufs 
ob. ober sunimmt, uub ob baS ßbriftentbum 


als beraltetcS ©erfjeug halb ausgebient bat unb 
ben Stampf einftelfen muB. 

©ie gebitbrlid) fangen wir üu £>aufe an, unb 
gewahren allerbingS in ben 93er. Staaten febt 
biel, waS jum 5Rei<b ber 3?infterni| gehört: 
Offenbare unb üerborgene Safterbaftigteit aller 
5lrt, eine ©ebunb. unb ©cfjanbpreffe fonber. 
gleiten, Saufenbe ©otteSixrächter, biele 93er» 
eine, beren 3 roe cf «8 ift/ baS Jteiä) ©otteS ju 
untergraben unb &eu<belei in allen ©ebatti. 
rungen. 

9lber wir Wijfen auch, baB baS SReicb ©otteS 
im Stampfe mit biefen finftern flächten feinen 
SBoben berloren, foitbern gewonnen unb ficb 
als rüftiger, lebenSfräftiger $ämpe bewährt bat. 
OaS gaiije Sanb ift mit ©otteSbäufern überfäet, 
fo baj} auch im entfernteften ©infei ficb bie ft'raft 
beS GoangeliumS äußert. Sbeilt fi<b biefe mä<b= 
tige 9lrmee auch in gar üerfcfjiebene Fähnlein, 
fo muB es bod) ein gar Perbiffener, bigotter 
©eftirer fein, ber in biefem öielfäitig regen 
firtblicbe» Ceben nichts fleht, als babplonifdje 
Verwirrung unb baS &eil nur in feiner, ber 
einjig wahren Sfirdje gewahrt, ©oltb’ armfelige 



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282 


Jknbfdjau jur JJfmcjftjeit 


3Bichte werben nach ©ebüljr brat) auSgelacftt; 
baS Aeicft ©otteS aber gebeibt, mtb bic 
Kirche bat bierjulanbe in beit lebten füntunb= 
gwangig Fahren fo bebeutenbe ©uvtfrfjrittc auf» 
guweifeit, baß fie fowobl bas ©efebrei — fie jei 
ein oeraltet Fnftitut, als bas ©ettiicftge ob ber 
beillofen ©eftirerei gu ©chanben uuubt. 

Aehmen wir gum Aeweifc biefer SBehauptung 
bie mir gunächft liegenbe ©tatiftif uttb lernen 
ans ibr folgenbeS: SBor 25 fahren gafftte bie 
Sifcf). 'Dtetb- Kirche 850,519 'JJtitglieber, beute 
1,717,567. Aor 25 Saftreu befaß fie 8335 Kir» 
eben im SBertbe oon $15,781,310,' beute 17,656 
©otteSbäufer, welche gu beinabe 64 AiiUionen 
üeranfcftlagt finb. Äor 25 Fahren gingen 706,= 
259 Sebrer unb ©cftüler in ihre ©onntagS* 
©Aulen, beute 1,811,324! 

Ohne 3h>eifel haben aueft bie anbern 5?irdften= 
gemeinfebaften ähnliche fjfortfdbritte aufguweifen, 
unb fönnen ebenfalls bureft Fahlen bartbun, 
baß cS noch nieftt gar aus ift mit bem ©briften» 
tftum, fonbern eS bie Saftn betreten bot, auf 
Welcfter baS gange Sanb untertftänig gemacht 
wirb bem König aller Könige unb bem £>errn 
aller Herren. 

Frägt man aber: 2Bo ift benn bet <ftriftti<he 
©influß auf bie ©efammtbeoölferung, unb wo 
bleibt bei all biefem äußeren Grfolg bie innere 
ächte Frömmigfeit, fo ift gu antworten: 33or 
25 Fahren laftete bie ©tlatierei auf Sanb unb 
33olf, — brate finb wir frei. 93or 25 Fahren 
War ber Sranntweinfrug ber ©eitoffe in felbft 
cftriftlichen Qfamilien, beute — wirb ber Kampf 
gegen ben Alfoftol mit einer ©ntfeftiebenbeit unb 
foieftem ©rfolg geführt, baß ber ©ieg nicht aus» 
bleiben wirb.’ SSor 25 Fahren lagen chriftliche 
Literatur unb Schulen noch weiftenS in ber 
Uöiege, heute — haben fie fich gu einer tölütlje 
entfaltet, welche reidfte Früchte tragen wirb. 
SSßer nun betreffs biefer unb anberer ©rfolge 
t>on ber Kirche ©brifti abfeben unb fügen will: 
„alles bies ift nichts anbereS als baS Aefultat 
beS allgemeinen AingenS unb ©trebenS," bem 
fteht es frei: er wirb aber oon jebem Unbefati» 
genen, welcher fich über biefe Kämpfe unter» 
richtet, auSgelacht werben. Unb was bie innere 
ächte Frömmigfeit betrifft, fo finbet fich aller» 
bingS neben ben äußeren ©rrungenjehaften noch 
gar DieleS £>oble unb auch fjaule; aber ber £err 
hat auch in Millionen £>ergen fein Aeicft auf» 
gerichtet unb feinen Stempel gebaut, fo baß wir 
auf Sie 33er. Staaten fdjauenb wohl auSrufen 
bürfen: „Aocft ift ber £>err in feinet ©tobt." 

Aueft Gnglatib ift, obgleich es Diele ©chatten» 
feiten — Slrunffucftt, Formalismus, AitualiS» 
muS, fircftlicfte SluSfchließlidftfeit ac. rc. — auf» 
weift, im ©angen ein 2anb, in welchem ber |)err 
FefuS ©ftriftuS große ©iege gefeiert unb fich 
einen bebeutenben itbeil beS englifdjen 33olte§ 


nntertbänig gemacht hat. ©S finben fi<h bort nieftt 
bloS Dichtung Dor bem 2Öorte ©otteS, Heiligung 
beS ©abbati)S unb tbätige ©üangelifution, jon» 
bem baS englifcfte Slolf'fcftreitet auch in biefer 
Aicfttung beftäubig DorwärtS, alfo baß ©roßbri* 
tanien beute in Diel ernfterfm Sinne als Dor gwan* 
gig Fahren „baS Sanb ber Sibel, bes ©abbathS 
unb eüangelifefter ibatigfeit" ift, unb es wirb 
lautn eine größere Angabi englifcfter tßroteftanten 
geben, welche ben ©abbatl) nicht als eine gött» 
lidfte ©inriebtung erften AangeS anfehen. SQSir 
haben wenigftenS wäbrenb unfereS Aufenthaltes 
in ©nglanb Don feinem einzigen gehört. &ie 
innere Atiffionstbiitigfeit, bie &eibeniniffion, bie 
Söibel» unb ShüttatDerbaitung haben in ben 
lebten gwei Faftrgebnten in ©nglanb einen Auf» 
fcftwutig genommen, baß es troß ber Aatur» 
forfefter aus SkirwinS Schule, troß ber 33ermelt» 
Heftung mancher englifeften ©heilten unb troß 
ber feftreeflieften Slrunffucftt unb troß beS Krämer» 
geifteS ber englifchen Regierung, bureft welchen 
bie Fntcrefjen bes AeicfteS ©otteS gefeftäbigt Wer« 
ben, bafelbft wabrlicft noch nicht auSfiebt, als ob 
bie Kirche ©brifti auf bem Kampfplaß nichts 
mehr auSguricftten Dermöge. 

SBeniger giinftig liegen bie SSerftältniffe in 
ben proteftantifeften Säubern beS europäifeften 
FeftlanbcS — $eutfcblanb, |)otlanb. Schweig 
unb ©fanbinaöieit. Febocft finb eS auch bort ber 
Angeicften bafür gar Diele, baß bie Kirche ©brifti 
ben Kampf mit ©rfolg aufnimmt, ©efton baS, 
baß bic ©renglinie gwifchcn ©laube unb Un= 
glaube in 2)eutfcftlanb immer fdftärfer gegogen, 
Darf als bebeutenbe ©mmgenfcbafl bargeftetlt 
werben, benn nicht nur werben Ijieburrf) bie 
Aßanfelniüthigen gur ©ntfefteitfung getrieben, 
fonbern bie ©läubigen bes oen 33ater(anbeS 
finb babureft auch beranlaßt worben, anftatt in 
fleinen unfdbeinbaren Häuflein gu fämpfen, fich 
gu einer ftarfen eDangelifdhen Partei gu formi» 
ren, welche mittelft ber treffe. Dielet SSereine 
unb ©efeüfchaften, zahlreicher ©tabtmiffionäre 
unb ©oiporteure auf baS 33olf einwirfen. Fa 
wohl — baS Aeich ©otteS ift beute in ®eutfm» 
lanb Diel träftiger unb mächtiger als bor25 Faft» 
ren, wie feßr auch ber bortige KircftenliberaliS» 
muS unb bie gegen baS ©hriftenthum gerichtete 
Strömung im 33oIfSleben gu bebauern finb. 

Fn ber ©cbweig unb bem biefer Aepublif 
glaubenSDerwanbten |)ollanb ift bie ebangelifefte 
ißartei im Kampfe mit bem Unglauben unb 
Aberglauben oft unterlegen. Unb gerabe feßt 
behaupten bie ©ftriftuSläugner baS fehweigerifefte 
©chladftfelb, inbem bie firCblicb»liberalen in faft 
allen ©antonen bie Cberbanb haben. 333er je» 
bodft in beiben Sänbern bie gurüdgebliebenen 
„©iebentaufenb" auffudjt, wer ba wabrnimmt, 
wie fie fich nach allen Seiten hi« rühren, unb 
bie biühenben-Stiftungen betrachtet, bie fie in’S 


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Kuntirrlinci jur ^fingftjeit. 


283 


Sehen gerufen; wer mit ihnen anbetet, bev roirb 
etfennen, bafe ber lebenbige ©ott auch bort noch 
ffiunber tfeut. 1 

ffieitiger betpeglicb ift baS c^riftlicfje Sehen in J 
Schweben, 9tortoegen unb Dänemart Das biel» 
fa<b erftarrte ffircbentfjum bat bort ba§ 9teid) 
©otteS fo gu fageit überwuchert unb bie Siebe 

t um hergebrachten f liefet jroar bem gerfefeenben 
tngiauben SLf|ür unb Dfeor ju oerrammetn, 
hält liefe aber auch fo febr an bie äufeere ffortn, 
bafe frifcfee SebenSgeicfeen feltener fitib als in 
SDeutfcfelanb unb ben reformirten Säubern, 
©eit mefer als jroei 3obrjefente jebod) ift biefc 
ftanbinaoifcfee fRufee oon ben böfen Setten — 
ben Atetfeobiften, ben ©aptiften unb anbern ge» 
jtört Worben, worüber bie „Steiftircfelidjen" groar 
fKorbio fefereien, toaS aber fcfeliefeliefe boeb jur 
ffiieberbelebung beS im ©anjen fo tobten ftan» 
binabifefeen ffirdjenroefenS bienlidj fein roirb, roie 
benn auch in neuerer 3eit baS beinahe Unerhörte 
gefaben unb fetbft in Norwegen TOffionS» 
unternebmungen innerhalb ber SanbeSfircfee 
entfeanben, roelcfee nicfetüon oben herunter btircb 
obrigfeitlicfeen ©rlafe borbittirt geroefen. 

3fn ben romanifefeen Säubern — tfrranfreicfe, 
Italien unb Spanien befifeeu beute noefe roie 
früher Unglaube unb Aberglaube bie lieber» 
macht, aber nicht mefer mit ber AuSfcfeliefelicfefeit 
toie früher. Aamentlicfe rufen in ©ariS einige 
ernfte tnit aller ©tadjt bas ©olf jur 

Sufee unb halfen ben ©ertommenen mittelft 
allerlei Stiftungen unb Vereinen.* ffinben 
fwb im ©anjen auch nur noch 650,000 ©roteftan» 
ten in ffranlreicfe, unb finb biele berfelben auch 
bom Unglauben erfafet, fo bat ficb unter ihnen 
boeb noch biele ©otteälraft erhalten, roelcbe fiefe 
al§ Salj für bas ©olf bewähren fann. Auch 
in biefem, roie in allen europäifefeen Sänbern, 
haben Heinere Denominationen, roie bie fDletfeo» 
biften, bie SBaptiften unb bie Union des bglises 
i^angbliques 3ofeanniSbienfte getfean unb tfeun 
fee noch, inbem fie bie anbern beftänbig roeaen. 

3n Spanien, bem umnaebtetften Sanbe ©uro» 
paS, bat ©ott ber £>err burefe ©aftor ffliebner, 
bie ©piscopalen, bie ©tetfeobiften, bie ©reSbt)» 
terianer unb anbere ein Sicht aufgeftedt, baS nie 
roieber er löfeben roirb. 3” Italien machen bie 
ÜBalbenfer, bie italienifcfee fjfreitircfee, bie eng» 


* 3m näcbften §eft Wirt §au« unb Sab einen Artilet 
üba biefrt SLÜert aud Sr. ©utjbagert fjrter bringen. 


lifeben unb ameritanifeben ©tetfeobiften unb bie 
©aptiften bem Zapfte gor roarm unb prebigen 
in näcfefter Aäfee oon St. ©eter baS ^ecrlidbe 
©oangelium. 

2BÖS bie ©iiffionStfeätigfeit unter 3uben unb 
Reiben betrifft, fo bat baS ©olf bes harn ,£>errn 
eine Dfeatfraft entfaltet, bie fcf»tec£)tcrbing§ bie 
Meinung, baS 9teicfe ©otteS fei auf bem Ans» 
fterbe=6tat, gu Spott macht. Der feartnädiafte 
©tiffionSboben — bie 3ubenmiffion — toeift feit 
Anfang biefeS3rtferfeunbertS minbeftenS 100,000 
belehrte 3»raeliten auf. Die fieben ©tiffionS» 
©cfellfcbaften ber ©feriftenfeeit ju ©nbe beS lefe» 
ten 3<iferfeunbertS finb ju nicht weniger als 
f i e b e n g i g geworben. Anftatt ber 170 ©tif» 
fionare oon bamalS, haben wir beute 2.400 
orbinirte ©uropäer unb Amerifaner in ber £ei= 
benroelt, bagu oiele bunberte orbinirte eingeborne 
©liffionare unb 24,000 eingeborne ^Hilfsarbeiter 
ber ©tiffion. 3ene 170 ©tiffionare batten ba» 
malS etwa 50,000 belehrte Reiben in pflege; 
iefet finben fid) 1,800,000 |>eibend)riften auf 
ben eoangelifefeeit ©tiffionSftationen aller @rb» 
tbeile. ©inige biefer ©efeflfcbaften, roie g. 9. 
bie ©ritifefee, bie SBeSlefeanifefee unb bie ber 
©ifefe. ©tetfe. ßirdje finb gerabeju gu 9tiefen= 
bäumen angcroacbfen, beren 3*oeige bie halbe 
©rbe umfebatten. 

hanb in £>anb mit biefem riefigen ©bange» 
lifationö» unb 9Jtiffion§roerfe, unb baffelbe an» 
babnenb unb förbernb Wirten bie Söibelgefell» 
fdjaften, auö benen bie britifbe unb amerifa» 
nifbe roieberum obenan fteben. ©rftere allein 
bat feit ihrem SSefteben nabeju 86 Millionen 
9ibein ober Deftamente oerbreitet. 3m ©an» 
gen ift bie beilige-Sdjrift jefet in 308 Sprachen 
unb SWunbarten gebrueft; roäferettb gu Anfang 
biefeö 3abrbunbert§ bie SÖibel in nur etwa 50 
Sprachen borhonbeit unb wohl nidft in mehr 
als 5 TOIlionen ©jremplaren oerbreitet war, 
beträgt beute bie ©efammtoerbreitung ber S3ibel 
unb SBibeltbeile nabegu 150 iOtiflionen ©jem» 
plare. 

Safet uns benn ißfeogfecn feiern mit ber 
brünftigen ©itte, bafe es mehr unb mehr 
©fingften werbe in ber ©Brijien» 
beit; aber auch mit bent innigen tiefgefühlten 
Dante, bafe e§ ©fingften geworben 
i ft, unb ©ott fein Sßolt beimgefuebt mit feinem 
©eifte unb fein ewig 9teic| gegiftet bat, welches 
bie ©forten ber ^ötie nicht überwältigen fönnen. 



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284 


®ine romantiftyr St)aird)(ud)t. 


(tim romantifrtje tljalfdjludjt im Staate Hem Jork. 

©araefteüt m\ 3« ®. Ä. 


©d&tocljer$au« an bcr 

i. 

§ giebt wohl eine fd^merti«^ reijenbere 2aub» 
fdjaft bieSfeitS bem fjelfengebirge al3 bie 
2afe=9tegion int Staat Stew $orf. 9öaf>= 
renb bas Soll längs bet atlantifchen fiüfte im 
Sommer nach ber tiitjlenben Brife beS ©erbftcS 
lechjt, fchroelgen bie Sefuchet ber 2afe Stegionen 
in biefem ©enuffe. Sticht allein bie größeren 
©ewäffer, als ber Ontario unb ber (Srie, fon» 
bem felbft bie Stäbe beS Keinen @at)uga, Oneiba, 
Suta unb Seneca bieten bem matten ©eift er» 
frifcbenbe 2a buug unb 3ufludj}t. 

SBatfinS Obaifcblucbt überragt alle anbern 
Sßläfee jener ©egenb an ^ntereffe unb Steij, unb 
menn toir uns gerechtfertigt halten, aus unfern 
©renjen inS SluSlanb ju reifen, um Oinge 
bon bebeutenb geringerer SeljeuSmiirbigleit ju 
flauen, als g. 35. Oiboli, 33elina, 2onbon, 
©lencoe, bie Äiöarneb SBafferfäHe, baS Sb«! 
bon SIboca, bie Oargle. unb Seufelsfdjludjt ju 
SBicflow, fo berlotynt fidjS gewijs, einen mehr» 


2Battin«s©d&Iitc$t. 

tägigen Slbftecher nach SCßatlinS jtbalfdjtudbt ju 
machen, um biefe Staturberrlicbteit ju fehen, 
welche ©race ©reenwoob „6in Sehälter ber 
Statur bon ewiger Fühlung" nennt unb 
bon welcher Sabarb 2at)lor fagcn fonnte: „Stuf 
allen meinen Steifen traf ich feine fdhöttere unb 
romantifchere Scenerie als bie, welche bon biefer 
Wunberboüen Jhalfchludht eingefchloffen ift." 

3Battins liegt in Schützer 6ountt) nahe bem 
obern ©nbe beS Seneca Sees unb erhielt feinen 
Slawen bon bem ©rünber beS SledenS, Or. 
Samuel 2B a t f i n S, einem gebornen <5ng= 
länber, welcher einen 2anbftridj bon taufenben 
bon Sldern erwarb, welcher unmittelbar um baS 
obere (Snbe beS SeeS liegt unb welchen berfelbe 
bor ungefähr 100 fahren bireft bon ben 3fn= 
bianern erlangt hat. Oie ganje Umgegenb ift 
hiftorifch unb bie borfommenben Stanieri in ber 
Stncbbarfdjnft finb rebolutionären unb inbia» 
- nifchen Berühmtheiten entnommen. 

I Bor jweihunbert fahren war biefer Ort ber 



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(fine romantifdje lüjalldjludjt. 


285 




Beliebte Sagbgrunbber 3froquoiS, beren ©apfer« 
leit—nad) ©anfrofts ©efcpicpte ber 93er. ©t. II, 
415 —425 — Stern $orf feine gegenmärtigen 
©renjen gu berbanfen Bat. @S toar ber popu¬ 
läre «aminelplap ber fünf Nationen, (üerftärtt 
in 1712 bur<B bie ©uSearoraS, als ber ©edfl'ten) 
bie ÜJtoBamfS, OiteibaS, OitoitbagaS, ©uqugaS; 
bodj Bitten nur bie © e tt e c a S ihre Hei¬ 
mat B B i e r. ©ie allgemein IjerrfcBenbe 9ln- 
fi<Bt ift, bafj bie ^nbianer fidj nie in ftabilen 
Heimftätten befunben Bütten, biefe Umgegenb 
jebo<B begeugt baS gerabe ©egentljeil. 

2lud) ber 'JJiifftouar, ber am erften biefe ©Jit- 
ben befucBte, um fie gum ütreug gu f&Bren, uitb 
ber Hanbler, ber gum erften ©tal in iBr ©rbqut 
brang, um ftBledjten ©djnapS gegen mertBbolle 
9?elge gu ocrtaufcBen, fattb bie betrcffenben fcd)S 
Stationen gufammen berbunbeit unter bem Sta¬ 
uten 3roquoiS, unb im SlitfprucB bcS SanbftridjS, 
erftredenb non ben ©reitgen ©erntonts bis gum 
toeflli<Ben Stern ?)orf, bon ben Safes Bi» gu ben 
•Quellen beS Cpio, ©uSqueBamta unb beS ©e= 
latoare. 

2febe Station biefer ^Bereinigung toar eine 
fouoeraine Stepublif, barnadj mieber getBcilt in 
Stämme, gmifcBen meidjcn eine taum bemerf- 
bare geringe Unterorbnuna ejiftirte. ©ie 
Stammglieber moBnten in gcfetteltem unb feftem 
Heimroefen, umgeben bon 93oBnen- unb SJtaiS- 
felbern. SfeglicgeS ©d)loj} bilbete, ähnlich einer 
neuenglänbifcpen ©tabt ober einem fäcBfifc^en 

t unbert, ein Heines greibürgerthum. 

S gab toeber ©tlaberei nocB eine beborgugte 
flafie. Sille mateit gleichberechtigt. ©ie Union 
toar Beftätigt burcp einen ungefdjriebenen 
93ertrag. ©er Gongrcfj ber Häuptlinge be= 
forgte alle genteinfamen ©eftBäfte, ähnlich ben 
allgemeinen ©olfSberfammlungen ber Slnglo- 
Saufen. 


6 cncca ©««. 


Siabuft über 2Batfiu8=£dBluc§t 

©er Ieitenbe itrieger mürbe burdj allgemeines 
93ertrauen in feine ©ugenb unb fein 93erBalten 
ermäBlt; SBerbienft allein erpielt ben 93orgug 
gum 9lmt, unb bie SJtadjt mar ebenfo perma- 
I nent, als bie CmdjadBtung beS ©tammeS. HaB* 

I Stellungen brachten feinen ©eminn. SBenn 
I iBre brauen SDtätnter in ben Jtrieg gogen, mur« 
i ben fie, ftatt mit ftiegerifdjen Snftrumenten, 
mittelft ber Bellen Stimmen iBrer Sichrer ange¬ 
feuert. 9luf bie glatte Slädje eines Saumes, 
bon meinem bie- äujjere Stinbe gefdjält mar, 
malten fie bie ©Baten ihrer ©apferfeit in ben 
einfadjftcn Simtbilbern. ©aS maren ihre ©ro» 
pBäeit unb 3aBrbüdBer; biefe unb ihre itricgS- 
gcfüuge bemaBrten baS 
Siebenten ihrer He¬ 
roen. Sie fapen fid) 
ftolg als bie H^rbor- 
ragenbftcn ber 9)ten« 
fdjen an, als Scan¬ 
ner, bie alle 9litbern 
überragen unb ein an¬ 
geborener H°ÜjntutB 
ftachelte ihre jungen 
SJtänner gum fühnften 
SJtutB. 911S Habfott, 
3. Smitl) unb GBam» 
plaitt gufammen in 
SImerifa maren, ba 
Batten bie SltoBamfS 
iBre ©treifgüge born 
©t. Satorenee bis ©er» 
ginia anSgebeBnt; 
halb Song 3§lattb 


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286 


dint romantifd)t 9U)alfd)lud|t. 


muffte teilen Stribut jaulen unb einem Woljarof 
#äuptlinß mürbe an ber Waffa(bufetts«®ucbt 
%btunß flejoüt. 3m Offen mie im Sßeften 
t>om ffenneoec bis jum Wiffiffippi, foroobl bie 


G§ ift nun ein meniß über ^unbert 3aljre 
(9luß. 19. 1779) feit ©eneral ©uüiuan an ber 
'öpijve öon 3000 Wann fi<b in einen ßampf mit 
ben 3roquoiS eintiep, beren fortßefepte ©rau» 



Xie ifcBatfin^S<$lud?t unb ba8 23 crßf$lu$t$au 8 . 


9lbenafiS als aud) bie WiamiS unb bie entleße» 
nen 3üinoiS jufammen, nermodjten bem Sinfall 
bet jfroquoiS feine ©(brauten ju fejjen. @rft 
ber meipe Wann bracb bie Wad)t biefer Sßilben. 


famteiteu alle meipeu Wnfiebter aus bem frud)t* 
baren Söponting» unb WobaroNSEbfll 8« »er* 
treiben bropte. 3m Stnfcpfup meiterer taufenb 
Wann bei SEioßa, unter ber 9lnfiibrunß beS 


Di \zeä by UooQle 











(Sine romantifdje ftl)alfd)lud)t. 


287 



©enerals Clinton, beftieg biefe bereinigte 3rup= 
penmacht ben ©hemung (inbianif<^ Big Horn) 
unb lieferte, nahe einem ^piap, Schmeinsrticfen 
genannt, ben '-Silben eine Schlacht, meiere ber* 
jeit angeführt mürben Don bent berühmten 3n* 
bianer*4?äuptling töranbt, beffen Japferfeit in 
biefer ungliidtlichen Stunbe mit feiner (Rieber* 
läge binfeh tonnt). 

®ie 3froquois traten nie roieber gegen bie 
überlegene 5Racht beä ameritanifeben URilitärS 
auf. ®ie golge biefeS ffelbjugS mar, baü 
SulliuattS (tlrtnee ohne Höiberftanb in ber gan* 
jen Umgegenb umber jog, uom ©hemung bis 
jum ©ene|ee; fte jerftörte bie roogenben (ÜtaiS* 
felber ber Sroquois, ruinirte ihre Obftgörten 
unb nerbrannte ihre Oörfer. Unter ben jerftör* 
ten ^ßläfien mar ßanabaSeagea, bas fjcuticje 
©eneba, ber f)auptort ber SenccaS, unb am 
nörbtidben__@nbe beS Sees gelegen; USatfinS 
liegt am «übenbe unb ©onemamah (bie Spipe 
einer Stange bejeiebnenb), nachgebenbS ber Ort 
einer (Riebertaffuitq, betannt als (Remtomn, 
nunmehr beffer befannt als bie Stabt ©Imira, 
mo bie alte ©rie ©ifenbapn Serbinbunq macht 
mit ber Northern (Zentral 33ahn, burd) metebe 
SBatfinS jugängliib ift. 

SDiefen SBeg tarnen mir herauf bon ber Stabt 
(Rem $orf. 3)er 9lbenb* ober $acific=@jprcp s 
jug, meinem bie ^ullmannS Scblafroagen an* 
gehängt finb, biente uns als (Reiferoageit unb 
fmtelbequemlichfeit sugleicb- 3febev Üteifenbe 
ber ©riebahn meip, bap itirgenbS eine bejfcre 
Sifenbabneinricbtung unb (ßerforguttg *u finben 
ift, als biefe alte ©ompagnie bietet. Ooch maS 
ben Sdblafmageu betrifft, fo ftimmen mir boll* 
lommen mit bein ©nglänber überein, roeldjer 
beim Sefuch biefe» SaiibeS, itacbbem er bie erfte 
grahrt auf einem „^ullmann" iiberftanben batte, 
|urücffdjrieb nach ©nglanb: „ich müßte teilten 
bejferen 2öeg eine (Rächt in lujuriöferem 6(enb 
ju Derbringen." 

3it SöattinS, bem «täbtehen, fo anjiebenb eS 
auch fonft ift, jögerten mir nid)t lange, fonbern 
marteten im 'Bahnhof unb nahmen ben Omnibus 
na<b bem S3ergf<blucbtbaufe. Oiefer ©aftbof 
liegt 300 pmp über bem ©ingang jum Spal! 
unb ungefähr ein SMertel beS 3ßegS hinauf jur ' 
höchften Spipe. 1 

(Ridjt allein bie herrliche SluSficht unb bie ent* 1 
’jücfenbe Sceiterie, roeldfe benfelben umfdjliept, i 
macht biefen ©aftfjof bem Sefucher beS $ljalS i 
jur münf^enSmertheften £>eimath. Seine ©in* 
ridhtungen finb bortrefflich unb feine Serroaltung I 
ben tjjänben ber ^errett SRichener unb Sippincott I 
bertraut, mel<he beibe (Üiänner bon ßijaratter | 
unb bcrounberungSmiirbige Sffiirthe finb. Utein 
Siquör ift bort auf bem ©runbe j(u haben unb ! 
ber ganje Ort hat mehr (tlebnlichfeit mit bem 
SRutjefip eines alten beroährten fjreunbes als 


einem populären »ommeraufenthalt. Slnftatt 
jroedloS uniherjumanberu, entfchloffen mir uns, 
gleich beim Slnfang a n j u f a n g e n. 2Bir ftie» 
gen bephalb nahe eine halbe (Dteile abroärtS 
gegen baS Stäbtchen jum roirflichen ©ingang. 
3iäh anfteigenbe £>üget ragen gleich riefigen 


(gmaana^au. 


Sd)ilbtoad)cnan 
jeber Seite ber 
6iitgang^Pfor ; 
ten empor. 3^i 
fcheit benfelben 
I)ert)Ot fpringt ein Heiner fief= 
ler Strom in fjunbert 
ferfäBeit Dom pfeifen unb tpiit* 
bet i'id) fülle über ba» ebene 
JJ^al bem See entgegen. ' SOBir folgen bem 
fleinen Strome unb teuren in ben @ngjpaB ein, 
um unfre Pilgerfahrt gu eröffnen. 3Bir flehen 
in einem öuSgebehnten felfigen 2lmphithfnter / 
beffen SBänbe p beiben Seiten nahezu fttoei* 
fjunbert fjuft über unfre SJöpfe emporfteigen, 
unb bem Steine nad) aüeö SBeiterbringen 
ab^ufchneiben brobeu. 2Bir paffiren unterhalb 
unb um ben $u§ iiberhängenber Reifen, um 
eine ber milbeften Scenen ber Schlugt ju ge= 


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288 


dine romontifdjf cTt)alfcf)litd)l. 



niepen, um mit Skrwuttberuitg erfüllt, eljr* 
furcfjtaUoll unb bejaubert bajufteljen. 91 u§ 

einem SBintel ber f^elfeu,, circa fedjsjifl Suß in 
ber £>ölje, fließt ein fdpnaler Sßac^ Ijcroor unb 
ftürjt wilb Ijerab in einen buntten, f)öl)len= 
artigen 2:eidj üon unbefannter $iefe. ©S ift 
ber ßiugangsfjall. 3 U unfern ftüjjen ebenfalls 
ließt fcbiummernb ein breiter, tiefer, tlarer, aber 
unregelmäßiger ieid). 6r roirb ber fJifdfWeiljer 
genannt, wegen ber immeitfen 
itfaljl beS flöffigen @efd)lcd)ts, 
welche fiel} fjier fammclt wäljrenb 
beS JjwdjwaffcrS aus bcm Safe, 
im Srüljliitg ober Slnfaitg beS 
Sommer*. 

2öir befleißen eine 2rcppc unb 
erreichen burd) einige Stufen, 
was als „©len SÜplja" (beS 
2I)aleS Anfang) befannt ift, unb 
wäljnen unSam ©ube bc§9lmpl)i= 
tljeaterS, wäljrenb mir plößlid) 
jur Sinfett beS ©ngpafjeS eine 
fdjarfe Biegung entbccfteu, welche 
uns beim Slieiterpaffiren beS 
Eingangs in bie Sdjludjt als 
enge Spalte beS Reifen erfdjien. 

2öir hielten tljatfadjlid) an man 
eper Stelle ber 
Sdjlndjt inne 
unb munberten 
uns, roie es roobl 
möglich märe, 
biel weiter bor« 
jubringen, ba 
ber 3Beg un« 
pafftrhar unb bie 
Entfernung un« 
erregbar freien; 
bodj bei unferem 
SÖeiterbringen 
bot ber ißfab bem 
Sluffteigen im« 
mer größeres 
Sntereffc bar, 
als Wir unS 
burdj eigene 

SJiarlirung beS ffiegeS hätten ju bieten 
modfit. 

Unregelmäßige fRiffe bon bunflem 
winfelig unb büfter, tfjiirmett fiel) auf. 


9 Jtinne$a$a. 


unter, mirb beim fjaü öfter unterbrochen, bis er 
bie unteren Reifen nur in ©ebaum unb ©if<bt 
erreicht. 

Vtittelft beS Sreppenga'ttgS, melcber beinahe 
ftd) perpenbifular erbebt,* fteigen mir nun fieben= 
gig Su& aufmörts. ©ehr meislicb bat bie 93er* 
maltung ber St^alfc^Iucbt für 9tubebänle geformt. 
$od) au<b Vtabame 9tatur bat unfrer gefliffeftt* 
lieb gebaut unb bietet uns einen ©enujj, fa 

f e 11 f a m, mie ber 
anbere nötfjig ift. 
äßeldj’ ein Silb 
martete nufer, als 
mir aus bem fin* 
fteru 9lbgrunb f)er= 
norbrad)en! Äein 
9S?unber, baß man 
ben 91nblitf, beit 
man üott biefem 
langen kreppen* 
gange aus geniefct, 
„Vifta" nennt. Sa 
finb filberne 2Baf= 
fer = tJäUe, ruhige 
Reiche, mooSurn* 
fäumte Selsmänbe 
iibermölbt non 
ftattlicben 2öalb= 
bäumen unb öieb= 
tem ©ebiifcb, mit 
einer Sülle Siebt 
bie Setne über* 
gie&enb; unb meit 
über uns, bureh baS 
ftnaragbene Saub= 
merf, bem ©emebe 
non ©omnterfäben 
gleid), erbliefen mir 
bie munberfeböne 
ßifenbrüde, melebe 
bie ©ebluebt nabe 
bem f)otel unb ber 
©peifebaüe über* 
fpanut, meld)em 
©egeitfiatjb mir 
nun näher rüden. 


Seifen, 
©ie fteU 


Der- ] S3eim 9fufmärtSfteigen merbeit mir mäd)tig be* 
rührt non ber ©cbönbeit beS CaubmerfS, meldjeS 
um fo liehtnoller erfebeint, je mehr mir aus beit 
Siefen ber ©d)(ud)t heroorbringeit. Sie feltfame 


gen einer über bem attbern empor, bis fie fieb I 2hatfad)c,tmn?(uberuermabnt, mag hier toieber* 


in ben SBolfen gu begegnen unb jebeu Zutritt 
gu nerbieten fdjeinen. Sod) mir fönneit hier 
niebt meilen, barum öormärtS. 

Um inbeffen nod) eine größere Verfcbiebenbeit 
gu bieten, unb einen noch brillanteren bontraft 
in bie bunfele, felfige Umgebung gu bringen, 
ftürgt ber 9)tinuebaba, ber gmeite SSaiferfturg, 
fdbön, unregelmäßig uub bod) noll 9lnmutb l)in= 


holt merbeit, nüm(id): „9lirgenbS foitft auf bem 
amerifanifd)en Kontinent mirb eine folcbe Sülle 
ber Vegetation innerhalb fo enger ©reitgeit ge* 
funben." 

Sür ben Sonriften, ber nicht in aflgugroßer 
(Sile ift, follte ber Vefud) ber ©eblmbt am erften 
Sage hier enben, unbber9ieft follte für einen ober 
gmei meitcrc Sage giutt SSenigften gefpart merben. 


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(Kint romantifdje Q!l|olftf)lud)t. 


289 


§filr uns war bie erfte SageSarbeit getfjan. 
Sergnügt teerten mir '«Rübe fucbcitb jurn ©oft» 
bof jurüdf. 

Unfere ffußtour beS nädhften SageS fing ooit 
ber Spei fehalte an, bem fogenannten „Schweizer» 
£>auS"; benn unfere ßefer bürfen nid^t Dergeffeit, 
baß baS r ,Vergfchlucf)t = .£>auS" feine ©äfte nicht 
unter bcmfeI6en ©ahc bewirthet, fonbern über 
ber eifernen Vrüde in einem fpejiell für biefen 
3roccf eingerichteten £>aufe. Un= 
fer ©ang führt burch baS ®e= 
bölj über einen fchattigen '43fab, 
@btoan*@<htunb geheißen. Vom 
©aftljofe aus alleröiitqS ift cS jur 
Streichung ber totromfläche ein 
beftänbigeS fRieberfteigen. 

2Bir paffiren babei eine fReilje 
Heiner ©tromfchneUen unb 2Baf* 
ferfäde. ©och unfer 3 lDec * beute 
ift, bie fogenanute Kathebrale ju 
erreichen. ©iefeS ift ein dReifter» 
unb Atufterftüif ber fRatur, Don 
beffen ©roßortigfeit bem ßefer 
eine Vorftedung geben ju wollen, 
ein müffiger Verfud) märe. ®ie 
Kathebrale ift ein unermeßlich 
längliches Amphitheater, naheju 
Don einer Achtelmeile ßänge. 

©iefeS ift nach allgemeinem 3u» 
gejtänbniß bie iiberrafcbenbfte 
Anficht in ber ©balfdjlucht, mel» 

$e hier weiter ift, als an irgenb 
einer anbern ©teile. dRit ihren 
über breihunbert ffuß ficb auf» 
tbürmenben, üppig mit ftRoofen 
unb Aantengemächfeit gefebmiief» 
ten ffelSmänben; ihrem breiten, 
glatten fj-liefenftein « '43flafter, 
ihren bur<hfi<btigen, gläfernen 
Seichen; ihrer burdb bie bogen» 
förmige V3öl bung ber SEßolten 
gebilbeten Kuppel unb ihrem 
luftigen SBafferfaK — bem Gen» 
tralfaü — ift bieS wohl ber herr» 
lichfte Sljeil biefer großartigen 

Shalfcblucht. 

©iefe Kathebrale mürbe auch 
fdfon beS „KünftlerS ©raum" ge» 
nannt. 


Querbalten, Verzierungen unb ©efimfen bar» 
ftedenb, fo auSbructSDoll gehauen unb toobl pro» 
portionirt, als jene eines qriedbifchen Sempels. 

Ueber biefeS ergießt fiep Dermegen ber Heine 
©trom Don ber oberen V?elt, gleich einem 
©dhauer Don ßi<bt, mäfferige 'JJieteore ftürjen 
abmärtS in bie fcßauerliche ©iifterheit. 

3ebodh wir gehen nach bem füblichen Ufer unb 
erreichen ben Sreppengaitg, in beffen ÜRahe bie 



$ic Aatytbralc. 


©er $aupt» ©trom biefer Schlucht fällt in | breifache GaScabe herabrollt, barum fo genannt, 
toeniger als einer Vteile Dierfjunbert (fuß unb \ Weil ber Saß eigentlich auS brei füllen befteht. 
nahe boppelt fo tief in jmei Virilen uitb bietet: ^nbeffen bilben biefe brei jufammen eine herr» 
beim $erabfteigen eine Verfpefti'je Don glanzen» I liehe Kombination. ©iefeS jeboch ift nicht bie 
ben fällen, eine ^Reihenfolge Don treisförmigen fpe^iefle Ansehung ber Umgebung, ©riiben 
Seichen, fidj in tiefen Stein beeten ober Vef)ül= auf ber fRorbfeite beS Srippelfalls fpringt ein 
tern Dereinigenb, welche auSgehöhlt unb polirt i tleiner Vach über bie Stirne einer großen unb 
ßnb, glei$ fein bearbeitetem Ätarmor. - hohen ffelfenflippe hinab in bie Schlucht, über 

3u beiben ©eiten erheben fidh bie Klippen ' bie unregelmäßige Cberfläcbe beS ©efteins rie» 
jur thurmartigen fjoße, ein felfigeS ©ebält mit I felnb, bis er bie ©teile, mmölf bis fünfzehn »fuß 


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290 


Sine roma^iifdje <i!)alfd)lud)i. 



SRcgenbogenfaH unb brcifad&c (Fa$cabe. 


über bem fjruftfteig erreicht, mo er über ein uor= 
[pringenbcS ©efim3 fällt, helfen äußere JJante 
halbmonbförntig auSgelurüt ift. 

2)a§ SBaffer ftiirgt iticf)t in einer glattfd)i(ihti= 
ßen 2öfel hinab, fonbern in SJftiriaben Don 


bünnen ftäben unb tropfen, 
einen glängenbett trpftaflnen 
Schleier bilbenb, hinter meinem 
ber ^fab $>a3 ift bet 

Stegenbogenfatl. 

311$ tmr ba ftanben nnb burdj 
ben nebeligen Vorhang flauten, 
erfüllte itn§ bie 9lenh*it ber 
Scene, bie eigentfiiimliehe ^ar* 
benpradjt, meldje bie ftrahlenben 
$topfen be* fadenben SBafferS 
jeglid)em Ting, bol mir burd) fie 
erblidten, niittbeiltcn, mit SSet* 
munbernng. SBäljrenb ber gern* 
gen Saifon Don §tffit bi§ Sep* 
teniber, menn bn^ Spetter fc^ött 
ift, unb bie ©onnenftraljlen 
uom SBeften in bie ©ngpäffe faden, unb ber ent= 
güdte SSefucher burd) ben Sd)ieier blitft, gettmlfrt 
er grnei prächtige Siegenbogen, einen primären 
unb fecunbären, eine Slnfidjt, bie einmal ge* 
noffen, nie miebet beraeffen mirb. 


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Per firblingsbidjtrr. 


291 


Per ^ieblin00bid)ter fte* atnerihamfdjen Polke$. 

®o« ©puScttlttm. 


£ e n r ff SBabSloortff Songfellom, 
bet SieblingSbidjter beS amerifanifcffen ©olfeS, 
ifi nicfft meffr auf Erben, unb baS amerilanifcffe 
©olf, Weites bie ©robutte feiner ©oefie mit fo 
großem GntffufiaSmuS aufgenommen, fcffaut 
mit tiefgefüfflter Stauer in feine ©ruft. 

2BaS ©enie unb groffartige Originalität an= 
betrifft, mürbe er üielleicfft Don einigen feiner 
amerifanifcffen Kollegen übertroffen. Oroffbem 
aber ift er bis jef(t unbeftritten ber populär ft e 
amerilanifcffe Siebter unb oerbient offne 3*»eifel 
biefen ©uff in. 

2Beöffol£> ? ©Beil er fojufaaen meffr £>erj, 
meffr ©emütff, meffr tiefes ©efüffl ffat, als ir= 
genb ein anberer amerifanifeffer Oicffter. ©iit» 
telft biefer Gigenfcffaften füfflte er fteff in fffmpa» 
tffetifeffer Siebe ju feinem ©ölte ffingejogen, bie 
als fföcffften Soffn beffen ©egenliebe anftrebte, 
toelcffe iffm aueff in reieffftem ©taffe ju Offeil 
toarb. 

Sobann finbet fi(ff in Songfellom ni(fftS ftlei» 
neS noeff ©emeineS. Gr ftrebt naeff bem Reffte» 
ren, ^beeilen; eS mefft uns aus allen feinen 
Oicfftunaen ein meiffeooller Gruft an; bnS |)eu 
lige, bie©eligion, baSGffriftentffum f i nb iffm 
ffeilig. ©?it richtigem ©erflänbniff fafft er 
ben ©eruf beS OicffterS als ben eines SeffrerS, 
GrjiefferS unb ©ereblerS beS ©olfeS auf, unb 
fuefft in feinen Serien ffebenb unb Oerebelnb 
auf ben ©eift unb baS ©emütff beffelben einju» 
ftirfen, eine ©uffaffung, bie er in roaffrffaft 
fünfilerifeffer SEBeife in bem ©ebieffte „Oie Sän» 
ger" jum ©usbruef bringt, meines ffier in beut» 
feffem ©emanbe folgt: 

„Drei Sänger fanbte (Bott ffentieber, 

§a fingen jfreub» unb (Erauerlieber, 

Daff fte bamit ber ITtettfchen Sinn 
gum fjimmel roieber lenfien ffin. 

Der €rffe, in ber 3ugenb jeuer, 
Durcffwaitbelte mit golb’ner Seiet 
Die fluten unb bes IDalbes Saum 
Unb fang, »as uns bemegt im Craum. 

Der §n>eite, mit gebräunten XDangen, 

Kam fingenb auf ben ütarft gegangen 
Unb rüffrt mit ernftem Saitenfpiel 
Die fjerjen 2lUer im cSeumffl. 

(Ein «Breis im Silberhaar, ber Dritte, 

Stanb fingenb in bes Domes mitte 
Unb prebigt’ Buffe tief unb lang 
Beim notiert, ffeffren (Drgelflang. 

Die ITtenge, bie fie fingen hörte, 

Stritt, roem bie Krone rooffl gebiiffrte; 


©b 3®ber einjeln audj gefiel, 

Schien miberftrebenb hoch iffr Spiel. 

Da fprach jeboch ber groffe meifter: 

„Was ftreitet iffr eueff um bie (Seifter ? 
Derfchieb’ne <Sabe 3ebem warb, — 

Dcrfeibe gtped, nur anb’re 2lrt 

„Begeiflern, Spornen unb (Ermafftten 

Soll euch ben pfab jum tfimmel baffnen; 

Unb Der, beff ©ffr nur recht geftimmt, 
Doltfomm’ne Harmonie oernimmt." 

9llfo lautet ber ©runbton in aßen feinen @e» 
fängen. Sie ftreben fämmtlicff an, ben ©len» 
feffen ju beffern unb jum |)immel ju füffren, 
offne baff ber Oicffter in ben troefenen Seffrton 
ber biftaftifeffen ©oefie oerfällt. . 

2ßar Songfellom aueff lein baffnbredjeitbeS 
Oicffter=©enie, fo ffat er boeff in ber itunft, baS 
oon ©uffen ffer Empfangene gefeffieft ju oer» 
arbeiten, bie ©affo ju ebnen unb ju jieren, 9luSge» 
jeicffneteS, ja gerabeju Unübertreffliches gelciftet. 

Scffoit als Stubent fcffuf er reefft ffübfcffe ©e» 
bidjte für ein Journal in Softon: fpäter als 
©rofejfor “A Pilgrimage beyond tne Sen”, 
unb feinen ©oman “Hypciion”. ©ber erft im 
3affr 1839, in toelcffem er eine Sammlung fei» 
ner ©ebieffte unter bem ©amen “Voices of the 
Night” fferauSgab, mürbe er in meiteren Greifen 
belannt. 

©utt folgten rafeff aufeinanber feine “Ballads 
and other Poems 5 *; “TheSpanish Student”; 
“Poems on Slavery” u. f. m., toelcffe feinen 
©uf fteigerten unb iffm aueff im ©uSlanb foldff 
ffoffes ©nfeffen berfeffafften, baff halb jafflreicffe 
Ueberfeffungen erfeffienen, unb Europa in Song» 
feKoro ben erften Oicffter ©merifaS erblidte. 

Seine gröfften, meitberbreitetften Oicffhingen, 
bie feinen ©uffm über allen Zweifel feftfteflten, 
finb: “Evangeline”; “The Golden Legend”; 
‘ Hiawatha”; “Talls of a Wayside, Inn”; 
“Christ, a Tragedy 5 ’ u. f. m. 

Oie berüffmteften biefer längeren Original» 
biefftunaen finb “Evangeline” Uttb “Hiawa¬ 
tha”. Grftere beffanbelt in ffoeffpoetifeffer Söeife 
eine romantifdffe Gpifobe aus beit Oagen ber 
franjöfifcffen ©nffebler in Ganaba. Oie botl» 
enbetfte feiner Oicfftungen aber ift “The Song 
of Hiawatha”, oon ioelcffer binnen brei ©to= 
naten naeff iffrer Grfcffeinung in ben ©er. Staaten 
allein 20,000 Exemplare abgefefft mürben. 2Btr 
ffallen biefeS SEBerf für ben gelungenen ©erfitcff, 
ber jemals gemaefft mürbe, bie Ueberlieferungen 
unb Sagen ber Snbianet in poetifcffeS ©etoanb 
ju Heiben. 


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292 


39er jPieblingsbid)ter, 


Stuch burd) feine poetifdjcn Ueberfehungen bot 
fid) fiongfettott) einen bebeutenben Stuf erroorben, 
unb feine umfangreicbfte Arbeit auf biefem ©e= 
biete ift feine Ueberfefung non $ante’S “Divinn 
Comedia”. 

$em Dieter mürbe, ungleich bieten feiner 
Goltegen, ein forgeitfreieS GrbentooS gu 
8?rei bon bem $?ampfe um’S liebe 33rob, im 
Schoofe einer angefct)enen, mit irbifcfjcn ©liidS* 
giitern gefegneten Familie geboren unb ergogen, 
fcbon als Säugling bon böcbgeftcttten ©önnern 
begiinftigt unb in feinem Streben geförbert, im 
WanneSatter bon einer tiebenben fjamilie, bon 
3?reunben unb Serounberern umringt, im ©e= 
nuf alles beffen, roaS baS fiebeit fd)i>n unb an* 
genehm machen faitn, — Ijat fiongfefloro nie bie 
buntein ©eiten einer $idjter(aufbaf)n aus eigner 
Grfafjrung fennen gelernt. Unb bennodj fdieb 
and) ihm ber bittre $etdj beS fieibetiS nicht er* 
fpart. Gr bertor miibrenb feines SfufentbaltS 
in fieibetberg feine erfte ©nttin burd) ben 2ob. 
Gtliche 3«bre bnrauf berljeirathete er ficb roie* 
ber, allein ein entfcfcticber UngtiidSfatl beraubte 
ihn aucb feiner groeiten fiebenSgefäbrtin. 3ln 
einem falten SMitterabenb batte er mit ibr bie 
Oper befugt. 3 l > &oufe angetangt, mollte fie 
ftd) an bem offnen Äaminfeuer roärnten, gerietb 
bemfetben aber mit ihren Kleibern gu nabe, unb 
in einem einzigen Woment mar fie bon fttom* 
men eingehüUt. Sergebtid) roaren bie Slnftren* 
gungen ihres ©atten, fie gu retten, benn fdjon 
natb menigen ©tunben ertog fie ben furchtbaren 
Sranbrounben, bie fie erhalten hotte. 

©eit hem Stöbe feines intimften ffreunbcS, 
beS berühmten StaturforfdjerS Slgaffig, fühlte 

S ber dichter botlenbS febr bereinfamt unb 
nte fi<b nach ber ernigen Stube, in bie er nun 
eingegangen ift. 

ftenfl) Skbsroorttj fiongfefloro mar am 27. 
Februar 1807 gu tjlorttanb, im Staate Waine, 
geboren, roo fein S3ater, Stephan fiongfeftom, 
ficb beS StufeS eines auSgegeicbueten 3}iiriften 
erfreute. $n feinem biergeboten 3abre begog 
er baS Somborn Gottege gu SrunSroid in ge* 
nanntem Staate, roo er 1825 mit jener beriitjm* 
ten fftaffe grabuirte, bie Statbaniet fjamtborne, 
3obn Slbbott, ©eorge 33. Gbeeber unb noch 
mehrere Slnbrc, bie fpäter gu Seriitjintfjeit ge» 
langten, atS Stitglieber gäbite. Unter ber fi'ei* 
tung feines SaterS mibmete er fid) gnerft bem 
©tubium ber Sfted^ie, fanb ficb ober roenig bon 
biefem trodnen SerufSgrocig angefprocben,' unb j 
nahm baber freubig einen Stuf atS Srofeffor 
ber neueren Spradje'n im Somboin Gottege an, 
um fo mehr, ba ihm eine breijiibrige ffrift gege* 
ben mürbe, um ficb burcb Steifen in Guropü auf 
bie Sft>d)ten feiner Stellung borgubereiten. Gr 
fegelte im 3abr 1826 ab, hielt ficb ber Steibe 
nach in ^ranfreid), Spanien, Italien, $eutfdj= 


| tanb, ftoflanb unb Gngtanb auf. Stad) feiner 
Stüdfepr trat er feine Srofeffur an unb berhei» 
ratbete ficb 1831. 3fm 3abr 1835 mürbe er 
gum ißrofeffor ber neueren Sprachen an bie 
i berühmte ^arbarb*Uniberfität gu Gambribge, 
Staff., berufen, unb begab ficb »un abermals 
nach Guropa, um ficb namentlich mit ber beut* 
fdjcn, bäitifcben unb fchroebifchen Sprache unb 
fiiteratur grünblicber oertraut gu machen. Gr 
berbradjtc ben Sommer bon 1835 in SDänemarl 
unb Scbmeben, ben £>erbft unb Sßinter in 
$eutfd)Ianb. 3?riibliug unb Sommer 1836 
bereifte er 55;prof unb bie ©djroeig. 3m Otto* 
ber biefeS 3of»reS febrte er nach ben Ser. Staa* 
ten guriid unb trat feine Srofeffur gu Gambribge 
an, roetcbe Stabt er gu feinem bteibenben 9Iuf* 
enthalt rocibtte. 3m Sohr 1855 gog er ficb 
gängtidj in baS Sribatleben guriicf, unb ber 
dichter Raines Stuffett Somett mürbe gu feinem 
i Stachfotger atS ^ßrofeffor an ber Uniberfität 
j ernannt, ©eit jener 3 e >t lebte er, eine ober 
] groei roeitere Steifen nach Gitropa abgerechnet, 
in ftitler Sefcbaulicbfeit feiner Familie unb ben 
SJtnfen, unb entfcbtief fanft am 24. Wärg 1882. 

fiongfeftom’S äufere Grfcbeinung mar im* 
ponirenb unb ebrroürbig. Seine hohe, bon 
roeijjem £aar uinroaltte, breite Stirn unb ber 
lange, weife Sollbart bertieh ihm ein patriar* 
cbatifcbeS StuSfetjn. SfuS feinen Singen büßte, 
troß feiner hoben 3ab«, nodb immer frifcbe, 
jugenblicbe ffraft. Stieinanb tonnte in biefeS 
fcböne, mürbige Sfnttif btiden, ohne ficb fofort 
gu bem greifen dichter bingegogeit gu fühlen. 
3fm Umgang mar er bie Seiitfetigteit unb Sie« 
bensroürbigfeit fetbft, unb Jaufenbe batten ©e* 
teaenbeit, feine ©aftlicbteit in feinem eignen, 
f4önen Deini, — ber biftorifcben Sitta in Gam* 
bribge, bie einft Siafbington gum ©auptguartier 
biente, — gu rühmen. 3fefct ift eS ftitte in jenem 
4>eim, roo namentlich bie ilinber immer roill* 
tommen roaren. GS ift mit bem großen dichter 
gemorben, roie er im Sfotm beS fiebenS fingt: 

„£ang bie Kunjl, bie 3>eit ift fliidjtig, 

Uub bas fjerg auch ttod; fo fütjn, 
rrtufj im (Erauermarfib gemichtig 
Häher ficts äum cSrabe gieh’n." 

Sergeblidb aber bot er nicht cjelebt. fiong* 
fettom ift bietmehr einer ber menigen Wenfchen, 
bie fotche «puren ^intertaffeii, bi>n melchem er 
im gleichen ©ebidjte fagt: 

„Spuren, bie t>ieüeid?t ein ilnb’rer, 
Unterliegenb feiner £aft, r 

€in nerlor’ner, ntüber IPanb’rer 
Sietjt unb neuen irtutfj fid? fagt. y/ 

i 9Bir aber motten beS Sichters Wabnung in 
: biefem „Sfatm" gu £>ergen nehmen: 


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Bas ntiu Jlaris. 


293 


,* 3 n bem tobenben (Sebränge, 

3 n bes Streites Haudj unb Dampf 
(Sietdje uidjt ber trägen ITlenge, 

Sei ein f?elb Du in bent Kampf. 

Stütze Du Dieb nidit aufs „morgen", 
£aß bas ,Heftern" hinter Dir; 
fjeute, feilte mußt Du forgen, 

(Sott oertrauenb für unb fürl 

£ern’ oon großen männern fjanbeht, 
Hingen nad? Unfterblidjfeit, 

Daß einft aud? Dein irbifdj IDanbeln 
Spuren läßt im Sanb ber §eit, — 

Huf benn, Brüber, laßt uns ringen 
IDofjIgemuttt 311m giele Ijin, — 
Dulben, Darren unb oollbringen, 
ITlutt^ig, mit ergebenem Sinnl" 


Pa« neue pari«. 

Sott Sr. Ä. Snljberger in Sranffurt a. 9t. 


f tt ber nä^ften Htähe beS TOarSfelbeS liegt 
baS &otel beS 3[nDalibeS, ein fd)ö= 
ne» ©eim, roo im 2>ienfte beS VatertanbeS 
ergraute Stieger unb ^imaliDcn itjve alten Jage 
in '«Ruhe unb ffrieben gubringen. 2)icfeS 3in* 
ftitut mürbe bon fiubroig XIV. geftiftet unb im 
3aljre 1671—75 erbaut. So Diel Unbeil bie* 
fer eijrgeigige ffönig über Europa gebraut bat, 
fo gereicht ibm 


bod) biefeS ffier! 
tooblmollenber 
tVürfotge gur 
Üb re- ®ur<h 
eine fdböne Slllee 
tommt man gu 
bem geräumigen 
fjof beS £>otel, 
in roelcbem für 
5000 Verfonen 
iRaum ift, bie 
außer ber guten 
Verpflegung 
noch ein monat* 
licbe§ Stafchen* 
gelb erbalten. 

Stbon Don roei* 
tem fiarrt unS 
ber eberne HJtunb 
Don geroaltigen 
©efebiißen entgegen, bie einftenS Stob unb Vor* 
berben unter bie ffeinbe ffranlreidjS in Seutfd)* 
lanb, Oefterreidj, fjollanb, Italien unb Slfrita 
fdjleuberten, bis fte als fiegreichc Veute hierher 


geführt mürben, mo fie Don nun an ftille 3ßad)e 
halten unb nur gur SluSnahme ber Vcoöllerung 
Don VariS mistige (Sreigniffe berfiinbigen. 2)ie 
in blaue SRöde mit meißen ffnöpfen unb blaue 
4>ofett getleibeteu Veteranen fpagieren gemüth« 
lief) in |>auS unb £>of herum; fobalb eS aber 
gum Hippell gebt, marßhiren fie, troß Stetgfuj} 
unb ffrüdenftod, gang grabitätifd) auf ihren 
Vlaß, fo bah felbft ein ftrammer Veeufje Dor 
ihnen SRefpett haben müßte. 

5)ie äußere £>alle bei ©ebäubeS ift mit fffreSco* 
gctnälben auS ber frangöfifchen ©efeßiehte Der* 
giert unb ebenfo bie Dier geräumigen Speifefäle. 
®ie ViblioUjef enthält etroa 30,000 Väiibe unb 
eine Statuette Don 2uremte, fammt ber öfter* 
reidjifeßen ffanonenfugel, meldje bem Sehen beS 
ViorbbrennerS ber Vfalg bei Saßbad) (1675) 
ein (Snbe machte. Von befonberem Sfntereffe 
ift bie reiche Sammlung Don SBaffen aus ber 
IRömergeit bis gum 17. jstihrhunbert, barunter 
glängenbe Lüftungen aus bem 16. ^ahrhunbert 
unb föniglicße SBaffeit Don ffrang I. bis auf 
SubmigXIV; unter ber Sammlung Don fron* 
göfifdheit Sahnen, melche bie SBiinbe becoriren, 
befindet fich au<h biefenige ber Jungfrau Don 
CrleanS, ein toeißeS Silietibanner. 3n ber 
ethnographifdhen Sammlung mirb burd) SBacßS 
unb imlgfigurcn ber ff riegsfehmud ber Derfchie* 
benften unciDilifirten Völler bargefteflt. (Sin 
befonberS intereffantcS Stücf tnittelnItevlieber 
ffriegStmtft ift bie 275 grüß lange unb etttm 
4000 Kilogramm fdimere eiferne ffette, mit 
melier bie Sürfen bei ber Velangerung Don 
: SBien im 3ahre 1683 einen $onau*Slrm ge* 

fperrt hatten. 

SffiaS aber un* 
fere Slufmerl* 
famleit Dor allem 
anbern hier auf 
fich gieht, ift ber 
impofante 3hiba= 
liben = $om mit 
feiner prachtDol* 
len bergolbeten 
ffuppel, benn 
unter berfelben 
befinbet fi<h bie 
ff aifergruft, 
mo Vapoleon I., 
ein fRebucabne* 
gar beS 19.3fabr= 
hunbertS, feit 
1840 begraben 
liegt. $urd)eine 
eherne Slhüre ge= 
langt man in bie (Srbpta, bie 20 ffüiß tief ift unb 
40 §uß im ®urchmeffcr hat; bie SBäube finb 
mit polirten ©ranitplatten belegt unb mit Vtar* 
morreliefen gefdimüdt, gmifd)eu melchen 12 in 



<Sra6bcnfma( b ti crflen 9labotcoii*. 


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Ha« neue Paris. 


. 2Ü4 



Jöftfäett SSotteS, rte(^e§ ich fo fehr geliebt habe." 
©on ber Jtuppel fällt ein bläuliches Sicht auf 
bie ©rßpta. $as ©ange macht bei ber ©rinne» 
rung an ben großen Sobten, beffen ©ebeine 
hier ruhen, einen feierlichen, ernften unb bodj 
falten ©inbrucf. S)a liegt ber große Schlad)» 
teitlenfer, ber einft bie dürften ©uropnS gittern 
unb ihre ©älter feufgen machte, als ein ent» 
thronter unb erilirter f^ürft; ber 
große Sieger als ein Cpfer fei» 
neS unbegrenzten unb unüber» 
minblichen ©qrgeigeS; nicht im 
Hergen feines ©olfeS lebenb, fon» 
bern in falten ©tarmor gebettet, 
fo einfam unb allein, mie faum 
je gubor, ba feine ©ation felbft 
thn h«ute als einen großen ©go» 
iften begeichnet, ber nicht baS 
frangöfifche ©olf, fonbern flöh 
felbft fo fehr liebte. SCßie biel 
bon biefer ©oltsftimme ©ottes» 
ftimme ift, laffen mir baßinge» 
jleHt, immerhin bernehnten mir 
barauS bie gemaltige ©rebigt: 
©BaS ber ©teufet) fäet, baS mirb 
er ernten! 

©on biefem impofanten ©rab» 
benfmal führt uns unfer ©Beg 
auf bem belebten ©oulebarb St. 
©ermain nach ber im älteften 
Stabttljeil unb auf einer 3nfel 
gelegenen Stirdje ©otre»Partie, 
bie ifathebrale beS ©rgbifdjofS 
bon ©aris. 3m 4. 3ohrhun* 
bert mürbe an ihrer Stätte bie 
erfie bifcßöfliche ft'irche ber ©tobt 
errichtet unb als fie gu Mein 
mürbe, baute ©ßilbebert eine 
gmeite baneben; nadjbem biefe 
baufällig gemorben, begann man 
nach bem ©lan ber 9totre=®ame, 
eine neue, mit größeren kirnen» 
fionen gu bauen, fpater berlor 
fie burch manche ©eränberungen 
biel bon ihrer früheren architef» 
tonifchen Schönheit. 3m 3ol)re 
1845 mürbe fie aber nach ihrem 
urfpriinglidjen ©auffpl reftaurirt 
unb ift nun nebft einigen anberen 
flatfjebralen baS fdjönfte ©tonu« 
ment bon ber Spißbogen*Saufunft in Qfrant» 
reich, ©on befonberer Schönheit ift bie aus 
bem 13. 3ohrhunbert ftammenbe Jacobe unb 
bie mit herrlichen ©laSmalereien gefdjmücften 
©ofetten über bem £>aupt= unb ben Ouerfdjiff* 
portalen, ©iftor Hugo begeichnet ben bnrmo« 
nifchen ©harafter biefeS SaueS fehr treffenb, 
menn er benfelben, „eine großartige, in Stein 
gehauene Spmphonie" nennt. S)ie Kirche be« 


©tarmor gehauene fqmbolifdje Figuren ^bon 
©rabier angebracht finb, bie 12 großen Siege 
©apoleonS barftetlenb; 54 erbeutete Bahnen 
umgeben ben Sarcopag unb auf bem ©oben 
finb bie Schlachtennamen eingegtabeit; gegen» 
über bem ©ingang ftetjt bie meiße ©tarmor» 
ftatue beS ÄaiferS, bie fi<h gang qeiflcrljaft bon 
bem fcljmargen Hintergrund ber ©tarmornifche 


Sßotre * Same. 

abhebt, ©uf einem grünen ©ranitblocf aus ben 
©ogefen ruht ber 14 3?uß lange, 7 f$atß breite 
unb 14 ftuß hohe Sarfoppag aus rothbraunem, 
polirtem ©ranit aus 3?innlanb, beffen Herbei* 
fdjaffung 140,000 grauten gefoftet hoben fofl. 
lieber ber ©ingangSpforte gu ber ©ruft finb bie 
bem Seftament ©apoleonS entnommenen ©Borte 
gu lefen: „3<h münfehe, baß meine ©feße an ben 
Ufern ber Seine ruße, in ber ©litte biefeS fron* 


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glas neue Jfarfe. 


295 


fißt eine große Orgel mit 86 Degiftent unb über 
5200 pfeifen ; bie ftnnjel ift ein Meiftermerf 
moberner &oljfcbnifeerfunft. 3fn ber neuen 
Safriftei werben oerfchiebene ^Reliquien oon Grj* 
bif^öfen gezeigt, toeld&e in ber SRebolution als 
Opfer ber ißoifsmutb fielen, unb in ben 9te= 
liquienfchränfen befinbet fi<h ein großer Deich* 
tjjum oon golbenen unb fiibernen ©efäßen, üon 
Äreujen unb Mouftranjen, bcnt golbgeftidten 
Meßgemänbcrn bon berfchiebenen Königen ge* 
idjenft, auch ber ÄrönungSmantel DapoieonS I. 
Dacbbem man alle biefe £>errli<$teiten gefeljeu, 
weift ber ßirchenbiener mit feierlicher 'JJtiene 
auf einen befonberen Schrein, welker in feinem 
aebeimnißbollen Ounfel einen Dagel bom Äreuj 
ßbnßi unb ein Stüd bon feiner Oornenfrone 
6ergen foll. (Sine folche frcitje fiüge ju hören, 
unb ein folcbeS Spiel mit bem heiligen ©egen» 
ftanb unfereS ©rlöferS im $aufe beS .^erni trei= 
ben ju feßen, erinnert ben anbäcptigen unb in 
©ebanlen bertieften Sefucper unb SlltcrtbumS* 
freunb auf einmal mieber, baß er fidj ja in einer 
römifch=tatbolifcben Äirdje befinbet. 3'« grellen 
©egenfaß ju biefem Iberglauben batte in ber 
DebolutionSjeit im ^apr 1793 ber traffe Un* 
glaube in biefem felben ©ebäube feinen ibron 
aufgefcblagen, inbem biefe $ir<he in einen $em* 
pelber Ißernunft umgemanbelt würbe. 3fm ©bor 
nahm bie in einem grierffifd^cn Tempel tbroneitbe 
©öttin ber 93ernunft, in ber tßerfon einer '-Ballet* 
tänjerin, bie göttliche tßerebrung ber SSernünf* 
tigen entgegen ; bom 3_abt 1794 an blieb bann 
bie 5Rotre=Oame geßhloffen, unb würbe erft 1802 
bur<b Napoleon I. bem ©otteSbienft jurüd* 
gegeben. 3m 3abr 1871 brobte ibr burdf bie 
Kommune oon Steuern große ©efabr, ba bie 
Slufjtönbifchen 3?euer an fie legten, baS aber 
glüdlicberweife leinen großen Schaben unrichten 
lonnte. 

2luf berfelben Snfel, welche bon jwei Ouer» 
ftraßen bur<hf<hnitten ift, befinbet iid) noch bie 
Morgue, ein ©ebäube, in bem jährlich uit* 
gefäbr 240 Seichen unbelannter SBerunglüdten 
brei Jage lang auSgeftellt werben ; wir fühlten 
jeboch ^in Verlangen, biefe traurige Stätte aus 
bloßer Deugierbe ju befugen. $aS $ 61 e l 
be t) i e u uitbbaS$alaiSbe3uftice liegen 
ebenfalls in unmittelbarer Däbe ber Dötre 
25ame; baS erftere ift baS ältefte fwfpital bon 
Saris, aus ber 3«<t ©blobwigS II. im 7.3aßr= 
punbert ftammenb; baS leßtere ift bon ben 
Gommuniften 1871 tbeümeife jerftört unb noch 
nicht wieber bötlig reftaurirt. 

Son hier aus gelangt man auf ben SBoulebarb 
St. Michel ju bem Mufeum be ßlunp unb 
juben Thermen, Säber, welche bon bem 
römifchen Jfaifer GonftantiuS GploruS, bom 3nbr 
292—306 in ©allien mobnenb, bekommen fol* 
len ; im Sabre 360 würbe hier Sulian bon fei* 


nen Solbaten jum Äaifer ausgerufen. OaS 

t otel be Glunp ift bon ber Senebictiner = Slbtei 
lunp auf ben Krümmern beS römifchen Sa* 
lafteS in fpätgotbifchem Stpl erbaut; bie Siebte 
ftcllten baS Schloß ben Königen jur Verfügung, 
ß'önig Safob V. oon Schottlaub hielt hier feine 
$odjjeit mit ber tßrinjeffin Magbalena, Tochter 
oon fjranj I. Slußer beit römifchen unb gatli* 
feben Slltertbümern finbet ber Sefucber hier eine 
fo reichhaltige Sammlung fiinftlerifcher Grjeug* 
niffe bergaiigcner Sahrhuberte, baß ein ein* 
maliger ißefuct) faum jur genügenben 33efidf»ti= 
gung auSreicbt. 



Sorbonne. 


Man befinbet ft<b b'er in unmittelbarer Mähe 
einer Menge berühmter ^ochfchulen, unter benen 
bie Sorbonne, baS bon ©arbinal Dichelieu 
1629 für bie tbeologifcbe gafultät errichtete ©e* 
bäube, für uns bon befonberem ^ntereffe ift; 
bie Sorbonne bilbete einft ben Mittelpunlt ber 
fcbolüftißben Ideologie unb trat ber Deformation 
mit aller Macht entgegen. 2)ie Sorlefungen ber 
tbeologifchen unb pbilofopljifcben Sfafuttät finb 
hier unentgeltlich, ein großes Sßorrecbt für bie 
wiffenSburftige Sugenb fjranfreichs, baS man 
in SDeutfcblanb umfonft fucht; was bem beutfehen 
SBoIt bei feiner reichen ^Begabung um fo mehr 
ju gönnen märe. Unter ben Stubenten biefer 
tbeologifchen Schule befanb fiCb einftenS auch 
ber belbejimüthige fjarel. — Dicht nur für bie 
Silbung ber 3 ugcitb, fonbent auch für bie S5er* 


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296 


9 a 0 neue Jfaris. 


pcrrtidjung ber großen (Ödetjrten ift burd) ben 
SJeföluß beS GonoentS im ijoljre 1791 geforgt 
rnorben, inbeni bie tfer tjeit. ©enofeua errichtete 
Äircfye in einen mobernen ©öttertempel, b. I). 
(Stjrentanpel großer ÜDtanner, a n 11) e o n ge* 
nannt, umgemanbelt mürbe. 2Ber unter ber 
ftubirenben 3>ugenb nid;t nur Don ^eritbegierbe, 
fonbern and) Don Stupmbegierbe brennt, einftenS 
als ein Stern erfter ©röße neben einem SSoltaire 
unb Stoufjeau gu glängen, für ben f)at baS s }kn= 
ttjeon ohne 3meifet bie qrößte Sebeutung. irop 
ber ©rofmrtigfeit beS (BebäubeS unb ber barin 
aufgeftettten Statuen tonnte ic§ bemfetben ni<ht 


: hier Ratten Sari V. unb VI. im ^afyre 1371 
| bis 1^83 ein für oorneljme Staatsgefangene 
beftimmteS ©efängniß mit 10guß bieten dauern 
unb acht bunften Stürmen auffüljren taffen. 
Oer Erbauer mürbe gum Oanf für fein geniales 
Söerf nad) beffen SSollenbung fetbft eingeferfert, 
mahrfcheinlid) um Dor beffen anfälligem 33erratl) 
fid) gu fiebern, ^n ben fcfyrerflidjen Verließen 
biefeS ©efänguiffeö fd)mad)teten ungäljlige Opfer 
räntefüdbtiger Höflinge unb tpramtifdjer 2Kon* 
areben. 2Jiit einem £)aftbrief Derfdjen, befaßen 
bie ©ttnftlinge beS £)ofeS bie &otlmad)t, irgenb 
einen Bürger, ber ipnen im 2ßege ftanb, in bie 



$Paitt$eott. 


bie SBerrounberung unb SBerefjrung jotfen, wie 
es jene SSäter ber fltebolution, als Vertreter 
(ober bietmetjr 9tiebertreter) beS 58aterIanbeS 
tboJjf bon jebem, felbft fremben tßefucher ertoar* 
teten. — Qie Sibliothef be§ ißantbeon 
(©t. ©enebi&be) foll 120,000 ®änbe, 25,000 
|>anbf<hriften, bom 11. bis pm 17. 3abrhun= 
bert reichenb, ca. 6000 flupferftiche unb onbere 
^Raritäten erhalten.— 3ftt ber 9täfje ber $i= 
bliotljef ift baS Cf o II 6g e ©t. 5Barbe, bie 
ältefte öffentliche UnterriefttSonftaTt in ffrattt* 
reich, int ^atjre 1460 gegrünbet. 

3um @d)Iuffe unferer langen ffotjrt bertaffen 
toir biefeS gelehrte Viertel ber ©tobt unb be* 
geben uns auf ben föniglidjen 2Beg bon $enri IV. 
nad)bent tßfajje ber 93 a ft i 11 e, roo eS frei» 
Iidj feiner 3eit nicht fetjr föniglidj auSfafj, benn 


Äerfer ber SaftiHe p toerfen, unb nodj ihrem 
©utbiinfen über Seife unb Sehen, $ab unb ®ut 
p berfiigen. QeS SiefeteS unb ber Suft, fotbie 
tefllicfeen tnenfd)(id)en UrofteS beraubt, ber ©rau* 
famfeit ihrer Reiniger oöfiig preisgegeben, muff* 
ten biefe ©efangenen auf ihrem etenben Säger 
laitgfatn tjinfterben, wenn nicht bie Qualen ber 
Snquifition ober baS .frenferbeit ihrem Seben 
getnattfam ein <5nbc machten. 9llS ber ebte&er* 
pg bon Orleans bie Saftide = ©efangenen be* 
freite, waren manche biefer Opfer burd) baS 
langjährige, übermenfehtidje Seiben fo fefer ab* 
geftumpft, bah fie toieber in ihr ©efängnifc p« 
riirfro eilten. ,frier tag ber 5)?ann mit ber eifernen 
fJJtaSfe gefangen ; nach ®t. 2opin foH es ber 
ÜJHnifter beS i)erjogS bon ©abopen getoefen fein. 
91m 14. 3pli 1789 tourbe bie SBajlitte nadj !ur* 


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Pas neue Jlaris. 


297 


iem UBiberftanbe tioit bem empörten SSolf er* gina(gemälben,berreicbfteÄunftfcbaßbonSarig, 
ürmt unb niebergeriffen, fo baß beute nid^ts ! erhalten. — 'Kon Slorgeug 9 big 9lbenbg 5 Upr, 
mehr babon ju fefjett ift. SEßenn bie SRebolution : mit Slugnabme beg Slontagg, ftebt ber fiouure 
lein anbereg Söert alg biefeg gerftört batte, fo j Sfebem unentgeltlich offen. Sine Sefcbreibung 
fönnte fie mabrlid) fein Sienfdjenfreuitb bafür ; oon bem Snbalt biefeg fcbönften Stufeumg ju 
oerurtbeilen, fonbern nur loben. 'Jtapoleou I. geben, mürbe einen groben Saab anfüllen, fo 
batte ben grotegfen ©ebanfen, einen 75 ftuß 1 baß ich meinem freunblichen fiefer nur einige 
hoben (Slepbanten in (Srjguß alg SBaffertunft i flüchtige ©fisjen babon geben unb ibin bon born* 


auf biefer ©tätte jn placiren; ftatt beffeit er* 
richtete man im Sabre 1840 eineg ber fdbönften 
IDlonumente ber ©tabt. 2luf einem tnaffiuen 
Unterbau bon meißent SUarmor erbebt fich eine 
150 $uß bobe *£äule aug SSronge, auf ber bie 
Warnen ber Snlitämpfer in ©olbbuchftaben 
prangen unb bereit ©piße mit einem ©eniug 
ber Freiheit getränt ift. $Rit 
einer Sfadel in ber £>attb unb 
ben verbrochenen fffeffelti ju fei* 
neu tjüßeii, eine ocrgolbete Äuget 
mit bem einen fjufe taum beriib* 
renb, fcbeint er im begriff ju 
fein, emporjufliegen in bie oberen 
Regionen ber bollcn Freiheit. 

Sei Sefidjtigung ber ©ebeng* 
mürbigfeiten bon '-Porig nahm 
ich mir oor, bag SBefte fließt ju 
feben, nämlich ben meltberübm* 
ten 2 o u b r e, rooju ich mir benn 
auch jtoet Sage napni. 35ie 
©rünbung unb Sollenbung bie* 
feg Saueg erftrecft fich bon ben 
erften 3 e **en ber 9>touar<hie big 
auf Wapoleon III. S)er £of beg 
2oubre ift Doller Ornamentit unb 
©culpturen aug ber Slntbologie, 
profanen unb heiligen ©efchichte. 

Sefonbcrg reich an gefdjid)!* 
liehen ©rinnerutigeit ift ber bon 
(fatbarina bon Wtebici an* 

fcßließenbe @d=Sabiflon; eg fanb 
hier unter Snberm auch bie Ser» 
mäblung ber Srinjeffin OTarga* 
retbe bon Saloig mit bem Äötiige bon Waoarra 
ftatt, unb mürbe oon hier aug am 24. Wugujt 
1572 bag Seiten vu jenem febreeflieben Slutbab 
in ber Sartbolomäugnacbt gegeben. Wicht ganj 
300 Sabre fpäter frf)ien eg, alg ob ber lag ber 
©ieberoergeltung burch bie 3erftörunggroutb 
ber Gommuniften and) für biefe ©tätte getom* 


herein fagett fann, baß menn er bon 'Pari» nichtg 
alg bie ©emälbegaDerie, bag egpptifcbe, affptifebe 
unb jubäifebe 'JJiufcum, fornie bie antiten ©culp* 
turen gefeben hätte, er für feine 'Dtiibe unb 
Äoften reichlich belohnt tnäre. ®urch ben große* 
ren Saum unb bie geniale Einlage ber berfchie* 
benen Wtufeen bot ber 2ouore borbeni brittifdjen 



SaflUMUat* 

Wtufeum in 2onbon ben Sorjug, baß bet Se» 
fudj beffelbeit bei meitem nicht fo ermübet, mie 
derjenige beg (enteren. 

Setritt man im ©rbgefdjoß juerft bag im oft* 
liehen 3?(ügel gelegene egbptifcbeWhifeum, 
fo bieten ung bie bi« aufgeftellten IRouumente 
einen folgen Ueberblid über bie ©itten unb 


men märe, inbem ber alte 2ouore mit feinen i ©ebräuche biefeg älteften Gulturbolfeg, baß man 


reichen Äunftfcbäßen in großer ©efabr ftanb, 
ein Raub ber flammen ju merben, mag nicht 
nur für granfreich, fonbern für bie ganje ge* 
bil'oete 2Belt ein unerfeßlicher Serluft gemefen 
märe. ®ie faiferlidje Sücberfammlung bon ca. 
90,000 Sänben mürbe jmar oernieptet, hoch ehe 
bie 3erftorung meitere ®imenfionen annebmen 
tonnte, erfchienen bie Gruppen oon Serfailleg 
unb fo mürbe bie reidjfte Sammlung bon Ori* 


fich plößlicp in bag graue Utltertpum bon 2500 
I Sohren bor Gprifto vurüdberfeßt fiebt. £ier 
ruht bie ©pbiny fo majeftätifch unb gebanlen* 
boli, alg ob fie bem Sefcpauer alle ©epeimniffe 
Ggppteng enträtbfeln tonnte; bort manbelt man 
bureb 4000 Sabre alte föniglicpe ©arcopbage, 
in* unb augmenbig mit febönen £>ierog (tippen 
bebedt, bie ber große ©eiehrte Gpampollion ent* 
äiffert bat; aug biefen fomobl. alg auch aug ben 


22 


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298 


Pas «tue $faris. 


SappruSftreifen an ben Sffiänbert fprid)t fid) bcr 
©laube an bie Unfterblidhfeit ber ©eele aus. 
©o fteljt auf einer Spromibe bie 3fnfd^rift: 
©ebei, wenn er (ber SBerftorbene) in ber 933oh= 
nung beS Stehens erfdheint, wenn er auf bem 
©ipfel beS £)imtnels leuchtet. ©ineS ber fetten= 
ften Monumente ift eine ©olofjalftatue beS Ä'ö» 
nigS ©cbeffjotep, 4009 Sfaljre alt. 9ln ©tatuen 
beS 9lpiS unb ber Cfiris, fowie au aitbercn 
Ueberreften ift baS Mufeum fefjr reich. — SinfS 
üon bem egpptifdhen befinbet fid» baS a f f p r i f d)e 
Mufeum, welches mit9luSgrabungen oon 9tmioe 
angefüllt ift, unb uns burd) bie än’S Tageslicht 
geförberten Ueberrefte einen SÖlirf in jene ©tabt 
t^un läßt, welcher einft ^onas eine fo gewaltige 
Sujjprebigt hielt. 9ln beu jEpiiren finb 4 uru 
flebcure geflügelte ©tiere mit Meitfchenföpfen 
uufgeftcllt.— ber 9lbtheilung ber jiibi» 
fd)eit Slttertljümer ift eiii ©tein pon 
arofeem hiftorifdjen Stertlj, inbem er aus ber 
Seit beS ffönigS 9lfjab ftammt unb bie ©efdpdjte 
be§ Kriege» amifdjen Israel unb Moab in pe= 
bräifdier Urfcfjrift auf bemfetben eingegraben 
ift; em anberer ftammt Pon ÖlScalon’; 'außer* 
bem finb hier $önigsgriiber uon ^erufatem mit 
mancherlei Reliquien aufbemahrt. — 3fn ber 
©nmmiung ber antiten ©cutpturen 
finbet man Sterte erften 9tangeS. ©o enthält 
ein ©aal Arbeiten öon tßljibiaS, eines ber gröjj» 

' ten Äiiuftler Pon ©viecpenlanb aus ber 3eit beS 
IßerifleS. $aS foftbarfte Stert biefer ©amm= 
lung ift bie berühmte SenuS pon Milo, Pon ber 
3nfet 'Melos, ein Meiftermerf erften 9tangeS 
griedhifcher Silbljnuerfunft.— einem anbern 
©aal finb jtnei Marmorftatueu gefeffelter ©da= 
Pen pon bem großen ftorentinifepen M i dp e l 
Slngelo Suonarotti (f 1564), ber fidj 
burd^ feine traft Porten unb lebenSPoflen ©eftalten 
Por atlen Snbern auSjeidhuet. — Tic 3täume ber 
©emälbegalterie nehmen eine SuSbchnung 
Pon f Meilen ein unb enthalten ca. 2000 Silber 
ber beriihmteften Meifter ber uerfchiebenen ©d)iu 
len. Unter biefen ragen bie ©djöpfungen eines 
Sionarbo ba Sinei, 9tafael unb 
Slijian herpor, fo bie heilige ffntnilie unb ber 
peiOge Michael als Sesmiiiger ©atanS, Pon 
utafael; ©IjriftuS in ©mmaus, bie Tonten» 
tronung ©hrifti unb ein Mabonnabilb Pon 
JtSian. Tie altflanbrifdhe ©dpte ift burd) 
3on pan © p tf unb bie brabantifdhe 
Malerei burd) eine reiche ©nmmiung Pon 91 u * 
benS pertreten, tpelcher burd) feine fraftoolle 
Tarfteflung an Michel Sttgelo erinnert; aud) 
9t e m b r a n b t, ber holfötibifche Meifter, fehlt 
hier nicht. Son M u r i 11 o, bem tpiirbigen 9te= 
präfentanten ber fpanifdpen ©dhule, feffelte mich 
befonbers fein unvergleichlich fdhöneS Silb pon 
Mariä ©mpfängnijj, bie Tiefe ber Suffaffung, 
baS ©eelenpotte unb fiebenbige ber Tarfteflung 


unb baS überaus jarte ©olorit üben einen fol* 
i chen 9teij auf ben aufmerffamen Sefchauer, baß 
er fid) taum pon biefem herrlichen Silbe trennen 
J fann. SIS ber .Oünftler einmal gebeten mürbe, 
fein Stert fortjufeßen, antwortete er: ,,3d) 
warte bis ©hriftus fommt, um mit mir p 
fpredjen." Tiefes S3ort bilbet einen lebenbigen 
! ©ominetttor pm richtigen Serftänbnij? feiner 
tünftlerifdhen Törfteliungcn ; fo bereitete fiep ber 
Meifter burd) ernfteS ©ebet Por, ehe er an feine 
Arbeit ging ; beShalb finb feine ©d)öpfiingeit fo 
Poller ©eift unb Sehen. SMirbe ein jeber fiiinft» 
(er feinem Seifpiel folgen, bann Würben auch 
ihre SBerfe bie rechte Üöeipe empfangen unb 
ihren ebelften unb podpften 3toed erreichen, ben 
Flamen Neffen ju Pcrherrlidheu, welcher ber 
©eher allerguten unb Polltom menen 
© a b e i ft. Ohne biefe Sejiehung auf ben Ur* 
quell alles ©uten, SBaijreu unb ©chöneit fönnen 
leiber fogar bie fd)önen teiinfte auf ben Menfdjen 
einen uad)theiligen ©influß auSiiben. 2:aß aber 
ffunft unb SJiffenfcpaft, biefe beiben großen 
aeiftigen Mädhte, burd) ben ©auerteig beS 
©hriftenthuniS gereinigt unb für ben $ienft beS 
fierrn gewonnen werben, ift bie fchöne unb 
fegenSreidhe Aufgabe ber chriftlichen ßirepe, bie 
auch in fine herrliche Miffion hat, mopon 
mir baS nächfte Stal etwas mittheilen Wollen. 


Pater latjlor, 

btt Seemanns=JIrebiger oon Jlofton, 2Maf|T. 
Sou 9. 8B. fflodteu. , 


I. 3) i e 3 u g e n b. 

f it bem Obigen hn&en wir baS Silb eines 
Mannes, ber unter bem 9tamen Sater 
Uaplor, wenn nicht in allen Saitbett, hoch 
in allen ©ewäffern ber ©rbe befannt geworben. 
2Ber mar biefer Mann ? 

©S ift biefeS eine ffrage, bie bezüglich feiner 
9lbfunft ttodh 9tiemanb, ja er felbft nicht im 
©tanbe war, p beantworten, beitn Weber er 
noch 3>cmanb anberS, tonnte fid) feiner ©Item 
erinnern. 

3)ie ©tabt 9ti<hmonb in Sirgiitien wirb als 
fein ©eburtSort, unb ber 25. Stesember 1793 
als ber Stag unb baS 3«hr feiner ©eburt ange* 
nommen. ©iite in ber 9tät)e biefer ©tobt wohn» 
haft gewefene 3)ame foK ihn eines 2aqeS an« 
genommen unb nach unb nad) p foldher Srbeit 
angehalten ha^eit, bie er als Äinb ju thun im 
©tanbe gemefen. ©ineS 2ageS, währenb er mit 
9luflefen Pon ^oljabfäflen hefchäftigt mar, frug 


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ftatrr ffiaijlot. 


299 



iljn ein oorübergeljenber Sctjiffäfapitän, ob er 
nid)t 2uft ^atie, Seemonn gu werben; ber 
fiebenjährige $nabe warf feine £wlgabfälle nie* 
ber unb fohlte feinem neuen Skfannten auf fein 
Sdjiff. ^ 

Ueber bie e^iffe, in melden er fegelte, bie 
Steifen, bie er mochte, unb bie ©efätjrten, bie er 
mäfjrenb ber folgenben gehn ^afjre f)ötte, ift 
nichts betannt, gewiß ift jebodj, bafe er währenb 
biefeit ^afrren bie Sefchwerbeit unb bie Pflichten 
beS SeelebenS gelernt unb fid) einen guten utuf 


Stäbe ber Ißarf Strafe $irdje angefommen, 
hörte er bie ©lode auf bent SUjurme beSfelben 
lauten. Japlor fagte biete 3 ul) re fpäter in 
feiner SeemannSfpradje hierüber: „^d) lief ein 
unb oou ber ibüre aus feljenb, bafi ber £afen 
ooll fei, manbte icb ba£ Steuerruber, entrollte 
ba§ SJtarSfegel, lanbete wohlbehalten in ber 
©rnpor itirdje, gog baS Sßimpel ein unb Warf 
Sinter in einem ber binterftcu Sifce." $r. 
©riffin prebigte unb ber junge Watrofe würbe 
tief gerüprt. „Sllleä," fagte er fpäter, „weinte. 


«ater $Cat?lür. 

für ©efd)icfUd)feit unb 33ebarrlicb!eit ermorben ber ©algmaffertbau fiel über alle, aüermeift 
butte. aber über meine SBattgert." 

SBäbtenb biefer ganzen $eit fagte ibm 9lie= 9tacb biefeut ©otteSbienfie bog 2at)(or in eine 
manbetroaS non ^efu bem ©iinberfreunb, aflein nabegelegeue 9tebenftraße ein; es freien ibm, er 
ber£>err rebete $u ibm unb braute ibn in feinem böre Semanben prebigen, er ftanb einen 2lugen= 
fieben^ebnten SebenSjabre unter einen (Sinflufi, blitf ftill unb ging bann auf ein geöffnetes gen* 
melier feinem jgifünftigen fiebenSlaufe eine fter *ii, aus bem bie ©timme ju fornmen fc§ien. 
neue Stiftung gab; es lief nämlid) im ©pät= SOBäbrenb er fo ba ftanb unb jubörete, fühlte 
jaffre 1811 baS Sdjiff, auf bem er fid) bamalS er fid) üon einer befonberert Kraft naebgeaogen, 
befanb, imJJ)afen non Softon ein, unb $at)(or unb ba bie Kird)e uoll mar, fo ergriff er mit 
ging nad) oeemannSart ans fianb. üöäbrenb nautifdjem (feemänifdben) ^nftintt unb 39ebän* 
er bie 2remont Strafte entlang ging unb in ber bigfeit baS fjenfterbrett, fdjmang ficb auf baS* 


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300 


Unter Sapior. 


felbe unb liefe fiep auf ber ^nnenfeite herunter. 
Sie ffircpe, in ber er fiep nun befaitb, mar bie 
'■üromfielb Strafte '-Bifcp. Metp. ffircpe unb 
Glijap ,£>ebbing, nadjperiget SMfcpof £>ebbing, 
prebigte gerabe auf bie ipm eigene Söeife, melcpe 
mit bem IHudbrurfe „gefunber Menfcpenoerftanb 
in flammen" bejeic^net roorben, unb fcploft feine 
'-jkebigt mit einer bringenbeit Ginlabung an 
iolcpe, bie ben £>erren fiicpcn wollen. 

Unter ben jungen cpriftlicpen Mitarbeitern, 
reelcpe nun ipre ©ifee ocrlieften unb ju Solchen 
fpracpen, reehpe gcriiprt ju fein fdjienen, mar 
and) ein gereifter Spomas 3B. Surfer. Siefer 
patte Sapior burep ba§ ftenfter tommen fepen 
unb fjatte ipn bie ganje ; 5 cit im 9tuge gehalten; 
er ging nun ju ipm, ermähnte unb bat ipn, an 
ben 9litar 311 geben. Gs rear biefeö baä erfte ' 
Mal, bafe eine folcpe Grinapnung an Sapior j 
ergangen rear, unb ber Serecte, bafe eine itjm ' 
gänjlid) frembe $erfon füllen 'llntpeil an ipm i 
nehme, ging ipm ju&erjen; er ging oor an i 
beit 2 tltar, oereinigte feine ©ebete mit benjenigen I 
fiir ifjn, unb batte bie greube, noch beufelben 
Sag ba» .^aiflmfe feiner 'llnnapine bei (flott 51 t 
erlangen, tßou biefem Sage au fprach Saplor 
Ooit i>ebbing niept aitöevS als bem „Kanonier 
bon einem '-ßrebiger; ein Pierunbfiebenjig tßfün* 
ber, ber ibn bofltommen burcplöcpert unb 311 m 
©inten gebracht habe." 

Sie SBromfielb ©rafee ffircpe unb bie 2Bop= 
nung einer armen aber frommen englifcpen 
t?rau, ree lebe ©lieb biefer ffircpe gereefen unb 
ihren ßebenöunterpalt mit ber Dtabel erroerben 
mufete, weil fie halb nach ihrer Ginroanberung 
ihren (Satten ocrloren hotte, reurbe nun feine 
£>eimatp. 3fn ber HBopnuitg biefer Metpobiftin 
reurbeit reöcpentlicp mehrere ©ebetSoerfainmlun* 
gen gepalten, roelcpen ber junge Matrofe reget' 
mäfeig beiwohnte. Sisper patte er teilte Scpule 
genoften unb tonnte nur fepr unootlfommen 
tefen; allein bie fromme ff rau unb ipre eprift* 
liepen ffreunbe gaben fiep im Stillen ber £)off= 
nung pin, bafe ©ott in feiner Sorfepung 311 fei* 
ner StuSbilbung 2 Bege ftnben roerbe, unb ipn 
jum grofeen ©egen unter feinen ffameraben 
maepen wirb. / 

Salb mufete ber junge Matrofe fein ©eeleben 
reieber anfangen. Ser Sri eg mit Gnglattb 
anno 1812 rear auSaebrocpen unb Sapior liefe 
fiep auf baä ffaperfepiff „Slarf ,j)arot" anroerben; 
biefeS jeboep reurbe halb bon einem englifcpen 
ff rieg§(cpiffe getapert unb bie ganje Maniifcpaft, 
Sapior mit eingefcploften, reurbe nach £ialifar 
gebracht unb in ba§ ©efäitgnife geworfen. Gin 
3apr rear oerftriepen unb bie fromme Gpriftin 
in Softon patte nichts bon Sapior gehört; allein 
fie patte ipn niept bergeftett, fonbern betete ftetS 
mit ber järtlicpen Seforgnife einer Mutter für 
ipn. SBäprenb bie Mannfepaft be§ „Sind 


! #aret" im ©efängnifte lag, tarn fie auf Sefucp 
uaep |)ülifar, wofelbft fie, beranlafet burep bas 
Ser langen ©ute§ ju tpun, ba§ ©efängnife be= 
fuepte, um unter ben ©efangenen Srattate ju 
bertpeilen. 311S fie an bie 3elle ber gefangenen 
2 lmeritaner tarn, pörte fie iprett Flamen nennen 
unb rear niept wenig erftaunt, ben jungen Ma* 
trofen ju fepen, berbieSerfammlungen in iprer 
SBopnung fo fleifeig befuept patte. Seibe ber 
goften ffreubentpräuen bei biefem SBieberfepen; 
fie unterhielten fiep roie Mutter unb ©opn unb 
beim ftlbfcpiebe gab fie ipm eine Sibel, bon wel* 
djer er fiep fein ganjeS fieben niept niepr trennte. 
äo lange biefe ff rau in |ialifar rear, befuepte 
fie baS ©efängnife regelmäfeig, berfap ipn mit 
Sücpern, Srattaten linb ffleibern unb bemüpte 
fiep, burep ipre Unterhaltungen bie religiöfen 
Ginbrüde, reelcpe er in Softon empfangen patte, 
311 befeftigen; unb obgleich bie 3 «it, reelcpe biefe 
fromme Gpriftin 3 um 38opl ber ©efangenen 
anreenbete, nur eine tut 3 e rear, benn fie fanb 
fiep halb genötpigt in eine anbre ©egenb Gamu 
ba§ ju jiepeu, fo rear ipre Strbeit boep niept ber= 
geblicp. 3 pre Sefudpe erreedten bei ben ©efan 
gcneit ein Serlangen naep mepr Unterreeifung, 
unb Sapior, ber felbft wenig reufete, reurbe an* 
gegangen, feine ©epiffs* uiib SeibenSgefäprten, 
reelcpe noep weniger toufeten, ju unterrichten. 

Sie Sepörbe bon ^alifar patte gwar für bas 
©efängnife einen ffaplan angeftetlt, allein feine 
©ebete unb Si'fbigten entfpraepen niept bem 
Sinne unb ben ©efüplen ber rcpublitanifdpen 
ttlmeritäner, unb ba biefe ausgefunben patten, 
bafe Sapior beten tonnte, fo baten fie bie Se* 
pörbe, einem au§ iprer Mitte 3 U erlauben, als 
ffaplan 311 fungiren, rooju audp bie Sepörbe 
ipre Ginroilligung gab, unb worauf bann Sap* 
lor fortan ipre religiöfen Uebungen ju iprer 
bollfommeneit Sefriebigung leitete. Gnblicp 
tarnen feine Mitgefangenen ju bem ©epluffe, 
bafe 3 tnianb, ber fo gilt beten tonn, ouep pre* 
1 bigen fönnen, unb nötpigten fomit Sapior ipnen 
i 311 prebigeu. 

j ©eine erfte tßrebigt im ©efängnife wirb fol» 
genbermafeen gefepilbert: Sor ber Srebigt ber* 
anlafete er einen ber Mitgefangenen, Welcher 
etwas befter lefeti tonnte, neben ipn ju fifeen 
unb aus ber ©ibel oorsulefen, poffenb, eS werbe 
ipm eine ber Scpriftftctlen ben Seid 311 einer 
Ißrebigt geben. Ser Mitgefangene patte in ber 
Söibel bas SBucp „be§ ^rebiger ©atomo" au§ge* 
öffnet unb Ia§, bi§ bafe er in bem 4. ffapitel, 
13. SBerü, an bie SBorte tarn: „Gin arm ffinb, 
baä reeifc ift, ift befter, benn ein alter ffönig, 
ber ein Mut ift." „£>alt," rief Sapior, „lies 
baö noep einmal." Sie SBorte würben gelefen, 
worauf er tagte: „© 0 , ba§ genügt; nun fage 
mir bas ffapitel unb ben 23ers." 

Dtacp einer üöeile fing Sapior feine ißrebig. 


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Hat« föaijlor. 


301 


an, unb währenb et auf eine treffliche, roißige, 
fartaftifche 2öeife ben alten närrifdjeti $önig 
fdjilberte, bet ba einen ungerechten unb gottlofen 
Jtrieg gegen fie unb ihre Sanbsleute führt, fie 
ihrer Rechte beraubt unb in betten unb Sonben 
in ©efangenfdjaft halt, fchmtbte allen Slnmefen» 
ben ber alte $önig ©eorg III. Bon ©nglanb Bor 
Slugen; alle befürchteten bie fdjlimmften ffolgen 
für fich unb 3lat)Ior, im ff alle fie non Seamten 
6 elmifd)t toorben, unb biefe ihre Seforgniß that 
fich auf ben ©cfichterit 3111er mehr unb mehr 
lunb. Ißlöfctich hielt 2at)Ior einen Slugenblid 
inne unb fagte bann: „3hr benft wohl, ich meine 
ben, Jfönig ©eorg; allein bem ift nidjt fo, ich 
meine ben Teufel." $>iefe unerwartete 2Beit= 
bung fchlug ein, feine SMitgefongenen, gerührt 
oon ber ©id)ilberung, erfannten bie SMgd)t beS 
©atanS, in melier fie fich befanben, unb bie 
Beamten beS ©efättgniffeS tonnten iatjlor nichts 
anljaben. ®iefeS war ber 3lnfang feines öffent» 
liehenJBirfenS; es gereichte ben ^Mitgefangenen 
jiim ©egen, unb würbe auf ihr Slnfudjen mäh» 
renb beS OteftcS ber ©efangenfehaft fortgefeßt, 
wobei er feine mit ©chnelligleit fich entmidelu» 
ben ©abeit auf ba» '-Belte gebrauchte. 

3lm ©<hluß beS Kriege» unb nach erlangter 
Freiheit, lehrte Japlor iiad) Softon gurüd, gab 
ba§ ©eelebeit auf unb fud)te irgenb eine Se= 
fcßäftigung, welche ihm ©elegenheit geben mürbe, 
richtig unb fertig lefen gu lernen unb für 2fefu 
ju geugen. Stit feinem erfparten ©elbe taufte 
er fich einen ©aufirmagen, ettoaS Sledjgefdjirr 
unb gog im Öanbe umher, fiumpen unb altes 
©ifen für Slcchgefd)irr unb ©elb eintaufchenb, 
wobei er prebigte unb betete, wo immer fich @e= 
legenheit bagu barbot. 

3m 3aßre 1814 würbe er in ber Stälje Bon 
Cpnn mit einer JLMttme StamenS ©weeßet be= 
tannt, welche eine Keine Sann befaß. ®ie Se= 
tanntfehaft wuchs halb gur Sreuitbfdjaft unb 
bewog biefe gütige Srou, ben Japtor gu Ber» 
anlaffen, fein ©aufiren auf,gigeben unb bie 9Ser= 
roaltung ihrer Sann gu übernehmen. Sanlor 
Derftänbigte fich hiegu, machte cS aber jur 33e= 
bingung, baß Stau ©meeßer ihn lefen lehren 
muffe, worauf fie auch mit Sreuben einging. 

3fm Sabre 1815, im 3llter Bon 22 Sohren, 
unternahm er bie ©cbmierigfeiten feiner ©elbft» 
bilbung ; eine 3trbeit, bie ihm fchwerer Würbe, 
als wie bie 3lrbeit auf ber Sarin ; babei wartete 
er aber mit feinem Srebigen nicht, bis er fich 
baju gefeßieft glaubte, nein, Srau ©meeßer er» 
laubte ißm in ihrem ©aufe Serfammlunqen 

halten, welche er aud) gleich jenen im ©e= 
teingniffe hielt. Salb war er jeboch fo weit ge» 1 
tommen, baß er felbft fertig lefen tonnte unb J 
feinen Sorlefer mehr brauchte. Ueber ber Sibel 1 
unb Dobbrige’S „Stotigen" Berbradjte er Bon nun j 
an alle 3eit, bie er erübrigen tonnte. i 


3 m Srühjafjre 1817, roäljrenb er in bem 
„Stod ©d)ool ©auS", wohin bie Serfammlungen 
Berlegt worben waren, jeben ©onntag 31benb 
auf feine berbe unb mächtige SOßeife prebigte unb 
Siele gu 3efu braute, würbe er mit 31moS Sin= 
net), einem Wohlhabenheit unb liberalen Stetljo» 
biften betannt, welcher feine ©aben unb ben 
©rfolg feßenb, ihn auf feine $often in baS 
„Steu Startet ©eminar", bie eingige ©rgieljungs» 
anftalt ber Stetljobiften gu jener 3*0. fanbte. 
Siir einen ©tubenten wie 2at)lor wären nun 
bie 3lnfangSgrünbe ber englifdjen Sprache baS 
Ißaffenbe genJefen ; allein anftatt feine 3*0 auf 
baS Suchftabiren, Sefen unb bie Siegeln ber 
©rammatit gu oermenben, warf er fiCh auf SßO 
(ofophie, 3lftronomie unb anbere höhere 2Bi|fen» 
fChaften, unb rang mit benfelben währenb fechS 
SBodjen Wie ein ©elb; hoch mehr unb mehr Bon 
bem Stufe gum Srebigtamte gebrängt, oerließ er 
am ©nbe beS Termins bie ©d)ule, naeßbem er 
in biefer turgen 3*0 bie hoch ft e SluSgeidjnung 
erreicht hatte unb heftimmt würbe, bie ecßluß» 
rebe gu halten. Son biefer 3*0 an mochte er 
fid) feiner weiteren ©chulergiehmtg ober ©in» 
fchräntung fdiulbig. 3m 3°!)** 1819 that 2op» 
lor gwei Schritte, bie iljn nie gereuet haben; ber 
eine War, baß er fich ber Steu» ©nglanb = ©on= 
fereng anfehloß, unb ber anbere, baß er fich mit 
einem frommen unb gotteSfürdjtigen Sräulein 
Samens SJeboraf) Stillet BereheliChte. 

2at)lor war mäfjrenb feines gongen CebenS 
ein feßr bergeßlicßer Staun, was ihm auch 
manche Unannehmlichteiten bereitete, ©in Sei» 
fpicl hieroon. ©ineS 2ageS bot fich ihm als 
Srebiger bie ©elegenheit gu einem guten 253erte; 
er machte fich boran, unb nachbem baffelbe ooll» 
bracht war, beftieg er eine 3(nf)öb*, ooit ber aus 
bie StaffacßufcttS Sucht gu überfeinen war. ©ier 
legte er fich auf einen Seifen uieber unb richtete 
feinen Slid non ©ingham über ben SteereS» 
fpiegel nach Starbelbeab, Wo feine Sraut wohnte, 
unb fing an auSguredjnen, wie oiele Sage eS 
noch bis gu feinem ©oCßgeitStage feien, unb fanb 
gu feinem ©d)reden, baß biefer Üag gerabe ber 
gu feiner ©ochgeit feftgefeßte fei. ©ier lag er, 
wie er fpäter felbft fagte, auf einem Seifen ans» 
geftredt, währenb feine Sraut 20 SMeiien jen» 
feit ber Sucht jeben Slugenblid auf ihn wartete, 
©r hatte biefen Sag gang unb gar Bergeffen. 2BaS 
nun gu thun, fliegen tonnte er nicht, ein Soot 
war nicht gu haben unb bie ©ntfernung um bie 
Sucht mar 40 SMeiien. Ungufrieben mit fid) 
felbft machte er fich auf ben 2öeg gu feiner ©och» 
geit unb gelangte ben näChften Sag gu feiner 
1 Sraut, bie fid) gmar feljr geträntt fühlte, allein 
J ober ihn aud) gu feljr.liebte, um ihm nicht gu 
! oergeihen, unb nach 2eib unb ©eele fich ihm unb 
j feiner SMiffion gu mibmen. ©ie Bergab ihm, 
i obgleich e » ihr Kar fein mußte, baß bie Ser» 


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302 


Sfatrr ffatjlor. 


binbung mit einem fo bergeßlichen Wanne feine 
geringe Quelle ber Prüfung, ber Siebe unb ®e» 
bulb einer ^rau fein mürbe. Siefer frommen 
Seele oerbanfte Saflor in einem großen ©rabe 
feinen ferneren ©rfolg. 

II. Saplor als £>af en = Wiffionar, 
mit bem Skinamen ©ater. 

2 öo immer 2 at)(or ftationirt gemefen, ba 
geigte er auch eine innige ®eforgniß um baS 
geiftlicbe 2 Bof)l ber ©eeleute. 6 r benußte jebe 
©elegenbeit, um ©erfammlungen auf ©cbiffen 
gu halten, befonberS auf foldjen, meiere im ©e» 
griffe ftanben, in bie ©ee 311 ftedien. 'UlS baßer 
!m Sabre 1829 an ißn ber Stuf erging, bie 
©teile eines £>afen=WiffionarS in Softon angu« 
nehmen, ging er mit fjreuben barauf ein. Sie 
Wetbobiften in Softon batten nämlich gu biefer 
3 eit eine ffapefle, me(d)e in ffolge einer neu er« 
bauten ff ireße unbenußt baftanb, unb befcßloffen, 
biefelbe gurn Sßobl ber bielen ©eeleute gu Der« 
»enben. Sie Wetbobiften, bamalS arm an ©elb, 
batten ben regten Wann für bie ©teile unb bie 
Unitarianer, reich an Wittein, bereinigten fi<b 
unb grünbeten eine benennungSlofe ©ofton« 
4>afett=Wiffion, unb gaben ber ffapctle, me lebe 
ben Wetbobiften für $2000 abgefauft mürbe, 
ben fRamen „Seemanns ©etbel". 

#ier, bon gu Saßt feine ©eftallung oon 
einem ber ©ifeßöfe ber Wetbobiften = ff irc^e er» 
baltenb, mirfte Saplor 43 Sabre, nämlid) bom 
Saßre 1829 bis 1871. £>ier erhielt er mit ber 
Seit ben ©einamen „SSater" unb feine fjrau 
„Wutter" Saßlot. ©eine Sßirffamfeit mar eine 
ßöcßft fegenSreicße. 3u bem erften ©otteSbienfte, 
ben er in biefer Stellung hielt, erfebien ein leicht» 
fertiger, alles ©öttlicße oeraeßtenber, ungläubi« 
ger Wann, ©r batte einen Sraum gehabt, in 
meinem er einen in bie ©tabt gefommenen 
fjfrembling gefeben, unb aufgeforbert morben 
mar, ßinjugeßen unb ihn prebigen gu hören. 
35 er gute ©eift ber ©nabe maßnete ihn, er ging 

S Kapelle, unb als er bes ©aterS Saßlor an« 
tig mürbe, rief er aus: „Sa 8 ift ber Wann, 
ben ich im Sraume gefeben habe." Slm ©bluffe 
beS ©otteSbienfteS ging er oor an ben Slltar, um 
gu beten unb für fid) beten gu laffen unb mürbe 
Die erfte ffruibt oon ©ater SaplorS Slrbeit in 
©ofton. Sie ©erfammlungen nahmen bon Sag 
gu Sag gu, fo baß halb ein Sleubau nötbig 
mürbe, melcber aud) im Sabre 1833 in bem 
$24,000 foftenben „Seemanns ©etßel" im ©ortß 
Square gu ©tanbe fam. ©ater Soßlor gab jebem 
einzelnen Sbeile feines ©etßetS einen gum ©ee« 
mefen gebörenben Flamen ; er mar barauf be= 
bacht, baß feine „SungenS", roie er bie ©eeleute 
nannte, immer bie heften ©iße batten. Sie 
Sanbleute mies er auf bie ©mporfireße ober 


1 unter biefelbe, bamit fie ihm aus bem Söege 
| feien. Seim ©rebigen ging er auf feiner langen 
I ©latform, gleich einem ffapitän auf feinem ©er« 
bede, auf unb ab unb prebigte gu feinen „Sun« 
genS'' in „Salgroaffer = ©nglifcß", baß es ihnen 
feßien, als fühltem fie baS Schaufeln beS ©chif« 
feS, unb als hörten fie bas ©äufeln beS SßinbeS 
unb Reuten bes ©turmeS im Safelmerf beS 
Schiffes, mäbrenb bem fie hoch auf feftem Sanb, 
im ©etßel in ©ofton faßen. 

©S märe ein boffnungSlofeS Semüßen, Sßater 
Saplor als ©rebiger mäßrbaft gu fcßilbern ; er 
mar einzig in feiner Slrt, baber auch unoer« 
gleicßbar. ©r mar burch unb bureb ein ©ee« 
mann, oon ber ©orfeßung jur Slrbeit unter ben 
Seeleuten erlefen, unb fern üorangegongeneS 
Sehen bie ©orbereitung für biefe mistige Strbeit. 
Sie ©ee unb bie ©nabe maren bie gtoei $aupt» 
elemente biefeS ©otteSmanneS. Seibe geroann 
er burch ©rfaßrung; beibe batten ißren 2 Boßn« 
fiß in ihm ; fügen mir gu biefeit ©eiben noch ein 
SritteS, nämlich bie ffraft unb ©abe, biefe bei« 
ben ©lemente fo in SBorten gu febilbern, baß 
man biefelben feßen, hören unb fühlen fonnte, 
fo hoben mir bie brei Stnßaltspunfte gur ©cbil« 
berunq bes WanneS als ©rebiger. ©rebigten 
Oon ihm finb feine Oorbanben, maS mobl auch 
um fo beffer ift, benn ein jeber ©erfueß, eine 
berfelben 51 t berichten, hätte nur bagu gebient, 
ben ©rebiger gu oerfleinern. 2BaS oorbanben 
ift, finb ©rueßftüde aus feinen SReben, melche 
aus bem ©ebädjtniffe niebergefchrieben mürben. 
2 Bir laffen hier einige folgen. 

31n einem ©onntage mollte er feiner Watro« 
fen=33erfammlung bie ©rlöfung bur* ©briftum 
beutlich machen. @r fing mit ber ©chilberuna 
eines ©turmeS auf bem Wcere an, ging burch 
bie ocrfcfjiebenen ©tabien beffelben burch- S n 
Witte beS ©turmeS fchilberte er ein ©chiff, baS 
mit ben SBogen fämpfte unb 00 m ©türme ber. 
ffüfte gugetrieben mirb. Sie Waften brachen, 
bie Segel riffen, baS fRuber ging berloren, baS 
Schiff befam einen Sed, baS SBaffer brang ein 
unb cS fing an gu fmfen. ©ich über feine ffan« 
el biegenb, einen ruhigeren Son annebmenb, 
agte er halblaut: „es finft tiefer, tiefer, tiefer." 
Sie Slugen ber gangen ©erfammlung ruhten 
auf ihm, fie febien faum gu atbmen. ©läßlich 
feinen ©lief auf ben «ntfernteften Sbeil ber 
ffirche riebtenb, tief er aus notier Wacht: „ein 
^Rettungsboot 1 ein ^Rettungsboot!" bann feinen 
©lid auf bie ©erfammlung richtenb, melde fuh 
Oon ben ©ißen erhoben batte, unb nach bem 
^Rettungsboote blidte, rief er mit auSgebreiteten 
2trmen’: „baS SRettungSboot ift ©briftuS, unfer 
^>err." 

©ei einer WäßigfeitS«©erfammlung, meldbe 
bie Samen in ©barleStomn im Sabre 1843 ber« 
anftaltet batten, unb gu ber auch ©ater Saplor 


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Pater ®atjlor. 


303 


eingelaben war, füll er fidj über ben Gegenftanb, 
ber 6efprod)en würbe, folgenb auSgefprodjen 
haben: „£>ier ift baS abfdjeulidje ©pftem, um 
uns ju quälen unb ju peinigen, obgleid) mir 
feine ©chänblicfefeit bermafeen gefcbilbert haben, 
bafe fid) ber teufet felbfi beffelben fchanien ntufe. 
3$ glaube faft, er fchcimt ficß auch beffelben; 
aßein hier finb feine Wiener um uns her, bie 
mehr Orofe unb Weniger ©cfeant befifeen als 
mie ihr ©teifter. 3a, h* f ^ 1° mit auch brü» 
ben in bem grofeen Softon, bem „911 feen ©nie» 
ritaS", wo bie Kirchtürme wie bie SJtaftbäume 
in unfrem £>afen gen Fimmel ragen, ift bie 
2Jtafd)inerie jur #eranbilbung Don Orunten» 
bolben; biefeS ©eelen berberbenbe Gefchäft ift 
bon ber Kneipe am (Straube, um meine armen 
©eejungenS ju ruiniren, bis }u ber grofeen 
Brennerei im „Still £>auS ©quär" im ©äuge, 
übt feinen uerberbenben Ginflufe fetbft an beS 
fjerrn Oag auS unb läßt ben Stauch ber 
Cual auffteigen. Sure grauen unb Oöd)ter 
ftreifen am Sonntage auf ihrem Stßege jur 
Kirche mit ihren ©ammt» unb ©eibentleibern 
an ben Sippen ber geöffneten Stachen biefer 
Orintljöflen Dorüber. ©ure Slrmenhaufer unb 
Gefängniffe finb angefiillt mit ben Opfern 
biefeS berrudjten ©ranntmcinhanbels unb bie 
SBoljnungen unb jberjen eurer grauen unb 
©lütter finb beS Kummers boß; unb friigt 
man, WaS gegen biefeS Uebel gethan werben 
tönne, fo hört man bie Slntmort, es fei nichts 
bagegen ju thun. „StichtS bagegen ju thun;" 
unb über bie ©latfornt hingehenb, unb auf baS 
in ber Stälje ftehetibe SJtonument meifenb, fefjte 
er fort: „bort ift ©unter fpitl unb nicht feht 
weit bon hitr ift Sejington unb ©oncorb, wo 
eure ©äter für ihre Siechte fochten unb bluteten, 
ihr btieft auf ihre Oentmale unb rühmt euch 
iqreS ^elbenmutfeeS unb fagt uuS, mir müffen 
uns in bie Sefteuerung unb bie Dualen biefeS 
berrudjten &anbels fügen, es fei nichts bagegen 
ju thun; unb bod) bermodjten eure feelben» 
müthigen ©orbäter eine gatije ©chiffslabung 
2hee baju ju berwenben, um ©einer britifdjen 
©tajeftät eine Stoffe Ohee^u bereiten unb ihr foß» 
tet nicht im ©tanbe fein, eine Sranntmeinflafd)e 
ju berftopfen. £afe!" 

©o munberbar unb trefflich mie ©ater SEaptor 
in feinem ©rebigen unb ©rmaljnen gemefen, fo 
war er eS auch in feinem Seten. Oft hielt er 
mitten in feinem ©ebete inne, fing an ju erflä» 
ren ober ju ermahnen unb fefete bann fein ©ebet 
mieber fort. 

SSäfereub ber ©ifeung ber Stern ©ort * ©on» 
ferenj im Safere 1842 prebigte ‘Er. ©aperS, 
nacfeheriger Sifdjof ber füblicfeen SJtetfj. Kirche, 
über bie ©Borte: „Saß bein ©rob über baS 
©affet fahren, fo Wirft bu eS finben auf lange 
3eit." Oer ©rebiger betonte befonberS bie 


I 

; ©Bicfetigteit ber Dpfermifligtcit unb beleuchtete 
feinen Öejt, inbem er- fchilberte, wie ber SleiS 
im ©üben geiäet werbe, wobei ber ©äenbe tnie* 
tief in baS SBajjer geht, um ju fäen. 91m 
©cfelufe ber ©rebigt würbe ©ater Oafelor er» 
fud)t, mit ©ebet ju fdjliefeen, was er in folgen» 
ben ©Borten that: „0£>err, fegne ben ©rebiger, 
ber biefen SJlorqcit ju uns geprebigt hat. 2Bir 
banten Oir, baß er nicht nur aus einer warmen 
©egenb, fonbern auch mit einem warmen fjer» 
jen ju uns getommen. C f)err, ber ©rebiger 
hat uns jmar bie fjaut abgejogen, allein bewahre 
uns bor bem ©erfrieefeen unb bem Slusflücfeten. 
|)err, hilf uns gleich ©tännern eS ju bulben, 
benn bu weifet, beife wir eS Ber bient haben. O 
£err, Dergieb uns uns unfere Kargheit, bergieb 
unS bieSmal, fo wollen wir ferner äße nötigen 
Opfer bringen. 2ßir wollen nicht nur bis an 
bie Knie, fonbern bis an ben £als, ja bis an 
baS Kinn in bas SOßaffer waten, nur, tperr, er« 
faufe unS nicht, obfehon wir eS berbient haben, 
©chone unfer Sieben, mir bitten Oicfe." 

| Sßie in feinem ©rebigen unb Seien, fo war 
er auch in perfönlidjen 3urc<htweifungen, wenn 

1 ihm biefelben nötbig fefeienen. ©in Seifpiel 
hiebon: ©in grember, welcher eine feiner ©er» 
fammlnngen leitete, erjiihlte unter anbrem auch 
bon einem gottlofen SJtanne, ber einige Oage 
juoor burefe bie Gjplofion einer ©ulbermühle in 
bie Snft gefdtjleubert Würbe, fehr befchäbigt jur 
©rbe fiel, *unb erft furj bor feinem Gitbe noch 
©ott fein 4)erj gegeben habe. Oer Stebner 
fcfelofe mit ben Sorten, „unb nun, wer ift nicht 
bereit mit einem ber grommen beS alten Sun» 
beS ju feigen: Safe mich fterben ben Oob beS 
Gerechten unb laffe mein iefeteS Gnbe fein Wie 
biefeS" (englifdjer Oejt). ©ater SEaplor erhob 
fich fofort unb fagte: ,,©old)eS 3eug geftatte ich 
nicht in biefem Slitare. 3$ feiner meiner 
Scute beabfichtiget fein Öebettlang bem Oeufel 
ju bienen unb bann ihn mit bem lefeten Slthem« 
jnge ju betrügen, ©ießeiefet befommt feines 
bon unS bie ©elegenheit burch eine ©ulber» 

| nüihle»©rptofion in bie Suft gefprengt ju wer* 
ben. Oer grontme beS alten ©unbeS, bon bem 
mir gehöret haben, mar Sileam, ber gemeinfte 
©djuft, bon bem im Sllteu ober Steuen Oefta» 
mente bie Siebe ift, unb nun hoffe ich, bafe wir 
nie mieber etwas oon ©ileant, noch bon feinem 
©fei hören werben." 

©erliefe gemanb ben ©otteSbienft bor bem 
©Chluffe, maS bei folcfeer gemifdjten 3uhörer= 
fefeaft oft borfam, fo mufeten folcqe, ehe fie ben 
StuSgang erreichten, ©emerlungen wie folgenbe 
hören: „Seichte Söaare fchmimmt fChneß. ©r 
hat fo öiel er tragen tann. Geht nur, Heine 
Gefäfee finb halb boß." 

3n feiner alten „©Jertftätte", wie er fein 
Sethel nannte, hatte er eine Slnjafel ebenfo mert» 


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304 


IHidte in bas Sonntagfdjulwefen. 


mürbiger Serfonen als Mitarbeiter. Unter 
biefen roar feine ftattlidje unb fdjöne ffrau, bie 
mit iljrer fanften (Stimme burch ihren ©efang 
fefjr oiel 311 bem fegenSreidjen SBirfeti ihres 
Mannes beitrug, unb mancher Seemann be= 
tannte, baß er bas C)cil feiner Seele, nebft ber 
©nabe ©otteS, bem lieblichen ©efange ber Mut» 
ter Japlor »erbaute. Ein Sater Jaijlorä Sethel 
nahmen gnmr alle ff ircheitbeiienntmgen Elntheil, 
allein in Sehre unb Siegel mar er bis 311 feinem 
©nbe ein entfdjiebener Methobift unb fdjeuete 
fich nicht biefeS in beu berfd)iebeuen Eingriffen,' 
melche auf ihn gemacht mürben, beutlid) ju 
offenbaren. 

Ells baS Elfter anfing fiel) fühlbar ju machen, 
fo bemühete er fich auf baS Eleußerfte, bie Se= 
[djmerben ju betämpfeit; es hatte beit Elnfcheiit, 
als roolle er fie befiegen, anftatt bon benfelben 
befiegt ju merben, bod) enblich mußte er im 
Januar 1868 fein ffommanbo über baS „Se= 
thel", melcheS er 48 Saßre lang geführt hatte, 
gegen feinen EBillen nieberlegen. Söäljrenb 
biefen fahren berfjalf er hunbcrteit bon See= 
leuten jtim Heil ihrer Seelen unb ohne baS ge» 
ringfte Seftreben bon feiner Seite mürbe er 
einer ber befannteften Männer ber EDelt. 

3m Saufe biefeS Jahres entfchlief feine treue 
SebenSgefährtin felig im Herrn; fie ftarb am 
23. 3funi 1868 im Ellter oon 74 fahren unb 
bon biefem Jage an mürbe er, troß allem roaS 
Siebe unb pflege thun tonnte, inflner fehlt» 
füdjtiger noch bem Hafen ber eroigett Stuße, in 
bie er auch ant 6 . Sprit 1871 einjugeßen ge» 
mürbigt mürbe. 

Sater Japlor mar bis jtt feinem ©nbe ein 
Seemann unb Srebiger, unb über fein interef» 
fanteS Eöirten ließe [ich nod) bieleS ©rbaulicße 
unb Sehrreiche mittfjeilcn; allein mir rooüeit mit 
nur ttocf) einer intereffanten Begebenheit, melche 
bie borherrfchenbe Seibenfcßaft feiner Seele 
offenbart, jtim Schluffe fommen. 

Elm Morgen beS -lehnten JageS bor feinem 
Jobe fühlte er fich ftart genug, um fidj nnju» 
tleibeu unb in feinem 3'mmer einige Minuten 
auf» unb abjugeßen. Sei biefen Semegungen 
erblicfte er einen alten Mann, ber mit martfenben 
Schritten mit ihm in gleicher ^Richtung ging; 
ohne 3 U merfen, baß bie bermeinte Ser fern er 
felbft mar unb burch einen Spiegel miebergege» 
ben mürbe unb ohne fich felbft ju ertennen, ging 
er auf ben Mann ju, begrüßte ihn nach feiner 
gemößnlichen Eöeife [ehr freunblidj unb fagte: 
„EBertßcr Herr! mein lieber fie rr, Sie finb ein 
betagter Mann; bon 3hnen ift nur noch menig 
übrig, allcitt 3jcfuS ift bereit Sie jeßt noch an* 
junebmen unb Sie ju retten, kommen sie 
jeßt ju 3 efu, er mitl sie retten." 

J)nr<h bie Slnftrengung, einen Sünber mehr 
ju 3fefu ju führen, fant er auf baS Sofa nieber 


unb berlor ben fjfremben aus feinen Eiligen. 
Seiner Haushälterin rufenb fügte er, als fie 
gefommeit mar: „Sollt), tomni näher. Jcr 
alte EJtann muhte nicht genug, um felig ju mer» 
ben, er mar fo unbeweglich mie ein Sflorf, als 
ich ju 'hm fprach." 

3mei Jage fpäter fah er auf einem ähnlichen 
©äuge ben alten Wann rnieber, ben er rnieber 
freunblich grüßenb alfo anrebete: „ 6 s ift 
eine feßr fpäte stunbe, allein 3 f fuS tann unb 
mill Sie retten, machen Sie ben Serfuch;" bon 
Schroäche rnieber auf baS Sofa niebergefunfen, 
rief er feiner Haushälterin unb fagte ihr: 
„Salli), ber alte Mann ift ein Ungläubiger, er 
mill feine Seligfeit um feinen Sreiö;" utib über 
biefe HerjenShärte biefeS feines Permeinten 3»* 
hörerS trug er fichtbar Seib. Son biefer 3eit 
an berlor er feine Sefinnung, tonnte feine 
fjrennbe nicht mehr ertennen unb mürbe barüber 
mit [ich felbft unjufrieben. 

©inmal brach er in bie SBorte auS: „C, id) 
bin ein alter Mann unb toeiß gar nichts." Eluf 
bie 0-rage boit feiner 233ärterin gefteDt, ob er 
3 fefu fenne, anlmortete er: „O ja, 3 efum fenne 
ich, '<h fenne 3 e fum." 


Plidte tu bao $ountagfd)iiltoffVn 
Pfutfdflanb«. 

San <?. SBriß in Berlin. 


J|ie Sonntagfchule in Jeutfcblanb hat ihre 
c yr befonberen Kämpfe 311 begehen, ©s ift 
1 beit Seferit betuiint, burch welche Stürme 
unfere eigenen Soiintagfdjulen ju gehen hatten. 
Eitier itod) heute fönnen fie [ich nur ausbreiten 
unb holten unter bent größeften unb regften 
ffrleiü uttferer Witarbeiter. Som ffönigreid) 
Sochfen rooüeii mir gar nicht reben, in welchem 
uns nur Soitittagfchulen mit ben ffinbent form» 
lieh aus bem Serbanb ber Staatsfirche auSge» 
tretener Mitglieber geftattet finb. 3" 2Bürt= 
teinberg ift jtnar bie Macht ber firdhlidjen ©eg» 
ner feit ber fectifdjen Jrennung ber ffirche bom 
Staat gebrochen, aber in ber Siegel ift ber So* 
ftor bod) rnieber 311 m Sdjulinfpeftor gemäblt 
unb macht als Solcher fein Stecht geltenb. So 
hatten mir in 2 . eine blüßenbe Sonntagfchule, 
bie bon Sonntag 311 Sonntag roudjS. Jer 
Scßulinfpeftor aber ging regelmäßig, mann baS 
ffiitblein ju geheißen begann, in bie Schul» 
flaffen, ließ ffiuber, melche bie Methobiften* 
Sonntagfchule befudjteit, aufftehen unb ßerbor» 
treten unb berbot benfelben ernftlicß ben meite» 
ren Sefttd) mit ber Jroßung, „fie mürben fonft 
nicht conftrmirt." Jie Seßrer mürben auch 


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ülidte in bas Sonntagfcfeulroefen. 


305 


bafein inftruirt unb ein SerroriSmuS aungeübt, ' mieber eröffnen liefe, fanbte ber Solijeifoinmiffär 
ber eines anbern 3 e itaOer§ würbig gemefen feine ffinber felbft fein unb feeute beftefet jene 
märe. 2Bann bie Suft bann »ieber rein mar, J Sonntagicfeule nodfe. 

macfeten fidfe bie eiitgefdfeücfeterten ffinber feerbei. i 3>n Braunfcfemeig eröffnete im 3fafer 1868 
Wicfet feiten »erben fie aucfe geftraft burcfe £in= | im £>aufe beS babei anmefenben unb beteiligten 
abfefeen unb aucfe törperlicfee 3iic^ticiunc[en rour» i |>errn ^ßaftor 3eep bie erfte Sonntagfcfeule mit 
ben ifenen beSfealb fcfeon ju ifeeil. Unter fol» j (leben ©ruppen. WIs fie roucfeS unb ficfe be= 
cfeen Serfeältnitfen ift eS ein SBunber, bafe unfre | merfiicfe macfete, magte eS ber Sürgermeifter bie= 
«Sonntagfcfeulen gebeifeen unb es mufe bocfe eine | felbe ju oerbieten. $aS Wmt unb ©au§ beS 
Sefenfucfet in Äinberfeerjen liegen, bie gefüllt J SaftorS tonnte bie gute Sadfee nicfet fcfeüfeen. 
mirb in unferen Sonntagfcfeulen, bafe fie fidfe i Wber fie flog nidfet auf. $ie tapferen Sonntag» 
immer mieber unter aßen Söibermärtigfeiten | fcfeullefererinnen berfammelten eine jebe ifere 
feerbei finben. ©ruppe in iferer eigenen SBofeming. Wadfe einem 

2lber audfe bie firdfelicfeen Sonntag» 3flfe r treuer Wusbauer trat man mieber jufam» 
fcfeulen feaben ifere ffämpfe. Sdfeon ber men unb feielt Sonntagfcfeule mitbeftogröfeerem 
Warne an unb für ficfe featte gegen ben auf ber ©ifer. $iefelbe täfelt jcfet 20 Sonntagfdfeul» 
Bremer = ©onfereilj oorgefdfelagenen Warnen : ßeferenbe unb 400 ffinber. 

„ff i n b e r» © o 11 e S b i e n ft" einen fdfemeren 3n 2B e i m a r entftanb 1876 nadfe lang» 
ftampf ju beftefeen. Wtau rooüte jmar bie Sadfee jäferigen Semüfeungen eine Sonntagfcfeule mit 
felbft beibefealten, ben Uriprung betreiben aber anfangs 15 Seferenben unb 150 ffinbern, benen 
jurücfleiten auf bie WeformationSjeit unb bie Sonntags oon ber ftrati ©rofefeeqogin bie 
fcfeon jii SutfeerS 3 e >t eingefüferten ffinber» pracfetboflen Säle iferer ffleinfinberfcfeule ein» 
fatecfeifationen. 3tber jene waren geswungen, geräumt Waren. $ie proteftantenoereinlicfee 
biefe finb freiwißig; jene nur öom '-ßaftor ge» Stabtgeiftlidfefeit fiidfete ifer aber entgegenpmir» 
leitet, biefe mit ßaienträften oerfefeen unb in ten burdfe ©rricfetung eines fogenannten ffinber» 
©ruppen eingetfeeilt; unb wenn in S)eutfcfelanb gotteSbienfteSinberStabtfirdfeeofeneSaien. $ie 
fcfeon feit 350 3<*fe ren „ffinber=©otteSbienfte" ffinber würben in ben WlltagSfcfeuIen basu auf» 
waren, wäferenb bie englifcfeen Sonntagfcfeulen geforbert unb tarnen mit Slcfe unb Bßefe bis auf 
erft 100 ^afere alt finb, fo fragt man bißig, 700 feinauf. 2)ie Sonntagfcfeule aber be» 
wo ift beren fjrucfet? fcferänfte ifere Sipungen auf bie freibleibenben 

$)er gute Sinn feat übrigens ben Sieg ba= Sonntage. 3 e tÜ wirb biefelbe in ber $om= 
oon getragen unb in ©rlajfen ber Oberfircfeen» fircfee oom neuen #ofprebiger gebalten unb 
befeöirben feeifet eS nadfe wie oor „sonntagfcfeule" 26 Sonntagfdfeullcferenbe mit 300 ffinbern be» 
unb meferere SonntagfdfeuUKonoentionen feaben tfeeiligen fidfe baran. 9lm idfelimmften erging 
befifeloffen, biefen Warnen beijubefealten. Somit es ber Sonntagfcfeule inWiirnberg. 5)ie 17 
bleibt ber 3 u f ammen fe an ß m 't ber übrigen Sonntagfdfeullefererinnen würben mit Sot» unb 
Sonntagfcfeulmelt außerhalb $eutfdfelanbS ge» 3 un amen in ben SBIättern genannt unb oor 
wafert unb wir hoffen, biefelben werben, wenn ifenen gewarnt, ja bie Sorftefeer unb 2 Pfarrer 
einmal erftarft, ffüfeiung fucfeeit mit anbern würben Oor ©ericfet gejogen. Sie würben glän» 
Sänbern unb eS ben „Setten" ju banten wiffen, jenb freigefprocfeen. 3m £erbft 1880 tonnten 
bajj wo biefelben eine „Sonntagfcfeule" griinbe» 6 Sonntagfcfeulen mit 45 Sonntagfcfeulleferern 
ten, fie ftcfe genötfeigt fafeen, aucfe eine anju» unb 600 ff inbern ifer fiebentesSafereSfeft feiern, 
fangen. So feat biefe unerfeörte Weiterung begon» 

|>err Sröcfelmaun in fjeibelberg giebt nun 1 nen unb ficfe in $eiitfcfelonb Bafen gebrochen, 
in feiner SSertfeeibigung einen fefer intereffanten $)ie preufsifcfee Oberfircfeen befeörbe feat biefelbe 
Beriefet im „Sonntagfcfeulfreunb" unb ba ber» entpfofelen, in anbern ßänbern wirb man nadfe» 
felbe gute Slidfe in bie ffämpfe aucfe ber Sonn» folgen. 

tagfcfeulen ber ßanbeSfircfeeit tfeun läpt, fo fei | Wm beften gebeifet bie Sonntagfcfeule in ®re= 
ben Seferit baoon einiges mitgetfeeilt. men. WuS ber ©inen, weidfee tinfer fei. Sr. 

9llS im 3afer 1863 ^)err Sröctelmann als i 3atobp 1849 einfüferte, finb jefet 14 mit 3500 
Begleiter oon 2Bm. Söoobruff £US Wem $orf i ffinber geworben. 3war tonn unfer „Sater» 
?)eutfcfelanb burcfereifte, um bie sonntagfcfeulen i lanb" ben Sergleicfe mit ©nglatib unb Wmerifa 
ju empfefelen, feielt man ifenen entgegen, „baS , nodfe lange nidfet auSfealten, aber eS ift „auf ocr 
lei eine unerfeörte, oöllig über» Bejferung." 
flüffige, ja bei uns ganj unrnög» 

lidfee Weu e ru itg." -..._ 

3n ©ötn lief* bie Solijei bie Sonntagfcfeule 
fcfeliefeen, inbefe, als ber um Wbfeilfe angerufene 
ffultminifter fie alsbalb als ju Wedfet beftefeenbe 


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306 


jlotlj unb Hülfe. 


Poti) uttb Ijülfe. 

/l»ä mar ein grimmig fatter ©inter. ©enn 
J© 3femjattb auf ber ©traße ging, fnifterte eä 
T im s>cßnee, wie roenn man (Staäfcßeiben 
gertritt; unb was nic^t mohltjabenbe Seute waren, 
bei benen wollten am gellen ©tittag bie f?enfter= 
fcßeiben nicßt auftbauen. ©o mar’ä auch in 
Antwerpen, ber großen ©labt, bie im 
4)oüänbifdjen liegt. 3>it biefer ©tabt giebt eä 
neben fcßönen, prächtigen ©tragen auch enge, 
elenbe ©affen mit finftcren Raufern, aus benen 
bie ©rmutfj aber bodj gatij fjell ßerauäfcßaut. 

3tn einer fotdjen Straße war ein £fauä, unb 
in bem £>aufe eine Kammer, unb in ber Jlam« 
mer wohnte eine bitterarme Snmilie. (Sä war 
in ber Kammer fo fatt wie auf ber ©affe. Sn 
einem bürftigen SBett mitten in ber Kammer lag 
ein franfeS Itinb; es fab au», nt» werbe eä batb 
in ein anbereä ©ett getegt, wo man nicht mehr 
hungert unb friert, daneben faß eine junge 
Srau unb hotte beibe £>änbe oor bem ©eficht; 
fi: War ärmlich unb froftig gefleibet, feßr ärm« 
lieh unb froftig. weiß nicht, maä fie ba ge* 
macht hat; aber ihre |>änbe waren naß unb bas 
©eficht auch, — oielteicßt hot fie geweint. 

©uf einmal rief eä oom talten Ofen her: 
„©tutter, liebe ©tutter, ich hob’ fo großen $un» 
ger!" @ä mar ein ©üblein jroifdjen fünf unb 
feeßä fahren, baä fo rief. ©ber bie ©tutter fagte 
nidjtä unb blieb wie tobt fifeen. Oa fing baä 
ftinb mieber an unb fagte: ,,©<h, gieb mir hoch 
nur ein fleineä ©tiieftein ©rob ; ich fann’S nicht 
mehr auäßatten, fei bocß fo gut!" 

Unb nun fchaute bie ©tutter auf mit einem 
©lief, ben man faft nur feljen lann, wenn ©inem 
fein SEobeäurttjeit beriefen wirb, unb fagte: 
„£>anä, fei boch um ©ottf» SDßillen ftitf; ich fterbe 
ja felber beinahe bor junger!" 

©ber ber $anS fing mieber an: „©ich mir 
boch nur ein ganj fleineä ©tücfcßen — ich bitte!" 

Unb bie ©tutter hielte nicht länger mehr auä, 
griff unter baä Sett, langte ein fleineä Jheujer« 
bröbchen herbor unb fagte: „Oa hoft b» eä! 
3t<h höbe eä aufgehoben, um beinern ©eßmefter* 

t en eine ©uppe babon ju lochen, aber baä arme 
itßäfdjen wirb’ä wohl nimmer nötßig haben." 
Oer £>anä fprong barauf loä wie ein junger 
©olf — unb boch, otä er gierig bie eine £>älfte 
gegeffen hotte unb ber Appetit noch gemäßen 
mar, brachte baä $inb bie anbere Hälfte ber 
©tutter jurücf, unb fagte mit teifer ©timme: 
„Oa, ich habe eä für bnä ©eßmeftereben auf* 
gefpart!" Oann ging er hinter ben Ofen. 

©ine halbe ©tunbe barauf fam ber ©ater 
jurücf, fchaute bie fjrau mit tiefer Setrübniß an 
unb fagte: „SEßerefe, mir finb boch weht un= 
glücflicß. Oen ganjen ©torgen hob’ ich mit mei« 


neni ©cßiebfarren an ber ©ifenbahn geftanben 
unb habe feinen Äreujer Perbient. 3ch moüt’, 
ich tnäre tobt!" 

Unterbefjen fagte £anä: „©ater, ich hob’ fo 
argen junger, tjnft bu fein ©rob mitgebracht ?" 
Oa fchaute ber ©ater baä Uinb fo finfter an, 
baß eä erfeßroefen fagte: ,,©ei nicht böfe, ©ater, 
ich mitl’ä nicht mieber thun." 

Unb alä ber ©ater auch noch baä fteinfte ßinb 
fah, wie eä in ben Job hinüberfiechte, ba wollte 
feine ©eele untergehen in unenbtichem ©eßmerie, 
unb umfonft fuctjte er einen Ausweg auä biefer 
©otß. ©nblich fprnch er : „3ch weiß jeßt nichts 
mehr, alä ich oerfaufe bei ber ©erfteigerung 
unferen ©cßiebfarren." Unb baä mar boch baä 
einjige ©3erfjeug, womit ber arme ©lann fonft 
fein ©rob perbiente. 

©n jebem ffreitag aber wirb in Antwerpen 
auf bem ©tarfte ©uction gehalten, ju ber Jfeber 
bringen fann, maä er will. Oer ©tann gab bem 
©uärufer feinen ©chiebfarren unb wartete, ent* 
feßlitß traurig, biä bie Steiße an ihn fam. Oa 
gingen gerabe jmei borneßme Oamen über ben 
©tarft, unb bie eine fagte jur anberen : „Sieh 
nur, wie ber ©tann bort gar fo traurig unb Per« 
ftört auäfießt!" unb fie blieben flehen in feiner 
©äße. ©ie hörten nun, baß ein ©efannter mit 
ißm rebele, maä er ba tßue, unb erfuhren fo 
feine ©ottf. Oa hatten bie beiben gleidpßren 
©tan gemacht, ©ic boten mit auf ben Schieb« 
farren unb tauften ißn für 27 fffranfen. ©Ueä 
Perwunberte fich unb lachte, baß fo porneßme 
grauen einen ©cßiebfarren fauften; bie aber 
ließen fich nicht ftören. ©ie jaßtten bie 27 S*nn= 
ten unb baten ben ©tann, er möge ißnen ißr 
©igentßum noch £>oufc fahren, fie wollten ißn 
befonberä bafür bejahten. Oer aber Wollte ©n* 
fangä nicht, weil er ein nötfjigeä ©efeßöft habe; 
er wollte nämlich etwaä ju efjen taufen für feine 
ßungernbe Familie. Oa fie ißm aber fagten, er 
foQe nur nach feiner ©oßnung fahren, bort 
woßnten fte aueß, tßat er’ä; ba tauften bie Oa» 
men ©rob, £>olj unb Steifet) unb tuben eä auf 
ben ©cßiebfarren. 

©iS fie an baä £auä beä ©tanneä famen 
unb ber meinte, er werbe noch weiter fahren 
miiffen, naßm er feinen J£)ut ab unb fagte: 
„(Urlauben ©ie mir, baß ich einen ©ugenbtief 
einfeßre!" 

Oie Stouen gingen ißm nach 6iä >n feine 
Kammer unb faßen bort baä entfeßtieße (Slenb. 
Oie Stou tag Wie tobt am ©oben unb ber ßanä 
rief: „©tutter, gieb mir ju effeu !" Oer ©tann 
meinte, feine §frou fei tobt, unb fing bitterlich 
an ju weinen. ©Kein eine ber Sennen gab ißm 
©etb unb hieß ißn f<ßnetl ©ein holen; ber 
brachte bie Senn mieber jum Sewußtfein. Oann 
jünbeteu fie Seuer an unb gaben bem fiinbe ju 
ejfen, unb baä feßaute mit ßolber Seeube bie 


Di-by ne 



JJom ©ottbarb. 


307 


freunblicße ©eberin an. Shin erft faxten fie bem 
tarnte: „Ser ©cßiebfarren unb MeS was 
barinnen ift, gehört eud); nnb ihr foflt fein fol» 
djeS ©lenb mehr leiben. ©Mr wohnen ba nnb 
ba, foirnnt nur einmal bi«» fo oft ibv nichts 
habt." S)etit Wanne mar’S, wie wenn er 
träumte; er fonnte fein 2öort rebeu, fonbent 
nur große Sbränen meinen. 


2öaS fagft bu ju biefer ©efcßicbte? 3d) fage: 
©S giebt feine größere Suft auf ©rben, als wie 
eilt (Ingel in ber Stotb ju fomnien unb mit fei= 
nem Ueberflujj ©iilfe unb freube p bringen in 
bie ©litten ber Firmen. Sein ©eilanb aber fagt 
Wattbäi am 25.: „2öaS if)r getbau habt einem 
unter biefen meinen geringften ©rübern, baS 
habt ibr mir getban." 51. Stola. 





Pom (5o111|art». 


►onate ftnb nun berfloffen, feit 
bie Semobner non Slirolo 
riefen: S>er ©ottbarb ift be» 
graben, eä lebe ber ©ott» 
barb.Sunitel! Sine grofje 
SJtenge oou Storben unb 
Silben bntte firf) am erften 
Sage beS ^aßreS pr 8?abrt 
bunt) bett Sunnel entfd)fof= 
feit, unb Stacbbarn, bie fonft halbe 
funb gante ober mol)l gar mehrere 
Sagreifen auSeiuanber entfernt 
waren, tonnten ftdj nun innerhalb 
einer eiitjigen ©tunbe begegnen. 
Sie freube — frfjrcibt man ber 
„Mg. 3tg." — ift nicht unberecß» 
tigt. Siorf) in ben leßten Sagen 
oor ©röffnung beä SunnelS batte 
ber ©ottbarb feine Wacht fiiblett 
taffen. So oft bie emfigen unb 
fleißigen „Stuttner" ben ©aß fäu» 
bertett, fo oft bewarf ihn ber raube ©Unter wie» 
ber mit eßenboßem SdEjnee unb machte bie 
froftigen ©oben burd) grattfige ©türme unp» 
gängficb- Wußte bocß am Säge ber ©röffnung 
beS SunnelS bureß b«nberte bon Wännern mit 
Schaufeln mtb ©cblitten ber @<buee in Slirolo 
weggefcbafft werben! ©3er je im ©Muter ober 
im friißjabr bie Steife über ben ©ottbarb ge» 
macht, weiß baöon tu ertäblen, welche ©efaßren 
unb Wiibfale beS ©erfeßrS nun befeitigt finb. 
Stießt mehr begegnet ber Steifenbe jenen Srup» 
ßen oou 10 bi« 20 ftarfen, wettergebräunten, 
mit großen Schneebrillen berfeßenen Wännern, 
welche ben eitblofen ©chlittentügen ben ©kg 
bahnten unb bei abfälligem, gar oft fid) wieber» 
ßolenbem Umftürten ber ©djiitten ober in Sa» 
minengefaßren ben millfommenen Schuß unb 
bie erfeßnte ©ilfe reichten, ©alte man bie ©<höl= 
lenen, baS Val tremola beS StorbenS, pnffirt, 
fo fanb man nicht feiten baS Urnerlod) burd) 
eine ©(ßneelamine berfberrt. Surd) biefe eifige 
Wauer mufften bie Stuttner einen ©ang für ©e= 
päcf unb SReifenbe graben, bie bann auf ber 


anberen ©eite beS SunnelS wieber per frißre 
weiter beförbert warben. Seufelsbrüde unb 
Urnerloch galten bis jeßt für fübne ©krfe ber 
©kgefunft; ißr Slnfeßen muß bemjenigen beS 
©JerfeS weichen, bau weit unter ihnen ben ©üben 
mit bem Sterben berbinbet. ©lüdlicß, wer noch 
tu friß bau 180frijj lange Sodj baffiren fonnte; 
wie manche würben int Saufe ber Sabre non 
Samineit tugebedt unb tobt berborgetogen! ©atte 
man biefe SJtüßfnle baffirt unb war man in bie 
©bene unb in bie ©erbergen bon Slnbermatt ge» 
langt, fo fab man ficb bort oft bon mannshohem 
©dntee umgeben. Cft mußte ntau hier ober auf 
bem ©ofpij tagelang auf beffereS ©ktter Warten 
unb fid) bie J3eit, fo gut eS ging, mit Sefen, 
Spielen, ©laubern unb anberer ffurpieil ber» 
treiben. S e weiter man gegen bie ©öt)e beS ©e= 
birgeS borriidte, befto gefährlicher würben bie 
©cpneeftürme, „©ujeten" genannt. ©knn taS 
©chellengeflingel ber ©ferbe, ber eintönige ®e= 
fang ber Rührer noch einige ©oefie in bie lang» 
fame frßrt gebraut batten, fo fab ficb ber Stei» 
fenbe plößlld) in bießten ©chiteefall gebüßt, ©alb 
batten bie eifigen Stabein fein ©efießt blutig ge» 
riffen, Wenn er nicht fo borfidjtig getoefen, es 
mit einem Schleier p feßüßen. ©}ar man enb» 
lief) auf bem ©ofpij angelangt unb erlaubte bie 
Klitterung einigermaßen bie ©kiterreife, fo ging 
man neuen ©efaßren unb Seiben entgegen. 
Surcß ©cßneeftürje mtb ©chneeweben ift ber 
©kg feßr uneben geworben. 3« 3 >oei Steifenbe 
würben in einen Schlitten gefeßt unb mit Sep» 
pichen bebedt unb fo eingemummt, baß beim 
Umftürten be§ Schlittens ber ©affagier nicht 
berauSfaflen fonnte. ©in Stuttner, ber auf bem 
©eleife beS ©dllittenS feinen ©laß batte, mar 
jeberäeit bereit, ben Schlitten fammt ^nfaffett 
wieber aufprießten. ©eßenb unb fießer fteigen 
bie ©ferbe über meterhohe Unebenheiten bin» 
unter, ohne ju ftolpern unb ohne p fallen. 2öie 
im ©türm gebt c§ ben ©erg hinunter, benn 
jeher wiß bem Sbale beS ScßrecfenS, Val tre- 
mola, fo fd)neß als möglich entrinnen, unb es 
ift ein unmißfommener Slufentßalt, wenn etwa 


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308 


?la« Crbe. 


ber ©epädfd)litten über ben ©trapenraitb hinter» 
füllt mtb bann boit bet gefamniten 5iil)rer» unb 
Segleitmannfchaft wieber bcruuigehult werben 
inuis. Sind) in folcheit fallen (>aben bie Sferbe 
einen mertwürbigeit ^nftintt. Tie Sfuttner ftei« 
len ihre Schaufeln treppenförntig in bie hohe 
©chnoewanö unb bie Sferbe fteigeit barnnf wie» 
bet gur ffat)rbal)n hinauf. Üft man enblid) in 
Sliroio aiigefomnteti, fo atljinet man pod) auf, 
laßt fiep eine nute ©rquicfuiiji neben unb fdjeu 
bet in aller fjreunbfdjaft unb £)crglid)teit bon 
bein 3?üt)rer, ber mit uns alle ftährlichfeiten 
tapfer unb fjiugebetib burd)geinucht bat. 

Son foldgeu Steifen wirb fürber nur bie 6r= 
inneruitg gehren. ©id)er unb leicht burebbrauft 
nun bie fiolomotibe tief unter jenen roilben 
©egenben ben Serg unb »ermittelt ben Slorben 
mit bem ©üben in fürgefter 3-rift. 3'°ar waren 
bor bem Setrieb beS Tunnels auch allerlei Se= 
benKidjfeiten aufnetaudbt, bie fid) nun als eitel 
ertbiefen buben, ©eit bem 27. Februar b. 3-» 
Wo ber Turdhbrud) erfolgte, bat fid) Suft unb 
Temperatur im Tunnel gum beften gemenbet. 
Täg(id) burcbliefen ibn beit ba an 12 3üge5 
Weber ber Staudj ber SJlafd)inen, noch ber Duälin 
bon 880 Oellatnpen, noch berjeitine bon ben 
häufigen Tt)iiamit=©prengungen fonuten mehr 
bie 'Arbeiter beläftigen, ba baS ©leidjgemi^t 
bureb ben Suftgug oon Slorben nach ©üben ficb 
bon 1‘efbft «berftelite. Tie 840 SWamt arbeiteten 
a^e Tage obue Seläftigung. Stur bie ©ijje in 
ber SJlitte beS Tunnels ift ba, aber für beit Stei» 
fehbert'im gefd)loffenen ©ageu nicht bemerfbar. 
©ollte aber infolge Sleitberimg ber Ußilterung 
ber natürliche Suftgug geftört werben, fo fleht 
am Slorbeingaug ein Seutilator bereit, ber halb 
Stauch, ©öS unb £)ige nach ©üben hinüber jagt. 
TieS tommt auch ben '-öiiljnmartern im Innern 
beS Tunnels gu gut, bie in Stiften je einen 
Kilometer auseinanber aufgeftellt fiitb. 2Baffer= 
laufe unb SeutilationSeiurichtuiigeu öerfd^affen 
ihnen fortmäbrenb fühle unb frifdje Suft. Ob 
eleftrifcbe Seleuchtung wirtlich eingeführt Wer» 
ben wirb, fteht bahin. SiS jettl fchente man oor 
ben Xfofteit berfelbeit jurücf, hoch foften Unter» 
hanblungeu mit Siemens im ©ange fein. Se= 
fanntlich gab gum Sau einer neuen fahrbareren 
©trajie über ben ©ottparb im erften Siertel 
biefcS 3nhrhunbert§ ber Umftanb Seranlaffuttg, 
bafe bie .Chinftftrafeen über ben Sernharbin uitb 
©plügen ben ©aarengug übet ben ©ottparb be= 
brohten. Grftevc würbe mit $ülfe Italiens, 
legiere mit föülfc OefterreidjS unb ber angreit* 
genbeit ftuntone gebaut. Tie Kantone Uri unb 
Teffiit bauten bie ©ottbarb = ©trage mit einem 
ffoftenaufmanbe oon 000,000 alten Schweiger» 
franfen. ^et?t fchon Umreit jene Söffe bie $on» 
furreng. Sctriebfanie «pebitoren leiten bereite 
einen großen Theil beS ©üteroerfeprS aus 


Italien burch ben Tunnel, ©egen ber Se» 
ichmerlichfeit unb ©efahr bes alten Süffel hotte 
bie Seibenburchfuhr gang aufgehört. Stun ift 
fie neu wieber aufgewacht; bagegen hat ber feit 
;}aprpunberten beftanbene ©eibenoerfehr über 
ben ©plügen gang aufgehört, unb in ©hur wirb 
e§ peinlich entpfunben, bag bie „©chelleri", fo 
nannte man bie ©eibenfuhrett, gum legten Stal 
nach ©hur gefomtnen finb. 


Pu» tfrbe. 

Cfinc Straßburger JSFamiUrti-^crdjid^r aue 6er Jrit 
brr Deformation. 

8&r £au8 unb #«rb bearbeitet 

Oon $an( @ngnt. 

3. Trauung uitb Ser» 
tobung. 

n einem giemlid) biirfliegen ©e» 
mach fafj ©albner oon flohen» 
heg; er hotte bas £>aupt auf 
bie £>anb geftiigt unb bliefte 
finfter unb miirrifch burch bie 
Keinen, rtinben, in Slei gefufe» 
ten Scheiben beS fjenfters. TaS 
Winterliche Unwetter, welches 
braufeen auf ber ©affe tobte, 
fowie bie melancpolifibe ©eife 
beS ©inbeS, ber fein Sieb im 
@d)orn|tein anftimmte, waren 
nicht geeignet, bie triibfelige 
©timmung beS ©rafett gu Dermin« 
bem. ©eun gumeilett ber ©turnt 

t ben auf ben Soben liegenbeit ©chnee 
emporwirbelte unb heftig gegen bie 
Keinen Scheiben be* fjenfters führte, 
fdjraf ber SlitterSmann gufamtttett. Tie Unge« 
bulb, welche fid) in feinen 3ügen auSprägte, 
beutete an, bafe er ^emanben fehnlichft erwarte, 
unb in ber Tljat laufchte er Don 3cit gu 3 f 't- 
wenn fich etwas braufeen auf bem Sorfaale ober 
ber Treppe rührte. SMitiinter fröftclte er gu» 
fatnmeit unb gweimal erhob er iirf), um nach beut 
■ Hamin gu gehen unb fid) bort gu warnten ; all» 

1 ein es war falt unb baS |>olgfeuer fchon längft 
| erlofcben. Ter ©raf ftampfte ärgerlich mit bent 
I gufee unb lehrte wieber auf feinen alten Slofe 
gurücf. ©o fafe er noch eine halbe ©tunbe, bä 
enblich tappte es bie Treppe herauf, .jjohettfeeg 
wanbte fid) rafch um unb fchritt bem eintretenbeit 
SKürnhort entgegen. 

j „Sittn, wie fteht’s?" herrfchtc er ihm gtt. ,,.£wft 
| bu etwas auSigerichtet ?" „©enig, fel>r wenig,“ 



Digit — 


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Pa« (Srbe. 


309 


Perfekte bet Seffe arfifeljudenb. „Cer alte 
©eijwatS fietjt, baß unfet Jjunter unb bie 3ung= 
fer Shitippine SBoljlgefatlen au einanber haben 
unb bie ©eiratf) ber Selben auch ohne grojje 
Cpfer feinerfeitS 3 U Stanbe fommen wirb." 

„SiemalS! Niemals!" bonuerte ©ohenheg, 
mit ber 3 ?auft auf beit Cifdj fdjtagenb, an tuet» 
<hem et wicber tßlaß genommen hatte. „ 2 Bo 
mürbe es mir benn einfallen, eine bürgerliche 
Schwiegertochter mir 311 mähten unb meinem 
uralten Stammbaume eine S<hma<h anjuthun, 
menn eS mir babei nit um baS leibige ©elb 311 
thun märe? Allein wa» uit^i mir mein ©ra= 
feiititel, ba ich f° öerarmt bin, baß ich nit cin= 
mal für meine fjainilie S« forgen oermag! Stein 
SBeib GharitaS muß bei ihren Scrwanbten im 
©eifenlanb berroeilen, SBoIfgang ift halb hier, 
halb bort, mährenb ich unb bu biefeS elenbe 
3 immer hier bemohnen unb gar oft taum fatt 
311 ejfen haben.'' 

„©in, baran bin ich Won gewöhnt," mur¬ 
melte Stürnhart, boch nahm oer Ctjeiin feine 
Stotij babon, fonbern fuhr in feinem grimmigen 
Sone fort: ,,©ut roär’S freilich," nicfte ber im« 
oerbejfertiche Stürnhart. 

©ohentjeg marf ihm einen berädjtlichen Slicf 
ju unb fagte: „GS ift jeht genug gcfchwaßt, be¬ 
ginn beiiten Sericht." Stürnhart fah fehr fin» 
fter oor fiih hi» »ab antmortete: „9tl-S ich bem 
fRatbob heute 3U111 fo unb fo bielten State Guer 
Segehren funb gab, bau bie Stitgift ber Jung¬ 
fer Shitippine jum Stinbeften um bie ©ätfte 
erhöht roerben müffe, jeigte er mir, gleichfalls 
jum fo uub fo bielten Stale, fein Ceftament 
unb fagte: ' 3 dj habe meine beiben itinber 
gleich lieb unb beSfjalb mirb auch feines bou 
ihnen mehr ober weniger erhalten. SBenit 
meine ShiUppme eine ©räfin mirb, fo ift’S mir 
Won ganj recht; mehr aber als ich >hr hier in 
meinem Ceftament bererbt habe, erhält fie nit 
unb roenu taiferlidje Stnjeftät unb alte dürften 
ber Grbe um fie freiten/" 

„Ser unbcrfchämte ©efett!" brummte ©ohen- 
heg in ben Sart. 

„3ch gab mir bie gröjjte Stühe, ben alten 
Silj herum 311 friegen, allein bergebenS, er 
mürbe nur befto toiberfpenftiger nnb rief mir 
fchließlich ju: 'Gi, ift Guerm Sermanbten bie 
Stitgift nit recht, fo freie er anbersmo für feinen 
Siinfer. Stein Stäbel braucht feinen Sohn 
nit! GureSgteidjen fchaut immer gar bornehm 
auf uns Sürgerliche herab, unb boch jeigt fictj’S 
i- jjt bei Guerm Chm, baj} ein Sitel, mag er 
mich noch fo tjochtönenb flingeit, ein gar erbärm¬ 
liches Sing ift, fobotb fein ©elb bahintcr fteeft. 
3<h hab’ Guerm Chm meine 2od)ter nit ange¬ 
tragen, bietmehr ift er 31 t mir gefoinmeii, bariini 
fonimt e§ auch mir allein 311 , bie Stitgift 311 be= 
ftimmen. Sagt ihm bas unb menn er nit ba» 


mit 3 ufrieben ift, fo möge er mich fürber hübfcb 
in 9tuhe taffen!'" 

©ohenheg bifj bie Sippen feft 3 ufammen. 
„Sift bu mit beinern Sericht 3 U Gnbe?" fragte 
er enblicb nach längerer Saufe. „So<h nit," 
erflärte Stürnhart, „auch hab’ ich mir baS ©ute 
bis 3 um Sdhtufj aufbemahrt, unb baS fonimt 
jejjt. 9ttS id) fah, baj; ber ftarrföpfige Site bei 
feinem SMtlen befjorrte, fuctjte ich ihn menigftenS 
anberineit breit 311 fchlagen. 3 ä> ftcUte ihm bor, 
baß cS ihm bei feinem Steichthum fcfjliefjtidfi gleich 
fein fönne, ob er feiner Tochter breifiig-'ober 
feehS 3 igtaufeub ©iilben 3 ur SluSfteuer gäbe unb 
fo bermochte ich ihm fehliejjlich wenigftenS bie 
3ufage 3 U entringen, baß er bie borläufige 
Stitgift borerft auf öierjig Canfenb 3 U erhöhen 
erbötig fei. Sun, tnaS fagt 3h* b« 3 U, ©err 
Chm, berbien’ ich fin rnenig Guer Sob ober nit?" 

„Cer Sperling in ber ©anb ift jebenfattS 
beffer, als bie Caube auf bem Ca<b," antinortete 
©ohenheg, „fomit muh i<h mich alfo moht 3 u« 
trieben geben." „gür biefen galt," entgeguete 
Stürnhärt, „fottt 3hr Glich heut Sadjmittag 
hier Uhr mit bem 3unter SQEolf bei SRotbob ein» 
finben, bamit bie Sache 311 m Schluß foinme 
unb bie feierliche Serlobung beS SaarS bor ge« 
labenen beugen ftattfinben fönne." 

„GS fragt fi<h nur," fuhr ber ©raf fort, „ob 
3unfer SBotfgang noch in ber Stabt bertneilt, 
benn er fprad) geftern bie Sbfidjt aus, bie nach« 
ften SSochen bei Srior Uto 3 U 3 ubringen." 
„Caritber beruhigt Guch," entgeguete Siüm« 
hart, „er ift nit nur in ber Stabt, fonbern fogar 
in 9tatbobS ©aufe. Um neun Uhr heute früh 
faß er fdjon an 3nngfer ShitippiucnS Seite unb 
warb um fie." Unb mit biefen SÜBortcu machte 
er fich fehleunigft bie Creppe hinunter unb 311 m 
©aufe hinaus. Gin günftiger Zufall führte 
ihn auf ben Stiinfterptaß, mofelbft bor bem 
Come eine zahlreiche Stenge berfammett war. 
Gr brängte ftdj unter biefetbe unb fragte, was 
eS gäbe. 

„Gi, im Stünfter wirb eine gar feltene Stau¬ 
ung borgenommen," antwortete ein SiirgerS* 
mann. Seugierig, wie er War, bahnte fich 
Stürnhart einen 2Beg bis in baS 3nnere beS 
ComeS, wofetbft er 3 U feinem Grftauuen an 
einem Sebenaltare ben bon feinem Chm gehab¬ 
ten unb befolgten Steifter StathiS ftehen fah, 
©anb in ©anb mit einer ehrfamen SürgerS- 
tochter. 

„2öaS foft baS heifjen," flüfterte Stürnhart 
einem feiner Sadjbarn 3 U, „ich glaube gar, ber 
Seutpriefter bricht fein ©etöbniß unb tritt in 
ben Gheftanb?" „So ift’S", meinte ber länge- 
rebete, „unb ber Steifter StathiS thut 330115 recht 
baran, benn bie fiatharine Schilp, bie er erft 
jeßt 3 um 3 tltar führt, ift eine bortreffliehe 3 ung= 
frau, bie ihm gut ©aus halten wirb." 


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Sfürnljart befümmerte fid) fonft nidjt Diel um 
religiöfe $>incje, bie Trauung eines SriefterS 
jeböch, iDClrfje'r er foebeit bejgemohnt, er festen 
ifjin als eine gaitj entfejslirfje «iinbe, unb er fab 
unwillfürlicfe jur Oede beS StünftcrS empor, ob 
biefelbe nicfjt angefidjtS beS unerbörten fjreoels 
Ijerabftürjen werbe. Allein es blieb SDeS an 
feinem Slofce unb ooit bem ©hör ertönte ein 
ernfter, ungemein erljebenber ©efang, beffeit 
$ejt jebodb nicht mehr lateinifch, fonbern beutfdh 
mar. $opffcf|üttelnb oerliefe ber arme Runter 
ben Oom; er befaß nicht ben ©eift, um fe(bft= 
ftänbig bariiber nacfejubenfen, ob biefe tircfelicfeen 
Sbänberungen eine Sünbe feien ober nicht, unb 
fomit Der mochte er auch nicht ber Urfac^e nach» 
juforfdjen, »ober bie eigenthiimliche anbächtige 
Stimmung gefommeu mar, bie ficb feiner beute 
im fünfter bemächtigt butte, trat} ber miber» 
ftrebettben ©efüble in feiner Sruft. Such »ir 
berlajfeit für jefet bie mit Weufdjcii ungefüllten 
©affen unb begeben uns an feiner Seite in baS 
und rooblbefannte £>auS an ber .ffrämergaffe. 

OaS üöohugemacfe ber 9tatbob’J<hen Familie 
prangte beute im ^eftgemnnb; fämmtlidheS Sil» 
bergefcbirr mar aus haften unb Schreinen her» 
Porgebolt »orben unb glänzte in gar fdjmuder 
Orimung auf bem mit blenbenb »eigen Sinnen 
bebedten großen ©ichentifdje. Oberhalb beS» 
felben thronte an ber Oede ein au§ #irf<h» unb 
anbern ©emeihen jufammengefefiter .(honleudj» 
ter, ber fein helles Sicht über ben Saal »erbreU 
tete. 3 *<ngfer Shilippinc, etwas btafe aus» 
febenb, miifterte noch einmal bie gefammteit 
Snorbnungen, ehe fie bie Stagb in bie $ü<he 
jurüdfdhidie. 

,,©S ift alles gut," fagte fie in (eifern Stone, 
„unb bu tannft geben, Urfula; hoch gieb mir ja 
fein auf bie Speifen acht, bafe fie nit anbrennen, 
benn bu weifet, baS märe ein übleä SBorjeichen 
für eine aitgebeitbe Sraut. Sber horch! tnarrt 
bie kreppe braufeen nit?" 

„ 3 a freilich," rief bie Stagb bergnilgt unb 
eilte nach ber SUjüre, „eS mirb ber fdbmude .frerr 
Sräutigam fein, ein mirflid)er ©raf — mer 
hätte fid) aud) fo etroaS träumen taffen! Ood) 
nein," unterbrach fie fich ärgerlich, „eS ift nur 
fein Setter, ber Sitter SBadcl. ©i, ber bätt’ 
auch »och fortbleiben fönnen. ©r fdfjaut fo 
hungrig aus, als ob er ©inen anbeifeen mollte." 

SIS Stürnljart beim ©intritt in baS 3immer 
ben gebedten Jifd) fab, mürben feine vJtienen 
überaus freunblidj, nnb auch Sh'üWnne Per» 
mochte fich eines SäcbelnS nicht ju ermebren, 
mar im übrigen aber gutmiitbig genug, ihn ge» 
rnäferen 311 (offen, ^nbeffen atijmete fie bo<h 
auf, als fie halb nachher aus ber einfamen ©e» 
feflfdhaft burch bie beiben ©rafen £ohenfeeg 
erlöft mürbe, welche mit bem alten Satbob bie 
Sfreppe herauf tarnen. 


Sei bem feftlichen Stahle, »elcheS mit ©in» 
brudj ber Dämmerung begann, maren bie nädhfl» 
ftebenben $mtitbe beS Kaufes in ber Serfoit 
beS SecbtSgelebrten ©erbet unb ber beiben ®e» 
Pattern Schmarber unb ffnohlod) mürbig per» 
treten, ‘irofe beS SärmS, ber Pon ber Strafee 
unb bem Stünfterplofe berauftöntc, liefe man 
fich im Speifen nicht ftören unb als nach auf» 
gehobener Safel ber fimuSbater in feierlicher 
jßeife bie Serlobung feiner Stodjter mit bem 
jungen ©rafen fjofeenheg funb gegeben, geftal» 
tete fich bie Unterhaltung lebhafter unb halb 
tarn man auch auf bie Sorgänge beS StageS au 
fprechen. 

SBalbner Pon Iwhenfeeg fabelte bie £>anb» 
lungsmeife beS SatljeS unb gab fich ols einen 
eifrigen ©egner beS SutbertbumS ju ertennen; 
©erbet unb bie beiben ©eoattern blieben ihm 
bie Sntmort nicht fdfeulbig unb fo entbrannte 
alsbalb ein heftiges SBortgefecfet, welches, trofe» 
bem ber Hausherr junt ^rieben mahnte, fich 
mehrfach rnäferenb beS SbenbS mieberbolte, bis 
fchliefelich Stichael Satbob bie beiben CwheufeegS 
aufforberte, ihm nach ber Schreibftube 311 föl» 
gen, um über ben aufjnfefeenben fieivatbston» 
tract ju oerbanbeln, bamit nod) SfleS beute fein 
in Orbnung tomme. SIS fie fpät am Sbenb 
mieber in’S SJohngcmach jurüdfebrten, bot ber 
alte ©raf Sater unb Tochter bie £>anb. ,,©S 
bleibt alfo bei unferm Sbtommen?" 

„©in Stann, ein Sßort," nidte ber £>anbelS» 
berr unb rief bie Stagb herbei, ben beiben bor» 
nehmen ffremben bie Sreppe b'nobjuleuchten, 
benn ber junge HBolfgang Perabfchiebete fich 
gleichfalls pon feiner Sraut unb fdjlofe fich bem 
Sater an. 

SIS bie beiben ©rafen fidf) entfernt unb auch 
Sbilippine fidh juriidgejogen hotte, trat ber 
Steifter Schmarber bidfet por ben Hausherrn 
hin, ftemmte bie Srme in bie Seite unb 
fagte: 

„Sift bu benn Pon Sinnen, ©eoatterStichael, 
bafe bu bein ifinb bem Sohne jenes armfeligen 
unb unferer heiligen Sache abljolben SRitterS 
geben millft?" 

„©eht’S bi<h Was an, Ißeter!" antwortete ber 
alteSJann grob. „ 3 ftSh'liPPipe bei ne $och» 
ter? |>aft bu ihr ben ©atten 31 t erwählen unb 
für bie SuSftattung ju forgen?" 

„Sein," gab ber Cbcrherr jurüd, „aber ich 
habe beine $inber lieb unb weife, bafe auch 3 o= 
hanneS meiner Snfidjt ift unb bafe bie arme 
Sh'Iippine burch biefe ^eiratl) unglüdtidf) mer» 
ben mirb." 

„Unb warum?" rief ber Hausherr, bie Srme 
gleichfalls in bie Seite ftemmenb. 

„ 2 Beil es ben OofeenhegS nur um bein ©elb 
31 t tfeun ift, Weil fie bid) hintergehen unb be» 
trügen unb nicht eher ruhen werben, als bis 


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$as &rbe. 


311 


fic auch ben armen SoönanneS um fein @rb= 
tljeil flebradbt." 

ÜJtid&ael 'Jtatbob lachte gornig auf unb ent» 
gegnete: „2ßaS tput’S, roenn ber Johannes leer 
au=gebt ? 6r ift ja geiftlich unb braucht fein 
®elb. (Suere neuen ©eiligen, gu beiten er f<hoit 
halb unb halb gebärt, oerad)ten ja jeglichen ir» 
bifcben SReicbtbum unb bie SRatbobS haben noch 
nie ihr 2Bort jurüdgenommen," fchlofe ber alte 
5Rann unroirfd) unb fchlug bie ©anb aus, melcbe 
ihm bie beibeit ©eoattern bargeboten. 

Scfjroeigenb ftiegeit bie brei männer bie kreppe 
hinab unb fdjroeigenb öffnete ber reiche ©anbelS» 
herr bie ©auSthüre, um fie, nachbcm Scproarber 
unb Äitobloch bie ©affe betreten, feft ju Der» 
fließen unb ju oerriegeln. 

Sßalbner oon ©ohenheg hatte fich iitbeffen mit 
SRiirnhart in feine ärmliche SBohnung jurüd« 
gejogen, unb eS mar gut, baß oor bem ©aufe 
mehrere ©edjfränje brannten, fonft mürbe eS in 
bem gräflichen ®aheim ftocffinfter geroefen fein. 
Sn ber falten Stube angefommen, entlebigte 
fich ber ©raf nur bes ©aretts, fobaitn fchritt er 
mit Derfchränften 9ltmeit auf unb nieber. ©türn« 
hart brüdte fich in eine bunfle 6de unb jog baS 
Stüd ©raten betoor, welches er beim 'tlbfcpieb 
»on ©hilippine erhalten. 

9ta<h einer ©teile blieb ©ohenheg plöfelid) 
flehen unb rief: 

„©türnhart, roo bift bu ?" 

„Ijier," antroortete ber 3umer etwas un* 
beutlich, ba er gerabe an einem großen Stüd 
©raten faute. ,„f?omm her an meine ©eite, benn 
ich habe SBichtigeS mit bir ju fprechen." 

©türnljart liefe ben 9teft beS ©ratenS in bie 
©rufttafche gleiten unb eilte ©efeorfam auf ben 
®rafen ju, melier feinen Spajiergang im 3im» 
mer non bleuem begann unb unroiUig auf ben 
Runter blicfte, roenn biefer nicht gleichen ©cfevitt 
mit ihm gu halten oermodjte. 

„3)u haft recbt gehabt, ber 9tat6ob ift ein 
Jäher 3filj," eröffuete ©ohenheg baS ©efprädj, 
„2Bolf unb ich haben ihm heute in feiner Schreib» 
ftube tüchtig jugefefet unb bodj nichts erreicht. 
Äber glaubft bu, bafe ich meinen 3funfer wegen 
einer ©litaift bon oierjigtaufenb ©ülben eine 
©tifetjeiratfe werbe fchliefeen laffen ?" 

©türnfjart fchüttelte ben Stopf, fügte aber 
hinju: „®ennoCb habt 3h r bem IRatbob ben 
©anbfchlag gegeben, unb ein fo hoher Witter, 
roie 3hr feib, weife, was baS befageit will." 

„ffiolf foll unb wirb bie JfrämerStochter hei» 
rathen," gab ber ©raf mit einem unheimlichen 
äufleudjten feiner klugen jurüd, „beim ich he» 
barf beS ©elbeS auf’s bringenbfte. $aS erbarm» 
liehe Sehen, weiches ich jefet ju führen gezwungen 
bin, mufe ein dnbe haben, unb jene Summe 
reicht oor ber ©anb aus, um ftanbeSgemäfe auf« 
treten ju tonnen." 


| „2BaS ift ein Witter ohne feine ©urg ?" oer» 
j fefeie ©türnljart adjfeljudenb, „unb mäs fangt 
I 3h r an, roenn auch bieö ©elb ju 8nbc ?" 

| „3ffet fomrnft bu auf bie rechte führte," niefte 
l ber ©raf unb fchob ben 9lrm bes Weffen oer» 

, traulich unter ben feinen, „©ülle bid) mit in 
meinen ©tantel, benn eS ift falt unb unfer ®e= 
fpräch noch nit ju 6nbe. — ©teilt ©lau, roie id) 
eS anjufangeu habe, um ju meiner Stammburg 
unb ju Vermögen ju gelangen, fleht feft unb er 
ift leicht lUiSjuführen, fobalb bu nur roillft." 

„3ch ?" rief ©Hirn hart oerrounbert, unb mit 
ltnüerhohlener greiibe bariiber, enblich einmal 
oon ©*id)tigfeit ju werben. 

„3a . . . bu," nidte ber Oheim unb fuhr, 
feine Stimme bämpfenb, fort: „Watbob ift alt 
unb Wirb nit mehr lange leben, — er häufelt 
jefet fc©on, roie ich oon ihm felbft erfahren habe, 
©ein Sohn barf bereinft nit Diitcrbc fein, benn 
er roürbe all baS herrliche ©elb mir bagu oer» 
roenben, bie fejjerifd)e Sehre oerbreiten ju helfen. 
Somit ift eS für uns, als getreue ftatholiten, 
eine ©flicht —" 

„3hn um fein (Srbtpeil jn bringen," Oollenbete 
©türuljart mit einem fChlauen Sädjein. 

„$n haft ben 9?agel auf ben «VÜopf getroffen," 
äufeerte ©ohenheg, „obfCfeon bein ©uSbrud pöchft 
unjart war. 3ft ©hilippine bie einjige (Srbin 
ihres ©aterS, fo fönnen wir nit nur in unferer 
Stammburg roieber häufen, fontern uns audh 
mit einem ©ofhalt umgeben, roie es bereinft 
unfere Offnen getban haben, bie gleich Königen 
auf ©urg ©ohenheg refibirten. ^faun muß auch 
fliiche unb ftcfler roieber reich bcbacht fein unb 
| ,ttöche unb .Qellermeifler mit ihren ©eljülfen ge» 
fchäftig hin» unb herlaufen. 

„©errlich! ©rächtig! ©anj rounberbar!" rief 
©Jürnhart begeiftert. „3Benn eS nur fchon fo 
weit wäre!" 

„®oS ©elingen beS ©lanS liegt in beiner 
©anb," oerfeftte.©ohenheg bebeutungsooll, in« 
bem er bie ©echte beS Weffen bvüdte. 

©türnhart roollte eben bie ©anb ergreifen, als 
braufeen bie ©echfränje erlofcheit unb tiefe fjin» 
fternife baS 3twmer einhüllte. 

®er ©raf jog feinen jungen ©erWanbten jefct 
feft ju fiCh heran unb begann ihm eifrig iroS 
Ohr ju flüftern. Offenbar war es iptii er» 
roünfcht, bafe oöllige Ounfelljcit herrfd)te unb er 
bem erftaunten ©lide WiirnhartS nicht ju be« 
geguen brauchte, — er fühlte nur, bafe ber arme 
Runter ju roieberholtett ©ialeit erbebte unb fein 
©erj roie im lieber fcfelug. ®ieS 91 lies aber 
tümmerte SBalbner oon ©ohenheg nicht, er 
jifchelte weiter,' bis er enblich fdjlofe : 

„©dingt es bir, fo foü auch f«o b e i n e 3u« 
funft geforgt fein — ich fixere bir in biefem 
Solle bie Summe oon jroanjigtaufenb Silber» 
gülben. 9iun, bift bu’S juftieben ?" 


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312 


Jlie Seßanblung ber lobten. 


3weimal mußte bet ©raf biefe {frage wieber» 
holen, ehe bet jitternbe ©türnbart fein 3« ihm 
gubaucfjte. 3fumitteiv bet Qfinfterniß öafcfjte 
4?obcitbeg nach feiner $anb, bnmit baS lieber» 
einfonimcn lutvd) einen träftigen Srud beftätigt 
»erbe, ©arm fndjten ©eibe i ß re Sagerftatt auf, 
ber lange ^unfer oergrub fic^ bis an’S Kinn 
unter bie biinne ©ettbede, ängftlicb auf bie ßeu» 
lenbe SöinbSbraut unb baS ©eräufcß ber ge» 
froreuen odjneeflocfen laufdjenö, bie gefpenftifcb 
an bie fleineu ©cheiheu pidteit. 

(goitf^ung folgt.) 


pte Pel)anMuii$ ber tobten« 

®o» ®dj(agrul|auf. 


I. 

Stuf 'oen erften ©lättern ber heiligen ©chrift 
»irb ber 2ob SlbelS erjütjlt, ber Ooh ber £anb 
feines ©ruberS erfcßlagen »urbe. 3»ar loirb 
nichts ©eftiinmteS berichtet über bie SJebanblung 
beS erften lobten, hoch formen »ir mit ©ewiß» 
heit annehmen, unfere ©tammelteru »erben 
ben Seicßnam in bie ©rbe eiugefenft haben, an» 
geleitet burcß ben StuSfpruch beS Schöpfers: 
„SRenfch, bu bift ©rbe, unb follft 311 ©rbe »er» 
ben." 

Stadhher fefen Wir oon ben Segräbniffeu 
©araßä, SlbrahamS, SRahelS, 3ofo6s imb feiner 
Kinber. 

SDie gewöhnliche ©ebanblutig ber Seichen war 
Bei ben Sbröern fef)r einfach. 

“Ser. Seichuam »nrbe jwifchen »oblriedjenbe 
©ewürje gelegt unb mit ©inbeit unb einem 
großen SEuche umwicfelt. 3m Srauertjaiife 
Würben Oon gebungenen Klageweibern unb ©tu» 
fitanten Sruuermeiobieu gefpielt unb gefungen. 

Sie Slnüermanbten jerriffeu bie Kleiber, leg» 
ten Srauergewänber unb ©äde an, ftreuten 
Slfcße auf baS ^rntipt, fchoren ben ©art ab unb 
fchriiten ju 3 fuß mit ben tfreunbeu unb ©dfü» 
lern beS ©erworbenen hinter ber ©ahre her jur 
lebten Stubeftätte beS ©erftorbenen. 

Särge würben nicht gebraucht. 

Stur Königen unb hohen ©tanbeSperfonen 
würbe ein außerorbentlicheS ©egräbniß 311 Sßeil, 
wobei eine ©taffe ©albe nnb ©pejereicu an ber 
Seiche oerwanbt, ©äucherwerf unter berfelben 
oerbrannt unb fie bann in föftliche ©emänber 
gehüllt auf einer ißrachtbabre bor ber ©eifefcung 
auSgefteDt würbe. 

'Sie oermögenben 3 §eaeliten ließen fich fcßon 
bei Sehweiten ihre ©räber berridjten ; es waren 
theils ©entgräber mit einem großeji ©tein als 
©erfdjluß, theils ©<hubgräbeir, in welche bie 


I Seiche eingefchoben warb, unb Sroggräber, in 
welche bie Seiche hineingelegt würbe. 

I ®ie 3 uben hielten eS für ein großes ©orredjt, 
i nahe bei ^erufalem begraben ju werben, benn 
I fie meinten, im Sanbe ber ©erßeißung ruhten 
j fie ungeftörter unb hätten um fo gemiffer 3 :heil 
I an ber Siiiferfteljung ber ©erccbten. 
j Saruni tarnen fie in ihren alten Sagen aus 
j ben entfcrnteften Sänbern nach ©aläftitia, ihre 
Sage bafelbft ju befchließen, unb an ben Slb» 
hängen beS CelbergeS unb im Sßale 3ofaphat 
ihre ©räber ju bauen. 

©cßon ber ©rjoater 3 olob befahl feinen ©öl)» 
neu: Segrabet mich bei meinen ©atern in ber 
4?öl)le auf bem Sieter ©pbron. 

3ofeph nahm fogar einen @ib Oon feinen 
©rübern, feine ©ebeine mit in baS Sanb Kanaan 
ju nehmen. 1 SJtofe 49,29; 50,25. 

3» Oaterlünbifchen ©oben unb bei ben Sin» 
gehörigen 311 ruhen, fcheint unter ben orienta» 
iifchen ©ölfern ein aus Steligiöfität entfprunge» 
ner SiUcnfd) gemefen 311 fein, ben auch bie hinter» 
bliebenen mit Pietät 311 erfüllen Juchten, wiebaS 
©erfahren ber eingewanberten ©hinefen in bie» 
fein Sanbe beseugt, bie ihre Sobten in großer 
Slusaßl in bie föeintüth 3 uriidfenben. 

Slnch SJior ©ehneefenburger, ber ©erfajjer ber 
„SBacht am Üfhein", fang: 

„IDcnn ich einmal fterben merbe 
IDcit oon meinem Datcrlanb, 

£cgt mich nicht in frembc «Erbe, 

Bringt mich nach bem I]cim’fd«en Stranb. 
IRcincs f}er3cns flamme Iobcrt 
cEinjig bir, cScrmania; 

D’rurn, menn einft mein Staub oermobert, 

Sei mein Staub ben Patern nah- 

IDcnn bie Hebel bann gergeben, 

©b bem heil’gcn bentfeijen Reich, 

£aß, 0 Cßott, ihn auferftchen, 
meinen Schatten ftill unb bleich, 

Haß er feinen Blicf erlabe 
3ltt bem herrlichen «Befielt, 

Ruhig mieberfehrt 301 « cSrabe, 
tfarrcnb auf bas HJcltgericht." 

Ser “Sichter beS Siebes: „0 ©ott, bu from» 
nter ©ott," gab feinen ©efüljlen SluSbrud mit 
ben SBorten: 

„Hem £eib ein Bäuntlein gönn 
Bei frommer cEhriftcn (Srab, 

; 2lnf baß er feine Ruh 

| Rn ihrer Seite hob." 

j “Sie alten Ggppter fueßten burch ©inhalfami« 

I rung, bie ungefähr 40 Sage bauerte, bie Seich» 

1 nanie ber ©erftorbenen 311 erhalten, bann folgte 
i bie allgemeine Srauerseit, bie 30 — 70 Sage 
'< währte. 


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Pie manbluttg bet tobten. 


313 


•Starb ein ©gßpter, fo ttmrbe ein Cobten» 
geriAt über ibn (galten, unb wenn fein Sin» 
Häger auftrat, ober bie Slntlage erwies fiA als 
unbegrünbet, fo würbe ihm eine Sobrebe geljal» 
ten unb ber SeiAuam in bie ©rbe beftattet. 2öar 
aber bie Slntlage begrünbet, ober Hinterlicf> ber 
Serftorbene SAulben, bie aus feinem WaAlaj} 
nicht gebedt werben tonnten, fo würbe ihm ein 
feierliches Segräbniß nerweigert, unb fein 2eidj= 
,nam in einem Haufe ber Hinterbliebenen bei» 
gefeßt. 

Cie eiitbalfamirten SeiAname heißen SJtumien 
unb würben oft bei feftlicben ©aftmähfern auf» 
geteilt, bie ©äfte barau ju erinnern, baß auch 
fie einmal fter6en müffen. 

Siele biefer SHumien finb noA jeßt, naA 
wenigftenS 4000 fahren, gut erhalten. 

Cie ©riechen unb SJtömer 6egruben ihre 
Sobten, bie Serbrennung berfelbeit war StuS» 
nähme. 

Schon Spfurg hatte ein ©efeß gegeben, bie 
Sobten in Oelblätter einjumidelit unb Wiemanb 
unbeerbigt liegen )u laffen. 

Cie lobten würben oft acht Sage lang im 
Haufe behalten, bann non fjreuubeii ober 3?rei= 
gelaffeuen jur Wuheftätte hiitauSgetragen, ge» 
leitet ooit bcn Slnüerwanbten. 

9tur bei 3?iirften, fjelbherrn unb Staats» 
männern pflegte Slufwanb gcinaA> }it werben. 

®S ift beu Sefern nielleicht intereffant ju ner« 
nehmen, wie t:e ^apanefeit eS mitbem ©cgräb» 
uiffe ihrer Singehörigen su halten pflegen. 

SBir folgen babei im SBefentlicheu ber Schil» 
berung eine» Gorrefponbeuten ber „91.91. 3tg.", 
welcher 9lugcujeuge war. „Cie Sobte War' bie 
im jugenblicheit 9llter berfcßiebeite fyürftin 
UabefAima, bereu ©emahl ber höchften Caimijo» 
Familie beS alten 3apan anflefjört unb einer 
ber reichften SorbS beS WeiAeS ift. Um ein Uhr 
fötittagS feßte fich ber große impofante SeiAett» 
jug in ©eweguug, unter bein Sorantritte boit 
aAt Pfeifern, bie auf feltfara geformten 
ftrumenten in langgesogenen flagenben Sönen 
Srauermelobieu fpieften. 

Hinter ihnen tarnen swansig SJtänner, bie an 
hohen Stangen lang ßerabflatternbe Srauer» 
Wimpel trugen, bie tljeilS weiß, theilS roth mit 
japanefifAen ©haratteren befchricbeit waren. 

Hierauf folgte ber Sarg, ber auf finden Sal» 
ten ruhte unb bon swölf Prägern getragen 
würbe. 

Cie Sobten werben mit einem fangen meifeen 
Uleibe betleibet, ein Wofenfrans Wirb ihnen in 
bie gefalteten Haube gelegt unb ein in brei» 
ediger f^orm gefdjnitteneS Stiid weißes Rapier 
auf ben oberen Sljeil ber Stirne geftedt. 

Cer Sarg war mit weißen SüAern berhängt 
unb ein Heines CaA aus einfachem |wlj bar» 
über angebracht. Hinter bemfelben fAdtten acht 


tßriefter, mit bem Cberpriefter an ber Spiße, 
alle in SBeiß getleibet, benn SBeifj ift in 3apait 
unb ©Ijina bie Srauerfarbe. 

Cann folgte bie Familie in Sßagen. SllS- 
alles am ©rabe berfammelt war, ftimmten bie 
'-Pfeifer eine Srauermelobie an, mäßrenb bie 
Sriefter fich tnit langfamen, feierlichen Schrit» 
ten näherten unb einanber Speifeu ber ner» 
fchiebenfteu 9lrten reichten, um fie auf SifAAen 
bor bemjSnrge niebersulegen. 

Cie «peifen werben jeboA ben Sobten nicht 
mit in baS ©rab gegeben, fonbern noch ber 
©eremonie ben 9lnnen iiberlaffen. 9tad)tcm 
bieS gefchehen war, oerlaS ber Cberpriefter bor 
bem Sarge eine lange Srauerrebe, in welcher 
bie 2u gen ben unb Sorsiige ber ©erftorbenen 
gefchilbert würben, uttb fprach bann ein furjeS 
©ebet, wobei er in bie Haube flatfAte. (Cie 
Sapauefeit HntfAen in bie Haube, wenn fie fich 
sum ©ebet anfAiden, um bie 9lnf merlfamfeit ber 
Sattheit auf fich S 11 lenten.) 

darauf tarnen bie Crauernbeu unb legten 
unter tiefen Verbeugungen ©luinen unb bliihenbe 
3weige als leßteS Reichen ehrenbeit 9lnbentenS 
bor ber ©erftorbenen nieber. 

Cer ©erfenfung beS Sarges in baS ©rab 
wohnte baS Craueigefolge nicht bei, fonbern 
entfernte fich nach bem Schluffeber ©eremonien." 

Sei ben alten Heibeubölferit würben bie 
Cobten auch oft berbrannt. Cer SeiAnom würbe 
auf ben mit Spesereicn bebedten Scheiterhaufen 
gelegt, unb baS H»ls bureb einen 9luberwanbten 
mit einer brenuenben 9-actel, baS SlngefiAt bom 
Scheiterhaufen abgewanbt, angesiiubet. 

9tad)bem ber berbrannt war, würbe 

bie glüßenbe 9lfAe mit 5Bcin gelöfAt, in leinenen 
Cüdhern getrodnet, mit mohlriechenben fjlüffig» 
feiten bermifAt unb bann in eine metollne Urne 
getban, um am ©rnbrnnl beigefeßt su werben. 
Cie Crauernben riefen bem ©erftorbenen noA 
baS Sebewobl uaA »mb gingen bann beim. 

Slnt neunten Sage würben Cpfer bargebraAt, 
baS Cobtenmahl gehalten, wobon auA ber Ser» 
ftorbene feine Ißortion erhielt. 

SJtan tonn fiA jebod), wenn man bon.bem 
9tnfmanbe unb bem ©epränge bei folAen CeiAeu» 
berbrennungen lieft, beS ©inbrudeS niAt er» 
wehren, als wäre biefer nnnatiirliAe 9ltt nur 
boflsogen worben, um auA naA bem Cobe noA 
eine anffaflenbe Wolle sn fpielen unb ber ©egen» 
ftanb ber Sewunberung s» fein. 

CaS ©hriftenthum tonnte fid) mit biefer fjeib» 
nifAen Unfette niAt befreiutben, unb führte 
überall baS ©egraben ber Cobten, als bie gött* 
IiA gebotene, ber Watur unb beu ©efiihlen ant 
meiften entfpreAenbe Sehanblung berfelben ein. 

Cen Seite beS ©hriften beseiAnet bie heilige 
SAeift als eine SBohnung beS heiligen ©eifteS, 
ber einft am grojjen Sag ber Sluferftehung Der» 


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314 


gM) onberf $ömgtfd)e. 


flärl aus bem ®ra 6 e erfteheu fotl, um aufs 
9teue mit feiner Seele vereint gu merben. 

®arum fchaubert auch oou jeher baS d)rift= 
lid^e ©efiif)! bor ber 33erbreitnung ber lobten 
gitrürf. ffarl ber ©roße berbot es bei SobeS= 
ftrafe. Sorgfältig mürbe ber Seichnam gur 
Seftattunfl gi’tgerichtet itnb boit ben £)interf>lie= 
benen, in bem ©iauben, baß bie ©eineinfchaft 
im Ferrit fid) über bie ©mengen biefeS irbifd^en 
2ebenS himutS erftrecfl, unter ben Sröftungen 
uub Sßcrheißimgeu ber Slelicjiott auf eine ebenfo 
feierlidje als einfache Söeife in ben Sdjooß ber 
Grbe eiugefeitft. 

2)ie ßntfaltung bon Fracht unb 9lufmanb bei 
foldjeu ©elegeitheitert ift burdjauS nicht im ©in* 
flauge mit bem ©eifte unb ben 9tnf<hauungen 
ber chriftlidjen 9teligion. 

SÖcnn mir g. 93. bon ben djriftlichen Äaifern 
lefeit, mie ihre fieidjnaine mit ©olb burchmirfteit 
Kleibern, Stinten, Gbelfteiiten unb $oft 6 ar= 
feiten aller 9trt bebecft in oergolbeteu bärgen 
in bie ©ruft gefeßt mürben; ober menn mir auf 
bie ®fobe gemorbene Grtrabagang ber heutigen 
2ane fdjauen, bie fid) in foftbareu Stirnen, 9t \u 
güani unb ber 9Jtenge prächtiger $utfd)en fuitb 
tljut, fo muß cS jebem ©enfenben auf ben erften 
Süd auffallen, mie menig biefe Schauftellnng 
u bem (Srnfte beS (SbrifteittbuinS unb ben ein= 
adieu Sitten feiner erften 23efeitner paßt.. 

Schon griebridj ber ©roße, bon Preußen, 
proteftirte flehen allen 9tufmanb bon Fracht bei 
feinem 33egräbitiffe, mie aus feinem im 9tu$uft 
1786 in feinem abgefaßten Seftamente erfichtlid) 
ift, mobon nur einige Strophen hier flehen mögen. 


baß bei feinem 53egräbniß fein fieidjentoagen, 
feine Jfutfchen, feine 93)appen unb fein $omp 
entfaltet merben biirfe. Sechs arme OTänncr 
füllten feinen Seib gu ©rabe tragen unb bafiir 
jeber eine Belohnung bon 20 Schillingen erljaU 
ten. 9tur burch bie Shrätieu bever, bie ihn 
liebten unb ihm uachfolgteit gen Fimmel, 
motlte er an feinem ©rabe geehrt fein. 

$ie heutgutage bei ©egräbitiffen ftattfinbenbe 
^rachtentfaltuug bermifd^t in großem SWaaße 
bie geierlichfeit unb beließt baS 3«ttgefühl 
mirflid) SEraueriifcer, intern man ihren Schmerg 
ben Süden beS ^BubüfumS bloS [teilt, ben fic 
hoch lieber in ftiHer 3uriidgegogenheit auStoeu 
neu möchten. 

@in großer 9(ufmanb mirb mit Särgen, 
Slumen, idutfdjen unb feinen ©emänbern'ge¬ 
macht, moburch bie ©ebanfeu bom ©egenftanb 
ber Trauer abgemanbt unb es mehr auf eine 
öffentliche Semonftration als auf eine aufridj* 
tige Trauer um bie Serftorbenen abgefeheu gu 
fein fcheiut. 

9US ein erfreuliches 3 e i<h*n ber 3*it fatin 
e§ betrachtet merben, bah einflußreiche 9)?änner 
biefe Unfitte gu befämpfett aufangen unb gur 
6 infad)heit ber früheren 3 eit gürüdgufehren 
ermahnen. 

9ludj Sbftoren ber großen Stabte haben fid) 
bereinigt, bem 2uyuS bei foldjcn ©elegenheiten 
entgegen gu treten unb bei feinem £eid)enbegäng= 
niffe am Sonntage gu fungireit, bie an einem 
anbern Sage hätte ftattfinben fönnen. 


„Keine (Slodeti laßt mich läuten, 

Stille mit ber £cu*hc fchrcitcn, 
tPcnn bie (Slodc achte |d>lägt... 

£aßt mir Feine IHufiP machen, 

£aßt auch Feine Stüde Fragen, 
machet auch Fein (Eraucrinahl; 

Pod? Fann fleh ein (Eambour rühren 
Unb bie (Sarbc parabiren 
3 n bem großen (Erauerfaal. 

3br follt mir nicht balfamiren, 

Hur fo in’s (Scroölbc führen, 

IÜ0311 bienet biefe Pracht ? 

(Sott bcfehl’ ich meine Scefe, 
meinen £eib ber büft’rcn löffle, 

Pie febon lätigft für mid^ gemacht. 
Schmcidjclt mir nicht nad^ bem (Eobc, 

£obt mid? nicht in einer Obe, 

Had? bem (Eob ift Hiemanb fchön, 

Hebet nicht t>on meinem Hauten, 

Schließt mein Htlb in.Feinen Hahmen, 

(Eitler Hubm muß hoch rergch’u." 

2ßc§(et), ber Stifter be§ Wetf)obi'?mu-?, 
berorbnete in feinem Seftamente ansbriieftid}. 


Jtorf) anbere $oni0tfd)e. 


l§ fiönifl 3 ?riebri<^ Söitljelm 
IV »on $reuf>en im I^aljre 
1818 eine lanfl fein 
^toflofler in O’fidvlottenbnri] 
aufflefc^tflfien ftatte. In. 
flen bnfelbft je ein 33a= 
taitlon bom 2 . unb 9. 
bmnmerfdjen ©renn. 
bier = 5Rc(iimeut, beren 
TOannf(^nftcn bie 9 Bo» 
cfyen im S^Ioffe unb 
im Sdjlofibnvf ju beferen butten. Ter 
jtönifl, )ncl(t)cr 6 cfanntlirf) bie ©einobn. 
I)cit butte, 9Ibenb§ 311 fpäter Stunbe 
noef) fpn^ieren 3U fietjen, febrittauef) ein. 
mal, unb stoar in Gioiffleibitnfl, 9?ad»tö 
in ber 3>bö(ften ©taube bie 9U(ce naeb bem 
fUJaufoIeum binunter, roelebe nur bon einer 
{ finterne notbbiirftifl erbebt mar. Ter bort auf. 
I flefteltte ^often f^ritt auf bie nabenbe ©eftalt 



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C - : 





jfod) anbere Binigifdje. 


315 


gu, mailte aber plötglidj grout unb präfentirte 
baS ©ewebr. 5>er’König trat nun auf ben 
Soften gu unb fragte: „Wein ©opn, öor wem 
baft bu baS ©ewebr präfentirt?" 

„Bor ©einer Wajeftat!" antwortete ber 
Boften. 

„HBoran baft bu miib benn aber erlannt ?" 

2)er ^often, ein '-Pole, erwiberte ftramm: 
„9ln bie biete Kopp!" 

2) er König (achte taut auf unb flinfl üergniigt 
nach bein <»d)lofjc gurüd. Beim fjvüfjftiicf am 
iiädbften Worgen ergäl)lte er ber Königin fofort 
fein neufteS Abenteuer, unb biefe ftimmte in fein 
Sachen IjerglS mit ein. 3Beniae ©tunben fpä* 
ter erfebien ein ©encral aus Berlin gum Bor* 
trage beim Könige. (Rad) Beeitbigung beffelben 
rühmte ber König bie flute Rührung ber in 
©barlottenburg liegenben Bataillone unb fügte 
bingu, baf; ibü feine ©olbateit felbft im Giöil* 
angufle erfennen. ,,©ie foflen cS übrigens flteicb 
felbft böreit," fiiflte ber König bingu, flinflelte 
unb ber Kammerbiener Sieb.ge trat ein. „©djide 
mit einmal ben 9lPjutanteu ’oom Sienft!" 

3) er 9löjutant erfdjieit unb erhielt ben 9luf* 
trafl, ben betreffenben Boften üon ber Poriflen 
9tadjt nach bem ©djlojfe gu beordern. 91(3 ber 
mit ber Befteflung beauftragte Korps* ©eitbarm 
nach ber ©d)lohmacbe (am unb feinen 9(uftrafl 
auSgericbtet batte, gedeih bie gange (Bache in 
9(ufreflung. „Kerl, wa*3 fjaft bu gemacht?" 
febrie ber waebtbabenbe Unteroffigier ben armen 
Boten an; bod) biefev antwortete mit ©eelen* 
ruhe: „(Rif gemalt,— nir gemalt!* (Ruit ging 
es au ein fcbleunigeS 9(bblrften unb B l, & en beS 
WanneS, wobei bie gange (Eß.iche mit #anb an* 
legte, unb unfer Bole wauberte halb mol)lgemutb 
mit ber Orbonnaug nach bem Schlöffe. 

©er König befahl fofort, ber Wann fofte ein* 
treten, unb biefer tbat es in ftramniem Stritt 
unb trat einige ©dritte Por bem Könige feft 
bei. „Wein ©obn, wenn ich bid) jefjt frage," 
fagte ber König, „fo antworte mir genau fo, 
wie beut (Rad)t!" 

„3u Befei)(, ©w. Wajeftät!" 

„vtuu, woran baft bu mich erfannt ?" 

„9tn bie biefe Kopp!" 

©er König lachte non Steuern, ber ©enerat 
lächelte refpettoolt, unb ber König wanbte ficb 
an ihn mit ben (Borten: „«eben ©ie, mein 
lieber ©encral, meine Solbaten fennen mich 
and), wenn idb nicht Uniform trage." 

©anu Hingelteber König wieber nach Jiebge, 
tief; bem Wann ein 3writija(erftüd ^ben unb 
fügte bingu: ,,©u fjaftbeine ©acbe gut gemacht, 
mein ©obn,— abtreten!" 

©er Bote machte ftramm lehrt, bann aber 
tief er im ©turmfehritt nad) ber (Bache guriid, 
wo er triumpbirenb fein blaute« ©elbftiicf por* 
geigte. 33aIb barauf aber (am itod) an baS Ba= 


tailton ein KabinetSfcbreiben, baöfelbe fotte nach 
beenbeter ©ienftgeit über bie Rührung beS 
WanneS an ben König berichten. 

©ah übrigen? auch ber (Reffe pfriebridj (Bit* 
belinS IV., nämlich ber gegenwärtige Krön* 
priitg beS beutfdjen (Reichs gfriebrieb 
(Bilbelnt es Portrefflid) Perftebt, mit feinen 
Seuten gu Perfebren, ift überall in ©cutfcblanb 
betannt, unb gebt aud) aus ber folgenben 9(nef* 
bote berPor. ©t begab ficb türglid) nad) Sichter* 
fclbe in bie Kabetteitfcbule, um bem Kabctten 
3ung, bem ©opn eines beutfehen Kapitäns, bie 
Webaifle für (Rettung aus SebeitSgefabr perfön* 
lid) gu öerleibcit. ©er Jfabett befuchte nämlich 
wäbrenbber ©ommerferien mit feinem jüngeren 
Bruber baS Bab 3iunowi|). ©ie Briiber waren 
eine bebeutenbe ©trede in bie ©ce hinaus» 
gefchwommcn, als ben Kleinen bie Kräfte Per* 
liehen unb er um £)ilfe rief. ,,©u bältft bicb 
mit bem 9(rme an meinen ©d)ultcrn feft unb 
blcibft ru()ig auf meinem (Rüden liegen," fagte 
ber Kabelt unb rettete fo feinen Bruber. 

©er Kronpring lieh bie Kompagnie, in welcher 
Sung ftanb, an treten unb rief ben Kabettcn S* 
Por. „Wein ©obn, bu baft eine ©uminbeit 
gemacht!" 

„3u Befehl, faifertichc Roheit!" 

„Tu warft mit beinern Bruber gu weit in bie 
©ee gefchwommcn!" 

„3u Bcfctjl, faiferl. Roheit!" 

,,©u ba|t bicb ober fdjucibig babei benommen, 
mein ©obn, unb baft beineu Bruber; gerettet. 
©aS ift eine brape 2 bat, bafiir will ich bir etwas 
fehenfeu!" 

$antit übergab ber Kronpring bem Pöllig 
abnungSlofcn Kabelten bie Wcbaille für (Rettung 
aus SebeitSgefabr unb fagte bent bcgliidteii 
Knaben: „TaS Banb übergebe ich bir erft, 
wenn bu 17 Sabre alt bift." 

©in bübfdjer 3»ü biefer 9lrt wirb auch aus 
bem Scheu beS perftorbenen Königs pon Italien 
Biftor Gmanuel berichtet. 9(it einem 
regnerifchen $crbfttagc ftreifte er, feiner Bor* 
liebe gemäfs, allein unb in bürgerlicher Kleibung 
in ber Umgegenb Pon ©tupinigi umher, um gic 
jagen, ©in Bauer, ber Por ber 2()üre feines 
Kaufes ftanb, rief ihn an: „föeba, Säger, wenn 
Sbr baS 3 ei Hl hobt, ben grafen unigubriugen, 
ber ficb bift berumtreibt unb mir ben ©arten 
übel guriebtet, gebe ich ©ud) eine Wöta" (eine 
bamals in Biewontlurfirenbe Wiinge im 2Pertl)e 
Pon etwa 7 ©ent), darauf ber König: ,,©u* 
ter Wann, febt boch. was für ein SBetter! Wan 
tann fid) etwas ©chöneS babei holen, ©ine 
Wöta ift gu wenig; wären es wenigftcnS gwei." 
Ser Bauet fagte nach einigem 3öflfnt gu, wohl 
Weil er nid)t an baS ©dingen ber Sogb glaubte. 
"Ser König machte fid) auf bie ©udjc utib lehrte 
mübe uub pubelnah mit bem gesoffenen .fjafeit 


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316 


(Kitt Älnubensbotf. 


gurücf, feinen Cohn ßerlaitflenb. $er 33aueif 
fträubte fid) jeßt unb braute allerlei ßinroanbe 
Dar, mie: baß ber ßttte (Srfolfl ber ^acjb mehr 
feinen 91ncjaben al§ bem äievbienfte be3 3äner5 
jugufdhreiben fei, unb baß biefev für feine s Mif)e 
Durch ben Siefiß beS SBilDpretö fjinreic^eitb ent* 
fcbäbiigt fei. Slbev fein ©e^enpavt ließ ficß nicht 
abmeifen. @r beftanb barauf, baß er feine gmei 
berfprodheiteit TOöte haben müffe, unb na^bent 
er einbrinfllidj bie ^iflidjt jebeS (SljrenmanneS 
betont ^atte, baS fleflebene Söort gu halten, 
brachte er jenen bapiit, baß er mit fdpnerem £)er= 

K i bie ©elbftiicfe hergab. 91m anberen £age 
idtte er ihm bur<h einen Wiener jmanjig 
0franc§, mobei er ihm fagen Ireß, er erhalte nur 
jmaitjig, mnl er beut 3iiger nur mit 2Biber= 
ftreben fein SBovt gehalten f)abe; roemt er in 
einem anberen ähnlichen ^alle fidj ehrenhafter 
geige, merbe er biergig erhalten. Mehrere 2age 
lang oergniigte fid) ber Äönig bamit, bie beiben 
9Ji6te in bei: Stafcße üingeln gu laffen unb fie 
feiner Umgebung mit ben Söovten gu geigen : 
„$ie hnbe ich ntir berbieitt, unb groar fauer." 


-.» - 

(fiu tölaubmsliotc bet bett pfpor- 
tirtni in Sibirien. 

/fl » in englißber ©eiftlicßer, §err £> e n r b 
31® 2 n it § b e l (, ftatte friibgeitiq fid) baS 
T ©tubiunt bet ©efängniffe gur Stufgabe qe» 
mad)t, unb biiljin qeftrebt, gute religiöfe ©üd)er 
unter ben ©efanqenen gu Derbreiten. ©ott rein 
pljitanttjropifdien unb reliqiöfen ©emeqqriinbeu 
getrieben, bcfudjte et alljährlich. roentt feine 
fjerien ihm biefeS ertaubten, bie ©efängniffe in 
trcjenb einem europäifd)en 2itnbe unb Dertijeilte 
bdrt ©ibeln unb religiöfe ©Triften, ©o faitt er 
nach fedpoebeti, Stormegen, Sänemarf, Stuinä* 
nieit, ©erbieit unb 1878 nudj itad) Stußlanb, baS 
er in einer fed)3möcbentli<ben Slour trcug unb 
qiier burdjgog, mobei er mit groei ©faqenlabungcn 
©ibeln, einem 2)olmetfct)er unb einem ©ebülfen 
uerfetjen mar. 

Stuf einer bicfer ©eifett lernte £>erv 2aitSbefl 
in ^innlanb eine eble ®atne fennett, 3?rättlein 
©Iba £>ellmatt, bie, feit fieben 3fa^vcn fdjmer 
franf, beitttod) ihr flanke» ®afeitt gur ©tilberunq 
ber ©ott) unter ©ebiirftiqen unb (ilcnben mib* 
tnete. ©ie faunte bie ©erbälhtiffe in ©ibiricn 
unb roufite, baß bort in religiöfer ©cgiebunq 
unter ben ©erbannteit itod) Diel gu ttjun mar. 
„3fbr Gitqlänber," faqte fie gu CatiSbett, „tfnbt 
ein £>erg' für alle fremben ©ötfer; if;r fenbet 
ettrp ©tiffionare und) 6f)ina unb ber ©iibfce, 


und) ©frifa unb^ ©aläftina, ^abt ifjr feinen 
2iüingftone für Sibirien ?" $iefeS ©fort gün* 
bete bei 2ntt§bell, unb als er bie nötige Unter» 
ftüßung erhielt, als Dor altem bie religiöfen 
©Triften in ruffifc^er, polnifd)er, beutfdjcr, 
tatarißber unb bcbrciifdjer ©pra^e bef^nfft 
maren, ba entfdjtofs er fid) gu bcnt gvofjett Söerfe: 
©ibirien feiner gattjen Sänge nadf) ttoit ©3cft 
ttat^ Cft ju bttrd)reifen, bie ieportirten aufjit» 
fließen unb für i^r gciftigeS äüotjt ju forgen. 
©agett mir c*3 nur gleich: er bat baS, roas er fid) 
üornabm, glanjenb burdfigefiifjrt unb ein mevtl)= 
OofleS ©fert in jmei ©ättbett mit ©bbilbungett 
unb harten bcröffcntlidjt, ba§ ben 2itet füfjrt: 
Tlirough Siberia (Süurc^ ©ibirien), ©erlag 
uon ©antfon 2om, ©tarfton, ©earte unb 3ti* 
bington in 2onbon, ein ©ferf, bem mir motjt 
eine Uebevfc^ung itt§ 2)eutfcbe miinfebten. 

9t(S 2an§bet( im fjrübjabr 1879 feilte Steife 
begann, tagen bie ©crljältniffe für ©uSläitber 
in Stufjlanb fefjr fdpoierig. 2)ur^ bie nibitifti» 
feben Attentate mar man inifitvauifd) gemorbett, 
unb boeb fonnte 2anbsbell ebne ßmpfebtungen 
ni<bt§ au§vidf)ten, nicht in bie ©efangitipe ge* 
langen. @3 ging aber alles beffer, at§ er ge* 
glaubt butte; bureb ben eitglifcbeit ©efcbäftS* 
träger beim ruffif^en ©tinifter beS Ämtern, 
©tafom, eingefiibrt, erhielt er fofort mit ber 
größten 2ie(>cnsmürbigfeit bie ermiinfebte @r* 
laubttif;; ber ©tetropolit bott ©toSfau tiiftte ben 
eitglifcbeit Gotlegen auf beibe ©fangen unb gab 
otjue bie qeringfte Gifevfucbt feiiterfeitS bie 6itt= 
milligung ju bem ©tiffionSmerfe. ©id)t meitiger 
als 133 ßmpfebtungSbriefe an mijfenfdjaftticbe 
2cnte, ©aftoreit, 2ei)ter, Seamte itt beutfdjer, 
engti?d)er unb franjöfifdjcr ©pracbe forgten für 
baS meitere fffovtfommen beS eifrigen ©JattneS, 
metdjer bereits 25,000 (Sreuiplare veligiöfer 
©djrifteit uorauS über ben Ural geföbidt b«tte 
unb ber nun fclbft mit brei ©ifenbabnmogeit 
Doll ©epäd über ©toSfau, Slafan, ©erm unb 
ßtoterinburg jeufeit beS Ural reifte, mo bie 
(Sifenbabn enbigt unb baS Steifen mit ©fagen 
unb ©ferben beginnt. 

3fn ber fibirifrfjen ©tobt Siumeit, bie etroa 
20,000 ßittmobner jablt, Ijotte 2attbSbell guerft 
©elegcnbeit, mit „©erfebidteu" in größerer 9ln= 
gabt gufninmen gu fommen ; in ber 3f)ut treffen 
bort alle ©pilirteit aus Guropa ein, um bann 
meiter oou b<er aus über baS meite, meitc @i= 
biriett uertbeilt gu merbeit. GS ift natiirliöb, baß 
bie Grfabnmqen, melcbe unfer ©utor über bie 
©erbounten mad)t, üott befonberem 3'Oereffe 
finb, unb baß fie an ©fießtigfeit bie anberen 
©tittbeitungen beS übrigens in allen feinen 
jfbeilett intereffanten ©ferfcS übertreffen, ©fir 
befdbrättfen uns baber aueb mcfentlicß barauf, 
uttferen 2efern einiges über bie SDeportirten 
©ibiricttS barauS mitgutbeilen, um fo rneßr. 


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> (Sin ®lauben*bote. 


317 


als bielfad} in biefer Vejiepung grobe Srrtpümer 
Derbreitet finb. 

3)ie erften Verbannungen nach ©ibirien fan* 
ben fdjoit im 3‘d)ve 1591 unter ©jar VoriS 
©obuuoio ftatt; nur langfam entroidelte fi$ 
barauS ein Stjftem. 9teligiöfe ©ettirer, wie bie 
SRaSfolnifen unb bie ©treiißeit, roelcpe fiep gegen 

t eter beu ©rofjeu empört batten, mürben naep 
ibirien beportirt; fpäter mufjten gefäprlidpe 
Staatsgefangene, wie Vtentfdpitoro, Oolgoruti, 
Viron, Vtiinidp, Solftoi bortpin ipren SBeg an» 
treten. Voten in gröberer 3 n Pi fcpidte juerft 
Hatparina II. naep Sibirien. 3 11 ben testen 
3apreit mürben jäprlidp jroifcpen 17,000 unb 
20,000 ©efaitgeite aller Slrt naep bem fernen 
2anbe oerfepidt, bocb umfaßt biefe 3 l 'Pl bie 
SBeiber unb Hinbcr mit, roelcpe freimitlig ben 
SNüitiiem unb Vätern fiep aitfcploffen. Von ber 
©efamintjapl roerbeit bei iprer Slnfunft in ©i» 
birieu etroa 8000 fofort auf freien fjriift gefeßt; 
fie tonnen ipren eigenen 2ebenSroeg einfcplagen 
unb miiffcn nur im 2anbe bleiben. Ungefäpr 
5000 merbeit in. Söeft» unb 3000 in Oftfibirien 
üertpeilt. ®er VilbungSjuftanb beS bei meitein 
größten StpeilS ber 3>eportirten ift ein fepr nie» 
briger. 3115 2anSbell bie ©efäitgniffe in 2 hinten 
befudpte, mären bariit 470 Verfdpidte unter» 
gebracht; Don biefen tonnten 42 orbentlidj Icfen 
unb fdjrei ben unb 32 etroaS tefen — bie übrigen 
roareit Slnalppabeteit. Oie eingelieferten 9tuffen 
loerben and) als Verfdjidte nadj ben laitbeS» 
üblicpen Staffen in ©belleute, Haufleute, ©eift» 
ließe, Vürger unb Vauern getrennt unb eS er» 
palten bie erftercn Hlajfen in ben ©efängnifjen 
beffere SRäuine uitb beffere Slaprung. 3)eit brei 
oberen Staffen geboren nur brei bis toier Vro» 
jent aller Oeportirten an. 

©cpr mcit oerbreitet, aber iticßt ridptig, ift bie 
Slnftcpt, baß alte naep ©ibirien 35eportirten po» 
litifcpe Verbredjer feien. Von ben 18,000 jäpr» 
ließ ©ingelieferten ber leßten 3apre finb j. V. 
minbeftenS 4000, benen gar teilt befonbereS 
Vergeben nadjgemiefen merben tann, 2eute, bie 
fiep nur gegen ipre ©emeinbe oergangen paben. 
SBenn ein rufftfdper Vauer faul ift, trintt, bie 
Steuern nießt japtl, fiir Söeib unb Hinb nidpt ’ 
forgt, fo baß biefe unb er fetbft ber ©emeinbe 
Jitr 2a ft faßen, bann tritt leßtere jufammeit, 
erttärt ben Vetreffenben für einen öffenttiepen 
Uebelftanb unb befdpließt, baß er auf ipre Höften 
nadp Sibirien oerfepidt roerbe. OiefeS Urtpeit 
toirb einer pöperen ^nftanj unterbreitet, bie im 
&aü, baß bie Slntlage rießtig ift, bie Veftätigung 
ertpeitt. 35er SJtann mirb bann als Holonift 
nadp ©ibirien gefdpidt. Vteift finb biefe 2eute 
unoerbeffertiepe Struntenbolbe unb gerobe teilt 
©egen für bie neue £>eimatp. 2anSbell fap in 
Oiumen einen großen Raufen fotdper SMenfcßen, 
bie alle ipre Vrioatlleiber anpatten, mäprenb 


fonft bie ©efangenen in ©träflingSfleibern 
gepen. grüper fcpidte man auep „Heber" nadp 
©ibirien in bie Verbannung, bas gefepiept jeßt 
nidpt inepr; ausgenommen finb nur bie ©top» 
jen, bfe fcpeußlidje ©ette ber ©elbftoerftiiinmler. 

Sille Verbannten merben in jroei Hategorien 
eingetpeilt, iiämlicp in foldje, bie alle Dtecpte üer» 
lorett paben, unb foldje, melcpen bie Dtecptc mtr 
tpeilmeife abgefproepen finb. 3» riner fiirdjter« 
lidpen 2age befinben fiep bie erfteren, unb man 
taun fie als ^mlbtobte betradpten. Stite!, 9tang, 
Vermögen, alles mirb einem foldpen Ungliief» 
lidpen genommen ; feine ©pe ift ootn Slugenblid 
beS UrtpeilS an ungültig unb fein Vkib tann 
einen anberen roieber peiratpen. ©ein V3ort 
gilt fo menig mie feine llntcrfdjrift, er tann 
meber ©igeiitpum befißen uoep ertoerbeit, unb 
muß mit pülbgefdjoreneiu Hopfe gepen. Cpite 
meitercS föitnen biefe Veeßtloien geprügelt mer» 
ben, unb follte ein folcpcr Uiiglüetlidjer burep 
Vtorb umtommen, fo mürbe man taunt nadp bem 
Vtörber fragen. 3)ie 3«P1 berjenigen Verfcpid» 
ten, meldpe jii porter Slrbeit oeruripeilt merben, 
ift übrigens eine oerpältnifjntäfjig geringe, beim 
Oon ben 17,807 Verbannten, melepe 1878 tiaep 
©ibirien tarnen, mären nur 2252, ober ein 
Siebentel, ju fdpmerer Slrbeit oerurtpeilt. Sillen 
Verbannten, bie fiep gut füprett, merben nadp 
einiger 3 e 't flvofte Vcrgiinftigungen gemäprt, 
ba ftctS bie Slbfidpt oorperrfept, mieber braudp» 
bare Vlenfcpen, Holoniften für ©ibirien, aus 
ben Verfdpidten ju madpen. 

Söeiblidje Verbannte,'bie nadp Oftfibirien ge« 
langen, erpaltcn bort bie ©rlaubnifj, fid) als 
Oieiiftboten üerinietpen ju biirfeit; natürlicp 
bleiben fie unter fteter Sluffidpt unb Hontrolle. 
©ine Oame, meldpe eine Verfcpidte als Hinber« 
mäbcpeit patte, erjäplte 2anSbcll, bafj fie ber» 
felben bie Hleibung, Staprung unb monatlidp 
fünf Oollar 2opit gäbe, ©ute Veponbluitg 
felbftoerftänblicp. Sroßbem fanb fie baS Vtäb* 
dpeit oft in Spränen, unb als fie naep ber Ur= 
fadpe fragte, antmortete bie Sinne: „Sldp, menn 
idp nur müßte, mie es meinen 2ieben in 9tuß« 
lanb gept." ©ie tonnte niept fepreiben unb bie 
übrigen audp nidpt, unb eine ©telloertretung 
mar nidpt inöglidp, ba fie bie Slbreffe nidpt anju» 
geben oermodpte. So oerjeprte fie fidp beim in 
©epnfucpt. 3u Ulcaborg in Sinnlanb traf 
2anSbell ein Vtäbcpen, baS nadp ©ibirien oer» 
bannt itnb bort entroidpen mar. ©in paar tau* 
fenb SBerft patte fie fepon jurüdgelcgt, ba mürbe 
fie roieber eingefangen unb nadp ber Urfadje beS 
©ntroeicpenS gefragt, antmortete fie: „Sldp, icp 
fepnte inidp fo fepr naep meiner Viutter." 

OaS ©ntrinncit ber Verfdpidten iß übrigens 
teineSmegS leiept. VJag auep ber Ungliidiidpe 
fidp feinem biretten Sluffeper burep Veftedjung 
ober ©ntfernung oon ber Strbeit entjiepen, fo ift 


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318 


Ein 8laiiben»bote. 


boc^ ba§ 4?inau8fommen ous ©ibirten felbft ein 
fchwereS Stiid. TaS Sottb ift fo ungeheuer 
groß, bie VerfeljrSwege finb fo genau betanut 
unb bcfdjränft, baß bie Entlaufenen nur auf 
beftimmten ©tragen marftfiiren tonnen; nbfeitS 
uoit benfelben würben fie in beit VJälbern unb 
Steppen oerfjuitgern ober feinbfeligett Einge* 
borneit in bie £>änbe fallen, wie benn j. S. bie 
Suriäten im tranSbaitalfcljen Sejirfe baS Wie* 
berfdjießen entlaufener Sträflinge als eine Wrt 
Sport betreiben. 3feber, ber einen Entwichenen 
tobt ober (ebenbig einliefert, erhält brei Dtubel 
Seloßnung. 

V3.tS ben Transport ber Verfdhidten nach 
Sibirien betrifft, fo Ratten biefe in früheren 
fahren ben gatuen weiten 2Beg ju 3?uß juriid* 
julegett. ©eit Eifenbaljnen nach Sibirien füh» 
reu, werben biefe benußt unb auf ben fibirifdben 
Strömen finb Tampfboote im ©ebraudh. 3m 
großen Eentralgefängniß ju StoSlnu werben 
bie ju Teportirenben gefammelt unb bortbin 
!ann man fie in ganjen, langen 3ügen wanbern 
feljen. 

SanSbeH beobachtete eine fold^e Äaramaite: 
porait Solbaten mit aufgepflaitjteu Sajonet» 
|eit; hinter biefen bie ferneren Verbrecher in 
fffeffelit unb mit Eifeit an ben fjiißeit, bie bei 
jebem Stritte fläpperten; bann leichtere Verbre* 
dher, bie nur mit einer £>anb au eine lange 
Eifenftaitge jwifcheit ihnen befeftigt waren, enb= 
lieh bie Vßeiber, bie ihren Siäitnetu in bie 23er* 
bannuitg folgten. TaS V>*blifum fdjentte ben 
Uitglüdiidheit reiche ©abeit an ©elb unb SebenS* 
mittein. 

©obalb 700 Verurteilte in StoSfau beifam* 
men finb, werben fie mit ber Sahn nach Sifdjnu 
Wowgorob unb uon hier» wenn bie ffrlußfdhiff» 
fahrt offen, in Sorten nach Serm, bon ba wie» 
ber per Sahn nadbEfaterinburg unb pon hier per 
VJagett nach Tiumett, ber Stabt, wo ihre VertßeU 
lung ftattfinbet, gefanbt. Ehemals mußten audh 
bie Verbannten, bie nach ber 3 n fel Sachalin, 
im äußerfteit Often bon Sibirien an ber Wmur* 
miinbung beftimmt waren, ben ganjen VJeg 
über Sanb bis borthin machen, 3«ßt derben 
biefelben in Obeffct auf große Dampfer gebradht 
unb tommen burdh ben Suejtanal unb runb um 
Stfien herum in jwei Stonaten an ben Ort ihrer 
Seftimmung. Saitsbell flagt bitter barüber, 
baß in ber englifdhen Veeffe (j. S. bem Taift) 
Telegraph) bie nichtSwiirbigften Siigeu über 
biefe Transporte oerbreitet feien, natürlich ten» 
beitjiöS. Von 700 nad) Sachalin Verfehlten 
feien 400 unterwegs infolge fchlechter Ver* 
pflegung geftorben — in Vkhrljeit aber tarnen 
alle Verbannten wohl unb munter an. Tie 
Siige würbe mit großen, fetten Settern als Sen» 
fationSartifel in bie Vielt gefcßleubert — bie 
fpüte Serichtigung aber unfdheinbar tleiu ge» 


brudft, an einet Stelle, wo fie überfehen werben 
tonnte. 

Tie Sdhilberungen, weldhe SanSbelt bon ben 
fibitifchen ©efängniffen entwirft, lauten burdh 5 
auS nicht ungünftig. Tie Einrichtungen finb 
prattifdh, bie Währung unb Äleibung ber ©e= 
fangenen finb gut. Schere erhalten täglich 
Vfunb Srob unb \ Vfunb Sleifch, Sonntags 
unb OfeiertagS f Vfunb Sleifdh, außerbent bie 
nöthigen ©ewürje unb 3uthoten, fowie Ouaß, 
eine Wrt Tünnbier, als ©etränf. 3u Witola* 
iewst an ber Vtnurniünbuiig würben corntcl 
beet' unb Stehlbrei irnb in ben Siinett oon Sfara 
täglich 4 Vfunb Srob, 1 spfunb fjleifd), \ Vfunb 
©riiße fowie Tßee geliefert. Vläbrenb ber ga* 
ften tritt 3fifdh an bie Stelle bcS SleifdßeS. 
Sansbell fcßilbert auch bie Stetten unb Eifett, 
welche im ©ebraudb finb, teSgleidjen bie Troit* 
fdßatta, eine 2lrt V^itfdhe ober Stnute, welche 
nöthigenfaHs in Wnmenbung tonunt. Tiefe, 
mit ihrer fe<hS fjuß langen Seberfdhnur ift aller* 
bingS ein bösartiges Sjnftrument, baS oon he* 
fonberS ©eübten tunftüoll gchanbhabt wirb. 
Sansbell erjäfjlt, baß ber öffentliche WuSpeitfcher 
in StoStau barin fo geübt war, baß er einem 
entfernt ftehenfcen Staune mit ber Veitfdje bie 
Eigarre ans bem Stunbe fdjwippte, ohne ihn 
felbft ju treffen, mit berfelbeti Veitfdje, welche 
ftart genug ift um ein jollftarfcS Srett ju burd»* 
hauen. Terfelbe WuSpeitfcher, ein großer Sfiinft* 
ler auf feinem 3»ftrument, hat ein fo gutes 
WuSfommen, baß er feiner Tochter eine WitS* 
fteuer oon 60,000 Wubeln geben tonnte — er* 
Worben Oon jenen, bie er ju prügeln hotte unb 
Welche er, bei gehöriger 3ol)lung, fo fanft mit 
feiner Troitfdhatta traf, baß fie ben Schlag nicht 
fpiirten. „VlIcS in etilem, fagt unfer Vutor, 
habe ich bie Ueberjeugung gewonnen, baß ein 
ruffifdher Exilierter, ber fidh gut beträgt, fidj in 
Sibirien beffer befinbet, als in ben tneifien ©e* 
fängniffen ber Vielt." 

Traurig unb fdhlimm bleibt bie Verbannung 
natürlich immer. SanSbed erjählt bacoit auch 
manches Seifpiel. Tin einem fjalteplaß aut 
Obfluffe traf er mit einem oerbannten polnifchen 
Vrjte jufainmen. Er reifte auf einem Tampfer 
in ber jweiten Sflaffe, bewadht oon einem ®en= 
barmen, welcher ihn feine Stinute aus ben 
Wugeit ließ. Statt lanbete ben Vrtnen an einem 
traurigen Orte unter bem 62 ©rabe nörblicher 
Sreite, wo—eS War Wnfang 3uni—bie Saunte 
noch itidjt grün Waren. £>icr mußte ber gebil* 
bete Staun nun in einem elcnben Orte fein 
Sehen jubringen; er War fetjon alt unb WuSficbt 
auf Sefrciuitg nicht oorßanben, ba biefer Ort 
ihm jur Strafe attgewiefen mar, weil er in 
WertfchinSt einen tfrluchtoerfud) gemaeht hotte. 

SanSbell geht aud) bie Siteratur über bie 
fibirifdhett Verbannten burdh unb jeigt, wie oiel 


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Heber bie ®r}iel)ung ber Hitiber. 


319 


Uebertreibung barin entsaften ift: unbebingted 
8ob wirb nur bem Sßerfe bed ©enerald Don 
Rofen über bie „Sejembriften" gesollt, tnimlid) 
jene Berfdjmörer and bem 3(n^re 1825, welche 
cd auf bie ©uttljronung bed Slaiferd 9?ifotauö 
abqefebeit batten nnb bie — ^rinjen, ©rafen, 
Barone, ©encrate—in bie Bergmerfe Srand» 
baifaliend oerbannt mürben. 35iefe ^rouinj 
jenfeit bed Baifalfeed ift an unb für fidj ein 
mitürlidbeS ©efanguiB, ba bie geograpfjifche 
Satie ein ©utriitnen hie* unmöglich macht; im 
ffieften lieftt ber grojje ©ee; im Sterben uit» 
wirtfjiame hope ©ebirge, im ©üben bie 9Jton« 
ftolei mit ihren SBüfteii unb nach Cften ju bil» 
bet ber überwachte Slmur bie einjige ©traße— 
nach bem ftiften SBeltmeer. £>ier unb am oberen 
9tmur, in Äara, traf unfer Berfaffer oormie« 
genb politifche ©efangene „derjenige unter ihnen, 
Weiter am tjärtefteu beftraft mar, mar ein Sti= 
bilift, ben id) in Hora leimen lernte. ®r hatte 
täglich in ben bortigen ©oibminen ju arbeiten, 
fam er oon ber Arbeit auri'td, fo befaß er ein 
befonbered 3'atmer für fich mit eigenen Blöbelit 
unb Büchern, barunter eine» über Bolfdmirtb» 
fchaft. ©eine fjrrau Wohnte in ber Stahe unb 
burfte ihnjeitmeilig fehen, ober ihm (Sffen brin» 
gen. 6d mar aud) nicht ferner für ihn, fie 


außer ber bewilligten 3 e 't ju fehen, ba fein 
3?enfter auf bie ©traße hinaudging unb fie hier 
nur ftehen su bleiben brauchte, um mit ihm ju 
reben." SDie 3aljl ber politischen ©efangenen 
in Sibirien wirb gewöhnlich übertrieben. @o 
erjählt ber ©nglänber 2Bhpte, baß allein 30,000 
biä 40,000 poiitifdje politifche Verbannte bort 
leben. Sandbell aber weift nach, baß im Sabre 
1879 im ©anjen 898 poluifcpe Sjilirte aller 
Sltt borthin gebracht Würben, unter benen hoch* 
ftend ein 3 c h>itel wegen politifchev Bergehen. 
Sie ©efammtäahl fönne unmöglich fo groß feilt. 
„Sch habe gefunben, baß bie größere Sinjafji ber 
politifchen ©efangenen nur fepr für je 3eit, ober 
überhaupt nicht in bie fibirißhen ©efatigniffe 
manbern. ©ie werben in ©täbte unb Dörfer 
oerlljeilt unb bürfen bort ihren Sebendunterhalt 
fliehen." 

Sie oorftehenben Stadjridjten über bie Sepov» 
tirten in Sibirien geben allerbingd ein nnbere» 
Bilb Oon benfelben, als bie lanbläufigen unb 
9tuß(anb feinblidjen; ba fie üon einem nnpar« 
teiifchen (Snglänber bcrrüljrcn, welker burcbaitd 
feine Urfache hatte mit ber SEßahrljeit hinter bem 
Berge ju holten, haben fie Säkrtf) für und unb 
fiiib geeignet eingemurjelte Srrtf)ümer ju be» 
fettigen. (9t. ». im Saheim.) 




|0le kommt Me reltgüte-oerwaljrlofleit Hiuker mit befielt für Me 
$ 0 iintagfd)ule gewonnen werbe»? 



Sou eibiait ttopp. 


> iefed ift eine fehr wichtige ffrage, 
unb follte oon Sillen, bie in ©onn= 
tagfdjulen befchaftigt fiitb, wohl 
Jlf. ’ beherzigt werben, 

i (cL ® er er ? f ® enje 99 run ^' ©onntagfchulen 
' S? ju orqanifiren, mar qerabe b i e f e r Um» 
ftanb. 

Süd jener ©ottedmann, 9tobert 9taifcd, 
im Sah« 1780 in ©laucefter, ©nglanb, 
eine ©ruppe elenber, fchmufciger ftinber 
fah, bie fid) ©onntagd auf ben ©fraßen 
berumtrieben unb burch Särnt unb rohe» 
Betragen nicht nur f e l b ft ben Sag be» 
£>errtt entheiligten, fonbern and) Slnbre 
baju oerführten unb beffer ©efinnte in 
ihrer ©abbatljruhe ftörten, ba fühlte er 
einen inneren Antrieb, biefe Slrmen an Sonn» 
tagen um fid) ju fammeln unb im SGBorte ©otted 
ju unterrichten. 

Slld er biefed gute SBerf einmal angefangen 
hatte, würbe er fo für biefe ffinber intereffirt 


unb mit Siebe su ihnen angefüllt, baß er fortan 
feine Blühe fcheutc. @r befud)te bie ©Item ber» 
felben unb fagte ihnen: ,,Sd) will eure tliuber 
unterrichten unb ocrlange nidjtd boit ihnen, ald 
reineftänbe, geWafdjeneSlngefichter unb gelammte 
£>aare." Bielen feiner armen ©onntagfchiiler 
gab er Schuhe unb Itleifcer, bamit fie aiiftänbig 
erfcheineit fonuten. SJtit Siebe unb Ofreunblidj» 
feit gewann er bie fterjen unb mit Btilbe rc« 
gierte er bie Schule. 

Dbfchon in unterer 3«it bie ©onntagf^ufen 
fjauptfächtich and tlinbern chriftlidher ©Item be» 
ftel)en unb in beit heften berfelben fich ganje 
©emeinben, ftnaben unb Bläbchen, Säogliuge 
unb Sungfrauen, Btänner unb ©cibcr bethei« 
ligen, fo follte man hoch nie unb nirgenbd ben 
urfprüngiiehen 3wecf ber ©onntagfchule über» 
feljen, nämlich bie Unmiffenbcn, Bemachläfrig» 
ten unb Slrmeu }it fammeln, ihnen Unterricht 
in ©otted SBort ju geben unb fie ju S^fu ju 
führen. 


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320 


Heber bie Grjiebung brt Htnber. 


Solche ©tiffionSfchuten giebt es auch gegen* 
wärtig in grofteu ©tobten. $n Gljicago hat ein 
junger ©anlier niete 3faljre lang eine foldje 
©djule im fiibmeftlidjen ©tabttljeil, ©ribgeport 
genannt, geleitet, nnb feljr nie! für jene berioat)r= 
lüften ßinber getljan. 

©o ift bie ©ountagfchule in SJerbinbung mit 
ber ffioepoint = SJtiffion, in bem Zentrum ber 
©tobt Stern ?)orf, ein SBnnber bor unfern Singen 
unb ein ©tonument d^viftlidjec SiebeSttjiitigteit. 
3ene otte Skaucvei, bie bor Dielen fahren im 
fchlechteften ©tabttfjeile jener SJtetropoliS non 
etlichen frommen SJtetljobiften ongefauft tnurbe, 
ift fdjon eine ©egenSftätte für Oaufenbe gemor* 
ben. Sille Sonntage berfamineln ficb bort mehr 
als 600 Hinber boit Säufern, ©pielern, ©ett* 
lern nnb ©erbredjern, bie noit ben frömmften 
unb oft tnoblbrtbeitben unb gebilbetcn Sehrcrn 
unterrichtet werben. Slber auch für leibliche 
SSebürfniffe tnirb bort geforgt. ©ang arme ffin* 
ber loerben mit Kleibern nerieben, hungrige 
merben gefpeift. Oft befommen fie einen Slpfel 
ober etliche Kartoffeln mit nach £>aufe, morüber 
fi<h biefe Stirnen oft föniglidj freuen, ©o leuch= 
tet auch baS SBeibnacbtäfeft unb ein Sinkflug im 
Sommer in baS ©riine ben in bem ©chmuft ber 
Straften Slufgem.uhfenen mie ein lieblicher 
©onneuftrahl in bie bergen hinein. 

OaS, loa» bort im ©roften gefdjieljt, fann in 
fleineren ©tiibten nnb auf beiit Sanbe im Älei* 
neu gefcbeben. 3fefuä fügt: „Oen Sinnen tnirb 
ba3 ©oangelium geprebigt." ©o gingen auch 
bie erfteu zltethobiften = ©rebiget gu ben Strmen 
unb ©ermaljrloften. Slber leiber roirb baS 
SJtiffioniren unter biefen, bie es am nötljigften 
haben, gegenwärtig non unfern ©onntagfcljul* 
Slrbeitern oft bielfadj oerfiiumt. Unb hoch ift 
biefe Strbeit eine (oljnenbe. SBer erinnert ficb nicht 
an bie ©efdjichte non jenem rohen Straften« 
jungen, ben eine chriftlidje Sehreriit in ber Stabt 
©laSgom in bie ©onntagfdjule brachte. Gr tnar 
ein: 3eiUang fo unbäitbig, baft ber Super* 
intenbent be|djloft, ihn aus ber ©chule ju mei* 
fen. Oie Setjreriu bat, mit bem ßnaben noch 
etwas ©ebulb gu haben, unb toiibrenb ihrer ffiir* 
bitte rollte eine Oljräne über ihre SBange. Oiefe 
Oljräne erweichte beS ftnaben |>erg, unb non 
bem Slugeublicf an tnar er gänglid) neränbert. 
SluS jenem Straften jungen tnurbe bet fo be= 
rühmte djinefifdje SJtiffionar SRorrifon, ber bie 
©iefeitarbeit öottbradjte, bie ©ibel in bie Sprache 
ber Gljinefeu gu iiberfeften. 

©o arbeitete auch ©toobp, ehe er ber berühmte 
Goangelift mürbe, ©on ben Straften GbicngoS 
unb än§ ben ©aloonS fammelte er fid) eine 
©ountagfchule, aus ber fpäter eine grofte 
SJtiffionS = ©emeinbe entftanb. Slrbeit thut bo 
noth- Oie Ghriften müffen binausgehen auf 
bie ©affen unb Straften ber ©tobt, an bie Sanb* 


ftraftett unb3üune, unb fie nöthigen herein 
gu fommett, unb füllten felbft nicht an ben 
©den ft ehern borübergehen. SBir füllten auch 
nicht fo leicht mübe werben in biefent guten 
SBer!. GS wirb uns gwar nicht mit Sillen ge* 
lingett, aber bas barf uns nicht entmuthigen. 

©o lub einft ein frommer ©ouutagfchul* 
Slrbeiter an einem Sonntag = ©Jorgen brei ger* 
lumpte ffitaben ein, itt bie ©ountagfchule gn 
gehen, unb nerfprach ihnen einen neuen Slnjtig. 
3wei ber Knaben neriachten ihn, ber britte ging 
mit unb befarn einen neuen Slitgug. ©eine 
tfretibe bariiber war fo groft, betft er non ba an 
regelmäftig bie ©ountagfchule befnehte unb fpä¬ 
ter ein SJtiffionar würbe. Oie beiben anbern 
ftarben am ©algeit. ©toobp fagt: „GS ift oft 
niel Goangelium in einem Saib Srob." SBenn 
auch ©tünche nur fo lauge lonunen, als fie leib* 
liehe ©oben belommen, fo merben Slnbere mit 
frnmmelsbrob gefpeift, unb gubereitet für baS 
ewige Sehen. Unb eine ©eele nom Oobe retten, 
ift leine Kleinigfeit. 

SlUe ftinber, bie feine djriftliche |)eimath 
haben, finb religiös üermahrloft, fie mögen reich 
ober arm fein. Stach foldjen füllten fich bie 
©onntagfdjul * Seljrer umfeljen, He auffuchen 
unb einlaben, unb ihnen gang befonbeve Stuf* 
merffamfeit fchenlen. Gs mag wohl etwas an* 
genehmer fein für baS gleifcft, eine Klaffe wohl* 
ergogener, gut unterrichteter, fchöu gefleibeter 
ffnabeti unb SJtäbdjen fonntäglidj uni fich ber* 
fammelt gu fetjeit, als einen Raufen unwiffenber 
unb roher Kinber; aber bie Seftteren haben 
chriftlichcS ©titgefül)!, Belehrung unb ©flöge 
biel nötljiger; unb hier gilt. Was 3efuS fagt: 
„SBer eins biefer kleinen aufnimmt in meinem 
©amen, ber nimmt mich 

©ollte uns nicht bie Siebe Ghrifti brängen 
unb treiben, berwaljrloften ßinbern nadjgugeheit, 
fie in bie ©ountagfchule gu führen, unb ihnen 
bon 3fefu, bem flinberfreunb, gu ergählen. Unb 
wenn es uns gelingen füllte, e i n folcheS Kinb 
gu gewinnen, bann heiftt eS: „Gin Oagwerf für 
ben ©eilanb, baS ift ber ©tiilje Werth." 

SBenn jeber ©onntagfhul = Slrbeiter jiihrlich 
ein eingigeS $inb in bie ©onntagfihule bringen 
unb bnburch gu ^efu führen Würbe, wie biele 
fönnten ba gerettet werben ? SBer Witt mit ©ot* 
teS ©ülfe itt bie Grnte gehen unb ba unb bort 
eineSleljre fantineln für beS Rimmels Scheunen? 

SBollen wir aber groften Grfolg hoben, fo 
müffen wir bie ©chiiler fdjon begeiftern unb 
anleiten gu miffioniren. SBemt bie kleinen hin* 
auSgehen mit ihren liebegliihenben bergen unb 
frciibeftrahlenben Slugen, mit fdjönen ©ibel* 
fprüchen unb lieblichen Siebern, unb burdj ihr 
©eifpiel geigen, baft bie ©ountagfchule ein ©or= 
hof bes Rimmels ift, bann merben auch Diele 
üermaljrlofte Kinber gewonnen für bie ©onn* 


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Hus einem üfalfenlfaufr. 


321 


tapfdjule unb für beit $etrn. ©ofl baber bec 
3»nf erreicht werben, fo muß ber ©rebiper an 
ber ©pifee, bcv ©uperintenbent au feiner ©eite, 
bie Beamten mit bem ©cfjuf = ©omite als Offi« 
giere, bie ©emeinbeplieber mit ben Sjünplinpen 
unb 3"npfraucn, Anaben unb Stäbchen als 
mutljipe ©onntapfchul = 'llvntee binauSgieljen in 
bie 2öelt, baS Arcugpanier bod)balten, baS 9teicf) 
bes Satans anpreifen, unb bie 3"penb für iljren 
ßönip 3cfum ’S^riftnm pewiitnen. 

$agu pebe uuS ber |)err Suft unb Siebe, 
Araft unb Stutlj, ©epen unb ©iep l 


Jtuo einem JUatfenljmife. 

C*u 0. grfi*«t|. 

VI. 

AYö A €tne ttrmeihung. 

'»^^•Nine eipentljümticbe (Srfdjeinunp ^at= 
f Ir. 4 te fÄon mehrere SEape bie profee 
jVyS** Älajfe befcfeaftipt. 3. ©dj.m .it, 
nSy berfetbe, ber im AiirbiSabenteuer 
if initpewirft batte, unb als ©otjn eines 
7 p ©oligeibienerS überhaupt pewöfjnlich Borne 
i fc an war, wo es etwas anguftclkn pab, war 
feit einiper 3eit paug ftille unb einpegopen 
pewefen. 2BaS tonnte baS bebcuten ? ©e= 
' * munfelt hatte rnoit fcfjon hin unb wieber, 
f aber immer wieber bränpte fid) bie grape 
® auf: „2öaS foü baS bebeuten ?" Unpewife= 
T heit ift ober einem Anabeu faft unerträp« 
£ lieh — es mufete berauSpebracfet Werben, 
x was bahinter fteefe. 5)agu pab es nun 
T aber feine paffenbere 3 e 't, olS bie, in 

welcher überhaupt affe Ülnpetepenbeiten per» 
banbeit mürben, bie, in ber fein 2Bort mehr pe= 
fprodjen werben foüte. ®ie Anaben waren wie» 
ber im Seit. Sr. S. hatte ,,©ut’ 9tadjt" pefapt 
unb feine dritte waren unten im 3?(ur Bcrbaüt. 
9tun pinp es baran; 3. ©dj. foüte SRebe unb 
Antwort ftehen Bor ber fdjnell orpanifirten 3n= 
quifition, bereu SBortführer 3t. £>.f.n, ber 
böfejle ©ube ber Älaffe war. ©IS er aber gu 
feiner ©ifbe bemept werben fonnte, war fein 
SooS entfliehen. „O, ber wiü fromm werben," 
rief jefet einer, unb bamit mdr baS ©ipnaf gu 
aüpemeinem ©pott pepeben. 3a, mit ©ewalt 
foüte er pegwunpen werben, fein ©djweipen gu 
bre^en ; aber er, ber fonft feine ©teflunp auch 
pepen mehrere feiner ©npteifer gu Bertljeibipen 
mufete, liefe fid) jefet Stifeljanblunpen pefaflen, 
ohne einen Saut Bon fid) gu peben. $er nächfte 
2ap fam unb mit ihm bie Serpeltunp. (Seiner 


ber Aitaben hatte ben $erpanp berichtet. 2Bie 
ein Slife aus heiterm Fimmel fam am ©d)lufe 
beS StittapeffenS für bie Uebeltbäter ber ©efel)l / 
Bom £auSoater, fich auf ihr 3immer gu bc» 
peben. ©o entriiftet fal) unfer 2Baifenfnabe ben 
Stnnn nie, unb fo fchorf würbe feiten pegüchtipt. 
Stit jenen ©cfelapeti mar aber eine pebeimnife« 
Bolle Stacht beS ©Öfen pebrochen unb eS ftellte 
fich heraus, bafe bie weiften pepen befjere lieber« 
geupunp pehanbelt hatten. 6h bie ©loche noch 
u dnbe war, hatte ©cfe. bie ftreube, beinahe 
ämintlid)e feiner ©erfolper mit fid) auf ben 
Anieit gu finben. 0, ’S mar eine liebliche 3«it, 
bie jefet bereinbraefe. $ie (Srlaubnife mar auS« 
pemirft worben, anftatt bie 3?reigeit mit ben 
Uebripen im ©piel gugubrinpen, fich in einem 
ber ©aftgimmer gu Berfammeln. S)ort oben in 
3to. 11 fonnte man benn auch jeben Sacbmittaa 
eine ©ngaljl Anaben finben, peiueinfdhafttid^ 
©otteS Sßort lcfett unb mit unb für eiuauber 
beten. $>aS SBunberbate an ber ©adje war, bafe 
all baS ohne irpenb etwas ©efonbereS feitenS 
ber Srmachfeneti pefdjebeit war. ©o war eS 
auch rein innerer ©ntrieb bei ben Aitaben. ßiner 
nach bem anbern fam unb eine 3eitlaup fdjien 
eS, als Wolle baS Sieben bcS ^eiliqcu ©eifleS 
jebeS Ainb erfaffen. Salb war auch jenes ©ajt« 
gimmer gu Kein unb baS pemeinfame ©eten nid)t 
mehr penüpenb. $ort oben auf bem £>euftall, 
bort im ©fall im fjutterpanp, bronfeen im ©ar« 
tenhöuSchen, broben auf bem §vud)ifpeicber unb 
an wie Bielen anberen Crten würbe pebetet. 
3Bie Williberte fich unfer SBaifentnabe, als ihm 
feine ©efemefter mitiheilte, bafe briiben auf ber 
TOtibchenfeite pleichjeitip baffelbe ©nabenmert 
©otteS bie £>erjen erfafet hatte, ©uffüüip war, 
bafe faft jeber Jtnabe jum fperrn flehte, einen 
frommen 2Rann unb — einen fDtiffionar auS 
ihm ju machen. Siefleicht fam’S bafeer, bafe man 
in jenen Greifen im SJiffionsbienft bie l)öc^fte 
(jinpabe erblicfte. 

SEßenn unfer SBaifenfnabe heute fich jene fel’pe 
3eit wieber Berpepenwcirtipt, fo bränpt fich 'hm 
auf’S 31eue bie ?Jrape auf, bie ihn frf>on fo Biel 
befdjäftipt hat, warum wof)l bie ermachfenen 
©lieber beS Kaufes fich biefer Sewepunp pepen« 
über faft auSfdjliefelich paffiB Bethielten. Slit 
ihren ©ebeten haben fie biefelbe ja herabpefleljt 
unb bepleitet, aber fonft ftanben fie als pliidlid)e 
Seobadj)ter ba. ’© ift ja wohl wahr, es hatte 
ben Äinbern pejiemt, }u ihnen ju peben unb um 
3tatf) unb £>ülfe ju bitten, ©riinbliche ©ufee 
hätte ja auch manches Sefenntnife unb manche 
1 ©bbitte Berlanpt. 91dj Wäre eS mehr bagu pe= 
femmen, wie Biel herrlichere 3?rücfete hätte jene 
pnäbipe |>eimfudhunp ©otteS brinpen fönnen. 
Sei wie Bielen eS g'u einer wahren Sefehrunp 
fam, wirb bie Swipfeit offenbaren. Seten hat 
pewife mand)eS bort pelernt, unb mufete es auch 


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322 


Per ®ob ftnb'i biäf. 


noch erft in tiefere ©rfenntnifj beS 33erberbenS 
hinab, roer weiß »nie Diele heute mit uuferm 
SSßaifentuoben unb feiner ©chroefter ben fjetrit 
für bau greifen, roaS er bajumal an ben jugenb- 
liehen fjerjen tpat. ®er felige ©runb ju man» 
djer fpäteren 9}efehrung ift ohne 3n>eifel bajti= 
mal gelegt roorben. SBurbe and) baS: „erft 
felig unb bann heilig" beS alten 93. Cienhöfer 
noch nicht recpt nerftanben, eS mürbe bietleidjt 
auch ohne priuateö Gingreifen alles 2icf)t gege» 
ben, bau Wenfehen geben tonnten, ^ebenfalls 
hat es unfer 9Baifentnabe biefer ©eroegung 
ju oerbaitten,' baS in. bem 3 e ugniß. meines 
ihm ber ßauSbater auSftellte, fich ber Sa& 
befanb: ,,©r pat fich befonberS in (enteret 
3eit burd) Srteifj unb DrbnungSliebe in Schule 
unb häuslicher Arbeit unfere 3ufriebenheit er* 
morben." 3fa, „bie ©ottfellgTeit ift ju allen 
Gingen nüße unb hat bie 9Serheifsung biefeS unb 
beS jutiinftigen SebeuS." 


YII. 

Pas Saljresfeft. 

®er große ©lanjpiuift im Sehen unferS 2Bai» 
fenljaufeS mar baS ^ahteSfeft. @S gab ja auch 
fonft fchöne “Jage, herrlich mar baS ©priftfeft 
unb bie bainit oerbunbene Sefcheerung im ©et« 
{aal. Unbergefjlidj bleibt unferm Änabeit aud) 
jene £>o<hjeit3feier eines iReifeprebigerS, bei ber 
bie ganje Kinberfdjaft mit Wild) unb Kuchen 
beroirtfjet mürbe. ®ie 93aifen hätten toabr- 
lieh nidjts bagegtn gehabt, menn fid) bie |>erjen 
ber „93riiber" imb „Schroeftern" fämmtlich ju- 
fammeugefunben hätten. ®er SrennungS* 
fdjmerj mare bei Wild) unb Kudßen roofjl ja 
berioinben gemefen. ©ant ben lieben £>auS= 
eitern heute nodj, baß fie an ben ftreuben bei ber 
Saufe eines SödjterleinS auch bie 9Baifen $heil 
nehmen liefen. ®odj all bie fröhlichen ©reig- 
niffe, bie befonberS ihrer großen Seltenheit 
megen ben hohen Neij bemahrten, traten in ben 
Öintergrunb bor bem ©lanj beS ^aljreSfefteS. 
Schon am frühen Worgen tarnen bie fjreftgäfte 
bon nah unb fern, ©raujjen im f)of mar eine 
9lrt Kaitjel errichtet unb bie ©ante beS 53etfaa(S 
unb maS fich fonft bon ©änfeit unb Stühlen 
im £>aufe befanb, maren Ijerbeigefchafft. Ser 
Nachmittag mar getommen unb mit bemfelben 
bie eigentliche 3?eftfeier. ©in SDßinf boin Seljrer 
unb bie Kinber erheben fich- ©tocfenhcll unb 
rein fchallt baS: „Sobet ihr fjimmel, ihr 9ßol= 
ten, ihr Sterne" ic. in bie 2uft hinaus unb 
giebt ben rechten Son ju beit ©efängen, ©ebeten 
unb fjeftreben. 2Bie hat fiep unfer 2ßaifeiu 
tnabe gefreut, in ber türjlich erfchienenen ,,©on» 
corbia" bem alten fjeftgefang miebet ju begeg¬ 


nen. Söie Hang bann baS: „©iS Richer hat 
ber £>err geholfen!" als immer mieberfehrenbeS 
Shema burd) ben Jahresbericht beS fjauSbaterS 
hinburch! Söie mußte 93ater #enljöfer, ber fo 
lange bie Seele ber JahreSfefie mar, 9(lt unb 
3ung ju feffeln! Söie fteigerte fich bie ffeft- 
freube bis junt 3ubel ob ber burdjbelfcuben 
©otteSgnabe! O ’S maren Stunben, bie auch 
für bie Kinberljerjen nicht ohne tiefen, fegenS- 
reichen ©influfj blieben. @S tonnte ja bei ber 
©erforgung einer folgen Kinberfänar burch 
fiiebeSbeiträge nicht fehlen, baß auch bon 3eiten 
ju berichten mar, roo baS Wehl im 0-ajs unb baS 
Del im Krügleitt beinah berjehret mar nnb roo 
eS galt fchleuitige fjiilfe bom £>errn ju erflehen. 
SaS Kinberherje hätte aber fchrccflich ftumpf 
fein muffen, baS ba nicht gefühlt hätte: ©S lebt 
ein perfönlicher ©ott uub biefer ©ott maltet in 
©naben über feinem 93olfe. SBaS aber ber 
fjauSbater am Schluß feines Jahresberichtes 
im ©lief auf baS ©anje anSrufeu tonnte, barin 
ftimmt heute unfer SBaifenfnabe mit bielleicht 
manchem feiner Witjögliuge im SMict auf bie 
perfönlichen ©rfahrungen freubig ein: 

„Der fjm hat büles recht bebadjt, 

Unb UUes, Utles rootjl gemacht, 

cSebt unferm (Sott bie <£f}rcl" 


Per tob fiub't bidf. 


4x1 er Wenfch hot feine beftimmte 3eit, bie 3aht 
Otf feiner Wonbeit fteht bei 5) i r; ®u hoft 
1 ihm ein 3iel gefegt, baS roirb er nicht über¬ 
gehen, (|>iob 14, 5). — ©S gibt eine alte Sage 
bon einem 93ejier ober Winifter beS Königs 
Salomo. ®iefem Winiftcr jeigte ©ott in ber 
Nacht in einem Sraume an, bäjj ihn ber ®ob 
nach breien Sagen abforbern mürbe. ®er Wi¬ 
ll ifter meinte, ber 2ob roerbe ihn in 3erufalem 
in feinem |>aufe neben ber 9Jurg beS Königs 
fuchen. ©r rootlte bem SLob aus bem 9Bege 
gehen unb. ihn einen bergeblichen ©ang machen 
taffen. 9lc» ber Sag an brach, trat er bor ben 
König, erjäljlte ihm fein ©efidjt unb bat ihn, 
er möchte ihm fein fchneQfteS Nofj geben, nnb 
baju möchte er ihm.©riefe mitgeben an feine 
Sanbpfleger im Süben unb an ben König bon 
©bem, baß ihm überall, roo er h'ntäme, neue 
ißferbe jum fchnellen Nitte überlaffen mürben, 
©er König roillfahrte feinem 9Bunfdje, bie 
©riefe mürben getrieben, nnb ber Winifter 
ritt, maS er reiten tonnte, nach ©üben. NlS 
bie brei Sage um maren, lag baS jübiiehe Sanb 
fammt bem Königreiche ©bem hinter ihm ; et 


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Spridjt bet llrebiger $u bitl 


323 


war am SRaitbe ber arabifdjen ÜBüfte. 2)ort 
am ÜBiiftenranbe faß auf einem grauen ©teilte 
bet 2ob, ftanb auf, trat bem SBegier entgegen, 
fchüttelte fein bürreS £>aupt unb fprodt): „3$ 
ttmnberte mich, als mir ber große ©ott, mein 
£err unb König, biefen Storgen Sefebl gab, 
hierher gu flehen, auf biefeiit Steine gu warten 
unb ben SBegier beS Königs ©alomo abguholen. 
Unb fiel), ba tommft bu geritten." 2Ber bem 
2obe entlaufen will, läuft ilpu bocf) ftetS ent» 
gegen. ®er große Schnitter mähet immerfort, 
fein gelb bat immer reife 9lehren, feine ©id&el 
ift immer fcbarf. Gr muffet bie Gingeliten weg, 
unb in ben Giiuelnen bie gangen ©efdjled&ter. 

S>r. 9lhtfelb. 


idjt btt preftigcr ju tor? 

*ines 9lbenb3 roar eine fjrau mit ihrem 2öch= 
tercpen nach langer 3f>t «lieber einmal gur 
Kirche gegangen. $en SBormittagSgotteS- 
bienft tonnte fie in ber Stemel nicht befugen, fo 
wählte fie ben 9lbenbgotteSbienft. ®er Sßre- 
biger fpradj gerabe bauon, mie nadjläffig Diele 
in ber Grfüfltuig ihrer Ghriftenpflichten im 
£>aufe feien. Wie fie baS SBort ©otteS nid)! mehr 
fefen, ben &auptgotte3bienft, bie ©ebetSgemein- 
fdjaft Derfäumen unb bergt. 2)aS SEödbterchen 
hört fehr aufmertfam gu, unb als eS bemertt, 
baß ber Prebiger boit einer SRadhläffigfeit fpricht, 
bie oftmals bei beu ©Item Dorfoinmt, loeubct eS 
fich gutraulidj gur Stutter unb fragt gang leife: 
„Siebe Stutter, fpridht ber Prebiger gu bir?" 
2)ie Stutter, tief betroffen, fchwieg. ®ie 
grage war für fie eine gewaltige Prebigt. GS 
Wäre wohl gut, wenn wir manchmal beim 
Öören beS SBorteS ©otteS Sfemaitb fragen 
hören: „Sprint ber Prebiger gn bir?" unb 
noch beffer: „Spricht beiit ©ott burch ihn gu 
bir?" 


icitt Uleifer glaubt au i()ii. 


4&lfo urttjeilt ber freche übergefcheibte Un» 
Aß' glaube über GhriftuS unb baS ©hTiften» 
thiim ab, unb Derfichert, baß namentlich 
bie SRaturforfcher fammt unb fonberS ©otteS» 
läugner feien. SRun hat aber ber berühmte 
3ödfler ein Such herausgegeben, in welchem er 
gerabe baS ©egentheil beweift. SSiefeS Such 
führt ben 2itel: „©otteS 3ewgen im SReidf) ber 


SRatur, ^Biographien unb Sefenntniffe großer 
SRaturforfdher aus alter nnb neuer 3eit". £)ier 
wirb bie Don fo Dielen forgeiwotl gefteüte Srage 
in baS 9luge gefaßt: ob in ber SRdtutforfchung 
an fich etwas gelegen fei, was bie tiefer in fie 
Ginbringeiiben ltotpwenbig gu ©otteSleuguern 
mache, ober: ob eine ©oliborität gwifdhen um» 
faffenbem SRaturwiffen unb Atheismus beftehe? 
— unb an ber &anb ber ©efcpidhte bohiit be¬ 
antwortet: nein, es ift nicht alfo; Dielmehr hat 
Seopolb Don SRanfe ein richtiges Urtpeil gefällt, 
Wenn er in feiner 2Bcltgef<hichte (1, 30) jagt: 
„ffiie irrig ift eS bodf), SRaturwiffenfcbaft unb 
{Religion im ©egenfaß gu einander gu beulen!" 

Profeffor 3ödler, befgeit DieHeidht ber griiitb- 
lichfte Kenner alles beffen, maS feit ben älteften 
3eiteii unb bis in bie ©egenwart herein auf bem 
©ebiete ber {Raturforfdßung geleiftet worben ift, 
nimmt fjiet gleichfam ein forgfältigeS 3fugen» 
Derhör Dor unb lommt gu bem jebeS religiöfe 
©einüth erpebenben unb beruhigenten IReful- 
täte: eS hat allerbingS jebergeit entfdbieben un¬ 
gläubige Seute unter ben {Raturforjdjern gege¬ 
ben, beSgleichen Diele 3nbiffereute, bie fich „mit 
religiöfen fragen gu befdhäftigeii, feine 3eit 
gefunben haben," banebeit ober auch einen fehr 
bebeutenfcen Progentfaß foldher Statiner, bie 
„aus beiben 2ejten, aus bem Suche ber 9tatur, 
wie aus bem ber Cffenbarung nebeueinanber 
jtu lefeu Wiffen imb fich an bie {Religion ber 
Kepler unb ©alilei, ber fallet unb ©iiler, ber 
Gunier unb Sgafftg halten." 2nß bie guleßt 
©enannten Wahrhaft fromme ÜRänner Waren 
(profouüöineiit pieux, wie 9lrngo fagt) bürfte 
allgemein befannt fein; 3öeffer Weiß ihnen aber 
auch nodh fine gange Stenge moberner 9tatur» 
forfdher gnr ©eite gu ftellen, in beren Schriften 
wir bie fdjönften 3fWfluiffe echter SReligiöfität 
gu finben Dermögen, aus neuerer 3fit, g. S. bie 
vlftronomen Sewtoit, |>erfchel, ©miß unb ©ecchi, 
bie Shhfilev unb Stechaniler 91mpere, Srewfter 
unb 9t. Stnper, bie Ghfmiler Sßrieftiep, ®aDp, 
tJarabap, Siebig unb ©chönbein, bie Steteoro« 
logen unb phhfifchen ©eographen ®eluc, K. 
ütitter unb 3. £erfdhel, bie Stineralogen unb 
Paläontologen 91. SPerner, ©. d. Schubert, 
K. ü. 9taumer, 3. P. 3uchS, ®. Sifcßof, 9t. 
SBagner, Glie be Seaumont, Sudlanb, $ugh 
Stiller, 5R. Sturchifon, bie Sotanifer $ecanbotie, 
StartiuS unb 91. Srnitii, bie 3oologen Ghren= 
berg unb 9lgafftg, bie 9tnthropologen Slumen- 
bach, SR. SBagner unb K. G. d. Saer, bie Phh= 
fiologen unb 9lergte $>eim, fmfelanb, ^»prtl 
unb 9inbere. 

Gs ift höcbft intereffant, biefen 3eugniffen im 
eingelneit nachgugehen unb beifpielsweife aus 
bem Stitnbe beS berühmten Statfjematifers unb 
91ftronomen ©auß baS Sefenntniß gu Der- 
nehmen: „baß neben biefer materiellen SEßelt 

i 


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324 


PtRbraud) bes Hamens tfottcs. 


nodj eine anbere jroeite, rein geiftige ©Seitorb» 
nung eriftirt, mit eben fo Diel ©tannigfaltig» 
feiten als bie, in ber mir leben ; ihrer foilen mir 
tbeilbaftig merben." 3j. 31* ©laper, ber geniale 
©ntbeder be§ mecfiauifcfjen ©equiüalentS ber 
©Samte als beS ©runbgefeßeS aller p^t)fifalifd^en 
©rfcheiuuitgen, betennt: „3>n ben eyatten 
©Siffenfchaften bat inan eS mit ben ©rfebeinun» 
gen felbft, mit meßbaren ©rügen ju tbun ; ber 
Urqruub ber Singe aber ift ein bem ©lenßben» 
berftanbe emig unerforfc^üdEjeS ©Scfen, bie ©ott» 
beit. — ©ine richtige ^3^ifofopf>ie taitn unb barf 
nichts attbereS fein, als eine ©orfcbule für bie 
chriftlidje ©eligion." Ser meltbevübmte ©l)e= 
ntifer Siebig fchreibt: „Sie ©Seit ift bie ©e» 
fcbidjte ber Allmacht unb ©Sei speit eines unenb» 
lid) höheren ©SefenS. Sie Äenittniß ber ©atur 
ift ber ©Seg jur ©etounberung ber ©röße beS 
©cpöpferS; fic liefert uns bie rechten ©n= 
fchauungSmittel ber ©tajeftät ©otteS .... 
©ergeffen ©ie nicht," ruft er einmal feinen 
3ul)örern ju, „baß mir bei all’ unfrem ©Siffen 
unb 3forf<hen, bei unferer St^atfraft unb 
geiftigen ®.öße furjfichtiqe ©lenfcheit blei= 
ben, unb baß unfre eigentliche Greift in ber 
©nlebnung an ein höheres ©Sefen murjelt." 
©tartiuS, ber miffenfchaftliche ©roherer beS 
©eicpS ber ©alnteit, tröffet feinen ffreunb GaruS 
in SrcSben beim Sobe Don beffeit ältefter Soch» 
ter mit ben frönen ©Sorten : „©Sunberbar bat 
©ott, beffen ©Seisbeit unb ©eredjtigfeit ich be= 
mütbig Derebre, unS aus ©innlidjfeit unb ©eift 
gemoben, unb mo immer ber Seib im ©piel mar 
ober ift, ba folgt bem flüchtigen Sichte auch ber 
©chatten beS ©cbmerjes. ©3o immer mir im 
Greife beS nnfterblidjen SebenS ju meilen Der» 
mögen, ba ift unfterbliche ffreube, ba ift emigeS 
Sehen. 3fa, maS fein ©uge gefeijen, fein Opr 
gehört unb maS in feines ©tenfeben fjerj gefönt» 
men, baS ift bie ©eligfeit, auf bie ich hoffe» roenn 
ich ben Seib abgetbah hohe." ©gaffij nennt ben 
©laterialiSmuS, melcher bie ©Sunber ber ©Seit 
allein aus ben ©efeßen unb Kräften ber ©taterie 
berjuleiten fucht, eine troftlofe Sehre. Ser 
IfSeterSburger ©ntbropolog St. S. üon ©aer fagt 
boit ber Sarminfcben Sehre, „melche bie ge» 
fammte ©Seit als ©Sirfung unjufainmenbängen» 
ber Urfacheu anjufepen beftrebt ift, baß es ihm 
fo ju beiden unmöglich fei ... . Sie ©jiftenj 
beS ©lenfcpen fanit nicht an bie ©erbiitbung mit 
bem ©rbförper gefeffelt fein. Sie ©etracptmiq 
ber ©atur führt uns ju berfelben Sehre, melche : 
mit finblichen ©Sotten bie ©dhrift auSDriicft, in» 
bem fie uns glauben läßt, baß mir mit bem Sobe 
nicht aufbören merben." Sie aufopfernbe Spä» 
tigfeit unb bie mabrbaft fromme ©efinnung ber 
beiben berühmten ©erjte: beS „alten £eim" unb 
beS ©taatSrathS £ufelctnb ift in ©erlin bis auf 
ben heutigen Sag noch < n ber lebhafteren 6r= 


innerung. ©on leßterem tbeilt 3ödler ben fcpö» 
nen ©Sablfpruch mit, ben er einft in fein mebi» 
jinifcbeS Sagebuch eingefdjrieben butte: „Sen 
©lenfcpen Seiben ju oerfüßen, baS poepfte ©lüd 
ganj ju genießen, ein £>elfer, Sröfter hier JU 
fein : bieS, ©ott, laß mid) bei allen ©orgen, bei 
SageS Saft, an jebeni fdßDÜleu ©lotgen, gerührt 
empfinben, galt* mich meih’n, ju helfen, tröffen, 
ju erfreu’n." ©on bem jüngftDerftorbeneii aus» 
gejeiepneten ©natomen 3 . £>prtl in ©Sien bie 
nicht minber frönen ©Sorte: „Sie ©atur unb 
leßte Urfache beS SebenS liegt jenfeit ber@renje, 
über melöhe ber mentcpliche ©eift Dorjubringen 
nie oermögen mirb .... £ier fteht bie ©Siffen» 
fepaft am 6nbe ihres tforfcpenS, eS mirb ftill im 
fiipnfteu fforfepergeifte. Ser ©laube tritt in 
feine heiligen ©echte, ber ©laube, ben bie ©Siffen» 
fdßift nicht miberlegen unb nicht bemeifen, rnobl 
aber fein ©egentbeil als nicht begrünbet in ber 
©atur ber Singe bartbun fann. Söfcht biefeS 
CnmntelSlicpt aus, unb ber ©elbftmorb eurer 
©eele macht auS bem ftoljen 0errn ber ©Seit 
nichts als ein Häuflein ftidftofffreien SiingerS 
für ben ©der." 


Pu fottft ben P<iittfit bt» Herrn 
briiifö Mte$ uidjt mißbritudfeii. 


iS Oberlin, ber gefegnete ©farrer im ©tein» 
TI, tbal peiratbete, jog mit feiner ©attin auch 
beren ©lutter in’S Pfarrhaus, ein liebe«, 
treues, gottergebenes ©ottcsfiiib. Soch buben 
bie Minber ©otteS bi« unten auf (Srbeti noch 
ihre ©chmächen uitb ©ebrechen, unb ber bimm» 
lifdje ©ater muß mit ben Unarten feiner Äiitber 
biel ©ebulb buben unb fie mit großer Sangmutb 
unb ©armberjigfeit tragen. CberlinS ©cpmie» 
germutter batte eine Unart an ficb, an ber Diele 
©otteSfinber leiben: @ie fanitte baS britte @e= 
bot mopl, troßbem rief fie bei jeber ©egebenbeit, 
meint fie eine ©enigfeit hörte, erfdjrat ober über» 
rafcht mürbe: „©d) ©ott!" ober : ,,©d) $err 
3efuS \“ 

Oberlin hörte baS unb fpram in aller Siete 
mit ber ©tutter, baß fie bamit baS britte ©ebot 
übertrete unb ben ©amen beS ^errn mißbrauche. 

! Soch entfdhulbigte fie fi<h bamit, baß fie nichts 
böfeS babei beute, unb baS nur eine ©ngetoobn» 
beit fei. Set fierr merbe ihr baS nicht anrech» 
nen, benn er miffe, baß fie ihn liebe u. f. ro. 
Oberlin butte oft mit ber ©lütter gerebet unb 
fie gebeten, biefe Unart ju befämpfen. Soch 
afleS mar oergeblidj, immer entfdjulbigte fie ftch, 

! baß fte nichts böfeS babei benfe. Oberlin mar 


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SonntagfdjuUfffettonm. 


335 


baS feßt fdjmer, befonberS nud) feiner Sienft» 
boten unb Äinber roegcu, melcbe baS böfe Sei« 
fpiel täglidj Dor fid) butten. Gr fnnti auf SJtit» 
iel unb 3Bege, bie Wutter Don biefer Unart ju 
befreien. 

hinter bem £)aufe mar ber ©arten mit einer 
fjflieberlauhe. Siefe mar ber Wutter SieblingS» 
plaß. Sort faß fie geroöbnlidj unb ftridte. 
Cbertin batte grünen föoljl im ©arten, ber 
febr Don Staupen beimgefndjt mürbe. Sa fam 
ibm ein flliicflieber ©ebanfe. Sie SJtutter batte 
nach bem Wittagefjeu ibr SJläßleiit in ber fjlie» 
berlaube roieber aufgefudbt, als Oherlin erfdbien 
uitb anfing, bie Staupen Don feinem Äoljl 311 
fudben. Sei ber erften Staupe rief er: „Sd)mie= 
germutter, febon mieber eilte Staupe!" unb jer= 
trat fte. So rief er bei jeber Staupe: „Sdbroie» 
germutter, febon mieber eine." Sa fagte bie 
iötutter: „Stber, lieber Oberlin, tobte bodj bie 
Staupen, unb rufe ntidb nicht bei jeber Staupe." 
Oberlin ermiberte freunblidb: „Siebe Wutter, 
i<b bente nichts böfe» babei; bu meißt boeb, baß 
i<b bid) Heb habe. Scbmiegerniutter, febon mie» 
ber eine!" Sarauf fagte bie SJtutter Derftimmt: 
„Oberlin, id> Derbitte mir baS. SSaS fümmern 
mi<b beine Staupen?" Oberlin antmortete 
freunblidb: „Siebe SJtutter, icb benfe gemiß nichts 
böfeS babei; bu roeißt bodb, baß icb bid) lieb 
habe, Schwiegermutter, febon mieber eine!" 
Sa erhob fid) bie SJtutter, nabin if)re fjußbanf 
unb ging jornig in’S £auS. Oberlin folgte 
ibr uttb fragte freunblidb, was if»r fehle, fie febe 


Derftimmt unb mißüergniigt aus. Stun machte 
fie ihrem Unmutb Suft unb fagte, fie fei eine 
alte fjrau unb laffe fid) nidbt üerfpotten. Ober« 
litt folle fid) als '-jßaftor unb Sobtt fdbäinen, fidb 
foldbe Sdberje mit feiner SJtutter ju erlauben; 
fie föitne feine #anb(ungsmeife audb gar nicht 
Derfteben, ba er fie fouft fo juDorfommenb unb 
liebeDoll bebanbfe, aber fie fönne es nicht bulben, 
baß er fie 311m ©egenftanb feines Spottes er» 
lefen unb bei jeber Staupe ihren Stamen rufe, 
boS miiffe er felbft einfeben, unb fo jürne fie mit 
Stecht, u. f. m. 

Oberlin ließ fie auSrebeu, ergriff bann ihre 
£>anb unb fagte, baß er fie nicht habe träufelt 
mollcn. Socb menn fie, ein armes, fiinblidjes 
©efdböpf nicht ertragen fönne, baß ihr Stame 
unniiß geführt merbe, mie bann wohl ber 
Äönig Rimmels unb ber Grbe fidb föitne gefal» 
len taffen, baß fie 3al)r aus, 3at)r ein täglid) 
fo unjnblige Wale feilten Stameit leidbtfinnig 
auSfpredbe unb unnüßlidj) führe, u.f. m. Sä 
reichte fie ihm baufbar bie £>anb unb Derfpradb, 
Don nun an jene Sünde ju befampfen, unb 
Oberlin fülle iljr treulich helfen. SBirflidb 
fampfte fie tapfer unb mit Grfolg, unb mcnit 
fie einmal mieber leichtfertig ben Stameu beS 
fjerrn auSfprad), fagte Oberlin nur: „O Schmie» 
germutter!" unb baS genügte, bis fie fcbüeßlicb 
biefen böfen f^einb übermunben hotte. 

Sieber Sefer, boft bu auch mit biefer Unart 
ju fämpfen, bann benfe an CbetlinS „Sdbmie» 
germutter". (Siadbbat.) 


* 


$onnta$fd)ul -- Rektionen. 


SonittoBi 4. 3mii 1882. Warf. 9, 2—13. 

Dtc SBerflätuitg. 

Gintriteitbe ©emerfungen. Bum ridjtigcn 93er= 
flänbnifj biefer tvunberbaren Gegebenheit ift vor 
allem nothivenbig, bafi man ben rechten ©taiibtninft 
ber Seurtheilung gcnuiinc. SSoit vorn herein m- 
nitfunoeifen finbbaherallcbieienigen 9luffaffungeii, 
n>e!d>e bie Gegebenheit auf einen 2 r a u in ober eine 
o p t i f dj c SE ä u f dj u n ß ,uirütfführen tvolleit. 9lber 
and) bie Annahme einc3 9Bvtbu3, ober einer 
3 >ifioit ftnb entjcbiebeit ju verwerfen; ba3 erftere, 
lveil bie heilige ©dnrift feine SKotben, fonbern ge- 
fchkbtlidie 3;hatfad)en erzählt, unb iveil übetbie3 bie 
®cfdjichtc ber 9?crflärung felbft Büge enthält, bie 
icbcr mpthifeben 9luffaffung iviberftreiten. ©o bie I 
hei allen Svangcliftcn vorfommenbe genaue Beib= 
angahe (93. 2) unb bie unmittelbar barauf folgenbe 1 


Teilung beS monbfitebtigen ff naben. ®er An¬ 
nahme einer Sifion iviberfpricbt bie Shatfacbe, 
bafc mehrere Gcrfoncn sugleicb biefelbe Srfchcinung 
ivahrnahmeu unb überbie$ mehrere, bie auf gan* 
verfchiebeitcn ©tanbpunften ftanbeit, ivie PhriftuS 
unb feine brei Sünger. Unter folchen ilinftänbctt 
lä&t fid) an eine SSifion gar fchlcchtcrbing$ nicht 
benfen. ®enn ^utn Bnftanbefoinnicn einer SSifioit 
ift eine entforecbenbe Wemfith^crregung nothivcnbig, 
loeldie einen fWeis auf baö ©inneoorgait auöüht unb 
fo bao „Weftd)^ eräugt. ®afe nun aber bei tnch= 
reren $crfoncn, n>eld)e fid) überbic^auf gana ver= 
fchicbcnen ©taubpunften befinbeu, üu berfel= 
ben 3cit biefelbe ©einfith^erregiing eintrete unb 
in ftolge beffen biefelbe SBifion cntftchc, ift rein 
unbenfbaT. 28ir muffen alfo bei bem einfachen 
SBortfinn ber Cfr>ählunß ftcheit bleiben unb biefelbe 
alS gcfd)id)tlid)e 2hatfad)e anfehen. 9113 
folihe hat bie ffierflärmig eine boppel te ©ebeu= 


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326 


Sonntagfdjul^ektionen« 


tuttß. ftür^ (Sr fte ift fie eine feierliche ©eßtam 
bißiittß xtcfu vor bett brei 3uitßcritt tvclcbe bei ber= 
felbett ßeßenivärtiß umreit, 3« biefer ©esicbuttß 
bat bie ©erflärttiiß ihre altteftamentlicbe ©arallelc 
tu ber ©efd)id)tc 3Rofi3j bev mit 31 a r o tt, 91 a b a b 
tutb 3(bi b u beit Sinai beftien, bafelbft ba3 ©efefe 
cim>fiitflf uitb beffett 3lntlife von foldtcut ©lause 
ftrablte, bafc er e3 vor beut ©olfe bcbcdctt inufjte. 
So (thriftu3 hier. Sein 3Bort ift ba3 ©efefe für 
bie Sciucu. §rür'3 3iveitc aber bat bcr©orßauß 
attdj ciuc Scbcutuiiß für 6 b r i ft um f e l b ft. 63 
hübet ein ivid)tißc33D?üineiit in feinem 6ittiuidluitß3= 
ßattßc, tvie bie Saufe uitb bie ©erfudtttitß. SBic 
er eiitft bei feiner Saufe fidj tbatjäcblicb jtir Ueber= 
ttabitte be3 ©crföbnuitß3tobc3 bereit crfldrt tntb 
biefc Soreitioillißfcit itt ber Uebcriuiubittiß ber ©er= 
fudmttß foßleid) bewährt batte, fo batte er e3 nun 
beit fünftem tvieber erflärt, baft er von beit Ober= 
ftcit ber 3ubcit vertvorfett ttnb ßetöbtet tocrbeit 
tverbc (3Karf. 8 , 31 ), ttnb and) hier batte er bie im 
3ßorte©etri ließcnbe ©crfudjuitß, fid) bem Sobe 
Alt entliehen, itbcrnmnbcit. 2Bie einft bei berSaufe, 
fo ertönt baber auch iefet uueber bc3 ©ater3 Stimme: 
»,® i c 3 i ft mein lieber S o b n" k. 3eben= 
fall3 biente bie (Sriitneruitß an biefcit ©evßaitß bettt 
©errn in feinem Scibctt suitt ßro&ett Sroftc. 

I. Sie brri ^ettßnt. (©.2.3.) ®. 2: ©etru3, 
3 a f v b u 3 u n b 3 o b a it it e 3. ® ie Stellung 
Der3»ttner g« ber©erfon 3efu toar eine vcrfd>iebcne. 
®ie brei genannten 3ütißer erscheinen itt ber cvan= 

S äften ©efebidtte beutiid) a!3 ber nähere !frei3 
. 2ßic fie hier feine ffierherrlicbuiiß anfdtam 
tcit, fo fpäter (3Hatth. 26, 37) fein ticfftcS Seihen. 
®er ©rtutb biefer Scbeibuitß, bie ber Cfrlbfcr unter 
ben 3ivolfcit inadtte, tvar offenbar nicht ©Sillfür, 
fonbertt innere ©erfdtiebenbeit ihrer 3(itlaßeu uitb 
©erufttitß, tveldte beim and) eine verfdiiebene 6r= 
sichunß nothtoenbiß tnadtte. 3(it eine ©cbciittlebrc, 
welche ber .öerr nur biefett ®veieu mitßethcilt batte, 
ift iebod) ßctvift nicht su bettfett. ©aßcßeit beruft 
man fidt mit 9techt auf ba3 befoitbcr3 innißc ©er= 
hdltnifi 3efn au biefeu brei 3ünaern a!3 © e tv e i 3 
ber © e r e dt t i ß tt tt ß b e 3 5 r e u tt b f dt a f 13= 
v c r h ä 11 tt i f f c 3 neben bem ber hvübcrliehctt 
• Siebe. 51(3 Ort ber ©erflärunß nennen bie ©van* 
ßclifteit einfach einen hoben ©erß. ®ie alten 
SJirdjenlehrcr baebten an beit ©erß S b a b or. Sidicr 
ift iebod) biefc Sluitahiitc fcine3tvcß3. 

3: SSdbrenb 3cfu3 betete (Suf. 9 , 29 ), ßinß 
eine ©cränbermiß mit feiner ©erfon vor, fein 31 tt t- 
l i b u tt b fein Ö e tv a n b e r ß l ä n s t e tt. Ob 
biefer ©laus ein innerer tvar, ober ein von 
au ften fommenbev, tvirb nicht ermähnt. ®a 
nach Sttf. 9 , 31 and) 3Kofe3 uitb 6lia3 ßlänstcii, fo 
haben mir uit3 tvobl bie ßattse Scene a(3 von Cicht- 
ßlans erhellt su benfen, tveil ba3 ©öttlicbe uitb 
ßimmlifdtc fief) immer in biefer ftorttt beit 30?en= 
fcbeit barftedt. ©ei ber Werfen 3efu haben babei 
mir mobl beibe3, innere^ ttnb ättficre3 Cidtt, ver= 
cinißt su benfen. 6r tvar beftrablt von beut au3= 
ßeßoffenen Sid)t, aber auch felbft ftrablcnb. C?3 ift 
eine natürliche Sttmbolif, ficb ba3 ©öttlicbe licht su 
benfen, unter feinem 3Solf ntib in feinem 3nbivi= 
buitm crfcheittt .Oimmlifcbc3 finfter. ®ie 5V*ülle be3 
©lanse3 beseidmet bie Dleinbcit ber Öffcnbaruitß 
be3 ©bttlidien.in (^brifto. 

II. Stesmti ^Cilißcn. (®. 4—6.) 3)i of c3 uitb 


61 1 a 3, stvet ©auptre))räfctttanten be3 alten ©um 
be3, erfdjeitten att biefetn etttfdteibenben ffieitbeiMiuft 
be3 Scben3 3cfu ttnb bcf^rceben ficb mit 
i b ttt (ttad) 8ufa3) über b c tt 31 u 3 ß a tt ß, b e it 
er t it 3 cr u f a Icin nehmen feilte. ®er 
alte tntb. ber neue ©uitb reichen eittaitber hier 
bie föänbe. ®er 3?erfbbituiiß3tob ßbrifti ift bie 
ßro§e 6rl6fuitß3tbat @otte3, auf tvelche fdmit im 
alten Seftainent ba3 ©efefc tntb bie ©ropheten bitt^ 
ßetviefett batten. 9){ofc3 tiub Rliaö crfchcinctt al3 
©otett ber bbberen 3Selt. ®ie uitfichtbare 2?<elt 
raßt herein in bie fidttbarc, ber Fimmel fenft fid> 
herab auf bie ©rbe. Offenbar feilte beut (Srlbfcr 
noch vor feinem Seibett feine ©cnlicbfcit tbatfäddicb 
ßeseißt tverbett surStärfuuß auf ben bevorftebenbett 
£atnbf. 3?acb Sttfa3 mürben bie brei 3üitßer 
vom Sdtlaf üb er mannt, a!3 fte bie ©erflä- 
rttitß be3 fierrn fabelt, madtten aber tvieber auf, 
tväbrenb 3)iofe3 uitb C^lia3 mit ibnt rebetett. ©betifo 
übermanut fte ber Schlaf beim Seibett 3cfu tit 
©etbfcmatte. ©rojjc @ctnütb3bctvcßuiißcn, ^veube 
micSdmtcrs enttübett. 3lber nichts famt unricte 
tißer fein, al3 au3 biefcitt fdtlaftrnnfenen Btiftatibe 
ber 3üttßer auf ihre Unfäbißfeit, ridttiß su beobad)- 
teil, su fcblicfectt. ®ie SBabrhaftißfcit ihrer (Srsdb' 
lutiß ruht ia offenbar ttid)t fotvobl auf ihrer ©c= 
obadttuitß, al3 auf bem ttachfolßenbcu ©efvrdd) mit 
3cftt. hätten bie 3iüißcr ficb ßetäufdtt, fo hätte 
bie Jöabrbaftißfcit 3cftt fie ßetvifj fofort cnttäufcht. 

®. 5: ®ie SBorte be3 © e tr u 3 ('ber and) hier 
tvie fenft für bie anbeven 3üitßcr ba3 SBovt evßreift) 
brücten bie innere ©ehnfud)t nach bem 3feid>e @ot= 
tc3 ati3, in bem bie $eilißcit mit ben 3(ufevftaube= 
neu etviß um ben Ferrit fein merben. 3tibcnt ©e- 
tru3 von brei ßütten fbricht, ftcllt er fich unb 
feilte smei ©cfäbrten befebeibett a!3 ®icner ber 
® ret iit beit ©intcrßvunb. ®ie aaitsc govitt ber 
3(ttrebe seißt aber flav, baß ©ctru3 3cfmtt al3 bie 
erftc S*ißttr in bcitt ©ilbe erfannte. ®ic 9?e^rä= 
fett tan tcit be3 alten ©ttnbc3 erfdteitteit ihm nur al3 
unterßcorbnet, al3 ©oten be3 bitttmlifebett ©atcr3 
an beit Sohn. 

®. 6: ®ic ©vbabenheit ber Scette erßriff bie 
3üitßer fo mädttiß, baft ©^trti3 ver Staunen ttnb 
bcilißcut Sdireden fatint mufete, tva3 er faßte. 

III. nttelit. (©. 7—13.) ®. 7: ©lo^ 

lieh veranbert fich bie Scene tvieber. ®ie brei 
3üttßcr felbft, bie binsußelaffcit marcit, 3cfutn iit 
feiner ^errlidtfeit s« fdtattcti, tvcrbcit bmd) eine 
iid)tc 28olfe att3ßefcbloffett vott ben ®reiett. 
®ic®olfe tvar bie Scbecbittab, ba3 Sinnbilb 
ber ßöttlidten ©eßenmart, iit bie 2)?ofc3 bineintrat 
auf bem ©erae Sinai (2 5Diof. 20, 21) uitb bie ficb 
itt bie Stift3bütte unb itt ben Scmvel uieberliefe 
(2 9Rof. 40, 34). ®ic Stirn ttte ift bie Stimme 
b c3 © a ter 3, tveldter 3cfu iefet sunt stveiteit 3Kale 
beseitßt nicht nur, bah cv feilt ßcliebtcr Sohn 
fei, fonbern auch baft feine ßanje bioberiße Vebett3= 
entmidluttß tittb Sbätißfcit mit feinem (be3 95ater3) 
3Billeit übereiitftimmen („an bem id) SBohlßefallcn 
habe"). ®aft bie3 aerabe iefet ßefdticbt, ba ficb 
3efu3 attfdiidt ttad) 3cnifaletit su ßebett, um bort 
sit fterben, ift bebcutitiiß3voU. ^ätifiß fchettft ber 
Öerr beit Seinen ßerabe itt ben 31iißcnbliden, ba fte 
ihm alle3 su opfern ittt ©eßriffe fteben, bie ßrb§tc 
©laubeit3freubißfeit unb §eil3ßctviübcit. ÜJJit bett 
9Bortcn: „bett follt ihr 1)5reit!" tvirb ber 


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SonntagfdjulrjPehtionett. 


327 


meffumifcbe ©otteSfobn aum ßerrn unb ©ebieter 
ber 2Belt einflefefet. 3ßaS ihm ciuft ber SScvfucftcr 
»orflehalten batte (3Ratth. 4,8), baS fdjenft ibm 
biet ber Schöpfer alter ©ittfle. ftür 93 e t nt S aber, 
unb and) für unS, enthalten bie SBortc: „ben 
füllt ibr hören!" eine ßrinneruttfl baram bcfj bie 
^tiiiflet 3efu auf ßrbett nicht aum „©eittcfien," 
fonbern aum „© e b o r ob c n " berufen fiiib. 95Bohl 
bürfen mir battfbar fein, wenn ©ott unS folcbe 
Sftaborftunbcu erleben läftt; aber babei bürfen mir 
nicht »erfleffen, ba§ bie 3eit aum „ßüttcubauen" erft 
bann foutmen wirb, wenn wir ben 93rüfuitflöftanb 
mit bem Staub ber ipetrlicOfeit nertaufebt haben. 

®. 8: 9US bie 3üttfler bie Stimme aitS ber 9tooife 
»eritabmen, entfdbwanb ihnen (nach 3Ratth. 1?» 6 
unb 7) baS 23ewu§tfcin, fie fanten auf ihr 9littlife 
itieber unb alS fie in ftolflc ber 93erührtutfl 3*fu 
wiebet au ftch fattten, faben fie SR i e m a n b nt e b v, 
a l S 3 c f u nt allein, ©er ßen bebarf feinen 
Süitßcrit fleaettüber ber ffiefllaubifluna bttrd) 50?ofe§ 
tntb ßliaS uiefit mehr. ®ie <yeierftuubc an ber 
Schwelle beS ßimmelS ift »orüber ttttb mit ihr fiitb 
auch bie 93oteit auS ber attbern SBelt »erfdfmunben; 
aber3efuSbleibt. So fcbwtnbcn attcb unfere 
Shaborftuubcn, unb an bie Stelle ber feliaen Ruhe 
im ßerrn tritt ber Stampf; 3efuS aber bleibt bet 
tittS auch int Stampfe. 

®. 9 «üb 10: ©er ©nntb, warum ber ßerr ben 
brei Jüngern, welche 3euflcn ber 93erflänutfl fle= 
mefeit waren, »erbot, »ott biefeut ßreifluifc »or 
feiner 91 tt f e r ftc b tt tt fl au rebett, lieat wohl baritt, 
bah baS rechte 93erftänbitift biefeS ßreiflitiffeS für 
ben weiterett 3üitflerfrciS erft bttreh bie 9luferftehintfl 
»ermittelt werben fonittc. UeberbieS wäre eine 9Rik 
theilmtfl an bie anberen 3ünfter and) eine 2Rit- 
tbeiluna an 3ubaS flewefen unb hätte attbern leidtt 
Reib unb SRifeflUitft errcaeit föttnen. ®aS 9?olt 
aber war »ollettbS ber rechten Aufnahme bieferSRit- 
thciluna niefit fähifl. 

®. 12 ttiib 13: ®ie ßrfdtetntuifl beS ßliaS er= 
innert bie 3üttfler an bie SBeiffaauna 3Ralcad)iS 
(3,1) »ott bem Vorläufer beS SReffiaS, welcher 
nach ber StuSlefluna ber Schriftaelehrteu ßliaS 
fein füllte. 9luf bie ftrafle ber 3üttflcr, wie eS ftd) 
bantit »erhalte, baff ßliaS »or bem SReffiaS fottt- 
mett mftffe, antwortet ber ßerr ,au et ft bireft, bafi 
eS mit ber äBciffafluna beS 3Ralead)i.allcrbhtflS feine 
Ridjtiflteit habe, tntb bann mit ber ©eaenfraae: 
„Unb wie ftchet flefdjriebett »ott bent 
SRenfchenfobtt" tt. f. w. ©arattf folflt bann 
93.13 berUnterfafe: ßliaS ift mirflidj in ber 
9ßerfon beS Johannes »or bem 3ReffiaS flefont = 
mcit nach ber Scftrift unb fie bahett an ihm 
fiethan, maS fie'wollten, ©er barattS au 
aiebenbe (aber nicht auSflcbrürfte) Sdtlufi ift: 3Rit= 
hin (ba beS ßliaS ©efchicf bereits erfüllt ift) ftcht 
nunmehr aud) beS 9(ReffiaS fchriftaentäftcS 8ebenS' 
fcbicffal be»or. 911S Reformator ber alttcftamcnt- 
liehen Kirche unb alS ©nfiprebifler mar ßliaS ein 
befonberS paffeitbcS 93orbt(b auf bett Säufer 
3ohatt iteS. 

Sityoftttoit. ®ie 93ebetttuitfl ber 93crflä= 
tu na 3cfu für ttttS. 

I. Sie ift ein ttitwiberf»red)licheS 3ctta= 
ni§ für bie ©ottheit Khvifti. 

1. Unter ber ffinedttSaeftalt beS 3Rcnfchett iü bie 
©errlid&feit beS SobneS ©otteS »erborflcn. 


2. ßbriftitS ift beS ©efefeeS Sttbe; in ihm ift baS 
©efeb unb bie $ro»beten erfüllt. 

3. ©er 9?ater hat ben Sohn lieb unb bat ihm 
alles unter feine &attb awbett (9S. 7). 

II. Sie aciflt ttttS, wie ShriftuS feinen 
Süttflcrtt fd)ott btettieben btircb einen 
®orflefd)inad ber himmlifcbcn Seliflfeit 
bie itötbiae ©laubcnSftärfutta für be = 
»orftebcitbe fdjwere fieiben unb £ätu»fe 
flieht. 

III. @ic ift bett ffiitbertt ©otteS ein 
Untcr»fanb ihrer autünftiflen ßcrrlidt = 
feit. 2lud) wir füllen einft einen »ertlärteu Ceib 
euibfattfleit. ©iefer Jperrlichfeit füllen wir ftreben 
toürbifl au werben, ©teniebeit bürfen wir aber nid)t 
unfern ßimmel bauen; tmferßimtnel iftbroben. 
9Ber bawott einen SSorflefdmtatf wüttfdtt, ber weihe 
fid> flatta bem ßentt uttb lebe im ©ciftc beS ©cbetS 
(8ut. 9,29). 


Soitntafl, 11. 3unt. 9Rarf. 9,14—32. 

hit Reifung monbfii^tfgeti tnaben. 

I. ®er frattfe INaBe. (9S.14—20.) 93om93erfle 
ber 93crflärmtfl, auS beut offenen ßitntncl fommt 
ber ßerr herab itt’S 3nmmerthal unb finbet ben 
Jammer einer »or anberen fchrcdlidtett 99efcffcnheit. 
©iefer ßontraft ift ein treffenbeS 93ilb beS SöcdtfelS 
ber 3uftäitbe im mcttfd)lid)en 8ebcn» t»o ©cfübl 
»ott Seliflfeit uttb hcraaerreiftenber Sdtmcra, wo 
ßcrrlidtfcit unb ttnauSf»red)lichcS ßlettb oft fo 
fdmell mit eittattber wedtfeltt. 

®. 14 «uh 15: 9Bährenb 3efuS auf bent 93erfle 
bie hödjftc ßhre »ott feinem himmlifdtcit 93ater er^ 
halten hatte, batten ihm feine aunicfflcbliebenen 
3üttfler Uucbre »or feinen föcinben bereitet. Sie 
hatten einen fraitfett Äitabcn niefit aeftittb machen 
föntteit. Rtttt erfcheitit er felbft auf ber Scene fllcid) 
einem arofieit ^cibberrit, beffen utiterfleorbnete Of= 
fixiere in feittqr 9lbwefenhcit eine Riebcrlafle erlitten 
hatten, unb flieht bent fteittbe att »erftehen, ba§ er 
eS fortan nidtt mehr mit bett 3uuaern, fonbern mit 
ihm, bem SIRcifter, au thmt habe. ßS ift bicS ein 
9lbbilb »ott bem ffambfe ber Äircfic ßbrifti mit ihren 
f^einbcit. 9luf fich felbft attfletoiefett, ift bie Sfircbe 
fcfiu'acfi tntb hinfloS, unb weil fie fo oft auf ihre 
eiflene ATraft »ertraut, muft üe fiefi fo oft ihre fehler 
unb 90?ättflcl unb bie ftritdrtlofiflfeit ihrer 9ltt= 
ftretiflunacn »orwerfett laffett. 25eitn aber ber ßerr 
felbft in’S SRittel tritt, bann fehlt ber Sicfl ihr nie. 

®. 16-18: 9lttf bie55raac3cfu(ffi. 16) ant^ 
wortet beS A?inbc^ 93atcr. 3d) habe meinen 
Sohn heraebrad)t au ©ir. ßr fuchte bett 
ßcrrit, U'o feine 3üttfler waren, ©er hat einen 
f»rachlofeit ©eift u.f. w. ®ic Sdülberuna 
ber .Q rauf heit paßt für bie ß »i l e»f i c (iya llf tidü), 
bie fiefamttlich audt bäitfifl bttnh beit 9Rottbt»echfel 
becinflufd wirb ßSRatth. 17, 15). ®aS Ahtirfdjett 
unb Schäumen unb baS ßinfdtminbcn unb ßin= 
toclfcit beS ffranfctt malt feinen 3uftanb anfrham 
lieh. ®ie ßranHieitSerfdteinunactt banevteit übri^ 
acnS’nicbt ohne Untcrbrechuna fort, fonbern ftellteit 
fiefi in einzelnen 95arw;iSmcti (Unfällen) ein, wie bieS 
bei ber Sallfttd)t flcfdfiicfit. Srofebent ift bie ß»ile»fic 


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328 


SountajfdjuUffkttonen. 


nur bie äuhere SrfdteimmgSform ber Äranfheit beS 
Äitabeit, ihr eigentlicher ©runb liegt tiefer, uämlidt 
in ber ©efeffenheit burd) einen „fpradtlofeit ©eift". 
Sie Säuger, weldte fouft wohl fdtoit Teufel au3= 
getrieben batten (©Jatth. 10,8),_ vermieten Vielen 
Änaben nicht von beut bofen ©cifte au befreien. Ser 
©lief auf bett fdtredcnerregenbeit 3uftaitb beS Trau¬ 
fen machte fie versagt; viellcidtt waren fie auch in 
ber lebten Seit int Saften ttnb ©eten träge gewor- 
beit, jcbcnfallS war ber bofe (Seift auf ihr 2Bort 
nicht gewichen, unb bic Svlge bavoit tuar ©efd)ä= 
inuitg vor beut ©olf unb ©fihtraucn fielen beit 
. 3)ieiftcr. SS tvar bie bvdjfte 3eit, bah ber ©err 
baawifcheit trat. 

®. 19 nub 20 : Sie 2Borte: O b u tt tt g l ä u = 
bigeS ©efdtledjt u.f. tv. finb uid>t au3fd)lieh= 
lief) au bie Säuger gcridttet, fonberit and) an baS 
©olf. Sie Sänger erfdteinen jebod) al3 bie Meprfc 
feittantcn ber ©efammtheit, baher trifft and) fie bie 
Mäge am ftdrfftcn. Sie 2Borte Sefu taffen uitS 
einen tiefen ©lid in fein ©eva hinein thtut. ?lll ber 
Streit, bie Sclbftverläugming, bie Äraftanftreiu 
guug, bic e$ feiner gicbe foftete, um fortwähreitb in 
einer Umgebung au tvcilctt, bic iit allem baS ©egett- 
theil von feinem inneren gehen unb ©trehen tvar, 
fliitgt in bemfelhcit itt uhextafdtettber 2Beife butch. 
Unfer Unglaube betrübt bett ©errn unb erfüllt ihn 
mit SBcbmuth. ©ringet ihn her au mir. 
Siefer ©efchl ift fotvohl an bie Sänger tvic att bett 
©ater beS Äranfcn gcridttet, unb ift ein hevriicbeS 
3cugitih von ber auverfichtlichcit Muhe uitb Sicher* 
heit Sein. ShriftuS fann in allen Sagen helfen, 
ißdre ber ©taube ber Sänger rechter 2lvt gewefett, 
fo hatten fie beit ©efeffeiien itt ©erhiitbuitg mit ber 
©eilfraft Shvifti bringen fönneit, ob er fdtoit per= 
föiilidt abtvcfcnb toar. 2lllc unfere ©emühitngen 
um bie ©efchrung Zuberer bleiben vergebend, fo 
lauge wir fie nicht au Shrifto bringen. SaS „©rin* 
fielt au Shrifto" aber geidtieht ittt gläubigen ©ebet. 
SerÄitabe wirb autit ©ernt gebracht, 
aber bei ber Slnnäbcriing wirb er von einem furcht¬ 
baren ©aroxiStnuS ergriffen. Ser Seufcl, ber feine 
©errfdtaft über bett Ävanfett bebrohtjicht, ftränbt 
fidj itt mad)tlofent ©riutme gegen bic Uebcrmacht 
be3 Ferrit. So guält ber Satan wohl auch bufc 
fertige Seelen mit furchtbarer 9(ngft uitb peinigen* 
bett 3u>eifcln, wenn fie amn ©eilanb fomincn, um 
bei ihm Muhe für ihre Seelen au fliehen. 25ic bei 
betn ©ergefener, 9Rar t. 5, 9 ff., beginnt SefuS nun 
aunddnt ein ©efvrdd) unb awar hier mit bem ©a = 
ter, wegen ber ©ewuhtlofigfeit beS überbieS ftuiu* 
men (©. 16) Änaben. Siefco ©efvrädt follte bic 
wilbe Slufrcgung ber ©entütber bcfdjmidttigcu unb 
3uverfid)t ein flohen. Ser ©ater befommt nun ©e= 
legenheit, baS Selben beS iittglücfliehen ÄinbeS au 
fchilbent. Sie Äväntpfe bebrohtett fogar feilt geben 
oft attgcnblicflicb, inbeut bie feinbliche D3?ad>t bie= 
felbctt baau bcnufetc, beit Ära tt feit in’S 33a ff er 
ober fetter au ftüracn, um ihn au tobten. 

II. Xtx ©faubcbeS ®ater§. (©. 22—24.) ®.22: 
Ser uitglüdlichc ©ater fchlieftt feinen ©ericht, ber 
ihm bie gan.ae Moth beS geliebten ÄinbeS vedtt (eb= 
haft vor bie Seele geführt hat, mit ber faft vor¬ 
wurfsvoll flingettbett ©itte: Ä a tt tt ft S tt etwaS 
u.f. w. SS ift nidit völliger Unglaube, ber auS 
biefen 23orten fpvid>t, wohl aber ein 5DJangel an 
© e r t r a tt e n, ber btirdt ben -fehlgeicblagenen ©et* 


(ungSverfuch ber Säuger mehl noch vermehrt wer* 
beit war. 

®. 25: Ser ©err, ber baS amifdten ©laubeit 
unb ©cvawciflitng ritigettbe ©era beS armen ©?ait= 
tieS fenttt, antwortet barnit, bah er ihm bie all' 
ve.rtnögenbcÄraf t beS ©lattbenS anpreift 
unb ihn auttt ©latibeit aufforbert. Mun ruft ber 
Uitglüdlichc (auch faft in frampfhafter ©eweguttg): 
Sd) glaube, ©err, hilf meinem Unglau* 
Gen! So wirft hier ber Srlofer snerft bei bem ©a= 
ter beit ©laitbeit, che er ben Sohn heilt. 2lttS bem 
Miitgeu ber Sehnfucbt tvirb in ber glaubeitSlceren 
Seele burch bie Unterftüfeung Shrifti bie Äraft beS 
©latibcnS geboren, unb bie Öftlfe tritt ein. Srft 
auS ber Ueberaeuguitg von uitferem Unglauben cnG 
fpringt ber rechte lebeitbige ©laube. Welcher Untere 
fd)ieb awifdteit beut blonen ©itteu um ®ülfe uttb 
bettt feften ©tauben, bafe uttfere ©itte gewährt 
werbe! Unfer ©itten ift fruchtlos, bis tvir fühlen, 
wir müffeit um ©latibeit bitten. Ser ©ater beS 
9Konbfüd)tigcn weift iefet, bah feittetn Sohne ge= 
helfen ift, weiHt nur feinem Unglauben geholfen 
wirb; baher ber 9litgftruf: ©ilf mein ent Uu = 
glauben! Siefc Stelle giebt uitS beit Sdilüffcl 
iit bie £anb aur ©eantmortung ber Srage, in wie= 
fern ber ©laube itt ber hl. Schrift halb alS©abe 
©otteS, balb alS Shat beS ©iettfehett be* 
aeidmet toerbe. SeS 2)2cnfchcn Sadte ift baS 
„©tauben = 23 o 11 e tt". 23er erttftlid) gläubett will 
unb mit bem ©ater beS 2)ionbfüd)tigen ben Ferrit 
bittet: ©ilf meinem Unglauben! betn f dien ft ber 
©err bie Äraft auttt redeten ©latibeit. Sbeu barttm 
ift ieber SO?enfch fclbft bafür verantwortlid), wenn 
er nicht auttt ©laubeit fotnint. Ser ©laube ift alfo 
alletbittgS eine ©abe ©otteS, aber eine ©abe, 
bie Sebent auShcil unrb, ber nad) ihr verlangt 
unb um fie bittet. 2J2it bem Siebet unt ©tauben 
muh aber auch bic Itebung ber bereits vorbaitbe= 
neu, wenn and) nod) fo geringen ©laubeitSfraft 
verbuitben fein. SieS aeigt unS gleidtfallS ber 
2Kamt itt nuferer geftioit. „Sch glaube," ruft 
er, b. h. ,,id) will’S verfuchcn au glauben, will mir 
alle 9)?ühe geben; aber hilf Su!" 

III. iic ^ülfe M #etm (©.25—32.) ®.25: 
Sin fprad)lofer unb taubcrSeift wirb ber 
Sämoit genannt, von ber 2Birfung, welche er auf 
ben ©efeffenett hervorbrad)te. Ser Srohuttg uitb 
bem fflcfehlc Seftt muh ber Scttfel tveichen. 

®. 26 unb 27: freilich weicht er nicht, ohne itod) 
einmal feine gattae ©oSheit unb 2Bilbbcit au offene 
baren. Seine SIbficht war ohne 3meifcl, ben Äna= 
ben untaubringen, ehe er von ihm atiSfuhr. Ser 
©arosiSittuS enbigte baher auch mit totaler 5lb= 
fvattitutig aller Äräfte. Ser Ättabe warb fo cr= 
fchopft, bah ©iele ihn für tobt hielten, unb bie ©e= 
rührttttg Sefu ihm wicber gebenSfräftc einhattdtte. 
So geht ftetS ber Srlbfung ein heftiger Sntfchei^ 
bungSfampf voraus, bei bem fich alle Äräfte beS 
©ofett regen. 9tber wo bicfelben auf'S ©öchfte ge- 
ftiegeit au fein f d) e i tt e tt, finb fie wirflid) am 
fchwächften. 

©.28 ttnb 29: 2?ad) ber ©ciluttg beS Änabeit 
traten bie Sünger au Sefu unb fragten ihn befon- 
VcvS, wcShalb fie ben Äranfeit nidit hätten heilen 
foiincn. Ser Sinn ber Antwort Sefu ift: Siefer 
hartuädige jfteiitb tvar nicht fo, tvic maitdter anbere 
au äbertvältigen; eS beburftc au feiner Ucbertvinbung 


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SonntQQfdiul^fhtionetu 


329 


cined höheren ÜRafied von ©laufen. 3 hr hättet 
mit ©ebet uitb Reiften (bad Saften ift babei 
ald beßleiteiibeö Äräftigungdmittei bed ©ebetd ge= 
bacht) ernftlicher nach mehr ©laubendfraft ringen 
muffen, bann hättet auch ihr liegen fönnen. O wie 
oft fehlt cd und blöd am ernfteu ©ebetdringen, wenn 
wir über ©laubendfdnväche unb SDfangel an firaft 
jiim Steg über bie ©ünbe f lagen! Dad ©ebet bed 
©ererbten vermag viel, wenn cd ernftlid) ift. 

®. 30—32: &n bie Heilung bed monbfücbtigen 
ffnaben fchließt fid) auch nad) SRatthäud eine neue 
Serfünbigung ber geiben bed ßrlöferd an. Die 
©orte ftehen in feinem fi(fttbaren 3 »fammenbang 
mit bem 93orhcrgehenben. ßd ift aber nid)t un= 
uxibrfcbeinlid), bajj 3 efmit von 3 eit au 3 eit ber@e= 
banfe an fein bevorftehenbed geiben befiel unb er 
bann plöfelich feine ßmpfinbitngen gegen feine 3 uu- 
ger audfprach, befonberd wenn er fid) in bem inneren 
iheid feiner nädjften Sreunbe befanb. 9lud) bied ift 
ein $ug feined echt menfd)lid)en ßharatterd. 

Stäpofition. ©ober nehmen wir $raft, 
bie ©ünbe au überwinben? 

I* 3u und fclber haben wir fie nicht. 
(®. 14—22.) 

1 . Die ©ünbe ift ftarf unb mächtig; a) fie herrfdjt 
in bem SRenfchen von $inb auf (93. 21 ); b) je län= 
ger ihre Herrfdjaft bauert, um fo mäd)tiger wirb fie 
(93. 18, 20, 22). 

2 . ^eber menfchlicbc 93erfudj, fie 511 übenvinben, 
feheitert a) fowphl au ber eigenen, b) ald an ber 
Ohnmacht Slnberer (93-18,19). 

II. 3 nßhrifto finben wir fie. (33. 22 
bid 29.) 

1. Dem ©laufen verbeifit fie ber Herr (3?. 23). 
a) 9lud) ber fdnvache ©laufe hat biefe 93erheifiung 
(23.22); b) boeb wirb geforbert SReue (93.24: „fohrie 
mit Xhr&nen") unb 93erlangen nad) ©nabe (3$. 24: 
rrHilf meinem Unglauben"). 

2 . Der ©err feibft ift cd, ber in und bie ©ünbe 
überwältigt (93. 25j. 

3. 3» ber ©laufendgemeinfehaft mit ihm beginnt 
ein gana neued geben (33. 26—27). 

4. ßd mufj aber biefed neue geben in und erhal¬ 
ten werben burdj ©ebet unb ßntfagung aüed beffen, 
wad aur ©ünbe reiat (93.29). 


©onittag, 18. 3uni. SWarf. 9,33—50. 

5>et ftnbli^e 6tnn bet gläubigen 
ffletdjggettoffen. 

I. 3|rr $muttt itttb ©ürbe. (93. 33—41.) Die 
in biefer geftion berichteten ßreiguiffe unb SRebeit 
bed Herrn fallen wahrfcheinlid) in bie htrae 3eit, 
welche 3efud nach feiner 93erf(ärung noch in ffaper* 
naum verweilte, ehe er bie SReife aum gaubhüttenfeft 
in 3 erufalem antra*. 

8 .33 mtli 34: 2Xuf bem ©ege nach 5f a v e r = 
naum war (nach SRattb. 18,1) von ben Jüngern 
bie Stage verhandelt worben, wer von ihnen ber 
©roßte fein werbe im SReiche ©otted. 3m Haufe 
angefommen, befragt nun ber Herr bie 3ünger bed= 
halb, unb im 93ewu6tfein ihrer ©chulb verftummen 


fie, worauf 3efud ihnen bie Statut feined SReicbed 
burd) eine fvmbolifche fianblung anfebaulid) macht. 

®. 35: © 0 3 e m a n b will ber ß r ft e 
fein u. f. w. Der 93egriff eiited SReidjed fefet 
awar notbwenbip ein SRegieren unb SRegiertwerbcn 
voratid; allein tm SReiche ©otted ift bad SRegieren 
burchaud verfchieben von bem SRegieren in einem 
irbifchett SReiche. 3m göttlichen SReid)e ift 
biefiraft ber atifopfernben, fid) feibft erniebrigenben 
Siebe (bie im ßrlöfer feibft vodfommen aur ßrfd)ei= 
nung fommt) allein bad 93eftimmenbe, bie ßeu? 
fd)aft 93egrünbenbe, währenb ttmgefehrt in ber 
© e 11 ber föerrfcher bie 93eherrfchten für fid) unb 
feinen SRufeen, SRuhm ober ©lana an benufeen pflegt. 
Der flcifd)lid)e ©inn ber 3ünger hatte fie in ber au 
erwartenben Offenbarung ber Herrlichkeit 3eftt bie 
93efriebigung felbftfüddiger Hoffnungen feheu (affen. 
Diefe aerftörte nun ber Herr, inbem er ihnen aeigte, 
b«ft nur ber von aller ©elfcftfucht ßntfleibete, in 
reiner Siebe gebenbe bort herrfeben werbe. 

®. 36 nub 37 : Daran fddiefjt fid) bann bie fput= 
bolifche ©anbluna an, bafe 3 cfud ein St inb in 
ben 3 üngerfreid (teilt, unb ben 3 fingern aunächft 
(fiehe SlRatth. 18,3) erflärt, wenn fie nicht werben 
wie bie flinber, fo feien fie nid)t gefthirft aum SReiche 
©otted. ffiicwohl bie allgemeine ©ünbhaftigfeit 
ber meufchlid)eit 9?atur fiel) and) im fiinbe fchvn 
offenbart, fo ift hoch bie Dentuth, bie 91 n = 
fpruchdlofigfeit etwad ber finl^lichen SRatur 
ßigenthüntlid)ed. Der fiönigdfohu fchamt fich nicht r 
mit bem 93ettlcrfohne au fpielen. Diefe 9lnfprud)d= 
lofigfeit ift hier ber Sßergleichungdpunft. 9ltif bie 
SDiahmtng, ben ftinbeni glcid) au werben, folgt bann 
bad ©ort von b c r 91 11 f it a h m e b e r St i n = 
ber (93. 36 unb 37). Der 3ufammenhang wirb 
bemitach am heften fo aufgefa&t: »©erbet wie bie 
,Ri über, feib gerne flein, unfÄeinvar, wie biefed 
fiinbr benu bie kleinen (bie ben wahren Äinbedfiun 
haben) finb bem Herrn fo thener unb werth, ba§ er, 
wad ihnen gefchieht, anfieht, ald ihm feibft ge= 
fdichcit." ®er 9ltidbrud „ffinblein" ift bad 
©innbilb ber ©iebergeborenen. Die Sünger 
gehören barum feibft mit au ben $inbleiit, in beiten 
ber Hm: feibft aufgenommen werben foll. ßd ift 
bad ehrenvollfte 9lmt im Himmelreid), ben ftönig 
au empfangen ; biefed ehrenvolle 9lmt beginnt aber 
mit ber Aufnahme feiner ©eringften in feinem 9?as 
men. 3» ßhrifto aber wirb aud) ber 93ater 
aufgenommen ; benn er unb ber 93ater finb eind. 
©ie groß ift alfo bie ßhre ber ©eringften im SReiche 
©otted! 

®. 38 nnb 39 : Die vorbergehenben ©orte 3cfu 
von bem 9 lufnebmcn ber fiinblein erinnern ben 
3 ohanned an ein vielleicht eben bamald vorgefom= 
mened ßreignift, iveldjed er nun bem Herrn vorlegt, 
ßd hatte nämlich 3 «manb, ber ohne 3 weifel 3 cfu 
ober ber 9 lpoftel ©unber gefehen hatte, ben 93erfud) 
gcmad)t, feibft im !R a m e it $ e f u au heilen. Die 
3 ünger, welche barin einen ßtngriff in ihr geiftiged 
©ebiet fahen, hatten ihm bied unterlagt, ba er fid) 
nid)t bleibenb au 3efu ©emeinfehaft hielt. Died 
tabeit ber ßrlöfer. (ßine gana ähnliche ©efchichte 
wirb 4 3Rof. 11,27 ff. craählt). 3ener 2Rann wirb 
vom liebreichen Heilanb ald ein 93efreunbeter auf= 
gefaxt unb baher feine ©irffamfeit gebilligt. 9Rerf= 
würbig ift übrigend, bah fchon au gebaeiten 3 efu 
SCerfonen feinen SRamen au ©unbexthaten gebrauch^ 


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330 


$ontttagfd)uU|ehtionen. 


dien, ohne fiel) an ben Stetig feiner 3üitßer anae= 
fdiloffett 311 haben. GS ift bicS ein 3eußiii& für 
bie allßemeine 9lufmerffamfeit, bie 3efn ©er! erregt 
batte, ©pater ftnbeit mir in ber ©efebiebte beS 
©imon uBaßtiS (3lpß. 8) utib ber fieben ©ohne 
beS © f e 0 a S (3lpa. 19) etmaS 3(ebnlid)eS. ©emt 
bie Slpoftel über biete 3Mätttter ßait 3 aitberS urtbeU 
len, alS hier ber ©err, fo ift ber Unterfdjicb mobl in 
ber ©efiitnutta 3U fliehen, auS meldjer folcite 
$(nmenbuitß beS 9?amcnS 3efu heroorßiitß. ©ic 
tonnte, mie eS bei bent in ntferer Ceftioit ermähnten 
SKaitite offenbar ber <yall mar, auS einem, meint 
Oleid) noch nnbeftimmten ©tauben au bie bimnt= 
Itfdte ffraft 3eßi ftiefeen unb mar bann 311 bulbcn; 
auf ber aubereit ©eite aber fonntc fic aud) auS ßait3 
unlauterer ©efiitnuitß herporacbcit, mie bei ben 
©öbnett be*r©feoaS, unb mimte bann unbebiiißt 
perboten merben. 9?id)t bie äußere ©attblutiß an 
ficb, fonbern bie © c f i n it u n ß, auS ber fie fließt/ 
beftimmt alfo ihre 3utäffißfeit ober Unjutäffiflfeit. 
Die ©orte 3cfu: 38erbietetS ihm nicht, 
entbatten eine ernfte fHüße aeaen bliitbe Giferer, 
melcbe aufcer ihrer ffircbeiißemeinfcbaft ©tebenbe 
iticbt atS 3ünger unb Diener Gbrifti anerfeitnen 
motten, meitn fie auch nichts ßeßen ibre 2wntmiß= 
feit bemeifen tonnen. 

GS ift feiner, ber ein ©uitber tbut x. 
Der ©err batte freitid) in ber 33erßprebißt erftävt, 
ba6 eS mößtid) fei, in feinem tarnen Seufel auSstu 
treiben unb bod) üerbantmt stt merben (äßatth. 7, 
22 . 23). 9tber meitn bieS and) einmal am Daae 
beS ©eltßeriditS fid) berauSfteßeit fottte, fo tonnten 
eS bodj iefet feine 3üitßer noch nicht bcurtbeilen. 
©ic fottten baber ftetS baS 58>fte boffeit. Die 
Äntmort beS ©errit an 3obanneS ift ein berrlidjer 
33emeiS feiner beilißen tOiilbe. Sie atbmet einen 
ähnlichen ©eift mie baS ©ort, baS 33auluS über 
bic, melcbe Gbriftum um ©a§ unb ©aberS mitten 
perfünbißten. Gßbil. 1,18.) 

®. 40: Die hier ßeßebeite ließet: ©er nicht 
miber euch iftK. mtberfpricbt ber anberen: ©er 
nicht mit mir ift, ber ift miber mich, fei- 
neSmeßS. 33eibe fiub ßleid) mabr pon oerfcbiebeneii 
fjjerföitlicbfeiten unb ©raDett ber 33erufuiiß. Der 
5 U ßeiftlicber ffiirff am feit ©erufeite ift fdmn 
miber ben £>erru unb feine ©adje, menn er fie 
nicht pofitio forbert; ber in ßeiftlicber $1 b b ä it a t a= 
feit Daftebeitbe (mie baS93olf, baS ooit ben3$ha= 
rifäcrit beftimmt marb) ift febon für ©otteS Sache, 
meitn er fid) frei oon ben feinblichcn Giitflüffeit halt 
unb für baS Seitliche empfäitßlicb bleibt. 

®. 41: Denn m e r. DaS „b e it it" ßiebt einen 
neuen ©ruitb an, marum bie 3üitßer feinem, ber 
im SRanten 3«fu Deufcl auStreibe, eS perbieten 
füllen. Denn menn febon ein 33edier©afferS, 
ber int 92 amen 3*fu einem Durftißeit ßereiebt 
mirb, nicht unbelobitt bleibt, mie follteit bann bie 
3 üttßer 3cntanb mebren, ber int tarnen 3cf u 
etn Piel ßröfjereS ©erf tbun miß, ltämlicb Deufel 
auStreibeit! —©eich ein ©porn für bie ebriftlübe 
ßiebeStbätißfeit ließt in bent ©orte 3efu Poit bem 
„Secber falten ffiafferS!" Da fanit ficb 
mabrlicb 92iemaitb entfcbulbißen mit bem 33ormanb, 
ba§ eS ibm an SSemtößen unb ©eleßetibeit jum 
©uteStbmt ßefeblt habe! 

n. 3|re ^rilißfeit. 42—50. #. 42: Die= 
fer SSerS fcbliejjt ficb paffenb an ben oorberßebenbeit 


an, er fprid)t eißentlid) nur bie anbere ©eite auS, 
fo ba§ ber©imt ber ©orte ift: bie kleinen ftnb 
bem Ferrit fo mertb, baft er, maS ihnen ©uteS ße= 
fdiiebt, alS fid) felbft ßetbait anfiebt unb .belohnt, 
maS ihnen aber SBüfcS ßefebiebt, auf’S ©mpfinb= 
lidiftc ftraft. ©ie finb ihm beiliß, unb baber u it= 
antaftbar. Der 9( u ^bntd „ärßern" bebeutet 
fomohl „frän fen" alS auch „Perfübren suin 
$ 80 fen". Seibe SBebeutuitßcit haben hier ihre 
©eltmiß. Die ©ro§e ber ©ünbe bcS 
5lerßernS ober SlbfcbredenS ber jf(einen Pom 
©laubenSlebeti febilbert ber ©err, iitbem er bie 
©trafbarfeit berfelben ßröfjer barftcllt als bie arö§= 
teu S5erbrccbeu. DaS 33erfeitfeit in’S 2Recr 
fanb bei ben 3»bett alS ©trafpcrfabreit nicht ftatt, 
mohl aber bei anberen 3J6lfent. 

®. 43—48: ©er nun baüot bemabrt bleiben 
null, bie kleinen beS ©emt 31 t ärßern, ber bebarf 
ßeßcit fid) felbft ber ßrbfcteit ©trenae unb ©elbft= 
perleußnuitß. ©aitb, 3«6 unb 5luße drßertt 
beit 3 üuaer 3cfu, menn Tie ibm ®eranlaffuitß unb 
9 tci 3 3 ur©üubemerben mollen. DaS Abhauen" 
unb „?( u S r e i fj eit" ift natürlich nicht bucbftäblich 
311 perfteben, beim menn auch baS 9(tiße auSßcriffen 
unb ©aitb unb gu& abßebaucn mürben, fo bliebe 
ia bod) bie b 6 f e 8 u ft noch nach mie oor i m © e r^ 
3 en. Der Sinn ift baber: ©ill bicb bein 3(uße 
ober ©aitb sur ©ünbe perleiten, fo faße bicb Pon 
ihnen loS, baffe bein Slcifd), in fofent eS füitbißen 
mill, unb unterbrürfe feine Jriebe, unb ob bu barob 
ftürbeft! Diefe ernfte ^orberuiiß mirb eiitßefchärft 
bitrd) bie ©orte: GS tft b i r bef f er 2 c. ©er 
bie ©elbftPerleußiiuttß fcheut unb ficb nicht in bem 
ffantpf ber ©eilißiitiß Poit ber ©ünbe reinißt unb 
reinißeit läfet, ber PcrfdUt eitblich ber ©ölie unb 
bem emißeu J?cticr. 

®. 48—50: Der Sinn oon 33. 49 ift: menen 
ber allßcntcineu ©ünbhaftißfeit beS ©efchiemteS 
nt it § 3cber mit 3f e u e r ß e f a 13 e it m e r= 
b e tt, fei eS, ba§ er f r e i m i 11 i a in bie ©elbft- 
perleußttunß unb Dteiuiguitß oon ©üitbett eittßebe, 
ober baß er u n f r e i m 1 11 i a in beit ©trafort ße* 
führt merbe. DieS mürbe ‘fchoit in bem alttefta^ 
mentlicben OpferfultuS aitßebeutet. ©ie jebcS 
Opfer an ficb ein 33ilb ber inneren ©iitßabe beS 
Opfernbeit an ©ott ift, fo füllte baS © a 1 3 ameU 
ßen, baft folcbe ©ittaabe ohne ©d)nter 3 ber 33erläuß- 
nutiß feine ©ott moblßefälliße fein fanit. 3it 3SerS 
49 hat baS @al 3 eine etmaS anbere 33ebeutuiiß. GS 
beteiebnet hier offenbar bie ©eifteSfraft beS neuen 
SebenS. Diefe 31 t bemahren, ift Sache unferer 
Dreue unb ©adifamfeit. ©chliefelicb befiehlt ber 
©evr feinen 3 ütißern noch ©al 3 bei ficb 3 u 
haben unb friebfain su fein. 3 » 33e^ie= 
huitß auf baS Uitßottliche in ber ©eit füllen fie 
© a 1 3 b e i f i cb b a b e tt, b. b. in ber £raft bcS 
©eifteS ftrafen unb rüaeit, ßeaeit baS 3Sermanbte 
aber in ben fftitbern ©otteS foß bie ©anftmutb 
berrfebett. 

£i§Oofitioit 311 3S. 35—37. DaS Ä i it b ein 
38 0 x 0 i l b unb ein © i n it b i l b. 

1 . Gin SJorbilb für bie bodjfabrenben ©rofeen, 
mie fie flein merben foßen, um mabrbaft ßro| 3 tt 
merbett. 

2 . Gin ©iitnbilb ber aeiftlich ff leinen, bie man 
nicht ärßerit foß burdj ßeiftlicbe*©errf^fucbt. 


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3m Sdjattm. 


331 


ft» $ djuttrn. 


®ic ©cbäbißttttß her ttngnt bnrdj anljaltfttbfg 
Srfrtt. Siefer tuiibtiße ©eßeitjjtaitb ift von 3avel 
eiitßehenb nnterfucht tvorbett. Serfclbe fc^täat RoU 
ßettVeS vor, um ienc in6fllid>ft gu befcbräitfen. l) uNatt 
halte häufia beim Sefett ittuc. 2) 9J?att mähle ettvaS 
ßelblidj aefcirbteS Rapier; beim bet fcbtvarg auf 
tveifeetn ©ritttbe aebrucften Schriften bat baS ?(uae 
ftetS benfbar ßröBteit efarbettßeaenfafe auSguhalteit. 
3) ßält man beim Ccfett Such uitb ffopf ftill, fo 
treffen bie ©trabten ber Srucfgeilen einen Sbeil 
unterer Sfefebaut, tvähreitb bie beffercn 3'ui)cben= 
räume ebenfalls ßetviffe Stellen ber Retina an= 
greifen, fo bafe tvieber eine Srntübttiiß ber ?ltt{ten 
eintritt. Sicfern Uebelftaitbe tonne bttrdj fleine 
Sättbe abßeholfen werben, bie man in ber ßattb 
unb gmar nicht ftill hält, tvoburd) bie Srmübuiiß 
ber $lußett verminbert werbe. 4) Srfahre baS 9luae 
bie bebeutenbfte ©djäbißuttß burcb beit cmißen 2Bect)= 
fei ber Sutfernuitß beS $ußeS von ben Sudfftaben, 
wenn man eine 3ci(e von $nfaitß bis Snbe lieft; 
baber feien lanae Beilen gu nteiben, alfo fleine 
Sänbe ober folche mit fdjutalen ©palten allen an- 
bereit vorgugieben. 5) 5)iüffe man, wie befaitnt, nur 
bei guter Seleuchtuitß unb nur genügenb ßrofj ße~ 
bruerte Schrift lefen. 

ttmerifaniffhr Baliuärgtf. 3<tbnärgte giebt eS in 
beit Ser. Staaten nicht wenißer alS 12,000. Saut 
einer im „Scntal Saboratorv" veröffentlichten fta- 
tiftifchen ^tuffteUung wirb jährlich in ben Ser. ©taa^ 
teil eine halbe Sonne reinen ©olbeS im SZBertbe von 
$500,000 gunt Slombiren von Bahnen ßebraudjt, 
unb aller SBabrfcheinlicbfeit naef) gu benfelbeit 
werfen eine viermal fo ßrofte Quantität billiger 
Jaterialieu, tvie Slatina, Silber 2 c. 9iacb einer 
von bem betreffeitbcit ©tatiftifer ßemaebten Serecfc 
mmabürfett nur breibunbert^abre verftreichen, um 
ben SBcrtb ber jefet im Sanbe ui ßirfulation befind 
liehen ©olbmüngen ($150,000,000) tu plombirteit 
Bäbnett auf ben ffirrfjböfen gu verarabeit. Segeicfc 
neitb für ben Umfaita ber gabnärgtlidjen Shätißfcit 
ift ber Umftanb, bafj jährlich 3,000,000 füttftlichc 
3äbue fabrigirt tverbeit. 

(litt Stauer, ber bitrch bie verbummelten ©tubien 
feines ©obneS itabegu an ben Settelftab gebracht 
tvorbeit tvar, fchrieb folgcnbeit SerS über bte Sbür 
beS ©talleS, tuo baS 9?ittbvieb unterßebraebt tvar: 
„9Rein ©obn macht meine ©tälle leer, 

(Sine ©teile friegt er nimmermehr." 

$ie Hont Surften SttSmarrf in bie Slutofiravben^ 
Sammluttß oer „Scutfcben 8ebenSrcttunßS=©efelh 
fchaft" einaegeicbneteit Starte: “Patriae in serviendo 
consumor haben ein meftlicbeS Slatt gu folßenbem, 
— man tvei§ nicht, ob UeberfebintßS = ffunftftürf, 
ober ob ©iSmarrfifcbem ©efuitbbeitS - Bulletin ver= 
anlabt: “In serving the fatherland yet the con- 
Rnmption. ,, 


Gfeltreiber (att einem gefährlichen Slafe einer 
Serßftrajje in ber ©chtoeig aiißefommen): „3efet 
hier, ßerr Slbvofat, muffen Sie fiel) in Sicht ncb= 
men; hier ift nämlich erft neulich ein Sfel hinunter^ 
gefallen.'' 

$affraber ©erßleich. Son bem eiteln, ivichtia 
tbuenbeit 3uftigratb fW* faßte neulich 3emaitb: 
„Söiffett Sie beit Unterfchieb gtvifchen ihm unb bem 
grofeb, ber fich gitm Qchfen aitfblafeit ivollte? ®er 
Srofch ift habet ßeplafet — bem äuftigratb 91. ift’S 
geglürft." 

$\t SBabrbeit ber ©Ibel. Sie 9?ationalbibliotbef 
gu SutiS ift feit einigen fahren in ben SBefife einer 
Srongevafe pbotiicifdjeti UrfprunaS gelangt, bereit 
hohe Sebeutuiifl für baS biblifche vlltertbunt erft 
fürglicb erfannt tvorben ift. Siefe Safe tvar in 
krümmer gerfeblaßen. ßiitem ßelebrtcn frangoftfcheit 
^lltertbumSforfcher, 9?amenS ßlermont = 3anneatt, 
ift eS jeboeb gelungen, fie tvieber gufamnieitgufefeeu. 
Unb toaS für eine 3nf(hrift ftellte fid) ba am obent 
Sfianbe beS ©efäfeeS heraus? SS triiß baffelbe in 
pböiticifcber ©pracbe bieSBorte: „ßiratn, £oitiß 
ber Sboiticier." Sie ©cfchicbtlicbfeit eiiteS in 
ber Stbel beiläufiß ermähnten 9KaitneS ift alfo tvie= 
ber über allen 3^eifel erhaben. 9Kait nimmt an, 
ba§ biefe ©dtale ein SBeihßefchenf ßiramS ober 
eines feiner Siener att ben phüiticifcbeit ©ott Saal 
ßctvefen ift. 

arafef 3Riffiffiphühitl — d. h. ber meite 8attb= 
begirf, reffen ßefatnmteS abfliefiettbeS SBaffer fid) 
burcb bie äWünbunaen beS 9Kiffifftppi in baS 9Beer 
crßiehen muh — oftlich bnrd) baS ^llleßhattv-, n>eft- 
lid) burdj baS ^elfettßebirße beßrengt, bilbet faft bie 
ßälfte beS ber Sebattuitß fähißen SobenS ber Ser. 
Staaten unb eines ber ßrofdett giifammetihänßen= 
ben unb gunt 2Bobnftfee ßefitteter 9Kcnfchett ßceißtte= 
teil ©ebiete auf ber ßangen Srbe. SaS ©tromßebiet 
bcffelben enthält 15,710 teilen fchiffbaveit SBaffer= 
meaeS. Unter feinen 33 Sfitffcn nehmen ber 9Hif= 
fiffippi felbft, ber 5D?iffouri, bann ber Ohio, SRcb 
Sftiver, MrfanfaS jc. ben erftett fRaitß ein. —Sie 
Staaten beS 9)?iffiffippithaleS, itittißer bttrd) ße= 
meittfame 3ntereffen vereinißt, tverbett ohne B'ueifcl 
tünftiß bie ßanptmadjt ttnferer 9?epubli! bilbett 
unb alS fefter fiertt baS ©attge gufammenhalten, 
tvelcher 5lrt auch uttfer fitnftißerSnttvidelunßSßanß 
fein maß. 

fromme @elfllid|e Spetter hatte einen hodtft 
befähigten, abcrhöchft uttßerathcncn ©ohn, bei bem 
alle Mittel ber Siebe unb beS SrnfteS gang fruchtlos 
ßebüeben gu fein fchienett. Sinft nun erfraufte ber 
Utißerathene heftiß, unb laß mehrere Soeben ba, 
meift gtvar fdjmeißenb, aber fid)tbarlich in arojjen, 
innerlichen fftämpfen. Sttblicb richtete er fid) auf 
einmal auf uttb rief mit ßeprefder Stimme: „Sie 


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332 


3m Sdjattfn. 


®ebete meinet 95atcr$ umringen mich wie 33ergc! ;i 
Salb barauf wanbte fic^ bic fitanfbeit, er genaS 
leiblich itnb geiftig, unb ©pener batte ble große 
Sreube, ihn fpätcr al3 einen vcchtfchaffencn 3)iann 
in einem bebcutenben 9(nitc nnb ßliicfticb perbeiratbet 
su feben. 

Gütige finnnttflrlfntbr «grrtpmfr. S3 fomutt 
nidjt fetten oor, ba§ ein ÜBenfd) etwas faßt ober 
fdjreibt, wa3 er eigentlich gar nid)t fasen ober fcbreU 
ben wollte. ®urd) eine oerfebrte 25ortftellung ober 
pertebrte 3ntcrpnn!tion ergiebt fid) oft ein gaty 
anberer ©tun, al3 man aubbrürfen wollte; 3 * 93. ich 
würbe febreiben: 

„3cbn Singer bab’ icb an ieber ©anb, fünf unb 
swaitsig an ©anben unb Süßen," fo enthalten biefe 
SQBorte, wie fie ba ftehen, eine Unwahrheit, fobalb 

f le aber richtig interpunftirt werben, finb fte oolt- 
ommen wahr. 

S$ fdjrieb/einmal ein Sartncr an einen berühmten 
©cbwcinesüdjter alfo: „©ecbrtcr &crr! ©eftertt 
war ich auf ber 9lu3ftcllung in U.; icb fanb etliche 
Schweine ba, pon ihrer 9lrt; e3 waren oerfdnebette 
©attungen Sbiere ba, ich aber Williberte mich febr, 
baß fie uid)t auch bort waren." Ob ber Empfanget 
bicfe3 ißricfeS fid) barüber amüfirte ober ersürnte, 
ba3 habe icb nie erfahren. 

(Sin 2lnbcrer, welcher einige feiner Shicre für eine 
lanbwirtbfcbaftlidje 9lu3ftclfung eintragen su laffcu 
wünfdjte, fibricb an ben ©cfrctär ber 9(u3ftcllung 
wie folgt: „Sie mögen autb mich cintragcn für 
einen (Siel; ich habe aiub im geringften feinen 3weU 
fei, bie Prämie au erhalten." 2Bcr follte auch noch 
baran zweifeln! 

Sin ^rieftet begegnete einft einem feiner $farr= 
finber am Sonntag, welches eben in einem ©picle 
begriffen war, unb fprad) au ihm: „©nten 9J2orgcn, 
Sodjtcr beS Söfcn," al3 PaS ßinb gaus uufdmlbtg 
antwortete: „©nten DHorgcn, Sater!" 2Bie biefe 
SBeitbung ber @a<bc bem fßrieftet gefiel, baS hat er 
am Elitär nie gefagt. 

So gab c$ and) febon redjt brollige ©efdjiditen, 
oerurfadjt burd) fdjwcreS ßöreit. (Sin gewtffcr 9Ke= 
thobiftenprebiger, bcffcit tarnen i(b au3 Ehrfurcht 
nicht nennen will, brachte einft einen bebeutenben 
2bci( feiner ©enteinbe, ber mit eiuanber in 3anf 
unb ©treit fid) befanb, sufantmen, um eine Scr- 
föhuung sit bewirten. 9113 er nun unter 9luberm 
benterfte, baß Sinige fehr munter unb lebhaft wur- 
ben, meinte er, fie freuen ficb über bie ftattgefunbenc 
SSerföhuung unb fing hocherfreut ju fingen an: 

’© ift ein befferer Sag am kommen, 

©errlid) wirb’3 im Fimmel fein, 
währenb fie in 2Birflid)feit fdjimpften wie bie 9tohr= 
paben. 2)ic©ccite foll höcbft intereffant gewefen 
ein. 

Oer 2)efan pou Slp war einft mit einer @efcll= 
fdiaft gelehrter Sreunbc su Sifcbe gelaben. 9lm 
©djluß be§ Sffen3 fiel eben ba3 ©efprdcb auf bie 
große ©tcrblfcbfcit unter ben 9lboofaten; einer ber 
nRdnner fagte, fie hatten nicht weniger al3 fieben 
Slbpofatcn in ben lebten fieben fDJonaten Perlorcn. 
Saum waren biefe SBorte gefprodien, al3 ber fromme 
2)efan, ber fehr fcblecbt hörte, aufftanb, um ba3 
©chlußgebet su oerridjteit unb alfo fpracb: „Sieber 
©ott, für biefe, fowie für alle anberen ©nabcn= 
erweifungen banfen wir bir herslid). Linien !" 


Sffattntlid) hat $|ier$jim ©erudje eine§ ©ottee 
leugner3 geftanben. 92id)t mit Unrecht. Sr hat ficb 
ia oft genug foldier antid)riftlichen 9luf<hauungen 
gerühmt. 9loer ie näher mau feiner ©tunbe fommt, 
an ber e3 heißen wirb: „Shue 3?ed)nung oon beU 
nem ipauohalte!" befto mehr perfliegen bie allerlei 
Sinbilbititgen menfd)lid)er Äursfiditigfeit, menf^ 
lidien ©ochmutlvS — nur bic gewaltige 90?acht ber 
ewigen 93abrbeit macht ficb geltenb. ©o ift C'3 auch 
bei £hier£ gewefen. ©ein Scftament enthält näm= 
lid) folgenben ©ab: „©eit einigen fahren, ba id) 
mehr surüdgesogen lebe, habe id) iebeit phiiofophi= 
fehen ©tols abgelegt itnb bin wieber su religiöfer 
©efinnnng gefommcit. SBährenb meines langen, 
fo bewegten Sebent habe ich ©ott wohl oergeffen 
tonnen; aber mein ©ewiffen hat immer bie %hler 
meines ©cbäd)tuiffc6 wieber gut gemacht. ?|chfterbe 
mit bem ©lauben an einen ©ott, ben emsigen unb 
ewigen ©dwpfer aller ®ingc, unb flehe für meine 
Seele feine S&armhcrsigfeit an." 

(Sto bentf^er Siogetttf. 25er alte grtediifcbe fßhi- 
Iofoph ®iogenc8-wohnte in einem Snß unb aut- 
wortete bem fiaifer fMlexanbcr, ber ihm faßte: Sitte 
bir eine ©nabe au$! weiter nichts: ®itte, geh’ mir 
au3 ber ©onnc! 

Sin neuer ®iogcneS war ber JTüfer Johannes 
©dmhwcrt in ^eurapenSburg, ein feltener 50?eifter 
in feinerrt $>aiibioert unb ein energifdicr 3)?auit. 
3ahre 1863 fagte er feinen Sreuntcn: 2;d) baue 
mir ein Snß Jur SBohnung unb sur $anbipertg= 
ftätte; barin will id) leben itnb fterben! — ©ie 
iahten, aber er maditc Srnft. Sr baute mit aller 
£unft ein Saß 29j Suß hoch, 16 Suß lang unb 

14 ftuß breit; baö innere glieberte er in 3 @tod= 
werfe; im uuterften war bic 9Bevfftättc mit Scuer= 
effe, im sweiten bie SBolniftube mit ©erb, Ofen unb 
2)?öbcln ; im obcrftcn ©todioerfe war bie Schlaf' 
ftuhe. 3?on bem sweiten ©torfwerfe fuhren swei 
Shüren auf *wci SUtanc mit ber ?luöfid)t auf beit 
@ee unb bic 9lfpen, auf bie fdiöite ^Burgruine unb 
auf baö ©täbtdien fclber. 

Sin biefem Söffe wohnte ber $üfer mit feinet ^rau 

15 j[ahre lang, fouperäner ipie ein Sürft, wie er 
fagte, unb hantirte bariit biö su feinem fürslidj er¬ 
folgten 2obe. 5llle SReifeitben bcfuchtcn ben neuen 
25iogene3 unb iefet ift baS Saß bie SKefibeitä ber 
SBittwe. 

«I« 8nrfe su Anfang bc8 3ahreS 1791 bei ißitt 
su Mittag fpcifte, fpracb er pou ben brohenben ©e^ 
fahren, welche bie fransöfifdie fHePolittion auch für 
Sttglanb im ©efolge haben möge. Sßttt nahm bie 
Sache oon ber leiditen ©eite unb meinte: „Unfer 
8anb unb feine Sonftitution finb ficbcr bis sum 2age 
be3 jüngfteit ®erid)t^." — „9lber e^ ift gerabe bet 
Sag ohne ©eridit, ben ich fürdite," oerfefete Surfe. 
— 9113 berfelbe einft über bie Sioillifte fpracb* würbe 
et beftänbig pon einem SKitglieb unterbrochen, wel- 
che3 sugleid) eine Stellung im föitiglicben ©auöhalte 
bcflcibetc unb ihn an bic bem Äönig fcbulbige Shr= 
furdit erinnerte. 9lergerlid) über bie ewigen Untere 
brechungen, rief berSfebner: „3A ehte ben ffönig 
unb gebe bem Äönig, wa3 be3 £öniß3 ift, aber be& 
halb brauche id) nicht auch feinen ffammerbiener, 
feine fiöchin, feinen Od)fen unb — mit einem ©eiten- 
blirf auf ben Unterbred)er — feinen Sfel su ehren!" 


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3m Sdjattett. 


333 


JhtaWhett bed Gttßlifdjett. ©ir ©eutfdjen be= 
mühen und amar im allgemeinen fehr, red)t ititvar= 
tetifd) unb obieftiv in 9Ulent 311 fein, bod) haben mit 
cbenfowohl mie 93crtreter anbercr Nationen liniere 
altererbten unb aiteraogenen ober ßemohnheitdmäfjiß 
erlernten Sorurtheilc. ®a§ mir unferc ©brache 
moblflinßenb, reich unb voetifcb finbeu, bat feine 
innere Screddißnng; hoch in Seaitß auf furzen unb 
bräjifcn 9ludbrud mirb fie von ber eitglifchcn mie 
von ber frauaöfifdjeit oft übertrcffen: gan$ befonberd 
bie erftere eißnet fid) — bad mu§ felbft ein ©eutfcber 
atigefteheu — voraußlich aur ©efd)äftdfvradje, mie fie 
in ber £hat benn auch faft überall bie herrfdjcnbe 
ßemorben ift. (Sin 9teifenber eraählt, er fei füvslid) 
in ein ßro&ed Sarifer föotel ßefomnten unb habe in 
feinem Biinmcr über bent Änofcf, ber beu ©aud= 
teleßrabben in Semegunß fefet, bie Ueberidmft ftu= 
birt. Unmillfürlidj fei er baoei auf ben ©ebanfen 
ßefommen, bie beutfdie ©brache fei bod) im 91 ud= 
brud bie ungemanbtefte, länßfte unb fdnverfällißftc. 
©ie Semerfungen lauten: 

On est prid de pousser le bouton jusqu’au fond. 

3Äan mirb gebeten, ben Jfnovf fo viel ald mößlid) 
gunuf*ufto 6 en. 

Please, press the button to the bottom. 

3 m ©eutfehen unb granaoftfehen merben hierm je 
aebn ©orte vermanbt, im Guglifchen nur fieben; 
bie franaöftfd)e 3 nfchrift aeißt fiebenunbbreifjiß, bie 
beutfehe einunbfünfaiß, bie cnßlifd>e cinunbbtciftiß 
Suchftabeu. 9lebulicf)ed fanb er auf feiner 9ted)= 
nunß: 

On remet la note chaque jour au coutröle des 
Voyageurs. 

Um Srrungen au vcrmciben, mirb tdßlid) bie föedj= 
nunß a«r tfontrolc vorgelegt. 

Bills are given daily to avoid errore. 

#iet haben mir für bad ©eutfdje elf ©orte mit 
breiunbfechaiflr für bad ftranaöftfcbe aebn ©orte mit 
ffmfunbbieraiß unb für bad Gitßlifdie fieben ©orte 
mit eimtnbbreifiiß Suchftaben. Gin britted Seifbiel 
aeißt faft baffelbe SRefultat: 

On est prid de ne pas fumer. 

Gd mirb ßebeten, nid)t au rauchen. 

Please do not sraoke. 

©ad Gnßlifche ift mieber ber furaefte 9(udbriuf! — 
jo faßt bad „©eutfcheSamilienblatt", bem mir biefe 
Klauberei entnehmen; mir meinen inbefc, bafe fid) 
bied im ©eutfehen ebenfo fura unb bünbiß mit: 
„Sitte, nicht au ranchcn !" miebcrßcben läßt. Bmar 
ift, fo fährt bad citirtc 3 ournal fort, bie 9 lvt unb 
©eife, mie bad Gnßlifche bud)ftabirt mirb, eine 
ßerabeau abfdjeitlidje — bad ßeben felbft bie Giiß= 
länber au, mie unter anberen bad ©ort though (ob= 
mohl) bemeift, bad fed)d Suchftaben enthält, von 
betten mir bie brei erften (tho) audßefvrodien mer= 
ben: allein an Srägnana bed 9ludbrwfd ftebt bad 
Gnßlifche bod) oben au. ©er ßumorift 9Marf 
imain faßt, ed ift für einen 9 hidlänbet unmöß= 
lieh ©eittfch au erlernen; bei red)t latißcn ©äfceu 
folßeit ald ©chlufeveraierunßen unmeißerlich ©orte 
mie: „haben, finf>, ßemefen, ßehabt haben, gemor= 
beu fein" ober ähnliche, von benen niemanb recht 
mei§, moau fte ba fittb. 

ft* fletner blattbntfdjer ©*be fommt and ber 
©ehule heim unb melbet fetner SKutter, ber ©chul= 
meefter habe ihm ßefaßt, „er muffe mie bie anbem 


ffnaben aur ©eelßrafic eit 911lad haben." ©ie 
3Rutter aber faßt barauf, mie ftrife Deuter berichtet: 

„9hi fie! mal an ! 

9111a d? 3a moü! 9)?eent benn be 2Rann, 

3d mor eit hohßc Stanbdverfon? 

(Sn © t ü d St a 11 u n marb’ oof moll bohn!" 

Ätt ber Xafcl bed ©aftbaufed bemerft ein 9 Kaior 
au einem anbem Offiaier, um einen meiter unten 
fifeenbeti 3üben au ärßevn: „©ad Seeffteaf an fich 
fdnuetft gerate mie fo ein alter abgefochter 3 uben= 
fcheitfel." Saßt ber Ccvi: „5Wu fchaun’d! ®er 
£>ejr 3)^aior habe amer auch fchott von 9lllem ße= 
ßelie!" Öcvi hatte bie Sacher auf feiner ©eite. 

Ihmtmt 91bntbd r ald ber 9Koitb am ©immcl ftebt, 
ein Sauer atbemlod aunt ®orfpfarrer unb melbet, 
er habe ba eben einen ©eift ßefehen. —Sfarrer: 
©0 benn? — Sauer: (Si, an ber $ird)bofdmaucr! 
Sfarrcr: © 0 ? ©ie fab er benn and? — Sauer: 
©ie ein ßroßer Sfel! — Sfarrer: föamnticbel, geht 
getroft heim unb fagt’d 9hentanb meiter; ihr habt 
euch vor eurem eigenen ©d)atten gefürchtet. 

(Sitte f^arfc tttttoort. gin bamberger gräuleiu 
maihte fim neulid) bad Sergnüßen, bochft eigenhän= 
big einen firug frifdmti ©afferd am Sruntten au 
holen, giuige hinge Herren blieben vor bem „fclte= 
neu Silbe" ftehett unb erlaubten fid) bie 9lufbrad)c: 
„9?un, fchone Dtebecfa?" ©ehr refolut mar aber bie 
Sibclfeftigfeit venathenbe 9lntmort: „©ollich vieU 
leid)t £amecle tränten?" 

(Sitt alter Stattlet). ®a 6 ed fdjon vor reichlich 
einem halben 3 ahrtaufenb — alfo im 9Rittelaltcr 
— einen 9)tonn gab, ber mit bentfclben .^elben= 
muthe unb mit berfelbeit gitergie mie ©tanlev unb 
Gameron quer burd) ben fdnvaracit Kontinent hin= 
burd)brang, erfahren mir burch ben 9Rabriber @c- 
lehrten ^Boit 9)?arcod Xtmener be la Gfoaba, ber 
ein für bie ®efd)ichtc ber grbfunbe überaud mid)ti= 
ß^d 9J?anuffrivt aufgefunben hat unb ber Deffcnt= 
lichfeit au übergeben im Segriffe ift. 

®er Serfaffer bed intereffanten ©chriftftüded 
unternahm in ben 3ubren 1320 bid 1330 Reifen in 
9lfrifa, bie an 9ludbehuunß ben ©taulev’fchen um 
nid)td nad)ftchcit. 9?ad) vcrfd)iebcneu ffianberuits 
gen in ben Säubern ber ©eftfüfte, in Siena Seona, 
dDahomev k. brang berfelbe von ber ©cneßaU 
9)?ünbung and in bad 3 unere bed Äontincntd ein 
unb bur 6 freuatc benfclbcit an feiner breiteften 
©teile. ®ic (Staaten bed ©ubait ber SKcihe nach 
berührenb unb burdvvanbernb, gelangte er enblidj 
glüeflid) in CDongola am 9 hlftrome an unb manbte 
fid), bem Saufe bed ftluifed folgenb, ber ©eintath 
au. ©lämenbe Gmpfaugdfcierlid)feiicu unb Or= 
bendverleihungeit ermarteten ben Sorläufer ber 
mobemen 9lfrifaforfd)cr babeint allerbingd nidSt, 
mohl aber blieb fein SReifcbcricht fünf 3 ahrhunberte 
hinburd) bem ©taube ber Scrgeffenheit anheim^ 
gefallen, bid er eitblich heute burd) einen ßlüdlichen 
Bufall mieber baraud hervorßeaogen tvirb. 

Sie ftabcttcu. 

3 hr fonnt nieftt © <h m a r ac leiben ? 

3d) null nid)t mit Glich aanfen, 

©od) fagt, mem gure © e i d h e i t 
3 hr benn habt au verbauten ! 


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334 


(Hjromlt ber (Segetttuari. 


3»d Garbinalr tabcttcn Ra&bael, meil er beit 
Sloofteln ©eter uitb ©aul eine jtt lebhafte Jarbe 
gegeben habe. „©tonte ©erren," ermiberte ber 
Sünftler, über biefe Sritif oerftimmt, „Sie bürfeit 
fiA barüber niAt munbern; id) malte fie gerabe jo, 
mie fie im Fimmel aubfebeit. Sie errötben oor 
SAam, weit fie bie Kirche unten in fo jdileAteu 
©änben {eben." 

@ntf$ Mittel. Sine ftratt, bereit ©atte fie oer= 
naAläffigt batte, fpürtc fcenfelben tu einer SAeitf= 
ftube auf, mo er mit mehreren ©efäbrteit beim Sar- 
tenjpiel fafj. ©iit beit Starten : „©totn ©emabl, 
ba iA oorauSfefete, bah btt fein* bejcbäftiflt jeieft, um 
beute ©ttttag naA ©aufe 311 fommeit, habe id) bir 
bciit Sffeit gebrad)t," fefete fie eine oevbedtc Sdmffel 
auf ben Xifcb unb entfernte fiA. ©fit crimitngc= 
item Sachen lub ber ©tonn feine Sfrcunbc ein, mit 
ihm 311 fpeijeii; ak er aber ben Decfel abbob, faitb 
er ttiAk ak einen ijette^ motatif gej Ariebeit ftaitb: 
„JA hoffe, bein ©tottagSmabl mirb bir fAnterfen; 
eä ift fleitau baffelbe, ma$ beitte Familie au ©aufe 
bat." 

$ir grüne Brille. 

Sine $Ulegorie* non Sari JuliuS. 

Sin ©aueritburfAe, ber mie auf bem Sanb 
©ar niclc ©urfActt mobb nicht reich mar an ©er^ 
ftaitb, 

Sam eiitft in feiner einfach fAlid)teit 2Beife, 

9lufk Sanb sttrftd uon einer fleineit Reife. 
s ?ld)t Dapc mar er fattm Don ©aufe fortgebliebeu, 
9 lk ihn btc SehnfuAt mieber trieb 311 feinen Sieben. 
Die RaAbarbitrfAeit batten nun gehöret, 

Dah©ina — fo hieß er nätnlid) — fei aurütfgefebret, 
Unb fatneit b’rum gelaufen um bie 2Bette, 

3» fcb’n, ob ©tna fiA mobl oeränbert hätte. 

3ßie ftauitteit fie nun, bah Sreuitb ©1113 fab atk 
©ettati mie oor ad)t Dageit, ak er ging 001 t ©atk! 
Der ^fragen mttrbeit ©1113 febr oielc oorgelegt, 

Sr batte fiA ia fübuliA „in ber 3öelt" oemegt, 

Unb meil er ntanAerlei itt biefer auA gefebn, 

Sonnt’ er ia mobl er 3 ähleit munberfd) 6 it! 

„©ört," l>rad)©ina unter anbernt, „ma§ fürSaAett 
Die Seute, mo id) mar, bod) folleit machen: 

JA bab’ eö fclbft smar nicht mit angefeb’n, 


•SRacty b<r gleichnamigen ^Jrofa Im G$riftot>$oru3=Äalenbtr pro 


Dod) ift ’8 in SBirfliAfeit, mie tA gehört, gefAeb’n. 
9 lk lefet im Sommer bürre mar ba 8 Sanb 
Unb man fürk Steh ber JBeibeit feine fattb, 

Da foll ein ©tonn meitber gefommeu fein, 

Der führte juft bie neue ©tobe ein — 

3 mar anfangs auA 3 U anberer Grgbfeeu — 

Den Silben grüne ©rillen aufaufefcen, 

Sie bann btitatk auf bürreo Sanb 311 führen. 

Um ©lattbett au ermerfeit bei ben ihiereit, 

2Seil burAbaS @la$ fie alles grün gefeb’tt, 

Sie mühten auch auf grüner 2Seibe fteh’it! 

Uitb biefe Sift ift jenem ©tonn gelungen: 

Die alten Sühc, fomie auA bie iuitgctt, 

Sie fraßen baS ©eftrübb für grünet ®ra$. 

Sag, mar ba$ nicht ein mirflich bübfAer Sbafe?" 
„©in 3 , baS ift mabr," .fo riefen jebt bie Jungen, 
„Der Sfcah ift bübfd), meint er nur auA gelungen! 
Soium, Iah un§ mal aum ©etter 3 afob geb’n, 

Ob ber’ö für mögliA hält, ba§ eb gcfAeb’n!" 

3 )er ©etter 3 afob, ein gar ernfter ©?attn, 

Sr horte bie ©efdnAte gatta ruhig an, 

®amt fagte er: „©ein, ©in*, bab glaub tA nie, 

So bumm ift loabrliA nicht bab liebe ©ieb! 

So bumm ift mabrlid) ttiAt bab liebe ©ieb," 

SbraA naAbrudbooll ber 3Kamt, „bab glaub’ iA 
nie!^ 

Unb 3afob hatte ©ed)t: bab ©ich ift nicht fo bumm, 
CDoA fold) ©etrug bringt maitAeu ©ienfAcn um! 

©ott bat feilt Soangelittm uitb gegeben, 

®ah eb unb ©abritttg fei aum em’gett Seben, 

Unb biefeb rcitte, lant’re ©ottebmort 

9Sivb bent’gcn äagb gefälfAt an mattActn Ort. 

©toit ficht iefet ©reb’ger auf ber Sattael fteb’n, 

®eit Seuten ©rillen auf bic ©afeit breb’n, 

Um 31 t ermeden fo ben £vug unb SAein, 

®atl ©otteb 2 Bort nicht lauter fei unb rein! 

®ab ©ieb ift nicht fo bumm, ©eftrüw für®rab au 
f reffen, 

®oA aA, bev ©tonfdj oergifet, mab ©ott ihm 3 ’^ 
gcuteffeit! 

Drum, aWcttfAettfittb, maA’ auf, bemabre betnett 
©lattbett, 

Unb Iah bir nicht mit ihm ber Seele ^rieben rauben! 
ffiillft bu ein ©torfmal nun für biefe SrtSvabanten? 
Sie nennen fei ber fiA „nt 0 b e r tt e © r 01 e ft a n t c u!" 



tflironik der 


naAbem brr $räfibeitt bie S^ittefrubill mit < 

bem ©cto belegt bat, mirb mabrfAciitlid) eine anbre 
burAgcfebt mevben, melAe bie 6bincfeu=Sinman|l 
berttitg attf 10 Jahre oerbietet. 

Die ©rünbe, melAe ©rärtbent oirtbur für ©iAt= I 
untcraeiAnung biefer ©efefee^oorlage angiebt, ünb 
folgeitbe. , 

Der ©ertrag, melAeit ©urlingame aujtfAen aime- 


degrnmart. 


rifa uitb Gbina 31 t Staube braAte, gab ben Gbi= 
itefcit bao DtoAt, in tmfer Sattb aii$ 3 tnoanbern. 
o ((6 man bann bei uitS bie SAattenfcite ber Sbi» 
ltefciiciitmattberung ancrfaitttte, lieh fiA, auf bie 
©orftellungeit unferer ©ertreter, bie Aincfifchc Re¬ 
gierung 188C herbei, ben 3 ufafe autn ©urlingame 
©ertrag auaugefteben, bah bie Regierung ber ©er. 
Staaten ba^ ReAt haben folle, bie Sinmanberung 


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Äljrontb brr Cegenmart. 


335 


chincfifcbcr Arbeiter ihren 3ntereffen geinäh 3 « 
regeln, 31 t befcbrdnfen ober seitweife 31 t fuSbenbireit. 
Dabei warb aber oorauSgefefct einmal, bah bie ©in- 
wanberung n i d> t gan 3 verboten, iinb 311 m aitberit, 
bah fie mir auf eine „Dernüitftige" Sßeifc fuSpenbirt, 
uitb 311 m brüten nur eigentlichen Arbeitern seitweife 
Derwehrt fein foüte. 

Der ©rdfibcnt führt nun an, bah ein ©erbot ber 
Ginwaitberung ber Ghinefen auf swaitsig 3 a *' re 
teilte „0 e r n ü it f t i g e" ©efchrdnfuitg, wie fte ber 
©ertrag erlaube, fei, bah RmA unb $bfi<ht beS 
Vertrages Don 1880 alfo burch bie ©id beeintrdch^ 
tigt werbe. Um vernünftig 31 t fein, muffe baS 
©erbot ftd) auf eine ffixere fjrift befchrdntcn. 

ferner geigt ber ©rdfibeitt, bah burch bie ©id 
auch gcjdjidte &attbwerfer, wie Schuh- unb Gigar* 
renntacber unb Sßdfcher ferngehalten werben, bie 
nach beit beftehenben ©ertragen ein 3ted)t haben, &u 
fommett. 

ffleiter 3 eigt er einen SSiberf^rttch ber Gongrchbill 
mit ben beftehenben Verträgen barin auf, bahbie 
©ertrdge ben einwattbernben Ghinefen alle ©or^ 
theile sufühern, beren fiel) anbere Gntigraitten er* 
freuen, wdhrenb bie SÖilt ihnen bie ©flieht, ftdj 
überall regiftriren 31 t laffeit unb ©dffe bei fich 31 t 
führen, auferlegt. 

Dann legt ©err Slrthur bar, bah bie ©id in 
Ghina ben Ginbrucf madjeit wirb, bah wir entweber 
Inhalt unb Slbftdjt beS Vertrags Don 1880 nicht 
recht Derftanben ober abfichtltd) mihbeutet unb fo 
ben ©ertrag wiffcntlich gehrodten haben. 2 Bdh= 
renb bie Ghinefen unS iebt hod)fd)dfccn, toerben fte 
unS bann oerad)ten. 

SmnttagSgefeif unb ba« ©irtbfdjaftflbeftate* 

finb iefet tn Ohio in ffraft unb werben 
auch trofe adeS SBiiberftanbeS burdjgeführt werben* 
Da$ erftere unterfagt ba$ SUtSfdjenten geiftiger 
©etrdnte am Sonntag, baS Icfetere befteuert bie 
Sßirthfchaften. 

2>tt Bericht über bie GrtttecwSfMjteit in biefein 
3ahre lauteten bis sunt Gintreten beS lebten StofteS 
burdjgebenb günftig. 

3n ffanfaS waren bie Säumer 30 Sage DorauS 
in Der Selbarbeü. Ueber ein Drittel be$ SBelfdi- 
fornS ift fdjon geDffaii 3 t unb bie &dlfte baoon auf- 
gegangen. Der ©oben ift im heften 3uftaube unb 
nur eine gdttgliche Dürre tonnte bie SBelfdjfornernte 
fchdbigett. SBetsen ift fchon fo Doran im 2Bac6S= 
thum, ba§ an Dielen Stäben felbft baS gditsliche 
Äufhören oon Stegen bis gur Gmtc 3 eit, welche bieS= 
mal im 3uni, 30 Säge früher alS fottft feilt wirb, 
leinen beoeuteitben Schaben anrichten tonnte. Der 
fficigeit ift Don fechS bis fünfsehn 3oll hoch, ein 
Umftanb, ber noch nie Dorher 3 « biefer 3ahreS3eit 
in ÄanfaS ftattfanb. 

3 n 50?iffouri unb im füblitbeu ^Kittoi^ ftaitb ber 
SEBeisen fd) 6 tter alS je, im itörbltchen Dheile ooit 
3dinoiS ift ieboch mancher in Stieberungen geDflans= 
ter ertntnfen unb wirb Dott ben Smnnern itmge- 
bflügt werben müffen, um baS Catib mit SBelfddorn 
3 U beuftanaen. GS mag ber sehnte Dheil beS 2Bei- | 
settS im ttörblichen 3dinoiS, Ohio unb SDtichigan 1 
ertrunfeu fein, um fo fdjöner fteht aber bie Saat 
auf hoher gelegenen Selbem. 

3tt SRinnefota unb Dafota ift ber ©oben faft 


überall aufgethaut unb troden genug, uut mit bem 
©flügen unb ©ffansen 311 beginnen; ein immenfer 
BuwadjS an Sommerwegen unb iit einigen ®egen= 
beit aud) an 2öeIfd)forn ift in SluSfidit gefteüt. 

3« Sentteffee ift 50 ©ro 3 ent mehr Söeisen gefdt 
worben alS im lebten 3ahre. SBelfchforn wirb 
auch eine 3 unahtne erhalten, bagegen wirb ©aum= 
wolle unb Dabaf eine Ginbuhc erletbeit. 

9luS StorD=Garolina wirb eine 3mtahme von 
Sßeisen um 33 ©roseni unb Don Äorn in noch Diel 
gröberem ©erhdünih gentelbet. Der Staub ber 
Saat ift in beiben genannten Staaten DielDerfbre= 
dyenb. 

Süb=Garolina ^flauste 25 ©roient mehr ßafer. 
SBeljchforit unb ©aumwolle bleioen in bemfelben 
©crhdltitih alS im vorigen 3 ahrc, mit gldnsenben 
9luSfid)ten. 

©eorgia bergrofjerte fein Slreal in ffieueit unb 
©afer in bemfelben SSerhdltnih, wie Süb^Garolina, 
bagegen Derntehrte eS feine SBelfchtcrnauSfaat noch 
wett mehr, wdhrenb baS ©aumwollenlanb um 20 
©ro 3 cnt oertleinert würbe. 

Alabama hat feine S5grifultur=£ommiffion, ©ri- 
Datnad)rid)ten ergeben aber eine grobe 3«nahmc 
in SBeijeit, SBelfchforn unb ©afer unb eine ilb= 
nähme tn ©aumwotle. Der Staub ber Saaten 
ift fehr gut. 

3)?ifftffiDDi wirb auf feinem ©ügellanb, baS fünf 
Scd)3tel beS Staates auSmad)t, sehn ©rosent mehr 
3öclfchforit unb ©afer pffansen, wdhrenb in ben 
SJicbcrungcit 3 wifd)eit bem ?)a 30 o= unb SRifftffwU 
Sluffe, wo fonft eine aSiertelmillton ©adelt ©aum- 
wolle gebaut wirb, ein siemlid) ftarfer ^luSfad be= 
nterfbar feilt wirb, ber burch bie ileberfcbwemmung 
Dcrurfadit würbe unb nicht unter 20 ©ro 3 ent auS= 
madien faitn. 

3n ^IrfaitfaS wirb tn ben unüberfchwemmteit 
Diftriften eine 3unahme im ©etreibebau Don 25 
©rosent unb in ©aumwolle eine entforeebenbe ?lb= 
nähme ftattfinben. Ueber bie$lu$ficbten tu ben über= 
fdiwemtntcn ©egenbett ld§t fich noch wenig Jagen. 

Sloriba, DejaS unb Soutfiaua haben feine offc 
sieden ©erichte; eS fteht aber feft, ba§ in beit beiben 
erften Staaten eine ©ermebrung tu fdmmtlichen 
©obcnDrobufteit eintreten wirb, ©oit Souifiana 
ift fo Diel überfchioemmt, bah eS febwer ift eine 
Schdhuttg Dorsunehmen. 3u beit höher gelegenen 
Sheilen mag baffelbe ©erhdltnih ftattfinben wie in 
ben anberen Sübftaaten. 

3n beu Sübftaaten im 9ldgemeinen wirb 25 
©roseut mehr ©etreibc gebaut werben, alS im 
Dorigeit 3abr, wdhrenb baS ©aumwodettareal eine 
fleine ©eningentttg aufioeift. 3» beu überfchiDemm= 
ten Diftriften, welche iit ben Staaten jeititePec, 
SlrfanfaS, 5KifrtffWDi unb Souifiatia liegen, bürfte 
aber ein Ausfall in aden ©robuften entftehen. 

dmc $tur<fafa$rt burch beu ©ottharbtmmfl wirb 
wie folgt gefdjilbevt: „Die fürslich erfolgte Gröff= 
nting beS ©ottharbtunnelS erwedte in mir bie 
Sehnfucht nach einer Sahrt burch biefen grohartigett 
©au. 90?eitte Steife führte mid) Don SBürttemberg 
auS über ©lo^iitgen, 3mtnenbiugeit, am herrlichen 
©ohenhuiel Dorübcr nad) Schaffhaufen, wo ber 
Shein gegenwärtig fo flein ift, bah man beu Sluh 
1 leicht burdnoaten tonnte. SBeiter ging eS oon ba 
1 über 3 ürich nach 8 u 3 ent, wo wir übernachteten unb 


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336 


ÄJjrotuk ber Cegemoari 


am itächften 2Korgen mit bem erfteit Schiff bie 
Sabrt auf bem J>crrlicficn Siermalbftäbter*See, an 
bcffeit Uferftreden bereits baS erftc StühlingSgrün 
hcroortrat, unternahmen.- Sor 9 Uhr tarnen mir 
in Slücten an unb festen fofort mit bem üßoftmageu 
bie 9ieife über Altorf nad) ©offenen fort. Schon 
ber Sau ber ©ottharbbahn unterhalb ber Äsen* 
ftrafjc am Siermalbftäbter*Sec ift fühlt unb fehen 
burcbgeführt;.abcr ftaunen mu6 man über bie oie* 
len~TunnelS im 9?eufjthale, bie meift ÄebrtmtnelS 
fiitb. ®er eine fleht fehnedenartig mit beinahe 
amei Sßinbungeit burch beit Serg unb mit Semun* 
benutfl fraflt man fich, meid) hoher ©rab oon Stä* 
aifion au einer foldjeit ®urd)führung gehört! üRit 
freubifl erreflten ©cfühlen (aitflteit mir an bem 
ßopfe beS großen ©ottharbtunnclS in ©öfcheiten 
an unb mit etmaS Sangen trat ich bie $ahrt burch 
beit Tunnel an. ®er SBaggon mar nur fpärlidj 
erleuchtet, bie genfter maren oon föaitdj gefchmärat 
unb faft unburdjfid)tifl. ®aS Thermometer im 
SBageit fomie mein eigenes acigten bei ber Ginfahrt 
66 ©rab. 2ßtr fuhren burch ben 45,000 guft (etmaS 
über 8 engl. SKcileit) laitflen Tunnel 31 2)?inuten 
unb hatten in ber mitte beffelben anhalten müffen, 
ba bafelbft Arbeiter abgefefet mürben. SBeber ich 
nod) meine 9Ritreifenbcn fühlten baS flerinflfte oon 
AthmungSbefdnoerben unb auch bie Campen braun* 
ten an allen Stellen ßleicb ftaef. ®aS Thermo* 
metermar nach unb nach auf 69 ©rab fleftieflen. 
Gine grofte Ueberrafdjuug mürbe unS bei ber AuS* 
fahrt auS bem Tunnel auf italicitifcher Seite au 
theil. 9Bir tarnen in ein argcS Sdjneegeftöbcr, fo 
bah id) meine Abfidjt, nach bem Gf ottharb*©ofpia au 
fahren, aufflebeit muhte. 3cb befdjloh Daher, am 
näd)ften SKorgen (5. 9Kära) micber burch ben Tun* 
itel aurüeffehren. ®ie 9?ad)t aum 5. 9Rärt aeigte 
ben berrüchftcit 33o(lntoiib mtb ber ©ottharb erfdjteit 
in munbcrooller Scleudjtuitg. Ucberhaupt tonnte 
ich bic ^ßahruchmmtfl machen, bah ber Aitblid ber 
Alpen, ben ich fo oielfad) fenitc, im hinter flarer 
unb mefleu ber fternfidit faft iutcreffanter ift, als im 
Sommer. ®ic 9tüdfahrt burch ben Tunnel trat 
id) um 5 Uhr 9KorgcnS an. ®er Thermometer 
mar im freien 27 ©rab. 3<h lebte midi in eilt 
fleineS Goupee, öffnete baS ftenfter unb belcudOcte 
mir ben Tunnel mit einer Slcnblatcrne. 3m 
Tunnel felbft ift auf icbeit Kilometer eine flcinc 
Campe mit einer Kummer anflcbracht, melche aur 
Orientierung für ben Cofomotioführer bient. 9Meiit 
Thermometer, melcheS ich auS bem Soupee heraus* 
gehängt hatte, beflann nach unb nach au fteißeu unb 
aeiflte in ber äBitte beS Tunnels 73 ©rab, pon ba 
an fiel baffelbe mieber bis fleflen ben AuSgang. 
SBährenb ber gahrt unternahm ich eS mieberholt, 
beim geöffneten Sfcnftcr oon auften Zithern au holen; 
babei aeiflte fich bie Cuft ungefähr mie in einem 
fehlest gelüfteten ®ampfbabe, baS ©effthl hierbei 
mar aber nicht unangenehm, fo bah bic Sahrt burdi 
ben Tunnel 9?iemanbeu abhaltcn follte, biefc ffteifc 
au machen, melche in 3ebermanu bie ©efühle ber 
Scmunberung über bicfeS fRicfcnmcrf ber Tcchnif 
fomie über bie AuSbaucr unb ben Sieg beS ntenfd)* 
iidwi ©ciftcS heroomifen muh. 

Xit Blöder übliche ©ruppirung BrrUtttoitSfhtateit, 

menn man oon ben oerfdjiebenen CanbeStheilen 
fprechen moütc, in bie öftlidjen Staaten, bie Mittel* 


ftaaten, ben SBeften, ben Süben unb bie Pacific 
Klüfte ift cntfdiieben oeraltet. ®er@eograph beS 
neuen GcitfuS, fcerr £>enrp ©arret, hat eS barum 
unternommen, eine neue ßintheilung ooraunehmen, 
bic fo praftifd) erfd)eint, bah fic hoffentlich halb all* 
gemein in ©ebrauch fommen mirD. Gr theilt baS 
grobe ©ebiet ber Ser. Staaten aunäd)ft in brei 
grohe Abtheilungen: bic Atlautifdjctfüfte, baS9)iii* 
fiffippi Thal unb bie ©ebirgSregion ber Gorbillcreit. 
®ic erfte neunter bic ^Xtlautifdbe Seftion, bie ameitc 
bie Central Seftion, bie Dritte bic 3Be(tIiche Seftion. 
®ie erftereu beiben Abtbeilungen theilt er abermals 
in korben unb Süben. ®ie Trennung ber Atlan* 
tifdien Seftion ift bie alte „SDfafon’S mtb ®ison’S 
Ci nie" amifdieit äNarplanb unb Sennfploanien, bie 
ber aweiten Abtbeilung bilben ber Ohio unb bie 
Sübgrenaen oon 9)?iffouri unb SanfaS. ®ie ba* 
burd) eutftehenben fünf ©ritppen fefeen fich mie folgt 
aufammeit: 

9iorb*Atlantif<hc Staaten: 3Maine, 9?em &amp* 
fhire, Scrmont, ä)?affadmfettS, ^Jthobe^^lanb, Gon* 
necticut, 9cem Sorf, 9tem 3erfep, ScnnfplPanien— 
aufammen 9. 

Süb*Atlantifdje Staaten: ©elamare, 9)?arp* 
lanb, T)iftrift pon Golumbia, Sirginia, SBeft Sir* 
ginia, 9?orb*Garolina, ©eorgia, Storiba — aufam* 
men 9. 

9?örblitc Gcntral* Staaten: Ohio, 3ubiana, 
3HinoiS, 93?idugan, SBiSconfin, 9Minnefota, 
9)^iffouri, T)afota, ÜHcbraSfa, SanfaS — anfam* 
men 11. 

Süblid)e Gentral*Staatcn: Alabama, üRiffif' 
fippi, Couifiana, TepaS, 3nbianer = Territorium, 
ArfanfaS, Tenncffce, Ätentudp —aufammen 8. 

2Bcftlid)c Staaten: Montana, 3baho, ffiafhing* 
ton, Oregon, ÜBpoming, Goloraoo, 9?em SKepifo, 
Ariaoita, Utah, 9ceoaba, Galifornien, aufammeit 11. 

®ie neue Gintheilung empfiehlt fid) fchott pon 
bem blofe geographifd)en Stanbpmtfte auS. 

3« Ber OlagfaBrif Pott ^reiner ä grieBriihS au 

Stüberbad) bei 3lincnau (Thüringen) merben feit 
einiger Beit GMaSballonS au elcftrifdicn ©lühlampen 
hcrgcftcllt. ®icfclbcit gehen nad) Gnglanb, mo 
aunächft bie Äohienfäbdten eingcfchmolaen toerben, 
bann loerbeit bieSallonS luftleer gemacht unb bann 
augefdmiolaen. 3u biefem Bu'cd ift eine Anaahl 
Stüfecrbacher ©laSbläfer nadj Conboit gegangen. 
®ie 9?ad)frage nach biefen Campen fcheiut groß su 
fein, ba ber SrciS nod) gana enorm hod) ift, näm* 
lid) 25 90?arf ($6.25) per Stüdf. 

£ie Setmtm tum CoitBeit, GauaBa, haben Ttch 
baburch auSgeaeidmet, bafi fie bent erften Ghinefeit, 
ber fid) in ihrem Ort nicberliefj, ihren Sd)tife per* 
fagten. ®cr Söbel lieh bem Sohn beS „hintm* 
lifchen Reichs" feine fWuhe, unb er mar geamungen 
bie Stabt au'Perlaffen. 1 

CehteS mürben hieraulanbe 151 lutherifche 
Sircheu erbaut. ®apon fommen 28 auf Ohio, 
27 auf Scnnfploanien, 13 auf SWtuoiS, unb ie 10 
auf 3ubiana, 5D2id)igan unb 9JebraSfa. 3niter* 
halb Pier fuhren haben bic Cutheraner in biefem 
Canbe 505 Äirdjeit errichtet, nämlich 300 für beut* 
fd)e, 163 für engüfdje unb 42 für gemilchte ®e* 
mcinben. 


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24 


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Sin illujtrirtrs JamilienbUtt. 


genutet ^anb. 


Juli 1882 . 


§i eßentes £eft. 


PruuUi todjUr. 

®itt ^apitcf über beiitf^amerißani^e ^gübcßenergiehttttg. 


««torieH. 


ir Seutfdje finb feit lange ge* 
yll roöhnt, uns nicht £>Io§ „bas ©olf 
al|) ber Siebter unb Senfer" gu 
nennen, fonbern auch unfere 
v &eimath als baS gelobte Sanb 
ber Schulen, Schuibilbnng unb 
©oltSergiebung greifen gu hören, ja roir meinen 
fogar guroeileii, biefeS ©ebiet gerabegu als unfere 
befonberS priüilegirte ©omäne «nfetjen unb 
^eutfdjlanb geroiffermaßen als bie ©ortnalfcbule 
unb feine Bewohner faft als eine Art ©eneral» 
fchulmeifter ber gangen ciüilifirten Söelt betrarf)= 
ten gu bürfen. 6» mag in jener Begiefjung 
©tancheS, roenn aud) nid)t AüeS wahr fein. So 

? irünblid) unb bod) babei fo allfeitig, fo Dielum* 
affenb unb babei bod) fo genau bi 5 in’S ©ingelne 
eingepenb, ja mit faft peinlicher unb fleinlidjer 
Sorgfalt fpftematifcher ©ietljobe georbnet unb 
geregelt wirb ber Unterricht, unb groar auch fchon 
ber ©olfSunterricht. faum irgenbroo in einem 
anberen Sanbe ertheilt, mie bori im Sanbe ber 
Spulen unb Scpulmeifter. 

AnbererfeitS aber finb jene oben angebeuteten 
^Infpriicbe, bie mir gar gu gerne, roenn nidjt 
laut bod) leife, aber barum nic^t minber ernftlich 
gemeint, erbeben, hi ihrer ©infeitigfeit, fofern 
fie and einer unter Umftänben üielleidjt bered)= 
tigten ©igentljümlichfeit, eine unberechtigte na* 
ticmale Aufgabe, ober gar eine prooibengiefle 
BZiffion ©eutfchlanbS machen roollen, auf ein 
richtigeres SDtafe unb groar auf ein fehr Diel be* 
fcpeibenereS gurüdgufütjren. 3um niinbeften 
muß gefagt werben, baß fiep jener oft fo weit 
hinfehroeifenbe BilbungStrieb ber Sieutfcpen fei* 
neSroegS überall gleich günftig beroiihrt hat; fo 
hoch roir auch immer bie Serbienfte angufdjlagen 
haben, bie baSbeutfcpe ©letnent überall, roo eS 
feiner cioilifatorifdjen Berufung fich bewußt, 
als ftulturmadjt auftrat, fich unläugbar als 
feine fdjönfte ©rrungenfepaft im großen frieb= 
liehen SJettftreit ber Nationen erworben hat. 

u 


Zimmer aber gelang ihm bieS unb gelinqt eS 
überhaupt nach bem 3eugniß ber gangen 2Belt= 
gefd)id)te nur ba, roo für baS Samentorn feiner 
eigentümlichen ©eiftesbilbung aud) ber frembe 
©oben richtig gnbereitet unb alle ©orbebingun* 
gen Icbensträftigen SßacpStbumS in genügenbet 
tjüllc üorhanben unb in gcbeiplicper 2öeife gu 
einer fruchtbaren ©ntfaltung berfelben erfüQt 
waren. 

$enn auch aeiftigeS Sebeit läßt fich nicht ein» 
fach nur gang fo roie eS ift uon einem ©olfsboben 
in ben anbern uerfeßen urtb ohne Schaben aus 
ber mütterlichen ©rbe, in ber e§ mit allen feinen 
großen gef<hid)tlid)en ©orauSfeßungen feit ^ahr» 
hunberten wurzelt, in ein fretnbeS StrcibtjauS 
mit anberer 2etnperatur, neuen Bobeuüerljält* 
Derhaltniffen unb Döllig Derfchiebeiten fiebenS* 
bebingungen unb AafjrungSftoffen Derpflaugen. 

Unb in biefem Stüde rnüffen roir leiber gu* 
geben, baß es bie $eutfcpen hiergulanbe Dielfach, 
roenn auch oft in ber heften Meinung berfeplen. 
Siegt hoch für unfere gange beutfdpe Art über* 
haupt unb im Allgemeinen, gang befonberS aber 
auch in unferem Schul* unb UnterrichtSttefen 
bie ©efahr barin, baß ba§, was unbeftreitbar 
unfere größte Starte ift, nämlich unfere beutfdhe 
©rünblichteit, unfer Bienenfleiß im Sammeln 
unb Bewahren jebeS eingelnen noch fo Keinen 
BliffenS* unb BilbungSfioffeS, unfere ©orliebe 
für ben ftreng methobifepen ©ang be§ SeprenS 
unb fiernenS gur &inberung roirb, ba§ frembe 
aut bann, roenn e§ wirtlich groß unb echt, 
folib unb bauerhaft ift, mit gerechtem ©taß* 
ftab gu meffen unb in feinem wahren SBertpe gu 
roürbigen. 

©in befonberS roarnenbeS Beifpiel biefeS ein* 
feitigen BetonenS unb ffeftpaltenroollenS beS 
„ächten $eutfcpen," biefeS oft enghergigen Be» 
rounbernS unb ipängenbleibenS am AUßer» 
gebrachten, an ben Sräbitionen ber Familie ober 
ber ^eimatp, an ^ugenbeinbrüden unb üinber* 


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338 


Prriftlri Södjter. 


©eroohnfjeiten, begegnet uns namentlich fe^r 
häufig auf bem ©ebiet ber b e u t f cf) a m e r i t a = 
n i f <h e n Dt ä b d) e n e r j i e h u n g. $a foH aus 
übelangebrachtem unbuötlig falfd) berftanbenem, 
aber gern jicf) conferbatib nennenbem Sofal» 
Patriotismus eines jwar rooblflefinnten, aber 
meift etwas befchrönften 9Jiutter=, Seifen» ober 
SantettljerjenS alles ganj genau fo gefchehen, 
fein unb bleiben, roie „brühen", unb wie eS 
einftenS bie oerftorbene Schwieger», ©roß» unb 
Urgroßmutter auch gemacht, gethan unb ge» 
haften hat. Dian hütet lief) ängftlid), baß ja 
nicht auch nur burch baS tleinfte fepältlein ober 
Söehlein im raoblgefiigten gantilienbau beS 
beutfehen Kaufes ber geringfte frifche Suftjug 
ober gar ber gefährliche Seftfjaud) beS „Ameri* 
fanertljumS", baS man roie eine oergiftete Atmo* 
fpfjäre uofl ber anftecfenbften DliaSmeit ju fürd)= 
ten fcheint, einjitbringen bermöge. 

freilich muß man, um ganj gerecht ju fein, 
auch baS lagen, roaS biefe „guten Oeutt'djen" 
meift unler Ameritanertljum öerftefjen, baS ift 
fehr oft nur eine, manchmal fogar recht fd)limme 
Äarrifatur bejfclben, bie feinen ßinberu unb 
inSbefoubere feinen Töchtern ntöglichft ferii bom 
8eib unb namentlich bon ber Seele ju halten, 
burchauS feine liederliche Angft empfinblicher 
ober furchtfamer Seelen, fonbern einfache fitt» 
liehe ©flieht geroiffenhafter ©Itern ift. @S fehlt 
folchen ©Iterii aber gar manchmal an aller unb 
jeber ©elegenljeit, baS beffere, inSbefonbere baS 
chriftlid) gebilöete Amerifanerthum näher fennen 
ju lernen, unb eS fehlt ihnen noch biel öfter am 
unbefangenen Slid, an SBeite unb Schärfe beS 
UrtheilS, an ©röße beS geiftigen ©efichtSfreifeS 
überhaupt, um eS in feinen gleichfalls berechtig» 
ten @igenthüinlid)leiten, in feinen nationalen 
Sorausfeßungen unb feiner gerichtlichen Doth» 
roenbigfeit genügenb ju berftehen, fein ftaUcheS, 
SerwerflicheS, Oberflächlich^- auf ben schein 
Berechnetes, bon feinem wahren, guten, ge» 
funben $ern ju trennen unb an ©efchidlidjieit 
ober auch ©ebulb, bei ihrer ©rjieljungSmetbobe 
baS SJertfjbolte beibet ^Rationalitäten langfam, 
aber bauerhaft ju oerfchmeljen unb ihre beiber» 
feitigen fehler, Dlängel unb ©ebredjen glüdlid) 
ju oermeiben. 

©erabe bie unparteiliche ©ered)tig(eit erfor» 
bert es barum, ber e i n f e i t i g beutfehen Dtäb* 
djenerjiefjung in biefem Sanbe auch bie ebenfo 
einfeitig amerifanifche, bielleicht fogar in 
etroaS übertriebener 3e>djnung, an bie ©eite ju 
ftellen, beren mißoerftanbeneS unb oft ohne Dotfj 
gefürchtetes 3errbilb jumeift ben Einlaß giebt, 
fie nicht bloS mögliche geringfd)äßig unb niebrig 
ju tajiren, fonbern fie auch fo ftarf ju ber» 
werfen, baß man fie fid) unb ben ©einen fo 
redjt gefliffentlidj fern ju halten unb fein £)auS 
bor jeber beflecfenben Berührung mit ihr her* 


metifch abjufperren bemüht ift. Sielleicht baß 
eS uns bann gelingt, burch gerechte Anerfennung 
beS ©uten an ©eiben unb gewiffenljafte Auf» 
bedang ihrer Schaben baSjenige herauSjufteHen, 
roaS tinS not!) tfiut für eine, im Allgemeinen 
roenigftenS möghchft richtige, für uniere Ser* 
fjältniffc geeignete unb praftifrf) erreichbare 
beutfd)amerifanif<he Diäbchenerjicljung. JJieS ift 
eine f^rage, bie roir jebenfalls für eine ber brin* 
genbften unb brenneitbften Sebensfragen gerabe 
unferer gegenwärtigen ©encration, eine Aufgabe, 
beren Söfüng roir für eines ber roichtigften unb 
nöthigften, aber auch febwierigften Oinge halten, 
benn oott ihr hängt ein gut Sdjeil unferer gaii* 
jen 3>'tunft ab. SMe unfere lünftigen beutfehen 
grauen nnb DJütter in Amerita werben, fo wirb 
roefeittlid) auch baS ganje tiinftige beutfdiameri* 
lanifche @efd)led)t. 2ßaS fie aber werben fol* 
len, baS werben fie ficherlich nicht bon felber, 
fonft wäre freilich unfere ganje jfroge böllig 
üöerflüffig. Seim DJäbcheit gerabe, baS ftrenger 
an bie Schlaufen ber Sitte gebunben unb enger 
in ben ftreiS beS £mufeS gebannt ift, ift bie be» 
ftimmenbe Dtad)t ber ©rftcren unb ber fiille aber 
ftarfe ©influß beS Seßtcren um fo gewaltiger 
unb barum auch um fo gefährlicher ober um fo 
gefegneter, je nach bem. 

©3 ift natürlich unmöglich, hier Alles ju 
fagen, roaS über einen fo umfangreichen, an fi<h 
fo üielfeitigen unb auch fchoit fo bielbefprochenen 
©egenftanb noch gejagt werben fann; wir be» 
anfpruchen auch nicht, noch irgenbwie neue ©e= 
fichtspunfte über bis jeßt unbefannte unb noch 
unerforfdjte Siefen beffelben aufjuftellen, fon* 
bem möchten nur ben geneigten Sefer unb borab 
bie liebe Seferin einlaben, baS was fid) ihnen 
bei einem flüchtigen ©ang burch breierlei £>au3* 
haltungen, bereit Söchtererjiebung roir mit ein 
paar Strichen treu nach bem Sehen ju jeidjncn 
berfudjett wollen, oon felbft jur Beobachtung 
barbietet, mit gebührenber Aufmerffamfeit unb 
mofjlwollenbem ©rnfte unpartheiifch ju prüfen, 
um felbft barauS bie nötigen praftifdljen ©chlüffe 
ju jiehen. 

I. 

3fm .fjaus 5Ro. 1 begegnet uns junädjft baS 
häuslich er jogeite DJäbchen. ©3 ift ein 
liebes, gutes, gefjorfameS $inb, bieS beutfdje 
DJäbchen mit hellem Äfopf, freunblidjem DJunbe, 
getreuen Augen unb einem warmen ©erjen, ba* 
bei unermüblich thätig unb fleißig bon früh hi3 
fpät. Oenn bon Sugenb an ift ihr auf’8 Sieffte 
eingeprägt worben, baß bie Arbeit beS Sehens 
SBürje fei unb ganj befonberS beim SBeibe. 
Som großen ©oetße hat bie DJutter ftdjerlidj 
nicht biel gewußt, war auch nicht nötßifl ; aber 
eins feiner golbenen SGßorte roenigftenS hat fie 
fdjon frühjeitig unb tief in ihres ÜöchterleinS 


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339 


JJretetlei (llöcfjter. 


terg unb Sinn gebrüdt: „dienen lerne baS 
5eib bei 3«itenl" ,,®eb’ unb arbeite!" tjat’S 
bon SJtorgenS bis Sftenbs, {eben Stag unb gu 
ieber Stunbc geheißen. 9lber unter biefer „2Ir= 
beit" bot fie natiirlief) bloS bie häusliche 9lrbeit 
berftanben. So mußten fieß feßon bie tleinen 
fdjmacßen Singer auSfchließlidß nur am Strid» 
ftrumpf.üben, bis fie fpäter gur fJtäßnabel ober 
gar gur 9täbntafd)ine abancirten, unb faunt mar 
baS ffinb recht auf ben eigenen Süßen, fo fanb 
fieß im §auäßalte feßon gar oiel für bie garten 
änbeßen gu tbun unb gu helfen, als ba ift: 
efeßirrmafeben, Hlusfegen, Dteinmacben, Staub» 
mifeßen, Aufräumen unb roaS bergleicben fd^öne 
unb nüßlicße $inge mebt finb, — unb babei 
biieb’S. 

Spelte mir niemanb biefe fogenannten 
„Äleinigfeiten", bie boeß fo groß unb miebtig 
finb, unb bie nun einmal in unfer irbifcßeS 
Sehen unb abfonberlid) in’s roeiblicße notbmenbig, 
gang abfolut notbmenbig mit bineingeböreri! 
Mur baS ift ber ^efjler, menn fie baffelbe 
gong unb gar unb allein auSnta<ßen 
mol len ober au 3 füllen fallen unb 
menn eS nur bei ihnen allein bleibt unb bleiben 
barf, mie (eießt roirb’S babureß felbft ein färb» 
lofeS oetmafcßeneS $afein, eingegroängt in ben 
engften ÄreiS „häuslicher pflichten," ohne frif<ben 
HuSblid, ohne tieferen ©iublia, a<ß! nur gar gu 
oft opne freubigen 9lufblicf! — ein Sebeu, ba§ 
fidj guleßt gmifeßen .ftochßerb unb Sffiafdßguber 
als feinen beiben großen Violen beroegt, unb 
bejfen Cmßepuntte ein '-ßußfeft ober ein SügeU 
tag bilben! 

9tber mieberum fei bamit nicht gefagt, baff 
biefe Meinen ftünfte unb Sertigteiten, roomit baS 
Äiub, mie man ebenfo febön als ricf)tig gu fagen 
pflegt, feiner fDtutter „an bie £>anb gebt," etma 
aar nicht, ober nicht feijr frübjeitig fdßon bei ben 
Stäbchen eingeübt roerben follen. Oßne foldße 
Uebung mürbe es ja felber fpäter niemals bie 
SReifterin merben, bie eS bo<h einmal merben 
foO; unb menn ber geftrengc $apa ernftlich bar» 
auf hält, baß baS jödßteriein barin ber Stutter 
helfe, bafe eS bei ihr, mit ibt unb bon ihr lerne 
aut foeben, fauber roafeßen unb glatt bügeln 
(abfonberlicb bie Herrenbemben, fragen unb 
fRancbetten, biefe meifeen ©efpenfter beS bäuS» 
lidjen Sehens), roer mitl’S ihm oerbenfen, roer 
mirb’S ihm nicht bielmebr banlen ? ©efchießt’S 
boeß nicht bloS gu feinem, fonbern gu aller $)ienft 
unb SBoßl unb guleßt gu beS StödjterleinS eige» 
nem Sejten. 

2öie gefagt, baS alles ift recht, gut unb 
fdßön, unb ba fei ©ott bor, bajj mir Steife, 
©efehief unb #äuSli<ß!eit, biefe eblen unb 
unentbehrlichen, auch burchauS unetfeßlicßen 
Stugenben, über beren Stängel feine noch fo 
glängenbe ©onberfation, fein Schliff äußerer 


Stiftung, fein noch fo bobe§ Staß eingelernter 
ffenntniffe, fein noch fo feiner gefeflfcßaftlicher 
Ston unb Saft uns je gang gu tröffen ober gu 
beruhigen oermögen, in ben Staub herunter» 
gießen ober mit Spott unb £>oßn abfertigen 
mollten. Stielmeßr gerabe baS ©egentbeil moilen 
i mir fagen, mieberholt fagen unb beutlicß erflä» 

1 reit, um jegliches Stifeberftänbnifs ober jebe St iß» 

! beutung bon born herein gängliöß abjufeßneiben: 

! ein foicheS Sehen häuslicher Slrbeit, borauS» 

' gefejjt, baß fie nicht bie eitigige unb gange Sehens* 
arbeit felber mirb, ift nicht bloS nicht untoeib» 
lieh, fonbern ift bielmebr gerabe echt meiblieh, 
fie ift, meil unfere Srauen unb 2öd)ter bor 
allem in’S $auS gehören, als ihrem nächften, 
menn auch bietleicht nicht einzigen, SßirfungS» 
freiS, barein fie ©ott felber gefeßt, unb baS fülle 
£eiligtbum, mo fie priefterlich bie Slomme beS 
fterbeö gu nähren hoben, ein £>auptftiid aller 
maßren meiblicßen ©rgießung ; aber eben boeß 
nur ein Stücf, nidht baS ©äuge. 

®enn aus allen biefen eingelnen Arbeiten, fo 
nötßig unb nüßlicß fie auch an fieß fein mögen, 
unb fo geroifs jebe Srou fie berfteßen unb gmar 
grünblidß berfteßen muß, aus allen biefen ein» 
geltien fünften unb Sertigteiten entfteßt an fidj 
boeß noch lange nicht unb niemals auch nur fine 
äußerlich moßlgeorbnete ^auSßaltung, fo menig 
als jemals auS bereiugelten tobten 2 bei len unb 
getrennten ©liebem ein lebenbigeS ©angeS mirb 
unb mäcßft, fonbern bielmebr bann nur, menn 
(Sine gemeinfamc Seele, ©in belebenber Seift 
fie gufammenßält. Siefen „©eift" aber, ber bie 
gange ftauSßaltung regiert als uufidßtbare le« 
henbige Seele, als ber maßre spiritus familia- 
ris, ber ißm fein eigentümliches ©epräge auf» 
brüeft, ben belommt man eben nicht nur fo bon 
felbft mit in ben Äauf bureß bloße Uebung 
ßäuSlicßer Sertigteiten unb äußerlicher Stßätig. 
teit in allen meiblicßen Slrbeiten unb Sefcßäfti» 
gungen. 2>iefe felbft finb nur baS tobte Wate» 
rial, bie feelenlofe SJtaffe, aus ber jener gute 
ober böfe ©eift beS Kaufes, ber eS gu einem 
Fimmel ober aueß gu einer i>ölle auf ©rben gu 
machen bermag, je nach bem, ber eS mit Sreube, 
Suft unb Seligleit ober mit 5ßein, Dual unb 
Sdjinergen füllt, mieberum je naeßbem, b. ß. je 
naeßbem bie belebenbe Seele ift, bie barin mal» 
tet, fein Utficß fidj baut. 

Cßne jene ölonomifcße Süchtigleit mirb aller* 
bingS audß bie befte, gefeßeibtefte, geleßrtefte, ge» 
bilbetfte unb genialfte Hausfrau troß au ißrer 
i Talente, ©oben unb Äenntniffe feinen rechten 
; .jjauSßalt füßren fönnen, bei bem eS ben ©lie» 
bem unb ©äften berfelben roirflidj moßl merben 
fönnte, aber umgeleßrt macßt’S boeß auch olles 
^auSßaltungSgenie für fieß allein, aüeS 5ßußen 
! unb Sßafcßen, Äocßon unb SBügeln, 9täßen unb 
I Süden, Striden unb Süden uns noch nicht im 


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340 


#aufe wahrhaft „gemütfelich" (im ©egentheil!), 
fonbern nur jenes geheininifeDolle ©troaS, baS 
baS ftille ©eljeimnife jeber fpauSfrau ift mit» bas 
man auch bem heften Stäbchen nicht bon felber 
einimpfen unb eintrichtern fann, fonbern baS eS 
neben allen jenen fünften ber Sabel unb beS 
Kochlöffels, beS ÄehrbefenS unb beS ©ügeleifenS 
noch fennen, lernen unb üben muß, nämlich bie 
gtofee $unft beS ^>auä^alt führend, baS bie 
grau erft gur rechten Herrin beS Kaufes erhebt, 
gum lebenbigen Stittelpunft, gum marinen, 
tlopfenben, eitle» beroegenben fersen beffelben 
macht unb ohne bie fie'bloS feine Wienerin unb 
Schaffnerin, bie fDfagb, höchftenS bie £auS» 
hälterin bleibt, aber nicht bie 6auS f r a u. Söei 
ben meiften häuslich enogenen Stäbchen gewöhn» 
liehen Schlags aber pflegt leiber bie Butter bie= 
feS ©ebeimnifs, borauSgcfebt, ba& fie eS Ü6er* 
ijaupt felber befifet, ängftlid) als ihr ©eljeimnife 
gu hüten. Sie ift meiftenS gufrieben, roenn nur 
bie Stochter fjanb unb guß recht fleißig regt, 
aber baS orbnenbe, alles beljerrfchenbe unb be= 
ftimmenbe ®enfen behält fie fich felbft bor, 
bielleicht meil fie meint, bagu fei nur fie felber 
allein gefdjidt unb gefcheibt genug. So bleibt 
bei ber iochter auf ftoften ber bloßen äußeren 
f)anbfertigfeit ffopf unb fjerg oft fehr beben!» 
lieh leer, arm unb falt unb es ift benn freilich 
gar fein SB u aber, roenn fie bei folget perma» 
nenten ©krfcltagSarbeit im Schmeiße beS Sin* 
gefidjtS unb im Staube ber (Srbe nach l, bb nach 
gegen alles ©eiftige, gegen alles Rohere, ©effere, 
©blere Dötlig gleidjgiltig unb ftumpf roirb; ihr 
©efefemad bleibt ohne ©Übung unb roh, ihr 
©efichtSfreiS eng, ihre Stenntnijfe bürftia. 
Sommt fie je einmal in ©efellfdjaft, fo fißt fie 
entroebev ben gangen Slbenb ftill unb ftumm 
neben ben Slnbern, ober ift ihr jebeS iageS» 
gefchroäß, jebe 3^üungSneuigfeit, jebeS Joilet» 
ten», Oienftboten», £auS», ©arten» unb Küchen» 
gefpräd) gut genug unb auSreidjenb für gar 
manche fchöne Stiinbe, bie ihr neuen ©eroiun 
unb frifche Anregung hätte bringen fönnen. 
Wenn fie nur bie ©mpfänglichfdt bafür gehabt 
hätte. SOßo aber ber fjergenSboben nur mit 
nußbnrem S?ü<hengeroächS bepflangt ift, ba fön» 
nen freilich cblerc ©artenblumen, bie ©lütfjen 
ber ©oefie, Siteratur, Stufif ;c„ bie unfer fieben 
buftenb unb farbenreich fehmüden, fdjwerlid) 
gebeifjen. Unb nun, ihr mütter, fagt ehrlich 
iinb reblich, ift bieS baS 2tbeal eurer 2ö(f)ter? 

(<5<$lufi folgt.) 



p» «9. 

©an w. g. ßttiifchif. 

Jjjl ort im bergen beS SöhmerlanbeS, an beiben 
(V Ufern beS reigenbeu ©tolbauflujfeS, liegt 

1 bie hiftorifch benfroürbige Stabt ©rag, bie 
alte £>auptftabt©öhmcnS, bet Stolg beSGgedjcn. 
©einahe ein Sahrtaufenb hinburep toar fie bie 
Sefibeng ber &ergoge unb Könige bon ©Öhmen, 
bie ©eburtsftätte unb ber Sdjauplafc bieler 
politifchen, religiöfen unb literarifchen Kämpfe 
unb Umroälgungen. 

Nürnberg mag roohl als baS ÜJfufeum beut» 
fcher 3llterti)ümer gelten unb mit feinen altmo» 
bifchen Käufern unb Strafeen ein ©tittelglieb 
groifdjen bem ©tittelalter unb ber Seugeit biiben. 
Slllcin in biefen fjinfiditcn ftefjt baS ftofge, ehr» 
roürbige unb alte ©rag nicht roeit hinter Sürn» 
berg gurücf. ©rag ifi nicht bloS eine alterthüm« 
Iidje, fonbern auch eine fchöne Stabt. Sdjon 
feine finge auf ben Sergabhängen gu beiben 
Seiten ber ©tolbau, teie auch bie ©egettb fmb 
reigenb. Stit ihren gahlreicticn hohen Stljür» 
men, mit ben Dielen prächtigen ©aläften, öffent¬ 
lichen ©ebäuben unb ©rüden bietet bie Stabt 
einen impofantert Slnblid bar. Sie beffeljt aus 
Pier Don einnnber fehr Derfdpebencn ^heilen, 
nämlich ber St leinfei te, roo fich bie meiften 
öffentlichen Slemter befinben unb roo gröfeten» 
tfeeilS ber Slbel unb bie ©eamteit wohnen; bem 
$ r a b f ch i n ober bem Sdjlofebiftrift; ber 
3 0 f e p h ft n b t, welche einft baS Subcubiertel 
War unb roo fich gegenwärtig nodj bie meiften 
©rager Suben aufhalten unb ihre ©efchäfte 
treiben — unb ber 91 e u ft a b t mit ihren ©er. 
gnügungSorten. ÜBälle mit Saftionen unb acht 
$auptthoren umgeben bie Stabt. 

Oie ©efchidjte ©rag’S geht gurüd in bie $dt= 
periobe, Wo fid) noch £fjntfachen mit Sagen 
Dermengen. 9tadj befteljenben Orabitionen unb 
fiegenben Würbe bie Stabt um baS 3aljr 722 
gegrünbet. 

Oie ©ergogin fiibuffa, eine etTOaS fagenhafte 
©erfönlichfeit, foll bie ©rünberin geroefen fein. 
Sie war eine ^eerfiifjrerin unb ©riefterin ber 
(fgechen. 3n ber 9tnhe beS gegenwärtigen 
©ragS liefe fie ben SBalb lichten unb ein Sdjlofe 
bauen, roo fie ihre ©efibeng auffchlug. Sie 
roar eine fehr launenhafte fjerrfcfjerin, bie fich 
ihre fiiebhaber nach ih«m ©efaüen unter ihren 
Unterthanen ausroählte. Sobalb fie eines @e= 
liebten miibe roarb, liefe fie ihn ben jteilen Qfel» 
fen, auf bem baS Schlofe ftanb, hinab werfen 
unb berief nllfogleid) einen anberen ffanbibaten, 
um bie Stelle beS getöbteten eingunehmen. 
5Derfelbige ©oben am ffufee beS ©ergeS, roo bie 
Opfer ihrer fiaune gerfdbmettert rourben, bdfct 


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341 


IMs- 



jefct nodj „Sibuffn’S ©ett". So mandjeS Opfer 
mußte bie geitmeilige ©unfi ber Dtegentin mit 
feinem Sehen begabien. Oa fiel ihre 2ßa^I auf 
©remiSlaS, einen funken Säuern, ber e§ ber= 
jtanb, ihren Saunen fo entgegen gu lommett 
unb einen fold&en (Sinflufs auf fie attSguüben, 
bafe er nidjt nur betn Sdjidfate feiner ©or= 

S änger entging, fonbern auch §err über feine 
luttifdje ©emäblin mürbe. 3fn ihrem tarnen 
legte er ben ©runb gur gutünftigen Stabt ©rag. 
Sibuffa üerfammelte alle gübrer beS ©olles 
unb in beren ©egenmart prop^cjette fie in bes 


geifterter Ütebe bie gutünftige 9lu§bebnung unb 
©erübmtbeit ber jugenblid)en Stabt, melcper 
fie ben ©amen ©rag gab. ©on Sibuffa unb 
©remiSlaS flammt bie ältefte Sinie ber böb* 
miftpen £ergoge, bie ihre 'Jtefibeng gu ©rag 
batten. 

Oer £rabf<bin ift biefleicbt bie interfffantefte 
SebenSroürbigteit ©rag§. Sibuffa foll auch 
bie ©rünberin biefeS merfmürbigen ©aueS fein. 
Oie Sage, ber Sttjl, baS gange 51u§feben unb 
bie Umgebung machen ben £>rabfd)in guttt roab 5 
ten Siöeal einer alten KönigSrefibettg. OaS 

_ innere beftebt aus mehr als Pier bun* 

I bert fetjr reid) auSgcftatteten 3'mmern. 
Oent 9tcid)tbum unb ©(an) bes 3nne= 
reit cntfpridjt aud) bie ©rad)t bes 91eufee= 
rcn. m £>rabfd)in giebt eS manchen 
Ort, beffen ©cfd)id)te ergäblenStoertbift. 
Könnten bie alten i bür me unb bie fiit= 
ftcven imbeimlidjen Äevfevböblen reben, 
fie mürben uns oiel pon mittelalterlicher 
Opranttci unb ©vaufumteit gu erjäblen 
haben. Oa ift ber meifje ober runbe 
Öburm, in roeld)cm bie ©efangenen betn 
^mugevtobe preisgegeben mürben. #ier 
ftel)t ber fdjmarge ober bieredige 2 Ijurm. 
3fn biefem mürben bie ©efangenen nadj 
graufamer Oortur burd) bie eiferne 
Jungfrau bingcvidjtet. Oiefe eiferne 
Jungfrau mar eine gfigur, bie ihre 
Opfer umarmte unb fie gegen idjatfe 
eiferne Spijjctt an ihrem Körper brüdte. 


KarUbiiicff unb 2h urm * 


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342 


Prag. 


®ort ift ber $hutm ®aliborfa, 
in bcffen Sterfer bie ©onne nie 
fdjeint. ®a Würben bie Ser* 
urteilten burdj eine fjfallthüre 
in einem unterirbifchen, etwa 
neunjig iJuj} tiefen Werter mit* 
tel|i eineä ©tricfeS h*uab ge* 
laffen, um baS JageSlidjt nie 
wieber p begrüjjen. ®er 
$fprm foü feinen Samen non 
®alibor, einem Sitter haben, 
ber bap berurtljeilt worben 
War, hier ben SReft feines 2e= 
benS ppbringen. 5luf fein 
©rfudhen geftattete man ihm, 
feine Siotine mitpnehmen. 
@r fudhte fein fdjrecflicheS 2oo§ 
burdj) Siufif p liitbern unb 
barüber fein Siicffal p Der* 
geffen. ©eine Stufif, mit ber 
er bie öbe Äerferhöhle erfüllte, 
foll befonberS bepubernb unb 
faft überirbifd) gewefen fein. 

©erabe unter ben ©Jhlofj* 
mauern befinben fich jmei ftei* 
nerne Slonumente, bie bem 
Sroteftanten befonberS interef* 
fant finb. ©d^on war baS 
SBetterleudjjten beS breifsigjäh* 
rigen Krieges wahrpiteljmen. 
ftaifer Subolf, ber ben Söh= 
men [ehr gewogen war unb fo= 
gar in 'Prag feine Sefibenj 
aufgefdjlagen hatte, Derfudjte 
bie erregten ©emütljer burd) 



Äatfctd Äirc&fiu&I in St. ©cit*. 



Stuftest »an Uw ©uiötrt^vcu. 


beit Stajeftätsbrief p befönftigen, in* 
bem er ben Utraquiften unb Sutljera* 
nern ^Religionsfreiheit unb ©leichftel* 
lung mit ben Äatholifcn gewährte. 
21IS aber ber ©qherjog gerbinanb bie 
£>errfd)aft über Söhmcn in feine £änbe 
betam, fingen bie Sroteftanten an, um 
ihre ^Religionsfreiheit beforgt p fein, 
unb baS mit 9techt, benn ^ferbinanb 
War ein ftrenger, intoleranter ffatljolif. 
S)aB biefe Scforgitifj nicht grunbloS 
war, foflte fich halb jeigen. Seim Sau 
zweier proteftantifcher Kirchen auf bem 
©ebiete beS SbteS Don Sraunau unb 
beS ÄlofterS ©rab gefchal) ber 3luS= 
fprueb, baf? auf geiftlichem ©ute feine 
eoangelifchen ßirchen errichtet werben 
biirften, unb in f^olge biefcS SerboteS 
Würbe bie eine ßirdje gefchloffen, bie 
anbere niebergeriffen. ®a ber Jfaifer 
troh oder ©egenborfteüungen biefeS 
Serbot betätigte, erhob fich eine Stenge 
SolfeS in Srafl unter ber Leitung beS 


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343 


Prag. 



au« jübifctye Synagoge. 


Grafen Don ©bunt unb gog nach ber 
Schloßtanglei, mo inan bann bie ber* 
bauten taiferlidhen 9tätbe Blartinitj unb 
Slamata nebft beni ©ebeimfchreiber 
gabriciuS gum fünfter IjinauSmarf. 

©roß ber bebcutenbeit £)öhe unb ber 
nacßgefeuerten 3 d) Ulfe enttarnen alle 
brei mit bein fiebcit. ©iefer ©ernalt« 
act mar baS Signal gum breißigjcibrij 
qen ffriege. Bemertt fei nod), baß 
ftaifer fjerbinanb ben Schreiber 3?a« 
briciuS gum Anbeuten an biefeS ©t= 
eigniß bumoriftifd) gum ©rafen bon 
#ofjenfaU ernannte. 

fRaße betn ftrabfchin ftefjt bie St. 

Seit’S ffirdbe,— bie 2öeftminfter=9lbtei 
Böhmens. ©iefelbe ift über fünfbun« 
bert 3fab« alt- ©aS Seußere ift prad)t= 
boll unb l)at ein halb oricntalifcbeS 
9luSfeben. ©en 9teid)tl)um beS Tunern 
gu befcbreiben, ift faft unmöglich. §ier 
befinbet fiel) bie St. Stengels Kapelle, 
ait beren ©büre fidb CU1 großer, fcßme« 
rer SRiug befinbet, moran fidb Stengel 
gellammert haben foll, als er crmorbet mürbe. 
©ocß bielleicbt baS Sterlroiirbigfte ift baS ©rab 
beS heiligen 3mbanueS bon fftepomut, bem Patron 
Böhmens. ©er Seidbnam liegt in einem Sorge 
au§ folibem Silber, überbeit bon einem Bol« 
badbin, ben bier filberne ©ngel tragen, ©aS 
©rabmal ift eines ber mertroürbigften unb toft« 





barften in ©uropa. ©ie 3mige beS ^eiligen, 
ber bie Seichte feines föniglichen SeicßttinbeS 
nicht berrathen mollte, mirö in einer ©laSbafe 
aufbemahrt. 

©ie Kirche ift überhaupt boll bon ©rabmälern 
unb anberen Sterlmiirbigfeiten. So befinbet fidb 
hier g. S. eine ©arftellung ber Stabt ©rag mit 
bem ©riumpbgug StajimilianS in biefelbe, baS 
©ange tunftboll aus einem eingigen Stiii £olg 
gefcbnißt. ©es Seitfamen unb Slcrfmiirbigen 
ift hier fo biel, baß es ber Sefchrcibung fpottet. 

Stießt meit bom ^rabfchin befinbet ficß bie 
51 leinfeite. £ier fiub bie ©aläfte beS SbelS, bie 
Stufeen, ©allerien, Sibliotßefen unb fflöfter. 
9lm 2obfomiß=Slaße befinbet fidb eine Sibliothe! 
mit 20,000 Scinben, im ffiuSfb=Balüft eine mit 
40,000 unb im Strahon = ff (öfter eine mit 50,« 
000 Scinben. £)icr ftel)t ber Salaft SlbrecßtS 
bon Stallenftein, ber fiel) gegenmärtig noch im 
Sefißc ber ’Dindjfommeii jenes berühmten 3?elb«= 
herrn befinbet. 

Um bon biefem antiten Stabtthcil in bie @e« 
fcßnitS« unb Srbeits«Stelt ©ragS gu gelangen, 
müffen mir über bie Stolbau. ©cmöbnlich geht 
man über bie ffarlsbriicfe. ©icfelfce ift ein feßr 
maffibeS unb bauerhafteS Saumert. Son ßict 
aus fann ber größte 2t)eil SragS unb feiner 
Umgegenb überleben merben. ©S ift nicht gang 
ohne ©runb, menn ber ©rager behauptet, baß 
©rag, befonberS bon ber ffarlsbriicfe aus be« 
trachtet, feines ©leidßen in ©uropa nicht hat. 
Stuf biefer Srücfe finb eine Stenge ©egehftänbe, 
um beren Sebeutung ber Beobachter bie @e* 
fchid)tc, bie Sage unb fiegenbe gu fragen bat. 
©ie beiben Srücfenthürme mit ihren 3nf<briften 


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unb 2Bappcn erjüljlen bcn ätuhm bon VöhmenS 
Vergangenheit. Von bcn achtunbjroanjig Sta» 
tuen auf ber Vrücfe ift bie beS ^eilioen Johannes 
bon fßcpomuf bie hetmorragenbfte. 3 u berfelben 
fomint jährlich eine Vienge bon ^ilnern, um 
am ©age bicfeS jpeiligen bie Vlejfe ju hören, bie 
in einer temporären, über bie Statue beS £>ei= 
ligeit errichteten Kapelle gelefen tt'irö. ©aS ©e= 
bränge auf ber Vrücfe ift an biefein ©age oft 
lebensgefährlich. 

©ie „3ofephftabt" ift eine» ber ehrmürbigften 
unb intereffanteften 3uöenoiertel ©uropa’S. (iS 
ift unmöglich feftjnftellen, mann fiep bie 2ubcn 
hier juerft niebergelaffcn hoben. Schon bie 


manche ©riber ju fehen aus ber 3 e *t Stephans 
oou Ungarn. 

9ln baS Subenbiertet fchliefjt [ich bie „2Ut* 
ftabt" an. |>icr fleht bie ©cpntirche mit ben 
©ebeiiten ©t)<ho Vrahe’S. ©ie ©efcpichte biefer 
$ird)e ift eine tnechfelboüe. ©a ift auch bie alte 
unb berühmte Uniberfitat, einft bon bierjig» 
taufenb(?j Hörern befucht. fjier lehrte Johann 
&u|S, ber Vorarbeiter iluUjerS. 3tn Saufe ber 
3eit unb burdj mancherlei V)echfclfälle berlor 
biefe Slnftatt ihre ehemalige Vebeutung. 3« 
jüngfter 3 «it hot fic fich lefcoch hebeutenb ge* 
hoben, ©ie Vibliotljef enthält 142,000 Vänbe 
unb 77G2 SDlanufcripte, mobon manche fehc 



Ältrt S^wer ber Senatoren. 


älicften ß^rortifen unb Strabitionen ersten 
bon ihnen. Sie äroeiunbbreiftni Straften ber 
Sofepbftabt finb enge unb unrecielmüftig unb 
bic Raufer bafelbft finb febrbi<bt beroobnt. £)ier, 
tme in anberen ©roftftäbten, ftatten bie gilben 
Diel öon ben ®orurtf)eilen unb SJerfoüinnijen 
be§ 9Bitte(aIterS 311 leiben, Sfaifer 3ofepb II. 
lieft cS ficb befonberS angelegen fein, bie Sage 
biefer bebrüeften SBolfcS 51 t erleichtern. Tie 
ben ^ßragS b^^en if>r eigenes SRatbfiauS, m bie 
Seltenen 3 §raelS ihre eigentümlichen ©eföäftc 
Morgen. 93on ben jebn Synagogen ift eine im 
gotbifeften Stt)l erbaute befonberS merhmirbig. 
©ic fofl taufenb 3tcif)re alt fein. Ter ^ßrager 
^ubenfriebbof ift ebenfalls einer ber älteften 
unb ebrnmrbigften feiner 5lrt. Ta finb noch 


toertbnofl finb. Tie Untoerfität ftebt jefct unter 
römif(b=tatbolifd)er Kontrolle. 

$rag ift überbauet mit SraiehnngSanftalten 
put öerfeben. 9?ebft ber Unioerfität beftebt ein 
^oltjtedmicum, bvei ©pmnafien unb anbere 
höhere 9?olfSfdntlen. 

•ßrag ift baS Kentrum eines auSgebebnten 
KifeubabnitefteS unb eines lebhaften 3 > Wif^cn« 
baubelS, fomie auch ber ©ip einer erheblichen 
^nbuftrie. 

Ter befebränfte 9taum ,tft>ingt uns, non ber 
alten Stabt ?lbfd)ieb in nehmen. 9?ur flüchtige 
S?(icfe ttmrcn uns geftattet. Tod) um alles 
Sebensmertbe 511 befdjreiben, müßte man große 
33 iid)er füllen. 

Tarum cinftmeilen 9lbieu! 


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Pew IJorkrt Pübrt. 


34& 


$Uw JJorlur Pilbfr. 

Smt 3. Meiner. 

m ' 1 gemefen mar, unb gab fi<h baS »nfeljen, als 

ÄS ift einer jener unfreunblidien Stärjtage, wenn eS ben Straftenübergang lehrte, mäljrenb 
Up mie fie bie Sietropole jebeS ^afir fief)t. Xie bie auSgeredte .£>anb unb bie geläufige 3unge 

T 9tacbt über war ein leichter Sdjnee gefallen; ben Cohn für bie angebliche Arbeit üon ben Sor* 
bie Xaufenbe bon 3?uljrmerten jeglicher Srt, übergehenben einforberte. 
welche bont frühen Storgen an bie großen 2Ser= 'Jticftt fobalb batten bie Keinen SBefen baS 
lehräftrafecn füllen, batten benfelben in einen Soar entbedt, als fie fi<b herbei brängten, bie 
furchtbar häftlijhen, übelriecbenben Srei Der* Sefen in bie £)öl)e hoben, bie fehmußigen #änbe 
wanbeit, ben bie fjfuftgänger auf ben 3 e hen= auSftrecften unb eins baS anbere mit bem ©e* 
jpißen ju paffiren fud)ten, aber nicht ohne bon febrei überbot: „Sitte, einen Sentit)!" „Sitte, 
bemfelbett feinen 3 oll in ©eftalt bon großen mir auch einen, wir lehren bie Strafte für Sie!" 
Schmußfledett auf ihre Kleiber ju erhalten; „Sitte, mein £>err, wollen Sie nicht Sebent 
talt unb burchbringenb braufte ber SOßinb bon einen !|3cnnt) geben?" 
ben beiben 3rlüifen unb ber Sai herauf bureb Unb welche Schelme fie waren! SobalbeinS 
bie Straßen, in einzelnen heftigen Stößen ben bciS Rupferftiid empfangen hotte, ftellte eS fi<h 
Schmufe ber Straße aufmirbelnb unb ben 2eu= jurüd unb fthrie: „Stir auch einen, ich höbe 
ten in ©eftalt bon Keinen ©isftiiden in’S ©efidjt noch Nichts belommen; bitte, bitte, alle haben 
merfenb; bom ,j)immel riefelte ein ertältenber ©tmaS, nur ich nicht!" 3uleßt Waren jwanjig 
»egen, oft mit SCbnee unb Keinen Schloffen Rupferftüde fort unb baS ©ebettel bauerte uit= 
untermifcht; es mar ein Sag, wo Seber, ber h<n= gef(hwäd)t fort, bis baS Soor fich befreite unb 
aus mußte, fiel) nach bem warmen 3< mm er weiter ging, mäljrenb bie Keine Sanbe fich auf 
fetjnte unb eilenbS baffelbe wieber ju erreichen eine Gur ftürgte, aus welcher eben bie 2eute 
fudjte. * traten. Suf ber entgegengefeßten Seite ber 

Unfre Keine ©rjählttng Dcrfeßt uns an ben Straße traf baS Soor noch ein Stäbchen, baS 
Gitp £>all Sor!. 2Ber, ber Sem Dorf jemals wirtlich lehrte. XaS Rinb fah fehr fdjücfttern 
gefetjen ljot, tennt benfelben nicht, mit bem gro* unb elenb aus. Sein jerlumpteS Äleibcfjen 
ßen Stabthaufe auf ber einen unb bem impo= ftammte offenbar aus einer bornehmen ©ar= 
fanten Softgebäube auf ber anbern Seite, um berobe her unb war fehr tur.t unb ohne »ernte!; 
weichen herum ber ganje ungeheure Sertebr ber Seine unb Srme waren bon fjroft blau ange« 
2Beltftabt feinen GulminationSpunft erreicht. laufen, babei mar es ebeufo fdpnußig mie bie 
6 ben hotte ein -frerr unb eine Xante müljfam anbern. Xen Sorübergeheuben hob eS ohne 
ben Sroabmap getreust unb fuchten nun ihren 23ort bloS bie £>anb hin, währenb eS beS ®e(* 
2Beg nad) bem fjuße ber O'hatham Strafte über beS mehr bebiirftig fdjien als bie anbern alle. 
baS Keine Xreied burdjpfinben, baS fiCh jur »Is baS Soor baS Rinb erreichte, ergriff bie 
Seite ber ©itp -f)all bilbet. Xer £>crr mar junge Xu me baS auSgcftredte Häubchen unb jog 
bon mittlerem Slter, fräftig gebaut unb in baS fich erfchroden fträubenbe Rinb auf brh 
einen biCten Ueberrocf gehüllt, bie Xante mar Seitenweg. 

augenfCheiitlich Diel jünger, ooit faft mäbchen* „2ßie fjeifteft bu?" fragte fie in jener gemin* 
ijaftem SuSfepen; ihre liebliche 0rigttt war in nenbett SBeife, in welcher man eine Setannt* 
einen Segenmantel gehüllt, auch fdjien fie bie fchaft mit,Rinbern einjuleiten fucht. 

Rälte weit weniger ju fühlen als ihr älterer „fiiltj, Stabam — bitte, feuben Sie mich nicht 
©efäfjrte. in’S ©etäugnift, ich höbe ganj gewift bort briiben 

©ben wollten fie bie Strafte treujen, als fie feine Raftanien genommen; ich wollte mich bloS 
einer 21 n ja hl fonberbarer SÖefen anfichtig mur* ein wenig am Reiter wärmen." 
ben, big. fo reCht im Scftmuß herum 511 hüpfen „SMr wollen bir nicht wehe thun!" fugte 
fdjienen unb ben Straftenübergang belagerten, lächelnb bie Xante, inbem fie bachte, baft eine 
©in genauerer Slid enthüllte ihnen fünf Keine ftorte Serfuchung, etlidie heifte Raftanien ju 
Stäbchen, alle in turje, fthmußige Södcheit ge* ftehlen, bie furcht beS Stäbchens erregt hoben 
hüllt, bie Seine unbebedt unb jene roh gectrbei* , mochte. Zubern fie baS Rinb näher anfah, be* 
teten S^uhe an ben lüften, mie fie ooit 2Bohl» \ mertte fie, baft bie Sugen tief blau waren, eine 
ti)ätigfeitS=©efellfchoften auSgetfteilt jit werben | Stelle ihres ^alfeS, welCfte-burch baS naffeRleib 
pflegen. ^ebeSberfelben hotte einen Stumpfen j Dom Schmußc gereinigt worben mar, enthüllte 
Don ©twaS in ber £>anb, was einmal ein Sefen i eine herrlich Weifte .fjaut unb bie oermirrten 


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346 


jlem Yorker Püber. 


.paare waren non jener golbenen ffarbe, bie 
gerabe fo beliebt war. 

Oer perr, um bie gurc^t beS SinbeS gu bäm= 
pfen, jagte gütig: „2öir frühen ein armes fleu 
neS Stäbchen, um bei uns gu bleiben. SBollteft 
bu gerne bei uns bleiben ?" 

„;Vi. mein perr," war bie prompte Antwort. 

Oer perr fab etwas oerlegen aus, batte er 
bocb eine ebenjo prompte Steigerung erwartet; 
aber bie buitfeläugige Oame meinte: „Sie ift jo 
Iiebli«b wie irgeiib eins, baS wir befomnten 
Jönnen;" bann gu bem Sinbe fid) wenbenb, 
fragte fie: „2Bie niel mußt bu jeben Oag oer= 
bienen?" 

Oiefe {frage geigte, bap bie Oame wohl be= 
tannt war, wie gewijje H?erfonen jeben Oag eine 
3lugaljl Siitber auf bie Straffe fanbten, eine 
gewijfe Summe Selbes gufammen gu betteln, 
mit ber ?IuSfi<ht, im 3?alle fie barinnen gn turg 
fämen, unbarmbergige Silage gu erbalten. 
OaS Sinb antwortete fofort: „3ebeS map 30 
Gents beimbringen unb icb ^abe bis jept bloS (5. 
Oie Seute geben nicht gern, wenn eS fo talt 
ift." 

Oie Oame fuhr fort: „^dj null bir 25 Gents 
geben, wenn bu beim gehft unb bein Sefidjt 
wafdjeft, fo bap icb 3 U bir Jommen unb bidj 
feben tann." 

,,^a, Stabam!" 

„2Bo mobuft bu benn?" 

„Sei Oante Stohr, So. 58 Stulberrt) Str., 
hinten im Seiler." 

„piet ift baS Selb unb ba halt bu nod) 10 
Gents mehr, geb bamit gu jenem Saffee=Stanb 
unb taufe bir ein warmes Gffen. Seb’ nun, 
Steine!" 

OaS erftaunte Sinb nahm fich faum 3eit gu 
benfen unb rannte, baS Selb feft in fein blau 
gefrorenes piin beben preffenb, in ber begeid)* 
neten 9tid)tung hinweg. 


Gine ober gwei Stunben fpäter fab bie 
fdjmupige, übelberücbtigte Stulberrp Strape 
baS feltene Sdjaufpiet, bap ein gut getleibeter 
perr mit einer einfach gefleibeten* aber fcfjönen 
Oame am 3trme, bie Noblen in ben hinter« 
gebäubeu bur<hfud)te. Solche, bie biefe Orte 
nie gefeljen, fönnen fi<b feinen ®egriff non bem 
UluSfefjen berfclbeit machen. 9lite, halb ger= 
faHene ®adfteinljäufer, bie 9Bänbe fcpmupig 
unb fcbwammig unb wie burcbtränft non ail 
bem Unrat!), bem Safter unb ber Sraufamfeit, 
non benen fie jemals 3<mge gewefeu; bie ffen= 
fter blinb öor Scpmup; non pauS gu pauS, 
non Oad) gu Oacb mit Seilen, freug unb guer, 
wie Spinngeweben befpannt, an welchen f<hab= 
hafte 2Bäf<he unb gerlumpte SleibungSftüde 


I hängen. Oie Oreppen waren noD Gis, ger= 
j lumpte Sinbe r, fcpmupige SSeiber trieben fid) 
| auf benfelben herum, bocp nicht fo gablreich, wie 
I bei freunblidjerem Sßetter. 

Oer perr unb bie Oame gingen bur<b ein 
SorberpauS, bann im pofe eine fcbmupige 
l Oreppe oorfichtig binobfteigenb, oerfucpten fie 
| ben Seiler beS pinterbauj'eS gu betreten unb 
| befatiben fiep halb in ber bidften ffinfternip, als 
- fie ein altes SBeib fragen hörten: „SGßaS fucpt 
j ipr benn hier?" 

Oer perr, ben mir gerabe eben fo gut Sltfreb 
Orew nennen fönnen, fagte: „®or allen Oin* 
gen münfcpten wir gu feben wo wir fiitb, wenn 
biefeS überhaupt möglich ift." 

„Gi, ei!" ermiberte bie Stimme, „baS finb 
Säfte, bie fo etwas nicht gewohnt finb. Stach’, 
Seit), günb’ ein Skpt an! SSermutfjlid) fommt 
baS fchmadjficbtige Solf nur um gu idjwapen 
unb bringt nicht einmal einige abgelegte Slei* 
bungSftüde!" 

Oie ®efudjcr antworteten auf biefeS Gom« 
pliment, welches fo flar unbeutete, wie man fich 
hier millfommen machen muffe, nicht, unb baS 
Sicht, baS ben fcbnmpigen Seiler halb erhellte, 
liep fie auch bie Söewopner beffelben erfennen. 

OaS Sinb fagte bann gu bem in einem 91rm= 
feffel fipenbeit unb in Sumpen gelleibeten fffieibe: 
„Oaute Stopr, baS finb bie Seute, bie mir heute 
baS Selb gegeben haben." 

„So, fo!" ermiberte fie. „3hr feib will» 
Jom men, wenn ihr gu biefer Sorte Seute gehört, 
bie begoblen, anftatt uns ®rebigten gu halten 
unb Öiaftcitchen angubieten. ffieffev, ihr gebt 
baS Selb, baS ihr gu bertbeilen gebenft, in meine 
pattb ; id( fenne bie Seute unb bin eine ehrliche 
fjrau unb werbe eS unparteilich öertbeilen." 

,,3d) bin in biefer Strape nicht unbefannt!" 
War bie ruhige Antwort. 

„Oann feib ihr gefommen gu fpionieren. 
2öaS wollt ihr eigentlich üon mir?" 

„3<h bin gefommen, 3hnen baS Verbieten 
gu machen, Silp als meine Oocpter aufguneh* 

I men." Oamit wies er auf baS Sinb hin, baS 
j mit faubern Seinen uub reinem 31ngefid)te im 
| Scpoope feiner Sattin fap. 
j „2BaS wollt ihr mir bafiir geben?" mar bie 
I gefdjäftSmäpige ffrage. 

„Schört baS Sinb Shnen, ober ift eS mit 
Shuen oermanbt?" fragte ^err Orew. 

„9tun," meinte bie Slegäre niiptrauifd), „ich 
bin nicht fo bumm, biefe 6 Stäbchen, bie faft 
alle oon einem 3llter finb, unb bie 4 anbern, bie 
id) im Sumpengefchäft habe, unb ben SSuben 
unb baS Stäbchen im Slumengefdjcift für meine 
eigenen Sinber auSgngeben. SEBahrfcheinlidh 
habt ihr and) fdjon auf ber ®oligei nachgefragt 
unb eS auSgefunben. 3<h habe fie alle theilS 
oon Orunfenbolben aufgenommen, theilS oer= 


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gern Yorker ISübtr. 


347 


loren gefunben unb id) erjiebe fie ju einem ehe¬ 
lichen ©efcböft. Sie befommen Don mir (Sffert 
unb Kleiber unb Dbbacb unb in ber 2 bat, id) 
habe bi« «ine 2Bobltl)ätigfeitSanftalt für arme 
oerlaffene Äinber, unb id) fönnte üielmebr für 
fie tf)un, wenn id) bejaht mürbe, ba§ geftebe 
ich ehrlich ein." 

„gilben Sie irgenb toeldje Dinge in 3hrem 
Befiß, melcbe auf bie ©Itern SilpS fcbließeti 
laffen?" 

„fRicbt einen 3?eßen, ich faße es ehrlich- Sie 
mürbe in einem feibenen Dafcßentucb an ber 
Sbüre Don £>errn fDtüllerS Schule auSgefeßt. 
3 <b fab fie bort unb nahm fie mit." 

„“Bann butte bie fDlutter bie 2lbfid)t, fie £errn 
SJtüller ju geben!" 

„Das mag fein, aber fie fam nie in fein &aus 
unb fo bat er auch feinen 9tnfprucb an fie, über» 
dies habe i<b fie Dom Untergange gerettet." 

£err Drero oerfud^te ben Mfcbeu, ben er oor 
bem Sßeibe empfanb, ju Derbergen unb fragte 
meiter: „£aben Sie ihr ben fJtamen 2ilp gege» 
ben, ober lag ein Rapier mit ihrem Flamen 
babei?" 

„fßidjts, gar nichts!" antroortete fie. „Einige 
Dornebme Damen, bie genug Sammet an fid) 
trugen, baß id) ein ganjcS 3 abr batte baDon 
leben fönnen, tarnen unb moUten bie Sörut ge» 
tauft haben. 3 <b gab es ju unb fie nannten 
baS Stäbchen Silt), unb i(b berfaufte nachher Da 3 
meiße Dauffleib, maS hätte icb fonft bamit tbun 
fönneu. Sie ift ein nettes, deines Stäbchen, 
nur fo fonberbar. Sie hört Merlei in £>ernt 
StüflerS Scbute, Don Sümmern unb einem 
Stanne, ber fie auf SaS grüne ©raS nimmt unb 
auf feinen Sinnen trägt unb folgern 3 f ug. 
DaS gebt ibr ben ganjen Dag bureb ben $opf 
unb SadjtS träumt fie baDon. Stancbmal er» 
febreeft fie ©inen, inbem fie mit offenen Stagen 
unb lachendem ©efiebt ju Seuten in ber Suft 
rebet. aber icb tonn fie baDon furiren. 3 cb 
benfe, fte möchte gerne etroaS ©rüneS ju effen 
haben unb icb mill ihr eine gute Scbüffel ffraut 
lochen, bann mirb fie fcboit ruhig merbcu." 

£err Drero fab, baß aus ber Stegäre nichts 
rocitereS berauSjubringen mar, fo fagte er: „ 3 <b 
bin nicht geroobnt für Stinber 311 jaljlen, aber 
ich miüjeinem jebenjtinbe ein gutes moKeneS 
Uleib, Sd)ube unb Strümpfe geben. Sie tniif» 
fen ficb aber Dor ©eriebt Derpflidften, biefelben 
nicht ju Derfaufen ober 311 üerpfänben, unb bie 
tf iuber bie Kleiber austragen ju laffen. 2 ann 
mill ich für jroei große 3 immer oben auf fed)3 
Stonate bie Silente befahlen, bamit Sie unb bie 
Stinber ans biefem Steller heraus fommen. Sind) 
mill ich 3bnen iiberbieS 100 Dollar befahlen, 
menn fie Derfprecben, bie Stinber an naffeit i 
Dagen troden unb im ©aufe 311 behalten." 

„Sie finb febr großartig! 'über ich bin 1 


©igentljümer unb ich habe bie Bedingungen ju 

fteüeit._Sie fönneu Silp gleich mit fid) nehmen, 

menn Sie mir 500 Dollar ©olb auSbejablen. 
3 11 baS ©efchäft mit ben anbern mifdjen Sie 
ficb nitbt ein." 

„3ft baS bie niebrigfte Offerte, bie Sie 
ftellcu?" 

„©eroiß!" antmortete bie Stegäre mit einem 
mibermärtigen ©rinfen. 

£)cvr Drero flüfterte etmaS feiner ©attin ju, 
biefelbe fagte bem mcinenben ftinbe Sebemobl 
unb briidte ihm babei eine Dollarnote in bie 
&anb, in ber Hoffnung baS Stinb üor ber bru» 
talen Bebanblung feiner fcßamlofen Pflegerin 
ju bemabren, roeldje ben Slerger über' ihre 
2 üiifd)ung leicht an ihm auSlaffeti fonnte, unb 
bann Derließeit bie Seiden, ohne ein meitereS 
2Bort ju Derlieren, bie häßliche $öble. 


SBäbrenb ber nädjften bier bis fünf SBodjen 
befuebte |>err Drero, maS er nie juoor getban 
batte, häufig bie Cfficen ber Stabtregieruug; 
ebenfo gab er öfters in feinem #aufe größere 
fOtabljeiten unb feine ©äffe beftanben baupt» 
fachlich auS ^Obermännern ober ijerDorragenben 
Solitifern ber berrfeßenben ^Partei; auch fab 
man ihn einige Slale mit bem amtirenben 
Stapor auSfahren. 

3n ben Cfficen ber Stabtbermaltung mürben 
ferner allerlei 3 cugen bernommen unb bie So» 
lijei berichte mürben einer genauen Unterfucbung 
unterzogen; ©erüebte über beüorftebenbe neue 
Straßenoerorbnungen Derbreiteten ficb unter ber 
SeDölferung. 

3 « berfe'lben 3 eit ftellte ficb un #interbaufe 
Don So. 58 Stulberrp Straße ein ?$rember ein. 
Seine iperfoit mar Kein, boch erf^ien er febr 
lebhaft; feine Stleiber, melcbe einmal fein ge» 
mefen fein mußten, erfeßienen gerabeju lumpig. 
9Jtit den Semobnern ber Sofalität mußte er ficb 
fcbneU auf guten f$uß ju ftellen unb feine $in= 
beutungen, mie man leicht Dinge erlangen 
fönnte, bie fid) Diel tbeurer Derfaufen ließen als 
alte Siimpen, gemnnnen ihm Dollftänbig baS 
$erj ber Dante fOfobr, die ihm mieberum all 
bie (leinen Schliche und Dtänfe mittheilte, mo= 
bureb fie burch ihre mo()lbreffirte Settlerbanbe 
baS t^ublifum ausbeutete. 

Der Wärj mar außerorbcntlicb lall unb 
unfreundlich gemefen, und Silt) mar noch 
immer eine Bettlerin, fo elend als möglich ge» 
fleibet, um fo mehr baS fDiitlcib ber Sente 
mach ju rufen,—da mürbe fie eines Dages 
halb tobt üon junger und Steilte Don ber Straße 
aufgelefen unb nach einem £)ofpital gebradht. 
Ungliidlicbermeife Dermutbete Dante fötobr ihren 


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348 


Meto Jfotker Pilbrt. 


Aufenthalt unb in einem Kleibe, wie fie nie in 
ihrem Keller trug, begab fie fiep babin. (Sine 
maprfcpeinlicb flingenbe ©efdjidpte, baß baS Kinb 
Don einer guten £>eimatp raeggelaufen fei, baß 
Siebe ihre Kleiber gcroedjfelt hätten unb ihre 
nffettirte Mutterliebe gewannen ©tauben unb 
baS Kinb mürbe ihr öon Steuern überliefert, um 
neuen Torturen auägefeßt gu werben. 

3ulefet an einem mecpfelooHen Apriltage, ber 
genug SRegenfcpauer braute, um bie Straßen« 
fehrer mieber in Spätigfeit gu feßen unb 911» 
mofen bon ben Borübergepenben gu erliften, 
eigten fiep plöjglicp an allen ©den blaue Uni« 
orrnen, Jbie, Wie Habichte auf fcpmußige Sau» 
jen, fiep auf bie tleine Straßenfeger»Banbe 
lürgten unb bie fecpS deinen Mäbcpen fanbeit 
i<h halb mit ©paaren anberer ©traßen«9lraber 
in ber ©itt) fjalie. 

3u berfelben 3 e it erfc^ien £>err Srem bon 
Beuern in Mulberrp Straße unb in Begleitung 
bon bem feit 2öocpen bort haufenben fjrrembling 
ftieg er auf’s Bcue gu Sante Mopr hinab. 

Sie 9dte, fobalb fie ber Seiben anftcpiig 
würbe, fagte mit häßlichem ©rinfen: „3<h öacpte, 
©ie mürben fich nodj ju meinen Bebingungen 
bequemen. 3ft es 3Pneit nun gefällig, meinen 
Brei» gu begabten ?" 

Sie 9tntmort, bie ihr würbe, tarn bon bem 
angeblichen Siebe. Serfelbe öffnete feinen ger» 
lumpten Oberrod, geigte unter bemfetben feine 
blaue 9öefte unb beit ©ijilb ber Boligei unb 
fagte: ,,3d) bin ©eheimpoligift SRodmell, bom 
©uperintenbenten befonberS beauftragt, 3breit 
ffall gu mtterfucheit; Sie fiitb wegen Scpwin» 
beleiett berhaftet." 3» wenigen Äugenbliden 
trug Saute Mohr bie ftählernen Bracelets ber 
Berbredjer. 

@S entftanb ein große» ©efeprei unb ein hef» 
tiger 9luf(auf in ber Bacpbarfcpaft, aber baS 
©itbe baoon mar, baß Saute Mohr auf einem 
pradjtooUen Btaße ain £>ubfon gelegen für biete 
Monate innerhalb hoher Steinmauern freies 
Quartier erhielt unb mit geftreifter Kleibung 
beruhen mürbe. Sie Morgengeitungeu bertün» 
bigten ben näcpften Sag, baß ber Bettel burch 
Kinber, ober ber Berlauf billiger 9lrtifel burch 
biefelben, fortan berboten fei. 5öer bom Bettel 
unb Siebftatjl leben mode, höbe eS fortan ohne 
bie fjülfe bon Kinbern für fich felbft gu tfjun. 

Bon ben Rimberten bon Kinbern, bie an 
jenem Sage bon ber Straße genommen würben, 
brachte man manche ber jüngeren in ben 9lft)leit 
ber Stabt unter; Biele erhielten gute ,£>ci= 
mathen bei Farmern im SBeften; Siltj fuhr mit 
ber erfteu Kutfchc, bie fie jemals in ihrem Seben 
im 3nnern fah, ben Broabmap hinauf, bann 
bie 2Beft 11. Straße hinunter, bis fie gu einem 
großen ©dtjaufe tarn. Unter ber Spüre ftanb 
äfrau Stern, welche fie fofort in ©mpfang nahm 


| unb fie fn’S £auS führte, bas ihr wie ein Seen» 
j Sanb erfchien. 


2Bel<h ein munberbareS Sehen begann nun« 
mehr! Sie ©laStljüre, burch welche fie ein« 
traten, ließ bas Sonnenlicht in prächtigen Sur« 
ben in bie Hausflur ftrahlen, Silt) hätte baS 
Oeltuch am Boben für ben feinften Marmor 
genommen, hätte fie gemußt, was Marmor 
eigentlich ift. Ser $utftanb hatte feinen präcp» 
ligen Spiegel, bie Sreppe war mit einem weichen, 
öon prächtigen Blumen burchwobeneit Seppid) 
bebedt, unb erft bie Schlaffammer mit bem grün 
unb weißen Seppid), ber grün«feibenen Bett« 
bede unb ben weichen weißen Kiffen, ben weißen 
Muffelin=Borl)ängen, bem Spiegel, bom Boben 
bi» gur Sede reiepenb, bem Bogei« Käfig oon 
©olbbrapt, in welchem ein paar ©anarienbögel 
luftig gmitfeherten, unb bem Blumenftanb mit 
blüpenben ©eranien unb gar einem Aquarium 
mit lieblichen ©olbfifdjcpcn befeßt; all’ biefe 
^errlicpfeit war für fie gleich einer Offenbarung, 
was ber ^ipimel fein möchte, wenn fie fid) wirf« 
lieh noch auf ©rben befanb, was ihr freilich 

S 'eifelhnft erfchien. Bie gubor hatte fie bie 
önen Sd)aufenfter am Bronbmap gefepen; fie 
mar nie an bie Bai, nie in einem fjerrpboot über 
bie beiben Qflüffe gefommen. 

3n einem Bebeitgimmer würbe fie entdeibet 
unb in’S Bnb gebracht, unb balb ftanb fie mieber 
bor einem ber großen Spiegel. 9lber wie fepraf 
fie gurüd, als fie baS liebliche Mäbdjen in bem« 
felbeit erblidte mit feinem blau «jeibenen Kleib« 
djen, ben feinen perlfarbenen Strümpfen, mit 
golbeneti Soden unb fepneeweißem Baden unb 
Armen, unb einem feibenen Banb, fo blau wie 
ipre 9lugen ; unb fie geriet!) bollftänbig in Ber» 
Wirrung, als ?$frau Srem liebeboll gu ipr fagte: 

„Sieh nochmals in ben Spiegel, mein Sieb» 
ling, eS ift wirdiep Silt), bie bu barinnen fiepft." 

@S napm manchen Sag, bis fie fiep felbft 
fannte, wenn fie gufällig ihrem Bilbe begegnete, 
unb manepe 2Bo<pe, bis fie bie Manieren ber 
Mulberrt)« Straße unb ber Straßenübergänge 
abgelegt patte. 

©inmal war fie ausgegangen, um frifdje Suft 
gu fepöpfen unb mit ihrem eigenen ©elbe fiep 
©twaS gu laufen, als fie auf einem Straßen« 
Übergänge einer Same begegnete, bie ein gar 
gütiges 9luSfepen patte, ©ang unmiflfürlicp 
ftreefte fie ihre &anb nach ipr pin, ©twaS gu 
empfangen. Sie Same patte feine Ahnung, baß 
bie Bewegung beS KinbeS bie ©emopnpeit eines 
jungen SebenS war, burep harte 3ä<Ptigung 
bemfelben beigebracht. Säcpelnb über ben an« 
fepeinenben 3rrtpum beS MäbcpenS in ber Bet= 
fon, büdte fie fiep nieber unb brüdte einen Kuß 
auf feine Sippen. 


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Jtew jfotlur Silber. 


349 


Unb bie Sßolijiften, welche an ben ©traßen« 
Übergängen bie gußgänger oot ben roilenben 
SBagen fdjüßten, tuie höflich waren fie nun ge» 
worben ! SllS fie aber einmal ein ©olijeimann 
aufbob, um fie bor ©efafjr unb ihre feinen 
©tiefeldjen bor bem ©cbmuße ju fd)üßen, fc^raf 
fie jufammen unb fonnte faurn einen lauten 
©djrei unterbrüden, war eS ibr bod), als wenn 
fie ben ©uf börte: „SBaS wiUft bu, Heine Seit» 
ierin, fort, fort!" Unb bie alten SBeibet, bie 
bie Stfchenfäffer in ber Straße unterfudjten, er» 
fdjredten fie oft unb mit einem ©tief» im &erjen 
wanbte fie fidj hinweg im (Entfeßen oot ben 
©djredens=©efpenftern beS ßeib^trufes, beS $el= 
lerS unb ber ©eitfehe. 

©o lange batte 8ilp im (Elenbe ciefcfimacfjtet, 
baß ein ©djmerj in ihrer ©ruft jurüdgeblieben 
War, ber nicht roeiefjen wollte. .freftifche ©ötbe 
lagerte fi<b auf ihren SBangen, ihr gleifdj würbe 
nicht botler, e§ fdfien, baß fie nicht ju bem lieb» 
liefert ©eije ber gungfraufchaft betanwadjfen 
würbe, fonbern biefelben fleejen bie weißen ßlei» 
ber unb bie glänjenben glügelber heiligen (Engel 
ju bertaufdjen hätte. 

Sie war nidjt ganj ohne religiöfen Unterricht 
geblieben, gromme Seute batten in ber ©übe 
i^rer früheren SBobnung ©onntagfdjulen er» 
richtet unb ©erfamrttlungen gebauten. 3u 3 f i= 
ten, wenn baS ©efdjäft auf ben ©traben fchledjt 
ging, batte SEante ©tobt fie babin gefanbt, unb 
ihr gottlofeS altes £crj batte fid» in bie Sfbee 
eingelebt, baß etwas ©ingen unb Cefen im 
©euen Seftamente ihre Stinber reformireit mürbe, 
aber wenn baS auch ber gad mar, j'o batte fie 
fie boch jeberjeit in’S Sügen unb ©teilen jurüd« 
geprügelt. $)odj Silt) batte aus ber ©onntag» 
fdjule (Etwas behalten, unb nun lonnte fte bem 
Jjerrn banfen, ber fie errettet batte, unb baS war 
ihre einjige liebliche (Erinnerung an ihr früheres 
Seben, bas fte oft im SBaCßen unb ©chlafen in 
fdjaurigen Silbern oerfolgte. 


3fn einer ©acht mar es ihr, als hörte fie nach 
unb nach auf, ein Heines Stäbchen ju fein unb 
würbe eines ber Keinen, ftummen Cammer, bie 
fie fdjon oft im SBafbington = ©larft lebenbig 
jum ©erlaufe auSgeboten gefeben batte, ©ie 
befanb fidj nicht mehr in ihrem 3iwmer, fon» 
bem auf einem weiten, müften unb oben gelbe, 
»oder ©efträuche unb ®ornen ; unb ein großer, 
milber SBolf, mit furchtbar gloßenben klugen, 
beulenb oor junger unb ©lutburft, froch nach 
ihr burdj baS ®idid)t. 

®ann fab fie wieber eine ganj oerfchiebene 
©eene, ©in Sanb fo fdjön unb lieblich, fo botler 
Sicht unb Sehen, wie fie noch nie baoon gehört. 
Unb ba waren gluten, fo grün, wie ber reinjte 


! ©maragb in lauteres ©olb gefaßt, unb ©lumen 
fo fd)ön unb lieblich unb üon fol<h bejaubernbem 
$ufte! Unb bann fab fie einen ©trom, bed 
wie Äriftad, unb feine impfen glänjteil wie 
lauter diamanten. Sin bem ©trom ftanben 
Saume unb in benfelben raufdjten £>arfentöne 
unb jebe Stütze fchien ber ©iß eines noch un» 
geborenen (Engels ju fein. Unb bann fab fie 
einen großen Sidjtfreis, ben ihr Sluge nicht er« 
tragen fonnte; aber es mar ißr, wie wenn eS 
ein großer weißer 2bron wäre unb auf ben 
©tufen beffelben 7 golbene Seudjter, unb oot 
bem throne waren 24 ©tänner in weißen ßlei» 
bern, älter wie bie Serge ©otteS unb 4 berljüdte 
jEbiew- Außerhalb beS ifreifeS waren grüne 
Sluen, belebt mit unjäblbaren ©djafen, bie aßen 
bon bem ©raS unb ben ©lumen. Unb wäßrenb 
fie biefeS alles fab, hörte fie ben SQBoIf hinter 
fidj bekommen, aber fie fab auch, wie ein ©tann 
bom Sbrone jwifchen ben 2eud)tern herunter 
fam unb anfing bie gerben ju jäblcn; bann 
rief er aus: „(SS ift ein ©<haf Oerloren !" Unb 
umfonft war es, baß unjäblige ©(haaren (Engel 
bernieberfamen unb auf bie jaljlrcicben beerben 
beuteten, ber ©tanu gürtete fein Äleib auf unb 
nahm einen Irummen ©tab in feine £>anb unb 
fprach : „3<b habe ein Stimm berloren!" unb 
flieg hinab in bie ginfterniß. 

Unb Silp fob, wie ber ©egen berunterftrömte 
unb bie ©liße leuchteten unb bie Bonner rollten, 
unb ber ©lann oerWunbete fich an ben gelfen, 
bie iornen jerriffen fein ©emanb unb er fiel 
jur (Erbe unb warb befubelt mit ©lut unb $otb. 

Slber er ging weiter oormärtS in ber ginfier« 
: niß. Unb fie felbjt war gleichfalls blutenb unb 
\ jerriffen, unb in biefem Slugenblid fpranq bet 
aÖBolf auf fie. 

Slber ber ©lann war gefommen unb ergriff 
ben SBolf beim fjalfe unb fie blieb ganj ftiüe 
liegen, unb fab nun einen fcbredlichen ftampf. 
$>er SBolf biß müHjenb um fich unb jerriß baS 
Äleib unb ber ©lann fämpfte hart, aber juleßt 
beulte ber SBolf unb entfloh. 

Unb ber ©lann nahm fie nun in fein jer* 
riffeneS flleib an feinen Sufen unb fie Hetterten 
wieber aus ber ginfterniß herauf, unb flehe, bie 
ginfterniß war nicht mehr fo bunlel unb ber 
SBeg nicht mehr fo fteil. Unb halb erreichten fie 
ben triftallenen ©trom ; unb er babete fie bat« 
innen, bis ihre SBunben b*U toaren unb fie nun 
wieber ganj gefunb unb rein war, wie bie anbe« 

' ren ©djafe. 

Unb ber ©lann, bleich unb blutig, aber boch 
fo herrlich anjufeben, ftieg wieber ju bem weißen 
SEbron empor unb rief aus: „greuet euch mit 
mir, ich habe mein ©chaf gefunben, baS oer» 
loten war!" $attn war bie Suft bod bon 
bimmlifdjen SBefen unb ©efang, unb {tarfen 
! ertönten unb ber ©bor fang wieber unb wieber: 


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350 


$ifd)8fe btt !9t*tl)obißenhirif)e. 


„freuet eudj, er put fein ©djaf triebet gefunben, 
baS oerloren mar!" 

Unb Sill) muffte meiter nichts mehr. 3bt gan* 
jeS SKkfen mar Doll Triebe unb im fjriebett 
fchtummerte fie füj$ babin. 

91m 9Jtorgen erzählte fie 9ffleS beim ffrüb« 
ftiidf, unb ben Stiegeeltern traten bie Sbranen 
in bie 91ugen. graii ®rero fdjticb firf) 9lUeS nie* 
ber, um e§ als 9Inbenleit aufjubemabten. 


3m 3wm fanb im ^Jßarf ein Meines Familien* 
Sicnic ftatt. 9tad)bem man auf bem 2öaffer 
gefahren mar unb in bet 9labe ber „natürlichen 
SBrüdEc“ feine ©rfrifchungett eingenommen batte, 
festen s itttc ju ben grünen SBiefen jiiriid, roo 
bie Scbmäne ihre 9tefier butten, unb Sill) fagte: 


„£>ier ift es beinahe fo ftbön, mie auf ber 
grünen 91ue, mobin mich ber gute £irte gebradjt 
bat, als er mich Dom SSolfe errettete, ßann id(j 
nicht bi« ein roeitig fd)lafen ?" 

9tuS meidjen ©bamlS mürbe ein fanfteS 3tulje« 
fiffen bereitet, auf meldjem fie halb in füfsen 
©d)lummer oerfan!. 3b« ^Pfleflceltcvn fafjcn 
nabe bei ifjr unb unterhielten fi<b leifc mit ein* 
attber. 9llS aber bie untergebenbe Sonne ihre 
lebten golbeneit Strahlen unter bie Saume 
fanbte, erfuepte £>crr Orcm feine ©attin, Sill) 
jur ^eimfabrt aufjumeefen. 

©ie Derfucpte es ju tbun, — ober fie machte 
im Surf nidjt mehr auf, fie mar fcpoit aufgc* 
ma<bt auf ben grünen 9lüen beS SurabicfcS unb 
fepon bapeim bei bem £errn. Sill) mar ein 
Gngel. Oer gute fjirte mar gefommen unb* 
batte fein Samm bcimgebolt. 





|lird)Sfe »er Bifdj. Wctlj. Sirdjt. 

Sou CtmSenttttK. 

Pififjof Dennj ü. Harren, D. D. 


eboren in StaffadjnfettS, 
jlubirte SBifqmf SBar» 
ren auf ber Unioerfität 
ffltibbtetoron, Gönn., roofelbft 
er im 3°b« 1858 mit popen 
Gpren promoüirte. 

darauf trat er in bie 3tem 
©nglanb Gonferenj ein unb 
befieibete jmei 3ubre lang baS 
9lmt eines StofefforS ber al« 
ten ©brachen in ber Sßilbra* 
beim SIfabemie. 911S geborener 
Stebner, ber fiep buren eifriges 
©tubium fortroübrenb auSbil* 
bete, jeidjnete (ich Sifdjof 2ßat* 
ren gleidj Don Slnfang feines 
tßrebigtamteS fomobl burch feine San* 
jelleiftungen, als burch Äatpeber» unb 
Plattform * Sorträge aus, unb mar 
aus biefem ©runbe unb permöge fei« 
net Öreue als flirte ein gefugter 
Saflor. 

3m 3ub« 1871 in bie SbHobelbhm 
©onferenü oerfefct, bebiente er in ber» 
felben unb in ber 3tem ?)orf Oft Gon* 
ferenj Diele ber bebeutenbften ©e« 
meinben, in melden er ohne 9luS* 
nähme mit außergemöbnlichem Gr« 
folge mirfte. 



SKföof #cnri? SB. SBarrcn. 


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üfdjäfie btt Pletljobtfienhirdje. 


35t 


$ur<b umfaffenbe europäifcbe Steifen 
erweiterte er feinen ©efidjtstreis unb 
berooülommnete feine Söilbunft gu einem 
fetten erreichten ©rabe unb legte feine 
^Beobachtungen in bem berühmt gewor» 
benen Such “Sights and Insights” 
nieber. Slucb mit ber Slftronomie hot 
er fidj erfolgreich befcbäftigt, wie baS 
bon ihm oerfajjte weit oerbreitete 2Bert 
“Rocroations in Astronomy” 6e= 
geuc^t. 

Stnno 1880 würbe ®r. SBnrreit gum 
Sifcbof erwählt, war feit^er unermüb* 
lieb in feinem Stinte jbätig nnb t)at fic£> 
namentlich für bie Hebung beS afrifa» 
nifeben Elements unferer Sfcoöllerunß 
bobe SSerbienfte erworben. 

©r war einer ber auS ben üteiben ber 
SMfcböie erwählten Selegaten ber Celli* 
meniftben Goufereng unb ^ictt oor bic» 
fern Sförper bie auSgegeicbnete Stntwort» 
SRebe auf ben engtifct)en Stöiüfomm« 
©rüg. 


Hifdjof Ätjrus P. Hose, D. D. 


»ifdjof SoSs ift ber Sohn eines 
TOet&obiftenprebigerS unb würbe im 
3abre 1834 in ßingfton im Staate 


»tföof 3o^n ft. &uvft 



SDtf^of Ct?ru* ®. ft©*#. 


9letü $orf geboren. 6djon in früher 
Sugetib gu ©ott belehrt, befugte er als 
Jüngling bie Uniberfität gu SHibble* 
towti, 6onn„ wofelbft er im Sah« 
1854 baS SlbgangSsSjamen mit StuS» 
geidjnung beftaitb. 

SBalb barauf fmben wir ihn als Sieh» 
rer ber SJtatbcmatit unb tpringipaUeS 
Stmettia=SeminarS, in welcher Stel» 
lung er brei Jjahre lang oerblieb. 

SJorlicbe gur ^aftoral * Slrbeit jeboch 
oeranlafete ihn, ben ©emeinbebienft gu 
fueben, in welcher Stellung er and) in 
reiebftem Segen an ber St. ^aulstircbe 
gu 'Jtew $ort unb anberen ©emeinben 
beinahe gwangiß 3>ahre lang wirlte. 

Stnno 1875 warb er einftintmiß gum 
Sßriifibenten feiner Alma matcr. ber 
Unioerfitüt in SJtibbletown, erwählt unb 
hat hier in fünfjähriger Slmtsftellung 
für bie ©r iehuitgSfache im Slflgeiiieiucn 
unb für biefeS ^nftitut im SJefoitbcren 
ißebeutcnbeS geleiftet. 

Sifdjof SoSS ift nicht allein ein fehr 
begabter fRebner, fonbern febreibt aud) 
einen fräftigen unb eleganten Stpl. 
©cbon im 3ahre 1872 erhielUr tn ber 
2}ifd)ofSwaljt eine bebeutenbe Stimmen» 



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352 


Pas man non uns benkt 


gabt, gog aber feinen tarnen mäbrenb ber 2ßal)l | 
guritef unb mürbe 1880 mit großer SJtajorität | 
ermaßt. 


Pifdjof 3oljn J. Dürft, D. D. 

GbenfallS im 3fa^re 1834 geboren, unb gmar 
in ®ord)cfter Gountt), 9)?b„ machte 2Mfd)of £urft 
feine 23orftubien in ber ©ambrtbge 'itfabemie 
unb begog barauf bie ®idinfon Uniberfität, mo= 
felbft er fid^ als fleißiger, talentooHer Stubent 
auSgeicßnete unb im gmangigften Sa()re pro* 
mooirte. 

9tad)bem er gmei Siabre als Seljrer am £>eb= 
bing * ^nftitut Hjätig gemefen, ging er nach 
'®eutfd)lanb unb feßte auf ben Unioerfitäten 
|>alle unb ^>eibelberg feine tbeologifdjen ©tu* 
bien fort. 

Sn bie 23er. Staaten gurüdgefebrt, mürbe et 
in bie Stemart Gonfereng aufgenommen unb 
mirfte gmei 3ob« Inna mit großem ©ifer als 
ißaftor. darauf gum Rheologie * Sßrofeffor be» 
ÜKartin*23rebigerfeminar§ gu Srantfurt a. 91t. 
ernannt, roibinete er fid) biefent 29erufe mit aller 
Äraft bis im 3(abre 1871, gu melier 3«it er 
mieber nach ben 23er. Staaten gurüdfebrte unb 
als ibeologie*23rofeffor am ®rem tbeoloqifd)eu 
Semiiutr gu itötabifon, 9t. S- angefteßt marb. 
®ie ©rmäblung Sifcbof fJfofterS (1872) erlebigte 
bie Sßräfibentenftefle biefeS Seminars unb ®r. 
&urft marb einftimmig gu biefem Soften be* 
rufen, mäbrenb er gu gleicher Seit bie Stbeolo* 
gie*23rofeffur belteibete. 

33ifd)of &urft ift ein bon ©ott berufener 2eb= 
rer unb ©elebrter, oerftebt bie alten roie bie 
neuen Sprachen unb bonbbabt bie beutfcbe fo 
gut, baß er ohne fonberlicbe 9JtiUje eine beutfcbe 
2ßrebigt holten !ann. 211S Sdbriftftefler bot er 
fi<b bur<b nambofte 2Berte einen bebeutenben 
Stamen erroorbeit. Seine ©efcbicbte bes „SRa* 
tionaliSmuS" geugt Dott großem §ßeiß unb um* 
fafjenber Selefenpeit; „SJtärtprer ber Straftat* 
fadpe" ift eimoeitoerbreiteteS ©ucf), unb „©runb* 
güge ber biblifcben unb $ircbengefd)i<bte" finb 
auSgegeicpnete fiebrbii<f»er. 2lußerbem bat er 
„£)agenbad)S Stird)engefd)id)te beS 19. Sabr* 
bunbertS", „Sange’S ©ommentar über ben Stö* 
merbrief", fomie anbere tbeologifcbe unb ad* 
gemein roiffenf<haftli<he 233er!e in’S Gnglifd)e 
übertragen unb rebigirt. 

Gr bot ber Äirdje bereits große ®ienfte ge* 
leiftet, unb mirb mit feinen oorgenannten G'ol* 
legen bem Steicbe ©ottes gemiß nod) gum großen 
Segen merben. 


pö0 matt non 11110 bmkt 

[jfes mirtt oft reibt gut, tu bören, mas 2Inbere 
über uns benten, felbft menn fie mehr 
i T Sieden feben, als mirflid) ba finb, mie g. 23. 
baS „®abeim", meines über bie 23er. Staaten 
alfo fdjrei&t: 

„SJtit ber 3unabme ber 21usmanberung nach 
ben 23ereinigten Staaten ift mieber eine gemiffe 
2lmerifafd)märinerei laut aemorben. 2Bir finb 
bie leßten, roelcbe ben großartigen 21uffd)mung 
ber tranSatlantifcben Stepublif unb ben guten 
Stern oerfennen, roeld)er im gangen 23olte brüben 
ftedt. ©S ift aber gut, menn ber Sdjmärmerei, 
bie babei baS £>eimif<be gurütffeßt, bin unb mie« 
ber ein Kämpfer gu Sii^eil mtrb. ®ur<b baS 
fd)änblid)e 2lttentat auf ben ißräfibenten ©ar* 
fielb ift menigftenS über bie beliebte Stellen* 
Jägerei nun allgemein ber Stab gebroden mor* 
ben. ®ie2lmerifaner bobeit noch Diel nach« 
gubolen, ebe fie auf bem ©ebiet ber Stultur — 
nidjt bloS ber Gioilifation — es ben alten euro* 
päifdjen 23öltcru gleidjtbun. SiS baS gefcbeben, 
möge ein tlein menig mehr 29efd)eibenbeit ißlaß 
greifen. 3n MbnerS bekannter Steife um bie 
2öelt ift mancpeS offene unb Derfledte barte Ur* 
tbeit über fie unb unummunbener fdjreibt fRoger 
©raf ben SSrngeS: '©elbproßige Htänner 
mit plumpen, fdjlecbten Sanieren, gefdjmadloS 
aufgepußte Sßeiber in foftbaren Stoffen unb 
mit tbeilmeife bübfdben ©eficbtern, aber breiftem 
unangenehmen Sßefen unb guleßt bie ungegoaen* 
ften Slinber, bie ich je in meinem Seben fab, 
meld)e ®rofd)lengäule hieben, $unbe quälten 
unb auf bem Stlabiere tlimperten — baS maren 
in allen SllterSflaffen bie Vertreter Storb* 
amerifaS. 

„Unb mie biele ©uropäer laffen 
fid) niebtbureb biefe Seute imponi* 
r e n, bei benen ber ©igenbiintel faft ebenfo groß 
ift, als ihre fd)Ied)te ©rgiebung unb ihre Ün* 
frudbtbarteit in allem, mas nicht gerabe gur Spe* 
tulation ober gum Sdjminbel ge|ört. 2ßaS pat 
benn biefe Station auf bem ©ebiete ber ffunft 
unb 2ßiffenfd)aft geleiftet? 9)?an tann im 23er« 
bältniß gu ihrer großen SIngabl mit ruhigem 
©emiffen antmorten: „9tichtS." S3ei ihnen muß 
©elb alles machen unb baS erllärt aud) bie große 
j ütoKe, melcbe bie 2lmeri!aner, bie in ben leßten 
1 fahren beS ÄaiferreidjS 23oriS überflutbeten, 
bort fpielten. Sie tonnten baS mobl in einer 
Stabt, mo ber 2öertb bes 9)tenfchen nur nach 
feinen Stenten geflößt mirb. — ©in ®eutf<her 
ergäblte mir mit Diel ©mpbafe, um bie 2lmeri* 
tanerinnen in meinen 2lugen berauSguftreiien, 
baß fie in Saratoga, bem fafbionableften Sabe 
2ImeritaS, im Stegen unb Sd)muß bie toftbarften 
Toiletten trügen, um baburdj ipren Steidhtbum 


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<Srlri>m|fe ritt» febenbigbegrabeuen. 


353 


gu geigen. ©lir ift rin höherer ©eroeiS non 
maiivais gen re noep nidE)t oorqefommeu." 

©oit ben amerilanifcpen H i 11 b e r n tebeitb, 
fagt berfelbe feine ©eobacpter, baß ber ©ebanfe, 
©elb gu gewinnen, bei bem gefcpäftSmäßigen 
Sehen fiep fc^on fet)r früpgeitig in ihren Hopfen 
fefifejgt. ©3 ift erftauulicp gu fepen, mit welkem 
©efcpid uttb welcher ©erniinftigfeit arme Hinbcr 
im ©Iter non fed)S bis ad^t Sapren fiep felbft im 
©iefengetümmel bei- bolfreicpeu Stabte if»r Sörot 
erwerben. Hub fo Jommt eS, baß fie mit bier» 
gehn Sapren ftpon ©rfaprimg unb SebenSfemtt« 
niß befihen, wie man fold^e bei uns erft nage« 
fapr im 22. SebenSjopre pat. ®aS ift für bie 
feltern wobt rin bequemer, für bie Hinber aber 
ein teiueSroegS gefunber 3oftanb. ©ad) beit 
©aturgefeßen will altes feine 3 l ’*t f)abeu unb 
uugejtraft überfcpreitet mau jene mcpt. $cu 
Hinbern ift burd) bie früpgeitige ©rbcit bie ®e« 
legenpeit genommen fit^ förper(id) auSgubitben 
unb ber frühreife 3uftanb ber Sugenb ift ein ae* 
waltiger Stritt gur ®egeneration. -Sn ben wopl* 
pabenben Familien ift bie ©rgicpung auch nur 
auf ben Raubet gugefcpnitten. ©iS gum 14. Sabre 
bleiben biejungen Seute in ben Schulen, um fiel) 
bann ben ©efcpäfteu j U wibmen, benen fie Diel« 
leidet fepr gewaepfeu fein mögen, aber tiefes 
SBiffett, Henntniffe unb geiftige ©egfamfeit finb 
nid)t non ihnen gu berlangen. ©iS gum 30. Sabre 
fleiben fie fid) lehr gefugt, aber über aüe Öe» 
griffe geffpmadloS, bon ba ab tritt bie größte 
©ernad)(äffigung beS ©eußeren ein. Sie lafjen 
fiep einen ©art fteben, wie weitanb Sincoln ihn 
trug, fie tauen Sabat, fpuden eutfeßlid) niel unb 
finb ittd^tS weniger als febön unb elegant gu 
nennen. 

©merifa iff bie wahre $eimatb beS g r a u e n» 
tultuS. ©S mag hart Hingen, aber es ift 
wahr, alle bie ©errüdtpeiten unb (Srtraoagangen 
beS weiblichen ©efeplecptS, jene Sollseiten ber 
grauenentangipation haben ihren £erb in ©orb» 
amerifa, bet örimatb nicht ber grauenneptung, 
fonbern ber liicherücbften grauenbergötterung. 
Sie ©länner eruiebrigen fiep gu ben Hammer« 
biettern ihrer grauen unb ber Sohn bnfiir finb 
bie toüften ©taubalgefihichten. Sie ©merifaue« 
rinnen finb ungweifelpaft recht hübfehe Srfchei« 
nungen mit frönen ©eftalten, aber leiber tput 
ihnen ihr biSgragiöfeS unweibtiepeS ©3efen, ihr 
übertrieben fixeres SCuftreten unb eine große 
©egiertpeit gewaltigen ©bbruep. Sh« &aupt= 
befepäftigung ift fiep gu pußen «nt» fo oft Wie 
möglich mit Soiletten an einem Sag gu wechfeln. 
©lag bet ©lann im ©efepäfte arbeiten Don früh 
bis fpät uttb ©elb auf ©elb häufen, bie grau 
rührt nichts an. ©ie nimmt fie eine ©anbarbeit 
bor, feiten ein ©uch- S« groß« jh« @rtra« 
begangen finb, befto höbe* fteigt bie Sewunbe» 
rung für fie unb in Stlb unb Schrift wirb fie 


berperrlicpt. So machte in einer itluftrirten 
3eitung bie ©efchichte einer frönen Same bon 
19 Sohren in ©ofton großes ©uffef)en, welche 
fnh einen Seichenwagen fommen liefe, fiep in 
elegantefter Stoilette, eine Gigarre raudjenb hin» 
einfefete (bie Seichenwagen haben nur eine ©rt 
©albachin) unb eine Spagierfahrt in biefem 
©ufguqe bur(p bie Stabt ©ofton machte. Ob 
bas grauengimmer bafür, wie fid) gebührte, bon 
ihren ©Itern geprügelt worben War, hat ber ©e» 
richterftatter niept erfahren." 


ßrlclmiflTf et nt$ ^ebeuMj- 
be 0 tabettem 

t m frönen Sugernergebiete, im Sorfe ©all» 
wil, eine halbe Stunbe bom ©misorte ©och* 
borf entfernt, lebte ein allgeit fröhlicher 
Scigertrompeter, ©amenS Xaber ©lattmann, 
bem feine Hamerabett wegen feines berben 2Be« 
fenS ben 3unamen ©aribalbi gegeben haben. 
Ser als ©ollsfcpriftfteller belannte ©farret 
Xabcr ©ergog in ©allmil ift fein Saufpathe unb 
feine ©rüber beforgen ben ©leßnerbienft. Sange 
War ©lattmann Organift in ©ochborf. S» 
neuerer 3eit übte er ben befcpwerliepen unb ge« 
fahrlicpen ©eruf als „Sobgräber" aus, unb 
unterftüßte als treuer Sohn feine alte ©lütter 
nach ©löglid)feit aus feinen wenigen ßrfpar» 
niffen. Sw Saufe gebruar 1881 patte Xaber 
bem ©oftpalter ©ottlieb Sneiehen in ©allwil 
einen 117 gujj tiefen Sob (3ifterne) gegraben 
unb ausgemauert. 3« Iffcterer Arbeit werben 
aus ©eichen herbeigefepaffte Hugelfteine (©ollen) 
berwenbet, bie man an ben SBcinben aufeinanbet 
beigt, ohne babei ©lörtel ober ©flafter gu brau« 
epen. Segreiflicp ha6en berlei ©lauern wenig 
geftigteit. S« her ©acht bom 20. auf ben 21. 
gebruar halten fiep einige Steine aus ber ©lauer 
gelöft unb waren in bie Siefe geftürgt. ©lontag 
ben 21., ©acpmittagS 3 Upr patte 3caber unten 
im Sob bie Steine in einen Sacf gepaeft unb 
tief: „auf!" worauf fein ©epilfe bie uBinbe in 
©ewegung fefete. ©is ©lattmann 10 guß über 
bem SBaiterftanb im Sob erreicht patte, ftiirgten 
lurg pintereinanber gmei Steine bon oben perab 
an ipin borbei in bie Siefc. Sarauf ein gewal« 
tiger Hrnd) unb ber ©infturg ber ©lauer. Unten 
war ein bider Saben (gieeflig) an bie 2öanb beS 
SobeS angebracht, um bem ©oft gur ©efeftigunq 
ber ©umpe gu bienen, ©lattmann befanb fiep 
auf einem feften ©ette bon einqcftiirgten Stei¬ 
nen. ©on benfelben bucpftäbliep eingeniauert, 
lag er auf bem ©üden. feine Steinfäule bon 
82 guß lag über ipm. Sen reepten 9lrm patte 


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354 


@rlebntf]re. eines #ebmbigbegrabmtn. 


er in ber Sopftjöhe, beit linfen auf ber Stuft, j 11 U^r würbe enblidj mit 9lu?grabung be? 
lieber bent mit einem bieten ffrilshut bebecfteit Schutte? begonnen, Stit ^Sirfcln mürben bie 
Jfopfe lag ein Stein, jwei neben feinen Sacfeit, Steine forgfültig gehoben unb bann in Äiibeln 
einer unter bem ®inn unb ein großer auf Stuft am Seite, ba? um einen SMenbaunt lief, her» 
unb Saud). $a? 3uflfeil ging über fein ©efietjt aufgejogen. Stattmann hörte beut lieb ba? 
hinauf. 3m Stunbe batte er bie iabaföpfcife, ^idelu über feinem $opfe. ®a?felbe tarn ißm 
bie er uoeb fertig geraucht bat unb bann lo?ließ. bor, wie wenn eine Schaar £>ühner in einer 
Hörperlidjc Schmerjcit fühlte er feine. Seme- Zenite ftörner aufpiefen. Gr begann nun in» 
gen tonnte er fieb nicht. ^>era bfief er über Sctnb brunftig ju beten, baß ©ott ba? Nettuugswerf 
erfeßwerte ibm jeitmeife ba? Nthmeit. Gr war gelingeii taffen möge. Nacht? 12 Ubr bürten 
bei Unrein Semußtfein unb überbtiefte uitge» mehrere Serfoiten breimal nacbeinanber ba? 
taufet)! feine ßhliinme Sage. Sa? 3ugfeil «r» SMmmern einer meufchlicheit Stimme aus ber 
feßte ihm tbeiiwcife beu Oieitft eines Seleptjon?. Siefe. $a? galt ihnen als ein fichere? Reichen, 
Gr hörte beutlid) bie $irchenu()r fdjlageit. baß Stattmann 'noch lebe. Nnbere Seute aber 
Nbenb? halb 7 Uhr unterfchieb er ba? Stötten ertlürten, ba? SMmmern rühre non ber flamme 
ber oon fiujerit foinmenben Nbenbpoft aber einer '-jktbfndet h f r, bie bei ber nächften Nrbeit 
femcrlei Seinübungen ju feiner 9lu?grabtmg. gebraucht würbe unb bereu Junten in3 Söaffer 
3)a? brachte beu Serfdjütteten halbweg? in Ser» gefallen feien, _ möbliert) fie ba? wimmeriibe ©e» 
jweiflung. Gr fdjrie ati? SeibeSfräften um räufcß bewirtt hätten; ba man basfetbe nachher 
£>ilfe. lebhafte ^ieberpßaittafieit f ehernen beu nicht mehr hörte, fo nahm man an, ber Ser» 
Serfdjütteten jeitweife in tiefer ©rubeStjaft fcfiüttetc fei ben Serleßimgen uitbberGrfchöpfung 
Wahreitb ben oier Sagen befcßäftigt ju haben, erlegen. Seuuoch gingen bie Setfung3arbeiten 
S)a? eine Stal befaitb er fich beim ©emeinbe» rüftig, wenn auch tangfam Oorwärt?. Jnbeffen 
aminaitu, ben er befchwor, bod) unocrmeilt mit War ba? ©rab gegraben unb ber Sarg herbeige« 
beu 91u?grabungen ju beginnen, inbern er fichcr fchafft worben. 91 nt Sonuerftag Nbenb brachte 
Wiife, baß ber Serfchiittete noch aut Sebeit fei oon £jocßborf etn Snabe eine Sobteuharfe 
unb eleitb in bem ©reibe oerfd)mad)te. Gin unb einen Äranj, welchen bie Jungfrauen oon 
anbermal hatte er jwei große fjäntwefeit gefaufi ßodjborf ihrem ehemaligen Crganiften jur 
unb 30 Stücf Sieh angefthaffi. ®a gab e? alle 3ierbe feine? frühen ©rabe? gefertigt hatten. 
£)iinbe ttoll ju thun, ju befehlen unb ait^uorb« Salb nachher meltete eine Sepefdje nach £)od)« 
neu. Siefe Sktjagebilbe waren fo lebhaft, baß borf bie frohe Slunbe, Ntattmonn lebe noch- 
fpäter ber gliidlicß ©ereltete fiih entftlich befin« Nachmittag? 4 Uhr hatte ein Arbeiter, fiart» 
neu mußte, ob fie nicht wirtlich wahr feien, mann, feine Stimme oernommen mit ben SBot» 
2ßa? ihn in ber taugen ©rabeluncht am meiften ten, fie füllen nur fleißig arbeiten, bamit er boch 
quälte. War ein unfagticher Surft. Som £>un= halb ertöft werbe. Jnbeffett biefe? gefeßab, um» 
ger hatte er ttiel weniger ju leiben, motjl aber fianb eine Steiijchenmenge oon über 400 Set» 
Oon ber furcht, bie Verrichtung eine? itatür» fonen bie Ung(iicf?ftätte unb harrte bi? gegen 2 
liehen Sebiirfuiffe? miiffe ihn unfehlbar erftiefen. Uhr Nlorgen? auf bieGrlöfnug bc? Serfcßütteten. 
©lüdlidherweife fteflte (ich {einerlei {Regung bagu 2ln guten {Rüthen unb Steinungen, wie jeßt 
ein. Schlaf muß fidf halb tangere, halb fiirjere ba? Nettung?roerf am fdjneltften su Staube ge» 
3eit eiugefteftt haben, mäßrenb bem bie bemet= bracht werben tönnte. War fein Stängel, tin* 
beten SÖaßugebilbe freien Spielraum hatten, beirrt burdß balfetbe arbeitete Cboni Sag unb 
Jnbeffen hatte fid) auf bie Ungtücf?fuitbe eine Nacht ruhig unb ituOerbroffen mit feilten beiben 
große Ntenfchenmenge um ben eingeftürjten ©ehilfeit Weiter. Jmnter glaubten fie betu Ser« 
Sob oerfammelt, mit Jammern unb guten feßütteten näher ju fein, at? e? in Sürfliihteit 
SJüufchen, aber nicht mit thatfachlicheni 3GßiHen. ber Jatl war. Nnt Jreitag Nlittag enblich 
®er ©emeinbeammann nahm at? ficher an, ber tourbe ber Stein auf bent Sopfe Xaoer? wegge» 
Serfchiittete fei tobt unb trug baher wegen broh» hoben unb batb barauf ber auf ber ©ruft, 
liehet ©efatjr für bie Netter Sebenfen, noch in Oboni flößte bem halb Serfdjntachteten einige 
ber Nacht mit bem 9lu?graben ju beginnen. Stropfen Stein unb belebcnbe Strjiieieu ein. 
Jitbeifcn hatte ber Sfarrer an ba? Statthalter« Stattmann ftagte über entfeßlidjen SJurft. G? 
amt berichtet ttnb einen in ber Nähe wohnenben währte noch bi? Sbenb? 6 Uhr, bi? ber lebenbig 
italienifcheu Straßen« Unternehmer, Namen? Serfihüttete enblich flattj an? feinem Steingrao 
Oboni herbeigeholt, ber, obwohl unwohl, boch befreit War. Cboni battb ihn in ben Nettuiig?» 
willig bem Nufe folgte. Nbenb? 8 Uhr traf fübel mit einem Seite feft unb ftettte fich hinter 
üon ber Oberbehörbe in &o<hborf ber fdjarfe ihn, ben Arbeiter, |)nrtntann, oor ihn. S!a 
Sefeljt in Saftwil ein, unoerweitt mit ben Nu?» befiel teßteren eine lange baueritbe Ohnmacht. 
grabuitg?arbeiten ju beginnen, bie Oberleitung Oboni mußte beibe hatten. „ScßnclP auf!" er» 
oerfetben Oboni ju übergeben. Ntontag Nacht? tönte fein lauter Hilferuf. Jn wenig Stinuten 


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Selig ßnb bie $arm!jet}igett. 


357 


Mi0 find bie $tmnljfr|i0rn. 

So« 3. VnbrtS. 


f itfere ©tgählnng führt unS guriid in’S Safer 
1870, baS nicht nur in bie Stofein ber ©e= 
fctjidfete mit feinen grofeeti ©otteStfeaten ein» 
gegraben ift, fonbern aud) in nieten taufenb 
fcergen lebenslängliche ©puren feinterlaffen hat. 
©puren ^cifier ©dhmergen unb uuerfeblidjer 
SSertufle, bie, neben alten patriotifdfeen 5>anf= 
gefugten für bie ©tljebung unfeter Station gu 
lang entbehrter ©iuigfeit unter eine nt faifer» 
liehen $aupt, boefe auch ihr 9tedfet forbern unb 
niemals oergeffen »erben föntten. lieber ©rä» 
berit trodnen gwar mit ber 3eit bie St^ränea, 
nnb bie SBunben, »etdhe un§ ber Verluft ©e» 
tiebter fdfetägt, bentarben nach einer Steitje non 
fahren unter bem tägtidheu 2)rud beS SebeuS 
nnb feiner Stoth, bem f i e eutrüdft finb. Slber 
bie $ er mieten, über welche man feine ©e= 
toifebeit erlangen fann, nonbenen man nie weife: 
finb fie baheim ? ober »anbetn fie nodh auf @r= 
ben unb tno ? bie Verrnifeten finb ein »unber 
«fled nodh heut« für niete fjergen. 

9llS ich im Sluguft bie belebte ©trafee nadh 
Oberammergau gog, ober nielmehr midh nom 
®ampfrofe bahin tragen ließ, um baS roett» 
berühmte IßaffionSfpiet gu fchen, traf idh im 
©ifenbahucoupe mit einem &errn gufammen, 
beffen gange ©rfdheinuitg in hohem ©rab mein 
Sntereffe erroedfte. ©ein fdjneeweifeeS f?aar, fein 
gebleidhier Vollbart beuteten auf baS ©reifen» 
alter; unb bodh fonnte baS feingefchnittene ©e» 
ficht, in baS ber Kummer fo fichtlich feine Siuien 
gegraben hatte unb über bem ein SltiSbrud tiefer 
©djmermuth tag, hödjftenS einem ffünfjiger ge» 
fiöreu. ©er» hätte idh «in ©efpräch mit bem 
SJtanne augetnüpft unb gewufet, welches Seib fo 
fefemer auf ihm laftete, bon all bem nieten Sam» 
mer, ber ein SJtenfcbeuherg befefpoeren fann. 
Slber er blidte fdhweigfam unb biifter hinaus in 
bie ©egeitb, hinüber auf bie Serge, benen roir 
entgegenflogen, ©he mir ©tarenberg erreichten, 
gog idh mein Stotigbudh heraus, baS gugleidj Ho« 
lenber »ar, um etmaS gu uotiren. Vlöfelidh 
tnanbt«. fiel} mein vis-te-vis mit einer melandho» 
lifdhen ©timmfärbung, bie »ie nerfjaltener 
©«hnterj flang, j(u mir: „SBeldjeS Saturn haben 
toir bodh heute? auf Steifen fomme ich bamit 
immer .in’S Ungemiffe." ©r lächelte. 

„feilte ift ber 6. Siluguft," antwortete ich, froh» 
enblidh «inen SlntnüpfungSpunft gefunben gu 
haben. Slber »ie erfdhrad idh, als Sobtenbläffe 
baS eble ©efidht übergog: „Sich, ber 2ag non 
SBörth," ftöhnte er, inbem er bie #änbe nor’S 
©efidjt fdf)tug, »ährenb fein ganger Hötper gu 
erbeben fdhien. 


3a, heute bor gehn fahren »ar jene blutige 
©dhlacht gefcfelageu worben. 3<h hotte im Slugen« 
blid nicht baran gebucht, ober bie gebeugte ®e» 
ftalt nor mir rief jene 3«itmit all ihren ©cfjreden 
unb bittern Verluften in mir wach nnb idh »uftte 
nun, auf weldhem Vlatt ba§ Seib meines tinbe« 
fannten ffrenitbeS gefdhrieben ftanb, ober glaubte 
bodh, es gu wiffeit. ©inen 3ufammenhang mit 
bem Hrieg hatte eS iebenfatlS. 

Stach einet Vkile, als er feinen ©dfemerg »ie* 
ber etwas gu beberrfdhen fdhien, fuefete ich ein 
©efpräch angufniipfen, »aS mir gegen mein ©r» 
»arten auch halb gelang, ©r mußte mir’S ab« 
fühlen, bah nidht gewöhnliche Steugier, fonbern 
wirtliche iheilnahme für ein fdjwergeprüfteS 
SOtenfchenherg midh gu reben trieb. Vielleicht 
»ob’s ihm auch felbft eine ©rleichterung, fein 
Seib einmal frei herauSgufdhütten gegen ein mit» 
fiihlenbeS SVefen, — fnrg, er ergählte mir im 
Verlauf unfrer ffohrt, was idh feier bem freunb» 
lid>en Sefer wieberholen will. 

„3<h bin Vefifeer einer ©laShiitte in ber 
©egenb oon Vaffau unb beifee Streeber," begann 
er, inbem er mir feine Harte reichte, was idh er« 
wiberte. 

„Sltein liebes SBeib unb idh hatten ein eingigeS 
Hinb, einen lieben, prächtigen ©obn, bie ffreube 
unb ben ©tolg nnfreS SebeitS. 91 iS oor gehn 
3ohre« bie HriegSpofoune 9lHeS unter bie 2Baf= 
fen rief, maS irgenb waffenfähig war, liefe fidh 
mein tapferer Sunge, wiewohl erft nenngehn» 
jährig, nicht halten, bem begeifterten £>eer fidh 
angufdfeliefeen. SJiit SUjränen unb heißen ®e= 
beten liefeen wir ihn gichett. ©s wäre ja nicht 
recht gemefen, ihn gu halten, wo fo Viele ihr 
SfjeuerfteS feingaben, unb wir bauten auf ©ot* 
teS ©efeufe für utifer Hinb. 

9luS bem uafee gelegenen ®orf mufeten gefen 
Vurfcfeen fort, barunter gwei junge ©feemänner, 
unb idfe fefee noch heute unfern ©lemenS, wie er, 
einen 3weig ©icfeenlanb aut ftnt, an ber ©pifce 
ber fleinen ©efeaar, baS 2 hol entlang marfifeirte. 
Vei ber lefeten Viegung beS SBegS, bie ihn un¬ 
fern Singen entrüdte, fefewentte er noch einmal 
ben f>ut unb rief laut: „Vibat hoch! eS lebe 
$eutf<hlaub!" 55ie Surfchen ftimmten ein, bafe 
es laut bon ben Vergen wiberhaflte. SJtein üßeib 
unb ich aber ftanben traurig auf bem Valton 
nnfreS £uiitfc§ unb fahen nodh lange auf bie 
©trafee hinaus, als tonnten unfre Slugen ihn 
gurüdrufen." 

©in tiefer ©eufger entrang ftch #errn $ree» 
berS Vruft nnb bann fehwieg er, in fchtnerglidheS 
©innen berloren. • 


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354 


örlebnifTe. eines febenbigbegtobenen. 


er in ber Kopfpöpe, ben Hufen auf ber Sruft. 
lieber bem mit einem bitten grihput bebrüten 
Stopfe lag ein Stein, grnei neben feinen Satten, 
einer unter bem Kinn unb ein großer auf Sruft 
unb Saucp. Sa« 3 u flf c <l ging über fein ©eficpt 
hinauf. Jut Stunbe hatte er bie Subofspfcife, 
bie er uocp fertig geraucht hat unb bann loSließ. 
Körperliche ©d)mergeu fühlte er feine. Seme» 
gen tonnte er fiep nidjt. £>erabfi<feritber «aitb 
erfepmerte ihm jeitroeife bau Atpineu. Gr mar 
bei flarem Seroußtfein unb überblicfte unge» 
täufept feine fcpliinme Sage. Sau 3ugfeil er» 
feßte ipm tpeilmeife ben Sieuft eines SelepponS. 
Gr hörte beutlicp bie Kircpenupr ftplageit. 
Abenbs halb 7 Uhr unterfepieb er baS Stollen 
ber oon fingern fommeitbeit Abenbpoft aber 
{einerlei Semiipungen gu feiner Ausgrabung. 
Sau brachte ben Serföütteten palbmegS tn Ser» 
gioeiflttng. Gr feprie aus SeibeSfräften um 
#ilfe. fiebpafte glieberppantafien fepeuten beu 
Serfcpiitteten geitmeife in tiefer ©rabeSpaft 
toäprenb ben Pier Sagen befd^äftigt gu haben. 
Sau eine Stal befanb er fiep beim ©emeinbe» 
ainmann, ben er befepmor, boep unoerroeilt mit 
beu Ausgrabungen gu beginnen, inbern er fieper 
miffe, bafi ber Serfipiittete noch am Sebeit fei 
unb elenb iu bem ©rabe oerfepmaepte. Gin 
anbermal patte er gtoei große £>eimioefeit gefauft 
unb 30 ©tiief Siep angefepafft. Sa gab eS alle 
Ctänbe Doll gu thun, gu befehlen unb auguorb» 
neu. Siefe Sßapugebilöe roaren fo lebhaft, baß 
fpäter ber gliicflicp ©erettete fid) ernftlicp befin» 
neu mußte, ob fie nitpl mirflitp mapr feien. 
2öaS ipit in ber langen ©rabeSitacpt am meiften 
quälte, war ein unfäglicper Surft. Som £>un= 
ger patte er Piel roeniger gu leiben, toopl aber 
üoit ber gfurept. bie Serricptuttq eines natür» 
liipen SebiirfniffeS miifje ipn unfehlbar erftitfen. 
©liicflicperroeife jtedte fiep {einerlei Acgung bagu 
ein. ©eplaf mufe fiip halb längere, halb fiirgere 
3eit eingeftellt pabeit, mäpreitb bem bie bemel= 
beten SBapngebilbe freien ©pielraunt patten. 
Jnöeffeu patte fiep auf bie Unglüdsfunbe eine 
große Stenfcpeumenge um ben eiugeftürgten 
©ob berfammelt, mit jammern unb guten 
SBiiufcßen, aber nidptmit tpatfäcplupem SBillen. 
Ser ©emeinbeammann napm als fieper an, ber 
Serfdpiittete fei tobt unb trug baper roegen brop» 
fieper ©efapr für bie Setter Sebeitfen, itocp in 
ber Aadpt mit bem AuSgraben gu beginnen. 
Jitbeffeit patte ber Sfarrer an baS Statthalter» 
amt berieptet unb einen in ber Aäpe mopnenben 
italicnifdpeu Straßen »Unternehmer, Samens 
Oboui perbeigepolt, ber, obmopl unmopl, boep 
roiflig bem Aufe folgte. Abenbs 8 Upr traf 
Don ber Oberbepörbe in fjoepborf ber feparfe 
Sefepl in Saltroil ein, unoerroeilt mit ben AuS» 
grabungsarbeiten gu beginnen, bie Oberleitung 
betfelben Oboni gu übergeben. Stontag AacptS 


11 Upr mürbe enblidb mit Ausgrabung beS 
©djutteS begonnen. Stit Sidelit mürben bie 
©teilte forgfältig gepobeit unb bann iu Kübeln 
am ©eile, baS um einen Söellenbaum lief, per» 
aufgegogen. Stattmann pörte beutlicp baS 
Riefeln über feinem Kopfe. SaSfelbe fam ipm 
bor, mie menn eine ©(paar fjüpner in einer 
Senne Körner aufpiefen. Gr begann nun in» 
künftig gu beten, baß ©ott baS AettungSroerf 
gelingen laffeit möge. AacptS 12 Upr hörten 
mehrere Swfoneti breimal nocpeiitanber baS 
SMmmerit einer menfcplidpen Stimme aus ber 
Siefe. SaS galt ihnen als ein fidpereS 3eidpen, 
baß Stattmann ‘noep lebe. Aitbere fieute aber 
ertlärten, baS SSimmern riipreoou ber flamme 
einer ^ccpfocfel per, bie bei ber uäcpften Arbeit 
gebroud)t mürbe unb bereu Junten ins SBajfer 
gefallen feien, moburep fie baS mimmeritbe ®e* 
räufcp bemirft hätten; ba man baSfelbe itacpper 
nicht mepr pörte, fo napm man an, ber Ser» 
fepüttete fei beit Serlcßuugeit unb ber Grfcpöpfung 
erlegen. Seunocp gingen bie AettungSarbeiten 
rüftig, menn auep langfam üormörtS. Jnbeffen 
mar baS ©rab gegraben unb ber ©arg herbeige» 
fepafft morben. Am Somterftag Abenb brachte 
üon $ocpborf herein Knabe eine Sobtenparfe 
unb einen Kräng, melcpen bie Jungfrauen oon 
ßodjborf iprem ehemaligen Orgauiften gut 
3ierbe feines frühen ©rabeS gefertigt patten. 
Salb itacpper meltete eine Sepefcpe naep $ocp* 
borf bie frope Kunbe, Stattmann lebe tiocp. 
AadpmittagS 4 Upr patte ein Arbeiter, £>art» 
mann, feine Stimme oernommen mit ben SBor» 
ten, fie foHen nur fleifeig arbeiten, bantit er boep 
halb erlöft toerbe. Jnbeffen biefeS gefepap, um« 

ftanb eine Stenfcpenmenge oon über 400 Sw* 
onen bie Ungliicfsftätte fmb parrte bis gegen 2 
Upr StorgenS auf bie Grlöfititg beS Serfcpiitteten. 
An guten Aätpeu unb Steinungen, mie jeßt 
bas AettungSroerf am fdpnellften gu ©taube ge» 
braept merben tönnte, mar rein Stängel. Un» 
beirrt burep baSfelbe arbeitete Oboni Sag unb 
Aacpt tupig unb unberbrojfen mit feinen beiben 
©epilfett meiter. Jmrner glaubten fie bem Ser* 
fepütteten näper gu fein, als es in SBivflidgteit 
ber Jall mar. Am Jreitag Stittag cnbtidp 
tourbe ber ©teilt auf bent Kopfe XaoerS toegge* 
hoben unb halb barauf ber auf ber Snifi. 
Oboiti flößte bem palb Serfcpnnidjtcten einige 
Sropfen Söeiit uitb bclebeitbe Argiteiett ein. 
Stattmann flagte über entfeßliepen Surft. GS 
mäprte ttop bis Abenbs 6 Upr, bis ber lebettbig 
Scrfcpüttete enblicp gaitg aus feinem ©teingrab 
befreit mar. Oboni banb ipn in ben UtettuiigS* 
fübel mit einem ©eile feft unb ftetlte fiep piiiter 
ipn, ben Arbeiter, £>artmann, oor ipn. Öa 
befiel leßteren eine lange bauernbe Opmnacpt. 
Oboni mußte beibe palten. „©cpnelT auf!" er* 
tönte fein lauter Hilferuf, jn toenig Stinuten 


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Selig ßnb Pie Jtarmper}igen. 


357 


Sfli0 ftub M t Pttrml)rt|i0m. 

®<ra S$. «ubreit. 


? nfere ©rgäplitng fi'tprt «nS guriid itt’S 3<»Pr 
1870, baS niept mir iit bie Safeln ber ©e= 
fcpiepte mit fernen grofeen ©otteStpoten ein« 
gegraben ift, fonbern auip in bielen tuufenb 
fcergen lebenslängliche ©puren pinterlaffen pat. 
©puren peifeer ©cptnergeu unb uiterfeblicper 
SSerlufJe, bie, neben «Beit patriotifcpen Sauf« 
gefügten fiir bie ©rpebting uuferer Nation gu 
lang entbehrter ©inigfeit unter eine nt taifer« 
liehen #aupt, hoch auch ihr ütedjt forbern unb 
niemals bergejfen »erben fönnen. lieber ©rä« 
bern trodnen gwar mit ber 3 e 'l bie 3:präneit, 
unb bie ©unben, »eiche uns ber Sßevluft ©e« 
liebter fdplägt, oeritarbeit nach einer SReipe oon 
fahren unter bem täglichen Srud beS Sehens 
unb feiner 9totp, bem fie entrüdt finb. 9lber 
bie $ e r m i fe t e n, über welche man feine ©e= 
»ifepeit erlangen tann, bou benen man nie weife: 
finb fie bapeim ? ober »anbelu fie noch auf Gr« 
beit unb »o? bie Sermifeten finb ein »unber 
tfled noch heute für biele bergen. 

9llS ich im 9luguft bie belebte ©trafee naih 
Oberamntergau gog, ober bielmepr mich boin 
Stampfrofe bapin tragen fiep, um bas »eit« 
berühmte ^affionSfpiel gu fepen, traf ich Int 
©ifeitbapncoupe mit einem #errn gufamiuen, 
beffen gange ©rfepeinung in popem ©rab mein 
Snterejfe ermedte. ©ein fcpneemeifeeS |>aar, fein 
gebleichter Soflbart beuteten auf bas ©reifen« 
alter; unb hoch fonnte baS feingefepnittene ®e« 
fiept, in baS ber Kummer fo ficptliip feine Sinien 
gegraben patte unb über bem ein 2(nSbrud tiefer 
©cpiocrmutp lag, pöcpftenS einem fjünfgiger ge« 
hören, ©ein hätte idj ein ©efpräcp mit bem 
Wanne angefnüpft unb gewußt, welepeS Seib fo 
feproer auf ipm laftete, bon all bem bielen Sam« 
mer, ber ein Wenfdpeitperg befepweren fann. 
3tbcr er blidte fepmeigfam uub biifter hinaus in 
bie ©egenb, hinüber auf bie Serge, benen mir 
entgegeitflogen. @pe wir ©tarenberg erreichten, 
gog icp mein fRotigbucp heraus, baS gugleicp Ka« 
lenber war, um etwas gu notiren. Slöfelicp 
tDaiibt«- fiep mein vis-ä-vis mit einer melancpo» 
lifepen ©timmfärbung, bie wie berpaltener 
©cpmerg Hang, gu mir: „©elcpeS Saturn haben 
Wir bodp heute ? auf Seifen fomme icp bnrnit 
immer in’S Ungewiffe." @r liicpelte. 

„$eute ift ber 6. Siiguft," antwortete icp, froh, 
enbliep einen SnfnüpfungSpiinft gefunben gu 
haben. 9lber wie erfeprad icp, als iobtenbläffe 
bas eble ©efiept iibergog: ,,9ld), ber Sag bon 
SBörtp," ftöpnte er, inbem er bie fjeinbe bor’S 
©eficpt feplug, wäprenb fein ganger Körper gu 
erbeben fepien. 


3fa, heute bor gehn fahren war jene blutige 
©cplaept gefcplageu worben. 2fep patte im 9lugen« 
blia niept baran gebucht, ober bie gebeugte ©e« 
ftalt bor mir rief jene ^eit mit aü ihren ©epreden 
unb bittern Serluften tu mir »aep uub icp »ufite 
nun, auf welchem Slatt baS Seib meines mibe« 
fannten fjfreimbeS gefeprieben ftanb, ober glaubte 
bcKp, es gu miffeit. ©inen 3ufaminenpaitg mit 
bem Krieg patte es jebenfaBS. 

9taep einer 2Bcile, als er feinen ©cpmerg wie» 
ber etwas gu beperrfdjen fepien, fuepte icp ein 
©efpräcp angiifuiipfen, »aS mir gegen mein ©r« 
»arten ouep halb gelang. @r muffte mir’S ab« 
ftiplen, öafe niept gewöhnliche Seugier, fonbern 
roirfliepe Speilnapme fiir ein fcpwergeprüfteS 
Wenfcpenperg miep gu rebeit trieb. Siefieicpt 
war’s ipm auep fclbft eine ©rleicpterung, fein 
Seib einmal frei permiSgufepiitten gegen ein mit« 
fiipIenbeS ©efat, — fnrg, er ergäplte tnir im 
Serlauf unfrer ffeiprt, was icp pier bem freunb« 
liepen Sefer wieberpolcn »iB. 

„3cp bin Sefifeer einer ©laSpiitte in ber 
©egenb bon Saffau unb peifee Sreeber," begann 
er, inbem er mir feine Karte reiepte, »aS iep er« 
Wiberte. 

„Wein liebes ©eib unb icp patten ein eingigeS 
Kinb, einen lieben, prächtigen ©opn, bie gfreube 
unb ben ©tolg tinfreS SebetiS. 911S bor gehn 
fahren bie KriegSpofaune MeS unter bie ©af« 
fen rief, »aS irgenb waffenfähig war, liefe fiep 
mein tapferer gunge, wiewopl erft iteungepn» 
jäprig, niept palten, bem begeifterten £>eer fiep 
angufcpliefeen. Wit Spränen unb peifeen ©e» 
beten liefeeit wir ipn giepern ©S wäre ja niept 
reept gewefen, ipn gu palten, wo fo SBiele ipr 
SpeuerfteS bingaben, uub Wir bauten auf @ot» 
teS ©cpufe für nufer Kinb. 

9(uS bem ttape gelegenen Sorf mufeten gepn 
Surfcpen fort, barnnter gwei junge ©pemänner, 
unb icp fepe noch peilte unfern ©lemenS, wie er, 
einen 3»eig ©icpenlaitb am #ut, an ber ©pifee 
ber fleinen ©epaor, baS Spal entlang marfepirte. 
Sei ber lefeten Siegung beS ©egS, bie ipn un« 
fern Gingen entrüdte, fcpwenfte er noep einmal 
beu f»ut unb rief laut: „Sibat poep! eS lebe 
Seutfcplanb!" Sie Surfcpeit ftimmten ein, bafe 
es laut bon ben Sergen miberpaüte. Wein ©eib 
uub icp aber ftanben traurig auf bem Salfon 
tinfreS |>aufcS unb fnpen tiodp lange auf bie 
©trafee hinaus, als tonnten unfre klugen ipn 
guriidrufeii." 

©in tiefer ©eufger entrang fiep £>errti Sree« 
PerS Sruft unb bann fepwieg er, in fcpmerglicpeS 
©innen berloren. • 


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358 


Selig ftnb bie Poratljetjigm. 

„$atn er beim liiert juriiet ?" unterbrach i<h \ baboit war Girier ein Krüppel. D, ber Ärieg! 
enblid) baS Schweigen. : ber Jlrieg ! — Cs ift befnnnt, wie ber Wenfd) 

„ 3 urücf?" froflte er roie fleiftc^abioefenb, fid) nocf> 1111 b nad) ^eroöE>nt, aud) ein hartes 2oo3 
„nein." ’ 1511 trinken, So batten Wir, mein Söeib unb i<jj, 

„Samt würbe er Woljt bei Söörtf) oermunbet, uns enblid) mit ber Hoffnung t\etröftct, unfer 
ober ift er bovt gefallen ?" fragte id) jögerub. | Clemens fei bei ©ott, unb trugen unfern bitteru 
„©efnlleit?" ftieji er heraus, „ad) wäre er ge» < Skrluft, wie’S Cfjriften jiemt. Sun benfeit Sic 
fallen! Sann wollten wir ©ott bauten, id) linb fid) unfer Cntfeßcn, als bor 3 Wei Wonateu plöß» 
mein liebes SBeib! Sann wüfeteu wir beit Crt, lid) bie Shutbe ju uns bringt: Ser Sdnuieb unb 
wo feine 9tld)e rubt, unb ben guten, frommen ber £)irjelS 3?ranj feien wieber ba! Unb bie 
Sohn wüßten Wir geborgen. Sd) nein, gefallen $unbe beftätigte fid) als 2Eßaferbeit. 33) lief 
ift er nicht, gefangen würbe er am Sage 0011 fogleid) in’S Sorf. Sa War SlleS auf ben Sei» 
Siöörtb unb bann, — bann ftanb er unter ben lien unb bor ber Schmiebe eine folcbe Wenfcfeen» 
33 erinifeten, — 1111 b ba, auf biefem bnntelu menge um bie £>eintgeleljrten berfammelt, baß 
grauenoollen Statt ftefft Clemens SreeberS id) Wülje batte, mich bitrd) 3 iiarbeiten. Sa ftaiu 
Saute uo<b beute." ben fie wirflidj, bie jebn Sabre lang Sermijjten, 

Cr butte mit fteigenber Aufregung gefprod)en liingft Sobtgeglaubten unb reichten mir fröb= 
unb in feinen klugen gitterten große Stopfen, lid) 311111 Söillfomm bie #änbe. Wir liefen bie 
miibrenb er mübfam nach Selbftbeberrfd)ung bellen Sbrünen herunter, als ich bie gebräunten, 
rang. bärtigen ©efid)ter fab, welche Kummer unb Sr» 

„Solche Ungewißheit über baS 2ooS geliebter beit uor ber 3eit gealtert butten. SiefeS Wit» 
Wenfdjeu ift fel)v hurt," fugte ich enblich bewegt, leib malte fid) mif ihren 3iigcit, als fie oer= 
„aber gewiß würbe er als Serwunbeter gefeilt» nahmen, bah mein Clemens and) unter ben Ser» 
gen unb ift längft geftorben, fonft butte ihn mieten fei. Sie butten bei Sßörtl) noch in einem 
ja ffranfreid) beim 3riebeit3fd)lufe berauSgebeti '«Regiment mit ihm gefochleu unb bann nichts 
miiffeu." mehr boit ihm gehört. — 3<b but bie Wänner, 

„© 0 , benfeit Sie baS wirflidj?" fragte er mit ihre <Sd)idfa!e 311 ersäblen, waS fie gern tbaten. 
fnnfelnbeit Sugeu. „Senleit Sie, biefe gran» Sie aber mögen ermeffeu, wie mein Snterbeig 
3 ofen wären babei’fo ehrlich 311 SEßerfe gegangen babei blutete. 

wie wir Seutfcbe? Meinten SjcbieSracheburftige, „Wit ber Sefdjreibung ber ©reuelfccncn bei 
treulofe Solf fo wenig, baß Sie ihm e b vI i djeS SBörtb, wo Die SurfoS liitb 3 uaben wie wilbe, 
Raubein sutrauen ? 3 . 3 ) fuge 3 bnen, be»t e tüdifebe Seftien auf unfre tapfern Solbaten her» 
uod) leben beutfdje ©efaugeue tu Algerien unb fielen, will ich Sie üerfcboneit. Sd), unb wie 
bielleicfet auch anberwärts, bie 5 TaS 2 öo 3 elenber ift man mit unfern armen Sermunbeten umge» 
Sflaoen 311 tragen buben, ober ein noch erbärnt» gongen! Saran fanu man ohne tiefe Cmpörung 
lieberes." gar nicht benfeit, wefefealb iefe and) balwn nichts 

„ 3 br Urtbeil über ein ganscS Soff ober bod) wieberbole, waS jene Wänner ev3ät)lten. Sid)tS 
feine ^Regierung feheint mir hurt. üßober wijfcit befto weniger »trugen bie Seiten einen armen 
Sie baS mit foldjer Seftimmtbeit?" I Sfrifaner, ber fd)mer Dcrtoiinbet war, aus bem 

. „Suf fehl' einfache Sßeife! #öreit Sie nur ©efecht 1111b retteten ihm baS Seben. 3 um Sani 
weiter. 91 11 fier unferm Clemens ftaubeit nod) I für biefe Sbat ber Sarmber3igfeit machte man 
3Wei Snrfd)e unfreS SorfeS unter ben Serinife» I fie fpater als Scrwuubete 31t ©efangeiteit mtb 
ten, ber Sof)n einer SSittwe, ber Arbeiter bei i febleppte fie in einem feiublicheii 2 ci 3 aretl) eine 
mir mar, unb ein junger Sd)inieb, ber bor 1 SEßeile herum, jebem Wangel preisgegeben. £>a(b 
wenig 90 ßod)eu gebeiratbet butte. 33 ) liefe fein I geuefen fchuffte man fie mit anberit ©efangenen 
Wittel unberfuefet, um beit Serloreneit auf bie I itnd) bem Silben unb eines Soges fanben fid) 
Spur 31t fomnten. 3 m Sriibinbr 1871 burcf)= ! bie armen Sdjlttder 311 ihrem grofeeit Schieden 
reifte ich felbft faft gmi3 grantre'id), ohne eine 1 ftarf gcfeffelt in einer engen Kajüte unb^fameit 
Spur 311 cutbeden. 33 ) forfchte bei ben Seljör» ! mit ©rauen 311 ber Shilling, Dafe man fie über» 
beu, wohin man bie ©efangenen gebracht hübe, j Wcer tranSportire. Unb .fie butten fid) nicht gc= 
id) berfprach bebeutenbe Summen, 9 l(IcS um» täufcE)t. 3 n einem „beifeeit wilben 2 anb," wie 
fonft! Cs biefe. man habe alle ©efangenen fie es nannten, feilte man bie ©efangenen auS 
berauSgegeben unb bie Sermifeteit mürben eben unb trieb fie, aneinanber gefeffclt, einige Sage» 
geftorben fein, ©iiblid) mufete ich mit fchmerem reifen über greifen unb Sanb lanbeinwärtS. 
.'ocr^en meine frudjtlofcu (Vovlrfiungeii aufgeben. Cnblich fameu fie an’S 3 ' f fe eine grofee Sabaf» 
Sber eine Srt non 9 teib befd)lich mid) jebeSmal, pinntage, welche nur Pon Sträflingen unb @e= 
wenn id) ber brei ^umilien gebaute, bereit Söhne 1 fangenen bearbeitet würbe. Wan wies ihnen 
auf bem Scblacbtfelb geblieben waren. Sur | einen Saum 31a Sßobnftätte an, ber lau nt ben 
3 ünf Don jenen Clfen waren beimgelebrt, unb ! Samen eines Stalles Derbiente, unb fie mußten 


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Selig ftnb bie ftonnfeerjigen. 


359 


fortan bei fe^ted^ter, ungenügenber ©aferuug bie 
©rbeit beS 3ugDiefee3 Derridjiten unb groar unter 
ftrenger Stuffic^t. ©tan tiefe fie bcn ©flug unb 
Sagen giefeen, Don ber ©eitfdje bebrofet wie 
unfre Ocfefen, nnb wenn fie beim ©rabeit ober 
anbern Arbeiten einmal iticfet genug gu Sege 
gebraut batten, Diefleidjt aus mangelnber_$raft 
bei ber fefelecfeten $oft, j'o würben j’ie gur ©träfe 
gefdjlageit, wie bei uns fein $feier. 

„©uffallenb war itjnen, bafe einer ber ©uf= 
fefeer, welcher etwa ein 3‘ihr nctd) ifjret ©ntunft 
auf ber Kolonie angeftetlt würbe, ihnen betannt 
gu fein jcffeen, unb bod^ tonnten fie feife nicht 
entfmnen, wo fie ifjit gefefeen haben follteit? 
©uife mar er Diel milber mit ihnen, als bie an* 
bern ©uffefeer, uub oft bemerften fie, bafe er 
eine ©träfe abmanbte, bie ifeiten brofete, ober 
ifenen unbemertt eine fleine Erleichterung Der* 
fcb'.iffte. 3a, einmal, als bie ©eiben feiirt ge* 
giicfetigt warben, ofene bafe ber ©uSfeber es Der* 
piitbern tonnte, fafeeit fie Stferänen in beit Singen 
beS ©frifatterS gittern. Oft, meint fufe bie 
armen Surften ©benbs auf ifer erbärmliches 
Säger bon ©taisferofe feinftredten, fannen fte 
miteinanber Darüber nach, wer mofel ber freunb* 
liefe* ©uffeljer fein möchte, ber ifer barte» Säger 
bisweilen gu erleichtern fucbte. ©ber fie Der* 
modjten baS fRätfefel nicht gu löfen. ©tit ihm 
reben tonnten fte auch nicht, ba immer Diele 
©efangene gufammen auf bem Ofelb befdjäftigt 
Waren unb eS auch beit ©uffefeern ftreitg Der* 
boten gu fein fchien, fich mit beit Seuten gu un* 
terhalten. ©erftofeen lernten fie nämlich nach 
unb nach baS bunte ffaubermetfcb, welches man 
auf jenen >&traffolonieeu gu rebe.t fcheint, halb 
frangöfefd). halb arabifch, ober was eS fein mag, 
— ich tonnte nicht tlug brauS werben, als mir 
ber ©efemib eine ©tobe babon gu geben Der* 
fuefete..— @o Derging 3ahr um Safer, ofene bafe 
bie (befangenen reifet gewufet hätten, ob’s ©om* 
mer ober Sinter fei,*) bei bem Kreislauf einer 
fidfe immer mieberfeoieuben gleidjföriitigen, iniife* 
feligeit ©rbeit, mit bem ungefüllten #eimmefe 
im bergen naefe ber fernen, geliebten |>cimatfe. 
Sie’S bafeeim ftanb, mufeten fie ja auch nicht, 
©tan log ihnen Dor, bie tfrangofeit hätten gulefet 
noefe ben ©ieg babon getragen. ©ber baS glaub* 
ten bie braben ©aieru nicht, wenn fie auch 
fefeweigen mufeten. ©ie tratiten’S unferm fierr* 
gott gu, bafe Gr ber geredfeen ©aefee ben ©ieg 
gefefeentt haben mürbe unb an biefe Hoffnung 
Hämmerten fie fiefe, wenn’S ihnen auch gumeilen 
feltfam borfam, bafe tnait fie in ffeinbesfeanb 
liefe, wenn bie Oeutfcfeeit mirtlicfe gefiegt hatten." 

„®as waren gerechte ©ebenten," warf ich ba* 
gwifefeett. 


*) Sn ©Igerien wenfaftenS feilte ber Sinter fich 
ihnen bttrefe feine SÄegeitflüffe fühlbar flcmcirfjt haben. 


„Sa, baS waren fie unb anfangs mar iefe gang 
faffungSloS über biefe ©acfeläffigteit unfrer ©e* 
feörben. Oann aber, als iefe mich unb und) rufei* 
ger barüber beuten tonnte, mußte ich wir boefe 
jagen, bafe einer folcfe perfebeit JjanblungSmeife 
gegenüber, bie gegen alles ©öltcrredjt ftreitet, 
boefe eigentlich bie ©efeörbeu machtlos finb. 
GrftenSfefet man auch bei bem fd)led)teftcn ©olt 
eine folcfee ©rt Don fRacfee, an Gingelnen, Un* 
fcfeulbigen auSgelaffen, niefet DorauS; gweitenS 
tonnte man niefet gang ffranfreiefe, halb ©frifa 
unb Dielleicfet nod) anbre übevfeeifdje ftolonieen 
burefereifen, um gu ergrünben, ob mirtlicfe alle 
©efangenen frei waren, unb — frei finb," fügte 
er mit einem überaus fcfemerglicfeen ©aefebrud 
feingu. 

Scfe tonnte nun beS ©tanneS ganges £ergeleib 
berftefeen unb fefewieg, weil iefe fühlte, bafe hier 
tein halber Straft einen Sertfe haben tonnte unb 
einen Dollen mufete id) bem ungliidlicfeen ©ater 
niefei gu geben. @o fafetn wir mieber eine 
Seile fcfetocigenb, bis £>err Streeber fortfufer: 
„SDodj ich mufe meine Grgäfelung Doflenben. 
SaS feeifee filima unb bie fcfelecfete ©aferung 
maefete enblicfe ben föirgelsfrang tränt unb in 
jener 3 c *t mufe er namenlos gelitten feaben; 
ein Sunber, bafe er niefet berfeungerte. $:aS 
hatte er näcfeft ©ott auefe nur ber Streue feines 
$ameraben gu banten, ber ©fleS aufbot unb 
Diel erbulbete, um ifein baS Seben gu retten. 
©iS es enblicfe wieber beffer ging, ber ffrang 
aber noch gu fefewaefe war, um auj bie entfern« 
teren Selber getrieben gu werben, arbeiteten bie 
3wei einmal mit Senigen gufammen unb eS 
traf fiefe, bafe fie, bon ben ©nbern entfernt, Don 
bem feefaunten ©uffefeer leife angerebet werben 
tonnten. Gr fragte, ob fie ifeit benu niefet len» 
neu? Stuf ihre ©nimovt, bafe er ifenen gwar 
immer etwas betannt erjefeienen fei, fie aber 
boefe teine Grinnerung an eine frühere ©efannt* 
fefeaft hätten, ftellte er fiefe als jenen ©erwun* 
beten bor, welchen fie in ber ©cfela<fet bei Sörth 
aus bem ©efeefet getragen uub fo gerettet hatten. 
Gr fagte, bafe er ihnen gern gu ihrer ©efreiung 
helfen würbe, weil er ifenen feinen grofeen Oaitf 
bemeifen möcfete, bafe er ficfe'aucfe fefeon ben Seg 
bagu auSgefonnen habe, — aber fie miifeten ifein 
einen barten Gib fefewören, bafe fie ifeit niemals 
berratfeen wollten, fonft fei er üerloreit. $ie 
©urfefeen hörten feocfetlopfeuben ©crgenS biefe 
GrlöfnugSbotfcfeaft unb fdjwuren mit ffreuben 
ben beriangten Gib. darauf gab ifenen ber 
©uffefeer Sag unb ©tunbe an, wo fie ifen in 
ifercr ,l?(aiife erwarten follteu unb fiefe fo gut 
als möglich gu einer langen fReife rüften. ©efe 
gu rüften hatten fie wenig; fie befafeen ja nicfetS, 
— aber iferc ©ergeii jubelten unb fee gäfelten bie 
©tunben, bis bie erfefente 3eit tarn. 

„Sie 3flucfet mufete mit grofeer ©orfeefet einge* 


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360 


Selig ftnb b« JSannljrqigfn. 


leitet werben unb fiel gum ©lüd in eine ftod* 
finftre, fternlofe Sacht, too fernere Söoltengüqe 
ben Fimmel fdjroärgten unb ein heftiger Segen 
mit feinem lauten ©eräufch ihnen gu |)ilfe !am. 
$er Setter führte bie ©efangeneit auf unbe» 
taunten Sfoben nach einem unterirbifdjen ©attg, 
meinen fic in gebildter Stellung burd^friec^en 
mufiten. (5t mar feb* lang, wohl eine gute 
©tunbe, unb bie enge Suft erfdjroerte baS 5lth« 
men. (5nbli<h machte ber giihrer £)a(t, reichte 
ihnen ßleiber, bie er in einem Söiinbel auf bein 
fßüdeu mitgefchleppt h«tte unb roetche fie nun 
gegen ihre ©träflingSfutte bertaufchten. Einige 
©päfjnc biirreS &olg, toeld)e fie als Seiend)» 
tungSmittel für ben Sothfall hei fiih hatten, 
leuchteten ihnen gu bem ft leibunqSroedjiel. S)ann 
hefcpmor ber Sluffeljer feine ©djüplinge noch» 
mal», ihren <5ib gu holten, führte fie au» bem 
bunfetn ©ang hinaus unb betrieb ihnen genau 
bie Sichtung] welche fie einbnlteit müßten, um 
bie Jtiifte gii erteilen, gab ^cbcin noch ein an» 
feljulicheS ©elbgefcpent jur Ueberfabrt unb lehrte 
bann fdjnell guriid, üom heißen ®an! ber Se« 
freiten begleitet. 

„2Bie ben Stännern gu Stuth gewefert fein 
mag, nach faft geljniähriger $aft mit ©Haben« 
arbeit fich mieber frei gu fühlen, tönnen wir 
uns wohl fourn gang uorfteflen.—Sa<h manchen 
Stübfaleit unb Hergängen, ben Stag über fid) 
berbergenb unb nur bei SadR wanbernb, erreich« 
ten fcc enblich bie ©ee unb nach neuen SBanbe» 
rungen, bie fie aber jept furchtlofer machen 
tonnten, einen großen £>afenptajj, wo fie fich 
nach Starfeille einfe^ifften. —•Sötit beweglichen 
SBorten fchilberten mir bie $eimgetehrten ihre 
SBonnegefühtc, als fie bie Stifte boit 5lfrita 
immer mehr betfehwinben faljeu unb bie #off» 
nung, nun halb, halb bie lang oermißte, geliebte 
|>eimatb mieberjufehen, wie ein helfe* totem 
ihnen leuchtete unb mit feinem ©lang alle Oua« 
len, bie fie erlitten hotten, in ben £>intergrunb 
brängte. 

„Stit bem „halb" foHte es freilich nicht fo 
fchnefl gehen. SDenu ber 2Beg üon Starfeilte 
burch gong granfreidj, bis nach Saiern herunter, 
ift weit, fehr weit, wenn man ihn gu guße gu» 
rüctfegen muß. 3hre Saarfdjaft mar faft auf« • 
gegehrt, als fie lanbeten, unb fo fudjten fie fich 
bagmifche'n immer etwas gu oerbienen, um wei» 
ter gu tommen, weil fie fich gum Sitten in Sein« 
beSlanb faum entfdjließen tonnten. 

,,©o War’S (5nbe Stai geworben, als bie 
glüchtlinge an bie beutfehe ©renge tarnen unb 
gum erften Stal wieber ben fiifjcn $lang bet 
Stutterfpradje hören burften. Um fdjneffer 
oorwürts gu fommeit, ba bie ©ehnfucht immer 
mächtiger trieb, entfdjloffen fich bie ftameraben 
auf beutfdjem Soben gum g * <h t e n, menn’S 
Soth that, unb hielten fuh mit Arbeiten nicht 


mehr auf. $aS war auch nicht nötJji«. SDenn 
Wohin fie immer bittenb tarnen unb ihre ©d)id» 
fale ergählten, gab man ihnen gern unb mit 
bollen ipäuben. 3a, es gcfchah bei ben lebljaf» 
ten Sabenfern unb gutpergigen SBürttember» 
gern, baß man bie Sadjbarn gufamntenrief, 
ihnen* bie SReifenben oorftetlte unb 3eber bann 
fein SlöqlichfteS aufbot, ihnen wol)l gu thun 
unb fie gu befchenfen. Stit Jljrünen in ben 
9lugeit ergählten bie Stämter bon biefer baut» 
bareiijöruberliebe ber £cutfd)eu, bie ihnen Seih 
unb Seele auf bem gangen Sieg fo oft erquidt 
hatte. Sie betamen auch häufig, wo fie gar 
nicht gebeten hotten, reiche ©efdjente, g. S. in 
SMtth§häufern, wo man fie ihres auffalleuben 
SuSfeßenS wegen befragte unb ihre ©efdji^te 
hörte, ©o tam’S baß fie etliche hunbert Start 
baareS ©clb mit heimbrachten, bie fie mir botl 
5mibe geigten. 

„©otteS ©iite hatte ben Sraüen aber auch in 
ber £>eimatlj noch greuben aufgehoben, welche 
beffer waren als bie beften ©cfdjetife. $er 
©djmib mar fchon bor neun 3ohren Sater ne» 
worben, fanb alfo einen prächtigen ©obit bor 
uuter ber Cbfjut feines treuen SkibcS, bie ihm, 
troft mand) eifriger Sewerber, ihre Siebe be» 
wahrt hatte. — £cr grätig aber fanb, WaS noch 
weniger gu erwarten gemefen, fein Stäbd)cn, bie 
er geliebt hatte, als er fortgog, als treue SlterS« 
Pflegerin feiner Stntter, bie freilich, 1° gu fogen, 
an ber greube beS SJicberfehenS ftarb; bettn 
Wenige Stage nadj ber ^eimtehr beS Sermißten 
trug man fie gu ©rabe. 9lbcr es war ein feliqcr 
Stob für bie traute, alterSfchwacbe grau, bie 
ihre ßinber noch fegnen unb bann fröhlich heim« 
gehen burfte. — $nS 2ooS ber alten &irgelin 
fcheint mir fehr beneibenswerth!" 

Sach biefen büfter gefprochenen Sßorten ber» 
fiel |>err Üreeber Wieber in tiefes ©innen ; er 
hatte bis hierher mit fi<htlicf>er ©elbftüberwiu« 
bung ergählt, fich auch oft burch ©chtoeigen un« 
terbrochen, baS ich nicht gu ftören Wagte. 3<h 
begriff, wie biefer Sater innerlich litt. ÜBer 
ftanb ihm bafiir, ob nicht fein ©opn auch noch 
in irgenb einem SMnfel Algeriens elenb als ®e» 
fangener fchmachtete? 3« folgen Sagen beS 
qualoollften Zweifels fann nur ber ©laube 
Öinberung geben. 2)aS fühlte ich mit über« 
wältigenber ©ewißpeit biefem Seib gegenüber. 
3<h faßte feine £>anb unb begegnete einem troft» 
loS fragenben Slid feiner 'Äugen. „3ft eS 
3hnen nicht möglid), fich feft an baS ©ottesmort 
gu holten: 3)enen, bie ©ott lieben, miiffen alte 
Singe gum Seften bienen, auch für 3h rfn 
©ohn, wenn er noch feben foKte?" fragte ich 
freunblicß. „Unb wie wir felbft Sarnihergigteit 
nöthig hoben, follten wir nicht auch gegen geinbe 
barmhergig fein unb ihnen fo biel Stenfchlichfeit 
gutrauen als wir felbft hoben? (Singeine Ser» 


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Pie pegrStimßftStte brr ÜEobfnt. 


361 


feljen mögen ja auc^ bei gutem ©illen borfom« 
inen. Sicherlich bot ber Ijimmlifcfie Sater bod) 
aUegeit griebenggebanfen über ung, ctucb bei ben 
bunt elften güprungen, wenn nur mir felbft bei» 
grieben nadhjagen, bag iitiifjen wir feftbnlteii." 

„ 3 u, bag inocbte icb and) feflhalten uub 5 ur 
Stiirfung unfteg ©laubeng bat mich mein liebeg 
SBeib hierher 31 t reifen jtint '-jkffionsfpiel. Sie 
meint, bie liebe Seele, wenn ich bag Scibett 
nnfreg Grlöfer» fo mit anfehc, wie» Gittern ba 
im Ammergau borgefüprt wirb, würbe ich in 
meinem eignen Seiben gebulbigcr nnb ergebener. 
Sludh fagte fie tnir fcbon oftmafg: „Sn barfft’g 
glauben, ttttfft Glemeng ift bei ©ott. ®er £>ei- 
lanb ift ein Ntenfch geroefen wie wir. Gr fennt 
«nfet Glenb unb ift barmherjifl. Saß ung auf 
3 h« bertrauen." 

3 <h brüdte ihm bewert bie fpanb: „ 3 a, 3 hm 
bertrauen, bag ift bie einzige Nettniig. ©ott 
helfe 3hnen baju unb laffe Sie Stärtung unb 
?roft finben, tote Sie’g bebürfen." 

„ 3 hre Sheiloohme hot mir wohl gethan," 
fagte er herglicf), alg wir augfliegett uub bann 
entfchwanb er mir in bem Sicnfchengemiiljl beg 
Aturnatier Sahnfjofg. 

Ob ihm bag Sßaffiongfpiel bie ©laubeng- 
ftärfung gebracht hot, welche er fud)te, höbe ich 
nicht erfahren, h°ff e eg aber, ba ja ©otteg Gr» 
barmen oiele taufenb ©ege hot, bie Glettben jn 
erquiden, welche ju 3 hm aufbliden. 

( 3 ugenbblätter.) 


pte P^rabiiipHlte ber tobten. 

8on 3. ®<|lB*enh«nf. 


II. 

Cdjon in ber frühefteu ©efchichte finben mit 
M Spuren, baß Serfonen gewiffe Orte alg 
« Segräbnißftätten abfonberten, bie batttr bon 
ben tontmenben ©efchlechtern mit großer ^ictdl 
gepflegt Würben. Abraham taufte einen Ader 
mit einer ©oppelljöhle, in ber er fein ©eib 
Sarah begrub, unb bie auch 3 ofob, ütebeffa 
unb Sea jttr iRuheftütte biente. Samuel hotte 
feinen Segräbnißptaß nahe feinem .£»cutfe, unb 
$aöib ließ grofje ©ewölbe in beit Scrg Qion 
hauen, bie ihm unb feinen Nachfolgern auf bem 
Jhmiggtljrone alg Nuljeftätten bienen follten. 
1 ftön. 11, 43. 

2 >ie alten Ggppter führten 311 biefettt 3®ede 
toloffale Sau werte unb prächtige Salofte auf, 
in bie man allen erbentlidjen Scijittud trug, weil 
bag Sehen nur fur$, ber Aufenthalt im lobten» 
häufe aber lang fet. $ie Sßratniben, in beren 
inneren ©emöchern gewöhnlich ein Sarfoptjag 


gefunben wirb, flehten folche ©rabinäter ju 
fein, ju beren Grrtchtung tprannifche &errfcf)cr 
ein ftlabifcheg Soll swangen. 

$)ie Kunft oerwanbte oft allen gleiß auf bie 
©rabmäler, Silbfäulen unb Cbelisfen, bie ben 
iobteit geweiht waren. 

2)ie ©riechen uub Nötner, fotoie alle Kultur» 
bölfer beg Alterthuing fchentten ben Orten bet 
Seftattuug ber lobten große Auftnertfamfeit 
unb errichteten oft Ntonumente, bie heute noch 
mit ber größten Semünberung angeftaunt Wer» 
ben. $ie Segräbnißftätten Waten attg ©efuttb* 
heitgrüdfidhten gewöhnlich außerhalb ber Stabt« 
iitauer, nur bett Serbienftoollften Worb bie Gh»e 
31 t SUjetf, innerhalb ber Stabtmauer beerbigt 
3 U werben. 

$ie Gbrificn ber erjten 3ohrh«nberte hielten 
cg für ein befottbereg Sorrecfjt, tn ber Nähe beg 
©rabeg eines jßeiligen ober einer Kirche beerbigt 
311 werben, deshalb würben bie Scgräbniß» 
ftatteu oft neben bev Kirche auggelcgt unbKirch« 
bof genannt, unb weil bie Kirchen oft Afplredjte 
hatten, wo bie Scrfolgteu in grieben gelaffen 
werben mufften, nannte man fie gvicbljof, grep» 
fjof. Gg war immer ein abgefonberter, geheilig¬ 
ter Ort, bie greiftabt alter bafelbft Schlunt» 
mernben, beren Ntthe unb grieben Niemanb 
ftören burfte. ©ottegader würbe ber Ort auch 
genannt, b. i. ber Ader, wo ©ott bie Seiber ber 
©ercdjten alg Saatförner aufbewobrt auf ben 
großen Gnttctog ber Auferfteljung. Augiiahmg* 
weife würben hoehgeftellte Serfönlichteiten, bie 
fkh um Kirche unb Staat berbient gemacht hot« 
ten, in ben Kirchen tiiebergefeßt. Gonftantin, 
bet ©rojte, lieft fich suerft tn bem Gingang ber 
bon ihm erbauten Apofteltirche 31 t Gonftanti« 
nopel beerbigen. Nachher würben Sifchöfe, 
Sriefter, Könige ec. ec. im Sorhof beim £aupt« 
eingang in bie fallen, Kmisgätige, Grler unb 
©infei ber Kird)enmauer beigefeßt. 

3 n neuerer 3 eit fittb biele Scgräbnifeftätten 
burch bie tun ft genta B angelegten feinen ©ege 
unb Stöbe, bie fich *n Sposierfobrten nnb Sro« 
nienaben fo bcrtrefflich eignen, fowie burch beu 
arebiteftonifeben unb monumentalen Schmttd 
mehr großartigen Sorfanlagen ähnlich unb er« 
Seugen beim Sefudjer eher ba§ ©efühl fer Se« 
wunberung, alg jenen tiefen feierlichen Grnft, 
ben man bon einem Sefuch ber Stabt ber 2 ob ten 
mitsunehmeu erwartet. Serfeßett wir ung in¬ 
mitten ber Nuheftätte ber lobten, wo ber Särm 
unb bag Treiben beg Sageg bie hehre Stille, bie 
über ben ©räbertt tjerrfdjt, nicht 31 t ftören ber« 
mag, um auf ben Kreißten, ©rabfteinen unb 
Ntonumenteu bie ©ebanlen 31 t lefeu, welche bie 
fersen ber Serftorbenen uub Sebenben be¬ 
wegten : 

„Seife ranfeben bie platanen 

Um bie cSräfte großer Upncn." 


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362 


Pie Pegtäbnipöttf ber ®obten. 


®a [eben mir auf ©rabfteineit eine entblätterte 
fRofc, einen üerborrten, umßeftiirjten Saum» 
ftanun, eine abßelaufene Saubiihr, eine Der» 
fchleierte mcinenbc Sraueiißcftnlt, ju ihren ffüßen 
eine Derlofchene ffacfet, eine Unochenßeftalt, baS 
©etreibe mit einer (eenfe abtnäbenb, unb 3n= 
fd^riften mie biefe: „Sanft ruhe bie ©rbe auf 
bir 1" „9tul)e fanft!" „®ute Utadjt!" 2auter 
aus bem ßlaubenSlofen ^eibeuttjum entlehnte 
Sqinbole unb 3iifrhriftcn, oljue bie #offmnifl 
auf ein emißeS 2cben unb UBieberfeljeii, roie fie 
im 61)viftenthum fo fjefl anfßeßanßen ift. 3)as 
Hei'j mirb eifißtalt Don biefer Hoff»uuߧ(ofiß= 
ieit beS Unglaubens berührt, ber baS ©rab baS 
(Sitbe beS meufchlicbeu 2>ufeinS ift. 

Uleben biefeu glaubenSleeren ^nfchriften fin» 
ben toir and) oft bie fdjönfteu Serbeifmitgen beä 
©fjviftenthumS gleichfam als ‘JJedmantel auf ein 
in Süube unb ©leichgültigleit oerbrachtcS 2eben 
miübraiuijt. ®a fin'b j. 33. auf einem Wfifter» 
merf ber flunft, meines baS ©rab eiue-3 reifen 
WaiiueS jiert, ber fid) um ©ott unb bie leibeitbe 
Wenfchheit nicht fümmerte, bie SBorte ju lefeit: 
„Selig fiitb bie lobten, bie in bem £icrrn fter» 
beit, ihre SJerte folgen ihnen nach." Ulid)t weit 
baoon ift auf einem einfachen, aber jierlid) ge» 
arbeiteten ©rabfteine, unter bem 3tamen eines 
betannteu Staatsbeamten, ber neben anbereu 
Untugenben auch ber S£ruuffud)t fehr ergeben 
mar, ju lefen: „®ie mit Spälten feien, merben 
mit greuben ernten." Sor biefem Wijjbraud) 
ber herrlichen SerljeiBiinßen ber Schrift fd)au» 
bert ein febeS eble Gljviftenherj juriief. ©erabejit 
ait’S 2ächer(iche grenjt eS, toenit ba ein ©he* 
mann, mahvfcheinlich im frifdjen SHrenuungS» 
fdjmerj, auf ben ©rabftein feiner früh berfd)ie= 
beiten §rau einaraben liefj: „$ie Sefte unter 
ben SBeibent." ©ine ffrau ehrte baS ©ebächtuifs 
ihre« UJtaitueS mit: „2>er tveuefte, liebebollfte 
©atte." 

©ut unb liebebod mögen SSeibe geroefeit fein, 
aber mie tonnten bie Hinterbliebenen bie Ser» 
ftorbenen als bie „beften unb liebeboflften" be= 
jeidjiten, ba fie ja ben taufenbften 2hcü guter 
Waituer unb Uöeiber nie fanuten? 

3n bie flateqorie ber Jhiriofitäten gehören 
nachftehenbe 3>nfdjrifteu. 9luf einem bemooftea 
Warmorfteiit ift ein Paar Pantoffeln anSfle= 
hauen uub barunter bie ©orte: „©ffeit nt)t" 
b. i. eben auf, gerabe genug. Senfett mir aber 
nicht, ba ruhe ein tüchtiger Schufter, ber bie 
Pantoffeln ben tfiifoeit beS jarten ©efctjIccEiteS fo 
zierlich aitjubaffen üerftanb, baß ihm aus banf» 
barem Ulnbenfeu an feine ffunft biefeS ©fjten» 
seichen auf feinen ©rabftein gefefct murbe. 2)er 
UJtann mar in feinem 2eben reich, liebte aber ein 
bequemes genußreiches 2eben gar fehr, machte 
Diele Schuiben, bie er aber ju bertjeunlichen Der» 
ftanb. 311s nach feinem 5obe bie <&<hulben unb I 


bie angeorbneteit SeerbigungSfoften bejahlt ma= 
reu, blieb ben Sermaitoten, bie auf ein reiches 
©rbe gerechnet hatten, nur ein paar Pantoffeln 
übriß, baS fie auS ©ljicane auf ben ©rabftein 
hauen ließen. 

3(it bie Wadjt beS iobcS, ber alle Wenfchen 
unterworfen finb, mahnt bie ©rabfdirift, tie 
fid) ein Stifchlermeifter felbft feßte: 

„Bei Brettern warb id; jung, wuchs auf uub warb 
and? alt, 

3n Bretter cittgefperrt fjat midy bes (Eob’s (Sciralt. 
Dergleichen IDotjntjaus fjab* td? DTandjem 3 iigcrid>t\ 
EDer Dtr eins bauen n?irb, 31 t fagen rpe i§ ich nidjt/' 

3luf bie Suche nach beS 2ebenS fchmereit Sor» 
qen uub Ulrbeitcn beutet ein Paftor unb Schul» 
lehren mit folßeitben 3i>f<hriften : 

„Efier IPanbercr liegt ein inübcr irbeuer (Lopf, 

Der 21ufcrftehuug harrenb, ftitt in Scherben. 

ßier mugte ßerr ITlagiftcr ßeinrid) Knopf 

3n bunflcr <Erb’ ein Knopflod; fictj erwerben." 

5)er Schulmeifter HonS ftußlcr lief; fid) auf 
ben ©rabftein fefcen: 

„£ficr fdjtäft naef; langer Krbeit fanft genug, 

Der Sdjiiler, ©rgel, IDcib uub Kiubcr fd;lug." 

31uf beni ©rabftein eines UlbDofaten : „$er 
$ob folqte nicht feinem 33eifj>iele, er machte für» 
jen projef?." 

S)ie H'nfittt’flfeil unb einftiqe Perüärunß beS 
menfdhlichfu 2eibeS ift finureid) barßeftellt iii ber 
in ©leidjnijiform gehaltenen auf SÖen» 

jamiit graiitlinS ©rabftein: 

„®er 2eib 33enjamin ffranflinS, PuchbruderS, 
ließt hiev als Speife für bie SSßürmer, mie ber 
©inbaitb eines alten Pud)cS, morauS baS Söerf 
ßeriffeit unb bie Perßolbuuß 'abßeßriffen ift. 
3lber baS 3S?ert roirb nicht Derloren ßehen, beim 
eS rnirb roieber erfd)einen in einer neuen jier* 
liehen Uluflaße, burchßefehcn unb Derbeffert Dont 
Perfaffer." 

Unter ben Dielen, ben ©lauben an fort» 
bauernbe ©emeinfehaft unb einftißeS SPieber» 
feheu Dertiinbenbeu ©rabfchrifteii ’ßehören bie 
unter eine Hmtb, bereu 3e'!Kfmßer uad) oben 
meift, eiiißeßrabencn SfÖorte: „3luf 2Bieberfcl)n!" 

Uub hiev im jierlichen ft ran sc um bie beiben 
feftoerfdjluiißenen Haube: „3(uf emiß!" 

Hier bie fd)öneit 3öorte auf einem ßroheit höl» 
jernen Äreuje: 

„Das Kreuje, bas btc ©räber jicrt, 

Bejcugt, man habe triuinphirt." 

Unb bort bie Jräftißeit SBorte ber Schrift ■! 
„GljviftuS ift mein 2eteu uub^Sterben mein ©e= 
minn." „2ob, too ift beiit Stadjel ? ©rab, mo 
ift bein Sieß ? ©ott aber fei $anf, ber uns ben 
eieß geßeben hat, burch unfern Hwrn 3>cfum 
©hviftum." 


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9a« (frbe. 


363 


Unter ben nieten Monumenten, wel<he bie 
„©labt ber Sobten" gieren, [eien Ijier mir gwei 
erwähnt, ^auptfäc^licO wegen ber 3fbee, bie fie 
barftellen. 

3tiif einer natürlidjen (Sr^öfjunfi, t»ou ber 
man eine weite 91nSfid)t auf baS offene Meer 
hat, fteljt baS Monument eines fpanifdjen -bee» 
fapitänS, Samens Borreja, baS er fiep 17 3fa^re 
not feinem Stöbe erbauen lieg. 2luf einer funft» 
Ooll gearbeiteten Unterlage ruht ein Sd)iff, unb 
neben beinfelbeit ftet)t baS SJiib beS flammigen 
Seemannes im 2Bettcrfittet, ben Sturmi)nt auf 
bem |>aupte unb bie gerngläfer üor ben ülugeit, 
beit erfebnteit £>afeu gu fudjen. 2I1S er länaft 
teilt Schiff nteljt führte, gab er burd) biefeS 
SDeitfmal 3eiigui|?, baß er bodj noch und) einem 
fjafen fud)e, in meldjent er uor hinter flehen 
wolle nach beS fiebeitS ©türmen. 

Mitten unter ben ‘JJenfmätern ber ©elbarifto» 
fratie, bie flau} beibnifebe, ober beibniftbe mit 
<briftlid)cn uermifdjte ^bceu repräfentiren, ftebt 
baS wahrhaft fiböne ihiuftwerf, wcldjeS eine 
fromme Mutter ihrem früh entfebiafeueu fiiitbc 
auf baS ©rab feßeit lief). 2(uf einem aus präd)» 
tigcit Marmor oerfertigten Monumente fniet 
auf einem Schemel betenb eine Mutter unb hebt 
flehentlich ihre £)dnbe gum $iminel empor, wäb* 
renb febwere Stbränen über baS ooit Jfuutmer 
unb Scbmerg bnrcbfurdjte aiittliß rollen. BtwaS 
erhöht, gur Seite gewanbt, fteljt ein Bügel, ber 
ein ffinb in bie galten feines ©emanbeS gehüllt, 
auf ben Sinnen heilt, unb halb auf baffelbe her» 
uieberläibelnb, im ginge nach Oben trägt. „Br 
wirb bie fiämuter in feine 21rme fainmeln, unb 
in feinem IBufen tragen." Starte Männer, 
beneit Dtiemanb ©efül)lSfcbmäche gum SSorwurf 
machen faitn, fah id) an biefein Slcnfmni oon 
fRühruttg ergriffen, bafj ihnen bie ^bränen über 
bie Sßaitgen liefen. 

„Sdfau her, bie lUnttcr fniet am ©rabe, 

©in Kinbergrab ift’s, ftbmal unb flein. 
fiier rut)t ihr hoffen, ihre Babe, 

„Kinb," fd?I»df 3 t fie, „laß mtd? bei bir fein.'-* 
Unb alte üöget ringsum fdirocigen. 

Sie fdjroeigen bei ber ITtnttcr (Qual, 

Unb Bliimlciu ringsum neigen 
Die Iteldjc trauernb atlgumal. 

Da raufdjt cs teifc in ben Eüften, 

©in ©ngcl iff’s, ber atlcjeit 

2lu offnen ©räbern, offnen ©rüftcit 

2l!s fjoffitung mehrt bem ffcrgcleib. 

£r flüftert traut 3 iir ITTuttcr Otircn, 

£r fliiftert füg, er flüftert meteb : 

Das Kinb, bas bu mit Schmer) ocrloren, 

3ft bei mir in bem Bimmclrcirb. 

I)a ftefft fie auf unb glaubt ber Hebe 
Des ©ngcls, ber pon ©ott gefanbt, 

Unb im h*r 5 innigcn ©cbctc 
©rußt fie ihr Kinb im fjciinathlanb." 


@o ruht fanft, ih* großen unb {leinen iobten, 
euer SEagetoerf ift ooüenbet, ob ibr ben Sefdjäf* 
tigunflen be§ fjriebenö ober tc3 Krieges oblagt, 
mit ber ^eber ober bem ©dauert fampftet, beit 
Spaten ober ba§ ©cepter führtet, beit Purpur 
ober ffittcl trugt, in ^iitteji ober ^aläfteu 
mobntet, S^unbe ober geiitbe getoefen feib, hier 
fdjiaft ihr frieblich neben einanber, 6is bie 2ßo= 
faune bei? 2Bdtenrichtet§ eud) jum Sohne roccft. 

2Bir aber tooüen beim 2lbfd)iebe oon eurer 
SRuheftätte un3 bie 2Bortc bc£ SDühierS ju £er= 
jen nehmen: 

„Sieh’ hier, o IHcufdj, tx>o beine pfabe enben, 

©b fddattgcnglcidj fie burd) bic iPclt ftd? u>enbett, 
gn ^ügcu ftiiftcrt's bir aus loclfcm £aube : 

„3m Staube l" 

„Wo fiitb bic %r 3 cn / bie in (Erbentagen 
So bang in £cib, fo hodj in £nft gcfdjlagen, 

Die einft fo hod? *n ^*rb’ unb f>aß gelobert ? 

„Dermobcrt.^ 

Unb bie ber-Schrift: „£err, lehre ttn§ be= 
benfen, bah tüir fterben ntüffen, auf baß mir 
f(ug toerbeu." 

-- 


Pa 0 (Jrbe. 

(Sine k 5trnfjburt\cr JfimiUrn-C^rr^t^tt aus brr 
brr Itrforinalion. 
fcHr uub §tv b bearbeitet bon 

$axt tingrn. 

SSierteS ftapitel. 

9 a« SdjUbenfeft. 

cm rauhen SHMnter war ein milber, fonniget 
griihling gefolgt; bie Strahlen ber 2(i(eS 
1 crwärmcnbcit ^immelstönigin brangeit bis 
in ben ocrftedtcftcu SBiulet uub riefen eine hoff» 
uungSbolle grenbigteit hfroor. SMibrenb beS 
falten SDinterS War es in bem alten Straßhurg 
beifi hfvgegangen, mit bem Biughge beS gviif)» 
lingS hatten fich inbeffen bie erregten ©emüther 
aftmählidh 6curbigt unb ber lachenbe Sonnen» 
fd)ein blidte auf eine fricbliche ©coölferung her» 
nieber. 2((lc bergen fehnteu (ich aufs Diene nad) 
9tuhe unb griebeu, bie alte Sßerguüguugeluft 
forberte'mieber ihre Dtechte, unb boriim ging es 
! wie ein 3 ll klfdji:ri burdj Straphurg, als im 
; gebruar ber 9tatl) ber „atlgeit freien 9teid)Sftabt" 
eine Biitlabung an alle üerbiinbeten Stabte uub 
£>ervcu richtete, um bent großen Suftfehießeu 
1 beiguwohnen, baS Dom 25. Mai bis gum 13. igiili 
auf bem Schüpenrain, oor bem ^iibeuthor, alfo 
* im nörbtichen 5h^* f ' ftattfinbcu foflte. 


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364 


Pas (ftbr. 


9to(ß war bet Sonnemonat, auf beffen ©nbe 
man bic ©röffnung beS SuftfcßiefeenS feftgefeßt, 
nußt erfcßienen, als fdjon bie mannigfaltigften 
©orßereitungen in ber ©tabt begannen. $)ie 
©otbfd^miebe fiamittetrteit an bem Silber, aus 
welcßent bie ©reisbeißer unb ©Maaten ^ertior= 
geben fönten unb feßlugen befoubere fjeftmebail* 
leit, fomie ©bauftücfe für bie liebe 3 ugenb. 
®ie ©bneiber nabten fleißig an ben greftflei* 
bem, unb bie ©cßilbmaler geibneten Sappen 
unb Aräitge auf ntebr als fjunbert fjapnen. 
©ang befonbetS riißrig ging eS jebob auf bem 
©itiejiplnit gü, wofelbft— na<b Slbfteden ber 
©branleit — ungefärbte ßolgplanfen in bie 
©rbe gerammelt unb mit iannenbäumen unb 
Aräitgen bergiert würben. 3 immerleute unb 
Slnftreußer waren bamit befbäftigt, ©ißiefeftänbe 
unb 3 «lte für bie ©(büßen gu errichten, maß* 
renb aufeerßalb bet ©(brauten Amben, Aegel* 
babneit unb eine ©ienge bon ©üben aufgeftßla* 
gen würben. 

®ie aus bem Statße ber ©tabt. gewählten f^eft= 
otbner führten babei bie Oberauffic^t ober Iie= 
fen gefcßüftig in ber ©tabt umher, um bie £er» 
bergen für bie fremben ©äfte auSgumitteln unb 
bei angefeßeneit Bürgern ©abfrage jit halten, 
ob fie bielleibt ben einen ober anbern ©büßen 
Wäijrenb bet ^eftjeit burcb ihr« ©aftfreunb* 
fbaft auSgugeibitcn gebuchten. ^lucf» ber neu* 
erwählte Statßsßerr. ber erft fünf u. breifeig* 
jährige 3 }afob ©türm bon ©turineif, 
Weiber fib fpäter als' ©tättemeifter fo große 
©erbienfte um feine ©aterftabt erworben, be= 
faitb fib mit unter biefer ©ommiffion unb hatte 
gunäcßft beim ©tiißael Statbob Stabfrage gehal* 
ten. 6 r fanb in ber ©efeßfbaft beS alten 
Aauffjerrn ben Runter SJtürntjart bon ©öd* 
liuSau, ber feit einiger 3«it bort ftetig aus* unb 
eiitging. Statbob fbien ihn gern gu haben, 
benn er begünftigte ihn auf alle nur möglibe 
Seife unb übertrug ihm fogar einen SEheil bet 
fbriftliben Arbeiten, bie bisher bon bem alten 
fflubhalter beS ©efbäfts beforgt worben waren. 
Slls 3afob ©türm heute in bas SlrbeitSgimmer 
beS alten Statbob trat, faß er ©türnßart eben 
mit einer gierigen Sluffdjrift befbäftigt, Wäh* 
renb ber Aauffjerr ihm beifällig über bie ©bul* 
tern lugte. 

,,©ott gum ©rufe," rief ber Seßtere bem auf 
ifen jufbreitenben ©türm entgegen. „®a feht 
nur, was ber $amet SJtiirußart für ein Stau* 
fenbfiinftler ift! @r fbreibt fo eben ben £>ei* 
ratßSbcrtrag meiner Sobter in’S Steine unb 
beginnt mit Wunberfamen ©erfblingungen ber 
©ubftaben, benen et gu guterleßt bie färben 
unferer ©tabt berleißen will." ©türm, lächelte 
ob biefeS begeifterten SobeS, pflibtete aber ber 
Slnfibi beS alten ©tanneS bei, um hierauf fofort 
mit feinem ©efub ju beginnen. 


„Serbe mib ©ub faum bienftbar erweifen 
J tönnen," entgcgnete Statbob, bie ©rauen ßob 
' ßinaufgießenb, „beim 3 he wüfet miffen, bafe ib 
I gur felben 3 eit, Wo ©uer ©biefefeft beginnt, bic 
#ob.?eit meiner SEobter gu begehen gebcnfe, unb 
3ß* Knut ©ub benfeu, baß ib ba Staunt 
braube, benn ber Johannes fommt aus Safel 
unb bringt einen guten fjreunb mit." 

„ 3 enun," meinte ©türm, „in ©uerm weiten 
fjaufe gibt’S ©laß genug, unb ein Aämmerlein 
für einen ehrfamen ©büßen Wirb wohl übrig 
bleiben." 

„Aann’S nit berfpre<ßen, £>err," berfeßte ber 
alte ©igenfimt fopffbüttetnb. „Senn 3ßr 
Herren bom Statt) fo gabireibe Ginlabungen 
mabt, bann habt Sh« jebenfallS aub ©elb ge* 
nun, in ben ©aftfeäufern ber ©tabt bie nötigen 
fierbergen für Gute ©äfte 311 begoß len, unb 
braubt ben ©iirgern nit läftig gu fallen." 

>, 3 hv habt jeßt meinen ©efbeib," erwiberte 
©türm, oßne fib butb bie ©robßeit beS un* 
wirrfben alten WaniieS erregen gu laffen, „unb 
wünfbe @ub einen guten Sag." 

„StibtS für ungut," rief Statbob bem fib 
©ntfernenben nab, boit beffen geiftiger ©refee 
er leinen ©egriff hatte. 

„ 3 ßr hättet ben ©türm oon ©turmed bob 
nit gar fo turg abfertjgen follen," meinte SJtürn* 
hart, „fein ©influfe beim Statß ift bereits grofe, 
unb er tann nüßen unb fbaben." 

„@i was," brummte ber Sllte, „ib bin ein 
freier ©tann, ber {einerlei Uuterftiißnng bebarf. 
©ein ©ater war ein ftolger ©tann, ber ben mei* 
uigrn, troß feines ©feiferlönigtßumS, über bie 
Slbfcln anfaß. 3 b wag bon ber gangen tfa* 
milie ttibts wiffen unb bamit fertig." 

„^üS Suftfbießen feil bieSinal gang befonberS 
präbtig werben," begann ©türnßart nab furger 
©aufe abermals, oßne fib im ©talen ber 
©ubftaben ftcren gu laffen. „©teinetmegen," 
brummte ©tibael Statbob, „ib bin fein fjreunb 
bon berlei f^eften unb lümmere mib aub beS* 
halb um nibtS," 

räusperte fib ©türnßart berlegen, „eS 
mufe bob fbön fein, wenn man bie ©tittel be* 
fißt, ein folbeS fjeft mitgumaben." 

„@i, fo melbet ©ub als ©büße an," labte 
ber alte Aaufßerr rauh, „©erfteßt 3 ßr benn 
iiberßaupt mit ber Slrmbrufi uiitgiigeßen? © 0 « 
biel mir befannt, liefe ©ub ©uer Oßm in ben 
ritterliben Aiinfteu nit unterweifen." 

„®a ßabt 3 ßr leiber rebt," feufgte ©türnßart 
unb bliefte melanbolifb auf ben ©bnörlel, mit 
bem er foeben einen ©ubftaben umgab, „bob ßab 
ib mib im ©tilten auf ber Slrmbruft geübt. 
@S wäre möglib, baß ib mir einen ftlbernen 
©eber erfböffe, wenn — Wenn —" 

„Senn 3ße baS ©elb gum ©infaß ßättet," 
boüenbete Statbob, „nun barauf foll’S mir nit 


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Pas <Srbf. 


365 


anfommen— ich will ©ucb bie ffeinc Summe 
uorf^iepen, fließt Sbr bann mit ber ülrmbruft 
nach." 

Wiiutbart geigte ficb über bie ungewöhnliche 
©rofsmutb feines ©önnerS febr gerührt unb 
ftammelte Sanfesworte. 

„Saßt gut fein," oerfetjte ber 9llte abroebrenb, 
„aber halt, , was habt 3fbt ba gemacht?" fügte 
er polternb binju, ben ©eiratbSoertrag, beffen 
Slbfdjrift ber arme 3lunfer eben beenbet, jur 
Oanb nebmenb. „SBa^rrjaftici, $bt hobt 6urf) 
Berfcbrieben unb bie baare Witgift auf fünfgig 
Saufeitb erhöbt!" 

„Wirtlich!" rief Würnbart erjtaunt, nadibem 
et ftcb Bon ber fRicbtigfeit biefer Sebauptuug 
übergeugt, „baran ift ba» uitfelige ©infapgelb 
fdjulb, baS gerabe fünfgig ©iilbeit beträgt. Sie 
2tbf<brift ifi mir fo trefflich gelungen, baß es 
bo<b fdjabe wäre, fie gu oernicbten, unb noch ba» 
gu wegen beS geringen WebvbetragS bon gehn* 
taufeitb ©iilben. Was bat biefe Summe für 
@u<b ju bebeuten?" 

„So?" rief fRatbob gornig. „Weint 3tbr 
etwa, i<b mejj bie Saufenber nad) Scheffeln?" 

„SaS nit, aber ©Jtt b-»t ©ucb mit irbifdjen 
ffteidbtbümern gefegnet, unb 3tbr «erbet mir 
armen Surfcben ficberlicb nit jumutben, meine 
mübfame Arbeit wegen eines einjigen Schreib* 
feblers ju berni<bten." 

Ser alte Wann braufte auf, allein Würnbart 
begann ju fdpneicbeln unb börte bainit nicht eher 
wieber auf, at» bis er ben tnau3rige:t £>anbels* 
berrn halb unb halb für ftcb gewann. 

„Seht," fcbloj? er bie lange Siebe, „jum Sattle 
für (Sure fltacbficbt Will i<b Such fogav bie Wiibe, 
©ueru bauten auf bie Urfunbe ju malen, ab* 
nehmen unb es felbft tbun." Unb ohne eine 
Antwort ahutwarten, begann er bie fdjwer* 
fälligen Sdjriftjüge, Wie fie Widhael Statbob 
eigen waren. 

„Sieb, fteb!" rief ber Septere er jiaunt, „meine 
Unterfcbrift, fo beutlicb unb genau, als ob ich 
fie felbft gefibtieben hätte! 3tbr feib ja ein 
ganj gefährliches ©ubject! ©uere ©efcbidlicbfeit 
bat etroaS Unheimliches." 

„Warum nit gar," lachte Würnbart, „3jbr 
werbet buch einen Spaft oerfteben. Was foll 
mich bentt meine Äunftfertigfeit nüpen? 3ta, 
wenn 3lbr ein gfürft wäret, ber ©elbmüttjen 
prägen liege, ba wiire es etwas anbereS, aber 
fo —• fo — bleibe id) fcbon ber arme Surfdje, ber 
idb bin." 

9tatbob fdbien bieS einjufeben, jum Wenig* 
f!en bellte ftcb feine finftere Wiene auf unb er 
erging ftcb gegen Würnbart in allerlei Scberj* 
Worten, fo baj? Seibe julept gemeinfam lasten 
unb ber Runter febr jufrieben Bon bem alten 
Äaufberrtt fcbieb. 

9teujjerft Pergnügt betrat Würnbart bie ©affe. 


rannte aber, als et nodj einmal nadj bem £aufe 
beS Kaufherrn gurüdblidte, berart gegen einen 
großen, ftarfgebauten Wann an, bajj er im 
ttacbfteu Mgenblid auf bem ©vbhoben fafj unb 
feine bünnen Seine weit in bie $öbe ftredte. 
Ser f^rembe, beffen ßleibung ben Slaben Ber* 
rietb, ftemmte bie marligett häufte in bie Seite 
unb begann aus SeibeSträften ju lachen. 

„Weis ift bentt baS für ein Sinbfaben?" rief 
er böbnenb. „Sollte ich boeb faft meinen, id) 
hätte ben Slitter Bon Wadel Bor mir, wie ber 
bürre Sjuttler auf ber ^otjenbeg genannt würbe." 

„Wahrhaftig," erwiberte Würnbart boeb er* 
ftaunt unb fid) langfant Born Soben erijelfenb, 
„baS ift ber luftige Seitcbict aus bem Söbmer* 
lanb, wie er leibt unb lebt —" 

„Unb wie er iftt unb trinlt," bollenbete ber 
ülnbere lacbenb, „bu bnft’s getroffen, ©efell, 
ber S e n e b i c t © b e l b e d, bet berühmte 
Sritfcbmeifter aus bem Söbnterwalb ftebt Bot 
bir." 

„9ta, hört, Weifter Senebict," entgegnete ber 
Runter mit einem neibifd;en Slid auf bie Bolle 
©eftalt beS Söhnten, ,,©ucb fiebt man nllcrbingS 
leine ©ntbebrungen an." 

„Weil icb Bon meinem 3?ette jebren fonnte, 
was einem folcfjen Sinbfaben, wie 3ibr es feib, 
atlerbingS ganj unmöglich ift." 

„Wo habt 3br Sud) wäbrenb ber gehn 3 ab re, 
feit wir Bon einanber febieben, beim berttmge* 
trieben?" fragte Würnbart. „lommt unb er* 
gäblt mir ©ure ©rlebniffe." 

„5?ttn, bie finb halb ergäblt. fRadjbem ich 
ba» beutfdje SRefd) bie treii 3 unb quer burdigogen 
unb meinen Sparpfennig aufgejebrt, lehrte ich 
itt meine fteimatb unb ju meinem befebeibeueu 
^»nttbmerf, bem Siebmachen gurüd. Mein es 
bebagte mir nit, unb begierig hielt ich meine 
Obren offen, ob nit hier ober bort, bei fj)o? ober 
in ben Stäbten, ein grojjeS geft im ?lngnge fei. 
©in paarmal tauchten berartige ©erüi^te auf 
unb ich lief Biele Sagereifen, um bei einem 
etwaigen t?reifd)ief?en mein 5lmt als Sritfcb* 
meifter auSübett ju föttnen. Mein man hotte 
midj angelogen, unb als enblid) gu SreSben 
wirllidj ein folcbeS fjeft ftatlfnnb, lam ich gu 
fpät unb ein Wtberer fdjnappte mir ben fetten 
Siffen Bor ber 5tafe weg. 3fn meine ©eimotb 
wollt ic£( nit wieber unb fo jog ich in fremben 
Sanben umher, bolf bem bochberübmten Soctor 
Sutber ju Wittenberg bie Sannbulle Berbrenneit 
unb bann fdilängelte ich mich alhnäblig nach 
bem Sdtroijjerlanb hinüber, bis ich Bon einem 
großen fjfreifdjiefjen Bernabm, baS hier in Straß* 
bürg abgebalten werben fod. Sa machte ich 
mich fcbnell auf bie Seine, um ja nicht wieber 
ju fpät ju fommen. ©in StubiofuS in Safel, 
bem ich furje 3eit aufgewartet, oerfab mich mit 
©mpfeblungSbriefen, unb biefen hob ich’S gu 


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366 


Pas Grbe. 


berbanten, bah ber 9tath ^iefiflcv Stabt mir 
fdjon nach ein paar ©tunben meiner ©itlunft 
baS Oberpritfchmeifteramt übertragen. Sfpt 
bab id) nur uod) ein Schreiben Dun meinem 
ifreunbe, bent gelehrten ©afeler ©tubeuten, ab» 
gugeben, nämlich an feinen Herrn ©ater; ich 
miifi babei aber gar borfichtig gu ©Serie neben, 
benn ber ©tubiofuS fagte mir, bajj ber 9llte ooit 
öreifebiepeu unb berartigen midjtigen binnen 
nichts Hüffen will. Hier in ber 9tät)e fott feine 
©Sobuuitg fein. ©iefleicht fönnt 3ff>r mir als 
©Segweifer bienen — pier ift ber ©rief— bor» 
ausaefept, baß Shr ©efdjnebeueS gu lefeit ber» 
ftebr." 

©türnhart nahm ben ©rief, beffen ©breffe 
auf 9Jiicf>ael Otatbob lautete, unb freute fiep bop» 
pett, feinem alten ©efaunten, bem ©ritfef)» 
ineifter, einen {(einen Sienft leiften ju fönnen. 
Snöeffcn hütete er fiep nar wobt, ©enebict Göel» 
bed bei bem ffaufperrn eingufütjren, benn er 
fab borauS, baß ber ftolge Herr über biefen ©e* 
jud) niept febr erfreut fein roerbe, fonbern nab 
bein luftigen ©„'fetten bie nötpige ©uSfunft unb 
peteitete tpu bis gut GingangStpüre bcS 9tat= 
bob’fcben £aufeS. 

„©Sir (»erben einanber fcpoit toieber begegnen, 
ift’S nicht in ber ©tabt, fo böcb ficherlich auf bem 
tfeitplap, beim iip gehöre auch gu ben oipüßen," 
tröftete er ihn gum ©bfepieb. „Shr *" gab 
Gbelbed pöljuifch gurüd. „91a, bann werbet 
Shr wohl ben meiteften ©epap tbun unb id) 
Gucb eine hübfdji ©träfe anbefefjlen muffen."' 

„|>m, fommt febr bnrauf an," berfepte ©iürn» 
hart febnippifeb unb febritt fürbaß. 

3u bentRecbten unb©f(i<hten eines fonenann» 
teu „©ritfchmeifterS" gehörte nämlich in baina» 
liper 3«it gar mancherlei, bor allem aber bie 
fwnbbabunn ber Su[tig auf bem {Jeftplap, bie 
freilich meiftenS fpajUjafter ©Seife, oft unter 
febr bonbgreiflidjen lädjergeu auSgeübt mürbe. 
S)enn bie alten ©ritfehmeifter waren gu gleicher 
3eit bie ©offenreiher unb bie ©olirei beamten 
ber {Jreifdjieheu. '»ie faunten bie Sitten unb 
©ebräuepe beim ©fiepen auf’S ©enauefte, piel» 
teu bie nereimten fjfeftreben, holfen burch früf» 
tipe ©paße unb aufmertfame ©ebieiiuitg bei 
ben {feftfdjmüiipeit unb ftraften mit ihrer un* 
förmliih großen ©ritfepe, bie boit Seber ober non 
gefpaltenem (latfd)enbeu Holge unb gumeilen 
bergolbet War, alle ©ergehen, welche vielen bie 
Orbuimg be3 ScbießplapeS berftiepen. ©Ser 
gmifchcn bie Schüßen unb ihr 3wf rannte, wer 
bie Schüßen in ihrem ©tanbe ftörte, ober fonft 
irnenb welchen ©iutljmitten trieb, berfiel ihrem 
©ericht, ohne Dtüdficpt auf SRang unb ©tanb, 
beim ber ©djlag ber ©ritfehe traf ben Herrn 
wie ben ©auerbuben, unb felbft bodpnütbige 
Suitier unb ffürftenföhne mußten fidj befd)ämt 
barein fügen, bah bie ihr 9lmt ausübenben 


©ritfdjmeifter fie ergriffen unb gu ihrem „9ta= 
beuftein", ober auch „beS ©ritfdfmeifterS ©re» 
bigtftubl", wie baS alte herbe ©djergwort ben 
Satteubau nannte, auf bem fie ©ericht hielten, 
fortfchleppteu. 

Smmer höher fchlugen bie ©Sellen ber fiuftig« 
(eit unb beS Subeis in ben &erjen ber Straß» 
burger ©eoölferung, benn immer näher riitfte 
ber erfebnte 2ag, an welchem bie Gröffnung beS 
gropen ©d)iehenS ftattfinben follte. ©(pou lief 
ber ©teifter Gbelbed in feiner närrifepen Sradjt 
mit feinem ©efolge boit böfeit ©üben auf bem 
©djiefeplape bin ütib her, um ihnen einige non 
feinen fünften ju lehren unb fie ju eifrigen 
©ehilfeit in feinem Ulmte aitSmbilben. 

Gin lang aubauerubeS Subelgefchrei ertönte, 
als cnblid) ber 2ag anbrach ii ab gegen gehn Uhr 
ber ftattlidfe fyeftgug fich burch bie ©trapen nach 
bem S(hübenroiii bewegte. $en 9lnfang machte 
©enebict Gtelbcd, ber ©ritfehmeifter, bewaffnet 
mit feinem luftigen ©cepter, baS er gar moje» 
tatifdj ju banbbaben nerftanb; hinter ihm 
ebritten bie 3<eler, beren ©ewänber bie ©tabt» 
arben trugen, fobann (amen bie Trommler 
unb ©feifer unb hierauf bie Höiirbenträger unb 
©djiipen beS ffefteS. ©IS ber gange 3 ll fl nuf 
bem ©d)iefjplape angelangt mar, würben gu» 
näcbft bie mertböoKcn Hauptgewinne in einem 
befonbern 3 f He aufgeftedt unb fobann bie 
©djiipen burch ben ©ritfehmeifter gufammen» 
gerufen. Unter ihnen war auch ©iürnbart, 
Weiher unter ben wenigen Hnbfeligteiten feines 
CheimS eine alte ©rmbruft aufgeflöbert hotte, 
©tan fab, bah er fich feiner ©Milbe bemüht War, 
benn er bliefte äuperft flolg um fich. 

Grff am gwcitcit 'Sag begann baS eigentliche 
©hiepen felbft unb nunmehr hotte ©teifler 
Gbelbed alle Himbe ll0 g j U i(j Un . p n jp ^ Q |j er 
ben ©djiipen unb 3iflern bie nöthigen Reihen, 
falb wieberum eilte er nach feinem 9tid)ter, ba 
eine ©ehilfen ein luuwipigeS ©äuerlein abge» 
angeit hatten, baS über ben ©chüpenplap ge* 
aufeit war unb und) bem befteljenben 9ted)t cib* 
geftraft werben muhte. 3«weilen unternahm 
er wohl auch einen (argen 9hmbgaitg auperhalb 
ber ©ebranfen, mofelbft eS ungemein luftig gu» 
ging, beim Subei unb 3?reubc herrfchte bieSmal 
auf bem ©chüpenplap, wie noch nie gubor, unb 
ba§ 8?eft »erlief in wahrhaft glängenber ©Seife, 
fo bap eine ©ngaljl güricher ©chüpeit, bie mit 
ihrem ©iirgermeiftcr nach Strapburg gereift 
waren, in ihren ©riefen mit gerabegu begeifter* 
ten ©Borten aß bie Hmlidjfeiten fchilberten. 
Sie ffolge babon war, bapbaheim im ©chwiger* 
lanb achtunbbiergig güricher ©ürger 6efd)Ioffen, 
ihre Sanbsleute gu befuchcn unb gugieid) ben 
©trapburgern einen ©eweiS alter Sirene unb 
nachbarlicher ffreunbfehaft gu geben, ©leidj 
ihren ©hum, fepten fie einen gröpen metaflnen 


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Pa* (ftbt. 


367 


Sopf dou 120 ©fuitb, mit feigem £irfebrei ge* 
füllt, beim ©torgengraueit in ein Schiff. s Jtacß 
jroei llßr ©torgenS Derließen fie, unter einem 
funfelnben Sternenhimmel, bie ,£>eimatßsftabt; 
eine große ©oltSntenge butte fuß au beit Ufern 
ber Siinmat oerfammelt uitö rief ben Scheiben« 
ben ©ruße unb ScgcnSmüufcße und). ©ou 
riiftigeit 'Jtiiberern in ©emegutig gefeßt, bnrcß* 
flog baS edjiff bie Stellen ber Simmat unb ber 
Star, unb als bie Sonne aufging, befanben fid) 
bie Sieifeuben bereits im 9tf)ein. 3mei ©tun» 
ben fpciter langten fie in ©afel an; eineunab« 
fef)bare ©tenge SßolfeS ftanb auf ber 9tfjcinbri'tcfe 
unb begrüßte bie fußnen. ©Ziffer mit lautem 
$ubel.' 

SllS ber 2 eilte re fuß ein wenig gelegt, rief 
eine frifcße männliche Stimme bem Cbmann 
bet 3üri<her gu: 

„Sßr fahrt nach Strasburg, £>err SEßomann, 
unb ich will aud) babiit, botb weniger beS fSrei* 
fdjießenS wegen, als um ber &ocßgeit meiner 
©cbwcfter bciguwoßtten. SQÖürbet 3ßr rnicb wobl 
am ©orb (Sucres ©djiffeS aufnebmen ?" 

„Stur herein, £>err StubiofuS Dtotbob," aut» 
wortete ber gaftfreunblicße 3üxid^er unb feine 
©efaßrtenftimmteu ibm bei. 

„Slber ich bin uit allein," lacßte Johannes, 
„fonbern habe einen guten fjfreunb bei mir, 
beffcit ©efud) iß meinem SBoter bereits gemelbct." 

„|>m, — wer ift’S benn ?" 

3oßanneS Dermoßte erft Dor Saßen nicht 311 
fpreßen, bann aber rief er guriidtretenb unb 
einen rotßmangigen Jüngling Dorfßiebeitb: 
„©tein lieber Stubiengenoffe ÜaSpar — (Suer 
Soßn!" 

(Sin fibatlenbeS ©elaßter erfolgte, wiibrenb 
bie beiben ©tubiofen fiep beeilten, an 93orb 311 
gelangen. ®ie fRuberftangen tauchten jeßt in 
bie grünlichen fjflutßen beS SRßeineS unb unter 
bem ^ntrraßrufen ber ©afeler fcfjwebte baS 
©ßiff luftig Don bannen. Slm ©tittag warb in 
©reifaß geraftet unb ein einfaches ©taßl ein* 
genommen, bann aber ging’S raftlos Dorwiirts, 
bis enbliß in ber Qferne ber ftattliße fünfter» 
thurm auftaußte unb ben Dteifenben Dertünbete, 
baß fie bem 3'ok nahe feien. 

©egen fieben Uhr SlbenbS fuhren fie aus bem 
Stßein in bie 3H ttnb nun sogen fie bie blau» 
weif?e flagge bon Zürich am ©taftbaume auf. 
©tajeftätifCß entfaltete fiß baS ©anner im 
Slbettbminbe, bie trompeten begannen luftig 3U 
fßmettern unb Trommel unb pfeife fchailten 
bagroifßen, ben Straßburgern bie Slnfunft ber 
treuen (Sibgenoffen oerfiinbenb. ®a3 Schiff fuhr 
an’S ©effabe unb legte Sinter oor bem flaufßauS 
unb ber ^erbeigeeilte 3afob ©türm begrünte 
mit noß einigen anbern DtathSherren bie 9tei= 
fenben im ©amen ber Stabt. $er alte SEßomann 
mar ber (Srfte, welcher an’S Ufer trat; er fchüt* 


telte bem jüngeren Straßburger ©enoffen bie 
jgianb unb fagte: 

J „3" fiebgeßu ©tunben habe ich mit meinen 
I ©efährten bie Steife Don 3ürid) naß Straßburg 
! guriidgefegt, unb wie bereinft nufere SlltDorbern, 

1 fo nahmen auch mir einen gelochten £)irfebrei 
1 mit, ber noch warm ift, unb ben Wir mit (Sud) 
©traßburgern uergeßren Wollen, gum 3eißen, 
baß, wenn einmal ©otß an ben ©tann geht, 
wir Züricher alle 3eit bereit finb, unferen lieben 
Straßburger fffrennben gu |>iilf*gu eilen." 

Stuninehr ftieg auch bie übrige SßiffSmann« 
fdjaft an’S Saitb unb baS £>änbefßüttelu wollte 
fein (Snbe nehmen unb ber Slmmeifter, bie ©täbt* 
meifter, Diele StatßSßerren unb angefeßene ©ür« 
ger begrüßten bie (Sibgenoffen. fÖtan fann fiß 
benfen, baß am näßften Sage, als SEßomann 
mit feinen ©enoffen auf bem Sßießplaß erfd)ien, 
ber ^cftjubel noch höhere SSellen fcßlug, als gu« 
Dor, unb baß ^ebermann ließ beeiferte, ben lie* 
ben ©iiften möglißft Diel (Sßre unb fjfreunbfcßaft 
gu erweifen, ließ ja boeß ber Straßburger Dtatß 
gur (Srinnerung an ben „3ürcßer ©re i topf" 
eigene £enfmüngen anfertigen. Stur bie erfte 
feftlidße Stimmung, in welcher uitfer 3?reunb 
Johannes fieß befunben, als er mit ben lieben 
(Sibgenoffen in ber ehrmtitbigen •fteimalfjoftabt 
angelangt war, hatte bebeutenb naßgelaffen, 
benn bie Slufnaßme Don Seiten beS ©aters war 
eine giemlicß fühle gewefeit. 5)aS ©aftgiinmer 
für ben jungen SEhomann ftanb gwar in ©ereit« 
feßaft, ba er aber gleichfalls ein StubiofuS ber 
ißeologie war, fo geigte fiß auch 'hm gegenüber 
ber alte Dtatbob fel)t gurüdßaltenb. (Sr fprad) 
wäßreub beS SlbenbeffenS nur wenig unb fueßte 
alsbalb bie Dtußeftatt auf. 

ftopffcßüttelnb blidte ^oßanneS ihm ita'h unb 
fagte bann gur Sdjmefter: „SBaS hat benn nur 
bei: ©ater ? So unfreunblid) ift er ja noch nie 

B en miCß gewefen." „20eiß nit," antwortete 
ilippine treußergig, „SSu fennft ja feine Sau« 
nen, unb biefe neßmen Don SEag gu -Eag gu. 
Slucß icß Derinag ißm nichts meßr reeßt gu maCßen 
unb er fcßilt gar oft." 

Slnt anbern ©Jörgen erfuhr SoßanneS frei« 
ließ Don fjreunb ©erbel, baß Söalbner Don 
^oßenßeg baS ©Jißtrauen, welches ber fonber* 
bare Sllte gegen bie eDangelifcßen ißeologen 
hegte, fleißig gefeßürt habe, ja, baß er fogar ben 
©erfueß gewagt, auf ©Jicßael IHatbob berart ein« 
l gumirfen, baS einftige (Srbtßeil Don Johannes 
gu feßmäiern. „(Si was, baS leibige ©elb fönnt 
mieß nit Derftimmen," Derfeßte Johannes, „ich 
ßege nur SErauer im £ergen, baß ber Skater Don 
ben ©rebigeru ber neuen fießre nichts miffen 
will, unb ißre Stöße gerabegu flieht." 

I „Saß nur gut fein," tröftete ©erbel, „wenn 
er erft einmal bie herrlichen Seßreit beS (Soan» 

1 geliumS fennen gelernt unb in fiCß aufgenom» 


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368 


Pas (frbe. 


men haben wirb, bann bin ich iibergeugt, baß 
bei - böfe ©influß föobenbegS nidjtS nieljr über 
il)ii Dermag." 

,,©r ift ja meber ber gtiedjifdjen nod) bcr Ije= 
bväifdjeit Spraye mächtig," feufgte SobanneS, 
„Wie foU et alfo gur fteiuitniß ber eDangelifd)eit 
fieljre tommen ?" 

„durch unfern ©otteSmann, ben Martin 
fiutber," antwortete itjm ©erbet guDerficbtlid). 
„©ejtern betam i<b nämlich aus (Bittenberg einen 
(Brief, welker mir melbet, baß Siutfjers beutfdje 
Ueberfeßung beS (Reuen deftaments bereite im 
drurf erfd)ieneti fei unb mir innerhalb ber nä<h» 
ften läge ein ©jcmplar babon gugeljeu werbe. 
Sludj an (Bußer unb Äapito will fiutber Slb» 
brütfe gefangen (affen." 

. diefe (Mittljeilung gab SobauneS feine alte 
fyröblicbteit wieber gurüd unb er fagte iit in» 
brunftigem Sone: „©efegnet fei bie Stunbe, 
(Mcifter ©erbet, wo 3b* biefe Ueberfeßung mei» 
nein (Bater überbringt. (Rur febabe, baß ich bon 
bem gewaltigen ©inbrude, ben bie ebangelifcben 
(Bücher bei ihm beroorrufen werben, nit 3^uge 
.fein tarnt." 

„Unb wahtm benn nit?" fragte ber (Rechts» 
gelehrte erftaunt. 

„(Beil i(b auf eine Anfrage, bie id) an ben 
(Magifter (Melaitcbtboii gerichtet, bon ibm bie 
Slittmort erbalten habe, baß er unb Sutber mid) 
freubig als ihren Schüler aufuebmen würben, 
unb baß id) fobalb als möglich nach (Bittenberg 
reifen folt. (Man habe bereits burdj (Matthäus 
3eH in ©rfabrung gebraut, baß bie (Bafeler 
iUofefforen mit mir gufriebeit feien unb mir 
Das Sa (ent guertennen, bereinft als ebaitgelifcber 
Urebiger ber fiebre ©brifti förberlid) unb bien» 
gu fein. £>icr ift (MelancbtbonS Schreiben, 
lefet eS burd), mein bitterlicher fjreunb, unb 
fcbeltet mich nit, wenn ich ©ud) betenne, baß ich 
auf ben Siefiß beffelben ftolg bin." 

.SBobl barfft bu baS fein," ttidte ©erbet, 
nadjbein er ben (Brief burcbgelefen. „Seßt ober 
fomm mit mir, baß ich bicb gu meinen öreunben 
Süßer unb $apito unb bem ebrwiirbigeit SReifter 
(LRatbiS führe." SobanucS willigte mit ^freu» 
beit ein nitb ftrablte nur ©lütt, als er Don ben 
Reformatoren feiner (Baterftabt wieber nach 
£>aufe guriidtebrte unb feinem lieben Stubien» 
getroffen ÄoSpar Sbomanu ihren freunblicben 
empfang ausführlich mittbeilen tonnte, ©aitg 
befonberS batte ihn bie Sd)ilberung ergriffen, 
welche (Martin Süßer Don bem großen (Bitten« 
berget (Reformator entworfen, unb feine Seele 
feljnte fid) feßt ohne Slufbören nach bem Singen» 
blide, wo er ihn felber oor fief» feben tonnte. 
Slm liebfteit hätte er auf ber Stelle bie weite 
Steife angetreten, allein bie Siebe gu feiner 
Scbwefier Sbilippine, beren ftoebgeit in ben 
näcbften Sagen ftattfinben füllte, legte feiner 


Ungebulb Sreffeln an. (Mit giemlidjem (Biber, 
willen begleitete er ßaSpar unb feinen (Bater 
nach beut Sd)ießplaß, ba ber lärmenbe geftjubel 
nicht gu feiner jeßigen Stimmung paßte; auch 
geigte er ficb feljt perlegen, als Senebict ©beibeet 
auf ißu gugeeilt tarn. unb feine £>aitb Iräftig 
fd)iittelte. 

„Sbr habt mir gefügt," rief ber Sritfcbnteifhr 
in feiner gefdjmäßigen (Beife, „baß Sbr wahr« 
fcbeitilicb nit lange mehr in (Bafel Derbleiben 
Werbet, ba ©ticr Verlangen nach (Bittenberg 
gerichtet ifl; nun, id) tann 6 u<b melben, baß 
unter ben frentben Schüßen ftcb eilt (Bittenberget 
befinbet, ber ben großen doctor (Martin fiutber 
fogar perfönlicb fennt." 

Sofort Derfdjwanb bei SobonneS bie Derlegeue 
(Miene, feine Singen leuchteten freubig auf ttitb 
er tief: „Cb, führt mich gu bem Sdjiißen bin, 
lieber (Benebict, bamit er mir recht Diel Don bem 
doctor fiutber ergäben fanu!" 

„3br bür ft alS Unbeteiligter ben Schieß« 
plaß nit betreten," entgegnete ber (ßritfdjmeifter, 
„inbeffen w'ill ich ben (Bitteuberger gu ©ueb ber» 
febiden." Unb in ber Sbat, troßbent, baß SReifter 
©belbed über unb über in ©eßbäfteit ftedte, bie 
halb ba, halb bort feine SlnWefenbeit erbeifdjten, 
Dergaß er boeb nicht, ben (Bittenberger Sdjiißen» 
bruber gu 2jobanneS gn febiden. der Sfrembe 
mar ein riiftiger (Mann unb feines 3ei<benS ein 
Cberfteiger, wie jene (Bergleute genannt werben, 
bie ben (Betrieb einer ©rube leiten, ©r fcbüttclte 
3cbnnneS brrgliih bie £wnb 511111 (Billtommen 
unb befanb ficb rn einer außerorbentlid) luftigen 
Stimmung, benn er batte foebeit Doit ben 
Scbiißenricbtern ben „weiten (jkeis" erhalten, 
einen golbenen (Ring, ber bei jebem Schießfeft 
nur demjenigen guerfannt würbe, welcher auS 
recht Weiter ©ntfernung brrangegogen War. 
(Balb befanb fich bcr Cberfteiger, & u b e r t mit 
(Romen, unb 3 obfltim 3 in einem Dertraulichen 
©efprädh mit einanber, benn es war ihnen gu 
(Mutbe, als ob fie alte (Betaiinte feien, bie ftch 
jeßt, nad) langer Srennung, wiebergefuuben 
unb nun Diel gii ergäblen hätten. Ueber fiutber 
unb SJielancbtbou würbe befonberS ausführlich 
Derbanbelt unb Hubert bilbete fidb nicht wenig 
baratif ein, baß er ben doctor (MartinuS nicht 
nur perfönlid) fenne, fonbern mit ißm fogar als 
$inb geipielt habe, „denn fein Satcr, müßt 
3br wiffen," fügte er erflörenb bei, „gog Don 
SMöbra, einem (Baibort im tbiiringifchen ©c» 
birg, gu (Bergmannsarbeit norbwärts in bas 
SRannSfelbifdbe, unb ba lernten ficb benn bie 
Sllteit unb mit ber 3 c >t auch bie Situgen teitnen, 
benn ber tleine SJtartin war nur brei Sabre 
alter als ich." »Unb wie ficht er beim auS ?" 
fragte SobanneS, „unb feben fid) benn bet 
doctor fiutber unb ber (Magifter (ütelandjtbon 
ähnlich?" 


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Jlur ein Stubentfnflreidj, 


369 


„SBie 2aci unb 9 ?ad)t," ladjtc bcr 06 erfteifler. 
„fDicirtirt Sutljer ift bon mittlerer ©röfee unb 
iröftiflem Äörberbou, ein mol)rer 9 tiefe ©oliuth 
neben ber Keinen jnrten ffimbencKftalt be§ 9 Jte= 
laitditon. Unb mäbrenb bn >3 9 intlifc be§ ®la= 
flifterä üon ©anftmuth ftrafjlt, glühen im ©e* 
fid)t be» 3 )octor 3 jroei feurige 9 lugen, benen man 
bie inneren ©eelenlcimbfe nnfiefjt intb bereit 
mächtiger ©laitj fchroer jn ertrugen ift." 

„ 9 )tag er au§|d)nuen, wie er will," ergriff jefct 
ein neben bem Oberfteiger ftefjenber Sanbmann 
ba§ SEBort, er ift ein tuirflicher ©otteSmanu, ber 
ftcb auch be 3 geringen Säuern erbarmt unb ein 
£er* für fein ©leiib hot." 

9 lidjt ohne Sermunberung blidften Hubert 
unb Johannes auf ben ihnen gänzlich Unbefaitn« 
ten, ber lübn genug mar, fidj als unberufener 
dritter in ba§ ©efpräd) ju mengen. 

„ 3 bt fdjeint ju ben Unjufriebeneit 6ure§ 


StanbeS 31t geboren," äußerte Hubert nach für« 
jem ©tiflfdjmeigen. 

„Unb mit (Recht," lautete ingrimmigen StoneS 
1 ber 33 efdieib bes fffremben, „mi<b bauern meine 
| armen ©enoffen, bie unter ber Saft tum 91 b» 

! gaben unb fjrohnen erliegen muffen, miibrenb 
! ihre Sebrüder, bie Herren ber (Burgen unb bie 
' Sorfteber ber ff (öfter, fidj’ä roobl fein (affen: 

! ’S ift bobe 3 eit, baB einmal .abgerechnet mirb; 

I bie <Sd)roeijer hoben fi<b aus ber ©eroaltherr» 

1 fdjaft bereite befreit unb mir motlen ihrem Sei» 

1 fpiel folgen!" 

i Sie lebten ÜBorte fpradj ber tJrembe in groß» 

I tem 3 om unb fuchtelte babei mit ber Sauft in 
ber Stift herum, ©leid) nachher manbte er bem 
Oberfteiger unb Johannes ben (Rüden unb mar 
alsbalb inmitten ber brüttgenben Sollsmenge 
Derfdjmunbett. * 

( 3 ortfe|uitfl folgt) 




3Vtt* ^ i&tudeuteu&tvelek. 


J^on ^cibelberg Stubenten 3ogcit ans 
fiu Ijeit’rer Ku^meil in bcr 3»9^ub Braus. 

(Es ging per Batjn ins fcfyöne Hccfartfyal, 

Die Sonne ladjt pergnüglicfj überall. 

Km fdjouften ^lecfdjen ftefyt ein ftattlid? £}aüs, 
Den langen Krm ftreeft’ es gar locfenb aus. 

Da hielten fte unb Pefjrten bnrftig eit* 

Unb fangen frofy bei gutem Bier unb ZPcin. 

Dort mar es nun, wo einer, ber ein (Sraf, 

Um IPeidjcpoftcn einen IPfirter traf, 

Dies mar ein fjocfygemadjf’ner bärt’ger ITTann, 
pflichttreu, mie man fie ba3u brauchen Faun. 

I>er fianb, ein ^els, menn fo mit Sturmgebraus 
Z>te §üge fuhren rafdj herein, hinaus. 

Dodj aber an bem Hocf ba fjing’s ifym fermer, 
fünf Kinblein fdjleppt er al^cit hinterher 
mit rotten Baden unb in faub’rem Klcib, 

Pier Buben unb ba3u ’ne Flcine HTaib. 

€s mar fo föftlid), biefe fünf 3U fefy’n, 

ZPie fie bem Pater ftets 3ur Seite gefy’n. 

Der (Sraf, er tjat cs audj mit £ujt erfcfyaut 
Unb fidj im meieren £jer3en b'ran erbaut. 

D’rum fragt er jetjt ben flraminen Biebermann : 
„Das finb mofjl (Eure Kinbcr? — faget an \" 
,„,3a moffl, bas ftitb bie meinen, bod? im I^aus 
Da fd?aut nod? eines aus ber IPieg’ heraus. 

Das fjat mir geftern Kbenb (Sott befebert, 

KIs id? Pom Dienjtgang bin 3urücfgefetjrt."" 


> ■<- 

„S e dj s K i n b e r 1" ruft ber (Sraf, „bas ift fein 
Spa§ 

3n biefer teuren fielt, bas foftet mas ! 

Da grämt 31?r bismeilcn mol^l fiir’s Brob, 
Das biefen muntern Kleinen täglidj notfj ?“ 

„„1 f?ab’ ffeut’ audj frf^on bran gebadet: 
Hun finb mir Pünftig täglid? nufer ad?t, 

Unb jebcs UTänlcbcn mill befriebigt fein, 

Unb boeb gefyt es ja nicht mit Scfjeffeln ein. 

Dod? ift ein guter (Sott, ber fjilft in Hotfj 
Unb gibt bem Heblidjen fein täglicfy Brob/'^ 

„Da t^abt 3^ red?t, nur nid?t foglcid? oer 3 agt I 
Kn jebem morgen frifdj ben Kampf gemagt, 

3m freuen ftets bes Berufes Pflicht, 

Unb feft geglaubt: (Sott lägt ben (Etjriften nid?t 1 — 
Unb nun mein ^r eunb, mollt mir bie (frag’ erlauben: 
3fyr tauft ben Säugling bod? im epangePftfyen 
(Slauben?^ 

„,,3a mof^l, mein %rr, bas follbemnäd^ftgefdjef^’n, 
So halb idj Pann, mill ic^ 3 um Pfarrer gelj’n."" 
„Da mad?’ idj (Sud? ’nen Porfd^lag, lieber mann, 
Hefymt mid? als Patl^e für bas Kinblein an 1 
(Eatiffs auf ben tTamen : IDilfjelm ^riebric^ 1 
Hur biefe eine Bitte ftelle idj." 

Der IPcidjenmSrter mar por ^reuben ftumm 
Unb bliefte üd? perbu 3 t im Kreife um. 

Dann fpracfy er : ,,„Kd}, bas Pann 3^ r <Ernjt nid?t 
fein, 


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370 


„Jtoufer Jrnnjos“. 


(Ein foldjer fjerr Fefyrt nief^t in Jütten ein \“" 
„IDas fagt 3^r ba, icf? gab mein ITCanncsroort, 
Da bleibe jebes fcrn’re gtneifeln fort! 

Statt beffen nehmet, ^reuitb, bie Karte t^ier. 

Da ftcbjt mein Harne b’rauf ltnb mein (Quartier. 
(Eröffnet mir’s, fobalb itjr’s felbcr mißt, 

Kn meinem dag bas feböne dauffeft ift. 

Dann Fomm’ td? tjer mit allen bert (Sefelfen, 
ITCein Kmt als patfyc roiirbig 311 bcftellcu." 

Hub fo gefdjalfs. IHit Staunen fatj ber IKann 
Daß einen ( 3 raf 3um patten er geroann. 

3 a an bem (Lage 3ur beftimmten Stunb’ 
(Erfdjieit bei üjm ber gan^e Brüberbunb. 

IDoljl breißig Burfcbe Famen fiitgeitb an, 

Dem flotten §uge fdjritt ber (Sraf ooran. 
jDer f?at 3uerft im fdjmucFett Kirdileiti oben 
Den iX>ill^elm ^riebridj ans ber (Tauf gehoben. 


Kud) Rimbert JTtarF in gutem achtem (Solb 
3ns Banb gcfd?obeu feinem patljdjen tjolb. 
Daun giugs 3U difdj. (Es mar um gutes (Selb 
Die reichte dafei bei bem iDirttf bcftcllt. 

Der IDeid^cnmärter mit ben lieben Seinen 
Sie mußten alle and? babei erfd?eincn. 

Den Kleinen mürbe FöfHicfycs KonfeFt 
3u f?iilT unb ^Jülle in beit KTunb gcftccft. 

Hud? marb bes dänflings trculid? bann gebaut 
Unb tfyn maueb' £ebet?od? unb (Sias gebracht, 
3 a nod? fünffjunbert UTarF 3um KitgcbenFeu 
Sal? mau bie Burfd?e feinem Pater fdjeufen. 
Dem marb babei, id? roeiß nid?t mie, 3U Sinn, 
(Er lädielte unb meinte r>or fid? l?in. 

Doch eines ftattb il?m beutlid? im ( 5 cfid?t: 

(Sott, nufer %rr, oerläßt bie Seinen nid?t I 
Dem (Srafen aber, ber bie dtjat oollbradjt, 
f?at lange tiod? bas §0x5 barob gelad?t. 


m 


„fautet Jniiifo«“. 


j'ltäfjrenb ber beutfdj = franjöfif^en Sfelbjüge 
Kjl lebte itf»/' erjäljlt ein ^of»eitloI)ifcf(er ©utS= 
. » befifcer, „in [yraitfeit als ber Sof)it eines 
fürftlid) febroarjenbergifchen ©utSpädjterS. @S 
filmen um jene 3«'t oft Derfprengte Qeftvcicher 
ja unS, um 9tad)tquartier ju fndjeit. 2 öir 
nahmen fie, menn fie and) SÖefieate unb $lüd)t* 
lincie luuren, bennod) gerne auf; itmren fie ja 
bod) bie ffeinbe ber toegen itjreS UebcrmuthS 
uub ihrer Ittäubercien Derbanten ffrangofeit. 
©ineS iageS fam auch ein flüchtiger floiuafifrfjcr 
Solbat 31 t unS, ein ©reitger, b. h- einer bon 
ben an ber öftrei<hifch=türfifd)en ©renje aufge* 
(teilten ©renjfolbaten. (Sr mürbe 31 t uns in 
ben Stall gelegt. 9llS es jiemlidj finit 9lbeitbS 
gemorben mar, ging einer Don unfern $ned)ten 
itm ben anbern in’S Sett, ohne irgenb ein ®e= 
bet, ohne nur eine ©eberbe ber 9Iubadjt. 3 fd), 
ber Sohn beS^mufeS, blieb länger auf, roeil ich 
in bem Stalle noch SJerfdjiebeneS nadjäufeljen 
hatte, ©nblidj legte ich mich auch, gleichfalls 
ohne ©ebet. ®er Solbat allein blieb noch auf 
unb fdjien abfichtlich 311 märten, bis mir alle im 
Säger mären. 3fch ftetlte mich halb, als ob ich 
and) fdjliefe, betrachtete aber benuoch ben 3 ?remb-- 
ling mit aufmerffamem 5Mid. ®a marf ber» 
felbe ben Schläfern ringsherum einen melj* 
mütljig ernften, Derädjtlidjen 93Iicf ju unb fptad) 
mehrmals leife Dor fich hin in feinem gebrodje» 
nen $eutfd): „Sauter fffranjoS, lauter tfratt» 
30 S!" $ann marf er fich auf feine flniee nie» 
ber unb betete mit ergreifenber ^nbrunft noch 
eine gaitje 33iertelftunbe, morauf er bann auch 


fein Säger fuchte. 3>ieS „lauter ftranjoS" mar 
für mich eine tiefe 93cfd;ämung. 9llfo in ©ine 
Sinie mit ben frnft fo ungläubigen, gottent» 
frembeteu cfranjofen [teilt uns, biid)te 'ich, ber 
fromme Solbat, fceffen ernft ntahnenbeS Silb 
heute noch mit unnuS!öf<hlid)en 3ügen Dor mci» 
iter Seele boftcht. 9Bel^e Schaube, metche 33e» 
leibigung! Unb buch fonnte id) nid)t onbets, 
id) inuf;te ihm 3tcd)t geben. 3^ hatte beit 
fchötten ifinberfpruch tpfalm 03, 7 : „ffienn ich 
mich ju Sette lege, fo beule ich an bich, unb 
menn id) ermad)e, fo rebe id) Don bir!" ganj Der» 
geffen. Söenn ich 8 » 3 fiten in bem ©ebet lajj 
roerbeit moKte, fo trat immer mieber jener alte 
Solbat Dor mich hin, ber DieKeidjt längft fchon 
Dom ©Tauben 311 m Schauen gefommen ift." 


Per Jlame trii0t oft 

fn manchem $aus fteht oft ein finnreidjer 
Sprud). 3>'m SBcifpiel in Heuhaufen 
bei Schaffhaufen habe ich nn einem j^auS 
über ber fjauStfjüre gefchrieben gcfchen: 

IDcr ein* unb ausgcl?t 3U biefer dljür, 

Der foll bcbenFen fiir unb fiir, 

Daß unfer f?cilanb 3 cf»s <El?rijl — 

Die einzige dl?iir 3um £cben ifi. 

lieber ber 2l)ür ftchts jmar, aber ob audh in 


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JJas Piffionsmerk in £arts. 


371 


ben bergen, bic bort ein» unb nuSgebett ? Btt 
einem anbern &aufc habe id) mit großen Bttd)» 
fiabett flcfd^vieben gefeben: 

ü?o Zlcib utib tTtißgunji malten, 

H?irb uns bod; (Sott crfjalten. 

Cb ober ber ©igeutbiimer red)t an ©ott glaubt, 
bteibt eine ffrage. 

Bn manchen Rufern bangen Scfiilbe mit bem 
Barnen: Sdjentmirtbfdbaft. ©S biirfte befjer 
fteben 9t a u b m i r t b I d) a f t, tno man barauf 
aulgebt, bie ©äfte gtt betrügen imb ©ott gu be= 
lügen. Waneber trägt auch einen frfjönen Bauten, 
wie ©otttieb, unb bod) haßt er ©ott. Waneber 
beißt ©ottfrieb, unb bat bod) feinen fjrieben mit 
©ott. Waneber beißt ^afob, unb bat noch Bid)tS 
erfabren ’aon bem, maS ^afob, ber Batriard), 
bort am Bad) 3>abof erfahren bat, imbbabtird) 
genefen ift unb feine Seele aus bei ÜJeufelS ©c= 
tualt befreit mürbe. 3<b f»abe ©inen gefannt, 
ber bieß Demutb, er mar aber nicht bemütbig. 
6 inen fetine ich, ber beißt BJerinutb, unb fo bit» 
ter ift er nicht, roie Bkrmutfj. Waneber beißt 
ffromm, unb trägt ben Teufel im&ergen herum. 
Waneber beißt Weifter, aber mie entfpvictjt er 
bem rechten Weifter ©briftuS? Weifter im 
^tuchen, Säftern, Sägen, Betrügen, im Saufen 
unb Sreffen. Wandjer beißt Seiner, unb mie 
entfpriebt er bem bimntlifcben Seljrer? $aß er 
mit feinen Sehren, mer fie hört unb tbut, eher 
in bie £)ö(Ie geführt roirb, als in ben .ftimmel. 
Wand)er beißt Bater, aber mie entfpriebt er bem 
rechten Bater im £>itninel ? ©r ift nicht barm» 
bergig, nicht gütig, nicht frennblid), nicht tiebe« 
noll, nicht oerföbitlid), fonbern baS ©egentbeit. 
So trügt ber Barne bei Bielen, ©liidlid), mer 
i ft, mäs er beißt: ein 6 b t i ft! 

S. Watt er. 


Heber ba$ lUiffionoroerlt in pnm. 

Sott 3>r. 9. Suljberger in ^ranffnrt o. ®t. 

f ariS ift, nach feinem öffentlichen Sehen im 
©anjen unb ©roßen beurtbeitt, eine febr 
anftänbige, folibe unb moblbabenbe Stabt. 
Unter ben nieten Saufenbeit, melcbe ich Sonn» 
taqS unb BlerftagS in beu Straßen, auf ben 
öffentlichen Bfaßen unb in ben Wttfeett fab, be= 
gegnete mir nie ein Bettler ober ein Strunfen* 
bolb, noch fonnte id) fofehe gerlunipten unb ab» 
gemagerten ^ammergeftalten unter ber Wenge 
ber Baffanten bemerfen, mie man fie fo häufig 
in anbereit großen Stäbten finbet. BlaS ift benn 
aus ber Stabt „ber ©ebeimitiffe non Baris" ge» 
roorben, tno finb jene Safterljöblen unb Ouctr» 


tiere geblieben, bie ©ugen Site befchreibt? Ba= 
poleoit HI. bat bicfclben, roof)I mehr aus poli» 
tifchen als aus fittlichen ©rünben, mit £>ülfe 
feines genialen £iaußmann unb mit einem 
Hoftettaufmaiib öon menigftenS 1200 Wittioncu 
| fronten megrafirt unb bereit Bemobner in bie 
Borftäbte unb Bororte außerhalb beS 3?eftungS» 
gürtels Dertrieben. $aß biefe Hlaffe non Seu teil 
ben Barifer ober ben gremben mit ihrer ©egen» 
mart in feilten Huiift» unb ScböitbeitSgcniiffcn 
nidjt ftören, bafiir forgt noch beute bie Wunici» 
palität unb ber Bürger non Baris felbft, iitbent 
biefer gerne es fich ein Opfer foften läßt, folcße 
©rfebeinungen, mettn fie ba unb bort auftaueben, 
gu beroegen, fo fcbuell als möglich toieber ju ncr» 
febminben. Seite großartige Berfchöitenmg ber 
Stabt bat fomit baS Ucbel nur oerfd)obett; maS 
bie 1200 Witlionen unb ber einft inäd)tige Hai« 
fer nicht getljan, baS nerfudit bie djriftlidje 
Wiffiott in biefer Stabt unb beren Umgebung. 

©be tnir beren Blirfen gu befchreibeu fucheit, 
möchten trir einige Streiflichter auf bie Blob« 
nung unb baS Sehen jener Firmen merfeit. 3 U 
biefem 3wed laffen mir unS non einem mit bie» 
feit Stätten beS ©lettbeS Befnmiten in eines bie» 
fer Brnienquartiere begleiten. 3»n ber Um» 
gebuttg ber ©obelinSfabrit ober beS Bnntbeon 
betreten mir eilt fed)S» ober fiebenftödigeS £>auS, 
eine große Brbciterlaferne, unter bereit $nd) oft 
200—300 Familien roobnen unb in jebetn Bette 
gemöbnlid) 3 Berfonen fchlafett tnüffen. ©in 
anberer 3uf!ud)tSort finb bie baufälligen Käufer 
ber Borftabt ober bie non Spelutanteu am 
fyeftungSgiirtel auf freiliegenben Bauplänen er» 
richteten Baradeu mit 3intmern gu grnei grau» 
fett, per Bloche. Bient bie Fortuna nicht fo niel 
Wittel giebt, um fich in biefett eleitbeit Jütten 
eingtiquartierett, muß bann gufrieben fein, menn 
er int „©arno" unt einige ©entS Bufuabme fitt» 
bet. 3n niebrigett fenfterlofeit 3>iumern, mit 
einem eingigett BuSgang nerfebeu, fteben fcdigig 
eifernc Betten bi<bt neben einanber; alle bemeg» 
ließe £tabe ift feftgebunben. £>ier tommen bie 
noritebmereit Bagcibititben non allen 9tichtutigen 
gufammen unb merbett auch oft truppmeife non 
ber Bnligei abgefaßt, ©ine artbere Bri non 
j Schlafftätteu fittb bie fogenannten breifiißigen 
! m’berlu'ttcn ober Strobfäde, bie Stelle beS 
' HopffiffenS nertritt ein gefpannteS Seil; ober 
j bie Schlafftefleit finb itt Slachtammeru in bie 
Wanevtt eingefügt. Büßer biefett Soufenbcn 
j non Firmen giebt es noch ein 4>eer foldjer, meldje 
, jebe Bucht obbachloS nmberirren unb fid» überall, 
j tno fie ncr ben nächtlichen Batrouiflen ftcher finb, 

I trieberloffen unb felbft bie ©ußrölbren nicht als 
Dtubeplaß nerfd)ntäf)en. Slie bie Blobnftätte, fo 
i jeugt and) bie SebettSmeife biefer Hlaffe ber Be» 
| nölterung nott nafnenlofent ©lenb, öon bem ber 
1 bur<b bie Straßen non Baris Suftmanbelnbe 


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372 


Hob fftiffionsrorrh in Jfaris. 


feine Apnung pat. Aipt ber jroanjigfte Open 
ber Arbeiterbeüölferung foll nap glaubroürbigen 
Ouellen ben nötpigen Unterhalt oerbienen unb 
üon ben 50,000 eltcrnlofeit 'Arbeiterinnen fallen 
bie ©inen bem £>unger unb bie Anbern ber 
Spanbe jutn Opfer. Oie täglidje Saprung Oon 
punberten armer Arbeiterfamilien beftepi aus 
Srotrinben in Söaffer getuntt unb Sped; Anbere 
fupen ipren ^junger um einige Sous in ben 
Öarlüpen, roo SEelier famrnt Öefted an gelten 
befeftigt finb, ober in ben fallen ju füllen, in 
beuen in einem großen Mejfel ber Abfall aus 
allen ©arfiipen gefotten mirb; roieberuin Aitbere, 
bie nur über einen Sou ju üerfiigen tja ben, be= 
geben fiep in eine fogeuannte „Sibiite", loo fie 
ipren testen ©ent für Spnap» oertrinfen unb , 
in immer tieferes ©lenb oerfinfen. Stan fagt, j 
baß in Saris auf 100 Ginroopner eine SpnapS» 
bube ober SBeinftube lontmt. Oie pauptfäplip 
aus bem fittlipeu Gleitb eutftanbene 9totp beS 
SolfeS roar fpon ju 2ouiS XIV. feiten fo groß, 
baß biefer ntäptige unb pracptticbenbe Stönig ge» 
meint paben joll, als man ipm bie 9totp feine» 
SolteS befprieb. Unter bem äußeren ©lanj beS 
leßten StaiferreipS napm ber fittlipe Verfall 
immer mepr jn unb greift ber Strebsfpaben ber 
mitben (Speit, ber Sroftitutiou unb anberer Safter 
in erfpredenber 2 öeife um fiep. Oer Sauperiö» 
ntuS ber franjöfiipeit ^auptftabt pat eine folcpe, 
£)öpe erreipt, baß ber Staat 151,000 Arme ju [ 
oerforgen pat, rooruntev fiep 28,000 mitteüofe ' 
Höefcn unb auSgeießte Minber befiuben. Außer j 
ben regelmäßigen Giunapmen fteuert bie Stabt 
Saris nop minbeftenS 11 Millionen juv Se« I 
ftreituug ber UnterftüßungSunloften. Oroß bie» I 
fer großartigen SJopltpätigfeit, roelpe nur üou 
fionbon übertroßen mirb, pat ber SauperiSinuS 
unb bie fittlipe Serberbitiß nipt abgenommen. 
Oaju fommt itop ber ©ittfluß beS Iraffeften Un¬ 
glauben», ber fip nipt fpeul, bie Religion ju 
oerpöpuen unb bie ©rifteuj ©otteS öffentlip ju 
leugnen. (Srroeifen fip aber alle materiellen 
£>iilfSmittel unb fonftigeu menfplipeu Sor» 
feprungen als mtjuläitglip, biefen Spaben ju 
peilen unb baS ©lenb ju peben, fo fpaut man 
fip roopl nipt opite ©nutb, troß bem 3üeligions= 
üerapter, nap einer pöperen Stapt um, üon 
melper bteibeube Sjülfe tommt. 

OiefeS große Problem ju löfen, pat nun bie 
Stiffion im ©tauben an bie meltummanbelube' 
Stapt beS ©oangeliumS unternommen. 

fabelt mir unS oon ben präptigen Straßen, 
perrlipen Stonumenten unb Munftfammlungen | 
in bie Quartiere ber Armen unb Straßen beS l 
GleitbeS begeben, fo meipt baS anfüttglip er* 
briidenbe ©efüpl ber Hoffnung einer heileren i 
3 utunft, benn inmitten biefe» Glenbe» erpebt 
fip auf bem foliben ©runb beS-lebenbigeit ©lau*; 
ben» baS fpönfte Stonument priftliper Siebet , 


I tpätigfeit, toelpeS alle anberen an #öpe unb 
j Oauer übertrifft, toeil eS in bie Groigleit pincin» 
I ragt, nämlip bas StiffionSroerf. 

| aüöprenb ber 3 e ' f meines AufentpaltcS in 
} Sariö fanb bie große eleftrifpe Ausftellung ftatt, 

; ju ber matt aber erft Abenb» 3atritt paitc; fo 
, intereffant unb leprreip ber Setup berfelben 
aup roar, fo patte für mip bie SMrluttg eines 
! anberen 2ipteS bop eine größere AnjicpuitgS* 
traft. 3p folgte beSpalb gerne ber ©inlabung 
meines greunbeS, 9teü. 6. S. ©oof, beS Sup* 
agenten ber meSlepanifpen Stirpe in Saris, beS 
großen Sonntagfpul* unb 3ünglingS=SereinS= 
Agenten unb beS eifrigen StitarbeiterS in ber 
9Äiffion üon Saris. 91ap einem tüchtigen 
9Aarfp gelangten mir nap ber Sorftabt 9Jfont» 
reuil. ©in fälter Aorboft blieS uns entgegen, 
als mir burp bie polperigen unb fpmußigeit 
Straßen biefeS CrteS bem SerfammlungSlofat 
ufpritten. Oaffelbe liegt in einem fepr belebten 
trbeiterguartier ju ebener Grbe, mitberOpiir 
auf bie Straße, lieber biefer ftept mit grofeit 
Supftaben : Salle de Conference (Serfamm* 
lungSfaal). Oie Opiir unb bie genfterläben finb 
itop feft jugeriegelt, roäprenb fpon eine Anjapl 
Äinöcr üor bem .*öaufe üerfainntelt finb unb Don 
3 cit jit 3 e >t antlopfen, um pineingelaffen ju 
merben. OaS Sotal ift ein früpereS ÜJtngajin, 
an beffeit meißgetünpten Söänben auf rotpem 
Oup mit golbenen unb filbernen Supftaben 
biblifdje fierufptüpe ftepen. Oie Man je 1 ift 
pöpft einfop, ein Munftftiid beS jungen prnfti* 
fpen SrebigcrS, ber gemöpnlip pier prebigt. 
'Jlapbem bie t'ipter angejiinbet finb unb alieS 
in Orbnung gebrapt ift unb ber Srebiger mit 
feinen geifern fip in furjeni ©cbet üorper oer= 
einigt pat, ift cS enblip bie böpfte 3 e| l, ber 
parrenben Minberfpaar Opiir unb 2por ju off* 
neu, bie bann aup halb pereinftrömt unb baS 
Sofal anfüllt. Oa fißt ein jepnjäprigeS Stäb» 
pen mit feinem jroei* ober breijäprigen 
Äpmefterpen auf bem Spooß, bort ift ein 
armes blaffeS Miiib, mit ben 3 e 'P ei1 beS Stau* 
gelS unb ber 9totp auf ©efipt unb in ber St lei« 
bung; pier pat fiep ein frifper 3unge mit ledern 
AuSfcpen poftirt, als ob er eine Straßenede ju 
bemapen pätte — lurj, es finb alles arme, oer» 
maprlofte Miuber, bem Un* unb Aberglauben 
ipre-r meiftenS latpolifpen ©Item pveiSgegebeu, 
bie opne 3npt unb Auffipt aufroapfeti uiib ipre 
ineifte 3fit auf ber Straße jubringen. „3BaS ift 
mit einem folpen Raufen Stinber anjufangeit V 
mürbe manper oornepme Saftor fagen; „ge= 
möpnt fie juerft an 3upt unb Crbnung, bann 
bringt fie junt AeligionSunterript," märe mapr* 
fdjeinlip ber popmeife Ütatp manpeS ^jopepr» 
roiirbigen. liniere ^reunbe urtpeilen aber anberS, 
fie nepmen bie Minber roie fie finb, unb fupeit 
fie mit ©otteS ^>ülfe fo ju erjiepen, roie fie fein 


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Pos Ptif|tonsrotrk in Poris. 


373 


foöen; wa§ ihnen auch auf eine erfreuliche 
SBeife bei fehr Siefen gelingt. SJlit einem mint» 
teren uitb melobifchen ©efcing beginnt ihr ©ot= 
teSbicnft, nach einem furjeit ©ebet unbSlbljörung 
ihrer 33ibeloerfe, richtet ber junge fchottifche 
Ißrebiger einige fragen an fie, bie mit bem 
größten ^ntereffe angehöri unb nicht feiten tref= 
fenb beantwortet werben. Silit Scrgnügen tarn 
ich feiner Einlabung entgegen, auch einige 2 öorte 
an feine ©dpiler 311 richten. ©ie Stühe unb 
Orbnung, welche hier pcrrfchte, bie große 9luf= 
mertjamteit unb^freubigleit, welche biefe 'fJarifer 
Straßenfiuber an beit Jag legten, bewiefeit, 
baß bie Strbeit ber Söriiber au biefeit jungen 
ffinberheräett, welche fauin feit einem Sllonai-fo 
oereinigt würben, fchoit oon fühlbarem Erfolg 
war. 3t» beinfelben 2ofal würbe 9lbcub3 8 Uhr 
fül Sltänner unb grauen eine Serfammlung 
gehalten, moju ber Eolporteur unter ber Saal» 
tljiire ftefjenb, bie Soriibergehenbeit freunblich 
einlub. ©ie Jurjcn 9tnfpracheu mit abroehfeln» 
bem ©efaug, burchbrungen oon bem ©:ijte ber 
Söahrheit unb bet Siebe, machten auf bie jahl= 
reich oerfammelten 3 11 hörer einen tiefen Ein» 
bruef. Seim StuSgang erhalten bie Sefucher, 
wie in ber Sonntagfchüle, harten, um fie gegen 
Sibelu auäjtutaufchen. 2lit einem Sonntag 
Slachmittug befuchte ich bie im SJlittelpunft oon 
5ßari3 liegenbe &auptftation biefec Skrfamin» 
lungen. ©er geräumige Saal mar ebenfalls 
größteiitljeilS mit Seilten auS ber 9(rbeiterflaife 
angefüllt. Sou bem Seiter ber Scrfammlung, 
einer ErftlingSfrucht biefeS SönfeS, aufgefor» 
bert, hotte ich baS 9Sorrecf)t oon ber großen Siebe 
unfereS ErlöferS unb oon bem Segen feiner ©:= 
meinbe gu rebeit. Ein junger, belehrter 3»* 
raetit, welcher SRebijiu ftubirte, fi<h aber nun 
ganj bem SltiffionSmerf mibmet, legte mit freu» 
biger Serebtjamfeit ben 3 uh»reru ben ffiahl* 
fpruch 3 tofuaS ans fyzxy. „SÖJäblet euch heute, 
Welchem ihr bienen wollet!" Som Sflittelpunft 
ber ötabt begab ich mich ’ u ^Begleitung meines 
^freuitbeS, Steo. doof, nach einer entlegenen 
Sfußenftatiou, wo in einem smnr fleineren, aber 
mit anbächtigen 3 u hörent gefüllten Saat baS 
SBort beS Seitens in ber fjorm oon Slnfpradjen 
Oerfünbigt würbe. 6 3 war eine wahre J re übe, 
biefe meift ber armen klaffe ongehörenben 
Seute bie meltbefannten, anfpreeßenben Sieber 
bon Sanfei), SliSS unb Ülnbern fingen 311 hören 
unb ihre Stimmung su bcinerfen, welche bie 
einfachen, aber gcfalbten Sßorte beS SlebnerS 
bei ihnen heroorriefen. 9tm Schluffe ber Siebe 
ift es nicht feiten, baß einer oon ben 3 uhörern 
fich an ben Slebner menbet mit ben SSorten: 
„ 2 Bir banfen 3 h»en, mein .frerr, für ba§ gute 
Jöort, ba§ Sie uns oerfünbigtenauch ritt fd)ö* 
neS 9ltnen. ®on hier ging ich wieber ben 23ou» 
ieoarbS entlang nach einer cinberu SBerfammlung, 


welche oon Sieb. ©ibfon, bem Superintenbenten 
beS franjofifeßen EoangelifationSmerfeS ber 2BeS= 
lepaner, organifirt würbe, ©urdj bie Sonntag» 
9lbeitb=S8erfammlung auf bem ©oulebarb beS 
Eapucines flicht |>err ©ibfon bie höheren illaf» 
frn ju erreichen, inbem er Slebner wie '-Jkeffcnfe, 
©h- Sllonob, 33. ip. Eoof, SteOeiUanb unb 91. 
für religiöfe unb Slnfprachen engagirt. 3 « ber 
SSerfammlung, ber id) beiwohnte,' hatte id) bas 
Stergnügen einen fehr gebiegenen Vortrag über 
baS Sebcn 3cfu oon ßerrn Sleöcilloiib 3 U hören, 
©ie Schönheit unb Einfachheit, mit welcher er 
feinen ©egeuftanb behanbelte, fomie bie 3 nitig« 
feit unb SBärme feines Vortrages ließen eS bem ■ 
Slebner beuttich abfiihten, baß er nicht nur 
äußerlich jum $roteftantiSmu3 übergetreten, 
fonbern ein griinblid) belehrter Sflaitn unb 
Wahrer Sänger Eßrifti ift. ©aS 9lubitorium, 
faft auSfchließlid) ft'atljolifen, bem oornehmen 
Staube ongeßörenb, laufdjte bis 311111 Etibe mit 
größter 9Uifmerffamfeit bem Sßortrag. ©er 
fehr fchönc Saal mar mit 300—400 3uhörern 
ungefüllt. Einige Jage 3110 er erhielt ich oon 
£crrn ©ibfon eine Einlabung, mit ihm eines 
9lbenbS nach 6 t. ©eniS 311 gehen, wo er ein 
Sofal für bie arbeitenbe klaffe eröffnet hat. 
©iefe Station ift eine fehr Oerfprechenbe, ba bie 
9lrbcit uitfercr englifchen trüber mit gutem 
Erfolg gefrönt wirb. Silit großer fjreubigfeit 
rebete ich 3“ ben bieberen 9lrbeitS(euten, bie eben 
ihr ferneres Jagewerf bcfdjloffcn, im 9(rbeitS= 
gemanb 311 t Slnljörung beS SBorteS ©otteS eilten. 
Sladh ber 9lnfprache lüb ^>err ©ibfon bie 3 uhö= 
rer ein, ihren Einbrücfen oon bem foeben oer* 
nommenen SSort einen freien 9(uSbrucf 311 geben, 
©ie Karen, bünbigen 3eiigitiffe, bie üerno’mmen 
Wnrben, feßten mich in ber Jßat in freubigcS 
Erftaunen; fie würben einer alten SJtethobiften» 
©emeinbe alle Ehre machen. Eine Einrichtung, 
bie meines Erachtens oft mit bem größten Segen 
and) unter uns augemaubt werben fönnte. 

Sinn noch 30 m Sdjluß einige fumniarifche Slo» 
tisen über biefe beiben reich gefegneteiiSJiiffionen, 
bie ich bei meinem Sefuche in IßariS perfönlidh 
fenneu lernte, unb bann noch einige SBemerfun» 
gen über ein 2Berf, baS 311 groß unb 311 cbel ift, 
als baß ich fö hier mit Stillfchwcigeu übergehen 
fönnte. 

©aS unter bcrSeitung aonSleo. 2B.® ibfon 
gcgrünbetc EoangelifotionSmerf ber englifchen 
SJlethobiftcnfirche in SJariS befteht erft feit 1878 
unb 3 äfjlt f> Stationen, Wo mähreitb eines 3ah= 
reS circa 780 Serfammlungen gehalten unb 311 
circa 37,360 Ermadjfenen geprebigt Würbe, 311 = 
bem murben 338 Hiitbcroerfntnnt hingen geßaU 
ten, benen circa 11,220 .ffinber beiwohnten, 
außerbem werben wödjentlich Älaß= unb 33et= 
ftunben gehalten. Ebenfalls würben 1136 Sjler» 
fönen befnrfjt, 5000 Sibeln unb 90,000 Jraf» 


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374 


füllt brint Sdjultofdjt. 


täte bertljeilt. Gitter bet Golpor teure erjühtte 
mir, baß er in ben DteftaurantS fet)r oiele 93i= 
bellt uerfauft habe, unb eineJÖibelfratt beliebtet, 
baß fie an beit öerßhiebeneit Stationen circa 1(30 
'Berfonen regelmäßig befud)t, Pott beiten fie mit 
y-rctibcii empfanden mirb. 

3)ie -Uiiffi du unter ber Otrbeiterflaffe in fjlariS 
tum 9teo. 9t. 93. töte9111 mürbe unmittelbar 
und) 93eenbigung bcS beutfdHranjöfifchen Iftie» 
ge* begonnen. 9tod) blutete baS arme 93olt 
int* taiifenb 9Btinbcn, meid): ilpten ber Krieg 
uub bie ftbrecflidjen SJaiie ber Gontmune ge» 
fetila^eu batten, ba erfdjien biefer cble ißeitfdjett» 
frcuitb, biefen berlaffeneu binnen bie göttliche 
tfriebenSbotfchaft unb ben I)itiimtifrf)cu SÖalfani 
bei' GoangeliutnS ju bringen. Sa» glauben*» 
bolle Unternehmen mürbe feitljer mit bem tjerr» 
lidjften Grfolg gefrönt, fo baf; nun in tßariä an 
26 3laben mit 5351 Sißplüßeit regelmäßig 
jiibrlicb 5730 9$erfamntlungen gcljallnt merbeu, 
melelje circa 442,351 ^erfonen beftuhen, burun» 
ter 52 beutfebe Berfamntlungeu mit 3(312 3«= 
börent im ©anjen. 3frt 24 Sonntagfd)iilcn unb 
3 Siibuftriefcbnlen murbett 1949 Skrfntnmlun» 
aeit gehalten mit circa 91,000 Kiitberit jä£)rlicf>. 
Weiten harten rec\elmäfiifien BefudjeS ber ©ot- 
teSbienfte mürben bon Grroadjfenett unb Kin» 
bent circa 1395 Bibeln unb neue Seftamente 
utmietaufcbt. fpauSbefudje mnrbcn iäbrliib über 
5000 gemacht. 

3ur 3eit jener fibred(id)eu Grecution, toelcbe 
500 (üointtimtiften auf bettt "Pbre la Gbaife auf 
einmal babinraffte mtb als bie 9Bittrocn unb 
Sdpoeftern ber Gefallenen bereu ©rüber befttdj» 
teil, tarn au<b eine junge, fromme Gnglänberin, 
fvrl. bc Broen ©Begleitung a uberer $ reu nbe 
auf biefen Kifchhaf- 9(1* fie beit Oer^erreifjen= 
ben galanter unb baS Glenb biefer grauen fab, 
faßte fie beit ebten Gntid)(uf?, ficb biefer ber» 
iafieiteu Seute in jeber Bejiefjung anjunehmen 
uub ihnen ihre 3eit uub Kraft ja roibmeti. 
Sie Giitcit ihrer ^rennbe maren für ihre Silber» 
beit unter biefen ^etrolemnäfrauen beforgt, bie 
9lnbern hielten einen Grfofg für uttmöflfid). 
3in Vertrauen auf Gotte» öd)iiß ntib Seifianb 
cröffnete 3?rätilein be Sßroeit eine 9lrbeitSfd)iile, 
in bie fie arme Tratten einlitb unb ihnen einen 
halben ^raufen für 3 Stauben 9lrbeit bcjal)lte, 
ju gleicher 3(üt la§ fie ihnen aus ber Bibel bor 
unb ertliirte ihnen biefelbe. 9tn biefen Keinen 
9litfung tKlbenmüthigen Beginnen* reihte fiib 
ltad) mtb nach ein 9Bert nad) betn anbent, fo 
baf; bie bon fyränlein be SÖroeit gegründete TOif» 
fion in Bellebille, einer Borftabt bon Claris, 
folgenbe mof)Kfjätige 9tnftalten in fid) begreift: 

6-ine tnebijiitifche fötiffion, melche ben Kran» 
feit 4 9J(al mödjentlidj unentgeltlich Gonfulta* 
tionett ertheilt unb fötebijin berabreicht. 9täl)= 
fdnilen, melche jmei fötal roöcfjentlidj beit 9lrmen 


9lrbeit giebt. Sagfcfjulen für fötablhen unb 
Keine Kinber. 9tad)tfd)ulen für Grmadjfene. 
Sonntagfihuleit. lltegelmäßige Berfammlun» 
gen 4 fötal mödjeittlich, außer beit 9lnfprathen 
in ber mebijinifchett fötiffion unb fltähfchulen. 
Bibelflaffen für fötänner unb grauen uub junge 
Seitte. £)auSbeftid)e ber 9lrmeit. Gine Seih» 
bibliotljet mit circa 800 Bünben. Gine Grjie» 
hungsanftalt für Kinbermäbdjen unb .ein Keines 
£>ofpital für fötänner unb grauen. 

Sorb S h a f t e S bu r t) faßt, baf; eS in fjrattf» 
reich aitb Gnglattb menige 9inftalten gebe, für 
me!d)e er herjlidjer um bie Untcrftiißnng ber 
chriftlicheit ftrettnbe bitten möchte, als bie föiif» 
fion in Betleoille. 

©erne möd)te id) nod) einiger anberer fötif» 
fionStoerfe ermahnen, mcitn es ber 'jtanm ge» 
ftatteu mürbe ; bod) genügt tuofjl baS Gcfaflte 
ben Sefer ju übcrjciiijcn, bcif; man in ^PariS ein 
att Schönheit unb Sauer 9lllc§ überffeißeitbeS 
33erf, baSjenige ber Chriftlidjen fötiffien in bol» 
ler Kraft unb henrliChftem Gebeifjeit fchett fann. 


püc Ulm Sdfttltrtfdje« 


’S ift Sonntag. Sie Uhr hat focbeit bie 
a^tc fötorefeuftunbe gefihlagen. tßuuft neun 
beginnt bie Sonntagfdmle. „9lCh," feufjt ein 
Schrer bom griihftüdc fid) erhebenb, „jeßt muß 
ich tuteber jur Sd)ule unb mir graut beim ©e= 
bauten an bie Settion, benn e§ loill mir nicht 
gelingen, biefelbe meinen «echülerit intereffant 
ju mactjeti." 

SaS mitnbert mid) nicht, guter fjreunb. 33iS 
jum 93egittn ber Sd)tile bleibt bir nur eine 
Stunbe übrig. Söahrenb biefer 3«it haft bu 
Soilette ju madjen unb bie SBegftredte jur Schule 
juriidjulegen. Sa bleibt bir, ba bu eS bie ganje 
23od)e über berfäumteft, menig 3cit mehr) um 
beiue Sd)iiltafehe mit intereffaiiten, bie Settion 
erläuternben Singen ju paefett. 

Su niöchteft bie Settion beinen Schülern in» 
tereffant machen! Schau’, baS ift ein fdjöner 
93unfch. 3>i beinern Grfolge als Sehrer ift 
beffeit 93ermirtlichung and) höchft nothmenbig. 
„9tuu ja, bon biefer SljatfaChe bin iCh hinläng» 
lid) überzeugt; aber meld)en 93eg muß iCh ein» 
fchlogen, mit biefen 3tt>«d ju erreichen?" gülle 
beitte Sdjultafche m i t 3 » tere f f an» 
t e m. Siefe turje fRegel ift nicht abfolut un» 
fef)Ibar, aber bie beharrliche Seachtung bcrfelben 
mirb in ber Grreidjitng beS gefteeften 3ielcS 
9lußerorbentlicheS leiften. 

'Beginne mit ber JBorbereitung ber Settion 
am Oorbergehenbeu Sonntag, inbem bu bidh mit 


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(Sicelfior. 


375 


bem Inhalte unb ©runbflebatifen bertraut! 
macbeft. Söenn bu bann ain lütontaß au§ßebeft, 
nimm beine Scbultafcbc mit unb fammle ertlü», 
renbcä unb illuftrirenbeS Material für bie i 
Seftion. SBenn bu beim fiefen beä 9Jlorflen= | 
blatteS etwas finbeft, boit bem bu Qlaubft, eS; 
»erbe beine Schüler intcreffireu unb bie Settion 
erläutern, fo fcbueib’S heraus. 2öenn bu auf 
ber Straße ciebft, halte 9lug’ unb Of)r offen, 
mtb bu roirft 'Manches feben unb hören, was bu 
am fünf tiefen Sonntage in ber Sflaffe miß» i 
bringenb berwertben fannft. Schreib’* in’S SöuA 
beineS ©ebacbtniffeS. IBenn bu am ittbenb nadj I 


boflbrarfjtem SLageWerf ein Such liefeft unb fin» 
beft ba unb bort ©ebanlen unb ©leicbniffe,^bie 
bu jur (Srlciuterung ber Settion bortbeilbaft ber» 
»enben fannft, fo merte fie bir. 

©rabe an allen Orten, angle an allen Jliiffen, 
halte itlebrenlefe überall; fo wirb bir'S am 
Sonntage an erläuternben ©ebanten, ©leieb» 
niffen uitb (Srjäblungen nicht fehlen. 2>u wirft, 
bor beiiter ftlaffe ftebenb, einer boilen Cuelle 
gleiten, bie fprubelnb ihr HareS, frifcbeS SÖaffer 
fpenbet. $u wirft interejfiren, belehren, erbauen 
unb bie fcbönften ©rfolge erjielen. $e§balb noch 
einmal: ftüllc beine Scbultafcbe. 


gxeöldfcr.*) ^ 

Had) Äougfettotti. 


Bad?t fartf auf ber Ulpen 3^, 

Da 503 burdj’s Dorf eiti 3 üngling nod?, 

Der trug ein Banner in ber f?aitb, 

Huf bem ber frembe IDaljlfprud? ftanb : 

Excelsior! 

(Crüb feine Stirn ; fein Hug’ ein Scbmert', 

Das blt^enb aus ber Scheibe fäfyrt; 

IPie fliitgenb <£r3 melobifdj tief 
Der Stimme (Eon» mit ber er rief: 

Excelsior I 

Hings in beit ftiüen Jütten glomm 
Der Schein bes derbes, traut unb fromm; 
< 5 efpeuftifd? rerften fid? im Kreis 
Die (Slctfdjer, — bodj er feufjte leis : 

Excelsior! 

Der alte Dörfner fpradj: „ 0 , lag I 
€ng mtb gefätyrlief? ift ber Pag 1 
Sdjmar3 brofyt ber Sturm — ber (Siegbad} fdjroolll" 
Hls Kittmort Hang es tief unb uoU : 

Excelsior! 


Das mäbdjen fpracfy: „Bleib’, müber < 5 ajt! 
3 n meinen Ürmen f^altc Haft l" 

Sein blaues Uuge ftratjlte feudjt; 

Dod? mieber fang er, ungebeugt: 

Excelsior! 

„IDeidj’ aus ber btirren Kiefer ^all I 
^liet}’ ber latuine 3orn’gett Ball l" 

Dies mar bes £anbmanus letjtes IDort, — 
£jodj iu beit Bergen flang es fort: 

Excelsior! 

^nify morgens, als 3Utn t?crrn 11m Kraft 
^lefyte Sanft Berntjarbs Bruberfdyaft, 

Da tonte, rnie aus tiefer (ßruft, 

(Ein Hufen burdj bie bange £uft: 

Excelsior! 

Unb, fpürenb, unter’nt Schnee 3ur Stunb’ 
^anb einen IDanbersmantt ber t?unb; 

Hod? tjiclt er in ber eifgett t^anb 

Das Banner, b’rauf ber IDatilfprudj ftanb : 

Excelsior! 


Dort, in bes gmielicbts faltem iDetjn, 
Dort lag er, leblos, aber febon ; 

Jjerab t>om bjimmel, flar unb fern, 

^iel eine Stimme, mie ein Stern : 
Excelsior! 


*) hinauf. 



'in&BS&Sste. 



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376 


Pas moralifdje (Slrment ber (IrfieljMtg. 


P«0 morttltfdje (fflemeut in btt <£r|tepii 0 . 

®ob Sr. ftoW>. 

grei bearbeitet nad) einem Vortrag bon BifchofGpruS. 


jü] ie philofopljifche ©runblage unfereS ©h ema $ bebarf 
(49 feinet weitläufigen BeweifeS noch einer auSführ* 

c liehen Grflärung. ©afe baS moralifche Glement 
ein Wesentlicher Beftanbtheil ber Grgiebung ift, tritt beut: 
lieb fyernor, Wenn Wir ben 3'*^ berfelben red)t inS Auge 
faffen. 

Bir haben ben SWenfctyen gu betrauten als B er f ö n* 
li d) f e 1 t, als ein © e f ch ö p f b e S A U m ä d) t i g e n, 
als ©lieb ber menfeh li d>en ©cfellfd)aft unb 
als ein unfterblidjeS Befen. jn feinem biefer 
Berhältniffe fann fid) ber 5Dienfd> felbft red;t berftehen, 
ohne ficb fortwäfyrenb mit moralischen Betrachtungen 
unb Aücffiiten gu befchäftigen. Gr ^at Berpflichtungen 
nach allen Seiten, unb ,gwar jeben Augenblicf, bie er md)t 
auS eigener Kraft erfüllen fann. 

BaS bebeutet nun bie Grgiehung für ein fold)cS Be= 
feit? 5 üir wollen ^eftalo^i antworten laffeit: „©ieGr* 
jie^ung erftreeft fic^ auf ben ganzen OTenfc^en unb besteht 
in bem Becfen, Stärfen unb Berbollfomm* 
nen aller feiner gültig feiten, mit betten ihn 
ein aUweifer Schöpfer auSgeriiftet ^>at—in phpfifcher, 
geiftiger unb moralifdjer Begiehung; fie ^at ba^er ^u 
t^un mit § a n b, K 0 b f unb ö e r g." 

tfafet unS auch §eroert Spencer hören: „©er eitrige 
Rwecf ber Grgiehung ift, gu lernen, wie mir alle unfere 
gähigfeiten am bortheilhafteften gu unferem unb unferer 
Aebenmenfchen Aupen oerweitben fönnen." Ober auch: 
UnS für ein Wahres Sieben oorgubereiten, ift bie Aufgabe 
ber Grgiehung; unb bie einige bernünftige Art, einen 
KehrcurfuS ,gu beurteilen, ift ber, unS flar gu werben, in 
Wie fern berfelbe ben obigen erreicht/' So fagen 
gmei ©rojgmcifter ber ^äbagogif. „Alle gäpigfeiten gu 
Wecfen, 31 t ftärfen unb 511 berbollfommnen, bieS gehört 
gur 3Ä c t h 0 b i f. — „Bie man Wahrhaft leben fann" — 
b a S i ft b e r (5 n b g w c cf. Jft noch ein Bort nöthig, 
um gu beweifen, bafj moralifche Grgiehung eine pf^ilofo= 
Phifd)e ©runblage ^at? Stäben Wir eine gähigfeit, ober 
eine Bereinigung bon gahigfeiten, ober * {n ? ^ rt 00,1 
Xfyätigfeit einer gäbigfett, bte unter bem tarnen: ©e= 
Wiffett befannt ift? Bachen bie AuSbrücte 9ied;t 
unb Unrecht irgenb einen fühlbaren Ginbrucf? ©ibt 
eS fittlicfye Unterfdjiebe ? ©rüden bie Borte: „follft", 
rnuftt", „Bflicht", „Acue" irgenb eine Jbee auS? §at 
baS ©ewiffett irgenb etwas 311 tpan mit unfern ©runb* 
äpen, mit unferem Bemalten gegen ©ott unb gegen un* 
ern Adcbjten ? Kann baffelbe erleuchtet unb gefchärft 
Werben? ©ieje gragen bebiirfen feiner Antwort. 

Aber bie p r a f t i \ ch c 9t 01 h w e n b i g f e i t beS mo* 
ralifchen GlementS in ber Grgiehung ift Womöglich noch 
mehr heroprleuchtenb als bie wiffenfchaftliche. Betrachte 
ben auf bem Kollegium ©rabuirten, währettb er hinaus 
geht in bie "Belt. BaS bedangt man bon ihm? BaS 
erwartet bie ©efellfchaft bei ihm gu finben? Sucht fie 
i^n burch unb burch, bis fie irgenbwo in feinem Graniunt 
etne falte, flare logifdje ^iofomotib finbet, bie ftarf gebaut 
ift unb fanft bahinglettet ? gerne fei eS üott mir, bie brei= 
tefte unb grünblichfte Kultur beS BerftanbeS auch nur 
gum Schein gu berfleinern. ü)er ©eift beS OTcnfc^en ift 
ein Strahl bon bem hellen dichte ber göttlichen 2 (llmiffen= 
heit, l^a^t alle feine Kräfte ber 2luffaffung, ber Berech= 
nung, ber Bahrnehmung unb Beurthetlung bollftänbig 
entwicfelt Werben, ^ia&t fie arbeiten in ben gelbem ber 


9?aturwiffenfchaften, SJiathematif, SWetaphhW ber Spra* 
chen, Literatur, ©efchichte unb allen anbern Biffenfchaf* 
ten. GS ift erhaben gu wiffett unb gu forfeben. 

dennoch ift unfere grage am paj: „fcaS fuebt bie 
Belt am metften bei ben in unfern Kollegien ©räbuir* 
ten V* gft es nicht ein männlicher Ghfl*afterV 
3ft er ein StecbtSgelehrter, fo Wollen feine Glienteu bie 
Berfidjerung haben, bafe er fie ehrlich behanbelt unb mit 
gewtffenhafter Sreue ihre Angelegenheiten orbnet. 3 ft ^ 
ein 2lrgt, ein Wiener beS GbangcliumS, ein Beamter ober 
Lehrer, ober in welcher Stellung er feine Kenntniffe ber* 
Werthen mag, fo ift Aedüfcbaffenheit, Gbelmuth unb ge* 
Wifjenhafte Irbrlichfeit, was man bor allem bei ihm fudjt. 
Aur in Berbiitbung mit einem eblen Gharafter werben 
ihm feine mit 9Jliihc erworbenen Kenntniffe bon "Jfupen 
fein. 3n allen Berhältniffen beS Gebens, in ben fogialen, 
bürgerlichen, politifd)en unb religiöfen Berbinbungen ift 
baS hauptbebürfnife ein guter unb männlicher Gharafter. 
So werben wir überall unb immer wieber gurüefgewiefen 
auf baS moralifche Glement. 

©ie logifche unb unentbehrliche Berbin* 
b u ng ber nt 0 ralifcben unb religiöfen Kultur 
hat fid} bereits unferer Aufmerffamfeit auf gebrängt unb 
mufj je^t noch befttmmter betrachtet Werben, lieber bie* 
fett Bunft gibt eS t>erfd)iebeue Beweife für bie herfchiebe* 
nen Klaffen ber ©eiftcsridjtung. 9luf biefem geweihten 
fciigel, wo feit fünfjig 3«h rwi Klaffen oon Stubeiiten 
burch ihre dhriftlicücn Vehrer fortwährenb gu ber Cluelle 
ber Cffer.barung htngeleitet Würben, barf ich nid>t für 
einen Augenblid mit ben "ilrgumenten ber befielt Art tu* 
riicfhalten. An biefem Crte ift fein ©ag oergangen, feit 
Bilbur gisf guerft biefeit GampuS betrat, ohne bemüthi- 
geS öcbct um bie ©egenwart uitb Leitung jenes unoer* 

» en Lehrers, ber gwar feine Schriften hinterliefe, 
eit Borte bte Beit erneuern. 

3 nnt Beweis ber unentbehrlichen Berbinbung ber 9Jfo* 
ral mit ber Aeligion, unb barunt ber abfoluten Aothwen* 
bigfeit ihrer gcmeinfcbaftlichen pflege bei ber Grgiejhung, 
berufe ich roifh au t 2h at f ac h°' bafe eS nod^ nie ein 
Bolf gab, unter bem eintgerntaHen richtige moralifche 
Slnfichten gur frerrfchaft gelangten, in Abwefenheit eines 
Wirflid?en unb tbatfräftigen, wenn auch unboUfommenen, 
religiöfen ©laubeitS. ©aS erfte Spalter in bem ^eben 
irgenb einer Station, bon ber bie ©e^ichte berichtet, War 
eine 3 cit religiöfer Gh r f lirc h* nitb einer SDloralität, bie fich 
auf ben Billen einer höheren 9Jiacbt grünbete. 

Spätere gahrftunbertc mögen biel reicher gewefen fein 
an inteHeftueller Gntwicflung unb Kultur, aber fobalb 
bie Religion fid) berlor, fanf bamit auch bie Bloralität 
jener BÖlfer. GS ift in ber ntenfchlicben 9latur feine 
fiebere ©runblage für Sittlichfeit unb ©ugenb aufjer ©ott 
3n ber Gthif ift gam befonberS Wahr, bafj „bie gur^t 
beS .wrn ber BetShett Anfang ift." ©aS alte Aom fteht 
für immer ba als eine lebenbtge 'glfaftration biefeS 
©runbfapeS. Seine erfte Aeligion war berhältni^rnäfeig 
rein. Sie hatten feine ©open, ©ie Gbefd)eibung War 
bort in ben erften gweihunbert Jahren ftreng berboten. 
AuS jener 3eit baöen wir bie Borte „Saframent" unb 
„Religion". Unftttlichfeit Würbe als ein Berbrecben ge* 
gen bie ©ötter angelten. Blutarch t^ut folgenben AuS* 
fpruch: „Gh er Jann ttne 'Stabt ohne Käufer beftehen, als 
ein Staat ohne ©lauben an bie ©Ötter; bieS ift baS 


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Pas moralifdjt Element ber (frjieljung. 


377 


Vanb ber Einheit unb bie Stüße ber ©efe^e." Aud bie* 
fern ©runbe oerorbnete auch Halfer Auguftud, baß jeber 
Senator, ehe er feinen Sifc einnahm, in ben Sempel gehen, 
bort ben ©öttem opfern unb Söeihrauch ftreuen joUe. 
Samald gab Aom ber ga^en 3Bcll ©efe^e. Aber mit ber 
Erfchlaffung ber Religion erfcblaffte aud; bie Sittlichkeit, 
unb bad römifche Aeid; verfiel in Stücke unb ging unter. 

©riedjenlanb ift ein ä^nlicbe^ Stempel, Wie mit ber 
Religion bie Woc ul, mit ber Atoral ber 2 öol)lftanb unb 
bad ©ebeipen fchwinbet, unb bamit eine mäd;tige Aation 
immer tiefer finfl unb cnbtid; 3 U ©runbe gebt. 

Semtod) mangelt ed nicht an flachen Hopfen, bie be* 
Raupten, baß in unjerei 3 C ^ bie Religion im Abnehmen, 
bie Atoralität aber im ^nehmen fei. ^afjt und hören, 
Wad Sidraeli hierüber in feinem IWthair" faat: „gahret 
nur fort, ihr oberflächlichen Alenfchen, über oad Abneh 5 
men ber Religion $u reben, Währenb bem biefelbe rul)tg 
fortfährt, Königreiche aufeubauen unb nieberjureißen. 
Sie Religion foll untergeben! ? Unb hoch, Wenn bu mit 
ber Religion jufammenftößft ober bich oergreifft an reli- 
giöfer Ueberjeugung, mag in 24Stunben eine Aeoolution 
m ben cpriftlicben Zaubern entftehen, fo furchtbar ald bie, 
toeldje oor HO Jahren granfreidj mit Vlut tränkte. Sie 
Religion foll audfterben in Amerika? Sie Amerikaner 
ttnb $war ein feljr gebulbtged unb Wunberbar toleranted 
Volk, aber greift fic an in ihrer Religion, unb fchneller 
ald fie ju ben Sßaffen griffen, ba Sumpter bombarbirt 
Würbe, werben fie ipre Bataillone mufteru." 

3Auß ein 3 ube ben ängftlichen ©beiten lehren, baß bie 
Religion nicht am Audfterben ift? Heine ^3^tlofop)l;ie, 
jälfcblicb ober mit Aed)t fo genannt, Wirb im Staube 
fein, ben Alann oon Aajareth ht nau 3 3 U philofphiren aud 
bem &mbe. Sein Aeich breitet ficb immer mc^r aud. 3m 
gegenwärtigen Jabrbunbcrt würben oiele feiner größten 
Eroberungen gemacht. Etwad oon bem ©erüfte ber 
Sbeologie, welcbed ber blinbe Eifer einiger Männer in 
ben oorigen Saprbunberten um bie Eitabclle ber Alafp 
Beit baute, ift $war jufammengcriffen, aber bie großartige 
Proportion unb Uneinnebmbarteit ber Seftung felbft ij't 
babureb nur beffer enthüllt worben; unb bad blblifcl;e 
gunbament unfered allerbeiligften ©laubend ftebt fo feft 
Wie immer. 

Shatfacpcn beweifen baber ebenfo ficber ald eine Wiffen* 
fchaftlidje Semonftration, baß ber Sttenfd) eine moralifche 
unb religiöfe Aatur bot. Senn bad ©ottedbewußtfein 
bed Aienfcben ift ber ©runb feined SclbftbeWußtfciud. 

Selbft opencer unb Xpnball finben ficb oeranlaßt, 
unaufhörlich m reben oon einer „unbekannten USache", 
einer „unfi:l> Waren Realität" ober einer „Urkraft." 

Ed ift fcbioerlirb 311 oiel, mit AeWman Smpth gu fagen: 
„SBäre ber Ataifch nicht ^uerft für ©ott erfchaffeit, fo 
Wäre er au:h nicht orpanifirt, bie Schöpfung 311 erkennen. 
Sie AUffeitfchafteu bei einem Atefen ohne religiöfe Anlage 
Wären eine Unmöglichkeit." 

Aebnlicb fagt Ulrich: „Sad religiöfe VeWußtfein ift 
bie nothwenbige Vcbingung aller Ertcnntniß, ohne weld;c 
Wir und nicht über bad Shicr erheben tonnten. Starte 
Vehauptung bied; aber unterftüpt fie nicht bie tieffte 
SPbnofopbie ber menfeblicben Aatur? 3<h borge eine 
SUuftration unb erweitere bie AnWenbung: Su kann ft 
bie Aaturlehre nicht grünblich oerftehen ohne Aftronomie, 
eine richtige Anficht oon ber Erbe, ohne einen Vlick hin* 
auf ju ben Sternen, unb etwad Henntniß oon ber Sonne, 
ift unmöglich; fo fannft bu auch keine Wahre Aforal 
haben, ohne einen Vlict nach Oben, ohne eine Bestellung 
oon bem moralifchen Sbeal ber göttlichen Vollkommen* 
beit, ber Urquelle alled ©uten. Sie Sheologie ift mora* 
lijche Aftronomie, unentbehrlich für eine wahre Erkennt* 
niß unfered Erbenlebend." 

Sinb nun biefe Anficbten richtig, welche Pflicht fann 
bann bringenber fein ald bie, alle unfere. Erjiehungd* 


Unternehmungen mit moralifchen ©(Tunbfäßen unb reli- 
giöfem Eifer 311 betreiben, unb befonberd barauf $u feben, 
baß bie höhere Audbilbung, Welche ben Ataffcn ber Aiem 
fchen ©efeße giebt, unb in allen Arten ber Wiffenfcbaft' 
lid;en, philofophifchen nnb theologifchen Anfichten ben 
Son angiebt, entfehieben c^riftlicl) fei. 

AMr mögen Wohl mit großer Bor ficht bie Senbenj unfe- 
rer 3?it beobachten, befonberd waö Einige in bochHingen: 

, ben ^braien — bie Säcularifation ber Er 5 
jiehiing" 3 U nennen belieben. A!enn biefe tlugen Höpfc 
| ben Aieitfchen oon allem entleeren könnten, baß iiicbtd ald 
ber nadte Aerftanb jurückbliebe, bann niedren fic oielleid)t 
Oon Säcularifation ber Erjiehung reben. A?enn fie erft 
bewiefen hätten, baß ber Aicnfd} kein ©ewiffen, kein öei' 3 , 

! keine pflichten, kein Akitgefühl gegen feine 9iebenmenföhen, 

| keine Verantwortlichkeit gegen ©ott, leine religiöfen 33 e? 
t bürfniffe unb kein gortlebcn nach öcm Sobc hat, bann 
mögen fie Oielleicht alle 2 )toral unb Aeligion oon bem 
* Unterrubt audfchließen; aber bann nur oielleicht, 
benn Wehn ber Aienfch nur Sotcllect Wäre, fo Würbe boeb 
bie Wahrheit feftfteben, baß bie größten Jbeen, bie ben 
i ©eift bed Blenfchen befchäftigen, nicht oon ber Aatur —, 
Oon ber SDiaterie unb ber Kraft kommen, fonbem Oon bem' 
erhabenen AJefen, bad bie Urfcclie berfelben ift. Sahec 
Oerbicten felbft unfere intellectuellen Vebürfniffcbad Aud= 
fd;lleßcn biefer erl;abcnften Elemente oon bem Untenridjt. 

©ewiffe Singe können allerbingd mit bem bloßen Ver* 
ftanbe begriffen Werben, 3 . V. bad Ein 2)tol Eind unb ber 
rolße Sanöftein. Hein höhered J^ic^t ift nöthig, um m 
entjebeiben, baß breimal oier 3 Wölf ift, ober baß gewiffe 
Spuren oon Vögeln unb Aeptilien herrühren. Ed giebi 
j aber aud) anbere Singe, bie nur in einem fcefferen ^tdjfe 
j gefehen werben können, ober eigentlich in bem Sonnen* 

I ja;ein ber Seele, unb Somtenfd^ein befteht aud iiiht, 

1 tearme unb chemifcher Hraft. Ser Aicnfch ift oiehr ald 
Verftanb. Ser SSerth feined Urtl;eild hängt Oon ber So* 
libität aller feiner Hräfte ab. Eine einfeitige Eultur leitet 
nothwenbiger A!cifc ju grrthümern. Eine folcbe Eultur 
ntag einen 9i ie f en, einen* s ^eba n ten, eine falte, fühl* 

1 lofe 10 g i f d; e 9W a f d) i n e, einen wintberbaren H ü n ft* 
ler, einen brillanten Spe^ialiften, einen eifri* 
gen Aeformer unb einen entjiieften öeiliaen 
hcranbiltcn, aber keinen cbeleit männlichen 
Ebarakter. 

fc Aicnfcb, erkenne fceine 2Bürbe unb beine hohe Ve* 
ftimmung! Sein ^laß ift an ber Seite ©otted. Er fchuf 
bid; nach deinem Bilbe. Ser Aicnfd) bebaS 3Öioral unb 
Aeligion, — bie äd)te Aioral — unb bie einzig oollfom* 
mene Aeligion. Aicbt Eottfusiud, ^oroafter unb Sofrated 
führen bahin, aud) 2 Kofed nicht allein, fonbem nur Sefud 
Ebriftud. Er ift bad <oeit ber Vielt, auf bcn’bic Aationen 
harren." 5J?an fragt auch h ci!t c mehr nach ihrnv ald je 
moor. SAänner berSiffenfcbaft, Aioraliften, Bh^ofophett, 
Aeformer, Staatdmänner — AUc, bewußt ober unbewußt, 
fttmmen ein in bcnAudruf: „Alir Wollten Jefum gerne 
feben." Unb fo fehr oerlangcn bie AZenfd)en nach 
beit, baß nid;td ald bie oolle unb höcbfte Wahrheit fie be* 
friebigen fann. 

Ed wirb erzählt, baß ein gran^ofe mit Aamen i ; e ^]eau 
eine neue Aeligion erfunben 311 babai glaubte, bie er ber 
Alelt 3 um Veften geben Wollte - eine Art Shec 
tbropie, Welche er für fehr paffmb hielt für feine eitle 
Station. 3n feinem Eifer Wagte er cd, ben Brisen ber 
Siplomaten um Aath 311 fragen. Sallepranb laufchte ber 
Sarftellung bed Blaocd unb fagte: „Aun, öerr Xle Beau, 
Sie haben eine fchwere Sad)c unternommen, Wirklich eine 
fchwere Sache; unb Wenn Sie auf Erfolg hoffen wollen 
mit ber Einführung einer neuen Aeligion, fo rathe ich 
Jshnen, baß Sie fich cSt kreidigen laffcn, unb am brüten 
Sage Wicber aufSftehon." 

So joUte biefer Aieifter ber Staatdfunft feinen Sribut 


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378 


Pas tnoraüfdje Clement ber (frjifljung. 


bem Autor ber SRcliflion, melche bie Söller erleuchtet 
unb bie Nationen umgeftaltet. 

Tiefer Gebanfe bringt uns auf mehrere böcbft mtebtige 
fragen. Gine ber prominenteren berfelben tft: tu tote 
toeit unb auf welche Steife feilte ber Staat f t cp ber 
G r 3 i c p u n g annefimc'n? Tafj ber Staat ettoaS311 
tpun pat in biefer S^iepung, ift allgemein anerfannt. 
Gr muh bam fepen, baf* feine Sürger getviffe Kenntniffc 
befipeit. Gr muf$ für Gelegenheiten Jörgen, bamit feine 
li'mftigen Siäbler ihren Aiap Zettel felber lefen lönnen. 
3 ft bies alles ? Tie praftifd^e Antwort ber ineiften 
Staaten unjcreS iianbeS geht t>iel meiter. Uttfere SolfS-- 
fänden lehren burcpfcpnittlich bie getoöpnlicben gädter, 
bte notptoeitbig finb für bie gewöhnlichen (Mefd^äftc ber 
Waffen beS Sollet Siele ber Stabte unb Dörfer haben 
ftecpidnden, worinnen bie Schüler vorbereitet werben, 
um in Gollegien ein^utreten; unb eine 3 lnjahi her Staa= 
ten haben Normalfcbulen, Gollegien unb Unioerfitäten 
errichtet unb unterhalten biefelbett grobartig. 

Ta finb nun getoiffe Anfichten itt Sejug^auf höhere 
AuSbUbung burep beit Staat, welche ber politifd>en Ccto- 
nomie angeboren; tote v S.: ftat ber Staat ein Nccbt, 
baS ganje Solf 31t tajrireit, um einen Grab ber Grjicptmg 
311 befahlen, Oon bem hoch nur Ginige fiep beS SortbeilS 
erfreuen? Tiefe unb ähnliche fragen finb oerpältnifc 
mäßig unbebeutenb. s Ißir haben höhere 2>ntereffcit 31t 
Wahren als ToüarS unb Gents. 

Tie Hauptfrage ift: gn welchem Serpältntjj 
foll bie Öffentliche Grjtepung ftehen 3U 
moralifcher unb reltgiöfer Wahrheit uitb 
Kultur? GS fann auf bieje grage nur eine richtige 
Antwort geben. Kein Wcnffy feine An3abt oon 3 )icii= 
fchen, feine Regierung hat ein Necbt, fiep bie Munition 
ber Graiepung atwnnaften, ohne ftch S u bemühen, alle 
Kräfte unterer Natur 311 Wecfeu, 31t ftärfen unb ftommetrifcp 
gu entmicfeln. Gin berühmter mebi^inifc^er Ncbner fagte 
einft: „Weine fterren, p>hfiologeit wollen behaupten, bah 
er ein GährungSfcblaucp, nocpAitbere, bag er ein Kocb= 
topf iei; aber nad; meiner Anficht ift ei Weber eine 
Wühle, noch ein GäprungSfcplauch, noch ein Kochtopf, 
fonbern ein Wagen, ein Wagen, meine ft e r r e n." 
So gibt e 3 Tofioren in ber GrjicbungSfacpe, bie erinnert 
Werben miiifen, bafc irgenb eine fetaliftifche Anffcpt oon 
ber menicplicpen Statur falfcp ift, unb folglich auch fcpäb= 
licp. iikiS für eine Art s löefen ift baS, welches ihr oer= 
fttd?t 31t er3iehett ? GS ift ein m e n f d> l i ch e 3 2 Ö e f e n, 
baS meint: mannigfaltig — Wuitbevbar orga- 
n i f i r t. 

Gehe an baS Aterf mit ber SorauSfefcttng, ber Wenfcp 
fei nichts als ^utelleft unb ber *pian beiner Gr3iehung ift 
höchft unoollfommen unb fchäblich. Ter Wenfcp tft Kör= 
per, Jntelleft, fter3, SKlle, Getoiffen unb Geift. Tiefe 
Kräfte müffen gemein jcbaftltcp unb barmonifcp auSgebil^ 
bet werben, ober bu fepabeft beinern 3ögling unb riepteft | 
ipn 31t Grunbe. TieS ift befonberS bann ber gall, wenn 
man ben Bwccf ber Gt^iepung erreichen will, ber, Wie be= 
reitS bemerft, ein e b l e r, m ä n 11 1 1 cp e r G h a r a! t e r 
ift. Um biefen Bwecf 3u erreichen, müffen bei ber Gptie- 
httng bie Grunbprin3ipien ber Stttlidtfeit unb fHeligion 
oeftänbig im 5 luge bepalten unb oon 3*it B c it/ ^i^ 
fid; Gelegenheit ba;u bietet, fpe^iell gelehrt merben. 

^ie Serfnche, Woral unb Religion oon bem Unterricht 
auS3ufd>lie6en, finb abfurb. 2 öie loollt ihr biefeS beioerl- 
ftelligcnV IDurdt Gntfernung ber Sibel, Unterlaffung 
beS Gebets unb Uebergehung aller ber Sücher, bic über 
Sitten unb Religion hanbeln? 3 ft euer 2 \>eg jebt flar? 
SJollt ipr auch Wilton unb SbafSpeare oon bem Kurs 
ber englifchcit iiteratur auSfchlicften? 2 Bo nicht, bann 
finb eure Schüler immer ttoep in Gefahr, grobe Cuanti: 
täten oon Sitten* unb SieligionSlehren 31t befontmen. 
Ober toollt ihr ftomer, Sirgil unb Gicero auS eurem flaf= 


I ftfehen KurS entfernen? 2öo nicht, fo toirb euch — nur 
1 in einem geringeren Grabe — biefclbe Schtoierigfeit ent* 
gegentreten. S>ollt ihr bie gan3e Gefcpichte umfehreiben 
j unb oerftümmeln ? Unb felbft bann lotrb euch jeber ftelb 
ber Sonett in ben Skg treten, unb überall toerbet ihr bie 
Spuren beffett f in ben, „in bem toiv leben, 
loebett unb finb.“ 

Pflichten begegnen unS überall, unb ben SBtHen beS 
Sümacpttgen fomte baS unoertoifcpliche Selotiütfein unfe- 
rer Seranttoortlicpfeit oernebmen loir auf bie mamtig= 
faltigfte Steife oon ber Sötege bis 3um Grabe. Auch jcbeS 
Stubium fiiprt unS moralifcpe unb rcligtöfe fragen Por 
baS Gemüth, benett mir nicht auSmeichen fönnen. 

Alfo ift bie §rage niept, ob ber Staat itt Se3ttg auf bie 
Gntepung eine Aufgabe pat, fonbern ob btcfelbe cpriftltcp 
rber unchriftlich, gläubig ober ungläubig fein foll. ftier 
gibt eS feine Neutralität. Ter funbamentale Scgrtff öon 
eittnn Gott begegnet unS auf jebem Sd;ritt, uttb bie gan,3e 
Sticptung einer Scpule, eines GoIlegiumS unb einer Unis 
Oerfität titufj bemfelben gegenüber Stellung etnnepmen, 
unb enttoeber fa^en: „toir paben feine Sebürftttffe für bie 
ftppotpefe oon einem Gott/' ober aber: „eS ift cip Gott, 
ber alle Tinge gefdtaffen pat unb fie trägt mit feinem 
fräftigeit 2£ort, unb beffen 2 £tlle ift bie Grunblage aller 
Pflichten.“ 

S>cnn baber ber Staat baS gelb ber Grjiepung betritt, 
bann ift eS feine unabmetSlidpe ^flicpt, moraltfch unb 
religiös 31t cr3iepen. Tiefes nicht 311 tptin, biefee bte cm= 
pfänglidtcit Seelen in ber fritifepen ^Seriobe iprer Gnttoid- 
lung 3U oerberben unb 3U entfittlicpen; unb inbettt er fiep 
biefe Kontrolle anmafjte, mürbe er felbftmörberifd) ben 
erhabenen 3mcd, feine fünftigen Sürger 3 u e r 3 i e b e n, 
0 e r tt i ch t e n. S-eldie Nation, unb tnSbefonbere toelcpe 
Nepubltf fann Oemünftigermeife für eine lange, mill niept 
jagen glüdltche G^ifteng ftoffnung pahen, trenn nid;t alle 
tpre VehenSOerhähniffe bürchftrömt fittb oon ebcln Gntnb* 
fäpen unb religiöfett Kräften? GS ift mir toopl betoufjt, 
baf; man mid} mag nach ben fteimatpen unb ber Kirche 
oermeifen, als bte paffenben Crte mit ben itöthtgeit-Gim 
richtungen für fittlicfacn unb religiöfen llnterrid)t. Tech 
biefe Anfidd febeint mir brei fünfte oon Sebeutung in 
Se3ug auf biefe grage 3U ignoriren: 1 . Tie gä^ltcb un= 
enitgenbe movaltfche unb religtöfe Gr3iebung in ber gro= 
en Wajorität ber gamilien; 2. bie Kitrje uttb Spärlich' 
feit ber Veftionen auf ber Kan3el unb in ber Sonntag^ 
fdiule; 3 . bic' Thatfacpe, bafe feit ben Tagen beS ^otpa« 
poraS ber ftiUc Gittflup eines tücbtigen VeprerS einem 
jeben feiner einen bleibenben Stempel aufge-- 

brüeft hat. Gin folcper i^eprer ertoirbt ftch bnrep feine 
Kenntniffc unb Genie bie Adbtung feiner Sdjiiler. Seine 
Serebrer finb gerabe in bem Alter für ftclbcnoergötterung. 
Gr pat tpre ungethcilte Aufmerffamfeit, niept für ahge- 
nupte Tpemate eine halbe Stunbe in ber 31 'ocpe, fonbern 
für frifche unb intereffante ^eftionen bie gatt3c S?oche hins 
burep. Tarnrn haben feine Anftcptat üfner bie toichtigften 
Angelegenheiten, felbft attfeer fernem befottberen gaep, 
öfters größeres Gemidbt bei bem Stubenten, als bte ber 
Gltern unb ^rebtger, Sifcbof Tpomfon übertretbt fchtoer- 
lidj, toenn er fagt: „TaS Schul3immer ift bie grofee 
Duelle beS National^GparafterS unb eS fenbet enttoeber 
füge ober bittere SBaffer burep alle Kanäle beS TenfettS 
ber Nation. GS mttft enttoeber in ben ftänben reltgiöfer 
ober irreltgiöfer Wenfcpen fein, lfebergebt cS ben ftänben 
ber Veptcren, unb ber gaÜ unferer Nepubltf ift nur eine 
grage ber Seit.“ 

Tie Sflicpt ber chviftltcpen Kirdte in ber 
Gleichung muft ebenfalls flar erfannt itttb tief ge^ 
fühlt toerben. Tie Gefcpichte 3eigt, bah in unferem X'anbe 
biefe Pflicht fehr frühe erfannt unb treulich auSgefiibrt 
mürbe. Sktrum finb mir heute hier? UnS 311'freuen 
über bte Gefcpichte ber erften fündig Sapre beS erften 


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$08 tttoralifrfjf (Slnnent brr (Kqieljuttg. 


3?9 


Collegiums ber SEWett^obiften in Slmerifa. G$ möchte eine 
Grflärung nöttyig fcheinen, ba& bic ^a^treic^ftc proteftan* 
tifd^e Benennung biefes Raubes baS gelb ber höhnen 
Schulbilbuitg fo fpät betreten hat. Slber in ben elften 
fünfzig Jahren tonnte biefelbe faft nichts thun als miffio= 
niren. 

SBir grünbeten fcfyon früh Slcabemien, beren ©rab mit 
ber Qeit bebeutenb erhöht unb tyre3a$l oermehrt mürbe; 
aber ich münfehte, mir Ratten ba$ Bob oon Gbmarb 
Goerett beffer oerbient, menn er fagt: „G$ mar feine 
Jtircfyc in ben bereinigten Staaten fo erfolgreich befchäf* 
tigt in ber Grjiehungsjache, mie bic Sttethobiftenfirche." 
Gme Jbee üon beni, maS mir gethan haben in biefer Sti<h= 
tung, mögen mir aus bem berichte be$ bereinigten Staa* 
ten GonimiffärS ber Griichung für 1878 befommen, ber* 
felbe jeigt, bajj bie bijd;Öfli^e 3 )iethobiftenfirche 44 Uni* 
Oerfitäten unb Gollegien mit 7930 Stubenten hat. 3 U 
biefeit fommen noch 90 Seminare, 2 lcabemien unb 3 )iäb* 
<hen*ijnftitute, mit einer Stubenten^ahl oon mehr als 
13 , 000 . Unb biefe Slnftalten haben einen ©ejammtmerth 
Oon $ 11 , 560 , 000 . 

^HUe biefe öochfchulen mürben Oon c^riftlic^eix Männern 
unb grauen 3u bem beftimmten gegrünbet, mora* 
lijche unb religiöje bilbung in Verbuibutig mit ben 
SBij'fenfchaften au beförbern; unb neun 3 ehath*ifc aller 
höheren Behranftalten in Slmerifa finb unter ctyriftlichcr 
Stuf ficht unb pflege, SBetxn baher, mie mir ge jeheu haben, 
ber Staat um feinet eigenen Vorteils milleu oerpflichtet 
ift, fittlich unb religiös ju ei^iehen, fo ift eS bie Kirche 
noch oiel mehr — burch bie gmingenbe SDiac^t unmiber* 
ftehlid^er ©riinbe. — Um ihrer j e l b ft m 1 11 e n, um 
ber 9 )ienfchh*it milleu, um beS Banbe£ mtl* 
len, um Ghrifti milleu muß fie, mie fie immer 
Voar, ein borbilb in biefem gro jjen SBer 1 e 
fein. 

3 ch erinnere mich einer Unterrebuug, in melcher einer | 
ber auSgejeicbnetften rationalifttfchen ^rofefjouen biejeS 
Banbes/nacbbcm er oon ben SJlethoben oerfduebener Gol* 
legien in Ve$ug auf religiöfen Unterrid)t gehört hatte, 
Jagte: ,/gch mürbe um feinen ^keiS einen meiner Söhne 
unter ben religiöfen Ginflufj oon SBilliamS*, 3 )armouth ; 
ober SBeSleoan * Gollegium ftellen. £eitn menn ich an* 
nehmen mürbe, bafj ein gemiffeS £üig nötl^ig märe 311 
glauben, um felig 311 merben, fo* mürbe \dj mich gebunben 
fühlen burch jebcS (Gefühl ber Ghre unb Pflicht, baß jeber 
meiner Slufficht anoertraute Stubent in biejent ölauben 
grünblich unterrichtet mürbe." Kirdje ©otteS, maS ge* 
bietet bic bei benfelben ©runbfä^en ber Veurtheilung 
beine G*hre unb Pflicht ? „Seige betnen ©laubeit mit bei* 
nen Werfen!" 

2te Pflicht eines GollegiumS ift, für mora* 
lifcbe unb religiöfe Gultur Sorge 3U tragen, um baburcty 
Beßrer unb Stubenten für ihre Arbeit 311 begeiftern. GS 
füllte baher in jeber Slnftalt eine paffenbe, geräumige 
Äapellc fein. SBo cS eingerichtet merben fann, füllte eine 
OöUig organifirte Kirche mit bem GoUegiunt in Serbin* 
bung fielen, mit Sonntags*©otteSbienft, Klafeoerfamm* 
lungen, Veiftunben unb Vibelforfcben. Bafjt feinen jun* 
gen SMann, ber ben Stuf jum s $rebigtamt empfing, unb 
ber oon feiner glühenben ipeimat^Kirche mit brennenbem 
Gifer in baS Gollegium tritt, baS fröftelnbe (Gefühl 
empfinben, als ob er Oon gloriba nad) ©rönlanb gefom* 
men fei. 2 )ie täglichen SJiorgengebetc in einem Gollegium, 
gleichmie in einer moblgeorbneten chriftlichen öeimath/ 
füllten feiten oon ehrfurchtooller unb gefammelter Sin* 
bacht fein, mo l^cr^Uc^ gefungeit, ein intereffanter Slbjchnitt 
auS bem SBorte ©otteS namentlich gelefen unb ein 5ioecf* 
entfprechenbeS ©ebet gehalten mirb. 

Ge ift örunb anjunehmeu, ba^ gegenmärtig ber ©eift 
in unfern Goüegien nicht gan$ fo religiös ift, mie früher. 
2luf trgenb eine SBeife füllte baö 2 l 5 ort Oiottee barin ftubirt 


merben. S 3 efonber 3 aber follte man feine Singriffe ober 
Seitenhiebe auf bie 53 ibel bort oernehmen, ober Gntjchul* 
bigungen in ^ug auf ihren ^n^alt für nötbig halten; 
benn ihr göttlicher Inhalt ift hinlänglich bemiefen gegen 
bie fchärfften Singriffe ber üritif ih^er greunbe unb geinbe. 

Sluch füllte in einem Gollegium baö gricchifcbc’^efta* 
ment, t^eorerifebe unb Jmaftifche Sitten lehre, natürliche 
Rheologie unb Slpologie be^ Ghriftenthum^ grünblicb ge= 
lehrt merben. £ie beiben lehtgenannten finb befonberö 
mtchtig in unferer ffebtifeben 3eit. Sebe^ feefddecht mufe 
bie S 3 emeife be^ Ghriftenthumö mit befonberer 'S 3 c,dehung 
auf bie mobemen Ginmenbungen auf’ä Sieue baiiegcii. 
Selig ber 2 Jiann, beffen Oon Cben erleuchteter ©eift te* 
fähigt ift, biefe Slrbeit mit Grfolg 31t thun. (Tcutfchlanb 
fann fich glüdlicb fchäfcen, bafe eö in gegenmärtiger Seit 
Männer hat mie Ghriftlieb unb i ; utharbt, bie im Staube 
finb, mit ber straft eine^ §erfule$ ber Sd'langenbrut 
brö Unglauben^ $u begegnen unb fein SKebufenhauht 5U 
3ertreten.V 

Siocb einige 33 emerfungen über ben Gharalter ber Stu= 
benten, bie aber au^ tieffter ilcberjeugung femmeu. Gin 
Gollegium ift feine Steformfcbule, auch lein Spital für 
oerborbenc unb oermabrlofte Stubenten, nod> ein be* 
quenter Spielplah für gaullen^er. Gö ift im Gegentl;eil 
ein Crt, ber Wahrheit unb Sugenb gerned;t unb beftimmt 
für angeftrengtes unb ernftliche^ gorfchen unb Streben 
nad; SlIlern, toa^ gut, ebel unb oortrcfjlich ift. GS ift ba= 
ber eine \1noer5eihlicbe GleicbgüUigteit, menn man eS ge* 
fcheheit läfet, ba§ bie Sltmofphäre cincö Collegiums burch 
ben faulen Slthem ber Unfittlichfeit unb beS UngehorfamS, 
ober burch geheime Umtriebe ber Verführung unb Utt* 
orbnung für längere Seit oergiftet mirb. üafjt uns mit 
ben gebautenlofen jungen Leuten eine Seitlang Öcbulb 
haben, befonberS menn fie babei OöUig ehrenhaft unb 
mahrheitsgetreu finb; aber lajjt alle Gltern ocrficbert 
fein, bafe ihre Söhne in unfereti Gollegien nicht in Vcr* 
fuchung gebradit merben burch bie ©egemrart oon trun* 
feiten, lieberlicben, lügenhaften, rnuthmilligcn ober herum* 
lungernben Mameraben. ^a&t alle foldie frcbSartigen 
SluSmücbfe unerbittlich abgefchnitten merben. 

Siknn nun ein Gollegium einen folchen Gl;arafter oon 
feinen Stubenten forbert, mie oielmehr oon feinen 
^ r 0 f e f f 0 r e n u u b V 0 r ft e b e r n. Sl>o möglich feilen 
biefelhen SNänner oon glämenbem ©etiie, oon grünb* 
lichem Sßiffen, ©efebief unb ©abe gum Vebren fein; aber 
Scanner oon einem nebeln Gharafter unb ebelcn ©runb* 
fäpen ntüffen fie fein. Slnbere als S 01d?e an biefe 
michtigen ^often 3U ftellen, h^ ^itt ^hiri treiben mit 
ben hücbften gntereffen unfcreS ©efchlechtS. 

Unb ift eS nicht flar, nach bem maS mir in biefer 
Stunbe oernommen haben, baft folchc Gharaftere unbe* 
bingt auf christlicher ©runblage bafirt fein müffen? 

Solche Männer maren meine l\'h rc r in meiner gugenb. 
Von biejeit miü ich jebt Hainen ermähnen, ber 

noch unter ben iiebenben toeilt; aber mem S>er,3 perlangt 
ben ^räfibenten ju nennen, ber meinen Siamen in bte 
ttifte ber Stubenten einfehrieb, unb beffen majeftätifche 
©eftalt, fo lange fie fich auf biefem GampuS h' n un b h^ 
bemegen fonnte, ein beftänbiger Segen mar, unb auch 
ben ^räfibenten, beffen jarte »anb mein 2)iplonta unter* 
zeichnete, unb beffen reiner, ebler Gharafter mir alä einer 
ber berrlichften im Slnbenfen blieb, ich oteine S t e p h a tt 
0 (i n unb Sl u g u ft u $ SB. S nt i t h- SUe gmanjtg 3 afü? 
fpäter mich meine „Sllma SJtater" auf ben Stuhl berief, 
ben biefe Scanner eingenommen hatten, mar ich f ro ^ 
einige oon jener alten gafultät mit berfclben Öefinnung 
unter meinen GoUegen 311 finben; unb alö id; oor einem 
3abr fortging, um anöere Pflichten 311 erfiillai, mar e^ 
meine größte grenbe, folchc 3 )iänner ald SJütarbeitcr mei* 
nem Stacbfolgev hinterlaffen ju fönnen. Unb ich ermarte 
3uoerfichtiich, bajj ber teuren, alten SBe^lepan*Unioerfität 


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380 


Sonntagfdjui:£fktionen. 


tore fdjönc Succeffion foldjer gelehrten unb c^riftlic^cn 
Gqtc^er fyinunterreidjen möge auf ftinftige Sa^r^unberte, 
ifyre 5 Reil>en »eränbernb unb mebrenb, mit einer ftets 311 * 
ne^menben Scfyaar auSgejeic^neter Stubenten, bie ü?re 
öele^rfamteit einjaugen, ihren ©eift aufnefjmen, ijpren 
Gfyarafter fi$ aneignen unb tyren £immel ererben. 


2öie gefällt unfern beutfdjcn Sreunben ber Grjie^ung§* 
facfye biefc eloquente Stcbe bed gelehrten unb frommen 
®if#ofS? SJficb bünft, tc$ höre fic einftimmig fagen: 
J3i|d^of gofi bat ben Nagel auf ben ftopf getroffen.“ 
4>afi eine (rrüetjung o^ne Religion ein Unbing ift, l>at 
felbft bie JUinoid 0 taatö^eitung lürslid) gezeigt, inbem 
fie bie 3bec fpöttelnb »ermarf, l;ier in Sinter ifa eine £ebr* 
anftalt bed „jreien Startend'' ober eigentlich bed Unglau* 


bend ju griinben. Senn ber Unglaube fann nur nieber* 
reifeen — nicht aufbauen. 2 )?it Stecht legen mir und nad) 
einer folcben Siebe bie fragen »or: 0inb unfere beutfetyen 
^ebranftalten mirflid) bad, mad fie fein fönnten unb foll* 
ten? (Erfüllt eine folche ®egeifterung für aHed ©ttte, 
äBahre unb ©bie bie 0 eelen unferer ^rofefforen unb 0 tu* 
benten, hne ed ihre Stellung erforbert v Mähren audj 
unfere ^rebiger biefe Stegeifterung in ihren ©emeinben 
unb finb fie bie mürbigen Präger höherer Sludbilbung 
unb chriftlichcr (Erziehung? 0 mb and; unfere mo(»l* 
babenben ©enteinbeg lieber freigebig genug in ber Unter* 
ftütjung unferer ©oUegien? i&ürbe nicht, meint ^rc* 
biger unb ©lieber bie äLUctytigfeit einer religiod=miffen* 
fcbaftlichen ©r^iehung nach tyrem Sollen 33)crtbe fcbäfccn 
fönnten, bie 3 af>l Kr Stubentcn in allen unfern Slnftal* 
ten fich halb »crboppeln ? ©ott fegne bie Jnfiitute unfe* 
red geliebten beutfeben ;^iond, unb befonberd bad beutfdfc 
englifctye ©ollegium 311 ©alena. 


-- 

Somttagfdjul=Rektionen. 


Sonntag, 2 . ^uli. 9 ö?arf. 10 , 1 — 16 . 

(£l)riftUd)e unb Äinbcrjudjt. 

$ejt: 3di hanblc »»nichtig unb reblid) bei beiten, 
bie mir angeboren, unb toanble treuüd) in meinem 
Saufe. $j. 101, 2. 

Einleitung. CDtc hcibeit äitfierltd) nid)t un¬ 
mittelbar suiamntcitgchöngeit Srsählungcn unferer 
fieftioit bangen boeb titfofern inner lieb aofam* 
men, at3 fie bie beibeit in ber Ucberfcbrift genannt 
ten Sau»tftücfe eined deutlichen Samiliettlebend 
tunfafien. ^ ^ „ 

I. 2)ic Entfihcilmug (55. l—12). ®. 1: 3cfud 
bat feine SBirftamfeit in © a (i l a a abgefchloffctt 
unb mctibet fiel) nun i e it f e i t d b e d 3 o r b a it d f 
b. b. tiadi 55 er da; and feiner ffiivrfamfeit ba* 
felbft berichtet und 902arfud bid 10, 31 brei lofe an* 
ciitanbergcrcihte Stüde, mctdje cbenfo and) non 
ED? a 11 h a u d unb £ u r a d gaits in berfclbcn Nei* 
beufolge in bie 3eit ber lebten Neife 3efu ttadj 3e s 
rufalcm »erlegt morbeit, melcbe ibtt in bie Ocrter 
bed jftbifeben fianbeS, b. b. bad fchon ge* 
nannte ©vensgebiet öftlidj oon ©alilä a unb 3 u- 
bäa führt. ED?itten in biefe ^Säuberung, bereit 
5lufbrticb x>on betn aulefet genannten St a D e t n a it nt 
(9,33) bie SBortc: „u it b er m a d) t c f i d) auf" 
fdtilberu, fällt ohne B^cifef ber fitrac unb baruiit 
nur »on 3 obanned (10, 40) audbrücflid) er* 
mahnte Slufentbalt auf beut fiircbmeibfcft in _3 e* 
r u f a l e nt, bad er allein ohne feiite 3üngev befuebt 
Sit haben febeint, unb theilt biefelbc in smei bci*3eU 
nach ungleiche Sälftcn, mit einem boweltem suerft 
fürseren, bann längeren Slufentbalt in 55 crä a mtb 
beit bcitadibarteit ©veitdtvicbeit, um auch in biefev ©e* 
gettb noch »orbcmGnbc feiner Saufbabit bad(S»ait* 
geliunt su »tebigcit. Sind ber EScmerfiutg: „bad 
55olf ging abcrtnald mit Saufen su ihm" 
fdycint ber»orsugebcn, bafebet hier ersäblte 23organg 


mobl erft in btc adelte unb Tcfete Sälfte jener fteft* 
reife fällt, meil auch 3 o h a tttt e d (10,42) und cvft 
and biefer (Scbluftseit bcvfelbcit clmad Slcbulidtcd 
berichtet, mie ia and) ED?a 11 b ä ud (19,2) eben* 
falld »ott SButtbcrbeiluiigeit tmb einer groficn EDccnge 
»on Nachfolgern ersäblt. 3 ualcid) liegt baviit aber 
auch eine beutlicbc 9iüc!besiebung auf SNavf. 9, 30 
unb ein gern i ff er abfirbtlicbcv ©egenfab su feinem 
5 ?erfahren in ©aliläa; mährenb er hier fidj 
möglichft »ovfichtig aurüdgesogen hatte, um fich and* 
fd)lieblich ber llntcvmcifung feiner 3 üitgcr su U'ib* 
men, hatte er hiesu iebt iit 5 ?cräa feinen ©vunb 
mehr, beim er ift auf £cv lebten Ncifc nadt 3 eru* 
f a l em begriffen, mo er öffentlid) ald EDceffiad mm 
lebten mal auftrcteit mill unb alfo unmöglich lein* 
gcr »erborgen bleiben fann, unb nun »rängt fich 
auch hier miebev bad SBolf ebenfo 311 ihm, toic früher 
fdmtt in 65 a ltlda. 

®. 2 : ®ad 5 ? c v f u di l i ch e ihrer fvrage tritt 
bei 902 a 11 b ä tt d noch ftdrfer hervor burdi beit 5 iet* 
fab: rftim irgeitb einer Urfadie millcit"; cd lag aber 
gans befonberd auch tn bent Schauplab bei* ganseit 
5 ?crhanbluitg, bent 65 ebicte bed © e r 0 b e d N11 1 i* 
»ad, mo cd um fo gefäbrlidier mar, ftdi über ,,©hc* 
fdieibiutg" audsuf»rcdicn, ald er felbft eine ©cfdiic* 
bene, S c r 0 b i a d, bie frühere Göttin feined 93 ru* 
berd 55 h 1 1 1» » u d, sum ®cibe hatte (EDcatth. 14 , 
3 ). ©ie hoffett, er merbe entmeber buvch eine 
ftreitgc Srflärtmg bem ßof tittb ber mclllidtcit 5 >e* 
hörbe an nah treten, ober burd) eine lai:e ber geift* 
liehen Obrigfcit, bent mofaifdicit ©efebe felbft' unb 
ber 55 artei ber 5 -vontmcit, bie ttatncntlid) bev Säufer 
vertrat (ED?atth. 14 , 4 ). 

®. B: ®ie ftrage: „$ 5 ad hat 90 ? 0 f ed ge* 

boten?" i|t bei 90 ?arfud 3 cfu felbft in ben 
90 ?unb gelegt, bei 90 ?a 11 h ä ud bagegen Km 55 ha* 
rifäcrit, unb smar ald Sludfage über bie gcfcblidie 
9 ?erbinblidifeit ber mofaifchett Srnorbnuitg, bie 3 e* 
fud ald eine falfdjc ober bod) übertriebene Scbatr»* 


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Sötmtagfd)ul=#eläknen, 


381 


tung gurüdweift burd) feine beriAtigenbe Antwort: 
niAt geboten bat cucfj Sold)e3 9)?ofe3, fonbem 
vielmehr nur ertaubt. ® iefe Saffung bei 93? a t= 
tbä u3 lägt allerbing3 ben lebtcven ©eaenfafe fla* 
rer uitb fehävfer hervortreten; allein aucl) bie ‘Dar* 
ftcllung be3 93? a r f u 3 flieht ein gute3 unb rid)tige3 
3Mlb be3 35erlaitf3 unb namentlich bei riebtifler 
Raffung von 33. 5 einen fluten Sinn, obwohl er 
fcbciitbar ba3 aerabe ©egcntheil beruhtet, ba er bie 
9lbjd)wäd)ung „9)?ofc3 bat g u g e l a ff e n" 35. 4 
vielmehr ben 93harijäern in ben 93?mtb legt. 

®. 5: 3 o l A © e b o t ift nicht ba3 ©cbot ber (5bc- 
fAeibung felbft, bie ia vielmehr nur einBugcftaubnih 
roaT, fonbem bie gcfebliAe üöcftimmung (5 5D?of. 24 / 
1), wornad) fie nur vermöge cine3 „Scheibebricfe3" 
reAtmähift unb rcd)t3giltig bcwerfftclligt werben 
tonnte. Damit war aber gugleid) auch wcnigften3 bie 
ßuberfte fcbranfentofe38i(lfübr abgewehrt, bicSAci* 
buitjj felbft auf eiflcntlidje 9?otbfalle bcfdjränft unb 
fomit felteuer flentaebt unb ihre 33ollgichiutg bureb 
flttticftere Sonnen vor bem gröbftcn 93?ihbraud) ge* 
febüfet. 9J?ait muhte näntlid) eine3 bc3 SAreiben3 
laubigen 3d)riftflelebrten bagu nehmen, ber gugleid) 
abmabncit unb vermitteln tonnte unb jebcnfalI3 
nach ber Urfadje ber Drcnnung forfebte, bie febon 
itad> bem ©efefe eine wirtlid) „fdumpfliAc" fein 
muhte (5 93?of. 22 , 19 . 29 ), naA ßhrifti ©ebot frei* 
tiefe nur wirf(id)er ßbebrncb fein tonnte (93?atth. 
5, 31), woburd) ba3 33anb thatfaeblid) fchoit gerriffen 
war, fo bah bie gcridjtUdje Scbeibung nur noch bie 
red)t3fvaftige Auftofung berfelbcn auch burd) bür* 
flerlidje Trennung betätigte. 3lenc 25orte follen 
alfo nur geigen, bah bie gefcfeliclje 35crfügung (ober 
beffer: ©rlaubitih), auf welche fie ficb berufen woll* 
teu, wenn 3cfu3 etwa in ftrengem Sinn fid) gegen 
alle unb jebe ©hcjAeibung erflärt hätte, nicht fo* 
wohl eine 93?ilbcrnng, fonbern vielmehr gerabc eine 
S5erfd)ärfung enthalte unb alfo ihre eigene larc Au3* 
legung unb bie noA viel laxere 33vaxi3 niAt nur 
nicht entfdmlDige, fonbem richte unb vcruvtheile. 

8 . 6 : AuA hier weiAt 93?arfu3 lvieber von 
ber Anordnung be3 93? a 11 h ä u 3 ab, ber von bie* 
fer urfvrüngliAeu Sdv5vfung3orbnung (1 9)?of. 1, 
27; 2, 24) au3gebcnb erft jpätcr auf oa3 mofaifAe 
©efefe gu fvrechen fommt unb fo ^efum von vorn 
herein allen Sdmlftreitigfeiten ber 33harifäcr unb 
ihrer verfebiebenen ©efebe3au31cgung gegenüber fid) 
auf iene urfvrüngliAc 3Aovfung3orbming ftellcn 
la§t. ©ier bagegen ift bie Sad)e unb ber ©ang ber 
SSerhaublung wieberum gerabc umgetchrt, ba e3bem 
93?arf u3 weniger barum gn thun ift, ben wirtlichen 
gefdnAtlirhcn 93crlauf ber lefeteren treu gu fAitbern, 
al3 vielmehv nur ba3 wiefetigfte firgebnth turg gu* 
fammengufaffen unb bie Svifee, in welAe bie gange 
ßrflärmig ßhrifti au31äuft, mög(id)ft fAarf her* 
au3guftc(ien. 

®. 10: D a h e i m, b. b. im ©att3 feinet bor* 
tigen ©aftfrcunb3, ber ihn beherbergte; feine 
3 ü n g e r fragen ihn hier noAma!3 privatim; 
wir haben alfo im Solgenben eine jpegielle ©rflä* 
rung ^efu über bie ShejAeibung feinen Apoftcln, 
alfo ben Stiftern unb ©rünbern feiner tünftigen 
©emcinbe gegenüber, fomit eine Seftimmung, bie 
auefe für biefe noA gelten follte, unb bie ©runblage 
für ihre fircfeüAc ©efcfegebiing gu bilben, beftimmt 
mar; baher bei biefer Verfügung 93. 12 auA ein 
folAer Sali vorgefchen fein muhte, ber btf 33rael 


gar niAt vortommen tonnte, ba hier bem SQeibe 
niefet geftattet war, von fid) au3 bie Scheibung gü 
betreiben, fonbern nur bem 93?anne, währenb bei 
9J?atthäu3 biefer Bug ebenfalls wicber fehlt, 
weil er and) bie wicbcrholtc Anfrage ber jünger 
nicht erwähnt. Daraus ift aber um fo weniger gu 
fcbliehen, bah biefer Bujafg nur von 93?arfu3 
ftamme, al3 ia biefe ©IciAbcrcdjtigung 3>eiber ge* 
rabe au3 ber vom ©errn fo ftarf betonten uvfprüng* 
lieben Sd)6pfung3orbming gang von fclber folgt 
unb fid) nothwenbig ergiebt. 

®. 12: ®ie3 ift wie gefagt ein ben Sgubcn Qans 
frember unb barum auA im mofaifAcu ©efeü völlig 
unberüdudjtigter Sali; nach 3 o f e v h u 3 feil © a* 
lomc, bieSAwefter ©crobeö bc3 ©rohen, bie 
erftc Stau gewefen fein, bie bie3 that, unb öero= 
bia3 ihr biefe fonft nur bei ben hcibnifcljcn ©vic* 
Aen unb SKömern übliche Sitte naAgcahmt haben 
(bergt. 1 Sam. 25, 41 ; 1 ©er. 7 , 13 ); baher and) 
90i a r t u 3 wahrfcfeciuliA bic3 barum befouber3 in 
fein ©vangclium aufuahm, weil bic3 nicht wie ba3 
be3 50? a 1 1 h ä u 3 vorwiegenb für ©hriften au3 
33rael, fonbern au3 ben ©eiben beftimmt war. 

II. $ie Älnheiffgimiiö ( 35 . 13 —IG). ». 18: 
9?aA 93?a tt hä u 3 ( 19 , 13 ) baten fie um feinen 
©egen vermittelt ©anbauflegung unb ©ebet, wie 
beim aueb gu ähnliAcm B'vede biefiinber häufig 
ben fRabbincrn gugeführt worben fein feilen; inbef* 
fen erwarteten fie von feinem Slnrühren biefe 
gciftlidjeSBirfung cbenfowenig al3 biefi'ranfcn ihre 
teiOlicfee Teilung in einer blo3 äuhcrlidjen (uia* 
gifAcn) Söcife, fonbern ohne Bweifct lag ihrem 93er* 
langen ein innerlicher (fittlichcr) 3ug bc3 ©lau* 
bcn3 au ihn gu ©runbe, fonft hätte er fie gang au* 
ber3 behanbclt. 

®. 14: ©ier ift ba3 eingifle mal, bah von J(efu3 
berichtet wirb, bah er un willig würbe, ber©vunb 
lag in ihrem ebenfo unberufenen unb eigenmächtigen, 
a(3 licblofcit unb thbriAtcn ßingreifenwollcn. Bwar 
meinen fic c3 nid)t fchlimm mit ben Äinbcrn, fon* 
bern vielmehr gut mit bem ©errn, fie wollen ihn 
fAoncn; aber e3 ift bod) blo3 falfAer fleifchlicber 
8iebc3cifcr unb barum wehrt er ihnen in heiligem 
Bornc3eifer, weil fie beit fiinbern hatten wehren 
unb in vcrmcintliAer filughcit fie vom ©errn unb 
feinem ©eil abhalten wollen. 6r Iaht fie gitgleid) be* 
febämeno fühlen, wie weh ber von ihnen felbft 35. 
13 gegeigte Unwille ieneit 9J?üttcrn gethan haben 
muhte. SolAcr belicht fid) lunäAft aüerbing3 
auf wirfUchc ffiuber, bem (leiblichen) 9Uter 
nach, beneuber©crt hier gang ungwcifclhaft itiAt 
blo3 im Allgemeinen einen (aeiftliAen) Segen mit* 
theilt(35. 16 ), fonbern gerabegu fein ©immclrciA, 
ober weniflftcit3 ba3 Anrcdit auf ba3fclbe, wenn 
auA nod) niAt feinen vollen 33efifc gufAreibt. 95Bei* 
tcvhiu fiub e3 aber auA naA 33. 15 bie Äinbcr ber 
© c f i n it ti it g naA, b. h. ©nvaAfenc, in wetdku 
! aber ber äebte Äinberfinit noA ungetrübt fortwirft, 
fo bah He ^inber geblieben finb, ober bie burefe 
innere geiftige Untfchr ihn wicber gewonnen haben 
unb in biefem Sinn wieber auf3 9?cuc burA eine 
Uinwanblung ihre3 ©ergcn3 fiinber geworben 
finb (vergl.Job. 3 , 4 ). 

®. 15: 2ßcr von etiA SrwaAfcnen ba3 9teiA 
©ottc3 niAt emvfähet, b. h. niAt in fid) 
aufnimmt, a 13 ein Äfiitblciit, b. h. alfo ebenfo 
anfprud)3lv3 unb empfängliA/ fo frei von Stolg unb 


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382 


$onntögfdjul»#ektiimeiu 


Slnntaßuna, aber auch oott Vorurtheil intb Ver« 
ftelluitfl, fo Poll unbeflrcngten Vertrauens unb ebne 
alte Sfurdit unb ätißftlkhe Sorflc, fo avflloS gutrau« 
lieb unb hoch Poll garten GJcwtffenS, fo ftUfäbcbfirftig 
aber auef) ßlaubeitSooll, fo ohne allcS eigene 8er« 
bienft, aber Poll Gifcr unb Sernbeflicrbe, ooll bau!« 
barer Siebe unb Dlnbäiißlidtfcit, ooll treuen unb 
bcmütbiflcn ©eborfantS, fo u>ittin# befebeiben unb 
cinfältifl im beften Sinne beS 23 ortcS, wie ein ttodt 
unocrborbeneS £ittb. 9Rit allcbeut aber null ber 
©err natürlid) nicht biefe „ttnfcbulbiflcn" Äittber alS 
oollfontmcn fünbloS begeidnten, waS ia auch 
ba, )oo fie noch tiitftt mit SSewußtfcin unb freiem 
SUiüeit VofeS acthau unb eine pcrföitlidtc fittliche 
Verfcbulbuitfl auf [ich aclabcn haben, feboit tun ber 
„Grbfünbc" willen nicht tnoßlid) ift, unb noch oicl 
weitiflcr miß er faacn, bah fie um fotcher „Unfchulb" 
willen fdwtt aang non felber unb ohne äBcitercS feliß 
werben, fonft hätten fie ia oar nicht erit gu ihm, alS 
ihrem eiitgifleit ©eilanb, acbra(ht werben muffen, 
fonbern nur, baß fie oermofle biefcS ttodj oott eiaener 
Süitbc unb Sdjulb unbeflecftcn SuftaitbS fftr’S 
©imutelreid) empfäitfllid), tiichtia unb fäbifl gu 
feiner Slneißiiuiiß, unb für ©ott annehmbar 
(oerfll. Slpoftelßefd). 10, 35 „anßcncbm" unb brauch' 
bar) feien, waS aber ebcitfo wie an lcßtcrcr Stelle 
nicht auS-, fonbern oiclmcbr acrabe einfchlicßt, baß 
fie gu wirftidjem Gintritt in baffelbe erft ber 
SBieberaeburt unb ©ergenSerneuerunß in Vuße unb 
GMauben unb ber ©eiftcStaufe bebürfen. ®aS Gleich 
©ottcS muß man erft innerlich iit’S ciacne ©erg auf« 
ciiomntcit haben, ehe man fclber pcrfoitlidj in 
affelbc aufflcnommcn wirb alS SRcicbSflcitoffe unb 
SMitcrbc ^cfu Gbrifti. 91 ei dt ©otteS hat auch 
hier wie überall einen hoppelten Sinn: baS Die ich 
©ottcS, baS man in fiel) aufnimmt, ift GhriftuS 
felbft, alS baS perfon liebe ©eil, unb baS Dicich ©ot« 
teS, tu baS man angenommen wirb, ift bie 0c= 
meinfehaft unb G3enoffeitfd)aft feiner DleicbSßcmeittbe, 
ber niemanb wahrhafte aitßeborcn fann, alS wer 
mit ihrem himmUfchcn ©aupt burch pcrföitlidtc 
©eilSerfahruna im ©laubeit unb Siebe ocrbuubcit 
ift. ©cu ©runb gu tefetcren (cflt bie 23iebcr« 
taufe infofern, alS fie guitädtft einmal icbcnfallS 
in beit äußeren Bereich ber ficht bar eit fiirdtc oer« 
feßt unb bamit bie 9)2 öfll ich feit aicbt, ihrer 
Seantutaen, 8orred)tc unb ©nabcninittcl theilbaf« 
tia gu werben; gur 2Birf(idjfeit aber wirb bieS 
bloS bei betten, bie burch eine attbere alS nur bie 
STßaffcrtaitfe, bttrd) bie Feuertaufe beS heil. ©eiftcS 
fiel) auch 31 t Icbettbißen ©liebem jener tut ficht« 
baren £ird)e b. h. beS ©ottcSrcichcS in feinem 
wahren unb wirflid)ctt Sinne utadjeit laffett; ttttb 
foferit ber ©err hier jebenfallS auch beit fiinbent 
tninbeftenS bie Gmpfäiißlicbfeit hiefür gu« 
fd)reibt, ja foflar fchott einen wirflidtcit Seaett 
tu i 11 h e i 11, nicht bloS ocrfpricht, g tt c i fl n c t, nidit 
bloS gufidtert, fo lieflt hieritt allerbiitflS ein ©runb 
für bie Vercdjtiflti ttfl ber 23iebertaufe eiuerfeitS, 
attbererfcitS aber eben fo fehr auch eine Vcrpfiidt« 
t tt tt cg gu chriftlidtcr Grgichuttfl ber ©etauften, weil 
ihnen nur jo ber Seflett ihrer Saufe bewahrt unb in 
ihnen lebenbifl unb wirffam aemadtt werben fann; 
in ber 25 a r tt tt tt fl: ber wirb nidit hinein f o nt m e tt, 
lieflt eben fo fehr unb unmittelbar auch eine eritftc 
SKahnunfl, mit aller Äraft barnad) gu tradjten, 
baß man hinein b rin fl c. 


8.16: h e r g t e b. h. umarmte fie, waS nur noch 
9, 36 abermals oon einem fiiitbe fteht; 1 efl te bie 
©ättbc auf fie, fcflttettb ttttb gttßleidi auch 
jdtüßeub ttttb oor beut Dlraen bewahreub pob. 10, 
28 ), beim itt bettt für’S ©iintttelrcich flefchaffcneit 
ßiitbe ift baS altcS ttodt nidit reflc fleworbett, waS 
beu Grwachfcueit fo oft am©itntitelreicb hiubert ttttb 
hemmt, bie Süitbe ift noch nicht feine eiflcttc Shat, 
Sadte feiiteS pcrföitlidteit böjett 25illettS fleworben 
unb oor foldter Vcrfdtulbuiiß fatttt Vicntanb alS 
nur ^efttS allein bewahren, baber bie 9?othwcnbiß« 
feit, bie Hinter fürbittenb in feinen Schuß gu ftellcu, 
aber auch nicht burch ciaeneS bbfeS Veifpiel fie gu 
verführen unb ihres SauffeßettS gtt berauben. 23ei 
Suf. 18,15 ff. ift biefe ©efd)id)tc etwaS anberS ßc« 
ftellt, nämlich nachbent ©Icichniß Pom 8ha vif äcr 
u nb 3ß 11ner im Sctttpc 1; hat bicfeS ßegeiflt, 
wie nur felbftlofe ©cmitth iu’S ©itnmelreich führt, 
fo fcblicßt jene fiel) fehr aut fo an: 2ßettu CsSctt fei« 
ber bie ©ochmüthiflcn beitflt unb bie ©criiiflcit er« 
hebt, toic füllte bann fein eißener Sohn bie itiuber 
Pom ©iinmclrc'uh ferne halten? Unfcrc natürliche 
uncrlcud)tetc Vernunft meint freilich, ffinber ntüffen 
erft Gnoadtfcnc werben, um beS G5ottcSreidicS theit« 
haftig toerben gtt fottnett, Pott bem fie ja noch flar 
nichts pcrftchen, aber ber ©err lehrt hier ßerabe baS 
©cfleitthcil. Gin wefentlicheS Stütf cpanflelifd)cr 
©efdjichtc würbe ttitS ohne, tiefen befottberS lieb« 
liehen 3ufl fehlen; gwat feheit wir and) fonft 3efmn 
in ber Äinberwclt, aber fein aitbercr bcrartiflcv Vor« 
attß ift Pott fo untfaffcitbcr unb Pielfafleuber 8e« 
cututtfl. 

SiSPofltton. ©aS hättSlidje Sehen beS Ghrifteit. 

1. 3iu SBcgufl auf feine Ghe flilt: 

a) 25aS CS5 ü 11 gufantmeitflefüßt hat; 
Ghefchließuitfl im 9(ufblid gu ©ott ttttb in 
feinem bauten, 

i>) foll berDÖicnfcb nicht feheibett; Ghc« 
fühntttfl in rcd)ter Siebe ttub Svene fleflen« 
eiitaitbcr; 

2 . ^n Vegttfl auf feine 5?iüber foll er hau« 
bcln toic jene Mütter: 

a) für fie bet eit (brachten fie gu Ghrifto), 

b) fie flottfcüfl crgichctt (fühvtett fie 
ju ihm), 

c) ihnen ein frommes 23eifpiel flehen 
(flittflcn fclber mit). 


Soitntafl, 9. 3uli. SIRarf. 10, 17—31. 

2)ct ret^c ^nngting. 

2«rt: Unb ?[cfuS falte ihn an, ttttb liebte ihn, 
unb fpradt gu ihm: GittS fehlt bir. ©ehe hin, per« 
laufe DllleS, waS btt haft, ttub flieh cS beit Sinnen, 
fo wirft btt einen Schaß im ©imntel haben; unb 
fotnnt, folfle mir nach, unb nimm baS fireug auf 
bidt. 2)?arf. 10, 21. 

hriulfttuuß: Üttfcre hetttiflc Sectiott fteht mit ber 
leßten in boppeltem Bufammctthattfl: hatte biefe eS 
mit beit ©lieber tt oeS ©attfeS gu thutt, fo banbeit 
ficb’S jeßt tmt bie © ü tcr bcffelbctt; unb war bort 
am Schluß baS 9?eid) ©otteS erfd)iettett alS ehoag 
8 c i d) t e S gu ßewittnen, toeil eS bem SRenfdten attÄ 


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Sonntagfdittl^elitioiten« 


383 


Mion ohne aü c eigenen Seiftungcn ließ fclbft barüie= 
tet/ fo tritt cS hier al$ ein f dimer 31 t erlangenbcS 
auf; ber Anfang mtferer ©efdjidjte fdylicfet fid) 
aujjerbem au baS bort Grgählte auch ber 3eit nach 
an tntb fclbft ber Sortfdjritt vom fiinbe 311 m I^üng- 
Uitg ift nicf)t gang bebeutungSloS. 

I. $cr rtiilje 3itugli«a (iß. 17 — 22 ). ©.17: 
auf beit 23 cg, nämlich nad) berief )0 (V. 4G), 
auf feiner lefeten Steife von V e r d a nadj 3 u b d a 
tutb ^crufalem begriffen(V. 32 ). Öief Einer, 
nach SZattfy. 19,20 gmar noch eilt Jüngling, ber 
aber nad) Suf. 18,18 bod) fd)on ein „Qbcrfter ber 
Sdntlc", ein ©pnagogenvorfteher, unbbagu ja noch 
reich unb vornehm mar; bieS geigt gugleidj feinen 
Eifer, frei non SÜZcufdjcnfurdjt unb ©tanbcSvorur- 
theilen. 23 aS foll id) thun? b.b. maSfürcin 
hefonbercS eingeiiteS unb auherorbcntlidjcS „gutcS 
SBerf," bah id) ba$ emige Sehen ermerbc, 
nad) meldjem mein ©erg ftdj fehnt, unb baS id) bod), 
mie mir mein eigenes ©cmificn fagt, mit aller mei¬ 
ner au&crlidjen 9tcdjtfd)affcnheit unb Srömnügfeit 
nodj nid)t mirflid) bcfifec. Offenbar ift er ein ernft- 
lieb nad) bem ©eil verlangcnber DRcnfd), ber baS 
9tcid) ©otteS unb feine CS3crecf)tigfeit aufrichtig fud)t, 
aber nod) auf einem falfcöcu unb verteilten 28egc, 
nämlidj bem beS eigenen VerbicnfteS; aber er mi 11 
bod) menigftenS etmaS tb u n f unb ift barin ein bc= 
fdjämenbcS Vorbilb für viele fog. Ghriften, bie fid> 
in träger 9Zube einfad) nur auf ihr „gutcS ©erg," 
©otteS grobe Siebe unb Ghrifti emigeS SScrbtcnft 
»erlaßen, ober gar auf ihr äufiercS Strchengchen unb 
SMbeilefcit, 23eten, Saufe unb Abenbmahl. 

®. 18: ®icfe rage mirb gang falfd) verftan= 
ben, mcmi man fie, mie gcmölmlich gefchieht, auf bie 
A 11 r e b e begiebt („guter SDtciftcr!") unb fie bann 
fo erflärt, alS habe 3efuS et)oa auS 33cfd)cibcnbcit 
biefe AuSgeidmung, bie nur ©ott allein gebühre, 
von fid) ablehncn molleit, ober aIS liege barin aar 
ein verftecfteS 3ugcftänbnih Ghrifti, bah aud) er jcl= 
ber nid)t einmal völlig ffmbloS fei; vielmehr beigen 
bic 23ovte xid)tig überfefet: „maS fragft bu mid) 
über b a S ©ute?" ES giebt gav nichts ©utcS, maS 
nicht auS ber Offenbarung unb bem 28i(len Öcffeu 
fäme, ber fclbft allein ber ©ute, ber cingig mahv- 
haft ©ute ift. S)iefeu feinen SSillen bat er aber 
längft fchöit in feinen ©eboten geoffenbart, unb 
wenn e3 bir um baS ©ute mirflid) gu tbun ift, fo 
fudje vor allem 3hn alS benöuten burd) Scfol= 
guug fcineS 2BortS gu befriebigen unb ihm felber 
äbniid) gu mcrbeit. 9?iemanb ift guttt., bamit 
miß 3cfuS allcrbingS aud) baS fagen, bah aud) er 
felber nid)t gut fei auS unb in fid) fclbft allein, fon= 
bern nur megen unb in feiner fteügen perfönlichcn 
©erbinbuug unb2BefenSeiitheit mit bem allein guten 
©ott, gugleid) aber aud), bah Jfeber, ber baS ©ute 
tbun miß# erft felber gut fein unb m erb e n muh 
burd) bic ©eburt au$ ©ott unb bie Scben3gemein= 
fdjaft mit ©ott, ber allein ber ©ute ift unb emig 
bleibt, unb aud) unS erft maln'haft gut madjen fann 
tmb miß. 

©. 19. © in n: ©alte nur einmal biefe alten bir 
längft befanuten ©ebote redjt unb gang, fo tbuft bu 
fdjou baS oon ©ott gebotene ©ute unb bvaudjft uid)t 
baneben nod) irgenb ein aitbercS, befoitbcreS ocr= 
bienftlidhcS „gutes SBerf." Oer 2Beg ginn Evange¬ 
lium geht nidjt am ©efefe ooniber, fonbern burd)’§ 
©efefe hittburebf ber Üöeg gu Ghrifto] führt über 


9)?ofc3 gleidyfam aloSrücfe (orgl. ©al. 3 , 24 ). ® u 
f 011 ft DZicma nb tä u f chen b. h. berauben, be= 
einträchtig:!!, ühervortheilen, bid) nid)t au ihm unb 
beit ©einen vergreifen burdjSBorenthalten obcrGnt= 
giehen beffen, tvaS ihm red)tmä 6 ig gebührt ober ge- 
hört burd) trügerifche Sift. GS fino hier auSbrücf= 
lieh nur ©ebote ber 2 . Safcl genannt, beim biefe 
©ebote ber DZächftcnliebe mehren am grünblichften 
unb beutlidjfteu allem GgoiSmuS, alS ©runbmurgcl 
aller ©ünbe. 

®. 20: Er ift fiel) bemüht, bisher ein fittenreineS, 
äußerlich gercdjtcS Sehen geführt gu haben, unb barf 
bieS auch öffentlich ohne $eudjelei jagen, mährenb 
eS oft bei fo mandjen fdyeinheiligen DZamendmften 
noch nid)t einmal fo fteht, baß fie fiel) auch nur 
äufkrlid) von groben Verfehlungen rein erhalten. 
Vei SÜZatth. 19, 20 fügt er noch bei: „28aS fehlt 
mir noch?" b. h. morin bin id) alfo noch gurüd, 
melcheS iveitcre eingelnc ©tüd vollfommcncr ©e= 
fefecSerfüllung muh ich nun noch bagit hin vollbrin¬ 
gen, um feiig gmverben? Slllein auch ohne biefen 
Bufafe ift flar, bah er jcbenfallS gugiebt, er habe bie 
redjte Vefricbigung noch nidjt gcftnibcn. DJZarluS 
legt V. 21 j[efu felber bieS 3Bort in ben üDZunb; 
aber folche Keine Slbmeidnmgen beftätigen nur bie 
SBalyrheit beS VcridjtS, mährenb eine budiftäbliche 
Uebereinftimmung ihn viel eher alS bloße 9?ad)= 
ahmung verbächtigcn lvürbe. 

®. 21: fah ihn an mit bebeutungSvollem Vticf 
unb liebte ihn, beim eine gemiffe SBahrhcit lag 
ia fdjou in feinem bisherigen ©clbftgcugnih: er hatte 
biefe ©ebote mirflich in bem SOJaße gehalten, ivic er 
fie verftanb ; aud) lag in feinem gangen 2 Bcfcn eine 
gemiffe Cffeuheit unb Slufrichtigfeit, ein an fiel) 
ebleS, nur nodj nicht genug gereinigtes unb befeftig* 
teS Streben unb Gingen um fein eivigeS ©eil. ® a S 
b reiig, baS in meiner Nachfolge nicht fehlen fann 
(8, 34 ) ; bamit miß ihn !3efuS noch von bem lebten 
äußeren Vmtb unb Sann erlöfen unb vom tiefften 
inneren ©(haben heilen. ®icfcS Verfaufcn ber 
©abc, au ber fein ©erg nod) hing, ift alfo nicht im 
Sinne cineS nod) über ben gefcblichen ©ebovfam 
unb beS eigentlich ©cboteneu hinauSgchenben, über= 
ßüffigen unb überfd)üffigen „guten SScrfcS" ge= 
meint, maS gang gegen Suf. 17, 10 unb ben echt 
cvangelifchen ©tanbyjuuft überhaupt verftohen 
ivüvbc, ber von berartigeit verbienftlichen Sciftungen 
über unfeve an fid) pfüchtiuähige fittlidjc ©d)ulbig^ 
feit hinaus nidjtS meih, fonbern offenbar nur alS 
Sebingung gut Nachfolge Ghrifti, bie von 
allen irbifcheu ©orgen unb Saften frei fein muh. Gr 
fovbert biefe Gutjagung nur alS Seme iS feiner völli¬ 
gen Ucbcrgabe an ihn, alS perfönlid)e Aufopferung 
feines gangen alten SZenfdjcn, nid)t nur feines Ofeidj= 
thumS, mobei cS ihm ein foldj heiliger Gruft fein 
foll, bah er lieber aßcS anberc für Schaben achtet, 
um nur Ghviftum gu geminnen, vcrgl. Vhil. 3 ,8. 

©.22: UnmuthS b. ly. niaü bloS erftaunt 
unb beftürgt, fonbern and) verbrichlidj, bah er eS 
nidit um einen leichteren VrciS geminnen fönne; 
fein faurcS ©efidyt bilbet ben G^cgcnfafe git J(efu 
freitnblidjem Slicf fV. 21 ). ©ing traurig ba = 
von, biefe Sctrübnih geugt recht verftanben von 
einem inneren Sampf, mobei er burdj ©ottcS ©nabe 
nodj gitr rechten ©elbfterfenntnih fommen tonnte; 
cS liegt alfo barin 3 ugletd) auch nodj ein guteS 
3 cid)en. 


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384 


Sonntagfdjulsffhttonetu 


II. Stt ©(fuhren bc$ ÄcidjtljiiinS. (93. 23—27.) 
®. 23 : fah um fid), um beit Gitibrttcf bicfeS 93 or= 

aJB auf bic jünger gu ko Kid) teil, wie cv eS and) 
oitft öfters bei einem wichtigen 1111 b entfd)cibmtgS= 
vollen ÜHJortc that, vrgt. 3, 34. 

S. 24: Siebe ß'inbcr, biefc Sfnrcbc aetflt, bah 
bie jünger fclbft von biefer ©efahr, wcnigftenS nod) 
nid)t unmittelbar, bebroht finb, wa$ and) au§ ihrem 
Gittfefecu (93. 26) beutlkh hervorgeht. 

®. 25: ein Ä’amcel, (ttämlidj ein wirflichcS, 
nid)t £>tlMicf>er 9lu3bviuf für „ein ©djiffStau") mit 
feinem döder auf bein 92üden, fammt ber baratif 
ßepadteft Saft, alfo ein boppcltcS dinbernifc. ®ie 
r ,citge Pforte" iit ’6 dimntelreid) (3)2atth. 7, 13 ff.) 
wirb um fo paffenber mit einem 9c a b c l ö h r ver- 
ßltebeit, a(3 and) beute nod) im 93?orgenlanb bie 
iticbrigen 92cbcntbore für gufcgängcr fo ßenannt 
werben. Gin 9teid)er, aber eben fo wenig ttatür- 
lid) ein 9lrmcr bei gleich irbifeber linb fteifd)lid)er 
©eftitmtng wie in 93. 24. 

®. 27: möglich bei ©ott, vrgt. Suf. 1 , 37, 
waS aber unfercrfcitS bcu ©tauben nicht anS- fon= 
bern vielmehr ßcrabc einfdjlic&t (üRavf. 9, 23); man 
barf fid) alfo nur 3 hut ßan ,3 willenlos biiißebcn, 
baö er baS crncucrubc 2Bcrf feiitcS ©ciftcS an 1111 S 
treiben fann, aber and) fid) ibm voll [tan big übcr= 
taffen, baü er wtS felber 3 ur ©eligfeit bewahre 
(1 93etri 1» 5, aber and) 1 3oh. 5,18). 

III. Sie reiche ®erßdtuuß. (93. 28—31.) ®. 28 : 
®a faßte 93ctritS, wobt um bem für ihn un= 
bcbaß(id)en ©efpväd) eine anbere 9Bcnbung 311 ßcben 
imb jtißlcid), um 311 erfahren, waS cS mit beut 
,,©d)ab im ©immcl" (93. 21) ctgcittlid) für eine 93e= 
wanbtuifi habe; utöglicberweife ließt barin aberaitd) 
ein wehmütbißcr 9tüdbtid auf feine in flYipernaum 
auvüefßctaffene gatnilie (9)2atth. 8 , 14 ff.). 9(13 
92ad)fat$ ift and) hier baS 9J3ort auS üDiatth. 19, 27 
3 U ergänzen: „9BaS wirb unS bafür?" itam* 
tid) a(S befonberer Gvfafe für eine fo früb 3 citißc uitb 
vollftänbigc Trennung von adern, waS unS bisher 
lieb imb wertb ßcioclen. dieriit ließt allcrbingS 
and) eine ßewiffe unlautere Sohnfudrt, aber anbercv- 
feitS bod) and) wieber ctwaS 93crerfjtigtcS, fofern ja 
©ott unS nie bloS nimmt, ohne baS er attdr wieber 
ctwa3 bafür ßdbc, ja beit 93cr(uft unS taufeubfdltiß 
wieber erfefet; ift er bod) ein reidjer föerr, ber übev- 
fd)wdnß(id) lohnt über all unfer 93itten imb 93er- 
ftehen. 

®. 30: mit 93crf olßiiitß, = mitten in 93er= 
folgiutgeit unb trot berfelben, obwohl fic unS viel¬ 
leicht nod) volleitbS alles rauben, waS wir nidjt 311 = 
vor febon freiwiUiß geopfert unb inuerlid) baran= 
gegeben unb verladen haben. Bttgleid) n>eift bicS 
auf bie ßeiftiße 92atur bcS GrfafeeS bin, beit 
fein nod) fo großer irbifeber 93erluft unS mehr neb= 
men fann, fonbcrit vielmehr nur 311 befto größerem 
inneren ©erninn gereicht. 

®. 31: ©ie Setten werben fein tn 93 c 3 ugauf 
baS, waS ihnen 311 Steil wirb, bie bie G r ft e 11 
waren ihrer 93erufmiß itad)# wie 3 . 93. eben bic 
9lpofte( felber, baher follen biefe fid) vor aller SelbfK 
Überhebung ßcßcu Slubcre hüten; baS ift ber fpitige 
Stachel bicfcS 2ß orteS ßerabe für 9JetruS, beim 
and) bei ihm finbet fid) bod) immer nod) ein gewiffer 
Bitfat von ©clbftßcred)tigfcit unb 9ßcrfheiligfeit, 
auch er will nid)t ©nabe allein, fonbern auch 
n 0 d) Sohn für feine eißette Sugenb, ßatt 3 dhnlid), 


lvie iencr Jüngling, unb fteht fomit in ©efahr ber 
©elbftüberfdwtimgunb beS ©elbftbetrugS. gür 
ihn ift alfo bieS 9fßort eine nedi uethißc uub hcil- 
fatne 932ahituiiß mtb 9ßarnuiig, tvie uuißcfehrt ber 
©d)lu§ bcS 93erfeS ein reicher £roft für bic Firmen 
unb ©eriitßeit in ber 9Bclt, bic aber aufrichtig ftre^ 
beu nach ©otteS 9teid) unb ohne fiel) baffclbe baburch 
vcrbicitcit 31 t wollen, boeb alles baraitgcbcn, um 
eS wirf lieh 311 erlangen. 

m ©efchid)te vom reichen ^üngliiiß: 
©ie 3 eißt uitS: Giueit 9)2enfcheu ittd)t fern 
vom 9teid)e ©otteS uub bod) itod) ihm 
frentb. 

1 . Gr ift fd)oit weit voran (93. 17—20): 

a) 9(nerfeintunß feiiteS ebleit ©trebcnS: er 
fucht reblid), nimmfS crnftlich, halt ©ottcS 
©cbot treulich unb befeitnt offen, bah ihm’S 
nod) fehlt. 

b) Prüfung, wie wenige von unS baffelbe 
mit 9Bahrheit von fid) fagen fonnen; 

2 . Unb hoch noch weit 3 tirüd (93. 21 — 22 ): 

a) GiuS fehlt ihm ttod) unb swar nicht 
nicht etwa nur irgenb eine ciii, 5 cliic gute 
Gigcnfdiaft ober gertigfeit, fonbern bie 
dattptfad)c: ©elbftvevldugnung; 

b) 20?it biefent Giueit fehlt aber noch 
9 l(leS unb alles Slnbere ift ohne bieS Gine 
vdlliß umfonft. 


Sonntag, 16. 3ull. 9Rarf. 10,32—45. 

fietben itnb dienen. 

Xeyt: ®emt aud) beS 90?eitfd)en ©ohtt ift nicht 
ßefommcu, bah er ihm bienen laffc; fonbern, ba 6 
er biene, 1111 b gebe fein Sebeit sur 93esahluitß für 
9Siele. 90?art. 10 , 45. 

I. $ie ScibenStierfttitWauiiß be$ 6tmu (93. 32 
biS 34). ®. 32: 3efnS ift hier auj bent 9Bege 
von 9 >craa über ben Jforban herüber nad) 
beia, ber ihn 3 unad)ft nad)3crid)o (93. 46) führt, 
an einem fünfte angefommen, wo auch feine 3 ün= 
ger beutlid) feheit fonnen, bafj baS lcjjtc 3 tel bcS^ 
felbeit ^crufalem ift, nämlich an biejenige ©teile 
beS glufühalS, wo ficb bie mciften auS Ocn verfd)te- 
bencu SanbeStheilcn hier sufammenfühvenben ^a= 
rawanenftra&cn vereinigten, unb auS ber 92icbcvung 
nad) ber ©auvtftabt emvorführteit, unb wo fid) ber 
den nun mit ben geftpilgcrit vereinigen muftte. 
92uit ift eS aber and) ihm felber innerlich immer 
flarcr geworben, bah nun für ihn „bie Beit erfüllet 
ift," ivo c3 mit ihm itt’S Seibeit unb Sterben hinein^ 
gehen muh, baS nur bort, in ber alten 3)2övbcrftabt 
ber 93fopbetcn ©ottcS, gcfdiehen fann, vrgl. Sttf. 
9,31; 13, 33. Unb er ging vor ihnen her 
inuthig unb ftanbhaft wie ein delb, ober eilt bie 
©einen 311 m Äatnpf tmb ©icg fühvenber gelbherr; 
unb fic entfefeten fid) überfeine ent|d)loffene 
daltung unb fein entfchiebeneS 93orgehcn, 3 uglcid) 
aber aud) ergriffen von ber 2 lbnung einer critftcu 
unb fdjwcren Bufunft. ®te B'volfe finb bic 
eigentlichen fierntruppett feiner ^Jünger, währettb 
wohl viele feiner übrigen 92ad)folger iefet 3 Ögernb 
3 urürfbliebeit, ober bochf wenn fte überhaupt noch 


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SonntögfdjuUfeltttonett. 


385 


Bei ihm au$btcltcn, e3 blo3 furdjtfam unb mit 9litgft 
unb Bangen tlntu# fo macfjt cv mit bicjeit jeinen 
äpoftelit bi et nod) einmal glctdifant auf einet lebten 
©auptftation feiner Scibcnobabn ©alt ttitb jammelt 
fie um fid) m einem bebeutfamcit unb für fic ent* 
fdjeibmtgSvoUcn SBort über ba3, ma3 ibm jelbcr 
unb mit ibm auch ihnen nun unmittelbar bevor* 
ftanb. 

®. 33: ©ie obcupvieftcr unb Schrift* 
gelehrten batten itad)^ol). 11/47 bereite feinen 
Job bcjcbleffen; ben ©eiben, b. b. beut rönti* 
fdöeit Sanbpfiegcr 5J5ontiii‘3 BilatitS, ber ba3 Jobe3* 
urtbcil be3 ©oben Slatbcä au bestätigen batte 
(ÜRatth. 27, 1 ff,). G3 ftnb alfo nicht blo3 beibe 
Bölfer, fonberit auch beibe Bchörbcn, bie gciftluhe 
unb weltliche Obrigfeit gemeint. 

®.34: Unb am britten Jage auf erfteben, 
über bie SSufcvftcbuug hinauf jagt er ihnen itid)t3, 
weil er Reh ihnen bann neu bezeugen mill, bi3 bort* 
hin aber 2ll(e3, bamit Re auch währenb feinet Sei* 
bett3 Reh im ©laubeit an ihn troften fön neu unb 
nicht in jjmcifel unb BerameiRung geratben, a(3 
märe c3 nun mit ihm gar au3. 

II. 2)1 e ßeibenötierfünttiaiiig für bie jünger, 
OB. 35—45). ®. 35: 3afobu8 unb ^ohait* 
ne3 bettfen al3 bcfottberS nabe unb vertraute 
Sreitttbe be3 ©erut auch ein bejonbercS Anrecht au 
thn au haben; übrigens jeigt Sttf. 18, 34, bah auef) 
bie übrigen jünger eben jo mutig ben vollen Sinn 
feiner vorangegangenen Siebe verftanben haben, 
trofe aller beutlichcn SSBciffagungen vom (cibcnbcu 
unb fterbenben 9Rcffia$ r bie fiel) febon im 91. J. 
fiitbeu, vrgl. a* B. nur bie ßauptftellen ';W. 53; 
50, 6; ißfatm 22,8. 17; 118,22. ^cite aber benfett 
beim Giniitg nach ^erufalem meit mehr an bie 9(uf* 
riebtung eines glänienbcit irbifchcn 92cicbc3, tvorin 
Re R(h vechtacitig beit Ghvcnplab fiebern möchten, a(3 
an ftreua unb Job. Slach 3)2attb. 20, 20 ift e3 viel* 
mehr ihre SRuttcr Sa (oute, melcbe, toobl im 
SBaiueit unb Auftrag bei* Söhne, fid) an beit ©errit 
mcitbet; e§ ift and) bie3 toicber nicht ein 23ibcrfprud) 
ber Berichte, fonbern vielmehr nur eine Grgäitaung, 
Sofern mir un3 gana tvobl vorftelleit föituett, bah fic 
biefelbcit mit ihrer Bitte unterftüfet uitb ihr ©cfitd) 
beffmvortet, vielleicht fogar in mütterlichem Sto^e 
Re feaati aufgeforbert unb angelcitel bat. 

®. 36: ©iejc Sragc ift nicht fo au verftebett, al3 
ob er e3 itidjt febon längft fclber gemuht batte, ma3 
fie müitfchcit, meil er ja a(3 ber allmiRcitbe ©cr;cn3* 
fftnbiger ihre verborgenften ©ebaitfeit burchfchattt, 
fonbern e3 foll babttreb nur and) ihnen felbft uttb 
Slnbereit cvft recht flar uitb offenbar tverbett unb 
vollftänbig an beit Jag fommen, mit ma3 für ©in* 
gett Re tu ber Stille noch umgeben, beim fchr oft 
verrätb ftef) bc3 9Rcnfd)ut ganac Sdpvadjbcit uitb 
Jhorheit leibet gcrabe in feinem ©ebet. 

®. 38: !^br miffet nicht, meil ihr näntlid) 
gam fa(fcf>c irbijcbcBorftellungcn von meinem Reiche 
habet (vrgl. 3oh. 18, 36) unb nid)t Bebenfet, bah 
auch ich, ber müfter felbcr, erft auf ben SSeg ber 
Schmad) uttb Seibcn aur ©errlid)feit fommen faitn 
(©cbr. 2,10). ©en Äeldj trinfen x., gemeint 
ift natürlich ber 8cibcn3leid), ben Re biSatifben 
lebten bitteren Jropfut tvillig binnebmen unb bie 
JobcStaufe, mobttrd) Re mit Gbrifto völlig in 
bie ganae Jiefc feittcS ftveuacO* unb Jobc3lcibeit3 
hinein fid) mitvevfenfen lernen muffen. 


27 


©•89: „3a, mir fönnen eß mobil" bic3 
iR mobl ein Biort ber Bermeffenbeit, aber beeb and) 
in gemiffent Sinne mieber ein 2Bort treuer Siebe 
unb vcrmcintlid) feftcn©laubcn3, tute bei R>etrtt3, 
ber mit ibm iit’3 ©cfängnih unb in bett Job geben 
rnolltc (ÜMattb. 26, 35; Sttf. 22, 33). 

®. 40: fonbern mcldjett e3 bereitet ift r 
näntlid) vom bimtnltfdjen Bater; fein SBiberjprud) 
mit 9lpoftelg. 3, 21, mo ber vevberrlidite, nid)t 
mehr ber erniebrigte GbriftuS rebet; aber and) 
bann noch vollsieht.cr bod) nur beS BatcrS SBilleit 
Ort. 5,19 ff.) 

®. 41: Unmtlltg, in gemiffent Sinne mit 
S?cd)t, beim baS cbrgeiatgcStd)Vorbrängeu beleibigt, 
häuft unb erbittert Slubere. 

®. 42: 5(ber Jlefuö tt. f. m., er mill bamit 
beit 2(u3bntd) beS StveitcS gleich in feinem eilten 
Anfang nieberhaltcit unb bcfdjmichtigen. © a b c it 
© cm a 11 unb brauchen fie oft in recht tvrannifeter 
SScife gegen ihre Untertbancn, and) menn fic ihnen 
nur von bereu ©unft uttb üötllfür augetbeilt ift. 

®. 45: and) b e 3 3)2 e tt f d) e tt S o h tt, ber 
bod) euer ©err unb 9)2eifter ift, ttad) beffen Bilb ihr 
gcftaltet fein feiltet (vrgl. Stif. 9, 55), trenn ihr in 
23alu*hcit feine jünger fein mellt. Unb gebe 
jeiit 8 e b e tt k. ©ie befte 9(uö(egung giebt hte$u 
BatiluS in ber ©vunbftclle über bie Gvnicbrigung 
(Ibrifti tutb feinen vellfemtncncn SeibcttS* unb* 
JobeSgebovfam Bbil. 2, 5ff.; vrgl. and) 3ob. 13, 
13ff.; 15,13; eben babtivd) bat er fid) aber auglcid) 
auch am allevvöUigften in beit heiligen SicbcSbicuft 
für Rubere babingegcbcit, ja aufgeopfert. 3ur 
23 e a a b l tt it g (Söfegclb) f ü r B i e l e, cigcutlid): 
an ber Stelle von Bielen, montit neeb bciitlidw 
auf fein ftellvertretenbe§ Stvafleibcit au 
unterer Statt unb auf ihn a(3 ben 9Ritt(cv unb 
Bürgen hingemtefen, ber felbft tutfdnilbig, bod) ber 
Sdmlbigcn Süttbc ttitb Strafe getragen bat in 
freimütigem SicbeSgcboifam; bie Bielen 
ftnb bie, mcldjc an ihn glauben; von ©ott ift atvar 
fein Sühnopfer 211 (e tt augebacht, aber mir unter 
biefer Beziehung, unb barunt mirb feine erlöfenbe 
Uraft unb SBirfung aud) nur betten au Jbeil, mclchc 
btefclbe erfüllen* 

fti. 


^iSVomtou. ©er SeibcnStveg Gbri 

1. äcfnS fclber gebt voran (B. 32—34). 

2. beaeichnct uitS bic Bahn (B. 35—45). 


Sonntag, 23. 3|utt. SHarf. 10,46—52. 

2>cr BItiibe 8artitnäu$. 

2ejt: 9(I6bann mcvbeit bc\ Blinbctt ?(itgctt auf* 
gethait merbett, uttb ber Jattbeit Obren ivcibcit ge* 
öffnet merbett. ^ef. 35, 5. 

©orhenterhtug: ©iefefurae, aber tun jo fdmnere 
unb miebtigere, baber mtdj bei bvei Gvangcliften 
(vrgl. noch SWattb. 20, 39—34 unb Sttf. 18, 35 bis 
43) craäblte ©cjdüchte bietet glcidnuobl für bie ßr* 
flärung ber Uebereinftimmung ihrer Berichte eine 
hoppelte Sd)mtcrigfeit bar: 

a) ^lt Beäug attf bic Bcrfoit: 92ad) 3Hat* 
t b ä tt 3 ftnb e3 a tv e i Blinbe, nad) 9)2 a t! u 3 unb 
8ufa3 bagcgcit nur Sitter. ©ic3 löft Rd) am 


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386 


Sotmiagfi^ul^chiümen« 


cinfacfjftcn bttrd bieSlnnafinte, baß attd) fiier 3)2 at= 
tfidit3 ba3 ßcfd)idtlid 3iid>ttflC fiat, mic in bet 
ßans dfinliden ©cfdidte oon bet .Ociltutß smeiev 
3}cfcficitcv (3)2attfi. 8, 28 ff.), mdfircttb 3)2art. 5, 
1 ff. unb 8uf. 8, 26 ff. ßleidfall3 mir (5 inen fier= 
oorfiebcit. ®arau3 ift niefit auf eine miüfufirlicfie 
Scrboppeluitß be3 33ovßaitß3 bei 3)?attfidit3 ju 
fdRießeit, bet oiclmefir acrabe ben mirflidKit £>er= 
äaitß unb tfiatfdd)lid)en Verlauf treu bavßcftellt fiat, 
fouberit oieltncfir auf eine ocrcinfadenbe 3ufatm 
meusicfitniß bet ©cfcfiicfitc bei. ben beiben anbetn 
©oanacliftcn, moooit 3)2ar£u3 nur beitieitiaen 
SQefcffcncn crmdfiut, bei meldent bec Äranfbcifi3= 
anfail am ftdrfften auftrat; 8u£a3 beitieitiaen, 
bet bort in ber Stabt (8uf. 8, 27) befannt mar, 
orßl. Scftion aut 12. 3Bdrs. Qaß c3 fiefi aber and) 
fiier um smet ^erjonen fiaubelt, seißt itidjt nur 
bie Skrfdiebeitficit bc3 Orte, bie mdßlidcrmctfe, ja 
foaar mafirfd)einlid nur fc&ciubav ift unb eine folcfie 
Seutuna suldßt, baß bie £eilitna oon beiben 
ßlcidteitiß an ein unb berfclbeu Stelle $u benfen ift, 
momit allc3 Sluffalleitbe unb iSiDerfprcdjenbc oon 
felbft meßfdllt (oeral. unter b.), fonbern auefi bie 
ber3Mittben felber, bei3)2ar£u3 einmofilbcfaitntcr 
unb joaar mit Ahnten genannter 3Rann, bei 8 m 
t a3 (18, 35) ein oölliß Unbefannter; bort fomtut 
er oon felber su 3eftt, fiier (8uf. 18, 40) wirb er auf 
beffeu auSörüdlideit *3efefi( erft fieraefüfirt. Oaß 
unter ber safilrcidcit Skttlerfdjaar, bie ben Sßilßcr- 
Süßcn su folßeit ober fic an beit Stabttfiorcn &it er= 
marteit pflegen (mic jeßt noefi im 3)2orßcitlanbe), 
meil fie bei fblefien ©clcaenfieitcu ein rcid)lidere3 unb 
ctntrdßlid)evc3 Sllmofcn al3 fonft in HuSficfet fiatten, 
fid> aurfi smei ^3liitbc bcfattben, nidt blo3 Sin e r, 
ift an fiifi fcfioit nid)t unmafirfdeiitlid, in jener ©e= 
aenb aber um fo mcitiner, ba bie aroße, fiduRß beit 
Sonncnftid) oetaulaffciiDc £)tßc in ber ©bene pon 
3 cridm pcrbunben mit bem Flitßfanb unb Staub 
ber Äaramaitcnftraßc nod) ficutc leid)t Sliißencntsün- 
buitaeu unb (ScblittDuna fieroorruft. 

b) 3n 33csttß auf ben Ort. 32ad 332at- 
tfidu3 unb3)2ar£u3 ßefdjicfit bie ßcilttitß beim 
SluSsuß au8 3erid)ö, nad) 8ttfa3 baetcacit 
beim S i n s tt ß. Unter ben ocrfdiebcitcit S3crfudcn, 
biefe Oiffcrcns su lofen, fcf>ciut ber befte immer noefi 
ber su fein, entmeber naefi 3 of e P fi u 3 unb 6 u f c* 
b i u 3 smifdjen ben beiben £>dlftcu pou 3 e r i d) o, 
ber 9lltftabt unb 32cuftabt su unterfdetben, unb auf 
ben Bmifdjeiiraum smifd)cit beiben Stabttfieilcn, 
alfo beim $(ii3sua au3 ber 3(ttftabt unb beim (Sin- 
Stta in bie 32euftabt bie föeilitnß su perlenen, ober 
aber bie SBorte 8uf. 18, 35: „ba er nafie su 3etido 
tarn," nad) einer auberen, frciiid mcitißcr aeRdertcu 
8e3art su überfeben: „ba er noefi nafie bei 3crido 
mar," mornadj alfo and) 8 ufa3 aans ßcnau mit 
ben smet auberen ©oaitaeliften übereinftimmen 
mürbe; meitn man c3 nid)t porsiefit, überfiaupt auf 
alle berartiflen, immerfiiu r etma3 fünftlid)en 5lu3= 
Icflunaen su persid)tcn unb bei 8 u f a 3, ber ofincfiin 
in ber lebten ^riobe be3 offcntlidnen 8ebcn3 Gfirifti, 
mie e3 fefieint, nidjt mefir alle3 efironolo{\ifd) flenau 
berid)tct, fiier einen flcrinaffmiflcn ^rrtfium in $c- 
am auf bie ßofalitdt susuaeben, ma3 bei ifint um fo 
Icicfiter möalid) ift, al3 er felbft fein ^liiflcnscuae 
mar, fonbern au3 einer pielleidjt nidjt aans ridtiaen 
unb fid)ereit Quelle aefefibpft fiat, ma3 aber bie 3u- 
pcrldffißfeit, Sreuc unb ©laubmürbiafeit feiner Gr- 


sdfiluna ifirem mefcntlidjen ©auptinfialt nad) niefit 
bceintrddtiat. 

3)2 a x t u 3 jeiflt and) fiier micbcr bie ©iaentfiüms 
lidfeit feiner ©arftelluna in ber ßenait anomalem 
bcu Scfiilbcvunfl ber ©insclsüae: mic ba3 Seit bent 
immer fieftiaer unb bvünftiacv fleficnbcn IMinbcn 
Diufie gebietet, unb bann, nad)bcut er 9fcfu Scrcit- 
fdaft, ifint su fielfcn, mafirflcnommcn, cpcnfofdncll 
ben eben Sefdmidjtißtcn unb 3Bcflflcbvdnatcn lie¬ 
ber fierbeiruft, entfpridt a(3 ein gans bcfonber3 
darafteriftifder aenau bem fpdtercn 3v?anfc(- 
mutfi beofclbcit 3Solfc3, bcffeit ßofiannafi fid) fo 
halb in ein „^reusiße!^ Pcrmanbeltc, unbebenfo ßc= 
ttau entfpridt jenem 3uruf ber jauefisenben 3)?cnac, 
momit fie ben „Qapibofofin" bcarüfjt, fiier ba3 mic- 
berfioltc 23ort ber ffiitte unb ©ulbißunß im SOJunbe 
be3 53linbcn: „3cfu, bit Sofin Sapib3 x.," momit 
er fid) felbft mit unter bie DJcidcn ber ben 3)?cffia3 
feftlid empfauacubcn jubclnbcn 3)2cnße ftcllt. 3u 
bciitcrfeu ift ferner, bafi nur er ßenau 3(amc unb 
fterfunft bc3 3)iaunc3 beridtet unb bie dußeren 
Umftdnbe am au3füfirlidftcn barleßt, U'dfiretib a\u 
bercvfeit3 al(erbina3 bie cißcutlide 33efdvcibunß ber 
Slrt unb 2Scife feiner ^cilmiß felbft fefir cinfad) ßc- 
Tsaltett ift; er ermäfint nidt einmal bie 33erüfirnnß 
ber 9lußen, fd)ließt fic aber fvcilidj bamit and ebem 
fomeniß mic 8ufa3 au3, ber ßleidfallo bapon 
jdmeißt, befto ßrbf>eve3 ©cu>idt leßen aber beibe 
tm Unterfdicb polt 3)2 a tt fi d u3 auf ba3 ijeußniß 
fcineS 0laubcn3. 

ffl. 46: 3 e t i d o, etma su'ci Stunbcn novböftlid 
Poit 3erufalent entfernt, ßaltc3 ßcmiffcrmaßcn fdoit 
al3 beffen SSorftabt, pon ifir nur itod bitrd ba3 foß. 
„Öcfilbe" 3crido3 ßctrennt, c3 ift bie fdoit Pon 
3 o f tt a (fiap. 6) tuunberbar eroberte „^almcnftabt", 
Pon ber au33cfu3 al3 ber rcdtcSofua feinen „35al- 
ntensuß" fidlt, berüfiutt attßcvbcm btird ifivett ficil- 
frdftißcn, bufteitbcit 33alfant, bei* piclfad) stt „?ftißcu= 
falbe" Pcriocnbet, bent 23artimau3 bcitttod) nidt ßc^ 
fiolfeu fiat; bafiir aber^finbet er bei bem beften 
Firste ©cilmiß 8cibc3 unb ber Seele. Unb ein 
aroßc3 3>olf, offenbar bie immer ßreßer mcr= 
ccitbc ^cftfavatoanc, bic fid 3cfu anfdloß. 33 ar^ 
t i tu d tt 3 ficifst cißcntlid fdoit „Sofin b c 3 £ t- 
ittdufi", aber biefe Ucbcrfcfinuß ift itod beißefüßt 
tfieil3 meil 3Kar£ti3 fiauptfdddid) für bc3 .^ebrd- 
ifdcit tutfimbißc £>cibcndrifteit fdveibt, tficilS tucil 
offenbar ber erfte 92atne fdmit fo ßatis su feinem 
cißcittliden ^ßcvfonentiatncn ßcmorbeit ift, baß er ben 
smeiten ßlcidfam tted) al3 ©rfldruitß ober eilte Slrt 
Familiennamen fiiusnfeficn foiutte, picllcidt foßar 
mußte, um ifiit pon anbcrit 3)2dnucrn ßlciden 32a- 
nteu3 su uuterfdeiben, beim offenbar mar er ein all* 
ßcntciit befamttcr 3J?anit, fpdtcr Picllcidt (itacfi SS. 
52) ein aiißcicfieiter Gfirift. Unb bettelte, al3 
avbcitounfdfiiß; blinb tittb nod) basu fiiit arm, citt 
boppelte3 Unßlürf! 

Ö. 47: Sa er fiörctc, burd 32adfraßeit bei 
ben 8eutcn, ma3 mofil ber ßroße Sliifstiß su bebeuten 
fiabc, beffen ©erdufd er pentafim unb ati3 beffen 
©ctüuuuel er fdlicßt, baß e3 fid um etma3 9lußer= 
orbeutlidc3 fiaitbeit. Sann ifint bie 2)2cttße auefi 
nidt felber ficlfeit, fo fattn Re ifint bod) ben SSeß 
Sinn redten Helfer bafiitcn. Fi«ß er an tt.f.m., 
onenbar Pom ©cifte 0ottc3 crßriffett, ber ifitt itt 
biefem 3efu3 pon 32asarctfi ben auf feinem fonia* 
lidjett Sinsiiß beoriffenen 3)2cfRa3 crfeniten ließ, 


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S0nntogfdjul*£ehti0nen. 


387 


bahcr fließt er ihm auch fofori ben 5?öitigb= unb 
SReffiabnamen „Sohn ©avibb;" eb ift bieb 
pcwi§ fc^on ein bebcuteitber ©laubc, baß er bcn= 
lenigeit, von bem man ihm nur gejagt hatte, er fei 
b:r aub bem verachteten galiläifcheu gierten 9tosa= 
reift ftammenbe Jefub, fofort alb ben verheißenen 
©avibbfohn anerfennt. 

®. 48: bcbräuctcn ih n, bamit er nicht burch 
fein laute-3 Stufen ben geftsug ftorc unb in Unorb= 
nuiig bringe; ber äußere „Slnftanb" geht ihnen hher 
nllc-3, wie heute noch manchen tobten gormenebriften. 
65 mar bieb eine $robe unb Prüfung feinet ©lait= 
benb, ber fich aber bitrcft bicfcn 28iberftanb nicht 


abhalten Iaht» fonbern nur bejto fefter unb brünftU 
ger wirb. SDterfwürbig ift, baß jefub feihft, ber 
elfter bie öffentliche ^Bezeichnung alb ©avibbfohit 
unb SOteffiab, unb zwar ebenfallb von zwei 3Minbcit, 
(üRattft. 9, 27 ff.) alb unscitige ©ulbigiiugaüficT)t- 
lid) überhört unb bamit abgemiefen hat, hier bic* 
Selbe nicht blob ftillfchwcigenb buibet, foubern fogar 
(35. 49) au3brürtli<h billigt. 

®. 49: 6r ftanb ftill, alb er nun in feine 
9?äfte tarn, nadjbcm er ihn zuvor fchon aub ber 
gerne hatte rufen hören; ihm ift aifo bie Unter¬ 
brechung beb geftsugeb nicht nur nidjtb ärgerliches, 
fonbern fogar eine willfommeite ©elegenfteit, feine 
©ülfc su erweifen unb feine barmherzige Siebe zu 
Seigcn. 6r vertiert zwar fein BW Ocritfalem) nicht 
aub ben klugen, aber hoch ift cb ihm nicht su gering, 
um bie)e*3 SMinben willen mitten auf bem SScge 
ftehen su bleiben, benn fein ©erj sog cb mehr sur 
9totb ber armen üRenfdjbcit hin, alb sum feftlicben 
greubeniiibel. ©ei getroft 2C. ©crabe biefeioen 
reute, bie ihn vorhin (93.48) von feinem Stufen alb 
einem hoch vergeblichen unb nur unziemlichen ©c- 
feftrei hatten abhalten wollen, muffen ihn nun ber 
Srftörung bcffelbcn verfidjern; bieb ift bie gruebt 
unb 3ugleich bie 9techtfcrtigung fcinc*3 aubharrenben 
©laubenb, womit er, ber Doch ben cinsichcnbcn 5fö- 
nig nicht einmal fah, fonbern nur burch 9lnbcre von 
iftm hörte, bie, welche ihn leiblich gefeften hatten 


unb hoch nicht mehr in ihm erblirften, alb beit 
„9tasarencr", hödjfteub ben Sßrovhcten „mächtig von 
Sftaten unb 3B orten" (vgl. SK.itib. 24,19), fo tief 
tefchämte. 

ffi.50: warf fein (Obcr-)ffleib von fich, 
um int Saufen nicht gchinbert su fein; unb tarn 
su 3cfu, ohne baß iftn 3fcinanb, wie fonft su 
führen brauchte, inbem er in feiner großen ©ersenb* 
freube feine SBliubheit gleichfam ganz vergab. 

®. 51 : wab willft bti k . jefub muhte natür¬ 
lich fchon sum 93oraub, baß er von ihm etwab 
©rößereb erwartete, alb blob ein Pllmofen (25. 46), 
er fragt aber bcnnoch, um feinen ©lauben zu Stu¬ 
fen, bie geftiglcit, Scharrlidjfcit unb 9ltifricbtigfcit 
feineb 25crtrauenb auf bie Sßrobe su ftellen, unb ihn 


sur vollen Srfcnntniß, aber auch sum ununmuinbe= 
neu Söefcnntniß feiner ganzen 9?otb su veranlaßen. 
9t a b b u n i, eine bie ©ulbigung noch ftärtcr aub* 
biürfeitbe gornt ftatt beb gcmöhnlidjen „Diabbi". 

®. 52: Hub folgte ihm n a eft alb fein 
jünger; fo hatte Jericho für beit firönungbsug beb 
SÜteffiab smar blob einen armen blinben fflettler gc- 
ftcllt, aber biefer Sine mar mehr wertb, alb icue 


vielen leiblich ©chenben unb hoch gciftlich SBlinbcn, 
bie ihm zwar ihr ©oftanna snjnbcln, aber halb bar* 
auf hoch Ihn im Unglauben verwerfen, Ja an’b itreuj 


liefern, ©crabe ihrer unbeftdnbigen, flüchtigen unb 
oberflächlichen 33egeifterung gegenüber, zeigt iener 
ein fefteb ©ers, treue ^icbe, beftdnbigc3 Vertrauen 
unb einen banfharen Öchorfam, ber fich aucl) in ber 
9tart)folge bewährt: er vexioenbet ba3 neugefebenfte 
Vermögen, felbftftänbig zu gehen, su nichts anbc= 
rem, ah3 basu, bem ©errit fich bauernb ansufchlicßcu, 
ftatt micber nacl) genoffener Söohlthat von ihm zoegs 
sulaufen, mic fo viele, bie unbanfbar feiner ©ilfe 
vergeffen (vgl. 8itf. 17, 16), obwohl ber leibliche 
9lnblirt, ber fich ihm iefet barbot, vielleicht bem gcifti= 
gen 53ilbe gar nicht entfvrcchen mochte, baä er firtj 
von bem 9)teffia3 gcnmrt)t hatte. 

2i^ofition: ©ie ©eilung be3 blinben 33artimäu3 
ein ©viegelbilb von ber geiftlirtjen ©enefung ber 
9)?enfrt)cn, fofern fie unb zeigt ben wahren ©aug 
jeber echten 33efchmng unb smar 

1) nach ihrem Anfang: 

a) tiefeö ©efühl unfereb ©ünbcnelcnbb, 
wir mftffcn erlernten nufere ge ift liehe 
SB litt bh eit, ba wir von göttlichen ©ingcit 
’nichtb vcvftchcn, unb unfere inmenbige 
9lrmuth, bie nur uuifonft mit ben clenbcn 
ffiettelvfcnuigcn ber SÖelt su ftillcn fliehen. 

b) ernfteb 35 erlangen nach ©ilfe von Oben 
in aufrichtiger 3)u6e. 

2) nart) ihrem gortgang: b. h. einem wah s 
reit unb lebenbigen ©lauben; 

a) biefer lomrnt aub bex fßrebigt von (Shrifto 
(vgl. Dtöm, 10,14), 35.47; 

b) zeigt fich im feften 35crtraucn, auch wo er 
nort) nirtit ficht; * 

c) bittet unb erwartet bie ©ilfe mitau* 
vevficbtlicher ©ewifjheit; 

d) beten nt fich offen unb frei sum ©emi, 
ohne [ich feiner su febänten; 

e) unb bringt burch bib sum Biele, ohne 
nachsulaffcn unb irre su werben. 

3) nach ihrem SKubgang: fie bewährt fiel) 
in ber treuen 9?art>folge ßhrifti, unb im 33efenntniü 
su ihm nicht blob mit SB orten, fonbern auch mit 
3Berfen unb im ganzen 2B an bei (neuer ©eh vr^ 
fam unb ©eiliguitg). 


Sonntag, 30.3uli. SHarf. 11,1—11. 

2>et ©injug in ^cntfalem. 

2fft: Slber bu, ©ortjtcr Bivn, freue bich fehr, unb 
bn, jod)tcr 3crufalcm, iaurfise; fiehc,^ bein itönig 
fommt su bit, ein ©crccfttcr unb ein ©elfer, arm, 
unb reitet auf einem Sfel, unb auf einem itingcn 
güllen ber ßjclin. Sach. 0, 9. 

6tulcitutt0: Um bie (Sinbcit beb töniglirticn 6in- 
Siigb von Jericho nach 3crufalcm nicht su 
unterbrechen, übergeht 9)iartub nicht blob bie mir 
von ßufab (19, lff.) berichtete Bmifchengefrt)icbte 
vom B^llucr Bnrt)änb, fonbern and) bie ©infebv 
nart) 3)c th a nie u unb bie Salbung burch 3)?aria. 
bie ergänz überein ftimmcnb mit9Kattl>äub(26ff.) 
gleirtifallb erft fvätcr (14,3ff.) nachholt, wähvenb 
fie J oha nneb allein an iftter richtigen Stelle bc= 
richtet ($ap. 12, lff.), uämlirtj swifrtien ber 9luf- 
crftchung beb ^asarub unb bem ßinsug in 


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388 


3oimta9fd)uUfehtt0nen« 


3 erttfalem. ®em $Ö?arfu3 ift c§ offenbar 
barum su thmi, ben inneren Sufammettbanß be$ 
lebteren mit ber ooraußchenben Ergählunß oon ber 
Sltubenbeiliuta So flat* al3 moßlid) heroortveten su 
laffen: hier befennt fid> 3efu3 jit bem il>m oon 
S a r t i m ä tt 3 ßeßebcncit ^WefRaSnamcit, b o r t 
ßiebt er bem Solfe ©elcßcnheit, jefet, mo bie «Seit 
ber Sorfid)t unb 9fücffid)t oorüber ift, Um and), 
Einmal meitißfteitS, öffentlid) als SKejRaäfoniß au 
beßrüßeu. 

L Der Htt§ 5 ttg ber 3iinßtr. (S. l—6.) 8.1s 

Setbobuße fübmeftlich oon 93et(>anie«, alfo 
naher naef) bem Oelbetß unb 3 eriifa(em su ßelcßeit, 
bilbetfc mit Setbanieit felbft, ba3 nur noch etwa 
eine halbe Stuitbe oon ber ©auptftabt entfernt mar, 
ein @an$e3; beibe Orte finb fdmit Sorftabt ooit 
3 e r u f a l e m, beim bt*3 an ben Oelberß er- 
ftredte fid) baS 2Bcid)hilb ber bciüßcit Stabt felber. 
Setbanieit mirb blo3 ntitßenannt, meil e3 
ber für ben ©crrit in feinen lebten 8eben3taßcn mid)= 
tiaftc unb fdmit barum ber befanittere Ort ift, 
S e t b 0 h a ß e aber, um ba$ e3 [ich int ftolßcitben 
eißentüd) allein haitbelt ( 8 . 2 ), mirb bcShalb and) 
noranßeftellt, obmohl e*3 auf beut 2Bcß oon 
3 er ich o nach 3 er it f a l ent erft nad) Sctba= 
nieit fomrnt, beim bie 9tcibettfolße ift oon bem 
©auptort Serufalent aus ßerechnet, b. h. alfo 
bom 3ielpwnft, nicht oom AnfaiißSpunft feiner SKeifc 
au§, mie 8 uf. 17,11. Schon todhrenb feiltet oon 
SRa r f u 3 hier ßait$ überßanßcncit Aufenthalte in 
S e t b a tt i e n hatte fidj oiel Solf3 bei ihm ciitae- 
funbeit (3oh. 12, 9 ff.), bem fid) iefet bei ber An- 
tunft in S e t b p b a ß e, je naher man ber ©aupt- 
ftabt tarn, befto ntehrScbaaren beißefelltcn, gitr®r= 
fülhtiiß ber Svopbeseiuitß SDiatth. 2l,4ff. ©ie3 
crfldrt bie SWothwcnbißfeit, toarunt er eiitiße 3 iutßer 
abfenben muß, um unßeftört bie nothißen 93orberei- 
tuitßeit für bie SÖeiterrcife 31 t treffen. SKan ficht, 
er meiß, maS er iefet 311 thuit hat unb tu i e et baju 
bie Mittel befontmt. Seiner 3üitßer gmet, 
mie and) foitft oft, toßl. 6, 7; 14, 13; 8 uf. 10, 1. 
92ad) ber jrabitiou foll c3 SetruS unb 83hil ip= 
pu3 ßemefeit fein. 

8.2: Aiebalb, meitit ihr hiitetnfommt, 
alfo ohne alle mcitere 3Rühe beS SttdjeitS, ohne 
SeilKben unb Sitten, folleit Re ihm baS Jhter brin= 
ßen, al3 bie Sotett befielt, ber mit oollfter Freiheit 
über A((c*$ ßebietet, beut 9Jictttanb fid) miberfefeeit 
ober etma*3 oermeißcrn barf, auf meid)ein nie 
fein DMcttfcb k., ba3 alfo ß(eid)fain extra für 
bieje uiißeioöhttliche Aufaabc aufßefpart mtb 311 bic= 
fern außerorbcntlideit 3)ienft bercitßcftcllt mar, al 3 
nod) uitßebraudR mtb barum auch itod) unentmeiht; 
anbererfeit'3 ift e3 aber aud) ein fehr uitfdieinbareS 
-Ebiet ßeßenüber bem prädjtißett Sddachtroß irbU 
fcher ©enjkher mtb fomit ein Semei3 ber ffieututh 
bief e3 ÄönißS, beffeit 9tcid) nid)t oon bieferSßelt 
ift (3oh. 18, 36) uitb nicht mit äußeren ©eberben 
fomrnt ( 8 itf. 17, 20 ). 

# 8. 3: Salb herfenben, alfo nicht blc3 
iüd)t£ baßeßcit eiittoeitbeit, foitbern foaar noch felber 
gur Ablöfuitß unb ©erfübrmtß behilflich fein. 

8.4: auf bem SBcßfchetb, inertlich: lliu= 
ßattß riußö um ba§ £>au§ tutb ©ehofte, ober auch 
um mehrere 2 Bohttpldfee her, alfo etiua: 4 )orfftrafte. 
Unb fanben, orßl. 8 uf. 19, 32; 3oh. 16, 30. 
2 B a r f u 3 u n b 8 u f a 3*, bie hauptfd«)lich nur für 


£>eibeud)vifteu fchriebett, ermähnen bie 6fei i n ßar 
nid)t, auf meld)e fcaßeßeit 30? a 11 h ä tt ö (21,2. 5) 
bejoitberS @euüd)t leßt, meßeit ihrer bircfteit uitb 
fpegiellen Scgiehuitß auf bieiBeiffaßintß, Sad). 9,9, 
bereit mbttliche Erfülluitß er ben 3ubcnchviftctt, für 
toelche er in Sonbevheit fchveibt, nachmeifen totll. 
Uebrißeit'S beutet 3oh. 12,6 ait, bah felbft bie 3ün- 
ßer bie Erfülluitß biefer SBeiffaßuuß erft fpdter ßang 
oerftaitbeu. 

8.5: Etlidte tt. f. m., auch fte rühren tutb 
rcßeit fid) nicht, um ctma bie Sad^e ßemaltfam su 
hintertreiben, foitbern modelt offenbar nur sufeben, 
toie Re fiel) abmidclt, bie Ävaße: „maö tnadit 
ihr u. f. m.", ift alfo uid)tfomohl alS eineEtittebe 
unb Abmehr su faffeit, alo oielmehr nur bev Au^= 
brttd ihre§ SBavtcitS auf eine SBeifuitß, toa^ Re felbft 
itod) habet su Ihtut hätten, nadjbcnt bod) fd.mit ber 
Sefifccr fein hier ßleid)faut mie abfichtlich bort atu 
aebunbeit (S. 2) unb sunt Abholcn aufßeftellt hatte, 
grraßt man, toie e§ fommt, bafj fie fo ßar fein Sc^ 
beitfen baßeßcit hatten, ba6 Ehrifti 3üttßer fchein^ 
bar oolliß millfüvlid) mit frembettt Eiaenthum Mtah 
ten uitb matten, fo ift su faßen, baß unter biefcitt 
Sanboolf, too bie feiitbfeltßen Sricfter uitb ShavU 
fäer nod) feilten fo ßrofieit EinRuR hatten, fchen ber 
bloße !f?ame 3efu noch biulättßlid) Sürßfdjaft bot, 
baß mau e3 nid)t mit einem ßenteinen ©atiner su 
thuit hak (orßl. einen ähttlidjeit 3«ß eiltet ßuten 
ButrauenS s» ihm 8tif. 5, 5). U)ian braudtt alfo 
bttrehattö nicht eine ooraitßcßattßeite aeheinte Ser^ 
abrebmtß mit bem Eißentbümer aitsuttehmctt, 0 k 
mohl aderbittßS auö ber SJeifuitß S. 3 hevoorßebt, 
baft bcrfclbe mit bettt „©emt" fdmit befannt ßc- 
mefett feilt muß, beiläufiß ßefaßt, eineä ber nicht 
ßaits felletten Bcidteit baoott, baß nid)tbloo 3o- 
hatt neö, foitbern auch bie brei anbercit Eoaitßc- 
liften fdmitAmn früheren SHeifeit 3eftt ttad) 3ttbäa 
ti tt b 3 e r tt f a 1 e nt and) oor biefefm lebten Aufcnt* 
halt bort etma$ miReit, betm moher foll Rd) beim 
biefc ftreititbfdmft fchreiben? 

II. ^er mm 3tf«. (8.7—11.) 8.7:3hre 
(Ober-).^leiber, sunt meichcrcn Sife, beim ba§ 
Sthicr toar noch uiißefattelt; ie bte fid) bra uf, 
alfo natürlich tt ur auf ba8 füllen allein, mährenb 
beffeit 3)ciitter leer ttebenhcrltef, theilS sur Seroolh 
Ränbißititß bcS fioniß3suße3, theil§ unt ihr SuttßeS, 
ba3 noch feilten Leiter ßetraßeu, s» beruhißctt tutb 
bänbißctt su helfen. 

8 . 8 : a tt f b e tt 2B e ß , ßleidtfam alS Steppichc, 
toie beim Einsttß 001 t Äonißett ttblidt mar; Re fra? 
ßen uichtd baruach, baß fie blob ©äftc unb ^vemb= 
littße in ber heilißeit Stabt finb tutb alfo bort feine 
neuen Kleiber auf Re märten, auch nid)t, baß Re auf 
ein hoheä Scft ßchen toollctt, mp matt ßcvn fein 
befte§ ©cmanb tväßt, fo beßeiftert fittb Re. 9Ka ieit, 
nach 3ob. 12, 13 Salntsmeiße (orßl. 2 fiöit. 9 f 13), 
bie al§ Soutbole be§ ^riebeitö (8uf. 19, 8) unb 
be‘3 SießeS (Sfalm 92,13; ORenbavuitß 7, 9) 
ßalteit. 

8.9: S 0 r tt e tnt b h e r tt a d): barnit Rttb 
ßleidtfant smei ©edtfclcbore anßcbeutet, bie fich in 
ben nadther crtoähnlett 8obßefaitß fo ßcthcilt haben 
tiiößeit, baß ber erfte ben Schluß oon S. 9, ber ;meite 
ben Anfanß oon S. 10 nttb alle beibe aemetnfam 
ben Schluß 0011 S. 10 oortritßen. © 0 f t a tt tt a ic. 
finb bieSfaltntoorte Sfalttt 118,25ff., berßcmöhn= 
liehe SeRßefattß ber S*cftfaramaneu beim ©inaufsuß 


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«efunbljeit unb $irtljfd)aft 


389 


nacf) 3crttfalem, aber in etma3 freierer 4IB # eife anße* 
menbet. 

®. 10: © c l o b e t f c i b a 3 9? c i cb x. ©er 
8obßcfaitß besiegt fid) nlfo hier nid)t, mie bet 9)?attb. 
21,9, blo3 auf bie SjSerfon bcö ^DZeffia^, fonbern 
aud) auf fein 31 ei d), baber er aitd) ^uf. 19,38 att3s 
buicflid) al3 bcffeit Ä^onia t>eseid>nct ift. ©erabe 
SO? a r f u 3 mtb 8 u f a 3 aber fonntcit ebne 
benten biefe SJ3ejieI>unfl auf ba3 9?cid) mit aufticb= 
tuen, ba baffelbc nun and) fdmit in bei* ©cibcnmelt, 
für Deren 92epräfcntanten att3 beit ©cibcndmiftcn fic 
eftrieben, au3ßcbreitct mar, mährenb SO? a t i b ä n 3 
einen evften iubendiriftlidjcn Ccfcrn ßcßenübcrba= 
Pen fdjmcißt. ©ie übrigen 2lbmeichunßen in beit 
S3erid)tcn (and) nod) bei 3 o b a tt n e 3) erfläreit 
ficb oofliß acnuflcnb au3 ber ßtoften 38cräubcvtutß3s 
fäbißfeit ber bebräijdieit SJJoefie überhaupt, bie aern 
unb leidd fid) in fohhen 9J?obti(ationen unb 2Ja- 
xiationen eracht, namentlid) aber au3 ber ßana 
natürlichen Scrfd)iebcnbcit unb 9)2anntßfaltißfeit 
ber 3ubelvitfe ber bodjentaücften unb aufßereaten 
SDJettße felbft, bie nicht in ftebenben Formeln, fon= 
bern in freiem ©eracn3erßufj ihrem tiefbemeßten ©e= 
[üble 8uft inadjte, bie Goaitßcüftcn aber haben ben 
SBorttaut nicf)t btidjftäblid) ßenatt nad)ßcfdjriebcn 
nnb ßleidnam mortßetreu protocodirt, fonbern fo 
mie e3 ber beil. (Seift ihnen in ihrer iebe3ittal per^ 
fcbiebenartißcn, aber bodj int 2Befcntlid)cit ßleicbeu 
unb oon adern Srrtbum unb 2Bibcrfprtid) freien 
ßrinnerunfl einßeßcben bat (orgl. 3ob. 14, 26).* 


®. 11: b e f a b alles, mit föttißlicber SBiirfcc, 
3?ube unb 23odmadrt, ßlcidjfatn sur 23orbcvcituuß 
für fein 28erf am folßenbeit Stoße (23. 15ff.), bie 
Stompclreiiiifliutß. 9?ad) 3)?attb. 31, 12ff. fbnnte 
e3 fdiciitcn, al3 batte biefe fcboit unmittelbar nacf) 
feinem Ginauß ftattßef tutben; iturS0?arfu3 aüein 
nicht itit3 hier ben genauen djronoloßifcbcn ©er 5 
ßaitß, ben aud) 8ufa3 nidrt bcutlid) ßemtß bcröor* 
bebt, obmohl er ba3 Sßetueit 3cfit über Serufalem 
(19, 41—44) al3 3mifd)cnfccite uitb 9Rittclßlicb eins 
fvbiebt, beim e3 ift bod) ßcmtb fdjoit au fid) viel 
u»abrfdjcinlid)cr, bafe crnid)t fofort nad) feinem 
Ginauß aleid) mit einem bcrartißeit 23erfabren an- 

xtöpofttiou. „Siebe, beiit ffönig fommt au 

biv!" 

1) Gr i ft e i tt ff 6 n i ß nnb bat baruntein tut- 
bcftvittcnc3 9tccf>t auf 2ldc3, nid)t blo3 auf ad beitte 
©abc, fonbern and) auf bid) felbft, beim er bat bidj 
fo tbcucr erfauft (23.1—3). 

2. ©eititod) fommt er in 9?iebrißf eit, 
Sanftmut!) unb ©emutb, fo bafe aud) ber 2lermfte 
unb ©eriuflfte 9)2utb au ihm faffcit fanit (93. 4 
bi3 6). 

3. Gr märtet auf beineu Gntpfaitß, b«£ 
bit in fveubiflent ©cbovfam ihm bulbißeit mößeit 
unb allc3, ma3 btt befifeeft, ibut milliß 31t Süßen 
leflcft, binopferft unb meibeft (23. 7—10). 

4. 21 ber er prüft bid) aud), ob e3 tooblmit 
bir ftebe (23. !!)♦ 


• •83»a S3gK«gg»- 

«tfunöljtit tmö Htirttifcljaft. 


Sott einer 

Erinnerung an bie ftinbljeit. 

Gin alter reicher 9Kaitn, im SBertbe 001 t mehreren 
SRidionen ©odar3, batte bie ©eu'obnbcit, allc3 
bitrchauftöbern in ber Office ber 2>crficheruuß3=©e= 
fedfebaft, in meldet er ©ireftor mar. Giitc3 Sl?or= 
flctt3 finbet er sufädifl ba3 S)2ittaflcffcit bc3 Cauf- 
burfeben tu einem 23Iecbfcffel. 92euflicrbe oeranlabt 
ihn bineimufdiaueu. Uitb ma3 fiebt er: ©ut fle* 
tarfcneS 23rob, frifdje ff ltdtcn, ein Stücf 2(pfcltorte 
tt. f. tu. — er oeraibt fid), fcljt fid) bin, ibt mtb benft 
ficb 60 3abve aurüd, a(3 er auf flleid)c SSeife fein 
Gffen mit ficb bradde. 

Gben in bem 2lttflcnbUcf fommt ber 3unflc herein 
nicht tocitifl erftaittit, ben alten 9)2ann fein ©tüd 
2(pfeltorte ocraebtett au febett. ,,©a3 ift mein Gffctt," 
rief ber 3uoße erbittert. 

rr3nr ia, e3 tarnt möfllicb fein; e3 mar bcnlicb. 
3d) batte fein Gffctt, ba3 mir fo ßitt fd)medte feit 
fed)aiß 3nbrcit. £ier, faßte er, al3 er ba3 ©tücf 
2lpfeitovte oetaebrt batte, nimm ba3 nnb faufe bir 
bein Gffctt, aber e3 mirb nidjt fo ßttt fein, mie bic= 
fc3," unb ber alte ©err ßab bem 3»naen eine Süttf= 
Sodarttotc. 

©iefc3 biene attr Ginleituttfl, ba ber Gbitor int 
Sinne bat, mir ieben 3Roitat einiße Seiten einatt= 
räumen, nnt biefclbett mit cinfad)cn 2Birtbfd)aft3= 
fadjen au3auföden. 


$au§fran. 

»affrrsjfitttr, ein ßar ttüljlidj $aii3ötroth. 5ö?an 

Iaffc fid) ein ftab tttadten, mcld)c3 brei Giittcr polt 
2Baffcr hält, ba3 obere Gnbe offen, 8 3od Pont 23o= 
beit ein rmtbc3 23rctt mit flehten Sccbevit, U'dche3 
aicmlid) fett paffen tnufi; auf bicfc3 23rett leßc man 
eine 8aße reiner ff iefelftcine, bann eine 8aßc ßola- 
fobleit (charcoal) unb eine aubeve 8aßc Pott reinem 
Sattb; über biefc3 ein au'eitc3 23vett mit 8cd)ern, 
aicmlicb feft, bantit ßcuannte SDcaftc fid) nicht Per* 
febiebt, ein 3npfd)cn mie an einem Gifißfa6, mirb 
unten aitßcbracbt, tpcld>e3 man auf= unb aubreben 
fann ; ein Ginter pod SQaftcr mirb oben biueitt* 
ßcfloficn, ein rcine3 Stücf Gi3 bineiiißeleflt, ba3 
Saft feft außcbccft, unb man bat ben flanaen Staß 
binburd) ßcfuttbcS Srinfmaffir. ©in unb mieber 
reinißc man ben Siltcr, ttcbnic adc3 bevau3, loafcbc 
ihn, aud) bie ff icfclfteiitc unb ©olafoblcn; beit Sanb 
tbne man in eilt bünnc3 ©ud), mafdjc, ober man 
nehme neuen Sanb. 

Watttu. Gin Stowtet faßt: 23or Pier 3abten mar 
meine Scheuer fo anßcfftdt mit 3?atten, ba§ ich 
fürditete, meine cittßebeimfte Grntc mürbe ßrofien 
Sdtabcn leiben. 3?ad)bem id) aber 2 v ?(cfcv milben 
23feffemtüita bcimbradjte (in meine Sdieiter), mclcbe 
23flanae auf meinem 2Bciacnfclb mud)3, perliefctt 
fie fid) ade, mtb feitbem bcläftißen fic mich nicht 
mehr. 


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390 


Sefanbljett ttttb PirtljfiljöfL 


Bmctfeit. Jdj hatte einen SBanbfdjranf, ber war 
ooll oon biefen flctnen Sthierchcn; aUc bittet hal= 
fen nid)t3, alle3 Sitfecn war ninfonft; ba nal>ni ich 
eine Bcituiifl, legte ftc auf ben Sobeit unb ftrente 
eine ante Sage Sal$ barauf. 91ndj auf bie awei 
uädjftfolgcnbcu Bretter (shelfs) brachte ich folche 
Saljlagcn unb obwohl ich ben Schranf mit etngc* 
machtet Srucht ooll ftelltc, würbe id) hoch ben gan* 
3 en Sommer nie wicbet oon Simeifen geplagt. 

Tapeten ju reinigen. 9ßan entferne SSRöbel unb 
Stcpptd) im grrühiahr jur 3 cit ber ©auSrcinigung 
ciu3 bem 3imincr, fege ben Staub aufammen unb 
trage ihn fort; nehme ein Quart Jfornmchl, thue 
eine {(eine ©anbooll auf einen alten, aber reinen 
weißen Summen, nehme bicfeS in bie Hache ©anb, 
fteige auf eine öeitcr (stepladder), bie hoch genug ift, 
weil fid) nach oben mehr fdjwarser 9tuß unb Staub 
hinjiebt, unb reibe bie SEapeten mit Äornmeht oon 
oben nach unten, ©ernadj reibe man bie SBanb mit 
einem anbern reinen Summen nod)nial3 ab. Sag¬ 
ten auf biefe SSScife behanbclt, werben fich Jahre 
(ang fchöu halten. 

Giwiflf SBinfe für bie |elfte SBittenmg. ftür 8 eutc, 
welche währeitb ber ©ifee im freien arbeiten: Scan 
oermeibe ba3 Strinten großer Quantitäten falten 
SßafferS. 63 ift beffer, wenn nur wenig in häufigen 
Swifchenräumen genoffen wirb, unb etwa3 faltc3 
©affet auf bie ©anbgclenfe unb pegeit bie Sd)läfen 
gehalten wirb. ©abutdj wirb bie Stcmperatur bc3 
JförperS fdjnell oerntinbert, unb ift bie3 oon befferer 
EBirtung, a!3 ba3 biele Strinfcn. Sine leichte weiße 
Sopfbebeifung ift biel fdjübcnbcr a!3 ein fdjwarscr 
unb jehwerer ©ut; wirb ein fcud)te3 Stftd Beug, 
ober fclbft eiir frifchc3 ffohlblatt hineingelegt, fo ift 
bie3 um fo fühlet unb bequemer. Gin leid)te3 rei* 
ne3 SEafcbentudj lofe um ben©a!3 gebunben, fdjübt 
biefen gegen bie brennenbe Sonne. Sich 9lbenb3 
abwafdjeu mit lauwarmem SSaffcr unb barnach 
trodene Unterfleiber anjiehen, ift fehr erfrifdjenb. 

ergiehimg. 

SEBarum ftnb ber SEbränett 

Unterm ÜSonb fo oiel? 

So buchte ich, al3 ein fleiner ilnabe 3(benb3 um 
6 Uhr bitterlich weinenb mit feinen Sdmlbüchcru 
bie Straße entlang fam. Jd) bad)tc äurüd an meine 
gute SRuttcr, bie längft im ©rate ruht, Jhr war 
c3 eine herzliche greubc, ben Kleinen ju helfen; 
hatte ein Kinb eine harte Aufgabe, ober fonnte e3 
ein Gimpel nicht löfen, fo eilte c3 gleich sur 3Kut^ 
ter, bie lieh ihm ftet3 ein willig Ohr unb half. 2Bie 
biele ft'inber fonnten itühlich herangebilbet werben, 
würben ftc in ber Jttgcno nid)t oerfrftppclt. 2Bir 
brauchen biel SßciSbcit bon ©ott in ber Grjichung 
unferer Kinbcr unb biel ©ebulb. SHanchc Äinber 
mad)cn ihren Gltcrn biel ©eraelcib; alle3 3ured)t* 
weifen hilft nid)t, Strafen auch nid)t. Jch weiß ba 
feinen anbereit 3Bea, al3 wir bringen fie jurn ©errn. 
„9tette fie, o mein ©ott, laffe fie nidit untfommen." 
Unfcrc Kiitber haben unfterblichc Seelen, wir ncb ; 
men fie mit hinüber in bie Gwigfeit. 3llle3 3(nbere 
läßt ber äWenfch jurütf; wir feilten bcShalb al3 Gl* 
tern feine Arbeit freuen, unfere Äinber bem ©ertu 
3 u crjiehen. 

Sine fromme Dame hatte einen Sohn, ber madjtc 


ihr biel SKühe unb Arbeit. Umfonft war a(fe$ 3u- 
rcdjtweifen, ©rohen unb Sitten. ©a fagte fie enb* 
lieh: fffiomm, SBillie, geh’ mit mir hinauf in mein 
3 immer, wir wollen mit einanber beten, wir wol¬ 
len e3 bem lieben ©ott fagen, ber wirb bir helfen;" 
unb noch ehe fie ihr ©ebet halb beenbet, war ihr 
Kiub in Sthränen unb bat reumüthig um Ser* 
gebung. 

©ie Arbeit bcrSRutter ift oft eine fchwierige, aber 
groß ift ihre 9)?adjt. ©a3 ÄinbeShcr* ift noch weich 
unb jart, aber je älter, je härter. SRöge fie ifraft 
haben bon 65ott, ihre SHidjt treu su erfüllen, unb 
Gr, ber uod) fterbenb feiner Siutter am ibreug ge^ 
buchte unb fie berforgte, wirb auch bich nicht bet= 
geffen. 

ftofHfafe. 3ur Gntfemung bon Sloftflecfen au 8 
bem ©eiß^eug lege man ba3 betreffenbe Stüd in 
bie heiße Sonne, träufle frifd)en Gitronenfaft (Le- 
mon) barauf unb laffe e3 bann eine 3citlang in bet 
Sonne liegen. 35ie3 einfache SRittel entfernt alle 
9ioftftc(fcn. 

3o|fin«Bherrett* @elee (Current Jelly)* Sfrifche» 
reife Johannisbeeren werben fauber abgebHütft, 
bann mit faltetn SBaffer abgewafdien unb auf ein 
fcinc3 ©aarfieb gelegt, bamit allcS SBaffer ablaufe* 
©at man feine ©anbbreffe, fo nehme man etn gro^ 
bc3 wcißeS Such, thue nid)t jitbiel auf einmal hin= 
ein, bamit ber Saft rein hcrauöfomme. 9?ehme 
ein Sint ober Sfunb © a ft unb ein Sfuiib guten, 
weißen 3 uder. 9)?an thue ben Saft in einen gla- 
firten Sopf, fteXXe ihn auf’S geuer, beit 3 uder auch 
hinein, rühre bie 3Raffe mit einem hölzernen Söffet 
um, bi3 ber Saft fod)t; bann fehäumeihn ab, laffe 
ihn 20 Minuten langfant fod)eit, bann nehme man 
m Srobc ein wenig in eine Untertaffe, hängt er 
feft au ber falten Saffe, fo ftelle man ihn oorn 
Seucr, wenn nicht, laffe man ihn uod) ein wenig 
foeben, rühre ihn aber immer um, unb währenb er 
focht, habe man fein ftarfe3 jjeuer, bann fülle man 
ihn heiß in ©läfer ober Staffen, trage ftc an einen 
fühlen Ort, aber nicht in beit Iteller unb laffe ihn 
einige Stage eintrotfnen, bann biitbe ober flehe man 
bie ©läfer mit reinem weißen Sanier m; hat mau 
(selfsealing) ©läfer, fo hält fid) biefer Jellt) mehrere 
Jahre lang. 

SBeintranben * ®elee. 3Man nehme frifdje, nicht 
überreife Strauben, pflüdc fie ab, reinige unb wafd)e 
fic, thue fie bann in einen glafirten Sto^f ober Äeffel 
unb ftelle fie über ein langfameS Seuer. 3)ian laffe 
bie Strauben ia nicht heiß werben, fonft wirb ber 
©clce bitter; bann werben fie fein geftampft unb 
Dom Getier weggcftetlt, auSgepreßt unb 31 t icbent 
Sint Saft wirb ein Sfunb 3ucfer genommen, thue 
Saft unb 3ucfcr wicber in ben glafirten Stopf, laffe 
c3 311 m £od)en foimnen, fchäume e3 ab, rühre c3 
beftänbig um, laffe e3 20 SRimtten fodjen, unb im 
übrigen oerfahre man wie bei Johannisbeeren* 
©clce. 23cint ©elcefodicn habe man ben fieffel nie 
31 t ooll, ba c3 fonft leicht übcrfod)t, aud) nehme man 
feiuSBaffcr sum Saft, beim fonft wirb ber ©elee 
nid)t bid unb feft. 

©iihner*Gholera. ©ie 91dcrbau * ©cfellfdjaft be3 
Staates ©corgia fefete eine Sclobuung au3 für ba3 


, 


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Gfyronik ber (Beßroroort 


391 


bcfte 9Kittcl jjegcn bie ßübncr Cholera a uS ttnb e3 
tuurbe ba3 Tolgenbc 9Kittel cinocfd)i(ft: Sammele 
einen halben SÖufhcl 2Mtterfuöteridj (Smartweed), 
thuc eS in einen fl'cffcl unb gebe 5 ©allonen 23affct 
au, fod)e eS biS auf anberthalb ©allonen ein. S5ann 
nehme man von biefem ein halbes$intau aitbcrthalb 
©allonen fiornmehh mifche cS, füttere biefeS tdglid) 
jtucimal 100 Hühnern, biS bie jrranfbett verfd)iuttn= 
ben ift r unb bann bloS einmal bie 23od)e. 3ur$lb^ 
haltuna ber Äranlhcit füttere biefeS jeben anberen 
Sfeaa. ©in Savmet bemerft, baß er vor 9lmociibung 
biefeS 5D2Lttcl3 800 ©übnet verlor, aber feines feitbent. 

©rübtoafter für ftrattfe. 9ttan nehme atvei SdjcU 
ben 93rob, tueldjeS ein ober atvei Sage alt ift, röfte 
eS rcdjt braun, lefle e3 in einen 23afferfrug unb 

f ließe ein Quart fodjenbeS SSaffcr baraitf, betfe eS 
eft au, unb naefebem cS eine furae 3cii geftanben, 
ift c3 fertig aum ©ebraudj. 

fiimottabe für ftieüerfnutrt. 3u U Quart f ocfjen= 
bem Sßaffer gebe man ben Saft einer guten Gitrone 
(Lemon), bicS tvirb in eine mafchc gefüllt unb ben 
ftranfeit mit etivaS 3udcr vcrmifd)t aum Srinfen 
gegeben. 


©etrftnf für Slarr|öe Trante. lj $funb vom 
beften 9?ei3 tvirb getvafdtcit unb abgebrüht, bann 
nehme man ben 32ei3, i Unae gattaeit 3iinmct, atvei 
Quart fedjcnbcS 23affcr, thite cS in einen irbenen 
Stopf unb laffc cS langfam bis faft um bie Hälfte 
einfodjen, bann tvirb cS ohne SRührcn burdt ein Sieb 
egoffeit unb mit ober ohne 3uder ben Sag hin* 
urd) getrmtfen. ©3 tvirb btefcS ©ctrdnf biS aur 
gdnaticben 23efferung fortgefefet. 

Cholera Infantum, ©ine glaitbtviivbige Werfen 
empfiehlt baS folgetibc einfache Mittel, tvcldtcS fie 
feit atvatiaig fahren gegen summer complaint unb 
cholera infantum mit bent beften ©rfolgc in ihrer 
Samtltc gcbraudjtc. 2Ban laffe fidj vom Slvotbcfer 
in einem flcincn ©Cafe gleidtc Sthcite von 2atiba= 
mim, fiamvher unb Rhabarber auntachcn, unb gebe 
bem fiinbe 10 bis 20 Srovfett, ie nach bem Filter, 
©rtoacbfcitcit 2>crfoneit 30 bis 4P Srovfeit. 9J?ait 
gebe e3 in atvei Coffcl voll 2Baffer mit cttvaS 3ucfcr. 
23er biefeS Sßittcl amvenbet, tvirb ber drttlidien 
.Oftlfe nicht bebürfen. SD?an halte eS fidj im $aufe, 
bcfonbcrS im Sommer, unb acbe cS ttad) jebetn 2(its 
fall, fchc aber bantad), baß bie itranfheit mehr alt- 
mdhlifl behaubeit tverbe. 




tfbronih Der Gegenwart 


Ser f^reAUfe SoWielmort in Urlaub hat bie 

enßlifdje 9tegieritnß veranlaßt, firengere SRaßrcgcln 
eut$ufchlagen. Ser 2Bcß ber SScrfbhmntß unb bcS 
SRadtßebenS burfte von ©labftone ittdit langet ver- 
folßt tverbeit, mollte er fern Stcßiment nicht flefdhr- 
ben. Qb aber vcrfchdrfteS Auftreten aum ßctvünfd)= 
ten 3tdc führen tvirb, ift icbcitfallS eine fehtver au 
beantivortenbe Sra^e. Schleuniße Slbhülfc thut 
itothf füll ^vlaito iud)t vollettbS au ©rtinbe pchcit. 
SD?orb, 92aub unb ©civatttbatcn aller 9Crt ftitb au 
ber SaacSorbmuiß unb 92icmanb traut bem 9(ad>= 
bar. 92ur bie, thcldie ienem fürchterlichen ©chcim- 
bitnbc aitflchbrcn, tveldtcr vor feiner 9)?orbthat au= 
rfufbebt, haben baS Vertrauen au ciitanber, baS fidj 
ßctvöhnliÄ bei fold)* 25crfd)tvorcucn finbet. 9litßcr^ 
halb biefeS fflunbeS ift altcS „loS unb ßeht in 
©tücfe." 

Sie ©itttimttbentna über 9?civ ?)ürf ift von einem 
fdjivereit SScrtufte bebroht. Söefanntlidj befteht in 
9?etv S5ürf eine vom Staate einßefeßte fiintoanbe= 
nmßSsitüinmifrion, tvclcbc mit bem beften ©rfolß 
für baä 23ohl ber ©imoanberer ßearbeitet hat. 
Unter ihrer ßontrolle ftchcit eine ßaitae 9?cihe von 
§lnftalten, ia, bicfelbcn ftnb von ihr iitS Sebeit ßc* 
rufen unb erhalten tvorbcit — Slnftaltcn, bie ben 
Schüfe, bic Scrvfteßunß mtb SSerforpuitß ber ©in- 
tvanberer beatveaen. 3n erfter Stute tft hier au nen¬ 
nen ber Gaftle ©avbcit, tvo bie ©intvanberer laitbeit, 
tvo fic alle nöthißc 2luSfunft ttttb allen ffleiftanb aur 
drlaitßiuiß toon Arbeit ober aur SBcitcrrcife befom- 
men mtb vor ben Sdjtvinbleut, bic eS vornehmlich 
auf (Simvanberer abßefehen haben, faft ßdnalidj ßc^ 


fd)üfet ftnb. 3» biefem 3itftitut ift eS, tvo ber 
^mmißranten = ^Kiffioitar, ©cn ^aftor StcvhanuS 
Mevl, einen nid>t imbcbcutcnbcnShcil feiner Xhdtiß- 
feit entfaltet. Ifemmcn nun aber ©intvanberer am 
Seihe ober ©eifte fraitf an, fo forßt bie fiomtniffion 
tveiter für fie unb ßctvdhrt ihnen 2ltifitahme unb 
ij?flcße in einem ©ofvital. ifura bie Ginivattbes 
ruitßS'ffomittiffioit bcS Staates 9?etv 29orf hat auf 
faft iebe benfbare 2Bcife baS kiblidje 9Bohl ber Sitt^ 
tvanberer au forbent ßeftidtt. 

SDicS hat fie natürlich nicht auS eigenen Mitteln 
acthait, foitbern ber Staat 9?ctv JJorc aab anfdttßs 
lid) baS ttetbipe ©3clD her. SKlciit, ba bie ©iittvaits 
bcvttng von hddtftcr 2ßid)tiafeit für bic ßanae Union 
ift unb ber Staat 9?etvS)orf verbdltnißmäßia feilten 
ßroßeit SSortheil barattS aicbt, fo tvolltc er itid)t bie 
Saft allein tragen. ®er Staat 9?etv SJorf machte 
ivicberholt 25erfitdtc, bic nöthißcn ©clbmittcl burd) 
eine ffovfftcucr (50ctS. bis 81.00) auf jeben (Sin- 
tvanberer, tveld>e Steuer bic ScbiffSgcfcUfcbaften 
aahleit follten, aufanbriitgeit; aber eS [teilte ficb her¬ 
aus, baß er baatt fein 9?ccht hat. 2lllc SScrfuche, ben 
fiottgreß au bctvcßctt, bteGintvanbertiitßS'2lnßeleßctu 
heit in bie £>attb au nehmen, fiitb auch bisher feh(= 
ßefdjlaßcn. 6S fdttvebt iefet eine bicS beatveefenbe 
2ii(l tut ßongreß. 92utt itt eS fotveit gefommeit, 
baß bic CcgiSlatur fein ©clb mehr betvilligett tvill, 
ber Kongreß nod) itidtt gchaitbelt hat tutb bic (Sin- 
tvanbcrungS = flommiffton burd) freitvilligc ©abett 
ihre großartigen ^nftitutionen fortfuhren muß. 

®ic SegiSlatur von 92etv Jlorf tft au cntfdmlbU 
gen; aber tinfcr faumfeliger ftottgreß ift au tabelit. 
Geben folcheit SEabet verbienen bie ScbiffSgefcllfcbaf- 


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392 


(fljrottih bür (Bügüttwart, 


ten, bic fidj weigern, bic 50 GeittS pro Ginwanberer 
311 befahlen. G3 (inb bieS ooritchmlid) bic citgltfdjcn 
©dnffSgefellfchaftcn; bic beutfdjcit waren 3 tir 
luitg jener Summe bereit. Sarattf grünbet fief) 
and) ein Sorfdjlaa, ber in ber 9Jew 9 ]orfcr gegiS* 
latttr gemacht werben wirb, baß näiniicT) nur bie 
©cfellfdjaften ihre Saffagicre im Gaftlc ©arben 
rauben bürfen, weldje 50 GentS ber ßopf bejableu. 
SOian wcitbct ein: ®cr Gaftle ©arben foli fein 
SRoffopol werben, auf biefe SBeifc —; nun waS 
beim? würbe er ein ^Monopol? Scwahre; icbe 
©djiffSgcfellfdjnft fann ia ihre Saffagierc ba ab* 
febett, wenn fie nur bie geringe Summe 3 al)U. 

Sie fe|r Europa ber Sußf bebürfttg iß, erhellt 
auS ber allgemeinen Sefricbigung, mit welcher ber 
SÄücftritt beS vuffifeben 9 ieid) 3 fan 3 lcr 3 gürft ©or= 
tfeftafoff ttttb feine Gvfcfeuitg burdj Ferrit o. ©icvS 
auTgeitommeit rnttfbe. Berlin mtb SSien erblitfctt 
in biefem Serfoiieiiwedjfcl eine gricbcnSocrhcißung, 
Surft SMSmarcf unb ©raf ßalnech) haben bem 
neuen SHiniftcr beS Auswärtigen ihre ©lücfwünfdje 
bureb beit SEclegnphett juaefenbet, unb bie englifche 
ttttb fvanvh'iKbe treffe äußerte fiel) ebeitfo hoff 2 
nungSooll. .Obgleich ©ortfdjafoff baS 3 weiiutb= 
adjtjigfte Sebcnoiahr ocfdjvittcn unb feit 1879 feinen 
unmittelbaren Ginfluß auf bie Seititng ber auSwar* 
tigen Angelegenheiten genommen T>ai, galt er boeb 
von 1856 her alS unoerfohulidjer geittb beS „uns 
kaufbaren" Oeftcrrcicb, baS sur 3cit bcSßrimfricgS 
bttrd) feine halben Maßregeln beit granjofen unb 
Gitglänbent nid)t genügt, aber boeb mittels ber 
Sruppeuaufftclluitg in Siebenbürgen bie rnfftfdje 
glanfe bebrobt unb beit Alliirten bic SBccnbigung 
beS abenteuerlichen gclbjugS mit bem Spcctafclftüa 
ber Einnahme oott Sebaftopol ermöglicht hatte. 
AuS jener Seit ftantmen bie oicl wiebcrboltcit Stich 2 
Worte, welche ©ortfdjafoff’S Solitif beseichnen fott- 
teu: „9iuß(aitb fdjmollt ntd)t, eS fammclt fich" unb 

S w,,f, laitb für bie tfluffcit". Allem auch Preußen, 
©ortfehafoff oott AlterS her fidjer 31 t fein 
glaubte, mtb baS fid) nod) 1863 alS SunbcSgcnoffc 
gegen bie Solen bewährte, modite bem ruffifcheu 
©tueralgcwaltigcit weiterhin nid)t mehr behagen, 
unb baß gürft StSutarcf 1878 auf bem berliner 
ßougreß bie gührerrolle übernommen, fonnte ihm 
ber ruffifdjeÄait^ler nimmer»ergeben. 9? übt wenige 
Anjeicheit fpreeben bafür, baß er ein Süttbitiß niit 
granfreidj anftrebte, ben Born ber ruffifchcit 9iatio= 
nalpartei gegen ®etitfd)lunb gaitj nach feinem ©es 
Tdjntacf faitb unb mit ber Gntuuibuitg eines großen 
ßrtegS wie ein IcudjtcnbcS üRcteor iwit ber Kolitis 
fchen Schaubühne abtretcu wollte. ©er weiß, wa3 
gefchcheit wäre, wenn bie granwfcn ihre $ättbe frei 
ehabt unb, unciugcbcnf c*er empfangenen Sehren, 
en Sfobclcff’fdjcn Sraubrcbcit ein williges Ohr 
geliehen hätten ! ©ut, baß gürft ©ortfd)afoff nidit 
tut Srillantfcucr ciitcS unabfehbaren Kampfes beit 
Abfchieb nimmt, $crr o. G5icrS, ber feit länger alS 
wattig 3ahreu oertrauter ©ehülfe beS SÄeidjSfams 
erS war unb währenb ber lebten brei 3ahre bem 
auswärtigen Amt thatfädjlidj oorftanb, erbt 3 war 
bie Solitif beS Burfnfgctretenen, aber, wie man all 2 
gemein annimmt, itid)t beffen treibeitbe ßraft. ®te 
Erhebung beS ©errn p. ©ierS würbe alfo mehr bes 


fageit, bajj itt b^tt Umgebungen bcS Buren bie 
ruhig erwagettbcit Elemente einen Sieg über ben 
©rafeit Sguatieff unb bie Slawophileit erlangt 
haben. 

„ftwtntt, laßt nn$ tutfemfthtkent leben ! 44 Oer 

SDJautt, ber biefe ©orte bem beutfeben Sßolf attges 
rufen hat, ttttb ber bejüglid) beS ooit thnt geforbevs 
ten SebeitS mit ben ffiubcrn ttnb für bie ßinber mit 
einem ©cifpiel ohncgleidten oorattgcgaitgen ift, per« 
bient, baß baS beittfaje SSolf feinen 100jährigen ©cs 
burtStag feiert. GS ift griebrich gröbcl, ber 
jene ©orte gefprochcit hat, ein üKattit mit einem 
£inbergcmüth, ein ©rciS mit ber Segeiftcruim ciitcS 
3üngliitgS, ein Gr^ieher, bet um feiner Böglinge 
loillcit fid) fclber Pevgaß, ein 3)?attn ber Slhat, bem 
für feine 3bealc fein Opfer 311 groß war. ©ettn 
man baS ©efcit beS Deutfdjen alS 3bealiSntttS be« 
3 cid)itct, fo war grobcl ein ®etttfcher burcf) unb 
bttrd), ttttb mau ift, wenn matt ihn attS feinen ©ers 
feit näher fcttttcit gelernt hat, geneigt» einem feiner 
Äkmunbcrer 9 ied)t nt geben, weiter behauptet, baß 
matt fiel) eine ßrfdjeititmg wie gröbcl bei einem 
attbern Solle uicf>t wohl benfett fentte. 

griebrich gröbcl ift geboren am 21. April 1782 
im SfarrhauS 31 t Oberweißbad) im gürftenthum 
Sdjwarsbttrg s SKubolftabt. fjrühscitig mutterlos, 
empfing er feine Gleichung einige 3ahre lang im 
S)aiife fcittcS OhcintS, bcS Superintenbcntcn ©offs 
mann in Stabt = 31nt. 9?ad) pollcitbeter Sdmhcit 
wählte er ben Scruf citteS gorftmattnS; aber ber 
innige Scrfchr mit ber 9?attir, ben er in biefem 53 c 2 
nife fanb, unb ber feinem gabelt ©efcit außers 
orbentlid) jjufagte, ttnb citt gewaltiger innerer ®rattg 
nach Erweiterung feiner mangelhaften Äcnttttiiffc, 
brachten ihn auf bie 3 bcc, in 3cna SRatumuffen« 
fchafteit 311 ftublrcn. SDiit ben größten Entbehrungen 
fämpfcttb, fab fid) gröbcl noch Por fflceitbigiutg feis 
tter Stttbien genöthigt, eine Stelle alS Sviuatfcacs 
tär bei einem iitcdlcnbttrgi)d)cit G3rafen attsunehtttett. 
Später ging er ttad) Samberg, um Sautnciftcr 3 u 
werben, bis er cttblich 1805 ttad) grattffurt a. 3)i. 
fam, wo er feinem cigcntlidjctt Scrtif, ber 3?äbago= 
gif, 3 itgeführt würbe. Auf biefem ©ebietc hat er 
beim auch nad) mancherlei mißlungenen Scvfwbcn, 
fclbft ErgichnngSanftaltcn 3 n leiten, großes gelciftct, 
unb 3 war nl3©rüitbcr bcS £inbergarteitS. 
SiS an fein 8cbcttSenbc (er ftavb am 21. 3ttni 1852 
jtt giebenftein) hat gröbel ferne Shütigfcit faft atiSs 
fddießlid) ber ©citerbilbuitg tutb ber Scvbrcitung 
ber ßinbergärten gewibmet; waS er gelcgentlid) über 
fpätcre Stufen ber 3ngcnbcr3iebung unb beS Unters 
rid)tS fagt, baS geht faft nie über bte Sphäre allacs 
meiner Scmerfungeit hinaus unb entbehrt bcS ©es 
prägcS praftifdier Scrweitbbarfcit. 

®en BH'ed beS ßinbergartenS bcseidjnct gröbcl 
mit folgcttben ©orten: „Gr foll ßinber beS oors 
fchitlfähigeti AlterS nidit nur iit Aitffidit nehmen, 
foitberit ihnen and) eine ihrem gausen ©efcit ents 
fprcd)citb^ Sethätigung geben, ihren ßörper fräfti- 
gen, ihre Sinne üben tutb beit erwadjeitbeit ©eift 
befefjäftigeti, fic finnig mit ber 9?atttr unb ber 
SO?cnfcf>cnwclt befatint machen, befonberS aud) ©et 3 
tutb ©cmüth ridjtig leiten unb 3 tun Urgruitb allcS 
8cbenS w Ginigfeit mit fich, hinführen." 


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bcvm, tuet 3 bu 

ftofv u,vtb rvpticfi ein fWmw ^eßet, 
^Jtvib vjicß von be-m, tvas bifc vc^^ie^v’ti, 
@(-uefv beinew oiw&h o&twbe^u frin. 


streut btv *teue Saatew aud, 

^f»tb Sccjcn ßfüfrt ba-tems, 

^aun •vüi'tb beit* cKcx«. voW So*we4tdcfrein, 
ß-m &xwtc^e.>t beiu £c6cw $ein. 


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4 


4 ? * 

. , K 





fTy"*•■■tie?"©efic()t§ unb einer woljfi}e|)fIec}= 
ten &anb, nebft unlümibarem $ä= 
lent gu leiditer (fonberfation, mndjen weniflftenS 
ben näcfijien (Sinbrucf anfleneljm, wenn and) 


aber freiiid) „fräflt mid) nur niefft, wie?" @s 
fei ferne bon nn§, jenes alberne fÜlärdjen eines 
biiitben 3?ornrtbeilS nadigufpredjen, als habe ber 
weibliche ©eift an fid) nic^t biefelben fjfäljißfeiten 


29 


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(Sin illuftrirtes lamilienblntt. 


£e 0 nier pnitb. 


Jlttgttß 1882. 


Jldftes «Äcft. 


ü£3 ^Vciuderci*A «Itadt. Bl 


23*» einem IDirtlje, 

munbermtlb, ^ 

Da mar idj jüngft 3 U 

n 

(Safte. 

(Ein golb’ner 21pfel 
mar fein Scbilb 
Dn einem langen * 





-3cjSS- 



k 

■ § <Es mar ber gute 21pfel* 
bautn, 

Bei bem idf etnge* 
Feieret; 

XTTit füjjer Koji unb 
frtfcfjem Sdjaum 
f?at er mtd? motfl er* 


m 


preierlei SiMjtft:. 

] 

@iu «npitei über beuffd^amerif. SRabdjtitcrjieljung. 
fe ebitorifO. 

II. • Y I # l. I l ' Y* , 


TaM«aW|iMM nicht bebeutenb, einneljmenb, roentt auch noch 

reten wir ein in 5lo. 2. nicht auf bie Sauer feffelnb. gefefliger Se= 
r j^ jf wT 4>ier bebiitirt ba» f^räutein jichung unb flüchtiger Unterhaltung läuft fie 
2achter als gelehrte ihrer befdheibenen, fchroeigfamen Goncurrentin 

® a m c. Sehen mir *u, bon 5to. 1 entfdjicben ben SRang ab: überall 
. l’ c u, iS vielleicht beffer lanit fie mitfprechen unb rebet au<h in ber Sh«* 

gefällt, al» baS gefdhäftige gar ju eherne in MeS hinein, felbft in baS, WaS 

4&fluSnt iit te rthen. Sluf ben er= fie Weber grünblidfj oerftefjt, no<h was fie irgenb» 

P cn möchte es Dielleicfjt wie näher anfleht, noch Worüber fie ein tintige» 

/ fo flüchten : eine anmuthige, Urthcil hat unb haben fann. Sodf) fie hat ja 

gßr\ feine ©eftalt, mit intereffanter SÖläffe bafür Sille» gelernt, SltleS gefehen, SlueS gelefen; 
\jTr~ ' beS ©cfidjts unb einer wohlgepfleg. aber freilich „fragt mich nur nicht, wie?" (?S 

r' ten &anb, nebft unläugbarem 2a= lei ferne boit nn», jenes alberne SOtärdhen eines 

Ient ju leichter Gonberfation, madjen wenigstens bliitben ®orurtheilS nachcufpred)en, als habe ber 
ben nächften ©inbruef angenehm, wenn auch weibliche ©eift an fich nidht biefelben 3?ähigfeiten 


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394 


Jlietetlet Sodjter. 


ebenfo tief einbringenben Dörfchens in allen ©e» | SMauftrumpf ift, leibet, unb für bie eine ein« 
bieten be§ UBiffenS unb Könnens, wie ber feitiqc geiftige Befcbäftigung ohne baS ©leict)« 
männliche. Mein um biefeS Vermögen fetbft gewicht förderlicher Mnftrengungen, toie fie 
banbett eS fi<h Ijicr gunächft gar nicht, fonbern eben jene behagliche „Schaufelftuhlpäbagogif" 
bielmeljr um bie trop aller rühmlichen 9luS= barbietet, gerabe bie reepte ergiebige Brut« 
nahmen bennodp gewöhnliche Mrt unb 2Beife fei« ftätte ift! 

ner MuSbilbung auf unferen amerifanifchen urfüd^li^em 3ufammenhanq ftebtbamit 

«Schulen unb felbft $o<hf<hulen. So mie hier ohne 3meifet au$ eine troj* aller fonftigen ©e= 
ber Unterricht oft betrieben roirb mit oberfläch« weglicpfeit beS leidjtbefchmingten ©eifteS oft be« 
lieber Gifenbahngefchwinbigfeit unb gur Schau obaebtete Schmerfäfligfeit, bie eS ber gelehrten 
getragener prunfenber Staffenhaftigfeit bunt 2tame feljr unbequem mad)t, aus ihrer hohen 
gnfammengemürfelter Sehrgegenftanbe, loa3 man 2Mlbung3fphäre fjerabgufteigeu gu ben orbinären 
bann meiftenS als bie boebgerühmte „Bielfeitig« DJtenfcbenfinbern, Pou bem 3folirftuhl ihrer 
teit" anpreift, ift gu fürchten, bafi toeber ber Gollege=28eiSheit in bie gemeine 2ßelt ber 2Birf« 
männliche noch ber weibliche ©eniuS eS gu wirf« liebfeit, aus bem reinen Slether ihrer Sentiments 
liebet innerer Bewältigung, 3)urd)bringung unb unb ^beale in bie rauhere Suft beS Mittags« 
Aneignung berfclben bringt.. Vielfach fehlen lebenS unb ber fid) felbft berläugnenben bienen« 
alle unb jebe foliben 33orfenntniffe, es wirb fo ben Mrbeit ber Siebe. Süa fifct fie unb lieft unb 
tafdj Wie möglich über bie „troefenen MnfangS» fdbreibt, malt unb'muficirt, träumt unb bidjtet, 
grünbe" meggegangen, bie hoch fpäter baS gange phantafirt unb philofophirt, — aber für men 
©ebäube tragen füllten, inan will in möglicbft benn ? Unb banebeit fiefjt fie nicht ben Staub 
lurjer 3eit möglicbft grofie, blenbenbe IRefultate, auf Stuhl unb Stifcb, nicht ben fjledt im Äleib, 
einen äufjeren glängenben ©ffeft. 3 U biefetn ben 9tifj im Mcrmel, baS Sodj im 9tocf; unb 
3wedf genügt eS aber auch fdjon, jtatt auf wirf« wenn fie’S auch fälje, maS hälfe fie’S? Sie fann 
liebe» Berftänbnijs ber Sache, bloS auf ein uit« bielleicht Blato unb Homer überfefcen, ^inbar 
felbftftänbigeS Sadjfprechen unb üorlauteS DJiit« unb SopfjofleS erflären, Seethoben fpielen, 
fprechen über bicfelbe hinjumirfen, unb gar Shafefpeare recitiren unb Stiller beflamiren, 
leicht fann’S fommen, baß aus all biefen jer« aber am Gnbe niept einmal ihren eigenen 
ftreuten Glementen eines mehr gum fjlittcrpufc Strumpf ftopfen, ihr H f mb flirten, ihr Sett 
als gur ©eifteSnahrung bienenben SßiffenS unb machen, ober ficb eine bernünftige Suppt focf)en 
bem haltlos unb gufammenhangSloS Wie eine trop aller ©hemie unb Theorie ber itodjfunft, 
Stuftertarte aneinanbergeljäuften unb gufam« bie fie ftubirt hat; fie ift am Himmel unter 
mengeflebten Sielerlei bon „jtenntniffen" jene allen Sternen baljeim, aber nid^t in ihrem 
bünnladfirte©onberfationSleEifonS«Silbung ent« Haufe, berftefjt Sotanif unb Sflanjenphhfiolo« 
fteht, ber man baS 3ei<ben ber Meujjerlicbfeit, gie, abdr nicht baS ©infaepffe botn ©artenbau, 
©epaltlofigfeit unb Cberfläcpliibfeit fdjon bon Üllgebra unb Sogarithmen unb fann bodj fein 
SBeitem anfieht. 2)agu fommt ber überfüllte ^auSbaltungSbucb georbnet führen! Unb wie 
unb oft merfmürbig gemifchte Sehrplan, unter oft befepränft ficb if?r Sßiffen auf ein paar hohle 
beffen „Sachern", Wie eS fcheint, bielfach gerabe ipprafen, ihre Seetüre auf ein paar feidjt unb 
bie abftrafteften, wie namentlich bif ijöpere leicht gearbeitete Lobelien, ihr Jtlabierfpiel auf 
©tathematif, ein • oft ungebührliches Uebermafj pölgerne Siugerfertigfeit unb baS glatte, ge« 
einnehmen, alfo gerabe foiepe Stubien, bei benen banfenlofe Mbpafpeln eines mobernen Salon« 
man nicht, wie etwa bei ben flaffiftbeit Sprachen, ftücfs, eines leichtfertigen SEangeS, einer pifanfen 
©efdjicpte, Siteratur ic. bie großartige bilbenbe Cpernmelobie. Son flaffifcp gebilbetem ©e« 
Äraft, bie ihnen-unläugbar innewohnt, unb bie f^rnnef, einem feinen Serftänbnijj für Soefie, 
fie ju einem auch für Stäbchen zweifellos feljr einem ernftefeit unb tieferen ^ntereffe an unfe» 
werthboHen SöilbungSftoff unb BilbungSmittel rer nationalen ßunft ober Siteratur, ift leiber 
rnadhen, atljuhoch anfdhlagen fann, abfönberlich häufig gar feine Siebe. SBolIen wir in biefer 
wenn baS fpätere Seben in ben atlermciften fjfäl« ©rzieljuhgSmetbobc ber „gelehrten SEochter" biel» 
len gar feine ober bod) nur berfchwinbenb Wenig leidet bie SBunberarznei unb baS unfehlbare 
©elegenheit, ja auch nur SDtöglicbfeit gu prafti« Heilmittel für alle ©ebredhen unferer franfen 
fcher SluSübung, S3erwerthung unb fjortbilbung 3 e 't bie Batentmebigin für unfer alterSfcbWacb 
berfelbeit barbietet. unb hinfällig geworbenes ©efhlecht finben'? 

itein SEßnnber, wenn bann bie unberbauten Ober giebt eS bielleicht gtoifeben ben beiben ©j= 
Srodfen einerreiglofen unbüberfättigenben geifti» tremen noch c ' n drittes? 
gen $oft auch geiftigeS Uebelbefinben, SSerftim« i ©emift, theuerfte Seferin, unb gmar mödhten 
mungen, Saunen unb allerlei Dterbofitcitcn er» ■ wir wünfhen unb hoffen, $u felbft märeft eS, 
zeugen, an benen baS gelehrte fjrnuengimmer, 2)u felbft bilbeteft ben ©belftein im Familien« 
felbft wenn’S noch lange fein fcfjriftftcHenbcr freife, 9to.: 


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fhreirclei ftädjter. 


395 


III. 

Sie gebildete Tochter. ©ine ©eiehrte 
brauet fie bnrum noch nicht ju fein, ©ottlob ! 
2lber freilich ebeitfowenig bavf fie aud) bloS ein 
#auSmäbChen bleiben. Sie foll bielmehr lernen, 
Was nnb wie Diel fie nur immer lann, unb jebe 
©elegenheit jur mirflidjen, nicht blo-3 auf ben 
bolffen Sdjein berechneten Bildung ihres ©cifteS 
unb ju reeller Bereicherung mit foliben Äennt» 
niffeit fo lang nnb fo treu als möglich beniißen. 
Sie foll alles baS lernen, aber gründlich lernen, 
ernfl unb fleißig lernen, was irgenbmie nicht 
bloS jur 91nfflärnng beS JJopfeS, fonbern na» 
mentlich aud) jur ©rwärmung unb Berebelung 
beS ^enenS bienen fann; beun baS ©emiithS» 
leben ift ber eigentliche Wittel» unb Summe!« 
punft aller echten weiblichen Bildung; nur was 
mit ibm lebeitSfräftig unb innerlich jufammen* 
bängt, bort entfpringt ober dorthin miinbet, 
trägt für fie 3?rüchte, alles Hindere fällt als 
febimmernbe 'obet taube Jlulturblütße ab. Sn» 
neben aber bebarf baS Weibchen mol)! ntebr nod) 
als ber $nabe eine tüchtige Arbeit, als ben har« 
ten aber beilfameu SRefonanjboben, wenn alle 
Saiten ihres SöefenS ju gleichmäßig harmoni« 
f«ber Schwingung fommeit follen. Sie lerne 
alfo getroft alles, aber freilich auch n u r baS, 
Was baju geeignet ift, fie fähig unb tüchtig 311 
machen, ihre eigentliche Stellung im Beben im» 
mer beffet ju berfteheit unb auSjufiillen, baß fie 
felbft unb anderen 31 t reifem unb bleibenbem 
Segen »erbe, nicht bloS 311 einer $auShaltungS» 
mafchine, aud) nicht 311 einer plappernden Spiel» 
puppe, fonbern ju einer frifdtjeu, freigebigen 
OueHe aller ber 3?reuben, bie unferem Beben 
feine buftigfte 2 öür 3 e fpenben. 

Unter Hlnberem, ober oietmefjr bor Pielem 
Slnbeten, oft weit weniger fRotljwenbigen, lerne 
fie aber ben len, felbft benfen, nicht bloS 2ln= 
bere für fich benfen laffen, unb gerabe basn fön» 
neu ihr neben ber praftifefcen Uebung beS £anS» 
baltS, bie einen genauen ©inblid unb öerftänbi» 
gen Ueberblid über eine Wenge Pon ©Übelheiten 
erforbert, in benen ein ungefChulter, bloS in ber 
bumpfen Bewußtlofigfeit beS ©ewohnheitS» 
fdjlenbrianS baljinlebenber ©eift fo leicht feine 
befte Äraft nußloS unb ohne Befriedigung 3 er» 
fplittert, inSbefonbere auch alle diejenigen Sehr» 
fächer ber Schule treffliche Sienfte leiften, bie, 
wie man 311 fagen pflegt, „ben flopf auSpußen." 
Ob»e folche Straft unb Uebung geiftiger Selbft» 
beberrfdbung fann fie niemals wirf(id) bie „lei= 
tenbe Seele" beS Kaufes werben, nur durch fie 
wirb fie befähigt, ben iwuShalt felber 311 führen, 
ftatt bon ihm willenlos geführt, planlos hin» 
unb hergesogen unb in taufeub Sorgen unb 
'■Äengften umgetrieben su »erben. So feßt 3 . 23. 
f<bon baS richtige ©infaufen sur rechten 3eit, 


baS 3 Wecfmäßige ©inrichten unb ©intljeilen, eine 
geiftige Steife, eine befonuene ©inficht unb Ueber» 
ficht, fürs gejagt, eine in SBahrßeit „praflifche" 
2SeiSbeit borauS, ein ©efchitf, baS feineSwegS 
ein ©efehenf ift, welches uns nur fo bon felbft 
mühelos unb ohne 213eitereS in ben Schooß fällt, 
(unbefd)abet gewiffer natürlicher 2 (nlagen unb 
befonberer _ Begabung dafür), baS auch nicht 
burch’S bloße 3 u fehen unb Bacpmadjen, fonbern 
nur burch’S 9iad)beufen gelernt werben fann, 
unb alfo fchon eine gewiffe BerftanbeSbilbung 
borauSfeßt, 311 bereit ©eminnung unb Wehrung 
gerabe ein methobifäjer Unterricht baS einjig 
wirffame Wittel ift. 21u(h bie ^auSljaltungS« 
genieS füllen eben fo wenig wie bie anberen 
Weifter fchon fertig Pont Fimmel, fonbern fie 
werben smar wohl geboren, b. b. fie beruhen auf 
angeborenem größerem ober geringerem Stalent 
nnb praftifdjer ©ef<hicfli<hfeit, tnüffen aber 
gleichwohl, wie alle anberen 9iatnrgaben, auch 
exogen, geübt, gefault, cntmicfelt unb auSge» 
bildet werben : auch h* f r giebt’S feine Weifter« 
fchaft ohne borangegangenen BehrlingSftanb. 
Unb je ftrenger ber leßtere ift, beflo beffer. ©e» 
rabe bei twrsugsweife praftifch begabten Staturen 
entftebt bie doppelte BerpfliChtung unb eine befto 
dringendere Hlufgabe für bie Wutter, in ber ©r= 
Siebung ber SöChter breh nicht bloS bei ben 
Üebnngen ber £)anb unb ber fünf Sinne flehen 
311 bleiben nnb alles Uetrige bem lieben ©ott 
ober auch bem eigenen gefunben Wenfcßenber» 
ftanb ber Wäbchen 3 U überlaffen, ber ihnen fchon 
ben rechten 2 Beg seigen werbe, fonbern bei 3 e '= 
ten unb ernftlich dafür 311 forgen, baß burch 
einen möglicßft gründlichen Schulunterricht neben 
ber häuslichen ffertigfeit aud) Sinn unb ©e= 
mütb beS jungen WäbCßenS erleuchtet, erwärmt, 
belebt unb auSgeweitet unb ifjr fo durch ein rege 
erhaltenes 3tnieteffe an ber SOBelt ber ©eifter, 
bas nötige ©egengewiCbt gegen baS dumpfe 
23erfinfen in Stumpffinn und ©leichgiltigfeit, 
in baS Beere unb ^nhaltSlofe beS 9UltagSlebenS 
und ben Staub unb Schmuß ber ©rbe bärge» 
reicht werbe. 

©eiftcS« unb ftersenSbilbung, biefe beide 311 = 
fammen unb beide auf ber foliben ©runblage 
ber 3ucf)t unb Sitte eines djriftlichen, gebildeten 
beutfeßen ffamilienlebenS unb einer tüchtigen bon 
ber Wutter mit Sorgfalt geleiieten Üheilnabme 
an ben mannigfaltigen nüßlidjen Befdjäftigun« 
gen beS £>nuShalteS rußend, baS fdjeint urtS bie 
£auptfad)e einer gefunben Wäb<hener 3 iehung 3 U 
fein, bie fich aber, ba b» 3 U als hoppelte BorauS» 
feßung eine gute Schule, worin biefelbe erwor« 
ben unb ein guter Umgang gehören, Worin fie 
erhalten, geübt unb fortgebilbet, bertieft, gereift 
unb erweitert werben muß, fofort in ein 3 »ei« 
faches Bebürfniß serlegt: mir brauchen für un= 
fere beutfehen WäbCßen ßiersulanbe einen grünb« 


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396 


JUb Jltru. 


liehen pöeren ©chulunterricht, bamit mir nidtt 
in bet leibigeu anierifanifd)eu Cberflädjlichleit 
fiecfen bleibenb, baS beftc geiftige Grbtbeil bet 
alten £>eimatl) berliercn, aber ebetifo gewiß unb 
ebeufo feljr and) anbererfeits, nm ihnen bie neue 
wirtlich lieb unb fie felbft für biefelbe nüßlid) ju 
machen, einer möglidjft reichen, borurtheilöfreien 
unb bielfeitigen ©erührung mit bcm Gbclften 
unb ©eften, maS ber jungfräuliche Sfulturbobcn 
berfelben fjerborgebrad)t hot unb noch hcrbor» 
bringt, unb in ben oerfdjiebeitftcn tl)coretifchen 
BiffenS unb namentlich praftildjcn ©cfchidS in 
fo großer f^iifle crjeugt, in ©onberhcit aber 
auch möglidjft lebenbige pcrföitlidje ©erührung 
mit ben Srägern fomohl als bcm rings unS 
umgebenben ©efdjlecht biefcr mobernen Gibili» 
fation. 

©o nur bermögen mir mancherlei Gngljergig» 
feit unferer gumeilen etwas befdjrcintten unb 
boltrinären Stethobe gu iiberminben, mancherlei 
©den unferer fpcgififcf) bcutfdjen Biffaffungcn 
abjufchleifen, ohne babei Gefahr gu laufen, baS 
mirflicl ©ebiegene berfelben bariiber eingubüßen. 
Gin berartiger guter, gebitbeter Umgang mürbe 
uns bielmehr nur babor bemahrcii, baß mir 
nicht fchliefjlich mit all unferer Grüitblidjfeit beS 
BiffenS einroften, unpraltifch Werben unb blei» 
ben, auStrodnen unb murgettoS im ©oben bei* 
neuen Heimat!), ohne bie geiftigen 3uflüffe unb 
Hilfsmittel ber alten berborreu unb weifen, 
weil mir mtS felbft boit ber frifcfjeit unb erfri» 
fchenben ©erührung eines Wenn auch anberS ge» 
arteten SebenS berfehließett. 3n einer foldjett 
„guten ©efettfdjaft" aber follte auch baS jüngere 
Stäbchen fchoit friihgeitig fich bewegen lernen, 
um in ihr wirtlich auftreten gu fömten unb nicht 
bloS als ftumrne edatiftin eine peinliche fRolie 
gu fpielen; unb’ gwar nicht nur aus äußeren 
SüßlichfeitSrücffichten, weil mauburch foldje ge» 
fettige ©ilbung unb Uebung unb bie baburch 
gewonnene ©efanntfehaft unb {Jreunbfchaft' 
Steitfchenlenntnifj unb Beftflugheit oft an einem 
eingigen Sbenb mehr gewinnt, als in einer gan» 
gen Bod)e, ober gar Stonat, mit mühfeliger 
unb oft geitraubenber, oft auch geifttöbtenber 
Hanbarbeit, auf bie fich weift bie bielgepricfene 
unb praftifche häusliche Grgiehung bcfdjränft, 
fonbern aus ben biel ebleren, fittlichen Stotiben, 
weil nur burdj bie ttteibung mit anbern unb an 
anbern baS eigene ©Men unb ber perfönlicbe 
Gfjaralter fich fo abrunbet, baß ihm äußere 
Sülle unb innere Straft, Glafticität unb ©e= 
ftimmtheit, leichte ©emeglidjfeit beS ©eifteS unb 
maßbolle 9hif)e, jene biegfame Beite ber Gm» 
pfänglichfeit für alles neben ber feften Gntfchie» 
benheit eines flaren unbeftochenen UrthcilS unb 
ber Siefe einer warmen Gmpfinbung gu Sbeil 1 
wirb, bie wir in ihrer harmoitifchen ©erfdpnel» J 
gung als ben fchönften ©d)mud an ber wohl* 1 


! 

: tfjuenben Grfchcinung einer wahrhaft cblen 
I gebilbeten beutfehen fjrau aitgufeljen gewöhnt 
I finb. 


Jlu* JJrru. 

Sach bcm Giißlifcbcn oon 3. Pfeiffer. 


^4ie ©ud)t bon Gallao ift bie größefte, fchönfie 
nsr unb ruhigfte beS füllen SteereS. Gine ber 

1 bebeutenbften ©cbenSmiirbigfeiten ift bie 
alte Ulnno 1746 in’S ©teer berfunfene ©tobt. 
Bir begaben unS gu berfd)iebenen Stalen an bie 
unS begeichnete ©teile bon ben Gingeborenen 
Star ©raua genannt unb an einem recht hellen 
Storgen fonnten wir fehr beutlich, in einer Siefe 
bon etwa fiinfgehn 3?abeu, bie llmriffe einer alten, 
grauen Steinmauer Wahrnehmen, ©on ber 
fdjöncn ffeftung Gaftiflo be la ^nbepenbencia 
erftreeft fich weftlid) eine lange Sanbgunge, auf 
Welche bie gerfollcnen '«Ruinen ber 1630 burd) 
ein Grbbeben gerftörtcu ©tabt Gallao gu fehen 
finb. Ser ©tranb ift hier mit fcßlncfenartigcm 
Stiefel unb Saba bebedt. 3n biefcr ©egenb 
werben alljährlich bei fiinfgig leichte Grbbeben 
wahrgenommen unb alle fünfgig 3af)re finbet 
eine fürchterlidje 5ob unb ©erberben bringenbe 
Grberfdjiitteruug ftott. 

Ser gangen Stiifte entlang gehen beftänbig 
©eränberungen bor, bie burch iinterirbifd)e unb 
bulfanifche Birtlingen berurfacht werben. Beim 
irgenb ein Ort in ber Belt, fo ift eS bie 
Stüfte ©eruS, bie uns ben ©emeis liefert, baß 
uufere Grbfüfte feljr unficher unb unbanerhaft 
ift. 

Se3 BeilettS an ber Stüfte mübe, entfchloffen 
wir uns, eine Sour in’S Sanb gu machen. Sima, 
bie biergehn Steilen entfernt liegenbe Haupt* 
ftabt, war gpnäd)ft unfer 3*el. Ser borthin 
führenbe Beg war nichts mehr als eine ©pur 
burch ©anbmüfteu unb öbe ©teppen. $n ber 
Umgebung beS Keinen gerftreut liegenbeit Sor= 
fcS ©ella ©ifta trafen mir eine Oafe in ber 
Biifte, beim hier waren fdjön grünenbe ©flau* 
gungen gu fehen. Bir fanben hier auch einige 
HerbergShaiifer, wo fid) ber mübe Banberer 
auSruhen unb erholen fanit — wenn er ©elb 
hat, benn bie Ginmohner ©eruS beherbergen 
nur für ©elb. Sie Herberge roar leiblich gut, 
aber baS Gffen wollte unS nicht mutiben. 

Ser Beg oon ©ella ©ifta war gut, führte 
an fchönen feucht» unb ©lumengärten borbei 
unb in gewiffen 3wifchenräumen waren unter 
bem ©chatten ber ©äuine angenehme Htuljebänle 
angebracht. Sima ift bon einer gmangig tJuß 
hohen Stauer, bie aber jeßt bem 3«fatt nahe 
ift, Umgeben, ©ei unferer Bitunft lehrten bie 


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Hu6 |fcru. 


397 



$mmnifcf>e fcatite. 


Anbeter, meiftenS grauen» gerabe bon bet 9Jtor= 
genaubacbt beim. 

£ie grauen üoit Sima finb meinen ihrer 
Schönheit fprücbmörtlicb peroorben unb mir 
haben auf aflcrt nuferen Steifen nirpenbS fo 
biele fdhöne grauen pefeben als hier. Sie finb 
Pon fthlanfem put proportionivtem SÖucbfe, ha» 
ben profje fcbmarae 9tnpen, langes rabenfcbroar» 
jeS Haupthaar, {(eine giifee, unb bcmepen ficb 
febt anmuthip. ßitelfeit unb tßufcfncbt ift bei 


ihnen gtt einer Seibenf<baft petoorben, ber fie 
9l(leS jum Opfer bringen. Söir haben fonft 
nirgenbS einen folificn Kontra ft jmifchen bem 
männlichen unb roeiblidjen ©efcblccbt maljrge» 
nommen. Söäbrenb bic SSeiber auffallenb 
fthön ftnb, finb bie 3Jlänner auffallenb bäj?li<h. 
Sie finb boit bunte!» ober fdjroarjbrauner @e= 
fichtsfarbe unb haben ein leichenartiges, ja oft 
fchanberhafteS 9JuSfeben. 

Stuf ber «Straße fieht man hier fetten ober nie 


O 

















398 


Hu» fferu. 


Wann «nb SBeib unb ©ruber unb ©<bwefter 
beifammen. Die grauen fledert [eiten au« unb 
bann weiften» allein unb tief ber|ct)leiert. Die 
ßinroobner biefeS £aitbe§ fittb ein träges ©olf 
unb bringen ib« 3«>t am liebften mit 9ii<bt3* 


fönnte, unb felbft bann wirb fie nur halb ge* 
tbnn. 

Die Dame be§ ©aufeS ftebt fpät auf, ijjt ein 
wenig gfrübftüd, legt ficf) bann in ihre ©ang* 
matte unb rau<bt gemütblicb ib« ßigarre. Da« 



tbun ju. ©arte SIrbeit ift ihnen ber£>af?t unb I bei fällt ibr nicht ein, fi<b um baS ©auSwefen 
wirb wie bie ©eft berabf^eut. 3lfle, bie e§ fön* ' gu befiimmern, bafür bot fie ja bie Dienftboten. 
nen, unb ©iele, bie eä triebt fönnen, Raiten eine Das WittagS* unb ©auptmabl wirb fpät beS 
gro|e 3obt träge Dienftboten, um bie 9(rbcit ju , 9tacbmittng§ eingenommen unb beftebt baupt* 
berridjten, bie diuer feijr leicht tbun füllte unb fäcblid) au§ bem nationalen unb oielgepriefenem 







Hue JJera. 


399 



$a§ Aber bic GorbiHeren. 


Studiere, eine feltfame ©tifdhung Don allen nur 
bentlidhen ©febarfeiten unb bem ^ßicantt, einer 
ftarf gemürjten Sauce, bie aber ber 9IuSlänber 
wegen ihrer Schärfe faunt geniefeen fann. 

9ta<h einem mebrwödhenttidhen SBeilen in ber 
Imuptftabt machten mir uns auf ben 2Beg nach 
ben 60—70 Weiten entfernt (iegenben (Sorbit» 
leraS ©ebirgen. 2öir hotten bie erften 6—7 
Weiten guten SEßeg, bann über ging eS burch ein 
mitbeS fteinigteS Stfeat, wo bon einem SBeg 


nidfets ju fehen war, unb wir beStjalb nur lang» 
fam boranfamen. ©iS fMbenb erreichten wir 
baS ((eine $orf ©ariachi, Wo mir übernachteten. 

Oie 9tacf)t, bie wir hier in bem einigen ©aft» 
häufe beS Ortes gebrachten. Werben wir nie ber» 
geffen. $u effen gab cs nichts, als baS foge» 
nannte ©hupe, welches aus Kartoffeln unb fo 
ranjigem Schweinefett beftanb, bafe wir eS faum 
riechen, gefdjweige benn geniefeen tonnten, unb 
baher auf ben geringen ©orratfj in uitferer 


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400 


Hus (tou. 


Steifetafcpe angewiefen waren. Sllg wir ung 
Darauf gur Stupe begeben wollten, [teilte eg ficf) 
heraus, baß in ber Quitte nur ein 3imtner unb 
in bem 3>Himer nur ein Sett, beftehenb aus 
einer Sinfenmatte unb einer groben wollenen, 
nicpt atlgu reinlichen Sede, gu finben war, unb 
barin foflten wir 3n:ei (mein fjreunb unb ich), 
nufer fjüprer, bie ^auc-frau, ihre Socpier, gwei 
Gnfelcpen, gwei £>unbe unb brci tleiite Schwein« 
cpeit ^ßlafe finben. SMr wunberten uns, wie bag 
gugepcn foüte, machten aber halb bie Gntbedung, 
baß nicht nur biefe alle, fonbern noch Saufenbe 
anbere tleiite ipiere Staunt fanben. 

Sei bem fipredlicpen ©erucp unb bei einer 
fotzen Settgenoffcnfcpaft, Wollte troft berSJtübig« 
feit fein Schlaf in nufere Singen lommen. 3u= 
lebt würbe bie immer freunblidjer werbenbe ©e« 
feufcpaft unerträglich, wir Derlieften bie Schmuft« 
höhle unb fuchten im freien bie Dielen Keinen, 
mit einer tnerfwürbigen 3dpiflWt fcftfjattenben 
tfrcunbe log gu werben, wag uns aber nur nad» 
grofter Stnftrengung unb giemlichem SlutDerluft 
gelang. 

Sei SageSanbrucp festen Wir unfcre Steife 
fort unb erreichten halb bag 4000 ffuft über bem 
SJteeregfpiegel liegenbe Sorf «an '-ßctro. Soit 
hier führte unfer 233eg buvch ein Don hohen ffel« 
fengebirgen überfepatteteg Spot- 

Siefe fenfrecpteti Stauern üon folibem §els= 
gefiein mit hie unb ba einem gewaltigen unb 
tiefen Stifte, in welchen uttgäplige Scpnaren bon 
Keinen Papageien ihre Siefter hoben unb einen 
betäubenben Särm uollführen, fomie bie geolo« 
logifcpe gormation biefer ©egenb, welche greift« 
tentpeilS cm» Sovphpr (Porpliyry) unb feproar«- 
gern ©ranit, Schiefer unb Kalffteiit beftepen, 
finb unoertennbare 3 f ifhen bon Grberfdjütte« 
rungen, bie bor 3eiten hier ftattgefunben hoben. 

Sei bem Sorfe San ©eroninto be Surco, 
welches 7000 ffuft über ber eee liegt, über» 
fdjritten wir auf einer ber nationalen tätige« 
brüden ben 9tio be «an SJtateo. Siefe Srüden, 
beren eg in ben Sergfcplmpten Diele giebt, finb 
erbaut aus laugen Saumftämmen, mit Spier« 
feflfeilen gufammeiigcbuiiben unb mit geflocpte« 
neu Saumgweigen bebedt unb finb feinegmegg 
angenehm ober fiefjer. Sei bem Ueberfdjreiteit 
ber längften bcrfelbcn Derurfacpt ba» unange» 
nehme Schwanfen llebelfeit. Schon oft finb fie 
gufammengeftürgt, unb hoben fchou manepeg 
Sfenfchenlcben gefoftet, aber fie werben immer 
wieber auf biefeibe Steife gufammengeflidt. 

SMr erreichten glüdlid), aber feftr ermiibet, 
bie ©ebirggljcrberge. SMr fanben put nidjt fo 
Diele oon ben flehten Stacptwaiiblern, Dagegen 
gab eg fepr grofte, beinahe Drei 3oll lauge unb 
fepr grattfig attsfehenbe Spinnen, mit Denen in 
nähere Seritprung gu tommen wir teilte Sn ft 
patten. Sei bent Sorfe San Stateo, welches 


bag gröftte war. Da» wir bis bapin getroffen 
hatten, unb Don ca. 1000 ^nbianertt bewohnt 
würbe, fapen wir gum erften Sltal in Seru Kar« 
toffelit wachfen; in ben niebereu Säubern ge« 
ratpen fie nicht. Stach einer fepr ermübenben 
Sagereife erreichten wir bie ^muptfette ber Gor« 
billerag unb trafen bafelbft mit attberen Steifen« 
ben gufammen. Sen näcbftcn Storgen ftiegen 
Wir ben ißiebra Soraba=Saft hinauf, bis wir 
eine £öpe Don 16,000 fjuft erreicht patten. 

Sie 3lugfi<pt war romantifcp unb erhaben. 
Sie epaotifcp aufgeworfenen unb unbefcpreiblid) 
finffer augfepenben Serge ftepen ba, wie fie ber 
mächtige Schöpfer ing kafeitt gerufen pat. Sie 
egadten ©ipfel finb bott büfteren SSolfen um« 
üllt unb in ewigen Sdpnce gefleibet. Stirgeitb» 
ift ein 3eid)en bon aminalifcpcm unb Degetabi« 
lifd)em Sehen gu fepen. Sücg tapl unb gfurept 
einflöftenb. Scpwierigeg Sltpmeit unb ein ©e= 
füpl beg UttWoplfeins unb Scpwiitbelg erlaubte 
fein längere» Serweileu auf biefer $öpe, unb 
Wir waren frop, biefeibe Derlaffett gu biirfen. 
3n bem gwifdjeu greifen tiegenben Sorfe föauli 
madften wir föalt. 

Sie Anlegung biefeg, au§ 500 ftiitten be« 
ftepenbett uttb i0,000 big 15,000 Giiiwopner 
gäplenbett Sorfeg in biefer abgelegenen ©egenb 
patte ipren ©ritnb nidjt in ber Schönheit ber 
Sage, fonbern in ber Spatfacpe, baft hier filber« 
paltiges Kupfer« unb Sleierg in grofter SJtenge 
entbedt würbe. Sie Ginwopncr finb gröftten« 
tpeilg 3»bioncr unb finben in ben Dielen Serg« 
werfen ber Hittgegenb Sefcpäf tigung. Gin großer 
Spcil ber fDtiiienarbeiter finb Sträflinge uttb 
tcpett unter ber Stuf fiept fepr ftrenger, oft grau« 
amer Sräcpter unb Sluffeper. 3>'t ©angeit 
jabett biefe Scrglcute ein parteg Soog unb füp« 
fett ein au Giitbepruiigen reidjeg, jäinmerlicpeg 
Sehen. 

Sie Sltincu liefern Kupfer« unb Sleierg, wel« 
epeg mepr ober Weniger Silber enthält. Stucp 
Gifenerg ift in SJtenge Dorpanben, ba eg aber an 
bem gum Scpmelgen nötpigen 3?eucruiiggmnterial 
feplt, wirb eg niept bearbeitet. |>ie unb ba ift 
auep ©olb gefunben worben, aber in fepr Keinen 
Quantitäten. Kupfer .unb Silber bilben Den 
groften SltetaKreicptpum Stetig. 

SOenn eine Gifeiibnhn Don ben Sergwerfen 
gur Seefiifte gebaut werben fönntc, imb wenn 
eg Kopien in Der Stäpe geben würbe, fo baft bie 
gegenwärtigen groften Sluglagen für Scpmelgung 
unb 2rauc-port oerminbert werben tönnteu, fo 
würbe bas Silber halb im S)ertp fallen, beim 
Die Silbernbern in ben Gorbillcra» finb uner«* 
fcpöpflicp. Qbwopl big jetit fepr reichhaltige 
Säger gefunben würben unb bearbeitet werben, 
fo follen boep uoep gröftere unb reichere Säger 
ben 3nbiaitern befannt fein unb üon ihnen fepr 
gewifjeupaft geheim gepalten werben. Stur pin 


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Jtus Jtou. 


401 


unb mieber flclitiflt eS, einen l^nbianer baju ju 
bemeflen, eine flute 2>tine gu entbedten. 5)ie 3sn= 
bianer haben fc^on flroße ,0 lumpen reinem Sil= 
ber öon 40—50 tpfunb iitö ®orf flebracf)t. $er 
öfunbort bejfelbeit ift bis jefct nur ihnen befnnnt. 


beftebe unter ibnen ein Sünbitifi, nie mehr 
einem gremben ihr ©eheimnijs gu Perrathen. 

Süon s ömili führte unfer Söefl nad) Occobamba, 
an beut öftlichen Stbhanfl ber ßorbillcra». @l)e 
mir ieboch 2)auli perliejjen, machte un§ ber 



©£ fleht eine Sage, bafe por Pielen ^fahren 
bie Spanier bie Snbianer unter allerlei flrofseit 
Serfprechunflen überrebeten, ihnen ein (ehr reich« 
halticjeS i'ncier gu entbedten, bann aber roort» 
brüdjtfl mürben unb bie armen ^nbianer groan= 
flen, in bem ©erflroert hart gu arbeiten, besljalb 


Stnbtmapor barauf aufmerffam, bafj ein 
Schueefturm im Stngufl fei, unb mir un» baljer 
nicht gu lanfle aufhalten fällten. Steidhiidh mit 
'fJrouiaut unb ffeueruiiflämaterial für mehrere 
2afle berfehen traten mir bie Steife an. fönt 
erfleit iafl fliitfl aües flut, unb mir tarnen auf 


















402 


Hu6 £tru. 


eine SBergfuppe, meld&e eine iffiafjerfcbeibe bif= 
bete, nun mo aus man gleichzeitig mehrere fflüffe 
feljen fann, oou bcneit einige öftlid) fließen unb 
in ben ÜUlanlif müuben, maprenb bie anberen 
fid) meftlidb loenben unb in ben Pacific ergießen. 


fommen mürbe. 2Bir mürben mit einem SJtal 
burct) einen gemaltigen $onnerfd)Iag erfdtjredt, 
bem anbere fdjnell auf einanber folgten, mäh* 
renb Slißftrabl auf ®tißftrabl baS faßte, büftere 
tfelfengebirge burd&jucfte unb auf eine flauer* 



Söäßrenb beS Soges hatten ficß immer met)r | liebe Sßeife erleuchtete. ®er ©türm mar mit 
SBotfen am Firmament gezeigt, unb es mar be* I ©emalt über uns ßereingebroeßen. ßuerft fielen 
beutenb fiilter gemorben. $ieS mar ein Vorbote i einige fernere '.Regentropfen, bann tarn ber im* 
beS ßerannaßeuben Sturmes, aber mir batten 1 mer heftiger roerbenbe Scßneefturm unb balb 
nießtgeglaubt, baß berfetbc fo fcßnell über uns mar alles in ein roeißeS Äleib geßüttt, unb bie 


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J 






Jeus pmi. 


403 


fallen Berge nahmen ein geifterl)afteSSluSfe()en 
an. Unfere Sofie war nid)t befottberS erfreu» 
lieb- Stad) $auli gurüdgufebren, mar unS un= 
möglich, uitb halb fanben mir, bajsmirunS oom 
2öeg oerirrt batten; ba fanben mir gufällig eine 
alte oon flropen «Steinen erbaute ©rabftatte, 
roetcbe nabe am Boben eine Ceffitung unb toei» 
ter oben eine Slrt fünfter batte; b^ 1 -' fuc^tcn 
unb fanben mir Sdjujj oor bem Sturm. Uit» 
fer fjiibrer batte batb ein luftiß brcnnettbes 
fetter unb mir tonnten bei bem Siebt beffetben 
uufer neues Quartier uäfjer betrachten. 2öir 
befanben uns in einem trodeneit unb febned 
roarm roerbenben Qimrner, baS etwa 0 ffufs 
boeb unb 10 im Xurdjmefjer mar. Üent Sltt» I 
fcbeiit nach batten febou Slnbere Oor unS eine 
3uflud)t$ftätte bafeibft ßefunben. Bor bem 
Sturm mären mir fidjer, aber mir tonnten unS 
ben ©ebanfen nicht oertoebren, baß ber Schnee 
fo tief werben tonnte, baß mir in einer ©rab» 
ftätte tebenbiß begraben würben. Unfer Rührer 
ging gang unbefümmert an bieArbeit unbberei» 
tete baSSlbenbeffett, welches unS üortrefflich mun* 
bete unb ba mir febr ermiibet waren, (egten mir 
uns an biefem fonberbaren Orte jur Stube nie» 
bet unb burften uns einer guten Stachtrube er» 
freuen. Bis ben anbern SJtorgen batte ber 
Sturm fich gelegt; mir festen unfere Steife 
fort unb tarnen wohlbehalten in Occobnmba an. 
3)ie hier roobnenben ßugeo 3»bianer finb ein 
fräftiger BoltSftomm, melier nach bem Slttfeben 
gu urtbeilen, ber mongolifcben SJtenfcbeuraffe 
entftammt. 

QaS füböftlich üon Sima liegenbe SlnbeS ©e= 
birg überfteigenb, erreichten mir, nach einem 
Sööcben langen mübfamen BormärtSbringen, 
bie auf ben erhöhten Bergfetten liegenbe £>o<h= 
ebene, roo ber gluß SJtantaro feine Quelle bat. 
©itx Scbneefturm batte bie ttmberliegeiiben @e= 
birge, bereit Spieen über bie Söolfett empor» 
ragten, in ein blenbenbeS Söeiß gehüllt unb Oon 
ben tJelfeitmaffen biogen gewaltige ©iSgapfen 
herab, welche, Oon ber Sonne licfchienen, in 
allen färben beS Stegenbogens prad)tDoll fchiin* 
merten; weiter fchien bie Sonne feinen (Siitflttß 
auf biefelben gu haben. Qie Üörfer, bie mir 
auf biefer Hochebene antrafen, waren febr ärm» 
lieh; bie Quitten waren aus mitöraS oermengter 
6rbe gebaut, betten alle Bequemfiebfeiten fehl» 
tett. Qie unmittelbar um bie £»itten wacbfen» 
ben ©etttüfe unb fyriidjtc ließen auf fruchtbaren 
Boben fdjließen, aber bie ^nbianer finb bort wie 
überall arbeitsfrei! unb begütigen fich mit ber 
Slnpflangung eines Keinen Redens in ber Stäbe 
ihrer £>ütte. ®ie fjelbarbeit wirb bauptfächlich 
üon ben Qfratten oerrichtet, bie oon ben SStän» 
nern als Sflaüen unb Safttljiere unb nicht als 
gleichberechtigte SebenSgefäbrtinnen betrachtet 
werben. l 


2Bir trafen eines ÜageS mit einem BattoS 
3nbianer unb feinem üßeibe gufammen. 3DaS 
SBeib war mit einer faft barnieberbrüdenbeit 
Saft oon Allerlei befabett, wäbrenb ber große 
unb ftarfe SJfantt leer oorauS ging unb fich ßar 
nicht unt fie fümmerte. Qar’über empört, lie» 
fielt wir ihn bnreb unfern Rührer beSmegett gur 
Stebe ftelleit, aber beibe lachten nur über unfere 
üerfeljrte Slufidjt uttb boS Sßeib weigerte fich 
eittfdjieben einen 2 heil ber Saft bem Sjtnmtc gu 
übergeben. 3» einem ber Dörfer fabelt mir 
eine Slngaljl Snbianer oon febr frattfem ja gei» 
fterbaftent SlttSfebcn, unb mir halten fie für 
Solche, bie bem Safter beS Opiumrauchens sum 
i Opfer gefallen waren, aber eS würbe unS mit» 
getbcilt, bab eS nicht Cpiumraucher, fonbern 
(Srbeiicr feien. Slttf unfere Bitte überreizte 
unS Sitter einige Ballett biefer 6rbe gur Befieb* 
tigung. Qiefelbe bat einen fettigen unangeneb» 
men ©efehmad unb ift augenfeheinlid) fpeaftein» 
artiger Sef)m, meldjer, wenn angefeuZtet, fei» 
fenartig wirb uttb in Sdjottm gerieben werben 
tarnt. 

Qiefe (frbe wirb Oon üielen Bergarbeitern ge» 
noffen, ift ber ©efuttbbeit fchiblict) unb bringt 
Biele frübgeitig in’S ©rab. SBaS ben Gbarot» 
ter ber Bcruinbiatter angel)t, fann nichts 3tiib= 
mettbeS gefagt werben. 3m 5)urchf<hnitt finb 
fie trag itub-unguoerläffig uttb ber SJtutb uttb 
bie (Sntfdjloffenbeit ihrer norbaitterilanifZen 
Briiber gebt ihnen ganglid) ab, beim fie finb 
beibeS, feig unb unentfdjieben. 

3tt allen übeilen BmiS, bie Oon ben wilbett 
3nbianerftütnmett bewohnten ©egenbeit auSge» 
ttomtneu, berrfd)t bie römifd)e Steligion, wenig* 
ftcnS bem Stainen und), aber üon wahrem @bri* 
ftenthum ift wenig gu fehen. SJtöncbe reifen itn 
Sanbe umher mit SltlaSfarten unb £>eiligenbil» 
bertt, bie fie beit Seuten attpreifen uttb üertau» 
fett. 9l(S Begablting nehmen fie irgenb etwas 
unb bringen oft grobe SJtaffeu SebenSinittel, 
Silbererj unb attbere Qinge in’S .(tlofter beim ; 
ob aber biefe reifenbett SJtöucbe bas Bol! beffern 
uttb fittlich beben, ift uns febr fraglich- $ie 
Briefterfchaft führt in ben filoftern ein nttge» 
nebmeS Seben unb fcheint fich niZt Diel um baS 
Söobl ober B3el)e beS BolleS gu flimmern. , 


Slur ein Slrm ift allmächtig, ein 
£terg ewig fiebenb, e i n Sluge fdjlummevt hie, 
unb eS giebt innere Üiefett ber Seele, itt mel» 
<hen nnr eine Stimme gehört werben tonn. 
Begminge bich felbft. So lange btt bres noch 
niefjt getban baft, bift btt ein Stlnoe; bentt btt 
tnaqft faft eben fowobl bem Söillen eines Sin» 
bern untertban fein, als beiner eigenen fi'tttb» 
haften Steigung. 


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404 


3Ut« bftn feben uni) brr Ilibel. 





km £ebm uttb btt PibeL 


r etdj’ tbeure ©rinne» 
rungeit an meine 
Äiubergeit roerbett 
mach bei bem 9tn= 
blicf beS großen 
SudjcS, ber Si= 
bei! 2 Bie oft, 
wenn mir artig 
gcmefen, rief uns bie 
©ropmutter herbei, unb 
Seifte im» bie Silber, bie 
barin mareit, nnb ergäljlte 
uns bie ©cfd)id)ten uon 
9(brahain, non ^ofepf), 
Dom .fiöitig Saliib nnb 
öor Allein baut 3 cfnS= 
finblcin. Wie mar fie 
uns lieb, bie alte Sibel, 
mie meinten mir, als bie ©Item fie meggaben. 
Uitb bo<h gaben mir fie gern bin, ba fie anbcrit 
Wenfdjen uod) lieber mar, als uns. Unb baS 
bcrljielt fiel) fo: ©s joq oor Dielen fahren eine 
Familie ans unferm Sorfe fort iibcr’S Weer, 
um im fernen Weften 9tmcrifaS eine neue {lei* 
mntl) 51 t fudjen. Sor ber 91breife mürben ihre 
{labfelicjfeiteu berfauft, barunter and) bie alte 
Silbcrbibel, bie mein Später erftaub. — 0, über 
bie Wad)t ber ©rinnerung! ©ine Wutter er* 
gähtte ihren Siinbcrn boit ber fernen {leintath, 
bon bem alten {taufe ihrer Säter, bon bev alten 
Sibel mit ihren bielen Silbern. ©in jebeS 
mein fie gu befctjrcibeu unb bie ftinber lanfefjen 
mit gefpannter 9lufmertfamfeil, unb «erlangen 
immer fcbnlidjcr, mit ihren ülugeit 311 fehen, 
mas bie Wuttcr ejefeheu — fie hält eS nidjt lau* 
per aitS unb erbittet bon uns baS Sud) ihrer 
kinbljeit guriid. Skr hatte eS ihr berfagen 
mögen? 

9iun blättern toohl fefjon bie CSncot jener 9luS* 
qcmanberten in berfetbeu/Sibel, bie einft meiner 
iyugenb fo lieb pemefeit. 


©S ift Winter. gufehahrr Schnee bebeeft bie 
©rbe, bie Wege finb taum panpbar, ber Sturm 
tobt in beit Sergen. 3n" ben {läutern ift eS 
beito freuitblicher. Ser ©laus beS Weitjnadjts» 
feftcS erleuchtet fie. 9tlt nnb 3ung finb qlüd* 
iid), bie ©inen in ber Grinneutng an bie eigene 
3 ugenb, bie Snbern in ber {loffnung auf bie 
©aben beS ^fefteS, metdje bie forpliche Wutter. 
im ©ebeimen bereitet. 3 n unferm alten {laufe 
im ©ebirpe ift eS aber nicht fo. 3« ber ein» 
fameit Stube lieft ein OirciS in ber alten Sibel. 


Sic Heine Campe beleuchtet fein fummerpo-eS 
Sntliß, baS er in beibe {)änbc geftüßt hat. Um 
baS {>auS tobt ber Sturm, er achtet nicht barauf. 
Seine Sugen ruhen auf bem erften Statt ber 
Sibel. ©S ift ein roeißeS Statt, nur menip 
Worte finb barauf gefchriebeit. 3ucrft baS Sa* 
tum beS {»orifjeitStaqeS — bann ber ©eburtstap 
beS erften $inbeS, barauf baS Saturn beS SobeS 
beffelben. ©in groeiteS Äinb mirb ben ©Itern 
pcfdjeutt, fein Dlatne in baS heilipe Such pefchrie* 
ben, ach, mit melier 3 mibe, melier Hoffnung! 
Sann folpt ein Saturn: ber SobcStag ber ©at* 
tin, bann — nichts mehr. Ser Site ftarrt auf 
biefe feilen, bis Sljröncn feinen Slid «crbuit* 
(ein. ©eiten fie ben lobten ober bem Cehen* 
ben? Renern Sohn, ber fo jubetnb begrüßt, fo 
forpfam gehütet, bcnnoch ücrloren gegangen mar? 
Wo mag er meilcn in ber meiten Welt, ber 
©lenbe, ber feines SaterS {inupt gebleicht, feiner 
Wuttcr {icrg gebrochen! 3n bümpfeS Srütcn 
berfunfen fißt ber ©reis in ber eiufamen 'fctube. 
9hir baS 3idcn Jier llljr unterbricht bie trübe 
Stille, unb ber Sturm tobt immer h c ft*rter um 
baS {>auS. Sa plößlid) ridjtet fid) ber Site auf, 
ein Soeben an baS fünfter hat ihn aufgefdjrcdt. 
6 r nimmt bie Campe unb geht burd) ben glnr 
nach ber {muSthiire, bie er beS ftarten Schnee» 
megen taum 311 öffnen bermog. „©in Wanbe* 
rer, ber fid) ocrirrt hat, bittet um Aufnahme," 
tönt ihm hirr eine ntiibe Stimme entgegen. 
„91 od) nie hat man bergeblid) an meine'3 (für 
gepocht," ermieberteber brate alte Wann. „fomrnt 
naher, gretnbling." 3 _ener folgt feinem Wirtfje, 
halb finb beibe in ber Stube. „Grmärmt ©uch 
hier, ich mitl ctmaS 311 efjen holen unb ein ©taS 
Wein, baS 6 ud) nöthig gu fein fcheint. Seßt 
©ud) bod) uieber." 

9lber ber junge Wann blieb mitten im 3int* 
mer helfen. Ör blidte um fich mit erftaunter 
Wiene, betaftete bie ÜOiöbet mie 3 <nnanb, ber 
oermunbert ift, fich unerwartet au einem befamt* 
teit Crte plößlid) 31 t befinben, bamt — einen 
Slid auf bie alte Sibel merfenb, oerbarg er baS 
Sntliß in beiben {lünbeu. Ser ©reis tarn mie* 
ber. 

— „Warum feßt 3hr ©uch nicht?" fagte er, 
„ 3 hr müßt feljr mübe fein." 

Ser junge Wann näherte fich, nahm bie 
Campte aus ben {länbeit feines SkrtljeS, feßte 
fie auf ben 3ifdj, baß ihr Schein ihm «dl in’S 
©cfid)t fchien: „Saterl ich werbe mich nur bei 
bir auSruben, menn bu mir tergeiffft." 

Ser ©reis fuhr gurüd, mie t»om Sliß getrof* 
fen burd) biefe Worte; bann beit Sntöntmling 
genau betradjtcnb: „ 3 a, e» ift fyriß!" fagte er; 


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3lus bem feben unb brr $ibrl. 


405 


aber er fügte hingu: „3<h t>ntte einft einen mir; auch weiß id), baß alle meine Sieben bort 
Sohn, ber biefen Dtamen trug, id) weifej*uid)t, | oben finb! Söeib, Slinber, ihr erwartet midt); 
waS aus ihm geworben ift. GineS SageS, halb bin ich bei (Sud)!" 
burcf) fchledjte ©cfeüfcfjnft »erführt, entfloh er I 

aus bem Saterljaufe, ohne auf bie marnenbe | * * * 

Stimme feiner Wuttcr gu hören, unb jefet ift 

biefe Wutter tobt, geftorbeu uor Sd)merg." Sa» alte ßauS im ©ebirge ift heute Don ber 

„Sobt!" fcfjrie ber junge Wann, „tobt burd) glängenben Waifonne iiberftraljtt, eS leuchtet 
mid)!" GS Würbe ihm Jchwarg bor ben 9lugen, burcf) bie buntein Scannen ber Umgebung. 2)ie 
eins hielt iljn aber aufrecht. Diatur feiert iljr 9lufcrfteljungSfeft. Ser Schnee 

„Sater, id) bereue," flehte er mit fdjmerger» ift ucrfchwunben, bie Sögieiti fingen in ben 
ftidfter Stimme. grünen Süfdjen, bie Siene fummt ’uon Slume 

Ser ©reis blieb unbeweglich unb falt. gu Slume, bie Säume haben ben Sd)mud ihrer 

„Sater!" mieberljolte ber Sofjn, fomm unb Sjngeub angelegt, überall athmet man Seben, bie 
höre, WaS bu felbft mid) lefen liefeeft." ftreube einer wirtlichen 9luferfteljung. 

[frife nahm bie offne Sibel, fu^te baS 15. $a= 3it unfernt alten £aufe ift es feierlich ftill, 
pitel im Goangelium Sucä unb ben Ringer auf eS erwartet feine ©äfte. Sßerfen wir einen 
eine Stelle legenb: „ßöre," fagte er, „was id) Slid in bie Heine SSohnftube. 3» ber Witte 
bir gu fageit habe: Dtnd) langer Steife, burcf) fteljt ein Sifdj aus Sannenljolg, einige Stühle, 
ben Schnee unb Sturm ber brei leftten Sage, mehr beim jenfter ein Sdjreibtifd) mit brei 
fomnte ich bir gu fagen: Sater! 3<h habe ge= (Stagen, bann baS Südjerbrett beim Ofen mit 
fünbigt im £>immel unb uor bir unb bin hin* ber großen ffamilieubibel. ' Unb feht! (Sin 
fort nicht mehr werth, bein Sofjit git heißen. Sounenftrahl gleitet betreffs ffenfter unb he» 
3<h fage bir bieS, bentt ich bin gu unferm £>aufe leuchtet baS StBort ©ottcS, welkes gu fagen 
getommen, ohne eS gu miffcit, ©ott hat mich 3 » fd) f int: „^dj bin ber £crr im £>aufe." 

ihm juriief geführt. $<h fage eS bir uor unfe= SBer aber fommt aus bem SBalbe bort ttnb 

rer alten Sibel, bie ich heute gu lieben unb gu nähert fich bem £aufe? G» finb groei, bie £>anb 
fcfjäfcen weif;, ich fuge es bir im 9lngcfid)t beS in £>anb bem fchmaleu tpfabe burch bie UBiefen 
$obeS, bentt ich fühle, baß ich nur nod) wenige folgen. (Sin junger Wann unb ein noch jünge» 
Sage gu leben habe. Sater, wirft bu unerbitt* reS Sßeib. Sort im befcheibenett ßird)lein beS 
lieber fein, als ber, ber boni £)immel herab mir SfjaleS feierten fie heute ihre &ocfegeit, ein ein« 
getagt hat: Sir ift vergeben?" facheS, faft trauriges geft, beim feht! bie junge 

Ser ©reis weinte. Gr öffnete bem jungen fyratt trägt Srauerfleiber. 

Wanne bie 'Jfrtne unb ber SSeiljnnchtSabcnb beS 911» biefe Seibe uor ber gefd)lof[enen Shiir 
uerlornett Sohnes war nicht weniger fd)ön, nicht anlangten, fcf)ien baS alte £auS gu lächeln unb 
Weniger rührenb, als bie fröhlichen Ghriftabenbe gu ftrafelen wie ttie gubor. Sretet ein! fchien 

uott efecmalS, beim eS war ber ?Oei(jiMcf)tS= es ju fagen, tretet ein, 3h r werbet manche 

abenb eines gu feinem ©ott juriufgefehrten fjfrcube, manches Seib in mir erfahren, aber eS 
SünberS. ift bort in ber Stube ein bideS Such, welches 

Ginige Sage fpäter faß ber SSater am Sette bie Sfjränen weniger bitter unb bie Sreube Diel 
feines ^offnes. Seim-9lnb(id beS eingefallenen heiliget macht. Unb als bie jungen ©atten in’S 
©efichteS, ber brennenben Söangen. beS ftarren 3'mmer traten, glänjte bie Sibel im Sichte ber 
9lugeS fonnte 3eher baS ba Ibige Gnbe üorauS* Sonne, f»efl wie ein Stern, 
fehen. Ginen 9lugenblid ftonben fi<h bie beiben ®at« 

„Sater," fagte er mit fchwacher Stimme, „lies ten ftillfchweigenb gegenüber, bann nahm ber 
mir nod) einmal baS ©leichniß üom oeriornen junge Wann, bie beiben £>änbe feiner 3?rau in 
Sohn; ich hübe cS fo [ehr lieb." bie [einigen: 

Ser ©reis öffnete bie bide Sibel unb wieber* „Sei willfommen, Gatharine," fagte er, „in 
holte mit jitternber Stimme baS löftlicfie Guan= biefer SBotjnung meiner Säter; ©ott fegne un» 
gelium ber SBorte beS |)errn 3 e fu. 2llS er ju fern Gingang unb mache bief) glüdlicf)!" 

Gnbe mar, beugte er, wie am erften 9lbenb, baS 9lber Gatharine fchludjjte. 

Slntlih auf bie Sibel nieber. „22Öarum weineft bu?" fragte er, „bu weifet, 

„SSater," fagte mit einem Wal ber $ranle, bafe ich bi<h liebe." 

„bu haft mir Uergiehen. ©ott hat mir in Gljrifto „2ubwig! ach nein! an bir jmeifle ich nicht, 
beniehen, auf SÖieberfeljen!" aber an mir felbft; bu Ijaft bid) ber armen 

GS waren feine lefeten SCßorte. SBaife geopfert, ich fürchte, bu möchte ft eS einft 

Ser alte Sater blieb allein, ganä allein! bereuen." 

„Stein!" fagte er fich nach Dielen Sljränen; [ „©eliebte, ich fage nur GineS, bu glaubeft an 
„ich bin nicht gang allein, meine alte Sibel bleibt I baS SBort ©otteS; hier ift es." 


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406 


Hus bem feben unb her pibel. 


Unb bie ©ibel Dom ©rette neljmenb, legte er 
fie ouf ben SEifdj, gog feine grau h«on unb 
fagte: ©ngeficpt biefeS SudjeS geloben mir 

uns Siebe unb ©ertrauen, unb roenn jemals 
eine ©ölte auffteigt gmifthen uns, beginne jebe 
GrKärung burd) eine ©ortefung aus ber ©ibel. 
Sie fei unfere Stü^e, unfere (Starte, millft bu 
eS, Gatbarine ?" 

2)ie junge grau antmortete ihrem ©lanne nur 
burd) einen fjänbebrud. 

2>ann beteten fie g'ufammen — baS mar ihr 
Gintritt in bie Gtje. 

2Bie batten biefe ©eiben fid) gcfunben ? 

©idjt meit Don Submig’S $aufe lebte eine 
©ittroe mit ihrer 2o<hter in einer alten 4?ütte. 
©lütter Sufette ipar Don Stilen gcfannt unb bie 
3.odjter geortet Don ben ©adjbarn, um ihrer auf* 
opfernben Sorge für bie tränte ©lütter mitten. 
3laS arme Jtinb hotte nie etroaS ©nbereS als 
©rbeit unb Gleitb tennen gelernt; hotte aber 
bennodj ein fröhliches £>erg, meines gmifdjen 
©ott unb ber Siebe gut ©lütter geteilt mar. 

GineS Sage» hörte Subroig, bie alte Sufette 
fei im 2obe. ,,3>d) merbe fie nicht allein taffen," 
fagte er, nahm bie ©ibel unb fefcte fich an baS 
©ett ber Sterbenben. $iefe, obrooht fehr fchmad) 
unb (eibenb, hotte ba§ ©eroujjtfein bennoch nicht 
bertoren. Sie bautte bem jungen ©lanne burch 
©tidfe unb bat ihn, mit ihr gu beten. ®ie junge 
2Baife tag roiihrenbbem auf ben Unieen unb 
babete bie |>nnb ber ©lütter mit ihren Schreinen. 
@3 mar eme feierliche Stunbe für biefe brei 
©tenfdhen, melche bie beiben Ueberlebenbeit nie» 
malf Dergeffen haben. 

3frt biefer Keinen, buntten Stube begann ber 
tefcte ßampf, unb burch bie Shrdnen unb Seuf* 
ger hörte man ben Stuf beS ©ebeteS unb ben 
Sroft be§ GoangeliumS. 3)ie ©acht ber SEriib» 
fat umgab bie Seelen biefer ©lenfdjen unb ben» 
noch brang ein fünfter Strahl ber Hoffnung auf 
bie emigen ©erheijjungett in biefetöe. $nS ©ebet 
ftieg empor gum Sprotte ©otteS, um als fegen» 
fpenbenber SEIjau gurüdguträufeln in bie muttben 
£>ergen. 

„Sefct, Sufette, hobt 3hr mir noch etroaS gu 
fagen?" fragte ber junge ©tann, .fid) go ber 
Sterbenben beugenb. 

„3<h höbe meine Seele bem £>errn anheim» 
gegeben," antmortete bie alte grau, „unb fie ift 
bort gut aufgehoben, ©ur eines Derlaffe ich 
ungern in biefer ©ett, meine $od)ter." Unb 
Shräiten rollten über bie abgemagerten ©an» 
gen. „©rmeSÄinb! Sie bleibt allein, arm unb 
ohne Stüfce gurüd. 3<h gebe fie in ©otteS 
£>anb." 

S)er junge ©tann erhob fich langfam, nahm 
bie fjanb ber ©aife bie am ©ette {niete unb 
führte fie gur ©lütter. 

„£ört mir gu," fagte er, fich gu ber Oranten 


j 

menbenb, „i<h fpredje bor ©ott; bor ©ott follt 
3hr mir antmorten. ©otlt Ighr mir Gure 
Gatharine gur grau geben ; id) mitt ihr Stab 
unb Stü^e fein, fie glüdlid) gu machen fud)en, 
fo meit es in menfdjlicher ©lacht liegt; ich merbe 
fie treu unb h« r Jl><h lieben fo lang idj tebe. 
©otlt 3h r f' e mir geben, meint fie einroittigt ?" 

£>ie ©orte beS jungen ©launeS brangeit ber 
armen grau in’S fterg. Cljne ben eruften, feier» 
liehen Sott feiner Stimme, hotte fie an feiner 
©ahrhoftigteit gegmeifett. „©ber fie befiel gar 
nichts, unb 3h* feib reich," antmortete fie mit 
©nftrengung. 

„geh liebe fie, unb ihr ©eid)thum ift im £im= 
mel. Gatharine, roitlft bu {mein fein bor ©ott 
unb ben ©ienfdjen ?" 

Statt ber ©ntmort fonnte baS junge ©täbdjen 
ihrem ©erlobten nur bie £>anb btüdcit. 

Seibe {nieten am ©ette ber Sterbenben nie» 
ber. $)iefe legte ihnen bie £>onb auf’s $aupt 
mnb hotte noch bie Jtraft, mit einem ©lid gum 
Fimmel ihre beiben Äinber gu fegnen. 

©m barauf fotgenben SEage mär fie bei ©ott. 


Still ift’S in ber {leinen Stube, braujjen aber 
flrömt ber ©egen be*ob unb ttatfeht gegen bie 
Scheiben. Gin noch junger ©tann, ein Uhr» 
madjer, arbeitet am geufter beim Schein einer 
Sampe; fcheinbar berfenft in feine miihfome 
©rbeit, fdiüttett er bon Seit gu 3 c >t heftig ben 
ftopf, als motte er eine brüdenbe Grinnerung 
berfdjeuchen. Seim SEifCtje, im ®unteln, fifet 
eine junge grau, mit bem Stridgeug befebäj» 
tigt. S)urch biefe ©rbeit meniger gerftreut, läpt 
fie ihren ©ebanfen freien Sauf, fie träumt, 
feufgt unb manchmal ihre ©abetn niebertegenb 
unb fich berbeugenb, gleicht fie ber ernften 
Statue bcS SdjmergeS. ©<h! in unferm Keinen 
Stübdjen athmet man SErübfat unb 5Ehtünen, 
bem bumpfen ©etöfe beS nicberfallenben ©egenS 
entfprichtbaS Seufgen gmeier gebrochener Seelen. 

©ie bitter ift bie ©egenmart, menn fie auf 
eine ©ergangentjeit gurüdfehout, in melCher fich 
felige greuben unb |‘d)öne ‘Jräume aneinanber 
reihten ! ltnb bodh, mie ift eS fiife, in ben Stun» 
ben ber Srübfat guriid gu betifen, bie glüdlidjen 
Grinnerungen eine nadl ber anbern gurüd gu 
rufen! 

©rme ©lütter ! ©eich’ töChetnbe ©itber giehen 
an ihr boriiber! 2)ort im ^intergrunb beS 
©IcobeuS fditummert baS geliebte Ibinbtein in 
feiner Keinen ©iege. ©ie unruhig ift bie junge 
©lütter; menn eS meint, fieljt fie alte möglichen 
fchlimmen Greigniffe borauS; menn eS fchlöft, 
feft unb erquidenb mie ßinber fdilafen, eilt fie 
herbei: ©tbmet eS noch ? 3Ch höre eS nicht! 
©aftb öffnet fie bie ©orljänqe beS beftbeibenen 
©ettchenS. 


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Hu« bem feben unb ber Pibel. 


407 


SEBelc^e ©rünbe bot fie rtid^t, um fid) oon ber 
Äücfoe gu entfernen! 2Bie toict wichtige Oinge 
lieg fie in ber Stube tieften ? @3 ift eine ©e« 
legenbeit, baS Stinb gu feben, ober bocb ihm nab 
*u fein! 3efet giebt ber 3äuftag an bem innern 
Stufte berStutter boriiber; eS fcbeint ihr faum 
ein SJtonat feitbem oerfloffen, unb Doch muß ibr 
©ebcicbtniß um fedjS 3 a b*e gurüdgreifen. Sie 
ftebt fi(b befdjäftigt, unruhig am Stiicbeuberb ; 
fie ftebt bin unb ber, übermalt bie großen Ster« 
bereitnngen beS feftlicbcn Sage*, läuft nach ber 
Obüre, ben Stimmet gu prüfen unb ben $fab 
burdj bie ©iefe gu überbtiden. ©erben fie halb 
fommen? Oer Steter, bie Stetfjen unb oor 
SWem baS Siittb, baS bie SJtutter feit brei lanften 
Stunbeit entbehrt. Oann bie große fjrage, ob 
ber fünfte auch artiß mar in ber Stirdje, in ber 
ib<>t «ine micbtige »rage. 

©nblicb fommen fie. OaS Gffeit ift Dortreff* 
lidj, baS fjeft nimmt feinen fteroöbnlicbeu 33er» 
lauf, baS ©lüd unb bie 3»ftiebenbeit mobnen 
in bem befdjeibenen £>aufe, beim neben ber 
tjreube reftiert in ibnt ber ©rnft beS ©oange« 
liumS. ©ebt! ber Steter erbebt fich üoni 2ifd)e; 
nimmt baS Stinb in feine fräftiijen Strme, unb 
eS liebeDotl fiiffenb: „OaS ift unter St nabe," 
faflte er, „unfer Grftgeboreiter, ber gufiinftige 
Grbe ber grofcen Bibel. SJtöge ©ott ibn feßneti! 
(fron! icb bube beute SHorgen bor ©ott flelobt, 
ibn in ber fjurdjt beS £>errn gu ergieben. 9)tit 
ber £>ülfe bon Oben merben mit, id) boffe e§, 
unfer Besprechen batten." 

Unb am Slbenb beteten fie mit tieffter 3n= 
brunft für baS Stinb. 

Oie Grinnerungeit einer ©utter! Sie finb 
unjäblifl unb berfteffen nicht bie fteinfte Ginget» 

S eit, menn e§ fid) um bie bülflofen ©efcböpfe 
anbelt, bie fie fo febr lieben. £)ier berfucbt 
©eorg bie erften ©dritte in’S Sehen gu tbun ; 
er gögert ben ©tubt loSgulaffen, an ben er fidb 
feftbält, mäbreub bie SJtutter in näcbfter Stäbe, 
mit offenen Strmen, ibn mit ben gärtlichften 
Stamen antoctt. ©irb er fommen, ober nicht? 
— Gnbtidj, er probirt’S. SJtit meinem Sfubet 
toirb er empfangen, mit meldjer 3ärtlid)feit roirb 
er umarmt! Oer Steter mirb flerufen, ber nichts 
flefeben bat unb nichts glauben mifl! Seiber 
läßt fidf ©eorfl, fei eS aus Stengfttichfeit ober 
Siederei, nicht mehr beroegen, beute ben Berfud) 
ju roieberboten. 

O Orübfat! Ueber alt ben freubigen ©r» 
mnerungen fchmebt eine, finfter unb eifig, mit 
ihrem ftechenben Scbmerg alte anberett über« 
täubenb. Oa ift noch baS fteiue Bett, ba» Stinb 
ift größer geroorben unb fcbeint ju fdjlafeit; aber 
bie SJtutter liegt auf ben Stnieeu Dor bem Säger 
unb oerbirgt ihr ©efidjt, heftig fdjluchgenb, in 
bem befcbeibenen rotbeit Ocdbettcben. Oer SJtanu 
gebt im 3> n *mer auf unb ab, mit finfterem. 


entmutbifttem ©eficht, er finbet fein OrofteSroort 
für Die arme betrübte; ift er nicht fetbft ge« 
brachen ? 

„3unge SJtutter! ©eine nur unb fdjlucbge, 
benn ©ott bat bir baS Stinb, meldjeS bu liebteft, 
mieber genommen, unb biefe fchntergliche ©rinne« 
rung ift bir noch immer nabe." 

Stille berrfcbt in bem Meinen 3immer, trübe 
unb Dumpfe ©title: Seit einer halben ©tunbe 
fprad) feiner ber beibeu ©atten ein SBort. Gr 
arbeitete bei ber Sompe; fie träumt unb meint. 

Oraußen ftrömt ber Stegen ohne Unter« 
brecbung nieber. Um neun Übr erhob fich bet 
Uhrmacher, legte feine ©erfgeuge bei Seite, 
ftellte bie Sampe auf ben Oifd), näherte fich fei« 
tter Srau unb tegte bie £>anb auf ihre Schulter. 

„mau, bu benfft an ihn, nicht mabr?" 

„3a," fagte fie, „ich benfe an ihn." 

„2Benn mir auch an ©ott benfen moltten ?" 
fagte er ernftbaft. 

@ie fab ibu erftaunt an. 

„3a, fjrau! Ou unb ich, wie leiben, rneil 
mir bie Prüfung noch nicht auf uns genommen 
haben ; mir mttifen eSbentio^. OerSJtannmub 
ftarf fein, um bie ftrau gu ftüßen, ©ott aber 
muß ben SJtann ftärfen." 

©r nahm bie Sibet unb taS baS 11. Jfapitet 
3obanniS. ©eine tiefe Stimme batte einen be« 
fonberS feierlichen Ätang in ber ©title beS 3int« 
merS, baS ber Sturm Draußen burchtobte. 

9(lS er geenbet batte, fcblucbjte bie junge 5rau. 

„Submig !" fagte fie enblicp, „id| meine noch, 
aber ohne Sitterfeit, ich hoffe auf’s ©ieberfeben!" 


SBenn bü, freunbtidher Sefer, an einem fdjönen 
Sommertage burcb baS ©ebirg manbertefi, fühl* 
teft bu bi<h glüdlicher, freier, leichter in ber ljerr» 
liehen Suft, als in ber bumpfen ©dpoüte beiner 
£>eimatt) in ber Stabt, ©ie ift bie ©onne bort 
oben fo ftrablenb, mie rein unb erfrifdjenb bie 
Suft, mie fräftig grünen ©älber unb ©iefett, 
bie ©löddjen ber meibenben Stühe ertönen Oott 
ferne, bie 33öget fingen, bu atbmeft in großen 
3ügen (freube unb SebenStuft. 

Örofe aller 33crouuberung fagteft bu aber Doch 
biefleiepf gu bir: OaS ift Stiles jeßt gut unb 
herrlid), mie traurig unb öbe muß eS aber im 
©inter fjift fein! ©eiche ©infamleit, melche 
tobte Stille mag hier berrfeben 1 Oiefer Schnee 
bedt bie ©iefen, bie ©ege finb ungangbar, bie 
eingelnen ffamilieu oerträumen, mie ber Sär in 
feiner £>öhle, ihre 3eit; feine Suft in ber ©eite, 
feine ffreube in bem bergen I Oocb nicht, mein 
fjreunb I Oer ©inter bringt feine gfreuben hier 
ebenfalls mit fich, Oor Stllem bie traulichen Sa» 
milienabenbe. Oraußen roirft ber fDtonb fein 
flarcS Sicht auf bie Sdjneefläche, bie Oanncn 


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408 


3Ui0 bem Js*eben unb brr Uibel. 


ftreden weithin itjrc bunfcln Spotten, DJliHionen 
Sterne glätten am £>immel. 

. $er ©d)nee Ktiftert unter ben $üpen, ber 
£)aucf) gefriert öor bent DJlunbe. treten mir in 
bie Stube. toie ift befjafllirf) mavnt unb benitod) 
fittb bie ©Reiben ber Syenit er mit jenen pf)nn= 
taftifchen SMumen unb Siittern überjotjen, 
meld)e bie Smunberttng ber fiitiber fjeroorrufen. 

3mei tDtänner fijten auf ber Cfenbanf, rebeit 
öon ber lejjteit ©rnte otjne 3'öeifel, ober madjett 
3 ulunftSplciite; eS fittb jmei Silber : ©nftao, 
ber Weitere unb ©ugen. Dlid)t mcit non ifjuett 
ftrideit bie grauen unb erjä()leu fid) bie ©rieb* 
niffe in ihrer fleinen fjatnilic, baS unerfdjöpf« 
liebe Sf)etna ber DJliitter. $ie fiinber umgeben 
beit 2if(b, fie fpielen bas alte betannte ©iittfe» 
fpiel, um einen ftaufett Diüffe, roe(dje Staute 
pannt) ihnen gegeben hat. $ie ©chulaufgaben 
ftnb fertig, mit boppelter ^veubc fönnen fie fpie= 
len. 2 }oii 3 eit ju 3 f it höri mau ben Samt 

S 'neS Keinen Siberfprttd)eS, im ©nnseu aber 
errfdjt Sachen unb ©<herj unb |>cinbeKatfd)en 
öor, meitn ber ©ine in bie ©rube gefallen ift, 
ober ein Dlnberer einer tntheilnollen ©ans be= 
gegitct unb juritefriitfen muh. 

6” fittb jmei güidlidje Familien, meil fie einig 
fittb unb meil ein eritfter ©eift in ihren ^erjcit 
roohnt. 3Sie Sintcrabenbe, bie bem blafirten 
Seltmenfdjett fo tangmeilig fcheinett, fönneu ge= 
feguet, geheiligt fein burdj bie Söruberliebe unb 
beit d)riftlid)en ©ruft. Dieiu, ber hinter ift 
nicht traurig ! nufer £>erj allein erhellt ober oer= 
biiftert bie 3 ahre§jeiteit. ®er S'inter ift nicht 
traurig, ihm gehören bie gantilieufreuben ; mit 
feiner Dlnfuttft fdüiejien fid) bie üerbunbenen 
©eelctt nodj enger aneinanber, oerfehrett inniger 
jtifamnten. 

®er SOßinter mar fdhött gemefen für biefe bei= 
ben Familien, burd) bie ©iitigfeit ihrer &erjen ; 
ber Sommer mar bagegen traurig unb eiftg 
trofe ber halfen ©onne unb beS heitern #int= 

mefs-bie beiben 33rüber projeffirten 511= 

famtnen. 

3 e geringfügiger bie Urfachen eines ©treiteS 
fittb, je meljr legt fid) bie ©igenliebe in’S DJlittcl 
unb fchürt ben 3otn. $ie ©ad)e an unb für 
fid) ift nid)t ber Diebe rnertb, öon ben beiben 
©egnern öcrftefjt ber ©ine nicht mie eS möglich 
ift, bap ber Dlnbere fo Kein lieh fein fattn, nicht 
nadelig eben. 3wifd)en unfern beiben SÖriibertt 
fam es erft 51t vormürfen, bann 31t fpipen Sor= 
ten, 311 Drohungen, enblid) sutrt offnen firieg, 
fo bap alle DSerbinbungen abgebrodjen unb fogar 
ftreng öerboten mürben. 

2 )te beiben DJlütter litten in ber ©title unb 
beteten, ©emöljnt an baS innige 3 ufamnten* 
leben — bie beiben Raufer lagen nebetteinanber 
— brüdte fie bie Trennung, ©ie hörten nur! 
nod) bittere Sorte, lebten nur noch in einer öon ! 


) .£>ap unb 3°m öerpefteten Dltmofpljäre. 2)ie 
fiinber fpielteit manchmal and) 3ufamtnen, bie 
Dtad)barfd)aft führte fie naturgemäp 3ttfammen. 
©ie mürben bnriiber auSgesanft, ohne es ihnen 
erflären 311 fönnen, meöijalb. Saruitt mar eS 
utiredit, mit '-Häschen DJlarie ober jyannti 311 fpie* 
len ? Sarunt meint DJlanta bort am Jenfter ? 
Sarunt ift ber Unter nicht mehr gut tuib frrunb= 
lid) mie füifjer? fragen, auf rneldjc bie armen 
.fileinen nicht 31t antmorten mupten. ilon Dienern 
nähert fid) ber Sinter, bie .fiinber fdjlafen, 
pnnnt) flieft bie 3ade ihre» fimtben beim schein 
ber Sampe, Gugctt, ihr ©atte, ftumnt unb üer= 
ftimmt, ftiipt ben Stopf itt bie ftanb unb fdjeint 
nad)3ubcnten. ^löplid) erhebt er fid), geht im 
3immer hin unb her unb mit fid) felber fpvedjcnb: 
„Dlctn!" fngt er, „fo fann’S nicht fortgeben, ein 
folcheS Sehen ift gräplich, ich niup mit ©uftaö 
311 ©nbe fommen." 

fEannp fah ihn erfchredt an. 

„Sa* tentft bu 31t thun?" fragte fie mit 
fünfter Stimme. 

„DJlorgen follft bu es roiffen," mar bie Dlnt= 
mort, bereu 2 01t feine anbere ?fragc mehr 311 lief;. 

SirKid) hotte er einen midjtigeu ©ntf^lup 
gefapt. 

$ett anbertt DJlorgen gegen 3ef)n Uhr ging 
©ugen bem ^)aufe feines Arabers 311 ; fein 
©diritt ift einigermopen unruhig, fieberhaft; er 
fdjeint mit jebent Schritt öormärts 311 fürchten, 
bap ihn eine unfid)tbare DJladjt 311 r Untfehr 
nöthigen föitittc. ^eht fleht er enblich öor 
ber Shtir, sögernb, si'tternb, roaS mag er öor= 
haben. 

heftig öffnet er bie 2hüre, burd)fd)reitet ben 
^tauSgang unb befinbet fidj glfiöh barattf in ber 
fiiidje. 

„Cttfel ©ugen, Onfel ©ugett!" riefen ihm 
hier ein paar luftige, frifdjc ©tirnrndjen entgegen, 
„roarutn marft im fo lange nicht bei tut» ?" 

Unb bie fiittber hingen fi^ an feine Dlrme 
unb sogen ihn in bie Soljnftnbe, mo bie DJlutter 
am ^cufter arbeitete, ©ie erhob fid), reichte 
ihrem ©djtoager mit traurigem Sädjeln bie $anb 
unb fügte mit leifer Stimme: 

„3dj ermortete ©tid) tiiglich SJruber, benn 3h r 
feib gut, ©ott fei mit uttS!" 

„3 ft ©uftaö ba ?" fragte er. 

Ißeöor bie fjratt antmorten fonnte, trat ihr 
©atte in baS 3 'mmer, er mochte mofjl baS fyretu 
bengefdjrei feiner fiinber gehört haben. Dluf 
ein 3 rid)rn ber DJlutter entfernten fid) ber finabe 
unb baS DJläbdjen, fie felbft lehrte auf ihren 
$lap atn Scnfter mit beflommenem fersen 
3uriid. 

„So, bu bift es," fagte ©uftaö troden. 

„3a, ich bin es." 

„Unb maS führt bid) itt biefeS #auS, meldjeS 
bu lieber nicht betreten foüteft ?" 


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föaufdjungen. 


409 


©iigen antwortete mit ruhiger, ernfter 
Stimme: 

„3f<h fomme, bidt) gu fragen, ob id) toirflid^ 
feinen ©ruber mehr habe." 

„.£aft bu üor fedjS ©tonnten an bcinen Sru» 
ber gebaut?" ermibcrte ©uftao iroitifA. 

„Safe un§ »on biefen alten ©efdjicgten nid)t 
mefjr fpred)en. Seibe leiben wir unter betn 
jefcigen 3 uftanb, ein folcheS Sehen ift uner» 
trägiid)." 

„©Ser ift Sdjulb baran ?" antwortete ber ©ef» 
tere. 

„©Ser ift Sdjitlb baran ?" mieberljolte Gugen 
mit bewegter Stimme, „wer ift Sdpilb bgrau ! 
baS ift gleichgültig ! Nehmen wir an, id) fei eS 
gong allein! ©ber, ©ruber, wer leibet mit uns? 
Seibet nicht beine liebe TJrau, bie unSjüllen 
tljeuer ift, nicht beine ifinber, beiten bie Spiel» 
geführten fehlen? Seibet nicht meine 3?amilie 
ebenfalls? ©ruber, fiitb alle biefc unferm £>er= 
gett fo theure ©Scfen fdjulbig unb follen Tie lei» 
beit, weil wir fdjulbig finb unb leiben ?" 

3lit ber Stimme ©ugen’S lag etwas £erg= 
erfchntternbeS. ©uftao, bauon getroffen, warf 
einen ©lief nach feiner grau hinüber, aber er 
fab nur ihre gebeugte Haltung unb Shränen 
in ihren ©ugen. ©SaS ihn hätte rühren follen, 
ärgerte ihn nun, er glaubte feine grau im ©in» 
oerfteinbnifs mit Gugen, unb gegen fein eigenes 
frjerj fid) oerljärtenb, ftiefi er bie 4?aitb gurüd, 
bie ber ©ruber ihm barreicf)te.' 

„IRedjt ift ©ed)t," fagte er heftig, „unb wenn 
fidj bie grauen nicht mehr für bas ©ebeitjen 
ihres SBoblfianbeS unb öaS ©lücf ihrer ftinber 
intereffiren, fo mögen fie im StiUen meinen fo 
Diel fie wollen!" 

Sie arme 3 ?rau fdjluchgte laut auf bei biefen 
©Sorten, bie beiben ©tänner gingen mit finftern 
. ©efidjtern im Sirnmer hin unb her- ©S mar 
eine ernfte, entfdjeibenbe Stunbe, follte fich baS 
©anb gwifchen ben beiben Familien wieber Inüp» 
fen, ober für immer gerriffen bleiben ? 

®a hatte Gugen eine glücflidje ©ingebung ; 
fein Slirf War auf bie alte ©ibel beS Kaufes ge» 
fallen. 

„Sruber," fagte er, „fennft bu biefeS ©udj ? 
bu bift fein £>iiter, als ber ©eltefte ber Familie, 
ich weiß, baß bu es liefeft unb f^ii^eft, weil es 
baS ©Sort ©otteS ift, unb weit es ber ©ater bir 
auf bem Sobtenbette anoerlraut hat. ©un gut, 
ich tege eS gwifdhen uns auf ben Sifdj." 

©uftao mar beit ©emegungeit feines ©ruberS 
mit erftauntem ©lief gefolgt. 

„©rinnerft bu bich," führ biefer fort, „ber 
©Sorte, welche ber ©ater uns gum ©Saljlfprucb 
gegeben, welche er, acht Sage oor feinem Sobe, 
borit in biefe felbe ©ibel gefchrieben ? @3 finb 
bie ©Sorte, welche ber alte ©poftel Johannes un» 
aufhörlich feiner ©emcinbe in ©phefuS wieber» 


| holte: „ßinblein, liebet eud) untereinanber." 
i ©uftao fchien aus einem böfen Sraume gu er» 
Wadiert, er ftanb mit gebeugtem Raupte feinem 
Sruber gegenüber. Siefer patte baS ©itd) auf» 
gefchlagen, unb mit bent Ringer auf bie mit git» 
I ternber £>anb getriebenen ©Sorte beutenb : 

I „©ruber," fagte er, „beS ©aterS Stimme 
fprid)t in biefer Stunbe gu uttS ; beS ©poftels 
Stimme, ja noch mehr ©otteS Stimme: Siebet 
euch «nter einauber! ©ruber, ned) einmal bitte 
ich bich, im ©amen beS ©reifes, ber im ©rate 
ruht, im ©amen ber ©ibel, bie uns bcrbinbeit 
foll, int ©amen ©otteS, bergeilje, reiche mir bie 
Tjaub." 

©or biefen bemiithigen, ernften ©Sorten 
fonnte ©uftao’S £>od)tnuth nicht beftcljen, unb 
jetjt ift baS ©liid wieber eingefchrt in ben bei» 
ben Käufern, bie ©Siitterabenbe oergehen froh» 
lid), bie ©ater unterhalten fich freunbfehaftlid), 
bie ©lütter blideit mit Siebe auf bie Äinber, 
bie am Sifche fpieleit, ©Ile loben ben ©ott ber 
©ibel. 


® ff tt f rij it n 0 mi !. 

©01t Margarete. 


©un mar ich frei! 

hinter mir lag bie ^nftitutSgeit, unb üor mir 
mir toinfte bie fo oft unb heiß erfehnte Unab» 
hnitgigfeit. ©in Snbe hatte baS ©ofabelnlernen, 
wie baS ©efdjoltenwerben, ein ©nbe hatte bie 
ftrenge ©ufficht, unter ber wir ftanben, bie oer» 
halten, täglichen Spagiergänge, währenb wel» 
d)er wir nicht einmal bie ©ugeti auffdjlageit 
burften. ©Sie eS mich freubig burchgucfte bei 
1 bem ©ebaitfen, nun enblich hfiwfehren, unb im 
j lieben ©Iternhaufe als ältefte Socfjter fortan 
I nach ©elieben [(halten unb malten gu bürfen. 

I ©S war ja natürlich, bafs ©tarna mir nun ohne 
1 weiteres ben Sdjlüffelbunb übergab, unb mid) 
als unumfd)ränfte Königin über Jtüd)e unb 
ffeller, ©arten unb £>of Malten lieg, währenb 
fie felbft fortan nur ber ©ulje unb Sehaglidjleit 
| lebte, ©eben all meinen häuslichen ©flid)ten 
1 wollte ich übrigens auch meinen Stubien weiter» 
leben, unb bie ©Sifjenfdjaften unb fdjönen fünfte 
emfig forttreiben. 3<h hatte mir fdjon einen 
wohleingeriAteten ©lau für ben gangen Sag 
entworfen : ba mechfelten aufmerffäme $iid)en= 
aufficht mit ßtaüierfpiel, ©arteninfpeftion mit 
Sefctt weife ab. O, ein rofigeS mohlauSgefüllteS 
Sebeit lag oor mir, — unb Wenn ich baran 
buchte, jubelte ich auf! 

Saneben fchlidjen fich tooljl auch allerlei fdjöne 
Sraumbilber in meine 3 utunft 3 pläne mit ein. 


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410 


Säurrfjungm. 


Unb .nun mar ich mieber ju fjaufe. SOßäljrenb 
ber erftcn Sage mußte ich gu bcn Sfreunben unb 
Sefannten unfern Familie! 3 ^ muß noch 
lachen, menu id) an jene s -8efu<f)e benfe, in benen 
id) gut ©f^au auSgeftellt mürbe, um 311 jeiticn, 
meid) lidjter ©djm'etterling fid) aus einer Sad- 
fifdhpuppe fcbliefjlid) entroidcln fatin. (Sutfetslidh 
olöbe faH i<b aber Orten ba. $$ machte ber 
guten 9 Jtama, mie id) fürchte, menig (Sljre! 

©0 oerging bic erfte 2öod)e. 

35 ann fud)te ich eines WorgenS meine Wal- 
geratbfehaften herbor, um midi, meinem spinne 
gemä|, in fünftlerifd^em Schaffen 31t ü6cn. 916 er 
ach! in biefem 9 lugenblid mürbe ein nur 31t um¬ 
fangreicher fflidforb boll 3erriffener 5 öafd)e ins 
Simnter gebracht unb Warna fpradf) gelaffen : 
„©0, beuie arbeiten mir mieber einmal gufam- 
men, 3U jtueicit förbert eS fid) fo gut." Sprach 
eS unb fejite fief) tijatenbnrftig oor ben bergmeifelt 
hoben Setnroanbberg. Oa hieß es beim für mid) 
einfach ihrem mutbigen 93 eifpiel fyoffle leiften ! 
9 ii(ht ohne ©<b»ner3 padte id) meine Wal« 
utenfilien gufammen, unb machte mich grotlenb 
an bie Arbeit. 

9 tur 311 halb fah ich ein- bah eS ein 2 >ing ber 
Unmöglidhfcit mar, meinen ©tunbenplan eiitgn- 
halten. „Sitte, lafj ben ©ingfang," rief mein 
Sruber, ber Sateiner, mijjinutbig. als ich mich 
.eines 9 lbenbS an baS Älabier gefegt hotte, unb 
in langgegogenen Stinten „baS £>erg in bangem 
©d)merg fragen" lieb. „jfdb fann mahrhnftig 
fo nicht rechnen ! 9 iun ljaft bu mich bei ber 9(6 , 
gebra gang bermirrt." | 

3<b machte bem IRedjenmeifter, ber fid) breit 
über ben Sifd) beugte, unb mit ben .fctinben beibe 
Ohren guhielt, eine Semerfung über ben un= 
mirfchen Son, in melcbem er gu mir fprad). 
„Unb menn bu and) noch fo lange in ber Sehr» 
anftatt gemefeit, unb als f^väufein heimgefehrt 
bift, — Ötefpeft habe id) bod) nicht üor bir," mar 
feine unberfdjämte 9 (utmort; ftarr unb hilflos 
ftanb icp bor folcber (Rebe. 

911 S ich ein anbermal in mein 3 'mmer trat, 
ftanb Warna bor meinem offenen ©d)rant unb 
ertheilte mir mit ungnäbiger Wiene einen regel¬ 
rechten Serroeis ob ber nicht gang mufterbaften 
Orbnung. Sermirrt febaute ich fie an. ©dhränfe- 
unterfuchungen maren ja aflmödjentlidj im 
ftitute borgetommen, unb als unfertige Sad- 
fifche hotten mir unSbiefeS tprannifdje 3 mangS= 
mittel mohl ober übel gefallen (affen miiffen, 
aber jefct hätte ich feine 9 lnmenbitng nicht me(>r 
für möglich gehalten, jejjt, ba ich 6o<h glaubte, 
aller tleinlidben 3 ?effeltt lebig gu fein. OaS ©e- 
fühl ber erlittenen Oemütbigung beugte mid) 
tief barnieber, ich fdfjrieb beSl)alb 9 ?adjtS bor 
bem ©chlafengeben eine rührenbe $Iage in 
mein Stagebud) ein. 3 <h fdfjrieb, bis auf ber 
Steppe '$apaS ©timme ertönte: „Siebt aus*. 


I löfeben! 9 lad)tmad)en ift ungefunb für junge 
1 Seute!" 

1 Wit ben großartigen planen in Segug auf 
, Soeben unb ©irtbfebaften roar’s einftmeileü auch 
nicht meit ber. Sßenn ich im roeijjen, gier liefen 
ßod)fdjürg<ben an ber Pfanne flehen mollte, — 
brummte mich moljl ber alte Siidjenbragoner 
unmillig an, fo baß ich mich berieft gurüdgog. 
i @S mollte fid) ferner in unferent Sehen fo gar« 
nidjts ereignen. 3 eben Worgcn fagte id) beim 
9 luffteljen propljetifd) gu mir: „ 9 (ber heute 
paffirt gang gern iß etmaS," am 9 lbenb aber, menn 
id) mid) gur 9 tuljc legte, hotte mir ftetS ber SEag 
nur baffelbe befebert: 9 lrbeiten, Sefuche, eine 
etmaS ungufriebene Wiene, meil fid) bielleicht 
mein 'Plaubcrftünbdjen mit meiner erlorenen 
fjergeuSfteunbin gar gu lange auSgebebnt hatte. 

Sarg unb gut, eS mar alles fo gang anberS, 
als ich eS mir im SEraume auSgemalt hotte, unb 
ich lonnte meiner Wina beim heften SEßiüen 
nichts SefonbereS berichten. 2 Bar eS ein 2 Bun= 
ber, buü ich ungeheures Witleib mit mir felbjt 
hatte, mir oerfannt borlam ? 

9 llS ich eines 9 lbenbS mit trübfeligem ©efidljt 
gute Wiegt fagte, hielt mich $apa gurüd. „Öu, 
fragte er, maS foll beim eigentlich biefe lang* 
meifige, berbroffene Wiene ? 3 <h tonn baS nid)! 
leiben ! £>aft bu maS, fo fag eS! 3 dh hohe bem 
Sing feit ein paar Sagen gugefeben. Sa haben 
mir uns gefreut, mit bir fomme recht niel ©on- 
nenfebein in’S .ftauS, unb nun tnüffen mir ftatt 
beffeit ein foldjeS 3 ainmerbafengefi<bt anfehen! 
9 llfo maS ift es ?" 

Sa tonnte ich ben lange gehegten ©chmerg 
nicht mehr guriidholten. Weine Sbränen 
ftürgten herbor, unb ich fdjlmbgte gum ©tein« 
erbarmen. 

„ 3 Kb habe eS mir fo anberS gebacht," preßte 
ich herbor. 

„ 2 BaS benn ?" 

„ 9 llleS! Strümpfe — ftopfen-unb — 

Warna — bie mich immer — fcfjilt — unb — 

unb-alles!" llnb bie Sbränen ftürmten 

bon 9 ?euem. 

Unb bann hörte ich Sapa herglich lachen — 
er gog mich 30 fidb nieber unb tüfjte mich. 

_,,Sie erfte (?nttäufd)ung," fagte er heiter. 
„Siebft bu, fo ift baS Sehen ; eS führt erft butdj 
9 ?ad)t gum Sicht." 

' Unb nun nach brei fahren lache idh auch über 
meinen batnaligen ©dhmerg. — 



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dtnbtüdtf eines djnfUidjrn Negers. 


4U 


(fiiiküdtc einea djriölidjen Itearrs in (Snglairi. 


il/ f 4 n 2 iDerpool ift fürzliiß ein SBucf) 
r I y African Trading, or tlie Trials 
of W. N. Ocansey, erfd^iciten, 
,'TT wie eS nießt Diele gicbt. ©in junger, 

• [T bon ben ©SeSleßonern erzener, jcßt 

J m jur ©agier ©tiffionSgemeinbe in ©ba 

' * gehöriger ©eger, 3 o b n @. 0 c a n f e q, 

1 ber in ©efcßäffen muß ©nglanb gefönt» 

I men mar, erzählt barin feine ©rlebnifje 

f in fo nnioer, treuherziger ©Seife, baff cg 

1 eine 3 rreube ift. Sein ©boptiDDater, 

Ja ber reifte eingeborne Kaufmann in 

f ©ba, nod) fteibe unb Dößig ungefeßult, 

T aber überaug betriebfam, gewanbt unb 

X umftcßtig, bei 'Jag unb ©ad)t auf feine 

T 4?onbelSintereffen bebacßt, bat große ©er» 

lüfte gehabt, tbeilg infolge ejneg ber Dielen afru 
lanifeßen Äriege, tbeilg irnreß allerlei UnqlüdS» 
fälle, tbeilg burdj bie Uureblicßfeit feineg Siber= 
pooler ©genten. liefern bat ber alte Dean feg 
Tür 52,000 ©tarf ©almöl gefeßidt, bamit 
er ipm ein fleineg Dampfboot maeßen taffe 
unb ßinausfcßide; £err tpidfon aber bot biefe 
Summe — ohne bag Dampfboot aueß nur ju 
befteßen — fieß felber gutgefeßtieben, um feinen 
bereinbreebenben ©anfrott wenigfteng aufzußal» 
ten. Um Diefleießt itoeß etwas ju retten, im 
feßlimmften gälte aber ben oeßulbiqen Dor ©e» 
rießt ju jieben, wirb nun 3°b>i Ocanfep nach 
SiDerpool gefeßidt. 

@S ift bie erfte Seereife, bie er unternimmt, 
©m 28 . ©pril 1881 befteigt er bie Dampf unb 
Raueß fpeienbe „©laßumba". ©ermanbte unb 
ffreunbe fteben mintenb am Ufer, unb Dom i 
Dadje beg Däterließen ftaufeS webt bie gamilien= I 
flagge ißm no(b einen (eßtert ©bfdjiebSgruß jit. ! 
Die Trennung faßt ibm nicht leießt. Dazu j 
fommt ein geheimes ©rauen Dor ber langen i 
©teerfaßrt, Dor ber Seelranfbeit unb Dor aß 
ben ®efobren, bie ibn ja treffen tonnten. ©ber 
mit ben ©Sorten eines geiftli<ben Siebes, bag er i 
einft in ber Schule bei ben ©SeSlepanern gelernt 
bat, legt er ficb in 3efu ©rme unb genießt nun ; 
Dergnügt aß baS ©eue, baS fieß in ©ape ©oaft/ 
in Siberia, biefer „©tufterfolonie" (!), in Sierra j 
Seone, in ©tabeira nnb auf bem Ozean felbft 
feinen ©liefen barbietet. ©Sie eine Spazierfahrt 
üeriäuft bie ganze Steife, ©ott banfettb tommt 
er in SiDerpool an. 28 aS für eine große Stabt! 
©Sie praftifcß bie Straßeneinrießtung: in ber 
©litte eine gepflafterte ©ahn für Qfubrwerfe unb 
Reiter unb z u beiben Seiten breite bequeme, 
JroltotrS für Fußgänger! bazu „bie buntten | 
Straßen bloS für ©ifenbaßnen, weleße unter I 
ben anberen Straffen Einlaufen unb auib Doll i 


Don ©eifenben finb!" Unb Wie febön gef leibet 
finb aße ©teuften, flein unb groß, ©fänncr unb 
grauen; nicht eine einzige ©erfon fiebt man 
unbefleibet; gewiß, eS muß ein baßer fjefttag 
fein? ©ber nein, man fagt ißm, fo fei eS aße 
Jage, unb wenn 3einanb fieß unterfteßen würbe, 
nach einberzugeßen, fo würbe bie ©olizei ißn 
einftecten.. ©SaS für eine Dortreff ließe ©inrieß» 
tung! 

i Unb wie munberbar baS ßelle Sicßt in ben 
! Straßen unb im #otel, oßne Cel unb oßne 
j ßerzen, nur fo aus einer ©ößre ßerauSftrömenb. 

; ©un geßt’S aber ins ©ett unb baS Sießt foflte 
auSgelöfßt werben. ©Sie baS machen? ©un, 
nach einigem S<ßmanfen bläft uttfer 3 oßn bie 
©aSflamme auS; fragen mag er nießt, um feine 
©löbigfeit unb ©erlegenßeit nießt zn Derratßen. 

, So wirb benn baS ganze £>ouS Doll ©aS, unb 
früh ©torgenS ßört er bie ©Sirtßin erfeßredt 
■ bin» unb ßerlaufen, bis fie enbließ an feine 
ißüre tommt unb fragt, ob er etwa baS Sicßt 
auggeblafen habe beim 3 lI &dtgeßen. „3a 
moßl!" — ,,©un, ©ott fei Danf, baß Sie naeß» 
ßer tein 3ünbßolz meßr gezogen haben, fonft 
! waren wir aße in bie Suft gefprengt unb baS 
I ganze £auS wäre zerftört worben; wiffen Sie 
' beim nießt, baß ©aS ebenfo gefäßrlicß ift Wie 
’ ecßießpnlDer?" ©ein, baS hotte ber gute 3 oßn 
in ber ©tiffionSfcßule, fcßeint'S, nießt gelernt, 
©ereitmiflig aber läßt er fieß nun zeigen, wie 
man benn eigentlich fo ein ©aSlicßt auSzulöfdjen 
habe, ja, auß bie falfcße Sißam legt er jeßt ab 
nnb fragt entfeßt, ob am 6nbe noeß anbere ge» 
faßrlicße Dinge im 3 'winer feien, ©ber fie 
fagte: „©ein!" ©ott fei Danf! 

©un fommt ber Sonntag, ©atürlicß geßt 
£>err Ccanfeß in bie .ffiröße. Scßon bie 20Ö0 
3 ußörer imponiren ißm; als nun aber bie 
Orgel — anfangs leife unb filberßefl, bann aber 
laut unb gewaltig baßerbraufenb, erflingt unb 
bie ©emeinbe ein ßerrlicßeS Sieb bazu ertönen 
läßt, ba ift’S ißm, als ßöre er bie ©höre ber 
ßimmlifßen £>eerf<ßaren. Sein ganzer Seib 
Zittert, fein £erz hebt fieß unb er bebarf nicht, 
baß jemanb ißm fage: hier ift ©ott; bie ©n* 
badjt aller ©nwefenbett ift ißm ©eweis genug, 
baß er in „©otteS j£)au»" fieß befinbet. 6s war 
eine preSbpterianiicße Äircße. Sonntags bar» 
auf gebt er^ in eine metbobiftifeße. ©S wirb 
gerabe ein Sonntagfcßulfefi gefeiert. Die Sie» 
ber unb ©telobien beimein ißn fo an, unb aueß 
bie Seute finb fo freunblicß, reben ißn an unb 
laben ißn in ißre Käufer. Den ©eft beS JageS 
Derbringt er gar frößlicß in einer cßriftlicßen 
Familie, ©m näcßften Sonntag fommt er in 


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412 ‘ 


(Einbrüche eines djriftlirfyen flegers. 


eilte SBaifenfjauStirdje ; in langer Ißrojeffion 
jieljen bie ffinber baljer, alle fo gefunb, fo frifch 
nnb rein unb —was unferm ©djwarjen am 
meiften imponirt — alle mit großen weißen 
prägen um ben föals! GS folgt ein ©efang, 
ben einer oon ben ffnaben oorfaat, nnb ein 
Gramen über ben ffatecfeiSmuS, fragen wie 
Antworten bloß oon ben ff intern fclblt gefpro» 
djeit. SaS Dßunberbarfte aber — nnb ba ftau= 
nett noch aitbere 2eute mit — tarn am uierten 
Sonntag, wieber in bcr Dltctljobiftenfircbe: 
3wei 5ßrebigcr befteigcn bie ffnnjel; juerft ein 
„©entleman", ber ba» Sieb angicbt nnb betet, 
bann eine „2abq" — ungefähr 30 bjaf)re alt, ein» 
fad) fdjwarj getleibet nnb feljr beweiben aus» 
fetjenb, aber and) fefer crnft — nnb bicfe hält bie 
Sßrebigt über 3faafS Opferung, fo fließenb nnb 
oortrefflid) als irgenb ein Pfarrer! 

Socfe nun jum ©efcfeäft. £>err öidfon hat 
SSanfrott gemacht nnb bie 2(378 ipfunb ©ter» 
liitg finb oerloren, ©runb genug, brei Sage 
lang nichts effen ju tonnen nnb nicbergefdjlagen 
einljerjufchleichen. Dlber cS hilft nichts. Sern 
treulofeit Agenten wirb ber '-fkojcß gemacht 
unb bie 3eit bis jur Skrljanblung ber tondje 
oor bein ©efdjworencngericht muß irgenbmie 
auSgefiiflt werben. Dtlfo auf nach Bonbon! 
Sie erfte Gifenbaljnfahrt. DBaS für bequeme 
ffutfehen, in benen man mit bem £ut auf bcm 
Ätopf ba fißeit tann, ohne oben anjuftofecn; unb 
toaS in Dlfrita mehrere Sagreifen brauchen 
mürbe, geht fjiet fdjneßer als in ebenfooiel 
©tunben. „O, ba betete ich," fdweibt unfcr 
Qfreunb, „baß ich bie 3<üt erleben möchte, wo fo 
eine Gifenbaljn auch in Sßcftafrifa geht! 5BaS 
für eine Grfparttife an 3eit unb Stühe für bie 
armen Dlfrifaner märe baS! O, möge ©ott in 
©naben herabfehen unb ber armen Dlfrifaner 
gebenten, bamit auch fie alle SSortljeile unb Din» 
nehmlidhleiten ber Gioilifation theilhaftig wer» 
ben. O baß fte nadjbenten unb weife werben 
möchten, um fich aufjumad)en wie ber oerlorene 
©ohn unb ju fagen: 3>d) miß auf flehen unb §u 
meinem SSater gehen ... wahrlich, ©ott unfcr 
barmherjiger 33ater würbe uns gewiß nicht Oon 
fidj ftoßen, fottbern mürbe unS ftatt ju Unechten, 
ju feinen lieben ffinbern machen! 3h habe 
mit oielen einfidjtSboflen, hochheejigen Gljriften 
in Gnglanb gefprochen, unb fie afle fagen, baß 
bie hohe GntioidlungSftufe, auf meldjer bie 2Bei= 
feen fich befinben, einjig bem Dßort ©otteS 3U 
Oerbanfen fei. Slfrifa, fo hoffe ich, mirb hoch 
bieS heiligfte, theure DSort nicfet oermerfen, baS 
jefet an fo oielen Orten ihm oon weißen DJtän» 
uern geprebigt wirb feit 50, 40, 30, 20 ober 10 
fahren unb baS überafl roenigftenS einige töft» 
lidje fruchte getragen hat. O möge bie Gr» 
fenntnife beS Cterrn fich ansbreiten über Dlfrita, 
Wie baS DBaffer ben DJteereSbobcn bebedt! Sann 


wirb Slfrifa feine SReidjthümer unb ©djäfee erft 
heben, bann wirb baS 2anb fein ©eroächS geben 
unb ©ott, nnfer ©ott, wirb unS — fegnen. 

I ffomm heim, tonirn heim aus bem fdjrcdiicheu 
2atib, wo ber 3?infternife Stodjt bir nur 3am» 
mer gebracht. O oerlorneS ffinb! tomm heim, 
o tomm heim! u . f. w." 

„Unb ©ott fei Sauf, eine neue 3eit ift äuge» 
brochen auch für Stfrita; es fängt an aus bem 
©cl)tummcr ju erwachen. Söie tlein war nud) 
oor wenig 3ab*en bie 3al)l berDlfritaiter, welche 
nach Guropa tarnen, unb baS waren mcift Sierra 
2eone»2eute, welche im Sienft ber '.Regierung 
reiften. 3eßt aber fommen afritanifcfee ff auf» 
leute unb bereu Söhne (NB!) in ihren eigenen 
©efchäften nad) Gng(aitb,'unb bie Sreunblichteit, 
welche fie erfahren, ift fo groß, baß fie mit 
§reube unb Santbarfeit erfüllt werben. Stau 
führt fie herum unb jeigt ihnen aßeS mögliche 
Süßliche unb lehrreiche, unb fie werben gebef» 
fort, nicht üerborben. ffchren fie bann 3u ihren 
Sreuuben unb 2anbS(cutcn jurüdt, fo haben fie 
feljr oiel ju fagen unb man laufcht ihren 2ßov= 
ten mit Dichtung unb Vertrauen. 3h re Dinge» 

. hörigen freuen fich unb finb ftolj barauf, bafe 
bie Gnglänber ihnen fo oiel Dlufmerffamfeit gc» 
fchentt haben unb nehmen nun um fo wißiger 
allerlei englißhe ©itten unb bergl. an. Unb fo 
wirb nach unb nach Dlfrita umgewanbelt werben, 
wie Gnglanb umgewanbelt roorben ift, benn 
auch Gnglanb ift ja aus ber ft i u ft e r n i fe her» 
aus an ©otteS WunberbareS Sicht—gefominen." 

©ooiel oou ben patriotifchen unb oiefleidfet ' 
etwas fehmärmerifeh tlingenben UtiffionSgeban» 
ten unfereS lieben DtfritanerS, für ben eS uns 
oon £erjen freut, bafe er in Gnglanb fo gute 
chriftliche fjreunbe gefunben unb fo liebliche 
Ginbrüde empfangen. „2ßer weife, woju bu 
noch beftimmt bift — fo benufee benn bie ©e= 
legenbeit, hier allerlei ju fehen unb 311 lernen," 
fo fpradjen ihm feine Sioerpooler ftreunbe, 001t 
benen einige „grofeeit ©tauben an Dlfrita" hat* 
ten, gar aufmuuternb ju. 33eobadjtenb unb ler» 
nenb finben wir ihn benn auch in ben ©trafeen, 
DJtufeen, DluSftellungen unb GtabliffementS ber 
großen DBeltftabt. Dlm empfänglidjften aber ift 
er ftets für bie Ginbrüde, welche ihm in ben 
ff irefeen am Sonntag werben. Sic ©t. ißaulS« 
ffathebrale in 2 0 n b 0 it erfefeeint ihm als „eine 
feljr große ffapeße" unb auf ihre ©pifee ju ftei» 
gen, reichen feine ffräfte nicht aus; mit wahrer 
ißegeiftcrung aber beteiligt er fiel) am reichen 
litiirgifhen ©ottesbienft. Ser herrliche ©efang 
ergreift ihn mächtig, unb bie 24 ©eiftlidjcn, 
roeldje er in ihren weißen Ghorhemben am Dlltar 
ftehen fieht, tominen ihm oor wie bie 33er* 
fammluitg ber Seligen broben, fo bafe er an 
baS 2ieb benfen muß : . „DBer finb bie oor ©ot= 
teS Sferone ? DÜaS ift baS für eine ©haar ? 


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Sonbtrbarr Jifdjt. 


413 


Sräget jeher eine ffrone, glängen roie bie Sterne 
Har, £>allelujab fingen alt, loben ©ott mit 
hohem Sdhaü." „2Sir festen uns nieber," er« 
gäljlt er, „um mit ihnen anjubeten, benn meine 
Seele biirftetc nach bem lebenbigen ©ott, unb 
— bie 3 eit »erflinft febr fdjnell." 

3 m ©angen blieb £err Ocaufct) ad^t Sage 
in Sonbon, war aber gulejit fo mübe, roie roenit 
er eine lange befdjroerlidje Steife gemadjt batte. 
SSon ber Steugier ober ^luSgelaffcnheit ber 
©affenjugenb batte er nicht üiel ju leiben. Stur 
einmal, fdheinfS, blieben ein paar Heine SSubcn 
bor ibnt fteben, ftierten if>n an unb riefen: 
„£>allo, Sdjroarger, roaruin hojt bu birf) benn 
Beute morgen nid)t geronnen, baß bu fo fdjroarg 
bift?" 3 'K übrigen roar jebennann fjöflief) unb 
guoorfommenb ebenen ihn, fo baff Diele traurige 
©rfahrimgeit ihm erfpart blieben, toie fie fefjon 
bott anberen StuSlänbern, guntal Slfrifanern, in 
fionbott gemacht rourben. 

Slucb in SJtnn<befter machte er einen 33e= 
fncf), fab fi(b bie fjfcibrifen, ben Shiergartcit, bie 
Sitbergallerie, baS Panorama u. bereit, an unb 
batte mtdj hier iiberroicgenb angenehme ©rieb« 
niffe. Ginmal fab er einen SQetrunfcnen, ber 
Don ber Ißoligei aufgehoben unb in3 £od) geftedt 
tourbe, um am nädjften fDiorgen Strafe gii gab» 
len. Staeb groeimonatlidjem Stufentbalt in Gug« 
lanb roar baS ber erfte SBetrunfcuc, bem er bc= 
gegnet. „3n Sffrifa febe icb täglich ein Sujjenb 
ober mehr," fdbreibt er; „ja, in Stfrifa hoben 
roir gu Diel Sranntroein, unb baS ift eins Don 
ben Singen, bie roir Derfudjen muffen anberS 
gn machen, fonfl wirb unfer 33olf nie grob 
»erben." 

©inmal roobnte er audj ejner Strafjenprebigt 
•bei unb fab bei biefer ©elegenljeit einen „ 3 ?ar= 
bigen" aus Stero |)orf, ben jebermann gn feinten 
fd)ien, unb ber fid) ibm febr gutraulid) gu näbern 
fudjte. £>err Oconfep aber füllte ficb gar nicht 
„gu ihm bingegogen," foitbcrn baebte, als er feine 
febmubige Äleibung unb fein ©efiebt betrachtet 
batte: „Su fiibrft fein gutes Sehen!" Ser 58e= 
treffenbe roar ein fogenannter „Sltifroecfer," ber 
alle SJtorgen früh an geroiffe Sbüreii flopfen 
muhte: lim fo bie fjnuSberoobner gu werfen. 
Samit Derbiente er feinen SebenSunterbalt. — 
©egen einen roeipen Strafienjungen roar unfer 
Slfrifaner gnabiger. Srojg alles SlbmabnenS Don 
Seiten feines freunblidjen fyiibrerS febeufte er 
bem Settelnben einen Ißennp, um ficb bann eine | 
Sorlefung über baS Slrmengefefc unb bie Sdhäb«! 
liebfeit beS Settels batten gu laffen. 3Iucb bie 
©djubpujjer < ^eitungSDerfäufer, Strapen=Se= 
toäfferer unb Diele aitbere in Slfrifa nie gefeljenc 
(Ürfibeimingen fallen ihm auf. 3a, es ift bod) | 
ein herrliches fianb, bies Snglanb! 1 

Wie eine biefe, f<b»arge SBoIfe brüdt aber je, 
länger je mehr jene ©efebäftsfaebe auf fein ©e= 


mütb, unb fo oft er an ben beoorftebenben @e« 
ridptstag beult, roirb ihm beflommen ums £erg, 
unb als bann biefer Sag immer weiter hinaus» 
gefdjoben roirb, ba paeft ihn baS fjjeimroeb fo 
mächtig, bajj er an nichts mehr gfreube bot unb 
auch bie freunblidjften ©inlabungeu nicht an« 
nehmen mag. SaS unerwartete ©intreffen eines 
3ngenbfreunbeS, beS £>ernt 3acobfon aus 
Cuitta, ben ein ähnliches finangielleS Unglüdt 
nach Siocrpool gebracht batte. War groar eine 
Sreube für ihn, Dcrmebrte aber noch bie ©nt* 
riiftung über baS Unrecht, baS ihm unb feinem 
Sater Don ihrem Weifien Agenten roar gugefiigt 
worben. Diadjegelüfte übrigens lagen ihm ferne. 
Gr wollte nur ber ©eredhtigfeit ihren Sauf 
laffen. @3 banerte aber febr lange, bis enblicb 
ber fRicbterfprudh gefällt unb £>err £>irffou gu 
15monatlid)er $aft mit 3'DangSarbeit Der« 
urtbeilt Würbe. SaS ©elb übrigens blieb Der» 
loren. IDlit #iob ficb tröftenb unb ©ott für alle 
Seroabrung banfenb trat unfer fjfreunb feine 
tJtiirfreife ein, nadhbem er furg guDor nodh bie 
fdhmerglicbe 9tacbridbt Dom Sobe feinet alten 
©rojjmutter erhalten. 


Sonberbäte Itfdje. 

Sott 3 . «. edjaal. 


Jjler fUtenfcb befiht einen ungeheuren fffor* 
(yr fc^iiiu^tric 6 . 6 r möd)tc ^ern MeS feljeti, 

1 i^ören unb imffen, in biefer SBelt ift 
unb cjefd)ietjt. $iefe§ ®ertan(ien ift fo ftarf bei 
iljm, baß er Oor feiner ©efoljr jurücffdjrecft, 
menit er hoffen barf, etroaö 9ieueö nt entberfen 
unb befonberS, ttjeitn il)rn babei noc$ ein erbebr 
lid^er ©etoittn in Shiyfidjt ftel)t. 

tiefem ^o^Wwn^trieb ift e§ juguf^reiben, 
baft mir freute bereits mit ber flanken S0e(t be* 
fannt finb, ohne felbft überafl (\emefen 511 fein. 

So umfaffcitb toaren bie ^xtnbel^ unb ßnU 
bedunn^teifen bev Ser^an^en^eit bap mir nicf)t 
blog mit bem fy^fttonbe unb feinen Semo^nern, 
fonberit and ) mit alten ©emäffern ber 6 rbi N unb 
ber in benfetben fitf) tummetnben 2 ^iermett faft 
eben fo befannt fitib, al§ ob mir fie felbft flefetjen 
unb beobachtet bitten. 

löenn ein iJteifenber ober Seefahrer ,^uerft 
eine neue Gntbedunfl über ir(ienb einen ©eflen= 
ftanb machte, fo fotzten ihm fofort ©elcbrte, 
metdhe ba» ßntbeefte näher prüften unb atle 
möaticf)en ©rfunbi^utiäen über baffetbe eitiboj^ 
ten. ®n 8 Stefuttat ihrer ^orfthun^ fchriebeit fie 
fobann nieber, unb auf biefe SBeife mitrbe ihre 
^orfchuni] uü(| unb nach immer mehr ©erneut* 


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414 


Sonberbare Jifdje. 



giß. 1. 2)er ftala$a. 5Der 9Jtonbfifc$, SWecrmonb ober ©onnenfifdj, 


gut ber 2Bett, inbem ber Sudjbrucfer baS 9tie» 
bergefäriebene burd) ben ®ruct überallhin ju 
Derbreiten fud)te. Stuf biefe Steife fam e§, bafi 
uor einigen fahren ein« 3ugenbf<brift unferer 
.flirre im ©tanbe mar, fogat mehrere 91’rtifet 
über fonberbare f^ifche unferer Weere unb ®e= 
mäjTer ju bringen, Don meinen mir ctudj f)iet 
bie Slbbitbungen mit einer turjen Sefdjreibung 
roiebergebeit. 

tJifcbc, Don melden mir in biefem SIrtifcl 
reben rooKen, fteben auf ber unterften ©tufe 
ber tjödjften 2bierflaffe, ben 3Birbef= ober SRütf» 
grnt»j£btere. S)er ©rab ber SBirbcttbiere ri<h= 
tet fi(b meift nad) ber Waffe beS ©ebirnS, ber 
Schärfe ber ©inne unb ber Solltommenbeit ber 
SeibeSglieber. 


Seim tJifdf) treffen mir alte biefe 
Sorjiige am menigften ausgeprägt, 
maS ihr an feinem flachen ©d)äbel, 
bem faft fpinbelförmigen Ceibe mit 
mangelhaften ©liebem unb geringem 
©iuu mabrnebmen föitnt. 3cbo<b fein 
ganger Körperbau eignet fid) Dorjüg» 
lid) für feine Ccbensmeife; unb außer 
bem ©erudjS« unb ©efiebtsfinn, bot er 
!aum einen ©ebraudj für bie übrigen 
unferer fünf ©inne. 

Cbgteid) aber ber Qrifcb auf ber nie» 
brigfien ©tufe ber SBirbeltbiere ftcfjt, 
fo bat iljm ©ott bennod) einen rnuit» 
berbaren 2eib gegeben, unb unter fei» 
neu ©eftbtoiftern eine foldje Wonnig» 
fattigfeit geraffen, bafe fie in ben Der» 
fdjiebenfteh unb bunteften ©eftalten 
burdjeinanber mögen, unb eine 2Bun» 
bermelt Dor unfereu Singen bilben. 

Ohne uns jebod) meit’cr auf ben in» 
neren ober äußeren Sau beS $ifdje3 
eingutaffen, motten mir einige ber 
aufserorbentlicbften unb fonberbar aitSfebenbfteu 
fjifcbgattungen näher anfetjen. 

Stuf bem erften Silbe finbet ihr jrnei plump 
auSfetjenbe Heine 3?ifd)e, roetepe ju ber fllaffe ge» 
bören, bie boit ben ©efebrten Plectognathi ge» 
nannt merben, b. b- J£)afttiefer, roeit ihre obere 
Hinnlabe feft unter einanber Dermacbfen ift, alfo 
im Hopfe unbemeglidj haftet. 

®ie |)aft!iefer merben in jtoei fjamitien ge» 
tbeilt, £artbäuter unb Sadtjätjner. Stacft» 
jäbner, gu metdjen bie beiben ftifdje (gig. 1) 
gepören, haben ftatt ber 3‘ibne einen elfen» 
beinernen Ueberjug auf ber Hiunlabe, melier 
fie in ben ©tanb feßt, Wuflbeltbiere befto beffer 
ju germatmen. 

©inige ©attungen biefer gifebe hoben baS 



8'ti. *• 3«rtfM<*. 


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415 


Sonbtrbare Jtifdjf. 



8. SUttoei&trftfö. 


Sermögen, £uft einjufaugen unb fidj bermoften 
cufjtiblcihen, baff fie eine tugeiförmige ©eftalt 
gewinnen. gängt man fie aber, fo laffen fie bie 
£uft mieber aus ihrem $opf auSfaijren, Wo* 
bur<h fie einen fnurrenbert 2on herborrufen. 
3h r Sirifch fort frfjleimift unb wenig gefchabt 
fein; baS mancher Sitten fogar ju gewiffen 3ah« 
reSjeiten giftig. 

Ser 9?if<h lintS auf bem Silbe wirb bon ben 
Slrabern fjahata unb bon ben ©eiehrten Tetro- 
don genannt. Ser lebte Stame bebrütet fo biet 
als bierjaljnig, Weil feine if innlaben borne einen 
fenfrechten Ginfcfjnitt haben, woburch fie baS 
SluSfeheit als biertpeilig gewinnen. ©r lebt an 
ber Storbfiifte SlfritaS, unb fteigt öfter ben Stil 
hinauf, welcher ihn bei feinen Ueberfchwem* 
munden nicht feiten über bie Ufer auf’s 2anb 
wirft. Sie £aut biefeS tJifdjeS ift bicht mit 
Keinen Stacheln befept, bie ihn Degen bie 51 cu 


griffe feiner ffeinbe fdjüfcen. ©eine gfarbe ift 
fdjön unb lebhaft, unb feine Stugen fitcen weit 
oben gegen ben 5H tiefen hin. ©r befifjt baS S3cr= 
mögen, fich aufjublähen, was ihm auf bem Silbe 
feine fugeiförmige ©eftalt berleiljt. 

Ser Stonbfifch, and) Steermonb ober ©on* 
nenfifch genannt, ift ein Sermanbter beS gahafS, 
unb hat biefen Stauten bon feiner fdjeibenförmi* 
gen ©eftalt, ber ©ilberfarbe unb bem Ser* 
mögen, in ber Stacht ju leuchten. Srehm nennt 
ihn in feinem Ühierleben einen abfonberlichen 
tfifd), „ungemein furj mit jufammengebrücftem 
Stumpf unb hohem, fpifcen Stinten." ©r lebt 
am häufigften im SJiittelmeer. Sffiegen feiner 
©röjje unb ©tärte foü er meift mit ber ftarpuite 
gefangen werben. @r Wiegt ju weilen 300 Sfunb, 
unb fein 3?leifd) foü befonberS bon ©djiffern 
gefugt fein. 

Ser Sgelfifdj, 3fig. 2, gehört ebenfaüs ju 



gifl. 4 . Äoftcrftjc^. 


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416 


Sonderbare IRfdje. 



giß. 5. ftlunbcr, BunßenföoQ«, ®olb&utt fölad&ftfcfc ober ©eitenfötoiittmer.) 


ben £>aftfiefern, unb fieljt bem 3?ahaf ähnlidj, 
unterfdjeibet ftcE» jebod) Don biefem baburdj, baji 
feine ifinnlaben ungefurdjt unb feine ©tadfcln 
Diel länger unb ftärler finb, al» bie be» 3?al;nf§. 
UebrigenS befibt er ebenfalls baS IBermögen, 
fid) attfgubläfen unb feine ©tad)etn gegen gcinbe 
auSgufpreigen. 

gig. 3 ift ein £>ornftfd), Welcher ber gweiten 
Familie ber fmftfiefer angehört. ©iefe geidjnen 
fid) uor ben otacftgähnern baburd) and, baß fie 
wirtlid)c 3dbne haben. 3bre £>aut ift rauf) unb 
mit harten ©(huppen ober edigeit ft'itodjeuftiiden 
befept. ©er SUtWeiberfifd), wie man biefeit 
nennt, wirb im inbifdjen ÜDteer gefunben, in 


Welkem er ein gefelliges 2eben mit feineSglcidjen 
führt, unb fidh bur<h feine brillante fjarbe auS= 
geidjnet. ©eine harten ©(huppen, welche feinen 
Körper bebeden, bilben einen faft unburd)bring= 
liihen ganger, ber ihn Dor feinen geinben be= 
beutenb fdjüjgt. 

©er ffofferfifdj §ig. 4 bilbet wieber eine an= 
bere SIbart ber ^afttiefer unb hat einen t>ier= 
fihrötigen ungeftaltcten Seih. Wnftatt mit ©d)up= 
pen, ift er mit einem mirflid)en flno^enpanger 
berfchen, au§ wel(hem nnr bie ifiefer, ber 
©djwang unb bie 3?lojfeit frei heroorragen. (?r 
lebt ebenfalls int wärmeren föteere unb wirb 
IjödjflenS gwei gujs lang, während einige fjifdje 



- GoCK^Itr 












Sonberbnre Jifdje. 


417 


biefer 9lrt als giftig betrachtet Werben, finb an« 
berc bon ben Wmcrifanern a(S eine ^elifateffe 
gefugt. 

$er Seefforpion, SRot^feuerftfd^ unb Sottet« 
Inopf gehören bet Orbnung Stadjelfloffer an. 
liefen 91amen fabelt fie wegen ihrer grofeen 
unb fladjelförmigen Stoffen. Einige biefer Sifche 
fmb mit ihren groffen Stoffen im Staube ffth 
aber baS Saffer jtt erheben unb auf eine furje 
Stredfe gu fliegen. Sei biefen Sif<hr»> fcheint 
oft baS fuißliche mit bem Schönen in ihrem 
äufeeren ©rfcheinen eigentümlich bereinigt ju 


feinen tarnen bon ber fattetartigen Srfcheinung 
feines Kopfes erhalten hot. 

Sladjfifche, Schotten ober Seitenfchtoimmer 
gehören ber Orbnung ber Seichftrahtenfloffer 
an, unb hoben ihren Flamen batjer, weit fie 
nicht wie anbere Sff<h c m 't bem Stüden nach 
oben fdjtointmen, fonberit immer auf ber Seite 
liegen. Shr Körper ift jufammengebriidt, un» 
regelmäßig bon ©eftalt, mit beiben 5Iugen auf 
einet Seite. 5tur biefe Seite ift gefärbt, auf 
weichet bie 9tugen fijcen, unb welche nach oben 
gelehrt ift. Sie bewohnen baS Steer unb leben 



fjifl- T. 9iötbfrarrfi(<^. 


fein, wie*. ®. beim SRothfeuerfifdi, beffen ptacht« 
»olle Sorben eigentljümli<h obftedien. 3)et Kör« 
ber biefeS Sif<h f 3 ift fo recht fpinbelfötmig unb 
bet borbere Sth e <l bebeutenb biefer im Scrhält« 
niß jum Schwanje als bei nnbern Sif<hen. 6 r 
wirb gewöhnlich l S»B tong, ift febr gefräßig 
unb ber Srut cblerer S<ff&e höchft fchäblid). 
$iefe 9lrt S>f<h e follen' fogar ben S<f<herleuten 
ihrer ©efräßigfeit wegen berhajjt fein, ba fie 
immer bereit finb fich föbern 311 taffen, jeboch 
bem Engter für feine Wüfje lainen ©rfafc bieten. 
Wan finbet biefe 9trt bereits in allen Stceren. 

Selche höfftifffe Sif<he fich unter biefer ©at« 
tung befinben, beweift ber Satteltnopf, welcher 


meiff reihenweife aiif bem Soben in ber iiefe. 
2)icje Sifche folleit ein fehr tritgeS Sehen führen; 
aber in Solge ihres flachen Körperbaues bennoch 
im Staube fein, ihre Nahrung auf eine leichte 
1 Seife 311 gewinnen, ba fie anbere Stiere, bon 
I benen fie leben, bur<h ihre unfeheinbare ©effalt 
I täufdjen. 3lber in Solge ihrer eigentümlichen 
I ©eftalt fönneit fie ihren Seinben ebcitfo gefebidt 
unbemerft entgehen, ^n biefer £>infid)t bilben 
fie bie CpoffumS ber Steere, welche fiep bei ber 
©efahr wie tobt auf ben Soben (egen. 

®ie befannteften Slochfffche ber Ser. Stoa« 
ten finb bie fj-liinbcv, welche in großer tttujaljl 
an Seiften unb nun Srüdeit auS geangelt wer« 


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418 


äonbrtbare lifdje. 



ftifl. 8 Sattclfuopf. 


beit, ©ie erretten eine ©röjse Ocm 8 bis gu 20 
3oß Sänge unb ein ©etoid>t Don einem ^albett 
bis gu brei Sfunben. 

©(Rollen unb Sutten finbet man an ber euro* 
päifcben Äüfte, mo fie meiftenS nur mit Utefeen 
gefangen toerbcit unb eine beliebte unb gefudjte 
©peife ber ©nglänber bilben. 


@S fotten afljäljrüct) Dier jjunbert SEaufenb 
SJoDarS toertb Sutten nach ©rojsbritannien allein 
eingefüljrt merben. 

$er Seefcbmetterling bot feinen tarnen Don 
ber 9leljnli(f)leit feiner gierlidjen Stoffen mit ben 
Stüqeln eines ©djmetterlitigS, unb gehört ben 
©djieimfifd)en an; ift nur bei brei bis bicr 3 ofl 



8 »8 9. Schmetterling. 











419 


Sonberbare Jifdje. 



lang unb bewohnt ba§ Wittelmeer. <2d)teim= 
pfdie halten pdj meiftenä in Heineren Struppen 
jmifdjen Ufetflippen auf, unb fönnen längere 
3eit int Strodenen leben. 3bren Warnen ber» 
banfeit fie ber fcbleimigen frnut iljreS ÄörperS. 


®er merfmürbigPe oder ©djleimpfdje ift ohne 
3 tneifel ber DieercStoolf. Derfelbe erregt eine 
ungeheure ©röpe unb ift mit einem furchtbaren 
©enip berfepen; er ift feljr bermegen unb ae= 
fräpig, unb wenn gefangen, Ijödjft befperat. (Sr 



2fifl li- !Hiaerfif<$. 














420 


ftolhsmih Ubft jfapolron. 


foH fid^ oft iit bie ffifcberiieße auf bie gefangenen 
#ifcbe ftiirjen, um feinen Heißhunger ju ftilicu, 
unb, wenn angegriffen, »Die em iiger fäntpfen. 

$er fyüctjerfifcb wirb fo genannt wegen feu 
ner fächerartigen htütfeitflojfe unb getjovt ben 
©cbwertfifdjen an. 3)er gemeine Sdjwertfifcb 
wirb jwifcfyen 15 bis 2 ü fjttß lang, beffeit begett. 
artig oorftebenbe ©dptauje eine furchtbare 9ln» 
griffswaffe bilbet. (Sr foli fogar SMfifche ba. 
mit angreifen unb im gewaltigen Schwünge 
Sifchertahne burchbohrcn. 2)aS gleitet) ber 
Schwertfifche Wirb in manchen ©egeitben- fchr 
gefugt, weßljalb fyifcherleute gerne 3 agb auf 
ihn machen, ©obalb ber 2Bäd)tcr int 3J?aft« 
lorbe einen fo(d)en entbeeft, gibt er bctS 3 f *^ en 
ju feiner Serfotgung, worauf bie fjrifchcr in 
tteinen Sooten bie 3agb beginnen, um ihm mit 
gefcf)i<fter ftaitb ben |)arpmt ins fjleifch 511 treu 
ben. hierauf entfpinnt fich ein fchwerer unb 
langer Äarnpf, in welchem fie oft ftunbenlang 
Dom tfifch im Wteer herumgejogeit werben. SDer 
leiste unferer foitberbaren 0 fifcf>e, ber 9titterfifch, 
hnt feinen Wanten 001 t ber fäbetartigen ©eftalt 
unb Gattung feiner 9tiideiifloffe. Unter feinen 
Serwanbten befiitbet fich eine 9(rt, bie fich «n 
ber Stüfte ©eorgiaS unten am Stiele ber ©djiffe 
aufhatten unb einen folcpen eigeirthüm liehen 
trommetartigen Sion Don fich geben, ber bem 
ungewohnten 9teifenbeu faft wie ©eifterfpud 
borfömmt unb allen ©chlaf aus ben 31 ugen 
treibt. 

Sollten wir nun burch biefe turje Sfijjc fotu 
berbarcr 3 ?if<he auch nur bie Wufnterffamfcit 
junger Sefer für ©otteS SMmberwerfc im SJieer 
gewedt haben, fo glauben wir, ihnen Damit 
einen nicht uitbebeuteubcn $ieuft getriftet ju 
haben. 


I al§ bas ©otteSgeridjt in 9tujjtanb ben über 
2)eutf<hlanb liegenbett Sann ju brechen begann, 
[als eS oor aller 2Mt bewiefen war, baß ber 
mächtige Staifer nicht uitbefiegbar war, lebte 
1 auch ber ben $eutfchen eigentümliche Solfswiß, 

| ber auch .bem gehaßten fjeiitbe gegenüber feine 
I ©utmütbigfeit nicht oerleugnet, wieber auf. 
®ie oier auf beit 9todfcbößen ber franjöfifdhen 
©olbateit ertlärte man jeßt fherjenb: „Mur 
sticht Mach Worben ßs jirfulirte eine Wbbil. 
bung, welche ein Schreibung barftellte, au» 
beffeit Stintenfaß ber Stopf WäpoleonS unb aus 
beffeit ©anbbüchfe ber beS preußifdjen StönigS 
griebrich SMlbelmS JII. berauSfal). Seibe waren 
fich jugefehrt. Unter WapoleottS Stopf ftanben 
bie '-Worte: „Stedte ich nur nicht fo in ber 
Stinte, fo würbe icf) bi<h fchoit ctuS beiner ©treiu 
fanbbüchfe h«aii§jageit!" — Sei biefer ©elegen-- 
heit fei auch noch «in lateinifches Wfrofticbou auf 
Wapolcott mitgetheilt, welches uii '-fähr in ber= 
felben 3 «it entftitnbeu fein muß unb ben böllu 
gen Untergang beS „Söllerfd)lüd)terS" oorauS* 
tagt 


Jlolhuiuitj über Jlnpoleott I. 

apoleoit I., oon bent ber c\eift veid;e ^riebridj 
lut 4SilI)elm IV. t>on freuten al» ftrouprinj 
einmal Jagte: 

„(Er biirftete bic ^ürftciifinber 
ilrtb fiirftolc bic Bürftcnbiuber," 

mar eine fo impoitirenbe t^efc^id;tlic^e ©röfee, 
bafe feine beutfdjen ©egner jroar mit flammen* 
bem £\afe gegen ifeit rebeten unb fdjrieben, bie 
äikfie bey t^emiitOüd) = fdjevjenben SBipe* aber 
als imjureidjenb einem folgen TOanrte gegen* | 
über fallen liefen. Cer Son, mit bem man in | 
$eutfd)lanb fpitter ben Dleffeu befjanbelte, ber j 
im Sufd) berumfraudjt, ber bie 8tiefel fornmen I 
liefe, bie oorbem fein Cnfel trug n\, mar bei i 
biefem Cnfel efeemal» meitiger paffenb. Gift I 


Nihil eratu, 

August ns fiiclus sum, 
Populorum enrnifex. 
(Mein turhavi, 
Lib^rtatein suppressi, 
Kcclesinm deslruxi, 
Oiunia fui, 

Nihil erol 


lüar id }, 

Jlaiia- tDiab« 

Gilt ^cblädjtcr bei* ®ö[fcr. 

3)ett Gvblvciö bube id> beiloirrt, 
Xic Pfreibcit untertviieft, 

2)ie Äivc^e iticbe» flcriffcit. 

9Ule« — bin i# gdoejen, 

— toerbe id) (eilt. 



belagerten Parte. 

ttuS hem Zagdituhe 9t. ShtpfferP’S, 
(iutS ÄnterifanrrS. 


in © o n tt t a g war’S, ber 4. ©cp. 
tember 1870, an welchem baS Stai« 
ferreidh jufautmenfiel. (5in ljerr= 
lieber Siag, blauer ^inttttel. Warmer Son. 
tteiifcheiii; unb ba Wogt’S bttrd) bie 
©traßen unb in ben ©efeßgehungsfaal 
unb itt bic STuilerieit mit bem bnrehbrin* 
gettben 3ftufc: „3(hfeßnng! ßs lebe bie 
9tepub(if l" Son 9Jtorgeu bis in bie Wacht 
war’S ein ftefttag nach bem £>erjeit ber 
ißatifet. 

Wher bießitelfeit lebt nnauStilgbar fort. 
„SDiefe Unfälle finb baS Seite, 'was tutS 
jitfloßcn tonnte, ©eben ©ie acht, wie wir 
mit biefeit Srcnßen fertig weiten. 3 oßt 
erft machen wir uns recht auf. Sir treiben fie 
über bie Sogefett unb ben 9U)eiu und) Serlin !" 
Schon gut. - ßs Hingt faft hcroifch, was ber 
Heine lebhafte 9)tann im ftaffcehcttiS utir ’oor« 
betlamirt. Wun finit er fo fclbftjufrieben in 
feinen ©effel jurüd unb trintt an feiner STaffe 


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3m belagerten pari». 


421 


toeitor. ©lanner, bic fi4 jum testen Kampfe 
gürten, gibt’S bo4 wenige. 

19. Sept. Oer leftte 3uq na4 Orleans ift 
abgefahren, bie lefeten SÖriefe non ber ©oft finb 
oertljeilt. 34 mailte noch telegraphireu, aber 
„Oraht abgefcfjnitten," fagte ber ©eamte achfel* 
jucfc-nb unb fdjlofe baS ©urcciu ab. 

Oa mollte i4 hoch feljeu, mie ©ariS fid) in 
bie Sage finbe, nnb tutrdjronnbelte bei 3tad)t ben 
fiuftgarten. Sßariä finbct fich gatij luftig in bie 
Sage. Oer ©arten mar geftecft Poll, man tanjte, 
traut, rauchte, fchmahte. „O, nein, mein Herr! 
feiner bon biefen $ofocfen mirb tebenbig jurücf* 
fehren!" fagte mir ein liebenSroürbiger Herr, 
unb marf ficf» in beit nächften Strubel oon mal* 
jenben paaren. 

Oer 5tä(hfte, bein ich begegnete, mar „ber 
alte H u g e n o 11," ein achter Puritaner. 

„Ha! bieS fieht ni4t baritach au», als bereite 
fie fich auf ben Oag ihres ©ericht»? Ober ?" 

— „So glauben Sie atfo, bafe ein ©ericht 
naht?" — 

„©eroife, geroife! Oer Herr hat einen mcichtU 
geit, {tarten Slrm, ber mie ein Sturmmiitb baS 
Sanb ju ©oben rocrfeit mirb mit feiner ilrone 
beS 4>ochmuth§. ffünfjig 3ohre höbe ich »erlebt 
in ber ©rroartung biefeS StageS. bin um* 
hergegangen in biefer fiebern Stabt, nieber* 
gebrüeft hont ©efiihl ihrer fchauerlichen Schanbe 
unb ©erroefung. Sehen Sie, mie fie taitjen 
am Slanbe beS SlbgrunbS! 9licf)t» toirb fie auf* 
roeden als ber grimmige 3orn be» Sl(Ima4tigen, 
Wenn er mit ifcuer unb Schmert fie oerjefjrt. 
Oie Uebertreter unb Sünber müffeit miteinatiber 
jerbroehen merben, unb bie ben Herrn »erlaffen, 
umfommen. 3hr @4w& mirb fein mie Sßerg, 
unb ihr Ohun mie ein 3?unte, unb beibeS mit 
cinanber nngejtinbet merben, bafe Sliemanb 
löfdhe/ Slber man beobachtet uns; mir muffen 
fcheiben; wir treffen uns mieber." 

34 brehte mich noch um, als i4 f4ieb, unb 
fah bie heften Ohrätten beS ©litleibS in ben 
lugen beS alten Hugenotten. 

26. 3on. Sille ftaffeehäufer ooK mie gemöfen* 
lieh nnb an ©etränfen menigftenS fein ©langel. 
Uimerbefferli4e Slipper, inufete id) beuten, uiel* 
leicht ift bo4 bieje» Slippeit an ihrem ffall ein 
»euig fdjulb. Sie nippen ©ognac unb Slbfintfe, 
nippen SBein unb ftaffee, nippen 33iid)er unb 
Schönheit. Sie nippen mit ©tefjer unb ©abel, 
unb nippen au4 mit ihren ©haffepotS unb 
Säbeln, mie fie nippen an Spajiergängen unb 
Slrbeit. 

Oa begegnet mir im bombarbirten Viertel 
toieber ber alte Hugenott. @r hotte ein Itinb 
auf bem Slrm unb führte ein anbereS an ber 
Hanb; feine beiben Slugeit ruhten, auf ihnen 
mit unbefchreibli4er 3ärili4feit, mährenb fein 
©lunb Pom ,,©eri4t" pufferte. 


„2ßaS bebentet bas, guter ffreunb ? mie 
jlefetS ?" fragte i4- 

„SBaS mirb’S bebeuten, als bafe mir bahin* 
lebten in ber ©itelfeit unfcreS Sinnes unb fidfjer 
fafeen. Unb bie Süftin ©ariS fagte: i4 binS 
unb feine mehr; i4 merbe feine Söittme fein 
no4 finberlo» merben. Slber plötclidf) auf einen 
Stag finb ihr biefe beibe gefominen, Söitmenfchnft 
unb Jlinberlofigfeit." 

„34 fage bir, eS fommt alles Pom Söiberruf 
beS ©bilt» oon StanteS her- ©leine ©oreltern 
merben fi4 freuen, menn fie auf biefeS ®eri4t 
hera6f4auen bürfen. SBaS ba alles her umläuft, 
baS ift nicht beS Herrn ©olf. 3hr 33if4»f pon 
Orleans hot menigftenS barin recht, menn et 
fügt: „fie hoben faft alle aufgehört, bie Sßafer* 
heit ju fprechen." Sie pertrauen auf baS ©itle 
unb rebcit Sügen. SBir horren auf baS 2i4t, 
fiehe fo mirb eS finffer ; auf einen S4ein, fielje 
fo manbeln mir im Ounfcln. 2Bir tappen nach 
ber SBanb mie bie ©linben, unb ftofeen uns im 
SJlittng als in ber Oämmerung." 

„Steh feft in ber SBafjrheit beS ©otteS ber 
Schlachten, mein Sohn, unb bu roirft 3?riebcn 
haben mitten im itrieg. Holte, maS ich bir fage. 
Oer tilrieg ift ein gemaltiger Arbeiter für bie 
Wahrheit' auf ©rben. Heere finb beS Herrn 
Oref4ffege(, bamit brifdht er bie ©öltet, öorn 
Slorbnt her. Son ©litternacbt foD ia baS Utt* 
gliief aushredhen über Sille, bie im tfanbe moh= 
iien, Sie merben fotnmen unb fe^en ein 3eber 
feinen Jhron am (Singang ber Ohore Pon ©ariS. 
(SBieber eine ©ombe in ber 9lähe!) SIbet i4 
mufe bie armen ftinber ba Pon biefe Stätte roeg 
in Si4erheit bringen." 

Oamit eilte er aus ber gefährlkfjen Strape 
unb perfdhmanb halb meinen ©liefen. 

Slnt 23. Sept. mar’S, bah ber ©rjbifdhof Pon 
©ariS an alle ©lauern analogen liefe: „Herr 
©farrer, ba bet ©laire Pon ©ariS an allen öf* 
fentli4en ©ebäuben baS ©lotto: „Freiheit, 
©leichheit unb ©rüberlichfeit" erneuern läfet, 
bitte id) ©ie, bem bamit beauftragten Hm- ®- 
©. an bie Honb ju gehen, fomeit fi4 feine Slrbeit 
auf bie Hir4eu bejieht." 

34 foh nun ju, mie bie SIrbeiter fi4 mit ber 
(Sntroeiljung ber ©otre=Oame=Jfir4e ju f4offen 
ina4ten. Oa meefte mi4 aus meiner Oräumerei 
eine Honb, bie ficf) mir auf bie S^ulter legte, 
unb eine angenehme Stimme fagte: 

Schon gut! Sie miffen, baS Himmelreüh ift 
mie ein hlefc, baS ins ©leer gcroorfen mirb. ©S 
mufe mit ber ffluth na4geben, fonft mürbe bie 
Strömung eS jerreifeen; wollte eS Perfu4en 
Silles ju fangen, fo fange es ni4tS." 

So fpra4 ein junger, ho4gebilbeter ©riefter. 
©in ©lann Pon ebler ©eburt, ber fein Slnit fo 
fepr liebte, bafe er fein ganjeS ©ermögen für bie 
Sinnen hingegeben hot. 


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422 


3m belagerten $larts. 


„916er," fraqte id), „fehen fie ba nicht eine 
@rabfd)rift auf beu alten $om ?" 

„2>urd)auä nicht, lieber greunb ! (Sä ift eine 
feidjte Sdjrift, bic feine Sdßngnbcr berieft! 
©fließe ©enen bluten, aber bie SBunbe wirb halb 
feilen. ©Jena freilid) f räche Surfte baä $erj 
ber flirre erreichen lönnten, würbe fie [ich fd)on 
lange bcrblutet haben." 

„Slatürlid) hat bie $ird)e nidjt qutmiflig ihre 
3 uftiminung gegeben ?" 

„©eroiß ni<ht! Sie giebt nad); wie idi fage, 
baä Sleß giebt nad). Unfer göttlicher ©teifter 
hat fid) barüber llar auägefprod)cn: «erfolgt 
man unä, fo> mitffen wir fliehen; löttnen wir 
bann wieber nachiagen, fo müffen toir’ä thün. 
2 )iefe flauer ba giebt bem ©leißel nad), wie 
unfer Söifle ber unwiberftehlidien Strömung. 
So ift bie $ird)e: amar auf einen 3?clä gegrün» 
bet, ber nimmermehr nachgiebt, aber Was bar» 
auf gebaut ift, hat eine elaftifdjcre 9lrt. $cr 
tffelä fleht feft, baä £>auä muß bon Siegen unb 
SEßinb fid) mißfjanbeln laffeit." 

(Sr ging weiter, unb ich hörte einen Strbeiter 
fagen: „Ser gute SBotcr haßt unfer ©efdjäft fo 
grimmig, alä mir ihn halfen. $er Fimmel lajfe 
balb ben 2 ag anbrechen, an bem eä leine tßrie« 
fter unb $ird)en mehr giebt!" 

(Sä war 9lbenb, unb bie $ird>e fah mich trau» 
tig an mit ber halbboflcnbcten Sluffdjrift über 
ber Leiter: “Libertö, Egal—— 

2öaä mir immer ftürfer aufftößt, ift bie Un« 
Wiffenheit ber ©tenqe. (Sä giebt ijirr fefjr ge» 
lehrte, feljr einflutige ©tünner, aber fie ragen 
in einfamer ©röße. S)ie nieberfte illaffe lanu 
nicht lefen, bie Ijödjfte miß nicht lefen unb bie 
©tittelflaffe fühlt lein SeDürfnijj ju lefen. SßJaä 
aber gclefen wirb, bliebe lieber ungelefen. $cnn 
wie breit macht fich klst ba» Softer! Slirgenbä 
fah ich noch folcf)c Silber, wie fie hier in allen 
Straßen «erlauft werben, unb teineä ber Sol» 
batenlieber fann in anftünbiger ©efeflfehaft ge» 
fitngen werben. Spreche ich barüber mit meinen 
fraiqöfifchen ftfreunben,. fo außen fie bie 9lchfeln 
unb fagen: SSir wollen feine Sugenbbilber fein 
Wie ihr 9lngelfad)fen, ihr feib palt Heuchler! 
Unb überall hört man rühmen, wie ftrantreid) 
Weiß oon Unfchulb fei, 9?apo(eot\ III. aber 
fdjwarj unb botler Sdjulb ! Stapoleon ift’ä, fagt 
man mir, ber bem Soll baä Sefen oerboten unb 
entleibet hat. — SBie, frage ich, binnen achtjeljn 
fahren ? — 3d) ahne, waä ba hinter ftedt; baä 
©ibellefen hat man fo ftarl gefürchtet unb Der» 
pönt, baß alleä Sefen faft aufgehört hat. 

Stach längerer ^Beobachtung glaube ich aber 
fagen 311 Dürfen : bie SBeibet finb hier im ©an» 
jen ben ©lännern überlegen. 3 eiw haben mehr 
©erftanb, mehr ©tutl), mehr Shatfraft; fie 
haben mehr Sleligiou unb SEugenb alä bie ©tän» 
ner, unb finfeit feiten fo tief wie biefe. — 


$er Sdjredenäfdirei: „(Sine tfreuetäbtunfl 1* 
rief 9llleä auf bic Straße, unb wie idjä erbliche, 
mußte ich mir hoch fagen, ein fo blutrotheä 
9torblid)t habe id) noch nie gefehen. S)enn eä 
mar nur ein Slgrblicht. (Sä geftaltete fid) aß« 
mählich ju Uinfterit, unb fielje ba l — eine rothe 
£>anb ftreeft fich über ©ariä. 

„Mon dieu. ’g ift ©iämarrfä blutige #anb !" 
fagte ein junger ©tobilgorbift 311 feinem ffame« 
raben. „Ober beä Sd)idfalä $anb ?" erwiberte 
biefer unb lachte. £od) sudte eä ihm ftarf um 
bie Sippen. 2Öie id) mich über ben fi<htlid)en 
©rauä ber Umftebeitben Dcrwunberte, fagte mir 
ein Cffqier: ,,9ld), Sie Wiffeit boch, unfer ge« 
meiueä ©oll ift gewaltig abergläubifch." 3)a 
entgegnete ein «Irjft: „unb nur ungemeine Seute 
finb hid)t abergläubifch. 3 <h wollte, ich hatte 
mehr baoon, fo fänbe ich mehr Seelenfrieben. 
Sieber baä, alä fjor nichtä. 9lberglaube gehört/ 
einmal gur Üieligion, unb ohne ihn giebtä leinen 
©tauben." 

2)a fragte id) eine alte ©erfänferin: „Sie 
finb bodj niiht abergläubifch?" — „durchaus 
nid)t, mein £>err."— „9lber wie fehen Sie Denn 
baä an ?" — „’ä ift ©lut, Monsieur, ©lut J 
$ie heilige ©otteämutter ift bod) bießeidjt ärger« 
lieh über baä arme granfreid)." ©beit ging ein 
bornehm gelleibeter £err Dorbei, fdjaute lang 
au ben £>immel, unb fagte ernft: „$)aä ift 
baä ©lut, ba» noch in ©ariä betgoffen werben 
wirb." 

9llte Herren aber, bie hören, wie fdjledjt fich 
ba unb bort bie ©ertheibiger gefdjlagen haben, 
brechen in Strafreben auä: „(Sä ift lein ©lut 
unb lein Sebeit mehr in tjranfreich; lauter 
Söeidjlinge unb Feiglinge! 9lrmeä Saitb, bu bift 
berloren! Sobalb ber ftrieg borüber ift, jie^e 
id) in bie Schweis — nach 9lmerita — laffc mich 
naturalifircu unb leugne biä ju meinem lebten 
9lthemjug, baß ich ein öransofe bin." 

6 . 9cob. 9?uit hörte ich auch einmal bie Siebe 
eineä proteftantifdjen ©rebigerä. Sllphonfe © 0 « 
qucrel eröffnete bamit eine mufilalifche Unter» 
haltung, weither eine Sammlung für bie ©er» 
munbeten folgen foßte. „©lenbeläfoljn unb bie 
Sleformatioit," War fein Shcma. (Sr begann: 
„ßBätjrenb bie Seutfcheu unä mit ihrer Artillerie 
einfchließen unb ihre riefigen ^rupplanonen her» 
beifd)Ieppen, unä 31 t befd)ief;en, waä thun wir 
bier ? 2Bir fpielen ihre ©tufil (©e(äd)ter). 3h* 
tarnet ja, bie großen Söerle eineä ©eethoben, 
SBeber unb ©lenbeläfol)n 3 U hören — unb aße 
brei finb ja $eutid)e! 3 ft bieä nun eine Ün« 
treue gegen unfer ©aterlanb, womit wir unä 311 
©litfchulbigen ntadjen an bem ©erbrechen Derer, 
bie eä fo graufant angegriffen haben ? $ut<h« 
auä nicht. ®iefe großen Sobten finb nicht un» 
fere fyeinbe; baä ©ebiet beä Sbeaien, worin fie 
unä einführen, fennt leine ©rense. Sbre un« 


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3m belagerten Jfarie. 


423 


fterblidbcn SBcrfe ftnb ein Iljeil beS allgemeinen 
GrbgntS ber Stenf4he>t" :c. 

SUeS rccpt nett geba4t unb fdjön gcfprodjen, 
aber bocp fein günbenbeS 2Bort, wie id/S hier 
wünfchte. StenbelSfohnS befoitbere ©abcn tour» 
bcn gefchilbcrt, unb für bie größte berfelbcit palt, 
baß er ein „ltmrincr unb bcfd)cibeticv 0 prijt ge» 
roefeti fei." Sie rootjlaebredjfelten ^fjrafcn tra» 
fen rneber tief nod) fcharf in bie fjergen. Unb 
mie er nach ber Stufit bie Vebürfniffc ber Ver« 
romtbeteit f)ernorl)ab, meinte er: „Seib ißr ein» 
gegangen iu ben ©eift ber eben gehörten Stelo» 
bieen, ft» werbet ihr bur 4 eble Sübrung gu 
einem potriotifd>en $rang eu 4 auff 4 wingen. 
Den bem uujere Verwundeten Süßen gieljen 
werben. ©leiben uitfere Smbnlaucen unb 93etten 
oernadhläffigt, fo finb wir nicht mehr fOtcnfcfjen, 
finb nicht mehr grangofen" ic. Ungeheurer 93ei= 
fall erfiiefte bie Stimme beS SebnerS; aber mir 
freien, ein Prophet ift hier nicht mehr gu finben. 

3roar ber ©riefterfreunb Veuillot berfucht eS 
and), in feinem Statt (Univors) je unb je ben 
Propheten gu fpieten. ®a lieft man: „fjinfort 
fei bie fchroarge gähne, bie auf ben Stauern bott 
Saris weht, bie Etappe grontreiCbS bis ginn 
lag ber Suferftehung! Slöge biefeS Vanner 
bor ©ott baS Siunbilb unferer Vufte fein, bor 
ber Stenfchh f it ober baS Sinnbilb unferer 
Gntf4loffenheit, baS Vaterlanb nicht gu über» 
leben!" Sllleiit bie rhetorifdjen Strafen finb 
boCb nur ein ftarfeS ©etränl, baS bie Stenfdjcn 
unfähig macht bernünftig 311 benfeit unb 311 
hanbetit. 2öaS hat man babon? 

2lm läge beS grofeen Ausfalls, 30. Sou., 
ging tth mit einem geeunb nach Ghampigttt), 
Inn ben Verwundeten £ii(fe 311 bringen. CaS 
bäuerliche ©etöfe hat etwas boit bejaubernber 
Äraft: eS ift, mie weint bie Seele fid) mit ber 
graufigen OSajeftat beS Kampfes erhöbe. 2)aS 
imermüblidhe GorpS unter ber ©enfer flagge 
burchfudhte ©ebüfd) unb Raufer nach ben Ser» 
Wunbeten. ®ie Sci4tDermunbeten mögen bie 
unb ba SchmerjenSlaute bon fich geben; bie 
löbtlichftgetroffenen flageu am wenigsten. 3u 
SBabrheit’ ift auf bem Sd)Ia4tfe(b faft nichts 51 t 
hören, atS baS ©etöfe beS ÄampfcS felbft. 3e 
unb je ein ilommonboruf, aber im ©angeit 
wirb alles fdhweigenb auSgeriChtct; baS Star» 
fchiren, Vorbringen, 3»nidibeiC()en, Verwunbete 
aufheben, felbft bie glucbt, McS hat einen ge» 
bämpften Ion. Stir fcheint bie Schlaft fomohl 
in ihrem Särm als in ihrem «Schweigen etwas 
gang GingigeS 311 fein. 

2)a haben beim bie SinbulaneelorpS alle ihre 
$änbe boll 311 thun. 

Üe Verwundeten fterben übrigens fchnell 
tneg, mie forgfältig man fie auch behandelt. 3 > l 
allen lageSftunben, in jeber Kirche fanu man 
ba§ lobtenamt über Diele Särge beten hören. 


unb mie geht eS OolleubS im Grand Hotel her! 
Son ben Smputirten ftirbt bafelbft immer mehr 
als ein ^fünftel, unb Don gehn, bie hineingetra» 
gen werben, tommt nur einer lebenbig heraus. 

3m lebten SuSfaH finb auch mehrere „Vrü« 
ber ber djriftlichen Sehre" (gefallen, bie DorgugS« 
weife bie Vcrmunbeten 3 uriicftragen. 34 mußte 
bie Suffe unb Sorgfalt bewundern, Womit fie 
bie galienben mitten unter bem getiern auf* 
lafen unb trugen. Solbaten unb Cf fixiere ge» 
ftchen, baß bagu mehr Stuth gehört, als 311 
ihrem eigenen Vorroärtsftiirmen; bemt nach ber 
erften Saloe fei man wie außer fidh, unb wenn 
man ans ber Schlacht foinme, fühle man fidh 
wie beim ©enefen Don einer £jirncutgünbung 
ober Dott einem Schlag über bcn ,Qopf. — 

5. leg. Ginc falte Stonbnodjt fdjließt bie» 
fen Sonntag. 3Bie Diele traurige ©efichter idh 
in ber Stabeleinetirche fah! Such Solbaten 
waren ba, faft lauter Vrdoncit. lie taffen fich 
leidht Don grangofen unterfcheiben, benn beim 
©ebet ftcht ter Vretone wie feftgetnurgelt unb 
blieft Weber rechts noch linls. Me Vatifer 
lachen unb wißeltt über ihn, weil er fo fromm 
ift unb 3 ur Steffe geht. So wirb auch ärodju 
Derfpottet, weil er in bie ßirChe gehe unb nidjt 
gegen bie Vrcujkn. Saut unb bitter Hagen bie 
Solbaten über jenen Cffigier, ber fie gum ftir» 
djenbefurf) aufforbert. 

34 wohnte bem Vegräbniß beS tapfern ©e» 
neralS Senault bei, baS mit großer $ra4t im 
3nDalibenhauS gefeiert würbe. SIS er f4ou 
rö 4 elte, fragte ihn 1104 eine ber SCbweftcrn: 
„Sollen wir für Sie beten?" — „Vetet für 
granfreich!" War feine Antwort, lie 9tebe 
beS GrgbifdjofS lief} ini4 falt. Si4t eine tßre» 
bigt habe i4 tw4 gehört, bie baS Voll begeiftem 
fönnte. 3 ft c» ui 4 t wunberbar, baß Siemanb 
baS SBort fpri4t, baS 3fbermann fidh eigentlich 
gu hören fefjut? Sleiit Grgbif4of, tjkicffer ober 
tjßrebiger, Äatholif ober Vroteftant hat bis jefet 
ein öffentliches SBort geTiinbcn, baS ber Sach* 
läge ober bem Vcbiirfnijj cnifprü4e- — 

2Bel4 ein Ghrifttag! ler Mcriiiomcter auf 
Süll, ahnungSDolle Stille in ber Stabt, lau» 
fenbe liegen im Sctt, um Saljrnng unb 3 cue= 
ruiig gu fpareit; beim Vrob unb Sohlen finb gu 
Gnbe. ^nmberte Don Solbaten erfrieren in ber 
Sacht, unb bie Ueberlebenben f4impfcit auf ihre 
Cffigicre, auf bie Sepierung, auf 3eberinanti, 
bie ©ottheit ni4t auSgefchloffen. vferbefleifCh 
wirb felien, baS ©aS ift aus. Giite S?aße foftet 
15, ein fjunb 50, eine Satte 2 granlett. 3m 
Spital aber füllen fie bahiit wie fliegen; leiitcr 
barf fi4 bort in ben Ringer fChiteiben, lagt 
man, wenn er bie 21 )üre no 4 lebenbig erreichen 
will; bie Vwfm raffen 400, baS SerDenfieber 
220 in ber SBoChe bal)iu. 34 fommc mir 
fchrectli4 einfam Dor: 


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424 


$iird)ltye ©rbnung in bet Sonntagfdjularbeit. 


3<»n. 71. Sa» ^auptbergnügen jefet ift 
— bem Pontbarbement gugufd)aüen. Dllt unb 
3 ung, Döeiber unb Stnaben, alle roetben un» 
wiberfteljtich angegogen üoit ben ungeheuren 
©efdmfjen, bie auf uns hereinfliegen. Salb 
werben wir heiter, halb entfefet. ©obalb baS 
eigcnthümlidhe 3ifdjeit unb knurren ber Poinbe 
bernehmbar wirb, fallt Dille» auf baS Dlngeficht. 
Sa gleicht beim baS Pouleoarb St. ©erinain 
gor oft einem inuf)ammebanifd)cu Ptarftplafe 
wir Stunbc beS ©ebetS. Diod) nie hat baS 
Pflafter bon Paris fo biele 91 ieberwerfungen — 
bor ©ott unb Ptenfchen — erlebt, als in biefen 
Sagen! — 

911» i<h ( 21 . 3 on.) in eine Kirche trat, wo 
eine Seichenfeier bor fid) ging, fanb ich fünf 
ßinberfärge aufgeftetlt. Ser DJiann, ber ba» 
SJeihwaffer fprengtc, fagte mir mit flammen» 
bcm Dluge: eine ^aubifee bon PiSinard habe fie 
getöbtet. SBie id) hinauSging, fagte mir ber 
DJtann mit bem DBcbel: „PiSinard wirb bafiir 
SRecfecnfchaft abgulcgen h<iben," unb als ich 
burd)3 iHrchcnthor fd)ritt, rief mir eine fran» 
göfifche Same in bitterem Sone 311 : „Sa haben 
Sie Sbreit protejtantifdjen Jtönig! O er ift fo 
gut, fo fromm!" 

DllS ich eine fjauSroanb befchaute, bie eine 
Öaubifee gewaltig burd)löchert hatte, beutete eine 
barinhergige Sch'wefter mit bem Ringer hin unb 
fagte: „SaS ift ein Pote boin Fimmel, uns an 
unfere Sünbe unb ©ottlofigleit 31 t erinnern."— 
3 d> blicfte auf; ein ©eficht boß Steinljeit unb 
Dlnbadjt warS, bem biefe fo feiten gehörten DB orte 
entquollen. 

» 3 «, in," fuhr fie fort, „©ott ift mit un§ un» 
3 iifrieben. 3<h weift eS, 0 ! id) weife es. Gr 
hat lange mit unS ©ebulb gehabt, jefet aber 
güdjtigt er. Dich, wufete eS wieber unb wie» 
ber überbenlen, Wenn id) 9iad)t3 am Seit ber 
Permunbeten wachte unb ben entfefelichen fJrach 
ber Pomben hörte!" 

„Unb hat er Sie nicht erfchredt?" 

„Dich nein, DJtonfieur. fürchten Sie fich bor 
irgeitb etwas, baS in biefer SBclt gefchieht? 
Sid)er(id), ein fl mb ©otteS hat feine Dtngft bor 
feinem SSater. Pein, baS warS nicht. 3<h 
fühlte nur für mein liebes Patcrlanb, bafe ©ott 
eS mit folgern 3°™ heimfud)en müffe. 3<h 
weife Wofjl, <S ift Dilles um unferer Siinben Wil» 
len. Seit fahren hat Paris fid) gottlos auf» 
geführt. Plan befudjt bie $ird)en nidjt mehr 
wie früher, man geht nicht in ben Peidftftuhl, 
nicht 311 m Plorgengebet. Unglauben nnb SujuS 
unb DtidjtSthun, bie fiitb’S, welche bie Seele bon 
Paris herauSgefreffen haben. Sarum ift ein 
©ericht über ihr, unb baS bebeutet biefe Schrift 
ba brüben." 

„DBirb Paris 00 m ©ericht Dtufeen giefeen? 
DßerbenS bie Sünber gu bergen nehmen?" 


„3<h fürste manchmal, fie werbenS faum 
tf)un, aber einige werbenS, baS weife ich. 3a, 
einige habenS fcfeon gethan. 

Gnblid) am 27. 3 an. 15 Plinuten nach Ptit» 
ternacht ber lefete Schüfe uom Ptont Valerien — 
unb -Paris (apitulirt. 

Pie werbe ich bergeffen, welche Verehrung 
ben barmherjigen Sd)Weffern qegollt würbe in 
einer totabt, bie ben Ölauben an ©ott unb bie 
Dichtung bor bem Döcibe beinahe gänglid) uer» 
loren hat. 3hrer 30 ober 10 fta'rben an ben 
Poden, anbere an berfchiebenen Seuchen in ben 
Spitälern; wenn man aber IJreiwiflige aufrief, 
melbeteu fich immer mehr als nötljig waren. 
Gin ©liid für Paris, bafe unter all bem Pippen 
unb Ptiifeiggang noch fo biel wirffameS Saig 
übrig blieb; unb bafe es auch an Grfenntlichfeit 
nidjt fehlte, wo bie ebelften fträfte fid) iiti Sienfte 
bcS Pebenmenfchen aufopferten. Safe man bie 
Schweftern fo ho<hacf)tctc, fdjien mir wie ba» 
fchwuche ftläminlein einer Sampe, bie in einem 
berlaffenen Seinpel noch einfam unb gelieimnife« 
boH fortbrennt. 


Htrd|Udfe Grdnunj in der Sonn- 
tngfifjularbett. 

jQlieDlrbeit in ber Sonntagfchitle hat immer 
unb überall eine gweifache Dlufgabe gu lö= 

1 fen. GrftenS foll fie baS geifiliche 2öof)t 
ber Schüler — bie Pettung ihrer Seelen unb 
bie Sortierung unb Pährung beS inneren 2e= 
benS — begmeden. 3weitenS aber foll fie gum 
fräftigen ©ebeiljen nnb 2Bad)Sthum ber ©e= 
meinbe beitragen. Sie Sonntagfchule bilbet 
einen Sheil beS firchlichen Organismus. 3n 
biefem Sichte betrachtet fie unfere $ird)e, wie 
bie in ber Jlirchenorbnunq niebergelegten 95er» 
ortmungen gur ©einige barthun. Um fich bie 
Sonntagfchule bienftbar »u machen, fjot bie 
Ptetljobifteu Slirche baS Perhältnife berfelbeit 
ur flirche feftgeftellt unb einen 'Plan entwor» 
en, nach bein fie gu organifiren unb gu leiten ift. 

GS ift bie Dlufgabe eines jeben auffid)tshabeit» 
ben PrebigerS Sorge gu tragen, bafe bie unter 
feiner amtlichen Dtuffid)t ftehenben Schulen nach 
bem in ber flirdjenorbnung gegebenen Sljema 
organifirt werben. Samit fei jeboch nicht ge» 
fagt, bafe bie empfohlene Gonftitution in aßen 
Gingelheiten bon feber Schule angenommen 
werben müffe. Gs märe baS natürlich miin» 
fdjenSmerth, bie Äirdfenorbnung macht eS aber 
nicht gur abfoluten Pflicht. 3ebe Schule unfe» 
rer ÄirChe fotlte febodj in ber bon ihrianaenom» 
menen Gonftitution bie wefentlidjflen puntte. 


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tSibeon ^ufelrtf. 


425 


Welche bie $ir<henorbnung betreff! ber Drgani* 
fatiort oou Sonutagfchulen oorfd)reibt, irgenb* 
wie anerfennen unb berüdiidjtigen. 

Ginein Srebiger mag’! mißlingen, biefe fjöd^ft 
loünfdbeu!n)v’rtt)e 9lnerfennuitg ju fiebern, meit 
er, auf feine amtliche Autorität |icb ftüßenb, bie 
Sache ju cigcnnnchtig unb gewalttljutig burch* 
feßeit toill. Sold) fchroffc» Sorgehen erjeugt 
ganj naturgemäß SOßiöcrroiüen unb ftöfjt auf 
entfehiebenen SBiberftanb. Cie Beamten unb 
Setjrer mögen ber wirdje treu ergeben fein, fie 
mögen eigentlich (eine Ginwenbuitg gegen bie 
Oon ber Äirchenorbnung ijeforbericn Seränbe* 
runden ju machen haben; aber um beut tjerrhh» 
tüchtigen Saftor nicht beit SGÖitten ja t()un, jie= 
heu fte e» oor, bie Angelegenheit einftmeilen ju 
Oertagen. 9Bir glanben aber annehmen ju 
bürfen, baff folche fifäUe fetten ober nie cintrctcit. 
©iejettiflen Arbeiter in ber Sonntagfdjule, be* 
nen ©otte! 9tei<h!fache am £>erjcn liegt, werben 
ju jeber 3 c, t bereit fein, ben Oon ber firdjlidjen 
Autorität gefteflten Otorberuttgen bejiigtidj ber 
Orgauifation be» SonntagfdjuUSoarb! auf’! 
Sreuitblühfie entgegen jit tommen. 


-#- 

©iöfoit ©ufclnj. 

Sou 3 . £. #orft. 

^lu ber @ef$i<hte be! irifdjen SJettjobüinuS 
Jk nimmt ©ibeon Oufelei) eine heroorraaenbe 
ü Stellung ein. Gr tour ein echter Solj:t 
ber irifchen 3nfet unb ein in jeber Sejiehung 
mufierhaftee, irifdjer Stethobiften = 'ßrebiger. 
©ibeon heiratete juita unb grünbete ben hdu!« 
liehen &erb auf einem Iteinen ©ut, welche! ber 
Sci&miegeroater ihm fchentte. Gr befaß einen 
ftarten Körperbau, w.tr ein lebenüujtiger Sienfdj 
unb ein Rührer in ad benjeniacit Sergnügun* 
flen, wo e! fich um Stu!felfraft honbette. 3m 
Seiten jeidjucte et fich au! burch feine ©ewanbt* 
heit; auf f>o$ 3 ?itcit, 3«hrmärtten, bei $ferbe> 
rennen unb Cobtcnwaqen war er eine beliebte 
uttb flcriirjefehette tperfonlichteit. Stit feinem 
©etbe war er nur ju freigebig. 3« tyoffle bef= 
fen hatte er fein fleinc! ©ut batb burdjgebracht 
unb fah fich flenöthiflt ju feinem 93ater tiad) 
Cuitmore ju jiehen. üöährenb eine! 3edj* 
fletaae! würbe er hier in’! ©eficfjt flefc^offert, 
woburch er eine! feiner Augen einbüßte. Gr 
faßte nun ben Sorfaß, ein beifere! Sehen ju 
führen, ba er aber in ebener firaft benfetben 
flUsjuführen beftrebt war, fo mißlang er leiber 
OoCfßänbia. ©ein braoe! 2öeib glaubte enblich 
an feiner ’Sefferung oerjwcifetn ju müffen. 

Wä Dufelet) etwa 26 Sah« Jählte, würbe 


eine Abteilung irifdjer Crngoner nach 'Dun¬ 
more oer|'efit. Unter biefen Cragonern waren 
einige Slethobiften, welche einen aeräumigeit 
Saat im 2öirttj!haufe nrietheten,. um Serfamm* 
tungen ju hatten. Ciefe nahmen batb bie Auf* 
merffamfeit be! Solfc! in einem hohen ©rabe 
in Anfprucf). Cie Scute oerwimbcrten fich na» 
metitlich über ba! Singen oon Siebern, ba! 
Seteit ohne Such unb über bie Aufprachen, 
welche wie ^ßrebigteu Hangen, obwohl bie 9te= 
bciibeu feine orbinirten Scebiger waren, noch 
bei ihren Anfpradjen fich eine! SWanuffviptc! 
bebienten. 

„Ca! geht nicht mit regten Cingen ju," fagte 
Cufetet) unb Weigerte fich anfänglich ben ©otte!« 
biettfteu beijuwohuen. Gnblid) meinte er bodj, 
man müffe bie Sache wenigften! prüfen unb nun 
fing er an bie Serfammtungen ber Dragoner ju 
befucbeit. Ta machte er aber eine Gvfaljrung, 
oon ber er fich nimmer hätte träumen taffen. 
Gr gewann bie Uefccrjeugung, baß er ein armer 
oevlorenet Sünbcr fei, beffnt einige Hoffnung 
ber ftettung unb be! #eil! im ©tauben an ben 
£>errn 3cfunt Ghriftunt beftetje. Seine Sün« 
benerfenntnif; war eine tiefe unb nach einem 
längeren Sußfantpfe fanb er 9lithe für feine 
Seele unb Sergebung feiner Sünben im Stute 
be! Somme!. SeineSefehrung war eine burch* 
greifenbe. fyvei unb offen tefannte et Oor ber 
2 Bett, wa! ber Perron feiner Seele gethanhabe. 
91t! feine Sanier oben hörten, Cufelet) habe fidj 
ben Si'ethcbiften ougefchfoffcn, ba waren fie ber 
feftcu Ueberjeugung, er müffe närrifch geworben 
fein. 

Oufetep hatte eine ebte, grojjmüttjjge Seele, 
au! ber bie ©nabe ©otte! einen leudjtenben 
Gljriftcn machen tonnte unb machte. An! einer 
tteintichen Seele fann fetbft bie mächtige ©otte!* 
gnabe feinen großen Ghriften machen. Siit 
Gnergie unb Gntfdjloffenhcit trat er nun für 
feinen £>errn unb 3)?ciftcr in bie Sdjranfen. 
Sein Satcr betrachtete ba! ©anje at! einen ber 
tollen Streidje, wie ntau fie oon ihm bon 3eit 
ju 3eü erwarten müffe. Seine 3?rau aber 
lernte nach mib nadj ba! ©etjeimniß feiner Um* 
wattblung fennen unb erfuhr an ihrem eigenen 

S erjen bie Wiebergebdreube Straft be! heiligen 
ei fte». 

Cufetet)! Serufung jum tßrebigtamte fteht 
im ootten Ginffang mit feinet übrigen Grfah* 
rung at! Gtjrift. £ören Wir, Wa! erbariiber 
ju erjätjlen hat. 

„Cie Stimme ipradj: ©ibeon, gehe hi« unb 
prebige ba! Goangelium." 

„SJie fann ich gehen?" fprach ich; „ach mein 
£>err unb ©ott, ich fann nicht reben, benn ich 
bin ja nur ein $inb." 

„frennft benn bu bie ffranfheit nicht?" 

„9tch ja, mtin ©ott, ich tenne fte," fagte ich. 


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426 


Cibeon #ufdetj. 


„Unb fcnnft bu nicht baS Heilmittel ?" 

„3(1) fenne es, gelobet fei bein Heilifler Ütame." 

„Sohlan, flebe I)iit unb prebige biefe gwei 
Shatfadjen beit Dtenfchentinbent ! 9llleS anbere 
ift ja nur leeres ©efcbroälj." 

„Unb fcfjt, ba ftelje id) nun fc^on biergig 3 a hrf 
mtb rebe nur Don ber .Uranfljeit unb ihrem ^>eil= 
mittel." 

Obwohl bie Cufelct)’S ber üornehtneren ItMaffe 
Don Sfrlänbcrn nngdjörteu, mel^e meiftenS ein 
bcffcreS Gnftlifc^ fprcchen, als bie 9)tel)rgaljl ber 
©ltglänber, fo Ijatte fid) ©ibeon bod) auf bie 
eine ober attbere Söcife beit alten irifdjcit Sialeft 
ungeeignet. 9llS er nun anfing, bie herrlichen 
SBaf)ri)citen bcS ©bangcliumS bem infdjeit Söolfe 
in feiner eigenen berbeit Dtunbart auf ben 
Straften unb befonberS auf beit Sfricbfjöfen bei 
Degräbttiffen gu prcbigeit, ba laufdjteti fie mit 
freubiger Spannung feinem 33)orte. @r machte 
eS fid) gttr 9lufgnbe, fo Diel loie immer möglich, 
bie 3: obtcit wachen unb ©egräbniffe gu befugen. 
Unter ben ^rläitbcrit waren biefe fonft fo ent» 
fteit ©rcigitiffe baguntal Seiten feftlidjer 9luS» 
gelaffenljcit. Oufelet) trat oft mitten hinein in 
biefe raufdjenbe Suftbarleit, tinb auf eine freitnb» 
lid^e höfliche 3S)eife gelang eS iljnt gewöhnlich, 
baS milbe ©clage in einen crcjreifenbcit ©otteS» 
bieuft umjttwniibcln. 

©iitft ftanb auf einem ©ottesader eine Heine 
OTenfdjenfdjaar um ein frifthcS ©rab, W;il)renb 
ber Driefter bie Sobtcinneffe in lateiitifd)er 
Sprache bortrug. Sa ritt ein Qn'ember an ben 
3?riebl)of heran, baitb fein Dfcrb an einen Saunt 
unb trat gu ben ©erfammelten att baS ©rab. 
Söährenb ber D r >eftcr fortfuhr bie Dteffe in 
einer Sprad)e gu lefen, Doit ber bie armen Sage* 
löhncr teilt eiitgig 33ort Derftanbcit, fing ber 
ftrembe Saft um Saft, befonberS bie Zitate 
ans ber ©ibcl auf unb iiberfejjte fie in bie irifefje 
Dlunbart. ©oit 3eit gu Seit frag er mit tiefem 
©efiil)l: „Hört iyr’3 ?" „Serfteljt il)t baS ?" 

Sie SrauerDcrfammlung mürbe tief nnb 
mächtig ergriffen. Ser Driefter jtaunte unb 
muffte nicht,, was er betitelt füllte, Don bein ttmS 
feine Ohren hörten nnb feilte 9(ugen faheit. 
Sergleid)en U).tr ihm bisher nie paffirt. 9tad)= 
beut baS ©teffelefen beenbet war, gab Oufelep 
ben 9lnwefcnben nodj eine herjlidje ©rntabitung 
unb brang in fie, an Sefnm ©Ijriftum gu glatt» 
ben, bamit fie eiitftenS im Trieben ftcröeit tntb 
gum ewigen Sebeit entgehen föttnten. Sann be= 
flieg er fein Dferb unb ritt weiter. 

„3Scr ift baS, ©ater—?" frug bie tiefergrif» 
feite ©crfamntltmg, als Oufelet) fie Dcrlaffen 
hatte. 

„3<h lDf ifj eS nicht," erwiberte ber Driefter. 
alnube, er tnufc ein ©ngel fein ; beim fein 
Sterblidjer Dermag, WaS er gethan hat." 

3n fpätereu 3aljreit traf Oufelet) mit einem 


©tarnte gufantmen, bet ihn an biefen Auftritt 
erinnerte. 

„(Erinnern Sie fid) nicht an jenes ©egräbnift, 
unb toie Sie uns bie Dom Driefter gelefene ©teffe 
erflärt haben ?" 

„3dj erinnere mich jenes ©reigniffeS noch fehr 
lebhaft," antwortete Oufelet). 

„Sie fagten uns bamals, wie wir ben Herrn 
3 efum ©Ijriftum finben lönnten, unb gepriefett 
fei fein ljod)ljeiliger ©ante, ich habe ihn halb 
barauf gefunbeit unb feitbem wohnt er in mei¬ 
nem Her je n." 

3m 3 ; aljre 1797 empfing Oufelet) ben beftintm» 
ten ©inbruef, baft ©ott ihn berufen habe, eine 
©tiffionSreife bttrch’S Sanb gu machen. 9luf 
eigene Ktoften gog er nun umher unb prebigte 
bctS feligmachenbe 9Bort Dom Itreuge gu Sau» 
fenben. Später, als er fedjSituööreiftig 3«hre 
alt war, nahm bie 31)eSlet)anifd)e ©ottfereng feine 
Sienfte in ©nfprudj, unb beftimmte il)tt als 
©tiffionar fiir 3rlanb. 

©idjt nur burdj feine 3römmigleit, fonbern 
auch burefi feinen ©tutterwift geid)iiete fid) Cufc» 
Ich aus. 9tn ©clegettheiten, beibe gu Derwerthen, 
fehlte eS ihm nicht, ©r war bereit, ben ßatljo» 
lilen wie ben Droteftanten baS ©Dongeliitnt gu 
prebigett. 2Bäf)tenb feiner biergigjäljrigcn 3I)ä= 
tigfei’t wttrbe eine grofte Slnjaftl proteftantifcher 
unb fat(jolif<her Siinber gu ©ott belehrt, ©r 
Wupte, baü auch ber römifdMntfjolifdjen 'Jtetigiou 
mandjcS 3J3al)re uitb ©Ute gu ©runbe liege. Um 
bloftc Flamen liimmerte er fid) lein Haar. SBentt 
er Sfatholifeu Dor fid) hatte, fo trug er nicht baS 
geringfte 'Detenten, ihnen Don ber heiligen 
Jungfrau Dtaria gu crjählett, bnfs ihnen ba§ 
Herg int Seibe lachte. Hatte er baburdh ihre 
Hergeit erfchloffen, fo folgte eine eiubringenbe 
©rntahnung, bie fid) auf irgettb ein Sßort „ihres 
Sohnes" griinbete. 

©inrnai würbe er Don einem für „baS heilige 
9tom" begeifterten Döbel umringt, ber eine 
brohenbe Haltung ihm gegenüber einnahm. Ser 
Döbel fdjrie: 

„Dladjen Sie, bafs Sie aus biefer ©egenb 
forttommen. 3S)ir bulbett feinen Dtethobifren» 
Drebiger in unferer 9iähe." 

„Dteine lieben tJreunbe," fagte Oufelet) mit 
lauter Stimme, „feib rutjig; ich möchte eudj 
was erjähleit, baS eudh gefallen wirb." 

„ßein Dtetljobift tann uns etwas fugen, baS 
uns gefallen würbe," lärmte ber Döbel. 

„3ch glaube boch," rief er, „feib nur fülle unb 
gebt mir bie ©elegenljeit. 3<h will euch Don 
berjenigcit erjäljlen, bie ihr alle lieb habt, Don 
ber hril'flcn 3uttgfrau, ber Dhitter nuferes 
Herrn." 

„SSohlan, wir wollen hören, was S i e uns 
Don ber SDtutter ©otteS fügen fönnen." 

9tuit erjäljlte Oufelet) feinen ruf)ig geworbenen 


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Sibecm ©«fei ttf. 


427 


unb aufhorchenben 3 u^örem toon einer f>o<!|jeit, 
*u ber „bie ^eilifle TOutter unb ihr Sohn" als 
©äffe gefaben waren; wie biefe Wutter ihren 
Sof)n bewog ein SBunber ju wirfcn, Gaffer in 
SBeiit ju berwanbeln. Aachbem er biefe ©efchichte 
recht anmutig unb feffelnb erjagt hatte, nahm 
er baS 2Bort: „2öa§ er euch fagct, baS thut," 
*u feinem Üerte unb Ijielt ihnen eine gewaltige 
Bupprebigt. Unb ba er immer wieber bas SBort 
ber „heiligen Alutter" betonte: „2BaS er euch 
faget, baS thnt," fiel es Aiemanbeit ein, ihn ju 
unterbrechen. 

3 h«m blinben Aberglauben gegenüber wußte 
er ft<h immer ju helfen. (Eines TageS griff eine 
<24aar Stauf bolbe feine Berfammlung an. Sie 
fiupten pd> einen 2 öeg ju bahnen burdj bie 
Aeiljen ber gfreuitbe, welche jum Schilpe ihres 
BrebigerS einen bitten Wreis um ihn gcfdjloffen 
hatten. AIS Dufelep es gewahrte, hielt er inne 
tiub fagte: 

„Wacht ben Herren Blap, ich habe SBichtigeS 
mit ihnen ju befprechen." 

Oiefe Bemerfung ilberrafchte Alle, namentlich 
aber bie Aaufbolbe. Sich an bie Scanner wen* 
beitb, bie gefommen waren, ihn tüchtig burd^u* 
prügeln, fprach er mit Auhe: 

„SJtetnc greunbe, fennen Sie ben ^riefter 
biefe» UirchfpielS ?" 

„ 2 Bir lennen ihn," lautete bie einfiimmige 
Antwort. 

„Sßollen Sie bie ©üte hoben, ihm eine Bot* 
fthaft boit mir ju überbringen ?" 

„Aecht gern; wie lautet 3 hre Botfdjaft ?" 

„ 3 ch läge ihn fragen, ob er eine fyliege machen 
fann, eine wirtlich fuinmenbe, bcijjenbe fliege, 
wie bie bort, welche fich auf meines BferbcS 
BruP aefejit hat ? Wann 3hr ^riefter auS einem 
Stürfcpen Sehnt eine folche fliege ntadjen ?" 

„Ad} was," entgegneten bie Aaufbolbe lachenb, 
„es ift nid}t nothwenbig, ihm biefe 5 rage oor* 
jnlegen. $ebermann Weift, bafj er baS nicht 
bermag." 

„Aun wohl, meine ffreunbe, wenn ^Ijr Brie« 
per feine fliege ans einem Stücfchen Seftm 
machen fann, wie follte er ben Herrn 3iefnm 
©hriflum aus einem Stücken Brob machen 
föuneu ?" 

Oiefe einfache, aber bod) treffliehe Beweis* 
führuug fällig bie ©egner aus bem QFelbe unb 
Cufelet) fonnte ohne weitere Störung feine 
Brebigt beenben. 

tiefer gläubige unb nüpliche ©otteSmann 
ftarb im ffahre 1839 in feinem achtunbfteben* 
jigPen SebenSjaftre. 6 r prebigte bis an fein 
fenbe Pott „berWranfheit unb ihrem Heilmittel." 
(Er fannte nur bie eine Aufgabe, Sünber ju 
(Epripo ju führen. Ob er auf ber Wanjel panb, 
im Sattel fap, auf ben Saprmärften weilte ober 
m eines armen Tagelöhners Hütte ruhte, wo 


bie Winber auf feine Wniee fletterten, furj wo 
immer er auch Weilen mochte, überall fatib er in 
bem Opun unb ben AuSfprii^en bes BolfeS ben 
fürjeften SBeg ju ihrem Herjeu. 

Seine lebten SBorte waren : „3d) fürste ben 
Oob nicht, ©otteS ©eift ift mein Beiftanb." 






fd)ßflUd)e Untertjoltimp. 


f ahre tJrömmigfeit bilbet jweifelSofjne bie 
©runbbebingung jum (Erfolge eines Ae* 
ligionSleprerS. Sie macht aber feines* 
Wegs bie Bilbung beS ©eifteS überpiiffig. Beibe 
laffen fich nie^t Wohl Pon einanber trennen. 
Oenn baS SBabrnepmen unb Begreifen ber gött* 
liehen Hcilöwahrheiten, aus beuen bas geiftliche 
Sehen l)croorWäd)P, ift eine geiftige Arbeit. 
Weiche bie Wräfte beS ©eifteS übt unb ben ©e* 
fidjtSlreiS beS ©eifteS erweitert. Aebflbem aber 
follte ber ©eifteSbilbung befonbere Aufmerffam» 
feit gewibmet werben. Ocitit nur ber Atenfcp, 
welcher eine möglicpft griiubliche ©eifteScuItur 
mit ächter fjröminigleit Perbinbet, wirb am 
tiefften ins gottfelige ©epejmnift cinbringeit, ben 
reinften unb bauerpafteften ©euuft in ber Ae* 
ligion pnben. Oer Seprer fotl bentnach nicht 
nur in geiftlicher Beziehung baS „WanneSalter 
in ßhrifto" *u erreichen fließen, fonbern auch 
„geiftig" ein Wann ju werben fich beftreben. 

Oer Wenfd} ift aber auch ein gefelligeS 29efcn. 
2öie baS HetJ unb ber ©eift, fo hat auch biefe 
Seite feines SJBefenS Bebürfniffe unb erforbert 
Bflege. Ai^t wie baS Bieh auf ber SÖcibe ober 
wie bie an ben ffikigen gefpannten Bferbe, fon* 
bem wie benfenbe SBefen foUcit bie Weufdjen 
mit einanber ocrfeljren, nm ©ebanfen, ©efühle 
unb (Erfahrungen gegenfeitig auSjutoufdjen. 
Sofern ber ftreng geiftliche unb religiöfe Ber* 
lehr in Betracht fomint, bieten bie Wläffen* unb 
©ebetSPerfammlungen, bie ißrebigtgotteSbienfte 
nnb Sonntagfchulen biefer gefelligen Seite beS 
Wenfchen bie nöthige Aahrung unb 
Aber biefe befriebigen noch nidht jur ©eniige ben 
Ourft nadh anregenber Wittheilung unb Unter* 
haltung. 

AuS ben gefelligen Bebürfniffen unfereS SBe* 
feitS erwachfen bie gefellfdjaftlichcn 3 u fammen* 
fünfte, bie gemeinfameit BergniigungSfahrten 
unb bei ben SMtlidjgefmnten bie 3 >'faminen* 
fünfte jum Oanjen, Spielen unb anbern finn* 
liehen Belüftigungen. (S^riftfidhe ©runbfäpe 
perbieten natürlich bem Sonntagfdjul = Cehrer 
an ben Septeren Antheil 311 nehmen unb bie 


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428 


Pas (Sri». 


©rftereu finb oft nur ju geiftloS unb langweilig, 
um genußreich unb nußbringenb 311 fein. — 
ftann irgettb etwa« gethan werben, um beit ge« 
fellfchaftlicheit ©erfeljr ber (ißriften geiftreid) 
unb intereffout 311 machen? Sie ©eiftlofigteit 
ber meiften gefellid)aftlicheit 3 ll fmnmeutiiufte 
liegt größten tßei IS bariit, bufi es mi einem alle 
9 lnmefenben intercffivenbott ©egenftanbe fees 
©efprädjS fef)(t. SÖicte ber ©cicllfchaft einen 
foldjeu ©egenftatib unb bie Unterhaltung wirb 
lebhaft; geiftreid) unb niiU(id) fein. Somit bie* 
fer 3 wed erreicht werbe, follte eine 91 ii 3 ci()l fiel)» 
rer ober Familien fich Derbiitbcit, um einen 
literarifchen unb gefellfchaftlicheu ©ereilt 311 or* 
ganifiren burd) bie ©M)l ber crforberlidien ©e= 
amten unb bie Qtunatjine einitiet* einfachen 
OrbnungSregeln. 9 SaS biefe OrbnungSregeln 
betrifft, fo biirjte fid) golgcitbeS ober 9 (ehnlicheS 
nnt 3>uedbienlid)fteit erweitern 
©tau oerfammle |id) wäijreitb ber SEöiuterseit, 
unb womöglich baS ganse 3 oljr fjinburd) mödjeitt* 
lief) ober inouatlid) an einem beftimmtcii 9 lbenb 
boti 8 bis 10 llf)r im &aufe eine» ©erciitS* 
mitglicDes. 3« jeber uorljev^e^citbcii ©erfamnt* 
luitg ernenne man ein ©titglieb, welkes bei ber 
ndcfiitcn 3uin 111 mcnfiinft entweber einen felbft* 
berfaßteit 9(uffat; ober eine 9 (bhnnbluug aus 
irgeitb einem (Buche ober ©tagagiuc lefe. Sa« 
fielen follte nicflt ntefjv afS breiniti ©tiitiiten 3 e *t 
in 9 (tifpruch nehmen, .£>er 11 ad) Dürfte eine all* 
gemeine ©efprechung beS betreffenben ©egen* 
ftanbeS folgen, bie eine Ijalbe ©tiutbe nicht über* 
fd)reitcn follte. Sie 3Weite ©tuitbe Don 9 bis 
10 Uhr Dürfte fobann mef)r einen gefellfdjinft* 
lid)en C'haratter annebmeit. Sie ©lUg lieber 
follleit inige3miingeit unb freunbfehaftlirf) mit 
einanber Derfc()ren, fid) anrcticnbev Unterhaltung 
Wibmeii unb jebeS fid) beftreben, beit 9 (itbrru ge* 
fällig 311 fein. Sie Unterhaltung wirb fich bann 
geutj Don felbft um beit in ber meljv formellen 
©ifuutg befpvocbeneu ©egeufianb brefjen. Sa 
es bann nicht an Stoff mangeln wirb. Der baS 
Snterefie genoedt fjat, fo wirb Die Unterhaltung 
nicht ins Stoden geraUfeit; unb ba Der 6c* 
fpräd)Sftoff ein mißlicher ift, fo wirb fie ttid)t 
leid)t in fieid)tfertigteit auSarten. 

9 iViut bie ©oiiiitagfd)ul*fichrer unb aitberc 
©titgtieber ber Äirdje biefe ober eine ähnliche 
©1 et höbe einfd)lagcit, fo werben fie nicht nur 
fich felbft geiftig unb gefcllfchaftlich bilben, 
fonbevn auch etwas 3111- ©ntwidelnng eines 
geiftveid)eren gefellfd)aft(id)en fiebenS ’ in ber 
fiird)C beitragen. 


P it 0 (frbe. 


©nt Straftburfltr Jamüifn-C&ffdjtdjte aus btr 
brr Hrformation. 

%üt §aui unb $<rb bearbeitet bon 

^attl äugen. 

)j 5 . Kapitel, 

"t, kSk"* 4U \ide ^ v 

fPattorrung 

unb 

3cbfd)itb. 


IS Johannes bei 
bent 91(13113 
bet©d)iißeii* 
gäfte aus 
j 3ü*icb bbit 
bent alten 
Shomautt 
9 lbfd|ieb 
nahm, gab 
er if)nt eine ©itte ÄaSparS 
funb, ba fid) Dieter mitberfel* 
beit an feinen ©ater nicht her* 
anwagte. Ser Jüngling hatte 
nämlich beit (fnifdUiiß gefaßt, 
feinen lieben tfieunb 3ohan» 
nes nach dßittonbttg 311 be* 
ifKtf- gleiten , mit bort mit ihm 
gcmeiufam bie ©orlefungett 
4 !! skSfi ©lelamlitfuiii« 311 befud)en unb 
bei Dem Soctör fiuther in bie 
Sd)iile 311 gehen. Ser alte 
Shotnamt war nicht recht ein« 
Pcrftanbeit mit ber weiten (Reife, als er aber ben 
biitenben ©lief feines Sohne» fal) unb ben wei* 
djett Srucf üon 3 obanueS £anb fühlte, willigte 
er ettblid) ein, ertheiltc ben beibett Säuglingen, 
bie fid) bent Sienfte beS £>erru geweiht, feinen 
regelt uttb beftieg thraueiibeit 9 lugeS ben 2 fia* 
geit, ber gleidj Darauf mit ihnt baooit raffelte. 

©och l1 *i bent nämlichen Sage fanb bie £)och* 
seit ©hiHWünenS ftatt, unb swar mit großem 
©0111p, beim ©raf ftohenheg hotte all feilten 
(Sinfluß aufgeboten, biefelbe fo großartig als 
möglich 3» holten. 

9 (fleiit, obgleid) eine große ©efcllfdiaft heute 
bie feftlicfj gcfdjmüdteit (Räume beS (Ratbob’fchett 
IpanfeS belebte, ging eS bod) 3iemlich fteif unb 
eiitfilbig 311, benn baS abelige Glcmcnt über* 
wilderte baS gcntiithliche bitrgcrlidic. Ser junge 
SaSpar Shomaitn, welcher gleichfalls 3iir Safe! 
gesogen war, begann alsbalb 311 feufseti, beim 
bas freie Schmeiserblut regte fid) in ihm, Darum 
raunte er auch 3 ob<mncS su : 

,, 91 d), wären wir boef) ^unbert ©tunben weit 




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Pa# (5tbf. 


429 


t>on l)ier, i<ß Wollte gern mit trodenen SRinben 
fiirlieb nehmen, baS ift ja eine gan} eutfcßlicß 
fteife, langweilige, ^odjobetirte Öefeflfc^aft." 

„3a, baß redjt, greuitb," antwortete 3oban« 
tieS, „inbeßen muffen wir bem Srautpaare unb 
meinem 93ater gu.lieb auSßarren. 9Jlorgen um 
biefe 3«it Wanbtrit Wir fdjon in ben Sbälern 
beS SchwarjwalbeS." 

fiaSpar atbmete tief auf, als enbtid) Graf 
£oßenbeg bie S£afel aufbob ; feine alte Suftig« 
feit lehrte jebodß erft am anberit 9Jtorgeit priief, 
wo er unb Johanne» ju ihrer weiten Steife fieß 
anfefjidten. 

SBon ßJßilippine batte 3oßflnneS bereits am 
ülbenb oorber 9lbfcßieb genommen, jeßt blieb 
ihm nur noch übrig, bem Sater bie $anb junt 
Sebewoßl barjitreieben. 6» war bieS ein tief 
ernfter ©cgenblid unb ber 3üngliug fab, baß 
eS in ben Slugen beS Greifes feilet fdjimmerte. 

„$!er £>err bat mich mit irbifeßen GtüdSgiitern 
reich gefegnet," begann föticßacl Statbob unb 
feine Stimme jitterte, „er febenfte mir auch jwei 
ßiitber, bie i<b ®eibe gleich geliebt. 3<b gab in 
meinem $erjen ber Hoffnung [Raunt, baß mein 
Sohn mir bereinft bie mttben Singen jubriiden 
werbe, allein es war bies ein tßöricbtcr Glaube, 
benu er oerläßt ben alten 35ater unb jiefjt in bie 
gerne. 9tun wohl, id> muß mich barein fügen, 
wenn feßon i<b weiß, baß ich ißit in biefer SEBelt 
nicht wieberfeßeit Werbe. Gott fei mit bir!" 

Gr wanbte ßdj ab unb fuhr mit ber £anb 
über bie Singen. 3oßanneS ergriff feine [Rechte, 
fiißte unb briidte fie unb erwiberte: 

„Schon batte ich geglaubt, baß ich bem #er= 
jen meines SßaterS fremb geworben fei. Sic 
©orte, welche ich Don ihm oentommen, belehren 
mich eines Sejfern, unb ich bermag jeßt poer« 
ftcßtlich ber 3nfunft entgegen p feben, benn ich 
weiß, baß argliftige ÜRenfdjen mich nicht aus 
bem fjerjen meines guten SiaterS p oerbrängen 
oermögen." 

Ser alte fDtann faß feinen Soßn halb be« 
troffen unb halb überrafdjt an, bann fagte er : 
„©ein Üeftament liegt in jenem Schrein, ich 
cinbere eS nicht." „3<b weiß eS," Oerfeßte 3°= 
hauneS leife. „Sodß glaubet mir, mein Sätet, 
es ijt mir nit um ben falten fDJammon p thun, 
benn ich will ja ein jünger Gßrifti fein." 

„Sfatürlich, entgegnete ber Greis bitter, „Dar» 
um oerläßt bu ja and) beit Sater, was liegt an 
ihm, — er fann aud) eiitfam fterben." 

„Sprecht nit fo," bat Johannes bringenb, 
„3hr glaubt felbft nit an bas, was 3b* fngt." 

„So bleib’ bei mir unb jeige, baß bu mich ! 
liebft." | 

„SRein SBater, biefe S^obe fönnt unb bürft 
tjr nit ftellen. Gott bat mir ben Seruf, ein 
iener feines SBortS p werben, iit’S £>er* ge« 
legt, unb er bat mich beit Staun gaben laßen. 


ber mich ßeranbilben wirb, im Geifte unb Sinn 
beS GoangeliumS." 

SaS feßueeweiße &aupt Stidjael StatbobS fanl 
tief auf bie ©ruft herab, ein leifeS 3'ttern über» 
flog feinen Körper unb in buntpfem ioue haßte 
es ooit feinen Rippen : 

„Sir gefeßeße, wie bu glaubft. Gott fei mit 
bir. Söete für beineti alten ©ater, benn bu fiebft 
ißn niemals wieber." 

,,©eg mit biefen trüben Gebanfen," rief 3o« 
bannes ßerjlicß, ben alten Sianit umarmenb, 
„in 3nl)o unb Sag bin ich wieber bei bir, unb 
bann trennen wir uitS nit mehr, bis ber 3:ob 
uns fheibet." 

„Sis ber 2ob uns feheibet," wieberbolte 
[Dficßael [Ratbob teife. SJtit einer ftürmifchen 
|)aft briidte er ben Soßn an’S fperä, fiißte ihn 
auf bie Stirne unb eilte mit ben ©orten: 
,,©ir feben uns niemals wieber!" aus bem 
3immer. 

3obanneS blieb einen Slugenblid behübet» 
rafeßt fteben, bann eilte er bem ©ater nach, 
aüein eS war oergebene [Qiiiße, benn ber alte 
5Dtann batte fieb in feine ecßreibftube geflüchtet 
unb biefelbe feft üerfcßloßen, ein fidjereS 3eid>en, 
baß er feften ©illenS war, nid)t eßer wieber pm 
93orfd)ein p fommen, als bis Spannes bie alte 
fjeimftütte Oerlaßen. 

Sem güngling war feßr, feßr web um’S £>erj, 
unb fein Gntfcßluß, bie ©ittenberger Steife an» 
jutreten, gerietß in’S ©aufen. ©aßrfdjeinticb 
würbe er unterlegen fein, ^iitte nicht ein 3ufaü 
ben treuen grennb Gerbei in’S £>auS geführt, 
welcher SllleS aufbot', 3oßtinneS p tröften unb 
feinen gefunfenen fDtutb wieber aufjurießten. 
„3ch werbe beinen ©ater nie oerlaßen unb ifjit 
tröften," Oerfprach ber treue greunb, „unb bir 
bon Slüein jtuube geben, was wäbreitb beiner 
9lbwefenbcit hier iin ^mufe gefcfjiebt. ©ift bu 
eS jufriebeii ?" 

„3ch bin’S," antwortete 3ob<wneS unter 
$brcinen lachelnb. „Guere ©'orte haben mich 
wunberbar getröftet; Gottes Segen über Glich!" 
Gr warf fid) an GcrbelS ©ruft unb fiißte ißn, 
bann eilte er in baS fleine Gaftjimmer p $aS« 
par unb rief bicfem .ju : „©ift bu bereit, fo laß 
unS nit länger fäumen!" unb eine Stunbe fpä« 
ter batten bie jungen fJtcifenben bie alte 9tei<hS« 
ftabt im 9tiiden, luftig ihre 9toße tummelnb. — 

SaS große greifeßießen war ooriiber, bie 
Schüfen ■oerweilten Icingft wieber in ißrer $ei« 
matß unb ber luftige ißritfdßmeifter feßweifte als 
freier Wann im Canbe umßer. ©erfchwuuben 
war bie fonnige 3‘il)tf'3seit, einfam war’S, ftill 
unb öbe, beim nicht nteßr fpann eine foinmer» 
liehe ÜJtaib an bem 9fodeu ber 3fit, fonbern ber 
griesgrämige ©inter, ber puftenb unb fröftelnb 
fDlifliarben oon Sdjneefloden pr Grbe fanbte. 

Giitfam war’S, in ber freien ütatur, wie in 


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430 


$as Stbr. 


ber Stabt, uitb mohl bem #aufe, hinter beffen 
©änben liebenbe Rtenfchen traulich beifammen 
fafeen, am fladernben Kaminfeuer, ober um ben 
grofeen Kachelofen unb fid» ergählen tonnten, 
bon ©onimer unb Srriihling, Slumeit unb Sou« 
nenfchein. ©in foldjes gemüthlidjeS 93ilb flickte 
man in bem fjanfe, baS Michael Ratbob, bem 
©rben beS ^feiferföniflS, gugeljörte, üetgebenS, 
Denn bort mar eS fo öbe uitb triibfelig, mie 
braunen in ber Ratur, unb man hätte fid) nid): 
batüber gemunbert, menn ber Rorbminb burd) 
bie Räume gefegt unb ©Cbneefloden bie fielen 
bes lobend bebedt hätten. 

©infam mar’S in bem falten £>aufe, nur ein 
alter, gebrechlich«, falter 9Jtann Raufte barin, 
beffen langes, roeifeeS 0aupt= unb Sartljaar an 
baS ©iitnbilb beS ©interS mahnte. Unb mie 
ber Frühling unb ©ommer ben griesgrämigen 
eilten nicht erroartet, fo hatten auch bie beiben 
eingigen Kinber bes greifen Hausherrn ihren 
Sater oerlaffen unb maren in bie fjvembe ge» 
goaen, benn Johannes meilte in ©itteuberg unb 
ißhiftppine mit ihrem jungen ©etnahl in So» 
thringen, an ber $falg beS ftergogS 9lnton, mel» 
eher ©olfgang Don £>ohenheg in feinen £of» 
bienft anfgenommen hatte. Richts erinnerte 
mehr baran, bafe fröhliche Kinber bereinft in 
bem oben £aufe ihre Spiele getrieben, als eine 
Heine, unfeheinbare Suppe, bie bas ©hriftfinb 
einmal ber Keinen ^h'l'PPiue gebracht, unb ein 
^erbrochener blecherner Kinberfäbel, mit meldjem 
Räuschen gefochten. Oer alte Rtann beronljrte 
biefe Reliquien in bem Schrein, ber bie Urfunbe 
feines OeftainenteS barg, unb gar oft ftanb er 
fröftelnb üon feinem ©ferenfifee auf unb fdjritt 
bahin, oerächtlich bie blipenben ©olbletten mit 
ihren ©Delfteinen bei ©eite fdjiebenb unb mit 
ihränen im 9luge biefe füllen ©rinnerungS» 
geidjen an längft oergangene, gliidfelige Sage 
betradjtenb. 9llleiu er hätte in feiner ©infam» 
feit noch einen anbern treuen fjfreunb, als bie 
©rimterung; es mar bies ein einfaches, fdjmarg» 
gebunbeneS Such, in bem er gar häufig las, fo» 
halb ihm bie ^ugeu üon bem üieleit ©einen 
nicht mefe thaten. 9luS biefem Suche mebte ihm 
mitten in allem Jammer unb Kummer feines 
#ergenS ein &auch göttlichen fJfriebenS entgegen, 
ber feine mübe ©cele fättigte. feinen ©eift er» 
uidfte unb in bie Ounlelheit feiner Stage ein 
edeS Sicht f)immlifd)en Sehens unb emiger 
©nabe feereiitfcheinen liefe; fein Stitel lautete 
ebenfo einfach als fdjlid)t: „®a8 Reue Stefta» 
mept, in’S liebe Oeutfd) übertragen üon Ooctor 
RtartinuS Suther." 

Sor mehreren Rtonben hatte ber treue ©erbel 
biefeS Such ihm gebracht, allein manche ©odje 
üerging, ehe fi<h ©ichael Rat6ob an baffelbe 
magte, benn in ihm murgelte tief unb feft ber 
©laube feiner Süter, unb er hielt eS für eine i 


©ünbe, benfelbeit ju üerlajjen unb ber neuen 
Sehre bes ©üaugeliumS gu folgen. ©S mar er« 
greifenb, gu fehen, roelch tiefen ©inbrud baffelbe 
auf ben greifen fRatbob auSgeübt, unb gu roelch 
heiliger Segeijterung eS ihn binrife, tvofe ber 
9llterSfchmäcfee, bie mit ©intritt beS ©interS 
über feinen Körper gefommen mar. Oft führte 
er bie heilige Schrift tiiffenb gu feinem Riunbe 
unb rief gen £immel blideno, mit gefalteten 
Rauben auS: „3a, baS ift ©otteS ©ort, — uitb 
biefeS föftlidje Kleiitob hat man uns bisher üor» 
enthalten unb uns mit fremben Gingen abge» 
fpcift, bie mir nicht üerftanben, bis enblich Star» 
tinuS Suther erfd^ien unb uns. 91fielt baS heilige 
©otteSmort in unfer liebes Oeutfd) übertrug 1" 
Ocnn gu ber einen ©anblung, bie im fjergeti 
beS alten StanneS üor fich ging, gefeilte fiefe eine 
anbere. ©ott unb ©hriftus maren ihm jefet alles 
in allem aemorben; bann aber fam gleich Ooctor 
9JJartin Suther, unb ber ©ebanfe, bafe fein Sohn 
Johannes gu ©ittenberg bei bem tljeuern ©ot« 
teSmanne üevmeile unb fein Schüler fei, bafe ber 
Same Ratbob bereinft gleichfalls auf ber Sifte 
ber Reformatoren prangen rnerbe, — bieS 
9llleS rief in feiner Sruft gnerft einen heftigen 
©tnrm unb fobann einen nie geahnten Trieben 
herüor. 

©ineS SEageS nahm er ein Pergament gur 
£>anb unb begann gu fdjreiben, tro|bem Rtiirn» 
hart fo gu fagen fein geheimer Selretär mar 
unb alle fchriftlitbcn 9lrbciten fiatt feiner er» 
lebigte. ©r fchrie© mohl über eine ©hmbe; gu 
Oeftern liefen thronen übet feine gefurchten 
©äugen, gleich barauf aber lächelte er toieber 
mie ein uiifchulbigeS Kiitb. ©S ging rafd) ab» 
märtS mit bem alten Riann, immer fChmaler 
roavb fein ©eficfct, immer gröfeer feine 9lugeit 
unb immer befchleunigter fein 9lthcm. Riiim» 
hart mar ber ©ingige, ben er um füh bulbete 
unb ber ihn pflegen burfte. StiChael Ratbob 
hatte ben armen Runter lieb gemonnen unb ei 
machte ihm ©pafe, menn er ben hungrigen ©e< 
feilen mit allerlei Sederbiffen erfreuen tonnte. 
Ruf feinen ©unfeb blieb ©ümljavt in ber leb¬ 
ten 3 f i* fogur mäferenb ber Rächt bei ihm, benn 
er mochte ahnen, bafe ber Oob halb erfcheinen 
merbe, unb fo fefer ber ©reis auch bie ©infam« 
leit liebte, fo mollte er bod) nicht eihfam fterben. 

Sonntag mart unb bie ©loden bes TOiinjierS 
riefen gum ©ebet unb gur Rrebiqt. Oer ©reis 
lag auf feinem Ruhebette, baS in bie ©oljn« 
ftube geftellt morben mar, unb laufdjte anbächtig 
auf bie ehernen Klänge. „Rliirnfeart," fagte er 
mit leifer Stimme, „ich i«nn niCht gunt Oome 
matlfahren, aber ich meife benn och, maS ber 
Rleifter RtatthiS fein« ©emeinbe prebigt." 

Oer 3unfer blidte üermunbert ben alten 
Rtann an, roelcher, ben Ringer erhebenb, fort» 
fuhr; 


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$l» Srbe. 


431 


„6f ruft ihnen gu : liebet Sucre ffreinbe — Unb ber ©reis beutete boH gläubiger Hoffnung 
fegnet bie @mh fluten — tljut Wohl benen, bie mit ber Stedten gen &immel. 2lls fiel) ber 9ted)t§= 
Such Raffen, unb bittet für bie, fo Such Beleibt« gelehrte entfernt, toanbte er ficB an beitJBfarr» 
gen unb »erfolgen. 2)lag er feinen Sejt wäh» jjertn unb fuhr fort: „So, Steiftet StatljiS, 
len, aus welchem Vudje ber SBiBel er toi 11, biefer jefjt lagt uns noch einmal gufammett recht in* 
SluSfprud) bcS ^eilanbS bilbet hoch bie ©runb* künftig beten!" 

läge aller djriftlidjeu ^ßrebigt." $er ipfarrherr fniete nieber, legte feine ge« 

Sine Keine Vaufe trat eilt, bann fragte er: falteten füllte auf jene beS ©reifes unb fprach 
„f>aft bu’S bem ©erbel unb beut 9)lei|'icrÜ)tathiS ein BrünftigcS ©ebet unb reichte bem m übtet 
gefagt, toas id) bir aufgetragen ?" ©reife baS 9lbenbmaljl. 5>ann fcfjieb er oon 

„Sie tommen nach bem ©ottcSbienfte gu Such," il)m unb ber Sterbcnbe bliefte ihm lange, lange 
antwortete ber Runter, unb ber ©reis lächelte nad). 

unb nidte befriebigt mit bem Klopfe. „Sun Wirb e851benb," fagte er, auf fein Klopf* 

3llS eine Stunbe fpäter bie Siünfierglocfe polftcr guriidfinfeitb. „Sun fomtntber^err unb 
abermals gu läuten begann, fufjr 9Rid)ael »tat- rufjt tnitf) gu fid) l" 

bbb aus einem leisten Schlafe auf, richtete fid) Slürnbart fdjauberte gufammen unb begann 
mit Stürnbarts fjjilfe im Siett entpjpr unb fagte: ft cf) toor bem alten Stanne gu fiirditen. 

„3e|jt ijt bie tßrebigt boriiber uttb. fte beten ,,©ieb mir bie ^eilige Schrift," flang es 
baS Vaterunfer. Klomm, 9Mrnhart, lajj uns abermals boin 33ette her, „unb bringe mir mein 
ihrem Veifpiele folgen." Unb mit lauter, an* Scftament." 

bädjtiger Stimme fprach ber ©reis baS ©ebet Ser ©reis ahnte nicht, welch 'entfeplicheit 
beS fjerrn. Klampf fein festes ©eljeifl in ber Sruft bcS ar=. 

Slls halb nachher bie erwarteten tJreunbe in’S men 3unferS herborrief. ®er entfdjeibenbe' 
3immer traten, lächelte er ihnen gu unb hielt fte Slugenblicf toar jejjt für Stiirnbart unb feinen 
toiQtommen: „3$ habe Such gu mir befdjicben, Oh.cint gelommen, ein 9lugenplid, ber über 
liebe Herren, um Such noch einmal gu feben, 9tei<hthum unb 9lrmuth eittfchicb. 3m« feinb* 
benn ich habe mein £>auS beftellet unb tann mim liehe Suchte rangen in beS Gunters SBruft, bie 
nun hinlegen, um gu fterben. Unb follte mir Verladungen ber Sünbe unb bie Mahnungen 
etwas Vlenf$li<heS gefäeljen, fo ftnbet 3hr mein beS ©etoiffenS. Sifige Schloten fuhren gegen 
Sejlament in jenem Schreine unb bie Schlüffe! bie fjfenfterfcheiben bom Fimmel bernieber, grell 
bagu wirb Sud) ber 33atiiel Stürnfjart geben, gudte cs in ben SOßetterWoIfen auf unb ber rol* 
9lun hob’ ich aber noch etwas, baS ich gern in lenbe Ooitner berfünbete ein ©ewitter mitten 
Surer Verwahrung toiffen möchte, Sfreunb ©er* im Sinter. Sliirnljart fuhr gufammen unb ber* 
bei, unb ich meijj, 3h* ft^lagt mir meine S3itte hüllte fein ©efidjt mit ben fjänben, als ob baS 
nit ab.". jüngjte ©ericht im 9lngug fei. $a ertönte wie* 

„Sprecht, mein alter £ergenSfreunb," .ent* berum bie Stimme bom Vette her: „Säume 
gegnete ber 91e<htSgelchrte mit bot Sßehmuth nicht fo lange, Vtürnljart, benn eS geht rafch mit 

gitternber Stimme. mir-SÖibel unb ieftament — fchnetl — 

®et ©reis gog unter feinem Klopfpolfter eine günbe bie Klrrgen an, benn eS wirb bunfel." 
berfdjlofjene Klapfel herbor, welche er ©erbel mit „3c$t ober nie," flüftcrte fDtiirnhart, wäbrenb 
ben SBorten übcrrcid)te: feine Srujt ftd) rafch hob unb fenlte, unb im 

„2)a brin befinbet fich nichts weiter, als ein näcfjften Slugenblid fcf)on ftanb er bor bem ge* 
Pergament, auf bem ein ©ruft an meinen lie* öffneten Schrein, gog baS Seftament herbor, 
ben Sohn 3°hanneS ftel)t. 3<b wünfehe, bafj unb- es hatte ben Vnfcbcin, als ob er baS ®er* 
bie Stapfet erft nach meinem fjinfdjeiben, unb aament gufammengefaltet in feine Vrufttafdje 
gwat; bon Johannes, felbft eröffnet Werbe. SSJollt |<hö6e, inbeffen war bieS Wohl nur eine, infolge 
3hr mir baS berfpredjen unb bie Klapfel bei Such ber ljetrfchenben Dämmerung entftanbene Säu« 
berwahren ?" fthuna, benn als ber Runter jept bie Klergen an» 

5Ber jjreunb gelobte eS, beugte fich nieber unb günbete, hielt fr baS Seftament in feiner £>anb 
lüfete bie Stirn bcS ©reifes. „Si, 3k weint unb überbrachte eS, mit ber Vibel, bem alten 
ja," fagte 2Ri$ael Statbob, ba er eine 2brüne SJtanne, welcher haftig barnach griff unb es mit 
auf feiner Stirn fühlte, „gönnt 3h* mir benn feinen jfingern feft umllammerte. 
nicht, bafs meine Seele halb in baS SReich beffen Sr rollte eS haftig auf, gu VtürnhartS großem 
eingebeu wirb, ber fte fo tljeuer mit feinem 33lut S^reden. — 2)ie Slugen beS fterbenben ©reifes 
erlaufet hat ?" brattgen weit aus ihren £>öhlen herbor, als fie 

„3k habt recht, mein fjreunb," antwortete bie Schrift überflogen,—ein VMnbftoji braufjen, 
©erbel, „aQeiu ich tarnt nit anberS, unb nun ein gudenber Slip, unb brinnett im Sterbe* 
lebt wohl!" gimmer ein lurger Sluffchrei, ber jt<h in bem ©e» 

„Seht wohl, auf üöieberfehen-bort l" I bröljne beS nachfolgenben Bonners berlor .... 


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432 


Sa« (?rbe. 


©türnfjart hatte fid) nn bie ©Sanb gelehnt 
uitb jitterte mtb bebte om gangen Körper. Öer 
©lid beS Sterbenbeu haftete auf ihm uitattS= 
gefeßt in gornigeni Aufleuchten, bis eine SEbräite 
ifjn umflorte. ®anit gog ein teifer Stimmer 
ber Serfläruttg über baS Antliß beS ©reifes unb 
feine Sippen hauchten: „Siebet... (Stiere ffeinbe, 
— fehltet. . . bittet... Dergebt... mein ©ater 
unb £>eilanb, nimm mich — gnäbig auf!" (Sin 
tiefer, tiefer Seufger, ein furgeS Aüchelit unb ber 
.alte Ätichnel Aatbob, ber 6rbe beS ©feiferföitigs, 
hatte uolleubet. 

Oraußen ber .dampf ber (Elemente unb hier 
im 3*mmer bie Auße beS 2obeS, troß beS böfen 
©emiifeitS, baS im fjergen AtiirnhartS pod)te 
unb häminerte. Aad) mie bor.ftanb er ba, ängft* 
lieh an bie SEöonb gebrüdt unb unbemeglidj; fr 
uerfuchte, feinen Alicen eine anbere Aicßtuiig gu 
geben, fie abjutoenben uon bem bleichen Atitliß 
beS lobten,.allein er mar mie gebannt unb faß, 
mie baS Auge beS alten AtanneS bradh, mie bie 
Ufjräne, bie barin noch furg guDor gegittert, jeßt 
langfam über bie eingefuntene ©Sange rann, 
mie baS Auge troden mürbe unb ber gebrochene 
©lid ftarr auf ihm haftete, troßbem ber ©reis 
mit einem SegeitSrounfdje gefeßieben mar. ©ie(= 
Ieid)t hatte fein fjerg Don bem Sahen feiner Sip= 
pen nichts gemufjt, unb fein Auge mar bennod) 
im geredeten 3orne gegen ©türnßnrt gebrochen 
unb ber 3orn mährte fort, auch nach bem 2obe, 
unb er feßvie nach Aacße.. . emig, emig ! 

Oa enblid) (amen dritte bie Steppe hfrauf 
unb ber (aufeßenbe ©tiirnßart oernahm, mie bie 
©tagb Sfemanbeit begrüßte. Ser Aame, ben ftc 
auSfprad), gab bem Runter bie förderliche draft 
guriid, feine panb faßte bereits in bie ©ruft= 
tafche unb er eilte DormärtS auf ben Sobteu gu, 
feft gemillt, ein ferneres Unrecht gut gu machen 
fo lauge es noch 3eit mar, ihm bas Pergament 

gu entreißen unb ihm bafiir . . . gu fpät- 

bie Sbiir ging auf uiib ©Salbner ooit £>oljenheg 
trat, Don ber ©tagb gefolgt, in’S 3immer. AIS 
er fich dou bem eingetretenen Sobe iibergeugt 
unb ber ©tagb uerfiinbet hatte, bah ißr alter 
perv geftorben fei, maitbte er fid) gu bem tobt= 
bleichen Aeffen mit ber lauten grage: „©SaS 
hält unfer theurer Derftorbener greunb in feiner 
tobten paitb ?" „Sein Seftament," hauchte 
©lürnfjart unb ber Oheim mieberholte feine Ant» 
mort mit lauter Stimme. Sobann tröftete er 
bie meinenbe ©tagb. „©leibe jeßt hier im 3'm* 
mer," fagte er gii ihr mit frennbfießer Stimme. 
„Sn aber, ©tiirnßart, rufft einige fjfreunbe beS 
«paufeS herbei. ©Senn bti bem AeehtSgeleßrten 
('Serbe! unb bem Oberherrn Scßmarber bie 
Srauerbotfchaft oerfiinbet haft, fo begieb bieß 
und) £ntifc unb ermarte mich bort. 3<h habe 
mit bir ©Sichtiges gu fprechen.* Auf biefe leß= 
ten ©Sorte legte er eine eigenthümliche ©etonung. 


bereu ©ebeutiing bem Runter nur ahguoerftänb« 
lieh war. 

©türußart erhob fich gitternb unb mantte bem 
AuSgong gu. (Sr holte tief Atbem, als er enb» 
lid) bie ©affe betrat. SaS ©eroitter mar Dor« 
über, ber Sturm aber pfiff noch immer über bie 
©affen bnbiu unb mirbelte doui ©oben beit 
Sd)tiee auf, ben er als cifigeu Aegen ben ihm 
ciitgegenfommenben 2Banberer ins Antliß trieb, 
©lürnfjart that , biefe Äüßlung mol)l, beim 
Stirne, ©Sangen Unb Augen brannten ihm, als 
ob ein ßöllifcßeS tJfeuer bahinter mütße; unb ba» 
gmifcßeit heulte ber Sturm unb heulte iljm bie 
SBorte beS CheimS in’S Ohr: ,,3d) habe mit 
bir. . . ©Sichtiges gu fprechen!" . . . Unb ber 
Runter erbebte Dor biefen ©Sorten, mie er eS Dor 
bem fürd)terlicßen, ftilleu ©lid gethan. AußeloS 
eilte er in ber Stabt umher, bis er beit tfreuit* 
ben beS alten Aatbob bie fjiobsbotfdjoft über» 
bracht. Aun follte er nach C'ciufe gel;en uitb ben 
Oljeiin ermarten ; fo hatte biefer eS anbefohlen, 
ba er ©Sichtiges mit ihm gu fprechen habe. 

„Acin, nein !" rief ©türnßart bem um fein 
£>aupt tobenbeit Sturm entgegen. ,,3d) thue e§ 
nicht, beim ich tueifj, er mirb meine ftleiber 
unterfudjen, bis er fcaS ©ergament gefunbeit 
unb bernid)tet hat, bann bin id) in feiner paub 
unb ohnmächtig feinem ©Sillen preisgegeben. 
Siefleicht giebt ©ott mir ein 3 f id)eii, mie id) 
mein ferneres Unrecht mteber gut machen tarnt, 
ohne meinem ©ermanbten unb mir gu fcßabeit. 
Unb beShalb barf id) mich Don bem Scßriftfliicf 
nicht trennen, unb beShalb muß ich eö au-einem 
fichent Orte bergen, bod) auch biefeS Serfted 
barf nur mir befaitnt fein. ©So aber foll ich 
hin,.— roelcße ©tcnfcßenfcele nimmt mid) auf, 
mer feitnt ben armen Runter ? . . . „.palt, id) 
hab’S!" rief er frol)lodeitb. „2ebt nicht mein 
alter ©önner, ber © r i o r U t o, nod) ? £)at er 
mich nicht feßon gu Derfdbiebenen Aialeu ein* 
gefaben, fein ©oft gu fein? 3a, ja, id) eile nach 
bem Äfofter ©Salburg! ©iS Abenbs fed)S Uhr 
fann ich in ©agenau fein, unb bann nehme ich 
beit nädjften ©Seg burch ben hailiften §orft, fo 
baß id) noch Dor acht an ber Älofterpforte an» 
Hopfen fann!" 

Ao<h hatten bie ©foden ber St. AifofauS« 
firdje in ber freien Aeichsftabt £>agenau nicht 
ben Abenb eingeläutet, als Atüriiljart bereits 
baS ©Seichbilb beS Ortes betrat. Aach einer für* 
gen Aaft feßte er feine ©Sanbermtg meiter fort, 
benn er mu|?te fich beeilen, ba ber ©lotib nur 
bis gut achten Stunbe am Fimmel ftanb unb 
fein Sicht ohnehin burch bie unter ihm Dorbei* 
giefjenben ©Settermolfen beeinträchtigt mürbe. 
Oid)t hinter ber Stabt beginnt ber Diele ©teilen 
umfaffenbe hei lige 8?orft, fo geheißen megeit 
ber Dielen dlöfter, bie fich barin befanben. Aach» 
bem ihn 9Aürnf)art betreten, folgte er nicht ber 


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Pari)« Jfafftonsmuftb. 


438 


breiten ©trafje, fonbern bog feitab, um einen 
näher füfjrenbfn Sföetx ju uerfolgcit. 2>a ein 
großer Streit beS WalbeS aus Baubljolj beftanb, 
fo üennoif)te baS filberfjelle Wonblidjt burd) bie 
fallen 3»eige unb 2lefte ju bringen unb bem 
einfamen, rubelofen Wanberer auf feinem Wege 
ju leuchten. 3 ll »eilen freilich/ tuenn ein grcü'c« 
rer Wollenjug au ber Wonbfdjeibe borübcr 
hufcpte, tauchte ber Walb in ben ©dritten ber 
Stacht, unb Würnljart mujjte fiepen bleiben, um 
nicht gegen einen ©aumftantm oujurennen ober 
über eine ben Weg freujenbe Wurjel ju fallen. 
Wenn bann ber ©türm burch baS ©ejweig ber 
Säume fuhr, unb eS an allen Crten unb ©nbeit 
ju fniftern, ju fnattern unb ju ftöpnen anfiitj), 
bann »ar’S ihm, als riefe er ihm gellenb in bie 
Oh«»: „3<h hüb« mit bir Wichtiges ju 
fprechen!" Unb bann tpürmte ftd) ber©cpuee 
am ©oben ju einem »eigen Söett empor, unb 
ein tobter Wann laß barauf, mit langem ©il» 
berhaar unb einem gebrochenen ©lid, in bem 
feine ©erföpnung unb ©ergebung ju lefen toar, 
fonbern ber (aut um Stäche fcprie. Unb ber 
gtaufige ©lid ruhte ftarr auf bem WanberS» 
nimm, ber erfdjöpft an einem dicpftamme lehnte 
unb feine 4 )äube feft gegen baS £>erj brüdte, baS 
fo heftig Jpochte, als ob eS jerfpringett »otlte; 
unb »eitet eilte er bor»ärtS, ber ©türm aber 
blieb ihm immer jur ©eite unb fein eintöniges 
Sieb fegte fich nubarmherjig ju ben Worten ju» 
fammen: „3s<b höbe mit bir — Wichtiges ju 
fpredjen!" Unb eS »arb Wiirnljart ju Wuipe, 
als ob eine falte, fnöcherne £>anb aus feinem 
fjerjen heraus in bie ©rufttafdje griffe, in »el= 
her er baS Pergament barg. „i)i(fe, £)i(fe!" 
fhrie ber Flüchtling oerjmeifelt auf, „erbarme 
bidj meiner!" unb gleidj einem gefällten Satuue 
ftürjte er auf ben fepneebebedten ©oben nicber. 
£er tobenbe ©turni aber »ufete fchon, »ie er’S 
anjufangen holte, um bem bcmufetlofen Wanne 
Dom ©oben mieber aufjuhelfen. ©ellenb bröpnte 
es in WürnhartS Ohren : „$ch höbe Wichtiges 
— mit bir ju fprechen!" Unb als ob ihn eine 
Jtatter geflogen hohe, fprang er in bie £>öpe 
unb raunte bormiirts, trogbem in biefem Singen» 
blide tiefe Stacht im SEÖalbe perrfepte. ©r ftiejj 
an Säume unb riß ftch »unb, er fiel über Wur» 
ein unb fdjürfte fich bie ifitiee, — allein er 
hottete beS ©cpmerjeS, gegenüber ben inneren 
Ctialen, bie er ju erbulben hotte. Unb immer 
mehr nahmen biefe ju, benn nicht mehr »or es 
Der »iitpenbe ©türm allein, ber ihm jene un« 
heimlichen Worte jurief, fonbern auch ber fläch» 
tigt Sritt feines F"f>eS, ber ben gefrorenen 
f djnee am ©oben fnirfdjen machte, ftimmte bie 
eintönige Wcfobie an: „3<h höbe mit bir — 
Süchtiges ju fprechen!" Unb hinter jebem 
Saume lugte bet ©reis mit feinem gebrochenen 
Slid perbor unb riefige fnöcherne Finger faxten 


in ber fiuft nach bem feuchenben Wanberer, bis 
biefer enblich fein .giel erreicht hotte unb ju Sobe 
erfdjöpft an ber ©forte Des il (öfters ju Walburg 
bie ©lode jog. 

„Wer bat" ertönte bon innen bie ©timme 
beS ©förtitcrS. 

„din Freunb beS ehr»ütbigen ©riorS Uto," 
erllang es jitternb guriid. „©clobt fei SefuS 
©prift!—" 

„3it Gmigleit, 9lmen," boKenbete ber ©fort» 
nerunb fchob ben Dtiegel beS Shores gurüd, baS 
ben jum %obt ©rmatteten aufnahm. 

Oortfefcifofl folcjt.) 


Padj0 Jfoflwiwimiftk. 

Cbltor. 

jT icht jum 3n'ed einer ausführlichen ©cpil» 
3jl< berung biefeS mächtigen ©poralmcrleS beS 
großen WcifterS fepreiben toir biefe ©ara» 
grappen, fonbern nur baju, um unfere Befer 
barauf aufinerffam ju machen. Wer ernfte 
Wufif unb baS dhriftenthum lieb hot, feilte bie 
Gelegenheit, biefeS üonftüd ju hören, genüg 
nicht berfäumen. 3*oor hoben fogenannte 
Wufitlrititer fich hei ber Wäprenb beS legten 
WaifefteS in ©incinnati ftattgefnnbenen 3luf» 
führung beffelben gar fehredlid) gelangmeilt unb 
mitunter fogar unterftanben, elenbe Wige über 
baS jhinftroert bes SltmeifterS ber ©poralmufi! 
(oSjuiaffen ; aber folche drgüffe oberflächlicher 
ober berlommener Beute finb wertljloS, unb 
»enn bie sperren fich gelangmeilt hoben, fo ift 
ber fnueptgrunb in ihnen unb nicht in ber 
©fid)’fci)eu Wufil ju fudjen. 

©ine leichte Cpcrumufif, ’ »eiche eS bornehm* 
lid) auf bie Unterhaltung abgefeljen, hot ber 
Weiftcr felbftberftänblich nicht geliefert. Sludj 
fann bie WattljäuS ©affion nachgerabe nicht mit 
4)änbelS WeffiaS berglicpen »erben, benn fie ift 
anberen WefetiS. 

Wer aber ben mächtigen beutfepen ©horal in 
feiner erhabenen ©rofjartigteit einmal auf fich 
»irfen (offen »ill, »er ©inn unb ©ehör für 
herrliche Fugen hot, »ein baS ©bangelium auch 
im Jfnnftgefang eine frohe ©otfdjaft ift, »er 
etmaS mit hinaitSnehmen »iU aus bem Concert« 
faal, baS ihn in beS Bebens 9lrbcit hebt unb 
ftiirft unb beffert, ber höre ©ad)S gröfeteS ©ho» 
ralmert—bie ©affionSniufit. 

©efanntlich hot ber Weiftet, fich genau an 
ben ©eprifttert holtenb, in biefem Werte baS 
Seiben unb ©terben unfereS fterrn bargeftellt. 
®ie berfchiebenen in ber BeibenSgefchichte hon» 


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434 


3olju Jfetta) ab ©rtbiger. 


belnbeit ©erfonen bringen meiftenS in SHecito« 
tionen, feitener in Solo«©efäugeu— ihre int 
Sbangeliunt oerjeichneten Sieben not baS ©ubli« 
!um. 35aitüifrf)en hinein finb großartige grö« 
feere ober Heinere (Shore angebracht, bie oft üoit 
mächtiger SBirtung fiuö unb theilroeife jur 
£anb(ung ber 2 eiöeu 3 gef<hi<hte gehören, loie 
3. ©. ber ®hor bet 3fubeit — „ftreujige ihn" — 
theilmeife bie Smpfinbuitgeit nnb ©ebanten 
frommer fterjen ausbrücfeu, tnie — „Ofiaupt 
Doll ©lut tntb UBuitbeu." 

SS giebt fouiit bie ©afftonSmufif ben großen 
Sängerinnen teine ©elegenfeeit in ©raoourarien 
31t gtänjen, nnb D.tmen, mie bie Waterna, 
meid); für bie SBagiterifchen Cpern heraitgebil« 
bet ift, finb eigentlich in biefcr „©affion" nicht 

^ber\ür ben greunb figurirter ©höre unb 
ben Siebhaber majeftätifcher Gfeoralnmfif bot 
jener Stbenb be 3 Gincinnati WufiffcfteS bie 
reidjften ©euüjfe; benn nicht nur ift bie 60m» 
pofition an unb für fi<h einjig iit ihrer 9trt, fon« 
bern bie 21 u 3 führung mar auch eine meifter« 
hafte. 

Stodh lange mirb un 3 ber ,,©liß« unb Sonnet« 
Gbot" am ©eginn beS SßerfS unb ber Schluß« 
©bot beS erften SheitS in |>er3 unb ©ebächtnife 
leben; unb oft merben mir miinfchcn, rnieber 
einmal einen Gfeoral 31t hören mie „O fiat'pt 
tooß ©lut unb SBimbeit," „^erjtiebfter 2fefu, 
maS ha ft bu berbrothcit." 

Sitter ber hocfegebitbeten Wuftlfritifer unferer 
DageSblätter hat jmar gefagt — jeber Jtirchen« 
djor föitite fotche Gßoriile ternen unb ausführen. 
3a mof)l — aber rniel S 0 erlernt unb f 0 aus» 
geführt haben mir biefe Gljoräle bocfe noch nie 
Portragen hören, mie es bon jenen 800 gefchul» 
ten Stimmen gefchah. 



Äl 3 3. SöeSlep einjt bor einer reifen unb 
Jal' bornehmen ©erfammlung 31t prebigen 
^ hatte, nahm er bie üöorte 3um Seite: 
„ 3 hr Schlangen unb Ctterngejüchte, mer hat 
beim euch gemiefen, bafe ihr bem sufünftigen 
3orn entrinnen merbet?" 

9 ta<h ber ©rebigt fagte einer ber beleibigten 
3 uhörer 31t ihm: „Wein §err, folche ©rebigt 
mürbe pajfenb gemefen fein m ©illingSgate (ein 
berrufeneS Stabtbiertel Sonbons, Sb.), mar 
aber hier fefer ungebührlich." 

„SSare ich in ©illingSgate gemefen," antmor» 
tete SBeSlep, „fo hätte t<h ben Sejt gemählt: 


Siehe, bnSjft ©otteS Samm, melcheS ber 2 Belt 
Sünbe trägt." 

tfaunt biirfte irgenb ein SSorfaü im Sebeit 
biefeS ©rebigerS ber ©errchtigleit baS ©eheimniß 
feiner muuberbareu Wacht beutlicher geigen mie 
biefer. 

3 unt erften hatte er ein fdbatfes 9 Iuge, baS 
burch allen äußern Schein beS SReichtbumS, SRan« 
geS, StaitbeS unb Stores hinbureb in baS fters 
unb innere SÖefen feiner 3uhörer fchaute. 3»m 
3meiteit mar er gängltrh unb burdhauS frei bom 
geringfteu ©efiihle ber ©efchränfung ober ©er« 
legeuijeit, baS fo biele ©rebiger auf ber ftanjel 
beeinflußt, SOort unb Planieren bermafeen ein» 
3tirid)ten, bafe ber reiche unb boruehme 3«hörer 
hoch ja beit Giubrucf befomme, ber ©rebiger fei 
ein toohlgebilbeter Wann. 3 - SöeSlep ertannte 
fich als ©otfdjafter Gferifti unb feine Sorge mar 
nur, mie er feinem #errn uttb Weifter gefalle 
unb be|fen Auftrag getreu ausführe. 


jßet tfoniöb’qr in brr IHM. 


arl, 4>er3og 31t ©Jürttemberg, tarn in feinen 
jüngeren 3ahreit öfters 3ur SriiblingSaeit 
auf ber 9(uerhahnbol3 nach betn Schwan« 
toalb, namentlich auch »ach tjünfbronn, ftirch» 
fpiel SinnnerSfelb, unb refibirte bort im £aufe 
eines ©auern. Diefem betnieS er unter Wubcrnt 
auch babuvch feine ffreigebigteit, bafe er auf bie 
unabfichilieh ^inflcloorfciie ©emerlung beffelbett: 
„SÖenn Sure Durchlaucht in meinem ftaufe ein. 
3itlehren bie ©üte haben, fo muß ich auch ftatt 
beS bisherigen bloS irbenen CfettS mir einen 
eiferneit anfebaffen," bemfelben nach launt er« 
folgtet ©breife fogleich einen noch jeßt 311 giinf« 
brontt borhanbeiteit, eifernen Cfcn als ©efcheitf 
überfdjicfen liefe. 3 *» 4 ?aufe biefeS ©auern nun 
beinertte ber #er3og auf bem 2Banbbrett ein ihm 
als itatholiten befonberS intereffanteS ©u<h, bie 
©ibel, worauf er fogleich an ben ©auer bie 
fjfrage richtete: „Sieft Sr auch fleißig in feiner 
©ibel?" Ser ©auer ermiberte mit proteftan« 
tifdjem Sifer: „freilich, Suer Durchlaucht, aüe 
Sage ein Kapitel." hierauf nahm ber $>er3og 
beS Stngenblids mahr, ba ber ©auer ttebft ben 
übrigen #au8genofjen baS 3 i miner berlaffen 
hatte, unb legte fchnell 3mifchen 3mei, bon feinem 
guten ©ebäcßtnife genau bemerfte Seiten einen 
SouiSb’or in bie ©ibel. ©eim 91 bfcf)ieb fügte er 
bie Srinafeuung ^ittgu: - „ 92 mt lef’er mir fleißig 
itt feiner ©ibel; Sr mirb einen großen Schajj 
barin finbeit!" Der ©auer mieberholte fein : 
„freilich l Suer Durdhiaudht; alle Sage ein 



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3nmt«gr<bul>£rittiottni. 


435 


ftopitel!" — 9tad) einem 2fabr !am ber &erjofl ten ©eiten auf unb — ber SouiSb’or mar no<b 
wieber, unb itacbbeiit er ben neuen Cfen be« ba. 6t ftecfte ibn mieber in feine 2Befteittafcf»e 
Maut, erging gleich bie ^rage an ben $>au8. unb faßte nt bem SPauer : „SBarum bat 6r mid) 
befifeer : „9lun, bat 6t fleißig in feiner ©ibel angelegen ? tbätt’ 6r in feiner Sibel gelefen, fo 
gelefen ?" „greilicb! 6uer $?ur<blaud)t;' alle bätf er baS ©olbjlüd gefunben !" 

Sage!" „SReicb’ 6r mir b«b einmal bie Sibel 2flem : 68 ftectt mandjes ©olbjtüd in beiner 
herunter!" ®er £>erjog fcblug bie ibm betann« Sibel, urib bu baft mxb nie barnad) gefugt. 


Sonntagfibul Rektionen. 


Sonntag, 6. Stufluft. Start. 11, 12—23. 

Sei unfruchtbare geigenbaum. 

I. Sie 8er*«stfi}ititft M Rrigntlaintt*. (Ts. 12 
6i3 14.) Sn einem Sonntag, bem lebten oor bem 
SCobe S^cSii# batte bet triumpbiveube Gtiuug in?$c» 
rufalent ftattgefunben unb gmar gcßcn 9lbcnb. Die 
barauf fclgcnbe 9Jad>t brachte 3cfu3 in Sctbanicn 
jit im flveile ber befreunbeten Scunilic be3 SagaruS, 
ben er oon ben Dobten aufevmccft batte. 9lm SWen* 
ta$ SHor^en febrte er mieber nach 3crufalcm gurüd, 
bei melchcr ©elegenheit bie 93erjlud)unß bc3 un- 
frudftbaren ReißenbaumS ftattfanb. 

8.1 2 : 3 efu 8 mar ein SRenfdj ßlcidjmie mir, 
nur ohne ©iinbe. Dabermar crambbcn ©djmäd)cn 
unb Sebürfniffen unterer menfdrtidjcn Statur untere 
morfen; er bunkerte, bürftetc, marb innbe unb 
Mtldfriß, meinte, witterte unb gaate mie mir. Darum 
ffccbt er unS fo inniß nabe, Da& mir ibm rubiß 
alte untere ©orßen unb Xnließen anocrtraucn 
fonneii. 

8.13: Die Rrudft be3 ReigenbaumS entmidclt 

S ich eber al3 bie Slätter. Da c3 nun noch nid)t 
ue Reit ber Reißen mar, fo batte ber Saum 
auch feine SBldtter haben foücn» bie ia berRtcßet 
nach erft nad) bem 9(nfefecn oon Rrüdfteit feinten. 
Der 3abre3geit nadj alfo Durften gmar feine Reigen 
enoartet merben, mobl aber bem 93lätterrcichtbum 
nach. Der Saum batte ben ©<hein cincd über bie 
$Na§eu fruchtbaren ©amne^, unb barin mar er ein 
traurige^ Sibbilb 33racl3, baä ben ©dieiu über» 
mdiißer ©erccbtißfeit, aber nid)t bieRrüdfte ber©e* 
redftigfeit batte. 

8 . 14: DaSSßunber felbft bat, menn eSbloS 
äiifeerlid) attßcfebcn mirb, etmaS fflefreniblid)e3. 
Denn eä ift burrijauS nid)t ftar, mie ber ©err einen 
Reißenbaum meaen feiner Unfrudjtbarfeit oerflucben 
tonnte. Da3 Silb be3 GrlöferS mürbe burdj eine 
fo unpaffenbe Änrnenbuitß ber üEBunberfraft ßetrübt 
merben. 9 ?ur bann reibt fidj bicfcä SBunbct 
als reiner 3**0 in ba3 9)iU> be3 6r(öfer3 ein, menn 
mit e 3 al 5 ein finnbitb(id>e3 betrachten. Da 
bie Stunbe ber arobeu (Sutirifeibunß nabte, mar bie 
beitiße Sccte ^efu nur befdjdftißt mit ber ©ünbe 
be38olfö, bin bem erhabenen Momente, in mel- 


djeut bie ^offnuna berffidter fuh erfüllte, blinb unb 
taub ßcßcn bte Offenbarung feiner fcerrlidjfeit mar. 
Sr, ber ©obu be3 bimmlifebeu SBaterS, mar gefom« 
men, Rrüdjte äd)fer Su§e gu fud^n, bei bettfcn, Die 
baö Ofcfeb (93tdtter) baßen; aber er fanb fie nid>r. 
Die Rotßc biefer Unfrudjtbarfeit ift ba3 Strafe 
ßeridtt, mcldtcS in ber SSerborruttß be3 Reiaenbauinei 
abßcbilbct ift. DieS ift bie finnbilblidje 93ebeututiß 
be3 28unber3. Die Änmenbunß biefer SÜebeutunß 
auf bie Sbriftcnbeit nuferer jage ließt auf ber 
£anb. , 

II. Sie Mirittißttui M Seutyett. (93.15—18.) 
8.15 unb 16: ©d)on beim 9(nfanß feiner offcut- 
lid)cit Sbdtiafcit batte 3efu3 einmal beit lempel 
imit bett Käufern unb SJerfäuferit ßerciuißt (3ob. 2, 
12ff.); iefet am ©drtuffe berfelbcti uneberbeit er 
biefc ©anbluitß. 9(ud) fie mu6, mie bie SJerfludmnfl 
bc3 unfruchtbaren Reißenbaume3, al$ fpmbolifcbe 
^anbluitß, unb gmar alS ©pntbol ber aefantmten 
©irffamfeit beS ©errtt anßefeben merben. Die 
SRcinißituß be3 ©aufc§ ©otte3 im ßeiftißcn ©intte 
bc3 JSorbS bilbetc bie cißentlidje Slufßabe be§ 9Bir^ 
fen3 3efu, unb bicfe'nürb am Änfaitß unb ©dtltiS 
burd> bie Sentpelreiuißunß ftnnbilblim barßeftellt. 
Den ©dmuplafe ber ©anbluitß bilbete ber fogenannte 
93orbof Der ©eiben, ber in einem ßre§en ae^ 
pflaftcrtcn SRamn uor ben eißentlidten 93orbefen be^ 
ftttitb. ^tt biefem SHautne batten bie 93erfäufer oon 
Opfcrtbicrcn unb bie 2Bcd)S(er ihre 93uben auf» 
acjdtlaßeu unb oerfefeten fo ben 8ärm bc3 meltlicben 
2;rcibcn3 in bic fWäbe ber 99etenben. Da§ f^einbar 
©emalttbätißc in bem 93erfabrett 3cfu fonnte viel¬ 
leicht 5D?and)en ab3 eine Srübunß feiltet ßitabeiu 
reichen GbaraftcrS erfdteinen. 9lbcr gur beilißen 
Siebe aebert ebenfo ber Gruft mie bie SKilbe; 
mie biefe ben ©ebeußten fid) funbßiebt, fo jene ben 
Rredien. Daher fpridjt e3 ber ©err audb an anbe» 
ren ©teilen bcutlid) im SBorte au$, ba§ er ber fei, 
ber bie SBibcrmärtißen oerberben mevbe (oßl.Suf. 
19, 27; SDiattb. 24). Da& fWiemanb e3 maßte, 
bem ©errn entßeßengutreteu, unb e3 ibm gelang, 
menißften3 für bie Reit feiner Slnmcfcnbeit ben 
Sdrm gu verfdieueben, ba3 mufi einfach auf ben über» 
mältigenben Ginbrucf gurücfßcfübrt merben, ben bic 
USerfönlichfeit bc$ GrloferS felbft auf ba3 93olf 
madite. 9Bie 3efu3 fpdter bureb fein SBort unb ben 
beilißen Ginbrucf feiner ftillcn SKaicftdt bie©d>crgcn 


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436 


Soimtagfd|ttl>|ekiumem 


entwaffncte Qoh. 18, 6), fo oerfdieucbte er auch 
burdj feinen heiligen 3orn bie Unbeilinen auS bem 
Sereich beS öeiligthumS. Die geläufig geworbene 
3urüdfübrung bieferÖanblungSwcife 3cm aufbaS 
fogeuannte 3elotenrccht wirb oon oieleu Schrift* 
auSlegern alS unberechtigt aurüdgewiefeti. 

®. 17: 3 nr ßrtlärung feiner öaublungSwcife 
beruft fidj Der Öen auf awei ©teilen beS alten 
DeftamentS, auf :3c}. 56,7 unb herein. 7,11. DaS 
ÖauS (Sottet füllte ein S c t h a u S fein, burtf ben 
uufauberen Kramhanbel aber, welcher bem Scute* 
auStheileit bet fWäuber au oerglcidien ift, wirb cS aur 
3Ä e vb er n r u b e ober (nach bem ©riechifdjcn) „aur 
{Räuberhöhle" gematft. 3ft baSSort: SDceiit 
ÖauS füll ein SethauS beigen, fcboit 
wahr oom äugereit Semmel, fo gilt cS noch oiel mehr 
oon bem inneren beS öeracnS. CDicfc^ wirb burtf < 
bie ©iinbe aur {Räuberhöhle. Sine {Räuberhöhle 
!amt fo gäglitf nicht fein, alS eS ein $era ooll©eia, 
Sucher, {Reib, ©ag, Solluft u. f. w. in ©ottcS 
Äugen ift. GhriftuS ift gefommen, bag er bie Serie 
beS DeufelS aerftöre. SGBie er cinft ben Sempel au 
3etufalem oou ben Käufern unb Scrfäufeut vci= 
niflte, fo will er unfere Öeraen reinigen oon ber 
©ünbe. Äber er tbut eS nid>t gewaltfam unb wtbev 
unfereit Sillen, wie bort wiber ben Sillen ber 
3uben, fonbern nur bann, wenn wir ihn barum 
bitten unb und eruftlitf von nuferen ©finben rcini- 
en (affen wollen. DieSotteSfraft, burch weld)e er 
aun bie ©ünbe auS uitfcren föcraen oertreiht, ift 
ber bl. ©eift, ber allen beiten gegeben wirb, bie 
oon öcraeit an ^efum alS ihren öeilanb unb 6r* 
lofer glauben. 

®. 18: DaS cnerflifche Slitftreten ^fcfii fachte 
ben längft oorbaubenen {Reit» unb öag ber Schrift* 
gelehrten unb öohenpriefter aur bellen Flamme an. 
Sie fuchten, wie fie ihn umbrächten. 
Äber noch hielt fie bie ©cheu oor bem Solle, 
unter weldiem 3efuS einen groben Sluhaitg batte, 
oon offenen SRagreaeln aurücf. Die ©d)cu oor 
©ott ftfeinen fie bereits überwunben an haben. 
Um ihr eigenes Slnfeben bei bem Solle au wahren, 
oofern fie ben, oon weltfern fie wiffen, bag er „ein 
äReifter ift. oon ©ott gefanbt." 

III. 2>tt Kraft M ©lattbenl. (S. 19 — 23.) 
®. 19 unb 20: ÄIS 3efuS am folgenden ÜRorgcu 
wieberum mit feinen Jüngern oon Scthanicn, uw 
fie bie {Rächt augebratft, natf3erufalcm aurüdlchrte, 
war ber Feigenbaum, ben er DagS auoor ocrflutft 
hatte, oerborrct oon ber Suracl auS. Der 
Fluch Ghrifti hatte bem Saum nun and) ben äuge* 
ren Schein ber Frutftbarlcit genommen, nun trug 
er and) feine Slätter mehr, welche ben Vorüber* 
flehenbeit täufchen fimnten. Sic genau hat fich 
40 ^ahre foäter biefe fiunbilblichc (Drohung an bem 
iubiitfeu Solle erfüllt! Durd) bie 3erftörung 3e= 
rufalemS unb bie 3crftreuung beS SollcS unter bie 
Reiben oerlor eS feine politifdie ©clbftftänbiafeit, 
fein £>eiligthuin, feinen ©ultuS, futa bie äugcreit 
formen berStfeolratie, rneltfc gieitffam bie Slätter 
bilbeteu, bereu Sorhanbenfein auf bie Früditc beS 
©laubeuS unb ber Siebe ftflicfieit liegen. 31ber bie 
3.ubcn hatten biefe Früdite nidit gebracht; fie hatten 
oielmehr im Unglauben ben 3RcfftaS oerworfeit unb 
gefreuaiflt. (Darum fonute baS ©eritft nid)t auS* 
bleiben, ffiic witftia ift eS boeb, bag unfer reliflio* i 
feS fieben nicht nur Slätter, b. b. bie ätigere gorm 1 


| ber Srömmiafeit, eraeuge, fonbern auch fruchte, bie 
! fruchte beS ©eifteS, ©erechtigfeit, Siebe, griebe x. 

! aur Oteife bringe! 

®. 21 nnO 22: (Die jünger wuitberti fich übet 
baS fdiuelle SerOorren beS Feigenbaumes, unb Se* 
truS giebt aud) hier, wie fo oft, ber Stimmung oer 
3ünger 2(uSbtucf ($. 21). (Diefe (Gelegenheit be= 
nüfet bergen*, um feine jünger barauf aufmerffam 
au ntadaeu, bag bei ihnen alleS auf ben ©lauben 
anfoutme, burtf weltfeit auch fie äbnlitfc 3Suubet 
toirfen föuntcn. (Die SBunbcvtbatcn finb nur 
3leugerungen beS ©laubenS. (Dcr@laube an 
©ott fchliefit natürlitf ben ©lauben au bie Scr* 
fon beS ©rlbferS nid)t auS, oielmehr fam ©ott eben 
in ihm aur (Srfdieinung (3oh. 14,9) unb berQlaube 
an ßhriftum ift ber ©laube an ©ott in ihm. (Da= 

- her ift cS 3log. 3,16 ber ©laube an 3efum, ber ben 
Kranfen heilt. 

®. 23: 30?it bicfcit SBorteit will ber &err nicht 
fageit, bag feine jünger budiftäblid) Serge oevfefeen 
füllen. SauluS fpritft: Sbcnn id) ©lauben hätte, 
bag ich Serge oerfeben fönnte, unb hätte ber Siebe 
nid)t, fo wäre eS mir nichts nüfce. (Der öeilanb 
meint nur, wer ©lauben hat, ber oermag allcS; unb 
ba führt er einen Serg, ben er gerabe oor fich gc= 
habt, auut Sjemoel an. (Der©inn feiner Sorte 
ift alfo: Senn ihr ©lauben habt, fo werbet ihr bie 
©dnoicrigfeitcn in eurem Sege, unb wenn fie bie 
grögten Serge jlnb, halb hinwegraumen. (DaS 
S c g g c b i c t c it beS SergcS fefet oorauS, bag man 
fid) nitft über benfelben hin wegfeben fauii, 
beim bicS ift noch ein näherer Seg. (Dem ©lauben 
aber wirb cS ftctS gelingen, baS .ftinbernig, weltfeS 
fich ihm in ben Seg ftcllt, auf bie eine ober auf bie 
anbete Seife au übcrwiuben. (Den ©egenfab suin 
©lauben bilbet ber 3weifcl. Sie ber ©laube 
wefentlid) Scrtraucn ju ©ott ift, fo iftber3wcU 
fei SNigtrauen gegen ihn. ‘Daher fagt autf 3a* 
fobuS: „Sgr ba awcifclt,. ber ift gleitf wie bie 
S?eereSwoge. bie oorn Sinbe getrieben unb geioebet 
wirb, ©olcher 90?cnfd) benfe uitft, bag er etwas 
oon bem öerrn empfangen werbe" (Kap. l, 6. 7). 

$i$pofitioit. Der Feigenbaum. 1) ©in 
Silb ber Kirche, wie fie fein füll, ©in gefunber 
Feigenbaum febt eher Feigen an alS Slälter. ©o 
geht ber ©laube unb feine Frütftc ben äugerücben 
Formen beS ©otteSbienfteS ooran. 2) ©in Silb 
einer erftorbenen ©eineinbe ift ber Feigenbaum, 
wenn er blätterreid) aber früchteloS ift. 3) Die Ser* 
uuuijtfung beS Feigenbaums ein warnenbeS Silb 
ber Serwerfung einer erftorbenen ©emeinbe (baS 
bürre £wla taugt au niditS mehr alS aunt Serbren* 
neu). 4) ©ine ernftc Mahnung aur ©elbftprüfung 
für ieben einaelnen ßhriften. 


©onntag, 13. »uguft. 2»arf. 11,24—33. 

®cbct unb Vergebung. 

I. ®rr rtditt ürbtt^rifl. (33.22 unb 23). ®. 24: 
Son ber ©tfilberung ber 9Had)t beS ©laubenS 
(S. 22 unb 23), geht berfiwrr nun über au einer 
Selehrung über ben retf ten ©eift beS 65ebetS. 3u* 
nächft giebt er feinen 3üngern bie Serheigung: 


by L 3 OC 4e 


Sonntagfcfeukfektionftt. 


437 


„AlleS, maS ihr bitten merbet" u. f. m. 
©ie Grhoruitn beS ©ebeteS mirb auch hier v o m 
© laufe eit afefeänatß flcntadrt. ©iefer ©laufee 
umfafet ein 3 >veifad)e 6 : 1 ) ba >8 fiitblide Vertrauen 
m ©ott, tmjerem biminlifcfeeii Sater, ba& er unfere 
Sitte aemähren tonne unb 2 ) bafe er fie um unfereS 
£>eilanbeS millcn# ben mit liefe haben, aemähren 
mode. 28er an ©otteS SMadjt unb Siebe gmcifelt, 
hat feinen ©laufeen, ©er ©laufee fefet übriaenS 
ftctScine befoubere©emüthSftimmuua voraus. 28er 
fid um ©ott iticfet flimmert unb von ifent nichts 
muffen null, fann ihm aitdj niefet vertrauen, nidt an 
ihn alaufeen. ©ie Staft beS aläuhiaen ©ebeteS fee* 
iveifen gahlreiche Scifviele ber heiliaen Sdrift. 
©urch’S Gkfeet liefe GliaS auf bem Sfarntcl ftencr 
vom Öimmel fallen, burd’S ©efeet crflcfite er ben 
erauirfeuben 9?caen nad langer ©ürrc, burch’S ©c* 
feet rief er beit Sohn ber 2Bittme m iJarfcatb auS 
betti ©obe 3 iirürf; burd’S ©efeet fauben nafellofe 
ffraitfc unb Sebränate föftlfe unb Dtettuna bei bem 
föerrn in ben ©aaen feincS ftleifdjcS; burd’S ©efeet 
ermerfte 23etruS bie ©afeea unb SßauluS ben Guh)djuS 
von ben ©obten. 

8. 25 : 3ur reefeteti ©cfeetSftimmuna gehört afeet 
auefe bie uevaefeenbe Siebe. 3 nt mähren ©laufeen 
unb erfeörliffe feetett, tonnen mir nur bann, menn mir 
millift fiitb, nuferen 9 Mitmenfdjcn 3« veraefeen. 
SS e u n ihr ft efeet tt it b fee te t, f o vetge feet x. 
©aS Stehen ift burchauS feine uin>affeitbe Stcl* 
hing fecint ©ebet; eS mar bie feei beit 3 uben gc* 
nmhnliche. ©ie erften Ghriftcn bagegen feeteten 
meift fnieenb, nur am Sonntag, betalS {freu ben* 
tag gefeiert mürbe, feeteten fie felfeft im öffentlichen 
©otteSbienfte ftefeenb. 93 eroefeet! Ghe mir im 
©ebet 3ti ©ott naben, muffen mir unS crnftlicft ferü* 
feit, ob mir ttttfereit 9 ?acf>ften gegenüber 3ttr 2>er= 
«efemta bereit fiitb; beitn mie tonnen mir Vergebung 
unb ©nabe von ©ott ermarten, menn mir felfeft 
nicht vergehen moflen! „Sergiefe imS unfere Schul* 
ben, mie (b. h. in bent2)?afec unb in ber 2Beife, mie) 
mir iiitfcYit ©dmlbigern vergeben," feeten mir int 
Saterunfer, ttttb ber föerr felfeft ermähnt feine Sün¬ 
der gur AitSgleidnmg ieber Gut&meiung mtt bem 
Sruber, ehe fie ficC> bem ©aufe uitb Elitäre ©otteS 
nahen ( 9 )fattfe. 5,23. 24). 

8.26: ©Um nuferer Vergebung macht ber 
ben hier feeftiinmt bie Vergebung ©otteS abhängig. 
Smarten mir voit ©ott, bafe er unS unfere ftahdofen 
©ünbeit uub llefeertretungen vergebe, fo bürfett tvir 
nidt aogern, nuferen Stübern bie tveniaen fehler 
311 versehen, bnreh tt>c(cf>e fie unS bcleibigt hafeeit 
mögen. 28 er felfeft nicht vergeben milf, acht auch 
ber göttücfHMi Scrgefeung vcrluftig. ©ieS scigt unS 
ber ben iit hoefeft anfdwulid)et2Beifeanbem©lcicb* 
nife von bem her.tlofen SdalfSfnedt, SDfatth. 18, 
23—35. — freilich ift eS nicht möglich, mit allen 
Wcitfcheti itt Triebe uitb Gintracht 3U lohen ; beim 
bie grommeit finb ben ©ottlofen ftet 3 ein ©orn im 
21uge; aber bie 3i*nia.cr 3efu follcu ben bafe ber 
©dt nicht ermibern, fonbern vielmehr ihre geinbe 
lieben unb fftr fie feeten, nach bem 25 orfeilb, mclcbeä 
ihnen ihr bevr unb 2Beifter felfeft aeaefeen hat. 

II* Sie meffiaisifdK 8otfnmiht fJHfH. (2J. 27 
feie33). 8.27: Sie famen mteberunt nach 
3eritfa(cm. ©er Aufenthalt 3efu in ben lebten 
Jaaen vor feinem Seibeit theilte fict> 3 mtfd)en 2Je* i 
th a n t e n # mo er im Äreife ber ©einigen bie au$* I 


aeftreuten Äeime be3 höheren 8efeen3 jur 31cife 31 t 
bringen bemüht mar, nnb utoifchen bem ©emvel. 
bier, im baufe be3 9Sater3, al3 bem eiaentlicfecn 
Orte ber 28irffamfeit be3 Sohne3 ( 8 uf. 2,49), man* 
beite er umher unb fvenbete Seaen. Aber ben 
Ofecrftcn Solfe3 awnüfeer, tvcldie bem ©eift ber 
28ahvheit, ber au3 ihm rebete, toiberftrefeteii, aeftab 
tele lieh feine ©batigfeit 311 m ©eviefet. 

8.28: Um ben Äonia ber 28ahrheit 311 verber^ 
ben traten einige von ber herrfefeenbeti Partei ber 
Sriefter an ihn heran mit ber gfra'ae: 3 u me Id)er 
ad) t m thuft bu ba§? 9iach öSDtof. 13, l ff.; 
18, 20 ff. flanket jebem ^^aeliten, bcfonberS aber 
ber töraelitifchen Öferiafeit, bem hohen SRathc, 311 , 
einen auftretenben $ro|)heten nach bem 2 Sovtc @ot* 
te 8 31 t prüfen, ©ie Svaae ber Sdtriftaelchrtcn unb 
Sttefter mar alfo burchauS feevedttigt. Aad) beit 
oben anaeführten Stellen mären 3 U'et Jyalle möfl* 
lid), in meidicit man ben Srepheten nid)t 311 aehor= 
fanten hatte, uitb biefe einer fdimcreit Strafe ver* 
fielen. Gittmebcr ttämlid) ber Srophet führte felfeft 
feine25o(lutad)t auf einen anbeven ©ott ( 3 . 2 ?. Saal) 
al$ ben mahrcit 3 urüd, ober er berief fiel) 3 mar auf 
3 ehovah, verniodite fid) aber nid)t buvd) 28uubev 
.ttttb 2 Beiffafluna 3 U ieoitimiren. GS aafe alio für 
bie Srüfuna beS fßrophetett fein anbcreS SDiittel, 
a(S ihn über feine Segitimation 311 fragen. So 
fdnefte ber hohe SRath einft 31 t 3ohaitneS bem ©an* 
fer (3oh.l,19) uttb 3ohaitneS evflärtc ihnen, er 
fei ber Vorläufer beS ufteffiaS, 311 melcliem er felfeft 
baS 25olf hinmieS (vgl. auch SMatth. ll, 1 ff.). So 
untabelhaft aber bie {form ber ffraae mar, fo 
unlauter tvar bic © ef i n tt 11 u g, auS ber fie hervor* 
ging, ©ic fßharifäev fragten aar niefet auS Sebürf* 
ttife unb imtever Unaemifehcit über ben Seruf Ghrifti 
für ffch unb baS 93olf, fonbern auS SoSbeit. Sie 
hatten bie Ävaft ber SBahrhcit, bie von ihm auS* 
ging, an ihren feilen verfvürt; fie hatten 23unber 
aenua von ihm nefehen uitb famiteit feilte 8 caiti* 
mation nach 3oh. 3,2; beffen unaeaditet ftellen fie 
fid) alS unaemife uitb fud)en 3 efutn tu Serleaenhcit 
311 bringen. 2BaS tonnte aber bie ^raae 3du fcha* 
ben ? Jpättc er aeantmortet: „ 3 n ber SWacbt ®ot* 
teS," fo hätte freilief) eine folcfee Grflärmta ihm niefet 
beim Solle, baS ihm geneigt loar, fchabcit unb eben 
fo meitio hätten bie Sriefter barauS etmaS afeleiten 
tonnen, um ihn 31 t verurtbeilen. ©ie 2 >harifäer 
aber ermarteten mahrfdieinlicfe eine Antioort# in mel* 
dter fid) 3cfuS (ähnlich mie 3oh. 8,17) für ben 
Sohn ©otteS erflärte. ©icS fectradteten bie 
bautaligen 3vbeit, mclche baS 9Bort ©otteS im A.S. 
niefet verftanbeit, alS © 0 1tc^ 1 äfteru 11 g (Scatth. 26, 
63—66). Um biefer fecud)Icvifefeeti ©emüthvftdlutta 
tvillcit vermeiaerte bex Grlofer mit 9Jcd)t bie Scant* 
mortuita ber unb ridtete ftatt bevfelfeeit felfeft 
eine Sraae an feine ©cgner, meldtc biefe 311 m Se* 
mufetfein ihrer Sünbe bringen unb baS Soll auf 
bie Unlauterfett feiner Ceiter führen rnufete. 

8. 29 unb 30: ©er ©erv befragt fie nätnlicfe 
über bic 2Bürbe beS 3ohanucS. ©iefeit ©otteS* 
aefattbtcit hatten fie felfeft über feilte Autorität fee* 
fragen laffett, unb er batte ihnen aeantmortet unb 
ihnen alS 3eid)eit 3 ur Srüfmtfl fciiteS gottlicbeu . 
AuftraaS bie Aitmefeitbeit beS 50?c(fiaS ttit* 
ter ihnen aenanut (3ob. 1» 26). Statt fid mut 
biefer Legitimation sufolgc von 3obanneS taufen 311 
fid) bem 9MeffiaS attsufdliefeeit, üfeerliefecn biefe 


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438 




falfcben ©ixten bcn 3ofictnncS feinem ©cbitffal inib 
liegen bab ©olf, bab fie über beit erfdnenenett 2Kef* 
fiaö batten belebten foUem im UnJlarctt. ©icje 
ihre beucblcrifcbe Unfauterfeit beeft bet $err auf. 
SJnbtvcft laß übrißcnb auch in biefet ©cßctifraße 
eine 81ntmort auf bieStaße ber ©djriftßclchrten; 
benn biefe nni&ten ja rcdjt n>oh! f luelcbeb BcußiitB 
bet Saufet uon 3cfu abßcicßt batte. 

8. 31—33: ©te ©cantiuortuiiß bet Fräße 3cfu 
nach bcr©öllmad)t bcb3obanneb mar für bie ©bei* 
rijäet äugerft fduoicriß. ©ie modjtcn antworten, 
uue fie molltcn, ihre Falfdjbcit Jam gtt Säße, ©ie 
ftbeileßten unter etitanber. 3bre aebeime 
ffleratbuitß iuirb faft wörtlich non ben bvei (Suaitße* 
liften anßefubrt unb utaß biefen burcf) SBifobemub 
cber3*>febb uonSlvimathia mitßctbeilt worben fein. 
92ut mab Re f aaen f öit nten unb wab et (3cfit§) 
unb bab 93olf bann faßen würben, bebenfen bie 
bemblertfcben ©harifder, nicht mab tcd)t unb wahr 
ift uor@ott. ©ie Antwort, tue!d)e Reeitbttdjßabcn: 
„53it mitten eb nicht," war eine Süße, betin nadj 
bet officiellcn ©enbtutß bet ©cputation wufjtcn fie 
recht ßut, tuet bet Saufet toar. SKit biefet lüßne* 
rtfehen 6v!läruiiß haben Re bie ©crcdjtißiniß net* 
loren, 3efmn nach feinet Seßitimation au fraßen: 
habet feine Antwort: *©o faße ich eudj auch 
n i dht" tt. f. tu. 

SityofttitK. 2Bit foffen täßfid) um ©erßebtuiß 
unferet ©finben bitten; baut tuet nidjt bittet» 
cmpfdiißt nicht. Slbcr bie 33 etf oh tt lieh fei t ift 
bie ©cbtnßitnß, untet benuit ©erßcbuttß 
etlaitßen. 

I. ©emeib. 1) ©et©crr felbft oetRchert, ba§ 
unb nur bann tuerbe uevßeben werben, tuenn tuit 
felbft oerßebeit. 2) ©ab foU aber nicht heißen, baß 
tuit etiua nur mit bem SKtutbe, gum Schein, bie 
©erföbnlidjfett begeußen, benn mir bejeiißen Re uot 
©ott, ber in bie ©er^eit fiebt. 3) ©arum foff bet 
ffietenbe nicht nur gur ©crföbnltdtfeit bereit fein, 
fottbent aud> für bie beten, bie ihm ein 8cib aiiße* 
tbait (©. 25 unb 26). 

II. Äntuenbuiiß. 1) 3tn SRenfdien iR eine 
natürliche 9?eißiuiß, an bem Shitn Sfnbcrct bie 
fdilimmften ©eiten beraubgufttd)en. 2) ©et ®c* 
baute allein, ba§ tuenn ©ott fo auch an uitb bans 
beln tuollte, tuit uerlorcu ßebett müfiten, madjt ftarf 
gum Uebcrwinben beb 3^>vnS. 3) Uttfere fficrföbn* 
liebfett ift tuobl ©orbcbinßitnq ginn (Smbfauß bet 
©crßcbunß, aber nicht ein ©evbtcitft, um bcRat wil* 
len unb uerßeben tufirbe. ©ie ©eredjtißfcit wirb 
nttb ja nur an3 ©nabe au Shell. 


©onntaß, 20. SfitßitR. STOarJ. 12,1—12. 

3>ie bofen Söcingärtnct. 

I. ler Seinberß. (53. l). Sfti bie ftbfertißtuiß 
ber ftommifRon beb ©nncbrittmb fnünfte 3cfu3 
(nach SWattb. 21 unb 8uf. 10) brei ©leidmitte an, 
uon betten SMarfub nur bab mittler^ mittbeilt, bab 
©leidmife, melcbeb bie £dm>tcr beb jübifeben ©olfeb 
im ^ufammenbana mit ben ©rovhetenoerfolaern 
alb Ste $?örber beb SDMRab erfdteinen Idftt. ©tefeb 
©leicbnib enthält aunädtft eine bübliche CDarfteöunfl 


bet ®cfd)idjtc 3ötacl§. Gb offenbart bcn ßanaen 
•SMeubtbunt göttlicher 8iebe ßeßen bab ertudblte ffioU, 
fchilbert eine Jaum au ermübenbe ©ebulb unb 8aitß* 
ututb, mit bet bie unbanfbaten ©ünber ßetraßen 
tuerben, entmidclt gußleicb bie au einet furtbtbaten 
©che fteißcitbe ©obbeit beb aottlofen £ct$enS unb 
fchließt enblid) mit bet ,3)robunß tinaubblcibfidiet 
fd)redlid)ct, aber acvcdjtet ©ttafßeridjte. 3n tucitc« 
tet ©caicbuiiß foridit bab ©lcid)itt6 allßemeine 
SSabrbeiten aub, tuclcbe Reh nueb in ber diriftlidjcn 
£ircbe, an ben ©cbidfalcu ßanget SSolfet unb ©ins 
gelnct ftctb aufb 92eue abfpicßeln. 

8.1: Sitt SWenfd), b. t. ©ott, bffetnate 
einen SSeinbetß. ®ct SBcinbeta ift a«uad&ft 
bie iübifdje Ätirche f ein fdjon bet ben ©redeten, bcs 
fonberb bei 3cfatab (ual. 5, 1 — 6) ßetuöbnltdicb 
©ilb, bann überbauet bab SRetch ©otteb. S)ie 
folßenbcit ©Über tuevben febr terfd)tcbcu ßebeutet. 
ft lat ift, bafi bet #crr anfd)aitfi^ madjeu tuilf, toie 
©ott alleb S)2bßfid)e ßetban bonti unt ben SÖciits 
berß (b. b. bie iübijehe fiirdje) frudjtbrinßeiib unb 
feaenbreieb in utadicn. SSilf man bie cinjeltten 
3iiße beuten, fo bejicbt man ben 3 cum am beften 
auf bab 3^tael uon bcn Reiben ttennenbe ©efefe, 
ben Sbutm auf bie hürßcrliche Dronuiiß, bie 
©eaufRd)tißunß unb Seituna beb SSolfb bureb bie 
©äuutet ber Sbcofratie unb bie fteltet, burd) 
tuclcbe bet Staubcnfaft aubße^reSt unb fo bie Srudbt 
beb Söeiitbctßb ßetujonnen mirb, auf ben öffentlichen 
©ottebbienft unb bie ©nabenmittef bet iübifeben 
ftirdje. ©te SGBeinßdrtnet Rnb bie Schrift* 
ßcfebrten unb Oberften beb ©offeb, im weiteren 
©inne fiberbauut bie Selter unb ©orfteba bet 
ftiTdje. ®iefe SBciitßdrtner bleiben Rctb ©ott uer* 
antmortfid). 6r goß über 8aitb, b. b. ent* 
meber: ©ott offenbarte fich uadb ber erRen ©ffait* 
Aititß beb JBeinbcrßb, und) S^vaelb SRettunajuib 
©ßuutcn nicht mehr auf fo auacnfdietulidje ffieife 
(5 9J2of. 34,10—12), ober eb beaeichuet ben Sinn 
ber SBeutßdrtner, tucldie meinen, ©ott habe auf 
ihre ffienoaltunß nicht Sicht. 

II. Sie Beittßarhtrr. (©.2—8.) 8. 2: ®a 
bie 3«tt Jam. 6b ift bie 3eit ber Sritcbte ße* 
meint (9Katth. 21,34). Saitße bat ©ott ©ebulb 
mit feinem ©olfe ßebcibt unb auf Srüdrte, bie 
g-vüdjte mabrer Stömmipfett, ßeiuartet, unb eb bat* 
ten bie Oberften unb Sciter beb ©olJcb feinen aubs 
reidjetibcn ©runb, ihre treufofe Jlmtbucnualtunß, 
in ber Re mehr ihre eißene alb ©otteb Sb*e fuchtelt, 
au eittfcbulbißeit. 

8.3 — 5: ©ienuebcrboltett ©enbunßeit ber 
ffnechte, bey ©ropbeten, unb bie immer erneuet* 
ten ©cffentnßbncrfudjc ©otteb beacidjiten tbeilb feilte 
©ebulb, 8anßmittb unb ©axmbcraißfeit# tbeilb fd)il= 
bern Re ben Seichtfuin, bie ©ottuerßcffenbeit unb 
©obbeit bet führet beb ffiolfb, meld)e in ben ©to* 
nbeten mtt SDcdnnet faben, burd) bie Re im ©enug 
ihrer Siechte uitb Freiheiten ßeftört, ihreb Stnfehcnb 
beim ©elf beraubt unb in ber ©efricbißuita ihrer 
bofen ©eßtetben ßebinbert luetbeit. ©ie fmlecbte 
Slufnabme unb ßratifame fflchanbluttß# melcbe bie. 
ftnedjte erfuhren, ift ßcfd)id)tlid) bcßrüttcet (3crem. 
10,1—2; 37; 38; 1 ftbn. 18,13; 22,24; 2 ftotl. 
6,31; 6au. 22). 3*fui6 marb mit einet ©dße get* 
fchnitten, 3^cmtab ßefteinißt, 2(mob mit einet Reute 
erfd)laßen. Siicht helfet ift eb fpaterbin Sohcmneb 
bem Saufet ctßatißcn nub ben 8ft>ofteln 3cfit, bie 


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ScnntagfdjttlxffhtioBet!. 


439 


nach bet tieberltcferunp alle, aufier 3ohanneS, ben SBürbiperen, »etlichen gu werben. 5Wad) guf. 20, 
SRärtprertobftarben. 9(ttd) in unteren Saßen ptebt 16jprccheu iefetbieSuhörer: ©aS fei ferne! 
eS Stele, weld>Cf firniß penommen, biefelbc ©autlb Sie ahnen ben Sinn beS ®leidmiffeS unb wollen 
auf fiel) laben, wie cinft bic Gliben. ©enn waS ben nun ben ©ebaitfcn auSbrütfen: ©abin wirb eS 
9Jropbetcnmorb fo überaus jcbulboofl macht, ift eben nimmermehr foumten, bafe eS unS fo pehen fotfie! 
baS, baft mit bent 3cupcit bev 9ßahrheit audj bic Hierauf folgt bann gur SBeftätipunp ber anpefün* 
SBahrheit fclbft ocrworfcit unb ertöbtet wirb. Unb bigten ©träfe baS Gitat auS bem alten Seftament. 
wie Siele oerwerfen in nuferen Saaen bie 23abrbcit 8. 10: ©er Herr fieht in ber Sfnlmftelle (118, 
uitb thun, waS nur in ihren .fträftcu fteht, um bic 22. 23) eine 9ßeiffapunp auf baS Verhalten ber 
Stimme bcffelben im eißenen bergen unb in ben Oberhäupter beS iübifdjen 25olfeS ßcßcn ben SD?ef* 
Hcrgcu 9lnberer gu erftiden! / Srctcn fie bamit nid)t fiaS. 3efuS ift ber feftc unb fräftipe Gcfftcin beS 
in bie jftufjtapfcn ber SBropheteitmörbcr? neuen ©ebäubeS ber dmftlicben Shrdje, in weldjer 

8. o: ©a hatte er nod) einen eiitipcn bic bisher getrennten SSölfer, gilben unb ©eiben, gu 
Sohn Qoh. 3,16), ber war ihm lieb; beibe einem neuen berrluhen ©angen oerbunbeit worben 
Süße feilen bie alles überfteipenbe Siebe ©otteS gu fiitb (Gph. 2,13. 20). ©icfcv Gdfieiit ift een ben 
benSünbern, unb wie er nichts gur Grreidnmp fei* ^Bauleuten, ben Hohenprieftern, ©d)riftpelehrten 
ner ©nabenabfichtcn unoerfudit labt, oorftelleit. unb Slelteften (aIS ber wahre SMeffiaS uic(;t alter* 
®en fanbte er gum Sebten. ©ie ©ettbunp fanntunb) oetworfeit worben. 

Ghritti war ber lefetc ffierfuch ber pottlidien 93arm* 8.11: ®a§ biefer alS uitbraudjbar oerworfene 
hergipfeit mit bem SBunbeSoolfe alS f old) cm. Stein trobbem gum © cf ft c i n geworben ift, 
©ie werben fich oor meinem ©ohne baS ift oon bein Herrn pefdjehen, nicht 
(ebenen. ©er Herr rebet hier oon ®ott, wie oou nach tncnfdjlichem SBillen unb buvd) mcnfdtlid)e 93c* 
einem SBcnfdien; beim ber SUlwiffenbe fonnte fid) mühunp (8f. 2, 9—ll). 23 uitberbarl ich oor 
ja über ben Grfolp ber ©enbunp fctncS ©ohncS fei* unferen 9lupeit ift bie (Srhohmtp Ghrifti, bie 
nen falfcben Hoffnunpen hiupebcn. ©er SluSfprud) ©ammlunß einer tteuen ®emeinbe unb bie 9luS* 
brüdt bie billtße Grwartunp auS, bafi fo probe ©ulb breitunp berfelben burch baS 2Bort oont STreug unb 


1 Hl I T\T4 ■ aBjaT^coiU £1 HI 1 -Hil ß13111 J 


ticSäitberunp unb Unterwerfung bewepen werbe, 23ir finben hier bic ©efehiebte SfSraelS, ber 
eine Grwartnnp, weld)e fidj freilid) nid>t erfüllte. üDfenfdjbeit unb iebeS eingelueu 3)?enfd)en. 2)?an* 
9Sit biefem SerS wenbet fich baS ©leichuib, wcldjeS eben auten ffeim hat ©ott in bein Herg peleßt, 
ftebuorber mehr auf bie 93erpanpcnheit begopen hat, manche Sfrfifte pah er bir, bie bu gum ©uten brauchen 
betSufunft gu unb pewinnt prophctifchc 23cbeutuuß. follteft unb brauchen fannft. 23ie oft bewahrte bid) 
8.7: 211S ®ottcS©ohn ift GhriftuS Derßvbe ©ott oor Sofern unb ntadfie einen Saun um bein 
beS bimmKfcben SJeicheS. ©icfeS fann ihm freilid) ©erg! 9llleS baS, bamit bu ftrüd)te brächteft gu fei« 
nie peraubt werben; aber bie unlauteren unb in itcr 3cit. Unb wenn bie Seit tarn, wie manche 
ihrer Unlauterfeit crblinbeten Sciter beS jübijdien i?ncd)tc fanbte er bir nid)t! ©er Sreuitb, ber Sre^ 
S3olfeS plaubten, bie mojaifche Sheofratic, wcld)c biperr bic Sibcl, baS ©ewiffen — waS finb’S anberS 
beut Himmelreiche oorarociten follte, ftabil unb alS tfnedite ©otteS, bie bich baran erinnern feilten, 
bauernb mad)cn gu fonnen, unb beShaib tobteten fie waS bu ihm fchulbip bift! 9(ber wie oft wiberfefeefi 
ben Heilanb, befieu ©eift ihrer 9lcu6evlicbfcit ent- bu bid) bicfcit ©efanbteu ©ottcS! SEBahrlich ©otteS 
pepeit war. ©fite ift nid)t ©d)wäd)e. ©ie ©träfe beiner 35er= 

8.8: ©ie SBorte: ^fic warfen ihn oor ftodtheit wirb nicht auShleiben, wenn bnbich nid)t 
beu 23 e i it b e r p hinaus," erinnern baran, baß befferft; aber nod) ift eS 3eit, bie ßnedjte ©otteS gu 
aud) 3efuS brau §en, oor bem Shore JlcnifalemS, hören, nod) fannft bu bid) belehren. 5 e früher 
pelitten hat unb peftorben ift. ©ie jgbee, welche fid) ber äBenfch bcfchrt, befto beffer für ihn; aber 
bem HtitauSführen auS bem Shore (bem beffer fpät, alSparnuhf. 

Saper) gu ©vmtb liept, ift feine aiiberc, alS bie 9(uS= 8.12: ©en 8harifacru war bie brohenbe ©traf* 

fdjlicüuuß auS bem SSolfe ©otteS. GhriftuS würbe rebe nun oollfommen flar unb perftqnblid) pewor* 
oon feinem eißenen SSolfe oenoorfen unb oerftofjen; ben-; ba fie aber in wahre ©intteSänberunp nicht 
unb wie oiele fopenaunte Shriftcn thun heute nod) cinpeben wollten, erregte biefelbe ihren bitterften 
baficlbe! 3orn. 3(nbe6 fo lanpe baS 2$olf nod) an 3efu hinp 

III. ®er ^err bei föeinberpS. (93.9—12.) 8. 9: unb einen Propheten in ihm Tah/ burften fie fid) 
9tad) äBattbäuS. fraßt ber Herr feine ©epnev, feine ©cwalt erlauben.^ ©aber oerliehen fie ihn 
bamit bie Slntwort auS ihrem SKunbc ein Scupnifi unb piitpcn baoon, befchämt unb erbittert. 

Wirer fie werbe. Unb bic ©epner, weMjc in ihrer 2i#)iofitiott: ©aS ocrbammlidje 23erhal* 
Slinbheit nod) nicht erfennen, worauf baS@leid)= tcn bev böfcit SBcinpärtner. 
niühingiclt, fprcdjen fid) fclbft baS Urtheil. ©aS 1. ©ie Duelle biefeS SerhaltenS: 
Jontmen beS Herrn ift bic Snfunft Ghrifti gum 93erb(enbunp über bic äu6ere9lbwefenheitbeSHerrn f 
9Beltpcrid)t; beim ber Herr beS SBciitbcrpS, ber oer* über feine ßanpmuth unb ©üte; ferner ©elbftfud)t, 
borpene 9Satex> offenbart fid) nur in bem ©ohne, ßipeunufe, böfc ©citoffcnfchaft. 

So geipt er fid) and) am ©nbe beriapc in beirt oer* 2. ®te Slcufjerunp biefeS 93erbaltcnS: 
Härten grlofer. ©aS ©trafurtheil ift ein gwei* Sorenthaltunp ber Srüdfia, 9D2iüad)tunp ber 2Joten, 
fadieS: „6r wirb bic 23ctupärtncr um* Abfall oom Herrn, ßrmorbunp beS ©rbeit. 
brinpen" unb »feinen föeinberp anberen 3. ©er SttuSpanp biefeS Verhaltens: 
peben" (nämlid) ben Hcibcn). ©en 93cräd)tcrn Sntfebunp auS bem 93cruf, 93erluft beS SBeinberpS, 
ber pöttlidhen üBohlthaten unb beiten, bie fie iniß- fdjvcdlid)er Untcrßanp. 
braudjen, werben biefetben entgopen, um Slnberctt, ■ 


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440 


Sonntagfdiut-fehttonln. 


©oiintao, 27. Sliifliift. 3)?arf. 12,13—27. 

2)ct $err bringt bie ^^arifäer unb 
©abbujäcr jnnt ©^Wtigcn. 

I* Angriff nnl ftielerlaae Irr f irifärr nub 
fierobitturr. (33.13—17). ©a$ in unterer Ccftion 
berichtete ©cfprädj fällt auf ben ©ienftag bet CcU 
beuSworijc. 92achbem bie Abgcianbtcn be3 hülfen 
9lath3 mit bein Serfud), ba$ Anfehen 3cfu burd) 
©eltenbmaebung ihrer Autorität vor bem Seife su 
erbrütfen, 511 ©chanben geworben waren, faßte bie 
p h a r i f ä i i d) e gartet, welche ba3 ©pnebrium 
feet>evvfd)tc r ben förmlichen Sefdjluh, Ghriftum buvch 
9 lbgefanbte vermittelft vcrfanglidjer fragen 311 fan- 
gen. SemerfenSwerth ift hierbei, bah )ie fiel) mit 
ben Eerobiaucrn verbanben. ©iefe, bie 9ln* 
bänger ber Eerobianiidjen Familie unb befonberS. 
be3 EerobeS AntipaS, waren einer gani 
anbereu politifdicn ©cfinnung nugetban ah3 bie 
Sharifäer. ©ährenb bie lefeteren ihrer flauen 
©enfweife nach ben Römern entgegen fein unb eine’ 
felbftftänbigc iübifdie üDladjt wünfehen muhten, um 
ihren Ginfliih um fo aewiffer geltenb luadjen 311 fen- 
neu, hatte bie Syainilie EerobeS eben in ber ftort= 
bauet ber römifchcu Eerrfcbaft ein 3 ntereffe, inbem 
fie burch biefe im Sefife ihrer 9Wad)t ßcfdiüfet würbe. 
Aber wie fpäter EerobeS 1111 b Silatirä greunbe wur* 
ben, al3 e3 aalt, ben Eiligen ®otte3 311 verberben, 
fo hier bie Sharifäer unb Eerobianer. ®ic Abge* 
ovbneten beider Parteien follten bic 3 eugcn abgebeu, 
Return 31 t ftürsen, u>ic er auch antworten utöfle. 
Gine Grrlävung a c a e n bie Körner hätte ihm jwar 
bieSRciguug be3 SolfcS noch mehr aewonneu, allein 
bie Eerobianer würben Einlaß gehabt haben, ihn 
vor ber heitmifebeu Obrigfeit au verflaaeu, wa3 bie 
Sharifäer gewih vor Allem wünfehten. ©prad) fidj 
3 jefuS aber einfach für bie Stömer au$, fo hofften 
oie Sharifäer ihm bie Solfögunft entwichen unb ihn 
ohne Seforgnih verhaften 3 » fönuen. 

®. 14^ ,s>euchlerifd) fließen bie Abgeordneten ben 
Grlofer burch ©dmicidjclvcbcn 3 « täufdjen, iubcut 
fie feine ©ahrbaftigfeit unb Unerfchrodenhcit grei¬ 
fen. Aber er, ber lvüißtc, waS im Sicnfchcu ift (3oh. 
2,25), erfannte ihre SV3beit unb E e u d) e l e 1 unb 
antwortete bemgemäh. 

®. 15 nnl 17: fragen wir nn§ 3 unäd)ft: 
wie mag wohl 3efu3 ba§ SSerhältniß 
b e S i ü b i f ch e n S 01 f e 3 3 u b e u 9t 0 m e r n 
u n b b e r c n St a i j e r a n g e j e h e n h a b c n ? 
©ieftrage: 3ft e3 red)t, u. f. w. (33.14) weift 
beutließ auf bie Anfidjteu icner extremen iübifdien 
ftaiiatifer hin, als bereu Oberhaupt ber befannte 

u b a 8 © a l i l ä u § (Apg. 5,37) 311 betrachten 
ilt. ©iefer verlangte für baä iübifchc Solf Se= 
freiung von allen Abgaben an irgenb eine weltliche 
Öbrigfeit; nur ©ott (b. i. bem Stempel unb beffen 
pbarifäifeben Verwaltern) feine Abgaben su be* 
3 ahleu. Sür biefe fanatifdjc Anficht lieh fiel) au*3 ber 
©chrift nicht ber minbefte ©runb anführen ; beim 
bie 3 üben hatten von icher ihren dürften Abgaben 
anher ber ©empelftcuer ge 3 ahlt, unb al§ Srooini 
von Sabvlon ober Sprien batte Saläftiua auch 
9lbgaben entridjteu muffen, hiernach leud)tet ein, 
bah 3 ctue biefer Sartei unmöglich beipftiditen 
tonnte. 9tad) @otte$ ©ebot muh aud) ber unrecht* 


mähtgen unb ungerechten Obrigfeit g>*hotd)t werben» 
wenn fie einmal faftifch befteht. Svcilicß war^efuS 
bamit noch fein ftreunb ber 9tömer, u>ie bie £ero* 
bianer. Aber er faß in ihrer Eerrfcbaft über bie 
3 ubcn ein qöttlidieS ©trafgeridjt unb betradjtete fie 
fomit al3 (Seihet in ber Eanb @otte3. ©ar nun 
bie ©eihel aud) ein verabfd)euung3würbige3 3 n- 
ftrument, fo war bod) bie .^eiligfeit beffen ansubeten» 
ber fie führte; ba$ ift be3 ©enn ©immetö unb ber 
Grbe. JBäre freilich ba3 gait 3 e Solf bem Ferrit 
im wahren ©laubeit augefatteu, bann hätte fidj 
©ott wohl wieber 31 t ihm gewanbt unb baö 3 och 
feiner ©räuger .^erbrochen; ater nun erfannte 3 eiu£ 
nur 31 t flar, bah ba3 Solf bem Serbevben geweiht 
war. 6 r theilte alfo feine ber Slnfichten, ivelche ihm 
in ben <Jraqenben entgegentraten unb swifdieu 
benen, wie ftc wähnten, er fidj entfeheiben ntüffe. 
Seine 9lnfid)t ftaub über ben bcibcu ©egenfäfeen. 

9iun aber fragt cö fidj ferner: wie ber 
©cilanb feine 91 n ficht bar legte. Gr 
lehrte burch finnliche 9(nfd)auung be3 ©egebenen. 
Gr lieh fid) einen © r 0 f cb e n, bie .gewöhnliche 
9Mün$e, in weldjer bie ©teuer befahlt lourbe,jeigen. 
©iefer trug beöSlaiferö Silb unb Manien» 
unb in bem ©ebraud) fold>er 9 )?üii 3 e lag baher bie 
fdiweigenbe 9 lnerfennung be3 fiaifcr3, beim iveffeu 
Silb bie 9 )?üii 3 e trägt, ber ift be3 SanbcS $err. 9 luf 
biefe 2Scife erinnerte ber ßerr bie 3»ben an ihre 
Scrfdmlbung, um berenwillen fie ©ott in bie ©C* 
walt ber Diömer bingegebeu hatte. 9Uar aber bieS 
einmal gefdiehen, fo folgte ba3 anbere, bie Zahlung 
ber 9lbgaben an ben Saifer, mit SRothweubigfeit. 
9luher biefer Einführung auf bie ©djulb ber 3uben 
leitete aber 3efu3 ihren Slicf nod) von bem Sinn¬ 
lichen auf baä Gwige (S. 16). ©cu 9luobrmf: 
iv a 3 © 011 c § i ft, auf bie Jcmpelabgabe 311 bc= 
jiehen, ift nicht nur oberflächlich, fonbern gerabe 3 U 
falfd). G3 haubelt fieß hier nidit ivicbcr um eine 
äuherlidje 9lbgabe. ©ie 3Borte bc3 Eerrn fiub ©eift 
unb Sehen, ©ott, ben bimmlifdjcu Slönig, fept 
er bem Slaifcr, al3 hödiftem 3 »haber ber weit-' 
l i d) e 11 SDfacbt entgegen, ©iefer mad)t 9lnfvrud) 
auf ba3 3 rbifd)c (ben 9)?ammon), ©ott aber 
forbert © c i ft i g e 3, ba3 Eevs unb ganse Söefen. 
©er innere 9)Jcnfcß gehört ©ott (ivie ba3 9lcuhere 
ber ©eit unb bem Slaifcr), beim er trägt ba3 Silb 
G)ottc3 unvertilgbar in fid). ©ie fie c3 mit bent 
fiaijer halten follten, ßagen bie Eeudjlcr, aber iva3 
fie ©ott fdjulbig feien, flimmert fie nid>t. ©iefer 
grelle ©egenfafc ben ber Eerr ihnen vor 9lugen 
Uellte, traf bie ©eioiffen fo tief, bah ihre Unlauter* 
feit fid) ihnen fclbft enthüllte. 9 lber fie blieben aud) 
iefet bei ber S c w u n b e r u n g ber ©ciSbeit 3 rfu 
ftehen, 311 einer Scfehrung fam e§ nid)t. ©er ®e* 
banfe: ©ich ©otte, wa§ @otte3 ift, nämlid) beiue 
Seele, bie ©otte3 SBilb an fiel) trägt! läßt fiel) fehr 
fchön unb erhaulid) weiter auoführen. 

II. Angriff uub ilelcrlagc her Sallujäer. (S. 
18—27.) S. 18: ©a3 ba3 Serhältuih 3cfu 311 
ben ©abbii 3 äeru betrifft, fo erfeunt ber ©err offen* 
bar in ihnen eine gewiffe ©utmüthigfeit au: fic 
waren entfernt von icner Soöhcit ber Sharifäer, 
aber nur, weil fie fid) um farbliche Angelegenheiten 
überhaupt weniger flimmerten. 3hvc Serfunfcn* 
heit in ©enuhfucht lieh fic jebeä Eöhere verfennen, 
unb in Einficht ber Grfenntnih ftanben fie ben 
Sharifäern weit nach, ©ie leugneten bie Auf* 


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Am Sdjattett 


441 


erftehnng unb fogar bic Realität bcrgnaelwelt 
imb hielten fidj unter ben alttcftaincntlichcn ©d)rif= 
ten faft auSfchliefjlid) an bie 5 ©üd>er ©fofe. 

8. 19—23: Die Ärage, weldte bie ©abbuader 
beut &erm »orlegen, tit ein flarcr ©etoeiS ber ©eid)= 
tigteit ihrer©eweiSführung. SBahrfcheinlid) gehörte 
bie (nur fiugirte) ©ejd)id)tc, toeldje ftc erzählen, au 
ben ©au»tbemetKit, bie fic gegen bie Sluferftchung 
»oraufcringen wiiftten. ©ben barum modjte eS ihnen 
ber SRiihe werth erfebeinen# biefeS £>au»targumcnt 
bem berühmten ©roDheten »ott Siaaareth »orjutenen. 
De ganae ©efehichte grünbete fid) auf baS 90lofaifd)c 
©efefe, 5SWof. 25,5ff., über bie fogenaitntc 8e»i= 
ratö'She. Der jpwctf biefer Slnorbnting war fein 
anberer, alS bie ©efdjledjtcr au erhalten, bereu 3ahl 
mit bem ©runbbeftfe im 8anbc Äanaatt in ©c= 
aiehung ftanb. ©ben beShalb warb auch ber (Srft- 
geborene alS Srbe beS ©erftorbetten betrautet unb 
alS beffen echter Siadjfomme behanbelt. — SNit ihrer 
erbid)teten ©efchichte wollten bie ©abbuader beweis 
fen, bafc 9Kofe biefeS ©efefe nicht gegeben hdtte, 
wenn er an eine Sluferftehung geglaubt hatte; wobei 
fie ohne allen ©ritnb »erauöfefeen, ba§ auch in ber 
ienfeitigen SBclt baS ©erhaltuife ber ©he fortbauem 
muffe. 

8. 24: 3n feiner Antwort ftraft bet $err au= 
»orberft bie Ünwiffenheit ber ©abbuader: ihr irret. 
Die Urfache biejer Unwiffenheit war ihre Unfcttite 
ni§ ber hl. ©dmft. DieS gilt noch bis auf ben 
heutigen Saß »ott bem Unglauben ber SNetften. 
Den SluSbrucf: bie Ifraf t ©otteS begehen bie 
meiften SluSleger fpeaiell auf bte »on ben ©abbuadem 
geleugnete Äuferftehung, alS ob fie bie 3)?ad>t ©et* 
teS, »om Sobe aufguweefen, beawetfelten: bagegen 
begehen Slnbere ben SluSbrucf auf bie ifraft ©otteS, 
in ber bie ©ebrift gefdmeben ift unb nach bet bte 
felbe -au oerftehen unb au^sulegen ift# welche 
SeAtehung gleichfalls einen recht guten ©tnn et* 
giebt. 

8.25: 3n ber Huferftehung — hierfo»tel 
nrie: in bem mit ber Äuferftchung beginnenben 
neuen Beben —werben fie Weber freien u.f.w. 
2Bo fein ©terben mehr ift, bebarf eS auch feiner 
Aung be$ ÖefdjlechteS mehr. SBaS bie 


w rgc felbft betrifft, fo erflärt ber fterr hier tmunu 
wunben, ba§ baS Beben ber Sluferftanbenen gdualich 
»on bem irbifchen 8eben »erfchieben fein werbe, unb 
baffer bie »on ben ©abbujdem betonte Schwierig 
feitgana wegfalle, ©ie werben fein wie bte 


©itgel. 2Rit btefen SBorten erfennt ber^errbie 
©itgel alS nurflid) ejiftirenbe ©erfönliddeitcn an, 
währenb bie ©abbuader bie ©riftena beifclbctt leug= 
ncten. Offenbar werben bie©ngel als ©cifter ge- 
bad)t, welche bie SJatur ©otteS, beS UrgeifteS, thei^ 
Ich ; unb bie mit bem »erfldrtcn Seihe befleibeten 
^luferftanbenen werben ihrer geiftißen Statur itad> 
alS mit ihnen »erwanbt barßefteüt. Ueher bie 8eib= 
lidjfeit ber ©ngel läftt ftdi auo biefer ©teile nid)tS 
beftimmen, ba ber ®erßleichunßS»unft nicht bie 25c= 
fd)affenheit beS BeibeS, fonbem nur baö freien unb 
Sretcnlaffeit (unb nach SufaS baS Siichtfterben) ift. 

8.26 — 27: ©chliefelid) fuhrt ber &err, uad)= 
bem er bie Sfatur ber Sluferftanbenen gejdtilbert, 
noch einen ©emeiS für bie Sehre ber Sluferftehung 
auS ber ©dtrift. ®ie ©ropheten hatten ihm weit 
beftimmteve ©teilen bargeboten (3ef. 26,19; ftefef. 
37,1 ff.; ®an. 12,2ff.), allein ba bie Satbusäer 
nur bie 5 ©lieber SÄofiS auerfannten, he^eg fich 
3cfuS nur auf tiefe. ®ie citirte ©teile ift 2 Wcf. 
3, 6. ©ie ift nur ben ©ebaitfen nad> angeführt, 
©icr bedt ber ^err bie eigentlid^e SBunel aller ©e= 
toeife für bte Uufterblichleit unb Sluferftchun^ auf, 
ndtnttcb bie »erfönlid)e ffierhinbung ©otteS mit ben 
3)?cnfd)cn. ®aS ffierhdltniß (SoiteS au Slbraham 
ift fein »ergangenes, fontern ein immer itod> fort* 
beftehenbcS, iveöhalb fich©ott and) fort bttnb ben 
Stauten ber ©ott SlbrahantS beseidjnet. ©hett 
bcShalb aber forbert ber Stame auch bie Sortbauer 
beffen, mit weld>ent ©ott biefeS ©erhdltniü einße= 
aangen ift. Denn ©ott ift nicht ber S ob ten, 
tonbern ber Sebcnbigcn ©ott. hieran b«|t 
bann trefflich ber ©ebanfe, bettSufaS ttod> anfchlieut 
(20, 38): Ä benn ihm leben fte alle." W\t ber ©er= 
heigung: 3ch bin bein ©ott! ift baher bem Mbra* 
harn (unb tebern ©laubigen) auch bie Slufcrftehung 
beS SeibcS aitgefagt; and) biefc unb nicht bloS bie 
«Unfterblidtfeit"; bettn nad) ber ©chrift er= 
febeint baS 8eben beS SHenfchen als ein gattaeS 
unb »olleS nur bann, wenn bie ©ecle mit bem 
Seibe befleibet ift. 

$i£)i 0 fiti*it. a) Die SKaieftdt, mit wel¬ 
cher ©hriftitS über bicSled)te beSffaiferS 
»erhanbelt: 1. bie freie Unterfitchung; 2. bie 
gered)te Slnerfennnng; 3. ber heilige ©orbehalt. 

b) DaS fdjone ©ilb beS ienfeitigen 
8eben8. Die Sluferftanbenen ftub: 1. über bie 
jeitfiche ©ergdnglidtfeit erhaben; 2. ben Sitgeln 
©otteS ßleid); 3. fie fühteit ein 8eben im ©intmel. 






SIr ftrcWtrr fnw, Tetne ©enntafiMule: »5Kit 
weidet flufietotbeHtltden SSBafte ©imjon ctnfl 
etnekitjahl IBftUift«?" Seine ?(nhnort erfolnte, 
worauf bet fßtebiflet, um bie ©rfjüfet otif bie ©tut 
m Brinaettr mit bem Sinnet an fein Sinn floate, 
,u aleidet Seit ftaqenb: SBa8 ift bteS? »aä ift 
tin «ein«Snabenanj 

fdulbifl: J»in GfelSfinn&atfeit, mein i»ctt!" 


im* 


82 


Sn ber ««RHiafadnt »««lerildWiei, weide 
»oit StWaffetn erjäblt werben, nebört and bie fol- 
nenbe: (Sin fDiami binterlält einem Srcmib 810, - 
000, ftelU abet bie ©cbiiifuutfl, baft ber 6rbe bem 
©rbtaffer bie halbe ©tinime in ben ©arg legen unb 
mit in’s ©rab geben fof(. ®ct (Srbe nimmt bie 
(Srbfdaft an mtb gebt 411 feinem Slboofatcn, um Rd 
9tatb an holen. 


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442 


Um $djatten. 


„SBo ift baS ©eib beim iefet?" fragte bet 8tb* 
vofat. 

„3tt bet Baut," erwiberte ber Grbe. 

„©ans gut," faßte bet Slbvofat; „ftfwciben ©ie 
eineu Ghecf auS für bie föälfte, b. i. 85000, gahlbar 
an bie Orber beS GrblaffcvS, unb leaeit ©ie bcui= 
felbcn beit Ghed in feinen ©ata." 

@o gefdjah’S; aber bie ©efchicbte faßt nid)t, wann 
ber Inhaber beit Ghed einlöfte. 

(Sin ©reis mit btm 21. ©rhurtötagc. Gin Be* 

tevan beS ©eltower ffreifeS feierte am ©djalttage, 
beut 29. gebruav 1880 feinen nur ade vier 3awce 
wiebevfebveitben ©eburtStag. ©er in fein 84. 8e- 
bettSiahr treteitbe ©reiS, Jfart Sriebricf) ©obreebt gu 
SlhrenSborf, umrbe am 29. gebruar 1796 geboren, 
1813 gu beit Sahnen einberufen unb machte beim 
SaubwehrUlaitenrcgiment bie ©Machten bei Süfeeit, 
Baufeen, ©roßbeeren, 3aftita unb ©enuewife mit. 
3n ber lefetgenannten ©Macht umrbe er fdjmer t>er= 
nuinbet ttttb infolgebeffeit auf ein lange bauetnbeS 
ffvanfenlager ßeroorfeit. 22 3ahre lang vertratet 
alS ©djulge bie 3ntereffen feinet föeiutathborfcS ttnb 
erwarb fid) bie Siebe unb SlMtutg aller ©cmeiitbe= 
tmtglieber. ©rofe feiner 84 3ahre feierte et erft fei¬ 
nen 21. ©eburtStag. 

Ibbärtmtg. Ueber bie Svage, ob eS fchäblidj fet, 
mit bloßem ffopfe gu gehen, hat fdion ber alte ©rieche 
i&erobot bttreh Bergleidntng ber 2legt)ptcr unb Bcr= 
fer entjd)iebeit. Gr betnevft, baß bei crftereit, bie beit 
ffopf immer entblößten, biefer fiörpertheil fid) in 
einem weit gefunberen, bett äußern Ginfluffcit wem* 
gcr gug&nglicben 3uftattb befinbe, hingegen fMvadj 
ttnb fränfelub bei beit fßevferit fei, bie ihn ftetS forg* 
fältia bebedten. ©attitibal ttnb ^itütiä Gäfar ßin^ 
geit veftänbig in bloßem ffopf, fotoohl im breitttenb* 
ften ©ottneitfchein alS im Siegen, toeil fic.fid) übers 
sengt hielten, baß matt vom SSctter nur bann nichts 
jii fürd)ten habe, wenn man ihm ©rofe biete. SScber 
ffälte ttod) Stegen fonttten SMajfiitifia, Veit fföniß 
von Stubien, bewegen, fein föaupt su bebccfett. ffab* 
fer ©everttS hatte jeinen ffopf ebenfalls fo abgebät* 
tet, baß er im ärgften ©Mieegcftöber feilte ffopfbe* 
beduttg auffefete. 

OlMoit bie ftöitiffii Victoria feit beut ©obe be§ 
‘fßriitj s@etttahlS bie ©rauer nicht abgelegt hat, fo 
pflegt fie hoch bei feierlichen Slnläffen fich mit allem 
©lang ber SMajeftät su umgeben. ®ic Bradjt tmb 
beit 8itxttS beS engltfchett föofcS 31t bcunmbcrit, bagtr 1 
bot bie Bermählug be 3 ftevgogS 001t Sllbanv mit ber ' 
Bvittgeffin von ffialbedt neuevbingS ©degenbeit. 
9 tid)t mittber intereffant aber waren bie 98 ahr= 
itehutungen, wcldje man bei biefetn Slnlaß übet bie 
SlrrangemcntS madtett fonnte, in bereit Beranftal* 
tuiiß fich bie &anb ber gefrönten Stau mauifeftirt, 
welche bett cerentoitiöfcn Boinp xutb bie fteife CStifettc 
beS £>ofeS, ftatt fid) von ihnen beherrfeben 31t laffen, 
nach ihren eigenen Gingebttngcn formt. GS ergeben 
ftd) babei aOerbingS Slbroeidmngeu von bett ©cfefecit 
fwfijdicn ^erfomntenS, 311 welchen bie Gtifettegelehrs j 
teil unb Geremotticitiveifen ber contincntalen S>öfe 
ftauuenb bie 3 ^bfe fd)ütteln mögen. Gin foldjer 
Äall truß fid) iiiuaft bei ber^ochsettStafel in 25 inb- 
for 31t. GS nahte ber 2 Moinent anr 2liiSbringutt0 1 
ber üblidjett ©oafte; aber Weber ber Spring von I 


SEBaleS, noch ber 8otb Gbamberlaiit, noch ber 8orb 
©igh=©tewarb, noch ber spring beS G3eheimeit 9!athS, 
noÄ ber SPrimaS von Gttölanb ergriff baS SBort, 
fonbern 3ohn 93rowit, ber 8eibfaututerbietter ihrer 
SKaieftät, ber währeitb beS ßait 3 ett SeftcS hinter beut 
©effel ber ffönißin poftirt war, brad)te von biefer 
©teile auS, guui höchfteit Grftaiutcn ber erhabenen 
©äfte, mit bonnernber ©tiniine bie vier ©ritiffprüche 
auS: „SJraut unb Siräutigam", „fföuig unb fiönU 
gilt ber Siieberlaitbe", „S*iirft ttnb fyürftiu von 2Bal= 
bed" unb ,,©ie fföitigtit". 81 IS bie ©cfellfchaft fiel) 
bei bem lebten ©oaft erhob, würben bie ©huren aut 
untern Gnbe beS ©aaleS geöffnet, unb gwei foloffale 
©ubelfadpfeifer, ©chotten vom reinfteit 2Mut, tra= 
ten ein unb madjtcn breimal bie Shtitbe um bie 
©afel, ununterbrochen auf ihren ohrengerreißettbeit 
SöodKfellcn einen fogen. 8ilt, für nicht englifAe 
Obren eine grauenhafte fiabcninufif» mit voller 
Sungcnfraft fpieleitb. aBclehe Uebcrrafchung prägte 
fich ba in ben SOJietten beS ff öitigS von #ellanb unb 
ber beutfihcn dürften auS; toeld)* Gntfebcn mdte 
fich in ben ©efiditern ber Dberfthof= unb Gcreittos 
nienmeifter attS ber Srentbe! SEßcitn bie ffönigiit 
ihren ©äften eine Ueberrafdutug bereiten wollte, fo 
ift ihr bicS burch baS Sluftrctcn beS toaftirenben 
ffantmerbiettcrS unb ber nadtfiiieigen ©ocblänber 
beftenS gelungen. 2Ser ieboeb bie von ber erlauchten 
grau veröffentlichte SÖiographie ihreS uitvergcßlid)eit 
©ernabtö gelcfctt hat, für bett haben biefe Vorgänge 
niditS befxembcitbeS. ©er alte 3ohit Siroivn, ber 
einftige ffantmerbiener beS Springett Sllbert, fteht 
bem ®er 3 en Sßictoria’S näher, alS ber hbd)fte fteifs 
leinene ©ofwürbenträger, unb ihre Grinnerung weilt 
noCh immer in ben &od)lanbcn, wo fie bie jdjönftcn 
©age ihres GhelcbeitS aetioffeit hat. ©er ffamtners 
biener unb bie ©tibelfärfe follteit bie Grinnerung 
an beit fvühgcfchicbcnett ©atten uttb SJater wacb= 
rufen, ©te gefreute fjrati toollte, baß feiner an 
biefeut ^amilienfcft gebadit werbe, unb waS in fols 
djeit Sällctt bie Srau will, baS fefet bie fföitigin 
bttrd), mag eS auch gegen bie Siegeln ber ftarren 
Gtifette vcrftoßcit. 

Chi orightrler Bericht. 3it ben 81ften ber her» 
gogUch beffauifdjeit Sorftverwaltung finbet ftch eine 
gatt 3 e ©antmlung hbd)ft origineller 8?erid'te, bie 
fäntmtlich einen alten bicbereit görftcv giittt SJerfafFer 
haben. Siachftchettbcr „Sperigt an tc Spauhcrn“ wirb 
alS SProbe biefer ©diriftftücfe hier feinem SBortlaut 
nach unb unter Beibehaltung ber eigenthümliCheti 
Orthographie mitgethcilt: 

„Sperigt an bc Spatthcrit 
ln tut tun SScrlihfd), in uit um SRhcfeit! 

SBcilctt in bie große &ic 3 e taS öttle wiübvctt in 
Glcntem9)Jaben3iiltanb vcrfchcjt worben iS, fo evget 
an Gurdj, borch mich hodifcrjchtlicher Befahl» baS 
ihr beS ©)ad)eS unb beS SlagtS etihre ©unte an ber 
ffäte lagt un nid) mehr an ©age tut beS SRaabS 
looß laft, wie Gtire tumme SDiotte (90h.'be) iS, fit ft 
fchife id) ahleS tott *waS looß iS, tut wcntt’S fogar 
mein Bruhtcr wär*. 

©er hod)ferfd)tlidjer Scrfter SS ..." 

80b her Cifmfta|n. Gin fchottifdier ©odjlänbcr 
war ttod) nie auf ber Gifettbahit gefahren. 8US nun 
in feinem ©iftrifte eine foldte gebaut war, bctntfcte 
er bie evfte ©elegenhcit, um baS SSuttber fentten 3 u 


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3m Sdjötten. 


413 


lernen; allein er hatte Unglfuf. 68 fanb ein 3»= 
fammenftoß ftatt, unb ber &od)länbcr marb lehr 
tinjeremoniell in einen ©arten aefchlcubert; smar 
erlitt er feine mefentlicben ©erleftunacn, aber bod) 
mehrere Sdnammen unb blaue glecfe. 8118 ihn 
mm bie ©enoffen in feinem Dorfe fruaen, mie ihm 
bie neue Ginrichtuna nefalleu habe, erklärte er: „O, 
c 8 aebt hübfdj fdmcll unb fllatt; aber bie 81rt unb 
Seife ber &erait 8 beförberuna ift ctma3 ftörenb unb 
flen>altifl fdjnell." 

©olMörner. SKan hat oiel feltcner 9?achfidjt unb 
Gntfdmlbiauna für bie, bie man feunt, al3 für Un* 
befannte. 

Die ©ahrheit au nennen ift Spiel, 

Die ©ahrheit erfeuuen ift Diel; 

Die ©ahrheit su faaen ift fdjmcr, 

Die ©ahrheit ertvaaen ift mehr. 

Sin Hiclfciti&cr «mcriftHtr. Jn Sffcj ßountp 
im Staate 9lem 9}orf mohnte ein föert grattci3 S?. 
gifh, ber in bem oerhältnißmäßia juuaen 81(ter Pon 
32 Jahren fchon bie tnerfmürbinften ©anblttnaen 
feiner fiaufbahn erlebt hatte. Jn ©ennfplpanicn 
acboren, aina er al 8 Junae nach ben 8 lbiroitbaf- 
aebiraeu, um feinem ©ater beim ftolsfällen 311 hcl= 
fen. Dann fam er au einem Sattler unb ©efebin- 
macher in bie Sehre, fpätev trat er $ur ©cbubmacljcrci 
über, bann trieb er bie Schreinerei unb Baufnnbc 
unb mürbe ber 8 lrchiteft unb Bauunternehmer einc3 
&otel3. föiebei lernte er auch bie DeforationSmalcrei 
unb übte fie, um bann al§ Jnaenieur auf einem 
Dampfboot ftch Pon biefer Brenae oon Seiftunacn 
su erholen, äber bautit ift feine Saufbabn nod) 
lanae nicht abaefchloffen, mar er boeb aucl> einige 
Jahre grifeur unb Barbier unb nachher ifoeb m 
einem avoßett SReftaurant in Sdmoonpillaae. SRuftf 
bat ber pielfeitiae Bfann nebenbei autobibaftifcb er= 
lernt; er fpielte Älaoier unb ftrich bie ©eine, beibc3 
nicht übel, unb menn ein aemcinfamcS Stüdf auf* 
aeführt merben follte, mar granci3 gifh ber $fapcll= 
neifter. ©leichseitia mar er ein aefdjtcftcr ©aSarbcU 
ter, reparirte B?afd)incn, erridrtete Brunnen unb 
©umpmerfe, fürs mar in allen föanbmerfen au föaufe. 
Such ein auter Seher mar er, ebenfo Journalift, 
unb ba 8 Öofalblatt feiner ©cimath bat manchen 
Slrtifel au 8 feiner geber abaebrueft. Da 8 ift ber 
Dppu3 eine 8 ed)ten Smerifanerd, ber in allen Sät= 
teln aotecht ift unb mit feltcnem Sdwrfblid unb 
unennüblidjet ?litSbauer fid) ftct3 bcffcit befleißiat, 
ma 8 ihm bie meiften 8lu3ftd)tcn auf ©eminn per= 
fpricht. 

«in mm%tt, ber ein SJcaerpaar pon außer* 
aemöhntidjer ©äßlidrteit actrant hatte, rid)tete an 
baffelbe nach Bojlsiehmta bc3 firdjlidjcn 8 lcte 8 bie 
nochftehenbe 9Citfprad>e: „Die Sitte und e 8 , beiß 
ber Diener be3 Ferrit itad> 8 (bfd)luß bet beiliacn 
ßanbluna ber SRcupcrtnäblteit einen ffuft aicbt a(3 
Seichen feiner heften ©ünfdte für ihr ©oMcracheit 
im ßheftanb. ©eftattet mir, in Ghrifto ©eliebte, 
ba§ tdb au8nahm3mcifc pon biefern ©ebraueb bic3= 
mal Sbftanb nehme." Der funae (Satte fciftte fidj 
rafdj unb ermiberte mit bem liebcnämürbtaften ©rin* 
fen: „Der ©ehrauch febreibt por, bah ber ©eiftlidSe 
für bie Sornabme einer Drauuna eine Spenbe Pon 
lODoffarS empfänat; aeftattet mir, hodimürbiaet 


$crr, bah td) au3nabm8meife Pon biefer ©epfloacn- 
heit biennal 8 lbftanb nehme." Sprad)’3 unb oev= 
fchmanb, ohne ben Beutel su öffnen, mit grau unb 
3 euaen. 

Stoti fdjöne Vett^entnpen eine* General*. (SincS 
Daae3 m»ar ©encral ©oben in eifrigem ©efpvdd) 
mit feinem Begleiter bei einem Bettler Porübcv- 
aeaanaen. 5Wach einer ©eile feinte er um, inbeut er 
faßte: ,,©em e 8 fo fd)lecbt aeaanaen ift, mie mir, 
ber barf feinen 8 lrntcn unerhört am ©eac ftehen 
laffen." 8113 bem ©encral am 2. SOcdrs 1872 eine 
Dotation pon 200,000 Shalern sur ©erfüauna ae= 
ftcllt mürbe, fd)rieb er an feine (Sattin, mit ber er in 
finberlofcr, aber alürflidjerSbe lebte: „©iv muffen 
a nbcvn greube mad)en, fonft haben mir aar fein 
3lcd)t auf jo piel ©elb." 

Irr tmrocljmr tBaffertriarr. Sinft brannte in 
Dre3ben ein arofjcr ©alaft ab. @3 mar ©intcr, 
bie Brunnen maren einaefroren, unb Jcbcrmann 
fd)eute bie fürd)terlid>e ftälte. 3 mar aab e 8 mü§iae 
3ufd)auer in 30?enae, aber c3 fehlte an flci§iaen 
©afferträaern. Unter 8 lnbern ftanb and) ein tief- 
beleibter ©err ba mit einem avofien Sddupfcr Ponte 
unb einem aewaltiaen ßaarl'cutcl hinten unb fab 
bem •oerhecrenben Brattbe mie einem Sdtauipiele 
Alt, ohne fid> pon ber Stelle au bemeaen.— „8(llon3, 
birfer ßerr, helfen Sie ffiaffer traacn!" rief eine 
ftarfc Stimme au 8 ben ©afferträaern ihm 511 . „Jd) 
bin bcr$ofrath Pon Schrober," antioortete bergen 
mit bem atohen ^aarbeutel. — „Unb id) bin ber 
4 )ersoa 5?arl pon JfUrlaub," faatc ber ©afferträaev 
unb aofe ihm einen Simer ©affer über ben Äopf. 

Ginr rfthrmPr @reiie ipirb au 8 bem ©olbaräber^ 
laaer üWontana beridjtet. S3 tpurbe Port ba3 erfte 
mci&e 5vinb arboren; bie 80?utter mar, ma3 su ben 
feltencn 8(u3nahmen arhört, ihrem 3Hanne bi§ in 
bie fernen ©olbbiftrifte acfolat unb hatte mit ihm 
hinaebunaSPöll alle 8 D?ühfcliafeiten, ©efahreti unb 
ßntbchrunacn artheilt. Die ©eburt be3 Jlnaben 
acftaltete ficT) su einem feftlid)cn Sreianife, ba3 eine 
ante ©od)e lana mit ailerhanb fiuftbarfeiten Pon 
er 8 lnfiebeluna aefeiert mürbe. Die rauhen ÜKinen- 
aräber marfen ©olb in bie ©ieae be3 ffleinen, bi3 
er faft aans bcbccft mar mit ben adben ©olbflümps 
eben. Gitter gab mehrere ^änbe Poll ©elb mit ber 
Grfläntna, er mödjte mieber einmal ba 8 Sdjreicit 
eitie§fiinbc3 hören; ein fold)cr Saut fei ihm feit 
Jahren nid)t Att Ohren pefomuten. Die pcrmilbcr= 
ten SKänncr baten um bie ©ette um bie ©uitft, ben 
Jitnaett auf bie Slrme nehmen unb füffett su bür- 
fen; mandiem rollten babei heiße Shräncn in ben 
Bart. Slnbere mieber mellten ben illcittcn um icbcn 

f rei3 au*3 ber Sauaflafdje trinfen fehen. 8113 ba*3 
iitb erfranfte,. ftoate beinahe ba 8 aattse ©cfdjäft 
bei ben SKincn unb nahm erft nadj ber ©citcfuita 
bc3 „Babp" mieber feinen artpohntcu ©atta atu 

Gin gmumfe hat brei bcträchtlicbe Jahrc3prcife 
ber ©artfer 8 lrabcmic Att bem 3u>ccfe Permadjt, mit 
benfclben bicieniacn transöRfa>cn grauen Att bc* 
theilcn, ipeldje bie atöf;te ?lnsaht Icbcnbcr Sittbcr 
bertfeen. Der Stifter münfd)tc, baß bie ©erthcilitna 
biefer ©rämien alcid)tcitia mit bet 3itcrfenmma bet 
SDiontpon’fdjen Duacnbprctfc, melcpe ebcnfaB3 ber 


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444 


£u Häuft. 


Mtabemie obließt, ftattfinbe. St wollte offenbar, 
baß bie oieraiß Uttftcrblidjen beS ©alaiS 9 )ja 3 aritt 
beit ©tttnbfaß ßroclatniren, ba§ bie Sraieluitß eiltet 

g roßen ftinberfcßenS ein ßatriotiidjeS Serbicnft fei, 
aS öffentliche Snerfennuitß oerbiene. Die 9ltabe= 
mie aofl eS ieboeb oor, baS ©ermäditniß abaulebnen. 

fftoUtifdje*. „92ttn, ©ürßermeiftcr, wie tommtSbr 
mit Sutern ©farrer unb Surem 8 ebrer attS?" 

„©aiu ßiit, ©naben ©err ScairfSamtmann: bin 
ict) bei ©einer ©odnuüroen# fo febintpf id) über’n 
8 ebrer, unb bin ich beim ©emt 8 ebrcr, fo rdfottir’ 
ich ttber’n ©farrer; auf bie ©elf tönneu uticb ©cibe 
ßana ßut leiben!" 

&wt »erientli#nn|, datier: „SS ift bod) fatal, 
tote bie 3eituttßen itt §eßeitwäriißer 3*it oon Srernb- 


Wörtern wimmeln. Da lefe idj nun feit SDtonaten 
oon 98ibiliSmtt§ unb oon 92ibilift unb weiß immer 
nichts. Du, 98adjbar, bift in ber Srembe ßewefett, 
tannft btt mir bie ©ebentuitß biefer Srentbworter 
faßen ?" 

Machbar: 98id)tS leichter alS baS, 98adjbar. 98 1 b il 
ift ßlei«bbebeuteub mit 92id)t8, 98ibiliSmttS 
meint98idj1SmuS unb92 ibilift ift98icb1Sttuß. 

Sauer: „O, 92acbbar Scbufter, ich fühl’ mich be- 
febeintt oon beiiter .99fenfd)euwei8beit, waS man 
hoch nidjt aBeS unter bem ^eBeifen leruen tarnt, 
ffienn btt nun 3 eitunß 8 fcbreiber wärft, oatttt ßäbe 
e 8 *fitr uttfer einen nichts mehr# baS man nicht oer= 
ftänbe, btt weißt eS einem fo Kar 31 t machen* Bo, 
fo, ießt ift mir ein Sicht aufßeßattßen, mit bem 
92id)t8utu8 toifl ich nichts m tbuit baben, unb 
unter bie 92icbt8nuße ßebe im ießt erft recht nicht." 




1 » S 

8ptt einer 

Sn* Bafferint. 

Sriebridj 8 ebit unb feine ©djwefter 908aria toareit 
eines SaßeS itt ber ffüdje, um für bie 902utter etwas 
ju tbum welche in einem attbereit Sbeile beS ©au* 
feS befchdftißt toar. 9Karia half fodtett unb Stieb- 
rieh tritß ©affer in ben 3 uber, ba am näcbftett Saß 
ewafd>en toerbeit foflte. ffleibe waren gewöhnlich 
raoe fltitber ttttb ßutber 3 iß aeßeit einanber; bod) 
liebte cS 9)?aria, ihren tleinen ©ruber manchmal 31 t 
ttedeit, worüber berfelbe bann auch recht unßebalten 
würbe. 

®tt biefem Säße fchieit 902aria ßan3 befottberS 
barattf oerfeffett, ihren ©ruber 31 t blaßen. 

3ebcSinal, toenn Sriebrid) mit bem ©affer an 
ihr oorbei tarn, 30 a fte ihn entioeber am 98od, 
fämmte fein ©aar mit bem Sefett, ober fchlttß bie 
Sbür oor ihm 311 , bamit er fein ©affer binfteflen 
mußte, um fic wicber 311 öffnen. Sriebrtd) ertrua eS, 
fo lattße er tonnte, faßte aber eitblidj, ttachbem feine 
©ebulb erfchöbft war: „©eitit btt baS toieber tbuft, 
bann fchütte ich biefeit ftübel oofl ©ajfer über bid)." 

Dieje Drobuitß ermtttbißte 902arta, anftatt fte 
ein 3 ufd)üchtent. „Sr barf eS nid)t maßen," faßte fte 
ju ft<b felbft, „benn bie 9Nutter toütbe ihn hart 
{trafen, unb baS weiß er, er faßt eS bloS, tun mir 
pitrebt eimuiaßeit, ich wifl ihm aeißen, baß id) ßar 
feine Surcbt habe." 

Da ßerabe fommt Sriebrich mit feinem eiSfalten 
©affet; er fd)aute feiner ©cbwefter fcharf tn’S ®e= 

S , unb fte soßctte ein tocitia, — bod) im ndchften 
jctthlicx 30 a fie ihn 3 iemltcb hart am 9lod, unb 
Sricbrich, nicht laiißfam, nimmt beit ffübel 00 B 
©affet unb fdjüttet ihn über fie, fo baß fie 00 m 
Äoßf biS 31 t ben Süßen burdjnäßt würbe. Sott ben 
beibett fürchtete fich Stiebrich freilich am meiften, alS 
er feine ©dtwefter fo blaß unb erfdjroden oor ftcb 
fab. ©ieWrie laut nach ber9Wutter, welche lief 
ttm 3 U feben, toaS ooraefaBett war. 911S fte bie 
fttetne betrachtete unb StiebrichS oertointeS ©eficht 


auf«. 

©anefraa. 

fab, tonnte fie Reh bie ©acbe aleidj bettfen. Ohne 
ein ©ovt 311 faßen, nahm fie 9Karia in’S Schlafs 
3 immcr, enttleibete fie unb brachte Re rafeh in ein 
warmeS Sett. 55ber fie batte fich eine ftarte Srtäls 
tuna 3 Uße 30 ßen unb in tur 3 er 3 eit laß fie in heißem 
Sieber. Die 9Muttcr fürchtete# baß nach bem 
©djredcit eine fchwere ftranfheit folßett mödite, unb 
tbat ihr 9D8öalichfteS, bieS 31 t oerhüteit. Sie ßab 
bem ßiitbe 9 Wcbi 3 in ßeßeii baS Sieber unb ftreichelte 
ihm bie ©außen, bis eS einfdrtief. Dann ßiitß Re 
hinunter itt bie Äüdte unb fudtte Stiebrich. Der 
uitplüdlidje i?ttabe batte feine Arbeit 3 toar recht 
fchott ooBcttbet, faß aber recht trauriß beim Äftcben* 
feuer. Die 9Kutter fab wohl eilt, baß bie ©träfe 
nicht anßcbracht wftre, fo nahm Re ihn hinauf, unb 
führte ihn 3 tt feiner ©dnuefter. 9lit ihrem ßerötbeten 
©ejtdtt ttttb fdmeRent gltbemauße mertte er ßleich, 
baß fie recht frattf fei, unb fein ©er 3 würbe mit 
Surtht unb ©dtreden erfüllt. 

„O, äWutter, 9D2uttcr," rief er weinettb, „wirb 
Re fterben? Äönneit wir Re nicht wiebet ßefunb 
machen ?" 

^ch fantt eS ießt noch nicht faßen, ob ber liebe 
©ott beitte ©Cbwefter oon uitS nehmen wirb ober 
nicht, hoffe iebodj, baß wir Re noch oicle 3ahre bes 
halten werben, ©ir woflett ihm oertraueit, ttttb 
babei uttfer 9KößlichfteS tbuit, bamit Re wieber ne* 
funb werbe; btt fanitft ießt 3 uut 9 lr 3 t ßebett, bamit 
er uitS faße, waS für fie ßetbait werben muß." 

Sriebrid) berührte fattitt ben ©oben, fo fcbneÜ 
aiitß er bie Straße hinunter, unb in ßatt3 furaer 
3eit brachte er bett alten freitnblichcn Dottor. 

Siitiße Xaße laitß war bie Keilte 9D2aria fehr 
fvanf, tmbSriefcricb mußte Re. beftdnbiß bewachen, 
©ie warf ftth ttnruhiß hin unb her im ©ett uttb 
fthrie laut auf in ber Sieberbiße: ff 98id)t mehr, 
Sriebricb, nicht mehr, baS ©aRcr ift fo falt!" Uttb 
babei war eS bem Keinen Sriebricb, alS woBte fein 
©cra aerfßrittßett. 3tt eiuißett Saßen, nachbem bcc 


— zet j by 


Go - ■ .. 




I« 


445 


DoKor feie ftfeiite acftörtq unterfucbt batte. wanbte 
er ftd) an ftriebtich unb faßte: „Sch benre, utifere 
Keine Schwefter wirb halb lieber gefuitb werben, 
fie bat einen fo guten ©Reger." 

SriebridiS Slngeficbt beiterte fich gang auf, tntb ber 
Styt fitbr fort: „©ir müffen aber immerbin febr 
aebifam fein, bu mußt fie alfo fernerhin noch gut 
pflegen, ßinige Sage nod) muß fie in biefent Bim* 
nter bleiben, eS wirb wobt fdjwieiig für bicb fein, fie 
jn befriebigen. Dcitfft bu, baß bu cS fertig bringt*V" 
miebricb oerfprad) baS bette 311 tbun, fanb cS aber 
fibwicria, wie ber Doftor oorberfagte. SQBie bie 
ftlcine rieb befferte, würbe fie frittelig unb un 3 ufric= 
ben, aber jricbridj lieb feilte ©ebulb nicht auSgebcn. 
60 laS ibr ®efd)id)tcn oor, fpieltc mit ibr, faufte 
oon feinem evfpartcn ©clbc grudjte unb Spiel« 
fachen unb bebanbclte fie wie ein liebcnbcr ©ruber. 

©pater würbe ©iaria wicbcr ganj gcfuitb, unb 
fonnte auSgeben wie früher, waS griebtidj unenb« 
liebe Srrenbe bereitete. GineS SageS nabni Srau 
Sehn bie beiben ftinber auf ibr 3 immer unb fpraeß 
mit ihnen über baS waS oorgefauen war. 

©ie fagte ber ©Jaria, baß fie fo oiel @d>ulb trage 
wie Sricbrid). Darüber war ©taria erftaunt unb 
meinte, fie batte bod) genug gelitten in ihrer ftraitf« 
beit; aber fie überlegte bie Sache, baeßte nach unb 
gab ber Butter 9tecßt. 

Unb fie umarmte ihren Keinen ©ruber unb fagte: 
3 d) werbe alles oerfueßen, in Bufunft bicb nie wie® 
ber 311 nerfen. griebrid) fügte fie beglich unb ant« 
»ortete: Unb id» werbe ebenfalls afieS oerfudten, 
um meine Keine ©cbwefter liebreich 31 t bebanbelu; 
fo oiel ift gewiß, ich werbe bicb nie rnieber mit fal* 
tem ©affer begiegen. 

Kn Heti ©rüber* MMfrrer gieße*. 

Der (Sang jum Sriebbof ift emft unb traurig. 
Dort fommt ber (Satte unb ©ater bitrcb’S Sbor, 
jur ©echten unb ginten führt er ein ftleineS; wir 
fragen nidit lange, waS ber faum mit ®raS bc« 
nxtehfene £>itgel in fid) birgt: bie ©attin unb bie 
©lütter feiner ftleinen; er erinnert fich, wie fie ihm 
uur SiebeS unb ©uteS erzeigte ibr geben lang, unb 
noch fterbenb ihn anflebte, wie einft bie fromme 
Äonigin gouife: 

©orge hoch für meine ftinber, 

92imm fte an bein ©aterberj. 
©ebufmbtSooll 3 iebt’S ihn bin 311111 Sriebbof unb 
mit ©linnen fcbinüdt er baS tbeure ©rab. 

3n tieffter Srauer oerfunfen nabt fid) butd)’$ 
Sbor eine anberc ©eftalt; eS ift bie ©attin cincS 
SrunfenbolbeS, auch fie fommt unb Aiert mit ©lu« 
men fein ©rab unb beließt eS mit beigen 3äbren. 
— Dreu bis in ben lob. 

Der Söbtengräber, ber folcbe ©eenen täglid) fiebt, 
wirb gerührt; — id) will bie ©lumen für fie pRan« 
3 en, id) will fie pflegen; ad) fonnte ber ärme, ber 
hier gebettet, übev’S ©rab feßauen unb feben, in 
welchen 3ammer unb welches ©ertcleib er feine 
©attin ftur 3 te. Dort fommt bieSod)tcr 3 tim@rabe 
ber ©lütter; ihre befte ftrettnbin unb ütatbgeberin, 
bie fie batte, lic*t hier im fühlen ©cboog ber Grbc 
geborgen. 3br ©er3 will faft brechen. ©ererfennt 
bie ©efnbr einer mntterlofcu ©aife, wer lenft ihre 
©djritte, wer leitet, wer führt fte burcb’S geben ? 
Änt ©rabe ber ©lütter ergiebt fte fid) bem &erm. 
Sie heilig ift biefe Stätte! Der $ert nimmt fich 


ihrer au, er lenK fortan ihre Schritte. 3fadj bie 
©lütter fommt 311 m ©rabe ber ftinber; wer ift oer« 
mögenb ibte@efüble 31 t befebreiben; bie tiefe Stauer, 
bie Sbränen, bie un 3 äbliß Hoffen; wer fennt bie 
bangen unb fdjlaflofen 9läd)tc, bie Opfer, bie fie 
gerne unb willig brachte, bie Hoffnung, bie fie 
hegte ? ©tone fttnber werben mich einft ocrforgcit; 
aber ihr ftinb, baS bolbe unb liebfte, baS fie batte, 
würbe oon ihr genommen; eS würbe auf GugclS« 
Slügeht empor getragen *u 3 efu, bent ewigen ftin« 
berfreunb, ber einft fagte: ©oldjcr ift baS ©immcl« 
reich. ©erben loir bie Unfcrcn loieberfinben ? Gin 
Mnberer fommt burch’S offene Sbor, erbeigt: Die 
ewige Siebe, ©err! fprid&t ©Jartba, loäreft bu hier 
gewefen, mein ©ruber wäre nicht geftorben, unb er 
lagt: 3d) bin bie Äufcrftehung unb baS geben. 
2 Ber an mich glaubt, ber wirb leben, ob er gleich 
ftürbe. 

SBieberfeb’n, ich barf bidj hoffen ; 

Siebe fommt, mein 8 lrnt ift offen, 
ftomrnt, tagt mich auch 311 euch geh*u. 

Siebe, aller SBelt ©ewalten 
©ollen meinen 8lrm nicht halten; 

3a! ich werb* euch wieberfcb’n. 

lieber ein Mittel gegen hie XBtfferfreu 

berichtet baS „Sritifche ©lebicat 3*>urnal w Solgen^ 
beS: Dr. 3obu SÄaxtou, ein ©?ihtärar 3 t, lourbe in 
©efchawur im 3abre 1874 311 einem fünfjährigen 
ftnaben gerufen, ber heftige©pmptome oon ©affer* 
fd)eu seigte, bie einen ©2onat, nad)bent er oon einem 
tollen Jbtmbe gebifien, eintraten. Da er beit gfafl 
für hoffnungslos hielt, unb ftd) ber fdnncr 3 ftiflenben 
©irfungen oon iubifchent ©auf, ben er bei einer 
©clegenbcit ocrfucbSmcife fclber eingenommen, er^ 
innerte, gab er bem ftiube fünf Sropfcu oon ber 
Sinctur biefeS ftrauteS, lebiglich 31 * bem ©ebitfe, um 
beffen geiben 31 t linbern. 3u feinem Grftattnen 
oerficl baS ftinb in einen gcbujtünbigen Schlaf, er= 
wachte bann, unb fdilief noch weitere 3 Wölf ©tun« 
ben. Die ©omptouie ber ©affetfeheu febrten nie« 
malS toieber, bodi würbe bie ©Jebisiii bem ftiube 
noch wicberbolt gereicht, um ooUfouimene Grleicbte« 
rung 31 t gcioäbteu. 

Cmittnt cinjumtchr«. (Quinces.) 

Die Ouitten werben mit einem reinen Suche aß« 
gerieben, gcfdjält unb nad)bem baS ftemgebäufe 
(core) entfernt, wirb ein Sbeil im ©affer gefocht, 
bis man fie burebfteeßen fann; man laffe fte aber 
nicht weid) fod)en; fo oerfabre man, biS fie alle ge« 
fod)t finb. Dann nehme man fie forgfältig mit 
einem @d)aumlöffel heraus unb lege fte in ein 
wcigcS ober irbeneS ©efdjirr. 

©?an nimmt einen glaftrten ftcffel unb löft 
8 ©fnnb 00 m beften 3ucfer in ein wenig ©affer 
auf, rührt ihn beftänbig über bem Scuer, biS ber 
3udet fod)t; bann nehme man 8 ©fiutb oon ben 
im ©affer gcfochten Ouitten, lege fie forgfältig bin« 
ein, bamit fie nicht 3 erfallen, unb nach ©elicbcit 
fann man einige Stüde ganseuBimmetbinuitbun. 
Dann bringe man bie Ouitten 311 m ftoeßen, fchäunte 
fie ab unb laffe fie langfam 3 ©tunben gut fochen. 
Darnach tbut man fie in reine trbene Söpfe, wirft 
über bie Söpfe ein reiiteS Such, bis fte fait werben, 
unb am nächfteu ©Jorgen oerbiubet man fie mit 
weigern ©apter; bann feßreibt mau oben aufbaS 


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446 


(Cjpontk btt tfegenmart. 


Rapier, wa8 ber Jopf enthält, fteUt bie 5rud)t an j 
einen fühlen unb bun!(en fl5lab, aber nid)t in ben 
ffeder, ba bie meiften ÄfcUer gu feucht finb unb bie 
grruebt fomit verbirbt. 

Cttittm*0e!rr. 

SDJatt neunte ba8 fferngchäufe (core) unb bie 
©chalen von 8 Quart Quitten, fehe aber barnad), 
baß fie itid)t wurmftichia finb, unb 4 Quart faure 
SKepfel. 9)Jan fdjäle bie vlcpfel nidjt, foubern wafd)c 
fie unb fchneibe fie in ©tüden. -Sann fodje man 
biefeä mit einanber im näutlidjen ffeffel (naebbem 
bie Quitten aubgeleert), ohne ben ffeffel git mafcbeit. 
3Äau bebede bie Sdjalen unb ülepfel mit SBaffer, 
lafic eä reebt meid) foebem rühre c3 um unb brüde 
bie gefoebte üHaffe, wenn ralt, bureb ein ©ieb ober 
rcineS Juch! ®aitn nimm gu einem flJint ©aft 
ein fßfunb 3uder. SKan bringe e3 langfam ginn 


] ffodjen» rühre eS beftänbig um, unb nad) 20 3Rinu* 

| ten vcrfudie man ba8©elee auf einem falten Jeder; 
bängt er feft, jo ftede man e3 vom Leiter weg# 
menn nicht, fo foebe man e3 nod) einige Minuten 
länger unb verfahre bann wie bei ^vhanniobeeren* 
©elec. 

ganbtoirtbfiböft 

(Sin Farmer erftärt, baß er 92id)t3 sieben fann, 
wa3 ihm mehr einbringt, al3 füßer 9Mai3 (sweet 
com). 3)ic lehren bringen ihm in bei ©tabt 350 
vom Äder (5 Gent ba3 SDufeenb), wonad) Oie ©tciu 
gel unb Blätter al3 ffuhfutter nod) So viel iverth 
finb, alä irgenb etwaS, baä auf berfeiben 'Hoben* 
fläche hätte gesogen werben fönnen. Sßirb bie 
fljffangung geitig genug gemadd, fo lagt fid) itad)* 
her noch eine reidjlidje Rübenernte ergielen. — ®a$ 
ift erfo(greid)c Canbmirthfcbaft auf einem {feineren 
©runbftüde. 




(fhtonik öer törgenroart. 


„Uni M) mk Canofitt." ©o rufen heute ©un* 
berte, weil Siämard, um ba8 Jabadämonopol 
burcbgnfeben unb anbere 3wede gu erreichen, Rom 
entgegengefomnten ift. Sr hat eine georbnete ®iö* 
cefenverwaltung hergeftedt. Ginige fatholifdje Hi* 
fd)öfe würben an ©tefle ber bureb % ob abgegange¬ 
nen ernannt, unb ben firnannten von ber Regierung 
ber „eiferne" Gib erlaffen. ®er Hapft hat wieber 
einen preußifchen ©efanbteu. ffiagu fommt nod) 
bab neuefte ffirebengefefc, bureb baf jenes 
frühere Srieben§gefefe vom ^ahre 1880 bie sunt 
1. Slpril 1884 verlängert, ba8 Sogenannte Gultur* 
exatnen bcr Ganbibaten ber Jheologie aufgehoben 
wirb unb außer anbereit minber wefentlkben Hunt* 
teu gatts bejonberS bie Hcanabiguncj nnb 2Sicber= 
cinfefeung abgelebter Hifchöfe in thren vorigen 
©taub möglich gemacht wirb. 

Md’ ba£ mag auSfehcn, al8 ob ber Reid)3*ffangler 
nach Sanoffa gegangen Sei. 2Bir glauben e$ nicht. 
55 Stub bicS nur Bugeftänbniffe, um ba3 Gentrum 
im Reidjötag au8 feiner Hofition gu loden, bie e6 So 
gäbe nun fd)on 3ahre lang gehalten, unb in weldjer 
e5 ber Regierung in allen ©tüdeu heftig opponirte. 
Roch ein {(einer Schritt, unb ba§ Gentrum ift au5 
biefer ©tediutg geivorfen unb hat fid) auf ©vunb 
ber äBaigefefce geftedt, ba3 heißt, c5 hat bao Redd 
bc5 Staates anerlannt, biefe Slngelegenheiten gu 
orbiten. 

Obgleich nur lieber gefeben hätten, baß Hiontgrd 
biefe 3ugeftänbniffc nid)t gemacht, fo erlernten wir 
barin bod) nicht eine Uebetgabe an Rom. Ob er 
baburd) aud) ba5 Jabalbmonovol fchlieftlid) nod) 
burchfebt, bie5 ift eine anbere Swgc. ßinftweilen 
hat ber 9lei<h5tag ba5 9Wonobol mit grober SKehr= 
heit niebcrgeftimint. 

Statute gro|e, berühmt getoorhette Statttter finb 
in lefeter 3cit vom ©^aublafe ihrer irbifdjeit Jhätig^ 


feit abgerufen uwrbeit. Songfellow, Smerfoit, ®ar^ 
win unb anbere finb bahin unb auch ©aribalbi, bcr 
glühenbe italienische ®atcrlanb5freunb, ift gu feinen 
33äteru vevfammelt. 

©aribalbi! 3Beld)cGvinnerungen, weld)e©cgens 
fafee fnüpfen fid) au biefcit Warnen ! Gbelfte iBater- 
lanbSliebe, Silbenteuerfud)t, ©elbcnthum unb fpar^ 
tanifd)e ©trenge vereinigten Sich itt ihm unb fdnifcn 
— ©aribalbi. 

®ic Sßclt aber hat feine oft gar tollen Unter* 
nchmungen bereits vergeffen, unb benft nur beS 
©eiben, ivcld)er ben SSahlfpvud) Seines CcbenS — 
„SlllcS für meine SJiitbürge^ — that)äd)lidj auS* 
geführt hat. 

SllleS hat er für Italien unb beffett Ginheit ge* 
wagt unb gethan unb gelitten. i5on Sclbftfucht 
feine ©vur; Ghren, Weichthümer, Remter, Orbeit 
wie« ©aribalbi gurüd, um befto freier hanbeln su 
fönnen. ©at er aud) alS geborener Revolutionär 
felbft an beni gerüttelt, waS er aufbauen half, unb 
manch’ abenteuerlichen ©prung gethan, jo famt 
man ad’ bieS ob feinem ivirflid) großen Streben für 
fein 9Sol{ vergeffen. 

SSon geringen Glterit herftammenb, würbe er Sd)ou 
im 3abre 1834 wegen Jheilnahme an ©Jagguu’ä 
SlevolutionS ^SJerfud) sum Jobe verurtbeilt unb 
mußte ba5 von ihm fo Sehr geliebte Saterlaitb 
fliehen. 

3?oit jener 3cit an Rüben wir ihn entweber iit 
großen ©elbenthaten ober al5 echten Freibeuter fid) 
in aller©enen Säubern fddageub, ohne jebod) iental5 
mehr für fich felbft gu erbeuten, alä fein rotheä 
©emb. Ginntal ift er im ®ienftc eine*3 befpotiflbeii 
33ct)5, bann ftreitet er für fübamerilaitifdje RepublU 
feil, bann alä Gfucriüaführcr gegen Oeftemid) unb 
eublich gar im lebten Jhcil bcö beutfd)=frangöfifd)en 
ffriege5 unter ©ambetta gegen bie ®eutfd)eit. 

®ab 3ahr 1848 brad)te ihn au5 feiner Sßerban* 


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Ä^ronik feer ftegettroari 


447 


nun« Dom 3ahre 1834 jurfi d, um nach Rieber* 
werfung ber ReDolutioit roiebctum in bie 93erbait« 
mtng 311 gehen, unb 3 war bic3ntal nad) Den 23er. 
Staaten, wo er auf 80110 3‘3lanb eine Seifen* unb 
Sichterfabrif betrieb, ©pater biente ©aribalbi alä 
G4ift3fapitän im ©tiücn Dccait. 

1854 toarb ihm ertaubt, nad) ©arbinien jitrüd* 
jnfehren, wofelbft er ficb mit bem in ben 93er. ©taa= 
teil erworbenen ©elbe bie icfct weltberühmte 3 ufcl 
Gaprera fauftc unb ficb barauf niebcrlic&, um, wie 
er fagte, Siegen ju hüten. 3 n SBahrheit aber, um 
ben Beitpuntt abauroarten, an loetcbcm für fein 
3 talien gehanbett werben fonnte. 

Unb biefer Seitpmtft farn. 3m 3ahre 1859, al3 
Rapoleon HL Ocfterreid) befriede, fdüng et fid) an 
ber ©pifee feiner Srcifcbaarcn mit ben Ocftcneidicrn 
aufä ©elbenmütrngfte, unb fonnte e3 nicht Derhin* 
bem, Safe man ihn mit bem Stitel cinc3 piemonte* 
fifeben ©ettetalS auf feine Siegcninfcl fanbte. 

®a8 3abt 1861 ift eä icoorf), in meUbern er bureb 
Stieberwcrf 11110 bc3 Jföitigrcuhä Neapel feinen Ruhm 
begrünbete. Gr unb feine greifdjaarcit eroberten 
„beibe Sicilicn!" Unb als bie ßrobcruita wottenbet 
war, rief ©aribalbi ben tfönig Gmamicfoon ©ar* 
binien herbei, 11m ihm, bem Rcpräfcntanten ber 
italicnifchcn Ginbeit, ba$ ffönigreid) in ben ©d>eofj 
ui (egen. 2Ufo warb ber ©runb 311m italienifcben 
SmbcitSftaat gelegt. Rur wenigen R?cnfd)cn ift e3 
aeftattet, folcbe Sbaten in ben Sölättcrn ber ©e* 
febiebte Dcr3etamct 3U fehen, unb bicfclbe wirb ©ari* 
balbi einen ßhrenplab suweifen. 

23a$ barnacb fam, war wicbcmm abentcucrtidj 
imbmag füglich Dcrgcffcit bleiben. ffiieSMcnfdjcn 
werben faum barau bcnfcit unb in ©aribalbi nur 
beit patriotifeben, fclbftlofcn 2)?ann oerebren, wcl* 
4er — wenn aüc3 ermeffen wirb — wohl auch ein 
grojjer 3Wann genannt werben barf. 

Sa $ nationale WbgeortmetcubanS bat mit 155 

gegen 48 ©timincn cm ©efefe angenommen, ba$, 
wenn c8 bie 3 uftintmung bc3 Senate finbet, unfern 
WefUidieit S armcru W)t willfommcn fein wirb, 
©ie 2 M 11 richtet fiel) gegen ben ©dmnnbel, ber auf 
©runb ber ^atentgefefee von gcwiffcnlofen 2 lgcn* 
ten x. namentlich mit ©egenftänben getrieben wirb, 
bie in ber Öanbwirtbfdjaft gebraud)t werben, ©ie 
beftimmt iit ber ©auptfaebe, bafj feine ©(haben* 
erfafcflaae fernctfiin für ben ©cbrauch eincä paten* 
tirten RrtifclS eingelcitet werben foll, wenn ber* 
ienige, welcher ben Slrtifel in ©cbratidj genommen 
bat, nachweifen faitn, ba& er benfelben n\ einem 
angemcffcneit greife gefauft hat. 23er ba weifj, 
welchen enblofcn ©rfiercreien namentlich nufere 
ftarmer suwcilcu auSgcfcfct finb, wenn fie einem 
©aufircr irgenb eine neue 23orrid)tung ein Semtbor 
311 öffnen, eine neue 2lrt Scnsbraht unb bcrgleiräen 
abfaufen, wirb bie SEragwcite ber betreffeuben 23UI 
311 ermeffett wiffen. 

2»le 3ttbmDfrfolgmt0 in Rnglanb. 3u ben fchwer 
Uf löfenben Stagen, welche bie inneren Suftänbe 
RnSlanbS 3urSeit Tchhlid) barbieten, aablt auch bie 
Subenfrage. ©ie beflagcnSwertben 23org&nge in 
©übrublanb, wo um bie Cfterjcit Saufcnbe Don 
3nben Don bem erregten 93öbel Don ©au3 unb ©of 
getrieben, all ihrer ©abe beraubt unb mifjbanbelt 
worben ftnb, haben biefe Stage in ben SSorbcrgnmb 


gefdiobeit unb biefelbc auch bem etiropdifdjen Sßeften 
red)t nahe gerücft. 

2)icfe Sluöftfircitungen, unter welchen fo DicTe 
Unfchulbige fdiioer 311 leiben haben, erregen felbft- 
Derftänblich ben Sttbfcbcu unb ba3 2Ritgcfühl im 
bochftcn ©rab. ßd i&pt fid) aber eine fo gewaltige 
fociale Sxfdjcinung nid)t mit einigen beauemen 
©chlagwörtcrn abtluin, auch famt man hieroci, wie 
ia in ben meiften äbnlidjcn SäBcn, nid)t aBe ©chulb 
nur bem einen Iheil aufbürbcit. 

©crabe in SBobolicn, wo Bd) lefethin biefe 3nbem 
heben 3 umcift abgefpiclt, bilben bie 3oraclitcn einen 
erheblichen 33eftanbthcil ber ßinwohne^Aaft, in 
ben ©täbten unb Sieden fogar bie SIRchrsahl. 
©eiftig ftehen fie unsweifclhaft höher, als ber gröfcte 
SEheil ihrer ruffifchen SRitbürgcr, namentlich, ioa§ 
bie 8anbbeD61feruim betrifft, ©ierburdj ift bie leb* 
tcre in ©anbei unb SBanbcl faft gänslid) in bie 
©änbe berSuben gegeben, Don benen (eiber Diele 
ben 8eid)tfinn, bie Unbilbnng unb bie Trägheit beS 
93o(f^ gehörig au^ubcutcn Derftehcu. 

2$ormg3wcife mag bic^ Don ben jübifdien ®rannt* 
weinfdjünfcrn gelten, ©er hierburd) in bem 93ol£ 
erzeugte ©roB flicht gern nadj einer ©elcgcnheit,ji4 
8 uft 311 machen, ©cm Regiment beä früheren 9)2t= 
nifterd bc$ ^Innern war eß bcfd)icbcn, foldje ®e* 
finnungen fraftig 311 förbetn. ©raf 3 gnatieff machte 
fein ©chl au3 feinen antifemitifdjen ©efühlcn. 
©urd) 3 ahlreid)e SScrioaltungSmafjregcln würbe fei* 
ncrfcitS ber Dcrhafitc Stamm bebrangt. 

G3 faitn nicht SBunbcr nehmen, wenn ba$ SSolf 
barauf bie Ucbcrscugimg fdiöpftc, fidi ungeftraft 
Gjccffe aller 2 lrt gegen bte iübifdicu 9Ritbürger er* 
lauben 311 fönnen. ©a3 läffigc Verhalten ber Sofal* 
hehörben folchcn Äuöfchreitiingcn gegenüber fonnte 
biefen ©lauben nur beftarfen. ©a^u rcdjnc man 
bie traurige ©ewohnheit ber nicbcrii Schiditcu, fuh 
an ScftcSjciten thicrifd) 311 betrinfen. Um fo gröfeer 
finb bann 8 uft unb (Gelegenheit 311 lumultcn. ©ie 
Doriährigcn grofjcn 3ubcnhcbcn begannen gleich 2 
faB 6 währeno ber Öftcrtagc. SBährenb bte ba* 
maligen Unruhen nur gegen ba$ iübifd)e Gigcitthitm 
gerichtet waren, fmb bicSmal bie 95crfoncn loeit 
mehr in SKitlcibcnfchaft ge 3 Mcn. 

2Ba6 aber bie Dcrübten ©tcucl betrifft, fo finb 
bie 3citungSberichte auberorbentlid) übertrieben, 
unb rnandie gerabcut erbadit. ©ao, mß Derübt 
worben, ift bcflagcnSwcrtb genug} man braudjt 
nid)t and) nod) SBetbcr mit abgcfchnittcnen fflrüften 
u. j. w. in bie ©pitälet hiueinjulügen. 

©ie lebten ÜRafmabmen ber ruffifchen Regienmg 
fönnen nid)t barbarifch genannt werben, fonberit 
finb fogar ben 3 ubcn im ©anjen giutftig. 

Sluch haben bie enropäifeben unb amcrifatiifdien 
©UfSgcfcflfchaftcn iebunb bte Gntbcrfung gemacht, 
ba§ ©unberte fogenamtter iübifdicr Slüchtlinge 3 U 
ihnen gelaufen fommen, nur um ©clb in erhalten, 
währenb fie gar feine SSerfolgte finb. 

Sind) biefe Stage hat swei ©eiten. 

Sie ©otthtrbdbahn alfa bey Serfebr gcüffiiei. 

©urch Sahrhunbcrte fmb fich ©cutfche unb 3talte* 
11 er— freüid) nur, wenn fte fid am ©ängelbanbe 
9?ont$ führen liegen — fetnblich gegenüber geftan* 
ben. Italiens Grbc ift gebilligt mit beutfehem ©lute 
unb auf feinen ©chlachtfelbem bleiben bie ©cbeine 
bcutfd)cr Äricger. ©citbcm beibe Rationen fich 0011 


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448 


(Ofttttdh ber Gegenwart 


frentben Scffeln befreit haben, ifl and) bic alte 
©eßiicrfdtaft simfcf>eii $>eutfd) unb SBälfd) ße- 
fcbwunbeii unb einem feftcii SrcuiibfdjaftSbunbe ße- 
muhen. ®icfcr ©unb ift mm beficßelt worben bttrd) 
ein 2Berf ßcuicinfamer Slrbeit unb ßctneinfamcr 
Sthatfraft, meldieS, inbem e3 für ©anbei unb ©er= 
fehr einen neuen 2Scß bnrdj beit fRicfcnmad ber 
©djmeiaer Sllpcn gebahnt bat, beftimiut ift, bie 
©anbe, welche beibc Nationen mit eiitattber oerbin» 
beit, ttod) feftcr au fddittßcn. 

9Webr al3 aehtt ^ahre waren nothwenbiß, um ba3 
SGBerf oon feiner eriten 3nanßriffitahme an gu Gnbe 
Mt führen. ®cr Zeitraum maß für ein ©cfchledit, 
ba3 fo fdmed au leben unb au arbeiten gewohnt ift, 
wie ba3 heutige, laitß ßeititß ctfdteinctt, unb hoch 
tarnt er nur rura ßenannt werben, wenn man ba3 
SRiefcitmerf betrachtet r ba3 inmitten ber größten 
SRaturhinberniffe burdj titeitfchliche Äunft unb 
menfd)lid>c3 SGBiffcu feinem Gnbe außcführt worben 
ift. Sange 3ahre ber ©orbereitung waren noth» 
meitbig ßewefeit, um beit ©lau überhaupt lebens¬ 
fähig au tuadjen, al3 aber bann bic ©eihülfe ber 
(Staaten berßcftellt war, ba wttrbe auch fdmcll an’S 
2Bcrf ßeßattßeit, um ben SRicfcnbatt feiner ©od- 
eitbttnß in ber ntößlidjft türaeften Stift cntßeßcnau= 
führen. 

©on ber ©röfje beS ßaitaen SBerfeS mögen einige 
weniße .ßahlen einen fchwadten ©egriff geben. ©te 
©treac 8uaern=2Railanb, bie mau mit beit ©cbited= 
süßen iefet etwa in aebn ©tunben aurüdlegt, aähU 
62 3;uiutel3, 32 grofce ©rüden, 10 ©iabufte unb 
25 Ueberßäiißc. GS wtirben 500,000 Silo ©pnamit 
ßebraud)t, 320,000 8ödter würben ßebobrt; täßlidj 
arbeiteten burcbfchnittlid) 2500 3Rattu. 

StftWttt* 3n ben Äugen GuropaS ßalt bisher 
ttod) immer itonftantinopel al3 Söiittelpunft ber 
orientaliiihen Srage, feite uralte mcnfcblid)c Äit= 
ftebeluitß, wo heute, wie oot 3abrtaufcubyn, ©un= 
berttaufenbe auf ber Slfcbe oon Millionen toohnett. 
Slbcr obfdwn Äonftantinopel in feiner Gigcnfdjaft 
als bie ©ermittlerin siveier Grbthcile unb ©chcrr» 
fdterin amcier SOieere niditS oon feiner natitrgeßcbe= 
neu ©cbeutuiiß eingebüfit bat, fo labt fid) hoch nicht 
in Äbreoc ftellen, baft bie orientalifibe Sragc längft 
weiter acaviffcti, ba& ftc bie Seoantc unb älcgpptcn 
in 9RitlciOcn]d)aft ßesoßcn unb in biefeS lefeterc t>cr= 
ßaitßenhcitSreicbe unb aufunftoerbeifteitbe 8anb einen 
neuen ©renn- unb gewichtigen ©chwerpunft oer» 
legt hat, weil int ©attne oon Äegppten bic immer 
belebter uitb bebeutenber locrbcnbe ©crfcbrSftrabc 
ßeleßcn ift, wcldtc Guropa mit Nubien unb bem fer» 
neu Qftcn unmittelbar oerbinbet. 

SBa3 in ber ©auptftabt be3 neuen ÄeßpptenS 
oorgeht, erfährt rafch unb ßeitati bie babei lebhaft 
intereffirte curopdifcftc 5Bclt. Sreilidj beßreift auch 
bic mobertte Deffcntlichfeit nicht immer fogleid) ben 
groben 3ufamntcit(>aitß ber 8aßc: bie SBtrrcit unb 
©trcbmtßeit in Äairo felbft, bic Soitcurrcita ber 
Sramofeit unb Gngläitbcr am Nil, bie Sebürfuiffc 
unb SBünfche oon ptambul, bie biplomatifdtc aictioit 
ber mitte(europäifd)cit 3Räd)te, ©ublanbS unb 
StalienS. 

(SiißlanbS ©elüfte auf SlcßpPten ftnb alt tmb bc- 
fannt, unb europäifdje 5Käcpte haben beitfelbett 


toicbcrholt meitßehenbe3ußcftänbnifte aentadjt, frei¬ 
lich nur, um babei attbere ©ortheile für fid) au ßc= 
winnen, aulebt ©uglatib, als eS nach bem lebten 
tfrica acßcn ba3 turfifdbe SReid) gur Shciluitß benel- 
beit fchreiteit wollte. $)amalS foll 8orb ©eacon$= 
fielb erwibert haben, er nehme aicßpptcn nur im 
©rincip att, weil er ßlaube, baft ber aitißenblid, um 
c3 factifd) in ©eftfc au nehmen, ttod) nicht ßefontnten 
fei, woau ihm ooit ©erlitt attS bemerft toorben fein 
foll, Sttßlanb thue Unrecht baratt, nicht fogleich au= 
atißreifen, benn fpäter würbe man e3 wabrfdtcinlid) 
nicht aulaffen. änawifchen haben bie ©iißlänber 
alle ©crwaltuitßen SleßpptenS in ihre ©äitbe ße^ 
bracht, fo bie 3oll=, ©oft- unb SeleßraphenoerwaU 
tunß, bic ©afettpoliaei itt SllejattDria, bie ©ewachuttß 
ber Seuchtthürme u.a. tu., duch finb fie beftrebt, 
fleh ein ©ionopol für bett ©ctrieb ber ^iilfdiifrfahrt 
unb ber 8anbe3eifettbahneit au fidtern wie bie Obets 
leitmtß be3 ©ueafaitalS oolleubS au crlaitßeit, um 
fo aunächft eine abminiftvatioe ©efifeerßreifuitß 
SleßpptenS herbeiauführen. GS hanbelt ftdt nun» 
mehr für Gitßlattb bariiut, fei eS burch eine ©er» 
eittbaruuß mit Sranfreich, fei eS infolge einer euro» 
päifdten ©etwidelttitß, in beit unbeftrittenen ©efib 
WcßpptcnS au ßelaitßeit, bamit baffclhe aufhört, ein 
©cßcnftanb ber (Siferfucht aioifdjen ihm unb Stant* 
reid) au fein. 

9lbcr aießppten ift ein für ßana Guropa oiel au 
wuhtißeS 8anb ßeworbeit, alS ba§ ohne ©djäbißttnß 
ber allßeuteineit ?(tttereffen außeßebeit werben föttnte, 
bafi eS unter bie ©otmäfeiafeit ciitaeltter ©rofemächte 
fommc ttttb benfelbcit bie ü)?ößlichfeit ßelaffen werbe, 
bie Svciheit beS ©erfchrS auf bem ©ueafanal au 
hinbent, ober auch nur au erfdnoeren. 35cutfchlattb, 
Ceftcrreid)=Uitßartt unb nicht in lefeter Siitie 3ftalien 
haben alles 3ntereffe baratt, ein fo toi^tißeS 8aitb 
nidtt berart §ur auSfchliefilicheit ©erfüguitß ber SBeft» 
mäd)tc au laffen, baü eS unter llittftanbcii au einem 
Staufch- oberGompenfationSobicct für bieiclben wer» 
ben fömttc, toaS auf bem ©oben beS beftehenben 
SRechtS am au>edm&§igften burch eine internationale 
©ereiitharttna oerhinbert werben tonnte, weldje au» 
ßlcich unter ©arantie ber üRädjte bie Uitabhäitßtß» 
feit unb Neutralität JleßpptenS anerfeitnett würbe. 
©olcheS ©orßeheit würbe nicht nur in Guropa, fott» 
bem and) ooit adcit fflaffeit ber einheimifdten unb 
frembcii ©coölfentitß SleßpptenS felbft freubiß be» 
ßrtl6t U'crbcit; benn ade, bie in biefem Saitbe 3nter» 
effeit haben ober 3ntereffe an bentfelbcit nehmen, 
uuntfehen, baü Sleßppten ctiropäifcher Gulhtr nicht 
abholb gemacht tverbe, ba§ eS and) fernerhin unter 
europäischem ©chub äßpptifch fei uitb bleibe. 

3nterefftnte Grhebnnße« finb in ben lebten 3ah* 
reit über bic burdifcbnittfidje 8 eben 3» 
b a u c r in ben oerfdncbciten Säubern GuropaS 
ßentacht worben. 9lm hödjftcit ift biefelbe in Guß» 
ianb, wo fie 38 3abre beträßt. ®aittt fommt 
Sranfreid) mit 36, 6, ©aitttooer mit 35,4, @^le3» 
mia»&o(ftcin mit 34,7, ffiaben mit 32,9, ©retiücn 
mit 30,3, 9Bürttcmberg mit 30, enblid) ©achfen 
mit bloS 20 fahren. 3)er ßcneißtc 8efer aber wolle 
ftd) nun barüber heftunen: aBarunt fteht Gitalanb 
atu güitftißften, ©achfen am ttnßünftißften mit fei» 
tterSifferba? 


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f>anb ront in toiefcr Begegnung, Denn e§ ent» 1 £o<f) ®otte§ äöege finb tounberbar. 2IH §u 

fpann fid) batauä ein reines, toiewolji auch ro= j für} für fie — }u für} für SLaufenbe — foute 
manttfc&e* SiebeSberljäftnifs gtoifdjen biefeit jun* | biefer glüdiidje unb für bie SJtenfdjfjeit fo fegens* 

88 


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Digit 


Go e - - - 



(Sin illuür irtes 'lomilienblatt. 


£e0nter ^nub. September 1882. ^teuttfes X>eft. 

(Jtiie ftiiöcnuHJ)Uf frnu. 


«Jo# ©. 

y I I juter ben bieten „©tariaS," bie fid)! 
I c burct) heue 9ta<bfolge beS ©efreu» | 
L ry gigten auSgejeid)net buben, unb 
|/ 1 getroft gu Seinen „fjeiligen" gegählt werben 
fU bütfen — ftebt gemife auch bie bor Jhirgem : 
11 k Derewigte ff rau ©Zart) Goofman. Slbge» , 
febeu bauon, baß Sie bie ©attin bon ©eorg | 
unb bieSltutter bonSUfreb Goofman, gmei ' 
£ ber bochbegnabigtften SDtünner beS ame» 

, rifauifcben SJtetbobiSmuS, war, berbient j 
X ihr auSgegeicbncter Gbarafter an ficf), j 
I ber ffrauenmelt als baS ©tufterbilb einer 1 
T wahrhaft gottfeligen 3?rau bor bie Slugen 
jt geflellt gu werben. 

T 3b« Sugenbjabre oerfeöte fie in $or= 
cafter, Gnglanb, wo ibr fjerg Sieb ftljon frühe i 
©ott bingab unb bon ber Siebe 3efu erwärmt 
toutbe. 3b« intelligenten unb gottesfürebtigen 
Gltern gaben {ich ade ©tübe fie im ÄatecbiSmuS 
ber englifeben ©taatSfircbe gu unterrichten, unb 
ibr <briftli<be ©runbfäße einjubflanjen, aber 
©tarp Sarton (fo hieß fie als ©Zäbcben) ent» 
betfte troßbem, befonberS als fie eine einbring» 
liebe Sußprebigt hörte über ben Sert: „Ser 
fjerr ift tfönig," bafe fie ohne bie ©eugeburt 
bon oben nicht befleben fönne bor ©ott. ©on 
ba ab »oar fie eine fjeilfucbenbe, bis fie eines 
SageS, in ihrer Kammer eingef^loffen, nach 
heißem SRingen mit ©ott, ihres fjeilS gewiß 
würbe, hinfort war ibr Verhalten baS eines 
fteubigen ÄinbeS ©otteS, unb SRiemanb fotuite 
fie gmeifeln machen an ber ^Realität ihrer Gr« 
fabrungen. 

Ginige 3 a *) re barauf traf fie gum erften 
3Jtal, bei einem ©etuef), ben fie in |>uH, Gng» 
lanb, machte, mit ©eorg Goofman gufamtnen, 
bet bamals gerabe, Doll feuriger ©egeifterung 
für bie ©acbe bes GbangeliumS, ficb anfebiefte, 
als ©tifjionar nach Slmerifa gu geben. ©otteS 
ftanb mar in biefer Begegnung, benn es ent» 
fpann ficb barauS ein reines, wiewohl auch ro« 
mantifdjeS SiebeSDerbältniß gmifeben biefen jun» 


. £iurr. 

gen Seuten, Wobon bie ©raut noch mit bedglän» 
genben Slugen oft rebete, als fie febon eine be. 
tagte unb bereinfamte SEBittme war. Slrn 2. 
Slpril 1827 fanb in ber ©eorgS üapeüe gu 
Sorcefter bie irauutig ftatt, unb am nämlichen 
Sage noch berliejj baS gliicflicbe junge ©aar bie 
elterliche £>eintatb, um bie Steife nach bem fernen 
Slmerifa angutreten, wo fie ihr Sehen ber bei» 
ligeit ©tiffionSfacbe wibnien wollten. ■ 
Grfabrungen ber berfdjiebenften Slrt warteten 
ihrer bort, unb ihr £>erg würbe auf bie ©tobe 
geftedt. Wie nur Wenige. ©einerfteSSlrbeitSfelb 
Würbe ihrem ©atten in einem bamals noch mil» 
ben jH)filr©ennfbloanienS angemiefen, unb mar 
bon folgern Umfang, baß er nur einmal in 
fcdjs ©lochen bie Stunbe machen fonnte. Gnt» 
bebrungen unb ©trapaßen, wie fie ficb biefelben 
hier mußten gefallen laffen, waren ihr in Gng» 
lanb gänjlicb unbelannt geblieben. $er ©eljalt 
bon $90 jäbrlidh. Wie Goofman ihn bamals be» 
gog, ließ ber jungen ©rebigerSfrau reichlich @e= 
legenbeit ©elbftDcrleugnung gu üben. Slber 
fowobl bi« Wie bann, als fie ficb in ben ari* 

, ftofratifchen greifen ber größten Stabte beS 
SanbeS gu bewegen batte, bewährte fie ficb als 
bie einfache. Warmbergige unb ftarfbergige 3ün» 
! gerin beS i>errn. 3m Spätem Sehen fagte fie, 
auf ihre Grlebniffe an ber ^rontier gnrücf» 
fdjauenb: „Um Gbrifti miüen Würbe ich baS 
SltleS gerne wieber burcbmacben, benn ich mar 
babei fo glüeflieb wie eine Königin." ©ie war 
, eine mufterbafte ©farrfrau. ©ei afl ihren 
J häuslichen unb mütterlichen Slufgaben unb ©or» 
j aen, war eS bodj bie hochwichtige Arbeit ihres 
©tanneS, womit ficb ihr ^>erg am öfteften unb 
tiefften beschäftigte. SBelche ©tiiße fie ihm barin 
muß gewefen fein, beweift baS liebebolle Sin» 
benfen, baS man ihr in allen ©emeinben bis 
| beute noch bewahrt. 

©och ©otteS ©lege fmb wunberbar. SIH gu 
! furg für fie — gu furg für ©aufenbe — follte 
I biefer glüdliche unb für bie ©tenfebbeit fo fegenS« 


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450 


(Situ aueerwöljlte |ftou. 


reiche (SljeJ&unb Wägten! — Jhr ©atte war ein 
Atann üou wunderbarer ©egabung. Atan flcib 
ißm immer widrigere SteUungen. 9to<h jient* 
lid» iung au Jahren ßhum er ben ©ipfel eines 
edlen unb erfolgreichen otrebenS erreicht ju 
haben. Sr oertünbigte bie fioße ©otfdjaft oom 
©eil ber Atenfdjen iu ber ©auptftabt bes gliid» 
(teuften ©olfeS ber Srbe unb würbe crwd^U als 
ffaplnn beS amerifanifchen Gongreffes. ©iele 
ber ©roßen beSSanbeS Würben ljier bie ©emun* 
berer unb Jreunbe beS AtanncS, ber nidjt nur 
mit Atenßhen* unb ©ngeljuugcn rebele, fonbern 
auch bie Siebe ©otteS in ihrer gülle befaß; unb 
triebt wenige ber Gongreßleute würben burd) 
feine gewaltigen unb hinreißenden ©rebigten 
bewogen, ibr Sebett ©ott ju weiten. 3)a tarn 
eS ibnt inS ©erj nach Snglanb jurüdjutehren, 
um noch einmal feine Sltern ju befugen. Äad)= 
bem er bor bem Gongreß noch eine fchmeljenbe 
Abfd)iebSprebigt gebalten, unb am 4. Atärj 
1841, bei ber Inauguration beS ©räfibenten 
©arrifon, ben Segen ©otteS auf bie amerita* 
nifdie Nation berabgeflebt butte, umarmte er 
feine eble SebenSgefäßrtin nnb feine liebenS= 
Wiirbigen ff iaber jum Abfcßieb. SS war baS 
leßte -Uiat hier auf Srben. 'Ser Kämpfer 
„©räfibent", auf bem er mit oielcn Andern aus 
bem 9tem porter ©afen fuhr, ift mit feinen 
©uffagieren nie in einen irbißhen ©afen cinge= 
febvt. 2Bo ihre Seiber bem großen Aufer= 
flebnngSmorgen entgegenfd)(ummertt, bot nie 
ein Atenßh erfahren. 

ffaunft bu bir bettfen, mein lieber Sefer, was 
biefeS grauenben burdnnadffe, als ftatt beS 
erften ©riefeS ipreS AtanneS auS ber lieben 
alten ©eimatß Aachricßten bon bem Ausbleiben 
bes Skiffes tarnen, bie immer mehr alle ©off* 
nung nabmen? Aie ift ber geheimnißoolie 
Schleier, ber über bem Schidfal ibreS AtanneS 
bing, gelüftet worben, ®(ei<h Samuel Silben, 
ber auf bem nämlichen Schiff feine ©raut ber* 
loreit hat, unb ben Jahrestag ihrer Sinfdjiffung 
ftetS in ftiller Sinfamteit am AteereSufer ju* 
bringt, ift auch ihr nie eine Aadjricht aus ber 
buntein, möfferigen Siefe getommen. Sange, 
bange Sfabre fdjwcbte fie jmifchen furcht unb 
Hoffnung, bis fich endlich ihr ©erj allmätjlig 
ber Ueberjeugung hingab, baß fie ben ©eliebten 
in biefer Aßelt ule mieberfeheit Werbe. Sie be= 
trachtete fich ieboch nie als Aßittme. ®aS Seben 
bei Sbnfto war ihr etwas AeetleS. 9tod) im 
hoben Alter hörte man fie oft fagen: „©eorg 
bat mich geftern berlaffen; er bleibt ©eute auS; 
aber morgen fetjrt er wieber." 

3uerft tonnte fie ftdj nicht aufrecht holten. 
Ser Schlag fdfmetterte fte nieber. Jßr ©erj 
berlor feinen ©alt. Sie flagte unb jagte unb 
tonnte ihrem ©ott unter biefer büftern Aßolte i 
nicht recht tinblicß oertrauen. So fdjmachtete I 


ihre Seele 14 Atonnte lang, ohne Sroft unb 
Jfrieben, bin. ®a erbarmte fid) ©ott über fie, 
unb goß bie oöUige Siebe, bie alle Jurcht aus* 
treibt, in ihr ©erj aus. AIS fie iu ber Sutaw 
Str. ffireße ju ©altimore am Altar tniete unb 
©err Aeljon ©eab ißt eben ben ffeld; barreichte, 
würbe fie fo oon ber ©nabe ©otteS überfeßüttet, 
baß für etwas AnbereS tein ütaunt in ihrem 
©erjen übrig blieb, ©ott tbat ba ein Aöert in 
ihrer Seele, an bem fie fpäter nie jroeifeln 
tonnte. Atit großer ffreubigteit jeugte fie ftetS 
üoit biefer großen ©nabe. 

Aun batte fie gefiegt. So oft auch ihre ©e= 
banten fid; mit bem SBerflävten befdjäftigt haben 
mögen, fo bot fie fich boeß nie wieder biifterem 
unb nußlofem ©inbrüten übertafjen, fonbern im 
©egentßeil würbe ihr Seben Don nun au ein 
reges unb tbätigeS. Atit ©elbenmutb griff fie 
bie Aufgaben, bie ihr in ber Aßelt oblagen, an. 
Atit 9ted;t betrachtete fie bie Grjießung ihrer 
ff iüber als bie größte biefer Aufgaben. SJiefe 
gelang ihr beim auch in hohem ©rabe; benn fie 
erlebte bie Jreube ju fehen, wie auf ihren Söß* 
neu, als fie ßeranmuchfen, ber ©eift ihres ©a= 
terS ruhte, ja, ber betannte Alfred Goolman, 
bem bie gute Atutter beinahe jwanjig Sabre 
Oor ihrem eigenen Ableben bie Augen fcßloß, 
fd)ien biefen ©eift in jmiefachem Ataaß ju be= 
fißen. Aeinerc unb eblcre Gßarattere, als er 
einer war, bat bic Aöelt wohl nicht biele gefe. 
ben. ffurj oor feinem triumpßirenben ©eint* 
gang rief ber Unoergeßlicße feine Atutter ju fich 
unb fpraeß: „Allerlbeuerfte Atutter, junaeßft 
bem ©errn Jefu habe ich Alles $ir ju oer= 
banten. Sein Ginfluß, dein ©eifpiel, deine 
SRatbfdbläge, beine ©ebete haben aus mir ge= 
macht, wäs ich heute als Atenfch, als (£©rift 
unb als Prediger bin." Auf ähnlich trium* 
Pbirenbe Sffieife, wie Alfred, gingen noch andere 
ihrer ffinber ihr in bie ©immlif<©e ©eimath 
oorauS. liefen erfreulichen ©rfolg in ber ftin= 
bererjiehung fchrieb fie brei Gingen ju: 1) 3)er 
S8efi© ber oöHigen Siebe in ihrem ©erjen; 2) bie 
ftrenge ©eiligbaltung beS Sonntags in der ffa* 
milie; 3) baS ©ewadhen unb Saheimhalten ber 
ffinber, nachdem eS buntel mar. 

3?otgenbeS, baS fie am Jahrestage ihrer ©och* 
jeit nieberfchrieb, läßt unS einen ©lief in ißr 
©erj thun: „Atit ^reuben begrüße ich immer 
wieber biefen Jahrestag, unb habe große Ur* 
fache dein ©eher aller guten unb bodtommenen 
©oben dafür ju banten. $er 2. April 1827 
machte mich ju einer ber glücflichften ©erfonen, 
bie je gelebt haben. Jch fage mit ©ebacht, baß 
baS Aöeib unb Sthfilhoberiit an bein Seben, 
ben Arbeiten, ben Sorgen, ben ffämpfen unb 
ben Siegen eines folcßen AtanneS ju fein, ©lücf* 
feligteit genug für mich gemefen ift — unb ©ßre 
genug mar es, bie innig geliebte unb gefdjäßte 


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Ptxiho's (Srgeugmffe und Jemoljnfr. 


451 


SebenSgefuhrtin beffen ju fein, beffeix großes, j 
treues, füljlenbes tperg mir immer uub allent» 
falben entgegenfd)lug." .... 

»SIS 'Utarp ©artou Utarp Eoolman mürbe, 
erreichte fie ben ©ipfelpunft Don bem, roaS fie 
in ihrer ^ugenb non einem magren unb glücf= 
liefen Sebeti geträumt hatte. 3 u f r * e b€ii^eit 

unb fjreube begegnete uns auf alten ©faben, 
bie mir gu geben patten, unb untere gegenteilige 
ßtmeigung mürbe burdj Nid)tS geftört, bis ber 
tefcte Slugenblid tarn, ber ibn meinem iÖlitfe auf 
immer entriß. 'JBer hätte an folgen NuSgaug 
gebucht, ber fdjmergDolI, mie er and) mar, ben» 
noch begleitet mar oon Segnungen, bie roobl 
fein menfdbticbeä .perj recht roirb roürbigen — 
unb feine menfchliche 3nnge mirb auSfpred)en 
fönnen, bis mir auf ben feligeit ©oben beS 
himmlifchen Kanaan attgefommen fein merbeit'? 1 
3<h h«f>e bie Ijöcbften fjrenben genoffen, ich habe 
bie tiefften i&thmerjen empfunben; aber ber 
Schmers mar es, ber mich in Siefen unb 
£>öpen ber JfefuSliebe geführt hat, bie mir 
höher fiept, als bie Siebe oon sehn 
@at ten." 

3ht ganges ÜBefeit mar überhaupt ein mu= 
jterljafteS. Sie hatte einen ftaren ©erftanb 
unb ein für ihr ©efchledjt ungewöhnlich gefun» 
beS Urtheil. 3für altes ©idjtige unb SÖiffenS» 
toerthe, baS bor fiefj ging, hatte fie ein $ntereffe. 
3ebe Minute, bie fie basu erübrigen fonnte, be= 
nußte fie, irgenb ein gutes Such gu lefen. SBenn 
man noch basu regnet, baß fie ein ungewöhnlich 
reiches unb heiteres ©emütij befafs, baS fidj an 
adern Erfreulichen im Sehen auch erfreuen 
fonnte, fo munbert es uns nicht, baß fie überall, 
mo fie pinfam, einen großen Einfluß auSübte, 
unb baß befonberS bie liebe Sfugenb mit unge» 
möhnlidher Siebe an ihr hing. Sie tarnt feine 
Kopfhängerin genannt merben. 2Bar fie auch 
in religiöfen 3)ingeit fehr entfdbieben unb Don 
Haren Uebergeugungen befeelt, fo blieb fie boch 
babei immer natürlich, einfach, unaffeltirt; unb 
obwohl fie ermiefenermaßen eine ho^hegnabigte 
©erfon mar, fo oermieb fie boch alle gfromm» 
ihucrei unb Nbgefdjloffenheit unb blieb ihren 
3t ä ch ft e n immer nahe ftehen. 

Daß ein foldjeS Sehen einen frönen 3fbenb 
batte, finben mir fetbftDerftänblid). Sie Der* 
lebte benfelben in ber Neifeprebigerpeimatfj ihres 
jüngeren Sohnes, Neo. 3fofjn Eoofman. StuS 
bet SrübfalSrooche, bie baS geheimnißDoüe 
Sdjidfat ihres NtanneS über fie gebracht hatte, 
mar fie gereinigter unb göttlicher hrrDorge» 
gangen. 2BaS ihr nun auch SrübeS begegnen 
mochte, ihr geläuterter ©laube trug fie fiegreid) 
über MeS hinweg. ©iS ans Enbe arbeitete fie 
mit fjfreubigfeit im 9tei<he ©otteS, benn bie ihr 
nun gu ©ebote ftehenbe Nluße ermöglichte es ihr 
bie 3®ünfche ihrer 3fugenb gu berroirflidjen. 


3)aS Enbe fam fchned. Sie mar barauf Dor» 
bereitet, benn fie hatte oft gefügt: „Sehen ober 
Sob ift mir Eins. $cf> bin fertig gu gehn, wenn 
SefuS ruft." Nachmittags mar fie noch in ber 
Kirche gemefen, um bie für eine nahe Orcftlidjfcit 
gemachten ©orfehrungeu gufeljen. £>eimgefehrt, 
brachte fie, nach ihrer ©eroohnheit, eine Stunbe 
mit Sefen unb zRebitiren in ihrer ©ibcl gu. 
('Ulan fanb baS Nterfgeidjen beim 22. Kapitel 
ber Offenbarung. Sie patte alfo baS Turd)» 
lefen ber Sibef foeben Dodcnbet). Oanu fam 
fie gum Nbenbeffen ; unb als fie eben am ©rob» 
brechen mar, fanf fte ohnmächtig hin. Nutjig 
lag fie bann auf ihrem ©ett bis gum 3. 3)egem= 
ber 1881, ba' fie im feligen ^rieben hinüber» 
fchlummerte in bie £)eimatb beS SiditS. Öic 
lang erfebnte Stunbe mar genommen. Sie mar 
Diergig 3>ahre lang 2ßittroe gemefen. Nach lau» 
gcr, geheimnißbollcr Trennung burfte fie bei 
3efu auch ben roieber umarmen, um ben fie fo 
lange getrauert hatte. O SBicberfchn, bn löft» 
liehe Hoffnung ber Kinber ©otteS ! 

©feine theure Scferin, möge bein Sebeit fein 
mie ihr Sehen, unb bein Enbe mie ihr Enbe. 




iKmko’0 frjcugniflTe utib 



©an 3* ^chimmelpfruKig. 


t e länger, je lieber," heißt es auch in Nterifo. 
®er erfte Einbrud ift eine gänglidjc Ent» 
täufchung, befonberS wenn man feine üor» 
gefaßten Stauungen auf bie Ergählungcii beS 
Eorteg uub feiner ^Begleiter, ober auf bie aben» 
teuerlichen ©efchichten Don ©anbiten ober Don 
ben fabelhaften Neichthümern ber Silberminen 
gebaut hat. Nnftatt feenartiger ©aläfte unb 
allerlei Erftaunen erregenber unb eigentbütnlich» 
mejifanifdjer SBerfe unb Einrichtungen fiitbet 
man fief) gurüdberfeßt in bie Nealiftil beS neun» 
gehnten ^ahrbunberts, in ein Sanb, baS noch 
üieleS gu münfehen übrig läßt, baS, fetbft Wenn 
eS in feiner Entroidelung nicht fo oft unb fo an» 
Ijaltenb burch politifche Ereigniffe geßinbert 
roorben märe, bennoch laum bie gro|en Natur» 
hinberniffe, bie in Nterifo überall gu finben ftnb, 
bermaßen hätte überroinben fönnen, um mit 
bem Fortgang unferer 3eit Stritt halten gu 
fönnen. 3lber biefem erften Einbrud folgt halb 
ein anberer ber ©erounberung unb Nnerfennung. 
Klima unb Naturfchönheiten, ber tiefblaue ^im» 
mel, milbet Sonnenfehein, gelinbe Temperatur, 
bie fdjneebebedten Serge Jfgtaccihuatl unb ©o» 


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452 


fHttiho'« drjeugnifle unb $moj)tirr. 


pocatepetl bömpfen halb jebe Stijjftimmunfl mtb 
üben ihren aujiebeuben 'Jieij auf beit Seob« 
achter. 

$)aS heutige Steyifo fud^t fidj ’ rafdj in beit 
©eift uitferer 3eit hineinjufinben. Sanne uer= 


wollen fabrifen, werben Ijier befprodjen. ffteue 
Stelegraphenlinien werben errichtet. 2iefe ©cr= 
fon ift b.krbergefommen, um flaffeepluntagen 
5« beficljtigeu, jene, um eine $atnpferlinie ju 
grünben. tjunf neue (Sifenbühnen, non benen 



fäumte Serbeiferungen werben mit einer ©nergie 
angegriffen, bie faunt burd) bie cbronifche 9lrmtith 
ber Segierungsfaffe ju gügeln ift. 5)ie Se= 
leud)tung ber ©tragen in ber |>auptftabt, bie 
Searbeitung ber Äoblenminen, bie Segrünbung 
Don 3uderfabriten, ©djubfabrifen, Saum« 


^wei fdjon weit boran finb, fallen ba? Sanb non 
9torb nach ©üb burcbjiehen, tittb mehr als jwei= 
mal fo niel follen non Cft nad) SEBeft gebaut 
werben. 

Son bem SteereSufer bis jur £>auptftabt 
Stejito ift baS Sjanb eine lange, an mannen 





























9feziko’s (Erjeugniffe unb Ptmoljner. 


453 


©teilen feljr [teile, an anberen wieber burcb 
große Ebenen OfUateau») unterbrochene 23ergcS* 
anbölje, unb auf ber anberen ©eite gebt eS wie« 
ber bi§ gur SteereSlüfte bergab, (Sä ift oft 
ttiunberbar, tote fidf bie menfc^Iid^e itunft über 
bie ungeheuren ©ebtoierigfeiten, bie burch ffierg 
unb Thal unb ßluft ben Gifenbabit * Unter» 
nebmungen in ben SBeg gelegt toerben, hinweg* 
fe&t. Sie tpalmer unb ©ulüöan*23abn illujtrirt 
trefflich) bie tQpifd^ert ©ebtoierigfeiten beS SanbeS. 
3n ben erflen anbertbalb Steilen jäfjlt man fo 
Diel al§ fiebengebn Sßriicfen, bie übet einen ein« 
«gen ©tront gebaut werben mufiten. 2luf ber 
!8era*Grug unb SZejilo*S3abn lommen Sßiu« 
bungen bor, bie baS trabitionelle ßunfifiücf bei* 


bie höbet gelegenen inlünbifdjen Ebenen einem 
ntilbeven ftlima angeboren. Vanaiten, ßoluS* 
nußbäume, 2attclpalmen unb Stachelbeeren 
tocchfcln mit einanber, je nach ber höheren ober 
nicbcren Sage beS S!anbeS. 

2er größte Tljeil beS SaitbeS ift eingekeilt 
in fßiefenplantagen (£>acicnbaS), tlcine Sanb* 
guter fittb fauin betannt. 2er ©igentljiuner 
iibergiebt bie Sluffidjt einem ©telloertrctcr, ber 
baS SlrbeitSperfonal anftellt unb bei ber Arbeit 
bewacht, ©o nahe im Gentrum beS ©uteS wie 
möglich liegt baS Herrenhaus, je nad; bem @e* 
fehmaef beS VefitterS loftbar unb fdjloßähnlid), 
ober einfach unb fdjlid)t, weldjes aber nnr bcrio* 
benweife bie Gbre hat, ben ©utSberrn gti bchcr= 



SDer ®«ctu§ unb feine ffrud&t. 


nabe möglich machen, bah bet Schaffner auf bem 
lebten SBaggon feine Vfeife an ber ßofomotibe 
anjünben rann. 9(uf biefer S3abn befinbet fich 
oberhalb Staltrata ein $unft, ber in birefter 
fiinie nur gtoei unb eine halbe Steilen entfernt 
ift. ben Wir aber per Gifenbahn nur nach gurütf* 
gelegten gwangi^Steilen erreichen fönnen. 

Stejifo wirb geh nie einer großen Ginwanbe* 
rung erfreuen. 2aS Hauptbinberniß ift Stan« 
gel an Ütaum. 2ie SßlateauS, bie Hauptfiße ber 
Seoölferung, ftnb nicht groß genug, um ben 
planlofen fftnforbtrungen einaewanberter VolfS* 
rnaffen gu genügen. 2iefe IßlateauS bieten ben 
fdjarfen jföntraft üerfchiebetter fflimate: bie 
tieferen, nabe ber ftiifte, geichnen fich burep tro* 
pifche Temperatur unb Vegetation aus, mäprenb 


bergen, ber fid) am liebften in feiner ©tabts 
refibeng aufhält. tJtuf bet Hacienba wohnen 
Sluffeher unb Slrbeiter möglidjft nabe beifam« 
men, unb bie ©ruppe Käufer, bie ba§ „große 
HauS" umgiebt, nebft ©taüungcn unb Scheuern 
unb Perfchicbenen SBerffiätten, bilben an fich oft 
eine anfebnlidje ©tabt bon hunberteit unb fogar 
taufenb Ginwobnern. 

3luf ber wunberfdjönen Galgaba, bie gwißben 
ber Hanptftabt unb Ghapultepec ftch erflrecft, 
ober auf bem Vabngug, ober auf ben V lau tagen 
fießt man ben jungen meritanifdien 2anbp, ber 
fich ein abfhrecfenb bigarteS 9luSfeßen gu geben 
oerfteßt burch feine ftfeibung. Gr trägt eine 
futge fdjwarge JUde, unter .welcher ein großer 
Steöotoer beroorfiebt, ein rotbeS Schnupftuch ift 


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454 


lürsico’s (frjeugniffe unb JJerooljner. 




SDie mejifanifcfc 9lloe. (Century rinnt.) 

um feinen £>a!S gebuuben, enge £>ofen mit brei* 
ten Streifen üon fitbernen Dcüngeit, gewaltige 
jttberne Sporen unb einen breiten gilgfoinbrero 
mit Sitberbanb gefdjmücft. @iu berartiger 
Sombrero ift notßwenbig gur Serüoflftänbigung 
feinet Jtleibung, unb er begabt gern gwangig 
®o(IarS für biefe üopfbebedung, wenn fie nur 
rec^t breit unb mörberifcß auSfießt. Dber ge= 
fäßrlicß finb biefe ©entlemen nicht, troß DeöoU 
ber unb Sombrero; fie tleiben fich nur nach ber 
Dtobe, unb biefe fleht ohne 3weifet mit ben po= 
titifchen 3ufiänben beS SanbeS in Serbinbunq. 
DuS ben oielen Deoolutionen unb $riegswirren, 
burch welche ba§ Sanb in fundier Deißenfolqc 
feit bieten fahren gegangen ift, hat fich ber 
militärifcße ©ebante auch bei ben friebfamen 
Sürqem feftgefeßt. $)enn patriotifcß ift ber 
Dtejrifaner, wir biirfen faft faßen, patriotifcß 
gum ©jceß. SBo man ßinfcßaut, bemerft man 
bie Spuren beS Kampfes; foßat bie Damen 
ber Stäbte unb Straßen finb ihm nicht ßang 
munbgerecßt, wenn er fie nicht mit bem Damen 
einer Schlacht ober eines ©enerals berbinbeu 
tann. 

Duch bie übtißßebliebenen Dgteten fonbern 
ficß burch befonbere Äteibunß bon bem iibrißeu 
SSotte ab. $)ie Dtänner ber ärmeren SJIaffe tra= 
ßen faft attßemein ein einfaches Stiict SBotten* 
getiß, burch beffen Witte ein Socß gefdmitten ift, 
um eS über ben ffopf giehen gu fönnen. Z\t 


grauen baßeßen traßen einen Shawl bon blauer 
Saummolle, ber, über ben Äopf ßeteßt unb born 
am $inn iibereinanber gefchlagen, ber ©eftalt 
ein orientalifcßeS ©epräße qiebt. 

2öie bo<h biefeS arme Snbianeroolt fo hart 
arbeiten muß. UBaßre Saftträger finb fie. 9tn 
ben ßifenbaßnen teiften fie im $eben unb j£ra= 
gen faft Unglaubliches. Dnbere, bie auf bem 
Saitbe woßnen, tragen ihre tprobufte ßange 
Sageteifen auf ben Schultern gur Stabt, um 
fie bort gegen einige 6entS auSgutaufdjen. 

2>ie £>auptprobufte be§ SanbeS finb .ftorn, 
Doggen unb Dtagunh. DuS leßterem wirb ein 
fiißer Saft gewonnen, aus bem ber SBein (ober 
Sulque) beS SanbeS bereitet Wirb. Sfeben iaa 
geßt @iner umher mit feinem ©fei, unb fammelt 
an ben Käufern biefen Saft in SDeinfcßläuche, 
bie ans häuten befteßen, unb führt ißn ßeim. 
-€>ier wirb er in einen großen Seßälter, ber auch 
aus £)äuten gemacht ift, auSgeleert unb bleibt 
bann fteßen, bis er gegoßren hat; in ungefähr 
brei SBodjcn ift ber SBein gum ®erlauf bereit. 

3u |)eclen ober Umgäunungen ber gelber 
wirb bie Genturt)=SfJange benußt. Dian fießt 
auf jenen großen Sefißungen, oon benen manche 
fo groß wie nnfere ©ountieS finb, fcßöne grüne 
Sinien, burch welche baS Sieh nicht bringen 
tann, unb bie bem Sanbe ein recht nettes 9IuS= 
feßeit geben. 




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455 


(Sine Dtqogrtie (Eodjter. 



(fine ucrfogcnc todjter imb tjjre Heroen. 

San ^nliui (£ber|«rfc. 


eruljigen Sie fich, Sereljrtefte," 
faßte bet Cbermebijinalratfj 3üü= 
ner, ein mürbiger Herr mit weißem 
Jfr Haar ju ber Wittme bes reifen Herrn 
I tfv Weier. 6t batte ebeit bereit einjige Doch» 
vr * ter befucht unb bie Wutter batte ibn bot 
bie 3< mme rtljüre begleitet. „3ch famt 
nicht bie geringfte Urfad)e jur Seforgniß 
finben. 3b« Dodjter ift öieüeidtjt in beit 
lebten Sagen ju wenig an bie frifdje 2uft 
gegangen." 

„Werben Sie nicht menigftenS bie ©itte 
haben, morgen miebcr und) meiner Dochter 
feben ? Siefleip/t läjjt fid) bann ibr 3 U » 
ftanb beffer beurteilen." 

„Gs tbut mir leib, id) batte »eitert Sefudje 
für überflüffiq." 

„Slber ber peftiße ffopffcljmerj auf ber linfen 
- Seite unb bie nerböfe Aufregung mtb bie Schlaf» 
lofiateit... I" 

„Würbe fid» alles berlieren, »entt Fräulein 
beute Slbenb baS GiSfeft auf bent Sdjlojjfee be= 
fucben wollte." 

Damit empfahl fich ber 9lrjt. 

3n einem aHerliebften 3 immer. bon weldbem 
man in einen prätbtigen Salon feben lonnte, 
faß am tjenfter Ptatalie Weier, ein reijenbeS 
Stäbchen bon ungefähr jmaitjig fahren. @ie. 
lehnte ficb eben in ihren Seffel juriid unb ftrid) 
eine ihrer blonben Coden aus ihrer Stirne, als 
bie Wutter wicbcr eintrat. 

„Habe ich cs bir nicht borauSgefagt, Warna, 
baft ber Webijinalrattj meinen guftanb nicht 
berfiebt, ober bielmehr nicht berftehen will? 
Warum? — weiß ich nicht." 

„Der Herr Oberinebijinalrath meint aar, btt 
folleft heute 91benb jum GiSfeft geben. Das ift 
bo<b recht leichtfinnig gerebet bon einem 21rjte. 
3<h hätte eS bem Ferrit Webijinalrath Wirtlich 
nicht jugetraut." 

„Das fehlte mir-nod), bafs ich jum GiSfeft 
gehen follte! Gs fiitb fchon bier Wochen, baß 
i* mich wie ein Schladjtopfer bon einer 3reft= 
lidjfeit jur anbern fdjleppen muff. Grft am 
Santftag auf bem ffafinoball, am ffreitag bei 
ber Sehlittenpartie, am Donnerftag Sbenb bei 
ffommerjienrathä unb heute gar jum GiSfeft! 
'Jtein, ba foflen anbere Wäbcben hingehen, ich 
gehe ganj gernifs nicht." 

„Siebes ff inb, bu erbipeft bich!" 

„5?ur einige Wochen möchte ich einmal Stube 
haben bor ben jungen Herren ! Gs ift ihnen 
allen nicht um mich, fonbern nur um mein ©e(b 


ju tbun. Diefe Dinge finb es, bie mich tränt 
machen." 

„Slber Satalie, bu bergißt, baß bu tränt bift!" 

„3d> hätte eS beinahe bergejfen, wenn mich 
nicht eben baS heftige ffopfmel) baran erinnerte. 
Hier, Warna, befühl einmal meine Hänbe." 

„fieberheiß!" feufjte bie Wutter, wiewohl bie 
4)ifce fehr mäßig mar. 

„Slber nid)t wahr, Warna, jefct folgft bu mir. 
3<h hohe bir bisher nachgegeben unb es noch ein» 
mal mit bem Webijinalratb oerfucht, obwohl ich 
Wufcte, baß eS bergeblich fei; aber nun erwarte 
ich, bap bu ben Dottor 3immer rufen läffeft unb 
jwar fogleidj." 

f rau Weier, bie 2achter armer Gltern, War 
juerft 3immermäbchen unb bann Haushälterin 
net bem Wann gemefen, ber fie juleßt beiratbete, 
unb als er halb barauf ftarb, ihr nnb ihrem 
einjigeit ff inbe ein grofceS Sermögen hinterlieh. 
Da bie Wittwe Weier mit ihrem ftinbe biele 
3ah« fehr einfach lebte, unb jugleich ihr Ser» 
mögen auf’s umfichtigfte bermaltete, fo fchwoH 
biefeS immer mehr an. Statalie hatte biel Ser» 

f ianb unb befonberS einen augebornen Sinn 
ür’S Schöne. Son ihrem achtjehnten Saht an 
üherlieh ihr bie Wutter bie Sermaltutig beS Ser» 
mögenS. fttatalie taufte ein HauS in einer ber 
fdjönjien Strahen unb baS fchönfte Stodwerf 
beS HaufeS Würbe auf’s elegantere eingerichtet. 
Sei bem allem behielt fie bie Sermeljrung bes 
SermögenS beftänbig iin Suge unb jeigte in allen 
('Jefdjäfteu große Umficht. 

Dem Dottor 3immer märe ber Stuf jit Statalie 
Weier ju anbrer ^eit fehr ermünfeht gemefen, 
jejit aber tarn et ihm unbequem. Gr mar ein 
mnger, noch unoerheiratheter Wann unb hatte 
i fid) erft bor ff urjem in ber Stabt niebergelaffen. 

! Stach einer beim Wein burd)fd)Wärmten 9tad)t 
lag er inüb unb abgefpannt auf feinem Sopha, 

! als baS Dienftmäbchen ber fron Weier ihren 
; Auftrag beftellte. Gv berfprach fogleich ju toin» 
men nnb beeilte fid), fich beffer anjufleiben. 

„Haft bu unferem Sanfier wegen ber anteri* 
fanifd)en ©apiere gefdjrieben ?" fragte unter» 
beffcn 'Jtatalie ihre 'Wutter. 

„91ch, baS habe ich leiber über ber Sorge um 
bich oergeffen." 

„Sber welche fJtadjläffigfeit, Warna I GS ift 
ljöchfte3eit, bieSapiere ju bertaufen, wenn wir 
nicht in Schaben tommen foflen. Wuß id) benn 
alles felbft thnn ?•• 

„Gs fofl gewiß nicht mehr borfommen, liebes 
ffinb; beruhige bich nur für biefeS Wal." 


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456 


Sine oergogene Codjter. 

,,©u foüteft, Warna, ehe ber ©ottor tommt, beS SBettcS. ©arf idh um Rapier unb ©inte 
ein anbereS Häubchen auffepen, bamit bu nicht bitten ?" 

auSftehft wie eine Wonne." grau Weier führte ben ©ottor an ben 

©ie Warna geborgte. ©cßreibtifd) ihrer ©ocßter. 

,,©o jept fomm ’mat hieb« *u mir," begann 9llS ber ©ottor am ©ehreibtifdlj faß, überlegte 
Watalie mieber unb rüdte ber Warna baS £)äub« er, was gu tpun fei. (Sr roollte burd) mögli$ft 
dhen gurecßt: „fo jept paffirtS." umftänblidhe Berorbnungen einen BeroeiS feiner 

Wan hörte jept ben Wrgt tommen. Natalie ©emiijenhaftigfcit geben, allein er batte Weiße, 
gab ficb gefcbidt ben Wnftricß einer halben ©ßn« feine ©ebanfen gu fammeln. gn bem bequemen 

macht unb fanf fraftloS in ihren Seßnfeffel. ©effel bor bem ©cbreibtifcß faß ficßs fo roeieh, 

„Wit inniger ©ßeilnaßme höbe i<b Don ber im Zimmer herrfdßte lautlofe Otube — fo über« 
Grfranfuug gßrer gräulein ©ocßter gehört, mannte ihn bieWübigfeit unb er nidte ein. ©ie 
allein ich hoff* • • •" ©amen blidten einanber bebenflidh an. Gnblidß 

„Wir finbgßnen großen ©anf fd^ulbia, £>err erlaubte fi<b grau Weier, burdj ein WäuSpern 
©ottor, baß Sie unferem Wufe fo halb folgen," bie ©title gu unterbrechen, v moburch audf) ber 
fagte grau Weier. ©oltor richtig gemedt mürbe, aber fdhneü be» 

„geh banfe ber Borfeßung, baß gßr ©ienft« fonnen fagte er : „©er gatl ift groar nicht be« 
mäbeßen nicht einige Minuten fpäter tarn, geh benflidf), aber fehr Dermidelt unb erforbert großes 
mar eben im begriff auSgugehen, um meine Wadhbenfen. geh holte es für meine Htfli^t, 
gahlreidßen Patienten gu befugen, ghr ütuf, mit ber größten Borfidßt torgugehen." gept 
Bereljrtefte. .." fing er an, Wegept um Wegept gu fehreiben. 

„gnnigen ©an!!" Iifpelte Watalie, unb lub „geh höbe," fagte er, Dom ©ehreibtifeh auffte« 
mit einer leiehten £>anbbemegung ben Wrgt, ber f)enb, „nach beftem Wiffen unb ©emiffen alle 
ihr inbejfen näher getreten mar, ein, fi<h ouf nöthigen Berorbnungen getroffen, guerft ein 
einem ©effel ihr gegenüber niebergulajfen. SBaffer gur fiinberung gljrer fiopffchmergen, 
Watalie fing nun an, bem Birgte ihre Seiben roomit ©ie alle holbe ©tunben ©tirne unb 
gu befeßreiben. ©ehläfe mafehen toerben." 

„Öaben ©ie ben Äopffdjmerg ununterbro« „geh fottte Dor allem etmaS gur ©tärlung ber 
eben ?" Serben haben." 

„Wein, nur Don 3cit gu 3 c 't* £»cr," fie beu» „©ang richtig, ©afitr höbe idh eine Wrgnei 
tete bamit auf bie linfe ©eite ihres JllopfeS, Derorbnct unb ebenfo eine folehe, um bie £)ipc 
„fängt eS an, gieht fid) bann plöplieh h' er her« gu mäßigen, ©iefe Slrgtieien fotlten ©ie im 
über, bis eS auf ber rechten ©teile am heftigften W3ed)fci nehmen." 
mirb unb mi<b gulept tn ber Wöbe beS WacfenS „2Bie oft ?" fragte grau Weier, 
mieber Derläßt." „Wbmed)SlungSmeife ade halbe ©tunben. 

©er ©ottor, gunäcbft in Berlegenßeit, maS er Wußerbcni habe idh einen ©ßee berorbnet, mobon 
fagen folle, ergriff WatalicnS £>anb, mie menn ©ie alle ©tunben eine halbe ©affe nehmen 
er ihren 'fßuls fühlen moüte, babei gog er feine rooüen. 9lber idh muß ©ie bitten, grau Weier, 
Uhr, als moHte er bie ^ulsfdjläge gäßlen. (Sr baß ©ie bie Bereitung beS ©ßeeS fclbft befor« 
ftierte aber gang gebantenloS über feine Brillen* gen. Wan fann fidh in biefen ©ingen auf bie 
aläfer roeg, mäßrenb grau Weier in faft athem» ©ienftboten nidht berlaffctt. Gr muß bei mä« 
lofer Spannung auf feinen WuSfprud) martete. ßiqem geuer genau gmangig Winuten lang ge« 
Gnblieh ließ er feine .ftanb mieber fallen. tocßt merben." 

„Wber bie Trautheit ift boeß nicht gefährlich ?" Watalie bot bem Wrgte gerührt bie frnnb unb 
fragte grau Weier. banfte ißm für feine ©heimahme unb Sorgfalt. 

„Serußigen ©ie fidh, meine ©näbige, Don ©e= „Wie lange mirb es mähren, bis meine ©och* 
fahr ift feine Webe," antroortete ber ©ottor unb ter mieber fjergcftcHi mirb ?" 
fepte na<h einer ©Beile ernfthaft hing« : „bor* „Wenn meine Berorbnungen befolgt merben, 
auSgefept, baß meine Berorbnungen pünftlidh fo hoffe idh beftimmt, baß gräulcin in me« 
befolgt merben." nigen ©agen eine WuSfaßrt merben magen 

„Weine ©odhter mirb ftdh gu Bette legen tonnen." 
foflen ? geh habe fie bisher nidht bagu bemegen „Weh, baß mir ©ie fd;on bälber hätten tennen 

iönnen." lernen!" feufgte grau Weier. „£crr Ober« 

,,©a8 tommt gang auf baS ©efühl Don gräu« Webiginalratq güUner mar bisher unfer £>auS= 
lein an. Sobaib ©ie, DerehrteS gräulcin, ein argt, aber mir haben alles Bertrauen gu ihm 
Bebürfniß barnadh empfinben, follten ©ie ftdh Derloren unb fdhäpen uns glüdlidj, in gßnen 

fogleidh gu Bette legen, ©o lange baS nicht ber einen fo gemiffenljaften Slrgt gefunben gu ha« 

gall ift, ift eS gmedmäßiger, ©ie bleiben — na» ben." 

tiirlidh mit ber nöthigen Borfidft — außerhalb „geh habe ben Webiginalratb immer für einen 


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457 


dint oenogene ®od)ter. 

I 


oberflächlichen 9Irjt gepalten," faßte Mtalie, „er 
Wollte nie auf meinen 3uftanb entgehen." 

„Unb roas faßen Sie baju, £>err *3)oftor?" 
fiel ffrau 'Meier ein. „$)er ©bermebijinalrath 
wollte, meine Tochter foüe beute Menb bas 
©isfeft befugen." 

„3ft baS möglich ?" rief ber ©oftor. „$)aS 
wäre ja ber pure ÜBahnfinn! Ps wäre 3b* 
unfehlbarer Job." 

„2Sel<b unüerantroortlicher Seichtfinn!" rief 
entfeftt grau Meier. 

„Serben Sie bu§ (Sisfeft befucben, $err 
$)ottor?" fraßte Mitalie. „Ps foll ja febr 
glänjenb werben." 

„So benfen Sie bin, ffräulein ? 2Bie foHte 
man fich folgen ©ergnügungcn binßeben tonnen, 
fo lanße man fo fernere Serautroortunßen auf 
fi<b ließen bat ?" 

ffrait Meier mifdjte fid) eine ibnine ber 9tilh= 
runa ob foldjer Mfopferung. 

„allein für Sie, öereljrteS ffräulein," fuhr 
ber Dottor fort, „tbut eS mir leib, baß Sie bur<b 
3br auaenblitflicbeS Unmoblfein berljinbert finb, 
baran tpeil ju nehmen." 

„3<b bin aHerbingS bon Sfommcrjienrath 
©rolls einßelabeit roorben, in ihrer ©efeflfchaft 
baS PiSfeft ju befuchen; ich habe aber, fcbon ehe 
idj unmobl mürbe, für bie Pinlabung ßebnnft." 

„Pi, ber ©ruber beS ÄommerjienräthS ift ge. 
ftern Menb anßetommen," faßte ber Süottor. 

„Mgnft ©roll! Mama, erinnerft bu bidj 
nod) feiner aus ber 3cit, ba feine Pltern in int. 
feter 'Jlachbarfdjaft mahnten ? unb roaS ift benit 
aus ihm ßeroorben, £>err ©ottor ?" 

„Pr bat ein grofeeS ©efcbäft in Mailanb unb 
ift jugleich belgifcher Äonful." 

„Unb mie foil es mit ber *1)101 gehalten wer. 
ben ?" fraßte bie bcforgte Mutter. 

„2öaS Siifeigteiten betrifft, fo tann ich 3bnen 
biefeburdjauS ..." er mailte faßen: „burrfjauu 
geftatten," als ihm ffrau Meier in bieiltebe fiel: 
„ach, meine 2od)ter ift nicht mie anbere Mobilen, 
fie liebt bie Sügigteiten ßat nicht, nur bas 
Saure unb Scharfe." 

,,-Defto beffer! ich wollte eben fagen, bafe ich 
3bnen Süfeigfeiten burdjauS nicht ßeftatten 
tonne, fonft mäßen Sie effen, was Sie mallen." 

ö obalb fich berMjt empfohlen hatte, mürben 
bie fRejepte in bie ?lpothefe gcfd)idt. 9US ber 
©ehülfe beS ?lpotheferS bie ©erorbiuingen beS 
©rjteS getefen hatte, tonnte er bie ©emerfunß 
niept uiiterbrücfen, nach ben Morbitungen beS J 
©rjteS feheine eine ernfte Prtranlung uorjulie* 
ßen. Man beule fidb ben Schredcn ber Mutter, 
als ihr baS $icnftmäbd)cn biefe ©eufeernng fein, 
terbradjte ! Mit ber Ufer in ber £>anb führte 
fie alle ©rtorbnungen beS Slrjtcs auf ba§ pünft. 
iichfte aus. 

©alb fanb bie Softer, baß ftch baS ©ebürf. 


nife, fich ju ©ett ju leßen, bei ihr einftellte. ©an 
ber Mama auf ber einen, oou einem ©ienftmäb. 
cheit auf ber aitbern Seite geftüßt, roaufte fie in 
ihr Schlafjimmer. 

„Mama," lifpelte fie mit fthroacher Stimme 
währenb beS ©anßeS. 

„Siebes ftinb!" 

„Söenn ich fterbeit follte..." 

„Mtalie, ich bitte bid), rebe nicht alfo !" 

| „9Benn ich alfo fterben follte, Mama, fo 
münfehe ich benfelben Sarg, mie neulich bie 
ruffifche ©rafin, Schlofeftrafee 'Jtr. II einen 
hatte!" 

.femtte eS nicht ßeßolten, bie thenerfte Saft ju-, : 
ftüßeit, fo märe ff rau Meier jeßt ohnmächtig ju.‘ 
fammengefunfen. 

Pnblid) ließ fich Natalie auf einem Seffel in 
ihrem Schlafjimmer nieber, unb bie Mutter unb 
baS ©ienftmäbepen beßannen fie ausjutleiben. 

„Safe baS, Mama," mehrte Mitalie ber Mut. 
ter, „bu greifft mich fo ungefepidt an, £)auncpen 
fall mich allein auSfleiben." So blieb ber 
Mutter nichts übrig, als in ftifler prgebunß 
biefen Tienft einer anbern ju überlaffen. 

„Mama," lifpelte fRatalie, als fie im ©ette 
laß, „ich bebarf jeßt nichts als tRupe, abfalute 
Dtuhe. 2öenn bie 3cit baju ift, mogft bu fom= 
men unb mir bie Mebijiit reichen." Mama 
entfernt fich. Mich einer Söeile läutet 9tatalie. 
„Mama, lafe bie ©orhänge herunter, ich faitn 
baS Sicht nicht ertragen." fRocp einmal läutet 
Natalie. „Mama, ich höre ©eräitfch in ber 
,Qü<he; id) bitte mir böllige SRupe aus." 

iobteuftille herrfefete in ben ©emäcpenuber 
ffrau Meier, 3 f bermann ging auf ben 3epen, 
bie Spüren mürben mit ängstlicher Sorgfalt 
geöffnet unb gefcfeloffen. 3>u ©orjitnmer oon 
9tatalienS Schlafgemach faß ff rau Meier, be= 
reit, auf jebeS 3«i(heu ber Tochter herbeijueilen. 

®oftor 3'uimer log mieber auf feinem So» 
pfja unb beredpiete, wie halb feine Sdjulben be. 
jahlt mjiren, wenn Mitalie Meier feine 3?rau 
mürbe. 

PS mar jeßt fltachmittagS 2 Ufer. Um 6 Uhr 
follte bei fcftlidjer Seleuchtung baS ©isfep be. 
ginnen. $ie S)amen in ber Stabt richteten 
ihre Älciber. 

3n fJtatalienS SJrantenjimmer roarS immer 
noch ftiü. Me halbe Stunben tarn bie Mutter, 
um ifjr bie Stirne ju roafchen unb bie Mebijin 
ju reichen. fWatafie mürbe eS allmählich in ihrer 
abfoluten Stille langweilig. 3bre ©ebanten 
bewältigten fuh mit bem ©ruber beS Kammer. 
jienrothS. ,,9llfo 9luguft ©roll ift mieber ba. 

3<h mcd)te ihn bod) mieber fehen. Pr mar ein 
hiibfdjer, munterer 3unge. Pr fei ein großer 
Kaufmann geworben, faßte ber 2)oftor. ©e. 
miß hat er fefer feine Manieren. Cb er roofet 
and) jum Pisfeft geht ? Natürlich fleht er junt 


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458 


(Sine oerjogene iodjter. 


GiSfeft, wenn fein ©ruber unb feine Sdjwä» 
gerin flehen. Sa hätte id) jeßt bie befte ©eie» 
genbeit ihn gu feben." 

„2Bie gebt e§, Sfinb?" fragte grau Weier, 
bie mit bem ©htag f>al& brei mit einer Saffe 
Sbee unb ber Webigin an bem Sett bfc Sohter 
ftanb. 

„gh fübte mich bebeutenb mobter. Sn fönn« 
teft bie ®orI)ätige gurücfgieben." 

,,©ott fei Sauf! hier ift bie Webigin." 

„gh nehme feine Webigin mehr." 

„9tatalie, ber 3lrgt b«t eS jtrengftenS be» 

fobten." 

„gft mir einerlei. Sen Sbee Will ih noch 
einmal nehmen. 2Bo ift £>annhen? ih will 
auffteben." 

„Sie wirb gleih b>er fein." 

Natalie läfet fih anfleiben. 

„2Bo ift fiuife?" — fo bief? ein anbereS 
Sienftmäbhen. — „Warna, ruf mir fogleih 
bie fiuife." 

fiuife fommt. 

„fiuife, bu gebft auf ber ©teile gu grau 
ütoinmergienratb ©roll unb bcfteüft bon mir 
nebft höflicher Gmpfeblung, baß ich nun boch 
oon ihrer freunblicfjen Ginlabung ©ebraucp 
machen unb mich beute 9lbenb fürs GiSfeft an 
fie anfcbliehen Werbe." 

grau Weier fällt halb ohnmächtig in einen 
©effel. 

„2öaS gauberft bu ?" rief Dtatalie bent Wob» 
heit gu. 

„fßatalie," ruft jeßt bie Wutter, „bijt bu 
bon ©innen? weißt bu nicht, WaS ber 3frgt ge» 
faat bat ? — es wäre ein 2öa[)ufinn, eS wäre 
bem unfehlbarer Job! Sein Sob, 9tatalie!" 

„31h bie 3Iergte finb nicht aÜwiffenb. geh 
muh felbji am heften wiffen, was mir guträglich 
ift. Wirft bu geben. Wählen ? wenn bu niht 
geborhen wiHft, fo berlafj meinen Sienjt." 

fiuife gebt. 

„^anuchen, bu gebft auf ber ©teile gur fflei» 
bermaherin unb beftetijl: ba§ flleib, ba$ fte für 
mih in fttrbeit habe, miiffe unfehlbar in gwei 
©tunben fertig fein. #ait! auf bem Stiiameg 
gebft bu gu ©elgbänbter guhS. gh taffe ihn 
bitten, foglcicb mit einer 5tti3wabl beS neueften 
unb fhönften ©elgwerteS gu mir gu fommen." 

Sie Wutter hätte fth bor gammer auf bem 
©oben rnälgen mögen. Sa alle? ©itten uttb 
gleben oergeblih war, ftieg fie eine Steppe bö= 
her gu grau ©rofeffor ©hebet unb bat biefe 
um £ilfe. 

Ser ©elgbänbler war unterbeffen gefontmen 
unb batte auf einem SifhbieSBaarcn aufgelegt, j 

„Wein liebes gräulein," fagte bie grau ©ro= 
fefforin, „tbun ©ie eS gbrer guten Warna gu 
lieb unb bleiben ©ie'ba. ©ebenfen ©ie, was 
ber 9lrgt gefaqt bat!" 


„Weihern bon biefen beiben ©eigen würben 
©ie ben Sorgug geben, liebe grau ©rofeffor ?" 
fragte Ütatalie mit größter 9tube. 

„gh ratbe gbnen bagubleibeit. GS wirb 
©ie gewiß reuen, wenn ©ie gbrer Wutter nicht 
geborhen." 

„fiaffen ©ie fih boh niht bon ber 9lenqftlih* 
feit meiner Wutter anfteefen. gh benfe, ich 
wähle biefen ©elg." 

„Sie itleiöennaherin bebauert, baS fflcib 
unmöglih in gwei ©tunben fertig bringen gu 
fönnen," befteüte £)ann<hen. 

„Ütatatie," rief jeßt wieber bie Wutter, „ich 
Will bir mein fiebenlatig in allen Singen gu 
willen fein, nur biefeSmal folg mir! Natalie, 
bu bringft beine Wutter ins ©rab!" 

,,©o hören ©ie boh, Wttalie!" fagte bie ©ro» 
fefforin. 

„3luf ber ©teile gebft bu wieber gur ftleiber» 
maherin," befahl 9tatalie bem Sicnftmäbchen, 
„ih erwarte baS $(cib unfehlbar in gwei ©tun» 
ben." 

„©o hören ©ie bod), Natalie!" 

„3th, ®ie ntüffen bie ©ahe niht fo fhwer 
nehmen, liebe grau ©rofefforiu, meine Warna 
gerätb fo leiht außer fih-" 

Sie©rofefforin fiebt, baß fie nichts auSridjtet 
unb gebt, grau Weier begiebt fih in einen 
Winfcl beS gimmerS unb läßt ihren Sbräneit 
unter lautem ©hluhjeit freien fiauf. 

GS würbe brcioiertel auf fehS. Gine Srofhfe 
wartet Oor bem £aufc auf Natalie. Räuber in» 
genb Wirft fih bie Wutter ihr in ben Weg. 
„'ttatalie, erbarme bi<b beiner Wutter!" Ohne 
eine Wiene gu bergiehen, gebt ütatalie an ber 
Wutter borbei unb fährt gum GiSfeft. 

Sen Wann, ben fie gu feben gemünfht batte, 
traf fie niht. ©ie gab fih nid)tSbeftomeniqer 
als geübte ©hlittfhuf)läuferin ber gröhlichfect 
bin. gu geqenfeitigem Grftaunen traf fie hier 
ben Sottor gimmer, ber ihr ihren Wabnfinn 
bergieh, wie fie ihm feine ©leihgiltigteit gegen 
feine ©atieuten bergab, ©pät febrte Natalie 
nah £>aufe gurücf. 9lin anbern Worgen fhlih 
ihre Wutter einmal überbaS anbere an ifjr©ett, 
aber 9tatalie fhlief feft unb ftanb erft fpät lern* 
gefunb auf. 

9ta<b einigen Sagen laS man in ber geitung: 
9tatalic Weier. Sr. G. gimmer. ©erlobte. 

Sie Gße war fetjr unglücflih. 9totalie nahm 
ihren Gigcnfinn unb ihre fiaunenbaftigfeit unb 
©elbflfuht mit in ben Gbeftanb hinüber, nnb 
ba auh if)r Wann niht eben beit ©inn felbft» 
berlengnenber fi’ebe befaß, fo gab es halb Uit» 
befriebigtfein, ©treit, Gntfrembung. guleßt 
würbe Watalie fhwermütbig unb lebt nun feit 
einigen gabreri im grrenbauS. gwifheu ihrem 
Wann unb ihrer Wutter ift aller ©erfebr auf» 
gehoben. 


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lEaUfudjt. 


459 


%iwatk'§lccktf«. BC 


Siegest bu, vom 
recfvte*v 

bicfw verfocfum, 
<Jßa*msfc bi* mcfvt 

r’ 


öes £o(>t£i/i*vi{Ws 
£it*svue<j fiwbei*; 
so bocfr ble 
sommern eKei- 
wcvtfvsgfocfie i1, 
^ie vorn- ^flmmet 
Slctt t* w<% bvo 
i*w6 ^Urost vet> 
fmtv&evk 



©•n C|iu*culum 


ifb nnsLrn^^ 


^forest &**, -ivtc* sie 
bic^v f^evmbticfv 

feubevw? 

nadi» fern¬ 
her *{9^ei*vn*iv<j 
evwbficfv boefv 
viacfv cKcn*s; 

'Z^e^'&eisse bi* 
be^ Si*i*be cFo- 

bcii», . 

|eme beiwew 
^i*mmct- im 
^ei^xyrgVwm 
cn*s. 


IDie mir vergeben 
Unsren Scfyul&tgern! 


-«■- ^==oO^>^==^ --o- 


f üllfudit. 


«■Inter allen Kranfen »erben ohne 3> nf 't«f 
V bie ©pileptiiehen am meiften burdj ©ebehn» 
•* mittelfdjminbel cuisflebeutet. @3 flieht ja 
nichts UnfinnißeS, nichts ©felfjafteS, nichts 
frauenhaftes, »aS nicht als Heilmittel biefen 
armen Fronten juflemuthet »irb. Selbft fle« 
rabeju unfittliche Mittel »erben artflerathen. 

©3 erfdjeint baruni ^flicht, biefe Ünfllitcf 1 idfjett 
flefles foldhe tMuSbeutunßen ßemiffenlofer ©cheim* 
inittelDerfäufer ju f (hüben unb biejenifle l'e= 
hanblunasmeife anipifleben, »eiche fich in ber 
flrofeen Kolonie für epileptifche Ära nie ju SBetbel 
hei Sielefelb am meiften he»iil)rt hat. $a hier 
qeaenroartiß über 500 Krönte non mehreren er» 
fabrenen #erjten feit einer Steihe Don fahren 
hehanbelt »erben, io Dürfte an feiner anberen 


Stelle ein fo reiches Material jur richtiflen ®e» 
hanblung biefer Kranffjeit Dorließen. 

S)ie »irffaine Sehanbluitß epileptifdjer Kran» 
fer fejtt eine ßefunbe ScbenSroeife DorauS: ©in» 
fadte Stahrunß, üßermeibunfl aller beit SDtaßen 
hefchwerenben, jn fetten uiib fauren Speifen 
unb aller aufreßenben ©eträitfc, por allem beS 
©ranntrceinS ift peboten. Sluch Kaffee unb Sljee 
follten nur in fei» uerbünntem unb ftarf mit 
Wild) Permifchtetn 3uftanbe actrunfen »erben. 
Wii<h ais ©ctriinf, and) Wild)» unb Wehl» 
fpeifen finb jpitrüfllicbev, alSttber»ießenb§leif<h» 
l’peifen ober itorfe Bouillon. SlbenbS ntujj bie 
WahUeit jeitifl ßenommen »erben unb recht 
leicht fein, 'fluch bas Stauchen ift nur in fei» 
befdjeibenem Wafee ju ßeftatten. 


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460 


i'ato) Satte tötet). 


Mittel gegen bie 
IBromfalium. 


3ebe Untßätigfeit, meldje 3«i* jum geiftigen 
Hinbrüten gemährt, ift biefen Kranfeu überaus 
mnßtßeilig, ebenfo aOe aufregenben Slergnügun» 
gen unb übertriebenen ^eifti^ert Slnftrengungen. 
äctoegung im freien unb falte SBafcßungen 
fittb moßltßätig. nocß mirffamer als leitete finb 
falte, allmählich verlängerte ©oucßeii. Sin 
Heilmittel, von meinem abfolute Heilung ju er» 
märten märe, mie baS von ©eßeimmittelfabri» 
fanten in 3 e *^ un fl §re ^ amen behauptet mirb, 
giebt bis jeftt nicht. 2Bie Staufenbe von 3eug* 
niffen ungliidlicher Kranfer, bie bie berüßmteften 
biefer ©eheimmittel burcßgebraudjt haben, be= 
jeugen unb mie auch eine große Slnjaßl ^tier an» 
aeftellter groben bemiefeit, haben ficß alle biefe 
©eßeimmittel als bötlig mirfungSloS heraus» 
geftellt. 3fl io einmal ein Slufßören ber Slnfalle 
ju bezeichnen, fo biirfte bieS fcßmerlicß biefen 
Mitteln gupfäreiben fein, fonbern ber bor» 
gefchriebeneit einfachen 2)iät, bie mit ber unfri» 
gen übereinftimmt. 

2)aS mirffamfte befannte 
Spilepfie ift unftreitig baS 
Ss roirft baffetbe in hohem ©rabe nerben» 
berußigenb unb mirb bon beit meiften Oranten 
ohne bie geringfte Scßäbigung ihres übrigen 
©cfinbenS unb namentlich ihres Wagens jahre» 
lang genommen. — 3ft nu( h hie Erfahrung 
noch p tun, um fagen p fönnen, baß es eine 
böüige Heilung bringt, fo ift hoch fobiel geroiß, 
baß es burdß ©efchränfung ber Slnfälle baS $Ber= 
finfeti in SMöbfinn mirffam aufhält unb felbft 
bei bieleit Fronten burch längeres SluSbleiben 
ber Unfälle eine Srfrifcßung unb Stärfung ber 
geiftigen Kräfte, namentlich beS ©ebäcßtniffeS, 
erjielt. 3fu frifchen fällen regelmäßig unb 
auSbauernb gebraucht, ift auch eine nicht unbe» 
beutenbe Stnpßl völliger Heilungen roaßrfchein* 
ließ. SS toinmt befonberS barauf an, baSjettige 
Weiß p finbeit, baS für einen Fronten paßt, 
unb es ift baßer Aufgabe beS befjanbelnben 
SlrjteS, baS pr ebent. ITnterbriicfung ber Slnfälle 
nötfjige Quantum bei jebem einzelnen Fronten 
allmählich feftpftellen. iffiir müffen baßer 
ratßen, in jebem einzelnen Solle einen Slrjt p* 
pjießen, ba oft, namentlich bei grauen, nicht 
nur einfache Spilepfie, fonbern fomplijirte 
KraittheitSerfcßeinungen borßanben finb. 3m 
©roßberfauf faitn biefeS Wittel um berhältniß» 
mäßig billigen ißreiS getauft merben. 

S)er SJorftanb ber Kolonie „'-Bethel" bei 
SBielefelb. (Qaßeim.) 



ct>. 

»Oll ». g. ftitnfdjir. 

ijfes finb nun meßr als brei Saßrßunberte ber» 
St® floffen, feitbem baS unfcßnlbige Haupt ber 
T jugeitblicßen unb reijeitbcn Sabt) 3°ne ©rep 
burch heS HenfcrS Seil gefallen, unb noch int* 
mer erroeat baS tragifche Scßidfal biefeS prten 
QpferS ber ^ntrigue unb ber üprannei bie 
innigfte Stßeilnahme. 

3uni beffereit Scrftänbniß ihrer ©efeßießte ift 
es notfjroenbig, ben Sefer etmaS näher mit ihrer 
Slbfunft befaitnt p machen. Ss mar im Saßrc 
1513, als bie Strinee Heinrichs beS Sichten bon 
Snglanb einen entfeheibenben Sieg über bie 
©cßotten in ber Schlacht bon tJlouben gemann. 
3eßntaufenb tapfere Schotten, bie SJlütße beS 
fchottifchen SlbelS, blieben tobt auf bem Schlacht» 
fclbe. Selbft ber König 3acob tarn um’S fiebert. 
2>ie Wacht ber Schotten mar nun gebrochen unb 
fie faßen fieß genötßigt, um Sricbcn p bitten. 
Subroig ber 3n)ölfte bon Sranfreicß, ber ein 
SunbeSgcnoffe beS ScßottenfönigS mar, ftanb 
in Solge babon bem englifcßen Könige Heinrich 
allein gegenüber. Sr berfpürte aber röenig Suft, 
ben Kampf mit einem ©egner, bem er fiebnießt 
gemaeßfen füßlte, allein fortpfeßeit. Stoßer 
fueßte er auch uni ^rieben n acß, p er j^ m mi( ^ 
geroüßrt mürbe. S)er f ranpfifeße H^pg Soitgue« 
bille, ber fi<h als Kriegsgefangener in Sngianb 
Jbefanb, mußte nicht allein H e *nricß ben Sichten 
pnj griebenSfcßliiß p beroegen, fonbern übet« 
rebetc ißn fogar, bem franko hießen Könige feine 
Scßroefter Warie pr ©attin p geben. Warie 
mar jtoar mit SßarleS Sranbon, einem ©ünft» 
linge Heinrichs, bcrlobt. Obfcßoit fie mit innig» 
fter Siebe an ißren Serlobten hing, ber ein 
Wann bon Schönheit unb mancherlei SluSjeicß* 
nungen mar, fo mürbe fie boeß gejmungen, fidß 
ben SBünfcßen ißreS riidficßtslofen SruberS ju 
fügen, ißr Serßältniß )u Sranbon aufjußeben 
unb in eine Serbinbung ju «billigen, bie ißr im 
ßöcßften ©rabe pmiber mar. fRüdficßtSlofigteU 
mar überhaupt ein fennjeießnenber 3ug im 
Sßarafter Heinrichs beS Stcßten, bon bem S.ßarleS 
2)idenS fagt: „3<h ueßme mir bie Freiheit, ißn 
einen ber nbfcßeiilichften Schürfen p nennen, 
ber je geatßmet hat." Slacß einer feßr ftürmi» 
feßen 3äßrt lanbete Warie in Soulogne, an ber 
franpfifeßen Küfte. Son hier mürbe fie* mit 
großem Sßontp abgeßolt unb ttaeß Slbbeoillc ge* 
braeßt, mo bie Hocßjeit ber fedppßnjäßrigen 
Sringeffin mit bem breiiinbfüiifgig 3aßre alten 
Könige mit großen fteftlidjfeiten un 5 Jurnieven 
gefeiert mürbe. Slber feßon naeß brei Wonaten 
ftarb Submig in fjolge feiner 3üüfllofigfeit. 
Heinrich ber Slcßte hatte mittlerroeile iöranbon 


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fabg <3ane Äreij. 461 

gum £ergog non Suffolf erhoben, liefen fanbte ihre natürlichen Steigungen etwas ernft waren, 
er nun nach fjranfreid), um bie Königin Bittme fo wuchs fie unter folc^ ftrenger ©rgieljung gu 
a(S feine ©emahlin htimguführeu. ©leid) nach einer unerinüblichen Stubentin heton, unb fie 
ber Slntnnf t auf englifdjem ®oben fanb bie #o<h* erwarb fich einen folgen Sd)aB bon Äenntniffen 
geit SJtariettS mit ihrem ehemaligen Liebhaber, in ihrer garten 3;ugenb, wie er nicht oft bei rei* 
bem jefcigen £>ergog bon Suffolf ftatt. SWarie fen ©eiehrten gefunben wirb, konnte fie auch 
ftarb in ihrem fiebeuunbbreiBigften ^ahre, nach» mit ihren reichen ftenntnijfen ber SluBenmelt 
bem fee ihrem ©alten ein eiitgiges $iub, eine wenig bienen, fo fehufen biefelben in ihr einen 
Jodjter StamenS ^ranceS, geboren hotte. 51IS gemijfen pbilofophifd)eti ©haratter, burch mel« 
SranceS hermiflemadjfeit war, würbe fie mit eben fie ihre fpäteren fdjweren '-Prüfungen mit 
£>enrt) ©rep, bem SJtarquiS bon $orfet, ber* ber SluSbauer eines Sltärtprers ertrug, 
mahlt. ®a 3?ranceS baS eingige $iub ihrer @1* ©in SJorfafl au§ bem Sieben 3ane’S, ber biel 


£abt? 3aue ©relj. 


lern mar, fc würbe ihr ©emabl mit Stiicffidjt 
hierauf ebenfalls gum ftergog bon Suffolf er» 
hoben. SluS biefet legieren ©he ftammt S ab p 

3ane©ret). 

gabt) 3fane mürbe geboren im 3ahre 1537 gu 
Sroabgate in ber ©raffdjaft Seicefterfhire. Sie 
würbe - bon ihren ©Item mit übertriebener 
Strenge unb Sorgfalt er&ogen. SRit ängftlicher 
SBadhfamteit würbe jebe heitere Stegung in bem 
Sehen beS garten ffinbeS unterbrüeft, fo bajj 
bemfelben baS muntere SBefen anberer Äinber 
gänglidj fehlte. Schon fetjr friihgeitig mürbe 
3ane gu fdjmierigen Stubien angehalten. Ta 


Sicht auf ihren ©harafter Wirft, oerbient er* 
wähnt gu werben, ©inft lehrte ber gelehrte 
Stöger Slfcham auf einer Steife im Schlöffe beS 
SRarquiS bon $orfet ein. ®ie gange 3?amitie 
war abwefenb auf ber 3fagb, bis auf ^ane, 

; welche Slfchom in ber Sibliotgef fanb, in fßlato’S 
j iphaebra bertieft. ©rftaunt, ein foldjeS ÜBerf in 
| ben £kinben eines ffinbeS gu fehen, pellte er eine 
I Srage an fie in griechifcher Sprache, worauf fie 
geläufig auf griechifd) antwortete. Stun erfuchte 
er fie, ihm einen S3rief in grieepifeh« Sprache 
gu bictiren. Sie that es mit Seidftigfeit. 
äh* Sehrer mar $)r. Slglmer, ber fpätere 


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462 


£nbt) ätont Urei). 


tBifdjof öon Sonbon. Guten belferen £el)rer 
Bütte man für 3ane nicht finDen tonnen, ©ie 
Bing auch mit 93emunberung nnb SSorliebe an 
ihm. T)ie©tunben, bie fie unter feiner 9luffid)t 
berbrachte, waren ihr ftetS bie angeuetjinften. 
©ie machte auch unter bev Anleitung biefeS ebleit 
unb gelehrten 9>?anneS gerabeju wunberbare 
fjortfihritte. 91(3 fie noch faum gehn 3ahre alt 
war, tonnte fte fcljon bie 33ibei in ben Urfpradfcu 
lefen. s Utit fünf geh» Sohren fprad) fie fertig 


©tma einen fDtonat bor feinem Tobe (1547) 
fefete Heinrich ber 9tcf)te bie Thronfolge feft. 
9tadj feinen SBeftimmungen follte fein Sohn 
©buarb ber nächfte Sfrotierbe fein. 3 m Solle 
boit Gbuarb’S Tobe follte bie Ärotte ber Stabt) 
9Rart) gufaUen, Welche bie Totster bott £>einri<h3 
erfter ©attirt, Gutljarina bon 9tragonien, mar, 
obgleich Heinrich ficb Botte bon Gatfjarina fchei« 
ben unb 'JJtarienS ©cbnrt als illegitim ertldren 
taffen. 5113 nätBfle Grbin mürbe Glifabeth, bie 



Äönigin Saue im Xotocr. 


latcinifdB, italienif<B unb franjöfifctj. SBäljrenb 
ihre 9tlter3genoffen bie 3 e <t mit allerlei 3?er= 
gniigttngen bergeubeten, fanb fie ihren gröfeteit 
©enufe im ernften ©tubium. ©ie Botte auch 
befonbere mufitalifche ©oben unb eine fiifee 
©timme, welche fie begatt bernb gu gebrauten 
wufete. 3e wehr Wir ben h°hen Grnft, ben 
eifernen Steife, bie grofeartigen Talente, bie tau» 
tere ©ittfamteit uttb fonftigen 33orgi'tge biefer 
eblen Jungfrau bewunbertt, um fo trauriger er« 
fiBeint uns ifer fo frühes unb ungiüctlicheS (Snbe. 


Tochter bet ungliicfliehen Slnna Solenn, be« 
ftimmt, unb im Soße ihres 9(b(ebenS follte bie 
ßrone auf Heinrichs dichte SronceS, £>ergogin 
bon ©uffolt unb 9)tutter bon Sane ©ret) über¬ 
gehen. 

Gbuarb ber ©edjfte war bei feines S5aterS 
Tobe erft im jeBnten Sabre; barum war iur 
Leitung bet ^Regierung bis gn beffen tBoDfährtg» 
feit bon Heinrich ein SRegentfchaftSrath BefteUt 
worben, in welchem Gbttarbs mütterlicher Oheim, 
ber £>ergog bon ©omerfet unb ber ©rgbifchof 


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463 


fabtj Sane 6rnj. 


Träumer halb btn giften (SinfTufe erlangten. 
Set erfte junt ^roteftor bon (Snglanb erhoben, 
ri| afliiiäblifl bie ganje Staatsqeioalt an fi<^, 
jog fidj aber burd) feine $errfd)iud)t bieie geinbe 
ju, bie feinen ©turj uttb enblidj feine &inri<f)= 
tunt) bemirften. 9tn feine Stelle trat ba§ ^>aupt 


rung feiner fterridjaft ju tbun mar/ fo mußte 
biefer feinen Üinfluß auf (Sbunrb bat)in geltenb 
ju macben, baß er i|n bernog feine äioei Sdjme« 
ftern Warie unb (Slifabettj bon ber ^t^ronfolge 
auSjufctjließett unb fiabß 3ane ©ret) ju feiner 
Watäpfolgeriti ju ernennen. 3113 ©rüttbe ^iefür 



ber ©egenpartei, ber Ijertfdjfü<f)tifle Sßarmitf, 
ber als £>erjog bon 9tortbumbertanb über ben 
jdjroadjen Äötiig unb bas Deich ebenfo ununu 
fdjränlt regierte mie fein Vorgänger. ®a bie 
©efunbbeit Sbuarbs fcbneH berfiel unb e§ bem 
ebrgeijigen Dortbumberlanb um bie ÜBerliinge» 


gab er an, baß Warte unb ©lifabetfj eigentlich 
Saftarbe roiiren; baß, menn Warie, bereit Dei« 
gung jur römifdjen Deligion befannt mar, jur 
if)errfd&aft fommen mürbe, fte ba§ ganje SBerf 
ber Deformation unterbriicfen unb bas fianb 
mieber unter pitpftlidien $rutf bringen mürbe; 


















464 


fabij Satte ®retj. 


baß, menn fDtarie bon ber Dßronfolge ansge* 
fcßloffen mürbe, (SlifabetE» mit gleichem 'Jtecßtc 
auSgefcßlofjen merben müßte, uiib baß 2abp 
Satte, bie als ©roßnicßte Eeiitticßs beS 'llcßten 
imb IOester ber im Jcftamente bebauten l'abp 
QdanceS t?ered>te Ulnfprücße auf bie Äcone batte, 
mit ihrem liebeuSroürbigeit ©ßaratter, ihrer 
gebiegenen 5Bilbung unb ihrem ebangelifcßen 
©lanben gemiß als Eerrfcßerin bie Söoßlfaßrt 
beS 2attbeS unb beit ftortbeftanb beS ebattgeli* 
fchen ©laubenS fiebern mürbe. ©öuarb, bein be= 
fottberS ber Sfortbeftanb ber '.Reformation am 
Eerjen lag, ließ fich Überreben, ein ieftameut 
abjufaffen, baS im ©inflange mit fRortßumber* 
lanbS tßtänen mar. Der ränfefücßtifle Eerjog 
hatte faum feinen 3t»ecf erreicht, fo mußte er 
auch fcf)on eine ©he jroifeßen 2abp Satte ©rep 
unb feinem Dierten Sohne Sorb ©uitforb Düblet) 
herbeijufüßren. So gefcßalj es, baß miihrenb 
ßönig ©buarb im ©reenroich tfjalaft tobttrant; 
barnieberlag, ber jugenblihe 2orb ©uitforb 
Düblet) bie faum fieöjebtt jährige 2abp ©rep 
jum Drauattar führte, Sone fügte fich © ihr 
2ooS mit etma benfelben ©efiibleit, als fie bine! 
riechifche 2eftion gelernt haben mürbe. Sie i 
at muh ber ^ochjeit mit ihrer fMiutter heim* 
flehen unb oerroeileu ju biirfeu, bis fie unb ihr | 
jugenblicher ©alte ein reiferes Filter erreicht 
haben mürben, roaS ihr auch fleftattet mürbe. 
Der'BIan'DiorthuntberlanbS mar offenbar, burch 
bie 'Bertnäblung feines Sohnes mit ber maßr* 
fdjeinlicßen iRegetttitt bie 3ügel ber ^Regierung 
iit feinen ^cinbeit ju behalten unb bielleicßt bie 
Jürotte ©ttglanbs an fein £>auS ju reißen. 

■SsechS ÜBocßen nach biefer Dränung ftarb 
©buarb ber Sechfte im ©reenmid) ^Salaft, im 
'Mlter »on feAjehtt fahren (1553). fRorthuin* 
berlanb’S näcpfteS 'fkojeft mar, bie beibeit s 43rin= , 
jef[innen ßRarie unb ©lifabetß in feine ©eroalt | 
ju brinflen. Daher fanbte er Briefe im fRatnen j 
beS fföitiflS an beibe, in melcßen er fie erfiuhte, 1 
ihren feßroer franfen '-Bruber ju befueßen unb I 
ihn burch ißre ©eflenroart ju tröften. fölarie 
beflab fiih foflleich auf ben 2Beg, allein bei ^>ob= I 
beSbeit fam ihr ber ©arl Wrunbel entfleflen unb ! 
roarnte fie bor ber ©cfaßr, ber fie entgegen i 
ging, fRutt machte fie fich gleich auf bie 3?(itd)t, 1 
um fich in Sicherheit ju bringen. Sie fanbte i 
©riefe att ben 'Übel in allen ©raffeßaftett ©ng* I 
lanbS unb forberte jur Sertheibigung ihrer 
^erfon unb ihrer 'flufprüeße auf. Die fRatljs* 
ßerren benachrichtigte ne, baß ihres SBruberS 
iob ihr nicht langer ein ©eßeintniß fei; fie bot 
ißnen Vergebung an für etmaige Vergehen unb 
befahl ißnen, fie in 2onbon als Königin auSju* 
rufen. 

' fRortßumberlanb faß nun, baß feine ipiäne 
berratßen roaren. @r beeilte ließ nun mit einer 
3oßt feiner Anhänger, um 2abp Seine als $ö= 


nigin ju erflüren unb ißr feine ^ulbiguttgcn 
barjubringen. Mein Satte horte bie St'unbe bon 
ihrer ©rßuhung juiit Dßrone mit bein größten 
9-Rißoerguügeit. .Sie mies auf bie beffer bc= 
grüitöeteu 9lufpriid)e ^Mariens unb ©lifabetßS 
hin unb brüefte ißre ^Befürchtungen bor ben 
folgen eines fo gefährlichen, ja öietleicht ber* 
brecßerifcheu UitternehmeuS aus unb miiufcßte 
im 'jkiootleben ju berbleibett. ©üblich gab fie 
beut Drangen ißrcS SaterS, Schroiegeruaters 
unb ©atten naeß unb ließ fieß mit ißrent ©atteu 
naiß bent iomer bringen, mo bie englifchen 
Könige bie elften Stage ißrer 'Jtegierungsjeit ju* 
brachten. 

fötarienS 91ttfprücße fanben beim SBolfe faft 
allgemeinen 'Entlang, mäßrenblRorthumberlanb 
megett feiner .pcrrfdjf iidit allgemein berßaßt mar. 
fRafcß uerlor fieß fein Slnßang unb enblicß ftanb 
er Derlaffett ba. '.'Jlnrie jog triumpßirenb' in 
2onboit ein, bom Sßolfe als Königin anerfannt. 
fRorthumbcrlaitb mürbe uebft einer ^oßt feiner 
'llußäuger gefangen genommen, ©tlidte bou 
ben 2eßteren mürben mieber bou Warie begttcu 
bigt, Dtorthumbcrlanb bagegen mürbe mit jtuei 
attberen ©belleuten beS £mci)OerratheS befdjnU 
bigt, jum ioöe oerurtßeilt unb ßingeridjtet. 
2abp (Vute unb ißr ©atte mürben einftmeileit 
um ißrer 3ugcnb roiflen berfeßont. 

©S mährte jeboeß nicht lange, als bie fRebelliou 
eines geroiffett Sir Stßomas SBiat ber „blutbür* 
ftigen Jföuigin'JWaric" jur ©evattlaffmig biente, 
baS DobeSurtßeil ber 2abp x )auc tittb ißres ©at* 
teil ju unterjeteßneu. Der Seicßtoater ber Afö* 
nigin, ©ater (yccteuham, mürbe nun gefaitbt, 
um mit ißrent Scßirffale betannt ju nta* 
eßen. Satte naßm biefe fiuitbe mit greubetr 
auf. 9lls ^ccfeuham berfueßte, mit ißr über 
ißr Seelenheil ju fpreeßett, fanb. er fie rußig 
unb frößlicß, getroft auf ©ott bertrauenb. Dii 
er berfueßte mit ißr über ißrelUnficßten ju argu* 
mentiren, mußte er etttpfinben, baß fie ißtit ati 
ßenntniffen unb ©erftänbniß meit borattS mar. 
“Dtit Sanftmut!) ttnb@ebulb beenbete fie enblicß 
bie Debatte mit ben 2öorten: „Da icß nur 
menige Stunbeu noch ju (eben habe, bebarf icß' 
berfeiben getttj jutn ©eßet." geefenham, bott 
füRitleib gerüßrt, eilte jur Königin Warie, tittb- 
maeßte ißr '-Bormürfe, baß fie Sa ne nur fo für je 
3eit gegeben hätte, unb bemog fie bie grift auf 
brei jage ju oerlängern. 3t(S er barauf 3ane 
ben 31utfcßub ißrer Einrichtung antünbigte,. 
fügte fie: „3>ßr habt meine 91bfid)t mißberftan* 
beit, Sater ffecfcnßam. 3>ß miinfeße uicfttijluf* 

1 feßub meines UrtßeilS, fonbern 9tuße non DiS* 

, putationen. 3<ß hin bereit ergebenft in irgenb- 
1 einer SBeife ju fterben, roelcße bie Äönigiii he* 
j ftimmen mag. MerbingS fcßaubertbaSg'leifcß, 
mte es einem feßmaeßen Sterblichen natürlich tft, 

I aber mein ©eift mirb freubigft in bas emigt 


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465 


Per 6tmttnj)rt|t in 

Sicht eingeben, roo, mie idf hoffe, bie ©arntper* 
jigleit ©otteS ihn amief)incu tüirb." 

Sie wollte nicht fierbeit fo jung, aber boch 
war ihr ber 2ob ein erlöfenber ©ugei. Sie be¬ 
reitete fiel) mit aftem ©rnfte auf ihr Gnbe i>or. 
3u einem ©riefe an ihre Scpmefier, in grieepi* 
fcher Sprache berfaht, ermähnte fie biefetbe zur 
©uSbauer in allen Sagen beS Sehens. ©lit bem 
©riefe fanbte fie ihr zugleich ein griecpifcheS 
©etteS Seftament. 3n ben ©ontroberfen mit 
berfepiebenen ©ricfleru mtb inSbefonbere mit 
bem grauiamen unb fanatifeben Sifdiof ©ar« 
biner, mehrte fie fich meifterhoft. Sie roünfcpte 
noch ihren ©atten zu fpreepen, allein e§ ttmrbe 
ihr nicht gemährt. Sie fah ihn am Sage be» 
ftimmt zur Einrichtung, mie er in einem Darren 
borbeigefapreu mnrbe. ©lit 9tuhe harrte fie 
ber Stunbe, bie ihr baffelbe Schicffal bringen 
unb fie mit ihrem ©atten Vereinen tollte. Sie 
fah, mie ber pauptlofe Seicpnam jturücfgefafjren 
mmbe. Sie ©eriepte bon ber Eeftigfeit unb 
bem ©iutpe ihres ©atten bienten mehr baju, fie 
ju ftärfen, als fie tu erfchiittern. ©efonberS 
rühreub mar ihr ©bfepieb bon Stöger ©fepam. 

©S mar am ©lorgen beS 12. Februar 1554, 
als Sabj) 3one ©rep ihr ©efätignih verlieh, um 
ihrer Einrichtung entgegen zu gehen. Sie trug 
ein ©ebetbuch in ihrer Enno, auf ihren Sippen 
ruhte ein himmlifcheS Säcpeln unb ein fanfteS 
Siebt glänjte in ihren ©ugett. ©lit bef^eibenem 
Schritte ging fie mitten burep bie Solbaten hin* 
burep unb bej’tieg baS Scpaffot. Eier anerfannte 
fie in einer furzen Siebe bie ©ereeptigfeit ihres 
Urtheils, fügte aber hinzu: „3<h milligte ein, 
moju ich gejmungen mürbe." Sie legte hierauf 
ein Sefenntnifc ihres ©ertrauenS auf ©otteS. 
©armherjigfeit unb ©priftt ©erbienft ab unb 
fpracb ein furjeS ©ebet. darauf zog fie ein 
weifteS Such h«rbor unb Perbanb fid) felbft bie 
©ugen. Sa iie nun ben ©locf, auf ben fie ihr 
Eoupt legen follte, nicht finben tonnte, muhten 
Iie gfectenham unb ber Scharfrichter baju leiten. 
Eier fniete fie nieber unb legte ihr Eaupt auf 
ben ©locf. „E*rr, in beine Eänbe empfehle id) 
meinen ©eift," maren ihre lebten SBorte, unb 
mit benfelben ging bie Seele ber garten Sabp 
3ane ©rep in bie ewige Stulje ein, als ihr ebleS 
Eoupt unter ber EenferSoEt fiel. < 


6 8 i ft fepon reept, bah mir zufrieben 
finb mit bem, maS mir hoben; aber nie bürfen 
mir zufrieben fein mit bem, maS mir finb. SaS 
SBerf, welches im Eintmel gelten fofl, muh 
auch für ben Eimntel gethan fein. SaS SBerf, 
Welches für bie ©rbe gethan mirb, ftnft mit uns 
in’S ©rah. 

34 


her Sonntagfcpule. 

Per ®rmringri|t tu ber $oniitng- 
fdjule. 

©rnt 3« $• £orft. 

4 frei Singe finb nothmenbig, um ein ßriegS* 
(yr beer ftart unb fiegreich ju machen, nämlich: 

1 ©taunSzucht, ©tisbauer unb ©emeingeift. 
Siefe brei Singe fiub auch erforberlich jum Gr* 
folge ber Sonntagfchulen. ©on ber Stothmen* 
bigfeit ber 3ucht unb ©uSbatter ift jeber reblich 
arbeitenbe Seprer überzeugt. Sie ©lacht beS 
©emeingeifteS mirb aber leiber Pielfoch in biefem 
SBerle überfepen. Siefer ©egriff bezeichnet bie 
thätigfte SLljeitnahnre jebeS (linzeinen am ©e* 
fanuiitmohle mit Unterorbnung aller, felbft per* 
fönlicper htürffiepten. @S ift ber ©eift, welcher 
Sehrer nnb Schüler zur gemeiitfamen ©rbeit 
perbinbet. 

3 nt Eeere ift bie ©tannSjucpt nothmenbiger* 
weife feprftreng. 2öie fommt’S mopl, bah bie 
Solbaten fich fo gebulbig in bie ftrenge 3ud;t 
fügen ? ©S ift gewij} in einem hohen ©lohe nur 
bem milbernben ©influffe biefeS ©emeingeifteS 
zuzufepreibett. Sie Offiziere finb (eine herrfcp* 
fücptigen Sprannen unb bie Solbaten leine bioheu 
©tafepinen. Sie finb bielmehr auf's ©ngfte mit 
einauber berbunben, um im 3»tereffe beS ©an» 
Zen gemeinfam zu arbeiten. 3bre Eerzen fchla* 
gen roartit für bie gemeinfame Sache. Sie Gpre 
beS SlegimeutS, beS ganzen EeereS ruht in ihren 
Eänben. 3 f ber fühlt fiep perfönlicp für biefelbe 
berantroortlich. SeSpalb unterziehen fie fich 
fchmerer Strapazen, bringet! freubig grojje 
Opfer unb berriepten tobeSberacptenb bie lüpn* 
ften Eelbentpaten. 

Sollten mir nicht mehr bon biefem ©emein* 
geifte in unfern Sonntagfchulen hoben? Ser* 
fclbe ift befauntlich itt ben fjreifchttleit feljv mir!» 
fom. 3cber Schultnobe fühlt, bah er einen 
guten Stuf zu Wahren hot, ober er labet Schmach 
unb Schaube nicht nur auf fid) felbft, fonbern 
auf bie ganze Schute, ©in folch’ mirlfatttes ©lit* 
tel barf bon benett, bie es zu bermerthen ©eiegen« 
heit haben, nicht bernadpläffigt Werben. 

©Me fann biefer ©emeinftmt geroedt werben ? 
©S giebt zweifelsohne biete Heilte Singe, welche 
um ©ebeipen biefeS zorteit ©flänzleittS tuiplich 
inb. ©S giebt aber and) biele fcpöbliche Äräftc, 
bie beffen SBadpStpunt pentmen. Eier lantt nur 
baS ©3cfentfi<hfte zur Sprache fontmett. Soll 
ber ©emeingeift itt einer Schule recht ftar! unb 
mirlfam werben, fo ntüffen bie ©camteit unb 
fieprer ein unerfchiitterlidpeS ©ertraueu hoben 
itt bie brei folgenben Spotfa^en : 1) Sag bie 
Schule, ber fte angepören, ein wirtlich förper* 
lidpeS Sehen pot, bah fie gleicpfam ein lebenbeS 


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466 


Pinbe uni (Jij clone. 


©cfen ift, baS eine eigene ©eicßichte aufroeifen 
fann. 2) Jaß fie auf biefeS Seben fegenSreidj 
einroirfen fönnen. 3) Jaß bie ©rüge beS (Sin* 
fluffeS immer burd) bie ©röße ber Selbftfucht* 
iofigfeit einerfeitS mtb ber Jijeiliiahme am ©e* 
niei'nrooble anbererfeitS bebingt fein loirb. 

Ä?ein Sekret foflte in ber Sonntagfchule eine 
längere 3e<t tljätig fein fönnen, ohne baß fein 
tfjeifnefjmenbeS 3fntereffe für bie Mitarbeiter 
mtb bie fümmtlichen Schüler geroecft merbe. 
2öenit baS 3<h feine ju große Stoße fpielt, fo 
roirb ber Seßrer einen regen 9lntf)eit an 9fdem 
nehmen, roaS jum ©ebenen ber gaujcn Schule 
förberlicß ift. ©inerfeitS roirb er erfennen, baß 
febe Stachläffigfeit, beren er fid) fdgilbig macht, 
eine fcfjlimme ©irfung auf bie Stadjbarflaffen 
unb burd) biefe auf bie galt,je Schute haben muß. 
9lnbererfeitS roirb er einfehen, bag bie guten 
© fernen te, welche in ber Schute roirffnm finb, 
and) auf feine .ftfaffe einen fegeitSreidjen ©in» 
fluß auSüben. 9fuf biefe ©cife roirb ber ©emein* 
fjeifl, ber ©inljeitsfinn im Sefjrer geroecft unb 
genährt. 

©ie aber fann ber ©emeingeift in ben Schii* 
lern geroecft unb bem ©eineinrooht ber Schule 
bienftbar gemacht werben ? ©rftenS, ber Scf)rer 
muh feinen Schülern fo nahe flehen, ihr 98er» 
trauen in einem foldjen Maße genießen, bag er 
mit ihrem fjfiiljfen unb Jenfen genau befaunt 
ift. 3weitenS mug er baS @efd)icf unb bie ©il» 
lenSfraft hefigen, biefeS Renten unb fühlen 
feiner Schüler fo jfu teufen, bah fie bem @e» 
fammtroohle bienftbar werben. 9Bie ba§ ge« 
fihehen fann, roirb folgeubeS ©eifpiel bnrtljün. 
©in geroijfer ©aftor rourbe erfudjt, einen fran» 
fen Seßrer in einer Slbenbfdjule *u bertreten. 
Jie Schule beftanb aus jroei klaffen, unb jebe 
.(llaffe jäßlte etwa 20 bcrroahrlofte $ na ben. 
Glicht um’S Semen, foubern um bie 9(nSf übrunq 
ihrer Sdjelinenftreiche fchieit es ihnen au tßuri. 
SBaßrenb fie ben neuen Beßrer mufterten unb 
auf eine paffenbe ©elegeußeit warteten, um bie 
Stuljeftörungen einptleiten, entftanb eilt geräufch» 
boller Auftritt in ber anbern .Otaffe. 'Jone 
ber ©ntrüflung fagte ber ©aftor: „Ha ©üben, 
einen foldjen Särm würben mir in unferer 
.(Haffe nicht butben, wie ?" Jie ©ubett fonnten 
nicht wohl anberS, fie mufften bie fffrage bejahen. 
Sobalb er bie geringfte Jtnfuborbination roahr« 
nahm, muhte er biefelbe burdj einen bcbeutungS* 
Hollen ©lief auf bie Stadjbarflaffe ober burch eine 
©einerfung über „ben fcfjänblidjen Särm," ber 
ba brilben gemacht werbe, ju bämpfen. 91 uf 
biefe SHßeife gelangS ihm, bie unruhigen ©eifler 
im 3«um jti halten unb jeber Stuheftörunq fei* 
ten§ feinet ftlaffe oorptbeugen. 


<Stioa0 über JUittbe ttitb Ctjclotte. 

(Sin Beitrag ju ben Slaturereigniffen 
im äBeften. 

San ©rofeffor #. Sauer. 


J|ie #aupturfadje ber Suftberoegungeit ift bie 
fw ©arme. 9Benn bie Suft an irgenb einem 

1 Crte erroärmt roirb, fo behnt fie fid) aus. 
Statürlidj wirb fie babureß bünner unb leister, 
unb fie fteigt bemgemäß in bie £öße. 3» gtei« 
d)er 3«it tritt Pon unten h« bidftere, fdjroercre 
— fältere Suft an ihre Stelle. £alt man ». ©. 
oben unter bie geöffnete Jßüre eines geheilten 
3immerS ein brennenbes Sicht, fo fcßlägt bie 
flamme auSroärtS, b. i., bie wärmere Suft beS 
3immer§ ftrömt oben burch bie geöffnete Jljüre 
auswärts, hält manbaS Sicht unten, fo fcßläqt 
bie flamme einwärts, bem 3intmer au, weil bie 
fältere Suft bon auswärts unten in baS 3imtner 
hineinjießt. Jie Suft, bie nnfere galt je @rb* 
obetflädje umgiebt, roirb nun ftetS an oerfeßiebe* 
nen Orten in berfdjicbenem ©rabe erroärmt, 
bem erwähnten ©efefce gemäh ftrömt bann über* 
ad bahin, wo gröbere ©arme bie Suft auSge* 
behnt unb uerbiinut hat, fältere unb bidjtere Suft 
herbei. Jiefe ©eroegungen in ber Suft nennen 
Wir je nach ihrer Stärfe Siiftchen, ©inb, Sturm, 
Crfan. Mit ber 9tid)tung beS ©inbeS hängen 
bie öerfdhiebenen ©iiterungSberhältitiffe jufani* 
men. dtorbroinbe, weil bon fütteren ©reiten 
fommenb, werben in ber Siegel fiihlere Suft 
bringen, roährenb bie Siibroinbe aus gegeuthei* 
ligem ©runb gewöhnlich wärmere Jemperatur 
berurfachen. Öer Oftroinb, ber bom ©teere her 
fommt, bringt für bie Staaten bieSfeitS beseel* 
fengebirgeS Stegen; ber ©eftroinb bagegen, roel» 
eher ben ganjen ©ontinent ju burchftreidjen unb 
beim Ueberfteigen ber beiben roeftlichcn ©ebirgS» 
fetten feine fteuditigfeit berloren hot, bebeütet 
für unS trotfeneS ©etter (Oft* unb ©eftroinb 
haben natürlich jenfeitS ber 9luben ebenfo wie 
in ©uropa umgefehrte ©irfung). 

9tne©inbefinbentroeberregelmähige ober 
u n r e g e l in ä h i g t- 3‘* ben erfteren gehören 
bie S a n b* unb S e e ro i n b e ber ^üftengegen* 
ben. OaS Sanb roirb nämlich ben Jag über 
bon ber Sonne fdjneder erroärmt als bas ©af= 
fer, bemgemäh ftrömt bie untere fältere Suft 
roährenb beS JagS bom ©affer her bem Sanbe 
ju. JeS StachtS roirb jebod) baS Sanb auch 
roieber fchneder abgefühlt als baS ©affer, tuefj* 
halb beS Stachtsbie fältere Sanbluft bem Meere 
ju ftreidjt. ©in anberer regelmäßiger ©inb ift 
ber ©affat* ober immerroährenbe Oft» 
ro i n b, welcher mit ber Umbrefjung ber ©rbe im 
3ufammenhang fteht. ©r roirb nämlich babureß 
gebilbet, baß bie bon ben ©ölen bem 9fcquator 


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Wabe und (ftjclone. 


467 


guftrömenbe öuft in langfamerer ©eroegung Don 
23ejl naß Oft ift als bie ©rboberflaße am 
Äquator, meßhalb für bie ittequatorialgegenben 
bie ©rfßeinung einer fortwährenden fiufiftrö= 
mung üoit Oft naß 2Beft fiß bilbet. UebrigenS 
roirb biefe ©rfßeinung nur beutliß, wo feine 
ÄebirgSgüge biefe Dtegelmäßigfeit ftören. — 
Jreffen groei Suftftrömungen im 2 Binfel gu* 
fammen, fo entsteht ein 2ö i r b e I m i n b. Stuf 
bem Sanbe ^eißt berfelbe 23 i n b f) o f e, gur 
©ee 2B a f fe r fj o f e. 2(e nach feiner Starte geigt 
et fid^ in feßr berfßiebenet §orm. 2 öir [elfen 
ifjn bei un3 in ber Segel nur im kleinen, 
nißt Diel ftärfer benn als [ßäfernbeS, girfelnbeS 
fiüftßen, baS fiß bamii begnügt, ben ©taub in 
bie £)ü(je gu wirbeln. 2 öo er eben in feiner 
größten ®emalt einbergeßt, geben mir ißm ben 
Samen O r f a n ober (5Qc Ion. Ooß folgt 
er in jebem fjall beftimmten ©efeßen. ©eine 
'Bewegung ift immer eine hoppelte, tnimliß eine 
naß einer ©efammtrißtung, welche nördlich 
Dom Sequator eine folße Don ©üb»2Beft naß 
Sorb=Dft, fiioliß oont Slequator aber eine foldje 
Don Sorb=Dft und} ©iib*2üeft ift; fobann eine 
anbere freifenbe, gugleiß in bie £>öl)e ftrebenbe 
Bewegung, welche bei unS immer Don rechts naß 
linfS, b. i. bem 3 e 'il er einer Uhr entgegengefcßt, 
gebt, mäf)renb fie füdliß Dom Slequator Don linfS 
nach rechts erfolgt. Oaß Gfleftrigität in ber ©nt* 
jteljung ber Orfane ober Ctpclone ebenfalls ein 
mitroirfenber 3 ?aftor ift, fc^eint feljr mabrfßein* 
liß. Kleber berfelben ift Don heftigen ©emittern 
begleitet. ©igentßümliß ift, baß berfeuige, 
weißer in baS eigentliche ©eleife ber 2Sinbljofe 
bineingerätß, nißts Dom Bonner maljrnimmt, 
ohne Zweifel, weil baS ©eheul unb Saufen beS 
Sturmes ben Oonner übertönt. 

©ßreiber biefeS fann fich wohl ber ©liße unb 
eleftrifchen 3?unfeit erinnern, bie ihn umgudten, 
als er mit ben ©einigen in ber Sacht Dom 8. auf 
ben 9. ©tai im 6oflege=©ebäube 3 u 23arrenton 
bon einem ©pclon überfallen würbe, fann fich ober 
nicht benfen, etwas Don einem Bonner gehört 
}u haben, wahrend alle ferner 23obnettben darin 
übereinftimmten, baß eS ftarf gedonnert habe. 

Oie 2öuth ber Orfane entlabet fiß guleßt in 
heftigen Segengiiffen, worauf bann bie erregte 
Sahir gur Süße unb Ordnung gurütffef)vt. 3ft 
©leftrigität ein fjaftor bei der ©ntftehung ber 
Orfane, nnb ift bie weitere ©orauSfeßung rieh* 
tig, baß bie ©onne baS Zentrum für alle elef* 
trifße Ößätigfeit in unferem gefammteu ©la* 
metenfpftem ift, fo wirb der weitere ©dfluß ber I 
fein, baß olle derartigen Störungen an unferer 
©rboberfläße ober in ber fie nmgebenbeit 9ltmo= 
fhäre, wie fie bie Orfane finb, ebenfalls Don ge* 
wißen ©rogejfen bebingt find, bie an, in oberauf 
bem ©onnenförper bor fich geben, ohne bqß wir 
jeboß im ©tanbe find, bie ©ejeße biefeS 3 Us 


| faminenhangeS genauer gu ermitteln. — ©e* 

1 frembenb ift, Wie häufig unb gugteiß wie Der» 
j beerend in leßterer 3 eit biefe (Jpclone in unfern 
weltlichen Staaten aufgetreten fittb. 3 n hlreiße 
©tcnfßenleben finb ihnen gum Opfer gefallen. 
Oer ©erluft an gerftörtem ©igenthum bereßnet 
fich auf ©tillionen. So manche, bie fiel) Dor 
einem ©ewitter nie gefürchtet, ergreift jeßt ©an» 
gen unb 3ittern, wenn fernere, bunfele 23olleit 
fieß jufainmenjiehen unb ber Bonner grollt, 
unb in 2 lngft unb fjurßt fragt man fidjmag 
baS wohl wieder ein Gtjclon werben ? 

Sroß all bem ©ßretflißen, baS Dielleißt Diele 
Don uns miterlebt, müffen mir uitS, Weint auch 
nißt 311 m Srofte, feigen, baß wir berhältnißmäßig 
noch günftiger daran finb als bie ©cwoßner ber 
heißen 3oneit. Oort mütljcn bie Orfane nißt 
bloß in fteirferem ©rabe, fonbern aueß in weit 
größerer 2luSbeßnuug unb mit längerer 3 e 't 5 
bauer. ©Jößrenb g. ©. bei bem ßpclon, ber 
uns hier in 2 öarrenton heimfußte, bie gange 
Spurbreite ber 23inbhofe hunbert j$uß nißt 
überftieg (bie allgemeine ©rfdjeinung eines Stur» 
mcS beßntc fieß natürlich and) in bie ©reite auf 
©teilen weit aus), fo erreichen dagegen in ben 
wärmeren 3onen bie eingelttcn 23irbel ber Or* 
fane mandhmal einen Ourßmeffer Don ©tut* 
berteit Don Seemeilen, unb ber ©erlieft an ©ten» 
fdßenleben gäßlt bisweilen in bie Saufende. 9(lS 
einen ©emeiS für bie ©tärfe eiitgelner Orfane 
ermäßne id), baß auf ber meftinbifeßen 3 nfel 
SarbaboeS einmal eine ©atterle- Don ©efdjiißen 
feßwerften ifaliberS mehrere hundert Sßvitte 
weit bureß die Suft getragen wurde. 

Oer ©ewoßiter ber weltlichen Staaten ift feßr 
geneiqt, bie Srage aufgumerfen: warum werben 
wir häufiger als früher bon folcßen ©türmen 
ßeimgefudjt? Oer 9lftrononi antwortet ihm 
biefleicßt. baß feiner. Beobachtungen gemäß aller* 
lei magnetifch»elettrifd)e ©türme gegenwärtig auf 
ber Sonne wiitßen, baß aueß bergeit meßr ©on= 
nenfleden als je waßrgnnehmen feien, ©eben 
wir alle biefe unb noch andere ©töglicßfeiten gu, 
fo bleibt für ben ©chreiber biefeS noch ein ©to* 
ment übrig, bon bem er glaubt, baß es Don ben 
©teiften bis jeßt überfeßen worben ift unb wcl» 
eßem er meßr gcdcie» gnfeßreiben möcßte, als es 
hindere tßun. 3 dß glaube, -baß eine £>aupt= 
urfaeße ber ^läufigfeit unb &eftigfeit biefer 
©türme in unferem 9lmerifa in ber itluSrottung 
unferer 23aIber gu fußen ift. ©türme unb 
Orfane werben in bem ©taße mäßtiger unb 
intenfiber, je freier unb größer bie gläße ift, 
auf ber fie fiß tummeln fönnen. Oer befte 
23all, an bem fie fiß breßen, finb ©ebirgS» 
fetten. 2^on ben 9(lleghanieS im Often bis ginn 
3 ?elfengebirge im 23cftcn tritt ihnen fein berar» 
tiger 23aH entgegen, ©inigen ©ßuß gemißr» 
ten unS aber fßon bie compaften 23albungen 


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468 


Jet Streit i* (ggiptt*. 


öon 9lrtanfa3, Stiffouri u. f. w., inbem biefe 
roenigftenS bie ffroft bet ©türme lahm legten. 
9113 Muftration gut Sebeutung beS Sd)uße3, 
ben fgjon Heinere Saumgruppen bieten tonnen, 
gelte uns, was bie Leitungen über ben ©pclon 
berichteten, ber Bit. '-ßleafant, 3o»a, getroffen. 
Serbeerenb war ber ©türm, Wohin er immer 
«udj lenfte. Sn feiner Sab« lag ebenfalls baS 
bortige College» ©ebäube, weites aber glüef- 
licket SEÖeife öon träftigen Säumen umgeben 
war. $ie festeren Wnroen öon ber ©emalt beS 
©turmeS jwar niebergeworfen, boch öermoebten 
fie noch in ihrem tffail ben beftiggen 9tnpraH 
beffelben gu bredben, fo baß baS ©ebäube unber« 
febrt flehen blieb. 

es iji hier nid^t bet Ort, barauf b'ngutoeifen. 
Wie öerberblidj eine unöemünftige SluSrottung 
ber HBälber für Semperatut unb climatifäie Ser» 
bältniffe eines SanbeS in noch gang anberer 33e» 
giebung werben fann; Wir bcfcljränfen unS Iji« 
baranf aufmertfam gu machen, welche Schuß* 
webr öon ber ©emalt ber Orfane Wir b>nweg» 
räumen, wenn wir in ber bislang übli$en SOSeife 
fortfübren unfere HBülber uiebergutjauen. 

Sefannt ftnb bie 9lnfid)ten ber ®elel)rten über 
bie entftebung ber Sora, b. t). beS taltcn ©türm» 
winbes, ber Dom hoben ftnrft herab in’S abria» 
tifdje Steer bläft. ÜJtan nimmt an, baß biefer 
2öinb erft in feiner jeßigen Starte entftanb, als 
ber hohe Äarft (fo beißt bie |)ocbebene, welche 
ber 9torb*Oft=6cte beS abriatifdjen SteereS ge* 
genüber liegt) imter ber öenetianifeben Herrfcbaft 
feiner SBülber beraubt würbe. fRunmeljr iji 
biefe Hochfläche eine (Sinöbe; nur an gang ge* 
fdjiißten ©teilen öennag eine Segetation aufgu» 
tommen. $ie Sora wütbet auf berfelben mit 
folcber ©emalt, baß fie gumeilen gange Sifen* 
babngiige umwirft, unb fie mad^t noch weit her» 
unter in baS abriatifdbe 2Jteer bie Schifffahrt 
gefäbrli^. — 

©ibließlicb aber geben wir bem Sefer, welcher 
in folcber ©egenb wohnt, in ßtjdone gu befüreb* 
ten finb, folgenbe Sanfte noch gur Seadbtung: 

1) ßtjdone tommen für uns in ben Ser. 
Staaten immer nur aus füb«weftlieber Stiftung. 
So brobeub benn ein ©emölf auch auSfeben mag, 
es wird für beinen SBofjnort nicht gum Gpclon 
werben, wenn es in einer anbern H'wmelSridb* 
tung ftebt. 

2) Söirft bu in beinern Haufe öon einem 
6t)don überfallen, fo flüchte in ben Leiter, wenn 
bu einen fieberen ijaft. 9l«f leinen ffall fliehe 
öor, b. i. in ber tRtdjjtnng mit bem 3Binb, fon» 
bem gegen benfelben, bamit bu öon ben nach* 
folgenben Striimmern nicht getroffen wirft. 

3) Seme immer in ber inneren Sereitfchaft 
fteben, in welcher bu f ebergeit öor beinern ©ott er» 
febeinen tannft. ffiir mögen fein. Wo Wir wollen, 
immer wirb beS Richters ÜluSfprud) uns gelten: 


So lang* idj leb’ anf biefer (Erben, 

Srtjtocb’ irfj in fteter (Eob’sgefaljr. 

Unb öergeffen wir 

4) nicht, baß, fo üerberblicb in Dielen Mafien 
bie Strafte beS SÖinbeS auch Werben mögen, fidj 
nicht bloS ber Stenfdj biefeloen nußbar gu machen 
muffte in ber Schifffahrt, bur<b 2Binbmü()Ieu, 
mit Stafcftinen u. a., fonbern and), bah biefelben 
im Haushalt ber Statur aerabegu unentbehrlich 
finb. $ie SBinbe reinigen bie Suft, fie bewahren 
bie ftehenben ©ewäffer öor ffäulnif? (baS alles 
litt in befonberem Stoffe öon ben Stürmen), 
ie üermitteln bei ben meiften Sflangen bie Se» 
rud)tung; fte ftreuen ben Samen auS; fie be» 
Wegen bie Sflangen, bamit bet Saft beffer in 
benfelben auffteigen fann; fie bringen 9(b» 
fühlung unb beförbern bie Serbunftung ec. ec. 


Par in Gfytjpkii. 

SO« ObKSCttlHW. 

41 on ©gppten hat man in ben leßten Stonaten 
O in allen Seitungen gelefen. flrieg foü es 
* geben. Eie ©ngläuber haben 9tlejanbrieu 
bombarbirt. 2>er ftriegSmiuifter ift gegen ben 
Sicetönig unb biefer tanu bem 9trabi Set) nidjts . 
anljabeu. So lauten bie 9tad)rid)ten. SSarum 
ftreiten fte benn? SBesbalb bie ©rofemädtte 
fettglanb, Sranfreid) ec. ein 9luge auf 6gt)ptcn 
geworfen, ift in HauS unb H«b bereits ausein» 
anbergefeßt. 9lbcr wie ftebt es benn mit bem 
9trabi Sei), bem Rriegminifter unb bem Sice» 
föitig, bem SfceWfit Safdja ? SLaS öerhält fict) 
alfo: 

Üewfif Sßafdja, ber freilich nichts weniger als 
thatfräftige Sicetönig, welchem bie Stoße beS 
leibenben Helben in ber fid) abfpielenben Sragi* 
fomöbie gu fällt, hat bie Vage ber Singe nicht ge« 
fchaffen, fonbern bei feinem ^Regierungsantritt 
febon öorgefunben. 9luf feinem Sater SSutail 
Safdia taflet ber Sormurf, bafe er burch maß« 
lofe Setfcbmenbung einen beträdjtlidjen % heil 
ber ©uegfnnal«9ldien in ©nglanbS Hänbe ge« 
bracht, ben Sriten gur Sicherung ber in egßpti» 
feben ©chulbtiteln angelegten itopitalien fämmt» 
lidbe Domänen pfanbweis überlaffen, ben ffratt» 
gofen auSgebehnte Sefißungen an bem inter* 
nationalen Jtanal abgetreten, ben Staatsbanf» 
rott unb bie englifcb« frangöfifebe Serwaltung 
gur 9(ufbefferung ber Fyinanjen über baS Snub 
gebracht unb nach feiner öor brei fahren erfolg» 
ten ©ntfeßung nicht aufgehört hat, burdj 9tän!e» 
fptnnen mit Hülfe ber geretteten Schöße bem 
9tad)fotger baS Sieben fo fchwer wie möglich gu 
machen. 


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Per Streit in (Sgißiteii. 


469 


Serofit ©afepa ift gegenwärtig 31 3apre alt. 
Unter feinem ©ater leitete er groar bem Manien 
nach baS Minifterium beS Innern, ob er aber 
in biefer Stellung einen pinreicpenbeu ^Xbfdjeu 
bor ber Miferoirtpfcpaft unb ber ©ebrücfung beS 
©oltS eingefogen put, mag bodj fraglich evfcfjei» 
nen. 5ln bem Betreten gleicher ©fabe fjmbertc 
ihn bie englifcp=fran!öfiicpe ©ormunbfcpaft. Sie 
ift eS aber auch, welche allfS aufbietet, um ihn 
auf einer Stelle gu erhalten, bie ber fchroache, 
bon feinem ©ater gu ftrenger Stbpängigteit oer= 
urtheilte ©icetönig aus eigener .(traft nicht be¬ 
haupten tönnte. Ohne bie tffinangcontroleure 
imb (Seneralcoufuln bet SDBeftmärfjte, ohne Gng* 
lanbS unb fffrantreichS entfdjiebene ©erroenbimq 
bei ber Pforte hätte Serofit ©afepa bor ben 
Meutereien ber S nippen, beiten bie fRotabeln 
unb UlernaS nicht genitgenb bie Stange halten, 

K B baS 3Mb räumen muffen, ßrlUirte bocp 
©ranoille im Oberhaus ben Schuh beS 
©icetönigS burch SuqlaiiDS ©pre geboten, roaS 
roohl fagen foll, baß bie ©riten mit bem Sultan, 
wenn er einen beliebigen ©ünftling jum KpcbiPe 
erheben ober ©gppteit in eigene ©erroaltung 
nehmen roollte, nicht in gleicher SBeife roie bis* 
her umfptingen tonnten. 

Seropf©üfcpaS efjrgeigiger ÜEBiberfacper, ber 
KriegSminifter unb örüprer ber neu auSgebrocpe* 
nen Wationatpartei, •Slrabi Sep, gäfjlt gegen« 
rodrtig 45 ;$ahre. (Sr ftammt aus Ouraba in 
Untereappteu unb genoß als Sohn eines bort 
angelegenen fRotabeln bie in egpptifcpen roohl» 
babeuben Qramilien übliche ©rgiepung. ©erübint 
roerbeit feine ©elefenpeit im Koran, feine ©e* 
rebtfamteit unb feine ©efanntfepaft mit ben Ser. 
fjältniffen beS ©benblaubS. Mit 19 fahren 
Solbat, tonnte er lange 3 c >t hinburch niept oor* 
roärts tommen. ©ei bem Porigen ©icetönig 
3Smai( galt er für einen griibeluben Offizier, 
ber einmal unbequem gu roerbeu oermödne, unb 
erft Serofit ©afepa beförberte ihn gum Oberften 
unb übertrug ipin ben Sefepl beS 4. ©arbe* 
regiments. 

Srabi Sep geigte fiep fcplecpt erfenntlidp. ©r 
rücfte am 2. Februar beS Porigen Jahres bem 
©icetönig oor baS ©alaiS, ergroaug ben Stücftritt 
beS MinifteriuinS, übernahm bann bie ©efepäfte 
beS KriegSminifterS unb beftimmt noch gegen* 
rodrtig bie ©efepide beS SanbeS, bis oielleicpt ber 
©rofetjerr eS für gut finbet, ihn fallen gu (affen 
ober bie ©nqlänber ber SBirtpfcpaft ein ©nbe 
maepen. Sie oon ihm pertretene Softutg ,,©gpp* 
ten für bie ©gppter," feprl fiel) ebenforoohl gegen 
bie roeftinäcptlicpe ©erroaltung, melche bei ber eng* 
liichen ©eppogenheit. begünstigte ©erfouen mit 
übermäßigen ©efolbungen auSgujtatten, fehr 
toflfpielig tft unb ben Weib ber ©inpeiinifcpen 
erroeeft, als gegen baS tiirfifcpe Regiment. Ser 
Jruppen bemächtigte fiep Irabi ©ep mit ©e* 


nufeuug ber Ungufriebenheit infolge ber bebeu» 
tenben ^erabfeßung beS 'MrmeebeftanbS. SaS 
egpptifdje £>eer, oorinalS roeit über 100,000 
Mann gebracht unb in biefer Starte eine fepnei* 
bige SL'affe in ber £>anb Sbrapim ©afcpaS, beS 
StieffopuS oon Mepemeb 9lli, roarb burep bie 
Sparfamteit ber ginangcontrolenre bis auf 
18,000 Mann Perriugert, unb bie entlaffenen, 
grofeentpeilS reept imgttlüuglicpen Offigiere geig» 
ten fiep roie bie noch beibepalteneu, aber um ihre 
Stellung beforgten Rührer jebergeit putfepbereit. 
WaepgepenbS bcrlepte' jeboep ©rabi ©ep einen 
Speil feinet militiirifcpeu Anhänger. Unter bem 
Sruct beS ©runbfafeeS „©gppten für bie ©gpp» 
ter" beoorgugte er feine SanbSleute, Pon benen 
er auf einmal 18 gu ©eneralen beförberte. SieS 
erregte bie ©iferfuept bet Offigiere türfifipen unb 
tfcperfeffifcpeu £>crtommeitS, roelcpe bisher einen 
ffiorgug in ©nfpruep genommen patten. Um fiep 
iprer gu entlebigen, befepulbiale fie ber Kriegs* 
minifter einer gegen fein Öeben angegettelten 
©crfdproörung unb liefe fie burep ein Kriegs* 
geriept ftraefS gunt Sobe berurtpcilen. 

Serofit ©afepa wollte jeboep bie naep iprer ©e* 
recptiqunq pöcpft groeifelpafte ©ntfepeibung niept 
beftätigen unb legte bie Sache feinem Ober* 
Perm, bem Sultan, Por, welcher bie SobeSftrafe 
in ©erbannutig Perroanbelte. Safe ber ©icetönig 
über bqS Minifterium piuroeg an beu Sougorän 
berichtet, roarb ipnt baratif als ©erlefeung bet 
©pre beS ©abiuetS unb beS fianbeS auSgelegt, 
unb Slrabi ©ep braug mit ber Sorberung feiner 
Wbfefeung burep. Soweit wollten jeboep bie Pon 
Sfrabi ©ep eigenmächtig einberufeneit Wotnbeln 
niept gepeu, unb baS Minifterium bemülpigte 
fiep Per bem ohnmächtigen £>errfcper burep bie 
©itte um ©ergeipnug. 91IS aber Serofit ©afepa 
bie ©elegeupeit gur ©utlaffung beS MinifteriumS 
unb gur Uebernapme beS Oberbefehls beuufeie, 
erfärte 9lrabi ©ep bieS für eine ©nmafeunq. 
Ser ©icetönig Permocpte feine Männer gu fin* 
ben, roelcpe unter ben gegenwärtigen Umftänben 
bie fieituug übernehmen wollten, unb inufete gu* 
lefet auf ©itten ber 9totabe(u ben Meuterer, 
roelcper afleiu uoep bie Crbnung aufrecht erpal* 
ten tönne, auf bem ©often als ÄriegSminifter 
beiaffen. Safiir roirbt Slrabi Sep Unterfcprif« 
ten gu ©ittgefuipen an ben Sultan um 3lb* 
fefeung Serofit ©afcpaS. 

SBie fiep fonft bie Sage in ©gppten gcftaltet 
pat, baS berichten bie Leitungen. 3<P habe nur 
baS SBefen beS Streites in biefem unglüdlicpen 
Sanbe felbft, abgefepeu bon ben ©eliifteu ber 
©rofemäcptt, bargeftellt. Sie ©efepiefeung Wieg - * 
anbrienS mufe niept notproenbig einen Krieg 
groifepen ©nglanb unb ber Sürfei perbeifüpren ; 
benn bie engiifepen Kugeln roaren Porläufig nur 
für Slrabi ©ep beftimmt. 51 ber — wer weiß, roie 
bie egpptifcpe 3rage noch gelöft Wirb ? 


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470 


Sin lieber Jlruber unb guter Blufft ant. 


(Sin lirber Prüfer unb guter 
IKufthmit 

Sou 6. Äinrf. 

f it biefer Ueberfihrift habe ich ein febr be« 
fanute! ©prüißmort ein wenig geäubert. 
©igentlicß lautet e!: „(Sin lieber SBru* 
ber, aber — ein f iß l e d) t e r SOtufifantfall 
heißen: 3um ein brauet uub liebenlwürbiger 
SJtenfcß, ber aber in feinem 23eruf nicßt bief 
taugt unb wenig leiftet. Stun, ba banf’ i cb 
weiiicjfteu! auch für alle äkaüßeit unb Siebend 
wiirbtgfeit. 2 ) 0(9 leibet nur gu oft finbet biefe! 
©ptüdjwort feine traurige SSeftätigung. Um fo 
erfreulicher ift el barum, wenn man einem 
SJtcnfchen begegnet, boit bem man fagen tann: 
(Sin lieber äSrüber unb gugleicß ein guter SJtuji» 
taut. 2)ie nacßfolgenbe {(eine ©efcf)idjte will euch 
Don einem folcßen ergäben. 

©3 toar im SJtai be! 3 a hre3 1821, a(§ eines 
2age! große ©d)aaren Dornebmer Herren unb 
2)amen im SBiener Sfkater, einer pracf)tüoll be* 
malbeten Einlage, luftwanbeiten. ©ang einfant, 
an eine alte 2inbe gelehnt, ftefjt ber fiebgig jährige 
gnbalibe gofeph gelnborfcr. ©tim unb Silan» 
gen tragen bie Starben mancher ©ddaeßt. 2)cr 
heiße Sag Don Slfpern riß ihm ba! linfe Sein 
unb groei ginger ber regten fpanb h' nroe !l- 
2)arum trägt er mit Stecht auf feiner 39ruft ba! 
©brenjeicheii. Sluch heute, wie faft täglich, fleht 
ber arme ©teigfuß hier mit feiner ©eige unb 
läßt fie fröhlich halb, halb flagenb ertönen. 2)er 
treue ^ßubel, fein beftänbiger Siegleiter, fißt auf» 
Wartenb neben ihm unb hält beit £)iit im SJtaul, 
um Sllmofeit für feinen alten £>errn git erbitten. 

t eilte aber feßeint Weber finbet noa) ©teigfuß 
eachtung gu finben. ©! ift fchon fpät am Stach* 
mittag unb noch fein ßreugerdjen in ben #ut 
gefallen. Sich, 0011 ben Dielen, bie Doriiberwallcn, 
batte niemanb £erg unb Sluge für ben armen 
gnoalibett. 2)er Sllte blidft traurig auf bie 
©haar ber fröhlichen ©pagiergänger uub fenft 
betrübt fein filberweiße! £imipt. itaum trägt 
ihn noch ba! eine fdjwacße Sein, fein Sinn famt 
nicht länger ben Sogen führen, ermattet feßt er 
Üh auf einen ©tein. 35a tritt plößlid) ein üor* 
ließin aefleibeter £>err auf ihn gu unb fprießt in 
gebrochenem 2)eutfch: „ffamerab, leihen bu mir 
bein Siotin auf ein ©tunb, bann haben bn 
©elb." 2)er !gnDaIibe weiß nicht, wie ihm ge» 
fchieht uub blidt Derwunbert halb auf beu eie* 
ganten „Goflegen", halb auf ba! ©olbftiicf, ba! 
ihm biefer heimlich in bie .£>ntib gebriidt hat. 
Stad) einigem 3aubern jeboch giebt er bem grem» 
ben bie ©eige. 2)iefer ftimmt fie unb beginnt 
nun gu fpielen. ©r legt feine gange ©eete in 


ba! Suftrumeut, unb el ift, all hörte man 
©ngellftiinmen, welche um SStitleib für beu alten 
ftrieger flehen, uub halb ift’ö, als ob ein fromm 
©ebet emporfeßwebe, halb feßmiüt’! gum frohen 
gubel an. 2)er Sllte hält Dor ©taunen feinen 
SUhem au, unb ba! £>erg Köpft ihm bor innerer 
Sewegung. 2)ie ©pagiergänger horchen unb 
ftaunen halb be! wunberoollen Spiel! ©ewalt 
unb halb ben mit Dielen Crfcenlbänbern ge* 
fehmüeften Spieler an. ©rft bleibt einer flehen, 
bann mehrere, enblich machen felbft bie borbei* 
faßrenben SSagen £alt, unb um bie ©ruppe 
wächft mit iebem Stugenblid bas ©ebränge ber 
Öorcßenben. SJtan ahnt auch halb be! fremben 
©pieler! eble Slbficht. “Eli bien, Messieurs 
et Mesdames,” ruft plößlid) ber 33irtuofe, „id 
geben ba ©oncert für ein pauvre invalide, 
aber ba! entreo feien nid frei, ©ang nad 3 he 
plaisir—aber in bie£ut Don bie alten SJtann." 

2!a! Iaffen ftch bie reichen SBiener nicht gwei* 
mal fagen. 6*3 regnet ©olb unb ©itber, 2ßaler 
unb 3>oaiigiger boit allen ©eiten. ®er Giebel 
Kuirrt, benn ber £>nt wirb ihm gu fchwer. 
„Seere ben #ut au!, wir füllen ihn wieber!" 
ruft’! Don allen ©eiten. 2)er ^noalibe gehorcht, 
fchüttet bie retdje ©rnte in feinen ©eigenfad nnb 
macht ben #ut für neue ©oben leer. 2)ie Singen 
bei gremben aber leud)teu Dor SBonne. 3mmer 
freubiger läßt er feine 2ötre haßen; enblich fleht 
er mit prächtigem Schwung in bie Steife ber 
öfterreichifchen Stationalßbmne über, unb in 
jtibelnber Slegeiftentng mit gefchweuften fjiiteit 
fingt alle! mit: „®ott erhalte grang ben ßai» 
fer." 2)och all bei Siebe! leßte 2öne Derflun» 
gen ftnb, ba reicht er fchnell bem begliidten ©rei! 
feine ©eiege wieber unb Derfcßminbet, all ob er 
gliigcl hätte, in bem großen Raufen, unb ba! 
war noch fchöner all fein herrliche! ©eigeufpiel. 
©ott wirb ihn fegueu an jenem Sage, wo Sille! 
offenbar werben unb audß bie geriiiflfte SBohl* 
tljat, bie in feinem Stamen flefeßab, nicht Der» 
geffen fein wirb. Stießt wahr, ba! ift ein liebet 
iÖruber unb gugleich ein gu ter SJtufilant ge» 
wefen ? — Ißaganini war’!, ber große ©cig’er» 
fönig. (Stachbar.) 


©ine ganj ßübfche ©atire auf bie 
Slffentheorie bringt ber ^ebellalenber für 1882. 
©in 4)err 2)arwiiiowitfd) in Slmfterbam gähntt 
einen gering. 3 ,le rft gewöhnt er ißu an ba! 
©iißwaffer, inbem erba! ©eewaffer tropfemoei! 
mit Ottellmaffer Dermifdjt. Stäubern fieß ba! 
Stßier an ba! neue ©lernent gewöhnt, gewöhnt 
e! fein £>err an bie Stift. 2>al ift etwa! feßmie» 
riger, geht aber aueß. SBenn bet $err in feinem 
Ißart fpagieren geht, fcßnalgt ihm ber gering 
fprungwei! nach. ®nbei Derfießt er fieß eine! 
äagel, fällt in’! SBBaffer unb — ertrinlt. 


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tttnßuß unb Padjt bet cfjrifiliehm Jamilie u. f. ro. 


471 


Gittfluß und Dlad)! btt djrifUidjeu lamilie auf Me (Sejlaltiuia Ms 


ju$enMid)eii 

Seit 3. 

f et Schaben, meiner burdj baS gottfofe Sehen 
undjriftlicher ©item uitb unweife ©rjiehuug 
*■ bei ben jugendlichen ©pröjjlingeu augerichtet 
wirb, ift nie wieber gut ju iiuul>en, beim eS blei¬ 
ben bie Warben, felbft nachbem bie SBunbeu burcp 
eine griiublid)e Sefetjrung ju ©ott im fpateren 
Sehen geheilt finb. deshalb fauit uufenn @e= 
genftanbe nicf)t genug Slufmerffamfeit von Sei* 
teil bet ©Item unb ber ©rjieljet gefchenft 
Werben. 

2>er jugendliche ©Ijaralter ift bildungsfähig, 
weit baS £>erj unb ©einüth jart, offen unb em* 
pfiinglid) ift für baS ©ute wie für baS Söfe. 
®ie ©inbriide, welche beSljölb auf bie gugenb 
gemalt werben, werben mehr ober weniger 
burch» galt je Sehen bleiben. deshalb ift eS 
Sb«tfacbe, baß burdjfchnittlicb ade grofje Wtän« 
ner unb berühmte fromme grauen auf bein ©e* 
biete ber ĥirdje nicht nur fromme, foubern auch 
weife ©Itern Ratten, welche ihren ©inffuß auf 
bie ©eftaltung beS fugeublichen G^aralterä gel* 
tenb machten. 

3)a§ Sehen, ber SBaubet unb baS ^Betragen 
beS SßaterS unb ber fDhittcr wirft oiet mehrhls 
alles Seten, tÖefeuutniß unb äußere ^Beobachtung 
firchlidjer gönnen unb ©ehräudje. 2)urum muh 
unbebiugt beides miteinanber übereilt jtimmeu; 
aisbann werben fich bie ©rjieher Achtung, 9ln* 
feheit unb SRefpeft oor ber gngenb berfchaffeit 
unb ihr ©influß Wirb nicht nur ein Ijcilfamer unb 
gefegneter, foubern and) eine Wtadjt fein, welche 
ruh für» gaitje Sehen im G^araftcr ber gugenb 
geltenb machen wirb. 

Die gugettb hat fcharfe ^Beobachtungsgaben. 
®S fd)ant bespült) felbft ber junge ©rbenhürger 
fchon beftänbig nad) bem 9lttge feiner ©rjieher 
uitb beobachtet ben ÜMid, ob etwa herauSjulefen 
fei, baß es oiedeicht anbei» gemeint fei, als baS 
foeben oernommene SBort. SeShaib fodten 
©Item ihre Stiitber nie tauften in einem SBer* 
fprechen, entweber eines oerhetjjenen ©uteS, noch 
einer angebrotjteu ©träfe. 

Söier wahrheitsgetreue, bertäffige ©haraftere 
bilbeit will, ber fei felber wahr, wahr* 
jjeitSgetren unb juoerIcifftg. ®er 
jugenbliche ©haratter ift bilbungS* unb erjie* 
hungsfähig, barum fpricfct bie Schrift: „gtjr 
SSäter e v j i e h e t eure Einher in ber 3u<ht 
uub Vermahnung jum $errn." Ohne ©rjie* 
hung unb Silbung ift ber jugenbliche ÜJtenfdj wie 
berWtarmorblod, nur ber Weifet beS SliinftlerS 
wirb ein ©ngelsbilb baraus formiren fönnen. 


Gljaralttn*. 

®. Saft. 

@0 bebürfen djriftliche gamilien ber Sßeisheit, 
beS SßerftanbeS unb ber ©nabe ©otteS, um bie 
gähigfeiteu unb Streifte ihrer Spröfjlinge ju 
Weden, bie Zulagen unb ©oben, bie in ihnen 
finb, ju ftubiren, ju ntobeln unb ju geftalten 
fürs irbifdje unb göttliche Sehen. 

©ehorfam ntujj unbebiugt bott ber gugenb 
geforbert werben unb fodte berfelbe mit ©ewalt 
erjwungen werben müffeit. ®er SBide beS3ög* 
lingS nuefj bem SBilleu beS ©rjieherS unter* 
worfeit fein nach göttlichem SBefetjl, uub jwar 
um beS £>errn widen unb beS SfittbeS willen. 

„Von ber Stinberftube aus Wirb bie SBelt re* 
giert," barum follten ©Itern, ©rojjeltern ober 
©oubernautiunen ihre Vflegbefoljlenen früh* 
jeitig jum ©ehorfam gewöhnen, beim bie üer* 
borbene menfchliche Watur ift eigettwidig, eigen* 
finnig, hartniidig uitb jum SÖöfen geneigt; beS* 
halb muß ber SöiUe gebrochen werben in ber 
3eit, ehe berfelbe ju ftarf wirb, fonft befömint 
berfelbe bif Sjerrfdjaft uub macht ben Unerjoge* 
nett unglüdlidj unb troßig; barum gilt’S bie 
elterliche Autorität aufrecht ju erhalten. 

gerner gilt es, bie Igugenb an fDtännlichfeit, 
Wtuth unb Stapferfeit ju gewöhnen, benu wir 
wodeit ja 9J?enfchen bilben, bie eine Aufgabe im 
Sehen ju erfüllen höben, Welche fclbftftänbig 
uub juoerläffig finb. ©rjiehen wir feine $rol)= 
nen, fonbent thätige, nü^LidjeArbeiter, im häuS* 
liehen Streife, für bieStirche unb für bie meitfch* 
Iicpe ©efedfd)aft; gewöhnen Wir bie gugenb jur 
Selbftoerleugnnng, Opfer unb ^hätigfeit. 

91IS ©Item, Seljrer unb ©rjieher macht euren 
©influfj unb Slutorität burdh Sßort unb eble 
2f)aten unb gutes Söeiföiel geltenb, währenb ihr 
bie gröfite Sorgfalt auf bie©rjiehung ber lieben 
gugenb berwenbet in jeglicher ^»infid)t. 

Sa|t eS ferner eure Aufgabe fein, bie Igugcnb 
ju gcfuitben, robufteit unb fräftigen ÜDtenfd)cu 
ju erjieheu, höbt nicht adju große 'ilengftlichteit 
unb SBefovgnifi für ihr Sehen, unb f’eib nicht 
adju jürtlich gegen bie Stnaben unb ^Dtabrhen, 
bamit ihr feine Sopfpflanjeu beS Kaufes heran* 
hübet, welche lein rauhes Siiftdjen ertragen 
fönnen. Siefer ^unlt ift üon großer 2öid)iig* 
feit fürs jufiiuftige Sehen unb bie ©jiftenj ber 
gugenb, wenn bie Dtäbchen nid)t oerjärtelte, 
tänbelnbe 9)tobebümchen unb bie Stnaben nicht 
©traßenlungerer unb SBeibernatureu Werben 
foden. deshalb ift bie phhfifche ©rjiehung für 
bie gugenb eiü fehr wichtiger gaftor in ber ©e* 
fialtung beS jugenblichen ©harafterS. 


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472 


ttntflufj unb 9tod|t brr dpifHtyc« £awilit u. f. m. 


©alte bem jungen 9Belt6ürger ftetS bie Wün= 
ner unb grauen ber 2 hat unb bcr ©rrungeu- 
fcfjaften auf bem ©ebiete ber ©übaaogit, ber 
i^eofoflie, ber ßunft unb Wiffenfcpaften als 
3beale Dar unb fudje fie gu bereiftem. 

©erfchaffe ber 3ugeitb Schriften unb SBerfe 
großer Weiftet gum Sefen unb Stubium unb 
fei barin nicpt gar gu fparfam unb färglich. 

Stubiere bie Neigung, ben ©harattcr unb bie 
©igenfthaften ber 3ugenb begüglid) ihrer Sieb* 
lingSfpiele unb ©efdjäftigungen unb fei Der* 
fidjert, baft wenn bu genau barauf adjtcft, bu 
am elften erräthft, was ber gulünftige Sie ruf 
berfetben im Sehen fein wirb, wie aus Dielen 
Satten nachgeroiefen werben fann. Sfeber Wenfd) 
ift gu irgenb einem uüßlid^en Berufe angelegt, bie 
fd)(ummernbeu ©aben unb Üalente aber muffen 
burch bie ©rgicfter gewedt werben. Oie Sugcnb, 
welcpr feine ©i (billig unb ©rgicljung geniefst, ift 
Wie baS Schiff ohne Steuer unb ilompaft, eS 
fehlt am ©allaft unb wirb Deshalb hin unb her 
geworfen, ohne 3wed unb 3iel, unb baS Sebeu 
wirb ein DerfehlteS fein. 

©o ift cs auf aDcn ©ebieten beS SebenS; wer 
nicht wa§ tüchtiges lernt, ift ein 3o*wrant, unb 
wer nid)tS lieft, weiß nichts unb muß fid)S ge¬ 
fallen lagen, ber Söaffcrträger unb fcolghader 
ber ©rgogctieu, ©cfcftulten unb ©ebilbetcn gu 
fein, gu feinem größten Sletger unb ©erbrup. 
Oaruin fehet bagu, baß eine gute gefunbe unb 
gut gewählte ©ibliothel für bie 3ngenb ins 
£auS fömmt. 

Sebret ben Knaben ben Wußen unb Segen 
eines £>anbmcrfS, benn eS hot einen golbenen 
©oben. ©in £>anbmerf, ein ©efdjäft, baS ehr¬ 
bar ift, baS ihm uftb ber Welt niißt. Weben 
mir nie geringfeftäßig Dor ben Ohren ber 2u- 
genb Dom Arbeiter- ober £>anbmetferftanbe, auch 
nicht im £>aufe ber Wohlhabenheit unb Weichen, 
benn bie Seiten äitbern ft<h oft gar plößlicft. 

3eber Schriftgelehrte, SBeife unb Wabbi beS 
alten ^»benth'-imS mar ein gelernter #anb« 
Werfer. Oie ©ringen beS preuftifchen $önigS* 
haufeS finb Weiftet eines ©anbwerfS. Sutber 
mar OrechSler unb bodj ber grofte Weformator, 
feines |»anbmerfS unbefchäbigt. Oarum ihr 
jungen, lernt ein £anbmert, benn es ift ein 
waeferer Stab. 

©in gemiffer ©.’fchichtSfchreiber ?$franfrei<hS 
fagt: „3ch hübe Diel gereift im Worben unb J 
Süben unb eine Obatfncfje ift mir überall ent¬ 
gegen getreten. SBo bie ©ibel nicht ben ©runb* 
fteiti ber ©rgiehung ber ©cfeflfdjnft beS gangen 
CebettS bilbet, giebt eS nirgenbS eine Literatur 
für bie ffinber unb für baS- gefammte Soll. 
Setrncbtet Spanien, Italien unb felbft ftraitf« 
reich mit einem Worte alle Sänber. wo man 
bie ©ibel nicht lieft, auch nirgenb etwas gn lefen 
ift für baS ftinb unb für ben Slrbeiter! 3fn 


Oeutfchlanb unb ©nglanb bagegeit finbet fich 
eine gange Sugeiib» unb ©olts-Siteratur, in bcr 
fich ber nationale ©eift wie in einem Spiegel 
abbilbet." Oarum macht als ©rgieher eueren 
gangen ©influft bei ber Sugcitb für bie ©ibel 
geltcnb, gur ©eftaltung ihres GTjaralterS. OaS 
Wort ©otteS ift bie Wacht bcr fiirdje unb bie 
Wacht beS jugenblidjcit ©barattcr» gu ihrer @r- 
giehuitg. SllS bie Witter bem Ooltor Suther ihr 
Schwert anboten gum Oien fie bcr groften We- 
formation, wies er eS ab, mit ber ©rtlärung: 
„OaS Wort fottS tljun." Oarum foü mau 
©otteS Wort babeirn fleißig treiben, ber 3»iKi>b 
bie heiligen Sehren beffeiben beibringen, lehren 
unb erftären unb fie gum Stubium unb SluS- 
wenbiglerneit ber wichtigften Oheile ermuntern, 
biefelbe fdjon frühe gum Söefuche bet ©otteS- 
bienfte aller Slrt gemöhneu unb fte, nebft ber 
Sonntagfchule, aud) regelmäßig gur ©rebigt beS 
Wortes ©otteS bringen, bamit fte friihgeitig bie 
Äraft beffeiben in einer grünblichen ^Belehrung 
erfahren mögen, beim ©cmohnljeit ift eine Wacht 
im ©uten wie im ©öfeu. 

Oa felbft wilbe Olftete unb giftige Schlangen 
bur<h Wufil unb ©efatig gegähmt werben ton¬ 
nen, fo geht barauS herDor, freunblich, leutfelig 
unb iiebcDott ejegen bie Sugenb gu «erfahren, 
unb ber 3mtber ber Siebe wirb fid) auch bei ber 
wilben, auSgelaffenen Sugenb ©iitgctiig Der« 
ffioffen, „benn wie man in ben SBalb ruft, fo 
fchailt es Wicbcr heraus." Sei barfd), roh, grob 
unb griesgrämig in bem Umgänge unb ©rgie- 
huitg ber 3ugenb unb bu medft ben Seu unb 
ergiehft eine gleiche Watur wie bu felber bift. 
3- ©• ein truiitencr Wütherich in einer nam¬ 
haften Stabt beS WeftenS tonnte nicht Don fcchS 
Wann überwältigt werben, mäljrenb berfelbe 
Wann eine furge 3fit barttach fid) butch einen 
eingigen chriftlidjeu ©oligiften, burch ben ©eift 
ber Siebe, gebulbig wie ein Sdjaf, in fieberen 
©ewahrfam leiten unb führen lieft. Welch rin 
©eifpicl giebt uns ber gröftte aller Wcifter, 3e= 
fiiS ©hriftnS, im Umgang mit böfen Wcnfcben 
nnb ber lieben Siiaenb! Siebe ungefärbt, 
ftreunblicbteit ohne ©euchrlei, ober gemeine 
Ätiedjerci, mar ber mastige Wagnet, bie Waffen 
bet Wohen gu feffeln, bie Wütter mit ben mei¬ 
nen an fich gu fetten unb bie 3öllner unb Siin« 
ber aus bem ©erberben gu reiften. Oarum war 
auch fein Söort unb Unterricht fo gewaltig unb 
übte einen fo gefegneten ©infttiß auf alles ©olt 
aus. Oarum ihr ©rgieljer „feib gefinnet wie 
3efttS auch war." „©erlernen wir," wie Or. 
Sutharb fagt, „nnfere Söege unb lernen ©otteS 
SBege, wenn unfer ©influft auf bie 3ugenb ein 
nachhaltiger unb gefegneter fein unb werben fofl 
gur ©eftaltung ihres ©haratterS." 

Oie Familie ift ber fiauptfaftor in biefer 
groften Wufgabe. Wie barf bie göttliche Wutter 


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Wit |>d) brr Mater »iffetfiat rSdjt. 


473 


Partei nehmen für ben ungehorfamen Sohn 
ober bie uugehorfame $od)ter gegen ben ftrofen» 
ben Älter, ber feines Stintes pftidjlnetrcu mit 
berKtutpe ber 3 ,ic ht imiltet, ober auch unine. 
feljrt. Seibe ©Item miiffeu nebft ben fieprern 
baS gleiche 3iel oerfolgen in ber Serebeiung, 
Silbung nnb ©eftaltung eines feften männlichen 
mib chriftlichen ©parafterS ber ihnen aitbertruu» 
teil ^ugenb, melier ihnen in 3 c 't nnb ©wißteit 
©pre macht. Oarurn, ihr lieben ©Ilern, ber» 
jftrtett nnb berberbet eure flinber liiert, erlauft 
uic^t ihren ©efjorfam mit Ktäflpereien, feib ihnen 
nicht in Mein gu ©illen nnb hätfchelt biefetben 
nicht, fonft hübet ihr weinerliche Naturen, em« 
pfinblidje, eiflenfiuniße nnb troßige 3werge beS 
GparalterS, ftatt h^^öifrfje ©eftaften, brauchbare 
unb mißliche ©enfdjeit, geschaffen nach bem 
Silbe ©otteS. 

®ie Klufgabe nnb bnS ©er! ift gu grof? fiir 
irrenbe, fdproache ©enfeheu, barnm wollen wir 
ben Meinweifen mit in ben 9tath nehmen, 
bennit wir baS ©efepäft ausführen gutn greife 
beS #errit, gu nnferer greube nnb gum geit» 
liehen nnb ewigen |>eile ber uns anoertrauten 
3ugenb. 



Wit fidj ber Pater JUiffftljat au 
ben Umber» radjt 

Von Start« Hebe. 

^ohlßemuth fuhr idj mit bem alten 
®o(tor Serg im feponen Klrgau 
bon ®orf gu ®orf. 6r befuepte 
r ölte Sefannte, wäprenb ich mir bie Sdpi» 
len anfah. So würbe aus bem Worfelt 
Mittag unb fchon neigte fiep bie Sonne 
gegen bie Serge, als ber friiftieje gndfS 
einen Settier eiuholte, ber auf ftaubiger 
Straße bahinfehfotterte. ©r mar fo be= 
trunfen, baß er faum aufrecht flehen 
fonnte; als er ben $ut ginn Kllmofen 
|inhirlt, machte icbKlnftalt ihmein ©elb» 
ftücMjen gugumerfeit. „grau Pfarrer," 
tagte ber alte £>err, bie graue ©öffne 
fdjüttelnb, „ich hob’ 3hnen mehr Serftanb 
guge traut als fo. Oer hat genug. Sicher 
Wollt' ich mir bie fJlaf’ abbeißen, als bem ben 
tropfen gum Ueherlaufen liefern." 

Oiefer iropfen war übrigens fchon gen offen, 
benn als ich mich nmbrehte, laß ber Settier im 
©rahen. 

„ffiaS benfen Sie bon biefem ©benbilb ©ot= 
tes, grau tpfarrer?" lächelte ber Ooltor, mit 
bet tpeitfepe gurüdbeutenb. 


„©aS foQ ich ha faßen, war meine Antwort, 
mir hohen im ©Ifaß auch beren." 

„©laub’S ohne Untericprift!" berficherte Sera. 
„6s tonnte mich freuen, baß ber Klvgnu nicht 
baS Sorrent hot, allein Sumpen gu liefern, 
wenn’S nicht fo jammerboll märe." 

lieber baS alte ©efiept beS OoftorS breitete 
fich ein Schotten. Oer gueps trabte weiter, ohne 
baß ihm fein f>err bie fließen Wehrte, liefet 
buchte an größeres Uehel als baS ©efchmeiße, 
baS feinen rothen Siebling unifchmirrte. ,,©ir 
wollen," unterbrach er nad) einer ©eile baS 
Schweißen, „brunten bei SchmiebS anSfpannen. 
Oort will ich 3hnen ©twaS ergählen, was ich 
felbft erlebt höbe." 

Oie ©ähre ftanb bei SchmiebS Klappen an 
ber ftrippe, währenb bie ©irtpin unfern Stifch 
auf ber jerrajfe, unter ben fchattenreicpeii S<o» 
tanen, bedte. 3» unfern giißen ranfd)te bie 
Klare, währenb baS Mge befriebißt auf bem jen» 
feitißen Ufer weilte, wo gelber unb Statten fich 
bis gu ber fepönen ©ebirßSfette behnen. 

,,©S ift eißentlid) fepabe, eine fchauberbolle 
©efepiepte in folcp frieblicpen tRapinen gu faffen," 
begann Serß, „aber eS ift einmal nicht anberS 
möglich. UebrigenS ftoßen mir im Ceben immer 
unb immer auf ©egenfäße. Oiefe Unebenheit 
wirb fich «ft im £>inimel auSßleichen. ©eine 
erften Ser fache, bie leibenbe ©enfepheit bem 5 ob 
gu entreißen, machte id) in einer ßebirßißen 
©egenb biefeS ©antonS. Oie fieute buchten, gu 
meinem Serbruß, nicht groß baran traut gu 
fein. ©S mußte fchon ein ©gtrofoll borließen, 
bis man gum Ooltor tarn. Oie giibrer evgiihl» 
ten mir meift fchon unterweßS, was los fei. So 
Hopfte eS benn auch mieber einmal an meine 
$hüre. ©in etwa gmölfjährißer fl nabe ftanb 
baoor. Ktuf mein : „©aS wotfeh ?" fdjiittelte er 
ben blonten ftranSfopf unb leßte ben ginßer 
auf ben Stunb. Saubftumm ! baepte ich, wäh» 
renb baS flinb mit ©ntfeßen bie Seweßunß 
machte, als wollte eS fid) bie linfe £anb abhauen. 
©ine Operation! Würbe mir flar, unb ich ft«fte 
baS Klötfjiße ein. 

©eine Kliifmärterin berftanb ber JRleine boK» 
fommen, als fie ihm einen Seiler boll Suppe 
pinflpob. @r afe, als höbe er einen langen ©eg 
hinter unb einen eben fo weiten ©eß bor fiep. 
Kteußeftärft faßte er feinen ftnittel, padte mich 
am Klrm unb wies mich ben ©albmeg hinauf, 
©r hielt tüchtig Schritt. 91nf ben ©aiSWegen, 
bie er mich führte, hotte ich manchmal ©iihe 
mitgnfommen. KllS wir aus bem 2anuenwolbe 
tretenb, eine weitere Klusficht auf bie SevgeS» 
halbe gewonnen, hob mein Segleiter bie ^janb 
gegen ein $auS, baS farnmt feinem Klederlein 
iinb ©arten mit einer fjietfe umgeben war. ®ort 
war baS 3i f l nnferer Steife. Slößlid) tauchte 
ein anberer flnabe bor uns auf, ber mit feinem 


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474 


«Kr fty in Hüter JHifTrtßat rityt. 


Sruber bie ttnirtbcrlid^ften n ouSfiißrtc. 
„Sta, maS ift’S SBubli ?" fraflte icß. teilte 9lnt* 
wort; auch biefer ariufte micß att uub leftte ben 
ginger auf ben Sihttib; auch er luar ftumm! 
©itt Mägbleiu faß iit einem Worb öor ber §au3« 
tßiire; baS ftumpfe ©efi4t mar alt uub faltig, 
bie oerfriippelten ©liebet Hingegen, bie eineg 
breijäßrigen WinbeS! Mein Begleiter fc^ob ber 
,<f (einen ein ^>eibeIbeerfträuBereit in ben Warb. 
Sie ©ier, mit meüßer baS arme Söefeit bariiber 
Herfiel, mar baS elfte yebenSgeicßen, ba§ icH be* 
inerten tonnte. Mir fcHminbelte ob all betn 3oitt= 
mer, als bie grau unter bie Sßiire trat, wannt 
magte icß fie aitgureben, au§ gureßt, aud) fte 
ntöcHte bie ginger auf beit Munb legen uttb 
fcHiltteln. Mir moHlte, als icH einen mcnfd)lid)en 
Saut tiernaHm. 

„£>err Sottor, tommen Sie! Mein Mann Hat 
großes Uugliid geHabt," fagte fie, bie Stuben* 
tßüre aufftoßenb. 3o, großes Uttglüd! er Hatte 
fieß mit bem Veil bie £attb üom ©elent getrennt; 
baß fie nod) an einem biinneit gleifcßfeßen Hing, 
mollte nicHt Diel Heißen. 

„34 Hab’S öerbunbeit, fo gnt icß getonnt," 
fagte bie grau, inbem fie baS 2mH entfernte. 

©litdlicßermeife Hatte fie ben Knoten fo feft 
gefcßiirgt, baß bie gu fiircfttenbe Verblutung nicht 
ftattßabcn tonnte. Ser Mann mar fiHmacH, er 
mollte fieß tHeilS ftärten, tßeilS betäuben mit 
bem gußalt eines SratinlmeiitglafeS, baS bor 
ihm ftaub. 

SH macHte mich an ben ftHmierigeit, f4merg* 
Haften Verbanb. Sie Wuocßen marett mürbe, 
baS gleifd) feßlaff. Sie UrfacHe ßiergu fanb icß 
in bem ©las auf ben Sifcß, uub boeß magte ich 
nicht* ihm ben Sranntmeiit gu oerfagen. Sie 

räfte beS Wrattfeu mußten, menit and) nur 
fiinftlicß, aufrecht erHalten merben. Ser gufel 
leiftete übrigens tu öerritigertem Maße, maS 
ßeatgutage Sletßcr itnb ©ßloroform tHut. @S 
mar eilt fcßmereS Stiid 91rbe.it gemefett, aber ich 
tonnte in biefetn £au$ beS gamnters bett Siffen 
nicht Hinuntermitrgeu, beit mir bie grau Hin* 
ftelite. Ser Mann mar ßalboßnmäcßtig, bie 
Wnaben gloßten in bie Stube Herein; baS Mäb* 
dien lag regungslos in ber geine. Ser grau 
Siebe tlang mir unheimlich in bie Ohren. 34 
meinte, bie Sccfe muffe ftch neigen itnb einbrecheti 
über ber ungliidlicßen gamilie. 34 mußte fort 
in beit SBalb über gelfen itnb Serge. So mollte 
ich mir ben ©inbrud bermifdjen, aber ich tonnte 
es nicht, tann’S Heut’ noch nicht, menn fcßoit 
uiergig uttb etliche gaßre bariiber Hingegangen 
fittb. ©S buitfelte groifdßen ben gid|ten, als ich 
Heimgittg. SJtajeftätifeß Hoben bie Saumriefen 
ihre SSipfet, mie Crgelton braufte es bttreß bie 
9tefte, mäßrenb mürgiger Suft mich ummehte. 
Sie iibermältigenbe SöalbeSmajeftät trat um fo 
gemaltiger an mieß. Heran, ba fie fieß ben Scßat* 


ten ber Sömmerung bermäßlte. Meine Seele 
grollte. „SaS ßier bie leblofe Statur, uttb bort 
briunen ber Wönig ber Schöpfung berftiimmelt! 
Sutrum ßaft btt, o £>err, bas munbevbofle Cßr 
gefeßaffen uub es berfcßloffen ? — Stamm ben 
Vracßtbau beS WörperSgur Mumie eiitfcßruntpfen 
taffen ?" — Sie 5Öarunt Häuften fieß, oßtte baß 
ein eiugigeS Sarutn barüber gu fiegett bermoeßte 
... ffiie ein Wiub, baS fieß fürchtet, mit tnagtte* 
tifeßer ©eroalt baßin gegogeu roivb, mo es baS 
©rufefit autommt, fo gog’S mich mieber itnb mie* 
brr auf ben Vktlbroeg Hinauf, bent f>an8 an ber 
SergeSßalbe gttr Sen ©retiitiSuiuS fließt man 
in großen Stabten, in ben Wellermoßnungen ber 
engen ©aßtßen, roo bie Sontte nicht einmal an 
einem Scßaltjaßr ßiutontmt. 91 ber ßier, bem 
£>imme( gunäcßft, biefeS bobeulofe ©lettb! 

So lang ber Sater im Seit lag, ftanb bas 
ScßitapSglaS baneben; als er auf mar, ftanb’S 
neben ißm auf ber Saut. SaS ©las miberte 
micß meßr ttttb tneßr an. 

„Manu," fagte ich, »Wenn ißr gefitttb merben 
roodt, laßt baS Scßnapstrinfen." 

„Oßtie bas, #err Sottor, tarnt icß nicht meßr 
fein. Ser Seufel meiß, mie icß bagu gefommen. 
911S icß jung mar, ßab’ icß nicht biel naeß ScßnapS 
gefragt, aber als mir aufingett gu ßattfett, ba 
ßat’S ein gaßr fo biele Wirfcßett gegeben, baß 
mir mandje Seltne toofl brennen tonnten, lieber 
bem Srennen fant’S mir in bie Stofe, uttb roeil 
baS Wirfdjmaffer nicßtS gelten fotlte, ßab’ icß ge» 
baeßt, mir braucßeu’S an Stelle beS tßeuern 
2öeinS. 34 ßab’ Morgens nüchtern getrunfen. 
Mittags ttttb91benbS, ja es tarn mich auch matteß* 
mal mitten in ber Sta4t ein ©eliift baruaeß an. 
Sie grau ßat nichts babon gemollt, fie ßat Mi Icß 
getrunten ttttb mentt’S anging Kaffee." 

Sei biefer ©rflärung ftredte fich ein grauen* 
erregenbeS Sarutn aus bem ©las auf ber Sauf. 

„Mann," fagte icß, „ißr müßt baS Scßnops* 
triutcu abtßun, um eurer Wittber mitten müßt 
ißr eS loffen." 

„£err Sottor, um baS ©lenb gu bergeffett, 
baS unfer Herrgott über unS berßangt, triitf icß 
utati4mal, HiS i4 nießts meßr bon mir uub ber 
ÜBelt meiß." 

„Somit bringt ißr immer S4redli4ere3 über 
eure arme grau uttb über bie Winber, bie ©ott 
eu4 no4 freuten mirb. Von eurem fütibli4en 
Saufen finb eure Wittber taubftumm unb 
Wrüppel gcroorben, unb fo ißr ben Scßnops nicht 
laßt, fo mirb, fo roaßr ©ott lebt, noeß 91ergereS 
über etid) fotnrnen." 

„£>err Sottor," ftotterie ber Sauer erblei4eub, 
„ift baS möglid)?" 

„Stießt tnögli4," entgeguete icß, „aber gemiß." 

34 ließ ben Mantt mit feinen ©ebanten. 
Srebigen tann unfereinS ni4t, baS tönnen bie 
©ebanten beffer, bie ß4 unter einanber Per* 


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mit fidj brr Hüter fHifftt^at rüd)L 


475 


flogen unb entfcbulbigeu. $ie grau begleitete 
mich. Sie batte über ber pflege meine ganje 
SpnMwtbie gemonneu. Wan4fa4 batte idj bie 
Energie bewunbert, mit welcher bie fibmacbe 
3?rau bie Wirtbf4aft regierte, wäbrenb fie ben 
Warnt beiorgte. Wie oerebt waren bie Singen 
geroefen, wenn fie ihren Änabeti eine Arbeit ja» 
tbeilte, wie liebebofl ibr ganzes Wefcit, wenn 
Tie ficb mit bem Keinen jfrüpßel bef4äftigte. 
Sie (tagte nie, unb bo4 wie febwer lag’S auf 
biefer ©attin, biefer Wuttcr! 

„#err ®o!tor," fagte fie, „was Sie meinem 
Wann gejagt, bab iä) fchon lang bermutt)ct, 
aber nufereinS (ann fo ©twaS ni4t erltären. 
34 bab alles berfurbt, um ibn oonbem beidofen 
trinfeu ju bringen, aber es bat nichts geholfen. 
3e&t bin icb ftid unb bitte nur noch ©ott, bafj 
erbeitfytmb wenben möge, ber über uns unb 
unfereit armen ftinbern liegt. Wie ©r helfen 
wirb, weiß i(b nicht. Wirb er fie beimnebmen, 
in feinen £>immel, wo lein Srlncb mehr ift ? 34 
bab fie lieb wie eine Wutter ihre Äinber lieb 
bat, aber wenn man fie nuntertrüge, i4 glaube 
es wobtete mir für fie, wenn ich febon meinem 
Seib unb Web fein ©nbe wüßte." 

34Jcib bie Sauersfrau mit Sewutiberung 
an. ootdbe fetbfttofe Siebe batte i<b noch nie 
gefunbeit, unb biefem treuen fterjen mußte fo 
Schreiliebes wiberfabren! $a ftaitb ich mit ad 
meinem guten Widen ratbloS unb ohnmächtig; 
mar mir boeb bewujjt, baff fo ber Wann bitS 
Printen nicht ju taffen Oermöge, felbft ©otteS 
erbarmeube nnenblicbe Siebe bie racbeitbe ©e* 
reebtigfeit nicht beugen löitne. „3?rau, fagte ich. 
©uer Wann muj)|>etr werben, fonft bat’S au4 
für bie 3ufunft gefehlt, ©r liegt unter einem 
Sann. $aS Srittfen bat fein ©ebiru berührt 
unb bemfelben bie nötigen Säfte entjogen. 
Wo baS ift. Wirb bie Söderei jurn Sebiirfnifj. 
SDeßbalb habt 3b* ©ebtilb mit ihm unb helft 
ihm mit Sanftinutb jureebt. Seiet ohne Un» 
terlnfi, baß ft<b ©ott erbarmen möge. 3bn 
jammert ja beute noch ber Wenfcben Seib unb 
Siinbe. 3$ will ©twaS oetfebreiben, baS er 
meinetwegen in feinem Schnaps nehmen fofl, 
oiedeiebt möchte ben Wagen beS lofen StaitfeS 
bann efeln.". 

®en (Rahmen batte ich längjt über bem grauen* 
botlen ©einälbe oergeffen, baS ber ®oftor oor 
mir entrollt. Sie Wittbin brachte ben Kaffee 
unb j)err Berg jünbete eine ©igarre an. ©in 
Reichen, baß fjfucbs unb (Rappe fleh noch gemiitb* 
lieh übet ihr unerwartetes Wieberfebn freuen 
tonnten. 

„Wie ift’S benn ben Seuten ferner gegan» 
gen?" fragte i4, bie blaue Söffe oor ben @r« 
jäbler fefcenb. 

„SeS WanneS ©ebanlen waren berweile nicht 
müftig geblieben, nahm ber alte £>err baS Wort 


wieber auf, als bie ffrau beim fam, war er wie 
binterfinnt. Sa3 ©laS batte er an bie Wattb 
geworfen, baß bie Scherben in ber Stube herum 
lagen; aber mit bem ©laS war ber Saufteufel 
noch lange nicht tobt. 3 { länger er an ficb 
hielt, mit befto größerer ©ewalt forberte bie 
Statur ihre (Rechte. 

„Stint Weilt, bat bann bieffrau, um’S #int» 
meis Willen nur leinen S4naps." 

Ser Wein batte feinen (Reij für ben an 
Sranntmein gewohnten ©aumen. ©r fam 
wieber junt gfall. Wenn bann ber (Raufch 
oorüber war, unb bie Slbfßannung barauf 
folgte. War er tief brunten, fo jainmerooll un* 
glüeflich, bafi er öfters öerfudjte ficb felbft ju 
entleiben. Sie ffrau litt mehr benn je unb 
feinem ihrer ß inber fonitte fie baS Seib flogen 
ober ihre 3lngft unb Sorge begreiflich maiben. 
Sa8 Sroftlofe in ihrer irbifeben Sage trieb fie 
inbeffen immer entfclpebener in ©ottes ©emein* 
fchaft. Sie rang unb rang, wenn Tie auch 
manchmal alles hoffen aufgegeben. Sei ©ott 
ift^ilfe! war ber fjcls auf bem fie je ft jianb, 
wenn auch alles um fie in ber unheimlichen 
fjflutb unterjugeben febien. 

SBie wenig mein Srccbmittel genügt, geftanb 
ich mir felbft unb gab jeben Serfuch in biefer 
Se,Hebung auf. 

Wenn ber (ilpoftel SauluS barüber tlagt, bafj 
er baS ©efeß in feinen ©liebem, wiber feinen 
Willen, tbut, was will ba ein armes Säuerlein 
auSrichlen, baS feinen Saufgeliiften 3ab« lang 
bie 3ügel gelaffen, ^besinnt wenn ber Wenftb 
ber Ser|ucf)ung nadbgiebt, berf^reilrt er ficb bem 
Seufel, nicht mit Slut, wie ber SollSglanbe 
Wähnt, wohl aber mit bem ©bclfteu, baS ihm 
©ott gegeben, mit feinem freien Willen. 2>aS 
Sefßjit/baS ficb ba atlmäblig fteigert, führt un* 
feblbar jum Sanferott. Ser Wann jerrte tim* 
fonft an ben 3?effeln, er rieb ficb im Äampfe 
auf. 34 ftanb an feinem 2obeSbette. Sein 
Sterben war ein bumßfeS Serjweifeln. 9tach 
menf4licbem Safiirbalten war berfjiminel nicht 
offen über biefem Sterbebette. Wer biirfte je* 
bodj ein Urtbeil in biefer Sejiebung wagen? 
34 hoffe, ba| ©ott in ©naben baS angefeben 
bat, was ber Wann getban,' um ficb öon ber 
Siinbe jn befreien, wenn au4 fein gelähmter 
Willen ni4t oöüig über bie fur4tbare Wacht, 
bie ihn gefangen hielt, gefiegt. 

Sie beiben Ünaoen waren babei, als bet Soter 
feinen ©eift auSgebau4t (baSWäbcben War frii* 
her febon beimgegangen). WäS ficb in ber Sfciefe 
biefer oerf4loifenen Seelen geregt ? Wer fonnte 
baS wiffen ? 5Rur um ben Wunb pefte es febmerj. 
lidb unb anS beu (Rügen tbauten f4were$ropfcn. 

®ie Stau war wäbrenb bem ferneren Kampfe 
neben bem ©efäbrten geblieben, ber all ben 
3ammer über fie unb ihre jtinber gebraut batte. 


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476 


Sfriebrid) oon Stiller {um (Übriftentbum. 


2Benn auch bet Fimmel Derföloffen festen über 
bern in Sobesoergroeiflung winbeuben Sünber, 
aus biefeit Augen ftrat)Ue Siebe unö ©rbarmeu. 
©3 bleibt wahr: bie Siebe laßt ficb nicht er¬ 
bittern. 

IBalb barauf würbe idf nach 3üridj berufen. 
6b* ich wegging, gocj’S mich noä einmal hinauf 
gu ben Seuten. 54 fanb bie tJrcm ihrer ©nt« 
binbung nabe. 54 ft>radb ihr 'JJtuth ein. 

„©err Softor," faßte fie, „be3 ©errn- 2öitfe 
flefebebe." 

34 errötbete bor biefer ©eelengröfje, oor bie. 
fern ©laubenSmuth über all bas ©rbärmlicbe, 
ba3 i<b ibr gefaßt unb ging mit ber Uebergeu« 

f ,ung an bie Uniberfität, baff es eine SBauerS- 
rau gebe, bie in ber SBage ©ottcS Diel fchme- 
rer in’3 ©ewiebt falle, als ber neu bcftetlte $ro« 
fejfor-" ' • 

Softor ©erg föob mir bie Sage gum Jütten 
bin. ©in ©eweis, bafj bie @efd)i4te no4 nicht 
fertig fei. 

„9tadj 3ah«n, nahm er bie ©rgählung mieber 
auf, j|ing ich einmal bie ©affe in Arau hinunter. 
Wo tue Sauersweiber ihre SÖaare feit holten; ba 
hörte i<b, hinter einem Stirfcbenforb her, meinen 


tarnen rufen. @3 war ein a(te3 ©tüttereben, 
in bem ich bie Säuerin ertannte. 

„'Jta, wie gebfs!" tagte ich nach ber erften Se« 
grüßung. 

,,©ut, ©err Softor, ©ott fei Sauf, gut," war 
bie Antwort. 

3>ir ©rörterung war hier ber ©lab nicht. 
SJir hatten gufammen ein Stcübicbein. Sa bei 
erjähtte mir bie Srait: „34 habe eine Socbter, 
bie ift fo fbön, fo gefcheibt, fo gut wie Stange, 
fie ift oerheirathet auf bem ©ut, unb ihr Staun 
ift ein Sraoer. ©r ift fo gut gegen ben ©an3 
unb ben 3afob, baß man meint fie feien leib« N 
liehe ©cfchwiftcr. Sie febaffen brao unb finb 
gang oergnügt babei. 2Bir haben and) einSteitli 
unb eht Subli, an benen ift fein CeibeSfchabeu 
;u feljn. Ser fjlucb ift Weg, ©err Sottor, über 
nnferm ©aus fteljt ber ©immel offen. ©otteS 
©nabe währet für nnb für unb feine Savmher- 
gigfeit hat fein ©nbe," fcblojj bie Alte ihre ©e- 

f4i4te. 

„SRubi, meinen 8ta<b3 1" befahl Softor Serg. 
Sie beiben alten ftreunbe an ber Strippe mußten 
feheiben unb wir fuhren unter leuchtenbem Abenb« 
roth bet ©erberge gu. 




HHe wrljidt ftd) $rtd>rid) mi ^djilUr fiun <H)d|tfiitljum? 


Sott @eor# ©uty. 


f bwohl Schiller im eigentlichen Sinn bes 
SßortcS fein ©hrift war, unb wie Scberr 
in „Schiller unb feine 3eit," Sanb II, 
©eite 96, ficb ausbrüeft, „gum boginatifdjjen 
©hrifteuthum nie ein, auch nur halbwegS leib« 
Ii4eS Serbalinij} gewinnen tonnte," fo nahm er 
bo4 immerhin in ber ©ntwidlungSgefcbicbte beS 
ebangelifdjen ©roteftantiSmuS eine ni4t unbe« 
beutenbe Stellung ein. SaS 3eitalter, in Wel¬ 
chem Schiller lebte unb wirfte, war ein befoit« 
bereS in ber Söeltgeicbichte. ©3 War bie 3«it 
ber fraiuöfiüben SReuMution unter SouiS XVI. 
nnb ber Stampfe SeutfdjlanbS unter gfriebrich II. 
©3 war eine 3eit beS Aufblühens ber ßiinfte 
unb AJiffenfcbaften, ber Siteratur unb Silbung 
fowie beS 3bealiSmuS unb IRaiionaliSmuS. 

Stlopftod, ber Schöpfer beS großen ©eiben« 
©ebicbteS, ber SteffiaS; Sebaftian Sad) unb 
©anbei, bie Sertreter ber eblen Sonfunft; Sef- 
fing, ber Sramatifer; SSilhelm öon ©umholbt, 
ber Sprach* unb fein Sruber Alejranber, ber 
Aaturforfcher; ©erber, ber biebterifebe unb geift« 
teiche ^orfcher ber Sprache; 2Bielanb, ber bei- 
terc SchenSphilofoph; ©oethe, ber größte ©eniuS 
feines 3ah*hHnbert3; Saoater, ber Sbeotoge; 


Staut, ber tiefe Senfer unb Shilofoph; Richte, 
ber 3bealift; Scbelling uitb©egel, bie Serbinber 
beS 5bealiSmuS mit ber Aatnrphilofophie; ©e* 
ftaloggi, ber ©rünber beS SolfS-SchulwefenS; 
fRoujfeau, ber Ungläubige: ba3 waren einige ber 
3eitgenoffen Schillers. 

5ohann ©hriftoph Sriebrich Schiller War 
am 10. Tonern ber 1759 in ©iarbach, ©Mirttem« 
berg, geboren. 3m elterlichen ©aufe würbe 
ber ©otteSbienfl ber Familie regelmäßig gepflegt 
unb Schiller hörte febou als Heiner St mibe mit 
großer Anbad)t gu. Seine Scfwefter ©hrifto» 
phine erjählt: „2üenit ber Sater aus bei Sihel 
DorlaS ober bie Storgeit» nnb Abcnbgcbete fprach, 
ba War es ein rührenber Anblicf, ben AuSbrucf 
ber Anbacht auf bem lieblichen ßinbergefi^te gu 
fehen. Sie frommen blauen Augen gen ©immel 
gerichtet, baS lichtgelbe ©aar, baS bie helle Stirne 
umwallte unb bie Heilten mit ^nbrmtft gefal¬ 
teten ©änbe, gaben ihm baS An|ehen eines ©n- 
gelSföpfcheitS." Schillers fDtutter pflegte oft bie 
fonntägliche 9Jtuße gu beniißen, um mit ihren 
ßinbern ins großelterliche ©aus gn waitbern. 
Auf einem folgen ©ang au einem friihüngS« 
milben Cftermoutag ergählte fie ihren beiben 


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Jrirtrid) oon Stiller )um ttßriflenthum. 


477 


ßinkrn bie ©efcßichte, wie fich auf bem Wege 
kt gwei 3ü»ger ita<^ EmmauS 3efu3 gu ihnen 
gefeüte. „Währeicb ber Ergählung waren bie 
Srei auf beit ©ipfel bet Anhöhe gelangt, wo 
kr Weg in’3 9lecfart^at abfällt, unb ßingeriffeit 
üon bem 3auber feiertäglicher Ruhe ringSher 
imb wie infpirirt bon bem fauche bet Anbacßt, 
welcher aus bem ebangelifchen Berichte fie an» 
wehte, fnieten Wutter unb ßinbet auf ben Rafen 
itieber unb beteten ftift." (Schert, Sb. I, 
©eite 27.) 

AIS Schiller gut Schule ging, legte er fich nie 
jut Ruhe itieber, ohne borher fein Abcnbgebet 
Rrricbtet gu haben. Sie geiftlidjen Sieber bon 
Suther unb Saul ©erlfarb gehörten gu feinen 
ÄieblingSliebern; oft laS er fie unter ber Sant, 
Währeitb ber Seljrer in ber Schule „mit ber 
gangen troftlofen Srodentjeit bamaliger itate» 
dietit bogmatifdhe Sctngweile trieb." 

3n 2ord(, wohin bie Familie fiberfiebelte, 
übte ber OrtSgei ftliche Wofer einen fo (tariert 
jitt(i<h*religiöfen Einfluß auf Schiller aus, baß 
er fich mit bem ©ebanfen trug, Slfeologie gu 
ftubiren, unb biefe „Snmptome theologifcher 
Steigungen in bem ßitabcn" würben bon ber 
SJtutter wie bon bem Rater genährt. AIS Schil¬ 
ler jeboch 1773 auf beu Wunfd) beS £>ergogS 
ßari in ber Wilitärfchule Aufnahme fanb, ba 
wurbe biefer ißlan für immer bereitelt. „Sa» 
mals mögen biele bittere Sljrunen aus 0rau 
Elifabetbs Augen gefloffen fein, benn fie muhte 
ihren tiergenSrounfch, ben geliebten'Soljn ber» 
einft auf ber Uangel gu feheit, einem Willen 
opfern, welcher feinen Wiberfprudj bulbete. Saß 
(friß felber ben Eingriff in feinem SebcnSplan 
fdjmerglich empfanb, ijt gewiß; boppclt fdpnerglidj 
ksljalb, weil babburch biefiieblingshoffnungber 
heißgeliebten Wutter f(beitem ging." (Sdjerr, 
Sb. I, Seite 4i3.) Stuf bie religiöfe Entwid* 
lung feines SharafterS war biefe Anftalt nicht 
förbertich. 3mar fehlte es hier an religiöfen 
Uebuitgen nicht, fte würben aber gu militärifcb 

e en, inbem man gu benfelbeit förmlich 
anbirt würbe. 3um ©liicf blieben bie 
früheren Einbrüde ber frommen Ergießung, 
bie Schiller genoffen, nicht ohne Racßwirlung. 
3n einem 3eugniß auf ber Wilitärfchule heißt 
e§ unter Anberm: „3ft fehr bienftfertig, freunb-- 
fdjaftlich unb banfbar. 3ft gewiß ein guter 
Gljrift. £at einen £>nng gut Rheologie." Er 
befdjäftigte fich gern mit ber Ribel, befonberS 
knRfalmen unb Propheten. Oft ergoß er fich 
im ©ebet unb hielt felbft in ©efellfchaft An* 
bachtSübungen. Sie geiftliche ^ßoefie galt ihm 
als bie hödSfte. 'Der geiftliche Stanb blieb fort* 
Wiihrenb fein 3fbcal. fjolgenbeS ©ebet fdjrieb 
Schiller 1773 nieber als ©ebet am Sonntage 
ks genannten Jahres, Riemanb fann es ohne 
Rührung lefen. Es lautet: 


„®ott ber Wahrheit, Rater beS fiiehts! 3u 
bir blief’ ich mit bem erften Worgenftrahle empor 
unb bete bich an, bu erforfdjeft mich, ©ott! 
bu fiehft jebeS 3ittern beS betenben £>ergenS bon 
ferne. Reh! fo tennft bu auch bieS heiße Merlan» 
gen meiner Seele nach Wahrheit. Oft hüüte 
banger 3meifel meine Seele in Rächt ein, oft 
ängftigte fich mein $erg, ©ott, bu weißt’S, unb 
rang nach himmlifd)cr Erleuchtung bor bir. 
O l ba fiel oft ein wohltßätiger Strahl bon bir 
in bie umnaeßtete Seele; ich fab ben fhreefliehen 
Abgrunb bor mir, an bem ich f<^on fhwinbelte, 
unbbanfte ber göttlichen #anb, bie mich fo mopl* 
thätig guriidgog. Sei noch ferner bei mir, mein 
©ott unb Rater, benn bie Sage finb ba, wo bie 
Shoren auftreten unb fpreetjen in ihrem bergen: 
@8 ift lein ©ott l — Su hoft mich gu trüben 
Sagen aufbehalten, mein Schöpfer! gu Sagen, 
Wo ber Aberglaube gu meiner Rechten raf’t unb 
ber Unglaube gu meiner Sinfen fpottet. Sa 
fleh’ ich unb fchtoanfe oft im Sturme, unb ach! 
baS feßwanfenbe Rohr würbe (niden, wenn bu 
es nicht emporhielteft, mächtiger Erhalter beiner 
©efdjöpfe! S8atcr berer, bie bich fuchcn! — Was 
bin ich ohne Wahrheit, ohne bie Süßrerin burch 
beS SebenS Sabprinthe? Ein Wanberer, ber 
in ber Wüfte irrt, ben bie Rächt überfällt, bem 
lein t?reunb, lein führenber Stern ben Rfab 
erhellt. 3meifelfu<ht, Ungewißheit, Unglaube, 
il)r beginnt mit Oual unb enbigt mit Rergweif* 
lung. Aber Wahrheit, bu fiihrft uns fidper 
burdjS Seben, trägft uns bie fjacfel bor im pn» 
ftern Shal beS SobeS unb bringft uns in ben 
$immel gurüd, bon bem bu auSgegangeu bi ft. 

Ach, mein ©ott! fo erhalte mein £>erg in 
Ruhe, in beteiligen heiligen Stille, in ber uns 
bie Wahrheit am liebften befudjt. Sie Sonne 
fpiegelt fid) nicht in ber ftürmifchen See, aber 
aus ber ruhigen, fpiegelhelleit öflutß ftraßlt fie 
ihr Antliß wieber. So ruhig erhalte auch bieS 
£erg, baß es fähig fei, bich, o ©ott, unb ben bu 
gefanbt haft, 3efum Ehriftum, gu erlenneit, 
benn nur bieS ipf Wahrheit, bie baS $erg ftärtt 
unb bie Seele erhebt. #ab’ ich Wahrheit, fo 
hab’ ich 3fefum; hab’ ich 3efum, fo- hab’ id) 
©ott; hab’ ich ©ott, fo hab’ id) alles. Sollt 
ich mir burd) bie Weisheit ber Welt, bie Sljor* 
heit iftnorbir, mein ©ott, biefeS St (einob rauben 
laffen ? Rein! wer bie Wahrheit haßt, fei mein 
fjfemb, unb wer fie mit inbrünftigem bergen 
fu<ht, ben umarm’ ich mit Sruberfreuben. 

„Sie ©lode fchadt, bie mich in ben Sempel 
ruft. 3<h eile, bort mein Sefenntniß gu be* 
feftigen, mich in ber Wahrheit ftarf gu machen 
unb mich auf Sob unb Ewigfeit üorgubereiten. 
0, fo leite mich hoch, mein Rater! öffne mein 
£>erj ben Einbrüden ber Wahrheit, baß ich ftarf 
genug fei, fie auch ben Weinen gu oerfünben ; 
bann finb fie glüdlidj. Wiffen fte bod), baß bu 


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478 


TriAtty tian SdjiUer fum tityriftmtlpim. 


ihr ©ott unb ©ater bift, baß bu fonbteft 3efum, 
beinen ©ohit unb ben ©eift, baß er bie iiüat)v= 
beit bezeugen fotl.. fjaben fie bod) für jeben 
Rümmer bicfeS Gebens Stärfung unb für bie 
Seibeit beS SobeS beit feligen iroft einer fronen 
©roigfeit. 

„91un, mein ©ott! ®u magft mir StfeS neß» 
men, jebeS herjfefjelnbe ©rbenglücf, jebe betau» 
benbe ©Jeltfreube, laß mir nur bie ÜBahrheit, 
fo ßab ich ©tüct unb tjreube genug. 

„'Surf idjbich bitten, Sllgütiger! ®arf id) bid) 
flehen mit biefem bebenben £erjeit unb biefer 
jitternben Jßräne im Suge, fo erbarme bi<h auch 
ber 3rrenben. Sinb fie bodb unter allen ©lenben 
ber Grbe beiner $iilfe am bebiirftigften! Sie 
föiiiten fich beiner ©ontie nicht freuen, unb nicht 
beS lieblichen ©JonbeS; benn 9lad)t ift ihre 
Seele, unb boll bitteren Rumpfes ifjr $erj. Sch, 
fo erbarme bid) iljrec Sngft, (aß fie hören bie 
Stimme ber ©Jahrßeit, baß fie flehen, gittern 
unb untlenfen, unb ihrem tjimmlifdjen Stufe 
folgen, ©ring’ unS alle hinüber, too feine ©acht, 
fein 3jutf)um, fein fftfleifel mehr itnfcre $er^en 
quillt, fonbentmo Sicht unb 23aßrhcit unb ©e» 
mißßeit bie Seligen umjtrnblt, nnb roo mir emig 
ertennen toerben, baß bu bift ©ott unfer ©ater, 
unb baß 3fefu§ fei ber Sbglanj beiner ^errlicß» 
lichfeit, bureß ben bu und jebe HÖonne, jebe 
©eligfeit mittheilft. — 

Scfdjiiß’ uns ßcilaub, 3 c f u £hriß I 
Der bu 31« Heißten «Sottcs t>i|i; 

Sei uufer Sdjilö uttb ftarfe tDcfjr 1 
Staub ift t>or bir ber Spötter ffccr. 

Du haft non cEtotcjfcit gefcljn, 

IDie lange uorfj ißr Croß beftclfn 
Unb roiber bid; hier fcßnaiibcn foll; • 
Dieltcidjt ift mm ißr ItTaß halb ooll. 

2t lief; fie, o fjerr, ha ft bu oerföhnt, 

Sie, beren Spott birfy jeßt r>ert)öt)itt I 

(Sieb, baß noch r>or ber Cobesnad;t 

gut cruften Heu’ itjr «Seift erwacht. 2Imcn." 

So bellte Schiller als achtjehnjähriger 3üitq= 
ling. ©ei aller 3nbrunft aber ift bodjber 3mei= 
fei, ben fein $erj in ffolge feiner oflsufrühen 
©efanntfehaft mit ber ©ßilofophie eines ©oltnirc 
erfaßt hotte, unberfennbar, boch ift es „ein 
3meifel üoll heiligen ©rnfteS unb Stiefe ber nach 
©Jabrfjcit lechjenben Seele." 

Ungefähr jmei 3(ihre fpäter fchrieb Schilfer 
feine !,©hi(ofophif(he ©riefe", in melchen unSbie 
3erriffcnheit feines £>etjenS offen entgegen tritt. 
3m ©riefe, „Julius an fRapßael, 3m Ofto» 
bet." heißt eS unter Siioerem: „Selige para» 
biefifdje 3eit, ba ich noch mit berbtinbenen fingen 
burdj baS Sehen taumelte, mie ein jErunfeiier. 
.... 3<h empfanb unb mar gliicflich. fRaptjael 


hat mich Renten gelehrt, unb ich hin auf bem 
©fege, meine ©rfcßaffung ju beroeineu . . . 2)u 
haft mir ben ©lauben geflöhten, ber mir fjrie« 
ben gab. $u ha ft mich beradjten gelehrt, mo ich 
anbetete. SEaufenb 'Singe maren mir fo ehr» 
mürbig, ehe beine traurige ©kisßeit fie mir ent» 
tleibete. 3,<h faß fine SoifSmenqe nach ber Rirche 
ftiirmen, ich hörte ihre begeisterte Snbacßt ju 
einem briiberlichen ©ebet ficij bereinigen — 
jmeimal ftanb ich bor bem ©ette beS 2obeS, fah 
jmei mal — mächtiges ffihinbermerf ber (Religion! 
— bie Hoffnung beS Rimmels über bie ©eßreef» 
niffe ber ©ernidjtung fiegtn unb ben frifchen 
Sidjtftrahl ber ffreube im gebrochenen Suge beS 
©terbenben fidi eutji'mben. ©öttließ, ja göttlich 
muff bie Sehre fein, rief ich aus, bie bie ©eften 
unter ben ©Jenßßen betemten, bie fo mächtig 
Siegt unb fo munberbar tröffet. SDeine falte 
©Weisheit löfchte meine ©egeifterung ... ©laube 
©iemanb, als beiner eigenen ©eritunft, fagteft 
bu meiter. ©3 giebt nichts ^eiliges, als bie 
SBahrßeit... 3<h hohe geßordfl, habe alle ©Jei¬ 
nungen aufgeopfert, habe gleid) jenem üerjmei« 
feiten ©roherer ade meine Schiffe in ©raub ge» 
fteeft, ba ich an biefer 3 n fel lanbete, uub alle 
Hoffnung *ur ©iieffehr bernidhtet.... ©«eine 
©ernunft ift mir jeßt 9tlle8, meine einzige ©e» 
mäbrleiftung für ©ottheit, Sugenb, Uufterb» 
lidjfeit. ffiJehe mir üon nun an, menn iJh biefen 
cinjigen ©ürgen auf einem Söiberfpruche be¬ 
gegne! menn meine 2tdjtung bor ihren Sdjliiffen 
jlnft! menn ein jerriffener ffaben in meinem 
©efjirjie ihren ©ang berriieft! ffiehe mir, menn 
bie Saiten biefeS ^[nftruments in ben bebenf« 
liehen ©erioben meines SebeuS falf«h angeben — 
menn meine Ueberjcugungen mit meinem 9lber» 
fihfage maufen!" 

3n biefem f^redfichen guflanb ber 3erriffen* 
heit feines ©laubetiS fchrieb Sdjifler in ben 
fahren 1777 —1780 fein erftcS Sdjaufpiel: 
„$ie Sauber", ©terfmiirbig ift eS bod), mie 
Schifier in ber ©orrebe ju biefer Sragöbie bie 
©?ahl unb Sehanblung feines Stoffes bamij ju 
rechtfertigen flicht, baf? er eben bie bon Scligion 
unb ©hiiftenihum fid) abfehrenbe ©efiunung 
barfteflen ju moflen utiS berfidjert! ©r fagt: 
„©er ft<h ben 3mecf borgejei<hnet hat, basSafter 
,m ftürgen, nnb IReligiou, ©Jorat unb bürger¬ 
liche ©efeüe an ihren ffeinben gu räd)en, ein 
folcher muß baS Safter in feiner nacften Sbfeheu« 
lidjfeit enthüllen unb in feiner folofjalifchen 
©röße bor baS 9luge ber ©Jenfchheit ftellen. — 
.... Such ift jeßt bet große ©ef <h m a cf,! 
feinen 2Biß auf Roften ber IReligiou fpielen ju* 
(affen, baß man beinahe fiir fein ©eitic mtpr 




paffirt, menn man nicht feinen gottlofen Satpr 
auf ihren heiligften SSabrheiten fich herum» 
tummeln läßt. SDie eble ©infolt ber ©cßri ft 
muß fich in alltäglichen Sjfembleen bon ben fo« 


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479 


?ritferi4 00» SdpUtr {um fttyriftmtymn. 


S (nannten rosigen stopfen mißhanbeln nub in’! 
lächerliche bergerren taffen; beim mal ift fo 
heilig mtb ernftfjaft, bas, toenn man c! fallet) 
berbretjt, nicht belast werben fanit? — 34 fann 
hoffen, baß ich bet Stetigion unbbet wahren 
SKorai teine gemein^ Stacke berfdjafft habe, wenn 
ich biefe muthroiftigeit S4riftoerä4tcr in bet 
©erfon meiner fChänblWjftcn Dtiiuber bem ?lb« 
fcheu ber ©klt überliefere." 

Sie Stoffe, bie Schiller in „Sie Stäuber", ?(ft 
4, «eene 2, ©aftor SJcofer fpiclat läßt, giebt 
un! freilich bal 93itb eine! fantifChcn, rationa. 
Iiftifchen ©eiflti4cn ber bamaligen 3cit all 3fbcaC 
Schillerl bon einem ©rebiger. Gr läßt ihn 
fagen: „Seht gu, bal S<f)icffal ber Sttenfdjen 
fteht unter fich in fürchterlich fehönem ©teich* 
gewicht. Sie 3Bagf<h:ite bicfel Sehen! finlenb, 
wirb h<>4fteigen in jenem, fteigcnb in biefem, 
wirb in jenem gu ©oben falten. Sit er, mal hier 
geitlichcl Seibcn war, wirb bort ewiger Sriumph; 
Wal h<et (üblicher Sriumph War, wirb bort 
ewige uneubtidje ©ergweiflung." ©terfroürbig 
ift ferner, bajjgerabe im „Stäuber", mit geringer 
Mluahme, bie leßte günftige Sarftettung 
unb Gharafterifirung eine! ©eifUicheit in Sdjil* 
Ierl ©Berten ift. 3fdft überall fouft ftoften Wir 
auf einen ©rieftertjoß, ber nicht ohne Ginfluß 
auf feine Stellung gurn Ghriftenthum blieb. 
2öie hot fich boch ber bormafl fo fromme ßitabe 
unb betenbe Jüngling umgewanbelt! 3war 
näherte fich Schiller fpiiter bem Gljriftentbume 
wieber mehr, bodj gelang el ihm nicht, fich oul 
ben ihn umgebenbeit Ginftüffen gu berfeßen unb 
fich über bie Strömung feiner Seit 5» erheben. 
Spider jtrebte nach hohen 3beafcn ; aber biefe 
3fbeale fuchte er nicht in, fonbern über ber 
Sphäre jeber gef4i4tli4en Steligion. 

3a, er behauptete fogar in einem belannten 
Siftichon, baß et ftch gu leinet ber beftcljenöcn 
[Steligionen befenne unb gwar „eben aul Stcli* 
gion." Sie chriftliche 3fbee jebod) an fid) tjat 
Schiller hochgefteitt unb mit ben fdjönften 3Bor* 
teu äußerte er fich über biefelbe, inbem er auf 
©eranlaffuna ber „©elenntniffe einer fhöneit 
Seele" im äßiltjelm ©teifter am 17.Sluguft 1795 
an ©oethe fchrieb: „34 finbe in ber 4riftli4en 
Stetigion oirtualiter bie Slnlage gu bem #ö<hften 
unb Gbelften unb bie Grfdjeinungeit bcrfelbcit 
im Sehen fCfjeinen mir blol belhalb fo wibrig 
unb abgefdjmadt, weit fie oerfehlte Sarfteflung 
biefel ^öchften finb. £>ält man fich an beit 
eigentlichen Gharaftergug bei Ghriftenthum!, 
ber el bon allen monotheiftifchen Steligionen 
unterfcheibet, fo liegt er in nid)tl Dlnberent, all 
in ber Aufhebung bei ©efeßel, bei 
Äantifchen 3mperatibl, an beffen Stelle bal 
Ghriftenth«n» eine freie Steigung gefegt hoben 
will. Gl ift olfo, in feiner reinen eform, Sar« 
fteilung frönet Si.ttlichleit ober ber SJtenf<h= 


Werbung bei ^eiligen, unb in biefem Sinn bie 
eiugige äfthetifche Steligion." 

3n feiner Slbhanblung „Sie Senbuitg Sltofil" 
haben wir einen ©erfuCß Schiüerl auf bem ©e* 
biete tljeologifcher Schriftftellerei, boch läßt er 
leiber iDtofil Stufgabe all ein SBerf tluger 
menfchlicher ©ereeßnung unb Uebertegting bar* 
(teilen, anftatt all bal ©3er! ber göttlichen 
SJtenfdjenergiebung felbft. Unter Stnbenn tagt 
Sdjillct: „Sen wahren ©ott fann ©tofel ben 
Hebräern nicht bertiinbigen, weil fte unfähig 
finb, ihn gu faffen; einen fabelhaften will er 
ihnen nicht bertünbigen, weit er biefe niebrige 
Stolle beradjtet. Gl bleibt ihm alfo nicht! 
übrig, all ihnen feinen wahren ©ott 
auf eine f a b e t h a f t e St r t g u b e r f ti it • 
bigeu." 

Sit! ©rofeffor ber ©cfdgdjte gu 3ena fChrieb 
Sdjilier an ©oethe: „34 muß geftehen, baß idh 
in Ment, Wal hiftoriftf) ift, ben Unglauben gu 
ben biblifchen Urtunben gleich fo entfd)ieben mit* 
bringe, baß 3hre 3roeifcl an einem eingelnen 
jyaltum nodj fchr räfonnubel bortommen. SJtir 
ift bie ©ibel nur Wahr, wo fie naib ift; in allen 
Mberem, wa! mit eigentlichem ©ewußtfein ge* 
fdjriebeu ift, fürste ich einen 3wecf unb einen 
fpäteren Urfpruna." Sie Stolle jebod), bie bal 
Ghriftenthum in ber 2Beltgef4i4te fpielt, fann 
Schiller nicht berfennen. 3n einer atnbemifchen 
Slntrittlrebe über bie „Uniberfalgefchichte" fagt 
er: „Sie djriftlidje Steligion hot an ber gegen* 
Wärtigen ©eftalt ber ©Belt einen fo oielfältigen 
Slntheil, baß ihre Grfdjeimmg bal wichtigfte 
Rottum ber 2öeltgefd)i<bte wirb." 

Sroß biefem erhobenen 3 f ugniß ift Schiller 
leiber niCht hinburChgebrungen gu einer perfön* 
liChen Grfahrung Wahren Ghriftenthum!. Schil» 
ler fuchte ©hUofoplpe u, 'b Sbeaülinul in ber 
Schrift, aber nicht 3efum bon Stagorettj. 

SJtit großem Gifcr ftubirte Schiller bie Äan* 
tifeße ©hilofopßie, welche feinen Sinn fiir bie 
fittlidje Gntwidlung ber ©erföulichfeit fchärfte, 
unb bal Grgebniß biefel Stubium! finbeu Wir 
in manchen feiner Sichtungen niebcrgelegt. 9ln 
Körner fdjrieb er: „SJtein Gntfchluß i[t«unwiber* 
ruflich gefaßt, bie ßantif^e ©hüofophie nicht 
eher gu berlaffen, bil ich f* e ergriinbet hohe. 
Wenn mich bies aud) brei 3ahre foften fönnte." 
.. . „Sal Stubium ßant’l ift noCp immer bal 
einzige, wal ich onljaltenb treibe, unb*iCh merte 
bodi enblich, baß el heller in mir wirb." 

Setn Sheoter gollte Schiller bal hoch fte Sob. 
.Gr erflärte fogar, baß bie Slufgabe bei Schau* 
fpiell eine r e l i g i ö f e fei. 3n feiner Slbhanb* 
iung „Sie Sdjaubiihne at! eine moralifche Sin« 
ftalt betrachtet", fagt er: „2Be(Ct>e ©erftärfung 
für Steligion nnb ©efeße, Wenn fie mit ber 
Schaubühne in ©unb treten, wo Safter unb 
Sugenb, ©lüdfeligteit unb Glenb, Shorfjeit unb 


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480 


Jriebridj oon Stiller ;tim tflpifintthum. 


SBeilljeit in taufeub ©einälben faßlich unb mopr 
an bem SRenfchen Dorübergeljen, mo bie Hör« 
fehung iljre Stäthfel auflöft, mo ba! tiienfdjlidOe 
|jer} auf ben foltern bet Seibeuichaft feine lei« 
feflen Stellungen beichtet unb bie SsJahrljeit ttn« 
beftedjiid) ©ericht halt. 2 öeim ©vom an bem 
$erjen nagt, wenn trübe Saune unfere ein« 
farnen Stunben bcrgiftet, meun un! Sßelt unb 
©efchiifte anefeln, ioenn taufeub Saften unfere 
Seele brücfen unb unfere Steijbarfeit unter Sir« 
beiten bei Herufl ju erfticfen broljt, fo empfängt 
un! bie SMihne — in biefer fiinftlichen Söelt 
träumen mir bie roirflidje tjinroeg, mir roerben 
uni felbjt miebergegeben, unfere ©mpfinbung 
ermacht, ffeilfnme Seibenfchaften erfcbiittcrn un» 
fere fchlummernbc Statur unb treiben bal ©lut 
in früheren '.Ballungen. $)er Ungliicfliche meint 
hier mit fremdem ftummer feinen eigenen aul 
unb feine Sruft giebt jeßt nur einer ©mpfin« 
bnng Staum — el ift biefe: ein 3Jt e n f dj j u 
fein." 

®afe Schiller bei folc^er Segeifterung fiir bie 
ftantifdje ©f>ilofopf)ie unb fiir ba! 2 beater jur 
3 l n n e r l i <tj f e i t bei ©brifteuthum! nicht ge« 
langen fonnte, ift burchau! nicht auffallenb. 
Schiller bemegte fich im Greife ber fogeuannten 
Immauiften unb Stationaliften, unb el feheint 
ihm in bemfelbeit mohl gemefeit ju fein.* So 
j. ®. erzählt Hoff oon einer Slbenbgefeflfchaft 
im fjaufe ©erberä ju ^ena, mo nebft Schiller, 
Söielanb, ©oetfje u. a. m. anmehnten : „SBir 
mürben aulgelaffen luftig. $ie ©ribäter ber 
©ibel mürben recenfirt mit unaullöfchlichem 
Sachen, inbem Berber toniifch ihre Bcrtbeibigung 
übernahm. $abei mürbe re<htf<haffen gejecht. 
Steinmein mit Hunfch." 

SBetrachten mir noch lur* Schiller! Stellung 
um ©hriftenthum all dichter. $afj mir Schi!« 
er! Ißoefie roeber „chriftliche ©ebichte" noch 
„geifllictje Sieber" nennen fönnen, ift flar. jfm* 
merijin aber ijt mahr, bafs ber ©eift ber chriff» 
liehen ©efchichte göttlicher Offenbarung, trofc 
aller ©ötter ©riechenlanbl unb allem Sräumen 
unb Sehnen nah bem alten poetifdjen fjabel« 
lanbe, in berfelben rourjelt. Schiller hot bie 
Sßoefte aul bem ihr broljenben Sehnliche bet 
Sinnlichfeit emporgehoben in bie reinere Sphäre 
beleben len. SBafjrheit enthielten alle feine 
©ebichte, roenn auch oft nur fubiectioe SBahr» 
heit. Stimm ben ©ebanfen bei ©hriftenthnml 
aul manhen feiner ©ebichte unb bu ha ft un« 
imeifelhaft bie hellgläntenbften perlen entfernt. 
Schiller hot manchen herrlichen, bom ©eift bei 
©hriftenthuml bitrhmehten Steim gefchrieben. 
Qführen mir einige ©eifpiele an. 

2 öal bal ©tjriftenthnm all eine Stealität in 
ben ©emfithern ber ©läubigen ju thnn Der« 
mochte, briieft er im Johanniter" in biefen 
Sorten aul: 


„Religion bes Krcujes, nur bu perfuüpfeft in einem 
Kranje ber Demut!) unb Kraft hoppelte palitte 
jugleid; I" 

Oie Sünbhaftigfeit bei SJtenfhen fehilbert er 
ouf folgenbe SBeife: 

„Die IPelt ijt pollfommen überall, 

U?o ber lllenfh nicht hinfommt mit feiner Qual." 
unb: 

„Dies «Eine fnljP ich n,, b erfenn’ cs flar: 

Das £eben ift ber cSüter IjSchftes nicht. 

Der Uebel größtes aber ift bie Sdjulb." 

2öie fhön lautet feine Sipologie bei Ghriften« 
thuinl, bie Schiller in ben SSorten giebt: 

„Unb was fein Perftanb ber Perftäubigcn fieht. 

Das übet in cEinfalt ein finblich eßemütt)." 

3 nt ©ebichte: „Oerffampf mit bem Orachen" 
finben mir biefe Stellen: 

„fjtn fniet’ ich 1,0r bem ibrifiusfiiibe 
Unb reinigte mein oon Sünbe." 

Utlb: 

„(Seborfam ift bes <£brtften Schmnef; 

Denn mo ber fjerr in feiner eßrbfje 
eße maubeit hat in Hnechtesblöße, 

Da ftifteten auf heil’gem cßrunb, 

Die Pater biefes CDrbens 13 unb." 

Sein Sieb oon ber „fmffmmg" fAlieht Schil= 
ler mit bem *erl: 

„€s ift fein leerer fchmeichelnber lUaljit, 
(Jrjciigt im eßehirne bes (Ehoren, 

3m fjer3cn fünbet es laut fich an: 

3n mas Bcfferm fiitb mir geboren. 

Unb mas bie innere Stimme fpridjt. 

Das täufefjt bie hoffenbe Seele nicht." 

3!nt Sieb oon ber „©locfe" briieft Schiller bie 
Selfre bei ©hviftenthuml oon ber Unfterblichfelt 
in biefen erhobenen SBorten onl: 

„Dem buuflen Schooß ber heil’gen cErbe 
Dertraueu mir ber ffänbe (Ebat, 

Pertraut ber Sä’mann feine Saat 
Unb hoffCbafj ftc entfeimen merbe 
gum Segen, nach bes ffimmets Rath- 
Hoch fSftlicherctt Samen bergen 
EPir trauernb in ber cErbe Sdjoofi 
Unb hoffen, bag er aus ben Särgen 
«ErbTühen foll 311 fchönerm £00s." 

®och mir brechen ob. 

SSefanntlich manbte fich Sdjiller in ben lebten 
fahren bon ber ftautifchen $hilofophie rnieber 
mehr ab, unb berfenfte fich in bie ©oefie all fein 
eigentliche! Sebenlgebiet. 35on ber Sdjmärmerei 
fiir balStlterthum, für bie ©oller ©riechenlanbl 
hatte er fich erhoben jur innigften Verehrung bei 
ch r i ft l i ch = fittlichen ©emeinfchoftllebenl unb ju 
tiefer Stbnung bei Söefen! chriftlicher perfönlicher 
Heiligung. eigener perfönlicher Säuterung 
gelangte er 311 m entfehiebenften Slbfcheu an aflem 


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Morn ^rbeitofelbe in JSrutfdjIonb. 


481 


©emeinen, jum Singen nach bem ©ittlidj ©bleu, 
unb unjufriebeti mit bem falten ©efeß beb täte- 
florif^en 3mperatto, forberte er vom Sienfcheu 
eine innere Umwanblung feines Söcfcnb. Sab 
„ 3 b e a I" fotlte ben Wenden reinigen unb et» 
neuern; toie ftaut, fo faß wohl auch Schiller in 
Gljrifto nic^t ben qefchichtlidjen ©rlöfer, fonbein 
tob ooii unb fcl6ft ju probucirenbe 3beal; fo 
ftaub er a6er bem ©^riftent^um näher, alb bie 
fiiiitianifcfjen Sßeologen jener 3 c 't- 3efum 
G&rijtum aber, alb ben Quell beb neuen Sebenb, 
alb feinen £>eilnnb, bat ©filier nicht teuuen ge» 
lernt. 3n Sreue h«t er'geftrebt unb ge» 
rungen feine ibealen gforberuncien ju ber* 
roirflichen. Surd) bie Sauterfeit feiner ©cfüble 
unb bie Slaljrbeit feineb ©trebenb erwarb fid) 
©eljiller Diele Qrcnnbe, unter benen befonfcerb 
©oethe ju nennen ift; bem ©hrißenthuin aber 
fcheint er nicht näher getommen ju fein. 

©djilfer ftarb am 9. BJtai 1805 ohne jur 
feligmachenben Erfahrung ber djriftlichen 3teli» 
gion hinburchgebrungen ju fein, ©o lebte unb 
ftrebte ©chitler Dom 3bealibmub begeiftert unb 
burdjbrungen; er wollte fein Soll heben unb 
umbilben im «Sinne ber großen humanen 3bce. 
Sine fittliche Segeifterung lebte in ihm, aber 


ßfjtiftub, bab Sicht ber SDBelt, fannte er nicht. 
91<h! wäre er b«h felbft hinburchgebrungen jgim 
Serftänbniß feiner eigenen BBorte, bie er fo tief» 
finnig aubfprach: 

„Don bem attererften lUerben 
Der linenblicbeti ZTatur, 

Tlfles (göttliche auf (Erben 
3 ft *in £i<htgebante nur 1 " 

Set ber SitthüDung ber ©tatue ©chillerb in 
Stuttgart 1839, iprad) ber ffeftrebner, ©uftoD 
©chmab, bie 3uuerfi<ht aub, „bah auch bab $>erj 
beb großen Sichterb wohl nicht fo ferne möge 
gemefen fein bon Sem, beffen Bla men er jjwär 
wenig aubfprach." 2Bab hätte aber biefer „hohe 
Sichter, bet tieffinnige Seljter ber Söller, ber 
Arbeiter am Sau ber Gwigfeiten, ber theure 
Solfbgenoffe, ber unfer ©tolj unb unfere Sie6e 
ift," Wie eb in ber angeführten fjFeftrcbe weiter 
heißt, burd) feinen großen ©eift unb bunb feine 
Btutorität auf fein Soll unb bie Sötfer ber ©rbe 
oubjuitben Dermocht, Wenn er mit aller ihm ju 
©ebote ftehenben Äunft unb ©chtoung ber SBorte 
für eine lebenbige unb geiftreiche Blujfaffung beb 
&brift?ntbumb gewirtt hätte 1 




PUbet mb ^ntfadjen vom JUbeitefdbe in Pnitfdjlßiib. 


Tefer, erfchrecfe nicht! Sch beabfuhtige nicht, 
langweilige Sertchte über BJltffionen unb 
Gonferenjfißungeu ju geben, benn bab wäre 
.infwub unb £>erb nicht am Slaße. 

) Ser fpauptfeiche nach ift unfere ©onferem» 
feßung bettjenigeit in zlmerita jiemlich gleich, 
nur mit bem Unterfdpeb, baß bei unb noch mehr 
bie Sprachenperwirning eine Solle fpielt, wie 
brüben; beim nicht alle unfere Bkebiger haben 
eb fo weit gebracht, baß fie ber parlamentarifcheu 
Sprache beb Sifchofb unbebingt folgen lönnen. 
3a Wenn gemooved, secondod unb resolvod 
wirb, fo hat mau bab halb begriffen, aber eb giebt 
nudj tunend men ts unb allerlei aitbere Singe, bie 
erft gelernt werben mftffen. Soch fönnen wir 
unb über Sifchof ^Kirrib nicht beflagen. ©eit 
1874 ju Schaff häufen, wofelbft fein Segleiter 
$acfburft am Sage ber llnabhängigteitbertlä» 
rung Blmerifa’b eine fulminante Unabhängig» 
feitbrebe gegen unb lobließ, hat ber Sifchof be= 
beutenb an Unabhängigleit gewonnen. ©r lieft 
in correctem Seutfch ben Sibel»Blhfchnitt mit 
echt beutfehev Setonung unb berftept beinahe 
Sllleb, wab gefprochen wirb. Biber mehr alb bab. 


Sott ff. 9Bei| in Berlin. 


er liebt unfer Sßetl unb freut fi<h über unfere 
Qfortfchritte. 

©o tarnen wir benn boch Dom Slaß unb hat» 
ten für ben ©(haben Snhelb reichlich burd) beb 
Sifchofb Saft unb reiche Erfahrung ©rfaß. 

Unfere ©onferen* jäßlt jeßt 78 Srebiger in 
Doller Serhinbung*), 9 Seebiger auf ^|3robe; 
unter ben Siftriftb»BleIteften reifen etwa 12 ©e» 
hülfen; in ber BJliffionbanftait werben beim 
Seginn beb ©emefterb 10 Srüber fein. 3ufam« 
men 109. SOBir haben eine Slitglieberjahl Don 
97(50, Stobeglieber 2359 unb einen reinen 3u« 
wachb Don ca. 150 Slitgliebern. 

©ottlob, wir haben troß Blubwanberuitg, troß 
allerlei &inberniffen, unter welchen manche 
bürren Bie ft e Dom Saume fielen, Poch 3 im «bme. 
SEßacen boch gefegnete ©rwecfungeu auf Dielen 


*) Den SPiivtteinbergeru Wirb ti iiitereffant fein tu 
bören, baß in ben 3 3tueigen beb Wetpcbibmub in 
Deuticblanb unb bev O-t-xeij 77 geborene 3Uiirttewber> 
gev tpätifl fmb. Die 3 3wecge jäplen jufommen 8060 
©lieber, welche auf 534 ^irebiglplöpe fnb DertOeilen. Jit 
234 Sonntagichuleu Werben in 700 ©nippen 10,620 
Jtinber unterrichtet. 


85 


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482 


Ihm Jlrbrttsfrlbe in Prutfiftlanb. 


2lrbeit3felbern, in 3?olge beffrn fine Schaar non 
1580 ©robeglieberit neu aufgenommen »erben 
tonnten. Wach unferer neueften Crbnung wirb 
auf ben meiften Olafen fein ©robeglieb auf* 

8 enommen, ohne ©mpfehlungsfcheiit oon feinem 
tlaftführer, fo baß mir biefe 3«hl als eine reeüe 
begrüßen. 

Unfere ffinangen ftellen fict) fo, *baft gu ben 
Unfoften unferes Wertes g»ei drittel (Warf 
230,70(3) bon uns tinb ein drittel bon ber 
WiffiouSgefeflfchaft beirgetratgcu morben ift. Saft 
mir aber fchon auf bem Weg ber Imlepemlence 
gemefen finb bor Wr. ©adljurffs SRebe unb 
bebor Sr. 6. fein Animal spoccli bor bem 
WiffionS*ßomittee ftubirt batte, geigen folgenbe 
unferen Stntiftiten entfebnten 3ahlen : 



SWitfllifber. 

(Siuua^nieit. 

pro @Iifb. 

1860 

1,687 

Wt. 4,246 

Wt. 2.59 

1870 

7,259 

„ 76,444 

„ 9.70 

1880 

11,821 

„ 207,302 

„ 18.14 


Wan bebenfe aber, baft unter biefer Witglie* 
bergaljl biete grauen unb erroacbfene Stinber ein* 
gefchlojfen finb, welche feinen Serbien ft haben. 
Wir mögen gegenüber ben ©eiträgen in Wncrifa, 
mofetbft ber Serbienft bebeutenb höher ift, gurücf 
fein, aber unfere Sanbsleute bon ben Staats* 
firdjen haben mir roeit überflügelt unb ein ©rin* 
cip eingeführt, welches ben böllig bom Staat 
unterhaltenen Kirchen neu mar, unb feine fegenS* 
reifen Früchte auch für bie Witglieber ber San* 
beäfirche bringen tojrb. 

Unfer Wert beftiit fidb bon ben Wlpen bis gur 
bänifdjen ©renge, bom iRfjein bis nach hinter« 
pommern aus. Sicht befeftt ift Württemberg 
unb bte Schweig, — am fcbroädjfteu befefet ift 
©teufeen. Schreiber biefeS hat tbohf baS 
größte WrbeitSfelb ber Wethobiftenfirche in ber 
Welt. 6r fiftt in einer Stabt oon 1,140,000, 
mit gwaitgig Wißionen ©reuften rings um ihn 
her, unb nur in 9leu * SRuppin unb bann eine 
Sagereife rneit per Sahn in ßolberg unb Sei* 
garb finb noch brei Sorpoften. 31 och nie flang 
mir bas Sieb: „ßs ift noch SRaum" fo fchön mie 
hier, ßomint, ihr amerifamübeit Stüber, auf 
meinem meiten, großen Sejirf ift fRaum für 
(Such! 

fRebff mancherlei anbern Unternehmungen 
haben mir auch bas Siafoniffenwerf in bie fjanb 
genommen unb unfer 3?reunb 2. ßilerS fatj es 
biefeS 3ofjr als feine ©flicht an, aus ben 9teiljen 
ber SReifeprebigcr gu treten unb fi<h als Snfpector 
beS Scthanien * SereinS ber Siafoniffenfache $u 
mibmen. Ser Serein hat jeftt 22 Schmeftem in 
Sbätigfeit unb ein unter ihm großgiemorbener 
aber losgetrennter 3tpei(i befc^äftiot circa 18 
Schmeftem. Sa baS Wer! bisher felofterljattenb 
mar, unb bie WuSficbten gut finb, fo gebenft ber 
Serein gum San einer eigenen WuSbilbungS* 
anftalt — ju einem ÄrantenhauS gu fdjreiten. 


Unter unS blühen noch gtoei liebliche ftinber: 
Sie Wiff ion8»9lnftalt gu ^rant* 
furt a. W., welche 12 3öglinge im leftten 
Satjre hatte mit Sr. 8. Wippert als Sireftor 
unb 31. Sulgberger als ©rofeffor. Sie £>auS* 
haltung mirb immer noch großenteils unter* 
halten burdh ©elb« unb Waturalienfeiibimgen. 
gilt ©rofefforfonbs ift gmar angelegt unter bem 
Warnen „Souife Surfharbt*3fonbS", aßein es ift 
auch hier noch SRaum ba. 

SaS graeite Äinb, meines aber bereits 
gientlich groft geworben ift, ift baS Sucfjgefchnft, 
welches unter ©rebiger g. ß. SoeritigS toeifcr 
Seitnng unb ber fräftigen Withülfe aller ©re* 
biger unb ©lieber jeftt jährlich Wt. 25—30,000 
gu beit Unfoften unferes Wertes beiträgt. Unfere 
3eitfcf)riften finb in fteter 3unahme an ©bon« 
nenten begriffen. Ser „ßbangelift" hat mit fei* 
ner 3af)l um etwa 1000 bie Witgliebergahl über« 
fdjritten. Ser „Jfiitberfreunb" reift munter 
möihentlich ihm gur Seite; brr „WiffionSfamm* 
ler" bringt 10,000 Sefern monatlich Äunbe 
bon ber Wiffion unter Reiben unb 6 haften unb 
bient als Selohnung für 9lfle, welche möcftent« 
lid) aber monatlich bon emfigen Sieiten eilige* 
gogene ©aben für bie Wiffion fpenben. Ser 
„Wonatfiche Sotfdjafter" foü ermedenb als 
2ractat Wirten; bie „Wächterftimmen" faiunieln 
bie Weisheit ber ©rebiger bei ben SiftriftS* 
berfainmlungen, iubem bie beften Slbhanblungen 
hier Aufnahme finbeu, unb woflen bureft honii« 
letifdhe ©bhanblungen belehrenb unb auregenb 
für unfere fefthaften' ©rebiger unb grinahner 
wirten; baS bon Sr. S. Sreiter rebigirte 
„Soitntagfdml * Wagagiit" behaubeit bie inter« 
nationalen Sectionen unb bringt ffuube aus ber 
Sonntagfcbulmelt. 

Schon oft fragte man : Warum habt ihr fo* 
biel Heine Slätter unb nicht lieber 3llleS in einem 
groften. Sod) bamit würben wir bem ©efdjmad 
unfereS SolfeS Wiberfprechen, welches bie großen 
amerifanifchen Slätter nicht liebt, beim es ifi 
noch nicht genug „IReichSfinn" borhanben. 

Sie bieten Slätter, Sractate unb Siicher aber, 
welche bie ßonfereng mir unb meinem lieben 
Witarbeiter, Sr. fRuppanner, auf’S ßerg ge« 
bunben hat, erinnern mich baran, baß id) nur 
noch wenig für heute fagen barf. ^eboch erlaubt 
man mir bießeidjt noch bie Sfrage gu beantwor» 
ten: Wie fleht eS mit ber IReligiouS« 
freiheit in Seutfdjlanb? 

Wandje [mb ber ülnficht, baft wir feit 1870 
boße Freiheit aflentljalben genieften. Sem ifi 
nicht fo. 3f r e i finb wir in ©reuften, mofetbft 
nur eine Wngeige ber Serfummlung, 24 Stun» 
ben bor Abhaltung berfelben, beim Schultfjeiften« 
amt nötljig ifi, unb mir bafür auch ben Schuft 
eines ©oligeibienerS genieften tönnen. freier 
finb mir in Württemberg, mofetbft biefe Um» 


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Pas Crbe. 


483 


ftönbliAfeit Don bet Obrigfeit nid^t uertangt 
roirb, aber bie Äircbenbef/örbeii 3eben, bet ju 
ben Stctbobiften in bie jllaffen uub 311111 'Mfaenb* 
mnbt gebt ober fogor feine lobten 0011 ihnen 
beerbigen läfet, mit Sann belebt. 9iod)' freier 
finb mir in Sabett. 91 nt freieren finb mir 
iit ber ©djroeij. ©obt 9ttten, metAe biefe frifcbe 
9t(pentuft geitiefeett. Wan merft es aucb bei ben 
ßoitfereityeit ben freien «Söhnen ftetpetienS an, 
aus mefdber Stift fie tomnten. 

© e b tt n b e n finb mit in SaAfen, mofelbft 
3mar Sorträge ohne ©efattg ttnb ©ebet ertaubt, 
aber ©otteSbienfte nur auf fedj§ ^Utifeen beS 
^mitfaner Sejirtö geftattet finb. Unfer Srebiger 
in ©bfntnife, Sr. Surfbarbt, mar im Saufe beS 
lebten doitferenjjabreä ttiAt meniger als 40 
Sk a t üor »erfAiebette Sebörbett gefaben roorbeit 
ttnb bofb beftanb er bie ©barnfterpriifmig an 
ber ©onferetty. SaS Winifterium erftiirte auf 
eine ©ittgabe, baß ttaA feinem ttnb ber ffreiS» 
bauptmannfAaften Urttjeil 31t © 0 11 e S * 
b i e n ft e n auf ben genannten Stöben, roofetbft 
bie ausgetretenen Wetbobiften roobuten, fein 
Scbiirfttife tjovliege. Saufen, Stauungen 
ttttb 3tbenbmiibt * Speitbtingen motte man bem 
3micfauer Swbiger auf ben genannten Stöben 
ertauben. Sr. <5. $>. SietriA ttnb £>. Snrfbarbt 
gingen be§b«ifb oor beit JUunig, ttnb rotirbeit bon 
ibm in einer 9tubieii3 butbreicfe empfangen. Ser* 
felbe berfpracb Seriirfftcbtigung ber Ungelegen* 
beit, ©ebttitbeiter Ttnb mir im JTöttigreiA 
Samern, in metibem eS ebeitfo ftebt, mie in 
SaAfen, ohne baß irgenb ein Sejirf 9lnerfen* 
mmg befiifee. SoA mürben bie «Strafen ttnb 
Waferegetungeit auf Serroenbuitg liberaler 9lb* 
georbiteten beim Winifterium eingeftetlt. 

91 in g e b tt n b e 11 ft e n mären mir in Werften* 
bürg. Sort ift ttotb gan3 baS alte Spftem. Sber 
es bat ttotb 9?iemattb bortbin gelüftet. 

3fit bem 9rnrfteittbnm Senfe, meltfeeS man 
bottt ffriibftihf bis 3tint Wittageffen 3U ftufe 
btirtfepilgertt fann, bretjt fiA ber Streit feit 
einem 3a br um baS ty. 9lbenbmobt. Sa§ bofee 
Winifterium oertaitgt, mir fotlen fftiemnnb 311m 
9lbenbmabt sttfaffeit, ber tiicfjt feinen 9tuStritt 
au» ber SattbeSfirAe erftärt bat, ttnb ritfetete eine 
bafeiit gefeettbe Setition au ttitfere fäferti^e 6on* 
feretty. Ser ifern ber Stntmort berfelben mar 
etmo fofgettber: Sffiir bnrfett fein anbereS ©efefe 
ber 3ulaffttng 3ttnt bl. 9lbntbmabt miffteften, 
al§ ma§ im SJort ©otteS geftferiebeit ftetjt, bentt 
beS £errn Sifcfe ift alter ©briftm SifA. 3ft es 
aber mit©tiren 3tegelit unvereinbar, bafe 2utbc* 
raner bei ttttS 311m Sfbeitbmabl geben, fo iibt 
i b r Äirtben3tiAt. 




Pn oöfrbc. 

(fine $trafibnröfr jF«müirn-(5ef4)id)te um ber 3«t 
ber Deformation. 

§ftr $au« uub $erb bearbeitet bon 

Pani (fugen. 


Siebentes ftapitef. 

Pie jMtttr 00m punbfd)til). 

J| aS Sominifanerttofter ©albttrg batte eine 
ntr gvofee SefentiAfeit mit einer ffeftnng, beim 

1 eS mar ringsum bon 3iemliA haben Watterit 
eingefAtoffeti, bereit Sttfett fi<b rcAt gut itt 
SAiefefAarteit bermattbeltt liefern, hinter ben 
Stauern erhoben fiA erft bie ein3etuen ©ebiiube; 
fie bitbeten ein Siererf ttnb umfAtofteu einen 
©arten mit einem offenen Sogettgnnge, bem fo* 
genannten Äreusgaitg. 

©S mar ungefähr um bie 3efente Worgen* 
ftuube. 3« ber bebagtiA ermärntteit ©obnftube 
beS Seines ftanb ein moblbefefeter SifA, an 
mefAem ber Hausherr mit feinem (Safte Wiirit* 
hart Statt genommeit batte, ber fiA bereits bont 
geftrigen SArerfett erholt 31t haben fd^ien ttttb 
tiiAtig 3utangte. 

So ging es bettn eine gerannte ©eite in bettt 
3immer ünfeerft ftifle 311, bis enbtiA ber Seior 
fiA bebagtiA itt feinem Stnbte 3uriid(ebnte. 
„So!" erbröbitte ber Safe beS geiflliAeit ftevrn, 
„baS tonte befolgt, — ittöge ber £err uns baS 
Stabt gefegttett. 9tun aber fptiA,- mein Soljn, 
mie es fant, bafe btt gefterit 9lbettb in einem fo 
erregten 3uftanbe uttfer (öfter betreten ? Sn 
3itterteft an ^tättben uub ffi'tfeen ttttb fabft bteiA 
mie ber Sob, ja btt bermoAteft fannt 31t fprcAen, 
— foflten bi<b etmo attfrübrerifAe Säuern ber* 
folgt haben ?" 

Siefe Serntittbung fam bem 3unfer febr ge* 
legen ttnb baber antmortete er: „Ser Sob beS 
alten fRatbob, ben iA möbrettb ber lebten 3«it 
gepflegt, batte miA fcb r angegriffen. Ser ©reis 
fAmebte mir immer por Sugen, als iA 3«r 
9tbeitb3eit ben heiligen fforft betrat, ttnb iA ge* 
ftebe offen, bafe ntiA eine oberglättbifAe 9tngft 
überfiel, ba iA ptöfetiA hinter mir Sritte ber* 
nahm ttnb auf ber anbern Seite beS ©atbeS 
atlevtei berbiiAtige ©efiAter auftauAten." 

„So bah ich alfo boA rcAt gehabt," rief ber 
Srior," „beim fWaAriAten attS bem Cberetfafe, 
bie uns bor ein paar Sagen 3ttfamen, melbeteit 
bie 3ufammenrottimg bon Sattem; baran fAlofe 
PA bie Stabnmtg. fein auf ber #itt 31t fein, 
benn baS ©efinbel habe allerorts 9lttböuger ttnb 
gebe mit ber 9tbfiAt um, bie fftöfier beS SanbeS 
31t ftiirmen ttnb auS3iipIütibern, um auf biefe 
©eife bie Wittel bim Jhieg gegen ihre Herren 
ttnb dürften 3U belomtnen." 


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484 


Itas (frbe. 


2 Bährenb ber ©rior fid) anfd^icEte, feine fneben 
auSgefprochenen Befürchtungen nodj näher ju 
begrünben, liefe fid) ein frember NZönd) burch 
einen bet ff lofterbrüber melben, ber ihm midjtige 
^acfertcfeten 311 bringen höbe. Sr murbeeinge» 
lafjen Hiib aufgeforbert, 23 erid)t 311 erftatten. 
„Nun, frommer ©ater," rief ihm ber ©rior ent= 
gegen, „maS bringt 3 hr neues? 2 )arf ich e § 
miffen ?" 

„Necfet gern," gab bet Nlöndj jurüdt, „bo<h 
taugen meine Nachrichten nicht für jebeS Dfer." 
©ei biefen 2öorten ftreifte fein ftechenber ©lief 
ben Runter. 

S)cr ©rior uerftanb ben Söinf unb- fagte ju 
Nlüruhnrt: „2Biirbeft bu mir wohl einen ©e» 
fallen ermeifen, mein ©oljn, unb bich nach bet 
©ibliothef begeben, um mir ein ©u<h 311 holen, 
baSben iitel führt: Jua opiscopalo, 311 Seutfd): 
SifdjöfiiiheS Ned)l ?" 

6 S oerrouuberte bie beiben 3 urü<fbteibenben, 
bafeNliirnljart, beiicnNcugier Nile taunten, ohne 
jeglichen 23 ibermillen bein ©eljeifee 3?olge leiftete, 
ja fogar über ben Nuftrag erfreut 311 fein fefeien. 
Unb baS Scfelere mar er and) mirflid), benn er 
fuchte nach einer ©clegenfeeit, fich jenes ©erga» 
meiilS 311 eittlebigen, bäs ihn gleich Ofener in fei» 
ner ©rufttafche brannte, Gilig entfernte er fid), 
burchfchritt grüfeenb ben ©djreiberfaal unb äff» 
netc bie lljüre beS ©ibliotfeet3immcrS. Nadjbetn 
er fie mieber gefchloffeu, fchob er mit grofecr ©or* 
ficht ben Niegel bor, um ja nicht iiberrafdjt 31t 
merbeit. 

Söüljrenb ber ^uuler im ©ibliothefsimmer 
oermeilte, entlebigte fich ber ©Zöiid) feinet Ntit» 
tfeeilungeit, bie bebeutfam genug maren, um ben 
für feine mertfee ©erfon beforgteu ©rior mit Uit» 
ruhe 311 erfüllen. SDenn er erjd^Cte, bafe an ben 
Jferit bes ©obenfees unb im ©uttbgau bie auf* 
tänbifcheu Säuern bereits mehrere $ (öfter ge» 
türmt unb bie 3'tfaffen fdjmer gemifefjanbelt 
jätten; bafe ihre 9 ln 3 aljl, gleich einer Samiite, 
tetig loachfe uitb auch fdjon im Oberelfafe ber 
beimpfe ion ber ffriegStrontmel ertöne unb bie 
unheimliche ©turmglwfe läute, bie noch frieblicfe 
ihrer Nrbeit liachgehenben ©aueru einjulaben, 
ihre Nedjle mit bewaffneter £>anb 31t erfämpfeit, 
unb fich beut fogenannten „Sunbfchuh," ber ©e= 
ttoffenfehaft ber aufriihrerifchen Notten ansu» 
fcfeliefeen. 

„©0 ift alfo," rief ber ©rior in ängftlidjer 
fjeftigteit, „ber arme Ntürnljart mirllidj bon 
einem Raufen aufrührerifcher ©auern bis an 
bie ©lauern uttfereS fflofterS »erfolgt morbeu, 
fo bafe er, gleich einem gefeefeten SBilbe, in ber 
©orholle nieberfanf, nachbcm ifen ber ©ruber 
©förtner eiitgelnffen." 

„ 23 er meife, men ber feige ©efefl gefeljen," 
meinte jener, „boch foü es mich nit munbern, 
menn er uns bie ©auern »on Starlet) unb Sro« 


nenburg auf ben £als hefet, benn er gehört 3U 
ber ©ippe ber fmljeiihegS, unb bie Santilie ift 
bei ben lutherifdj gefinuten ©auern »erljafet, 
mag ber Runter 23 olf sebntaufenbmal bie Stoch« 
ter bes alten Natbob geheirathet hoben." 

„ 9 lber, maS foü ich benn tljun, um bas Unheil 
»ou unferm frommen ff lofter ab3uhalten ?" rief 
ber ©rior unb rang »01t Neuem bie £ättbe. 

„@ebt bein ©türnljart auf eine feine 9 lrt ben 
Caufpafe," lautete ber Nath beS »erfehmifeten 
NlöttchS. 

„2luf eilte feine 9 lrt," mieberholte ber ff (öfter* 
herr; „3hr hobt gut rebett, mein ©ruber, — 
maS nennt 3 hn auf eine feine 9 lrt?" 

3 )er ©efragte faitn nach, boch plöfelidj fuhr er 
auf unb rief: „ 3 <h hob’S! . . . 28 ahrli<h eilte 
prächtige 3 bee! nenn’ ich 3>oei Stiegen auf 
einen ©cblag!" 

„Nun ?" ftiefe ber ©rior ermarttingS»oü her» 
»or. 

„Nlerft fein auf, bochtoürbiger ©ater. 3hr 
fefet ein Schreiben auf, in melcfeem 3 h r beit 
©trafeburger NntbSberreu melbet, bafe, nach 3U» 
»erläffigen Nachrichten, bie mir foeben erhalten, 
ihrer ©tabt ©efafer burch bie empörten ©auern 
tröffe. Ntit biefent ©djreiben betraut $hr 
Ntüriiljort, ber fidjerlid) fich feljr geehrt fühlen 
mirb, ber ©ote unb ©cfteller eines fo midjtigen 
©ricfeS 311 fein. Stuf folche 2 Beife feib 3 br beit 
©cfcllen loS unb habt Such ben ©tragburger 
Nath »erpflid)tet." 

„©ruber SljotnaS, 2 >hr feib ein ©lanttl" rief 
©rior Uto ent^üdi unb fdjlofe ben Niötich in 
feine 2lrme. tiefer aber niefte ftumm, ba in 
biefent Nugcitblicfe ber Runter ©lürnfjart mit 
einem in ©djroeinSleber gebunbenen Solianten 
3urüdfel)rte. $er Ntenfd) hotte rcd)t gehabt, 
benn als ©rior Uto feinem jungen ©afte feinen 
SBunfd) 311 erlernten gegeben, erflärte fich biefer 
mit Sreuben bereit, noch 3ur felbeit ©tunbe nach 
©trafebitrg 3iirüd3utehren. 3 bie ff(oflermatiern, 
nach benen er fidj geftern noch fo fehr gefehnt, 
fchieitett ihm jefet 31t einer 9 lrt »on 9 llp gemorben 
311 fein, unb in ber Sljat fühlte er fich aufeeror* 
bentlich erleichtert, als er gegen Slittag »on betn 
©förtner in’s S«te entlaffen mttrbe. 

SS mar ein fonttenheller Stag unb baS geftrige 
Unmetter hotte ouSgetobt; furchtlos fthritt 
Nliirnhart burch ben Sorft, jo, er »ermochte 
heute fogar über bie gefpenftigen Silber, bie fidj 
ihm am Nbeub »orfeer aufgebrängt, 31t lächeln. 
3 lnbef)en fefeien biefeS fiächeln nicht fo recht aus 
bem fersen 311 lommett, fonbern 311m grofeen 
iheil ersrouitgen 31t fein.. 91 (S er mieber nach 
ber ©tabt 3urüdgetehrt, fanb er aber itt ©träfe* 
bürg eine »erfchiebenartige 9tufnafeme. S£er 
Nath seigte fich Jtoar fefer artig gegen ihn, ba 
er in ber Gigenfchaft eines amtlichen ©oten beS 
ftlofterS 23 alburg erfefeienen mar; bie Herren 


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Pas Srbf. 


485 


ließen bem $rior Uto für feine 9lufmerffamfeit 
berglicb banten unb fügten f)inju, baß fie bie 
Umtriebe ber Säuern fcboti gelaunt batten unb 
nicht oerfaumeit mürben, bie Sermittlcrrolle gu 
fpieleit, gunial ber Statt) ber «Stabt Straßburg 
bei beit Säuern ein große? Sertrotieit genieße. 
Ser ßmpfaitg, toeld)cr SJtürnbart bei feinem 
Oheim gu tßeil marb, geftaltcte fid) bagegeit 
weniger freuitblicb für ihn. 3» gorttiger Siebe 
warf ber ©raf feinem Steffen bar, baß biefer fidj 
wiberfpenftig gegeigt unb feinem Sefeble gerabegu 
eutgegengebanbclt ^abe. 

„St? fpät in bie Stacht hob’ id) baljcim auf 
bidj gewartet," fcbatt ber Cbeim, „allein btt 
tamft itit, troßbem btt wnßteft, baß ieb 2öi<btigc? 
mit bir gtt fprecben batte." Ser Runter marf 
uitwillfürlicb einen Slicf burcb’3 (fcnfter, unt gtt 
feben, ob ber fcbatrrlicbe Storboft fi<b miebcr er» 
hoben habe, ber ibm bie Söorte be? C()in? ebne 
Unterlaß in’3 Obr gerufen butte. . 

6r atbmete ferner auf unb entgegnete: „3br 
tönnt mobl beuten, meid) fcbauerlicbe Stauben 
id) in ber ©efellicboft bei alten SJtanne? »erlebt, 
»oit jenen entfeßlidjen ®ewißcit3bißcn aber, bie 
id) erapfunben, als ba? 91ugc bc? ©reifet im 
Sobe brach, oermögt ^f,r Gltd) (eine Sorftcllung 
gn machen. SWicbacl Statbob febieb mit bem Sc» 
wußtfein au? ber 2öelt, baß fein Seftament Pon 
uns —" 

„StP" gebot ©obeitbeß, bie finftern Sratten 
tief berabgiebettb, „gewöhne bicb baran, in 3tt* 
tuiift mit mir über gewiß« Singe nit mehr gtt 
fprecben, bentt e? führt gtt nicht? unb reigt nur 
meinen ^otn. ßaff *>a? bewußte Solu» 
ment?" fügte er in flüfternbem Sone bingtt. 

„©laubt 3b r -" entgegnete SJtitrnbart mit gut 
erheucheltem (Sriiaitneit, „icb würbe ein fold) ne* 
fäbrlicbe? Scbriftftücf auch nur eine SJtinute 
laug beließen laßen ? 34 warf eS, fobnlb Stat« 
bob ben leßten Sltbemgug getban, in bie (flaut» 
men be? Äoinin?." 

„©efell," tnabnte ber ©raf, „fpricbft btt auch 
bie SSabrljeit ? ffomm ber unb laß beitt HÖamni? 
uiiterfudben. ob btt e? nit bort Perborgen." 

„(fiter SJtißtraiten beleibigt tniib, £>err Cbm," 
berfeßte ber 3*wfer, „icb bob’ e? roabrlicb nit um 
Gu<b berbiettt, benn icb war (Stieb feitljer ein gar 
getreuer Siener." 

Ser ©raf antroortete tticbf, fonbertt begann 
ben Steffen ftreng gn oifttireu. 9113 feine Unter» 
fmbitiig ohne Stefultat blieb, faßte er enblid): 
„Sic ffamilie Statbob?, namentlich jener ©erbel, 
ergebt ftd) in allerlei Sermutbungen: Sa? 
Seftament Statbob?, welche? meine «Schwieger» I 
todffer SbiliPUine gur Uniberfalerbin einfeßt J 
unb ihrem Sruber nur ein Sfl>4ttbeil läßt, roirb 
öon ben ©eburfen ongegweifelt unb fie geben 
bamit um, Sad)Oerftänbige gtt ernennen, welche 
prüfen fallen, ob bie £anbfcbrift be? Sefta« 


ment? auch in Wahrheit jene be? SJticbael Stat* 
bob fei." 

„Sa? föttttett ße immerhin," meinte SJtürn» 
j bort, „fie werben ficb halb iibergeugt hoben, baß 
! bie (lanbf&rift echt ift. Sic mögen ficb oller» 
bing? bariioer ärgern, baß ißr ffreunb 3obatt* 
tte?, ber ja gu bett Propheten ber neuen Sehre 
gehört, im Seftamente übergangen würbe unb 
nit bie SJtittel befißt, bem Sutbertbum Sorfcbub 
gu Iciften, wie ber ©erbel uttb feine ©enoffen 
gebucht unb gehofft." 

„2Bob(, bu ntagft redfjt haben," pflid)tete ber 
Cbeim bei, „inbeffen befißeff bu nit einen fo er« 
leuchteten ff opf, um gegen alle 9(ttgriffe ©erbel? 
gewappnet gtt fein; über furg ober lang wiirbeft 
bu bod) in bie (falle geben unb bid) Perfcbnappen. 
Sarum gebft bu fogleid) nach Sotbringen ab, att 
bie Sfolg £)ergog 9inton3, um meinem Sobtte 
bie gliidlicbe Sotfdjaft gu übermitteln, baß bie 
©rofen Pon 4>obenl)eg nun halb wicber Pon bem 
Schlöffe ihrer 9lf)nert Sefiß ergreifen werben. 
Sltißerbem Will ich bir noch einen Sricf an bett 
£)crgog in bie (feter bictiren ttnb ihn bann 
nnterfdbreiben." 

©egen SJtitternacbt ritten gwei Steitcr au? bem 
Surgtbore ber Stabt uttb faltigen bie nach 
UBaffclbeim ftibrenbe Straße ein. Sa? erfte 
tfriibrotb (eudjtcte im Cfteit auf, al? ffe an 
einem ungemein ffeilctt (felfett Oortibcrfnnteit, 
auf beffen ff tippe eine ftattlidje Stitterburg gu 
feben war. Ser mächtige, fid) inmitten ber 
Stingninucru erbebente Si'arttburm blidle auf 
Pier ficiuere 2 bür me nicbcr, welche bie (Sden 
ber Stirg begeidmeten. 3« ben fleineit (fenftent 
fpicgclte ficb ba? SJtorgenrotb, unb e? war, al? 
ob in ber erleuchteten Surg ein große? ffeft ftatt* 
fänbe, fo baß ba? Cbr uitwillliirlicb auf Raufen 
uub Srommeltlänge lmifd)te. 9lllein fie blieben 
au?, beim in ber Surg benfebtett Ccbe unb 
©infamfeit unb bie großen amtlidjen Siegel bc? 
Steicb3tammergericbt3, inclcbe überall angebradjt 
waren, geigten att, baß ba? alte 9lbnenfcf)loß ge« 
pfänbet fei. 

3eßt lag bie Surg im SJtorgenlicbte ba; 
SBalbuer bott $jobeuf)eg beutete gu ißr hinauf 
uttb fpraeb gu bem neben ibnt reiteitbeit Sjti'trn« 
bort: v „SBenit btt mit bem 3>mfer 9Bolf au? 
Cotbringcit gurüdfebrft, brauebft bu nit mehr 
bett Unitteg nach Straßburg gu machen, benn 
bann wirb auf bem Sburme ba? Saittter ber 
fiobenbeg? weben unb ich werbe Such entgegen* 
fommeti mit Steifigen unb Sienertt, unb eilt 
fob ben feierlichen Sag befcbließett, ein (feft, wie 
e? Sdjfoß ^obenbeg bi?ber nie gefebett." Unb 
nochmal? grüßte er gu ben ftcinerneit SJtauern 
bc? Schlöffe? hinan, bann gaben bie Steiter bem 
Stoßen bie Sporen unb jagten baooit.- 

(f? war nier 9öod)ett fpäter, al? ber arme 3o= 
banne? in Straßburg eintraf unb in Segleitung 


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486 


Pas tttbr. 


©erbels, ScpwarberS uub Weiftet WatpiS bcn 
fyvicbfjof befuhte, um baS ©rab feines SJaterS 
gu fel)en. 'Jtoh Ratten bie greunbe nicht ne« 
»oant, bcm tvaueniben 3üugliuge oon ber fon= 
bevbaven Oraifung beS SleftameuteS ifunbe gu 
(leben, laut bereit er bau feinem SSater ganglid) 
übergangen unb nur mit einem geringen '-Pflicht* 
ibcil becacpt werben war. ©üblich aber mußte 
es boih rtefc^c^ei«, ba Söalbnet bon fjopeupeg, 
als ber Scpwiegerbater 'Philippinen^, bon betu 
fKatbob’fhcn £>aufe SJefiß ergriffen hatte, wa-3 
iljm bon Seiten ber Cbrigfcit nicht bertnehrt 
»erben fonnte, ba er ein amtlich beglaubigte«, 
©ofument mit ber Unterfd;rift PhilippinenS 
PovwieS, welche barin bem ©rafen Sßollmadjt 
erteilte, bie erbfhaftlicpen Slngciegenpeiten gu 
orbnen. 

©erbet war empört barüber, bafj ^Oilippine, 
bon beren gutem £crgen er bisher übergeugt ge« 
»efen, fo ponbcln tonnte unb nicht einmal nach 
Strajjburg eilte, um ihren armen Prubcr, beffen 
Slnfunft ihr im SSorauS gemclbet »ar, gu tröften 
unb fein hartes fiooS nach Kräften gu linbern. 
^iitte ber gute ©erbet freilich geahnt, baß Ph<* 
tippine nur mit SBiberftreben jene SMmadjt 
untergeiepnet uub gewaltfam an ber tpfal) beS 
$ergogS guriicfgepaltcn worben »ar, hätte er 
ihre ipranen unb berweinten Singen gefepen 
uub ben fhmerglicpen Sion beruommen, mit »et« 
ehern bie Sinne bie Slamen ihres SSaterS unb 
SJruberS rief, fo »iirbe er gang anberer Slnficf)t 
getoefen fein. ©S waren unheimlich bange Wt« 
nuten, als in ©erbeis SBopnung bie ffreunbe 
geineinfain Johannes ben lebten SSillen feines 
SiaterS tunb gaben, ©ine Sßeile ftanb ber 3iing» 
liug hoch überrafcht ba, bann ftiirgte eine gange 
glutp bon Shränen auS feinen Slugen perbor 
unb mit einer SBepmutp, bie alle £ergen er« 
fchiitterte, rief er auS: 

„Cp, 23ater, ich »eine ia nit »egen beS Want« 
moitS, ben bu mir borenthalten, foitbcrn »eil ich 
jeßt fehe, baß bu mich nit einmal ein Hein wenig 
lieb gehabt haft unb mir baS ©rbe nur entgogft, 
bamit ich .«3 nit gu ©unfteit ber neuen Sehre, 
ber ich biene, oermertpen fann. Cp, SJater — 
33ater! ®a3 tljut »eh, fepr »et)!" „Wein tic* 
ber Johannes," ergriff jeßt ber Sifartperr Wat« 
tpäuS 3ell baS SBort, „ich brauche bir waprlid) 
nit erft gu fogen, bafj ich »it bir fühle, wie Sille 
hier, bennoep muß ich bir in ©inem »iber« 
fpreepen; ber Stanbpunft, »elcpen bein lieber 
'Pater in leßter 3eit gu nnferer ebangelifchen 
Äircpe einnapm, mar ein fo freunblicper unb 
»optwollenber, wie ihn nur ein treuer Slnhänger 
einnehmen fann. SDaS Steue Seftament, »elcpes 
tfreunb ©erbel ihm gum ©efepenf mähte, brachte 
einen bollftänbigen Umfh»ung in feinen Sin« 
fhammgen perbot unb er ftarb im lebenbigen 
©tauben an bas ©oangelium." 


SBäpreub biefer Siebe patte ©erbel jene 
bieeperne SJapfel perbeigepolt, weihe ipm bon 
Wicpael Statbob au beffen Sobestage übergeben 
worben war. @r pänbigte fie, nebft bem mit 
einem Siegel berfepeuen Scplüffel an Johannes 
auS, unter fpingufügung ber nötpigen ©rtlä« 
rung. Wit tiefer Stührung entfaltete bereinig« 
ling baS Ißergaineut, »elcpeS bie Stapfel barg, 
uub laS mit lauter, aber gebrochener Stimme 
wie folgt: 

„Sohn meines #ergenS! 

SBenn biefe Scpriftjüge bir gu ©efiept fom« 
men, rupt mein fiörper in ber fühlen ©rbe unb 
»eilt meine Seele bei ©ott. 2)u aber »eine nit 
um mich, benn mir iff »opi* unb möge bi<h baS 
SJewußtfein tröften, baß mein #erg, noh epe bet 
$ob mit feinen falten fettigen mih berührte, 
tfrieben gefunben hat in ©prifto 3efu. Wein 
Sopn, ba bu bon mir fepiebeft, »ar i<p noch un« 
gepalten, baß bu ein Slnhänger ber neuen, 
ebangelifchen fiepte feieft unb bein fiebeit ihrem 
Slienfte »ibmen »ollteft. Stadjbem mir aber 
burh meinen lieben WartinuS fiutper ber föft« 
liehe Sd)«ß beS ©bangeliumS gegeigt »orben iff 
unb naepbem meine Seele bie feligen tßerpeißun« 
gen beS $ei(anbS in fiep aufgenommen, feit bem 
Slitgenblicfe banfe icp ftünblid) meinem Schöpfer, 
baß er mir in bir einen Sopn gegeben, ber ein 
»aprer Wiener ©otteS »erben Will, unb baß bu 
bei bem Wanne berweilft, ben ich liebe unb ber« 
ehre, wie nur ein Wenfcp feinen Stäcpften lieben 
unb berepren fann, nämlich bei bem Stoctor 
WartinuS fiutper. Wein Sopn, ich pabe nichts, 
als ein ßerg boH fiiebe, halb aber wirb ber 
Slugenblia napen, »o es briht. 3?aS ©rbe, baS 
ih gurüdflaffe, tpeile mitbeiner armen Shwefter 
Sßpilippine; eS haftet baran, ©ottlob! feine 
Sünbe, benn es ift burh eprlihe Slvbeit enoor« 
ben, niiße auh bu es aus gut ©pre ©otteS unb 
feines lieben SopneS. 

Sloh einmal, »eine nit um mih, wenn ih 
geftorben bin, fonbern gönne meinem Slörper 
bie fRupe unb meiner Seele bie ewige Seligfeit 
burh 2fefum ©priftum. Simen. 

®ein 

$icp perginnig Iiebenber 
SJater." 

3topanite8 fepmieg, unb bie Slnwefenben blief« 
ten einanber erjtaunt an, benn ber SBiberfprucp, 
»cld)er g»ifcpen biefem ^Briefe unb bem 2efta« 
mente Peitanb, gab ^ebem gti beulen, ©erbel 
»ar ber ©rfte, »elcper bie Stille unterbrach unb 
auSrief: „3h höbe bem mißtrauifhen ©ebanfen, 
ber mein £)erg feit unferS lieben fjreunbeS Stob 
befhlih«n, bisher feinen StuSbrucf oerliepen, 
jeßt aber fage icp’S fitpn unb offen: baS iefta« 
ment, »elhes Johannes nur ben SWhttpeil 
gnerfennt, ift entweber gefälfht, ober erfhlihon; 
bie Sfamen ber Schürfen brauche ih fihctlicp nit 


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Pu dtbf. 


487 


erft gu nennen. ÜBaS tft ©ure Weinung, Wei* 
fter WattljiS?" 

„Au d) in meinem fjergen bot fich baS Wiß* 
trauen feftgefeßt," entgegnete ber Sfarrherr, 
„troß aliebem wollen wir nit gu rafch beit Stab 
breiten, fonbern erft prüfen. Als wir an baS 
Jobtenbett unferS ffreunbeS gerufen würben, 
f)iett er baS ieftamcnt, welkes feinen lebten 
Sillen tunb qiebt, feft nmflammert in feiner 
(tarren &aub: ein fixeres 3eidjen, baß er eS 
noch lurg Dor feinem ©iibe gelegen. Schon aus 
biefein ©runbe glaube ich an (eine ffölfchung, 
bageflen nehme ich mit giemlichcr Seftiminthcit 
an, baß ber ©ntf mit fjuilfe Würnßarts, ber 
iag unb stacht bei bem tränten ©reife oermeitte, 
ein neues Steftament erblichen hot." 

„So ift’S unb nit anberS," mifd^te ftch Seter 
Schmarbcr in’S ©efpräct), „lehrt mich bie beiben 
Schürten nit tennen; fie hoben ben alters» 
fchtoacheit ©eoatter Watbob in ihrem Weß gehabt 
unb altes mit ihm aufaußeit tonnen. 3öer weiß, 
maS fie bem guten mitten Dorgelogen." 

„3(n biefeni Salle aber mürbe mir unfer fffreunb 
nit wenige Stunben Dor feinem 2obe jene Äapfel 
mit bem Schreiben gegeben haben, um fie feiner 
3«it an Johannes abgüliefern," manbte ber 
'JtedjtSgelehrte ein unb gab bamit ben Anwefen* 
beu oon Weitem gu beuten. Wach längerem 4>in» 
unb fjeweben tarn man bahin überein, bie 
Sollftredung beS SteftainentS bor ber fjanb ab» 
gulehuen mtb bie Wichtigteit beS OofumentS an» 
jugweifeln. 

Woch mar in bem ^ßrogeffe, ber beßhalb 
gtoifcheit bein ©rafen Don £)obenl)eg unb Sofjan» 
neS fchwebte, feine richterliche’ ©ntfeheibung er» 
folgt, als im flefammten ©(faß ber unfelige 
Sauernfricg auSbrach. ifein ©reigniß hat bem 
tfortfehreiten ber Weformatioit fo gefefgabet, als 
biefer ftantpf, in welchem Ströme SluteS Der» 
gojfen würben, ©s tft wahr, bie Sage ber 
dauern itoar bantals eine furchtbar gebrüefte, 
benn es lafteteu auf bem armen Sanboolte eine 
Menge Abgaben unb Stöhnen, welche boit ^aljr 
gu Sahr gunahmen; umfonft hatten bie Säuern 
um 'Äbljilfe gebeten, rüdfichtSloS unb unbarm» 
h«gig fuhren bie getreu fort, fie gu fnechten. 
®efoitberS flegen bie reichen Prälaten unb abe» 
ligen Herren richtete fich ber ©aß berfelben, unb 
ba fie recht gut mufften, baff es auch in ben 
Stabten fieute gab, bie gu ihnen hielten, fo ging 
ihr Stau bahin, fich üor adern iit ben Sefiß ber 
Stäbte gu feßeu unb bann mit Dereintcr Wacht 
bie £errfchaften unb Sürften angugreifen. ©nbe 
Sprit ftanben gegen 13,000 bewaffnete Säuern 
jii einer Armee bereinigt im ©Ifaß. Äeine Wacht 
geigte fich ftarl (genug, ber wüthenben Schaar 
ÜÖiberftanb gu leiften unb fdjon waren bie auf» 
ftänbifdhen Säuern Herren ber Stabt 2öei ßen« 
bürg geworben, beten reiche Abtei fie befon« 


berS angercigt hatte. Oie Wehrgahl ber Sürger 
öffnete ben Anftürmenben üon felbft 2hör unb 
Oßüren, „benn," riefen fie fich gegenfeitig gu, 
„foüeit mir uns oon ben Säuern um ©ut unb 
Sehen bringen taffen, um ben Abt gu f(hüben, 
ber uns felbft bebrüdt unb befebwert?" Auf 
biefe SBeife fiel Sffieißenburg in bie #änbe ber 
Säuern unb bie ftolge Abtei in SErüminer. 
£>aaenauer Sorft hatte fich flleichfads eine An* 
gahl Aufftänbifcher gefammelt unb ihr #aupt» 
quartier im S(öfter gu Weuburg aufaefdfila. 
gen, baS fie nach blutiger ©egenwehr ber Wömhe 
gleichfads erobertut unb nieberbrannten. 

Woch toar feitbem feine SBoche berfloffen, als 
in Strafiburg bie ftunbe anlangte, bnfi auch 
3abem Don ben rebeflifchen Säuern genom* 
men worben unb ber Sifchof geflüchtet fei, bah 
aber auch gleidggeitig ein lothrinaifdgcs #cer, in 
ber Starte Don 14,000 Wann m ©ilmarfchen 
gegen fie herangietje. 

Johannes, welcher ben $ergoq Anton Don 
Sothringen als einen finftern, harten Witter 
tannte, ahnte fofort, baß berfefbc baS Amt eines 
WichterS in bem Kampfe gegen bie Säuern nur 
übernommen hatte, um einen WeligionStrieg gu 
entfachen unb ben Sortfchritten fcer Weformatiort 
im ©Ifaß gu fchaben. 6r faßte daher insgeheim 
ben ©ntfchluß, fich aflein in baS Säger ber auf* 
ftänbifdfen Säuern gu begeben unb Alles aufgu» 
bieten, fie gu einer frieblichen Umfehr gu be» 
wegen. Ohne einem feiner greunbe ben 3toecf 
feiner plößlichen Abreife tunb gu geben, beflieg 
er fein Woß unb ritt nach 3abern. Wiemanb 
batte ihn bemerft, als er Straßburg bcrlicß, ein 
©ingiger ausgenommen, nämlich fein heftiflfter 
unb erbittertfter ©cgner, SBalbner bon i>ohen* 
heg. Ohne baß Johannes eine Ahnung baDon 
hatte, folgte ihm ber ©raf nach unb auf biefe 
Söeife gelang es demfelben, hinter ben 3nwcf gu 
tommen, welchen ber Jüngling mit feiner heim* 
ließen Weife Derbanb. 

Als Sofjannes in 3«bern eintraf, erfdjien be* 
reits auf ben nächften fjöben ber Sortrab ber 
Sothriitger, hoch fielen am erften 2age nur 
wenige Schctrmüßel bor unb bie leichte Weiterei 
beS ftergogs, welche bie ©egenb bnrdjftreifte, 
machte einige ©efangene, bie ber fjergog ange= 
fichts ber Stabt aufhängen ließ. Oies erbitterte 
bie Säuern nur uod) mehr, welche jeßt in 3cber* 
mann, ber ihnen noch bon Trieben unb Wücfgug 
fprach, einen Serräther witterten, infolge begleit 
hatte Johannes einen harten Staub, bodg fiirch* 
tete er fich nicht, fonbern fprad) frei Dom bergen 
weg, unb fußte namentlich barauf, baß 8 u t h e r, 
beffen tjreiheit&leljre Don ben Säuern in fchlimm* 
fter SBeife auSgebeutet worben fei, gleichfalls 
ihr 2fjun Derbamme. 

Oie rafenben ©inpörer hörten jeboch nicht auf 
ihn, fonbern hielten ihn als ©efangenen feft. 


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468 


Pas ürbe. 


„bamit," wie bie fürfotglidjen ©orte ihres er* 
jitrnteu Befehlshabers lauteten, „bev Ipe rr ©tu* 
biofuS nit entwichen unb bem ffeinbe if)te ©tel* 
hingen unb Befeftigungen Devrattjen tonne." 

91m Blorgen bes nächften SageS lief; Verjog 
9lnton bas grobe ©efchüfe flehen bie ©tabt rieh* 
ten unb 6aI d tag fie in Braiib. 93ie(e hunberte 
bon Bauern tarnen in beit flammen um ober 
murren bon bem anftiirmenben fjeinbe erftbla* 
gen; gegen 18,000 Blenfcheu berloren an jenem 
unglücffeligen Sage baS Sebeit; bie ©tabt 
würbe gepiilnbert, alles ©olb unb ©über weg* 
geführt unb biele unfdjulbige Bürger gefangen 
genommen. 

$)ie Vauptleute ber Bauern Ratten fi<h in baS 
bifc^öflid>e ©djlofe geflüchtet, allein fie würben 
halb entbeeft unb in ffeffelit gelegt. 

Biit bem Verjog war auch fein Berbiinbeter, 
©raf ©albner bon £>of)enfjeg, in baS ©(bloß 
gebrungen unb rief beit ©efaiigenen berrifd) jn: 

,,©o habt 3ljr ben jungen ©eiftlidjen ber» 
ftedt, ber bor jwei Sagen in ©ner Säger tarn ? 
©ebt Antwort, ober ich laffe ©utb bei lebenbigem 
Seibe berbrennen!" 

„©enti 3h* ben jungen ^>errn, ber aßerbingS 
ein treuer Berbiinbeter böit uns gewefen, buben 
wollt," antworteten fie höhnifch, „fo müßt 3 br 
©nere Beine in Bewegung fefeen unb hinter ihm 
her nach ©trafeburg jagen, benn wir haben ihn 
febon geftern aus unferm Säger entlaffen, bamit 
er uns bie fehwarjwälbcr Baiiern ju Vilfe rufe." 

ftobeubeg ftampfte wiitfjenb mit bem fjufee 
unb bife bie Sippen blutig; war ihm ja bodj 
fein ganjer ftböuer Bian inifeglüctt, benn wäre 
3obaitneS als Sieben in bie Vänbe ber SoÜjrin* 
ger gefallen, fo hätte er, namentlich als ein Sin* 

f länger unb Berbrciter ber lutljerifcben Sehre, 
ofort ben Sob erlitten, ber ©raf bagegen Wäre 
ben unbequemen ©rben für afle 3«iien loS ge» 
wefeit. 

$rei Sage nach bem Blutbab bon 3aberit jog 
Verjog SInton wieber ab, unb es mar ein ©lücf 
für unfern Johannes, baf; ef erft nachher in 
feinem ©efängnife bon einigen Bürgern ber 
©tabt 3abent entbeeft würbe, benn fönft wäre 
es ihm übel ergangen. ©eineStaljrung mährenb 
ber hier Sage, bie er in bem unterirbi fefeen ©e» 
wölbe jitbriugcn mufete, hatte aus einigen 3roie* 
beln beftanben, bie er in feinem ©efäiignif; auf* 
geftöbert. Stofe biefe nicht auSreichten, um unfern 
fjreuub bei Kräften -gi erhalten, berftefet fidj 
bon felbft, unb fo nuifete er ©ott boppelt banl* 
bar fein, bafe jene Bürger, welche ihn auS bem 
Werter erföfteu, gut eoangelifCh gefinnt waren 
unb ben jungen ©tubiofuS baheiin in ihrer 
©ofenung pflegten. 3>i einem Briefe melbete 
er feinen ©trafeburgergirennben baS Blifegefcfeict, 
baS ihn betroffen, bat fie wegen feiner heimlichen 
VanblungSweife um Berjeifeung unb brüefte am 


©Chluffe bes ©cfeteibenS bie Hoffnung aus, fte 
innerhalb ber nächften acht Sage in ©trafeburg 
ju begriifeen, benn in biefer 3*ü hoffte er wieber 
bei Jträften ju fein, ©rofe war aber fein ©r* 
ftaunen, als nach einigen Sagen ©erbet bei ihm 
in 3abern anlangte unb ihn in bem flcinen 
©tübehen auffuCfete, baS fein freunbliCher ©irtfe 
ihm eingeräumt, wo er ihm mitthcilte, bafe ber 
berüchtigte Bauernoberft ooit ihm als einem 
Berbiinbeten gefproCheu habe unb ©raf Vollen* 
heg, mit ^>ilfe beS jitr 3eit in ©trafeburg Der* 
weilcuben BifdjofS, ber ihm plöfelidj fefer wohl* 
wolle, alle Blittel in Bewegung fefetc, einen Ber* 
haftsbefehl gegen Johannes ju ermirten. 

„5toS ift ja ein ganj nid)tsmürbigeS Sügen* 
nefe, mit bem man mich umgeben hat!" rief 
Johannes aufeer fiCh unb theilte in ausführ* 
liCherer Siebe, als er es im Briefe hatte thun 
fönnen, bem ffvcutibe alle feine ©vlebiiiffe mit. 
„3ch werbe," fügte er hinju, „fchon morgen naCh 
©trafeburg juriieffehren unb mich beim Statfee 
ber ©tabt oertheibigen." „SaS ©trafeburger 
©eicfebilb betreten," entgegnete ©erbet traurig, 
„heifet, bem Statfee bie ©föcjliChfeit benehmen, 
bich auf freiem ftufee ju Ia|fen unb ben ärger* 
liehen Borfall ber Bergeffenbeit anheim' ju 
geben." ,,©o fofl alfo mein ©egiter Siecht he* 
halten unb ich unfCfjulbig leiben ?" gab 3ohan* 
neS beriefet jurüCt. „Slber, mein ©efen, fiehfl 
bu benn nit ein, bafe ber ©raf bie lügiterifcfee 
SluSfage bes Bauernobe,rften nur baju beuüfet, 
um bich für immer loS ju werben, bamit er ohne 
©orge baS bir geraubte ©rbe anireten fann ?" 
erwiberte ©erbet betrübt; unb Johannes mufete 
ber SlnfiCht beS erfahrenen Blanne^ beipflichtcn. 

„©r ift ein gar fdjlauer Batron, biefer ©alb* 
ner bon Ciohenheg," fuhr biefer weiter fort. 
„Stomit bu nit ber einige Slugeflogte feieft, hat 
er es fogar berfuCljt, untere SFrctinbe 3e(I, Bufeer 
unb Jlapito }u berbäChtigen, ben 9lufrufer be* 
giinftigt ju hoben. Senn nur bon ihm ftammt 
baS ©eriieht, bie gefangenen Bauern hätten ju 
3abern eingeftaitben, bafe bie ©trafeburg’fChen 
Brebiger fie jum Slufruhr berleitet. ©©etlicher 
SOBeife hat bieS nit biel ju bebrüten, auCh ift be* 
reitS Ulapito mit ber Verausgabe einer ©chrift 
befchäftigt, welche ihn unb feine SlmtSbrüber 
ooflftänbig rechtfertigen Wirb. Bei bir bagegen, 
mein armer Johannes, liegt bie ©ache anberS, 
benn Vahfbheg hat einen fatfdjen 3?agen auf« 
gefteftt, ber feine Slntlage nnterftüfet." ' 

„SBaS aber foß ich th'un ?" rief Johannes ber* 
jweifelt. 

„Borläufig naCh SBittenberg juriieffehren," 
berfefete ©erbel achfeljuctenb. „SaS Bflichttheil, 
welches bir bie ©rbfchleicfjer im Seftament nit 
abwenbig machen tonnten, reicht glticflichcr Söeife 
hin, bafe bu beine ©tubien boflenben fannft. 
2>aS ©eitere woflen wir für jefet ©ott anheim* 


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Pie Subenuerfolgung in Mußlan). 


489 


fiedeit. 3 fdj habe jene (leine Summe gleich mit« 
gebracht; fie warb mir geftern uon bem ©ericfjt 
angemiefen, ba mir unfern '-ßrojefe gegen bie 
fwfjenhegS oerloren höben. Oie aufgeftellteu 
©achberftänbigen beftcitigen bie UCedjt^cit beS 
JeftamentS, gegen ©vbfcpleicherei aber ift nicht» 
311 thun, meun mau nit (lare Semeife hat." 

©ine längere Saufe entftanb. Johannes mar 
nn’S firenfter getreten, eitblich roanbte er fich fei« 
nem Ruthen mieber 311 unb fügte in frommer 
©rgebung: „OaS ©lud beS fÜtenfchen befteht 
nicht im Sefifce itbifcher SReichthümer, fouberu 
in bem Semujjtfein bes CienenS, nach ©otteS 
©eboten gehnnbelt 311 haben. 3<h War reich unb 
bin jefct arm, mie. e§ ein rechter jünger beS 
fieilanbs fein muh, meun er fein ßreus auf fich 
nehmen unb ihm folgert roid. Stur bie Siebe 311 
ihm oeruiag beit Trieben 311 geben, ben ich iffet 
erlangt habe, ba ich arm aus ber $eimatb 
fcheibe, mie eS borljer meinem Sater 3U SL^eit 
mürbe, als er uon feinen irbifchen SReichthümern 
aus biefent Sebeit fcf)ieb." Unb fd)on nach Ser* 
flufe oou brei Zeigen lag bie alte $eimath mit 
ihren heiligen ©ritinermtgen hinter Johannes, 
ber freubigeit £erjeuS mieber nach Sßittenberg 
Jßfl- 
1 

pc lu&cnocrfolgmigcii in 



fjauS unb £>erb hat fdjon früher bavrfuf auf« 
mertfam gemacht, bah bie Streitfrage in tRujj« 
lanb 3 roei ©eiten habe. OaS„Oaheitn" bringt 
nun unter obiger Ueberfchrift einen Artilel, mel» 
(her bie ci n b e r e ©eite $eigt. 2 Bir (heilen ben« 
felbett im AuSsug mit. 

„Oie ehemals poluifdjen ober litauifchen Sro« 
biu3en SRuplnitbS entbehren bes SürgertljumS 
bodftänbig. Oie ßleinruffen, bie Solen, bie 
Silauer bemoljnen als ©belleute, ©eiftliche ober 
Säuern bas Sanb, in ben ©täbten fijjt neben 
bem Seamten auSfchliehlich ber Sube. 2 Ran 
benfe, meittt non bem polnifdjen Suben bie Siebe 
ift, nur nicht an unfere Suben. Ohne in nufer 
Solf roirflich aufgegangen 311 fein, haben biefe 
ftch bemfetben immerhin ftarf genähert tmb sroar 
nicht nur ätiherlich, in Sprache, ©emotjnheiten 
unb ffleibuitg, fonbern auch innerlich. Semujjt 
ober uitbemuht haben fie mit ber Suft, bie fie 
unter mtS athmen, auch bis 3U einem geroiffen 
©rabe bie aus bem ©briftenthum entftanbeneu 
Sbeen fich ungeeignet, melche ein ©emeingut ber 
iprijttichen Söller ©uropaS ftnb. ©elbft ber 
nteift gait3 religionslose, gebilbete beutfehe S»be 
helft iitfcfern immerhin im Sanne beS ©hrifteu« 
thumS, als bie philofopljifthen ©pfteme, bttreh 


bie er fein religiöfeS Sebürfnife 311 befriebigeit 
fucht, birett ober inbireft (mie 3. S. bei ©pinosa) 
aus ber 2öelt beS Seiten OeftamenteS peroor» 
gegangen finb. Oie belferen unter ihnen hoben 
immerhin nur eine 'JJioral, bie allen Slenfche» 
gegenüber bie gleiche ©eltung hat unb meun fie 
nicht feiten ihre SoltSgenoffen beuorsugen, fo 
gefchieht es oft mehr infolge einer natürlichen 
©hmpnthie, als mit Abficht unb SciouBtfein. 
Oem entfprechenb üerljält fich auch ih* ©emiffen. 

„Son allem biefett ift bei beu polnifchen 3üben 
nicht bie Siebe. 3b>if<hen ihnen 1111 b ber flami» 
fchen Sebölterung, unter ber fie fipen, befteht 
gar (ein gemeiitfameS Sanb. Unfere jubelt finb 
mitunter ober tf)un oft empört, roenn inan uon 
ihnen als uon Angehörigen eines fremben Sol« 
feS fpricht. 3« tRufjlonb mirb biefe ©utriiftung 
lueber empfunten, noch auch nur geheuchelt, Oie 
Ohatfache liegt bort fo naeft unb bloß 311 2 age, 
baß fie non allen ©eiten, alfo auch uon lübifcper, 
ohne Sßeiteres 3 itgegeben mirb. 

„OerfRitffe gehört auch einem anberen „Solle" 
an, als ber Oeutfcbe, uub biefer mie jener ift fich 
biefeS UnterfchiebeS bemüht, aber tein red;t« 
föaffener fRufje mirb fich burch benfelben bered)« 
tigt glauben, bem Oeutfd;en gegenüber nach 
anberen moralifchen ©ntnbfäßen 31t uerfahven, 
als gegen ben SoltSgenoffen. OaS ift im Ser« 
lehr smifchen bem polttifd;eit gilben unb ben 
umrootjnenben Söllerfchaften anberS. Oer 3iibe 
hat hier eine hoppelte Storni. Oie eine gilt für 
ben Serlehr mit beit 3 üben, bie anbere für ben 
Umgang mit ben ©ojitn (b. h- ben Aidjtjubeu). 
Oerfelbe 3ube, ber eS aus fittlichen Seioeg» 
grünben unterlaffen mirb, einen SoltSgtiiofjen 
3 U hmtergehen, betrügt ben @oi, ohne fich ein 
©emiffen barauS 3 U machen. Aber ber ^ube 
meift nicht nur nichts uon einem gemeinfanten 
©ittengefeß, er betrachtet auch boS bürgerliche 
CanbeSgefep als für fiep nicht berbinblicf). SJenn 
er eS ftrafloS umgehen fann unb eS umgeht, fo 
macht ihm fein ©emiffen (einen Sormiirf bar» 
aus. fjfiir ihn hat nur baS jübifche ©emeinbe» 
gefeß berbinbliche Straft, baS ©tantSgefeß nicht. 
@r betrachtet leßtereS fo, mie etma bie ^raujofen 
bie bom beutfehen Stilitär erlaffencn Sorfcprif. 
ten ongefeheit haben mögen. 

„So ben(t unb empfindet nicht nur ber ©in* 
Seine, fonbern auch bie ©efammtheit. Oer jtapal, 
bie ariftotratifch organifirte ©emeinbebertretung, 
hantelt nach benfelben ©ruubfiißen, bem Staate 
gegenüber hier, ben ©ojim gegenüber bort. 
Slit eiferner Strenge mirb barauf gehalten, baß 
(ein 3><be fich einfaüen läfjt, bie ftciatliche Auto» 
rität anstiedeitnen, etma baburch, baß er einen 
SoltSgenoffen bor bem bürgerlichen ©ericht be¬ 
langt. Acht unb Aberacht mirb über ihn uer« 
hängt bon bet ©rense SturlanbS (bie (urifchen 
3üben finb gröfetentheils emansipirt unb flehen 


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490 


Pie Subettoerfolgung in Pufjlanb. 


me()r ober weniger wie bie 3üben in $euifdj* 
lanb) bis gum Scbwargen ©leere Derfcpließt fid) 
Dor if)in jebeS jübifcpe #auS. $>afiir ift aber 
auep ber Kapal bereit, für ben ©mgeliicu eingu» 
ftepeu, roenn ber Staat etwa 9lnfprücpe an i()n 
ergebt unb auep fonft feinen Sortpeil roabrgu* 
nehmen. ©r breitet feine ftartc £>anb fcpiißenb 
über ibn aus, nenn er, roaS oft borfommt, mit 
bem Strafrecpt aneinanber gerätb, unb er (einigt 
ibn bor Kouturreng, roenn er bamit befepäftigt 
ift, fiep auf Koften beS Staates ober eines ©oi 
ein ©ermögen gu maepen. ©3 fommt eine Cie» 
frrung für ben Staat guni 9(u3bot unb ber Kapal 
verbietet, baß jemaub weniger oerlange, als ber 
unb ber; ein 9lnberer ift bamit befepäftigt, einen 
©ntsbefißer burd) mueberifepe Marleben auSgu» 
fangen, unb ber Kapaf verbietet, baß jemaub 
bem ©elreffeitben gu geringeren 3iufen ©elb 
gäbe. 33er Kapal gewährt alfo bau fiep aus ein 
Monopol, oerfauft eS mitunter gerabegu (ugt. 
58. »tieparb 9fubree: 3“* ©oltstuube - ber 
üben. ©ielefelb uub Ceipgig. ©elpagett unb 
(at'ing. 1881, S. 137). 

„$>iefe Ceute nun buben ben gefammteu £>an= 
bet unb 9Baitbe( in £änbeu. Sie beroobnen im 
allgemeinen bie Stabte, aber fie buben 9lu3» 
täiifer in jebent 33orfe in ber gönn bon Sd)ent» 
Wirtben, bie in ber Siegel gugleid) SSBucperer finb. 

,,©S liegt in ber Statur ber 33inge, baß bie 
‘ Stäbtebcroobner ben ©eroopnern beS flachen 
CanbeS Dietfacp überlegen finb. Schon baS 
engere 3ufummenteben, ber Derfpürfte Kampf 
umS $>afein bringt baS mit fi<b. &ier but eS 
nun gar eine für ben Grroerb gang befonberS 
geeignete Stoffe mit einer aitberen gu tbun, ber 
bie bafiir erforberlicben ©igenfepaften burep» 
gebenb fehlen. 2)er Kampf, ber feit Dielen 3‘iP» 
buuberten geführt wirb, nahm nur, roenn er 
mit ben 2Baffen gefäinpft mürbe, einen für bie 
Caiibleute günftigen SluSgang. Sie fcplugen 
bann ein paarmälbunberttaufenb 3»ben tobt. 
Spielte ber Kumpf bagegen auf roirtpfepaft« 
liebem ©ebiet, fo unterlagen bie Caiibleute ftets. 
3n nuferem Sabrbunbert roar eS fo geroefen 
unb baS Cauboolt roar bollftänbig in bie £>anbe 
ber 3uben geratben. 3d) bube mir bie 3uftänbe 
Don mehreren mir buripauS (oiupetent erfepei» 
nenben ©eobadptern, bie fie genau fonnten, ein» 
gebenb fcpilbern laffen. 3» Sübrußloub gehört 
alles ben 3üben: baS©iep im Stall beS Säuern, 
baS Stroh auf bem 3)acpe, ber £>alm, ber eben 
erft auf bem gelbe auffproßt. 

„Stun beule man ficb bie Sage beS Canb» 
tuanueS. @r ift in bie poffmingSlofefte Scpulb» 
fflauerei geratben, unb fein fjerr ift nicht etroa 
ein ©belniann, ber immerhin aus feinem ©olle 
peroorging, fonbern ein greinber, ber ficb als 
folcper auf bunbert Schritt tenngeiepnet. Sein 
9lntliß ift fremb, fein Ceib ift anberS gebaut. 


feine Straft ift eine atibere. Gr fpriöpt eine 
anbere Sprache, er belennt eine anbere ©eligion, 
er but (einerlei Sympathie mit feinem Scpulb» 
tneept. SBemt ber fjörige gu feinem fenbaleit 
©aron aufbliette, fo gewahrte er, baß biefer 
roenigftenS perföitlicp allegeit bereit roar, für bie 
Station eingutreten. 9lucp biefes uerföpneube 
SJloment fällt in uufere;n galle fort, beim ber 
©auer fiept, baf; ber 3ube fiep allen ©flicpten, 
bie ber Staat auferlegt, immer unb überall, 
wenn irgenb möglich eutjiept, baß er mit bem» 
felben in ftetem Kriege lebt. ©S giebt niepts, 
roaö ben ©auer mit feinem graufamcu ©laubiger 
auep nur einigermaßen aiisföbuen tönule. ©r 
verachtet ben, ben er boep and) fiircpteu muß. 

„91 ber ber ©auer bat niept nur baS berechtigte 
©efi'tpl, unter einer ineift bnrep Cift unb ©etrng 
über ipn getommeuen grenibpcrrfcpaft gu fiepen, 
fonbern eS (eben auep und) ©riuneruugen in ipin 
an eine 3?it, ba biefer felbe 3«be bemütpig gu 
ben giißen feiner ©orfapreit lag unb um fein 
Ceben fiepte. 

„So liegen bie Oinge, unb nun frage icp jebeit 
einigermaßen befonneneit ©lenfcpeu, ob eS ba 
itocp befouberer „£eßer" bebarf, um bie 3ubeit» 
Derfolgungen in Sgene git feßen. Sie finb fo 
naturgemäß, wie ber Umftanb, baß ein tropfen« 
weife gefülltes gaß überläuft, roenn es Doll ift. 

„9(ber warum treten biefe ©erfolgungeit gerabe 
jeßt auf? 2Barnni maepte fiep ber ©oltspaß 
uiept fepon Dor einer ©eneration Cuft? 3)ie 
9lntroort liegt auf ber ^aub: weil bie liberale 
©efeßgebung ber ^Regierung 9tleiauberS IT., 
weil bie 9lufpebung ber fieibeigcnfipaft, bie 
Hebung ber ©erfeprSmittel unb anbereS mepr 
erft jeßt beni Spiel ber roirtpfepaftlicpen Kräfte 
freiere fjanb ließ, unb infolge beffen ber roirtp» 
fcpaftlicp fo überlegene 3ube feine Sd)ulbfned,te 
erft c\anj unb Doll auSbcuten (onnte. So lange 
im ©ebiet ber fdjroaraeu ©rbe ber ©Jeigen als 
©egenftanb beS $aubc(S meift fo gut wie roertp« 
los roar, tonnte aitcp ber 3ube mit ipm nichts 
anfangen unb überließ ipn bem ©auer, feit eS 
aber ©ifenbapnen giebt, pat fiep beibeS geänbert. 
®er 9luSgang einer Spetulation auf baS ©rb« 
gut beS ©belmanneS roar immerpiu groeifelpaft, 
roäprenb bie ©auerngemeinbe in iprer Scproer« 
fälligteit ein faft roeprlofer ©egner ift. 

„(Ssroar intereffaut gu beobachten, roelcpe Ser« 
fuepe Don ber gang jiibifcpen ©reffe CefterreicpS 
unb ber miubeftenS gur Hälfte jiibifcpen ©reffe 
2)eutfcplanbs gemaept würben, um bie ©rfepei* 
nung auf eine 2Beife gu ertlären, roelcpe bie pof. 
uifepen 3uben als bie parmlofen Opfer einer 
betpörten ©auernniaffe erfepeinen laffen tonnten. 

„9Ber nur bie beutfepen 3fitungen lieft,'muß 
glauben, baß bie ruffifepe Regierung ben 3«ben« 
Derfolgungen niept nur untpätig gnfap, fonbern 
auep an iprem ipeit unb in iprer SBeife mit 


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3u 3|«u ft. 


491 


öerfolgtc. Sidjt8 !onn unwahrer fein. Die 
ruftifcbe ^Regierung ift zunäcbft gegen bie Solls« 
miflaufe mit Wahrhaft braloiüfc^cr Strenge »or« 
gegangen, mit einer Strenge, welche felbft in 
bei: entfdjiebcn liberalen, burdfauS jubenfreunb» 
lieben ruffifeben tßreffc (j. S. im Soriabo!) mehr 
nl# einen Sd)reclen#fcbrei macf)rief. Da# blieb 
freilich ben beutfdjen 3 e it li :;fl§lcfern forgfältig 
berfcbroiegeit. 9tad) ben @ meuten in Dbeffä 
burcbzogeii Straffommaubo# in weitem Umfange 
bie Dörfer. Diefelben mürben umzingelt, &au# 
für £>au# mnrbe nbgefudjt. 2öo fictj geraubte# 
@ut fanb, mürben bie Scbulbigen ohne Siüffidjt 
auf Slterjmb ©efcblecbt unbarmherzig gepeitjebt. 
3« ber otabt Obeffa felbft mürben meit über 
taufenb ütenfeben lörperlidj gejiicbligt. 

„Sid)t miitber energifdj berfufjr bie ruffifebe 
{Regierung in SBarfcbau, mo miebernm Daufenbe 
berljnftet unb bureb ein befcbleunigte# Verfahren 
abgeurtbeilt mürben. 3» Sübweftrußlanb mürbe 
ba# Stanbrecbt protlamirt, überall mußten 
Strafanträge, bie au# Snlnfj biefer Unruhen 
bei ben Sriebenäricbtern geftellt mürben; allen 
anbereit uorangeljen, ba# ruffifebe Strafrecht mit 
feiner in biefen Gingen fo furchtbaren Strenge 
mar überall rücfficb'e#lo# in ®emegung gefegt. 


„Siemanb mirb bon ben ruffifdjen 3uben« 
berfolgungen ohne '-Bebauern gehört hüben. 
2eibenfibaftli<h erregte SolfSmaffen finb fd)led)le 
Sichter unb nod) fcblechtere Süttel. (5# ift mehr 
a(# mahrfcbeinlicb, bafe bie eigentlich Scbulbigen 
bie burebtriebenen ftopfe rechtzeitig au# ber 
Schlinge zogen unb gerabe bie Cpfer ber Sev« 
folgungeit berbältuißmäßig unfcbüblicbe 3Ren« 
fdjers waren, bie febon ihre Srmutb unb ihre 
Unbilbuug berhinberten, bie SuSbeutuug in 
größerem BJaßftabe zu betreiben. 2Ber außer« 
bem bie unterften Solfäflaffen einer beutfeben 
Stabt mährenb eilte# Sluflauf# beobachtete, ber 
mirb fi<b ungefähr eine Sorftellung bauon 
machen tonnen, roie e# bei biefen Snläffen in 
ÄleinruRlnnb unb ^ßolen hergegangeu fein mag. 
immerhin mirb man gut tljun, bie betreffenben 
3eitung#nachricbten mit bem äußerften OTifj» 
trauen aufjunehmen. Die 3iuben gehörenben, 
bon 3>'ben rebigirten ober ooit jübifdjeti 91u« 
jeigen abhängigen Stätter feierten in biefer Se« 
Ziehung in leßter 3e>t fiügenorgien, bie felbft 
einen in biefen Dingen blafirten 3ournaiiften 
in ©rftaunen festen. 34 erinnere nur au ben 
famofen ©eriebt be# fübifd)en Slrzte# über ba# 
Obeffaer £>ofpital." 


lu 3 

8on einer 

©djlafjtamtr. Steintidfeit ift bad große ©aupt* 
erforbermß. 31lle 8ebe»»dthätigfcit ruht »wäbrenb ber 
©tunben bed ©d»lafed unb nur bad Ätbmen gebt 
unimterbrecben wor ficf>; bedbalb ift reine 8uft in 
bem@d»lafgimmen'on befonbercrSHJidtigfeit. ©tetd 
foUte eine 33erbii»bung mit ber äußeren 8uft wor* 
hanben fein unb Gei warmer SBittcrung menen 
ffei»ftcr u»ib Jüürcn offen ftcGen. SBenn ein 8uft= 
gug am Jane ober and) bed 9?aef>t6, fo lange er bie 
©duafenben nidjt gefäbrbet, burd bad Bimmcr 
ftafttfinben fann, um fo Geffcr. Die oerborGene 8uft, 
»weide in ben ©djlaüunmcrn cntfteGt — bie won bem 
meniddidjeit fförper buvd) bie 8ungc unb ßaut ßatt= 
fiiibcnbeu ?lbfoi»bcru»»ßcn — fefet fiefi an Jcpptdcn, 
®orGä»igen, Settgeug unbÄleibung feft, unb burd>- 
bringt fie mit fauliger ober wiclleidt and) einer aif= 
tigen ©ubftang, »wenn nid)t ein fort»wäbrc»»bcr 9iei= 
»»igungdprogeß burd refcblided Suftcn unb bie (Sin- 
loirtuim beö 8icbte^ r namcntlid) beä ©onncnfdjeinä, 
ftattfinbet. ®a§ Sett feilte nicGt U'iebev aemaebt 
»werben, bi§ Äiffen unb s BettAeiiö burdlöftct finb, 
unb je mehr bieä im Gellen ©onncnfdeiu unb ber 
8uft im freien ^efd)eGen !ann(namentlidum©om= 
mer), l^efto Mfer ift e^. 8(ucG bie 9?ad)tfleibcr felis 
ten ftut burdGluftet »werben. Da3 3i»»»^cr jollte 
medliÄft frei ^Galten »werben wen allen itarfen@e= 
rudjen unb aitf*66infad)fte einneriditet fein; »dnwere 
JeppicGe unb 93orG&nde f foiwte aucG wicle 9Scrsic= 


au ft. 

^anöfrau. 

runnen paffen ni<Gt in ein flefuitbe6 ©dilafaimmer. 
$at man baä 3immer einifle ©tunben an^flelüftet, 
bann reinine man c§ unb Grinßc c5 in Orbnunn, 
fd)lie6e bie Sdbctt, bamit Slirflen unb Untiefer 
nicGt einbrinaen unb am &Genb, »wenn cd bunfel ift, 
offne man Senfter unb JGüre. Die ©ddafeimmer 
finb oft ül>erfüllt. 6d »wdre gut, »wenn lieber, ber 
alt genug ift, ein Sott für ftd) allein Gatte, fyiir bie 
®efunbbcit »wäre bunft biefe Sinridtung wie! ges 
»wounen. 8lGer in ben mciften Sumilicn »wirb ein 
©äugling giwifden j»wei Sr»wad)fenc gelegt, unb ber 
®?anu beä ^aufcd, ber ben ganzen jag feine»» 
vufdgcfcGäfte»» uadgeGe»» mu§, »wirb oft bie GalGe 
9?acGt Ginburd» geftdrt. Rd ift Geffcr, bie Butter 
nimmt bad Äleinftc mit in ibr ©ett; cd ift a»uar 
cGen fo fd)lim»n, »wenn fie buvd übermäßige Sorge 
unb 9)?angel a»» 9iad)tru6e franf »wirb, aber—»wer* 
be»» bie 65efunbl»cttdrcgcln beadtet in ©ejug auf 
frifde 8uft u»»b fWaGrung (ben fleinen £i»»be»» gebe 
man ein lcid»ted 9?ad»teffcn) — fo »wirb ma»» fid) 
»wenig über Storungen in ber 9iad)t gu betlagen 
Gaben, »weil gefunbe Äiuber rubig u»»b ebne Hüters 
breduug fdlafcu. (31m. 3tgr.) 

Canitin? Tomatoes. 3Ran nimmt reife, gut ge= 
formte jomatoed, reibt fie ab unb legt fie in eine 
reine ©ledfd)üffcl, gießt fod»e»ibed SBaffer barüber, 
bedt fie einige SRiuuten gu unb giebt bann bie $aut 


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492 


$u $aufe. 


ab mit einem bünnen, fpifccn S0?cffcr. Wan fei 
porRdjtifl, bajj fie ganz bleiben* lege fic in bic ©lä= 
fer, bic zum Ginmadten beftimmt ftnb f nehme ein 
wenig Salz unb Saft genua von ben weichen So= 
matoe3, bi3 bic Srudit bebedt ift. Dann [teilt man 
bic ungefüllten ©läfcr in ben ©afchfeffel* füllt ibn 
mit faltcm ©afier bi3 an ben ©al3 bet ©läfcr unb 
leibt 9l(le3 aut burdjfod)cn* nimmt bie Srudjt au3 
bem heilen ©affer unb fcC>raubt bic ©läfcr zu. 
9?ad) fünf Winutcu öffnet man fic unb fiebt nadj, 
ob fic ooll finb, wenn nicht, nimmt man toebenben 
Saft auS einem anberen ©(afc unb aicbt fo oicl 
nach* bi3 b'x ©läfcr ooll finb. Wan fchraubt fie fo 
feit wie möglich, reibt bie ©läfcr rein* laut fic rubifl 
Rehen bi3 ne falt finb, unb barnad) ftcllt man fie 
au cincu fühlen unb bitnflen Ort. 

SoraatorS in Gffa fittQeinadjt. Wan nimmt ein 
R3cd arünc Somatoeä, zwei avobe Bwicbeln, zwei 
grüne Pfeffer, fdmeibet bie$ in bünnc Sdjeiben unb 
ftreut bavüber ein halbem SJSint Salz, man labt e3 
ubcr9tad)t fteben in einem porzellanenen fleffel ober 
hölzernen Scbüffel, unb WorßeitS aiebt man fie auf 
ein Sieb unb labt fie ablaufen. Dann nimmt man 
bvei Quart oom beften Gffig, eine Unze ganzen 
fdpuarzen Pfeffer, eine Unze fransen Scnfiamcit, 
tbut alle* in ben ffcffel, bedt c3 zu unb ftcllt e3 auf’3 
Seuet. Sängt e3 an zu fodjcn, fo rührt man e3 
ciuigcniale um unb labt c3 zugebedt crfaltcn. Dann 
fliefjt man c3 in fteinerne ßrftge, leat inwenbig bar- 
auf einen ficineu Seiler, bamit ber Gffig bie ftrudjt 
bebedt. 9?ad) zwei Sagen fliehe man ben Gffig ab, 
foebe ibn über, unb wicbcrholt man bie3 cinißcmal, 
fo fd)übt c3 bie 3rud)t ooni 93crbcrbcn. 

©cmerfmig. Ginflcmaditc Gffiggurfcn unb So* 
matoeä müffen oft imterfud)t werben, weil ber Gffig 
itid)t immer cd)t ift, unb in folchcm Salle, wenn [ich 
weifte fünfte auf ben cingcmaAten Sachen sciflen, 
tbut man ba3 ganze auf ein Sieb, nimmt anbertt 
Ging, labt ibn auffod)cn, rciniflt bie jfrüge, leatbie 
©urfen ober SomatoeS wieber hinein unb flieht ben 
fodjcnbcn Gffig barftber, bedt c§ ju mit einem Seiler 
bi3 c3 crfaltet unb ftcllt bie grucht an einen fühlen 
Ort. 

WrfMje in gffifl eingemacht. Wan nimmt eine 
©allonc bom beiten Gibcr^Gffiß, adRRJfunb weiften 
Bilder* eine Unze flanken Bimmct, thut c$ in einen 
porzellanenen ßeffel unb läfjt eS flut burddochen. 
Unterbeb nehme man reife, gefunbe Sfirfidje, reibe 
fic ab mit einem feinen Such unb ftede in lebe $fir* 
fid)c jwei ober brei ganze Sßelfen. Wan leae in beit 
fochenbcn Gfftfl unb Buder, nachbem allc3 flut ab= 
gcfchäumt Ut, fo viel R5iirfid)e, al3 auf ber Ober* 
Räd>c RMafe haben; laffc fic eben auffocheit, zer= 
fodKu bürfcit fte nidjt. Wan nimmt fic forgfältig 
herauf, leat fte in einen reinen, fteinernen Sopf, 
leflt anbere in bc;t heiben Gffifl, unb macht fo fort, 
bi3 man einen ;noci ÖaKonen Sopf anflcfüllt hat, 
bann flicht mau ben fodicnbcn Gffifl über bic R$fir= 
fid)c unb wirft über ben Sopf ein reiueä Sud) bi8 
fic crfaltcn; man leae iitwenbifl in ben Sopf einen 
flcincu Seiler, bamit ber Saft, bic grud)t bebedt 
uub binbe ben Sopf zu. 9tad) zwei Saflcn flieht 
man ben Gfiifl ab, focht ihn über unb flicht ibn 
«bcrmalä fodKnb über bie 3rud)t. ®icfc ißfirftchc 


ftub leidjt eiitflema^t, unb halten ftdj ein fldnjeS 
Sahr an einem fühlen unb buuflen Ort; man febe 
aber bin unb wicbcr itad), uub ift ctwa3 nicht rieh* 
tifl, fo focht man ben Gffifl über. 

ich ho« meiner Kaihbnritt lernte. 3cb ftaub 
in ber Sbür unb bemerfte meine Nachbarin, bic 
ihren ©arten unb ffiteflc oorn ©rafe unb Unfraut 
reinigte. !^n ihrer ©anb hatte fie ein lanae$, fpifceS 
Wcfjer, unb neben ihr ftanb ein fforb; jo oft ber 
ftorb fid) anfüllte, trua fie alle3 forafdltig auf einen 
kaufen, uub al3 fie fertig war, bat fie ben Wann, 
ber bie Slfdjc unb Äüchenabfälle fortfährt, freunblid)* 
e3 mitiunebmen. 2Bie ßauz anberö al3 bie meiften 
unferer Stabtleutc e3 madjeu! S)ie nehmen allen 
Unrath mtb traaeu benrelben einfadj auf einen leeren 
^JJlab, bort bleibt er lieflcit ^fahr au3 unb ein, unb 
fd)änbet burch ©cruch unb Suofebcn bie beite 9?adj- 
barfdjaft. ®a mir bic 2lrt unb 2Bei[e meiner 9?ad)= 
barin fo gut gefiel, gönnte ich mir einige Hugenblide, 
unb befraßte mid) mit ihr über Wanche3, unb fie 
fagte mir: fie oerwerthe faft 3l(le3. ?(m ffiafd)- 
tag wirb ba8 fchmubifle Seifcnwaffer, nadjbcin c3 
falt flcnua ift, anftatt wegaeworfen, forflfältig um 
bie Srauoenftödc, SRofen, Säume, ©etrginen unb 
anbere fßflanzcn flcfloffcn; and) reineä ©cfd)irr- 
waffer wirb auf biefe SBeife oenoenbet. Ofenrub 
wirb um bic Pflanzen al3 ®ünger gebraucht, $tno= 
d'en, fichrid)t unb trodener ilüdjenabfall loirb per- 
bräunt, bie oerbrannteu Änocben loerbcn wieber auä 
ber Slfche hcroorgefu bt, fein gcflopft — unb man 
hat ben berühmten Bone-Dust-S)ünßcr fürflorb= 
unb feine Sopfpflanscn# man nimmt icbe 2Bod)e 
einen Söffcl Poll pon biefen pulperifirteu Äuodjen, 
pcrmenflt e3 mit ber obern Grbc im Slumcntopf, 
begiebt bic Slumcn Worgen3 früh unb aud) 3(bcnb3 
mit lauem Sicgcnwafier, zu einer ©allone faltcm 
nimmt man ein Quart warme3 ©affer, fo bab e3 
lau ift, unb man fanu auf biefe SBeife Sflnnzen 
ziehen fo fd>on wie im ®ewäd)3hau3. 

Gpbeu, 9iofcn, fiilieu, ©eorginen unb Ghrt)fan= 
themum brauchen Sd)atten im heiben Sommer, ba= 
gcflcn ©eranium, Suberojen, Oleanber, ©labio* 
licn,9Scrbenen unbnod) anbere brauchen oiel Sonne. 
Den ©mnb lodere man oft um Sopfpflanzcn mit 
einem fpifcen Weffer, unb um ©artenpflanzen mit 
Weffer ober ©ade, im trodenen ©etter begiebe man 
bie ©artenbecte früh 3Rorgcn3 unb 9lbenb3 unb 
3lbenb3 uub halte fic rein oou Unfraut. 

Die ©aupt= unb 3?cbcnftraben meiner Nachbarin 
waren rein, unb Re oerficbertc mid), bab fie im Trie¬ 
ben mit ihren 9tad)barn lebt, unb fd)on mandje bc^ 
wogen, ihrem Seifpicl z» folflcn. 

Glrpfantlfmnnt. Die3 ift bic lebte ©erbftblinne, 
bie ba3 9luge entzüdt, uub blüht, wenn mbl behau- 
beit, im 9?ooember unb Dezember. 3m Srühiahr 
pflanzt man Re im ©arten; fic lieben etwaä Schat= 
ten unb loderen ©runb; man nimmt Re wieber auf 
int 3»di- 3n bie Söpfe, in welche Re gepRanzt 
werben, legt man unten ein fleineSStüd pon einem 
alten Sopf ober ein Stüddjen ©la3, bamit Unge¬ 
ziefer nid)t hineinfricdjt, bann cinc ^anbpoll ©olj- 
ober .floblcm&fche. Wan nehme reichen, loderen 
©runb, pRanzcbie Ghrpfanthemum3 hinein, befliebe 
Re oft mit lauem SRcgcnwaffcr, ftelle fie im Sd)atten 
unb fdmeibe Re furz ab; in einer ©ccbc zeiflen fidb 


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Sotmtagf^ul^ebtiantiu 


493 


neue Knospen unb ©cböfjlinge, bann läf?t man fie 
im ©arten ftehen bis eS fall wirb, unb nimmt fie, 
ehe bet 5n>ft fommt, in’S ©auS. ©inb fie gut ge? 
i>ffcfltf tränen fie eine SMaffe ber föenften ©lumen 
unb finb [tariere ©flamen, alS bie, weldje in ®e? 
njächSbäuferii gcjogen finb. 

$*ferfclj(ettt. Sin ©etränf für ffraitfe. SD?an 
nimmt eine halbe Daffc frifche &afer-@tüfee (Oat 
meal), wafebt unb teinint fie, unb ftcltt fie in ein 
Quart SBaffer am Ofen; man läfjt cS eine halbe 
Stimbe lochen pnb giebt ^Xd)t, bafi cS nirbt anbrennt. 
3ft baS SBaffer 311 viel oerlodjt, fo giefct man etwas 
lodjeitbeS nachr bann feiht man cS burrf) ein bftnncS 
Such ober Stütf Sefe r thut ein wenig ©alj hinein 
unb nach ©elieben etwas frifd)getod)te SDiilch* Die 
Jräntfte ©erfon barf biefeS trinten. 

Äartoffel * ©fanttlwhe*. SBhn loche SSorgenS 
gro&e Kartoffeln mit ber ©djale, bafi fie nicf)t oer? 
lochen, fonbern ganj bleiben, gegen Slbenb reibe man 
fie, nehme ein ©int gelochte unb ein ©int unge? 
föchte neriebene Kartoffeln, gwei Sier unb etwa# 
Saig, rühre eS gut buveheinauber, unb bade rafch 
in reinfcCnnetfenbem, beigen ©dmtaU ffeinc Kuchen 
in offener Pfanne, ©ie finb oortrefflidj jinn jhee 
mit SlpfelmuS. 

lilftimiltcl. Die hohen 5Jlarftpretfe ber 8 e? 
Bendmittet im fttühiabr bewegen mid), einine Beilen 
über biefeit ©unft gu fdjreibcit. SS wäcbft in un? 
ferm Saitbe [o viel, ba§ wir noch iebeS Qtahr bie 
Öülle unb grille hatten, unb bocf> — bie groge 9 ?otb, 
theurc Beiten unb bie hohen greife für 8 ebcuSmit? 
tel wieberholcn fichr io oft ber SQinter unb baSgnth 5 
iahr fiel) seint- Die Urfadje ift: einerfeitS Unwif? 
fenheit unb ©erfdnoenbmtg. Sßir haben Slrbeitcr 
fletannt, bie int 2Baljwerf unb ber Sifenfabril ihre 


5 unb 8 Dollars täglich oerbienten; an'S ©baren 
unb B.urüdlcgen würbe aber nicht nebacht, fonbern 
SllleS fo gefchwinb oerbraud)t, wie oerbient; bie ©e? 
fcbäftSftodung fam unb bie Stauen biefer Slrbeiter 
muhten burd) Sähen fid) ihren ©ebarf fuhern, unb 
eS niun ihnen oft fümmcrlid) neuun. 

Sluf ber anbern ©eite thut Klugheit unb ©pelu? 
lation baS ihre, um bie ©reife su erhöhen, Der 
©pelulant baut fid) groge SDBaarenlaaer, tauft ©e? 
treibe, Korn unb gritcht unb alle SebenSmittel au 
ben billigten ©reifen, er fbeichert SllleS auf unb 
»erficht feine SBaare au halten, bis er ben höd)fteit 
©reiS erhält, ober beffer gefagt: Diefe SMänner ei? 
nigen fid) unb fefeen unS bie SDJarltpreife. 9)?an 
inug einfaufen, giebt fein ©elb auS, unb erhält ba? 
für fo wenig — man ftaunt unb wunbert, man 
fragt? Die Slntwort ift: 3a cS war fo treefen lefe? 
ten ©omnier, ober: SS war m nah, cS ift genug 
gewachsen, aber man tonnte nid)t ernten; eS war 
ju warm ober au talt. 3*genb eine SluSrebe, bie 
fid) iebeSJfrüiahr wicberholt. SrftenS rathen wir 
nun: „9Man fpave," unb aweitenS halte mau 
ftch Beitfchrifteu, bie halten Sunbfchau unb bringen 
unS Sadnicbten über Srnteauöfidjten, Sanbmirtb? 
fchaft unb ob Lebensrnittel fteigen ober fallen. Der 
©Kehllaut bebient fiel) noch anberer SDJittel. Sr 
oerfdjlingt fogar telegraphifthe Depejdjeit; ihm ift’S 
einerlei, ob er ftch oerfrüht ober oevfpätct. 

Sun nod) einige ©emerlungen: Kohlen foften im 
©ommer 10 bis 11 Dollars per 100 ©ufdjel, im 
SBinter um bie Jpälfte mehr; 9Hehl, ©utter, ©ier, 
Kartoffeln unb bergleichen »erbo»»eln fid) nicht bloS, 
fie haben fid) and) fchon oevbreifacht. Sßcigfraut, 
©ohneu unb cingemad)te gvüehte, wenn man lernt, 
wie eiusumad)cn unb aufauheben, finb nicht bloS 
ein SurnS-Slrtitcl für bie Seichen, fonbern ber Sir? 
beiter taitu in biefern 8anbe auch beS ©Uten ge? 
nichen. 




$onnta$rd)u( ^cktionm. 

-> 


Sonntag, 3. ©ebt. SD?arf* 12, 28—44. 

©orte$Hebt unb 9läd^ftenliebe. 

2eft: Unb bu follft ben $enn, beineu ©ott, lieb 
haben von ganjein ©eneu» oon ganaer ©eele, oon 
allem ©ermögen. C 5 äRof. 6, 5.) 

fmlritnng. ©on ©. 13 an hat eS ber i&err mit 
feinen Jyeinben ju thun gehabt, bie fid) ihm mit 
allerlei ocrfänglicbcn fragen nahen: aucvft bie 
©havifäer unb Diener beS .frerobeS mit einer 
bolitifdien 3®ed)tSfvagc über ben BinSgrofcbeit, fo? 
bann bie Sabbucäer mit einer theologifdjen 
Streitfrage über bie Sluferftehung. SluS allen bie? 
fen Kämpfen war er aber mit bem ©iege feiner 
flöttlichen SBeiShcit unb himuilifchen SBahvheit her? 
borgegangen. Unb biefc oevfehlt niemals gauj 
ihren Sinbrucf: auch wenn ©iele ftch gegen fte oer? 


härten, fo finb eS bod) immer nod» unb immer wie? 
ber wenigftenS einzelne 2Benigc,.bic fid) ihr innerlich 
beugen unb hingeben, unb ftch felbft auS ben Seihen 
ihrer ©egner heraus ju Sfreunbeu ihres SrägerS 
unb Beugen an werben laffen. Unter biefem ©e? 
fichtSpunft ftellt SWarfuS bie erftc ber oiev ©efd)ich ? 
ten nuferer Settion, wähtenb SBatthäuS (22, 35 ff.) 
fie ebenfalls mehr oon ber anberen ©eite betradjtet, 
alS weiteren ©eleg bei* auS feinbfcliger Slbftcht an 
3efum geftellten Streitfragen, ©on iefet an finb 
cS bie ©d)viftgelehvten, bie fid) ihm nähern: 
möglicherweife allcvbiitgS, wenigftenS jum Xheil/ 
mit bem aufrichtigen SBuufd), bah er ihre eifrig oer? 
hanbclte ©dmlfrage über baS gröfitc ©ebot mit ber? 
fclbcn treffenoen ©ddagfertigfeit entfeheibe, wie bie 
bisher an ihn geftellten ©vüfungSfragen, bie nur 
feinen ©d)arffmn auf bie ©robe (teilen unb womög 5 
lieh in irgenb einen üBiberfpruch oerwidefn, unb ihn 


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494 


v $euntügfä)ul*i?e htimn. 


in 93cvleßcnhcitcn {Hirsen follten; suflleicfe aber bodj 
wohl aud) mit bev ßcheimeu 2(bfid)t, ihn ßleuhfalid 
in bic Gitße au treiben. 3hr 2lbßefanbter ift 
aber beffetr ald ibre Partei felbft,beim Won 93. 32 
fällt er, Dom 3aißiii{j aud 3cfu 90?unbc, bet bie 
iDifefinbifle 9Beitfd)cnfraßc einfad) mit beut ©otted= 
loort beantwortet, and ber 9iollc bed fcinbfelißeit 
Scrf udjerd (Dßl. 8uf. 10,25) unb bev in 3cfu er- 
ichiencnen äßahrbeit sn, wcldicr cd ald feinen hod)= 
ften ©ica betrautet, felbft auf beut ftampfplafe itod) 
aud ben ©cancrn felber fid) eine «Seele au gewinnen. 

I. $a$ ©tfWäd) mit ben Sdjriftßf lehrten. (®. 
28—34.) ®. 28: Dafj er ihnen fein ßeaut= 
wortet habe; barin ließt nid)t blöd bic ftill- 
fchwcißeitbe, aber AUßlcid) Dolle unb ununmntnbeue 
Sliicrtcnnuiiß bet hoben ©cidhcit Ghrifti, fonbern 
Siifllcid) auch bic ©offnuiiß unb ber ©unfeb, bafc er 
nun auch feine ftraße ebenfo ßiit unbrkhtiß bc« 
antworten werbe. D a d u o r n e b in ft e Ö e b o t 
Dor allen, b. h. bad erfte bem 9iana unb ©efat 
nad), bad allen anberen Dovanftcbt unb bad ßroßte 
bem Inhalt unb Umfanß nad), bad alte anberen in 
fid) begreift wie im Seim, au bem fte fich oerbalten 
wie bic Strahlen sunt 8id)te. 

®. 29 nnb 30: 93ßl. 5 SKof. 6, 4ff. Dicfet 
©orud), wcld)er Don tebem frommen yioraclitcu täß* 
litt? 9Motßend unb 8lbcnbd laut ßebetet werben mußte 
unb ben man s« fteter Griimerunß auf ben foß. 
Denfietteln ober ©cbctdricmcn unb ©cfcfecdbchäU 
tern an ber Stirne ober am linfen 9lrme truß (Dßl. 
5 üOtof. 6,9), enthält bie ©runbftelle ber ßan^ 
seit alttejtamentlid)CH ©laubend« unb 
©ittcnlcbre, beim ber2)c'ittclpunft ber erfteren 
ift ber ©laitbc an ben Gilten, wahren# lebenbißeu 
6)ott 3dvaeld ßeßenüber ben Dielen, falfdicn, tobten 
©ottern ber ©eibeit, ber 3ielDunft ber lefeteren aber 
bad ©cbot ber 8 ic bc. Siebe sum 92ächftcn ift aber 
nur m3ßlid) auf ©runb ber 8iebe au ©ott, biefe ift 
bic Quelle, jene ber baraud fließenbe Strom; nur 

! ic allein faitn im 9)?enfd)cn bie 9)?ad)t ber Selbft- 
uebt unb Gißcnlicbe fo tobten, baß er fähiß nnb 
millia loirb, feinen 92äd)ftcn auf ßans ßlekbe Siuic 
mit lieft felber iw {teilen (Dßl. SDlatth. 7,12); nur 
wer bad Urbilb, ©ott fclber, über 9l(lcd liebt, 
taun and) bad 9lbbilb ©otted, bic SÄcnfdjcn, fo 
lieben wie er foll: in ber ©ottcdliebe ließt alfo bie 
Ävaft unb jriebfeber ber 92äd)ftculicbe, in ber 
9?cieftften!iefte aber ber 2)ewcid unb bie $robe ber 
©ottcdliebe (Dßl. 1 3ob. 4,20). 

®. 81: Unb bad 8lnbere (aud 3 SKofe 19, 
18 ßenommen) ift ihm ßleid), b. b. nicht wenU 
ßer wichtiß, weil cbenfo allumfaffenb unbßrunb= 
Icßeub, nnc iened unb alfo auch cbenfo hoch au ftcU 
len; b c n n biefe, nämlich Seibe in ihrer 3>er- 
binbuna mit einanber au einem einsißen. 3cfud 
DcrfnüDft alfo bic beiben im 91.3:. äußerlid) 
ßctrcnntcn ©ebotc i n u e r l i ch mit einanber au 
einem einsißen, weil fic ihrem ©ejen nad) ßleid) 
finb unb and ein unb bemfcibcit ©eiftc ftammen. 
So aber faim nur Gr allein bad 65cfefe audleaen, 
weil aud) nur Gr allein cd fo an fid) felber erfüllt 
hat, beim Gr ift felber ©ott nnb SMenfd) in einer 
einsißen unAcrtrcnntcn SJkrfoit; wer alfo ihn, ben 
©ott men (eben liebt, ber liebt in ihm ebenfowobl 
©ott, ald and) bic 2Benfd)en unb loer ihn nicht liebt, 
beacht -eben barnit bie fdnoerfte, fluchwürbiafte 
Sititbc, weil er bainit bad ß a n a c ©efefe ßcbrochen 


bat (Dßl. 1 Gor. 16,22). Die Siehe felber, bie bed 
©efefced GrfüUunß ift (92öm. 13,10), ift jwar an fid) 
nur Gine, aber fie nimmt fid) ein boDDelted 
3 icl, ic ltacbbeui fic fid) nach oben ober nad) unten 
richtet, aubetenb bic ©änbe ßcn ©immel erbebt, 
oDcr helfenb fie audftrerft nad) ben Srübcm auf 
Grben. 

®. 32 ttttk 33: Die 3ufttmmunß bed Schrift 
ßelcbrten seußt Don Gbrcrbictunß ei ft er") 
unb aufridjtißem, unbeftochenem Sßahrheitdfinit 
(„re^t acrebet"); er beseußt barnit, baß er bie fchoit 
im 81. 3t. felbft oielfad) enthaltenen 9lnbcutunßcn 
(Dßl. 1 Sam. 15,22; £of. 6,6; ^f. 51,18ff.) wohl 
Derftauben bat, wornad) bad SBefen bed wahren 
©ottedbienfted eben nur in ber uiißetheilten ©in* 
aabe bed ©erjend an ©ott allein unb in ber um 
fcinetwillen ßefdiehenben aufoDfernben SelbftDer- 
iäußmmß für bie9Kenfd)eu beftcht, bie, weilfiinber 
eined unb bcfjelben fßaterd, auch unter einanber 
fflrübcr finb. Dicfe rütfhaltdlofe, fchranfenlofe, 
untcrfchiebdlofe ©inßabe im Dienft fclbftDerßeffen* 
ber Siche ftellt fdwn bad 81. %. hoher, ald alle blöd 
äußerlichen Bräuche unb ©aben ßottedbicnftlicher 
Cbfcr unb Seiftunßcn; Dßl. auch 1 Gor. 13,1 ff.; 
3ac. 1# 27; SHom. 12,1. 

®. 84: ® e r n ü n f t i ß = mit Serftanb nnb 
Atißlcid) mit offener unb uuDartheiifd)cr Gnipfäuß- 
lichfcit für bie SBahrheit. 9?id)t fern Dom 91 cid) 
©otted; nämlid), wie bie 2lnbcrn, bie fid) nur 
burch meine SDBorte ärßern unb erbittern laffen; bu 
faimft alfo amh, wenn bu auf bem einßcfd)laßcncn 
ffieße bfjd)cibenen unb bemüthißen ©ersend fov- 
fd)enb unb lernenb u*eiterßchft, noeft sur Dollen Gr- 
rcimtnift burd)brinßeit. Gd ift bied ein ÜBort ßc= 
loiimciiber Siebe, womit ber©ert einer Seele, in 
loclcftc ein Strahl ber ©ahrheit ßefallen ift, sum 
Dollen Sichte weiter helfen will. Damit erfennt er 
audbrüeflid) bieietiiße Stelluiiß au feinem Dteidic, 
feiner fßerfon unb Sehre ald eine bered)tißtc an, 
bie man ßewöbulid) ald ein „wohliDollent ed 3$cr* 
hältniß sitm Ghriftenthum" heseieftnet, bie aber lei- 
bev Diele Ghriftcn, bic fid) ßcrne bie „Gntfdncbencn' 4 
nennen; bei Dielen ernftlich Suchcnben unb Strc= 
benben nicht Derfteben fonucn ober wollen, unb 
ihnen barum auch nicht licbcDoll unb fchonenb ent^ 
ßcßenfommen, fonbern fie ald „halbe Saite" jurürfs 
weifen ober bod) mißadsten; in ©abrheit ift fie aber 
ffnfßar mandjc ßcrabc ber chrlidiftcn nnb reblichften 
©emfttherbic nothweubißc 2(nfaiißd= unb 
G n t w i cf l u n ß d ft u f c, auf ber fic aber aller* 
biiißd nicht ftehen bleiben bürfen, weil fie mir eine 
11 e b c r ß a n ß d ft e 11 u n ß $mn wollen 2Bahrheitd= 
befift unb Aur ßansen Grfcnntnig 3cßt Ghrifti fein 
foll. Seim ©errn bleibt aud) mitten unter feinen 
arßliftißcn ©cßitcrn fein Siekdauae nod) flar unb 
hell ßemiß, um aud) bic fleiufte S^ur unb leifefte 
Slcßiniß bed ©laubend au erlernten; ia ber über- 
wältißenbe Ginbrurf unb Ginfluh feiner Scrfon ift 
ßcrabe hier fo aro§, baß er and) aud ihnen, wie un= 
wiberftehlid), bie nod) emDfäiißlidjcn Seelen an 
fidi sicht, wie s. S. fbätcr einen Saulud bei Da-* 
madfud. 

II. r Sraae an bie Srhriftaelf^rten. (93. 35 
bid 37.) ®. 34: Gd burftc ihn 92 iemanb 
weiter fraßen ßehort cißentlid) nid)t an ben 
Sd)lnh btefed, fonbern an ben Slitfaiiß bed nädjften 
Serfcd ald Ginlcituitß w folßenben stveiten ©e*. 


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Soitntogf^nl^fhHonftt. 


495 


W)icf)tc. Sinn: 2Baf>reitb -Wiemanfc mehr bcn 
äXutb hatte, ihm burdj eine weitere Srage eine Salle 
ui ftellcn, ridjtcte nun ^cfud fclber-eine Srage an 
feilte ©eg*ier, utn fie, bie fid) ald „Sdmftgelchrtc" 
jo gerne mit bem SHlleinbcfife bet aanjen 3l5alm 
heit brüfteten, mit ihrer blöd halben SBahrhcit 
blofauftcllcn. Muit, ba f i c befchdmt Schweigen 
lnülfcu, fängt bergen m reben an, unb awar iit cd 
bie cntfdieibeube Srage über 315ejcn unb JSüvbe bed 
c ffia d uad) bcin 3eitgnift ber Sdnift, bie er 
au © i c ftcllt, wcldje ber sdjrift SMeiftcr icitt mol* 
len unb bic9Ratthäud ( 22,41 ff.) ebenfalls micber 
mehr in bcn 3iifammenhaitg ber oorangehenben 
Streitfragen rücft, währenb mirfud fdwit burd) bie 
gaine Sonn ber (Svaählung gleich oon oorn herein 
bcn Sieg bed ©errn Schon in feinem Eingriff, b. h. 
(eben in ber 3lrt unb 3Scije ber Sragcftcllung felbft 
betont; SWatth. alfo hat bieje Scl)lu&= unb ©cgeit- 
fraac nad) ihrer ganscu groften gcfchid)tlid)cu 33e= 
bcutung abfid)tiia) an’d ßnbe ber Streitfrage ge^ 
(teilt, unb fic nimmt baruin hier aud) gaita bie ©e- 
ftalt einer folgen an, bei üRarfud bagegen erfdjeint 
fie mehr ald ber Siegreiche 9lbfd)litftberjelben in bem 
Sinn, baft ber £>crr nicht blöd bad „lebte 355ort", 
joubern auch 9i c ch t behalt. 

®. 35: SB ie fagen beim u. f. m. ©amit 
läugnet er nicht, baft bied bolle SBahrhcif, fonbern 
nur, baft cd bie gaiue Wahrheit fei; beim ®a = 
bibd Sohn mar er allerbingd, nicht blöd nach 
ber laubläufigen ©eaeidmung unb gewühnlidjcn 3k= 
nennuna (ogl. SMattl). 9, 27; 12, 23; 15, 22; 20, 3 
u.f. ibj, fonbern and) nach audbrüdlidjen Stellen 
bedSl. J.’d, i.S. 2Sam.7,12ff.; 3cf. 11,1 ff.; 
3ct. 23, 5ff. Sie fragen borhin nach bem ©efefe, 
er antwortet ihnen jefet aud ben ©repfteten. 3Bic 
nad) ber oorangehenben Öcfd)id)te ber wahre ©ot= 
tcöbicnft barin oefteht, baft man liebenb beibe mm 
faßt, ©ott Sowohl ald bie SMenfdm fo befteht ber 
wahre ©laube an ben ÜMcffiad glcid)falld in bcibcin; 
in ber Slnerfcnnung Sowohl feiner mahrhaft gött= 
lüben, ald auch feiner ed>t mcnfd)lid)cn Matur. 

®. 36 nub 37: ©utch ben heiligen ©eift, 
nämlid) 35S. 110, l. ©einen £> e r r it unb: awar 
einen Solchen, bor bem er fidj in tieffter Ghrfurcht 
uue bor ©ott fclber beugt unb bem er burd> bad 
glcid)e 3Sort (Slbottai) audj ben gleichen Mang 
amoeift, mie 3 eh oba h. ©ad 35olf hörte ihn 
gerne, baft er ndinlid) fo trefflief) bie Schrift hanb* 
hatte, aber ohne fid> bedhalb auglcid) innerlich tiefer 
bon feiner 8ebre erfaffeu ju laffcn, bgl. Slpoftelg. 
24, 25. 

III. Sie SBantmtg brr S#flftgrlebrtm. (3?. 38 
bid40.) ®. 38: (fr lehrte fie in einer längeren 
Äebe, wobei er ficf> auuädnt an feine jünger, her¬ 
nach an feine ©egner fclber wanbte, unb bie und 
mir3Dfatthäud(23,1—33) ausführlich berid)tct hat, 
SWarfud unb 8ufad (20, 45—47) beuten nur einzelne 
ftauptpunfte baraud an unb awar nur in ber miU 
bereu Sorm einer blofteit 33ariumg, nicht in ber 
fdjarfen unb ftrengen bev ©rohuitg (wie bei 3Mat- 
ibätid tu bem ad)tmal wicberholteit „ 33 e h c G u d )\ u 
bem ©cgenStücf au ben ad)t Seligbrciiungen ber 
©ergbrebigt); beim mir für bie 3ubend)riftcji, für 
welche ber Ccfetcre oonoicgenb fdireibt, mar bied ocr= 
nid)tenbe SBort bed ^enn über bad gan^e Shun 
unb Treiben ber in 3dracl fo hod) angcfchcueit 
«©harifder unb Sdmiftgclehrteu^ oon foldjcr 23id>= 


tigfeit. ©odj fmb aud) fd)on in ben wenigen 93er= 
jen ber beiben anberen Goangelifteu bie bret 
£auptjüge bed Dharifdifdjen 33efend 
bcutlid) genug gejeichnet: Ghrgeij, ©abfucht 
mtb Sd)einheiligfcit. 3n langen itlei = 
beru, gemeint fiub wohl bie breiten Saume unb 
tief herabbängenben Duaften bed Motfed, ogl. 

4 9Wof.l5,38. 

®. 39: 3m 2lbeitbmab(, b. h. bet ©aft= 
mdblent u.f. m., ogl. 3)kttb.23,6, wo fie gern \ 
oben an fafien atd bie oörnebmften ©dfte (8uf. 14, 

7) unb fid) bamit ald eitler Gbre geijig (@al. 5,26) 
Scigten. 

®. 40: SSenben langed ©ebet oor# ogl. 
SRatth. 23,14 unb 6,5 ff. ©iefe heud)lerifchc Sröm= 
migfeit oermebrt nod) ihre Strafmürbigfcit unb fo= 
mit aud) ©otted aered)tcd ©cricht, 2 Jim. 3,6. 

IV. Sie Sef^iming für bie e^riffgdrlrtnt. 
(35.41 — 44.) ®.41: gegen ben ©otted = 
ta ftc n, meld)er im 3Sorhof cer SBeiber ftanb. 

®. 42: *m e i 6 d) er f l e i it, bie fleinfte gric^ifche 
üKünae, jufammen ein geller, bie (leinfterö=' 
mijd)c 3Wüine, höd)ftcud ein halber Gent jufammeit. 

®. 43 mtb 44: £at mehr eingelegt, ndnu 
lid) mit Müdfid)t auf ben t n n ercn SBcrth ber ©abe, 
ber nid)t oom dufieven ©elbmcrth, fonbern oon ber 
©efinming bed ^)erjcnd abhdugt. 35on ihrer 
Slrmuth, bie weit hinter ihren eigenen ©ebürfs 
niffeu aurücfhlicb, bied wäre für fic ein ©runb gc= 
mefeit, überhaupt gar nidjtd m gehen, um nicht 
fclber in Motb au fommen unb ein 3llinofen au 
braud)cn; ihre gange Mahruitg, trofebem ba& bie 
amci MJünacn ihr menigftend eine jheiluitg 
nahgclegt hatten. 3u>ei ©ingc füllen bie jün¬ 
ger hier ald fünftige Stifter neuer ©emeinben unb 
eined neuen ©ottedbienfted lernen: aud bem 33ilbe 
ber 35hartjäcr, ba§ in gana bemfclbcn ?Waü, 
ald bic duftere ^römmigfeit nur ein 93iittcl bed 
Ghr- ober ©clbgcijed loirb, fie aud) Urjache amu 
©ericht werben muft, unb aud ber % h a t ber 
38ittwe, baft ganj in bcmfclben 33?aft, ald bie 
innere Srömmigfeit in 3ßabrheit ein ftiUer ©ot- 
tedbienft bed Öcraend unb eine oevborgcnc, aber 
oöllige Eingabe bed ganaen SDienfd)cn unb alled 
beffen, wad er ift unb hat, au ben föerrn ift, fie 
aud) ant mirtlirfwn Sürberung unb Grhauung ber 
©emeinbe bienen unb für ben ©ebenben felbft icbed 
Opfer au dufterem ober innerem Segen werben 
fann, fobalb er nur gelernt hat, fein eigen £>cn mit 
hineinaulcgcn. „Srciltd) gum 33citcvbau bed ©ots 
tedhaufed in 3enifalcm, woau ber Jempelfd)ab au= 
ndchft beftimmt war, haben biefc paar armfeligcn 
©ettlerpfennige wenig ober nichtd beigetragen, aber 
wer weift, wie oiel 3iufcn fdwn bied bei ©ott am 
gelegte Kapital feither im Saufe ber ganaen ©efd)id)te 
ber d>ri ft liehen Kirche getragen hat?" 

®idbofition: 33ie bad ed)tc Ghrifteuthum 
fid) beweifen müffc. 

1) in ber oollcn Eingabe unfercr fersen — 
SScrhdltnift au © ott (35. 28—34); 

2) in bem offenen 33cfcnntn$ unferd 3W u n bed 

— 3?erhdltnift an Ghrtfto (33. 35—37); 

3) in bem loiuteren 3cugitift unfered SSaubelS 

— 35erhdltnift aunt 3?dchf;cit (iß. 38—40); 

4) in bem inneren SBcrthe unfercr Opfer — 
35cvhdltnift au und felbft (35. 41—44). 


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496 


3onntagrd|ul>#ehtionen, 


Sonntag, 10. September. SRatf. 13,1—20. 

3)te WuSjtdjt auf fommenbe Reiben. 

2rit: ©er SBifeige fielet bab Uitßlüd, unb Der* 
birgt fid); bic Silbernen gehen burebhm, unb luerbcn 
beidmbiget. (<Sprüd>c 22, 3.) 

iulntuug unb allgemeiner Ueberblid über 
bab gange Kapitel: 6 b enthält bie grobe 3DBetf* 
fagungbrebe beb ©errn Doii ber Bcrftörung 3crufa* 
iemb alb bent itäcbften unb Dom iüitgfteit (b. b. 
lebten) ©agc, alb bent lebten Gericht ©otteb über 
bab ungläubige 3} o 1 1 unb bic gottlofc StB eit. 
Unfere heutige ßeftioit banbelt gitnädjft nur Dom 
©eriebt über ^ 6 ra c(# bie heilige Stabt unb beit 
Stempel unb gwar ift babei guerft Don ben fchred* 
lidtcit 35 o r 5 c i d) c n f bann Don ber cntfefeüdien 
©rangfal unb ©rübfal fcIber bie Siebe, 
©on tDcut btefe aubgeht, ift nicht gefagt, mar aud) 
bei ber bgmaligen Beitlage flau* telbftoerftänblid)', 
eb faitn nur bie r ö nt i f d) e SB e 11 nt a cb t fein, 
Don ber fie herrührt. 3m (Singelneu tommen 
nun gur Sprache: 

I. $er Stiftest tnlaft für bie Siebe be§ £trrtt. 
(©.1—4.) 8.1: Seiner 3«it ft er (Siner, 
oicllcicbt ti b r c a Ö, ipeil er nachher (35.3) unter 
ben brei 8 icblingöiüngcm genannt ift. Seine 31ns 
rebe fuüpft fid) Dielleidjt nod> an bab ltnS nur 
SDlattb. 23, 39 erhaltene Sdjlufnoort ber ooran* 
gehenben, Don SRarfub nid)t Dollftänbift mitgetheil* 
ten Siebe an. U tt b to e l dj e,i n 9} a u i ft b a b ? 
Stimmt man ben eben angebeutetcnBufammenbang 
wirtlich an, fo lüfte in biejer grafte nicht blob bie 
ftauiteube ©ewunberuna beb prad)tiaen grobartigen 
©cbänbeb, fonberit auch ber Sicbcnfinn: tote fchabe 
loärc eb um eilt fo herrlidieb ©aumerf, locnn cb ser- 
ftört tuürbe! (Sin neuerer Slublegcr fcbilbert bie gange 
Scene fd)öit in folgenbcn SGBorten: „ 6 b ntaft gegen 
8 tbenb ftciDefeit fein, alb 3cfub aufbrach unb bab 
©ciligthum oerlieb; in beit Strahlen ber unter* 
gehenben Sonne glänglen unb glühten feine ©lauern 
unb Binnen unb feine faft ciugigartigc Schönheit 
trat in um fo hellerem 8 id)te hcroor r SB e l ch e 
Steine, b. h. 'nie grobe unb ftcioaltiae: noch bie 
heutigen lebten Ueberrefte legen ein berebteb Beug* 
nib baoon ab burdj bic foloffalcn Ouaberit unb 
SDIaucrftüde mit ihren SBcrffteincn Dott oft 18 bib 
20J?nft Sange unb 5—6 S*ub ©öhe! 

8 . 2 : S i c h ft b u tu o h 1 u. f. to., gu ergän* 
gen ift babei: „unb fommeit bir babei nid>t auch 
ernfte ©ebanfen in ben Sinn, wab für ein fdjwercb 
©ottebgeruht bod) bab fein muffe, bei bem and) foldie 
9D?ad)t unb ©rad)t fpurlob untergeht?" St icht ein 
Stein u. f. io. ©iefe S3cftätignng beb öerrn ift 
ebcitfo ruhig alb beftimmt, unb ebenfo felbftgcmib 
alb aubnahmblob. 

8.3: aufbem Oelberg, alfo beim SSeg* 
gang aub ber Stabt, um nad) ©ethanien gu gehen 
über babibronthal hinüber, ©egett b c n © em* 
pcl über, ben map Don bort aub gerabc unmittel* 
bar Dor fid) hatte; beim bort fdjmeift ber freie ©lid 
über bic gange freite ber Stabt hin. „©ort übt 
3cfub wie in tiefeb Sinnen berloren unb bie 3ün* 
ger finb ihm ftumm gefolgt. 3 ebt aber treten bie 
Dier ©ertrauteften gu ihm heran unb unterbrechen 
bab ftiücSdjmcigcu; fie bitten um nähere Slubfunft, 


wie unb mann bab ©eridjt erfüllt werben fülle 
b. h. gu melcherBeit unb unter welchen Umftänben, 
©erhältniffen-unb ©orgeidjen." ©b finb bie fei* 
ben beiben ©rüberpaare, bie fchou beit 
erften Slnfang ber öffentlichen Shätifjfeit 3efu in 
©aliläa miterlebten unb bie nun iefet bie ©inpfäitger 
feiner lebten, bie SBirffamfeit in 3»bäa ab* 
fdjliebcitbcn SBeiffagung werben bitrfcn. Unter 
ihnen finb bie brei Sieblingbiiutger abfid)tlid) gu* 
fautmen* unb gugleid) oorangeftellt. 

8 . 4: S a g c u it b u. f. m. ©ine folche ©er* 
traueitbfrage tonnen fie iebt wagen, ba weber er 
nod) fie mehr Slüdftdjt auf bie itmpebenbe ©olfb* 
menge gu nehmen haben. Stirn beginnt ber eigent* 
lidte 3nhalt feiner Siebe felbft: 

II. Sie liiere {folge M ©rridjtb ©otteb; babei 
nennt unb ber 2 ert gweierlei: 

a) ©erfäifchung bc3 Ghriftenthum3 
unb ©erfolgung. ber ßbriften. ©.5 
bi3 13. 

8.5: S c h e t g tt k. , bemer!en3werth ift, wie 
ber iperr in feinen SBeiffaguugcn unb ©elehrungen 
über bie Bufunft zugleich immer and) fdjoit 
praftifdje SLBinfc für bie ©egenwart einftreut, 
fo hier unb ©. 21 bie 2BarniHig, fid) nicht Don fal* 
fd)cu SWeffiaöhoffttungeit täufchen gu taffen, fpäter 
(©.7), nid)t Dorfd)iiell ba3 lebte ©nbe felber gu er* 
warten unb enblich (©. 14), ben rechten Bcitpunft 
gur Stettung nid)t gu Derfäumcn. 

8 . 6 : U n ter tue i it e m St a in e tt, b. h. fo, 
bah fie meinen SJamcit glcichfam al3 ©erfmantel 
für ihre 9(nfprüd)e benufeen unb unter fehteut Schube 
Slnerfennung für ihr Sluftreten fiitben. ©ab ©eridjt 
geht Dott 3 niteit itad) 9lupen: Buerft fomutt 
bie Grwedutig ber falfchen SOtefftabhoffnung, womit 
bab ©erberben innerlich in ben ©eigen beginnt, 
bab fid) bann auch äu&erlidj in ber i r d) e geigt, 
bib bann eitblidj aud) Don Seiten ber SB eit bie 
Stürme beb ©eriebtb hereinbrechen, ©ie itatür* 
lidifte unb näcbftc Strafe für bic ©erwerfung beb 
wahren SJteffiab ift für 3$rael bab ©reibgegeben* 
werben an biefe falfdjen Stetter, ©efreier unb ©olfb* 
beglüder (3oh. 5f 43). SBie bem erften groftcu 
Strafgeridjt über 33*ae( in ber babplonifdjcn ©e* 
fangenfehaft folche lügenhaften ©ropheten unb 
©röfter Doraitgegangeit waren, fo treten fie aud) jefet 
Dor bem gweitem ber Bcrftörung 3cntfalentb aut, 
fo g. ©. teuer Simon unb ©heubab (Slpoftclg. 
8, 9. 5, 36. 21, 38) unb Diele anbere berartige 
Schwärmer, bereit man bei ben 3üben feit ßhrifto 
mehr alb funfgty gählt. 

8 . 7: SWit btefent ©erb beginnt eigentlich erft bie 
SBeiffagungbrcbe Ghrifti felbft unb gwar mit ber 
©elehruitg über bic © o r g c i dj e n fetneb erften 
gerid)tlid)en flommcitb gur Bcrftörung Jcrnfalcntb. 
Kriege, b. h. bab laute Schlachtgetummel felbft 
in ber S?ähe, Ä r i c g b g c f ch r c i, bie ©crüdjtc 
Don fotitmenben Äätnpfen in ber Seme. S ü r d) t e t 
euch nicht, Don ben falfchen Steunben unb 
Sügenpropheten fodeit fie fid) nicht Perioden unb 
Don ben Scinbeit nicht abfdjrcden laffett, foitbern 
getroft unb befottnen bleiben, ©ab ©nbe, 
nämlich beb lebten SBeltgeriditb felbft, bem erft noch 
gang anbere ©rübjale unb ©rangfale Doraitgehen 
ntüffeu unb Don bem bie Bcrftörung 3erufalemb 
felber nur ein fdjwacheb Slbbtlb unb ©orfpiel ift. 

8. 8: Bu ben ©mpörungen in ber ©öllerwelt 


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Sonntagfd|nt>febtioiiem 


497 


fommcit notfi fchredlichcre ©emegtmgen im Mciche 
ber Matur. ® e r M e t h 9t»f a ng, t*. t\. fo groft 
bic Moth and) iefet fdmit fein wirb, )o mirb hoch bic 
aröfttc Moth, au3 bet aber fd>licftlid> bod) nur ba3 
©eil heroorgeht, erft nod) fommen. 

8.9: 3hr aber, ibr 3üttgcr, feht eitd) oor, 
bctji ibr in bcu cucb bctrcffeiibeit fieiben wohl bc- 
flehet, b e u n f i c, bic ungläubigen 3ubcn, werben, 
beoot ba3 göttlidc ©crid)t an fic fclbcv fontmt, eud) 
»or ihr menid)lid)e3 @crid)t fd)icppcn r um meU 
netmillen unb nad) meinem ©orbilb (oergl. 
®fatth.20, 19). ©ci 2Karfu3 finb hier in3oc= 
fonbere folcbc 3üge mit cingeflodteii, bic bei ü)ia t- 
thäu3 Awar auch nicht gan.ntt ber Öerid)t3vebe be3 
©evm fehlen (berat. 24, 9), aber hoch nod) au3führ= 
lieber in ber oon ihm berid)tctcn groben Mcbc 3ciu 
bei 9(u3fenbuiig ber 3üitget (Miattly. 10, 17—22) 
enthalten finb. 

8 . 10: 3u oor, ehe nämtid) ba3 wirflidie(Silbe 
oon©. 7 fommt. Unter allen Golfern (berat. 
9Ratth.24, 14), wo ba3 bei 9Rarfu3 fd)on im 
boriaen ©ev3 ftebenbe „a if e i n e in 3 c u a n i 6 ft b c r 
fie" erft hier fotat, = jo baft c3 ihnen allen beAeugt 
unboevfünbigt unb angcboleit ift, ob fic e3 nun an= 
nehmen wollen ober nicht, unb fie fomcit feine 6nt= 
(chulbiauua haben (berat. Mont. 1, 20). ®ann erft, 
meint btefe ©orbebingung erfüllt ift, nämlich bic 
©eil3aucrbictimg ®otte3 an alle ohne 9lu3nabmc, 
bann fann unb wirb, bann muh aber auch ba3 
Snbc, b. h. bic lebte (Sntfcheibuug, fclbft tommcn, 
bie fid) gaitj ttad) ber Stellung richten wirb, mcld)c 
bie (Sinketneu aur aitgeboteneit ©nabe einaenommen 
haben. Da3 (Soaitgelimit bat feinen Öattf burd) 
bie gange ffiielt bollenbet, ber ©taube baran ift 
3ebcm ohne Unterfdncb möglich gcmcfeit; iebt, 
aber aud) erft iebt folat uothmenbig ba3 ©evicht. 
MJerfwürbig ift, wie ju ben ©oracidtcn be3 lebteren 
Atoei fd)ciitoar fo wibcrfored)enbe ®ingc gehören, 
wie ber ©erfaß be3 ßhriftenthumS nad) innen (©. 
5 ff., 21 ff.) unb feine möglühft umfaffenbe 9lu3- 
breitung nad) au&cit. 

8. 12: Mber itidtt nur von ben ungläubigen 3n* 
beu mirb ben Shriften eine folcbe ©erfolguttg au 
S hell werben, fonbern felbft oon ®cnen, bic ihnen 
oon Matur bie Mächfteit fein, unb oon beneu fic fid) 
alio lauter ©ute3 au oevfehen haben feilten; weil 
aud) unter ben ©hriften bcuit Sieg ber ©efeblofig= 
feit unb 3uchtloftgfeit be3 2ßcltgcift3 unb3eitgcift3 
bie llugercchtigfeit überhanb nehmen unb bic Siebe 
suni öerrn fowohl wie au beit ©rftbern erfalten 
mirb (oergl. ©iatth. 24, 12). ®cr ©taube giebt 
un3 fo oiel trüber unb Schmettern, a!3 Shriften 
finb (oergl. 9)}arf. 10, 29 ff.), ber Unglaube bage= 
gen oenuanbelt and) untere natürlichen ©rüber unb 
Schwertern in Seiubc unb ©enäther. 

8.13: 9Mit beut 9®ort „um ntctneS Ma= 
in e n 3 io i 11 c u " ift beutlid) auf bie fpdtcrcn 6hri= 
Itenocrfolgungen hingemiefen, meld)e ®arfu3 
mohl abfichtlidj etma3 auSführlidtcr behaubclt al3 
SWatthäuS, befonbev3 für bic ffhriftcn in Mont, 
für bie er ohne 3u>cifel hauotfädUid) fdirieb, mar 
bieft fehl* nächtig, nungl sur 3cit ber mahrfdiein* 
(ichen Mhfaffung fciue3 6vangeltnm3, mo biefetben 
bereite im ®ang waren. 

b)©d)änbung be3 ^ciligthumS, aber 
Schon u n g ber ^eiligen. ©. 14 bi3 20. 

8 . 14 : ©on bem ber©rophet ®aniel 


fagt, (oergl.®an.9, 27; 11,31; 12, 1), ba er 
nicht füll, nämtid) „att heiliger Stätte/' bic ba= 
burd) entweiht liub bem ©erid)t ber ©ermüftuug 
oreiogcgcbeit, ia entgegengefühvt mirb. ©emeint 
ift mit t'cm „@ r ä u c l ber © e v m ü ft u n gb.h. 
nach bem eben ©efagten bem bic fehlicftliche ©er- 
müftung be3 ,t>eiligthum3 oeranlaffenbcn unb fogar 
hevbeiführenben ©räucl ohne 3u'eifel jene# 6rcig= 
nife, ba3 beit merfwürbigen ©Jenbcvunft be3 ganseii 
iübifdteit Kriege# bilbete, nämtid) bie ©ctagerung 
ber auf ben Sempclbcrg fid) ^iivfidächenbcn uno 
bort fid) oerfdtansenben fübifden Srtwpen, burd) 
bcu ft)rifd)cii Statthalter (?cftiu3 ©atlu3 im 
$erbft 66 nad) Ghrifto. So taug nod) ber Semmel 
fclbft itttangegviffcit unb unenimeiht beftanb, fo lang 
biefe heilige jBohuung Wotte3 unter feinem ©olf 
noch oon ber ©erwüftung unb beit ©rauelit be3 
ffriege3 oerfdiont mar, mar auch bic Stuube jur 
allgemeinen ?f(ud)t nod) nid)t gefommeu, beim bie 
©egenmart ©otteä bot and) bev Stabt @ottc3 nod) 
immer fid)cten Sdmfe unb gemiftc Hoffnung bc3 
Siegeo; ift aber fein ßeiligthum fei ber geidmnbet, 
fo meid)t aud) ©ott Selber ooit feinem ©olf unb 
Sanb, unb bamit ift ba3 3eid)eit sur allgemeinen 
5(ud)t gegeben. 9Cud> 8uf. 21, 20 wibevforicht bie- 
fer .^ofrnung nicht, beim bei bem belagernden ©ccre 
ift bort nid)t uothmenbig fdion an bie römifdien Se= 
gioneii ju beuten, mie bic3 a. ©. 9)?attb. 24, 28, mo 
aber fchon ooit ber eigciittidicn, lebten 3evftörtmg 
ber Statt burd) bie Monier bie Mebe ift, wegen ber 
au3bvücflid)eii ©e\iehung auf bic röinifd)en 9(blcr 
Fid) aUevbittg3 fatt uothmenbig ergiebt. ffdtiuS 
©atlu3 üog fid) übrigen^ bama(3 gaitj unbegvetf' 
lid)cv SKeife faft ^lefelidj mit ungeheuren ©erlufteit 
loicbev Auvücf, unb e3 trat für bie bebrängten ^uben 
eine ^rift burd) einen mcbrmcnatlidien SBaffenftilU 
ftanb ein. ®iefe firiegooaufe hätte aber auch feilen 
red)t bcimbt werben; barauf beutet ba3 ®ort hin: 
„® er e3 liefet, ber oernehme c3!" b. h. 
er mad)c fid) bic barin liegenbe evnftc unb bvingenbe 
SSarmmg ju Mufe, baft er ftd) nicht burd) bie fal- 
fd)en Ä>effniiiiaen ber anbevn betrügen laffe, mie 
bic3 thatfädilid) bei ben jubelt bamal3 gefdtah, bie 
Fid) in falfdie Siege3Ftd)evhcit einmiegen liehen, unb 
in voreiligem Siege3iubcl 9llle3 micbcr einbüfiteit. 
9luf bie ©erge (^ubäa’3), beim ba*S Svladilanb 
mürbe natürlich juerft ooit bcu feinblichen Sruooen 
ühevfdicmmt. 

8. 15: (StmaS ut holen, etwa a(3 Meife= 
ooiTath, beim bie 5Vlud)tfoll fchleunig gefdtehen ohne 
hefd)mcrenoe3 ©eoäd; au evgämcit i)t: fonbern er 
fteige foglcid) auf beit aufecit am ßau3 hcvunterfüh= 
renben Sreoocn fo fdmclt al3 ntöglid) herab, oba* 
flüdite fid) citigft über bie Madjbarhäufcr (SRatth. 
9, 2), um ungefäumt ba3 2Bcitc au gewinnen. 

8. 18: © i t te t aber, bie3 fd)lie§t in fid), Oafi 
©ott aud) in fold>cit 3citcn ber äufeerftcti Moth nod) 
helfen ober bod) linbern faim. ^ nt 95B i n tc r, bei 
ber oben ermähnten Micberlage be3 Geftiuo ©a(lu3 
mar e3 bereite Oftober, alfo bic Megcnjeit fdion 
eingetreten; unb merfmürbigcrmcife marc3gerabe 
and) ein Sabbath (ocrgl. 9)?atth. 24, 20), an 
welchem bie 3nbeit ihren 9lngviff auf ihn machten; 
ber S a b b a t h ift hier oon M? a r f n 3 meggclaffcn, 
ebeitfo wie fdmit in S. 14 bie Mäutmmg be3 Sem- 
Oc(3, weit er für fpatcrc Beiten fdmeibt, mo bcibe3 
für bie römifchen ©etbcnchriftcn nicht mehr bie hohe 


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498 


3mtnta$fii|ui=|ekti0iieti. 


Söebentnng Tratte, alS für bic 3ubendmften, an bie 
gunächft baS NtatthäuS Goangelinm fid) wenbet. 

8.19: 3n bicfcit Sagen, wenn nämlidj 
baS große ©trafgeridjt wirflid) hereinbriebt, bem fie 
fich burd) red)tgeitige 3lud)t entheben feilen; waS 
foäter buvd) ben SluSgug bet Ghriftengemeinbe auS 
3erufa(em nad) 93 e U a in 93eräa aud) wirf lieb ge= 
fchab. Unb aud) nid>t wer b e n wirb, mit 
9luSnabmc ber großen Srübfal ber lebten 3*itr 
Offenb. 13, 7 ff. 10,15 ff. 

8.20: Nidjt würben oerfürgt, nach 
©otteS Nathfcbluß, ber ihre ®auer fdjon guoor be= 
ftimmt unb abßcmeffen bat nad) ber troftootten 
93erheißung 1Gor. 10,13. £)enn ohne biefe 93c* 
fd)ränfung würbe bic®rangfal auf bie£)auer nicht 
gu ertraaen fein. 

Sityofition: ®ic ÄuSfidjt auf fonunenbe 
Seibcn: 

1) fie forbert bie beifiame (Sin ficht tu bie 93er- 
gängliehfcit unb ©infälligfeit aücS Srbifdjen. (93. 
1 unb 2); 

2) fie forbert eine beitiße 93orfid)t ßCßenüber 
ben 9Serfübrunßen ber 953elt (93. 3—6); 

3) fie lehrt unS bie göttliche 91 b f i dj t bei alter 
Srübfal oerfteben (iß. 7—10); 

4) fie webrt aller fleifcblidjen N a dj f i dj t gegen 
unS felbft ober aubere uRenjdjen (iß. 11—13); 

5) fie treibt unS gur sollen Gntfdjiebenbcit ohne 
alle bebenlliche N ü d j i d) t (93. 14—17) ; unb 

6 ) fie tröftet unS mit ber felißcn ©ewißbeit ber 
alles bebeufenben göttlichen St n f f t d> t (93. 18—20). 


Sonntag, 17. September. 2Warf. 13,21—37. 

2)rr ^intociö auf bntycnbc ©eridjte. 

Sfft: 93on ben Beiten aber unbStunben, lieben 
93rüber, ift nid)t notb cueb gu febveibeu. (1 Sbeff. 
5 , 1 ). 

CittfeUttng: $er9lnfang berßeftion ift eigene 
lid) nod) eine ^ortfefeunß ber oorigen unb 93efcbluß 
beS erften großen ©auottheilS ber gangen ©eriebtö* 
weiffaßunß beS ©errn, bis 93. 23; oon 93. 24 au 
beginnt bann ber gweite wichtigere, bev oom gweiten 
953ieberfommcn be3 ©errn banbeit SEBährcnb bort 
nur oon bem oorläufigen ©trafgeridrt über baS bei 5 
liße 93olf, bie heilige Stabt unb ben beiligcn Sem- 
bei bic Nebe war, alfo oom @erid)t über 3 S r a e l 
unb 3 e r u f a l e m alS 93orbilb beS großen 9Belt- 
geridjtS, fo hier oon bicfein abfdjlicßcnbcu Gnb= 
ßeriebt über alle 33ölfer felbft. 

I. 8ilb ber fommenbtu ©friste fellfl. (93. 
21 — 27.) 8.21: Bo ber Beit, nämlidj-gur 
Beit foldjcvSrübfal, wo bcgreiflid)ctmcijc bie ©ebn* 
fiuht nad) Gvlöfung am lebcnbigften unb barum and) 
große Neigung torbanben ift, benen, bic'cine folcbe 
bringen gu fonnen oorgeben, oollcu ©lauben ober 
bodj minbcftenS ©chör gu fdjenfen; f o g l a u b c t 
nicht, benn ibr wiffet ia, wer allein euer ©elfer 
unb ©eilanb ift, unb wem ibr allein euch anoer= 
trauen bürfet, eine äbnlidjc Sßärnung ogl. 9Rattb. 
7,15 ff. 

8.22: falfche ßbrifti. ©ebon ein fronu 
met alter 9luöleger fagt: *93or nichts bat man ficb 


fo febr su fürchten gu allen Beiten, alS baß man ficb 
einen falfcben GbriftuS mache, wornacb Ginem bie 
Obren juden." ©olche falfcben Ghrifti traten alfo 
fdjon bamalS bei ber Berftörung ^erujalemS auf 
(ogl. 93. 5 unb 6 in ber oorigen ßeftion), noch oiel 
mehr wirb e$ aber in ber großen Srübfal ber lebten 
Beit berftaü fein, ogl. Offenb. 16,13. 13,11 fr. 
2Jheff. 2,9 ff. ga If che Propheten, weld>e 
jenen falfcben 9Keffiaffen ben 9Beg bereiten unb gut 
93cglaubigung ihrer oorgeblicben göttlichen ©enbung 
fogar große 3 * i cb e n unb 953 u n b e r thun; eS 
giebt alfo auch tenflifcfc gewirfte 95Bunber, bie alS 
trügerifd)e Nachäffung ber göttliAen ben gerabe ent* 
egengefebten B^erf oerfolgen, nämlich bom ©lau^ 
cn an ©ott abjubringen (ogl. g. 9J. bie Nach 5 
ahntung ber 953unber NcofeS burch bie egobtifchen 
Bauberer). ©o e$ möglich wäre, benn ©ott 
wirb feinerfeitS bur^ gewaltige ©egengeugniffe ben 
Ginbrud jener 3cichen unb 953unber an benen, bie 
feinem 933ort nodj ©lauben fchenfen, wieber wir= 
fungSloS machen, ogl. Offenb. 13,18, unb ihre 
Seelen fo burd) bie S)?acht feiner ©nabe bewahren 
gunt ewigen Seben, ogl. Offenb. 14, 12 ff. unb 8uf. 
21 22 

8.23: 9(lleS guoor gefaßt, fo ba§ ihr 
eud) uid)t braud)et übenafd)en unb betrügen gu 
laffen, unb aud> nicht im Ungewiffen barüber blei= 
bet, fonbern wiffet, waS ihr baoon gu halten habt, 
©icr fdjliefct alfo wie gejagt ber erfte © a uu t = 
t h e i l unb gwar gang mit berfclben Mahnung gut 
93orfid)t, womit er fd)on oben 93.» begonnen hatte, 
unb c$ beginnt nunmehr ber g w e i t e. ®aS ©e= 
rid)t, gu bem GhriftuS fommen unrb, oollgieht [vft 
wefentlid) nid)t auf einmal, glcidfam nur in einem 
eingigen@erid)t3att, fonbern burd) mehrere ©erid>tS? 
fataftroohen binburd), wooon jene Berftörung 3eru= 
falemS burd) bie Nömer unter ftaifer jituS 
im 3 a h r 70 nach Ghrifto nur erft eine unb gwar 
bie ber Beit nadj frübefte ßntwidlungöftufe bilbet, 
baS fontmenbe ©erid)t oom jüngften Sage aber bie 
lebte unb gugleid) 9lllc3 für immer unb ewig ab* 
fd)liefjtenbe. äkibe ©eridjte hängen in ber 3Beifc 
mit einanber gufammen, bafe baS erftere baS nod) 
unoolllonuncne 93orbilb für baS lebtere, unb biefeS 
nur bie oollenbete Grfüliung oon jenem ift. 2luf 
baS erfte Äomnten beS ©ertn, baS feinet 
äußeren Grfcheinung nad) ein kommen in ber Ni es 
brigfeit beS 5lcifd)e3 unb feinem inneren Bwede 
nach ein Äommen gur ©eilSancvbietung unb ©eilS^ 
aneignung burch bie ©nabe gewefen war, folgt 
nur nod) ein eingige3, gleichfalls berfönlicheS 
unb fid)tbare$ gweites ftomuten beS ©errit 
in bimmlifchcr ©errlid)!eit jur ©eilSoollenbung 
burd) baS © e r i ch t. 3)iefeS ©ericht aber ooügicbt 
fid) burd) mehrere ßntwidluugSftufen binburd), 
bic in ber biblifeben 953eifiagung halb mit mehr, 
balb mit weniger großer "j)eutlid)feit heroortreten. 
gnSbefonbcre gebt gang ebenfo, wie cinft bic erfte 
Grfdjcinung Ghrifti auf Grben in ber 5üHc ber Bei 5 
ten burd) bie gange Beit ber altteftamentlichen 
©eilSoorbereitung in Israel cingelcitet 
würbe, ehe fie eine ©eilSgubcrcituiiji für alle 
93öl!er werben fonnte, So auch bem abicbließenbeit 
9B c 11 g e r i <h t ein 93 o i! S g e r i d) t über 
3$rael alS 93orf)>iel oorauS. 3)ieS fiub bie 
b c i b e n © a u o 11) u n f t e, um bie eS fid) in ber 
gangen Nebe banbeit: ©ericht über 3$rael unb ©e 5 


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ättmtasftttUfeittititffc 


499 


rieht über alle SSelfer, mtb fdjwieriß ift aud) bei bie= 
fer, wie bei ieber ffieiffaßttnß überbauet, teeren dolle 
Snthülluiiß eben immer erft mit ber oollen Srfülluiiß 
eintreten faitn, bie erft bie 3ufunft bringt, einend 
litt» mir bie Sraße itad) bent g e i 11 i d) e n Gebens 
mib 9iad)ciitanber jener beiben ßauptfeiten, fofern 
fic bnrd) baS Uebcrfcben unb Ueberßcbeit ber 
3wiichenftufen faft in unmittelbare 9iäbc aueim 
anber aerüeft fdwiitcn, jo bafe and) baS Seine febon 
wie bid)t beoorftebenb evfd)cint. 9113 ein ßcrid)ts 
licbeS kommen beS ßernt ift aber jene 
3erftörmiß BcrufalcmS allerbiitßS and) fd)oit gu be= 
trachten, wenn febon nid)t alS ein perfönlid) fid)t= 
barcS, unb bildet baruin alS eine nod) im gcitlidjeit 
Sauf 0er2Beltßefd)id)te fid) oollgicbcnbe ©erid)t3tbat. 
©otteS für baö lepte ©cblujjßerid)! am Gnbe ber 
$aßc, ba3 für bie ßangc 2Belt eine abfolut ßeltenbe 
©cbeibuna unb Sntfcbeibuitß bevbcifübven wirb 
biirch bie zweite fidjtbare unb perföiilidw SBieber^ 
hilft Gbrifti, jogufaßen nur bie ©runblaßc, einen 
blopeit uorläufiftcit 9tube= unb ©urdmaiißSpuuft 
für bie rid)tcrlid)e SEhätißfcit ©otteS, bie ihren inne= 
reitSlu3ßanßSpunft fd)on in bcrScnbmiß bc3©ob= 
tteS fclbft batte (oßl. Bob. 3,19). ihren äußeren 
©cbluppunft aber erft fünftiß im befinitioen Sud* 
Bericht finben wirb. ^Mitten inne lieat nod) wäh= 
renb beS (langen gcitlidjeit Verlaufs ber dmftlichcn 
Rirdje eine neben allen ©erUhten bcrlaufenbe ©na* 
bengeit, eine fortwährende ©nabcnoffenbaruitß 
Befu ßbrifti, fein ßleidjfallS unfid)tbarc3 unb dem 
noch »erf6nlict)eS „Ä'oimnen im beiliaeit ©eift" Cxtob. 
14,18 ff. 16,16. 20 ff.) Srft wenn aud) biefe Ucbcr= 
ßaiißSperiobe vorüber ift, erfolgt ber lebte 9lbfd)lup 
«13 da3 ©nbe unb Biel ber ßangen SReid)3ßcfd)id)tc. 
®iefe ocrntittelnben Bwifchcnitufen finb nun aber 
in ber 2Beiffaftuna3rcbc beS ßerrn, welche über alle 
biefe blofjeu ® iirchßaiißSperioben unb GntwirflmißSs 
momente beS acfd)idjtlid)en ^rogeffeS mit einem ein- 
giften ©djritt bimoeftfd)reitcti oölliß überaanften, bie 
beiben ita taftropben bc3 allftcmcinen 3Beltßcrid)tS 
unb ber 3crftörmiß BcrufalemS finb in eine fo enae 
geitlidje Scrbiubuiiß ßebradjt, baß fic faft in einen 
eingiften ßcrttfjtlidjen ©ebluftaft guiainmengtifallcn 
fdjeineu. Gbriftu3 fleht im ©eriebt über Bcrufalem 
bereite „beit 9lnfaiiß beS SubeS", unb oor feinen 
Siiften fchlagcn bie Stammen ber brennenden Stabt 
unb ihrcS Stempels bereits in baS Seuer beS ßroßen 
SBeltcubranbcS um, ober oiclmehr beide in eine eins 
gifte ©lutb gufatnuien. Sind) ßr folflt hier bei fei* 
tter ©ciffaßuitß bent allaemcinen ©efep aller 
©eiffaaiina überhaupt, bent joft. ©efep ber «pro* 
Phetijdjcit H$erfpeftioc", woniad) wie beim 5Mid( oon 
einer hoben ©arte au§, nur bie beroorraßenbften 
fünfte beutlid) unb flar erfdteinen, bie bagwifdjen* 
licftcnben itiebriaereu ©cftcnftdnbe aber mehr ober 
wenifter perfchioiitbcn mtb bie weit attScinanber lie= 
flcnben ©iitfic als bid)t gufanimcnßcrüdt ßefdjaut 
werben, tucil ber ©lief über beit fic trennenben 
Bwifchenrautn hiuwcßficbt, fo baß iene ihm nid)t j 
fowobl in einer fiinic hintereinanber gtt folflett, alS j 
oielntebr auf einer Släd)c ttcbencinanbcr gu fteben 
fdjeinen. ©o bat ber ßerr aud) hier bie beiben 
«ro§en ©oricbtStbatfacbcn in einer ununterbrod)cn 
fortlaufcitben ©erid)tSfccne gufaimnenßefdjaut unb 
bentftentäf) aud) gufauuneufteftellt, trofebem bah fie 
geitlid) nicht gufaitimcnfallen. ©eint bat er fid) 
«ber barurn bod) nid)t, fofern ia wirflid) in ber Äata* 


ftropbe über 3erufalem baS ©eridht jehott beflimtt, 
aber freilidj nur erft alS ein tbeilweifeS über bieS 
cingelnc s -Bolf, noch nid)t alS baS allßemeitte über 
bie ftangc 9Belt, immerhin ift aber bamit ber rid)ter= 
lid)e 9Sroce6, ber freilich erft beim gnbflericht, alS 
bent Stafl ber bleibenden ©ichtmtfl unb Skrnid)tmifl 
alles flottlofeu SBefcnS, in feine lefete ©pifee auS= 
läuft, weniftftenS ciitfleleitct unb in ©attfl aebraebt. 
®a6 beröerr fclbft, ba wo er Icbrcttb rebet, einen 
längeren Bwifdjenraunt gwifchctt feinem erften unb 
gweitcn ftontmen oorauSfept, geiflen flang beutlidj 
bie ©leichniffe 9Hattb. 13,31 ff. unb auch bieSBorte 
in unferent flcflenwärtiflen £aüitel, 9J. 10, nötbiflcn 
unS gur Slmtabme einer folcheit läuftercit ?5eriobe, 
unb ebeufo bie ftaitge fiel) baratt anreibenbe SReicbSs 
ßntwicfluufl (pftl. 9)iattb. 22, 7ff.); aber wo er 
weiffafteub rebet, läßt er biefe ä)cgiebunft auf bie 
alimäblidw ftcfdticbtlidte ätcibenfolfte fallen unb fuflt 
ftcb ben Scbranfeit alleS propbetifdjcn ©dtatteitS 
unb SRebenS, ßang fo, wie er nachher felbft (93. 32) 
die ©djranfen feincS SBiffcttS im ©taub ber ($r- 
niebriftiinfl bemütbifl attcrfcnitt, bie felbft ba, wo er 
weiffafteub bie Bjduitft enthüllt, noch nid)t iwllift 
ßcfallen finb. 3Bie er felber hier auSbrüdlid) auf 
eine nähere Slttflabc ber 3eit oergid)tet, fo toerbeit 
aud) wir in 9icgua auf biejeit fUunft aut beften baran 
tbun, oott feiner ®emutb gu lernen unb unS habet 
u befdjeiben, nur gu wißen, bafc ein iokberStaft 
onttnt, aber nid)t, wa it u er erfd)eint. ®emt nur 
ieneS ift ber ileru unb äRittelpunft feiner tRebe, bieS 
baflefteu eine bloße 9Jebenfad)e, ja hierin fterabc ift 
foaar baS 9Jid)twiffen für unS eine fittlicbe ^otbs 
wenbißfeit, pftl. 93. 33ff., beim nur barauS fließt 
bie SDiabuuna gu ftctev, a 11egeit bereiter Sreue ttt 
ber einem Beben bis gur bcftiimnten 3eit ber SBie^ 
berfunft Ghrifti anoertrauten Arbeit im 9ieidbe©ot= 
teS. ®ie SBeiffafttuift über BSrael hat bie 55er* 
ft außen heit iu wunberbarer SBeife beftätißt, bie 
3 n fu n f t wirb auch ben anbereit 2hcil feincS 
JBortcS über fein fid)lbareS SBiederfoiiiineit guui 
5B c 11 a e t i cb t in ßleidier 9Beife bcftätißeit. 

®. 24 : $icr aifo beßiunt bie ©d)ilderuitß beS 
OntbßericbtS fclbft mit ben ihm ooraitßchenbeit 
©direrfenSgeidieit im Statur- unb 55olferlebcn. 3 u 
ber 3cit, wenn ltämlid) jene falfdien 5Reffiaffe 
(55. 22) auf treten, Oßl. 1 SEheff. 2,3—12. Mach 
b i e f er 2 1 ü b f a (, bei 9)i a r f u S ift bie Bu'ijdjcns 
geit gwifdien ber Berftörmiß der Stabt unb den nun 
folßeitben 25orgcid)cn beS lepten ©criditS fclbft ßang 
unbeftiimnt ftelafjcit, wähvenb bei TOiatthäuS 
auSbrüdlidi (24, 29) babei ftcht „halb' 1 , waS alfo 
auf eine faft mimittclbarcBcitnähc hinweift, ©ers 
ben Sonne unb 9)^onb k., wörtlich: wirb bie 
©omtc fid) oerftnitern und der 9Wcnb feinen Sd)ein 
nid)t mehr ßcben. 9)iand>c SluSkftcr nehmen bieS 
alleS, fowobl an unjerer Stelle wie in Offcitb. 6, 
12—14, im tfßciftiicbcn" alfo bloS bilblichcn 
©inn, wormttb bie fid) oerfinfternbe ©onue bie 
55cnverfmtß B^raclS begeidmcit foll, baS gwar uid)t 
ßang uiiterßcßaitften, aber bod) oon feiner cinftißcn 
.Ocrrfcbaft an bcr©pipc ber SSölfcr oerftoßen fei, ber 
$?onb baßeßen baS ©efep unb ©ort ©otteS über= 
baupt, baS nidjt mehr fo hell uitb flar wie gur 3cit 
beS 91. ®’S. in B^cacl leuchte. 

®. 25 : i e © t c r it c, die oont ßiutmel ae= 

fallen Fmb/ wären nad) biefer ©cutuitß bie an 
©lang bent auSerwäbUen ©otteSoolf felbft nach' 


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500 


Sornitagf^ul^ehtiimni« 


ftcbcitbc Äf i r ctj c au3 beit ©eibcitd)riftcit, bic wäh s 
rcitb bcr swifdjctt bcibat ©ericl)t3fataftroohcn itt bcr 
SKittc licgcnbctt „3cit bcv fetten" (Suf. 21, 4) rc= 
gierte, iefet aber wirb aud) bicferÄirdjenhimmcl mit 
teilten Sfmhcnlidjtern ^ergehen, tutb bie Kräfte 
bc3 £)itnmcl3, b.h.bic beit §ititmel3bau über 
bcr Srbe tragenbeu ttitb aufrecht crbalteitbcn fefteit 
Orbitutigeit tutb ©ejefee be3 s Jtaturlcbcn3 al3 ©ilb 
bcr ba3 ©ölfcrlebcn tragenben tntb ftüfecitbcit fitt- 
lich-rcligiöfeit 9Mäd)te, werben crfd)üttert werben 
uitb iit unheimliche ©ewegung gerathett. 

®. 26: 9ll3banit, weint fo bic 9ßoacit uitb 
Sßclleit bc3 ©ölfcrntecr3 in ftürmijdjer ©ährung 
tutb wilbcnt ©raufen begriffen fiitb (ocrgl. ©falnt 
93,3.4), bann foinntt nad) oollsogenein oorläufigent 
©cricht über ben 9lntidjrift uitb scitweiliger 2Biebcr- 
hcrftcüuna 3fracl3 b e r & err felbcr fichtbar uitb 
Oerfönlidj (nicht blo3 wie itad) SRatth. 24, 30, blo3 
„ba3 3cichen be3 SKcnfdjcufohncä") sum lebten 
9lllc3 abfdjlieheitbcn ®nbgerid)t. 91 u3 bc tt 2B o U 
!cn (ocrgl. Dffeitb. 20,11 ff.; ©ait. 7,13); cbcitfo 
wie er cittftcii3 in einer foldjeit acn &iiumel fuhr 
(9looftclgcfd). 1, 9 ff.), mit aröfter ilra.ft ititb 
& cx r(ieh t ci t, eben al3 2Bcltrid)tcr (oergl. 3oh. 
ü, 27). 

®. 27: ©ießitgel erfchcincn auch ©iatth. 
13, 41 a!3 bie ©icitcr be3 ©cricht3, hier bagegeu a(3 
„btenftbare ©eiflcr," wie £>ebr. 1,14 ^ur Srrcttung 
bcr au3erwählten frommen, um bcrctwillcn fchoit 
©. 20 bic Sage ber ©rübfal oerfürst würben, oon 
ben bi er 2 Binbe-n, wohin fic serftreut waren. 

II. 2>u$ Sntubilb M llitjetfaeu Feigenbaums. 
(©. 28 bi3 35.) ®. 28: 6in ©leichnih ltant- 
licf) für bic Frage, warnt ba3 9lcid) ®ottc3 uitb bie3»= 
fünft be3 3Keitfd)enfohiic3 fommeit werbe. 2B a n it 
iebt itad) 9lblauf be3 2ßinter3, wo al(e3 Sehen in 
ber 9iatur wie erftorbat ift; f o w i f f c t i h r nach 
allgemein mcnfdjlidtcr ßiitfid)t, bah fid) iebt wieber 
neue3 Sehen in ihm regt. 

®. 29: 91lf o and) oerhält fid)*3 auf gciftlidtcm 
©ebict; baß c3 nahe oor ber ©hür ift, 
itämlid) ba3 lebte ©ericht uitb mit ihm bic 95oU- 
eitbuitg be3 ewigen 9?eid)e3 (ocrgl. ?fac. 5, 9). Un¬ 
ter bent Feigenbaum fclbft ift hier nidit wie 
s. ©. SMatth. 21,19; Suc. 13,6 ff., ba3 ©olf ^frael 
felbft su oerfteben, wa3 fdjon au3 einer ©crgleichung 
mit Suf. 21, 29 heroorgeht, wo baneben and) noch 
gnbere ©äumc genannt finb, bic man bann itt bic- 
fein Fall auf bic Shriftcngeutciuben au3 ben £cibett 
besieheit ntüBtCr bic glcid'fa(l3 au3 bent gciftlichen 
Job wieber neu erwachen follen, fonbern berfclbc ift 
blo3 gans int allgemeinen sur ©crglcidnutg heran= 
gesogen: 9ltt einer wohlbefanuten (Srfdjcinuitg au3 
ber 9?atur follen fic aud) hier, wie überhaupt bei 
allen ©leidjniffcn be3 J&crrit bic geiftlidjat ©ingc 
beffer oerftehen lernen, unb swar hier focsicll ba3 
für ba3 9^cicf) ber Sidjtbarfeit fowohl al3 ber Uit= 
lidjtbarfeit glcidwtähig geltcnbc Gittwicflungögefefe 
ftetigen Fortfdjritt3, woritad) man oon einem bc= 
ftimnitcn ©unft bc3 2Bad)3thum3 au3 ba3 (Sitttre- 
ten bcr ©ollcnbuug fidter beredmen faitit. 

®. 80: © i c 3 @ c f d) l c d) t fann ohne fiüuftelci 
auf nid)t3 anbere$ besegelt werben, a(3 auf bic ba- 
maI3 lebenbe ©eneration. ©ic Seute, s» bcuen 
(Shriftuä rebete, follen aud) itod) bie (Erfüllung feiner 
Söeifiaguitg erleben, natürlid) nur bent Anfang 
nad), ber fchon mit ber 3erftörung ber Stabt ein trat, I 


weldje in ber Shat bie mcifteit ber batttal3 ®egett= 
wärtigeit nodj mit burchsumachett hatten, wahrettb 
ber lefete 9lbfd)lujj be3 gaitseit mit jener Äataftrobhc 
blo3 begittnenbcit ®criÄt3oroseffe3 erft im ®erid)t3= 
aft ienc3 $age3 erfolgt. 

®. 31: 211 erben o er gehen, (ocrgl. SWattb. 

5, 18); werben itid)t oergehen, b. h. nie 
wirb eilte 3cit fotttmeit, m fie ungiltig unb su einem 
blofeeit ocrfthwinbeitbett Sd)all toerceit, ber feine 
SBirfung surüdldfet. 

®. 82: 91 ttd) bie Sitgel nid)t, bie bedj im 
SRath Öotte3 ftehcit (©an. 4, 14); biefe Selbftbes 
fdnänfuitg feiner 9l(lwificnhcit gehört auch su feinem 
©laubcnowcg freiwilliger (Srniebrigung (©ehr. 12, 
•2): bie Sache fclbft oerfünbigt er, weil wir fic 
uitb wie wir fic suv Scligfcit su toiffett nöthig ha= 
bett, aber nid)t auch bie 3dt, baut biefe ift nur 
©otte3 Sadjc, nicht bie unfvige (ocrgl. 9lboftcigefch. 

1, 7). 9?ebeit bcr ©emuth ßhrifti liegt barin bcch 
aud) sttglcid) ba3 ©cwuhtfein feiner Roheit, bic ihn 
felbft über bie ßtigel erhebt, au3gcfbrochcn. 

®. 38 ift bic Sd)lu6foIgeruttg an3 bem ©orait= 
gcbcitbcn : SBcnn e3 3eit ift, itämlid) für bie 
©ollettbuitg bcr@erid)te®ottc3, wo e3banit su foät # 
ift sur lluifehr; fic füllen alfo, wie fdjon ©. 5 u. 23, 
au3 beut ©efaglett eine SBcifuttg für ihr ©erhalten 
nehmen. Ucber bic änfjere 3ufammcnftellu;ig unb 
ben inneren 3ufamntcnhang oon 2 Bachen tutb 
©clcit ocrgl. fchon bie Sßarntutg bc3 ©enn in 
©ethfemane. 

UI. ®orbüb M toadilftmrtt ^bürbiiirr 

(©. 34 bi337.) ®. 34: Sich fein&att3 allein, 
ohne feine vcrfönlidjc, unmittelbare ©egenwart; 

50^ a cf) t über fein £>au3wcfcn wähveitb ber 3cit fei« 
ttcr 9lbwcfcnhcit su oerfügen, ic nc.chbctn c3 bie einem 
Rebelt sufldhcilte eigcnthümlidjc 9ltifgabe erforberte. 

6 r fülle wadtcit, natürlid) bie ganse beacht 
hiitburd), woran aud) bie Ucbrigcn erfennen fontts 
ten, bah feine ©Jicbcrfunft su einer gans n n b e= 
ftintnttc n Stunte erfolgen werbe, vluf ba3 33itb 
au3 beut 9caturleben (©. 28 ff.) folgt eitteo au3 bem 
bäu3licbcit Scbeit. 

®. 35: 9lnwcnbuitg auf bie jünger (©.1), 
al3 bie oon ©ott gefefeten 9(rbeiter in feinem 
Seid) unb ©hürhüter in feinem £>aufe; biefelbe 
2Rahnutt^ gilt aber nad) ©. 37 aud) allen anberen 
Sbriftcu tii3gemein, nicht blo3 ben su einem befolg 
bereit 9(mt in ber Äircbe ©crufcneit, fonbertt 3ebent, 
herein wahrer jünger fein will. 3hr wiffet 
itid)t, b. h. ihr wiffet swar ba3 (Sitte gans gewifj, 
bah er tornint, aber nicht wann er fontmt, beim 
bie 3eit feiner SBicbertunft ift erfid)tü(h gatts 
uitgewth gclaffcu (©. 32). Ob er fommt u.f.w. 
©ic 9töntet theilten bie 9?ad)t befanntlicb in oicr 
9tad)twad)cti ein su je 3 Stuttben: ber 2lbenb 
0—9, bie 9Diittcrnad)t 9—12, ber ftabitcn- 
fdjrei 12—3 unb ber ^Morgen 3—6 Uhr (oergl. ' 
9looftelgcfdj. 12, 4). 

®. 36: Sd)(afcnb unb alfo eurer ©flidjt uh- 
getreu, baut wie ihnen für bic ©agc3seit eine gc- 
wiffe 91rbeit aufgetrageu war (©.34), fo für bic 
9£acbt, bah fie alle wadjcit follen; im ©leichnih ift 
jebod) ba3(Srfte nicht mit itt ©ctracht gesogen, 
wcitigfteito nicht au3briuflich, obwohl allcvbittg3 
mittelbar in ©.34 aud) bie 9lufforbertiug sur ge= 
wiffeuhaftcit unb treuen ©atubuitg ber 3cit für bie 
©crrid)tung ber aufgetrageitat 2lrbcit liegt, fonbern 


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(JJjranih brr degemnort. 


501 


ba$ ©auptfleivicht ift nur auf ba 5 3)vei te flcfegt, Watth. 24, 45 ff., unb bcm anbcrcn ihm vcnvante 
weil e3 nach bcm ßausen 3ufammenhanß vormie= tcn 8uf. 12, 35 ff.; bort ift mehr von bcv treuen 
flcnb nur auf biefc Pflicht ber 38ad)fa m f e i t an= (Srfüllunfl ber 8flid)t ßcflcuüber bem ben tönccbten 
foiumt, nirftt auf bie ©elbfttbätißfeit ber anvertrauten ©efinbe bieSiebe, hier mehr von 
Jfnecbte, baher bad ©leidjnii auch nieftt biefc jclbft, ber au3barrcnben ©ebulb im ©arten auf beit 
jonbern ben ©attsberrn ald ©auptfiflur an bic ©pifce © er r it f c l bc r. 
ftellt (8. 34). Sijpofition: „ffi a cf)c t!" Denn 

®- 37: „© a cf) e t!" unb smar 9f U c, beim auef) a) bic ©eit trüßt (8.21—23); 

35.34 nalt ba$ ©ebot an ben Sbürbütcr sußleid) b) ber ©err naht (8. 24—27); 

auch ebcnfoßiit ben aubcrcnJl'nedjtcn. ‘SaS ganse c) bie 3cit eilt (35.28—33); 

©leidmih fteht in ber Witte jtüifcfjen bcm ©leidinih d) ba3 ©cricbt broht (8.34—37)* 


Chronik 5er Ccgcnivart. 


ttrlrr 18 e 9Crfeeit#einfleffititgrit uni Irre* «offen 

fdjreibt ba3 $5itt3burfler 8olf3blatt: 

Die ©trifeä, welche hier in ber Umfleßenb be- 
flehen, haben bereite unßeheure 8crluftc an 9(rbeit3* 
lohn verurfaebt. SBie hod> fief) bicienißen ber floh- 
leitflräbcr beziffern, weldje auSfleftanben finb, um 
einen Cohn non 4 (Sent3 per SBufhel su ersminßen, 
barftber fehlen und ftatiftifebe 9lnhalt3punfte. Die 
8ane ber Äoblcimrdber aber ift traurig. CDie Wäu- 
iter an ber fjjan ©anblc ©ijenbahn haben ba3 8a= 
«er bcjoflcn, weil man auf bieie ©eife leiditev burd)- 
jufontmen hoffte. ''Die Familien aber, SBeiber unb 
tfinber, finb bahetm unb feilen feben, wie fie ficb 
bunbfdblitflen. ®a ift benn bereits in viele 5gmU 
lien bic bitterftc Siotb einßcsoßen, unb bie ©ohl= 
theitißfeit ber 9iad)bam unb be3 ©emeinmefend im 
9lllacmeincu muh anaerufen werben, um ben ©un= 
fler fernauhalten. ®a3 fleht eine 3cit lanß, aber 
nid)t immer; 9llle3 bat feine ©rennen. ©enn ber 
©trife ber ffohlciißräber fid> in ben ©erbft hinein* 
sieben foUte, fo mürbe ba3 9lusfunft3mittel ber 8a- 
fler nicht mehr Vorhalten, unb bic Wanitcr mürben 
ßenöthiflt fein, su iebem greife, ber ihnen ßeboten 
werben man, micber an bie Arbeit su neben. Sin 
Warnt fann für ftd) allein entbehren unb barben — 
er fann aitber&vo 9(rbeit fudjen —; aber men u er 
nicht em ßcunffenlofcr Sßatron ift, fo nimmt er bocb 
eher einen ihm gebotenen 8obn an, al3 bah er ©eib 
«nb «inb ber SSerfitmmeruufl unb bem ©mtßcrtobe 
prei-Saiebt. 

®ie 8er(ufW, metdje bie (Sifenarbeiter feit Seßinn 
ber ©trifeS an 9lrbcit3lohn erlitten haben, merben 
auf brei Wiüionen T>ollar3 veraufddaßt, uiib bie 
©cbäfeimß fcheint nicht su bod). ®ie Sifenarbeiter 
finb ald 35unb unb auch inbivibucll beffer neftellt, 
unb fönnen einen ©trife fd)ou eher auShalten ald 
bie Äobleitnrdber. ®od) ift and) bei benen bie 
Srane, ob fie innerhalb eines 3ahre3_bie ©trife- 
Serlufte mieber eiubriuaen fönnten, ivcnii ihre 8ohn^ 
forberunnen iefet benulliflt mürben, fehr berechtiflt 
unb Re mirb faum bejaht merben büvfcn. 

fcheint, pachbent ber ©trife bereits feebd ©o= 
(ben befteht/ baü berfelbe geaen ben Stath ber flüße= 
ren erflart mürbe, unb baü ber 3citpunft 

basu fehr unalfuflid) aemählt mar. 3)ie Sabri- 
fanten unb ©rubcnbcftfccv erleiben burchSinfteüunfl 


be§ SetricbS mohl au^ 8erfufte perhüftnifemahi« 
minber bebeutenb, unb ed liegt ihnen nid)t viel 
baran, ob ihre 3Berfe in ben nächfteu paar SMonas 
teil ftillftchcn ober nid)t. 

®ic 8ohuoetlufte ber Arbeiter flehen über bic 
möfllidjen 8ohnerrunflenfd)aftcn ber ©trifcä meit 
hinauf. 9lber c3 fdjeint, bafj eS ben Slrbeitcroers 
biubunflcn überhaupt iveniflcr um ben Sohn su thun 
mar, al$ um bie ©cltcnbiuachunfl ihrer SKadit. @ie 
baditcn, iefet fetbervid)tiflc3citpunft, ihveObmad)t 
u seinen, bann mürben fünftiflhin bie Slrbeitflebcr 
id) allen 8orfdmiften feitendber 9lvbcitervcrbinbunr 
flen, nicht nur in Sohufraflen, fonbern and) hinfid)t- 
lid) ber Sührunfl ber ©efdjäfte, unbebiuflt füflen 
müRen. Unb wenn bas ihre 9lbfid)t mar, fo haben 
fie fid) verrechnet. ®ie Arbeit hat ihre Sted)te, bad 
Kapital aber and). ®ie 9lrbeitfleber faflen: SBenn 
id\ mein Kapital unb bie Slrbeit eiltet flansen Sebent 
in meinem ©ejdwft fteefen habe, fo will unb fann 
id) mir nid)t von ben Slrbeitern vorfd)reiben taffen, 
mie id) mein ©efchaft führen, für mm ich arbeiten 
ober nid)t arbeiten laffen, weiche 8eute id) anftellen 
ober cuttaffen foll. 

deshalb feheu mir jebtf )vie ba§ fliehe Kapital 
atlenthalben feft sufauunenhält ßeflen biejeniflen 
Sirbcrunfleit ber Arbeiter, weldie su meit flehen. 

Unb bie SKoral von ber ©efchichte ift: Wau füllte 
beiberfeitd nie verfleReu, bah eä auher bem ütedit 
nod) einen anberen Saftor in ber 3Bett ßiebt, um 
biefe in flebeihlidiem ©anfl su erhalten. ®a3 ift 
bie 3Mlliflfeit, bie ßeflenfeiiiße Stüdfidjtsnahme. 

8iii«9tnfet|*^affa« 9 Per Sultan Pan Uaraffo, 

hat einen suTällia in feiner ©auvtftabt 3fes einae= 
troffenen fransöfifd)eu 8hotoflraphcn beauTtraflt r Die 
®amcn feinet ©aremd su portratireu. < Die©amm= 
lunfl biefer SonterfeieJ mirb ein uuflemein ftattlid)ed 
9ltbmit bilben, benn biefer ©crridicr befipt brei= bis 
vierhuubert grauen vcrid)iebcner iltanaflaffen. Un^ 
tcr ber ianatifd)eu 33cvölferunfl ber iWcfibeus hat baö 
8 orhaben beä Sultan^ flrohe (Srbittcrmifl hervor- 
flcrufcn, ba ber Soran ba§ 9lbbilben von Wenfdien 
ftrena verbietet. (§3 ift befannt, bah ber crmorbetc 
Sultan 9lbbul 9isiSf trofebem er mit ber ffiürbe bes 
(Shalifatd beflcibct ivar, ebenfalls biefe3 8erbot be3 
Propheten nid)t flead)tct hat. 


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Sdjlaf ein, mein $ttt 

















































































































































































































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(Sin illuftrirtrs Jamilifnblntt. 


£?$nter sSanö. Qftoßer 1882 . 


Zehntes £>eft. 


lunjur (Ennnmuigen. 



®«n Gtiitor. 


| er bott $5eutfdjlnnb au# bie mitt« 
lerc 8 rf)iceij bereifen will, fann 
entroeber bet ©afel ben fltljein 
iiberfcbreiten, ober ooin wärt« 
tetnbergifdjen grtebrid)#bafen 
aus über ben ©obenfee fetten, ober mittelft ber 
©cbroarjtoalbbabn ©djaffljaufen erreichen. 


„©av bide* ifl ju febwt, «Hein 
Die Sluflftt ntiiffoi bavnac$ fein/ 


©on 3 rriebridj§hnfen ber,öffnet fid) ber ©oben« 
fee bem ©lief. $ort liegt baö biftorifdfe Äon« 
ftanj, wo £nif; ttttb £)iei'önt)muS ben ©färtt>rer« 
tob erlitten. (1415—1416.) 

2 öir wäljlten bie ©djwarjwalbbabn, tf)eil§, 
weil bie anberen Touren fbäter gemacht werben 
füllten, tfjeilS, weil biefelbe un# auf fürjeftem 



äblcrgartcn in üUinterlbnr. 


5)ie ftafjrt bon Safel bietet, ob man nun nad) 
3üridh ober Sujern fährt, manche fdjöne 2anb= 
fchaft im 2 Iar= ober 2 immatthal. ?Iltertf)üm= 
liehe Stabte, Suinen unb Surren Oerleihen ber 
Scenerie fotoohl 9(broech$lung als Söiirbe. So 
S. bie Marburg bei bem malerifd) gelegenen, 
toohlhobenben Stäbtdjen gleichen 9tamen3. (Sinft 
eine ftarfe S^ftung bient* jept bas 1(560 erbaute 
alte ©d)lofc al§ ©efängnife unb 3 eughauS. 

37 


2Beg nadh SSinterthur, unferem nädhiten Se* 
ftimmungSort führte. 9tiemanb roirb es gereuen, 
biefe* SBunber ber Sahnbaufunft gefehen unb 
bie mürjige Sannenluft beS Sdjmarjmalbeö ge* 
athmet 511 haben. Verglichen mit ben 2 öinbiin= 
gen unb fogenannten Slehrtunnelö ber Sdhmarj= 
tualbbahn ift hoch ber bielgenannte £mfeifen= 
Sogen ber Vennfploania* ober ba£ JBodShont 
ber Saltimore unb Cfjio=Sahn nur (»pielmerf. 


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506 


Sdjtoeijer (frinneruttgen. 


Sur ber ©ottharbbahnbuu übertrifft baS idunft» 
toerf, weldjeS ber f leine Dtenfch über ben Schwarg» 
walb geführt. 

Uttb fo finb wir beim in DJintcrthur, ber be» 
triebfamen, toohlhabenben Stabt mit flehen 
14,000 ©inwohitern, bereit Siirger einft gut 
öfterreidjifd), beute aber edjt fchweijerifch finb 
unb mit erhabenem Dtitleib auf baS „gefnechtete" 
Oeutfchlaub berabblicfett. 

Fn ben freunblicben Saunten be» palaft» 
ähnlichen, im Sblergarten ftebenben Kaufes fan= 
beit $r. F* Dt. DJalben unb ich ein gaftfreieS 
Uitterfommen. Oie Schweiger geben natnfidE) 
ihren Familienfihen poetifihe ober fjiftorifche 


Such biefe fdjönen Stunben fanben, toie alles 
Frbifche, ein 3>el- ®er Äutfdjer fteht mit 
Kutfcbe unb Sappen ittt Sblergarten, bas @e= 
paef ift geloben; ein $änbebrua, ein ^er^lic^er 
•Octnf unb fort geijt’S per Gifenbafjn burd) baS 
£)ügellaitb ber Schweig auf 3»ri<h gu. 

Febermann aus unfernt amerifanifchen Seife» 
freiS blieft oou 3 c >t gu 3 e >* erroartungSboll 
burch’S DJaggonfenfter, um bie £iod)ü(pen ju er» 
fpäbett, unb Or. £>opt tneiut, fie müßten ficb 
nun halb geigen, beim fie feien ja fo gar hoch. 
<5 in ft Weilen aber werben bie Siefen burdf bie 
Sorberge oerbeeft, welch’ legiere gleicbfam eifer» 
füdbtig finb unb haben Wollen, bah man ihre 



äBiutert^ur. 


Samen, unb nennen fie „Fafobs Ouelle", 
„SBonnig’ Sit". Sblergarten u. f. W. 

So ein echtes Schweigerheim ber wohlbaben» 
ben Seöölferung ift mit feinen groben, luftigen 
Säumen, ben SalfoitS, ben ©arten» unb Darf» 
anlagen unb ben gebilbeteit, aber bergigen 
©cbwpjerlüt ein gar heimeliger Ort. 28ie moljl= 
tfjuenb war eS, beS DlorgenS unb SbenbS bie 
Dtabljeit auf bem geräumigen Salfoit eingu» 
nehmen; toie reigettb biefe Saumgruppe im 
Darf, wie frifch unb rein biefe ©chtoeigerluft 
unb wie fein unb taftboll unb boeb freihion aller 
3iererei bctS Serljalten ber gaftfreien Schweiger. 
F<h fdjreibe bei 95 ©rab Fahrenheit im raudji« 
gen Cincinnati, unb wiinfehe mit Snberen fo 
ein Schweigertüfterl herbei, ttttb fage mit mei» 
nein £erberg»genoffen: „Gs ift toie ein iraünt." 


Schönheiten nicht fo mir nicht», bir nichts über» 
fiefjt. 

Sebft ihnen bietet fidf» noch manches Fnter» 
effante für bie aus onberen Serhältniffen fom» 
menbett Suterifaner. £>ier mäht ein Sdjwpjer» 
mann mit ber alterthiimlichen Senfe. „O, wie 
langfam baS geht," fagt ber Dtafchinenfenner 
unter uns, „weshalb gebrauchen benn biefe 8eute 
nicht bie prächtigen Dtähmafchinen ?" Gr beuft 
nicht barait, bah auf biefetn Serglaitb bie ame» 
rifanifche Dtähmafchine boch fchwer angubringen 
unb bei ber großen Felbgerftiicfelung wenig loh= 
nenb märe. 

„SBie fich jener Surfche abfdjleppt unter fei» 
ner ungeheuren üragforblaft," fagt ber mit» 
leibige Ör. Starr. Oer Schwpjerburfch aber 
jauchjt feinen Fabier frifch hinein itt’S fd)öite 


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'MjUJtUUt£ 

P JO K *?4)DUg«K uiintf *MU>0nff ‘Ptt!>fo© 10H* 


$djn>ei;er Erinnerungen. 


507 



















508 


Sdjroeijer (Erinnerungen. 




©ri'Uli. 

Sßal itnb marfdjirt unter feiner Siirbe fo 
ftrarnm einher, als ob fie febcrleid)t toäre. 

2)r. 9teib, nufer lieber Sliifionsfetretär, blicft 
finneub auf bie .fräßen, hinab in bie 2ßäler unb 
hinein in bie §tetfen unb benft: „2Bie wirb eS 
fein, wenn einmal baS gange fcböne Sanb mit 
Anpeilen unb Aireben iiberfäet, unb baS gange 
«chmcigeruolf Dom groben mtb feinen Unei tauben 
erlöft unb gu ©öviftnm, unferem frerru gebraßt 
ift!" 

2)rüben auf ber aitberen Seite beS ÜBaggonS 
aber unterhält ein 9üintertljurer Stabtratij fci= 
neu fftaßbar Don ber großen Stethobiften*föon= 
fereng in SBintertßur, „wo man g’meint bub’, 
eö ßätt’ Sietßobiftenlüt gefßneit." 

„3üri<h, anSfteigen," ruft ber Schaffner. 3a 
toobl, bi« finb tüir, in beni alten Turicum ber 
Dtörner an ber hellgrünen Simmat, an bem 
trpftaUßellen SüT^erfee, in einer ber blüßcnb* 
fiten Scßmeigerftäbte, in ber Heftung beS früheren 
'.Nationalismus. 3 111 Stärgßeft beS 75er 3i'br= 
gangS haben mir eine fßöne Anficßt ber Stabt 
gebracht, weiße barthut, baß hier bie Scßnfußt 
ber 3Öaoberer gefüllt unb fid) bie frocßalpenmelt 
bem ißlicfe nufthut. $a fteben beim meine 
Sreunbe mit einem langen: „ s .’ld), baS ift munber* 
feßön;" beim bie olabaftermeißen Scrgriefeit finb 
Don mittäglichem Sonnenglang iibergoffen. 

Sebocß, mir miiffen bie Stabt befeßen unb 
haben, mie immer, nidjt Diel 3cit. Sor allererft 
eilen mir hinauf gur hoben Sromenabc, einer 
hochgelegenen 9lllce großer Sinben, unb iiber= 
geugeu uns bafelbft, baß bie ffteifenben, toc(cbe 
3üricß feiner herrlichen Sage wegen gu einem 
längeren Aufenthalt wählen, guten ©efeßmaef 
haben, benn bas Panorama auf ben öee,_auf 
bie Sorbergc, auf bie .'ocaljalpen unb auf bie 
Stabt ift eines ber reigenbften. bas ber Söanberer 
.auf ber weiten ßrbenrunbe trifft. 91m Gnbe 
biefer 9lflee fiept baS t&enfntal beS betannten 
3ürcßer Sirbcrcomponifteu ; unb als ich fo baoor 
ftanb, umgeben Don biefer herrlichen ©otteS» 
'Jlatur fiel mir fein föftlicßeS Sieb ein: 


„Ztiid j ber tfeimatl) fiißer Stille 
Sentit fid; beiß mein tnübes t)cry, 
Dort enoartet mid; bie ,JiiUe 
Seiner ,$rcuöcii otjnc Sdjincrj." 

Alfo ift eS! Jroß aller irbifeßeu Fracht 
bleibt im tiefen frergcnSgrunbe bas Seß= 
neu nach bem freim, .ber Sleibftätte beS 
Saterliaufes. 

'Jialje bei biefer 9lllee fteht, am 3elt= 
weg, Aapellc unb Pfarrhaus ber fütetho- 
bifteu, beibeS fehr ftattlicße Sauten, unb 
welct/ angenehme (Erholung bie in ber 
'Jial)c liegeube Sromenabe bietet, baS 
habe ich eines Sonntags AbenbS, nach* 
bem baS Söort geprebigt mar, erfahren, 
als id) in ©efeilfcßaft oon £r. S. 9tip= 
pert unb beS Srebigers Der Aapclle, Step. 
j£>ärle, eine ftille Sabbnthftuubc bafelbft genoß. 

$aS ©roß = fünfter, baS ÜRathßauS, bie 
Stabtbibliotßef, baS 3eugßauS, baS gehängte 
unb einige anberc SeßeitSmürbigfeiten nehmen 
noch nufere Aufmerffainfeit in Anfprucß, bann 
wenben wir uns wieber bem See gu, ber, wenn 
er auch nicht auf ©roßeirtigteit ber Saubfcßaft 
Aufprucß machen lanu, fo hoch an Sieblid&feit 
faum Don einem auberen See erreicht Wirb. 

(Etwa 28 Steilen lang gießt fid) berfelbe 
gmifcßeit fanft onfteigeitben, unten mit SBeiiu 
bergen unb Cbftbäumen bepffongten, faum 
2500 ffuß hohen Engeln Don DJorboft nach 
Sübmeft. Seibe Ufer finb mit Dörfern, Stöbt» 
eßen, Sillen unb gnbrifgebäuben iiberfäet. £ort 
auf bem SBcftufer liegt Sßatmpl, baS ftattlicße 
$orf; weiterhin frorgen mit bem „ibpllifcßften 
SfarrßauS im SSJerf," feinem poetifeßen Sfarr* 
ßerrn unb ber feinen fßfartfrau (1881); nnb 


ZcUö 1)01 fmal in sutorf. 


- by vjOoqIc 


Sdjroriirr ffrinttrntngrtt. 


509 



noch n>eitcrf)in — SBabenfchmpl uub 
Sid)terfd)mt)l unb anbere Sd)mi)lS. 9Xuf 
beni Cftufer laben uns ebenfalls eine 
Änjahl fdjöner Dörfer ein, namentlich 
Wciniteborf, ber Crt, _mo bie Jnußfer 
Trubel ßctoirft unb Pfarrer geller jeßt 
ein ff raufenhau» unterhalt, melchetn toir 
fpäter auf ber Stiicfreife in aller Stille 
einen Sefuch abftatteten. 

31 ber e» gieht uns noch roeitcr hin *ur 
Witte ber Schweig — 311 m iMcrmalb* 
ftiitter See unb beni 9fißi. 

Sierioalbftätterfee! Tu 3 mibcrbedcn 
qroBnrtii^er Staturfdjönheit; unerreicht 
bift bu Don all beinen fdjönen trübem, 
unb lad)ft mir noch fo juiui unb frifcf) 
entließen mie Dor Dielen, Dielen fahren, 
ttJährenb ich alt ßemorben. Unb an bei* 
nein Jßeftenbe ließt Sugern, baS ber be* 
rühmte Steifenbe PhiUeaubrianb 311 beit 
bier .fchötiften fünften ber Sßelt giihlt. 

9lu unb für fich bietet Sugern 31001 * nicht 
Diel Werftoiirbiße». äßeun matt ben 
Sinnen, ein Tenfmal 311 m ©ebächtniß 
ber in ben Tuilerien (1792) gefallenen 
Schmeer, ben ©letfd)erßarten — ein 
Tfjeil eine» bloßßcleßten ©letfdjerS, bie 
©tiftsfirdje mit ber berühmten Crßel 
unb allenfalls bie alten iljürine ber 
früheren Stabtbefeftißimß ßefeheit hat, 
fo fittb bie Werfmürbißfeiten abfolDirt. 

9lber an Siebreig ber Statur ift biefe 
Stabt überreich unb bietet auf allen 
gflanfen 3lu»fid)tSpunfte ber herrlichfteit 
9lrt. 

®a ftehen meine amerifaitifchen 
fyreititbe am See, unb ßeftefjen mit Der* 
tmmbertein ©lief, baß ber $>ubfoit über* 
troffen fei. 93or ihnen bie ßriine, ein* 
labenbe glutb, burd) welche ber 9feuß= 
fluß „fdjießt" ; brobeit gur fiinfen bie 
8 ißi=©ruppe; ihr ßeßeniiber ber Sürßen* 
ftod; noch meiter recht» baS Staufer* 
horn unb gur äußerften 9ted)teu ber 
puffere ^ßilatuS. hinter biefett aber 
ber Tilti», ber ftinfter=3lart)orn uub bie Schrecf* 1 
hörner. 6 » ift ein Panorama, mie e» feine an* 
bere Stabt bietet, unb 311 beut mir immer unb 
immer toieber 3 iiriicffef)rtett. 

Proben'aber auf 9tißi*ff ultii ift bie ütunbfid)t 
noch ungleich grofeartißer. 6 » ift eine fd)miu= 
belnbe ßifenbahitfahrt, bie bu machft, lieber 
3öattberer, auf ber Si 3 nau*ffnlm*Sahn, mit 
i^rer 3 al)uftanße, bie itt ber Witte beS ©eleife» 
eittßreift, unb Don ber meine amerifanifcheu 
Sreuitbe jebett Slußenblicf befürchteten, baß fie 
brechen möd)te. 9lüch ift ba» Waterial be» Siißi, 
ma»fd)on feinbeutfd)er9tame „Schichten" angeißt, 
nicht barnach angethan, Vertrauen einguflößen. 


Xeufetöbritctf. 

beim bie Stagelflue unb Wolaffe, au» welcher ber 
Serß befteht, fitib nachßcrabe nicht fo feft als 
©ranit. 

2ßir tarnen jebod), mie Diele taufenbe Don utt», 
unter ©otteS Schuß ßlitdlid) hinauf unb heran* 
ter, unb ßenoffeit ein 9 faturfd)aufpiet, mie es 
toohl fauitt ein anberer Serß ber @rbe bietet; 
beim obwohl nur 5850 hoch/ gemährt ber 
9tißi burd) feine abßefonberte Säße eine 9tunb= 
fid)t Don 800 Weilen im Umfrei», bie im Sou= 
ncnunterßanß unb =3(ufßanß ßefehen an Wau* 
nißfaltißfeit unb ßroßartißer Schönheit jebe» 
anbere Sanbfchaftsbilb über trifft, baS ich b:S 
heute 3 U fchauen ßetnürbißt mar. 




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$d)toti;rr (Erinnerungen. 


510 



©ott^arfcftrafce.—Unter 


Nörblicb unb we ft lieb breitet jid> im Vorbei» 
grunb baö (jerrlidje $)ügel= mtb Süjaflonb ber 
Scbmeij bi§ jttin ^fiira unb bern Nbeiit bin tt)ie 
ein ©arten au», burcbraufcbt bon bmibert 33ä= 
eben unb glüffen, gefebntiidt bureb ^errlic^e 
Seen, jmifd)eit beneit bie Stabte, Dörfer unb 
Sieden wohl geborgen liegen. Sen hinter» j 
grunb bilbet auf biefer Seite weftlicb ber bläu»! 
liebe 3ura, unb nörblicb weit über bein Sifjcin 
ber Scbtoarpoafb mit bem gelbberg unb 31eld)ett, 
roelcbe fidjtbar finb, nnb £)o£)enftöffeln, £o()en= 
bömen unb £>obeittmiel in Schwaben. 

Neijenb toie biefe 2anbf<baft ift, brebt man 
fieb bod) immer mieber naeb ber anbtren Seite, 
mo bie gewaltige ßette ber £>o<balpen fid) in 120 
SJteilen langem Halbbogen biujiebt. 3?ertt im 
Often hält ber Nppetijjeller Senti» bie SSadjt, 
über bem bie Sonne fid) erbebt; an ihn reiben 
fieb fdpteebebedte Slergriefen ohne 3abl: Ser 
©lärnifeb, ber Söbi, ber Silti3 unb weiter naeb 
Süben bie in IBeiß erglänjeitben Slerneralpeit — 
t5iitfter»Slarborn, SBetterborn, Ntönd), Giger 
unb Jungfrau. Sen meftlicben Stbfcblufc ber 
Sllpentette bilbet ber büftere IßilatuS mit feinen 
ptdigeit Römern. 

3ittereffant unb jum Nad)benfen aufforbernb 
mar mir ba§ 95erf>alten ber Slngebörigen Der» 
febiebener Nationalitäten beim Sonnenaufgang 
auf NigUftulm. Se^er Ginjelne jener butttge» 
inifebten ©efeflfebaft mar üoll uon Serounbernng, 
bie in beit uerfe^iebenften Sluörufcn geltenb ge» 
rnadjt roarb. Slber nur wenige bachten au ben 
corijöpfer biefer überaus prädjtigeu Schöpfung, 
namentlich bie granjofen unb bie Seutfcbcn nicht. 

Ser immer bewegliche Sranjofe läuft beftän» i 
big uon $untt^ ju ißuntt, unb ruft fein ober»' 1 
f(äd)lid)e» : „Sehr fchön, mein |ierr; ausge« I 
jeirfmet, mein Sräulein!" ’ ! 

Ser Seutfibe. nimmt’ä etma§ tiefer. Gr | 


nimmt fopifageu bie 2niibfdjaft in fieb 
auf; er bat ein Silort über bie tonn» 
berbare Sdjafffrajt ber Natur; er 
erinnert fid) unb aubere au bas, ton» 
bie Sidjter — Malier, SlnaftafinS 
©riiit, Schiller tc. :c. — über bie 
Sllpeit gefogt; aber an ben allinäd)» 
tigen Schöpfer beult ber Surdjfdjnitt»» 
beutfebe in biefer groben Schöpfung 
nidjt. 

3 ;n amerifamfdjcit unb ettglifcben 
greifen hört man bagegen fd/ott eher 
ein Silort oon bem Gtoigen, ber Sille» 
fdjuf unb Nile» erhält burch fein ge» 
toaltig SÜ>ort, tmb cs bat einen ergrei» 
fenbeit Ginbrtid auf mich gemacht, als 
ich bort oben beim Sonnenaufgang 
auf NigUßulm eine etiglifebe Same 
ihren beibeit Söcbtcrn einige Slerfe be§ 
92. tpfalm aus einem Siifcbenpfaltcr 
Iautborlefcu hörte: „£>crr, bu läffeft mich froh« 
lieb fingen Oon beineu Stierten, unb ich rühme bie 
©efdjäfte beiner £)äube. ,f>err, wie finb beiue 
SBerfe fo groß! Seine ©ebaufen finb fo fcljr 
tief. Gin Sl)örid)ter glaubt ba» nicht, unb ein 
Narr achtet folc^eS nicht." 

Srunten am See, Wohin wir eilen, unb an 
beffen fteilen Ufern warten fo oiele Schönheiten 
unb StuSficbtSpuntte aitbercr Slrt auf unS, bafj. 
Wir unmöglich Nile» auf ber fdjtiellen Satnpf» 
bootfabrt faffett unb itt utt§ aufnebmen föttneit. 
Noch weniger tarnt mit Silort ober S3ilb bent 
2 efer ein richtiger SSegriff biefe» wunberbollen 
Sllpeitfec» mit feinen fdjroff anfteigenben Sergen, 
frifdjen Stlälberit, faftigeit SNatteit, Sergoor» 
fpriingeit unb SluSficbtSpunften, unb bem moje» 
ftätifd)en £>intergruttb ber £)odjalpett beigebraebt 
Werben. 

UcberaH liegen am Ufer liebliche Stäbtdjen 
unb Sörfer, unb Süllen unb ©aftbäufer, unter 
welchen Slrunnen wotjl bie reijenbfte 2age bot. 
Ueberad ftofjen mir auf gerichtlich mertwürbige 
Crte, wie j. 93. bie Sellsplatte unb ba§ ©rüili 
jmifdjen Srunnen unb fffliielen. 

Sluf ber ©rütIi=S!liefe erfreuten fieb beutfebe 
Sänger tmb Sängerinnen, unb gar lieblich 
tlaitg Schiller» prächtige» 2ieb herüber: 

„3h r ITtattcii, lebt cootjll 
3 be founigen lfcibcitl 
Der Senne ntub fd>cibctc, 

I>er Sommer ift hin- 

lüir fahren 31t 23 crg, mir foinmen mieber, 
iUciiu ber Kufuf ruft, meuu ermadjen bie Sieber, 
lüeun mit ölumeu bie «Erbe fid; Fleibct neu, 
lPcuu bie Briinnleiu ftiepen im licblirffeu ITtai." 

Sluf biefer Strede ift auch bie berühmte Streit» 
ftrafse bid)t am Ufer in beit 3fel» gehauen, neben 


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Sdfroeifer Erinnerungen. ' 511 



©offenen. 


meldet nunmehr ebenfalls bie ©ottbarbbabn 
angebracht ift. 

' 3 n Etüden öerfäfst ber Ißanberer bas $ainpf= 
boot unb fann beute per ßifenbnfjn bent ©otU 
barb in Italien gueilen. $amal3 (1881) ging 
e§ noch per ©oft ober ffiufer. 

$ie ©ebirgstoelt roirb betn ©ottbarb ju immer 
toi (ber, bie €>d)tud)ten immer tiefer, bie Reffen 
immer fdjroffer unb bttfterer, unb roerttt man 
ba» befannte ttlttorf, roo S£efl3 Senfmal ftefjt, 
oertaffen, fo ift’S als ob ba§ 9teuj}tf)al eilt Reifen* 
Sabprintb fei, au§ bem fein Ülttsgang ju finben. 
Saffelbe finbet feinen ,£)öl)epunft bei ber fo= 
genannten 4550 ftuj} über ber ©teere§fläcf)e in 
großartigfler 3 ?elfenlanbf<baft angebrachten ieiu 
fellbriirfe bei bem nafjcgelegenen Urnevtoct). 


Surd) atle biefe lammen, ©erge unb ©C&icfj« 
fett minbet fid) ber Shmftbau ber ©ottbarbbabn, 
bie bei ©offenen in ben neun ©teilen langen 
fjaupttunnel bc» ©ottbarbftocfS tritt. 3tn gan= 
jen ja 1)11 biefe ©ahn (i4 SunnelS unb eine 
©tenge ©iabufte unb ©allerien. 

3 tci) feffieb hier oon meinen amerifanifeben 
greunben, toetdje irt’ö fonnige Italien gogen, unb 
fetfrte jurücf in bie Stjäler $eloetien§, au» weiten 
ich metnen fiefern fpäter noch einige aitbere ©i(= 
ber gu entwerfen gebenfe. (Sinftroeilen aber leb’ 
wobt, btt fcböiteg, beimeligesScbtopgerlanb! ©ott 
möge beine Fluren fegnen mit $orn unb 
Gbft; unb bie Sd)tt)cijcrl)crgeu mit feiner rei= 
eben ©nabe. 



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Jlurdj Ortungen ;ut SBatjrljfit. 


512 


Purd) Irrungen |ur JUnljrljeit. 

gin JfatnifteuMfd am 6er $egenmarf 

Son 3. SWegmer. 

I. ’ mir _ in meiner Sudidgejogenheit ein rechter 

©w 2G. 9Jlai 18—. iroft. Vater meinte jmar, id) füllte mid) nicht 

(i| b idgmo^l jemals mieberrecgtflefunbmcrbe? ! »uulei bamit befcbäftigen, es tonnte mid) trüb* 
W «Kutter Weint oft fehr befolgt um mid) gu K 11 ” 1 «, n f la 4en. ©oiifinS Srief Wien if)m auch 
fein. SBater geigt eine ©ütigfeit mir gegenüber, l lR h{ befonbers ju gefallen, er tprad) oon. be* 
die mir gang urigemöhnlid) erWeint; er ift ämat Hv^önften ^Xtnic^ten, und Onfel Hermann nannte 
gut und freundlich gegen Me, menn er aber gu ü ar ^*S!^. nc * e , l ^ n n . 1 t CI11( : r 

mir fpridjt, fofd)lägt er einen befonberS fanften J a uhen 2Bei|e als etnen „Frömmler," bie er nie 
Oon an, etraa einen folgen, toie man ihn fich k$ cl J können. Snbctfen, idj fü()te es, 
gegenüber eines ferner itranfcii bebient. »ruber ß. 0 ' 1 ] 1 » 3 o^nnne 8 meint e§ wflt gut, unb mel. 
Heinrich bat gleichfalls feine Siedereien atifgege* } c . R m tollte id) auch mehr au ©ott benfen, als ich 
ben, unb bringt mir halb eine feltene Slume, oistjer getljau habe. # 

bald eine befonberS faftige pfrudjt, bald ein feilte ^Morgen mar Ooftor Snpber bei mir. 
fdjöneS Silb ober ein IjübfcheS 93ud>. 9llfreb, Gr fprad) ju mir, baß id) biefcu Sommer ein 
der arme Sange, meiß offenbar nidjt recht, mie Seebad benußen follte; aber feines oon ben tuo* 
er fid) gegen mich bereiten foll, ba if)m feine bernen Seebädern mit ihrer feinen ©efefifdjaft 
gemofjnten tofen Streiche unpaffenb erfdjeinen, unb ihren ermübenden Vergnügungen. J$S fei 
unb felbft unfer Heiner SBilbfang,, mein fiiße;> nothroenbig, baß ich neben der* friWen eeeluft 
Schmeftercheu Gniilie, beimpft inöglidjft if)re unb ben ftärfenben Seebäbern mich ber oollfonu 
Schritte, menn fie meinem 3immer nahe fommt, menften SRuhe erfreue. Vfeiit Körper tniiffe 
unb giebt fich alle VZiihe, ihr lebhaftes Oetnpe* oor jeber Uebermübung behütet merben, bann 
rament ju Sigeln. O, fie finb alle fehr gut gu mürben and) meine Werden fid) ftärfen unb meine 
mir! — 9lber ihre ©iite erfcheint mit ängftlidjer Prüfte nad) unb nach mieberfehren. 9llS Vfutter 
Sorge gemilcht bie fie freilich gu oerbergen ihn fragte, melden Slaß er anratßen mürbe, 
fudjen. meinte er, Ccean ©rode mürbe für mich her ge* 

Sin ich beim fehr frauf ? eignetftc fein. GS fei gmar ein neuer Vlaß/ bloch 

3d) fühle mid) allerdings gu 3 c it eu fehr biete er bereits alle 5touiehmlid)feiten beS ifebenS, 
W^ad), hoch habe ich meiter feine befonbern er fei hinreichend Oon bem ©eräufch ber großen 
Schmergen, unb giebt es Oage, roo ich gang Seebäder entfernt, unb lärmende Vergnügungen 
munter unb gefräftigt bin. Onfel Hermann miirden bort nicht gebulbet, ba ber $laß uiitcr 
fprach erft geftern oon meinem gefräftigten 9luS* ber 9luffidjt einer 8 ageroerfammlungS=©efell* 
feljeit unb macht mir bie fchönften Komplimente. fchaft ftehe. VZutter erinnerte fid), 'oon unfern 
3 a, er fprach fogar bereits oon ben Vergnü* Nachbarn gehört 511 herben, baß bort jährlich 
gütigen beS näd)ften 2BinterS. ViS baf)in mer* äageroerfanimlungen gehalten mürben, unb 
ben meine Strafte oollfommen hergeftcllt fein, 1 meinte bebcntlich, baß mir nicht dorthin paßten, 
unb bann follte id) in bie SBclt eintreten unb als | inbem mir nicht jener Kirche angehörten unb an 
einer ber fchönften Sterne in ber ©efellfdjaft j bem fonberbareu Treiben ber Seute feinen ®e= 
glanzen. 3>er gute Onfel! Gr glaubte fid)er= fallen hätten. Oer Ooftor aber lächelte nur 
lid), baß mid) feine Schmeicheleien fcl)r erfreuen 1 unb Jagte, baS habe 9iidjtS *11 bedeuten, ba 9iie^ 
mürben. Goufin Johannes, ber mid) bei feinem l manb gejmungen fei, ben Verfamnilungen bei* 
leßteu Vefmhe foaufmerffam beobachtete, Weint ( jumohnen. 9l(S Viutter bem Vater ant Vbcitb 
bie Sad)c ernfter aufsufaffen. ©eftern erhielt baoon erzählte, fand ber |Man menig Seifall. 
ich einen Srief oon ihm, morin er fich nach mei= I Vater Jagte, er molle nid)t, baß feitie Oodjter 
ner ©efmtbheit erfunbigte, unb mid) bat, „mein 1 eine Wetliobiftin merbe, fonbent baß fie fich ihrer 
#er$ bem Ferrit ju geben." Gine fonberbare t Sagend freue; gubem mürbe uns Onfel |>er* 
3umut()ung! Sin id) doch Oor *mei fahren fon* I mann mit feinen Spöttereien unabläffig oer* 
firmirt morden, unb Saftor ©——■ fagte noch folgen. 

fitrjlich, baß id) eine feiner beften ^d)ülerinnen j Sch meiß nicht, id) fühle, als menn ich am 
gemefen fei. 9lud) habe ich mein regelmäßiges | licbftcn dorthin gehen möchte, menn ich denn nun 
©ebet; unb meine Sibel unb mein ©ebetbud), ( einmal in ein Seebad foll. grau ©ilbert, un* 
bas mir VZutter 5 ur Konfirmation fd)enfte, finb 1 fere «Rachbctrin, mar lepten Sommer bort, unb 


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JJurdj Errungen jur IBaljrljfit. 


513 


beit mir diel babon er^ä^lt. ©ie fömmt jedes* 
mal förmlid) in ©ytafe, fo oft fie Don ber ©err* 
lic^feit des ©lape* fprid)t, unb maS bie ©tetbo* 
biften anbetrifft, bie bort if)re ©erfammlungen 
galten, fo gehören ©tanche nuferer Sadjbarn 
unb ©efannten unter ben Anierifanern ju jener 
ßirche, unb ©ater felbft fagte füglich, baß, menn 
fie auch if>re ©cbrullen und ©onberbarfeiten 
hätten, fo feien fie doch int Waitjen oernünftige 
unb anftänbige Seute, bie diel Wutes träten. — 
Sod) ich muß für beute meine Aufjeidjnungen 
fdjlieBen. 2 BaS moljl aus bem ^lane merben 
roirb ? — 

28 . TOni 18 —. 

35 ie testen jmei Sage mürbe diel über meine 
©abefur gefprocbeti. ©ater bat felbft mit bem 
Softor geredet; ber barauf beftanb, bafs don 
einem eigentlichen Sabeplape abgefeben merben 
miiffe, bä baS gemöbnlidje Sreiben in benfelbeit 
meiner Äur hinderlich märe. Sarin 30g ©ater 
noch meitere ßrfunbigungen ein, unb enblid) 
ging er felbft f)in, um fich ben ©lab unb bie 
©elegenbeiten, bie er barbietet, aujufeben. ©r 
mar in jeber ©e3iebung febr befriedigt unb 
fd)ilberte bie Szenerie als redend; ba tef) nun 
mub am liebften Dabin ging, unb jubem ©ater 
unb ©ef<hmifter mich leidjt befueben fönrten, fo 
tmirbe befcbloffen, baß i<h ben Sommer in Cceau 
©rode jubringen folle, unb baB Butter unb 
©mtlie mich begleiten unb ©ater unb bie ©rii* 
ber fo oft als möglich berauSfonimen foüen. 


@S ift unfere Aufgabe, unfere mertben Sefer 
näher mit ber lieben Sd)reiberin biefeS Sage* 
bud)eS befannt 311 machen. Sie Familie 2 ef)= 
mann gehörte jener 3al)lreid)en ßlaffe donSeut* 
feben an, metd)e dor etlichen Jahrzehnten mit 
geringen Mitteln an ber amerifanifeben ßiifte 
angefommen maren. ©leid) ben nreiften neuen 
Ankömmlingen, namentlid) ber früheren Seiten, 
batten bie ©Itern erft Jahre lang mit mancher* 
lei Ungemach unb dielen ©uttäufd)ungen 311 
fätnpfen. ©err fiebmann aber mar nicht allein 
ein tüchtiger ©efd)äftSmann, er mar auch ein 
Atann don grobem gleiße unb ftrenger Siid)= 
ternbeit. ©tit ber $eit gelang eS ihm, fich nach 
unb nach empor 311 arbeiten unb mar er jeju ber 
©bef eine§ lufratioen ©refr = ©efcbäfteS in Sem 
?)orf unb ber ©efiper eines geräumigen, bequem 
eingerichteten ©raunftein * ©aufeS in bem ber 
Metropole gerade gegenüberliegenden ©J. ffrau 
fiebmann mar eine echt beutfebe Hausfrau, mit 
liebender Sürürforge jede» ©injelne umfaffenb, 
babei mit einem reifen Weifte und guter ©il* 
btmg auSgeriiftet, fo baB es ipr nid)t febmer 
mürbe, ben Jbrigen ein mirflicb angenehmes 
©eim 311 bereiten. Sabei b^tte fie eine entfebie* 
bene Hinneigung 311 einer ernfteren religiöfen 


Sichtung. Sie ©he mar eine febr gliitflicbe unb . 
mit oier hindern gefegnet, don meiden bie eben 
Jur lieblichen Jungfrau berangcbliibte Atina 
bas jmeitciltefte mar. ©ie mar, fo 311 jagen, der 
©ounenfehein des Kaufes, ©on fveunblidjcr, 
liebedoller ©emiitböart, dabei febr befd)eibeu, 
mar fie auch dem AeuBern nach ber ©lütter ©ben* 
bilb. Unterrichtet, ohne fich darauf etmaS ein* 
3ubilben, angehend, ohne totett 3U fein, babei 
mit marinem ©er3en jedem ©efd)öpfe fich jn= 
neigend, gehörte fie 311 jenen Saturen, bie, ohne 
! es felbft 311 toiffen ober 311 beabfidjtigcn, einen 
I fünften, dercdelnben ©inflitB auf ihre Umgebung 
j auSübeu. Jbre belifate ©efunbbeit, bie 311 3 ei= 

! ten 311 ben emftlichften Befürchtungen ©er* 1 
| anlaffung gab, batte biefeit ©influB noch ge* 

! fteigert, und Alle im Tarife fd)ieueu 311 fühlen, 

• bafi mit ihr ein Kleinod derloren ginge unb ent* 
j fhloffen 311 fein, maS don ihnen abbing, fich 
! baffelbe 311 erhalten. 

I ©einer religiöfen Sichtung nach gehörte ©err 
1 Cebmann ben h^rmlofen Surchfchnitts * Seut* 
fd)en an, deren eigentliche Stellung fid) nur febr 
I fchmer erfenneit läBt. ©r batte aus der beutfdjen 
i SageSliteratur gleichfalls feinen Sbeil des ge* 

1 möhnlichen beutfehen ©fepti3iSmuS eingefogen, 

| doch mar er 311 febr mit ©efebäften überhäuft, 
um näher auf bie ©ad)e einjugeben unb 311 libe* 
ral, um irgenbmie agreffid 311 merben. Sie 
Familie hielt fich äufrerlicb 3111* edangelifeben 
Kirche, ohne jeboh biefelbe befonberS fleißig 311 
befitdien. „Sbue recht, unb fcheue Siemanb!" 
fchien baS ©lotto ihres fiebenS 311 fein. 

Anders derzeit es fid) mit Cnfel ©ermann, 
bem ©ruber ber §frau Rebmann. Jn ben 
Kämpfen beS Jahres 1848 batte er im alten 
I ©aterlanbe eine berdorvageude Solle gefpielt, 

I unb nachdem der fur^c meibeitstraum 311 ©ude 
| mar, in Amerifa eine 3 uflacbtSftätte gefmht unb 
1 gefunden. Ser moderne Unglaube fand in ihm 
| einen eifrigen Anhänger. Büchner, ©ogt und 
1 Sarmin maren feine Autoritäten, unb ohne bie 
I d)riftlid)e Seligion einer näheren Prüfung 311 
I nntermerfen, mar er in ber ©erurtbeilung der* 

! felben febr eutfehieben. ©r fonnte ihrem ©in* 
flitffe nicht begegnen, ohne baB fein ©aß unb 
feine Spottluft gemedft mürbe. Ju ber ©efcll* 
fhaft liebte er es, ben fyreigeift aufäufpielen ; 
babei mar er aber eine jodiale Satur; „fieben 
i und leben (affen" geböric 31J feinen oberften 
| ©rundfätren, und Cebensgenuft, fomeit fid) ber* 

[ felbe mit feiner ©efunbbeit und dem ©taube 
| feiner ©efchäfte dertrug, mar fein oo^iiglicbfieS 
j SebetrS3iel. Seine ©attin, eine liebende, de* 
mütbige Seele, der bft auSgefprochene^Uuglaube 
ihres SebenSgefäbrten oft itr der Seele mebe 
tbat, dermochte feinen ©influB auf ihn auSjiU 
üben; don feinen beiden ©öbnen hingegen trat 
1 befonberS ©am), der ältere der felben, gaus in bie 


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514 


Surdj Errungen jur $0aljrljeit. 


tfußtupfen feine« ©aterS, nur ging er Dabei, mie 
biefcS gewöhnlich gu gefaben pflegt, nod) einen 
Sd)riti toeiter. ©ein Slntheil am SebeusgciiuB 
ftaub nicht immer im ©inflaug mit feiner ©elb= 
tafche unb Übertritt gu 3 c >ten fetbft Die ©ren= 
eit beö SlnftanbcS unb Der guten Sitte, roas 
einem ©ater benn bod) einigen ,Stummer be= 
reitete. 

6 » mag ebenf» gut fein, menn mir unfere 
Sefer gleich noch mit einer aitberen ffatnilie be= 
tannt machen, welche in uniere ©rgäßlung ein* 
greift. © mifin Johannes mar etliche SBochen 
bei SehmaunS gum ©efuch gcroefen. Sein ©ater 
mar ©efchwiftertinb gu Herrn Sehmann. Sie 
beibeit Familien hatten Die Seife nach Slmerita 
mit einanber gemacht; ©oufin Sieter hatte ficfj 
aber gleich nach bem großen SBtfteu gemenbet 
unb mar jeßt Der ©efißer einer guten fjarm , m 
norbrocfttichen 3tIIinoiä. Sie beibeit Familien 
hatten jeitroeilig mit einanber 33viefe gemechfeit; 
bic ©riefe aus bem SBefteu hatten aber feit 
etlichen fahren, mie ^err Cehmaitn bemerfte, 
„einen retigiöfeit 9 lnftridj befomnienCitfel 
Hermann behauptete fpottenb, fie feien ba 
bratißen im fjiitterroalbe Den Wettjobi fielt in bie 
Haube gefallen. ©oufin Johanne», ber ältefte 
Sohn ber fjamilie, hatte baS ©oltege begogen, 
mo er fich auf baS ©rebigtamt oorbereitete. 9luj 
biclfacße ©inlabungeit tjin hatte er aud) jeine 
lebten Serien in SB. gugebrad)t. ©in aufgemect= 
ter, freunblidjer junger SJtamt, mit fdjlagfertu 
gern SBiße unb fchdrfer Urtfjei t§tra ft begabt, 
mar er nicht allein eine angieljenbe ©rfdicimtttg, 
fonbern auch ein angenehmer ©efetlfcßafter. 
(freilich roollte eS ber ffämilie SlnfangS Durchaus 
nicht einleuchten, baß er bie Sbeilnaljmc an ben 
gemöhnlidjeu ©ergnügungen ber jungen Scut= 
fd)en beharrlich abmieS unb ben Sonntag meift 
in ber Kirche ober in feinem 3 immer gubrad)te; 
man nannte biefeS einen übertriebenen ©erufs= 
eifer unb meinte, gu folget 3 »rüdgegogenheit 
märe noch 3 eit genug, rnenn er erft in fein 91mt 
merbe eingetreten fein; als Stubent fotlte er 
noch fei» Sehen genießen, gerabe mie in Seutfd)* 
latib bie Stubenten es auch thun. Slber fcld)e 
©orftethutgen fruchteten nid)tS; et ging nach 
mie oor ruhig feines SBegeS; ba er aber mit feU 
neu fogenannten „religiöfeu Slnfchauungen" fich 
burcßauS nicht nufbringlid) erwies, baneben ein 
heiterer, liebenswürbiger ©efetlfcßafter mar, fo 
lernte man fid) halb in feine ©ntfd)icbcuheit fin« 
ben unb feine ©tjaratterfeftigfeit ftellte ihn 
fdjließlich in ber Sichtung ber ffamilie um fo 
höher. 

Cntel Hermann tonnte- es fid) freilich nicht 
oerfagen, fid) hie unb ba an bem „Herrn ©aftor", 
mie er ih» nedenb nannte, 311 reiben unb feine 
Qfrcigeiftorei auSgutramen ; allein er fanb ben 
jungen Wann fo fattelfeft unb fein eigenes 


SBiffen ftellte fich babei jebeSmal fo mangelhc 
heraus, baß er regelmäßig feine ff lag ge ft reich 
mußte, fo bafe er uitmiUfürlidj ball) eine getoi 
Sdjeu empfanb, nod) meiter mit ihm aiigubi 
ben. Wina felbft empfanb gu ihrem ©oufin ei 
hergliche Hochachtung unb Zuneigung, mähre 
ihr aiifprud)tofeS, liebliches 9Befcn einen tief 
©itibrud auf ihn machte. 3 »bellen meint f 
bei ©eiben audi tiefere ©efiißle geltenb machte 
fo mürben biefelben bod) fo iti Schranten c 
halten, baß ber fcßärffte ©eobachter nichts ü 
benfelben entbedt hätte, unb als ber junge Wm 
fchieb, folgte ihm bie Hodjachtung ber gang 
tfamilie unb ber beim 91bfd)ieb befprodjene ©ric 
rocchfel mit Wina fanb nicht ben geringft 
SBiberfprud) ber ©Item unb hielt fich and) ftre 
in ben Schranten öerwaubtfchafUichen Sntereff 
unb belefjrenber Unterhaltung. 


II. 

Sie Saifoit in Cceau ©robe mar in bolle 
©ange. Sie Hotels beherbergten bereits ei 
giemlidje Slngahl ©cifte, bie fdjönen Somme 
mohnungeit patten gum größten Sßeile ihre 9; 
fißer unb bereu ffreunbe aufgenommen, ei 
neue 3rUftabt, auSgerüftet mit allen ©equei 
lichteiten beS moberuen SebenS, hotte fich 0 » 
Seue gebilbet. ©erfammlungen berfchieben 
©harofterS, Doch ade ben heiligften ffnterefj 
ber Wenfdjßeit gemibmet, folgten rnfd) auf ei 
anber; bie heften Äräfte beS roeiten CftenS mar 
bon allen Seiten herbeigeeilt, um baS fomme 
liehe Saubhüttenfeft tßeilS mitgufeierit, tlje 
verherrlichen gu helfen, ©ifeßöfe, ©bitoren, ©1 
fefforen, Softoren ber Sßeologie unb biete ©1 
biger ohne Sitel, aber nicht minber mit t 
Greift aus ber Hohe auSgerüftet, tarnen 11 
gingen, je itachbem ihr ©eruf es ihnen geftatte 
Sie religiöfeu ©erfammlungen mürben ititm 
gabireicher unb mit ftets bermeljrtem 3 »teee 
befudjt. 

©S ift eine eigentümliche Sgene, meldje 1 
Snubbüttenftabt an bem herrlichen ©eftabe t 
Atlantic alljährlich barbietet. 9(uf ber -ein 
Seite all ber Seig bes mobernen ©abeleber 
babei aber bon ben raufeßenben ©ergnügunge 
bem SuruS unb ben gefährlichen ©erfmhung 
ber großen ©abepläße frei, auf ber anbern Se 
bietet eine fortlaufenbc Äette djriftlidj * Philo 
tfjropifcher Unternehmungen bie reichften u 
reinften ©eiuiffe bar, meldie baS menfchliche H< 
für ben .flanipf beS SebenS neu gu ftärfen bc 
mögen. So tann ber ©laß nidht berfehlen, a 
jebeS naeßbentenbe ©emüth einen tiefen 6 i 
brud gu machen, freilich, mer fifß eine ©rholu 
bon ben Wiißfeligteiten beS täglichen Sehe 
nicht ohne ben Sürnt eines ©irfuS beuten tan 
mem außer bem ©ierglaS, ben harten unb t 


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Surd) Errungen jur Iflaprljett. 


515 


Jang*giebel wapreS Vergnügen unbenfbar ift; 
wer es gewohnt ift, Aeligiou als bic unange* 
nepmfte Angelegenheit in beu piuterfteu ©Mulel 
feiner täglichen ©ewopnpeiteu unb Äflid)teriiil= 
lungcit }u fhiebeit, bem tann ein folcpcr ©laß 
nicht gefallen, nnb er wirb fid) auf bemfelben 
gitm wenigften jämmerlich langweilen. ES 
muffen eben ßeute fein, bereit innerfter Sinn 
auf bas innere geiftiidje Öeben gerietet ift, um 
einen foldjeu ©laß redjt gu würbigeit. 

2Beld)eit Eiubrud baS Öeben in Oceati ©rotte 
auf Aiina machte! ®a ihr Aufenthalt ben gau* 

i en Sommer über bauerte, fo hatte fie bolle 
}tuße, ben ganzen Einfluß beffelben auf fih 
wirten gu laßen. 3pr iagebud) giebt tton 3 e ^ 
gu 3eit Auffdjluß über ihre bafeibft gemachten 
Erfahrungen unb mir werben es uns nicht Der* 
fageit, öfter ©lide in baffelbe gu werfen. 

16. ^nni 18—. 

„Seftern Aachmittag langten wir in Oceatt 
@rooe an. 2)ie gaprt auf bem großen unb j 
frönen Kämpfer nach Song ©rauh war eine 
fehr angenehme. git ber Stabt ift eS bereits , 
fehr heiß; bie frifepe Seeluft tfiat mir wohl. ! 
Es ift baS erfte Atal, baß ich baS Aieer in foldjer 
Aäfje fepe. @3 ift ein pracptttolleS Scpaufpiel, 
uub bie AuSficht, mid) ben gangen Sommer über 
ait bem Anblide beffelben meiben gu bürfen, ent* 
gtitfertb. Sßir hüben ein fehr gute» Untertommen 
gefunben. ©ilberts, unfere Aachbarn, bie fih 
immer fo fel)r für mid) intereffirten, fobalb fie 
hörten, bafs wir nach Ocean ©rotte gingen, fag* 
ten Alama tton einer Familie, welche bort eine 
Eottage befißt nnb willig wäre, etliche refpeftable 
öeute als föoftgänger bei fich aufgunehmen. ©ater 
hat fich genauer ertitubigt, bie gamilie ift in ber 
Äachbarfchaft fehr angefeheit unb beliebt, unb 
fo hat er etliche ^iinnter für uns gemiethet. 
Sir werben baS Elfen im Haufe haben. Außer 
uns foll bloS nod) eine ©rebigersfamilie Auf* 
nähme finben, beren Haupt gleichfalls Stärtung 
feiner ©efunbpeit unb etwas Aupe unb Er* 
holung fncht. 2)ie Eottage ift in ber Aäpe eines 
flehten SBälbcheitS fehr piibfh gelegen. $a fie 
etwas ttont Sabentafel entfernt ift, fo bringt 
baSSeräufh aus bemfelben niept gu uns. Unfre 
3imnter liegen im gmeiten Stodwerf unb bieten 
bie AitSficht auf bie weite See. AIS ich heute 
Morgen aufwaepte, fiel mein ©lid fogleich auf 
biefelbe. SBie uneitblid) breiten fiep bie buntel* 
grünen ©Baffer ttor uns aus ! 2öie majeftätifch 
rollen bie ©Bogen heran unb gerfhlageit fich an 
bem fanbigen Stranbe! ber gerne fiept man 
mächtige Dampfer mit riefigen Aauchmolfen 
ttorbeigiepen, währenb anbere Schiffe jeglicher 
5lrt mit ihren weißen Segeln fich auf’s Öieb* 
lichite am |)origonte abheben. 3>eßt athmet 
Stiles Aupe unb Stille. ©Bie muß es aber bei 


einem Sturme auSfehen, Wenn bie ©Bellen pauS* 
hoch baherftiinnen uub ber ©Biitb peulenb ben 
©ruttb bes AtecreS aufwühlt, wie ich fhon in 
©iidjern gelefeit hübe. * Aun, ich werbe ©elegen* 
peit hüben, auch biefeS Stiid Aomantit felbft 
feinten gu lernen. 

Atutter ift mit liebettofler Sorgfalt um mich 
befd)äftigt, währenb Emilie, bie wir gur Gefell* 
fepaft mitgenommen haben, bereits bem Straube 
ihren ©efud) abgeftattet pal, uub uid)t genug 
batton ergählen tann, wie luftig fid) bie ©efcll* 
fchaft in ben ©Billen getummelt habe. ©Bir 
waren mit ber gamilie allein gu Slifdje. £>erv 
©race ift nur geitweilig hier, ba er bie meifte 
3 eit ber ©3od)e gu feinen ©cfcpäfteu fepen muß. 
grau ©race ift eine anfprucpslofe, fepi* freuttb* 
liehe uub liebeuolle 2>ame unb ihre beibeit ©öd)* 
ter tterfpreheit mir eine angenehme unb unter* 
haltenbc ©efellfcpaft. $ie äitefte. öt)bia, ift fehr 
pübfcp, bie gweite, Aiarp, ttoh etwas liufifcp. 
Sie haben ©eibe piibfcpe Stimmen unb auch 
mein liebes ©iano werbe id) nicht entbehren. 

©race geilte uns an, baß jebett Aiovgett 
im^arlor eine Jyamilieuaitbadjt gehalten werbe, 
u Weld)er alle ©ewohner bcS Kaufes eingelabeit 
eien, bod) fiepe es gang in bem Ermctjeu ber 
©oarberS, ob fie bie Einlabuug aunepmeu wollen 
ober nicht." 

18. 3uni 18—. 

„fteute hübe ih baS erfte Seebab genommen. 
3 fd) fiirhtete mih etwas, in bie SBelleit gu flei* 
gen; bocp Atutter unb Emilie führten mid) uub 
bie Anbern tummelten fid) fo luftig im äBafjer 
umher, bafi ih halb alle gurdjt ttergaß. Aad) 
bem ©abe fühlte ih mih U'pr ermübet unb legte 
mih üuf ber ©eranba in bie Hängematte. Atut* 

I ter uub Emilie machten einen Spagiergang, um* 
i fiep bie ©egenb näher gu befepen; unterbejfen 
ieiftete mir ßpbia ©race ©efcUfdjaft. Sie er* 
gäplte mir, weih' eine perrlihe 3 e tt fie ttorigeS 
^apr pier gehabt hätten, damals habe eine 
große Auflebung ftattgefunben uub fie habe 
gleichfalls ipr Hrrg ©ott gegeben. 'Tann fpraep 
fie diel tton all ben ^rcbigerit, bic foinmen wer* 
ben, um im iabernafel ©orträge gu palten unb 
tton ben peranuapenben Cagerberfammlungen; 
enblid) fragte fie, ob ih üiicp belehrt fei unb 
wann ? 3h antwortete, baß id) ttor gwei führen 
fonfirmirt worben fei unb .tterfprodjcit habe, 
©ott unb ber fiirdje treu gu fein, baß id) ferner 
meine ©ibel lefe unb täglich wein ©ebet palte. 
Sie fepien tton biefer Antwort nicht ttöllig be* 
friebigt gu fein. Auch bei Jifcpe war Diel über 
Acligion unb firhlih^ Angelegenheiten bie Acbe. 
Alidp berühren bie Dielen religiöfen ©cfprähe 
etwas fonberbar. ©aftor ©. patte ituS auS* 
briidlih ttor aller Cftentation in ber Aeligiou 
gewarnt, ba biefelbe Reicht gur H^uhdei fiipre. 
$ie Aeligion fei eine Sähe, bie jedes Eingelne 


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516 


Purrfj Jrrungen ;uc üfolfrlpeit. 


ant beftcit in bcr Stille gmifdjeit fid) unb feinem 
0>iott abmache. 3nbeffen Jann 'Jiicntaitb ©race’g 
bcr ,!pcu<helci befdjulbigcit. Sie finb fo freunb= 
lid) nnb fiebeooll gegen ^ebermnnn, unb mie 
Wutter fugt, io gut gegen bie Dlrmen unb reell 
in ©efchciftcn, bajj fie iit ber 2^at ihr Vefennt« 
nifi ehren. 3ff>r gange» Sehen ift offenbar fo 
mit ber Neligion erfüllt, baß fie unroilifürlid) 
immer mieber auf bicfen ©cgeuftanb gurüd« 
lommen. ft5 fcheint biefe» im ftbaraltcr ber 
Dlmcritancr 511 liegen; mir Seutfdje, fügt Wut» 
ter, finb nun einmal anbei» unb berfdjliejicn 
unfere Ijeiligften ©efüljle am liebften in unfercr 
Vruft." 

22 . Suni 18—. 

,, 3 d) fühle mid) troc^ immer jienxlic^ fdpoadj. 
Sind) fcheint bag Seebab mid) angugreifen ; idj 
barf eg baljer aud) nur bon 3 c’it }u 3 <ät fle» 
braunen. Sie $rebiger§ = Familie, '13aftor ft. 
i). ©illen», ift nun and) aitgefomtnen. Sa» 
£>aug ift nun angefüllt. Sod) haben mir Dia um 
genug, unb menn mir un» gut berfteljen, fo fön* 
neu mir gang bcrgitügt gufammen leben. ,£)orr 
©ilfeng ift ein recht liebengroürbiger alter .fterr, 
git bem man recht Zutrauen faffen lann. §rau 
©ilfeng fdjeint eine natürliche Neigung gu haben, 
©leg um fie her 511 beoormunben. Ser «oljn, 
ber gleichfall» '-flrebiger rocrben fofl, ()at ctmag 
fteife» unb förmlidjeg an fid) unb bic fdjon etroag 
ältere Sachter geigt gienilich ftrengc ©efidjtg» 
giige. ©ie mir uns moljl gufammen (teilen 
merben ? 

©eftern Nachmittag roohnte ich 3 >'m erften 
Wale bem ©ottcgbienfte im Sabernafel bei. ft» 
mar eine ziemlich ftarle Verfamnilung gegen» 
märtig. Vvofeffor S. hielt bie Ißrebigt. Sie 
mar (ehr fd)ön unb recht tlar. ftr rebete bon 
ber Siebe (ilottcS gu bcn Wenfdjen. ft» ift im 
©runbe baffelbe, loa» in unfercr ebangelifdjcn 
Äird)e geprebigt mirb, nur fdjeint bcr Prediger 
eine gang befoitbere ©irtuiig auf bie fersen fei« 
ner Zuhörer 511 erroarten. freilich fottte jebe 
Vrebigt auf bie 3uhörer einen ftinbrud machen 
unb uns bemegen, Shäter be» ©orteg ©otteg 
gn merben. Dl ber biefe Seute fcheinen eine geroiffe 
augenblidliche unb augcnfdjeinlichc ©irtung gn 
ermatten. ©as fie eigentlich motten, fann ich 
nicht berftehen." 

• 25. 3mii 18—. 

„3<h hei^e mich m Wartha, ber Vrcbigerg« 
todjter, nicht getäufcht. 3h rc Idjarfen Dlugen 
fchieneit gleich bon Dlnfang an Unheil oerfiinbenb 
auf mir gn ruhen. ©ahrfdjeiulid) beftärtte 
unfere Nationalität fie in ber 3 bee, baf; mir eine 
ungläubige, gottlofe, biertrinlenbe Sorte bon 
Seuten feien, £>eute Worgen, bn ich mid) auf 
ber Veranba befnnb, Wutter unb ftmilie roaren 
mit bem Crbuen ber 3 immer bcfd)äftigt, fragte 
fie mid), rnaruin mir nicht bem gamilicngottc»« 


bienft beigemohnt unb marum mir geftcrit 
herrliche Vrebigt bon 9teb. £. ü. berfäumt. ■ 
erroiberte, baf; ich mid) heute Worgen noch 
abgefpannt gefühlt hätte, unb bafs ich nicht i 
mer gur Ißrcbigt geben tönntc; überhaupt fe 
mir blog megen meiner ©efunbljeit hierl) 
gclominen. Saun fragte fie mich ü'gleid) mec 
meiner Vefeljrung. 3d) ermiberte ihr bas Nä 
liehe, ma§ ich Spbia gefügt hatte, allein fie it 
baoon burchauS nicht befriebigt. Sie fagte, b 
biefeg Dlllcg mir äujjere ©cbräuche uni) fte 
monien feien, burd) melche Niemanb felig mi 
beu fönne. 3 eber Wgifd) fei ein Sünber, ban 
bebürfe and) ein jeber einer grünblichen Selc 
ruttg, unb immer heftiger ioerbenb citirte 
fd)lief)li(h bic ©ibelftelleii: „©er nidjt glau 
mirb uerbammt trerben," unb „bie ©öttloj 
müffen gur £)ol(c gelehrt merben, alle fieibi 
bie ©ottc» bergeffen." 3 h re $eftigfeit erfdjrei 
mid), fo bafi ich in iljeäncn augbrach. Wut 
tarn gerabe bagu, mie Ntartha jene ©ibelftcü 
anführte. Sie mar über beit unbefugten Dl 
griff fct)r entrüftet. Sic fragte fie, ob fie be 
glaubte, baf? mir eine Saube bon Sieben u 
Wörbent mären ? 2Bir feien rcd)tfchaffene u 
geachtete Scute, feien getauft unb fottfirmi 
gehen gur ftirchc unb gum heiligen Dlbenbmal 
unb hätten am ftnbe fo biel ©laubeti unb fjrui 
migfeit mie fie, menn mir auch nicht auf 1 
Sttafje Nuffchen erregten; übrigeng lehre ' 
93ibel aucbnidlid): „©etin bu aber beteft, 
gehe in bein Hammerlein, fchliefje beine Sf)i 
git unb bitte beinen Sßatcr im Verborgenen." DH 
Wartha, mcIChe offenbar 311 ben ftreitfüd)tig 
Naturen gehört, lief} fich bamit noch nicht gurii 
meifen unb meinte, menn mir rechten ©laut 
hätten unb ©ott aufrichtig liebten, fo miirb 
mir bag ©ebet unb bie ©nabenmittel nidit 
berad)teit. Sag mar aber Wutter gu biel. -- 
antmortete, man fönne auch beten unb fei 
Vibel lefen, ohne fich öffentlich bamit gu pi 
buciren, unb führte mich in ihre 3 immer gurii 
Wutter mar feljr aufgeregt unb fagte, mei 
mir hier bor folgen perfönlidjen Angriffen ni 
ficher feien, fo miipten mir ben Vl«h berlaffc 
Sa» mürbe mir hoch leib tljun unb ich fucf)te 
mieber gu beruhigen, fagte ihr auch, baf? 
i Wartha am ftnbe nicht fo böfe gemeint hal 
I mie mir eg-aufgefafjt hätten. Noch marejt n 
in ber Unterrebung barüber begriffen, alg cg 
unferer 2 l)ür Hopfte unb Wartha’g Vater h< 
eintrat, um feine ftntfchulbigungen über b 
nngarteu Nngriff feiner Sod)ter anguhringc 
©err ©ilfens fugt? gu : hrer ftntfchulbigür 
Wartha fei bon jeher fehr heftiger unb leibe 
fdjaftlidjer ©einiithgart gemefen. fiepten ©i 
ter fei fie belehrt roorben unb nun ooll 3 ei 
unb ftifer, aber oft fei fie noch unborfichtig 11 
einfeitig unb habe noch Viele» gu lernen. Wut 


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fürdj Errungen jur Poljrljeii 517 


betlagte fic^ befonberS über bie Slnfüpuiug jener 5luffd)luß geben ; id) bin ihm ofjnebieS nod) 
Sibeiftellen, moburep fic uns ben Ungläubigen einen ©rief fcpulbig. 
unb ©ottlofen gleicpgeftellt babc. Sie tagte, 

mir tonnten unfern ehrenhaften ßparafter pin* III. 

reicbenb nacptDeifen; and) foüte er ja uid)t ben* 

fen, baß mir nid)t bie böcbfte 9lcptung bor ber 9te* 1 2>er näcbfte Sainftag 9lbettb braute unter ben 
ligion tagten, aud) menn mir uns bamit mehr in ©efuepern, melcpe ihren Sonntag in ber Säger* 
ber Stille hielten. £err ©MlfenS tagte, baß mir oerfanunlung gugubringeit gebuchten, aud;$errn 
Wartha geroiß mißoerftanben patten, gunt me* Sehmann mit feinen groei Söhnen, fomie Cnfei 
nigften I)iitte fic eS nicht fo gemeint, roie mir eS Hermann mit feinem Sohne geirrt). ©aepbem 
aufgefaßt. ©S tönne getoiß s )tiemaitbem ein* man ficb gegenteilig begrübt, auch fonftatirt 
fallen, untere Gprenpafiigfeit unb unfern guten hatte, baß©tina in ihrem 9luSfepen bereits einen 
Gparatter in .^loeifel gu gieren, ober uns gar i leifen SInflug ber rüdtehrenben ©efunbpeit geige, 
ben offenbaren ©otteSleugnern beigugefeüen. I tarn bie Siebe fogleicb auf ben s $(aß unb auf bie 
Jnbeffen feien in einem gemiffen Sinne alle | Unterhaltungen, melcpe berfelbe barbiete. /$ie 
Wenfcpen Ungläubige unb ©ottlofe; beim ben | grauen betätigten, maS bie £>e«rren bereite ge¬ 
weiften fehle ber lebenbige, gueigneitbe ©laube j hört hatten, bah auf bentfelben außer ©ootfap* 
an 3efum Gpriftum, uttb’fie begnügten fi<h mit ! ren, ©aben unb ftifepen unb einigen unfcpulbi* 
einem tobten, piftorifcpeit ©laubeti. $ann oer* | gen ©efeflf^aftsfpielen {einerlei Vergnügungen 
ftehe bie heilige Schrift auch oft unter bem 9luS* j geftattet feien, unb bah auch bie obigen am 
bruefe „©ottlöfigfeit" bie natürliche ©erborben* ( bonntag nicht geftattet feien. „9lber mie fallen 
heit beS menfcplichen £)ergenS. Manche Seute | mir benn unfere 3eit hinbringen ?" fragten bie 
feien fo ehrbar unb recptfd)affen nach Slufeen, j jungen ©Jänner mie aus einem ©Junbe, morquf 
mie irgenb welche belehrte Seute, aber in ihrem i bie ©lütter bie 9luSfunft gab, bah nach ber 9luS* 

$>ergen feien fie ferne oon ©ott. Ueberpaupt I fage ihrer £>auStoirtpe ©JorgenS ©ifcpof $- 

tage bie heilig? Schrift auSbrücflicp, baS $)i<h= | prebigen merbe, ©acpmittagS fotlc eine ftinber* 
teil unb brachten beS menfcplichen |)ergenS fei j oerfammlung unb ein SiebeSfeft ftattfinben mirb, 
böfe oon 3fugenb auf, unb in bem $ircpengebete | unb 9lbenbS merbe gleichfalls ^ßrebigt Oon ©aftor 
ber eoangelifcpett Kirche hieße eS ja auch: „3<P | ^-fein. 

armer, fünbiger ©Jenfcp^ befenite oor bir, mei* „Srr!" lachte Oufel Hermann, „mie tonntet 
nem £errn, ©ott unb Schöpfer, bah i<h feiber | ihr biefeS Seben biefe 2Bocpen nur auSpalten ? 
Diel gefiinbiget habe mit Sinnen unb ©ebanfen, l ©iunbert mich, baß ih r niept bereits gang me* 
©orten unb SÖerfen." Gr geigte ferner, mie | laruholifch gemorben feib. Cber feib ihr etma 
alle proteftantifdjen ffirepen bie Sehre oon ber ! fdjon betehrt? 3<P hoffe, ihr habt gu gutes 
gäitglichen ©erborbenpeit ber menfchlicpen Statur I beutfcpeS ©lut, als baß ihr euch jemals gu sVopf* 
feftpielten, unb fcploß mit ber ©erfieperung, baß | hängern machen läßt. UebrigenS — fuhr er 
mir oor allen rociteren Angriffen gefcpüjt fein i fpotieitb fort — menn icp morgen ben gangen - 
füllten. ! Sag in biefer frommen ©tmofppäre gubringe, 

„5)ie natürliche ©erborbenpeit ber menfep* i unb gegmungen bin^SBaffer unb Raffee gu trin* 
licken ©atur!" — 3<P mußte oiel über biefen [ feit, opite etmaS etärtenbeS hinter bie ©inbe 
JluSbrucf naepbenfen. Gr läßt mir teilte Slttpe. gießen gu tonnen, fo hoffe ich, bah bamit alle 
Jft benn baS £)erg beS ©lertfcpen oerborben ? j Süubeit meines oergattgetten SebenS abgebiißt 
2aS 3Bort ftept freilidj in ber SBibel, aber maS I finb. ^ebenfaüS merbe’t ipr es als einen etla* 
meint eS eigentlich ? SBäprenb icp im Stillen tanten ©etoeiS meiner 3 un eigung gu ettep be* 
barüber nacpbachte, ging mein ganges Seben an | trachten, bah i<h mich entfcpliehen tonnte, einen 
meinem ^mierti oorüber; id) faitb, baß icp bod) ; Sonntag in biefern langmeiligeu Stefte gu Oer* 
bisher faft nur an mid) felbft gebaept unb mir j bringen, anftattmiep irgenb einer ©ergttiiguitgS* 
[clbft gelebt habe, ©ielleicpt ift e^ biefe Selbft* , ©efellfcpaft attgufcpliehen." 
iuept, maS bie heilige Schrift meint. ®ann bin ,,©3aS mid) betrifft,“ brummte ftarrp bagmi* 
id) nur aud) bemußt, nid)t fo Oiel an ©ott ge* fepen, „fo bin id) eines folcpen CpferS nicht 
baept gu haben, ^cp hielt freilich Immer mein fähig; ber 2öeg nach Song ©raitcp ift nicht 
borgen* unb 9lbenb=@ebet, aber bamit meinte roeit, unb ich gebenfe ©Jorgen früh bapin gu. 
i<p genug getpan gu haben. 2Öer faitn aber gehen, unb hoffe bafelbft beffere Unterhaltung 
auep immer an ©ott benfen ?—3<h barf ©iutter gu finben, als 5Reoioal=©JeetiitgS.“ 
aon biefen meinen ©ebanten Stid)tS tagen, fie „3a, unb an fallen fehlt eS bortauep niept,“ 
möcpte fonft fürchten, biefelben tonnten mein J meinte Onfel ^ermann ärgerlich, „too junge 
®emiitl) angreifen. Unb boep möchte id) bamit! Simpel gefangen unb gehörig gerupft toerbeh. 
gerne iifs Älare fommen. 3$ toiü ßoufiti 3 un ger 4)err, eS mürbe’bir figürlich auep iticptS 
Johannes fchreiben. 3<i) meih, er mirb mir i fepaben, einmal einen Sonntag in ber ftirepe 


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518 


Purdj Errungen jur iHaßrljfit. 


gugubringen, anftatt mit deinen faubern $ame= | einigen t#r religiöfen Verfa 
raben in eine Spielhölle 511 gerathen." j moljnen. 

9Xber biefe (Srmahnunq mar offenbar nicht! Oer Sonntag borgen b 
nach bem ©cfc^macfe beS „jungen £>errn," ber J ^racßt unb £)errli<hfeit'eines 
bie freigebigen 9lnfichten feines Vaters bereits | an. Schon beim V?orgenefj 
in einer 9öeife in praftif^e 91nmenbung brachte, baß ßarrp feinen Vorfaß aus 
bie bemfelben fernere Sorgen bereitete. „3<h derfchmunben mar. Oiefe 2 
laffe mich nicht in eine 6 laufe einfperren, unb regte augenfcheinlich ben Um 
gebente baS 2eben gu genießen, fo lange ich noch @S mar freilich nicht bie Ori 
jung bin," brummte er mit einem fcineSmegS cf>riftlid;e 9Irt unb SBeife, in ! 
ehrerbietigen Seitenblicf auf feinen Vater. Oann ben e>abbatb gugubringen geb 
aber, fi<h fchnell faffenb, fällig er Vtina noch anging, fo hätte er felbft feine 
einen furgen Spagiergang am Strande oor, maS men, baffelbe gu thun, aber 
biefe auch in ber marinen Sommerluft unb im Sohn mehr unb mehr in bie 
lieblichen SJlonbfdjeine gerne annahm. , fellfchaft gerieth, bie ihn ben 

„3fch meiß nicht, mäs Vater immer an mir | mürbe. Ood) durfte er fein« 
auSgufeßen hat," flagte « 9Jtina, bie er gerne 1 Oifchgefeflfchaft nicht laut met 
gu feiner Vertrauten machte. „ 6 r hat uns oft I bemühte er fich, benfelben bn 
genug don feinen luftigen Stubentenftrei^en er* gu derbecfen, bie inbeffen mit 2 
gäjjlt baß icb nicht rinfefje, meShalb ich mir nicht Stillfchmeigen aufgenommen 1 
mit meinen Qfreunben hie unb ba einen dergnüg* terhaltung breite fich dorgügl 
ten Stag machen fottte; ich tann bie 2öodf)e hin= feßten ©otteSbienfte, unb dor 
burch genug in ber Office firnißen." VifcßofS mürben offenbar gn 

Vliita mußte auf biefe 91uS(af|ungen nicht diel gehegt, 
ui ermibern, boch fuchte fie ihm bie Sorge ber Um £11 Uhr gab bie ©todf 
feltern dor ben ihm brohenben ©efahren flar gu Vegimt beS ©otteSbienfteS. 
machen, unb pries bie 9tuf)e unb Stille ihrer mar bicht mit Vtenfcßen gefüllt 
jeßigen fiebenSmeife. 9Wein bamit fanb fie bei bebingt gu £)aufe bleiben muj 
bem jungen Vtanne menig Entlang. 6 r fei fein tommen. Vifchof 3* prebigte 
flinb mehr, baß er nicht auf fiel) felbft 9lcht ha= ten grünblichen, logifct)en 2öei 
ben föntie. Sie fei tränttich unb bie Stille unb ©h^ifti na<h^@d. Rabannes 1 , 
9Ibgefchiebenheit möge ihr gut thun, er aber fei Ohema. <e?eine VemciSfübri 
ein junger, lebenSfrifcher 9Jtann, bem ein folcpeS unb fdhlagenb, feine Schlüffe 
2eben eine ^ein märe. Von feinem Vorhaben, berfprueb gu, feine 9lnmenbun< 
morgen nadf) 2ong Vranch gu gehen, ließ er fich f*nb. Onfel Hermann mußte 
durchaus nicht abbringen. bienft gugeben, baß feine 91 

Oie guriicfgebliebenen ^amilienglieber hielten „biefer 2 eute" einen hurten S 1 
unterbeffen einen {(einen 3 amilienrath ab. Dn= ©emofjnt, bie Sßiffenfdhaftlidl 
fei Hermann fpie 3euer unb glammen, als er anbern Seite gu flicken, mar c 
don ^rau Seemann dort bem Eingriff ber $re= einer grüKe don gründlichen 91 
bigerStochter hörte; er meinte, man hätte fofort gegnen, me(cf)e gegen bie fchma 
aufpadten unb ben $laß derlaffen foflen. £err hauptungen ber 9lpofte( beS U 
2ehmann fah jedoch bie Sache in einem milbe* mehr abftachen, ba benfelben 
ren 2icf)te an. £)err 2ßilfenS hübe fidf) als ein 9lnmenbung aufs^erg, gepaa 
gebildeter Vtann entfchulbigt, unb maSbie fleine liehen ^ntereffe für baS mahr 
3anatiterin anbetreffe, fo merbe fie fchon ruhig fcfjen, nicht fehlte. „Oer Vtai 
merben, menn fie fef)e, baß fie nichts auSricf)te, tiger ©elehrter fein, ich fannil 
unb follte fie fich dennoch mieber dergeffen, fo nicht derfagen," meinte er über 
merbe eiueberbe 3ure<htmeifung fie für die 3u= fi<h feines Unglaubens erinnet 
funft in Schranfen halten. UeberbieS habe man „menn ich auch feine 9tnfich 
fich engagirt, ber $laß fei fef)r hnbfch, 9JJina tann." 9lu^ bie übrigen 3 
habe unftreitig an ffraft unb ©efunbheit bebeiu fühlten fich angeregt unb erb 
tenb gemonnen, fo müffe mat^bie fleine Unbe* | predigt, biegum £>ergcn fprich 
quemlidjfeit mit ben reliqiöfen Schrullen ber ! pajfenb, einen OheilbeS Sonnt 
Seilte mit in ben $auf nehmen; auf einem an= | meinte 4 ?err 2 ehmann. 3 r 
dem gleiße gebe es auch mieber 6 tmaS. 3eit gu einem längeren ©ebati 

Oiefer 9lnfi<ht ftimmten bie 9lnbern g,leich= I hanbeti. Oie jüngeren 2eut< 
falls gu, unb um alles J)erauSforbernbe gu der« | ben Äinber=©otteSbienft, unb 
meiden, mürbe befdhloffen, morgen menigftenS . geiftert don bemfelben gurüct, 


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Jlunfj jjrrungen jur Jfiabrljeit. 


519 


Sieber ba gefangen tnurben. 2Rit beut größten 
^nterejfe begab fic^ bann Me» itad) bem Sie» 
besfefte. 

Äeiite ©otteSbienfte erfdjeinen bem oingctoan» 
betten Seutfahen in biefent Sanbe ungeröobnter 
als biejenigen, in benen bie Säten felbft thäti« 
gen Mtßeil nehmen, fei es nun in öffentlichem 
ißebete ober in lebenbigetn Scucjniffe über eigene 
ÖergenSerfabvintg. ®o fefjr biefelben auch ihre 
9leugierbe errcßeii, fo groß ift auch geineinißliih 
ihre Sermuttberung, unb ber erfte (Sinbrucf, beit 
fte babei empfangen, nicht immer ein günftiger. 
©o mar eö auch hier- ®a ftaitben ÜRcinner unb 
grauen aus allen SebenSftelluitgen auf, unb ga= 
ben 3 f ugnij}, tote fie in Sefti bie Vergebung 
ihrer ©itnbeit unb ben ^rieben mit ©ott gcfuit» 
ben hatten. tarnen, nugenfaheittlich ben l)ö()c= 
ren Stauben angehörenb, 3)ienftmäbchen, alte 
Mütterchen unb junge s Diäbdben, ©efcfiäftsleute 
unb Arbeiter, ©eiehrte uttb Jünglinge, bie gu 
ihren jfüßett faßen; fie Me begeugten, roie fte 
in 3efu ihre Selißfeit ßefunben unb fein höhe» 
resÖlücf faitnten, als ihn gu lieben, unb toie fie 
entfchloffen feien, ihm bon (gangen Qetgen gu 
bienen. 3roifcheu ben 3cugniffen ertönten bie 
lebhaften ißeifett ber neuen GbangeliumSlieber, 
Seufger unb eiitiße ©ebete fließen gum Stimmet 
empor, unb manches „£allelujah" uttb „©ott fei 
fei Sauf" geugte bon ber SRührung, bie fich ber 
£ergett bemächtigt hatte. ffiir nufere 3?reuitbe 
toar biefe freier bcrtounberlüh, ja erftaunlich. 
Sie fonnteit nicht begreifen, toie biefe Seute bagu 
famen, folche 3)inge gu reben; benn baß baS 
Silles nicht bloS äußere tobte fjorm mar, fottberit 
aus bem innerften £>ergenSgrunbe Jam, baS 
mußten fie toobl eittfehen. Unter ben Seien» 
nenbett roaren Stauche, bie ihnen perfön lieh be= 
fannt maren, unb auch fie fprachen bon inneren 
Erfahrungen, bon benen fie fich eingefteheit 
mußten, baß fie*feI6ft nichts babon mußten. 
SBäßrenb fie auf bem ^eimtoege gegenfeitig ihrer 
Serrounberung über bie Scfenntniffe ihrer ©e= 
tonnten MSbrucf gaben, fühlte 2>ebeS einen 
Stachel in feinem bergen, ber nicht meichett 
Wollte, unb baß bicfeS ©efüht auch bei Cnfel 
Hermann oorherrfahenb mar, geigte bie SBolfe 
beS Unmuthä an, roelche auf feiner ©time 
thronte. 

Ser milbe Menb bereinigte noch fämmtliche 
ftausgenoffen auf ber luftigen Seranba, unb 
bie Ereigniffe beS SageS mürben auf’s lebhaf« 
tefte befprochen. 

„2Bie hat 3hnen benn unfer SiebeSfeft gefal» 
len?" fragte 4?err SOßilfenS 3?rau Sehmantt. 
„0 recht gut, nur toiffen ©ie, finb mir biefe 
Slrt unb SEBeife, ©otteSbienft gu halten, nicht ge» 
wohnt. 3n unferer $ir<he prebigt ber $aftor 
allein, unb bie Seute oerrid)ten ihr ©ebet im 
Stillen!" antmortete 3frau Sehmattn. 


„3<h tonnte nicht fagen, baß mir biefeS fo fehr 
gefallen hätte. Me Cftentation, unb befonberS 
in ber '.Religion, ift mir oerhaßt. 3dj halte es 
für eine Gntmiirbiguitg, feine innerften ©efüßle 
fo ber Ceffcuttichfeit preiSgugebett, unb tonnte 
mid) felbft niemals bagu oerftehen!" inifchte fi<h 
Ottfel Hermann in gientlich ßerauSforbembem 
Sötte iti’S ©efpräcf). 

„ 3 a, man muß eben bie ©nabe ©otteS felbft 
an feinem $ergen erfahren haben, um biefeS 
oerftehen gu rönnen, unb mer einmal baS hat, 
ber funit gar nicht fchmdgett, er muß ergählen, 
maS ber .perr an ('einer «eele gethan hat," ließ 
fich ®?artßa etroaS fabnippifcf) oeruchmen. 

2)aS SBort mirtte aber auf Cnfel föermanu 
toie ein ftunfe in’S ^ulberfaß. „GS ift nicht 
3ebermannS ©ad)e, feine religiöfeu ©efühle $ur 
©hau gu tragen, mie bie Heuchler unb Schein» 
heiligen thun," ftieß er rauh fjerbor, „überhaupt 
tjßäten manche Seute beffer, fie mürben bie SRe» 
ligion meniger im SRuttbe führen unb mehr ba» 
öon in ihrem Seben geigen." 

Oie ©efeHfchaft mar über biefen heftigen 
Msfafl augenfehein lieh nicht menig betreten, 
fterr SßilfettS, ber feinen ÜJlann bälb erfannt 
patte, fagte ruhig oermittelnb: ,,©ie moflctt ge» 
miß nicht fagen, baß biefe Uebungen nur ©djem 
uttb Heuchelei feien!" 

„CaS gerabe nicht, boch ift ohne 3n>eifel oiel 
babon babei, unb biefe Uebungen löttnen fehr 
leicht bagu führen." ©id)plößii<h einer £>aupt» 
maffe cutfinnenb, faßte Cnfel ^ermann mit fie» 
geSgemiffer fDfiette uttb etroas böhttifab öingu: 
„2Rait Ifaft nachßerabe fo biel bon burchgebrnnm 
ten ©onntagfahnllehrem, unreblichen Kirchen» 
lichtem unb ben ©fanbalen getoiffer ©ciftlicher, 
baß ein ehrlicher ÜRann ®ebentcn tragen muß, 
in eine folche ©efellfchaft gu fontmen." 

^terr SBilfenS ließ fief) btirch biefen mciteren 
SluSfaH burdjauS nicht tn Slufregung bringen, 
fottbem fuhr ruhifl fort: „GS ift allerbingS 
traurig genug, baß folche Slergerniffe ftattgefun» 
ben haben unb noch immer ftattfinben, aber als 
gerechter unb bernünftiger Wann föntten ©ie 
boch nicht bie gange ßirche für bie ©ünbett Gin» 
gelner ihrer ©lieber berantmortlich machen. ^>a« 
ben ©ie nicht hfute manche 3h rcr ^elannten 
gefaben, bie eitt 3«ugnife für ben .’öerrn abae» 
legt h n 6 e u, unb benen ©ie als tüchtigen ©e= 
fchaftsleuten, unb als ehrlichen, redjtfchaffcnen 
unb für baS allgemeine SBohl fid) intereffirenben 
Seutett ihre Sichtung nicht berfageit fönneu ?" 

CaS muhte nun Cnfel ^ermann ohne 2 öei= 
tereS gugeben. 

„Mutt benn," fuhr f)err ffiilfeits fort, „finb 
jene Seute megen ober troß ber ^Religion, bie fte 
befanuten, in ©ünbe gefallen ? SSären fie recht 
bon bem ©eifte ber ^Religion burchbrungen ge» 
toefen, fie mären nicht gu fo tiefem (falle gefom* 


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520 


flurdj Srrungen jur üaßrljeit. 


men. IJticßt roeil fic Religion hatten, fonbent £cerr SBilfettS aber mar ni 
weil fie g u wenig bauon befaßen, fielen fie in burd> ein fo fdjroffeö 9luft 
©ünbe. llebrigens fommen foidje '-Berbrecßen 33ermirrung bringen gu lafje 
unter ffticßtfircßcnleuten gerabe fo gut uttb oft 8eicßtcd, bie uerborgenen ©d 
nod) gaßlreicßer oor. 2ßarum tjält man fiel) bar» nerd gu entbeefen, nnb in r 
über fo roenigauf? 3Barum macht es ein fol» mit unerbittlicher Sogifbegai 
eßed Huffeßen,' toenn einmal ein Sircßeuglieb gu. gu Spuitft gu toiberlegen unt 
Salle fommt ? 3ft nicht biefeö gerabe ber hefte: fition gur anbertt gu treiben 
iBemeid, baß man ber Dteligion eine ßeiligenbe, | ben energifdjen Angriffen bc 
reformirenbe ülraft gutraut, fo baß cS auffätlt, feß ließen mußte, ,'jum erften 
mcitn fie einmal biefe Äraft uießt audübt. ©o berühmter ®änner, tote 9c 
gefteßen bie Säfterer fclbcr ein, baß fid) uon ber i an, bie allgemein a 13 miffe 
Üteligion nur ©uted erwarten läßt, jene an» i täten anerfannt finb, babei . 
ftößigen Scfenncr finb imreßaud fein -93etoei§, ber ©eite, ber 33ibel flehen 
baß bie fReligion 9ticßtd fei, fic bemeifen blöd, meldje Unricßtigfeiten unb 
baß fie felbft (eine Uteligion haben." ©hftemen eines ©üeßner ui 

Cnfel £>ermann, ber moßl fühlte, baß er fi<ß naeßgewiefeu feien, unb wie 
auf unficherem ©runbe befanb, wollte nun fcßnell miffenfd)aftlid)en ©ntbedung» 
feine Äampfmeife änbern unb einen fpauptfcßlag bie 2Üaf)rl)cit ber heiligen € 
führen, inbem er .mit feinem gangen Unglauben ten; bann mied er barauf hit 
ßeraudplaßte: liehen Unridhtigteiten unb 31M 

„9tun, ich will auch barüber nichts weiter theild auf Unfenntniß ihre 
fagen, biefe Stage hat überhaupt bei mir fein fo S9ibel, theild auf fDiißoerftä 
großes ©emießt. Aufrichtig eingeftanben, ich fußen; bann Wied er bnrau 
glaube überhaupt nicht an Religion, Weber an bung unb ber nrtfctjritt ur 
bie chriftlicßc, noch an irgenb eine anbere. $)ie berS auch bie immer meßr gu 
heften ©eleßrten, bie tiefften tßßilofopßen finb tat ßauptfadjlicß bem ©infl 
längft barüber einig, baß alle Dtcligion blöd IJJeligion gu bauten feien; 
menfcßlicße ©rfinbung ift, bie eßriftiiehe nicht Cnfel Hermann, ob er, ba 
ausgenommen, ©d ift waßr, fie hat manches SBerfett ber 9taturaliften be 
©ute feßon in ber 2Selt gewirft, aber audß man* jemals um bie^ßertßeibigung 
eßed ©cßlinimc: man benfe nur an bie Entöle* ließen IReligion gefümmert ßi 
rang unb bie Dteligiondfriegc ber Hörigen 3faßr* feßämt berneineu mußte. „®c 
ßunberte; jebcnfaUS ift ed gu weit gegangen, fie ermiberte &err HöilfenS, „ger 
als eine göttlüße Offenbarung barguftelien unb Sßrcrtpnrteigenoffen, melcßel 
unbebingten ©lauben gu bedangen. 35er 33ibei oßne fie auch nur gu fenncit i 
finb bereits Piele Sfrrtßümer unb Unricßtigfeiten gufatleu, oßne ißre 33eßai4 
naeßgemiefen worben, bie neuere 9laturmiffen» ober nur anßören gu wolle 
feßaft ßat mandje ißrer ^Behauptungen über ben biefelben gu fagen hat." 
Raufen geworfen; Sogt, tBücßner, befonberd fderr SBilfenS war gerabi 
aber Carmin haben über ben Urfprung ber Sßelt Hermann mit ber SBaßrßcit 
unb bie ©ntroidlung bed menfcßlicßen ©efcßlecß» Seihe gu rüden, als er pti 
teS fold) überrafdjenbe ©ntßüOungen gemaeßt, würbe, ©in Suggt) war ei 
baß bie große 9Jtajorität ber gebilbeten SBklt mit gefahren, ein junger fBtanr 
bem ©lauben an bie 2Mbet für immer gebrochen felben unb eilte auf bie © 
ßat. ©o mag fieß benn ber urtßeildlofe £)aufc feßien Cnfel Hermann gu fe 
noch bon ihr in Scßranfen halten laßen, ber ©e= gutretenb, fliiftertc er ißm nr 
bilbete ridjtet fid) naeß bem ©efeü in feiner ©ruft." grüßung etlicße HBorte in’S 
9Jtit ©rftaunen unb tßcilweife fogar mit ©nt» berfelbe fid) oerfärbte. ©d)n 
fetten hatte ein Jljcil ber ffiefellfchaft biefen 9luS= Uebergicßer ßerbeißolenb, tße 
iaffuitgen gugeßört; ben Sßenigften unter ihnen i ten ©efellfcßaft mit, baß er 
mar ber Unglaube jemals in fo nadter'Seftalt empfangen habe, fein ©oßi 
unb in fo feßroffer SBcife gegenüber getreten; wtinbet in einem .frotel in 8 
ber weiblicße 2ßeil richtete feßeue ©liefe auf fei» fprang er in bad Suggp unb 
nen feßeinbor fo berebten SBertljeibiger, wogegen glüdSboten bauon. 

SefjmannS feßr uerlegen fühlten unb Cnfel £>er= 3luf bem 2öege gelang eS i 
mann gerne gurüdgchalten hätten, wenn bie gurüdßaltenben jungen Ulan 
offenbar ooll ermadjte $ampfluft beffelben irgenb heilen beS UnglüdSfaöed gu 
einen ©rfolg ßätte uoraudfeßen laffen. i hatte in Song 23rand) SBefai 


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Jfon jUnanbrirn nad) l&aitro. 


521 


fid benfelben oitcicfc^loffcn. Ten borgen batte | 
man mit ftifden uub Sootfaßren jugebradt, am j 
Dtadmittag I>attc man einen Sergnügung»plaß i 
aufgefudt unb batb mar bie gnnje (iiefellfdEjaft ■ 
eifrig in ißr Spiel Pertieft; man traut fief) ba= j 
bei fleißig ju, über bem Spiele entflanben ! 
Tifferenjen, eS tarn jtt Streitereien uitb enb» ’ 
ließ ju einem £anbgemenge, in lueldjem ©arrp i 
mit gebrodenem Dlrme uub blutigem Hopfe Iie= 
gen blieb. 

Sei feiner Dlnfuuft im £>otel fanb Cnlel £)er= ; 
mann ben Dlrjt am Sette feine» SoßneS. ©r 
hatte bie SBunbe oerbunben unb beit 9lrm mieber i 
eingerichtet unb theilte bem beförgten Sater mit, | 
baß bie Serleßungen nicht gefährlicher Dlrt feien, : 
immerhin aber forgfaltiger pflege unb großer 
Schonung bebürften. 

Ta eS bereits fpcit mar, fo befdloß er, bie 
3iad)t felbft am Sette beS Serrounbeten ju blei= 
ben, morgens bann nach |>aufe ju gehen uub bie 
DJlutter jur Sflege beS Serrounbeten ju feitben, 
bis er nach £>aufe transportirt roerben lönne. 


Uoit JUtfatririeu und) Jfcairo. 

Sin »ilb, grjeidnet non (SaroluS. 



aS uralte 2aub 
ber Sßarao» 
nen, ba» feit 
DllterS ljrr ben 
'.Dicnfdjen ein 
Shutber ift, hat 
roieberum bie 
Dlufmerlfatnleit 
ber gattjen 2Öelt 
auf fleh gejogen. 

(Sin foldjeS 
2 a nb mie ©gt)p= 
ten, ift ein gro» 
ßerDlnjicbungS» 
Ci» »ckuine. plintt fÜt 9tci» 


fenbe. (SS bietet 


fficihrenb er bor bem Sette faß, tonnte er eS uns bie ßerrlidfle Srächt ber Dlatur, bie unöer« 
nicht halfen, baß feine ©ebaufeit fid) mit ben gleid)licheu Dteije beS Orientes, es fteflt uns auch 
©rlebniffett beS oerfloffenen Tages befdäftigten. Hör klugen bie eljrroürbigen 3ci'gen einer grauen 
©S mar ihm, als hörte er mieber bie geiftüoüe Sergangenljeit, einer ©efdjichte, bie fo meit in 
Srebigt beS SifdofS unb bie (ebenbigen 3eug= bie fernen Sahrtaufenbe juriidreid)t, mie bei tei= 
niffe feiner Selannten. (Sr hatte bisher nichts nein aitbern 2anbe. Ter roiffenfdaftlid ©ebil» 
um ihre Dlnfldten gegeben, biefelben roolfl höh* bete, ber ©eiehrte finbet hirr in g leidem Stoffe 
ttifd als Schrullen unb fie felber als Hopfßän» Öcnüge für feinen ©eift, mie ber ffreunb ber 
ger bejeidnet. Tiber rnaren fle nicht am (Snbe Statur, unb fein 2atib ber meiten (Srbe fauu fid) 
bod int IRedt? ©r fühlte, mie fein miihfam gleider Uteije rühmen, mie baSgefegneteDiiltbal. 
aufgebautes philofopfflldcS Spftcnt fdott bei ber SJeun man nod) bie jeßige Aufregung baju fügt, 
erften Serührung mit einem ernften ©hriften fo ift bieS mahrhaftDlttlaß genug, biefeS rounber» 
bebenflid inS SSänfen gefommen mar. 3i'bem, hare 2anb ju befuden. 
melde praftifde SMrfuttg hotte baffelbe bisher ©er benn mill mit mir reifen ? SBcnn and 
gehabt ? 3bn hotte eS entfdieben nidt glüeflid nidt in ©irflidfeit, föttnen mir bie Seife bod 
aemadt. ©r hotte feine Hinber itad biefem im. Seifte maden, mie fie praftifdermeife aus» 
fepfteme erjogen, benn ihre DJtutter mar eine ju geführt mirb. 

fdüdterne Dicitur, um feinem ©itifluffe ein 3u einer bcrlangcrten DUlfaßrt hoben mir 
©egengemidt ju gehen : unb melde ©irfung nicht bie 3dt, unb ntüflen uns baßer mit Ttlejf= 
hatte baffelbe auf fie gehabt? Ter Serrounbete anbrien unb Hoiro nebft Umgcgenb begnügen, 
bor ihm fagte eS beutlid, unb er mar aufridtig 2Sir Peranftalten bie Steife, ehe bie egpptifden 
genug, fld felbft einjugeftehen, baß biefeS bie Unruhen auSgebrodcn maren. 
natürliden folgen feines SpflemS maren. Tiber Dtacß einer gliicfliden Saljrt über baS SDtitteU 
maS follte er thun ? Sein £>erj empörte fld länbifcpe DJteer mirft gegen Dlbenb ber Tampfer 
gegen ben ©ebanfen, felbft umjufeßren, unb fo int £ 10 feit Pon Dlfejanbrien Dinier. TaS Seroußt» 
einjugeftehen, baß er bisher im ^rdbum ge» fein, Pon feiner großen Üteife einen beträdtlidjen 
mefen fei. Unb maS mürben feine fjreunbe tinb Tßeil juriidgelegt ju haben, bringt bem Üöanbc» 
Sefannte fagen, menn er nidt meßr ju ihnen rer ein ©efüßl jufriebenen SeßagenS. Tie erfte 
hielte! 3 l >bem, maren eS nidt große unb meife Station ift erreidt. Ta liegt baS fdöne Dllcjait» 
ÜNönner, bie auf feiner Seite ftanbeit, foflten briet bor uns, Pott ber Dlbettbfonne befdienen. 
bie @eleßrten, benen Taufenbe jujaudjten, alle DJfan unterfdeibet beutlid bie intereffante 
im 3rrtßume fein ? — So, mährenb ber Ser» arabifde Stabt pon betn ftoljen granfenquartier 
munbete bor ißm pßantaflrte, fämpften in fei» mit feinen ftattliden ©ebäuben; baju helfen bie 
nem eigenen fierjen 2idt unb ginfterniß ben jaßlreidcn DJtinaretS, melde bie ©införmigteit 
alten perjroeifelten Hampf. ber meißgetündten ^»äuferreißen rooßlthätig 

caorttetung folgt.) unterbreden. DluS einem S)alb Pon Tattel» 

-- palmen taudft, alles überragenb, baS forintßifde 

38 


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522 


Pon JUrxanbrien nodj fiairo. 



2luf bctit 9111. 



$apitol ber Pompeju»fäule peröor, ba» als utu 
uergänglidje i'anbmarfe bcn Sßcdjfel bcr ^apr= 
fjunbertc übcrbaucrtc. 

2 Belch ein ©emifs ift aber bcr überwältigcnb 
fcf)öne fütblirf be» Sonnenuntergang»! ©leid) 
einer flammenben Äuget üerfitift bie Königin 
be» SageS in ba» Wcer unb beinahe umnittcU 
bar barattf hüllen bie grauen Schleier bcr Sä in* 
tnerung bie Umgegenb in ihre bunflcn Schatten. 

Sa3 Sehen im ’&afen fdjeiut mit einein fDiale 
erftorben. fDiit Ginbruch ber öollftaitbigen 
Sunfelheit flacfert plöjjlid) ba» grellrothe treuer 
be3 £eud)tthunnä über bem 2)ieere auf unb wirft 
feine Sd)taglid)ter balb hierhin, halb bortbin, 
je nachbem ber Slbenbwinb bie 2eud)tpfanite be* 
megt. 

Pom Kämpfer wirb ber Paffagier in einer 
buntbemalten ©onbel an» Sanb gefdjaulelt, wo 


'-fUcjaiiMia. 


j ihn ein jubringlidje» ©etnifd) bon Gfeltreibern, 
| holbnadten iyellah» unb europäifdhen ©aftljof** 
! agenten überfällt, um ihn auc^ubcuten ober ihm 
I wenigftenä ein Srinfgelb (Pacffdjifd)) abjuoer* 
laugen. 

i 2 i(eraitbria tann in einem Sage befeheit wer* 
! ben. 

Pon bem fRcichthum unb ber Fracht ber alten 
Stabt Pleronber» unb be» ptolemüuS haben fidj 
nur geringe Dtefte erhalten. Um bie inter* 
effanteften Seheiuswiirbigfeiten ber Stabt ju be= 
| fdjaucn, gilt ber erfte ©ang nach ber PompejitS* 
j faule, welche füblid) außerhalb ber Stabt auf 
einer fauften 9(nl)öhe errichtet ift. Sicfe 100 fjufj 
I hohe 'Säule au§ einem eiitäigen totiidfe rotljen 
| ©ranit -3 würbe jtt G breit be» Staiferö Siocletian 
aufgeftellt. 

■ 3»r linfen £>anb, burch einen reijenben PaU 

meithain, führt ber 2öeg ju ben Äatafonu 
ben, untcrirbifchen ©ängen unb ©rabfattu 
mern, alle mehr ober minber eingeftiirjjt. 

Unter bicfe Pltertljümer gehörten früher 
auch bie beiben Obcli»fen, oon beiten ber 
eine umgeftür^t am Ptcercsftranbc lag, 
währcub ber attbcre, bie 9iabei Ä leopä* 
trag genannt, fidj in einer £>öhe bott 70 
jfiuft erhob unb gleich her Pompe jusfäule 
weithin fichtbar war. Gs ift ja befanut, 
baß Cleopatra mit biefer Wabel fich fo 
Wenig jtt fdjaffen nutzte, wie Pcmpejuä 
mit feiner Säule. SBeibe berühmten Äoloffe 
ftammen au» ben Spenit = Steinbriid)cn 
oon Spene, unb waren auf betn 9iil nach 
£)cliopotic-, ber Sonneitftabt, geführt wor» 


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Jon JUrzanbrim nad) Kairo. 


523 


beit, um al§ 3ierbe bor betn 
ftönigSpalafte ju glänjeii. 

33ie e§ btefen CbeliSleu 
ging, ift befannt; bcv eilte 
mürbe nach (Snglanb uitb ber 
anbere nad) beit Skrcinigteit 
(Staaten tranSportirt. 

Hon ber ^ompcjuäfäule 
un» mieber jur Stabt meiw 
benb, geben mir juitäcbft junt 
neuticb niebergebraititteit unb 
jerftörten Webenteb Slliplaß, 
bem Wittelpunft be3 euro= 
päifcben Sebettö. tiefer ‘'fMaß 
ift mit Springbrunnen uitb 
fdjattigen Sönumpflaiijen ge= 
fcbmiidt uitb in ber Witte 
ftebt eine 'Jteiterftatue Wel)e= 
meb 9tli», beö totifters ber 
Jipnaftie. 

Sßon b<ft geben mir bie 

3tue s Jtas=et=Iin entlang, bie ct-cua i» i-tuovou«. 

längfte «trage ber Stabt, 

tum arabiftben SSiertel, me lebe3 jmifcben ben mehr juiiebmenben 5ßerfanbuitg nur als 9fott)= 
oeibeit £>äfeit liegt. $)iefer Stfjeil ber Stabt ift b«f en gebraucht. 

bem Ipuriften ber intereffantcfte. £)ier in ben ©ent mödjtcu mir ba§ eutopäifd}e Ouartier 
engen Stragen fann er ficf) ba§ ecbt orientalifdje niiber bcfeben, bod) mtiffen mir roeiter auf unfe* 
bunte Sebeit unb Streiben attfcbeit. 3$oit hier rer Steife. WorgenS um 9 Ubr bcrlaffen mir 
au§ führt ber 2ßeg biirdj bas tiirtifcbe Viertel, Sllcrattbrien mit ber SBabn unb erreichen nach 
melcbeS att ber ftalbiitfel Pharos liegt, unb mo ungefähr fcd)3 Stunben bie altberithmte Stabt 
früher ber berühmte S?eucbttburm '(i b r o § / ßairo. 

eines; ber fiebett Söuitberroerfe ber Süelt, ftanb, (Sitte gute Ütunbficbt ber Stabt geniest man 
jum SSalaft unb ©arten beS ißicetönig«. .frier bon ber ©itabeüe. (SnbloS jieljt fid) bie Stabt 
genießt man eine prächtige Slnficbt be§ meftlidjen nach Offen bi«, jahUo» fiiib ihre kuppeln bott 
ifrafeit§ mit feinen großartigen 2Bellenbre<berii pcrlid) manrifdjer Arbeit. 3» Rimberten ragen 
unb bem £eud)ttburtn. ®er öftlidje, ber grobe fdjlonfe Winaretc empor, bie mit fd)Ianlen ^at= 
(frafen ber Uten) mirb roegeir feiner immer men metteifern, unb burcb bas ©cmirr bott Stra* 




Ulfbcmeb äti, 'lila?. 



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524 


JJon JUeianbrien nad) Bairo. 


Ben unb Stößen fteftt man beutticb bic farbige 
Vtenfcben menge mögen. 

91 u bic Vorftäbte fc^liefeeit ficf) jjradjtöode grüne 
©arten mit füblidjer Vegetation an, in beren 
©(batten Satafte unb Saitbbäufer fteben, unb 
fühle 9ldeeit f)of)cr Saunte bur^treujen bie ©arg* 
genenftabt; hinter ihr aber fliegt ber alte, berr* 
liebe, ber treue Vater 9til, in beffett 9tabe ber 
f eiub lauert unb bereinjubreeben brobt. 2>emt 


e§ gcmaltfam auf bie Sabn beS f ortfcbritteS ge* 
bräitgt bat; bie Stofcbee ift ganj aus bem 
foftbarften 9tlabafter auSgefübrt. Sein jmei* 
tcS ©ebäube biefer 9lrt ejiftirt auf ber ©rbe. 

Ser große £>of mit ben Säulenhallen, 
bie maurifeben Sogen, bie bicr hoben, fd&lan* 
Jen, meigen Stinarets, bie 9lrabeSfen in 9totb 
unb ©rün, Stau unb ©olb, baS blau unb 
grün gtafirte geroattige Äupßelbad), bie bunten 



atla&aftermofö« SKcbcmcb Hit’*. 


nur ein fctjmaler ©treif ©rün jenfeitS beS ©tro* 
meS — unb bie Sßiifte 9tfrifa’S breitet fict) jum 
unabfebbaren ©anbtneere aus, inmitten beffen 
bie Vgramiben fiA erbeben, jene uralten 3ei<ben 
beS menfcbticben ©cbaffungStriebeS. 

9luf?cr ber Gitabelle finb febenSmürbig bie 
©rüber ber Stamelufen*$?önige unb ber 9lil= 
mefjer auf ber fitfel. 

Unter ben Dielen Stcfdjeen ift bie prädjtigfte 
bie ©rabtnofdbee Stebemeb 9tli’§, biefeS gelben, 
ber beut 2anbe einen hoben ©rab oon Unab* 
baugigteit unb ©elbftftänbigfeit errungen unb 


©taSfebeiben, met(be baS Siebt bämßfen — all 
bieS madbt einen munberbareit ©inbrud. SaS 
©taS bat etmaS SfagifcbeS, feenhaftes, unb tritt 
man enbli<b bor baS oergotbete ©ifengitter, bin* 
ter meinem ber mit fernerem Vurpurbamaft be* 
bedte ©arfopbag Stebemeb 9lli’S ftebt, fo über* 
fommt ben Sefcbauer unmillfür(i<b ein ©efübt 
ber 9lnba<bt; er ftebt an bem ©arge eines großen 
StanneS. 

Sie 9tlabaftermofcbee mürbe erfl im 3fabre 
1857 tmdenbet. 

I Viel reijenber aber als ade bie krümmer ber 


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Googk 

















































Pott JUtxanbrieti nadj $airo. 


525 



altert 3eit unb bie großartigen 
Schäube, ift bie ©eene auf ber 
©trage, in ben SagarS unb ben 
Äaffeepäufern. Sunt unb ge= 
mifd^t ift bie aus etwa 300,000 
Äöpfen beftepeitbe Solfsmcitge, 
benn pier fiept tnan ©eftalten 
aller IRaffen, IRepräfentnnten beS 
9lbeitblanbeS fomie beS Worgeiu 
lanbeS. 

©ier reitet ber bebäeptige Wu= 
felmann auf feinem weißen 2aitg= 
opr; bort gebt ber poepaufge» 
fepoffene febtante Araber, ober 
ber weiße unb grelle färben lie* 
benbe 9teger; ber bebauentS» 
toertbe ,,©aiS," ber jebetn 2öa= 
gen oorlaufen unb mit ben fliicp* 
tigen ©ufeu gleichen oepritt paU 
ten muß; ber fJlilbootman unb 
ber UBafferträger, ber feine 2a= 
bung in bodSlebernem ©ade auf 
bem'«Rüden trägt unb ficb burep 
baS 9lneinanberfcplagen tton 
Slecpftüden bemerkbar macht. 

Sa ift ber fcpntußige geflap im 
blauen Mittel; ber bliiibe Settier 
mit feinem rübrenben 9iuf; ber 
ßfeltreiber; bie »erfüllte SomU 
nofigur ber ©areinbame; baS 
unüerpüflte SOßeib beS Qfellap, ein 
nadteS ffinb rittlings auf ber 
tädjfel tragenb; ber ©autler, 
ber feine jhmftftüde öor einer 
©paar gerluinpter '«Rangen probugirt; ber ernjte 
©ibreibcr, meift am grünen Surbatt unb am 
altegpptifcpeit ©epreibgeug im ©iirtel erlemtbar; 
unb ber ©eplangetibäitbiger mit ben giftigen 
©drangen — unb wie fie äße peißen unb aiiS» 
feben mögen, bie abenteuerlichen ©eftalten beS 
bunten, bewegten Sehens, beiten ber fjretnbe 
oerwunberte iutb erftaunte Slide naebfenbet, 
wenn fie an ihm »orüberbufeben. 

fRicpt minber iiberrafebt febweift fein eilige in 
biefe winfeligeit ©affen unb ©äßpen, mit ,©äu= 
fern ohne Spüren unb mit feltfatnen ballonartig 
oorfpringenben ffenftern, oft Sraubftätten unb 
fRuinen ähnlicher als tnenfcplicpen SBopttnngcn, 
in beren Sabprintp fiep MeS brängt, was Seine 
pat, oom Äinbe, baS fiep im ©taube aufficptsioS 
roäigt, bis gum ©reife, ber am ©tabe einper* 
fpwanlt; Don ber Uaße unb bem perrlofeit ©unb 
bis gum ffameel, baS fcpwerbclaben baperfeuept. 

3u ben Sagaren, biefen fcpinußigeu, niebrigen 
©ewölben, in beneit MeS, was ginn ©aushalte 
unb gum SujnS gepört, bie einfaepften ©erätpe. 


6trafjc iit jtairo. 

bie foftbarfteu ©ewebe unb ^umelen, auSgeboten 
wirb, perrfept womöglich ein noep bunteres mor= 
geitlänbifcpeS Sreiben Dom frühen Dtorgen bis 
fpät am 9lbeitb. 

$j[n ben Wofcpeett aber prebigen bie UlemaS 
(SBifjcnben), biefe fanatifipen 9lnpängcr beS 
Propheten, bett SMberftanb gegen bie ßpriften* 
punbe, unb in ben Seelüften ber SafcpaS werben 
Släne gefcpiniebet, um ©gppten frei gu ntaepen. 

1 2BaS baS meint, baS wifjen wir. GrS meint 
| bie SBieberperfteßung ber alten Safcpapwirtb* 

I fepaft, bie baS Soll fdpredlicf) auSfaugte, opne 
bemfclbcn etwas gu bieten, unb witlfürlicp tpat, 

I was bie ©roßen wollten. 

©gppten ift ttoß all feiner Sracpt unb feinem 
fReicptpum gu bebauern. Cb bie ©nglänber 
baffelfte Peperrfcpeit ober bie Sflf<P n§ - baS arme 
Soll wirb bulbeit unb bluten müffen. fRicptS 
! lannbemfelbeu grünblicper helfen, alsbaSCfoaiu 
I gelium. DJtöge es halb bem fctlfcpen Seoppcten 
; beit Stiiden leprett, unb bem Äinbe aus Setple= 
; pem Spor unb ©erg öffnen. 



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526 


Pie lange bauert bat leben? 


Per junge Didjtcr unb bie itcbnhtioii. 


©an Julias @6er|art. 


w o bleibt bte poft? 3 n einer falben Stunbe 
Soll id? 3 ur Sdyule gel^n. §u Stunbeu roerben 
IHiituten mir, bis tdj bie ncu’ftc Hummer 
Pom Unterfjaltungsblatt in I^äitben habe. 

3u leßter Hummer Fonnt’ es nid>t mehr fein, 

3n biefer aber muß t>on ben (Sebicbten, 

Pie tdj jiingft eiugefaitbt, ftd? eines fhibeit. 
Pielletdjt folgt gleidj bas fjonorar auch mit. 

IPte foilt’ bie HebaFtton nietet untcrfdiciben 
Pott fcfjledjtem PTadjroerF malere pocfic ? 

3cf? bin begierig, mas firroofyl 5 ucrft 
fyit aufgenommen, ob bie Bismartfsobe, 

(Db t>on ben anberrt Siebern eines bodj 
PTetn Pidjterrufjm mirb fo wie fo begriinbet; 
Penn mein (Ealeitt Faun nicfyt oerborgett bleiben. 
Balb mirb aud? ein Perleger ftd> mir ftuben, 

3n pradjtbanb auf Pelinpapier mirb man 
Salb meine Pcrfe lefen, ba§ mit Ringern 
PTau auf ben Pidjter beutet. 2Jufgegebeu 


IPirb bann bas troefne Stubiun 
Pon meinen Honoraren merb’ i« 
21 m See ein Raubbaus Faufett n 
Per Bote Fommt! (Scbt t^er 1 Po 
IPie ? nicht auf erfter Seit’ ? ift’s 
Hur eine Spur oon meinen fd?ö 
BriefFaften aufgefucbtl £}icr mi 
Pcs Bätfyfels Söfuitg. PTcinc <£ 
X. §. „2Ju 21. in PT.: gan 3 nttc 
2ln 2v. in K.: fjiibfcb, boefy fd>ott 
2ln B. in B.: ermünfdjt. 21 n (E. 
Pas Honorar ift abgegangen/' 
„2ln X. bem papierFotb üb 
Perblcnbcte HebaFtion! mie fety 
PerFennft bu beinen Portbeil! j 
Sd?led?t rebigirt nnb nidjt ber P 
Paß id? es länger lefe. Pas 21 bt 
IPcrb’ idj mit Foinmenbem Quo 


JXJie lauge dauert bas $rbftt? 


Jfl tefc grage h«t fürjlirf) ?|3rofeffor 9t u fl u fi 
21 ©leiSmaitn in ftreiburg in einer fleU 
>• nen Schrift i v Vna bei ©. Ff ifdier! ju be= 
antworten gefucht. (Sr befchäftigt fid) ba nicht 
fpejiell mit bem ©tenfehen, über beffen CebenS» 
bauer mir ja fe^r genau unterrichtet finb, fon= 
bem mit ber fiebensbauer ber Dcvfdjiebenen Or= 
ganismen überhaupt. 3fjr Tafeiit hot feine 
natürlichen ©reitjen, bie aflerbittgS [ehr üerfc£>ie= 
ben geftedt finb; fdjon ein mittel^odjbeutfdjer 
Spruch fagt: „@in 3auntönig mährt 3 ^aljre, 
ein fjunb 3 3‘iuiUönigalter, ein 9toß 3 fjunb§= 
alter, ein ©?ann 3 fRoßalter, macht 81 3af)te." 

9lls (Srflärung für bie ©erfdjiebcitljeit ber 
Sebensbauer mirb auf förpcrlidje Unterfchiebe 
ber 9lrten, bereu '-Bau uub 'I'iifdnmg hingcmie= 
feit. Tie Körpergröße fommt hierbei in 
Setrncht. Tie längfte Sebensbauer üou allen 
Organismen bcfißeu große '-Baume. Tie 9lbau= 
fonien (9lffeiibrotbämne) ber Kapoerbifchcn 3n= 
fein feilen 0000 3"hre alt merben. Unter ben 
Thicren finb es aber, fo glaubt man, bie greift 
ten, melchc baS höd)ftc 9llier errcidjen; ber ÜöaU 
fifch lebt gemiß einige 3af)tbunberte, ber (Slefant 
mirb 200 3al)« «U, baS ©ferb 40, bie 9tmfel 
18, bie ©taus 0 3flh« alt; Diele Büfetten leben 
nur ein paar ©Jochen ober gar nur ein paar 
Tage. 3»beffen bei näherer Setrachtung ber* 


liert biefe abfteigenbe '»lala 
ber Karpfen erreidjt ein ebenj 
ber Elefant, bie röte mie b 
?}Iuf;frebS erreicht baffelbe 9llte 
iiämlich etma 20 3«hra, obi 
hunbertften 2heil üon biefem 
ltidht bie Körpergröße allein, 
9(lter bebingt. 

92achbent SHeiSinann nod) i 
(phhfiolögifche) ©ebingnngen 
melche auf bie datier bes : 
fommt er ju bem (Schluffe, b 
©ebingungen beS Sehen» finl 
ganiSmus gemiffermahen bie j 
feine Tauer beftinunt ober bie 
Don beftimmter Stärfe mache 
ftiminter 3eit ihw 3pannfra 
ben ©erfaffer nun weiter in fe 
feßungen über bie Urfachen 
unb bereu ©ebiugtfjeit folgen 
mir au» feiner Sdhrift noch 
iutereffirenbe thatfächlid)e ©c 
au». 

Tic © ö g e l hefißen im all; 
faücnb lange Sebensbauer., ( 
einheimifchen Säuger leben U 
©iberganspaor miirbe 20 3«f 
felben 91iftplaße beobachtet, ei 


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Spiif komm! P« Jlfarrer ftidjelt. 


527 


einem fehlerhaften Stufe leicht fenntlid) mar, 
32 patjre uacheinanber in bcinfelben UÖalbbejirte 
gehört. gn ber Schönbrunner Wenagerie hielt 
ftd) ein roeißtöpfiger Seiet 118 gahre lang in 
bet ©efangenfehaft. 

Sehr genau öcrfolgen tonnen mir bie Sehen!» 
bmier ber g n f e t te n. Sie ift feljr oerfeßieben 
unb hängt oon ber leichteren ober fchmierigeren 
©rnährung ob. Sie Sarüen ber dienen, bie 
mit £>onifl unb Sliithenftaub gefüttert merben, 
ohne fiel) felbft barum bemühen ju müffen, ent» 
midelu fich feßon in fünf hi! fech^ logen jur 
'-[hippe, roäljrenb bie btattfreffenben Staupen ber 
echmetterlingc bi! fed)! ©odjen unb länger 
brauchen, um fich Oerpuppen ju tonnen, bie 
Staupe be! oon 0o(j lebenben ©eibenboßrer! 
aber fogar jtoei bie brei gahre. j 

Sie Sauer be! podtommenen 3"feite« (fog. j 
gmago, atfo bei fertigen Schmetterling!, ffii» \ 
fer! ic.) ift eine fehr für je, jo möglichst furje. ; 
Sie Waifäferlaroe frißt Pier gahre lang bie l 
'■Kurbeln ber '-Pflanjeu ab, ehe fie junt ffäfer 
roirb, unb biefe fo miihfam errungene, fo Jom» 
plijirt gebaute ©eftalt bei reifen gnfefte! hat 
ein fchnell Oergänglidje! Safein; ber ffäfer ftirbt 
etma einen Wonat nach bent Serlaffen ber '-Puppe. 
Sie meiften lagfdjmetterlinge leben nod) türjer 
unb ba! äuperfte an Sebcnlfiirje leiften bie gin» 
taglfliegen, bie im Pollenbeten 3 lt ftanbe nicht 
länger all oier bil fünf Stunben leben, ©egen 
Slbenb fcßliipfen fie au! ber 'Puppcnhülle, fooalb 
ihre glügel erhärtet fitib, erheben fie fiel) in bie 
fiuft, pflanjen fich fort- fämmtlidje gier merben 
auf einmal aulgeftoßen unb bal Sehen ift ju 
gube, ba! Ihier ftirbt. 

Ser berühmte Staturforfdjer ff. g. oon SBner 
bat einmal gefagt, bie Stothmenbigfeit bei Ster» 
ben! fei nicht ermiefen unb er hoffe, bem lobe 
feinen ©illett entgegcitjufeßen. 'Natürlich im 
Scßerje! goßn hunter hoffte, e! roerbe gelin» 
gen burch abmedjfelnbe! gefrieren unb ©ieber» 
aufthauen ba! Sehen bei Wenfdjeit in’! Unenb» 
liehe ju perlängern unb ber Sßerottefer Slleffanbro 
©uaguino banb feinen geitgenofjen ba! Wär» 
djeit auf, in Stußianb gebe e! ein Soll, melchel 
welche« regelmäßig alle ga f)ic am 27. Stooetnber 
ftürbe, uni am 24. Slpril mieber aufjumadjen— 
aber im grnfte hot e! nod) niemanb bejroeifelt, 
baß bie höheren Organismen alle ben ffeint be! 
lobe! in fich tragen. 


komm! per Pfarrer ftidjelt. 

ine! alten Schäfer! Sohn la! feine erfte 
Weffe unb hielt feine erfte Skebigl. ©ic 
hätte ba ber SBater nicht babei fein mollen, 
um „Sr. gßrmürbcn" prebigen ju hören ! gr 


fchleicht mit feinem .punb Pon ber beerbe roeg 
unb laufcht an ber ff ircßtßür ben ©orten feine! 
Sohnes, roelcher über ba! goangetiuni oom 
guten .^irten prebigt. Sa hört er alle bie guten 
©igenfeßaften eines rechten Wirten rühmen, roie 
fie ber Sohn mol)l am SPatcr abgefeßen hat. 
9ll! aber juleßt and) beffen gebaut mirb: „gin 
guter flirte bleibt bei feiner heerbe," _ 
padt ber Slltc jdjleunigft auf unb fpridjt ju fei» 
nein .ftitnb: „topik, lomrn, ber'-Pfarrer ftichelt." 

Siefe alte ©ef(bid)te mieberholt fich nod) oft 
bi! auf ben heutigen lag. £)ier nur jmei 23ei» 
fpiele. 

gin ©eiftlicher erjäljlt Pon ben grfaljrnngen 
in feinem Sltnte folgenbel: 

gef) hatte meine Stelle in einem Sorfe, mo 
ein müfte! unb jucßtlofeS Sehen herrfd)te, ba! 
bem goangelium gänjlid) entfrembet mar. Sa! 
erfte Sebeiisjeichen, nadjbem id) fdjon eine geit» 
lang bort geftanben hatte unb oerjagte, mar eine 
offene geinbfdjaft gegen ba! ©ori unb gegen 
mich, beffen Hertiinbiger. gd) ließ mich aber 
baburch nicht irre machen, fuhr fort, ba! ©oan» 
gelium ju berfiinbigen unb fügte bem gemüijn» 
liehen Öottelbienfte noch eine ©ibelftunbe in ber 
©odje hinju. Siefe mürbe auf munberbare 
©eife bie Urfadje einer großen grmeduug. giuel 
9lbenb! theilte id) in ber SMbclftunbe, bie ich gern 
burch ginreihen chriftlicßcr ©efdjidjten ju beleben 
• fud)te, au! Schubert! „11 (te! unb Diene!" bie 
®c|d)id)te oon einem Wanne mit, ber am 'llbetib 
über gelb mitt, um in einem nahen Sorfe eine 
Süitbe ju begehen; untermeg! aber hört er au! 
bem gelbe ben fich gleichmäßig mieberholenben 
Sdjlag einer ©achtel, bie, mic e! ihn biintt, ju 
rufen fcheint: ,,©o millft bu hin ? 2öo millft bu 
hin ?" Sa! faßt ihn fo, baß er feine Sünbe er» 
! tennt unb, oon lebenbiger (Buße ergriffen, oon 
l feinem Siinbenmege umfcljrt. 

| 9?ach S3eenbigung ber Stibelftunbe mar ich 
i faum in meiner Stube,, als mir jemaub auf ber 
i Ireppe mit heftigen Schritten uochfolgte, hilftig 
an bie Shiir Hopfte unb ohne mein „.herein!" 
abjnmarten, in bie Stube trat, gl mar ein 
Wann au! ber ©eincinbe, ber bilher ber feiitb» 
lichfte ©egner be! 2Borte! mar. hart, mit jor» 
nigem ©efichte trat er an mich Heran unb fragte: 
„2Ber batgljnen ba! Oon mir erjäljlt? v Vl) inill 
ba! miffen !" gd) fragte erftaunt: „2Ba! benn, 

[ lieber Wann ?" — „9lun, Sie merben e! mohl 
j miffen; Sie haben e! ja heute 2tbenb Por ber 
j ©enieinbe erjäljlt, ba!, ma! mir Por einigen 
lagen mit ber ©achtel paffirt ift!" — „3hnen, 
lieber Wann, ift ba! paffirt? Wir foll ba! 
jemaub oon ghnen erjäljlt haben?" — „ga, 

, hfir ^paftor, halten Sie c! nicht jurüd! geh 
mill e! miffen, mer ghnen ba! erjäljlt hot!" 

; gd) flaub ftaunenb unb bemegt ftifl; mir mar 
munberbar ju Wuthe. Ohne bem Wanne eine 



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528 


komm! f er Pfarrer ftidjelt. 


anbere Antwort ju geben, fioftc ick ©ckubertö 
Wert, fdjlug bie betreffende ©eite auf unb «ab 
fie bem Wanne ju lefeu. ©r wufete anfangs 
nicht, was er mit bem Suche follte, fo groüte 
unb lochte eS in ihm. S llls er bann aber auf baS 
Statt fah» als er bie ©efchickte las, ging fein 
Unmutfj in bie tieffte Sewegung über. ©r tonnte 
taum baS Sud) kalten unb^erjcifilte mir bann 
mit Don ^krönen erftidter ©timme, baß eben 
baffelbe ikm paffirt fei, als er in berfelben Sb* 
fickt gegen Sbenb über 3?elb gegangen unb ben 
S3ad)telf<hlag gekört habe. 

Wun hatte ick ©elegenkeit, auf fein £erj ju 
wirten, unb ber $err fegnete eS. (Sr, ber Wiitb 
unb geuerftammen ju feinen Wienern macht, 
ber ben ißetruS burd) ben 9tuf beS £>akneS er* 
wedte, katte hier in jmei fällen ben SRuf einer 
Wachtel »t feinem £>erolbe gemacht. Stuf biefe 
SBeifc kalf mir ber $err, beß Warne „Wath unö 
Wuitberbar" ift. 3ener Wann ging nickt Don 
meiner ©tube fort, beoor wir unfere Stniee oor 
©ott gebeugt kaltem war bie erfte 6r= 
wedung in ber ©emeinbe, unb ber £>err gab 
Sfingftregen unb ©eifteSfeuer ju weiterem 
©egen. 

„Weg kaft bu allerwegen, an Wittein feklt’S 
bir nickt!" — Wod) beute gilt: „2)u bift ber 
©ott, ber Wunber tl)ut. Wit einem lebenbigen 
©ott kubert wir’S ju tkun. Wicht bloS gelier 
unb fjagel unb ©turmwinbe find eS, bie fein 
S3ort aiiSricktcn, fonbent auck 2kiere unb alles 
Siel), ©ernürin unb Sögel." ©Pf. 148,8. 10.) 

3) i e a n b e r e © e f d) i ck t e hat es Weber 
mit einem ©piß, ttock mit einer Wachtel ju tkun, 
— ob ber Pfarrer „ftickelt" ? Wir wollen eS 
ergriinben. 

©S ift ein fdjöner, foitnenkefler ©onntag. $er 
ftauptmanu ift beim $>octor Ö. gum Sefud) 
unb bie beiben alten ilamerabeu fißen am offe= 
nen f^enfter. 

®er $octor wohnt in einem fckönett .£>aufe, 
baS auf einem ftügel grab’ tior bem ©täbtcf»eri 
ftekt. @r ift ein tüchtiger Stbuotot unb kat fick 
in ben langen Rubren feines SufentkaltS in 3* 
Diel ©elb unb Wubm erworben. 

Son bem ^enfter, an bem bie beiben plan* 
bernb fißen, iiberblidt man bie Heine ©tabt mit 
ikreit 2f)ürmen. unb breiten, fdkattigen ©tragen, 
wäkrenb bakinter im ©üben bie ©onne fick iw 
Ckiofluffe fpiegelt. S)a fängt eine ©lode an gu 
läuten. Star unb beutlick bringt ber Wuf ber 
ekernen 3 un ge herauf üitm 3immer. 

2 cr ■fSauptmanu ift allewege ein frommer 
unb gotteSfiird)tiger Wann geblieben, ber fick 
nimmer fckärnt, fein ©briftentkum 311 bcfcnnen. 
©r ftel)t auf unb fagt: „ 3 n Weldje Äird)e gekft 
bu ?" 

Ter 2 octor ftredt fid) behaglich in feinem i 
Solfterftukle unb fagt gäknenb: „ 3 n gar feine!" 


,,©ar feine ? ©ekft bu niei 
„Wein," fagt ber SDoctor tui 
ein für allemal bie ©acke erle' 
„Warum benn nickt ? ©la 
mehr ?" 

„0, ick glaube fdjon noch 
$ir<ke, ju ber meine gamili 
nickt, unb allein in eine anl 
auck nickt." 

„Warum gekft bu nickt mit 
„Jfann ben Srebiger nickt c 
„Warum ?" 

„©tickelt!" 

,,©o ? £>ab’ bodk gekört, bi 
ger, allgemein geachteter War 
,,©r ftickelt! £>at’S immer 
abgefeken. ©obalb ick mid) ir 
laffe, gebt’S loS. ©r (titelt fc 
ick nickt mekr b> n flebe. £>ah’ 
nichts in ben Weg gelegt, uni 
mer auf mid) abgefeken, grc 
ich bir. ©r ftickelt — unb in 
„Sch was! Wirb nickt fo fc 
er fagt, würbe er gewiß au 
nickt da wärft." 

„£>a — fennft ikn eben nid 
nidit mekr in bie Kirche." 

JJönnteft aber bock mick 1 
gek’ mit, mir ju 2ieb’!" 
„Wufct bu benn unbebingt 
„©ewifi! 3<k gek’ jeben © 
wentt’S nur irgenb möglick 
kerrlicker 2ag, fo fcfjöncS, p 
ba wirb man bod) .nickt bat] 
wenn bieSirckenglodcn rufen 
unb ©tod unb gek’ mit! ? 
einmal beinen ftickelnbeu Saf 
Wun, ber 5ioctor brummt 
aber er fckidt fick bock an, mi: 
Diel oott feinem alten .QriegSc 
ikm benn bock Willen tku 
©ie geken alfo miteiuanber 
Ißaftor beginnt feine Srebigl 
Cuf. 10, 42: ,,©inS aber ift 
baS gute 2kfil ermäklet, baS 
genommen werben." — 3fn ei 
©pradjc j^eigt er, wie ein jebc 
©rben wählen müffe poifcken 
beleudjtet bann erfteuS b a S c 
äWcitenS baS böfe 2kcii 
Wäkrenb beS erften Slkei' 
ganj ftifl unb rukig ba. Ter 
ikn an, nidt läckelnb mit ber 
,,©r ftickelt ja gar nicht!" $ 
„Wirb fckon fommen, paß’ ar 
Wun tommt ber Snftor sun 
feiner Srebigt. T)aS gute 21 
wie es wirflick ein gute» fei 
©krift kier auf ©rben fd)on b 


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Utfdjof Scott in feine Heimat!). 


529 


ber Ungläubige; roie er in ©otb unb Jammer 
ftets» iroft unb Triebe im fjergen besaite, unb 
roie felbft im Sterbeftüitblein bie ©eroißbeit ber 
fommenben Seligfeit burd) ©erbienft 

unb ©ered)tigfeit ibn tröfte. 3um Schluß bat 
er in belebten ©Sorten bas gute 2bcil im ^en= 
teils gefd)ilbett, mo bie ßrlöften eroi^bei 3fefu, 
ihrem 4)eilanbe leben unb mit ber odjaar ber 
©ngel unb heiligen jubeln unb ibn preifenroer* 
ben. 35a batte alfo ber 35octor rubig gefeffeu 
unb jugeljört. 

3fm groeiten ©bfebnitt geigt nun ber ©aftor, 
wie tfjöricbt bie Ceute feien, bie baS böfe 5£beil 
erwählen. — 35er 35ocior roirb unruhig. 

3)er ©rebiger fahrt fort unb ertlärt, wie nidj* 
tig bie ©rocht unb £>errlid)feit biefer ©Seit, unb 
wie fie am @nbe boeb 2ug unb irug fei unb 
eitel Jammer unb £>ergeleib bringe. — 3)er 3)oc= 
tor riieft bin unb bei'. 

'-Bon ber Stängel merben nun bie ©tenfeben ge* 
fdjilbert, bie im tollen üaufe ber ©Seit ba f) in= 
rennen unb ben tpeilatib, ber fie ruft unb retten 
toill, fteben taffen unb fogar Derachten. — 35er 
35octor brebt feinen £>ut in ber ,£>anb unb ftöjjt 
ben |)auptmaun an. 

„Unb menn es nun gunt Sterben fomrnt," 
fährt ber ©aftor fort, „roenn bie Dielen 3abre 
bes Gebens eitblicb gu 6nbe finb, menn ber bleiche 
iob an’S ©ett tritt unb fagt: © u it m u ß t b u 
in b i e @ w i g f e i t—ad)! bann ift feinStroft, 
fein 9tatb, feine fpilfe ba. 35a# bredjenbe 'finge 
faun ficb nicht auf einen .peitaub richten, bie gi’t* 
ternbe ftanb fann nicht bie eines treuen Führers 
burdb’S bunfle 2obeStbal ergreifen, fffort, fort 
in bie ©roigteit, Dor ben IMidjterftubl beS gered)= 
teil ('Jottes, unb fein ©iirge, ber bie fcbredlidje 
Schuld eines gangen fiiubigen ©tenfdjenlebenS 
fiibnen fönnte! ©Seid)' ein fd)redlid)ce C?nbe!"— 
3)er 35octor fitst mie auf ©abein. ßiumal nach 
bem anbern tritt er bem .jjaiiptmaun auf ben 
Süß unb ftöfjt ib» an, um ihm gu bebeuten, baß 
ber ©aftor roieberant „Sticheln" fei. 

„35er ©tenfd) ift in ber ©roigfeit," fagt ber 
©rebiger meiter, „unb roaS nun ? Sollen mir 
baS Öilb weiter auStnalen V 'Jiein, baS bat ber 
fjeilanb felbft gethau im 27. unb 28. ©erfe bes 
13. StapitelS." Unb nun lieft er langfam, aber 
jaut unb beutlid) bie beiben ©erfe: Unb er wirb 
lagen: „3h fuge euch, ich feune euch nid)t, mo 
ihr her feib, weichet alle Don mir, ihr Uebcltb«= 
ter. 2)a roirb fein Reuten unb 3äbnef(appeii, 
ttenn ihr fehen werbet 'llbrabam unb 3faaf unb 
3afob unb alle Propheten im ©eiche ©ottcS, 
euch aber binauSaeftoßen." 

35a roirb’ ber 35odor gang roth im ©efiebt, 
jerrt ben £auptmann am ©ertnel unb fagt: 
»©ein, baS ift gu arg ! 35<efe Stichelei halte ich 
nicht langer aus!" — unb ftiirmt fort. 

Ob er je roieberfam ? ©Sir roiffen eS nicht. 


i Sollte cs aber einem, ber bie# lieft, fchon begeg* 
i net fein, baß baS mahnenbe ©Jort ber ©rebigt 
: auch >bn paefte unb ihm, roie einft bem Stöitig 
35aoib burch ben ©funb ©aUjanS, bes ©ropbc* 
ten, gurief: $u bift ber ©fann! — fo laßt nuS 
nicht troßeu unb ben fcbclten, ber es uns Dcr= 

I mittelt, fonbern ftillebalten unb uns beugen. 
Ob eS auch wie ein grocifcbneibig Schwert ©fort 
unb ©ein burchbringt, eS birgt boeb lauter ©Dan* 
’ gelium. (©mhbar.) 


iifdjof Scott tu feiner Ijeiutatlj. 

®on ^tnritus. 

t üngftens brachte |>auS unb .fteerb ©ifcbof 
Scott’S ©ilbniß nebft einer furgen ©iogra* 
pl)ie. Seither ift biefer ©atriavd) ber ffirdje 
i in bie ewige £>eimatb abgerufen worben. Oaß 
j er einer ber reinften, gebeiligtften ©baraftere 
I nuferer 3eit, ein mächtiger Scbriftausleger, unb 
1 roeifer ©atbgeber geroefen, ift allgemein befannt. 
©Seniger aber weiß baS ©ublifinn dou feinem 
! ©rioatlebcn, bem Umgang mit feinen ©aebbarn, 

| unb bo<b ift es baS Seben im fuiuS, im ulltäg* 

• liehen Streife, welches jebem SebenSlauf 3»ge 
; Derleibt, bie gur ©bruttbung beS fiebensbilbeS 
gehören. 

| ©ernebmen mir beSbalb in St iirge, roaS über 
„©ifdjof Scott in feiner fjeimatb" gefügt roirb. 

©on 3ugenb auf tannte ©ifcbof Scott bie 
gange ©acbbarfchaft, roofelbft er geboren warb, 
lebte unb ftarb. Unb jebeS .Vf inin tannte ihn. 

35ort, in jenem alten ©lodbauS, baS noch 
bfitte auf feinem fleincit ßanögut nalje bei 
Cbejfa fteljt, erblidte er baS ßidjt ber ©3elt. 2llS 
Änabe burebftreifte er bie Sßälber ber ©ad)bar= 
fhaft, unb war einer ber ffvöblicbften unter ben 
fjfröbiichc'i- half aber aud) im Shtoeiße feinen 
©Item ben ©der bauen, unb machte ficb bie »in* 
fache Sanbfdpde gu ©ußen. 

3wangig 3al)re barnad) febrte er als reifer, 
mit Dielen felbfterroorbenen Äenutiiiifeu ausge* 
ftatteter ©fann gu biefem feinem 45rim juriid. 
Welche# fortan fein ©ul)c= unb ©rbeitsploß gerne* 
fen. bis er in’S ewige ©aterbauS gerufen würbe. 

©S waren alte ©etanntc, bie er hiev traf. ?3iir 
ihn batte faft jeber ©aunt am 2ßeg eine ©e= 
febiebte; jeber Caitbroeg war ifjin intereffant; 
jebeS Jg>auS ergäblte ihm etwas aus ber lieben 
3ugenbgeit. 35ie^ ©efeinge ber alten, läugft 
beimgegangenen »ebnitter lebten fvifh in feinem 
©ebiid)tniß ; mit einem immer jungen bergen 
genoß er bie ^erirlidjteit ber freunblicbcn Üanb* 
fdjaft, unb laufchte in feinen leßten SebenStageu 
oft ftunbenlang ben lieblichen ©Seifen ber fröb» 
liehen ©ögelein. 


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530 


Pie Jerftreuung ber Huben. 


9llS Änabe, 3)lann unb ©reis gehörte er im : mehr mitfeclfcn fonnte, faji 
• eigentlidfeften Sinne be§ Sorte» bem Sßolfe an, entliefe bic Gommunifantcn 
unb lebte ofene jeglicfee Ulnmafeung unb tocfeau* ; roiiferenb bie ergriffene 3ufe 
auSftellerei befdfeeiben unter feinen s Jtad)barit, neu gebabet laufefete. 
auf bic er jebodfe burrf) feinen fittliefecn (5ruft unb Sein „£ieim" toar ooll £ 
feine finbliefee Siebenäroürbigfeit faft unbemufet f^reiibe. Dobermann mar 
beit nadfefealtigfteu Ginflufe auSübte. ^cbermann ^ebermann marb friifelüfee 
liebte unb artete ifen pgleiefe, unb bie ftinber übt. tangere ^eit Sittmer, 
ftanben griißenb am Sege ftille,_ um feinen | ßinber beit SebenSabenb. 
f)aubbrurf, feinen Segen p empfangen, unb , liebten ©attin aber trug ei 
fiep am täfeln be§ freiinblicfecn ©reifes p er» I benfen in feinem &crjcn. 
freuen. Sie alteren ^erfonen aber eferten unb , 9tad)t§ bon feinen bifefeöfl 
liebten ifen nid)t iniitber, unb murbeit maljrfeaft | beimtain, ftatib fie mit bei 
begliicft, roenn bec „liebe Sifcfeof" einige freunb» um ben geliebten ©atten nc 
lidfee Sorte für fie featte. ©reife im roeifeen I feeit p begriifeen unb ifen ii 
Silberfeaar, fomie eferroiirbige 2)tatroncn, bie j füfereit. S£ie Stunbe fam, 
ifen uon Sfugenb auf gefannt, ftanben an feiner 1 bas Sidfet fo oft für ifen ge: 
Safere unb mibmeten ifem SLferiinen inniger | faltet mar, unb feit jener £ 
Siebe. maitfenbe Sebcnsfraft be» li 

„6» mar mir immer," fagte eine alte 9taefe= I dfeen p fein, 
bariu, „al5 ob iefe ben Spoftel ^ofeantieS fiifee, Son ber im Safere 1880 
fo oft iefe be»’Sifdfeof3 geroafer marb." S'i fei* raUGonferenj prüetgelefert, 
nem Umgang, in ber Seurtfeeilung tHnbcrer, in felbe bie lefete berartige Set 
feinem 9tatfe unb ganzen Sefen gliefe ber Sifcfeof bie er mitmaefete, unb feine 
and) bem iilpoftei ber Siebe. (Sr liebte unb über biefe ßörperfefeaft an 


mürbe geliebt. $abei jeidfenete er fidfe in allen 
©efcfeiftsfadfeeit bttrdfe bie ftrengfte SRedfetlicfefeit 
aus, bie roeit unb breit in ber 9tadfebarfdjaft 
fpricfemörttidfe gemorben ift. 


feinju: 

„IPädjter, fiel!* betn IC 
Birg bid) in beiii ru^tg 


2öäf)renb er fein ganzes 2e6en lang unab= , 
läffig für ba§ SBoljl ber ganjeit $ird)e mit feiner ' 
ganzen 3Jianne§fraft arbeitete, tagen ihm bie | 
©emeinben in ber Wachbarfdjaft befonber§ am 
fersen. §rür bie St. s j3aulu§ j?ir<he in Dbeffa, 
mo er fleifeig anbetete, hat er ftet§ liberal beige= 
tragen. Unmittelbar Dor ber ßanjel ftanb ein 
©e’ffel für ben greifen Sifdjof bereit, meldjer 
ftet3 befept mar, bis 2eibe§fchmad)heit i^ui ben 
33efu<h ber ©otteSbienfte unmöglid) machte. 
neit aufmertfameren 3^örer als ihn tann fid) 
fein '-ßrebiger müitfdjen, unb fein ©ebet nach ber 
5ßrÄ)igt mar immer tinblid) nnb innig, oft aber 
gemaltig nnb pathetifdj, mäljrenb eö ben 3nhö= 
rem oft Dorfam, al3 fäme ber Don ifjin jum 
©d)(u|$ gefprodjene feierliche Scgenyfprud) bireft 
Don oben. Unb meitn er bann nad) bem Sottet 


3ept ift 93ifd)of Scott bal 
in feinem *yamilien= unb i 
ein SÖeifpiel ^interlaffen, be 
folgen. 

— .«. 

Pie J$er|imumg kt 
Pofbemtuug für l 
tuug k$ (ffooii 

«au 3. 8. »o 

x| iefet erft naefe ber 3erf 
lll burefe bie Utöiner, fonbe 
al§ ber (Srlöfer* auf G 
bas Goangelium feinen raft 


bienftc an feinem Stabe pr (tirdje feinau»= | gann, roaren bie iyfraelitcn 
roaitfte, ftanben bie Stenfcfeeu an ber Sfeiire, um ter alle befannte Dtatioue 
ifen su begriifeen. „Sdjroefter," fagte er niefet! Siefe» gefet auefe au§ Dielet 
gar lange feer ju einer eferroürbigen fDJatrone, - JeftameuteS, befonberö be 
„nodfe immer roanbclit mir feienieben, miiferenb : beutlidfe feerüor. 3ubäa unb 
nufere Sieben überrouttben feaben. gefet gar fojufagen ba§ pulfirenbe 4>er 
fdjmer, unb mir foininen fauin mefer oormart»; gen Sollet. 3;m Tempel < 
aber feab’ nur Shitfe, halb roerben mir im fällig jur 3eit ber grofeen ffefte 
bafein.pefeeu unb mit ben Gugeln im obern $>ei= befjclbeit au» allen befannt 
ligtjfeuine fingen." fammen. ?ll» v S. 'fletri 

So lange, bi» feine jitternbe «tianb niefet mefer feine gemaltige '^rebigt Don 
bienftfäfeig mar, fealf er bei ber'liu»tfeeiluug be» jigten nnb Dluferftanbenen fe 
feeiligeit 'ilbcitbinafeleS, unb felbft als er niefet ten unb entfeliten fidfe bie $ 


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531 


Pie Berftreuung ber Tuben. 


noffen (^Jrofelpten) über bie merfmürbigen 
Singe, bie fie fapen unb Porten, unb fpracpen 
unter einanber: 3Öie pören mir beim ein 3 e G s 
lieber feine £>pratpc, barinnen mir geboren finb ? 
Bartper, unb Kleber unb ©lamiter. (Kergl. 
älpjig. 2, 1 ff.) Sic 3ttftörung ^erufalem» 
unb beS Tempels burep bie Stömcr mar alfo ni<pt 
bieUrfacpe ober ber Einfang ber 3fvftreuung ber 
3uben, fonbern fann bielmept als bie 3Mett* 
bung berfelben betraeptet merben. 

Sie 3^ftörung beS 3^pnftämmereicpö fann 
als ber Anfang ber 3 cr ftremmg ber 3fvaeliten 
betraeptet merben. Siefes gefepap im 3aP re 
721 oor ßprifto. Ser lepte Völlig über bie 
gepn Stämme mar £ofea. ©egen ipn gog 
perauf Salmanaffer, ber Äönig bon 9lffprien, 
belagerte Samaria, bie ^auptftabt beS iReicpeS, 
gemann fie naep breijäpriger Belagerung, unb 
fiiprte bie Klaffe beS ifraelitifcpen KolfeS „meg 
in 9lfft)rien unb fe^te fie gu £>alap unb gu £a* 
bor, am TÖaffer $ofnit unb in ben Stabten ber 
Kleber." Sie Stabte 3ffraelS mürben mit ber* 
fdjiebenen peibnifepen Koltern befept. Siefe 
Kolter bienten ipreu ©öpen unb fürsteten auep 
3epooap, ben ©ott 3ffraelö, in beffen ©efepen 
fie burep gurücfgefanbte ifraelitifcpe Seprer unter* 
rieptet mürben. (Klan bergt. 2 $ön. $ap. 17.) 

3n biefen barbarifpeit 3*iten, ba ber Sefpo* i 
tiSmuS unbefdjränft perrfdpte, gefepap es fepr 
oft, baß gange Kolter unb Stämme in entlegene 
Sauber gefcpleif t mürben, um fie baburep für bie 
3ufunft unfcpäbli<per gu maepen. Sie Ke* 
fepung ber ifraelitifcpen Stabte mit orientali* 
fepen Koltern mar ebenfalls eine gegtoungene. 
Siefe gegmungene Transportation ober ©efan* 
genfepaft mar ’beSpalb feine Sflaberci im ftren* 
gen Sinne beS SßorteS, fonbern bloS ein er* 
pungener Kßecpfel beS 3öopnorteS eines befiegten 
Koltes politifeper s «Rücfficpten megen. 

9luS beut apofrpppifcpen Kucpe T o b i a, baS 
toopl mandpe Sicptungen entpält, aber boep mapr* 
ftpeinlicp einen mapren, gefcpicptlicpen ©runb 
pat, fann man erfepen, bap bei mampen biefer 
Sfraelitert bie mapre ©otteSerfenntnip unb ©ot= 
te^furept noep niept gang auSgeftorben mar, unb 
bap fie im freinben Öanbe manepe Seiben unb 
Trübfale gu erbulben patten, melcpeS ficperlicp 
bagu beitrug, in fielen (Srlenutnip unb 9lene 
iprer Sünben gu bemirfeu. Stber roaS ift aus 
biefen 3>fraeliteit gemorben ? Siefe Qfrage mürbe 
fepon oft geftellt; aber eine geniigenbe 9lntmort 
ift noep niept gefunben. 9ln abenteuerlichen $)p* 
potpefeit pat’S dlcrbingS niept gefeplt. Klanepe 

S. paben fepon bie 3lnficpt auSgefpropen, bie 
gepn Stämme feien fpäter oon Kleinen aufge* 
broepen, burdp Bfieti gemanbert, patten bie Kep* 
ringSftrafee überfepritten, fiep iijWmerifa nieber* 
geläffen unb pier bie alten ftulturftaaten Kleyito 
unb ^ßeru gegrünbet u. f. m. 


Ob biefe gepu Stämme berfcpollen finb, ober 
1 noep irgenbmo im Innern 9lfienS Derborgen 
mopnen, ober ob fie fiep fpäter mit ben gefange* 
neu Stämmen 3uba unb Benjamin bermifdpt 
paben unb Klanepe bon ipneit na<p bent Sanbe 
Kanaan guriidgefeprt finb, — mer mollte biefeS 
mit Seftimmtpeit behaupten? Soep fepeint bie 
leptgenannte 5lnfi<ptbie maprfipeinlicpfte gu fein, 

. inbern bie ©rlöfung Sf^cls unb 3ubaS aus ber 
, ©efangenfepaft burep bie ^roppeten borpergefagt 
; mürbe, unb gmar meiftenS im engften 3itfom* 
i menpang. (Kergl. 30, 3. 10; 31, 27; 33, 
7.) Socp menn auep Kl an cp c mit gurüeffepr* 
ten, bie Kleiften finb boep toopl, mie biefeS auep 
beim Stamme 3uba ber galt mar, in ber neuen 
fteimatp geblieben. 

Klepr benn punbert 3flpt*e länger mäprte bie 
©nabenfrift beS 9tcicpeS 3uba; ba aber fein 
SünbenmaB boll mar, bra^ bie gebropte Strafe 
fd)nell perein. 3m 3ap*e 006 bor Oprifti fant 
Kebufab 9legar, ber ftbnig bon 93abel, bor 3^ s 
rufalem, eroberte bie Stabt unb fiiprte biefe 3u^ 
ben gefangen naep ®abel. Unter biefen ©e= 
fangenen befanben fi(p Saniel unb feine greunbe. 
(San. 1, 1 ff.) Bon biefer 3^0 batirt bie Dom 
Broppeten 3etemia gemeiffagte fiebengigjäprige 
©cfangenf(paft ber 3»ben. (Kergl. 2 0pvon. 
20,21; 3er. 25, 1. 10; 29,10.) einige 3apre 
fpäter erftpien Kebufab Kcgar gum gmeiten Klale 
bor 3enifalcm unb führte noep mehr Soll in bie 
©efangenfepaft. (2 Äön. 24, 14.) 3ebefia 
mürbe gum ßöuige beS fianbeS gemaept. Kacp 
einigen 3bpren fiel er ab Dom iftönig bon 35a* 
bei, unb biefer erfepien micber bor ^erufalem, 
belagerte bie Stabt brei 3ap*e lang, gerftörtc fie 
fammt bem Tempel unb fiiprte bie Klaffe beS 
SBolfeS lunp ©palbäa. SiefeS gefepap im 3uprc 
588 bor (Jprifto. SaS menige, geringe Bolf, 
baS im fianbe bleiben burfte, flop aus f^urept 
bor ben Gpalbäern naep (Sgpptenlaub. So mar 
benn im fedjften 3'aprpunbert bor Gprifto baS 
33olf 3f r öel bon Klebien bis ©gppten unter allen 
| Koltern gerftreut. 

9llS baS babplonifepe 5Reiep geftürgt mar, unb 
[ ber B cr ferfönig ßorcS ben 3üben bie ©rlaubuip 
i ertpeilte, mieber in ipr Canb gurürfgufepren, ba 
! gog eS ber bei meitem gröpte Tpeil beS KolfeS 
bor, in bem freinben £anbc, mo fiep Kiele 9teid)* 
tpum unb 9lufepen ermorben patten, guriiefgiir 
bleiben, opne besmegen bie Siebe unb Slnpäng* 
liepteit gu ipren 35riibent im Katerlanbe gu ber^ 
liereu. 33)ir finben bcspalb bis gu ben 3 e *teu 
ber 9(poftel eine grobe 9lnficbelung ber 3üben 
in ©abplonien, fo bap baS Sanb ber ©efangen* 
fepaft ein „gmeiteS Sanb ^Sfraei" mürbe. (Klan 
bergl. auep 1 ^ßetri 5, 13.) Siefe babplonifcpen 
3uben unterhielten einen regen Kerfepr mit 
ipren Krübern in 3ubäa, melcpeS burdh bie in ben 
3mifepengegenben gerftreuteu 3uben fepr erleicp* 


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532 


Pie iteftreuung bet 3uben. 


tert mürbe. — 9lutp über Serien, ppönigien ten fie Spnagogen, wo fie an ben Sabbt 
unb bie nnpeliegenben Sänber patten fiep bie j gufammentamen, ipre iReligionSbütßer oor 
Sfttben fepon fepr früpe oerbreitet. | unb ©otteSbienft pflegten. Unb ba fie in i 

Oaß naep ber 3 fr ftörung 3[erufalem3 burep ' Sitten unb ©ebräutpen non allen anberen 
bie Pabßlonier ein 2 peil beS jübiftpen PolfeS j fern fo grunbuerfepieben toaren, fo würbe 
naep ©gppten gog, paben mir bereits erroäpnt. bon iprer peibniftpen Umgebung auep allge 
9ÜS 9lleganber ber ©rope ©gppten erobert patte, | oerfpottet unb gepapt. Oer römifepe ©efepi 
betoog er einen großen Opeil ber gilben bortpin ! fepreiber StacituS (Hist. V, 4) faßt bon ip 
gu fiepen, um feine neue Stabt 9llejanbria, bie j ,/iöaS bie fRömer peilig palten, baS ift ben 3 
er im $apre 332 b. Gpr. erbaute,.tpeilweife ba= gemein; unb was unter anberen Pöltern 
mit gu beböltern. Oie 3üben beroopnten wenig» gefeßliep unb unrein ift, baS tnirb bei ipite 
ftenS ben britten Stpeil biefer berüpntten £>ait= iaubt. 3pr ©otteSbienft ift aller SBelt gumi 
belsftabt, unb erfreuten fiep berfelben politifepen 3lucp mürben fie einmal wegen iprer Dteli 
Söorredpte Wie bie Stömer unb ©gppter. 3in bom StaiferGlaubiuS ausSRom bertbiefen. ■ 
3apre 301 b. ©pr. maepte ptolemäuS Soter, bgl. Tacitus, Annal. II, 85 unb Slpftg. 1 
ein Patpfolger 2llcranberg beS ©roßen unb Slber troß biefem übten biefe gerftreuten 3 
Äöitig bon ©gppten, einen ©infall in Sprieu, boep einen gropen ©ittflup auf bie fie umg< 
eroberte biele otäbte, barunter auep 3 eru f^lent, ben Reiben aus, fo baß ber ppilofopp Se 
unb fiipvte einpunbert Oaufenb 3üben mit naep ■ ber gur 3eit 3efu lebte, tlagte: „Oie Pefit 
©gnpten, melcpe bann in Pleyanbria unb ftprene I paben ben Siegern ©efepe gegeben." 2 
• mopnten, Spater berbreiteteu fie iiep über einen j ©influp geigte fiep befonberS in ber gropen 
großen Opeil bon ©gppten unb über bie Sänber j gapl bon $rofe!pten, b. p. folcper Reiben, 
an ber fübliepen ßiifte beS PtittelmeereS. I gum 3ubentpum übergetreten waren. Pefor 
9llS SeleucuS, ein anberer fRacpfolger 91ler= waren es bie pparifäet, bie jn biefer Pegiel 
anbevs unb Völlig über Sprien, l'lntiocpia in fepr tpätig waren, bgl. SRattp. 23, 15. „ 
Sprieit baute, um es gur ^auptftabt feines Sepwantcn beS PtifepeitS ber alten PolfSrei 
fReicpcS gu maepen, gab er ben 3 »ben biefelben nen, baS unbefriebigte religiöfe Pebürfni 
/ politiftpen Stecpte, wie anberen Bürgern. Oiefe Pieler tarn ipnen gu .fjiilfe. ©prfurtpt bor 
benipmte £>eibeuftabt patte halb eine ebenfo jübiftpen PunbeSgott, als einem mäcpl 
große Proportion boit jübiftpen ©inwopnertt, Röefen, bor ben oerborgenen .fteiligtpümeri 
als 9l(cranbria in ©gppten. Oafjelbc fann autp präeßtigen OempelS gu 3etuWlem, patte lf 
bon anberen Stabten, bie biefer ßönig grünbete unter Reiben ©ingang gefunben. 3üt 
ober baute, gefagt Werben. 9lntio<puS ber ©roße ©oeten erlaubten fitp ntimtpe täuftpenbe ftii 
oerpflangte gmeitaufenb jiibiftpe fyamilien naep in beren Slnmenbung fie fepr gefepiat waren, 
Spbien unb pprpgieit in ftleiitafien unb grün» überraftpenbe ©inbrüefe perborgubringeu. 
bete itotp an fonftigen Orten feines IReitpeS patte baper bie Ulnpänglicpteit an bas 3 U 
jübifepe ©olonien. tpurn, befonberS in manepen ber gropen £>n 

•äöann unb unter weltpen Perpältniffen bie ftäbte, unter ben Reiben fo weit iim fitp gei 
erften 3üben natp ©rietpenlanb unb Italien fen, baß befanutlitp bie römiftpen Stpriftfi 
famen, ift niept betannt; botp ift gewip, bap gur ! gur 3 f >l ber erften ftaifer oft barüber tl 
3eit ber 9lpoftel biele 3»ben über alle 2peile I mupten." (IReanbcr.) 
biefer Sauber berbreitet waren. ©S gab gmei Wirten bon Profelpten — P 

9Bir fönneit alfo annepmen, bap gur ! feit)ten ber ©eretptigleit unb P 
3efu unb ber 9lpoftel bie 3uben über baS gange I f e 11) t e n b e S % p o r e S. ©rftere warei 
römiftpe SBeltreitp unb notp ouperpalb feiner - pvofclßteu im ftrengen Sinne beS SBotteS. 
©rengen berbreitet waren. Sergeblitp futpen J tiapinen bie Peftpneibutig an unb unterwe 
wir bamals, wie autp peute, nadf) einem anberen fiep bem gangen ©eremonialgefepe unb wui 
alfo gerftreuten Polle. Oer ©eift beS ©anbelS, natpbem fie einmal allem Pitptjübifcpen en 
ber fie peute iparatterifirt, belebte fie bamals , patten, fepr oft bie ftreugften unb engpergi 
ftpoit, weltpeS fitperlitp fepr biel gu iprer weiten ; ©iferer um baS ©efep uiib bie gaplreiepen <; 
unb raftpen Perbreitung beitrug. j ungen ber ppariftier. Oarum fagt autp J 

9lber, man beaepte wöpl: wo immer bie 3»ben ; bon ben ppatifäern, bap fie Sanb unb 1 
auep pinfamen, fie waren unb blieben betinotp ! umgögett, um einen 3»bcngenofien gu ma 
3ubeit; bon iprer SReligion unb bon ipren unb feßt bann pingu: „Unb wenn er es gewt 
Sitten ließen fie nitpt. Oie Neigung, ipre eigene ift, maept ipr auS ipm ein ftinb ber $öfle, ; 
Religion aufgugeben unb bie ^Religionen anberer faltig mepr, benn ipr feib," bgl. Ptattp. 23 
Poller angunepmen, patte biefeS Polt natp ber Oie Profelßten beS OporeS berpfliepteten 
babbloniftpen ©efangenftpaft für immer ber= nitpt baS ©erentonialgefeß gu palten, for 
laffen. 3u allen Stabten, wo fie mopnten, bau= bloS bem ©ößenbienfte fammt ben barnit 


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ü<u trägib et Ijä? 


533 


bunbenen ^etbnifdfien AuSfdjweifungen ju ent* 
feigen, unb ben einen (Hott ju Dereijren. Sie 
rourben alfo Vtonotheiften ohne eigentlid) ^uben 
ju werben. 

3>u wiefern war bie 3erftreuung ber 3üben 
eine Vorbereitung für bie Ausbreitung beS 
ßoangeliuntS ? 2)iefe 3*09* Werben wir fudjen 
in bei: nächften Aummer Don £>auS unb £erb 
ju beantworten. 

(2<&lu6 folflt.) 


Uta* träijii) er l)ä ?*) 

f n einem fötiffionSfefte bat ein alter Appen» 
jeHer, ber bei Dielen in gar guter ©rinne* 
rung lebt, erjäljlt, baß es in feiner Fugenb 
unter ben Vuben auf ber ©affe üblich gewefen 
fei, wenn bie Sßallfafjrer, mit bent Ütofentranje 
in ber |)anb, Doit ©iitfiebeln Dorübergejogen, 
benfelben bas Verslein jujurufen: 

„3tl r guetc £iit, n>as trägib er Ijä ? 

£äri Serfel nnb miicbi Bä I" 

(£ecre Beutel unb mübe Beinei) 

6s tbut ihm jWar leib, baff er bamalS atttf) 
mit eingeftimmt, bemt es fei ihnen, ben Vuben, 
nicht angefianben, an bie Alten, bie fich’S um 
ihres ©laubenS willen fo fauer werben ließen, 
folche ©ewiffenSfragen ju richten. Aber jeßt als 
alter fötann bürfe er fich’S wohl erlauben, nach 
ber fdfönen freier, bie fie mit einanber »erlebt, 
ihnen jutn Abfcfpeb biefeS VerSlein in ©rinne* 
rung, ju rufen. @S fei Dielleicht geeignet, ben 
unb jenen baüor ju bewahren, baß er nidjt gclr 
fo leer unb armfelig heimfoinme. Unb ber Alte 
hat ficher nicht Unrecht gehabt. 

3a, ja, baS ift eben bie leibige Erfahrung, 
baß non bem reichen ©egen, ber im fonntäglichen 
©ottcSbienft, ber an djriftlichen Feiertagen, an 
©ebctSDerfammlunaen, an VtiffionSfeften, an 
ben 3ufammenfünften im Freien tc. einem ge* 
fpenbet wirb, oft fo Wenig heimgetragen 
wirb. Vtan reift bahin unb borthin, man man« 
bert über Verg unb 2hal, man fchent feine An* 
firengung, man läßt eS fich waS foften; man 
fühlt fich auch herrlich erquieft in ber Stunbe 
ber Anbadht. beim Anhören all’ ber mannig* 
faltigen 3eugniffe beS einen ©eifteS; in feft* 
lieh erhobener Stimmung nimmt man iheil an 
bem Lobgefang bet ©emeinbe. Aber bis man 
toieber baßeim ift, was i ft Don bem adern noch 
geblieben ? 2öaS befommen bie 3urücfgeblie6e= 
nenbanon? V3aS fehenfie? AidjtS als einen 


*) Sippengeller SDlunbart: SEBaS tragt ipr heim? 


müben, abgefpannten Vtenfcßen, an bem fich 
feineSmegS erfüllt: „A3er an mich glaubt, 
Don beß Leibe werben Ströme le* 
beiibigeji 2Öafferö fließen." 9Jtonhütet 
eben ben Segen ju wenig, ben man empfangen, 
mau wacht nicht barüber im ©ebet. DJian läßt 
taufenb anbere ©ebanfen in’S £>erj einbringen, 
eße bie heilfamen Anregungen, bie einem juge* 
fommen finit, haben AJurjel fajfen föniten. O, 
eS wäre mopl gar nicht fo übel, wenn hie unb 
ba auf bem Heimwege einer uns juriefe: 

„3h r guetc £üt, n>as trägib er hä ? 

£äri Serfel unb miicbi Bä!" 

Aber in erhöhtem Vtaße mag’S hoch Wohl ju* 
treffen bei ben Dielen Stnufenben, bie jahraus 
jahrein all’ ben weltlichen Feiten nachlaufen, ben 
Abenbunterhaltungen mit Ultufif unb $efta= 
mation, bem Viliarbfpielen unb ftegeln, ben 
Sntuanläffen, ben Schüßen* unb Sängerfeften. 
©S foll nicht jebeS Vergnügen unb jeber Feft* 
anlaß Don Dornherein Derurtßeilt werben. Aber 
wie Diele Don biefen in ben 3eitungen angeprie* 
feneu fterrlicßfeiten erfeßeinen nur bnju ba, bem 
Volfc ben Sinn für bie allerfchönftcn unb rein» 
ften Feeubeit ju Derberben; finb fcßlimme Vlün* 
berer, bie nicht nur feinen ©elbbeutel leeren, 
fonbern auch um ben Aeicßthum feines |>erjeiiS, 
um feine gefunbe Arbeitsfraft unb frifeße Ar* 
beitsluft, um baS gottgefeßenfte Familienglüd 
bringen. Sa, oft genug mödjte man ben Scßaa* 
reu, bie am Sonntag Abenb Don foldjen An* 
läffen heimfehreit, jurufen: 

„3hr guete £üt, roas trägib er Ijä ? 

£äri Sedel unb müebi Bäl" 

unb Dielleicht noch baju einen wirren $opf, einen 
gereijten, wüften, ßeiflofen Sinn! V3ie ihr a«S= 
joget, wolltet ihr ben böfen ©eift ber Langeweile 
Dcrtreiben, unb fiehe: benfelben ©eift ber Lange* 
weile bringt ißiTjmiefach Wieber jurücf unb mit 
ihm fieben anbere böfe ©eifter. könntet ihr 
nicht Sonntags* unb Feftfwube haben, baDon 
ihr fo Diel mehr heimbrächtet: neues Vertrauen 
auf ©ott unb innigere Liebe ju einanber, frifeßen 
TOuth jur Arbeit, ein banfbar fröhliches £>erj ? 
SBBie wär’S, wenn wir alle wieber einmal bar* 
über nachbäd)ten, wie man ju gefegneter Freube 
fommt unb folcße bewahrt ? (6. V.) 

-- 

3m Utfyemljolen ftnb 3 n>eierlei (Snaben: 

Die £uft ei^iefjen, unb fid? it^rcr entlaben. 

3cites bebrängt, biefes erfrifd^t; 

So uwnberbar ift bas leben gemifdjt. 

Du banfe (Sott, tuentt er bidj prefjt, 

Unb banf ityn, tpenn er bid? roieber entläßt! 

lt>. v . (Soet^e. 


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Göogle 



534 


Pas anbtrt 3dj brs Pidjtets. 


19 Pie alte $CI|r itt i>er Halle. Bl 


Sott SongfeUot*. — 

Dom Dorfweg ftcht etwas abfeit 
(Ein tanbfit} noch aus alter geit; 

(Ein fdiatt’gcr Baummeg führt burcg’s (Egal 
§um altertümlichen portal, 

Unb üoru im tpeiten (Ereppenflur 
pieft eine alte Stänberuhr 

„3mmer — nimmer! 

3mmcr — nimmer!" 

Dort n)ie mit Rauben 3 cigt bic Ugr 
Der Stunben £auf im (Ereppenflur; 

Sic blicft aus igrem eidfnett Sduein 
IDic ein Hlöttd) aus bei* Kutte iit’s t?aus gi?tein, 
Der fcuf 3 cnb fich befreit unb fd>lid>t 
§u Kllcn, bic rorbcigcg’it fprid?t: 

„3mmcr — nimmer! 

3mmer — nimmer!" 

Cags Hingt bie Stimme leis unb faegt, 

Dod? fomrnt bie tobtcnftillc Haegt, 

So tönt es mie (Sefpenftcrfdjritt 
Dureg bie oerlaff’ne f?aüc mit 
(Entlang bem (Jlur ungeimlid? fdjier, 

Kls fprädfs an jeber gjintmcrtgür: 

„3nuner — nimmer! 

3mmer — nimmer!" 

So ftanb bie Ugr in £uft unb £cib, 

Bei (EoMcttflang unb Kinbtanfsfrcub*; 
tDas bort im £auf ber §eit gcfd>cg’n, 

Die Ugr gat’s ftill mit angcfcg’n; 

3n jcbcin IDccgfel fort unb fort 
Die (Sleidjc ftets mit glcidjcm IDort: 

„3mmer — nimmer! 

3ntmer — nimmer!" 

Das alte f?aus mar jeber 3 cit 
£in Dorbilb ebler (Saftlkgfeit; 


ttefcerfegt non $r. $rrrot. 

Das £?crbtjol 3 brannte tjell unb frifeg, 

Stets fattb man bjicr gcbccftcu CEifd?; 

Doch an ber (Ercpp’ bie alte Ugr 
Sprach ftets igr mene tekel nur: 

„3mmcr nimmer! 

3mmcr - nimmer!" 

5icr fpielt’ maueg’ frogc Kinberfchaar, 

X^ier träumte mancg’ junges £iebcspaar; 

0 golb’ne 3ngenb! Dir gebeigt 
Diel Uebcrjlug an £ieb’ unb gcitl 
Docg bic alte Ugr, mie ein. (Se^gals fein (Solb, 
§äglt auch biefe Stunben unb marnt unb fegnn 
„3mmer — nimmer! 

3ntmcr — nimmcrl" 

Kus jenem gintmer trat begliicft 
Die Braut 3 um üfodtfcitsfcft gefchmücft; 

3n jenem aitberit ftill unb fiigl, 

£ag ftc bann tobt auf igrem pfiigl; 

XPie Kllcs ftumnt in (Trauer ftegt, 

Kliitgfs uon ber Ugr fajt mie (Sehet: 

„3mmcr — nimmer! 

, 3mmcr — nimmcrl" 

Kd?, Küc ftttb ftc nun 3erftreut! 

ZTtemanb megr, ber IDillfommcn beut! 

Unb frag’ icg: „Kann es mogl gefcgcg’n, 

Dag ftc einft KU’ fich micberfcg’n ?" 

Dann, mie in (Tage längft oermegt, 

Die alte Ugr mir Kntmort ftegt: 

„3mmcr — nimmer! 

3mmer — nimmer!" 
nimmer gier, boeg für immer bort, 
tt>o fein (Eob unb fein Scgcibemort. 

„3mmer bort, boeg nimmer gier," 

So beut’ icg biefe IDorte mir. 


Pas nniure $d) lu* pidjter 0 . 


JBim ttmrty mite. 


f Lro^en merben im Fimmel geftgloffen, 
HK) toie Diel megr no<g ©gen Don be= 
^ nabten Wännern. Ter ©elegrte, 
Kf ber Zünftler, ber Xicgter bebarf 
‘ einer anbern @ba al» ein Wann, 

ber fein ©liid in ber Skfriebiguttg öligerer 
Xinge fuegt. SBer auf bem Söege be^Sebanfenö 
ba§ menf(f)li(^c Seben 311 bereitem miinf^t, ftegt 
auf einer Ö 3 arte, mo nur baS finnige s Muge inni= 
ger, magrer ^frauenliebe igm gu folgen üermag, 
bie feibftüergeffenb bem Star feinen ^lug gönnt. 


grauen, bie in bem Sinne ba§ emig 2 Be 
lidge, ba§ gimmelan äiegt, bertreten, ^at e§ 
allen 3 citen gegeben, giebt eö aueg geute ite 
boeg ift igre Mein.* 

3 anc SBelfg ©arlgle mar eine bon biefi 
3 gr ©atte, igotna^ ßarfgle, gat igr in feim 
Slacglaffe ein SRonument gefegt, baS fie gei 
fprid)t. SÖie au§ einem ©uffe ftegt fie bor u 
1 ba, bie treue ©efägrtin be 3 arbeitenben SJZann 
j feine ffabibjag, bie ©laubige, bie m igm fte 
I menn aueg bie ganje S®elt ign berlägt, bie ji 


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Jas anöere 3d) Des flidjterö. 


o3o 


©orge Don i^m fern f)ä(t, feinen 9tuhni, feine 
Gfjre, fein ©lütf 311 Dem Altäre macht, mo fie 
opfert unb and) fein Opfer fcheut. 

Garlple ift ber Sohn eine» flcinen Pächter» 
in 2)iimfrieSfbire, er hat feine Stubien mit ge= 
ringen Stitteln^Dollenbet, ift ©d)ulntcifter in 
edier fleinen otabt gemorben, hat Dielleicht 
'.Mangel gelitten, feine ©efunbheit nirf)t gefdjjont, 
träufelt. Gr befißi feine Srotettion, feine £nilfe, 
er ift felbft nidjit ber SMattn, um ef)rgei 3 igen 
planen uadj 3 ubäugen, er glaubt nicht au fid), 
an feine große Segabung, fein ^Mißtrauen hält 
ihn feft, mo er ift, unb läßt ihn babei an ber 
Seit unb bem fieben, ba» ihm fo toenig bietet, 
uerjtoeifelit. 

3n biefer ©einiithSDerfaffung fommt er nach 
«frabbiitgton unb rnirb Don feinem Jreuube 
;Vbing mitgenommen 311 ber $rau Ooctor 
2 öelfh, einer üffiittme, bie eine fd)öne 2 ocf)ter 
befijjt. 

fearltjle hat toenig ^amilienumgang gepflo* 
gen, fid) toenig um junge ®ameit befiimmert, 
befißt and) fdjmerlid) ba» ©efdhict, mit ihnen 
umjugehen. Gr ift l)od)gemad)fen, fdjlanf Don 
©eftalt, hat einen iutereffanteu ffopf; ift aber 
uitgefd)icft, ift liitfifd) in feinem Auftreten, ©ie 
toerben in einen eleganten Salon geführt. *£>ier 
tritt ihm I^anc Söelfh entgegen. Gr glaubt, nie 
etroaS fo schönes gefdjen 3 U hoben. Aus fyoU 
bem grrauenantlifc lächelt ihm bie fchönfte ©iite, 
bie ebelfte 2 f)ei Inahme entgegen, er fief)t fid) 
oerftanben, fein SBefen erfanni, er fühlt fich tt)ie 
neu belebt burch ihren 3ofprud), ber fo Diel Gr= 
muthigenbeS für ihn enthält. S3ie in einem 
halben Jraume befangen, Derläfit er baS £>auS, 
mit feiner Seele noch bei ihr. Gr toirb fie nie 
mehr oergeffen. 

^hr feine £>anb an$ubieten, barf ihm nicht 
entfallen, aber feine ©ebaitfeit bürfeu bei ihr 
fein, ©ie ift nid)t baS 3^^ feines Strebend; 
beim fo hoch berfteigen feine AJiitifche fich nid)t, 
fie ift nur feine Ggerie, fie ifiberSortt, au» bem 
er fdjöpft, toenit ihm bie fjlügel fittfeit. 

Gr geht nach Gbinburg, geht nach fionboit, 
nad) SariS; er arbeitet, ftrebt; aber ohne befon* 
beren Grfolg. 2Beil er bie betretenen Sahnen ! 
nicht manbelt, fo judt matt bie Adjfeln über ben 1 
jungen 9Jianit, ber feine eigenen SJege geht, bie ; 
SBeit mit feinen eigenen Augen anfdjaut. Oanti i 
uftb mann hot er fie miebergefebett, jeßt aber j 
tommt eine fo heiße ©ehnfucht über ihn, baß er ! 
gatt 3 plöfelid) fionbon Derläßt unb ju ihr, 30 ihr 
feine Schritte lenft. ! 

Gr hot auch jeßt noch nichts au bieten, als fich 
felbft unb feine Arbeitstraft, bie bie 2öelt Der= 
iennt; fie aber acceptirt Seibe», mirb bie ©eine, 
peht mit ihm nach Gbinburg, fchifft fid) mit ihm 
ein auf bem ©trome beS fieben», mo ihr fleineS 
Sohrjeug fo leicht ad>! fo leicht fdjeitern fanit. ! 


GitieS hot fie fich wnb ihm besprochen: Mie* 
mals füll feine geber ettpaS fchreiben, rnaS fein 
©euius nicht biftirt hot, nie foll er ein £>anb* 
merter merbeit! Uub unter ihrer treuen Rührung 
ift er es nie gemorben. 

©eine Seiträge für bie „Gbinburgh MeDiem" 
mürben oftmals juriidgemiefen, toeil fie neue 
©efid)tspunfte auffteliten, bie ben Ä'onferbatiDen 
nid)t jufagteu. Cbtoohl nun ber fleine £)auS* 
halt auf ben Setrag be» Honorar», ba» fie briit* 
gen foüten, aitgemiefen mar, fo litt feine 3 one 
hoch nicht, baß er feilte eigentümliche Oeitfmeife - 
betn Grmerb opferte, baß er feine Seele beS 
I 9Birt()id)aftsgelbc» halber Devfaufte. ©ie fparte 
unb fuchte mit SBenigem auSjufonimen, unb al» 

; eS auch mit Söettigem nicht länger ging, ba ent* 
floh fic mit ihm in bie Ginfaitifeit bei* Serg= 

| ianbe, mo fie eine fleine Pachtung befafj unb bie 
9tothburft beS OafeinS gefid)ert mar. 

I 3» biefer abfolnten Ginfamfcit harrte fie au», 
feinetmegen! ^)ier mufite er nicht fdneiben; 
hier tonnte er fich gonj nach Neigung befct)äfti= 

‘ gen, ohne jeglichen ©ebanten an bie Sermertpung, 
.hier tonnteer benfen, finnen, fchoffeti, roaS er 
mollte, unb roaS bann bamit mürbe, blieb bem 
©chidfal überlaffen. 

Siit melden Opfern aber erfaufte fie ihrer* 
feit» ihm biefe Ütuhe ? 

. ®ort in ben eiitfamen ^ochlartben mollte fein 
©tabtniftbchen bienen, bort ftaitb ihr nur ein 
bummes Sauernmäbel sur Serfiigung, bem fie 
erft 21 Ile» lehren muffte, mas ju einem anftänbU 
gen ©auehalt erforberlich. ^aS elegante, jarte 
junge Stäbchen, Doll ©elehrfamteit uttb Söiffeu, 
hotte baDon gar Sieles erft felbft 3 U lernen. 

1 Gin Srob 311 baden, — ja, mie fängt man 
| baS an ? 

| 9lber betn guten 3Biüen ift Sieles möglich, fie 
begann 3 agenb ihr 2 Berf unb brad)te triumphi- 
renb bem ©atten bie fd)ön gebräunte ©toüe 3111 * 
9lnfidjt. 3obcffen bie fleinen Stühen beS iages 
in ihrer nie enbenben 2 Öieberf)olung, ber Söechfel 
ber Stägbe, ihre Sachläffigfeiten, bie Sefchäfti* 
guitg mit Einigen, bie au fich fo wenig ^ntereffe 
boten, bie nur beS 3wede» halber 31 t ertragen 
maren — baS McS machte biefe fieben 3ol)re 3 U 
einem 2oos, baS in gerechter Söürbigung fo ebler 
Aufopferung Don bem ©atten mit marinem £)er= 
3 en gefchilbert mürbe, mie uns oorliegt. 

Gr hotte feinen “Sm-tor Resartus” Dollenbet, 
ein Such, baS feinen Ütiibm alsbenfenber Schrift* 
fidler begründen follte. Aber in ben ,J)o<hlanben 
Derlegt litatt feine Siicher, er muBte ba^u nadh 
fionboit gehen, unb mieberum mar fie es. Die ihn 
ermuthigte, bort auf bem großen Starfte mit 
feinem ©eiftesmerf auf 3 utreten. $er fleine 
Haushalt nrnrbe aufgelöft unb ein ebenfo fleiner 
an ben Ufern ber Jhetnfe neu begonnen, morin 
fie mieberum al» bie ftille ftee mattete, bie alle: 


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(Dinge Jum Seften 311 menben fiicßte unb ('orltilc 
nie etmaä üerirtiffcit ließ. 

3hr ©atte mar längft ein berühmter Wattn 
gcroovben unb immer ttod) maltete feine 3 ane in 
ftiH befdjeibener SBeife fort; nie erhob fie Situ 
fpritc^ ouf Bujuä, auf ©lanfl, Sllleä, rnaä fie be= 
gehrte, mar eine cierecfjte SBiirbiqung feiner. 
Sie, bie in Sdjottlanb auf ihrer Pachtung gar 
oft bie niebrigftc Strbeit batte berrid)teu muffen, 
mar baburd) nie 001 t ihrer ibealeit •'pöljc in baä 
gemeine Sebett binabgesogett morbeit, bie bodu 
gebilbete, feine 5 rau - mürbe in Sotibon in bie 
erften greife geflogen, fie fanb ihren ^piafe neben 
Sarlple unter bem böchften Slbel beä Öattbeä. 
SBie nichts fie hatte erttiebrigen tönnen, fo oer= 
mochte and) nicht», fie 311 erhöhen, fie blieb unter 
allen Umftänben bie ©leidje, unb auch ihr $auä 
oeranberte fich menig. SBie ba» gefdiüb, möge 
nachftehenber Srief erflören: 

„5 Sijehne (Rom, helfen. 

14. Sluguft 1847. 

„Weine liebe 3freuttbin! 

«Sfhre Öanbfchrift 311 fehen, gemährt mir 
flrofee - Ofreubc, 3 fhre freunblidjen ©orte aber 
noch größere. (Doch ift bainit nicht gefagt, baß 
auch bie idjöne Sticferei, bie Sie mir fenben, 
non mir unbeachtet geblieben fei; benn id) be= 
rouitbere, rnaä bie (Rabel fchafft, unb fchäße eä 
hoch, befonberä menn baä, rnaä fie herftellt, nütc= 
lieh ift, roaä leiber fo häufig auägeßhloßen ift 
bei beit ©eilen non tfrauenfjanb. , 

„3ch huff^, baß Sie mir 3fh« (Rürfteßr an= 
3 eigeit mürben, benn jefct, mo Sonbon leer ift, 
oermiffe ich Sie hoppelt alä eine meiner treuem 
ften, ja Dielleicht bie treuefte meiner greunbinnen. 
©enu fich auch mitunter Heine 2 öolten über 
unä aufthiirmen, fo ift bamit nicht» oerloren; 
benn ibeale Scute, roie Sie unb ich, merben ftetä 
©elegenheit finbeti, mit fich «nb Slttberen un= 
Stifri’eben 311 fein. Sä liegt baä in ber Statur ber 
Sache. 

,,3d) bin feit brei fflod)en bon bem Schlöffe 
ber 2abp Slfhburton flurürfgefehrt, habe aber 
noch faunt SJtuße gehabt, an mich fclbft 311 ben= 
feit; benn uitfere ©oßnftube mußte neu tape* 
3 irt merben, unb alä nun baä frifche, hübfehe 
Rapier auf ben ©änben faß, nahm fich alle» 
Uebrige entfeßlkh fd)lcd)t auä. $0311 tarn noch, 
baß 2abt) Slfhburton unä einen großen Fracht* 
fpiegel über ben $ainin hatte feßen (aßen, ber 
bie alten Wobei nun boppelt alt erfdjeinen ließ. 
3<h machte mid) nun juerft baran, alle Silber 
mit bunflen (Rahmen abfluneljmen unb in Sar= 
Iple’ä 3 immer ßinaufflutragen, unb Oon bort 
unb überall jene mit golbenen (Rahmen fltifonu 
menflufuchen, mochte ihr übriger ©ertlj fein, 
maä er motlte. 3 >ch fanb aber, baß bamit fchließ» 
lid) nur menig Slbtjülfe gefunbeu mar, unb bat 
Sarltße, baß er ben Slntaut neuer rot!)« Sor= 


j hänge geftatte, — mit Si 
1 Sicheln trugen. Genien 
! ©lans! (Damit fertig, tan 
1 an bie (Reiße, baä ich, al 
! Antiquar für 81.12£ geta 
j ein neue» für 82.12&. i 
! mir in ber ©eit empörte 
ben Staatäpapieren, an 
gattfle ©efchichte hat 850.0 
hoch fo oerfchmenben tann, 

„Sann hatte ich meine ■ 
fich oon einem fjleifdjer, b 
Serehrung auägefleidmet, 
moDte, unb mal baä fag 
©efen in bie ©eljeimniffc 
meißelt, baä roeiß ©ott! £ 
bann meine alte £telen, 1 
auch befriebigt hat, fo tan 
fo baß ich feig? mar unb li 
tannte, über mich ergehe 
neuen oertraut machte, 
fonftten. 

„Wiinblid) erfläfjle ich 
“Wies” (Scßriftftellern), t 
ju ©aft maren, unb mie 
fein angeftrengt hat. 
Sllleä nießt faßen tonnen, 
artige« Sh?ma. 

„Schreiben Sie mir b 
3h«r (Rüdfehr nach ®eut 
Son $ 

. (Uebe 


Pne (Ü 

(fine Straftburgtr JFitmilicn- 
ber tttforn 
gür $au* unb $crb 

Siebenteä 

* J?adjenbe ( 

<ht 3 fahre ro 
nicht eben 
1 3 ?Ü, benno< 
nerßalb ein 
ßunbertä, tt 
ination geroefen ift. SBie 
unb roie 311 Straßburg c 
Sbangeliumä hatte einen j 
größte Sh?ü beä Slbelä m 
SBürben, burch #oßnung 
fcrliche Seite gesogen, bie 


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Po« (Srbt. 


537 


ren eines fetbftftänbiflen £anbelnS uic^t fähig, 
melmd)r unterbrüeften bie ©tagiftrate jebe coan* 
gelifche '.Regung, um uid)t ber SRalße ber ßatho* 
iiten anheim ju fallen, uub fo blühte unb gebieh 
bie Pteformaliou nur iit Strajjburg unb ben ihm 
untergebenen Sorffchaiten unb Sanbgemeinben. 
SRit einem SBort, bie ^Reformation im ©Ifaft er» 
iunerte an einen glimmenben ©raub, ber rafcp 
bie ©alten unb Sparren entlang flog unb überall 
ju bellen flammen auflobcrte, wo nicht fogleicb 
Söfdjung mar. Plber eS mürbe biel gelofcpt unb 
Zertreten. 

Im jmanjigfien Februar beS Jahres 1529 
loar in Straftburg laut SchöffeitbefCbluß bie 
©teffe ahgefdjafft morben, unb mit eitblofem 3 u« 
bei unb jjieubengefcbrei batte baS oor bein Sftatb* 
(jaus berfammelte ©olt bie ©ntfeheibung ber» 
noinmen, welche an bemfelben Sage noch bem 
fReichSgerichte jn Spcper fhriftlich angezeigt 
mürbe, mit bem ©enterten, eS fei an bem Scpof* 
fenbefdjluffe nichts abzuättbern. Ptuf bem Spehe» 
rer SReidjStage Dertbeibigte 3afob Sturm biefe 
Schaffung mit ©adjbrucf, unb als trophein bie 
elfäffifcbe i>auptftabt bont PteichSrcgiineut aus» 
gefchlojfeu marb, um ihre Äühnheit jn büßen, 
ba traten fämmtliche Pteichsftäbte, auch bie ta« 
tbolifcben, für baS gute Stecht StraßburgS ein, 
unb eS erfolgte bou Seiten ber eoaitgelifchen 
Stänbe bie ©roteftation, nach toelcber bie 2 lit* 
bänger ber neuen Sehre fortan ©roteftanten 
genannt mürben. 

Unterbetten batten fi<b auch bie allgemeinen 
politifcbeu ©erhältuiffe für Strajjbürg meit 
friebliCßer geftaltet, ja in ben Schiebungen 3101 » 
fcbeit bem Äaifer unb ben ©roteftanten trat fo» 
gar toieber eine gemijfe fjreunblichfeit ju Sage, 
beim ftnrl V. batte fein 'Äugenmerl aitberen ge* 
fäbrlichereu ffeinben jujumenben. 

SieS locft ber Stanb ber Singe unb ©egeben* 
beiten innerhalb beS furzen 3eitraumS bon acht 
3 af)ren, roelchen mir in unferer 6 rjä()lung über* 
fprungen, unb mir nehmen nunmehr ben fjabeu 
ber lektern mieber auf. 

Äuf bem Spurm ber ©urg ^openheg flatterte 
mieberuin bie roth*meifte 3faijne beS alten PlbelS* 
gefchlechts, Sani bem reichen ßrbe beS ©feifer* 
föitigs, meines fich ats ausgiebig genug ermie» 
feu, um nicht nur baS berpfänbete ©bnenfdjloft 
mieber eingulöfen, fonbern bem ©rafeu auch er* 
möglichte, jenen @lanj unb Plufroanb ju cntfal* 
teil, burch melchen fi<h baS ©efcplecbt ber Roheit» 
begs bon jeher ausgezeichnet batte. Um bie 
bürgerliche ©erroanbtfchaft flimmerte fiCb bie 
Familie beS ©rafen in feiner SBeifc, uitb ber 
einzige ©rief, ber Johannes aus ber ©urg $)o= 
benbeg jugefommeit mar, batte bie höfliche falte 
Pinzeige bon bem ©hieben feiner Schmefter, ber 
armen ©bilippine, enthalten, ©in fleiner fie* 
benjdbriger ilnabe, ber fleh zur frönen Jahres» 

a 


Zeit munter auf bem Surgbofe berumtummelte, 
mar baS einzige Äinb, welches ©bilippine ihrem 
©atten Söolf blnterlaffeu. Ser ffeine Änabe 
muchS jiemlich milb heran, benn als zwei 3 ohre 
nach bem Sobe feiner ©lütter Hßolfgang bon 
^obenbeg eine zweite ©attiu heimgefüßrt, bie 
bieSmal einem uralten ©belSgefchlecht angebörte, 
fümmerte fich ©iemanb mehr um baS Äinb, 
©lirrnpart ausgenommen, welcher eS für eine 
heilige ©flicht anfah, fich beS fjilflofen $uaben 
anjunebuten. ©ur baburch glaubte ber 3 unter 
einigermaßen jenen fchwereu ©etrug ju fühlten, 
beffen er fich an. bem ©roftbater beS Keinen Äurt 
fchulbig gemacht, ©r warb fein Sebrmeiftcr unb 
brachte ißm bie ©nfäitge beS ©cchneuS, SefcitS 
unb Schreibens bei, roaS allerbingS nicht biet 
fagen wollte, ba ©lürnßartS ©ilbung auf ginn* 
lieh niebriger Stufe ftanb. fjür bie ritterlichen 
Äiinfte bagegen zeigte Zlurt ein ganz befonbereS 
Salent, unb er mar gar halb ein fo nortreffliCfjer 
Pleiter unb Schüße, baß ©lürnhart eS nicht mehr 
mit ihm aufzunebmen bermochte. Unfere Sefer 
werben fid) erinnern, roelCbe ©erfprechungen bei’» 
einft ©raf £)ohenheg feinem uu 6 emittelteii*Reffen 
gemacht; £>err ©Balbner halte aber fehlest 2Bort 
gehalten unb ©lürnhart immer abzufpeifen ge* 
mußt, wenn terfclbe auf biefen ©uitft zurücfge* 
fommen war. 9(lS ber Runter nach bem Sobe 
©bilppiitenS bie ficbtlichc ©ernachläffigung beS 
Keinen $urt faß, raffte er alle feine ©nergie zu* 
famnien unb begehrte gegen feinen Oheim auf, 
ittbem er biefent fein Unrecht uorljielt unb hin* 
Ziifügte, baft cS ihm eine ©cloiffenSfache fei, bie 
3utunft beS Zfitabeu gefiebert z» feßen. Ser 
©raf braufte auf, allein ©fiirnhart lehrte fich 
nicht barait, fonbern fchleuberte ihm feef bie 
Srohung zu, baft er feinem ©etter ©?olf ein ge* 
wiffeS ©eheimnif; enthüllen werbe, fobalb ber 
©raf bem ©nfel beS alten ©atbob nicht eine ge* 
hörige Summe ausfeße. 

„SBie ich ^en 3 nnfer SBolf feinte," fchloft 
©lürnhart feine erregte Siebe, „weiß ich int ©or= 
auS, baß er lieber als ein ©eitler im Sonbe um* 
berirreit wirb, als noch eine Stunbe länger £>err 
eines ©ermögenS zu fein, Welches burch hinter* 
lift bem rechtmäßigen ©rben entzogen würbe.". 
Ser ©raf muftte fich insgeheim eingeftehen, baß 
©lürnhart ben ©haracter feines SoljneS bofl= 
ftänbig oerftauben habe, benn troßbem in SBolf 
ber nnbänbige Stolz unb £>ocbtnutl) feiner ©hnen 
erwacht mar, ^rohbein er fich ber bürgerlichen 
©attin zuleßt gefchänit unb fie bieS hatte fühlen 
laffen, unb troßbem er ben Keinen Äurt als eine 
©rt bon Stieffohn betrachtete unb bebanbelte, 
hielt er auf ritterliche ©ljre unb zeigte fiCh jeher 
gemeinen ^»anblung unfähig. 3 « &olge beffen 
Zog ©raf UBalbner gegen ©lürnhart geliitbete 
Saiten auf, unb fueßte ihn borerft baburch zu 
befänftigen, baft er fagte: 


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538 


P<m ßrbe, 


,,©S berftept fic^ ja bocp oon felbft, büß Äurt j eiligem, oeritdjtlidjem 5 

bereinft feinen Slntpeil au bem ©rbe befommt; ! loünfrfje Dir glüdlicpe SB 

jedenfalls ift bieS aber bic Sache feines Sinters, recht Diel ©ergnügeit, ui 
unb eS würbe fonberbar erfcheinen, wenn icf)! bie (Stunde, welche $u 
9Bolf in biefem ©inttte ©orfcpriften machen überbringen milift, in 
wallte." auSaupofaunen. ©S wi 

Damit gab fiep jedoch SJtiirnpart nicht jufrie= Du ben ©eweiS nit mehr 
ben, beim er Saunte bie .ftintcrlift feines DheimS ber für bie ©aprhafi 
unb fagte fidh im Stillen, baß es im Silane beS» bürgt." 
felben liege, ben bürgerlichen Sprößling feines | ©S war ein unheimli 
Sohnes möglidjft aus ber Familie unb bem 1 in beS 3unferS Sintiiß i 

©rbe ju oerbr äugen. ©r beftanb auf feiner j SJtürnhart mit flicgenbe 

Sorberung, unb fo tarn es, bafi bem fleiiten Äurt ficher fühlenben ©enoai 
gerichtlich bie gleiche Summe juerfannt wurbe, 3P r wirtlich, bafi ich bc 
welche ©fjilippine bereinft bei ihrer fjochaeit bem jenem fluchwürdigen © 
©atten angebracht. ©orten unb ©erfprechu 

SHiinibartS^reubeüberbicfeii Sieg war grofi hätte ? Stein, £)err ©all 
unb fein ©ewiffeu um oieleS beruhigter. SJtit topf war ©uer Steffe ni 
9tuhe ertrug er bie Saunen beS ihm aürnenben jeßl: StatbobS wirtliches 
DheimS, bis ihm f<b(iefili<h eines DageS ber ftameilt .ift nit oon mit 
©.•bulbSfabeit rin, als berfelbe aufs Stinte i()it fert worben, foubern ey 
und den flehten ©nfel 311 mifihanbeln uerfnchte. fichjern Orte auf bewahrt 
„Dreibt’S nit au bunt mit mir," rief er bro» nach ©Ittenberg gehe) 
Ijeub cniS, „beim bie feiten finb ooriiber, wo ich ^hm ?" 
als ein armer oermaifter Äitobe baS 3od) ertra= Der ©raf [prang auf, 
gen mußte, baS3hrmirauferlegfct! 3o, merft’S eS auf unb rief ein paai 
©uch nur, £>err; ich ercläre ©uch ruitb heraus, welche ©ache hotten. „ 
baß ich fiirber feiuerlei ©emeinfepaft mit ©uch Perrüdten 3uitferS!" lau 
uub ©uerm £>nuS mehr haben will; gebt mir, ©ewaffneteiyn ben Spei 
* * was 3 hi' mir oor 3 apren Perfproch.'n, uub awar bringt ihn nach bem ©u 

auf ber Stelle, — onftept 3h r wohl!" SJtürnhart franb ba wi 

Der ©raf .oermnpte fiep eines ©rftaunenS er fat) jeßt ein, wie u 
nicht erwehren; eine folipc itiihuh-’it hatte er hatte, unb wußte, bafi b 
bem Steffen nicht augetraut. Stacpbem er einige ©efängniß öffnen werbe, 
Slttgeitblide nach Raffung gerungen, ermiberte werfen ließ. 3 uerft wt 
er mit erawungeiter (teilte: ,,©S ift f)ict: Weber 3unFcr aur ©epr feßen, 
3eit noch Ort, um mit Dir ju oerbanbeln. ©ebnttfen auf, unb opn 
©ntferne Dich jeßt unb üb;rla||e eS mir, auf entgegnen, ließ er fich g 
biefeS Dberna wieber auritdaufommeu." über beit £>of nach bem 2 

„Da tonnt’ ich lange warten!" rief SJtürit» unterem Staunte fich ba 
hart böfjnifih. „Stein, jeßl gleich muß eS ge= ©inige SJtügbe unb itneC 
fihehen, benn ich habe eS fatt, midp an ber Stufe aufäflig oerweilten, blitf 
herumführen 311 laifeit." ' ©efangenen erftaunt und 

„©efell. Du wirft iiiioerfcpümt!" rief Rolfen» ber in ber/Stahe fpielte, 
heg mit auSbrechenbem 3°vn. „Stciume baS unb fragte unter 5Tratte 
©emach ober eS ergeht Dir fehlest!" habe. Slls fein treuer, 

SJtürnhart ballte bic fjiinbe, bann begann er, ©efepeib ertheiltc, began 
währeub er bem ©reifen fiep näherte, in leifem, wollte mit in baS ©urgD' 
ober eindringlichem Done: „©oplan, ich geh-', unb bie ©ache wehrten i 
unb awar nit nur aus biefem Staunte, foubern falj nur noch, wie ber ffi 
auch aus ber ©urg. 3<P trete eine weite ©atu warf unb unter einem < 
beritng an, bie miep bis nach ©itteuberg bie ©orte auSbracp: „St 
führen Wirb, wofefbft ein gewiffer 3 0 h a n n e S unb habe Stiemanben me 
lebt, bem id) eine,(taube aubriitgeu will, bie ihn ©alb machte bie Stacf 
hoch erfreuen wirb, — oerftanben, &err ©alb» SJtürnhart auf ©dieiß bc 
ner ?" genommen worben fei, bt 

Droß beS giftigen SlidteS, ben ber ©raf bem ©urg, überall fiedle mau 
racpfücptigeit Steffen aufanbte, feptoeb e ein pöh= unb begann au flüftern 1 
nifcpeS Ccicpelii um feinen SJtunb, als er jeßt in taufepen, bie aber fainti 


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Das dfrbe. 


539 


Dom rechten 3iele trafen, benn oon bei^i alten 
@rafeu f>övte mau immer mir beu Hirsen ©e» 
fcheib: „©eit erteil geroorb*« ift!" Mein fdjon 
«in michften Worfle» bradjte bcr macbtbabenbe 
Jieiiftmaitn bie ftunbe, baf; ber Runter Wimt» 
hart au§ bem ©urgDerließ fpurloS üerfchwunbe» 
fei. 

©ruf ftobenljeg blieb einige Wngenbfide Dot 
Sd&rcrfeu ftarr, bauu flüb er beifüg beu ©efeljl, 
bau Schloß uubtlmgegenb buv(t>fmi)t merbe uub 
einer ber Seifigen fofort aufjißcn falle, um bem 
Öiitflobenen nacb3iijageu. ©d)luß unb Untfle« 
fleub tourben burcf)fucbt, allein lein Runter 
5)liir»bart gefunben, — er mar unb blieb Der» 
fdjroiiuben, unb alle fflurgberoobuer jerbracheu 
fid) DergebenS beu Äfopf, wie eS bem ©eiangenen 
möglichgetoefen, auSbem ftarfen ©erogljrfam |it 
enttommeu. Wur öiuer mußte baS ©ebeiinniß, 
benn iit ber ©urg befanb fidj ein Heiner ft nabe, 
ber au jenem Worgen feljr üerflniiflt roar unb 
heimlich alle »ach Würnljart auSflejanbteu Soteu 
Bedachte, toabreub er füll bei fid) Dachte: „3(jt 
fönnt lanfle flicken, unb menet meinen bfrjlie» 
ben Wiirnbart bod) uit finbeu, beim er ift fchon 
über alle ©erge."- 

3n einem Keinen, aber recht wohnlichen ©e» 
mach ju ©ittenberg faß ein junger, etioa breißig» 
jähriger Wann, beffen ftleibung ben ©eiftlichen 
Derliinbete. Stuf feinem ©d)ooße rubete ein flei» 
«er, üteölf Wouate alter ft nabe, ber flar luftifl 
mit feinen ©eineben ftrampelte, unb oor ibm 
ftanb eine noch juitfle fjrati, bereit ©liefe Doll 
3ärtlidjfeit auf ©atteu unb ftiub flericblet loa» 
reu, bis fie fcpließlicf) ficb b<tabneigte unb beibe 
füßte. 

öS ift bie #äuSlichfeit beS fjerrit WagifterS 
Johannes Watbob, in welche mir ben ge» 
neigten Sefer eiugefiibrt haben, uub aus ben be» 
haglicheu ©erhiiltniffeu, bie unfern ffreunb um» 
geben, erhellt, baß ihm doii ©ott bie Sanfbabu 
gefegnet roorben mar, ber ihn hier Dor bie rechte 
©cbmiebe fleführt batte, benn ©ittenberg mar 
bie £>auptftätte beS ©roteftantiSmuS. SLroßbent 
bie UniDerfitdt noch Kbr jungen Datums mar, 
erlangte fie bennoeb burch Suther uub Welancb= 
thon eine fcbiielle ©eriibmtbeit, unb galt als 
©tüßp-.mft ber neuen Sehre. 3)aS wüfte Sehen, 
welches bamalS Don ben ©htbenteit geführt 
würbe, fanb in ©ittenberg nur menig Wad)» 
ahmuug; bie jungen Seutc gaben ficb Dielmehr 
emfig ihren ©tubien hin. Welanchtbon, ganj 
befonberS aber Suther, nahmen ficb ihrer in 
wahrhaft Däteflicher ©eife an; fie sogen fie in 
ihrem häuslichen ftreiS unb jeigteu Sbeilnafjme 
für ihre Sebensfd)idfale. Wamentlicft fanb bies 
auf 3ene Wnroenbung. melcbe als ftoftgänger 
im Suiherifcben $aufe tagtäglich- Dertefjrten. 
3u ihnen hatte ein|t auch SohänneS gehört, unb 
bie Stunben, welche er bafetbft »erbrachte, jähU 


ten jn ben febönfien feines SebenS. WnbererfeitS 
blieften mieberum ber Wörter WartiuuS unb ber 
Wagifter ©(jilippnS mit freubigem ©tolj auf 
ihren begabten ©dpiler, beffen heiliger fteuer» 
eifer fie Deranlafite, ihm nach örlebiguitg feiner 
©tnbien in ©ittenberg ein 91ml 311 Derfcbaffen; 
ihren uereinten Wnftreiiguitgeu ^atte 3ol)anneS 
eS 311 Derbaitfen gehabt, baß er fdjon nad) Dier 
fahren an bcr ©chloßtirche als £>ilfSgeiftlichcr 
■angeftelll mürbe. 5)urd) ben ehrlichen ©berfteiger 
fmber lernte er beffen Stickte ^rmgarb leimen, 
«ie ftanb unter» unb mutterlos ba, unb lebte in 
bem £anfe ihres ©heims unb©ormuubS, welcher 
rechtfdjaffen baS Heine ©erwögen feiner Wichte 
Derroaitete. Johannes fetjnte fid) nach einem 
häuslichen $erb unb nach einem fersen, baS er 
fein eigen neunen burfte; erging hi» 1 unb freite 
um ^ruigarö,. unb wenige Woniite fpäter morb 
er mit ihr Don WartiuuS Suther in ber ©d)(oB» 
lirche getraut. 3teei 3al)re mar er fchon mit 
ihr Derbiinben, nnb heute roar ber Jag, an mel» 
ehern feilt ftitäbleiit, baS 311111 Wngebenlen beS 
©roßDaterS in ber heiligen Jaufe ben Warnen 
Wicbael erhalten, ein 3ubir alt mürbe, ör 
ließ beu ftleinen eben auf ben ftuieeit reiten, als 
eS auf einmal Hopfte, ^rmgarb öffnete rafch, 
unb burch bie Jf)üre trat bie gebeugte ©eftalt 
eines eleub anSfehenben, halbDerhungerten Wan* 
ueS, welcher bem Keinen Wichaet fo grauenhaft 
erfchieu, baß er fofort 311 fchreieit begann, unb 
fich nicht eher roieber beruhigte, bis bie Wntter 
mit ihm in bie aitfioßenbe Kammer eilte, 

Wim befaub fich 3oban»eS »dt bem fonber» 
baren örembeu allein, welcher roieberholt fragte, 
ob ihn benn ber fjerr Wagifter nicht erlenite. 
Sillein Johannes Derneinte, unb fo nannte ber 
aflerbingS fehr ueränberte Wiirnbart enblidj 
jögernb feinen Wayien. 

Unfer grciuib roar bödhlich erftannt unb fragte 
ben 3funt er » maS ihn foroeit ab nach ©ittenberg 
führe. 

„3<h will Such beichten," antwortete Wtürn» 
hart mit einem unheimlichen §euer in feinen 
großen, gefpeuftifchen Shigeu. 

j)ie ©ermnitbernng beS WagifterS ftieg, benn 
als er fagte, baß ber Runter ja bodj auch in 
©traßburg hätte beichten tonnen, erhielt er eine 
Derneinenbe Wntroort. ,.Wur 3h r allein bürft 
unb follt mein ©eichtDater fein," rief Wtürnhart 
mit einer geroiffen fteierlichfeit, „nnb ba 3hr 
ein Sehrer beS öüangelinmS feib, fo barf ich 
and) boffm, Don (Such ©ergebung s» erhalten, 
obwohl ich ei» fdjwerer ©ünber bin." 

„Such gefehehe nach önerm ©lauben," ant« 
mortete Johannes mitleibig unb forberte ben 
Runter auf, 31t beginnen. 

Sh« Würitljttrt bieS aber tljat, fenfste er ein 
paar Wal tieMiuf unb ftrich fich mit ber £anb 
über bie heiße ©tirue. Jann begann er: 


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54:0 


Pas ttrbe. 



„Sie ©efchidjte meiner 3ugeubzeit ift Sud) 
motjl befannt unb id) braune beiher nit meit aus* 
Zubolen. Ser liebe ©ott l)iit mir jnmr einen 
großen ftörper, aber feinen großen ©eift Oer* 
lieben; non latenten zeigte fid) feiiterlei ©pur, 
ausgenommen etma, baß ich eine hübfdje £anb= 
idjriff fdjrieb, unb biefer fleine Vorzug fdjlug 
für mich jjiim Vöfen um unb machte mich zu 
e nein Verbrecher." 

Ser laufcheitbe 3ol)anne3 fuhr unmiflfürlid)* 
empor, Würnljart aber zog ihn rnieber 311 feinem 
©iß zuriid, inbem er fortfuhr: „Sa id) eine 
gute £)aubfdjrift fd)*ieb, fo befestigte id) mich 
oiel mit Abfcf)reibeu für Wöndje unb hoh e 
Älofterleute. 35a fanb ich. aber halb heraus, baß 
id) noch ein zweites Talent befaß, nämlich bie 
gäljigfeit, meine &anbfd)rift oerftellen unb jene 
aitberer Senfe noct)bi(ben ju fönneu. 2113 2Öalb* 
ner 001 t £)of)euheg — beim Obm nenne id) if)n 
in biefem Sehen nie rnieber — in 9?otf) unb 21 r* 
ntutb geriet!), mußte idj gar oft bis fpät in bie 
Aach* fchreibeit, um ein paar Pfennige 511 oer= 
bienen, unb es mar mir fef)r lieb, baß Suer guter 
£>evr Vater mich mit feinem Vertrauen beehrte 
unb mich gemiffermaßen 311 feinem ©efretär er= 
nannte. Oh, hätte er nur nod) rechtzeitig bie 
©d)lange erfanut, bie er am Vitfen nährte!" 

„ 2 öaS fagt 3 b* ba?" rief ^obanueö über* 
rafeßt. 

„Ait fo, ehrmiirbiger £>err," berfe^te Wiiru* 
hart fopffd)üttelub, „eS ift nit recht 0011 Sud), 
ein Veichtfinb zu unterbrechen, mirb’S mir bod) 
mafjrlidj fchmer genug, fortzufahren unb mein 
©eftäubniß zu Silbe ju bringen." W \t ^alb= 
gebrochener ©timme fuhr er fort: „Sie £>of)en* 
ßegS founten nur bureß 9ieid)tbum rnieber zu 
2lufehen unb 9lang gelangen unb ihr Vlid fiel 
auf Suern Vater, ber biefe Wittel befaß; beS* 
halb mußte Runter 2öolf Suere ©eßmefter bei* 
ratbeit." 

„Aod) bab’ ich ben Job meiner armen Vbifip* 
piite nit gänzlich iibermunbeit," unterbrach 3 a = 
bauneS feinen ©aft, „3h* fömtt Sud) baber 
beuten, mie peinlich cS mir ift, baß 3 h* auf jene 
Verhältniffe zu fpreeßen fommt." „Ss ift nöthig, 
baß ich baoon fpred^e," gab Wiirnhart finfter 
zuriid, „unb id) bitte Sud)'nochmals, mich nit 
mriter mehr zu unterbrechen. Sie Witgift, 
melche Suer £>err Vater ber Jungfer Vbilippitte 
auSgefeßt, reifte natürlid) nit aus, beit zerrütte* 
teu Verhältniffen ber ^oßenhegS oon ©runb 
aus abzuhelfen. SeSfjalb gerieth 5i?albemar auf 
einen teuflifcßen ©ebanfen, beffen Ausführung 
er mir überlieb. Natürlich oerfprad) er mir go U 
bene 'Berge unb fcßläferte auf alle nur benfbare 
ffieife mein ©emiffen ein, unb fo marb ich benn 
baS SBertzeug feiner Derbrecßerifcben Sßat. Seht 
mich nit foftarran, ©err Wagifter," unterbrach 
Würnßart feine Stählung, „menbet baS £>aupt 

/ 


feitmarts, id) oermag foi 
©0 . . . fo iffS red)t. . . 1 
3 h* ein geiftlicßer £err fei 
tinb. Sapt’S mich jeßt fi 
ftraft, nod) lauge zu reben, 
ner gebot mir, mich bei 
eiuzufchmeidjeln, um mir i 
fchrift anzueignen. Ss gc 
gut, unb als ich mid) öe 
Suer £>err Vater feine ©d) 
neu nit zu unterfcheiben 0 
bie 2(tiSführung ber boit 
©cßürferei unb fertigte eir 
cheS Suere ©eßmefter z u * 
felgte, Such bagegeit 1111 
©'untme zuerfaitnie. Um 
bleibt ‘ ruhig," bat Würr 
einen leifen ©d)rei auSftie 
meinen Wunb für immer. 
SuereS Vaters bertaufchtc 
ment mit bem gefälfcßteri 
in bie 3 nnentafcße meines 
baS anbere bem fterbenbeu 
nach berlaugie. Sr erfanti 
er bermodjte nii mehr ge< 
benn fchon fcßloß ber St 
hätte nun, laut SBalbne 
Seftament ben flammen ü 
ber ftarre ©lief beS Sobi 
nnntfd), mit bem er auSbi 
riefen mein ©emiffen mach 
£>aufe hinaus, bie ©affen 1 
unb meiter, bis ich baS 
einem fiebern Ort gebor 
meines £>erzenS aber mar 
unb ich ahnte, bafe einft bie 
mo jener Söalbiter mir m 
malS, als er oon mir bie 3 
bah baS Seftament noch 
er mich in baS Vurgoer 
fdhidte mir ©ott hoch eine 
in ©eftalt eines lieben fle 
Neffen, £>err 95?aqifter; 
Ounfelheit bem Vurgoer) 
2 Berfzeuge, fcafz id) bie eife 
neS ©efängniffeS zu burchf 
teu in ber 9tad)t fepte ich ü 
bie fRiidfeite ber Vurg bec 
Ziemlich hart auffiel unb 
Abhangs herabfoflerte, oe' 
flucht fortzufepen, unb 1 
auf, mir fobalb als mögli 
folgen, bamit 3 h* felbfi 
3eugen baS Seftament fin 
mie fchon gefagt, an einem 
Weine Beichte ift zu (Snbc 
Such, mir zu Oergeben ot 
oerzicben, baS fühle i^ jet 
mein |)erz fo ruhig, als i 


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3opanneS mar tief crfctjüttcrt unb eS mährte 
eine geraume 3*it epe er firf) foroeit gefaßt, um 
Würnpart bie Dergebenbe £>anb reifen unb ein 
2Bort beS StrofteS jurufen ju tönnen. 2)ann 
aber eilte er fofort ju 3rmgarb, um if)r baS 
9tötpigfte mitjutpeilen. Sur ungern toiHigte fie 
inbie beoorftepenbe Trennung, allein eS rnufete 
fein, unb fo fügte fiel) benn bie ©attin. 

9lm näcpften SLage fefjon brad) ^opanneS mit 
Btürnpart auf. ©egen Sbenb näherten fie fici» 
bem ©tabtepeu Sitterfelb unb erreichten eben 
ein fleineS ©efjölj, als plöjjlicp aus einem ®e» 
büfep ein RriegSfneept perDorftüijte unb mit fei» 
ner langen ißife einen moplgejielten ©toß und) 
StürnpartS Sruft führte, melcper laut auffcf)rie 
unb mit ben Söorten: „O ©ott, erbarme bid> 
meiner!" Dom 5|}ferbe fant, mährenb ein ©lut» 
fitom fein fflammS färbte, Johannes mar einen 
Slugenblid ftarr Dor Schieden, bann aber fprang 
er Dom ^Jferbe unb eilte bem atmen Runter ju 
$ilfe. 3)er RriegSfnecpt jeboep fdjien an bem 
einen Opfer noch nicht genug ju hohen unb 
roanbte feine mörberifepe SBaffe jeßt auch gegen 
Johannes. Schon rannte er gegen ihn an, als 
jtpei friiftige 9lrmc rüdlingS ben Störber um» 
fußten urib ihn ja 50obeu tifjeu. ©rftaunt blidte 
ber Slagifter auf feinen Selter, beffen Stienen 
gleichfalls Ueberrafcpung geigten, benn er rief 
aus: „$a ift ja roahrhaftig mein aller Qfreunb, 
ber £err ©tubiofuS aus Safel!" 

„üenebict ©belbed!" erflang eS Don ^opanneS 
Sippen unb er roollte auf ihn jtteilen, bod) ber 
^ritfepmeifter rief marnenb juriid: 

„öleibt, mo 3Pr feib, fo lieb Such ©ner Sehen 
ift, benn biefer ©efelle hier hat nichts ©nteS im 
Sinn unb mehrt fiep gar tapfer, um mieber auf 
bie '-Beine ju fomnien! $oflapo, roo fteden benn 
bie faulen SanbSfnecpte, baß fie nit herbei eilen, 
wenn 3emaitb um #ilfe ruft?" 

$>a marb’S plößlidj im ©ebüfeh (ebenbig unb 
Dier berfelben brachen barauS peroor. „Rommt 
3ht enblich, 3hr Schneden," rief Senebict ©bei» 
bed. „©cpnell, fcpnell! bemächtigt (Such beS 
Stäubers, ba fehl, er hat einen Staun erftodjen." 

$autit beutete er auf ben am ©oben liegenben 
ÜRiirnpart, Dor melchem Johannes niebergetniet 
mar, um ihm einen uotpbürftigen SBerbanb an» 
julegen. Saepbem bie SanbSfnecpte ben Störber 
an $äitbeu unb Süßen gefnebelt, traten fie an 
fein Opfer heran unb einer bon ihnen fagte: 

„®ebt Such feine Stühe, ber ©efeti ba hat 
eine ffiunbe im bergen, bie fein ©pirura ju pei» 
len Dermag, unb märe er ber gefepidtefte in ber 
Seit."" „SLMll’S meinen," betätigte ein jmeiter 
fianbsfnedjt, „ber 3;ob fipt ihm ja fepon im Singe. 

— ®a fept, er macht Slnfirengungen ju fprechen 

— es fepeint, bajj er ©uch noch etroaS jurufen 
mill." 

3fn ber ipat bemegten ft<h bie Sippen beS 


tobten bleichen Stürnhart unb 3opanueS ahnte, 
baß er ihm jept ben Ort nennen mollte, mofelbft 
er baS 3eftament Derroahrt; allein mau Dernahm 
nur ein leifeS: 

„$ef... tef. . . Rio . . . bürg!" — bann 
folgte ein unheimliches ©urgeln unb ber arme 
2funfer blidte ben über ihn gebeugten 3opan= 
neS fo ftarr an, als ihn oor fahren ber greife 
Satbob. 

Johannes faltete bie ßänbe unb fpraep über 
bem iobteii ein furjeS ©ebet unb bie SanbS* 
Inechte folgten feinem ©eifpiele. SBäprenb fi<h 
einer ber ©öibner in baS liahe gelegene Säger 
begab, um Oxiden unb ©rabfepeit ju polen, 
näherte fiep Scnebict ©belbcd bem Seicpnam unb 
rief: „ffiaprpaftig, bas ifi mein armer Stittcr 
2öadel! £>ätt’ nit gebaept, baß er einmal ein fo 
fläglicpeS ©nbe nehmen roerbe! Unb baratt ift 
biefer nieptsmiirbige ©cpurfe ba fcpulb," feprie 
ber Ißritfcpmeifter joruig, fiep Don Steuern gegen 
ben gefeffelten RriegSfned)t menbenb. „Sefenne 
auf ber ©teile, toarum paft bu bas getpan ?" 

Siber ber ©efragte blieb fiuntm unb begnügte 
fiep bamit, feinem Uebermältiger einen SJiid 
giftigen paffes jujnmerfen. 

SPenige Stinuten fpäter feprte ber SanbS» 
fneept, ber in’S Säger geeilt mar, mit Sßerfjeugeu 
unb einem Oupenb «anteraben jurüd unb fie 
gruben Stürnpart bidpt an ber Sanbflvaße baS 
©rab. ^DpanneS itopm mit 3präneu im Sluge 
bie ©cpaufel unb ließ bie erften ©rbicpollen auf 
StürnpartS Seicpe fallen, ihm folgte Senebict 
©belbed unb fobann fdpioffen fiep bie SanbS» 
fneepte an, bis bie ©rube gefüllt mar unb ein 
f(einer #tigel bie ©tätte bejeiepnete. Tann tranS* 
portirten bie SanbSfnecpte ben ©efangenen in’S 
Säger unb roäprenb ^opanneS mit ©belbed bem 
3uge folgte, tpeilte ber iööpme ipm mit, baß er 
in ©itterfelb bei bem bortigen tfreifepießen baS 
9lmt eines ^ritfcpmeifterS Derfepeu, eS aber frei» 
miflig niebergelegt pabc, ba niept Diel bort ju 
polen fei. „3<p patte inicp im Säger ber SanbS« 
fneepte ,ein roenig aufgepalten," fcploß er feine 
SJittpeilung, „unb mollte eben gen SMttenberg 
jiepen, als icp auf ber Sanbftra|e einen Weiter 
heranftürmen fap, ber fiep pier im ©epölje Der» 
ftedte. ^>ol(ap, baepte icp, ber ©efell pat nicptS 
©uteS Dor, unb eilte ju ben auSgefteflten SBacpen 
ber SanbSfnecpte jnrüd, ipnen fagenb, baß fie 
gleich |>ilft eilen follten, fobalb fie meinen 
Suf oernäpmen. ©ben langte icp im ©epölj 
mieber an, als bie Storbtpat bereits gefepepeu 
mar; aber glüdlicper SBeifc fonnte icp ©uep noch 
reeptjeitig ju ©ilfe eilen." 

Johannes banfte bem treuperjigen, Sritfep» 
meifter. 3m Säger angelangt, ließ fiep ^opan» 
neS jum 3fUt beS fjauptmannS geleiten, um 
biefem ben Sorfall ju berichten. SGßaprfcpcinlicp 
mürbe ber Störber mit einer fepimpfliepen ©ftafe 


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542 


Pie man in öen Arabern ben 3orn erweckt. 


unb harter ©cfanflenfd^aft babon gefotnmen 
fein, butte bcr £>auptmann in ihm nid)t beit 
'.Räuber wieber crfannt, bet ihm einft bei bent 
3uge wibcr bie Dürfen alle feine Saarfdjajt ge» 
ftol)(cu unb fid) fobann auf unb baoou gemacht 
batte. Da würbe benn furjer ^ivojep mit iljm 
gemacht, unb nod) e()e bie (Sonne gdujlid) unter» 
gegangen war, hing er, ben wol) Iberbienten 
Stritt um beit fjalö, an einem Saume. 

Johannes mar nod) unfd)lüffig, pb er weiter 
reifen, aber nacf) Sßittenberg jurtitftefjre'n follte. 
Um fid) fpäter einmal feinerlei Sormurf 311 
machen, entfdjieb er fief) für bas Erftcre unb 
langte jet)n Statue fpäter in ber alten fjcimatbS» 
ftab't au, jubeliib begrüßt bou bem treuen ©er» 
bei, in beffen £aufe er 2Bol)nung nahm. Der 
efjvlidje WecbtSgelebrte geriet!) außer fid), als ilju 
SobanneS boit ber DeftameutSuuterfdjlagung 
unterrichtete, beren fid) £wljenfjefl fdjulbicj ge» 
macht. „©iebt’S benn feine bimmlifcbe ©erecb« 
tigfeit mehr," rief er jornerfiUlt, „bafj ber Söie 
über ben ©utcn triumpbiren barf?" „Saffen 
wir ba$, mein greunb," entgegnete Johannes 
fanft, „Der liebe ©ott weif) am Seften, was unS 
ohnmächtigen Wlenfdjen frommt. 3 fft’ä fein 
2 Billc, baß id) ju meinem rechtmäßigen (übe ge»' 
lange, fo wirb er mir’S suweifen, auch ohne 
WtürnbartS 3 eugenfd)aft." 

Da» wollte aber bem Werf)t§gelebrtert nid^t fo 
recht* in ben Sinn, traf) feiner fjrömmigfeit, unb 
er Kbüttelte bebenflid) ben Äopf. 

2 üiil)tenb er einen neuen ißrojef) gegen bie 
©rafen bon fjobenljeg einleitete, gab fid) $ 0 = 
banne» bem Serfeljre mit feinen alten fjrcunben 
bin uttb war balb bei Silber, halb bei fhipito 
unb balb bei bem Wteifter WtatljiS anjutreffen. 

Die frebelbafte fjanblungsweife SBalbnerS 
bon ; £wfjcnljeg' rief unter ber Strafsburg’idjeu 
Sebölterung eine gerechte Erbitterung berbor, 
bereu fid) üueb bie Stifter nicht ermebreu fonn» 
teil. Drop aliebem bermodjtcn fie bem Slngetlag» 
teu nidits anjubaben, welker feinen ermorbefen 
Weffcn einen gemeinen fiiigner ftbalt unb barauf 
fußte, baß Johannes ben Ort neunen folle, an 
weltbem baS Deftament 3 U finben fei. Das bcr» 
motbte unfer ftreunb freilid) nicht, benn Wtiirn» 
hart war mit bem ©ebeimniffc auf ben Sippen 
berfdjieben. Unb obgleich ade Wirfjtcr ber feiten 
Ueberjeugung bulbigten, baß &ofjenljcg ein Se» 
tniger unb baS wahre, red)t»gi(tige Deftamcnt 
irgenbmo berfteeft fei, mußten fie bennoeb ben 
SMttcnberger Wtagifter mit feiner Stlage ab« 
Weiten, ber balb barauf für immer bon ber alten 
©eirnatl) febieb. 

Oortfc|unfl folgt.) 


Ulte man in ben 
fttn $orn etw 

4*1 an macht fi<h gar 0 
« 57 ^ Setgnügen, inbei 
ober aitbere SJeife 
nimmt man ihnen ein 
ober hält es fo, baß baS 
gelangen fann; man tb 
fein Elfen wegnebmen, 1 
fchlagen wollte; mau 311 
ijört auch bamit nicht auf 
unb 3 ornig Wirb, ja man 
an folgen 2luSbrüd)en 
21(3 Heiner ffnabe fab ich 
einen flehten fpuub, wel 
aufsieben wollte, öfters r 
in ben Schwans, in bie C 
er ihn sum 3 am reisei 
warum er baS tf)ue, fagb 
ein böfet £»tnb werben, 
er grembe fälje. Unb bc 
2 (ber boffclbe erreicht n 
Werfen ber Ainber ; fie b 
erregbar, unb e» ift bab 
Sergnügcn, was man .| 
ben kleinen bereitet. 

Wtan fage nicht etwa, 1 
bie Äinber gewöhne, ficb 
taffen. Wtan beabfiebtigt 
Sen unb treibt ben Scher, 
erreicht ift. SBifl man 
ruhig 3 U bleiben, wenn 
wiberfäbrt, fo brauche 1 
beiten, welche baS Sebei 
barbietet; man braucht g 
fid)tlid) berbeisufiibren. 

3n einer Stabeben»Ei 
aus befonbereu ©rünbe 
Heiner Sfnabe aufgenon 
bon ben übrigen Äinber 
um fo mehr, ba er gai 
Stirn 3arn 3« reisen war, 
3grn, in welchem er 3 . 5 
Stange feinen Reinigern 
Stäbchen biel Spaß macht 
nach meiner Wtcinung bi 
aufbörlicbe Weden fo ber 
größer geworben war, 
übergeben werben muhte. 

So bebenfe benn lebe 
heuer jebem ftinbe baburi 
eS sum 3orn gereist wi 
bureb mutbwillige Wedere 
ficb auch felbft bor folcbem 
beffen etwaige gute, erriet 
eitelt werben wirb. (Sgl 


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JNagnus btt hapert (iße Trompeter. 


543 


borget nidjt! 

äfs ftnb nun faft bunbert ^aßre her, als in 
I» SBofferleben, einem Dorfe ber ©raffcbaft 
T Stollberg«28ernigerobe ein frommer Vfar« 
rer mirfte uiib feine ©emeinbe mit bem rechten 
SebenSbrote treulich oerforute. 3lUgemein mar 
feine große Vtübtbätiqfeit befannt, roiemobl er 
nicht oennögenb, fonbern nur auf fein Keines 
Vfarreinlommeit aitgemiefen mar. 

3n einem uugemöhnlidh falten SBinter, mo 
bie 31otß unter beit 3lrmen febr groß mar, batte 
ber gute Vfarrer in Vetreff feiner ßajfe beS 
©uten ju Diel getban, menigftenS nach ber Vlei« 
nung feiner treuen ©attin. 3mar mar bieS nicht 
feiten fdjon oorgefommen, aber in biefer trauri« 
gen 3eü bodj boppelt fdjmer. So machte ihn 
eines Borgens bie liebe Pfarrer in barauf auf« 
inerffam, baß er bocb feine große 2Bol)ltbätigfeit 
befcbränfen möchte, ba, mie eif ja roiffe, nur nod) 
48 Pfennige in ber ^auSfaffe borhanbeit mären. 
Söäbrenb biefeS ©efpräcßS tommt ein ßalberfro« 
reuet, bünnbefleibeter ttnb hungeriger £>anb« 
merfSburfche auf ben £>of, um eine ©abe bittenb. 
Der Pfarrer, Don tiefftem Diitteib ergriffen, 
giebt ihm biefe 48 Pfennige, morauf bie liebe 
Vfarrerin feufjenb bemerft: „31 ber lieber Wann, 
menn heute ein Vefudj fäme, mürbe ich in bie 
größte Verlegenheit fommen." Der Vfarrer, 
am genfter ftehenb, feine 3tugen gen fjimmel 
gerichtet, antroortet barauf: „Siebe gfrau, menn 
ber liebe ©ott mill, iffS ihm ein HfleiueS, mtS 
jeben biefer 48 Pfennige heute noch mit je einem 
Shaler ju erfeßen. 3llfo forge nicht!" — Ob bie 
liebe Vfartfrau baburch getröftet morbeu, me iß 
ich nidht, fie follte aber gar halb erfahren, baß 
ihr Vtann ein propljetifcheS SBort gefprochen 
hatte. &aum eine Stunbe barauf ließ ficß ein 
©aft mefbeu mit bem SBunfche, bei bem £>evrn 
Vfarrer ju frühftücfen. SBeldj’ ejit Sdjred für 
bie arme £auSfrau, beim ber ©aft mar fein 
anberer als Se. ©rlaucßt ber regierenbe ©raf 
Heinrich jn Stollberg, alfo ber Patron uub jti« 
gleich SanbeSherr. er mar auf einer ^agb be« 
griffen, nnb ber einjige im Dorfe befinbliche 
©aftfiof (Dorffrug) marberartig befchaffen, baß 
Se. ©rlaucht unmöglich bort frühftücfen lonnte. 
(3eßt iß Vahnftation bort.) Die 3(ntmort gar 
nicht abmartenb, mit einem beglichen: „©uten 
Vtorgen!" bem Pfarrer bie £)anb brüdenb, ftanb 
er halb uor ihm. Die Verlegenheit beS ©et¬ 
lichen unb befonberS ber beforgten ©attin mar 
bem fterrn ©rafen nicht entgangen unb barauf 
eingehend fagte er: „Sieber ©err Vaftor, es 
liegt ein Schatten auf 3h^m ©eficht, ber moljl 
anf eine Sorge fcßließen läßt, gemiß haben Sie 
Sh« SBohlthätigfeit mieber ju meit auSgebehnt." 
Der Vfarrer tonnte hierauf nur antmorten, baß 


er feßr gern Se. ©rlaudjt bemirthen möchte, 
aber nichts anbereS bieten fönnc, als Vrot unb 
ein menig Vutter unb $äfc. Der ©raf erflärte 
baS als burchauS hinreichend baS frugale f5?rü[)= 
ftüd mürbe aufgetragen unb mit erbaulicher 
Unterhaltung geroürjt, fo baß ber £err ©raf, 
leiblich unb geiftig erquidt, fich jum 3lbfd)ieb 
rüftenb, mit marmem £änbebrud feinen freund 
licken 2Birtpeu herjlich banfte. 3lls er mit fei« 
nem Seibjäger jufainmentrifft, fragt er ben« 
felben: „SieberS., haben Sie nicht fünf «tßaler 
bei fidj?" „@S thut mir leib, ©rlaucht, ober ich 
habe nur brei," lautet bie 3lntmort. „9lun, fo 
geben Sie biefelben her," fagt ber ©raf, „ich 
habe 45 Dbaler bei mir; eS folltcn eigentlich 
fünfjig fein." Diefelbeu mürben fofort bem 
&errn Vfnrrer mit einem freunblichen Villet 
überfanbt, in melcbem ber ©raf feßrieb, baß eS 
eigentlich fünfjig Dßaler hatten fein follen, aber 
leiber ftänbeit ihm nur 48 Dijaler jur Ver« 
fügung. 


JKagnti* pfj ,btt bntjmfdje 

trompetet. 

ang’ |>öß, lern’ etroaS, bu meißt nicht, mie 
bu eS brauchen fannft!" So fpraeß oor 
fahren ber Verid)terftutter ju einem 
braben jungen Vurfchen. ©lang befann fidh 
einige 3fU unb an obige SBorte erinnert, er« 
Härte er: „3cß trau’ mir’S bereits nicht j’fagen, 
loaS ich lernen möchte." — „9tur ’rauS bamit!" 
— „’S «trompeten möcht’ ich lernen!" Der Ve= 
rid»terftatter lächelte, er hatte etmaS 3lnbereS er« 
märtet; — allein beS ©lenfcßen 2öiHe ift fein 
$}immelreich, — ©lang erhielt eine «trompete. 
ViancßeS blieS er fchlccßt unb recht ju 

©otteS ©h« unb beS ©tenfeßen Suft bei Schei« 
benfehießen, ftocßjeiten, Veteranenfeften unb 
anberen feierlichen ©elegenheiten, unb mürbe 
nach unb nach mie anbere ©?enfd)entinber ein« 
unbjmonjig Sfatjre alt. 

3tlS ©onferibirter hatte ©lang ©lüd, — er jog 
eine ber ßöcßften SooSnummern. 1860 mußte 
er nach ©lunchen. fjreubig ging er bortbin, er 
hatte ja bie ©efibenj noch nie gefeiten, unb ge« 
hört, baß man bort gar fchön «trompete blafe. 
Sebermamt tröftete ihn, baß er feines hohen 
SoofeS roegen frei roerbe, aber troßbem fam es 
anberS, ein fchöner, fräftiger Vurfche, mie er 
mar, mürbe er Äüraffier. j[n ber Orangerie ju 
ÜJpmhhenburg »erlebte er bie 'Jtefrutentage. 
©ineS 3lbenbS nahm er öon einem Signal« 
trompeter baS Jfnßrument unb blies ernfte unb 
traurige SSeifen, benn fein i>erj mar ja brühen 


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544 


JHagmuc §% bet bagerifdje Srompeter. 


in ber $eimath, broben in ben frönen Sergen 
unb bei all' ben Sieben, öie bort luohntcn, brü* 
ben bei ben 2räumen feiner 3>ugenb. Gin 0ffi* 
gier Ijörte ben fremben SMüfcr, ertunbigte fidj 
nach ihm, unb fo nnirbe ©lang Srompeter. 

9lu3 jener 3 c *t fdjrieb et mit: „0 mie oft 
beitfe ich an bie SSorte: „9Hang — lern’ wo», 
bn toeifjt nicht, mie bu eS brauchen fannft!" 

1860 mar er babei unb 1870, Trompeter ber 
Reiterei gemorben, marfdjirte er mit nad) granl» 
reich. SBie e3 ifjm bort erging, mag ein 3tu3* 
gug aus feinem Icjjten ©riefe fetbft ergäfjien: 

i ,-—*- 3<h b^e, mie Sie miffen, nicht bloS 
trompeten, ich Ipbe auch reiten gelernt unb 
mürbe beim 2tu3marfhe bern Stabe beS ©cneral* 
lieutenantS unb 0bifioitür3 b. St. als Strom* 
peter gugetljeilt. ÜDtein ©eneral hält etroaS auf 
mW) unb fo ritt ich, — ein einfacher Srompeter 
— unlängjt auf einem ©cneralspferbe in ger* 
riercS fpagieren. 0, mie ift’S ba fdjön! Se» 
reits fo fdpit, mie bafjeim in Sdjmangau. 

tJerriereS gehört aber auch beut iRotljfcljilb, 
unb unmillfürlich griff ich bei biefem 9tamen an 
meine magere Sörfe; aber jtclg mar ich bo<h, 
benn eS reitet nicht lieber in QlerriereS flaueren. 
Sich hörte mol)l ^ferbegetrappel, allein ich fönt* 
nterte mich nicht barum uub ritt meiter. ipiöfc* 
lieh fah i<h »lieh, an einer Gcfe angetommen, 
einet 9iitgabl hoher Offnere gegenüber. 3<h 
ritt gut Seite, hielt an unb in meinem Innern 
tommanbirte eS: „Sichtung!" beim an ber Spijje 
ber IRcitcr ritt ber greife flöitig. Gr fah mich 
an, ftuhte, unb etroaS nach red) 13 gemenbet, hielt 
er fein '-ßferb, unb mit ihm hielten 9llle jtifle. 
0er Steiler re<ht3 eilte bor unb fteflte mich bem 
Älöitiae fdjnurgcrabe gegenüber. „ÜJiajeftät," 
fprach er, „bie8 ift ber baperifdje Strompeter 
iÖtagnuS ftöfj bom britten Regiment (er nannte, 
ohne mich borljer gefragt gu haben, meinen 93or« 
unb ßunamen), ba3 äkrbjenftlreug gab ihm 
fein Jtönig, baS eiferne flreug, ba3 er trägt, 
holte er fid) bei SBörtlj * ^röfdjroeiler, eS ift bieS 
ber tapfere Trompeter,■ ber unter einem mörbe* 
rifchen ffener beim Sturme, immer bormärtS, 
trojjbem bereits fein ©ferb bermunbet mar, auf 
SWaclhahonS Säger geblafen." 

0er flföitig reichte mir, einem armen Strom* 
peter, bie £anb, unb Sille bom gangen ©cfolge 


eilten her gu mir. Sille b 
eiferne Slreug, unb Slüc 
Stcdjte. SDtir rollten bie 
SBangcit unb meinen Sch 
itcS SÖortcS ntcidjtig, ab 
SReiter, ber mich bem ftc 
gegenüber befanb — ich I 
Stiemanb ©cringerer all 
Sßreufjcn. 

,,€)ßÜ/' fprach er, „Sie 
3hnen nahten, eine bret 
©arten gemorfen, fiitb <s 
ift, benn fonfi bürfte man 
nenbe Stumpen in Diotljfd 
unb lächelnb reichte er ti 
SSorten: „Saffeit Sie f 
fdjmecteit," unb auf ißari: 
nen fetjen mir uns hoffen! 

3<h ritt langfam meitet 
nen aus bem Sluge unb gl 
Strompete nicht bei mir f)( 
hätte gunt Sturme auf $ 

-0en einen 2 

gu berraudjen mar, h fl he 
taffen, es mären bie erjteu 
Iidj auch bie lepteit lönigli 
rauchte. 0ie 2l)a(evfd)cii 
hielt, mag ich nicht berr 
3fhnen biefelbcn gur beliel 
meine armen, bcriounbetei 

0a3 Gtui felbft mill ich 
reit gur Grinncrung au i 
Sage, uub fterbe ich bor 3T 
trofe ber jungen Öahre f 
habe beS GlenfccS gu biel 
men Sie e3 hin als ein 
mir ftets beroiefciie Stljei 
gegebenen §fal!e3 meinet 
meine ©cfdjmifter. 0robc 
mjeber." — 

'0icfe SobfSahnung gii 
in Erfüllung. äkrfd;out 
töbtete il)it rnenige Sage 
G orbeil. 

0ort liegt ÜDtagnuS £>ö| 
nen ftreugeS, beS baperifch 
treugcS uub beS jyelbgeichen 
mieber ein Cpfer mehr fiii 



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Jtu gjaufir. 


545 


5« 9 

8a« einet 

Den Iefeteit erfreulichen ©egeit, 

©ewäbrt und bie herbftlicbe 3*it; 

Dann reift und bie Draubc entgegen, 

Dad &cra äu cvquirfcii bereit. 

Heber Draubcnsucht werbe icb fpäter fdireiben; id) 
möchte nur bauerten: Bor ungefähr 2 fahren nnb 
4 Monaten pfianste id) einige ©{öde. Btait nab 
mir fo viel s» bebeuten, baft ed vcrfleblidje 8lrbcit 
iei, weil wir weiter niditd batten, ald ben barten 
Sehmboben. 3d) lieft bicDraubcn von swei©tödeit 
aählcit, bie fiel) im Snihiahr mit ftroft unb @tür= 
men burebflefäutpft batten, unb cd fanben fid) an 
biefeu swei ©tödeit nod) 130 Trauben, bie iefet, in 
ber 2Xitte bed Bioitatd Slufltift, fdjon ein bunfled 
Stau seiften unb beinahe flereift finb. 

Brombeere« eiusumadjett. (Black berries) 2)?cm 
nimmt 12 Quart reife, trodene Brombeeren uub 
9 SBfunb weiften 3nder. Dann (teilt man einen 
ftlafirten Keffel über’d geucr, tbut ein weuifl Saffcr 
hinein uub bringt ben Bnrfer lanftfam sunt Kochen. 
Die Brombeeren muffen rein fein, fonft ntuft mau 
fie in taltem Saffer wafcbeit unb auf ein ©icb 
leoen, bainit fie ablaufen; bann tbut man biefelbcn 
in ben tod)enbat 3uder unb läftt fie 4 ©tunben 
lanftfam focheit. 9Man tuuft fie öfter mit einem lait= 
den bölsernen Söffet uutrühren unb abfd)äumcn; 
bann tbut man fie in reine fteiuerne Prüfte, läftt fie 
falt werben, binbet fie barnad) au unb bebt ftc auf 
wie anberc Srudjt. 

gepfel. 3»r 9lufbcwahruiifl für bat Sinter 
nehme man nur reife gepflüdte Teufel; man reibt 
fie troden unb legt fie bann in ein Raft, in beffen 
SBänbett einige Södier fein füllten, bainit bie Stift 
Mnbtirtfjbringen faitit. föineinwerfen barf man bie 
Slcpfel nid)t, ionbern man utnft forftfältift bamit 
umgehen, and) barf man nur gefunbe auf bewahren. 
Dad Suft ftetit man bann itt ben Keller auf einige 
Badfteine, bamit ed troden ftebt. 9Rait febe bin 
unb wieber itad) ob faule baswifdien finb, bie ber= 
audfteworfen werben muffen. Gd)te Sinter=Mepfel 
halten fieft bid sunt fjrtibiabr. 

fUrtoffrin. Bei Slufbewahrunfl von Kartoffeln 
ift barauf su feben, baft fie reif, rein unb troden finb. 
ÜRan träne ia feine naffen Kartoffeln in ben Keller, 
ba fie fonft faulen unb bann fdjlechten ©erud) uub 
Kranfhcitcn oerbreiten. Kartoffen muffen in fladjen 
Kitten ober Söffern immer troden aebaltcn werben, 
nnb ift cd bedbalb angcbradit, bie Säffer — wie bei 
Äufbewabruiifl von Sepfcln — mit Södicrit gu oer= 
feben, um bcu Durdisuft ber Stift su erntöfllid)cn. 
(Sd lohnt fid), baft man fie ftiit aufbebt, ba bcrBreid 
berjelbett im Sritbiahr bebeutenb in bie ööhe fleht, 
unb gwar faft immer von 1 bid auf 2 Dollar per 
Bufftet. — ötne anbere 2)tetbobe: 3wDeutfd)lanb 
graben bie Sanblcute eine ©rube, 4Shft tief, 8 Suft 
breit unb 12 Stift lang, auf einem etwad erhöhten 
Bläh im ©arten; auf ben Bobcit bieferSrttbe leflen 


auf». 

$a«*fr««. 

fie eine Safte frifdted 3toftftenftrob unb befleibcn and) 
bie ©eitenwänbe mit bemfelbeit Material, 3n bie 
2Ritte ber ©rube’ wirb ein fleiited Bfmbel ©trob 
wie eine büitne ©arbe fteftellt, ift biefed nicht lauft 
genug, fo binbet man ed sufainntcn. Drodene reine 
Kartoffeln werben bann bid au einer Safte von nn= 
ftefäbr 4 Suft bid bineinfletrafleit. Btait flieht 9hftt, 
baft fid) bad Btinbcl ©trob in ber BJitte nicht ver= 
fchiebt, benn bttrd) biefed brinflt Suft in bie ©rube, 
bann leftt man oben auf bie Kartoffeln wieber etwad 
©trob uub wirft bie audfleflrabene Grbe barauf. Dad 
Biinbel ©trob nuift einen Suft weit and ber ©rube 
reichen, aber feft mit ©ruub verpadt iverben, benn 
fonft ntödite Sroft unb 9teßen btircC>brinnen. 3 ft im 
Sinter bie Kälte flroft, jo wirft man eine bide Safte 
Kornftrob oben auf, weldjed man, ivenn bad Setter 
ftclinbc wirb, wieber wefliiiiumt. 3m 2)fär$, wenn 
ber Svubliitfl fommt, öffnet man bie ©rube unb 
nimmt bie Kartoffeln beraud, bie viel frifdjer fle= 
blieben finb, ald im Keller. 

feter aufgubetoalrnt. £>at man felber feine ftüh* 
ner, fo beftellt man fid) beim Sarnter im ©pätberbft 
friftbe Gier. 3d) beivaftre fie immer in ftrobem, 
trodenent ©alae auf. 2)?ait nimmt fteiuerne Kräfte 
von unftefäbr sivei ©alloneit 3ubalt unb tbut einen 
3vllbid©ala hinein; bann nimmt man bie Gier 
unb (teilt fie mit beut fpifteit Gnbc nach unten in 
bad ©als, fo gwar, baft fein Gi mit beut aubern in 
Berührung fommt; awifd)eit iebed Gi ftreut in an 
etwad ©als, bann wieber eine Safte ©als unb Gier 
unb fo fort bid ber Kruft feft aiiftefiillt ift; suoberft 
fommt wieber eine Safte ©alg. 9Kait (teilt bie (vier 
an einen fühlen Bluft tvie eittflemachte Srudjt, muft 
fie iebod) vor Svoft beivabreit. Die „3oiva Saitb- 
wirtbfthaft" meint, fie halten fid) beffer in trodenent 
£>afei % verpadt, hoch fann id) and Grfahriuifl mit- 
tbcilcn, baft id) Gier in ©als verpadt bid Scbruar 
aufftcbobeit habe, wenn idi fie tut £erbft recht frifch 
bcfomtiteu fottnte.. Der Breid von frifdien ßierit 
fteiflt tun Setbitachteit unb 22eniahr fchoit oft um 
40 bid 50 Gent. 

@ffi(HI«fff«* 3Rnn nimmt einen reinen Krug unb 
füllt ihn mit reinftewafdicnen flcinen ©urfen, bann 
ftreut man ein halbed Bfunb ©als barüber, bebedt 
fie mit faltent Saffcr unb läftt fie über SHadit fteben; 
ant nächften SDiorftcn ivirb bad ©alsivafjer abs 
geftoffen, ober man leftt bie ©urfen auf einen Durd)' 
fdjlaft, bamit fie rein ablaufen unb leftt fie bann 
surüd in ben reinen ftcineriten Dopf. 2Man briiiftt 
Giber ober Sciitcffift sum Kod)cit uub aieftt foviel 
über bie ©urfen, baft fie bamit aut bebedt finb. 3» 
einer ©allonc ©jirfcit ftebe man brei Dubenb Kor¬ 
ner fdnvarsen Bfcffer. DenGffia flieftt man fodtenb 
über bie ©urfen unb bedt ben Dopf feft mit einem 
Deller .au. 3ft bad Setter nod) warm, fo uerbirbt 
ber Gffift leid)t; in beut Salle muft ih(tn ben Dopf 
entleeren uub rctntflcn, bie ©utfeit ivieber hinein- 
leflen unb abermald mit fod>enbein CSffifl überflieften. 


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546 


$u Haufe. 


SalMitrfeu. SRatt nimmt ein Saß ober einen 
fließen fteiuerneu £opf, ie nacbfcem man viel ofcer 
wettia eiumadjeu will, füllt ba3 ©efäß halb voll 
mit frikbent faltcm Söaffer, flieht foviel ©ah hin* 
ein, baß, nachbem ba3 ©al 3 flekbmoUen, ein ©i auf 
bcv©ai 3 bvühc fduvimmt, ja itid)t mehr, jonft 3 er= 
frißt bie Brühe bie (Surfen. SRatt wafrfjt bie ©ur= 
feit rein, laßt fic ablaufcn unb tbut fie barttad) in 
bie ©alibrühe. Stun nimmt man ein Brett ober 
einen Seiler unb bedt hiermit bie ©uiten 311 . ®iefe 
®ede befchwcrt mau bann noch mit einem reinen 
©teilt, um bie ©urfen immerwäbveub unter ber 
Brühe 311 halten. 2Si(l man im SJinter welche 511 m 
©ebraud) anutadten, fo nimmt man fo viele beraub 
wie man benufeen will, wäkbt fie ab unb läßt fie 
cinifle Jacie in falteni SBaffer ftehen, weld>c3 oft 
flewedtielt werben muß, bamit bie ©al^brübe au3 
ben ©urfen jicbt. ®ann mad;t mau lie ein wie 
anbere Sififlfliwfen. 

®ie man ©rom* unb 0imbffrni*®trämßer le* 

laubeit. Sfach beut Bflüdeit ber Beeren ift c3 am 
beften, wenn ba3alteSraflhoüau3flefd)nitteu toivb. 
SSir wiffen, baß utanebe cS lieber bi3 sunt ©cvbft 
fteben laffeu, weil fie ber SRcimntfl finb, baß ba= 
burch bie SBuqeln flefväftiflt werben. ®ie erfahren^ 
ften Beereit 3 Üd)ter idjneibcn c3 aber flleid) nad) bem 
Bflüden au3. ®er $8ud)3 ber neuen Staufen, bie 
im nädnten Sabre Svudtt tragen follett, ift m refltu 
liren. SBeun mehr ©chößliitfle von ben SBitrscln 
austreiben, al3 wünkben3wcvth, fo bebattblc man 
bie übcvflüififlcn wieUnfvaut. ®ie $bbe be3 neuen 
S3ud)fe3 bdnat von ber Ävt unb üBeifc bc3 Bicbcn3 
ab; brei bi3 vier Suß flcnüflt für ©iutbcercn unb 
fünf ober fcd)3 Suß für Brombeeren. ©cun bie 
©träudter biefe &öbe errcidtt haben, verbinbere man 
ba3 fernere 3Bad)fen burd) SHbfncifcn ber ©pifeen. 


Kfcrufcltfb für ftinber. 

(SDflcI.: Stimm 3 cfu raeiiu $äube.) 

SBie Knut* idt ruhifl fcblafcn, 
Sn bunfler Stacht, 

SBemt id), o ©ott unb Batcr, 
Stirbt bein flebadtt. 

©'3 hat be3 Saae3 Treiben 
SRein ©erj jerflreut, 

Bei bir nur fterr ift Stieben 
Unb ©eliflfeit. 

O beefe meine SRäuflel 
90?it beiner ßtilb! 

®u bift ja ©ott bie Ciebc 
Unb bie ©ebulb. 

©ieb mir, um wa3 id) flehe: 
©in reinc3 ©er*, 

®a3 bir voll Sreubcn biene 
3m ©lücf unb Sdnttcr*. 

Sind) hilf, baß id) verflebe, 
2Bie bu oerfliebft; 

Unb meinen Bruber liebe, 

Sßic bu mid> liebft. 

©0 idtlaf id) ohne Batifleu 
Sn Sriebcn ein. 

Unb träume füß unb ftille, 

Unb bcufc bein. 


„Gin uerlomtf* ftia*.“ 

hatten eine flrofce Bebeutuna 
in Srenton, ©attaba. ©inei 
a!3 e3 anfina bttufel 31 t tuet 
ihr 3 U'ciiähriae 3 ftinb fehlt« 
Stufen im ©aufc unb ©arti 
Stad)barn eilten halb 3 » bei 
fudjtcn bie flanae Stad)t bin 
Slm uäd)ften SJtoraen fattb 
S)teile entfernt von feiner eltc 
teil auf ber ßanbftraße fett ei 
ben ©Itern ohne iraenb welc 
c3 berStadjtluft au3aefebt wa 
aebrad)t. S)tan benfe fid> t 
mahtlid)! ©otte3 3lime wad)l 

2)ir fKiluufl ber Suttdtuj 

ein fünftel ber in ben nerb 
mäßiaten Bvnc alliährlid) t 
fälle ift bireft ober inbireft ei 
franfbeiteu, unb fann man 
fehen, wie widttia ein .€>eiln 
fein muß. 3» ber Bhvfioloa 
ober @ctunbheit3 = ©rbaltunp 
teil 80 Subren bie mebicinij 
Sortfchritte acmad)t, al3 fouft 
"ta ufenb. ®ocb bem avoßett SI 
tonnte mau bisher noch fei 
raffte in neueftcr Beit verhält 
noch mehr Opfer fort, al3 
hunberten. Sefet aber bat ei 
man auf ber rechten ©pur fei, 
halb erfolgreich furiven 311 t 
fäutpfuiifl tntb Unfd)äblid)tti 
Stob. Äod) unlänaft entbedt 
wcldtc bie Xubemiiofe ober ( 
follett, fdneiht £>err Sul. 
S. V. fiiehta’3 (wie er fidt nett 
Slpotbefer Beituna" wie folflt 

„®te eoocbeinachenbe 6nl 
®cfunbhctt3ratbe3 ^perrtt ® 
mir feit 40 Sahren beobad)te 
beftfitiftt. 

Sd) betreibe feit 44 Sahreu 
ttad) eiaen erfmtbener SJtctbot 
item Verfahren eine aroße 
bantpft unb verbrannt, —- 1 
SReiiflen fchtvefelifler ©äure 
fid) von fclbft. 

deiner meiner vielen 9lt 
©d)winbfud)t hinwcflflerafft 
Bcrfoncn fid) bäufifl aeittta 
— ©ittiae ©odten in ben ® 
©aurc Icbettb, würben bie W 
ber fräftia. 

2 Ule ffraitfheitrn, bie von 
d)en encuflt werben, ia felbf 
ner Saorif fern. 9)tan tvctß, 
fd)wefe(iae Säuren aetöbtet 
baß ßinathmeu von fdjwefel 
rhalifchen Befchwerben fehr 
burd) ben lob ber eiuaebri 
bttrd) biefelben erseiiflte © ntAÜi 
nun ein Slhfltiß ber ©chleiin 
vorher btirch Berftopfeu ber 3 

®a3 Sluffiuben ber Bafte 
weift, baß bie ©chunnbjucht e 


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3m Sdjalftn. 


547 


wie bic Äväfte ift, unb ba bie Gntftebung bcr beiben 
ifranfheitcn mifreffopifcbcii Sbicvrf>en augcirfjrieben 
wirb, unb man längst weift, baft bic iiräjje bttrd) 
Schwefel (vejp. burd) bicjcn fid) bilbenbe fchwefeligc 
©durc) fwrirt wirb, fc bembtigt bie analoge Gnt- 
ftehungSurfacbe cincrr Schlug auf bic .freilttug bcr 
kibett Ävanf beiten buvd) baffelk ©tlttel au aieben. 

ÜMan bringt Sungenfraufe in üiämiic, worin 
ttmtblid) flcinc Ouautitätcu ©dnocfel (etwa ein biS 
$wci Drachmen) über einer ©pirituslainpc ober 
bester aut einem warmen Ofen verbräunt werben, 


unb man wirb batb eroberen fömtenreia unb ver¬ 
mehrten WuSwurf bemerfen, als eine geige bcr um 
kbaglidscn ©tiuummg ber Garanten. 9?atf) ad)t 
bis $wölf itagen legt fid) biefer 9iei*, ba bie Safte* 
rien allmälig abfterben unb aufbören, einen 9ieij 
auf bie feröfe glüjfigfeit, ©ewebe ber ihntge jc, ativ= 
atiübeu. 3ur92ad)fur bringe man ben Patienten 
in Mau me, bie ctwaS aromatifdje äSafterbämpfe 
oitbalten. 

'lUtöge meine Grfahvung unb biefeS erprobte 5Ri U 
tel ber Icibenbeu 9Menfd)heit amn Jpeile gereidjen." 


— - «fr»-<>aC=0<>(^)O C::::=3o< ^-♦ - 

/ / 

|m SdjaUrn. 



Cflite alte <£rf4fittiittß. Sott jeher gab cS ver- 
fcfticbcnc gälle (ober Casus), burd) )veld>e man 311111 
^lint berufen werben fonnte. Gtlicbc tarnen basu 

per nominativiun, b. b. babtivd', baft fic aroftc 9lä' 
men haben; per genitivum, wegen fHbfunft unb(Se- 
fd)leftr; per dativum, blirch®ekn; per accusativum, 
baft man Ginen vcrleumbct; per ablativam, baft man 
Gütern nimmt, beut Jlnbern giebt; per vocativum, 
baS ift enblid) mit Scrttf, alfv red)tmäftig. 

Worte für #auS ml §erj. JBcldwr Umgang 
bid) fräftigt, btd) jur gortfebuug bcr SeknSarbeit 
tüdüiger mad)t, ben fttebe; welcher in bir eine Seere 
unb ©dpoädje 3 urüctläftt, ben fliehe wie eine an* 
ftedenbe Jlranfbeit.— Scfferung ohne 9Jeue ift 
ebremvertber alS 9teue ohne Seffern na- SebtercS ift 
freilid) bie gewöhnlidseve Grfd)einung. DaS wadevfte 
Mittel akr, feine eigenen unb 9(nbcrcr Uebeltbaten 
m verutinbern, ift eine eble aitfopfcrnbc Dbätigfeit 
nun 3®«We ?lllcr. — Die Hoffnung beS Sbatlofen 
ift ein Waltiger grud)tgarten mit fteiniger Grbe, 
we(d)er awar entfefelid) flcin, aber bafür um fo 
höher ift. 

Benjamin granftin über ben $ob. (Sr febreibt an 
eine Dame: ,,^d) trauere mit ?Mmen. SBir haben 
einen tbeuern, wertben Serwanbtcit verloren. Slbet 
e3 ift ber fflille (Sottet unb im (Sange bcr SWatur, 
baft biefe sterblichen ftörper bei ©eite gelegt Werben, 
wenn bie ©eele in baS wirflidse Seben übergebt. 
DeS 3Renfd)en SBeteiibeit wirb erft burd) feinen Sob 
vervollftanbigt. SBarum feilten wir unS barum 
grämen, baft ber Unfterblüftfeit ein neueS Sinb ge¬ 
boren, ein ncueS ©lieb 311 jener glücflühen ©efell= 
febaft hinaugefimt ift? üffiir finb ©eifter. Daft unS 
für eine SBeile Itörper verlieben finb, fo lange unS 
fold>e nüfeen, unb vermöge wekber wir unfern 
fecbenSgefäbrtcn ®uteS m tbun vermögen, ift eine 
gütige unb wobltbätige Sßoriebuug ©otteS. Söenn 
fic akr für fold>e 3 n'ecte uubraud)bar werben, 
wenn fie ttnS, anstatt Vergnügen, ©dpne^en be¬ 
reiten, auftatt mt föülfe mm ^inbernift werben, 
unb erfüllen nicht mehr bie ^lbftd)t, toofür fic gegeben 
waren, bann ift c§ gleichfalls gütig unb wobltbätig, 
baft ein Mittel verorbnet ift, mcfcftcS unS bavon be= 
freit. DieS ÜRittel ift bcr 2ob. 2Bir felbft nehmen 


ia mandpnal ttnfere 3 uflucht, kbufS 5?efeitiguug 
von liebeln, $ur 3 erftörmfg einzelner Ibeile biefeS 
ftör-perS. Gin AerqnetfdsteS, fd)uter 3 bafteS ©lieb, 
ivelcheS nicht svicber bermftelleit ift, nehmen wir ab. 
Guten fehmerjenbeu 3«hn ziehen wir willig auS, 
wenn ber ©dtmerj bamit eitoct; toie viel mehr soll¬ 
ten nur beut, bcr ben ganzen Körper verliert, eS gön- 
iten, baft er brtmit alle ber $ein unb ber Hebel ent* 
lebigt wirb, wcldjen bcrfelbe unterworfen ift. Unser 
Srcnnb, unb wir 5llle, finb 31 t einer großen Seftlid)- 
feit gelaben, bie ba ewig bauert, ©ein ©tubl toar 
eher bereit, unb ba ift er unö barum vorauSgegan^ 
geit. 9Bir fonnten nidst wohl ?llle aufamtneu geben, 
tvarum feilten svir barum trauern, ba wir ihm ja 
halb folgen werben unb wissen ihn 311 finben ?" 

<gin ehentali^rr fatholtfcfter ©etfHicftrr, ber 3111 * 
evangelijdten iitrd)e übergetreten war, lieft sich bie 
SJcrbrcitung bcr heiligen ©djrift ernftlid) angelegen 
fein. Detunad) fatti er einst and) in baS&aus eitteS 
vornehmen unb Wohlhabenheit SManneS, um bent= 
fclben eine Sibel anjubietcit, würbe aber auf bie 
uufreunblidsfte Slrt abgewiejen. 5öalb barauf faut 
er tvieber mit bemfelben Anliegen, hatte akr feinen 
befferen Grfolg. Nichts beftoweniger wieberholte er 
bei vcrfd)iebciten ©elegeubeiten feinen iBerfud) biS 
3 unt vieraehnten 3)?ale. Da aber veriefcte ihm bcr 
gebadjte $>crr einen fo heftigen ©dslag auf ben 
.Slopf, baft er mehrere Sage baS 23ett hüten mußte, 
fiura barauf hörte er, baft bie ftratt ieneS 59?anucS 
fd)wcr evfranft fei, unb ba er ihm auf ber ©hafte 
begegnet, fpridjt er ihm fein Bebauern barüber and 
unb bietet ihm abermals eine 3Mbel an. Um beit 
Saftigen loS tu sverbeu, nimmt bcr 9)ianu enblid) 
baS Sud) uitb gebt hinweg. 9?ad) einigen Sagen 
akr fomuit er 311 betn Sibclfrcunbc unb bittet ihn 
Sbränen mit Sevaeibung, unb fd)liefttntitben 9 Sor= 
ten: „GittS müffeu ©ic mir noch vevfpred)en, nätu= 
lid) bieS: wenn ©ie je wieber biefeS Sud) einem 
Ungetbüm, toie id) bin, anbieten, unb er weifet ©ie 
vieraebtt Shil ab, fo gebot ©ie nod) baS füitfaebnte 
9)fal 311 ihm bin." 

$er jieöftttoärtigf f apü ift ber 3 meihunbertiinb= 
breiiutbsünfaigfte. Die fWcgierungSaeit be$ verstor¬ 
benen SapfteS wavbie längste von allen. 9Jttr brei 


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54 S 


Sn Sdjötien. 


Zapfte crrckhtcn ein höheres gebcnSaltcr alS 
9Jiu3 IX., nämlich Johann XII., bcc 90 3a(\tc alt 
würbe, Siemens XII., ber 92, unb ©rcßor IX., bet 
foßar 100 Sabre alt ftarb. Unter ben bisherigen 
252 $äpftcu waren 15 ftraitsofen, 30 ©riechen, 
8 Soricr, 6 ©cutfdjc, 5 Spanier, 2 Nfrifaitcr, 2 
Saoooarbeu, 2 ©alutaticr, 1 Gußlänber, 1 9Sortu= 
flicfcr 1 .ftolläitbcr, 1 Sd)wci$cr, 1 ©anbiote nnb 
169 Italiener. Seit bem Sabre 1523 ift bie ?luf= 
cinanbcrfolße oon ^äpiten italicnifdjcr Nationalität 
nicht unterbrochen worben. 

IStl bi 9tildjfh'a|e na# ber latnrnnfdjaunnß 
einißrr öälfer fern fou. Nach bet 9lnfdjauuna bcc 
2Baladjcn ift bie Wildntrafee ba3 Stroh, welches 
9}cnu3 bent beilißcn 3>ctru3 ßcftohlcn unb auf bet 
ftlucht ocrscttelt bat; ben alten ©ermanen mar fie 
ein föecnoefl, ben Nömern ein 23efl 311 ben ©öttern; 
nad) bet ßriccbifdjcn Saac bat Phaeton biefe Streefe 
perfeuflt. ©ine bänifd)c 3Solf3faße mad)t ben WotiD 
311 einem Säfe, ber auS bet 3 ufammenflcnommcuc;t 
©ahne ber 3)iild>ftraftc entftanben ift. Nach beit 
©inbuS ift bev heilige Oaitrtc3 ^ ?ytu§, ohne ben 
aud) bie ©öttet fclbft nid)t leben tonnen. 

®ra6fdjrift auf einen SRinerafoften. 

6 r fud)te Steine burd) fein ßanseS geben, 

Unb fud)tc fid) nid)t fatt; 

£>icr bat mau einen ihm ßCßeben, 

Än bem et Ö’niißc bat. 

„flimmlif#; lei#". Sn cnfllifdieit nuc in 
heutigen "-blättern bat Rhina feit einer Neihe oon 
Sahren bießbre, baS „bimmliidic Neid)" *u beineu. 
©iefe Skvndmunß wirb sunt Ueberbruffe uücbev- 
bolt, obßleid) fic auf einem Wifeoerftänbuife, auf 
einer blofeen SBortoerbrehuna berubt, bie — wenn 
aud) ocrichicbcncr ?lrt — bod) ebcufo mifeiß ober ah 
bern ift, wie etwa bev 9luSbrud „ganb ber ©itßel" 
für Sußlanb märe. ©3 ift ben ©hinefeit bei all* 
ihrem Nationalbüufel unb ber pomphaften ©eifc, 
in weldjet er fid) oft fuub ßiebt, bod) niemals in ben 
Sinn ßcfomutcn, fid) fclbcr ober ihrem gaitbe baS 
jßräoifat „himmlifch" betau lenen, wohl aber neunen 
fic fihina häufiß: „ 2 BaS unter bem ©intmel ift" 
(Tien-hiu), b. b. bie bewohnte Grbc, weld)cr 9(u3-- 
britcf fid) nod) au3 arauer 9>orscit herfdneibt, in 
weldjcr, wie bei aitbcren Solfern, bie 33eariffc ber 
SBclt unb.ber fteimath nid)t aefcbicben waren. Nad) 
ben Scßriffcn ber altchincfifd)en Nelißioit ift ber 
Öimmcl (Tion) ba3 böchfte ßöttlidje ÜSefen, unb ber 
Äaijer oon Ghiua wirb bcShalb pon feinen Unter- 
thanen, fofern er ßcredjt unb al3 würbißcr Neprä= 
feutant beS "IBcltneifteS reßiert, „Sohn be3 Jpim- 
mclS" (Tieii tay) betitelt, unb er fclbft neuut feine 
©ouaftic in Uebcrcinftimmunß baiuit bie „himm= 
lifd);" (Tien-tschao), maS uußefähr fo piel ift al3 
„pon ©otte3 ©naben". 9lttf baS d)inefifd)c Neid) 
aber ift eine 9>crbiitbuna mit bem Namen bc3 ©itn« 
mel3 niemalb aiißcmenbet worben, ©aifelbc heifit 
pielmebr bei ben Ghineien „Neid) ber Witte" 
(Tscliungkue), unb swar rührt biefcv Name baber, 
locil ciuft (cinißcSabvbuubcrtt oorGbriituS) Ghiita 
in eine Wcitßc oon Staaten mit eigenen dürften 
Äerfiel, oon beiten berieniße be3 mittelfteu Staates 
eine 9lrt bcjdränftcr Obcrbcrruhaft au3übte. Spä= 
tcr ßelaiiß e3 ben Surften ber „Witte", bic Wad)t 


ber übriacu dürften su 1 
unterwerfen, worauf ba3 fl 
rcid)eu Staate „Neid) bei 
Wit Unrecht ßlaubt man 
ihr ganb io nennen, weil f 
bev Gvbe halten, unb ebenj 
bic Weinuitß, al3 fetten f 
mcl in äJerbinbmtß. 

IBrrMiebene Im 

Icon lli. rief bctauntlidi b 
unter bie Jyabncn ber „Gio 
Söcftanb ber Sürfcuipirtb 
Sdjub ber Phriften in bi 
^Jiu3lX. weift in bem ber 
ßchänaten Spllabu3 ber S 
„^erfobnuna unb ffierftänl 
©ioilifatioir al3 eine fiel 
fonft jo trcfflidic SBomwrt 1 
Jeincr)eit3 tabclt bcu $ct 
feit minbeften3 febr uußli 
Öcrr N. pric3 mit teßeifi 
ber ©nflläubcr über bic 
9lfri(a3 al3 einen Sicß ber 
oilifation". — Scbenfaltö 4( 
mannißfad)cn 8Jcbc«tunncu 
bcd)ft compenbiöfen 23i 
bcrGrjählunß eines cußlifd 
boncr ®rofcbfenfutfd)er ju i 
itar war nämlid) por cinißcu 
mrütfßcfchrt, unb evu'äbm 
l'u3 ober Wa3 fonft für eil 
burd) bie ©trafecn goubonS 
ilutid)cr lebhaft ju intcrcij 
an ben SOciffionar mit ber jj 
auch ein cioilifirtcß 9? 
©binejen and) ihren ©in (S 

Sie ifffat Slmtlat* Si 

eine Sonnenuhr mit ber S 
bie bellen Stunbcn an". S 
eiue3 fröblidicn unb banlba 
bie bellen Stunbcn im ©c 
tbut, wirb meiftenS finbeu, 
im geben mehr finb alS ber 
fad)e fiuben, ©ott 311 banfeu 

©in Irfccnfeiße# 1 SC. \ 

ccro’S (v Por 6br. 32) hielt, 
9hBS b\\ lehren, Picrunb^i 
Namen mit ie einem ber Pier 
anfinßcn, unb liefe iebem fei 
Nütfcn seid)neu. Sm ßrbfec 
wohl nie ßclcbrt uwrben. 

Stnxi nnb fcünbig. Warfa 
bcnbnra, ganbcSfürft ber N< 
Slurfürftcn Soadjim II., pfl 
StaatSwirtb, mit^esablunß 
cilißstt fein. Sein 5öüd)fenm 
bicS öfter erfahren, baher fdjr 
Iafonifdic Beilen: „©ulen 
Gure 9Mld)jc ift fertiß. Sd)ic 
jd)icf id) Gud) bie Süd)fc. S 
nid)t, fo jd)iif id) ßud) bie 9Jü 
befohlen." ©er Warfßraf 1 
Spradjc übel in nehmen. 


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3 pnntQ 0 fd|ttl*j?rlitionrn. 


54? 


$ountagf(t)ul --fcktumeu. 


©irrte# ©icrtcljabr. 

Sonntaß, 1. Oft. SNärf. 14, 1—11. 

2)ie (Salbung in ©ctljanicn. 

I. $ic feinte OB. 1 unb 2.) 3u 33e= 

gichmtß auf bic 3citfolae ber in unfcvcr Seftion er- 
gähltcn SBcßebenbcitcn iit folaenbe bfe 

emfacbfte. 3Mattbäu3 unb 9>iavfii-3 cvsdbicn nidjt 
ßettau dnmnoloßifd). Scitn 3ohamtc3 berietet 
aattg beftimmt, baft 3ciu3 fcct)3 Ja(\c vor bem 
Baiiah nach Bethanien ßefomuten fei, um bann 
bic ©albtuiß (vielleicht am folßettben Säße) ftatt' 
ßeftmbcn habe, Sa3 Baffah bekamt am 14. Diifan 
mit bem Schlachten berSäntmer, einen Saß vor 
bem Baffah mar ber 13., gmet Säße vor bem 
Baijah ber 12. ü. f. m., fccT>ö Säße vor bem 
$aj?a() ber 8.92ijau. Behüten mir nun nach beu 
(svnoptifern an, baft 3cfu3 am 15. 9?ifan ftarb 
unb biefer Saa auf ben ^reitaß fiel, fo fällt ber 
weite Saß vor Dein Baffab, ber Saß ber B.1 unb 
2 ermähnten 9latb3vcrfamm(uiiß atu ben vorbei 
ßehenben Sienftaß unb ber Saß ber ©albttna in 
Bethanien mar ber lebte ©abbatb vor bem Sobe 
3cfu. G3 ift uicl)t mahvfdjeittlicb, bau bic &obcm 
vriefter in biejer ©ibuiiß be3 ©vnebriums neef) 
flaitg ratblo3 maven, unb 3ubao ihnen noch feinen 
?lntraß ßcmadjt batte; vielmehr febeint ber ?(u3- 
jprucl): Bur nid)t auf ba3 fteftu.f. m.,bcut* 
lieb auf einen folcbcn Slutraß hingumeifen. Saft bic 
ftobcuvricitcr len ©errn „nid)t auf ba3 fteft" arei= 
fen mollen, bcßrünben fie jelbft mit ben ^Sorten, 
bau nicht ein Slufrubr im Bolfe merbe. 
Gm joldier mar um fo mehr gu fürd)ten, ba bie Be- 
ßeiftermiß für ibn Durd) bie Slufermeduna be3 Saga= 
ruj unb Den öffentlichen Gingttß in 3cru|alem auf’3 
wbfte aefteißert mar. 

II. Xit ©itlftttitß itt Setbaiirn. 035.3 — 9.) 
®. 3: 3Babrfd)cinlid) mar 3c)u3 am ftreitaa in 
'Bethanien eiiißetvoffen. Sie55.3 ermähnte 3Rab(= 
seit taub ohne Bmcifel am ©abbatb ftatt unb gmat 
int,häufe eine3 aemiffen ©imon, ber früher am 
Slii3}ab ßeüttcn batte, von mcldjcm er mabrfÄeitu 
lid) von 3c?u ßcbcilt morben mar. Stimmt man an, 
baft biejer ©imoit in irßcnb einem vcrmanbtfdjaft= 
lieben Bcrbältnift m 8agaru3 [taub, fo erflärt ftdj 
febr leidit, ivic SRartha bei bem 90?ab(e tbätiß 
fein, SRaria fid) fo frei bemeacn unb 8agartt3 
a(*3 ©aft auftreten fouitte (vßl. 3ob. 12, 2). 2Bäb= 
renb ber SDlahlgeit nabte ftd) SOtaria, bie ©chivcfiev 
be3 8agarti3, im überftromenben ©effthl ber Sattf= 
barfeit ßeßcn ben, ber ihr beit ßdiebten Bntber 
joiebcrßcaebcn unb burd) SWitthetluiiß bc3 höheren 
8eben3 ftc erft mahrbaft fidj fclbft ßcfchenft batte, 
nnb jalbtc ben ßerrn. 5Ravftt3 nennt ben 
Stainen ber SMaria nidit, fonbern fvrirfü blo3 von 
einem fficibc, meil SRaria unb STOartba bei ihm 
uod) nicht vorßcfommen, ben Sofern alfo bodt uns 
Mannt mären. SScraeßenmärtiaen mir und bic 
®äftc, me(d)c bei biefem Sbvenmablc verjammclt 


maren, baS banfbare Siebe beit föcüanb bereitete. 
955obl füll unb cvnft in fid) ßefebrt mößcu mir und 
ben in3 geben micbcrßcfebrten 8-ajaruv eine ßc- 
raume 3eit nad)bcr benfeu, volleubo icfct neben fei- 
nein Sluferivecfcr, ber viellcidit smikben bem Sink 
ermedten unb bem vom Sluofabe ©ebcilten mic 
3 mifd)en gmei Srovbäcn feiner ©errlicbfcit übet. 
Saft aud) im frembeu Oaufe mieber Hartha fid )'v 
nid)t nehmen läftt m bienen, meil fie 3bnt bienen 
fann, verficht fid) leidit; SJtarla aber 3 eißt fid) im 
vollen Ölam in ber ftill innißcn ©lutb ihrer Siebe 
3 U ^cfu. ©ic ehrt unb falbt ihn, mie ba3 ©erü ihr 
cbietet, mit aller fßradjt unb Äloftbaifcit, locldie ftc 
aran gu menben vermaß. Sab ©efäft ger= 
bredjenb, falbt fic be3 Jpcrrn &auvt nicht blo3, 
fonbern, ioa3 ^ohanneb al3 bebentfam nadibriitßt, 
übeneicblid) unb tief beuiüthiß and) bie Süfte unb 
trodnet fie mit bem ßeloften ©dmuid ihrer .^aarc. 
Siefe .fcaubluuß hat für un3 eine vovbilDlid) vraf= 
tifebc Bcbeutmiß. @o mie 90?aria bic foftlidie ©albe 
über ben ©errn aueßoft, al3 ßoffc fie bie ©eele mit 
h^ilißer Siebe unb ©laubeit ovfcvnb au3, fo feilen 
auch mir und fclbft unb allcd, ma3 mir haben, bem 
.^errn ovfcrnb meiben, ohne gu gaubern unb git 
tuaufern. 

®. 4 mib 5: Sie innißc, fid) fclbft verpeffenbe 
Siebeoäuftcrunß ber SDtaria bcfrittelten cituße von 
ben Jiüiiaern. 5113 ben 5lnftifter bc3 ©ercbe3 bc= 
gcid)net3ohauuc8 au3brürflid) ben iibad Sfcha* 
vioth; bie Abrißen Siünßer haben fid) mahvfebein* 
lidi nur avßlo3 burd) ba3 2Bovt bc3 SBcrväthcrö fort« 
reiften laffen. Sicfcr aber hatte feinen beftimmten 
©rttiib, rnarttm er murrte. Sa3 ©elb mar fein 
©ofee, ba3 ©elb hatte er lieber al3 beit ßerrn; unb 
befonber3 feit feine 3)2atutnon3hoffuunßen ntit^cfu 
Scibenomcß itt Gonflift ßefommcit, hatte ein tiefer 
SBibcnvillc ßcßcti ben Ferrit in feiner ©eele Blaft 
ßcmonnett. SJttu fah er, mie SMaria bic foftbarc 
©albe über ben ßerrn attoßoft. Ste3 verbroft ihn. 
Gr mar e3 baher auch, ber ben SS. 5 au3ßcbrüdtcn 
©cbattfen guerft auofvracb. Sreihunbert 
©rofdictt (Senare) fittb ttadi nuferem ©elb ctma 
45 Sollar. Seicht Siebe gu b;it Slrnten mar cd, 
ma3 beut ^ttba3 bett65ebattfcn cittßab, baft bief cd 
©elb hätte ben Sinnen ßCßeben merbett 
tonnen. Sic anberen Süitßcr maß ba3 9)2itßefühl 
fürbicSlrmen veranlaftt haben, bem 3nba3 beigtu 
ftimntcit, ihm fclbft aber fdnvebte offenbar ber 
lodenbe ©ebattfe vor: menn bic3 ©elb ben Sinnen 
ßeßeben tvorben märe, hätte ich einen Sheil bavon 
ftehlcn fönttcu. Sic3 beutet Johannes an itt ben 
SBorteit: „bentt er mar ein Sieb unb hatte beit 
Beutel." Saft ^cfu3 aerabe bem ^uba3 ben Bcu= 
tcl anvertraut hat, crrlärt fid) theil3 barati3, baft 
nach ©ottc3 Orbtntnß feber SRcnfcft von ber ©eite 
verflicht merbett muft, um er vcvftichlid) ift, theilö 
aber and) baratt3, baft e3 fein ßröftere3 fittlid)e3 
©eßcnßemid)t ßeßen bie Sicbliußdfünbc be3 3«ba3 
acben fonnte, al3 ba3 SSertraucit, ba3 ber %rr in 
ilcbcrlaffmiß bc3 S3eutel3 ihm bemiog. Saft auch 
Diefer ©ebcl nid)t3 fruchtete, mar be3 3uba3 ©thulb. 


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550 


Sonntagr^nl^f^tionftu 


9lit liebevollen ^Mahnungen hat cß bet ßerr acumö 
nicht fehlen laffcn. erntet cud) vor bem ©cig, beim 
cv ift ciire ©urgel bev mannigfaltigftcn Sünbeu! 

8. 6 uuti 9: 9lnf milbe unb fehonenbe ©cife rügt 
bev ßevr bie Webe bet jünger, bie ja in arglcfer 
©cijc mit bie ©orte beä gcUigcn i^ubaS nach- 
acf>>vi>d>eii hatten, nnb fchüfet baacaen bie bejehämte 
Mnia.' (Sr beutet auf bie eblc ©cfinnung him-auS 
bev ihre ßanblung entfprang, auf ben ©rang ihrer 
hciBcn Siehe OB. 6). 2Bie tief unb gart fühlt er mit, 
wa3 Wiaria fühlen mußte, bie fidi jo gang unerwar= 
tet oerfannt ficht! ©er Betrug, baß man meint, 
9(llc niüffen liehen, wa3 wir liehen unb wie wir 
liehen, ift fo natürlirf) — unb nun wirbfic in bev 
heißen Siebesempfinbung burd) ein falte*3 ©ort au*3 
bev ÜMitte bev ^ünaev cnttäufd)t. Sic mochte oioU 
leid)t benfeu: „®ie jünger haben auch Wcdü, ich 
hahe mit Uuhebacht gchanbclt, c3 wirb and) ihm 
nicht gefallen." ©arum uberbietet nun bev Öen 
Sinn rafchcn Sroft ben Sabel buvd) befto großcvc3 
Sob: Sie hat eine jdjone Shat au mir ge- 
than. (Srgiebt uns hiev eine Wnbcutung nur Be= 
antwortung bev jjyrage: ©a3 ift eine fdwnc Shat, 
ein gutes ffierf? Wid)t gevabe eine große, weit« 
greifenbe Shat muß c3 fein, beim nicht bev (Srfolg, 
fonbern bie 9lbfid)t giebt ben Wnsfddag; noch wcni= 
aev ift bev ÜRaßftab gemeinen ©ohlthunS unb 
WüfeenS ühevall augu legen, felhft eine feheinhare 
Bcrfdiwenbung fann Mi rühmen fein. ®crWad)= 
bruef lieat auf beu ©orten: an mir ge than. 
©a3 für ©ott unb bann um ©ottc3 mitten an bem 
Wächftcn gefd)icht, ba3 ift ein gutc3 ©crf. ®<v3 
©ahrc in bev Sorge für bie 3(vmcn erfennt 
bev ßerr auf’3 Bcftimmtcftc an; ja in ben ©orten: 
»wenn ihr wollet" liegt offenhat ein ftrafenber 
©int für ;Yuba3, loclchcm bev ßerr in (Srinncvnng 
bringen u>ill, baß eS ihm eben am evnftlidicn ©il- 
len, ben Firmen ©ute3 m thun, fehle. 9(bcr ben 
Sinnen ftellt er hiev fid> felhft gegenüber, weil and) 
bie ©ohlthatigfeit gegen bie Sinnen nur in fofevn 
©evth in feinen Gingen hat, al3 fic in feinem Warnen, 
b. b. in ber rechten auf ber ©ememfehaft mit ihm 
beruhenben fiicbcSgcfinnung geübt u>ivb OB. 7). 
Sinne habt ihr allezeit hei euch. ©aß bic3 
fo fein wirb, um ber Sünbe bev SRcnfchen nullen fo 
fein mivb, betätigt hier bev ßerr. ©er alle Sdnilb 
am Bauperi*3mw3 nur im Wuhtgcbcn ber Bcfifccn= 
ben finbet, ift in bem großen ^rrthiim ber cioili- 
fivten ©eit über biefc ficbcnSfragc befangen, ber 
mit feinem ßclfen ba$ ilehcl bisher nur arger ge- 
macht hat. ©ahrttch# feine neue ©efeßgcbuug, fein 
Sociali3mw3 ober (Kommunismus fdiafft bie ftctS 
fid) neu eneugenbe Slrmuth u>cg. SOtan fott freilich 
geben, hoch thut’S baS ©eben allein nimmermehr, 
baß bie Sinnen je auf hören follten. ©eS ßerrn 
„allezeit" behalt"bi‘3 heute feine ©ahrheit, um ber 
Sünbe nullen, unb nur infomcit e3 gelingt, bic ©eit 
Mi bem gu führen, ber von Sünbcn erlöft, nürb and) 
ber ©ruef ber Slrmuth gelinbert unb bic cigentlidjc 
Duelle be3 Bauperismu3 oerftopft merben (B. 8). 
Um jeben Sdjeiu non Unangcmeffenheit pon ber 
ßanblung ber DMaria gu entfernen, legt ber ßerr 
berfelhen nod) eine tiefere Bebeutung unter: f i e 
falbt mid) gu meinem ©egräbniß. Biel= 
leicht wollte er hiemit and) fic felhft auf ben lins 
neunbaren Sdjmcrg hinführen, ber ihrer wartete, 
©enn waS mußte fic entpfinben, al3 fic ben am 


fireuge fterben fah, ber ihr 
©rahe m entreißen oernu 
mußte ihr ©laubc hei fold) 
OB. 9). ©ublid) front bev 
nod) burd) bie Semcrfuiu 
eud), n.f. io. Bon ©efd) 
fiel) biefe mcvfnunbige ©e 
aticfy iefet iubem wir tiefe3 
miiffen nur Mir Erfüllung 

III. $er»mäthrr. (B 
greller Goutrait jwifchcn t 
bem Bevräther ^ubas! © 
für ben öevru thut, wa3 c 
barer jünger, ber ihn uu 
feinen iDiovbern überliefert 
ren froh, al3 bevBenäi 
Borhahen offenbarte; unb 
nun nod) bic 9lusfühvun 
©vihrcnb fic nod) angftlii 
Sdnitt, freilich nicht au3 
fonbern oor bem Bolf, lai 
©elegenheit Mim Berrath 
gegen ben ©illcn ber £)ohc 
Wathfd)luß ©otte3, bic Öe 1 
viditung bes ©errn gevabc i 

Sifpofition: ©er Sie 
wehren um ber Sorm 
fid) tunb gieht. 

1) 9lud) in ungcwohnli 
fid) bic Siehe Mi Phrifto tun 

2) Sie wirb oft mit 
gani falfd) bcuvthcilt. 

3) 9lhcr mit ©ohlgcfall 
bev fic 

n) in Sdutß nimmt; 

b) lohenb anerfennt m 

c) rcd)tfcrtigt OB. 7. 8 


Sonntag, 8. Dftohev. 

2)ö0 ^affi 

I. Sie Sicritfhtita für'# ff 

®. 12: 9(nt evftcu Sag 
Bvobe, aljo am 14. Wifan 
auf ben ©onnevftag fiel, fa 
ger: ©o willft ®u u. 
mag burd) einen Auftrag: 
uno ba3 Oftcrlamm" (Suf. 
Beranlaffung gegeben habi 
aber liegt offenbar ber Sii 
3)?ahl bereiten, baß wir ec 
heit genießen tonnen?" 

®. 18—15: ©er öerr 
ner jünger, nad) Suf. 
^ohannem in bic Sta 
©ehrt hin u. f. w. 8ln 
abrebung mit bem B. 13 ei 
natürlich nid)t gu beuten. 
Begcgncn3 unb ftinbcw3 w 
gebung be3 prophetifdjen S: 
riinftf wie er uw3 fo oft in 
3uglcid) hat bie mpftcriofc ? 
nod) ben befonberen 3'pccf, 


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SonntagfdjuUffbtionfn. 


551 


räther ßehcim au halten. Set biefem lebten Dfter= 
mahle, bei wefohem ber ©err feinen 3imkern unb 
uii3 allen ba3 üMahl be3 Seiten sÜiiubcS bereiten 
will, null er mißcftört unb vor bem Uebevfall feiner 
fteinbe fteber fein. ©aber nennt ber ©err and) ben 
Kamen be3 ©aftwirthe3 nidd, bcu er bod) fonft fo 
ßcnatr beseidjnet. -SDafe- -bcrfclbc au feinen ^ungern 
ficlvJrt habe, ift an ficf> fdwn wahrfdjeinlid) unb 
wirb noch beftätißt burd) bie äüorte: „©er ilMei- | 
ftcr faßt" u. f. w. ©er bieiem SBort verheißene 1 
©chorfaiu fefet vorauf, baß ber 6mvfänßcr be3 9luf* 
traß3 an bem 2lu3vrud „ber üMciftcr" (b. i. unjer 
unb Dein SKeifter) alobalb bie fünfter unb ben fie 
fenbenben ©errn erfennen unb and) al3 feinen ©errn 
ancrfeniten "tverbe. „© c r 3)t c i ft e r l ä ß t b i r 
faßen" — ba3 ift ßenuß. ©o fci’3 and) bei nn3. 
SBo ber ©err rebet, toll ber ©chorfam von unferct 
Seite niemals fehlen. ©a3 3vmmcr, in welchem 
ba3 3Rahl gehalten werben folltc, wirb al3 ein 
ßroßer, unb mit fßolftern belebter (8uth.: 
aepflaftcrter) ©aal beAeidmct. Kad) bama- 
lißer ©itte faß man bei Öaftmählcrn nicht auf 
Stühlen, wie bei uu3, fonbern laaerte fid) auf $ol- 
ftern um ben ©ijd). ©eine Surußer fanben 
e3, wie er ihnen ßefaßt hatte. 2Bir haben 
oben biefc 93orherfaauuß al3 eine fiunbaebmiß bc3 
ir b r o b h e t i f d) c n 331 i d e 3 " J|efu bcAeidmet. S^eiu3 
war in feiner 6ntäußerunß al3 9Renfdjcufohn 
freilid) nid)t allwiffenb in ber abfoluten Sonn ber 
flöttlidwn Mwiffeuheit — eine fokhc 2lllwiffenhcit 
hatte ja feine menfd)lid)c 6ntwideluna unb 6r= 
fcheinuna verniddet — wohl aber offenbart er ein 
nnmbcrbarc3 S&iffen, eine ßbttlidjc älllwifjenbcit in 
befdjränfter Soun, b. h. bei einzelnen ©cleaeu- 
beiten, wo e3 für feine JBürbc unb anberer ©eil 
bienlichwar. ©o hier. ©iebud)ftäblid)c6rfüllunß 
ber äBciffaßiniß ^cfu füllte feinen ^ünßern beim 
Eintritt in bie bunfcln Säße feine3 8eibcn3 Aur i 
Stärfund be3©lauben3bienen, ©ie bereiteten ! 
ba3 $affah. ©iefe3 bereiten be3 fßaffah ift j 
nid)t blo3 von ber äußeren 3uriddunß bc3 3iutmer$, | 
fonbern befonber3 and) von bem ©ddaddeit bc3 j 
8amme3 au verftehen. ©a3 mußte im ©enwel ße= 
fdjehen, unb ieber 33raelit übte an bem Säße ßlcid)= 
fam pricftcrlubc Kedde au3/ ©enn bie SBricftcr 
allein waren außer ©taube, alleßämmcr au vddad)» 
ten, beren 3uhl fid) bei bcfud)tcn fßaffahfcftcn nach 
Sofebhu3 auf A'vci Millionen belaufen haben foll. 
©iefe Kiißabe ift nun freilid) übertrieben, ba von 
iebem 8amm minbefteno lOlßcrfoncn cfjen üiußten. 
Kimmt man an, baß bei ben fßafjahfeftcu 2 3)?illio- 
neu 9Kenfd)cn in ^erufalem waren, fo fann man 
bic 3abl ber Sämnter auf hod)ftcn3 200,000 an- 
fchlaßen. 9lbcr and) biefc 3abl ift immer nod) fo 
fttoß, baß bie $ricfter unutbßlid) jille biefc Sänuncr 
an einem ©aae fd)lad)ten fonnten. 

II. äer ®errätber im Swußerfret*. (93.17—21.) 
®. 17 unb 18 : 9lm 2lbenb fam 3efu3 mit ben 
3wolfcn, um ba3 lefetc fJ3affahmahl, ba3 er auf 
6rbcn genießen folltc, im trauten ^ünßerfreife au 
effen. Kachbem er nun Aunädtft ben Kaiißftrcit, 
ber fid) unter feinen ^üitßcrn beim Kieberfifeen cr= 
hoben haben maß, ßcfcblidrtet (8uf. 22,25—30) unb 
bic gußwafdjuuß (Sloh. 13, 1—20) vorßenom= 
»ten hatte, warb er betrübt im ©eift unb ftrad) bie 
wehmüthiß^ernften 9Borte: 9Bahr(id), idj faßc 
cu^, einer unter eud) wirb mich vcr= 


rathen. 63 ift ßewiß einer ber bitterften Srobfcn 
im 8ciben3feld)e be3 ©errn ßewefeit, baß einer feiner 
3ünßer nid)t blo3 von ihm abfailen, fonbern ihn 
foßar verrathen follte. 2Ba3 fann ein liebenbe3 
©e\*A u>ohl mehr verwunben, al3 wenn c3 feine 8iehe 
mit llnbanf verßolten ficht! SWit toeltbcv 8iebe aber 
liebte er bie ©einen, unb mit weldicnt Unbanf umvbe 
fie von beut (Sirien verßolten! ©ienn iaß für ihn 
eine llerfudjunß, ein SfteiA jur SWadje, m 6ibitte= 
muß. 2lber fein bfttere3 SBort fommt über feine 
Sieben, and) ttidjf ber ßerinßfte bittere ©ebanfe fiit- 
bet in feiner reinen ©ecle Kaum, ©iev fehen wir’3, 
wie nirßcub3 fonft in ber ©chrift: ,,©r will nid)t, 
baß Semanb verloren werbe.^ 3ltid) ben 3ubä3 
fud)t er nodt au retten. Unb mit weldjcr ©ebulb 
unb ©reue ift er ihm uadmeßanßcn bi3 au m lebten 
2(ußenblirf! 3nnißc3 Sfiiticib mit bem verlorenen 
ftiube, fchnlid)e3 Serlaitßcn, c3 wo mcßlid) von 
bem Kanbe be3 9lbßruub3, an weld)cm er fdwn 
taumelte, nod) AurüdAiireißcn, ift c3 allein, iva3 ihn 
in bie&laßcau3brcd)en läßt: „SBahrlich,^ u.f.w. 
Unb mit meid) tiefer äßchmuth biefc 2Borte ße- 
Wrod)en würben, b«3 fehen wir au3 ber SBirfunß, 
bie fie auf bic Sünßcv madden. 

®. 19: ©ie würben trauriß unb faßten 
AU* i hm u. f. w. ©ie Süiißcr batten aljo nod) ßar 
feinen 93erbad)t auf 3uba3. 2Bir fehen hierauf, 
wie fein er ben ©runb feine3 ©crsen3 hat au ver- 
beden ßcwifßt unt^r einem frommen ?lcußeren unb 
erfennen AUßlcid), ivic baburd) bie 25cvfud)unß auv 
© itterfeit für ben ©errn um fo ßreßer fein mußte; 
beim wa3 ift ivobl wibcrlidjcr unb veiAt unfern 3orn 
mehr, al3 fokhe ahfd)culid)c ©cud>elei, bie©oniß 
im 20i'unbe unb ©ift im ©crAcn führt! Unb ivahr= 
fdjeinlid) hat $uba3 feine Slußcn aud) icfct nod) nid)t 
nicberßefd)laßcn, fonbern fid) aud) mit erfdneefen 
ßcftcllt. 2llle3 aber ertriiß ber ©en* mit feiner un* 
cnblid)cn ©ebulb. ©en ührißen Süiißcru aber 
würbe immer baiißcr au 3)?uth; beim ieber badde, 
bcr©err fbnne wohl von ihm reben. 3Kau ficht, 
baß fie nid)t umfonft bic ßaiiAC 3cit bei bem ©errn 
aewefen waren; fie haben wenißften3 fo viel ßelcrnt, 
baß fie ihrem cißcnen ©erAen nicht trauen, ©ie 
graac ber 3ünßer ift eine graße, bie Aur ernftcu 
©elvftorüfunß aufforbert. SBir müffeu ©ewifiheit 
barüber haben, ivic nur au unferem ©errn ftehen. 
2lud) bie 3ünßcr vcrlanßcn nad) foldier ©ewißheit. 

®. 20: ©er ©en* aber will in feiner tfanamuth 
benä?enäthcr noch nid)t bloßftellen vor9lller3luacn, 
er hat bie ©bffnunß für ilm nod) nicht aufucßeben, 
bähet antwortet er: ber mit mir in bic ©djüf= 
fei taudiet. ©a3 war benu bie 6rflärmiß be3 
fJ5falmwort3: „©er mein 23rob iffet, tritt mich mit 
Süßen." 2Mit biefer Slntwort umr iebod) 9Setru3 
nod) nid)t Aufrieben, er veranlaßte baher ben 3ohan= 
ne3, ber an bc3 ©errn 2Jruft laß, eine beftimmtcrc 
3(ntwort von bem 5D?cifter au erbitten (^oh. 13, 23 
bi3 26) . ©iefern antwortete bcr©err: „©er ift’3, 
bem id) ben Riffen eintauebe unb ßebc," 
unb barauf ßab erben SJificn bem 3uba3 3 fcha = 
rioth. ©iefc unfd)einbare ©anbluiiß war für 
3uba§ von cntfd)cibcnbcr 93ebcutunß. ©er ©err 
wollte hier nod) einmal au 3uba3 A^crA reben, unb 
ba3 that er, inbem er ihm nod) einmal fo recht tief 
in’3 2liiße blidte. 28a3 fann man nicht allc3 mit 
einem 23lidc faßen! 28a3 vermodde alfo wohl ber 
©err in einen fold)cn hineiiiAUlcßen! wir iviffen ja, 


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552 


Sonntogfdjul^fhtiottru. 


weldfc SBirfuitß fein 9Mitf auf Metrum batte. 2Bic 
bicfeit, fo feilte bei* SMief 3cfu and) beit 3ubaö jux 
Untfehr bcwcßen. 9lbcr 3uba6 verhärtete fein ©er 3 
aeflcit bic Siebe beb ©errn, tntb bab war eb, wab bei* 
©err in 3ubab 9ltiße lab, iubem ihre 9Mitfe ein- 
aitbcr beßCßneten. 

®. 21: Salier brad) er nun in bieftlaße aub: 
3 war beb iOtenfcbeit ©ohn tt.f. w. 91!ölvolltc 
cv faßen: „lieber micC> rufe id) fein SBchc au$, »nb 
audi ihr, flaact nidjt über inicf)!. ( M) ßche babiu, alb 
bei SMcnfdtcn ©ohn, itad) beb 95 aterb vorbebaditem 
ätath, btivd) Scibeit 3 ttr ©crrüdjfcit. Sab 9Behe 
gilt bem, ber beb 9)?cnfd)cu Sohn — ndtttlid) beit, 
ber audi feilt 93rubcr geworben ift — x^ervatftcu wirb. 
9)iit biefett SBvrtcn entreißt ber ©err betn Jltibab, 
unb mit ibut allen ©ottlofcn, bie ja attd) feinen 
ftufttritt thun foulten, ber nicht bab 9 liißc©otteb 
3 iivor aefehen hätte, jebtoebe (Sntfdiulbißunß 
ihrer ©chulb, unb übergiebt fic beut Studie, b e n 
fie freiwillig fid) erwählt haben. 

Sialb nad) bicfeit äSortcn ging ^ubab hinaub, 
beit ©errn 311 verrathen. Unb cb toar 9?ad)t, 9?ad)t 
um ihn her unb 9Jad>t in ihm; beim fein Siditftrahl 
ber ©nabe bvana mehr in fein ©crj. 

Sityofitioit: Ser ©dimcrgcnbruf beb Gr- 
loferb: Guter unter (Sud) wirb utid) ver? 
rathen. 

1. (Sine SBcdftimmc für ben aufriditU 
neu jünger. 

1 ) Siefer beucht bab SBort itid)t auf 9lnbere, 
foitberit auf ftef) felbft; 

2 ) bab ©cfühl feiner ©üitbhaftigfcit veranlagt 
ihn 311 ernfter Selbftvrüfung; 

3) bie Selbftvrüfung ruft bie gottüdie Sranrig= 
feit über bic Sünbc in ihm madj. 

II- Sür bie 95erräther unb Uttbufifcr^ 
tigen ein SBort beb ©erid)tb 3 ur 9Scv= 
ftoduna- 

1 ) Geeinte ihm feine ©ünbe, fie wirb ihn nid)t 
reuen; 

2 ) weife ihn hin auf bie ewigen ©trafen, fic wcr= 
beit ihn nicht erfchütteru; 

3 ) forbere ihn auf, feine ©üitbc 311 hefennen, er 
wirb fich mir itod) mehr verhärten unb bie 9 lub* 
führiing feiltet füitblicheit glätte befdilcunigeit. 


Sonntag, 15. Oftober. 


SMarf. 14,22—31. 


2>a$ ^eilige Stbenbmalfl. 

I. 2>if <£ ittfrijunß ttftentmnhtö. ( 95 . 22—26.) 
®. 22—24: s ^adjbem?iubab hinaubgegangen war, 
fanb bie Ginfefemtg beb hl- 9lbcnbmablb ftatt, wie 
fie 95. 22—24 befdjrieben wirb. „Sb war bie firn 
ftere 9£ad)t, in wcldier bie ©ölle über beit $ob beb 
Sebenbfürftcn brütete unb ber Setifel in beb 95 er- 
rätherb ©er* fuhr, ba würbe bab heiliac SBort 001 t ! 
beit beiligftcu Sivvcit gcfvrodiett: Nehmet, effet, i 
bab ift mein Seib! nehmet, trinfet, bab; 
ift mein 9Mut! unb über allen Mächten beb 
Sebeitb ftchet cb feitbem wie ein leuchtenber ©itm 
tnclbfteru, wie eine heilige ftefttagbferte, vor weldjer 
bic ftinfternig wcidit, ber ©d)incr 3 flieht, unb bab 
Sehen, felbft unter bem Srude beb bitterfteu (Slcnbb 
in hintmlifd)er 95erfläruna erfdjeint." 


Ser cigentlidie 3'ved 
bie ©veifttug beb neuen 9 
ber 9Stebcrgcburt. Siefer 1 
ift bab bureb Ghrifti ©ei 1 
ccntrum beb äRcitfdicn, Ghi 
915ciit finb ©iitnbilber b( 
Seibeb unb beb für unb vet 
ber fid) mit biefett ©initbiH 
Seele mitthcilcn will. 

ftaffen tvir bie 93ebetttii 
itad) allen ©eiten hin in* 
ber 3 wed beffelbeit alb ein 
ift bab hl. 9lbenbmahl ein ■ 
„Soldieb thut 311 meinem 
©err, unb 95 aulttb faßt 1 G 
biefeut SJrobc effet unb vi 
füllt ihr beb ©errn lob t 
fonunt." Bweitettb ift 
ÜRahl berSemeinfdiaft be 
anbei*. „Sab 9Jrob, bab t 
bie ©emeiufchaft beb Seib 
93rob ift’b, fo finb tvir vielt 
eitteb 9Jrobeb theilhaftiß I 
(1 gor. IC, 16-21). 91 lb ' 
ber ©laubigen fovbert bab 
Gommttnicantcit 95crföhnl 
ßicbe. Srittcnb ift oabh 
beb 9Junbeb, in weldicnt \ 
(tebettben ©nabe unb Siebe 
ihm tmwanbelbarc Sreuc 
95 i e r t c n b ift bab 9lbenbtnc 
mittheilunß beb vcrtlärten 
bißcit gotttmunifaittcn. S 
holte ©clbftmittheilunß, tv 
vermittelt ift, tvirb bie fei 
ßemeinfdmft ber ©läubißc 
unb ßcmchrt, fo bah ber net 
in ihnen, eine immer vollißi 
®. 25: Samit bie 9kb 
aber nid)t blob bie 95crßatiß 
bic ©eßcmoart, foitbertt at 
bic Bufunft cinfd)liche, fc 
fcßuunßbworten nodt bie 9 
fortan von bem ©cwä 
nicht mehr tritt fett we 
cnbitnß beb ateichcb 63ottcb 
von ber verflärten 6 rbc, a 
utadvt werben foll, and) bi 
auf ber neuen (Srbc wieberh 
bieb nad) 9Jötn. 8 uttb ber 
verftcht, tvirb feinen 9lnfi 
©errtt mit unb trinfenb aui 
fen. „ 3 ch werbe mit cm 
er flar, meint alfo itid)t utel 
weldiem bib baiyit nur tv 
triitfen, foitberit eine barü 
meinfdiaft himmlifd)4rbifd) 
bab Öftcrlantm unb bab 91 
füllmtß haben tverbeit. .. 

II. $rr ©atm jttnt Cclf 
26: 9?ad) ber Ginfebuun bi 
nun hat ber ©err bab 9 >al 
halb mit bem üblidien So 
118. 95faim befchloffeit; mit 
^üiißerit hinaub nach bcitt 1 
».27 ttttb 28: 9luf bet 
311 feinen ^üitßern: 3 hr w 


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Sonntogf^ul^fhHonfti. 




Äad)t alle an miv ärgern (b. b* Slnftojj ncl ) 5 
meiif amctfelu unb im ©laitbcn jdjwanfeu). 3 n 
bicfer 9fad)t. Gd mar 9Jad)t and) in tieferem 
Sinn. SlUc Äväfte ber ©öUc waren in Bewegung, 
bie ganae ©ciftevwelt mar jum entfd)eibenben ftampf 
aufacvcflt; and) in ber SDienfdjenmelt mar oon alten 
Seiten ber um ben ©errn eine Spannung, 55ev= 
Wirrung, BerbunfeUmg, wie fie fein ®id)ter je ber 
«eid)id)tlid)en Sßahrhcit gana cntjpredjenb wirb 
fdjilbern tonnen. Ser ©err allein i"tcbt nodj feft 
imö ruhig ben feiublid)en 9Mäd)ten gegenüber unb 
fud)t in feiner Siebe and) bie 3ünger gegen bie i>er= 
mirrenbe 91ad)t ju rüften. ©ied tbut er burd) bie 
UKmienbc 35orberoerfünbigung ibved galled. 2Mit 
einem 3d)riftwort aud bem SJrophetcu ©admiia 
(13,7) begvünbet er biefe SBeifiaguug. © iefc 2Bcif- 
jagung bat barin ihre Grfüllung gefunben, bah bie 
Säuger alle in ber Siacbt bed Bcrratbd ben ©errn 
uerliejjen. 3 um überfdnoänglidjen ©voftc ber 3 ün- 
act fügt ber ©err ber äBeifiagung ibred Salled aud) 
fogleid) noch bie SJevbei&ung ihrer Skfehvung bei. 
SBenn bei* ©irte gefddagen unb getobtet wirb, #t- 
{treuen fid) bie ©djafe; aber ber ©irte wirb auf= 
erfteben unb feine ©djafe mieber fammeln. ©er 
äuöbrurf: /fid) will oor eud) bingeben," ift 
bem ©irten leben entnommen, ©er ©err will faacn: 
ich will erft bann red)t euer ©irte werben unb eud) 
aud ber 3 wftreunng 31 t mir fammeln» wobei fid) bie 
Seraeibuna bed Slevgerniffed oon felbft oerftebt. 

®. 29: SJetrud aber faate. 3>etrud fühlte 
burd) bie Siebe bed ©errn fein ©cra mädjtig ent¬ 
hübet au inniger ©egenlicbe. Unb im ©efübl bie= 
er ©egenliebe glaubte er fid) ftarf genug, felbft fein 
Seben für ben ©errn binauacben. Gr muhte ed nod) 
nirfjt, wie fchmacb aud) unfere beftc Siebe und noch 
lagt/ wenn wir auf fie allein augemiefen finb, wenn 
bie ©nabe ©otted und nid)t fduifet. SBenn fie 
fid) alle ärgerten. 3» ber 95erglcid)ung feiner 
felbft mit beit Slnbereit offenbart fid) ber fdjmadjc 
Bimft in ber Siebcdgcfinnung Sßctri. ?ln feine 9 lb= 
bängigfeit oon ber göttlichen ©nabe beuft er gar 
uid)t, er oertraut lebialid) feiner eiaenen 
ftraft, unb biefe überfebafct er bermahen, bah 
er fid) felbft für beffer unb ftärfer hält, ald alle anbe= 
reu 3 ünaer. 

1B. 30 nnO 31: Um ben rid)ereu $etrud p war* 
neu unb fein unbegrünbeted ©elbftoertrauen au er= 

K uttern, micberbolt nun ber ©err bie obiae 9Bcif= 
jung nod) einmal mit nana beftimmtcv Sluweubung 
auf fßetrud; ja er oerftdrft fie nod), inbem er uid)t 
mehr blöd oon einem „fid) ärgern", fonbern fogar 
'Oon einem „ b r e i nt a 1 i g e n SS c r l e u p n e n " 
rebet. 3 ubcm eradnat er bie obine 3 eitbefttmmung 
nod)burd)benSludbrurf: „ebe ber©abn awei= 
mal trabet." Gin ©ahnenruf — unb wie 
mancherlei bat fd)on bie ©nabe, u>eld)e bie SBatur 
und aum ©eile reaiert, au fold)’ einem ©abnenrufe 
gemadrt! — tanu tiefbetrübte ©ünber plofelid) 
loeden, aber nur, wenn ein SBort oorhergegauaen, 
an meldjed au beuten er mahnt. SBicberum bad 
trdftiafte, aeugenfefte Sßort oorber tanu ocrneblid) 
fein, wie wir hier au fßetrud feben. ©er ift nun 
einmal unbelehrbar burd) blühe ©orte, felbft aud 
bed SMeifterd 9Runb unb überbietet ben SRciftcr, ia 
fid) felbft in SScrficberunaen feinerireue: ffienn 
id) mit ®ir fterben müfjte u.f.w. Sille 
3 ünacr, b. b- bie nod) ba waren (bennbedSnbad 


Gntfernuufl toirb febweigenb oovaud^jefebt) fagen 
bajfelbe. ©ic fühlten ia bie flleube Siebe wie 
I SSetrud, nnb ba er fie bcni ©errn oerfid)erte, wollten 
fie neuen ihn nicht aunnffteben. 

©er ©err aber fdnoiecj nun ftillc. Gr lieft fid) 
burd) bad oermeffene SScfierwiffcnwoUcn feiner 3ün= 
aernidjt §nr Uiiflcbulb reiacn, unb bat bamit allen 
Gltcrn unb Sebrcrn ein febr bcad)tcndwcrtbcd Gjem= 
pcl geneben. Gd ift aber fd)limm, wenn wir bem 
©errn nepcntibcv bad lefetc SBort behalten; cd folgt 
barauf ftdjer eine3cit, )oo u>ir bad mitabrdnen 
bereuen u>erben. ©aber follen nur ia bem ©errn 
unb feinem SBort aüeacit 9tecbt geben, wenn mir ihn 
aud) oft uid)t ocrftcbcu unb fein SBort wiber unfer 
©efübl uub unfer äWeincn gebt. 

^i#pofitioit: ©ad 9Öt a b l b e d 9? c n c n 
SSuubcd. 

1) Gd ift bie Grfüllung beffen, wad im alttcfta^ 
mentlidjcn fßaffabmabl nur angebeutet war; 

2) ed ift ein 9)iabl banfbareit Slubcufcnd; 

3) ein Siebedmabl (Serbiitbung ber Grloften un¬ 
ter einanber); 

4) ein S5uubcdinabl; 

5) ein ÜRaM bcr©cmeinfd)aft mitGbrifto(@elbft- 
mittbeilimg Gbrifti); 

6) eine Sjerbciftimg ber ©eligfeit ber Grloften auf 
ber neuen Grbe OB. 25). 


Sonntag, 22. Dftober. 5D?avf. 14,32—42. 

2>ct ^atnpf in ©ctyfcntanc. 

©er SBeg nad) bem Oelberg führte ben ©errn 
unb feine 3ünger über ben SJad) fiibron, ben 
bunfclu S3ad) im tiefen ©balc, über loclcbcu einft 
aud)®aoib im tiefften Glcnb gegangen war (2 ©am. 
15,32). 8lm Sufec bed Oclbergd lag ber ©arten 
©ctbfcmanc, welchen ^Jcfud häufig mit feinen Jün¬ 
gern befucht batte, ©icfev ©arten war ber ©d)au= 
plafe bed gcbcimniSoollcn ©celcnletbcnd 3cfu, bad 
unfere heutige Scftion bcfdircibt. 

1 . ^rr fämpfrnbc ©eilanb. (35.32—36). ®.32 
Wd34: 3n bem ©arten angefommen, fprid)t3cfud 
ju,feinen 3üngerit: ©cfeet eud) hier u. f. w. 
®ied galt ad)t oon*ben ctf3üngern. ©ic folltcn 
nidjt wiffen, au welchem Slngftgebet er iefet ging; 
beim fie bätten’d nicht tragen lonnen. llnb feinet 
SBeifung gchorfam, laffcn fie fid) am Gingang bed 
©artend nieber. ©ann nahm er au fid) $c = 
truin f 3a!obnm unbäohannem. ©iefc, bie 
fuva oorher feine©errlichfeit auf bem S3crgc bei* 9Scr= 
flärung aefchen batten, feilten mut and) ijeugeit 
feiner tiefften Grnicbrigung werben, bamit wir auch 
mühten, wie fatter cd ihm geworben, und au crlojcn. 
91 Id er nun mit biefeu ©veien,allein war, ba warb 
ed plöfelid) ein gar Änbcrcd mit ihm. Gr fing au 
au aittern (eigentlid): fid) au entfefeen) unb au 
aagen. Gd war, ald fei er plöfelidj im SSerfinfen 
in einem SWeer oon Slngft. Gtne unaudfpYechliche 
©ehwermutb ergriff feine ©ecle, uub bie ©d)meraen, 
bie et an feiner heiligen ©ecle litt, prägten fid) in 
feinen ©eberben ab. Gr aitterte unb aagte wie ein 
SKann bed SEobed, ber ohne allen ©roft ift. Uub 
ald Urfad)c baoon führt ÜJJarfud au: er habe fid) 


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554 


3otnitagfd|ttl^eUiimetK« 


cntfefct, ein SluSbrud, bei* ein plöfclichcS 5Diarf 
nnb iöein bnrd)frf>uttembc^ 6rfd)reden oor irgenb 
einem ©egenftanb anaeigt. Unb bann fprad) er: 
„SDJeinc ©eele ift betrübt bis in ben «Eob. 
SaS heißt nidt bloS: „3d bin ftcrbcnStraurig," 
fonDcvn eS fod baS 3; obeS grauen auSbrütfett, 
mie cS ber ©üitbcr empfinbet, ber feinen oerföhnten 
©ott bat. SMS an melcbem ©rabc aber bic}c3Sobe3= 
grauen bei bem ©errn fid) fteigerte, baS leben mir 
auS bei* flehentlichen SMtte, bie er an bie jünger 
riddet: S5leibct I>icr unb madjet (mit mir). 
SaS foü beißen: „Verlaßt mid) nicht, eure Stäbe ift 
mir troftlid)*" %\ melier graufen Umgebung mu§ 
er fid) befnnben haben, bah fd)on ber Slnblicf biefer 
armen febwaden dünner ihm fo troftlid) unb mobl s 
thuenb crfchcincn fonnte! 

Slbermobcr fam bem ©errn foldjc Slngft unb fo(= 
dcS XobcSgraucn? Ser ©crecbtc, faßt bie ©drift, 
ift and) im Sobc getroft. SBie feben mir beim ihn, 
ben ©eiligen, alfo aittern unb aagen ? Sic Slntmort 
ließt tn bem SBorte beS SlpoftclS: ©ott bat ben, t>er 
oon feiner ©ünbe muhte, für nuS aur ©ünbe ge- 
mad)t, auf bah nur mürben in ihm bie ©ered)tißfeit, 
bie oor ©ott ßilt (2ffor. 5,21). 6r bat auS er= 
barntenber Siebe nufere ©ünbe unb unferen Sob 
auf fid) ßenommeu, unb leibet nun, maS mir hatten 
leiben muffen, meint er nidjt ßefontmen märe. SaS 
mid faßen: 6r truß nufere ©ünbcnfdnilb unb 
bie laß fo }d)mer auf ihm, bah et aitterte unb bebete. 
SBaS cS heiße, oon ©ott gcfdjieben unb oerlaffcn 
fein, baS entpfanb er fo lebenbiß, rtlS ob er felbft 
fid) in ber Säße eines ©cridteten befnnben hätte. 
3ubent mußte er and) bie gante SMadjt beS 
© a ta nS fühlen. 63 mar beit 9Kad)tcu ber ©olle 
peftattet, alle ihre Sift, ©ematt unb ff mtft mtber ihn 
tn'S Selo an ftelleu. ffCmncn fte ihn biSaurSScr* 
ameiftung treiben, fo mögen fte cS tbun. SJerntögen 
fte ihn biS aum Smb au ängftigen unb au foltern, 
SÜcmanb mehrt eS ihnen. Ser nufere ©trafen tra= 
ßen wollte, fonnte and) bem ©efdtide nid)t eutßeben, 
ben ©emaltcn beS SlbgrnnbS fid) preiSgcgebcn a« 
feben. SicS mar ber ffern beS gebeimnißoodcn 
©celeitleibenS Jlefu in ©etbfemane. 

®. 35: 6r ging ein mettiß fürbaß. 3n 
baS iititerfte ©eilißtbum bicfeS ©cclcnfampfeS fön= 
neu aud) feine SieblingSjünger ihn itid)t mehr be¬ 
gleiten. ©ier fteht er allein, ©o ift cS oft and) bei 
ttitS. 63 giebt liefen beS SeibenS unb beS ffampfcS, 
in melche fein gfreunb ttitS beßlciteii fauit, mo iebc 
menfd)lid)c ©tüfee utt3 oerläßt, unb Siieutanb mehr 
bei uu3 ift, al3 ©ott allein. 

®. 36: Slbba, mein 9Satcr nt. f. m. Ser 
©err bittet mohl nicht um Slbwenbung fcineS Sei= 
beitS überhaupt, um beSmillen er ia in bie SBclt ge= 
fomuten mar, jonbern um Slbmcnbung „biefeS 
ÄeldjeS" bat er, ben ber SSater eben jept an feine 
Sippen gefefct batte, beS SEobeSgraucnS v unb ber 
©djulb ber ©ünber, melche iefet über ihn auSgegoffeu 
maren. SBie bitter muß biefer ff old) ßcmcjcn fein! 
Unb mir hätten ihn triufen ntüffcit, meint er ihn 
nicht für uitS hätte triufen motten. SNbcr baSmolltc 
er, and) ba er um Slbwcnbuitg beffelben bat. Senn 
in bem SBorte: Sod nicht mie ich mill u. f. m. 
ließt ber ©ebanfe: „©aft bu feinen anberen SBeg, 
bas arme 99?cnfd)cngefdlccbt au erlbfen, fo reide mir 
immerhin ben bittern ScibcnSfcldj; um ben SSreiS, 
baß bie SNcnidjen ocrlorcn ßchen, beßchvc id) nid)t, 


oon biefer Saft befreit au merben. Saß an 
beinern SiebcSratbfdduß ja nichts ßeänbert merbe, 
thuc bod> ja nid)t, mie id) nadj meiner fdjmadett 
mcufd)lid)cn SRatur mid, foitberit mie bu miüft!" 
Saß ber SSater auf baS inftänbige, breimat mieber- 
holte glehen feines ßcliebten ©ohncS nid)t ant= 
mortete unb ben Seiben3fe(d) nicht bon ihm nahm, 
baS ift ber ftärfftc S3cmei3 bafür, baß baS 9Bartcr= 
leiben unb ber Sob^cfu jur6rlöfung berSWenfde* 
unumßänßlid) nothmenbiß mar. ©ätte eS irßcnb 
einen anberen SBcg ßcßcben, bic SBenfdicn au er= 
retten, ber S>atcr hätte ßeioiß feinen ©ohu nicht fo 
heiß unb flehentlich bitten laffen, ohne ihn feinem 
Seibeit au entreißen. $lber cS ßab feinen. 

II. ^ie fdilafeubeu .Jünger. (S. 37—42). ®. 36 
nnb 37: 6r fam unb fanb fic fdlafenb. 
6r fam au ihnen, alS ob er bei ihnen SEroft unb 
©ülfc fuchcn modtc; aber er fanb fic jchlafcnb. ©ie 
hatten fein SBortlcin beS XrofteS für ihn. SSer c3 
ie erfahren, locld) ein Sroft eS ift, in CcibcnSftuubcn 
fid) mon lieben Srcunbcn uiitßcbcu au fehen, ber 
faitn etmaS baooit ahnen, maS ber ©eilanb fühlen 
mußte, alS er in biefer ©tuube ber hedften ^toth 
bic Sveunbc fdlafeub fanb! Slbcr er ftraft fic nidt: 
ad), in biefer ©tunbe laß bie ©träfe allein auf ihm! 
6r tabelt fic nur leife, iubem er aunädft au f^etvo, 
ber mit ihm hatte in ben 3mb geben mellen, fpridbt: 
©imon, fdläfft bu? u. f. m. 

®. 38 : SB a eh c t unb betet, baß ihr n i d) t 
in Slnfed)tunß fallet. SluSbiefcnSBorten fehen 
U’ir, taß JiefuS bed) nidt bloS um feiner felbft miU 
len au ben ©einen aurüdßcfebrt ift. SBie eine aärt= 
lid)e 9)?uttcr oon ihrem ffraitfenlaßcr fiel) aufvafft 
unb ihrer ©cbmcraeit nid)t adjtet, um eine ©cfahr 
oon ihren ff inbern abamoenben, fo entreißt er fid) 
brcimal feinem Slnßftßebet unb fommt au feinen 
Sünßcrn. Sie ©tuube ber Sinftcrniß margefom^ 
men. Sa galt cS auch für bic jüngcv, allefiräftc 
beS ©eifteS aufaunncnauraffeit. um nicht ber S?er< 
fudjunß au Slcrgerniß, Unglaube unb Slbfall au ev^ 
liegen, ©ätten bic jüngev iefet, anftatt au fddafci, 
gebetet, fo hätten fie ihn nadhet n>ahrfdcir = 
lieh nicht ocrlaffcn, unb fBetruS hätte ihn nid:t 
oerlcußnet; — Sind für unS unb ade 6hrifteu en = 
halten bie SBorteSefu eine evnfte 9)cahnung uni 
SBarnujiß. 

®. 39 unb 40: 6r ging micberhin uni 
betete. Ob er auch fdjon ahnte, maS baS ©dnoci^ 
aen beS 3?atcr3 au bebeuten habe; er betet bennod) 
fort, ^n biefer ©tunbe beS furchtbaren ©celcn= 
leibenS ift fein SJlab an bem ©craen beS ®atcvS f 
unb fein ©laubc faßt ihm, baß oon bovt ihm beit- # 
nod) enblich ©ülfc merben utüffe. — 3u feinen Jün¬ 
gern aurüdgcfchrt, finbet er fic mieber f d) l a f e n b. 
SicSmal macht er leinen SScrfudj, fic au mccfcit, 
fonbent fehrt fehmeigenb in ben ffampf beS ©ebcteS 
aurürf. SBie heiß biefer ffampf gemefeu, baS fagt 
unS SufaS (22,44) in ben SBorten: „Unb eS fam, 
baß er mit bem £obe rang unb betete heftiger; eS 
marb aber fein ©cbmeiß toic S3lut3tropfcn, bie fielen 
auf bie 6rbe." SBdch eine geheimnißoodc Siefc beS 
SeibenS crfdließt bicS SBort unferen S3liden! Stur 
oon einem SMcnfdcn nod, oon ftarl IX. oon Srattf= 
reid, ber bie $arifcr SMuthodaeit auf bem ©emiffen 
hatte, mirb behauptet, baß er unter ben Slnftagen 
feines ©cmiffenS im budftäbliden Sinne blutigen 
Slußftfchmciß oergoffen habe, ffarl IX., jener SNbrber 


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£cmntagfd}ul=J?fktionfn. 


655 


oon SCaufcnbciif unb 3*fuS, ber ©eilige ©otteS — 
welch eine parallele! Slber 3cf»3 war baS 8amm 
(SotteS, baS ber ganzen ©eit SünOe trug;*baher 
fant ihm folch namcnlofeS ßeibeit. 

(Snbüdj u>irb eS ruhtger in ihm, unb bie ©ülfe 
erfcheint. ^vcüicf> nid)t in ber ©eile, baft erbeut 
ßeibeit unb Sterben entnommen movben wäre; aber 
bie Stunbe ber SSinfternift, bie |cf>vccflicften inneren 
Anfechtungen ftnb oorübet unb ruhen toenigftenS 
eine 3cit lang, biS fte noch einmal auf ©olgatha 
ii'iebcrfehren, 100 fie ihm beit Angftfdirci auS? 
^reffen: „Mein ©btt, mein ©ott, warum ftaft bu 
mich oerlaffeu!" 

8.41 nttfc-42: Buit werft ber ©err bie junger 
auS beut Schlafe, fünbigt ihnen an, baft bie Stunbe 
geforttmeit fei, ba er in ber Sunber ©äube über= 
antwortet werbe, unb führt fie felbft feiten Schrittet 
fcemBerräther entgegen. Oie 3üngct ftnb babei 
wohl nidjt fo getroffen 3Ruthe3 gewefen, ''beim fie 
hatten e3 fehlen laffen am ©acheit unb Beten. 
3nbcft haben wir feine Uvfacfie, einen Stein auf fie 
xi i werfen, wenn wir beben feit, wie oft wir tmSben- 
felbeit Stehler xu Sdmloen fommen laffen, unb mit 
welcher ©leidigültigfeit wir oft an beut öeibeit beS 
©e\Tti oorübergehen. 

©aS wir bei Betrachtung beS 
ffamufoS in ©ethfemaite ooit beut ©errit 
lernen fönnen. 

1) (Sr lehrt unS bulbeit. 

2) (Sr lehrt ttnS beten. 

3) ©v lehrt unS wacfien. 

4) (Sv lehrt unS am rechten Orte ©ülfe fuchen in 
bcr 9iotb. 


Sonntag, 29. Oft. 2Karf. 14, 43-54. 

2>er Scrrrtt^ unb bie (Scfangcnndjmung. 

I. 2>rr »fir«»*. (B. 43-45.) ®. 43: „3Met 
auf unb laffet unS gehen, er ift ba, ber mich oer- 
räth," hatte 3tfu3 xu beit Jüngern gefovochen; unb 
alSbalb, ba er noch rebete, fam3ubaS unb 
eine gvofte Schaar mit ihm. Bon bem 
Baffahntahle weg war 3ubaS im Sdmfce ber flacht 
Xu beit SRitglieberit beS Soitebrium3 geeilt ttitb be¬ 
trieb bei ihnen baS finftere ©evf beS ’BcrrathS. 
3mar hatten bie Oberftcn oor ein paar Sagen noch 
gemeint: „3a nicht auf baS fteft, auf bafj nirfit ein 
Aufruhr loerbe im Bolf"; abcr3ubaS weih fie xu 
berebeit, ihren früheren Blait fallen xu laffen. So 
fchnell al3 möglich würbe bie Scunwlmadic auf bie 
Seine gebracht unb uont römifchen Statthalter bie 
©enehmigung xur Berhaftting 3cfu famiitt ber er- 
forberlichcn militärifdicn Scberfitiig geholt. BiS 
bie-3 gefchehen fei, hatte 3ubaS berechnet, müffe 
3efu-3 in ©ethfemaite xu ftnben fein. Auffallenb ift 
bie unocrhältniftinäftig grofte Büftung unb bcr 9fuf- 
wanb, welchen bie ©ohenpriefter machen, um3efum 
in ihre ©ewalt x« befommett. Offenbar lag eS in 
ihrem 3ntcrcffe, oon SilatuS eine profte 9Silitar= 
macht xtt ocvlangcn. 3c mehr fte bet ihm beit (Sin= 
bmrf machten, baft cS ndj tun bic©efangennehmutig 
eines böcbft gefährlichen SKenfrficn hanble, befto 
mehr würbe 3*fu$ fchoit xum BorauS bei ber rö= 


ntifcheit Sclwvbc ocrbäd)tigt. Selbft oon beit 
©ohenprieftern unb 9lclteften beS BolfS 
fdmmeit fich oiele nid)t, beit ©äfchern fid) ansu- 
fchlieften unb x»r ©efangennehmung 3efu auosu= 
xichen. 3ubaS geht oor ihnen her. (Sr war 
ber (Slcnbeftc unter Sillen. 3hu trieb nid)t allein 
bie Bcgierbc nad) ben 30 Silberlingen, fonbern er 
haftte ben ©crrti, weil er ihm in’o ©erx gefehen unb 
ben bofen ©rtinb befielben offenbart hatte. 

©aS nun xunächft folgte, wie 3duS ber Sdiaar 
entgegentrat unb mit feinem majcitätifdjen „3<h 
biit’3!" feine ©äfcher xu ©oben ftrerfte, baS beridftet 
3ohamteS allein. SDtan follte nun meinen, ein fo 
gewaltiges 3cugnift für bie ©oheit beS ©ervu hätte 
auf feine fteinbe einen folchen (Sinbrurf gemadit, baft 
fie ihr Borhaben aufgegeben hätten. Aber nein, 
baooit ftnb fie weit entfernt. 

®. 44: 3mar xegerte bie Botte nod), ©anb an 
3efuin x«. legen; beim ber B errät her hatte 
ihnen ein Beicheit gegeben unb getagt: 
fflcldieit id) füffett werbe, bcr ift’S u.f.w. 
Auf biefeS 3cid)cit warteten nun bie ©äfcher noch, 
obioohl eS burd) baS ©eroortveten 3efu unb feine 
maieftätiftfie Offenbarung überftüffig geworben 
war. 3»baS hat fein Sport oerpfänbet unb ben 
Beitrag mit bem Satan abgefdiloffen, baher muß 
bäS BeiTäthcrxcidwn gegeben werben. 3ioar war 
bie lebte geioaltige Offeitbanuig ber ©crrlidifeit beS 
©errit gewiß auch an ihm nicht fourloS oovübcr* 
gegangen. 9lber er hatte fid) einmal xum ©erfxcug 
beS SatanS bergegebet), unb nun loar auf ber ab= 
fdiüffigen Sahn, bie er betreten, feilt Slufhalteit 
mehr möglid). Oie 3)?adit ber Sinftcrnift rift ihn 
fort, bis er bie fdnedlkhc 5lhat beS BerratbS voll* 
enbet hatte. Ob oiedeidjt auch ioanfenbenSd)vittcS 
unb mit innerlichem 3agen führte er hoch feilt trau* 
rigcS ©er! auS. 

®.45: (Sr trat xu 3cfu — unb füffete 
ihn. Oieferßuft ift oaS Budilofefte unb Berab= 
fdieuungSwürbigfte, waS im finfteven Bcrcid) menfch= 
iid)er Sünbe ic xu Stage trat. ®aft ber 3üitger 
feinen STOeifter, baß ein ®cenfd) beS «äWenfdicnfohn, 
ber tun ber aKenfchett willen vom ©inirnel fant, 
oerräth, baS ift entfcblidj, baft er ihn aber mit 
einem iTuffe, bem Bcidieit beS SriebenS unb ber 
5Sreunbfd)aft, oerräth, baS ift teuflifd). ffleldiett 
Sdmterx muß ber ©cilanb in biefem 9lugeitblirf um 
baS oeriorene ffinb gefühlt haben! 

II. Xtt falfi&e ®ifnr be« WttruL (B. 46—49). 

®. 46 nitb 47: ®md) 3obaS Borgang er= 
inuthigt, traten bie ©äfcher nun herxu tmb legten 
bie ©änbe an 3efnm unb griffen ihn. 
$)a baS feine 3ungcr fahett, begann baS ©lut in 
ihren 9tberit xu fodieit, unb wie auS einem 3)ciinbe 
brachen fte: ©err feilen mir mit bem Schwerte 
breinfdilagcit? UubBetvtiS xog fogarbaSSdiwcrt 
unb hieb einem ffncdite beS ©ohcnimcfterS 
(BamettS 3WaldmS) baS reditc Ohr ab. ©ie 
©egemoart beS ©errit, beffen ©{aditwort foebcit bie 
ganxe Botte xu ©oben geuwrfeit batte, madite bie 
3ünger fo fühlt, baft fie eS mit ber ganxeu Sdiaar 
glaubten attfiichnten xu fönnen. .ffätuofcnb hättcu 
fie wohl and) für ihren aWeiftcr fterben fönnen; 
aber xum wiberftanbSlofcn gebitlbigeit Ceibeit hatten 
fte feine ffraft. ©iv fehcit hier wd)t beutlid), wie 
wenig wir mit tinfcrent natürlichen ©iitincineit bem 
©erm xu bienen im Staube ftnb. Ohne eS xu 


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556 


SoMitagfdjuUjMittonem 


ahnen, traten SBetru3 unb bie 3uiifler hier bem ßott- 
licben 8iebe3ratb gur Srlöfung bet ÜRenföen cnt= 
gegen. 9lber ber ©err, bei* alte unferc gutgemeinten 
ojcblgriffe wicber gut gu machen weife, legt fid) aud) 
ftier ut'3 ^Mittel, foeüt ben vermunbctcit iatedtt unb 
wer weift $etro feinen ungeitigeu Sifer (8uf. 22, 51; 
SKattl). 26 , 52 u. 53). 

8. 48 u. 49: Sladjbem er bann fein ©eilungS? 
wert — ba3 lefete wäbreitb feiner irbifeben Saufc 
bahn — vollbracht batte, hielt er feine beitiaen 
©äitbe willig bin, fie binbeit git Jaffeit mit ®erbre= 
cberfetten. UnD bie Seinbe ergrifrcit fie unb banbeit 
fie, bie immer nur gitui Sßobltbuit fid) auSgeftredt 
batten. 2Bie bewährt ficb hier ba3 Svritdjwort: 
„Unbant ift ber 2Belt 8obu." SGBcnit bir ie 9(ebn= 
liche3 wibevfäbvt, wenn beine reinften 9lbfici)ten ver= 
fannt unb beine 28obltbaten mit fdmöbent Unbant 
erwibevt werben, bann tröfte btdj mit beut ©ebanten, 
bafe beinern ©eilaub feine Siebe nodj uicl übler ge= 
lohnt worOeit ift — gu beinern unb aller 9Rcitjcben 
©eil. Surd) bie üBovte: 3br feib au3ßc- 
A a n a c li u. f. w. fud)t 3efu3 feinen fjeinben ba3 
©ewiffeit gu wedeit unb tie gu ber Srfenntnife gu 
bringen, bafe fie fid) au einem Unfdjulbigen x>evarif= 
feit haben, beiten beilige3 8eibcit fdjon von ben $ro' 
Theten (befouber3 3efaia3 $?<\\>. 53) geweiffaßt wor¬ 
ben. 9Sag bie3 SBort vielleicht Siitgelue ginn 92adj= 
benfen gebrad)t haben, für bie große Sütehrgabl war*3 
uinfonft aerebet, unb verhallte wirfuitß3lo3 in bem 
8ärm be3 (eibenfdjaftlicheit ©affe3. 

III. $ie JJludjt ber ^iinaer. 08.50—54). 8. 
50: 92uit aetefeabf iva3 ber ©err oorberßefaßt batte: 
bie 3unßer ärgerten fich an tbut. Sie tonnten fid) 
nid)t barein finbeu, bafe er fid) ßebulbiß wie ein 
8amm gur Scbladjtbanf fuhren liefe. Sie batten fidj 
ben 9lu3gaiiß ßar aitber3 gebadjt. Se3 ©ernt @e= 
bauten ftimmten niefjt mit ihren ©ebanten, barunt 
gaben fie nun 9llle3 verloren, verließen ben 
©errn unb flohen. Schauen wir in ben 
3 ungern unter Silb. 9(ud) wir äraern ttit3 oft an 
bem ©errn unb werben irre, wenn er un3 28cße 
fuhrt, bie unferem 8erftaubc unbcßrciflid) unb un* 
fereni Sinn guwiber finb. 9ld), bafe wir c3 bodj 
einmal lernten, bafe ®ottc3 ©ebanten höher finb, 
al3 unfere ©ebanten! 

8. 51 n. 52: Ser 3unglhtg, von bem in 
btejent SBcrfc bie 9tebc ift, wirb von ben nteiften 
Sd)riftau3leßcrn für9R.n*fu3 felbft ßebalten, weil 
er allein biete3 Umftanbei erwähnt. ©3 ift wohl 
ntößlid), bafe ihm bie Sriitncrung an bie erfte 3Ser- 
folßuitß um be3 ©errn willen io tbeucr ßewefen ift, 
bah er c3 nid)t bat unterlaßen' tonnen, ihrer aud) 
in feinem Svaitßeliuut mit Sauf ßeßeit ben ©errn 
gu gebeuten. 


8.58: ©ebunben loie ein ßemeiner Serbredjer, 
würbe nun 3efu3 gu bem © o b e n p r i e ft e r ge= 
fübrtr gunächft gu ©aitita3, ber feiltet 9lnite3 
entfefet worben war, aber trofcbem bei bem SSolfc im 
böehften Slnfebeit ftanb, unb bann gu ß a i p b a 3 , 
weldjer fogleid) nach ber ©efanßennebmuitß 3efu 
eine ®erfammlunß be3 @t)iiebrium3 gufantmenbe= 
rufen batte. 

8.54: 9113 man ben ©errn im ©arten ©etbfe- 
maue ßebmtben batte unb nun fortfubrte, war mit 
beit itbrißen ?|uuflern auch ® e t r u 8 ßefloben. ®cr 
fleifd)lid)c 9)iutb, ber ihn eben itod) batte ba3 
@d)wert sieben laffeit, war balb ßcfunfctt uub batte 
einer ebenfo ßrofeen ®ergaßtbeit$(afcßcmacbt. 2)od) 
befanit er ftdj halb wicber, nur) febämte fid) feiner 
@d)wad)beit. Sr ßebachtc wohl feine3 9Bortc3: 
„3ch bin bereit, mit bir in ben Sob git flehen!" Sa 
erwachte ber Shrßeig in ihm, er wollte hoch SMedjt be= 
halten wiber ben ©errn, unb biefer füllte feben, wa3 
er an feinem $etru3 habe. So tebrte er benn gtt= 
rüd, unb f o l ß t e e f u o o n S? e r n e n a d) 
in ben hohe$rieftcrIirf>en $alaft. Sort 
fette er ftch gu ben gfnedjtcn be3 ©oben^ 

i) r i e ft e r 3 unb wärmte fid). 2Bie er vorher bem 
©errn nur „von ferne" ßefolßt ivar, um nid)t et> 
fannt gu werben, fo fudjt er aud) iett e3 forßfältiß 
u verberaen, bafe er ein 3uitßer 3efu war. 3a 
eine 9lbfid)t ßiuß offenbar babiit, vor ben Solo- 
liitßeit fid) ben Sdwiit gu ßeben, al3 gehöre er gu 
ihnen unb tbeile ibrcöcfiuttunßen ßeßeit ben 9?aga= 
rcitcr. ©ientit batte feine 93crleußitunß eißentlid) 
fd)oit beßoitncit. 9ld), ivie oft fallen wir in biefclbc 
Suitbe, inbem ivir in bie ©efellfcbaften von ©ott- 
lofeit ßeben unb hier un3 ben 9lnfcheiit geben, a!3 
feien tvir and) nid)t foldje ffotfhänßer, bie feinen 
©ifterg verftänben, unb nun in ihren SEcn iveiblid) 
mit einftimmen! Sann folgt aud) bei un3, wiebort 
bei $etru3, aar leicht auf bie innere auch eine 
grobe offenbare Serleugnung, unb wir tragen 
JBunbeit bavon, bie tvir gcitlcbcn3 fühlen muffen. 

Xityofitfott* ®on beit ©inberniffeit ber 
t r c u e n 9t a d) f o l g e 3 e f tu 

1) Sic unberechtigte iBcnütung be3 Shriftcitna- 
men3, wie tvir fie febeu bei 3uba3 unb bei ben 9!a= 
mcnd)riftcn, bie vor ber 2Belt al3 Sbriftcn gelten 
ivollcn, aber in ihrer ©euebelei vor bent ©errn offen¬ 
bar futb. 

2) Ser tböridjtc SQBabn, mit fleifd)Ud)cn Sßaffcit 
bie Sadie ßbrifti vcrtbeibigeit gu wollen ( s $etru3). 
Ser heilige ©cift allein famt bie gfirdte Sbrifti 
fd)uteit uub erhalten. SGBcitit wir auf 9)tenfchen= 
traft vertrauen, werben tvir gu @d)aitbeit werben. 

3) Sic Äreuge3fcheu, tveld)er fid) bie 3ünger 
fd)ulbiß mad)ten. 



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ttiponilt b« Srgraioart. 


557 


V 

<fbronik J»er tfegenmart. 


tttfcre SottflrtWtntfftitb nunmehr au ©aitfe, unb 
ruhen mm ben Strapaacn in SBafhinaton auS, ober 
haben fid) mit aüer 5)tad)t in ben SBahlfampf fle* 
werfen. 

Diefer 9SBafy(Catiu>f ift viel(eid)t bic Urfadjc, um 
berenmillen bic Sonflrchffeunfl fo lanae mährte. 
3 ebe ^ßartei mar beftrebt, etwas au verrichten, mo* 
burcC) bte Slufmerffantfeit beS SanbeS auf ftc aerid)* 
tet warb; iebc begiffen, ber anberen einen uKafel 
aufmhänaen. Dcth einer ber beiben »Parteien befon* 
bcrS viel aeluitaen fei, famt nadjflcrabe nid)t flefaflt 
werben. 

Dafleaen hört man bereits von Demofraten unb 
Sepublifanern, bah. bie höfen (Seiner baran fchulb 
feien, bah bent ®olfe bieS unb aud) ctmaS anbcreS 
aufflebürbet morbeu, unb namentlich ift e3 bic 
©teuerfrane, bie viel 9tebe unb ©eflcitrebc verur* 
facht, beim iebe Partei fchiebt ber anbern bic Sdntlb 
}tt, bah ber 9n traft, bie einzelnen Steuern herabau* 
fefeen, im Senat ließen hlieh, unb fomit ba3 arme 
8 otf noch läiifler unter ber flrohen ©teuerlaft an 
feuhen habe. 

9Bie viel Saft im Salle ber Srniebriflintfl eiitifler 
Steuern abflcnommen morbeit märe, bahintcr ift ein 

e graacaeichen au madieit. Jtim lebten ©runbe 
unS biefe ©teuerfraflc niditS anbcreS }u fein, 
alS ein Dheil beS ÄamvfeS amifeben jfrelbanblcm 
nnb Schubaöllnern. Die festeren baditen, bah bie 
Serminbcruuft ber Steuern fclbftvcrftänblid) aud) 
eine ®erminberuitfl im ©unbcSfcbabamt aur Solfle 
haben muffe, unb fomit an ©crabfefeiutfl ber Bvllc 
nid)t flebacht merben fön ne. 

9(lfo utanöveviren bie Seute auf ben beiben äuher* 
ften Staufen hin unb her, unb — heraus fommt ba* 
bei nid)tS. SDtit biefen Sxtreutiften ift nid)t3 au nta* 
eben. 3eber fteht auf feiner ©laufe, unb hat feiner 
münunfl nad) 9tcd)t, and) wenn barob bie SBclt 
unterftehen feilte. Die meifteu ©ürfler ber ®er* 
einiftten Staaten aber ftitb mebet abfoluteSreihänb* 
ler, nod) befürworten ftc einen unvernünftiflcit 
Schu&ott. Sie miffeu, bah mir ben 3d( nöthifl 
haben, um bie 3i»fen ber ©unbcSfdntlb, Sowie an* 
bere SluSaaben ber ©unbeSreflieruufl au beftreiten, 
unb miffeu aud), bah mir nufere Snbuftrie au fdjfifeen 
haben, {oll fic nidit au ©runbe flehet. 

9 Q?it biefen getiten, tveldw ben flolbenen 9Mittclwefl 
flehen, läht ftch reben. Sie fd)aucu fid) bie Sad>cn 
von allen Seiten an, unb foinmen au billiflcn Schluß 
folflerunfleit. Sic fdjreien nid>t, wie bie extremen 
ftreihäitbler, bah ber 3dl nur ein S d) u b a o 11 
aur ©ereidjermtfl cininer gabrifanten fei, fonbent 
miffen, bah berfelbe bod) aud) micber anberen 8cu* 
teu, unb fclbft beit ganbwirthen, au aut fommt. 
Sieerfenncn aber aud), bah eS ber9leflierunfl t nid)t3 
fdiaben unb im 3ntercffc beS ®olfe3 märe, meftn ber 
übermäSift.hohe SinaaitflSaoll, ber auf einer Sluaaht 
Sürtifcl laftet, erlciditert mürbe. 

Schabe ift eS, bah biefe üRebrheit beS ®o(feS trojj 
ber freiflcmählten ®olf3vcrtretunfl in ber ©efefefle* 
buiifl nid)t flehört mirb; fonbern bah in bcrfctbjcn bic 
beiben extremen Parteien fid) bcfämpfeit, unb bie* 
ienifte bte Dberhanb behält, ivcld)c m 3cit baS 


meifte ©efchid entfaltet, baS mcifte ©clb aufmeubet 
unb beShatb ben bebeutcnbften Sinfluh auSübt. 

$k Äteuerverhältuiffe int entfern ÄeU|. ftürft 
©iSutarcf hat trob beut ffiibcrftanbe ber liberalen 
Partei offen erflärt, bah er ben Äantpf ber ©teuer* 
reform }o lattflc foitfcbe, bis enhoeber er felbft ober 
ber Stcuerexcfutor tobt fei. 6r möd)te foaar bie 
höheren Stäube fomcit befteuern, bah bie ©infom* 
inen bis au 6000 9)larf fteuerfrei feien. ©S muh in 
ber Shat jdjauberhaft aenufl auSfchen, beim eS ift 
feftflcftellt, bah im beutfdjen 9teid) jährlich 1,100,000 
©tcucr*li*xefutionen voraenommeu toerben, ohne bic 
3tvanflSvoUftrcdunflcn, ivcld)c bie ©emeiuben aur 
Öintreibuitfl ber Sommunalfteucr vornehmen laffeit, 
unb iocld)c flar nid)t au taxireu finb, benn att £eit 
StaatSfteucru fouimcn tielSoiumuuaifteuern, meldie 
in ber 9teael cbcnfovicl, au vielen Orten meit mehr 
alS bie StaatSftcuern betragen : Jyfirft ®iSmarcf 
führte folflcnben ®ctveiS bafür c\ti: 

©in 9lrat auS SJitteu a. b. Saar thcilte ihm mit, 
bah ein ihm befaitnicr flcihiflerArbeiter mit ctiva 
800 iDJarf SahrcSverbienft fid) ein flcincS Kapital 
erumrben, unb baffclbe nid)t beffer anlcacu au fön* 
nett fllaubtc, atS inbem er fid) ein.'paiiS baute, auS 
bem er aber jefet faunt bie 3iufcu feiner autonom* 
menen ^vpothef von 18,000 j)iarf herauS|d)läflt. 


®arait muh er aahlen: 

Älaffenftcucr.9M. 9 00 

Sommunalfteucr. 41 40 

©ebäubcftcucr. 40 oo 

Sommunalftcueraufchlafl an bcrfclbcu. . 46 oö 

Äird)cnfteucr. 9 50 


SW.145 90 

alfo 10 ißroaent feines SinfomntenS! SBcnit bei 
äRanit fid) fein ©auS flebaut hätte, fo hätte er im* 
ntcr nod) ®.59.90 au beaableit, alfo 7,4 fßreaent. 
3a cS flibt Ortfdjaftcu, ivo bic Sommunalfteucrn 
fed)Sinal unb nod) mehr betraflcu, alS bic Staats* 
ftcuern. 9iad)einer intereffantcn3ufammcnfte(luna, 
bie mir vorlicflt, flieht eS in ^reuheit 9,155,855 
fteuerpfüchtifle 2Jürfler, ’bavoit fntb 3,931,231 von 
ber Steuer befreit. ®icfe Icbtcrcn finb beShalb ba* 
von befreit, meil ihrSinfommen nid)t einmal bie 
^)öhe von 420 iöiarf im 3ahr erreicht. 9(uf ber er* 
ften ©teuerftufe fteheit mit einem Sinfommeu von 
660—1500 9)iarf nahcatt 2 ^ÖJillioneu 9Jürfler. Sin 
Sinfommeu von 1500—3000 9)?arf beaiehen nur 
376,827, unb ein Sinfommeu von 3000—9600 nur 
155,394, von 9600—36,000 nur 20,000, unb fehl- 
flrohe Sinfommen von über 36,Q00 3)iarf haben nur 
2471 Siürflcr. Daraus erflärt fid), bah ber arme 
9Kann bic flröhtc ©teuerlaft träflt. 3hn bavon au 
befreien, unb bie Saft auf fold)c au leflen, iveldje cS 
beffer traflen fön neu, ift beS 9tcid)Sfanalcr3 Seftre* 
ben. 9ln eine ®crminbeninfl beS 9)?ilitärS ift 
fchmerlid) au benfen — beim Sitropa ift mie ein 
Sultan, ftetS bereit feine fllübcnbe 8ava auSau* 
fpeieit, unb bie Sreiflniffc in 9luhlaub unb ftrranf* 
reich nöthiften Deutfchlanb, auf ber &ut au fern. 


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Chronik ber iejtittiart. 


Xrtttfdje 3otttttaflfdjttlcu in 9ht|laitb. flieht 
hoch nod) ’mao lernte unter ber Sonne: ,,®cutid)e 
Sonutaßfdmlen in iKufjlanb!" 9Bic bat unjer ©erg 
ßejubelt, ate n>ir baoon lafen! stiebt eine bloä ift 
cö — 14 {mb bereite oraanifirt mit 163 Seinern unb 
2U80 Schülern, Seteteburß, bie ©auptftatt be3 
ruifiidjen dtcicbcS, gablt beren ad)t, bie Stabt tftißa 
Pier unb bie Stabte Oiepal unb Seal ie eine. ®ie 
Sutberaner unb Stcforniirten haben bicfclbcn unter 
itucr Oberaufficbt, muüber mir mte bcrglid) freuen, 
©ott jeane bie beutfdicn Sountaßjdmlcn in Hin 6= 
lanb unb mehre bicfclbcn taufenbfältiß! 

Xit iirtjäftrtßr Gitiäitiüti isteffrttuitß bietet 
nebft oielen anbeven Sehcitemürbißfeiten aud) ein 
in uoller Operation beßriffencä Softamt. ®er 
untevnebmenbe Softincifter in Siucinuati bat neun* 
lid> mit ber Öberpoftbebörbc bie Serabrcbuiiß ae- 
troffen, bafe im Sliteftellunßäßebäube ein 3meiß= 
poftamt außeleßt uuirbc, in mcld)cm bem Sublifum 
bie ?lrt unb SBeijc ber ^oitbcfbrberuuß oeranfehau« 
lid)t mirb. 

Xlt iolitif^m Xagelfraßrit finb beute in beit 
Ser. Staaten ßang anberer 3lrt mic oor 10 ober 15 
fahren, su meldjer 3eit man nu: fraßte, bift bu 
®emofrat ober Otepublifaner? 

®ie „Sbilabelphia Hintes" bat beSbalb jebem 
Soiißreb-Saubibaten eine fKugabl fraßen gußefanbt, 
nämlich: 1) SEBerben Sic im »all ber Grmäblunß 
ftr bie ßäujlicbe ?lb)d)affunß be3 Snlaiibflener- 
Spftente, tmlÄitenabme ber Stenern auf aeiftißc 
©eträufe unb SEabaf, mirten? 2) SBerfcen Sie für 
bie Seieitißunß ber 3nlanbfteucrs9lcmtcr cinftehcu, 
»eiche eine jabrlidie Jliteßab: pon 85,000,000 in= 
oolpiren? 3) 3Jcabfid)tißen Sie, menn ermäblt, 
barauf bingumirfen, bap fürberhin ba3 ÜRaubfpftcm 
bcrSartei=9lffcffmcnte im Grinflaiißc mit bem ©cift, 
menn uid)t mit bem Surfutaben, beftebenber ©efefce 
unmöglich merbe? 4) ^Sollen Sie fid) bemühen, ber 
fdmmlofen Serichmenbunß oott 9tcßierunß3ßclberii 
Ginbalt gu tbun unb in bie öffentliche Scrmaltuitß 
bie ftreußftc Sparjamfcit cinguführcn, fo ba& ba3 
Solf ooit ber aeßenmärtiaen unerträßüdjcn Steuer 
laft befreit mirb? 

®iefe fraßen laffeit fid> natürlid) nod) erheblich 
ermeitern unb bie „SimcS" bitte aud) bie Sariffraße 
unb bie Gioilbienftreform in ben firete berfclben 
sieben tonnen. ?lud) mürbe e3 nur ttüplid) mirten, 
menn mau müfete, mie bie ©erren Gonßvcftleute gur 
Semperengfraße ftebeu, obmobl ber Gonarefe feine 
begüßlid)en©ejefec für bie einzelnen Staaten mad)t. 

G# kjitsti Io* ettoo# Sicht gu »erben in Gbiuo. 

®ie faiterlüfte 9teßieruuß bafclbft ficht allmäblid) 
ein, ba6 cine9lbfd)lie&unß ooit ben Säubern (SuropaS 
unb 9lmerifa$ auf bie ®auer nid)t mehr mößlid) ift. 


Grreidit man in 23cguß auf ben Sertebr mit bem 
Slbcnblanbe aud) nod) nicht bie rülnißen Japaner, 
fo finb bod) üeidjen ber Sciicruiiß gu bemerfen. 
©err S*> t j d) a o = 35 c c, 9lttad)c bei ber ebinefijeben 
©efanbt(d)aft in Surte unb per Bürgern gnnt „Offi= 
gier ber Slfabemie" bafclbft ernannt, bat neulich 
einißc Sluffäfee ocröffcutlicbt, in melcbeu er biefe 
ftrebmißen Gbinaä gufammenftcllt. 9Bir entnehmen 
baraite, ba§ (Sbina fd)on icbtbiplomatijd) in Sarte, 
Sonbon, St. Sctersburß, Berlin, 2Bajbinßton, 
9)fabrib, Sima, Havanna oertretcu ift, tbeite burd) 
©efanbte, tbeite burd) ©efdäfteträßer. ^in 3abve 
1877 mürben 30 diincfifdje ?hißcnieurgbßhnße nach 
(S’iißlanb, granfreid) unb ®cutfd)(anb gur 9lite= 
bilbuna aejd)idt, tocldie 1881 gurneffehlten. Unter 
ihnen betäub fid) ©err 2)?a = fiieu = a:fd)unß, ber fleh 
in $av‘te ben ©rab eimte „^badjeliei^ enoarb unb 
baö 9Jcd)teanmalte = ©xamen oorgüßlid) beftanb. 
©eßenmärtiß ftubiren 1 ?lbmival, 16 Offigieve unb 
200 9)catrofcn aite Gbiua in Gnßlaub beffen marU 
time Scrbältniffe. Unter ber Seitiuiß bc^ fort- 
fdjrittlid) ßefinnten SKanbanncn U-ftia-tjd)an t'es 
ftebt gu ©artfovb in ben Scrcinißten Staaten eine 
d)inefifd)c Scbranftalt, bie etma 200 3^alinßc im 
9llter pou 15 biö 20 fahren gäblt, loeldje in freut? 
ben Sprad'en, 955iffenjd)aften uub©emerben unter- 
ridjtet merben. 

Gcihi«4)iim ift eine burd) 92eicbthum be§ SBobcite 
unb ßüuftiße Caße au^ßCocid)nete frangefifche Solos 
nie in i)intcrinbien, mo bie ^vangofeu feit 1867 
herrfd)«!. (Ste geißt fid) hier aber loieber fo rcd)t, ipie 
ßcrinß ihre Sefäbißunß gur Golonifation ift unb 
mie fie onberen Seifern bort ben föanbcl gum 
ten Stbeil übcrlaffen müffen. ^\u ber ©auptftabt 
Saißon, meld)e einen Imports unb G^ortbanbel 
pon iäbvlid) ülcr 20 ^Millionen graute bat, mirb 
bab ©auptßcfdnnft burd) ®cutfd)c, Gnßlänber unb 
Slmcrifancr ßcmadit. 3n riebtißem Serftäubniffe 
beb 9lufidmmnßb, ben ber ©anbei burd) biefe frein* 
ben fiaufleutc ßcnemmen, ift ihnen bie 9i'cßierunß 
fehr liberal entßCßenßefommen. Gin ßleidieö labt 
fid) leiber nid)t pon ber bovtißcn frangefiid)cu Se- 
pölfcruiiß faßen, bie mit neibi)d)en 9lußen nament* 
lid) bie ©vfolpe ber ®eutjd)cn betrautet. 9Bic bet 
eußlifd)c Goniul in Saißon jünßft beriditet, muvbe 
in einer Sifeunß be^ Golonialvatlte unter allßeinei- 
nem Scifall berichtet, bafi e^ ben frangöfifdien Äaufs 
leuten unmößlid) ßemad)t fei, mit ben ®eutfd)cn 
unb Gußlänbcrn im-SUiftcubanbel gu concunircu. 
G8 mürbe hieran ba^ Scrlanßcn ßefnüpft, bicfclbcn 
Pom ©anbei mtegufd)licfjcn. ®er ctißlifd)e Gonful 
fchreibt, bau U'cnn biefe bcbauerlidie ?lbfid)t gur 
Sbat mürbe, ber blühente ©anbei ber Golonic in 
bie ©änbe nid)t ber bortißen Srrangofcn, mobl aber 
in bieieiüßen ber gahircich bort anßefiebelten Sbines 
fen fallen müfjtc. 




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iürinrm Binbr, 


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** 



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560 


fUritum $tnfer. 



bift mein ^teb = ling, bräd) = te nie %a% ^ben bir Slngft unb Sanier s $en, $ßie 

lie * be öott bat fie ge^fanbt, 9JJit bir, mein ttinb, $u f^>ie s * len, D 



gern 

üer'jcfyeucfyt* id) 

ie 

s be 'JJiüfy’ 

$Bon 

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Mutterliebe: 


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*•* “* 





-tms tft bn§ g^riftlfiicTr- nwm — 

b!o§ bic berfönlidjen Gsrlcbniffe, fonbern nnrfiT ffmi i ii m. l. . . . , . ; 

bie allgemeinen (Sreigniffe unb fragen befjan* £>aubtfäd)lidji'te entnehmen. 

beit, ein bebeutungäbofler 93eitrag jur ©efc^idjte 12. 2»uli. 10£ Uhr. Die Diener (bringen bie 

jener Dage. Dreien herauf mit bem SRufe: „Der '^afctja 

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Sin i11uftrirtes Inniilirnblött. 


£r$ttfet j&anb. 


"Jlouember 1882. 




CIcrUtifA Im jUatteYkarze«. ^ 


£jjt \ gum Stafjlftid?. 

/i FlJF^I ^n c ^> ^* c sitcfievt $M(e* 

T: \ C^jvw bcv fie&eit SJtvtttet' 


Riffen ‘l&Z'Osk \wCb ctffe ^tf^e, 
* v { Clffe* ^ietvbe, <M& j|i A*t. 

Cl6 er» eilte fteifge ^tätte 
c 5$.\ :■& bez> l^tuttcr» <||ttt:>t für, oie, 
l 3Jcu iv eie ifview w bet ^tvvbevt 

Oltite ^orgevt f o^tte j^üfv. 

5 p i 11 a. 


Pie Peilung ber Pcutfdjcu in JUejeaiibriett.' 

®au 2»r. @. ®djt??infurtl). 

jtnblich loirb uns über bae ©reignifj, meldjeS , „34 batte mich," fdjreibt ®r. «Sd^Jueinfurt^, 

J® aus bem Soinbarbement StlcranbrienS unS „in bie gut gebaute Sribotmofjnung meines 
i am nädjften berührt, eine ausführliche 3)ar= fyreunbeS geflüchtet nnb uerlebte bafelbft mit 
fteflung geboten, jugleicb burd) ben berufenften anbereit 5)eutfd)en am 11. 3uli cirifot Jag, ben 
©croährSmann, burd) ©. ©cbmeinfurtt), ben ich nie bergeffen roerbe. 2Bir waren bom fßöbel 
berühmten fJteifenben, felber. 3n einem Sörief belauert, ber nach unferm Slut nnb ®ut bürftete 
an feinen 'Umber SKeranber in Dtiga befchreiüt nnb nur burd) ©otteS Jjjjfilfe nnb unter unfäg» 
er feine gefahrbollen Grlcbniffe im tßribathaufe liehen Slnftreugungen gelang cS uns, bie ©treidle 
eines fffreunbee, bie Sebrohung burd) eine aus bem ftanfe su holten, bis eS mir enbtidh ge» 
miitf)enbe SJteuge, baS jroeiftünbige Sorlameit» lang, einen Srief au meinen ftfreunb 3ulfifar 
tiren mit ihr, feine Slettung nad) bem $ofpita( Safcha, ben ©ouberneur bon SUejanbrien, ab» 
burd) Vermittlung beS ©ouberneurS, ben Stuf» jufenben, roeteher roof)l fetbft wenig Utadjt hatte, 
enthaft bafetbft, ben nächtlichen Stbjug ber gan» aber, baS mußte ich, £)ülfe bringen mürbe, Wenn 
jen beutfcheit Kolonie nach bem &afen. lieber» eS mög(id) mar." 

aus wichtig ift baS £d)riftftüd, roeil es nicht Stunmehr folgen mir bem tagebud)artigen 
bfoS bie pcrfönlichen Grlcbniffe, fonbern auch ^Berichte 'Er. 3d)meinfurt()S, Welchem mir baS 
bie allgemeinen Greigniffe unb fragen behan» £auptfäd)(id)fte entnehmen, 
beit, ein bebeutungSOoDer Seitrag jur ©ef<hid)te 12. o.n(i. 104 Uhr. 2)ie Eietter fpringen bie 
jener läge. kreppen herauf mit bem Stufe: „$er ’Safchu 

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Pit JUttung her Bfiitfd|en in JUexanbrtrn. 


56ß 


fornrnt!" 3d) eilt' hinunter, unb fiefje ba, ber 
alte braoe ^ulfifar, gefolgt Bau Salem Safdia, 
2ei6argt be*.> .0 hebio*, 'iibate 33ep unb einem 
Soligei = 'JJlaC'iiuv, tommeit herauf. Sie legen 
fid) unb id) ergäbe ihnen bie geftrigen ©rlebniffe. 
3ulfifar uerfprießt fofort eine Siadje Bon SoU 
baten; aber auf einen ©inrouttb mcinerieits 
ftimmen alle bem Nuthe gu, baß e§ bas befte für 
nn§ märe, tuenn mir uns in baS fjofpitol ber 
Diafoniffinitcn nor bem Woljürrem Set)=Dljore 
flüchteten. 

Saunt ift 3ulfifar fort, fo geht bie Sauonabe 
boit Neuem loS. 3» ber größten £aft mirb einu' 
geS Unentbehrliche gufammeitgepadt. 3m ge= 
fchloffenen äßagen, mit groei uns als befonbers 
guBerläffig aiteinpfoljleneit Soligeifolbatcn er= 
reichen toir glücflich baS Woharreiti Set) = Dhor. 

9öir halten «in ©itterthor beS Diatoniffen* 
IjofpitalS, baS mir Bon ^ßoli^eipoften befeßt fin« 
beit. @S befanben fich gegen 70 Serfonen hier» 
felbft, faft alle Deutfdje, theilS ßranfe unb 2Bäv= 
terinneit, theilS ©efiiichtete, grauen unb Siitber. 
Son namhaften Serfonen: ber Saftor B. Dip» 
pelstirch unb fein Sruber, Sefretär beS ©etteral= 
confulatS, ber emeritirte Saugler beffelben, 
Wanct), ferner leibenb mit feiner Familie, Dr. 
Sulp unb grau. Drei unter ber Sücße befinb» 
liehe Sellerräuine bienten als 3ufI»d)tSftätte gur 
3eit beS SontbarbementS, nnb hier faßen jung 
unb alt, grauen unb Wänner bidjtgebrängt 
nebcneiitanber. Wir toar es, als beträte ich eine 
jener Srtjpten, in roeldjcr bie (S^riftcn bie erften 
3ahrfjunberte fich nor ihren Serfolgent gu fichertt 
mußten, unb baS alte Nleranbria oerroirflichte 
fich nor meinen Nugen. Diefe menfd)enooll* 
gepfropften Sellerrötime boten einen traurigen 
©egenfaß gu ben luftigen Italien unb Stuben, 
roeldje bie Nnftalt ihren Sefudjern in fo un* 
eigennüßiger Söeife gur Verfügung ftetlt, Näuute 
Bott einer Seljaglichfeit, roie lein ©aftfjof in 
©gnpteit ihresgleichen gtt bieten Bermag. 

Die Schmefter Sarbara, liebeBoll, befonnett 
unb feft itt guten roie in böfen Dagen, bot allen 
baS Seifpier eines toaljren ©briftenfinneS, mie 
eS bie Religion ber erften gafjrtjnnberte in fei» 
tter blenbenbeit Neinheit uns Borführt. Da gab 
eS fein SBeljf lagen, feine jngftuoDe Unruhe; fie 
unb alle bie übrigen Sdjroeftern maren leuch» 
tenbe Sorbilber mannhafter ©ntfchloffenljeit unb 
Nnlje. Unb mie mar biefe leßtere foeben erft auf 
bie Srobe geftellt roorben. 

Nm oergangenen Dage, Nachmittags, mar 
eine Bon mehreren Solbiiten angeführte Sanbe 
Bon gegen 100 Strolchen in’S ^ofpital einge» 
brungen, um bie beutfd)e glagge herunter gu 
reißen, melche man ebenfo roie an anberen Stel» 
len als ein Signal für ben geinb betrachten 
roollte. DaS .fraupttljor, eine ©itterthür, mar 
erbrochen roorben, ebenfo bie fefte £>olgttjür beS 


DauptgebäubeS, unb ber ^5ö6el erfüllte bereits 
ben itoupteingang im 3mtern, als man Bon ber 
Urfache biefer ©eroaltthat Sunbe erhielt. Ueber 
$>alS unb Stopf toar alles in ben Heller geflohen, 
tno bie Dljür Berrammelt rourbe, nur bie Oberin. 
Schmefter Sarbara unb einige beljergte Wäitncr 
hielten Stanb unb oeranlaßten bie Weute gunt 
'Jtiidguge, nachbetn man fich ihrem Sßillen burch 
Iterabttahme ber glagge gefügt, gubeß bie 
Stanbhaftigfeit ber guten Schtveftern nnb ber 
armen gliicbtlinge follte noch auf eine lange 
toierige Srobe geftelit merbett, unb faum eine 
Stunbe uerftrich in ben fomnteitbett Dagen, tno 
nid)t ein bie ©emütljer beroegeuber Sorfail gu 
Bermelbeit gemefett märe. 

2 Uhr Nachmittags. @S heißt, alle ©intnoljner 
müßten gnr Stabt hinaus, bie gufammen» 
gefd)offeu unb Berbrannt werben foü. DaS ©e= 
rointmel am nahen Sahnhofe, auf beffen äußer» 
ftett ginget bie bem |>ofpital gegenüber ein» 
münbenbeit Straßen gulaufen, muß alles Waß 
überfchreiten, nach bem gu unfern Ohren Bott 
baher brittgenben Sraufett Daufenber Bott 
Wenfchenftimmen gu urtheilen. DaS gefammte 
©ifenbufjnmaterial ift in Dßütigfeit unb ftunben» 
roeife merbett neue 3riiqe abgelaffen. Nud) bie 
große aus ber Stabt fliboftmärtS hinauSfüljrenbe 
Öanbftraße beS Woharrent Set) = DhoreS, an 
welcher baS ßofpital liegt, toimmelt Bon glüd)t» 
lingett aller vlrt. NlleS rennet, rettet, flüchtet. 

Die Stabt ift Bon regulären Druppen geränmt 
unb nur Soligeifolbaten unb Biele Deferteure 
finb gurüdgeblicbett, um bie Slünberung gu lei» 
teil. Um ben Söbel nod) gu Berftärfen, hat Nrabi 
bie ©efängitiffe öffnen laffen. Nud) finb bie 300 
Born 11. 3tinijf)er infolge beS ©emeßels in |)aft 
genommenen Strolche in greifjeit gefegt morben. 
Untere Soligeimache hat fich aus bem Staube 
gemadjt. DaS Dhorgitter muß burch ©Hißen 
befeftigt roerbeit. ^ 

6s Bergehen menige Stunben, unb halb be= 
bedt fich bie Straße mit neuem Solf. DaS finb 
nid)t mehr bie Bor bem Sombarbentent gließen» 
ben. Danfcnbe in bid)tgebrängten Schoaren 
eilen an uns Borbei, itt allen möglichen 9luf= 
giigen, gu guß, gu Sfrrbe, gu SBagett, auf ffar» 
reit, mit @feln. NfleS fcßleppt Sadete mit fich, 
in Deden eingcljüllt unb itt Sädeit baS ge» 
ftoljlene ©ut. So geht eS fort ben übrigen Stell 
beS DageS bis guin ©inbruCh oöüiger DunfeU 
heit. ©S finb nicht mehr gliidjtlinge, fonbern 
eileitbe Diebe. 

4 Uhr Nachmittags. Die Nufrequng bei uns 
ift groß, ba mir nur menige eingeborene Diener 
gnr Seröachung beS Bon ben Soligiften Berlaffe» 
nen DhoreS gu unferer Serfügung haben. Die 
©ilenbeit finb aber fo feljr mit ihrem DiebeSgute 
befd)äftigt, baß cS feinem einfällt, baS |)ofpital 
gu beläftigeit. Niemattb blidt gu uns hinauf, eS 


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Jlie jfettung ber Peutfdjrn in JUexanbrien. 


563 


ift, als ob baS |>ofpital eine Sarnfappe aufgeteßt 
hätte. 6S ftept unter bem ficfjtbaren Schule beS 
'älflmädbtigeu. 

13. Iguli, 5 Upr Nachmittags. ©in unerwar* 
teteS ©reigttiß tritt ein: StaötwärtS eilen auf 
ber Straße Neiter bahnt; icp erlernte in ihnen 
bie fieibfaroaffen beS ffpebibeS. Ntit gejogeitem 
Säbel eilen fie bahin unb an ber Spiße berfclben 
roehen weiße gapmpen; bann folgt bie berittene 
fieibwaepe, bie Neoolber in ber Necpten, unb 
fdjließliih iin offenen ©Jagen ber ffhebioe felbft, 
ipm jur ©eite Serwifcp ©afepa, ber türfifd^e 
Sommiffar. g<p reiße für einen Htugenblicf bie 
geitfter auf, rufe £>urral), unb idj grüße, bis ber 
ffpebibe entporfepaut unb mich erbtirft. ©S fom* 
men noep brei edaatslaroffen mit ber ©emnplitt 
be§ ffpebibeS unb ben übrigen grauen beS .fjof* 
ftaateS. 

3<p hatte gleich erfannt, baß bie Weißen 
gäpncpeit nur ben fremben Gruppen gelten 
tonnten, nicht bem ©öbel, ber bie Straßen 
SlcranbrieuS iitne hatte; fo entfcploß ich mich 
l’ofort, eine ©otfepaft au ben ff pebibeit gu feitben, 
ihn um £)ülfe bei ber bebrängten Sage bcs <£>ofpi= 
ta(S anrufenb. gip richtete ben ©rief an beit 
©ouoerneur 3ulfifar. 

ffauin ift ber ffhebioe oorübergefahren, fo 
bietet fich meinen ©liefen ein Nitblicf bar, ber 
mir einen Nugenblicf baS ©lut in ben Nbent er* 
ftarren machte. gip fchaue borfieptig burch bie 
®laSfcpeiben jwifepen ben Stäben ber aefcßloffe* 
um galottfien piitburcp in ben ©arten hinunter: 
ein ©olbat ift bafelbft eiugebrungen unb rietet 
fein ©etpehr auf ein genfter beS £>ofpitalS. 
Saib, ein getreuer Wiener beS (eßteren, ftept 
baneben, ftarren ©licfS, wie eine Statue. 3cp 
fann niept hören, roaS er fagt. Nacp einer Nti* 
nute ängftlicher ©Wartung (ehe ich, wie beibe 
Pint Shore fcpreiteit. geh fpringe hinunter, um 
3 ii feheit, roaS es giebt. Scpwefter ©arbara ift 
hinausgegangen jur ©efcpmichtigung beS ©in* 
bringliitg’s. ©r hatte nach bem ©elbe beS$ofpi= 
ta(S gefragt, wollte einen ©atfcpifd) erpreffen, 
bebroijte jwei ber Sieiter mit ber Flinte, ftpließ* 
lieh bettelte er um ©rot. NlS ihm folcheS gereift 
toarb, biß er hinein wie ein hungriger SQÖolf- 
SRatt gab ihm jroei Spaler unb er ging öon 
bannen. Siefe 9trt, ihn nt beförbern, war burep 
bie Umftänbe geboten. Ußie leicht hätte fiep ein 
Sluflauf auf ber bon Ntarobeuren aller 9lrt 
tt>intmelnben Straße hüben fönnett, unb bann 
wäre eine neue gnbafion in baS £>ofpital ju be= 
fiircpten gemefen. 

7 Upr Nachmittags. Ser Siener ift gliicflicp 
hiS jum ffpebibe borgebrungen, hat feinen 2Ba= 
gen ereilt unb ipm mein an ben ©ouberiteiir ge* 
ricpteteS Schreiben jugeworfen. Ser ffpebibe, 
naepbem er baffelbe gelefen, riß ein Stücf unbe* 
fepriebetten ©apierS ab unb feprieb mit Sleiftift 


eigeupänbig barauf: „Ser ffpebibe roirb Srup* 
peu feitben, unb fpäter fötttten Sie in Sicher* 
| heit gebracht werben." 

i 14. guli. Sie eghptifcpen ffabaüeriften, bie 
uns ber ffpebibe gefanbt, fittb um 4 Upr 15 Nt in., 
beim erften ©rauen beS NforgenS, abgewogen, 
I unter bem ©orwaitbe, fie müßten ipre ©ferbe 
füttern, ©rfaß warb niept geboten. 

5 Upr 30 s JNin. ftunberte bon Strolchen, mit 
ff niittelit bewaffnet, lebig einher fcpreitenb, fönt» 
men ftabtwärts bie Straße entlang, unt neuen 
Naub ju palten. Ntan fiept unter iptien immer 
noch bte befertirten Solbaten, NJarinefolbateit, 
©olijifteit unb Nluftafafin. Scpwer belabene 
©epäcfmogen giepen gleichfalls ftabtwärts ein» 
per. Sille palten weiße [yupnipen itt ben &ätt* 
ben. Nt an fiept Ntänner unb grauen, begleitet 
bon ffinbern jebeS NlterS, auf ber Straße 
ftabtwärts jiepen ; alle palten fie weiße geipn* 
cpeit, weiße Sappen, fa, felbft ©apierftücfe in Mt 
Rauben. 

7 Upr NiorgenS. ©S ftepett fepon wieber brei 
neue öäufer in ber näcpften Umgebung in ©raitb. 
SaS geuer glimmt im Innern langfam fort. 
Ntan fiept, hier fehlte es an bem itt ber Stabt 
üblichen ©etrol pr Nacppülfe, bettn bie Sauart 
ift wenig poljreicp. 

10 Upr. geh fepreibe bieSmal birelt an ben 
ffpebibe, banfenb für bie geftrige £)ülfe, aber 
auep baS gortbleiben ber gegebenen 2Bacpe be* 
flagenb. 3cp berichte bon ber unS umgebenbeit 
geuerSgefapr unb ber anbauernben ©liinberung. 
Ser ©ote, einer ber arabifepen Siener beS^ofpi* 
talS, war gefdjicft genug, bis ju Sr. £>opeit int. 
©alafte bon 9taS=el=Siit borjubrittgen. Sottino 
©ep, ber jweite ©erentonienmeifter, berfpraep 
balbige ^)ülfe. 

10 Upr 30 Ntin. SaS 4>anS gegenüber ber 
fflinit beS ^ofpitalS, eines neuen NnbaueS ant 
^auptgebäube, ber bis an bie Straße reicht, fiept 
in glommen unb brennt fcpneller als bie früher 
boin geuer erfaßten. Söafferpuntpe unb (Sinter 
aller Nrt werben in ©ereitfepaft gefeßt. 3um 
©liicf gewähren bie ©reite ber Straße unb hier 
bicptbelaubte Nlleebäiitne einigen Scpuß. Nticp 
bie Nebenpäufer werben bom ©ranbe erfaßt. 

2 Upr NacpmittagS. ©in egpptif(per Cberft 
fommt bont ffpebibe unb rneibet bie jur ©e* 
waepung beS ^)ofpitalS beftimtnten Neiter an. 
Siefe follen burep gnfanteriften abgelöft werben 
unb jiileßt würben preußifepe Nfarinefolbntett 
lomnien. 

3i Upr. ©urrap ! 100 englifcpe Solbaten 
jiepen borbei, fanaltoärts. 2öir rufen unb Win* 
len aus bem genfter, fie fepen hinauf, nehmen 
aber taltblütig feine weitere Notij bon uns. Sie 
Spore finb jeßt bon englifepen Sruppen befeßt. 
geßt beginnt ein ftarfeS gapren ftabtwärts. 
SBagen boüer ffoffer unb ©epätf brängen fiep 


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564 


fit Jtettung bet ftutfdjtn in Ultsanbritn. 


mif ber Strafte, ebenfo grauen unb ftinber in 
bicftten cdjnim'ii, als gelte eS eine ^rojeffion, 
mit 3 ?ähnchen, Sappen mtb Sopierftüden in ben 
Rauben. Das evfte Dampffdjiff ift eingelaufen 
mit beit leftten ft-liichtlingen, unb fünfsebn eng* 
lifcfte Herren oon Danbjore tommen, uns ju be= 
griiften. ©rofte ffveube. 

6 llfjr Nachmittags. Die Sreufeen finb ba! 
Otfle ^nfaffen beS £ofpitalS, jfronfe, ©efunbe, 
alt unb jung, eilten in ben ©arten, fie 311 be* 
prüften. ©S finb 22 Nianit Sanbungetruppen 
i)on S. Nt. Schiff „ftabicht" mit 2 Unteroffi* 
jiereit nnb fommanbirt Pom $apitän*Sieutenant 
oon Srittwifc. Sie werben in brei Soften um 
baS £>ofpita( oertbeilt. Nach lancier 3eit wagt 
man wieber 31 t finden. 3 > im Nbenbgebet wirb 
baS Sieb „Nun bautet alle ©ott" angeftinunt. 

15. Die ©nglänber hoben mit ftödftft 

ungenügenben Streitträften bie grofte Stabt, bie 
nun 311 swei Dritteln einem roudjenben Nfdjen« 
baufen gleicht, befeftt. Nteljr als 6—700 Ntann 
follcu nicht Derfügbar gewefen fein, obgleich 
jebermanit weift, baft fie am 5age beS Sombar* 
bementS über 15 .QriegSfdjiffesu Derfiigen batten. 
Söären fie gleich am Sage, ba bie egpptifdjen 
5rtippen bie Stabt geräumt, eingerücft, Sranb 
tttib ^liinberuttg butte ihr Durchaus erfpart biei= 
ben miifjeit. ^ebermattn. ber hier geblieben, 
oermutbet in biefer in ber ©efcfticftte ihresgleichen 
fucbeubeit f^reDelttjat irgenb einen Streif per* 
fiber (flolitif. Nugenseugen beftiiti^en, baft . bie 
Ntorbbrenner mit ihren tßetrolemnDorrätben 
ängftlidj auf bie erwartete Snnbung ber Sriten 
geachtet, baft fie ihr DerberblicheS 5reiben erft 
in’S Sßerf gefeftt hätten, als bie Sefiftitahme ber 
Stabt feiteitS ber ©nglänber nicht mehr mtmittel* 
bar brohte. SöeSpalb haben bie ©nglänber bur<h 
foldjeS 3ögern bie 3frftörnng s 2tIciaitciiettS be= 
abfichtigt? NtinbeftenS 10 Stiüiouen ^}fb. Stert, 
europäischen ©igentljumS finb hier biefer Neu* 
gierbe 311111 Opfer gefallen. ©S mar ein feiger 
iilampf Don 150 gigantifchen 3erftörungSwerf= 
3 eugen gegen ein fjoibeS Duftenb halbwegs eben* 
bärtiger egpptifcfter SBoffen. Die 3erftörung 
ber egpptifcheit fjorts war eine biii. v auS nnniiftc; 
Denn bie englifcpen Sdjiffe, ftärter als biefe, hat* 
ten and) ohne ffanonabe fidler ihre Struppen an 
ber fo fd)toacb Dertpeibigten ßiifte lanben tönnen. 
Slrabi Dcrfiigte hievfeibft IjöchftenS über 5000 
orbentlicher Druppen, nicht über bie 15,000, 
Don Denen englifcpe 3eitungen geträumt'hüben, 
um baS Nerbienft ber SBajfeuthat gröfter 311 ge* 
ftalten. 

7 Uhr 30 Ntiit. NlorgenS. Der beutfdje ©e* 
iieraUSouful, SBaron Don Saurnia, foinint mit 
ber abDfcitben Ntannfcbaft Dom „föabidjt." SOßir 
gehen, Don fünfsehn Ntann beutfdjer SanbungS* 
truppen begleitet, in bie Stabt. Unbefdjreiblidj 
ift ber Nitblid ber Straften, raucheitbe Stein* 


häufen berfperten fie barrifabenartig ober eS 
bebropen fie bie febmantenben Stauerrefte ber 
Käufer. £)ier glimmen bie Salten, bie fiep im 
Tunern angehäuft. Dort fcftlagen noch neue 
flammen empor. Oaswifcften unüerfehrte £>au* 
fer, aber gefepwärst unb fepon Don auften baS 
SBilb gretiseulofer 3 erftörung in ihrem Tunern 
Derrathenb. Nuf bem Sflafter liegen Scherben 
aller Nrt, ©olbrapmen, Raufen uiitereinanber 
Detwidelter Stoffe ber mannigfoltigfteii Nrt, 
Seichen! Die Dobten lagen ©nippciiweife. 3n 
Dielen Straften ift ber ©eftant unerträglich, beim 
aufeer ben frei umberliegenben Seichen fteden 
Diele unter ben Drüininern unb werben erft nach 
langer 3eit bcratiSgesogcu werben tönnen. St an 
tann annehmen, baft stuei Drittel aller enropäi* 
fd)en ©äufer Derbrannt finb. 

2 Uftr Nad)mittagS. Scunruhigenbe Nach* 
richten löfen wieber einmal bie fo sutraiilichen 
ber Icftten Stunben ab. Saron D. Saurnia, ben 
in ber Stabt uerbreiteten ©eriiebteu Don einem 
#eranriideu NrabiS Nechnung trageub, beftept 
Darauf, baft auf bie erfte .duiibe Don einer ber* 
artigen Semegung hin bie Snfaffeu beS beutfcheit 
^ofpitalS fich fofort unter Sebedung ber See» 
(eilte nach bem £>afen su begeben unb baS £)auS 
311 räumen hätten, ©riechen unb 9tuffen hüben 
in ber Stabt Söfcharbeiten begonnen mtb 
fämpfen oeruiittelft Dampfpumpen unb Dp* 
namitfprengung gegen baS weitere Sorbringen 
beS oerbeereitben ©lemeutS. Die ©ngläitber 
thun nichts. 

6 Uhr Nachmittags, ©inige ber Unfrigcn, bie 
in ber Stabt waren, bringen bie bafelbft Der* 
breitete Nachricht 311 m £ofpital, Nrabi werbe 
mit 10,000 Staun wieber gegen Nleranbrien 
Dorriiden. Ntan ift in grofter Aufregung. Sier 
Dierfiftige StBagen finb geniiethet unb müffen im 
©arten Dor bem fmfpital holten, um im Noth* 
fade bie Schwächften aufsunehmen. 

9 Uhr 30 Wimiten. SiscconfuI ©elb'g fommt 
Dom „Habicht" im Aufträge Sarou D. SaurinoS, 
ber wegen ber bebrohten Sage beS -tiofpitalS fehr 
beforgt ift. 311 ber Dhot feftt biefelbe baS Dia* 
fonifienhauS ber ©efabr aus, im Qfalle eines 
feinblichett Eingriffs mitten unter baS geiler ber 
tämpfenbeu Parteien 311 gerothen. ©S ift 1000 
Schritt® Dom Dftor Stoharvem Sep entfernt. 
Der |>err SSisefonfuI tfteilt uns mit, ber englifche 
Nbmiral höbe erflärt, baft feine Druppenmacht 
wahrfdeinlich nicht ansreichen werbe, um einem 
Nugriff NrabiS 311 wiberftehen, er werbe fich Diel* 
leid)t genöthigt feljen, bie Stabt 311 räumen.' 
©ine Dom Sorb beS „fpelicon" auffteigenbe Natete 
fofl baS Signal 311 m Nüdsug geben. Nfsbaun 
fo%n fich bie Schweftern mit ben Uranien ltub 
allen übrigen 3'ifoffen beS ©aufcS nach bem 
£>afen unb an Sorb beS „Habicht" begeben. 
Schwefter Sarbara sögert nod) mit bem ©nt* 


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Pie Jtettung bet Jüutfdjen in JUexanbtien. 


565 


fcpluffe. SSorläufici merbeit einige nicht gunt 
beutfcpen Äranfenfjaufe gehörige Patienten mit 
ben 'Sagen fortgefcpafft, um fte an bad franjö« 
fifche unb an bad griecpifcpe {mfpital, beibe inner» 
halb ber Stabt gelegen, abgugeben. 

1(5. 3uli. Sie Pacht brach mieber ein unter 
banger ©Wartung beffen, road nun tommen 
werbe. Pld um 1 Uhr bie Dom tommanbirenben 
englifcpeu OffigierberSporbefaßung üerfprodjeite 
Patrouille beim ^ofpital noch nicht eingetroffen 
war, mürbe unfer Lieutenant fepr unruhig. ©r 
fchicfte mich mit groei anberen Herren unter 33e= 
becfnng and Spor, wo mir an ben Stomman» 
birenbeu, Kapitän GampbeU, folgenbe Fragen 

S u richten hotten: So flehen 3h« üußerften 
3orpoften? Sorauf ftüßen Sie bie Pngabe, bah 
Sie bad £>erannapen bed gfeinbed auf 4 biö 5 
Stuubeu Doraudgufepen oertnögen? Sedpalb 
ift bie Derfprocpene Patrouille audgeblicben? Sie 
Pntmorten maren fehr ungenügenb, Porpoften 
waren gar feine Dothauben, itnb auf meine 
[frage, ob benn ber ffanal befeßt fei, hieß e§, ber 
gehöre nicht gu feinem ©egirf! 

©d ftellte fiep h«raud, baß bad ^ofpital ber 
Dorgefcpobenfte punft mar unb biebeutfcpe Sache 
bafetbft, biefe Pacht aud 15 Ptanu gebilbet, im 
fchlimmften [falle ben erften Stoß audgubalten 
haben mürbe. Ser englifcpe Offizier erflärte, 
man habe bie ©efeple geänbert, er oerfiige am 
Spor nur über 100 Pcaitn unb nüiife fich im 
Potpfalle auf bad nahe, feit bem Ptorgen bed 
15. befeßte Fort ©affareUi gurüdgiehfii. Pld 
Lieutenant Schönfelber biefe Padjrichten erhol» 
teit hatte, mar er entfcploffen, auf ber Stelle bie 
Dom Puron d. Saurma für ben (fall erhaltenen 
©efeple gur Pudführung gu bringen. 

’^Sad £>ofpital marb innerhalb einer halben 
Stunbe mit ber größten Orbnung geräumt unb 
bie Schmeftern leifteten Sunber mufterhafter 
Pupe unb ©ntfchloffenpeit. Selten mopl hat 
«ine ©efellfchaft, bie in ihrer Ptitte einige 40 
ff rauen unb mehrere flinber gäplte, eine Derartig 
Dollfommene Sidgiplin an ben Sag gelegt. Sad 
Auftreten bed Lieutenarttd hatte alierbingd einen 
großen Pntheil au biefem feltenen ©rfolge. 
Schlimm mar ed nur, baß ber bieptgebrängte 
3ug mit ben üier Sagen fich in gar 311 Schnellem 
Ptarfcpfcpritt fortbemegte. Sie ein ©lod rollte 
«r gunt Spore hinaus. ©d blieb nur ber eine 
Shormäcpter gurücf. 3<P gitterte für bad Schief» 
fal bed Derlaifenen ©ebäubed, ba bei ber Pach» 
barfdjaft ber Don Saufenben Don Strolchen unb 
Plünberern beroohnten flanalgegeitb eine Pud» 
räumung bed 3 n °entard im ^janbumbrehen er» 
folgen tonnte. 

Öalbroegd gmifepen ßofpital unb Ptoparrem» 
©«ij = Spor befinbet fiep ber Piabuft über bie in 
«inem tiefen Sefilee eingefenfte ©ifenbapn, bie 
uh rechts norbofimärtd Dom Seae hingiept; ba» 


hinter auf ber gegenüberliegenben Seite erheben 
(ich bie fteilen ©öfcpuitgen bed Forts ©affareUi. 
Saum hatten mir bie Uebergangöftelle erreicht, 
ald fich 00 m [fort bad ©efnatter eineö Pti» 
traiüeufenfeuerd Deritehinen ließ unb gleich bar» 
auf fielen aud ber ©ifenbahnfcplucht einige gmau» 
gig fchueü fjintereiuanber abgegebene Schüße, 
bereu 3 '«tf<h«ibe bie roeißen ©eintleiber uitferer 
Ptarinefolbalen barftellten. ffein Schuß traf, 
nur Steine an ber ©öfepungdfante mürben auf» 

S eriffen. Sie Schliffe hatten einen gleichmäßigen 
Hang, unb Deshalb nehme ich an, baß fie Don 
eghptifcpen Solbaten mit £>interlabern aud» 
gingen. Ser ffpebio begmeifelte aüerbingd am 
anberen Sage, baß Porpoften Prabid fiep fo 
meit Dorgeroagt haben fonnten. Pielleicpt maren 
ed nur Ptarobenre, bie ed in ber Sd)Iud)t auf bad 
Segfcpießen eingelner Sachen abgefepen patten. 

©d mar buutle Pacpt; ba ftieg bad Pafeten» 
fignal auf. Pun überfiel unfere Flüchtlinge eine 
große Pngft unb alles brängte in Dermeprtein 
Lauffcpritte gum Spore, mo unfere Unruhe burep 
bad tperaudrticfen Don brei Ptitraifleufen noch 
Dermeprt mürbe, ©in Sagen mit*©epäd ftiinte 
um; er marb fpäter noch gerettet. Plö fiep unfer 
Srupp burep bad enge unb bunfle Spor Durch» 
brängte, roobei bie englifcpen Piitraitleufen noep 
im Sege maren, ftürgte eine Frau mit iprem 
ftinbe piit; ber Lieutenant unb jrnei unferev 
Ptarincfolbaten, bie ipr gu £)ülfe fprangen, 
tarnen auf biefe Prt mit mir an bad ©nbe bed 
3uged unb mürben Don ben übrigen getrennt. 
3 <h patte bad fdjmere ftinb gu fdßeppen. 

©ine gute Stunbe irrten mir auf meiten Um» 
megen Durch bie gefjgenftigen, rnu<h«nben glim» 
tnenben, ftiufenben fctraßen. Sie Picptung mar 
mir befaijnt, aber ich Dermocpte feine Straße 
mieberguerfennen. ©nblicp mar bie Pue bed 
Soeurd erreicht, fenutlid) an ben ftepengebliebe» 
nen feften Ptauern bed Lagariftenpaufed. Pon 
hier aud mar ber Seg leister gu finben; aber 
eine Steinbarrifabe natp ber anbern galt ed, 
immer mit bem ferneren Stinbe, gu überfüttern; 
bie Füße bermidelten fiep oft in Dermorrene 
Selcgrabpenbrüpte, ober fie fanfen in ben heißen 
S?alffcputt ein; ba mußte Don Stein gu Stein ge» 
förmigen merben, Safferlacpen, Don geffirengten 
Leitungdröpren gebilbet, maren gu oermeiben, 
bropenbe, oielftöcfige Ptauerroerfe, alle glimmeiib, 
alle rauepenb, gu umgepen. 

©ang ermattet langten mir naep faft gmei» 
ftiinbigein Umherirren auf biefer fcpredlicpcn 
Saplftatt bed Äampfed bei ber Lanbungöftelle 
am ©afen an, unb bereits graute ber Ptorgen, 
ald mir naep langem Sorten enblicp in bier 
Sooten, Don einem (angfamen Safferprahm 
gefcpleppt, bad ©orb bed „Habicht" erreichten, 
iöaron D. Saurma machte fiep gleich auf, um ein 
Schiff gur Unterbringung ber Flüchtlinge gu 


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566 


&iw (inet ottborgeneti (Sdte. 


^mietljen. @r fanb ein foldjc» bei ber egpptifdfen $ie Hßanif unter ben englifdien 39efafeungs= 
®awpffd)ifffaljrtSgefeflfd)aft ber Ätjebimefj unb truppen ber ©tobt war in ber 9?ad)t eine unge«= 
nodjoordRittag waren bie ermübeten fjflüdjtlinge fjeure gewefen. 5lud) bie 9 lmerifaner fjatten bie 
leibtid) untergebrad)t. 9iad)_bem fpofpitale wur= Stabt öerlaffen. 3üm @liid war bie ©efafjr 
ben jugleid) neue 9Jiannfd)aften gefanbt jur ©e= eines Ueberfatts nid)t uorpanben gewefen unb 
wadjung gegen ^lünberer unb eine ber ©djweftcrn am näcfjften 2 age langten enblidj bie erfefjuten 
entfd)lo| fid), allein bafelbft ausjuparren. englifcpen Serftärfungen an. 


Htt0 Hiter verborgene« (fdte. 

i 

SBon %. Sflammaim. 

er Sinn Ijat für bie Schönheiten ber Sta* 1 Spifce ber ßioilifation, unb auf ber anberett 
tur, für liebliche e>een, hohe Serße unb e>eite jene iinburc()brtnßli<hen unb unerforfchten 
mächtige Sßalber, ber fann in jeher £)in= Urmälber, melche [ich bi§ nach (fanaba hinauf 
ficht uofle ©efriebißuiiß finben in bem ßanj in erftredfcn. 

ber norböftlichften (Scfe unfereä SanbeS ßeleßenen J 35er 2 Beß bahin ift ein leichter unb anßeneh* 
Staate SJtaine. 6 tma 250 teilen am 3ttlan« 1 mer. 3$on 33aitßor au§ tommen mir nadh Dier= 
tifchen Ocean^ [ich hinjiehenb, bietet berfelbe I jtünbißer ßifenbafjnfahrt unb nach etma gmeu 
mähtenb ber Sommer* unb £)erbftmonate nicht ftünbißer Suhrt auf bem Sßaßen nach bem, am 
allein manche» 9lnjichenbe für Selche, melche {üblichen Staube be3 See’§ folieblich ßeleßenen 
burdh (Sinathmen ber Seeluft unb burch 3ee= (leinen Stübtdfjen ©reenoille, mit feinen freunb= 
bäber förderliche Srholunß fliehen, fonbern ba§ liehen unb guoortommenben ©inmoljnern. 2Bäh* 
romantifche innere be» Staates, bie Dielen fifch= renb bieö nun mahl nicht unfer Steifejiel ift, fo 
reichen unb flaren Seen, bie hohen unb jum fönuen mir buch nicht umhin, uns hier einige 
Iljcil fef)r [teilen 33erßc unb Seifen, bie ßroßen, iaße auf juhptten unb bie Dielen SeheuStoürbiß« 
buntein äötilber unb manche» Slnbere, gewähren feiten ber Statur in Slußenjd;ein 311 nehmen, fo« 
bem Staturfrcunbe fold)e giiHe be» ©enuffe§, mie in ben ualjcßeleßeneu Aachen unfere Slußel 
baft berfelbe Dolltoinmen befriebißt fühlen muß. auSjumerfen, uni 33emei£ liefern unb erzählen 
@iuer ber beliebteften unb Don Stouriften am 
meiften bcfuchten ^läpc ift ber herrliche SJtoofe= 
beab = See mit bem baran ließenben, ßeßen 
1200 Suß hohen SBerß ßineo. nörblicheu 
iheile be» Staates ließenb, berührt biefer Dier= 

Vß SJieilen laiiße unb achtzehn SJteilen breite I Stoch mehr aber fühlen mir un§ hinßegoßen 
See auf ber einen Seite ßleichfam bie äufterfte * $u ben prächtigen SBafferfällen beö 2MfonfIuffes 



$er ^oofe^cab-Sce bem ©reenbiüe aus gtfeben 


511 tonnen Don unterm reichen ftang Der tebmaa* 
f>aften aineritanifd)en Novellen, lueldje in biefen 
{leinen 9Jäd)en fo jaf)Ireid) finb unb fo begierig 
anbcijjen, baf; man meinen mödjtc, fie warteten 
nur barauf, aefanacn nt werben. 



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Aus einer verborgenen (Mte. 


567 



in ber 9lähe, mooon bic^Ginrooh* 
ner un£ fo Diele» erzählen. Xcr 
ffieg bd()in ift aiuar nidjt lang, 
aber fef)r befc^roerlid). 9tad)bem 
mir längere 3 eit un», unferm 
bienft* unb rebefertigen Führer 
folgenb, langfam burd) ©eftriipp 
unb 23aIb hinburdjgearbeitet I)a= 
ben, merben mir julept reid)lid) 
fiir unfere 9Jtiihe unb bcn Der* 
goffenen ©chroeijj bimh bcn lieb* 
lid;cn 91nblitf Don poci hcrrlidm 
33ü|ferfällen entfcbäbigt. Xer 
crfte fällt ungefähr breijjig unb 
ber anbere eima fünfzig Sfuft, 
mm Sheil fcnfrerf)t unb 511 m 
Il)cil burch SfclfenDorfpriinge ge* 
brochen, milb fchäumenb h^nic* 
ber, mäl)renb bie fd)mar ; ^en Jvel»* 
mänbe an bcn Seiten, iibcrfchat» 
tet Don grollen Sannen, bi» jur 
§öl)e Don hunbert Siijs fchnur* 
gerabe emporftreben, gleid) al» 
molltcn fie bcm ©ifer unb Blutf) 
be£ roilD fd)äiuueubcn Sluffe» 

(Sinhcdt gebieten. 

Xo<h biirfcn mir nicht 9lbfdjieb 
nehmen Don ©rccnDille ohne noch 
bcn Untergang ber Sonne an 
einem Haren Sage Don einer, 
oftlich Dom Stäbtdjen liegenben, 

Anhöhe aus gefehen 311 fyaben. 

Bor un» erftreeft fich in ihrer 
ganzen Breite bie Hare 23 aff er* 
flutf) be» ftiflen blauen See’S. 

3 n ber Scrne, rtörblid), erfpäht ba§ 21uge noch 
fhmad) im ©lanje ber fchnell fich fenfenben 
9lbenbfonne bie Umriffe be» flineo * Berge», 
mährenb überall, fo meit mir fehen fönnen, 


T“cr obere SBaffcrfall. 

Seifen unb Bergesgipfel mehr ober toeniger 
beuilict) Dor un» liegen. 2 lllc* utn uns her hat 
ein erhobenes unb gugleich malerifch * fdum.» 
SluSfchen. Uumilitiivlid) bemächtigt fich unfere: 



Deftlidje öuebt am 'Dloofcl?eab*5ee. 


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568 


Hus einer nerborgenm <gAe. 


ein gebeimuißDolIeS ©efiibl in Anbetracht ber 
©roßartigfeit ber uns umgebeiiben Statur. Die* 
fev unb tiefer finft bie Sonne, fidj in uttbefcbreib* 
lieber Fracht mieberfpiegelttb in ber großen 
SBafferfliicbe, mäbrenb fie noch unb nach Den 
Serben if)re Strahlen enthebt unb biefelben in 
Stacht unb Tuntel einfieibet. Alltnäblig er* 
fpciben mir einen Stern um beu anbern am 
abenblicben £)imtnel, mobureb mir baran erinnert 
mevben, baß ein anberer Dag halb Dabin ift, unb 
mir uns beeilen mäßen, $urürfjufebren ju un|e= 
ren gfreunben, ebe bie ännfterniß ber Stacht b er= 
eiubridbt. 

Abu* fo angenehm auch ber 'Aufenthalt in 
©reettDille ift, unb fo frf)tiell auch bie Dage babin* 
eilen, mir muffen fort oon fy\cx. Verg ff iueo, 
fo majeftätifcb baliegcnb, beinahe in ber SJtitte 
beS See’S, faft ring* umf^loffen oon 2Baffer, 


I ©intergrunb erfebeinen bie ©ebilbe ber SJten* 
i febenbanb fo flein unb febmaeb, baß mir uns beS 
! ©ebanfenS nicht ermehren tonnen, baß nur ein 
Heiner Dbeil jener überbängenben Sfelfenmaße 
I geuügenb märe, in einem Augetiblicf eine Döllige 
3 erftörung ber ©ebäube ju bemirfett, troßbeht 
mir beim näheren Attblicf auSfinben, baß baS 
£>otel groß genug ift, um breibunbert ©äfte be* 
j quent ju beherbergen. Unb au Vergnügungen 
fehlt cs ja nicht. 2iSer teine fiuft bat, Streif* 

; jgtge hinaus in ben SBalb ju machen, ber tann 
baheini im ©efpräch ober Spiel mit 'Anbern fi<b 
erfreuen, 'Aber mer mollte biefe ©elegeuheiten 
nicht bettüßen, entroeber für mehrere Jage uitb 
Städjte Draußen im bichtcn 2‘Salbe gu canipiren, 
ober auf bem glatten Söafferfpiegel in leichtem 
Gattoe ober fernerem Soote umherjufahren unb 
GntbedungSreifen angufteüen, ober 511 fifeben iit 



©«rg Äinco. 


nur Durch eine Sanbenge mit bem Sanbe Der* 
bunben, ift baS 3iel nuferer Steife, mo mir, ab* 
gefdbnitten oon bem Sännen unb Treiben beS 
Sehens, eine angenehme 3eit ber Stube unb Gr* 
bolung genießen merben. 2Sir machen uns beS* 
halb am nächften SJtorgen in aller reife* 
fertig unb befteigen ba§ gierlidje Heine Dampf* 
boot, meines regelmäßige tägliche Wahrten macht 
gmifcbeu ©reenüille unb 23crg Mineo. SSährettb 
unfer 23oot um eine 3ttfel fid) meubet, erblicfen 
mir plößlicb in jebn SAeilen meiter Gutfernuug 
bie table, fteile JJdl’enroanb ber fiiblühen Spiße 
bes VcrgeS ffitteo. 2öie ein mächtiger Stiefe 
liegt er ba oor uns inmitten beS Sees, unb ber 
erftc Giitbrucf. ben biefer Anblic! auf uns macht, 
ift iibermältigeub. SBie mir näher unb näher 
fommen, fehen mir, gerabe am ftußebesVergeS, 
immer Deutlicher bie ©ebäulid)teiten bes ffineo* 
Kaufes, bes einzigen Rotels au jenem Vlaße. 
SStit jener hohen, fd)margen 3felfenmaub als 


; jenen ©emäffern unb gelegentlich Dielleicht einen 
| ^ünfunbgmanjigpfünber mit Singel unb Schnur 
1 aus bem SBaffer }u sieben. Sin 3eitoertreib fo* 
i mie ©elegenheit jur Uebung ber ffräfte unb 
| Stärfung ber SAuSfeltt fehlt es am ffineo nicht. 

' GS ift nicht beftimmt ermittelt, mober biefer 
33erg feinen Statuen hat. Gin alter 3äger, ber 
fchou lauge 3 al)re hier mohnt, tagt uns, baß 
bie Jitbianer, melcbe früher bort lebten, ihm er* 
jähiten, baß bas SBort „ff cito" in ber ^ubianer* 
fpradje „fcharfer Stein" bebeute. Die Cualität 
biefes ganzen Reifens, in ber ©eologie befanut 
unter bem Stamen £)ornblenbe, ift fehr hart, unb 
mufbe biefer Stein mit befouberer Vorliebe gu 
Vfeilfpißen benußt. GS ift beShalb mabrfebein* 
lici), baß ber gegenmärtige Statue beS VergeS Don 
befagtem SBorte abftammt. 

Das Grfteigen biefeS VcrgeS ift nid)t befon* 
berS befchmcrlid), unb inbetn mir höher unb 
höher Himmett, gemährt bie um uns liegenbe 


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569 


♦ Auß einer nerborgenen CSdte* 




Sanbfd^nft uns ftet^ mechfelnbe ©enüffe, bi» mir 
gulept bie ©pifce in einer £>öhc Don etma 2500 
5uß über bem SJteercifpicgei erreicht haben, unb 
uuierni Auge bann ein ^anorama non erlabe* 
ner Schönheit fid) barbietet mohin tnir aud) 
immer unfern Blitf menbeu mögen. 

2Öir müfien nid’t uuterluffcit, bei unferem 
Befudje t)ier eine eigvnthüntlid)e Seifenformation 
in Augenfehein jgi nehmen, meld)e als (Suriofität 
an einer Seite be» Berges fid) uns seiest. Bon 
einer gemiffen Seite aus biefen äfjeil bes Ber* 
geS betrachtet, bemerten mir ein fdjarf aitS= 
geprägte!? unb lebenSähnlicheS 3nbianer=@efieht. 
®e» ernfteu, madjfamen @efid)t» = AusbrudeS 
megen mirb biefe Staturmerfmürbigfeit mit Stecht 
ber „©eitiuS non Jfinco" genannt. 

®ie ^urchttofigfeit bet* Söalbthiere in biefer 
©egenb, bie hoch fouft fo inenfehenfeheu unb 
furdjtfam fiitb, erregt unfere Bemunberung. 
2 öie mir ben 2öalb biirchftreifen, beinerten mir 
rnie Stebfjiihner unb ©khhörnchen ganj gelaffen 
an uns oorbeiljüpfeu ober ruhig fipen bleiben, 
fo bafc mir fie beinahe mit nuferen £>änben er= 
greifen tonnten, mährenb mir auf ber 3Seratiba 
fipenb bemerten, baß ber tiftige $)err Steinecfe 
gud)§ bi» auf einige Suß fid) un» ganj un« 
genirt nähert, menit er irgenbmie einen S/der= 
bijfen erhafchen fann. $ie Bären, meiter im 


(Sin gtua ,ynng. 


$ci Weuiuä v»om JUnco. 

3-nnern beS 2Balbe», obmof)l nid)t gefährlich, 
bringen oft ben Säger in große Stoth, inbern 
fie, angelotft burch Siißigfeiten, Bacfmerf u. f. m. 
im 3elte be» ^äger», in feiner Abmefenheit 
Alles burchftöbern unb oernichten, fobafunanch« 
mat bei ber Stiidfebr beS Jagers baS 3elt um= 
geroorfen unb bet Beben aufgemiiblt ift, mäh* 
renb Biid)feu unb Schachteln ihres 
Inhalte» beraubt, ^erbrochen unb 
gerftreut auf bem Boben umher* 
liegen. 

$em mähren Siebhaber ber 9ta= 
htr ift ber Aufenthalt am Woofe* 
heab^See ein fortmäljrenber ©euufc, 
immer med)felnb unb nie einförmig 
unb langmeilig. £)ier finDet ber 
überarbeitete unb Erholung bebiirf« 
tige Btenfd) frifc^e Suft, gefunbe 
Speife, angenehme ©efellfdjaft, er« 
quidenbe Stil he — mit einem BJort, 
Alle» ba», mas er nötljig hat, um 
neugeftärtt mieber juriidfebren jju 
fönneu in baS 2huu unb Jreiben 
beS Sehen». Sein Söunber bespalb, 
baft bie 3^hl berer, melche borthin 
Riehen, mit icbem Saljre fid) oer* 
mehrt, um für ben ermübeteu $ör= 
per unb ben er[d)lafften (Seift Stufte 
unb ßrholung *u finben, melcheS 
in unferer gefeftä^ftigeu 3^it für 
Biele mehr eine eaepe ber 9tottj= 
menbigfeit als beS SujuS gemor* 
beti ift. 


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570 


©btrlin als J-riebensflifUr. 



fapn ^berliu al$ priebenofliftfr. 

»on 3r. Kiff. 


v roar auch gu 9toß ein ebler fRitter 
unb ein jroeiter 3ietfjen." So be» 
richtet fein »iograph »obemann 
non unferm fjelben 3 o h a n n 3? r i e b r i $ 
Ober (in. 3« wahrlich, ein Jg>e(b unb 
tobeSmuthiger Streiter ift and) er ge» 
rnefen. 3*Dar Ejat er nie mie 3iett)en‘ fein 
Schmert gegücft, um ben tfeiitb feines jr= 
bifcheu ffönigS auf» .fmupt gu fd) lagen, 
aber bas Schmert beS ©eij'teS, bag Wort 
©otteS, bat er gu führen Derftanben als 
ein ©otteSftreiter unb bie @f)re feineg 
himinlifchen ff Önins (jelbenhaft gegen jeben 
feinblichen Eingriff bertljeibijjt mit ben 
Sßaffen beg SichtS. Seinen «chlacfjtplan 
bat »ater Oberlin wie SSatcr 3ietf)en im ®e= 
betsfäm merlein auf feinen ffnieen entmorfen, 
unb „ber »Kürte bort oben" b^t beibeit »unb 
unb Irene gehalten. — »falnt 90 ftebt gefd>rie= 
ben: „Unfer Seben roäbret fiebgig 3ahro, unb 
wenn eg f)ocf) fommt, fo finb es achtgig Sabre." 
»ei reu gelben bat ©ott über biefe» 3iel hinaus 
noch bie 3 C 'I ihrer irbifdjen »ilgerfchaft oer= 
(ändert: beibe finb, 86 Saljre alt, erft ent» 
fdbläfeu. 

9(lS 3ietben roäbrenb beS fiebeitjährigen ffrie= 
geS auf bem $öhepunft feiner Saufbahn ftanb, 
toar bag große, reiche Seben be» groangigjährigen 
Jünglings Oberlin erft in ber ©ntroicfelung be» 
griffen, 91 ber bag finb ja gerabe beg lieben 
©otteg meigbeitSuolte 3Sege, baß er für bie Der» 
febiebenen feiten unb für bie Derfdjiebenen ©e= 
biete beS ScbeitS gerabe bie Wänner fid) ersieht 
unb an ben rechten »lab fteüt, bie er für feine 
groften 3mec!e gebrauchen miß, unb Don benen 
bann noch gufiinftige ©efchlechter lernen follen, 
mie ©taube, Wut!) unb Oernuth gu einem Seben 
üoll felbftlofer Siebe tüchtig machen. 

»der aber nun bie Sdplberung eineg ernften 
WanneSlebenS erioartet, ber fofl im »orauS be» 
ni[)igt fein. 3mar märe Diel Don bem elfäffifdjen 
»farrer im Steintbal gu ergätjten, ioie er bie 
Steimuüfte feiner »farrei, roelcbe nur meitigen 
»emobnent ein fiimmerlid) Sehen' triftete, gu 
einem ©arten ©otteg umgeftaltete, toie er Schn» 
len unb »ereine iu’s Sehen rief, •ftanbroerte 
förberte, feine ©emeinbe in ©otteg 2öort grün» 
bete unb ihnen in febem SÖerf djriftlidjcr Siebe 
tljntfräftig Doranging, — bod) fei euch ha» alles 
für fpätere Seiten unb beffere» »erftänbniß auf» 
behalten. Oamit ihr aber ,,»apa Oberlin" fchon 
jept liebgeminut unb fein liarne euch im @e» 
bäcbtniß unb bergen bleibt, fallt ihr einen gar 
lieblichen 3uß au» feinem Seben hören, einen 


Don ben Dielen, mit benen er fi<b im Sturm auch 
bie £>erjen ber jjugenb gu erobern mußte. 

@s toar im September 1824. Oer 84jäbrige 
i ©reis ftanb, nacbbein er fein frugaleg Wittag»» 
mahl beenbet, in feiner Stubirftube. Oer ©lang 
ber £>erbftfonne brang burch bie geöffneten ffen» 

, fter. lir hatte fid> guin Schlaf nieberlegen mol» 

| len, nun aber bureßfirömte ihn plößlich frifcher 
j Wutl}. Sange ftanb er freubigeit SlitfcS am 
{fenfter. OaS Oorf ruhte fo frieblid), in tiefe 
' Stille gehüllt, gu feinen frühen. 9llleS, mag 
! arbeiten fonnte, mar braujjen im ffelb, mo jeßt 
bie drnte Döllig eingeheimft mürbe. Oer ffrang 
ber »erge, bie bag Oorf umgaben, leuchtete mie 
in lichtem »crflärungSfcheih unb btüber ftanb 
ber £>intmcl fo tlar, bah man faft hätte meinen 
mögen, man jehaue in baS #erg ©otteg felber. 

„»ein! bei folgern Wetter, ba märe eg Sünbe 
ju fchlafen, bu alter, träger ivrili!" rebete er im 
Seibftgefpräch fich gu, reefte bie ©lieber, unb gab 
bann bem im ©arten fpielenben ©nfeltinbe ben 
Auftrag, fcfjnell unten im Oorfe beim Waire 
angufragen, ob er nicht fein »ferb gtim Ausritt 
haben fönnte. (Einige Winuten fpäter ertönte 
aus bem ©arten bie fröhliche Stimme ber @n= 
felin, baß bei bem Waire niemanb gu £>auS ge» 
mefeit als bie alte ©roßmutter, baß fie aber Der» 
fprocheu habe, bem »ferbe Sattel unb 3 ü nui 
anjulegen unb eg in’S »farrbauS gu fehiefen. 
ffaiim batte baS ff inb ausgaebet, als man fchon 
baS fröhliche Sßiehern beS »ferbeS iin .£>ofe 
hörte. Oaifelbe mar geroöhut, baß, menn man 
e» aufgefchirrt unb ihm bie Obür geöffnet, eg 
in rafchem Orab in ben »farrbof lief unb bort 
fein ffommen bnreb lauteg SBiehern melbete. 
„9lur ruhig, mein fjreunb," fagte Oberlin; „ich 
fomme fchon, menn auch u i<ht fo fthnell mie bu. 
Weinen »einen gebenft es fchon länger als ben 
beinen." 3n bem f?lur nahm er ein böljeriteS 
@e[d)irr, fchiittete einige .£>änbe Doll Reifer hin» 
ein; fo, mit bem £mt auf bem ffopf, Döllig ge* 
riiftet jur Steife, trat er in ben £>of, mo baS 
»ferb fd)ou beg geroohnten ^mbiffeS harrte. 
Souife Sdjeppler, bie treue Wagb, brachte einen 
Stuhl herbei, bamit Oberlin leichter baS »ferb 
befteigeit möchte. »Hein fchon hatte er ben fjuß 
im Steigbügel, mit rafcher »emegung fchmang 
er fich in beit Sattel, unb ba faft er fo feft, fo 
ficbcr, al» fei er ber fjauptmann einer üteiter» 
fchroabron. 6r beugte fich nach mit freunblichent 
Sächeln gu feiner (leinen ©ttfelin herab, bie, Don 
Snife Scheppler gehalten, auf bem Stuhle ftanb, 
um Dem ©roßbater bie £>anb gu geben. Wit 
herglichem ©ruße »bfdjicb nehmenb, rief erc 


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@berlin als friebmsftifter. 


571 


„Suife, um halb fed^s Uhr bin ich jiirürf. 3 f<h I ^od»anfc(efc^id^teten 33 ett bie ftranfe lag. eie 
habe jmei ©heleute Don fjroiibcuj beftellt, bie ich, 1 ftredte ihm mit ftrahlenbem ©efichte bie ©änbe 
fo ©ctt roill, roiebcr jum Trieben Dereinigen 1 entgegen, melbcte ibm, bajj fie feit bein borgen 
roiH; wenn fie früher tommen, foüen fie auf 1 eine bedeutende Sefferung fpüre, unb bnfs bie 
mich warten, ©ieb ihnen eine Keine©rfrifchung. ?$rcube, ihren lieben ißapa Cberlin ju fetjen, 
— Unb nun, mein lieber ©raufdjimmel, mim* getoiß bie Dolle ©enefuitg herbeiführen loerbe. 
ter jum Chore hinaus! feilte rooKeu mir jtoei i Cberlin blieb ein halbe» Stiinbchen, evfuitbigte 
uns braunen in ©otteö freier Suft erlaben! fid) in liebreid)fter Sßeife nach dein ©ange ber 
©urrah!" I ftranfheit, orbnete berfchiebeneS an, freute fid) 

3 u einem fd)iu’llen 9 titt mic in ber ©bene tarn ber lHeinlid)teit, bie in ber gaitsen Stube Ijerrfcbtc, 
es freilich nidjt, halb ging es siemlid) fteil bergan, fpraef) jum Schluß ein marines ©ebet um @e= 
^frühmorgens mar ein Vote in’S Pfarrhaus ge* ! neiuitg, um ©rgebung in ©otteS AMUen unb 
fommen, ber ba melbete, baß bie junge 3?rau in 1 fc^ieb mit beglichen! ©ruh für ben mohl erft bei 
ber Weierei, oberhalb Aellefoffe, feit einigen | finfenber Wadjt fjoiintelircnbcu Weier. Als 
iageit an einem Sruftübel barnieber ließe, baß Cberlin mieber in ben ©of trat, ftanb ber ©rau* 
jmar etmaS Sefferung fid) eingeftellt, bie Trante fd)imine( nod) an bemfelben ijllott, mo ber Weiter 
aber ein großes 9 Serlanc\ett uäd) geiftlid)em 3 u* J ihn Derlaffen hatte; mie ein getreuer 2 Barf)tpoften 
fpruef) habe, unb fie ©ernt Pfarrer ©raf (baS j hatte er in ©ebiilb geharrt, 
mar ber Sdjroiegerfoljn unb treue ©efjiilfe Cber* j „Unb nun, mein grauhaariger ftamerab!" 
lins) bitte, ju ihr hinüber 311 fommen; Ijingu* 1 hob Cberlin lädjelnb an, „roaS haben mir be= 
gefügt mürbe, baß, fo gern fie and) ben Hßapa fcfjloffen ? SBiUft bu mieber heimroärtS? Cber 
Cberlin fepen möchte, fie ihn bod) nid)t bemühen j mofleit mir noch ein bischen höher hinauf ? Cu 
mofle. Vielleicht muhte bie ft raufe, baß bieS , mieherft fo uerguügt; gut! mir ift es heute fo 
gerabc bie befte Art mar, einen baldigen Vefud) mohl mie bir. SSie mär’S, menit mir bis 311m 
Don Cberlin 311 erhallen. Cer ©raufchimmel Schloß 2 a 9 Jod)e binauffletterten ? Wir ift’S, 
griff tüchtig aus, au ebeneren Stellen gönnte er ! als fönnie id) heute bis in ben ©immel hinauf* 
fid) einen muntern Crab. Allein gar oft mürbe I fteigen, fo mol)l. Jo leicht ift’S mir 311 Wutbe. 
ber Weiter angehalten. 93 o Seute auf ben frei* | Sdion faß er mieber im Sattel, unb nun giug’S 
lid) feltenen gruchtädern befdjäftigt roaren, liif*' langfamen, aber feften Schrittes, höher hinauf, 
teten fid) aüe Wüßen; freudige unb bod) ba bei j Cberlin gedachte jener |d)önen Stunde, mo er 
fo ehrfurchtSDolle ©lüfte drangen Don allen Sei* mit feiner jungen fjfrau, die ihm in ber JMiithe 
ten an CberlinS Ohr; überall mürbe, fo lange ber Suffre plölilid) durch ben Job genommen 
man ihn mit ben Vlidcn Derfolgen tonnte, bie! mar, 311m erften Wale diele ©öljc erftiegen. Wit 
Arbeit eingeftetlt. Stiles freute fid) an bein fd)ö* ernftem ©efichte ritt er ben fdpmilen Vfab hin* 
nen ©erbfitage, für baS Steinthal ein roahrer < auf. ©r fonnte getroft fid) feinen ©ebanfen 
Sommertag, ben lieben, in feinem roeißen ©aare I übertaffen; ber ©taufdjimniel mar ein fichereS 
fo ehrmürbigeit „ißapa Cberlin," mie alle ihn J Jtjirr, ba» noch nie.mit feinem Weiter geftrauchelt 
nannten, fobergnügt, in fo jugendlicher Haltung mar. — Als Cberlin nur noch menige hunbert 
Dorbeireiten 311 fehen. Cie ftinber im Selbe Schritte Don ber 9 fuine entfernt mar, mürbe er 
aber ließen fich nicht holten; alle rannten in 1 plöftlich aus feinen Crdumen burd) lautes 
fdhnellein Saufe, rnenn fie auch um äußerftett Schreien aufgemedt. ©r hielt fein iftferb an 
©nbe beS AderS roaren, bis an ben SÖeg, um j und horchte. „CaS finb feine ftinber des Stein» 
Cberlin 31t grüßen, Dielieid)t eine ©anb üon ihm thalS," bachteer, „eS inüffcn jungen aus Straf;* 
311 befomnteii, ober ein gutes SBort 311 hören. : bürg fein." ©r horchte mieber, ftieg Dom ^ferbe 
2 Bi'e leuchteten all’ bie ftiuberaugen, unb mie 1 und nahm betnfclben bas ©ebiß aus bent Want, 
freundlich, herslich mar ber Sölid, ben ber 9 tei* : „IRegalirc dich," rief er ihm 311, „an dem roiir* 
ter ihnen suroarf, unb mie mußte er einem jeden ! sigen ©raS, baS ba oben mcidjft. 9 i'enn id) dich 
etmaS befonbereS, bald ernft, halb rühmend 311* ; brauche, rufe ich. Und nun fpringT Wit 
gurufeu. einem Ieid)ten Sdjlag auf ben Wüdeu rannte 

3 n Sellefoffe mar alles mie auSgeftorben, j baS ^Jferb in muntern Sprüngen bie 3 öatbroiefe 
unb ohne meiteren Aufenthalt ritt Cberlin ber ! entlang. 

auf ber £röbe gelegenen Weierei 311. Wur ein 1 Sdmeller als man cS dem Wanne mit ben 
ftnabe mar dort als Üßärter ber franfen Wutter! roeißen -fbaaren hatte gutrauen mögen, fdfritt 
gurüdgeblieben. Cie ftühe maren droben auf Cberlin ben fleinen Abhang hinauf, jelfeu 
ben ©ochmatten. AuS meiter fjerne hörte man | unb niebrige» ©efträud) ließen ifjit ungefehen 
baS Stinten ber Schellen, bagmifcheu hinein 311* , bis gu bem Crte hingelaugen, rooher bie lauten 
roeilen ben 3 'Obelruf ber ©aisbuben. ' Stimmen fainen. Wit einem Wale, mie eine 

2 Bie groß mar bie Freude, als Cberlin in bie ©rfcheinung Dom ©imniel, trat er Dor gmei 
niedere üube eintrat, mo in bem mächtigen, ftnaben, bie in heftigem 2Bortmed)fel einander 


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572 


ttberlin alt JriebensfHfter. 


giirnenb gegenüber ftanben; ihre ©ugen flamm, 
teil, bie gfäufte ballten fic^ fcfcon. 

„Triebe fei mit euch!" OieS mar ber ©rufe, 
mit meinem Oberlin bie gtoei Hnaben begrüfete. 
©uf feinem ©ngeficht lag ein fo tiefer 6rnft unb 
ein fo milber ©ertlürungSfchimnier, bafe bie gmei 
jungen ©treitfeiifene fa’ft tjiitten mögen in bie 
Iffuiee finten; ber eine hat fpäter öfter erjaljlt, 
eS fei il)iii gu ©iuthe gemefen, roie beit Jüngern, 
als Jfefuö am Ofteraoenb unter fie getreten mit 
bem ©rufee: „Triebe fei mit eudf)!" @3 mareit 
übrigens groei prächtige jungen mit bellen klugen 
unb frifcfeem bliibenbem ©uSfeljen. Ood) ©rüber 
maren fie nid)t. Oer eine; breitfifeulterig, mit 
rabenfchroarger SncfenfüHe mar faft gu grofe für 
bie unterfehte ©eftalt. Oer anbere fab garter 
auS, batte feine, bettbraune f)aare; beiben aber 
merfte man einen encrgifdien Sinn an. 

„©ie, meine jungen fjreunbe," fagte' Oberlin, 
„an biefein frönen Sage, mo ber liebe ©ott mit 
fo llarem ©uge auf bie 6rbe fd)aut, bafe nur 
Oanl. unb Sobpfalmeit erfüllen foKten, unb 
hier an biefein frönen Orte, mo bie ©uine mit 
ihren irümmern uns prebigt oon ber ©ergäug. 
lidjfeit alles 3rbifdjen, — ba ftebt ibr ba roie 
groei OoitnerSlinber unb erbebt bie fjänbe gegen 
einanber? Schämt eud)! Unb maS auch bie Ur= 
facfee beS Streites gemefen, gebt euch bie .fianb. 
Unb nur flugs!" 

6 s mar feltfam, bie ©irfung biefer ©orte in 
ben jungen £>ifelöpfen jh beobachten. Oie gange 
©rfcbeiitung OberlinS, feine gerabe Haltung, 
feine chrfurchtgebietenbe Stimme, bie meifeen 
Öaare, bie über feine Schultern bcrabfielen, 
patten ben tiefften öinbrucf auf fie gemocht; 
aber eS maren eben groei fpröbe ©efellen, nicht 
gemobut, ficfe unter einem ©lad) tfpntdj gu beu» 

S i; fie maren beibe „ihres HopfeS," unb mo fie 
in ihrem ©echte glaubten, eigenfinnig mie 
©urguitberefel. 

„3<h toill mich fd)on »erföbnen unb ihm bie 
£>nnb reichen," fagte ber mit ben bicfen paaren; 
„aber IRed)t habe ich bocfe." Oamit flredte er 
feine fjaiib bem 3?retinbe entgegen, ber halb giir= 
nenb, halb üicfeclnb eiiifcCjtug, aber gugleicb mit 
fpifeem ©limbe fagte: „freilich! bu intifet baS 
lefete ©ort haben. 3 a, feben Sie, mein •'oerr," 
fuhr er fort, fi<b refpeltootl gu Oberlin menbenb, 
„ber ift uid)t ginn Schroeigcn gu bringen; ber 
bat eine Stimme fo ftarf mie ein 6id)baum." — 
„Unb bu fsiifec ginn ©ntroifchen, fo fünf mie ein 
©emsbod," ermiberte ber anbere mit geflügeltem 
©ort. 

„©ur ruhig, meine ftreunbc!" hott Oberlin 
an, bem offenbar ber fetfe Sinn ber gmei jungen 
©efellen nidjt mifefiel. „©ifet ihr maS ? 3 <h miH 
gmifcben eudj ben Sd)iebSrid)ter machen. 3 hr 
tennt mid) gmar nicht; aber ihr fönnt meinen 
megwii paaren trauen. v Vt habe fcfeon manchen 


Streit gefchlichtet. ©efjint ©lafe auf biefen gmei 
Steinen, bie roie gmei Schemel hafteten; icfe aber 
fe$e mich auf biefe ©latte mie auf einen hoben 
©idjterftuljl. ©bbotaten," fügte er lächelub tjingu, 
„brauchen mir leinen, ©ie ich merte, habt ihr, 
menn auch leine £aare am Hinn, bod) &aare 
auf ben Jahnen." — „Unb nun, fange bu an," 
fagte er gu bem kleinen mit ben feineren 3*igen, 
„unb fd)ütte bein |)erg aus." 

63 begann nun eine gang eigene ©ericf)ts= 
öerhanblung, in melcher fich ber freunbliche ßu» 
mor unb gugleicb her hohe ernfte Sin i OberlinS 
in lieblichfter ©eife luitbgab. Oie beiben Hna= 
ben, bie Don bem bamals in ber 3ugenbme(t 
herrfchenben hod)romantifchen, fchmärmerifchen 
Sinne erfüllt maren, hatten auf ihrem Spagier, 
gang, ben fie Don ©otljau aus unternommen, 
mo fie ihre Serien gubrad)ten, bamit angefangen, 
fich Don ihren ©leinen über bie 3 *>lunft gu 
unterhalten. Oer Schmarge roollte als ©farrer, 
ber anbere als Ooltor bie ©enfehheit beglüden;, 
jeber pries mit tönenbem ©orte fein tünftigeS 
©mt; jeber glaubte, er habe baS hefte 0 heil er, 
mahlt. OaS ging nicht ab ohne mancherlei 
refpeltmibrige üluSfcifle auf bie Sauf bahn beS 
anbern; unb ba beibe eine gute ©ortion ©Juitcr. 
roife, ein gefcfeliffeneS 3 änglein, einige ©rogeut 
Selbftgefübl hatten, utib „bie Schranten in 
ihrem Hopf" nicht eyiftirten, fo mar nach unb 
nad) ber Streit heftiger gemorben, unb Oberlin 
mar gerabe in bem ©ugcnblide gu ihnen ge. 
ftofeen, mo berfelbe in bie 6ruptionSperiobe über, 
gufpringen brohte. 9(13 beibe Kläger ihre Sache 
mit mancherlei halb heftigen, halb toniifchen 
3 mifdhenfiillen Dertljeibigt hatten, ergriff Ober, 
liit gulefet baS ©ort unb fprach: ,, 3 d) will, ein 
gmeiter Salomo, euren Streit fd) lichten, inbem 
ich euch beiben fage: .Heiner Don euch hat ©echt, 
unb menn iljr’S erlaubt, fo roill ich euch meine 
eigene ©erfon gum 6rempe( geben, fceib ge. 
troff: eS ift nicht ber .ftodjinuthsteufel, ber mich 
bagit treibt, ©ie ihr mich hier fehet, fo bin icg 
freilich, ©ott fei’S gelingt, in feljr uiiDolllomme. 
ner ©eile beibeS: ©farrer unb 91 rgt gugleicb. 
3 ch banfe ©ott bafiir, bafe er mich beibeS hat 
merbeu faffeti. Seih unb Seele gehören gufam. 
men; eS finb gmei treue ©efellen, bie erfi im 
Oobe fich (offen; unb feiten tljut’S gut, menn 
man nur bem einen ober bem anbern ouShilft. 
3 b* jungen Cateiner!" fuhr er fort, inbem fein 
eilige fpriihte, „tennt ihr baS fchöue ©ort nicht: 
Mens sana in corpore sano? 6 ine gcflinbe 
Seele in einem gcfunbeit Hörper? OaS ift mein 
SieblingSfpriid). 3 d) lann mit freubigem 9 © mibe 
fagen: Oer ©farrer unb ber 9 lrgt in mir haben 
nie, mie ihr gmei jungen Hlopfroädjter, ^ninbel 
mit einanber befommen. Oer eine hat fich ftets 
ob ber .fiiilfe beS anbern ©liid geroünfeht. 6inS 
aber fage ich: ©enn ihr nicht mie ich beibeS gu. 


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Oberlin als £riebrns|Hftrr. 


573 


Gleich werben wollt, fo werbet meniaftenS baS 
eine redpt. 3 SJerbet feine ©tümper! Ünb fiepe!" 
rief er mit ftraplenbcm 9 lnaefidbte, wie wenn 
ber ©eift eines s }h‘oppetcn über ihn flefommeit 
wäre, „bn bort mit bem Ütabenpoar nnb ber 
flanaoolleit 'Stimme wirft, wenn niept alles mid) 
triiqt, ein rechter '-ßrebiaer bcS SBorteS ©otteS 
werben nnb wirft non (joljer ifanjcl laut jenflen 
non 6l)rifto nnb feinem ©oonaclium. Unb bn, 
mein lieber ©opn, mit ben' feinqeidjnittenen 
3ünen nnb ber flareit ©tim, wirft niete ans 
ScibeSuötpen retten nnb ein gefeierter 9 lrjt wer» 
ben. Wöaet if)r beibe einft in meiner fjoljen 
ülaterftabt jnfummenmirfen, nnb fontit als treue 
Skiiber unb Sheunbe nereint baS Oollbrinqm, 
was icp picr in meinem lieben, einfanien, armen 
unb boep fo ciottiiefeaneteu ©teintpal allein ju 
oollbrinaeu fucf)te." 

©«bei ftaitb er auf, näßte mit ernftein ©c^ritt, 
wie in priefterlid)er 2Öürbe, ben jwei in tieffter 
©eele ergriffenen fluabeu, leqte ißnen bie fjiiube 
auf’s Stäupt unb rief ihnen, wie bort PpriftuS 
am Ofterabenb, nochmals 311: „fyriebe fei mit 
eudj!" 

„ 9 lun aber," fcfjlofe Oberlin, „muß i(p wieber 
an ben ßeimmea beulen. 3 l *Oor aber faqt mir. 
Wie ibr beißt, moper i()r fouunt unb wobin iljv 
Wollt ?" 

„3<b b^ße Söilb'Iw," erwiberte ber ©cpwarse, 
„unb mein ftamerab (Suqen; mir qiuqcn biefeit 
Woraeit boit Dlotpau fort, haben auf ber ©eitiw 
bütte am ©inaona beS Gpainp bit 5 ?» nufer 
WittaaSmabl flebalten; wir bleiben noch ein 
halbes ©tünbdjen picr oben, unb wollen bann 311 
unfetnt ©aftfreunb nach SRotban juriief." 

,,©ut," faqle Oberlin, „es freut nticb, baß ibr 
fo wadere gfußaanaer feib. ©el)et! bort in jener 
SRicbtuna werbet ibr einen bcrrllbeit 'Unuft fiu= 
ben; meine fliuber haben il)u SJeloeberegetauft; 
auf fteiler gelSmanb habt ibr ben ^errtiebftea 
SölicE in nnfere ©ebiraSwelt. ©rüßt mir ben 
ölten ^atriardpeu, ben ©limont, ber fo fi'ipn 
fein $aupt in ben £>immc( redt. 2Bir finb 3wei 
alte 33 efanntc," feßteer läcpelnb pin^u, „nur baß 
i()in noch bie ^uaeubloden um bie ©djultern 
Wallen, mir aber fdpon länaft ein tiefer ©ebnee 
in bie fmare gefallen ift. 9 lpropoS, wenn ipr 
burep 5 DalberSbad) fomint, oeraeßt nicht bei mir 
aii3uflopfcu. Ood), id) batte faft peraeffen 3U 
fraaen: flennt ißr mid)?" 

,, 9 ld)! wer füllten ©ie anberS fein, als tßapa 
Oberlin ?" entaeanete ber ^jüuacre. „ 3 di habe 
©ie alei<b erfannt. Wein SBat-r bat oft oon 
3bneit ersäblt. ©r war ja früher 3b r flofleae 
311 Utotpau." 

,,'Jhiu ja! babon werben wir weiter fpredpen. 
Stuf SBieberfepen, meine fjrreunbe, im tpfarr» 
bans 311 2 öalberSbad)!" Wit autem fjätibebrud 
fid) oerabfd)iebenb, ftiea Oberlin ben iöcva hinab. 


Salb hielt er iitne, flatfdpte in bie £>änbe; ein 
fröhlichem SMeperu antwortete, unb nach meni= 
acu 9 luaenbliden faß Oberlin wieber auf feinem 
©raufcbitntncl unb ritt in’S lljal hinab. 

©eaeit fccpS Uhr traten nnfere 3Wei juaenb» 
lidjen ©pa3ieraänaer in ben '^farrpof oon 'iöal= 
berSbacp. ©in junaer Wann unb eine junae 
jyrau tarnen ibneü unter bet 2biir entaeacn. 
@S war baS ©bepaar oon jjoiibap; fie hielten 
fid) an ber £aub; in ihrem ©efiepte lacj ein 
lichter ©chimmer. Unter OberlinS 9 luaeit mar 
ber ^riebeiisbunb wieber befieaelt worben, ©r 
batte fie bis 3iir Pforte aelfitet. ©r bearüßte 
frenbia feine 3Wei juuaeu ftreunbe, bie mit ben 
Wiißen in ber &aub ebrerbietia unb boeb 3iiflleicb 
fo 3utraulid) ihm entaeaeneilteu. 

„Suife!" rief Oberlin, „ba fotnmenjmei aus 
bem fjnmaerlanbe! ©ieb jebem ein ©tiid oon 
bem Sueben, ber oon beute Woraeit noch übria 
ift, unb bann führe fie hinauf in meine ©tubir» 
ftube." 

Oie 3Wei mochten nicht oiel fteberlefenS mit 
bem fluchen, er üerfdpmanb im 9 lu, unb batm 
aina’S bie Oreppe hinauf. 

„©0 ift’S recht!" rief Oberlin ihnen entaeaen; 
„ihr habt euch nicht aefäumt. 3<h ftimme bem 
Wiifier oon ©chirmed bei, ber 311 faaen pflegt: 
„2Bie man ißt, fo arbeitet man auch." 

Oie flitoben fdjauten mit ernannten 9 luaen 
in ber ©tubirftube umher. 9 finaS an ben 3 öän« 
ben biuaen allerlei mertwürbiae ©eaenftilnbe, 
wie fie nach unb nach in ber ©tube eines 9 Jatur« 
liebbaberS unb ©ammlerS fich snfammenfinben. 
9 lnf ben Stifcfjeit laß mand)’ jchöneS 9 lubeufen 
001t ben oielen ^reuitben nnb ©äften, bie oon 
nab unb fern 311 Oberlin affemmen. ©r aber 
freute fich wie ein flinb, ben 3Wei wißbcaieriacit 
flnabeit alles 311 3eiaeu unb 311 erflären. ßnlcßt 
nahm er fie au ber £»atib unb fiellle fie, ben 
einen red)tS, ben autem (infS oor eine Safel, 
bie, je nadjbent man fie oon ber einen ober ber 
anbern ©eite betrachtete, eine 33lume ober einen 
!8oael barftcllte. Oattn fragte er aan3 ernft: 
,,©aac jober, WaS er fiept!" unb weibete fiep an 
ben ftujjiaen Wieneu ber 3Wei filmten, bie, ber 
eine mit bem 2Bort 5 $oael, ber anbere mit bem 
SBort SMuine auf ben Sippen, einanber cerbliifft 
anfdjanten, als wolle jeber beut anbern 3inufen: 
„ 9 öie fann man nur fo in ben 2aa hinein» 
febmaßen unb fo oerfeprt reben!" — „3al bift 
bu aaiif aewiß, baß bu einen Sßoael unb bu eine 
Slume fiepft?" frnate er bie 3Wei flimben, „unb 
fann jeber baS 2 Bort barauf qeDen, baß er tRecpt 
pat unb ber anbere Unrcd)t?'' — „O aewiß!" 
war bie hoppelte Antwort. „®ut! oerönbert 
nun eure ©tefluna! flomrn bu jetit red)tS unb 
bu liufS," fupr Oberlin fort. „ 9 hm ? was fept 
ipr ? $at ber anbere noch Unrecht ? Unb fpiiret 
ipr jeßt, baß, je naepbem mau eine ©aepe oon 


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574 


Jler fRargenRern brr engltfdjen Reformation. 


einem anbern otanbpuntt aus fiept, man einen 
ganj anbern ©itblicf unb Segriff laben fann ?" 
®ie Knaben aber läcfjelteu, betrachteten bie 2afei 
genauer, unb halb mürbe ihnen baS idjeinbare 
(Bunber fiar. 

Obertin aber, erfdjöpft non bem langen 9titt, 
fepte fief) in beit 8e|nftuf)l, lieft bie beiben Jtna« 
beit nor fief) treten, flaute fie mit freunblihen 
Etagen an unb fagte bann ju if)itcn: „Weine lie« 
ben, jungen ffreimbe! Sh habe eud) beibe im 
Streit getroffen bort auf bem Serge. 3fcber non 
euch fab baS Sehen non einer anbern ©eite an; 
jeber non beiben batte (Recht für fiep, aber jeber 
hätte auch foflen bem anbern fein (Recht wiber« 
fahren (affen. Wöge biefe Jafel in ©apa Ober« 
linS ©tubirftube euch euer Sebcnlang im ©e= 
bähtnip bleiben! O wie niele haben fif)on nor 
biefer Jafel geftanbeu, unb fiep non ihr belehren 
taffen! ©or toenigeu 9lugenblicfen bat fie ben 
jwei jungen Sljeleiiten geprebigt, bie i|r fo frieb« 
tifb Jttm .froftpor pabt hinauSwanbern fepen. 
©ergeffet nie, baß jebeS jing non oerfepi ebenen 
©eiten fann betrachtet werben, unb uns jebeS« 
mal bann eine Derfhiebene ©eftalt barbictet. 
Senüpet enre Slugcn, um recht ja fepen; aber 
benfet ftetS baran, baß bie anbern auch 3tugen 
haben, unb baß, um nicht mit ihnen unniip ju 
ftreiten, man fiep auf ihren ©tonbpunft fteflen 
muß. (Benu biefe eine Sehre euch im Stopf 
bleibt unb ihr auch barnah ttjut, o, bann ift 
biefer Jag unb biefe ©tunbe nicht oerloreit für 
euch! 2)ann hobt ihr heute im ©farrpauS ju 
©Salbersbacp einen ©egen erhalten." 

„Seßt aber," fdjloß er, „ift eS 3«t, baß ihr 
obmarfchirt. ©erweilt euch nicht ju lange unter« 
wegS; ber ©oflmonb fanit euch nach £>aufe 
leuchten. ®u kleiner, grüße baheim beinen 
©ater. Woge er noh lange jeugen Don Eprifto! 
2)u aber mein fhwarjlocfiger klinge, fei unb 
bleibe, waS beitt (Rome bebeutet: artjor nein per 
virescens: ein immergrüner Saum!" 

Staum roaren bie Stitaben jur Spür hinaus, 
fo erhob fiep Oberlin uon feinem etufjle, jog. 
fein Häpplein ab unb fteßte fi<h ait’S fferefter. 
©eine 91ugen waren gen Fimmel gerichtet; fie 
glänjten, als brängte fich fine Jpräne in bie« 
felben,—bie Sippen bewegten fich (eife. 3 u l e ßt 
rief er (aut: „fjerr, ich bin jung gewefen unb 
bin alt geworben; auch heute rufe ich: ©ergieb, 
wo ich gefehlt! Sh habe Diele belehren unb in 
beine ^riebenSgebanfen hineinführen biirfen; 
aber ah! wie oft habe ih mich Dom fjfeuereifer 
fortreißen (affen unb habe wie biefe Stnaben ge« 
meint, ih allein befäße bie SBafji'heit! Jod) bu, 
$)err, hafi mir ftetS baS fierj wieber geftißet 
unb juredjtgebracpt unb mich mit Siebe, mit bem 
©eifte ber Öulbung erfüllt." Er hielt inne; fein 
©eficfjt oerflärte Jid), als träte eine fjimmlifhe 
©eftalt Dor fein «eelenuuge. Jami ftreefte er 


' beibe fpäitbe aus, als wolle er eine ihm bar« 
gebotene, itnfihtbare £mnb ergreifen unb rief 
i freubigen WunbeS: „Ju weifjt, &crr, bap ich 
I bich lieb habe!" (Sugenbfreunb.) 


Per MorgenItmi ber englifdjeu 
Reformation« 

®ou SB. ftönefe. 


§ o fann man mit Steht Soßann SBicfliffe he« 
jeiepnen. Epe wir auf bie ©hilberung fei« 
neS Sehens eingehen, Wollen wir iit bie 
ffirepe treten, wo man feine lepten ©Sorte hörte. 

Sn ber ©t. Waria = Slircfje ju Sutterwortp 
wirb man mancherlei begegnen, baS Sntereffe 
erwecfeti fönnte, aber eS wirb boep ber gewöhn« 
lihe Sefuher an ber inneren Einrichtung unb 
an ber aflgemeinen ©efhihte berfelbert wenig 
(RcijenbeS finben. 91ße werben aber mit Epr« 
furcht ben Ort betreten. Wo ein ©hlaganfaH 
ben muthigen, aber am Seihe ermatteten Sahn« 
breher ber neuen Seit hiuftrccfte. fjier fiepen 
Wir an ber ©forte; ein ©uffeper führt uns in 
bie $irhe unb geleitet uns burh bie ©äuge. 
„Weine Herren," fängt er an ju bebeuten, „bteS 
ift ©ßicfliffe’S Stanjei; jener ©benbrnaplStifcp 
würbe Don ihm benupt; hier ift ein altes @e« 
wanb, welhes er in biefer fiirdje trug unb boi t 
fteht ber ©tuhl, auf ben man ihn fepte, als er 
Dom ©hlage gerührt üufammenbrah, unb in 
ben man i|n unter großer Seftürjung unb Die« 
len Jheänen jur Äirhe hinaustrug." 

©ßenn man fich aber erinnert, bap bebeutenbe 
©timmen gegen bie Echtheit biefer (Reliquien 
reben, fo mag man burh bas heroorgerufene 
Sebenfen weniger gerührt erfheinen, als bie 
Umftänbe üerlangen. 

3feboh — hinweg Don biefen zweifelhaften 
©egenftänben zur Jhatfahe, bie über allem 
Sweifel fteht. .£)ier in biefem (Raum bewegte 
baS (Bort beS muthigen WanneS manches fperj, 
unb feine tühnen fragen entfepten Diele jaghafte 
©emiitber. Sn ber ©ruft in biefer ffitche hat 
fein Seib tpenigftenS Dierjig Sah« gerafft, bis 
bie (Buth eines berlegenen EoncilS unb bie 
furcht eines wüthenben ©apfteS barinnen Se« 
ruhigung fuhten, feine ©ebeine aus berfelben 
ju nehmen unb auf einem ©heiterljaufen Der« 
brennen ju (affen, ©omit fehlt feither fein 
©rab, aber bafür haben mir in biefer flirdje ju 
Sutterworth einen reihen Erfap. 5DieS ift unb 
bleibt ein heilig« Ort für dlfle, weihe bie öcilig« 
feit ber (Reblihfeit unb bie Erhabenheit ber 
©elbftaufopferung ocrehren. 


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fer Porgrnffrrtt brr rnglifdjen Information. 


575 



ltir$e in 2utterh>ort&. 


SBidliftc rourbe roabrfdieiulid) im 3aljre 1324 
geboren. «eine 9lu3bilbung erhielt er in Cueetiä 
©ollege Ojforb unb roarb einer ber erfieit Sei)» 
rer in 2Rorton3 Goüege. Dier rourbe er mit ben 
gelehrteren unb tüdjttgfien (Snglcinbcrn be» 14. 
3[af)rtjunbert§ befannt. ?tuf Sßicfliffe’S <5nt» 
toidelung müffeti fotd^e fDtänner einen bebeuteru 
ben ©influB audgeübt buben, ©iesu tarnen noch 
bie glugfcbriften, toeld&c bamatS gefdjrieben unb 


oerbrcitct rourben uon bem berühmten ©reat» 
beab, öifcbof bon Sincoln, foroie fein tiibner 
Angriff auf ißapft ^nnocenj IV., roelcber eng» 
lifcbe Kirdfenpfrünben an habgierige Italiener 
bertaufte unb baburcb bie pcipftlicbe Kaffe ju 
füllen frnbte. 9tber es roar boct) üornebmlid) bie 
heilige Schrift, roelcbe auf SSMcfliffe’b Sebene» 
rid)tung beftimmenb, entfcheibenb einroirtte. 

$er Kampf begann in ber llniberfität fclbft. 














576 


Jler Porgenßertt ber englifdjen Reformation. 


wo bie Vtöndpe es fidp angelegen fein ließen, bie 
Oerfprecpenbften Stubenteit in ii)re ft 1 (öfter ju 
jiepeu. Sßidliffe jog eutfipiebcn gegen tue leiben 
im ^niereffe beS GolIcgiuiuS ju fjfelbe, unb 
machte mp oaburdp bittere ffeiubc. 

3fm jjapre 1361 roarb er Auffeper über „Val= 
(iol fjall," jeßt „Valliol Gollege," unb erhielt 
nocf> im felbeu 3fa^re bie Pfarrei boit Spling« 
pam Sincolnfpire. Salb trat er fein Amt am 
Valliol Gollege ab, f)ielt aber feine Verbiitbung 
mit Orforb aufrecht, unb meilte oft in beu £>al* 
len non CueenS Gollege. Um biefe 3e<t oerliep 
mau ifjm ben Sitel eines Ooctoren ber Speo« 
logie. 

Um s 3af»r 1366 fängt fein entfdjiebener 
Stampf gegen bie Anmaßungen beS ^apfttbumä 
an. Vapfi Urban V. oerlangte ben jährlichen 
Sribut, beit ßönig 3opn fiel) oerpflichtet hotte 
ju johlen, ber aber feit breiunbbreißig fahren 
unentridjtet geblieben toar. Sßidliffe feprieb 
gegen biefe Anfprii^e, ber Stönig wies bie 8?or= 
beruug beS fraitjöfif.ßen VapfteS jurüd. OaS 
^Parlament gab baju ein fo eutfchiebeneS „Stein!" 
baß alle Vipfte feitper es nicht gewagt hoben, 
bie Sorberung ju wieberpoleu. 3, n biefem Stampf 
oertraten bie Vtöncpe beS ^ßapfteö AnfpriUpe, unb 
branbmarften ben SBicfliffe als einen Steuer. 
Oer mutbige Vtann bewies ihnen aber, bnß fte 
felbft fiiufjig ^ürtpumern unb teßerifdpen An* 
fiepten pulbigten. 

Gnblid) waren Vifcpöfe, Grjbifdpöfe unb^ßapft 
burdp fein ernfteS Vorgehen, pertömmlicpe An« 
fichten unb ©ebräitche in (frage j U fteKett be. 
benflicp geworben. Subburp Oon Ganterburp 
unb Gourtnep, Vifcpof oon Sonboit, unternah» 
men es ihn einjußpikbtern. Gr würbe oon 
Gourtnep aufgeforbert in ber 8t. IßaulS Stirdpe 
ju erfdjeiuen, um gewiffe erhobene fragen ju 
beantworten. Söidfliffe tarn oon oier Vertretern 
begleitet am 19. ffebruar 1377 an. Auch An* 
bere, Unberufene, ftellten firf) ein. Oa war 
Johann oon ©nunt, ber berühmte föerjog oon 
2ancafter, unb Siirft Vercp, auch ©raf Vturfcpall 
oon Gnglanb mit Vtilitär=Vegleitung. 

SBaS brachte biefe per ? Oer Angriff auf 
Höidliffe hotte nicht bloS eine fireptiepe, fonbern 
oud) eine politifdpe Vebcutuug. Gourtnep wofite 
bem fjerjog oon Saucafter burch 5öid(iffc’S Ver« 
hör einen ’Sjicb oerfeßen. Oer fonft mäd)tige 
Gbwarb III. lag am Sterben, unb tonnte baper 
fid) niept in ’S Vtittel legen. Oie «ißuug würbe 
eröffnet, ©raf Vtarfdjall berlangte für ben An* 
geltagten einen Siß. Oiefe billige fforberuitg 
lepute ber Vifcpof ab. Gine ftiirmifcpe «eene 
War bie ffolqe. Oer jfiirft bropte, ben Vifcpof 
aus ber Stircpc ju entfernen. OiefeS erregte bie 
'■Bürger, unb man tarn halb oom Hßortwecpfel 
jum ©anbgeinenge. Oer Stampf, ber im Oom 
anfing, feßte fid) in ben Straßen fort, unb fo 


1 poep ftieg bie Aufregung, baß am nädpften Sage 
I gaitj Sonbon unter '-Baffen ftanb. tiefer Sturm 
| löfte bie Unterfucpung beS VifdpofS auf, unb 
; üöidliffe tonnte ungepinbert feine Freiheit ge* 
nießeit. 

Gr wenbet fiep rnieber nach Orforb, unb palt 
nidpt allein feine Vorlefungen, fonbern organi« 
firt eine ©efellfcpaft oou Aeifcprebigern, welcpe 
an Vtärften unb öffentlichen Vläßeii feine 2epre 
oerbreiteteu. Gourtnep erpält halb bie ent« 
feßenbe Aacpridpt, baß jöidliffe ben freien ©e« 
brauch ber Sibel feiteuS ber Saieit, fötänner wie 
Srauen, baS 2öort rebe, unb baß er fiep unter« 
wunben, gegen ben Vomp ber ©ciftlicpen ju pre» 
bigen. 2)er Vopft wirb auep beforgt, benn er 
beruimmt, baß er bie 2rausfnbftantiationSlepre 
in 3>oeifcl gesogen. Süuf Vullen, weldpe ben 
11. fötai 1377 batirt waren, würben in aller 
Sdpnelligteit nach Gnglanb beförbert. 3)ie Vi« 
fepöfe bon Ganterburp, fioitbon unb Orforb fo« 
Wie ber Slöitig werben aufgeforbert, ben iSMcfliffe 
jum Sdpweigen ju bringen. Orforb fdjien uiept 
geneigt ju fein barauf einjugepeit; ber SRatpS« 
perr beS StiinigS war audp oerbäcptigli* lang« 
fam ; Sonbon war eiferfiieptig auf beS VopfteS 
Ginmifdpung in englifdpe Angelegenheiten, unb 
ber Giitfluß beS ©rafen oon Öancafter war ge* 
nügenb, Ganterburp in Verwirrung ju bringen. 

iroßbem warb eine Spnobe nad) Sambetp 
berufen, VMdliffe ju unterfuepen, aber fie enbete 
Wie bie borige in einem Aufruhr. Oie Vifdpöfe 
gingen auSeinanbcr mit ber VJapnung an Sßicf« 
liffe, in 3>ifunft ben Stieben nidpt ju ftören. 
Gr entfdploß fidp für baS ©egentpeil; burdp 
furdjtlofe, lebenbige Süöorte foüten bie Waffen 
beS Voltes bewegt werben. 

Johannes Oon ©aunt, fein ©önner unb Ve* 
fcpiißer, patte ipin fdpon anno 1375 bie Ißfrünbe 
oon Vutterwortp gefepentt, aber baS hielt ipn 
niept baoon ab, feine Aufmerffamteit ben jünge« 
ren ©liebem ber Orforber Unioerfitat ju fepen* 
ten. 

.^icr am Siß ber SBiffenfdpaft wollte er eine 
ftarfe Vortei bilben. Oaju hielt er nicht allein 
Vorlefungen, fonbern wollte auch öffentliche 
Oifputatiou einleiten, unb wanbte fidp bcSpalb 
mit feinem ©efudp au beu Vice=Uanjler. ,,©e* 
wißli^ niept," war be§ SlanjlcrS Grwiberung. 
SBidliffe als „Äeßer" wäre boep ben Vepörben 
ein wenig läftig. Audp fein großer ©önner faitb 
eS unbequem, einen gebranbmartten Vtanit ju 
unterftüßen. 

3eßt tarnen politifdje Unrupeit pinju. Oaö 
tpöriepte Parlament oon 1380 patte eine fdpwere 
Slopffteuer auferlegt. Oie Vürger rcbellirten. 
Subbnrp, Grjbifdpof oon Ganterburp, madpte 
man um einen Slopf türjer unb ftedte biefen auf 
einen Vübten ber ßonboner Vrüde, unb Vtat. 
OplerS folgte in einigen Sagen. 


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©etöufdjt. 


577 


©roft mar bie Wufregung unb entfcßtid) ber 
Wufruhr. Wie, wenn Widliffe’s Sehren mit 
biefcnt Wufruf znfammenhingeu ! Ks gab ©er= 
ioneii, welche biefer Wnfidjt hulbigten. Kourt= 
net), jefct (Srjbifc^of, wirb bic Sache untcrfuchen. 
3(udj ber ©apft fjattc Widliffe’s Sichren atu „oer= 
abfcheuungSmürbigen Wa hnfitin" bezeichnet, unb 
feine Wnhänger atu „Äittber aus bem Wbgrunb," 
unb ber follte eS hoch miffen. 'Ser ©apft brang 
roieber auf ein ©orgepen gegen Widliffe. 6ourt= 
net) hingegen überftürjte (ich nicht in ber Sache. 
@r fud)te einen DfjSl ber ©erantmortlichteit Don 
lieh ju wälzen, unb zwar baburch, baß er eilt Un= 
terfud)ungS=Kommittee ernannte. DiefeS Kom= 
mittee beftaitb aus 8 ©ifdjöfen, 14 WecptSgelehr* 
ten, 3 Dontinifanern, 4 Sranzisfauerit, 4 Wu» 
guftiner Stiftsperrn, 4 Karmelitern, 4 Wönd)cn 
unb 6 Doctoreit ber Rheologie. 

Den 17. Wai 1382 tarnen fie zufammett unb 
befcploffen, juerft ein gemeinfchaftlicbeS Wapl 
einzunehmen. WadjmittagS 2 tlpr cröffneten fie 
ihre Unterfuchung. Wnt 21. würbe ber ©erlauf 
ber Unterfuchung burch ein Krbbeben, welches 
bie Käufer unb ©emiffen ber Kiitmobner crfd)üt= 
terte, bebeutenb geftört. Planche beuteten bau 
Seichen auf ©otteS 3<>rn gegen bie Widleffeiten, 
biefe hingegen fanben eine ernfte Wahnung für 
bie Sifcpöfe. DaS ©rgebniß war, baß baS Kom= 
mittee ein Urtheit bahin ausfprad), baß Widliffe 
in neun fe&erifche Sehren unb fünfzehn 3>rrthü= 
mer berfaUen fei. 

Der (Srzßifd)öf üerlangteiept bon ber Orfor= 
ber Uniberfität, bie Widliffeiteit zu oertilgen. 
Crforb lehnte bie 3uniuthung ab. Dr. StofcS 
würbe in ©rebigten bebroht, bie Stitbenten be= 
woffneteit fid), unb ber Kanzler butbete MeS. 
Widliffe befatn noch im fetben Jjohre ©elegen* 
heit, bor ben fircplichen ©eljörben OrforbS zur 
3nfriebenheit ber Wehrhett borzuthun, bah er 
noch nicht fd)led)t genug fei, berbrnnnt ju wer. 
ben. 

Wit biefer ©ertfjeibigung zu Crforb 1382 
enbete bie eigentliche Slrbeit beS Reformators. 
3mci 3nhre fpäter enbete fein irbifdpeS Sehen. 
Sr hatte einen Schlaganfall, unb zog fiep barauf 
nach ©uttermortp zuriid. Iltis er hier am 29. 
Dezember beS Rohres 1384 religiöfe Uebuttgen 
leitete, würbe er boxt einem neuen Scplaganfatl 
niebergeftredt, unb pampte am testen Dage beS 
SafjreS feinen ©eift aus. Der Worgenftern ber 
englifcpen '«Reformation war bahin. Shtn folgte 
bie aufgepenbe Sonne, unb baS proteftantifepe 
Sngtanb ift bie ftrucljt. 


(6 f t Ö U f (t) t. 

® on ^ OW 

f begreife beine £>anblungsmeife 
, Jy nid)t, Waria. 3d) fattn nicht oer= 
^ ftehen, warum bu boit allen ©e* 

, ^i’fannten gerabe Wartin SRogerS als bei= 
f f nett zutünftigen ©atten erwählen follteft." 
J p Diefe Worte fpradj Srau Düblet) zu ihrer 
' Docpter Waria, unb ber Älang ihrer 
Stimme unb ber WuSbrud ihres ©eficpteS 
" zeigte nur zu beutlich, ba| fte nicht nur 
*** erregt war, fottbern bah eilte fchwere Saft 
<’ auf ihrem fetzen lag. 
ra Waria, ihre Docpter, faß ihrer Wutter 
' gegenüber am lifctje. 3» ihren Stäuben 
] ‘ hutte fie ein Stüd feine Stiderei, aber eS 
* j fdjien, als fei fie zu aufgeregt um zu ar= 
“ beiten, benn augenfcheinlicp hotten bie 
Worte ber Wutter fie tief im £)erzen Dermunbet. 
Wit ttiebergcfchlagenen 'Rügen unb rottjem ©e= 
ficht antwortete fie: 

„Unb warum nicht Wartin ÜRogerS, Wut* 
ter ?" 

„C Waria! Wein itinb, bu Weiht gut genug 
warum, ftannft bu einen Wann heiraten, ber 
täglich Wein unb SranntWein trintt? ftannft 
bu hoffen, als bie ©attin eines DruntetibolbeS 
gtüdlicp zu feilt ?" 

„Wutter, bitte gieb ihm feinen folcpen Warnen, 
Wartin ift fein Drunfeitbolb," fugte Waria mit 
faltent, ja faft höhnifd)em Done. 

„91 ber ich fürchte, es wirb nicht lange bauern, 
bis er einer fein wirb, wenn er bei feiner ©e= 
wohnheit bleibt." 

„Kr hot besprochen, bie geiftigen ©etränfe 
ganzaufzugebeti, wenn wir iierbeirntbet finb." 

„Worum flieht er es benn nicht auf, ehe ihr 
oerheirathet feib?" 

„Weil ihn bann alle feine Äameraben auS« 
fachen mürben. Wenn wir oerheirathet finb, 
wirb er fid) bon ihnen zuriidzieljen, uttb bann 
wirb eS leicht fein, eS aufzugehen." 

Die 9lugett ber Wutter füllten fid) mit Dhrä* 
nen, als fie hörte, auf welche Weife ihre Sodhter 
bie übele Wngemofjnheit ihres SiebljoberS ettt= 
fchulbigte. »&ie war eine 'Wittwe, hotte nur 
Zwei .Qinber, Waria uttb ihren ©ruber. ©e= 
greiflidjerweife h>ug fie nicht nur mit inniger 
Siebe an ihren ßinbern, • fonbern forgte mit 
Zärtlidjer Wutterliebe, ihnen eine glüdliche 3u= 
fünft zu fiebern. Deshalb tbat eS ihr leib, als 
fie hörte, baß Wortin ütogerS um Woria’S 4?nnb 
werbe unb fich bie 3uneigung berfelben bereits 
erworben hotte. Wartin ÜtogerS war ber Sohn 
eines reichen Wachbarn mit Dielen guten Kigen= 
fdjaften unb Dalenten, unb einer f<bled)ten ©e* 


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578 


#rtäufd|i. 


wofjnheit, reelle alles ©ute in ihm gu oernicßten 
broijte. @r liebte nämlich ftarfe ©etränte. 3 war 
War er noch fein Jrunfenbolb, aber wer it)n 
fannte, faitb halb aus, baß er in ©efahr mar ein 
Jrunfenbolb im Dollen Sinne beS SorteS gu 
werben. Ounfle 9lhnungen erfüllten iljr 3n= 
nerfteS, unb fie fürstete baS Schlimmfte. 

„Dtaria," faßte bie ÜJtntter, nadjbem fie eine 
Seile gefchmiegen hatte, „bu weißt, id) bin im» 
mer willig gemefen, mich felbft ju oerleugnen, um 
bid) glüalid) gu machen. 516er ich *6»» nicht 
glauben, baß bu als bie ©attin oon Sartin 9to= 
gerS glüdtid) fein wirft. Oenit fei oerfießert, 
wenn er ben ©ebraud) oon beraufefjenben ®e= 
tränten jeßt nicht umbeinetmillen aufgeben wirb, 
fo wirb er e§ auch itic^t tbun, wenn ihr üerhei» 
rathet feib. — So feßr wie ich bi<h liebe, fo 
mürbe ich bid) lieber gu ©rabe begleiten, als baß 
bu bulben follteft, was baS Seib eines Jrunfen» 
bolbeS gu bulben hat." 

HJlaria jeboch ließ fich oon ben Jßränen ber 
Butter fo wenig rühren, als oon ihren '-Sorten. 
Sie glaubte, bie üJtutter habe eben ein ©orurtljeil 
egen ihren Siebhaber, unb beurtheile ißn beS» 
alb falfcß. Sie hatte fich feft entfchloffen, 9Jtar= 
tin ju heirathen, unb ber SBerfuch ber Sutter fie 
baoon abgu halten biente nur bagu, fie gu reigen. 
©tit fefter, troßiger stimme erwiberte fie beS» 
halb: „®S thut mir leib, baß bu fo wenig 3u= 
trauen gu ©iartin haft. Ou haft fidjerlich 35or= 
urtheile gegen ihn. 3<6 liebe ihn, unb habe ihm 
mein 2Bort gegeben. 3<h fürchte nicht, baß eS 
fo fchlimm werben wirb, wie bu meinft. 5lber, 
fötutter, ich würbe ihn heirathen, wenn ich müßte, 
baß er jeben Jag betrunfen fein würbe." 

©rftauut unb fdjmerglich gerührt blidte grau 
Oublet) ihre Tochter an. „ü mein Uinb," rief 
fie aus, „®ott gebe, bnß beine SBorte nicht eine 
Uöeiffagung werben mögen, Oocß laß uns nicht 
mehr Sorte barüber oerlieren. Ou haft bich 
einmal entfchloffen, unb ich benfe Ueberreben 
Wirb nichts helfen, aber ich fürchte für beine 3u= 
funft." 

Orei ÜJtonatc fßäter mar im £>aufe ber grau 
Oubleß eine Heine ©efellfdjaft beifammen, um 
bei ber Jrauung oon Sorten 9togerS unb fDtaria 
Oublet) gegenwärtig gu fein. OieS geft war 
halb oorüber, unb baS junge ©aar begog bie 
nette Heine Soßnung, welche ©tartin’S ©ater 
ihm gefd)entt hatte. 9lber ©Jartin hatte mit 
bem 4>od)geitStage ben beraufchenben ©etränfen 
nicht entfagt. @r traf öfters feine alten Se» 
tonnten, bie ihm ©lücf münfehten, unb ba mußte 
ja auf baS Soßl ber jungen grau getrunfen 
werben. 6ineS JageS, nadjbem fie groei 2Jionate 
berßeirathet gemefen Waren, wagte fötaria eS, 
ihn an fein ©erfjtrechen gu erinnern, unb 9J?ar» 
tin antwortete in gutem £>umor: „3a, meine 
Siebjte, ich werbe eS halb tljun. 9tber wenn ich 


gerabe jeßt aufhöre gu trinfen, fo fagen meine 
Äamerabeti, ich fei „unter’m ©antoffel." Ou 
weißt, fo nennen fie einen, ber feiner grau ge» 
horchen muß." 

„Dtein, baS habe ich nicht gemußt," antwortete 
©taria in faltem Jone. 

9llS ©tartin faß, baß feine ©Sorte fie beleibigt 
hatten, fügte er fcßmeichelnb ßingu: „flomm, 
©taria, ängftige bich nietjt meinethalben, unb 
nimm meine Sorte nicht-fo böfe auf. 3n ber 
Jfjat, ich trinfe hoch nicht fo üiel, baß e§ mir 
fdjaben tönnte, unb werbe halb gang bamit auf» 
hören." 

„2ßann ?" fagte fötaria auf eine SGßeife, bie 
geigte, baß fie gelernt hatte, an ihres fötanneS 
Sorten gu gmeifeln. 

„SOßann ? 9tun laß einmal fehen. 3<h will 
bir fagen was ich tßue. ©Senn bu mich in 9luhe 
läßt, bann werbe ich am nächften ÜReujahr auf» 
hören, baS finb noch gwei Monate. Sift bu ba» 
mit gufrieben ?" 

„3a, wenn bu eS ernft meinft," fagte Staria 
gögernb. 

„Ob ich f° weine? ©emiß thue ich baS. 
©ber merte bir, bu mußt mid) bamit in ütuße 
laffen unb oergnügt fein." Unb fo mußte fie 
fich gufrieben geben. 

Oer 9}eujahrStag tarn. 9Jtartin 9togerS hatte 
Wohl beabfidjtigt ein neues Sebeit gn beginnen, 
aber eS fehlte ihm bie f?raft bagu. Unb fo tarn 
es benn, baß er am 9?eujal}rStage bie ihm ange» 
botenen ©etränte annahm unb tränt, bis er 
oöllig betrunten hfiwtam. 

Sit Sdjreden fah Saria, baß ihr fOtann fein 
Sort gebrochen, hielt es aber für baS Sefte nichts 
gu fagen, bis er bödig nüchtern geworben. 9l(S 
einige Jage oergangen waren, wagte fie eS ihn 
an fein Herfprechen gu erinnern, aber mit fdjfedi» 
’tem ©rfolge. — @r antwortete ihr furg unb 
barfch, er miffe was ihm gut fei. @r Wolle fein 
Sonberliug fein. Oie 9lnbent nähmen ihr 
©löschen wann eS ihnen beliebt, unb fo Wolle er 
eS auch thun. 

93on nun an ging es ben gemößnlidjen ©ang. 
3mmer ftärfer unb ftärfer mürbe fein ©erlangen 
nach etwas „Startern," unb er ftiOte eS. Unb 
fo tarn eS benn, baß Saria in Sirflidjfeit bie 
grau eines JrunfenbolbeS mar. 

3wei 3aßre waren feit ber £) 0 <hgeit berf^Wun» 
ben. (Stwa fechS ©tonate guüor mar 9J?aria 
Sutter geworben. Oa würbe grau Oublet) 
eines ©torgenS gerufen. Sie tarn unb fanb 
9Jtaria flagenb unb meinenb. ©tartin war 
9lbenbS guoor betrunfen heimgefommen unb 
hatte fich ju ©ette gelegt. Saria hatte, als fie 
beS Sorgens aufftanb, ihren Säugling im Sette 
liegen laffen, nicht aßnenb, baß ihm etwas wi» 
berfahren werbe. SJiartin hatte fich in feinem 
betäubten Schlaf herumgeworfen unb benfelben 


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9(s Jödjleins lauf. 


579 


erjlicft. Unb felbft ba§ Klagen ber Wutter roar 
niefit fiinreiifienb, ifin nüchtern gu machen. 

So öergingen 3>afjre. Gin Sofia unb eine 
2ocfiter tourben ifir f pater gefcfientt. 2(13 ber 
»nabe fünf ^afire alt lonr, ftarb er. Witten 
im Scfinterje ifireS 23er(ufte§ fugte bie Wutter 
ju ficfi felbft: „|)einricfi wirb nie loie fein SBater," 
unb ba3 mar ein Sroft. 

2)odj meSfialb bie traurige ©cfdfiicfite auSfüfir= 
ficfi erjafilen. Waria tierlebte Sage be» GlenbS 
uitb beS Kummers, unb als Wartin ÜtogerS in 


I bas ©rab eines 2runfenbolbeS fanf, ba mar bie 
' deine (Sbitlj ifir einiger äroft. Wartins SBater 
fiatte glücdicfier üßeife bafür geforgt, bafe ifir 
etroa» Vermögen geblieben mar. Unb fo lebte 
fie benn nur für ifire SLocfiter. ffünfjefin 3afire 
jutjor mar fie gemarnt morben, aber bie $off= 
nilng, baß fie im Stanbe fein mürbe, Wartin 
ÜtogerS ju beffern, fiatte fie öerleitet, mit ifim 
an beit 2l(tar ja treten. 3afire ber (Reue unb 
2firänen roaren ifir fiofin, unb es mar ifire Sorge, 
ßbitfi öor einem äfinlicfien Scfiicffal ju bemafiren. 


- > —■ srftiic- » ^ - 



I 

ber Hetzer nißet, bas tDafferljuItn Ijauß, 

Da fomm’ tcfy fjergefToflen, 

Bin in fecfen Sprüngen 3U (Efjale gebraup, 

Durdj Hofjr unb Hieb ergoflen. 

Heber Klippen eilt 3wifcfjen Steinen mein Cauf, 

Unb über ^elfenrücfen 

Kn ben Dorflein vorüber, am StSbtcfyen herauf, 

Dur(b groß’ unb Keine Brüden, 

Bis bie tPaffer ftd? bort, wo bie Jütten ßefj’n, 
gum rotten Strom ergießen: 

Die ITTenfcbengefcfyledjter, fie fommen, fie ge tj’n — 
Unb idj — muß weiter fließenl 



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580 


9t» Püdjlrins #ouf. 



Unb gefdjroä^ig fort über Stotf nub 
Stein 

Stürjt raufdjenb mein (Sertefel, 
<£s erbraufet unb faufet Budjt aus unb 
ein, 

Durd> Schilf unb glatte Kiefel; 
Unb ob ftrubelnb unb fprubclnb som 
Uferranb 

36 riß 311 beibert Seiten 
UTandies Stiicfd?eu, idj fäumte bafiir ben 
Stranb 

ItTit <Erlgebüfdj unb lUeiben. 

Unb fo tsiü idj mid?, offne fiille 3U ftefj’n, 

gum sollen Strom ergießen: 

Die ItTenfdiengefdilcd^ter, fie 
fommen, fie g ef|’n — 

Unb t dj — muß weiter 
f 11 e ß e n 1 


IDinbe plätfd>ern mid? weiter son 0rt 511 0rt 
3 n leid)tgefd?wung’nem Bogen, 

Unb ein Blümlein ffier, unb ein ^ifdfleiit bort 
Sdjwimmt mit auf meinen IDogen. 

Unb es glitjert unb glä^et in wettern Bunb 
Die fdjautn gefrönte IPelle 
Unb fpiegelt auf fonnesergolbetem (Srunb 


Sidj flar unb (tlberfjclle, 

Bis fte enblidj ftdj all’ offne tüiberßeff’n 
§um sollen Strom ergießen: 

Die Ulenfdjengefdjledjter, fie fommen, 
fte ge V« — 

Unb tdj — muß weiter fließenl 



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5es gädjltins lauf. 


581 



5 urdj bas Sdjattettgebiifd}, burdj bas Ittiefengrüit 
Komm* murmeln!) ich geflogen, 

H?ie bic blauen Sternlein ber Siebe ergliilj’n, 
Dergigmeinnichte fprojfen. 


Unb fo fyiipf ich uub fc^lüpf ich im £Dogentan3 
Balb auf, halb ab; jetjt funPeht 
ineine IDellen, gewoben aus Sonncnglan3, 
^et^t ^ieb’n fie tief im Dunfein, 



oon Sternen befchtenen, ooni illonbenlicht, 
Durcf? wilbes Dorngeftriippe; 

©b fie 3aubertt unb 3Ögern, fte feffelt nicht 
Der Damm, bte Reifen PI ippe; 

8 ts jte brunten ftch bort, wo bie Binjeit ftch’n 


3 um Dollen Strom ergiegen: 

Die IITenfchengefchlechter, fie fommert 
fic gc h*n — 

Urtb ich — m u g weiter fliegen! 

P- *?• 













582 


Pit Husuanberungsfragt. 


Pie ^ttpwanöerwnopfrage. 

Sott C. »elß in »erlitt. 


tefelbe hefcßäftigt gegenwärtig in Oeutfcß» 
lanb lebhaft bie ©emütßer unb bie ßerbor» 
rageitbftcn Slänner auf politifcßem unb 
religiöfein ©ebiet mibtneit berfelben ibre 2luf= 
merffamteit. Slan beregnet, baß feit etwa 
100 Rubren 4—5 Millionen fräftifle Oeutfcße 
auSgemanbert finb, bie, wenn man ihre Stieß» 
tonunenfchuft hinjummmt, einen ®cfammt=2ler= 
luft oon 8—10 'Millionen Seelen für baS beutfcße 
üßaterlanb ergeben unb einen 23erluft non 16 bis 
20 Ufilliarben OJZarf repräfentiren. 3 roar ift. 
bie 2luSmanberung burch bie gute Krnte in 
Oeutfchlanb ein wenig in’» Stodeti gerattjen, 
allein bie £>unberttaufenbe, bie „hinüber" ge» 
wanbert finb, unb welchen eS in ber Segel gut 
gebt, werben noch Diele 2ln5ere nach fi<b sieben. 
SiStnard behauptete jwar im Seid)Stag, eS fei 
ein ^rrtbuni, wenn man annebme, baß lieber» 
o ö l f e r u n g bie Urfacßc ber 2luömanberungS» 
luft fei, unb führte jutn IßcmeiS bafür an, baß 
bie gröberen Scßaaren ber 2luSWanberer aus 
ben biiun beoölferten ©egeitben OftprcußenS 
lämeit, mübrettb bie hießt beoölferten Sheiit» 
prooinjen nur ein Keines Kontingent baju fteH» 
ten, unb empfahl, bie 3fnbuftrie im Ofteit ju 
beben, als ©egengemießt gur 2luSwanberuiigS= 
luft. Oeiit würbe aber lebhaft wibcrfprocijeti 
unb naebgewiefen, baß eS eben ben Oftprooinjen 
am frud)tbarcn 33obett jum Sderbau, unb fomit 
audb gur Jfnbuftrie fehle, unb ber geplagte Saitb» 
mann in 2lmerifa ein weit einträglicheres fjfclb 
feiner Oßütigteit finbe. 

2lnbere, namentlich Or. ffabri aus Klberfelb 
meinen, Oeutfcßlaub folle Kolonien grünben unb 
bamit fid) felbft ben Ueberfcßuß feiner Kräfte 
erhalten — allein, fo fißön auch biefe Theorie 
ift, fo fdjrner ift boeß bie tßrajiS. 3»t Koloni» 
fation gehören: 1) Kolonien, unb folche föitnen 
nur Seemächte erwerben; 2) etwas günftigere 
Seelüfte nnb fräftigereS ^lottenwefen als 
Oeutfdjlctnb befißt. OaS jugenbliche beutfcße 
Seid) tarnt folche nicht im .fianbumbrehen er» 
werben, unb bein untüchtigen Kunglet- macht eS 
ber Seichstag oon 3<tßr ju 3af)r fdjmerer, baS 
Seich burch felbftftäitbige Kinnahmequellen unb 
eine üott ben Kingelftaaten unabhängigere Stel» 
lung fo su ftärfeit, baß es träftige Operationen 
nad) Stiften oornehtnen taitn. 

ffiir bie fernere Kuiunft bürfte wohl ber 
Often — wohin bie Oonau beitt Oeiitfcßcn ben 
23cg geigt, wohin OeutfcßlanbS politifcheS lieber» 
gewicht fich neigt — ein ergiebiges ftelb gur 
Koloitifation abgeben, allein fo lange ber ruffifdjc 
Koloß noch fteht unb ber „traute Staun" bie Stift 


bort berpeftet, hot e§ noch leine ©efaßr. Oie 
SuSWanberung ber SZennoniten, bie fehl» 
gefdjlagenen fcßmärmerifchen SSerfudje Pfarrer 
Klöter’S, ber fteigenbe fl aß ber Suffen gegen bie 
Oeutfcßen bemeifeu, baß auch hier bem Oeutfcßen 
baS 2öort immer noch gilt: “young man go 
west!” 

Oie amerifanifdje fyreiheitsluft, bie reichen 
SebenSqttellen briibeit, bor 21 Hem aber bie SBlutS» 
unb Stammberwanbfdhaften, welkes baS alte 
mit bem neuen ÜBatcrlanbe berbinben, Werben 
fo lange bie jeßige uub wohl auch noch bie gmei 
näcßften ©enerationen blühen, ihre 2lngiehung§» 
Iraft nicht bertieren. So feßr auch Süb=2lmerifa 
empfohlen wirb, fo wenig will eS etwas nüßen, 
benn aus Sßrafilicn fontmen biete Ungufriebenc 
in größter Oürftigfeit wicber guriid. 

Um fo mehr tijut eS itotl), baß für bie 2tuS» 
wanberer att<ß in cßriftlicßer f>inficßt fo geforgt 
werbe, baß bicfelbeu brüben beffer als in ber 
alten #eimath'eine 3uflucßtSftätte finben, ba 
fie gefdpißt bor ben 23erfu<f)ungen ber alten fjei» 
matß, namentlich beS 2Öirth§hoitSlebenS, ein 
neues Selten in jeber 2Beife beginnen föntten. 

Schon feit fahren bemüht fid) nufere Kirche 
bureß bie Aufteilung eines &nfeit=2SiffionarS in 
Sem Sort unb burch SJertpeilunjj boit Oracta» 
ten, Bibeln uub Oeftamenten bei ber 2lbreife, 
ben 2lttS= nnb Kinmanberern fieß mißlich g« er* 
weifen. Sie hat auch auf biefent'©ebiet ben 
2lnftoß ju einem großartigen bon ben luthe* 
rifeßen ©riibern angelegten '-Plane gegeben, benn 
ftetS lafen wir, baß bie 2lnftellung eines httße» 
rifeßen ^tafcnmiffionarS in Sem 2)orf babureß 
motibirt Würbe, „baß bie lutßerifcß getauften 
Kirdjettglieber ben SZetßobiften itidßt in baS Seß 
geratßert." SSon biefem SZotib fprießt man jeßt 
weniger unb faßt bie Sache bon einem höheren 
Stahbpunft auf, ber unferer 2lufmertfamfeit 
wohl Werth ift- 

DJZiffionSinfpector ffabri hielt in Sannen auf 
bem Kongreß für innere Sliffion im SZonai 
3utti b’. 3- einen intereffonten Vortrag über 
bie 2luSwanberuttgSfrage. Kr fügte u. 21.: 

„(SS ift Wichtig, baß fieß bie innere 'üliificm mit biefe» 
Stage befcßäftige. Sie innere SJliffion hat ba« ganje 
Kulturleben bc« Solle« ;u beachten unb auf alle wichtigen 
fragen ber 3 <it ihr Stugenmerf ju richten. Sie 3 luS= 
wanberungSfrage ift eine Wichtige fojiale fhrage, bie 9 lu«= 
Wanberung au« Seutfchlanb im großen SWaßftabe eine 
moberne (Srfcheinung. ©ie beginnt eigentlich cr ft an bet 
jweiten »citjte be« 19 . Sabrhunbert«. ©er ba« «eben in 
Seutjrf'lanb richtig beurteilen Will, ber muß immer be 
ginnen bei ber großen .Ciataftrot'be be« 30 jährigen .Rrie= 
geS. (Srft in ben 50 er fahren bat ®euticblanb bie (Sin 
wohner,ahl wieber erhalten, bie c« uor bem 30 jäbrigen 



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Pit lUumanbtntnpfragr. 


58a 


ffrieae batte. Sie ©rünbe für bte «uSmanberung fmb 
vielen no* feßr untlar. Ser mirthfehaftliche duftanb be« 
seinwtblanbe« ift niebt mahgebenb für bie 3luä»anbe= 
tuna, fottbem ber rmrtbj^aftlicbc 3>'ftanb Stmenta«. 
fflenn es brüben gut gebt, fo fonttnett taufenbe von wte= 
fen herüber von früher 2lu«gewanberten unb laben ju 
bem öinübertommen ein. 3m »origen 3at>re finb 250,000 
au« Seutfchlanb au«get»anbert. 3n Bremen unb öam= 
bürg beregnet man, bah in biejem Saßre bie 3aßl ber 
SluSmanberer 300,000 erreichen unb überfteigen mürbe. 

' s n ämerifa finb im »origen 3«h re 700,000 eingemam 
bert, in biejem (jahic mürbe bie 3®hl 1,000,001) erreichen. 
J)a« (ei eine großartige Grfcheinung, beren folgen noch 
aar nic^t ju überfein finb. Sie Seutfcßen futb bie ae= 
fuchtelten Ginmanberer inStmerifa, fie finb auch bie mobl= 
babenbften. Ser Äaftitalmerti) eine« Ginmanberer« fei 
auf $200 ju rechnen, »ei 250,000 Ginmanberoben giebt 
ba« eine enorme Summe. Siefe Ginmanberer treten aber 
brüben fofort in 2lrbeit unb rnerben fo Seutfdilanbs Jton= 
furrenten. G« ift baßer biefe 2lu«manberung«frage bie 
aOermidbtigfte fojiale grage, bie leiber noch lange nicht 
aenua beachtet Wirb, au* nicht »on benen, bie »or alten 
ibr sfugenmerl barauf rußten foüten. 3Ba« iftießt tu 
tbuit gegenüber biefer michtigen ff rage? G« ift nicht ncß= 
tig, biefer ffrage ftumm gegenüber ju flehen in ber 9Ket= 
nung es liehe fich boch nicht« machen. Sie «egierung ift 
auch noch M<h« 3^«, fie fu*t e« h>«unbba 
burth «eine Getanen ju hinbern. Sie tulturgefcbichtliche 
Grunblagc ber 2lu«wanberung bittet bie 93e»ölferung«= 
Zunahme. Stuf ©runb biefer Grfcheinung ift unjere 2Iu«= 
ivanberung eine «othroenbigteit. 2lber bte Proletarier 
bleiben hier — tüchtige üeute manbern au«. Sa« laßt 
fii au* ni*t ätibem, fo lange bie «egierung unb bte 
öffentlidie Meinung biefer ffrage fo inbifferent gegenüber 
flehen 3n Gnglanb habe ölabftone fuß 2.->0,000 Pfunb 
• bewilligen taffen für bie 2Ui«wanberung in jrlanb G« 
märe gut, mettn ba« beutf.he «eich aud) einen mirtbfchaft= 
liehen «üben unb «üdflufi »on ber StuSmanberung babe. 
Paßer habe ich unb anbere bariiber naeßgebaebt, lote ein 
Xfaeil ber «usmanberer anber« Wohin ju btrigiren fei, 
mo fie in 3ufammeithang mit ber öcimatß bleiben. 9lber 
fo lange ba« grofce Äapital ber Sache nichtsthuenb gegen= 
überfteht, läßt fich nichts machen. 

«ebner ftellt folgenbe Sßefen auf: 1) Sie in ftetem 
SöachSthum begriffene beutfd^e «iafjenausmanbenmgiift 
eine mirthfcßaftlich notßioenbige, befonber« burch unfere 
33 e»ölfcritiig«junahtne gebotene XEjatfacf)e »on großer 
nationaler mie fojialer Pebeutung. 2) Statt »oltig un= 
mirtfamer »erfueße, biefelbe ju hemmen, gilt e« burch 
pcteataffojiation, burch «rmli^e Organe unb Woßu 
mollenbe U<berwacßung »on Seiten be« Staate« unfern 
tur SluSmanberung cntfchloffencn iianb«leuten in timfich' 
tiger unb uneigennütziger 9Bcife ^ülfe ju [eilten. Sind) m 
ben überfeeifehen üänbern bebarf e« ortstunbiger humaner 
»ülfeleiftung für unfere neueinjiebenben i'anbSleute. 
3 ) Stile »eftrebungen, unfere 9Jlaffenau«wanberung fo 
m leiten, bah fie au« einem .«rcifteabfliih äu emermirtb= 
i'cbaftlichen uitb nationalen Stärtung Seutjcßlanb« fich 
geftalteVfinb nachbrüdlich ju nnterftiihen, unb ift in tue» 
Fern »lid bie »Übung beuticher Äolomfation«gefetlfchaf= 
ten namentlich in Sübamerita, bringenb wünfeßen«; 
roerth. Sie Sh 4 ?*" TOurfccn uon ber »erfammlung an= 

fle «lTfiorreferent berichtet Sr. ©riefemann über bie 
firebüebe fttirforge für bte 9tu«manberer. 3« tirchltcßen 
.Hmfen wirb immer »or ber 2tu«manberung gewarnt mit 
ber Peariiitbung, bie 2lu«Wanberer mürben baSmateneüe 
©liict nicht finben, ba« fie fuchten. Gine jolcbe «jarnung 
ift oerfeßit, ba e« nicht richtig ift, bah bie 9lu«matiberer 
ibr ©lüä nicht fänben. Siele tommen brüben fehr gut 
fort menn fie nur arbeiten tonnen unb mollen, für bie 


2 lu«manberer läfit ftch brüben menig machen. 3n ber 
£>eimatfy fanit man aber ötel ttfun. 3n fat^olifc^en Ärei= 
fen mirb btel für bie 3luömanberer get^an. ift in bie* 
fer öinfiebt ber 9ta^^ael^ * herein bort t^ätig. ^Detfelbe 
»erteilt harten an bie Sluemanberer. £>iefe$ Seifbiel 
müßten mir nacbcifern. SRebner ferlägt t>or, ftatt bed 
9tamen3 öafenmiffionar ben tarnen §afenbia!on ju ge* 
braunen, ierfelbe mufe ein Slbgeic^en ^aben, bamit bie 
9 lu$manberer ibn erfennen !önnen. — £ie Öefe^e über 
bie ^luömanbererfcbiffe in Srenten unb ^ambut| finb 
gut, aber eö fommen boc^ nocfy nielfac^ unfittlic^e Sachen 
t>or. £er 9tab^aelö*^erem ^at bariiber traurige Berichte. 

märe gut, menn Xiafone auf ben Skiffen fic^ be* 
fänben unb bie 2lu$manberer begleiteten. 2luf bem norb* 
beutfeben i'lotyb ^errfebt bie Sitte, baj am Sonntag bie 
SluSmanbcrer eingefebifft rnerben. 2)a« märe in (Snglanb 
unb 9lmerifa unmöglid^. drüben rnerben bie 2lu3man* 
berer uon oielen ^afenmiffionaren empfangen, bie fie ben 
einzelnen firdüic^en Öenteinfc^aftcn jumeifen; aber fciele 
rnerben tivdüid)en ©emeinfebaften nic^t einberleibt, unb 
menben fid? gan$ ab t>on ber ^irc^e unb bem (Stritten* 
tbum. Gs fommt bafyer an unö bie ^fticfyt, bafi tü^tige 
firc^licbe Kräfte fyinübergefanbt rnerben. Tiefe Aufgabe 
bat ficb bie eoangelifc^e ©efellfc^aft für 3lmerita gefteUt. 
Tiefelbe giebt ein SMatt „Ter beutfe^e 2lnfiebleri' berauö. 

3n ber Tie-luffton rebet juerft ^>aft. Krüger. Gr t^eilt 
mit, bafi bie Si?nobe be^ ^eftenö in Hmerifa, momit 
febon lange bie eoangelifebe «efeüfcbaft für Slmerifa in 
33 'armen unb ^angenberg in ^erbmbung fte^t, teine 
9)2iffionare in ben fbäfen tmerifae hätte. Gr fd?lägt bor, 
bafi bie heutige $erfammlung an bie eoangelifd^e S^nobe 
von 5lmerifa baö öefuc^ richte, bafj btefelbe einen Agenten 
im f&afen bon 92em ?)orf anftelle. Tie SBerfammlung 
ftimmt bem bei." 


<Scf)i citificßenb befcfiäftiflt fief) mit biefer 
gratfe bie „«llciemeine fDtiffion«jeitfd)rift" in 
einein (änfleven non $nftov Senfer au§ 'fßcnn= 
fhlnanien einflefonbten «rtifel. 'Serfelbe ließt 
non bem ©runbfoß au8, baj? bie au8 £ent|ct)= 
tanb unb ©fanbinaüicn ausmanbernben 6»an- 
ci e 1 i f d) e n Jfinber ber Jfirdje feien, für tnelcße 
bie fDtuttev aueß im neuen Sanbe formen miiffe, 
unb fcßläcit folflenbe WaBrefldn nor: 

1. $ie „Kircße" foü ißren 9lu8toan» 

berern einen tirißlifßen 5ßan mit* 
Ae beit. 3u biefem ßat ^aftor Sentcr 

ein fircßticßeS Slbrefsßucß nerfaßt unb ßeaß* 
fi^ßtiflt bnffelße jebetn beutfeßen unb ffanbinn* 
niiißen ^aftor jujufenben. ®ie Serliuer „(in. 
ßircßenseitunfl" aßer tabett '-Paftor Center, bau 
er nur bie ftreng lutßerifdßeu f^rebi* 
A e r aufflefüßrt unb tiiißt einmal bie e o a n fl e = 
iifcßeit Sßnoben be» SPeften» barin auffle* 
nommen ßat. "V . . , 

2. Soll ben «uSioanberern foftenfrei eine 
§rluflf<ßtift mitflegeßen inerben, toeßße ba8 

1 Sßatertanb, bie fReife unb bie amerifanU 
i fißen Jtircßert ßefßricßt. 

1 3. Sollte jebem «u8loanbererfcßiff ein v(us= 

i roanberer=Diiffiouar mitflegeßen werben. 

I 4. (Sollte eine Organifatiou ein« 

1 geleitet werben. 5?on beit Saptifteu, IBJetßobi* 

I ften u. bergl. Denominationen, beult £)evr Pa* 
i ftor Center, fötme man feine Organifation iit 


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584 


JHr Äusroanberungsirage. 


biefer Sache erwarten; ihnen würbe bad Arbeitd» 
fett» fehlen, ba ed feine europaifdjen Staaten 
ibrcd ©laubend giebt, aud welken ihnen bie 
Audmanberer jufommen. (!) 

£>ieju werben brei ©orfdjläge gemacht: 

a) 3fit Europa ein G*entral=Audmanberungd= 
Gommijfiond=6ommittee unb ein bemfelben cor» 
refponbirenbes in Atnerifa ju bilben. Sie fa= 
tbolifhe Kirche bot ibr Stom. ©on ba aud 
geben alle ftäben. Sedbalb fann fie (icb in ©er» 
binbung fe^en mit Sanb», (Sifenbabn» unb 
Sampfboot»Agenten, unb allenthalben bie gün» 
ftigften ©ebingungen für ihre Angehörigen er» 
jielen. Saffelbe fällten folcbe (Sommitteen für 
bie enangelifcbe $ir<be fein; „fie füllten 
in npoftolifcbein, cf)rift 11 5cibn 1 id>em Wiffiondgeift 
ficb ber Audmanberer überhaupt Pom ganjen 
Stanbpunft ber $ird)e aud annebmen, weil bie= 
felbe alle $ir<ben gleich berührt unb Oon feiner 
einzelnen beforgt werben fann." — „Wan Per» 
anlaffe eine Anjabl unferer berüorragenbften 
Wäitner in Europa, ihre tarnen ju einem ßen» 
tral»Audmanberer=Wiffiond=Goinmittee berjuge» 
ben, unb eine ober jroei Witgliebcr ju ermdcfjti= 
gen, ald tbätige Setretäre ficb ber Angelegenheit 
ju wibmen; — man tbue in Amerifa baffelbe, 
unb ber größefte Sieg für bie Sache ift gewonnen. 

b) Sie ganje innere fDfiffion in Seutfhlanb 
füllte angeregt werben, mehr im Sicht biefer An» 
gelegenpeit ju arbeiten. 

5. Sftt Anbetracht ber bebeutenben 
Audmanberung füllten audgebebn» 
t e r e A n ft r e n g u n g e n j u m SB e ft e n ber 
Audwanberermiffion gemacht werben. 

ÜBcil bie Seutfhen fein audfterbenbed ©e= 
fehlest feien. Weil fie tief innerlich angelegt fiitb, 
unb mit £>injufügung ber praftifchen Seite ber 
Amerifaner eine Wacht für ©briftum bilben 
werben; ferner wegen ber ©ortbeile, bie fich aud 
biefem ©krf ergeben: bie Audmanberer werben 
bad ©krf nntcrftiij^en, noch ein Uebriged tbun 
für bie äußere Wiffion; ferner. Weil cd eine 
Schanbc ift, wenn anbere Äirchengemeinfcbaften 
(oon benen ©aftor Senfer meint, fie feien nabeju 
erfolglos geblieben!) mit Stecht fagen: Aiemanb 
fünnnert ficb um fie- (ferner wegen ©brifti ©ebot. 

Sad finb bie ©ebanfen, welche bie gläubigen 
greife Xentfd)lanbs bewegen in ©ejug auf b’iefe 
Angelegenheit. Allein überall begegnen wir bem» 
felbcn ©runbirrtbum: Wan treibt juoiel ftir= 
ihcntbum unb jumenig ©efebrung. Wan be» 
trachtet biefe Auswanberer nie gute ©brüten, bie 
nur ber M irdjc erhalten werben miiffen, wäbrenb 
bie meiften im ©runbe genommen feine ©Triften 
finb, unb bec-bnlb fo leicht brüben ben äußeren 
9tocf ber ,M irrf)lid)feit, ben fie hier noch jur Schau 
trugen, preidgeben ; ficb geben, Wad fie finb. 
Xod) bürfeit wir und ja freuen, baß enblich bie 
lutberifebe Mircbe erwacht. 


Aber auch wir ald Wetbobiften haben an ben 
Audwanberern eine Wiffion, bie wir und nicht 
abfprechen laffen fönnen. Sie finb untere ©rü= 
ber nach bem Jleifch, fie hoben unterbliebe äcc= 
len ju retten, unb bie Wetbobiftenfircbe bat atd 
bie größefte ber ftirdjengemeinfcbaften brüben 
bad gerichtliche Stecht unb bie gerichtliche Pflicht, 
für biefe Schafe in ber ©Hlbniß ju forgen. rei= 
lid) wiffen bie lutberifchen Spnoben bem Wctbo» 
bidmud wenig Sanf, baß er unter taufenb Wüb» 
feligfeiten noch ehe fie baran gebacht, biefe ihre 
Sanbdleute oor ©ermilberung bewahrt unb in 
Pielen ©egenben burch feine Arbeit ben ©oben 
porbereitet bat, auf welchem jene Spnoben jeßt 
gebeiben. Ober ift ed nicht jum großen übeil 
bad ©erbienft bed Wetbobidmud, baß Atnerifa 
noch einenSonntagbat; einen Sonntag, 
welchen Üaufenbe lattbedfircblicber Unchriften ju 
untergraben fuchen — baß bem ftärffteu Sa» 
tandbollwerf, ber «aufluft, ber ©oben entjogen 
Worben ift, baß bie ©ibel, bad ©briftentbum 
unb ihre ©rebiger noch in Achtung fteben ? — 
Auch mir tbun oiel ju wenig für biefe Aud» 
Wanberer. 6d ift jwar anertennendwertb unb 
riibmenb, wie bingebenb unb brüberlicb unfere 
©rebiger brüben ficb ber oon und empfohlenen 
annebmen. ©on ben Pielen ©riefen, welche 
Schreiber biefed im ^ntereffe Oon Audwanberern 
an unfere lieben ©rüber im Amte richtete, blieb 
fein einjiger unbeantwortet, unb bie Uneigen» 
nüßigfeit, bie Audfübrlichfeit, ber warme brüber» 
liehe Üon ber erhaltenen Audfunft, bat nicht me» 
nig baju beigetragen, feine Siebe ju ben unbe» 
fannten ©rübern im ©kften ju ftärfen. — #ü« 
ben unb brüben haben mir bie bejten Kräfte. — 
Allein an ben Anfängen einer erfpriefjlichen Or» 
ganifation, unb wenn ed auch nur ein firdjliched 
Abrcfjbuch märe, binbert und unfer Steifefpfiem, 
benn mit jebem neuen 3fabr wäre eine neue Auf» 
läge nötbig.*) Aud) bat ber Wetbobidmud nie 
feine Aufgabe barin erblicft, ftirdjeupolitif ju 
treiben. SBad wir oon unferm Stanbpunft aud 
ju tbun haben, ift: Am ©rften auch unter ben 
Audwanberern ju trachten nach bem Steife ®ot» 
ted ünb feiner ©eredjtigfeit — bettfelbeu burch 
SBort unb ©eift ©briftum ben ©efreujigteu an» 
ubieten. Sad übrige, b. h. ber befonbere Außen 
iir unfere ßirebe, wirb und bann Oon felbft 
jufaüen. 3u biefem 3mecf füllte fich ein (Jom» 
mittee brüben bilben, weldped ©elb fammelt un= 
ter benen, welche burch bie Audmanberung jum 
©3ol)lftanb getommen finb, bamit erftend biedfeitd 
ben auffi^tdbabenben ©rebigern oon ©reiner» 
bauen unb Hamburg ein tüchtiger £>afenmiffio.- 
när ald ©ebülfe beigegeben werben fann, unb 

*) 3n ben 6onferenjprotofoUen bet beutjepen gonferen- 
jen in Amerifa finbet fiep jebed Ja bt ein au«fübr= 
luped atbreßbuep aUet beutfepen ©tebiget in ben «er. 
Staaten. 6 b i t o t 


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$ed)t muß jftedjt bleibetu 


585 


bantit bte Kräfte brüben in 9teto ?)orf Perftärlt | 
merben fönnen. $)a£ toäre baS ßrfte. | 
3meite märe, aucf) um ba£ irbifcße äBoßl t’oldjer i 
befor^t *u fein, roeldbe fid) um Statt) an un§ 1 
toenben. 3 U biefent 3twct tollte ein 0‘ommittee, 
hier flebilbet merben, tt)dd)e§ feine 6rfunbiaun= 
fleu burd) baS ßommittee brübeit einjieljt. 3 lll . n ! 
3nm britten follten mir ein Sdjriftcßen mie „$)ie 
freunbfcßaftlidjeii Söinfe," meld^e früher beraub 
gegeben mürben, aber jept veraltet finb, beit 
s 2lu5n>anberern unentgeltlich mitviebeu fönneu, 
unb im Staube feien, eine permanente Stbreffe 
anäuftebert, bei welcher )ich biefelben ftets 9tath 
erholen fönnten. 

Stoff ju einer folgen Scßrift, enthaltenb un= 
parteiische Sd)ilöeruntien, S$ortbeile unb 9tach= 
tbeile ber 9tnfiebluna in Staaten, mit welchen 
bie Schreiber namentlich befannt finb unb unfere 
ßirdje bertreten ift, märe bem Sdjreiber biefeS 
fehr erwünscht. 


Jfcedjt muß bod) $ed)t bleiben. 


II. pet heimliche jSuttb. 

€tne gerd)id)Utd)f (£r)n!)lung «110 bem ^tttaltrr bee 
brciStc\jnl)ri0fn Kriege«. 

9toch bcutfdjen Duellen bearbeitet bon 

$*itl Gugeu. 

@rfte§ Kapitel. 

3m feinblidjen fager unb in großer Hotlj. 

gMln bem auSgebehnten Säger ber Rappen* 
sHi| peim’fcbeti 2rnppen mar eine ber belieb» 
CjjpSj' teften iperfonen ber SB a cf) t in e i ft e r 
S&r Sofias, mie er non Offizieren unb 
Matnerabeii genannt mürbe. (Sr mar frei lief) im 
Umgang nod) rau per als feilt roeißgrouer 
Schnurr» unb Mnebelbart, allein in feiner Stuft 
fdjlug ein el)vlid>es, treue» fjerz, unb mer bon 
ber rohen, niebrigen ©cfiiinung ber ©ölbner» 
f(paaren beS breijzigjährigen ,Mliege» nur einen 
fleinen '-Begriff bat, mirb bie» hoppelt ju fefja^eu 
roiffen. Mein SBunbcr alfo, baß felbft ber 
„3<brammenbonneS" — mie bie ©olbaten ben 
©eneralBappeubeim roegeit feiner nie» 
len Starben nanittrn — gerne in leutfeligfter 
SBcife mit bem muntern Sofias oerfefjrte. Oer 
ftrieg unb baS freie, utigebunbene Scben batten 
ben Septereit jung erbalten ; fein '«Rüden füllte 
bie acbtunbfecbjig 3 obre nicht, fonbern mar noch 
immer fo gerabe, mie in ber fräftigften Btanne»» 
zeit.. Oa Sofias außerbem in gar mancher 
©djlacbt mitgetämpft unb bennod) nie eine 


SBunbe babongetragen batte, fo hielten ihn Diele 
feiner .Mameraben für hieb» unb fugetfeft, benn 
bie große 'Btebrjabl ber Offiziere unb ©olbaten 
glaubte an allerlei geheime Saubermittet, bie 
gegen Serrounbung unb 2cb irfnilu'it follten. 

Oa nun, mie bereits gejagt, ber alte 3ofiaS 
im ©erließe ftanb, bie berühmte fog. „'Boflauer 
©ebeimfunft" zu Derftetjen, fo brängten fiel) Diele 
©olbaten, ganz befonbers aber bie Kroaten, zu 
ihm heran, bamit er ihnen ein berartiges ©cßuß» 
mittel Dcrfdjoffe. Oocß geriet!) er jjtets in Sorn, 
unb roico bie Sittenbeu ganz gehörig ab. Sn 
ber Segel entzogen fie fich ihm auch bureb eine 
fcbleuitige flucht, — jene Kroaten jcboch melipe 
heute bei Sofias ihr ©lücf oerfudft, hielten l)erj= 
helft aus, ja, ber berfcßlagenfte Don ihnen hielt 
ihn fogar feft unb brummte in gebrochenem 
Oeutfd): 

„Sij fo bös fein, Sruberljerz, — bübfdj ac» 
contmobant, — ftirr fcßöngülbene Mette ich b°b’: 
bo nur berfcbaif! 3ft acht ©olbgulben roerth 
unter Srübern!" „Sun meiaetmegeii," feßmun» 
Zelte Sofias enblich." „Äontm nur her SJtofeS," 
roanbte er fich einem abfeitS beS OifcßeS fteheuben 
jübifeßen ^uitbleD z»- „ba ift bie Mette, zahl’ mir 
meine acht ©olbgulben aus." 

Dtit einem ©prunge befanb ftcfj fötofeS fjirfch 
an ber ©eite beS alten ©cßnurrbartS, unb nach 
einer Statute fchon mar baS ©efeßeifteben abge» 
fdjloffen. 

„SBie fieht’S brüben aus ?" fragte Sofias ben 
fjanbelsjuben unb beutete nach ben im Cften 
auffteigenben Oßütuten ber belagerten ©tabt 
Btagbeburg. 

„9tu, mie märb’S auSfehen," mieberholte Sto» 
feS greinenb, „fehlest fieht’S aus. Oie ^Bürger» 
fchaft fteht fief) gegenüber feinbfelig, unb ber 
9trme neibet bem '«Reichen ferne 3Bohlfat)rt." 

„fRnn fo foll aber boch . . metterte bet alte 
Sofia», „mcnn’S fo faul in ber ©tabt fteht, 
marum greifen mir bann nicht an! SBarunt 
toinmanbirt uns ber ^Pappcnheim nicht zum 
©tunn ? ’S ift mahrlid) bie hödjfte Seit, benn 
über furz ober lang mirb ber ©chmebe mit feinem 
fjeere erfcheinen, unb bann —" 

@r fam in feiner IRebe nicht roeiter, ba ein 
SBote ihn in baS 3dt feines Borgefcßteit, beS 
'«R i 11 m e i ft e r S D o n $ o b e n h e g, rief. 

Um bahitt zu gelangen, mufüe er ben meiten 
IRaum beS fiagerplaße» iiberfchreiten unb an ber 
^auptmadje unb bem ©algen Doriiber, ber bort 
als ein SöarnungSzeichen errichtet morben mar. 
©eitmiirtS Don bcinfelben manbte er fich öer 
glänzenben Seitreihe ber Oberoffiziere zu. 

©S mar ein buntes fDienfd)engemüf)l, burch 
roeldje» fich unfer Sofias ben SBeg bahnen mußte. 
Oroßbem bie Maifc-tlidjen mehr bie gelbe, bie 
©ebroeben bagegen mehr bie blaue Mleiberfarbe 
liebten, Dermochte man fauin fjeinb Don i^reunb 


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586 


Heißt muß Heißt bleiben. 


ju unterfdjeiben, bo es ©e 6 raucß war, ©efangene 
unb Ueberläufer mH ben SBaffen unb ffletbertt 
bie fie eben trugen, einjureißen. 3fn Folge 
beffen rouepS jebeS $eer halb ju einer bunten 
©tenge an, unb bamit menigftenS im Kampfe 
ber Freunb oom 3 ?einb ju fisten »ar, bebienten 
fiep bie Sölbner weißer Sepnüre, farbiger ©än= 
ber nnb grüner ©iifiße als (SrtenminqSjcicßen. 

Sofias patte enbliiß baS 3 e lt beS iftittmeifterS 
gliidliep erreidjt. ©raf ©enno bon Ho» 
ßenßeg fißieit überhaupt ein feßr raußer (Sßa= 
ratter jii fein, unb obmoßl er wenig meßr als 
bierunbjwanäig 3 fapre jäßleit moißte, geigte fein 
©eficpt einen finftern, ja fogar pämifcpen 9luS= 
brud, ben man für gemöpnlicß bei ber lebelufti» 
gen ^iigenb uicpt anjutreffen Pflegt. Ser ©itt» 
meifter gepörte einem eljäffifißen ©rafenge» 
feßfeißte an, baS fiep großer ©eiißtßümer er» 
freute; mitpin pätte er niept nötßig gepabt, am 
Kriege unb ben bamit berbunbenen ©eutejiigen 
tßciljuneßmen, unb in ber Spat war es ipm 
auep niept um ©aub unb ©lünberunq ju tpun, 
bielmeßr berjicßtetc er [tctS auf ben ipm gebüß» 
renben ©ntßcil. (Sr patte einen ganj anberen 
3 wed bor klugen, benit er worein eifriger $a» 
tßolit unb betrachtete ben auSgebrocpenen $ampf 
als einen ©eligionStricg; ber ©eneraliffiniuS 
Sillp fepwebte ipm pierin als ein lemßtenbeS 
unb na<ßaßmungSmürbigeS©eifpiel oor; feßmang 
ber greife Helb fein Scßmcrt ja boep nur, um bie 
Äeßer bom (Srbboben ju bertilgen. ©enno patte 
mit feinem um ein Snßr älteren ©ruber ßonrab 
einen fißmeren ©taub gepabt, beitn biefer wollte 
ipn burepauS niept in $antpf unb Sob gießen 
taffen, unb miberfeßte fiep baßer mit aller aRaept 
feinem ©orßaben; ©enno war aber boep jufept 
Sieger geblieben, unb obwopl er erft feit Soßt 
unb Sag bem taiferliepen £>eere angepörte, patte 
er e§, in Folge feines (SiferS unb ®anf feinem 
alten ©belsbriefe, bereits bis junt fßittmeifter 
aebraept. S e ßötjer er in ber ©unft Sillp’S unb 
©appenßeim’S ftieg, befto größer geftaltete fiep 
ber Hoß feiner Untergebenen, bie er gar ju gerne 
feine Strenge fiißlen ließ. Sluep ber alte ©tadpt» 
meifter Sofias mußte fiep Diel bon ipm gefaüen 
laffen, unb Würbe bon ipm auep peute beim (Sin» 
tritt in’S 3elt mit Spelten empfangen. ©adß* 
bem Senno bon Hoßenßeg feinem 3 orne genü» 
geub 2 uft gemaept, glättete er bie Spipen feines 
aufwärts ftrebenben ScßnurrbartS, unb fupr in 
ftrengem, aber rußigem Sone fort: 

„3iuS ©arbeleben, bem Hauptquartiere beS 
©eneralS ©appenßeim, ift foeben ein ©efepl an 
unfern Dberften gelangt, rnonaep ber .Qunbfcpaf= 
terbienft mit größerer ©tadßfamfeit auSgcübt 
werben foll. (SS pat fiep ßernuSgefteüt, baß bie 
©tagbeburger bon ber (Slbfeite aus einen regen 
©erteßr miep ©ußen unterpalten. Siefem peil» 
lofen Sreiben muß ein 3* c l flefept werben. S« s 


beS Fäßntein foll bespalb einige ©tadpen entfen« 
ben, unb meine ©taßl ift auf biep gefallen, benn 
i(p weiß, baß bu ein mutpiger ÄriegSfneipt bift, 
unb bie ©uSjeidpnung ju fdßäpen berfteßfi." 

„©MÜ’S meinen, geftrenger Herr ©ittmeifter," 
rief mit funtelnben ©ugen unfer 3fofiaS ange« 
fidßtS ber ju erwortenben 2luSreicpnung. „Stellt 
mi<p nur pin, wo’S reept gefäßrlidp ift." 

„®aS foll gef<pepen," niefte ©enno bon Höpen« 
peg gnäbig. „©Jäßle bir ein paar panbfefte 
$erle aus, unb fepe mit ipneit bei Sobenborf 
über bie (Slbe. ©torgen fenbe icp bann ©blö» 
fung. ober fort! — $eßrt! — ©tarfdß!" 

Unb orbonnanjmäßig marfepirte ^ofioS gum 
3elte pinauS. ©tit einem wapren Feuereifer 
fiißrte er ben ©efepl beS IRittmeifterS aus, unb 
Pefanb fup f(pon natp ©erlauf einer Stunbe jen= 
feitS ber 6 lbe. Sein ©efofge beftanb aus brei 
berittenen Hufarett, wel(pe in iprer Halbritftung 
unb Sturmßaube pöcpft triegeriftp auSfapen. 

©aepbem ber Söacptmeifter Umf(pau gepalten, 
beutete er auf ein öftlicp liegenbeS ©epölj, unb 
rief mit befeßtenber Stimme: „2)ort wirb 3 luf« 
ftetlung genommen, FungenS, unb baß ipr mir 
;a bie ©ugen ßübfcp offen -paltet, bamit uns 
nicptS entgept, benn einen bon ben ©tagbeburger 
Spürpuitben müffen mir in unfere ©emalt be» 
fominen, eper meieße i(p niipt oom ©laße. ©or= 
Wärts!" 

(Sine mäiptige Staubmolfe wirbelte empor, 
unb nodp 30 g fte über bie Sanbfdjaft bapin, als 
bie IReiter bereits im ©epölj berfdpwunben wa. 
ren. Ser fcplaue Sofias patte einen ganj Pot» 
treffliepen Hinterpalt gewäplt, benn inmitten beS 
©epöläeS befanb fi<p ein freier SRaum, in meüßern 
fie fiep bequem auf bie Sauer legen tonnten, opne 
©efapr ju taufen, bon irgenb einem Späßer» 
blirfe entbedt ju werben. Sa enblicß, am Spät» 
naipmittage, rannte ber Sßadptineifter feinen Un= 
tergebeneii 311 : „FitngenS, fdpaut rüdmärts! 
S)ort in ber F^ne taueßt ein ©eiterSmann auf, 
unb wenn tnieß niipt ©KeS trügt, fo trägt er bie 
fcpwebif^pe F«tbe." 

S)ie ©lide ber ülrfebufiere folgten ber angege» 
benen- ©iiptung. FofiaS ^ a tt e 
täufeßt: eS mar ein fcpwebifiper ©ote. 

„Fept nur um alles in ber SQßelt fein ©eräuf^ 
gemaipt," flüfterte er, „benn fonft jagt ber Äerl 
inieber juriid, baS wäre aber ganj bermilnfcpt, 
benn icp bin überjeugt, baß er oon Frontfurt 
foinmt, bem H au t>t £ t uar tiere feines Königs, uttb 
ben ©tagbeburgern eine wiiptige ©otfdpaft ju 
überbringen pat." 

$er frembe ©eiterSmann jügelte jept fein 
©oß, in ber offenbaren ©bfiept, fidp erft ju über= 
eugen, ob bie ©egenb auep fiepet, unb teine fai» 
erlidpe Uniform ju feßen fei. 

„Späß’ bir nur bie lugen aus, mein 3untft," 
ladpte Sofias bor ftd) pin, „bu wirft nidptS be f 


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Hfdjt muß Jted)t bleiben. 


587 


merfen. ©Jahrhaftig!" unterbrach er fi<h, „ber 
®urfd)e reitet bireft auf unfer ©ehötj ju, wahr« 
fc^etnlicb Wifl er erft ben 2lbenb a6roartett, epe 
er fid) in bie ©tobt wagt. Stber auf biefe ©Jeife 
reitet er uns gerabe in bie ©rine. @S foll eine 
warme ©egrüpung »erben. Mfgepajjt, $un. 
genS!" 

©uf baS ©etjeijj be§ 2Bocf)tmeifter§ fdßichen 
bie Hufarett, ihre ongebunbenen ©ferbe jurüd. 
lajfenb, bi» jur ©Jalblidhtung bor unb erwarte* 
ten bafelbft, bont ©trauet)wert qebedt, bie ©tt. 
tunft beS fchwebifdhen ©oten. .ffaum ^atte bas 
©ferb beffelben bie ©renje beS ©ehöljcS über, 
fchritten, als fie über ihn Verfielen unb ißn ohne 
©hipe entwaffnet™. „Hurrnl)! was t)ab’ id) ge. 
fagt?" rief ber alte Sofias jaudhjenb, inbem er 
aiis einem ber hahm ©tiefet beS ©eiterS ein 
amtliches Schreiben ßrröorjog, „ber Surfdbe 
führt eine föniglidje ©otfdhaft mit fid), bie unferm 
alten Oiflp grobe ffreube machen foll!" 

Me Sitten beS fchmebifchen Mgefanbten, ihm 
baS Schreiben jurüefjugeben unb feiner ^>eim= 
febr nichts in ben ©3eg 311 legeir, faitben fetbft. 
berftänblid) nur taube Obren unb nad) einem 
fdjarfen, breiftüubigen ©itt erreichte bie Heine 
Schaar baS &iflq’fche Hauptquartier. Sofias 
batte erft einer groben Mjal)l neugieriger Offi. 
giere Dtapport abjuftatten, e£>e eS ihm gelang, 
boit bem ©eneralabjutairten bor ben greifen 
tfelbljerrn geführt™ werben. 

0 i 11 p, ber ©eidf)tf)iim unb ©ehagfidhfeit 
oeradfitdte, butte ficb in bem eiufachfteu ©emacb 
beS e>chtoffeS einquartiert; feine Heine, unan= 
fehnticbe ©eftalt ftetlte ficb beim ©intritt be§ 
©appenbeini’fcheii ©JacptineifterS unb feines ®e. 
fangenen in ©ofitur, benn er war gefpannt auf 
ben Snßalt beS föniglicheit Schreibens, welches 
ber ©ote mit ficb führte. Oer Septere tonnte 
fidj eines leifen ©ebenS nicht erwehren, als er 
jejtt ben ftedjenben ©lief beS gröbten ©roteftanten. 
feinbeS auf ficb gerichtet fab- ©adjbem Sofias 
ausführlich ©ericht erftattet, lehnte ficb ber ?$felb= 
berr an einen junädbft fteljenben jifcb, fchlug 
baS rechte ©ein über baS linte unb fagte, bie 
Hanb auSftrecfenb, mit Reiferer, Hanglofer 
Stimme: „©rief her!" 

©alutirenb überreichte Sofia» baS aufgefan» 
gene Schreiben, beffeit Inhalt bei Oillp ein 
grobes Sntereffe erregte, benn ©uftaD Slbolf er. 
Härte barin, bab, fo abgemattet fein H eer und) 
wäre, er bemiod) im ©egriff ftepe, geraden SBegS 
auf ©tagbeburg p marfeßiren unb eS ju ent. 
fepen; bie ©tagbeburger follten fid) baber nod) 
brei 2 i 3 od)eit jii halten fliehen, er werbe fie nicht 
berlafjen. 

211S Oiflp bie intereffante Seetüre beenbet, gab 
er ben ©rief an feinen ©eneralabjutanten icnb 
fügte mit einem unangenehmen Sädjeln hinju: 
„So id) habe alfo hoch wieber einmal SRed)t ge. 


habt, bab ber ©cbwebenfönig ficb im bofien 2ln. 
marfch befinbet; auberbem aber werben noch 
bon ebangelifchen dürften im ©eidh biele ©ler. 
bungen angefteßt, bie jebenfallS auch 3» bem 
ßntfafc ©tagbeburgS beftimmt finb. ©Jir müffen 
uns beSßatb alfo beeilen. 2fhr werbet ©uch fo. 
fort auf ben ©leg nach ©arbeleben machen, um 
bem ©enerat ©Oppenheim bieS Scbriftftüd ein. 
ubänbigen. Sch benachrichtige ben ©rafen, mit 
einem Mgriffe bon ber ©euftabt aus unge. 
fäuntt fortjufatjren. ©ebidt mir jept ben Silben 
wieber her." 

Oer ©bfutant empfahl ficb unb wenige ®?i= 
nuten fpäier tauchte in ber offenen Obüre baS 
berfchmifcte Mtlip bon ©IofeS Hirfdlj auf, wel¬ 
ch« unter fortwäbrenben ©erbeugungen bem 
gefürsteten ffelbperrn fich näherte. 

„ 2 öir finb oorbin unterbrochen worben," be« 
gann Oiflp mit einem beräd)tli<hcn ©lief, „fahre 
lebt in beinen ©tittljeilungen fort." 

„ 2 öie ich bem graufsmäcbtigften Herrn gelb, 
marfchalf fd)on habe gefügt, es fehlt in ©Jagbe. 
bürg nicht nur an ©ulber, fonbern ber ©efaftung 
auch an SebenSmittel. fiebrigen aber fühlt 
fidh bie ©ärgerfchaft ganj fär<hterii<h fidjer, nub 
fein ©tenfclj benft am Oage- an bie ©(öglicpfeit 
eines ©turmS, beShalb fein bie ©offen auf bem 
Sßalle auch nqr fdhlecht unb fpärlich befebt, benn 
bie ©Jehrjaht ber ©ärger unb Sölbner laufen 
beim Mbrud) beS OagS nach Haufe, um fidf) ju 
legen auf bie faule Haut, ©lenn ber graufe 
Herr ffelbmarfdhatf hat nur ein ffiintchen 
florafdhe, fo fann er überrumpeln bie Stabt 
beim heßen Sonnenfdhein." 

„©epalte beine ©nfidjt für bidh, 3 ube," ber. 
febte Oiflp finfter. „Ou nanuteft mir borpin 
aus ber ©ürgerfdhaft einige ©amen, bie bem 
$aifer unb Herrn bie Streue gebrochen unb eS 
mit ben Schweben halten. ©He lauten bie ©a. 
men jener Mfwiegler ?" 

©tofeS H'rfdh war befanntlidh fein greunb ber 
folbatifchen .ftüqe, baher gab er bie etwas breite 
Mtwort: „fienn’ ich nur ä ©aar bon ihnen 
perfönlid). ©S finb jwei ©rüber, unb ber ©ater 
ift ä alter ©lann, ä lutßerifdher ©eiftlicher, wo 
war angefteßt in ber Lärche bou St. ©ifolai, 
unb er haifet © a t b o b, unb bie Söhne auch, 
bod) werben fie gerufen bon ihrer ©(pwefter bei 
ihrem ©ornamen, ©nbreaS unb ©ubolf." 

Oißp uotirte ©or. unb 3 unamen auf einer 
Sifte, bie er injwif^en jur Hanb genommen, 
bann fragte er unmirfd): „ 3 (ft bir in ©tagbe. 
bürg ein ©iaun befannt, ber ben ©amen ©ueride 
führt ?" 

„Otto bon ©ueride ?" »ieberholte ©iofeS, in 
bie Hanbe fcplagenb. 

„©Me fteht’S um feine politifdhe ©efinnuitg ?" 

„Hab’ idh ihn noch ui<ht barnadh aefrogt, Herr 
©eneralfelbmarfdhalf," berfejjte ©iofeS aus» 


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588 


IUd)t muß $edjt bleiben. 


meidjenb, „nur maiß iA, baß er es maint mit 
ber ötabt gut, benn er fi|>t mit im Datße unb 
hält gefdjeibte Deben." ,,©o nimm beinen Soßn 
unb gebe," entgegnete ©illt), bem Spion einen 
Meinen, mit aüerlei Dtüugforten gefüllten Beutel 
gumerfenb. 

Dtit einer wahrhaft großartigen ©efAidliA» 
teit fing ißn NtofeS auf unb unterfuAte fofort 
bas innere. ©ie Ntiene beS Sfuben geigte große 
3ufriebenßeit. „Nlöge ber graußmäAtige Herr 
ifelbmarfAalt noch leben ßunbert 3°b r unb' 
NlofeS HirfA nicht oergeffen," lautete fein 2lb. 
fAiebSwunfA- 

2113 er fpät am 2lbenb in einem gifAerfaßne 
über bie ©Ibe feßte unb beim fogenannten 
Brüdeittßore aniangte, bemertte er am anbern 
©nbe ber ©affe eine große NtenfAenmcnge, bie 
laut auffubelte. ©eine Beugierbe enuac^te, er 
[türmte oorroärts unb hielt nicht ober Wieber an, 
bis er bie erregte NtenfAenmaffe erreichte 

„2öaS giebt’S, — roa3 ift gefdjehen ?" manbte 
er fuß fragenb au bie 3uuäAftftehenben. „Du, 
loa 5 roirb’3 geben," flang eS Ijöbncnb gurüd üon 
ber ©piße be§ DtenfAeninäuelS. B)ie groß aber 
mar fein ©rftauneit, a(3 er feßt ben ©eneral* 
abjutanten ©iüt)’s bor fiA fab, unb gu feiner 
Sinfen unb ^ecßtcn bie ©ebrüber Datbob, mel<be 
ibn gefangen na<b bem Datßhaufe führten. 

©’aS DeiterftüdAen, roelAeS 3>oiia3 mit feinen 
Begleitern am Nachmittage ausgefüßrt, mar 
nämlich t>on einigen ©Aiffern bemerft morben 
unb gur Äenntniß ber beiben DatbobS gelangt, 
©iefelben magten ficb, in ber 2lbfübt, an bem 
gurüdfeßreuben 2Bacbtmeifter ©enugtßuung gu 
nehmen, mit einigen ber Jalfenberg’fAen Deiter 
bis gu bem un3 befannten ©ebölg bor, mobei 
ihnen ein günftiger 3ufall ben ©eneralabjutan* 
teil fammt feinen roichtigen BrieffAaften in bie 
£)änbe führte. DtofeS £)irfA berlor [ich fc^nctl 
unter ber NtenfAennienge, benn er fürstete in 
feiner 3?eigßeit, baß ber ©efangeite ihn erfennen 
unb in eine gefährliche Sage bringen föitne unb 
berfdjmanb rafch in ber ihüre beS armfeligen, 
halb baufälligen Kaufes, in meinem er fein ©a* 
heim uiifgefcßlagen hatte. 

©ie alte, reiche Hanfeftabt Dtagbeburg hatte 
fiA feit einer Deiße bon fahren burch füßnen 
©ifer für bie Deformation auSgegeicßnet, unb 
mit energifAem Nlutße miberftanben bie Bürger 
allen Angriffen auf ihre Deligion. ©ie ©tabt 
uitterroarf fiA nfdjt einmal bem ftaifer, als ber» 
fclbe im ©Amalfalbifdjen Kriege 1547 baS gange 
©ad)fenlanb erobert hatte, unb infolge beffeit 
mürbe bie ©tabt ein 3uflud)tSort aller burA bie 
DeligionSberfolguug betriebenen ©laubenS* 
genoffen, namentlich gohlreiAer Btebiger. ©er 
breißigjährige ftrieg brnAte auch über Dlogbe* 
bürg große ©rangfale, beim er legte nicht nur 
ben ftanbel lahm, fonbern nöthigte bie Bürger* 


| fAnft auA gu großen ©elbopfern; bie [Jeftungä* 
i werfe mußten oebeutenb ermeitert unb bie ©tabt 
! in guten BertheibigungSftanb gefeßt merben, ba 
j bie proteftantifdjen Bernoßner ©eroalt bom ftai* 
fer unb ben Äatßolifen gu befürAten hatten. 
2113 2Ballenftein mit feinem Heere im ^faßre 
1626 bor ber ©tabt erfAien, geigte er fiA groar 
al3 fjreunb unb forberte nur eine Jurge Ber* 
! Pflegung feiner Gruppen, allein biefe, an beten 
©piße bie gügellofen Kroaten ftanben, häuften 
mic in ^einbeSlanb unb gaben ber erfAredten 
BürgerfAaft biel gu flagen. Ntan ridjtete eine 
BefdjmerbefArift an ben itaifer, bie feßr freunb* 
liA beantmortet mürbe unb bie guten Btagbe* 
burger Bürger gu fernerem ©eßorfam auffor* 
berte, — ba3 mar aber auA 2lHe§. dagegen 
mürben ber ©tabt mehrfaAe Äriegsfteuern auf. 
erlegt, unb al3 ber Datß fiA fAließliA außer 
©tanbe fah, bie hohen ©ummen aufgubriugen, 
gog Sßallenftein abermals gen Ntagbeburg, bieS. 
mal aber, um eS gu belagern. 2lcßtunbgmangig 
SßoAen mährte bie ©infAließung, unb obmoßl 
ber laiferliAe ftelbßerr niAtS auSguriAten ber. 
moAte, ba bie Dfagbeburger burA ihre freie 
Berfaffung fiA baran gewöhnt hatten, ihr gutes 
Dc'At fräftig gu bertheibigen, hatte bennodj bie 
©inmoßnerfAaft unter ben fAänbliAen Be. 
brüdungen unb Grpreffungen beS faiferliAen 
Heeres biel gu leiben. Sie gereAte Ungufrieben» 
heit ber Ntagbeburger BürgerfAaft nahm immer 
mehr gu, gumal bon bem ffaifer nur gnäbige 
SBorte, aber feine burAgreifenbe 2lbmehr gu er. 
langen mar. Ntan fah ein, baß ber Habsburger 
e3 niAt fehr reblicß mit ber ©tabt meinte unb 
als baßer ber ©eßmebenfönig ©uftaf 2lbolf an 
ber beutfAen Äiifte lanbete, mar Btagbeburg 
eine bon ben elften beutfAen ©täbtenj melcße 
bem proteftantifAen Könige ißre ©bmpatßien 
auSfpraAen unb naA einem Biinbniffe mit bem. 
felben ftrebten. 

3?ür ©uftab 9tbolf mar natiirliA Btagbeburg 
ein ßöAft miAtiger Bloß, ba er ißm bie ©lb» 
Übergänge fiAerte. ©aS mußte ber ingmifAen 
gum faiferlidjeu Oberfelbßerrn ernannte ©iHp, 
meSßalb er fiA int 9Jlärg 1631 mit Bappeitßeim 
bereinigte unb 2tlleS baran feßte, bie ©tabt gu 
erobern. 2lllein er bermoAte fieß nur ber Bor« 
toerfe gu bemäAtigen, mäßrenb bie 2tltftabt, bie 
eigentliAe Heftung, allen 2litgriffen miberftanb. 
©itfelbe toar fAon in früherer 3eit gut befeftigt, 
benn eine-ftarfe Dingmauer mit ©hürtnen um. 
gab bie ©tabt felbft auf ber SBafferfeite; mo 
aber bie Glbe niAt bie natürliche ©Außmeßr 
bilbete, tief unterhalb ber Blauer ein 3minger 
ßin mit einem 2Ball unb einem tiefen SBaffer. 
graben. Befonberen 3?leiß hatte man auf bie 
Zugänge bermenbet, metAe niAt nur burA 
mehrere ßintereinanber liegenbe ftarfe ©höre ge. 
bedt rnaren, fonbern auA oon ßoßen ©ßürmen 


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$fdjt mu| Jtedjt bleiben. 


589 


überragt würben, bie mit Heineren ©efcpüßen 
armirt werben tonnten. 

AIS fiep Sillp ber Heineren Aujjenwerfe be= 
mädjtigt patte, oerlegte er fein Hauptquartier 
jenfeitS ber Elbe nach ©kfterljaufen; er glaubte 
bie ©Zagbebnrger non ber 9Zälje unb bem Ernfte 
ber ihnen bropenben ©efatjr überzeugt ju haben, 
unb ba ihm Alles baran lag, bie ©tabt möglicpft 
rafd) unb unberfeprt in bie Hanb ju befoninien, 
baß fie ihm eine Vormauer gegen ben fiegreicpen 
©cpwebentönig werben fotle, fanbte er nach 
©Zagbeburg einen Srompeter mit brei ©cprei« 
ben, welche an bie ©emeinbe, an ben bifcf)öf licken 
©erwefer unb au ben fchwebifcpcn Sefeplsljaber 
Saltenberg gerichtet waren. 

3n einem am fogenannten ©reiten 2öeq ge« 
legenen ©ebäube ftanben bie Sanfter beS oberen 
©todtwerfS offen unb ein im Sefjnftufjle fißenber 
alter ©Zann mit langen, filberweißen Haaren 
atfjmete mit fidptlidpem ©Sohlbeljagen bie milbe 
ffrilplingSluft ein, bie in’S 3i ,nm er ftrömte. Es 
war ©Z a rti n u S © at b ob, ber Ißfarrljerr bon 
©t. ©icolai, unb ihm zur ©eite ftanb bie adf)t= 
zehnjährige 3oljannn mit ihren ©rübern An« 
breaS unb ©ubolf. Sem milb läcpelnbeu Antliß 
beS ©reifes fab man bie wilben ©cpicffalsftürme 
nicht an, bie im Saufe ber 3eit barüber hin« 
gefauft waren, ©ein ©ater, ein eifriger ©dpü« 
ier SutljerS unb ©Zeland)tljon5, hatte mit ben 
©einen biete 3aljre frieblitf) in ©Sittenberg ge« 
lebt, bis baS feinbliche Auftreten ber tatholifcpen 
©artei if)tt zwang, ben ÜBanberftab ju ergreifen 
unb nach ©Zagbeburg ju flüchten, bem Afple ber 
©erfolgten unb ©ebrängten. ©ZartinuS mar 
bem geiftlicpen ©tanbe beS ©aterS treu geblieben 
unb feine 'Söhne mibmeten fich ber ©edjtswiffen« 
fchafi unb hatten eben ihre ©tubien auf ben 
Hodjfdjulen bon 3ena unb ©Sittenberg beenbet, 
als baS feinbfelige Auftreten beS faiferlicpen 
Heeres fie mahnte, nach ©Zagbeburg juriicf« 
Zutepren, bamit ber alte ©ater unb bie ©djwefter 
Johanna im Italic ber ©otp nicht allein ba« 
jtäitben. 

©un waren aber bie beiben ©rüber frifclje, 
muthige ©efeHen, in beren ©ruft ber Saute ber 
©egeifterung für ©itftab Abolf glühte, unb bie 
gar öeräcptlich auf alle ©ürger blidften, welche 
nach tote bor bem Äaifer pulbigten. Unter fof« 
cpen Umftänben war eS fein ©Sunber, baß fie fid) 
ber in ber ©tabt zahlreich bertretencn fchmcbi« 
fchen ©artei anfcplojfen unb für bfe 3 c 't ber 
©elagerung ÄriegSbienfte berfaheit. 3fn biefer 
freiwillig übernommenen ©flicht zeigten fie fich 
nnermüblidj unb fchrecften bor feiner ©efapr 
Zurüdt. 

Aeufcerf! bergnügt theilten fie eben bem ©ater 
baS ©eiterftüdfcfjcn mit, welches ihnen ben Silit)« 
fchen ©eneralabjutanten in bie Hänbe gefpielt 
hatte; wiber Erwarten nahm ber ©reis an 


ihrer ffreube jebodt» leinen Sljeil, fonbern ent« 
gegnete befümmert: 

„©Zöge ©ott ber H etr Alles zum ©eften füh« 
rcn unb uns ben Trieben Derleipen, nad) bem 
unfer H<wz fich fefjnt! ©ber ich fürchte, baß Wir 
am (Silbe unfereS ©lücfeS ftehen unb ©acht unb 
©raufen bor uns haben." 

„SaS Atter macht besagt, lieber ©ater," 
hielt ©ubolf entgegen, „mährenb bie 3ugenb 
baS ©efte hofft." 

„3ch Pflichte ©ubolf bei," fiel AnbreaS feurig 
ein, „unb benfe, baß baS ©lüct erft recht für uns 
beginnen foll. ©Verzage nicht, lieber ©ater, ber« 
traue auf ©ott, wie bu eS uns bon .ftinbeSbeinen 
an gelehrt, unb bann hoffe mit uns auf baS 
rechtzeitige ©oben ©uftab AbolfS, ber unfere 
©tabt nicht im Stieße taffen wirb." 

„Safe er ben heften ©Sillen hegt, unfer be= 
tagerteS ©lagbeburg zu eutfeßen, babon bin ich 
feftiglidp überzeugt," erwiberte ber alte ©Zaitn, 
„nur muß ber ©ranbenburger ©hurfürft bem 
fdjwebifdjen Heere ben ©Zarfcp burch fein Sanb 
geftatten unb für ©uftab Abolf bie ©efte ©pan» 
bau offen halten. 3$ oerftepe mich burcpauS 
nicht auf bie riegstun ft, fo bieltSin fiept aber 
habe ich bodj, bah i<h wir fafje, ber Schweben« 
tönig bermag, ohne biefe ffeftung als ©dpuß im 
©üefen, im Seutfcpen ©eich nicht weiter borzu» 
bringen." „3<h gebente beS troftreiepen ©eprei« 
benS, baS Wir bem Sillq’fcben Abjutanten ab« 
genommen, unb bin guten ©ZutljeS," meinte ber 
heißblütige AnbreaS, worauf er fiep mit ©ubolf 
nach bem ©athpaufe begab, um an ber wichtigen 
©eratpung theilzunepmen, bie am heutigen ©or« 
mittage ftattfinben foüte. 

3ni ©aale beS ©atppaufeS perrfdpte reges 
Sehen, benn nicht nur fämmtlicpe ©atljSmitgiie* 
ber fanben fiep bort zufammen, fonbern auch bie 
JZriegSoberften ber ©efaßungStruppen. ©adjbern 
ber ©iirgermeiftcr bie ©ijuutg eröffnet patte, 
würben zunädjft bie non Silit) gefanbten ©d)rei= 
ben borgelefen, in benen er bie ©tabt zur Ueber« 
gäbe aufforberte unb ihren ©ertretern wopl« 
meinenb rictp, eS nicht zum Aeußerften fommeit 
Zu laffen unb fiep nidjt mutpwillig in baS ©er« 
berben zu ftürzen, waS unausbleiblich ber ff ad 
fein werbe. Wenn man fidp ©ZagbeburgS mit 
ftürmenber Hanb bemäeptigen ntiiffe. 

„Ser ©Zagiftrat," äußerte ber ©iirgermeifter, 
inbem er bie betreffenben ©epreiben forgfältig 
wieber zufammen legte, „ift, inbem er bie ©c« 
fapr erwägt, welche über ber ©tabt fdjroebt, 
teineSwegS gefonnen, in einer fo hochwichtigen 
Angelegenheit opne Einwilligung ber ©ärger« 
fdjaft ben entfepeibenben ©epritt zu tpun unb 
baburd) oieKeicpt eine fdpwere ©erautwortung 
auf fiep zu laben. 2öir haben Euch baper zu« 
fammenberufen, bamit 3hr eine Erflärung ob« 
gebt, ob unfer ©Zagbeburg übergeben werben 


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590 


Pie Jrrftrruung brr Hüben. 


foü ober liiert, benn norf) Derweilt ber lieber» 
bringet ber Öiflp’fchen Schreiben in ber Stabt 
unb harrt auf Antwort." 

Als ber Sürgermeifter fdjroieg, ging ein lautes 
Summen burch beit Saal, unb eS geigte fid^, baß 
bie Aitficht ber Sürgerfchaft geteilt mar. 63 
fonnte bieS um fo weniger betraunbern, als fid) 
in ber Stabt jtoei' Sßarteien gebitbet batten, bon 
benen^eS bie eine mit bem Sfaifer. bie anbere mit 
beut &d)trieben hielt. 3äüfchen benfetben be» 
roegte fid) noch eine britte, bie fogenannte ge= 
mäßigte Partei, gu raeteber ber fRathSmann Otto 
bon ©ueriefe gehörte. Als er feßt bas 2Bort 
ergriff, legte fich fofort ber Tumult im Saale, 
baS hefte 3cid^en, Wie f)ofy er in ber Achtung 
feiner Mitbürger ftanb. fölit feiner ruhigen, 
flaren Stimme fagte er: 

„3<b benfe, es ift baS 33efte, roentt roir bei un= 
ferer heutigen Seratßung nur baS SBoIjl unferer 
Stabt bebeuten. ftommt uns nicht halb £ilfe 
bon Außen, fo bermögett mir uns nid)t mehr 
lange gu halten, unb raenn ich an baS graufe 
Schicffal benfe, baS notßwenbig über fölagbeburg 
fommen muß, fobalb es burch ©rftürmung in bie 
©eroaltber^einbe geräth, raenn ich bebenfe, baß 
unfere treuere Stabt unb ihre Seraohtter bann 
bem tpiiinberit, ber rohen SBißfür unb ber fd>o= 
tittngSlofeit 5öuth railber ifrieger preisgegeben 
ift, — bann allerbittgS ftimme ich für baS An» 
fniipfen oon Sßerhanbfitngett." • 

Oie Stimmen, welche ©ueriefe '.Beifaß sollten, 
mürben burch bie ©egenpartei übertönt, bie bon 
einer Uebergabe nichts raiffett raoflte, unb als 
hierauf baS aufgefangene Schreiben ©uftab 
AbolfS beriefen würbe, erhielt bie friegerifch ge» 
finnte tßartei großen 3araa<h3, benn iillp’s 
Ataljnung erfchien jeßt als eine fchnöbe Sift, um 
IDfagbeburg burch freuitbliche SGßorte in feine 
©eroalt gu befommen. 

„Unb was ift 6uere Meinung, £err Obrift ?" 
raanbte fich ber '-Bürgerineifter an Kaltenberg, 


unb AfleS mar gefpannt auf bie Antwort beg 
fcßwebifcheit OffijierS, welcher nach furjer Ißaufe 
begann: 

„3unächfi erf^eint mir bie ©efaljr für bie 
Stabt noch feineSraegS fo groß, raie ängftlicher 
Sfleinmuth fie einem Ohfüe ber SBürgerfdjaft 
borfpiegelt, unb ba, nach Inhalt beS foeben oor» 
gelefetten Schreibens — baS fiegreiche f>eer ®u= 
ftao AbolfS in boüem Anmarfd) ift, fo ßulbige 
ich ber Anficht, baß jebe Stunbe, bie roir uns 
länger halten, mit teiner Oottne ©olbeS begabt 
»erben fann. Steht alfo getroft gu mir, unb 
barret aus mit mir, — ber AuSgang fteijt bei 
©ott, unb biefer roirb uns nicht berlaffen!" 

33on neuem IDtuthe belebt, ging bie Sürger» 
fdjoft auSeinonber, unb nahm ihre Soften auf 
ben SBäBen roieber ein. 

fötit ber Antwort an Oiflt) warb noch etwas 
gejögert, benn AfleS tarn ja borauf an, 3eit gu 
gewinnen. 6nbli<h mußte ber faiferlidje Orotn« 
peter aber bo<h abgefertigt »erben, unb fo theilte 
benn ber fDlagiftrat bem feinblichen Kelbherrn 
mit, baß man, ehe an eine Uebergabe ber Stabt 
gebucht werben fönne, notßwenbigerroeife fich erft 
mit ben Gßutfürften oon Sachfeti unb Sranben» 
bürg foroie ben £anfeftäbten in’S Benehmen 
feßen müffe. StiBp möge baher bie für bie 51 b« 
gefctnbten nöthigen 'Paffe auSfteBen. Anfangs 
geigte fich ber Kelbljerr biefem 2Bunfd)e nicht ab« 
geneigt, bann aber änberte er feine An fid) t unb 
feßte bie Selagerung eifrig fort. 

Aber auch bie ßJfogbeburger Sefaßung geigte 
fich nicht müffia, unb wagte mehrfache AuSfäfle, 
bie oom ©lücf begünftigt waren unb bem Keinbe 
namhafte Ißerlufte beibrachten. Oiflp rächte ftdh 
roieber, unb eröffnete gegen bie Stabt ein hefti« 
geS Keuer, baS aber, bä bie auf allen ©affen unb 
'Pläßen oertheilten ^Bürger fich einet großen 
2Öad)famleit befleißigten, wenig Schaben an» 
richtete. 


m- 


|)ic Jerftreuuiig ber $ttbeii, eine Vorbereitung ftir bie Ausbreitung 

bes tfumigeliumo. 

Sott 3. 8. Xagler. 


ce$tufc.) 


[ir ftefiten bie Krage: 2ßa3 hot bie 3er= 
ftreuung ber gilben mit bem ©oangclium 
unb feiner Ausbreitung gu tljun ? Oiefe Kroge 
rooflen wir nun beantworten. 

Ourdj bie 3erftreuung ber 3«ben waren biele 
Reiben mit ber Sehre bon bem einen unb wahr« 


heftigen ©ott betannt gemacht worben. Oer 
römifdje ©efebiebtsfehreiber OacituS, ber bie 3u« 
ben öfters erwähnt, ber fich aber, wie man auS 
feinen Schriften beutlidj erfeßen fann, feine be» 
fonbere fßfiihe gegeben h«t, mit ihrer ©efchichte 
unb ihrer Religion genauer befannt ju machen* 


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Pie jJerffreuung brr Subrn. 


591 


fagt benn o<h bon ihnen: „$)ie Suben bereljren 
blöd einen ©ott, ben fie fidj int ©eifte bor« 
fteflen; fie berbammen alle Diejenigen als gott> 
io§, bie aus bergänglichen 'Stoffen ber. menfch* 
liehen ©eftalt ähnliche Rlbbilbungen machen, 
©ott, fageit fie, ift über RlHeS erhaben unb ewig; 
er fänn nicht abgebilbet werben, unb ift auch feiner 
Veränberung unterworfen. OeSßalb erlauben 
fie teilt Vilb bon ihm in ihrer Stabt, unb noch 
oiel weniger in ihren Sempeln. (Hist. V., 5.) 

Oie Reiben mit biefein SMonotheiSmuS betannt 
ju machen, mar bie große Aufgabe SftaelS; unb 
ba biefer VtonotheiSinuS baS eigentliche Sunba» 
ment ber chriftlichen SReligion bem politljeiftifchen 
Cieibenthume gegenüber bilbete, fo mar bas Ve« 
tanntmerben beffelben unter ben Reiben burch bie 
»rftreuten 3üben eine bebeutenbe Vorbereitung 
für bie neue SReligion, bie alle heibnifdje Viel* 
götterei oerbrängen foüte. 

Rludj war ben Reiben burch ihren Umgang mit 
ben gilben unb ihre Selanntfchaft mit ber 
LXX. Ueberfeßung beS alten SleftamentS in bie 
griechifche Sprache bie VtiffionSibee, ber ©laube 
an einen berheißeiten ©rlöfer, nicht mehr fo 
fremb, als biefeS ohne bie burch bie Vorfehung 
©otteS bemirfte 3erftreuung ber 3üben ber Sali 
gemefen märe. Rluch biefeS mußte ber RluSbrei« 
tung beS ©bangeliumS fehr beförberlich gemefen 
fein; benn als bie Rlpoftel unb ©oangeliften S e = 
fum als ben ben Suben berheißenen SfiteffiaS Der« 
tünbigten, fo wußten Diele Reiben fogleich, Was 
fie bumit meinten. 

9luih bewogen bie Suben Diele Reiben, ben 
©ößenbienft ju Derlaffen, unb ben einen ©ott 
tu Dereßren, unb brachten fie baburcß bent ©hri« 
penthume um einen bebeutenben Stritt näher, 
wie wir bereits gefeljcn haben. ©S ift wohl 
wahr, bie eigentlichen Subengenoffen (bergt. 
SWattlj. 23, 15), bie Vrofelpten ber ©erechtigfeit, 
bitbeten fein befoitberS gutes Vtaterial für bie 
neue SReligion, benn fie waren fehr oft hatSftar« 
riger unb engherziger als bie geborenen Suben 
felbft, unb mürben mitunter bie fanatißhften 
Verfolger ber ©hriften. ®er Jfirchenbater Su= 
ftinuS ’fagt ju ben Suben: „Oie Vrofelpten glau« 
ben nicht nur nicht, fonberit fie berläftern ben 
tarnen ©hrifti noch boppelt fo biel, als ißr, unb 
fie wollen unS, bie mir an ihn glauben, morben 
unb martern, benn in Mem ftreben fie, euch 
ähnlich ju werben." Rlber anberS war es mit 
ben Vrofelpten beS OljoreS, bie wohl bem £>ei« 
benthume abgefagt hatten, aber hoch noch feine 
Suben geworben waren. Sh« £)erjen waren 
befonberS geöffnet für bie Sehren ber chriftlichen 
Religion. Von ihnen fagt SReanber (Kirchen« 
gefchichte Vanb I. S. 86): Sie waren mit ben 
heiligen Schriften bei: 3üben befannt geworben, 
unb hatten bon bem großen ßeßrer unb Könige, 
ber ba tommen fottte, bem SOReffiaS gehört. ©S 


mar ihnen in bem, was fie in jener, bem nicht* 
jübifchen Sefer oft ganj unberftänbiichen, grie« 
chifchm Ueberfeßung beS alten JcftamentS ge« 
lefen, ober was fie bon jübifchen Sebrern gehört 
hatten, VRandjeS bunfel geblieben, fie befanben 
fich nodß int Suchen. Ourch bie bon ben Suben 
empfangenen Sbeen bon bem einen ©ott, bon 
göttlicher SEßeltregierung, göttlichem ©ericßte, 
bon bem VteffiaS, waren fie für baS ©bangelium 
mehr als anbere Reiben borbereitet, — unb weil 
fie weniger fdjon tu haben glaubten, weil fie 
nod) fein gefchloffeneS SReligionSfpftem hatten, 
nach neuem Unterrichte über göttliche Singe be« 
gierig waren, weil fie bie jiibifchc Vefang’enheit 
nicht theilten, fonnte baljer baS ©bangelium 
leichter als bei ben geborenen Suben bei ihnen 
©ingang finben. Von Rinfang an mußten fie 
aufmerffam werben auf eine Sehre, welche ihnen, 
ohne fie ju 3juben ju machen, Potlftänbige Oheil» 
nähme an ber ©rfüflung aller jener Verljeißun« 
gen, bon benen ihnen bie Suben gefagt hatten, 
juficherte. 3u bieferi Vrofelpten beS SUjoreS 
pflegte baher, nach ber Rlpoftelgefdjichte, bie Ver« 
fünbigung beS ©bangeliumS überjugeljen, wenn 
fie bon ben Derblenbeten Sieben bermorfen würbe, 
unb hier fanb ber Same beS göttlichen RöorteS 
nicht fetten einen empfänglichen Voben in IjeilS« 
begierigen Seelen." 3u biefen Sfkofelpten beS 
Shores gehörten mahrfcheittlich foldje Verfonen, 
wie ber ipauptmann ju jlapernaum (SORattlj. 8, 
5), ber ftauptmann ©orneliuS bon ©äfarea 
(Rlpftg. 10), ber Kämmerer aus VRofjrenlanb 
(Rlpftg. 8, 27), bie Spöia (Rlpftg. 16, 14), unb 
wahtfcheinlich aud) ber £>anptmann unter bem 
ßreuje (Vtattfj. 27, 54). 

Vßerfen wir noch einen Vlicf auf bie Verfamm» 
lung am Vfjngftfefte. Oort waren bie SReprä« 
fentanten bieler Sänber in Rlfien, Rtfrita unb 
©uropa gegenwärtig. Sie fahen baS Vhinber 
unb hörten bie Sehre ber neuen SReligion, unb 
fie nahmen, wenn auch nicht in ihrem ^erjen, fo 
hoch in ihren ©ebächtniffen baS, maS fie gefeljen 
unb gehöret hatten, mit beim unb erjäblten es 
ihren 3?reunben unb Vefannten ; unb einige 
Sage ober 2Bodjen nach ber RtuSgießung beS hei» 
ligen ©eifteS mar biefeS SEBnnber mehr ober me« 
niger in beinah allen 'fkobirijen beS röniifchen 
SReicheS unb auch außerhalb feiner ©rettjen be» 
fannt. Rtucb bürfen wir glauben, baß biele bon 
ihnen, wie jener Kämmerer ber Königin ffan« 
bace aus Vlohrenlanb, mit Sreuben in ihr Sanb 
jogen unb bie neue SReligion weiter ausbreiteten, 
fo baß bie Rlpoftel an manchen Orten ben ge« 
fäeten Samen fd)on borfanben. So eilte in 
bielen fjädeii baS ©bangelium ben eigentlichen 
©bangeliften borauS unb brach ihnen Vahn. 
OaS alles war fidjerlich, um baS Sßenigfte ju 
fagen, ein Ocffnen ber Shüre für bie chriftliche 
SReligion. 


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592 


Purdj Errungen jur $Jot)d)eit. 


2lucfy bilbeten bic itt bcn Ijeibnifdjen fiänbern 
mo^ncnben 3fuben einen cjetoiffen 9lnfana3= ober 
Sln^altöpunft für bie Slpoftel unb ßDangeliften, 
beim ba biefe felbft 3fuben umreit, unb fid) aud) 
befoitberS auf bie jübifdjen SleligionSbüdjer be* 
riefen, fo gingen fie getoöbnlid), wenn fie in eine 
frembe Stabt famen, am Sabbatlj in bie St)= 
nagoge unb prebigteu ba3 2Bori Dom $reuj, 


unb meitn fie bann aucf) Don ben etft 

Derftoßen unb Derfolgt mürben, fo mürbe öaburd) 
bie Sad)e nur um fo Diel fcfjneüer unter öeit 
fteiben befannt, unb bem ßoangelium bei beiu 
felben bie Jtyüre geöffnet. Shit beutlicfjften feljeit 
mir biefeö, menn mir einen SMid auf bie Steifen 
beS großen £)eibenapofiel§ merfen.^ hierfür Der* 
meifen mir auf bie 5lpoftelgef$id)te. 




purd) Irrungen jur JOuljrljeit. 

gilt &etttf<h-«mtnJiatti(ibe5 aus bei Gegenwart, 

©on 3. SRrgnrr. 


IY. 

ber ©efeßfchaft batte baS Auftreten Onfel 
gK Hermanns, wie aud) feine plößliche Abbe. 

rufung, bereu gange Urfarfje mid) unb nach 
befannt mürbe, eine gewiffe ©enfation erregt. 
Aamentlid) bie jungem Witglieber faben mit 
tfjeilmeifer ©eben auf „biefe Oeutfcben," mit 
ihrem profanen Unglauben unb ihren frembar. 
tigen ©ewobnljeiten. $ür bie Familie hätte ber 
weitere Aufenthalt in Ocean ©robe giemlid) un- 
gemütblich werben fönnen, wäre nicht -^err SBil* 
fenS für fie in’S Wittel getreten, ©in trefflicher 
Äenner ber menf<hl<<hen Aatur unb bunt) eine 
lange ©rfafjrung mit ben geheimen Regungen 
beS ©eifteS ©otteS in bem menfd)li<hen $ergen 
wohl oertraut, batte er leicht herauSgefunben, 
wie trofe aßen SBiberftanbeS unb einer gewiffen 
gur ©chau getragenen ©leidjgiiltigfeit bie 3?a. 
milie boch gu einem ernfteren Aadjbenfeit ange= 
regt würbe; bei Witia aber entbeefte er gu feiner 
$reube bereite baS leife ©neben unb fragen, 
welche baS erfte 3eid)en beS Srroad)enS aus bem 
natürlichen Schlafe religiöfer ©leichgiiltigfeit unb 
©elbftgered)tigfeit bilben. (Sv fah aber auch, baß 
baS gart aufflacfernbe 3?lämmd)en eines neuen 2e= 
benS meifer Sorgfalt unb gebulbiger pflege be= 
burfte, wenn eS gum bffleh, wärmenben fjeuer 
heiliger ©otteSliebe werben follte. (Sr oerftanb 
es, ben ungeitigen ©ifer feiner Jod)tcr jurücfgu» 
halten, unb bie £>auSgenoffett io für fte gu in= 
tereffiren, baß fie ftets ein ©egenftanb liebeooder 
Aachficht unb freunblidier Aufmerffamfeit blieb. 

Onfel Hermann fam nicht mehr nach Ocean 
©rooe; fo blieb baS angreifenbe ©(erneut weg. 
£)err fiebmann unb feine ©ohne hatten ihm nie 
bötlig beigeftimmt, auch waren fie gu höflich- als 
baß fie eS nicht bei ihren geitweiligen ©efuchen 
Oorfiditig oermieben hätten, irgenbmie Anftoß gu 
geben. 


Wina fanb in ber Oodjter beS Kaufes mehr 
unb mehr eine liehebofle ffreurtbin. Wit ber 
©tärfung ihrer ©efunbheit würben bie ©etliche 
ber ©otteSbienfte immer häufiger; ihre Aufmerf. 
famfeit unb baS 2eud)ten ihrer Augen geugte oon 
bem inneren ^>ntercffe, baS fie an beiiielben 
nahm. 3h« 3weifel unb ©orgen theilte fie 
ßerrn 2Bilfen§ mit, ber fie in feiner ruhigen 
Seife unterwies unb ihr Ooranljalf. Oie Wut. 
ter freute fidj gu feljr über bie wieberfehrenbe 
©efunbheit ber gärtlich geliebten Oodjter, als 
baß fie fi<h irgenb welcher ©orge über beren 
©erfebr mit religiös gefinnten Seuten ljingege= 
ben hätte. 3ubem fanben bie ernften eoänge* 
lifchen ©rebigten, bie fie hörte, in ihrem bergen 
ein ©dfo. ©ie hatte in ihrer 3ugenb ben Un= 
terrießt eines treuen 3 eu flen ^etn genoffen, unb 
auch eine 3«it lang bem £errn gebient. Ourdf 
ben Wangel an gehöriger Anleitung unb an 
chriftlicher ©emeinfdjaft war fie freilich wieber 
babon abgefommen unb in ben ©trom ber Seit 
mitgegogen worben, aber ihr fjerg war ber 
SBahrljeit geneigt geblieben, unb jeßt, ba fie in 
bie Umgebung oon Solchen gefommen mar, bie 
ben fjerrn liebten, tranf ihr fjerg begierig oon 
bem frifchen ©afferquell ber göttlichen ©nabe. 
SBoche um Sßoche ging auf biefe SBeife lieblich 
bahin, unb bie ©eiben fühlten ft<h immer mehr 
mit bem ©olfe ©otteS oerbunben. ©in ©lief in 
Wina’S Oagebuch giebt uns ben beften ©inblicf 
in bie ©ntmicflung ihres inneren fiebenSgangeS. 

10. 3uni. ©ater, ©rüber unb Onfel $er= 
mann haben unS wieber oerlaffen, um gu ihren 
©efdhäften gurücfgutehren. 3cf) glaube, eS hat 
ihnen gang gut gethan, einmal einen ftiüeit 
©onntag gu feiern, unb fie fühlen ficb bamit 
auch gufrieben, wenn fle eS auch nicht eingefteben. 
3ch fürchtete erft, Onfel ^ermaitü habe unfere 
©aftgeber unb Witgäfte beleibigt; $>err SOßiltenS 
oerficherte mir aber, baß biefeS nicht ber Saß fei. 


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9urd) Strängen ;ut JBal)rbett. 


593 


\ 

Pr liebe eS, wenn Seute fid) fo offen unb frei 
auSfprecheit, nie Onfd Jeimann, mit foldjen 
(affe fid) noch immer etwas anfangen. ©err 
SßilfenS (jat eine ronnberbatc ©ebulb; id) fefie 
i()it au«b in bei bißißfieit Debatte nie fein ©leid)* 
geroicbt Urtieren, babei jeigt er gegen 3eberntann 
biefeloe ^reunblidifeit unb SiebenSwiirbigfeit. 
3 <b habe großes $utraueit ju ißm; er wenig* 
fteitS ift fictjerlid) ein «obrer Pbrift. 

20 . 3 uni. Der arme Poufin ©arrt). ©eine 
©ermttttbung toar nicht febr gefährlich. Die 
flopfwunbe mar balb jugebeilt unb geftern trat 
er bei und ein, ben 9lrm in ber Schlinge tragenb. 
Pr fagte, er fei im begriffe nad) ©aufe ju geben, 
unb idoU te uns borljer nod) einmal feiert. Pr 
geftanb mir ein, baf; er ju wett gegangen fei, 
unb baf; eS ißm leib tijue, feinem Skater fo großen 
flummer gemacht $u haben. Pr fugte, feine 
Slamerabeit batten tbn eben mitgenommen, unb 
lucuu er an beut Spiele nicht tbeilgenommen 
biitte, fo würben fie ibn ttitbarmjjerjig auSge* 
(acht buben. 3 <h fudjte ibm begreiflich ju rnadjen, 
weldjen fl munter er feinen pltern berurfachc, 
unb wie feine ©efeüfcfjaft für ibn oerberblid) fei 
unb er beffer tbäte, biefelbe aufjugeben. Pr hörte 
mich gebülbig an. „ 3 <b weiß," fagte er, „baß 
bu reeßt buft;,idj bube mir auch oft uorgenotn* 
men, es 311 tbnn unb jur fiirdje 311 geben, aber 
bu weißt, ©ater bült felbft nicht biel bon ber 
Äirche. PS wunbert mich nur, wie er es über 
Sonntag bot bei Pndj auSbolten fönnen. Dann 
finb meine flamevaben meifteuS anS febr an* 
ftäubigeii fjamilieu, nub wenn fie auch etwas 
(ebensluftig finb, fo bnrf man ihnen bicS nicht 
übel nehmen. Die ©(teil buben auch ihre 35er* 
gttügen,_warunt nicht wir jungen ? UebrigenS, 
au ben Spieltifdj foilett fie mich nicht wieber be= 
(ommen. Daun entbedte er an meinem Ringer 
ben (Ring mit bem Sntnvagb, ben mir ©ater 
einmal gefcheuft. Pr bat mich, ihm beufelben 
ju geben. Pr wollte ihn tragen jur Prinnerung 
an feine guten ©orfäße ttnb, meinte er ladjeitb, 
an bie ©rebigt feiner frommen Poufine. Pr 
Werbe ihm als DaliSman gegen alle ©ef obren 
gute Dienfte leiften. 3<b tonnte feinen ©itten 
nicht miberftejben. ©uv fürdjte ich, ber ©ing 
Wirb ihm nicht biel helfen. Pr bnt einen gar 
ßhwadjeu Phuratter unb laßt fid) (eicht bon fei* 
nen flameraben binreißen. 

5. 3uli. ©ottlob, ber bierte 3uli ift wieber 
einmal borüber. ©uf unfevm füllen ©loße war 
nicht fo biel Unruhe unb ©efnalle wie in ber 
Stabt, ©rofejfor ©. hielt im Dabernafel einen 
©ortrag über bie ©orjüge unfereS SanbeS, ber 
bielett Seifafl fanb. ^dj fonnte nid)t fugen, baf; 
er mid) befonberS intereffirt hätte. 

Poufin Johannes bat an mich gefdjrieben. 
Pt fdjeint fich jiemlidj in feinen erwählten ©e* 
tuf bineinjuarbeiten. Ueber bie fjfrage, bie mir 


am nächften am ©erjen liegt, in ©etreff ber 
©erborbenljeit ber uteufd^lid^en ©atur, but er 
mir eine ganje tbeologifche ©bbanblung gefchidt. 
Der gute klinge but nur bergeffett, baß ich felbft 
teiu Dbeolog bin, folglich feine ©rbeit, bie ibtn 
biele ©tül)e geloftet hüben muß, nicht einmal 
recht ^u würbigen berftche. ^nbeffett meint er 
eS fo herflich gut mit mir, baß ich mir ©tiif)e 
gebe, feine ©bljanblung nicht allein ju lefeit, 
fonbern auch ju berftcljen. DaS fehe ich wohl 
ein, baß bie ©ibel ait bielen Stellen bou ber 
©erborbenpeit beS mcnfd)licbeti ©erjcitS fpvid)t 
unb wie er in feiner ©bhanblung |d)reibt, ftim* 
men bie ©eformatoren unb alle großen ©tänner 
barin überein, baß baS meitfchlidje ©erj bon 
@runb aus berborben, unb 311 allem @uten un* 

■ tüchtig unb ju allenl ©Öfen geneigt ift, unb baß 
wir baßer nur aus ©nubeit, um 3efu Pljrifti 
willen, felig werben lötttten. ©Ile eüange!ifd)en 
flirchen haben nach Poufin SobanneS biefe Sehre, 
©tut, auf fo Ijo(>e ©utoritäteu bin muffen wir 
biefelbe gleichfalls atuiehmen. 3 1,1 @runbe ge* 
nommen glaube ich ja auch barait; uns ift ja 
biefeS auch im flonfirmuuben=Unterrid)t gelehrt 
worben. 3ch fühle wohl, wie biel ©öfeS in mei* 
nem ©erjen ftedt unb bemühe mich täglich, baS* 
feite abjulegen; allein eS [Will mir biefeS nidjt 
immer gelingen, ©tegen meiner Seligfeit ber* 
traue ich allein auf PtjrifluS unb fein ©lut; unb- 
baS tbnn ja alle ebangelifchen Pbriften.. ©ber 
ich taitn nur nicht begreifen, warum bie Seute 
hier in folche ©ngft fontmen, weinen unb beten 
unb bann erft an Phriftuin ju glauben borgeben, 
unb bann plüßlid) mit folch überfdjwenglicher 
fSreube erfüllt werben, unb bemach babon immer 
als bon ihrer ©efebrung reben. PS muß baS 
bie befonbere ©rt unb Süeife ber ©merifaner 
fein;—hoch füllen fich auch Deutfähe barunter 
befinbeit. 

13. 3«P- 3 d) muß immer wieber an Poufin 
Johannes ©rief beulen. Unb bann haben wir 
bie Icßteu ©kdjen hier fo biele Selehrungen ge* 
habt. 3 d) weiß nicht, was ich baboit beulen foü. 
Die Seute waren bodj borljer auch feine Reiben, 
unb ©iele bou ihnen buben als gute Pbriften 
gelebt, ©eute fagte ich biefeS MeS Stjbia. Sie 
idjlug mir baS Pbaitgelium bon beut reichen 
Jünglinge auf unb betonte befonberS bie Stelle: 
„PinS fehlt bir!" Unb ja, ich fehe cS wol)l ein. 
Wenn biefe Seute recht buben, unb es noch einer 
befottbereit ©efebrung bebarf, fo fehlt mir biefeS 
Pine auch noch. — Unb ja, ich möchte boct) mei* 
neS ©eilS gewiß fein. PS muß etwas herrliches 
fein, fich beftänbig als flinb beS bimnilifchen 
©atcrS ju fühlen unb fich allezeit in feilte ©cinbe 
©cinbe legen ju fönnen. DaS fann ich noch nicht, 
id) füßle mich noch ju unwürbig baju unb weiß, 
baß ich noch jü oft ungeljorfam bin. ©uch ©tut* 
ter fcheint ergriffen ju fein. Sie i|t fo ftille unb 


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594 


Purdj 3mntgm gur JUahrljett. 


unter ber Sßrebigt felje id) oft Sßränen in ihren 
Slugen ftetjen.- 

— ©ben pabe id) mir ein f)erg gefaßt, 
ging gu $errn SEBilfenö unb erjäfjlte iljm alte 
meine ^weifet unb Siebenten. (Sr hörte mid) 
freunblidb (in unb freiste mid) SBieleS über mei» 
neu £>ergenSguftanb. 3 l *lcßt fußte er litbreid) 
meine fjänbe unb faßte: „Siebe 3t)iina, id) bin 
fo frop, unb roiffen «ie warum ?" 34 faßte, eS 
{omme mir atievbiiißS fonberbar oor, baß er fid) 
baritber gu freuen fdjeine, baß id) fouiel inner» 
Iid)e Sümpfe fjabe. „Unb bennodj," antwortete 
er, „bin id) fefjr froh, benn i4 fe^e, baß ber 
©eift ©otteS fein SDerf in 3htera 
£ergen bat. Unb glauben Sie nur, ber&err 
wirb fein SÖert nid)t ließen taffen, fonbern bofl» 
enben auf feinen Saß." „©eben Sie," fuhr er 
fort, „i(b lönjtte wobt alte 3b« Sorgen, ©in» 
Würfe unb 3weif('l mit ßuten ©rüitben wiber» 
leßeit, aber an itjrer ©teile mürben nur neue 
aüftaiubeit. SBifjen ©ie, maS ber &err feinen 
3üitßern faßte, als er Don biefer Grbe jd)ieb? 
@r oerbieß ihnen, baß ber ©eift ber Söaprfjeit 
fie in alle 2öut)vl)dt leiten folle. SBir SJtenfcpen 
mit unferm natürlichen Sßerftanbe fönnen bie 
SSatjrljeit nicht erfaffen; bagu bebiirfen wir baS 
Siebt boit oben, baS ßötttiChe Sicht beS heiligen 
©eifte®. Unb ©ott ßiebt biefeS Sid)t Stilen, bie 
ihn barum bitten. Siebe SJtino, beten ©ie, 
beten ©ie recht ernftlid) um biefeS ßöttlidje Sicht, 
unb erwirb SltleS tlar Unb beite in 3brem 4>er= 
gen werben." Sann tnieete Jgierr SÖilfenS nie» 
ber unb faubte ein fo inbriinftigeS ©ebet für 
mich gunt £>iinmel, baß ich ouf’S Sieffte bemeßt 
mich nach meinem 3iuimer beßab unb-fofort 
felbft um baS göttliche Siebt gurn £>errn flehte. 

34 [ehe/ biefe Seute haben mehr Siebe unb 
3nteref|e für mich, als ich bon irßeitb metdjen 
Sietifeben außer ben lieben ©Item erwartet 
biitte. 34 fet)e, eS muß boeb etwas 9teef(eS um 
baS fein, maS fie wahre '.Religion nennen. 34 
habe nun nichts mehr baßeßen, ßteiebfaltS unter 
bie ©uebenben gegählt gu werben. 

25. 3nli. Sem fjerrn fei Sob, ißreiS unb 
Sauf für feine unenblidje ©armhergigteit, bie 
er an miv erwiefen bat. Sobe ben fterrit, meine 
©eele, unb waS in mir ift feinen heiligen 9to» 
men. — 34 towme in biefen Sagen in meinem 
©ebete nicht über baS Santfagen bijiauS. Ser 
£>err bat ©roßeS an mir getban; cS ift nicht all» 
ein Siebt ßeworben in meinem bergen, nein, ber 
Dolle Saß ber ©nabe ift angebrochen. Stile ©or» 
ßen, alle 3weifel unb alle Siangigleit ift ber» 
febwuitben; jeßt weiß ich erft recht maS eS beißt, 
wenn ber Slpoftel fdjreibt: „SBir fmb fdjon 
felig." 3a, idj bin feliß, ein fetigeS ©otteSfinb. 
Sinn !ann i4 cS berfteljen, wenn bie Seute er» 
gäbleit, maS ber £>err au ihnen ßetban. 

Söie baS Stiles ßefommen ift! — D, id) werbe 


nie im ©tanbe fein Stiles gu betreiben, was 
bie leßten Sage mir gebracht haben. — 9?a4 
jener Unterrebung mit &errn SBilfenS betete ich 
immer um baS göltlidje Sidjt. 34 Ia3 aud) biel 
in meiner SÖibel unb eS fchien mir Stiles fo biet 
ftarer unb berftänblieher gu werben. Sind) fühlte 
ich mich immer rubißer unb gufriebenet. Cft 
ba4te i4, id) hätte baS göttliche Sieht nun er» 
halten, eS wäre na<b unb nach in mein fjerg ge» 
lommen; aber eS tarnen immer wieber ©tnnben 
ber Sunfelheit, Sorgen unb 3weifel. Unb 
wenn fie auch balb weichen mußten, fo waren 
fie eben fo fdmell wieber ba. Sa (am ein Sag 
unb eine ©tunbe, in welcher alle ginfterniß 
Wi4 unb eS bötlig helle würbe in meinem bergen. 

©3 mar borgeftern Slbenb. 9tcb. 3- 33. ©. 
war gur tßrebigt angetünbißt. Unfere ©aftgeber 
faßten, baß mir einen hohen ©muß gu erwärten 
hätten. SllS ich in bie 93erfammluna trat, fchien 
eS mir, als wenn eine befonbere Kraft gegen» 
wärtig wäre. Unter bem ©ebete herrfeßie eine 
heilige Stille, nur unterbrochen bon leijen 
©enfgern unb ftillem ©chluchgen. Ser Sßrebiger 
nahm gu feinem Segle baS ©leicßniß bon bem 
berlornen Schafe, SutaS 15, 3—7. Slber wie 
fotl idh bie H3rebigt, bie nun folgte, befchveiben! 
@o einfach unb fo tinblich, unb bod) fo tlar unb 
übermältigenb, fchien eS mir, als wenn jebeS 
eingelne 253ort birett an mid) gerichtet märe. 
„Ser gute £>irtc," faßte ber ^rebiger, „baS ift 
3efitS. SaS bertorene Scbaf, baS ift baS menfd)» 
liehe ©efchledht, baS bin id) unb baS bift bti. SBir 
haben ©ott berlaffeu, wir haben 3bu bergeffen; 
wir fiitb attS feiner ©egenmart entflohen nnb 
finb in bie SBüfte gegangen, in bie SBeltluft unb 
©ünbe. Gttiche haben fich gu fünblichcu Suft» 
barteiten, ja gu Safter unb'93crbved)en gemenbet; 
©ttiche haben fi4 gwar ehrbar gehalten, aber 
bloS fid) felbft gelebt (baS war and) mit mir ber 
ftafl). Söir gingen in ber 3rre, nicht immer 
aus SJoStjeit unb ©tßrrigfeit, fonbern oft auch 
aus Shorljeit unb Uitberftanb (wie wahr!); aber 
gleidjbiel, war es 33oSf)cit ober nur Unberftanb, 
in ber SBüfte brohte SJerberben unb Unlcrgang 
Sitten — Stile mußten fd)ließli4 ba bevioren 
gehen. — Slber 3 c fus latn, baS JBerirrte, wie 
baS 53erlorene gu fueßen; bafür bcrließ er bie 
£>errlidjteit beS Rimmels — nun fd)ilberte ber 
$rebiger bie Siebe 3du gu ben ©ünbern, unb 
wie er fein Seben gum Cpfer bargebrad)t habe; 
o, eS mar ergreifenb; — bann fuhr er fort; 
„aber biefe Siebe übt 3 e fu§ jeßt noch aus. — 
3eßt, gerabe jeßt, geht er jeber eingelncn ©eele 
nach, ruft unb todt fie gu fi4- S5et gute fjirte 
flicht baS 93ertorene, bis er eS gcfuitbcn hat — 
o felige ffreube, wenn er eS finbet. SaS ber» 
torene Schaf gittert, ängftigt fidb, bebt gurücf; er 
aber ergreift cS, nimmt eS auf feine Sldhfeln, an 
feine Stuft. 3 e ßt ift cS gerettet, jeßt ift eS 


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Purd) drangen jur PJaljtbett. 


595 


fidjer. Unb ber gute £irte bringt eS 31 t feiner 
fteerbe, ba» ift jur &ird)e, unb nun ift greube 
im £immel unb nuf Grben." 

O id) werbe biefc ©rebigt nie öergeffen. 3 <b 
fab mid) immer als baS oerlorene S$af: i(b fab, 
wie i<b feit fahren umber irrte; id) fab aber 
auch, wie SefuS mich beftänbig gefugt bot unb 
mir überall »angegangen ift; gewiß war eS 
feine Leitung, baß id) ftict^er tommen mußte, 
'über ferner fab id) auch, wie Sefu3 fein ©lut 
311 m Söfeaelb auch für mich bejablt bat. Gs war 
mir, als prte id) ibn fagen: „S<b habe bi(b er* 
(öfet, id) habe bidj bei beinern turnen gerufen, 
bu bift mein!" Sd) füllte mi(b fidjer unb ge* 
borgen in feinen Firmen; id) tonnte nur weinen 
unb bunten. — 2113 nach Schluß ber ©rebigt 
Seelen oufgeforbert würben, für ben £>erru 
3 eugniß abjulegeit, tonnte i<b es nicht helfen, 
id) mußte auffteijeit unb fageit, was ber &crr an 
meiner Seele getljan bat. 

Unb erft als wir nad) C>oufc tarnen! ©lütter 
fdjloß mich weiuenb itt ihre 2 lrme unb flüfterte 
mir 311 : „Sei getroft, ©lina, id) glaube, bu bift 
auf bem rechten Sßege!" Unb bie fjauSgenoffen 
tarnen alle berbei unb reid)teu mir unter c ibra= 
neu ber greube bie £>änbe. 

2llfo baS ift, was fie ©etebrung nennen unb 
woran id) fo 2lnftoß genommen batte. Unb ja, 
fie babeit 9ted)t; eS i ft ©etebrung. S<b fühle 
es erft jeßt recht, icb war ferne bon ©ott, aber 
icb bin nun 311 ibm jurücfgetebrt. 

Sd) weiß nicht, was ©ater unb bie ©rüber 
unb Dnfel £>ermann unb ftarrt) baju fagen 
werben; aber baS weiß id), ber fjerr wirb mir 
beifteben, baß ich ißm -treu bleiben unb feinen 
©amen ebrcn tonn. — 2BnS woßl Goufiu So» 
büimeS baju fagen»wirb! — So mar feine tbeo* 
logifd)e ©bbanbluug bocb nicht ganj umfonft. 

V. 

1. September. Die fd)öne 3eit in Ocean 
©robe ift nun borbei. ©orige ffiocße finb wir 
wieber nach £>aufe jurücfgetebrt. GS war recht 
fdjön in Ocean ©robe, aber bie lieben alten 
©äume fpredjen mich bod) wieber recht febr an. 
©ater bat baS #auS ju unferer £>eimfebr fcbön 
berridjten laffen. ©lein 3 »ninier ift gan 3 neu 
unb prächtig auSftaffirt worben; neue Tapeten, 
ein neuer Deppici), gefchmacfboBe ©löbeln, unb 
auf bem Difd)e fanb id) eine ©rad)tbibel. ©leine 
Heine Dafdjenbibel werbe id) aber bod) ju meinem 
täglichen ©ebraudje beibebalten. ©ater, ©lütter 
unb ©rüber übetfdjütten mich förmlich mit 
fiiebeSbemeifen. Sie ftnb fo froh unb bantbar, 
baß meine fieiben berßhwunben ftnb unb fd)mie= 
ben bereits allerlei ©laue für bie 3 ufunft. 3 '* 
ber 2 bat, id) bin gefunb au§ Ocean ©robe ju* 
rüdgetebrt unb S ebermann gratulirt mir ju 


meinem guten 2luSfel)en. ©un, ich nehme meine 
©efunbbeit mit inniger Danfbarfeit aus ber 
£)unü meines guten ©otteS an, freue mich aber 
noch befonberS, baß ich auch fagen fann: „©leine 
Seele ift genefen." Oie 2Belt ift noch einmal fo 
fcbön unb id) liebe bie ©leinen mehr, als ich 
jemals jubor getban habe. 

2BaS woßl £>evr ©3iltenS mit bem „ffretij" 
gemeint hat ? — 2 lm 2 lbenb bor unferer 21 brcife 
faßen wir noch einmal im ©arlor jufammen, 
unb er rebete recht bäterlid) ju mir über meine 
3utunft. Gr fagte, id) fei nun gleichfani bie 
ganje 3eit auf bem ©erge Dabor gewefen, unb 
habe nichts gefehen, alS bie |)errlid)teit beS 

t errn. 2lber bie Sänger batten nicht auf bem 
erge bleiben bürfen, fonbern fie mußten wie* 
ber herunter iti’S Stljal fteigen, unb fo müffe auch 
iCh jeßt äuriief in bie Sorgen unb ©erfud)ungen 
ber Seit. Sn ber 2Selt gebe eS mandje 2ln* 
fechtungen unb Kämpfe unb manches ftreuj ju 
tragen, 2 lticb id) werbe oon benfelbeit nicht oer* 
fd)ont bleiben, unb ber ^err wolle eS auch nicht 
haben. 3 <b follte nur ihm treu bleiben, unb 
mein iheus gebulbig tragen. SefuS fagt: „Sßer 
mir nacbfolgen will, ber uerleugne fid) felbft unb 
nehme fein Äreuj auf fid) täglich unb folge mir 
nad)." ©ueb follte id) für ben fjerrn arbeiten, 
©ott fenbe jebeS feiner fiinber in bie 2lrbeit unb 
and) für mich «»erbe er foldje haben. 2l(S id) ihn 
fragte, was ich beim arbeiten tonnte unb follte, 
lächelte er unb meinte, baS werbe mich ber #err 
§u feiner 3 eit fcboit lehren. 

2öaS er wohl mit bem flreuje gemeint bat ?— 
©orlüufig febe ich feilte befonberett Schwierig* 
feiten bor mir, unb mein Lebensweg erfdjeiiit 
mir flar unb eben. ©Intter lieft oft mit mir 
bie ©ibel, unb begleitet mich jur Äird)e. ©ater 
ift fo liebeboK unb gütig, wie er nur fein fann, 
unb als ich über ©eligion mit ihm fprad), fo 
fagte er leicht: „©lacht nichts aus, grauen haben 
immer einen 3 ug jur grömmigfeit, unb meinet* 
wegen follft bu feine ©uSnabme machen, nur 
hoffe id), bu wirft eS nicht übertreiben. ©id)t3 
ift mir nnauSftebiid)er, als baS immerwäbrenb? 
©efdjwäß über ©eligioit, unb bie Ginfeitigfeit 
bieler grommen macht fie in ber ©efellfdhaft bei* 
nabe ungenießbar. 3 <h hoffe, baß meine finge 
Dodjter nicht 311 biefer Sorte Seute gehören wirb. 
UebrigenS halte ich mich 311 bem ©ruitbfaße beS 
alten griß, unb laffe Seben nach feiner gacou 
felig werben, bitte biefeS aber auch für mid) 
aus." 

Heinrich meinte, ich febe noch ><id)t wie eine 
©etfehwefter aus. Goufiu $arrt) jebcd) 3 eigte 
fid) bei unferer erften ©egriißung etwas fd)eu. 
„SCh werbe nun lpobl," fagte er ftodenb, „mit 
meinen Sorgen nicht mehr 3 U bir fommen bür* 
feil; ba bu fromm geworben bift, wirft bu mit 
einem folCßen Sünber nichts mehr 3 U tbun haben 


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596 


Purdj Strittigen |ut Wahrheit. 


motten." 3$ antwortete if)tn, er fei unb bleibe 
mein lieber ©oufin, icf) müßte nicht, baß fiCß mein 
3ntereffe für fein Sßoljtergeben oerminbert habe, 
eher oermehrt; aber gerabe baS taffe mich mün» 
frfjen, baß er feiner fchlimmen ©efellfCßaft beit 
91bfd)ieb gebe, ©r feufgte tief auf unb fagte 
ttiebergefihlagen: „2Beun ich nur tönnte; idh bin 
manchmal gang übet 'biefe VurfCßen erbittert, 
aber fie roifjen mich io ait meiner ©ljre angugrei» 
fen, baß i(h immer toieber mit ihnen gehen muß." 
3ch antmortete ihm, gttr fiirChe gu fomnten, unb 
ergätjlte ihm oon bem 3ungmäiitier=Verein unb 
unierem fchönen ©ingcßor. 9tber er meinte, ba 
mürben ihn feine .Qomeraben erft reCht oertjöh» 
neu, roenit er fiCh biefeit ffopf hättgerit. anfdhlöfie; 
bann brach er ptößlicf) ab unb ftürmte fort. 5lr» 
mcr £>arrt)! ©ein unbeftänbiger ©fjaratter unb 
feine ©itelfeit machen ihn gum ©bielbatt feiner 
charaftertofen Äameraben. 3<h fürchte, roie eS 
noch mit ihm merben mirb! — 

Cnttet ^ermann fprießt nicht gern oon |>arrt). 
9.1tich nennt er jeßt feine „fleiite Vtethobiftin," 
aber er hofft afleit ©rnfteS, baß ich ihnt feinen 
©paß taffen, unb and) mir nicht alte SebenS» 
freube oergällen laffen merbe. SBenit mau nun 
einmal nicht ohne 9ieligioit fertig merben fönne, 
fo füllte man fie roenigfiettS hoch fo meit gn mo=' 
bifigiren miffen, baß man nicht anftößig merbe, 
unb mit feinen geroohnteu SebenSfreifen in ßar» 
rnonie bleiben fömte. Sie flirchenleute feien 
ihm im Mgemeinett aut genug, aber eS gäbe 
boch unter ihnen manche itberfpanitte Stopfe, unb 
meuu es nach bettfelben ginge, fo mürbe halb je* 
ber frohe SebenSgenuß ein ©nbe hohen." 3dj 
ermiberte ihm, baß ich erft jeßt recht angefangen 
habe, baS Sehen gn genießen, unb mich fo froh 
unb gliitflidj fühle, toie niemals guoor. ,,©ieb’ 
ba, meine fleiite Vhilofophin." antmortete er 
hhergenb, „geroiß, bu roiflft mich föbern, auCh 
einmal beit Verfud) gu machen, aber baS gieb 
ttut auf, an mir alten Shoren ift fo roie fo 
fjopfen unb 9Jtalg oerforen. Jlubeffen ift eS fein 
SÖunber, baß bu fo fühtft, bu roarft eben immer 
fränflich, unb jeßt bift bu gefunb. 2BaS follteft 
bn bich nicht froh mtb gliicflich fühlen!" — 3<h 
Oerfidierie ihm, baß biefe» nicht allein bic Urfacße 
meiner freube mtb meines ©lüde» fei, unb 
flichte if)in biefclbe flar gu machen; allein er 
machte bariiber nur einige fcherghafte Venter» 
tungen, roarnte mich oor Ueberfpanntßeit, unb 
ging bann feines 2öegeS. 


3mei Vtonate finb feit ben teßten Stufgeicß» 
tiungen Vtina’S oerfloffen. SaS Streug, üoit bem 
fie bamalS nicht mußte, woher eS fommeit füllte, 
ließ nicht lange auf fiiß märten. Dtit bem ©in» 
tritt ber fälteren 3abreSgeit nahmen bie ©efefl» 
fdjaften, roelChe fid) bie £>ebuttg bcS gefellfdjaft» 
ließen Sehens gum 3mecfe gefeßt hatten, ihre 


Sfjötigfeit bon Steuern auf. ©ongerte, Vorträge, 
bramatifche Vorlegungen unb theatralifche Vor» 
ftetlungcn mürben beranftaltet, ihnen folgten 
halb ©alle unb SDtaSferaben. Sie beiben §?a» 
milien hotten bisher biefe Vergnügungen gient» 
ließ mäßig genoffen, SJtina’S belifater ©efunb« 
heitSguftanb hatte fie oon üornßerein bon benfel» 
ben auSgefeßloffen. Slber jeßt bilbete berfelbe 
fein £inberniß mehr; ihrem Eintritte in bie 
2öelt ftanb StidjtS mehr im VJege. 9IlS eifrige 

Viitgtieber beS-Vereins fpraeßen bie £>er= 

ren bereits mit üielem ^ntereffe oon beitt großen 
Valle, mit metchem bas Soßresfeft beffetben ge» 
feiert merben füllte. SiefeS mürbe auch als bie 
pajfenbfte ©elegentjeit attgefeheit, VJiita in bie 
©efeUfdjaft eingufiihren. 

©ie felbft befanb fiCh biefen SInftalten gegen» 
über in nicht geringer Verlegenheit. 3*berntaitn 
in ihrer Umgebung fchieit eS als gang felbftber» 
ftäitblich nngtmebnten, baß fie an bem Volle 
ttjeitnehme, tittb auf bemfetben eine mögliChft 
glängenbe tRoüe fpiele. ©onfiit |>nrrp machte 
gum boraiiS alte 9tecßte eines VarhterS geltenb, 
unb bie Samen, bie gum Vefud) erföieuen, be» 
fpraeßen angelegentlich bic.Soi(ette, bie für ihren 
erfteit Vati am aitgemeffenften fein möchte. — 
3h* fCßnürte atleS biefeS baS £>erg gufamtnen. 
9tocß unerfahren auf bem 2Bege beS Sehens, 
bagu in einer Umgebung fi<ß betoegenb, melChe 
biefe Vergnügungen Oon SllterS her als ootlfom« 
men mit bem Chriftlicßen Vefenntniffe oereinbar 
betrachtete, fehlte ißt! bie flare ßrfenntniß, um 
gum Voraus mit alter ©ittfcßiebenheit ihre Sheit» 
nähme gu oerroeigern, unb ihren ©tanbpunft 
feftgufteuen. Unb bod) fühlte fie, baß fie nicht 
bnhin gehöre. ©S roiberftrebte ihrem 3nnerften, 
fiCh felbft in bie Verfügungen ber großen Söelt 
gu benfeii unb ängftlicß fragte fie fid): „2Bie, 
meint bir ber £>err an einem folcßen Orte be» 
gegneil foflte?" ©ie fühlte, fie möchte nid)! oon 
einem fotchen Vlaße in bie ©egenroart ©otteS 
abgeforbert merben. — 91 ber aiif ber anberen 
©eite mar ihre gange fffnmilie, bie burch ihre 
Steigerung feßroer getäufcht merben mußte, 
©icßerlich mürbe biefelbe bamit eines guten 
SfjeilS ihres Vergnügens beraubt unb atn ©nbe 
fühlte fie fid) fogar in ihren getoofjnten greifen 
bitr<h ihr Auftreten entehrt. 2BaS füllte fie 
thun ? — 

©nblidj fonnte fie eS nicht mehr länger attS» 
halten. ©ineS Slbenbs roar bie Familie in ge« 
müthlidjer Unterhaltung oerfammelt, unb baS 
beOorftehenbe fjeft erregte roieberum baS attge» 
meine ^ntereffe. Vtina faßte fi<h jeßt ein $erg, 
unb gab ihren VebenfliChfeiten StuSbrucf, unb 
mährenb ihrer 9tuSeitianbetfeßungen immer mär» 
mer toerbenb, erfuchtc fie ihren Vater, fie oon 
ber Shcitnahme au betn VaHe gn entfcfjulbigen. 
©ie fagte, fie motUe SInbern ihre tfreube bureß« 


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Ijittttrpomtnrnt. 


597 


au$ nidjt ftören, aber fic felbft fönnte nicht mit Stau fperrte fie nicht ein, man üerbrannte ihr 
gutem ©ewiffen an bemfelben 3:^eil nehmen, Weber bie Sibel, noch oerbot inan ihr ben Um* 
unb mürbe fid) bobei febr unglüdlidj fühlen, gang mit frommen Seilten ober ben Sefud) ber 
Oie Söirfung biefer Sitte war eine überrafdjenbe. Äircfje; fie ttmrbe toeber gelingen noch aus» 
ffiärc ein Slifeftrahl plöfclich iti’S |)auS gefah* geholfen; aber tägliche Sticheleien, bie wie 
reu, hätte bie Vlufreguitg fauin gröfter fein fön « 1 'Jtabelftidje oerrounbeten, fleine -Uecfereien, ma« 
nen. 9tfle fragten, wie fie benn ju folch fonber« litiöfe Senierfungeit, oerftedte Slnfpielungen, 
baren Sifichteu fomme; wie fie baran irgenb 1 Kllatfchercien über ben anftöftigeu Saubel ber« 
etwas UiucdbtcS ftnben fönne. Oie ©efcßfchaft 1 fdjiebener Sefenncr, festen ihre ©ebulb unb Gr« 
fei eine gefcbloffene unb nur bie anftiinbigften gebung auf eine horte Srobe. Sie ooit unge« 
Seute jugelaffen, eS fönne burd)auS nichts Un« führ fam auch eines OagcS Saftor ihr 
rechtes bortommen unb an unb für fich fei baS (scinftiger Sehrer, rum Sefuch. Gr briiefte feine 
Sergitiigen boch gereift feine Sünbe. Sater Qfrenbe über ihr ^ntereffe an ber '«Religion aus, 
fonnte eine folche Subtilitcit nicht begreifen. Gr i unb fbrach bann fehr fchön über finblicften @e« 
roarf fich felbft bor, baft er feine Seiftimmung horfain, unb reantte fie fdjlieftlid) bor geiftlicher 
ju ihrer Ktur in Ccean ©robe gegeben höbe, bie I Ueberhebung unb Ueberfbanutfteit. 
bortige ©«feßfdjaft höbe ihr ben Klopf berbreftt. Uufere Grjjöhlung iftauSbeni roirflicheit Sehen 


3h feiner &eimath hätten fämmtlidte Seamte 
unb bie gebilbctfteu unb anfteinbigften Seute ber ! 
©efeflfehaft an bem jährlichen Säße itheil ge* 
nominell, unb felbff ber £>err Saftor höbe ben« 
felben burch feine ©egenroart beehrt. Ob fie 
beim flttger unb roeifer fein wolle, als jene ge« 
lehrten unb jum $heil recht frommen Herren ? 
UeberbieS hoben ja bie 3lmerifaner auch ihre 
Klränjchen unb Sortljien, auf beiten gerabe fo 
gut gefpielt unb getanjt werbe, wie auf ihrem ' 
Salle. Onfel $ermattu fam auch baju. Gr 
lachte aus boflem £)a(fe, als er bon SlinaS Se« 
beutlichfeiten hörte, unb fuchte nach feiner Seife 
biefelben hinweg p fpotten. GS tourbe Stiita ! 
feftr fdjwer, bem Sturm ber liebebotlen Ginwürfe 
unb Sitten unb ber hie unb ba auS 6 rechenbeu 
Gntriiftung ber übrigen p wiberftehen. Seiber 
muft gefaejt werben, baft fte in biefer Sejiefjung 
and* on ihrer Slutter feine Stufte fanb. Oie« 
felbe hotte einen fo groften 9tefpelt bor ber alt« 
oäterlichen Seife, baft fie, obgleich fie Sliita 
gerne baS unangenehme Sergnügen erfpart hätte, 
boch buchte, fie foflte fchon aus töchterlichem ©e« 
horfam fich bem allgemeinen Sunfchc fügen, 
^ubeffen ihr $erj war in bem Kampfe felbft 
etwas geflühlt worben, fie bebte in bem ©eban« 
feit an bie fjeftlidjfeiten, unb fonnte eS nicht über 
fich gewinnen, bie ihrigen bureft fRadfgicbigfeit 
ja beliebigen. 

Oafür hatte fie mm auch ihr Klreuj 511 tragen. 
Unfere liberalen Oeutfdjen reiften über religiöfe 


gegriffen. Säre biefeS weniger ber ffoK, fo 
würben wir Stina als eine ©laubenShelbin hin« 
ftcHen, bie gleich ben SJärthreru alle Seiben 
freubig ertrug unb alle Eingriffe beS fveinbeS 
fiegreid) abwieS. 91 ber Siina war noch feine 
£>elbin, fonbern ein fcftwadjeS Ktiub mit einem 
recht liebebebiirftigen f)erjeit unb einer bieg« 
famen Stäbchen = fitatur. Oie Unpf rieben heit 
ber ihrigen ging ihr tief p fjerjen; Wenn bic 
Stutter jweifelnb ben Klopf fthüttelte, ber Sater 
erflärte, er hoffe, fie werbe fich als eine gehör« 
fame Oodjter unb Ghriftin feinen Siinfcheit 
fügen, Sruber Heinrich berficherte, ohne bie 
©egcnwnrt feiner Schwefter fei ihm baS ffeft 
berborben unb er oor aßen feinen Klameraben 
blamirt, fo war biefeS für bie Sänge ber 3eit 
mehr als fie ertragen fonnte. 3 *< aüem biefen 
fam noch, baft fie im ©an^eit wenig ffreimbe au 
ber $)anb hatte, bie ihr eine Stiifte hätten fein 
föitiien, unb manche Ktirdjenglicber, bie ber ffa« 
inilie wohl befannt waren, burchauS feinen $ 11 = 
ftanb nahmen, berartigen Sergnügungen beip« 
wohnen. So gab fie benn, iiberftürmt unb 
überwältigt, ihren Siberftanb auf unb riiftete 
fich mit bangem £>erjen auf baS fjeft. 

folgt.) 


Jl»0 Ijiuterpommerit. 


Stoleranj bie fünften $inge ju fagen, unb finb ®on C. SBei|, Steiften? be« ümmtliß in ®e?Hn. 

auc^ im M^emeinen fe^r für biefelbe ein^enom* - 

men. Seben unb leben (affen, ift itjr anerfauntcr a^ fann au§ ^interpommern ©ute§ fom* 
©runbfap. 9lber bie fRcli^ion barf i^nen nidjt men? fo maft TOand)er ac^feljucfenb fra* 
unbequem tuerben; fie barf in ba^ gemo^nte ^ gen. 2Ber aber ba§ Sanb fennt, lernt et 
fieben, in liebgemorbene ©eroo^n^eiten, in a(t= lieben, benn e§ mobnt f)ier ein ebenfo förper(id) 
hergebrachte ®orurthei(e nid^t fiörenb eingreifen, I fräftiger, mie milfen^ftarfer 5)ienfchenfchlag. 
fonft ift e§ mit ber Stoleranj uorbei, unb bie alte! 3^r giebt e» hier feine mogenben Uöei^enfelber, 
3feinbfd^aft be§ natürlichen £>ersen§ macht fich | feine fo lieblichen Saubfchaften mit hohen, teb- 
halb in heimlichen, halb in offenen Verfolgungen umlaubten £>iigeln unb fchludhtenrei^en 2hö* 
2uft. ®a§ hotte nun auch 5Kina ju erfahren. I lern, lieber bie roeiten Ebenen fauft ein rauher 


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598 


Hus Jjjintetpommeni. 


2 Binb. Ood) gebeiljen unter biefem Klima unter 
rauher Schale bie (lieberen, treuen' Pommer» 
(Raturen, aus melden non jeher mit Vorliebe 
bie preußifd)en Könige ißre ©renabiere, ja ihre 
Staatsmänner unb ©eneräle nuSfuChten.. 

3ft ber Sinter auch rattlß_ bie Salbungen 
feiten, fo Ijat bodj ber große Töpfer and) bi« 
für baS nöt()ige Material geforgt, mit meinem 
bie Senfchenliiiber fid) if)re Katninfeuer beiden 
unb bie langen (alten Sinterobenbe angenehm 
madjen tonnen. 2luf beit weiten Soorwicfeir, 
auf welchen bie fdjöitften beerben weibeit, wächft 
ein furje§, fettes ©ras, beffen Surjeln fid) fo 
feft ineinanbcrfdjlingeii, baß fie einen bitten, 
äufaminenbüngenben ieppid) hüben, auf wel» 
d)e»t ber fjuß beS (Reifenben wie auf einer elafti» 
fdjen ®uttnpercf)a»2>ede über baS barunter an» 
gefummelte Söaffer babinwanbelt. Oiefe Sur» 
.jelit gruben tiefer unb immer tiefer, fcblingen 
ich, alle (Srbe in fich aufncbmeitb unb DeQchreitb, 
efter unb immer feftcr. 2öaS auf folcbe Seife 
gebilbet wirb, ftid)t ber.Sanbmanu in Dieredigen, 
iänglidjen Stüdeit aus, nennt es Jorf, läßt eS 
trodueu unb befißt ein auSgejeidjneteS Premt» 
material. 2)ie auSgeftodjene Sicfe läßt man 
wieber mit ©raS bewachten unb binnen eines 
SenfchenalterS wieberljolt fich ber 'jßrojeß Don 
Steuern. 3 l uifc^cu biefen Soorböben giebt eS 
auch fruchtbare Sänberftridte, welche theilS boit 
2lnfang fo waren, theilS unter müheboller pflege 
baju geworben finb. 

S)od) auch bi* fdjönften Sauber finb feljr bürf» 
tig im Vergleich 311 unferen fruchtbaren, herr» 
liehen Sanbftridjen am fd)öneit (Rhein. bie» 
fern Sanbe — breimal fo groß wie gaitj Sürt» 
temberg, unb nur Ijalb fo ftart beböltert — 
führen bie „preiißißhen Runter" baS (Regiment. 
2luf bem Sanbe ift wenig Sittelftanb, finb wenig 
felbftänbigc Heinere Panern. $ie Sanbhebölfe» 
rung befiehl au» reichen (RittergutSbefißern unb 
armen tagelöhnern. 2)aS hat feine Portheile — 
baS oljnebieS arme Sanb fann, ba eS fich uicht in 
fo biele (leine Parcellen tljeilt, leichter unb billi» 
gcr mit Safdjinen bearbeitet werben — bodj bie 
i)iad)theile für ben armen Sann finb über» 
tuiegenb. 31 t ber (Regel wohnen biefe Sage» 
lößner in (leinen niebrigen Käufern mit Seljm» 
bbben, wcldjc ber ©utsherrßhaft gehören, mäh» 
reitb biefe in einer reich auSgeftatteten Pilla 
refibirt. ®ie meiften berfclben erhalten baS 
Seiberedjt für eine Kuß, Saattorn für ihr eige. 
neS ober ihr gepachtetes Sänbchen, unb wenn'fie 
für bie „&err|<haft" arbeiten, ber Sann täglich 
50 (Pfennige (= 12 Gents), bie grau 25 pfen» 
nig (= 6 GcniS). 21uf PiSmardS ©iitern er» 
halt ber Sann 90 Pf. im Sommer; 60 pf. im 
Sinter; bie grau 40 Pf. im Sommer unb 
'Sinter, gn ber ßrntejeit täglich baju reich» 
1 i d) S Ch n a p S. OaS ift ein ((einer Perbien ft. 


unb boch leben babei biefe atmen gamilien 
beffer unb forgenlofer als biele in Sürttemberg. 

fcinterpommern hat auch feilte (Ratui:» 
fCßönheiten. San reife 3 . ( 8 . nach Golberg unb 
überzeuge fich felbft. 2 >iefe alte geftung, weiche 
20 Sinuten bom Seeftrunbe entfernt liegt, hat 
fich ju einem berühmten Pabeort aufgefchmuu» 
gen, in welchem jeßt über 5000 fiurgäfte weilen, 
in ben lieblichen partanlagen unb ber 03011 » 
reichen Seeluft unb ben berühmten Soolbaöern 
Stärhing unb Teilung fudjeub. San hört hier 
außer beutfdj, auch ruffifd) mtb poluifdj reben. 
SluffaKcnb finb bie Dielen jübifeßen ©efidjter. 
„$ie Stuben haben eben baS ©elb, bie lönnen’S," 
ÖaS ift bie Grüärtntg, bie mau uns bafür giebt. 
Speculatioe Köpfe wiffen auch bie Pabe 3 eitiiiig 
3 u beniißett 311 2 lnuottceu, boit welchen, eine lau» 
tet wie folgt: „fjeirathSpartßien werben bis in 
bie höchftcn Stänbe feljr gewiffenhaft 1111 b mit 
bem gehörigen 2 act Derniittelt. 2 (iitragftcflenbe 
Herren haben eine fpecielle Sdjilberung ihrer 
focialen wie pecuniären Perljültnifje, cbenfo 21n= 
fpriiehe, Sünfche an bie 31 t heirathenbe Mailte, 
ferner 'Photographie unb 3 urgranfiruiig 1 Sart 
in Poftmarfen einjufeuben. Oie glüdlid)eu Gr» 
folge (ömten nadjgewiefcn werben, fjfiir Der» 
mögeubere Oanteit entftehen niemals irgenb 
weld)e Kojten. 2lbfolute XiScretiou ftrengftenS 
beobachtet. (Rur birecte, nicht anonhine Offerten 
finb 311 richten an 21. 3. Sohlmann, '-öreslau. 
2lnftänbige, folibe 2(geuten werben gefuCht." 

2 )ie ©efChi<hte unferer Siffi 0 tt in 
$ i n t e r p 0 m m c r n. 

Schon im 3tahv 1862 (amen bie Prüftet S. 
(Rippert, G. Q. 25oering, S. Schwa 1-3 ber (Reihe 
nach öon 3rit 3 U 3fit auf Giulabung Don Pr. 
PoKmann in biefe ©egenb. Pr. gide, welcher 
hiehtr gefanbt würbe, wanberte Don Ort 311 Ort, 
unb wo eS anging, ließ er burdj ben OrtSbiener 
feine Perfammlutigen auSfchellen. Sajiinial 
wußte man noch nicht, wa» mau aus ben Pte» 
thobiften machen follte. $ier ließ man bic» 
felben „einfpinnen"—bort fie gewahren. 21 el)ii= 
lieh wie Pr. gfide erging eS auch -ö*- P- ©tai« 
ger, auch er hatte fchwere Pionierarbeit 311 t()un, 
wie bie ©efdpehte ber 2 Jtiffion int Kirchenbuch 
fagt: „hier auf einer Paul übernaChtcnö, bort 
auf einer Sciter in’S hohe Pett fteigenb — mit 
einem Stüddjen Prob in ber 2 afd)c bei Sinb 
unb Unwetter burch Sanb, Sumpf unb Schnee, 
bur<h 'Saffer unb Soräftc babenb," fo piß\erte 
er burCh’S Sanb. 21n ein Pfcrb, ein „Puggp" 
war hier iiidjt 3 U benten, folchen S 11311 S (dnnte 
man bei uns nicht. 2lber eS würben ba unb bort 
Seelen 3 U ©ott betehrt, unb fogar bie ianj» 
mufifaitten mußten fich iw Sagen 4. Klaffe 
einmal eine Setljobiftenprebigt gefallen (affen. 


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599 


Halt an, tjait aus. 


unb fpielten aucp willig einen Storni baju. 
(Stetpobiftenprebiger fapreu in Sorbbeutfdplanb 
4. Äfaffc, weil eS, wie einmal einem Seugierigeit 
erwibert mürbe, feine fünfte giebt.) 3 m 3 ai)rc 
1865 founte Sr. ©taiger feinem Saepfolger 47 
Stitglieber in Doller Serbinbung unb 66 Srobe* 
mitglieber pinterlaffen unb eine Dteipenfolge 
fefter, aber jum Jpeil weit entlegener ©tatio» 
ncn. Siel guter Same mar weithin auSgeftreut 
unb baS religiöfe 3utercffe geroerft morben, and) 
waren Diel mepr Seelen' erwetft unb befeprt 
worben, als baS ßircpenbtidp aufmcijt. Jafielbe 
ift and) Wapr für bie fpäteren ©rebigcr. 3 P lc 
Slrbeit bnrf man niept und; ber Stitglieberjapl, 
bie fie gefummelt pabcn, fdpäßen, beim in einem 
Saube bon fo feften, aitpergebracpten Sitten, in 
weld)em fo Diel tobter Formalismus unb fo 
wenig lebenbigcS, tpätigeSGpriftentpum betrat, 
tnuu man niept fogleiep eine (Stute erwarten. 
G» muß juDor gefäet werben, unb jwar mit 
Dielet ©ebulb. 

21ucp bie fpäteren ©rebiger wiffen noep „Don 
weiten Siegen, Don Porten #erjen, jäpem 9Biber= 
ftaub unb faft iibennenfeplicpen ©trapajeu" ju 
reben. Jaju fam nocp bie Cppofition ber San» 
beSfircpc. 3 n ©reiffenberg würbe bie ©olijei 
aufgeforbevt, gegen bie Serfammlimgen cinju» 
fdpreiten — allein bie ©efcße fcpiipteit biefelben. 
3 h Senjen gefepap eS uoil> im Spril 1869, baff 
Sr. 9lb. Stiring am ©rabe eines nuferer Stit» 

! [lieber ein Saterunfcr betete unb ben ©egen 
pnnl). $er ftcrr ©aftor aber fünfte bie betref» 
fenbe ©cpwefter, ba fie bei ben Stetpobiften com» 
municirt patte, anSgefeplojfen unb Dermeigerte 
ipr bie Segrübnißfeierlicpfeiten, fomie ben ©e= 
brauch ber Jobtenbapre. Sr. 91. Suring warb 
nun Dom Saftor Dor baS Selgnrber ÄreiSgeridjt 
gefaben. G» würben 5 21)Ir. ©Irafe ober 5 Jage 
©efiiiiguiß beantragt. Ja» ©ericpt entfdjieb für 
1 Jplr. ©träfe unb Sernrtpeilung in bie ßoften. 
Jropbem befeftigte fiep ba» 20 erf. 3 « einer 
fepmereit 3eit, als im 3apre 1870 4 franjöfifdpe 
Sanjerfepiffe Dor bein £ofen lagen unb bie Stabt 
jufamnicnjufipiefsen bropten, würbe mit .fjiilfe 
ber ©efepmifter unb be» StiffiouSratpeS ein fleU 
ner Sauplap auf einer Sranbftätte jtt Golberg 
gefiepert, unb halb erpob fiep als FriebenSbait 
mitten in ben Unrupen beS Krieges eine Itopcfle. 
9toep im Mguft beffelben 3npre» fonnte Sr. 
3acobt) jur Ginmeipung berfelben fdpreiten. 91uS 
einem Sejirf fiitb jept jmei geworben. Sei» 
garb ift mit feinen Sanbftationen unb einer Don 
Sr. 3- ©cpmibt auf eigenes Ptififo erbauten 
Keinen Kapelle ein eigener Sejirf geworben. 
Mein um bie Staffen beS Solle» beffer ju er» 
reidpen, feilte man, anftatt fid) in SriDatwop« 
nungen peruiujubriiefen, überall frifep in öffent» 
licpen ©ölen auftreten föitneit. Jocp baju feplen 
bie Stittel, unb beSpatb fönnen unfere ©rebiger 


nur langfam Dornngepen. Jie große Stoffe ift 
gleiepgiiltig, unb Don ben „Aircplicpcit" fönnen 
wir niept auf Unterftüpung recpneit, ba fie be» 
leprt werben, baß ben StetpöbiSmuS nnterfliipen, 
eine fircplicpe ©ünbe ift. Jocp gefepap in Som» 
mern fdpou Diel. Jractate mürben über ba» 
ganje Sanb Derbreitet, in Dielen Crlfdpnfteu 
würbe baS GDangelium öffentlicp unb fonberlicp 
geprebigt.unb Siele aus bem gciftlidjen ©eplaf 
gemedt. Golberg ift ein Sorpoften — pinein» 
gefdjoben in eine SeDölferung Don 10 Stillionen, 
in ein weites, großes Dteidj. Stögen halb bie 
r e g u 1 ü re u Jruppeit nacpfommeii! 


Jjalt an, Ijnlt ms. 

f err © p u r g e o n, ber berüpmte unb reidp 
gefegnete wanjelrebner in Gnglanb feptieb 
Dor einiger Seit einer Slnjapl ©oniitag* 
fdpullcprer einen Srief, ben mir and) unfern 
ücfcrit inittpeilen wollen. 

Siebe Scprer ber ©onntagfcpule! 
abt 9luSbauer bei eurer Arbeit. 
S gab wopl feine 3eit, in Wcldper bie ©nun» 
tagfdfulc nötpiger gewefen wäre, als gerabe in 
gegenwärtiger; beim bie ©ünbe unb baS Ser» 
berben pat maprlidp bis jur ©tunbe niept abge» 
nominell, es ift niept geringer geworben. Sie 
Seftionen, toelcpe Don einem Sonntag junt aubern 
Don ber ©ountagfcpulbepörbe angeorbnet wer» 
ben, bie Ginricptungen, bie fie eticp anempfieplt, 
foüten Don euep mit ber redpten Eingebung be» 
folgt werben; tput ipr baS niept, fo wirb bie 
midpftc ©eneration noep fcplimnier als bie gegen» 
wärtige. ©ine rein meltlidpe Grjiepnng fipafft 
wopl Seute, bie für einen guten ober fepliuimeit 
3 wedf gebraudpt werben fönnen, allein bie wapre 
Religion giebt ber Grjiepung bie reepte 3Beipe 
unb bie fittlidpe firaft. ÜSir fdjäpen ben SJertp 
wcltlidper Jfcnntniffe, bie fidp ein Sienfep au» 
eignen fann; aber mepr freuen wir uns über 
bie Grfenntuiß unfereS $errn unb &ei(aiibe§ 
3efu Gprifti, opne melcpe alle Sid)ter weltlichen 
SöijfenS am Gnbe bodp nur DJtoubliept genannt 
Werben fönnen. 

$abt 9IiiSbaucr bei eurer 91rbeit, 
beim bie JBelt pat eud) nötpig in ebenbemfclben 
©rab, wie einft ÜRobert PtaifeS, als er bie ©onn» 
tagfcpule grünbete. Cpnc euep wäepft ein großer 
Jpeil ber 3ugenb in ©ünbe unb ©ottlofigfeit 
cruf. 3Bir leben leiber noep nidpt im golbenen 
3 eitalter, in welepem alle Gltern fromm finb 
unb ipre .(tinber in ber 3ndpt unb Serninpitung 
jum $errn erjiepeu. ©epet einmal burd) bie be» 
lebten ©traßen unb Sfleen in Sonbon, werfet 
einen Slicf in bie SolijeibiireauS, befudpt bie 


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600 


Ute in ben üinbern futdjt erweckt wirb. 


©efängniffe unb 9 lrbeitShäufer unb bann ur« 
tfjeilt, ob eine Arbeit an ben ff inbcrn nicht brin= 
genb nötljig ift. 34 » wünfhe eurer mehr. SESMr 
tonnen auch nicht ©inen Don euch entbehren; ja, 
gebe ber .fjerr, baß wir batb eine hoppelt fo große 
Schaar Arbeiter an ber lieben 3tugenb hoben 
möchten; ben Snperintenbenten wirb es oft ja 
jo fehr fchwer, bie nerwaiften ober anwachfenben 
fflajfen 311 befeßen. 

£)abt 91 uSbouer in eurer 3 trbeit, 
nub jwar gerabe jeßt. Die ©emeinbe braucht 
euch, uni ihre ffinber ju unterweifen itnb beS 
4 )eilanbeS jerftreute Sämmlein 311 fammcln. Die 
'Arbeit ift groß, fehr groß unb ber Arbeiter finb 
wenig. 

3«h beute ©ieinanb 31t befeibiflcrt, wenn id) 
fage, baß ber Unterricht in ber Sonntagfdjule 
im 91 Ilgemeiiten gut erteilt wirb unb hoch bin 
ich überzeugt, trok allem bem, baß e» auch ba 
noch fehler unb ©tängel giebt, wie in irgeub 
einem anberii 5 heil ber Arbeit im 3 teid>e ©otteS. 
hierfür nur ein ©eifpiel. Sich tarn nämlich fhou 
mit ffiuberii jufainmen, weihe fehr unwijfenb 
über bie befannteften unb widjtigften ©efdjidjteit 
ber ©ibel waren, unb biefe ffinber finb feit Saß* 
reu Schüler nuferer Somttagfcfjulen. Das follte 
nicht fo fein. 3h möchte ©iein.inb tabcln, aber 
ich möchte alle Streiter in ber heiligen Soun» 
tagfehularmee bitten, ihre Arbeit mit bem Gif er, 
ber ©riiublidjfeit unb Siebe 3U tljun, bie biefe 
heilige Sache erforbert. SSeun ffiubcr über» 
haupi füllen unterrichtet werben, unb wer will 
baS bejweifeln, fo follte bie» in ber b:[fcit Söcife 
gefdjefjcn. 

4 >abt 91 u Sb au er bei eurer 9 (rbeit, 
unb gebraucht alle eure Dalente unb ffräfte, bie 
ihr hobt. Die, welche am begabteren finb, wer« 
ben fid) nicht für 3U fähig uiib talentboll fühlen, 
wenn fie ihre 91 rbeii red)t thun wollen; betm 
gute unb blcibcube ©inbrüefe auf junge unb ge- 
bantenfofe ff iüber mit unferem Unterricht 3’.i er« 
jieleu, erforbert große ffrömniigfeit, diel ©nabe 
nub alle StnteUigenj, bie wir haben. 

©or allem follten wir bie Belehrung ber ff in« 
ber in unfern Sonntagfhuleit erwarten. Dicfe 
©rfahrung machen fie nid)t ooti ungefähr, auch 
werben fie biefelbe nicht in einer Schule mähen, 
bie nicht im rechten ©eift gehalten wirb. Die 
©etehrung ift jwar lein fDienfdjen*, fonbern ein 
©otteswerf, aber gewöhnlich fommt fte in ff (affen 
bor, wo ernfte, liebebode, betenbe unb gläubige 
Schier finb, bie biefen 3 roc( f im 91 uge hoben. 
Der heilige ©eift fteljt benen bei, weldje fid) 
auf 3 hn «erlaßen unb liifit bie Sporte ber 
Siebe nicht auf ben ©oben fallen. 9 luSbauer 
bringt Sohn. Der ßerr gebrauht Seine 
ff ned)te unb ©tägbe nicht, um Seinen Samen 
311 «edieren, ben fie mit Dbeänen unb ©cbet 
cuSftrcuen. 


3 h fühle mich arm gegenüber einer fo widj« 
tigen Schrerfhaar unb wünfhe euch nuS bem 
reihen ©orn ber ©nabe eine große ffülle ©aben 
unb ffräfte für euer fo fhöneS 9 lmt. 

©ucr Spurgeon. 


HUie iit hm Htukrn Ijäu% abtu 
glätUufdje unb aUcrljimi) andere 
tljoridjfe furdjt frwdtt tmrfc. 

/fein tleine§ffinb fürhtet ühbon fRattir Weber 
bor ©efpenftern, noh bot Dßieren, 110h 

* bor Donner, ©liß ti.bgl. ©S fdjläft in ber 
finfteren Stube ebctifo gut ein Wie bei Sicht unb 
in ©egenwart ber ©tutter ober ber ©flegerin; 
es nimmt eine Spinne, ein ©täuShen, einen 
ifrofh, eine Gibccßfe, einen ©loldj u.f. w. ohne 
irgenb ein ©rauen in bie £anb, ja, eS fiirhtet 
fiel) niht einmal bor Dingen, bie wir wohl ju 
fürchten haben. SBenn ein fleinc» ffinb anberS 
ift, fo ift es bie» burh bie ©Eichung geworben. 
Diefe wirb, wenn fie richtig «erfährt, ba» ffinb 
belehren, wobor eS fih ju hüten, bon Weihen 
Seiten ihm ©efaljrett broljen, bie cS 311 «ermeU 
ben hat. So wirb ber «erftäubige ©ijicher hon« 
bcln unb felbft niht fo leiht feljlgebcn; bod) 
fhwer ift feilte Aufgabe, bcu anberweitigen fhäb« 
lidjeu ©influß fernjuhaltcit ober wirtnngSloS 311 
mähen. 

3unühft fhabet es ben ffinfccrn, wenn fie 
feljeit, baß ältere Seute folhc thörihte fjurht 
jeigen, 3.©. bor 91 ngft fhreien, wenn einü)täu 3 = 
hen in ihre ©affe tommt, ja einer Of)itnuu^t 
nahe finb, wenn etwa eine Spinne rber ein ©tai« 
tüfer an ihren ffleibern trieht. Daburd) werben 
bie Keinen ffinber erft anfmertfnm gemäht, baß 
man Wohl Urfadje haben tönnte, fid) «or folhen 
Dingen, bie fie bis jejjt gau3 unbefangen ange« 
fehen unb betaftet haben, 311 fürchten imb baßer 
3u fliehen. 

Die 3 ?urht bor ©efpenftern, ©eiftern, fieren 
11. f. w. Wirb ebenfalls baburd) in ben Keinen 
ffinbern erwedft, baß fie folhe ihörid)te ffurißt 
bei anbern wahmehmen; weiter aberbaburh — 
imb ba» ift ein ©unft, wo auh fcitft berftönbige 
©ließet 3uweilen fehlen, — baß ihnen für Keine 
ffinber unpafjenbe ©efhicßlen bon ©efpenftern 
nnb bergleidßen crgä^lt werben. Solche ©cfdjid)» 
ten hören bie ff inber in ber Siegel fel)t gern; je 
graufiger cS wirb, befto lieber ift cS ihnen; eS 
ift ihnen eine üöoflnft, wenn bor tfnrcßt „bie 
floate 311 ©erge flehen unb fie fih niht tinuu* 
fehen wagen." 91 ber weihe grnht bringt biefeS 
©wählen! ©in Keiner ff nabe, welcher forgfältig 


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Per Squire unb ber Pfarrer. 


601 


gehütet würbe, baß foleße gureßt nicf>t in ißm 
entftanb, ber fid) wunberte, baß anbere Ainber 
fieß fürsteten, im ginfterit allein ju fein, „ba 
man fiel) boeß nießt ftoße, wenn man ftillfiße," 
hörte Don ber fDtagb foldje ©efpenftergefeßiißteu, 
unb bin war feine Unbefangenheit. Sr fragte 
feine 2 )tutter roieberßolt: „fließt Woßr, ÜJtutter, 
es flieht leine ©efpenfter, feine £eren ?" 916er 
bitreß fein wiebcrßolteS gragen jeigte er feßon, 
baß bie Erjäßluitgen einen tiefen Einbritd auf 
ißn gemacht butten, welcher bureß alle IBeleßrun» 
gen ber fDtutter, ber er fonft unbebiugten ©lau» 
ben gefeßenft batte, nicht öerwifdjt werben tonnte. 

Slueß ©efchichtcn üon Einbrüchen, TOorbtßaten 
u. f. w. foll man Keinen Jtinberu nicht erjäßlen. 
3 cß höbe felbft erfahren, baß Jfiitber baburdj fo 
in gureßt famen, baß fie jebeSmal, wenn'fie ju 
Söettc gingen, unter alle Setten unb in alle 
Sßinfel leiiefjteten, um fi<ß ju überjengen, ob fid) 
bort nießt jentanb Derfteelt hätte, fo baß fie fieß 
nicht jufrieben gaben, baß fie nichts gefeßeit 
batten, oueß bie Stutter mußte noch jufeßen. 


$toburdj bie ßrjidjcr melfndj aller» 
fyattb ifnarteu uub SUnbeit brr 
hleltieii Hinbrr tctfdjulbni. 

»S ifi Woßl behauptet Worben, baß bie Er» 
3® jießer alle Unarten ber Äinbet oerfdjul» 
T ben. 23iv halten bieS entfeßieben für einen 
3rrtßum; aber waßr ift, baß bie Erjiefjer Diel 
Unarten ber Keinen ftinber Derfcßulben, unb idj 
ntöcßte hier nur barauf anfmerffam machen, wie 
bieS häufig baburdj gefeßießt, baß man nießt 
für paffenbe Söefeßäftigung beS ftin« 
beS f orgt. ES ift Woßl nießt ju Diel gefügt, 
wenn behauptet wirb, baß bie Keinen Jfinber bie 
meifteit Unarten, ja aueß Siinben aus Stängel 
an poffenbev 5öefcf)äftigung begehen. 2>aßer 
fpiele bie Siutter feßon früh mit bem ifinbe; ob» 
feßon baffelbe noch nießt felbft fpielen fann, achtet 
eS auf baS, was mau ißm Dormad)t. 9lllmäßlig 
nimmt baS Sfinb Sßeil an bem Spiel; altmäOlig 
gebraucht eS feine ftäubeßen; halb fomint es 
oaju, fieß felbft jti oefeßöftigen, unb man tßut 
bann woßl, wenn man nießt immer mit ißm 
fpielt, fonbern ißm nur Einleitung jur Sefcßäf» 
tiguug flieht. S)ie Pflegerin, weleße eS üerfteßt, 
rin Keines Sfinb ju befdßäftigen, wirb eine Diel 
leichtere pflege haben, als bie, welche nid)t bie 
©abe ßat, bieS ju tßun, unb bem Keinen Äinbe 
iß bei einer fokßen Selbftbefeßäftiguitq Diel 
woßler, eS entwüfelt fieß fleiftifl Diel meßr, als 
wenn eS immer umßerfletraflcn würbe. 


Es flieht maneßerlei paffenbe Sefdjäftigungen, 
bie ganj Dortreff ließ finb, Keine Äinbev ju be» 
feßäftiflen. SefonberS finb eS bie Satifäflcßen 
mit ben einfachen Sauflößen, weleße feßon früh 
bie ifinber länflere 3 eit unb immer wieber be» 
feßäftiflen unb erfreuen tonnen. Sind) burd) baS 
foflenannte Serfcßränfeit (eine 3 lrt gleiten mit 
Stäbchen ober Späßneit aus £>olj) werben bie 
ffiitber läitflere 3 «it uub immer wieber «efeffelt, 
unb Sauen fowoßl als Serfeßräitfen hüben noeß 
ben flroßen Sortßeil, baß aueß Heinere ifinber 
fieß mit bem Spieljeug nie feßaben fönuen, aud) 
wenn fie läitflere 3 eit ganj allein finb. 9 lucß 
baS Spielen mit angefeueßtetem Sanb unb eini¬ 
gen formen feffelt bie $inbet lange 3 fit unb 
bietet immer neue 9t ei je; eS ift babei gäujlicß 
ungefährlich, aueß fo wenig foftfpieliq,’ baß eS 
eine Sefeßäftigung felbft für bie ärmften ßinber 
fein fann. Scßwierifler ift feßon baS gönnen 
mit 2K)on, baS glecßtett, 9luSnäßen; leießt hin» 
gegen baS Segen Don gigureit mit Sttindjen, 
Scßnedenßäusdjen ober farbigen Sapierftiiden. 
Siub bie $)inge nießt ganj Kein, fo bringen fie 
aueß Keinen JJiubern feilte ©efaßr, ba fie nießt 
in Serfueßung fomtnen, biefelben in SÜtunb unb 
Safe ju fteden. Soßitcn jum Segen finb Keinen 
Äinbern aus biefem ©runbe bureßauS nießt ju 
flehen. 

$ie Erjießer Keiner ßinber hoben fieß mit 
Dielen Sefdjäftigungen für biefelben befannt ju 
maeßen, bamit fie ben ftinbtrn 9lbwed)felung 
bieten fönnen. Üßun fie baS, fo werben gor 
Diele Unarten ber Itinber Derßütet, ja fogar ein» 
jelne feßon borßanbene leicßter befeitigt werben. 


9er Squire unb brr ^firner. 

Haiti bem Euglifißru. 

„fiidorßtoWn" war für einen 93rebifler ein 
armfeliger ißlaß, unb ^Brebigerwecßfel war an 
ber SageSorbmmg. 3)ie Urfaeße bnDoit war 
nießt etwa, baß bie Seute bort ärmer ober fcßlim» 
inet gewefen wären als anberwärtS, fonbern 
weil ber jur ©emeinbe gehörige Squire ©e« 
feßei t ein Stecfenpferb gaiij eigener 9lrt hatte, 
auf welchem er fieß ganj luftig Ijerunitummelte, 
fo oft wieber ein neuer ^rebiger fallt. Xocß, 
„ber ftrug geßt fo lange jum Söajjer, bis er jer» 
bridjt" — unb fo traf aueß biefeS SepiireS 
Stecfenpferb ein jäßeS Enbe. 

SeS Squires Stcdenpferb war bie Auslegung 
— ober Dielmeßr f e iji e befonbere Elufftiffung 
einer Stelle ber ßeil. Seßrift. Er las gerne in 
ber SÖibel. 3» berfelbeu waren eS beionberS 
jwei itapitcl, bie ißm oor anberen gefielen: baS 


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602 


$et Squire unb bet Pfarrer. 


10. Kapitel SRattpoi unb baS 10. Kapitel in 
2uca$. 3n ber Mfüljrung unb Erflärung bie* 
fer beiben 'Rrtifcl mürbe er — befonbeis in 
©egeitmart beS ^rebigerS — nie iniibe. Sarin 
befiaub feine befonbere Starte, unb er tfjat ficfe 
iticfet roeuig ju gut barauf, baß iljn noch fein 
'-Prcöiger n'iberfeftt habe. Sic Sarfedund feiner 
Mfidjteu fcfelofe er gemöhnlid) mit ben 2 i)orteit: 
„Pfarrer, bie bon ibrein ©ctjalt leben, fann icf) 
nicht leiben. Safet fie, mie St. VauluS, arbei» 
ten, unb fo mie nnbere Seute itjr Seben macfeen." 

Vor etwa jeljn Saferen foflte in &idorfetomu 
ein neue» VfarrfeauS gebaut merben. Sie ©lie¬ 
ber ber ©emeinbe mären alle roiöig, aber ba 
ftanb unfer Squire auf unb liefe eine gemaltige 
9tebe bom Stapel, berfelben feine Sicblinqöfteile 
ju ©runbe ledenb: „3df möchte miffen, ob 
St. IfktruS ober einer ber anbern feeil. Vpoftel 
ein '-Pfarrhaus Qebabt haben ? 3d) bin, meine 
lieben greunbe, burcfeauS nicht gegen Vrebiger, 
o nein! fie finb mir im ©egentheil lieb unb 
mertfe. Mer eS miiffen Vrebiger fein, mie bie 
9tyoftel maren. 2So lieft man bon ihnen, bafe 
fie feine Stucferöde angefeabt haben? Safe fie 
arte, mcifee&nnbe hotten mie eine Same? Safe 
ie ein befonöercS Pfarrhaus hotten ? No sir! 
Sie hatten nicht» bergleicfeen! Ster |>crr fadte 
ihnen: „3h* follt nicht ©olb, itod) Silber, noch 
Erj in euren ©ürteln hoben; muh feine Safd)e 
jur äBedfofjrt, oud^ nicht jmeen htöcfe, feinen 
Schuh, auch feinen Steden. 2öo ihr in ein ^>au3 
fomint, ba fpreefet juerft: Sriebe fei mit biefem 
#aufe! 3 11 bemfelbigeu {laufe bleibet, effet unb 
trinfet, maS fie hoben!" 3<h frade euch: SPo 
fleht ba etmaS bon einem VforrhouS ? 3d) for« 
bere 3*ben auf, mir irdenb einen Spruch 011311 = 
führen, in beut etmaS bau einem Pfarrhaus ge» 
tagt ifi, — ober mir $11 bemeifen, bafe unferc 
heutigen Vrebigcr mehr unb beffer finb, als bie 
heiligen Moftel! $aben biefe feiitS gehabt, fo 
braucht unfer Pfarrer and) feinS!" 

Sae mar ein überjeugenbeS Mgument. ,0ci= 
ner mufete ober magte etmaS bagegen einjuroem 
ben. Sa§ Pfarrhaus mürbe nicht gebaut. — 
So biele neue Vrebiger aud) in einem Zeitraum 
bon smanjig Saferen noch <f)idort)tonm famen 
unb fich über ihre fümmerliche füticthSroohnung 
beflagten: gegen baS übermältigenbe Mgument 
beS Squire», baS er atleuthotben in ©emeinbe» 
berfammlungcn unb in Scheiden sur ©eltung 
brachte, fonnten fie nicht auffominen. deiner 
fonnte unb motlte beit VcmeiS liefern, bafe er 
mehr fei, als bie heiligen Slpoftel, — fomit 
brauchte unb befam er auch fein VfarrfeauS. 

Socf), ber (frug geht fo lange sum Vrunnen, 
bis er jerbricOt — unb fo ging eS auch bem 
Stedenpferbe unfereS Squires, unb baS ging 
fo ju: 

s Jia<h ^idorptomn fam rnieber ein neuer Vfar« 


rer, feit bielen Saferen feine ungemöfenliche Ve= 
geben heit. Er feiefe Salomo, ein beftfeeibener, 
anfprutfeSlofer 'JRauii, ber aufeer feiner Mmidl) 
unb einem fcfeelmififeen ^mildern feiner klugen 
nichts befonberS ÜRerfroürbigeS an fich hotte. 
SRit grau unb brei Stinbern bejog er — nicht 
baS Pfarrhaus, baS hotte ber Squire nicht auf» 
fommen (affen — fonbern eine billige, ungefunbe 
DRietbSmofenung. Villig mar fie « 11 S i>erfcfeiebe= 
uen Urfacfeen: auf ber einen Seite befanb fich 
ber Spielplafe ber Sorfjugeub; auf ber anbern 
Seite ein mit halbfaulem SPaffer angefüllter 
Ententeich; baju ftanb baS £>auS noch in bem 
angenehmen Ütnfe, bafe eS ba fpufe. 

Sn biefem £>aufe mohnte Pfarrer Salomo, 
— oerfuefete meurgftcnS mit feiner gumilie ba 
ju mofenen. Sie bcfainen alle baS gieber. Sein 
SPunfch, bie ©emeinbe möge ihm hoch ein Vfarr» 
houS bauen, mürbe ihm, mie feinen Vorgängern, 
aus ben befannten ©riinben oermeigeit. 3Per 
fann eS ihm berargen, bafe er fid) entfdjlofe, 
£)idor»tcron mit einem anbereit Mrbcitsfelbe ju 
Oertaufdjen ? 

Soch ehe er feinen Entfcfelufe befannt machte, 
trifft ihn unfer Squire in ber Sorf=©rocerp, 
mo biefer mürbige 9Rann mit feinem überroälti» 
genben Argument fdfoit fo manchen Sieg babon» 
getragen hatte. 9BaS Söunber, bafe er auch bei 
biefer ©elegcnheit au beut armen '-Pfarrer Sa» 
lomo fich bie Sporen ju berbieneit fucht: „Sie 
loollen auch ein '-Pfarrhaus hoben? f)at ber 
Vpoftel '-Petrus ober bie anberen Vpoftel eins ge» 
habt ? Reiben Sie bas 10. Kapitel im DRatthäuS 
nicht gclefcn ? galten Sic fidh ctrna für beffer, 
als bie heiligen 'ilpoftel maren ?" 

Xer Vfarrcr fagte, er glaube nicht, bafe bie 
heutigen 'pvebiger beffer mären, als bie ülpoftel. 
ES märe biel UeberjeugenbeS unb biel SÖnhreS 
in bem, maS ber Squire gefagt habe; ju feiner 
Schaube müffe er eS geftehen, bah er biefe Sache 
noch nicht reiflich genug überlegt höbe; eS fei 
ihm burefe baS, maS ihm fein lieber greunb ba 
gefagt, in manchen Singen ein ganj neues Sicht 
aufgegangen; er moüe einmal bariiber nach» 
beiden nttb bann baS Ergebnife feiner Prüfung 
ihnen mittheilen. 

Me maren barüber jnfrieben. VefonberS 
glüdlicfe aber mar ber Squire, einen Vforrcr 3 U 
feiner Slnficfet belehrt ju hoben. — Vber, mer 
311 lebt lacht, lacht am heften! 

Senige Sage fpäter, als unfer Squire eben 
feinen 5Rorgenfaffee tranf, ertönt ein heftiges 
Sflopfen an feiner £auSthür. MS ber Squire 
öffnet, erblidt er ben Vfarrer Salomo mit fjfrau 
unb JJinbern auf ber Vetanba ftehen. fRodj ehe 
ber equire „guten ÜRorgen" fagen fonnte, erhob 
ber Vfnrrer feine rechte ^anb unb fpraefe: „Triebe 
fei mit biefem £>aufe!" Chne eine Einlabung 
abjumarten, betrat er mit feiner gamitie baS 


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per Squire unb ber Pfarrer. 


603 


£>auS. Obgleich bem Squire ber gange Hergang, 
bcfonberS baS ernfte unb roürbebollc ©etragen 
beS Pfarrers etwas auffallenb unb ungewöhnlich 
borfam, fo backte er bod) nicht roeiter barübcr 
nach, — hielt cS einfach für einen gewöhnlichen 
amtlichen ©efud), wenn freilich auch in bermeht* 
ter Auflage. 

@in paftoraler ©ofuch war eSaud). Sodfnod) 
ehe er gti ©nbc mar, fd)ien eS unferem Squire 
mehr eine paftorale $cinifu<hung gu fein, 
als ein paftocaler © e 1 u ch- 

Ser Pfarrer mar mit feiner Familie offenbar 
baju gcfominen, um ben Sag bei bem Squire 
giigubrinqen. Ser ©Jorgen mürbe mit angenelj* 
mer Unterhaltung gugebrad)t, miihrenb fid) bic 
ßinber im Obftgarteu föniglid) amufirten. 9tad) 
bem ©tittagcjfcn entfchulbigte fi<h ber Pfarrer: 
er hätte.einige amtliche ©änge gu machen, er 
mürbe feboch gum Sh« mieber gurücf fein. ?(ud) 
nach bem 9ta<hteffen blieb bie ©farrerfantilie im 
£aufc, unb machte nicht bie geringfte 9lnftalt 
gut» ^eimgehen. ©üblich bämiuerte eS bem 
Squire auf: bie moflen nicht nur ben Sag, fon* 
bem auch noch bie Stacht bei mir gubringen. So 
mar eS, — unb eine föftliche Stacht mar eS für 
bie ©farrerSleute einmal mieber in einem erbeut* 
liehen $aufc unb Sette fdjlnfen gu biirfen! 

Stachbem am anberit ©Jorgen fffrübftücf unb 
©Jorgenanba^t imrüber mar, bat ber Pfarrer 
um ein ruhiges 3>miner — eine ißropbeten* 
ftube, mo er ben ©Jorgen mit ©eten, fiefen unb 
©etraeßten ber heiligen Sdjrift gubringen fönnc. 
„34 höbe freilich feine ©ibliotßef, aber id) 
brauche and) feine. Sie Slpoftel haben auch feine 
gehabt. 2BaS Sie mir in ber ©roccrt) Por eiui- 
gen Sagen gefelgt haben, leuchtet mir ein. 2Bir 
finb nicht beffer als bie Sfpoftel, ich will cS baljer 
auch nicht aub'erS unb beffer haben, als fie; will 
bielmehr berfucheit, ihnen in allen Stiiden nach» 
guabmen." Samit »erliefe er mürbeooll bas 
3 immer. 

Ser Squire merfte noch nicht, mo baS hinaus 
Wollte. ©S bergingen fo 2—3—4—5 Sage. ©S 
fant ihm immer 'ronnberlidjer bor. ©Jandien 
Auftritt gab eS gmifcheit ifjm unb feiner ©he* 
hälfte. 33aitn fah man ihn mieber in tiefen ©c* 
banfen auf* unb übgeben, bis enblich ber ©nt* 
fthlujj in ihm reifte: gfragft ben Pfarrer, WoS 
er benn eigentlich bor hat, unb wie lange er nod) 
gu bleiben gebenft. 

9tad) längerem .feüjWn unb fJJäufpern braute 
et feine ^tagc an ben ©Janu. ©farrer Salomo 
antwortete ißm mit einem fdjelinifehen 3miitfern 
feiner SXiigeu: ©r habe fich entfd)loffen, unter 
beS «quireS {4üßeitbem Sache feinen ©lifcnt* 
halt gu nehmen, bis er mieber roeiter giefje, fo 
lange er ©aftor in Jfeitforptoron fei, roic ber £err 
folcßeS feinen Sängern in bem ibnt befannter. 
ftapitel befohlen habe. 


„SBie, Sie haben ba§ ffioßnen im ©farrbaufe 
aufaegebeu ?" 

„3a freilich habe ich fS aufgegeben, unb werbe 
auch nie mieber bort eingiehen, benn eS ift meine 
fefte ?lbfid)t, gang fo gtt leben, roie bie Slpoftel, 
— unb bie hatten, wie Sie roiffen, fein eigenes 
©farrhauS." 

Ser Squire machte ein berrounbJrteS ©eficht 
unb meinte: Ob benn fein ©cljnlt nicket groß 
genug märe, ihn gu erhalten, ohne firfj bei anbe* 
reu Familien eingiiquartieren ? 

„©ehalt ? SBiffen Sie nicht, baß bie Sfpoftel 
feinen ©ehalt gehabt haben ? 34 habe meinen 
©ehalt aufgegeben. ©Serbe feinen ©ent mehr 
annebmen. ©Jorgen will ich bie gange ©emeinbe 
bainit befannt machen. 34 hin nicht beffer als 
bie Sfpoftel waren!" 

“W-e-1-1,” meinte ber Squire, „gemife ift baS 
gang nach ber ©ibel, unb id) will gleich 3» mci* 
nen ©a4barn gehen, baß Seher Sic ber Steife 
nach eine ©Joche in’S fjauS nimmt." 

„SaS barf id) aber nicht thuit, fo gern ich eS 
auch tfeate. ©ang beftimmt lautet meine 3n* 
ftruftion: „2Bo ihr aber in eine Stabt ober 
SJtarft geht, ba erfunbiget euch, ob 3cinanb barin 
fei, ber eS mertf) ift, unb bei bemfelbcn bleibet, 
bis ihr bou bannen gieljet." Unb Suf'aS fagt: 
„3" bemfelbigcn £attfe bleibet, effet mjb trinfet 
maS fie haben . .. 3h* fallt nicht bon einem 
fjaitfe gum anberu gehen." 34 möchte Sie gerne 
bon biefer Saft befreien unb bon fjauS gu £)auS 
gehen, bafe eS gleichmäßig bertfeeilt mürbe. Slber 
bie ©Sorte über biefen ©unft finb flnr unb nicht 
mißguberfteljcii. 34 muß in ^bretn £>aufe blei* 
ben, bis id) ^icforptommoerla|fe." 

2BaS mar nun hier gu thun ? Sen ©rebiger 
mit feiner fjamilie auSmeifcn wollte er nicht, 
fonft hätte er ben Staub bon feinen fjiißen ge* 
fdjüttelt gu einem. 3 cugnif 5 über ihn. 6r mar'in 
feiner eigenen fffallc gefangen. ©Jo4te er fich 
auch minben unb brehen roie er wollte, er fonnte 
nicht entrinnen. £icr hatte er eine praftifche, 
wenn and) für ihn höchft unbequeme Slnrocubung 
feiner eigenen 2ef)re, bie er fetjon feit 3al)ven 
bei jeber ©elegenheit an ben Wann gu bringen 
fudjte: ©rebiger ßfutgutage finb fein ©iScßen 
beffer als bie Slpoftel waren. 

Sen näöhften Sag reichte ©farrer Salomo 
feine fßefignation ein unb »erliefe öieforptomn. 
Sie Seute fonnten aber nicht begreifen, warum 
ber Squire nie mieber fein SieblingSthema be* 
hanbelte: „Sic ©rebiger heutgutage finb nicht 
beffer als bie Slpoftel." 

Saß bon biefer Seite b« auch feine ©itt* 
menbungen mehr gegen ben ©au eines ©farr* 
baufeS gemacht mürben, fann fich ber geneigte 
Sefer borftellen. 


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604 


3u §ouf t. 


8 

Son einer 

ffronti ober ©alöbrätme entftebt burd) eine 
liebe grfältuitß unb 9lnfdjmellunß im ©alfe; bie 
fftaufheit beftubet ficb in bev Suftrobrc, toeldje jnr 
Sange führt, unb burd) melcbe man athmet. ®iefe 
füllt ftdj fdjiicll mit einer fcbleintißen bitten ©aut 
an, bie Suft mirb abßefpcrrt unb ber fttanfe ntuft 
etfiideu, meint nicht gleich ©ülfe gefdjafft merben 
tanu. Sin fleic()irfter 9(vjt in 33ofton faat: Qabiefe 
Sraufheit buvd) grfältuitß unb vlöfelidjcS Buriufc 
treteil be3 ©cömeifieS entftebt, fo mu§ ber ftvänfe 
lieber in ©cbmeifi gebradtt merben, unb Amat fo 
fcbnell al3 möglich. (Sine grau, bie ebenfalls viel 
grfabruitß in ber Sehaitbluuß biefer ßefäbrlidten 
ftraitfheit bat, fchrcibt barüber folgenbeS sunt $or- 
thetf berer, meld)c bauiit nicht um$ußcben miffcit: 
Unter ben breifjig ftiitbevit, melcbc bi3 jefet unter 
meiner 33cbanbluiiß ftanbeit, habe icb nicht einen 
Sali au verseidmeit, ber feblftefddaßcit bat. ©obalb 
bie ©vmvtome berftranfbett ftd> seinen, beije man 
bei: Ofen, nehme baSftinb auf ben i£>d)oojj, midelc 
eS in eine marine mollctte ®edc unb fefee fid) bamit 
fc* nabe als möglich an ben Ofen. ®ann ßiebt 
man beul ftiitbc eine bovvelte Portion gaftor=Oel 
unb aie&t in einen leeren Xbee= ober SBaffcrfcffel 
ein Quart ftarfen gffta; biejen brinat man fdjncll 
2u:n Soeben unb laftt baS ftiitb nad) Oeffituitß be3 
ffeffelS ben beifieit ®antvf fo lauge eiitatbmen, biS 
e3 fd)mibt, meldjeS balbigc (Srlcichtcrunn piebt. 
©aitn legt man e3 im gebebten 3«ftmcr in cm er¬ 
manntes Seit. 3» ttinfeit gebe mau bem Staufen 
nur heiße 3Kild) ober marine ©etränfe. ®ic Stau 
fd)veibt, fic habe bie häutige Sräunc, naebbem alle 
anberen ^Kittel feblgcfdjlageit, utitgrfolg bebanbelt, 
nur utu6 man feine 3eit verlieren unb jdjiteil ©ülfe 
febaffen. 

fSrirodndeft Obfh SBenn ber Obfhüdjter ftdj 
etmaS SJtübc giebt, fo fann er mit Scidjtigfeit fein 
Obft viel fdjöncr börren, troefnen unb venvcrtbeit, 
als bieS in ben meifteu Süllen gefd)ieht. g3 feilte 
natürlich jeber Obeliebter einen ffladofeti haben. 
®aS ®brven unb Srodueit be3 ObfteS gcfdjiebt am 
heften, inbem mau e3 auf ©ürbeit ieqt. 2Ba3 fiitb 
©arten? (53 ftnb eine 9lrt Seitern, bereit ©eiten- 
ftüde mcnigftcnS 6 3oll breit fiitb, unb bereit un= 
gcfäbr 6 3oll von eiitanber entfernte ©treffen forb- 
artig mit SBeibeit burdtfoebteu merben. ©obalb 
ba3 Obft ju reifen anfäugt, beginnt matt and) mit 
beut Sroditen beffelbeit. 2ßan fcbdlt bie Sirneit, 
piebt 9ld)t, bafc feine murmftidjige baruntcr finb, 
idjncibet beit Stiel in ber 2Bitte burdj unb fdmeibet 
unten in bie hinten ein ftrem; batttt [teilt man fie 
jorgfältiq neben eittattber auf bie ©ürbeit bis biefe 
gefüllt fiitb, unb bedt über jebc ein Sud). 3)?att 
macht mm im Sarfofeit ein geltitbeS Sctier, nimmt 
bie 2lfd)c heraus ttnb ftellt bie «©ürbeit hinein. ®ie 
ffiarntc bat alfo ©eleaeitbeit, baS Obft au beibeit 
©eiten au troefnen, meil e3 3 3oll oont Sobcit be3 
©adofeitS entfernt ftebt unb bie SBärtttc burd) bie 
fleflocbtencn ©ürben binburdjbriitflt. 3lm ttädjften 


uft. 

©anöfroti. 

9)2ovflen nimmt man bie färben heraus, brebt baS 
Obft um, macht mieber cm acliitbeS Setter (ia fein 
Au fiarfeS, fottft verbrennt ba3 Obft), tbut bie ©fir- 
ben mieber hinein. 3tt biefer iSeife fährt inan 
einiqe Saae fort, bi3 bä3 Obft buvd) unb burd) ae- 
troernet ift, bann tbut man e3 in reine vavierne oter 
baummoüeitc ©äde, befeftiflt ciuiftc eifevtte ©afen 
oben tut ©veidjer ober ©avrett, leflt Ouvdi t'iefc 
©afen eine lanae ©tanae, unb hinbet bie flctncn 
©äde baratt. ®>a3 aetvodnetc Obft ift bann qe- 
fdjübt vor 3nfeftcn* unb UttacAicfer. 9lcvfcl fcl>alt 
mau, fchneibet fic in 4 ober 8 Sbeile ttttb entfernt 
ba$ fternflebäufe. Sein actrodneteS Obft feilte 
murntftid)ia fein, ißftvfidie merben in 2 Sbcilc ße= 
fdmitten, iiitb nur flefuttbe acbont. 

®ie 9Beiben fann fid) ber Sanier felhft sieben, 
unb bie ©ürbeit in ben SBiitterutoitaten attfevtiflen; 
fie fiitb immer mieber au beitufeen. 

SreffUdj ab(|ffrrtißt. gin f r i f chöcha den er ®oftor 
ber 3)?ebisin ^lauhtc fid) itt einer öroften ©efellfdjaft 
bamit einen gelehrten Auftrieb aeben au fonuett, ba6 
er ba3 ®afciit ber Seele unb bereit Svrtbauer nach 
beut Sobe beftritt, ba ber 5DJettfd) bod) eiacittlid) 
ttiditS märe, al8 ein Sbicr, toic ©ttttbe, ft übe, $fcrbe# 
©dnoeiite k . ®ic aattAe ©cicllfdwft ärgerte fich 
überbaS ©efebtoäb beS iunflctt SKanneS; ein alter 
®oftor aber, ein febr acfuditer SMcbumaliatbr 
motlte ihm eine berbe, verbiente 3uved)ttoetjuttfl 
(leben. „3unfler ©err, bemerfte er, id) babc ©ie bi$ 
iefet immer anßerebet mit ,,©err ftolleße", unb mir 
e3 ßefallen laffen, bafe ©ie mich mit bcmfelbcn Xitel 
aiiflercbct haben. ®a in meinen 9(tißen biejeniacn, 
bie icb bebattbele, eine vcrnünftiac ©eele haben unb 
9)?enfd)eit, itid)t abei Sbtere finb, ©ie i^odt ba3 
©eaentbeil bebauvten, fo nehme ich für mid) beit 
Xitel „©oftor" in 9lnfvvud), unb laffe ^btteu bie 
Scnenuuna „SbierarAt", finb ia bod) bieienißcit, 
bie ©ic bebanbeht molleit, nach Sbrer 3Reinuna im 
©vunbe flcnommen nichts 9lnbeve3 alS Shierc. 3cb 
verbitte mir fomit, bafeSie tuieft noch einmal „§en 
ftolleßc" nennen; haben ©ie verftanben, ©ert 
Sbierarjt?" 

1 jßed reife SomatocS, 4 arofie flmie« 
heln, 6 rotbe Pfeffer, 1 gfjloffcl ©als, 1 Sbeelbffcl 
aemablenen febmarsen Pfeffer, 1 Quart gffiß unb 
5 ßeut 9)2uftarbfaamcu. 9Kau reinißt SouiatoeS, 
3miebeln unb rotben Pfeffer unb focht eS recht fein, 
bann brüdt man bie 9)2affc bureb ein ©ieb unb laßt 
baS ©anse mit gfftß, ©ah unb SRuftavbiamcn 
ftarf cinfodien, rührt cS beftäubiß unb ßiebt 9lcbt, 
ba§ e§ nicht anbrennt. 3ft eS ßemiß einßefodit, 
bann tbut man c8 in reine ©Idfcr unb verfielt cS. 

Mince Pie. 3)Jan fod)t ein frifchte ©tüd Dttnb- 

! lcifd) vom 92umvf ober shoulder plug, 6 bis 8 3Jfb. 
d)mev. g§ barf fein ©alA nod) irqeub etmaS im 
I SBaffer ßefoAt merben. 3ft baS Sleifch meid), bann 
i nimmt matt e§ vom Scuer unb Idßt eb biS sum 


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3u laufe. 


605 


nächften Dag abfühlen; alSbann hadt man e$ fo 
fein wie ftornmehl, nimmt faftige, faurc Slcpfel, 
hadt ftc eben fo fein unb 1 flifo. 'Jtinbofett (suet). 
SRau nimmt 1 Quart feingehadtc3 gleifd), 2 Quart 
feingehadtc Steifet, 1 3}fo. suet, l C^fjtoffcl Doll 
©alz, 2 $fo. 3uder, 2 $fb. auSgcmad'te Stofinen, 
i s $fo. rcingcwafchcne Gurrend, i $ft>. feingehadtc 
Gitron, 1 Gfdüffel Doll Ginnamoit, 1 Dheelöffel 
Doll gemahlenen SMfcnpfcffer, 1 Dheelöffel Doll 
mace, l Dheelöffcl Doll allspice unb eine geriebene 
3Ru3fatnu& (nutmeg). Die3 alle3 thnt man in 
einen 2 ©alloneit haltcnben irbenen Dopf, gießt fo 
Diel frifdjen Giber barüber, bi3 e3 gut tmrdjnä§t ift, 
unb rührt c3 mit einem hölzernen Söffet um. 3ft 
e3 nidit fuß gcnug f fo thut man mehr 3uder hinein. 
Da3 ©anzc muft bann in einem porzellanenen ober 
irbenen Dopf gut burd)gcfod)t werben; bann thut 
mau c3 zurüd in einen reinen, irbenen Dopf, laßt 
c3 falt werben nnb giefet fo oiel 'DRolaffe-S barüber, 
baft c3 bebedt ift. 3» einigen Sagen ift e3 zum 
©ebrauch fertig. 3Han rührt e3 mit einem hölzer¬ 
nen Söffet nochmals gut um, unb nimmt fo oiet 
herauf, al3 man braucht; ift e$ zu bid, fo nimmt 
man etwas faltc3 ffiaffer unb rührt e3 hinein, fehlt 
etwas 3uder ober Salz» fo thut man c3 hinein unb 
wenn mau ben $ie badt, fo thut mau noch ein ganz 
wenig Butter in {(einen Stüddjen hinein. 3San 
fann otclc auf einmal baden, fic halten fid) lange. 
Minjmt mau ben heißen s #ie au3 bem Ofen, fo [teilt 
man ihn auf ein großem uingcbrchtcö Sieb unb laßt 
ihn erteilten, bei* untere Shcil bcffctbcu bleibt bann 
Diel loderer. Da3 Mince meat [teilt man hernad) 
an einen fühlen Qrt, gie&t wieber 3Rolaffc3 bar* 
über unb fann eS fo einige 2Bonate lang aufhebeu. 

Sie man aetrotfuete ^ßrflcße focht. 3Wa n wäfdjt 
unb unterfucht ftc forgfaltig, thut fic am Slbenb in 
ein irbcneS ©eichirr unb bebedt fic ganz mit 23affer. 
Stm nädjftcn 3Rorgen fteüt mau fie in einem Por¬ 
zellan Heftel über’3 freuer, bebedt fie gut mitffiaffer, 
unb wenn fte fochen, thut man 3uder hinein, biS 
fie [üb genug fiub; mau laßt fic fochen, bis fie meid) 
werben. 

©rfcoiRpfteft iBklftfrattt. 5Ran fdmeibet einen 
ftopf 23ei&fraut mit einem fleiiten £obcl fein, thut 
einen Söffel oott Schmalz in bic Pfanne, barnad) 
thut man baS gcfdjmttcne ffraut hinein unb ein 
wenig 2Ba[fev. 9Ran laßt eS eine Stunbc tangfam 
fochen, unb giebt Steht, bafj eS nid)t anbrennt ober 
braun mirb, eS muff immer mei& bleiben; bann 
nimmt man c3 auS ber Pfanne, thut einen anbern 
Söffel oott Schmalz hinein, ebenfo einen halben 
Söffel oolt 3)lehl, etwa3 Salz unb Pfeffer unb fo 
Diel Gfftg a(3 man beliebt. uRait thut ba$ 2Beiß= 
fraut zurüd in bic SBfannc, rührt c3 beftanbig um 
unb laßt e3 einige SSiuuteu burchfodjen. 

Sulla * Silie. Die3 tä bie mohtbefannte, and) 
„Silie be3 S?il3" genannte Silienart. 3hrc groben, 
reitimeiBcn 93lumen unb zur Deforation imSSiuter 
unb zu Qftcrn fchr beliebt. Die Sölätter fiub breit 
nnb hitbfch. Die 3ucht ber Pflanze ift lehr leicht 
unb berGrfolg [icher; man begiefje reidflid). 3ur 
Bepflanzung be3 SlquartumS paffenb, fetze mau fic 
in bie SKitte beffelben unb bebede bie SBurzel mit 


fanbiger Grbe, mehhe man mit fleinen Steinen be* 
fdjwert, ober man ftellc bie Pflanze, in einen Dopf 
gepflanzt, in ba3 Slguarium, unb umgebe ben Dopt 
fo mit Steinen, bab er nicht fid)tbar ift. 3m grith* 
iahr ftellc mau bie Pflanze an irgenb einen Qrt im 
©arten im Schatten unb taffe fic ben Sommer über 
ruhen. 3m Spätjahrc fefee man üe wieber in ben 
Sopf unb (affe fie im 3inuuer antreiben. 3n GalU 
fornien tnad)t bie Galla einen ftarfen 2Bud)3, unb 
ift, wie in ben [üblichen Staaten, oodfommen au3= 
bauernb. 

ftraat ift leicht zu überwintern. 9Ran taffe eS 
bi3 faltet iEBetter eintritt im Stoben, unb nehme e3 
bann heraus, febre bie Pflanze um, bab ber Stopf 
nad) unten unb bie SBurzeln nad) oben flehen, fefee 
ober pade e$ nahe zufantmen unb bebede c$ bann 
einen 5u§ hod) mit Grbe; e3 ift nid)t nöthig bic 
SBurzeln zu bebeden. SJeffer'ift c3, zuerft nur bie 
©ülftc ber ^ebeduug zu geben unb mit ber anberen 
Hälfte zu loarten, oi3 baö SBetter fehr falt wirb. 
Stuf biefe SBcife werben nur wenige oerloren gehen. 
Da3 firaut barf nicht nab fein. 

^ic Seit wadjt’8 rlint. ^©otte3 SD?ühIen mähten 
tangfam, aber fein," ift eine Shatfacbe, bie SEcnige 
beherzigen, betrachten wir blo3 ein hatbeö 3«hr= 
hunbert biefe3 bewegten 8ebeu3, fo fiuben wir, U'ie 
bie 3cit ben borfommniffen be3 menfd)lid)eu ScbenS 
gerecht wirb. 2Bir erlauben un3 eine Shatfachc mit= 
zutheileit, weld)e ein bunfted Sebcnöcreignib in obi- 

entSidfle glänzenb illuftrirt. bor 49 3ahreit würbe 

er Rrau re3 Gbitorä eitte3 lanbwirthfd)aftlid)en 
©latte3 pon ihrem bater ein Schweimhcn befchert; 
e3 war baö erfte, ba3 bie Familie hatte, unb umrbe 
barnnt hodgefdjübt. G*3 würbe regclmäbig gefüttert, 
gereinigt unb gepflegt, fo bab e$ balb zu einem 
groben Sdjmcine heranwud)3. Slber eince Sageö, 
wdhrenb baffelbc im freien grafte, oerfab fieß ein 
9?adjbar unb brachte c3 in feinen Stall, behauptenb, 
e3 wäre fein. Die Unzufriebenhcit, weldje babuvch 
in ber betreffenben Familie herDorgerufen umrbe, 
tdbt fid) nid)t bcfdireiben. Giite geridjtlicbc Untere 
fudiung würbe oorgenommen, 3cuge um 3euge 
verhört, unb benuod) umrbe bie Samitic — wohl 
ober übel — gezwungen, ba3 Schwein aufzugeben. 
Die 3?it Derfdnoano, unb mit berfelben and) bie 
harten G3efühle. 9?ad) Suhrcn umrbe bie Samilie, 
wcld)c ba3 Sdiweiiithen oerzehrt hatte, wieber recht 
freunbfchaftlich gefinnt. Da gcrabe würbe ber 9fad)= 
bar, weicher auf eine fo Unrechte SBcife zu bem 
Sdjweindjcn gefomnten war, zu einem oerantwort= 
liehen Slmt gcumhlt, unb erfuchte ben richtigen Sigen* 
thümer be3 Sd)weind)en3, nachbent er bereite bie 
einffuflreid)ften Scanner be3 Stäbtd)eu3 für fleh ge= 
Wonnen hatte, al3 Sürge für fidj zu gewinnen. — 
Stber ba3 feit 50 3ahren tobte Sdjwcindwn grunzte 
biefem iefet red)t- lebhaft in bie Qhren, unb er feblug 
cö ab. Die3 galt bem ÜRannc al§ eine große 33e= 
leibiguug, ba e3 fid) feßeinbar ia blo3 um bie Gr= 
füllung einer gefefe(id)en fjormalitdt hanbelte. — 
Slber ber 9Raun würbe wortbrüdiig unb ein 8ktrü= 
ger; er ruinirte fid) unb feine ^reunbe, mährenb ba3 
Sd>weind)en feinen Gigenthümer rettete. 

Darum: Uebe ©ebulb unb überlaffc e3 ber SSor^ 
fehung unb ber 3eit, beiner Sad)e getedft zu werben. 


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«06 


SonntagftyuU&htionen. 


Sonntaflfdiul =Mtioueu. 


©onntag, 5* Slop. SDlarf. 14, 55—72* 

3efu$ boc betn l)ol)en Sfotye, 

ober 

IHe Uerurttjeilung oor betn getftliifyra tieriffct. 

Scjt: ®a er geftraft imb gemartert toarb, tbat 
er feinen SOhinb nicf)t auf, tote ein ßainm, bab m 
©cbladjtbanf geführt wirb, uitb toie ein ©d)af, bab 
oerftummet oor feinem ©euerer uitb feinen SOlunb 
nidit auftbnt. ^ef.>ö3, 7. 

1. falf^e 3eupt&. (93. 55—59). ®. 55: 
®ic ©obenprieftcr unb ber flanke Dlatb; 
eb ift alfo eine oollftdubige unb förntlidie ©ifeung 
beb geiitlicbcn©erid)tbbofb. 2 )ieblob oorldufige 
33cr(>attblnitfi oor & an nab, bem früheren, 
iefet aber beb Slmteb entfetten Jpobcprieftcr, ift nur 
bei bem, bie SSorfiattfie ber Seibcnbioodje mit ber 
©enanigfeit eineb beftanbig gegemodrtigen Slugem 
sengen beriebtenben Sobanneb ($ap. 18,12 ff.) 
ersdblt. 3)ie brei anderen (Suaitfieliftcn fcbilberit 
nur bab eigentlidie ffierhör felbft unb gurnr, toie 
-SRattbdub (26, 57 ff.) aitbbrücflid) faßt, oor betn 
bautaligen Srdger beb bobepricftcrlidien 9 lntteb, 
$ a i p b a b, bem ©dnoiegerfohn beb föanttab; too= 
bei aber ansnitebmen ift, baß Sefeterer entioeber nur 
prioatint, eben alb ©dnviegeroater, ober in mehr 
auttlidjer SBeife alb 93orgdnger unb seitioeiliger 
©telloertreter ftd) mitftaipbab in bie bobenpriefter= 
lieben ©efcbdfte theiltc, baber hier oon ben &obe= 
piieftern in ber SRebrjabl bie Siebe ift. 3 cfuS ftebt 
Jomit oor bem oberften geiftlidien ©eriditbbof feineb 
S3olfeb; man will unb barf eb nid)t fierabegtt wagen, 
alte uitb iebe Sonn beb bürgerlidicn 9?cd)tboerfahrenb 
su umgehen, aub boppelter SHürfficbt: auf bab für 
Sefub febon feit lange befieifterte 93olf fowohl, alb 
auf bie weltlkbe Dbrigfeit. ©ie fud)tcn 3 eug = 
lti§ —.unb fanbeti nidjtb, eb fließt alfo and) 
ein ©ueßen obncfriuben; in beut furjeii SBorte ift 
sugleid) wenigftenb angebeutet, baft bab nun aitflc- 
fteüte 3 eugenoerbör ein sictnlkb lebbafteb, aber 
gleichwohl irofe aller perfleblicbeit Slnftrengungen ein 
crfolglofeb mar — ber befte SLbatbeweib für 3 efu 
oollftdubige Unfcbulb. 

®. 56: Stele gaben u. f. w., nidjt einmal bie 
flefefelicß notbwenbige Uettereinftimmung pon and) 
mir smei 3 eugen lieft fieß bewirfen, fo febr matt ftd) 
auch barunt bemühte. 

®. 57: Unb Gtlicbe ftatibeu auf, ohne 
3 weifel erft, nachbcm bab eigentliche Serbör, bab 
mit ben Slnbcrett ttad) aller Sorm SHecbtenb angeftellt 
toar, bereite oorftber unb bie Sitten gefcbloffeit toaren. 
ßb ift bartit wabrfdieinlid) nur ttod) ein Jlunftgriff 
beb ^obenpriefterb su feben, bem eb swar auf grabem 
23ege nid)t gelang, ein and) nur dufterlid) ber 9iedjt& 
form entfpredieitbeS 3 eugnift beraub su befomtneit, 
ber aber bod) fd)lieftlid) bureb Cift ber ©adje eilte 
folcße SBenbtma su geben touftte, baft man gegen 
3 cfuut eine Slnflage erbeben tonnte. 


®. 58: 933ir haben gehört u. f. to. @ic 
greifen auf ieneb Sidtbfelioort beb ©errit Pont 91b= 
brechen beb Sentpclb (3oh. 2, 19) ntrücf, um ihm 
baraub eiite©d)linge su brebeit. SBdre allcrbitigb 
bie ©acbe fo gemeint geioefen .tutb batten bic 
SB orte fo gelautet, toie man hier behauptete, fo 
batte fiel) barauf bie Slnflage toegett Sdfterung beb 
©ciligtlutmb begrünben laffett (Slpoftclg. 6,13). 

®.59: ftimmtc noch nicht überein b. 6 . 
nicht blob ftimmtc eb itid)t mit ber SBabrbeit, beim 
fo batte ficb ^cfub überhaupt gar nid)t aubgetrürft, 
foitbern fie ftintmten aud) unter fid) felber gar iticC>t 
überein, toeil ber ßittc feine SBorte fo, ber Slnbcrc 
aitbevb toiebergab unb fie einsein in’b Ser hör ge= 
notnitten tourbett, fo baft fie suoor ttidttb mit eins 
attber aubmadten tonnten. ®er lebte ©runb aber 
lag in ber abficbtlidicn Sunfelbeit ber SBorte felbft, 
bie alb ocrbülltc Sßciffaguug feineb getoaltfameu 
lobeb ficb auf eine blofee Slnbeuiung befleißen unter 
ber bilblicben 83eseid6nung beb Sempelserbrcdicnb 
befdndnftcn, pgl. 21 ff» 

II. maftre Stugttift (83. 60—62). ®. 60: 
Slnttoorteft bu niditb? ift trobl toeniger alb 
eine tooblgenteiutc Slufforberung m ©elbftoertbek 
bigung ansufeben, alb pielmebr alb eine fpettifdie 
Sestoeiflung feiner gdbigfeit bfeu. 

®. 61 : ßr aber fcbioicg ftill; fdion bieb ab- 
fid)tlicbe heilige ©tillfdnoeigcn — ftumui unb bedt 
fo' berebt - ift ein mdebtigeb 3rugnift baoon, baft 
er toirflidi ©otteb ©obn ift, beim cb seigt unb ihn 
alb ben SOceffiab, ben febon ^cf. 53 alb bab „ftille 
©otteblamm" besekbnete. ®a fragte ihn ber 
©obepriefter abcrmalb; ba ber Slngeflagte 
felbft, uid)t aub ^urd)t unb Serftoduug eineb böfen 
©etoiffeub, toie anbere SRiffetbdtcr, fonbern im Se= 
toufttfein feiner Uitfdntlb unb im ©clbentbum ber 
Wtpcigcnbcn ©cPulb, noch immer ftill bleibt, fo 
lange eb fidi blob um bie lügnerifeben Scvldumbun« 
gen feiner geinbe banbeit, fo ficht fiaipbab, baft er 
auf biefem SBege su feinem enoünfcbten 3ielc.fommt 
unb ftebt nun auf unb tritt plcftlid), mic pon einer 
ßingebung aub ber ©olle befcelt, mitten unter bie 
Serfammiung unb legt mit mabrbaft tenflifcßer 
Älugbeit 3cfu fraft amtlidier Sollmadit fürs »mb 
bünbig bie entfdieibenbe Srage Por unb 510 a r in 
Gibebform, mit feierlicher fflefebmorung (90?attb.26, 
63). 2)er ©obn beb ©odigelobten, beffen 
Gbrc alfo Sticmanb freventlich antaften unb ficb ihm 
gegenüber in ein fo nabeb unb engeb Serbdltnift 
feften barf loic ?jefub, loenn er fiel) feinen eingebore¬ 
nen ©obn nennt (vgl. 3eh. 19, 7). Gb mar bieb 
bie geioöbn liebe rabbiitifdic Söeseidjnung beb SJfeffiab. 

®. 62: 3 d) bin’b. Riefet muft er um ber SBabr¬ 
beit loillen uatürlidi fein ©tillfdnoeigcn brechen, 
loorin bibber fein einsigeb 3 cugnift für fidi fei ber 
beftanb unb laut unb öffentlid) in Poller ©eriditb s 
oerfammlunp ein furseb, aber befto frdftigereb SBort 
reben, loobet alleb 5)?ebenfdd)lidie unb Ueberflüjfige 
pertnieben ift unb nur bab SRotbioenbigfte unb 
SBicbtigfte im einfaeßften unb flarften, aber auch 


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SonntagfdjulMtionen. 


607 


ftärfftcn AttSbrud. 6 c ift alfo wirflid) bcr 
SXcffiaS, uub wenn bagegen aud) icfet noch feine 
gegenwärtige Srfebeinung in Biebrigfeit 
fpridit, fo wirb einft bocT> fein jufüitf tigeS $om= 
inen in ©errlidifcit fdwn fnvbic 2 l>ahrbcitfeinet* 
33ortc aeugeu. 3 ur verfiten ©anb bcr Äraft 
iit alS Bcacufmuug beS ShrenplaftcS auuädrft AuS- 
bvuef feiuec 9Bürbc, bann aber auch feinec Bollmacht 
alS 92id)ter bev BJelt. AllerbingS oerweift SefuS 
fie nicht, wie eS bei BiarfuS Kleinen fönute, blo3 
auf biefe 3 iifünftigc Offenbarung feiner ©crrlidrfcit 
alS ein kommen in ben 93olfcn beS ©iiitmcl3 
(oergl. San. 7,13 u. Bf. 110, 1), fonbern nadibcm 
beutlkben ©inweiS beS SDlatthäuS (ifap. 26, 64: 
«oon nun au") auch auf bic Offenbarung feiner 
SNacbt, wie fic fdwn ieftt im ganaen Verlauf bcr ge- 
fehiditüdien Stitwidltmg au Sage tritt. 

III. 6ljrifti Bcrläftmmg. (B.63—65). $.63: 
Bereift feinen 9t cd wie in heiligem Unwillen 
nnb oolt Sn tieften vor beut angeblichen Sveoelwort 
beS ©otteSläftererS (oergl. 2 Äon. 18, 37; Apoftelg. 
14, 14), wäftrenb er hoch innerlich fiel) freute über 
bie wohlgelungene 8ift. 93 a 3 bebürfen mir 
u. f. w.? fo fchnell alfo ift bie 9Bclt fertig mit beut 
©eiligen ©ottc3! 

$. 64: 93 a 3 bönfet euch, itdutlich in Be= 
311 g auf fein eben ocrnommencS ©elbftacugnift: hal= 
tet ihr eS nicht auch mic ich/ für offenbare (Sottet 
läfterung. ©ie oerba nt inten ihn alle, wie 
fte eS ia aum BorauS fdwn 311 thun cntfchloffcn wa= 
reit OB. 5); ganj baS gleiche thut aber and), wer 
i e ft t nod) im Unglaube»! ihm feine ©ottcSfohnfdjaft 
ftreitig madit (oergl. 1 Sor. 12 , 3). Sr ift beS 
3; o b c 3 fchulbig nach 3 9)Jof. 24, 16. ©o lau= 
tet alfo bie eiitftimmige Berurtheilung beS gcfamin= 
ten ®cricbtSbof3, bie feither in abertaufenb 8 tint= 
men unbSdmften berÖotteSläugncr ihrfurditbarcS 
Scho gefttitbcit hat! Sigcntlich hatte ;>fuS felbft 
fchoit burch fein eigenes Bcugnift B. 62 baS £obeS= 
urtheil über ftd) auSgcjprochen, baS nun nur nod) 
beftätigt wirb. 

$•65: St liehe, fdiwerlid) nur oon ben rohen 
Sieitern allein, foitbcnt ohne Bwcifel wohl and) 
bon ben hohen ©erren felbcr, bic ihrer nid)t mehr 
9Äeifter ftnb, nnb nun ihre oofle, toilbe 93uth an 
bent 9Bacbtlofcu unb SRechtlofcn in allerlei B?ifi= 
hanbliutgen unb Scfchimpfungen (oergl. Olef. 50, 6 ) 
auSlaffen. 23 c i f f a g e it it 3! 93cil feie Bvophe= 
ten nicht nur fünftige Singe, fonbern jmocileit auch 
gegenwärtige oerborgene Singe-au offenbaren pflege 
ten (2 £ön. 6,12), fo ocrlangcn fte autn ©pott, baft 
er bauen eine Brobe ablcgcn füll. 23 ie fpäter beim 
Bcrhor oor BilatuS, baS föitiglicbe Amt beS 
©ernt, fo wirb hier bor ffaipha3 fein Bvophc= 
tenamt berhohut unb gefchmäht, aber er felbft 
aeigt ftd) überall unb namentlich noch aut ftteu&e al3 
beit mitlcibigeit unb gcbulbigen ©obenpvieftev. 

IV. $ctri Berläugitung. (B. 66 — 72). $.66: 
S a it i c b e it 'i in B a l a ft; währenb bic bisher 
erzählten Borgäitgc im Berhör= uub ©eridjtSfaal 
felbft ftattgefunben hüben, b.h.wohl in einem ber 
höher gelegenen Biutmer beS oberen ©todwerfeS, fo 
berfeftt un3 biefer Abfdinitt in beit tiefer gelegenen 
©ofraum, ober ben Borblaft swifthen ben ©äulen= 
hallen, meldie baS freigelaffene innere Biered ber 
gröftereit ©ebäube beS BiorgenlanbeS umfdtlieftcn. 
Öort oerfainmelt ftch nteift bie ®ieiterWaft, unb 


suglcid) aud) bie aur Bcmadiuug bcr ©efaugeneit 
nöthigen ÄriegSfitechte, uub aud)BetruS hatte burch 
bic Begleitung beS mit beut ©oheitpriefter befannteu 
3ohaititeS bortSiitlaft befommett. (Bergl. 3oh. 18, 
15 ff.) 

$.67: ©id) m armen an bent Äohlenfeuer 
(B. 54), baS in bcr fühlen ftrühlingSnadit felbft im 
902orgeitlanbc für ben längeren Aufenthalt unter 
freiem ©imntel nothmenbig ift. Siefen Blafe wählte 
er augleid) wohl mit Abfid)t, itutalS jur Sicncrichaft 
beS ©atifcS gehörig aitgefehcit ju werben, unb auf 
biefe Sßeife ungeftört unb unoertrieben au bleiben. 

$. 68 : 93 e i ft a u ch it i d) t u. f. w. = ich bin 
fo wenig mit biefent ^cfuS oon SHajarctb befannt, 
baft id) gar nicht begreifen fattit, wie bit au ber Bc= 
hauutung foinmft, id) fei einer feiner jünger; laß 
utid) alfo mit beincin ©erebe tu Sßuhe I © in au 3 
in ben Borhof, ber nach ber ©traftc führte, 
alfo ohne Bweifcl in ber Abficht, ben Balaft 311 ocr= 
laffeit, weit er fich vielleicht beobachtet unb nicht mehr 
gaita fidjer fühlen mochte. Ser ©ahn frä h te, 
unb awar autu erftenmal; alfo war eS ctioa 2 Uhr 
BJorgcnS, oergl. au 13, 35 (Ceftion am 17. 
©cot;); er aber adjtete auf biefett 2Barnung3ruf 
nicht. (B. 30.) 

$. 69: Sie ÜÄagb fcheint nad) 9D?arfu3 bic- 
felbe gewefen au fein, wie bie in B. 66 genannte, 
nad) 902atthäu3 (26, 72) bagegen war eS eine 
anbere. 9Bahrfcheiitlid) waren b e i b e Sbürbüterin= 
neu, (wcldjeit Boftcii bei ben 3ubeit im Unterfchicb 
oon ben Römern unb ©riedjeu, bie hieatt nur mäitn= 
liehe ©flaoeit bcituftteu, mcift Stauen begleiteten, 
oergl. Aooftelg, 12, 13), aber an ocrfchicbcucit 
Bfortcn, oicllcidjt bic eine au ber dufteren, bie anbere 
an ber inneren SEhürc. 

$. 70: 92ad) einer fleitten 9Beilc, b.h. 
etioa nad) einer ©tunbe, iebeitfallS aber noch oor 
brei Uhr, wö ber aweitc ©ahnenfdjrei (B. 72) 311 cr= 
folgen oflegt. ©0 lange alfo bauerte baS Bcrhör. 
Sie babei ftunbcu^ näinlid) bei bent Sohlen* 
fetter, au weldjem er iubcjjcn wieber aurüdfehrte, unb 
feinen früheren Blun, lieh ftill baoonaufdileidjen, 
wieber aufgab, weil er ohne Bmcifel fünft nur wie¬ 
ber neuen unb nod) ftärferen Berbacht erregt hätte. 
Seine ©orad)e (9D2unbart) lautet glcid) 
alfo, unb oerrefth bid) baburd) atS ©alilaer unb 
fomit amh alS jünger, umfomehr ba bu in Beglei¬ 
tung unb ©d)uft eiiteS folchen heteingefoututen oift. 
Seite 5Ö2agb, wollen fie fagen, hat alfo gatia s J2echt 
mit ihrer Behauotung (B. 69), beim waS hätte fotift 
ein ©aliläer hier au thun, wenn er nid)t auch ju= 
gleich ein Sütiger loärc unb fchen wollte, waS für 
einen AuSgang ber Btoacft fciiteS 5D2eifterS nehmen 
wirb. n 

$.71: Sing an u. f. w. Senn eine bloftc 
Berneinung luifttc jeftt nichts mehr, auch fonnte er 
feine unbefangene ©leidmiltigfeit mehr erheucheln, 
alS ginge ihm bie ganac ©adle nidjtS an, baau war 
eS ieftt fd)on au foät, weil inbeffen wohl auch bic 
früheren Borgängc(B. 47) rudibar geworben waren, 
unb ber Berbadjt gegen ihn ftd) oerftärfte, ba fie all- 
subcutlid) gegen ihn forachen. Unb au fdnoö- 
rcn. SieS fanb nach 9J2*atthäuS (26, 72) febon 
bei ber ^weiten Berläugming ftatt, unb füllte baau 
bienen, baS Beugnift ber Bcagb oor ben mehr unb 
mehr ihn umringenben unb bebrängenben Ätieg3= 
fnechten unb Sienftleuten nun ooüenbS wie mit 


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608 


Sonntagfifyitlsjektioiteft, 


einem ©dflagc git entfr&ften. Slber entdj tei 3H a 
f u3 fontmt bciberbrittcu ©elbfloerläugnung nod) 
baä (cibcnfcfjaftlic^c ltnb fjottlofc ©id) j c l bftuer¬ 
find) c n baau. (S*3 tft alfo jebenfallS eine © t e t= 
jt e r n tt fl in ber immer entfebiebener nttb bartnädi- 
aer lucvbenben Vcrläugnung, bie eine fortfdjreitenbe 
Verhärtung nnb Verftcdung gegen bie ntabnenbe 
©tiinme be$ ©en>if!cn3 oorauäfefet. 

®. 72: gebaute VetruS; freilid) 

fpdtr bod) immer nod) nid)t nlljnfpdt fomint bicfeS 
;\ufid)geben, beim jefet gcrabe mar ber fetter nab. 
5)a ber Vroaefi brinnett im Valafte nun entfdueben 
ift, mirb 3efu3 herauSgefübrt, tnn gnr Vcftätigung 
beö bereite gefällten i£obe£urtbeitö (35. 64) au i= 
latuö fldeitet au loerbeu, unb ba nnrft er ibm 
nun jenen Vlid an, ber fein berirrteS ß*ra m Vufje 
U'enbct nnb ibn mieber au ftd) felber brinflt, unb ibm 
ba$ Ohr für ben &abnenfd)rci öffnet, beit er baS 
erfte 3)ia( gana überhört unb and) ba3 aweitc 3Ral 
fo gut wie gar nid)t gebort, b. b. nid)t beamtet batte, 
auglcid) aber and) für bie Stimme fcincS eru»ad)en= 
ben ©cuüffcnä unb ftu;bie ©ebanfen, bie fid) unter 
einanber verfingen nnb cntfd)itlbigen (fBöut. 2,15). 
Unb er bub an au meinen (nach $)?attb.26, 
75 „bitterüd)", nad)bent er beit Valaft eiligft ver= 
taffen batte (f. lebte ©tette), ber für ibn eine Stätte 
fo grober Verfucbung unb fo grokr Verleugnung, fo 
fd)tnäblid)er ßtniebrigung unb fo fduneratuber ©r- 
inncrung gemorben mar; bod) aber and) hier in ber 
ftillcn, einfamett 9?ad)t beamtet von beut, ber attc 
unfere Sbräncn liebt nnb aäblt (Vf. 56, 9), aber fie 
aud> mägt unb fie jcbcnfalld brübeu einft audt alte 
trorfnet (Dffb. 7, 17). ®ie fBeuethräncn bc>3 Vctru*3 
mögen fdjwcr, fo fd)mcr, bafe fie fetbft feinen fdgvc- 
ren 5*all mieber aufmägen tjpnntcn; getroefnet aber 
mürben fie ohne 3meifet fdjoit burd) be*3 ßerrn freie 
©nabe, bolle Vergebung unb gänalidje SBicbcran* 
nabine bei ber neuen ßmfefeung in fein altc3 $lvo- 
ftclamt (3ob. 21, 15). Senn bem 9fufnditigcu läjit 
©ott c3 gelingen (Sprüdje 2, 7), feine Viifie unb 
Beugung aber mar eine fold)e aufriditige, a* V. gc= 
genüber oon ber be8 ?htba3 yfdjariotbf ber 
nid)t feine Sünbc fetbft, fonbern nur bie folgen bcr= 
felbcn bebauert unb betrauert bat, unb barum aud) 
nid)l au bem beleibigteit ßeilanb fjlbft, ber fie allein 
batte oergeben tonnen, bann aber and) gemi& batte 
bergeben molleit, foubent nur au äÄcnfdjeu, au feinen 
eigenen früheren Verführern nnb ßclfcSbclfcrn ging, 
um fid) Sroft au holen, unb barum ohne Sroft in 
ber s Jiad)t ber Veratoeiflung enben muffte. 2Ber aber 
mic Vetru3 mit bem Soefcnntnifj feiner ©djulb (Vf. 
51, 5. G) au 3cfu felber fomntt, ben mirb er nid)t 
binauSfto&cn. (3ob. 6, 37.) 


Sonntag, 12. November. 9ttarf. 15,1—15. 

3efuS öor 

ober 

Pie Perurtt,eilung oor bem n>fltlid)tn <$trid)t. 

Zrtf : (vr mar bei: 9lücruerad)tctitc unb Unwer= 
tbefte, oollcr ©djincrzen unb Äranfheit. Gr war fo 
ucraditci, tag man ba3 ütngefidjt oor ibm oerharg; 
barum haben mir ihn uid)tS geachtet. 3cf. 53, 3. 


I. Sit Vnflage bei $o|rarai|3: ,,Sefn$ ber 3*» 
bcnftöitifl.' U>. 1 — 5 ). ®.l: Unb halb am 
SSotaeil. 9 lud) M avtu3 nnterfcheibet ßetabc 
mic ÜOiatthSuö (Äap. 27,1) Den bem erften im 
Duriflcu 9tL')d)nitt geid)ilbcrtcn uädhtlichcn SBcrhöt 
nod) ein jmcitcS in bet ftrnbftunbc ahflchalteneS; 
alfo ctma xmifchen 3 unb 4 Uhv, b. h. am fhnfaiifl 
ber oievteu 9tad)tmad)e, beim bie brittc mar mit bem 
jmeiten .'Oahnenfchvci (oergl. 14, 72 am Schlnfe ber 
öeftion) bereits abflclaufcn. fDian mollte bamit ber 
flcfchlidien SBcftiminuiifl meniflitcnS äufeerlid) unb 
jniit ©dteinc fleiiüncn, mornach in ber 8 ?c(iel bie 
©ifeuiiflcn beS ©ohcnrath3 bei Sag ftattfinben 
muliten, unb cbenfo nad) röinifchcm SRccht ber Ster= 
urtbciluiifl§pro 3 cj) nicht auf bcnfclben, fonbern erft 
auf ben folflenbcn Sag fallen burfte, mic ber Unter= 
fud)uiiflSi>ro 3 cü, um teben Scrbacht einer obcrflä<h= 
Iid)cn Ucbercilnuß unb Uebeiftürjunfl ferne 311 hal= 
ten; iene erften frrübftunbcn foniitcn aCer nad) bem 
flcmölmlidjcn ©i>rrtd)flcbraud) fehon 311 m näd)ftcn 
Sa« flC 3 ählt merben, obmohl biefer nach ber bnrner= 
lid)cu iberedjnmifl erft mit 6 Uhr 9Korflcn8, ber jjeit 
bcS erften Cvferd besann. U n b ba n b cn St e f n in. 
Sitäbvenb be 8 3>erhör3 felbft mären bie fjoficlii ab= 
aeuommen flcmcfen, nursum JCranSvort beS @e= 
faiiflcnen mürben fie mieber aiiflcfeflt (oetfll. Stotj. 
18,12 u. 24). Unbführten ibn hin, aus bem 
Werid)t-? 3 immcr im oberen ©toefmerfe be 3 JemuelS 
(üuf. 22, 6 G), mo nad) bem Salmnb bie 2obwur= 
tbeile, namentlid) über ©ottcoläftcver, anSflcfuvochen 
merben muhten, nad) ber oam nahnelcflenen 33 urn 
Slntonia, bem 3 eitmeili<\cn ißalaft be§ ?anbofie= 
acrS, menn er in Stcvnfalem bem Seit beiwohnte, 
fonft vefibirte er nieift in Gäfarea $hilibbi. ÖDer 
9Sefl mar alfo nidit fehr meit, beim fehon JfJcrobcS 
ber ©vojje hatte bie Äluft smifchen bem Sembelberfl 
SWoriiah «ub bem Bionbhfisd, auf mclchem fein 
£önifläfd)lof) unb »iiflleich ber ©ife ber Scherben 
lao, überbriiefen taffen. 2 Bie cd Weint, begleitete 
ber nan 3 c £>oherath Ssefutn bortbin, mohl in bet 
Hoffnung, burd) biefen avohavtigen SDtaffenaufjufl 
(^ut. 23, l) bem 50ilatu3 imponiren 311 fönnen. 
Unb überantworteten ihn u. f.m. SBielleicbt 
mar $ilatu3 fdion 311 m ®oran§ »011 bem gefällten 
Urtheil be3 öohcnrathS benachrichtigt, unb um 
fdilennige Seftätigung beffelbcn angegangen mor= 
ben, baher er auch fehon fo frühzeitig zur ©teile war. 
3Bahrfd)cinlid) hätten feine aiufläger unterwegs nod) 
gerne ehoaS oon ihm hcran 8 gcpre§t, ma 3 fie ihrer 
Auflage 311 ©rtinb legen founten, mfiffen mm aber 
bod), ba er and) iebt mieber bartnäefig gefchmiegen 
311 haben fdjeint, 9llle3 bem ßanbpfteger allein unb 
feinem eigenen Urtheil übcrlaffen. Unb mirflidi ge= 
lingt e 8 ihnen, trobbeni bafi biefer auebrücflid) feiuc 
Unfdwlb anerfennt (oergl. 3J. 14), bie SBeftätigung 
beS SobeSurtheilS 311 erlangen, nnb 3 ioar muh ba 3 = 
felbe burd» eine munberbarc göttliche Süßung auch 
auf römifdie 9Beife burdj Äreusiguiig oollsogen 
merben, nicht auf jübifche burdi ©teinigung, maS 
fonft bie ©träfe ber ©ottcSläfterung mar. (3 9Kof. 
24, 16; ?lpofteIg. 6 , 13.) GhriftuS foll nach ®otte 3 
9iath am fl re 113 c fterben, beim im fi reu 3 c liegt 
eine tiefe, finnbilbliche ©ebeutung. ©ängenb 3101 = 
fd)en Fimmel nnb Grbe ift ber ©cfreigigtc anth 
beruRittler smifchen Fimmel nnb Grbe, hängenb 
am © 0 I 3 beö SlncheS tvägt er and) für 11118 ben Sind) 
ber emnbe (5 üÄof. 21, 23; @a(. 3 , 13), unb 311 


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8onntügfd)uU£fhtumen. 


609 


ihm haften nur uüc 3irael aur ehernen ©djlattße um unb baju noch mie ein redjtöfuitbißer Corner auf fei- 
$ctluttß unb SHcttuiifl im ©laubeu aufaubliden. ner Ueber 3 eußuiiß oon ber Unfd>itlt> be5 ©cfanacncn 
(3oh. 3,14.) m beharren, unb ihn oon ber jorniflcn {Rad)e feiner 

».2: ftraßtc ihn. ^>icr beginnt alfo ba5 fteinbe su retten. G5 ift aljo-wohl 311 beadjteit, ba§ 
amcitc ö<utptoerhör, ba5 oor ber me Uli dien 3eju5 auch oon bem Sanbofleßcr feine5 a »bereu Ser= 
Obrißfctt. SRadjbcm ber ©ofcetath fid) tu feiner bmftenä ühermieicu wirb, a!5 nur allein jener 
§offnnitß ßetänfd)t ficht, ben $ilatu3 3u fofortißcr aitßcblichett ©otteoläfteriiiiß, bic Silatu5 {elfter a(5 
unb unmittelbarer SScftätißunß bc5 üobe5urtbeil5 ctma5 burchau5 nid)t5 ftaat5ßefährlicfte5 unb ftraf= 
bcmcßen au fönnen, erheben fie ßeßen 3cfum bcnic* bave5 anerfennen muO (Cuf. 23, 4). {Rur jener 
nißen Scrbadjt, ber bet römifdjeti Sehörbc ßcßenübet oftevlidjc geftßeftrnlieft, bem er in falfdjer {Rachßie= 
ber allein burdjfdjlaßeubc fein fonnte: icftt lautet bißfeit ßeßen ba5 Soll auch hier noch folßt, wo er 
bic 9lnflaße nicht mehr, u>ie ftei’m ßciftlidjcn Öe= fid) al5 4>crr unb ©efticter hätte aeißett feilen, ber 
riebtsftof aufba5 relißiöfe 5Scrftrcd)enbcr©otte5= einjiß nur nad) bem ©efefe unb nad) feinem eißeitcn 
läfteruuß, fonbern auf ba3 ooliüjdte ber Sol 15= beiten SSiffcn uub ©emiffeit hanbelt, briitßt ihn in 
nnfwießlunß ßeßen bie Obrißfeit (fiuf. 23. 2). 3)a= biefe Scbwierißfeit, bau er fid) aulebt ait5 ber bon 
rauf ftcaieht fich auch ßleid) bie erftc ftraße bc3 ihm fclftft ßefd)affeuen oermicfelten 8aße nicht mehr 
8anbbflcflcr5: „S ift bu ein St öniß?" lÜtarfuS anbci*5 hevai:5aul\elfen weiß, al5 inbem er ein wirk 
hat and» biefe5 Scrhör, ba5 nur 3ohaitne$ al5 lichc5 unb entfd)icbcue5, flar eiußefebeite5 Unrecht 
ber cinjiße Ohvenaeuße nana ausführlich erjählt ftcßeht» unb, ftatt bem fRcd)t feinen Sauf au laffen, 
(Äao. 18,32—38), nur fit inmari feft berichtet, weil unter ba5 ©cfc£ uub wiber feilt ©emiffen bem Seife 
c5 ihm nur um ba5 fcbltcßlid)e {Refultat feine8 Gttb^ willfahrt, um fid) ihm ßcfälliß au eraeißett uub feine 
erßcbniffc5 au thuit ift (bie Scruitheilmtß autn ffren* tiüßcrifdjc ©uuft auf furae 3citju ßcmiititcn. Gi= 
ae3tob), nicht um bic Ginaclhciten fciitc5 ScrlatifS. neu iwirflid) ftaat5ßefährlichen Scrbreräcr befreit er 
{Doch erfahren mir au5 ben anbereu Goaiißdiftcn bon ber mehr al5 wohloerbicnteu ©träfe, unb laßt 
aur ©euuße, welcher 9lrt bie Sefcb:ilbißitnßcu acßeu einen and) nad) feiner eißenen Ueberaeuauuß oölliß 
3efum ßcmcfcu fein muffen: fte lauteten auf fÄuhc- ©djulblofcit bafür buben, ein treffenbeö Sorbilb unb 
ftörmiß unb Gmoörmtß ßeßen ba5 faifcvlidte üted)t Sovfpiel für fein ßanae5 nad)folßenbe5 fteiloer= 
berSteuer. Silatn3 fclftft fdjeinticbodj foforteinen tretenbeb©tvafleiben, wobeierbuvchbie füftnenbe 
ßünftißcn Giitbrucf bon ihm befommeit au haben. Shat fcine5 OofcrtobeS unb feineS ßcnußthucnben 
©erabc feine Offenheit unb beftiinmte fiürae in ber ©chorfam5 bic ©d»ilb ber 2Bclt tilßt uub fie mit 
etitfarften Slntmort: „3)ii faßft e5 M hat ihn wohl ©ott ocrföftitt. 8o5außcbcu aur Grimteviutß an 
atu heften unb fcbncliftcn übevaeiißt, mie mißcfähvlich bie ßottlidje wSScrfdjouuuß" bei’m erften $affah in 
btefer Slnßcflaßtc ift, ber hbdjftcnS ein ©dm'ärmct Gßbvtcn; eißentlid) mar bics freilid) ßcßcn ba5 
fein farnt, aber fein tobe5murbißer 3Jerftrcchcr, ma5 ©efeb, ba5 2 ®?ofc 21 , 21; 4 9Mofe 35. 31 ftrenße 
er bähet fclftft micbcrholt feinen Slnfläßern ßcßcnübct Sotesftrafc befiehlt; bie Diötner aber liebten c5, auf 
erflävt. (SJcrßl. 8uf. 23, 4.) fold>e 28cifc fid) „Popularität 41 au berfdjaffen, unb 

®. 3: 53 e f ch n lb i ß t e n ihn hart, um ihre ftcßünftißtcn biefe „©emohnheit," bie fchon ber halb= 
ftnflage aufrecht au erhalten; mörtlich: „fie hcibnifdac ©erobeö eiußeführt hatte. 53ilatu5 
mnfjtcn noch Sielet ßeßen ihn bonithrinaen/ mad)t fid)’5 iefet ß(cichfall5 au 9}ufeen, unb fteüt 
aber al(e5 mar umfonft unb crfolßloS. ©iebvinßen ihnen beibe ©efanßcue au fteliebißer 5(u5mahl aur 
c5 nicht einmal meht au einem weiteren 28ort ber 35erfüßunß; ohncümeifel hoffenb, baft fie fid) für 
aSerftänbißHiiß oon feiner 9tcbe. beit oon fo Sielen fchon öffentlich a(5 ü)Mfia5 aners 

®. 5: Äntwortete nidit5 mehr, ^achbem fannten uub in 3erufalem aufßcnommcnen 3efu8 
er in S.2 feiner ßercdjtcn 3ad)e ber 2S.ihrheit ßc^ ctitfd)ciben merben. 

mäfj ßenuß ßethan, unb feinem SotßcjcWen ßcmV ®-7: äftitben Slufrfthrcrifdjen. Gr hatte 
aenben Sefchcib ßefaßt hatte, mie er ihn ihm ßcßcn= fid) alfo an einer ber bamal5 nidjt allaufcltencn 3te- 
iiber fdmlbiß mar, ift unb bleibt er mieber fo ftumm, ooltcu ßeßen bic {Römer betheilißt, mar aber oiillcicht 
mie auoor bei beut ©oheuratft (14, 61), fo bah fein acrabc baburch al5 erflärter geinb ber Srembhcns 
maieftv ! itifd)c5 ©tillfdamcißen felbft bem hcibnifcf)en fdiaft ein befonberer fiieblinß unb ©ünftliitß ber 
Sanbpftcaer hohe Scmunbcrunß nnb tiefe Scnoun= 5Wenße ßemorben. Sarabfta5 heißt wörtlich: 
beruuß aonöthißt, inbem er einen mädjtißcnGinbrucf ,,©ohu bc5 Satcr5." 3ft fchon biefer 9?ame allein 
oon biefer wahrhaft föuißlühcn ^altunß, SBürbe eine merfmürbiße Sarallcle au bem „einaeborenen 
unb Grhabenhcit feinc5 ©cfanaenen befommt, ber ©otte5fohn," neben ben er hier ßeftellt wirb, fo wirb 
fo aau} anber5 a(5 bic meiften Serbredier burch fein biefclbe nodj oiel fraooantcr, wenn er mirflich nad) 
©chmcißeu oiel cinbrinßlidjer oon feiner Unfdjulb ber alten Irabitiou audj noch ben Seiuameu 3os 
seiiat, al5 aitbere burdj oicle SBorte. fua (b. h. 3cfu5) ßeführt haben foll. 

II. ^ic Anfrage Id ¥ilatu5: M ©arahba5 oler ®. 8: ^ tu auf, nämlich nach bem 9lid)thau5 
3cN? JI (S* 6 — 1( >)- ®-6: Gr ofleßte aber auf bem Icmoelberß, offenbar ßcbräiißt oon ben 
u. f. m. 9Bir haben un5 bie Sadjc uußefähr fo an SRitaliebern be5 ©ohenrath5, unb noch nicht recht 
beulen: 5®ährenb be5 Serhör5 bei SUatu5 mälat mit fid) im 9teiiten, wa5 fie eigentlich wollen unb 
fid) ein 9Wenfd)enftrom ßeßen ba5 @d)loh herauf, feilen. ®a5 war alfo ßcrabc bte red)te ©titube unb 
tun ba3 alte Oftcmd)t bc5 jübifdjen Solfe5 ßeltcnb ©timmuuß für jene fchlimmen GiuRüffc ber Ser= 
ju machen, fid) einen gum Sobe ocruvtheiltcn Ser= führer, bic ba5 Soll fo ßefchiclt au bearbeiten wu§= 
oredier lo5bitten au bürfcit nach eißener, freicr28ahl. ten, ba§ e5 nun wirllich ben Sarabba5 al5 eine 5lrt 
liefen Umftanb mm ßcbcntt ber uucntfd)loffcne, SRärtorcr ber Freiheit unb nationalen Unabhäußiß= 
fehmadje unb feißheraiße Silatu5 ftd) ju 9?uten a» feit fid) erbat. 

machen, al5 bcßucmeu 9lu5weß, ftatt wie ein SRaitn ®. 9: 2lntworte*te ihuen, um ihnen nab= 

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610 


Sontrtagfdjul^ektiotten. 


attteßen, tuen fic in ihrem eißeneit, moblverftanbeiten 
3 ntcreffe mähten foütcn. 

8 . 10 : 91 u 3 9teib. Sie3 mar mirflidj bie 
tieffte unb ßeineinftc Sriebfeber ihrer ßanaett 
&anblunß3meife; S i l a t tt 3 aber rechnete bei 
bem Seife noch auf fein natürliche^ 9lcdjt§= 
ßcfiihl unb eine ßemific initleibiße ©utinütbißfeit. 

III. 2>er Antrag bei 8olfe$: „ftrettitge, freu« 
iigeU)!t!“ (S. 11—15). 8.11: diciitcn ba3 
Seif, b. h. fie fiuhten in teuflifdjer So3heit unb 
gußleid) mit beveebnenber fiiiißheit, inbem fic foalcich 
ben Sortheil erfannten, beit ihnen jur ©rreicbuitß 
ihrer 2 lbfid)ten bie inamifchen ßejd)ehene SBarnuiiß 
bet ©cuiablin be3 8anbvfleßcr3 (2)?atth. 27, 19) 
barbot, ba3 Seif au übcrrebeit, (ich beit Sarabba3 
au3aubittcn, inbem fie iene moblßcmcinteSBarnuiiß 
feiner ©attiit ihm ßeßeuüber mahrfdteiitlid) bahin 
au3auteßen fuditen, baff er burd) fofortiße ffreuaU 
ßiiitß 3 cfu ia am befielt unb fdmeliften ßeaett iebcö 
meitere ©id)bincinntifd)cn in feinen Sroaefi, teofür 
fie bie Serantmortuiiß auf ftd) fclbft nehmen unb 
auf ba3 blutßicrijic Seif malten (SJJatth. 27, 25), 
ßefidiert fei. (S3 ift alfe ein Slufhcfeen ber SOfcitßc, 
aana mie eh bie ächten Jßübler in ihrem oerbiiicnen 
Geifer unb ßiftißen 3 ußriutm nod) immer tu thun 
pfteßen, mahrfdjcinlid) noch verfdiärft burd) Srohiut= 
ßeit mit ihrer ßcift(id)cn 9lmt3ßemalt (vßl. 3oh. 9, 
22 ). 2lubercrfeit3 ift aber bed) and) hier ber gütßcr 
@otte3 au fehen, ber e3 abfidbtfid) oerhinbert, bafi 
fie 3efum nid)t lo3bittcn bürfeit, bemt bann 
hätte er feine greilafiuttß nur ber amcifelhaftcn 
Solf*3ßunft au baufen ßehabt, nicht feiner ameifete 
lofcn Unfdjulb, unb hätte auch nicht mehr für un3, 
bie ©dmlbiflcn, leiben unb fterben feinten. 

8 . 12 : 3(ntmortctc micberum. 9D5ic feine 
eeviße graac (S. 9) tunächft nur batu hatte bienen 
feilen, bie SBahl au ferntuliren, baher er auch und) 
SRatth. 27,17 fie ßlcid) een vornherein abftditlid) 
fo ftellt, bah fie bie jubelt tu ©unften ßhrifti ftim= 
men foßr fe bient nun biefe batu nad) ßcfd)chener 
(Sntfchcibmiß für Sarabba3 noch einmal au ver= 
fuchcn, be3 SelfeS Sbeilnabmc für 3efu3 au ße- 
mimten, ßcmifi in ßutßentcinter 2 lbficht, aber 
and) biefe mirb burd) bie SButh ber geittbe verbild 
bert (S. 13). Unb fprad» tu ihnen, offenbar 
ßana betroffen von ber ßntfdtcibuiifl, bie ßant anber3 
au3ßefallen mar, al3 crcrmartct hatte, ba ba3 Seif 
nur ßehorfant nadjfdjmabtc, ma3 ihm feine Obcrftcn 
verflachet hatten, Oßl. 9lpoftclfl. 3,13 unb 19,32. 
Sen ihr fehltIbißet, baniit ift beut(id) ßefaßt, 
ba 6 bie 9lnrlaße iebcnfall3 nid)t ermiefett ift; er miß 
faßen: „ 3 d) fann bod) unmoßlid) bie fdnvcrftc 
Sobe3ftrafe über einen Unfdiulbißcn vcr= 
hätiflcn." Mein and) bie3 mad)t cbenfomeniß ©in= 
brud auf ben Sübel, al3 ba3 micbcrholte Scrfvredjcit 
(8uf. 23, IG unb 22), ihn mcnißffcn3 aeificln au 
laffett, um baburd) hoch einißennafien bem Scv= 
laitßen nad) feiner Scftrafuna uadtsufoinmen, bann 
aber ihn, um ihm bie aebührenbe ©erechtißfcit 1 
miberfahren au laffen ( 8 ut. 23, 24), frei tu ßebeit. 

8.18: ffrcujißc ihn, näntlid) al3 9lutrührcr, 
meil al3 ©teßvertreter be3 lo3flcbcteneit SKcrbcrS 
Sarabba3; von einer blofteit 3üd)tiflinifl mellen fie 
a(fo nichts miffen, fonbent bcftchcn and) ihverfeitS 
auf ihrem „auten Dtecbt" ( 8 uf. 23,23). 9(uf ©rünbe 
laffen fie fiel), mie alle ganatifer, ßar nicht ein. 

8.15: ©ebadjte, menißffenS verläufiß alfo 


I moßte er bem Sräitßcit bc3 Solle* nacbßcben, ba 
aßc feine biöherißen Scrfudte, e3 aur Sefinnuiifl 311 
briitßen, itidjtS fruchteten, vielleicht in ber ©offnuiiß, 
aulefet bod) nocb*ba3 ©dßimmfte abmenben 31 t fen= 
neu. 3Katthäu§ eraählt umS nod) (27, 24), mie 
er auf aße gäßc bie ©chulb von ftd) ab-- unb auf 
baS Soll au mälacit fuchte burdj bie finubilblichc 
©anblunß beö &änbemafd)enä, momit er fd)lie§lid) 
nur felbft außiebt, bah er ftd) auS gurd)t oor feinen 
eißenen Untertanen au einem flar eiiißefchcncn 
Jßtftiamorb bat treiben laßen, ©eßeipelt, biefe 
Strafe ßiitß bei ben amn Sobe verurtheilten ferne¬ 
ren Serbrcchern meiftcnS ber ©iitrietuitß voran, fie 
mar ba*3 ßraufißc Sorfviel be3 hlutißen @nbe 3 unb 
mürbe bei ben 9tomern not viel ßraufauter, alo bei 
ben 3 ubeit ativßeführt. Ser Serurtheilte mürbe in 
aebütfter ©teßmiß an eine itiebrtße ©äulc ßefeffelt, 
fo bag ber itadtc Otürfen ftraß ßcfvannt ben harten 
©treidien ooßftänbiß bloüßcßcbcn mar, unb oft fo 
aerfleifcht mürbe, baft Ohnmacht, ia foaar ber Job 
burd) Serblutmiß eintrat, beim bie yfiemen ber 
Seitfdje mareit meift am ©nbe mit fdiarfen ©orn= 
fblittern verfehen unb mit SMciftüdEen befdnoert, um 
beit ©ieben mehr ©dnouitß unb 3 ußfraft au neben. 
Siefe fielen hier ohne 3)^aaß unb 3 ahl, mähreyb 
bie 3»ben nid)t mehr alS 40 Schläae erteilen 
burftcit ( 2 fior. ll, 24). Ueber ba$ £reusißen 
bßl. bie näd)ftc fieftiou. 


©omttaß, 19.9?ov. 2Warf. 15,16—26. 

3lcfus tierfpottet unb gefrenjigt 

2 flt: 3Keitte Kräfte finb vertrorfnet mie eine 
©d)crbc, unb meine Bunge liebt an meinem 0<w= 
men, unb btt teßft ntid) ut be$ 2obc3 ©taub.— 
Sfalttt 22,16. 

I. Xic Sorbercituttß für liaS ftrcmi (93.16— 19 ). 
8.16: ®iefirießöfnechtc aber u.f.m. ©ic 
nehmen alfo be3 8attbvfleßer3 auitädjft nur vor- 
lättfiß pemeiittc 6ntfd)eibuitß (S. 15, vßl. bie 
lebte Ccftion) fd>oit al3 lebte unb voßaiehett bie 
bort fd)on befvrochene ©eificlttitß aur Scrfdtärfuttß 
ihrer ©chntad) foßar ttod) 9liißcftd>tS ber 50ccttße, 
ma3 von 9SUatuS mohl nur be3halb ßeftattet mor= 
ben mar, um baburd» nod) montoßüd) bab 9Witleiben 
be3 Sollet über biefe 3ummcr= unb ©chineraen^- 
acftalt, 3vh. 19, 4ß., reße au machen, baniit baßelbe 
fo befto ßeneißter mürbe, and» jebt ttod) auf feine 
SoSlaßuitß einattßehen, auntal ba ber SDiattn ihrer 
2 l>ahl, Sarabba3, b'creitS Ireißeßebett mar unb er 
ihnen alfo bic3mal ftatt bloS eiiieS cinaißcn ©e= 
faiißenen, moatt ihn ber gcftßebrauch allein ver= 
Vflid)tete, foaar amei hätte fchenfctt unb um fo mehr 
ihre ©uuft fiel) crmerbcit föitneit. Sie3 a(lc3 ßefdtah 
brattfjett vor beut D?icbthau3 in einem befonberett 
i&ofraunt, einer 9lrt ©eifielfammer; bann erft füh¬ 
ren fie ihn mieber aiißefleibct auf’3 9^eue burd) bie 
fpottenbe unb hohnlachettbe SOiettße hinein in 
ba3 9iid)thau3, batttit bort erft ttod» ein aßer- 
tebteS eittfdtcibenbeä Urtbeil über ihn ßefällt utib 
öffentlich befannt ßcmadjt merbc unb außlcitf», um 
ihn bort ttod) vofleitb3 für bie Äteuaißiuiß fclbft 
fertiß au tnadhett. Sic ßattac ©chaar, b. h. bie 


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SonntogfdjuUMtionen. 


611 


3 ur Vemachung ber Vurg Antonia gehörige Slbtheilung I nach 3erufalem ^creingcjogen mar) gerabc gut genug 3 U 
von KriegSfnecbtcn, um noch Leiter ihren VJuthmillen 1 biefer für einen ©chimpf geltenben, ja ni$t blöS atö ent* 
mit ihm ju treiben unb flleidjfam ein luftige« ©chaujpiel 1 ehrenb, fonbern fogar al« verunreinigenb geltenben 
mit ipm aufeufityren, Vielleicht jugleic^ 3 ur Vergeltung Sienftleiftung, ba^er fte ihn baju förmlich 3 m i n g e n 
für bie 2lngft, bie ihnen bicfer 3 ejuS in ber 9ta<ht 3 uvor mußten; er mirb baburch ber unfreimilligc Stellvertreter 
(3oh- 18, 6 ) eingeflöjjt hatte, n>ic ia auch fchon bieSölb* beS vermeffencn Petrus, vgL 3oh* 18, 37. GS mar bei 
ner beS §erobcS (*Juf. 23,11) ein folc^eS höonifcheS ^uft= ben öinrid^tungen Sieget, bafj ber Verurteilte felbft baS 
fpiel mit tym angcftellt Ratten, Echtere jagen ifym ein Kreuj 3 U tragen ^atte, maS aud) 3efuS 3 uerft tfjut (Job. 
meiheS^innenfleiban, nicht fomoljl als fpöttifchcS 19,17), bis er gulefct ohne 3tr>eifel in golge beS fchmächen* 
3:ic^en feiner Unfchutb, als vielmehr mit 9tücf ficht bar* ben VlutverluftcS unb ber entfcfclichen ©cbme^en bei'ber 
auf, bafj bie 9töm:r ein folcheS 311 tragen pflegten, menn öeifrelung fo entfräftet mar, bajj er mie ohnmächtig unter 
fie fid) um ein ©taatSamt bemarbeit (baher ber ber &ift 3 ufammenbrac^. Ser Dom gelbe tarn, 
Slatne: Ganbibaten, eigentlich: VJntfgeflcibete); l)ier entmeber meil er bort gearbeitet hatte, menn man an* 
bagegen befommt ec ein rot^eS ^rac^tgemait b, nimmt, bafj er bereits in Jerufalem anfäfftg mar, ober 
b. h- wohl einen alten abgenützten fd).irlach farbigen ©ol* meil er vielleicht als grembling bei ber SJtenge ber geft* 
batenniantel, ber ein föntglicbeS Purpurfleib oorftellcn befud)er in ber ©tabt felber lein Unterfommen mehr ge* 
foUtc, gleichfam um nach vollbrachter Krönung bie §u(* funben unb baher braujjen auf bem Üanbe übernachtet 
oigung beS VolfcS 3 U empfangen. batte, von mo er jefct eben in bie ©tabt mrütftetmte. 

©. 17 : Unb sogen ihn, natürlich guerfl feine felch’ein 2 lu $3 u g auS 3 erufalem, verglichen mit bem 
eigenen Kleiber, ober hoch bie Dberfleiber aus (Vgl. V. Giinug nod) vor menigen Sagen! Sie meiteren Gr* 

20 unb Vtatty. 27,28) unb bann erft ben rotten Königs- eigniffe auf bem Söege, mie 3 . V. baS ©efpräch mit ben 
mantel an; bie Sornenfrone beftanb aus ben bieg* mebflagenbcn, meinenben SBetbem (l>uf. 23, 17ff.) hat 
famen 3 «>eigen ber fbrifc^m 2üa}ic mit ihren oft fingen dJtarfuS ebenfo mie SÄatt^äu« übergangen, um 
langen, fefyr ftaefen unb fpitjigen Sornen; na.1)3Jtats feine tiefer mornöglich in einem ununterbrochenen 3uge 
t^äuS (27,29) fommt hte'iU noch ein Schilfrohr, nach ber ©tätte ber lefcten Gntfcheibung, nach ©olgatha. 
als höhnifche dtachbilbung beS © c e p t e r S. 3 U bringen, eS ift baffelbe ©efefc rafcher Gntmicflung unb 

©. 18 unb 19: Sie Verhöhnung gefchah burd^VJorte, turjer ©^ilberung ber Shatfachen, bem beibe aud) fchon 
©eberbeu unb Spaten, mobei bie letzteren (baS 0 djla* früher betm Giftig in 3erufalem felber folgten, mo fie 
gen) bereits 3 U hanbgreif liehen 9Jtifrhanblung:n nach auch bic ,Sl;räncn 3efu" t^uf. 19, 41 ff.) gar nicht er* 
roheftcr ©olbatenart führten. Sodj trieben bie Kriegs* mähnen: ftumm unb fchmetgenb geht baS ftille, gebulbig 
tnechte bie« frevelhafte unb araufame Spiel ohne leibenbe ÖotteSlamm ben Sflartermeg. 211 e ]c a n b e r 

ohne Vormiffen ihrer Vorgefchten auf eigene gauft, benn unb 9t u f u S mareit smei in ber ©emeinbe ohne 3iwifd * 
bei bem ftarf auSgcbilbeten Stechtsfinn ber 9tÖmer mar mohlbelannte Vrüber; 9tufuS mahrfcheinltch berauch 
eine Velcibigung ber Staatsgefangenen gcfe^lich ver* 9tÖm. 16,13 genannte römifcheGhrift, unb 21 lejan ber 
boten, ©ie mollten bamit mohl bem meitverbreiteten unb ohne 3 ü>eifel ber natiirlichften Annahme nach « llc h ein 
tiefgemurjelten ftafc gegen bic 3 üben au* ihrer* folcher unb alfo jebenfaUS nicht biefelbe ^ßerfon mit bem 
feit« einen freilich nach ihrer Vteifc groben VuSbrud AriftuSfeinblichen ©ilberfchntieb gleichen OtamenS in 

g eben, ber bamalS bie gan 3 C römifche Vielt unb inS= Gph c l u ^/ vgl. Vpoftelg. 19,33. 1 Sim. 1,25. 9tod) 
efonberc auch bie h^^ cn Samten mie ^ilatuS befeelte, ber ©teile im 9tömerbrief ntufe auch ih r ^ 9)tutter eine 
ber es alfo mahr[c§einltch gern gef*ehcn lieg. fromme Ghriftin gemefen fein, ©imon hot alfo baS Kreuj 

II. $ic gfartfithrnng au baS Ärcuj (V. 20 unb 21). Ghrifti nicht umfonft getragen, fonbern mit bemfelben ift 
». 20 : Unb füpreten ihn anS, 0 . h- nach bem auch fein ©egen in fein £auS eingetehrt. 
tmar nahe bei 3enifalcm (3oh-19,20), aber nicht inner* III. Sie Vorgänge unter bem Ärettj (V. 22—26). 
halb ber ©tabt, fonbern braufjen Vor ben Shoren unb ©.22: Vrachten ihn, nach einem SMarfch von 
Stauern bcrfclben (Vgl. 4 Stof. 15,35 ff. 1 Kön. 21 , 13. etma einer fchmachen holben ©tnnbe. (Golgatha, 
2lpoftelg. 7, 58. §ebr. 13, 12) gelegenen Ort ber öin* biefen 9tamen („©chäbelftätte") h«tte ber^ügel mahr* 
richtung, mo er gefreu 3 igt mürbe (3oh-19,17) unb nahe fcheinlich von feiner runbgemölbten, fchäbelartigcn Öe* 
babei auch begraben mürbe (3oh-19, 41). Safj fie ftalt, nicht aber Von ben bort hemmliegenben ©chäbeln 
ihn trcu 3 igten, jefct erft mar förmlich unb feierlich hungert d)teter Verbrecher, benn bie Leichname ber ^ehteren 
baS SobeSurthcil unmiberruflich auSgefprochen morben, mürben ja begraben, unb fchmerlich mürben bie 3uben in 
3oh. 19, 16. S af; f i e i h n f r eu 3 i g t e n. Sie an* ber 9tähe einer ber lebhafteften VertehvSftrafjen (Von 3^' 
geblich von ben graufamen $uniern erfunbene Kreu 3 igung nifalem norbmeftlid) nach ©ichem unb 9iamah) baS 
»ar eine ber f^mer 3 = unb fchmachvollften (®al. 3,13) ö crum i^ 0 c tt von Sobtengebeinen geftattet haben. Ser 
SobeSarten unb mürbe meift nur bei ©flauen unbgan 3 mirfliche Viah läftt fich fchmerlich mehr mit Sicherheit 
gemeinen Verbrechern, niemals aber bei römifchen Vür* angeben, foviet au* fchon von alten unb neuen 9tei{enben 
gern angemenbet. SaS bamalS gebräuchliche K r e u 3 uub SllterthumSforfchem barüber geftritten morben ift. 

(vorgebilbet burch ben “pfähl ber ehernen ©djlange 4 2Jiof. ©.23: Vtprrhen mit Vlem, 311 m Vetäuben; 

21, 8 . 9. 3oh. 3,14) heftanb meift auS 3 mei öö^em von benn nach jübifchem (Gebrauch mürbe ben 3 um Sob Ver* 
ungleidhcr üänge, bem bieferen, aufrecht in bie Grbe be* urtheilten ein beraufchenber Sranf gereicht, bamit fie bie 
fertigten Kreu 3 eShalfen felbft unb bem oben barüber ge* furdbtbaren ©chme^en ber Kremigung meniger fül;ten 
legten D,uerho4, fo baft baS ©an 3 e bie gorm eines T bil* möchten, vgl. ©prüche 31,6 ff. Gr beftanb auS 2Öein* 
bete. Saffelbc mar nicht befonberS hoch, höchl tcri ^ fo, baf* eifig mit bitteren, aromatifchen Kräutern 3 . V. 29eihrauch= 
ber Gefreujigtc einige gufe über bem Voben fich befanb, fömern u. f. m. vermifcht, baher Pi. 69,22 ©alle ge* 
baber auch 9Jtatth- 27, 48 unb 3oh-19, 29 ein fur ( 3 eS nannt. Gr aber nahm eS nicht 3 U fich, «1« er 
Pioprobr von ein paar gujj ^änge auSreid)t, um ihm heim Koften bemerfte, morauS eS beftanb unb 1 U 03 U eS 
ben in Gffig getauchten ©chmarnrn 3 U reichen. beftimmt mar, meil er mit vollem flarem VemufÜictn unb 

8-21: ©imon von Kprene, einer Von vielen mit hellem Vlicf unb ©eift baS Von ©ott über ihn ver* % 
Suben bemohnten ©tabt in^hbien (9torbafrifa), bängte SeibenS* unb SobeSlooS burchmachen mollte im* 
Wien ihnen eben als frember geftgaft (vielleicht auch I ©ehorfam gegen ben Vater, ©päter allerbingS hat er 
fchon neuaufaenommener Vürger, ber aber mit ben 0e* I fich felbft einen fühlenben Sranf 3 ur Grquicfung auS 
brauchen noep nWt fo genau befannt mar, meil er erft ' (3oh. 19, 28). 


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612 


&onntagfd}ul*#fhti#nrn. 


Iß. 24: Unb ba fie ihn gefrcmgtgt |at= 
t c n: Sie Scrutt^eiltcn Würben gewöhnlich an baS be= 
reitS aufgerichtete Kreuz angeheftet unb nur auSnahmS* 
tt>cife an bcm nodj auf bem ©oben Uegenben bcfefligt unb 
bann erft mit btcfem fclbft in bie gehoben, wie bic 
Kreuzigung gewöhnlich bilbüch bargeftellt Wirb, in 2ßabr= 
heit aber Diel 311 müfyfam geWefeh märe, um regelmäßig 
fo oolhogen zu Werben. Ser öergang mar meift folgen* 
ber: Ser oöllig entblößte Körper mürbe an ©triefen, 
meldje quer über baS obere Kreuzesholz liefen, am©tamm 
fomeit hinaufgezogen, um rittlings auf baS in ber Sttitte 
beS lederen angebrachte unb hornartig heroorftehenbe 
©ißhoiz ober ^flocf aufgeftüfct merben ju fönnen, bamit 
nicht fein eigene^ (Vernicht ihn mieber hmunterjiehe, unb 
bie oon ben Nägeln burchbohrten ^änbe burch feine 
©cbwere burchfchlißt merben fönnten. Sann mürben 
biete $ucrft mit ©triefen feftgebunben, fpäter noch mit 
fpißigen Nägeln befeftigt, ebenfo bie güße, unb zwar 
mahrfcheinli(h jeber guß mit einem eigenen Stagel befon* 
berS, nicht beibe übereinanbcrgelegt bloS mit einem ein* 
jigen gemeinfamen, mobei fie ja ganz unnatürlich ber* 
renft, herabgebogen, ja fogar eigentlich gebrochen morbeit 
mären. Slbtfr auch bie ©treefung unb gerabe abwärts ge* 
richtete Ealtung ber Steine, mie man fie fich gemöhnlich 
OorfteUt, fcheint nic^t bie mirfliche gemefen zu fein, oiel* 
mehr mürben wahrscheinlich bie Kniee auswärts nad) 
Oorn gebogen, bis bie gußjohlen glatt am ÄreujeSbalfen 
anlagen unb bann leidet mit Nägeln angeheftet merben 
fonnten. ^ebenfalls mar ber KreuzeStob eme ber quäl* 
oollften Martern: bie entfe^lid^ften Schmerzen fteigerten 
fich mit jeber Minute; bie gerabe an ben mit ben fcitiften 
# unb empfinblichften Heroen burch.mgenen Körperteilen 
burch bie 9tägel entftanbenen SBunben ent^ünbeten fich 
fchnell unb eiterten furchtbar, oerurfadjten gieber unb 
heftigen brennenben Surft; baS ©lut, m feinem regele 
mäßigen Umlauf geftört, rief burch ben gefteigerten $ln* 
brang zum Kopf unb ^erpn bie peinlichften ©eflcmmungen 
unb ©eängftigungen heroor, bie mit jeber ©tunbe wueb* 
fen. ©ei allebem, trat ber Xob boch nur langfam uiib 
ZÖgernb ein, berSJJenfch ftarb gleicMam jollmcife ab; eS 
tarn oor, baß ein ©efreujigter noch bolle 48 ©tunben 
lebte unb bann erft in golge ber ©rfchöpfung unb beS 
ÖungerS baS erlöfenbe ©nbe eintrat, iheilten fie 
feine Kleiber, nach römifchem Siecht mar ihnen bieS 
als ben ©ollftrecfern ber XobeSftraje geftattet; unb 
Warfen baS&ooS barum (mit SBürfcIn), weil 
fich barunter auch eines befanb, baS fie nicht jerftücfen 
wollten, wie baS O b e r g e m a n b (beit „Hantel"), beffen 
Siähte fie einfach auftrennten unb eS fo in 4 ©tücfe 3 er* 
legten nach ter 3 ^* ber Stetbeiligten (ogl. Stpoftelg. 12 , 
4 je 4 SRaitn für euten SBacppoften), nämlich buä ua<h 
3ob. 19, 28 unzertrennbare untergewanb („Beib* 
rocr); baju fameit bann noch als einzelne ©tücfe, bie 
oon ungefähr gleichem SBerthe fein mochten unb baher 
einfach bertheilt mürben: bie Kopfbcbecfung, ber ©iirtel, 
bie ©anbalen unb baS linnene Joemb; bgl. jum ganzen 
Vorgang ^falm 22,18. 

©. 25: Um bie bri11e ©tunbe, b. h- ©ormit* 
tagS 9 Uhr, etwa brei ©tunben nach Verurteilung 
burch ^ilatuS. Senn fo lange 3eit brauchten bic gefd)il* 
berten Vorbereitungen, ber Söeg m bem Kreuj unb bie 
2lnnagelung an bemfelben. Söenn 30 h. 19, 14 bie f ed^ fte 
©tunbe genannt ift, fo fann bieS bei einer fo Wichtigen 
3eitbeftimmung fein Söiberfpruch fein, fonbem nur auf 
oerfchicbener 3eitrechnung benihen. Sille anberen Goan* 
geliften berichten einftimmig, baß um bie 6. ©tunbe be* 
rcits bie „ginfterniß" eintrat, b. ß. atfo am oollen, hellen 
Mittag (12 Uhr); auch wäre biefe heiße Mittagszeit bie 
allerungefchicftefte zum ©egiitn ber Einrichtung gemefen, 
benn man pflegte für biefe abfichtlid) eine folcße ©tunbe 
Zu mähten, mo möglichft oiel Volts zufchauen tonnte 


(angeblich Wegen beS abfebrerfenben VeifpielS, Was man 
mit 5 9Kof. 17,13 zu bemeifen pflegte, in Söahrheit aber 
Wohl eher, Weil fold^e Singe bamalS febon Wie heute unb 
allezeit zu ben beliebteren ©peftafelftücfen gehörten). 
Süahrfcheinlich ift alfo anzunehmen, baß Johannes ao^ 
fichtlich nach r ö m i f ch e r 3eitrechnung zählt, Weil bon 
einer (^erichtSoerhanblung oor bem römifeben Stichter= 
ftuhl bie Stebe ift (nicht Wie bie übrigen nach j ü D i f dj e r, 
oon Slbenb zu Slbenb), b. h- Uon Mitternacht z u Mitter* 
nacht, bann ift alfo bie oon ihm genannte 6 .* ©tunbe, Wo 
VilatuS ihn zum Sobe oerurtheilte, genau SDtorgenS 6 Uhr, 
OöUig übereinftimmenb mit ben übrigen Berichten. 

©.26: Dben über ihn, auf einer über feinem 
haupt an bem über ben £uerbalfen nod) etwas heroor* 
ragenben oberen Gnbe beS MreuzeSftammeS angebrachten 
Safel; m a S m a n i h tn f ch u l b g a b, b. h- bie am 
gebliche feines SobeS, um beretmillen er oerurtheilt mor^ 
ben mar unb zwar in ben 3 Spauptfprachen ber banialigen 
gebilbeten Vielt, ogl. 2uf. 23, 28. 3oh. 19,19. Irin 
ö n i g ber 3 u b e n ift hi«“ nur bic abgefürgte gor= 
mel; oollftänbig lautete fie: „3cfuS oon Slazaretb, ber 
3uben Äönig", la teinifeh*. Jesus Nazarenus Rex 
Judaeorum (J.N.R. J.) ; oon ^iilatuS felbfi Waren 
biefe SBorte ohne zunächft nur alS ein höhmitber 
©pott auf bie 3 uben gemeint, in SBirflichleit enthalten 
fie aber oolle ganze göttliche Vabrheit, Wie fie für baS 
oerftoette 3 ^rael freilich erft im fommenben feericbt fich 
offenbaren Wirb (Matth- 26, 64); für fein gläubiges 
3Srael beS neuen VunbeS, baS gSrael nach öem (Reifte, 
aber jeßt fchon felige ©ewißhtit unb füßer Sroft ift. 


©onntag, 26. Stob. 2Harf. 15, 27—37. 

3efu Xoi am ßrcuj. 

JejlT.aßetöpt unfere ©ünben felbft hwaufgetragen 
hat an feinem tfeibe auf baS §olz, auf baß mir, ber ©ünbe 
abgeftorben, ber öerechtigfcit leben; burch welches Vun^ 
ben ihr feib heil Worben. 1 Vetri 2, 24. 

I. 3efuS tum ber ÄBelt bnlacßt (V. 27—32). 
©.27: 3toei SJtörber (Wörtlich: Räuber), bie 
Wahrfdheinlich an bemfelben Slufrubr, Wie Varabbas mit 
betheiligt gemefen waren (ogl. V. 7). VemerfenSWerth 
ift, Wie 9N a r f u S ganz ähnlich Wie a 11 h ä u S 
(Kap. 27, 38) bie beiben ©chädjer ohne irgenb Welchen 
Unterfchieb zmifchen ihnen zu machen, mie i'uf. 23,39 ff., 
auch einfach nur zufammennimmt unb unter bie Klaffe 
berer, melcbe ihn oerläftem, ftellt. Väbrcnb bisher ber 
©lief beS (roangeliften mehr auf bie Umgebung 3efu, 
namentlich bie ihn zum Kreuze führenben unb bort be- 
Wachenben ©olbaten gerichtet War, bleibt er Oon jegt an 
auSfdbließlid) nur noeb an bem gefreuzigten unb geidimäh 1 
ten wnfchenfobn felber haften unb zwar jn ber 3eit fei* 
ner fcbmählichften (5miebrigung oor ben SKenfcben unb 
feiner fchmerzlichften ©erlaffenheit oon ©ott. 2ÜS lieber* 
fchrift über biefen ganzen vlbfdjnitt fönnte man baS alte 
befannte ^iebeSwort fe|en: „Eier burch ©pott unb öohn, 
bort bie ©hren^on’/' 

©. 28: Sie ©d^rift, Ogl.63,12unb *uf.22,37. 

©.29: Unb bie oor üb er gingen; cS Waren 
beren jebenfallS oiele, benn baS graufe ©chaufpiel einer 
öffentlichen Einrichtung 30 g um biefe ©tunbe (Vorrnit* 

« S 9 Uhr) eine 3Henge unbefchäftigter 3ufch«uer an, 
mberS auf bem fo oiel betretenen Vtege (xvgl. bie ©e* 
merfungen ber oorigen Seftion zu ©. 22 ). ^äjterten 
ifüi als einen oon ©otteS glu<h ©etroffenen, mit bem eS 
, jeßt ganz unb gar aus fei; unb fchüttelten ihre 
I E ü u p t e r zur ©C 3 eugung ihrer ©chabenfreube ^f. 22 , 8 . 


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Sonntagfd)ul*ffhtioneti< 


613 


„®fut bic$!" ein Budruf ni$t btod bed Staunend 
ünb ©pottend, fonbern ber ©erac^tung, ja bed <£feld. 
23 i e f e i n u. f. W. Offenbar patte ber pope 9iatp bafür 
gejorgi, bafe bie 93erpanblung Älap. 14, 58 recpt aUge= 
mein begannt unb burcp bie ©udfageit jener falfcpen $eu= 
gen felbft in möglicpft fcplimmer 23eife bargefteUt werbe, 
um ben 3orn ber auf ipren Tempel fo ftolgen «ewopner 
Serufalemdregegu macpen. 3 c r & r * $ ft u, 'w*bu 
bicp näinlicp oenneffen paft, inbem bu bir bagu eute &oU 
ieSmacbt opne ©(eicpen anntafeen woUteft, Wäprenb jept 
bad 3erbrocpenWerben bielmebr an bicp felbft fomrnt 
©. 30: §ilf bir felbft, aud beiner «Rotp, Wie 
bu bormald 2lnbem gepolfen paft (^ul. 23,35) unb Wie 
ed bir gewife ein ^eicpted fein wirb; ed liegt barin em 
ftilled, aber ftarted 3ugeftänbnife feiner früperen iöunoer* 
tpaten. 

©.31: 2)ie ^opepriefter unb ©cprift- 
g e l e p r t e n, obwopl gu ben fog. „©ebilbeten" gepörig, 
fpracpen bennocp begierig jene ^äfterungen bed gememften 
Söbeld nacp. 28opl in §olae ber bei ©ilatud erfahrenen 
ibtoeijung (©. 9 unb 10) ihrer Slnflage, mm Xpeil Diel* 
leicpt auch gequält non ben ©ranbmalen ipred ©ewiffend 
ergepen fie fiep jefet nur um fo rüdficptdlofer in ber ©er* 
fpottung bed (Mreugigten unb gwar mit unmittelbarer 
©ejiepung auf bie Ueberfcprift über bem ilreug, bie er fcpoit 
Wäprenb bed gangen Söegcd burcp bie belebten ©tragen 
auf einer 2afel am §ald ober ber ©ruft befeftigt getragen 
batte, fo bafe fie alfo Sebermann betannt unb bie ©ngüij* 
liepfeiten auf biefeCbe allgemein oerftänblicp waren; fie 
Wollen alfo ben offenbaren ©ttberfprucp gwifepen jenem 
Äönigdtitel unb bem 2Warterbilbe bed ©elreugigten felbft 
fpottenb peroorpeben. Unb lann fiep felbft niept 

S teifen, Woran man alfo gang beutlicb jepen faun, bafe 
eine angeblichen Söunbertpaten biofeer ©etrug Waren. 

©. 32: 3 ft e r (5 p r i ft u d, niept blöd wie bie lieber* 
feprift tagt unb er felbft immer oon fiep bepauptet pat, 
um fiep im 2lupm eined grofeen 3öunbertpäterd m ion* 
nen, fonbern Wirflicp unb in ber Xpat. ©ie wollen f e p e n 
unb g lauben, bad ift aber gang falfcp, im Sleicpe 
©otted gebt ed oielmepr gerabeumgefeprt: glauben 
unb bann er ft fepen, ogl. 3°9- 20, 29, 1 ^etri 1, 
8 unb 3op. 6, 69 u. f. W. Rnglctc^ wollen fie alfo bamit 
auep fagen: „für einen Honig aber, ber am Äreuge enbigt. 
Wollen wir und fepönftend bebanfen" (l (5or. 1,23). 3) ie 
mit ipm getreugigt waren, b.p. nacp bem oben 
fepon angegebenen genaueren ©eriepte bed ^ u t a d boep 
blöd ©iner berfelben. 

11. 3cfn* in ber *obe* »at&t (9$. 83 - 36 ). 0.33: Unb 
nach bei- 6. S tunbe, b. ff. alfo oon Sittag« 12Upr au, u.ubbcm 
3efu« bereit* flehen brei Stunben am ilvcuj gehangen (ogl. bic 93e* 
merfungeit in ber porigen Keftiou ju 9$. 25 ). T>ie ft i n ft e r n t tt toav 
iebenfaU* feine gewöhnlich« unb natürliche »erfinfteruug ber Sonne 

w_ t.iA. ..ui. nt»« Wl* 


uou ©ott audeiorbentlicber Seife getuirfte* Sunber unb bimrnlifcb«« 
Qeicbeu. lieber b a « g a n je fianb, b. p- go»J 3ubäa; an einen 
oöUigen Untergang ber Sonne ift babei natürlich nicht ju beulen, 
foubem nur an ein attmäfy(icb<ed (Schlaffen ihre* Schein* (\?uf. 23,45). 
3bre «ebeutuna toar tbohl folaenbe: Sie toar ein S n it b e r & e i cb e tt, 
tote eiufl bei ber (Seburt Sbrifti mitten in ber 9la<bt befler laa »tavb, 
fo hier umaefebrt, tuovan man inerten foHte, bad e* geh hier fotbenifl 
al* bovt, um einen blöden fletoöbnlicben Scnfcben banbeite: üe toar 
einSarnuugSjelcben, ju leigen, bad e« ein ©erf fatanif<ber 
ftiufteniid unb 4io*b«it ift bad b«r bei feinem 2ob gefebiebt; üe toar 
ein 91 b b i l b oon ber Trauer auch ber fluderen 9tatur, toenu nun ibv 
J&erv unb Äönia, ber boeb ba* „Uebcu uub fiiebt" ber Stenfcbeu ift, 
fein .ftaupt im Xobe neigt unb feine* Sieben* Sonne fo btutigrotb 
unteraebt; R« Wrtr enblicb auch ein S i n n b i l b ber inneren »atbt 
ber ©ottocrlaffenbcit, bie W auch über fciiu ^eilige Seele bevciu; 


briebt. «ueb bier gebt ber Äciicpt bc* «tarfu« m gagj auffaücnber 
Seife uub faft »oörtlicb gUicplautcub .panb in .fmnb mit bem be* 
dtt a 11 b ä u *, nur bad bort ba* »oeiterc Suiibcr im «Kekb ber ttatur, 
ba* «rbbeben, («Wattb- 27, 52) unb bie bamit berbiiubeue Ocffnung 
ber ©räber fehlt, unb jtoar loieber im ^»itercffc ber gebräugteu 
Püne unb be* rafebeu ftluffe« ber Grääbluitg, bie auf ba* Sicbtigftc 
unb Pente, b. b- brt ^ r f e ^ l<n aw< ^ hei 

beibeu bie meiften Preiijedtoorte. 


0.34: Um bie 9. Stuube, b. b* 9la<bmittag* 3llbr, bie 
Stuube be* täglichen «benbobfer*, too e* gefchlacbtet littb auf bem 
t9ratibopfer:«ltar oerbrannt lourbe (4 Sof. 28 , 8 ) ; jefft beginnt auch 
für ba* Opferlamm auf ©olgatba bie b<td*fte Veibeu*glittb, ehe ber 
lebte oerniebteube Sobe*ftreicb auf fein fcbulblofe* Jpaupt uicbcrfäUt. 
9iief^efu* laut, uub jioar mit ben betanuten Sorten au* 
'pfalitt 22 , 2 ; toäbreuo er in ben boraugebetibeu Stunbcii feinen eiiu 
jigeit Paut oon ficb gegeben, fonbern im ©efüble tieffter ©ottoerlagen* 
beit toie ein ftUle* tiamm ftuirnn uub fcbtocigenb bagebaiigett, in ber 
oolleu ©iufamfett ber Sd?mer$en unb im gaujeu Scbnter$ ber ^iufams 
feit. C* ift bie* bie bunfelfte Stuube feine* ganjeit fieben* uub Xti* 
beit*, too er ©otte* 3*rn für un* getragen bat unb Satan auch tpit 
oerfuebte, ob er ihn nicht bodenb* gau§ in beu «bgi uub ber «cvjtoetfs 
Imtg ftüi^ett ober boeb }ur Uugebulb unb uim Surren toiber ©ott 
oerleiteu fbiiute, fo bad im lebten «ugeubltcf noch ba* ganje Serf 
nuferer SrlBfuug unb tBerföbnuug wäre oereitelt toorben. ©ö ift ein 
(Mefübl äuderfta- 2:veurning uub «sebeibung Oon ©ott, beffeu fegiicube 
©nabnutttbe er fonft immer in befonberem Sade gegentoävtig gefühlt 
batte. Z'ocb ift ber fabelt feine* göttlichen Selbftbetoudt« 
fein* auch fegt uoeb nicbt ganj abgeriffeu; jtoav nennt er ©ott nicht 
mehr, toie noch in ©ctbfemaue. ja toie fogar noch beim erfien uub 
bann toieber beim lebten Preuje*toort (Shtf. 23, 34 — 36), feinen 
tlt ater, fonbern nur noch ©ott, aber bo<b immernoch feinen 
©ott, au toelchem er nl* ber grode ©lai:ben*belb ($cbr. 12, 2 ) 
auch jebt noch, ohne fühlen traueub, feftbält; bie* mittlere ber fiebeit 
Preu}e*toorte bcjeid?net alfo ebeitfo beu Xieftninft feiner Si ei ben, 
toie ©itbfcmane beu ^öbepiuift feine* P amjp f c * uub beibe jufauis 
men bie äuderfte ©venje, aber auch bie gange bolle Sirflicbfeit feiner 
Wahrhaft m f u j d? I i cb e it ©vuiebrigung. 

0.35: ©tlicbe, bie babei ftitiibeu, nach Sattb.27, 41 
§obepriefter, Scbriftgelebfte uub «eltefte. Sllfo fann bei ihrer 1 h* 
toibernng nicht Oon einem btopen ^rrtburn ober Sidoer|tänbitid bie 
Siebe fein, beim fie batten bie nötigen eprad* unb Scbnftfeimtniffe 
toobl ui pöUig richtiger «uffaffuug feiner Sorte, foubem e* toar 
oielmebr eine abficbtlicbe «erbrebutig be* erften 8 lu*ruf* feiner Siebe; 
unb fo toirb auch gleich ihr eigene* erfte* Sort, ba* fte fc*t, naebbem 
bie*-,vinftentid Oorbei ift, bie an* furcht unb Schieden bi*ber ihre 
jungen gdäbmt fpottenb briuorfloden, toieber 311 einer neuen 
iüge uub üäflerung, Womit fie nur ihren alten §obn (*$. 31 ff.) fort* 
"ebeit. ©v ruf t oeu G lia* al* feinem geweiffagteti Vorgänger, 
ber ihm nach Sattb. 17 ,10 ff. ju feinem Sieicb oerbeifeti foU, er wiU 
alfo noch immer bie Semaerolle Weiter fpielett. 

08«: Xa lief ©iner, uäntlicb ein Prieg*fueebt, ber 
‘ unter bem Preus Sache ftanb unb baber ba* Sort S«»« (3ob- 19 ' 28 ) 
„Sich biirftet!" wobt oeriioiumeu hotte, tiefer rope unb peibuifebe 
römifebe Solbat toar alfo mitleibtgcr unb bai-mbevjiger al* bie jiibi* , 
fcben Cberfteu uub oerfäimtte auch bei biefem ©etreiijigten ben ^ieitfl 
feine* «mie* nicht, tooruacb bie Säcbter Don gen 311 ^eit 0011 bem 
Sein, ben fie felber 511 triitfen befameu, uub ber baber in ber Stäb« 
ftanb, mit einem glcicbfall* 511 biefem £toed fcbcu mitgebraebten 
Scbtoamme ein paar tropfen bem iüeifcbmacbteubeu an bie Rippen 
binden ntudten. ©r Perbarg aber feine lueufcblicbe Sliihrttiig Oor fei* 
neu Pameraben biutci* einem Scperj: a11, l adt f e ben 11. f. w. 
Unter Vergleicbung hon Satt*. 27, 49 ift ber Sinn unb ^»fammen* 
bang be* ©amen toobl folgcuber: üe übrigen Prieg*fitcd?te webten 
ibm mit bem Xranf fo fcbiicll ipm gur ©rguiefung beijufpvingen, beim 
fie wollen ihn noch länger leiben laffeit, er aber giebi ihrem Stp nun 
bie für^efunt gitnftigereSeiibmig: „Stein! lufet mich nur fo rafcb al* 
möglich machen, fonft fiubet ba- berbeigentfeiie ©lia*. Wenn er ja, 
wie ju erwarten ift, wirflicb »mb fcbleunigft fontmt, nur noch einen 
fieidjuant uub iui* gebt’* bann natürlich fehlest!" 

III. 3cftt* bat fein ffiert oolibracbt (33.37). O. 39: 
Schrie laut; e* gebt bie* wabvfebeintieb auf bie beibeu lebten 
Preiijedtoorte $ob. 19,30 unb £uf. 23, 46 unb oerfepieb, ba* 
.öaitpt itn 2obe ueigaib uub ba* Sieben mit feinem ©eiffc al* bem 
Kläger be* lieben* s0) wit bcm l <b tcw «tbeinjiige ('Jheb. 8, 

8) 001t fiep gebciib. Wobei alfo He Seele Pom Sieibe febieb uub biefer 
nun toivfiicb tobt am hwg; ^omit ift alfo nicht blo* 

jebe «imabme eine* S cpe i n 10 b* fepon al* phpfifebe llnmöglicbfeit 
au*gefcblon*ai, fonbern jugleicp auch ber fittlicbe Scrtp feine* Ster* 
beu* al* freiwilliger S eb eu * pt tt ga be fo ftarf al* möglich 
aufgefprocpeit. (S* ift niept bie leife Stimme unb ba* ftöpmnbe 
Stöcoelu eine« jimt Jobe ©rmatteteu uub ©riepöpften, foubem ber 
laute Stuf beffeu, ber ft er ben Will (aber nicht mild, fonbern 
nur f an tt, wenn er uub Weil et e* WiU), toie patte er fonft auf ben 
vömifebeu fcauptmann (Sattp. 27, 54) einen fo gewaltigen ©inbmcf 
machen tönnen ? ugl. ^op. 10, 18. Somit ift fein Xob nUabtug« ju* 
liäcbft unb juerft f ü r Tp tt f e l b e r ein U) e W ä p r u 11 g * tob, epe er 
f ü r 11 u * ein feerföbnuug*tob toirb, aber in golge Oon jenem 
©rften toirb er unmittelbar unb ttotpwenbig auep bicfcö Zweite 
(öcbr 6, 9). » 011 br a cp t ift jept 9U le*: »a* Sort bei eeprift 
uub ber Sille be* «ater* ift erfüllt, fein Serf unb Jlampf auf ©rben 
aeenbet unb er felbft btivcb’Ä ficibeu oollcitbet (^cbr. 4, 16. Stöm. 3, 
25 ) : poriibev ift fein Kauf, beim ba* Riet ift erreicht uub nun fomrnt 
nach bem Pampf ber Sieg, nacp bem Kauf bie Stube, nacp bem Seit 
«ber 0 011 b r a cp t ift «Ue* a ucp f iiv u u *: fein Kci* 


.. .. ^ebr. 
fonuiieueu ©rlöiung. 


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614 


(üijronih öer <5egcnroori. 


Cljronih her Gegenwart 


lieber bie Srelbenferet in tont Sereinißten 
Staaten föimcii nur nicht, wie fo manche aitbere 
dwiftlidjc 9icbaftoure i mit einem SWafenrünwfcn 
hiuwcßßehen. Unä ift bic in unfernt 8 anbc fuß- 
faffenbe 3 weifelfud)t eine fehr ernfte Crfdicinuitß, 
bic man burdfauS nicht mit einem Slchfclmdcn weß* 
thun fann, fonbern melier man ehrlich in’3 ©cficht 
fchaucn mufi. 

®afj bie fjreibenfcr nicf>t etwa unter ben hofen, 
unglättbiaen ©eutfdjen, fonbern unter ber amenfa* 
nifihen 33eoölferunß 33oben ßcwinnen, fann nur 
ber läugnen, welcher fid) ßefliffentlid) ben ©hat= 
fachen oerfchlicfet unb bafi, in ben ßrojjcn ©täbten 
wenißftenä, bietö'irche ihren ©runb fchwer behauptet, 
ift auch wahr. @o 3 . 33. wirb bie iUcoölfetuiiß 
9}ew $orf3 heute auf minbeftcnS 1,300,000 ocran- 
fdjlagt, 311 fäuimtlidjen broteftantifchen Äird)eit= 
äemcinfchaften gehören aber nur 90,579 fßerfoneu; 
fo bah etwa auf je fünfzehn SBcwohncrbcr©tabt 
ein ßläubigcr SjJrotcftant tarne. ©agcßcn belief 
[ich im 3abr 1845, al3 92cw Sjorf 400,000 (Sin- 
wohnet fühlte, bic 3 ahl ber SOtitßlieber aller bro^ 
teftantifeben Seften auf 51,459, b. h. auf ie 8 Cin= 
wohnet aller ©laubenSbefcnntniffc laut etwa ein 
lirchlich ßefinnter Sßvoteftant. ©ieScoblferung hat 
feit 1845 um 225 fjjroscnt sußenommen, bie firclj- 
liehen SJJroteftantcn ieborh nur um 76 Sßroicnt. Unb 
nicht oiel beffer fteht e3 in anberen ©rofeftäbten — 
3 . 33. in Cincinnati. 

©ie fftrjlicb im ©taat 3?ew $orf abgehaltcne 
Conoention ber greibenfer, über welche chriftlidie 
Seitunßen fiel) vielfach luftiß machten, ift unS ein 
crniteS Reichen bei*3eit. ®a fanben fid) 700 ®e= 
legaten (faft aubfchliehlich eingeborene Slmcrifancr) 
iufammen, unb unter ihnen Seute mit weit unb 
rühmlich befannten kanten, wie 3 * £3. ©r s ©ou= 
rerneur C()a3. fRobinfon oon fi'anfa§, ber Sichtbare 
SBaite oon Sllinotö, 33rabforb oon jßenitfoloanien, 
3. &. 33urnham oon SÖJichißan, ©eorß Chancen 
oon 33oftoit unb felbftoerftänblich auch — Süßer- 
füll. 

SSer foldjer Srfcheinungen weßcn 3 » ladjen ße- 
benft, ift auf bem ©olaweß. JJftr ba$ SRcich ©otte*3 
brauchen wir 3 war nicht $u fürihten, ba3 wirb ber 
&err unfer ©ott febon fdjüben. 31 ber ßrofeen ©cf>a= 
ben fann unb wirb biefe 3weifelfua)t anrichten, 
wenn bie Äirche nicht mit aller 2Kad)t berfclbcn cnt= 
ßCßenarbeitet. 

Bie tiiclc $eutfd>e Wohnen in ben »ereiuißten 
Staaten? ©iefeSvaßc wirb aar oft ßcftellt, unb 
faft cbenfo oft nach red)t3 unb lin!3 falfch beant¬ 
wortet. $err ©heobor $öfd)e hat füglich 
eine fchr ßcitatte 23ered)nunß anßcftellt jmb im 
© c u t f ch e n 33 i 01 t ier einen Slrtifel oeroffentlicbt, 
befjen Slnßaben wir für bie bi3 jefct auoerldffißften 
halten. 

©er 33 crfaffer fommt 3 » folßjenbcn fRefultatcn: 
©ie oier (Elemente, au3 beneit fid) im Sahre 1880 
bie ©eutnben unb ihre SJacbfommen 3 ufammen= 
föfcen, finb: 


©ie in ©eutfcblanb ©cboreneit. 1,966,742 

©ie erfte hier ßeborene ©eneration. 1,751,107 

©ie Stachfommcn ber oor 1780 cinßcman= 

berten ©cutfchcn. 2,500,000 

©ie 92ad)fommcn ber nad) 1780 eitiße= 
wanberten ©cutfchcn mit SluSnahme 
ber erftcu ©eneration. 500,000 


3ufammen 6,717,849 


6 $ befanben fid) ©inßewanberte ©cutfche in: 

1870 1880 3«nahme 


©afota. 

563 

5,925 

954.4 present. 

ßolorabo. 

1,456 

7,012 

381.6 

H 

SSajhinßton.. 

645 

2,198 

240.8 

ir 

Slrijona. 

379 

1,110 

192.9 

tr 

32ebrabfa. 

10,954 

31,125 

184.1 

n 

Oregon -. 

1,875 

5,034 

168.5 

!t 

Utafi. 

358 

885 

147.0 

tr 

3lrfanfa3. 

1,563 

3,620 

131.6 

tr 

Äanfa§ . 

12,775 

28,034 

120.0 

tr 

9?ew ©anipfh. 

436 

789 

81.0 

tr 

Sloriba. 

597 

978 

64.0 

tr 

jfthobe 33tanb 

1,201 

1,956 

63.7 

tr 

SOJinncfota. 

41,364 

66,592 

61.2 

tr 

Scsci'3. 

23,985 

35,347 

47.4 

tr 

Kalifornien •. * 

29,701 

42,532 

43.2 

tr 

$D?ichißa.t. 

64,143 

89,085 

38.9 

rt 

332ontana. 

1,233 

1,705 

38.3 

tr 

SKaine. 

508 

688 

35.4 

tr 

3owa. 

66,161 

88,268 

33.4 

tr 

3l(abama. 

2,482 

3,238 

30.4 

tr 

üMaffadwfcttS 

13,072 

16,016 

29.0 

tr 

Connecticut... 

12,443 

15,627 

25.6 

tr 

32ew 5D?esifo.. 

582 

729 

25.2 

tr 

Sibabo. 

599 

750 

25.0 

tr 

3®t)oming. 

652 

801 

22.7 

tr 

5Wew Serien... 

54,001 

64,935 

20.0 

tr 

SHinoiS. 

203,758 

235,786 

15.8 

tr 

SBiSconfin.... 

162,314 

184,328 

13.6 

tr 

23eft SSirßin.. 

6,232 

7,029 

12.8 

tr 

32ew SJorf. 

316,902 

355,913 

12.3 

tr 

©eorßta. 

2,716 

2,956 

7.0 

tr 

Vermont. 

370 

396 

7.0 

tr 

Ohio. 

182,897 

192,597 

5.3 

tr 

3ßennfnloan.. 

160,446 

168,426 

5.2 

tr 

32orb Carolina 

904 

950 

5.1 

tt 

Snbiana. 

78,060 

80,756 

3.4 

tr 

©üb Carolina 

2,754 

2,846 

3.3 

tt 

©elaware. 

1,142 

1,179 

3.2 

tt 

©iftr.Col. 

4,920 

5,055 

2.7 

tt 

3?eoaba. 

2,181 

2,213 

1.5 

tt 

Äentudx). 

30,318 

30,413 

0.3 

tt 


1870 

1880 

Slbnahmc 

9D?cmilanb.... 

47,045 

45,481 

3.3 ^Brosent. 

üKiffouä. 

113,618 

106,800 

6.0 

tr 

93irßinien. 

4,050 

3,759 

7.2 

+ 

fiouifiana. 

18,933 

17,475 

7.7 

•r 

©enneffee. 

4,539 

3,983 

12.2 

0 

Diiffijfippi.... 

2,960 

2,556 

13.7 

tt 


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(fljrontli ber Gegenwart. 


615 


©ie obißc Ciftc ifl, wie auf ben crftcn 2 Micf 311 
fefteiif nad) bem ©rittaip ber aroScren ober ßeriitße= 
reu 3unahme ober ber Abnahme bcv eiiißcwanber= 
teil ©eutflhen in einem beftimmten Staat aeovbnet. 
©ie fid) baraui crßcbenbcn fliefultatc ftnb anfjer= 
uvbcnttict) unb im hoben ©rabe überrafebenb: anm 
crftcn üÜtal in bet ©cfchichte bev ©erciuißten Staa= 
teil hat bie 3 ^hl bev eiiißeioanbertcn ©eutfdjcn in 
emiflen Staaten wähtenb ber lebten aehu 3ahvc ab- 
ßenommeit, ititb awar ftnb ei nuv ftühevc Sflaoen- 
ftaaten, beiten ei paffirte, SDtarolanb, lOiiffonri, 
©irfliuien, 8 ouifiana, ©enneffee, 2 Riffiffippi! ©ic 
aröüte Zunahme ift natürlich im Saitbc ienieit bei 
Ußiififftppi, unb ba ift luicber hoch ft djaraftcriftifd), 
bajj bai iunae Acferbau * ©erritorium ©afota im 
fernen SRorbwcften an bev Sptbe fteht. ©ai be= 
beutet ßvobe Äonfurrena unb fcblecbte 3 dten für ben 
Acferbau iöefteuropa’i. ©erßteicben wir ferner bie 
3ahleu für bie beiben avoöten Staaten bev Union, 
9tew JJorf mit einer 3mtabme oon 12.3 ©ro$cnt, 
unb ©eimfploania mit nuv 5.2 ©rosen t, fo wirb ei 
flar, ba& ein ftarfer 3 uß bie ©eutfdien nach korben 
fuhrt. s ) 2 od) beutlidiev tritt uni biei in ben ijahlcit 
für 3 llinoii unb SDtiffouvi cntflcaen; beim währcitb 
ber evfteve Staat eine 3unahme oon 15.8 ©vo*en= 
ten seiflt, hat ber lefetcre eine Abnahme non 6 ©ro= 
senteu. ©iei ftnb ebenfo ernfte, wie in ihrer ©ebeiu 
tuiiß bodnoidjtiße SRefultate, welche ber lefete Senfiti 
an’i Sicht briiißt. 

Heber bie bie8jaljrige dritte fchrcibt bie 9?eio SJorfcr 
Staatijeituiifl: 92od> ftnb bie ftatiftifdjcn ßrhebim= 
aen über ben Srtraß bcv bieiiährißeu (Srnte nicht 
weit aenuß oorßcfcbritten» um ßenaue 3 ableiiaitßabcii 
marfien au foimcit, boct> aber berechtigt bai oorlic= 

g enbe Material 311 ber beftimmten ©erficberutiß, bab 
ie (Srnte eine uiißemohnlid) aute aenannt werben 
fann. (Sin einfacher ©erßlcid) ber bieijäbrißeit (Sr= 
fräße mit benen bei ©orjabrei ober 001 t 1880 ift 
nun allerbiiißi nid)t mabßebtnb; beim bie ©eoblfc= 
muß ber ©et. Staaten unb bie bebaute ©oben- 
fläche ift in fo fdmeller 3 unahmc beßriffen, bab 
fchou ein Stillftanb in bem (Srtraße faft ali Sßib- 
ernte 311 betrachten ift, unb anbererfeiti feine be= 
ftimmteu Anbaltipunfte bafuv aeiooimcn loevben 
tonnen, um mie oiel ber Srtraß alljährlich aefteißcrt 
loerbeu mub, bamit man oon einer ßiiten Srnte 
fprechen fann. 3 n btefem 3 ahve ift aber nach übcr= 
einftimmenben Berichten nid>t allein bie ©ernteb' 
tuiiß ber bebauten fläche, fonbern auch ber Srtraa 
per Acre im Allßemeincn bebcittenb über ben ©urdi= 
fchnitt ßcioachfen. Natürlich finb in bem loeiten 
©eriitoriitm bev 25er. Staaten lofale flRificvnten nie 
au oeriiteiben. So ift in einzelnen ©iftriften bcv 
ßafer uiibrathen, in anbeven hat ftch in ftolßc an= 
haltcnbeit 9 ?eßeni Äartoffelfäulc eiiißcftellt k.; aber 
biete lofalen 3 *hlfd)läße tonnen aiißenfdieinlich fei* 
neu fühlbaren Sinfluft auf ba§ ©efammtrcfultat 
üben, ©iei ßilt foßar and) oon ber ©aunimolleit^ 
ernte, trofe bei feiner 3cit fo hod) ßcjdjäfeten Scba= 
beni burdj Ueberfduoemmmißcn. 

©iiraarrf war am 24. September, refp. 8 . ©fto= j 
bev ßenau jwanaiß 3 ahre hinbuvd) preufiifdier 3Ri= 
nifterpräfibent. Am 24. September 1862 braditc 
berpreubifdieStaatianaeißcvbic fbnißlidjcffabinctis 
orbre, wcidjc an ben preuBifd)en©cfaiibten am ßofe 


9?apoleoni, ©errn 0 . 23i6manf=Schoiihaufen ben 
interhuiftifdjen 25orfife im Staatiminifterium über= 
triiß; unb bcv 8 . Cftobev brachte feine befinitioe Sr= 
nennuiiß jum SRinifterpväfibenten unb, an Stelle 
25crnftorffi, bie aum iDiiiiifter ber auSivärHßcn 2 ln= 
ßelcßcnhciten. ©eväeleßraph hatte ben preubifdhen 
©efaubten, bev fid) ßerabc auf einer Urlaubireife 
bttveh Sübfranfveid) unb Spanien befanb, nad) bem 
herbftlid) fühlen ^Berlin berufen. 2lui ben hörenden 
unb aui Sübfranfreid), 100 er bie SBeine „oon ber 
Leiter" ßetrunfen hatte unb 100 er ben hiftorifd) 
aeioovbenen jDclameiß, ben „Sriebenia'ociß oon 
9ltignon" brach, ben er fpäter in bev 23ubßet-ffoin= 
miftton bei preufjifdjen 9lbßeovbnetenhaufei oor= 
leßte, reifte cv nad) 23evlin, bereit, feine hiftorifd) 
ßeioovbcnc SÖJiffion au übernehmen, „©en i?öniß 
unter Äiranfheitioovioänben im Stiche taffen" — 
fdivieb er bamali einem politifcheu Sreunbc—„loürbe 
id) für Seißhcit unb Untreue halten. Soll ei nun 
fein, bann ooran! loie unferc fiutfeher faßen, loenn 
fie bie Seine nehmen." 

Uebcv bai 2?cfinben bei beutfdien 9ieid)ifanaler8 
werben bem „©eutfeben SKontaßibl." aui Schlaioc 
unter bem 29. 3 uli folßenbeSRittheilunßen ßentadd, 
bie aui ßutcr Ciuelle oon 2 >arain flammen, ©ent 
dürften befommt ber Aufenthalt auf feinem Ütui= 
fulum ßana ooraüßlid), unb er hat toicberholt au fei¬ 
ner Unißebuiiß ßeäuftert, bafe er fleh freut, bem 
ffiathe feinei neueften allopathifdien Aratci ©r. 
Srcrichi nachßefommen au fein unb für biefen Som= 
mer oon einer ©abereife nad) Äiifiiißen Abftanb 
ßenommen au haben, ©ahiit ßeht er unter feinen 
Umflänben; beim au äJiitte Außiift hat er feinen 
Schioießerfohn, ben Seßationirath 611110 au fManfeau, 
bev ßcßcmvävtiß mit feiner SamtUe auf berSeeburß 
bei Äicl loeilt, mit grau unb Äinbern nad) ©arain 
ciiißelaben; ©vaf Dtanfeau foll bann ben Shiffrir= 
©ienft beim dürften übernehmen, ber bii bahiit 
oon ©raf ßerbert ©iiniard ocrfeheit loirb, nachbem 
©eheimratn SRottcnburß Oor einißen ©aßen nad) 
©erlin aurüdßefehrt ift, ber fid) loährenb feinei Aufl 
enthalte in ©arain mit ©raf ßerbert bie Arbeit ße^ 
theilt hatte, ©laubt man nun aber, bafl 3 ürft©ii= 
mard fid) in ©araiu ber SRuhe ßöimt, fo int man 
ßeioaltiß; beim im ©cßentheil loibmet er fleh mit 
arojjem Sifev ber biplomatifdjen Arbeit. 3weimal 
täßlid) trifft oon ffierlin aui in ©arain eine mäd)= 
tiße oerfchloffene 1111 b oerfleßdte Etappe mit Aftcn« 
ftücfen unb ©riefen ein, bie, wenn bie betreffenben 
3üße auf ber Station „ßammermühle" nid)t hal¬ 
ten, loährenb ber gahrt aui bem ©oftwaßen her- 
aui ßeioorfen unb in einem eißenbi für biefen 3 wed 
herßcridfleten Saiißapparat aufßefanßen werben. 
And) ber birefte ©eleßrapbenbraht oon ©arain uad) 
©crlin ift 100 hl feiten in ßröfeerer ©hätißfeit ße= 
wefen, wie ßerabe iefet, 100 ©Ümard fcharf oon ben 
©ürfeit um feinen ßcwicbtißcn SRath in ber eßOptU 
fdien fSraße anßCßaiißen wirb, ©er Surft, ber in 
©erlin nid)t oor 11 Uhr ©ormittaßi mifauftehen 
pfleßte, erfcheint in ©arain jefet fd)on fpätefteni um 
10 Uhr ©ormittaßi im ©avfe oor bem ßerrenhaufe, 
wo ihn fein alter treuer Oberförftev SSeftphal ße= 
wohnlich Mjon erwartet unb bann einen äiunbßaiiß 
mit ihm macht. 

$ie preuftifcheu liltramontanen ©latter fleflen 
eine Srncueruiiß bei ffultiirfamofi in Anifidfl, ba 


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616 


Chronik bet (Segenroart. 


fid> immer beutlicber ww, baö bie Semübungen 
beS ©crrn o. ©chloaer, ber befaitittlidj und) Serlin 
aurücfgefehrt itnb unlängft einen Sefitth in Varain 
abftattete, su einem Giitoerftänbniffe mit bcm Va- 
tican m getauften, ohne jcbeS SRefultat geblieben. 
Studj iit amijd)en ber offUtofeu nnb ultramontanen 
treffe micber ein fcf>ciitbar erbitterter Kampf ent= 
bräunt, inbem erftere bcm Gentrum bie Sorberung 
„fciitbfeliger 2lnfdjauuitgen gegen Kaifcr unb SReich 
unb ßeßen bie Volitif, melcber Dcutfdilanb biefe 
beiben oerbanfe, oormirft. Die Eingriffe mcrbeit 
nun allerbingS oon ben Ultramontancn fehr ener* 
atfdj aurüefgemiejen, bie „©erntania" atonal ift mit 
tft mit einer febr berben Abfertigung' aur ©aitb unb 
mirft ber balooffeiöfen „Vrooinaial=Korrcfpoitbena", 
bie ftdj ooraugSmeife aum Dräger jener ?litgriffe 
machte, oor, fte gebrauche fo ocrädjtlidjc SJittel, baß 
man bie ^Regierung nid)t begreifen föitne, mcldje ein 
ihr fo naheftehenfceS Statt in ben ©äitbeit von 
SJänitetn taffe, bie 2lllcS au ©runbe richteten, maS 
fte in bie ©änbe nähmen, wie fitf ja and) bie lebten 
SReidjStagSmahlcn ocrborbeit hätten. DaS Gentrum 
ftehc nach mie oor auf beut ©oben beS SRcidjS unb 
feiner Schaffung, unb amar „ohne jeben hinter» 
gebauten". j|namifd)en ift biefer gante Kampf mohl 
tm ©runbe gar nid)t fo fdjlintm gemeint, mcnigftenS 
marneit liberale Slätter, baß man fid) nidjt babuvdj 
über bie Stellung t&ufdjen laffen folle, meldic b k 
SJitglieber beS GentrumS bei ben 2ßahleit eimteh= 
men mürben. Die gaitae Vreßfehbe fei eine ©Riegels 
fedjterei, ba bie fonferoatio^flerifalc Koalition nach 
mie oor für beibe Dhcile Gsiftenabebingung unb bie 
SRegicruttj}, bie ba.ihre gante Volitif auf biefe Koa¬ 
lition baute, au fo foäter ©tunbe nicht im Gruft an 
eine Aeitberuitg bettfeu merbc. SMittlcrmcile hat fid) 
allerbingS bttreb cincGntfcheibungbcS neuen SifchofS 
ooit SreSlau eine fletne ©etoittevmolte aufammen« 
geaogen. Derfelbc bebroht nämlich bie oont Staate 
anftcftcllten ©eiftlidjen mitGsfommuuifation, falls 
fte nicht ihre Aeinter niebcrlegten. Natürlich märe 
ber Staat oerpflichtet, bie feinen ©efeßeit nathfom= 
inenbcn unb oon ihm angeftcllteu ©eiftlidjen au 
fdtüßcn, unb gegen ben ihm feiitbfeligcn Sifdmf nach 
Staßgabe ber S?aigefeße ooraugehen. Damit mürbe 
man trcilidj mieber mitten in bie ffiirrniffe beS Kul* 
turfampfS gerathen. Die {Regierung foll buvd) ba$ 
Vorfontntniß fehr unangenehm berührt fein, ba 
man ben Sifdmf für einen milbeit unb oerfohnlidjen 
©eiftlid)en gehalten. Viclleid)t finbet fid) bodt noch 
ein AuSrncg, um neuen firdjcnpolitifdjen Konfliften 
oorau beugen. 

®ie Äonferettj in ftoitftotttiitojiel. {Rodj niemals 
hat eine Verfammlung ooit Vertretern ber europäi- 
fdieit ©roßmächte unter glcidj fchmierigen unb oer= 
morrenen Vcrhältniffeit Serathungen gepflogen unb 
Sefddüffe gefaßt, mie bie gegenmärtig in Kouftan* 
tinopel tagenbe Koitfercna. Bhre Vorgejcbubte, ihr 
enblidieS 3uftanbcfontincn unb ihr geinter Verlauf 
ftitb fo reich an Abfonberliddeitcn, baß eS fdjmer 
fein bürfte, ein ©eitenftüd für biefe merfmürbige 
Verfammlung au Rüben. Der Urfprung ber Kon* 
ferena leitet aurücf auf eine oon ©ambetta im Ver= 
ein mit ber ettglifdjen {Regierung an bie übrigen 
europäifcheit ©roßutäd)te gerid)tete ibentifche {Rote 
oom 8. Januar 1882. 

Die äbätigfeit ber Konferetta acrfällt itt brei 


fdjarf ooneiitanber getrennte Abfdjnitte. Der erfte 
AGfdmitt umfaßt bie Semübungen ber Diplomaten, 
bie Stürfei anS ihrer Unthätigreit aufaurütteln unb 
fte aur SBieberherftellung ber Jurbnung in Ggopten 
ourd)9Baffcngemalt (burd) fogenanntexünteroention) 
au oermogen. Diefer Slbfchnitt enbet am 15. ^uli, 
bcm Sage, an meld)ent bie a« genanntem 3u'ea ab= 
gefaßten ibentifdjen fßoten ber Vforte übcrrcid)t 
mürben. Der ameite 2lbfdjnitt umfaßt bie Beit oon 
ber Sßieberaufnahme ber ©ißungen oom 24. ^uli 
biS autn 27. J|uli, bei mcldieit bie Vforte burd) ben 
©roßoeaier ©aib Vafdta unb ben neuen fötinifter 
beS ?leußern 2lffim Vafd)a oertreten mar, bis fie ftd) 
in ber lebten ©ihiing im Vrinaip aur ^nteroention 
bereit erklärte. Der brittc 2(bfcbnitt ettblid) beginnt 
mit berienigen ©ibung, in meldjer baS Vvogramm 
ber Konferena auf bie ^Regelung ber ©ueafaitalfrage 
cingefchräntt mürbe, nadjbent berruffifdte ©cfriiäftS^ 
träger erklärt hatte, baß er fid) nur nodj an ben bar- 
auf beaüglidjcit Verhanblmtgen betheiligen merbe 
unb Italien feinen Eintrag auf Ginfefeung einer 
europäifdieit Kontmiffion autn ©dmfcc'bcS ©uea= 
fanalS cinbrad)te. 5D2it biefer fcheinbaven Brnürf- 
haltung fRußlanbS fd)eint freilich bie 97ad)ud)t int 
VSiberfprud) au ftcheit, baß ber neu ernannte ruffifebe 
Sotfd)aftSoenoefer bei ber Vforte, o. 22eliboff, ioel= 
d)er am 10. 2(uguft in Konftantinopel eingetroffen 
ift, bie Vorlage beS Vertrags über bie Slbtrettinfl 
oon Gpperit an Gnglanb bet ber Konfwena bean^ 
tragen merbe. 

Ginett praftifchcit 3u'ed haben bie Verhanblungen 
ber Konfcrena bisher nid)t gehabt unb oerfpredten 
fte aud) in 3ufunft nid)t, tocil bie Sachlage güt? 
lieben Vereinbarungen überhaupt unpünftiß ift. 
Die Kottferena hätte nur in beut Salle etne erfprieß« 
lid)e 3:hätiftfeit entfalten feinten, toentt bie dürfet 
im Ginflaitg mit ben Vertretern ber eurepäifchen 
SRächte an bie ^Regelung ber egpptifdien ^Ingelegens 
beiten hcrangetreten märe. 2(llem 9lnfd)ein itaef) hat 
aber bie Vf orte tut ©ogcntheil gehofft, baß fic auS 
ber allgemeinen Venoirrung fRufeen aiehett unb 
ihren fehr gefchmäd)teti Ginfluß in Ggppteit auf’S 
neue befeftigen tonne. Durd) bie unermärtete Gut* 
fd)icbenbcit, mit meldier Gitglanb feine Jlntereffen 
in 9llet;anbria unb am ©ueatanal mahrgenomuten 
hat, finb biefe ©Öffnungen getäufcht loorben, unb 
bie Sürfei ficht fid) jeßt in bie Sage oerfeßt, alS uit- 
betheiligter 3ufd)auer baS eiitfad) gut au heißen, 
maS Gnglaitb in Ggppten au fehaffen für atoedntäßig 
eradjtet. 

lieber bentfiße f ßrli^fcit in ©erlitt fchreibt baS 
,,Saperifd)e Vaterlaub": „Von 22 Sierbrauereien 
in Serliit tourben bei einer amtlichen Unterfurhung 
ihreS SiereS nur bei 7 nadjgemiefen, tytß auSfd)Ueß= 
lid) ©opfenbittereS im Sievc mar, bet allen übrigen 
mürbe alS Grfaß für©opfen Duafia,2)2anpantheS, 
Supuliit, Sitterflce ober Sebeunt nadigemiefeit. 
Gbenfo mürbe baS Sier oon nur 7 Sraucreictt alS 
gchaltooU unb am tocnigfteit oermifcht ermiejett. 

3« Kußlattb finb im leßteit ?|ahre nicht mettiger alS 
50,000 Steilen neuer Selegraphenlettungeit gebaut 
morbeit, hoch ift Deutfchlano bent Gaureitreiche bamit 
locit oorauS, ba eS fdmn Scitungcn oon 160,000 StR. 
befißt. Gitglanb beforberte tut leßteit ?lahrc oon 
allen Staaten GtiropaS bie meiften Depefchen. 


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l)icr |ud)ten unb fonbert Wann unb üi^etb in 
treuer ^ßflic^terfüüung, im Greife ber flinber, 
bie unßetrübteften $ re üben, baS fyödjfte irbifdje 
Sliirf. 

SBerfen mir einen iölicf auf baö ßeßenmärtiße 


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,,cit 

bie 

__^tTnbleI)re, mit 
befonberer 9lu^eid)niinQ beljmtbeln tonnen, ift 
ein 33eroei§, bo|j bie böfe 5lu§faat iftre §fritzte 
straften fjat, bie ©eflriffc bon f)äu£tfd)er Ju^enb 
lax flctuovben unb in ben gefcflf<$Qftlicf}en ’3u* 
ftäuben ctroaS foul ift. 


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£o}inU ifrbdftäufc uni) iljrf Hebung. 

8«« 3. <3djla0nt}«ttf. 


■ 1 V 2 ^ nter *> en 1}ieIen Stöben, Familienleben ber Semohner unferer Dtepublif, 

■ 1 welche für bie 2Sof)lfahrt bie bocß meiftenS Sachfommen germanifcßer 

H I unb baS ©lücf nuferes Stämme finb, fo tonn es auch bem oberflächlich* 

I £ SolfeS gefährlid) gu merbeii broßen, ften 33eobacf)ter nicht entheben, baß eine 8er* 

■ ■ fei guerft genannt: berbniß unb Sarßeit eingeriffen ift, melAe boS 

Q f ®ie ^erfa^retiUeit unb 3«*= Scßlimmfte für bie 3ufunft befürchten läßt. 

X y rüttungbeS Familien* Der Staat SJaifacßufettS, einer ber georbnet* 

\ « l e b e n S. ften unb gefittetften ber Union, wies bor gehn 

:: Die gamitie ift bas Funbament ber fahren nur eine Scbeibung auf je 43 @f)f= 

3 ßefellfdjaftlichen unb bürgerlichen Crb= fcßließungen auf, toäbrenb jeßt auf je 23 £>ei= 
nung, ber -Dort ber Freiheit unb beS ratben eine Scbeibung fommt. 3n Sermont 
SöoßlergebenS eines SolfeS. Sie ift bie Duelle fommen auf 16 unb in 3?bobe ^slanb auf je 
unb Schule gugleidj ber fünftigen Söiirger unb 13 £>eirathen eine Scbeibung. 2luS 20 ©ben, 
Beamten. Die Dugenbeit unb Safter, melche in bie in ben Ser. Staaten gefcßloffen werben, 
ihr gu fiubeit finb, furg ber ©eift, welcher in wirb je eine gerichtlich wieber anfgelöft. 
ipr ^crrfc^t, beftimmt unb bilbet ben ©borafter Stan nimmt an, baß jährlich 12,000 Ser* 
beS SolfeS, wie baS SSafjer eines Stromes fonen nach ben Staaten Snbiana, Illinois unb 
feine Farbe unb feinen ©ebatt Durch bie bieten Siiffouri gießen, fich bort bie Dom ©efeß ge* 
Heineren unb größeren 3«flüffe erhält. forberte 3eit auf halten, um eine Scbeibung'gu 

Darum ha* ber Schöpfer gleich im Anfänge bewirten, bie fie in ihren £>eimatf)Sftaaten nicht 
beS DtenfcbeugefchlecbtS bie ©he geheiligt unb hätten erlangen fönnen. 
ermahnt, burcf) feine Propheten unb Spoftel, ben Unb wie Diele ©befeute laufen Don einanber 
©eift ber ©otteSfurcht, Frömmiafeit, 3wbt unb unb leben abgefonbert, ohne fich je bie Stühe gu 
Siebe im fjaufe malten gu taffen, unb burch nehmen, eine gerichtliche Scbeibung gu ergielen. 
gcgenfeitigeS Seglüefen einanber baS Sehen gu Der Urfachen, welche biefer traurigen ©rfchei* 
erleichtern unb gu oerfdjönern. nung gu ©runbe liegen unb berbeifi'ibrten, finb 

2lud) bie beibnifcßen ©efeßgeber erblieften im gar Diele. Sicht wenig trugen bie mit foleßer 
georbneten Familienleben bie fidjerfte ©arautie Dreiftigfeit Dorgetragenen Sehren ber Slnljänger 
für Sittenreinheit unb ben Fortbeftanb beS ber „freien Siebe" bägu bei, welche bie ©ße als 
Staates, unb erließen beSßalb ftrenge ©efeße eine Deraltete läftiae ©inricßtung barfteflten, 
gum Schüße beffelbcu. burch welche baS Sßeib in Unterwürfigfeit als 

Den germanifdjen Sölfern rühmte man fcßon SflaDin beS StanneS gehalten werbe, 
im Sltertfjunt gegenfeitige Achtung, Snßäng* Daß bie amerifanifdien Damen gu ben Sor* 
liißfeit, Dreue unb Siebe im Familienleben nad). trägen biefer folfd)en Spoftel in hellen Raufen. 

Die Stätte innerhalb ber Umgäunung beS ftrömen unb eine frangöfifdje Scbaufpielerin, bie 
fjofcS fchüßte bie Familie bor frember ©ewalt, berförperte ©rfcßeinung biefer Scßanblebre, mit 
hier fuchten unb fanben Slann unb SBeib in befonberer SuSgeicbnung behanbeln fönnen, ift 
treuer Sflidjterfüllung, im Greife ber tfinber, ein SemeiS, baß bie böfe Slusfaat ihre Früchte 
bie ungetrübteren Freuben, baS böcßfte irbifcße getragen hat, bie Segriffe bon häuslicher Dugenb 
©lücf. lar geworben unb in ben gefeÜfdjaftlichen 3u= 

SBerfen wir einen ©lief auf baS gegenwärtige ftäuben etmaS faul ift. 

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618 


Soziale ilebelftänbe. 


3ur St) re ber eingemanbcrten beutfdjen Ve= 
bölferung fei es ermähnt, baf? fie fid) non biefen 
Vemegungcn rüljmlicbft ferne gehalten hat. Ser 
alte Seift ber ©ittfamfeit, 3 l| cht unb häuslich* 
feit ift bem beutfdjen ©emiitl) Don £)auS aus ju 
tief eingeprägt, unb bie leudjtenbeit Silber beS 
georbneten, gemüt[)lid)eu Familienlebens fteljen 
nod) ju frifd) in feiner (Erinnerung, als baß er 
au foldjen j(u allen 3itgellofigfeiten ftiprertbeit 
©hiimnen Oie fallen finben fönnte. 

Sine anbere Urfadje ift bnS uubebadjtfame 
unb frühzeitige £)eirathen. Vtnndje jungen idente 
feljen fid) zufällig auf ber Vromenabe, auf ber 
9teife ober in ber ©efeUfd)aft unb entfdjliejien 
fid) fogleid) jur S()c. Sa aber bei einer folgen 
furjeit '-Begegnung feiten etioaS borfäflt, luor* 
über fie uneinig werben föunten, fo ^iilt jebeS 
baS anbere für einen liebenSmiirbiqen Sngel in 
SDlenfd)enqeftalt, bis fie nach Verlauf ber Jiitter* 
modjeit auSfinben, wie nerfd)iebeu iljre Sempera* 
mente, ©rnnbfäpe unb ©itten finb, unb mün* 
fd)en bann, einanber nie gefefjen ju haben. 

Haum beit Hiitberfdjuhen entmadjfene Jüng* 
linge unb Jungfrauen, bie nod) nicht ben min* 
beften Vegriff non ben mit bem Jamilienleben 
lufammenhängcnbcn Verpflichtungen hoben, 
fdjliehen ben ©unb für’» ficbcn mit einanber ab, 
in ber Meinung, es gehe jeftt auf lauter 9fofen 
burdj luftige Alten, unb baS ©lüd werbe ihnen 
jeben Sag fo regelmäßig julädjeln, als bie ©onne 
am Simmel aufgeht. 

Sueitn bann baS Sehen mit feinem ©ruft unb 
herben (Erfahrungen bie bejaubernben JUufioneit 
berfd)eudjt, finben fie fich getäufd)t unb fuchen 
baS läftige Shejodj abjufchütteln. 

Von benjenigeit (?l)cn, welche bloS um©elbeS 
willen, Dortheilhafteu ^janbelsbejiehungen, furj 
aus ©elbftfudjt gefdjloffen werben, fei weiter 
nid)t b'ic 9tebe, beim ihnen mangelt bon born* 
herein bie ©runbbebingung häuslichen ©lüdeS, 
unb fie werben immer eine Urfadje ber Verftim* 
mung unb beS UnfriebeitS fein. 

Sine weitere Uriache ift bie Vernad)läffigung 
ber einfachen Vflidjten, bon beren SrfüÜung 
unbebingt baS janiilienglüd abhängt. IBandjc 
junge Vtünner berbringen ihre 3eit mit borneh* 
mem AidjtStljun, bie fie zur (Erlernung eines 
SanbwerteS, ober jur Vorbereitung für ein ©e= 
fchäft ober Amt berwenben füllten. Söenn fie 
bann bie Vtittel jur Srhaltung einer Familie 
berbeifdjaffen Jollen, befifsen fie Weber Suft nod) 
©efdjid baju, unb bie Jolge ift, bah Jrau unb 
Hinber barunter barben müffen. 

Sin alter, prattifcher Sanbmann ertpeilte ein* 


AamenS EERaria, unb feine reiche 9tadjbarin, 9ta* 
menS Jorbait, hotte einen einzigen ©ohn, Su* 
faS. Sie beiben jungen fieute jähen fid) gerne, 
unb meinten, cS fönne lein größeres ©lüd ge* 
ben, als wenn fie bie Sebeiisreife fobalb als 
möglich ontreten mürben. 

Slber ber alte VliffenS hotte feine Staupen, 
unb 'JJtaria fugte ihrem ©eliebten: „Jragejuerft 
meinen Vater, wenn ber nicht Ja fagt, lann 
hoch nichts barauS Werben." 

Vtit llopfenbem |)erjen trat ber junge EDiamt 
eines VtorgenS bor ben jufünftigen ©djmieger* 

, üater, unb brachte cermirrt unb ftamtnelnb fein 
Anliegen bor, mährenb ihn ber Vite mit ernften 
Vlideit oom Hopfe bis jurn Juhe mufterte. 

Ser Alte tljut einige Iräftige Jiige aus ber 
Sabalspfeife, unb fagte bann: „Jljr habt, wie 
ich höre, eine höhere ©djule befudjt, junger £err, 
in welchem Jad) hobt Jljr Sud) auSgebilbet ?" 

„©erabe in feinem befonberen Jach; SJtutter 
meinte, baS fei bei bem Vermögen, baS Wir be* 
fihen, uid)t nöthig." 

„Sann füllt Jljr unb Sure Vlutter Such was 
fchömen. Vteint Jljr, meine Waria foll ©elb 
heirathen, baS fo fchnetl aü’ werben fann, als 
baS Söaffer, welches ben Verg hinunterläuft ? 
Vteinc SOtaria foll (einen Vtann heirathen, bei 
bem fie jur ©tubenhoderin wirb, unb blaf? unb 
matt auSfieht, wie bie Jlitterbämchen in ber 
©tabt. Jdj will Such einen guten fRatlj geben, 
©eht, lernt was Süchtiges, bamit ich feljen lann, 
baf; jfjr eine Jrau ernähren (önnt, unb bann 
(ommt mieber unb Wir Wollen fehen maS ju ma= 
djen ift." 

Ser Son, in welchem bet Alte fpradj, unb bie 
©eberben, mit melden er feine VJorte begleitete, 
liehen in bem Vrautmerber gar feinen Jweifet 
übrig, bah er nur bann feine VJaria heimführen 
fönne, wenn er bie Vebingungen beS Viten er* 
fülle. 

2öie Pont Sonnet gerührt ging 8ufaS aus beS 
Vlteu Stähe, unb theilte baS fRefuItat ber Un* 
terrebung feiner VJaria mit, in ber Srmartung, 
fie würbe ihm ben Horb geben, ©ie aber hotte 
auch ein gut ©tiid bont alten VliffenS in fich, 
unb fagte': „2ufaS, id) benfe, ber Vater hot recht, 
©ehe mad)’ was Süchtiges aus bir, unb ich will 
auf bid) warten." 

Valb barauf war ber junge Vtann au§ ber 
1 ©egenb Derjdimuuben, unb fRiemanb als feine 
DJtütter unb beS alten VliffenS’ Sod)ter muhten 
feinen Aufenthalt. 

j Veinahe Hier Jahre waren bergangen. als 
eines VJorgenS ein Sogen an ber Vforte beS 


mal einem jungen Vtanne, ber um bie £anb ! VliffenS’fchen Kaufes h'flt unb ein junger 
feiner Sodjter anhielt, eine heilfome Ceftion in i Vtann ben Alten, ber gerabe am ffieinftod, ber 
biefer Ve^iehuug. I am £mufe hinaufraufte, befchäftigt war, mit 

Ser Alte, allgemein befannt als ©quire Vlif* 1 ben IBorten anrebete: „©itteu Vforgen, #err 
fenS, hotte eine hübfehe unb tüchtige Sod)ter, ! VliffenS! Jet) habe gehört, Jhr Wollt Vutter* 


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Sojiolt Uebelflänbc. 


619 


-ü—. 


unb Weljlfüffer foitfen, ich habe ba welche, wie 
Jljr fie nicht beffer befomnteit fönnt.". 

Ser 9llte nahm eine» nach bem oitbern bom 
Sagen, muftertc fie nach allen Seiten unb faßte 
bann: „3a, bas ift roa» Süchtiges, beffer Jann 
ich fie nic^t betommen. SaS forbern Sie für 
bie Sabutig ?" 

„Senfelbeit ©reis, ben icf) fcf)on bor einiger 
3eit bon 3bncn forberte, 3brc Sochier Worin." 

„Ob fo, bift bu baS, Suta»," faßte erftaunt ber 
'tllte, ber ben Siebljaber feiner Sachter nici)t fo= 
gleich erfannte, fo beränbert mar feine ©rfcheU 
nuitß unb fein Scnebnien. 

„Unb bie haben Sie felbft ßemaebt ?" 

„3ebeS Stiid mit eißencr 6anb," faßte SufaS 
mit leudjtenben Singen. 

„ffomm, meiu3unge, eS foll mich nicht wuit» 
bem, wenn mir leicht banbclscinS mürben." 

211S fie in’» 6au» einßetreteit waren, fteefte 
ber Sitte ben ffopf burch bie halb offen ftehenbe 
ftüchentfjüre unb rief: „Waria, lomin mal rein." 
Unb Waria Jam herein mit einer ßrojsen Schürje 
umgürtet, binaiifgefchlagenen ©ermeln, an be= 
nen nodh Wehl hiaß, baS fie foeben fiebte. Sie 
beiben jungen Seute fahen einanber oerbuht an, 
aber ber Sllte machte ber ©etlegenfjeit fchnell ein 
(iiibe, inbem er faßte: „Waria, biefer junge 
Wann hat mir eine Sabung ffäffer jurn ©erfaitf 
Angeboten, gute, tüchtige Saare, bie er felbft 
gemacht hat. ®r forbert aber einen hohen ©reis, 
roenn bu willen» bift, benfelben ju bejahten, fo 
fdjliefee ben ^anbel ab, ich bin» jufrieben." 
Sprach'S unb ging. 

Safe fie ben ffauf iinberjiiglich abfdjloffen, ift 
laum nöthiß ju fagen, aber ba» berbient noch 
ermähnt ju werben, bafe ber junge Wann ein 
tüchtiger Strjt mürbe, aber an jebern 3ahre»tag 
feiner Ctochgeit bem Schwiegerbater aüerlei ffii= 
ferroaaren überreichte, bie er felbft gemacht hatte, 
unb ihm banfte, bafe er ihn ju einem Wanne 
gemacht unb jum heften SOBeib in ber Seit ber= 
holfeit habe. 

3ebe junge Same, um beren 6aab ein junger 
Wann anhält, füllte bor alleu Singen mit ©e= 
fiimmtheit roiffen, bafe er im totanbe ift, für 
einen fwuShalt baS ©ötljige ju befchaffen. Senn 
er biefeS nicht Jann, gebe fie ihm getroft ben 
fforb, unb gehe.lieber allein burch’S Sehen, als 
bafe fie einen Wann beiratbet, ber nur ihr Selb 
berjehrt, ober für ben fie Sofjnung, ffleiber, 
©rot unb Saba! berbienen mufe. Sie wähle 
iich lieber irgenb ein ffacb, in welchem fie nüfe= 
lieh fein Jann. 

Sann giebt eS mieber Wänner, welche gar 
leinen Segriff bon bem ju haben feheinen, wa» 
jum häuslichen Sehen gehört. Senn fie ba» 
6auS mit ben nöthigeit ©erätbfehaften berfehen, 
für bie ©erforgung ber Familie ©orJebrnngen 
getroffen haben, fo bringen fie bie Stunben, 


welche nicht ber Arbeit unb bem ©efdjäfte ge= 
wibmet finb, in ©erguügutigSlofalen, in ©efeü= 
fchaften u. bergl. m. jii, unb wenn fie bann 
nirgenbS mehr l)iit wiffen, fommen fie nach 
6aufe gum Gffen, Sriitfen unb Schlafen, wie 
ffoftgäitgcr. 

ffiir Unterhaltung im häuslichen greife, für 
bie taufenb ffleitiigfeitcn, bie baS Sehen erleid)» 
teru unb berfchönern unb ba» 6a u» ju einem 
wahren 6c>w machen, fcheiueit fie gar leinen 
Sinn ju haben. 

Sie Sorgen ber ffiubercrjicbung, bie Saften 
beS engeren 6a'U»balteS liegen mit ihrer gaujen 
Schwere auf ben Schultern ber ff rau. 

3 ft es ba ein Sunber, wenn ftatt 3uf rieben* 
heit unb ©liid bie biifteren Schatten beS Un» 
mutheS unb SebenSiiberbrufjeS fich über bem 
6auShalte lagern ? 

©her auch Diclo junge Samen, bie ben ©he» 
bnnb eingeben, befijjen burebauS nicht bie nöthi* 
gen ffäbigfeiten, ein geregeltes 6au5tocfen ju 
führen. 

Sie haben fich nie ffenutitiffe unb ©efchid* 
lichfeit in 6auSorheiten erworben, oou bereu 
richtiger ©eforgung bie Sohlfahrt unb ber 
ffriebe beS 6<wfeS in grofeem Wafee abhängt. 
Senn bie ffraii fein ©ffeit Jochen, lein geniefe* 
bares Srob baden, bie Säfche Weber ju wafdjen 
noch bügeln gelernt hat, wenn ihr bie 3»= 
bereitung ber Weltweiten, bie ©flege ber ff iuber 
gttwiber ift, unb ber Wann fiubet bei feiner 
6eimJet)r nach bollbrachter SageSarbcit fein 
dffeii bereitet unb feine 3rau es jiijurichteu, 
fonberu mufe gebulbig warten, bis fie bon ©i* 
fitenmachen unb ©alcuSiSflügen heiiufehrt, ift 
es ba ein Sunber, wenn ber Wann mifemuthig 
wirb, in ©efellfchaften unb in» SirthShau» 
geht ? 

Sie fdjlechtgefiibrteffiicbe, ber unfinnige 9luf= 
wanb, baS uufelofe UinhcrlaHfen ber ff rauen hat 
manche Wänner 311111 Srintt, 311 m Spiel, juitt 
Unterfchleif unb ©anferott getrieben 4111 b baS 
©lüd mancher ffamilie jerftört. 

.©in junger, fleißiger @efd)äft»mann fäm einft 
311 einem alten, erfahrenen ßapitalifien unb 
fpra^ ihn um ein Sarlehn an. Sem ©Iten fiel 
eS auf, bafe ber junge Wann fdwn in ©elbber= 
legenfeeit fein füllte, unb h'«B 'h'> beShalb in 
einigen Sagen mieberfommeit. 

^n ber 3 wifd)enjeit ging ber alte ^apitalift 
jeben Sag langfam bie enge ©affe hinunter, 
welche an, bem Sofjnplafe beS jungen ff auf= 
mannS bo’rbeifiihrte, unb hielt mit fcharfcin 
Slide Umfchau. ©ach abgelaufener ffrift fani 
ber junge Wann in ber ©rwartung baS ©elb in 
©mpfartg 3 U nehmen, aber ber Stlte fdjlug es 
ihm runb ab. Um bie Urfadjc befragt, antwor^ 
tete berfelbe: „3<h hätte 3hnen baS ©elb ge= 
liehen, wenn ich nicht hinter 3 htem 6 oufe fo 


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620 


Jleroijorker SdjriftfteUer. 


Diele Abfälle Don Vrot, gleifcß 3u<fer(|ebäd unb 
©eflügel gefunben hätte. ©o fo gehäuft Wirb, 
tonn ber Vanferott nicht Ausbleiben? 

Unb ber 9llte hatte richtig gefprochen. Die 
Äiicße, bie flechte Verwaltung bes $auSwefeitS 
nnirbe bie Urfacße beS VanferottS beS iungen 
WauneS, führte'ju unangenehmen häuslichen 
S jenen unb jur Sntfrembung ber ©cfiißle. Die 
junge grau war jmar gut gefiitnt, tü<ßtig ge« 
hübet, befaß aber (eine gäßigfeiten baS £auS= 
roefen 31 t führen. 

Durdß weife ©eiber wirb baS #auS erbaut, 
aber eine Wärrin jerbritßt eS, fagt ber weife 
Warnt. 3n bie £>anb beS ©eibeS ift es sunt 
größten Dßfil gelegt, bie Srbauerin ober 3er= 
ftörerin beS häuslichen ©liictcS ju fein, unb ein 
Wann tonn Weber glüdlicß noch reidh werben, 
wenn feine grau baS ©egentßeil will. ©enn 
ihr bie Sigenfdjaften abgehen, ba§ ©elb, mel« 
cbcS ber Wann enoirbt, jnfammenjußalten/bem 
£>ausroefen tüchtig borjufteßen, fo wirb baS 


immer eine Urfadje werben ju üblen ©efühlen, 
3 wiftigteiten uttb 3 ,eiwürfniffen. 

Sin tüchtiges 2Beib, baS feinen Veruf erfennt 
unb erfüllt. Derbreitet bureß fein ftillcS ©alten 
Sonneufcheiu im häuslichen $reiS unb ift bie 
träftigfte Stiiße unb ber größte Dteicbtßum beS 
WauneS. 

Die Wäbcßen aber, welche folcße grauen wer« 
ben, finbet man nicht auf Varabeu, Stillen, 
Däujdjen unbShäujcßen, Soupers unb geftioalS, 
fie fitib Vlumcn, bie meift im Verborgenen 
blühen unb gefueßt fein wollen. 

Sin herrliches gamitienbilb, wie eS feßöuer 
unb ibealer nicht gebacht werben tarnt, hat baS 
Shepaar ©arfielb ber Station Dor bie Singen 
gefteflt. 

Wodjte man ben füllen halber auf bem lau« 
gen Schmerjeitslager, bie aufopfernbe Wutter 
ober bie ftiuber betrachten, fo war nur Sintracßt, 
griebe, Hiebe, -Dreue bis jum 3;ob ju finbeti. 

Wöge es Segen ftiften unb nathgeaßmt toerben. 


* 


JUwqotlccr Sd)tift(ltlitt. 

(ftum 

So« ®. «Beller. 


„Ilmertfa, bieß Tonnt’ ich nie reeßt lieben. 

So praßlcnb fieß beiit Sternenbanner bläßt, 
Darunter meift ein Krämerrolf fieß breßt 
Um’s golb’ne Kalb, bem ITleimmou gaiij per« 
fcßriebeit. 

Der Urmalb faitf por feiner 2lejte Rieben, 
mit ftoljcn Stäbtcn marb bein Stranb befäet, 
Docß warb bie poefie erft meggemäßt 
Unb ßerjlos erft bes Urmalbs Soßit pertrieben." 

Sinb baS aueß uießt „golbene Slepfel in filber« 
nen Schalen," fo ift’S boeß feßneibige .ffritif in 
prächtigem ©emaitb. gft biefelbe berechtigt ? 
Weßr als mir gern jugefteßen. Uitfer Volt ift 
ju einfeitig pratiifcß, 311 feßr auf baS Wateriefle 
gerichtet, ginbet boeß erft feit bem Saßre 1844 
eitglifcße Hiteratur in bem StubienturfnS uufe« 
rer Sollegien ißren Vl«ß- £>at man aber bcS= 
halb unferm Volfe and) bie ßößere Vegabung, 
feßöpferifeße Vßuntafie abfpreeßen wollen, fo .ift 
bas eben baS Urtßeil ber Cberfläcßlicßteit unb 
Uuwiffenßeit. Diefelbeit Heute würben wohl 
auch einem Slriftotel unb Werntou fthöpferifeße 
Vßantafie abfpreeßen, unb boeß ßat erfterer ber« 
felbeit nid)t weniger als tpomer, festerer nießt 
weniger als Wilton befeffcit. DuS „Volt ber 
Srfinber" mag feine Äraft einfeitig auf ben Sr« 
werb gerichtet haben, aber bie J^raft ift ba. 


Ueberßaupt ift in ber Weujeit auch ber Vflege 
ber feßönett fünfte Dielmeßr Veachtnng gewib« 
ntet worben unb ©erot biirfte heute fein üor 
25 fahren gefälltes Urtßeil boeß fcßoit bebeuteitb 
mobifisiren. So gonj würbe bureß bie Srricß« 
tung „ftoljer Stäbte" boeß auch nicht „bie Vaefie 
ganj meggeunißt." Sin ftirjer Vefucß bei eini» 
gen ber älteren Wemporfer Scßriftftellern fort 
itnS bttDoit überzeugen. 

©oßl ber glänjenbfte unb geliebtefte 5tnnie in 
ber ameritanifeßen Literatur ift ber © a f ß i n g« 
ton 3 r D i n g S. Sin neuer 21uffcßmung biefer 
Literatur hängt faft unjertrennlicß mit biefem 
Warnen jufammen. 

grbing entftammt einer angefeßenen gantilie 
Wem ?)ortS. Dafclbft im gaßr 1783 geboren, 
fiißrte er ein fröhliches 3ugeublcben. Wur bis 
ju feinem fcdjSjeßnten 3aßre befueßte er bie 
Scßule. Der 3uriSprubenj, ber er fieß mibmetc, 
entfagte er halb, unb nadjbein baS ©efcßäft, in 
welchem er Dßeilßaber mar, faflirt hatte, wib« 
niete er fid) neben ber Diplomatie üöllig ber 
Scßriftftellerei. Sr ift gleicßmoßl betau nt als 
©efehießtsfeßreiber unb WoDeflift, unb in beibeti 
gächern wirb ihm bie Wcifterfcßoft allgemein 
jugeftauben. 26 3 aßrc alt publijirte er ein 
humoriftifcßeS ©erf, bem an föftlicßer Ver« 
wegenßeit tein anbereS in unfercr Literatur 


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jäetm)orfter 3d|riftfteller. 


621 


gleicht: „®ie ©efdjicbte Don 9tem ?)ort, Don 
liietricb ffnüferbocter." ®ie 3 i*lf<b*ibe feines 
©potteS itmrfii bie Sorfabren ber leiteitbeit Sa» 
ntilien 9te» $ortS, uitb biefe Familien mareit 
ftots auf ihre ftertunft. $)afs er fiel» bennoeb 
mtd) fernerhin in ber „befteit ©efedfebaft" feiner 
Saterftabt beroegen tonnte, batte er benfelbeit 
9litlageit 311 bauten, bie ih« fpater 311 m Siebling 
ber höheren ff reife (SitglaitbS, SrantreiibS, 
®eutfd)tanbS, Spaniens uub Italiens machten. 
Dtubere feiner SJerfe, Wie “ßip Vnn Winkle, 
Legend of Sleepy Hol low etc.” finb ad» 


bis 1851) am glimmet ameritanifeber Siteratur. 
SJobl in fitem Sfetfep geboren, ift boeb auch 
ßooper eigentlich fllemporter ©ebriftfteder. Sor 
ber Seeitbigung feiner ©tubien in $a(e ©odege 
trat er in beit 2)ieitft ber Ser. ©taaten=9Jtarine, 
uttb brachte bie niicbften fecbS Sabre in berfelben 
311 . ©eine erfte fllooede erfcbieit im Sabre 1821 
unb noch in bemfelbeit Sab« eine sroeite, “Tlie 
Spy” (®er ©pioit), mobureb fein 9t nf begrüubet 
mar. 9lacb bei« (jrfdjeinen uou -‘ßed Höver” 
in 1827 mürben feine SJerte nicht nur öon fei» 
neu SanbSteuten frob begrüßt, fonbern auch in 



SBaf^ington ^rtoing* fianbfi*. 


befannt. SlS@efcbicbtSfcbreiber unb Siograpbift 
bleibt SrbingS Same unsettrenulicb mit beut 
(Sntbecter SmeritaS uub bem Sater ber Sepubtit 
bereint. SErifft ib« auch mit 9tect)t ber Sorrourf, 
baß ber Siebter 31 t t)ie( beit £>iftoriter öerbetft, 
mertbootl unb geliebt bleibt er botf). Scott, 
Kiefens unb aüstditbifcbe fUteifter überhaupt 
roiirbigten ihn ihrer marinen ^reuubfcbaft. ©e» 
miß ein SJint für manche ©eifter brei 3 eb«ten 
ÜtaugeS, bie nur naferüntpfenb anteritanifeber 
Siteratur gebeuten föniten. 

Sit faunt minberent ©tanse als ber Same 
SroingS ftrablt ber ooit S- S- Looper (1789 


faft ade ©pracben ©uropaS überlebt. S« eS 
fcbieit 311 einer 3 eib baß ficb GooperS fRubnt fo 
meit erftrette, als ber anterifauifrfje ^attbcl. 
Daheim mtb im SuStanb tbeilten GooperS SJerte 
bie Sufmerffanifeit beS fßubtifuinS mit beit 
“Wnverly Novols”. 3u bettagen ift nur, baß 
biefer Steiftet ber flioDediftif nicht beffer oerftaub 
mit feinen ffräfteit b«uS 3 iibalten. Stau möchte 
feines Sühnte» halber miinfeben, baf, er eilt 
drittel feiner 34 Siinbe iintfnffcitbeti SJerte nie 
gcfcbriebeit unb bie übrigen auf ein $>rittbeil 
ihres Umfanges befebräntt hätte. Stber 001 t bie» 
feilt Sehl« 1 ' ber Uebcrprobuttion abgefeben, ift 


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622 


|lenM)orluE ädjriftftrUrr. 




3. ftentmore Goo^r. 

er ben gröfdcn (Srgöblern ebenbürtig, $eitt ge* 
ringere§ literarifebe» Tribunal a(§ *‘The Edin¬ 
burgh Review” fat^t: „Sa§ 9 fcid^ 
ber See ift ßooper gugeftanben bei 
9Ift(amntion unb in ber ein tarnen 
SÖilbniß ober ber unbetretenen 
Prärie; unter ben milbett 3 nbia= 
nerit ober faurn mehr gtoilifirten 
9lnftebfern ift feine Weifterfdjaft 
unbeftritten anerfannt. Sollten 
loir einige ©^arafter^üge berOor* 
beben, bie ben befferen (Sooperfdjett 
(Srgäblungen bleibenbeit 9teig Der* 
leibeit, jo märe gunädbjt gtt fagen, 
bajg biefelben intenfio amerifanifcf) 
fittb unb gmar in ©eift, öanblung 
uitb Scetierie, unb bod) haben fie 
etma§, ba§ ginn allgemeinen Wen* 
febenbergen fpridjt. Sann ift ßoo* 
per entfebieben ber naiue Siebter. 

©r pflegt gleich SQoobmortf) ittiti* 
gen Umgang mit ber 9tatur, mtb 
einen treuen Solmetfcber bat fie 
au ibtn gefunben. ^ief)t aber 
SBoobmortb in ber Diatur bie 
gottoerorbnete Speife für ben 
benfenben ©eift, (Sooper finbet 
in ibr bie Begeisterung ginn 
ßattbeln. 


So fiibrt er auch feine 
©bnrattere ein. 600 * 
pery äßätbcrn unb auf 
feinen Herberten finben 
teilte SEÖertber, ^ainlet, 
9 tene ober 6 ()ilb $arolbe 
9ta um. Ser tbätige 
Wann, ber Warnt in 
ungebrochener Äraft rin* 
genb mit ben feinb* 
lieben SWcidjten be§ 2 e* 
beit§ — ba§ ift (Sooper£ 
8 ?elb. 

(Sin Wmporfer Sour* 
nalift, in beffen £>au§ 
nebft anberen Autoren 
and) (Sooper ber oft ge* 
fef)ene ©aft mar, unb 
ber auch einige Bänbe 
©ebidbte publigirte, mar 
S a tu u e l 938 0 0 b * 
m 0 r t b/ geboren 1795, 
geftorben 1842. 

Ser SRubm biefe§ ebe* 
len Wannet beruht gtt* 
ineift auf feinem präd)= 
tigeit ©ebid)t, betitelt: 
„Ser alte, eichene 
(S i tn e r." 

J 8 ir moHen folgenben SBerfucb einer Ueber* 
fepung beifügen: 


Samuel ©oobtoortlj. 


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jitrotjorkrt SdjrtflfWltr. 


623 



Pfr alt* 

Jlfte licblid? bie Silber aus finblidjen (Tagen, 
IDenn füge (Erinnerung fic 3aubcrt mir rer. 

Der (Sarten, bie iDiefe uub Bäume, bie ragen 
So ftol3 aus ber Scblingpflan3cn*!Dilbmj$ empor. 
Der plätfdjernbc (Teich uub baueben bie ITTühle; 

Die Briicfe, auf ber man 311m IDaffcrfall ging; 

Das Elternhaus in feiner fd>attigcu Kühle; 

Der «Eimer felbft, ber bort am Brunnen ftete hing— 
Der eichene (Eimer, ber befdplagcnc (Eimer, 

Der moofigc (Eimer, ber am Brunnen bort fying. 


€ltttf V. 

IDotjI mod?t ich beu moofigen (Eimer fyod? fd?ät$en; 
Denn oft am mittag, men 11 ich beimfam porn (Jelb, 
IQarb er mir 3ur (Quelle pou fiificm (Ergäben, 

Kein reineres unb fügercs bietet bie IQcIt. 

IPie griff ich ihn baflig mit glü^cnben bäuben, 
3 ct$t fanf er, unb bruuten 30g Hing (ich um Hing; 
Dody halb iiberflicjßcnb pon lebenben Spenbcu 
Uub triefenb ron Kühlung am Haube er tjing — 
Der eichene Eimer, befd^lagcue Eimer, 

Der moofigc (Eimer am Brunncuraub hing. 


IDic Pöftlicb brang’s bocb an bie fdmiacbtcnbcu Sippen 
Dom moofigen Haube! IDie bats mich gelebt. 

Kein Kcldj, ans bem buftigen Heftar fie nippen, 

Ejätt’ je mir ben perlenben (Quelltranf erfetjt. 

Unb nun, fern ber Kinbtjeit fo traulichen Scenen, 

IDo id> mich fo fröhlichen ^er3cns erging, 

Umflorcu mein Huge mehmütbige (Ebräncu, 

3 d? fcuf3’ nad? bem (Eimer, ber am Bruuncnranb b;ing — 
Dem eichenen Eimer, bcfchlageueii (Eimer, 

Dem moofigen (Eimer, ber um Brunncuraub hing. 


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624 


§fttrjin. 


IQ P a x j i n. Bl 

J i Soit ®. SBelfj, ftebaftenr St# (Soangrlij} in ötrli 

r (\sJL ars ' n ‘P nur e ’ n N c ’ ne3 $orflein in fdljeint eS, burd) feint 
] w/9* £>interpoinmern Don hödhftenS 600 ^inbert. Har in all bat 

I pK Seelen, rneift aus tagelöhnern ber eitergifch feine ©tim 

| (j ©utsljerrfdhaft befteljenb, borf) ift ©egen ben Stijjbraui 

; 1 fein Same weithin befannt, benn in ber gtoar entfliehen auft 
I ^Stille beSSarginerSdhloffeS finbbeS$ang* geneigten ©ärtner lui 
I ; lerS große ißläne gereift, weiche baS gattge an. „See, ©rcelleng, 

* Ä Seid) in Seroegung gefegt Haben. Sott hier feiste ber ©ärtner, „ 

i auS reifte fjürft SiSmarcf am 12.3uli 1870 werbe Sie gmiit 
nach Sab ©ins ju fiaifcr SSilhelm, als bie moal feih’n!" ter d 
frangöfifche fhiegSerflärung in ber ffuft leinen tropfen mehr, 
fchwebte. ta mir in ©dljiame eine Ser« taS mar eine gute J 

fammlung in einem SriüathauS Hielten unb 1867 ift Sargin beS 

11 oon biet aus nur wenige ©tunbeit noch Don laufte es Don $errn 2 
Sargin entfernt toar<;n, fo gelüftete eS uns, ter ben fianbleuten gel 
bie freien tageSftunben gu einem SuSflug ein ftarfer ©pieler roa 
bortbin gu benujjen. Son Selgarb füfjrt bie an ben dürften Derlor 
Sahn über ÄöSlitt an Sargin Dorbei. 9luf 3n erfter 3eit wäre 
Station £mmmermüfjle mußt bu, lieber Sefer, gufrieben mit biefetn 
wenn bu einmal bie Seife ntacl)en roillft, auS« $rau Don Slumentlja 
fteigen, unb bann noch 2 englifdhe Steilen geben, tarne mar, gar lieb g 
ta ber 3«fl nur groeimal täglich bovt anbält, fefjaft aber führte eir 
fo werben SiSntarclS Sriefe in einer großen Serirrt fich eiuft ber ? 
Stappe währenb ber fjahrt hiuauSgeworfen, unb im Anfang feines bot 
in einem eigens bagu fonftruirten Apparat auf« foinnit an ein eingeln 
gefangen, ta es nicht gut ift, ficb einer foldjen tert foebeit ein altes 
Srogebur gu uitterroerfen, fo gogen wir Dor, ter 3frembe fragt fie 
fchon in 3oIlbrücf auSgufteigen. Sou hier „&e fnnn Warten, bit 
aus führt bicb ein lieblicher 2Beg in 2 ©tunbeit fertig bin." — „Sann 
burch ben tanneumalö nach beinern 3 ie l. unb gute SBorte?" bat 

Segierig fchautcit nufere Singen aus nach bein (Unter Uinftänben lau 
St i r ch t h u r in, ter in ber Segel am erfleit Don fein als ein ffiirft, na 
2Bcitem fiel) fehen läßt. Statt beffen erblicfteit ©rfahrungSfachen hon 
mir einen hohen ©chornftein unb ließen uns be= bem öiinmel fchon b 
lehren, baß Sargin leine Kirche hot, fon« alte Stutter ift fchon 
bem gu bem 2 englifdhe Steilen entfernten flirdh« Stänner gemorben!) ' 
fpiel Söuffom gehört, wohl aber eine große gu unb begleitet ben £)et 
beS dürften ©ut gehörige Sranntmei n« er nimmt biefe gute 1 
brennerei, in welker täglich 600 Siter @pi« gen, maS inan oon bei 
rituS probugirt tuerben. — „t e olle St n i cf 

„Spiritus aber," fügten mir, „ift Doch fein (lagt jejst, mie fie fr 
Sranntmein." ta lächelte mtfer Sanbmann holen bürfen unb jetj 
unb meinte, „ben Schnaps, ben machen mir uuS alte \ierrfchaft gegen? 
felbft, mir fdjütten Sktffer bagu, unb Stauche meint bie alte $rau 
hinten ben ©pirituS unDerbünnt." fommen molle, „op t 

Solche Srennereieit fiitbct man auf jebem fammt ihren Sachen 
größeren ©ut. Sie fiitb ber fjluch beS SanbeS, ter fjfrembc mußte jej 
beun baS Sraniitroeintrintcn ift gu einer mah» uerabfihiebete fidi). — , 
reu Scft hier gemorben, uitb bie Stacht ber ©e« bu gegangen bift," fra 
mohnheit unb beS SorurtheilS ift |‘o ftarf, baß geljenbe bie gute, ehr 
bie Seilte fidh feft eiubilben, ber arme Staun neue £>err." — C, toel 
löiiue, meint er auf bem fumpfigeit Stoorboben anbereS als eine Sorlc 
arbeite, ohne Schnaps nicht leben. Selbft mir ft erroartete fie jept nr 
Sisnntrcf, ber große Staatsmann, mirb, fo Ghrenfranlung. teil 


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^arjin. 


625 


hieltet mit einem reich belabenen SBagen öott 
BebenSmittel öor ihrer Shür mit einem ©rufe 
Bon bem „ollen Slnidter". 

Sie Sanbleute erjähtten unS, bafe ber f^ürft 
[ich oft mit ihnen unterhalte unb auf plattbeutfch 
gar gemütlich fei. Gr, ber £>etr, fei fcfeon recht, 
aber man habe ju Diele aitbere Herren; erft 
fornine ber ©utsoerwalter, bann ber Dberförfter, 
bann ber Qförfter, bann erft bie $jerrf<haft, baS 
fei fiit beit Dierteit Stanb gar fchioer. 

Sin einem weiteren 3>'fl ertennen toir Bis» 
nurcfS Seutfeligfeit. Sluf bie ißoft roartenb, fafe 
berfelbe einft auf einer S3ant oor bem Station*» 
gebaube ju SCfjfawe. SBenn bie Bürger biefer 
Stabt etwas Steuer fehen wollen, fo gehen fie, 
ba in ihrem StäbtChen fich nicht Diel ereignet, 
manchmal jum 3 «itDertreib hinauf an bie Sahn, 
um bie ooriiberfohrenbett Baffagiere 311 inuftern. 
BefoitberS ftart in biefem Stiicf mar ein eljr= 
famer SChuhmachernieifter. Ser ftellte fich oor 
bem ftattlicfeen frembeit £>errn hin unb muftcrte 
ihn Bon $opf bis 311 3?ufe. Gnblict) lafet er fid) 
behutfam am anbereit Gilbe ber Bant nieber, 
faßt fich ein £>erj unb fragt: „Sie tommen wohl 
Don SBcrliu ?" — „So ift’S, wer finb »ie?" — 
„3ch bin ber 3d)uhmachermeifter X. üon hier, 
unb mit wem habe ich bie Gljre?" 

„34 bin auch Scfeufter." (Ser 9teiCh§fanjler 
hat ja namentlich im 9teicf)Stag ©elegenheit bcn 
Herren etwa* am 3 eng 511 flicfen.) 

„odjufter, ei was Sie fügen, ba haben Sic 
wohl grofee ihtnbfcfeaft in Berlin ?" 

„ 3 $ baute, es geht fo." — 

3 it biefem Slugeublicf taut ein Softbeamter in 
Dotier Uniform unb melbete ehrerbietigft bem 
fremben &errn: „G reellenj, bie Grtnipoft ift 
bereit." — 

Sa ftanb auCh fChon ber SBagen. Ser SChufter 
wollte fich entfChulbigen, 3?iirft BiSmarc! aber 
Hopfte ihm freunblicfe auf bie Schulter unb 
fpradj: „SBenn Sie einmal nacht 'Berlin tont» 
men, befucheit Sie mich in meiner SBertftatt, 
2BilhelmftrafeeJ7<3. Sluf ÜBieber|ehei 1 1" 
BiSmardfS Schlofe ift fefjr einfach boii Slufeen, 
unb taufenbe uoit Äaufleuten wohnen in Khane* 
reit Sünbbäuferit wie er. Gin einfaches ÜBobn» 
hauS mit Baiton unb Serraffe unb jmei langen 
Bauernhäufern als Seitenflügel unb einem tlei» 
nen £>auS als ^jnnterbau — baS ift Stiles. Soch 
Dor bem Schloß breitet fich ein lieblicher Bart 
aus mit reijeitben See’it, ber aber bei beS fjiir» 
ften Slnmefenheit für fjrembe unzugänglich ift. 
SieS 3afer eittfchlofe fiel) berfelbe auf Slnrathen 
feines Siebtes, ben geräufchootlen Slufeuthalt im 
Babe ^iffiugen 311 ineibcn, unb er foll toieber« 
holt ju feiner Umgebung geäufeert ijab.en, wie 
gut ihm biefer Statt) betoünnt. Soch auch hier 
arbeitet ber fReicfeSfaitälrr gewaltig. SBenn er 
um 10 Uhr BtorgenS feinen Stunbgang burch 


1 ben Bart in Begleitung beS DberförfterS 2Beft« 
l phal beenbet hat, fo geht es an bie Slrbeit, benn 
| täglich trifft jmeimal eine grofee oerfiegelte Stoppe 
I mit Slttenftiicfen unb Briefen für ihn ein, unb 
ber Selegraph ift in fteter Shätigfeit. Gin 
1 Gorrefponbent ber „2Biener Jreic Brefje" fchrieb 
einft: „Bolitifche ©efpräChe jmifchen Berlin unb 
[ Barsiit gehen oor fich, währenb etwa auf beS 
Utanjlers Sifch ber ©ärtitcr perfchicbene 3 wiebel« 
tnollen auSgebreitet hat, pon benen bie Sorte 
auSgefudjt werben foll, bie fich für ben ©eniiife» 
garten am Beftett eignet. Ober ber Baumeifter 
Buctmanu aus Berlin entwicfelt gerabe feinen 
Blan, wie am heften ber Slubau nach ber Bart» 
feite auSjuführeit ift, ba unterbricht ihn Bis« 
marcf mit ben SBorten: „Ginen SlugenbliCE, ich 
will nur in ber fpanifCfeen Sache Befdjeib geben." 

Sn BiSmarc! um fein fleitieS SReiCb ebeitfo be= 
forgt ift, wie um baS grofee beutfehe 9tcich, fo 
möchte er gern alle bie innerhalb feines BefifeeS 
liegenben Bauerngüter an fich bringen. 2Bir 
fragten einen Bauer, was er benn mähen würbe, 
wenn BiSinarcf ihm fein ©ut abtaufen wollte. 
„2BaS tarnt er machen," ermiberte er, „wenn ich 
nicht will." — So tarn ber giirft auch eines 
BtorgenS im grünen iRocf unb Sd)lappbut 311 
einem Bauern in ben Stall unb fragte ihn, ob 
ihm fein ©ut benn noch nicht feil fei. Ser 
Bauer, ber fich als f r e i e,r Stann beni dürften 
ebenbürtig fühlt, fährt fort fein Biel) 31 t füttern 
unb brummt laut oor fi<h hin: „Se olle fteerl 
iS recht gierig!" „Bidjt gelbgierig," erwibert 
fein hoher Bachbar, „aber länbergierig." 
GS ift erfreulich, bafe unfer grofeer Staatsmann 
biefe „©ier" auch in ben rechten Schranten 311 
halten weife. 

Sehr fcfeöu fagt Sl. Pon £>umbolbt in feinem 
.(JoStnoS: „SBenn bei einem Staatsmann, in 
einem oiel bewegten. Diel befCfjäftigten Beben, in 
einem burefe politifche Beibeitfcfeaften aufgeregten 
©etniith lebenbigeS Baturgefüljl unb Siebe 31 a 
lättblicheit Ginfamteit fich erhalten, fo liegt bie 
Quelle baooit in ben Siefen eines grofeen unb 
eblen GharatterS." — Siefe SBorte (offen fich 
ficher auch auf ben grofeen .Halbier anwenben. 
Gr mag feine grofeen Schatten haben, wie alle 
hohen Bäume, wir lieben unb fchäfeen ihn ben» 
noch, ©ott fegne unb erhalte ihn uns noch lange. 
Selten, wie bie grofee Sinbe oor Barsin, bie 
40 Aiife weii ihre Slefte ausbreitet, finb folef)e 
Bäume in ©otteS grofeem BeidjSgarten. Bur 
ben Schatten, welchen ber hohe Scfeornftein ber 
1 Brennerei auf ihn wirft, möchten wir gern ent» 

! feint fehen. Gr tönnte ihn noch quälen auf bem 
I Sterbebette, er tönnte ihm bie Gmigteit per» 

! bitter», wenn all baS Glenb armer Säufer, all 
i bie Shräneit mifehanbelter SBeiber, all baS SBeh, 

I baS über bie armen ftiitber burch ben Bräunt« 
I wein toinmt uttb Don B°mnternS Brennereien 


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«26 


JUnerihanifd). 


au§ fich in’3 Sanb ergiefit, fid) bor ihm anflagenb 
erbeben. SBürbe ber Seich*fangler einmal gegen 
©ranntmciit gu gelbe giefjen, melier noch 
mächtiger im 3evftöreit ift, al» ber Seid)3fanglcr 
im ©aueit, mürbe er einmal auf bem eigenen 
©ut ba§ Signal gum JJarnpf geben burd) 3er* 


ftörung biefer Seufeleburg unb ßrbauu 
©otteslmufeS — noch einmal fo tljeuei 
berfelbe beit ßTriften Seutfcf)Ianb3 ur 
rebiieh gefilmten ©fäititern merbeit, i 
b u it fl e g l e cf unter beit Dielen Orber 
feine ©ruft fchntüden, mürbe uerfdjminb 


•ö»- 



o o e m ber. 


fo biftbu mieber ba, 
grauer Sobember! 
Sd)ön bift bu 
nicht aber lieb 
habe id) bid) 
bod). Summt* 
h berliner ©efetl, 
bem heute ber 
Stegen aus bem 
fturm gekauften 
©arte trieft 
unb morgen ber 
filberne Seif 
auf bent <Sd)ei= 
tel glängt, mie 
haft bu ©arten 
unb gelb 
unb 3L*alb 
gugeridjtet! 
3mifdjeit So* 
fett* unb 
min = ©üfcheit, 
gmifchen Sftern 
unb ©eorgineit 
haftbu gehäuft, 
als menn bu 
ber böfe geinb 
märeft. 3lber 
ich tüeife, bu bift 
nicht böfe; bu 
forgft für uns 
mütterlich. Su fammelft bie, bie einaitber lieb 
haben, im traulichen £)aufe. Sit gtinbeft ihnen 
baS geiter im Ofen an uttb bie ftifle fiantpe; bu 
reichft ihnen au§ ber Äammer ben ©Mnterrod, 


ber bort bergeffen ben Sommer berfchla 
©fit beinern mettermilben Mgeficht un' 
treuen 3lugen fdjauft bu uit§ an unb fr 
mir and) ber ©ielen gebenfeit, bie feinen ! 
rod haben unb fein geuer im Ofen, unb 
ihren ßiitbern barbeit frieren. 34 bc 
baß bu un£ an fie tnahnft unb trage bei 
nett mciter al£ eine Sobember = $rebi( 
lieben gretntbe, fie gilt un§ Men. 31 
nur menig hat, hat bod) taufenbmal nu 
er berbient, unb Unbantbarfeit gegen © 
ma£ man bon 3hm empfangen f}at, nur 
gu behalten. „2Öer gmei Sode hat, gel 
ber feinen hat." „©rieh bem £nmgrig 
©rob, unb bie, fo im Glenb finb, fül 
£)au6!" /# 3LBcr fid) be$ Stuten erbarm 
©ott." Jöenit berSobenibermiitb brauße 
bie Straßen fegt unb an unfern genftc 
telt, miihrenb e£ brittnen bei un§ lid)t un 
ift, bann laftt uit§ ber 3lrmen gebenfeit! 
ba§ pfeifen bc£ 3Binbe$ unb bie bunflen 
nebel tönen bon fern her helle ©lodet 
Sie berfiinben 3(bbent unb ba» naheubc 
nachten, ©elobt fei ©oit, bafe e£ int #n 
©Unter einen grühling aiebt unb mit 
©lätterfaü eine emige HoffnungV 

2 lbrent, Sbrent, bu Ittorgenftern, 

2 ltn ^origont emporgetreten, 

2 lbocnt, Sboent, Prophet bcs Ejcrrn 
ITTit ^riebenspalm’ unb Siegstrommctet 
Pein Stritt Flingt burd? bie ßiminel toi 
It>ic lerchenlieb unb ^rühliugston; 

© fing’ and? mir bas £ieb ber lieber, 
Pas hohe £icb oon (Sottesfohnl 


Huurikanifd). 

4t on einem 3lmerifaiter hörte id) jiingft, ber 1 ginn Sprechen, fei e§ nun Segppten, ö 
W in Seutfchlanb an ber mohlbefeßten Safel 1 Sabafmoitopol ober bie 3 D “C!nfc 9 lufifra< 
* feine» ©efd)äft*freunbe» faß. 3tud) attbere I gar berfchicben finb bie Mfidjten barübe 
©iifte mareit crfchicnen, unb lebhaft fprachen | Unten am Sifchc fafc ein junger ©Ja 
alle burcheinanber. ©iebt e3 hoch auch biel Stoff i fich nicht am ©efpräch betheiligte. ©8 


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«ott forgrt. 


627 


Primaner, ber jroeintal wöchentlich einen 7yrct= 
tifdf bei bem woblbabenben ©auSbcrrn fintte, 
imb ber wohl mußte, baß er fiep in ©efellfchoft 
älterer Seute fdpoeigeub ju berbalten bube. 

91ußerbem mar er traurig unb genoß fo fpcir» 
(id) bon ben guten ©peifeit, baß eS bem jünge» 
ren ©ohne beS ©aufeS, einem jwölfjäbrigen 
jfnaben, welcher bei ibm fob, auffiel. (Sr 
jupfte feinen ftiflen Utadjbar am lerntet. 

„2öaS fehlt bir, 2öifli?" fragte er. ,,©aft bu 
Serbruß in ber ß lüfte gehabt, baß bu nicht 
effen magft?" 

Oer anbere fdjüttelte ben ,Qopf. „OaS nicht," 
ermieberte er leife, „aber ich habe beute fo biel 
(Sleitb gefeben, baß mir ber Appetit barüber 
bergangen ift." 

,]2Bo benn?" forfcbte ber ßnabe, unb ber 5ßri* 
maner erjäblte halblaut eine trübfelige ®e= 
fchichte. 3n bemfelben ©interbaufe, mo er 
mobnte, lebte ein ©bepaar mit fünf ßinbcrn. 
Oie Seute batten fiep gut unb ehrlich burdjge» 
fdjlagen, bis ber Wann — er mar csdfteferbectcr 
— bur<b einen Sturj bom Oad)c beibe Seine 
gebrochen batte unb erwerbsunfähig gcmorben 
mar. 3uerft batte bie grau mutlftg ben fdjrne» 
ren Schlag getragen unb tapfer meiter gcarbcw 
tet; jcßt lag fie am lieber elenb barniebcr, unb 
großer Jammer mar in bie einft fo glütflicpe 
fjamilie eingeteprt, benn bie .Qiuber fchrieen 
nach Stob, unb bie beiben bülflofen ©Item 
tonnten nid)t$ tbun, als mit ihnen hungern. 

911s ber junge Wann feine traurige ©rjäb* 
lung beenbete, fcpwirrte es um ihn herum bon 
luftigen ©efprächen. Oie Herren mären burdh 
ben guten Sßein febr beiter gemorbcn, unb 9tie= 
manb bon ihnen tonnte auf baS leife ©efpräch 
unten am Oifdje geachtet haben. 9tur ber 
frembe ©oft, ber 9lmeritaner, faß fcbmeigenb in 
feinen ©tubl jurütfgelebnt. (Sr mußte febr 
feine Obren haben, benn plößlicb menbete er fich 
über ben Oifcb ju bem ©dpiler. 

„©rjählen Sie bie ©efcbidjte, melche Sie bem 
Qnabeit foebeit mittbeilten, uns allen bocf> noch 
einmal, junger Wann!" rief er in feinem fremb= 
artigen Oeutfcb. unb eine iiberrafebte Stille ent- 
ftanb in ber Oifchgefcflfcbaft. 91lle 9lugcn wen* 
beten fich bem buntetroth gemorbeiteit Primaner 
ju, beffeit erfter SBmtfcb mar, in feinem ftiflen, 
einfamen 3"nmerd)eu unb nicht hier ju fißen. 

91ber ba half feine Serlegcnbeit: bie grau« 
blauen 9tugcit beS 9lmerifanerS hafteten fo 
burdjbringntb auf feinem ©efidjt, baß er mof)l 
ober übel feine (Srjiibluug noch einmal beginnen 
mußte. 3uerft fprach er mit gebampfter 
Stimme, halb aber bergaß er über betn Glenb, 
baS et fdjitberte, feine Umgebung unb fprach 
laut unb fließenb. Schmeigenb börle man ihm 
ju, unb als er geenbet, hieß eS: „2öie traurig! 
SBie bebauernsroertb fiub boep bie armen Seute! 


9ldj, mic Diel Unglüd giebt eS auf ber ffielt!" 
Unb naepbem man fo gemiffermaßen feine Sd)uU 
bigfeit getban, fprach man mieber bon anbern 
Oingen. Oer 9lmerifaner aber ftanb auf unb 
fchlug au fein ©las. 

„3cb bebaute bie arme Familie mit hunbert 
Wart!" fagte er, fünf ©olbftüde auf einen flei* 
nen Oeller (egenb. „Wit roie biel bebauern Sie 
bie Seute?" manbte er fich an feinen 9ßirtp. 
Oiefer legte fcbmeigenb eben fo biel bor fich bin, 
unb bann fragte ber 91merifaner meiter um ben 
Sifd) herum, unb fiepe, jeber ©aft „bebauerte" 
bie armen Unglücflicben nicht nur mit Sßorten, 
ionbern attd) mit 2baten, unb nach wenig 
91ugenbticten überreichte ber 9Imerifaner nnferm 
jungen ^reuube eine Summe, Welche bie 3u» 
•tunft ber Schieferbedcrfamilie ficherftcllte. 

Sei biefer ©efdjichte giebt’S mancherlei ju 
lernen. (SrftenS, baß man wohl tbun tonn, 
wenn man felbft auch blutarm ift, unb bann, 
baß wir alle, wir mögen nun reich »ber arm 
fein, uns ein Scifpiel an bem 9lmerifaner unb 
feinem „Schauern" nehmen follen. 9lm heften 
ift’S, wenig ©orte über baS Unglüd anberer ju 
machen, unb nur eifrig nacpjubenten, wie man 
helfen tann. Oaß man nicht reich ju fein 
braucht, um ju helfen, pat Wohl jeber bon uns 
fd)oit einmal erfahren, aber eine (Srfaprung 
füllte uns nicht genügen, bielmehr wollen wir 
ftreben, ihrer mehrere ju fammeln. OaS ift 
ein bantbar’ ©efcfjäft — glaub’ eS mir, lieber 
Sefer! (fJtacpbar.) 

--- •- 

töottjorgft 

f lS ich bie ©cfd)i<hte: „©orget nicht!" im 
Ottoberbeft uufercS ©auS unb ©erb laS, 
tarn mir ber ©ebante, ben Sefern eine 
furje ©efchichte ju erjüplen, welche fich erft tiirj* 
lieh in unferer Stabt jugetragen bat. 

tßaftor ©., welcher ein befonbereS ©laubenS« 
unb ©ebetsleben führt, erföchte jwei Srüber, 
bie fid) täglich jurn gemeiitfamen ©ebet bereinig», 
ten, fie möchten fich mit ihm bor ©ott im ©ebet 
beugen wegen einer Sache, bie ihm febr am 
©erjen liege, unb über welche er Sicht unb ©ülfe 
bon ©ott hebürfe. Oie ©cneraUSerfammluitg 
feiner jfirdje werbe halb in 91. tagen; jur Se* 
ftreitung ber nötigen fReifctoften brauche er 
roenigftenS 75 OotlarS. (Sr habe bis jeßt noch 
feinen Gent für biefeit 3wed jur Verfügung, 
außer 75 OotlarS, welche ihm ein notorifefy 
fdilecßter ©cbulbenbejablcr fchulbe! Wid) jener 
©ebetsoerfammlung ging Saftor ©. ju feinem 
©chulbuer Or. X. linb erhielt bon ihm baS 
Serfpredjen jur beftimmten 3eit 25 OoüarS an 
feiner ©chulb abtragen ju wollen. 2Bo follten 


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628 


(fljrtßlidje Jlnekboten. 


aber bie übrigen 50 Dollar berfomtnen? Ser 
leßtc Saft Por bev leftimmten 9lbreife fntti, aber 
trieber Sr. X. batte feine 25 Sollarg gebracht, 
noch mar ein 2 öeii affen, auf Weldjcnt bie übri* 
flen 25 Sollarg batten foiitmeit tonnen. Wit 
©ebet unb ©enfjeu 311111 £>crru fangt 33r. p. 
an feinen «0 off er 3111 - 9lbreife 311 baden, Wäb'- 
renb feine 3 ran mit etwas Wißtraueit iin Iper» 
3 en t(>m ftaitbreichuug tfjut nnb bie groge auf* 
Wirft, u>o ba3 Dteifcgelb bcrtonuften foll? — 
toeifel bemächtigten fid) beS Verseng unteres 
ruber» unb beit halb gepatftcu Koffer fteben 
laffenb, gebt er in fein „Kämmerlein" unb 
fommt mit ber froben 3 uberficbt, baß ber £ierr 
fibon helfen werbe, 3 U feinem 9?eifefoffer suriid, 
um feine Vorbereitung 3111 - Steife 31 t 
Polleuben. Saun gebt er in beit ©arten mit 
ber 33emerfuttg 31 t feiner nod) cttoaS smeifeluben 
grau: „3icb will bir etliche Kartoffeln atiSqra» 
ben, unb bu foüft leben, baß ber £)err fdjon 
helfen wirb!" 2 öäl)renb er nun fo befdßiftigt 
ift, fommt feine grau 311 ibm in ben ©arten 
unb überreicht ibm einen Söricf, faqeub: „®iit 
Wann, ben id) nicht fannte, mar foebeu hier 
unb frug nach bir; als icb ihm faßte, bu feift 
im ©arten unb ob icb bid) rufen follte, iiber= 
reifte er mir biefcit 93rief mit ber 33itte, ihn 
bir 311 übergeben." 3 «» IpanS suriirfgefebrt, 
mar ber grembe itirgeubS mehr 311 feben, aber 
im ©rief fanb ber Vruber unb feine erftaunte 
©b^bälfte nicht»! — als nur eine 50 Sollen» 
note. 9lu<h Sr. X. fanb ficb, gegen feine © e= 
mobnbeit, noch ant felben Siacbmittag ein, 
um menigftenS biefeS mal fein 9Üort 311 halten. 
Sbriineit be» SanfeS gegen ©ott entquollen ben 
Singen ber ©efdjmifter unb ber uäcbfte 2ag fab 
einen Voffagier mehr auf beut 3«g» ottf feiner 
Steife, roie mir Wetbobiften cg nennen mürben: 
3 ur ©etteraUSonferens in 91. 

2 e{ag. 5R. 58. 


€l)itfUid)e Jluekbotiit. 


SSor einiger 3eit, fo ersä^lte bor 3 mei 3ab= 
ren ber 33ote aug ber VT 0 I 3 . lam ein VauerS» 
manu iit eine 9(potbefe unfereg SatibeS, um für 
feine fronte fjrau 9 lr 3 nei 31 t holen. 3 it ber 
©tabt,bort berrfdjt fchoit lange frecher Uit» 
glaube, unb auch bie einfadjfte ©otteSfurcbt 
roirb bort — mie ja an manchem Orte noch — 
VietiSmuS unb 3efuiti3nui3 geheißen. Stuf 
bie (vrage beg 9lpotbefer3: „Stint, mie gebtg 
(iurer fffrau?" antwortete ber 93auer: „63 gebt 
etwas beffer, unb ich hoffe, baß fies, wenn ber 
tperr hilft, burebmaebt." „2Sa3?" fugt ber 
Slpotbefer, „feib 3b* oud) noch einfältig? Ser 


Softor'muß helfen! 2£enn Soffor ur 
tljefer nicht helfen, fo hilft fein. ©ott. 
Sßauer fchweigt; ber 9lpotbefer aber ber 
9 lr 3 nei. 9US fie fertig ift, greift ber 33 
| feine Safcbe unb fagt: „SJtacheu ©ie mii 
9tedjnung, £>err 91., aber alleg 3 ufamme 
id) fchulbig bin." „Sag bot ja feine 6 i 
mieberte ber Slpotbeter, „ 3 bv werbet not 
als einmal tu bie Slpotfjefe miiffen, bi: 
fyrait mieber gan 3 auf bem !ßlaße ift, un 
besohlt 3be alles sufamnten." „Stein 
ber 33auer, „ich will jeßt besohlen, mag id 
big bin, bemt in 3 brer Slpotljefe bin id 
311 m leßten Wale gemefen; ein Slpotbel 
nicht an ©ott glaubt, bot auch lein @e 
unb 311 einem Slpotßefer, ber fein ©ewiff 
habe ich lein Vertrauen." 

ipnter 9lbrabam a ©anta 6 la 
Sliblt in einer 33rebigt, eine febr ftolse Po 
Same höbe gegen ihn einmal geüußei 
Uitterfebieb ber ©tönbe fönne hoch auch 
anbern 2 Be(t nicht aufböreu unb müffen 
boten ba fein sur 9lufroartutig; Worauf 
gegnet höbe: ob bafelbft SJtorgeuS früh 
gebradjt werbe, baS mijfe er nicht, aber 
bei 3 t würbe 3 bto ©naben ftbott ger 
fonimen. 

9113 bie ©chwarmgeifterei fidt» snerft i 
tenberg auftbat, febrieb £ u t b e r t 
2Bartbuvg an feinen Kurfürfteit, ben 
namentlid) int 9luffuchen unb fid) 33er 
bon Üieliquien fo bigott gemefeneit 3 ? r i 
ben 9Beifen: „©nabe unb ©liid Po 
bem Vater 31 t neuen £>ciligtbumen (9teli 
©oldjen ©ruß feßreib id) nun, mein g 
£>err, anftatt meiner ©rbietnng. 6 m. 
© 11 . bot nun lange 3 ob*e nach heilig 
in allen Sanben bewerben (affen; aber t 
©ott ©tu. giirftl. ®n. 33egierbe erböi 
beimgefdjidt ohne alle Koft unb SJiüße e 

S Krens mit Stägcln, ©peeren unb 0 
fage obermal ©nabe unb ©lücf Pi 
u neuen ^eiligtbuinen; @m. fjftirftl. < 
ebredf nur nid)t’ ja ftrede bie 3frme geh 
unb laß bie Stägel tief eingebett, ja bar 
fei fröhlich" (u. f. m.). 

©in Sruber fragte einen 9fltPatc 
fprach: 9öie ift eS boih bantit, baß einii 
eben, fie feiben bie heiligen ©ngel? 2 
Pater fprad): © e l i g i ft, ber alle 
feine ©üttbeit f i ebt. 

(33t:d) ber 9lltoc 



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Per Pilgrim von 3t. 3u|L 


629 



acht ift’s unb Stürme faufett für unb für, 
tyfpanifcfye IHöncbc, fdjlicjjt mir auf bic (Djürl 
Safit mid> t^ier rutj’u, bis (Slocfentoit mich meeft, 
Per 3 um (Sehet cucfy itt hie Kirdjc fdjrccft. 


Bereitet mir, tnas euer fytus permag, 

(Ein 0rbcnsFleib unb einen SarFophag! 
(Sonnt mir hie Fleitte gelle, mcifyt miA ein, 
Pletyr als bic Hälfte biefer IDclt mar mein. 


Pas 6anpt, bas nun ber Scheere ftd) bequemt, 
mit mancher Krone marb’s bebiabemt, 

Pie Schulter, bic ber Kutte nun ftch büeft, 

Bat Faiferlid>cr Fjcrmcliu gefdjmüdPt. 


Zinn bin ich ror bem (Eob beit (Lobten gleich, 
Unb fall’ in (Trümmern, mie bas alte Kcid>. 


*) Karl V., geh. 24. Jyebruar 1500, geft. 21. September 1558, Kaifer non $eutfd)lanb unb Cefterretefy, König 
ber 9tieberlanbe unb beiber Spanten, mürbe m CSitbc feines VebenS beS SHegierenS unb beS Kampfes fo miibe, ba& er 
alle feine Kronen nieberlegte unb in’S fpanifd>e Klofter St. Juft cintrat. Port foll er fiel? bamit befdjäftigt tjaben, 
3 tt>ei Ubren in genau gleichen Gang w bringen, unb als ihm bieS nicht gelang, rief er aus: „0, icp Ibor, ber idj 
mid) anmafcte, alle SBölfer in eine liinbeit $u ocrfchmeljen, unb mm nicht einmal jroei U^ren in gleichem Paft bemegen 
famt!" — (rin treffenbeS SBilb, bajj alles Jrbifche gäujlich unbefriebigt läfjt. 


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630 


Purdj Urrungen jur jiabrljeit. 


Purdj |rr im gen jur Itfaljrljrit 

®iu betttf<$-ttinerila«tf^es ^famifienßifb aus bet $«| 

@on 3. 3. SRefjmer. 

batte nur noch feine ©e 
ie prächtigen ©efeflfdjaftSräume beS flrüßeiiI" 

... SereinS in 2Ö. ftraljlten in Herr Seemann wies au 
einem Sidjtmeere. SJodjenlang bot= 1 genben bii'/ begegnete if 
ten fötaler unb Delorateure auf’s I im Srrne ifjreS (JoufinS | 
(Smfigfte gearbeitet, beu gangen unb feinen Sohn Heinri 
Salaft in ben fcfjönften Scbmud gu fleiben. Der eingige Satter einer befi 
Sallfaal mar auf» neue auSgerüftet unb mit feiner '-Partnerin gewählt I 
prächtigem QfreSfo oerfeben worben. Sorljänge meinte bcr Herr, oergn 
uon ben feinften unb fdjwerften Stoffen binnen Schnurrbart breljenb, „ 
non beit 3?enftern herab, herrliche Dopfgewüdjfe, Sermutblicb werben biefe 
anmutbige 3ierbäume bilbeteit ba unb bort rei* Serbinbung fcbließen?" 
genbe 'Jtifcben, neue ftanbelaber mit bnnberten „Damit bat eS noch 3 
uon Siebtem oerbreiteten beinahe DageSbelle. Sebmann, „au<b abflefeb« 
Der Sanfettfaaf war in amerifanifc^e unb bei Stina’S 'Partner etwi 
beutfdje färben gef leibet; bie Spiet», Snflcibe* fetten." 
unb (SrboInngSgiminer butten eine griinblicbe „Hobe gebärt," war bie 
'Jteftauration erfahren; baS Suffet war auf’s Staun foll ein etwas lode 
Drcfflicbfte oerforgt, unb eine eben gaftirenbe beffen, was woben Si 
berühmte beutfebe Sfufiffapelle war engagirt, 
um fornob! wübrenb be» SanfettS, als aud) beim 
Salle felbft bie Phifif gu liefern. 

Screits füllte eine qlängcitbe Stenge bie wei* 
ten Dtaume unb jebe Stirntte brachten bie rollen* 
beu .ff utf<ben neue ©öfte. Siebt nur SOß., fonbern 
aud) bie Sietropole felbft fammt ben umliegen* 
ben Stabten batte bie @iite ber beutfd)en ©efell* 
fcfjitf t gum ftefte gefanbt. Die Herren hotten [ich 
in ihren heften Staat geworfen; bie Damen mit 
ihren prächtigen Doiletten, ben rofig angebaueb* 
teil SBatigen, ben freubig erregten ©efidjtern 
unb bem begauberitbeu Sächeln auf ben Sippen 
erregten bie Sewunberiing ber Herrenwelt, bcr 
oft ein „Sb" ober ein bewuitbernbeS „Superb" 
entfdjliipfte. 

Da ba» Saniert erft auf eine fpäte Stunbe 
angefagt war, fo eilte bie junge Sßelt in ben 
Sallfaal, wäbrenb bie älteren Herren bie Spiel* auf jeben fjfall ift fie mir 
uitb 0onoerfationSgimmer auffuebten, ober auch wohl weif?, was fte ihren 
geitweife fi<h ben Stiittern im Sallfaale bei* milie fdfulbig ift; was ißt 
gefeilten, um ihre Sagen an bem fid) bort ent* fo gebe id) ihr barin Oolle 
falteten entgüdenbeu Sd^aufpiele gu weiben. $ßie bem gebt fie Siemanben et 
oerfübterifdj raufd)te bie Stufif, wie fröhlich „Da hoben Sie SRecbt. 
blicfteil bie Stäbebenaugen, wie luftig fdjlang nicht leugnen, bah biefe S 
ber Dang feine gierlidjen Figuren ; wie glühte j bequem werben, unb wem 
unb fpriibte SlleS in eitel Suft unb ^röblithfeit! j muS ergreift, fo oerbamm' 

,,Sd), Herr Sebmann, freut mid) Sie hier gu j ften Serqnitgungen." 
leben." jagte ein älterer Herr, inbern er bem | „Steine Dochter ift fei 
Sngevebeten beibe Hönbe gum 2Billfommen ent* Wenn fie au<b lieber bem 
gegenuredte,^ „wo hoben Sie benn 3bre liebe | wäre, fo fnnn id) ibrbaS, i 
(Vamilie? Sicherlich finb boeb Slle hier; ich Dinge nicht fo übel nebmei 


Dugenb. Hoben wir eS f 
gemacht ? SSenn fie erft eil 
fo giebt eS manchmal bii 
unb bie folibeften gfamilie 

„3a wenn fie nicht Port 
fonnte Herr Sebmann ficb 
merfeit. 

Der Sngerebete gudte b 
„baS höbe man freilich bi 
Dann fuhr er fort: „Suf 
ich einigermaßen überrafcf 
ich batte gehört, 3bre Di 
in bie Hönbe gefallen, ui 
Salle nichts roiffen wollen. 

Die brüste Srt, womit 
oerleßte in etwas Herrn S 
er feine ©mpfinblidjteit ut 
„2öaS Sie auch immerhin 



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631 


putd) Srrungen iur gBaljrheti. 


Oer £>err merfte, baff feine .VMatfcljerei £)crrit 
Seemann in eine jiemlich geregte Stimmung 
berjeßt patte, unb fucpte beSfjci 16 bem ©efpräche 
eine anbere Söenbung ju geben. Gr pries bic 
auSgejeichneten Slnorbnungen beS fJefteS unb er» 
ging fich frfjlieülicb in entfjnfiaftifcfjen Lobes» 
erhebungeit über bie Toilette ber Oanten, um 
enblid) ju bem ©djlufje ju lomineit, bafj ber Salt 
ohne 3meifel ein auSgcjeidjnetcr Grfolu fein 
werbe, unb baj; es bem gebiibeten Ocatfcptpum 
Don Steuern gelungen fei, beit Stmerifnnerit 
beutfcpe ©emütplid)feit borjubemonftrircn. 

C>err Seemann batte beit überfdjmenglidjen 
©elbftDerljerrlichmigen feines ffveunbcS fd)lief>= 
lieh wenig Sichtung mehr gejollt. ©eine Sluf» 
merffamfeit war in nnberer SKidjtung gefcffclt 
worben. Zubern feine Gingen feine Oocpter fudj» 
ten, bemerfte er, wie fjavrp fie gerabe einem 
Äubefitee jufüljrte, ijr welchen fte aitfcbeinenb 
l’epr erfdjöpft nieberfaitf; auct) nahm er wahr, 
bajj 3rau Lehmann fogleid) perbeicilte unb febr 
forglicb um fie bemüht war. ffüirdjtenb, bah ihr 
etwas jugeftojjen fein möchte, eilte er gleichfalls 
binjn. 

„grüblft bu bi<b unwohl, mein ffiub ?" fragte 
er. „Mailte, tfiapa, eS war nur ein leichter 
©d^tninbet, and) fühle ich etwas ermüdet. 3d) 
bin es eben nicht gewohnt, es wirb mir gleid) 
wieber beffer werben. 3<h bnrf eS eben nicht 
übertreiben." 

„OaS foflft bu auch nic^t, ruh’ bich ein wenig 
aus. Laßt unS ein ßimmer auffuchen." 

SRina würbe am Sirme ihres SaterS hinweg» 
geführt, währenb |)arrh fich jum Siiffet gemacht 
hatte, um, mie er fagte, etliche nothwcnbige Gr» 
frifdjungen ju fich ju nehmen, freilich blieb er 
ba etwas länger gefcffelt, als eS eigentlich ber 
Slnftanb gegenüber feiner Partnerin erlaubte; 
bod) SRina war ju fehr bäumt befriebigt, eine 
3eitlang aus bem GJetüminel weg ju tommen, 
als bajs fie bon biefer Urtljoftiefjfeit befoitberS 
5totij genommen hätte. GS waren gleichfalls 
Selaitrite in baS 3iwmer eingetreten, mit benen 
fie plauberte unb fo ihr Gleichgewicht nach unb 
lind) wieber gewann. 3h* 33ater glaubte, baß 
SlfleS recht fei; hätte er nur feljen lönncn, wie 
fauct ihr baS Sergniigcn bereits geworben war! 

3n ber 2hat hatte fie bie fpifeen ©tacheln, 
welche unter ber glcijjenben Oberfläche gemein» 
iamer Vergnügen unb lonbentioneßer .LiebenS» 
mürbigfeit berborgen liegen, fepon reichlich 3 U 
fühlen betommen. ©ie waren etwas fpät an» 
getommen. Slls bie beiben jungen fßaare ben 
Söallfaal betraten, mar ber Saß bereits in boflem 
©ange. SRina fah bei ihrem Gintritt fofort eine 
Slnjaljl Lorgnetten auf fich gerichtet, unb fie war 
peinlich berührt, fo jum ©egenftanb öffentlicher 
Stufmerlfamfeit fich gemacht ju fehen. Slucp 
tonnte fie baS fpöttifche Lächeln, baS geheimnijj» 


boße fyiiiftern unb baS ptöfcliche Stuflachen eines 
lleineit Greifes junger Herren unb Oanten bei 
ihrem Slnblicle wohl bemerfen. SJaS hatte fie 
beim gethan, um fo ber ©egenftanb lieblofen 
©efpötteS ju werben. Sermirrt fud)te fie fich 
mit £>arrl) in bie Reihen ju mifepen, um nicht 
länger jur 3ielfd)cibe fpöttifcher SÖlide ju bienen. 

.£>dtte fie erft baS ftattgefunbene ©cfpräch über 
fich anhören tönnen! 

„5Ber ift benn bie junge Oame?" fragte eine 
hübfdje Sriinette, bic eben bon einem ©chwarme 
bieufteifriger Semuitberer umgeben wnr. 

„Gi," fagte eifrig ein junger ©tujjer, „baS ift 
bie Lehmann, eine fuperbe Slunte, unb heute 
jum erfteu fötale auf bem Säße." 

„S)aS, SRina Lehmann ? $aben nicht unfere 
3tod)barn bon ihrer Sefepruitg in Ocean ©robe 
erjählt?" Oanit fehte fie boshaft hinju: „2Bie 
wohl ber lleineit SRettjobiftin ber 2anj betont» 
men wirb?" was ein fdjaßenbeS ©eläcpter er» 
regte. 

„3<h glaubte, bie SRctljobiften bürften nicht 
taitjen!" bcmerlte ein Ruberer. 

„Sich waS, ber Sitte wirb fie auch nicht immer 
ju £>aufe fißeit haben woüeit, uttb wenn er fie 
unter bie |)aube bringen miß, fo muß fie eben 
hoch auch in bie ©efetlfcbaft treten." 

„3a, ba wirb fie mit ihrer Leichenbittermiene 
auch einen fehönen 3?ang tljun!" Oiefe Seiner» 
futtg erregte gleichfaflS ungeheure Weiterleit, 
währenb ber uitfchulbige ©egenftanb foldjer Stuf» 
merlfamfeit SRüpe hatte, feine Raffung ju be= 
haupten. Ood) bie ©pöttereien unb fflatfchereien 
gingen in biefen unb in anberett Greifen noch 
eine 3eitlang fort; benn auch im ftrahlenben 
Saflfaale unb unter ben finnberaufdjettben 
klängen ber Sanjmufif feiern Steib, SRijjgunft, 
Waß, Gitelteit unb ©elbftfucht ungeftört ihre 
Orgien. 

Slber auch hie Slnbern unferer gfreuttbe fanben 
baS Sergnügen burch allerlei Umftänbe geftört. 
Heinrichs ^Partnerin, Steßptf-., mar einefjreun» 
bin SRinoS. Gine jugenblich ätherifdje ©eftatt, 
noch 2 3ah*e jünger als SRina, mit einem lieb» 
reichen unb arglofeu ©emüthe, boß fyvöplicpfcit 
unb LebenSlufi hatte Heinrich fie bereits tief in 
fein &erj geftploffen, unb auch fie fchien ihm 
innig jugethan ju fein. Oie Serhältnijje lagen 
auch fo- bah 5lßed eine nähere Serbittbuitg ju 
begünftigen fchien. fReflpS Sater war Sefiper 
bei: ... Leitung, unb hatte ein hübfcheS Gin» 
lommen. Gr mar SBittmer. Stellt) mar fein ein» 
jigeS $inb, fein 2roft unb feine f^reube. SRit 
liebenber Sorgfalt hatte er bisher ihre Grjiehung 
überwacht; niir hatte er nicht bebacht, baß Stellt) 
bereits jur Jungfrau herangeblüht war unb fie 
immer noch als ein $inb betradjtenb, mibmete 
er ihr nicht bie forgfättige Leitung, bie ihre 
3af)te, befonberS in Grntangelung ber SRutter 


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632 


Purdj Urningen yir IHöljtbeit, 


beburften. 3 n ber lebten 3 eit batte fie etma£ bi Iben follte, mar !eine§meg§ bagu ange 
3 erftreute§ in ihrem ©erhalten, mie menn fie ©crftimmung, bie fih ber ©erjen *b 
ein ©eljeimuife I)üten mürbe, Heinrich mar bie= batte, gu bannen. 3 mar maren ©j 
fc» auch mäbrenb be§ Salles aufgefallen, aber 2 rinten tabelloS, aber SManhe übcrnal 
auf fine barauf begiiglicfee Sfrage featte fie bloö bermafeen, bafe ib*e ©efeflfhaft nichts 
mit einem Scherge geantwortet unb barauf Der* als angenehm mürbe. ©S mürben auc 
fucbt, ben gemähten ©iubrucf burcb au^gelaffene 2oafte auSgebraht unb biefelben mit 
^röf)licbfcit gu oermifhen. 3lber felbft biefeS rung aufgenommen. 3lber ben pat 
batte Heinrich nicht ju tauften oermoht, unb er 2 oaftcn unb gefeüfhaftlidjen ftomj: 
fonitte ficb beS ©ebaufenS uidjt ermebren, maS fönten halb anbere mcbr Derfänglidje. 
mof)I im ©ebeimeit baS £)erg feiner Sängerin be* bilbetc, freifinnige $cutfhtbum ift nu 
fhäftigeu möchte. in ein §?abrmaffcr geratben, in melden 

®ic ©äter Ratten fih nah unb nach in» fton= unterlaffcn fann; feinem |)afe gegen ft 
oerfationSgimmer gurücfgegogen unb £crr Sch* Meligion in irgenb einer Seife'Suft gu 
mann mar eben in einem eifrigen ©efprähe mit So mürbe beim guleßt auf bie fyortfd 
$errn 5 * unb Qnfel Hermann begriffen, als ein Maturmifjenfdjaften, auf ©ilbung u 
junger Wann erfriert unb Seßteren erfuebte, flärung, auf Slbfdjaffung bon^ftirhe 
fhuell nach bem ©uffet 3 U fommeit, mo feine ligion tt. f. m. toaftirt unb geturnten, 
©egeitmart notbmeubig fei. 3)icfer Slufforberung ernfieren ©emütber, angeeleli bon biefc 
folgenb, tarn er gerabe recht um £)arrt) 311 fein* ben, fich jum 3lufbrud)e’rüfteten. 
bern, auf einen jungen 2Hann 311 ftürgen, mit Unfere tJreunbe maren unter ben 
bem er augenfheinlih in Streit gerätsen mar. tueldje bas §eft berliefeen. 9Kina tnufei 
@r nahm ihn bei Seite unb mieS ihn an nach ihren Partner entbehre» unb feh mit ber 
9Rina 311 fefeen, mäfjrenb 9lnbere feinen ©egtier ihrer ©Item begnügen, bafür tonnte 
gurecht miefeit. Söeitere ^fragen ftellten ^eraud, auch ungeftört ihren ©ebanfen unb tief 
bafe ber junge TOann fih bämifhe ©emerfungen ©efiiblen nahbängen. Heinrich brad, 
über ©tiua erlaubt batte, melhe bon ben Üm= nah |)aufe, mo biefelbe gebeitnnifeboU 
ftebeuben mit fpöttifchem ©elühter aufgenom= 9(bfd)ieb nahm. Cnfel ^ermann unb 
.men morben maren. ®aS hatte ^arrp erregt batten fid) entfchloffett, erft fpätcr nahi 
unb er batte bemfclben mit einer fräftigen 3 ll = ®ie ©timniung ber 2 beilnebmer eim 
rehtweifuug geantwortet. ®iefer mieberitm warf am folgenben 2 age ift moblbefannt 111 
ihm perföitiidhe ©eleibigungen an ben ftopf; ber wörtlich gemorben. 9Bir haben nicht 3 
Streit mürbe immer heftiger unb brobte bereit» ten, bafe unfere greunbe babon berfhor 
in 2biitlicbfeiten auS 3 uarteit, als bie SSäter fich ben feien, menn fie fich auch, mit 31 
einmifchten. ^arrp mütbete unb fchmur 9tad)e, f)arrp§, bon allen ©yceffcn frei gejfjaltei 
hoch batte er fich 5 a betreiben unb biefelbe auf Cnfel ^ermann mar äu^erft er 3 iirnt 
fpätere 3^it 311 berfchieben. 3fa feinem 9(erger Setragen feinet @oIjne§ rnb ertlärte 
fprad) er aber ben reichlich borbanbeneu geiftigen unfähig, fid) in irgenb einer anftänbige 
©etränfen fo 311 , baß er beinahe alle |)errfdjaft fd)aft 311 bemegen ; er fchmur, bafe er 
über fich felbft berlor, unb e§ notbmenbig mürbe, babon gefahren märe, menn e3 nicht ur 
baß iba fein 33ater nah ©aufe bringen ließ. unb ber 3brifl<m millcn gemefen märe 
3)er meitcre Fortgang be» befriebigte räfonnirte er über bie ©elbfhnäbel, 
unfere ?^reunbe je länger, je meniger, menn fie unterftanben hätten, fih über 3Jiina 3 U i 
e» auh bermieben, ihren ©efüblen gegenfeitig unb fhließlih fpottete er über bie ©c 
3luybrucf 31 t geben. ©3 mar, als menn ihnen melhe angefeljene ^ßcrfönlihfciten am 
erft jeßt bie3lugeit über bie finftern 9)?äd)te auf= 9lbenb an ben 2 ag gelegt hätten. £)a 
gegangen mären, melh^ unter bem Schimmer fih bon feinen ©rceffen uoh niht erb 
gefellfhaftlihen Sergniigen» im Seyborgencn feine Stimmung mar über alle Sefc 
ihr 3Ö:fen trieben. & mehr fie ben einzelnen büfter. Heinrich hing feinen ©ebanfen 
ftreifeu nabe traten, befto mehr mußten fie überlegte im Stillen, ma§ eigentlih bai 
febeu, mie s 3leib unb ©iferfuht, $aß unb SBad)e nirbare 6 tma§ in bem Senebmen 31 
bie bergen erfüllten unb ftlatfhereien, übte mefen fein möge, über melhe^ er niht 1 
Dlahreben, ja felbft Serleumbungen unter ben Meine fommen fönnen. $err unb % 
feinjten formen bie bergen gegenfeitig berbit= mann, bie bon ber ^eftlihfeit eigen 
terten, fo baß unter ben böflihften ftomplimen« menigften berührt morben maren, ging 
ten unb lädjelnbcn SRienen 3 arn unb 9lerger ihren ©efhäften nah, boh liefe bie 9)c 
fohten, bie fih fihetlih fpäter in bei feen 2 l)rä= unb ba einen forgenben Slid auf ihr 
neu unb bitteren 3lufeinbungen Stift mähten. fhmeifen. 

«uh ba» Öanfett, ba§ ben Sdjlufe bc» $eftc§ ffliina fühlte fih abgefpannt unb 

H 


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Purdj Srrungen ;ur Poljrbrit 


633 


Sie muffte fiel) fclbfi eingeftehen, baf? fie eigent* 
lid) feine $reube genoffen habe; bagu fühlte fie 
fidj falt nnb leer, unb mit Sd)auber bacf)te fie 
baran, biefe fogenannteit Sergnügungen Don 
^eit gu 3«it wiederholen gu müffen. Sie fonnte 
fid) in Slugenbliden foum ber jf)tiinen enthal* 
ten, unb mieber taufte bie fjtage in ihr auf, ob 
eS eigentlich ihre Pflicht fei, folche Orte gu be» 
tuchen. 2öaS mürbe mohl tperr SBilfenS gefagt 
haben, roenn fie ihn hatte um Statt) fragen fön* 
nen ? SßaS mürbe ßoufin Johannes baöon ben* 
fen ? 3fe mehr fie fich beren 9lnfid)ten oergegen* 
toärtigte, befto mehr erhielt fie ben ©inbrud, 
bah biefe menigftenS ihr entfehieben abgerathen 
hätten. Slber hoch hatte fie auch etliche Kirchen* 
glieber bafelbft bemerft; freilich maren eS feine 
folchen, bie jemals befonbereS gciftlicheS Snter* 
effe gegeigt hatten, unb bas mar ihr flar, bah bie 
beften unb eifrigften SStitgliebcr ben Sefuch 
eines Salles entfliehen oermarfen. 91 ber ihre 
SJtutter hatte hoch auch menig baroiber gehabt, 
unb fie las bo<h mit ihr bie Sibei unb fniete 
fuh mit ihr im ©ebete hin. freilich, fie gebad)te 
habet ftets ber Sitten ihrer alten fteimatf). 

91m 91benb, als SJtutter ein Stünbchen bei ihr 
foh, fonnte fie ihre ©efiihle nicht mehr guriid* 
halten, unb in Spänen auSbred)enb umarmte 
fte fie unb fagte: „SJtutter, ich benfe, eS mar am 
©nbe bod) nicht recht, bah Wir gum Salle ge« 
gangen finb. 3<h fühle mich fo leer unb falt 
unb ich glaube, bah wir es nicht mieber tljun 
füllten." 

„9tch," meinte bie SJtutter, ihr liebreich bie 
£aare ftreichelnb, „bu bift eben bie 91ufregung 
noch nicht gewohnt. 2BaS füllte es Unrecht ge* 
mefett fein ? 3)u bift ja auch nicht aus Seicht* 
finn unb ©itelfeit gegangen, fonbern um beinern 
Sater unb beinern Sruber eine fjfreube gu he* 
reiten. Stege bid) nicht auf; bu bift mübc unb 
abgefpannt, morgen mirft bu beffer fühlen." 

,,3d) benfe nicht, bah ich morgen barinnen 
anders fühlen rnerbe. 2öaS mich am meiften be* 
fümmert ift, bah ich hen ©edanfen nicht loS 
merben fann, bah es niefjt Stecht ift. Unb bann 
fam auch foSJtandjeS Dor, maS mirflich unpaffenb 
mar, unb bie Spöttereien beim Sanfett maren 
bod) auch geroihlid) nicht ber 9trt, bah «in ©Drift 
ruhig gufjöreit fonnte." 

„3© glaube, bu Ijaft nicht gang Unrecht. 3fch 
für meinen SLheif märe eS mohl gufrieben, gu 
•fjaufe gu bleiben. 91ber bu meiht, es ift nun 
einmal in unferen Greifen ©ebraud), bie Ser* 
gnügungen, bie ber SMnter barbietet, mit gu 
machen, unb .unfere ffreunbe unb Sefannte 
mürben es uns fehr übel aufnehmen, menn mir 
nun, ba bu mieber gefunb bift, ausblieben; 
auch fageit Sater unb Heinrich, bah hiefeS bie 
eingigen ©rholungSftunben feien, bie fie bei ihrer 
harten Slrbeit haben." 


„Sßunbert mich, was ©oufin Johannes Don 
ber Sache benft. Sich hätte grofse Suft, ihm 
barüber gu fchreiben, um feine 91nficht gu Der* 
nehmen." 

„3$ benfe nicht, bah er, menn er bie Ser* 
bältnijfe in Setracht gieht, etroaS bagegen ein* 
menben fann. ^nbeffen, menn es bir ein Sroft 
ift, feine SJteinung gu miffen, fo magft bu immer* 
Din an ihn febreiben." 

Seufgenb begab fid) SJtina gur Stuhe, aber es 
bauerte lange, bis fie über bie ©ebanfen, bie jich 
untereinander Derflacjten unb entfchulbigten, ben 
erquidenben Schlaf ftnben fonnte. 

35er nädjfte $ag brachte ein ©reignifj, baS 
einen tiefen Schatten nicht allein auf SJtina, fon* 
bern auf bie gange fjfamilie marf. @s mochte 
cfWa gegen SJtittag fein, als .fterr fj. mit allen 
Reichen ber höchften Aufregung eintrat, unb fid) 
erfunbigte, ob fie nichts Don Stellt) mühten, bie 
auf geheimnihbofle SJeife oerfchwunben fei; auch 
oerlangte er £>errn Sehmann unb £>einrid) gu 
fehen. 35ie ©emünfehten mürben eilig herbei* 
beigeholt, allein fie Derfichcrten, bah Stellt) meber 
heute noch geftern bei ihnen borgefprochen habe, 
unb bah 91 Ile gebacht hätten, fie mürbe fich noch 
Don ben folgen bes Salles ausruhen, ©nblid) 
meinte £err Sehmann, fie fei Dielleicht bloS gu 
Sefonnten gegangen unb rnerbe fchon mieber 
gurüdfommen, £err fj. füllte fich hoch feine un* 
nöthigen Sorgen machen. SlDein £>err $., ber 
erfchüttert in einen Sejjnftul)! gefunfen mar, 
antmortete: „3)aS habe ich auch erft gebaut, bis 
ich biefeS Dorfanb," bamit gog er ein Sriefchen 
herDor, baS er SJtina reichte, unb baS folgendes 
enthielt: 

„Sieber Sater! f>abe feine Sorge um mid). 
3cf) bin fehr, fehr glüdlid); nur betrübt eSmid), 
bir lieber Sater ben Schmerg bereiten gu müffen, 
bah ich ohne bein SMffen fort gehe. 3)u mirft 
halb Don mir hören unb id) rnerbe bir 9WcS, 
SllleS erflären. Saufenb, taufenb $üffe. Ser* 
gieb unb bergifj nicht beine Stellt), bie bi<h halb 
gum Mengen ihres ©lüdeS gu machen hofft. 

Stellt)." 

„0," rief |>err flagenb aus, „ber ©ebanfe, 
bah «in gemiffenlofer Schürfe bie Unerfahren* 
heit meiner Stellt) benujjt hat, um fie in’S Un* 
glüd gu ftürgen, treibt mich beinahe gum 2BaI)n= 
finn. C, ich 2hor! 3<h hielt fie nod) immer 
für ein $inb, unb hielt fie in ihrer finblid)en 
Unfdjulb Dor aßen böfen Gittflüffen gefiebert unb 
hatte feine meitere Sicht auf ihre Sefchäftigung 
unb auf ihren Umgang. 3<h glaubte, fie märe 
bie rneijte 3eit bei Such." 

SJtina unb bie SJtutter fügten, bah fie oft in’S 
$auS gefommen fei, bo<h fei biefeS früher mehr 
gefchefjen, als bie lefcte 3eit, auch haben fie fürg* 
lieh etmaS 3erftreuteS in ihrem SBefen toahr* 
genommen. Heinrich, bem bie Sache tief gu 


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634 


(Sin J8eil)na<i)tslteb. 


&ergen ging, berichtete feine 2 önhrnefjmungen 
ludfjrenb beS 23a lies, and) fagte er, baß er, als 
er fie nach £>aufe gebracht höbe, ben ßinbrud 
befommen habe, baß ein £err ihnen gefolgt fei; 
er höbe aber beffen ©eftalt nicht bcutiich gefehen 
nnb fönne bcShalb non ihm auch feine Sefhrei* 
bung mähen. immerhin möge er fich auch ge* 
tiiufdjt haben. 

„2Bie höben Sie beim auSgefunben, baß 
9tetto forgegangcn ift ?" fragte |>err Sehmann. 

„©eftern Stittag," ergählte £>crr ff., „flngte 
stellt) über Jtopffhmergen nnb gog lieh halb in 
ihr 3immcr jurüd. 3w hielt biefeS für folgen 
beS borgeftrigen SaUeS nnb fjatte weiter feine 
Sicht barauf. Seim Slbenbefjen festen fie mir 
etwas leibenb gu fein, unb ich rieth ihr, halb gn 
Sette gu gehen; fie gab eine auSWeihenbe 21 nt= 
mort. 3 h hotte noch etliche ©efhäfte gu be= 
forgen unb fam fpät nach föaufe unb begab mich 
fofort gurSRufje, nichts aitbereS benfenb, als baß 
Steflb gleidhfällS bereits in tiefem Schlafe liege. 
StorgenS mähte baS Stäbchen bie Stelbung, baß 
Stiß Stetig einen hörten Schlaf höben intiffe, 
fie höbe fchon mehrmals geflopft, aber leine 
Slnttoort erhalten. 3 h bähte, fie werbe wohl 
ihre Stübigfeit auSfchlöfen; als fie aber gegen 
10 Uhr noh immer nicht erfhien, ging id) auf 
ihr 3 'mmer, um einmal nadpfeben. ©in 
Sdjredeit überfiel mih, als ih bafjelbe leer fanb. 
3h tief baS Stäbchen unb fragte, ob Steflg niht 
am Storgen frühe auSgegnngen fei? SaSStäb* 
djen War gleichfalls erfchroden, berfießerte aber, 
baß 9teHb biefen Storgen noh niht fihtbar ge* 
wefen fei. Sitbüh foin heraus, baß fie geftern 
Slbenb mit ihrer £>anbtafhe noh ausgegangen 
war. SaS Stäbchen fagte, eS fei feßr ntübe ge* 
wefen unb früh gu Sette gegangen unb habe ein* 
genommen, ih würbe baS ffräulein nah fpaufe 
bringen. 2 lu<h bie Äöhiti wollte nihts bon ihrem 
Serfhwinben wiffen. 3h nnterfuhte nun baS 
3immer unb fanb biefen ungliidfeligen Srief, 
auh entbedte ih, baß ihr Spargelb, ihre 3u« 
melen unb ihre beften Äleiber fehlten. 

£err 3 ?. mar bor innerer ©rfeßiitterung faum 
im Stanbe gemefen, biefe (SingelnSeiten mitgu* 
theileu unb beHagte in töötlidjer Slngft baS 
©hidfal feiner Sodjter. £err Cebmattn unb 
£>einri<h boten ihre Sienfte gur Sluffinbung ber 
ungliidlicßen Serbienbeten an, unb nah mancher» 
lei Serathungen mürbe befcßloffen, eine ßerg» 
beweg(ihe Sitte gur Stüdfehr in bie gelefenften 
3eitungen eingurüden, unb bie Sienfte gefhidter 
©ebeinipoligiften in Slnfpruh gu nehmen. 

SIlS bie Herren 511 biefem 3wede baS Sureau 
eines £>errn ff- befannten ©ßefS betraten unb 
ihr Anliegen borgehraht hatten, mieS berfelbe 
mit bem Ringer auf eineSlnjeige in ber ^eiiung 
beS £>errn &. felber hin, worin ein langer, 
reiher Stann bie Sefannifhaft einer jungen ge* 


bjlbeten Same fuhte, unb fagte: „SaS 
ffolgen bon folhen Slnjeigen. &at eir 
Stann niht ©elegenheit genug, mit 
Samen Sefanntfhaft gu mähen ? 2öaS 
er folhe 2i3ege eingufhlagen, wenn c 
lihtfheuen '-ßrojefte berfolgt? Sie 3e 
tollten folhe Singe niht aufnehmen. Sie 
i fict) öamit gum 2Berfjeuge beS SafterS ui 
brehenS." Siefe 9tüge traf £>errn ff- mie i 
fhlage. ©r hatte bisher folhe Snjeige 
befonbereS Sebenfen aufgenommen, ba 
befahlt mürben. 21 m ©nbe hötte er ba 
iter eigenen Sodjter ben 2ßeg gum Se 
geebnet, 

Ser ©hef gab ben Herren geringe £0 
bie Unglüdiihe noh gu rehter 3eit gu 
SOohrfcheinlich, meinte er, hat fie ber 
Stabt berlaffen. So<h berfprah er, feir 
3 u thun. 

Sffiohenlang bauerten bie Sacßforfhun 
ffreunbe mie ber Soligei. Spuren murb 
gefunben, aber biefelben führten gur Stc 
auS; in fieberhafter Slufregung betri 
Soter bie Serfolgung berfelben. ©S W 
fonft; eS mußte ein feljr gefhidter Spiel 
ber fein $inb umgarnt hatte. 


(fitt MfeUjimdjtölteb. 


ie große Sölferfchlaht öon Seipgig t 
(V fhlagen, Seutfhlanb athmete wiet 
2 lber bie Sotß war noch niht gu 
2BaS ber Söiirgeengel beS ffriegeS p' 
hatte, rafften bie böfen Seuhen unerbittl 
Shwer heimgefuht war bor allem baS 5 
ger £anb. Säglih mehrte fi* bie 3 ah 
unb mutterlofer Söaifen in Sorf unb 
Unb wie biele ©Item flagten an ben 0 
ihrer Sinber! ©emaltig War auh tu i 
bie Sterblihfeit. ©inem Wadern Star 
fih beS großen ©oetße’S ffreunb nennen 
ftarben rafh auf einanber bon feh§ bti 
Jlinbern niht weniger als bier. Sei 
broßte ob beS 3nmmerS gu brehen. 2 
faß er mit ben Ueberlebenben bei einanbi 
ber 3ufpruh feines frommen 2öeibeS fd 
nen SBieberhnll in feiner fonft fo gotter 
Seele gu finben. Sa Hopfte eS an feir 
unb Hopfte immer aufs neue, ba er, feil 
nnb leibenb, gu öffnen gögerte. ©S Ware 
hungernbe, obbacßlofe ftinber, weihe l 
trauen gu feiner allbefannten unb bietbei 
Stenfhcnfreunblihfeit herbeigelodt hat 
gebähte ber tiefbefümmerte Staun eine 
teS, baS einft bie 9tatf)Sberren feinej Sc 


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Po» uns bat Pikrofhop eqäJ)lt 


635 


•ju ihm gerebet, als fie iljn, ben armen ©ernteten» 
raad)et5|ofjn, mit freigebiger Unterftiifcuug auf 
bie Unioerfitat entfenbeten. „©ergiß nie," hat» 
ten fie ihm jugerufeu, „baß bu ein armer «ftnabe 
warft. Unb rnenn bereinft, über furj ober lang, 
ein arnte§ Äiub an beine ihüo Hopft, fo beule: 
wir finb’S, bie Sobten, bie alten grauen ©ürger» 
meifter unb WatßSherren oon Sättig, bie ba 
anflopfen, unb weife fie nicht oon beincr 3 lnire!" 
Unb er batte ihnen gelobt, nach ihrer Mahnung 
ju tf)un. 

darüber waren nun 21 3 alp oergongen, 
unb er war aus einem armen Knaben ein an» 
gefehener 9Wann unb ein mit 61)reu genannter 
©chriftfteller geworben. 3 enc§ ergreifenben 
WtahnmorteS gebachte er in biefer ©tunbe, unb 
baju eines nod) bebeutungSüoüeren ©erßcißungS» 
Wortes aus heiligem SJlnnbe: „SBer ein folcßcS 
ftinb aufnimmt in kleinem Warnen, ber nimmt 
SJiid) auf!" Unb er ftanb auf, öffnete ben ar« 
men Slinbern fein £>auS, fpeifte, tränfte unb 
lleibete fie. 

©eitbem war. bie Sorge für bie Slrmen unb 
6 lenben, infonberljeit für bie oerwaiften unb 
öerwabrloften Äinber fein Sroft unb feine 6 r= 
quidung. 6 r fammelte fie Oon ben Sanbftraßen 
in fein gaftlicbeS £au3. „kommet alle herein," 
rief er ihnen ju, „i<h will euer ©ater fein, ©ott 
hat mir meine ffinber, öier 6 ngcl, genommen 
unb mir mein Sehen gelajfcn, bog ich bie Siebe, 
mit ber idj jene aufopfernb lieben foöte, nun 
euch jumenbe, bie ihr eure 6 ltern Oerloren habt." 

Unb als fein £auS ju Hein würbe für bie 
große 3 af)l ber juftrömenben ft inber, ba grün» 
bete er in ©ottes Warnen ein eigenes Wett un g S» 
h a u S, bnS erfte feiner Wrt in unferm ©ater» 
lanbe. ®a nahm er Slnaben Oon acht, neun, 
jehit fahren auf, bie fdfion in allerhand Saftern 
geübt Waren, bie ihr ©rob erbettelt ober jufam» 
mengeftohlen hatten, oft oon gottlofen 6 Item 
bagu angeleitet, oft ihren 6 ltern frühzeitig über 
ben Äopt gewachfen, oft ohne 6 ltern unb ©er» 
wandte, aber jumeift fichcr bem 3 u<hthaufe ent» 
gegenreifenb, wenn niept bie barmherjige Siebe 
fich «h ret angenommen unb fie gerettet hätte. 
3m 3ahr 1821 jählte bie Wnftalt an 300 arme 
flinber. ©egen 200 waren damals fcljou ge» 
rettet unb ju tüchtigen ©efeflen in oerfchiebetien 
©anbwerlen auSgebilbet. 

2 )iefe jweihunbert legten auch atbumal £>anb 
an, als i$r 3 ?reunb unb ©ater aus feinem alten 
£>aufe heraus mußte, unb bauten ihm unb ihren 
jugenblidjen Wachfolgern ein neues, ftattlicheS 

t auS: ben „ S u t h e r tj o f" im Sutijergäßchen. 

a hat er mit ihnen gelebt, gebetet unb ge» 
arbeitet bis an fein feligeS 6 nbe im Safjr 1826. 
Unb eine befonbere ffreube ift es ihm ftetS ge» 
wefen, mit ihnen ju fingen. WtandjeS fchöne 
Sieb hat er ihnen felbft gebietet, baS längft in 


beit ©olfSmunb übergegangen ift: „Urquell aller 
£>immelsfreuben" — „3öaS fann fchöuer fein, 
als oon £)irteit abjuftammen ?" 3>a3 fjerrlichfte 
ober aller feiner Sieber, baS am jubelnbften einfi 
int Sutberfjof ju ©Jeirnar erllaitg unb noch heute 
am liebften Oon 3ung unb 2llt gefungen wirb, 
ift baS Sieb auf bie hohen brei fjefte ber ßßriften» 
heit, beffen erftcr ©erS beginnt: „C bu froh« 
Iidje, o bu felige, gitabenbringenbe 
SBcihnachtSjeit!" 

$en Warnen beS treuen ftiitberfreunbeS unb 
frommen ©iingerS hat bie Wachmclt faft fchoit 
Oergefien, obwohl er in ber oon ihm gegründeten 
Wnftnlt in ©Jcitnar noch fortlebt; taujenbe fin¬ 
gen fein ©küjnachtslicb, ohne §n wiffen oon ment 
eS flammt. Stuf bent ©otteSacfcr 311 ©kimar 
ruht ber eble Wtann, unb bie lurj üor feinem 
f^merjüollcn 6 itbe felbftoerfaßte ©rabinfehrift 
berräth unS feinen Wanten, ©ie hebt an: 

„Unter btcfeit grünen Stuben 
3ft, burd) Cljrtftus frei non Sünben, 
fferr 3°h annes S ®lf 3 U fhtben." 

©3er nun'am heiligen ©kitjnachtSahenb fein 
herserfrifchenbeS flinberlieb fingt ober fingen 
1 hört, ber erinnere fich an feinen Warnen unb ehre 
ihn burdj bie Sttjat treuer Wachfolge feines Sie» 
beSwerfeS! 


Uto* tiii0 UUItrofkop frjaljlt 



©o« @h»8. 3. «Bert. 


ch heiße Wtifroffop, b. h- ßleinfeljer. 
3 <h jeiae ben Wtenfchen, was fie mit 
ben bloßen ©ugen nicht feljen fönnen. 
3 a, ich öffne bie Übür ju einer neuen 
nie juoor ertannten ©klt. $aß ich 
oft mißbraucht werbe, auf gaitj anbere SBeife he» 
nußt werbe, unb Wtenfdjen gegenfeitig ihre fteh» 
ler burch mich betrachten, bie baßer hnnbertmol 
größer erfcheinen als fie mirflidh finb, bafür 
fann ich nid^t, unb bafür bin ich nicht. Wicht 
allein befriebige ich ben ©Wißbegierigen, fonbera 
bin ber ^ülfSinittel eines, bie unermeßbare 
2 )ienfte tfun in ber ©natomie, ©hhfiologie, 
©eologie, ©rpeitunbe u. f. W. Unb inbem ich 
baS „Seben im Heinftett Waum" Oor bem ©uge 
j uttb ©erftanbe boriiber gehen laffe wie ein ©a= 
noranta, lenfe ich ben ©eobachter oon bem 6 r= 
fchaffeiten 311 bent ©chöpfer. Sei allen $reu 3 = 
unb Ouerfahrten hat man in biefer mifroffopi» 
fdjen ©Welt noch feine ©rennen gefunben. © 3 iU 
ber Sefer mir folgen, fo will ich gern als ©eg» 
meifer bienen, unb er wirb mehr als einmal 
auSrufen: „4?err, wie muttberbar finb beine 
©3erfe, bu haft fte alle weislich georbnet." 


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636 


Pas um das JÄihtofkap fqäljlt. 


feilte fü^re icE» ben Sefer auf biefeS mifro- 
ffopifhe ©ebiet, unb mache ihn befannt mit 
einem beliebten fjreunbe, ber unter Umftänben 
auch ein bitterer geinb werben fann. @r ift ietjr 
fleijjig, fd^afft früh unb fpät, macht »beite Söege, 
um „Süßes" für bich gu fuchen. @r gehört gu 
ber ÜFamitie, auf bie, als ©eifpiel, Salomo ben 
Qfauleti binmeift, non ber er biel lernen lönne. 
Ungemein flug, bas ©ute gu nehmen unb baS 
©chäbliche gu meiben. @r brummt nicht, wenn 
er fein ©ut nicht farrenweife heimholen tarn», 
foubern ift auch mit bem 
SBenigen gufrieben. Unb 
bann ift er tlüger, als biele 
SJtenfchen, inbern er für 
einen „trodenen Sag" auf¬ 
legt. Oft haft bu ben em- 
figen Arbeiter, ber feine 
„Stöhnen" im £>aufe leibet, 
gefehen, unb wohl babei ge- 
badjt: „SaSfinb wohl&om- 
muniften, beim fie hoben 
ein £>auS, einen Sifd), eine 
, m ; fo gang berfdjieben 

/|| | in ihrem fjleij» bon ben 

fiompmniften, ©ogialifteu 
unb anberen „iften" unter 
ben Slienfdjen, bie in ihrer 
Qfaulheit ober ©erfchwen» 
bung fo gerne „tpe'ilen" 
wollen!" 3a, wenn 5)ten» 
fcheu fo waren, bann fen- 
nete man ben StommuniS* 
muS nicht, unb ber größte 
Sheil menfchlichen ©lenbs 
Wäre aufgehoben. Socp wir 
Wollten ja nicht moralifiren, 
fonbern ©efanntfchoft mit 
unferm fjfreunb anfnüpfen. 



Slber, nebenbei gefa 
ihm, beleibiae ihn t 
fein Schwert gieljt, 
ober ben ÄriegStang 
beim alles berföhnlii 
je mehr bu feine Schl 
trifft er bid). ©cpleu 
panierS, uub bann l 
über ift unb fein ©ri 
eingige fixere SJtittel 
rauhe, es fotl helfei 
er ift bem Stauchen f 
in ber Stauchwolle i 
fann. @r felber ra 
©elb für baS „Unfri 
hier fommen Wir fd»c 
ifurg, bu magft ihn a 
haft bu freie SSahl, 
Wie er ift, barin boft 
Unfer 3?reunb unb 
©ewifilich hoft bu nie 
fie reept nahe befcha 
men. 9öir föniteri f 
bornehmen, fo leptr 
tooHen nur beit Sh 
folgt, wohin ber ai 
3orn folgen „Stach! 
Wir praftifd) nicht in 
len, nämlich ben © 
haben wir ihn wob 
gröjierten Sßilbe betr 
ioerf bes ©cpöpferS! 
bemerft man ben © 
brüfe 14 S)tol bergröj 
banebett linfS, ben G 
gu beiben ©eiten, n 
befeßt. Ser .untere 
einem belifnten, aber 

t ebelapparat, berm 
angetten, bieingriigi 
gehalten werben, beb 
©piße einer Sangett 
gebilbet. Äein Sßuii 
bem ©tidj einer ©iei 
btilfe burch bie ©che 
3?lüffigfeit berurfacht 
günbung. Sie SEßiber 
giehen beS ©tadjelS, b 
felbe aus bem Seibe 
ben Sob ber Sßierte g 
bie ©iene ift im ©t 
fernen, toenn man 
lieber Sefer, fei bei b 
ruhig, unb fechte bab 
in ber Suft herum! 


6i«fc9lW>arat ber $ouißbtene. 


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£al et fo rumme gaßn. 


6^7 


£at et fo rmnme goljii. 

(StttaS aus ber alten 3*ü für bte Sleujett 

801t 0. ftaitfcrr. 


in alter Her|og Pon Sraunfchroeig im Pori« 
gen Sahrbunbert, mar nod) fo ein gürft, 
ber fein fianb f e l b ft regierte, unb baS 
fianb ftanb nict»t fd^led^t babei. (ginftmulS 
hörte er oon einem Sorfe naße bei ber Stabt, 
baß bie Säuern anfingen bie „Herren |u ipie» 
len", unb baß fie Sonntags unter ber Äirchen« 
jeit fid) in bie Scheute festen, lärmten unb 
loteten. Sen näcßften Sonntag SWorgen tbut 
ber Hersog einen alten SJtantel um, briieft beit 
Hut ins ©efießt unb macht fich auf nach bem 
genannten Sorfe. 6 r fommt an, als bie ©lo« 
den eben jur Jtirche lauteten» unb gebt gerabe« 
roegS jur Scheute. Sa faß um ben Sifcb eilt 
ganjer Haufe folcher Patrone, tümmerten fich 
roeber um bie ©loden, bie eben 3 ur Äirche lau« 
teten, noch um ben Wann im'Hut unb Wantel, 
kr guten Sag bietet unb fich 3 « ihnen eben 
ait bie Sifchede fetete. Sie batten aber öor 
fich einen großen Stapf, ber mürbe mit ©raunt» 
mein angefüllt, 3 uder hinein getban unb ange« 
jiinbet, baß baS ©etränf beiß marb. Samt 
nahm ber erfte'ben Stapf, traut unb reichte ihn 
feinem Machbar 3 ur Stedjten mit ben Sßorteu: 
„fiat et rumm gähn." Unb fo ging es rum 
ton einem 3 um anbern, bis eS an ben H«r|og 
tarn, ber aan 3 ftitlfchmeiaenb babei faß. Sa 
rief ber erfte über ben Sifdj beS HeriogS Stach» 
barn 31 t: „fiat et nu fo ruinme gabn." Unb 
fo reifte beS Herzogs Machbar ben Stapf feinem 
Siebenmanne 3 ur fiinten itiriid unb ber Stopf 
machte abermals bie Stunbe, bis et mieber ton 
kr anbern Seite an ben Hersog tarn. 

Sa griff ber Herzog 311 , ftellte ben Stapf lang« 
fam tor fich auf beit Sifdj, bann langte er mit 
ber £>unb aus unb oerfeßte bamit feinem Stad)» 
barn sur 9ied)ten eins hinter bie Obren, baß 
km ber $opf nicht übel brummte, „fiat et fo 
rumme gabit," fagte er ernftljaft. Unb inbem 
er feinen SJtantei auSeinanberfcblug, baß Stern 
unb Segen beroorblißte, feßte er tjiniii: „Slber 
ber 3 baft, baS ratf)e icb euch!" — Sie Säuern 
faßen roie terbliifft, aber jeber tbat fein SefteS, 
unb fo machte bie Ohrfeige in ungef^mächter 
Straft bie Stunk um ben Sifch, bis fie an ben 
Machbar beS Her|ogS 3 ur fiinten gefommen mar. 
Sarauf langte ber £>er 3 og noch einmal aus unb 
gab feinem Stebenmanne 3 ur fiinten eine 3 tteite, 
bie butte fich gemafchen. „fiat et fo rumme 
gabn," fagte er ebenfo' ernftßaft. Unb bie 
Ohrfeige mußte 3 um anbern mal bie Stunbe 
machen. 

Sarauf ftanb ber £>er|og auf, hielt ben 3 e = 


ehern, bie mäuSchenftill faßen, eine fiettion über 
SonntagSbeiligung, bie fie ihr fiebtage nicht 
tergeffen haben, unb ging mieber beim, moher 
er getommen mar. 

- • « - 

Jluo fromme!* „Jfarrljauö 
|u $podt“. 

9titget|eilt kn Km. Ofiffle. 

f ie tielen ift’S betannt, bieS „Spödener" 
SfarrbauS! Slm Seften freilich ben 
Spödern unb Staffortbern felbft; ober 
anbere fieute, roeit in ber Sßelt jerftreut, fiitb 
auch brin gemefen, unb bobenS nicht pergeffen. 
Sort ftebtS auf bem freien Slaß mit ben Sau« 
men, baS fchlicht gemeißelte fpauS; tonnte auch 
ein SauernbauS fein, benn ’Sift fein neuntobifch 
SfarrbauS, baS |u ben übrigen Raufern mie 
eine gfauft auf’s Sluge paßt. ’Sift nicht gut, 
menn ber Starrer unb ber Herr Schullehrer in 
einem ^ßalaft rnoßnen, baß man fich geniert 3 U 
ihnen 311 iommen. 3 unt ©oftbor mit ber 
Schelle bran, gebtS hinein bis *ur überbedten 
Haustreppe mit bem traulichen ©ang. Ueber 
bem 3 'ebkunnen im Hof breitet ein gemaltiger 
Stußbaum fich aus, ber mit kn feigen bis 
auf’S Honsbach reidjt unb gar traulich bie 3 ?en» 
fter mit grünen fiäkn Perfiebt. Sem Stuß« 
bäum aber mar ein runber Sifcß angemeffen 
unb Sänte barum, |u benen man burch eine 
Sreppe binaufftieg. Sa faß man mitten uit« 
ter’s Stußbaums 3meigen, feeßs guß Pon ber 
(5rbe meg unb hielt Sfatrconfereni, unb oben 
hielten bie Sögel im ©rünen audb ©onfereni 
unb biSputirten unb fangen nach ihrer SBeife, 
benn ein fieibS burfte roeber ihnen noch fonft 
einem Sßierlein im Haufe gegeben. SaS mar 
HauSrecßt im SforrbauS. Hinten ber Hof mit 
bem berühmten Huhnerftall unb ben Serlbüb* 
nern, bie fammtlich ihre Stamen batten mie auch 
bie geroöbnlichen, benn bie Serlbüßner maren 
nur ber Slbel unter bem geroöbnlichen Hühner« 
Polt. Sort unter beni Schuppen baS Sforr« 
competen 3 bol 3 , an baS beS StacbmittngS ein fei- 
tener H°lä m ocher mit bem Sägebod gebt: ber 
Sfarrer felbft, ber fich SJtotion machen roill, 
benn fonft fägt’S CSiner. ber feine Stinbtauf ober 
fioeßseit nicht besaß len fann unb roirb- ibut fo 
leister. Hinter bem ©arten mit bem Stcbgang 
unb bem großen SBiefenplaß, mo bie ebrfante 
3iege graft, bie beS SlbenbS, menn ber Sforrer 
oor ber HouStbür fißt, fich herum tummelt unb 
an bie ftlceroagen ber ßeimtebrenben Säuern 
fich macht unb ungeftraft frejfen barf, mie beS 
SfarrerS Sube fich etroa mehr erlaubt als bie 



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638 


3üts d. frommtls fffarrlpaus ju $pödt. 


änbent Sorfbuben. 21tleS at£>mete im |)of unb 
©arten eine reine unfchulbige ffreube an ber 
Natur unb ftimmte gu ben Sfarrherrit, ber 
felbft ein Naturtinb mar roie meitige. 2luS bein 
iebenbiaen Umgang mit ber Natur flammten 
feine ©leidjniffe, barunt burfte fie if)m auch 
Niemanb öerberben. 2öie fiublicb tonnte er im 
Sommer Nachmittags mit ber 3’?!]« jpiflen, 
bie er an ben Römern faffeitb, an bie Scheiter 
trieb, bie bann mieber befjergt, mit oorgetegtcn 
Römern auf itjn gufprang. So f)atte beS 
Nachbars ,(ta|e, „ber rotfje ftetl", bie fidj jur 
beftimmten Stunbe mir bem ffenfter cinfanb, 
ipr ©aflredfl; baS Ueberbleibfcl beS ffrülfflüctS 
flanb fd)on unten am Ofen parat, ©ing er 
irnrchS Sorf hinaus gum f^itial — in feiner 
großen Nocttaflhe fehlte baS SBetfdjforn nicht, 
baS er ben #üi)nern gumarf, bie ifjn bann aucf) 
banfbar bis »or’S Ort hinaus begleiteten. 2lber 
feine Sieblinge touren im |>aiife bie fürinen 
fjunbe. 2Ber erinnert fich ihrer nid)t? Sie 
burften mit ihm effen bom Seiler, in feinem 
Sette liegen, burften auch mit aufs ffilial, gur 
©onfereng in ber Seiteutafcfje brin unb fchauten 
oft »ergnüglich aus ber Stüße, ober teilten, 
wenn einer ihrem Pfarrer beim ßuß unb #änbe* 
bruef gu nahe tarn. 3t tonnte mir lange nicht 
ben lieben Sfarrer ohne feine ^imbetjen beuten; 
gulefct rouröen fie alt unb blinb unb halten baS 
©naben brob, bis fie gum großen Seibmefen beS 
Kaufes ihrem Sc^icffal anheim fielen. 3m 
|>aufe gingS einfach gu; eigentliche Stubirftube 
gabS nicht; feine große Stubirftube mar ber 
©aitg aufs fyilial ober ber ©arten, oft auch ber 
tleine 'ünbau in ben £>of hinaus, gu bem man 
mertmürbigermeife burchS ffenfier tjinauSflieg. 
2Bie diele fröhliche Nachmittage mürben bort 
braußen »erbracht, mo man gebeett »or Stegen 
ober Sonne im |>of faß! Sort eutftanben auch 
manche Sihriften in ber Stille. Senn ftill 
gingS her im '-Pfarrhaus. ScS NiorgetiS früh 
um G Uhr mürbe im Sommer gefrühfliicft, maS 
manchem tperrn Sicar, ber fidj auf ber Uniber* 
fität auch auf’S Schlafen »erlegt hatte, guerft 
nicht leicht antam. Senn beim ffrühfliüf mußte 
2l(leS fein unb bei ber Slnbacht. Oer Sicar 
hatte feine ginnente Kfaffeefchiiffel, aus ber er 
tränt unb in bie er bie bampfenbeit JÖccfcn beS 
Sorf bäcfers tuntte. 3um _ 2litbenten mürbe 
ihm beim 2lbflhiebe bie »cfliiffel überreicht. 

2öie oicle Sicare roaren’S boch, bie unter fei* 
nem Sach roohneit burften ober moljnen muß* 
ten! Senn fpottroeife nannte man mol)l auch 
fein &auS „baS geifllidje 3»chthauS", inbem er 
manchen miberhaarigen jungen £>errn gur Gr* 
giehung befam. Unb hoch mit menigen 21uS= 
nahmen roerben alle bie 3eit fegnen, bie fie bei 
ihm fein burften. 

•frenljöfer beburfte, um beS ffilials mitten, 


einen Sicar, bagmei 
lehre unb »iele Gafu 
hielt ihn auf eigene 
nur einen betaust» 
ihm, baß gerabe bau 
gu brauchen mar, ib 
bat er um ben uni 
©naben abgefchlage 
benn barauf hin ani 
unb diele haben bei 
Unioerfität ober ii 
nicht gelernt hatten, 
er gehabt in ben 3c 
25; ein reiches, ff eil 
Sobcn brauf! S3e 
»oit feinen Sicaren, 
unb man muffle nur 
alle trug unb für bei 
Ser eine tarn »oll \ 
„bem Sietiftenbaupi 
„fich nicht berumbrii 
mar ein SMberfprt 
opponirte; ber anbet 
bilbet traut, immer t 
eine Sraut unb feine 
mieber ein anberer 
hinein, unb ein ani 
Sicr unb 2Öein; ein 
machte immer ein 6 
er hatte mit Stauche: 

Sagu bradjte jebet 
unb £>cnl)öfcr mußte 
ßreugeS. SMe treul 
berebete auf bem 5öe 
Spagiergang ben Sei 
bigen?" fnig er mol 
tlaren Scrfiäubniß 
hörte er felbft bem 2 
an ber Safriftcitljür. 

Sie £auptcorrcttu 
»fing man in ber 
felbft. 21m förbern 
manben * Unterricht 
#enl)öfcr »oll Sehen 
unmittelbar unb ne 
©leichitiffe ftrömten 
Staucher Sitar hat 
Unterricht für bie 
burchgemacht. Gr 
ber Sicar mitging i 
moKte. ffür jebe ff 
bereit fie gu bcantn 
Sebiirfniß fich aus 
fchlaflofeit Nächten o 
©ebcinfe über ein 
theilte er cS bem Sic 

Gr rebele nicht t 
gange 21rt umgugeh« 
unb SlilbeS. SaS 


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9<u fünfzigjährige jJubiläutit bts $uflao Hbol)>h*§totins. 


639 


ohne baß er abfidjttich befehlen wollte. (Sr 
Wußte, baß man baS nicht fann. Hub bocß finb 
Biele SBicare bei ihm belehrt worben. Sie anbern 
Ijielten’S nictit aus unb jogen weiter. 2Bie oft 
ging’S mit »ihnen Nachmittags hinüber auin 
alten Siirgermeifter Don ©taffortlj (wo .f)en= 
fjöfer fich aiidh weift nach ber ifkebigt umtleibete). 
©emiß werben jene Käufer unb bie Nachmittage 
b’rin bem SBicar uitoergeßlirf) bleiben. £atte 
bie ©cnieinbe ben SSiear gern, fo mar’S Niemonb 
lieber als $enl)öfer felbft. Bon Neib unb Ntiß« 
gmtft mar feine Seele frei, fjiir ©ufte mar 
immer ein. offenes £>auS in ber oberen Stube; 
welch’ ein langer Stifd) war manchmal am ©onn« 
tag für bie ftremben gebecft! $a würbe Nie« 
manb abgemicfen. ©onntagS Nachmittag tarnen 
oft bie Ntäbcheit aus ben ©cmeinben unb fangen 
ihm, bieweil er ruhte, geiftliche Sieber, bie er fie 
gelehrt hotte, braußen unterm Nußbaum. Ob« 
Wohl felbft nicht mufifalifch, liebte er ben ©e= 
fang fehr. 

©er 31 t ihm Bon ber ©emeiube tarn, mürbe 
freunbtich empfangen, wiewohl er oft nicht fon« 
berlid) gefprächig war, unb in Raufen oft fugte: 
,,©o ift es!" ffiir feine ©tunbenhcilter fiatte er 
beftiminte Nbenbe, in welchen er mit ihnen ein 
©tücf ber Schrift burdjging, was fie bann in 
ben ©tunben befjanbeln foHteit. ®a burfte jeber 
frei unb offen feine Nteinnng tagen. 3 ?iir fich 
lebte ftenpöfer feßr müßig; befannt ift feine 
tßorliebe für’S SBaffer, mit bem er alles in unb 
außer bem £>aufe curitte. ©ar er unwohl (unb 
er litt Biel am Ntageit unb Unterleib), fo mürbe 
gefaftet unb 8 bis 10 ©Icifer ©affer getrunten, 
überhaupt meinte er, eS fei gut, uiei baoon 311 
hinten; ber Ntagen fei wie ein Stopf, ber miiffe, 
wenn man was ©uteS hincinthun wolle, unb eS 
fchmecfen folle, fauber gefpiilt fein, fonft Ber« 
berbe alles bauiu; fo miiffe man auch ben Ntagen 
wacter mit ©affet auSfd)wenten, bann tönne eS 
erftjchmecfen. 

©0 fchlicht uub einfach wie beim (Sffeit, baS 
rneifi fehr fchiteft Bor fich ging, mar er auch an 
Üch. 3 fd) fehe ihn immer nod) in bem großen 
fletjenben |)enibtragen unb bem fcbmarjett £>a(S« 
tuch, bem langen Norf mit ben beibeit großen 
©eitentafdjen, nicht nach ber ueueften Ntobe, unb 
auch nicht immer auf’s Bortffeilhaftefte gemacht; 
ben fdjwarjeit, groben ©djuhen unb ber Nfiiße, 
biStpeilen auch im’ altinobifchen £>ut unb bem 
großen Negenfd)irm unter bem 9lrm, gefentten 
unb finnenben £>aupteS in bie Nefibenj tommen 
unb gegen Ntittag fdjon wieber Boll Heimweh 
nad) Tarife eilenb. 

SSier ihn anfehaute, Bermutljete fanm einen 
Pfarrer in ihm; nur wenn aus bem ©efichtc 
Boiler galten unb Nunjeln baS Nuge BoH unb 
leuchtenb herauSblirfe, tonnte man merfen, baß 
man etwas mehr als einen Säuern Bor fid) habe. 


(Sr tonnte im £>aufe fehr heiter fein unb über 
einen guten (Sinfall herjlid) (adjeit. Born finftern, 
traurigen ©eift war nichts bei ihm, wiewohl bie 
ferneren ©tunben nicht fehlten. ©er bei ihm 
war, nahm ben (Sinbrurf mit: @r mar bei einem 
Si iiib, bei einem U'inb ©otteS. 

(Ss ift nur ein turjer, tleiner ©inblirf iu’S 
£>auS, beit ich h' cr gegeben; möge er für jeßtge« 
inigett. @s leben ihrer noch Siele, bie mehr 
feigen fönneit; ober baS £>auS ift ein ftifleS 
£>eiligtbunt, in baS man nicht alle Seute hinein 
führen fann. 


|fiiufii0jäljrt0c $ttbUiwm beit 
0uftau JUioljjlj-Jfereiits. 

(fbitor. 

/jbS war am 6 . Nobemher 1632, als bei Süßen 
S® eine eiitfdjeibenbe ©flacht jlnifchen bem 
T proteftantifchen £)ecre ber ©daneben unter 
©uftaB Nbolph unb ber Nrmee ber fatholifchen 
Siga unter ©allenfteiu gefchlagen würbe. 

Sange rangen bie ©eguer in mörberifdjeut 
Kampfe um ben ©ieg. ©uftciB Nbolph, ber 
große ©cbmebenföitig fiel, unb fein 3:ob ent« 
flammte feine Krieger ju folchem ^elbenmuth, 
baß fie alles Bor fid) nicberwarfeit uub ©allen« 
ftein genöthigt mar, als Befiegtcr fid) Bont 
©djladjtfelb liach Böhmen ,girürfjiipehcn. 

Oie ©teile, wo ©uftaB Nbolpt) fiel, hätte Bon 
feinen 3 eitgenoffen wohl mit einem pradjtoollen 
©eittitial geweiht Werben biirfen. ©man aber 
war in jener ftürmifchen 3 cit faum 311 benteu; 
unb fo tarn eS, baß jmei ^ahrhuitberte lang nur 
ein rauher ©tein jene ©teile bejeiebnete, ben ein 
paar Sage nach ber ©chlacßt „13 Bauern aus 
Nteitcbeu unb ein gar treuer ©efell unter Bielem 
©einen unb Streinern gefdjafft 31 t biefer ©teil." 
Niancher ift wohl 311 m mit ber 3>nfc^rift G- A. 
bejeichiieten „©cbwebenftein" gepilgert, unb hat 
auch baS ©efüßl gehabt, welchem ©ötingf NuS« 
brurf giebt in feinem ©ebid^t: 

„Sold? ein Denftnat fiir bas große £cben 
Dicfes Hefters einer tjalbcn IPelt! 

IHurrcn mödjt’ id? — mag mir’s (Sott vergeben — 
Daß bic Hrmutf? mid? gcfcjfclt tyilt." 

6 r[t als man im 3>af)rc 1832 bie 200jäl)riflc 
©ebädjtniufetcr jener Sntfc^eibungcfcljlacbt be= 
ging, touvben beutfcf)e ®äunev ifjrcv 6 c= 
mußt unb befd)(of?en, fiir bie 6 rrid)tung eine§ 
entfpredjenben ®en!mai§ gu mivfert; unb fiebeii 
Snfire fpäter mürbe baffelbe a(§ fe^r l^nbfc^e 
gotßifcbe Ueberbadjung be3 „Scfjmebenfteino" 
entbüßt. 


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640 


Jfaj|t muß &edjt bleiben. 


$)a§ Oenfntal jeigt folgenbe ^nfcßriften: 

Sßorberfeite: 

Bier fiel (Sujtao UMpb am 6. Hop. <632. 

SBeftfeite: 

<£r führte bes fjerrtt Kriege. < Sam. 25,28. 

SRüdffeite: 

®ott bat uns nidjt gegeben bcn (Seift ber ^urrfjt, 
fonbern ber Kraft, ber Siebe utib ber §udjt. 

2 (Tim. t, 7. 

Oftfeite: 

Unfer (Staube ift ber Sieg, ber bie IDett 
übernnmbeu bat. < joß 5/ 1- 

9lber jene für ben großen lobten im 3 aßre 
1832 beranftaltete würbe bie SSeraitlaffung 
jür ©rricßtung eines noch biel eßrenbolleren 
2 )enfmal§, inbem ber ©eneralfuperintenbent Don 
Seipjig, $r. ©roßmann, barauf ßinroieS, baß 
man ©u|lab 2 tbolph feine größere ©ßre bezeugen, 
unb bem tßroteftanti§mu§ fanm Durch etwas 
meßr mißen fönite, als buriß ©rünbnng einer 
©efeHfcßaft jum 3wecf ber Uuterftüßung armer 
proteftantifcßer ©emeinben bei ©rbauung Don 
ffirißeit unb ©rünbung unb ©rßaltung bon 
©Aulen. 

Oiefe 3 fbee fanb bamalS bei ben Snufenben 
auf ber meltßiftorifcßen ©beite 311 Süßen ber= 
fummelten '-ßroteftauten lebeitbigeit vtnftang, 
fcßlug fräftig SQßur^el nnb erblühte halb in ber 
©rünbung „bes ©oangelifcßcn 33ereinS ber 
©uftao 9u>olpß=©tiftung." 

Oiefer 23ereilt feßt ficfj es namentlich <ur Stuf« 
gäbe, ben ebangelifcßen ©laubenSgenojfen ihre 
©lauben§freif)eit 311 ermatten, bie jerftreuten 
tßroteftanten in ben fatßolifißcn Säubern gu 
fammeln, fie 311 ©emeinben 311 oereiuen unb für 
^rebiger, ©<ßulen unb ©otteäßäufer 31 t forgen. 

Wetfroürbig ift eä, baß biefe ©efeflfcßaft bon 
ben 5 Widioneu OotlarS, bie fie feit ißrem 33e= 
fteben eingenommen, meßr als ein drittel, nänt= 
(i<b 81,800,000 auf Oefterreicß, 'auf ba§ Sanb 
bermenbet hat, ba§ im breißigjäbtigen Kriege 
Stfles baran feßte, um bem $roteftanti§mn§ ben 
Sobeäftoß §u geben. Unb feit 1861, in welchem 
Sabre bie öfterreicßifißen tproteftanten enbticb 
©leichbereißtig'ung erlangten, giebt e§ fein S£ßal, 
feine Stabt unb fein Oorf in Oefterreicß, in 
benen tfJroteftanten fieß finben, ttto bie ©uftab 
9(bolph=©tiftung mißt ihre gefegitete SÖßirffam= 
feit entfaltet bot. 

Wöge fie blühen unb ffriußte bringen bis 311 m 
©ttbe ber 3 eit. 3 ßre biefeS ©pätjaßr begangene 
50jährige Jubelfeier, metdje 3 ug(eicß mit bem 
250jährigen ©ebäcbtnißtage ber Schlacht bei 
Süßen abgehalten mürbe, mar eine ebenfo mür= 
bige al§ entbnfiaftifche, unb roirb ohne Zweifel 
ba 3 tt beitragen, ben ©ittfluß unb bie Waißt biefe» 
fo fegenöreüßen 23erein§ 3 U bermehren. 1 


üedjt mufj 5 c 
II. per 

(Sine gefd)i(t)Uid)( Cnät 
brtiftiftjJf 
Wach beutfeßen ! 

$an 

3 weite 

Pagbeburgc 

ie fltacßt, welche 
war bunfel un 
trübe faß e§ in be 
au§; fie hotten swar 
aufgejauchst, ba bie i 
ließ ftill gefeßwiegen t 
merft morbeu mar, l 
©efeßüße ßinmeggefüß 
bene friegserfaßrene < 
truppen bämpften bei 
Hoffnung ßetborgega: 
nicht mit ben beraum 
Schlacht einlafjett mc 
lagerung aufßebe. © 
boHer Seforgniß in 1 
unb ber 2 Baffenlärtn 
9toffe, bas 3 eitmeilig a 
ßerübertönte, fpornte 
3 fn biefer unhcimlüßc 
bie ftußfnecßte unb fär 
berpflicßtete Bürger k 
aueß bie Leiter ßattei 
matt fürchtete einett 
©tunbe auf ©tunbe be 
2 Bcfonberes ereignete, 
Often ba3 ffrüßroth, 
jungen Stag berfünbeti 
Öie äugftlikß ftßlogi 
burger beruhigten ftd 
fie jeboeß einen ©lief 
Säger merfen fönttett, 
itt ißrer ©ruft ©laß gc 
hergeßenben 9tbenb ß 
©enerote unb Oberften 
famntengerufen, in mel 
merben follte, ob bie 
ober fortsufeßen fei. 
ber 2 ßat ba§ 311 m ©n 
bifeße |>eer unb beäßall 
Selagerung aufsußebe 
heim unb bie Weßqa 
für einen allgemeinen 1 
baß 3 uleßt befeßlojfen 
bes nädjften iageä a: 
3 eit ßerborsubreeßen, 


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üedjt muß £ed)t bleiben. 


641 


tbeilungen beSguben ^>irfd£» unb anberer ©pione 
bie Befaßung BlogbeburgS [ich jumeift BtorgenS 
jur Buße beeidbe, unb mithin gerabe in ber 
grübe ein ©türm bie meifte BuSficht auf 6 r= 
folg habe. 

Benno oon ©openheg gehörte 3 U ben ©rften, 
bie ihre gähnleitt um fid) berfammelten. „gun* 
genS," nef er in fanatifdjer Begeiferung, „jeßt 
ift bie etunbe gefommen, roo ghr bem Kaifer 
Sure ircue bemeifen tonnt! ©oeben warb uns 
burd) ben Dberft bie freubige Botfcpaft 311 2beil, 
baß iillp Befehl ertpeilt, itoch in biefer ©tunbe 
einen ©türm auf Btagbeburg 31 t wagen." 

•®ie Bteljrsahl ber ©ölbner 3 eigte Verblüffte 
©efiepter, ja, ein Sipci! liefe fogar ein lautet 
Bturren hören. „2öaS fofi baS beißen, ihr 
geiglinge?" bonnerte ber Bittmeifter. „2Öißt 
ibr nicht, baß wir eS mit einer fdjmacpen Be= 
faßung 311 tbun haben, unb bafe bie Biebrjal)! 
be^ Bürger bon ihrem nächtlichen SBacptbienfte 
au§ 3 uruben pflegt ?" 

„©alten 3 U ©naben," entgegnete Sofias, bor 
bie groitt tretenb, „um eine fo ftarte geftmtg 
ftürmen *u fönnen, mufe 3 Ubor Brefcpe gefefjoffen 
unb niüffen bie ©räben auSgefiillt fein. $aS ift 
aber hier noch niept ber gafl, unb wenn troßbem 
ber ©türm erfolgen foü, fo Werben wir uns 
beute wohl 3 um leßteitmal guten Btorgen 311 = 
gerufen haben." 

„gofiaS bat Stecht," riefen biele ©timmen, 
allein Benno bon ©openpeg überfcfjrie fie: „Safet 
euch bon bem ©raulopf ba nicht irre machen 
unb bebenft, bafe ihr in ber ©tabt Btagbeburg 
einen Beichthum oon fieben Königreichen fiitben 
werbet, benn Stillt) pat, «nt euch für euere 
Kühnheit 3 U belohnen, eine breitägige Blüttbe« 
# runa ber ©tabt erlaubt." ©in milber gubel 
brach jefet unter ben feilen KriegSfitecbten loS, 
welcher immer höhere 9öellen fepittg, als ihnen 
noch gntcrleßt bie Barnen berjenigett Blaqbe« 
burger befanut gemacht würben, auf beren 
Köpfe Stillt) namhafte greife gefeßt hatte. 

'» 11-3 93enuo bon ©ohcnfjeg mit lauter ©tiinine 
ben Barnen „Batbob" nuSrief, erglänste fein 
Bntliß in wahrhaft teuflifd)cr greube, währenb 
ber alte gofiaS in ein tiefes Bacpgrübeln 311 ber= 
fmlen fchien. — 

Btittlermeile war bieBacht bon bem Stag ber« 
brängt worben, ©rmattet unb fdjläfrig fdjauten 
Bürger unb ©olbaten bon ben SBäflen in baS 
weite gelb hinaus, wo fiep bie geinbe uid)t 311 
rühren fdhtenen, benn bie iibermiegenbe Btepr« 
3 ahl ber 3 um ©türm befehligten Struppen ftanb 
bereits gebeeft hinter beit Striimmern ber Bor« | 
ftäbte. „®ott fei Staut," äußerte Bubolf Batbob 
31 t feinem neben ihm ftehenben Bruber, „ber 
Bugenblid ber Bblöfung ift enblidj gefommen. 
©S mar heute ein ängftlicher Badjtbienft unb ich 
fepne mich nach Buhe unb ©cplaf." „geh bin 


freilich auch mübe," berfeßte BnbreaS aäpnenb, 
„hoch bin itp 311 fepr gefpaitnt auf baS ©rgebnife 
ber BathSberfammlung, bie ja, wie bu weifet, 
auf b'iefe ©tunbe angefagt ift." 

„ga wohl," niefte Bubolf berbriefelicp, „bie 
Bürger haben feit geftern Bngft betommen unb 
wollen bie Bebingungen feftfeßen, unter benen 
fie 311 fapituliren münfdjen. Ster Schwebetu 
fönig 3 ögert in ber ipat 311 lange, unb fomit ift 
mir jeßt Blies ©ins, maS gefepiept. 2ßirb unfere 
©tabt ben Kaiferlicheti übergeben, fo bringe ich 
I fo lange in unfern Bater, bis er in eine Bus« 

I wanberung einwiUigt, benn hier haben mir ja 
hoch nichts mehr 3 » hoffen." Uttb mit biefen 
Blorten ging er langfamen ©djritteS nach ©attfe. 

Bur wenige Bürger unb gegen fechshunbert 
©olbaten blieben auf beit milleti rurücf; hoch 
machten auch biefe eS fid) mögliepft bequem, 31 U 
mal fie fieper waren, bafe ber geinb am hellen 
Stage faunt etwas BefonbereS unternehmen 
werbe. $ie entlaffenen Btannfcpaften begaben 
fich 3 um größten Stpeil nach ihren SBohmtngeit, 
um fich 3 ur Buhe 3 U legen, Bnbere nach bem 
BathhauS, um 311 hören, was ba Beues borgehe, 
unter ihnen auch BnbreaS. 

STovt würbe bereits feit bier Uhr berhanbelt 
unb noih immer mar man ttnfcplüffig, was für 
Blamier in baS feinbliche Säger 311 fenben feien, 
unb unter bem bielfachen ©iiu unb ©erreben, 
ob Btagbeburg fapituliren fülle ober nicht, per« 
ging rafdj bie 3eit. BnbreaS war ärgerlich fle= 
worben unb hatte beShalb baS BerathungS» 
3 immer berlaffeit, boch ftiir 3 te er alsbalb in ben 
©aal 3 iirücf unb melbete tobtenbleich: 

I „Buf ben gelbem wimmelt es bon Beitem, 
in bie Beuftabt rücft eine ungeheure SJtenge 
KriegSbolt ein! Buch haben bie 2Bäd)ter auf bem 
$oiti= unb gafobithurin angeseigt, bafe bie 
Kaiferlicheti aus allen Sägern fich ftctrf nach ber 
©ubenburg unb Beuftabt siehett unb hinter ben 
ftehengebliebenen Blauem Bofto faffen." 

Bllgctneine Beftitrjung. Bur galfcnberg fchien 
gefaßt uttb antwortete fürs: „geh münfebte, bafe 
1 bie Kaiferlicheit fich’S unterftehen unb ftürmen 
j möchten; fie füllten fo empfangen werben, bafe 
eS ihnen übet gefiele!" Uttb ruhig fuhr er in 
] feiner Bebe fort, bie Uebergabe BtagbeburgS 311 
1 miberratben. 'Sa plößlich brang ein fd)auer= 
j licßer, langgebebnter 2 on 31 t ben Chrcn ber hoch 
aufhorchenben Berfatttmlutig. ©er Stürmer 31 t 
©t. gohattneS hatte in baS Särmhorn geftofeett 
unb als einige ber Bauherren 111 t baS geufter 
eilten, fahen fie auf bem SUjurme bie Kriegs« 
fal)ne wehen. ©Ieicb 3 eitig erhob fich auf ber 
©trafee baS Bttgftgefdirei: „2)ie Kaiferlichen 
ftnb in ber ©tabt! ©ott erbarme fich nnfer!" 

Otto bon ©ueriefe mar ber ©rftc, welcher hin« 
auSeilte, um 3 U fefeen, was eigentlich borgehe. 
„ 2 Bo ift benn ber geinb?" rief er einigen 



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642 


Redjt muß $td)t bletben. 


füepenben Sürgern ju, welche nach ber fffifcper* 
ftrafje beuteten ; unb in bet Dpat ftieß er bort 
bereits auf eingebrungene Kroaten, bie mit bem 
©türmen unb ©lünbern bex Käufer befepäftigt 
mären. Sofort ftürjte er nach bem Statppaufe 
jurüdE unb iiberbraepte ber ©erfammlung bie 
ftanj unglaublich fepeinenbe Sotfcpaft. Der 
Wagiftrat aber unb bie übrigen anmefenbeit 
©ürger eilten Dotier Seftürsung unb ©epreden 
auf ben 50 ?arft, um nod) Stettunc)Sanftalten 31t 
treffen. Drommelfcpläger würben abgefanbt, 
bem anftürmenben tJeinbe einen Slfforb anjnbie» 
.ten, bod) feiner berfelben leprlc mit einer Slnt* 
wort surüd. ©in ccttfeßlichet Särm tobte in 
allen ©affen unb ©läjjen, Don allen Dhürmen 
btieS man Warnt, bie fdjwerett ©cpläge ber 
©turmglode erbröfjnten unb überall rief man 
nach SSaffen. Die erfeprodenen ©ürger Der* 
liejjen ihre fRupeftätten. Sille eilten na cp ihren 
gewöhnlichen Soften auf bett SBäflen, betfn über* 
aß ertönte jejjt ber faiferlidje ©chlad)tenruf. 

©Oppenheim, welker mit feinen Stegimentern 
ben erften Singriff auf bie fReuftabt aiiSgefüprt, 
mar aud) ber ©rfte auf bem Sßall gemefen unb 
ftieß bort feine tJapne in bie ©rbe. Unterbeffen 
hatte Callenberg einige Capnlein CuftDolt 311= 
fainntengerafft, mit Seiten er fiep muthig beit 
©türmenben entgegenwarf, ©einer großen 
Daßferfeit gelang eS, ben Ccinb 3urüdsufchlagen 
unb ihm einen SBerluft Don über hnnbert SJtann 
beisubringen. Da tauchten neue faiferlicpe 
©(haaren auf; ohne fich 31t befinnen, ftürmte 
ber £>elb, an ber ©piße feiner Keinen ©chaat, 
ber gefäprbeten ©teile 311, aüein eine Äuget 3er* 
fchmetterte ihm bie ©chulter unb ftiirjtc ihn Dom 
Stoß, ©terbenb mürbe er Don ben befümmerten 
©einigen in ein benachbartes £>auS getragen, 
welches halb barauf ein Staub ber Clammen 
würbe, unb entmutpigt burch ben Seeluft ihres 
tapferen CitprerS wichen bie ©olbaten in bie 
©tabt 3iirücf. 

Cmmer neue CeiubcSfcpaarcn brangen nun in 
biefclbe Dor, benn ©Oppenheim lieh auf ©türm« 
Teilern ohne Unterbrechung frifcpeS ÄriegSüoIt 
nachrüden, befehle ben gattjen^ Söafl,. fo bäh fi(h 
fepon nach Verlauf weniger fetunben aße SSerfe 
in fcinbtichen .vtdnbeu befanben. 

3 eßt erreichte baS Ungltid ber armen Wagbe* 
bnrger feine j£>öhe, benn gleich einem £iecre wil* 
ber Diger ftiir3ten fich bie feinblidjen ©(haaren 
auf bie bcjammernSwürbigen ©inmohner. Slin 
örgften häuften bie Kroaten, Italiener unb 
SBaßonen, nor beren himmelfchreienben Unthaten 
fclbft ihre beffer gefilmten Söaffengefäprten tie= 
feit Slbfdjcu empfanben. 

3 » ber ©taufamfeit ber Weufdjen gefeilte fich 
noch baS Derheerenbe ©lement bes Ceuers. Sin* 
gefacht burch einen heftigen Storboftwinb, wägten 
Sie Clammcn fiep Don fiauS 31t fpauS, aber troß 


beS üer3ehrenben SranbeS währte baS ßämpfeir. 
Worben unb Stauben ohne Unterbrechung fori. 

Slls SlnbreaS burch ©ueride oernommen hatte, 
bah ber Ceinb in bie ©tabt gebrungeit fei, eilte 
er fofort nach fjaufe, um bie ©einigen Woinög* 
lieh ja retten, ©ater Statbob fant auf bie ßniee, 
hob bie |)änbe 3um Fimmel empor unb rief mit 
bteepenber ©fimme: 

„Ol), mein ©ott! nun ift unfere ©tabt unb 
wir fiitb mit ihr Derloren!. . . £>err, bein SBifle 
gefchehe, nur fei uns gnäbig, unb gieb uns ein 
rafcheS ©nbe!" Snjwifcpcn hatte SlnbreaS ben 
in tiefem ©chlafe liegenben ©ruber gewedt, 
Währenb Jlohnnna bie Wenigen Äoft bärfei ten 
Derftedte, Welche bie Camilie befah. „Torwarts, 
Stubolf, fleibe bidj an unb Iah uns auf bie SBälle 
an unfere Soften eilen!" brängte SlnbreaS, wel« 
eher fich inswifepen wieber etwas gefaßt hatte. 

Slilein ber ©ruber begegnete ihm mit einem 
DormurfSboflen ©lide unS entgegnete: „©djelte 
mich nicht einen Ceiflling, Wenn ich bir nicht fo- 
gleich 311 Söißen bin. Wein Slrm unb Sehen ge* 
hören bem Dienfte ber ©tabt, meine Siebe aber 
bem ©ater unb ber ©djwefter, unb fie müffen 
erft in Sicherheit fein, ehe ich mich bent Ceinbe 
entgegenwerfe." SlnbreaS fühlte fich befepämt; 
et Srüdte bem ©ruber bie#anb unb fagte: „Du 
triffft ftets baS Stidjtige, währenb bei mir oft 
£>er3 unb ©erflanb mit bem Reihen ©lute burch* 
gehen, baS in meinen Slbern roßt. Doch fchon. 
ertönt aus ber perlte baS ©iegeSgefchrei ber 
plünbernben Kroaten! Komm, wir wollen ©ater 
unb ©cpwefter berbergen." 

Wit unfäglicher SBepnuith nnb bod) Wieberum 
mit freubigem Stotze blidten ©ater fRatbob unb 
Johanna auf baS jugcnblidje £elbenpaar, wel* 
cpeS jeßt fnh gewaltfam ihrer 3ärtlichen Um*« 
armnng ent3og, um in bie Sieben ber Keinen 
©djaar ein3iitreten, bie mit ihrem ©lut unb 
Sehen baS ©orWärtSbringen beS CeinbeS 3U Der* 
hinbern fuepte. 

Slls fie bie .ftauptftroße wieber betraten, Wut* 
ben fie plößlicp pintcrrücfS gepadt unb 3U ©oben 
geriffen. Droh ihres WutpeS entrang fiep ihnen 
bodj ein ©d)rei beS ©ntfeßenS, als fie in bie 
WilSen ©efidjter mehrerer Kroaten blidten, bie 
unter bem mörberifchen ©efeprei: „Slfl’ gewon* 
nen, Sill’ gewonnen!" bropenb ipre ©cpmerter 
unb Dotcpe 3iidten. 

„3uriid!" bonnerte aber auch fepon im näm* 
fiepen Slugettblide bie raupe Sajjftimme eines 
alten ©tacptmeifterS, welcher fiep swifepen bie be* 
bropten ©rüber unb bie Kroaten warf unb bie 
festeren absuwepren fuepte. „Diefe beiben Sur* 
fepen fiitb meine ©efangeneit. Der #err ©eneral* 
felbmarfcpaß pat auf bie Köpfe ber beiben @e= 
feßen hier einen ©reis gefeßt, unb wepc bem, 
ber fie oorfäßlicp tobtet!" 

Die Kroaten ließen mit Drängen naep unb 


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Kedjt muH »aßt bleiben. 


643 


mecßfelten ßeqenfeitiß ©lide, bann trat ißr An* 
füßrer gu Sofias uitb flüfterte ißm gu: 

„Serfpricß uns einen Antheil um ©reis, bann 
foQft bu bie ©eiben haben!" ©ei ber Uebermacßt 
ber Kroaten b(ieb bem alten 3 d)iuivrbnrte nichts 
iibriß, als flute ©tiene gum böfen epiel gu 
machen ttnb 30 gu faßen. Dafür halfen if)in bie 
rohen Ärießer beim gefjeln ber beiben ©rüber, 
welche fid) enevflifd) gur ©Jefjre festen. Aber um* 
foitft; Sofias führte fie fießer burch bie bren* 
nenbe ©tobt in ’S Süßer hinaus. 

£>ier ßerrfeßte Säncßgen nnb Subiliren ber 
©olbaten, baneben ©leinen unb jammern ber 
ftinber unb grauen, unb bagmifeßen tnieber ein 
feßrifler ©(hrei ber ©ergmeiflunß. ©Jiißrenb aus 
ben Drümmern ber eroberten ©labt fdßwarger 
©auch unb ßlüßenbe Junten aufftieflen unb gu* 
weilen wohl auch eine flamme emporwirbelte, 
faßen bie ©ölbuev um bie ©Jacßtfeuer unb gech* 
ten nach föergenSluft, benn man hatte aus ber 
©tabt Diele SebeuSmittel in bnS Saßer gebracht, 
©alb ober erhob fich ber alte, biebere Sofias Dom 
©Jacßtfeuer unb fchritt einer ©trohütte gu, bie 
Don einer ftarten ©Jache umftellt mar. Dort laß 
baS ©atbob’fdje ©rüberpaar noch immer ße= 
feffelt auf einem harten Saßer. Der mitleibifle 
©djnurrbart trat bicht an fie heran unb faßte: 
„ 2 öie fteßt’S, ©efellen, wollt ihr noch immer nicht 
ein wen iß ©aßrunß gu euch nehmen ?" Dod) 
Weber ©ubolf noch AnbreaS ßabeit eine Antwort, 
fonbent beßnüßten fich, heftifl mit bem ftopf gu 
fcßütteln. 

Sofias beachtete biefe ©Jeißeruitß nicht, fon* 
bem Derfuchte fie Don Dienern gu nötßißen, ©peife 
unb Dranf gu fich gu nehmen. 6» wahrte eine 

S eraunie 3 f it, ehe er feinen 3 'oed erreichte, 
ßließlid) aber blieb er bod) ber ©ießer unb enb* 
lieh richtete AnbreaS, mnhbem er feinen Danf 
abßeftattet unb fich flefättißt hatte, bie grage an 
beii ©Jachtmeifter, was er wohl beute, baß ihr 
©cßidfal fein werbe. Sofias bliefte finfter Dor 
fich nieber unb entßeßnete: „Diad) fo etwas müßt 
ihr mich nicht fraßen, ©efellen. 6 S ift ja möß- 
tieß, baß baS Uiißlüd eurer ©tabt ben Difli) 
milber ßeftimmt hat. UeberbieS befinben fich in 
unferm Süßer fo Diele ©efangene, baß . . ." 

„©ermößt ihr uns etwa gu faßen, maS aus 
Otto Don ©neriefe ßemorben ift?" unterbrach 
ihn ©ubolf. 

„©ueride?" mieberholte Sofias naeßfinneub 
unb leßte ben 3 r'flrfinßer an bie ©afe. „(?S ift 
mir aüerbinßS, als ob ich ben ©amen — ©ueride 
... ©ueride — £)ollal). ja wohl! Cb, bent ßeßt’S 
fo weit ßonj ßut. Der ift bei nuferer ©eueralität 
feßr befanttt unb wirb nehft feiner ©einahlin 
mit ßroßer Schonunß unb ©Jilbe behanbelt." 

,,©o ift er alfo auch ein ©efanßener?" riefen 
bie ©rüber ßleicßgeitiß. 

„©atürlicß, bis er baS Söfeßelb herbeißefchafft 


hat. ©Jirb ihm aber auch ferner werben, ba er 
all’ feine £>abe Derloren hat- ©ber ich will mich 
jeßt gur ©uße leßen, benn ber Dag mar hart, 
unb wer weiß, maS uns morßeu wieber beoor* 
fteht. .fjabt ßute ©acht." 

Dl in auberu ©Jorgen beßannen bie ©erhöre. 
Das ©utaebten ber Snquireuten fiel bahin auS, 
baß ©ubolf unb AnbreaS ©atbob, fo wie noch 
Derfchiebeue Anbere ßut feßmebifeh ßefinnte ©iir* 
ßer ©taflbeburßS, als ©ebeHeit unb Ueiitbe beS 
ÜtaiferS Dor baS glricgSgericßt gu ftellen unb bis 
bahin in harter #aft gu halten feien. Damit 
mar fo gu faßen feßon feßt bas DobeSurtßeil über 
bie ©cfcßulbigten auSgefprocßen. 

©Jäßrenb biefer ©erichtstaß im faiferlichen 
Saßer abßehalten mürbe, hatte aber auch feßon 
ihre ßelbenmiitßiße ©chwefter Sohanna Don 
ihrem ©chidfol gehört, unb fie befeßloß, fie wo= 
möglich gu retten, Auf großen Ummeßen gelang 
es ihr eublich, heimlich aus ber oermiifteten 
©tabt gu entfliehen unb in’S feinbliche Saßer gu 
tommen. Dort außclaußt, fcßlicß fie fieß im 
Dunfel ber ©acht Devborßen, leife' bem Dbeile 
beS SaßerS gu, welcher bie ©efangeneit beßer* 
berßte. ©or ber ©teßrgüßl ber ©troßßütten ftan* 
ben ©Jachtpoften; ihre oevbrofjenen ©tienen Der* 
fünbeten beutlich ben Dlerßer, baß fie buvcp ihren 
Dienft Derhinbert würben, an ber ffreube ber 
Äamerabeit 2 heil gu nehmen, unb ießroff uub 
hart Wiefen fie Sohanna guriid, wenn biefe es - 
maßte, einen ©lid in eine ber 3 elthütten gu 
thun. ©tunbenlanß irrte fie in ben oben Süßer* 
ßaffen auf unb nieber, ohne Don ben ßeliebten 
Sritbern auch nur eine ©pur gu entöeden, unb 
feßon wollte fie bergmeifeln, als fie Dor einem 
3 elte einen Seiterwaßen erblidte, ber foebeit Don 
einer deinen Familie beftießen würbe, ©tit 
einem ©uSruf ber Ueberrafchunß ftiirgte fie auf 
baS ©efäljrt gu, benn fie hatte in bem 3 ?remben 
©ueride mit feiner juiißeu fjrau erfanut. „Um 
beS £>immelsmitlen, ©täbdhen," rief grau ©ue= 
ride, „was fuchft bu hier im Süßer ? ©ift bu 
benn auch ßefanßen worben ?" 

„Ch nein," feufgte Sohanna, „idh bin frei, — 
bodh ihr ?" 

Sn furger ©ebe theilte ©ueride ihr feine 
SeibenSßcf^ichte mit unb fcßloß mit ben © 3 or* 
ten: „@rft Dor einer ©tunbe habe ich unb meine 
gamilie unfere greißeit wieber erhalten, unb 
will nun fort. Doch was fueßt il>r hier, So= 
hanna?" 

„©Jeine berurtheilten ©rüber, bie icß gu retten 
Derfußen will," flüfterte baS juiiße ©Jübcßen. 
„Shr feib unferin .^aufe ftetS ein lieber greuub 
ßewefeit, .£mr ©ueride, unb werbet mir ben 
Aufenthaltsort ber armen ©efanßeneit nicht Der* 
feßweißen, falls er ©neß befannt fein follte." „@S 
tßut niir feib um ©ucr hoffnuiißSDolleS ©emütb," 
entßeßnete ©ueride, „boeß ßlaubt mir, baß feiner 


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644 


$ed)t muß Jttdjt bleiben. 


©urer ©rüber gu retten ift. 6abe ich bod) felbft 
allen meinen ©influß bei Dillh aufgeboten, um 
feine ©trenge in ©nabe gu bermanbeln. ©uer 
alter ©ater rnirb binnen legt unb oierunbgmangig 
Stauben feine beiben ©öffne berliereit, barum 
ift es boppelt ©ure ©fließt, baß 3ßr euch ibm 
roenigftenS erhaltet." Mein Johanna icßüttelte 
energifcß bas bfonbe ,paupt unb rief: „Der 
©ater überlebt bcn Dob bon (Rubolf unb dlttbreaS 
nicht, unb raeil ich baS meiß, muß ich MeS auf» 
bieten, bie ©rüber gu retten. 3ögert nicht, $err 
©ueride, fonbeut begeicßnet mir bie ©teile ihres 
©efängniffeS." 

Da ber 9tathSherr bie fefte ©ntfchloffenheit 
beS jungen dRäbcßenS fah, fo gab er ihr ben qe= 
münfcßten Mffdjluß, unb nachbem Johanna fei» 
ner gfomilie gum dlbfcßiebe herglich bie $äitbe 
gefdjiittelt, fuhr er mit bem {(einen ©efäljrt fort. 
Die Jungfrau aber fuchte bie Sagergaffe auf, 
in melier fi(ß bie elenbe ©trohhütte befanb, bie 
baS ©efängniß bilbete. Drei döachtpoften um» 
{reiften beit {(einen (Raum, aber bie innige ©itte 
3ohanna’S, ihr einen turjen ©iitblid in baS 
innere ber £>ütte gu geftatten, fanb taube Ohren. 

©tunbe auf ©tunbe berrann, Johanna aber 
mich niiht oom ©laße, fonbern ließ ficß in ge» 
ringer ©ntfcrnunq non ber pütte nieber, baS 
tßriinenfeucbte dtiitliß auf bie panb qeftüßt. 
©türmifcf) Hopfte ihr perg, als fie einen alten 
oorübergeßenben SBacßtmeifter gu einem ber 
üBädjter fagen hörte: ,,©S thut mir leib um bie 
beiben ©urfdjen, beim es finb fchmucfe, (räftige 
3ungen, bie wir in unferm peer wohl hätten 
brauchen tonnen. Mein gegen ben ©efeßl beS 
3?elbherrn läßt fidj nichts machen, unb fein 2Bi(Ie 
ift, baß bie beiben ©efaitgenen morgen früh 
nach bem dJtarttplaß tranSportirt roerben fotlen, 
um burch penterSßanb ben ©chroertftreich gu 
empfangen." 

ein ©djmergenSfchrei 3ohottna’S machte ihn 
auf biefe aufmertfam. ©r näherte fuß ihr unb 
rief nettounbert: „pe, dRäbel! ©eßörft bu in’S 
Säger ?" 

Johanna nidfte, benn fie muffte, baß man fie 
fonft forttreiben merbe. „©teßft gemiß beim 
©rofoßeu im Dienft," fuhr Sofias fort, „unb er 
ift rauh gegen bich gemefen ?" 

. Johanna bejahte abermals, benn fie fonnte bie 
poftnung nicht unterbrücfen, baß burch ihre ©e» 
bulb unb dluSbauer bie ©rüber gu retten feien. 


Drittes ifapitel. 

@el|eime ISunbesgenoffen. 

Sßäßrenb 3fo^anna in bumpfeS (Racßgrübeltt 
perfunten mar, erhoben fiih plößlid) ©emitter» 
moiteu unb eine unheimliche ©chmüle erfüllte 
bie ^ttmofphäre, nur ein entferntes (Raufchett i 

\ 

\ 


gab Äunbe non bem nahenben ©türm. 3m 
meiten Sagerraum regte ficß lein Saut, ©löß» 
(ich fprüßte eS am Fimmel lichthell auf, ©liße 
fuhren niebermärts unb ein lang anhaltenber 
Donner machte ben ©rbboben erbröhnen. Das 
ferne (Raufcßen tarn mit mächtiger ©ile heran 
unb ein milber Drfan tobte über bie Sagerftabt, 
beren 3elte halb im grellen Siche ber ©liße auf» 
tauchten, halb in ber fjinfterniß mieber ner» 
fchmanben. (Rocß hielten bie fchroeren UBetter» 
moltcn, bie immer tiefer ficß fenften, ben (Regen 
guriid, als ein furchtbarer Donnerfcßlag erfolgte 
unb gleich barauf ertönte bon gmei ©eiten beS 
Sägers ber ©cßredenSruf: „ffeuer! . . . ©S 
brennt! . . . herbei, herbei!" 2Bie auf ein ge» 
gebeneS 3ei<ß*n ftrömte jeßt ber (Regen nieber, 
allein er oerntocßte bie empormirbelnben fflam« 
men ber brennenben 3elte nicht gu bämpfen, 
öielmehr mürben fie non bem ©türme meiter» 
getragen, fo baß alsbalb ein großer SL^eil ber 
Saqerßütten in §euer aufging. 

diucß bie ©trohhütte, in meiner bie beiben 
©rüber fehmacßteten, gerietb in ©ranb unb bie 
döacßtpoften bergaßen ihre ©flidR unb eilten 
ihren gelten gu, um ihre pabfeligfeiten gu ret» 
ten. Schon liefen dlnbreaS unb (Rubolf ©efaßr, 
in ben güitgeltiben flammen umgufommen, als 
inmitten beS fchauerlichen Siebtes eine dRäbcßen« 
geftalt auftauchte, bie (Rainen ber ©rüber rief 
unb ihre ffeffeln löjte. 

„3ohanna!" entglitt es ben bebenben Sippen 
ber Jünglinge, hoch bie ©chmefter feßnitt ihnen 
jeben meiteren dluSruf ber ©errounberung ab, 
inbeni fie, bie pänbe ©eiber ergreifenb, ßaftig 
ermiberte: „ßein döort meiter!. . . (Rafcß bon 
hinnen, ober mir finb berloren!" Unb gleich 
einem flüchtigen UBilb eilte fie mit beit ©rübern 
in bie (Rächt hinaus, mäßrenb im Säger MeS 
mie milb unb toll burcheinanber rannte. Der 
SRittmeifter bon Poßeiißeg rafte gerabegu, benn, 
feinem ffähnlein mar ja bie ©emaeßung ber @e» 
brüber (Ratbob gugefatien, unb troßbem er nah 
allen ©eiten hin päfeßer entfanbte, brachte boch 
feiner bie Flüchtlinge gurüd. 3»beffen hielt er 
mit bem noch immer im Säger bermeilenben 
dRofeS .pirfd) ein eigenthümlicheS ©efpräch ab. 
„Du fennft alfo bie ^atnilienberhältniffe jener 
beiben ©churfeit genau ?" äußerte ber (Rittmeifter 
gu bem jiibifcheit ©änbler. „Seht ihr ©ater 
nod>?" „2BiH’S mainen," ermiberte dRofeS, „unb 
ihre ©chmefter bagu." 

,,©ie hoben eine ©chmefter ?" rief .potjenheg 
gefpannt. „3a mohl, unb ich miK meine £>anb 
legen in’S ffeuer, rneiin fie nicht ift gemefen bie 
(Retterin bon ben beiben ©rübern, fo fie hot fehr 
lieb." 

„Du bringft mich ba auf eine ©pur, bie 
golbesmerth ift," rief ^oljenbeg unb preßte bie 
$anb gegen bie ©tim. 


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Jkdjt muß Hed^t bleiben. 


645 


„9hi, bann «eben ber geftrenge £>err 9titt= 
meifter mk nur baS ©olb unb mein bantbareS 
©entütb wirb ibm tnünfc^en, bafe er noch leben 
foll taufenb 3otjir." 

„Safe baS," güritte ber ©raf, ,,bie reiche Pe* 
lohnung wirb fdion fommen, wenn bu mir 
über bie PatbobS genügenb gu antworten Der* 
magft." 

„grage ber gnäbige £>err, ich bin gang£>h r -" 

„©tarnnit bie Familie Satbob aus Ptagbe* 
bürg ?" 

„Öer 9Ute nicht, benit er ift gezogen mit fei* 
nem Pater lange in ber Seit herum, bis er hat 
gefunben in Ptagbeburg eine PnfteHuitg als 
iutberifchcr Prebiger." 

„Unb wo war feine £>eimatb, weifet bu mir 
ba§ mit ©ewifeheit gu fagen ?" „3fn SBitten* 
berg," rief ber ftänbler betheuernb. Ueber baS 
Ijäfeliche ©eficht beS SJtittmeifterS fuhr ein eigen* 
thümlicher Plife, ber etwas Don fatauifcher ffreube 
hatte, unb fchoit eine tleine Piertelftunbe fpäter 
fah man ihn auf. feinem Stoffe ber Stabt gu* 
eilen. ®ort onqelangt, begab er fid) nach bein 
©tifthaufe am 9teumartt, mofelbft 2illtj fein 
Quartier oufqefchlagen halte. Sie beim Selb* 
herrn nachgefuchte Slubieng würbe bein Pitt» 
meifter gewährt. Sie trug ihm grofee 61)re ein, 
benit iillh erging fich in warmen, anerfenneitben 
Sorten über feinen Pflichteifer. Pon bort ober 
oerfügte er fich fofort gum alten Patbob. 

Oiefer hatte bie gange Stacht in bangem 
©chmerge gugebracht unb feine Petümmernife 
galt nid)t nur beit beiben ©öljnen, bereit Per* 
urtheilung ihm mittlerweile befannt geworben 
war, fonbern auch ber entfehwunbenen Sfohannq, 
bie fein Sroft unb feine eingige ©tiifee gemefen. 
PlS baher jefet ber frembe Offigier bie rauhe 
3?rage berborftiefe: „So ift 6ure Sodjtev ?" be* 
gantt er am gangen Seibe gu gittern, gumal er 
meinte, bafe ber taiferliche Pittnieifter mit einer 
feblimnten Potfchaft gurücfhalte. „Oh, wenn 

hr wifet, wo meine Johanna Derweilt, fo übt 

armhergigteit unb fagt eS mir!" rief er unter 
Shränen. 

»2thr feib ein alter Shor," lautete bie barfdje 
Antwort ©ohenhegS. „©(aubt 2>f)r wirtlich, 
bafe ich gu ®u<h tommen würbe, wenn ich wüßte. 
Wo bie Sirne fich h^umtreibt, bie gottlofe 
£>eg:e ?" 

„Äennt Sfer benn meine Johanna ?" fragte 
gögernb ber ©reis. 

„Oh ja," Hang es feöhnifch gurüdf, „fte ift 
ihrer oerrätherifchen Stüber würbig, benn fie 
hat burch ihte geheime teuflifebe Shinft baS Un* 
wetter Ijeraufbefchworen, welches itt begangener 
Pacht uttfer Säger in Pfche legte; fie beging 
biefe fludhwürbige Sfeat, um ihre beiben Prüber 
gu befreien! aber feib ber Pater biefer Srut, 
ben ich fofort in betten legen laffen werbe, wenn 


3h* es wagt, Such noch ein eingigeS Sort gegen 
mich gu erlauben." 

Sahrfcheinlich würbe ber ©raf feine Orohung 
Wahr gemacht haben, borerft aber mufete er fid} 
i bamit begnügen, bafe baS gange £muS Don einer 
Sache berjenigen ©olbaten befefet würbe, welche 
2agS gubor baS frembe Stäbchen gefehen. Oer 
©raf rechnete mit boQer Peftimintheit barauf, 
bafe PatbobS Oochter gu ihrem Pater gitrüd* 
lehren werbe, fobalb fie bie Srüber in Sicherheit 
wüfete, — unb leiber hotte er fich nicht getäufcht. 
Pod) war ber 9tad}mittag nicht angebrochen, als 
Johanna wieber erfchien, um bem geliebten 
Pater eine fröhlich* ßunbe bon feinen ©öhnen 
gu überbringen; bo<h gelangte baS arme 9Jtäb= 
djen nicht gu ihm, fonbern würbe bon ben auf« 
geftellten |)öf<hern ergriffen, in fjeffeln gelegt 
unb in einen £l}u*m geworfen. 

Ooch bie abergläuoifche furcht ber ©ölbner 
ging fo weit, bafe bie 9Pehrgal}I fich weigerte, bie 
Sacht am Sturme gu beiiefeen, benn Sile waren 
iibergeugt, bafe ber Oeufel fein Spiel mit ben 
Sachtem treiben werbe. 

9tur unfer alter Sofias machte eine rühmliche 
Ausnahme, unb fo tarn eS benn, bafe er ben 
Oberbefehl über ben Sacfetpoften am Oburnte 
erhielt unb gleidjgeitig bie Perpflichtung über* 
nahm, ber ©efangeiten bie tärgliche Palfrunq gu 
überreichen. 

(5s mar ein elenber Werter, in welchem 3;o= 
hanna f<bmad}tete, unb eine feuchte, bunipfe Suft 
wehte jjofiaS an, als er gum erften Stale ben 
oben Paum beS ©efättgniffeS betrat. Oraufeen 
fchien fo hell unb freunblich bie ©onne, währenb 
hier ein |)albbuntel herrfehle, an baS fich baS 
Pitge erft gewöhnen mufete, benn eine Heine, ber* 
gitterte Oeffttung in ber Stauer führte nur fpar» 
licheS Sicht bem innern Saume gu. 

(Sinige Pugenblide blieb ber Sachtmeifter an 
ber ©iiigangSthüre berweilenb ftehen, bis er in* 
mitten beS OunfelS bie ©eftalt Sfohanna’S er* 
tannte, welche mit bem Raupte gegen bie Stauer 
lehnte. Oann fdjritt er borWärtS unb fefete ben 
gefüllten Saffertrug mit einem Meinen ©tüef 
Prob auf bie fteinerne Pont bicht neben bet ©e* 
fangenen. „On fjoft mich belogen, Piäbel," be* 
gönn er in feiner polternben Seife, „hätt’S einer 
fo fchmudeit Oirne nicht gugetraut. SaShattefb . 
bu benn baoon, bafe bu mir gefagt haft, bu feieft 
eine 9Jtagb beS Profofeen ?" 

„2ihr hieltet mich bafür unb ich fagte nicht 
nein, weil ich in ber 9tähe meiner armen Priiber 
bleiben wollte," antwortete Johanna mit ton* 
lofer ©tirnine. ,,©ag’ lieber, weil bu fie 6e* 
freien Wollteft," fuhr Sofias fort, „unb ba triebft 
bu beine ©crentünfte unb bateft ben Seufel, bafe 
er ein Unwetter fcfjicten unb ben Plife in S Säger 
fcfelagen taffen folle, benn bon ihm gehen ja bie 
fchwärgen Settermolten aus, beren Segen bie 


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646 


$Ud)t muß üe«^t bleiben. 


auSgetvodnete Saat erfrifc£)t unb bereit ©liße 
bie fcßwüle Suft reinigen unb erquidfcn, baS 
Alles tßut ber SEeufel, ober beileibe nicht bet 
liebe ©ott. Sa, jo, unb beSßalb bift bu auch 
eine fjeye, benn ber Seufel mar’S, ber bir baS 
gute, treue, blaue Auge gegeben unb bir bie 
Siebe für beine ©rüber in beine ©ruft gelegt 
bat, ber Teufel, aber beileibe nicht ber liebe 
©ott!" Sohanna ttmrf einen ©lief beS 3n>fifelö 
auf ben feltfanien filtert, beim noch mußte fie 
nicht, wie fie feine eigentümliche Äebe beuten 
joüte. ©on ben ©rübern batte fie erfahren, baß 
ber SBadjtineifler beren ©efangeuroärter geroefen 
unb ein gutmütiger Wann fei, troß feiner 
rauhen Art unb SBeife. Um baßer mit einem 
Wale ju erfahren, roie fie mit ihm baran fei, 
ging fie auf feine Siebe ein unb entgegnete: 

„Sßr hn^ Stecht, ber Teufel fpielt eine 
größere Stolle in ber SBelt, als ber Herrgott." 
„Sa rooljl," brummte Sofias, bod) hörte man 
recht gut baS Sachen heraus. „®ieb mir bie 
£>anb, Wobei, unb fei überzeugt, baß ich ein 
öfeinb all beS bummen Aberglaubens bin." 

Seßt erft brachen bie lange »erhaltenen SEbrä» 
nen aus ben blauen Singen Soßanna’S heroor 
unb fchluchicenb jog fie bie fcßwielige £attb an 
ihr ftürmifcß llopfenbeS £erj. 

„£)oflab Wobei," flüfterte ber SBacßtmeifter, 
„faffe unb beruhige bich, benn bie 3«t eilt, unb 
ich hake mit bir noch WancheS *u fpreeßen unb 
barf boeß nicht afljulange in bem feuchten Staume 
hier oerroeilen, roeil fonft meine furchtfamen 
Stameraben ba braußen benfen, ber SEeufei hafte 
mich wirtlich geholt. fi?omm her, feße bich neben 
mich auf bie ©anf unb beantworte mir meine 
ftrage wahrheitsgemäß. ®eine Familie führt 
ben Statuen Statbob, — er ift mir nicht unbe» 
Jannt, aber erft in biefen SEagen beS ©cßredenS 
roiebet eingefallen. 2öeißt bu »iefleidjt, aus roet» 
cbem Sanbe ihr eigentlich ftammt ?" 

„Aus bem ©Ifaß," antwortete S°ftanna »er» 
Wunbert, „unb jwar aus ©traßburg, wo mein 
UrgroßDater ein angefeßener Äauf» unb £an= 
belSherr War." „5>aS ftimrnt!" rief Sofias er» 
erfreut. „Unb weißt bu auch, was ber ©ater 
beineS UrgroßöaterS geroefen ift ?" 

„©feiferfönig! SBoßer lennt Sßf aber bie 
©efeßießte meiner Familie?" fragte Johanna 
hoch erftaunt. „2>aS wiB ich bir fagen. Wein 
©ater war ein fogenannter ©ritfeßenmeifter. Sr 
ftammte aus ©Öhmen unb hieß ©enebict ©bei» 
bed —" 

„liefen ©amen habe id) meinen ©ater fchon 
öfters auSfpredjert hören," unterbrach Johanna 
ben Alten, „unb jeßt erinnere ich mich auch — 
jener ©beibed fofl meinem ©roßoater baS Sehen 
gerettet haben, ©o biel ich jeboch »on meinen 
©rübern weiß, nennt Sh r Such Sofias, wie 
fann alfo —" 


„Sofias ift nur ber ©orname, ich heiße ©bei» 
fted. S e ßt unterbrich mich aber nidjt roieber, 
fonbern laß mich ju ©nbe erjäßlen." 

„SEÖactjtmeifter!" ertönte »on außen ziemlich 
furchtfam bie ©timme eines ber ©Jacßtpoften. 
,,©S ift ©u<h hoch nichts roiberfahren, ba Sh r f» 
lange im jEßurme bleibt ?" 

„®u abergläubifcher Feigling," murmelte 
Sofias ladjenb bor fich b'm unb fügte bann mit 
lauter ©timme bingu: „Wach’ fei« folcßeS ©e» 
räufch, benn fie fcßläft unb möchte fonft auf» 
wachen. Sd) fache nach, »b ich nicht ihre ftejen» 
falbe erwifeßen Jann, bamit fie uns nicht ent» 
Wifdje." SBäßrenb ber alte SBacßtmeifter bieS 
fpradj, blinzelte er Sohanna liftig ju, bie jeboch 
laut auffeußte unb fich baS ©efießt »erhüflte. 

„Ste<ßt fo, SBacßtmeifter," flüfterte eS »on 
außen gurüd. ,,©eib aber nur ja auf ©uerer 
f)ut!" AIS bie dritte beS fich entfernenben 
SBacßtpoftenS »erhaflt waren, lehrte Sofias gu 
ber weinenben Sohanna gurüd, bie ihm »or» 
wurfSüoB jurief: 

„SBenn Sftr freilich ben Aberglauben biefer 
groufanten Wenfcßeit noch beftärtt, fo Werbe ich 
fcßwerlich bem ^lamtnentobe eptgeßen." 

„Stur ruhig, Wobei, ärgere mich nicht unb 
reb’ mir nichts barein in ben ©lan, ben ich mir 
auSgefonnen habe. Unb »or ©Bern höre meine 
©rjählung ju©nbe. ©teilt ©ater, ber ©ritfeßen» 
mcifter, gelangte auf feinen Rohrten auch bis 
nach Straßburg unb (ernte bort eine ßodjabelige 
Familie lennen, bie fich £>oßenßeg nannte, aber 
mit ber 3eü öerarmte. Sta ja, baoon haft bu 
auch fchon gehört, baS beuten mir beine Wietten 
genugfam an, nur unterbrich mich nicht, benn 
bu wirft noch mehr befannte SDinge gu hören be» 
fommeit." 

„Wein ©ott," rief Sohanna in fcbmerglicßer 
©eroeguna, „aüeS was meine ©rüber unb ich 
»on bem ©ater erfahren haben, befteßt barin, 
baß bie SEocßter eines unferer ©orfaßren fieß mit 
einem ©tafen ^ohenßeg eßelicß »erbunben habe." 

„©(aub’S gern," niate Sofias ©belbetf, „aber 
mein &en ©ittmeifter hier fürchtet, baß bureß 
bie Stäche beineS alten ©aterS baS fdjöne 6rb= 
gut, um baS eben biefer ©raf einft beine ga» 
milie betrogen ßat, ißm unb feinem ©ruber, ber 
im ©Ifaß lebt, ftreitig gemacht werben fönne. 
®arum hatte er auch fine fo große fffreube, als 
er in ber Sifte, welche bie Stamen berjenigen ent» 
ßielt, auf beren ftojif ber Sflbßerr einen ©reis 
gefeßt, ben Stamen Statbob »ertreten fanb, unb 
bie glucßt beiner ©rüber, liebes SJtäbel, machte 
ißn fdßicr toB." „®ann weiß icß aueß, baß er 
ben ©ieg ba»on tragen wirb," feufgte Soßanna 
unb ließ ißr fcßöneS $aupt auf bie ©ruft finfen. 

„Unb ich fage bir," polterte Sofias, „baß, wenn 
©ott mieß noch »ierunbjroangig ©tunben am 
Sehen läßt, AüeS noch gut für bieß geben fofl!" 


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Htßt muß Heißt bleiben. 


647 


©uS biefer ßerglißen ©ebe erfaß ^oßanna, J fßloffeit fie fiß, gemeinfant ben Sßurm gu utn= 
toelß’ treuen, oäterlißen greunb ißr ©ott ge« , geßen unb bie ©iugangSpforte aufgufußen. Sie 
fanbt, unb inbern fie ißut bafür ßergliß bantte, j fanben bie Sßüre affen, maS ißre ©eforgniß er» 
füßte fie bie raußeit .fjäubc beS alten ÄriegerS, j ßößte; biefelbe fteigerte fiß, als ißnen aus bem 
beffeit feußte ©ugen auf fie gcvißtet mären. 1 Innern bes SßuruteS ein leifeS Stößnen ent» 
„Sage mir jeßt nur noß ©iueS." begann er 1 gegen tönte, baS, naß bem tiefen Sone gu 
naß turger ©aufe, „befinben fid) beinc ©rüber fßließen, nur bont ©Jaßtmeifter ßerriißren 
in DoUftänbiger Sißerßeit ?" „3a!" antmortete 1 tonnte, ©in eigentßüntließet ©rauen überfiel 
3oßanna, „betm fie fiitb im fßmebifßeu fiager!" , bie Sölbner, boß maßten fie ißre ©iißfeu fßtiß» 
„®ut!" niefte bet ©Jaßtmeifter, „bann über» ! bereit unb brangen in baS ©eiaölbe uor. ©in 
bringe ißnen meinen ©ruft unb bitte fie in mei» i eigentßüntlißer ©erueß, ber an ©eß unb Sßroe» 
nem ©amen, baf; fie bas ©eicßleßt ber ©belbedS ' fei erinnerte, erfiiUte bie Suff nnb aermeßrtebie 
nießt uergeffeit foflen, benit mein ©ater ©enebict 1 abergläubifße ffurßt ißrer £>ergen. 
ßat bem 3oßanne§ bas fieben gerettet unb ber j 2>raußeit mifßte ließ in bie näßtliße ^infter» 
3ofiaS ©belbed berßilft ber 3oßanna ©atbob gu i niß baS graue fiißt ber anbreeßenben Morgen» 
ißrer Qreißeit." ©oß immer roollte bie 3ung= j bömmerung, unb ber ©it&lid, melßcr fiß jeßt 
frau an eine folcße ©ettung, bie ißr gerabegu ben $riegSfneßten barbot, ttrnr nießt geeignet, 
itmnberbar erfßien, nißt glauben, nadjbem ißr i ißre abergläubifße fjureßt gu bannen, benn auf 
aber Sofias feinen ©lau mitgetßeilt, braß bie j ber fteinerueu Sauf lag, mit Striefen feftgebun« 
Sonne ber Hoffnung bureß bie büftern ©Jollen , ben, ber ©Jaßtmeifter, auf bem ©rbboben mar 
be§ ©rarnS, bie ißr £>erg umnaeßtet ßatten. Sie j ein fl reis mit feltfameu 3«i<ß«n gegogeit unb in» 
oertnoßte bem treuen, oäterließen greunbe nießt 1 mitten beS ©autneS befaitb fiß ein fßmaleS, tie» 
laut ju Danfen, allein ber innige $rud ißrer fes Soß, aus melßem leießte Kämpfe Pon ©eß 
fjanb, fomie ber gliieffelige ©litt ißreS ©ugeS j unb Sßmefet aufftiegen. ©on ber ©efangenen 
mären für Stofiaö ©belbed ber fßönfte fioßn. \ jeboeß mar feine Spur gu feßen, fie ßatte fiiß 
©ße er pon 3<>ßanna fßieb, padfte er uoß einige i bereits aus bem Staube gemaßt! 
fiebensmittel ans unb groang ißr einen Meinen „Oß, oß, oß!" jammerte ber ©Jaßtmeifter, 
©elbbeutel auf, barnit fie fieß für ißre roeite „befreit miß Pon ben Striefen, bainit iß miß 
©Janberung ftärfe unb nißt oßne Wittel fei. mieber riißren fann!" Scßneü mürben feine / 
©IS ber ©Jaßtmeifter ben Sßurm mieber Per» ©anbe gelöft unb er erßob fieß alsbalb Pon fei« j 
laffen, faß er fieß Pon ben ©Jaßtpoften umringt, 1 nem fiager unb feßritt ben ftameraben entgegen./ 
bie ißn mit neugierigen fragen ßeftürmten. 3ß« n ftüriuifßcn, neugierigen fragen gab er 
„£)aft bu biederen falbe gefunben?" tönte eS fofort ©eßör, inbern er ißnen tfolgenbeS erjäßlte: 
ißm non allen Seiten entgegen. „©iS ieß mieß naeß ©blauf ber ©eifterftunbe 

„©ein," rief er barfß, „aber benft ißr Piel* ßierßer begeben, fanb iß bie £>eje fßlafenb. 
leißt, roeil iß mißfürßte? 3ß mill eiiß baS 3ß forfßte fofort ber 3auberfal6e naß, bie fie 
©egentßeil beroeifen. ©ine ©turnte naß ber auß rißtig in ber jufammengebaüten £>anb ßielt. 
©eifterftunbe merbe iß miß noßmalS in ben ©ben mar iß im ©egriff, fie ißr gu entreißen, 
fterfer begeben, nur forbere iß bon euß, baß ißr ba maßte fie auf; gleißgeitig ertönte unter bem 
menigjienS bie rücfmärtige Seite bcS 3ßurmS ©rbboben ein furßtbareS ©etöfe unb ftarr bor 
toäßrenb biefer 3«it bemaßt, barnit fie uns nißt Sßreden, fiißlte iß miß plößliß Pon einer un« 
entfßlüpfe. ^>abt ißr fo Piel ©tutß, bann mifl fißtbaren ©laßt auf bie ©anf geroorfen unb 
iß miß in bie ©efaßr begeben." gefnebelt, eine ©rt boit ©etäubung fom über 

$ie furßtfamen ÄriegSfneßte maren froß, fo iniß unb iß faß nur noß, roic fie blißfßnell . 
leißten $aufs babon gu fommen unb gaben bem perfßroanb!" 

Söaßtmeifter ben £>anbfßlag, feinen ©efeßlen 3lUeS brängte fiß ängftliß iit’S fjreie ßinauS 
gemäß gu ßanbeln. unb atßmete mit fißtlißem ©Joßlbeßagen bie 

©l§ bie ©aßt fam, bertßeilten fiß bie ©laßen frifße Morgenluft ein. ©aß furger ©eratßung 
am Stßurme in ber angegebenen ©Jeife unb3ofmS trat man ben ©ang naß bem fiager an, um ben 
begab fiß in ben Sßurni. lieber eine Stunbe Per» ©orgefeteten bon bem fßaueriißen ©reigniß 
ging unb 3fofiaä mußte bon feinem unßeimlißen ©tittßeifung gu maßen. Solmnna aber traf 
Sefuße gurücfgefeßrt fein; ba er aber nißtS bon fßon am näßften Sage mit ißren ©rübern gu« 
fiß ßöten ließ, fo bemäßtigte fiß ber Solbaten fammen, unb ergäßlte unter Soßen unb ©Jeinen 
eine gemiffe ©engftlißleit. Sie begannen bar» bie ©efßißte ißrer ©ettung burß ben gutßergi» 
über gu beratßfßlagen, ob man es tooßl magen gen 3ofiaS, ben fie, naß feinem ©eßeiR bot ber 
bürfe, naß SoftaS gu feßen, bem ja möglißer glußt aus bem Sßurme auf bie ©anf ßatte 
©Jeife ein Unglüdl gugeftoßen fein fönne, unb binben müffen, naßbem bon ißm gubor baS fioß 
als naß ©erlauf einer meitern Stunbe noß in ben ©rbboben gegraben unb mit Sßmefel 
immer ber ©Jaßtmeifter unfißtbar blieb, ent» unb ©eßftüden angefüüt roorben mar. ©on ben 


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648 


jtedjt muß üedjt bleiben. 


©rübern bagegen erfuhr Johanna, baß fid) ißr 
93ater in ©liigbeburg in Sicherheit befinbe. 
©ubolf unb 9liibreaS felbft traten fofort in baS 
fd)mebifdje $eet ein unb folgten ben fiegreicfjen 
3?aßnen © n ft a 0 9t b o t p ß S juerft muß ©ach* 
fen, bann über fronten weiter muß beni ©Ifaß, 
wo bie Sßiege ihrer 91ßnen geftanben, unb mel* 
djeS jeßt beit SBerbungSpläß ber gefcßmäcfjten 
faiferlicßen Gruppen biibete. ©on jDaßeim bat* 
ten fic jtt wieberbolten fötalen gute ©acßricßt er* 
batten unb erfahren, baß 3>obanna ju bem 
©ater juriidgefeßrt war. ©eibe erfreuten fid) 
beS heften SßoßlfeinS, mennfcßon fie mit größtem 
©fangel ju fämpfen hotten, tiefer Umftanb 
fowoßl, als audh ber 3ug noch bem ©Ifaß machte 
in ber ©ruft ber Srttber öoit ©euem baS Ser* 
langen rege, in ©traßburg nad) bem üerfcßmun* 
beiten Jeftamente ju forfchen, üon bem ihnen 
ihre ©cßmefter nad) einigen 9tnbeutungen beS 
ffiacßtmeifterS Sofias berichtet hatte, ©in Srief 
bee> Suters benachrichtigte fie, baß er mir beSßalb 
oott bem Staube, ben einft bie £obenhcg§ ott ber 
©atbob’fcßen tfamilie oerübt, gefcfjwiegen habe, 
um iit ber ©ruft feiner ffinber feine tßöricßten 
Hoffnungen ju erweden, ba tnbeffett bie Sriiber 
ber 3>ifatl beS Krieges jeßt möglicher Söeife nad) 
©traßburg führen föntte, fo füge er feinem 
©chreiben baS Steftament feines oerftorbenen 
©aterS, beS mittenberg’fd)en ©rebigerS Johannes 
©atbob, bei. 9Jtit großem 3»tereffe nahmen fie 
oon bem amtlich beglaubigten ©cbriftftiid fi'ennt* 
hiß. S)er ehemalige ©d)üler £utf)er3 theilte 
barin bie ihm oon ©lürnßart gemachten ©nt* 
hüflungett mit unb übertrug alle ©ecßte auf feine 
©acßtommen. ©tat) fahn fid) bettfen, mit welch’ 
hoffnungsreichen ©efüfjlen bie beibcn ©rüber 
buS ©Ifaß betraten. 3 C näher fie ihrem 3' f k 
tarnen, befto größer warb ihre Ungebulb, unb 
ber 3«bel ihres Herzens fannte feine ©renjen, 
als att einem priid)tigen Herbftmorgen ber 
$l)orm beS ©traßburger ©JünfterS in ber »ferne 
emporftieg. 2)iefeS ehrwürbige ©aubenfmnl 
©rminS oon ©teinbach hatten and) bie Sor= 
fahren ber ©atbob’fcßen gamifie gefchattt unb 
baS ©riiberpaar erinnerte fich jeßt einer ©rph= 
lung beS SaterS, wie 3ohamteS, ber ©chüler 
SutßerS, als ein mittellofer Jüngling aus ber 
Heintath gefdjieben War unb bem himntel* 
anftrebenben ©tiinfterthurme feine leßten ©rüße 
bargebrad)t hatte. Unb jeßt nahten fich wieberum 
jwei ©atbobs ber alten HeimathSftätte, um bort 
als »frembe ihren ©in^ug ju halten. 

^ ©egen 9lbenb erreichten fie baS SOßeicßbilb ber 
©labt unb eine geringe 3eit fpäter ftanben fie 
auf beut großen weiten ©laße oor bem ©fünfter, 
um fich nach einer Herberge umjufehen. ©ie 
fchlenberten auf’s ©erathemopl ber bem $ome 
gegenüber einmünbenben ©traße ju, welche ben 
©amen fträmergaffe führte. Sor ber Shüre beS 


einen ©cfhaufeS, beffen alte Sauart gegen bie 
neueren, mehrere ©todmerf hohen unb mit 3«* 
geln gebedten ©achbargebäube auffaflenb abftach, 
hatte ein ©cßornfteinfegcrgefeUe ©ofto gefaßt. 
9ln biefen richteten fie bie fjrage, ob er wohl 
eine gute, aber nicßt ju theuerc Herberge wiffe. 

,,©eht nur in baS Haus hier hinein," oerfeßte 
ber ©cßornfteinfeger, „ba werbet ihr ein ganj 
treffliches Unterfommen finben. ©ha, baS alte 
6dl)aus gefällt euch nicht?" fügte er (aeßenb 
hinju, als er ben jmeifelnben ©lid bemerfte, mit 
welchem bie ©rüber baS ©ebäube betrachteten. 
„©Säret ihr ©traßburger Sinber, fo würbet ißr 
anberer ©teinung fein, eS ift ein gutes altes 
HauS unb noch baju ein berühmtes, benn ber 
©feiferfönig ©atbob ßat’S erbaut unb nach 
ihm hat fein ©oßn, ber reiche HanbelSßerr, 
gleichfalls barin gewohnt." „©atbob?" riefen 
bie ©rüber wie aus einem ©tunbe. ,,2Md)’ ein 
fonberbarer 3nfatt!" 

®er ©chornfteinfeger bemerfte ju feiner großen 
Sermunberung, baß bie 91ugen ber freinben ©e= 
feilen feueßt würben; wie erftauute er aber, als 
er oon ben ©rübern ben ©runb erfuhr unb rief: 
„3a, bann feib ihr fehle ffremben, fonberu echte 
©traßburger ü inber, bie ich gleich tüffen möchte, 
wenn ich nicht fo fd)marj im ©efießt wäre!" 

©ubolf briidte ihm herjlid) bie Hanb, maß* 
renb 9lnbreaS an ihn bie fjragc richtete, ob ißm 
wol)l auch bie n°beuf)egS befannt feien. 

„SBifl’3 meinen," lautete bie ©ntwort beS 
fröhlichen ©efeflen, „ich lef)re unb fege ja alle 
©loitbe bet ißtien. ©oll ich eud) in ißr HauS 
füßren ?" 

„©ein, heute nicht," oerfeßte 9lnbreaS, „mir 
feßnen uns nad) ©uße. $od) wollt 3ßr morgen 
uns ben ©efallen ermeifen, fo werben wir ©ud) 
banfbar fein." 

„Serfügt über mich, beim morgen ift ©oitit» 
tag unb ba bin icß ffreißerr. 3eßt aber will ich 
eudß nicht länger aufßalten; geßt nur hinein in 
baS HauS eures 9(hnßerrn unb fagt bem ©t ei ft er 
Kilian, ber ©eter $upS feßide euch unb er fofle 
euch alle ©ßre antßuu, benn ißr wäret bie ©ad)= 
fommen beS alten ©atbob." ©ei biefen ©Sorten 
fdjüttelte er ben ©rübern abermals bie Hanb, 
bewaffnete fiel) mit Sefcn unb Leiter unb feßritt 
frößlicß fingenb bie ©affe entlang. 

©Ije bie ©rüber [ich nach ber im untern ©tod* 
merf gelegenen SBirtßSftube üerfiigftn, äußerte 
©ubolf gegen 9lnbreaS: 

„3di halte cS nid)t für gut, mit unferm ©a= 
men offenfunbig ßeroorjutreten, benn mir tnüffen 
ber Hobenheg’fcßen Familie, als unferm natür* 
lifßen ©egner, unter fatfdjem ©amen näßen." 

©nbreaS mußte bem ©ruber ©echt geben unb 
bebauerte nur, baß fie fid) bereits gegen ©eter 
$upS oerratßen. $iefer aber fügte beruhigt 
ßinju: „Sfnbeffen feßeint er mir ein ehrlicher 


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Iledjt muß ürd)t bleiben. 


649 


.ftomernb ju fein, ber ftiflfdjmeigen unb unfer 
©ebeimnifj bemabren wirb, wenn mir ibn baruin 
ernftlid) bitten." 

©ncb furzet ©eratbung tarnen fie babin über* 
eilt, bi§ auf ©kitereS fid) ben ©ornomen ihres 
SaterS beijulegeit unb bemgemäß führten fie fid; 
bei-bem £>erbergSboter, Weiftet Ä'ilian, als ©e= 
brüber Wartin ein. ©IS am mirfjftcn Worten 
•Peter OupS fid) in ber ^erborge einftetlte, jogeit 
ibn bie ©rüber ins ©ertrouen unb ©eter OupS 
fühlte ficb geehrt, baS 3utraucn ber ©otbob’fdien 
©aebfomnten 511 genießen, unb gelobte feierlich, 
ficb beffelben mürbig ju jeigen. Oer noch nid)t 
jmonsigiübrige ©tiirföe nabin ficb brüte in fci= 
nein SoniitagSftaat unb mit bem reingemafdje* 
nen ©efiebt recht febtnud aus, unb als er an ber 
©eite ber ©rüber bem .flohen beg’fcben fiaufe jit* 
febritt, ftrablte fein ©ngefiebt bor Freube. 91 ti 
Ort unb Stelle angefoinmen, ftaunten bie ©rü= 
ber, baj? bie fieimfiütte ber fiobenbegS eine febr 
befdjeibene mar unb nichts non bem angeerbten 
Steidjtbume nerrietb. Sie betnmen iiibefjen non 
ber Familie beute nur baS Oberhaupt unb ben 
emsigen Sohn 311 feben, ber ficb mit ihnen fo 
jietnlicb in bemfelben ©Iter befanb. Oer fiauS* 
berr bagegen mar ein ftottlidjer Sechster non 
bocbfletDocbfener ©eftalt unb roürbcboller f)al= 
tung. ©aebbem baS ©rtiberpoor ber Ginlabung 
beS Hausherrn, ficb nieberjulajfen, tjolfle ge= 
(eiftet, ergriff ©nbreaS baS ©Jort: 

„3unäibft ntüffen mir Glich um Gntfcbulbi* 
flitng bitten, baß mir, ohne Gitere Grloubnifj, 
Guer fiauS betreten, 2öir mürben bieS als 
Frembe nicht geroagt haben, märe uns burd) ben 
jungen OupS, beffen ©efnnntfcbaft mir suföflig 
machten, nicht Guere ©aftfreuublicbfeit gerühmt 
morben." „Saht alle Gntfcbulbignng bei Seite," 
entgegnete ieutfelig baS Familienoberhaupt, „ihr 
feib fremb in biefer Stabt unb baber foß eS mich 
hoppelt freuen, rocitn ich euch bienen fanit. Sagt 
mir rtlfo euern ©amen unb fleht mir euere 
SBiinfcbe funb." • 

„2Bir nennen uns Wartin," erflriff jeßt © 11 = 
bolf baS Wort, ein menifl erftaunt über baS 
freunblidje SBefen beS abeiiflen ©errn, ben er 
ficb als einen rauben, barten Wann gebucht 
batte. ,,©Mr ftammen aus Gburfachfen unb ob* 
mobl mir eiflentlicb ber ©ed)tSgelebrfamfeit un§ 
flemibmet haben, üerleflten mir tinS bennodj mit 
befonberer ©orliebe auf bie Söappenfunbe. 3 » 
ben ©Sappen, bie bauptfüdjlicb unfer Fnteveffe 
feffeln, gehört baS ber Familie fiobcnbeg, unb 
Fbr mürbet uns baber einen Oienft erroeifen, 
menn Fb r ben ©taminbniiin GuereS fniufeS 
uns erfdjliefjen rooütet." Oer alte fierr erfinde 
ficb gern baju bereit, mennfebon er beute roegen 
eines nötigen OJefdjäftS bem ©hmfdje ber ©rü= 
ber nicht miflfabren fönne, fügte aber bei: 

„Wein Sohn ©icharb totrb mübrenb mei= 


ner ©bmefenbeit bie ©flirten beS ©MrtbeS iiber= 
nehmen unb ba man fidb in ber Fugenb gern 
einanber onfcbliefjt, fo hoffe ich, baß ihr halb 
gute Freunbe fein merbet." 91 (S er ficb entpfob* 
ien, faßte fid) ©nbreaS ein f>er$ unb äußerte 311 
bem jungen fiobenbeg: 

„Wein ©ruber unb ich hegten fturten 3meifel, 
Glich ju biefer febönen FnbreSjeit in ber Stabt 
an ju treffen." 

„Feh oerftebe Glich nicht recht," berfeßte 
©icbeirb mit einem berrounberten Säbeln, „ber* 
meilt unfere Familie bod) immer in ber Stabt." 

„So liegt Guer ©ergfdjlofi bereinfamt im ?" 
riefen bie ©rüber cinftiminig. „©ergfchlojj ?" 
mieberbolte ©icharb fopffchüttelnb, „es ’follte mir 
lieb fein, menn mir eines hätten* beim bann 
mürben mir auch mit irbifdjen ©eiebtbiimern ge* 
fegnet fein unb unfertn Stange gemäß leben fön* 
nen." OaS Staunen ber Sriiber minbS, benn 
in bem Oofumente, baS fie mit ficb führten, mar 
ganj befonberS jenes SdiloffeS Grroäbmmg ge* 
tban. „Fbr führt bod) ben ©amen fmbeufjeg ?" 
fragte ©ubolf bon Steuern unb ©icharb bejahte. 
„Oonn gehört Fbr alfo auch ju betn gräflichen 
©efdjlecbte, bon melcbein febon in ben alten Ur= 
funben bie Siebe ift," fügte ©ubreaS bei. „Fa 
unb nein," lautete bie ©ntmort beS jungen 9tbe= 
ligen, „eigentlidj hätte unfere Familie ein ©n= 
red)t auf ben ©rafentitel, hoch mürben mir ju 
bem Staube ber Fteiberrn berabgebriidt." 

„©Ser tonnte fo etmaS mögen ?" morf ©nbreaS 
ein. 

Sticbnrb runjelte bie Stirn unb berfehte: „OaS 
ift ein bäjilidjcä Stiid Familiengefcbicbte, beren 
mir uns nicht gern erinnern. Ön 3 br ober ein 
fo großes ^ntereffe für unfern ©amen jeigt, fo 
miß ich Giub mit ein paar SOorten bortiber ouf= 
fläreit. SJtein ©roßboter roor ber Sohn beS 
©rufen ©Jolfgong bon ^lobenbeg, morb ober 
febr juriidgefejjt, ba er eine bürgerliche Wutter 
hotte. Stoch bent Stöbe bcrfelben beiratbete 2BoIf= 
gong bon $obcnbeg ein Wäbchen ouS altem 
©bei; bie Stinber biefer Gf)e erhielten baS 
Stammfcblob, foroie baS reiche Grbgut, mäbrenb 
mein ©roßbnter mit einer äußerft geringfügigen 
Summe nbgefpeift mürbe unb nur ben ©niiien 
eines Freiherrn bou .flohenheg führen burfte. 
So tarn eS, bah jroei |mbenbeg’fd)e Sinien ent= 
ftanben unb jene gräfliche unfere bloS freiberr» 
Hebe Familie berhöhnt unb berochtet." 

Oie Sriiber tnufebten abermals ©lide unb 
©nbreoS rief: „Feßt nur noch eine Frage. Äemtt 
Fbr beu ©amen, toelcben bie bürgerliche Wutter 
GuereS ©rojjboterS geführt ?" 

„Sie ftommte aus einem ongefebenen Straß* 
Burger ©anbelsboufe, beffen ©orfaßr baS ©mt 
eines ©feiferfönigS betleibct hotte." 

„Wicbael ©otbob!" erfcbofl eS bon ben Sippen 
ber ©rüber. „Seine Stod)ter biefe ©büippine 


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650 


3n ben freien Stabten. 


unb f i e war eS, bie mit bem ilinken ©rafen j 
Hoßenbeg in bie 6ße trat!" „©ang rec^t. . . j 
bo<ö woher mij?t 3b r —?" I 

S)ie Srüber ließen jcßt ißr ^ncognito fallen 
unb naben ließ bem boeberftaunten Wtdjnvb als 
feine Serwanbten zu ertennen. Selbftoerftänb* 
lidb warteten fie jeßt bie Rttdleßr beS alten 3«i* 
fjerrn ab, beffen Serwuttberung einen tjobe'n i 
©rab erreichte, jurnal er Dom $afein unb 3n= 
halt beS TofmnentS, baS ißm WnbrcaS enthält* 
bigte, bisher feine Wbnuitg gehabt. 

„Seib mir wiltfommen," rief er, bie Srüber 
an fich jiehenb, „unb gefegtiet fei bie Stunbe, 
bie euch in nufer befdjeibeneS Heim geführt, 
©brlicher Siups," fügte er, bie Hanb beS Schorn* 
fteinfegerS erfaffenb, bingu, „ich befinbe mich in 
beiiter Sdjulb. ®u warft meiner Familie ftetS 
ergeben unb haft uns auch jeßt wieber einen 
wichtigen SDienft geleiftet, iitbem bu bie beiben 
WatbobS uns angeführt." 

„Jtann biegmal wirtlich nichts bafiir," ant* 
wortete Setcr, „im ©egentheil, hätte ich ihre 
Wbficßt gemerft, baß fie ©ueß ju Seihe rüden | 
wollten, fo würbe ich mich uidf)t ju ihrem Rührer! 
gemacht haben." 

„3hr werbet uns hoch nicht zürnen?" ent* 
gegnete Wubolf freunblid) unb böt ihm bie Hanb 
jur Serföbnung bar. „Ratten wir ja hoch feine 
äfjnung, baß es noch eine zweite Siitic Hohenßeg l 
gäbe." 

„Soßtaufig, macht feine weitern 3®orte," lochte 
$upS, „ich bin ©ud) gut unb leiftc <$ndj jeben 
ehrlichen 5)ienft,—ja, Wenn 3ßr wollt, fo führe 
ich 6u<h auch in’S gräfliche Sergfdjloß, beim ber 
Sogt bort ift ber Srüber oott ber Safe meiner 
Derftorbenen 9J?utter, müßt 3hr wiffeit, unb ihm 
Derbnn! ich’S, baß ich bie .ft am ine im Schlöffe 
lehren unb fegen barf. 3nbeffen fehe id) fdjort, 
baß 3hr für heute meiner nicht mehr bebiirft, 
unb barunt empfehle id) mich." ®ainit fcßüttelte 
er willen nach einanber bie £mnb unb eilte gum 
3 imnter hinaus. 

„©in herzensguter Surfch," äußerte ber alte 
greißerr, inbem er ihm nacßblidte. ,,®od) je^t, 
meine lieben Settern, will ich ©u<h Sfrau 3>rm= 
garb, meiner ©nttin, porftellen, unb ihr fagen, 
baj) 3hr unfere gefdjäßten ©äfte feib unb wäß* 
renb ©uereS Straßburger Aufenthalts in unfe* 
rem befcheibenen Haufe wohnen werbet." 

®ie Srüber wollten biefc übergroße ©aft* 
freunblichfeit nicht annchmen, mußten fich aber 
fd)ließlich boch bogu bereit finbeit (affen, ba ber 
alte Freiherr fagte: „Unfere äntereffen gehen 
Zitfamntcit, mithin miiffen wir and) jufammen 
leben. $aS fSotument ©uereS ©rofwaterS bietet 
mir eine gewichtige .fpanbbabe gegen bie ©rafen 
Hohenheg." 

Sei biefen SJorten faßte er bie Srüber unter 
bie Arme unb ftellte fie ber ©attin öor, welche 


j injWifchen Don Widjarb fc^oit ftenutniß erhalten 
j hatte Don bem wunberbaren 3ufalt, welcher Der* 
I geffene unb bennoch fo liebe Serwanbte ihrem 
Haufe zugeführt. 

(^ortfefcung folgt.) 

-«-- 

3« beit freien beutfdjen stabten. 

©bitor. 

jG| ic Stabte, bie man früher bie freien Reichs* 
ntr ftäbte genannt, ober weld)e gur mädhtigen 
1 Hatifü gehört, fiub zwar heute auch nicht 
Diel freier als baS übrige 2)cntf<hlanb, in weU 
ehern allüberall ber ft aifer mit feinem Regi* 
ment in ben Sorbcrgrunb tritt, unb gwor Dor 
ber Hanb, meiner Wteinung gemäß, gum Seften 
beS beutfeßen SoIfeS, wie feljr auch bie „Rotfjen" 
gegen folcße 9lnfid)t ihr ©efeßrei erheben mögen. 
58er fich aber ^eutfdjlanb mit nüchternen Augen 
I fo recht grünblich l| nb allfeitig betrachtet, ber 
! wirb mit mir fagen, auch wenn er, wie ich, rin 
mtDerbefferlicher Aepublifatter ift: ©ott fegne 
ben beutfehen «ftaifer unb fein Regiment. 

too glänzt [beim auch in ben Haufaftäbten — 
Hamburg unb Sremeit — bie preußifche Sidel* 

I haube, foultet ber preußifche Softbeamte unb 
Ijerrfcht bie preußifche Crbnung unb SWannS* 
zud)t. 2>er alte, fo beliebte freifiäbtifche Schien* 
brian mit feinem freiherrlidjeu Hochgefühl unb 
ben fchön tlingenben Shrafen ift abgetßan, unb 
an beffen Stelle ftramme Disziplin unb uttab* 
läffiger Sicnft getreten. 

Sie fträuben fid) zwar, bie alten AatfjSherrn 
unb Senatoren Don Sremen unb Hamburg 
gegen biefe Weiterungen im Regiment, baS ihrer 
alten ReidjSßerrlichleit beinahe ein ©itbe machte, 
obgleich Diele Sorrechte bem Warnen nach unan* 
getaftet geblieben fiub. $ie Akitficßtigften unter 
ihnen aber feigen im Stillen, „’S ift recht fo," 
wohl erfennenb, baß bie alte Hanfa mit ihrer 
Wriftotratie einerfeitS unb bem gebrüdteu Spieß* 
bürgerthum anbererfeits beim bod) nicht mehr in 
baS ©etriebe unb ©efüge ber Weugeit paßt. 

Wtanche aber finb unoerbefferlidje Hanfeaten 
unb werben cS auch wohl bis zum ©nbe bleiben. 

Wainentlich macht ber ächte ^rantfurter immer 
noch ein gar grimmig ©efid)t, wenn er auf bie 
Sreußen z» fprechen fommt, bie ihm bie alte 
Weich§herrlichteit ganz unb gar genommen unb 
feine „feifte Stabt mir nichts bir nichts in ben 
Sreißcfad geftedt ben." 

2 Benn man aber biefe alte WeichSftobt ein 
Sierteljahrhunbert nicht mehr gefeljen hat unb 
fich ießt unifieht unb nach beit Sermiiftungen 
forfeßt, welche bie „böfe S«iße" angerichtet 
haben, fo ftößt baS Wuge nur auf Serfdjönerun* 


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Frankfurt. 


3n ben freien Stabten. 


651 



gen, (Srmeiterungen, Serbefferungeit, mtb baS 
Ohr hört menigftcnS nid)t mefyr üoit £un* 
ger unb (Slenb roie früher. 


2 )aS enge unb öftere auch engherzige ftrauf* 
urt ift zur großen weiten Sietropoli» Mittel* 
eutfd)lanbS geworben. Sange ©traßen, wie bie 


3eil # finb erweitert nub mit prädjtigen Sauten 
gefdjmiicft, ganje ©tabtoiertel finb neu angelegt 
worben, unb fo groß ift bie bewirtte Ser* 
äuberung, baß ich einen 
©tabtplau gu £iilfe 
nehmen mußte, um in 
biefem neuen Raufer* 
meer juredjt 311 finben. 

©elbft bie alte 3 u= 
bengaffe, biefe tultur* 
gefchidjtlidje SDtertmiir* 
bigteit, mußte meinen. 
3 d) fanb nur nod) eine 
halbe, nämlich fine 
Läuferreihe be£ be= 
rühmten ©jjetto, unb 
and) biefe wirb feitbem 
abgetragen fein. 
fear bie höchfte 3 eit, 
beim bie fdjmalen, brei 
bis oier ©todwerfe 
hohen Käufer waren 
alle baufällig unD 
mußten theilroeife mit* 
telft ©tiißbalfen ge* 
halten werben. $iucf) 
biifiere, tleine genfter 
fiel baS Sid)t in bie 
bunfeln mit altem 2 rö= 
beltram angefüllten 
3 immer, aus benen 
nachgerabe nid)t bie 
feinften 2 Bohlgeriid)e 
uns entgegenbrangen. 
9llte ttjpifdje 3 üben* 
meiber [tauben unter 
ben Spüren unb jü= 
bifche $anbelsleute (a* 
gertcu Dor ihren Su* 
ben. Ueberall nurSllter 
unb 3 fvfaü, wenn and) 
merlmiirbigeS 9llter, fo 
baß manche ber lieber* 
fchriften an biefen ©ie* 
belhäufern mie: „ 3 uba 
ift ein junger Same" 
(1 Stof. 49, 9), mie 
bitterer £)ohn Hangen. 

„^ort tannft bu auch 
nod) baS alte 9ioth= 
fchilb’fdje^auS feheit," 
tagte nufer freunblicher 
Führer, 3)r. S. 9lip = 
p e r t, Sbireftor beS 
8 ?ranffurter ©enti* 
nars. 

Unb wirtlich — ^ier ftanb ber benfmürbige 
Sau, bie SBiege ber ©elbfürften, fich Don ben 
aubern Raufern burch nichts unterfcheibenb als 



























































652 


3n ben freien Stabten. 



$cr IRömev in granffnrt. 

baburd), bafc fein $ramlaben barinnen 311 fin» 
ben, benn bie mächtigen Sarone 9tothfd)ilb moll= 
ten nullt, baß bie «Stätte, mo ihr llvgvof,unter 
unb ©rofmater gemirft, burd) ben fchmnßigen 
Oröbel unb Schacher entroeifjt merbe. (Sä mürbe 
behauptet, baß bie 9 totf)fd)i(bä biefeä alte £>eim 
©tüd für ©tüd abnehmeit unb alä Familien» 
anbenfen in einem ihrer '-Party mieber aufbauen 
taffen mürben. Ob fie mohl fo t>iel Pietät ent» 
falteten ? 

9tod) ein merfroürbig |)auä ftanb in biefer 
3 ubengaffe, meld)eä bie stummer 118 trug, roo 
1784 ber unter feinem GShriftennamen betannte 
Submig Sorne baä Siebt ber Seit erbtiefte, ber 
»oit 'flariä auä feine Schmähungen über Oeutfd)» 
lanb ergojj. 91 ud) biefeä alte ©ebäube mirb »er» 
febmunben fein, mie ber ßinflujs, ben Sörite einft 
auägeübt. 

9ilfo au<b biefeä SBiertel, in melcbeä in ber 
guten alten 3fit jeben Freitag 9Ibenb bie 3uben 
biä Wontag Worgen eittgefchloffen mürben, unb 
außerhalb befielt fie nirgenbä in ffranffurt moh= 
iten burften, ift oon ben '-Preußen abgetljan. 

Unb etroa jum SJJadEittjeü ffranffurtä ? „9tein, 
ihr ©erren," fagte id) ju mehreren rnntfurter 
3ournaliften, bie mit nad) Seipjig reiften, „fd)el= 
ten Sie boch ni<ht fo fehr. ©ott ber ,pcrr hat 
eä gut gemeint, alä er bie 'Preußen in ihre Stabt 
fdfidtc. ©ie fieht ja auä mie »erjüngt." 

Orinneit in ber 911tftabt ift’ä aber fo jiemlicb 
mie »ormalä. 9luf bem ©oetljeplaß fd)cutt baä 
©oetheftaubbilb ernft unb falt auf bie Wenge; 
am |)irfd)gra 6 en fteljt baä noch gut erhaltene 
Sßaterhauä ©oetheä; am roeft lieben (Silbe ber 


3 eil erhebt fi<h baä freunb» 
liehe ©tanbbilb ©djillerä. 
9lm Stathhauäplaß befchaut 
ber Sauberer ben Stömer, 
baä 9tothhnuä, in melchem 
ber Äaiferfaal mit ben »ieleit 
Silbern ber beutfehen flaifer 
einlabet. Sie fie fo geban» 
teitüotl auä ben golbenen 
SRahmen auf baä moberne 
©efdjledjt ^erabfdjaucn, alä 
mollten fie fageit: „mir »er» 
fteben euch nicht unb ihr »er» 
fteht unä nicht recht; bie 3 eit 
hat eine 311 große ftluft 
3 mifcheit unä unb euch ge= 
graben!" Unb biejenigen, bie 
im neuen, meiten 9lmerifa 
geboren unb erlogen finb, 
»erftehen jene alten gelben 
unb iljre 3 ?>t erft »ollenbä 
nicht, me(d)’ Wifsberftänbnifi 
ein jungeä, amerifanifcheä 
Oönuhen fo recht haubgreif» 
lieh jum 91uäbrud brachte, 
inbem fie fagte: „91ber 9Bapa, melch’ »erfehrte 
Seit muß eä geroefett fein, in ber biefe fteifen 
Weufchen mit ihrer Lüftung unb ihrem ©djtoert 
regierten!" 

Unb boch war jene Seit unb jene 3«it bie 
©runblage, auf melcher fich bie unfere aufbaute. 
2Serben unfere Ur=Ur=(Snfel mohl auch einmal 
oon unferer »erfehrten Seit fprcchen? 

drüben im Oom, ber 1867 abgebrannt, aber 
mieber neu unb herrlich auä ber l'lfrfje erftaitben 
ift, mürben biefe beutfehen Inifer »or bem #o<h» 
altar gefrönt, unb bafelbft befinbet fich auch baä 
©rabbenfutal beä beutfehen ffönigä ©iinther uon 
$<hmar 3 Öurg. 3 » ber ©t. tpauläfirdje hat 
9lnno ’48 unb ’49 baä beutfehe Parlament ge» 
tagt, in melchem manch’ herrlich Sort gefproehen, 
aber auch fo »iel fdjroabronifirt roorben, bafe bie 
ganje .frerrlichfeit 3 U Safier mürbe. 

©0 bietet fid) in fffranffurt, mie überhaupt an 
hiftorifchen Orten, bie alte unb bie neue 3eit bie 
|>anb. Oie eine legte baä fjunbameut, bie anbere 
arbeitet riiftig 'oarauf meiter. Ser nun im 
9llten leben unb fdjmärmen miH, bem fei eä auf 
eigene ßoften geftattet. Siel taufenb @infid)tä» 
»olle aber merben eä »orjieben, inbem fie baä 
91(te richtig miirbigcn unb benütsen, frifd) hinein» 
3 utreten in’ä neugeftaltetc Wenfdjen leben, um 
tüchtige .(liitbcr ihrer 3 c 't 3 u merben. 

3 u biefen fReugeftaltnngen gehört in 5 ?rant= 
furt auch baä iprebigerfeminar ber ®ifd). Wetlj. 
Kirche, beffen 9lbbilbung in einem früheren 
Jahrgang unfereä Slatteä 311 finben. '/licht nur 
haben fich bie Wethobifien auf’ä Dtimmerfort» 
gehen in Ocutfdjlanb feftgefeßt, fonbern auch 


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3ti bm freien Stabten. 


653 


ein gutes Seminar jur SluSbilbung tüdjtigcr 
Prüfte gegrütibet, auS welkem bereits (Sttjienbe 
tauglicher Arbeiter in’S beutle Selb gefaubt 
mürben. „3)ieS ift ja eine unerbörte Steuerung," 
mürben bie alten £>etren bom alten ffrantfurter 
SöunbeSrath facien unb unwillig an beit Zerrütten 
jupfeit. Unb Öeute Dom alten 3°PT|tt)l rufen 
muß ^eute nod): „Unerhört!" bocß — babei 
bleibt’S. $ie alten Paifer finb nicßt au» ißrer 
©ruft erftanben, um einen Preujjug gegen’S 
ientinar ju beginnen; bie alten 2)omprobfte 
haben fidj in ihren ©räbern nicht umgebreßt; 
bie Steujeit, nein — ©ott ber £>err, ber ja and) 
bie neue 3«it leitet, bat feine fchüßenbe ^»anb 
auch über jenes Seminar erhoben unb roirb fic 
nicht jurüdjiehen; beim e§ tann nicht feine Stb» 
ficht fein, bie ÜBelt Don bet jur bölligeit 9ie= 
iigionSfreiheit fübrenben Sahn juriidjufübren 
jur Unbulbfamteit ber guten, alten 3 e *t- 
Scßntud unb fchön fteht baS Seminar auf 
bem »iöberberg, bem Don einer Stotßiißilb ge» 
jtifteten „Spitäle" gegenüber, fo baß bie SluS» 
jage meines (HrofchfenfutfcßerS einigermaßen be» 
reeßtiqt war, als er mir Jagte: „'Sic 3ubbe unn 
bie Bfetßobifte penn be Stöberberg eing’numme." 
$ent ftattlicßett an ber Straße ftefjenben Semi» 
nargebänbe fcßließt fich ein gutgepflegter ©arten 
an, an beffeu füblichem (Silbe baS tofige £)eim 
beS tprofeiforS Suljberger fteht, Don bem «uS 
man über einen äßeiitberg unb beit SOiaitt hin baS 
berühmte Sachfenßaufett fiept, wo bie höflid)ften 
aller höflichen SJtenfcßeii wohnen füllen. (?) 

©roßftäbtifcher als ber ^tanffurter ift ber 
Hamburger aiigelegt. (Sr fühlt fich als Pinb 
ber brittgrößten ^anbelsftabt (SuropaS, unb hat 
feine 410,119 DtiUCSinioobner hinter fich, was 
im „Steicß" nur Doit (Berlin iibertroffeu wirb. 
3m Hamburger Ctafett wehen bie flaggen aller 
feefahrenben Stationen; an ber (Sibe grünem (?) 
Stranbe geht es nicht weniger lebhaft her, als 
an ben $odS jtt Sonboit ober fiioerpool; bie 
Hamburger HanbelSherrn finb gar folibe SBäit» 
ner, welche mit ihren SJtillioueu rußig rechnen 
unb attbere bajtt erhanbeltt unb gewinnen; unb 
in ben preußifeßen Sad ift biete alte £mufaftabt 
auch noch nicht getommen, obfcßoit ntaueße tiiei» 
nett, fie fei nicht ineßr weit baDon. 

3BaS Sßunber beim, wenn fieß bctS Hamburger 
Pinb Derhältuißittäßig fo recht unabhängig = 
großftäbtifeß bewegt, unb allen (SritfteS glaubt, 
bie alte, reiche Stabt fei ber SJiittelpuntt, unt 
ben fieß bie übrige dßclt bveße! draußen im 
Dteich fittb für beu echten Hamburger bie Plein» 
bürger, bie Scßeererei, ber Panjleitoit. baSßleiib, 
bie Slrinutß. (Bei ihnen weßt — fo hörte icß fic 
mörtlid) fageit — bie Vuft ber großen ^)ctnbels= 
SJietropoie, ba fteßt man auf weitem foSuto» 
politifchein ©oben unb hat fieß über bie tleine 
SteicßSherrließfcit erhoben. 



©t. ^aul in Snmtfutt. 


Unb boeß wirb ber aufmerffame ffrembliitg 
auf jebent Scßritt in ^Himburg an baS beutfeße 
Paiferreicß unb feinen (BiSntard erinnert. (Sie 
preußifeße (ßidelßaubc glänjt in ber alten £mnfa 
fo hell unb beinuße fo Dielfacß als in (Berlin; 
bie SteicßSpoftDermaltuiig ift fo forrett wie bort, 
bie ftraninie ÜJtilitärbiSjiplin ift allüberall ju 
Dcrfpiireit, unb bie behäbigen Hamburger mögen 
roollcn ober uießt — fie gehören eben auch jurn 
Steicß. 

So Woßl eS aber auch bent Soßite biefer 
reichen Honfaftabt in ißren SJiatierit ift, fo wenig 
tarnt fieß ber Don ber Sübqrenje beS (BaterlaitbeS 
foittmenbe, namentlich aber ber Sdjmcijcr unb 
Ceftcrreicßer auf bie Sauer bafelbft ßeinüfrß fin» 
ben. $ie 2uft ift ißm faft immer ju froftig; bie 
SJtenfcßen, bereit -Sialcft er uid)t leießt Derftcßt, 
unb bie ißit nicht gut Dcrfteßeit, fcßeiiteit ebenfo ju 
fein; in Hßaßrßeit finb fic es aber nießt. (Sie Um» 
gegenb ift flach unb „moorig", wie fieß ein Cber» 
baßer attsbriidle, unb gar Diele» barnaeß attge» 
tßan, bei bctit Pinb ber (Berge unb ber Paftauicn» 
wälbcßen Heimweh ju erzeugen, fo gut eS ißnt 
muß foitft bei ben mohlßabetibeit Hamburgern 
ergehen mag. 

Unb bies Heimweh ttaeß bem fonnigeren Silben 
brüdt fieß oft reeßt feßmerjlicß aus. $a wanbere 


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654 


3n ben freien Stabten. 


I 



irf) am Sebantage, nadibem oerfdiicbene Weben riefen. 2Ba$ ging bas ben ©djmeiaer an! Gr 
angehört unb fonjl toeuig mehr ju t^un n>ar, batte ba§ fyinudeg, toie er mir auf meine fjfrage 
meil alle ©ef<bäftS(olale gefdjloffen, baSGlbufer fofort ohne"9tiirfhalt offenbarte; Heimweh, ob* 
entlang unb befetje 
mir bie ©d)iffe, bie 
„f<hroar$cn" Söaffer 
ber Glbe, bie SWa* 
trofen, bie 5Öaaren= 
häufer unb anbereS 
mehr, fomme an ein 
etwas einfameS 
Ufer = ^(äbd)en unb 
höre 3emanb ein 
lüngft befannteS, 
beinahe ocrgeffcneS 
Sieb au§ alten 
gen fingen. 3att>otjl, 
eS finbbie befannten 
SBorte, bie ein guter 
Stenor in ed)tem 
©djweijerbialeft 
über bie Glbe fd)icft: 

„•?cr 3 , mys Ecr 3 , 
warum fo traurig? 

Hub was fotl bas 2ld> 
unb 2Deh ? 

*5 ift fo fdjöii i frömbe 
tänbe, 

I]cr 3 , iitys ßcr}, was 
fe^lt ber meb ? 

IPas mer fehlt ? (Es 
fehlt mer Stiles, 

23i fo gar rerlore hie. 

Syg cs fd)ön i frömbe 
taube, 

Dod ? cs Reimet wirb 
es nie. 

I7cr3, mys I}cr5 i (5oU 
tes Harne, 

’S ift cs tybe, gib bi 
bryl 

IDill ber Ucrr, fo cha 
er helfe, 

Dajj mer balb im I?cb 
inet fy. 

®a§ fang ber 
junge ©dhweijer* 
burfd), ein ehrlicher 
Sd)ul)inad)er feines 
©ewerls, wie id) 
uad)l)er ooit ihm er= 
fuhr, in bie fühle 
Suft beS WorbenS 

hinaus, unbefümmert bariint, bau bie ©Irden wohl es ihm recht gut ging, unb er ein fcböneS 
oon Wicolai herab in’S Sanb hinaus Dom großen Stiirf ©elb bei feinen Hamburgern derbiente 
eieg frohlodten unb bie fyeftgäfte jufammen= , Sehnlich ergeht es and; artbern aus bem 


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Bremen. 


3n ben freien Stabten. 


655 



Siiben iit Hamburg, unb i<h fann mir red)t motjl 
benfen, mie baS foninit, obmoftl Hamburg eine 


obmohl ber echte Hamburger bem ßerne nach 
ein marnter gutmütiger Dieitfd) ift. 

Ta finb 3 . S. bie 


beiöeu Don bem gtüft* 
d)cn Elfter gebilbeteu 
Stlftcrbecfen, baS äufte* 
re unb baS innere, mit 
ifjren ringsumher lau* 
fenben, mit Fracht* 
bauten uub Sillen be* 
fcUteii ©tragen; ba 
finb bie großartigen 
£)äfen, meldje fidj üoit 
Slltona bis 511 m SilU 
toarber Steubeich an ber 
GlOe er ft reden unb 
moftt taufenb ©ee* uub 
gluftfchiffen Staunt ge* 
mäf)ren; ba ift bie 
prächtige 9iico(aifirdje 
mit bcni brittpöd)ften 
Thurm in (Europa, 
(höher als ber ©traft* 
burger fünfter unb 
nid)t gang fo I^d) als 
©t. Oucn in SRoueit 
ober ber ßölner Tom); 
ba ift bie prächtige 
fiombarbSbrütfe 3 toi* 
fchen ber Stuften* unb 
3 nnen= 2 (lftcr, ber bo* 
tanifdje unb ber Thier* 
garten, baS ftrieger* 
beufmal unb Tuftenb 
anbere fd)önc fünfte 
unb Sauten. 

_ Triuueu in ber 
©tabt häuft ber be= 
häbige SiirgerSmann, 
ber ^reidje Kaufherr, 
ber Straften = Straber, 
ber Trofd)feuführer, 
ber Schriftfteller, ber 
miirbige Pfarrer unb 
hunbert Stnbere, meldje 
alle inSgefammt haut* 
burgifefte ©utmüthig* 
feit erzeigen unb eS 
bem ftremben recht hei* 
mifch machen tonnen, 
fo er nur tocift, tuie ihr 
guter Äern 311 crfd)lie= 
ften ift. 

2 y eiliger groftftäbtifch 
tritt un§ Sremen ent* 
gegen, ©ein Seehafen 
iiegt mcilenmeit bruti* 

firofte, reiche ©tobt ift, bie aufterft prächtige I ten an ber SBefer bei ©remerhafeit, unb auf 
©tabttfteile unb Straften auf^umeifen hot unb | bem bei ber ©tabt ficht man nur Der* 


















656 


3tt ben freien Stabten. 


hättnißmäßig wenige Heinere Skiffe. Sit tan* 
gen, oft truntmen, aber immer reinlichen 
©traßen, weldjcu entlang bie großen ff auf Raufer 
Neben, fefjen manchmal beinahe öbe au§. 9luf 
fRellame unb Stuffeßen tjat e3 ber Sremer offen» 
bar nid)t abgefefjen. ßonunt man aber in biefe 
$aufhetrn=Sureau3, ober in biefe Sanfen bin» 
ein, fo jetgt ber erfte 95ti<f, baß hier in aller 
9tut)e unb mit echt norbifdjer 9tüd)ternhtit ein 
gar mächtig ©efdjäft betrieben wirb, welches 
biefe SBeferftabt mit alten Gnbeit ber 6rbe in 
SBerbinbimg bringt. Äaum wirb bann unb 
wann rom 6h-f ein SBort gefproeßen, unb bod) 
tßut ba3 Serfonat be3 SureauS feine Pflicht mit 
einer 9tegetmäfeigfeit, bie an beit ©ang einer 


Wahrt, unb e3 wäre gewiß tein ©(habe, wenn 
anbere ©eeftäbte, wie j. S. 5tew $otf, ein gut 
Sßeil babon hätten. 

Unintereffant aber ift beswegen bie SEBefer» 
ftabt mit ihren hohen ©iebelßäufetn unb ihren 
mittelalterlichen Sauten nicht. 

Sie an bie ©teile ber früheren 3?eftungSmerfe 
getretenen SJallantagcn fiitb eine ßierbe fowoßl 
als ein ©rtjolungSplciß. SaS berühmte, im Stern 
gothifch aufgeführte, 'JtntßhauS ift ein Sau, wie 
man bereit nur wenige in ber 2Belt ju feheit be= 
tommt. Sie großartige Sörfe barf fid) mit 
unferen ©tonftrebauten in 9Zem $ort unb 
(Chicago meffeit, unb ber Sont fteüt ein feßenS» 
wertßes ©tücf ©tittelalter bar. 



5Da3 Ütat^aud in Siemen. 


gut regulirten Uhr erinnert. Sei3 finb Seute, 
weldje bie Crbnung unb ben ©efcßäftstaft nicht 
erft üom „preußifeßen 9tegiment" erlernt hoben. 
©3 ftedt ihnen im Slut, unb Wa3 nicht an» 
geboren ift, wirb anerjogen. 

Unb Wie Sremen feine großartigen ©cfdjüfte 
ohne Sluffcßen ju erregen igitt, fo öerfdjmäht e3 
ber reiche Sremer and), burd) äußern Ißrunf ju 
glanzen. „Sa3 taffen wir ben Stoffen," fagte 
mir ein Santier, „unb leben, auch wenn wir 
etwas haben, wie vernünftige ©ienfeßen." Sie» 
fein ©runbjug gemäß finben fid) in Sremen 
weniger prächtige Sauten, weniger toftbare 
fiaroifcit, Weniger auffatlenb gefleibcte Samen, 
weniger ©eden al3 in irgenb einer mir befaunten 
©eeftabt. Ser Sremer hat feinen id)lid)ten, 
bürgertidjen £>anfafinn im großen ©au 3 en be» 


SEßähvenb nun biefe „freien" ©täbte be3 
SReicßS bei aller eßaratteriftifeben Serfd)iebenßeit 
audb Wieber ©lerlmale aufweifen, weldje ißre 
3ufammengeßörigfeit bejeugen, fo ift mit hier, 
wie im beutfdjen SReid) int Slllgemeinen, bie rücf» 
ficßtslofc 9}id)tad)tung be3 GßriftenthumS oon 
©eiten ber ©teßrjahl ber Seoötterung aufge» 
fallen. Siefelbe jeigt fid) auf oerfeßiebene 9irt. 
Sei bent gfraitffurter in jügcllofcr Stift unb itt 
wegwerfeuber ©tanicr; beim Hamburger in 
überßebenber Serniinftelei; beim Sremer in fieß 
abfdjließenbetu ©tolj. 3m ©anjen finbet fid) in 
Sremen unb Siibect wohl noch wehr fircßli^er, 
wenn nießt cßriftlicßer, ©inn, als in irgenb einer 
ber früheren größeren 9teid)3ftäbte. 9tber eeßt 
djriftlicß, ba3 heißt ein Stinb ®otte3, ift ber 
Surcßfcßnitt3=Sremer and) nid)t. 


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jUtiljnadjtßforgtn. 


657 


SBäljrenb bieS nun non ber ©feuge gefagt 
roevben mufj, finb ctud) niele rüfiinlitfje 2luS= 
nafjmeit 511 oerjfidjnm, 1111 b bat fid) bie iljätig» 
feit eöattgelifdjer 6 'briftcit aud) in biefeu freien 
©roßflübtcit 2)eutfd}lcmbS entfaltet unb bereits 
reiche grücbte getragen. 

3tdj batte 5 . 2). baS ©lütf, eine lange ©aljn* 
ftvecfe mit einem Hamburger Senator ju reifen, 
welcher batb fein $erj öffnete unb ficb als ed)t 
bibelgläubiger ©tarnt ju erteuuen gab, ben ber 
9lbfall feines ©olles tief fcbmerjte, unb ber mir 
fügte, baß ljunberte ©leicfcgefinnter täglid) in 
Hamburg 511 ©ott riefen, baß er ficb bocfy er» 
barmen möge über baS geiftlidje (Slenb, in meU 
d)eS bie ©tel>rjaf>l oerfunfeu. Unb biefeS 3 e »Ü= 
niß legte er öor einer ©efellfcbaft raffinirter 
Spötter ab. 

©otteS SJittber babett in biefen Stäbten gar 
manches Sßerf ber fnnent ©tiffion gegründet, 
unb niete Sünber finb baburd) gerettet morbeu. 
©cbft nielen bem Unglauben nerfallenen ©fav= 
rem nerfünben auch treue 3ettgen baS reine 
©nottgelium. Unnergeßlicb tnirb ©aftor $un!e 
in ©remen bleiben, ©aftor ©iitd in Hamburg, 
roeldjer ben ,,©ad)bar" unb ben „ < J)eutfd)en 


SJinberfreunb" IjerauSgieBt, tbut ein großes 
2Berf. ©tögc ©ott feine Arbeit auch fernerhin 
fegtten. Uitb auch in bem leichtfertigen j$ranl= 
furf fehlt eS nicht an 9lnftreitgungen ber Äiitber 
©otteS jur Stettung beS ©olfeS. 

2 Bie bereits betnerft, finb auch bie ©ietbobiften 
in biefen fReicbSftäbten tbatig, unb wenn bie 
©laubigen ber 2aubeS!ird)e biefelbeu als ©tit* 
arbeitet - jur '.Rettung unb nicht als binberliche 
Ginbringlingc anfeheu lernen, fo werben fie in 
biefeu ©tetbobiften treue Serbiinbete finbeu. 

3 >n ftiller, aber nachhaltiger, in echter ©reiner 
2 Beife roirtt ber methobiftifche ©erlag in ©remen, 
ter fchou inufenben 511111 reichen Segen mürbe. 
3>ie methobiftiichen ©emeinbeit finb ©Jedftimmen 
für anbere gemorbeit, unb auch bie ®iafoniffen« 
Ijäufer ber ©tetbobiften 5 U fffranlfurt unb £>am« 
bürg haben bereits eine Perbreitete Sbätigfeit 
entfaltet. 

3)ie f^ortfcbritte mögen geringe fein; biel 
ju geringe für bie tnenfchliehe Ungebttlb. ©ber 
baS 9teid) ©otteS fomrnt bod). Cfs fommt alle 
Sage unb fortmäbrenb erfüllt ficb baS ©fort 
beS föerrn: „©an rnirb ber fjürft bieftr 2ßelt 
auSgeftoßen merben." 


-Hc Jitiltnodttsforgeit. jM- 



mm. 


er fennt fie nic^t r bie füften 2Beih- 
nachtSforßen, baS ©enteil unb 
Sinnen, waS will ich ben Sieben 
(leben; baS ©cimlichthun unb all 
bie £icbeSßänße, bie ba ßemaebt 
werben müifen! 

Sreilicf) — wer nur fo jufahren unb ebne Seben= 
fen eintramen will, ber braucht ficb ben .Viovf nicht 
ju ^erbrechen. (Sr tauft eben ba$ näcbfte befte. S>er 
aber hauShalteu ntuft, unb babei wirtlich 2Bevth= 
ootte§ taufen möchte, ber wirb &u ßrübelu haben, 
niefjt beftweßen, weil ber Sfarft fo meniß, fonberu 
weil bcrfelbe fo SieleS bietet, Vaft bie 2Bahl auch bie 
Qual brinflt. ^ 

®a finb bie Sfeielmaareuhänbler, bie für bie 
kleinen eine folche Sienße herrlich feiten aufßehäuft 
haben, baft mau nicht weift, wo vußreifen. <j)er 
(Sllenmaarenhänbler leßt eine auSßefudjte 9(u3mahl 
ber heften unb feinften Sachen jur Schau, ©ie 
Sdbcn mit ben ©alanteriewaaren fefeen wahrhaft 
Scrführerifches au3. ©er Uhrmadier reist bie ftna= 
ben mit ben nieblicbften Srobuften feiner Ä'unft, unb 
dar ber Siano= unb Oraelhänbler — nun bavoit 
wollen wir fchweißen. ffurj — SBeihnachten bringt 
bie füfte Sorae, bie SBahl unb bie Qual. 

®a ber 3J?enfcb aber niclit oom SB rote allein lebt, 
unb wir unfern lieben Sefern in ihren Sorten ein 
wenia helfen mochten, fo erlauben wir un3, fie auf 


einen 3Karft vu führen, wo©eift, ^erv unb ©emüth 
bereichert merben — auf ben SBücftermarft. JSir 
haben eine mevtfn>o((e ^lu^wahl getroffen, unb neben 
bie SScrficheruun, baft bie ben ©ücheru beiflefüflte 
Urtbeile fich auf Derfönliche ffenntnift nrünben ; jn 
bemerfen aber ift, baft ich nicht alle‘3 in biefen 2Ber= 
feit ©efaate unterfchreibe. Um bie Qual ber JBahl 
noch fürder m machen, finb bie auSerwäblten Sucher 
unter Plbtheiluuaen- (icbrad)t unb ioer banii nefun= 
ben, ber beftclle bei SBalben & Stowe, in 5inciu= 
nati, ober, wa$ vielleicht uod> bequemer, wenbe fi^ 
an ben nädrften Srebißer ber Sifch. 5Dieth. fiirche. 

3 ür bie ftleiuften. 

Silberbücher aller 9lrt, mit farbinen 
unb nicht farbigen Silbern, nrofte unb fleine, ait3 
allen ©cbicten unb m allen Sreifen von 10 ßent£ 
aufwärts bis vu fünf ©ollarS. S?an fane nur, 
loie viel man auSvuaebcn nefounen, ivie alt baS 
kleine etiva ift, unb auS welchem ©ebietmau Sil= 
ber vu haben wünfdjt: ©hiere, Slumen, ©eenen 
ober 3)?eufdien. 

ßin achtes Silberbuch ift für baSffinb eine 2ßelt 
beS ScrßuüaenS unb ber Selehrunß. SBenu bu eS 
aber nur heim brinqft unb faqft — hier ift ein Sil^ 
Verbuch — fo wirb ber barin verborgene Schafe uu= 
gehoben ließen bleiben. fKimmft bu aber baS Äleiuc 
auf ben ©choft unb jeißft unb fvricbft unb erflarft 


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658 


|0eil)nail|t0focgen. 


imb erjählft wiebcr unb wieber, jo bringt baS geringe 
Kapital taufenbfache 3‘ufen. GS wirb *u einem 
fajt iincrfef)i3füc£)cn Ouetlc ber greube unb 311 einem 
wahren SilbungSmittcl. 9lber nur nidtt allzufrüh 
bie Slagevei mit bem 91. 53. 6.; nur nicht ben 9$er= 
jitch machen, jo übergefdjeibte Alüiber $u ergehen. 
Sa§ bein Aliitb e i n Ai i u b fein, unb wenn bie 3cit 
*um 81. 53. G. foinmt, bann — feft baran. 

Sfür bie ftrebfame Jugento. 

5 ü r & e r * unb © e i ft. Sin 3«geub= unb 
SolfSbud). Ueberfidjt: Gnähluugen unb Stilen, 
SDtärdjen, Saßen, Anefboten, ©ebichte, ütäthfcl it. 
f. w. ©reife. $2.00. 

D a S alte 8 ß u n b e r l a n b ber 1 ) r a = 
mibe n. ©eographifebe, gefdjicbtliche unb fultur- 
hiftorifdje 53ilbcr ber Sorbit. 99tit 160 XextabbiU 
buitgen. Dr. Ab. Oppel. 62.25.. 

Sinai unb ©olßatha. 9teife in baS 
9)2orgenlanb. 11. Auflage, mit acht 8tnfid)tcn r 
einer AJarte beS 9RorgenlanbeS u. j. w. Sein gc= 
bunben mit ©olbjdmitt. Dr. g. Straub. $1.75. 

© e o g r a p b i f d) e Gharafterbilber auS 
ber Zauber- unb Sölferfititbe. 9tad) Darftellungeit 
ber beutjehen unb auSlänbifcheu Literatur. Jn-3 
elegant ßebunbenen 53äuben. Ö. 9ß. ©rube. 
$5.50. 

G b a r a f t er-Silber a u S bcr©efcbicbte 
u nb Sarc. 1. Xbeil. Die oorcbriftlidje 3eit. 
2. Sheil. DaS 8)2ittelalter. 3. Xheil. Die neuefte 
3eit. 9)tit 3 Stahlftichen. 81 lew über ber ©ro6e. 
Alarl ber ©ro§c. griebrtdj ber ©rolle. 21. 9litfl. 
fßrachtbanb. 81. 533. ©rube. $3.50. 

D e u t f ch e Site rat urgcfchicbtc, mit 200 
Silbniffen uub crlduternbcn AbbilDungcn im Xext, 
unb 37 jum Xbeil farbißeu 53eilaßeu außerhalb beS 
Sexte«. 8. Auflage, jehr jd)Cm ßebunben. Dr. 
9t. Atoll iß. $6.50. 

„t?ür bie ft r e b f a m e Jugeitb" haben wir biefe 
Abteilung überfchricben, beim bie unftrebfame wirb 
aubiefen pehaltoollenäBcrfen feinen ©efallen haben. 
Sie finb ieboch nicht allein ber Jugeub, fonbern aud) 
Gvwachfeucn 311 empfehlen. 

AlönigS 8iteratur=®efchichte würbe hierher gefefet, 
weil ich biefelbc oerntöge ibreS reinen Inhalte« 
unb ihrer prächtißen 3üuftrationen für fjainilicnöe- 
brauch jwecfma&ig erad)te. 

Die Schilberituß beS 8)torgenlanbeS (StraufO 
ift bie einzige gröbere tReifebcfdjreibung, bie ich ic 
in einem 3uß burdflaS, fo fehr fellclte mid) baS 
Such. 

©ntbeS Gharafterbilber finb weltberühmt, unb 
Oppeln Ggpptcn ift ein für Dobermann, namentlich 
ben Sibeltorfdjeru wertboollcS Such. 

öibeln. 

9t e u e i 11 u ft r i r t e g a in i l i e n = S i b e l. 
AlteS uub neues Xeflament nach Dr. fDtartin 
Suthcr. 9)tit Apofrppbcn, Goncorbanj unb 9taub= 
parallelen, nebft einer umfaffenben unb fritifchen 
©efdncbtc aller Sücbcr ber Sibel, einer ®cfd)id)te 
aller ®laubenSgcnoffenfd)aftcu unb Seftcn in ber 
5öelt, djronoloßifdien unb anberen werthoollen £a~ 
bellen, Sefcbreibung bev Xhiere, Saume, Sflanseu 
unb fruchte ber Sibel, morgenlänbifche Sitten unb 
©ebräuche, bie oierüßiährißc 2öanbcrjchaft, ber jü= 
bijebe ©ottcSbienft,©öfeeu unb Abgötterei bereiten, 


Sauber uub Sölfer ber Sibel, baS heilige Sanb, bie 
Stabt 3erufalem unb ihre Uiußebung, Sibelpropbe= 
seimigen unb ihre Erfüllungen u.f.w., nebft folgen* 
bem extra Inhalt: 150 Seiten fleiuerc unb gröbere 
3Huftrationeit mit beittfdiem Xejt. 24 Dcrc’S 
bibüfdie Svachtbilber, 12 Stahlftiche, fünf Slatt 
3duftrationen ber StiftSbütte in©olb linbgarbem 
bruef, alle mit beutfdicm unb englifchem Xcjt oer- 
{eben. 9>ier Slatt gamilicn=9tegifter nebft einem 
fehr fdjoncu Xraufdicin mit beutfdjem Xejt. Au= 
fjer biefem enthalt bie Sibel oier Slatt colorirte 
3Uuftrationen oon Sflan&en, Säumen unbXhicren 
nebft oier Alarten ber heiligen Sdjrift. 

Die billigeren Aufgaben übergehenb, nenne ich 
9?o. 3 unb 9to. 4. , 

v 9to. 3. ©ebunben in 9Rarocco, Seiten unb 
:)iliefen poll unb fd)Cm oergolbet, ftarf panclirt, ©olb- 
fchnitt u. f. w. Diefe 9luSßabe enthalt 91Ue« in 
obiger Scfchrcibung uub Sd)lo6. 53wi« (eine 
Srad)tauegabe) $12.00. 

9t o. 4. ©ebunben in 9)tarocco fuperextra, iehr 
fchön unb gefchmadooll gebunben (ßan$ neuer Gut* 
wurf), 9tücfcn uub Seiten oerßolbet, tief panelirt u. 
f. w., enthalt 9llleS in obiger Sefchreibuttg mit 
Scblofi. SteiS $15.00. 

5 a m i l i e u = S i 1 b e r b i b c 1. Gin ©unbert 
prächtig auSgcführte ©oljfdinitte, mit beigefügtem 
Xcjt, befonberS geeignet für ©cfdienfe. Schön ge= 
bunben $2.75. 

Alaun man ein fdwnereS Ghriftgefchenf machen, 
alS baS Sud) aller Süd)er, namentlich in joldier 
SraditauSgabc. 5Eer aber billiger fatifeu will, ber 
gebe nur ben SveiS au unb er fann bebient werben 
Poit $1.00 aufwärts. 

Sfür 6ättger utrt) SKttfifliebhaber. 

Goncorbia. Gin huubert Ghorgcfänge, nebft 
ber auSfühvlid)en ©efanglchre. — SreiS $1.25. 

Sicberluft unb Sfaltcv. 192 neue Sieber 
unb 9)telobicn. SveiS in 9)^uSliit — . SmS in 
Sappenbedel — 

Sfalter unb J&arfe. 3» 9)JuSlin $0.60. 

grobe Sotfchaft in Siebern. G. ©eb= 
harbt $0.50. 

3iouS Serlend)öre. G. ©ebharbt $1.25. 

83ir haben, wie ee fich für unfer Sftagajin ge^ 
üemt, nur chriftlidie Sieberbüdier angeführt — aber 
gute. Sßaljcr unb ©opfer gehen uns nichts an. 

Kette, gute GrbauttugSbudjer. 

gititfe, Anbauten. 2 Sänbe. $2.50. ©ani 
neu. 

5Billft bit gefunb werben? $1.50. 

gunfeS 91nbachtSbüd)er finb feine ©ebetbftcher, 
fonbern frifd)e, biblifchc Setrachtungen, bieauS bem 
tiefen Sorn ber heil. Schrift feböpfeu uub in aiiBcr* 
orbentlid) feffelnber 3Seife gefdmeben finb. 

gür graneu ttitb Jungfrauen. 

8llbum einer grau. Die Aufgabe unb 
Pflichten ber grau im gatnilienfreife. Sehr fchön 
gebunben, ©olbfdmitt. $2.00. 

Der beutfd)cn Jungfrau 5Befen unb 
5Birfen. 5Binfe für baS geiftige unb praftifche 
Sehen, unter oier Abtheilungen. &er3, ©eift, föau« 
unb 9Bc(t. Sehr gut gehalten. Garoline 9)tilbe. 
gein ßebunben mit ©olbfdmitt. $2.50. 


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|Bfil)nail)ts(orgfn. 


659 


Unfctc Silgerfabrt oott ber flinbevftube bi 8 
mm eigenen ©erb. 5. Auflage, mit 8 Jlluftrationen. 
Sradjtbaitb unb ©olbfcbnitt. Slife Seife. 62 . 00 . 

fl in ber ft u be. S. Solfo. Sammlung Den 
Sitaten unb Schichten für Mütter, flinber unb Sr= 
giebung. Mit einem Titelblatt in Sarbenbrucf. 
Sracbtbaitb unb ©elbfrfmitt. 61.85. 

®er weibliche Seruf. Ottilie äBilbermutb. 
61.25. 

®ie©eimatb ber Stau. Ottilie 2Bil= 
bermutb. 61.75. 

Sardine Milbe3 Stritt ift n>eit ecrbreitet unb 
oon Stauen unb Jungfrauen bocbgebalten; unb 
Slife Solfoä ©erfe finb ebenfo beliebt — 22iemanb 
• aber ift mehr berufen für Stauen 3 U fcbreibeit, 
alS bie ferncbriftlicbe ©audnutter unb gentütbooüe 
SdjriftfteUerin Ottilie ©ilbermutb. 

Sur ©efd)id}tgliffcl}afcer. 

® efdjidfte ber bereinigten Staaten 
»on John S. SRibpath. ®roft Oftae, 554 S. Jn 
©albtrai« mit 9iücfen= unb Seiteneergolbuitg. 
63.50. lobulare 2lu3gabe 62.50. 

©efebiebte ber Sifcb. Metb. flirebe in 
ben Ser. Staaten, Seit ®r. 21. Steoend jnS 
beutfebe übertragen ooit ©. Siebbart. 3wei Sänbe 
63.00. 

8 ebett 8 bilber auS ber ©efebiebte beS 
Metb obiSmuS. Son S- flopp. 6l.5o. 

©ermaitia. J. Scberr. 3weijabr = 
taufe nbe beut (eben 8 eben 3. flulturgc- 
fcbicbtlicb gefdjilbert, mit über 300 SEest-3(luftra= 
tioiten. Sin rnabreä Sracbtmerf, fein gebunben, 
©olbfcbnitt 67.30. 

® e f cb i d) t e berbcutfcben9?ational' 
Siteratur. ®r. 21 . S- S. Silmar. 63.25. 

Silberfaal ber 3GBe 111 i tera t ur. 3wei 
grobe Oftaobänbe. 67.00. 

Sefebucb ber©eltgefcbicbte, ober bie 
©efebiebte ber Meufeben een ihrem Anfang biS auf 
bie itetiefte 3eit. 3 Säitbe in 2 gebunben. Se= 
fonberS einpfehleitduertb für Sonntagfcbul=23iblio= 
tbcfcit unb ben Samilien ©ebraitrf). ©. 9leben= 
bacber. 64.00. 

8 e b r b u cb b e r SB e 11 g e f cb i cb t c, mit be= 
fonberer SRücfficbt auf Kultur, Literatur unb fRelU 
gionSwefeit. ®r. ©. ©eher. 2 Sänbe. Octao. 
©albftang. 67.CO. 

®ie ©efebiebte ber Ser. Staaten feilte ieberSür* 
ger biefeS 8anbe3 fennen. ®ie ©efdjicbtäbücber 
über ben MetbobiSmuS finb att$iebenb getriebene 
SBerfe unb werben nur ®ie langweilen, welche an 
SenfationSromane gewöhnt finb. 3djerr3 ©erfe 
würben oon ben fl'ritifern hoch erbeben unb auch 
wir anerfeuiten feine Scrbienfte, würben aber feine 
Arbeiten nur gegrünbeten Sbriftcn anoertraueit, ba 
ber Serfaffer nicht auf pofitio cbriftl. Stanbpunttc 
ftebt. Otebenbarfjer unb Sillmar bagegen haben 
biblifeben ©runb unter fiob, unb hat ber erftere in 
feinem 8 efebucb ein oorgüglirfjeä SelfSbucb oerfaftt. 

3für Sonittag^tullebrer unb Srebiger. 

® a 8 Surf) ber © l e i cb n i f f e. Sen ©. 
Siebbart. Sibl. SBabrbciten in Silbern unb Sei= 

S pielen. 558 Seiten ©roftoftao. Jn Mudin 
te.50. Jn ©albfrang mit 9tücfeit= unb Seitenweg 

gierung 63.00. 

* 


Aritifcb=praftifcber Kommentar über ba3 
92eue Teft. Son ®r. ©nt. 9faft. (Matth./Mart, 
unb 8 uf.) 66 . 00 . 

2111 g e m e i n e d © a n b w ö r t c r b u cb ber 
heil. S cb r i f t. Sine furggefaftte Setreibung 
unb Srflärung ber in ber Sibel genannten Stabte, 
Sauber, Seifer, Seriellen, bauten, Sehren, 5pm= 
bele k. Sen 8 . Magier. ©ivOctao. 512 Sei= 
ten. ®aö billigfte berartige beutte ©anbwörter? 
buch. 62.50. 

$beologifcbe3 Uitioerfal= 8 ejifon. 
2lii3gejeirfmet für felrf>e, benen gröbere ©erfe, wie 
©erjog x. ju theuer finb. 68.50. 

S i b l i f cb c 8 © a n b w ö r t e r b u cb* Son 
©. 3 cller. Sbenfall3 ein berühmtem Such. 66 . 00 . 

S ibl if rf)e © anbconcorba n 3 . Sremer 
Serlag. 62 . 00 . 

Sollte ber Srebiger, ber S. Schullehrer, bie liebe 
8 ehreriit, feilten fie oeit ihren Sd^ülcrn unb @e= 
meinbe^Mitglicbern nicht auch bebaebt werben am 
Shrifttag ? ©eieiblicb^ ©icr finb einige gute @e= 
jcbentbücber angeführt, womit nicht gejagt ift, ba§ 
anbere^ nicht auch paffenb wäre. 

©ebiihte. 

Salmblätter. Svarfrfau^gabc mit Jüu= 
ftratieneu, nach ber 3cicl)nung een ©lob, ©runes 
walb, ftönig, Shumann, ©infler unb 2lnbern. 

Ouarto, Srarf)tb., ©dbtnitt. 65.00. 

Mittelauogabe, fein gebunben mit ©dbfehnitt. 
62 . 00 . 

$e£tau§gabe in Miwün. 61 . 00 . 

2lmerifanite 2 luegabe. —388 Seiten, 18mo. r 
Mit^l. mit Seitent. 60 . 80 . 388 Seiten, 18mo., 
©olbfcbnitt unb Seitent. 61.25. 3 88 Setten, 
18nte., Mtt^lin mit ©olbfcbnitt unb oerüertem 
Seitentitel. 61.50. 

S lunten unb Sterne. Sermifcble ©e= 
biebte. ^in gebunben mit ©elbfrfmitt. 62.00. 

®eutjcbe Ofterit. 3 citgebirf)te, fein ge= 
bunben mit ©elbfrfmitt. 61.35. 

S f i n g ft r o f e n. ©ebiebte, fein gebunben mit 
©elbfrfmitt. 61.75. 

2 llle biefeSDBerfe finb een bem berühmten 5f.®erof. 

©au8garten. Slife Solle. Sammlung 
ooit Kitaten unb ©ebiebten über baä 8eben ber Stau. 
Mit einem Titelblatt in Sarbenbrurf. Sracbtbaitb 
unb @olbfrf)ttitt. 61.85. 

® eu tf eher ® irf)terwalb. ©. Scherer. 
Sorifcbe ?lnthologie, mit eitlen JUuftrationen. 
Srarfitbanb unb ©olbfrfmitt» 62.50. 

8cben unb ©eimath in ©ott. J. 
©antiner. SReligiöfe ©ebirf)tc m ßrbauung unb 
fittlicbcn Serebeluug. Sein gebunben mit ®elb= 
frfmitt. 62.50. 

Sihau’ um bicb unb frfiau’ in birf). 
J. ©aittmer. Sine Sammlung geiftreicherSocfie. 
Scheit gebunben mit ©olbfcbnitt. 61.15. 

® i ch t e r g r ü ft e. S. Seife, dienere beutfrfic 
8 erif, mit eielett jtluftrationcu. Sracbtbaitb uub 
©elbfrfmitt. 62.25. 

2111 > ii itt für ®eutfcblanb 8 Rechter. 
8 ieber unb Siontanten mit Jllnftrationen. 4te. 
Srarfitbanb mit ©elbfrfmitt. 65.00. 

Johann S h i l. S. S e i 11 a , Sfaltcr unb 
©arfe. Sammlung cbriftlicber Seefie, jitr häti^ 
lieben Srbauung. 34. 2lufl. ö)ebuitbeit. 61.15. 


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660 


$u Haufe. 


©erof ift ein diriftlidjer Sichter von ©otte§ßita= 
bat, bcffeit SBerfe itod) lattße vielen jum ©epen be= 
ftirnrnt fittb. — 6 . Solfo verfteht e3 mie feine att= 
bete grau, ba3 in fammeln titib sufammeiuuftelleit, 
maö grauen aemöbnltd) fudtett. ©amnter batbureb 
feine imiißticfcn, vorn (Sbriftentbmn burcbbrutißeneit 
Stcbtuitßeit ^atifeitbc aitflejoßen. 

(frjäbltntßett unb gHograWen. 

Sa mirb uit$ felbft bic 5Babl fchmer, ttttb tnüffen 
mir auf beit beutfdtcn Äataloß von SBalben & ©tome 
vermeifen, melcher ßratiä 311 haben ift. 

ißemerft fei, bah in biefer, mie in attbern fRitbrifen 
nid)t bloß ba3 9 }cuefte, foitberit and) bicle^ 9lltc fid) 
auSßeaeichnet eißttet. 3. S. £ebeit unb Sßirfett 
boit 2 Bm. ßarvoOo; Hefter Wittta 9toßerh ; 'Sic 
gamilie @d) 6 nbcrß= 6 otta ; Äith) Srevt)liian 8 Sa= 
ßebud); Sble grauen ; Sa$ SJSfarrban^ im £ar$ 
u.f. tb. 

gär fitttber bietet bie Sibliotbef A, bie &anb= 
bibliotbef unb ba3 ©chabfäftcbeu, fotbie bie 100 
Sätibe umfaffettbc 3ußeitbbibliotbef be3 ©dmtten 
uttb ©uten ßat biel. 

9 luö ber neueren unb neuften unter biefe Oiitbrif 


ßeborettben Citeratur greifen mir für reifere Sefer 
beraub: Ottilie SBilbermutb Schriften. 
(Silber unb ©efdjichten, 3 Sänbc, 63.00. Shtgufta, 
61.00. Serien atib beut ©anbe, 61.75. 
Scunntcrftnnbe, 61.75. Seim $ant Veit licht, 61.75.) 

S e r1 0 v e n unb ß c f u n b e tt. Sott ber Ser= 
fafferitt: (Sin Slatt auf SrottvS ©rab, 61.00. 

Unter b e ut 6 b r i ft b a u m. 9lßue6 Solmar. 
61.75. 

3ba Siav bott $. ©teen. 61.60. 

#ait« uttb $erb. 

©emih eweä ber fcbbnftett ©efcbettfe auf betn 
Sücbermarft. ©cbmud unb frifd) fonimt c3 ieben 
SBonat unb brinßt ßute ©adten auä ber neuen unb 
alten Sielt. ©eitbet baffelbe alä SßeihitachtSae- 
febenf euren greunben in biefent ttttb beut alten 
Saterlanbe. 

@0 — nun haben mir bat lieben gefern bicSkbl 
aleiditert. Saft bie Oual babttveb ßdtt3licb erfvart 
bleibt, bilbe icb mir nicht eitt, ßlatibe iebodt ciuctt 
Seitraß 31 t ber um bie GhriftaßSseit fo bäufiß ae= 
ftellteu graae Geliefert ^u haben: „2Ba$ febettfeu 
mir unfern Sieben ?" 




3» S 

Sott einer 

Surfet). 3Katt nimmt einen iuttßen ©ahn unb 
nadtbetn er im mtbau§menbiß ßereiniat, läßt man 
ihn einen Saß ittt Äalten bdttßat. Saitu mafdit 
man ihn im unb auämeitbiß recht faubev mit faltetti 
SBaffer uttb tvoduet ihn mit einem reinen Sud). 
Saruad) nimmt matt Säderbrob, einen Saß alt, 
ober auch 3 mei, jcrbrbdelt e3 in eine ßrofjc iybene 
©cbüffel, ßieht fod)enbe3 SBaffer barüber, laut c3 
aber ßleich mieber ablaufeit, bann nimmt man } 
Sfunb Suttcr, ein meniß ©alj, etmas fdimarjcn 
ßentableneit Sfeffer, unb einen Shccloffcl voll ße- 
riebeitcä ©albet (©aße) ba 3 ti; man rührt mit einem 
ftarfeit ööffel alleä ßttt. burd)einanber unb fehmedt, 
ob e3 recht ßemür 3 t ift. Samt nimmt man bat 
&abn, ftreut etmab Sal* unb Sfeffer hinein, füllt 
ihn mit bcttt subereiteten Srobc unb nabt ihn feft 
311 , bie Seine unb glüßel merben forafältiß aufße= 
boßen unb feft ßebunbett, bantit fic faftiß braten, 
man ftreut ctmaä ©al 3 unb Steffen: barüber uttb 
leßt ihn in eine tiefe Sratvfaitne, unb itad)batt man 
ctiuacs Suttcr über bic Srnft ßeftridien, eine Saffe 
Jßaffer in bie Staune gegolten, ftcllt man bat .soabn 
in einen beificu Sacfofcn, matt begieht ihn oft mit 
ber bcifiat „Sauce ' 1 unb breht ihn flcifeiß um, man 
Iaht einen imißcit Apabit 2 ©titubat laitß mht braun 
braten, unbmatn meid), leßt man ihn auf eine beifte 
©dutffcl. Sann nimmt tttaju einen ^öffel ooll 
Siebl, rührt eei in bie heihe „Sauce", leiht es oben 
auf bat Ofen eiitiße 9Ral auffoeben, ßieht etmab 
fochenbe^ 5öaffer hinein, menit 311 bid, rührt e^ ßut 


auf«. 

$att$fratt. 

burd)eittattber unb fdhmedt ob redjt ßemürst. Sar= 
ttad) feimirt matt Surfet) unb „Sauce". 

(Sflttfru ^ie. 9)?ait nehme jitiiße kühner, tta(h= 
beut fie ßcmafdien unb ßcrciuißt, fchtteibet mau fic 
in 4 ober 5 Sbeile, je ttad) ber ©rohe. SRan ftellt 
fie an^ geuer mit fooiel SSaffer, ba^ fic ßiit bebedt, 
fd)dumt fie ab unb fod)t fie bis fic meid) fiitb. Samt 
thut man etmas ©afo unb fdimarien ßcntahlcneu 
Sfeffer hinein, nimmt einett ßrohett ©hlbffcl voll 
®iehl in eine Saffe, unb rührt mit eilt meniß Sßafjer 
baS S?el)l ßut burdteinauber, fo baheS ßatts frei von 
Älutnttcn bleibt, bantad) ßieht matt eS in bie fodtenbe 
Siitbe, rührt c$ mieber ßut burdjeinanber, unb 
fchmedt ob allcS recht ßcmttrd ift, lä§t e^ cinißc SÜhi 
attffodten unb ßieht eS barnad) in eine tiefe irbette 
Schüffel, bie kühner bürfen mir ctmaS mehr mie 
halb mit Srühc bebedt fein, fonft verfod)t fid) bic 
Srühe in beut Sadofeu. Samt macht man einen 
Seiß von ßcfiebtcm ü)?ebl, i Saffe Sutter, J Saffe 
Sd)inal3f ein meniß ©alj, 2 Sbcelbffel voll Sad- 
Vtdver unb faltes SJaffer ßcmiß, um beit Seiß am 
utrühren, man rollt ben Seiß einen halben Soll 
bid au3, leßt ihn oben auf bic ©chüffcl unb macht 
ihn ßroh ßcmiß, bah er ßut um ben 9lanb ßcbvßeit 
unbjeft aiißcbrüdt mirb, oben ftiebt man mit beut 
SBciier eiitiße Vbcher hinein. s 3Kau ftellt bie©dtüffel 
in einen heiften Sacfofcn, Iaht fie 20 Minuten bartn 
ftehcit, biet bie .ftruftc ein fchöneb halbbraun au^ 
nimmt. N. B. Sutter unb ©djuial*, unb ma^ 


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J5u Haufe. 


661 


man immerbin sunt ©adeit gcbraudft, muß wof)l= 
fcftmedcnb iein, unten in Die ©dmffel legt man fet= 
neu £eig, ba berfelbe suoiel ©ruhe aufnimmt unt) 
bann su fteif mirb. 

ftalbftcifchfuiipe für Änmfe. g# wirb basu ein 
mageret ©tuet genommen, wenn e# anfängt su 
fothen, wirb abgefdjäumt, bie ©ruhe burd) ein Sieb 
gegoileu nnb mit abgebrühtem Siei# gahr gefodft. 
$at man ©bärget ober ©lumcnfohl, )o fann mau 
tolcße# abgefoebt bineingeben, nnb nad)bem e# meid) 
geworben, bic Suppe, wenn c# beut Giranten erlaubt 
ift, mit einem frifcbcit Kibotter unb etwas Wu$fat= 
nuß, ober feiugebadtcr ißeterfitie unb ©als abbrühen. 

griffe Sratttmrß s» braten. Wan lege bie ©urft 
in bie Pfanne, begieße fie mit fodjcnbem ©affer, 
taffe fie ungefähr eine k ©tunbe neben, bann gieße 
man ba# ©affer weg, tege bie ©urft jurüd in bie 
Pfanne, burdjfteche fie mit ber ©abel, unb taffe fie 
im Ofen ober auf bem Ofen braun braten. 

3ur $ratamrfi raadft Kartoffelsalat ein gnte# 
Kbenbeffen. Wan nimmt Kartoffeln oon mittlerer 
©röße, wafcht fie rein, unb thut fie bann mit ber 
Schale ohne ©als fod)eit, bi# fie gabr finb, serfallcn 
bürfen fie nicht, man giefet ba# ©affer ab, ben Xopf 
ftellt man wieber einige Winuten auf# Sreuer, nehme 
ben Oedel ab, fd)wenfe bie Kartoffeln, bamit bie 
wäfterigeit Sheile oerbampfen, man fchält fie unb 
läßt fie bann eine halbe ©tunbe fteben, bann fdjncU 
bet man fie in fo banne ©djeiben al# nur möglich, 
mau nimmt eine Bwicbel, fd)ält unb fchneibet Re 
ebeitfall# büitn, unb thut biefe# miteinanber in eine 
tiefe ©djüffel, ftreut ©als unb Pfeffer barüber unb 
(Sffig genug, um bem ganzen einen angenehmen 
©efdwiad su geben, julebl nimmt man reine# 
©cbmals, macht e# heiß, einen ©ßlöffel ootl su iebem 
©intKartoffelfdjeiben, gießt e# heiß über ben ©atat 
unb rührt alle# gut burcheinanber. 

©ebarfetter giftfl. Wan nimmt einen frifchen 

S oon 4 bi# 6 ©fitnb unb reinigt ihn forgfältig. 

n nimmt man feingeftoßene# ©rob, 2 (Eßlöffel 
ootl ©utter, ein wenig ©als, etwa# gehadtc# frifet^ 
gefabene# ©cbweinefteifd), eine feingehadte 3wiebel 
unb ein ©i, man rühre biefe# gut burcheinanber, 
fülle ben Sifch, nähe ihn su, unb lege ihn in eine 
tiefe ^Bratpfanne, ftreue ©als unb Pfeffer barüber 
unb einige ©tüdchen gefabene# Schweinefleiicb, man 
gießt ein ©int ©affer in bie Pfanne, unb ftellt e# 
li ©tunbe im heißen ©adofen, begießt beit Sifd) 
oft mit ber heißen „Sauce" unb wenn fertig, rührt 
man etwa# Wehl in bie „Sauce". Wan gibt Sld)t, 
baß ber Süd) gans bleibt, ba er fonft ba# 5lu#fehen 
oerüert, toeitn man ihn feroirt. 

Satterfriwt. ®affelbc wirb feft au#gebrüdt unb 
nach ©elieben etwa# gewäffert. ®anu ftellt man 
e# mit fochenbein ©affer auf ba# fteuer unb läßt c# 
eine ©tunbe fodjcn. Ungefähr eine halbe ©tunbe 
oor bem Anrichten ntadft man frifche#Sd)mals red)t 
heiß, läßt eine 3wiebe( barin gelb braten, bie man 
iitbeß wieber heran# nimmt, man rührt and) einen 
Söftel oolt ©eisenmehl in# heiße ftett unb gießt e# 
über ba# Kraut unb rührt e# barnach gut burd)' 
einanber. ©ehr gut ift c#, burd) ba# gefotffte Kraut 
eine große rohgeriebene Kartoffel su rühren, man 


läßt c# bann noch eine furse Beit fod)en, giebt aber 
51 d)t, baß e# nid)t anbrennt. Sauerfraut füllte 
immer in einem irbeneit Xopfc gefoebt toerbett. — 
Wan ißt mit Sauerfraut feingeftoßene Kartoffeln. 

2) iefe werben gefd)ält, reingewajeben unb gefoebt, 
feiugeftampft, barnad) thut man etwa# ©als, Sut= 
ter unb frifebe Wild) hinein, rührt alle# gut bitrcb= 
einanber, läßt ia nicht# anbrennen unb feroirt fie 
bann in einer heißen cöd)üffel. 

Kartoffeln, ©ißtoieiuerippett nnb faitre ttetfel 
Snfammcn gebraten. Wan fefet in einer etwa# 
flauen ©ratpfanue ein Stüd ©d)wein#rippen s«r 
Hälfte mit ©affer bebedt unb etwas ©als auf ein 
mäßige# Setter, bedt bie ©fanne feft su unb läßt 
ba# gieifd) 1J ©tunbe mäßig fod)ett unb gelblich 
braten. $ll#bann nimmt man e# heran#, belegt 
bie ©fanne mit flehten runbgeftbälten unb reittge- 
waf&enen Kartoffeln, ftreut ein wenig ©als barüber, 
legt bie Stippe barauf, unb swar bie offene ©eite 
nad) oben, füllt bie Höhlung berfelbeit mit gcfd)äl= 
ten^ in 4 Jhcile gefchnittenen fauren 5lepfelit, 
gießt eine Saffe ©affer hinein, bedt bie ©faitne 
wieber su, unb läßt alle# barin weich unb gelb bra= 
ten, wäbreitb man bie Kartoffeln einmal umbreht. 
®attn legt man bie Stippe mit ben 5lepfeln in eine 
heiße tiefe Slcifchfchüffel unb legt bie Kartoffeln um 
bie Stippe. 

$afeu. Wan sieht bie §)aut ab, nimmt bie 6in= 
geweibe herau#, toafd)t unb reinigt fie forgfältig, 
ftreut ©als unb ©feffer barüber unb fpidt fie mit 
büitnen ©tüddjen gefabene# ©d)weiuefleifd), unb 
im übrigen fann man fie braten unb subereiten wie 
Sifd). 

Douglmnts. 3 ßier, 1 3:affe weißen Buder, 1 
©int frifdjc Wilch, ein wenig ©als unb Wu#fatnuß 
(Stutmeg), Wehl genug, baß ber Toffel aufredft im 
Seige fleht, unb 2 Xheelöffel ooll ©adpuloer, man 
oerflopfe Sier unb Buder gut, nehme gefiebte# Wehl 
unb sulefet ba# ©adpuloer, oermenge e# gut burd)= 
einanber. ®ann nehme man einen Löffel ooll Seig 
unb laffe c# in foeßenbe# ©dnnals tropfen, laffe fie 
fodjcn, bi# fic eine fdwne hellbraune Snrbe befoiii= 
men, unb man follte nicht su oiel auf einmal hinein 5 
legen, auf baß man fie gut umbrehen fann. 

ftntdjt’ftndiei!. U Saffe 3uder, 12:affe ©utter, 
2 Waffen gefiebte# Wehl, 8 gier, 2 ©funb Kurrent#, 
li ©funb Stofinen, i ©funbßitroncn, 1 ibeeloffel 
ooll Binunet, Stelfenpfeffer, Wu#fatnuß unb Wace. 
Wan rnafcht unb reinigt bic Kurrent# unb legt fie 
bann auf ein ©ieb, unv su trodnen, nimmt bie 
Steine au# ben Stofiuen iilb fchneibet bic Gitroneu= 
ftüde in büunc ©cheiben unb mahlt ba# ©ernitrs. 

3) ann oerflopft man 3»der, ©utter unb ba# gelbe 
oon 8 ßiern, bi# e# gans leicht ift (ba#©eiße oon 
ben Sicrn oerflopft man auf einer flachen $leifd)= 
fchüffel su einem (Sierfchaum), man nimmt bie ftälfte 
Wehl» ba# ©ewürs unb bic Hälfte oom ßterfchaunt 
unb thut e# in ben Sctg, man rührt e# leidft burd)= 
einanber, bann nimmt man eine aubere ©cbüffel, 
thut bie Frucht hinein unb oermengt e# mit ber an= 
bem Hälfte Wehl, thut bie# in ben $cig hinein, 
oermengt e# gut burdieinanber, nimmt fthließlicß 
bie aubere föätfte Sierfchaum unb rührt e# beheube 


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662 


$onittagfil|ul=|rkttonen. 


hinein. Oann nimmt man eine lange tiefe finden' 
Pfanne, beftreicht fic gut mit ©dwiala ober Sutter 
unb legt unten ein U'cißeo ©tücf Sapier hinein, man 
tfuit ben Oeig hinein itnb fteüt eg in einen heißen 
Ofen, gibt aber ja 9 lcht, baß et nicht 511 heiß ift, ba 
eg gewöhnlich 2 Stunben nimmt, big bet buchen 
gebaden ift. 

@ine prsftifdje ^tafettge! ßegen ZnuifntMtoe. 

3 n einer ©tabt im ßlfaß wirb folgenbcg ©efefe 
beobachtet, welcheg and) fonftwo aut wäre: Oie 
Obrigfeit oeröffentlidjt regelmäßig eine aenaue Sifte 
aller Öritnfeubolbe bet Stabt. Oiefe Cifte in iener 
©tabt aählt gegenwärtig 31 Serfoncn. Oen äBirth- 
fchaften ift ftreng Perboten, bieten iraenb welche ©e= 
tränte 311 pertaufen. 

©arge auf einmal. 33ot einiaen 2Bocheit 
ftarb ftrau Spaug aug Oower Sitp, $a. ^hr 
302ann ging, um bie Vorbereitung für bie Scidjen- 
beftattuna au beforaen, unb um einen ©arn 311 be= 
ftellen. Oer Seichenbeftatter hatte blog awei aug 
fRofenbola perfertiat jur ©anb. 9llg ©err Soaitg 
biefelben unterfucht hatte, faate er: Oiefer ift für 
meine Stau, bie ©anb auf ben anbern leaenb, füatc 
er hinju — Unb biefer ift für mich, (Sr eilte nach 
©aufe, bie 9lnfunft feinet abwefenben ©ofeneg 
SRilton abauwarten. Oer juuae 302ann tarn s 3?ad)- 
mittagg awifchen 3 unb 4 Uhr aurüd. Oer Vater 
wollte bem ©ohne bie Sranerfunbe in mbaüd)ft 
ruhiaer SBeife anfünbiaen, brütfte ihm ftumm bie 
©anb 311 m ©rufe unb faate: Oeine ÜRutter ift —, 
unb ehe er enben tonnte, erfaßte ihn ein frampf= 
haftet 3uden — unb oerfchieb. 

0er ©arg. 

3Kcin lebtet ©aug auf ßrben, 

9Bie trauria fiehtt bu aug; 

39tir follte bange werben, 

Vor bir, bu Oobten-©aug. 


Ooch wea mit bem ©ebaitfen, 

Oenu wer bich red)t betracht, 

Oer finbt in beinen ©cbranfeit, 

V3ag ihn aufrieben mad)t. 

Oit bift mein fRubefaften, 

2ßcnn ich in biefer VSclt 
"Jucht mehr oermaa au raften, 

VJenu eine Sünbftuth fällt. 

So ift ber Oob befchieben, 

Oer muß mein 9?oab fein, 

Unb nimmt mid) aud) mit g-ricben 
3n biefe 3lrd)e ein. 

Ou bift bie fiebre ffammer, 

2t>o ©ott fein ftinb binleat, 

2Bcnn nichts alg lauter Jammer 
Unb Slcnb eg hier träat, 

@0 fchliefet ©ott felbft bie Sthüve, 

9tad) feinem Äinbe au; 

Orefet bem! ber eg berühre 
3n biefer ftiüen SRul). 

Ou bift mein fanfteg Sette, 

2Senit id) auf Oornen hier 
©leid) hart aefchlafeit hätte, 

©0 finbt ich hoch in bir 
(Sin weid)eg {Rubefiffen, 

Oarauf mein ©aupt Reh lehnt; 

Söenn fid) bie Singen fcbliefeen, 

92ad)bem fie a’nug gethränt. 

SSohlan bleib in ©ebanfen, 

3J2it immer oorgeftellt. 

Jid) weife, bafe mid) bein ©chranfen 
Vicht ewig in fid) hält. 

2Bie bort beg gifdjeg {Rathen 
Oen 3oita wieber gab, 

©0 wirft bu aud) eg machen, 

UBenn ©ott Schließt auf mein ©rab. 

S. @. 


—- m- - - ■ 

Rektionen. 


Sonntag, 3. Oeaember. 3J2arf. 15, 38—47. 

9?ad) feinem $obe. 


I. 0er serriffrne ftirlstag. ®. 38: Sötit ben 
SBorten: „Vater, in Oeine ©änbe befehle ich meU 
nen ©eift!" hatte 3efitg fein Sehen freiwillig hinge= 
geben. (Sr war oerfchieben unb ber SKitnb beg 
allerholbfeligften Vrebigerg hatte fich im Oobe ge- 
Schloffen, weil fein Volf ihn perworfen hatte. Slbet 
liehe, nun thut ©ott feinen SKitnb auf unb rebet au 
feinem Volf unb au ber ganaeu 2Be(t eine geioaltige 
©prache. 3u bem Slugenblide nämlidj, ba ^efug 
bag ©aupt neigte unb oerfdjieb, um bie neunte 
©tunbe, ba bie Vriefter unb piel Volfg aum ©ebet 


im Stempel perfammelt waten, ba gerriß ber 
Vorhang im Stempel, ber 3a Sllen lange 
unb fingerbide Vorhang, ber bag Sllrerbeiligfte oer^ 
barg, Pon oben au big unten aug. Unb 
augieidj erbebte bie (Srbe (wie wir aug bem Span- 
geiiitm 3Rattb. $ap. 27, 51—53 wiffen), unb bie 
helfen aerriffen unb bie ©räber thaten fith auf unb 
Stauben auf piele Seiber ber ©eiligen mtb erfthienen 
Sielen. — Oag war bie grofee 3cichcnfprad>e, burch 
welche ber ©err ni(ht burd) bag Ohr unb auch nicht 
burdi ben Scvftanb amn ©eraen, fonberu unmittelbar 
au biefem felbft rebete. Unb wie immer fo erfdnraf 
auch hier bag Solf Por ber ©timme ©otteg. Unb 
hoch perfünbigte biefelbe nur ©nabe unb Trieben; 
benn bieg ift bie Sebeutung beg aeniffenen SSot^ 
I hangg. Ourch biefen S 0 r h a n g hatte bigher ber 


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SonntagfdjuUfektionen. 


663 


heilige ©eift angebeutet, bah bie fünbiaett ©ienfefien 
noch niefit nt ©ott fommen burfteit. SDer ©erbang 
prebigte bem ©olfe tagtäglid): r ,(Snre Untugenben 
Scheiben ettefi unb euren ©ott oon einanber (3ef. 
59, 2). 9Jur einmal iäfivlicfi, am groben ©erföh- 
nungSfefte, ging ber .©obepriefter burch ben ©or= 
hang in’S 9lllerheiligfte, niefit ofine ©lut, ba3 
er opferte (Sbr. 9,*7). 3efu3 GhriftuS nun, 
unfer ©obepriefter, iit oermöge feines eigenen ©lutS 
ein für allemal in baS Merfieiligfte eingegangen, 
hat ben ©orhang binweggetban (^erriffen), ben Sin= 
gang jurn ©ater eröffnet unb eine ewige Srlöfung 
erfunben, bic bis Oabin bie ©Seit vergebend gefuefit 
hat. T)ai3 u>ar eS, maS ber jeniffenc ©orhang bem 
©olfe ^frael tmb ber ganjen ©Seit prebigen Sollte. 

®a3 3errei§en be£ ©orhangS felbft mag eine 
ftolge beS SrbbebenS gemefen fein. _ dagegen wirb 
freilich cingemanbt, bah eine Srberfcbütterung nicht 
im Staube gemefen märe, ben ftarfen 30 Glien lan= 
gen ©orhang oon oben bis unten nt jerreifien. Unb 
biefer Ginmanb fefieint allerbingS berechtigt. 9?un 
aber berichtete (nach ©ieronomuS) baS Goangeliitm 
ber Hebräer, eS fei ein ungeheuer großer ©alten beS 
Tempels eingeftürtf. Stürmte etwa in Solge beS 
SrbbebenS ein Solcher ©alfeij auf ben ©orhang, fo 
erflärt ftcfi ber 9iih leicht, Gin munbetbarcS 
Singreifen ©otte3 bleibt bie Sadje aber iebcnfallS, 
auch wenn fiefi ©ottbabei natürlicher 3Kitte( bebient 
hat. 

II. $ie Mengen. (©.39—41.) 

®. 39: <Die gewaltige 3eicbenfprad)e beS 9111= 
mächtigen mürbe oerftanben unb jwar umäcbft ooit 
Serien, bei beiten man cS am menigften ermartet 
hätte. 9113 ber ©auptmann, ber babei 
ftanb (üRatth. berichtet baffelbe auch oon beiten, 
bie bei ihm mären* alfo oon ben römifdjen Solbaten, 
bie beim ff reine ©Sache hielten), fab, baheralfo 
rufenb oerfchieb, fprach er: ©Jährlich, 
biefer 9J?enfch mar ©otteS S ofin ! Ohne 
3weife( hatte ber ©auptmann gehört, bah ber ®c= 
Fangene mährenb be3 ffierbörS biefen Sitel bean- 
fprudjt batte unb bie 3üben eben barum feinen $ob 
forberteu. ®er ©auptmann erfanntc in bem Gin= 
bruef, melcfien bie ©erfon 3efu auf ihn machte unb 
in ben ©Suitben, bie feinen job begleiteten, ein gött= 
licfieä 3cugni§ für ihn, unb hielt ihn für ©otteS 
Sohn, weil ^efuS bieS oon fich felbft bezeugt hatte. 
Obwohl er feinen flaren ©egriff oon bem, ma3bie3 
©Sort in fich Sdjloh, haben mochte, fo ift hoch gernih, 
ba§r er baS ©Sort nicht im Sinne heibnifchen 9lber= 
glaubend forach. Sr moflte einfach fagen: er mar 
fein ©ottcSläfterer, mie ihm bie 3ubeit ootmarfen, 
fonbetn er mar mahrhaftig baS, mofür er fich au3= 
gab. ®amit ftimmt gain überein, bah er ihn nach 
8ufaS einen „frommen", b. fi. gerechten 9Rann 
nannte. 

®. 40, 41 : 9ludj an bem ©olfe, baS biS bahin 
unter bem ffreine geftanben, mar bie ©rebigt ber 
göttlichen ©Sunbcneuben nicht oergeblich. Sie 
fchlugen an ihre ©ruft, mie SufaS berichtet, unb 
manbten mieber um. Unb bah bieS „an bie ©ruft 
Schlagen" bei ©ieleu eine göttliche SEra urigfeit au= 
zeigte, geht aitS ber ©Sirfitng ber ©fingftprebigt 
(9lpg. 2, 37) beutlich heroor. 9lber eS waren auch 
aubere 3cugcn biefer 3eichenprebigt ©otteS gegen- 
märtig, nämlich: l)9Waria3Wagbalena, oon 
melcher 3efii3 (nach ©iarfuS) 7 Teufel au3getrieben 


hatte; 2) ©?aria, bie 3)iutter be3 3afobu3 
unb 3ohanneS, b. fi. bie Srau bc3 9llpfiäu3 
(3oh. 19, 25) unb 3) Salome, bie ©Jutter ber Söhne 
3ebeOäi. Sie ift ohne 3'oeifel (3oh. 19, 25) ge? 
meint unter Oer ©eseichuung : „bic Sdpoefter oer 
©Jutter 3efu." liefen 3üngerinitcu unb ben a u = 
bern ©Seibern, meld)e Oem ©errn au3 ©aliläa 
maren nachgefolgt, muhten bic JBunber, U'dche 
feinen Sob begleiteten, sum groben Sroft gereichen. 
3hr burch ben blutigen 8eben3au3gang be3 .©erru 
tief erfchütterter ©laube mürbe baburch mieber etmaS 
geftärft, inbem menigftcnS eine Ahnung ihnen 
fagte, Oah hier noch nicht alle3 au3 fei. 

III. ©egräbnih. (42—47.) 

®. 42: S3 ift nun ftillc geumrbeu unter ben 3 
Äreujcu auf ©olgatha. ©ott ber ©ea fiat burch 
feine gewaltige 3eid)cnfprad)e bie Säftermäuler ocr= 
ftummen laffen. ®ie römifefien firiegefned)te 
fdiaiten mit Shrfitrdrt hinauf m bem ftteiij in ber 
©?ittc; ber ©olföfiaufeu hat fich jerftreut, unb bie 
wenigen getreuen Seelen ber ©Seiber unb fouftigeu 
Anhänger bc3 ©enu feiern ben $ob ihre3 ©eliebten 
mit ftiller 9lnhetung. 9?ur bic Öbevften bev 3ubcn 
hatten nod) feine 9lufie, fie eifern iefet um ba3 ©efeß, 
baS fie mit ber ©inriefitung be3 ©ohneS ©otteS 
Soeben mit Sühen getreten. ®ieu>eil ber 9füfttag 
mar, berichtet Johannes (19, 31 ff.), baten fie ©i= 
latum, bantit uid)t bie fieichname ben Sabbath über 
am ftteuje blieben, bah ihre ©eine gebroden unb 
fie abgenommen mürben. So serbradien benn bie 
firieg$fned)tc ben beiben Sd>äd)eru bie ©ebeine mit 
eifernen Scnlen. 3efu aber, ber bereits geftor- 
ben mar, ^erbrachen fie bie ©eine nidd, fonberu 
ein jfriegSfnccht öffnete ihm bie Seite mit bem 
Speer, worauf ©lut unb ©Saffer auS ber ©Suube 
floh — ein 3cicfien beS eingetretenen SobeS. 
beffeu ift ber 91 b e n b bereingebrodten. 

®. 43: ®ie ^einbe 3efu hatten wohl barauf ge- 
redmet, bah fein Seichnam oon ben ©entern auf ber 
Sflichtftätte oerfdmrrt werbe. ,,©?an beftimmte 3hm 
bei ben ©ottlofen fein ©rab," meiffagt 3efaiaS 
(Sap. 53, 9), „aber bei ben 9teid)cn mar er nach feU 
item Stöbe." ©ott ber ©err hatte eS alfo anberS 
befchloffen. ®a fam 3ofeph oon 91rimas 
t h i a. 81(3 alleS au3 su fein Schien, ba murbcit bie 
Schmadjen unb ©loben ftarf unb mtithig. 3 ofeph 
oon 9lrintathia (mahrfdteinlid) ber griednfdie 
^ame für 9?amathiu3 3ophim, SamuelS ©ater= 
ftabt) hatte nid)t gemilligt in ben ^Wath unb ©anbei 
be3 SpnebriumS; aber ein muthigeS ©efenntnih 
für ben ©ertn, eine eittfcbiebene Srflärung für ihn 
hatte er nod) nid>t ablegeit fönnen. ®aS macht 
ihm nun fein ©emiffen jnr Sünbe, unb e3 treibt 
ihn, menigften3 einen Stheil ber ihn brüefenben 
Sdmlb mieber gut jit machen. So ncC>tet er benn 
niiht Spott unb ©ohn unb auch Schlimmeres nicht 
oon Seiten feiner hohen Kollegen. So fefet er alle 
fleinlicheit SRfuffidjten bei Seite, fürchtet nicht, fich 
in bem heibnifchen ©aufe *u ocrunreinigen, fonbern 
gehet hinein w ©ilato, um oor ihm im bauten feU 
neS ©olfcS $it befennen : 25ir haben übel getban 
an biefem ©eiligen. 

®. 44 : ©ilatuS oerfteht biefeS ©efenntnih; eS 
ift ihm ein 3cugni&, bah auch er fich febmer oerfüit= 
bigt habe an bent ©lute biefeS ©erediten. 9lbet 
©ilatuS ift ein ©Seitmann, ber eS oerfteht, feineS 
©ergenS ©efühle hinter einer gleidigültigen 3Kiene 


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664 


Sonntogf^ttUfektianett 


gu verbergen. Sr verwunbert fid), bafe 3efuä 
fd)o n geftorben fei. Sä war etmaä gang Un= 
aemöbniidteä, bafj ein ©etreugigtcr fo fcbnell ver- 
fcbieb. Sie grage beä 55ilatuä a n b c n .0 a u p t= 
m a n n ift fein 58ibcrfprud) mit helfen 5iefehl (3ob. 
19, 31). Ser £>auptmann mar ndutlid) nod) nicht 
von ber Sdjabelftätte micbergetebrt. 55ilatuä aber 
wollte feiner Sache gemift fein. Sie Sibnabute beä 
Seidntamä 3efu war unterblieben» nadwem 3ofepb 
bie 5Bacbe von feinem beabfidjtigten ©angc gu 55i= 
latnä benadn*id)tißt batte. 

JB. 45: s 4}itatuä fdienttc 3ofeph ben 
Scidntam. Ser babfüd)tige Gbarattcr beä 55i= 
latuä batte ermatten taffen, bab er bem reichen 
IVanne ©elb bafür abgcpre&t batte, benn öfterä 
wurben bie Seichen verfauft. Sieäntal aber fdieint 
55ilatuä froh barübcr gu fein, baß er ben Seicbuam 
Jefu feinen grcunben fiberlaffen tonne, wabrfcbein' 
lieb hoffte er bürd) biefe ante Xbat eine Erleichterung 
jeineä befebmerteu ©emiffenä gu finben. 

JB. 46: Sie Umwidelung beä Seicbnamä mit 
Seinmanb, weldter eine Salbung ber Cetebe gum 
3wede ber Srbaltunfl berfelben voranging, ent- 
fpracb ber bamaliflen Sitte. Saä ©rab mar 
nad) ^obanneä nabe bei ber Dlübtftdtte. Ohne 
Bmeifel batte eä 3ofcpb von ?(rimatbia alä gamU 
licngruft für fid) unb bij ©einigen in ben gelä beä 
©olgatha auäbaiten lallen. Saß baä ©rab nod) 
neu unb unberührt mar, wirb alä etmaä Sbvenbcä 
bervorgeboben. i 

ö. 47: 9lber 3)?aria u. f. m. Srft von iefet 
an fdieint ficb ein 55ertraitenä- unb greunbfdjaftä* 
verhältnifj gmifdjcn ben neuen 3üngern Qvfepbf 
SWitobemuä, 3oh. 19, 39) unb ben alten 3ünflern 
(ben grauen) flebilbet gu haben. 3n golge bavon 
treten ,bie galiläikben grauen fübn in ben ©arten 
beä reifen SHathäbcrrn ein unb taffen fid) nieber 
fleflenüber bem ©rabe. Schon iefet batten fie bie 
Salbung nad) bem Sabbath im Sinn; baber beißt 
eä: fie fahen gu, mo er binflcleftt marb, 
b. b. fie merften ftd) baä ©rab flcnau, um eä in ber 
^Morgenfrühe am erften Sage nach bem Sabbatb 
mieber finben gu tonnen. 

Diipüfitioit. 3u 55. 38. Ser gerriffene 
55orbang. I. 53ovon er Beugnifc flieht: baß 1) 
eine neue ßanähaltung angefangen, 2) eine Volk 
tommene sßerföfynung fleftiftet, 3) eine felifle ©e= 
meinfd)aft gegrünbet ift. II. 58ogu er auffovbevt: 
1) gu gläubigem 9lnfcbauen, 2) gu freimütbiflem 
&iugunahen(G6r. 19,19), 3) gu beilifler Ueberflabe. 

3u 55. 39—47. S ic 28unb ermirfung beä 
Xobeä Sbrifti auf bie Empfänglichen: 

I. .sp öd)ft verfd)ieben: 1) ber hcibuifche&aupk ' 
manu, baä 53ilb ber römifdten 5Beltmad)t, biä auf 
ben ©runb erfd)üttert, ein 5?orgeidjcn ber Sendung 
ber Reiben; 2) bie fcheitcn iübifrben SSeibe^iu ©e(b= 
innen oenoaubelt; 3) ber vornehme iübifebe 5tatbä= 
herr, ben ficidmam ^efit mit Sbren beftatteub; 4) 
foflar ber ftoUe 58eltmann 55itatuä, von bemSeifte 
ber ÜJiilbc benvunflcn. II. 9(ber alle verein 
n iflt in ber rüdftdjtälofen fiunbßcbunfl ihrer ©ul= 
bifliuifl. 58abrenb bie geinbe, bie Spötter unb 
kälterer verfdnvinben, treten bie greuitbe, bie 53e= 
feuner unb 55erebrer hervor. 


Sonntafl, 10. Sej. 3Harf. 16,1—8. 

©eine 9lufecf)e^ung. 

„Saä ©rab ift leer, baä ©rab ift leer! Srftanben 
ift ber &clb! Saä Ceben ift beä Xobeä ipen, 
©erettet ift bie 58elt!" So linflt beute bie flläubiae 
Sbriftenbcit; aber baä fleine ©duflein ber ©läuhi- 
flen teueö erften Ofterfefteä in ^erufalem tonnte 
nod) nid)t fo finflen. Senn obflleid) bie Oftevjoune 
auch für fie fd)on in voller fßvadit am Fimmel ftanb, 
fahen fie bod) noeb niebtä alä bie fiuftcre @rabeä= 
nad)t beä Sharfreitaflä. greilid) lafl ber Sbarfreitafl 
mit feinen evfebütteruben Sreiflniffeit hinter ihnen, 
unb ber fRubetafl batte and) ihre ©erjeu ftille fle= 
mad)t. 9lbcr maä für eine Stille marbaä? Sä 
mar bie Stille cineä Sterbebaufeä, auä weld)em 
man Xaaä guvor bie irbiidfen Ueberrefte eincä fle- 
liebten Xobten binauäflctraflen hat. ^u einem 
folchen ,^aufc ift eä benn and) ftill, febrftill; 'aber 
biefe Stille hat für baä ©emüth etmaä Unbeim= 
lidjeä unb 9tieberbrüde)tbeä. 3ft Siuem bod) babei, 
alä hörte man bitrd) fie binburch um fo beutücher bie 
ftumme Sprache felbft aller leblofen ©eflenftdube, 
tvelcbe immer nur baä Sine mieberbolt: er ift nicht 
mehr, tobt — tobt. So fanb ber erfte Oftermor= 
flen bie ©er^en ber 3üußer unb Jünßerinnen beä 
.v>errn. — Sic glaubten ben Ferrit tobt; feinen 
Cekbnam hatten fie in’ä ©rab ßcleßt. Unb bie 
Oberftenber 3ttben, einßcbenf ber55erbeiüunß3cfttr 
bafe er von beit Xobten auferfteheu tvexbe, batten ficb 
von 55ilutuä 5Bdcbter für baä ©rab erbeten, bamit 
bie jünger 3efu nid)t fommen, ben Scidmant fteblen 
unb faßen tonnten: er fei auferftanben. 3 ul)cm 
batten Re ben Stein, mdd)er baä ©rab verfdUofe, 
verfieaelt. 5)?enfcblicb fid)er mar alio baä ©rab 
verfd)loffen. fernen mir nun, wie bie firaft ©ottcä 
trofe Schloß unb Siegel beä Xobeä unb beä ©rabeä 
53aube brad). 

I. Der ©aufl gum ©rabe. (55. 1—4.) 

JB. 1 uub 2: Sie Xrauer ber Siebe führt biefe 
.grauen ginn ©rabe. Sie mollen, maä fie meflen 
beä anbred)enben Sabbathä eheßeftem nicht mehr 
hatten tburt tonnen, baä Siubalfamiren (au f ba§ 
fie ihn fa(beten) iefet vollenben.' Ser britte 
Xaß feit ber Xobeäftunbe tvar im Slubrecben, bie 
Sonne nod) nid)t aufßeßaußen, ba naben fie bem 
©rabe. 

3: 8uf bem 5Beße noch äuaftet fie bev @e= 
baute an ben febmeren Stein, mit welchem fufbeä 
©rabeä Xbftr hatten verfchließen feben, unb Re 
' fpreeben befüntmert: 28er mdlget unfe (ben 
febmachen grauen, )veld)e biefer Arbeit nicht ßewad)= 
kn finb) ben Stein von beä ®ra beä Xhür? 
55oit ber 58ache, mit welcher bie geinbe 3cfu baä 
©rab vetfedeit hatten, muftten bie fluten Seelen 
nirbtä tviifcn. Ser Umftanb batte fie wohl gurürf- 
ßcfdjtecft. Sarunt mar nad) ©otteä ßitäbißer giV 
ßiuiß eine 9?ad)rid)t ihnen verborgen fleblieben, 
tvelcbe fie theilä unnüfeer 58eife betümmert, tbeilä 
and) beraubt hätte ber ßrofeen Erfahrung, bie fie am 
borgen gu machen eiforen tvaren. 9lrgloä geben 
fie ihren 5Beg, bem Orte gu, ber ihnen iefet ber 
theuerfte 55lafe auf Srben ift. Uub wie fie nichtä 
miffen von ber 58ad)c, bie ihnen ben 3uflang meb= 
ren foll, fo tonnen fie nod) weniger ahnen, maä an 


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SonntagfdjuU^ektionen. 


665 


bcm ©rabe, oielleüht gerabe währenb ihrcS ©angeS 
bahin f gefchiebt, um bie Sßacfee hinweg 3 nfd)reden. 

®. 4: ©a Tie hinblitften, Jähen fie 
u. j. w. Stod) äRatth., welcher ben SSor^aitfl am 
genaiteften fchilbert, batte ein Srbbeben bie Stätte 
cvfcbiittert uub ein (Sngel ben Stein oon beut 
©rabe weggewäht. Uttb liebe, nicht nur für 
jene grauen, für Sille, bie ernftlich unb befümmert 
fragen tonnen : „©er wälgt mir ben Stein ooit beS 
©rabeS Jhür ?" für Sille, bie nach einem lebenbigen 
©ott unb ©eilanbe oerlangen unb mit Sorge unb 
3weifcl-auf ben Stein oor beS ©rabeS Jhür blicfeit 
— für biefe alle ift er fchoit abgewälgt. 9lur naher 
hingugetreten, nur bellen VlidS hineingefchaut: 
©aS ©rab ift offen, aber eS ift leer, ber ©err ift 
wahrhaftig auferftanbcn! ©ie ©ahrnehmung, 
bah ber Stein weggewälgt war, weifte bei ben ©eU 
berit ben ©ebanren, feine geinbe haben 3efuS baS 
ehrliche Vegräbnih uic(>t gegönnt, fie haben feinen 
Seidmam weggenommen unb gefebänbet. Unb 
3Raria SWagbalena läuft gurücf unb oerfünbet ben 
Jüngern VetritS unb 3obanneS bie traurige Vot= 
febaft: „Sie haben ben ©errn weggenommen unb 
wir wiffen nicht, wo fie ihn hingelegt haben." 
(3 'h. 20, 2.) 

fl. »ie «ngelSbotfdjaft. (V. 5—7.) 

®.5: ©ie grauen treten gum ©rabc. 
ßein Seidmam 3 « fehen! Statt beffen fifet ihnen 
gur Siebten ein Sngel in ber ©eftalt eines 
rJünglingS mit einem langen weihen 
Sc Xe ib e. SufaS nennt gwei Sngel, äRarfuS 
nur einen, weil biefer eine bie grauen anrebete 
unb gleichfam bie ©auotoerfon beS gangen Vor= 
gangS war. 

®. 6 mtb 7 : ©ie immer, wenn bie Sngel Soan= 
gelitten finb, beginnt auch biefer mit bem Jroft= 
Worte: Sn tiefe et eud) nicht oor bem Unerwar= 
teten, ©ewaltigen, baS ihr fehet; fürstet nicht, ba§ 
ich fchon baS ©ericht anheben füll über bie hier ge= 
fchehenen Uebelthaten! 3 b r fuchct 3 e f u m 

oon Sfagaretb. 3<h weih eS, euih ift biefer Vame 
ber Verachtung nie ein Slergernife gewefen, noch ift 
er eh tefet; ia ihr fürchtet nid)t einmal bie grimmi* 
gen Vriefter, fonbern eure Siebe hat biefe gurdjt 
überwunben unb ihr fliehet nun ben Seidmam beS 
aefreugigten SfRcnfchenfobneS! Oberer, ben ihr 
fuchet, ber ©efreugigte, ber ift nid)t hier, ber 
i ft wirf lieb a u f e r ft a n b e n, wie er euch unb allem 
Volle gefagt bat. Sehet ba ben Ort, wo fie 
ihn hineingelegt hatten. ©äre er nicht 
auferftanbcn, fo wäre er ia noch ba. Slber bie Stätte 
ift leer. ©aS habt gunädjft ihr gum Jroftc für 
eure Siebe unb gur ©offnung für euren ©tauben 
(V. 6 ). Shc ihr nun aber jelbft bie grohe greube 
erleben follt, ihn oon Slngefidjt 311 fehen, übet euren 
©kuben noch im ©ehorfam: ©ehet hin unb 
fafget’S feinen Jüngern unb oor allem bem 
büreb feine breimalige Verleugnung tief betrübten 
VetruS, bah er noch oor ihnen, ehe fie noch 
ben üblichen geftaufentbalt in 3 erufalem beenbet, 
nach ©aliläa hin gehen unb bort bie Schaar 
ber Seinen um ftdj oerfammeln werbe, ©ort 
werbet ihr ihn fehen wie er euch oorber 
gefagt hat ©ie ©orte „unb bem VetruS" 
f?nb bem 3RarfuS eigen. ©ieS erfcheint unS boo= 
Oelt bebeutungSooll, wenn wir baran benfen, bafe 
ia üRarfuS fein Soangelium nach ber fachlichen 


Ueberlieferung unter ben Slugen beS VetruS gefd)rie= 
ben hat. Sluf beS VetruS tief be!ümmertcS ©emüth 
aber muhte gerabe biefer 3ug ber greunblichfeit 
feines ©errn unb 5ReifterS einen unauölcjrblicben 
Sinbrucr madjen. gür OaS eben noch oout tiefften 
Schmer* erfüllte ©erg ber grauen war bie greiiben^ 
botfehaft beS SngelS 311 oiel. Von ber elenbefteu 
Vevlaffenhcit unter bem ftreuje plöfelicb jum höch= 
fteu 3ubel beS SiegeS ! Sllfo loar wirtlich SllleS, 
„oollbrad)t," wirtlich Stob unb Jeufel überuumben, 
loirflich ber Scbulbbrief aller ©läitbigen serriffen, 
wirtlich aud) für fie, wie für alle ©läubigen, in 
Shrifto ein gleidjer Sieg über ben Job unb eine 
glcidie 9luferftehung gewih geworben unb für 
alle ßwigfeit oerbürgt, wie e$ ber ©err oorberge= 
Tagt! 

III. 2)er ©aug oont ©rabe. ®. 8 : S i e g i n = 

gen eileitb hinaus unbflohen. Sie f1 0 - 
heu oou bem ©rabe. ®aS ©rab war ia leer 
für fie, weil eS ihren ©errn nicht mehr barg, unb 
ber Sngcl felbft hatte fie oon hinnen gewiefen. 
Sic fnchteu ihn nun nicht mehr an einem anberen 
Orte, fonbern harreten gebulbig, bis er auch ihnen 
fich offenbarte, ©arre auch bu, fuche auch bu nidet 
im ©rabe unb nicht bei ben Jobten, hane betenb, 
unb ber ©err wirb auch bir bie ©ewihheit feiner 
Sluferftehung, feiner ewigen ©errfchaft geben. ®enu 
eS war fie 3ittern unbSntfefeen ange= 
tommen. ©er ©err war oon ben Jobten aufer= 
ftanben, alfo war eS ia alles wahr unb gewih/ waS 
er ihnen oorher oon ienfeit beS ©rabcS oertünbigt 
hatte, alleS wahr oon einem ewigen Sehen unb oon 
einer ewigen Vein — wie follte nid)t bie gurebt für 
ihre eigene Seele bie greube über bie Sluferftebung 
ibreS geliebten ©errn auf eine fur 3 e 3eit überntocht 
haben! 3ft’S hoch bei unS nid)t anberS! 2Bir 
wiffen, bafe ßhrifti Sluferftehung unfere 3luferfte= 
hung ift; aber leben wir auch fchon fo in ihm, bah 
wir einft nach unferm Jobe in ihm fortleben tonnen V 
©er ©ebanfe an bie Sluferftehung oon ben Jobten 
hat etwaS VeängftigenbeS für unS, wenn wir nicht 
gan 3 mit bem ©errn oerbunben finb. ©arum leug¬ 
net bie leichtfinnige SBelt lieber bie Unfterblichfeit 
ber Seele unb bie Sluferftehung beS SeibeS, um fich 
nur nicht oor bem Srwachen im 3enfeitS fürditen 311 
müffen. Sluch fie wirb erwachen, aber *um ©ericht 
unb 3 tim ewigen Sterben unb Vichtfterbentönnen. 
9Bie folltcn nur unS nid>t mit Sittern fragen, ob 
wir aud) fchon nach bem Jrofte beS OfterfefteS breift 
unb 3 uocrfid)tlich gugreifen bürfen? — ©ie grauen 
eilten baoon unb Tagten unterwegs 97 ie - 
manb etwa S, fonbern waren gehorfam unb mel= 
beten eS erft ben alöbalb aufgefunbeneit Jüngern, 
©urch ©ehorfam gegen Shrifti SEßort wollen aud) 
)oir unS Slngft unb 3ugen oertreiben unb ber freu= 
bigen ©offmtng, ben ©errn felbft einft oon Slngefid)t 
311 fehen, 9taum fdjaffen! 

S7achbetn bie SBeiber baS ©rab oertaffen hatten, 
tarn SKaria 3)Jagbalena mit ben 3 üngern, 
VetruS unb Johannes, wieber 311 m ©rabe. ©ie 
jünger bejahen baS leere ©rab unb lehrten bann 
wieber in bie Stabt gurücf. 2Raria aber blieb beim 
©rabe unb würbe bort ber erften Srfcheinung beS 
Sluferftanbencn gewürbigtQofe. 20^1-18). ©ernach 
erfchien ber ©err auch noch ben übrigen grauen auf 
bem Sßege nad) ber Stabt, wie 3Ratth-, oen Veridjt 
beS SRarfuS ergängenb, ergählt. ©ieS waren bie 


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666 


$onntagfdjul=Mtionfn. 


erfteu ©rfcheiituitflen bc3 9(uferftanbeiten, bereit 
bann foätcr ttod) Diele anbcrc folgten. 

^töpfitiou. ®rr ©and *rr Drei grauet jitnt 
Uralte 3f}u. 1) ©er Sdnttera bei* Siebe, ber fie sunt 
(^rabe treibt; 2) bie aufflehenbe Sonne, aber bei* 
fdnoere .Stein ihrer Sovflc; 3) ber ©itaei erfdieiitt, 
aber ber ©err tft oerfdmniitben; 4) bie 9lufevfte(nutfl 
©hrifti oerfünbißt, hoch OaS ©ieberfehen in toeite 
Svctnc ßerüdt; 5) ber fdtötte 9luftraß, biefcS ©oan= 
aelintn au oerfünbißeit, aber ihre Seelen gehalten 
Don bent überioältißenbeitben ©efühl ber gnreht tittb 
ftreube. 


Sonntafl, beit 17. Dea. 2J?arl. 16, 9—20. 

tfiadj feiner ttufetfteljitng. 

I. irf^eittungm tot# fCnferffanbenen. (53. 9— 

14.) 

®. 9 nnb 10: Der ßeitaue ©erßanß biefer er = 
ft eit Srfdjeinuiui beS 9luferftanbenen, btirch toeldte 
bie tranernbe SWaria SWaßbaletta beßlüdt 
toitrbe, tft im 20. $aDitelbeSSoaiifleliiunS3oban= 
neS beridttet. SRarfuS hebt befonbcvS heroor, bah 
ber ©err eittft ftebett 'Dämonen auS biefer 3üttaeritt 
auSßetriebeit hatte. Sie fcheint bem Uebertoinber 
ber Dämonen am SiefleSinorßen befonberS nahe ße- 
ftauben an haben, ttttb ihr ©eiwftth befonberS freeia- 
net ßetoefett au fein, ihn gnerft toieberaufehen itttb 
feinen 3ünaertt bie ihtitbe feiner Slufevftehiutß au 
bringen. 3[ebenfa((3 toerbett mir baratt erinnert, 
bah ber ßiiabeitreidje ©rlöfer bett ©lenbefteit ttttb 
9lermften, bie feiner ©ülfe am meiften bebürfett, fidj 
am frühesten offenbart. 

®. 11: Sie ßlaubteit nicht, maßten and) 
ttidtt au ßlauben; beim bnrdj ben Dob 3eftt toar 
ihre ©offttuitß attf ihn fo ßrftnblttb au Sdjanbett 
aemorben ttttb ber Sdnnerj toar bei ihnen fo ßroft, 
bah fie fleh orbenttich fürchteten, bettfelben bnrdj eine 
neue Säufdutitß noch au oerßröfterit. Unb hoch 
toar ihr Unglaube fehr fdilitnm für fie; benn oon 
bem fatn eS her, bah ber ©err ihnen noch nicht er^ 
fdiieneit toar. (53 ift ein mtttiberbareS Dittß um 
ben ©laubeit; er fdteiitt unferm natürlichen 53er= 
ftanbe ettoa3 fehr ©erittaeS att fein, uttb hoch bleibt 
e3 erniß toahr, rnaS Suther einmal Dott ihm ßefaßt 
hat: „SBenn btt ßlatibeit fonnteft, fomürbeft btt 
bie ©errlidjleit @otte3 fehett, toeil btt aber nicht 
alaubft, fo haft btt noch nidjt3 ßefehett." 9luch bie 
SBeiber hatten erft alauben muffen, ehe er ihnen 
erfcheittett fomtte. Uttb ba ber ©lattbe au3 ber 
ber fßrebiat fommt, fo hatte er ihnen auch auoor 
burch bie ©ttßel orebißeit taffen. So muh auch bei 
ttitS erft ber ©lattbe att3 ber Brebißt ßefommen 
fein, bann aber follett toir nicht blo3 al a tt b e n, 
fottbern auch fehett. Denn er toanbclt ia noch 
immer unter ttn3; uttb toentt er ttnS auch nicht mehr 
leiblich erfcheiitt, fo toeih er ftch hoch unferett ©evaett 
fo beutlich au offenbaren, bah wir auch mit oolletn 
Stecht faaett föttnen, mir haben ihn ßefehen. 

®. 12 uttb 13: Diefe 53erfe enthalten offenbar 
eine Slitfoieluitß attf bie liebliche ©cfdjichte be3 
©anßeS ameier Sänßer nach ©mmauS, toelche Stil. 
ftao. 24,13—35 ergählt. 9luffalienb ift bie Be= 


nterfuiiß (53. 13): „9luch bief ett ßlaubteit fie 
tt irht," benn ttadt bettt ^Berichte be3 SitfaS fcheittett 
bie C?ilfc an ber 5luferftebiuiß be3 ©errtt nicht mehr 
ßcameifelt au haben, al3 bie fünfter oon ©mntauS 
au ihnen fauteit, benn 'fie fprachett: „Der ©err ift 
toahrhaftin auferftauben ttttb Sitnotti erfchienen." 
©iniße Schrifterflärer fliehen beit fcheittbarett 2Biber= 
fimtcb babttrdt au lofett, bah fie anitehtucit, bie©ilfe 
haben amar att ber Shatfadte ber Huferftehuttß 3eftt 
nicht mehr ßeameifelt, fid) aber in feine neue muuber? 
bare ©rifteuameife, nach meldjer er halb ba, halb 
bort erfdjeiitt ttttb oerfdjtoiitbet, nicht ftttben föttttett, 
fo bah bie Botfdtaft ber emtnauetifchett Dlüttaer 
nette Bmeifel aemedt habe, ©infacher uttb itatiir= 
lieber fcheint ieboch bie 9litttahnte, bah and) jefet noch 
eittiae unter bett 3üitaertt marett, toelche immer noch 
an ber 9luferftehunci felbft jioeifelteit. Diefe 9luf- 
faffutta finbet eine Stube in bem, toa3 53. 14 oott 
bettt Unalattbett ber 3fntaer aefaßt toirb. 

II. $er lebte Ittftraa 3efn att feilte ättttger. 
(B. 14—18.) 

®. 14: Die ©rfcbeimtitfl ßhrifti, non toelcher 
2Barfu3 hier aunächft rebet, ift offenbar auf ben 
9lbenb be3 5luferftchitna3tane3 au oerleaett. 9(ber 
att biefe ©rfcheittittta fitübft 9Karfit3, fttraattfatn= 
tnettfaffettb, alle3 attbere att. Denn mit ber felbft' 
offenbarutta ©hrifti im Greife ber 9lboftel ift alle3 
eittfchicbcit. 

®. 15: 5&a3 nun folßt, hat ber £>err erft bei ei= 
tter foätereit ©eleaeuheit aefDrodten, toie betttt auch 
SMarfu3 biefe Stebett nnt ber fiiminelfabrt in 53er- 
binbuna bringt. ®ehet hin in alle SB eit. 
„9l((e 5ße(t" ift alcidjbebeuteitb mit „alle 53611er." 
(SSatth.) Brcbiaet. Da3 Brebiaett ift alfo eitt 
göttliches, oott ©hrifto felbft eiitaefebteS ttttb bi3 
att’3 ©ttbe ber 5Belt aultiaeS 3uftthit. Shir in ber 
orebiaettbett Kirche, bie bett ©eift hat, lebt auch 
ber Bttdtftabe ber Sdtrift al3 lebettbiaeS 5Bort, nur 
b.i toirfeit uttb gelten bie Saframeitte. DaS 
© o a tt a e (i tt m, b. h. bie frohe Botfchaft oott bem 
©eil itt ßhrifto, oon ber ©rlofuttfl. 9111e £rea - 
U\ r, eigentlich bie aattge SchoDfutta, itt erfter Suite 
aber natürlich bie 50? e tt f cb h e i t. 

®. 16 : freilich toerbett nicht alle bie Botfchaft 
toillia ttttb fröhlich attfttehmen; eS toerbett auch 
folche fein, melche bie Sinftcrttih mehr lieben alSbaS 
Öidjt. 9ltle aber follett aur ©tttfdjeibuttfl für ober 
toiber baS ©oattflelium lommett. So toirb baS 
Soaitflelium aunt Stichler: 5Ber ba fl ia übet 
ttttb aetauft toirb, ber füll felifl toerben, 
toe r aber tt. f. to. DaS ift beS ©errn Befehl att 
feine ©lättbiaett. Uttb bie 3üttfler haben flethan 
nach biefem Befehl beS ©errtt. Sie fittb hinflcaatt: 
flett ttttb haben baS ßoattflelium fleorebißt, auerft in 
3etufalem, bann auch itt Samaria uttb ben au- 
flrenaenbett Säubern. Uttb too fte ihren Bilßerftab 
nieberfleleat haben, ba haben Slttbere ihr SBerf fort= 
aefefet. BefottberS feit etioa einem 3ahrhttttbert 
hat bie SBifftonSthätiflleit toieber einett fletoaltiflctt 
5lttffchtoitttfl aenommeit. Unb toie ®rofteS ift ba 
flcfdjehen ! 3n bem luraett 3citraum ift bie heil. 
Schrift in mehr alS 100 nette Soradjctt überfefet 
toorbett, unb itt ebettfo oielett Sprachen toirb baS 
©oaitflelittm oerlünbiat. Uttb toelche SBirfunfl hat 
biefe BteOiflt flehabt ? ©unberttaufenbe oon ©ei s 
bett haben ihre ©öfeen oerlaffen unb ihre .ffttiee oot 
3eftt flebeitftt. ©attae Sauber ttnb 3nfcln ftnb 


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SomttagfdjuUMtionen. 


667 


dmftlicb geworben, unb Diele biefer jungen Ghriften 
haben ihren erlauben mit ihrem Blute oefiegelt. 

®. 17 ttitb 18: 9ln feinen lefeteit 9luftrag fniujft 
ber Herr eine Berheißuug wunberbarer B e i cb c it, 
w c l d) c b e u © l ä it b i g e n f o l g e it füllen. 
B n m e i n e m 9i a in e n w e r b c n f i e X e u - 
fei a n 3 1r e i b e n u. f. w. ‘Diefe 3eid)eit finb 
gunäcbft jebcnfallS buch ft ab lieh gu nehmen, 
©ir wiffeu, wie ber Herr fein ©ort ben Slpoftcln 
gehalten hat. Sie haben fein ©ort beträftiat 
bnveh mitfolgeitbe 3eicben unb haben an biefeit 
immer aufS 9ieue ben Beweis geliefert, baß ber 
Herr mit ihnen fei. 9U3 aber ber lebeubige ©laubc 
allmählich erftarb, ba horten auch bic Beicben auf, 
unb man tröftete fid) bantit, baß folcbe 3eicbcu eben 
itid)t mehr itöthig feien. ®a3 mar aber 
unb ift nur eine leere 9lu3rebe. 9lnbere haben bureb 
eine a u 3 f cb l i e ß l i d) g e i ft l i d) e ® e u t u u a 
biefer Beicheit biefen 2lu3fbrud) be3 Herrn mit beni 
gegenwärtigen Buftanb ber Äirdje in Uebcreinftiin= 
ntuitg bringen wollen unb gefagt, ber Sinn ber 
©orte Befu fei folgeitber: Bm ©tauben werben 
meine Bünger alle Dom Teufel fontmeitbeit Blage= 
geifter au3 ben 3Hcnfd)cu auStrciben, werben ftatt 
mit ben üMenidjcngungen ber Süitbe mit ben (Sitgel- 
gtutgen be3 heiligen @eifte3 rebcu, werben baS 
Schlangengift ber Sünbe gerftoren, werben ben 
töbtlid)en äraitf bc3 HaffcS ohne Schaben trinfen, 
werben bureb ihr Sennen unb fjurbitten bie geiftlid) 
Staufen giiröeitcfuitg unb gum ©ohlfcin im j*rie= 
ben ©otte3 fuhren. So gewiß nun auch biefe geifc 
liehen ©unber größer finb al3 bic leiblichen, uitb fo 
gewiß and) biefelben in ben ©orten bc3 Herrn mit 
Derbeißeu finb, ift e3 boch nicht fein, burch eine a uS- 
f cb l i e ß l i <h geiitige Deutung unferer Stelle bem 
betnütbigeitbeu Befeitittitiß atiSguweicben, baß ber 
Herr um unfere3 Uitalauben3 willen nur fo 
weitin ©unber unter un3 unb burd) int3 thun faitn. 
©o ber ©taube gunt ©unber ift, baß wir’3 thun 
fön neu, weil wir’3 thun füllen nach ©otteS 
©illciir ba wirb aud) ba3 ©mtber bem ©lauben 
nicht fehlen. Sagt iui3 a p o ft o l i f ch glauben, 
fo werben un3 auch apoftolifdie ©laubcnägeidjcn 
Tolgeit, wie e3 bem Ferrit beliebt" (Beffer). 8uthcr 
fagt hiergu: „2Ran füll biefe ©orte bleiben laffen 
uitb nid)t anbere ©lofjen barüber machen, wie* beim 
Stlidic gefagt haben, baß bie Reichen finb gewefen 
Offenbarung be3 ©eifteS im 9lnfana ber Ghrifteit= 
heit unb haben nun aufgebürt. ®a3 ift nicht echt; 
beim wir.haben noch bic $)?acbt, folchc 
3 e id)e n g u th u n." Unb Sutbcr hat fie gethait. 
9Bir wiffen, wie er feinen fdjon im Sterben Heger,= 
ben Sreunb 3Rela nditoit wieber gum geben gu= 
rücfgerufen hat. Unb wa3 ßutber aethan hat, baS 
föitneit and) wir, wenn wir feinen ©lauben haben. 
Ueberhaupt haben bie 3eid>en niemals gang aufge- 
hört, fie finb nur in ber Berborgcitbeit gefebehen, 
aläubiaen S'inbcrn ©otteS guntSroft, nidit aber ben 
Ungläubigen ginn Sdiaufbicl. Bebt aber fdieint 
e3, a(3 ob and) biefe Berborgeitbeit wieber aufhören 
folltc, meitigftcn3 hat ber Herr in ben lebten Beiten 
hie unb ba Ccute ermeeft, bie wie ßtlidic in ber 
9lpoftelgcit (beim aud) bamal3 waren fcincSwcgS alle 
Ghriften ©unbevthäter) bie ©abe haben, gefutib gu 
machen (Bunafcr Srubel, Pfarrer Blumhart u. 91.) 

111. i)tc Himmelfahrt. ®. 19 mtb 20. 9?ach 
2(pg. 1, 4—9 gefdmb bie Himmelfahrt Dom Oel= 


berge au3, wohin BefuS feine Bünger geführt hatte. 
9?achbem er uod) bie 9lpg. 1, 5— H Dergeichucteii 
©orte flefbrodien, warb et aufgehoben gufchcubS 
unb eine ©olfe nahm ihn oor ben 9luaen ber Biiu= 
aer hinwefl. ©ie anberS foiintc ber Don ($*wiflfcit 
aeborenc ©otte3fohn feinen 9lu3aaiifl au3 ber burch 
feine 9luferftehitna oerflärtcn Ätned)ti?aeftalt nehmen, 
al3 iitbem er wieber in ben Himmel, oon ioo er ae= 
fommen, erhoben würbe? Unb mobureb fonntc 
feilt himinlifdier UrfDruna, feine aeheiiiiuifwolle 
©eburt, fein flöttliche3 ©irfeit tibergetifleitbcr bcwic= 
feil werben, alS burd) bie Himmelfahrt? Bufllcicb 
ift allen ©laubigen in biefer Himmelfahrt bie ©e- 
toihheit aeaeben, baß berfelbe Herr cinft auf be3 
HintmclS ©olfeit wieber fommen wirb, wie er neu 
Himmel {gefahren ift. (SublicT) wirb unb ift feine 
9lnffahrt gualeid) eine SJicberfahrt in bie Hevgeu fet= 
ncr ©laubigen (nach Boh. 16, 1) gu eublicher eiße= 
iter 9?achfahrt in ba3 eioiae Äöitiareid) Ghrifti. 

®. 20: Siche bic (Srfläruna gu B. 16. 9(ud) 
uit3 (gilt ber SKijftouSbefehl be3 Herrn au feine 
Bfutflcr, and) wir füllen ihrem Bcifbiele folgen, 
©ir haben md)t alle bie 9lufaabe gu beit Heibeit gu 
acheit; bagtt will ber Herr ttod) wie bantal3, ftch 
leine eigenen 9lboftel erwählen. 9lberbie ©enteinbe 
füll biefe Boten feit ben, fie f oll fie mit bem ba gu 
9iötbifleit a u 3 r ü ft e n nub fie mit ihrem © c be t e 
b ea leiten. ®agu föuuen alle mithelfen, ©er 
nicht al3 SMiffionar in bic Heibcnwclt flehen fattu, 
ber faitit bod) für bie BWfiott neben utib beten, unb 
bamit beitragen gut ßöfuiifl ber großen 9lufgabe, 
toelche ber Herr feiner Äirdic anoertraut hat. 

$i$D 0 fiti 0 it. (B. 14 — 20.) ©ie fcheibet 
ber Herr oon feinen Büngern? 1) ($r 
ftraft ihren Unglauben unb fegnet fie, inbem er ihre 
HergenShärtigfeit toeguimmt unb fie al3 feine HeilS= 
boten auSfenbet (B. 14,15); 2) er giebt ein ©cbot 
unb Äraft baS ©cbot gu erfüllen (B. 15, 17,18); 
3) er berheißt unb broht (B. 16); 4) er fcheibet unb 
bleibt boch Don ben Seinen mtgefchteben. 


Sonntag, 24. ®eg. 1882. Bef. Ur 1—9. 

f öntgrctdg brt grieben«. 

BefaiaS, beffeit 9?ame „baS Heil Behooah’3" be- 
beutet, war ein Sohn bc3 9(mog. ®ic iübifdte 
Ueberiieferung hat biefen 9lmog gu einem Bruber 
be3 ÄöitigS 9linagia, BefajaS felbft alfo gu einem 
©liebe be3 baDibifcheit Ä’önigftammcS unb überbieS 
gum ©rgieher bcS fiöitigS Hi3fia gemacht, wahr= 
fchcinlid) tun ba3 hohe 9litfeheit gu erflären, in 
welchem biefer Brophct bei bemft'öuiaHiöfia ftanb. 
9lbcr biefe3 9(nfehen erflävt fiel) gur ©eitüge au3 ber 
9D?ad)t be3 ©eifteS unb be3 ©orteS, loelche ihm ©ott 
in fo reichem 99?aße berlieheit hatte. Bu ©ahrheit 
ift uiiS oon bem Öebcit be3 BefajaS nichts befannt, 
alS wa3 ttitS bic heil. Sdirift felbft ergählt. 9lmh 
bie Sage Don feinem 99?ärh)rcrtob, nach welcher er 
unter bem Völlig ©anaffc mit einer hohlen Geber, 
in ber er fid) Derborgcn hatte, gerfägt worben fein 
füll, entbehrt jeber ftchereu ©rttnblagc. — ©egen bei* 
gahlreidien mef f i a n i f d)cit ffi ei f f a g u n g e n , 
weldje fiel) befonberS im gweiten Sheil feines BuchcS 


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668 


$onntagfd)ul=Mti 0 nen. 


(uom 40. Mapitel an) finben, bat man beiv3daja3 
beit Goangeliften be3 eilten 23uube3 genannt, 2ludj 
unfere geftioit, btc fid) freilid) fchon im elften Shcil., 
beö 2)uche3 finbet, enthält eine erhabene Sdjilberung j 
ber ©crrliclfteit be$ SMeffiab unb feinet 2teid)e§. : 
®iejclbc verfällt in jmei Sheile. 1 

I. $rr üe?|ft§fite %ml% auf $sato M ©efdjledjt, 
friue tngeub unb ©rrrfdjttft. (25. 1—5.) 

®. 1: G3 mirb eine Stuthc aufgeben. 
3fai mar OaoibS 25ater. SBenn ber 23aum, 
ber ait‘3 3ftti unb Daoib einporgemad)fen, nebmlid) 
ba* ©efdftecbt berftönige 3uba3, oernidjtet unb nur 
nod) ber abgefägte Stamm übrig ift, bann uürb 
eine neue Siutbe, ein junger 3meig aub ber 2öur$el 
auffproffeit. 9lu3 einem Stamm; ja aus einer 
2Burjel nur; nicht au3 bem®c$meig eines* oollcn 
2iattme3, mirb pefagt, merbe GhrtftuS beroorgebeit, 
weit bie ^ramilte ®aoib£ $ur 3cit feiner ©ebitrt 
äußerft beruntergefontmen mar, ma§ aud) burd) bie 
Nennung 3f<ti^ — ftatt ®aoib3 felbft- angebcutet 
ift. 2Bie arm unb gering in ber SDicnfdjen tilgen 
SRaria unb 3ofepf>, bieäKutter unb ber 23ftepeoater 
3cju mareit, geht au$ ber Stählung ber ©eburt 
3efit beutlid) beroor. (Sin armer 3itninermaiin aus 
Scajarctb unb beffen Verlobte SRaria mareit ber 
Stamm unb bie 2Bur$el 3fai^ f meldje ber Prophet 
im ?luge hat. 

®. 2: Stuf tue (ehern mirb ruhen ber ©ci ft 
beä ©errn. Stuf jebem ©laubigen; beraub ©ott 
geboren ift; ruht ber ©eift ®ottc$, melchcr ihm be= 
ftänbig göttlidjcs* geben cinftößt unb alle feine Kräfte 
iäuternb unb beilipcnb burajbringt. 3m oolleu 
Sinne aber gilt bietcö ftkopbetcnmort hoch nur oon 
Giitem, oon bem ©errit, ber burd) ben heil, ©eift 
oon ber Jungfrau SRaria empfangen unb geboren 
ift. Stuf ihm follte ruhen ber ©eift bc3 
©er rn. ®ie 25ropbeteit hatten ben ©eift jmar 
and) reidjlich; aber nicht fo bleibeitb mie GbriftuS, 
fonbern oorübcrgcheitb; gläubige Gbfiften bcfifeeit 
ihn unb bie Slpoftel hatten ihn befonberä reichlich; 
aber hoch nur nach bem 2)?all ber ©nabe. GbriftuS 
aber befall ihn ohne 2Baß, b. h. in feiner ganjen 
Sülle. ®er auf Ghrifto nthenbe ©eift mirb nun 
nach feinen ocrfchiebenen SBirfungen ober ©aben 
gefchübert. 28eitn man unter bem ©eift be3 
© er rn mit ber Ueberlieferuug ber alten ßirdje eine 
befonbere ©abe, bie ©abc ber SBeiffagltng, oerfteht; 
fo tarnt man hier fieben ©aben be3 heil, ©eiltet 
jufatnmcnjäblen. ®ie§ ift iebod) offenbar unna= 
türlid). 63 ift ber eine ©eift, ber ©eift be3 ©errn, 
melcbem hier 6 ©aben (3 ftkare oon ie jmei ©aben) 
iugefdjvieben merben. 1) ®cr ©eift ber SB e i 3 h e i t 
unb be3 25er ftanbcS, ber bie oerborgene 23abr= 
heit, ben mirflichcn 3ummmeubang ber ®inge fin- I 
bet unb ben trfigertfehen Schein, alle güge unb | 
Klügelei jtt dichte mad)t, ber ben red)tcn äieffinn 
unb Sdtarfftnn unb fo ba3 rechte 23iffeit giebt; 
2) ber ©eift be3 2t a t h e$ unb ber S t ä r f e, ber 
bas Vermögen fchafft, in jebem Salle bie 3Rittel, bie 
jitut 3ide führen, ju eutbeefen unbjcbenSBibevftanb 
unb iebce ©inberniß ju itbermiitben, ber fo bas rechte 
Moniten giebt; 3) ber ©eift ber Grfenntniß 
unb ber ^5 urcht be3 © errtt, ber bemirft, baß ber 
s 3)tenfch ut ©ott unb ©ott in ihm ift, unb baß in 
folchcr Grfenntniß ber 2Wenfd) fid) ber ©eiligfeit 
©ottes gaitj ergebe, ber mithin ba3 red)te 2S o 11 e n 
‘giebt. 


3: Sein SRiedjen mirb fein u. f. m. 
®iefe 2Borte finb geiftlid' ju beuten. Gr mirb bte 
Surcht beS ©errn, bie oom ©eifte ©ottes attägeht, 
mie einen fußen ®uft mit Sreubeit e i n a t b in e tt, 
in feinen ©eift unb lein ©erj allejeit eingeheu laffett, 
aber er mirb ihn and) auähatidjen (bieö liegt eben= 
fall^ in bem hebr. 2Eort) unb mit bem ©eift feinet 
2)tunbe^ ben ©ottlofen tobten, beit Unterbrächen 
aber erquiden unb ihm Stecht oerfchajtcn. 6 r m ir b 
nid)t rid)ten, tt ad) bem feine Singen f eh eit, 
b. h. ttad) beu ©efdjenfeit, bie er fieht, unb fid) autih 
nicht burch trügcrifche 2Borte tauften ober beftechen 
lallen. 

®.4: Sonbern mirb mit ©crechtigfeit 
richten u. f. m. ®nrd) ben ©eift ber 28eiäheit unb 
beeJ Stathö befähigt, recht ju richten, toirb er e§ auch 
thuii in ber gurcht bes ^ernt. ®ie Slrtnen unb 
bie G l e it b c it, bie oor trbifdjeit 9tid)tern fo oft ju= 
rüdgefefet unb uttterbrüdt merben, füllen bei ihm ein 
gcrabeS, b. h. gered)te§, richtige^ Urtheil erhalten; 
aber and) ben ©ottlofen toirb er ein gereihter Stichler 
fein. Gr mirb mit bem Stabe feiiieS 
2)tuttbeö tt. f. m. Gr fprüht ba$ Urtheil unb 
oolljieht ee fchoit babttreh, baß er e§ fpricht. ®a^ 
oerbamiiteitbe 2Bort ift jugleich ber ftrafetibe Stab. 
G3 mirft mie ein ®oititerfd)lag oom ©iiitmcl auf 
bie Grbe, baß alle Giitmobner erjUterit tutb ber 
Obern feiner Siopeit, ber fein 2Bort begleitet, mirb 
genügen, ben ©ottlofen ju tobten. Seilte 2Borte 
finb ©eift unb geben. 

®. 5: ©eredjtigfeit mirb ber ©urt fei = 
ner gen ben fein u. f. m. 2f5ie ber ©ürtel an 
ben ©üften bieÄleiber jufantmeitbält, fo haben alle 
Gigenfdtaften unb SSctbdtigiingen feiner fßerfon ju 
ihrem 2^anbe bie ©ereebtigfeit, toeldte tittoer= 
brüchlich ber Stonn be^ göttlichen @efefee3 folgt, unb 
© l a tt b e it, ober genauer % re tt e, toelche bei bem 
göttlichen ©nabeitbunbc unoerbrüchlid) bebarrt. ®ie 
Xrette toirb au Ghrifto befonbcrS heroorgehobeit; er 
ift ber treue tutb mabrbaftige 3cugc (Öffb. 1, 5; 
3,14). So beginnt alfo mit ihm eine neue 3eit, 
in meUljer ber Sohn ®aoib3 unb feine ©erechtigfeii 
jur meltüberminbenbcn ©eltung fornntt tutb in 
einer gleich ihm att3 tiefer Gruiebrigitttg emoorge^ 
tommenen SKenfcbheit heimifch toarb. ®ic Frucht 
ber @ercd)tigfcit aber ift Stiebe, ber nun unter 
bem ^Regiment be3 Sricbefürften auf ber Grbe 
herrfcht. 

II. 2)a# 5fieben#rei^. (6—9.) 

®ic2Bölfe merben bei beit gäntmern 
io ohne n tt.f. m. 3)iealtenÄirdtenoätcv unb 
bie Dteformatoreit guther, Galoiit unbanbetc bebeu= 
tenbe Scbriftaitäleger faßten alle biefc Silber au§ 
ber Shiermelt f o m b o l i f dj, b. h. al^ bloße Sinn' 
bilber auf; bie neueren rationaliftifchen 2lu3lcger 
faffeit fie eigentlich, aber al3 fehönen Srattm 
unb 2Bttnfd); bie bebeutenbften nnter gläubigen 
Schriftaimlegern ber ©egenmart aber feheit in ttn- 
fever Stelle eine 2Beiffagttng, bereit 25ermirdtidjung 
| au ber bieffeitigeu ©renje ber 3cit unb Gmigteit (in 
bem fogenannten lOOOrjährigcn Stcidte) ju ertoarteit 
fteht unb mie 2>au(u3 Stöni. 8 itadnoeift, ein me= 

1 fentlidjcö ©lieb in beut ©aitjeit ber ©eil^gefd)ichte 
! ift. 3efet herrfcht iit ber oernunftlofen Statur, oon 
ben größten 2Befen bi^ ju beu Eleinftcn, heimtüdifdter 
Streit unb graitfame 2)?orbluft. SBeitn aber ber 
®aoibfohn in ben 25ollgebraud) feinet Ä'önig^erbeS 


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(Stjronik ber Segtitroart. 


669 


aetvetea fein wirb, bann erneuert fick ber ?J*vtcbe be3 
$arabiefe£ unbbaä 2ßahre au ben Solfeotagen oon 
einem golbenett 3citalter bewährt fiel). Da3 ift’3, 
m% ber Prophet in lieblichen Silbern auSmalt. 
25 on bem griednfehett Sanier DrphcuS ergählte bie 
Sage, bah er mit bem Klange feiner Scoer bie milbett 
Jhiere gebäitbigt unb bie Saunte uub Seifen mit 
lieh fortgegogeit habe, ©ierift mehr beim OrpheuS! 
s )iicbt bie oorübergehettbe 3Kacht ber Sette, fonbern 
bie batteritbe SDtacöt ber Siebe beherrfcht bie tutoer- 
nüitftige Kreatur. S$ ift ein liebliches Stlb, bac> 
ber Sropbet oor unfern Süden entrollt. Der heilige 
Sera oon einer fvieblicbcit Shierwelt bewohnt, ein 
Äfttabe al§ ©irt junger Soweit, bie mit Äälbertt auf 
bie Söeibe aebett, ein Säugling fpielenb an ben 
gebleit oon Ottern unb Safiliäfett (eiiteSddam 
genart). ©olltcit nun biefe einzelnen 3üge alle 
mtcbftäblicb gu nehmen fein ? £3ir alattben nicht. 
fWichtä befte weniger ift baratt fcftguhalten, bah bie 
oolleitbete Darftellmtg beä ftriebcttSteidjeä Shrifti 
ben Sind) ber Si'tnbe auch oon ber unoernünftigen 
Kreatur ber Sflattgett- uitbSbierwelt htnwcgncbmcn 
toirb, toelchc fielt ja nach beS 3lpoftel3 SBort mit mW 
fehlten nach ber Offenbarung ber ftinber ©otteS. 
Sitte allegorifcbe Slnweitbuitg ber in mtferer Seftion 
enthaltenen Silber au8 ber äbiermelt auf bie unter 
bem ftriebeiwfcepter beä SricbenSfnrften geeinigte 
SO?cnfcf>eitU)elt ift aber barttm gewih nicht ocrwerflicb. 
©at bod) baS Soattgelium gu allen Seiten auf bie wil= 
beftett ttttb rohften uÄenfcbeu einen fo befänftigenben 
Sütfluh apägeübt, bah thatfächlid) grimmige ffiolfe 
unb Soweit gu Sämmertt umgemanbelt worben ftttb. 

®. 9: 3)2au wirb nid)t leben (ocrlefectt, 


böfcS thun) noch oerberben auf meinem 
heiligen Serge. Der heilige Sers ift ber Sera 
3 i o tt, ber alä ber Sentralpunft gebucht wirb, oon 
weldrcnt bie SJirffamfeit beä ftöttigS ber ©ercd)tig= 
feit ausgeht (3ef. 2, 2—4; 4, 5). liefen Keittral= 
pititft fatttt bergen aber and) oerlegctt unb ber Sera 
3iott itt Jtanaan hat feit ber Äreugiguttg bc3 Sohtteä 
©otte3 für lattflc 3eit aufaehört, baS aeiftliche 3iott 
gu fein. 

Stöbofition. Da£ Stiebenöretch Shrifti. 

I- ©eine Duelle ift ber heil, ©eift mit 
feinen ntattnigfadteit ©abett. Der ©eift 
be§ ©errn ift ber ©tamtu, ber alle3 trägt. Der 
©eift ber 23ei3 heit lehrt bieGrfenittitih ber®ott= 
feliflfeit. Der ©eift be$ Serftaitbc3 übt ba3 
Öericht, bah wir merfett, ma$ mit ber ©erechtigfeit 
ftreitet. Der ©eift be3 9tath$ aehbrt gitut ftteug 
unb gur 3eit ber Sritbfal, bah* er auteit 32ath aebe 
unb trbfte. Der ©eift ber ©tärfe aiebt ©iea im 
Stampf be3 ©laub'ms, ber ©eift ber Srfettn tu ih 
lehrt bett rechten 2Scg, ben wir wattbcln follett, unb 
ber ©eift ber u r d) t ©otteä bewahrt oor geifc 
lidteitt ©odpnuth. 

II. Die 2ßirf uitg. 2öo ber ©eift beä ©errn 
bie gange Sülle feineS SebenS au3gieht,ba wirb eine 
gwcifache SBirfung nicht attSbleiben. Sr wirb 
a) bie gange 9tatur burchbrtttaen uub fie oon bem 
Slttch ber ©ftttbc befreien; b) eine herrliche 4'öirfttna 
auSübeit auf bie SÖ2cttfd>ctt. Sr wirb guerft bie 
©eiben gtt Shrifto befehrcit unb bann auch 3trael 
bem fionia be-S SriebettS guführeit. Dann wirb bie 
aattge 30?eitfchheit in einem ©eifte ©ott bienen unb 
wirb eine ©eerbe uub ein ©irte fein. 


--o°-- c “-- 

t&tyxonik btt ieaenwart 

-.#«- 


Spielerei mit ber ®ibel. ßS aiebt eine Sehattb= 
luttft be§ Siiorte^ ©otte^, weld)e leiber and) oon 
©eiten mancher Srcbiaer oerübt toirO, bie mir mit 
nicht befferetti gtt bejeidjnett wiffett, al^ mit „3pie= 
(erei iJ . 

s Dtatt a^tet gwar ba3 heiliae 2Bort, aber bod) 
nicht flettitfl, um fid) ttid)t hie unb ba etioa^ barnit 
gtt erlauben, ©eute wirb ein biblifd)er Sharaftcr 
itt^ Säuerliche aegogett, morgen bittet inan fid) Sc- 
benfgeit au^, ehe eine !lar attSaefprochcne Sibcl= 
Wahrheit aitacttoimrteit wirb. 3cfet ift bie Sluf- 
erftehutta^ unb bann bie Serfohnuttflölchre, bie fo 
oeraeiftiflt werben, bah eigcntlid) itid>t^ baratt bleibt. 
3n biejer ©tuttbe erflärt mau bie ©olle ttad) fcU 
tten, anftatt ttatft biblifchett Seartffcn, unb in ber 
nächften wirb ber ©immel nach eigener Shatttafic 
gemalt. 

Die Achtung oor bem SSorte ©otte^ muh in fo(= 
ehern Spiel mehr unb mehr fehwiitbctt nttb ber 
3)2citfd>, bei* einmal bautit begonnen, wirb [ich ttad) 
unb nach mit feiner Sernüitftclei an alle biblifchcn 
2Bahrheiten heranmadjen uub eitblidt baratt nur fo 
oiel laffen, al^ ihm in feinem unb gtt feinem Spiel 
beliebt. Sr hat ben einfadten 28eg ftttbiiehen 


©laubenS oerlaffett unb fteht itt grober ©efahr bei 
gäuglicber Scrneittintg aller ©otte^offenbaruug gu 
iattben. 

©ettro SSarb Seed)er bietet ein abfcbredeitbeä 
Seifpiel. Segabt mit einer gläugettbett Sercbtjatm 
feit, wie fie nur Singeluett gu Shcil toirb, ber 5lb= 
gott be3 SolM, eitt fatttt oott untfa^eitben Se= 
griffen utib faft nach ieber ©eite hin aufg 3teid)fte 
auögcftattet, burfte er fich in früheren Dagett ©pie= 
lerciett mit ber Sibcl erlauben, ohne bafür gu bett 
iicbcrtt gcred)itet gu werben. 9Mau fah ihm biefe 
„flcine ?lbtoeid)uitflcu" nach; ift ©ettro 'ISarb,' 1 
würbe gefagt, „ber barf nicht mit bem Stohftab ge¬ 
wöhnlicher ®enfcheit gemeffen werben. 3)Zatt hat 
ihm etwa* gitgebeit, betttt er ift eitt Statut oon wei= 
tetn ©ergett uub grober gaffung^fraft. lebten 
Shunbe ift er boeb richtig unb wirb fchott bett rechten 
Stab finbett." 

3llfo fprachen bie Seute unb beteten ©ettro 2ßarb 
Seechcr häufig nach. 

^Sr aber wanberte auf bem betretenen 2l'cge ber 
Spielerei mit ber Sibcl weiter unb weiter, bis er ba 
angcfoinmeit, nur fo oiel gu glauben, ale ihm be= 
liebt. 3a et fattb e3 enblid) fogar rathfatn, fich 


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670 


(fUjronik ber Qtqttmoxl 


woit beit ffonßreßattonaltften=,j?irSen, bereit Serettt 
er anflebörte, gurücfgitgiehen, weil feine 9lnfid)tcn 
burSauS niSt mehr gur Leddflldubiflfeit pahten, fo 
t>crfcr>iebcitcr(ei Meinung fid) audj unter beit weiten 
&ut ber Soitßreßationaliftcn briiißeit ldfjt. 

(Sr (dußitet, wie er iit feinem lebten Sortrcifl oon 
ber ßonflrcflationalifteit'Jijfcmblt) jaflt, beit über bie 
Sünbe gürnenben ©ott uttb feitttt nur beit lie= 
benbeit ®ater ber SBenfSbeit. (Sr laußitet bie Srb- 
funt)C| bie ©runboerborbenbeit be3 SReitfSen, ttnb 
braucht behbalb aud) feinen Srlöfer im Sinne ber 
93ibel. Sr will nichts* t>on ber fimbtbaren, ewiflen 
$}eiit ber ©ottlofen wiffeit. 9(11 bie§ bcgeiSitet 
&enn) 2Barb a(3 barbarifebe Sehren, bie niSt in 
uitfer erleuditeteS Beitalter flebörteit. 

Öafleßen ift er]o ßcfdlüß, ltoS an ber $Dreieittifl- 
feit ©otteä feftgnbalten ttttb ßiebt aufS ßitdbiflftc bie 
©ottbeit ßbrifti gu. *- 

Soweit fomittt inan, wenn mit bem SBorte ®otte§ 
ßejpielt wirb. 

8oben3wertb ift fein freiwidißer Austritt au§ ber 
Gonßreßationaliften=91ffociatiöit. Sr weih, bah er 
nidit mit ihren ©runblebrett übereinftimmt uitb 
nimmt 91bjd)ieb. ^piernit übertrifft er manche, bie 
aud) nid)t mit ber ®oftrine ihrer fiirche übereiit= 
ftimnten, aber au3 irßcnb einem ©ruitbe äußerlich 
bei berfelben oerbarren, bei weitem. Sr ift tttänm 
(ich — uitb fleht, ©ein 93etjpiel aber feilte für alle 
bie, welche nicht bei ber 93eriiciititnfl biblifdtcr £aupt= 
Wahrheiten laitben wollen, ein abfcbrcdcnbeS feilt. 
Lur weitifle bürfen in ber Spielerei mit bem SBorte 
©otteS waflen, wa3 er wafleit foitnte, unb hoch fteht 
er heute ba — lo3 oon chriftlicher äScrbinbuitß, nahe 

— beit efteibenfern. 

$otttifer nnb Bfitunßöfdjrciber haben oiel gu 
thuit, bie Lieberlaße ber republifanifdicit Partei in 
Ohio &u erfldrcn unb angußeben, wie e3 hatte ße= 
madit werben muffen, um ben Sieß hcrbeijuführeit. 
9ßdre bie SaSe nicht eine fo ernfthaftc, fo fönitte 
einem ob ben frampfbaften ©eftrebuiißeit biefer 
föerrit ba3 Aachen fontmen. 2Bcld>e Urfadteit fic 
alle aufgujdbleit wiffeit, unb wie fiS ieber bergübrer 
fo eitflelrem gu brennen jucht! S)a ift ba£ einmal 
ber Goiißreh, unb bann bie ©afenbill be3 Goiißreh, 
refp. britteuS Sßräfibcnt 91rtbur unb feilte Ldtbe, 
unb oierteuä bie ©leichflültiflfcit ber Lepublifaitcr, 
unb fünften^ etwas anbereS (Sulbiß. £>dttc man 
e3 jo uitb fo flemacht, unb bie3 ober ba$ uitterlaffeit, 
fo wäre es* ßaug aitberS ßefommeit. 9llfo fteht hin¬ 
ter biefcit ©d)uIbrefliftent ßewöbnliS ßefSriebeu. 

2Bie flefa^t, es* wäre ginn Sachen, würbe bie Sache 
nid)t fo ernit fein. 95kr nüchtern ttitb unparteiifS 
bie ©achlafle betraStet, muh fiel) faßen, bah bie 
hauptfddiliSften im Ohio=2Bablfampf befprocheiteit 
Sraflen bie ber Sempereng unb ber SoimtapabcilU 
fliiiiß waren, ©tirbctt biefe graßeit aud) nicht int= 
mer in bem Sinuc behcutbclt, toie wir ober aitbcre 
fic behanbelt wiffen möchten, fo fantt bod) nicht in 
9lbrcbc ßcftcllt werben, bah bicfelben ben 9lnßelpunft 
te$ gelbgußeä aiWmaditen, unb wie oiele aitbere 
UviaScn unb ShatjaSen auch mit in bieSBaafSale 
fomnten — bie3 waren bie hauptfdehlid) im 9ßab(- 
fautpf heroorßehobeneit fünfte unb bie republifa- 
itijche Partei ift ßefchlaßen worben. 5öehhalb? 
„9Heil fie nicht ßcnuß Stimmen erhielt," faßte uii$ 
ein iöeifer GincinnatiS; „nid)t bie Stimmen er= 


hielt, auf bie fie rechnete. Sie rechnete ht biejem 
heilißeti ^ringipieufampfe auf oiele taufenb bemo= 
fratifche Stimmen, bie offenbar auSblieoeit, fo fehr 
aud) oiele ®emofraten ber Semperengfache unb bet 
©onittaßSheilißuitß ßeneißt fein mößen. Sertnoße 
biefeS 91tieblciben^ foitnten wir bie republifanifchen 
Stimmen, bie in§ bemofratifdhe Saßer fielen, nicht 
erfebeit. $)ie föepublifaiter rechneten ferner barauf, 
bah iebe Stimme auS ihrem Saßer abßeßeben 
werbe. 3Siele aber bliebett am JSahltaß gu ^pau§, 
weil fie entmeber ben 3Kuth nicht hatten, für einen 
©ruttbfab eiitgutreteit, ober weil ihnen bie Suft, baä 
^ntereffe bagtt fehlte. 91nbere föepublifaner ftimin= 
ten au6 ©runbfafe für ißrohibitioniften." 

®ie§ bie ruhiße., nüchterne 9(uffaffuuß eiltet 
pitblifaner^, ber e3 mit bem Ghrifteuthum ernft 
nimmt, ber mehr oon ber Dhio^olitif oerfteht, al§ 
oiele Beituna^fdweiber unb in allen ffdmpfeit auf 
©eite biblifcher SBahrheit ßeftanbeit. 

Un3 bdudit, ber 2)?ann habe stecht unb ftimmeit 
wir aud) mit ihm überein, wenn er auf bie tftaße 
— waS iefet gu thuit fei — faßt: „S3 ßilt au^gm 
harren unb ber gähne ßetreu gu fein. 9Ber weih, 
ob biefe 9Jieberlaße nicht gum Sieße führt, ©ott 
fifet im fWeßimente. Sr will, bah ber ©onntaß ße= 
heilißt werbe, unb bie SWenftfcen in Lüsternheit 
unb Shrbarfeit ihm bienen. UnS hat er bagu be¬ 
rufen, feine befehle auSguricbteu. £)at bie feinb= 
lid)e s D?ad)t einen Sieß erruiißen, fo ßilt e§, oon ber 
aleiSen Plattform au§, ben Äampf aufö Leite gu 
beßiittien nnb gwar nach allen ©eiten hin, 
ttid)t bloh auf politifSem gelbe uitb fo 
l a n ß f or t g u f cbett, bie ber ©iea erruiißen ift." 

Sritt foldic mditnliS'SriftliSe ©efinttuiiß all= 
überall gu Säße, fo braucht e$ Licmaub battße gu 
fein. Sie wirb mit burd)fSlaßenbem Srfolße ße= 
frönt werben unb am Gnbe auS oiele iefet noS 
ganbernbe S)emofraten unb Lepublifaner oerait= 
laffctt, fid) oon ber (triften iCarteißruitblaae auf 
©runbfdfee gu (teilen, bie über ber Partei ftehen. 

2Beun aber ben &errn ^olitifern nunmehr ae= 
ftattet wirb, gu tentperiren, niStöfaßenbe ^(anreit 
eingufSuiuflßelu uitb ihre 55ftafter aufguheften, fo 
wirb ber Snbfieß baburd) ohne 3*oeifel fehr Pergößert 
werben; beim biefer $?ampf ift nur ein Sheil be8 
ßrohen Streitet ße^en Sünbe unb bie fiuftere 3LaSt, 
unb fauit nur mit Srfolß ßeführt werben mitteift 
Sntfchiebcnheit uitbheilißcr 9iethdtißiuiß, nid)t bloh 
auf einem, jonbent auf allen ©ebieten. 

2Ba3 bie ndchftließenbcn golßeit bwfe§ bemofra* 
tifchen Sieße^ betrifft, fo rann nidgt in 9lbrebe 
aeftellt werben, bah fehr IciSt eine bentofratifSe 
Mehrheit im i&au^ beo ltdSften Goitßreh barauf 
hcrporßeheit maß. Ob bie Ohio=2Babl am Snbe 
and) bei bem fontmenben SBahlfampf um bie $rd= 
TibenttSaft ben S>emofraten ben Sieß Perleihen 
wirb, bürfte eine etwa§ gu geitiß ßeftcllte graße fein. 
Sin bemofratifSe^ 93latt — bie Shicaßo Siineec — 
meint, bah bie republifattifSe Partei in Bahre 1884 
in ftarfer, ßefd)loffener ©SlaStorbmmß in ben 
Äampf ziehen werbe. 

$l|i(ntiflpl|ia hat fein 200*iatrifte8 Bnbclfeft 

j mit arohen geierliSfeiten beßanßen. ®abei fpielte 
ber Oudferlffiilliam ^eitn eine ßrohe LoUe, beim 
er ift ber cißentliSe©rünber$ennfploanien8. 9luS 
i einer reidjeit gamilie ftammenb, erbte er 16,000 


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(Sljronik ber (Segenitmrt. 


671 


©funb Sterling ($65,C00) alS Sdmlbforberuitg an 
bic englifche {Regierung. Diefe Sdmlb warb burd) 
ein weitet ganbgebict am ‘Delaware abgetragen, 
baS ben Hainen ©eunS erhielt unb ©eunfploanien 
genannt würbe. 

3ut 3abrc 1682 fchiffte ©enn pon Snglanb na<ft 
Mtcrifa ein unb betrat am 23. Oftober 1683 bie 
weltlichen ©eftabe bei bem iegigenStäbtchcn Shefter, 
15 {Meilen unterhalb ©hilabelphiaS, welches bamalS 
nur eine 3nbianeranuebelung war. Hier hatte 
©enn eine berühmte Unterrebung mit bem 3»bia= 
nerhäuptling Damaitenb, welche man oft in 2lbbil= 
billigen ficht/ unb wobei ©enn bie Ureinwohner beS 
ganbeS ber frieblicben 2lbficbten ber ©Jeigen oer= 
fieberte unb fich wegen Ueberlaffung oerfdnebener 
gänbereieit mit ihnen abfanb. Den nächften Dag 
warb bie gahrt nach ©hilabelpfna fortgefefet. 

Sin 3ahr Später traf ©aftor ©aftoriuS oon 
graitffurt, welcher burch ©eunS ©ater aur Quäfer= 
lehre belehrt worben, mit beutfchen Slnfieblem ein, 
welche ©erinantowu grünbeten. 

Dielet fein 200-jähriqcS ©eburtSfeft beging ©hi s 
labelphia in grogartigfter ©Seife ju Silbe Oftober. 
2(Ue Strafen prangten in berrltcbfteui Sdnnurf; 
ieber ©bilabclpbiaer haite geiertag ; 50,000 geft= 
gälte famen oon äugen her; in ben feftlich gcfd)mürf= 
ten ß'trcbenber Stabt würbe ©otteSbienft gehalten ; 
am Dorf Square, ber Stelle, wo ©eitn por 200 
fahren gelanbet, war beffen Stanbbilb unb eine 
hohe grucbtfäule errichtet, unb borthin brängte ber 
biebtefte Strom ber {Menge. 2luch Shefter war nicht 
hinter ©hilabelphia aurürfgebliebeit; ihm gehörte 
ber jweite gefttag. ßurj, man hat am Delaware 
eine gange 2Bod)e gefttag gehabt, unb wenn eS ba= 
bei mitunter bunt hergegangen ift, fo würbe auch 
hier, wie bei faft allen amerifantfdjen geften, ©ott 
ber Herr in ©cbet, ©efang, {Rebe unb ©rebigl ge= 
priefen, alS bie grobe Hilfe in allen Döthen unb alS 
genfer beS SolfSgefducieS. {Möge biefer ©runbjug 
unferen geften niemals abhanben fommen. 

SRorb’&atmUere ttnb i|re litbrter. ©eim gefen 
ber Berichte, welche barftellen, wie in unferm ganbe 
SMörber, bie ihre fcbrerfticben Dhaten mit einer 2(rt 
{Ritterüdjfeit gu perüben wiffen, perhenlicht werben, 
fönnte man glauben, Italiens Sonne Scheine über 
unS unb wir lebten inber3eit{RinalbiniS. SinbbaS 
bie nüchternen, ©erechtigfeit liebenben, praftifchen 
Slnierifaner? Diefe gvage fteigt iebesmal auf, wenn 
wieber ein äRörber perhenlicht wirb. 9Ran fennt 
baS ©olf faunt mehr, So Sehr ift eS im Dufel. 

Da hat 3 .23. einer biefer ritterlichen (? ?) {Mörber 
SRamenS ßorferill in St. gouiS einen {Mann Ma= 
menS Slapbarf mit faltem ©lut unb reiflicher 
Ueberlegung erfcboffeit, weil ber lefetere brohte, ben 
erfteren 311 erfdjiegen, wenn bieSer ben Slapbarf 
wieber in ber Beitung, an welcher er angeftellt war, 
angreife. 

Ohne unS auf biefe {Morbaffaire näher eingu= 
taffen, machen wir nur auf bie ©lorie aufmerffam, 
mit welcher nid)t blo§ baS Opfer, fonbern aud) ber 
{Mörber pon pielcn umgeben wirb. SS fönnte ber 
©laube entstehen, biefe 3 wei geuereffer feien {Mär- 
tprer für baS ©efte ber {Menfcbheit, fo fehr werben 
beibe erhoben unb gepriefen. 

ßorferill fa§ 3 war im ©efäitgitig, empfing aber 
feine ©äfte wie ein großer Helb. 3 a felbft ©eift= 


liehe Pon St. gouiS, bie Doftoren Sopb unb gofton 
fommen 311 ihm inS ©efängnig; nicht etioa um fein 
©ewiffen 311 werfen unb ihn 311 reditfehaffener ©uge 
311 führen, wie eS äditen Seelforgern gebührte. 2lch, 
nein! Sie tiöftcn ihn in biefer groben ©rüfung 
feineS gebenS, alS ob er ein Hiob ober {Hbraham 
wäre, beffen ©laube geprüft wirb. 

DaS finb {Merfntalc Sittlicher 3nftäube unb 2lit= 
fchauungeti, bie itnS wohl 311 m {Racbbenfen unb auch 
3 ur Demüthigung führen bürfeu. SBenn ber chrift= 
liehe Saum nod) folche gvüchte trägt, wenn noch 
folch gang oerfehrte 2 lnfchauungen 3 ur Öeltung 
fommen, fo fehlt, trofebem man fagt, unfer ©olf fei 
ein ber &auptfache nach chriftlicbeS, eben noch flar 
fehr piel. 

3RifflonS4offnmi0fn in Sapptru. Siele SRifftoitS; 
freunbe hegen pon bem Siege ber Sngläuber in 
Sgppten grofje ©Öffnungen. Derfelbe, fagt mau, 
geige ben Untergang beS HalbmonbS unb bie Srrid)= 
tung beS ßreii 3 eS in jenen gänbern an, — bie Sng= 
länber feien bie Sorboten ber 20 ?iffionare, berSibel, 
ber Sinführung beS ShriftenthumS, unb ©ott habe 
in feiner ©orfehung wieberum ben SBeg gebahnt, 
baS Spangelium 311 prebigen. 

grei(id) ift ©ott in ber ©efchichte, unb auch in ber 
egpptifdien, unb er wirb in biefein ganbe wieberum 
wie PormalS alles fo lenfen, ba§ eS enblid) gut wirb. 

Dag aber bie englifdie ^Regierung eS gebaute gut 
311 machen, bag pon Snglanb groge burchgehenbe 
Reformen in Sgppten 311 erwarten finb, ober bag bie 
engüfehe ^Regierung in erfter ginie barauf bebacht 
fein werbe, ben Sgpptern baS Shriftenthum 3 U 
bringen, barüber follten man fid) benn bo 4 nicht täu= 
fchcit. 

So piel englifche chriftliche 3Renfchenfreunbe auch 
für bie ©eibcnniiffion gethan, fo hat hoch bie englifche 
^Regierung in allen Heibenläitbeni, in Oftinbien, in 
Sübafrifa, in Shina, fur 3 — in ber gangen beibni= 
fchen 2 Belt, fo felbftfüdjtig, fo fleinlich'främerlich 
unb fo tprannifd) fid) benommen, bag fie bem Soan= 
geltuni fchon Hunbcrte 3Ral htnberlüh, unb nur in 
wenigen gälten förberlid) würbe. 

SBirb Sgppten eine ber wenigen 2tuSnahmen fein ? 
9ßir gtauben eS nicht. SßenigftenS war bie Ur- 
fache, bag Snglanb in bie egpptifchen ©erhältniffe 
cingriff, eine rein felbftfüditige, fo fehr bieS and) 
pon ben englifchen 3 eitungen in 2 lbrebe geftellt 
uürb. Der iefeige egpptifche ßbebioe erbte pon feU 
nein ©ater eine ungeheure Schulbenlaft, bie burd) 
3Rigperwaltung unb ©betrug ber ©eamten nod) int= 
mer gröger würbe. Sngläuber hatten baS ©elb 
porgeftrerft, Sngläuber ftrerften auch ©orfchüffc 3 ur 
©e 3 ahlung ber 3infen Por. Diefe 3infen betrugen 
nie weniger alS 12 ©ro 3 ent, oft aber 25 ©rogent. 
Sgppten war halb banferott, auS welkem ©anferott 
eS europäische ginangfüngler erretten follten. Diefer 
Singriff ber gremben gefiel 2(rabi ©afdja unb }ei= 
neu greuüben nicht, weit fie immer mehr unb mehr 
ungenirt ftehlen fonnteu unb bie {Reoolution brad) 
unter bem Derfniantel nationaler Srhebung loS. 
Sie würbe pon Snglanb uiebergeworfen, weil SRiU 
lionen englifchen ©elbeS auf beut Spiele ftanben 
nub ber Sue 3 =Sanal gefiebert werben itiugte, in weU 
ehern Snglanb PaS meifte ©elbintereffe hat. 

DieS ift beS ©ubelS Ücrn. SBcnn Snglanb für 
{Millionen Sterlinge unb ben Sue 3 =Sanal fämpft, 


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672 


(fljronik in (ßcgenmart. 


laßt ftch oom Stanbpunft bc5 ?|cb’3 nicht oiel ein- 
menben. Söeitn aber englifche3eitungen behaupten# 
e3 feien nur die edelsten 9lbfid)teu gemefen, bießng- i 
laut* nach ©gopten geführt, io ift fohhe Behauptung 
einfad) lädjcrlid). ©die i)2cnfd>en= unb ^Jiifftono= 
fveunbe aber täufeben Sich, iubem iie oon 6 n g l a n b 
eine SBegbereituug Tür da3 herrliche Soangclium er- 
marten. 

Sind) bürfte bic SRicbermerfung be3 s 3Rohamcba= 
ui3mu3 noch nicht tu ndcbfter 3.ufunft beoorftehen. 
Snglanb bat Ostindien id)on Jahrhunderte lang 
bebcrrid)t — unb SRohamed unb anbere falfcbe Bro- 
pheteu haben immer nod) bafelbft ihren Shron. 
(Snglanb beherrscht Südafrifa -- unb bie ©b&eit= 
bienet* finb bafelbft nicht ocrfchmunben. (Snglifche 
SRifl’ionSfreunbe mußten in biefen unb anberen 8än= 
been ooit ihrer eigenen ^Regierung SBefdjränfungen 
erfahren, anftatt geförbert $u merben, unb ©itglaitb 
ift e3, melcheS ba3 2ßort be3 chinefifchcu Staate 
manneSheroorgerufen: ,,Ißennber@ottber(Suglän= 
ber ihnen fagt, bem armen Gbiitejcnoolf baß Opium 
aufsubrängen, fo finb nufere Ghincjengötter besser." 

©eben mir m\ß deshalb nicht ocrirühten Hoff¬ 
nungen hin. 3)cr üRohamebani3mu3, bem and) in 
©gppten fd)on lange ba3 (Soaitgeliunt geprebigt 
mürbe, mirb fo fchitell mohl nicht fallen, ©ott aber 
fifet im Siegimente unb machet 9llle3 mohl. 

flUnSfa, bie oon ^Rußland bttreh bic 93er. Staaten 
ermorbenc Brooiitg im äußersten Storbmeften mtfcreS 
großen 8aitbe3, hat erft in iüngfter 3cit ernftlidje 
SRifsionSarbeit erfahren. 

9113 bie Slinerifaner biefe3 große ©ebiet in ihre 
Hände befamcit, hofften bie 3Riffiou3freunbc, iefet 
merbe eine neue 3cit für biefe Stamme aitbtechen. 
®ie Stuften hatten bie Bemohner ber aleutifchen 
Jnfelu in bie griechische ff irche gebracht; gemiß mür¬ 
ben bie Slmerifaner jefet bie Stämme im Binnen? 
laitbc mit ber guten Botfcßaft heimfuchen. (S3 ift 
aber anber3 gefoinmen. 

91m oberen $ufon freilich, auf britifchetn Boden, 
arbeitet bie englische ffirchc unter bem Sufußb- 
93ölflein mit grossem (Srfolg (mohl 1500 finb ge= 
tauft), am unteren 2}ufon bagegen hat sich noch fein 
amerifauifdjer griebenSbote niebergelafjen. ©3 
brauchte sehn Jahre BebenfenS unb S?ad)fragen3, 
bi3 ber erfte SRifftonär, ber BreSboterianer ®r. 
Jadfon, feine 91rbeit auf ben ffüftenftationen be¬ 
gann. Stoch oorher hatte ber 91ufruf eiite3 ßhriften, 
melcher bie Berlaffenheit teuer Stämme Schilderte, 
ein paar fromme grauen bemogen, fid) in Haupt¬ 


orte mic Sitdsa unb gort äBrangeU gu begeben unb 
gveifd)ulen gu eröffnen. 2)a3 mar im Jahr 1877. 

grau SRcgarlanb, bie 9Bittme eitte3 üRiffionärö, 
hat gnerft bie Schäden teuer Hauptorte ait’3 Sicht 
gebradst. 

Jm Sommer 1881 hat enblich ein amerifauifcher 
Kämpfer im Sienfte ber ^Regierung bie nördliche 
ffüfte ber Halbinfel 91la3fa befahren. (S3 galt na= v 
mentlicb, nadjgufchcn, ob bie ©erüchtc ooit einem 
fchmereit Hungerminter (1879—80) mahr feien. 
Oie SRannfcbaft laitbete auf ber Coveng-^nfel unb 
befitdste ba3 erfte 3)orf. ffeiite lebende ^eele mar 
mehr darin; alle (Sinmohner lagen tobt. 3nt gmei; 
ten Oorf gählte mau oierunbfüufgig tobte SRänner. 
Unb fo giug’3 meiter. ©3 geigte fiel), baß auf ber 
Storbfeite ber Jnfel Brauutmeinhänbler fid) eiitge- 
funben unb ihre äilaare oerfauft hatten, mit bem 
fdjredlidjen (Srfolge, baß dort alle SRenfchen au$? 
ftarben. 

Jnbeften ocrlautet iefet, baß bie ^Regierung ben 
Berfauf ooit ©etränfen ftreng oerbiete (jo meit näm¬ 
lich ihre menigen Beamten benfelben oerhinbern 
tonnen). Ghriftliche grauen folgen bem Stufe ber 
SRiffioitare und errichten da unb dort Sdnilcit, unb 
ba3 üöort , 00 m ffteug fängt an mehreren Orten gu 
günben an: 

Ämfj au$ Hiuterpommero. (Siner uttferer mer- 
then Sefer fchreibt: „Jit ber lefeten Stummer be3 
„Hau3 unb Herb" hat utidsber 91uffaß oon Br. ß. 
2Sciß au3 Berlin (meldsen id) fchon in 1866 a!3 
SRiffion3gögling in Srenten fettnen lernte), „9lu3 
Hinterpommern," fehr intereffirt, meil idj felbft ein 
eboreucr Hinterpommer bin. Dod) — hätte ich 
a3 SJtanufcript oor bem ®rud gclefen, ich hätte fo 
S)tand)e3 daran au herichti^ett unb ju corrigiren ge= 
habt. 93r. 9Bciß fagt auf ber erfteit Seite: „3u»ar 
flieht e3 hier feine mögenden Sßeijeitfelbcr jc." 
®a3 ift durchaus nicht richtig. 3n kleinem Hci= 
mathorte giebteS auSgejeichnete, fchonc 9Beigenfelber, 
unb ebettfo auf oielen anderen ©emarfungett an ber 
Oftfeefüfte unb anbermärtS in frommem. Oer 
3Binter ift gu 3citen rauh, bod), benfe id>, nicht 
oielfad) rauher, a!3 in SBürtemberg unb anberen 
©egenden ®eutfcblanbS. Und bie SBalbungcn 
finb and) an oielen Orten nicht gar fo feiten, al3 
man bei einer flüchtigen ®urd)rcife oom ßifenbahn- 
magen au3 e3 fid) oorftellt. Unb jo erleidet manches 
andere ©efagte eine ßorrectur. 2)ann, über bie 
©cfchichte nuferer SRiffion in Hiuterpommern märe 
auch nod) StmaigeS gu beridjten." 



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